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Full text of "Allgemeine Realencyclopädie oder Conversationslexicon für das katholische Deutschland"

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und herausgegeben 


von 


Dr. Wilhelm Binder. 





Ahter Sau 
Patriarch — Samarkand. 


en 











Regensburg, 1848, 
Verlag von Georg Joſeph Manz. 





Dieſe, im alten Teftamente urſpruͤnglich ben Familienhaͤuptern, 
ndere den 3 Stammvätern bes jüdischen Volkes: Abraham, faat u. Jalob 
u ee en ke ging von da 

die m ge über, u, zwar kam —— in der orientaiſchen Kirche 
auf, wo fie ſchon zur Zeit des Concils von Nicha bekannt war. Im ber 
abendländiichen Kirche kam fie erſt mit bem 5. Jahrhunderte auf u. ihre 
fficelle \ auf dem Concil von Ehalcedon. Das Patriarchat 

war in der hierarchi⸗ begründet, ging aber uͤl is aus dem progrejfiv 
fi) entwicelnden Lirche hervor. Der (ge P. im Decident 
war Anfangs der f von Rom, deſſen Primat (f. d. Art. Papft) auf gött⸗ 
fiher Anordnung beruft. Nach Anderen, welche das Ratriarchat von der damas 
ligen politiſchen Verfaſſung des römiſchen Reichs abzuleiten verfuchen, foll der 
Biſchof von Konftantinopel das Anfeben des Kaifers für ſich zu bemügen gewußt 
u. unter dejfen Aegide, fowie begünftigt von noch anderen Umftänden, feinen Biichofss 
fig zu einem Batriarchat erhoben haben. Auf dem erften Goncil von Konſtanti— 
nopel wurde ihm der Rang nach dem römiſchen Biſchofe gegeben u. vom Goncil 
von Ebalcedon, des Widerſpruchs der römiſchen Päpfte ungeachtet, beftätigt. Am 
13. Jahrhunderte ertheilten jedoch auch dieſe hiezu ihre Gimwilligung. Die Pas 
tiarhal-Würde der Biihöfe von Alerandrien u. Antiohien hatte ſchon dag erfle 
Concil von Nicda anerkannt. Gin Gleiches beobachtete diefe Synode rückſichtlich 
tes dem Bifhofe von Zerufalem zufommenben Ehrenvorzuges; fo fam auch biefer 
in Die Reihe der P.n, u. von dem Concil von Chalcedon wurde ihm Paläftina 
als fein lirchliches Gebiet zugewielen. — Das Batriarhat von Alerandrien eriftirt 
ſchon lange nicht mehr, und feine Stelle nimmt nun der P. der Kopten zu Kairo 
ein. Gleiches Schidfal Hatte das Patriarchat von Antiodhien, welches gegenwärtig 
mit dem fonftantinopolitanifhen vereinigt if, und jenes von Jerufalem; von allen 
breien beftehen nur noch die bloßen Titel. — Im Oriente haben die verſchiedenen 
Secten der Neftorianer, Jafobiten, Armenier u. a. gleichfalls kleinere Patriarchate. 
Die meiften berfelben ftehen jedoch unter dem P.n von Konftantinopel, welcher 
von einer aus acht Bischöfen beftehenden Eyncbe, die auch deſſen Rath bilden, 
gewählt wird; die Wahl felbft aber unterliegt noch, nach den bisherigen Verhälts 
niſſen, ber Betätigung der M forte. Rußland trennte ſich ſchon 1589 von dem 
Patriarchate von Konftantincpel und für die ruffiihe Kirche ward ein eigenes 
zu Moskau errichtet, welches Peter der Große in einen Synodus sacra dirigens 
mit auegebreiteten Rechten ummandelte. — In ber abenbländifchen Kirche haben tie 

‚Realencpclopäbie. VII. 4 





2 Patricier. 


P.e foͤrmlich aufgehört; die Erzbiſchoͤfe von vpaeig und Liſſabon ſind bloße 
Titulars-B.n u. ihre ſaͤmmtlichen Rechte, des kirchlichen Verbandes u. der Kirchen⸗ 
Einheit wegen, an dad Oberhaupt der Kirche übergegangen. — Das ältefte Pas 
triarchat im Occident war jenes von Aquileja, woraus ſchon 579 durch die Uebers 
fegung des Metropoliten Elias von Aquileja nad Grado das Patriarhat von 
Grado bei Gelegenheit bed Etreited über bie drei Kapitel hervorging, fo daß das 
felbft zwei P.e beftanden, ein fehismatiicher zu Aquileja und ein fatholifcher zu 
Grado. Diefe Epaltung dauerte bis in das 11. Jahrhundert, wo ber Bifchof 
von Aquileja, unter Beibehaltung des bloßen PBatriarchals Titels, zur Eatholifchen : 
Kirche zurückkehrte. Im 15. Jahrhunderte fupprimirte Nifolaus V. das Titulars 
Vatriarchat und das Bisthum von Grado und verlegte den Eip für beide nach 
Venedig. 1751 wurde auch noch von Benedift XIV. das PBatriarchat von Aquilefa - 
förmlich aufgehoben, und ftatt befien die beiden Bisthümer Ubine und Goͤrtz ers 
richtet. — Die Rechte der Patriarchen waren: 1) die Metropoliten ihrer Provinzen 
u ordiniren und zu beftätigen; 2) Synoden zufammen zu berufen und dabei den 

orftg zu führen; 3) in den ihnen untergebenen Provinzen Bifare zu ernennen; 
4) Appellationen von dem Urtheile des WMetropoliten und der irovinzial Eoncilien 
anzunehmen ; 5) die ®erichtöbarkeit über die Metropoliten auszuüben, auf gegrüns 
bete Anzeigen ihre DBerwaltung zu unterfuchen und gegen bdiefelben geiftliche 
Genfuren zu verhängen; 6) Eündenvorbehalte zu machen; 7) neue Bisthümer zu 
errichten; 8) alle in Religions⸗ und Kirchenfachen ergangenen Berorbnungen ben . 
Metropoliten und durch biefe ben Suffragan-Bifchöfen befannt zu maden; 9) bie . 
oberfte Aufliht über Blauben, Sitten und Disciplin in ihren Patriarchaten zu . 
führen und 10) das Recht bed Ehrenvorranges vor allen Metropoliten und Bis 
ſchoͤfen ihrer ‘Brovinzgen. — In ben neueften Zeiten erregte die, auf der im Jahre . 
1811 zu Paris gehaltenen Synode aufgeworfene Frage: „ob in Frankreich ober 
Deutichland ein eigenes PBatriarchat, und zwar felbft ofne Einwilligung des Kits 
cbenoberbauptes errichtet werden koͤnne ?“ großes Aufiehen. Rapoleon, eingenommen . 
für die Erridtung eines Patriarchats zu Paris, bot Alles zur Begründung beffels 
ben auf. ber fein Plan ward nicht realifirt. Ebenſo kam das Projekt, ein 
Patriarchat für die Fatholifche Kirche in Deutfchland zu errichten (1817), nicht 
in Ausführung. 

Patricier (Patricii), hießen im alten Rom die Nachkommen der von Ros 
mulus gewählten Senatoren oder Väter (patres), wozu berfelbe brei aus jeber 
Tribus u. noch drei aus jeder Gurie nahm, überhaupt alfo 99, bemen er noch 
einen vorzüglich erfahrenen u. angefehenen Mann beigefellte, fo daß der Semat .” 
urfprünglicy aus 100 Witgliedeen beftand. In ber Folge nahm man auch bie 
Sabiner mit dazu u. die Zahl warb verdoppelt. Tarquinius Priscus vermehrte x 
diefe Zahl noch mit dem dritten Hunbert, welche, zum Unterfchiebe von ben älteren \ 

* 
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dd m BE Tu. M Bar Een 


Trac 


p 
14 


—e————— 


Senatoren, patres minorum gentium, fo wie ihre Nachkommen patricii minorum 
entium genannt wurden. Auf meranfaltung be Sulla famen dazu noch einmal - 
4 viel aus der Nitterfhaft u. nun waren Senutoren: gegen ba Ende der 
Republik beftand ihre Anzahl fogar aus mehr als 1000 Mitgliedern, bie Auguftus 
wieder auf 600 berabießte, Unter feinen Nachfolgern war die Zahl unbeftimmt. * 
Die Wahl diefer Senatoren, die, wenn fie im Senate verfammelt waren, patres? 
conscripti hießen, geſchah zuerſt von den Königen, hernach von den Confuln, in? 
der Kolge von den Cenſoren u. einmal außerordentlich von dem Dictator. Unter N 
den Kaiſern wurden einigemal Triumvirn zu biefer Wahl angefegt. Man fah ; 
dabei auf Abkunft, Stand, Vermögen u. Alter, welches Iegtere nicht unter 25 & 
Jahren feyn durfte. — Unter Konftantin dem Großen hieß fo eine Elaffe von : 
kaiſerlichen Räthen, welche den Rang unmittelbar nach dem Kaiſer hatten; aud) '. 
wurde diefer Titel von ben Kaifern an frembe Fürften als Ehrentitel ertheilt. Eine ı 
neue Bedeutung erhielt das Wort Patricius ſeit dem Jahre 754, wo Papſt 
Stephan unter diefem Titel Pipin den Kleinen zum Statthalter von Rom u. zum y 
Schirmvogt ber Kirche u, ihres Oberhauptes ernannte. Dielen Titel behielten auch) ı, 


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Patricius. 


3 
u. fpätere Kalſet bei. — In den ehemaligen beutfhen Reiches 
wie in ber. Sawen endlich, bi der.R . bie 
——— in — er me adeligen 


a ih zogen und fie zum —— auf unfere 


PBatricius (Patric), ber ——* von Irland, wurde zu Ende bes 
su. Banaven dem heutigen Kill» Batrid, wiſchen 
Dumbarton u. Glasgow am Elyde geboren. ‚Sein Vater Galphurnius hatte bie 
eines römifchen Buͤrgers u. feine Mutter Conceffa war die Nichte des 
Martin von Tours. Zwar wurde feine Jugend nicht durch after 
mäbt, aber er verlebte ſie auch nicht in wahrer Inbrunft u. ließ fich einen Fe 
ps Schulden fommen, über ben er unteöftliih war u. den er fein — 


ie hat, Beil 
amserfehen, mußte er in der Schule der Widerwärtigfeiten, HM werden, und 


es 
als Sciave zu einem Volke gebracht ward, das er ſpaͤter dem ewonnen 
— ans dein Joche ber Sünde u. bes Zobrs erlöfen follte, ande mußte 
je ven nicht. werben, als er gezwungen war, bie 
meebeb Bergen Irlands gu hüten u. mit Hunger 
—— aller Art. zu laͤmpfen. Weiche Verdienſte ſammelte er aber 
ein! er ertrug Alles, wie es einem: wahren Ehriften geziemt. Nachdem: 
lagen habe: ae Fran ebun Er 
en 3. jen ung, entfloh u. 
Berufe, we Sa de 


das fer, wo. eben ein Anfer lichtete. Aber 
= An Chanbe Air die 6 au bezahlen u, ward. hart zı 
Schon wollte er ie 


1 Nach di 
wo das Schiffsvolf gar 
Nichts vorfand u. an Allem Mangel litt. P., voll Vertrauen in den Ailmäch 
tigen, veranlafite bie Bootsleute, den Gott der Ehriften anzurufen u. fie beteten, 
angetrieben von der Nothwendigkeit u. überzeugt durch die Stimme des Heiligen. 
Ter Herr erhörte das Erftgebet der Heiden; fie trafen auf eine Heerde, die fie fo 
lange ernährte, bis fie in bewohnte Gegenden kamen. P. genoß nun die Wonne, 
iin Vaterland wieder zu fehen, wurde aber nach zwei Jahren nochmals, aber 
mr für zwei Monate, Sclave. — In feinem Vaterhauſe folgte er den Einge— 
tungen ber Gnade u. befleißigte ſich der Tugenden, welche Heilige bilden, im 
Gebete bie hohen Pflichten ahnend, die ihm der Himmel auferlegen würde. As 
zum Vriefter geweibt worden war, brannte feine Seele vor Verlangen, dem 
Velke von Irland das Wort des Glaubens zu verfünden u. weder die Abmahnungen 
jeinet Familie, noch die zu erwartenden Gefahren unter einem barbarifhen Volfe 
fonnten feinen Eifer mähigen. P. hörte nur auf die Stimme Gottes, ftürzte ſich 
mit der Glut in die apoftoliihe Laufbahn, die über alle Hindernijfe fieat, u. eilte 
nach empfangener biihöfliben Weihe nah Irland, das er in allen Richtungen 
durchzog u. felbſt die verftedteften Gegenden befuchte. Seine begeifterten u. durch 
fin ſchoͤnes Beiipiel_bethätigten Predigten riefen Taufende von Gögendienern 
unter das glorreiche Panier des Kreuzes u. er wagte, befeelt vom Verlangen, 
tie ganze Inſel Ebriſto zu gewinnen, das Kreuz in Tarah, mitten in der Ver— 
fammlung der Könige u. Großen, aufzurichten. Mehre Kürften beugten ſich unter 
das liebliche Joch u. P. hatte die Freude, im heiligen Benin den Nadahmer 
feiner Tugenden u. Nacfelger im Apoftelamte, unter ihnen einen Nachfolger im 
Bisihum Armagb zu finden. Die Könige von Munfter, Dublin, u. die ficben 
Eihne des Königs ven Connaught ließen fi taufen u. er fonnte die Seelſorge 
fo vieler Bekebrten nicht mehr allein beftreiten, fepte Daher fromme Priefter ein, 
die er des im ihm glühenden Feuers theilkaftig zu machen verftund, u. begründete 
tie Kirche Irlands, am ber bie Pegerei immer vergebens rütteln wird, Ex 
1%* 


— 


Patrimonialgerichtsbarkeit. 


ruͤndete Freiſtaͤtten für die Unſchuld u. die Neue, die Klöfter füllten ſich mit 

eillgen, die Schulen mit Gelehrten, deren Ruf weithin erfholl, Nichte entging 
feiner väterlichen Sorgfalt; er war Bater der Waiſen, Tröfter der Betrübten, 
Stüge der Armen u, Schöpfer zahlreicher Wunder durch Gottes Gnade. — Während 
nun ber Heilige ſich umgeben fah von einer ihn fegnenden Heerde, bie ihm bie 
genugtäuende Wonne bereitete, feinen Worten willig das Ohr zu leihen, gedachte 
ein ebenfalls Chriſt geworbener Fuͤrſt ihn zu verderben. Eorotic, König der Gaͤlen, 
fah mit Erbeben die Fortjchritte einer Religion, die er nicht mehr adhtete, u. feine 
Beigheit gebar den Haß. Er nannte P. einen ſchaͤndlichen Tyrannen u. eilte an 
ber Spige feiner Krieger zur Vertilgung ber Chriften herbei, töbtete viele Neubes 
fehrte, Die noch das weiße Gewand trugen, u. führte die anderen, die nicht ber 
Märtyrerfrone theilhaftig wurden, als Sclaven hinweg. Das Herz eines Vaters, 
dem man feine Kinder raubt, kann nicht betrübter ſeyn, ald PB. vom Verluſte 
feiner Schaafe ergriffen war. Er fuchte den Apoftaten zu befänftigen, forberte 
ſchriftlich die Gefangenen zurüd, empfing aber nur Spott u. Hohn als Antwort, 
Da fah fi) der Heilige, zur Abwendung ber üblen Kolgen eines fo böfen Beifpiels 
für die Neubekehrten, genöthigt, gegen Die Abtrünnigen alle die Strenge walten 
zu lafien, welche die Kirche der Machtvollfommenheit eines Bifchofes übertrug 5 
er erklärte ihn u. feine Mitfchuldigen von ber Gemeinſchaft der Gläubigen für 
ausgefchloffen, verbot mit ihnen zu effen u. Almofen von ihnen zu empfangen, bis 
fie Buße gethan und den Jüngern Ehrifi die Freiheit wieder gegeben haben 
würden. “Der an Borotic bieferhalb gefchriebene Brief it bis auf unfere Zeiten 
efommen. — Die Beichte des heil. 49 aus der wir ſeine Geſchichte, als aus der 
cherſten Duelle, ſchoͤpften, iſt ein herrliches Denkmal feiner aͤußerften Demuth u. 
zarten Yrömmigfeit u. ein Eöftliches Werk durch Alter, Geift u. feinen Werth er» 
ee Feuer, P. farb 464 u. ward zu Down in Nltonien in einer Kirche, bie 
einen Namen erhielt, beerdigt. Im Jahre 1185 wurden die heil. Reliquien 
wieder aufgefunden. Irland bewahrte den von feinem erften Apoftel vor vierzehn 
Sahrhunderten ihm gegebenen Ehriftenglauben, fo oft auch die Kegerei mit aller 
Macht gegen benfeben anfämpft, u. ſchmachvolle Drangfale über das unglüdliche 
Land verhängte Noch heute kaͤmpft Irland mit Mannesfraft gegen bie beifpiellos 
unterdrüdenden Irrgläubigen u. man ift verfucht zu glauben, daß ber heilige P. 
aus den Höhen der Himmel noch mit ſchuͤtzender Hand über fein treues Irland 
wadht und den Muth feiner Kämpfer aufrecht erhält. Die Kirche begeht fein 
Andenfen am 17. März. 

Datrimonialgerihtöbarkeit, oder Erbgerichtsbarfeit, ift diejenige Ges 
richtsbarfeit, welche bie Beſitzer adeliger u. auch anderer Güter, Ha Staatöges 
walt, über ihre Untertbanen ausüben u. bie mit bdenfelben bergeftalt verbunden 
ift, daß fie auch auf ihre Erben u. Nachfolger übergeht. Sie hat ihren Namen 
Daher, weil fie als ein zum Erbvermögen oder Erbgute, patrimonium, gehöriges 
Recht betrachtet wird, u. iſt von ber perfönlichen oder abminiftratorifchen darin 
unterſchieden, daß diefe von Amtswegen und im Namen bes Regenten, jene bins 
gegen aus eigener, auf dem Eigenthum haftender, Befugniß auegeübt wird, So 
wenig auch dieſe Gerichtsbarkeit in vollem Einklange mit den höheren Anforderungen 
unferer Zeit an immer gifee Staatbeindeit, und vor allen Dingen an eine völlig 
gleihe Ausübung der Gerichtsbarkeit u. Gerechtigfeitöpflege in dem ganzen Ums 
fange des Staatsgebietes feyn mag, fo unbeftreitbar iſt biefelbe in ber geichichts 
lichen Entwidelung deutſcher Landeshoheit u. Gerichtsverfaffung begründet, fo daß 
wir davon bei allen Völkern beutfchen Urfprunges Zeugniß finden. Man hat bie 
PB. eine Ufurpation landesherrlicher Rechte über bloße Butsverhältniffe genannt, 
u. wer möchte läugnen, daß in vielen einzelnen Faͤllen fie e8 wirklich geweſen 
ſeyn mag, fo gut, wie die nur glüdlichere Landeshohelt ſelbſt? Dennoch finden 
fih auch ſchon in früherer Zeit viele Faͤlle ausdrüdlicher Conceſſion, als Folge 
befonderer Privilegien ber Landesherrn, buch Belehnung, Kauf u. f. w. Auch 
wirb die Entftehung diefer, wenn auch nur theilweifen, Landesherrlichkeit u, unters 


Patrimonlum Petri — Patriotismus. 5 


erbneten erblichen Gerichtsbarkeit bei fonft mur Gutsherrn, Gemeinheiten und 
täbten um fo begreiflicher in einer Zeit unruhiger Berwegungen, wo, bei bem 
tangel fefter Staatseinheit in Haupt u. Gliedern u. ber großen Menge bald 
ie bald weniger mächtiger Landesherrn, das Gerichtswefen überhaupt noch fo 
mig geregelt u. ausgebildet war, daß Selkfihülfe noch erlaubt u. jeder, wenn 
x noch rohere u. unvollkommenere, Mebergang zur Bildung befierer Rechtspflege 
e die damalige Zeit zur Wohlthat werden konnte. So fam es, daß, ungeachtet 
z ſtets fortichreitenden ftrengeren u. beftimmteren Ausbildung ber beutfchen 
udeshoheit, fich doch vielfältig in faft allen deutſchen Landen lanbfäßige Unters 
rigfeiten befanden, fowohl anjehnliche Grundeigenthümer u. &emeinheiten, als 
x weniger begüterte abelige u. nicht abelige Gerichtsherren, welche fortwährend 
ı Beide ber Ausübung u. Benüsung mannigfacher nieberer u. verleihbarer Res 
Kien u. darunter, nach den deutſchen Begriffen damaliger Zeit, namentlich auch 
re bürgerlichen u. oft felbft der peinlichen Gerichtsbarkeit waren, die man als 
un Ausflug ober Anhang diefer partitulären, untergeorbneten obrigfeitlichen oder 
eglerungsgewalt betrachtete. Diefer Ueberreſt der früheren hausherrlichen Res 
mmgsart wurde fodann auch von ber beutfchen Bundesacte den Standes; 
ren (f. d.) noch befonders garantirt. Ob mun aber die PB. in die Begriffe 
Staatsformen unjerer Zeit noch paßte, ift eine andere Frage. Bielmehr führt 
—— — des Staates in einer ſeiner wichtigſten Obliegenheiten mannig⸗ 
he Nachtheile mit ſich, indem fie z. B. bie Einheit ber Juſtizverwaltung hindert 
Mißbraͤuche, namentlich Parteilichkeit, möglich macht. Auch gewährt fie ben Bes 
ern, außer ber darin licgenden.Ehre, keinen weientlichen Bortheil. Indeſſen muß 
eB. überall, wo fie dermalen befteht, nach ben allgemeinen Geſetzen bes Staats, 
xch einen perfönlich befähigten Beamten u. unter Oberaufficht des Staates ver- 
sltet werben. Die PBatrimonialgerichte ftehen baher auf ganz gleicher Stufe 
k den anderen Gerichten des Staats, ihre Beamten haben diefelben Rechte und 
Riten, u. bie ordentlichen Obergerichte find auch ihre Obergerichte. — Der 
neſte Umfchwung ber Dinge in Deutichland Hat bie PB. in vielen Staaten 
eils bereits aufgehoben, theils ihre Aufhebung in die nächfte Ausficht —78 

Patrimonlum Petri (Erbgut des hL Petrus), heißt das Beſitzthum 
e römifchen Kirche, indem man ben Begriff von Erbgut, (patrimonium, 
ie bie römifchen Kaiſer ihr Bermögen nannten) auf die Kirchen übertrug, 
elche beftimmten Heiligen geweiht, unb fomit als deren Eigenthum ange: 
ka wurben. 

Patriotisnus, Baterlandsliebe, Heimathsliebe, ift nicht einzig u. 
kein Die Anhänglichkeit an die Scholle, auf ber wir geboren, u. an ben fleinen 
mfreis, in dem wir uns feit unferer Kindheit bewegt; eben fo wenig eine blinde 
beöttiiche — — deſſen, was aus der Heimath ſtammt, gepaart mit 
ner unbeſchraͤnkten Verachtung alles Fremdlaͤndiſchen, ſondern bie wahre, innige 
aufopfernde Theilnahme am Gemeinweſen feines Vaterlandes, wahre Erkenntniß 
x Borzüge, wie ber Mängel deſſelben, fo wie das beharrliche Beſtreben, mit edler 
eibkaufopferung die erfteren vermehren u. lebtere vermindern oder gänzlich ver- 
heinten machen zu Helfen. ine ber beiten Schilderungen bes wahren P. gibt 
r geiftreiche Schrififteller Eduard Alles, indem er fagt: „Sein Vaterland lieben, 
ist: in ibm alle die verſchiedenen Zwecke lieben, für die wir gefchaffen find. Das 
mb, welche® allen unferen Beftimmungen am meiften huldigte, würde aber das⸗ 
ige ſevn, wo fich bie Baterlandsliebe auf bie höchfte Stufe bes Eiferd u. ber 
igfeit erhoͤbe. Die aͤchte Baterlanbsliebe kann durch Fein Geſetz geboten 
erden: fie iſt ein Pflichtgefühl, das jeber Bürger gefchrieben trägt, u. das iſt 
ve etelte Quelle. Sie ift alddann, wie die Religion, Sache des Gewiſſens.“ 
a Staaten, wo der Wille bes Fürften als alleiniged Geſetz gilt, gibt es feinen 
lechts aſtand, u. wo biefer fehlt, feine freie Sittlichfeit, fomit auch feinen P. im 
en n. wahren Sinne bes Wortes, benn der Unfreie hat Fein Vaterland. Und 
au wie gleichwohl bei ben toheften Völkern, bann bei folchen, bie in brüdenber 


6 Vatriſit N 


Sclaverei leben, gerabe bie höchfte Anhanglichte an das Land, wo ſie das Licht 
ber Welt erblidkten, ſelbſt wenn dieſes Land von Her Natur höchft fiiefmütterlich 
behanbelt ift; wenm wir bei jedem einzelnen Menſchen diefe Anhänglichfeit an 
feinen Geburtsort, an feine Jugendfreunde u. Zeitgenofien u. an bie vaterlän, 
diſche Leb nsweiſe wahrnehmen, iſt dieß blos eine pathologiſche Liebe, die man 
felbft bei dem vernunftloſen Thiere findet, die durchaus feinen moraliſchen Werth 
hat u. Die bewegen auch keineswegs mit dem, was wir oben als P. bezeichnet 
haben, verwechſelt werben barf. Eben darum aber, weil der Achte höhere PB. aus 
dem Eifer für das gemeine Weſen, für bie flaatöwirthfchaftlichen Einrichtungen, 
ntereffen u. Angelegenheiten entipringt, Tann er ſich eben fo wohl auf bas 
Vaterland der Kg als das ber Geburt beziehen. Bei dem Adtm Pas 
trieten toll es fich vorzüglich von der eben bezeichneten thätigen Liebe handeln, 
bie wirffam überall für das Wohl bes Baterlandes u., wo es Roth thut, Ach 
aufopfernd, Kräfte, Güter u. Leben für daa Gemeinwohl bingibt. In diefem 
edleren Sinne ift die innigfte Gemeinſchaft mit dem Lande u. Volfe, mo man das 
Bürgerredt hat — eine Semeinfchaft, bie fih in der treueften Anhaͤnglichkeit an 
dieſes Land u. Volk, in der velligen Hingebung ausdrüdt, womit man Die Ans 
gelegenteit des Ganzen zur eigenen Angelegenheit madt u. feine Rerföntid keit 
allezeit dem Allgemeinen unterorbnet. Unterfucht man dieſe Hohe bürgerliche Tus 
gend genauer, dann wird man finden, daß fie nicht nur mit den zarteſten menſch⸗ 
lihen Gefühlen, mit dem Drange der Eelbfterhaltung an unfer u. der Bäter 
Daſeyn geknüpft, endlich mit allen gefchichtlichen u. noch beftehenden Lebensvers 
hältniffen zuiammengehängt, fondırn daß fie vielmehr, u. vornämlidy, auf dem Bes 
wußtjeyn edler Pflicht beruht, d. h. auf der Erkenntniß, daß der Einzelne Nichte 
if, als ein Glied in der Kette des Ganzen, in weldyer Jeber nach feiner Stellung 
halten u. tragen muß, 

Patriſtik nennt man bie Kenntniß der Art und Weife, wie bie einzelnen. 
Kirchenväter (. d.) die Glaubens» und Sittenlehren bargeftellt Haben. Sie 
greift fo einestheilg in die Dogmatik, anderntheils in die Dogmengefchichte ein, 
in weldyen beiden Wiffenfchaften fie aber nicht als ein Ganzes, fondern nur uns 
tergeordnet ericheint. Die Batrologie dagegen iſt Die Kannmiß der Werke ber 
Kirchenväter und ihrer Stellung in ber kirchlichen Literatur, Seit der Reformas 
tion wurden dieſe Wiffenfchaften befonders gepflegt, weil man fatholifcherjeite ben 
Proteftanten gegenüber durch die Zeugniffe der Kirchenichrififteller aller Jahrhuns 
derte beweifen mußte, daß man von dem urfprünglicyen chriftlichden Glauben nicht 
abgewichen,, fondern vielmehr in ber volleften Mebereinfiimmung mit demſelben ge 
blichen fei. Ruͤckſichtlich diefer Nachweijungen wurden bie Forſchungen über Zeit, 
Lebensverhältniffe und Anfichten ber kirchlichen Schriftfteller, die Acchtheit ihrer 
Werke, ihrer Darftellung u. ſ. w. angeregt u. zulegt eine allgemeine Entwidelung 
des chriftlichen Glaubens, wie ihn bie Kicchenväter in ihren Werfen niedergelegt 
haben, gegeben. In der PB. ausgezeichnet ift das Werk von dem Jefuiten Petau 
(Petavius): Dogmata theologiva, 3 Voll., Paris 1644 u, öfter; ebenfo handelt 
von ber P. der Prior bee Bınedictiners Abtei zu St. Georgen bei Billingen im 
Schwarzwalde, Gotfried Lumper, in: Historia crıtica de. vita, scriptis atque 
doctrina ss. Patrum etc., Augsb. 1783 — 1799. hh, 

Patrize, ſ. Schriftgießerel. 

Patroklos, Sohn des Menötios, der befannte Liebling bes Achilleus. Da 
er aus Unvorfichtigfeit beim Würfelfpiele einen Knaben tödtete, brachte fein Bater 
ihn zu König Peleus, woſelbſt er mit Achilleus erzogen und bald befien treuer 
Freund wurde. As Achill nach Troja zog, begleitete er ihn u. entfernte ſich 
aud mit feinem belcidigten Freunde von aller Teilnahme an ben Unternehmuns 

en ber Griechen, ba biefer durch Agamemnon erzürmt war. Nach manchem 
iege der Trojaner erlaubte ihm endlich Achilleus, in feiner eigenen Rüftung 
Antheil an dem Gefechte zu nehmen; ba fiel er von der Hand bes Heftor, ber 
ihm bes Achilles prangende Wehr entzog. Meber feinen Leichnam entkand ein 


Mi m 





u. or ma UUB Rn Wa vy ve 


Patronat. 7 


bintiges Gefecht; die Griechen retteten jedoch denſelben. Troſtlos war Achill 
über ben Verluſt u. racheſchnaubend ſtuͤrzte er nun wieder in den Kampf, nach⸗ 
dem Thetis den neue Waffen gebracht; er erlegte Heftor u. fchleifte ihn zwölf 

e lange täglich um des Lieblings Grab, bis Priamos ihn mit unendlichen 

en ausliste. Des P.s Eharakter wird als fanft u. liebevoll, doch zus 
gleich als fehr tapfer geſchildert. 

Patronat nennt man im Lirchenrechte das Verhaͤltniß, in welchem eine 
Berion zu einem kirchlichen Amte in ber Art ſteht, daß fle auf die Befepung 
deſſelben, nebft anderen Ehrenvorzügen, Einfluß hat. Im Driente findet man fchon 
frähe die Gewohnheit, daß den Stiftern u. Woblthätern von Kirchen die Befugs 
niß zuertheilt wurbe, die Geiſtlichen an denſelben zu ernennen, um zu folchen 
Etittungen zu ermuntern, Dankbarkeit zu bezeugen u. auch in dem Gefühle, daß 
Einer, der ſchon fo fehr für eine Kirche geforgt bat, nun auch für eine gute Bes 

derſelben bedacht feyn werde. Im Abendlande hielt man firenger feſt an 
bem Rechte des Biſchofs, an feiner Statt die untergeorbneten Geiftlichen zu ers 
uennen. Allein, ba nad) u. nad Privatfapellcn der Großen, woran fie ihre eiger 
nen Beiftlihen hatten, zu Pfarrkirchen verwandelt wurden, fo behielten dieſe auch 
die Befugniß, die Kleriter an diefelben zu ernennen. Daſſelbe trat ein bei vielen 
Kirdden, weldye von ben Königen an Adelige verliehen wurben. Seit dem neunten 
Jahrhunderte aber hatten fich viele Laien über Kirchen, woran ihnen nur einiges 
Recht zuftand, ſolche Gewalt Hinfichtlich der Befegung angemaßt, daß bie recht⸗ 
liche Ordnung faft geradefo umzuftürgen im Begriffe fand, wie bei ber Ernennung 
Biihöfen u. Aebten. Daher wurben jest die Verbältniffe geregelt u. bie 
Beiesung dem Bifchofe, als bem ordentlichen Bergeber (Collator) aller geiftlichen 
Eielien, zugefchrieben, au@genommen ba, wo eine andere Berfon diefes Recht Her 
hen kanoniſchen Geſetze ſich zuſprechen kann. Das P. entfleht daher jebt bur 
Erbauung (Fundation) u. Ausſtattung einer Kirche (Dotation), oder durch 
Gründung einer geiftlichen Stelle an derfelben, ebenfo auch durch Verjährung u. 
snrordenflihen Belt. Das P. fteht entweder einer Perſon u. deren gefeglichen 
eher Teftamentserben zu, oder haftet auf einem Gute als ein dingliches Zubehör, 
fe, daß der Inhaber bdefielben es ausübt, woburd viele P.e auch in die Hände 
von Proteftanten gefommen find, was doch gegen bie Abficht des Inftituts if, 
weiches offenbar eine größere Sorgfalt für Beſetzung bes Kirchenamtes will, 
Zezt nehmen die Landesfürſten bas P. über alle, den nun aufgehobenen Klöftern 
a. Stiftern incorporirte, Pfarreien u. geiſtlichen Stellen in Anſpruch, ja fogar 
über Biefenigen, welche die früheren Bifchöfe, in diefer ihrer Eigenfchaft, nicht aber 
in der als Landesherrn, in welde nur allein bie jegigen Kürften ihnen nachges 
folgt find, befeht Haben. Allein bei den incorporirten Pfarreien vertraten Stifter 
u. Klöfter die Stelle des wirklichen Pfarrers ; fie waren die pastores loci u. bei 
ihten Wegfallen fiel auch die Belegung der Stelle, wie beim Tode eines einzels 
an Pfarrers, dem Biſchofe, als dem ordentlichen Kirchenregenten, zu. ber 
ad das B., welches vielen Klöftern über Benefizien zuſtand, fiel bei ihrer Auf⸗ 
nicht an bie Landesherrn u. Mebiatifirten, indem dieſe in ihre Bermös 
—— nicht aber in ihre kirchlichen Rechte nachgefolgt ſind. Von dieſer, den 
ierungen in jener Zeit der Auflöſung ber Bisthümer, Kföfter u. Stifter in 
Deutſchland u. ber gänzlichen Zerrüttung aller Berhältniffe — freilich mit Bei⸗ 
tath unkirchlicher Geiſtlicher — zugefommenen, Betheiligung bei Belegung ber 
geikl. Stellen war es nur noch ein Schritt, wozu man durch Die gewohnte Herr» 
"air über bie proteftantiichen Gonfeifionen leicht hinkam, von einem allgemeinen 
gandeepatronat, d. 6. von dem Rechte zu fprechen, baß ber Regierung, als folder, 
Nie Belegung ber Benefisien oder die Ernennung darauf orbnungsmäßig zuftehe, 
wehucch freilich die Freiheit u. Selbftftändigfeit der Kirche vernichtet u. die Ges 
walt des Bifchofes vereitelt, der Staat zum Herrn gemadt wird. Weil das P. 
ar Rüdficht auf das Wohl der Kirche gegeben u. Jemand gemiffermaßen zur 
hee der Thellnahme an ber Regierung dertelben berufen wurde, fo burfte es 


10 Ban — Paul. 


feiner Werf® find mittelmäßig u. rechtfertigen den großen Ruf nicht, in welchem 
er bei feinen Lebzeiten ſtand. 

Pau, Hauptftabt des franzöflichen Departements ber Nieberpyrenden, am 
Save be Bau u. am Saume eines Plateau, weldyes das fchöne Thal des Fluſſes 
beherrfcht, über ben eine herrliche Brüde führt, hat 14,000 Einwohner, eine Afas 
bemie, Fönigliches College, Normalſchule, Zeichnungsſchule, einen koͤniglichen Ge⸗ 


richtähof, Civil: u. Handelstribunal, Kandgeftüte ac. — In dem hiefigen Schloße - 
mit hübfchem Parke wurbe Heimich IV. geboren, deſſen Etanbbildb fi auf dem | 


Königsplage befindet. Leinwand s Tifchzeugs u. Sacktuchweberei, Hutfabrifation, 


Handel mit dem hier wachſenden trefflihen Weine, mit Schreibfedern und geräus . 


cherten Fleiſchwaaren bilden die Hauptnahrungszmeige ber Einwohner. 


Haute (Tympanum), war im Alterthume ein mit einer Thierhaut überfpann- | 


tee Reif oder ausgehöhltes Erüd Holz, das als Mufifinftrument fchon den Heb⸗ 
räern, Griechen, Römern und anderen Rationen befannt war und Achnlidykeit mit 
dem Tambeurin gehabt zu haben ſcheint. — Jetzt heißt P. die urfprünglich kriege⸗ 
riſche Keſſel-P., deren man fi audy zu Kirchenmuſiken und im Orcheiter bedient, 


Eie bifteht aus einem Fupfernen, filbernen oder meflingenen Kefiel, über melden 
auf einem eifernen Reife eine gegerbte Haut gefpannt ift, die vermöge hölzerner, . 


gewöhnlich mit Flanell oder Leder bezogener Knöppel (PB. Echlägel) angeſchlagen 
wird. Man bedient fich der P.n paarweife, und zwar von vertiblebener Größe, 
Die eine Eleinere wird in den Ton gıftimmt, aus welchem das Etüd geht, bie 
andere größere erhält die Etimmung der Dominante in der jebesmaligen Tonart, 
jeboh um eine Oktave tiefer, mitbin die Duinte abwärts vom Grundton. Die 
Behandlung der P. erfordert eine biegſame Fauſt und, ber vielen Schlagmanieren 


wegen, große Hebung. 1835 erfand Brob in Paris chromatiſche P.n, deren Fell 
von beiden Seiten mit der freien Luft in Verbindung fleht und durch Pebale in 


Beziehung auf bie Oberfläche vorragt oder erweitert werden fann, auf welde 
Meife denn auch die verfchiedenen Töne zu erzeugen find. In Wien war jedoch 
fhon früher eine ähnliche Vorrichtung befannt und gebräudlid, 1838 Hat ber 
Staliener Caterini Caterino zu Neapel eilf debae an den B.n angebracht, womit 
auf zwei B.n 22 Töne gemonnen werben. dlich ift es (1839) dem Muſik⸗ 


u 7 


3 


ee SE PET. 


direftor Blumröder zu Rürmberg gelungen, der P. eine Vorrichtung zu geben, ' 


durch welche mit einem einzigen Zuge leicht und ficher bie reinfte Stimmung bes 
wirft werden fann. 

man, der Rame von 5 römifhen Päpften. — 1) P. L, der Heilige, 
ein Römer unb ber Bruder feines Vorgängers auf dem päpftliden Stuhle, Ste⸗ 
phans III., ermählt 757, verwaltete bie Kirche über 10 Jahre. Diefer Papfk, 
ein Mann von ausgezeichneter Demuth, pflegte bes Nachts mit 2 oder 3 Bes 
dienten die Gemächer ber Armen zu befucben, die Kranken durch Zufpruch und 
Almofen zu unterflügen, die Gefangenen zu befreien, Schulden an die Gläubiger 


a. N AM 2 


eo 


abzutragen, Waifen u. gedrüdte Wittwen gegen Unbilden zu fchügen., So lautet : 


das Zeugniß eines proteftantifchen Schrififtellers über diefen Papſt. P. und bie 
folgenden Päpfte wınden von Defiderius, dem Könige der Longobarben, ſehr 
und fo lange beunruhigt, bis Karl der Große defien Herrfchaft ein Ende machte, 
Das Bemühen des Papftes, den Kaifer zu Konftantinopel auf befiere Wege zu 
bringen, war fruchtles. — Alles mußte um ber Religion willen dem Bapfte daran 
elegen ſeyn, die eheliche Verbindung zwiſchen dem kaiſerlichen Prinzen von Kon⸗ 
—** und der Tochter Pipin's zu verhindern. Als daher der Antrag der 


Pa _ Tun, Be u Be u Pi 


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kaiſerlichen Gefandten zu einer ehelichen Verbindung, die ihren Herrn als redhts ı 


ie lobten, Pipin veranlafte, ein Concilium nad Gentily zu veranflalten, ' 


hidte der Papſt ſecks Abgeordnete dahin. Es Tamen zwei Kragen zum Bors 
trage: uͤber den Ausgang des heil. Geiftes vom Vater u. Sohne, unb über bie 
Bildnife. Was darüber entfchieden worden, ift nicht auf uns gefommen; fo viel 
ift aber gewiß, daß in Frankreich der Glaube an den Ausgang des heil. Geiſtes 
vom Bater u, Sohne ununterbrochen blieb u. daß bald nach diefem Eoncilium zwölf 


Pape | 


Paul, 4 


dem Kirchenrathe zu Romnt ſich als bie 
haben, und fo fan man ‚leicht ſchlleßen, 
Die Kirche ehrt das Anbenfen_ dieſes 
, Barbo, ein Venetianer, Schwefterfohn 
1464 und verwaltete die Kirche beinahe 7 
sten zu er * ſich * IS wu 
ar [e verftehen mußte, nehören: die Fortſetzung 
Beichränfung ber Gardindle auf die Zahl von 24, die Aus⸗ 
Berwan von der Gardinalswürde bis auf Einen, 
jemeinen 16. P. Il. war auf die Kortfegung des 
‚ allein am bie anderen Verbinblichkeiten hielt er fi nicht 
von R lehrten ein Gutachten aueftellen ließ, daß jene 
d feien, info fie dem Wohle der Kirche em enliefen, 
sapft zu entſcheiden habe, wodurch er die Cardindle gegen 
aber durch verichiebene Privilegien wieber befriebigte. Er 
iederfehr eines Nubiläums (f. d.) auf jedes 25. Jahr. — 
en Mubameb I., welcher vermöge eines Glübdes, nicht 
alle Ehriften ausgerottet hätte, bereits die Venetianer ans 
zu erreichen , juchte P. I. durch Aufforderung zum allgemeinen 
fe Gott und ging felbft barfuß bei einem öffentliben Bittgange. 
lenetianer Hatten zwar Negroponte durch Beigperigtei u. Verrath ver! 
enigo, der neue Flottencommanbant, verbreitete aber bald wieder 
Türken. Auch der Papft fuhr fort, alle Mittel gegen: die Türken zu 
—— und —— hatte ihm der Reichstog zu Regensburg. unter Kaiſer Frie⸗ 
IL 200,000 Mann gegen fie auszurüften verfprodyen; allein wenige Tage 
nah dem Reichstage wurde R vom Schlage getroffen und ftarb den 28. Auguft 
1471. — 3) B. UL, Barnefe, ermählt den 11. Oktober 1534, hatte bie ge» 
Iehriejten Männer feiner Zeit zu Lehrern und war erft 26 Jahre alt, ale 
Papft Aterander VI. 1493 zum Gardinal ernannte. Er wünfchte immer, daß zur 
Hebung der Unruben, wodurch die Kirche lit, ein allgemeines Goncilium ges 
halten wiirde, was ihm Die Zuneigung ber Anhänger des Kaiſers gewann und 
ibm den Weg zur päpftlihen Würde bahnte. Wirflich berief er auch, nachdem 
et Papft geworden war, 1542 ein foldes nach Trient, welches aber erft 1545 
den 43. Tezember feine erfte Sitzung halten konnte. (S. d. Art, Tridenti— 
niſches Concil.) Auch beſtatigie diefer Papſt den von dem heil. Ignatius von 
Levola gejtifteten Orden der Jeſuiten (ſ. d.). P. II. lebte fange genug, um 
das von allen Seiten beftürmte Schiff Petri durch Weisheit und Kraft gegen 
ten Untergang fiyern zu können. Sah er aber mit Schmerzen vielfeitigen Abfall, 
io jab er auch Die Kirche in ihren neuen Martyrern, glei ben erften cbriftlichen 
Heldengeiten, geehrt, ſab, daß der Verluft der verlorenen Kinder wieder durch ans 
tere eriegt wurde in Oft: u. Weftindien. Der h. Franz Xaver, (f.d.) eines ber 
erften Mitglieder der Gefellihaft Ieiu, wirfte wie ein Apoftel, und zahlreich 
waren die Schafe, welche er der Kirche Chrifti zuführte. P. ftarb den 10. No: 
vember 1549 im 82. Jahre feines Alters, nachdem er der Kirche 15 Jahre vor 
geitanden hatte. — 4) P. IV., Johann Peter Garaffa, ein Neapolitaner, 
war früber Biſchof von Ebieti, wurde von feinem Oheim Bapft B. I. zum Cars 
tinal ernannt und war fon 79 Jahre alt, als er 1555 auf den päpftlichen 
Etuhl erheben wurde, auf dem er etwas über 4 Jahre ſaß. Obſchon die Kaiſer— 
liden gegen feine Wahlfähigfeit Einfprüche gemacht, d. i., nach der gewöhnlichen 
Eprade, ihm exclusıvam gegeben hatten, fo gelang es doch feiner Partei durch— 
wiegen. SP. hatte bei feiner Thronbefteigung no all das Feuer der Jugend ; 
war fehr groß und mager; raſch ging er einher; er ſchien lauter Nerv zu ſeyn. 
Wie er ſich ſchon in feinem täglichen Leben an feine Regel band, oft bei Tage 
{klief, bei Nacht ſtudirte, fo folgte er auch fonft immer den Impulfen des Augen- 
hide, Sie wurben bei im aber von einer in einem langen Leben ausgebildeten, 


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12 Saul. 


ur Natur gewordenen Geſinnung beherricht. Keine andere Pflicht, Feine andere 
Befchäftigung ‚ als Wiederberftellung des alten Glaubens, fchien er zu kennen. 
Zu Rom verurſachte feine Erwählung große Beſtuͤrzung, weil man ihn für zu 
fireng hielt; man fuchte ihn daher durch eine Art von Wahl » Capitulation, bie 
man ihn beichwören ließ, zu befchränfen. Seine Kroͤnungs⸗Ceremonie war fo 
prächtig, wie man lange zu Rom feine gnefehen hatte. Den Gefandten der Koͤ⸗ 
nigin Maria von England ertheilte ber Papſt die Losſprechung für die englifche 
Nation, wegen bes Abfalles von ber wahren Kirche. Gegen alle Klugheit fors 
berte aber P. Zurüdgabe der geiſtlichen Güter und wollte felbft den Petrus» 
pfennig wieder fammeln laffen. Sein Berfahren gegen ben verdienten Cardinal 
Bolus fol durch perfönliche Abneigung veranlaßt worden feyn. Das Eoncilium | 
von Trient wieder berzuftellen, hatte ex feine Neigung. Mit verfchiebenen Mächten 
lebte er in Zwiſt. Seine franzoͤſiſche Geſinnung verwidelte ihn in einen Krieg 
mit Spanien, wobei es nur ber Ehrfurcht bes Herj0g6 Alba für ben römifchen 
Stuhl zuzufchreiben war, daß Rom nicht wiederholt genommen und geplündert 
wurde. In England hatte, nach dem zu frühen Tode der Königin Maria, Eli- 
fabeth den königlichen Thron beftiegen. Obfchon im Herzen Proteftantin, Hatte | 
fie Doch dein Papfte ihre Thronbefteiaung fund thun lafien; diefer aber beging - 
einen Fehler, welcher bie traurigfien Kolgen hatte: er erflärte Elifabeth für uns 
fähig, den Thron zu befteigen, well fie nicht aus rechtmäßiger Ehe geboren war. - 
Eliſabeth wurde hierüber ſehr entrüflet und erklärte: nun folle der Papſt Alles 
verlieren, damit er ihr Hefe, Alles zu gewinnen. Es wurde nun die fatholifche . 
Religion in England von Neuem abgefchafft, und von 9400 @eiftlichen hatten | 
nur 170 den Muth, lieber Alles zu verlieren, ald ber Religion ungetreu zu werben. 
Die Vorkehrungen wurden nad u. nach fo getroffen, daß nur jene Vorficht, welche 
bie iſraelitiſchen Knaͤblein in Aegypten erretten konnte, es leiten mußte, daß ber 
Same ber Katholiken nicht ganz zerftört werben fonnte. — Die Zahl ber Earbinäle 
(bien P. III. zu Klein; er vermehrte daher diefelbe auf 70; auch ließ er zuerft ein 
Berzeichniß (Index) verbotener Bücher fertigen. Seine ausfchweifenden Repoten 
ließ er aus Rom verweilen. Er wollte weder in bie Entfegung Katfer Karls V., 
noch in die Wahl feines Bruders Ferdinand willigen. Er hielt es für noth⸗ 
wendig, die fchreiendften Mipbräuche zu verbefiern, verbot daher bie öffentlichen 
ufer der Unfittlichkeit, beftrafte bie Gottesläfterer und machte noch andere widhs 
tige Verfügungen. P. ftarb im Hohen Alter den 18. Auguft 1559. Nach einer 
alten Gewohnheit wurden fogleich die Gefängniffe geöffnet und das Volk Tief 
wüthend zu dem neuen Sefängniffe der Smauiftion, ließ alle Gefangenen los umd 
zündete das Gefängniß an. Dem Convente der Dominikaner drohete ein gleiches 
Schickſal und es Hielt fchwer, bas Teuer zu verhindern. Die Statue des Bapftes 
auf dem Gapitolium wurde umgeflürzt und noch andere ®räuel wurben verübt. 
— 5) P. V. Borghefe, war vor feiner Erhebung Nuntius in Spanien, wo 
er viele etugheit und Geſchicklichkeit an den Tag legte, wurde Hierauf Carbinal 
unter bem Zitel des heil. Chryfogonus und 1605 als Nachfolger Leo’ XI. auf 
den päpftlicden Stuhl erhoben, auf dem er 15% Jahre faß. ". war ein großer 
Eiferer für die Selbfiftändigfeit der kirchlichen Gewalt, weßwegen er mit der Res 
publif Venedig, welche immer die eiferfüchtigfte für ihre Gerechtfame war, in 
Streitigkeiten fam, bie fi) durch die damals am Ruder ber Republik fiehenden 
und In der Oppofition gegen ben römifchen Stuhl längft befannten Männer, wie 
ber Doge Leonardo Donato u. Paul Sarpi, immer verwidelter geftalteten, 
woraus große Unordnungen entftanden, welche erft aufhörten, als der Friede durch 
Bermittelung Koͤnigs Heinrich IV. von Frankreich wieder bergeftellt war. Am 
meiften hatten die Jefuiten während der Zwiſtigkeiten zwifchen Papſt u. Venedig 
leiden müfien, denn als fie fich weigerten, gegen das päpftliche Interbift Gottes⸗ 
bienft zu halten, wurden fie vertrieben, mit dem Zulage: „ohne Hoffnung ber 
Wiederkehr“, Tonnten auch wirklich erft im Jahre 1657 die Rüdfehr erlangen. 
In England hatte die Fatholiiche Religion harte Drangfale zu beſtehen. Jakob L 


Paul. 13 
batte zwar verſprochen, ben Reit Laffen, eft 
aber nicht Wort; daraus elek nt erzählt, — An en Antap yn 
einer Verſchwoͤrung gegen’ beit * das Parlament ; es hatten aber hoch⸗ 

jonen, worumter au — e SProteftanten waren, Theil 
Finig u. Yariament In Diet — gefunden Habe. Don 
beichuldigte bie Jefuiten, —— — der er gi er ker iſt aber 
ie ihren Grund e, 
die 8 des Jirt —2* eich bei 
— Sie fl ac ae ie gar fen, Air bot ik 
lichen Rede die 
Ehe ven ber Katl — erfundenen Bet: Um 
* ——— Wirkung di fcheulichfeit recht fühlder zu machen, fchrieb jafob 1. 
—— len einen Eid wor bes Inhalts: daß alle Engländer Jalob J. ihren 
König u. Oberherrn erkennen und zugleich bekennen follten, daß 


Kg — —— unerachtet aller Bannfenhfen u. Edifte, den König 
ig die gene — e 
e jolche er die Proteftanten 
für s anzufehen.“ Wenn man bdiefen Eid nimmt, wie er hier 
ih — jo —— er allerdings —— werben; wenn man aber ers 
mägt, daß durch das Wort „Ober! upremus Dominus“ das Oberhaupt 


der englifyen Kirche, wofür fih & — 5 VI. vun yh Hatte anerfennen u. darum 
ten Suprematie- Eid hatte leiften laffen, verftanden werben fönne, fo wird - 
finden, sh Papſt P. V. mit Recht den Katholiken verboten hat, einen folden Ei 
Ba den man auch in Frankreich verworfen hat. Weber die insefledie 

mpfängniß N * 0 Jungfrau Maria (ſ. d) Hatte ſich pwiſchen den 
ßtanciscanern inteanern ein hihßiget Streit erneuert, P. V. erneuerte 
daher 1617, was! Sims IV., Pius V, und das Coneilium von Trient über dieſen 
Gegerftand, welcher Fein Glaubensartifel ift, verfügt hatten, und verordnete, daß, 
fo lange der Gegenftand von dem apoſtoliſchen Siuhie nicht entſchieden worden, 
Keiner e8 wage, öffentlich zu behaupten: „daß die feligfte Jungfrau Maria in 
ber Erbfünde nicht empfangen worden fei; ebenfo die gegenjeitige Meinung nicht 
berükren, oder befämpfen folle.“ Wie alle Päpfte, wollte auch P. Die willen 
Wafiliche Bildung des Klerus heben und verordnete daher, daß in allen geiftlichen 
Orden Lehrer der hebräiichen, griechiſchen und lateiniſchen Sprachen, in größeren 
und ausgebehnteren Schulen auch Lehrer der arabifhen Sprache fern follten. Bei 
dem großen Umfange ber Gefhäfte und ber beftändigen Eorge für die Kirche u. 
die Verbreitung der chriftlichen Lehre unter den Ungläubigen, und felbft bei feinen 
ürperlichen Gebretlichfeiten, unterließ P. V. feinen Tag, nicht einmal den legten 
feines Lebens, Das hl. Meßopfer zu verrichten. Er wurde den 28. Januar Abends 
von einer Todesſchwache befallen, fogleich mit den heil. Saframenten verfehen u. 
veribied unter den Worten: „Ich verlange aufgelöst und mit Ehriftus 
au ſeyun“. 

Daul. Fürftlihe Perſonen diefes Namens IB. J. PBetro- 
witſch, Kaifer von Rußland, geboren den 1. Oftober 1754, Cohn des unglüdti- 
sen Kaiſers P. II. und der Raiferin Katharina der II. (f. d.), war neun Jahre 
alt, al$ feine Mutter den Thron beftieg. Katharina forgte für feine ſchwaͤchliche 
Geſundheit u. Erhaltung auf alle mögliche Art, da von feinem Dafenn gewilfer- 
maßen auch das ihrige abhieng: zugieich wendete fie auf feine Erziehung bie 
größte Aufmerfjamfeit und arbeitete dahin, daß feine Neigungen und Denfart ihr 
nicht aefährlich werden fonnten und baß fein Wirfungsfreis in fo enge Grän- 
am, ald moͤglich, geihloffen wurde. Gewöhnt an ftrengen Bleib, machte ber 
Großfürft in den mathematifchen und phnfifchen Wijfenfchaften, in der Geſchichte, 
Cratiftit und anderen Kenntniſſen gute Fortſchritte. Aus Argwohn entfernte ihn 
tie Paijerim von allen Gefchärten d:6 Etaats, und nur dem Ramen nad war 


14 Paul. 


er Großadmiral von Rußland. Sie vermählte ihn 1773 mit Natalia Alexiewea 
(zuvor Wilhelmine), Prinzeſſin von Heſſen⸗Darmſtadt, und nach beren finberlos 
fem Tode 1776 mit MariaFeodorowna (vorher Sophie Dorothea Augufte), einer 
Tochter des Herzogs Friedrich Eugen von Württemberg, die ihm, außer mehren 
Töchtern, bie Großfürften Alerander, Konftantin Nikolaus und Michael gebar. 
Mit feiner Gemahlin machte er 1786 eine Reife durch Polen, Deutfchland, Itas 
lien, Frankreich und Holland, kehrte nah 12 Monaten in feine ehemalige Wohs 
nung, das Luftichloß Gatſchina, zurüd und lebte daſelbſt in ftiller Abgezogenheit, 
bis ihn der Tod ber Kaiferin am 17. November 1796 auf den Thron rief. Schon 
längft waren Mutter und Sohn einander in dem Grade entfrembet geweien, daß 
man nach dem Tode ber erfteren eine Veraͤnderung der von ihr befolgten Regies 
rungsgrundfäge erwarten mußte. Diefe Veränderung war fo bedeutend, baß nicht 
felten das Weſentliche mit dem Außerweſentlichen vermwechfelt und beides von bem 
Kaifer mit gleicher Wichtigkeit behandelt wurde. Wenn er feinen Vater, ber 
nach einer Regierung von 6 Monaten plöglich geftorben war, ohne die Krönung 
erlebt zu haben, nad 34 Jahren aus der Kloftergruft holen ließ, um benfelben kroͤ⸗ 
nen und dann mit ber Kaiferin zugleich beifegen zu laſſen; wenn er den von ſei⸗ 
ner Mutter geerbten Lrieg gegen Perfin durch einen fchnellen Frieden beens 
bigte, in welchem er von Werfien die Feſtung Derbent und bie Stadt 


— .. ..n .. 


Bafu abgetreten erhielt; wenn er die geographifche Eintheilung Ruklande, bie . 
von feiner Mutter herruͤhrte, abänderte und felbft den Ramen der Katharinoslawms . 


[hen Statthalterfchaft vertilgte; wenn er ein neues Succeffionsgefeg befannt . 


machte, nach welchem die weibliche Linie fo lange von der Thronfolge ausgeichlofs 
fen ward, al8 männliche Nachkommenſchaft vorhanden war; wenn er eine Menge 
von Beamten, weldye Katharina II. vielleicht zu zahlreich angeftellt Hatte, ploͤglich 
abfegen und brodlos herumirren ließ ; wenn er ber geheimen Polizei eine Ausdeh⸗ 
nung und einen Einfluß gab, daß felbft der rechtlihe Mann vor ihr zitterte 5 
wenn er alle ins und auslänbifchen Schriften der firengften Cenſur unterwarf, bie 
Ruſſen, die im Auslande ftudirten oder reisten, zurüdtief, und allen, fogar ben 
gebildeten Ausländern, die ruſſiſche Graͤnze verfchloß; wenn er läftige Ehrenbezeus 


un BB nu —⏑ N Mt „ne 


ungen für feine Perfon auf offener Etraße und die Abfchaffung moderner Klei⸗ 
ungeftüde mit ber größten Strenge verlangte und mit raſcher Heftigfeit Fami⸗ 
lienväter und ausgezeichnete Männer, oft faum bei dem Scheine eines Verdachts, 
nah Eibirien ſchickte: fo mußte feine Regierung durch alle diefe größeren und 
kleineren Züge und Schattirungen jehr mit dem Verfahren feiner Mutter contras ' 
fliren. Unzählige fanden fidy durch feine ‚Dertinfeit gefränft und beleidigt, ob er ' 


leih in einzelnen Faͤllen das ihnen angethane 
owie überhaupt in feinem Gharafter tiefer Sinn für NRechtlichfeit mit hohen Bes 
geiften von feiner unbefchränften Macht feltiam vermiicht war, Ohne Polen wies 
er herzuftellen, ertheilte er boch allen in Rußland gefangenen Polen die Freihelt, 


recht wieder zu vergüten fuchte, 


beförderte mehre zu bedeutenden Aemtern im State, gab Kosciuszko eine Penfton ' 
und rief ben unglüdlichen König Stanislaus Auguftus nach Petersburg, wo ee 


demfelben nach feinem Tode ein felerliches Leichenbegängniß hielt. In Hinficht der 
auswärtigen Angelegenheiten ſchien P. Anfangs an dem Kampfe gegen Frank⸗ 
reich fo wenig thätigen Antheil nehmen zu wollen, al8 feine Dutter, ob er gleich 
nad) feinem ganzen Welen die republifanifchen Grundiäge, und namentlich das 


Betragen bes frangöfifchen Direktoriums gegen bie Schweiz und in Italien, haſſen 


mußte. Gegen jene Grundfäge verfchloß er die Graͤnzen feines Reiches, u. weil 


— a — 


das Corps der Emigranten unter Condoͤ feit dem Frieden von Campo Formio ohne 


Wohnfig war, berief er baffelbe nah Bolhynien, fo wieer den franzoͤſiſchen Krons : 


prätendenten nach Mietau verfehte. Als aber Defterreich ſich zum neuen Kriege 
gegen Sranfreich rüftete, verband er ſich mit England und Defterreich auf das Ges 


-- ..- —⸗ 


naueſte; auch hatte er die, auf ihn durch die in Rußland lebenden Johanniteror⸗ 
dens⸗Ritter gefallene, Wahl eines Großmeiſters dieſes Ocdens angenommen. Be⸗ 
deutende ruſſiſche Colonnen zogen durch Galizien, beſtimmt nach Italien und 


J Ba 1 
Der \ t j be 
Deutſchland. im Raftabi Bin — ſchaft beenbi, 





au haben, arow u. Sou 
mers 1799 in ee A A u. Defte 
reicher gegen die Franzoſen, die Anfı von Scherer ſchlecht wurde 
das bereits bie cisalpiniiche Republik aufgelöst, ganz Oberitalien in ben 
—— —— auf bie fübliche ——— 8 * 
man je Kran! ent, 
9m. al8 Mifverändniffe zwifcen den Muffen un lem ben Abzug 6 


fie fih zufammengegogen Hatten, Im Winter. von 1799 auf 1 
land zurüdzurufen. Tod, nicht bloß 5 die er. nach Jialie 
Deutſchland und Holland ſandte, P. Ldie franjoͤſiſchen Heere beſiegen wo 
lem; er lieh auch vom ſchwarzen ein Flotte, 14 mit iefifche 
nach ber Eroberung Aegvptens von den Franzoſen verband, ins Mittelmeer 


‚bübete 
7 ervenetianifchen und bisher von den Franzofen jenen Inſeln einen Freiſtaa 
welcher unter dem Schute der Piorte ftehen und alle 3 Jahre derſelben ein Schupgel 
son 75,000 Biaftern bezahlen follte, — Mit Großbritannien Hatte P., baid nach feine 
— am 21. Februar 1797 einen Handelsvertrag abgeſchloſſen, na) 
melden bie Ruſſen und Briten, zu Waſſer und zu Lande, auf eigenen oder gı 
mietbeten Schiffen oder Frachtwagen alle nicht verbotenen Waaren ein⸗ und au 
führen und damit handeln fonnten, fobald fie die darauf gefepten gleichen ZÖ1.. 
entrichteten. Den britiihen Kaufleuten hatte P. dabei unter großen Vorrechten 
geftattet, zu Petersburg, Moskau, Riga, Rıval, Archangel und in den Häfen 
des ſchwarzen Meeres Häufer zu bauen oder zu faufen; aud durften Ruflen u. 
Briten, doch mit Ausnahme der Munitionsbetürfnife, felbft in denen Etaaten 
freien Handel treiben, welche mit der einen von beiden Mächten im Kriege be 
griffen mären; nur ſollte bie Viſitation der Kauffahrteiſchiffe mit möglichfter 
Schenung geſchehen. Da dieß legtere von den engliihen Kriegeſchiffen nicht ges 
i&ab: da ferner England Malta, nachdem ber franzöfifche General Vaubois dieſe 
Iniel den Briten auf Kapitulation hatte überlaffen müjfen, dem Ocden nicht 
wüdgab u. dadurch in P. den Großmeifter dirſes Ordens beleidigte; da endlich 
hie Beeinträchtigung der neutralen Schifffahrt durch die Briten, im Laufe des 
Jahres 1800, die nordiſchen Mächte gemeinfcaftlih mit Unwillen gegen Eng— 
land erfüllte: fo ward P. I. im Epätiahre 1800 die Eeele der nordiſcken Con— 
vention, durch welche Rußland, Schweden, Däncmarf und Preußen die Rechte 
der neutralen Schifffahrt, auf die Bafis ber bereits 1780 von der Ruiferin Ka— 
tbarina I. gegründeten bewaffneten nordiſchen Neutralität, gegen Englands Dik— 
iatut auf den Meeren geltend machen wollten. Zu gleicher Zeit hatte P. fich 
tem damaligen erften Conſul Bonaparte genähert, der den Unwillen des Kaiſers 
gegen England ſchlau zu benügen wuite, um mit ihm ein gutes Vernebmen herz 
zuftellen. Er fchidte ihm 1800 die Gefangenen feiner Nution, gegen 6500 Mann, 
ohne Köfegeld, und nicht nur gefleidet, fondern auch bewaffnet zurüd. Der rufjis 
ſche Gefandte zu Paris, Graf von Kalitſchew, wurde mit ausgezeichneter Ehre 
empfangen. P. erwiederte diefe Kreunblicgfeit mit Wort und That, allein auf 
die Fefigfeit feiner Gefinnungen durfte man fi nicht verlaffen. Er war über 
den Frieden von Rüneville fo unzufrieden, daß er feinen Geſandten von Regend- 
turg zurüdtief. Am 23, März 1801, bei der Parade, fehrieb er, auf feinem 


16 Paul Beronefe — Paulicianer. 


Hute, einen Brief an den erften Eonful. Am Abende eben dieſes Tages rief er 
I Gefandten von Kopenhagen und von Berlin ab und in ber folgenden Nacht 
el er als das Opfer einer Berfhwörung, durch die einige Große das Ende ſei⸗ 
ner Regierung befchleunigten. — P. war phyſiſch und moralifch franfhaft; bie 
geiftige und förperliche Spannung, die daraus entfichende Miſchung von Härte 
und —** das graͤnzenloſe Hingeben und das aͤngſtliche Mißtrauen, das in 
einem Charakter fo auffallend hervorſiach, muͤſſen aus ſeinen ungünftigen Jugend⸗ 
erhaͤltniſſen erklaͤrt werden. Gr hatte die Menſchen einmal falfch begriffen und 
nun folgte ein Mißgriff auf den andern. Wenn ihn aber auch die Geſchichte 
nicht von dem Vorwurfe der Inconſequenz, der Veraͤnderlichkeit und eines, nicht 
immer von Ueberlegung geleiteten, Hanges zu heftigen Maßregeln freiſprechen 
Tann, fo wird ihm doch In ihren Annalen die ehrenvolle Erwähnung nicht ent⸗ 
gehen, deren er ſich durch feinen über bie einen Künfte der Bolitif erhabenen 
eradfinn, durch feinen Eifer für Gerechtigkeit gemadt hat. — 2) P., 
Karl Friedrich Auguft, Föniglicher rin, von rttemberg , Bruder des 
egenwärtig regiermden Könige Wilhelm, geboren 1785 und 1805 mit ber 
rinzeſſin Charlotte von Hildburghaufen v hit, von ber er jedoch, nachdem 
e ihm 2 Prinzeflinnen und 2 Ar nzen geboren, bis zu ihrem 1847 in Bamberg 
erfolgten Tode getrennt lebte. Im Befreiungsfriege führte er eine Brigade. Im 
Unftieden mit feinem Bruder wegen eines Haus und Apanage eſeges (1818), 
nimmt er feinen gewöhnlichen Aufenthalt meift in Paris. — 3) B. Wilhelm, 
Sohn des Herzogs Eugen von Württemberg, Neffe des Königs Friedrich I., ges 
boren 1797 zu Karlsruhe in Schlefien , widmete ſich befonders ben mathematifchen 
und naturwifienichaftliden Etudien, reiste 1822 nach Nordamerika und kehrte 
1824 zurüd, bereiöte Südeuropa, ging 1829 wieder nach Nordamerika, Haiti, 
Mexico ıc. u. fehrte 1831 zurüd u, bereiste 1839 Aegypten bis zum V. Breiten, 
trade. Im Schloffe zu Mergentheim Hat der Prinz feine reiche naturhiftorijche 
nung aufgeftellt. 
Er Beronefe, |. Cagliari, 
aula, Franz von, f. Franz von Baula. 
aulaner, |. Minimen. 
anlicianer, eine Sekte des 7. Jahrhunderts, bie ihren Urfprung unver 
fennbar aus Reften be Manichäer (ſ. d.) ableitet u. mit den beiden Söhnen 
der Kallinife aus Samofata begann, welche ihren Geburtsort verließen und fich 
nach Armenien begaben. Zu Epiparis gründeten fie eine Pflanzfchule ihres Irr⸗ 
thums, der bis zur Zeit des Kaiſers Konſtantinus Pogonatus (668- 85) forts 
wucherte. Unter dieſem Kaiſer nahm die Secte einen befondern Aufichwung 
durch einen gewifien Fonftantinus aus WMananalis bei Samofata in Syrien, der 
ſich berufen fühlte, im ®egenfage zum jehigen Kirchenthume neue apoftolifche, 
paulinifcdhe Gemeinden zugleich nach den Formen bes Gnofticismus und ben 
Brundfägen der fpäteren efieftifchen Manichder zu gründen (um 680). Als Duelle 
wurben, außer ben vier Evangelien, nur noch die paulinifchen Briefe anerkannt, 
das alte Teftament, die Fatholifchen Briefe u. Apofalypfe, die fpäteren Symbole, 
alle kirchliche Literatur, fo wie alles Außere Kirchenthum verworfen. Ihr paulinis 
ches Chriftentfum gaben fie als den dı@v 0 EMwv aus, in welchem 
der allein wahre Gott wieber offenbar geworben; die Fatholifche Kirche brand⸗ 
marften fie al8 den 0 rapwv arev, in welden ber Geiſt der Finſterniß 
herrſchte. In affertirtem Eelbftgefühle vindicirten fie für fiy allein den Namen 
„Chriſten“ und bezeichneten ihre Gemeinden als bie Fatholifche Kirche, woges 
en fie alle Chriſten außerhalb ihrer Gemeinden „Römer“ nannten. Obfchon 
e fi mehrfady Hinter orthedoren Formeln zu bergen fuchten, fo huldigten 
fie dennoch den phantaftifch-muftifchen Anfichten der Gnoftifer u. älteren Manichker, 
ſahen bie Sonne als fichtbare Ericheinung Gottes an u. nannten fie Chriftus, 
In Anfehung der menſchlichen Ratur Chrifti dachten fie doketiſch; die Erlöfung 
war ihnen ein mit Ehriftus begonnener Räuterungsprozeß, der allmälig alle Beifter 


* 


Pauline ⸗Vaulus. fl 


im ihres ‚göttlichen Urquelle zurüdführe, u. rinſeitig ſpirituallſtiſch verwarfen fie, 
voll Role Abſcheues gegen die Materie, alle Seide ber ksta a 
Ratier Sonkantinus Pagonatus fandte zur Verfolgung biefer Sekte den Beamten 
Symeon aus, der das re hinri ließ. Do hielt fich bie Eefte hart⸗ 
—* —5 bamer einen Borficher mit Namen eines paulinifchen ã 
en: Reifebegleitern u. Schriftlehrern, als leitende Brüder an .ber 
= Eymeon wurde zu Kiboſſa in Armenien Vorſteher 
— bei — neuen —* (gung unter Juſtinian II. (685—95) warb er mit 
— Einer Dee vornehmften, Baulus, entkam u. warb für 
bie Die Berbreitung biefee Sekte Außerfi thätig. Der Hauptfig wurde Phanarda in 
Seleno Kalfer Leo Ilauicus, von Genefllis (Itmothene),. dem Sohne 
ſenes aus überlifiet, beſchuͤzte fie ſegar. Epäter erhielt die Eelte in einem 
gewiflen Sergius (Tychikus um 777) —— kraͤftigen Vorſteher, ber vol Hoch⸗ 






u) eine helle Seuche, einen n Bübrer e, ben guten Hirten nannte, 
das Ende der Tage bei feiner "Sende bleibe, u. ſich von : feinen 
—— —**— als —7* verehren ließ, ja, es fogar duldete, baß. dieſe in 


Bezi auf ihn am et Gebete beifügte: die Kürbitte des hl. Geiſtes 
Be Menke ec s —— ——— u, Neuerungen aber 
dieſe Sekte u. erwedten Heftige Gtreitigfeiten unter ihnen. Run wurben: fle 
aber von Michael Rhangabe (811— 13), * dem Armenier EGis 20 u. end⸗ 
lich durch die Kaiſerin Theodora (845) in —— ſcharfer Edicte genöthigt, durch 
ihrer Irrthuͤmer nach einer dern Formel zur katholiſchen Kirche 

—— die Hartnaͤckigen grauſam —* u. ſo die Sekte faſt gaͤnzlich 


ee Ghriftine  wälgelmine, Farſtin zur Sippe, Tochter bes 
Albert von Pa geboren 1769 zu: Ballenftäbt, — ge⸗ 
—5 ſeit 1790 ne großen Tpeil ber Srantögefchäfte ihre Baterd u. 
nach dem Tode bes Fürften Leopolb von Lippe » Detmold (1802), mit bem fie fich 
1796 vermählt Hatte, die vormundſchaftliche Regierung in Lippe bis zur Voll⸗ 
jäßrigfeit ihres Sohnes Paul Friedrich (1820). Sie bemühte ſich raſtlos u. aufs 
richtig um das Wohl ihres Landes, das fie unter den ſchwierigen Verhaͤltniſſen 
jener Zeit in feiner rität durch Klugheit u. Umficht zu erhalten wußte, 
Aur über die Berfafiung konnte fie fidh nicht mit ben Ständen vereinigen, da⸗ 
egen ’ perirante bie Stadt Lemgo ihr 1818 das Bürgermeifteramt an. Sie 
ar 
auliften ifl der Name bee weißen Bewohner in ber brafilionifihen Provinz 
St. Paulo; fie ſtammen aus einer von den Sefuiten 1552 zu St. Paulo ges 
gründeten Colonie, die fi) mit den frieblichen Einwohnern ber egend vers 
ten u. ſchnell ———5 ſie widerſetzten ſich, als Portugal mit Spanien 
igt wurde, ber ſpaniſchen Macht, überfielen Städte u. Dörfer mit Süd, 
ct en aber auch das Innere bes Landes nach Gold durch, ordneten ſich repus 
blifanifch, geriethen unter filh, mit ben benachbarten Eolonten u. auch (um ber 
Boldminen willen) mit den PBortugiefen in Streit, werden aber jetzt als brave, 
Ihätige, feeimündige u. u. edelftolze mihen u, gehorfame Unterthanen anerkannt. 
Paulus, der Geitige, der große Heidenapoftel, ein geborener Zube aus dem 
Stamme Benjamin, war der Sohn eines Parifäers und rue der Haupt⸗ 
Rabt von Bilicien, geboren, die von ber kaiſerlichen Samiie ünftigt ward, aus 
Schmeicyelei den Ramen Zuliopolis annahm und die Berglt nftigung. ehe au 
nicipium und ihre Einwohner römifche Bürger zu feyn. Gr befam bei Des 
ſchneidung den Namen Sau, lebte fireng nach den mofaifchen Geſetzen \ — 
griechiſches Wiſſen, wobei ihn Fleiß und glüdliche Anlagen be Seine 
Eitern fandten ihn nach Jeruſalem, wo er in der Schule bes funbis 
gem Gamaliel Rubirte, u. feine Kenntniffe u. Geburt ließen in ibm on 9 kuͤnf⸗ 
tige lieb des Sanhebrins erbliden. P. lebte fireng nach ben Bee war 
—* Aiſerer und lernte, nach ber Weile ber Juden, um ten Kicger a 
Realencydlopäbie. VILL. 2 


18 Paulus. 
beſchaͤftigen u, dem Müfliggange vorzubeugen, das Zeltmachen, das er noch als 
Apoftel uͤbte. Als Stephanus gefteinigt ward, gab er feine Zuftimmung u. hielt 
bie Gewaͤnder derer, die den Heiligen töbteten, u. als bie fürchterliche Verfolg⸗ 
ung der Ehriften durch die Juden ausbrach, zeigte er vor Allen den biutigften 
Bertilgungseifer, erhob feinen Ramen zu einem Schreden für bie Gläubigen und 
fand bald den Schauplag feiner Verfolgung zu gering, denn er fchnob nur Droh—⸗ 
ungen genen die Jünger bes Herrn und lechzte nad ihrem Blute. Da er hörte, 
baß der Ehriften in Damascus immer mehre würden, ließ er fih vom Hohenprie⸗ 
ſter Vollmacht ertbeilen und eilte nach diefer Stadt. Schon war ber junge 
Schwärmer nahe bei Damascus, als er ploötzlich am hellen Tage einen glänzenden 
Lichtſchein auf ſich und feine Begleiter fallen ſah, bei deſſen Anblid fle alle ſchreck⸗ 
erfüllt zu Boden fanfen. Eine himmlifche, Allen vernehmbare, Stimme rief fol 
gende Worte Kebräifch ihnen zu, die aber blos Saul verftand: „Saul, Saul, 
warum verfolgft du mich?“ Und Saul fragte: „Wer bift bu, te Die 
Stimme antwortete: „Ih bin Jeſus von Ruzareth, den bu verfolgt. Es wird 
Dir ſchwer werden, wider den Stachel zu leden.” Da fühlte Saul den Sinn ber 
Worte, daß es ſchwer feyn werde, dem Mächtigen zu vwiberftehen; fein Herz war 
erüh:t u. er fragte erfchroden u. demüthig: „Herr, was wiüft bu, daß ich thuw 
—**8 Die Stimme befahl ihm nun, nach Damask zu gehen, wo er durch ben 
Mund eines Dienerd Gottes das Weitere erfahren würde. Da erhob fih Saul, 
mußte fich aber führen laſſen, denn er fah nicht mit offenen Augen, ging nach ber 
Stadt in das Haus Judas, eines Jfracliten, wo er drei Tage ohne Nahrung 
blieb. Da trug der Herr dem Ananias, einem allgemein geachteten Schüler 
Ehrifti, auf, zu dem Fremdlinge zu gehen, der im Gebet begriffen fei: diefer aber 
entfegte fih bei dem Kamen bdeffelben und nannte dem Herrn feine Zweifel, ber 
ihm nun fagte: „Gehe Hin, diefer iſt ein Werkzeug, das ich erwählt habe, meinen 
Namen vor ben Heiden u. Königen, wie vor ben Kindern Iſraels, zu tragen. Ich 
will ihm fund machen, wie viel er um meines Namens willen werbe leiden müflen.” 


Auch Eaul hatte eine Viſion, fah einen Mann, deſſen Name, Ananias, ihm ges | 
nannt ward, der die Hänbe auf ihn legte u. deſſen Eegen ihm bas Geſficht wie | 


ber gab. Ananias kam, legte die Hände auf Saul u. ſprach: „Saul, mein Brus 
ber; der Herr Jeſus, der dir erfchienen ift auf dem Wege, ba bu herfamft, hat 
mich gefandt, damit du wieder fehend u. mit dem heiligen Geiſte erfüllt werdeſt.“ 
Da fiel es wie Schuppen von feinen Augen u. er fah wieder, wurde von Ana⸗ 
nias in dem heilfamen Wafler der Taufe gebadet u. von feiner hohen Sendung 
in Senntniß gelegt, worauf feine Kräfte wicherfehrten. Er blieb dann noch einige 
Tage bei ben Jüngern zu Damascus, fing an, Jeſum in den Eynagegen zu pres 
digen u. verfünbete laut, daß Er der Sohn Gottes fe. So warb aus einem Laͤ⸗ 
fierer u. Verfolger ein Apoftel u. eines der Hauptwerkzeuge, beren fi) Bott zur 
Bekehrung der Welt bediente. Die Kirche feiert das Andenken diefer wunderbaren 
Benebenheit am 25. Januar. — Ton Damaeëcus zog B. fih an einen unfern bie 
fer Stadt gelegenen abgeſchiedenen Ort zurüd. Wie lange er hier gelebt habe, 
ift unbekannt ; wir willen nur, daß er, nady Damascus zurüdgefehrt, dafelbft ven 
Neuem den Blauben pridigte. Tie Einwohner dieſer Etadt, unfähig, den Kampf 
mit ibm zu befteben, faften den Entſckluß, ihn zu tödten u. wußten zugleich ben 
Etatthalter von Tamascus für ihre Abfichten zu geninnen. Um ihn füherer ers 
greifen zu koͤnnen, ließ ſegar Der Statthalter die Etabithore verfelicken. Allein 
dem Ayoftel warb kei Zeiten Me Gefabr kund u. die Brüder ließen ihn während 
ber Nacht, um ibn der Wuth feiner Feinde zu entreißen, in einem Korbe durch 
ein Fenfter an der Etadtmauer hinunter. Brei Jahre brachte er theils zu Damas⸗ 
cus, theild in der Umgegend zu, bann begab er fih nad Serufalem, um ben Geis 
gen Petrus zu fehen. — Der heilige Barnabas führte ihn bei feiner Ankunft zu 
ben heiligen Petrus u. Jakobus, bie, wie die übrigen Gläubigen, ſich herzlich 
über feine Bekehrung freuten. “Die meiften Glaͤubigen hatten ihn Anfangs ges 
mieden, immer noch eine böfe Abficht von bem Wanne befürchtend, ber vorhin 


| 


Daulus. 19 


mit jo grimmiger Wuth die Kirche Gottes verfolgt Hatte P. verweilte fünfzehn 
Lage zu Jeruſalem, während welcher er ber Unterhaltungen mit bem heiligen 
Petrus genoß u. fi als fehr eifrigen Verfechter der Lehre Jeſu in ber Synagoge 
bewies. Allein die Juden verfchlonen hartnädig ben Heilswahrheiten ihre Ohren, 
u. da fie der mächtigen Rede bes Heiligen Apoſtels u. der unwiderleglichen Gewiß⸗ 
heit, worin er die evangelifche Wahrheit barftellte, nicht zu widerſtehen vermoch⸗ 
ten, nahmen fie ihre Zuflucht zue Gewalt u. fuchten Mittel, ihn aus dem Wege 
ns räumen. - Die Gläubigen entzogen ihn aber ihren Händen u, führten ihn nad 
Bäfurea, von wo er ſich nach feiner Baterflabt Tarfus einfchiffte Mehr als drei 
Jahre predigte er nun dort, wie auch in den angränzenden ®egenden von Cilicien 
u. Syrien, u. fein Apoftelamt hatte fegenreichen Erfolg. Als er hierauf mit dem 
heiligen Barnabas nach Antiochien gefommen war, arbeiteten fie mit dieſer Rir- 
hengemeinde ein Jahr lange mit gleichem Eifer u. Erfolge In der damals in 
den römiichen Reiche u. beſonders in Jubäa herrfchenden Theuerung fammelten 
bie Chriften zu Antiocdhien Beiträge u. fandten fie duch P. u. Burnabas an bie 
im Elende ſchmachtenden Brüder, — Es fcheint um diefe Zeit geweien zu feyn, 
dag P. bis in den dritten Himmel entzüdt wurde: eine Gnadenerweiſung, von ber 
er 14 Jahre nachher ſprach. Gott ließ aber auch zu, um ihn gegen qufblähenden 
Stolz zu verwahren, daß er von dem Stachel des Fleiſches gequält u. gleichfam 
von dem Satan mit Käuften geichlagen wurde, was mehre Vaͤter von unreinen 
Berfuchungen verfiehen. Der Apoftel züdhtigte dafür feinen Leib durch lange Nacht⸗ 
wachen u. firenge® Faſten, aus Furcht, er möchte, Andern prebigend, felbft Gefahr 
laufen, die Krone zu verlieren. Aehnlich einem Wettläufer auf der Rennbahn, 
der unverrüdt das zu erreichende Ziel im Auge behält; fürdhtend, beim Rüdblide 
auf die ſchon zurüdgelegte Bahn, den über feine Gegner errungenen Bortheil zu 
verlieren u. des dem Sieger beftimmten Preiſes beraubt zu werden, ah er ſich als 
einen unnügen Knecht an, der noch lange nicht alles feinem Gott Schuldige nes 
feiftet habe. Denn, obgleih ihm fein Gewiſſen Nichts vorwarf, glaubte er fi 
Doch deßwegen noch nicht vor dem Herrn gerechtfertigt. Er gefiel ſich in feinen 
Demütbigungen, in feinee Schwäche u. in feinem Nichts, damit Gott, in dem er 
allein feine Stärfe fuchte, in allen Dingen verherrlicht würde. Ec freute ſich ber 
Leiden, wenn er nur die Kenntniß u. Liebe Jeſu verbreiten fonnte. Er glaubte 
fich der ganzen Welt fchuldig, den Griechen u. den Barbaren, den Weifen u. den 
Thoren, den Gelehrten u. den Unwiſſenden, den Juden u. den Heiden. Solche 
Gefinnungen verfünden laut, daß P. der Welt gefreuzigt u. ſich felbft abgeftorben 
war. Er lebte nicht mehr, jondern Jeſus lebte in ihm. — Der heilige Geift fügte 
burch Propheten den Brüdern in Antiochien, während fie vereint bem Faſten und 
bem Gebete oblagen, fie follten ihm P. u. Barnabas abfondern zu dem Werke, 
zu welchem er fie beftimmt habe, d. b., auszugehen u. allen Zölfern den Glauben 
zu verfündigen. So ward P. zum Apoftelımte erwählt. Da von der Würde ſei⸗ 
nes Apoftelımtes bie ganze Frucht feiner Arbeiten abhing, redete er, feiner Demuth 
ungeachtet, auch einmal von feinen Offenbarungen u. befonderen Gnaden; allein 
man flieht aus jedem feinee Worte, daß er alle Ehre nur auf Gott bezog. Die 
erhaltenen Gnadenerweifungen find ihm Beweggründe der Furcht u. Demuth. Er 
erhebt nur dann feine Vorzüge, wenn das Heil feiner Brüder dadurch befördert 
wird, u. fommt unaufbörlidy wieder auf feine Schwächen zurüd, in denen er allein 
feinen Ruhm ſucht. — Im Jahre 44 verließ er mit dem heiligen Barnabas An⸗ 
tiochten, begab fi nach Seleucia u. fehiffte dann nach Cypken. Anfangs predigte 
er zu Salamin in der Eynagoge, durcbwanderte dann das ganze Land bie Paphos, 
eine an ber andern Küfte der Infel gelegene Stadt, wo der römiiche Proconful 
Sergius Paulus, ein weifer u. kluger Mann, feinen Wohnfig Batte, ber fidy aber 
durch den Zauberer Barjefus, fonft Elymas genannt, verführen ließ. Da er 
indefien von ben Wundern bes Heiligen PB. gehört Hatte, wünfchte er dieſen zu 
fehen u. zu Hören; allein der Zauberer widerftand dem Avoftel, baß er das Wort 
bes Heiles nicht verfündigen follte. Zur Strafe feiner Sünde wach & NEN Y 
2 


20 Paulus, 


Itcher Blindheit gefchlagen, fo daß er Jemand fuchen mußte, ber ihn führte Der 
Proconful, ergriffen durch diefes Wunder u. durch die Rede des Heiligen P., bes 
fehrte fich u. empfing die heilige Taufe, Dieſes Ereigniffes wegen glauben El⸗ 
nige, ber Apoftel Habe den Namen PB. angenommen, wenigftens legt ihm ber hel⸗ 
lige Lukas nach biefem Borgange benfelden in ber Apoftelgefchichte immer bei, 
Andere halten jeboch für wahrfcheinlicher, er habe bei feiner Belehrung ſchon feis 
nen Ramen gehindert. — Bon Cypern aus fdhiffte ſich der Heilige 3 nach der 
Stadt Perga in Pamphilien ein, von wo er nach Antiochien, der Hauptſtadt Pi⸗ 
ſidiens, reiste u. an zwei Sabbattagen daſelbſt in der Synagoge predigte. Mehre 
wurden durch ſeine A eebigten befedrt u. glaubten an Ehriftus. Die Mehrzahl ber 
Juden aber erregte eine Verfolgun gegen ihn u. Barnabas u. fließen he über 
ihre Graͤnzen. Die zwei Apoftel ee ttelten den Staub von ihren Füflen, zum 
eugniß genen diefen Unglauben, u. famen nah Ikonium in 2yfaonien, wo fie 
eine große Anzahl Juden u. Heiden befehrten. Nach einiger Zeit mußten fie je 
doch die Stadt Heimlich verlaflen, um der Wuth ihrer Feinde zu entrinnen, welche 
fie fleinigen wollten. Bon da trugen fie die Leuchte des Evangeliums nach Lyſtra, 
Derbe u. anderen Orten Lykaoniens, prebigend auf bem Lande, wie in den Städten. 
Zu Lyſtra heilte P. einen lahmgeborenen Mann. Das Volk, Zeuge dieſes Wun⸗ 
ders, fchrie auf, die Götter feien in Menfchengeftalt auf die Erde herabgeftiegen, 
u. führte befränzte Stiere herbei, ihnen ein Opfer barzubringen. P. u. Barnas 
bas zerriffen aber ihre Kleider, um zu erfennen zu geben, wie fie eine ſolche Hand» 
lung verabfcheueten u. um das gottesräuberifhe Opfer zu verhindern. Kur 
nachher wurbe der heilige PB. von demfelben Volke, das ihn Hatte anbeten wollen, 
gefteinigt u. vor der Stadt tobt liegen gelafien. Allein durch bie Sorgfalt ber 
Gläubigen fam ex wieder zu fidh, u. kehrte mit ihnen in die Stadt zurüd. Um 
indefien feine Verfolger nicht noch mehr zu erbittern, reiöte er den andern Tag 
mit Barnabas ab u, feste feine apoftolifche Reife fort. Im Jahre 51 finden wir 
ihn wieder zu Antiochien, von wo er, nach Jerufalem reiſend, der erften allgemeis 
nen Kicchenverfammlung beivohnte. Hierauf befuchte er die von ihm im Mors 
genlande geftifteten Kirchen, begleitet von Silas, den er flatt des Heiligen Bars 
nabas, der nach Cypern fchiffte, zum Gefährten feiner apoftolifchen Reifen erwählt 
hatte. Zu Lyſtra befchnitt er feinen Schüler Timotheus, aus Nüdficht gegen bie 
in jener Gegend wohnenden Juden. Nachher aber weigerte ex fidh, ben Titus zu 
befchneiden, um die Sreiheit des Evangeliums zu fichern, welches bie Menfchen 
von ber Dienftbarfeit des alten Gelege entledigte. Diefe Gebräuche waren in 
der That nur Vorbilder, die in der Berfon Jeſu erfüllt wurden. — Bon Lykao⸗ 
nien 9 der heilige P. nach Phrygien u. Galatien u. dann auf goͤttliche Weiſung 
nach Macedonien. Zu Philippi, einer roͤmiſchen Colonie, predigte er in einem 
Bethaufe der Juden, das in einiger antfernung von der Stadt lag. Unter 
denen, welche er da befehrte, war auch ein Weib, Namens Lydia, welches 
mit purpurnen Gewändern handelte, und in deren Haufe ber Heilige Apoſtel 
nachher, da er die ganze Familie getauft Hatte, wohnen mußte — In biefer 
Etadt war eine Sklavin, welche von dem Teufel befeffen war und durch Wahrs 
fagen ihrer Herrfchaft vielen Gewinn verſchaffte. Da dieſe Unglüdliche dem Bi. 
P. und feinen Gefäßrten begegnete, rief fie laut aus: Diefe Menichen find Dies 
ner Gottes des Höchften, welche uns den Weg bes Heil verfündigen. Der HL 
P. befahl dem böfen Beifte, im Namen Jeſu auszufahren, und alfobald war bie 
Sclavin befreit. Die Habfucht der Gebieter diefer Sclavin erregte nun einen 
Bolfsaufftand, weßwegen bie Heilsboten vor. die Stadtrichter geführt, auf deren 
Befehl fie als Aufrührer mit Ruthen gepeiticht, dann in einen finftern Kerker in 
den Stod gelegt wurden. Mitten in der Nacht aber, während fie mit lauter 
Stimme zu Gott beteten, entftand ein großes Erdbeben: das Gefängniß wurde ers 
fhüttert, die Thuͤren Iprangen auf und felbft die Ketten ber Gefangenen zerbra⸗ 
den. Das Getöfe werte den Kerfermeifter auf, der bei dem Anblide der geöff- 
nein Gefängnißthüren die Verhafteten entronnen glaubte und nun mit feinem 


Paulus, a 


entleiben ir ‚weil er — ſeinem eigenen geben für fie Reben 
— wahrte, rief er mit lauter Stimme: 
ein Menfch entflohen. Betroffen durch has 


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fein Leid anthun, «8 fei 
Fer re —— warf er ſich zu deſſen düuͤſſen 
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Apoftels, 
line Gehen Familie die Taufe, Am 6 Morgen erlieh 
an den Kerfermeifter bie Weilung, er folle die Verhafteten frei 
P. ber ohne die ir Klage das Gefangniß und — 
geduldet Hatte, ſagie aber, es ſel befremdend, daß man roͤmiſche Bit per 
R die Ba unb Ka — x dem a ae ai 
ihnen irgen! —— KR, en. that er, um 
und ge Olkuhın ‚gen nachfüchtiger zu machen. Die Stadt: 
anest auf die Rune, — er ein roͤmiſcher nn ſei, 
en id erfuchte die En , ſich un entfernen. — 
noch viele andere Städte uud ließ, nah Athen — 
und Timotheus — um das Fb fangene ent zu vollenden. 
jen vielen © ad für die Wiſſenſchaften, waren aber 
LE * if. Sie beteten alle fogenannten Gottheiten der anderen Bi 
iccht, irgend eine fen zu Haben, hatten fie noch einen 
Fe er Auffchrift: „Dem unbekannten Gotte, Der hl. P. pres 
Etui der Juden und verfünbigte den —— auf den oͤffentlichen 
und en dem Areopag, d.h. vor dem hen teften Gerichte von gang 
. Dionyfius, einer ber —— ſeinet Frau Damaris, die 
Anſehen ftand, und mehre andere Perfonen nal den Glauben an, 
— nicht, ſich * — — — re 
au len. ine indeſſen ſpotteten e von der Auferftei 
—— Andere ſagten, betroffen von ber Kraft und Weisheit feiner Res 
fie ihn ein anderes Mal hören wollten, Inzwiſchen fam Timotheus —— 
— nach Athen; allein dieſer ſandte ihn bald nach Theſſalonich, wo di 
gen graufam verfolgt N um fie in ihren Drangfalen aufrecht zu er- 
Jalten umd zu ftärfen. Bon Athen ging P. nad Korinth, von wo aus er feine 
wei Briefe an die Thejjalonicher ſchrieb. Nach einem Aufenthalte von 18 Mo- 
naten verließ er Korinth unb reiste, eines Gelübdes wegen, verſchiedene Etädte 
dutchwandernd, nach Yerufalem. Als die Feftzeit vorüber war, kam er, feine 
avoſtoliſche Laufbahn fortfegend, nach Epheſus, wo er brei Jahre blich, lehrend 
auf den öffentlichen Plägen und in ben einzelnen Wohnungen. Durd bie Arbei- 
tm und Wunber des Apofteld vermehrte ſich die Ehriftengemeinde zu Epheſus fehr. 
Das Evangelium fand geneigte Aufnahme, zugleich aber auch viele Gegner von 
Eeiten der Juden; er dultete graufame BVerfolgungen und war jeden Tag ber 
Tovetgefahr ausgefegt. Zu Epheius fand ein prachtvoller Tempel der Diana, 
der für eines der fieben Weltwunder angefehen wurde. Das darin bewährte 
Biltniß der Göttin ftand bei den Griechen u. Römern in großer Verehrung. Nach 
tiefem Mufter machte man fleine filberne Bilder, die von ben eifrigen Heiden ge 
fauft wurden. Ein Goldſchmid, Namens Demetrius, zog großen Gewinn aus 
dieſem Handel. Da er aber fah, daß fein Abfag fih um Vieles dur die Pre 
tigten des bl. P. verminderte, wiegelte ex bie Einwohner ber Etabt gegen ihn 
af. — Man fuhte nun den Apoftel, um ihm ben wilden Thieren im Amphi— 
theater vorzumerfen. Nur mit vieler Mühe fonnte man die aufrühreriihe Menge 
kefänftigen. Zwei Jahre vorher hatte ber bl. P. eine Reife nah Korinth ge 
mat und feinen Brief an die Galater geſchrieben. In dieſem Briefe zeigt er 
einem wahren apoftolifchen Eifer und unerſchütterlichen Starkmuth, weil dieſes 
Lt noch roh war und falfhe Lehrer unter ihm auftraten, welche die alten 
Eapungen mit dem Evangelium vereinbaren wollten. Im Jahre 56 fehrieb er 
ad an die Korinther, um die unter ihnen entftandene Spaltung beinulegen. Bei 
ner, nicht lange darnach unternommenen, zweiten Reife nah Macebonien fchrieb 
a feinen zweiten Brief an bie Porinther, bie er Furz nachher zum brittenmale ber 


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158 


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22 Paulus. 
ſuchte. Im Jahre 58 ſchrieb er dann von Korinth einen Brief an die Roͤmer. 
Nach einem dreimonatlichen Aufenthalte in Griechenland trat er bie Reife nad 
Judaͤa an, um den dortigen Släubigen die für fie in Macedonien und Achaja 
efammelten Almofen zu dringen. Am Borabende feiner Abreife aus Troas vers 
Pnmmelten fih die Släubigen, um ihn peebigen zu hören und das Brod mit ihen 
zu brechen. Ein Unfall aber flörte um Mitternacht dieſe heilige De temmEung. 
Ein Jüngling, Namens Eutyches, ber, in einem Fenſter figend, während ber Re 
des Apoels eingefchlafen war, fiel aus dem britten Etode hinunter und wurde 
als todt weggetragen. Der hl. P. wedte ihn ſogleich wieder zum Leben u. fuhr 
fort, die Brüder bis zu Tagesanbruch zu unterridhten. Bei feiner Landung zu 
Tyrus beſchwuren ifn einige Chriften diefer Stadt, welche bie Gabe der Weiſſa⸗ 
gung hatten, nicht nach Ierufalem zu gehen, die Dranyfale ihm vorberfagend, 
welche er ba werde zu leiden haben. Da er aber noch bei feinem Entichluße bes 
harrte, umarmten fie ihn unb beteten mit ihm am Geſtade. Er fegte nun feinen 
Weg fort und fam im Jahre 58, ungefähr 23 Jahre nach feiner Belehrung, in 
Serufalem an. Dieß war das fünfte Mal, daß er die Kirche diefer Etabt bes 
fuchte, Auf den ihm gegebenen Rath brachte er das Opfer für vier Nazaraͤer 
dar, deren Zeit verflofien war. Dieß that er, um den Juden zu zeigen, baß er 
Fi Wh: nicht verdamme. Deflen ungeachtet reizten einige aus Aften zum 
fingftiefte angefommene Juden das Bolt gegen ihn auf; denn, da fie ihn in ber 
Stadt mit einem Ephefer, Namens Trophimus, der ein Heide war, geliehen hat 
ten, glaubten fie fälfchlidy, er Habe ihn in den Tempel geführt, der dadurch ent⸗ 
weißt worden wäre. Man ergriff ihn und riß ihn fort, in der Abficht, ihn zu 
ftäupen und fogar zu töbten. Der Oberfte, Lyfias, befreite ihn jedoch aus ben 
Händen feiner Keinde. Ter hl. P. Hielt nun eine Rede an das Volk, worin er, 
die Wunder feiner Befehrung erzählend, beifügte, er fei. befonberd von oben ge 
fandt, den Heiden zu predigen. Bei biefen Worten forderte das Bolt wuthvoll 
feinen Tod. Lyſias verurtbeilte ihn nun ohne weitere Unterfuhung zur @eifle 
lung. Als aber die Strafe vollzogen werden follte, fragte P. den babei 
ftehenden Hauptmann, ob es erlaubt fei, einen römifchen Bürger ohne Unterfu- 
bung und Urtheil fo zu behandeln? Der Oberfte, erfchredt durch dieſe Worte, 
befahl, dem Apoftel die Bande zu löfen und ihn in die Burg Antonia zu führen. 
Des folgenden Tages berief Lyfias den Rath ber Juden zufammen und ließ den 
heil. P. vorführen. Da er aber reden wollte, ließ ihm der hohe Priefter Ananias 
einen Badenftreih geben. “Der Apoftel, innerlidy zwar bereit, nady des Heilandes 
Vorſchrift auch die anderen Wange darzubieten, glaubte, das Befte der Wahrheit 
erfordere, bei dieſer Betegenheit Kraft und Stärke zu beweiſen. Er beflagte fid) 
Daher über bie Ungerechtigkeit bes einem Unfchuldigen zugefügten Schimpfes und 
nannte den Ananias, unter der Androhung der göttlichen Gerechtigkeit, eine übers 
tündte Wand, d. h. einen Heuchler. Als man indeß dem Apoftel bemerkte, daß 
Ananias ber Hohepricfter fei, entfchuldigte er fich, daß er ihn nicht gefannt, wis 
drigenfalls er nicht fo würbe geredet Haben. Mitten in biefer Berfammlung rief 
dann P., der, wie die übrigen Apoftel, bie Auferftehung Jeſu als einen Haupts 
glaubenspunft prebigte, er ie angeklagt, weil er die Auferfiehung ber Tobten bes 
haupte. Die Phariſaͤer nahmen ſich nun, als eifervolle Vertheidiger dieſer Lehre 
egen die Saducaͤer, des Apoſtels an, fo Daß ein großer Zwift unter ben Juden 
Fıbr entftand. Lyſtas, fürchtend, P. werbe in diefem Gewirre in Stüde zerriſſen, 
ließ ihn wieder in die Burg Antonia zurüdführen. Da fi indeß vierzig Juden 
zum Tode des Hl. P. verſchworen hatten, fehidte ihn Lyſias unter flarfer Bes 
dedung an Felix, den zu Cäfaren fi aufhaltenden Provinzftaithalter. Dahin 
folgte ihm dann ber Hohepriefter mit dem Redner Tertullus, der liftig den P. 
befchuldigte, er errege Unruhen und habe ben Tempel entweiht. . Es war 3, 
nicht ſchwer, das Unhaltbare diefer Anfchuldigung zu beweifen. Er gefland aber 
ein, daß er Bott nach Weife Derjenigen anbete, welche von feinen Anflägern eine 
Sekte genannt werden, mit bem Beiſatze: daß er hierin ben Patriarchen und 


Paulus. | » 


Propheten folge und in ber Erwartung einer. Auferſtehung ber Guten u. Böfen 
auf eine untadelhaſte Weile vor Bott und ben Menſchen I} feben fuche. Belir 
ben Apoſtel zwei Jahre im Gefängniße verwahren, theils um ben Juden fidh 
Ulg zu erweilen, theils auch ſich ſchmeichelnd, bie Ehriften würden ihm Geld 
anen, um die Befreiung bes hl. P. zu bewirken. — Der Stattbalter, obgleich 
durchaus verrworfener Menich, ließ ben Hi. PB. boch oft vor fi führen und 
e ihn mit vielem Bergnugen. Unglücklicher Weile waren aber Rengierbe und 
bie einzigen Bervegerände ‚ die ihn bazu bewogen. Eine® Tages, ba ber Hl, 
P. mit vieler Kraft vor ihm von ber Gerechtigkeit, ber Keufchheit und dem Ieh- 
ven Gerichte ſprach, gerieth ber Landpfleger in großen Schreden, fagte aber, feine 
Gewiſſensbiſſe unterdiädend, zu bem Apoſtel: Fur jetzt gehe, ich werbe eine ges 
legenere Zeit nehmen, dich wieber wu hir.” Indeß folgte Porcius Feſtus dem 
Felix in der Statthalterſchaft von J nach, ein Mann von einer etwas mil⸗ 
beren und gemäßigteren Bemüthsart, als fein Borgänger. Der HL. P. wurde nun 
vor dieſem auf's Neue von bet Juden verklagt; allein er berief fih auf ben 
Kaiſer, um nicht bee Wuth feiner Verfolger preis gegeben zu werden. Während 
dieſes vorging, kam Agrippa, König einiger Berkets Subhne, nad Caͤſarea, dem 
—* ſeine *X ung zu hen Tan. er Jon Vieles don Er — 
e, e er en, zu {ch er er 
des * Tages vorführen Der Apoſtel ſchaͤgte ſich gluͤcklich, die Helles 
er großen Verſammlung verfündigen zu können. Er richtete das 
Wort an den Konig Agrippa, erklärte ihm bie Lehre von der Auferſtehung ber 
Zobten und erzählte ihm bie Beichichte feiner Bekehrung. Feſtus, in bem bie 
Liebe zur Wels den Sinn für Höhere Wahrheiten ertöbtet Butte, begnügte fich, 
bes Heiligen Berebfamteit zu bewundern. Indeſſen fagte er ihm body, er meine, 
daß er ſich felbft nicht verfiche und durch zu viele Wiſſenſchaften in Wahnfinn fich 
verliere. P. aber entgegnete mit aller Belnffendeit, er fei nicht von Sinnen und 
jeine Rede enthalte nur große Wahrheiten. berief ſich fobann auf den König, 
bie Schriften der Phropheten kenne, beren Weilfagungen an Chriftus in Er⸗ 
fauung gegangen feien. Agrippa konnte fich des Geſtaͤndniſſes nicht enthalten, 
aß ihn der Apoftel bald üderrede, ein Chriſt zu werden. Er öffnete indeſſen 
doch nicht feine Augen dem Evangelium, weil ex fein Herz gegen die: Eindrüde 
ber Gnade verhärtetie, und weil fi) das Ghriftenthfum mit dem, Weltgeifte nicht 
vereinbaren läßt. Endlich ward der Befehl gegeben, ben hl. P. einzuichiffen, um 
ihn vor den Kaiſer zu bringen. Lufas, Ariftarch und einige andere Chriſten was 
ven feine Begleiter, Nach einer langen und mühenollen Schifffahrt durch das 
Meer bei Cilicien und Pamphilien, gelangten fie in Lycien an, wo fie an’s Land 
traten. Bon da beftiegen fie ein alexandriniſches Schiff, das nach Italien fegelte 
und zweihunbertfechsundjechzig Perionen in fich ſchloß. Nach einer, mit widrigem 
Winde muͤhevoll fortgejeßten, Fahrt rieth der Hi. PB. dem tmann und den 
Steuerleuten, in den Hafen bei Thalaſfſa zu überwintern. Ale beftanden jedoch 
auf dem Wunſche, einen andern Hafen zu erreiben. Man lichtete die Anter u. 
mußte bald bei einem gefigen Winde dus Schiff den’ Fluthen preisgeben und es 
zulegt an einer Kleinen Infe unterbinden, damit es nicht aus den Bugen getrieben 
wurde. Des folgenden Tages mußte man die Ladung in's Meer werfen, und 
jwei Zage fpäter alles Schiffogeraͤthe. Der Sturm war fo heftig, daß fie vier 
sehn Tage weder Sonne noch Eterne fahen und beinahe feine Epeife au ſich 
nahmen. Es war alle Hoffnung verloren und fie hatten Nichts mehr vor Augen, 
ale den Tod mit allen Schreckniſſen eines Schiffbruches. Indeſſen ſprach ihnen 
ber HL. & Muth ein, fie verfichernd, es werde Nichts zu Grunde gehen, als das 


Schiff. Pa ii dann durch feine Wachfamfeit, daß die Steuerleute nicht mit 
einem Bot ent In und das vor Anfer liegende Schiff ohne Leitung der Flut 
überließen. Bei 


bruch des es erblidte man Land, das die Mannſchaft na 
geftrandetem Schiffe durch Schwimmen ober auf ben Trümmern bes Sch 
giädlich erreichte. — Der Ort, wohin ber hl. P. und ſeine Gefaͤhrten ſich rette⸗ 


24 Paulus. 


ten, war die Inſel Malta. Die dafigen Einwohner nahmen bie Saifori digen 
freundlich auf und zünbeten ein großes Feuer an, um fie zu erwärmen. Da be- 
Apoftel dürre Reiſer zufammenraffte und auf das Feuer warf, fprang eine Ratter 
hervor und blieb an feiner Hand hängen. Sogleich ſchleuderte er aber biefelbe 
in's Yeuer, und ihm geſchah Fein Leid. Die Einwohner glaubten, die Hand 
würde ihm anfchwellen und er plöplich tobt niederfallen, und fagten unter fidy, er 
müßt ein Mörder ſeyn, den die göttliche Rache verfolge. Als fie aber fahen, daß 
er unbefhädigt blieb, änderten fie ihre Meinung und fagten, er fei ein Gott. Der 
Apoftel und feine Begleiter brachten drei Tage im Haufe des Publius , eines ber 
vornehmſten Inielbemohner zu. Deſſen Gaftfreundlichfeit ward bald belohnt, indem 
der Heilige feinen Vater durch Gebet u. Hänbeaufleaung von bem Fieber und ber Rufe 
eilte. — Der HL Apoftel langte au Anfang des Früblings im Jahre 61 zu Rom 
an und wurbe mit den anderen Gefangenen dem Oberften ber kaiſerlichen Leib⸗ 
wache übergeben. Ihm ward jedoch bald erlaubt, befonders mit einer Wache zu 
leben, die nicht fowohl beftimmt war, ihm bie Flucht zu wehren, als ihn gegen 
ben bittern Haß der Juden zu fügen. Er Eonnte Allen, bie ihn befuchten, bas 
Evangelium verfündigen, wodurch er viele Befehrungen, befonderd unter en 
den, wirkte. Da feine Anttäger gegen ihn erfchienen, warb er nach zwei Jahren 
wieder in Freiheit gelegt. Während dieſer Gefangenſchaft febidten ihm die Phi⸗ 
lipper ihren Bifchof Epephrodit mit Geldunterftügung. . Der Apoftel ſchrieb Ihnen 
Dagegen einen fehr zärtlihen Brief, fie gegen gewiſſe Prediger warnend, welche 
bie Ehriften dem Geſetze der Beichneidung unterwerfen wollten, Aus Italien 
fhrieb er ebenfalls den Brief an Philemon, an die Koleffer und an die Hebräer. 
Rach erhaltener Freiheit zog er bald wieber in's Morgenland, in verſchiedenen 
Gegenden die Lehre Jeſu verfündigend, unter mannigfachen Berfolgungen und 
felbft von Todesgefahren umgeben. Während feiner apoſtoliſchen Reifen begrüns 
dete er auch ben Glauben auf der Infel Kreta, wo er den Hl. Titus als Biſcho 
zurüdließ, Die Leitung ber Kirche von Ephefus übertrug er dem HI. Timotheus. 
Um eben diefe Zeit fchrieb er feine fo Ichrreichen Briefe an die eben erwähnten 
Kicchenvorfteher, um fle in ihrem heiligen Amte zu unterweifen und zu beftärfen. 
Die Entlegenheit der Orte war nicht im Etande bem thätigen Eifer des Apoftels 
Einhalt zu thun. Aus dem Morgenlande fehrte cr dann zum Empfange der Sie 
gesfrone nah Rom zurüd. Durdy eine himmliſche Offenbarung von feinem nahen 
Tode belehrt, eilte er freudig dem Orte zu, wo er für den Glauben fterben follte. 
Diefe Reife machte der HL. P. um das Jahr 64, begleitet von dem Apoftelfürften, 
wie der hl. Dionyfins von Korinth zu verftehen gibt. Schon bei feiner erften 
Ankunft in der Haupiftabt der Welt hatte er viele Chriften gefunden, welche eis 
nige Jahre nachher durch die Wredigten des Hi. Petrus befehrt wurden. Wie 
fehr mußte aber durch den zweijährigen Aufenthalt bes Heibenapofteld die Zahl 
ber Jünger Jeſu fih vermehrt Haben! Aus dem Kerker fchrieb. der HL PB. noch 
einige Briefe. Er kannte kein fehnlickeres Verlangen, als mit Jeſus vereinigt zu 
werden. Nur die Begierde, Gottes Ehre und das Hell ber Seele zu befördern, 
fonnte feine glükende Sehnſucht, die Erde zu verlaffen, mäßigen. Endlich fah er 
das glüdliche Ziel feiner Arbeiten und Leiden herannahen und er fchaute mit dem 
innigften Yreudengefühle dem NAugenblide entgegen, wo ihn Gott zur ewigen 
gerlihfelt berufen werde. . . Er ward den 29. Juni im Jahre 65 enthauptet. 
eine fterblihe Hülle wird zu Rom aufbewahrt und fein Gebächtnißtag gemeins 
ſchaftlich mit dem bed Apoftelfüften Petrus von ber Kirche am 29. Juni bes 
angen. 

Paulus. 1) P. der Heilige, ber erfie Einfiedler, aus Unterthebais ges 
bürtig, war erft 15 Jahre alt, als er feine Eltern verlor. Mit ausgezeichneten Kennt: 
niſſen in der griechifchen u. Agyptifchen Literatur verband er damals ſchon einen 
fanften, eingegogenen u. frommen Wandel. Unbefümmert um die Welt u. ihre 
Bergnügungen lebte er nur ber chriftlichen Tugendbübung, als Kaiſer Decius 250 
eine graufame Verfolgung gegen bie Jünger Jeſu erregte. Um ben Berfuchungen 


Paulus. 2 


u. qualvolien PBeinigungen, wodurch manche Chriſten zum Abfall gebracht wurden, 
zu ‚entgehen, verbarg fih P. in einem fremben Haufe, das er jeboch nach einiger 
Zeit verließ, ba er vernahm, daß ihn fein Schwager, ben es nach feinen Gütern 
gelüftete, ben Berfolgern ausliefern wollte. Er entfloh daher, 22 Jahre alt, in 
He Wüfte, wo ihm eine Höhle, In deren Raͤhe ſich eine Quelle befand, zum 
Kufenthalte diente. Anfangs wollte ex nur fo lange bakleiben, als bie 
ig dauern würde; nachdem er aber einmal bie Süßigfeit eines bußfertigen u. 
—* Lebens gekoſtet hatte, faßte er den Entſchluß, nie mehr in die Welt 
rurückzukehren u, in ſeiner Einoͤde deſto eifriger für Diejenigen zu beten, bie in 
ver Welt wohnten. Er lebte bis zu feinem 23. Jahre blos von ber Frucht eines 
alınbaumes; feine Lörige Lebenszeit hindurch wurde er wunderbar, wie einft ber 
en Raben genährt, der ihm jeben Tag ein halbes Brob 
chte. Bon ben einzelnen Lebensumftänden biefes großen Dienerd Gottes if 
me fonft Nichte befannt, denn nur. wenige Zeit: vor feinem Tode warb er ben 
Menfchen durch folgende Beranlaffung entbeckt. Der große Antonius, ber Damals 
90 Jahre alt war, wurbe von Gedanken eitlen Ruhms verfudht. (Er bildete fich 
in, Niemand habe fo lange, wie er, Bott in ganlider Abgeſchiedenheit von ber 
Welt gedient. Eben mit dieſem Gedanken befchäftigt, ſchickte ihm Gott einen 
Traum, wodurch er ihm feinen Irrthum benahm u. ihm befahl, einen feiner 
Diener aufzufuchen, ber tief in der Wüfte wohne. Antonius machte fich unver 
lich auf den Weg, fand ben, ben er fuchte, u. bat ben Heiligen, ihm bie 
e feiner Höhle zu öffnen: allen erſt nach vielem Zubringen warb ihm fein 
Wunſch gewährt u. ee von B. mit fanftem Lächeln empfangen. Sie umarmten 
Rh wechielfeitig u. nannten ſich beim Ramen, den Gott Jedem geoffenbart hatte, 
B. fragte ben Antonius, ob die Menfchen fich immer noch fo um bad Irdiſche 
abquälen u. dem heibniichen Aberglauben nachhiengen? — Als fie ihre Unterres 
dung beendigt hatten, kam ein Rabe herbeigeflogen u. legte ein ganzes Brob 
ihren Füßen. Beide danften Gott u. fegten- fih an ben nahen Duell, um 
Mahl zu nehmen. Die folgende Nacht brachten fie im Gebete zu. Des Morgens 
fagte P. zu feinem Gaſte: „Meine legte Stunde iſt gefommen; bie Berfehung 
hat dich hieher geführt, um mir den lebten Dienft zu erweifen. Gehe bin un 
hole den Mantel, den dir der Biſchof Athanaflus gegeben hat, u. Hülle in ben» 
felben meinen Leichnam.“ Dieb that aber der Heilige nicht aus aͤngſtlicher Sorg⸗ 
falt für bie Beftattung feines Leibes ; er wollte dem Antonius nur den Schmerz 
erfparen, ihn fterben zu fehen, u. feine Ehrfurcht gegen Athanaflus, wie audy feine 
Anbänglichkeit an ben Glauben ber Kirche bezeugen, für welchen biefer HL Biſchof 
damals bie größten Verfolgungen litt, Diefes Begehren fegte den HL Antonius 
In Etaunen, weil er wohl fah, daB P. blos aus göttlicher Offenbarung Etwas 
von biefem Mantel wiffen fonnte. Demüthig gehorchend, füßte er dem @reife bie 
en u. Hände u. machte fih auf den Wen nach feinem Kloſter. „Ich bin 
Richie, fagte er bei feiner Rüdkunft zu feinen Brüdern, als ein armfeliger Sünder; 
ich bin nicht würdig, ein Diener Gottes genannt zu werben. Ich habe Elias 
zefehen, ih Habe Johannes ben Täufer in ber Wuͤſte gefehen: mit einem Worte, 
ih habe P. im Paradiefe gefehen.” Die Furcht, der hl. Einflebler möge während 
einer Abweſenheit fterben, trieb ihm ſchnell wieder zurüd; er trat daher bloß in 
eine Zelle, um ben Mantel. zu Holen, u, diefe Furcht war, wie die Folge zeigte, 
nur zu fehr gegründet. Er befand ſich noch auf dem Wege, als er bie Seele 
des entfchlafenen Diener Gottes, umgeben von Engeln, Propheten u. Apoſteln, 
in den Himmel fteigen ſah. Der Freude ungeachtet, die er bei biefem Anblicke 
nmpfanb, konnte er fich doch der Thränen nicht erwehren über ben Berluft eines 
Schages, der ihm kaum im Borbeigehen gezeigt worden. Er warf ſich auf fein 
ht zur Erbe nieder, u. ließ feinen Thränen freien Lauf; dann erhob er fich 
‚ um feine Reife weiter fortzufegen. Bei ber Höhle angelangt, fand er bes 
igen Leib Inieend mit emporgerichtetem te u. gegen Himmel gehobenen 
; Mnfangs glaubte er ber fromme betes ex kniete fich daher nicher, 





26 Vanlus, 


u. betete au. Da er ihn aber nicht, wie fonft, mährend des Gebetes aufjeufzen 
hörte, warb er überzeugt, daß er wirklich todt fe. Er wollte nun bem Ber 
blidyenen bie legte Ehre erweiſen, huͤllte daher befien Leichnam in ben Mantel bes 
Hl. Athanafius und trug ihn aus ber Höhle. Als er aber das Grab machen 
wollte, fehlte es ihm an einem Werkzeuge. Da nahten zwei Löwen, bie ihre na 
türliche Wildheit abgelegt zu haben fchienen, u. wühlten mit ihren Tagen bie 
Erde fo tief auf, als erforderlich war, einen menfchlichen Leib zu verwahren. 
"Antonius verrichtete Hierauf die Gebete der Kirche u. beftattete des gellgen ſterb⸗ 
liche Hülle Nachdem er dieſe Pflicht erfüllt Hatte, kehrte er in fein Kloſter zurüd, 
wo er feinen Schülern Alles, was fich ereignet hatte, erzählte. Das von P. mit 
eigener Hand aus Palmblättern verfertigte Gewand bewahrte er ehrfurchtsvoll 
u. zog es nur auf Oftern u. Pfingſten an. Der Hi. B. ftarb im Jahre 1342, 
in einem Alter von 130 Jahren, wovon er 90 in ber Wüfte verlebt Hatte. Jahres⸗ 
Tag 15. Jauuar. — 2) P. der Heilige u. Martyrer, Biſchof von Konftans 
tinopel, gebürtig von Thefialonich, ward zuvor Diakon der Kirche von Konſtan⸗ 
tinopel u. im Jahre 340, nach dem Tode des Bilchofs Nlerander, ber ihn zu 
feinem Nachfolger erkoren Hatte, auf biefen biſchöflichen Etubl erhoben. Man 
fand fi) um fo bereitwilliger für diefe Wahl, als P. in einem hohen Grade bie 
Gabe des Wortes bejaß, von großem Eifer für ben katholiſchen Glauben beſeelt 
und bisher immer der Schreden ber arianifhen Sekte geweien war. Allein 
Macedonius, der nach derſelben Würde firebte, u. von den Kebern unterftügt 
wurde, gebrauchte die Berläumdung, um feinen Untergang zu bewirfen. Da aber 
bie verfchiebenen Anklagen, weldye er gegen den neuen Biſchof vorbracdhte, alles 
rundes ermangelten, Ya er ſich genöthigt, davon abzuftehen. Er fchien fogar - 
fein Vergehen zu bereuen u. fpielte fo gut ben Heuchler, daß ihn P. kurz nach 
zur priefterlihen Würde erhob. — Indeſſen erneuerte Eufeblus, einer der vor 
nehmften Häuptlinge der Arianer, die alte Berläumbung und legte ihm als ein 
beionderes Bergehen aus, daß feine Wahl während ber Abwefenheit bes Kaiſers 
‚ Konftantius geihehen. Die früheren Anklagen wurden leicht widerlegt, den legten 
unft flellte man aber fo liſtig dem Yürften als eine offene Verachtung der kaiſer⸗ 
liden Würde dar, daß der Heilige in einer, aus bloß arianiichen Biſchoͤfen bes 
ftiehenden, Berfammlung abgejegt wurde, worauf ſich der ehrgeizige Eujebius auf 
ben Etuhl von Konftuntinopel ſchwang. P. zog ſich nun, da er, wegen ber vom 
Kaiſer Konſtantius gefhügten Artaner, feiner Gemeinde nicht mehr nügen konnte, 
in das Abendland zurüd, wo Konftans regierte. Diefer Yürft empfing ihn, fo 
wie der hl. Bifhof Maximin von Trier, mit den größten Ehrfurchtobezeugungen. 
Nachdem er fi dann einige Zeit in diefer Stadt aufgehalten hatte, begab er ſich 
nad Rom, wo er ben hi. Athanafius fand u. dem von Papſt Julius 341 das 
felbft gehaltenen Eoncilium beiwohnte. In diefer Verfammlung warb entichieben, 
daß der HL. PB. u. Marcellus von Ancyra wieder auf ihre vorigen Biichofsnge 
eingefeßt werben follten. — P. fehrte hierauf nach Konftantinopel zurüd, ohne 
jedoch feinen Gib cher, als nach dem Tode des Eufebius (342), wieder erlangen 
zu können, So willfommen aber feine Wiebereinfegung den Katholiken war, ſo 
ſehr wedte fie das Mißfallen ber Artaner, welche den Priefter Mucedonius zu 
ihrem Bifchofe wählten. Diefer Schritt erregte einen heftigen Aufruhr. Konſtan⸗ 
tius, der ſich Damals zu Antiochien aufhielt, gerieth bei biefer Nachricht in Wuth 
u. befahl dem Feldherrn Hermogenes, der mit einem Heere nach Thracien zog, 
ben Weg über Konftantinopel zu nehmen u. ben hl. Biſchof aus der Stabı zu 
vertreiben. Hermogenes fand Alles in größter Berwirrung; feine Bemühungen 
vermehrten nur noch die Unruhen u. fofteten ihm das Leben. — Konſtantius, 
Außerft erbittert über diefe ihm in der Perfon feines Diener zugefügte Beleidis 
gung, reiste mitten im Winter ab nach der aufrührifchen Haupiſtadt. Doch, durch 
die Bitten des Senats befänftigt, ließ er dem Volke Gnade widerfahren, rächte 
fih aber an dem hi. Bifchofe, indem er ihn bes Landes verwies. Indeſſen vers 
weigerte ex doch auch ber Wahl des Macedonius feine Betätigung, weil biefer 


Vaunlut. — 
an bem Aufruhr witſchuldig geweſen. In ber je willigte er zwar in bie 
BWicbereinfegung des —— verkannten a ein, weil er befürchtete, im 

en Falle von feinem Bruder Konſtans mit Prien überzogen zu werben. Die 
Lage P. war aber fo hart, wie vorhin. Die Artaner, welche allegeit ihren 
Einfluß auf den Kaiſer behielten, verurfachten ibn taufend Kraͤnkungen u. fprachen 
qulept gegen ihn, den hl aſtus u. ben Bapft Zulius, die ald eben fo viele 
Säulen den katholiſchen Slauben aufrecht erhielten, ben —8 aus, um fit 
deRo ungefcheuter verfolgen zu können. — As endlich Konftantius nach dem 350 
erfolgten Tode feines Nichts mehr zu befürchten hatte, erklärte er ſich 
lehrer. Bon Antiochien aus erließ er einen 
Befehl an ben Präfeft Philippus, den BL P. aus feiner Kirche u. aus ber Stadt 
Konflantinopel zu vertreiben, und Maredenius an beſſen Stelle fegen. Der 
Bräfekt, ber bie Liebe bes Volles au feinem Biſchofe kannte, ey den Heiligen 
heimlich an einen beflimmten Ort befceiben, wo er ihm ben faiferlihen Bei 
vorzeigte, Tiefer unterwarf fich, ohne bie mindeſte Widerſehlichkeit, obgleich feine 
a ig gegen alle Kirchenfatungen war. P. wurde ſodann nach Theflalonich 
gie ohne baf man ihm jedoch) den Ort feiner Berbannung beftimmt hätte, 
hatte ex Anfangs: die, Freiheit, zu wohnen, wo er wollte. - Allein feine Feinde 
ließen ihn bald, mit: Banden belaben, nah Eingara in Mefopotamien abfähren, 
Epäter fhleppte man ihn von ba nad Emefa in Syrien, dann nad Eucufa, 
einer kleinen, in der Wuͤſte des Berges Taurus gelegenen Stadt, wo bie Luft fehr 
ungefunb war. Hier würde er in einen jern Kerker eingeichloffen und bem 
bitterfien Dangel Preis gegeben. Eeine deinde verboten fogar, ihm irgend eine 
Nahrung zu reihen. MS fie ihn ſechs Tage nachher bennoch am Leben fanden, 
erbrofiiten fe ihn menheinsrberiher Weile u. veriretrten da6 Beräät, er (cd 
an einer Krankheit geftorben. Sein Martertob ereignete ſich im Jahre 350 ober 
351, u. fein Hralider Gcädhtnii iR ber 7. Junius. — 3) P. von Samo⸗ 
fata, Bifchof von Antiocdhien, feit Jahre 260, ein zwar. geiftig begabter, 
aber babei weltlich gefinnter, in unreinen Verhältnifien lebender, ruhmfüctiger u. 
prachtliebender Mann, bem ber Titel feines weltlichen Amtes als „Ducenarius* 
Hangreicher, als ber kirdliche eines Biſchofo erfchien, ſchloß fih ber ſchon vers 
worfenen Srriehre der Sabellianer (f. d.) an u. behauptete, Ehriftus fei ein 
bloßer Menſch (Yı$lds dvIpwaos) ohne höhere Adfunft u. Präeriftenz, aber er 
ſei auf eine befondere Weije von Gott begnadigt gewefen, indem ber göttliche Los 
g06 von feiner Empfängnis an in ihm gewohnt habe. Doch hielt er ben ⸗ 
lichen Loges wohl nur für bie menſchliche, aber beſonders ausgezeichnete ⸗ 
nunft. Mit Rückſicht darauf, daß er Chriſtum in feiner Erhöhung Gott nannte, 
ſcheint feine eigentliche Anficht gewefen zu ſeyn: Chriſtus habe ſich burch befondere 
Tugenden zur Görtlihkiit erhoben. Darum bedienten fih feine Anhänger auch 
nicht der lirchlichen Taufformel. Drei antiocheniiche Synoden verbammten feine 
Irrlehre; auf ber letzten (269) wurde er von dem antiocheniſchen Presbyter Malchion 
vohftändig überführt, barım abgefegt u. bie ‚glemmte fatholifche Kirche durch ein 
Eynodalſchreiben davon benachrichtigt. Doc fuchte er fi durch die weltliche 
Macht u. Gunſt der Königin Zenobia von Palmyra zu halten. Wis aber ber 
Kaifer Aurelian bie Macht dieſer Regentin gebrochen hatte, beflimmte er: Ders 
jenige ſolle Biſchof von Antiochien feyn, welchen bie italienifben und vorzuges 
weite ber römiiche Biſchof dazu ernennen wuͤrde. Jept mußte P. weichen; doch 
erhielt fich eine Partei, Paultaniftenoder Samofatenianergmannt, noch gegen 
50 Jahre als ein abgefonberter Haufe. — 4) P. Aegineta, ein berühmter 
griechiſcher Arzt u. praftifcher Beburtshelfer mit dem Beinamen Altawabeli, lebte 
zu Ende des 7. Jahrhunderts nach Chriſto wahrſcheinlich in Italien, nachdem 
ex feine Erfahrungen durch verfciedene Reifen erweitert Hatte, Er hinterließ ein 
Gompenbium ber Arzneiwiſſenſchaft in 7 Büchern, wovon das 6. Buch ſehr 
fbäpbare chirurgiſche Dmetungn enthaͤlt. Ausgaben: Bafel‘1538, u. von 
Adams, Lond. 1834. — 5) P. Diekonns, eigentlih Winfried Warneirin\ 


28 Paulus. 


(sc. filius), geboren zu Cividad del Friuli 730 nach Chriſto, ein gelehrter, vor⸗ 
züglich gelhictefundiner Longoharbe, bekleidete neben dem Diafonate (felt 763) 
zu Aquileja, oder im Patriarchate biefes Namens, bie Stelle eines Rotarius ober 
Kanzlers bei dem lebten Könige der Longobarben, Deſiderius; jedoch iſt bie Ans 
gabe, daß er beide Würben befleivet habe, ungewiß. Später wurde er Mönd 
im Kloſter Monte Caflino, von wo er fich in Privatgefchäften an den Hof Karls 
bes Großen begab. Karl behielt ihn von 1781 bis 1787 bei ſich, um theils bie 
Hofleute in der griechifchen Sprache zu unterrichten, theils die nöthigen Schul⸗ 
u. Handbücher für ben Klerus zu verfaſſen. Eine Frucht biefer Bemühungen war 
ber jogenannte „Homiliarius“ eine Sammlung von Predigten aus ben Kirchen 
pätern über die fonns u. fefttäglichen Evangelien u. Epifteln, welchen Karl 
öffentlich zu gebrauchen gebot. Durch biefen Homiliarius Haben wir bie fogenannten 
erifopen in Deutichland erhalten, in deren Auswahl bis dahin inden Gemeinden bie 
geöte Freiheit herrfchte. Karl bediente fich feiner auch zur Verfertigung verbeflerter 
opien müglicher Bücher, u. P. war einer der erften, der bie beinahe ganz abs 
gelommenen Interpunktionszeichen wieder einführte. Er Tehrte, man weiß. nicht 
in welchem Jahre, in das Klofter Monte Caſſino zurüd, Auf Berlangen ber 
Iongobarbifben Prinzeffin Adelderga fchrieb P. ein hiſtoriſches Handbuch: Historia 
miscella (befte Ausgabe in Muratori rerum italicarum scriptores Band L.), in 
welcher er in den erften 3 Büchern den Eutropius mit wenigen Zufägen wieber 
ibt, in den 5 legten die Geſchichte bis auf Juſtinianus fortfegt. Lanbulfus 
agar foll fie im 14. Jahrhundert in 8 weiteren Büchern bis zum Jahre 806 
Tortgefebt haben (ebenfalls in Muratori rerum itslicorum scriptores Band 1.). 
Schäßbarer ift feine Iongobarbifche @efchichte (De gestis Longobardorum libr. VL 
Muratori script. rer. Ital. Bd. I.) bis auf König Luitprand. Diefem Buche ver 
danft man, was man aus einheimifchen Nachrichten ber LRongobarben weiß. 
Sein Leben befchrieb Petrus Diakonus, Mönch zu Monte Caſſino im zwölften 
Jahrhunderte. 
Paulus, Heinrich Eberhard Gottlob, großherzoglich Baden'ſcher 
geheimer Kichhenrath u. emeritirter Profeſſor der Theologie zu Debebeg, geboren 
764 in dem württembergifchen Stäbtchen Leonberg , ftubirte zu Tübingen und 
Göttingen u. machte, mit Unterflügung bes Freiherrn von Palm, eine Reife durch 
Franfen, Ober⸗ u. Rieberfachfen, wobei er hauptfäcdhlich päbagogifche Zwede vers 
folgte 1789 wurbe er Profeffor der orientalifchen Sprachen in Jena; 1793, 
nach Döderleins Tode, Profeſſor der Theologie ebendaſelbſt; 1803 in Würgbur 
u. 1808 Kreisſchulrath in Bamberg. 1809 kam er in gleicher Eigenichaft nach 
Nuͤrnberg u. 1811 nad Anſpach; aber fchon in demfelben Jahre erhielt er einen 
Ruf als Profefior der Kirchengeſchichte u. Exegeſe nach Heidelberg, wo er bie 
1844 wirkte, in welchem Jahre er Alters Halber in den Ruheftand verſetzt wurde. 
. tft einer ber Danptwortführer bes fogenannten communen Nationalismus im 
eerlager der Proteftanten, einer der Hauptgegner ber fatholifchen Kirche, ihrer 
erfaffung u. ihres Regiments, u. dieſe geboppelte Tendenz: ber Regation auf 
dem Felde der proteftantifchen Theologie u. des maßlofen Angriffs gegen unfere 
Kirche, liegt auch feinen fehr zahlreichen Schriften zu Grunde, von denen wir 
anführen: Exegetiſches Handbuch der 3 erften Evangelien, neue Ausgabe 1841 
— 1842, 3 Bde; Memorabilien, 8 Stüde, Leipgig 1791—1796 ; Sammlung der 
merfwürdigfien Reifen in den Drient, 7 Bde., Sera 1792 — 1803; Das Leben 
Jefu, 2 Bde., Heidelberg 1828; Sophronizon und neuer Sophronizon ſeit 1819; 
Aufklärende Beiträge zur Dogmen-, Kirchen u. Religions « Beichichte, 2. Aufl., 
Bremen 18345 Der Denfgläubige, Deibeiberg 1825 — 1829, und die Zeitichrift 
„Kicchenbeleuchtungen" 1827. Zu Gunften des Rongethums konnte ein fo ges 
lehrter Mann, wie P., ſich wohl nur aus angebormer u. unüberwindlidder Op⸗ 
pofition gegen die katholiſche Kirche ausſprechen. Noch 1843 trat er in eine 
Polemik gegen die Schelling’fche Philofophie nach von ihm herausgegebenen Eols 
legienheften Schellinge, wodurch er in einen Argerlichen Rechtöftreit verwidelt wurbe, 


Panperisund — Panfllippo. 29 


Pauperismus, |. Armenwefen. 
anias. 1) P., ein berühmter fpartanifcher Feldherr, Sohn bes Kleom⸗ 
brotos u. Bruder des Leonidas (f. d.), befehligte das Heer der vereinigten 
Griechen gegen die Perfer u. brachte diefen 479 v. Chr. bei Platää eine völlige 
Niederlage bei, fo daß fie e8 nachher nie wieder wagten, einen Einfall in Europa 
zu machen. Diefer Sieg hatte auf P., der früßer mehrfache Beweile von Des 
jheidenheit u. Großmuth gegeben Hatte, einen hoͤchſt nachtäelligen Einfluß. Gr 
vertaufchte die einfachen Sitten feines Baterlandes mit perfifcher Ueppigkeit, bes 
handelte feine Berbündeten mit Uebermuth und wurbe fogar zum Berräther an 
feinem Baterlande, indem er fidh gegen den König von Perſten anheifchig machte, 
demfelben die Herrichaft über Griechenland zu verfchaffen. Seine verrätheriiche 
Adficgt wurde indefien entdeckt; man nahm ihm ben Oberbefehl, forderte ihn vor 
ba® Gericht der Ephoren, um nach der ganzen Strenge bes Geſetzes gegen ihn 
zu verfahren. Es gelang ihm aber, in den Tempel ber Minerva zu flüchten, wo 
er, da das Volk die Thüren mit Steinmaflen verrammelte, ben dumgertob ſtarb. 
— 2 P. ein griechiſcher Geſchichtſchreiber u. Geograph, nach Einigen aus Caͤ⸗ 
ſarea in Kappabokien, wahrſcheinlicher aber aus Lydien gebuͤrtig, lebte in ber 
zweiten Hälfte bes 2. Jahrhunderts v. Chr. und bereiste Griechenland, Mace⸗ 
donien, Italien und einen großen Theil von Alten, wovon das Ergebniß feiner 
noch vorhandenen Befchreibung Griechenlands (Ilepıyyyoıs rs EAAados) in 10 
Büchern, die man nach den barin befchriebenen Landſchaften zu benennen pflegt, 
war, Die Zeit der Abfaffung dieſes Wertes fällt erfi in das höhere Lebensalter 
des P., unter Hadrian u. den Antoninen. Daffelbe ift vol Ichrreichen Unterrichts 
für den Alterthumsforſcher, befonders in Ruͤckſicht auf die Kunſt und ihre Ge⸗ 
ſchichte, weil P. fi) auf Beichreibungen ber vornehmften Gebäude u. Bilbfäulen 
hauptſaͤchlich einläßt, die feiner Arbeit mehr Interefie geben, als feine Betradhs 
tungen u. bie ziemlich vernachläßigte Schreibart. — Die befte Ausgabe von €, 
G. Siebelis, Leipz. 1822—28, 5 Bde; Handausgabe mit Fritifchen Noten und 
einem Sachregifter von J. Bekker, 2 Bbe., Berl. 1826 u. 1827; Deutfche Hebers 
fegung von Wiedaſch, Münden 1826 — 28, 3 Bde, und von €. ©. Siebelis, . 
Stuttg. 18275 ine elegante Iateinifche Meberfegung von Romulus Amafäug, 
Bafel 1557. — Bol. König, De Pausaniae fide et auctoritate in historia, my- 
thologia arlibusque graecorum tradendis praestita, Berl. 1832. 

aufe Heißt in der Mufif u. Rebe daB ftellenweife Schweigen der Stimmen, 
und in der erfteren das dazu gegebene Zeichen. Es gibt ganze Pauſen, b. i. 
Ruhepunkte, die in ihrer Dauer einer ganzen Taftnote, nach ber gewählten Taftart 
des Muſikſtuͤcks, gleich find; halbes, Viertel-Pauſen u. f. w. Befinden 
bei den P.n fich Bunfte, fo tritt das nämliche Zeitverhältnig u. Maß ein, wie 
bei den Noten felbf. Die Fleinften P.en beißen Sofpiren, weil fie nur das 
Athem⸗ oder Kraftichöpfen geftatten. Das Schweigen aller Stimmen in einem 
Tonftüde aber nennt man eine Generalpaufe. Der Zwed ber B.n im Al, 
gemeinen ift bie beftimmtere Hervorhebung u. Unterfcheidung der Säge, dann auch, 
dem Zuhörer einen Ruhepunft zu gewähren. Daraus ergibt ſich, daß fie am 
rechten Drte eintreten mülfen. Sn der Deklamation find der Einfiht u. dem 
Gefühle des Vortragenden überlaffen. — In der Theaterfprache bezeichnet man mit 
PB. einen fürzeren ober längeren Zeitraum bei wichtigen Kriſen oder Stodungen 

in bee Handlung, welche durch ein paflendes ftummes Spiel auagefült werden. 
Paufilippo (abgeleitet von ravcıs rys Aurzys, Aufbören der Traurigfeit), 
heißt ein Berg auf der Rorbweftfeite von Neapel, vorzüglich wegen feiner unges 
fähr 960 Schritte langen, 50° Hohen und gegen 30° breiten ®rotte merfwürbig, 
die durch einen ZTuffteinfelfen gehauen ift und durch welche, dem Meee entlang, 
die Etraße von Reavel nach Puzzuoli führt. Das Alter des P. ift ungewiß, 
doch nennt ihn ſchon Strabo. Ueber ber Grotte, das fogenannte Grabdes Virgil, 
ein Eolumbarium, das indefien ohne hinreichenden Grund dieſem Dichter zuge⸗ 


30 Yan — Pavia. 


ſchrieben wird, mit herrlicher Ausſicht. Auf dem P. bie Kirche St. Maria bei 
Parto u. Refte ber Bäder des Lucullus u. eines Kortunatempeld. — Eine zweite 
Grotte, weiter gegen das Ende des Berges, wurde neuerdings aufgefunden. 

auw, Cornelius de, geboren zu Amflerdam 1739, lebte mehre Jahre in 
Berlin, wo Friedrih II. ihn um feines philofophifchen Geiſtes willen fchäßte, 
war feit 1766 Kanonikus beim Kapitel zu Zanten, 1767 Borlefer Friedrichs IL, 
ging 1769 wieder nach Zunten, mußte 1770 aufs Neue zum Könige, kehrte aber, 
weil ihm das Hofleben nicht gefiel, 1771 von Reuem nad Kanten zurüd und 
lebte bajeldft in der Einſamkeit für die Wiflenichaften bis an feinen Tod, 7. Juli 
1799. Sein Andenken lebt in folgenden gehaltreihen Werken, die eine vollſtaͤn⸗ 
dige Naturs u. Kulturgefchichte des Menichen vorftellen follen: Recherches philos. 
sur les Americains, 2. Aufl., 3 Bde, Berl. 1772, deutſch, Berl. 1769; Rech. 
philos. sur les Egyptiens et les Chınois, 2 Bde., ebd. 1773, deutib von I. G. 
Frünig, Berl. 1774: Rech. philos. sur les Grecs, ebend. 1787, 2 Bde., deutich 
von PB. Billaume, Berl. 1789. Ob man gleih in diefen Schriften viele Para⸗ 
doxien antrifft und bie feurige Einbildungsfraft bes Verfaſſers viele gewagte 
Behauptungen erzeugte, fo ſchaägzt man doch den Scharffinn u. die Gelehrſamkeit 
bes Berfafiers mit Recht, u. feine Schriften werben immer werth bleiben, daß 
man fie lefe u. ftudire, 

Havefade, Paveſe, war im Mittelalter eine 5° lange, mit Eifenblech bes 
fhlagene, tragbare Blende, welche, unten mit einem eiſernen Stachel verfehen, in 
ben Boden geftoßen werden konnte und den Armbruftihügen, befondere bei Bes 
lagerungen, zum Schuge diente. 

Pavia, alterthuͤmlich gebaute Hauptſtadt der gleichnamigen Delegation im 
lombardiſch⸗ venetianiſchen Königreiche, 6 Stunden von Mailand, am Teffin, der 
von hier an ſchiffbar ift u. den großen von Mailand fommenden Kanal Naviglio 
aufnimmt, mit einer febönen Brüde über fenen, ift mit Mauern u. feflen Thürmen 
umgeben, Sig eines Bifchofs, einer Univerfität, eines Tribunals erfter Inftanz 
und zählt 24,000 Einw. Die aanze Umgegend If mit Reis angebaut, befien 
Felder wegen bes eingeleiteten Waſſers beſonders fehenswerth find, Alterthümer 
findet man in P. fuft gar feine, indeflen zeigt man einen Thurm ald den, wo 
Beöthius, der Minifter des Gothenkoͤnigs Theodorich, gefangen gebalten unb er- 
mordet wurde. Bon ben beiden prächtigen Denkmalen des Bosthius, das eine 
von König Luitprand 726, das andere von Kaiſer Otto DI. errichtet, find Feine 
Epuren mehr vorhanden. Unter den Kirchen der Stabt find fehenswerth: bie 
Kathedrale, aus verfhiebenen Zeiten; mit der Arca di S. Agoflino, einem 
reichen Sculpturwerf aus dem 14. Jahrhundert. S. Michele, urfprünglich von 
ben Longobarden erbaut, allein neu erbaut zu Ende bes 11. Jahrhunderts im 
romanifch slombarbifhen Sty. S. Barmine aus dem 14. Jahrhundert. ©. 
Maria de Eant, mit einer Inschrift auf Athalarich — Der Palaſt Mula ss 
pina mit den Büften des Bosthius u, Petrarca, beren erfterer an diejer Etelle 
fein Buch „vom Troft der Philofophie“ geichrieben,, der andere Häufig daſelbſt 

ewohnt haben fol. Das alte Schloß, ehedem mit Mauern u. Thürmen ge 
—*2 in dem Franz Visconti 1404 ſeine Schweſter Katharina gefangen hielt, 
um ſich ihrer Güter zu bemächtigen, in gleicher Abſicht Lodovico Moro den Joh. 
Galeazzo Sforza, und wo 1796 300 Yranzofen ohne Artillerie dem Angriffe von 
4000 bewaffneten Paveſen widerftanden, ift jegt Kaſerne. — Die Universität, 
mit Lehrſtuͤhlen in allen Fächern, einem anatomiſchen Cabinet, gegründet von 
Scarpa, bad man für das vollftändigfte in Italien hält, einem parhologiichen, | 
pdraulifchen, naturbiftorifchen Gabinet, einem botanifhen Gurten, chemiſchem Las 
oratorium, einer Bibliothek mit 50,000 Bänden u. 1400 Studenten. Tas Col⸗ 
fegio Borromeo, Collegio Caccia u. Eollegio Ghislieri, jedes mit 
beiläufig 60 Zöglingen. — Die ältefte Geſchichte von P. ermangelt aller Sicherheit. 
Wir willen nur, baß im 5. Jahrhunderte die Gothen ſich der Stabt bemächtigten, | 
bann aber den Longobarben weichen mußten, unter beren Herrſchaft fie Haupts 


Pavian — Phzmku, 81 


ſtadt des Reiches wurde. 774 wurde Defiderius, ber letzte Longobardenkoͤnig, von 
Karl dem Großen hier gefangen genommen u. ſeinem Reiche ein Ende gemacht. 
924 wurde P. von den Ungarn verwäftet, 951 von Oito I. eingenommen. — 
In den Kämpfen des Barbarofia ftand e8 dem Kuifer gegen Mailand bei, mußte 
ſich aber zulegt dieſer Stabt unterwerfen. — 1525 flel vor feinen Thoren die bes 
rüßmte Schlacht vor, in weldyer Franz L von Frankreich Gefangener Kuifere 
Karl V. wınde General Lautrec ließ wenige Jahre hernach die Einwohner von 
P. die Freude entgelten,, die fie an ber Niederlage der Franzoſen gehabt, von 
welcher Zeit an die Stadt ſich nicht mehr erholt hat. Die vielen Kriegeunbilden, 
die namentlich noch Im ſpaniſchen Exrbfolgefriege P. erlitten, Haben wenige Denk⸗ 
male alter Zeit dort übrig gelaffen. 

Pavian iR der Rame mehrer Arten großer Affen, ohne ober mit nur ganz 
furzen Schwänzen, weldye in der neueren Zoclogie Cynocephali (Hundeföpfe) 
heißen. Die hauptſaͤchlichſten berfelben find: der gemeine P., der ſchwarze P., ber 
Babouin, der Tartarin, der Mandrill u. a. 

avillon (vom Lateiniſchen papilio, Schmetterling) nennt man, wegen ber 
Aebnlichteit mit ben ausgebreiteten Fluͤgeln eines Schmetterlinge, ein auf allen A 
Seiten abhängiged Dad, ein fogenanntes Zeltdach, wie ſolches gewöhnlich auf. 
den Mittelflägeln von Gebäuden, welche höher find, als die Rebenflügel, anges 
bracht wird. Solche P.s kommen namentlih in dem franzöfifchen Bauftyle zu 
Enbe des 17. u. zu Anfang bes 18. Jahrhunderts (im fogenannten Zopfftyl) vor. 
Den Namen trug man fobann auf dieſe Mittelgebäube felbft über. — PB. nennt 
man auch ein zeltähnliches Gartenhaus, ein runded, nur aus einem einzigen Saale 
beſtehendes Luftgebäube u. dgl. 

ayne, Thomas, geboren 1737 zu Thetfort in ber englifchen Grafſchaft 
Norfelt, Anfangs Schnürbruftmader, dann Zollbeamter u. Direktor einer Tabaks⸗ 
Fabrik, wurde 1774 Schulden halber abgeſetzt, ging nach abe wo er bei 
einem Buchhändler gute Aufnahme fand u. fi) durch Herausgabe feines Werkes : 
Common sense, Philadelphia 1775 u. ö., deutfh Kopenhagen 1794, 4., das ges 
nen bie Anmaßungen ber britiihen Parlamente gerichtet war, befannt machte, 
Dadurch wurde er vom Congreß zum Sekretär im Departement des Auswärtigen 
erwählt. P. it Mitgründer der Freiheit der vereinigten Staaten. 1786 bereiste 
er Sranfreich u. bald darauf England. Hier gab er gegen Burfe über die frans 
zöfifche Revolution The righs of man (Edinburgh 1791 f., 2 Bde., beutich Bres⸗ 
(au 1792) Heraus, zog fih dadurch den Haß ber Ariftofraten zu u. ging wieder 
nad Kranfreich, wo er als Bolfsrepräfentunt gemählt wurde. Auch erlangte er 
dort die Raturalifation u. ward NRepräientant bes Departements Calais. Er 
fiimmte indeß bloß für die Berbannung Ludwigs XVI, warb baher 1743 von 
Mobeapierre ale Ausländer von der Liſte ber Conventsdeputirten geftrichen und 
eingeferfert, 1794 jedoch nad) 14 monatlihem Gefängniß auf Requifition ber nord⸗ 
amerifanifchen Regierung freinegeben u. wieber in den Convent aufgenommen, 
aus dem er, als dieſer Fe 1795 auflöste, in den Privatſtand zurüdfehrte u. 1802 
auf Jefferſons Berlangen wieder nah Amerika ging, wo er 1809 in Armuth 
ftarb, indem er, außer einem Geſchenk von 500 Dollars von Rennſylvanien und 
5000 vom Gongreß, fo wie eines Landgutes von demfelben, Nidts vom Staate 
erhalten hatte. Bon ihm bat man auch: L’sge de la raison, Par. 1793. Ueber 
den Berfall der Finanzen Englands, 1796 u. a. Seine Echriften find voll kuͤh⸗ 
ner, in religionsphilofophifcher Hinfidht voll hyperrationaliſtiſcher Ideen, nach bes 
nen die Bernunft bie einzige Glaubensquelle der Religion feyn fol. 

ays de Band, f. Waadtland. 

Azman, Peter, Cardinal u. Erzbifchof von Gran, Primas von Ungarn. 
1573 zu @roßwardein von proteflantifchen Eitern geboren, trat er frühe in ben 
Sckoos ber fatholiichen Kirche zurüd und 17jährig in die Geſellſchaft Jeſu. Als 
Kanzelrebner hatte er ſchon als Jeſuit bedeutenden Ruf. Diefer flieg durch bie 
glänzende Schutſchriſt zu Gunften ber Iefuiten, als die PBrotetanten anf te 


32 Pearece — Pechkrauz. 


Reichstage deren Verweiſung aus dem Lande beantragten. 1616 wurde er Erz⸗ 
biihof von Gran; 1629 Cardinal; 1632 ging er als Haiſer Ferdinands Geſand⸗ 
tee nad Rom. Er war überhaupt politife tätig ‚ aber feine glänzendfle Seite 
war Gelehr.amfeit und Wirken für die Religion. Er dotirte bie Univerfität au 
Tyrnau, gründete das Seminar zu Wien, welches nad ihm Pazmaneum u 
forgte überhaupt für die Bildung der katholiſchen Jugend und Geiftlichkeit. 
war einer der thätigften Berbreiter des katholiſchen Blaubens in Ungarn. Viele 
ber angefehenften Yamilien Ungarns hatte er der katholifchen Kirche zuruͤckgewon⸗ 
nen. As er Primas wurde, war die Mehrzahl Ungarns proteftantiich; als er. 
ftarb, war die Mehrzahl katholiſch. Er verihied am 19. März 1637 (f. Mais 
lach Geſchichte der Magyaren 4. Bb.). Mailärh. 

Pearce, Zahary, Biſchof von NRochefter und Dechant von Weftminfter, 

eboren zu London 1690, ftudirte zu Cambridge, verdankte feine Beförderung bem 

ord Parker oder nachmaligen Grafen von Macrlesfield, dem er 1716 feine Aus⸗ 
abe der Dialogen des Cicero de Orat. zueignete. Ex erhielt 1720 eine Predigers 
Helle in 2ondon, wurbe 1748 Bifchof zu Bangor, 1756 zu Rocheſter, refignirte 1768 
und flarb 1774. P. verband mit einem vortrefflicden Charakter eine gründliche 
Kenntniß des claffiichen Altertfums und der Theologie. Hievon zeugt vornchm- 
ih feine Ausgabe Longins c. not. et nov. vers., Zondon 1724; The miracles 
of Jesus vindicated, (ohne feinen Namen) 1—4. Ihl., London 1729, und das 
ſchätzbare Werk: Commentary on the Evangelists and the Acts of the Apost- 
les etc., London 1777, 2 Bde; dabei fein Leben von ihm felbft. 

Pearſon, John, Biſchof von Ehefter, geboren um 1614 zu Greafe in ber 
Grafſchaft Norfolk, ſtudirte zu Cambridge, befleidete verfchiedene geiftliche Aemter, 
erhielt 1672 das Bisthum Chefter und farb 1688. Ein grünblicher Alterthums⸗ 
forfcher, bibliſcher Kritifer u. Patriſtiker, arbeitete er mit jeinem Bruder Richard, 
der 1670 als Eöniglicher Bibliothefar zu St. James farb, an ben Criticis sacris 
anglicanis und ſchrieb ferner: Exposition on the Apostels creed; Annales 
Paullini Annales Cypriani etc. ®aisford gab unter dem Titel: Adversaria 
Hesychiana. Pearſon's reichhaltige Materialien zu dem Lerifon des Hefuchius zu 
Orford 1844 in 2 Bbn. heraus. 

Pech entfteht durch Schmelzen bes fogenannten gefochten Terpentins (i. b.) 
in offenen Keffeln u. barauf erfolgted Durchfeigen durch Stroh oder einen groben Sad, 
oder auch durch ein Drahtfieb, zur Entfernung ber, beim Auflammeln beigemengten 
At Fichtennadeln u. anderer Unreinigfeiten. Dieſes ober das gewöhnliche 

. enthält noch einen Fleinen Antheil von entinöl und wirb nah langem 
Schmelzen, durch Verjagung von allem Del und Wafler, zu Eolophonium. 
Das fogenannte weiße oder Burgunder B. wird erhalten, indem Terpentin, 
nachdem das Del größtentheits abbeftillirt ift, mit Waſſer unter ftetem Umruͤhren 
bis zu deſſen gänzlichee Entfernung geſchmolzen gehalten, und dann, noch Heiß, 
durch Stroß filtirt wird. An dem, zum Filtiren bes gemeinen Terpentind ges 
brauchten, Stroh bleibt noch viel unreiner Terpentin hängen und man erhält 
buch das Ausfchmelzen beffelben das ſchwarze oder Schuſter⸗P. Diefes 
Stroh, fowie die beim Ausſchmelzen bleibenden Rüdftände, die P.-Grieben, 
fönnen zum Kienrußbrennen verwendet werden. Mun bebient fih des P.s zu 
allerlei, vorzüglich in der Feuerwerkerei; bes ſchwarzen P.s ale Schiffs: P.es, 
um Holz vor der Einwirkung ber Keuchtigfeit und Luft zu ſchuͤtzen, und auch zu 
eines der Keuchtigfeit widerftrebenden Harzfitts. Das Ju den⸗P., Asphalt, 
Erd: P., jenes foſſile Harz, dient zur Bereitung fchwarzer Ladfirmifie, als 
Malerfarbe u. ſ. w. Der Bergtheer, flüffiges Asphalt, wird jegt Häufig 
zur Darftellung eines Erbharzfitts verwendet. 

Pechkranz ift ein Kranz aus altem Seilmerf, ober aus aufgebrehter Lunte, 
welche man klopft und in eine runde Form bringt. Man taucht fodann biefe 
Kränze in einen warmen Eap von 24 Theilen fEiwarzem Pech, 12 Theilen Talg 
ober Fett und 6 Theilen Leinöt — oder von A Theilen fchwarzem Pech, 8 Theis 


MPeenlat⸗Pedal. 38 


Aeillen Ba Terpentin, 32 Thelln Schw 
—— aha mb unb- beklent Rd iher fi ihrer. zur Erleuchtung von er fa 
er Witterung. 
Beeulat (erimen peculatus). — Rat} dem zömlichen Gtzafeeit er Bend mit da 
ben Brivatverb urde deßhalb in ber R 
55 Tone a one ** an Gelb ie, De e & 


R wurbe auch ber emeinbevermögen 
—3 * ze —— un 3 vos 
thums ber Priv Aa: egeichnen kann, weiche eboch von einer anberen 


a vorgenommen werben mußte, als einer ſolchen, bie für das entwendete 
m. haften hatte. Entiwenbete ber . Dermalter bes öffentlichen Cigenthums 
tele Eigentum, fo machte er ſich des „crimen de residuis“ 

Übrigens von einigen NRechtslchrern ebenfalls zum SB. im weiteſten Sinne 
N wurde, Schon bas fpätere römif —— Rech echt, insobeſondere aber das kanoniſche 
u. —* geht, Die peinliche 20 als perihtsordnung.,. db.) erhoben .bie 
—— an Kirchenſachen als Kirchenraub (crimen sacrilegli) zu einem 

iebſtahlsverbrechen, fo daß eine ſolche Entwendung nicht weiter zu 

B. gerechnet —* Auch das „crimen de residuis“, das BVerbrechen ber 
ersuntreue, ber er Gaffenveruniranmg, wurbe fchon vom römifchen Rechte zu . 

onderen Amtsverbrechen ber Gafienbeaimten erhoben und eben | 
In at mehr beigegäßlt. Das beutfche Strafrecht endlich rechnete ben Dieb⸗ 

überhaupt zu ben rar Berbrechen und. unterwarf ihn. fhtechthin eine einer 
ichen Strafe. Es e 


af fodann unter ben Degen ben b 
—— — Unterſchied zw cht —— au 


wiſchen öffentlichem und Privatv 
waͤhnten bir deutſchen Strafgefete, obſchon 3. B. bie —E 
—* den Diebſtahl und ſeine beſonderen Unterarten ſehr genau 
elte, irgendwo bes P.o als eines beſonderen Diebſtahlsverbrechens, weßhalb 
auch bei Weitem die meiſten deutſchen Fraggecheuete annehmen, daß 
. nach) deutſchem Strafrechte nicht mehr als ein beſonderes Verbrechen zu 


Hien 
Peeulkum hieß bei den Römern alles eigenthümliche Bermögen einer ‘Berfon, 
onft Riemand einen Anfpruch machen Tann ober darf u. worüber dies 
nach Gefallen difponiren fann, u. zwar namentlich: a) Das Spargelb eines 
bern; b) eigenthümliches Geld einer Hausfrau, Über das der Ehemann nicht zu 
ven hat; c) Eigentkum eines goch nicht emancipirten Sohnes und Gflaven; 
gterem, was er ſich an Geld ober Lebensmitteln erfparte oder auf eine Art 
ewilligung feines Sek fi emard, I womit er ſich manchmal bie Freiheit ers 
‚ P. adventitium, Eigenthum, ein Sohn, ber noch nicht felbfiftändig 
durch Teftament ale Legat hielt, ?. casirense, das Einer, im Heere dienend, 
roͤhnung, 3338 Geſchenken und Aehnlichem zuruͤcklegte. P. quasicastrense, 
neueren Beſtimmungen Eigenthum, in einem oͤffentlichen, nei hen ober 
chen Amte erworben. P. profectitium, ®ewinn von einem Gapitale, bas 
aufmann feinem Sehne gab, um damit Geſchaͤfte zu machen. Die legtgenannten 
t P., außer P. quasicasirense, fanden erſt nach dem neuen romiſchen 
e Statt. 
Pedal nennt man bie an Orgeln ober Clavier⸗Inſtrumenten befindlichen 
aften, auf welchen bie tiefften ober Baptöne mit dem Drude ber Yüße her⸗ 
beacht werden. Bernhard, ein beutfcher Mechaniter, erfand ces 1740 in 
Yg, und vereinigte baflelbe mit der Orgel ci. d.). If das P. mit einem 
ex ober Pianoforte in Verbindung gebracht, um zur Uebung im Orgelipiele 
men, fo beißt das Inftrument ein P. ⸗Clavier. Dann verſteht man unter 
alencyclopadie. VIIL 


94 Pedalharfe — Peel. 


P. auch die Züge, Mutationen ober Veraͤnderungen, bie während bes Spieles 
duch Fußtritte oder Kniedrüde hervorgebracht werben. 

Pedalharfe, |. Harfe 

Dedanterie nennt man das allzufchroffe u. alzuftrenge Feſthalten an einer 
Regel, welche, nur in einem beflimmten Kreife u, unter gegebenen Berhältniifen 
anwendbar, auch dann befolgt wird, wo andere höhere Küdfichten baburch vers 
nadläßigt werben. Wer ſolches thut, Heißt ein Pendant. Die PB. if ein 
Vorwurf, der vorzugsmeife den Schulgelehrten zur Luft gelegt wird, weil ſich nas 
mentlich unter diefem Stande Viele finden, welche die Regelrichtigfeit der von ih—⸗ 
nen cultivirten Wiſſenſchaften auch in das gemeine Leben überzutragen pflegen, u. 
auf diefen Stand angewandt, bedient man ſich flutt P. auch des Ausdrudes 
Schulfuchſerei; indeflen findet fidh die gleiche Wahrnehmung in gleichem Grade 
auch bei Weltleuten, bie ebenfalls gewifle, für ihre naͤchſte Wirkſamkeit als gut 
anerkannte u. darum ihnen liebgewordene, Kormen bes Handelns ebenfalls auf 
Miles, was ihnen im Leben vorfommt, überzutragen und beifen Werth nach jenen 
abzufcbägen pflegen. 

edel, wörtlich Nachtreter, Heißt 1) ein Gerichtsdiener, der die Parteien vor 
Gericht fordert; dann namentlich 2) ber Gerichtsdiener ber Univerfitäten, der dem 
Mektor bei Feierlichkeiten den Scepter vorträgt, die Studenten citirt u. fonft bie 
afabemifche Polizei verficht. 

Dedianus, Quintus Ascontus, aus Padua gebürtig, ein Sprachlehrer 
des erften Jahrhunderts, ſchrieb Anmerkungen über einige Reden Cicero’s, wos 
von nur noch Fragmente übrig find. — Ausg. Lenden 1644 u. 1675: auch bei 
der Graͤve'ſchen Ausgabe von Cicero's Reden u. im lebten Bde. ber Orelli’fchen 
Ausgabe von Cicero's Werken. 

Pedro d'Alcantara, Dom, Kaiſer von Brafilien, Sohn bes Königs 
Sobann Vi. von Portugal, geboren 1798, Tam mit feinem Bater 1808 nad 
Brafilien, defien Zuftand er genau kennen zu lernen ſuchte. Er fah bie Unzufries 
denheit u. die Mißgriffe, felbt den Despotismus der Minifter u. vermochte den 
König, als der revolutionäre Geiſt fich drohender zeigte, au dem Verſprechen, bie 
portugiefiihe Verfaſſung einzuführen (Februar 1821). Sogleich darauf fegelte 
Schann VL nad Bortugal zurüd u. ließ den beliebten Dom P. als Regenten 
zurüd. Unkluge Berordnungen des portugicfiichen Cabinets führten ſchon 1822 
die Unabhängigfeitserflärung Brafiliens u. die Ernennung Dom P.s zum conſti⸗ 
tutionellen Kater herbei. Einen Krieg mit Buenos Ayres wegen des Anfchlufles 
ber Banda oriental an Brafilien endigte der Friede 1828, welcher die Banda 
oriental für unabhängig von beiden erklärte. Durch den Tod feines Vaters (1826) 
fiel dem Dom P. auch bie Krone von Portugal zu, weldyer er zu Bunften feiner 
Tochter Maria da Gloria unter der Bedingung entfagte, daß fie den Infanten 
Dom Miguel heirathe u. legterer bie Conftitution beſchwoͤre. Indeſſen war bas 
Land immer noch aufgeregt, theild wegen Störung des Handels, Adgabendruds, 
theils in Folge republifanifher Parteien; dazu fam Geldmangel u. eine Reihe ihn 
tiefbetrübender Auftritte mit den Kammern. A:s er endlich 1831 die Waffen ges 

en die undanfbaren Brafilianer fehrte, mußte er, von fämmtlichen Truppen vers 
aſſen, zu Bunften feines Sohnes am 7. April 1831 entfagen. Er fchiffte fich 
mit feiner Tochter Donna Maria da Gloria nah Portugal ein, wo bie abfolutis 
ſtiſche Partei geflent u. Dom Miguel fih am 23. Juli 1828 zum Könige hatte 
ausrufen lafien. Mit einer in Frankreich gefammelten Land» u, Seemacht, welche 
fih auf den Azoren verftärkte, bemädhtigte fih Dom P. der Stadt Porto und 
eroberte von Algarbien aus mit Hülfe Saldanha's, Villaflors, Napierd u. Stubbe 
das ganze Land. Mit feltener Thätigkeit ging er an die Organiſirung bes Lars 
bes, als er am 24. September 1834 zu Queluz ftarb. 

Peel, Sir Robert, gegenwärtig das politiiche Haupt des englifchen Gas 
binets, ältefter Sohn des im Jahre 1830 verftorbenen Baronet Robert P., er 
ven 5. Februar 1788 zu Tamworth in ber Grafſchaft Stafford, erhielt feine Schuls 


a a, E11 


veel. 8 


bildung gu Harrow u. Aubirte hierauf auf ber Univerfität zu Oxford. 1908 wurbe 
ee zum erfienmale für ben Burgfleden Lashel in base Parlament gewählt. 1810 
unterfügte er die Adreſſe u. machte‘ hierbei feinen erſten rebnerifchen Berfuch. 
Fleiß umb Anflelligfeit machten ibn zu amtlichen Geichäften brauchbar, fein in ben 
Be en entwideltes Talent verfchaffte ihm Einfluß in bem Unterhaufe, 
fein großer Reichtum ficherte ihm eine geichtige Stellung bei dem Bolfe. 
flieg er ungemein fchnell Die verichiebenen Staffeln bes politiichen Lebens hinauf, 
1810 wurde er Unterflantsjefretär ber Kolonien, 1812 Geheimerrath ımb 1813 
Sekretär für Irland. Bon biefer Zeit an wurbe er als das Haupt. der Partei 
bes proteftantifchen Uebergewichtes angefehen. 1817 wählte ihn bie Univerfität 
Orford zu ihrem Bertreter; 1819 gab er feine Stelle als trifcher Serretär auf 
unb wurde von ber Regierung zum PBräfidenten bes Banfausichuffes gewählt, 
. worauf er die Alte zue Wiederaufnahme ber gnarzahlungen, die fogenannte P.s⸗ 
Bil, einbrachte. 1822 folgte ee dem Lord Lidmouth als Meifter bes Innern. 
Auch jest noch biieb er das Haupt der antikatholiichen Partei u. teilte bie Fuͤh⸗ 
rung bed Unterhaufes mit: Canning, bis die Auflöfung des Minifteriums Liverpool 
1827 fein Ausſcheiden aus dem Gabinete veranlaßte Schon im folgenden Jahre 
nahm er aber unter dem Herzog von Wellington fein Amt als Miniſter bes Innern 
wieder ein. Diefe Berwaltung erfchütterte das Vertrauen, das alle Tory’s in P. 
geſezt Hatten; man verwunberte fich fchon über bie Gorporationss u. Teſtacie, 
mehe noch, als PB. im Februar 1829 die iriſche Emancipationobill vorlegte. Die 
Univerfität Orforb zog ihr Manbat zurüd, feine Brüber erflärten fich gegen ihn, 
fein Batex ließ gegen in flimmen, die Wighso Hatten nur ironiſche Slüdwünfche 
für ihm. Er verfolgte feine Reformen u. war eben durch ben Tod feines Vaters 
Baronet u. Befiper eines Kl Vermögens geworden, als bie Julirevolution das 
Minifiertum Rürzte Dieſes Ereigniß verföhnte ihn ſogleich mit bem größten 
Theile ber Tory's. 18 Monate befämpfte er mit aller Macht bie Reformbili und 
erflärte bei Diefer Gelegenheit feinen Wählern zu Tamworth, er fei fein blinder 
Anhänger irgend eines Syſtems u. er würde ſich nie fchämen, dieſe oder jene 
Maxime zu verlafien, um andere zu aboptiren, die mehr in Harmonie mit einmal 
vorhandenen Mobdificationen wären. Als PB. 1833 in das reformirte Parlament 
trat, fanb er bie Torypartei zerſtreut; er fammelte fie wieder, aber ihm Ihtoffen 
fi) auch eine große Zahl der alten Wighs an, bie vor den Conſequenzen der 
Reformen erfehraden, u. fo wurde PB. der Stifter einer ganz neuen parlamentaris 
ſchen Partei, der Eonfervativen, u. eigentlich Haben nunmehr die Bezeichnung 
Wigh u. Tory ihre Bedeutung verloren. P. begann nun den Kampf gegen bie 
Reformpartei. 1834 rief ihn Wilhelm IV. aus Italien nad England, um ein 
Miniſterium zu bilden; es fiel indeß fchon im April 1835, aber feine ganze Par⸗ 
tet ſchloß ih nun um fo fefter an P. an. Gegen das Minifterium Melbourne 
(1835—39) war P. Führer der Oppofition ; trogbdem flimmte er mehrmals mit 
dem Minifterium: fo bei den Armengeſetzen, in ber Canadafrage ıc. 1836 erwählte 
ifn die Univerfität Glasgow zu ihrem Rektor u, ſchon 1839 erhielt er den Aufs 
trag, ein Minifterium zu bilden. Die Stellung zweier Hofdamen von ber W ip+ 
Partei bei ber Königin hinderte ihn, er verlangte deren Entlaffung, die Koͤn 
weigerte ih u. P. trat von der Berwaltung zurüd, Roch zwei Gahre pie N 
Melbourne, endlich flürzte Lord Palmerſtons Politik im Oriente fein Cabinet un 
im September 1841 trat unter P.s Leitung das erfle britifhe Conſervativmini⸗ 
ſterium in Kraft. — PB. fand beim Antritte feiner Verwaltung ben Krieg in China 
u. Afghaniſtan vor, fowie eine faft durchgängige Spannung mit ben großen 
Mächten, namentlich mit Frankreich u. Rordamerifa; im Immern herrfchte No 
u. Verwirrung, eine Spaltung in bie beiden Lager ber großen Gutsbeſitzer 
Mitglieber des Antiforenefehvereines, ber großen irifchen Schwierigkeit u. der ge 
waltigen Wirkſamkeit O'Connels nicht einmal zu erwähnen. Unter foldden Au⸗ 
fpicden warb am 3. Yebruar 1843 das Parlament eröffnet. Bald trat P. wit 
feinen Vorſchlaͤgen Kinfichtlich ber Krongeſetzfrage hervor (I. Fron LU), wocke 


b 
% 


36 Peel. 


er zwar einen glaͤnzenden Sieg erfocht, allein überall im Lande heftigen Wiber⸗ 
fpruch fand. In den Yabriffläbten warb er an mehren Orten im Bilbniffe ver- 
brannt. Da trat ein an fich ſchreckliches Ereigniß ein, welches aber ber Regier- 
ung zur neuen Stuͤtze warb. “Der englifche Geſandte in Kabul, Macnaghten, war 
ermordet, das biefes Land befept haltende Heer von ber empörten Bevölferung ges 
ſchlagen, zum Rückzuge gezwungen, beinahe vernichtet worden. Der kräftige Ent: 
ld bes Minifteriums, feiner Anficht zuwider bie britifche Waffenehre durch eis 
nen neuen Zug nach Afghaniftan zu rächen, flarfe Truppenfendungen mit allem 
nöthigen Zubehör nad Oftindien abzufenden, fand die allgemeine Zuftimmung bes 
Volks. Andere Maßregeln der Regierung hatten ähnlichen guten Erfolg: fo bie 
Auswanberungsbil zur Erleichterung bed aͤrmeren Theiles der Bevöllerung und 
Regelung deren Aucwandegung nad den Kolonien; fo die Zollerleichterungsbill 
in Anfehung des Handelsverkehrs mit den Kolonien, welche übrigens fchon bie 
Whigs eingebracht u. die Tory's befämpft Hatten, u. bie felbft fremden Waaren, 
fo weit dieſe auf den Kolonialmärkten mit britiſchen Erzeugniſſen nicht in Eon: 
currenz traten, eine bebeutende Zollerleichterung zu Theil werben ließen. Zur Orb: 
nung der zerrütteten Yinanzverhältnifie fchlug P. feine großartige Maßregel ber 
Einfommenfteuer vor, eine ganz neue Form ber Belteuerung in Großbritannien, 
wenigftens für nicht ganz außerordentliche Zeiten. Es ergab er daß in den 
am 5. April 1843 zu Ende gehenden ſechs Jahren das Defizit ſich auf wenig 
ftens 10 Millionen Pfund Sherling belaufen würde; zur Dedung dieſes unge 
heueren Ausfalls flug P., der die von ben Whigs angewandten Anleihen als 
einen „armfeligen Rothbehelf“ bezeichnete u. Herabſetzung der ae auf gemeine 
Verbrauchsgegenſtaͤnde für die Folge in Ausficht flellte, eine Befteuerung ber Be 
figenden vor. Alles jährliche Einfommen von 150 Pfund Sterling u. darüber, 
auch folches der [aber Kapitaliften, die Geld in englifchen Fonds angelegt Hat- 
ten, follte vorläufig auf fünf Jahre mit 7 Bence vom Pf. St., alfo etwa 33, 
befteuert werden, mit Ausnahme Irlands u. der in den Sparkaſſen liegenden Er 
fparniffe des Volkes. Die oben erwähnten Zollerleichterungen, namentlich in ben 
Monopolzöllen, gingen mit biefer Mapregel Hand in Hand, Die Zölle vom 
fremden Kaffee u. dem ber britifchen Beflgungen wurben beinahe um bie Hälfte, 
die Eingangsrechte von Zimmerholz aus Canada u. den Oftfeeländern bedeutend 
herabgelegt, wenn auch unter Begünfti ung des canadifhen. Die Zollrebuftionen 
hatten den ausgeſprochenen Sinn, durch die hierdurch veranlaßte Ausbreitung ber 
Sabrifanlagen u. Bermohlfeilung der Ropfiofte den Bodenwerth wieber in bie 
pöbe zu bringen, der burch die bevorfichende Aufhebung der Kornzölle möglicher 

eife finfen fonntee Das Ins u. Ausland flaunte ob der großartigen Kuͤhnheit 
eines Staatsmannes, ber, Angefidhts der heftigen Anfeindung faft aller Parteien, 
fogar feiner eigenen, die mächtigfte, Die der Beſitzenden, durch folche napregein 
direft anzugreifen wagte. Es ſollte fich jedoch bald zeigen, baß feine hohe Ver⸗ 
waltungsfunft, ausgerüftet mit dem weit u. tiefichauenden Blide in die Zukunft, 
wie in bie Bebürfniffe bes Volks, dem Drange und den Berlegenheiten ber Um⸗ 
fände völlig gewachien, ben gegen ihn ſich erhebenden Hinderniſſen weit überlegen 
war, Die der Bodens u. Geldariftofratie wurden, wenn auch mit heftigem Wis 
derftreben, gebracht ; ber mädhtigfte Widerftand der Whigs u. die von ihnen angeregten 
Manifeftationen im ganzen Lande brachen ſich an ber eiſernen Beharrlichfeit P.8. In 
der Sigung bes Unterhaufes vom 23. März erklärte er, des nutzloſen Widerſtandes 
mübde, er werde mit feiner BIN ſtehen u. fallen. Am 13. April endlich fiegte P. mit 
einer Majorität von 308 gegen 202 Stimmen. Die Notbzuftände im Lande, namentlich 
in den Fabrikbezirken, Hatten inzwifchen den drohenden Ehartismus (f. d.) erzeugt. 
Die Deputirten bes „Rationalsconvents,“ die Vertreter der Ehartiften in England u. 
Schottland kamen nach London, um dem Parlament eine Riefenpetition zu übers 
reihen, mit nahe an drei u. einer halben Million Unterfchriften, worin die Bitt- 
fteller darauf antrugen, die von ihnen entworfene „Volkscharte“ zum Grundgeſetze 
bes Bandes zu erheben. Dieſe Eharte verlangt Ausdehnung des parlamentarifchen 


Peel. 37 


Wahlrechts auf jeden maͤnnlichen Erwachſenen, die Einführung geheimer Ab⸗ 
ſtimmung jaͤhrlicher Parlamente, die Aufhebung des Wahlcenfuß, eine angemefienere u, 
leichmäßigere Bertheilung der Wahlbezirfe u, die Gewährung von Diäten für bie 
Bolfövertreter. Diefe Anträge waren begründet in der Wangelhaftigfeit bes 
englichen Wahlſyſtems, welches ber Beftehung u. dem Wahlbetruge den größten 
Vorſchub leiftete, von den 26 Millionen Einwohnern nur wenig mehr als 900,000 
zu dem Genuſſe politifcher Rechte zuließ, auf dem Mißverhältniß zwifchen ber 
Bertretung der dichtbevoͤlkerten Städte u. der des offenen Landes mit feiner ges 
ringen Bevölferung. Die Roth u. das in den Kabrifbezirfen herrſchende Elend 
war mit den büfterften Karben gefchildert ; hervorgehoben, daß Laufende von 
Arbeiterfamilien auf den Kopf faum 34 Pence verdienten, während die Königin 
täglih an 165 Pf. Sterling, der Herzog von Gumberland, außer Landes ale 
Souverän von Hannover lebend, 54 Pf. Sterling u. der Erzbiſchof v. Canter⸗ 
bury „zur Aufrechthaltung der evangelifchen Armuth“ ungefähr eben fo viel empfange ; 
viele fonftige Mißbraͤuche u. fehlerhafte Einrichtungen waren in gleicher Weiſe 
harafterifirt. Der Berfaffer der Urkunde war der befannte Keargus O’Eonnor, 
der Führer der Chartiften, ein talentvoller u. einflußreicher, allein Feineswegs große 
Achtung verbimender u, genießender Mann. Die Riefenpetiton begleitete, nebft den 
Deputixten des „Rationalconvents”, ein ungeheuerer Zug nach dem Parlament, wo 
fie aber, trog der Unterflügung der rabifalen Mitglieder, Feine günftige Aufnahme 
fand. Duncombe führte ihre Sache im Unterhaufe, Brougham im Oberhaufe. 
Die Minifter, diefesmal unterftügt von den Whigs, fprachen ſich vor allen Dingen 
egen die geforderte Zulaffung der Deputirten vor den Schranfen aus; die Sache 
ei freilich ernſt u. wichtig, aber zu bebenfen fei, daß ber Ruͤckhaltsgedanke ber 
Betition nichts Anderes, als ein Angriff auf die Monarchie, auf jedes Eigen: 
thumsrecht u. eine agrarifche Geſetzgebung im großen Style fe. Die Petition 
ward mit einer ungeheueren Mehrheit abgewiefen; P. fuchte bafür dem hiedurch 
furchtbar aufgeregten Bolfe immer mehr Erleichterung des Verkehrs u. der Ge⸗ 
werbthätigfeit zu verfchaffen. Am 10, Mai brachte er die bereits angefünbigte 
Tarifbill, zum erftenmale unter voller Anerkennung u. Belobung der Oppofition. 
Indem er bervorhob, wie jegt, im Gegenfage mit England, andere Staaten durch 
hohe Schugzölle ihre eigenen Induſtrien zu fördern u. die englifhen Erzeugniffe 
auszufchließen trachteten, gewann er fich Die Meinung ber wohlhabenden gewerb- 
lichen Claſſen, welche fi) daran gewöhnten, ihn als den Bertheidiger u. Förderer 
ihrer Interefien zu betrachten. Defto heftiger aber entbrannte ber Zorn ber 
Tory’8, deren einer nicht umhin fonnte, im Unterhaufe zu erklären, wenn man 
von P.s Verfahren eine Ahnung gehabt Hätte, würden fie ihn nicht unterflügt 
haben. Eine ähnliche Stellung gegen PB. nahm bie Prefle beider Parteien ein 
u. es ergab ſich die feltfame Erfheinung eines von feinen politifchen Gegnern 
gegen feine eigene Partei unterflügten u. gehaltenen Miniſters. Es fam faft fo 
weit, daß die Tory's an eine Boalition mit den arbeitenden laffen dachten, um 
den ſich auf die Mittelclaffe fo Fräftig flübenden Minifter wo möglich auf biefem 
Wege zu flürzen, ihm wenigftens Berlegenheiten zu bereiten: eine @oalition, wel: 

er die confervative Braftion des „jungen England” feine Entftehung verdankt. 

on biefer Seite ging ein Antrag zur Unterfuchung des fogenannten Druckſyſtems, 
d. 5. des den Arbeitern auferzwungenen Auslohnens mit Waaren, flatt mit baarem 
Gelde, weldher Antrag genehmigt wurbe mit dem Amendement der Minifter, biefe 
Unterſuchung auch auf die Mipbräuche bei ber Behandlung ber Feldarbeiten aus- 
jubehnen, wie auch die Motive bes wirklich humanen Lord Aſhley über Feſtſetzung 
von Deflimmungen über Alter u. Gefchlecht der in ben Bergwerfen u. Kohlen⸗ 
gruben beichäftigten Perfonen. Die Einbringung biefer Bill warb genchmi t, 
nachdem eine Parlamentscommiſſion die Thatfache leiblicher u. fittlicher Verwahr⸗ 
loſung u. Mißhandlung beftätigt Hatte. — P.s Gefegvorichläge über Einfommen- 
Reuer u. Tarifreform, wie über Fortdauer des Armengefeßes gingen, troß aller 
Bemühungen ber Gegner, durch alle parlamentarifchen Formen; in ber Kicchens 


93 | Dee. 
“ fleuerfrage wagte es inbefien P. nicht, auf Seiten ber Difienters mit ihrer billi⸗ 
en Zorderung auf Aufhebung ber Verpflichtung, für eine ihnen frembe Kirche zu 
Reuern, zu treten u. biefe Korderung ward ungerechter Weiſe abichläglich beichieben. 
Inzwiſchen rüdte der Schluß ber Parlaments ſeſſion heran, während bie Gewalt 
thätigfeiten, welche gegen Eigenthum u. Perſonen in ben Provinzen vorkamen, 
eine immer drohendere politifhe Bedeutung annehmen u. der radikalen Oppofition. 
©elegenheit gaben, immer heftiger bie Regierung um Aufhebung ber Kornzoͤlle 
u. andere Erleichterung ber Eonfumenten zu bebrängen. P. gab zu verfiehen, daß 
feine Zollrebuftion nur eine vorläufige Maßregel gewefen fei, baß er aber auch 
erwarte, man werde ihn unter ben herrfchenden fchwierigen Umftänden nicht weiter 
bedrängen. Die Schwierigkeit biefer Umftände lag nicht blos in dem inneren Ver⸗ 
hältnifien, fie ergab ſich auch in ber Beziehung zu ben auswärtigen Mächten; 
befonders waren die Beziehungen zu ben vereinigten Staaten ber Art, daß es ber 
Jochen Mäfigung u. Klugheit Lord Aberdeen’s bedurfte, um es nicht zum offenen 
ruche fommen zu lafien. Die Einmifchung Frankreichs in bie fpanifchen und 
levantifhen Wirren, die Eroberungen in Algier, die Zollmaßregeln zum Schupe 
ber durch die englifhe Konkurrenz mit dem Untergange bebroßten franzöftfchen 
Leineninbuftrie lieferten reichlichen Etoff zu Angriffen Lord Palmerftons u. feiner 
Organe in ber Preffe gegen das mühjam wieder hergeftellte Einvernehmen mit 
Franfreih u. zwangen das Minifterium zu Erklärungen, die weber ber anti 
franzöflfchen Bartei — ber größten Mehrheit bes britifchen Volkes — genügten, 
noch geeignet waren, jenes Einvernehmen zu einem dauernden u. aufeihtigen zu 
machen. Die Lriege in Mittelaften u. China mit ihren Eoftipieligen Expeditionen 
trugen gleichfalls in nicht geringem Maße zu ben Berlegenheiten der Regierung 
bei; charakteriftifch if die Weigerung bes Kabinets, alle auf den afghaniſchen 
Krieg begüglichen Papiere dem Parlamente vorzulegen, „weil dern Inhalt Ru 
and beleidigen könnte.“ Braſilien erklärte beflimmt, die beftehenden Handelöverträge, 
welche England die größten Begünftigungen gewährten, nicht erneuern zu wollen, 
u. es wollte dem Kabinet nicht gelingen, dieſen Entſchluß Brafiliens umzuftoßen. 
Die Berhältniffe zu Deutfchland waren im Ganzen befriedigend u. ein Beweis 
berfelben in ber perfönlichen Anwefenheit des Könige von Preußen als Pathe 
bes Thronerben gegeben. Die fpäteren Berwidelungen mit dem Zollverein lagen 
noch im Keime, — Noch hatte vor Ende ber Seflion das Kabinet Sorge ges 
tragen, ber rabifalen Partei bie freilich durch Recht u. Billigfeit gebotene Con⸗ 
eelion zu machen, einer von John Ruſſel vorgelegten Bil zur Berhütumg ber 
ahlbeftechungen bie ernfte Unterflügung angedeihen zu laſſen; dem Volksſch uls 
weien lie P. eine erhöhte Unterftügung um 40,000 Pf. Sterling jährlich zu 
Theil werden, wohl erkennend, mit der Berbefierung befielben ben focialen Uebeln, 
woran England frankt, die Art an bie Wurzel zu legen. Die Gewerbe» und 
DVerfehrsverhältniffe endlich erhielten gleichfalls wichtige Berbefferungen durch 
©efege über das Bank⸗ u. Concursweſen, fowie zum Schupe der Fabrikmuſter. 
— P. hatte im Laufe einer Seflion Großartiges im Wege ber Geſetzgebung ge 
leiftet u. fogar die fo mißlich geweſenen Finanzverhaͤltniſſe erfreulicher Berbefferung 
entgegengeführt; damit war jeboch freilich ber Noth u, Arbeitslofigkeit in ben 
Gabrifbezirten, wie auch ben irlänbifchen Leiden noch nicht abgeholfen, u. bie 
Regierung fchien machtlos dieſen Wirrniffen gegenüber. Zu allem dem mußte fi) 
biejelbe in der 12. Stunde vor bem, am 12. Auguft erfolgenden, Schlufie ber 
Seflion Lord Palmerfton’s bittere Gloſſirung ihrer Dolitif u die Bemerkung ges 
fallen lafien, „fie Habe fih von ben PVorräthen genährt, die fie in ber Speck⸗ 
fammer der Whigs vorgefunden.“ Dies war der Lohn P.s für feine Kuͤhnheit 
u. Ihatkraft, die er im Laufe eined Jahres in den zwedmäßigften Schritten bes 
wiefen; ed mußte ihm nun Alles daran liegen, bie öffentliche Meinung bes Landes 
entfchieden zu gewinnen, um feine Stellung haltbar zu machen, da fonft der aus 
den erwähnten Mafregeln hervorgegangene Bruch mit feiner eigenen Partei uns 
fehlbar feinen Sturz herbeiführen mußte, Es mußte fih nun zeigen, ob er wirk⸗ 


Peel. 39 


vie ihm feine Widerſacher genannt, der „Mann der Auskunftsmittel u, 
e* war. So tkritiſch war diefer Moment, einer der fritifheften, worin 
dritannien: befand feit ber Parlamentsreform ; ber Pfähle,die in feinem 
übten, waren hauptfächlich drei, die wir furg mit: “Irland, Agitation 
Korngefege u. Agitation der Chartiften bezeichnen. Gegen bie lepteren 
rgifch ————— allen bedrohten Punlten Militär ‚geiidt u. das 
zn aufgeboten ; ‚bei ber Anticornlaw +Ligne, welche entſchieden 
Iftand repräfentirte, hatte P. wenigſtens bei ben 2eitern, wie bereits as 
oorden, um fo mehr Sympathien gefunden, je verhaßter er den Ultratory's 
Diefer Bund war aber eine. Macht, bie über große Geldmittel gebot, 
342 80,000 Pf. Sterling für feine: Zwede ‚ausgegeben hatte u. eine 
aer von 50,000 Pf. Sterling auoſchrieb. Die Char hen näherten 
‚fen Bund einander, denn derfelbe mußte nun: zwifchen dem Rabifalismus 
vatismus eine enticheidende Stellung einnehmen u. trat aus dieſer Prüs 
das mächtige Organ der Mittelclaflen hervor, Anderfeits hatte P. ſich 
ci it, daß er nur mit Hülfe der Mittelclaſſe feine ‚abe zu löfen 
u. daß die agtariſchen Zuftände des Landes vor Allem dringender Abs 
thigt ſelen. So trat er nun gefräftigt der Seffion von 4 egen. 
er erſten ge war indeffen ‚merhwürdiger Weiſe — wahtſchein ⸗ 
ang felbe der Berüdfichtigung: der. eigenen Partei, welcher er, ohne fie 
der ‚etwas günftiger zu en, feine neuen Opfer glaubte anmuthen 
— daß er Ir nicht ‚en. finde, in den Korngefegen oder im Tarif 
enb fernere bedeutende Veränderungen in Antrag zu bringen. Je 
ier fie gerade das Gegentheil hiervon erwartet: hatten, defto unilliger 
ie Whigs u. die Leiter des Antitorngefegbundes biefe Erflärung auf. 
denn von biefer Seite bie Korngefegfrage zu wiederholten Anträgen im 
Seffion gemadt u. Richard Eobben- wies ſogar drohend auf bie no 
bmwicptigte Gährung ber Maffen hin, Der Minifter wußte aber, baj 
Partei u. der Chartismus zum Bruche gekommen feien un hatte auch in 
anderen überaus ernften Fragen feine ganze u. zwar auf feiner Partei 
Traft zuguwenden ; fo der Bewegung in ber Hochkirche, deren Acußerung 
vismus (ſ. d.) ift und der Kampf gegen Das Patronatrecht in ber 
ı Bresbwieriatfirde; fo bejonders Irland, wo um fo nothwendiger etwas 
tigendes geſchehen mußte wegen der fortdauernden Differenzen mit Frank— 
fich noch immer weigerte, ben Durchluhungsvertrag zu unterzeichnen. 
te erft die iriſche Waffenbill, wodurch die Einführung von Waffen und 
arf nach Irland unterjagt, das Waffentragen im Lande felbft von einer 
: Erlaubnig abhängig gemacht wurde, — und fodann das Verbot ber 
ammlung zu Glontauff u. Die Unterfuhung gegen Dr. O' Connell u. die 
eitenden Agitatoren (. O’'Connell). Diefe Demonftration der Regie— 
e wenigftens für diefilbe den Erfolg, den Segen freier Einrichtungen u. 
ch bewirfte Macht und das Anſehen der Gefege für alle Theile glän- 
ewaͤhren. — In der Seſſion 1844 fegte B. als wichtigfte Mafregel 
Reform des Banfweiens zur Regelung des Geldumlaufs u. Vorbeu— 
Geſchaͤfiskriſen, die befonders in Folge andauernd unzulänglicger Erndten in 
regelmäßig einzutreten pflegen. So war dieſe Maßregel zugleih eine 
Vorkehrung gegen nachtheilige Folgen ber immer dringender geforderten 
noihwendigen Aufhebung der Getreidezölle. Zugleich bahnte fie ben 
einer vollftändigen Umgeftaltung des bisherigen engliſchen Binanzfvftems, 
rgange vom indirekten zum bireften Befteuerungeinfteme, worin durch 
mmenfteuer bereitd der Anfang gemacht war. Was PB. in Betreff ber 
olle im Plane hatte, ging auch daraus hervor, baß er, trog feiner Er- 
in der Tarifbill feine weiteren Aenderungen vorzunchmen, bie Zuderzölle 
, wobei er auf einer Seite den — noch zur Stunde fortwährenden — 
id der in ihren Intereffen hiedurch ſchwer beeinträchtigten weftinbifchen Pflan⸗ 


40 Peel. 


zer, auf ber andern bie Angriffe der Whigs⸗ u. Freihandelpartei zu beſtehen Hatte, 
welche letztere fidh gegen die, in bem @efehentwurf feftgehaltene, Ausichließung bes 
durch Sclavenarbeit erzeugten fremden Zuders erhob. Bei diefer, wie bei ber Fa⸗ 
britbill, welche bie Arbeitszeit ber Kinder u. jungen Leute in ben Fabriken zu re 
gein beſtimmt war, hatte P. wieder bie Oppofition ber Tory's zu beftehen. Es 
am indeß durch bie feltiame Erfcheinung, daB das Kabinet gegen feine eigene 
Partei zu Tämpfen hatte und Häufig feine Siege den Gegnern verbanfte, bie 
Thatfade immer mehr zu Tage, daß bie altbergebrachten englifchen Parteibezeich⸗ 
nungen Whig und Tory feine eigentlihe Geltung mehr Hatten und daß, ofne 
Rückſicht darauf, von den englifhen Staatsmännern: fortan auf einem Wege forts 
geföheitten werben muß, den P. burch feine ſyſtematiſche Wirkſamkeit gegen bie 
orrechte des großen Adels u. für die Hebung der Gewerbsklaſſen u. fleineren 
Aderbauer vorzeichnete. Mit ſolchen Beftrebungen muß zwar der Kampf wiber 
bie Borrechte der abnormen Staatsfircde Hand in Hand gehen; doch wagte es P. 
noch nicht, diefen Kampf mit ber mächtigen Kirche direkt aufzunehmen. Indireft 
wirkte er freilich in biefem Sinne und junaͤchſt ch Hebung des Bolfsunter- 
richte. — Wenn au im Laufe der Seflion die S ‚ weld 
ben Sübfeeinfeln eingenommen, bem englifchen Kabin 
zur Unzufriedenheit und Eiferfucht gegeben, fo fonnten bo 
fion in der Thronrede die befriebigenften Erflärungen über ein 
men zwiſchen beiden Mächten gegeben werben; bie fpäter fo oft genannte „Entente 
cordiale* batirt fich übrigens von den Befuchen, welche 1843 und 44 bie englis 
[hen und franzöflfchen Souveräne ſich gegenfeitig abftatteten. Tragen wir 
nad), baß die früher erwähnte Senbung des Lord Alburten nach Nordamerika 
die günftige Folge ber frieblichen Ausgleichung des alten Zwiſtes über bie Nord⸗ 
oftgränze und das Durchfuchungsrecht gehabt Hatte; fo war dagegen zu erwar« 
ten, baß die Wahl des Candidaten der demofratifchen Partei, Bolt, zum PBräft 
benten, zwifchen beiden Staaten in Betreff ber Anſpruͤche auf bas Dregongebiet 
neue Berwidelungen herbeiführen würde. Im Haufe felbft führte ber Durch s 
combe aufgebedte Skandal der Verlegung bed Briefgeheimnifes, welches man 
feitbem nach dem Minifter des Innern Grahamifiren nannte, zu großen und ver 
dienten Angriffen wider die Regierung, die fidh nur damit Helfen Tonnte, baß fie 
nachwies, diefer fchmähliche Gebrauch Habe auch ſchon früher beftanden. Wenig: 
ſtens wurde inbeflen das fchwarze Kabinet, welchem auf bem Poftamte biefes Ges 
ſchaͤft oblag, aufgehoben. Für das fehr ausgedehnte Eiſenbahnweſen wurbe eine 
eigene Behörde gegründet. Mit dem Beginne der Seſſion von 1845 glaubte ends 
lich P. zu größeren Reformen im Verkehtsweſen fchreiten zu fünnen, ba feine bie 
derigen Finanzmaßregeln ihren wohlthätigen Einfluß auf Handel und Gewerbe 
bereits befundet hatten. Außerdem war es ferner nicht zweifelhaft, daß er eine 
Beichränfung ber Religionsfreiheit, eine Ausdehnung bes ftaatlichen Aufſichtsrech⸗ 
tes über bie Verhältniffe ber verfchiebenen Kirchen beabfichtige. Hieburch ſah ſich 
Blabftone, PBräfldent bes Hanbeldamtes, eines ber tüchtigften Muͤglieder des Ka⸗ 
binets, ber die Beeinträchtigung der Kirche burch den Staat mit feinen ®runds 
fägen nicht vereinbar fand, veranlaßt, aus ber Regierung zu treten, Klare Ans 
beutungen über bie Abſichten ber Regierung in biefer Bezichung gab die Thronrebe 
vom 4, Februar 1845, bie bes in voriger Seſſion angenommenen Geſetzes über 
Berwenbung wohlthätiger Schenktungen u. Bermächtnifie zu Gunſten der Volker: 
ziehung in Irland (Bequeftbill) gedachte u. ben Häufern als weitern Yortfchritt 
in dieſer Richtung bie Berbefferung bes afademifchen Unterrichts in Irlamd zur 
Erwägung anempfahl; hieran knuͤpfte fich die fpäter eingebrachte Bill über eine 
neue Organifation des Fatholifchen Seminare zu Maynooth, ber Bildungsanftalt 
für den Tatholifhen Klerus Irland’s. Am 3. April las PB. feine BIN zum erfiens 
male im Unterhaufe. Ste enthielt drei Vorfchläge: 1) Die Vorſteher von May⸗ 
nooth follen für eine Körperfchaft erflärt werben, bamit milde Dtiflungen 
ber Anftalt unmittelbar gemacht werden können. Fruͤher mußte ein für M. bes 








Perl “a 


Riuentes" Geſchenk auf: pie Önlichlelt eines der Worficher geſtellt werben. Fer⸗ 
ner ſolle der Grumbbeftg ber Hieran fehr armer Anftalt bis zu 3000 Pf. täßrlichen 
Einfommens erhößt werben dürfen, 2) Fuͤr bie Erhaltung ber Lehrer und Schu⸗ 
fen, für die Bibliothek u. ſ. w. werben Tünftig 26360 Pf: jährlich bewilligt. 
Der Gehalt eines Brofeflors fol 700 Pf. nicht überfchreiten; bie Zahl der Scha— 
ler wird auf 450 gebra Bon den 450 Etubenten, welche M. bisher zählte, 
alimentirte der Staat 250, von benen ein jeber 23. Pf. jährlich hielt, während 
ber britifche Soldat 26 Bf. jährlich koſtet. Der hoͤchſte Brofefforengehalt belief 
ih auf-120 Pf. Das Gebäude bezeichnete P. als eine wüfte Kaferne; ber 
Raum war ein fo befchränfter, daß mehre Stubenten auf einem Zimmer wohnen, 
in einem Bette ſchlafen mußten ; trot aller Sparſamkeit machten bie Borfteher 
dennoch 44600 Pf. Schulden. 3) Es werben 30000 Pf. verwilligt zu Neubaus 
tn. Aus der Rebe, womit PB. dieſe Vorfchläge begleitete, Heben wir folgende 
| or: „Die Katholiken ſtehen in ihren politifichen Rechten gegenwärti 
auf gleichem Fuße mit und ; follen wir bie Gelegenheit ergreifen und, —** 
chem Wiberſpruche mit ben ten unſerer Vorfahren, ihnen ſagen, daß die 
Gunſt, die ihnen die Regierung Georgs III. bewilligte (durch Gründung von M 
nooth im J. 1795) — wohl warb aber Hiebei bie Regierung von ber 
‚geleitet, daß bisher ber iriſche Klerus in Frankreich und Belgien feine Bildung zu 
en fuchen mußte, was bie iriſchen Katholifen zu bittern. Klagen berechtigte 
u. bem Klerus Feine freundliche Stimmung für England verleigen Tonnte — | 
"wegen Gerwiffens;weifeln ‘aufgehalten werden fol? Der Betrag ber Gelbbewi 
gung macht bie Wichtigfeit bes Gegenſtandes richt aus; worauf ich fehe, was ich 
vermieden wünfche, iR etwas Geiſtiges, das bittere Gefühl, das wenbig ents 
fiehen müßte, wenn das Parlament bie Maßregel nicht. annähme. Als geſetzge⸗ 
benber Körper Hatten wir keine ſolche Gewiſſenszweifel unter ber Regierung 
George III., in der Zeit von Pitt, in den Tagen der ausfchließlich proteftantifchen 
Gefengebung In Irland. — Lafien fie die Geſchichte nicht fagen, daß das Parla⸗ 
ment von 1 es verſchmaͤhte, dem Gerechtigkeitsſinn, ber Freigebigkeit feiner 
Vorgänger zu folgen. Ich wuͤrde tief beklagen, und nicht blos wegen ber Ge⸗ 
fühle der iriſchen Katholiken, fondern wegen der allgemeinen Intereſſen bes Lans 
bes, wenn ich in der Lage wäre, einen 5* Vorſchlag machen zu muͤſſen. Es 
wäre gerade fo, als wenn wir den Roͤmiſch⸗Katholiſchen Irland's —* daß wir 
von der römifchen Kirche abweichen; daß wir einen Glauben Hätten, den wir für 
reiner Bielten u. daß wir wegen dieſes unferes Glaubensbekenntniſſes uns verhindert 
fühlten, für die Erziehung derer, die zu Lehrern bes Tatholiichen Volks beftimmt 
find, irgend einen Beitrag zu bewilligen. Welche Lehre würden wir bamit bem 
öffentlichen @eifte des Landes geben! — — — Wenn wir bem fatholifchen Uns 
terrichte jede Unterftügung verweigern: was follen wir dann beginnen, wenn wir 
über Die Befoldung - der presbyterianifchen @eiftlichen zu beflimmen haben?! — 
Lord John Ruffel, der Führer der parlamentairifchen Oppofition, unterftügte die⸗ 
fesmal PB. aufs Kraͤftigſte — — „Wenn bie irifhen Katholiten, mit ihrem 
wachfenden Reichthum, mit ihren Männern von Talent, mit ihrer Anhänglichkelt 
an bie römifche Kirche, die fo Viele hervorgebracht hat, gleich berühmt wegen 
Froͤmmigkeit, als wegen Gelehrſamkeit; wenn bie römifchen Katholiken Irland's, 
ſage ich, ſich als wirklich vereinigt mit uns fühlen ſollen, dann muͤſſen wir ihnen 
gen, ve wir bereit find, ihnen gerecht zu werben; daß wir uns durch Fein engs 
herziges Vorurtheil beflimmen laſſen; baß in uns Fein Gefühl religiöfer Bigotterte 
lebt ; dann müfjen fie wifien, daß biefes Geſetz Feine Endmaßregel if, fonbern nur 
der Anfang einer Reihe von Berfügungen, bucch bie wir enblich beide Laͤnder mit 
einem dauernden Bande vereinigen werden.” Mit PB. und Ruſſel flimmte bie 
oße Mehrzahl der beiden Parteien, boch fonberte ſich auf beiden Seiten eine 
Minderheit ab, von den Tory's bie Hochfirdhlichen und das „sunge England“, von 
ben Whigs die Radikalen und einige Diffenters. Auch einige Katholiten Rimm- 
tn mit sngland und den Radikalen nahezu aus den nämlichen Gruͤnden; 








42. Heel. 


d Israeli, ber Führer Jung⸗England's, ſagte naͤmlich: „Jebermann weiß, daß bie 
liſche Kirche jetzt unter der Controle von Leuten ſteht, die nicht mehr eine 
ſchließliche Verbindung mit ihr bekennen. Ich ſtehe in politiſcher Verbindung 
einem Bezirke, ber jegt durch bie Einmifchung des Staats in kirchliche Ber 
niffe leidet. Weshalb? Weil es einem konſervativen Minifterium geielien 
einen erzbifchöflichen Sig zu zerflören. Seht nah Schottland! Diele K 
früher fo ruhig, lebt jetzt in Zwietracht und ift getrennt in eine anerkannte 
eine freie Gemeine . . Ih kann mir Nichts benfen, was ben Sitten, ben 
bräuchen und Meberzeugungen bed Volkes in diefem Lande mehr entgegen \ 
als polizeiliche Mebermadhung bes Glaubens und ber Kirche. Wenn «8 in b 
Lande einen Minifter des Unterrichts gäbe, ber fich in Kirchliche Details fo 
miichen wollte, wie es ein frangöfifcher oder preußifcher Minifter thut, fo r 
das Volk ein ſolches Verfahren nicht dulden. Ich kann auch nicht glauben, 
das trifche Volk einem foldyen Eyſteme fich fügen würde”. Die Regierung, u 
er, werde die Bil benügen, um auch die katholiſche Kirche unter ihre Cor 
zu bringen. Die Radikalen fagten, man folle jede Glaubensgenoſſenſchaft für 
Kirche if forgen laffen; wolle man aber einmal Unterftügung durch ben € 
fo möge man das Geld nicht von dem armen Bolfe in ber Form von Sti 
nehmen, fondern aus den Mitteln ber überreichen iriſchen Hochkirche. Viel 
hält mit ihren 852,064 Befennern vom Etaate 5,207,546 Pf., bie katholifch: 
faft fieben Millionen 1,365,607 Pf.! Eine Maffe von Bittfchriften, namentlid 
intoleranten Diffenters, famen gegen die Bil ein; auf der Kanzel rief man 
te8 Blig an gegen die ruchlofen Schänder des Heiligthums; in den Petit 
wiederholte fidy häufig ber Antrag, Peel zu beftrafen und in Anklageftand zu 
fegen. Trotz dem Allem ging die Bill durch beide Häufer. Während felb 
England wuͤthenden Haß erregte, zeigten fich bie irifchen Katholiken vollfon 
leichgültig gegen die Begünftigung. O'Connell fagte, England made nur 
* em — * „dieſes ſchaͤbige und heuchleriſche Geſchenk, weil es 
and fuͤrchte, einen Krieg mit Frankreich oder Amerika voraus ſehe“. Der ir 
Klerus erhob ſich gegen bie dutofratifche Beſetzung der Lehrſtuͤhle in Mayn 
fo wie gegen bie ganze Dotirung, Falls felbe ber erfte Schritt zu einer Dotirung der € 
lichkeit, zur Erniedrigung der fath. Kirche zu einer Staatsfirche, zur Sclavung befl' 
ſeyn ſollte. — In der Thronrede ward ferner, wie im Allgemeinen ber weit 
fliger geworbenen Finanzlage des Reichs, fo im Befondern der Einfommenf 
gedacht u. dem !Barlament anheimgegeben, Diefe Befteuerung bes Privateintomı 
auf einen neuen Zeitabfchnitt zu verlängern, um bafür andere das Volk belafı 
Steuern vermindern zu fönnen. In Betreff der Korngeſetze erklärte zwar 
in den Ndreffedebatten, daß er hiefür Nichts weiter thun werde, fügte jedoch 
hinzu, eine Wicderherftellung des Zolls für den englifchen Aderbau fei unmög 
würde auch den fchwer leidenden Aderbauinterefien keine Erleichterung verfche 
Während das Land für die Foridauer des Einfommenfteuer war, diente felbı 
(en Barteien im Haufe zur Zielfheibe der Angriffe. — Jenen Hindeutungen 
weitere Erleichterung bes Verkehrs folgten großartige Anträge in Bezug auf 
rifes und Steuererleichterungen auf dem Fuße. Da ER mit Hülfe der Einfom: 
feuer, troß der mannigfacyen und bedeutenden Zoll⸗ u. Steuerrebuftionen, be 
ein namhafter Einnahmeüberfchuß ergebe und deſſen Fortdauer in Ausfidt | 
motivirte hiedurch P. die vorgefchlagene Kortdauer der Einfommenfteuer, der a 
fo günftige Ergebnifle im Etaatshaushalte zu verdanken feyen, wie die Mög 
feit weiterer Eteuerrebuftionen. Zunähft beantragte er eine noch bebeuter 
Ermäßigung ber Zuderzölle, ferner die Aufhebung aller Ausfuhrzölle, mit Ei 
griff des durch das Tarifgefeh von 1842 beflimmten Ausfuhrzolles auf Steir 
len ; enblicy Die Aufhebung einer großen Anzahl von Einfuhrzöllen auf Robftoffe, wo 
ter die ber Eingangsgebühr auf rohe Baummolle, wovon England an 5 Mi 
nen Gentner jährlich verarbeitet, für die britifche Induſtrie, welche hiedurch 
Rordamerifa auf den auswärtigen Märkten concurriren konnte, von ber uner! 


Peel. 48 


lichen Bebeutung war. Auch die Glasfabrifation folte von den brüdenden und 
hemmenden Acciſen und Acciscontrolen befreit werden. Ausgenommen von Diefer 
Begünftigung waren überhaupt nur folde Gegenflände, welche, wie Wollgarne 
und Dtanufakturerzeugniffe, bei freier Einfuhr den einheimilhen Markt drüden 
würden. Die hohen NAuftionsgebühren bei Eigenthumsübertragungen betrachtet 
ber Minifter ale eine einem Handelsſtaate am wenigften anftehende Beeinträchti- 
ung bes Eigenthums und trug auf deren Abichaffung an. Den durch dieſe Aufs 
Bebungen u. Rebuftionen in der Staatseinnahme entitehenden Ausfall berechnete 
er zu 3} Millionen Bf. — Im Lande allgemein, aber auch im Parlamente, wo 
fih inzwiſchen richtigere Anfichten über das, was ber heimiſchen Indbuftrie Roth 
thue, gebildet hatten, fanden diefe Vorichläge großen Beifall; doch waren es wies 
der namentlich die Whigs, welche den Minifter gegen feine eigene Partei ftügten, 
jedoch auch ald Gegner der Einfommenfteuer, wie ber Zuderzölle, auftraten und 
zwar in Betreff der legteren wegen fortdauernder Benadhtheiligung des durch Sclas 
venarbeit erzeugten Zuders, gegenüber dem übrigen fremden. Die Grundbefiger 
erkannten mit richtigem Blicke, daß dieſen Zollermäßigungen bie Aufhebung der 
Korngefepe endlich nachfolgen müffe, und ihre Vertreter im Parlament bildeten das 
ber ſchroffe Oppofition gegen die BVorfchläge P.s. Diefer ging bei dieſen, wie bei 
allen Maßnahmen, von ber oft ausgefprochenen Meberzeugung aus, daß Inbuftrie 
und Handel ber Lebensnerv Großbritannien’s, wie überhaupt bes modernen Etaats, 
feyen und baber in jeder Weife müßten gefördert werben; baß ihre Blüthe alles 
Mebrige bebinge, nicht minder audy das Emporfommen bes Aderbau’s, alfo auch 
die Hebung ber Roth in ben Aderbaubezicken zunächft durch die, in Folge der Aus⸗ 
breitung ber Fabrikanlagen eintretende Erhöhung des Bodenwerthes. Das Sys 
ſtem ber inbireften Steuern vermöge den Bebürfniffen ber Gegenwart keineswegs 
mehr zu entiprechen, ber Entwidelung ber Inbuflrie fei «8 tödtlih. Zollreduftionen 
und Abſchaffungen, wie allmälige Freigebung bes Handels auf ber einen Eeite, 
direfte Befteuerung des Befiges auf ber andern Seite müßten die Grundlage bil: 
ben, von welcher Fünftige Reformen, bie unausbleiblich gefordert und gewährt 
wurden, auszugehen hätten. Die Maflen werben nicht mehr lange fich das auge 
meine Stimmrecht, Erziehung durch den Staat u, a. verſagen laͤſſen; ſolche Res 
formen würden aber die fohredlichften Kriſen erzeugen, fei die Verföhnung u. Eis 
nigung duch jene Maßregeln nicht gegeben. Dieß der Sinn bes P.ſchen 
Enftemd. Kurz nach dem Schluſſe des Parlaments ward die Beforgniß vor einer 
ſchlechten Erndte zur Gewißheit; dazu kam die in Irland, dem von Kartoffeln 
lebenden, durch Ausbruch ber Kartoffelfäule, weßhalb das gegen den Ausfall ber 
Erndte angewandte PBalliativ der Freigebung der Korneinfuhr an fämmtlidhe Kos 
lonien nicht genügte. So arbeitete die Natur felbft der immer organifirten und 
entichiedenen Agitation gegen die Korngefege in die Hände, indem nun auch bie 
Times, das mächtigfte Organ ber engliichen Preſſe, offen gegen bie Korngefege 
fich erklärten u. auch John Ruſſel, der bisher ber flundhafte Dertheibiger eines 
mäßigen feften Getreidezolles geweſen, ploͤtzlich mit den bedeutendften Männern 
der Whigpartei für die gänzlihe Aufhebung des @etreidezolles fi) ausſprach. 
Unter ſolchen Umftänden verbreiteten fich beforglichde Gerüchte über Uneinigkeit 
unter ben Gabinetömitgliedern, die täglid Sigungen hielten, wurden Aufforderuns 
gen über Aufforderungen an P. gerichtet, die nothwendigſte Maßregel nicht läns 
ger zu verzögern. Endlich verkündete bie Times Anfangs Dezember, daß in ber 
Ihronrede für die Seflion 1846 bie Abſchaffung ber Krongefege in Ausficht ges 
ftellt werden würde, während wenige Tage darauf plögli das Minifterium in 
Maſſe zurüdtrat. (Ehe aber das Jahre zu Ende war, hatte ber in den überaus 
ihwierigen Verhältniffen allein „mögliche Mann, Robert P., das Etaateruder 
wieder ergriffen; denn Lord John Ruſſel, ber Yührer ber Whigs, von der Königin 
zur Bildung eines neuen Kabinets berufen, fand die Aufgabe zu groß u. trat zus 
rüd. Eine der erfien Maßregeln P.s war, die Aufhebung der Korngefege vors 
zuſchlagen, bie nun auch erfolgte, — Der britten Fürzeren Periode ber ſtaats⸗ 


44 Beer lkamp — Peipusſee. 


wanniſchen Thaͤtigkeit PB werben wir im Artikel Lord John Ruſſel 
gedenken. 

Peerlkamp (Hofmann Peter), geboren 1780 zu Groͤningen, 1802 Lehrer 
am Gpymnaflum zu Harlem, 1804 Rektor zu Dodum, 1816 Rektor zu Harlem, 
1822 Profefior der Geſchichte zu Leydens; gab Heraus: Zenophon Ephefios 1818; 
des Tacitus Agricola 1827 ; den Horatius 1834 (in dem er vieles Unächte aufges 
funden zu haben glaubte ferner fchrieb er: De poetis lat. nederlandicis, 1818 
GPreisſchrift), 2. A. 1838 u. m. a. 

egaſos, heißt in der Mythologie jenes ſchoͤne fchlanfe Roß mit fchönen 
prächtigen Fluͤgeln an den Schultern, erzeugt von Neptunus und ber Gorgone 
Medufa, und durch PBerfeus zu Tage geförbert Als dieſer nämlich der lehteren 
das Haupt abſchlug, entſprang aus ihrem Blute Chryſaor und das Roß P. 
Dieſes geſchah bei den Quellen (rnyais) bes Oceans, daher fein Name. De 
bei Pindar zuerſt geflügelte P. ſchwang ſich Hierauf in den Olymp, in den Palaſt 
des Zeus, und trug für diefen den Donner und Blig. Bellerophon verftand ihn 
zu reiten und befämpfte von ihm herab die Amazonen, bie Chimära und bie So⸗ 
lymer. Nach Späteren ſchenkte ihn Zeus der bittenden Eos oder Hewera, um leichter 
init ihm um bie Erbe zukommen. Durch einen Schlag von feinem Hufe entftand am He 
lifon ein Quell, Hippofrene. Am Parnaß wird PB. auch, befondere von Neueren, 
ale Attribut Apollon’s, ber Mufen und überhaupt ber Dichter gebraucht. Zulebt 
verſchmolz man diefes Roß mit dem Sternbilde des Pferdes. Die Orfindung der 
Reitkunft, ſymboliſche Darftelungen bes Umlaufes der Geſtirne, und poetifcher 
Ausſchmuck foheinen ber Fabel Entftchung gegeben zu Haben. 

egel, (Waſſermeſſer) ift ein an Schleußen ober Brüdenpfeilern angebrad 
ter Maaßſtab, an welchem bie Schiffer die Höhe des Waflerftandes ſehen Tünnen; 
er befteht gewöhnlich aus eingehauenen Streichen u. Zahlen, welche bie Zahl ber 
Fuße über dem niedrigften Waflerftande anzeigen. 

Pegnigorden Heißt eine, im Jahre 1644 zu selenderg von Georg Philipp 
Harsdörfer u. Johann Klaj gefliftete Gefellichaft zur Verbeſſerung u. Reini 
gung ber deutfhen Sprache und Hebung ber Dichtkunſt. Der Orben hat fid 
bie et erhalten. 

Pegu, ein früher felbftfländiges, jeht ald Raminya ober Ramana den Bir 
manen unterworfenes Reich in Hinterindien, von etwa 1068 [J Meilen, an Ava, 
Siam, Martaban, Arracan und den bengalifihen Meerbufen grängend, ift gebir⸗ 
ig durch das Gebirge Anupeftumiu (endigt fi mit bem Borgebirge Negrais), 

allatzet u. a., wird bewäffert vom Irawaddy, ber hier in mehren Armen müns 
bet, ben Sitang u. a.; hat fruchtbaren Boden, viel Wald, mit Tigern, Elephanten, 
Hirſchen, Büffeln; Eifens, Zinn, Bleis, Saphir, Rubingruben ; verwüſtetes und 
anz ſchwach bevölfertes Land; die Einwohner treiben Handel mit Teakholz umd 
find ber bubbhiftifchen Religion zugethan. — Die gleichnamige Hauptftabt, ber Sig 
des Vicekönigs, gebaut auf bie Ruinen bes altn, von ben Birmanen 1757 
zerftörten P. (oder Bagoo), boch Tange nicht fo groß, liegt am P., hat eine Pas 
liſſadenmauer, einen Palaſt bes Bicefönigs, viele Tempel (der Schoe Madoo, 
Praw, ober Tempel bed goldenen Gottes, auf 2 Terrafien ftehend; die oberfte Hat 
in jedem Winfel einen 67 Fuß hohen Tempel, in ber Mitte eine maflive, 331 
Fuß Hohe Pyramide, mit einer vergoldeten, 56 Fuß im Umfange haltenden Kup⸗ 
pel; das Alter diefes Kunftwerfes rechnet man auf 2300 Jahre) Einwohner, fonf 
150,000, jest vielleicht Faum 8000, ohne bedeutende Induſtrie. 

Pehlewi, |. Perſiſche Sprache. 

Peilen heißt auf der See die Tiefe des Waſſers mit dem Bleiwurfe meſſen, 
daher man dieſen Bleiwurf auch das Peilloth nennt. — Peilkompasß wird jener 
Kompaß genannt, mittelſt deſſen man bie Abweichung ber Magnemadel meſſen Tann. 

Peipusſee, ein großer Landſee in Rußland zwiſchen den Gouvernements Pe⸗ 
tersburg, Pokow, Eſth⸗ und Liefland. Er hängt im Suͤdoſten mit dem Pskow⸗ 
See —2 iſt von Norden gegen Suͤden 25 Stunden lang, und gegen 10 


Peling— Pelagianer. | B 
** nn * bie N in den Meerbufe d 
a fe Fe, —— — die —2*— ar 


aRlic, auf 

ober an 8 h. ein Hof des — aus SHangtieufu, 
| * —— Rh dir He bie Gate und — be gi —7 Kat 
8 n 8 
ſerſtaates, “ mit Hoden umt Ai vielen Thürmen den (für 9 Rettet 
germalam breiten) geben, Hat 12 große —** it fi in die 
tabt der Chineſen u. der Manbſchu und wird zu 8 Stinden Um „nt einer 
Beoälferung von 1 Million den niedrigſten, und 8 Bitionen ent 

nach ben 5 Angaben gerechnet. ——— — — —e ans“ 
vibuen ans faſt allen bes Reiches. Die Mauern haben 9 Thore, —* 
aus 2 großen neun 5 welchen die Kaſernen, Magazine 


a. liegen, befichenb. Die Sir a is gene, meift 120 Sub breit breit und 
viert, —*8 ** ai ade ver ve eff —— — en ——S | 
— unb N F De Kaiſerpalaſt (in der Mand⸗ 
vl Sehen ube, Gaͤrten, und enthält ben 
Die —* ſwpe⸗ get Leibwadhe. Sen Anfang wird 
— beutihe Meile innere Ausſchmuͤckung iſt kaiſerlich 
are, bie 9 inneren — ſind dur —**— mit einander verbunden; 
find vergolbet oder lacktrt. Außer biefen gi es noch viele Paläfte 
5 man gibt ee 10,000 an, fie And einftödig, aber ſteinern; der 





— 







eine e, darunter 33 ac Seide Ban hen einer ber Erde, 
ber BT dem ofen ge len e chrifil hen tm e (4 {at otifee, 2 ee 
/ ö 
Anfalten findet fih * —— elin, Tatferliche 


bliothek, mehre große Freiſchulen, eine ——— und mediziniſche Eocietät, 
Zeltungserpebition, Sternwarte. Bon Beohlihätigteiteanfalten : ein Findelhaus, 
geanfalt; von ao hgungen bat man Schaufpiele (öffentliche 
und — Beorttfehreier Muſiker u, dgl. mehr. Die Bolizet fteht unter einem 
Mandihu (General der 9 Thore genannt), ber durch Patrouillen, die wohl auch 
Beitfchenhlebe austheilen, und durch befonbere Geſehe für Ruhe und Orbnung 
wadt. Die Berproviantirung der Stadt gefchieht mittelfl großer 
Magazine yon Reis in den Vorfäbten, welche auf 8 Jahre berechnet find, bas 
ber auch die Lebensmittel wohlfell find und Humgersnoth nie zu befürchten iſt. 
Die Beſchaͤftig ber Einwohner befteht in Berfertigung und Verkauf alles def 
Ion, was zum chinefifchen Luxus get; bee Handel iR ausgebreitet. Zur Anzeige 
der Nachtwachen dienen große Glocken, von denen 7 jede 1200 Centner wiegt. 
Auf dem Kreuzplatze der großen Fa fiehen Denfmäler berühmter Chinefen, 
P. wird ſchon feit 2000 Safe als große Stadt genannt; unter der Dynaſtie 
Yuen wurde fie piflabt, 1274 und 1524 wurde die Mauer gebaut, 1564 
a amlan EEE teperifch Sekte bes 5. Jahrhund Ihe bie Erbſuͤnd 
er, eine e e des ahrhunderts, welche Die Erbſumde 
und die Nothwendigkeit der Gnade laͤugnete. Ihren Namen bat fie von Pela⸗ 
ius, einem gelehrten britifchen Mönche, der um Pen Jahr 400 n. Chr. mit 
einem kuͤhnen unb offenen @efährten Gäleftius, einem früheren Rechtsanwalt, 
alas Rom Tam, von da ſich nach Afrifa, dann Palaͤſtlana wandte, während Caͤ⸗ 
leftins, nachdem er vergebens in Afrika bie Gemeinſchaft mit den Rechtgläubigen 
ng fi nad) — begab. Es war in dieſer Zeit fo eben der Aria⸗ 
ionus, welcher, die Gottheit Ehrifti laͤugnend, fo tiefe Erfchütterungen in ber 
e pernorgebradit hatte, überwunden ; mit ihm King bee Pelagianismus aufs 
ammen; er war nur bie praftifche Seite beffelben. Hatte Arius gelagt: 
er IR nicht Gott, fo lehrte Pelagius: wir bedürfen auch feines Erloͤſers, 
Ni Gett iſt; bie Eriöfung beſteht nicht item inmerften Weſen nach In \carın Arte 


46 Pelagius. 


heimnißvollen, uͤbernatuͤrlichen Werke ber Genugthuung, wonach ber me 
wordene Sohn Gottes die auf dem Menſchengeſchlechte durch die Erbfünde I 
Schuld auf fih genommen, fondern nur in der äußeren Belehrung und i 
fittliden Mufter, welches Gott in dem Erlöjer aufgeftellt Hat. Bei biefe 
faffung konnte zunähft die Lehre von der Erbiünde im kirchlichen Sinn: 
beſtehen. P. Ichrte und fein Freund Gäleftius fprach es offen aus: die 
Adams fchadete nur ihm felbftz eine Kortpflanzung derfelben durch die Get 
mit der Güte Gottes nicht zu vereinen; alle Menfchen werden in dem 3ı 
geboren, wie Adam von Bott erfhaffen war, und auch der leibliche Tod i 
urfprünglicde Einrichtung Gottes. Nur in fo weit konnte er die Eünde ' 
noch von jeder anderen Sünde unterfcbeiden und ben Namen Erbfünde täufı 
Weiſe beibehalten, als Adam zuerft gefündigt und fo das Beilpiel zum Sü 
gegeben Hat. Daß indeb alle dem Adam im Sündigen nachgeahmt hal 
etwas Zufälliges; an und für ſich Hätte die natürliche Kraft und die Freih 
Menſchen, ohne die befondere göttliche Gnade, hingereicht zur Ueberwindur 
Böfen und zur Erreihung des ewigen Zieled. Freilich ſprach er deßung 
von der Gnade, aber auch Hier wicder nur zum Scheine, indem er baruni 
Beiftand des Geſetzes im Alten und die Lehre und das Beifpiel Chrifti im 
Bunde, die gewiffermaßen zum Heberflufie dem Menfchen gegeben waren, ve 
Diefe Irrlehre des P. griff freilich nicht fehr unmittelbar ins Leben ci 
fonnte aber auf Die Tauer um fo verberblicher werden, je mehr Pelagius ı 
Anfänger den wahren Einn ihrer Lehre unter Firchlichen Auetrüden zu ve 
wußten und es bedurfte eines Mannıs, der, wie der heilige Auguftinus, fe 
Wirkſamkeit der Gnade fo lebendig in feinem Innern erfahren Hatte, ı 
Kirche vor diefer gefahrvollen Klippe glüdlicy vorbeizuführen. Auguſtinus 
fhon auf der Synode von Karthago (412), die die Entfernung des Pelagiı 
Afrika bewirkte, die Irrlehre befielben aufgebedt. Auch im Oriente wınbe 
Hieronymus durchſchaut; aber nicht fo von Johannes, Biſchof von Jerufa 
von der zu Diospolis verfammelten Synode, die er durch feinen zweideutig: 
brauch des Wortes Gnade zu täufhen wußte Aber Auguftinus deckte 
Schliche auf u. auf den Synoben zu Karthago und Mileve (416) wurd: 
Lehre abermals verdammt und das Urtheil von Papſt Innocenz biftätigt. 
aber Pelagius noch einmal den in der Sadjlage wenig bemanderten Nad 
bes Innocenz, Zoftmus, zu bintergehen wußte, verfammelten ſich die afrika 
Bifchöfe von Neuem zu Karthago und gaben eine fo klare Darlegung ber In 
daß auch Zofimus dem Urtheile beitrat, und der Kaifer Honorius die V 
nung des Pelagius verorbnete. Seitdem verfebwindet Pelagius aus der Geſc 
feine Lchre wurde auf dem allgemeinen Eoncilium von Ephefus (421) no: 
mal feierlich verworfen. Ein Hauptanhänger des Pelagius, Julianus von Ecl 
feste den Kampf wifienfchaftlich fort, indem er jedoch bie Irrlehren beffel 
milderte, daß er ben Mebergang zu dem Semipelagianismus (f. d. 
mittelte. — Dem Irrthume des Pelagius, ald das andere Ertrem gerade 
über, fteht der Irıthum Luthers in Bezug auf das Verhältniß der Gna 
Sreibeit, u. fo ift jener als der Vorläufer des durch biefes Extrem hervor— 
nen Rationalismus der neueren Zeit zu betrachten. — Bol Wiggers, Pr 
tiſche Darftelung des Auguſtinismus u. Pelagianiemus, 2 Bde, Hamb. 
Zengen, De Pelagianorum doctrinae principiis, Köln 1833; Jacobi, Die 
bes Pelagius, Leipzig 1842. F 
Delagius, der Name zweier römifher Päpfte 1) P.L, | 
Jahre 555 erwäßlt wurde, mußte fich gegen ben Verdacht, als hätte er 
Vorfahrers VBigilius Tod befördert, durch einen Eid reinigen. Er hielt 
eine feierliche Progeffion von der Kirche bes heil. Bancratius nad) jen 
heil. Petrus, beftieg, das Evangelien Buch in ber einen, u. das Kreuz 
andern Hand, Die Kanzel, betheuerte eidlich: daß er nic den Bigilius bei 
vielmehr deſſen Leiden u. Verfolgungen zu Fonftantinopel mit ihm getheilt 


Pelargonium — Pelasger. 41 


Als Totila, König der Gothen, Rom eroberte, ging P. ihm entgegen u. bes 
wirfte durch feine chriftliche Anfprache, daß ber Sieger verbot, Iemanden zu 
töbten oder zu mißhandeln, auch den Ematoren erlaubte, Alles zu behalten, was 
fie außerhalb Rom befafien, gleichwohl fand aber eine Pluͤnderung Statt, bie alle 
Berfonen von Stande in fo großes Elend ftürzte, daß die vornehmften Frauens⸗ 
perfonen, u. unter dieſen Rufticiana, die Wittwe bes Boethius, an ben 
Ihüren ber Gothen betteln mußten. In biefer allgemeinen Roth theilte P. reich⸗ 
liche Almofen aus u. machte fi dadurch abermals um Rom verdient. Als Papſt 
wollte P. gegen bie Feinde des Conciliums von Ehalcedon mit Strenge a 3 
allein Varſes, ber Beſieger Totila's, zeigte gemaͤßigte Geſinnungen, ſogar 
gegen jene Biſchoͤfe, welche ihn in Bann gethan hatten; er ſuchte daher auch den 
Papft gegen die Widerfpenftigen zu befänftigen, bie Biichöfe von Toskana bes 
gnügte fi PB. mit den Worten bes Hl. Auguftinus zu erinnern: baß, wer fidh 
von ben apoftolifchen Haupt s Kirchen trenne, fchon in ein Schiöma gerathen fel. 
Die Beſorgniß des fränkifchen Königs EHildebert von Paris, die wahre Lehre 
möchte auf dem Boncdlium von Konftantinopel im Jahre 553 verleht worden 
ſeyn, bob PB. dadurch, daß er ihm fchrieb, daß feit dem Tode ber Raiferin 
Theodora in den Morgenlanden feine Trennung mehr Statt habe, u. baß bie 
Punkte, deren Entfcheidung auf dem Goncilium zu fo vielen irrigen Anfichten u. 
falſchen Gerüchten Anlaß gegeben hätten, den Glauben nicht beträfen, auf feine 
Glaubens⸗Lehre Bezug hätten. PB. ftarb am 2. März 559, nachdem er die Kirche 
fat 5 Jahre verwaltet hatte. — 2) B. Il., ein Römer, im Jahre 578 erwählt, 
während Rom von ben Longobarden eingefchlofien wurde, fchidte, fobald dieſe fich 
von Rom zurüdgezogen, u. bie Gemwäfler einer unerhörten leberfihvernmung ſich 
verlaufen hatten, den Diakon Gregorius nach Konſtantinopel, um dem Kaiſer 
Tiberius, der anſtatt bes wahnſinnigen Juſtin IL das Reich verwaltete, 
ſeine Echebung bekannt zu machen. Er verwarf an Johannes, dem Faſter, 
den Titel eines öfumenifchen, db. h. ‘allgemeinen Biſchofs, welches Gregorius, 
fein Rachfolger, gleichfalls that. Seine Nächftenliebe war fo groß, daß er aus 
feinem Haufe ein Spital für alte, arme Leute machte. Er bemühte fi, zwar 
umfonft, die Trennung, welche die Verbammung der drei Kapitel veranlaßt hatte, 
aufzubeben; doch erloſch dieſes Schiema endlich unvermerft.e Größere Freude 
machte dem vifrigen u. menfchenfreundlichen Papſte die Nachricht, daß bie aria⸗ 
nifhen Weſtgothen fich zur Fatholifcben Kirche wieder herüber begeben haben. 
Zwar ging biefem wichtigen Ereigniffe eine ſchwere Verfolgung voraus; felbft 
der Eöniglide Prinz Hermenegild, der ſich unter der Anleitung bes hl. Leans 
der, Erzbiihofs von Sevilla, zur Fatholifchen Religion befehrt hatte, mußte bag 
Opfer väterlicher, aber durch feine Empörung gegen den Bater u. König herauss 
geforberter Graufamfeit werden. Doch reuete den Bater Leovigild diefe That. 

bat zwar nicht felbft den katholiſchen Glauben angenommen, aber es war doch 
fein letter Wille, daß fein Rachfolger Reccared, Dermenegild’s Bruder, 
fih von Leander in die Gemeinichaft der kathol. Kirche follte einführen laſſen. 
Während Gallien u. Stalien von einer fchredlichen Peft verwüftet wurden, unb 
diefelbe zu Rom am fürchterlichften wüthete, fiel auch der allgemein geliebte Papft 
P. II. als Opfer feiner wahrhaft evangelifchen, raſtlos thätigen Nächftenliebe, 
nachdem er die Kirche etwas über 12 Jahre regiert hatte, den 8. Februar 590. 

Pelargonium, eine Pflanzengattung aus der natürlidhen Familie der Gera⸗ 
nien, zur Monadelghia Pentandria bes Linné'ſchen Syſtemes gehörig , mit zahls 
reichen (252) Arten u, überdieß durch bie Kultur u, das bei großen Sammlungen 
Statt findende enfisgen des Samenflaubes ins Unendliche vartirend, meiftens 
durch Schönfeit ber Blüthen, zierlichen Habitus u. Wohlgeruch der Blätter aus⸗ 
gezeichnet und mit Recht zu dem beliebteften Zierpflanzen unferer Gewächshäufer 
und Zimmer gerechnet. 

Pelasger hießen die Alteften Einwanderer in Griechenland, welche Herobdot 
als Ureinwohner bezeichnet, nach Pelas gos, welches ber Name mehrer Heroen ik, 


48 Pelet — Pelew. 


an welche bie Mythe die Gründung griechifcher Eolonien Mnüpft. Die P. wohnten 


urfprünglich in Theſſalien u. Epiros, verbreiteten ſich nach Kleinafien, befonders 
um Lariffa, nach Kreta, Hellas u. dem Peloponnes, wo ber Name vorzugsweife 


ben Bewohnern Achaja's gegeben wurde. Epätere Dichter nennen bie Einwohner 


von Argos P. 


Delet, 1) Jean Jacques Germain, Pair von Frankreich u. Generallieutes _ 
nant, und Direktor des Kriegsdepot, Sohn eines Goldſchmids aus Touloufe, ge ° 
boren 1779. Er diente Anfangs dem Heere als Zeichner und Feldmeſſer, ward 
1805 Adjutant Maſſoͤna's, ber ihn nur feinen Wa enfoßn nannte, erhielt von 


Napoleon in Folge feiner Waffenthaten 1809 (Edmühl, 


agram), das Offüiers ° 


freuz der Ehrenlegion, focht ruhmvoll unter Maſſoͤna in Portugal u. führte nah 
der Schlacht an der Moskwa ein Regiment der alten Garde (Sieg bei Eraonne). ° 
Die Reftauration gewann feine völlige Billigung, doch fchloß er ſich ber nun 


Ordnung 1830 an. Die Bairswürbe erhielt er 1837. Wan hat von ihm „Me 


moiren über ben Krieg von 1809“ «deutich, 4 Bbe., Stuttg. 1824 ff). — DIR. ' 
de la Lozoͤre, Baron v., geboren in Languedoc, wurde unter Rapoleon Bräfelt : 


bes Rozeredepartements u. 


aron bes Reiches, lebte unter der Reflauration im : 


Privatſtande, faß feit der Yulirevolution wieder in ber Deputictenfammer u. Het - 
fih zu Thiers Partei, wurde 1836 unter Thiers Minifter bes öffentlichen Unter : 
richte, 1837 Pair von Kranfreih, u. fchloß fih in der Bairsfammer den Worts : 
führern ber liberalen Partei Villemain u. Eoufin an. Als am 1. März 1840 . 


Ihiers an die Spige der Verwaltung trat, ward P. Minifter ber Finanzen und 
trat mit Thiers wieder aus dem Miniſterium. 


Pelens, Sohn des Hcakos und der Endeis, ber Tochter des Chiron. Er 


verabrebete fich mit feinem Bruder Telamon, einen Halbbruber, Phokos, zu töbds 
ten. Dieß that Telamon, indem er biefem einen Disfus an den Kopf warf. Der 


Leichnam warb verborgen, aber bie That boch entdedt, worauf beide fliehen 


mußten. P. ging nah Phthia zu Eurytion, der ihn entfündigte und ihm feine 
Tochter Antigone nebft bem dritten Theile feines Landes gab. Diefer Ehe entfproß 
bie fhöne Polydora, doch dauerte das Buͤndniß nicht lange, denn auf der kaly⸗ 
bonifchen Jagd tödtete er den Eurytion unb mußte abermals fliehen, erreichte 
Jolkos, ward von Afaftos entfündigt, gerieth aber dort in ein neues Unheil, 
indem Aftydameia, Ataftos Gemahlin, fih in ihn verliebte und ihn, da er ihren 
Willen niit that, dem Gatten verrieth, als habe er ihrer Tugend nad gefredt, 
aud feiner Gattin die Nachricht Hinterbringen ließ, daß er, P., ſich mit Eterope, 
ber Tochter des Akaſtos, vermählen würde Antigone erhing fih aus Bram, 
Akaſtos aber wollte ſich an dem, ben er felbft entfündigt, nicht vergreifen, befchloß 
jeboch, ihn auf andere Weile dem Tode zu mweihen, nahm ihn daher auf den Pelion 
zur Jagd und ließ den Ermübeten Hülflos liegen, nachdem er ihn feiner Waffen 
beraubt. Da ward er denn von ben Gentauren gefunden und wäre ermorbet 
worden, hätte Chiron fich nicht feiner angenommen, — Des B. zweite Gattin 
war Thetis; Zeus felbft wollte biefer Göttin nahen, doch Prometheus warnte 
ihn, indem er ihm verfündete, daß ber Thetis Sohn größer werden würbe, als 
fein Vater; fo warb fie einem Sterblicden beftimmt und die Götter felbft waren 
alle bei biefer Hochzeit verfammelt. Das Kind, das diefer Ehe entfprang, war 
Achilleus, welcher dem Chiron zur Erziehung übergeben wurde. P. raͤchte fi 
an Aftydamela, indem er Jolkos eroberte, Me töbtete, ihre geftüdelten Glieder 
umherftreuen und bad Heer über bdiefelben hinweg in die Stadt einrüden ließ, 
Pelew, eine Infelgruppe in Auftralten, zu dem Archipelagus ber Carolinen 
gehörig ‚ befteht aus einigen 20 Eilanden von nicht bedeutender Größe, worunter 
abelthouap mit einem Umfange von 12 Meilen das größte if. Sie find mit 
Korallenriffen umgeben, reih an Palmen verfchiebener Art (Kokos, Areka, Kohl⸗ 
palme u. a.), Zuckerrohr, Bambus; die Hausthiere ſind durch Europäer hieher 
verpflanzt und gut gebiehen; das Meer bringt viele Echildfröten und ben immer 
mehr geſuchten Tripang. Die Bevölkerung iſt anſehnlich; die Männer gehen 


velias -- Pelffen-Bektänier, 4 


ober nur mit einem Meinen Schurze beklelidet, doch auch manchmal 
an Mantel aus Pofosblättern; bi bie Weiber tragen einen Gchurz 
ober Bifangfafern; das Tätowiren iR allgemein, man bemalt ſich auch 
eiber Farbe. Zum Schmude dienen die Knochen vom augeng- 
er fehr einfach, und einige dienen d öffentlichem Gebrauche. 
u, Reineren Werkzeuge hat man feit der Befanntichaft mit den Europäern 
nen vertaufcht. mahrung find Fiſche, die das Meer reichlich barbietet. 
arakter der P.⸗Inſulaner ® in den beiden Ertremen, als hoͤchſt roh und 
|; ober ‚aie hochſt liebenswärdig und freundlich geichilbert 777 viel⸗ 
fie im Mittel zwiſchen beiden. — Religion haben ſie einige, jedoch 
r unvollftändige Begriffe P. iR ben —— ſeit un eh umge efähr 1700 bes 
(710 waren jefuitifche Miſ e bort, 1 ilſon Schiffs 
———— M.Cl en 
eleu 
lides, Beiname bes Achilles, von feinem Bater Beleus (. d.). 
Higuer, ein altes Bol in Samnium, zwiſchen ben Apenninen und ben 
— u. Sagrus, im jetzigen Abrupo. Ihre bebeutendfien Städte wa⸗ 


ilfen (pelocanus), d, Gattung aus ber Familie Steganopodes u. ber Orbs 
x Wafferoögel, Eine Schwimmhaut verbindet die A Zehen mit einander; 
lange Schnabel ift gerade u. . febr breit, ungezahnt, vorne mit hackenfoͤr⸗ 
; der Unterfchnabel iR in feinen beiden Theilen biegfam u. dat einen 
, usbehmbaren Sad. De Augenkreis iR nadt, bie Flügel roß. 
eſind große u. plumpe Thiere, in ben heißen u. gemäßigten Erdſtrichen 
fe. Der Sad an ber Kehle dient zum Aufbewahren gelungener Fiſche. 
ber große P. (Eſeloſchreier, Kropfgans, p. onocrotalus), de ein nadtes, 
—* Geht, a en Kehlſack, weißes, roſenroth ee fenes Gefieder 
in den Flügeln, wiegt bei 20 Pfund, wirb im un 
an [ebt —5 am ſchwarzen u. mittellaͤndiſchen Meere, auch in 
weilen am Bodenſee, fuͤttert u. traͤnkt ſeine Jungen aus dem Fiſch⸗ 
ſervorraihe in feinem Sentfade (daher a daß er feine Jungen mit 
[ute ie nähe, teh weßhalb der PB. als Sinnbilb ber ſich aufopfernden Mutters 
der Kirche als liebende Mutter braucht eh fegt ungemein 
ı$ war iän kaum noch erfennen Tann, trägt gegen 20 Pfund Wafler, oder 
on 8-9 Pfund im Sade, u, ſon bei 0 de re leben; rofenrother P. 
sus), vielleicht, wie auch fuscus, nur 

likan, Heißt 1) ein Inftrument zum —* mit ſchnabelfoͤrmiger 
ung, zum Faßen bes Zahns; — 2) ein Deftillirgefäß ber aͤlteren Zeit, 
em Kolben mit barauf angefchmolzenem Helm beftchend, aus dem Ast ge 

5 —— die condenſtrten Dämpfe wieder in den Bauch des Kolb 
bee; ; — 3) in der Artillerie früher ein alter, 24 Zentner ſchwerer, * 


fünber. 
Hion, eine Bergkette in Pelasgiotis (Theſſallen), bie ſich füblih an ben 
“Lo u. bie —— Haldinfel Magnefia bis zur Außerfien Spitze 
nitt. Die höchften Spihen find: Tifäos u. Sepias (jeht Cap St. Gior⸗ 
Der P. war beträchtlich hoch u. in ber heißeſten Jahreszeit herrſchte em⸗ 
” Kälte auf dem Gipfel; Tannen, Cypreſſen, Laubhoͤlzer u. ne 
wachſen auf demfelben. Auf einer der Spihen befand fih ein T 
⸗ daneben bie Höhle bes Chiron. Der jehzige Name bes P. iſt — 
n ora. 
eliſſon⸗Fontanier, Paul, geb. zu Boͤziers 1624, ſtudirte alte Literatur u. 
me — Bann fi Sekretär u. mußte nach Fouquets Sturz A Jahre 
Um fh aus bderfelben zu befreien, trat er von ber res 
m —— "ber ji geboren Bars zur Tatholifchen Kirche über und 
nun mit großem Ernfle, bem fein feiner Geſchmack das ee Arsen 
meyclepädie. arohenm 


Hat 


7 


50 Pellegrini — Pelletom. 


von Würde u, feltener Maͤßigung gab, den Sachmwalter der Religion u. bes Ho⸗ 
fe. Er begleitete Ludwig XIV., der ihm auftrug, feine Geſchichte zu fchreiben, 
in einigen Belbzügen, erhielt einige geiftliche Pfrüunden u. ftarb 1693. P. war, 
wie man ihn nannte, ber fchönfte Geil u. der häßlichfte Körper im Königreiche, 
Man hat von ihm Hist. de l’acadömie frangaise jusqu’en 1652, Par. 1653, 2 
Bde.; 1730, 1743, 12.; Abrege de la vie d’Anne d’Autriche, ebd. 1666, 4.; 
Bist. do Louis XIV, 1749, 3 Bde, 12.; Leitres hist. et opuscules, 1729, 

e., 12. 

Pellegrini (Pellegrino), genannt Tibalbt, ein berühmter Maler, Bildhauer 
u. Architekt, geboren zu Bologna 1527, zeigte ſchon als Knabe leidenfchaftliche 
Liebe zur Malerei, ftudirte in Rom die Werke bes Michel Angelo u. arbeitete 
bald mit fteigendem Ruhme für Kirchen u. Paläfte. Daneben ftudirte er die Baus 
Kunft, errichtete mehre Prachtgebäude in Rom, Loretto, Ancona, Bologna und 
Mailand, u.ward in diefer lehteren Stadt Baumeiſter der Domkirche u. Ingenteur 
bes Herzogthums Mailand. Er entwarf den Plan zu den umgebeueren koͤnig⸗ 
lichen Gebäuden des Eskorials in Spanien, ning 1589 ſelbſt dahin, errichtete 
während eines 9 jährigen Aufenthaltes mehre Gehäube, arbeitete in Plaftif umd 
malte verfchiedene Sachen mit allgemeinem Beifall. Mit Reichthümern und 
Eprenbezeugungen überhäuft, fehrte er nah Mailand zurüd u, ftarb daſelbſt 
1591 oder 1596. Grazie, Kraft und nachdruͤckliche Kuͤhnheit ift der Charakter 
feiner Gemälde, 

Delagra, mailändifhe Rofe, Heißt eine in ber Lombardei einheimiſche 
Krankheit, die erft feit dem vorigen Jahrhunderte befannt ift, über deren nähere 
Verhältniffe aber immer noch Nichts feftfteht. Cie ſoll fchen in alten Zeiten 
vorgekommen feyn; aufmerffam wurde man jedenfalls erft in ber Mitte bes voris 
gen Jahrhunderts, wo fie zuerft im Mailaͤndiſchen fich zeigte, dann ſich in ber 

ombardei u. dem venetianifchem @ebiete verbreitete u. feitbem auch dießſeits ber 
Alpen, im Lechthale u. am Oberrhein, fo wie in Frankreich im Departement Gi⸗ 
ronde vorgefommen feyn fol, Das P. befällt nur die Armere Bolfsklafle, bes 
fonder8 das Landvolk; felten oder nie zeigt fle fih in Städten u. auf den höheren 
Gebirgen; fie ergreift jedes Alter u. Geſchlecht u. feheint erblich, aber nicht ans 
ftedend zu fen. Die Aufferen Beranlaffungen der Krankheit fcheinen im Klima, 
in ſchlechten Nahrungsmitteln, in Verbindung mit den brennenden Strahlen ber 
Frühlingsfonne, gelegen au fern, Die Krankheit beginnt Ende Februar u. An 
fang März, mit großer Abipannung u. Ermüdung der Ergriffenen ; dazu fommen 
Eingenommenheit des Kopfes, Schwindel, Traurigkeit; nach 15—20 Tagen ſchwillt 
dann die Haut an ben unbebedten, der Sonne ausgefegten Theilen an, wird 
unter Juden u. Brennen roth, glänzend, fpäter bunfler; es entfliehen Knötchen ; 
egen Ende Mai u, Anfang Juni "huppt fih die Oberhaut ab u. die Haut er⸗ 
heint wieder glatt, rein u. weich, u. zugleich kehrt anfcheinend völlige Geſundheit 
zurück; im nädhften Fruͤhlinge wiederholt ſich ber Anfall; fo geht es 4—5 Jahre 
fort, doch ftets unter Zunahme ber Erfcheinungen des Allgemeinleidens, ſowie 
der örtlichen: die Haut wird rauh, troden, furchig u. bedeckt fih mit biden 
Schuppen. Die Franthen dauert nun Winter u. Sommer, der Kranke iſt zu 
jeder Arbeit unfähig, wird immer ſchwermüthiger oder geräth in Raſerei u. Irre⸗ 
reden, ftreift Tag u. Nacht umher, fchreit, laͤrmt u. zeigt nicht felten große Nels 
gung, fih in's Waſſer zu ftürzen, um feinen Leiden ein Ende zu maden, bas 
— von felbft gegen das 5. bis 7. Jahr durch Zehrfieber eintritt. — Die Heil⸗ 
ung ber Krankheit gelingt nur in ihrem Anfange u. bier empfiehlt fich am 
meiften veränderte u. fireng geregelte Xebensweife, — vor Allem aber Entfermun 
aus dem Landesftriche, wo das P. vorkommt, was oft allein fchon genügt, bass 
felde zum Stilftand zu bringen. E. Buchner. 

Pelletom, a: Jean, berüfmter Ehirurg, geboren ben 7. Mai 1747 
in Paris, wo er auch feine Stubien machte u. bereits 1771 chirurgifche Vor—⸗ 
lefungen hielt. Ein Schüler Sabatier’s u. Defaul’s folgte ex bem lehtern 1795 


Poellieo — Peloponnes. 5 


ds Oberwunbarzt am Hötel Dieu u. war in biefer Stelle Dupuytren’s Vor⸗ 
gar foäter wurbe er Profeffor der dirurgiichen Klinit an ber medicinifchen 
„ 1815 Brofeffor der Operationglehre u, 1818 Profeffor ber Entbindungs- 
fu; 1823 bei der Neugeftaltung der mediciniſchen Bacultät wurde er Ehrenpro- 
5 — ee ſtarb den 27. Sept 1829. — P. war Mitglied ber Alademie der 
ften. u. vieler gelehtten Gefelicbaften; — er war ein tüchtiger Körberer 
de Ebirurgie als Lehrer u. in feinen Schriften, deren wichtigſie ift: „Clinique 
ärurgicnle,* Paris 1310, 3 Bde. — Sein Sohn, Pierre P. , geboren ven 
[3 1732 zu Paris, wurde 1813 dafelof zum Med. Dr. promovirt, zeiche 
während des Aufenthalts der fremben Truppen in Preis duch. feine 
Seifungen: in bem Militärfpitälen aus, wurbe Leibarzt des Koͤnigs u. hielt fpäter 
Berlefungen aber Chemie u. Phnfiologie. Seine wictigften Schriften find: 
And & Gmentnire dR payagıs gende or mediale," Ward 124 3 Nu, 
i sıque et licale , 6 . Aufl, 
EERE F von, geboten m Eat im Piemsniffgen, 178, 
co, io, Graf von, geboren zu zo im Piemontefiichen, 2 
Ki feiner Jugend au Lyon auf, wurde dann Profeffor der franzöfichen 
Srade am Militärwaiienhaufe in Mailand umd gründete 1819 mit Manjoni, 
ismondi u. A. das Journal Canciliatore.. Dieles wurde 1820, bes Carbona⸗ 
ümus verdächtig , verboten u. P. nah Ausbruch der piemontefifchen Revolution 
120 nefanger gefest. 1822 wurde er zu Venebig zum Tode verurtheilt, jedoch das 
Inteil vom KR, in 15jährige ſchwere Kerferftrafe umgewandelt. Ee faß zu Santa 
5 in Benebig, endlich auf dem —— bei Brünn, 
4. Auquft. 1330 erhielt er feine Freiheit wieder. Cr lebte feitdem in Turin, faft 
ne mit Uebungen ber Frömmigkeit beichäftigt.' Man hat von ifm: Francesca di Ri- 
, Badua 1819, deutfch von Schäfer, Regensb. 1830; Le mie prigioni, 
Surin 4832, im vielen beutfchen Ueberfegungen, Leipſig 18335 Tre nuove Tra⸗ 
Eend. 1832 u. ſ. w. Auch feine Werke erſchienen in einer Gefammtausgabe, 
al., FBbe., Leipy. 1834—38, 4., deutſch von K. 8. Rannengiefier u. H. Müller, 
Zwidau 19835, 4.: Poet. Werke, deutſch von Duttenbofer, 2 Bde., Stuttg. 1835—37 
Pelopidas, ein berühmter Keldherr u. Staatsmann ber Thebaner, Zeitgenojfe 
des Evaminondas, von edler Geburt u. erhabener Geſinnung, wurde von ben 
Spartanern, die fh feiner Vaterſtadt auf die ungerechtefte Weife bemächtigt hat— 
ten, verbannt. Obgleich noch fehr jung, faßte er den großen Gebanfen, fein 
Vaterland wieder in Freiheit au fegen u. führte ihm durch eine Kriegsliſt glüdlich 
aus, 330 Jahre vor Ehr. Geburt. In dem darauf folgenden Kriege mit den 
Spartanern nahm -er als Unterbefehlshaber Antheil an ben Lorbeeren des Epa— 
minendas und vereinigte ſich mit diefem, ben Ruhm Thebens zu gründen. Die 
bei Teavra u. Leuktra überwundenen u. gedemüthigten Spartaner flehten Arhen 
um Hülfe an u. vwerfuchten es, den perfiicben König auf ihre Seite zu ziehen. 
Bei der erften Nachricht davon begab ſich Pelopidas an den Hof befielben, um 
ihn zur Beibehaltung der gütigen Oefinnungen gegen einen Staat, der niemals 
mit ibm in feindlichen Verhältniffen geftanden, zu bewegen. Es gelang ihm u. 
er nahm felbft die Hochachtung dieſes Fürften mit fi. Bald nachher ging er nach 
Tbenalien gegen Alerander, Tyrannen von Pherä, auf das Aufgebot der übrigen theiz 
faliihen Städte, zwang denfelben zum Frieden u. vermittelte Darauf bie Thronſtreitig⸗ 
feiten in Macedonien. Auf einem dritten Feldzuge gegen Alerander, fand Pelopi— 
das feinen Tod in der Schlacht bei Kvnoskephalä, worin er Eieger war, 364 v. Chr. 
Peloponnes (Infel des Pelops), hieß im Alterthume ber füblichfte u. wich⸗ 
tigite Theil Griechenlands, eine Halbinſel (früher vielleicht Infe), bie nur duch 
ten Iſthmus von Korinth mit dem nördlichen Gontinente von Hellas zufamnenz 
ding, von welchem er im Weften der Erdenge durch dem forinthifchen, im Often 
durch ben faronifhen Bufen getrennt wurde. Der P. war eingetheilt in Die 
ſechs Landſchaften: Arkadia, Lakonika, Meffenia, Elis, Achaja u. Argolis. Zeit 
dem Anfange bes Mittelalters führt Die Halbinfel den Namen Mor ea E. dy. 
4 


af 






52 Peloponnefifher Krieg — Pembroke. 


elopnonnefifcher Krieg heißt ber große 27jährige Kampf Sparta's u. Ä 
eben um bie a one) 5 Öriehenland, Er entbrannte aus ber 


an fich unbedeutenden Streitigfeit zwifchen Korcyra u. Korinth, indem das , 
aus Beſorgniß, den ganzen doriſchen Bund gegen fich auftreten zu ſehen, ſich an 
Athen um Hülfe wendete. Der Kampf begann 432 u, follte durch einen Waffen: 
ſtillſtand beigelegt werden, welcher 50 Jahre bauen follte, aber nur 5 Monate 
währte (421). Dieß ift bie erfte Epoche bes Kriege, welche durch Gefechte auf 
den Küften des PBeloponnefes u. Attila’8 ausgefüllt wird. Die hauptfächlichkten 


Ereigniffe find: die Belagerung von Platäa, die Peſt zu Athen, Tob des Perifles -: 
u. die Siege des Spartiaten Brafidas über den Athener Kleon. Auf des Ads . 


biabes Betrieb bricht der Krieg 420 abermald aus u. wirb nad) Sicilien getra 
gen. In diefer 2, Epoche werden bie Athener „gelhlagen. In ber 3. Epoche 
(414), befchränft fi) der Kampf auf den Archipel. Die Heroorragenbfien 
Vorfälle defielben find: die Siege bed Alcibiades, befien Verbannung, ber 

bei den Arginufä (406), die Rieberlage ber athenienfifchen Flotte bei Aegoẽ 
Potamos (404), Eroberung Athens, Vernichtung der athentfchen Seemacht, Sicherung 


1 


Sr 


a 2 33 u 


ber fpartanifchen Obmacht. Die von Thukydides (ſ. d.) nicht vollendete Beichreibung - 


bes Kriegs fegte Lenophon (ſ. d.) fort 


Pelops, Sohn bed Tantalos, welcher, um bie Allwiſſenheit ber Götter m - 


prüfen, biefen Sohn fchlachtete u. ihn den Olympern als Spelje vorfehte. Ceres 


verzehrte ein Echulterblatt, bie Anderen aber merften, was gefchehen, ftraften Tan 
talos u. fehten den Leichnam wieder zufammen, ihm für die fehlende Schulter 
eine von Elfenbein gebend. Er ward der Gemahl der Hippobamia u. von ihr 
und anderen Frauen Vater bes Atreus, Thyeſtes, Kopreus, Hippaltimos, Chri⸗ 
fippo8 (der lebtere von der Nymphe Artoche), Alkathoos, Pittheus u. ber Nikippe; 
doch find die Angaben hierüber fehr verſchieden; auch Troezen wirb als P.s Soßen 
enannt. Ohne in Schulterblatt fonnte Troja nicht erobert werben, baher fuschte man 
Feine Gebeine auf u. brachte fie nad Ilion. — Ein anderer SB. war ein Sohn 
des Agamemnon u, der unglüdlichen Saflandra; er warb von Kiytämneftra ermorbet. 

Peloton oder Zu f: ift Die größte Unterabtheilung einer Compagnie ober 
Escadron in taktifcher Beziehung. (Siehe Zug). 

Dell: oder Rauchwaaren, Pelz: oder Rauchwerk, Belleterie, wer 
den alle Diejenigen behaarten Thierfelle genannt, welche zu warmhaltenden Klei⸗ 
dungen in Fälteren Gegenden, fowie zu Verzierungen (Berbrämungen). an verfchies 
denen Kleidungsftüden verarbeitet werden. Das meifte B. fommt aus nörbliden 
Gegenden, bejonders aus Nord Amerika u. Sibirien, daher treiben England und 
Rußland den R.-Handel im Großen. Im Kleinen iſt derfelbe ein Vorrecht ber 
Fürfchner. Das größere PB. wird Stück-⸗, das Feine Dechers u. Zimmerweiſe ver 
fauft, Das Tanadifhe P. wird größtentheild in London verauctionirt; franzöfl 
fhe u. deutſche Rauchhändler bejuchen biefe, lange vorher befannt gemachten, 
Auctionen. Das fibirifhe u. ruſſiſche B. wird dur ruſſiſche u. polniſche R 
haͤndler auf die deutſchen Meſſen, beſonders nach Leipzig gebracht. — Beim Auf⸗ 
bewahren bes P.s während des Sommers iſt beſondere Vorſicht nöthig, damit 
nicht die Motten hineinkommen. Ein luftiger kuͤhler Ort iſt zur. Aufbewahrung 
zu wählen; ebenfo Ichügt Beftreuen ber Kleider mit ftarf riechenden Dingen ober 
mit klarem Pfeffer u. Wideln in ftarfe leinme Tücher, öfteres Lüften u. Aus⸗ 
flopfen gegen die Motten. 

Pembroke, eine Grafihaft in England, am Kanal von Briftol u, dem iri⸗ 
[hen Meere, Hat 284 [_] Meilen, it gebirgig, hat jeboch auch fruchtbares Aders 
u. Wiefenland, Falfige u. Elippige Lüften mit den Borgebirgen Gowenso⸗Point, 
Davids⸗Head u. a. u. mehren Buchten u. Häfen. (Bri des Bali, Milforbhaven); 
Fluß: Tivv. Die Einwohner, gegen 90,000, treiben Viehzucht, Fiſcherei, Berg⸗ 
dau (auf Steinkohlen u. Eifm), Handel mit Fifchen , Dich u, Steinfohlen. e 
alefänamige Hauptftadt, am Milfordhaven, hat ein Sieb , Kreiäule u. ER 


Pi: 3 ıı ft Bam vu - 


Ginwoßner, weldje Handel (auf 200 eigenen Schiffen) wir Britol u. Srlamtı treiben, 


Penaten— Pendel, 53 


Venaten waren Hausgötter ber Römer ; Götterbilber, Aeneas Tı 
ut nach Italien gebracht, * en in ah Song, vn H —— 
verbrannten mw aus, er ndiles 
keheutung, g; —— — —— far 


— Heißt ein ſchwerer Koͤrper, welcher mittelſt eines Fadens, eines Drahts 
ner e an irgend einer Stelle fo aufgehängt ift, daß er fich frei 
in. Stelle oder der Punkt, wo — — 
eſer muß mit dem Schwerpunfte des P.6 in berſelben 
en, wenn das P. ruhen fol. Bringt man das P. in eine 
fü fein Schwerpunkt num nicht mehr mit bem Auf⸗ 
vertifaler Linie ſich befindet, u. überläßt es ſich felbft, 
gen, auch ohne ben geringften Stoß, nad; ber 
Hat es bie lehlere erreicht, fo befigt es eine Ge 
Eie k ra, Die Qorgenalile, Sir ünler Dem umepen 
2 v auf orizontallinie, bie unter w 
mfte des Kreisbogeng gezogen werben — — wäre, Es une 
„auf der andern Seite ber Bertifallinie gleichfalls in einem gen 
jo beivegen, als es vorher gefallen war. Iſt e8 um fo viel gefliegen, 
befindet es ſich im gli Umftänden, wie vorher, wo es in eine feitwärte ie 
wurde, muß ben ganzen Sreisbogen zu beiden Seiten 
kertifallinie wieder zurüdfallen u. fich fo beftändig auf beiden Seiten hin u. her 
en. Diefe Bewegung heißt die Schwingung oder Vibration des Po. 
F man ſich ben ſchweren Körper am Hebel, J. B. bie Bleikugel, als einen 
ſchweren PBunft, den Faden aber oder ben Draft ıc., woran ber Körper 
eine bloße, nicht ſchwere, Linie vor, fo Ift das ein einfaches oder 
P.; das wirkliche P. mit Faden, Draht ober Stange u, einem 
ober überhaupt einem ſchweren Körper daran, Heißt ein zufammengefeptes 
der phofifches PB. — Ein auf oben befehriebene Weiſe in Schwingung gelegtes 
ywürde nie aufhören, fi im ben erwähnten Kreisbogen zu beiden Seiten ber 
Iatifallinie bin und her zu bewegen, wenn nicht zwei Umftände nad und nad) 
felbe zur Ruhe brächten. Dieß ift erſtlich die umvermeibliche Reibung des 
zadens, des Drahts, der Stange, kurz desjenigen Theiles, mit welchem ber [were 
Rörper verbunden fern mag. Diefer Theil ift an dem Aufhängungspunfte auf 
tgend eine Weile befefligt u. reibt ſich bei feiner Bewegung um benfelben. Durch 
innreiche Grfindungen u. Anmendung großer Sorgfalt bei der Arbeit hat man 
$ nun zwar bahin gebradht, daß ſich die P.-Stange ungemein leicht um ben Auf: 
ngungepunft bewegt; allein dadurch bewirkt man blos, daß das P. wegen 
teringerer Reibung länger fd;wingt, nicht aber, daß es imm er ſchwingt. Bei ber 
indeften Reibung würde es demnach endlich ftill_ftehen, wenn auch das zweite 
dinderniß, nämlich der Widerftand ber Luft, gänzlich gehoben würbe. Bekanntlich 
mpfinden wir, wenn wir die flache Hand in der Luft hin u. Her ſchwingen, einen 
war gelinden, aber doch merfbaren Widerftand. Ginen ähnlichen Widerftand 
auß auch ber bin u. Her ſich ſchwingende ſchwere Körper, z. B. die Bleifugel am 
R, erleiden. Nun fönnte man zwar ein P. unter einer luftleeren Glode ſchwingen 
fen; allein theils iſt doch bie Luft nicht völlig wegzufchaffen, theild bleibt bie 
Reibung immer. Um den Widerftand dec Luft fo fehr, als möglich, zu vermeiden, 
ift man dem ſchweren Körper eine linfenförmige Geftalt, wie man an jeder B.-Uhr 
ebt. Die ſcharfe Kante rings um die Linfe durchfchneidet die Luft weit leichter, 
18 eine breite Flaͤche. Die Schwingungen der verfhiedenen P. find nach ihrer 
tesmaligen Einrichtung u. Beſchaffenheit ſehr ungleich. Die Zeiten der Schwing⸗ 
ngen, d.i. bie Zeitbauer, welche zur Vollendung einer jeden einzelnen Schwingung 
fordert wird, hängen von Drei Umftaͤnden ab, nämlidh: von der Größe des 
Tongations> ober Ausweißungswinfels, welches der Winkel ift, unter welhen 
" fäwere Pörper bes 7.3 fi von ber Bertifallinie entfernt; von der Lange 


Fe 


54. Pendel. 


bes P.s u. von ber beſchleunigenden Kraft ber Schwere. Sind alle dieſe Um⸗ 
ände an 2 P.n vollfommen gleich, fo verrichten fie ihre Schwingungen in einerlei 
et, oder, was gleichviel ie, fie machen in einerlei Zeit eine gleich große An- 
ahl von Schwingungen. IR aber auch nur ein Umftand bei beiden verfchieden, fo 
Fallen auch die Schwingungen beider ungleichzeitig aus; iſt 3. B. ein P. länger, 
als das andere, fo ſchwingt das längere langfamer, als das kürzere, ober dieſes 
macht in berfelben Zeit mehr Schwingungen, als jenes. Hiebei findet das Geſetz 
ftatt, daß fich die Längen der P. wie die Quadrate der Schwingungszeiten, mithin 
die Schwingungszeiten wie bie Duabratwurzeln aus ben Längen ber P. verhalten. 
Demnach wird ein P., welches 4 mal fo lang if, als ein anderes, 2 mal langs 
famer fhwingen, oder: das viermal Fürzere P. wird 2 Schwingungen machen, 
während das größere nur eine vollbringt. Ein Secunden⸗P., b. h. ein P., 
in 1 Secunde eine Schwingung macht, oder Secunden fchlägt, muß in unfern Gegenden 
3 Fuß u. 2 Zoll cheinländifh Maaß Länge haben. Hiernach läßt fih nun leicht 
beftimmen, wie lang ein P. feyn müße, welches feine Schwingungen in einer bes 
ſtimmten Zeit vollenden fol. — Eine merkwürdige Erfcheinung if, daß das P. 
nicht an allen Orten der Erbe feine Schwingungen in gleicher Zeit vollendet. 
gif bezieht fich der oben angeführte britte Umftand, von welchem bie Zeit bes 
chwunges abhängt, daß nämlich auch bie befchleunigende Kraft ber Schwere 
gleich feyn müße, wenn 2 PB. von einerlet Länge u. gleicher Groͤße des Aus, 
weichungswinkels gleichzeitig ſchlagen oder fchwingen ſollen. Die Schwerkraft, 
oder, was einerlet ift, Die Anziehungskraft der Erde wirft nämlidy nicht überall 
leich ftarf auf das P. u. biefes fchlägt daher an gewiflen Orten ber Erbe lang: 
amer, ald an- anderen. Der Grund hievon liegt theils in ber Gentrifugaltraft, die 
von ber Umdrehung der Erde um ihre Are Herrührt, thells in ber wirklichen Ber 
minderung ber Schwere. Diefe Verminderung if um befto merflicher, je näher 
der Ort, wo bas P. beobachtet wird, dem Aequator liegt. Gegen bie Pole Hin 
nimmt fie Dagegen immer mehr ab. — Wäre die Erbe ein vollkommenes Sphäs 
roid, fo. müßten die Meridiane vollfommene Ellipſen feyn, u. dann ließe fidy aus 
der Länge des Secunden⸗P.s fogleich auf die Länge der Grabe in verfchiebenen 
Breiten fließen; allein durch wirkliche Mefiungen hat fich gezeigt, baß bie 
Meridiane einige Unregelmäßigfeiten enthalten, woraus man mit Grund fchließt, 
daß die Erde überhaupt Feine ganz regelmäßige Figur, fondern ein Ball fei, der 
fi hie u. da mehr oder weniger von ber Kugelform entfernt. Man barf 
aus ben PB.» Schwingungen eigentlich nur auf die Größe dee Schwere, aber nicht 
auf die Geftalt der Erbe fchließen, weil man hiebei leicht Fehlfchlüffe begehen 
fönnte, Neben bem, daß der Gang des P.s durch die Reibung u. den Widerftand 
der Luft aufgehalten u. endlich gänzlich aufgehoben wird, gibt es noch Umftänbe, 
welche eine Ungleichheit in dem ange bes P.s hervorbringen. Dieß find bie 
Abwechſelungen zwiſchen Wärme u. Kälte Da alle Körper durch die Wärme 
ausgebehnt werben, fo muß dieß auch bei dem P. der Fall ſeyn. Die Stange 
wird bei höherer Temperatur merklich verlängert, in ber Kälte Hingegen verkürzt; 
Daher geht auch das P. im Sommer langfammer, ald im Winter, u. bie ges 
wöhnlihen P.⸗Uhren eilen im Winter täglich um eine halbe Minute vor, wenn 
fie nicht in geheizten Zimmern fliehen; ja, felbft in bdiefen bemerkt man einen uns 
regelmäßigen Bang, wenn fie des Nachts beträchtlich erfaltn. Kaſtner und 
Zalande fanden fogar ben Unterfchieb im Gange der Uhren im Sommer und 
Winter 20 Secunden. — Sollen nun P.⸗Beobachtungen genau ausfallen, fo 
muß auf diefe Störung allerdings Rüdfidht genommen und die Beobadytungen 
müßen, wo möglich, bei einerlei Temperatur der Luft angeftellt, ober es muß 
wenigftens der Grad der Temperatur bei der jebesmaligen Beobadytung angeges 
ben werden. Wollte man die Störung durch die Wärme u, Kälte dadurch vers 
meiden, daß man Holz zur PB.» Stange wählte, deſſen Faſern ſich der Länge nad) 
nicht, oder nur unmerflicy ausdehnen, fo würde man ein neues, noch größeres 
Uebel herbeiführen, nämlich die Einwirkung ber Trodenheit und Beuchtigfeit ber 


Vendſchab penens. — J 


jen P., welche aus mehren parallel miteinander; verbundenen 
Bilben von verhleßmen SRaaı en beftehen, weichen in ihrem Gange den. Störs 
noch am meiften a u. ne bahet groben Beifall erhalten. Das P. 
gewährt ein vorteeffliches Mittel, den une Uhren gleihförmig zu machen, 
—— war ber Erſte, welcher es zu dieſem Zwede benügte u. — a 
warb, „Zwar hatte [bem vor Im Galtät die geht 
ee B.3 zum aße benüptz; allein, da durch bie MR 
m der Luft die ———— ſeht bald hoͤchſt ungleich ang im u 
adlich aufhören, ſo fieht man —— weit man bamit Die Zeit genau Ba 
mnte. Durch — ee BE u — Ban — 
ufgehoben, indem — les durch die Gewichte 
llelt u, — bis. auf die Etörung Dur Med u 
1» Er — uns die Be — — —— 
jo ie Uhr u, dieſe w Ir WI t6 
eher 1 hr ihren Gang zegelmäßig zu mac ——— als die —— —— 
ngen Die Verbindung des P.s.mit den Uhrwerken iſt ein nicht ges 
eifterftück der menſchlichen Kunft, Se die Dampfmafchine, denn auch 
8 die wechielfeitige Einwirkung des einen Theils auf den andern von 
tofem Scharffinne in —A der — DE nahm zum P. eine 


allen a odi A Bu ze eninhet len ie 
en oder an er e 
Ban: u. her {dwin; hi — ſich auch ihre Ra ;pen von einer Seite 


— u. fallen bes Iı er bes ein, bi 
—— je nicht En als wen —— N fortla ie) 

— Uhrwerk eben fo eich form wie. das P. felbft, gehen. 

Kölagn a nal die — bes durch die Gewichte — die Weder. ber 


{he im. Rades gegen bie Le ber B.- Stange an u, theilen 
adurch dem P. IB Briten ſo viel — * Be angel, zii ——— er 
k der Luft verliert, Bei ben der P,-Unren fommt es 


‚auptfächlich auf die Länge des P.s an, weil a. Mr Gang der Uhr abhängt. 
je mehr Schwingungen ein P. in einer beftimmten Zeit, J. B. in einer Minute, 
xnichtet, deſto fehneller wird auch die Uhr gehen. Durch Verfuche fand ſchon 
hurgens die Ränge des Sccunden-P.s. Jeht gibt es eine Maſchine, welche Die 
Ps Längen ſehr genau beftimmt. 

Pendſchab, 1. Lahore. 

Penelope, Yodter des Ikarios, Nichte des Tyndareus, welcher fie dem 
Cdefſeus verſchaffte, nad;dem er ihn um feine eigene Tochter Helena betrogen. 
Übopeus mußte, da Telemachos, ihr Sohn, kaum geboren war, bie Gattin vers 
in; 10 Jahre dauerte die Anweſenheit deſſelben vor Troja, zehn Jahre feine 
Infabrten ; während biefer Iegteren warb P. von Werbern belagert, bie fie durch 
it vier Jahre lange hinhielt, in welcher Zeit die ganze Echaar berfelben mit 
tnechten u. Roßen ihr Gut verpraßten; fie drangen auf Entſcheidung, P. ver- 
mach jolche, wenn das Gewebe, das fie begonnen, fertig feyn würde, trennte 
ber während ber Nacht ihre Arbeit wieder auf. Enblih kam Odyſſeus als 
Jatler wieder; fe erhielt von ihm bie Nachricht, daß ihr Gatte noch lebe; nun 
aipra fie dem die Hand, der des Helden Bogen fpannen u. durch zwölf hinter 
nander ftchende Eiſen werde ſchießen fünnen, wie Odyſſeus oft gethan. — Keiner 
amohte ed, der Bettler aber löste die Aufgabe. P. erfannte ben Gatten, 
elcher fie u. fein verleptes Hausrecht furchtbar rächte. 

Venens, einer ber größten Flüße Griechenlands, jept Salambria, entfpringt 
ıf dem Pindus, burchflog Theſſalien, nahm den Yon, Kuralios, Lathaͤos, 
war, Eurotas u. Apidanos auf, u. ging durch das Thal Tempe in ben ther— 
aiſchen Meerbufen. Er war zum Theil ſchiffbar u. fein Waſſer fehr heil. Beim 
'hmeljen des Scnees auf den Gebirgen ſchwoll er außerordentlich an u. uber: 
thete bie umliegenden Flächen auf eine weite Etrede, 


30 Penn. 


Kam, William, bee Grunder des Staates von Pennſylvanien (ſ. d.), 
einziger Sohn Willtam P.s, Biceadmirald von England, geboren 1644 zu Lon- 
bon, flubirte zu Orforb u. zeigte ſchon Hier Hang zum zurüdgegogenen Leben u. 
Separatismus, reiste bann nach Frankreich, wurde auf der Srüdtehe nach Irland 
verfehlagen, wo eine VBerfammlung von Duäfern, deren Srömmigfelt u. bemüthiges 
Benehmen, nebft den Berfolgungen, die fie gerade damals zu erbulden hatten, 
einen fo lebhaften Eindrud auf ihn machte, daß er als Quaͤker nah England 
zuruͤckkam, fi) nach deren Weife benahm u. feinen Vater baburdy fo erzürnte, 
daß er ihn aus dem Haufe ſtieß. Er fing nun 1668 an zu prebigen, machte 
viele Profelyten, befonders unter ben Frauen. Auch der Patriarch Georg Bor 
fam nad) London, um ihn zu fehen. Seiner Predigten u. Schriften wegen wurde 
er zweimal verhaftet u, ind Gefängniß geworfen. Zum zweiten Wale wurbe er, 
obgleich die Jury ihn freigefprochen hatte, der Koften wegen in ber Haft behalten 
u. würde, da er fich weigerte, die Koften zu erlegen, nicht entlaffen worden feyn, 
wenn fein Bater nicht heimlich für ihn bezahlt Hätte :B. und For befchloffen, 
Hiffionen in fremde Länder zu fchiden, fie ſelbſt aber fchifften ſich nad) Holland 
ein. Ihre Bemühungen hatten in Amfterdam einen glüdlichen Erfolg, weniger 
in Deutfchland. P. fehrte auf bie Nachricht von ber Krankheit. feines Waters 
wieder nad) England zurüd, fühnte fich mit ihm aus u. erhielt bei defien Tode ein 
beträchtliches Vermögen. Er Heirathete nun eine fehr fohöne Frau, änderte aber 
Nichts in feiner Lebensweife. 1678 erließ das Parlament fehr firenge Maßregeln 
gegen die Katholifen, wodurch P. veranlaßt wurde, mit großem Eifer bie Ge⸗ 
wiffensfreiheit zu vertheidigen. Er machte ſich dadurch viele Feinde u. Fam fogar 
in den Verdacht, ein Heimlicher Katholik zu ſeyn. Sowohl dadurch, als durch 
feinen adhtungewürbigen Eharafter hatte er fich die Gunſt bes Könige Karl 1. 
erwosben, bei dem und defien Nachfolger Jakob II. er in großem Anſehen fand, 
Diefer war ihm bazu behülflich, daß er 1680 für feine Schuldforderung von 
16,000 Pfund Sterling an bie Regierung ein großes Randgebiet in Rorbamerifa 
am Delaware als Eigenthum unter eng {her Hopeit erhielt. Hier gründete er 
einen Staat, in welchem Glaubensfreiheit im volleften Sinne herrſchte und jeder 
Unterfohieb der Stände verbannt war, Er fandte fogleich zwei Schiffe mit An- 
fiedlern aus England u. Schottland, mit allen Erforbernifien zum Anbau aufs 
reichlichfte verfehen, öffnete Allen, die wegen religiöfer oder politifcher Meinungen 
Berfolgungen erlitten, eine fichere Freiftätte bafelbft und ging 1682 felbft dahin, 
um bie Berfaffung zu entwerfen, bie fpäterhin die Grundlage ber Eonftitution ber 
nordamerifanifchen Freiftaaten geworden iſt. Billigfeit u. Gerechtigfeit waren bie 
Grundlagen der Derfaflung. Er faufte den wilden Bewohnern des Landes die 
Landgebiete ab, ſchloß mit den angränzenden Bölfern Bündnifie, die fie gegen 
alle eeinteähtigung ficherten, und gründete Philadelphia. Er kehrte fpäter nach 
England zurüd u. bemühte fih, feinen Glaubensgenofien Dulbung u. Schuß zu 
verihaffen. Dieß wollte ihm aber nicht fogleich gelingen, denn das Parlament 
verfolgte die Quaͤker unerbitterlich. Enblich drang er unter Wilhelms MI. Res 
ierung mit feinen Bemühungen völlig durch. Dagegen wurbe ihm feine An» 
Bänglichfeit an Karl Il. u. Jafob IL zum Verbrechen gemacht u. er beichuldiget, 
mit den Stuarts in geheimen Verbindungen zu fliehen. Er mußte fi) 1693 deß⸗ 
halb vor Gericht ftellen, woſelbſt ex ſich aber fo gut vertheibigte, daß feine Un- 
fhuld völlig erwielen warb. Diefer Deihulbigumgen wegen war ihm fogar bie 
Regierung einer Kolonie genommen worden, bie er aber 1696 zurüderhielt Jetzt 
lebte er mehre Jahre in England in großer Zurüdgezogenheit, um ae Angriffe 
zu vermeiden. 1699 reiste er abermals nach Amerika, un daſelbſt die Einrichtung 
feiner Kolonie, die er in ber fchönften Blüthe fand, zu vollenden. Nach feiner 
Zurüdfunft verehelichte ex fich zum zweiten Male und dam machte er eine Reife 
nad Holland und Deutfchland in den Angelegenheiten der Duäfer, Auch bie 
Königin Anna war ihm fehr petvogen u. wünfchte ihn in ihrer Nähe zu haben; 
doch zog er bie Abgefchiebenheit vor, um fich ungeftört ber Sorge für feine Ge⸗ 


ee 


zu Fönnen. 1712 verfaufte Eigenthumorecht von 
Bin 
ei. ervir! 
überwanb mächtige Hinderniffe mit — 
ft mit Re 2. — 
5 — Per —— u. Aufopferungen; feine Nachfommen 
Seine Söhne zweiter Che, John 
ln ten —— As Eden enthümer ır, feine Nachlommen⸗ 
ie ſelbſt ſchloß ſich — —— am dei 
an u. einer der jen nord 


amerifaniichen Sta‘ — 
— Schriften erfchtenen in engen 1784, 2 Bde. Vgl; Darfile, Vie a 
will. P,, 2 Bde, Par, 1791, deutſch won Fribrich Steaßb. 1793, u. Clarkfon, 
iemoirs — and — of Will, P., 2 Be, Lonb. 1819, der 


m Er 
‚en vr ——— lateiniß ennale (Meberbüchfe, Federtohr) abge⸗ 
iteter Ausdrud, womit bie Een Ehupent in S— 
— benannten , u. an deſſen Se Ser er Name „Fuchs“ trat. 
— ee bezeichnete man bie Unbilden, welche" ſich bie älteren 
bie jün, —— erlaubten und wel * Sa ausarteten, baß bereits 


Bela, Dagegen einyufitn Ba 2 YoOı 3603 fopar Reider 
Ir ſahen * u. ar 
neotlb rare wurde aa 


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erlaflen wurben, Pennaliomus auf den las 
ands. —— war bis auf bie 
= —— eine von Yeinatams üblich, den Breitfopf in Leipzig 


ſchaffte. 

—— Thomas, geboren 172 Dovning in ber —— 
von s— 1 Sk ehe ab und er von feinem 

2 7, eine reicher en eine esta Erziehung. birte zu Or⸗ 
ford, machte zu verfchiedenen Zeiten anfehnliche Reifen im In- u. Auslande und 
witäftigte fih, ohne ein öffentliches Amt zu befleiden, mit den Wiſſenſchaften u. 
mit der Verwaltung feiner anſehnlichen Güter. Gr hatte auf denfelben Koblenz, 
Bi: u. Gialtmeigruben,, Die er bearbeiten ließ, eine Kornmuͤhle und eine Blei: 
hüne, in ber feine eigenen u,ein grofier Theil Dleierze aus der Rachbarfchaft geſchmolzen 
murden. eine wiſſenſchaftlichen Vefchäftigungen betrafen vornämlih die Natur- 
geſchichte u. er bot Zeit u. Vermögen auf, um feine Landsleute auf diefen ſchönen 
Zweig des menfchlichen Wiffens aufmerffamer zu machen. Befonders bearbeitete er 
die Zeologie, bie ihm Vieles zu verbanfen hat, indem er manche neue Thiere be: 
itrieb u. ihre Geſchichte unterſuchte. Daneben beſaß er fhöne Kenntniſſe in der 
alten Literatur u. war in der Geſchichte u. Verfaffung feines Vaterlandes, ſowie 
in den Rechten beifelben wohl bewandert. Gr fludirte vornämlich die Altertitimer 
u. die Topographie von England und hellte hierin vieles bie dahin Uebertriebene 
auf. Roc wichtiger waren feine Verdienfte um das nähere Bekanntwerden 
Scettlands, das er mehrmals bereiste u. beſchrieb. Als Briedensrichter war er 
an ſebt gerechter, billiger und unparteiifcher Beamter, und als Patriot ver— 
ıeidigte er mehrmals in Echriften die Rechte der Armen gegen bie oft harten Ge⸗ 
iege zur Aushebung der Milig, zur Verbefferung der Landftraßen ıc. ıc. Eeine 
Pächter ehrten u. liebten ihm al ihren Vater, Die Armen befamen von ihm an- 
ehnliche Unterftügungen und in diefen Verhältnifien blieb er bi6 an feinen Tod, 
velcher den 16. Dezember 1798 zu Dovning erfolgte. Seine vornehmften Schrif⸗ 
m, in denen ®, ehrenvol fortlebt, find: Indian Zoology, London 1760, Bel., 
Aufl. 1790, 4., deutfh von J. R. Korfter, Halle 1781, Bol.; British Zoo- 
ogy, Lond. 1763— 66, 4 Bde, Fol. 1777, 4. n. Ausg. 1812, lat. u. deutſch 
en C. Th. v. —F Augsb. 1771 76 oe y Arctie Zoology, gond. 1784-87, 
Bden, u. Suppl., 4. deutſch von A. W. Zimmermann, Leipz. 1783, 3 Bbe., 


s8 Pennſylvanien — Pennſplvaniſches Gefängniffoftem, 


4.; History of quadrupeds, Lond. 1781, 2 Bbe., 4., 3. Aufl. 1796, beutfdh von 
JM. Bechſtein, Wien 1799 f., 2 Bde., 4.; Tour in Scotland and Voyage to 
the Hebrides, Lond. 1776, 2 Bde., 4., beutich von 3. PB. Ebeling, Leipz. 1780, 
2 Thle.; Account of London, ebd. 1790, 4., 4. Aufl. mit Smiths Anfichten 1805, 
Fol., deutſch von J. $: MWiedmann, Nürnb. 1791, 3. Aufl,, 17925 View of 
Hindostan etc., Xond, 1798—1800, 4 Bde., 4. . 
ennfplvanien, ein Staat der norbamerifaniichen Union, eine Schöpfung 
William Benns cf. b.), zwiſchen NewsSerfey, NewwsMork, dem Eriefee, Ohio, 
Pirginien und Maryland, mit 2072 [[J Meilen u, 1,750,000 Einwohnern. Das 
Land bildet ein Parallelogramm, das durch mehre Gebirge in drei Abtheilungen 
gefhieden wird, wovon die öftlihe den Abfall der apalachifchen Gebirge, einen 
meift angefchwenmmten u. an den Strömen fruchtbaren Strich, umfaßt, Die mitts 
lere das gut bewalbete Bergland ber Apalachen u. Alleghanys, mit feinen breiten, 
fruchtbaren Thälern, die wwehtiche Abtheilung, bas gewellte Hochland mit feinen 
Hügeln und reicyem Boden begreift. Die Hauptflüfle, Delaware, Susquehanne, 
Ohio, Douhiogany, Gonaheaque, Antietam Monocaſy ꝛc., fiehen durch viele 
Kandle miteinander in Verbindung und verbinden P. mit dem atlantifhen Meere 
und dem mexikaniſchen Meerbufn. Wan fagt von feinem Klima, daß es ben 
feuchten Frühling Englands, den heißen Sommer Afrifa’s, ben ägyptiſchen Him⸗ 
mel im Herbfte und die Kälte Rorwegens im Winter zeige. Aderbau u. 3 
zucht find ausgezeichnet; Obft wird in Menge gewonnen, auf Eifen, Steintohlen 
und Blei wird gebaut. Vieles Nutz⸗ und Bauholz geht ins Ausland. Die 
Snduftrie macht große Anfteengungen. Das Capital in ben Manufakturen warb 
1842 zu 36} Millionen, das im auswärtigen Handel zu mehr als 34 Millionen 
Dolars angeichlagen, die Ernte war 80 Millionen Büfchel Getreide. Die Ein 
wohner find zur Hälfte Deutfche. Der Univerfitäten und Colleges gibt es 20, 
ber Akademien und Iateinifchen Schulen 290, der Volksfchulen 4968. Der Re 
gierung fteht ein auf 3 Jahre gewählter Gouverneur und die Generalverſamm⸗ 
lung vor, Die letztere zerfällt in den Senat von 33, auf 3 Jahre. erwäßlten, 
Mitgliedern und das NRepräfentantenhaus von 100 Gliedern. Staatsſchuld 39 $ 
Millionen Dollars. Die Legislatur verfammelt fih in Harrisburg am Susque⸗ 
banna. Andere Städte find: Philadelphia cf. b.), Pittsburg (ſ. d.) xc. 
Penuſylvaniſches Gefaͤngnißſyſtem. Dieſes bezwedt, wie bie beiden ans 
bern amerifanifchen Syſteme, das Auburn’fche u. dag philadelphiſche, eine 
moralijche Vereinzelung der Gefangenen, fucht aber biefes durch Förperliche Ver⸗ 
einzelung durchzuführen u. fondert daher die ſtets in einzelnen Zellen befindlichen 
©efangenen Tag u. Nacht von einander ab, während die anderen Syſteme bie 
förperliche Vereinzelung nur bes Nachts eintreten laffen. Das pennfylvanifche 
Syftem bedingt eine eigenthümliche Bauart des Gefängniffes, bamit, neben ber 
Iſolirung, auch die unausgefegte Beobadytung ber Gefangenen möglich werde. 
Zu dem Zwede wendete man früher für die pennſylvaniſchen Gefängnifle ben ſo⸗ 
genannten Schacht elbau an, indem das eigentliche Gefängniß von den Wohn, 
ungen ber Beamten umgeben war u. von diefen buch einen überdedten Raum 
Bänge die Berbindung mit dem Gefängniß unterhielten. Da aber bei bieler 
Bauart den ®efangenen die frifhe Luft entzogen bleibt, wenbet man jeht ben 
Strablenbau an. Bei bdiefem liegen bie Anungen der Beamten in ber 
Mitte und von da gehen fächerartig mehre lange Gebäude mit freien Corridors 
in der Mitte, fo daß vom Gentrum aus das Ganze bis zum Auflerften Ende 
zu überbliden if. Zu beiden Seiten der Corridors liegen die Gefangenenzellen 
und, mit fchmalen Gängen davor , die Aufenthaltsorte der Aufſeher — Jeder 
Eträfling erhält eine Nummer; der Name bleibt verichwiegen, der Sträfling ſelbſt 
wirb mit einer Kappe über dem Kopfe bei feiner Ankunft in die Zelle geführt, 
Er erhält fogleihd — von dem Grunbfage, den Gefangenen arbeitslos zu laſſen, 
518 er ſelbſt um Arbeit bittet, it man abgefommnm — Belhäftigung u. einige 
Buder erbaulichen Inhalts. Wer tein Handwert verfieht, wird In einem \sitgen 


Pennſolvaniſches Gefängutäfgfken. ”* 

in 'pafienben unterrichtet. Ein gewiſſes tägliche Arbeitsquantunn wird hierau 
— ein etwaiger groͤßerer —— gut geſchrieben u. bei ber in 
g ausgezahlt. Fleißige Arbeiter erhalten bed Abends Licht. Die Nahrung 
den amerifanifchen Anſtalten eher zu reichlich u. bie Gefangenen werben 
5 mit drei warmen Mahlzeiten täglich — des Morgens Kakao ober Kaffee 
brod, des Mittags Fleiſch mit Gemüfe, des Abends Mehlſpeiſen — 

er Weife ernährt, bie, ben V niffen bes freien Arbeiters gegenüber, als 
86 betrachtet werben muß. at u. geiftige Getraͤnke find nicht geflattet; 
Reinlichkeit wird fireng geſehen u. fetiches Wafler liefern Waſſerleitunge⸗ 
ı in jebe Zelle, bie nur mit dem Nöthigften, jevoch auch mit einem Ralr 
, veriehen find, Nur einige Anftalten haben umfchloffiene Spazierpläge vor 
jelien, in welche jedoch gleichfalls bie Gefangenen einzeln hineingelafien 
n. Beim Gottesbienfte hebt ber Geiſtliche fo, daß alle Oefangenen bei halb⸗ 
ten Thüren ihn. hören, aber einander nicht fehen fünnen. Die Geiftlichen 
Oberaufſeher ber Anftalt follen ben: ®efangenen fo hr 


uchen, 
uterau müflen in jedem Zellenflügel 8 dreimal einen. 
fſeher müflen in jedem Zellenfl —— — täg id a 


Strafen befteßen im Entziehen ber Schmälerung einer 
e Mahlzeiten, in Verdunkelung ber Zelle u. Abzügen von ben Arbeitsüber- 
1 — Das pennfolvanifhe Syſtem hat vor ben übrigen unverfennbare 
ige u. vor allen ben, baß ber ifolirte Gefangene ben Mitgefangenen unbes 
u. hierdurch auch vor ber durch das Zufammenleben gewöhnlich exfolgenben 
jlechterung gefchüht bleibt; ben verborbenen Verbrecher firaft diefe Art von 
am. härteiten, während ber minder verborbene Menfch aus Schamgefühl die 
weit vorzieht; zugleich macht dieſes ſtrenge Syſtem es moͤglich, bie Strafs 
möglihft abzukuͤrzen, was dem Staate bebeutenbe Koſten erſpart. W 
IR man über bie Fragen: ob das Schweig⸗ MAuburn'ſche) oder Zellenſyſtem bie 
ung ber Berbrecher ficherer erziele; wie das lebtere auf bie Törperliche und 
je undheit der ewäflinge fe. Hieruͤber fliehen die Nachrichten im 
bigften Wiberfpruche. Während bie Einen behaupten, bie Einfamfeit ſtimme 
u. Körper dermaßen herab, daß von einem gejunden Zuftande, alfo aud 
inem freien Entfchluffe jur Befferung, feine Rede ſeyn fünne, berichten Andere 
em hHeilfamften Eörperlichen u. moralifchen Einfufe ber einfamen Haft. 
vendig muß aber bie befländige Einfamfeit, ber Mangel an Umgang mit 
hſtehenden, die Reiglofigfelt einer unbewegten einförmigen Exiſtenz zwilen 4 
ren, auf die geiftige Thaͤtigkeit laͤhmend einwirken, bie geiftige Spannkraft 
bien, um fo mehr, wenn, wie in Amerika, durch bie Sulaffung nur pietiftis 
Bücher ein Zuftand ber Zerfnirfchung erzeugt wird, ber Nichts weniger, als Gott⸗ 


auen, Gottergebenheit, Hoffnung auf da göttliche Erbarmen if. Na ben . 


ſeilungen des Dr. Julius über Gefängnig von Philadelphia farb von 
ortigen Weißen (unter ben Schwarzen herrfcht ein noch viel ungünftigeres 
Atniß) im Jahre 1840 von 26 einer, im Jahre 1839 dagegen von 100 neun; 
durchſchnittliche Verhältnis war 1 zu 56. Wahnfinnig wurden u. blieben 
aßre 1840 einer von 56. Mehre Frank Angekommene, auch Geiſteskranke, 
en fpäter geſund entlafien. Dagegen heißt es Im Berichte eines amerikanis 
Gefaͤngnißarztes: „Die Diepofition zu Drüfenfrantheiten ift faſt bei jedem 
Hinge vorhanden, ber länger als ein Jahr in feiner Zelle eingefchlofien war, 
) er irgend unmwohl wird. Die Gefidhtsfarbe it blaß u. die Krankheiten 
; einen trägen Verlauf, Ich zweifle nicht, daß fich biefe Krankheitserſchein⸗ 
ı in Bug der getrennten Gefangenschaft entwideln. — Der Einfluß biefer 
zgenſchaft auf den Geiſt ift gleichfalls beachtenswerth. In vielen Fallen 
durch fehlerhafte u. zu geringe Uebung bes Geifles eine Schwäche an Eins 
bemerkbar, Das Rervenfuftem leidet nothwendig mit ben übrigen Organen 
Pörpers. Wenn bie Geiftesfähigkeiten bes Sträflings bei feinem @intritte in 
elle wenig entwidelt find, fo folgt bald geiftige Abſtumpfung. Würde biefe 
er Gefangenſchaft mehre Jahre fortgefeßt, jo würden bie geiftigen Faͤhig⸗ 


60 Penny — Pentameter. 


feiten ſolcher Perfonen für immer geftört werben.” Diefer Arzt fchreibt, wie alle 
feine amerifanifchen Collegen, bie Deifeötanfheiten in ben Zellengefängnifien bem 
Lafter der Onanie zu, was übrigens bafin gern feyn mag. Dr. Tellfampf 
(die Befferungsgefängniffe in Rordamerifa u. England) fagt: „Bei Gefangenen 
von Höchft lebhaften Geiſte u. Gefühle bemerkte ich bei meinen Befuchen in vers 
ſchiedenen Jahren, daß felbft bort (in Gefängniffen mit Spazierhöfen, wo ſich 
nach feiner Aeußerung der Gefundheitszuftand viel günftiger erweiſe) die geiftige 
Schwungfraft abnahm u. daß der ungünftige Einfluß auf die Geiftesfräfte über 
haupt zuzunehmen fehlen.” Im Allgemeinen macht bie einfame Gefangenfchaft 
auf die Deutfchen in Amerika einen viel fohlimmeren Eindrud, als auf die Ein, 
eborenen. Iene haben viel Gefühl u. Phantafie, biefe find in den unteren Klaſſen 
alte Verſtandesmenſchen. In Deutfchland befteht bis jetzt nur in Berlin ein 
Zellengefängniß u. zwar erft feit kurzer Zeit, fo daß noch feine ausreichenden 
Erfahrungen vorliegen. — Die Berichte über ben Gefundheitözuftand in den Aus 
burn'ſchen Gefaͤngniſſen lauten günftiger, was bei ber gemeinichaftlichen Arbeit u. 
Bewegung natürlicher ifl. — Was die Befferung ber Sträflinge anbelangt, fo 
waren von bem im Jahre 1840 in Philadelphia entlaffenen 197 Sträflingen 20, 
von ben 134 in beiden folgenden Jahre etwa 25 gebeflert. In Pittöburg galten 
1840 von 191 Sträflingen 20 für gebeflert. Diebe u. liederliche Weiböperfonen 
hält man für unverbefferlich, während man von fchweren Verbrechern annimmt, 
ihre eifigen Kräfte feven bei längerer Haft fo herabgebrüdt, daß fie bei ber 
Ruͤckkehr in die Welt feinen Schaden mehr thun fönnten. England Kat penn⸗ 
ſylvaniſche oder philadelphiſche Gefängniffe zu London, Belfaft, Perth u. Bath, 
mit manchen Berbefferungen in der Bauart u. ben inneren Einrichtungen. Frank⸗ 
reich hat in Paris ein ſolches Muftergefängniß, wo 500 Kinder betinirt werben; 
bie Refultate ſollen fehr günftig ſeyn. Aehnliches wird aus Warfchau gemeldet, 
In Schweden u. Norwegen huldigt man bem Trennungsſyſtem, für welches 
König Oscar ald Kronprinz in einem eigenen Werfe (über Strafen u. Strafs 
anftalten, deutſch v. Julius) Partei genommen hat. Auch in Italien wirb biefes 
ESyſtem hHerrfchend werben. r. 
Peuny (Geutſch Pfennig), in ber Mehrzahl Bence, eine engliſche Scheide 
münze, wovon 12 Etüde einen Schilling u. 240 Stüde ein Pfund Sterling 
(ſ. d.) machen. — P.⸗Poſt Heißt eine Boftanftalt in London, welche Briefe u. 
fleine Paquete nach den verfchiebenen Theilen ber Stadt befördert. 
Denfion, Heißt der Gehalt, welchen ein auffer Dienftthätigfeit gefehter Civil⸗ 
Beamter oder Militär als Ruhe- Gehalt bezieht, in welchem Falle ein folcher 
Penfionift oder Benfionär heißt, u. der Stand felbft, in welchem er fich befinbet, 
geipt P.s⸗Stand. Der Betrag der PB. der verſchiedenen Dienftgrabe wird burdh 
eftehende Beftimmungen feftgefeht, welche, Benfionsregulativ genannt, Die Norm 
ausdrüden, daher der nach bem Regulativ verlichene Ruhegehalt au die Nox 
malpenfion genannt wird. Eine P., welche diefen Betrag nicht erreicht, ſteht 
unter der Norm u. wirb durch Urfachen veranlaßt, welche in einer zu kurzen 
Dienftzeit oder in anderen Umftänben liegen. In einigen Staaten fichern die ver 
liehenen P. en den anftändigen Lebensunterhalt der penfionirten Individuen, in ans 
beren find biefe weniger zureichend. In einigen Staaten beziehen auch die Frauen 
u. Waiſen nad) dem Tobe ihrer Gatten eine P., in anderen Dagegen genießen fie dieſe 
Bergünftigung nicht. 
Pentachord, ein Snftrument mit 5 Saiten. Auch verfteht man in ber gries 
nen Muſik darunter fünf auf einander folgende biatonifche (|. d.) Klang⸗ 
ufen. 
Pentagramm, |. Drudenfuß. 
Dentameter, wörtlid Fünfmas, daher ein fünffüffiger Vers, da der halbe 
Fuß in der Mitte und jener am Ende zufammen Einen Fuß machen. Dear P. 
beſteht demnach aus zwei Sponbeen, auch Daftylen, einer langen Sylbe in ber 


Übrigens ben Ariilel Bolyglotte “ " 
Pentapolis, ein Gebiet ober Difrift von fünf Städten. Diefen Namen 
n, beſonders im alten Teftamente, bie fünf Städte: Sodoma, Gomorrha, 
* Seboim und Segor, dann bie Philiſterſtaͤdte: Gaza, Azot, Askalon, Geti 

aron. 
Dentateud, woͤrtlich: ein aus fünf Büchern beſtehender Band. Dieſer Name 
vorzugsweiſe ben fünf Büchern Mofis, ben erften kanoniſchen Schriften bes 
Teftaments, beigelegt, beren Ramen im Einzelnen folgende find: 1) Genefis 
erfte Buch) wörtlid) Urfprung ; baffelbe enthält die allein Achte Urkunde von 
5chöpfung ber Welt und ber Menſchen, bis auf bie Sündfluth ; fodann bie 
e Geſchichte der Erzoäter, unter denen Abraham, Ifaaf und Jakob die 
sürbigfen find, Abraham aber ber Mittelpunkt bes ganzen Zeitabfihnittes 
mehr als 2300 Jahren it — bis zum Tode bes Patriarchen Joſeph. Dies 
uch iſt eines der merhwürbigften und lehrreichſten ber ganzen heiligen Schrift. 
xo dus (das zweite Buch), woͤrtlich Auszug, Ausgang, erzaͤhlt die Geſchichte 
Berfolgung der Sfraeliten und beren ſchwere Dienftbarkeit in Aegypten, ſowie 
kerufung yes Mofes. Hierauf werben die Plagen biefes Volkes, feine wuns 
te Befreiung und fein Auszug, die Geſehgebung auf dem Sinai, die Anords 
und Ginrihtung ber Sifehie, der Abfall und die Wiederausjöhnung ur. 
Eſchildert. Das je umfaßt von Joſephs Tode an einen Zeitraum von etwa 150 
% Jahren, 3) Leviticus (das dritte Buch), führt diefen Namen, weil es 
16 von ben Kirchengebräuchen und Einrichtungen bes jübifhen @ottesbien- 
mb von ben Verrichtungen ber Priefter und Leviten Handelt, 4) Numeri 
vierte Buch), wörtlich Zahlen, Heißt fo nach feinem Hauptinhafte, den Volfds 
en. 5) Deuteronomium (das fünfte Buch), wörtlich zweites Geſez. Dafs 
der höhere Inbegriff und bie vergeiftigte Wiederholung ber meiften in ben 
en Büchern enthaltenen Geſetze, der Beftimmung nach wohl ein Geſe tz⸗ 
das Volk — im Gegenfage des Leviticus — für die Prieſter. 

jentathlon, wörtlich: Yünftampf, Hießen bei den Griechen die fünf Leibess 
zen, bie bei ihren Rationalfpielen gewöhnlich angeftellt wurden. “Diefelben 
i: Wettlauf von Menfchen ober "pfeden, Springen, Ringen, Werfen der 





62 | Penthemimeres — Perceval. 


hintere Ende des loſen Balkens wird zu dieſem Zwecke in einem eiſernen Bügel 
auf den Ded geichoben. 

Dentpemimeres, (fünf Hälften enthaltend) Heißt in ber Profobie ein britts 
halbfüßiged Versmaß und der in die Mitte des dritten Fußes eines Herameters 
fallende gewöhnliche Einfchnitt, wie die Sylbe do von docilis in dem Berfe: 
Omnia conando docılis sollertia vincit. 

Pentheſilea, eine Königin der Amazonen, bie in ben nachhomeriſchen Dichtun⸗ 
gen als dem Priamus zu Hilfe kommend auftritt. Sie war Außerfi tapfer, er⸗ 
ag jedoch dem mächtigen Achill, der, wie Therfites ihm vorwarf, ihren Leichnam 
entehrt haben follte Die Griechen wollten fie nicht begraben wiffen, fondern ben 
Hunden vorwerfen. 

Pentheus, Sohn des Echion und ber Agave, der Tochter des Kabmus, 
wollte, von feiner Mutter gereizt, den Bacchus, ben biefe, obgleich ihn Jupiter 
mit ihrer Tochter Semele erzeugt hatte, als Gott anzuerkennen fidy weigerte, fammt 
beffen Begleiterinnen, den Maͤnaden, vernichten und zog beßhulb aus, um ein 
Feſt, das diefe auf bem Berge Kythiron begingen, zu fören. Zunge Hatte bes 
Gottes Nachficht gewährt, dieß aber feste feine Geduld auf eine zu barie Probe; 
er machte alle Begleiter und Pegleiterinnen raſend, fie fahen ben B. für einen 
Eber an, fielen, feine eigene Mutter Agave an der Spige, über ihn her und zers 
riffen iin. Die Mutter entflob, behielt aber ihren Wahnſinn; fle fam nach The 
ben in Illyrien, vermäflte fi an den König Lykotherſes, und brachte auch 
diefen in der Raferei um, angeblih, um ihrem Bater feinen Thron zu vers 


affen. 

Henthiepre, eine alte Grafſchaft in ber Bretagne, im jebigen Departement 
Morbidan. Diefelbe wurde 1008 an zwei Söhne des Herzogs von Bretagne ges 
geben, 1235 von Heinrich DI. confiscirt und an Jolantha, Gräfin von ber Mark, 

eſchenkt; 1827 erheirathete fie Guy de Bretagne und feine Tochter Jos 
anna, Herzogin von Bretagne und Gräfin von P., u. brachte fie 1337 dem 
Strafen Karl von Blois ale Mitgift zu. Die Nacfommenfchaft Beiden 
fonnte zwar nicht die Bretagne, wohl aber P. behaupten und fchrieb ſich 
Grafen von P.; doch ging die Grafſchaft fehr bald durch Heirath an ben lurems 
burgifhen Zweig aus dem Haufe Montmorency über und wurde von König 
Karl IX. 1569 für Sebaftian von Luremburg zu einem Herzogthume und Pairie 
erhoben. 1697 erhielt der Graf von Touloufe, ein legitimirter Sohn Lubwige XIV., 
das Herzogthum P. und davon führte den Titel deffen Altefter Sohn, Louis 
Sean Maria von Bourbon, geb. zu Rambouillet 1725, ber nach feines Bas 
ters Tode Oberjägermeifter, Gouverneur von Bretagne, fpäter Großadmiral warb 
und 1793 ftarb. Seine Tochter war die Herzogin von Orleans und Mutter bes 
Erfönigs der Franzoſen, Ludwig Philipp. 

Pepe it der Name dreier neapolitanifcher Offiziere, welche fich ſaͤmmtlich in 
den franzöfifchen Kriegen auszeichneten u. von denen Gabriele, geboren 1781, 
u. Guglielmo, geboren 1782, bedeutenden Antheil an der Revolution von 1820 
hatten, während Flore ſtan, geboren 1780, ein Bruder bes lehteren, ben repu⸗ 
ne Beftrebungen fremd blieb und felbft bie Ruhe in Palermo wieber 

erſtellte. 

Pepinière, wörtlich: Pflanzenſchule, Baumſchule, nennt man auch in übers 
tragener Bebeutung eine Bildungsanftalt der Jugend für beftimmte Zwecke. Go 
führt 3. 2. diefen Namen das im Jahre 1795 unter befonderer Mitwirkung bes 
Generalchirurgen Goͤrcke (geft. 1822) geftiftete mebizinifch = dirurgifche Friebrich⸗ 
Wilhelms: Inftitut zu Berlin. 

Pera, ſ. Konſtantinopel. 

Perceval (Spencer), geb. zu London 1762, zweiter Sohn des Lord Hol⸗ 
land, ſtudirte zu Cambridge, ward Parlamentsglied und ſchloß ſich unbedingt an 
die miniſteriellen Maßregein Pitt's an, ward deßhalb Kronanwalt, dann General⸗ 
profurator, Rah Pitt's Tode 1806 verlor er letztere Stelle, kam nach Kor Tode 


Hegenbeiten das Syſtem von Pitt angenommen, doch gelang es ihm nicht, 
den Ruf feines großen Bor; ingere au erwerben. Den 11. Rai 1812 warb 
n bem Yugenblide, als er fi in das Parlament begeben wollte, von einem 
aligen Handelsmäfler aus Liverpool, Bellingham, mittelft eines Piſtolenſchu⸗ 
getöbtet, nicht ſowohl politiicher Urſachen, ais Privatrache wegen, bie diefer 
m, einiger Zurüdfegungen wegen, vum ihn hegte. Die britiihe Regierung 
ibrte feinen Hinterlafienen eine PBenfion von 5000 Pf. Sterling. 
Percuſſion, 1) in mebicniiher Bebeutung f. Auscultation. — 2) In 
faliſcher Beziehung die Entzündung eines Knallpraͤparats vermittelſt eines 
ages ober Stojjes, daher P.s⸗Gewehr ein Feuergewehr, beffen Ladung nicht, 
dieſes bis jegt bei demSteinfeuer gewöhnlich war, Durch dad auf die Pfanne 
Scloſſes aufgefcüttete Zündfraut, fondern mittelſt einer neuen — 
den Schlag eines, als Hammer dienenden, Hahnes entzündet wird. 
uche, flärfere Pulverforten, als das bis jegt gebräuchliche Pulver zu finden, 
a zur Erfindung des Knallquedfilders (f. Due dfilber) Gelegenheit u. nach 
en Berfuchen wurden 1818 die Zundhuͤt chen erfunden. Diefe enthalten einen 
aß cher eine Zünbpille, welche ſich durch einen Drud ober Schlag entzäns 
u. dieſes neue Zündmittel machte eine neue Einrichtung unb eine Abänderung 
6 jet im Gebtauch geweienen Feuerwaffen, zunächft aber bes Schloßes an 
Theilen, weldye bei der Zündung vorzüglich thätig find, nothwenbig. Diefe 
ie find: der Hahn, die Batterie und die Panne, wozu man auch das Zuͤnd⸗ 
rechnen kann. Dieſer Hahn weicht bei !Bercuffionsgewehren von jenen mit 
ı Steinfeuer darin ab, Daß er oben einen concaven Hammer bildet, welcher 
om Abdrüden bes Schloffes auf den Zünbfegel oder Zündfolden oder Piſton 
3t, von welchem das durch ben Drud entflandene Feuer mittelft einer ſenk⸗ 
in benfelben eingebohrten kegelförmigen Oeffnung ber uloeelabung, im Laufe 
heilt wird. Obgleich demzufolge da6 P.-Schloß den Vorteil größerer Eins 
eit vor dem Steinjhloße gewährt, fo Hat baffelbe doch auch wieder verfchiebene 
heile, wozu man befonbers folgende rechnet: a) das Aufiegen ber Zundhuͤt⸗ 
wenn biefe nicht bebeutend groß find, ift beſchwerlich, was bei fehr Talter 
peratur zumimmt. b) fol das Knallfilberpräparat ber Geſundheit ſchaͤdliche 
‚Re verbreiten, welcher Vorwurf nur durch GErfahrungen im Großen vwiders 


64 Berenffionsmafchine — Perdikkas. 


fen zerftörend ein und aus biefem Umftande entfpringt eine Menge von Radh- 
theilen u. Verluſten. e) find die Zuͤndhütchen zu weit, dann fallen fie von bem 
Zünbfegel ab, find fie dagegen zu eng, dann koͤnnen fie entweber nicht aufges 
feßt werben, ober man ift nicht im Stande, die nach dem Schuße auf bem Zünds 
fegel zurüdbleibende cylindriſche Hülfe mit der Hand allein wegzunehmen, wodurch 
die Geſchwindigkeit des Ladens jehr vermindert wird, Diefen u. a. Nachtheilen 
entgegen, welche durch Proben einerfeits, fowie durch Auffindung unfchäblicher 
Zundiäge und eine zmedmäßige Einrichtung der Zünbhütdhen anderſeits größten 
theils als befeitigt betrachtet werden können, Haben bie Zündhütchengewehre durch 
ihre unläugbaren und beinahe überall anerfannten Bortheile in der neueften Zeit 
in ben meiften Armeen eine ſolche Aufnahme gefunden, baß fie die Steinfeuerge 
wehre, welche nun bald zu den alten Waffen gehören werden, entweder ſchon gänzlich) 
verdrängten, ober diefes bald zu Stande gebradht haben werben. P.8s Feuer If 
das Wort des Tages, und hatte man feit 1827 nur bei einigen Seeartilierien 

ssCchlöffer, fo endet man biefe jett auch in Lanbartillerien, ober man bedient 

ch, ftatt Diefer, anderer verfchtebener Zünder mit einem P.s⸗ſatze, ober foldyer, 
welche fich durch Friction entzünden. 

Dereuffionsmafchine nennt man eine mechanifche Vorrichtung, um bie Ges 
ſchwindigkeiten bewegter Körper nach dem Stoffe zu beftimmen. Mariotte b e 
hiezu fallende Körper, indem die Zallhöhe der Geſchwindigkeit bes fallenden Koͤr⸗ 
pers auf jedem Punkte des Falles entſpricht; s' Oraveſande und Rollet haben 
dergleichen Apparate für die Erperimentalpänfif angegeben. 

ercy, Familie, ſ. Northumberland. 
ercy, Pierre François, Baron von, ausgezeichneter franzoͤſiſcher 
Militärchirurg,, geboren den 28. Oftober 1754 zu Montagney im Departement 
Haute Saone in der Franche-Comté , Sohn eines ehemaligen Militäcchirurgen, 
befuchte das Eollege in Belangen u. follte nach bem Willen des Vaters, ber 
gegen die Ärztliche Laufbahn eingenommen war, WMilitär-Ingenieur werben; ſeine 
eigung zog aber den jungen P. zur Heilfunde, beren Studium er fih in Ber 
Tran bingab, wofelbft er auch 1775 zum Med. Dr. promovirt ward. Er begab 
ch nun nad Paris u. trat 1776 in den militär= ärztlichen Dienft; 1782 wurde - 
er Regimentschirurg, 1789 Dberchirurg für Flandern u. Artois; beim Ausbruche 
des Kriege 1792 wurde er an Gabatier’d Stelle confultirender Chirurg ber i 
Nordarmee, bei Einfegung der Eonfular-Regierung Generalinfpertor des Militärs : 
Sanitätswefens; 1807 erwählte ihn das Inftitut zum Mitgliede; 1815 während 
der Hundert Tage wurde PB. zum Deputirten gewählt, in Yolge davon aber Kerr : 
nach in den Ruheftand verfegt; 1825 den 18. Februar farb er. — P. hat fi : 
auf ben zahlloſen Schladhtfeldern der franzöftfchen Republif u. bes Kaiſerreich⸗ 
die größten Verdienfte um die Verwundeten erworben; namentlich hat er fly aber : 
verdient gemacht burch die Berbefferungen in der Transportweiſe der Berwunde : 
ten, eine reichen Erfahrungen bat er in mehren Schriften niedergelegt; er HR | 
fi mehrfach um akademiſche Preiſe beworben u. die Alfabemie ber Chirurgie ol 
ihn, nachdem er viermal den Preis davon getragen, zum Mitgliede ernannt haben, 
damit er nicht weiter um Preiſe concurriren koͤnne, u. dadurch Andere von ber 
Bewerbung abhalte. Seine wichtigeren Echriften find: „Manuel du. chirurgien 
d’armee,“ Paris 1792. — „Pyrotechnie chirurgicale pratique,“ Meb 1794, 
2. Aufl., Baris 1810, auch ins Deutiche überiept, E. Buchner, 

Perditkas, der Name mehrer Könige von Macebonien, von denen 1) P. L 
729 v. Chr. auf ben Thron gelangte u. denſelben 48 Jahre lange behauptete. 
Herodot u. Thucydides fangen die Reihe der älteften Agyptifchen Könige mit ihm 
an, woraus man fchließt, daß er ſich mehr, als feine Vorgänger, berühmt gema 
habe; aber feine eigentlichen Thaten find unbefannt. 2) P. II, Alexanders 
Soßn, folgte bemfelben. Ex miſchte ſich in die Streitigfeit der Griechen zur Zeit 

Des peloponnefifchen Kriegs, worin er öfters die Wartet der Artyenlenier nam %. 
sofeber verlieh, nicht ohne Nachtheil für fein eigenes Rei. Cr war ter Ele, 


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66 | Pergament — Pergoleſe. 


Pergament nennt man ein mit Kalk u. Kreide auf eigenthümliche Art gar 
emachte Leber, welches aus ben Fellen der Efel, Schafe, Ziegen, Kälber, 
Schweine 2c. ıc. bereitet u. zum Schreiben, Malen, zum Einbinden ber Büdher ıc. 
benüst wird. Es iſt glatt, fteif u. elaftifchebiegfam und wird von ben, gewähns 
lich eine eigene Zunft bildenden oder zur Innung ber Weißgerber gehörenden, 
Pergamentmachern bereitet. Das P. ift ſchon vor ber Erfindung bed Papiere 
befannt gewefen, und namentlich fchrieb man in Europa lange vor ber Bekannt⸗ 
werbung des Papiers auf P.; feinen Ramen hat es von ber Stadt Pergamus 
in Kleinaften erhalten, wo es in vorzüglicher Güte verfertigt wurde Um das P. 
zu bereiten, werben bie Häute nach dem bei ber Weißgerberei üblichen Beraten 
gefalkt u. enthaart, bann in einem Rahmen flraff ausgeſpannt oder geſchnuͤrt, 
um file durch Streichen noch mehr zu ebnen, und Hierauf mit fein : gepulnerter 
Kreide oder zerfallenem Kalf überfireut, mit glattem Bimsſtein überrieben und 
zuletzt geglättet. Die Kreide bildet dabei mit dem aus der Haut hervordringenden 
Horn! eine Art Steinfrufte.e Das feinfte P., das fogenannte Jungfern⸗P., 
wird aus ben Wellen junger WBödes oder ungeborener Schaf⸗ u. Ziegenlämmer bes 
reitet; es bient beſonders zu ben Heiligenbildern mit ausgeftochenen Einfaffungen, 
welche früher Häufig in ben Krauenklofteen gemadt wurden. Das fogenannte 
DelsB. auch Delhaut, Rahmhaut oder Eſelshaut genannt, welches be 
ſonders häufig zu Schreibtafeln verwendet wird, wirb meift aus Kalbs, Schaf. 
ober Eſelsfellen gemacht, denen man auf einem Kalfgrunde einen Ueberzug von 
Bleiweiß und Leimwaſſer und dann von Del gibt. Wan kann die Bieifliftzäge 
mit Speichel davon wegwiſchen. Eine andere Art Schreibtafel-®P. ift Die, bei 
welcher die Haut mit Kreide u. Leimwaſſer bearbeitet u. zulegt mit Seifenwafler 
angeftrihen wird u. wozu gewöhnlich Schaffelle verwendet werden. Bon biefem 
muß aber die mit Bleiſtift gemachte Schrift mit Bimsfteinpulver, Talg oder ans 
berem Kette abgerieben werden. Das P. zu den Trommelfellen, ſowie bas zum 
Gebrauche der Zeichner u. Maler u. das weiße narbige B. zum Einbinden ber 
- Bücher, wird aus Kalbfellen verfertigt. Das feinfte Malers B. wird auch Belin 
genannt. Aus ben Fellen möglichft magerer Kälber wird das Horn-P. gemacht, 
welches Halb durchfichtig, feft, ſtark, glätter u. dider, ald das gemeine P. if. Doch 
wird das Horn:P. auch fünftlih aus den Abfällen des Kälber-B.s bereitet, indem 
man dieſes zu Leim Eocht, mit einer Karbe vermifcht und dann auf Platten aus- 
ießt und trodnen läßt. Das gefärbte PB. wird aus Schaffellen bereitet ; bie 
Baufenfehe aus Ziegenfellen; Schweinsfelle und Ejelsfelle werben zu Sieben, 
Bücereinbänden, Kofferüberzügen u. dgl; Schaf⸗ u. Sterblingsfelle zu Kinder⸗ 
trommeln benügt. Gegülbetes P. nennt man ein aus Kalbfellen verfertigtes 
u, mit einer dünnen, gewihnlicd aus Kreuzbeeren bereiteten, gelben Farbe übers 
ſtrichenes. Auch verfertigt man fünftliches P., das aus feiner, dünner Leinwand 
oder feftem SBapier befteht, welches ftarf ausgefpannt, mit einem, aus GEyps, 
Bleiweiß, zerfallenem Kalk, Wafler u. P.⸗Leim beftchenden Brei mehremale übers 
ſtrichen, dann mit Bimsftein abgerieben u. zulet mit hellem Oelfirniß getränft 
wird, Es wird oft anftatt des Achten P.s zu, Schreibtafeln verarbeitet. 
Dergamum oder Pergamus, eine im Alterthume berühmte Stabt in Groß⸗ 
myſien, vom Kayſtros burcfloffen, ein Sig der Kuͤnſte u. Wiſſenſchaften, bie bes 
fonders an Eumenes I. einen ausgezeichneten Bönner fanden, ber auch bie ber 
rühmte pergamenifhe Bibliothek Riftete, bie, aus 200 Rolten beftehend, 
nad) dem Untergange ber Attalen doch in P. blieb, bis Antonius fe nah Ae⸗ 
gupten abführte u. dort an Eleopatra verſchenkte. Auch war Hier ein bem alexan⸗ 
driniſchen ähnliches Muſeum, befien Mitglieder den pergamenifhen Kanon abs 
faßten. Hier warb bas Dergament (f. d.) erfunden, und ®alenus (f. b.) 
geboren. — Jetzt Heißt die Etadt Bergamah im Sandſchak Szarukhan bed Eia⸗ 
lets Anaboli in ber aflatifchen Tuͤrkei, mit einem Fort u. Mauern, reich an Alters 
thümern aller Art u. von Griechen u. Türken bewohnt. 
Pergoleſe, Giovanni Battiſta, geboren 1710 zu Jeſt bei Neapel, wurbe 


Blüd, 
erhorredciren Heißt einen Richter oder Zeugen umter Angabe triftiger und 
ner Gründe verwwerfen. Mitunter wird von demjenigen, wetcher einen ober 
Richter oder Zeugen perhorresciet, ein Perhoörreſcenz⸗Eid geforbert, 
se Verwerfende muß befchwören, baß er bie Berworfenen aus biefen ober 
Bründen nicht für unpartetiich halten fönne. 
eriander, einer ber fieben Weifen Griechenlands, Tyrann von Korinth 
584 v. Ehr.), Sohn bes Tyrannen Kypſelos, herrfchte Anfangs fanft u. 
ütig, einfichtsvoll; dann aber, beſonders feitdem er im Zorne feine geliebte 
‚ Meifla, getödtet, mit vieler Liſt u. großer Grauſamkeit (wenn den An- 
ber die Tyrannis haffenden Griechen zu trauen if). Nach feinem burch 
x über bie Ermordung feines Sohnes, Lykophron, den er nach Korkyra 
t hatte, und den, als er ihm eben die Thronfolge zuficherte, die Korkyräer 
ten, herbeigeführten Tode verwanbelten bie Korinther die Monarchie in 
26 Demofratie und riftofratie vermifchte Regierungsform. P.n werben 
Schriften, auch Gedichte zugefchrieben. Zwei ihm zugefchriebene Briefe 
4 Diogenes Laertius übrig. Bol Wagner, De Periandro Corinthio- 
iranno. 
eriegeſis (griech.), woͤrtlich: Umherführung, namentlich das Herumfuͤhren 
fremden, um ihm die Sehenswuͤrdigkeiten eines Ortes zu zeigen und zu ers 
daher derjenige, der diefes thut, von den Griechen Beriegetes genannt 
Auf neograpbifche Beichreibungen angewendet, wurde der Rame P. von 
:&u8, Dionyfius (der deßhalb Periegetes Hieß), Pauſanias, Avie 
. Brisctanus (ſ. dd.) ihren Werfen beigelegt. 
Erier, Cafimir, ber vierte Sohn unter 10 Kindern feines Vaters (eines 
egründer der Banf von Franfreih und Mitgliedes bes Corps legislativ 
Rapoleon), geboren 12. October 1777 zu Grenoble, ftudirte im Collöge ber 
iens zu Lyon, wurde 1798 Eoldat u. machte ald Adjoint du Genie mehre 
ve in Stalien mit, bis 1801 ber Tod feines Vaters ihn nad Paris zus 
ef, wo er ben Soldatenſtand mit bem des Kaufmanns vertaufchte und 
nem Bruder, Scipion P., ein Bankhaus grünbete, das nach und nach 


ö—EFLA Ark Kia rt wis aA Calna 





70 Perigord — Periode, 


Juni befielben Jahres Pair von Frankreich. Während ber 100 Tage verfuchte 
er im Süben eine Infurreftion zu Gunften ber Bourbonen, wurde nach ber 4. 
Reftauration Gouverneur ber 1. Militärbivifion und farb 1818 zu Paris. 

Perigord, eine ehemalige Provinz in Frantreih, an Angoumois, Agenois, 
Saintonge, Guienne, Duerey u. Limoufin gränzend u. getheilt in Ober⸗ u. Nies 
der⸗P. (Weiß: und Schwarz: P., lebtered wegen feinee Schwarzwälder), jet - 
zum Departement Dordogne gefhlagen. Hauptftabt: Berigueur. — Archim⸗ 
bald VI., Graf von P., defien Vorfahren das Land feit uralter Zeit befaflen, 
wurde 1399, unter König Karl VL, geächtet, angeblich, well er bie Tochter eis 
ned Bürger von Perigueur zu entführen verfucht Hatte. Beſitzthum unb Titel 
erhielt der Keind feines Haufes, der Herzog Ludwig von Orleans, defien Sohn 
feine Anfprüde 1437, während der Gefangenfchaft zu London, an den Grafen 
von PBenthievre, Johann von Blois, verkaufte Die Nichte beffelben, Franziska, 
brachte P. dem Seigneur d'Albret zu, defien Erbtochter Johanna fi mit Anton 
von Bourbon vermählte. Heinrich IV., Antons Sohn, vereinigte P., nachdem er 
ben franzoͤſiſchen Thron beftiegen, für immer mit ber Krone. 

Peripelium oder Sonnennähe, entgegengefegt dem Aphelium, iſt derjenige 
Punkt einer Planetens oder —— Bakn, welcher unter allen übrigen Punkten 
der Bahn ber Sonne am nädften fteht. 

Perikles, Sohn des FZanthippos (der die Perfer bei Myfale fchlug), ein 
fehr vornehmer, reicher u. einer ber berühmteften Arhenienfer. Bon Anaragoras 
in der PBhilofophie, von Damon in der Staatöfunft unterrichtet, ausgezeichnet 
buch Schönheit, hohe Rednergabe, bezaubernde Stimme, mädtig in That und 
Wort (auch in der Muſik u. den feineren Künften war er nicht unbefannt), trat 
er nach Ariflides Tode und Themiftofles Verbannung zur Zeit der Blüthe Kimons 
an ber Spige bed Volkes gegen die Bornehmen auf, wohl um ber Erſte unter 
dem Volke zu fenn, da er nicht der Zweite unter dem Adel feyn wollte Nach 
Kimons Tode vermochte er, faft 40 Jahre lange, Alles in Athen, vom Volke, bas 
doch unter allen Völkern Widerfpruh u. Tadıl am wenigften vertrug, auch wegen 
feiner hohen Uneigennügigfeit angebetet, u. rüttelte, al& ein zweiter Zeus bligenb 
und donnernd (er hatte deßwegen ben Beinamen ber Olympiſche), Hellas durch 
einander. Er Hatte das große Talent, ftets durch Furcht das ausichweifende 
Seibftvertrauen feiner Mitbürger niederzufchlagen, wenn glüdlicye Ereigniffe ihren 
Stolz wedten, und duch Hoffnung ihren Much in mißlichen Lagen oder unglüds 
lichen Ereignifien zu beleben. 

Peritopen find Apfchnitte aus ber Heiligen Schrift, welche, nad Anordnung 
ber Kirche, bei den gottesdienftlihen Verfammlungen am Altare oder auf ber Kan 
zel vor der Predigt von dem @eiftlichen vorgelefen werden und al8 Grundlage 
der homiletiſchen Vorträge und ‘Bredigten dienen. Anfangs durften bie @eiftlichen 
biefelben auswählen; in ber Kolgezeit aber befonders ſeit Gregor dem &roßen, 
welcher eine Sammlung berfelben veranftaltete, wurden fie an die Worfchrift der 
Kirche gebunden. 

Perillus, ein Künftler von Athen, verfertigte einen ehernen Ochſen, ber 

anz hohl und fo eingerichtet war, daß cr, wenn man ihn durch untergelegtes 
Feuer glühend machte, u. ber in demſelben verfchloffene Miffethäter vor Schmerzen 
ſchrie, wie ein natürlicher Ochfe zu brüllen ſchien. P. felpft war ber Erfte, der 
darin gebraten wurde, weil er für feine Erfindung einen zu hohen ‘Preis gefor- 
dert hatte, Diefer Ochſe fol nachher nad Kartbago gebracht, und nach befien 
Zerftörung von den Römern feinen ehemaligen DBefigern, den Agrigentinern, wie 
ber eingehändigt worben feyn. 
erimeter, ſ. Peripherie. 
eriode (griech.), eigentlich das Herumgehen, der Umlauf, heißt 1) irgend 
ein Zeitabfchnitt von beſtimmter Länge; 2) die Dauer einer gleichfoͤrmigen Bes 
wegung ober fonft eines Borganges in ber Zeit bei Wieberieht her Bewegung, vom 
Anheben berfelben bis zu beren Ende, oder auch nad einem beifiunmien Yetiok 


Perigäum — Periguen. 69 


i$ Obilon Barrot. Während er die Tarlifiifhe Bewegung in ber Venboͤe und 
e republifanifchen Unruhen am 16. 17. u. 18. April 1831 blutiger Strenge ers 
te, lößte er auch die Deputirtenfammer auf. Auf diefer Bahn wanderte er, bie 
ne neue Kriſis ihn ſehr bald in eine andere hineinwarf. Am Monat Juli 1831 
nden die allgemeinen Wahlen flat. Das Ergebniß fiel aber ſehr zweifelhaft 
x pm aus. Bei der Wahl bes Präfidenten ber neuen Sammer ers 
et Lafitte, der Kanbibat ber Oppofition, nur eine Stimme weniger, als ber 
anbibat ber Aeglerung. P. war augenblidlidh bereit, fi von der Regierun 
—— or der Julirevolution waͤre dies nicht nur logih ſondern au 
ſte geweſen; — nach ber Julirevolution wuͤrde dies der Partei u. den 
kunbfäßen ben Tobesftoß gegeben haben. Man zeigte ihm die Yolgen, 
an laftete ihm zum Boraus bie Verantwortung auf. Die Gefahren, die Frank⸗ 
ich u. der Revolution broßten, waren auch für den tapfern Geiſt P.s eine Auf⸗ 
rderung mehr, eine faft unabweisbare, feinen Platz jeht nicht zu verlafien. So 
ieb ex Minifter, aber — in biefem ihm durch Die Verhältniffe u. bie Folgen ber 
alirevolution aufgeswungenen Entichluße felbft feimte die Urfache, daß er fih nun 
ranlaßt ſah, feinen Grundſatz zum Theil opfern zu müflen. Die Sammer war 
sei gleiche Theile gefpalten. Sollte bie conftitutionelle Regierung aufrecht 
bleiben ; follte die Eharte eine „Wahrheit“ feyn, fo mußte man das Mittel 
‚, die Zahl der Anhänger ber Regierung zu vermehren. Wan fand ee — 
es hieß Beſtechung. P.s kurze Berwaltung war die Glanzepoche ber Julis 
—* nde gegemüber ſtand er wie ein Fels im wogenden Meere 
e enifeflelten Leidenſchaften. flößte feinem Angftlicden Gefolge ben Muth ein, 
it dem es bie tapferen Radhzügler ber Revolution beflegte, während er zugleich 
tchloffen fihien, die Anfprüce des Königs felbft in die Schranfen ber rte 
nein zu verweiſen. Dem Auslande gegenüber forderte er von Frankreich Achtung 
r Berträge u. begründete eine unbeb gie Friedenspolitif. Kaum ein Jahr, 
chbem er Minifter geworben, farb er (16. Mai 1832) an ber Cholera, die er 
n einem Krankenbeſuche im Hotel be Dieu davontrug. Seinem Tode folgte 
ze neue Krifis, die den Compte rendu der Oppofition und die Schlachttage der 
neuten vom Juni 1832 hervorrief. In biefen Tagen erlitt bie Julirevolution 
te legte Niederlage; von ba an entwidelte ſich das Syſtem, das PB. nur als 
asnabhme in Anwendung bringen zu müflen und zu bürfen glaubte, u. fo wurde 
.der Bertheibiger der Wahrheit, der Yreiheit, der Bollswürde — zum Ber 
Under des Syſtems der Gorruption. Er wollte das Befte feines Landes; er 
uſchte fich aber über das Mittel. Heil ihm, daß er flarb, als er noch an bie 
uͤckkehr glauben konnte und die Tage nicht fah, wo Frankreich durch dies Sys 
za zum Hohne der Welt wurde und mit ihm einer neuen Kriſis und Gewalts⸗ 
evolution entgegen end. 
erigäum oder Erbnähe wird derjenige Punkt der Mondbahn genannt, wels 
er der Erde am Naͤchſten ift, im Gegenftande zu Apogäum (|. d.). 
Deriguon, Dominique Catharina, Graf u. Marquis von B., geb. 1754 
Grenade bei Touloufe, wurde fehr jung Offizier; 1791 fchidte ihn das Des 
wtemient Haute Garonne zur geleßgebenden VBerfammlung, 1792 commanbirte er 
e Legion in den öftlihen PByrenden, wurbe Divifionsgeneral 1793, erfegte Du⸗ 
enmier 1794 nach befien Fall bei St. Sebaftian, nahm als General en chef 
ıentarabia, fiegte bei Escola, eroberte 71 Kanonen u. machte 9000 Gefangene, 
urde 1795 Sefandter in Mailand, 1798 zurüdgerufen, führte am 17. Auguft 
'99 den rechten Flügel der franzöfifchen Armee bei Novi u. wurbe verwundet u. 
fangen. 1801 fam er in den Senat, warb 1802 &ommifjär zur Beftimmung 
e- fpanifch = frangöfifchen Gränze, erhielt 1804 die Senatorie Bourdeaur u. ward 
an Marſchall. 1806 war er Gouverneur von Parma u. Piarenza, 1808 an 
urbane Stelle commanbirender General ber nenpolitaniichen Truppen, verließ 
eſes Königreich 1814 und der Braf Artois ernannte ihn zum Commisssire du 
oi bei der 4, Wilitärdivifion. Er fam in's Kriegsminiſterium u. wurde am 4. 


70 Perigord — Periode, 


Juni befieldben Jahres Pair von Frankreich. Während der 100 Tage verfichte 
er im Süden eine Infurrektion zu Gunften ber Bourbonen, wurde nach ber 4. 
Reftauration Gouverneur ber 1. Militärbivifion und farb 1818 zu Paris. 

Perigord, eine ehemalige Provinz in Frantreih, an Angoumois, Agenois, 
Saintonge, Guienne, Duerey u. Limouſin grängend uw. getheilt in Ober» u. Nies 
der⸗P. (Weiß- und Schwarz⸗P., letzteres wegen. feiner Schwarzwälder), jebt - 
zum Departement Dordogne gefchlagen. Hauptftadt: Perigueur. — Archim⸗ 
bald VI., Graf von P., deſſen Vorfahren das Land feit uralter Zeit befaflen, 
wurde 1399, unter König Karl VI., geächtet, angeblich, weil er bie Tochter eis 
ned Bürgers von Perigueur zu entführen verfucht hatte. Beſitzthum und Titel 
echielt der Feind ſeines Haufes, der Herzog Ludwig von Orleans, befim Sohn 
feine Anfprüdhe 1437, während der Gefangenſchaft zu London, an den Grafen 
von Benthievre, Johann von Blois, verkaufte Die Nichte beffelden, Franziska, 
brachte PB. dem Seigneur d'Albret zu, deſſen Erbtochter Johanna fi mit Anton 
von Bourbon vermählte, Heinrich IV., Antons Sohn, vereinigte P., nachdem er 
ben franzoͤſiſchen Thron beftiegen, für immer mit der Krone. 

Peripelium oder Sonnennähe, entgegengefegt bem Aphelium, ift derjenige 
Punkt einer Pianetens oder Rometen » Bakn, welcher unter allen übrigen Punkten 
der Bahn der Sonne am nädften fteht. 

Perikles, Sohn des KZanthippos (der die Perfer bei Myfale fchlug), ein 
fehr vornehmer, reicher u. einer ber berühmteften Arhenienfer, Bon Anaragoras 
in ber Philofophie, von Damon in ber Staatsfunft unterrichtet, ausgezeichnet 
burdy Schönheit, Hohe Rednergabe, bezaubernde Stimme, mädtig in That und 
Wort (auch in der Mufif u. den feineren Künften war er nicht unbekannt), trat 
er nach Ariflides Tode und Themiftofles Berbannung zur Zeit ber Blüthe Kimons 
an der Spige bes Volkes gegen die Bornehmen auf, wohl um ber Erfte unter 
dem Volke zu feun, ba er nicht der Zweite unter dem Adel feyn wollte. Nach 
Kimons Tode vermochte er, faft 40 Jahre lange, Alles in Athen, vom Volke, bas 
doch unter allen Bölfern Widerſpruch u. Tadel am wenigften vertrug, auch wegen 
feiner hohen Uncigennügigfeit angebetet, u. rüttelte, ald ein zweiter Zeus bligend 
und donnernd (er hatte deßwegen ben Beinamen der Olympiſche), Hellas durch 
einander, Er Hatte bas große Talent, flets durch Furcht das ausichweifende 
Seibftvertrauen feiner Mitbürger niederzufchlagen, wenn glüdliche Ereignifle ihren 
Stolz wedten, und durdy Hoffnung ihren Muth in mißlichen Lagen ober unglüds» 
lichen Ereigniffen zu beleben. 

Deritopen find Aofchnitte aus ber Heiligen Schrift, welche, nad) Anordnung 
ber Kirche, bei den gottesdienftlihen Verſammlungen am Altare oder auf ber Kan⸗ 
zel vor der Predigt von dem Geiſtlichen vorgelefen werben und al8 Grundlage 
der homiletiihen Vorträge und ‘Predigten dienen. Anfangs durften die Geiftlichen 
dieſelben auswählen; in ber Kolgezeit aber befonders ſeit Gregor dem Großen, 
welcher eine Sammlung bderfelben veranftaltete, wurben fie an die Vorfchrift ber 
Kirche gebunden. 

Perillus, ein Künfller von Athen, verfertigte einen ehernen Ochſen, ber 

anz hohl und fo eingerichtet war, daß cr, wenn man ihn durch untergelegtes 
* glühend machte, u. der in demſelben verſchloſſene Miſſethaͤter vor Schmerzen 
chrie, wie ein natürlicher Ochſe zu brüllen ſchien. P. ſelbſt war ber Erfte, der 
barin gebraten wurbe, weil er für feine Erfindung einen zu hoben Preis gefor- 
bert hatte. Diefer Ochſe fol nachher nah Karthago gebracht, und nach befien 
Zerflörung von den Römern feinen ehemaligen Befigern, den Agrigentinern, wies 
der eingehändigt worben feyn. 
erimeter, ſ. Peripherie, 
eriode (griech.), eigentlich das Herumgehen, bee Umlauf, heißt 1) irgend 
ein Zeitabfehnitt von beftimmter Laͤnge; 2) die Dauer einer gleichförmigen Bes 
wegung oder fonft eines Borganges in ber Zeit bei Wieberfehr der Bewegung, vom 
Anheben berfelben bis zu deren Enbe, oder auch nach einem beftimmten Zeitabs 


PR ar 1651, Audirte zu Deventer, Utrecht u. Leyden alte Literatur 
dichte, warb Rektor zu Def dann Profefior der Geſchichte u. Berta: 
‚ feit 1693 aber zu Leyden, wo er 1715 fach, Seine Mans 
[3 Bücher vermachte er der Univerfität, nebßt einem Kapital 
‚000 ®ulben, von beren Zinfen ein Jüngling von guter Hoffnung haupt⸗ 
bie alte Literatur ſtudiren follte. Seine fen find theils Mail, 
eitifdh; zu jenen gehören: Animadv. historicae, in quibus quam —8 
rom. rerum et utrius jae auctoribus notantur, illustr., emend,, 
Amfterdam 1685, Gans? 1771. Origines Babylonioae et Aegr- 
erben, 2 Die. 1711, vorm. Husgabe von Dufer, elmb. 1736, 2 
ı Kritifhen gehören feine Anmerkungen zu Sueton und Aelian, bie vol 
her Sradtennmis find; auch Hat er die „Minerva“ bes Sanctius, 
: braudpbares Buch zur Kenntniß ber Bohe Sprachlehre, mit einer Art 
mmentar. begleitet (lehte Ausgabe von Bauer, Leipiig 1793 — 1801, 
)- Shäpke find auch feine Dissertationes, 2 Bde. Leyden 1740. 
Lramer, „eleni um Perizonii“, (Berlin 1828). 
erfine. 
erfind, 1) Elieha, ‚pe Arzt zu Plainfield im norbamerifanifchen Frei⸗ 
ionnecticut, geb. 1740 tortwich, machte fich befannt durch bie nach feinem 
als Berfinismus —E eilart. Das von ihm angewenbete 
tractors) befand in 24 Zoll langen Radeln von podl d ve 
Retallen, bie an ber Baſis vereinigt waren, und wovon bi 
bie andere abgerundet war. Mit diefen en wurde nun ein Fa 
igirter Theil, Kefonbers bei cheumatifchen und gichtifchen Schmerzen, auch 
nungen, bei Laͤl en u. ſ. w. fo lan, gt. da Sau eis 
hafte Gupfindung folgte. Diefe na 8 aueh fi beſonders nach 
agen und wurde von ba her auch id befannt, Rem — 
dei Modifikationen dabei an und As Ar Er wurden gute 
um en schalten; in vielen anderen blieb fie ohne Erfolg, und nach und 
—1— ang —X P. ſelbſt ſtarb als Opfer ſeiner Mes 
1 —e— —ã gegen das gelbe Fieber zu ſichern 
dem er ſich en und ae, chre Schriften über fein Berfahren 





74 Perkin Warbeck — Perlen. 


erkin Warbeck (Peter), angeblich der Sohn eines Juden aus Tournay, 
nach Anderen der nat uͤrliche Sohn Eduard's IV., auch von dieſem aus der Taufe 
gehoben, zeichnete ſich durch eine merkwuͤrdige Aehnlichkeit mit Eduard IV. aus 
u. ward daher, als das Haus Lancafter mit Heinrich VIL den Thron beftiegen 
und fi durch Heirath mit Eliſabeth, Tochter Eduard's IV. und Erbin der An, 
fprüdhe des Haufes York, auf dem Throne befeftiget und fo ben breißiglährigen 
Krieg zwoifchen der weißen und rothen Rofe beendiget Hatte, von ber erbittertfien 
Feindin des Haufes Lancafter, Margaretie, Herzogin von Burgund, der Schwe⸗ 
fter Eduards IV. überredet, bie Role des Richard Plantagenet, Herzogs von 
York, Sohnes Eduard’s IV., zu fpielen. 1490 trat er als ſolcher auf, Fam von 
Portugal, wohin ihn Margarethe gefchidt Hatte, nach Flandern zurüd, warb von 
Margarethe feierlich anerfannt u. trat 1492 unter feinen prätendirten Titeln auf. 
Stets wechfelte fein Gluͤck, bis 1498, wo er als Richard IV. in Eornwallis 
landete u. einige Fortfchritte machte, von Exeter aber wegen ber Flucht feiner 
Truppen ſich flüchtete u. endlich dem Feinde ſich ſelbſt auslieferte. Auch feine 
Gemahlin, Katharine Gordon, eine Verwandte des Königs Jakob IV. von Schetts 
land, ward gefangen. Er wurde in ben Tower gefebt, entfam jedoch nach Jah⸗ 
resfriſt u. rettete fich in bas Klofter Bethlehem. Hier wurde er unter bem Bers 
fprechen, fein Leben zu ſchonen, ausgeliefert, öffentlich in London ausgeftellt umd 
wieder im Tower eingefchloffen; jedoch bald barauf, unter dem Borwande, daß 2. 
mit feinem Mitgefangenen, dem Grafen Warwid, correfpondirt habe, ben Gou⸗ 
verneur des Towers zu ermorden, um fich felbft au befreien, zum Tobe v 
und 1499 gehän t, Warwick aber enthauptet. Seine Gemahlin lebte lange am 
Hofe ber Königin von England, wegen ihrer Sittfamfeit die weiße Rofe 
genannt. . 
Perkunos, ein Gott der alten Preußen, und zwar das Haupt ber göttlichen 
Trias, welde wir fo Häufig bei den Völfern der alten Welt angedeutet, angebes 
tet finden. Ihm zur Seite ftanden Potrimpos u. Pikollos; der oberfle @ott war 


der Donnerer, der Götter Koͤnig; feine Bildfäulen, roh aus Stein oder Holz ges - 


meißelt, trugen die Züge eines zornentbrannten Mannes, fein Gefiht war feners 
farb angeftrihen, fein Haupt mit Feuergarben gefrönt. Bei allen norbifchen Böl 
fern, bei den Slaven, Böhmen, Mähren und Ruflen, war P., ſowie bei ben 
Preußen u. Litthauern, hoch verehrt; noch jetzt findet man feinen Namen in ben 
litthauiſchen Volksgeſaͤngen. Nicht leicht gab es in ganz Litthauen ober Preußen 
(was für die Zeit des Heidenthums immer gleichbedeutend ift und erft von be 
Herrichaft ber Ritter des beutfchen Ordens fich zu trennen beginnt), einen heili⸗ 
en Wald, einen heiligen Ort, an welchem Opfer dargebradht wurden, wo nidt 
—* Bild verehrt, fein Dienſt gefeiert worden wäre, u. einzelne Namen von Or 
ten, an denen dieſes gefchehen feyn mag, haben fi noch bis jegt erhalten, wie 
Perkunken, ein Dorf zwifchen Königsberg u. Tilfit (cder näher bezeichnet, zwi⸗ 
jhen Tapiau u. Labiau) u. noch drei andere gleiches Namens; ferner Perkuniſch⸗ 
fen u. Berfunlanfen Geld bes Perkun), das legtere unfem Gumbinnen ıc 
Bor allem aber wurden ihm große Opfer zu Romowe gebracht. 

Derien find fefte, mehr ober weniger runde u. höderige Körper, welche zum 
größten Theile aus fohlenfaurem Kalf beftcehen u. fih in mehren Mufchelgattums 
gen, namentlich aber in der eigentlichen Perlenmuſchel, (Mya murgeritifere) und 
der Perlmutter (ſ. d.) finden. Sie find theils an der Innern Seite der Mus 
ſchel, befonders gegen ben Rand hin, angewachfen, theils liegen fie darin frei, u. 
zwar gewöhnlich bie fchönfte u. vollfommenfte oben, die geringeren unter bem Koͤr⸗ 
per des Thieres; auch findet man fie im Innern bdefielben, Sie find fehr Hart u. 
haben ein bedeutendes fpezififches Gewicht; ihre Farbe ift mattweiß oder gelblich, 
doch hat man fie auch mit einem grünlichen, bläulichen, rofenrotfen ober grauen 
Schein und zumellen, jedoch felten, fogar ſchwaäͤrzlich. Ihr eigenthümlicher ange 
nehmer Glanz oder Waffer, ſowie ihr fchönes Anfehen überhaupt, verbunden mit 
Ihrer Seltenheit, Hat fie fchon feit dem Alteften Zeiten zu bem Range der Eoftbarften 


. rin Perlen.“2 [3 
Schilirdtäegenftände erhoben, Bon find fie in Europa fept bei weiten weniger 
in der Mode, als früher. en aus zwiebelartig ——— 
Schichten, wel hi immer von gleichartiger Maſſe find, fo daß nicht ſelten 
eine P. vom geringem Anfehen verbeſſert wird, wenn bie Außerfte Hülle davon abs 
foringt. Der Grund ihrer Entftehung feheint verfchtedener Art zu feyn, inden dab 
Thier waheſcheinlich theils Fleine Sandförner ober , Die pwiſchen 
die Schalen gefommen find’ und es beläftigen, mit dem fhleimigen Gafte, ber Ihe zug 
Bildung der tter dient, umgibt, theils mit biefem Sale bie Deffnungen 
‚en ſucht, welche durch Bohrmufcheln oder andere Zufäl & 


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fommen find. Auf diefe Weiſe ſollen in Indien P. durch Kum 
indem man entweder die 564 an mehren Stellen anbohrt, ober 
fleine natürliche P. in die Mufchel legt, dieſe dann wieder ins 
meßre Jahre liegen läßt. Zur vollfommehen Ausbildung der 
Jahre, nad) deren Ablauf das Thier ftirbt. Det weitem nicht alle Mufcheln 
halten B:, diejenigen aber, In denen ſich welche finden, enthalten immer 
öhnli 10 bis 12 Stud, doh Hat man auch Muſcheln mit 60, ja ſogar bis 
50 Stüd gefunden. Die meiften SP, werden In den of» und weinbiichen Wer 
em gefunden u. zsar namentlich bei ber Infel Bahrem oder Bahrein im 
Din Mueteöufen, ba der Städt Katif umwelt Garifa an ber Küfle des Er 
; a0 der fogemannten Merientüfte auf ber Infel Eeylon, an ben 
Jepen, Jesau. —— beſonders an ben Kück 


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tebenbächen bei Dxlanig in Sayfmıc, doch ft die Ausbeuie überall fo ger 

den nıte felten regelmaͤßig betreibt. Die P. von der Infel Ceylon, 

nders an ber Weſtküſte im Golf von Manaat getrieben 

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Einen geringeren Olany "u. Umeeinere Oberfläche, Die 

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jang runden; Baufen« P., Ranten» PB. ober 
an unförmlichen; monftröfe PAR ve ke und ne 

t + ober Büßchen, Die fh ber colinbrifchen Gorm: nähern 
En Een Mapens 9. Die Team, Vefendene zu Eiern tangihen, 


76 Perlhuhn — Periuutter. 


welche nach bem Gewichte verkauft werben; Etumpf-, Stoß⸗ ober Staub P. bie 
fleinften von unregelmäßiger Form u, geringerem Werthe. Unter Kock⸗P. verficht 
man feine eigentliche P., Tondern warzenartige, in ber Perlmutter entftehende Aus» 
wüchje, die Fiftenweife aus Oflindien fommen u. wie Achte PB. verwendet werben. 
Gewogen werben die P. nach dem Juwelengewicht (ſ. d.). — Kuͤnſtliche P. 
hat man in verſchiedenen Arten. Die vollkommenſte Nachahmung bilden die fran⸗ 
zoͤſtſchen oder Franz⸗P., ſehr duͤnne geblaſene Glaskuͤgelchen, Die inwendig mit 
ber ſogenannten orientaliſchen oder P.⸗Eſſenz uͤberzogen und dann mit weißem 
Wachs ausgefüllt find. Die P.⸗Eſſenz, welche im Jahre 1656 von dem Emails 
leur Jaquin aus Burgund erfunden wurde, wird durch Auflöfung ber abgeriebes 
nen u. getrodineten Schuppen bes Weißfifches oder ber Ablette Cyprinus Albur- 
nus) in verbünntem flüfigem Ammonium bereitet, In Paris, weldyes ber eigent- 
liche Sig der Kabrifation u. bes Handels mit ſolchen PB. ift, verfertigt man fie 
in jo großer Bollfommenheit, daß fie im Außern Anſehen durch Nichts von ben 
aͤchten zu unterfcheiden . Außer Frankreich werben fie auch in Nürnberg u. 
an einigen anderen Orten in Deutfchland, in Stalien u. felbft in ber Türkei vers 
fertigt. Römische P., welche in Rom fabrifmäßig verfertigt werden, find aus 
Alabafter gedrehte Kügelchen, bie in Wachs getaucht u. außen mit ber P.⸗Eſſen; 
überzogen werden ; fie nugen fich fehr leicht ab. Maflive Glas -P. werden in 
Böhmen aus verfchieden gefärbten een verfertigt und nach Art ber Edel⸗ 
fteine mit Facetten gefchliffen. Die ebenfalls mafliven kleinen Glas⸗ ober Strids 
P., auch venetianifhe P. genannt, werden theild in Venedig, theild ebenfalls in 
Böhmen verfertigt, 

Perlhuhn (numida L., melcagris Ok.), eine Gattung aus ber Familie der 
ühner. Der Schnabel iſt kurz, bie, Herabgebogen, gewölbt, hat an ber Wurzel 
achshaut (darin die Rafenlöcher), an dem Unterkiefer Fleiſchlappen, ber Kopf 

u, das Geſicht kahl oder nur mit wenigen baarartigen Federn befeht, auf bem 
Scheitel ein fammartiger Auswuchs, Fuͤſſe fpornlos, Schwanz kurz, haͤngend; figen 
auf Bäumen. Arten: gemeines °P. (n. meleagris, meleegris numidica), aſchgrau, 
mit häufigen runden Yleden befegt, in Afrika wild, in opa Hausthier um ber 
wohlichmedenden Gier willen, beſchwerlich wegen bes Geſchreis; gehaubtes P. 
(n. cristata) u. a. 

Derimutter (Mater perlarum), nennt man den von ber äußern, aus fi 

dig gelbbraunen oder grauen Blätern beftehenden, Schale getrennten innern 

der Merlenmufchel welcher wegen feines Glanzes, feiner Ichönen Regenbogenfar⸗ 
ben, feiner Glaͤtte, Feſtigkeit u. Dauerhaftigfeit zu einer Menge feiner u. zierlicher 
Zurusgegenftände verarbeitet wird. Die Perlenmufcheln find faft rund, platt, an 
einer Seite, wo beide Schalen miteinander verbunden find, quer abgefchnitten u. 
von ziemlicher Größe u. Schwere, denn man hat fie 10 — 12 Zoll lang u. fa 
fingerdid. Der innere, eigentlich brauchbare, Theil dee Mufchelfchale befteht aus 
vielen übereinander Legenden Blättern, weldye duch flählerne Mefier von einander 
getrennt werben fönnen. Man fägt gewöhnlidh, wenn es nötig ft, die Schale 
unter Waſſer in mehre Fleine Stüde u. fpaltet fie erſt dann. Außer ben Schalen 
ber Achten Perlenmuſchel (Mytilus margaritiferus) wird bie PB. auch von mehren 
oftindifchen Aufterarten u. anderen Conchylien gewonnen. Die befte B. iſt bie 
oftindifche oder orientalifche, welche von den Verlenbänfen in Oftindien unb bem 
perfiichen Meerbufen fommt. Sie hat die fhönften und größten Schalen, welche 
an der Außenfeite kaffeebraun find, an ber innern Seite aber die fchönften Regen- 
bogenfarben fpielen. Geringer ift die griechifche oder Agyptiiche B., in O 
reich die raiziiche genannt, deren Schalen felten 6 — 7 Zoll im Durchmefler Bas 
ben, aͤußerlich ſchwarzgrau find, oft mit faft ſchwarzen, vom Schloffe ausgehenden 
Schalen; doch haben mande auch eine ziemlich weiße Oberfläche u. darunter eine 
ſchwaͤrzliche Spielung. Die weftindifhe P. ift die geringfte, indem bie mittelgros 
Ben, dicken Schalen zu hohl, auch fpröbe u brüdhig find. Die P. Schalen wur⸗ 
den früher in ber Medizin gebraucht, was aber jegt nicht mehr ber Gall iR, da 


Perm — Peron, 77 


man fidh übergeugt hat, daß fle keine anderen Beftandtheile haben, als alle anderen 
Muſcheln. Die Abfälle bei ber Bearbeitung der :B. werben zu Staub gemahlen, 
weicher zum Buben bes Silbers u. der Achten Perlen, wie auch in Italien zur 
Berfertigung kuͤnſtlicher Perlen bemügt wird. 

Derm, 1) ein Bouvernement im aflatifchen Rußland, nach ben Ureinwohnern 
biefee Gegend, den Biarmiern, fo genannt, zwifchen den Gouvernements Wologda, 
Tobolst, Orenburg, Wiätfa; Hat 6100 Meilen, wird vom Ural durchzogen, 
der auf 100 Meilen Länge u. bis 15 len Breite in verfchiebenen Zweigen u. 
mit ber hoͤchſten Spige (Pawbinsfoe Kamen, 6397 Fuß) fich Hier ausbreitet. 
Bawäflert wird es von ber Rama, welche faft alle Gewäfler auf ber weftlichen 
Seite aufnimmt, ber Petſchora (deren Quellen Hier), Ufa, Soswa, Tura, Iſet 
u. a.; ferner gibt e8 viele Seen, auch mehre zum Theil fehr befuchte Minerals 
quellen. Das Klima ift rauf und zumal an und auf dem ®ebirge fehr unfreund« 
lich. Die Hauptbefhäftigung der Einwohner, deren man 1,500,000 (Ruffen, 
Tataren, Bafchliren, Teptjaͤren, Permier, Tſcheremiſſen, der Religion nach mel 
Griechen) zählt, befteht in Bergbau. Diefer bringt reichlich Gold, neuerlich mit 
befonders reichem Ertrage, Platina, Silber, Kupfer, Eifen, Salz, edle Steine u. 
bergl., wirb mei auf Rechnung von Brivatperfonen betrieben u. durch die großen 
Balbungen, die jeboch nicht genug geihont worden find, befördert. Sonft treibt 
man noch Bichzucht (Pferde, Rindvieh, Schafe, Ziegen, Federvieh), Aderbau 
(nicht immer ausreichend), allerhand Induſtriezweige, vorzüglich foldhe, die mit 
dem Bergweien zufammenhängen, Xeberbereitung, Leinweberei, Pottafchenfieberei, 
Branntweinbrennerei, durch welche Fabrikate ber Handel fehr gefördert wird; boch 
gavinnt bie Provinz dadurch nicht viel, da die Eigenthümer ber Hüttenwerfe aus⸗ 
wärts leben. — P. Hat feine Berfaffung 1781 erhalten und wurbe getheilt in bie 
Lanbfchaft P. (weſtlicher Theil) und Jekaterinburg Cöftliher Theil); jetzige Eins 
theilung in 12 Kreife. — 2) Die gleichnamige Sauptftadt an der Kama u. Ja⸗ 
guſchiha, Sig der Gouvernementsbehörben unb eines Bifchofs, mit etwas über 
10,000 Einwohnern, hat 2 Kirchen, Gymnafium, theologifches Seminar, Hofpital, 
großes Kornmagazin und ift Stapelort für die auf den Flüffen herabfommenden 
Baaren. In der Nähe eine große Kupferhütte. Bedeutender ift bie Bergſtadt 
Getaterinburg mit 16000 Einwohnern, Sig des Oberbergamts, einer Berg- 
werksſchule, wichtigen Metallfabrifen, einer Sanonengießerei, Eifen: u. Drabts 
Hämmen, Steinſchleiferei ıc. ıc. 

Germutation, ſ. Eombination. 

Pernambuko, eine Provinz in Brafllien, mit 1500 [] Meilen u. 500,000 
Ginwohnern, zwifchen Piauhy, Alagoas, Bahia, Goyaz u. Minas, vom Francisco 
durchſtrͤmt u. rei an Produkten ber tropifhen Länder. — Die gleichnamige 
Hauptftadt umfaßt die an der Küfte liegenden Orte Dlinde im Norden, echte 
im Süden, SansAntonio u. BoasBifta, hat 70,000 Einwohner, einen fichern 

fen, große Schiffswerften und beträchtlichen Handel. Die Ausfuhr umfaßt 
uder, Baumwolle, Häute, Rum, und die Einfuhr Gewebe aller Art, Wein u. 
geiftige Getränke, Mehl, Lebensmittel, Seilerwaaren, Leber, Butter, Olivenöl, 
Leinöl, Fiſchthran, Droguen, Spezereien, Waffen, Schießpulver, unverarbeitete 
Metalle ıc. ıc. 
Eron, Franz, franzöfifcher Raturforfcher u. Reifender, geboren den 22, 
uft 1775 zu Cerilly im Departement Allier im Bourbonnais, befuchte das 
Collöge in feiner Baterftadt, wo er ſich durch feinen Lerneifer auszeichnete. Beim 
Ausbruche bes Kriegs 1792 ließ er ſich anwerben; 1793 in ber Schladht von 
Raiferslautern wurde er verwundet und gefangen und fam zuerſt nach Weiel, 
dann nach Magdeburg; 1794 ausgelöst, begab er ſich nad Thionville, wo er 
Dede GErblindung eines Auges feinen Abfchied erhielt. In feine Heimath zurüds 
gekehrt fuchte u. erhielt P. bie Aufnahme in bie mebizinifche Schule in Paris, 
woſelbſt er mit allem Eifer dem Studium der Heilfunde u. der Raturgefchichte 
fi) wihmete u. 1799 zum Med. Dr. promovirt ward, Bei ber unter Leitung bes 


78 Peronne — Perpetuum mobile, 


Schiffskapitaͤns Baudin nach bem Sübmeere ausgefchidten Expedition erhielt P. 
bie Gtelle eines Zoologen; den 19. Oktober 1800 verließen die Beiden für bie 
Expedition ausgerüfteten Schiffe Havre. P. fchloß Hier Freundſchaft mit Dem 
Zeichner Lefueur, der auf der ganzen Reife die von PB. entbedten u. beobachteten 
Thiere abbildete. Die Reife Bing, über Isle de France nah ber Weſt⸗ u. Süb- 
fühte von Neuholland, die Inſel Timor, Bandiemensland u. zurüd über Isle de 
France u. das Vorgebirg der guten Hoffnung ; nad vierthalbjähriger Abweſen⸗ 
heit landete PB. am 7. April 1804 in Llorient u. kehrte mit feinen reichen Schäßen 
nah Paris zurüd. Nach Euvier’s Bericht Hat PB. mehr als 100,000 Thiere ges 
fammelt, darunter mehr als 2500 neue Arten u. viele aus bis dahin ganz unbe 
fannten Battungen, u. hat mit Leſueur mehr Thiere fennen gelehrt, als alle Raturforfcher 
ber damaligen Zeit zufammen. Belonders Hatte er im Bereiche der niederen 
Seegeſchoͤpfe viele Entdedungen gemacht, außerdem aber werthvolle Unterfuchungen 
über Meteorologie, Temperatur des Meeres u. die Phosphorescenz, beffelben anges 
ſtellt. P. wurde Mitglied der Akademie. Seine geftörte Geſundheit zwang ihn 
aber bald fi nah Nizza zu begeben; nad) Paris zurüdgefehrt nahm fein Brufts 
übel mehr u. mehr zu und am 14. Dezember 1810 flarb er in feinem Geburts: 
orte, — Außer mehren Abhandlungen hat PB. Hinterlaffen: „Voyage de decou- 
vertes aux Terres-Australes pendant les anndes 1800-1804, 3 VoL, Paris 
1807—1811, 4. suivi d’un atlas in fol.;5 bie Vollendung dieſes Werkes wurbe 
nach bes Berf. Tod durch Freycinet (ſ. d.) bemerfielligt. E. Buchner. 

Peronne, alte u. befeftigte Hauptftabt des gleichnamigen Arrondiffements im 
feanzöftfchen Departement Somme, in einer moraftigen Gegend an ber Eomme, 
hat einen fhönen Warftplag, fünf Kirchen, eine Mineralquelle u. über 4000 Eins 
wohner. — Die Stadt war ſchon zur Zeit ber Merovinger befannt. Hier ftarb 
Karl der Einfältige in der Gefangenſchaft. Später gehörte P. zu Burgund, 
wurde aber nad Karls bes Kühnen Tobe von Ludwig XI. zurüdgenommen. 
Zwar reflamirte fie Marla von Burgund, aber vergeblih, und im Frieden von 
Madrid trat Karl V. fie förmlich an Franfreih ab. 1536 wurde fie von Graf 
Heinrih von Raffau vergeblich belagert u. 1815 (26. Juni) von ben Engländern 
unter Wellington mit Sturm genommen. 

Perotti, Nicolo, Erzbiichof von Siponto, geboren zu Safloferrato 1430, 
ſtudirte p Bologna, trat daſelbſt als Lehrer auf, kam um 1452 in die Dienſte 
des roͤmiſchen Hofs, genoß das Vertrauen mehrer Naͤpſte, bekleidete die wichtigſten 
Stellen u. ſtarb 1480. P. gehörte zu den berühmteſten Schriftſtellern feiner Zeit, 
überfegte viele griechifche Autoren in's Lateiniſche u. gab unter dem Titel Cornu 
copiae sive lınguae latinae commentarii, Venedig 1489 und Bafel 1532 einen 
öfter gebrudten Kommentar über den Martial heraus, ber als eine wahre Fund⸗ 
grube für die Latinität zu betrachten iſt. 

Perpendikel, Heißt 1) der Pendel an ben gewöhnlichen Gewicht: u. Stods 
ußren. Derfelbe befteht aus einem langen, geraden Drabte von Eiſen oder Meſ⸗ 
fing, mit einem linfenförmigen Gewichte. — 2) In ber Geometrie diejenige gerabe 
Linie, welche auf eine Borizontale Gerade ſenkrecht gezogen wird, daher eine folche 
Linie auch eine perpendifuläre, ſenkrechte oder lothrechte Heißt. 

Perpetuum mobile, Selbſtbewegungsmaſchine, nennt man ein Ets 
was, weldyes ſich ohne alle Außere Beihülfe unaufhörlich fortbewegen u. die Urfache 
feiner Bewegung in ſich felbft Haben, oder auch feine eigene Bewegung, bie bes 
wegende Kraft, ftetS wieder erneuern fol. Es ift durchaus unmöglich, daß eine 
fih in Ruhe befindende Maſchine, die Urfache ihrer Bewegung, welche urfprüngs 
lich durch irgend einen Impuls gegeben worden, nun ohne Aufhören fortbauere, 
weil die Hinderniffe der Bewegung, wie 3. B. Widerftand der Luft, Reibung, 
Einfluß der Witterung, Abnügung der Mafchinentheile u. ſ. w. jeben auch noch 
fo großen anfänglichen Kraftuͤberſchuß allmälig vernichten, u. da jede Erneuerung 
ber Kraft durch den Bang ber Maſchine nur fcheinbar ſeyn muß, meil fie immer 
auf Koflen jenes anfänglichen Kraftüberfchußes geſchieht u. bie Wirkung nicht 


m drehen u. zugleich eine Uhr in ſteter Bewegung zu erhalten fchien u. 
von Buihmann in Blauen in ber Ausführung v lüdte P. ie am 
fe ber Spinnerei. Bon dieſen Alteren Maſchinen Bat ot das P. m. von 
r das meifte Auffehen erregt. Die sonfänbige Beichreibung findet fih in 
Wunder ber Mechanit, Tübingen 1832, Thl. U. Hier ward ber Betrug 
nach Geislers Tode dadurch entbedt, daß man nach Abhebung bes Secundens 
ts ein Loch zum Einſteden des Uhrſchluſſels fand, durch welchen bas Ganze, 
es laufen war, wieber aufgezogen werben fonnte. — Ein fehr leſens⸗ 
her Yufjap über das P. m. überhaupt findet ſich in Gehler's phoſ. Wört. n. 
3. VL nl ©. 408-423, wo zugleich aud eine ziemlich voliſtaͤndige 
atue t 
—e Hauptflabt des franzoſtſchen Departements Ofpyrenäen u. der 
aligen Grafſchaft Rouffilon, am et, 14 Meile von feiner Mündung in das 
Hämbifche Meer, iſt Sig ber Departementalbehörben, eines Biſchofs, zweier 
und» u. Eerbisgeie u. gut befeftigt. Vor ber Citadelle befindet ſich 
herrliche Esplanade. Die Stabt hat eine ſehenswerthe Kathedrale, ein Eolöge, 
ſchule, Mufeum, Bibliothek, botanifchen Garten, einige Hofpitäler, Geſell⸗ 
t zur Beförderung bed Aderbaues u. Handels u. 19,000 Einwohner, weiche 
ten in 2eber, Tuch, Branntwein, Seife, u. lebhaften Handel mit dem Hier 
fenden Rouffilionwein, Wolle, Eifen u. |. w. betreiben. Die 1349 von Peter 
Aragonien gefiftete Univerfität wurde in ber Revolution aufgehoben. 1819 
a von en  übetanifipe Ziegen hieher verpflangt, bie ch in ber hieſigen 


umichäferei 
Verpoucher · Sedlnitzky, Heinrich George, Graf ven, geboren 1773 
>aag, ſtammte aus einer alten abeligen Familie aus Holland, erhielt die erſte 
in England, kam hierauf in das Garolinum zu Braunfhweig, trat 
als Lieutenant im ‚Dragonerregimente Bylant in hollaͤndiſche Dienfle, wo er 
eidiuge 1793, indeſſen Rittmeifer u. Adiutant des Prinzen Friedrich von 
dien getvorben, in ber Schlacht bei Werwid biefem bad Leben rettete u. an 
ben Zaae noch ben Prinien Karl von Naffau-Weilbura aus fa unvers 


80 - Perrault. 


entlaffung aus englifhem Dienfte zu nehmen u, für ben Augenblick in fein Bater- 
land zurüdzufehren, wo er fi, befannt als unerfchütterlidder Anhänger bes 
la Oranien, zwar unter polizeilicher Aufficht befand, jedoch trogbem nicht 

umte, 1813 fräftig für das vertriebene Regentenhaus mitzuwirken u. durch feine 
Energie den im Haag commandirenden franzöfiichen General zur Eapitulation zu bewe⸗ 
en, worauf er mit I. Fagell den Auftrag, das britifche Gouvernement von bem 

eihehenen in Senntniß zu fehen u, ben Mein; von Dranien einzuladen, fi an 
bie Spige der Regierung zu ftellen, volführte Als Generalabjutant mit wichs 
tigen Aufträgen zu den verbündeten Monarchen gejendet, ward P. bei feiner 
Ruͤckkehr Generalmajor u. Befehlshaber der damals bisponibeln Truppen, mit 
denen er, gemeinfchaftlich mit den Preußen u. Engländern, Goram, Bergen op 
Zoom u. Antwerpen blofirte, nach dem ‘Barifer Frieden aber feine frühere Ge⸗ 
fandtfchaft in Berlin wieder antrat. Bon Neuem bediente fik fein Souverän 
P.s im Feldzuge 1815, u. in biefem war es, wo er, als Generallieutenant u. 
Gommandeur ber zweiten Divifion der Niederländer, am 15. Juni, obgleich ikm 
der Herzog von Wellington, durch falfche Nachrichten getäufcht, ben Befehl fenbete, 
ſich nach Rivelles zuruͤckzuziehen, die hohe Wichtigkeit der eingenommenen Stellung von 
DuatredsBras erfenmend, es auf feine Gefahr nahm, Dieter Ordre nicht zu folgen, 
fondern fortwährend die Stellung gegen das Ney’iche Corps zu halten u. hiedurch ben 
glüdlichften Einfluß auf den Sieg bei Bellealliance zuüben, an welcher Schlacht ex 
ebenfalls den thätigften Antheil nahm. Als Anerfenntniß des Geleifteten erhielt 
P. von feinem Monarchen Ehrenzeichen u. ben Grafenftand, von dem Könige von 
Preußen ben rothen Adlerorden erfter Claſſe verliehen. Nach erfolgtem Frieden 
ging er auf feinen Gefandtfchaftspoften zurüd u. befleibete benfelben mit der Aus» 
zeichnung, welche ein thatenreiches, wuͤrdiges u. conjequentes öffentliches Leben 
gewähren, bis zu feinem Tode 1842, 

Perrault, 1) Eharles, Mitglied der franzöfifchen Akademie, geboren zu 
Paris 1628, wibmete fich mit beftem Erfolge den Wiftenfchaften, erwarb fich da⸗ 
durch bie Achtung Colberts u. die Stelle eines ®eneralcontroleurs der Gebaͤude. 
Er war biefes Miniſters rechte Hand in allen An eiegenheiten, welche die Ge⸗ 
Ichrfamfeit betrafen, ber eigentliche Stifter der Alta der Inſchriften u. ber 
fhönen Wiffenfchaften, fo wie der Akademie ber Malerei u. Architektur; er fchrieb 
in Colberts Ramen bie Briefe an auswärtige Gelehrte, verfchaffte diefen Penflonen 
vom franzöfifhen Hofe u. dadurch das Lob der Gelehrten in allen Ländern Lud⸗ 
wige XIV. Nach Colberts Tode 1683 verlor er feine Bebienftung u. lebte nun 
im Stillen den Wifienfchaften. Durch fein Gedicht „le Siecle de Louis XIV.“ gab 
er das Signal zu dem berühmten Gtreite über den Borzug bee Reueren vor dem 
Alten; er erfannte den erfteren den Preis zu u. entwidelte feine Meinung noch 
weiter in feiner Parallöle des Anciens et des Modernes, en ce qui regarde les 
arts et les sciences, Parts 1690, A Bde., aber mehre angefchene Gelehrte be- 
wiefen die Unftatthaftigkeit feiner Urtheile. Außer mehren anderen, in Profa und 
Deren, das jeht vergefien ift, fihrieb er: Les hommes illustres de France, qui 
ont paru en France pendant un siecle, avec leurs gortwaite au naturel, Paris 
1796— 1800, 2 Bde,, u. hernach noch einigemal. ftarb am 17. Mat 1703. 
— 2) P. Elaude, Bruder des Borigen, geboren zu Paris 1613, ſtudirte bie 
Medizin und wurde Mitglied der Kakultät zu Paris. Er verband mit bem 
Studium der Mebizin und Raturwiffenichaft sugleich das ber Architektur und 
war in beiden gleich berühmt. Als Arzt erſchien er nicht öffentlidh, benn er 
war e8 nur für jeine Familie, feine Freunde u. die Armen, aber als Baumeiſter 
ftellte er die prächtige Eolonnade bed Louvre bar. Er erfand auch bie Mafchine, 
durch die man Steine von 52 Fuß in die Länge emporheben kann u. verfertigte 
eine vortreffliche franzoͤſiſche Meberfegung bes Vitruv. Die Natur w. Arznei⸗ 
wiffenfchaft bereicherte er mit Interefianten neuen Beobachtungen u. war Stahls 
Borgänger in ber Theorie von dem PAntheile der Seele an ben unwillkuͤrlichen 
Berihtungen. Er war Mitarbeiter an der Hist, des Animaux, fchrieb Essais 


! BP. treibt fehr lebhaft Schiffbau u. Schifffahrt. In der Gegend ein Gras 
— Die Burg P. iſt eine der Alteften in Deſterreich, und nach einis 
heiftRellern hat er bas Jahr 260 die arx Persenboigium als Borwert 
fiegenben Kaſtells ad pontem Isidis (Ips) geſehen. Bon 905 bie 
* hier die Grafen von Sempta u. Ebersberg. Richildis, die Wittwe 
dten biefes Stammes, bewirthete in ihrem Echloffe Kaifer Henrich IL, als 
auf der Donau nad) Ungarn fuhr. Nach dem Maple brach plö uͤch der 
ben bes Saales ein und alle Anweſenden ſtuͤrzten in bie unter bemſelben 
iche Babeftube. Der Railer ſelbſt wurde nur leicht am Arm verwundet, bie 
rau aber, ber Biſchof Bruno von Würzburg und der Abt Altmann von 
8 erlitten fo ſchwere Berlegungen, daß fie nach wenig Tagen ſtarben. 
ahre 1800 brachte Kaiſer Franz die Herrfhaft P. von dan —— Be⸗ 
ben Freiherrn von Hoyos, durch Kauf an ſich. 
berfephene, bei ben Römern PBroferpina, Tochter bes Zeus u. ber Done 
ber Styr), wurde ihrer Mutter von Pluto (f. d.) geraubt, als fie 
* ihren @®efpielinnen Blumen pflüdte. Aengſtlich ſuchte fie nun Demeter 
je lange, bis fie am 10. von Helios ben Aufenthalt ihrer Tochter erfuhr. 
etämmerte Mutter verbarg ſich nun und Unfruchtbarkeit traf bie Welt. Zeus 
4 Fr ein, daß fe ihre Tochter zurüderhalten folle, wenn fie im ae 
jemoffen habe. Diefe hatte aber bereitS von einem Granatap| 
ee daher in ber Unterwelt bleiben, wo fie fortan mit Pluto — 
u übe erlangte es Demeter, daß fie ein halbes Jahr bei ihr in ben Res 
: bes Lichtes zubringen dürfe, während fie das andere halbe Jahr in der 
vet bliebe. Im Tobtenreiche in fie Gemahlin ihres Entführers. Ihr — 
® kalt, eat, top gefühllos. Nur des Orpheus Leyer und bie Schönheit 
tonnten fie igembtiatic rüßren. Hauptgegenben ihrer Verehrung waren: 
4 wo fie auch geraubt wurde, u. Großgriechenland, wo man auch ihr Bild 
kuͤnzen flug; Heilig waren ihr die Wiefen zu Enna, bie Duelle Yanez 
kis Be fie einen reichen, mehrmals geplünberten el, ebenfalls zu 
wtf Ar Nach Birgil ſchneidet fie jelbk, und nad ipides Thana⸗ 
Eod) ben Sterbenden das paar ab, was ihr geneit wurde. In den Mys 
wo N. eine aroße Rolle Ivielt, aalt fie ale Eombol bes Todes, ber Uns 


82 Perfepolis — Perſeus. 


erſepolis, bie alte Hauptſtadt Perfiens, in einer vom Araxes bewäſſerten 
Ebend font durch Pracht, Reichthum und Denfmale aller Art, beſonders 
aber durch den Palaft, in welchem bie perfiichen Könige wohnten und begraben 
wurden. (Rach Anderen fol indeſſen PB. nicht Reſidenz geweien ſeyn). ans 
der der Große nahm die Stabt 330 v. Chr. nad Belegung bes Darius weg, 
ließ fich durch die Thais zur Rache verleiten und brannte fie nieder. Noch jept 
bewundern die Reifenden die Ruinen von P., bie unter dem Namen Tſchil⸗minar, 
(d. h. die vierzig Säulen) befannt find. Bal. die Reifebeichreibungen von Char⸗ 
din, Ouſeley, Bruyn, Morier und Karſten Niebuhr, beſonders aber: Alerander, 
Travels from India to England, through Persia etc. Lond. 1827 u. Reih, Baby- 
lon and P., Lond. 1839. | 

Perſes, 1) Einer der Titaniden, Sohn des Titanen Krios u. feiner Schwes 
fier, der Eurybia. — 2) Sohn des Helios u. Bater der Hefate, welche ihn vergiftete 
und fi) dann mit feinem Bruder Aetes vermäßltee — 3) Sohn bes Perjeus 
(f. d.) u. der Anbromeba, ber angebliche Stammvater ber Perfer. 

Derfens, 1) Einer der berühmteften Heron, deſſen Stamme Herkules ents 
fproß, von Jupiter erzeugt, der in der Geſtalt eines goldenen Regens durch bie 
Dede des Thurmes kam, in welche Akriſios feine Tochter, die ſchoͤne Danae, aus 
Furcht vor einem Orakelſpruche verborgen hatte. Die Wärterin der Danae warb 
ermordet, fe felbft aber, nebſt ihrem Kinde, in einem Kaften dem Meere preisge⸗ 

eben. Wind und Wellen, mitleidiger ald ber graufame Bater, trieben bie Bers 
Boffene nach der Infel Seriphos, woſelbſt Diktys ſich ihrer annahm, befien Brus 
ber Polydektes aber verrätherrifih an dem zum Sünglinge erwachſenen P. hans 
beite, indem er ihn zu dem gefährlichen Zuge gegen die Gorgonen aufmunterte. 
PB. überwand das Ungeheuer, indem er mit abgewendetem Blide nur im Spiegel 
bes glänzend hell polirten Schildes nach der Mebufa fah und fo ihr ben Kopf 
abhieb, durch welchen er verfteinert worden wäre, wenn er ihn felbft angefchen 
hätte. Gebt barg er dieſen entfeglichen Kopf in eine lederne Taſche u. gebrauchte 
ihn als feine furchtbarfte Waffe; denn, wo ihm der Feinde Zahl zu mächtig wurde, 
wo er fie nicht durch fein gewaltiges krummes Schwert befiegen konnte, ba hielt 
ex ihnen das Mebufenhaupt vor und verfteinerte fie. Andromeba warb des Hel⸗ 
den Gattin; mit ihr kehrte er nach Griechenland zurüd unb erfüllte ben Orakel⸗ 
fpruch, welcher dem Akriſios den Tob von dem Rinde feiner Tochter gedroht, in- 
dem er bei den LXeichenfpielen des Königs von Lariffa, in Theffalien, durch einen 
Diskus getöbtet wurbe, ben P. emporgeworfen. Ihm fiel nun Araos zu; Diefes 
Reich vertaufchte er jedoch gegen Tirynth, wofelbft er die Städte Mykene u. Mi: 
dea mit Mauern umgab. Ihm wurden fpäterbin ganze Städte und Tempel ges 
widmet. Zu Chemmis in Aegypten hatte er einen ber bebeutenbfien ; biefer Ort 
rühmte ſich fogar fein Stammort zu ſeyn; zu Tarfos in Kilikien ward er als 
Gott verehrt; auch in Athen Hatte er einen Altar und eine Bilbfäule von Er. 
Seine Battin war entweber geftorben, oder von ihm verftoffen worden, weit fie 
einem natürlihen Sohne des P. nach dem Leben trachtete. Darauf vermählte er 
fih zum zweitenmale mit Laodike, der Tochter des Seleufos, welche ihm ben Li⸗ 
fomnios und die Alfmene, die Mutter des Herkules, gebar; dieſes fcheint jedoch 
irrig, denn es ift befannt, daß Alkmene die Tochter bes Elektrion geweien. (Ein 
Liebling der Minerva und des Merkur (die Erſte Hatte ihm ben Hellpolirten Schild, 
der Andere Pluto's unfichtbar machenden Helm und feine eigenen Fluͤgelſchuhe ges 
eben) ward er nach feinem Tode ald Heros verehrt und unter bie Sterne vers 
—* So bildet er eines der noͤrdlichſten Sternbilder, nahe der Andromeda; dort 
erſcheint er als Krieger mit geſchwungenem Schwert in der einen, und mit dem 
Meduſenhaupte in der andern Hand. Er ſteht mitten in der Milchſtraſſe, iR oͤſt⸗ 
ih von bee Andromeda, wehtlih von dem Fuhrmann, unterhalb oder ſuͤdlich vom 
Stier, norbwärts von ber Kaffiopeia begränzt; 45 deutlich fichtbare Sterne gehoͤ⸗ 
ren zu ihm, — diefe Anzahl iſt nämlich von Hevelius angegeben, ein gutes Auge 
zählt inbefien über 100. Giner berfelben, am Gürtel, Heißt Algenius, einer am 


meHv VER SELLER TEHCEN, DOW, TER VD ſchwacht TORUIE Hert anzus 
rachte er bie Bei mit leeren Mnterhanblungen Hin; und als er endlich 
id flegte, benüßte er den Sieg nicht, fondern begann auf's Reue Unters 
n. arauf Fam Paulus Aemitius nach Macedonlen; P. wurbe 168 bei 
ſchlagen, felbft gefangen u. zu Rom im Triumphe aufgeführt. Er farb 
he hernach im Gefängnif. Die Römer gaben Macebonien eine repur 
Form und madten es tributbar umb völlig von fi abhängig. 

in, (perf. Iran, zuweilen Farſiſt an, bavon ber Rame P.), ein Reich 
sgränzt von bem aflatifchen Rußland, der Bucharei, Afghaniftan, Belud⸗ 
m perfifchen Meerbufen und ber afiatifchen Türkei, umfaßt 23,000 [1 
d zerfällt im 11 Provinzen: Adferbeidihan, Kurdiftan, Ghilan mit Die 
nberan weit Dahiſtan, Taberiftan mit Kumiſo, Khoraſſan, Kuhiften, 
san mit Moghiftan, Farſiſtan mit Luriften, Ehufiftan und Ahwas. Im 
BP. Terraffenland, im Rorden Bergrand und Alpenland, im Weften faͤllt 
as Ylachland ber Ströme, im Innern iſt es ein Wechfel von weiten 
jergmaueern, unüberfehbaren Salz» und Sandwuͤſten. Die wichtigften, 
3gebirge, find: Zaghros, 6 — 8000 Fuß hoch, Dinar, Darmawend, 
„ Kafıs, das Luriftan-Buftir- Hefaarbeere- Aſchudukgebirge und ber HL. 
der 12,000 Fuß hohen Spige Demawend. Berühmte Päffe führen 
Bebirge, in Taberiftan die kaspiſchen Pforten (Kharvar und Keramii), 
n der Sarpul, ber Sufrab in Farfiftan ꝛc. Große Fluͤſſe fehlen; ber 
bebeutenbfte, bildet bie Gränze gegen Rußland. Steppenflüfle find: ber 
r, Mabir, Schemir, Rubs Satvend, Fahor, Serarud, Harfan u. a. 5 
iſchen @olf ergießt ſich der einzige ſchiffbare Fluß Zab, Kerah, Karue, 
beli, Ierotf ıc. ; in das kaspiſche Meer ber Aras, Maflala, Maſende⸗ 
m, Murzhab, Tebfen; in das inbifhe Meer ber Rub Ibrahim, in ben 
: Amu. Bemertenswertfe Seen find: ber 32 Meilen lange Uramia in 
und in Serman die Seen Deſcht Erſen und Derjabfche, ſaͤmmtliche 
ie Eilanbe bes Golfes find ohne reiche Begetation, wie P. im Ganzen 
tes, auf dem Höhen meif tables, wafferarmes und bafer faum zu *s 


84 Derfien. 


zen, ſeidenhaarige Ziege und Kate, großer d und das Tunkinſchwein; in der 
Wildniß: Löwen, Leoparden, Panther, Luchſe, Schafals, Hyänen, Füuͤchſe, Bären, 
Affen, Stachelfchweine, Hirſche, Antilopen, Wildſchweine, Onager, Bezvarböde, 
Gemfen, Murmeltbiere, Robben am faspifchen Meere; Pfauen, Perlhühner, Truts 
hühner, Adler, Kalten, viele Singvögel, vorzüglich Nachtigallen; Fifche und Pers 
lenmuſcheln, Scorpionen, Termiten, aiftige Schlangen u. |. f. Mineralien: 
in außerorbentlicher Menge, Soda, Salpeter, Bitriol, Alaun, Bittererde, Salmlaf, 
Naphta, Asphalt, Schwefel, Edel- und Halbebelfteine, Meerſchaum, Grant, 
Porphyr, Schiefer, Marmor, Eifen, Blei, Kupfer, Antimonium, wenig Gold und 
Silver. Die Zahl der Einwohner wird am richtigften wohl auf 12 Millionen 
efhäst, bie ſich folgendermafien vertheilen: 84 Millionen Perfer, 420,000 Türs 
en, 350,000 Ghilanen, 140,000 Luren, 100,000 Araber, eben fo viele Afghanen, 
90,000 Kurden, 60,000 ®uebern, 35,000 Juden, 11,000 Sabätfche Ehriften. Die 
Perſer eigentlich Tadſchiks, eine Mifchung der Ureinwohner mit Türken, Kurden, 
Afghanen, Arabern, Mongolen, find mittelgroß, wohlgebaut, knochenſtark, von gu⸗ 
ten Berhältniffen, vegelmäßigem Geſicht mit Ipöner Habichtsnafe, ſchwarzem Haar, 
Bart u. Auge, die Frauen oft reizend. Zur Rabruug dienen Brod, Pillau, Ges 
möje, Backwerke, Eonfituren, Obſt, Scherbet, Kaffee, Thee, heimlich auch Wein; 
Tabaf und Opium wird ftarf genoffen. Die Kleidung, meifl grün und blau, bes 
fteht aus weiten Beinkleidern, Hemd, Weite, langem Rode und einem 
Oberkleide; in dem Gürtel ftedt Dolch und Säbel; an den Fuͤßen trägt man vos 
the Soden und Pantoffeln oder Saffianftiefein, auf dem Kopfe die tatariiche 
Müge mit einem Shwal ummunden. Die Frauen erfcheinen öffentlich nur bidht 
verſchleiert; fie fäcben fi Nägel und Augenbraunen und fledhten lange, vork 
überhängende Zöpfe. Prächtige Waffen, Jumelen, foftbare Stoffe werben feht 
geihäst. Die Wohnungen fliehen meift in Gärten und umfchließen einen Hof mit 
eich u. Springbrunnen, find einftodig, von Stein oder Lehm, zierlidh, in hö 
Ständen rei ausgefhmüdt, von hohen Mauern umzogen. Städte und D 
find gleichfalls hoch ummauert und haben enge krumme Gaſſen. Die Vielweibe⸗ 
rei ift gebräuchlich; A Frauen find gefeglich erlaubt, die meiften Reichen untes 
halten weitläufige Haremd. Die Hochzeiten werden prachtvoll gefeiert. Ehebruch 
wird mit dem Tode beftraft. Noch befteht die Sitte, Frauen zu miethen. Die 
Bergnügungen beftehen in Gaftmählern, Bädern, Schach, Karten, Muſik, Tanz, 
Scaufpielen, Kunftfiüden, Feuerwerten, Bogenfchießen, Dſchiridwerfen, Sagt, 
Reiten ꝛc. Die Tobten werben beerdigt und erhalten oft prachtvolle Grabmäler. 
Der Charakter der P. erfreut fich feiner vortheilhaften Schilderungz bas Bolt 
gilt durch alle Etände für völlig verderbt, entnervt, lafterhaft, wollüftig, habfüch⸗ 
tig, betrügertfch, beftechlich, falfch, Hinterliftig, unreinlich; dagegen läßt ſich 
Artigkeit, liebensmürdige Gewandtheit, Verftand, Muth und Geſchick nicht abipres 
hen. Die gefellige Etikette ift bis in das Kleinfte abgemefien, fleif u. lächerlich, — 
Die Berfaffung P.s ift monarcdhifcher Defpotismus, der Schah it Herr des gan⸗ 
zen Staates, vor dem alle Perfer glei, d. h. Sclaven find. Sein Wappen if 
die aufgehende Sonne. Die Prinzen führen den Titel Mirza; unter ihnen wählt 
er feinen Nachfolger (Schah Zade), die übrigen find Statthalter. Der Schaf 
hat 4 Gemahlinnen, einige hundert Conkubinen und zahllofe Sclavinnen. Seime 
efidenz If Teheran. Die oberften Hofämter find: der Hofmarfchall, Cerem⸗⸗ 
nienmeifter, Grembdenführer, Stallmeifter, Jägermeifter, Leibarzt, Hofaftrolog, Dich 
terfürft, Kämmerer, Lanzenträger, Schwertträger, Kaltunträger, Schildträger, Sie 
gelhalter, Kaffeeſchenk. Leibwachen umgeben ihn unaufhörlih. Der Harem ſteht 
unter der Leitung einer Prinzefiin. Um den Schah reihen ſich die Minifter: ber 
Großweflr, die des Auswärtigen, der Finanzen und des Innern. Die Präfiben 
ten der Departements bilden mit biefen ben Divan , worin auch ber S 
ericheint. In den Provinzen befehligen bie Staathalter, unter ihnen die Ha 
(Befehlshaber), Bürgermeifter, Bollzellieutenants , Marftrichter, Dorfridhter, 
Steuereinnehmer sc. Die Verwaltung ift gränzenlos gerrüttet; von bem Schaf 






8, weil ber Schah feine Diener ſchlecht bezahlt u. auf Erprefiungen anweist. 
:er ſoll 180,000 Wann betragen, worunter 60,000 Reiter u. 20,000 WM. 
> gesilbeter Garden. Die Artillerie iſt ſchlecht bedient. Die Waf 
* ae Sanıs, Dei, Säitt, Sübel, —* * Hei 
jen je irregulären Truppen. Die ugwache des 
hirfifchen, Gabi, duriſtaniſchen u. Furbi ——— Feſtun⸗ 
zahlreich, aber ſchlecht. Das Volk if in A Claſſen getheilt: Biegen, 
(Beamte), Kaufs u. Gewerbleute u. Bauern. Der Landbefig iſt * fr 
Erblehen. Der Aderbau blüßt wenig, weil ber Landmann zu belaftet 
den Bergbau mangeln Kräfte u. Kenntniſſe. Gebeihlicher ift bie Vieh⸗ 
vobufte der Inbuftrie find: Metall» u, Thonarbeiten, Mofait, Confituren, 
Leder, Seiden- u. Baumwollenpapier, vortreffliche Gewebe von Seide, 
Bold» u. Silberſtoff. Der { int in Folge ber Trägheit der Bes 
ehe danieder; bie ganfign anbelspläge am kaspiſchen Meere u. Golf 
icht benügt; eine Marine ift nicht vorhanden; nur ber Karawanenhandei 
aft. Haupthandelöpläge find: Tebris, Kermanſchah, Hamadan, Raͤſcht, 
aſchan, Abuſcheher, Benber-Abafit, Meſched, Riidapur. In neuerer Zeit 
dandhandel über Tiflis nad Europa fich fehr gehoben. An allen biefen 
:gt aber der Handel meift in ben Händen der Juden, Armenier u. Ba- 
ie — iſt Teheranz andere größere Staͤbte find: Ispahan, 
R „Schiras. — Als Orden hat P. den Sonnen » ober Loͤwen⸗Or⸗ 
3 Graben, gefliftet von Fethi Alt Schah. — (Gefhichte) Im ber 
e Hat P.eine Rolle gefpielt, bie es im ange ber europätichen Entwides 
einem bedeutenden Gliebe macht. Die älteften Nachrichten reichen in bas 
de Gebiet der Fabel Hinauf; fpäter aber, auf dem Boden ber wirklichen 
e, wichen bie einheimifchen Schriftfteller von ben griechiſchen Hiftoritern 
‚ab. Mit Kajamoros beginnt die Eulturgefchichte; fein Gefchledht ſtammt 
4 ab. Den Krieg bes erften Königs mit den Diws Hat Firduſt beſun⸗ 
er feinen Rachfolgern, bem pifehbabifigen Geſchlecht, tam der Gögenbienft 
iherfdhib war ber Schönfer ber nationalen Eiaentbimlichkeit der Berier: 





ss | Perfien. 


mit Macedonien, die unter Darab II. (Darius Kodomannus) fo verderblich wur⸗ 
den, indem (der, nad ben perſiſchen Gefchichtsichreibern, gleichfalls aus ber 
Königsfamilie von P. emifproffene) Iskander Rumi ıMlerander der Große) bas 
Keih eroberte: Er fol das Rei in 90 YürftentHümer getbeilt Haben; bie 
Griechen fennen nur 24 Satrapien. Die griechifhen Quellen erzählen dagegen, 
daß bie Perfer, ein kriegeriſches Gebirgsvolf in der Landichaft Perfis, 660 v. Chr. 
bem Mederkönige Phraortes tributpflichtig waren, durch Kyros aber frei gemacht 
wurben, 560, worauf dieſer nady Eroberung von Medien das perfifche Hei grün, 
bete u. mit Babylon u. Kleinafien vergrößerte. Sein Sohn Kambyfes fügte 
Aegypten u. die Norbfüfte von Afrika Hinzu. Darius Hyſtaspis (geftorben 486 
v. &hr.) erweiterte zwar bie Graͤnzen bis an den Fluß Indus, fcheiterte Dagegen 
in feinen Unternehmungen gegen die Skythen u. gegen Griechenland. Noch uns 
glüdlicher Friegte fein Sohn Ferxes I., geftorben 465 (f. Griechen land). Unter 
den folgenden Königen, Artarerres Longimanus, Xerxes Il., Artarerres Mnemon, 
Artarerres Ochos, verfant die Nation in Schwelgerei u. Entnervung; das Reid 
ſchwankte in allen Fugen, fonnte fih der Feinde faum ermwehren u. flürzte zuſam⸗ 
men, ald Darius Kodomannıs König war, unter den Schlägen Aleranber’s des 
Großen 330, nachdem ed 200 Jahre befanden hatte. Das neue. perfiiche Neid 
zerfiel in Ränder bieffeit des Euphrat (Lydien, Karien, Myſien, Phrygien, Kap⸗ 
pabofien, Bontus, Paphlagonien, Bitäynien, Lykien, Kilitien, Syrien, Phoͤnizlen), 
zwifchen Euphrat u. Tigris (Mefopotamien mit Babylon) u. zwifchen Tigris u. 
Indus (Perfis, Suflana, Mein, Tapurien, rien, PBarthien, om anien, 
Baktrin, Sogdiana, Karamanien, Arachofien, Zarangia). Dazu bie indifchen 
Provinzen PBaropamifus, Indusland, Muftfanos, Land der Waller u. Oriten u.a. 
Die Theilung nad) Alerander’8 Tode brachte ben größten Theil des oſtperſtſchen 
Reiches in die Hände des Seleufos Rikator. Unter feinen Nachkommen, den Seleufis 


den, riß die Provinz Parthien unter Arſakes fich 1065 die Dynaftie ber Arfadden 


breitete ihr Reich faft über das ganze ehemalige perfiiche Rei aus, erlag aber 


endlich bem römifchen Kaifer Hadrian. Im 3. Jahrhunderte n. Chr. erhebt ſich 


wieder bie volksthümliche Dynaftie der Saſſaniden; Arbifchir I. erobert PB. vom : 
Euphrat bis Khoraſſan. Schahpur nahm fogar ben Kaiſer Balentinian gefan 


gen. Krieg mit dem oftrömifchen Reihe u. den wilden türkifchen Horben ber 
Geten, Sfythen, anaflageten, nehmen das 4. u. 5. Jahrhundert ein. Der 
Nuſchirwan organifirte im Innern, 'im 6. Jahrhunderte. Bon ihm an aber ſank 
die Kraft des Reiches u. flete Unruhen verfünbeten ben Untergang, bis unter 
jezbebicherb I. die Araber das Reich eroberten, 632. Der Islam überwä 

die Volksreligion. Zwei Jahrhunderte befand die alleinige Herrfchaft ber 

Itfen zu Bagdad; dann machten ſich einzelne Statthalter unabhän 


„an0 64 


ig, da6 free 


Bergrevier von Lhorofian, Siftan, Sogdiana fielen ab u. füllten —* 9. u. 10. 


Jahrhundert mit Krieg u. Mord. Das Geſchlecht Buja aus Dilem nahm den 


Süden ein u. ließ den Khalifen nur den Namen ber Herrſchaft. Die Samans 


befaßen den andern Theil u. neben biefen großen Mächten lebten bie Fleineren 
fort. Im folgenden Jahrhunderte ftieg die Macht ber Ohasnawiden auf, umfchloß 
P., wie Indien, u. flredte das Scepter bis über Bengalen u. Kaſchgar aus. 
Auch diefe fanten ſchnell; die Dynaſtie ber Seldſchuken drang buch Lift u. Ge⸗ 
walt ein; ven Khoraſſan aus überzog Toghrul P., Alp Arslan, Malet Schaf 
u. 9. drangen nad) Aegypten, Syrien, Kleinafien, Georgien vor, Turkeſtan u. 
Afghaniſtan gehorchte, aber mit bem 12. Jahrhunderte erlofch ihr Stamm in P. 
Längft Hatten bie Atabeghs (Häuptlinge) ihre Schwäche benügt. In Abferbeibs 
dan, Bars, Luriftan erhielten fie fo ftets kaͤmpfend durch fchändliche Mittel; 
neben ihnen herrfchte Huſſun Subah's Haus, bie Affafinen, auf hohen Bergen 
wohnend, duch Kanatismus. Ghilan wurde von ihnen erobert. Anfange 
bes 13. Jahrhunderts brach der Sturm aus Rorboft los. Dſchingiskhan über 
wältigte P.; Hulafu, fein Entel, exoberte es ganz (1253) nebft Mefopotamien u. 
Cprien u, fiürzte das Khalifat. Ein Rachfolger, Ghazan Khan, nahm den 3 


im 


Perfiflage. EL 
‚ um 1300, Als die Mongolenherrſchaft ſank, brach Timur aus Turle⸗ 
‚ 1383, Ubernahm das Reich u. feine Nachkommen geboten in B., mit 
fen oft im Kriege, bis 1470. Turkomanifche. Stämme 
auf, vernichteten ſich aber. gegenfeitig 1477 —89; 
jledhte der Soft (Safawih), frommer Priefter: u, wil« 
jr, nach mörberifcen Kämpfen neue Könige hervor; unter. ihnen vers 
9 bie Sekte ber Scüten. Unter Shah Tamasp Fam ein englifcher 
von bee Königin Elifabeth, 1562. Schah Abbas, der Große, (geftors 
trat durch dem Engländer Sherley, ber fein Heer europäifch 
? gegen bie: Zürfen in Verbindung. Im Anfange des 18. Jahrhuns 
dten. Die ——— das perfifhe Joh ab, während im Weſten die 
ı Norbert die Usbefen einſielen. Der FE ‚Häuptling > eroberte 
mit Der Albdanfung bes ſchwachen Schaf Hufen u, bem Unter 
Sohnes Thamaop Mirza ging dieſes au Grabe, 1729. Nas 
in tapferer Türfe aus Khorafen; als Feldherr glüdlih, bemächtigte 
n Tode des legten Schattenfönigs der Krone, unterwarf Afghaniftan, 
dien, wourbe argwöhnifh, verübte unmenfchliche —— ‚ und 
bet, 1747. Num vereinigte ber fuͤrſt Achmed Abdallah 
n Shazni , Rilhauer, Balk, Lahore, Belubfchiftan, Multan 
Scepter, ımd verhalf. dem Schah Ruth von Khorafjan zu ber ‚Erz 
weftlichen Provinzen, So entftand Weft- oder das. eigentliche heutige . 
jegige MA fghaniftan: Nach verwortenen ein u. unaufhörl 
R, ba jeber Häuptling nach Freiheit u. haft trachtete 
im Shan, ein tühner‘ kurdiſcher Abenteurer von geringer „Herkunft, 
176835; zu dieſer geit erblühten engliſche u. Hol ſche Niederlaſſun⸗ 
A — 
nellem erwechſel el aft dem 
795, ber mit Rufland um Georgien Er wurde, ermorbet und 
in Neffe Beth Ali Schah, 17965 er verlor an Rußland Georgien, 
n TFiflifer Frieden 1814 Dagheſtan nebft mehren Khanſchaften, auch 
Abcaften, Imerthi u. Gurin abtreten u. nah dem 2. unglüdlichen 
m Brieben zu Turkmantſcha 1828 ganz Eriwan u. Nakiſchewan. Die 
on Diejem fchimpfliden Frieden erregte in Teheran einen Tumult, 
amiiche Geſandte Das Leben verlor. Feth Ali ftarb 1834, und da 
‚bronerbe Abbas Mirza ebenfalls geftorben war, fo ging die Regie 
‚seien Sohn Diubammed Mirza über, dejien Rechte vorzüglih von 
ibügt wurden. Demungeachtet ergab dieſer ſich dem rujliihen Ein- 
3 fib von dem ruffiihen Gefandten, Graf Simonitſch, zu einem dem 
‚nterefie zuwiberlaufenden Zuge gegen ben Sultan von Herat verleiten, 
v ehe es zu einer Gnticeidung fam, fand er ſich bewogen, ben ernft- 
tellungen Gnglands Gehör zu geben u. furz darauf gewann das lep- 
frühere einflußreihe Stellung wieder. Gränzftreitigfeiten mit ber 
43, wourben endlich noch friedlich geſchlichtet. Die Regierung jedoch 
ihrer ganzen Schlechtigfeit, gebraucht aber neuerdings_den Kunftgrift, 
oräifchen Zeitungen fib übermäßig anerkennen zu laffen. Vergl. die 
: Malcolm: „History of P. (1829), $rafer: „Hist. and descriptivo 
EP, EEdinb. 1834, 3 Bde), Terier: „Description de l’Armenie, 
se‘“ etc., (Paris 1842), Fowler: „Three years in P.“, (2 Bbe., 
341). Berner die Reiiewerfe von Will: Price, Stocqueler, Morier, 
iebur, Ehardin, Kinneir, Ouſely, ©. Keppel, Budingham, Drouville, 
au A. 
fflage (fran. von sifler, pfeifen, auspfeifen), Spötterei, Berhöhnung, 
Einige als die Ausübung der Ironie (f. d.), im Einne einer hoͤhniſchen 
daͤtzung gegen die Perfon, die ung lächerlich erfcheint, indem wir derfelben 
eitenden Ecperz noch Abfurberes unterlegen, als fie eigentlich verſchuldet 


88 Derfiihe Religion, 


hat, Allein, abgefehen bavon, daß felbft fpottender Scherz mit Höhnifcher 
Geringſchätzung kaum zu vereinigen ift, fommt es. bei ber P. weniger audh auf 
das Abſurde an, welches eine Perſon tbatfächlich verfchuldet Bat, ald darauf, ihr 
ein Abſurdes unterzufchieben u. ſie bieferhalb durch Ironifch- feinen Spott lacher⸗ 
ih zu machen. Auch teifft die P. nicht ausfchließlich bie Perſon, fondern auch 
die Sache. Diefe Art Spottfcherzrede kann nur im befchränften Grade, und 
zwar in Beziehung auf Charaktere Funftmäßig ſeyn, welche ber Dichter ab» 
fihtlih in einem nadhtheiligen, oder auch verächtlichen Lichte will erfcheinen 
lafien, indem fie von Seiten des Subjefts einen gewiffen Grab fittlicher 
ae vorausſebt, dem in aͤſthetiſcher Hinficht Fein freier Spielraum einzu: 
räumen 

Serie Religion. Den Parfismus (f. d. Art. Barfen), vermifcht mit 
dem Götendienfte der Nachbarvölfer, befonders mit dem üppigen Aftartes ober 
Melitta » Dienfte der Phönizier und Affyrier, fand Zorovafter (f. d.) vor, ale 
er nicht mit einem neuen, fondern nur mit ber Reinigung bes alten Kultus aufs 
trat, weldden man faͤlſchlich Yeuerbienft nennt, während das Feuer doch nicht ans 
gebetet wird, fondern nur bie Stelle bezeichnet, wohin man ſich ‚beim Gebete wen; 
den fol. Herodot gibt uns (Buch I. Kap. 131) darüber ziemlich genaue Nach⸗ 
richten. Zeruane Afherene heißt das ewige Urweſen, das anfangs u. enblofe, 
allmächtige Prinzip des Guten, befien Repräfentant auf Erden Ormuz iſt. Maͤchtig 
wäre Dieter legtere, gleich dem allgewaltigen Gott, wenn nicht von bemfelben ein 
Gegenſatz bes Guten, ein böfed Prinzip hervorgerufen wäre, in beffen Bekaͤmpfung 
das Gute ſich üben u. flärfen fol. Nun flehen diefe beiden Gegenfäge, das gute 
u. das böfe Princip, einander —8 — das eine Reich iſt das eroige Eat, das 
andere die ewige Finfterniß. Beide Mächte beginnen ihrer großen Beſt 
nach zu wirfen. Zeruane Akherene ſprach durch den Mund des Or bas 
Schöpfungswort „Honover“ u. es entftand Alles, was da iftz das fchaffende, alls 
mächtige Urwort gab Leben u. Dafeyn ben Thieren, Pflanzen, den Raturfräften 
und den guten Geiftern, den Amſchaſpands, welche das Reich des Lichte bevölker⸗ 
ten; aber gleich thätig war Ahriman, der bie Unterwelt mit übermächtigen böfen 
Dämonen füllte. Nun bildete Ormuz die Erbe, den Schauplag des Kampfes 
zwifchen Böfe u. But, welcher 12,000 Sabre dauern wird. Trog aller Mühe 
vermag im erften Viertel diefer Zeit Ahriman feinen Bortheil über Ormuz zu ges 
winnen, die Welt bleibt rein, nur von Guten beherrfcht; erft im zweiten Bi | 
fühlt er fich ſtark genug, ihm bie Spitze zu bieten u. feine Macht wächst fo, daß 
er im dritten Zeitalter die Herrfchaft mit Ormuz theilt u. in Bage befien in ben 
legten 3000 Jahren ihn ganz befiegt; dann aber geht die Welt unter. Sm 
Läuterungsfeuer werben felbft die böfen Dämonen, Ahriman an ihrer Spige, ges 
reinigt u. im neuen Glanze fteht die untergegangene Schöpfung wieber auf mu 
ewigem Leben, in reiner Freude, in reinem Xichtez der Gegenſatz Hat aufgehört. 
Ahriman, nun fo vollfommener Geiſt, wie Ormuz, bringt mit diefem gemeinichafts 
li dem Herrn feine Danfopfer; bis dahin aber dauert der Kampf zwifchen Licht 
u. Finfterniß, u. Zeruane Atherene herrſcht durch dieſen und braucht den böfen 
Ahriman fo gut zur Vollziefung feiner Befehle, zur Erreichung feiner Zwecke, 
wie den erhabenen Ormuz. Um fi gegenfeitig zu befämpfen, haben beide Mächte 
ſich Diener gefchaffen, von benen bie des Ormuz fich als die reinften, erhabenſten 
Lichtwefen auszeichnen, während die des Ahriman die furchtbarften Schöpfungen 
des Abgrundes find. Die beiden Reiche, das bes Lichtes, wie das ber Kinfterniß, 
find unendlich, unbegrängt, u. zwifchen beiden, an beide gränzend, liegt bie Erb⸗ 
ſcheibe. Die lebhafte Phantafie des Perfers (fo groß, daß feine Mährchen an 
wunderbarem poetiſchen Schmud die der Moslems weit übertreffen, baher 
met fie verbot, weil er ihren vegenbogenfarbigen Glanz nicht erreichen fonnte), 
führt Zoroafter nun auf einen andern Weg, bis er wieber zu den erſten Menfchen 
einlenkt. Er erzählt: in der Mitte der Exdfcheibe (rund u. fladd; oben, wo wir 
wohnen, vom Reihe des Drmuz, unter unfern Füßen vom Reihe bes Ahriman 


vw. NERLTELICO vouig UOETEINTIREREND) 5 AUF DIEIE Spnate ſoigie vie ven 
‚ weldye bis zur Sonne reichte, dann bie Sonne, weiche an den Himmel 
6. Die Planeten waren bie Inſpektoren bes peaeh, die durch alle 
es Sirfternbimmels reisten u. bie Orbnung erhielten. Unter dem Urs 
it bie eigentliche Hölle (Duzath), um ben Berg aber ruhen bie fieben 
ea Kaſchwars ber Exdez je näfer man an bem Berge Albadji wol 
Hlidyer u. reiner ift man von Natur aus ſchon, well bes Berges hi Re 
e Anrein heit ber Seele buldet. ®o biefer Berg zu fehen fen, in vielfach 
orden. er Kaulaſus fcyeint zu nahe u. zu niebkig, der Elbrus (ber 
rg bes Saukaſus) hat zwar eine Affonanz in feinem Namen, doch if 
ht zufänig, ober ber Rame iſt erfi aus bem Alberdji entſtanden, mit 
an ihn etwa verglichen haben mag; mehr Wahrſcheinlichkeit Hat bie 
für fich, nad weicher man im Himalafa das WBorbilb zu ber großen 
icht: er ift felbk in Indien, in Taſchmir u. in Tibet, wo man gan 
nm ift, ein MWunderberg u. ba punotum saliens aller Mährchen und 
Die Begenftände, Beichöpfe, Weſen betreffend, welche im Parflsmus ver» 
n, fo d dieſe zunächft bie Erde ſelbſt, bie Berge, (Alborbji vorzugs⸗ 
Waſſer, bas Feuer, der Wind, bie su elt und 
‚efonber® ber Hafe u. ber Baum Hom, bas Himmelögemölbe, bie Pla⸗ 
Sterne ; ferner göttlihe Weſen: Mithra, Tafbler, Seroſch, Behram 
» Rafchneraft, der Urftier, Urmenfch ober deren Fervers; dann vorzuges 
wz u. enblid, als hochſtes Weſen, Zeruane Alherene. Wie bie Geiſter⸗ 
NR auch die Körperwelt in Licht u. Finſterniß getrennt. Wie bort 
zu ſchaben firebt, jo auch hier. Er begann gleich mit dem erften Mens 
, ba8 von ber verbotenen Frucht genoß u. die Dews anbetete u. vers 
: jegt jeben Menfchen. Der Tob fcheibet daher wieder Körper u. Seele, 
xb belohnt ober beftzaft, je nach ihren Handlungen im irdiſchen Leben. 
n kommen in bie Hölle, wo fie. verweilen müffen, bis fie bie, ihrem Ber 
ngemeffene, Strafe überftanden, woran jedoch Opfer u. Gebete u. gute 
er Berwanbdten viel mildern können. In ben legten 10 Tagen jedes 


90 Perſiſche Sprache u. Literatur. 


noch dazu am wenigſten der Fall; haͤufiger find die Parſen (ſ. d.) in Indien, 
bob auch da follen unter 200 Millionen Bewohnern kaum 80,000 Parſen 
gefunden werben. 

Derfifhe Sprache und Literatur. Hinfichtlih ihrer gefchichtlichen Ent⸗ 
widelung zerfällt Die p. Sp. in das Altperfiiche, das Pehlwi, das Parſi u. das 
Reuperfiihe. Das Altperfifche, mit Keilfhrift (ſ. d) gefchrieben, wurbe in 
Derfien, Medien, "Baltrien und Sogdiana geſprochen; Spuren beffelden finden 

ch in Eigennamen u, einzelnen Wörtern, bie durch das alte Teftament u. Pros 
fanferibenten aufbewahrt worden find. Die wichtigften Quellen aber find bie aus 
dee Dynaftie der Achaͤmeniden herrührenden Keilinſchriften. Außer ber monumen- 
talen Leilfchrift war wahrfcheinlich für ben ‚gewöhnlichen Gebrauch eine femitifche 
Schriftart vorhanden. Das Altperſiſche fcheint mit dem Untergange bes perſtſchen 
Reiches durch Alerander ben Großen aufgehört zu Haben; unter ben Saffaniden 
iR wahrfcheinlich das Pazend aufgefommen, eine jüngere Form ber Zenbiprache, 
mit zufammengefchrumpften Klerionen, in welchem Erläuterungen u. Heberfepungen 
von Zendftellen gegeben wurden. Das Pehl wi (das heißt Sprache der ) 
ſcheint in dieſelbe Zeit zu gehören u. ift wohl urfprünglich nur an der Nordweſt⸗ 
gränge des Reichs geſprochen worben. Bon den Saflaniden wurde es zur offl- 
zielen Sprache erhoben , von ben Guebern als Heilige Sprache angenommen u. 
es erzeugte fih in ihr felbft eine Hiftorifche Literatur, die aber völlig verloren ges 

angen If. Dem Grundweſen nad) ift das Pehlwi dem Altperfifchen ziemlich nahe 

hend, jedoch find femetifche Elemente faft Überwiegend. Unter dem Barfi, 
das fi unter dem Namen des Deri als Hoffprache bis zur Unterwerfung unter : 
bie Araber erhalten hatte, hat man ſich nicht fowohl eine befondere Sprache, ald 
vielmehr den in den parfifchen Religionsfchriften üblichen Styl vorzuftellen, weis : 
her die frembartigen Beftanbtheile des :Behlwi vermieb u. fich eines rein per : 
fifihen Ausdrucks befleißigte.e Das Neuperfiiche ift aus dem Barfi, feit der Eu 
oberung des perfifchen Reiches durch die Araber entftanden u. mit vielen arabiſchen 
Wörtern vermifcht ; doch Hat es auch viele türfifch startariiche Wörter, Formen, 
Redensarten u. Wendungen aufgenommen. Aber auch nach biefer ſtarken Mi 
fung iſt ber enge Zufammenhang des Perfiichen mit dem Mebifch- Indifchen u. | 
felbft den germanifchen Sprachen unverkennbar. Das Alphabet ift das arabifche, 
das aber für die Laute, welche das Perſiſche vor bem Arabifchen voraus hat, mit 
4 neuen Zügen bereichert if. Der ausgebilbetfle Dialekt ift der Deri, im Gegen 
fa von der Volksſprache, Balaat. Im grammatifchen Baue ift bie p. Sp. an 
Einfachheit der enguſchen, in der Faͤhigkeit, Wörter zuſammen zu ſetzen, ber 
jehr aͤhnlich. — Bon p. 2. Tann, da das Zend (f. b.) mit den Religionsbüchern 
ber Parſen feine eigene Geſchichte Hat, bie Alteften fchriftlichen Denkmäler von 
ben Arabern vernichtet worden waren u. unter biefen bie p. Sp. faft ganz verſchwand, 
erft feit dem Untergange bes Khalifats die Rede fern. Nach diefem u. nachdem 
fi) die neup. Sp. gebildet hatte, hob ſich unter ben fürftlichen Häufern, beſonders 
unter dem Haufe ber Buiden (933—1055) u. Seldſchucken (feit 1055), bie p. 2. 
wieder fehr. In der Mitte bes 10. Jahrhunderts zeichnete ſich Sultan Azad 
Eddaulet, aus dem Haufe Bujah, von bdiefer Seite aus und in ben folgenden 
Jagrhunberten die Sultane von Gasni, Mahmud Sebektekin u. Keber Ben Ib⸗ 
rahim, die Seldſchuken Malekſchah u. Keder Khan Khakhan. Im 13. Jahrhun⸗ 
berte litt Die p. 2. durch die Einfälle ber Mongolen, mehr noch im 14. durch bie 
Timurs u. im 15. durch die ber Türfen; dann feit Ismael Eoft hörte fie gen 
auf. Beſonders glängten bie Perfer in jener Zeit durch Dichtkunſt, wie: Rubegi, 
Ferduſi, Dſchaml, Sadi, Anuari, Haflz, Tſchami u. viele andere Berfafler vom 
ganzen Divan (vergl. Hammers Yundgruben des Orients). Auch mit Geſchichte 
beſchaͤftigten fidy die Perſer eifrig, boch iſt nur wenig von ihren Leiſtungen bes 
fannt. Eine Gefchichte des perfifchen Reiches fchrich Abu Said; andere Ge 
ſchichtswerke Turan Schah (farb 1377), Mirchond (um 1740), deſſen Son 
KPanbenir, Eeriihta, Dſchihan Guir, Abul Hazl (farb 1604) u. v. a. Ehronos Ä 


Perfins· ot 


——— Geometerie, Aſtronomie, Medizin, Philologie, Rhetorik zc. wur: 
den äftig ben, doch iſt für uns auch Hievon nur Be es befannt gewor⸗ 
A 

cum.‘ r « jer Sprache gi te Buch war 
ee ebenen des Pentateuchs in dem Polyalotten = Pentateuch (Konftantinopel 
1546, 1551), jebod mit Hebräifcen, dem perfiichen Alphabete nicht gamı ent⸗ 
ſerechenden, Conſonanten dt, Als der zweite Schöpfer des Reiches der Soft, 
Stab Abbas —— „die Aufinerkfamteit Europa's auf Perſien Ienkte, 
fingen die religiöfen, politiſchen u. Hanbelöverbindungen an, welche der Vapft, 
der ie, Heinrich IV, von Frankreich u. andere europäifhe Mächte 
iefe Peter Tereira, um 1610, brachte deßhalb von Mirchond’s 
— Abſchnitte von ben Königen in portugiefifher u. fpanifcher 
Eprade in 95 e8 begannen Reifen nad) Merfien von Privaten, Gefandten, 
Riftonarien, u. min erſchlenen perſiſcke Werke, namentlich von Warner, perſiſche 
Sprichwörter, 1644, von Gentius, Eadi’s Rofenthal, 1651 u. durch Andreas 
Killer Abdallah Beidayi’s Sineſiſche Geſchichte, 1787, u. häufige Neberfepungen, 
namentlich von Sadi’s Gedichten durch Dieartus, 1637 u. 38, von Tereira umd 
Galland einige Werte Sadi's, eine perſiſche Pharmace von Angelus u. 1 
4 Anderen, Diefes führte zum gelehrten 4 ber neup. Ep., das an 
des Ende des 17. Jahrhunderts eifrig fvar, in ber erften Hälfte des 18. Jahr: 
Aunberts ruhte, dann aber defto reger wieder begann, Es erichienen Sprachlehren, 
+8. von Raymund 1614, vom du Diet. Seit 1750 erloſch Liebe u. Eifer für p.R. 
md blieb erlofchen faft 50 Jahre. Etwas wirkte nur noch die von Maria Therefin 
1753 iftete orientalifche Afademie zu Wien, deren ‚3öglin je u. Schriften auch 
über ‚wie von Revicafy, Ignaz von ner; Bern! von 
Ir von Dombay. Doch den wahren Höheren Schwung gaben bem 
EStudium der p. 2 bie Briten (MW. Jones u. Richardſon), denen ber Zugang 
Quelle , als namentlich ben Deutfhen (Ft. Wilken u. & Hain) ftand. 
Frankreich blieb Ariquetil du Perron lange der Einzige, ber (ohne großen Erfolg) 
um Studium der p. 2. auffordert, bis Enfvefter de Sam, Yangles u. A. in 
eine Fußftapfen traten. Vieles geſchah für p. L. am Ende des 18. Jahrhunderts, 
namentlich Durch Jones, der 1788 ſaͤmmiliche Gelehrte zu größerem Fleiße darin 
aufriei; ferner durch Gladwin, Davy, Euiivan, Gaudin, Nott, Dufeln, Cham: 
dien, Jon. Ecott, Portellem, Hammer, Wilfen, Belfour, Briggs, Dorn. Elliet, 
Price, Stewart, u. beſonders wirft für Bekanntmachung perſiſcher Geſchichtswerke 
der von Gngländern in Indien geftiftete Oriental translation fund. — Reuper— 
tihe Grammatifen hat man: von Jones 1771, 9. Ausg. von Lee 1828; Wilfen 
104; Lumebden, Ealcutta 1810, 2 Bde., Fol.; Vullers 1840; Wörterbücher in 
Cattelli's Lex heptaglotton (Londen 1669, 2 Bde., Fol.), u. Meminski's Lex. 
arab. - pers. -turc. (Wien 16580—87); von Richardſon 1777, 3. A. von Johnſon, 
London 1829, 4 Bde. ; Gladwin 1780; Rouſſeau 1801; Baretto 1804. — 
Vergl. Anquetil du Perron, über die alten Sprachen Perfiens, in Kleukers Zen 
dareſta; Müller, Essai sur la langue Pehlvie, im Journal Asiatique 1839. 

Perfius, Flaccus, einer der beften fatirifchen Dichter der Römer, aus 
Volaterrä in Etrurien, um die Mitte des erften Jahrhunderts nah Chriſto, 
Schüler des Stoilers Annaͤus Cornutus, ftarb fhon in feinem 28. Jahre. Wir 
haben nur noch 6 Eatiren von ihm, u. ſchon Duintilian erwähnt nur ein es 
Buches berfelben. Ihr vornehmfter Inhalt ift ernfle u. nachdrudsvolle Beftrafung 
des damaligen Eittenverberbnijjes, mehr mit ſtoiſcher Strenge, als im bichteriichen 
Geiſte ausgeführt. Durch häufige Anfpielungen u. Beziehungen auf fein Zeit: 
alter find manche Etellen dieſer Satiren für uns dunfel, um fo mehr, ba bie 
Echreibart fehr gedrungen u, ſchwerfällig if. Wan findet fie bei den meiften 
Ausgaben Juvenal's; einzeln von Cafaubonus, mit einem fehr gelchrten Eommen- 
tar, London 1647 (wieder abgedrudt Leipzig 1833), mit Sinner feanzöfiicher 
Heberiegung, Bern 1765; von Pönig, Göttingen 1803; von Plum, Kopenhogen 


92 Perſon — Perſpebktive. 


1827, Schulausgabe von Paſſow, Leipzig 1809, zugleich mit deutſcher Ueber⸗ 
ſezung; von Weber (Leipzig 1826); von Dübner (Leipzig 1833); Orelli 
in ben „Eclogae poetarum lat.“ (Zuͤrich 1833, O. Jahn (Leipzig 1843); 
Heinrich (Leipzig 1844) ; Dünger (Trier 1844). Deutfche Ueberſetzungen lieferten: 
Donner (Stuttgart 1822); Weber (Bonn 1834) und Teuffel (Stuttgart 1844), 

Perſon ift jebwebes Individuum, e8 mag genannt werben wie es wil. Die P. 
ift ſelbſtſtaͤndig an u. fürfih u. muß hatürlid urfprünglich vom menfchl. Stanbpunfte 
aus genommen werben. Der Menich ift eine PBerfon, in fo fern er felbfiftänbig 
ins Allgemeine eingreift. Der Ausdrud Perfon und Perfönlichkeit iſt identiſch; 
beide Begriffe wollen daſſelbe. Das perſoͤnliche Verhältnis des Menfchen zum 
Allgemeinen gibt den Begriff Perfon erfchöpfenn. Das weitere Berhältniß bes 
Menichen zum ugemeinen ergibt fi aus feinem Thunfollen oder aus den Moral 
pflichten, die der Menich als foldyer Haben muß, um ing Allgemeine einzugreifen. N. 

Derfonalftenern nennt man diejenigen Steuern, welche fi) an die Berfon Jes 
mandes fnüpft, d. 8. welche fidh blos auf perſönliche Borausjegungen u. Bers 
hältniffe beziehen. Es gehören dahin: die Wohn-, Kopfs, Schuß, Rangs, Würden, 
Steuern, die Erlegung für perfünliche Dienfte, bie Confumtionsabgaben (Acciſe) 
u, ähnliche. — Der P. wirb enigegengeiebt bie Real⸗ ober dingliche Steuer, bie 
von Grund u. Boden, Häufern, Einkommen, Gewerben u. dgl., und. zwar fo 
lange zu bezahlen ift, bi8 der Grund und Boden, Haus ıc. ıc. untergeht, ober 
fteuerfrei wird, während die P. mit bem Tode der Perſon erliſcht. 

Berfonenrecht nennt man bas, was eine Perfon zu fordern hat, oder auch, 
was von einer Perfon gefordert werden kann. Die Rechte, die eine Perſon als 
ſolche bei ihrem Eingreifen ins Allgemeine haben muß, bilden das affirmative 
Perſonenrecht; die Rechte, reipektive Obliegenheiten, die von einer Berfon gefordert 
werben fönnen, bilden das negative Perfonenredht. Darin ift ber Begriff Per⸗ 
fonenredht völlig erfchöpft. Die nähere Entwidelung gehört dem Rechtsſyſtem an. N. 

erfonification, Perſonifizirung, ift die Uebertragung des Lebenbigen 
u, deſſen eigenthümlicher Wirfungsart auf dag Leblofe, oder des Perfönlichen n. 
der perfönlichen Individualität auf das Unperfönliche u. Allgemeine In ber P. 
ift Daher die Perſoͤnlichkeit felbft nur eine angenommene Form, aber feine eigene 
Subjeftivität, u. drüdt daher weder in der leiblichen Geftalt, noch in den beſon⸗ 
deren Handlungen ihr eigene® Inneres, fondern für die Außere Realität eine 
bavon verfchiedene Bedeutung aus. Denn durch die}. erhebt man einen unbefeelten, 
fädhlichen, felbft bloßen Gedankenbegriff zum Begriff eines lebenden u. perfönlichen 
Weſens, d. i., legt lebloſen Gegenftänden bie Eigenfchaften eines lebenden vers 
nünftigen Weſens bei, oder ftellt die Gegenftände als felbfihandelnd oder wirkend 
bar, indem man fie als Perfonen anrebet, rebenb einführt, oder ſchildert. Dieß 
it Die P. im engeren Sinne, bie Brofepopöte (f. d.), eine dichteriſche und 
rhetorifche Trope. 

Derfpektive ift die Kunſt, Gegenftände fo abzubilden, daß bie Darftelungen, 
von einem gewiffen Punkte aus gejehen, nicht flach erfcheinen, fondern auf unfer 
Auge das nämliche Bild hervorbringen, wie in der Natur die Gegenftänbe felbfl. 
Man könnte fie daher auch Fernzeichnung, Kernfichtsmalerei, Ferndarſtellungskunſt 
nennen. Das Zeichnen ber P. erfordert aber eine gründliche Kenntniß ber vers 
glichenen Abftufungen der Entfernungen, Karben u. Schatten, und ſcheidet hier⸗ 
nach fich in die Linear⸗P., welche es mit richtiger Verkürzung geraber 2is 
nien zu thun hat, und in die Luft⸗P., Regeln ertheilend über die Veränderung 
ber Farben, Lichter u. Schatten nach dem Grabe ber Entfernung, in welchem bie 
Gegenſtaͤnde fi) vom Auge befinden, fo daß man überall die dazwiſchen befind» 
liche Luft zu erbliden glaubt. Jene, die Linear⸗P., erfcheint nothwendig, ba Die 
Malerei nur über die Kläche verfügen kann u. zu einer Darftellungsweile fchreiten 
muß, welche bie Ontfernung ihrer Gegenftände nach allen Raumbdimenfionen | dh eins 
bar zu machen genöthigt If. In diefer Hinficht muß fie die Eine vor fi Has 


1 und biefer mit ber Entfernung fich abdämpfende Farbenton macht bie 
is, infofern babucch bie @egenftände theils in der Welle ihrer Ums 
in Rücdficht auf ihr Hell- u. Duntelſcheinen u. fonftige Färbung eine 
3 erleiden. Die verſchiedene Art der Beleuchtung verurfacht hier bie 
ftigfien Abweihungen,, und daher iſt bie Luft. ganz befonders in 
aftsmalerei u. in ber Darfelung weiter Räume von höchfter Wich⸗ 
3 Rebenarten ber B. werben ferner genannt: die Bogel:, Frofa⸗ 
ge. Bei der erften ſtehen Darfteller und Beſchauer höher, als ber 

egenftand; bei ber zweiten, ber Froſch⸗P., ift ber bargeftellte Gegen» 
„Aals ber Standpunkt bes Zeichners und Beſchauers, und bie britte, 
.. begreift, bie Zeichnung unordentlich ſcheinender Figuren, bie aber, 
iſche ober Fonifche Spiegel gefehen, ihre ordentliche, regelmäßige Geftalt 
e ehemals außerdem noch gebräuchlich geweſene Cavalier⸗ P., bei 
©egenftand Halb von oben, halb von ber Seite, u. ber entfernte eben 
breit, wie der in ber Nähe dargeftellt wurbe, ift jet gänzlich aufges 
die Eenntniß der P. finden wich on im Altertfume; bie alte veutfhe 
italieniſche Malerſchule kannte fie eigentlich nicht. Doch fuchten bereits 
Sienefer u. Eimabue der Florentiner bie bürftigen Meberrefte ber ans 
pettiviſch und anatomifch begründeten, Zeichnumgsart aus ber neugries 
aleret in fi aufzunehmen und felbfiftändig zu Berfüngen. Die Regeln 
P. richtig aber auf bie Malerei angewendet zu haben, if ein Bers 
Albrecht Dürer u. Leonardo da Bind. Der Camera obscura foll fi 
ft Der venetianifche Maler Eanaletto bedient Haben, — Uneigentli 
an unter P. auch die Ausfiht auf eine Gegend u. dgl. Bol. Jaceby, 
Anleitung zur P., Leipz. 1821; Thibault, Anwendung der Linear⸗P. 
ichnenden Fünfte, a. d. Franzoͤſiſchen von Reindel, irnberg 1833; 
1, Ausführliche Anweifung zur Linear PB. u. Schattenconftruftion für 
uw. Maler, Augsburg 1838; Adhemar, Die P.⸗Lehre, zum Gebrauch für 
a. b. Branzöflichen, Solothurn 1840, 


insBtinmalsrei fit hie Malerei in molcher hie Morfnortine (fh) 





94 Pertinar — Perturbationen. 


worüber eine ſchoͤne Brüde führt, Kat einige Befefligungen, 3 Kirchen, mehre 
Bethäufer, ein Krankenhaus, eine Akademie für Mathematit u, Phyſik, Titerarifche 
u. antiquarifche Societät, öffentliche Bibliothek, Leinens u. Wollenweberei, Spin» 
nereien, Del: u. Papiermühlen, Flußhafen, Fiſchfang (der Lachsfang wird allein 
auf 7000 Pfund Sterling Gewinn gerechnet), jchöne Umgebungen und 20,000 
Einwohner. Der fonft ergiebige Verlenfang ift nicht mehr. In der Rähe ber 
Stadt das Schloß Scone, wo früher die Könige von Schottland gekrönt wurden, 
Pertinax, Bublius Helvius, geboren in einer Billa bei Alba Pompeja, 
125 v. Ehr., der Sohn eines Kreigelafienen u. Koblenbrenners, der jenen zum 
Grammatiker bilden ließ, als der er auch fpäter in Rom lehrte. Neigung aber 
führte ihn zum Kriegsdienfte. Unter Antoninus Pius gemeiner Soldat, ward er | 
bald Centurio, that fich unter 2. Verus im parthifchen Kriege hervor und befam 
bie Anführung einer Eohorte nach Syrien. Nach mehren dem Staate geleiteten 
Dienften gab ihm Antoninus Philof. die Senatorwürbe, die Infignien eines Präs | 
tors u. den Oberbefehl der 1. Legion gegen bie Germanen, bie fi) Rhätiens u. | 
Noricums bemächtigt hatten. Nach Berwaltung mehrer Provinzen, als Präfelt ' 
von Rom unter Commodus, wurde ihm, 69 Jahre alt, von den Mörbern bes | 
Kaiſers, beſonders Lätus u. Electus, welche die Leibwache für ihn gewonnen, ber 
Purpur angetragen, den er, 193, nad einigem Weigern auch annahm. Senat 
u. Volk freuten fich deſſen. Als aber ber ehrwürbige u. auch, um bie von Gom- 
modus geleerten Schatzkammern wieder zu füllen, fireng fparfame Greis (er von 
faufte unter anderen alle Koftbarfeiten, überflüffige Geräthe, Mätreffen u. Snaben 
bes vorigen Kaiſers und fing mehre wohlthätige Reformen an) bie Zeiten Mar 
Aurel's wieber Herbeizuführen trachtete, ermorberten ihn der in der Hoffnung auf ' 
roße Deehrungen getäufchte Elertus u, die Commodus vermifienden Brätoriane. ° 
Sicht volle 3 Monate (Jänner bis März) ſaß er auf dem Throne Bon mm 
an lag das Schidfal des Staates in den Händen des Heeres, das nach Belieben 
Raifer eins u. abſetzte. Julianus kaufte den erledigten Thron. | 
Pertinenzien find Theile einer Hauptfache, Als Theile einer foldden aber 
muͤſſen fle abfolut dazu gehören; fo find alſo PB. bazu gehörende Dinge Die 
Rechtsſyſteme nehmen Dinge für P., je nachdem fie diefelben annehmen wollen 
Denn es kommt oft vor, daß ungleichartige Dinge als zur Hauptfache gehörend, 
als P., von ihnen angefehen werden. Beifpiele gibt das römifche Nedht, worauf - 
unfer allgemeines Recht baflıt if. M. 
erturbationen, Störung en, nennt man in der Aftronomie die Abweichungen 
ber ‘Planeten in ihrem elliptifchen Laufe, erzeugt durch die wechfelfeitige Anziehung 
ber Himmelöförper gegen einander. Gemäß dem vom Newton entdedten @efche 
ber allgemeinen Gravitation find nämlich nicht nur die Planeten gegen die Sonne 
und gegen fi}, fowie der Mond gegen bie Erde, fondern auch diefe wieber gegen 
jene jchwer. Die Theorie der P. ift daher ein fehr wichtiger Theil der phyſiſchen 
Aftronomie. Newton felbft machte einen beruͤhmten Anfang ber Höchft ſchwierigen 
Unterfuchungen über die P.; Clairaut, d'Alembert und Euler ſetzten biefelben weis 
ter fort und Laplace endlich erfchöpfte den Gegenftand in feiner „Mecanique c&- 
leste“ fo vollftändig und genau, daß die nad feinen Berechnungen entworfenen 
Blanetentafeln binfichtlich der Genauigkeit faft Richt mehr zu wünfchen 
kaffen. Man unterſcheide im Allgemeinen periodiſche P., welche jedesmal wieder⸗ 
kehren, fo oft zwei Himmelsförper in ihrem periodiſchen Laufe ſich fo nahe kom⸗ 
men, daß fle auf einander einwirken fonnen (die beträchtlichften B. finden ſich ie 
bem Laufe des Mondes und ber fogenannten vier neuen Planeten, befonders ber 
Pallas), u. [äculäre P., welche die Planeten durch bie Geſetze des Weltgebaͤn⸗ 
des überhaupt erleiden, die aber durch eine lange Zeitdauer währen, wie 3. B. 
bie Abnahme der Echiefe der Ekliptik, welche bis zum Jahre 6600 fortbauern 
wird, worauf diefe dann wieder wächst. — Yür uns Erbenbewohner zeigt num 
wohl der Mond (1.d.) unftreitig die größten P., namentlich brei große Ungleichheiten 
in jenem Raufe: die Evection, bie jährliche Gleichung u.die Bariation. 


ropariige Yorjger fur vaterlandııye Weigigietunne, in ın Hannover 
m 28. Ri 1795, Rubirte 1813—16 in Göttingen, wo er Hi Doktor 
Philoſophie ſich erwarb. Der preußiihe —e Serben von 
lcher ben großartigen Plan exfahte, die beutfchen Geichichtich 
is in einer Taufe revidirten Sammlung bejorgen zu lafien, wendete 
e auf P., welcher bereit durch bie „Geſchichte der Merowingiſchen 
s* Hannov. 1819, feinen Beruf für dergleichen Arbeiten hoffnungsvoll 
e ie Geſellſchaft für ältere, beiuſche Gergichtforfehung ernannte ihn 
Ritgliebe, ba er ſich bereit erflärt Hatte, bie Bearbeitung ber Karolingis 
bichtfchreiber zu übernehmen. Drei und ein halbes Jahr lange verweilte 
re wifienfchaftlihen Reife, um in drei Bibliothefen u. Archiven bie bars 
ihen Materialien aufzufpüren und zu unterfuchen. Er reiste 1820 über 
ankfurt, Beibelberg, Stuttgart, Münden und Salzburg nah Wien 
s befuchte er bie Rerreicttäpen Abteien u. zog buch Steiermark uns 
nad Ungarn, Trieſt, Venedig, Florenz und Rom. Das berühmte Klo⸗ 
Gaffino veranlaßte die Ausdehnung feiner Forſchungen auch nah Res 
Sicilien._ Seine Rüdfehr nahm P. 1823 über Mailand, Turin, Bern, 
ı nad annover. Zum Sekretär am dortigen E. Archiv ernannt, bes 
‚ee Minifter von Stein mit ber Oberleitung ber Monumenta Germaniae 
Es warb von ihm der Plan entworfen, nach dem alle wichtigen Quel⸗ 
itſchen Geſchichte des Mittelalters: Geſchichiſchreiber, Geſetze, Kalſer⸗ 
Briefe und ſonſtige Denkmaͤlet ihre Aufnahme finden ſollien. Die 
ie, welche gegen Ende bes Jahres 1823 unternommen wurde, befchränfte 
eutichland ; ed war ber Befuch der Städte Braunfchweig, Wolfenbüttel, 
Celle, Kaffel, Frankfurt, Bonn, Halle, Leipzig, Dresden. Im Jahre 
‚ien in fplendiber und correfter Beftalt ber erfte Band der Monumenta, 
‚ bei Dahn; hierauf trat ber unermübliche Forſcher gem dritte wiſſen⸗ 
Reife an: buch Belgien nach Paris, von da nad) London, Cambridge, 
Ra feiner Ruͤckkehr warb_er jun Bibliothefar und Archivrathe in 
: ernannt, fo wie auch zum Hiftorlographen des Gefammthaufes Brauns 


96 Bern. 
nach Berlin mit dem Range eine geheimen preußifchen Regierungsrathed 1842 
und wurde Nigued der Akademie der Wiſſenſchaften. In Betreff des Philoſo⸗ 
phen Leibnitz Leben und Werke wird ſeine emſige und ſcharfſinnige Serfsung noch 
manches Dunkel aufbellen. Die vielfeitige Amtsthätigkeit, gepaart mit umfaffen- 
der literarifcher Wirkſamkeit, beurkundet das feltene Talent diefes Mannes. Außer 
ben Monumenta, von denen bis jetzt 8 Follobände exfchinen, 1826—45 , und 
dem Archive, gleichfalls 8 Bände, liegen von Leibnit gefammelten Werfen, 1843 
—46, die brei erfien Bände vor. „Scriptores rerum germanicarum“ bilbet eine 
wohlfeile Schulausgabe für einige wichtigere Schriftfteller der Monumenta. Cm. 
Deru, ein Freiftaat in Eüdamerifa, begreift das Küftenland am ftillen Meere, 
zwifchen Kolumbien und Chile, 3° 30° bis 21° 25°, ein Gebiet von wenigRene 
270 Meilen Länge, dehnt ſich auch in feiner nördlichen Hälfte gegen 200 Meilen 
von Werften nach Oſten aus und hat eine Bröße von 45 bis 50,000 D Meilen. 
Die Anden beftehen Hier aus zwei faft parallelen Bergfetten, die aus der in St 
ben liegenden großen Gebirgemabe fih gegen Norden ziehen. Zwiſchen der Küs 
ftenfette und dem Meere bildet fich eine 10 bis 20 Meilen breite Ebene, Die Valles 
(Thäler) genannt, größtenteils eine Sandwüfte, nur an ben Heinen Küftenflüffen 
fruchtbar, denn Regen fällt an der ganzen Küfte nie oder hoͤchſt felten, ba alle 
Dünfte von den hier herrſchenden Südweftwinden ſtets gegen das Gebirge getrie⸗ 
ben werben. Der ſtarke Thau und kuͤnſtliche Bewaͤſſerung tragen zur Erhaltung 
ber Vegetation bei. Die Luft hat dabei eine ſtets gemäßigte Temperatur, Das - 
Land zwifchen den beiden Ketten, die Iogenannte Sierra, bildet ein 9 bis 16,000 : 
Zuß Hohes Hochland mit fruchtbaren Thälern und ten efunder Luft. Oeſtlich 
von ihr erhebt fich die Hauptfette dee Anden mit den höchſten Gipfeln Amerifa’s, 
die aber im Gebiete des Staates Bolivia Tiegen. Unter den bierher gehörigen 
Bergen ift der Euipicani oder der Berg von Tacora öfllih von Arica = 17,600 : 
Fuß, der Pichupichu, nördblih von NArequipa = 17,400 Fuß, der Bulfan von . 
Arequipa = 16,600 Fuß, der Inchocajo = 16,100 Fuß. Päffe von Alpenhoͤhe 
führen über da8 Gebirge, in welchem ſich die Schneelinie gegen die gewöhnlide 
Regel bis über 16,000 Fuß erhebt und noch mehr ale 13.000 Fuß Hoch menſch⸗ 
liche Wohnungen find. Hinter ihr folgen wald» u. grasreiche Hochebenen (Pau . 
pas) zwiſchen dem Huallaga und Ucayale, Bujonal genannt, bie jedoch im Oſten 
und Süden noch von vielen niedrigen Bergfetten, der Montana Real, burdhfchnits : 
ten find, wo Wärme, bie lange Regenzeit vom Dezember bis Juni, welche bie 
tieferen Ebenen zu Seen macht, und zahllofe Flüffe am Boben eine nie verfiegenbe 
Hruchtbarfeit geben. Der Maranhon zieht den größten Theil feiner oberen | 
flüffe aus diefer Gegend. Er felbft entipringt unter 104° ſuͤdlich im Dochgebirge 
der Cordilleras, viel weiter füblich aber, zum Theil in Bolivia, haben feine | 
den Rebenflüffe, ber Huallaga und der noch größere Ucayale ihre Quellen; leßterer 
entfteht aus dem Zufammenfluße des Parobeni und Tambo, von denn jener bei 
Euseo entipringt. Den Tambo bilden die drei Flüffe: Apurimac, mit dem fih der 
Jauja unter 12° füblich vereinigt, Pangoa, der unter 11° 19° füblih den Mas 
rameric aufnimmt, und Chanchamayo, der bei Tarma entipringt. Alle dieſe Ge⸗ 
waͤſſer und zahlreiche Nebenflüffe derfelben haben in den Längenthälern bes Ge⸗ 
birges Anfange einen nördlichen Lauf, treten darauf öftlih in die Montana und 
ießen dann in met oder weniger norböftlidher Richtung dem Hauptſtrome zu. 
ie meiften berfelben find fchwierig zu befchiffen, weil fie einen zu reißenden 
Strom haben und eine Menge Baumftämme mit ſich fortreißen; viele find auch 
nur in der Regenzeit wafferreih. Die öftlicheren Nebenflüffe de8 Maranhon find 
noch fehr unbefanntz fo 3. B. weiß man noch nicht, ob der Cuja mit dem Beni, 
ber in Bolivia unter 18° füdlich entfpringen fol, ober mit dem braftlifchen Gas 
vari ein und derfelbe Fluß iſt; Iehterer Hat, wie ber brafilifche Jutay, hier feine 
Quellen. Auch der Madeira berührt die füböftliche Gränze Kur ein großer 
See findet fi in Eüden, ber Titicaca, 38 Meilen lang, 14 Meilen breit, in bem 
Seile des Hochthales, wo einft, wie bie großen, uralten Denkmäler beweifen, ber 


ı benen es eine füfle Art gibt, Haben hier ihr eigentliches Baterland u. 
r —— —— obgleich Mais, Bataten, Maniof, Piſang u. a, auch ihre 
reten. ahlios if die Drenge von Bärbe-, Balfams, Gummi-, Ges 
Arzneipflangen; eine berfelben liefert ben foftbaren peruanifchen Bals 
r ben Thieren bemerfen wir das hier recht heimiſche Lama, welches 
nd8 mehr wild ift und etwa 100 Pfund trägt; mit ihm verwandt find: 
co, wild, aber leicht zu zaͤhmen, jedoch sims Rutzen; bie Vicunna, ſtets 
jmbar, -in ber falten Region lebend, mit feiner, brauner Wolle; ber 
Alpaca, von beifen feidenartiger Wolle 1840 — 41,000 Zentner aus⸗ 
ben, auch zum Tragen gebraucht, felten wild; das Haar bes Lama 
wo gibt nur grobes Su I. Beutels und Gürtelthiere, rothe Eichhörn« 
ı Belfennhöhlen leben, der Gatomontes, eine ſchoͤne eine Tigerart, An 
ind WBallfiiche und Pottfifche in ganzen Zügen, werben aber nur von 
merifanern gefangen. Dan kann behaupten, baß, mit wenigen Aus 
le Thiere Südamerifa’s ſich Hier vereinigt finden. Höchft ſchwierig if 
ver Verkehr im Innern und mit ben öftlihen Ländern, ba bie fteilen, 
n Gebirge unb bie reißenden Gewäffer die Verbindung an vielm Stel 
lich machen. Die Zahl ber Einwohner FE ie unabhängigen 
1837 == 1,246,000, ımter denen etwa 800, dianer feyn en, 
lichen Beruaner bilden bas gmuptvolt und bie alte Duichuas Sprache 
allen Segenden nody ganz gemein; feltener ift bie alte Chimu⸗Sprache, 
n Öftlichen Pampas und Gebirgen leben zahlreiche Stämme anderer u, 
R rober Imbianer, Omayas, Panos, Eonibos, Carapachos u. a., unter 
i freilich zahlreihe Miffionen angelegt hat, die aber meifentpelis völlige 
», ja fogar (4. B. bie Caſhibos) noch Menfchenfleiih geniefen. Nur 
AGen Haben Wiffionäre Indianers @emeinden in Dorfichaften vereinigt. 
ift aufgehoben und bie hier lebenden Neger verfchwinden immer mehr 
Mifchlingen. — Ein Eongreß, der aus Repräfentanten bes Volls bes 
:; die gefeggebenbe, ein Präfident bie volziehende Gewalt. Die fathos 
iInten IR Gtantarelinian: alle (Finmahner afıne Mnterichieh her Ahfamms 


88 Pernaniſche Rinde — Perugia. 


flärte fih 1821 für unabhängig; jeboch hartnädig wurde der Kampf von ben 
Spanierh fortgefegt, bis bie Schlacht bei Ayacucho 9. Dezember 1824 ihrer Herr 
fhaft den Todesftoß gab. Am 29. Januar 1826 verließ auch bie Befagung des 
bis dahin befagerten Callao, die legten Epanier auf bem Feſtlande von Amerika, 
P. Bolivar war es, ber mit folumbifchen Truppen 1823 dem bebrängten Lande 
zu Hülfe gefommen war, dafür ben Titel „Befreier“ erhielt unb 1824 zum Dil 
tator ernannt wurbe; jedoch entzog fich der Staat 1827 feiner Auffiht. Der 
Streit zweier Barteien, bie in faft allen amerifanifchen Republifen hervorgetreten 
find, der Eentraliften, welche eine, mit umfafiender Macht ausgerüftete, Central⸗ 
Regierung an ber Spige des Staates haben wollen, und ber örberaliften, bie 
für jeden Theil des Ganzen möglichfte Unabhängigkeit verlangen, ließ V. jedoch 
nicht zur Ruhe kommen. Es theilte fih 1836 in zwei Staaten, die mit Bolivia 
Santa Eruz als gemeinfchaftlichen Proteftor erfannten. Darauf folgten Kriege 
mit Chile und Bolivia, nachdem das Bundesverhaͤltniß aufgelöst war. Noch im- 
mer ftehen die beiden Parteien, nach mehrmals feitbem erneuertem Kampfe, einander 
feindlelig gegenüber, und es iſt fchwer, bie jepige Ordnung ber Dinge in bem 
errütteten Staate näher zu beſtimmen. — Vergleiche Bonnie, „Reife in Chile, 
* ıc. (1836), Smith, „P. as it is“ (Lond. 1839), Tſchudi, „Peru“ (2 Thle., 
t. Gallen, 1845—46). . 

—— Ninde, ſ. Chinarinde. 

eruaniſcher Balſam, |. Balſam. 

erücken (vom walloniſchen perique, was „langes Haar“ bedeutet). Frem⸗ 
der Haare Fi Bedeckung des Kopfes bedienten ſich ſchon die Alteften Bölfer. 
Aſtyages, Eyrus Großvater, trug eine bide, haarreihe P.; Hamibal faliches 
Haar; die Römer zu Ovids Zeiten blonde Haare, welche fie aus Deutichland 
fommen lichen ; Commodus eine mit Goldftaub gepuderte u. mit wohlriechendem Fett ges 
falbte P.; 1518 ließ fihd Herzog Johann von Sachſen ein hübfches Haar ven 
Nuͤrnberg kommen, aber „insgeheim, fo daß es nicht gemerkt wurde“. Ungefähr 
100 Jahre fpäter, unter Ludwig XIII., wurbe es indeſſen offene Mode, falfches Haar 
Mn tragen. Anfangs webte man blos Haare in leinenes Tuch ober Franzen u. nähte 
ie Gewebe (mailandiſche Spigen genannt) reihenweife auf die Hauben ı fpäter 
befeftigte man bie — auf Treffen. Ludwig XIV, führte die großen P.n ein; 
1656 gab es in Paris 248 Perüdenmacher; 1660 trugen aut bie Geiſtlichen 
P.n; 1670 kamen fie in Schweden auf; 1698 cher 1701 führte der Kurfürfl 
von Brandenburg eine P.⸗Steuer ein; 1716 entfland, in Berlin eine Perüden- 
macherinnung. Bor Kaifer Karl VI. durfte man nicht ohne P. mit zwei Zöpfen 
ericheinen (1712— 1740). — Die Geftalt der P. veränderte ſich mehrfach, von ber 
viellodigen AllongesP. bis zur einfachen Zopf⸗P. Gegen das Ende bes 18. Jahr: 
hunderts trat endlih an die Stelle der B. der Zopf und Haarbeutel aus eiges 
nem Haare, und jene finden ſich jebt nur noch da, wo fie wegen Mangel bes 
letzteren wirkliches Bebürfniß find. Vgl. Nicolai über ben Gebrauch der falfchen 
Haare und P., Berlin 1801. 

erugia, Hauptftadt der gleichnamigen Delegation (Umbriens) im Kirchen⸗ 
Raate, auf der Straffe von Florenz nach Spoleto, Hoch über ber Tiber eleden, 
mit einem feften Schloffe, von alterthümlichem, faft verfallenem Ausſehen, IR 
eines Bifchofs, einer 1320 gegründeten Univerfität mit etwa 400 Studenten und 
ausgezeichneten Lehrern, die zu den bebeutenderen in Italien gehört, einen treffli- 
hen botanifhen Garten, ein mineralogifches Cabinet, eine Bibliothek mit 
30,000 Bänden, die namentlich rei an Ausgaben aus dem 15. Jahrhundert u. 
an koſtbaren Handfchriften (das Städtebuch des Stephanus Byzantius aus dem 
5. Jahrhundert, S. Auguſtin's Werke mit Miniaturen aus bem 13. Jahrhundert) 
u. andere treffliche Hülfsanftalten befgt. Außerdem findet man hier ein adeliges 
Collegium, ein großes Waiſenhaus, Muflkichule, 2 Theater, mehre gelehrt e⸗ 
ſellſchaften, Akademie ber | önen Fünfte mit einer fchäpbaren Gemälbefammlung, 
vorzüglich ber Älteren umbrifchen Meifer, ein an etrurifchen Inſchriften reiches 


neeosanen yurpsysrpoenm ur yienen Qepumgviusıın waucuen wu] wepsye pin anne 
5. Gallo „ad coörcendum Perusinorum audaciam“ erbaut, — Unter ben 
ihen eirchen und Kloͤſtern der Stabt verdienen befondere Aufmerkfamfeit: bie 
beale St. Lorenzo, von ber traurigften Abart germaniſch⸗ Italienifcher Ar⸗ 
ur aus dem 13. Jahrhunderte, mit Glasgemaͤlben bes P. Francesco bi Bar 
Brunacd, einer Ereujabnahme von F. Baroccio, einem Gemälde von Luca 
wei, Saulpturen von Giovanni Pifano. — Bor ber Kirche ber fehöne 
aen von Giovanni Pifano 1274 — 1280, in 3 Abtheilungen. S. Angelo, 
mm Grunde eines alten Bulfantempels erbaut, von polhgoner Form, mit vier 
Aulen, im 11. Jahrhundert erneuert (das Portal aus dem 14.) mit alten 
‚gemälden aus dem 13. Jahrhundert. St. Domenico, erbaut von Giovanni 
9 1304, ber jegige Bau_(mit Ausnahme einer alten Capelle u. des Chors) 
L Maderno 1632. St. Francesco de’ Eonventuali, urfprünglich von germas 
talienifcher Bauart, modernifirt von Pietro arattoli 1737, mit ber Copie 
dafaels Grablegung Chriſti, bie ehebem Hier war, von b’Arpino, bem Heil. 
Han von P. Perugino 1518. Im ber Kapelle bei Gonfalone wird bie Heil, 
arte aufbewahrt, ber Gegenftand hoͤchſter Verehrung bei ben Peruginern. 
goian, mit Gemälden von Perugino. St, Pietro Fuori bi Mura im Bafis 

Unter mandjen Gemälden hier, bie man als Perugino’8 und Rafael’s 
en zeigt, find einige Heilige, Ftagmente von Fresken des erftern, und Chri- 
mb Johannes als Kinder, Sugendarbeit bes lehtern, beide in ber Saftiftei, 
ers ſehenswerth. Das Gamaldulenferflofter St. Severo, mit Gemälden von 
1 umd PBerugino. Ueberhaupt iſt P. in ber Kunftgefchichte als Mittelpunkt 
abriſchen Malerſchule von Hoher Bedeutung. — Die Einwohner, beren Zahl 
st Einſchluß der weitläufigen Vorftädte, auf mehr als 30,000 beläuft, betreis 
jeiben-Manufakturen, Branntweinbrennerei u. lebhaften Handel mit Getreide, 
Wolle u. Del. — Achaiſchen Urfprungs, gehört P. zu ben älteſten etruris 
Gtäbten, wurbe 459 v. Chr. von Rom überwunden u. befien Berbünbete u. 
18 folche unter Antonius eine harte Belagerung des Octavius Cäfar aus, bis 
Hunger die Uebergabe erzwungen wurbe 713, worauf es 727 römilche Co⸗ 
purbe. Gluͤclicher beſtand es fpäter zu Juftinians Zeit eine Belagerung ber Go⸗ 
Bemerkenswerth ift, daß Hannibal ſelbſt nach dem Siene am trafimenifchen 


{00 Pervigilium — Peſchiera. 


nige behaupten, er ſei nicht nur Nachahmer, ſondern auch Schuͤler Rafaels g 
weſen. Seine gründliche Kenntniß ber Perſpektive, bie er am rechten Orte aı 
zubringen wußte, feßte ihn in ben Stand, Häufig felbft Das geübtefte Auge ; 
täufhen. Es gelang ihm unter anderen mit Titian, ber ein von ihm gemalt: 
Gefimfe für ein wirkliches hielt. Unter feinen Werfen der Baufunft iſt vorzü, 
(ih der Dom zu Carpi zu bemerfen, ben ee ganz nad) den vitruviſchen Rege 
ausführt. Er flarb in Rom 1536. 

Dervigilium, wörtlich: das MWachbleiben die Nacht hindurch, befonders zu 
Zwede einer religiöfen Feier. iernach nannte man P. Veneris ein dem Gatu 
us, auch Anderen (3. B. dem Luxorus) zugefchriebenes Gedicht, das aber wah 
fcheinlich feine Entſtehung dem dritten chriftlichen Jahrhunderte verbanft und a 
Einladungslied zur Nachtfeier der Venus am Borabende des Feſtes gelungen wurt 
Der Text deffelben befindet fih in ber Ausgabe ber „Kabeln“ des Phäbrus vi 
Orelli (Zürich 1831), auch in Lindemann’s „Selecta carmina e poetis lat.“ (Leiy 
1823) u. in du Méril's „Poeseos popularis ante saec. XII. latini decantatae rel 
quiae“ (Paris 1843) abgedrudt. Eine befondere Bearbeitung lieferte Schulze ( Goͤ 
tingen 1812, 4). Eine trefflihe Nachahmung iſt Die von Bürger in feiner Rad 
feier der Venus, Vgl. Paldamus, „De perviglio Veneris“ (Greifsw. 1830). 

Peſaro, das Pisaurum der Alten, Stadt in der Delagation Urbino im Ki 
chenſtatte, an der Straße von Rimini nad Ancona, am Ausfluffe der Fogl 
(Ifaurus) in's adriatiiche Meer, in einer hügeligen, baum-, wielens und feldre 
hen, Außerft angenehmen Gegend, die vorzüglich gute Feigen und Trüffeln he 
vorbringt. Die Stadt hat breite Straffen, fchöne Alläge, Darunter der Hauptple 
mit der Marmorftatue Papſt's Urban VII. und einem großen Brunnen; unt 
den Kirchen find bemerkenswert: die Kathedrale, St. Francesco und St. Dom 
nico; viele aus P. von ben Franzoſen geraubte Kunſtſchaͤte find nicht wieber hi 
her, fondern nad Rom gebracht worden. Bon Alterthuͤmern iſt bier eine ma 
morne Brüde aus den Zeiten Trajans, nach Andern noch Alter. Mauern ın 
Baftionen umgeben die Stadt, die 15,000 Einwohner zählt, weldhe Fayence, Kr 
ftall s und Seidenfabrifen und einigen Handel treiben. Der Hafen ift nur fi 
Kleinere Schiffe zugaͤnglich. — Seit dem Pontifikate Urbans VIEL iſt P. dem Ki 
henftaate einverleibt. Vorher war es, ald Sig der Herzöge de la Rovere, € 
Mittelpunkt literarifchen und poetifchen Lebens, von weldhem wir in Gaftiglione 
Cortegianno (f. Ferrara) Schilderungen finden, das Ariofto rühmt, und in welch 
Taſſo von der Fürftin Lucretia d'Efie gezogen wurde, Noch ni zeichnet es fi 
als Heimath befonderer Talente aus: Perticari und Roſſini find hier geboren 
mit Ruhm werden Graf Paoli als Chemiker, Marc. Petrucci als Naturforfche 
Antalıi als Eommentator des Catull, Graf Mammiani als Dichter genannt. D 
roͤmiſche Tragifer Accius, Freund Cicero’s, ift gleichfalls in P. geboren. 

Peſchek, Ehriftian, Mathematiker, geboren den 31. Juli 1676 zu Zitta 
Sohn eines bürftigen Muſikers, kam 1690 als Copift nach Bubiffin, kehrte ab 
bald nach Zittau zurüd und befuchte bafelbft das Gymnaſium; 1693 wurbe er i 
Ungarn PBrivatfefretär ; fpäter ertheilte er Privatunterricht im Rechnen u. Schr 
ben, wodurd er fich feine nothbürftige Subfiftenz 1698 während feiner theolog 
[hen Studien in Wittenberg verfchafftee 1704 wurde er als Lehrer an 
Schule in Zittau und fpäter als Lehrer ber Mathematit am dortigen Oymnaflu 
angeftelt. Er flarb zu Zittau den 28. Oftober 1744. — P. war vielfady im & 
biete ber Arithmetik und Mathematik Iiterariich thätig. Sein Hauptwerk if 
„Die Kaufmanns⸗ u. öfonomifche Rechnung“ Zittau 1732, die fehr großen Be 
fall fand und 1745 bereits die neunte Auflage erlebte. E. Buchner. 

eſcheraͤhs, ſ. Feuerland. 

eſchiera, kleine, wohl befeſtigte Stadt in der Delegation Mantua des lor 
bardiſch⸗venetianiſchen Königreichs, mit 1500 Einwohnern, iſt von hoher militän 
scher Wichtigkeit wegen feiner Lage am füblichen Ufer des Gardaſees, wo b 
Winde ausfließt, und an ber Steaffe von Tyrol, die fich hier nach Berona, BR 


[ws 


em mem 


— — 


Peſchito — Ver. 101 


hun und Brescia auszweigt, P. lann als eine Art detachirtes Fort von Manta 
betrachtet werben. Früher der Republik Venedig gehörig, wurde die Stadt 1796 
von Biefer den Defterreichern eingeräumt, was Bonaparte als Neutralitätsbruch 
Nach der Schlacht von Lodi überließ General Beauliew biefelbe den 
fen, die fie im tüchtigen Vertheidigungsftand fegten, was auf bie ferneren 
ber öfereeihifchen Armee in Jialien den nachtheiligften Einfluß hatte, 
— In ben legten Tagen wurde SP. abermals von ben Defterreichern an bie feindliche 
taltenifhe Armee verloren, was jedod auf ben, für die erfteren im Allgemeinen 
m Stand ber Dinge in Oberitalien von feinen bleibenden nad hei en 
war, im @egentheile durch die Hebergabe Padua's reichlich compenfirt wurde, 
Peſchito Heißt die furifche — ber heiligen Schriften bes alten u. neuen 
Ihments, wahrſcheinlech überhaupt die Altefte Ueberſehung des letzteren. Die. vier 
Ianten Fatholifchen Briefe, fowie die Offenbarung, fehlen indeſſen darin, 
Pe ft ilenz, nennt man im Allgemeinen jede, mit großer Sterblichkeit 
unb fich feucenartig verbreitende Krankheit; insbefondere aber beſeich⸗ 
simon ale P. die Beulen» oder Bubonen-P., bie — P., und un 
von biefer bie abendlaͤndiſche P., das eis Sieber (f. d.), Die Altes 
im von einer P., von — ankheiten, reichen bis anderthalb 
Taıfend — vor Ehriftus; allein dieſe Nachrichten, wie fie uns Mofes, David, 
fowie fpäter Herodot, — von Halifarnaß ıc. geben, find mehr ge⸗ 
‚her, nicht Ärztlicher Natur, fo daß ſich nicht beftimmen läßt, ob vor 
en bie Bubonenpeft waren. Das Gleiche gilt von der großen atheniens 
fiten Beft, welche 431 vor Chr. herrſchte u. die von Thucibides, als Augenzeus 
an lich beſchrieben wurde. Bei den Befchreibungen ber fpäteren zahlteis 
Ben überall Thucydides als Vorbild gebient zu Haben ; felbft Galen 
fheint bie 168 — 70 n. Chr. bee große antoninifche P. nicht felbft beo⸗ 
Itet zu haben, Die erfte entſchiedene Beulenpeft, d. h. bie erfte P., im welcher 
auſchieden peulen in Weichen, Achſeln ıc. auftraten, war bie juſtinianiſche 
2, welche von 542 bie 594 in faft ununterbrochener Muth alle Theile bes Ro- 
merihes vermoüftete und von allen bisherigen P.en Die auegebreitetefte und an- 
htendfte war. Im ben folgenden Jahrhunderten zeigte die P. fib ſtets als 
daulmP; von 1247 an heriſchte der ſchwarze Tod, im welchem bie Zufälle 
ta Beulen⸗V. mit denen des anthrarartigen Lungenbrandes in Verbindung traten; 
af gegen Echluß dieſes Jahrhunderts verlor fib die Complication mit Pungen- 
trand wieder und die P. trat ald reine Beulen-P. auf. Damals veranlafte die 
Furcht vor ber Wiederkehr fo großer Ehreden und bie allgemeine Ueberzeugung 
son der Anfteckungskraft diefer P. die Einführung von Eperrmaßregeln, welche 
ten Grund zu ben fpäteren Methoden ber prophvlaftiihen PB. Polizei legten. Sei 
«nun in Solge dieſes fi ausbilbenden Schutzſyſtems, oder vermöge einer Aen: 
teung in ber atmofphäriihen Gonftitution, oder durch den Einfluß der fortfchreis 
men Cultur: jedenfalls nahm von da an die P. immer mehr ab; es erfolgten 
war im 15., 16. und 17. Jahrhundert noch aller Orten heftige Ausbrüche ber: 
ilben, aber Doch zog fie fih immer mehr in ihre heimatlichen Gränzen zurück, 
innerhalb deren fie unüberwindlih und unvertilgbar zu ſeyn fcheint. Im 18. 
abrbumberte erfolgten einzelne Ausbrüche; am Ende beffelben herrſchte fie zum 
Isten Male in Oefterreich (Dalmatien, Eiebenbürgen, Elavenien), fpäter noch 
in Rußland. In der Türkei, Kleinafien und Aegypten mitgerechnet, ging feit der 
Hertſchaft der Osmanen die P. nicht mehr aus. — Man fann, zwei Bormen 
der P. unterfheiden: diegutartige u. bösartige. Die gutartige fommt in jenen 
Ländern vor, wo die P. einheimiicy ift, aber auch anderwärts meift gegen das 
Ente der Epidemien; unter leichten Fieberbewegungen entftehen Beulen in ben 
Leiften, Die gegen ben 4. Tag fi} zertheilen, oder in leichte Eiterung übergehen ; 
in 9 Tagen verläuft dieſe Form. Die bösartige Form ber P. dagegen tritt in 
verihiebenen Epidemien, mit nervöſem, endzuͤndlichem oder bilöfem Charafter auf: 
unter Heftigem ieber, großer Angf, Erbrechen oc. erfheinen unter den Adlein, 


I 


il 





102 Peſtalozzi. 


in den Weichen, am Halſe Beulen, ſowie allenthalben Karbunkeln und Petechien; 
unter anhaltenden Delirien tritt am A. oder 5. Tage ber Tod ein, ober in guͤnſti⸗ 
erem Kalle mindern fich die Zufälle und mit dem 5. ober 6. Tag beginnt bie 
Denefung; einzeln zieht fich auch die Krankheit in bie Länge; am Heftigften if bie bi« 
löfe Form. In den heftigften Peftfällen kommt es zur Beulen »Bilbung nicht, 
fondern der Tod tritt fohon in 18 — 24 Stunden ein, ja in einzelnen Fällen 
wird bei faum bemerfter vorausgängiger Mattigkeit und Abgefchlagenheit das 
Leben durch einen fchlagartigen Peſtanfall 8 beendet. Die P. iſt die ver⸗ 
heerendſte aller Krankheiten; nur das gelbe Fieber gleicht ihr an Toͤdtlichkeit, 
nicht aber die Cholera. Es Hat B.s Seuchen gegeben, wo nahezu die Hälfte als 
ler Bewohner ber ergriffenen Gegenden farben; fo töbtete bie MarfeillersB. 1720 
und 1721 von Marſeille's 90,000 Einwohnern 40,000, ja in anderen Faͤllen Reis 
gerie fih das Sterblichfeitsverhältniß bis zu 52, ja ſelbſt bis zu 66 vom Hun⸗ 
ert. — Die Urfache der P. fcheint in endemifchen Verhältnifien zu liegen: von 
jeber wurde Aegypten ald das Heimathland ber P. betrachtet ; gegenmirtig gelten 
aber auch ale BG erbe, von denen aus die Verbreitung berfelben erfolgen kann, 
Ronftantinopel, Smyrna, Trapezunt und die Donau-Nieberungen. Ehemals, wo 
bie PB. durch ganz Europa verbreitet war, entfland fie oft ohne nadweisbaren 
Ausgangspunkt ; feit fie aber in engere Graͤnzen zurüdgebrängt if, Hat fie bie 
gegen fie eingeführten Abfperrungen nur immer um Weniges überfprumgen u. ſich 
vorzugsweife an den Küften u. in Hafenftäbten gezeigt. Diefe Abfperrungen waren 
Folge ber Hülflofen Rage, in ber ſich die Ärztliche Kunſt gegenüber ben Verheerun⸗ 
gen ber allgemein als anftedend geltenden P. befand. In neuerer Zeit Hat man 
diefe Anftedungsfähigfeit ber B von einiger Seite her beftritten, u. bie unläu 
bare Ihatfache, daß feit Ein 2 ber Abiperrungen das Eindringen ber P. 
nach Europa feltener wurde, ja jeit einem Jahrhunderte faft ger nicht flattgefi 
den hat, aus anderen Urfachen, zunaͤchſt aus Ffosmifchen Veränderungen, 
wollen. Allerdings gibt e8 Beobachtungen, die gegen die Anftedungsfähigfeit ber 
P. ſprechen; ja, in Aegypten hört bie " auf und Niemand fürchtet ſich 
vor Anftedung oder meibet die Gelegenheit dazu, fobald nur erfi Mitte Juni 
Sonne ihren hoͤchſten Grad erreicht hat, ein Endtermin ber B., welcher ſich für 
andere Länder nicht beftätigt Bat; denn in Europa hat ehemals bie P. ben 
verſchiedenſten Jahreszeiten geherricht. Die Frage über bie Anftedungefäht feit 
der P. Hat in Beziehung auf bie, für ben Handel u. Wandel fo läftigen, Ablpers 
rungen 1834 zur Nieberjegung einer eigenen Conmiſſion geführt, weldye 
mente an Berbrechern anftellte, aber ohne ergiebiges Refultat. Vielleicht Liegt bie 
Löfung der Streitfrage in der an und für ſich nicht wiberfinnigen Anflcht, 
bie fporadifche P., wie fie z. B. in Konftantinopel nie ausgeht, nicht anfl 
fei, die Anftedungsfähigkeit der P. aber eintrete, fobald biefelbe zur Epidemie er 
wächst. Durch welche Umftände aber bieß Letztere herbeigeführt werbe, Reis nicht 
feft. — Bgl. Bulard de Meru de la peste d’Orient, Paris 1839. Clot⸗Bey de 
la peste obsörvee an Egyte. Paris 1840. 4. A. Feari della peste e della 
publica amministratione sanitaria. Venezia 1840. 3. Prunner, „IR benn bie 
Peſt wirklich ein anftedendes Hebel?" München 1839. E. Buchoer. 
Deftalozzi, Johann Heinrich, ber berühmte Paͤdagog u. Reformator 
bes Elementarunterrichtes, war am 12. Januar 1745 zu Zürich geboren, wo 
Bater al beliebter Arzt lebte. In den Schulen feiner Vaterftabt empfing er 
anregenbften Unterricht u. Hatte das Gluͤck, Bodmer und Breitinger unter 
Lehrer zu zählen. Aus eigener, liebgeivonnener Vorliebe wählte der 184 
Süngling ben geiftlihen Stand zu feinem fünftigen Berufe; allein fein erſter 
Ba mißglüdte; er u die Theologie auf u. wibmete fich ber 
wiſſenſchaft. Obgleich er einige Jugendarbeiten, 5. B. über fpartanifche ey 
gebung, berfegung einiger Reben des Demofthenes ıc. um dieſe Zeit in ben Drud 
geb: eharrte er dennoch auch nicht bei ber Juriprudenz. Rouſſeau's Emil u 
afebow’8 Schriften bewisften in feinem empfänglichen Herzen einen plöplichen 


Peftaloggi. 103 
arme für eine beffere Exzii eweiſe, von der allein 
hlfahrt Hinfiger Onfaiegter abhing, erfüllte Se ma wi 
jeau’8 erhabener Traum der — 
auch fein Traum, u. als ex eine —5 Krankheit re ie ae. 
überftanden, erflärte P. allem 
erworbenen Wiflen ben Krieg, entfagte allem —— * — —8* 
Landmann werben, Bei einem Defonomen zu Kirchberg im 
erwarb er Fr — praktiſche Kenntniſſe der Sanbreirthe 
ifte von —— vaterlichen Vermögen ein bisher gering — 
Bru gun 


Birr 99 im Aargau’ — nannte feine ® jof“ 
ie im 22, —— rüftig * — — Sn * em 


en aa die ae deals: „buch Erziehung auf die 
jerung u. geiflige Vere Ar Em armen Bolkes zu wirken“ Er 
als 50 :loste Kinder, dk zum Theil elternlo6" ya in ne 


auf u, * Ihe Lehrer, Berforger u, En Freund ; 
fie beten, —— rechnen, ihre aͤuſſeren FRE 
ihren @i ee nir Geite er pen 
hr Be — ,die Tochter eines angeſehenen Kaufmannes. 
fabrit u, errichtete eine — ins Anal, 
Ak die Kinder a ie gedrudten Zeuge bie ae ebenen Farben + Bi 
en. Allein aus Mangel an ‚er Unte Hgung 
ah en, fo wie Pur fü ne ‚Bet — Mn 
feine igfeit mißbrauch ten — ging b te Theil a les zu 
auft hen — jens verloren. 25% Sahre lange —— edle 
ae — 
u. zu in Mia auge Ma he genötigt 
Unternehmen auf Fra ‚Deneranei ſchildert er 1797 ni wenigen, abet 
—— jügen ſich u. Wirken unter bem Bilde ein ling.“ 
das Hoßmgelächter der Welt, der Spott der ſich Flug — Weltkinder, 
bie erlittenen Reden u. Kränfungen fonnten dennoch feinen arglojen Glauben an 
tie Menſchheit nicht wanfend machen; beffen ungeachtet erfaltete nicht in feinem 
kegeifterten Seren, die feurige Liebe zu feinem Werke ber Volfserzichung. Die 
jährige Vrüfungszeit brachte ihm zugleich unberechenbaren geiftigen Gewinn; er 
lernte hiebei das Bar fennen wie Keiner, lebte mit ihm, u. fühlte mit ihm, lernte 
he Quellen bes Elendes, in dem das Volf verjunfen war, aus unmittelbarer Anz 
ſhauung fennen. Sein weiteres Nachdenken führte ihn auf die einfachſten Er— 
üehungsmittel, auf einen Unterrichtsgang, wie ihn die Natur vorſchreibt: kurz, es 
teiften in_ feinem genialen Geifte die Örundelemente feiner berühmt gewordenen 
Piſchen Unterrichtömethode. Auf dem Neuhofe fehrieb er das unvergängliche 
Denfmal jeines lichten Geiftes u. gefühlvollen Herzens, „Leonhard u, —2 
wovon der 1. Bd. 1781 erſchien u. 10 Jahre fpäter der 2.—4. Bd. folgten. 
Eine Darftellung häuslicher Bellebilbung erfhien: „Ehriftoph u. Elfe,“ Adend- 
unterhaltungen über L. u. ©. 1782; „Schmeizerblatt für das Volt,“ 1782—83; 
„Beieggebung u. Kindermord ;” ni hekaunien über den Gang ber Natur in 
ter Entwidelung des Menſchengeſchlechteo,“ 1797. Die erfte Darftellung des 
Weſens u. Umfanges feiner neuen Lehrart veröffentlichte P. im Maihefte 1780 
von Iſelins Ephemeriden der Menſchheit unter dem Titel: „Abendftunden eines 
Einfiedlers." Die Stürme der franzöfifhen Revolution drangen aud in bie 
Berge u. Thäler der Schweiz; am 9. September 1798 ward Stanz ein Raub 
ter Flammen u. Männer, Frauen u. Kinder u, Greiſe fielen als Opfer der Rache. 
Dieſen veröbeten Ort des Unglüds follte auf des Direftord Legrand Bitte P. 
zum Alyle feines Wirkens wählen. Die Regierung übergab bie Kloftergebäube 
der Urfulinerinnen in Stanz zu einer Waifen- u. Armenanftalt u. forgte für die 
noihwendigfte Einrichtung. 80 Finder, von verſchiedenem Alter, meiftens höchft 
unwiſſend u. roh, theils Waifenkinder, theild Kinder von Bettlern u. Kausarmen, 


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104 Peſtalozzi. 


wurden ſeiner Pflege uͤbergeben. Ohne einen andern Gehuͤlfen, als eine Haus⸗ 
hälterin, warb P. dieſer Kinder Vater u. Lehrer u. feiner Anſtalt Oberaufſeher, 
Zahlmeifter, Hausknecht u. faft Dienftmagd. In Folge des Sieges ber Deſter⸗ 
reicher bei Stodah (21. März 1799) mußte er die Anftalt aufgeben u. bie lieb: 
gewordenen Rinder verlaffen. Er ging nad Bern, flärfte in ben Bädern auf 
dem Gurnigel feine zerrüttete Geſundheit, ftieg herab von den Bergen u. trat zu 
feinen einflußreichen Freunden Renzer, Stapfer u. Schnell in Bern mit feiner 
treuherzigen Bitte: „ich will wieder Schulmeifter werben!" In Burgdorf, einer 
fleinn Stabt des Emmenthales, gelang ihm bie Erfüllung feines Lieblingswunfches : 
er nahm hier den in Stanz abgebrochenen Faden wieder auf, den Berfuch 
naͤmlich: allen Unterricht zu vereinfachen u. auf urfprüngliche Elemente zurück⸗ 
zuführen. “Die Helvetifche Regierun unterftügte ihn hiebei mit einem Fleinen Ge⸗ 
halte von 640 Schweizerfranten. übernahm nach Fiſchers Tode die Leitum 
bes Schullehrerfeminars ; ihm wurben zwei Lehrer zur Seite gelebt, ihm Feibf 
wurde feine Beloldung auf 1600 Fr. erhöhet u. aus allen Gegenden ber Schweiz 
kamen talentvolle Jünglinge, um fidy in der Hoffnungsvollen Anftalt zum Schul 
fache Heranzubilden. 1801 erfchien fein vielgelobtes u. vielgetabeltes Buch, das 
ein Bierteljahrhundert hindurch die paͤdagogiſche Welt in Bewegung fehte: „Wie 
Gertrud ihre Rinder lehrt, ein Verſuch, den Müttern Unleitung zu geben, ihre 
Rinder felbft zu unterrichten, in Briefen.” Der Hauptgrundfag ine Methode 
befteht darin: aller erfter Unterricht muß fi auf Anfchauung gründen, vom Nahen 
zum Entfernten, vom Einfachen zum Zufammengejehten, vom Leidhten zum 
Schweren, nad den Kräften des Kindes felbftthätig u. ſtufenweiſe fortentwidelt 
werden. Der Reihe nach folgten mehre Elementarbücher: „Anweiſung buchſta⸗ 
biren u. lefen zu lehren,“ 1801; „Das Buch ber Mütter, oder Anleitung für 
Mütter, ihre Kinder bemerken u. reden zu lehren,“ 1803; „Anfchauungsiehre der 
Zahlenverhältniffe,“ 3 Hfte., 1803—4; „Anſchauungslehre dee Mapverhältniffe,” 
2 Hefte, 1803. Anerkennensmerth unterftügte ihn bei Herausgabe feiner Schul 
bücdyer die Regierung, nachdem Dekan Ith von Bern in amtlichen Berichten 1802 
ein böchft ehrenvolled Zeugniß über Anftalt u. Methode von PB. ausgefprochen 
hatte. Indeß nahmen in ber Schweiz die politiſchen Partelungen, angeftadhelt 
von Haß u. Leidenfchaften, immer mehr eine drohendere Haltung anz bie Anhänger 
des Alten u. Reuen verfolgten ſich gegenfeitig u. P. fuchte durch einige wohlges 
meinte Mahnungen zu verföhnen: „Anfichten über die Gegenftände, auf weldhe 
die Geſetzgebung Helvetiens ihr Augenmerk vorzüglich zu richten hat,“ Bern 1802. 
Zu gleihem Behufe ließ er feine „Kabeln, oder Kiguren zu meinem ABE Budh 
oder zu den Anfangsgründen meines Denkens,“ weldye er während der franzöflfchen 
Revolutiongzeiten mit Wig u. Scharffinn gefchrieben, um Mißverhättniffe im 
Staats s u. Geſellſchaftsleben, Ungerechtigfeiten, die falfchen Richtungen ber Volks⸗ 
aufflärung u. |. w. in betreffenden Bildern zu zeigen, wieder auflegen 1803. 
Leider verhallte fruchtlos feine wohlgemeinte Mahnung an der Selbfifucht der Bartels 
häupter. Die Züricher, müde ber vielfachen Wirrnifie, riefen die Vermittelung bes 
erften Conſuls von Frankreich an u. wählten P. zu ihrem Wortführer, Er über 
gab, gemeinfchaftlich mit mehren andern Abgeordneten der Schweiz, ein Memoire, 
vorzüglich die Regulirung des Zehntens u. die Wahlen der Kantonbeamten bes 
treffend. Nach der Bermittelungsurfunde Rapoleons löste fi) bie eine u. unge 
theilte Belvetifche Republik in 19 felbftftändige confoͤderirte Kantone auf ımb in 
Folge dieſer politiihen Umgeftaltung fanf bie von ber ſchweizeriſchen Regierung ges 
pflegte u. unterftügte P.iche Erziehungsanftalt zu einem Privatinftitute herab. Die 

erner Regierung forderte bald darauf die Räumung des nun wieder ihr Eigen 
thum gewordenen Schloffes zu Burgdorf u. üblich P- Dagegen das 2 Stunden 
von Bern entlegene Klofter Münchens Buchfee. 1 gefhah baher bie Webers 
fiedelung ber Anftalt, welche neben PB. auch an Niederer einen ausgezeichneten 
Pädagogen gewonnen hatte. Eine beabfichtigte Verbindung mit Fellenberg 
0. db.) in Hofwyl wurde von P. bald wieder aufgegeben; vielmehr gründete 


Peſtalozzi. 105 


in dem Städten Poerdun im Kanton Waadt eine neue Anftalt, womit fich 
die, in Münden» Buchfee unter Fellenbergs Direktion zuridgelaffene wieder 
Aber feit 1805 war, im Vergleiche mit den Anftalten in Neuhof, 
w. Burgdorf, in P. Wirfungsfreife eine bedeutende Ummanbdelung vorge 
Aus der Armenanftalt in Stanz war jept ein, nur ben Reichen unb 
zugängliches Penfions- Inftitut geworben. Aber bei allem äußeren 
bei der großen Anzahl der Zöglinge, Lehrer, bei ben reichen Hülfegitellen, 
weitverbreiteten Ruhme, Tonnte bie jegige Geftaltung vor ber früheren 
gedeihlichen Einfachheit kaum einen en: Die rein deutſche Anftalt 
ontortete bald bei ber frangöfifchen Umgebung in ein Gemifch von verſchiedenen 
Sprachen, u. bie frühere naturgetveue Auffaſſung einer einfachen Menſchenbildung 
wirbe nun durch philofophiiches Raifonnement u. neumobifche Theorien in bunten 
‚en zu — geſucht. Die Folgen ſolcher Abirrung, vereint mit der 
fähigkeit u. dem Scheinglücke, welches das Unternehmen umhüllte, 

nie aus: Zerftreuungsfucht, Unorbnung, Vernachlaͤßigung der Pflichten 
der Anftalt gerade zu ber Zeit, ald man nad) Außen mit der größs 

ten über Alles abſprach, was nicht von Yerdun fam, P., der nie 
m wirthſchaften verftand, geriet} bald in öfonomifche Verwirrungen u. Schulden; 
Ne anfängliche Begeifterung feiner Mitarbeiter fühlte fih ab; unter ben Lehrern 
traten Meinungsverfchiebenheiten auf und ber Zufammenhalt u. das Vertrauen 
Be an zu warfen. P. felbft erfannte fpäter mit Betrübnig die Frrthümer u. 
‚ welche fein Streben in Yverbun hemmten, u. ſchildert fie aufrichtig in 
finer Schrift: „Meine Lebensichidiale als Vorfteher meiner Erziehungs, 
Inftitite in Burgdorf u. Ifferten,“ 1826, Da bie Zahl ber Zöglinge immer 
mehe wuchs, umd nicht bloß Privatperfonen, fonbern auch die Regierungen von 
, Preußen, Württemberg, Baden, Holland für Ps Erziehungsweife ben 

sen Antheil nahmen u. junge talentvolle Männer dahin fehicten, um bie 

‚che Unterrichtsmethode u. ihre mögliche Anwendung auf Bolfsichulen 

u fudiren: fo errichtete P. eine Anftalt zur Bildung fünftiger Lehrer u. Lehr 
innen. Seit 1807 gab er eine Wochenſchrift für Menfchenbildung heraus, 
melde ein fortlaufender Gommentar feiner Erziehungs» Unternehmung ſeyn follte, 
Mährend Fichte in feinen Reden an bie deutſche Nation P.s Methode als Mus 
rerbilb zu einer beutfchen Nationalbildung anpries, erfchien von ber amtlichen 
Unterfubungs + Gommijfion der ſchweizeriſchen Tagſatzung auf ben Grund einer 
mehrtägigen genauen Prüfung an Ort u. Etelle im Dezember 1809 ein ungün— 
Higer Beicht u. wurde auch durch den Drud befannt gemacht. Nicht nur diefer 
Umftand wirfte höchft nachtheilig auf die öffentliche Meinung, fondern auch Die 
vielfachen u. nicht unbegründeten Gerüchte über bie entftandene Entaweiung ber 
Lehrer und Gebülfen der Anftalt. Durch leichtfinnige öfonomifhe Verwaltung 
wurde Bas Vermögen zerrüttet, ber Schuldenftanb erhöht u. ber Kredit ſank fo 
tief, daß die gänzlihe Auflöfung ber Anftalt durch einen Banferott bevorftand. 
Um diefen Schlag noch abzuwenden, wurde auf Beranlaffung des franzöfiichen 
Grafen Julien eine Gommiffion von 6 der angefehenften Bürger der Etadt 
1814 zur Leitung ber oͤkonomiſchen Verbältnifie angefegt. Bei der neuen Orga— 
nation der Schweiz u.nah Aufhebung der Mediationsafte fehrieb P. 1815 das 
herrliche Manifeft „an bie Unfhuld, ben Ernft u. den Edelmuth meines Vaters 
landes.“ In Bezug auf das fernere Schidfal des Inſtituts Fehrte auch 1815 ber 
frübere Lehrer Schmid auf P.s dringende Einladung wieder zurüd. Um bie Selbft- 
fändigfeit feiner Anftalt von fremder Hülfe unabhängig zu machen, veranftaltete 
man eine Ausgabe fämmtliher Schriften P.s auf Subfeription u, unter höchft 
ginftigen Bedingungen übernahm Cotta ben Verlag. Die großmüthigften Unter 
fügungen bes Kaifers von Rußland u. bes Königs von Preußen, fowie vieler 
anderer Menfchenfreunbe ergaben eine bedeutende Eumme und P. beftimmte bie- 
felbe zur Etiftung einer Armenanftalt, in ber er den lange unterbrochenen Weg 
feiner früheften Lebensbeftrebungen wieber aufs Neue anzubahnen u. fortzuicgen 


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108 vPoreſth. 


hoffte. An feinem 73. Geburtstage, 12. Janunar 1818, verſammelte der ehrwuͤr⸗ 
dige Greis die Glieder feines Hauſes u. verfügte über bie Subſcriptions⸗ Summe 
in einer tief ergreifenden Rebe als über ein ewig unveräußerliches Capital, befien 
Zinfen zu nichts Anderem angewendet werben bürfen. Es wurde fobann bie Ars 
menanftalt wirklich durch Die unentgelbliche Aufnahme von 12 armen Mädchen 
u. Knaben gu Erziehung für jene Zwede eröffnet, u. da auch Kinder eg 
Bezahlung Aufnahme fanden, vergrößerte fi) die Zahl der Zöglinge auf . 
Leider war das Gelingen auch diefed Unternehmens, an dem PB. mit ganzer Seele 
Bing, nur ein vorübergehender Traum, Rechnungsftreitigfeiten, Injurien, Pros 
zeffe, Schmähartifet in fremben u. einheimifchen Zeitungen. Die hinterliftigften 
u. boshafteften Anfchuldigungen u. gehäffigften Libelle verbitterten nicht nur bie 
letzten Jahre bes Iwergep ften Greiſes, fondern zogen auch unvermeiblidh ben 
Berfall u. Untergang feiner Anftalten herbei. Die Verföhnungs- u. Ausgleich: 
ungs⸗Verſuche vom 31. Dezember 1823 und 30. November 1824 durch einen 
— 2 — ruch ſtanden nur auf dem Papiere, nicht aber in den Herzen der ent⸗ 
weiten arten. Nach ben bitterfien Leiden u. Kraͤnkungen hob P. feine Ans 
Iten auf, und verließ feinen 20jährigen Wohnſitz. Beflegt von dem wilben 
Schmerze über alle erbuldeten Mishandlungen gönnte er bem unbanfbaren Orte 
felbft das Denkmal feiner Gattin nicht, die im arten des Schlofies ihre * 
ſtaͤtte hatte — er ließ es zerſtoͤren und kehrte dann 1825 auf ſein Gut Reuhof 
zurück, um da in Ruhe zu enden, wo er vor bald 50 Jahren ſeine muͤhevolle 
aber ſegensreiche Laufbahn begonnen. Alles beſtrebte ſich ihm ſeinen Aufenthalt ange⸗ 
nehm zu machen. Die im Schinznacherbade verſammelte helvetiſche Geſellſchaft 
ernannte ihn bei feinem Erſcheinen in ihrer Verſammlung (3. Mai 1825) zu 
ihrem Borfteher für das naͤchſte Jahr, u. auf Antrag bes il. Rathes von Aargau 
wurde ihm von dba das Ehrenbürgerrecht verliehen. Da wurde SB. in e 
einer harmloſen Ruhe durch ein ——*z* ibell mit wahrhaft teufeliſcher 
osheit auf das Empfindlichfte angegriffen; unter ber Firma eines gewiſſen Bi⸗ 
bers, mit St, Ballen’icher Cenſur verfehen, erſchien biefe Läfterfchrift, von ber 
ſich die öffentlichen Stimmen des Ins u. Auslandes mit Verachtung u. Abfchen 
wegwanbdten. Die Abficht bes fchamlofen Pasquillantn erreichte aber nur 
gut ihren nichtswuͤrdigen Zwed. Diefe Denunciation war ber Dolchſtoß in bes Ed⸗ 
len Herz. Am 15. Februar 1827 verfaßte P. feinen letzten Willen u. am naͤm⸗ 
lichen Tage noch, an dem er fein Teftament gemacht, ließ er fi vom Neuhofe 
nah Brugg bringen, um bei zunehmender Schwäche dem Arzte nahe zu fen. 
Aber ſchon am 17. Hebruar Morgens 8 Uhr endete ber Tod feine Leiden, 
von ihm verlangte Ruheſtaͤtte follte in Neuhof auf bem Kirchhofe neben bem 
Schulhauſe feyn, in welchem er fo oft mit Begeifterung unter den um ihn ver 
fammelten Kindern weilte — P. war in Wahrheit ein Werkzeug Gottes, in 
einer fo von Selbftfucht u. Eigennuß verwirrten Zeit, erweckt zum Helle ber unters 
drüdten, veracdhteten u. vergeffenen Armuth, zum Wohle ber Menichheit u, ein 
Seher ber menichlihen Ratur, ber ihre ewigen Geſetze enthült,. nach benen ein 
freies, mäßiges u. verftändiges Geſchlecht erzogen werden kann u. fol. Cm, 
Peſth, F. ungariiche Freiftabt, im vereinigten Peſther, Pilifer, und Solther 
Gomitate , die fchönfte, größte und bevölfertfte Stabt Ungarns, am linken Ufer ber 
Donau, gegenüber der Stadt Ofen (f. d.), hat mit Inbegriff ber von 5 Barrie⸗ 
ren eingeichlofienen A Vorftäbte einen Umfang von 14 deuticye Meilen, über 4500 
Häufer und, ohne die Garniſon, 80,000 Einwohner, darunter 4500 Proteſtanten 
beider Gonfeffionen, ungefähr 1000 Griechen und gegen 8000 Juden. Unter ben. 
15 Kirchen ragt die Univerfitätskirche burch ihre prächtigen Thürme und meiſter⸗ 
haften Brescomalereien hervor. Demnächft ift die gothifche Pfarrkirche der Innern 
Stadt mit bem Grabmale des Feldzeugmeifters Kray ſehenswerth. Die übrigen 
Per Kirchen find von Feiner architeftonifcgen Bebeutenheit, wogegen bie 
griehiiche Kirche an der Donau in jeder Hinſicht unter bie vorzüglichften Gebaͤude 
gehört, Die beiden Kirchen ber Lutheraner und Reformirten find von einfacher 


Peſth. 107 


Sur, Man findet Hier Möfter der Eerviten, Franciscaner, , englis 
id fräulein und Saw ei d fünf Mi 
Im 


Unter en 
fm und einem Umfange von 370 Klaftern aus. Die übrigen fehenswürdigen Ges 
Kute find: Die Univerfität, das große Lagerfpital, das Bufenm, das Blarifene 
um, die Euria und das Comitatgane, das prächtige Theater, über 3000 
Raigen faffenb, das Bürgerhofpital ıc., bann die Privatpaläfte der Grafen Pas 
or und Mlmafy, ber dreiherrn Oray und Brubern u. m. a. In der 
kung ber Waagrenauslagen ahmt P. die gefälligen Ausftattungen Wiens 
. P. ift ber Sit der Septemotral- und koniglichen Tafel und anderer Stel: 
—*8 wie ber Seneralcongtegation der Stände ber ganzen Gefpannfcaft. a 
nz 


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—9* en zählt, befinden no ge 39 13 


P. Dbenan fteht die ungariſche gelehrte Gejellihaft u. das 
Kılam mit bem Münz- und Aintten. * dein Naturalien » abinet, dem tech⸗ 
aid Nuſeum und einer Bibliothek von 12,000 Bänden. Die üniverſtiats— 
Bilthel enthält KO,000 Bände. Ferner gehören zur Univerfität: das phyfikalifche, 
it matomifch > patHologifche und_das Naturalien«Eabinet, das Klinikum, der 
bttanifHe Garten und die Sternwarte in Ofen. Sonftige öffentlihe Anz 
find: bie Thierarneifhule, das Gymnafium, ein engliiches Fräuleinftift, bie 
ImalıHauptfchule und 6 Trivlalſchulen, dann die Schulen der Griechen, Pros 
‚unten und Zuden. — Zu ben Wohlthätigfeitsanftalten find zu zählen: ber 
—— das — Beamten» Penſions⸗ Inftitut, das Bürgers, 
1 AtS-, Das Militärs und Armenfpital, die Spitäler ber nicht anirten 
Gichm und ber Juden, das Armeninftitut ze. Einige Aehnlichfeit mit bem 
it Wien Hat das Stabtwälbchen ober der neue Volksgarten aufer der 
orftabt. Auf der Margarethen» ober Balatininfel befinden ſich Herrliche 

Anlagen, wo jäyrlih am Sonntage ber — ein Volks feſt ftatt- 
fie, Die eigentliche innere Stadt heißt die Altftadt und befteht aus 700 Haus 
€o alt und unregelmäßig fie ift, wird doch ihr finfteres Ausfehen durch 
en ſchönen Gebäude unterbrohen. — Bon den 4 Vorſtädten ift die 
dt, auch Neuftadt genannt, der nördliche Theil von P. Der neue Marft: 
N eihnet fich Durch bie Negelmäßigfeit feiner Gebäude aus, u. gehört unter 
de gizten Plage, 100 Rlafter lang, 93 Klafter breit. Er dient al Paradeplatz 
fire Garniforn und ift der Gentralpunft des Handelsverkehrs. Das größte 
Gtüude der Leopoldftadt ift das Joſephiniſche oder Neugebäube mit 5 Höfen, ein 
wihuerer Koloß, der jetzt als Artillerie» Kajerne und zum Munitionsdepot ver- 
vata wird. Die Thereſienſtadt ift ſehr lebhaft und wicd meiftens von Juden 
karchnt, — Weniger bemerfenswerth find die Jofephftadt und Franzensſtadt. — 
U die Donau fteht P. mit Oefterreih ob und unter der Enns, mit Deutich- 
Ind und ber Türkei in Verbindung. Bei 8000 Fahrzeuge landen jährlich an den 
fifgen Ufern. Mit allen Manufafturen und Naturproduften wie auf dieſem 
Huphandelsplage Ungarns, der zugleich den Hauptplag der ungariſchen Indu— 
frie duch vielfältige Hubrifen und Gewerbe bildet, ber anfchnlichte Verkehr ge- 
wien, vorzüglich mit Getreide, Mein, Wolle, Holz und Hornvieh. Eine 240 
fer ange Schiffbrüde, die auf 46 Pontons ruht, verbindet P. mit Ofen. Die 
in haue begrifferie neue Kettenbrüde haben wir bereits unter O fen (f.d.) ausführlich 
tährieben. WB. ward unter Arpad erbaut u, unter Stephan dem Heiligen durch neue 
Antelungen bebeutend erweitert. Nach dem erften Einfalle der Zataren in Ungarn 
233 wurde zu P. bie erfte Kirche von Dominikanern erbaut. Das Jahr 1241 
tar eines der unglüdlichften in der Geſchichte Ungarns, indem die Jataren da— 
mil einen zweiten großen Einfall in Ungarn machten. Das Gemälde ber ba- 
miligen allgemeinen Berwüftung umfaßte auch die ungluͤckliche Zerftörung dieſer 
Exdt, hiermit auch bie Veroifung aller Denfmäler aus jenen früheren merf- 
nirtigen Zeitperioben, in welchen der Ort als eine große, ſehr veiche, von heut 











106 Peſth. 
hoffte. An feinem 73. Geburtstage, 12. Januar 1818, verſammelte ber ehrwür⸗ 
Dige Greis die Glieder feines Hauſes u, verfügte über die Subferiptions-Summe 
in einer tief ergreifenden Rebe als über ein ewig unveräußerliches Capital, befien 
Zinfen zu nichts Anderem angewendet werben bürfen. Es wurde fobann die Ars 
menanftalt wirklich durch Die unentgelbliche Aufnahme von 12 armen Mädchen 
u. Knaben zur Erziehung für jene Zwede eröffnet, u. da auch Kinder egen 
Bezahlung Aufnahme fanden, vergrößerte fi) die Zahl der Zöglinge auf 0. 
Leider war das Gelingen auch dieſes Unternehmens, an dem PB. mit ganzer Seele 
hing, nur ein vorübergehender Traum. Rechnungsftreitigfeiten, Injurien, Pros 
zeffe, Schmähartifel in fremden u. einheimifchen Zeitungen. Die binterlifligften 
u. boshafteften Anfchuldigungen u. gehäfligften Libelle verbitterten nicht nur bie 
letzten Jahre bes fchwergeprüften Greiſes, fondern zogen auch unvermeiblich ben 
Befall u. Untergang feiner Anftalten herbei. Die Verſohnungs⸗ u. Ausgleich: 
ungssBerfuche vom 31. Dezember 1823 und 30. Rovember 1824 durch einen 
Schiedsſpruch flanden nur auf dem Papiere, nicht aber in ben Herzen ber ents 
weiten Parteien. Rach den bitterften Leiden u. Kraͤnkungen hob P. feine Ans 
ten auf, und verließ feinen 20jährigen Wohnfis. Beflegt von dem wilden 
Schmerze über alle erbuldeten Mifhandlungen gönnte er dem unbanfbaren Orte 
feld das Denkmal jeiner Gattin nicht, bie im Barten des Schloſſes ihre Ruhe: 
ftätte hatte — er ließ es zerftören und kehrte dann 1825 auf fein Cut Neuhof 
zurüd, um da in Ruhe zu enden, wo er vor bald 50 Jahren feine mühevolle 
aber jegensreiche Laufbahn begonnen. Alles beftrebte fich ihm feinen Aufenthalt anges 
nehm zu madhen. Die im Schinznacherbade verfammelte helvetiſche Geſellſchaft 
ernannte ihn bei feinem Erfcheinen in ihrer Verfammlung (3. Mai 1825) zu 
ihrem Vorſteher für das naͤchſte Jahr, u. auf Antrag bes H. Rathes von Aargau 
wurde ihm von da das Ehrenbürgerrecht verliehen. Da wurde P. in Mitte 
einer harmloſen Ruhe durch ein hmachvolles ibell mit wahrhaft teufelifcher 
osheit auf das Empfindlichfte angegriffen; unter ber Firma eines gewifien Bis 
bers, mit St, Gallen'ſcher Eenfur verfehen, erſchien dieſe Läfterfchrift, von ber 
ſich die öffentlichen Stimmen bes In» u, Auslandes mit Verachtung u. Abſcheu 
wegwandten. Die Abfiht bes fehamlofen Pasquillanten erreichte aber nur au 
gut ihren nichtswuͤrdigen Zwed, Diefe Denunciation war der Dolchſtoß in bed Ed⸗ 
lien Herz. Am 15. Februar 1827 verfaßte P. feinen letzten Willen u. am naͤm⸗ 
lichen Tage noch, an bem er fein Teftament gemacht, ließ er fi vom Neuhofe 
nad Brugg bringen, um bei zunehmender Schwäche dem Arzte nahe zu ſeyn. 
Aber ſchon am 17. Februar Morgens 8 Uhr endete der Tob feine Leiden, Seine 
von ihm verlangte Ruheftätte follte in Neuhof auf bem Kirchhofe neben dem 
Schulhauſe jeyn, in welchem er fo oft mit DBegeifterung unter ben um ihn vers 
fammeltn Kindern weilte — P. war in Wahrheit ein Werkzeug Gottes, in 
einer fo von Selbftfucht u. Eigennutz verwirrten Zeit, erwedt zum Helle ber unters 
drüdten, verachteten u. vergefienen Armuth, zum Wohle der Menichheit u. ein 
Seher ber menſchlichen Ratur, ber ihre ewigen Geſetze enthüllt, nach benen ein 

freies, mäßiges u. verfländiges Geſchlecht erzogen werben Tann u. fol. Cm. 

Peſth, k. ungariiche Freiſtadt, im vereinigten Peſther, Pilifer, und Solther 
Gomitate , die fchönfte, größte und bevoͤlkertſte Stabt Ungarns, am linken Ufer ber 
Donau, gegenüber ber Stadt Ofen (f. d.), hat mit Inbegriff der von 5 Barries 
ren eingeichlofienen A Vorftädte einen Umfang von 14 beutiche Meilen, über 4500 
Häufer und, ohne die Barnifon, 80,000 Einwohner, darunter 4500 Proteftanten 
beider Confeſſionen, ungefähr 1000 Griechen und gegen 8000 Juden. Unter ben 
15 Kirchen ragt die Univerfitätsfirche durch ihre prächtigen Thürme und meiſter⸗ 
haften Srescomalereien hervor. Demnächft ift die gothifhe Pfarrkirche der Innern 
Stadt mit dem Grabmale des Feldzeugmeifters Kray ſehenswerth. Die übrigen 
tatpeliichen Kirchen find von Keiner architektoniſchen Bedeutenheit, wogegen Die 
griechiſche Kirche an der Donau in jeder Hinficht unter die vorzüglichften Gebäude 
geport, Die beiben Kirchen ber Luiheraner und Reformirten find von einfacher 


Peſth. 107 


Kurt. Man findet Hier Mlöfter der Gerviten, Franciscaner, Piariſten, englis 
hen Sräulein und grauen Schweftern ; zwei große und fünf Heine Synagogen. 
Inter den öffentlichen ®ebäuden zeichnet fi) das Invalidenhaus mit 4 Stockwer⸗ 
tm ınd einem Umfange von 370 Klaftern aus. Die übrigen Ichenerwürbigen Ge⸗ 
haude find: Die Univerfität, das große Lagerſpital, das Muſeum, das Piariſten⸗ 
Kollegium, Die Curia und das Comitathaus, das prächtige Theater, über 3000 
Renſchen faflend, das Bürgerhofpital zc., dann die PBrivatpaläfte der Grafen Ka⸗ 
telyi, Sandor und Almafy, ber Freiberen Orczy und Brudern u. m. a. In ber 
Berzirung der Waarenauslagen ahmt P. die gefälligen Ausftattungen Wiens 
sh. WB. ift der Sitz der Septemwirals und königlichen Tafel und anderer Stel 
Im, fo wie ber ®eneralcongregation der Etände der ganzen Geſpannſchaft. Außer 
der ſehr weich botirten Univerfität, welche aus 49 Profefioren befteht und gewöhn- 
ich gegen 1000 Studenten zählt, befinden fich noch mehre wichtige literariiche In⸗ 
fiture P. Obenan fleht die ungarifche gelehrte Geſellſchaft u. das National; 
Kuſeum mit dem Münz, und Antifens und dem NRaturalien -Gabinet, dem tech⸗ 
niſchen Muſeum und einer Bibliothek von 12,000 Bänden. Die Univerfitätss 
Bibliothek enthält 60,000 Bände. Ferner gehören zur Univerfität: das phnfifalifche, 
ts anatomifch > pathologifche und das Naturalien⸗Cabinet, das Klinifum, der 
—* botaniſche Garten und die Eternwarte in Ofen. Sonftige oͤffentliche Ans 
en find: die Thierarzneifchule, das Gymnafium, ein englifches Bräuleinftift, die 
Rormal- Hauptichule und 6 Trivialfchulen, dann die Schulen der Griechen, Pros 
wfanten und Juden. — Zu ben Wohlthätigkeitsanftalten find zu zählen: ber 
wohlthätige Frauenverein, das gaduſche Beamten⸗Penſions⸗Inſtitui, das Bürgers, 
das erfitaͤts⸗, das Militaͤr⸗ und Armenſpital, die Spitäler der nicht unirten 
Griechen und der Juden, das Armeninftitut 2. Einige Achnlichkeit mit dem 
Prater in Win bat das Stabtwäldchen oder der neue Volksgarten außer ber 
Ther orſtadt. Auf der Margarethen» oder Palatininfel befinden ſich Herrliche 
Anlagen, wo jährlid am Sonntage ber Margarethenwoche ein Volksfeſt fatts 
findet. Die eigentliche innere Stadt heißt die Altfladt und befteht aus 700 Häus 
ion. So alt und unregelmäßig fie ift, wird doch ihr finfteres Ausfehen durch 
die einzelnen fchöonen Gebäude unterbrochen. — Bon ben 4 Borftäbten ift bie 
Leopoldſtadt, auch Neuftadt genannt, der nördliche Theil von P. Der neue Markt⸗ 
Blog zeichnet fi durch bie Regelmäßigkeit feiner Gebäude aus, u. gehört unter 
die größten Plaͤtze, 100 Klafter lang, 93 Klafter breit. Er dient ald Paradeplat 
für die Garnifon und ift der Gentralpunft des Handelsverkehrs. Das größte 
Gebäude der Leopoldftabt ift das Sofephinifche oder Neugebäube mit 5 Höfen, ein 
ungeheuerer Koloß, der jept als ArtilleriesKaferne und zum Munitionsdepot ver: 
wendet wird. Die Therefienftadt ift fehr lebhaft und wird meiftens von Juden 
bewohnt. — Weniger bemerfenswerth find die Joſephſtadt und Franzensſtadt. — 
Tuch die Donau fteht PB. mit Defterreich ob und unter der Enns, mit Deutfch- 
ind und ber Zürfei in Berbindung. Bei 8000 Fahrzeuge landen jährlich an ben 
bieigen Ufern. Mit allen Manufäfturen und Naturproduften wird auf biefem 
thandelsplatze Ungarns, der zugleich ben Hauptplag der ungarifchen Indu⸗ 

ie durch vielfältige Fabriken und Gewerbe bildet, der anfehnlichfte Verkehr ges 
trieben, vorzüglich mit Getreide, Wein, Wolle, Hol und Hoppoieg Eine 240 
Elafter lange Schiffbrücke, die auf 46 Pontons ruht, verbindet P. mit Ofen. Die 
im Baue begriffene neue Kettenbrüde haben wir bereits unter DO fen (|. d.) ausführlich 
—— P. ward unter Arpad erbaut u. unter Stephan dem geligen durch neue 
Uinkebelumgen bedeutend erweitert. Nach dem erften Einfalle der Sataren in Ungarn 
1233 wurde zu P. die erſte Kirche von Dominitanern erbaut. Das Jahr 1241 
war eines ber unglüdlichften in ber Gefchichte Ungarns, indem bie Tataren ba> 
mals einen zweiten großen Einfall in Ungarn machten. Das Gemälde ber bas 
maligen allgemeinen Berwüftung umfaßte auch bie unglüdlicye Zerftörung biejer 
Eradt, Hiermit auch bie Berwühhun aller Dentmäler aus jenen früheren wert, 
würdigen Zeitperioben, in welchen ber Ort ale eine große, fehr reiche, von hauts 





108 Peſth. 


ſchen Voͤlkern bewohnte Stadt, als bie Pforte der Donau geſchildert wird. Nichts⸗ 
deſtoweniger erhob ſich dieſer Ort bei der Ruͤckkehr des Könige Bela IV. balb 
wieder. Auf feinen Befehl erhielt die Stadt Ringmauern; Wiener, Regensbur⸗ 
ger, Kranken, Sachfen, Bayern, Polen und Venetianer kamen in's Land, und 
ſchon 1253 dat man Spuren bedeutender Tuchmanufafturen. Durch eine allge- 
meine Ruhe im Reiche gewann auch P. in feiner Innern Verſchönerung. Mit 
Andreas IL war der gereigerfamm ber Arpaden 1301 ausgeftorben u. in ben 
unruhigen Zeiten der Königdwahlen, deren wichtigſte Auftritte durch bie Reiches 
verfammlungen auf dem Räfos in und bei P. Statt Hatten, erlebte der Ort bei 
dem Wechfel ber Zeitverhältniffe manches Ereigniß, das bald wohlthätig, bald 
verderblich auf feine Eriftenz wirkte Bei bem Umftande, daß von nun an bie 
Landtage fortwährend in ben Ebenen bes P.er Gebietes gehalten wurden u. Lud⸗ 
wig I feine NRefidenz von Wiffegrad nad Ofen, und Siegmund bie feinige auf 
den heutigen Feftungsberg verlegte, mußte ber Wohlftand der Etabt fidh merklich 
heben, wozu bie Begünftigungen Siegmunds das meifte beitrugen, indem er ben 
Bewohnern das Marktrecht fchenfte und die, für jene Zeiten noch nicht allgemeine 
Ehre zuficherte, eigene Deputirte mit Sig und Stimme auf ben Landtag fchiden 
zu können. Ein Einfall der Osmanen 1529 brachte Schreim über PB. Rad 
einem abermaligen mißlungenen Bearfuche Kaifer Ferdinands I. mußte P. ſich dem 
türfifchen Joche wieder unterwerfen, und wiewohl 1541 Defterreich mit erneuerten 
Kräften einen Feldzug gegen dieſe Feinde unternahm, fo war doch fein Ausgang 
minder glüdlich, wobei die Belagerung und Eroberung ber Stabt noch Alles ver: 
nichtete, was die fonfligen Kriegsſtuͤrme übrig gelaffen hatten. In biefem traus 
rigen Zuftande blieb P. ganz im ungeftörten Befite der Türfen durch 60 Jahre. 
1602 gelang zwar dem &eneral Lord Rußworm die Eroberung P.s., mehr durch 
Ueberfall, als durch Belagerung, doch war P. in einem noch elenderen Zuftanbe, 
als vorhin; fein Haus war ganz, Alles faft dee Erbe gleih. Wenige Menfchen 
wohnten hier, und vom Handel war feine Rebe mehr. In biefer elenden Lage 
fhmachtete P. fortwährend bis 1684, in welchem Jahre Herzog Karl von Lothrin⸗ 
en fich dieſes Ortes bemädhtigte, durch die mißlungene Belagerung Ofens aber 

N zurüdzog und P. neuerdings der Raubgier der Türken überließ. 1686 er- 
ſchien endli jener glüdlidhe Zeitpunkt, in welchem ein beſſeres 2008 für bie 
Stadt, fowie für das ganze Land durch die Waffen der Oefterreicher entfchieben 
wurde. Der Herzog von Lothringen und der Prinz von Baden zogen mit ihren 
Truppen ohne Wibderftand in P. ein, welches die Türken fchon früher verlaflen 
und zum fünften und letztenmale in Bells gehabt Hatten. Die eroberte Gtabt 
hatte ein traurige Ausfehen; vom Brande zerflört, lag fie größtentheils im 
Schutte, die noch übrigen Gebäude waren nur niedrige Hütten und Ställe. Sie 
hatte Feine Vorftädte, fondern war innerhalb ihrer Mauern beichränft, bie durch 
bie mannigfaltigen Belagerungen oft zerflört und durch die Türken nur darum 
wieder ausgebefjert wurden, um Schugwehr gegen neue Anfälle der Defterreicher 
zu haben. Die Einwohner waren gering an ber Zahl und arm, wenige Chriften 
unter ihnen, faft die meiften Fremde, die fich nach dem Abzuge der Türken auch 
allmälig verloren. Diefe, in verfchiedenen Epochen oft fo berühmte, Stabt Hatte 
endlich durch bie verberblicden Kriege ihre früheren Privilegien, Freiheiten und 
Rechte, ja fogar das Andenken an biefelben mit ben Urkunden zugleich verloren. 
Do bald Lodte die allgemeine Ruhe und Sicherheit viele Fremde in bielen zum 
Handel geneigten Platz, deren erfte Anfümmlinge Raizen und fpäter auch Deutfche 
waren. Das aufmerkfiame Auge Leopolds I. fuchte durch wohlthätige Anorbnungen 
die rafhen Schritte der Gultur zu unterflügen, und fo ging eine wohltäätige 
Sonne auf über die neue Pflanzung dieſes lange durch zerftörende Ereignifſe öbe 
elegenen rundes, und wenn auch die für Ungarn fo verderblicdhen Unruhen bes 

Kürten Rakoczy wieder manche traurige Erinnerungen an bie Bergangenheit weck⸗ 
ten, fo waren dieſe doch für das Innere der Stadt ohne üble Folgen, ba fich bie 
ber fogenannten Surugen an ben Bauern biefer Stadt brach. Ra 7 


Petarde — Petavius. 109 


neubigen Jahren wurde endlich 1741, vorzüglich durch bie Bemühungen bes 
Generals Johann Grafen von Ba, diefer Rakoczy ſche Kurupen: Krieg u, mit 
itm der Einfluß der Türfen in die Angelegenheiten Ungarns gehoben, Anfangs 
ix —— Jahrhunderts ſah ſich P. noch unter ben unbedeutendſten Fleden des 
Koͤnig . Leopold I. erhob es erſt 1703 in den Rang der koͤniglichen Frei⸗ 
Städte, eine Auszeichnung, bie jedoch noch Feineswegs zu einem Schluffe auf eine 
(en damals anfehnlihe Bevdikerung berechtigte. Daß ſich im Gegeniheile bie 
Zunahme ihrer —— erſt von Maria Thereſia's Regierung an batirt, bes 
fundet ber Name ihrer älteften Vorſtaͤdte. Ihre nachmalige nn nahm 
ifren höchften Schwung unter Kaifer Jofeph IL, wo fie an Flachenraum beinahe 
die Hälfte ihrer gegenwärtigen Größe gewann, Die Richtung, welche biefe Berz 
ig landeinwärts in ten zweler Flügel, eines nördlichen und einen öftli- 
genommen, ließ noch zu beiden Seiten der Stadt einen unbebauten Raum, 
deſen vortheilhafte Lage am Donauufer die immer Reigenbe Induftrie der lehten 
Derennien unmöglich überjehen konnte, und auch wirklich zur Anlegung zweier 
— Vorſtaͤdte zu benügen wußte, Im biefer —— breitet fich bie 
t P. jeht in umgeregelter Form auf einer weiten Sandflähe aus, bie ihr 
Kaum genug zur ferneren Vergrößerung bietet. Nicht unerwähnt bleibe ſchließlich 
die unglädliche — welche vom 14.— 16. März 1888 P. betraff, da bie 
aus den Ufern getretene Donau über 2000 Häufer in Trümmerhaufen verwandelte 
und einen jaben von 30—40 Millionen Gulden veranlaßte. Dod hat 
die an Hülfsmitteln fo reiche Stadt von diefer ſchrecklichen Heimfuchung na 
kurzen Jahren wieder erholt. 
heißt eine, gegen Ende des 16. Jahrhunderts zuerft von ben Fran⸗ 
zofen u. fpäter öfter in Anwendung 5 Moͤrſerart aus Meiall, in Geſtalt 
rines abgelũrzten Kegels, oder einer Glocke, welcher auf einem ftarfen Madrili— 
brette mittelft zivei, übers Kreuz laufender, eiferner Schienen befeftigt und, mit 
Pulver gefüllt, mittelft eines Brandrohrs angezündet, zum Sprengen von Thoren 
verwendet wurde. Diefe Sprengvorrichtung ward, wenn fie geladen, mittelft eines ftarfen 
an einen, von einem Petardier in ein Thor oder jenen Gegenftand, welchen fie 
oͤren ſollte, eingeſchraubten Hafen gehängt u. äußerte an denfelben ihre Wir— 
tung. Die P.n waren an Größe verfhieden. Man verfertigte Deren, welche 
ame Döbe von 10° hatten, und bei denen der Durchmeſſer der Bombe oben an 
der Mündung 10, an dem Boden aber 7° betrug. Diele Bomben oder Gloden 
mern gewöhnlid 40 — 50 Pfund ſchwer. Die Art, wie man die P.n an Ort 
u. Stelle brachte, war langfam u. Fonnte bei einiger Aufmerffamfeit der Beſatzung 
deinabe nie ausgeführt werben; fie glüdte indeß öfter, ald man glauben fol. 
Da aber alle Verhältniffe nicht immer genau genug berechnet werben fonnten; da 
man tie unter den vorgefundenen Umftänden nothwendigen P.n nicht immer bei 
ter Hand hatte, fo waren deren Wirfungen nicht immer unbedingt entiprechend. 
Auf der andern Eeite war deren Anwendung mit vielen Koſten verbunden, das 
Ganze war fehr aufammengejegt, u. erforderte eigene Trangportmittel. Da man 
aun durch Verfuche die Gewißheit erlangte, durch einfachere Mittel diefelben Wir: 
tunen hervorbringen zu fönnen , jo bedient man fich jegt einfacher Pulver: 
äde zu dieſem Zwede. Man hängt nämlich diefe, 60, 70, 80 Pfund Pulver 
enthaltenden, Eäde am Die zu iprengenden Thore oder Fallgitter, oder fept ein 
518, welches eine Hinlänglicbe Duantität Pulver enthält, an Diefelben, und bie 
kei deſſen Entzündung entfterende Erploſion bringt diefelbe Wirfung hervor. 
Petavius, Dionys, Jeſuit u. einer der gelchrteften Männer feiner Zeit, 
geboren zu Orleans den 21. Auguft 1583, wurde nach feinen Etudiencurfen in 
Orleans u. Paris mit feinem 19. Lebensjahre Prof. der Philofophie in Bourges, 
tar bierauf auf Fronton Ducasus’ Rath zu Nancy 15. Juni 1605 in die Geſell— 
ſchaft Jeſu. Zu Pont a Moufon machte cr 2 Jahre lange tbeologiihe Studien, 
wurde von feinen geiftlichen Obern als Lehrer nach Rheims, Ta Fleche u. Paris gefandt 
u. rabm 1624 als Prof, Der Theologie feinen bleibenden Ei in der KHauptitaht 











110 Petechien — Peter, 


bes Reiches. 1623 folgte er bem berühmten Ducaeus in ber Bibliothefarfelle 
des Jeſuiten⸗Collegiums. Er farb am 11. Dezember 1652, 69 Jahre alt. Sein 
ausdauernder Fleiß war bewundernswerth, u. dieſem find feine umfaflenden, gründs 
lihen Werke u. feine Bielfeitigkeit in ben meiften Wiſſenſchaſten zuzufchreiben. 
Er verftand nicht nur viele Sprachen, fondern konnte biefelben auch fertig fprechen 
u. ſchreiben. In der Theologie, Geſchichte, Kritik, Literaturfenntniß u. Chrono⸗ 
logie befaß er die umfafiendften Kenntniſſe. Wegen biefer feiner Gelehrſamkeit 
wollte ihn Papſt Urban VII. zum Gardinal erheben; aber König Luwig XII. 
wußte diefe Zierde ber Literatur feinem Reiche zu erhalten. Nur die allzugroße 
Heftigfeit feiner Polemif gegen die Proteftanten, 3.8. Salmaflus, Caſaubon und 
Scaliger, welche felbft von Huctius mißbilligt wird, bürfte in feinem fleckenloſen 
Leben wegzumünfchen ſeyn. Bon feinen Schriften find zu nennen: De theologicis 
dogmatibus, Antw. 6 Bde., 1700, eine Art Dogmengefchichte. Unbegrünbet er- 
ſcheint der Verdacht zu feyn, er habe aus des Cardinais Auguftin Oregius theo- 
logie positiva, welche nur handſchriftlich eriftirt, Vieles abgefchrieben (cf. Memoire 
de Trevoux. 1718. Juillet p. 109). Missellaneae exercitationes adversus Sal- 
masium, Par. 1634 (pfeubonym unter den Namen: Ant. Kerkoelii Aremorici) ; 
De doctrina temporum, Par. 1627 (mit Anmerkungen von Harbuin, 1703, 2%0L); 
Uranologia, s. systema variorum auctorum qui de sphaera ac sideribus graece 
commentati sunt c. not, Par. 1627, 2 Fol.; Rationarium temporum; paraphrasis 
psalmorum diss, ecclesiastic. libr. 2, Par. 1641; Calendarium Romanum (aud 
abgedrudt in Graevii ihes. antiq, T. VIII); De hierarchia ecclesiastica (gegen 
Salmaflus); De la penitence publique et de la preparation ä la communion, 
1643. Cic. Laelius u. Baradora überfepte er ins Griechiſche. Eine Sammlung feiner 
Reden u. poetifchen Berfuche: Orat. et op. poetica lat. graec. ethebr., @öln 1621. 
Großes Verdienft erwarb fih PB. um die Herausgabe u. Bearbeitung: Epiphani 
op. gr. lat. c. animadvers., 2 Bde, 1622; Juliani op., 1634; Synesii op. c. 
not, 1632; Themistii orat, 16. gr. et lat. c. not, 1613; Nicephori breviar. 
histor. 1618, mit geſchaͤtzten chronologiſchen Bemerfungen. Sein hanbfchriftlicher 
Nachlaß folte feinem Orbensgenofien PB. Eoffarb übergeben werben, um bie von 
ihm bereits in 5 Ben. vorliegenden theologifhen P. PB. fortzufegen. Sein Wahl 
ſpruch war: „Nova quaerant alii; nil nisi prisca peto.“ Sein Zeben u, feine liter 
riſchen Berdienfte find vielfach bejchrieben worden von Henr. Balefius, Bateflus 
(Recueil des vies chois. des person. illuste.), Oudin, Niceron Mem. Tom. XXXVIL ; 
Attalii Melyssolyra de laudıbus P. carmine jambico graeco. Rom 1651. Cm. 
Petechien (Petechise, vom italienifhen Worte Pedocchio, Laus), kleine, 
fi) nicht über die Haut erhebende Fleden, den Flohſtichen aͤhnlich, aber ofne 
Punft in der Mitte, bei dem Drude mit bem Finger verfchwindend, aber glei 
zurüdfehrend, meift bleichroth, doch auch verfchiebenartig nüancirt, nur felten bis 
zur Größe eines Fingernagels. Sie fommen unter fehr verfchiedenen Berhältnifien 
vor, oßne Fieber u. dann meift ganz gefahrlos, häufiger aber mit Fieber, das benn 
auch wohl den Namen daher, als Petechienfieber (febris petechialis) oder Fleck⸗ 
fieber erhält. Im Allgemeinen deuten fie auf Neigung zur Auflöfung der Säfte 
hin; doch find fie, ebenfo wie Frieſel, bei Fiebern zufällige Sehen, find auch 
bei fonft guten Zeichen nicht zu fürchten; inbeffen find fie der gewöhnliche Begleiter 
anderer Symptome, bie einen tuphöfen Fiebercharafter andeuten. Kritifch find fie 
nie, erfordern auch an fich Feine eigene Behandlung oder eigene Rüdfichten. 
Peter, Gonzalez, der Heilige, aus dem Orden bes heil. Dominicus, 
wurde 1190 zu Aflorga in Spanien aus einem angefehenen Geſchlechte geboren. 
Bon der Ratur mit außerordentlichen Gaben audgeftattet, machte er ſchnelle 
Hortfchritte in den Wiffenfchaften u. trat in ben geiftlihen Stand, ohne jedoch 
die Wichtigkeit dieſes Schritte gehörig zu erwägen. Sein Oheim, ber Bifchof 
von Aftorga, hoch erfreut über die Kähigfeiten feines Neffen, verlich ihm ein 
Kanonikat an feiner Domlicche u. fpäter fogar die Dechantenwuͤrde. P.s Jus 
gend u. ber Ihm noch inwohnende Weltfinn, Hang zu Pracht u, Eitelfeit, verleis 


YET Perr jegneie ihn U, LIEB JEINE SACHEN reiche ZTUMIE DEINGEN, DENT Bieit 
durch feine unendlich fatbumgereichen Predigten befehrt u. felb bie ver 
m Herzen zerflofien in Thraͤnen. Der fromme Ferbinand IM. wünfchte 
üßmten Rebner in feiner Nähe zu haben, und P. mußte ihn überall auf 
riegegligen begleiten, bei welchen Gelegenheiten er nicht unterließ, hoͤchſt 
auf bie Sitten des Hofes einzumirfen. Ex lebte regelmäßig u. war für 
nenb muſterhaft & nennen, übte Wunder, war jedoch manchen Berfuchs 
Breiß gegeben, die er aber alle fiegreich vernichtet. So kam in ber 
t eine ber leictfertigen Dirnen, die uͤnzertrennlich vom Krieger find, zu 
gab vor, beichten zu wollen. Er befleltte fie zum folgenden Tage wies 
les zu fpät ſei; fie ließ fich aber nicht abweiſen, fondern beichtete ihm mit 
den Worten, baß fie fterblidh in ihn verliebt ſei und one feine Gegen⸗ 
nzenlos unglüdlid feyn würde P. ermahnte fie, enteilte aber ber Vers 
und warf fi in der Nebenſtube über ein loderndes Feuer. Die Buhs 
te, Tab ihn fo liegen u. baß bie Flammen ihm nicht brannten; fie warb 
das Wunder ergriffen, daß fie ſich befehrte und Buße that. Sein guter 
feine Debete u. bie verbreitete gute Zucht trugen viel zu ben Siegm 
96 bei, u. als Cordova erobert worden war, mäßinte P. bie Wuth 
» ſchutzte bie Unfchuld u. die Gefangenen. Die Moſchee warb wieder 
R ums haffen u. die von ben Mauren vor 200 Jahren durch Chriſten⸗ 
on @ompofolla hineingeſchafften Glocken u. Kirchengeräthe wurden ebens 
Sklavenſchultern wieber nad) Eompoftella qurüdgebract. Später verließ P. 
prebigte ben Armen u. Bauern, beſonders aber auch den Schiffern, beren 
je er oft beſuchte u. bie ihn dafür nach feinem Tobe zu ihrem Patron erwähl- 
: Rarb im Jahre 1246. Seine heil. Reliquien, die ſich durch viele Wunder“ 
erwiefen , wurden in einem prachtvollen filbernen Schreine aufbewahrt. 
3 W. fprad) ihn Heilig u. bie Kirche begeht fein Gebächtnig ben 15. April. 
ter. Name dreier ruffifhen Käiſer. 1 P. L, ber Große, 
Sohn bes Ezar Alerei u. der Natalie Rariffin, geboren 1672, war 10 
tt, als 1682 buch den Tob feines Alteften Bruders, Fedor IIL, ber ruflis 


112 Peter. 


theils Geſpielen, theils Soldaten, die nach deutſcher Weiſe gekleidet, bewaffnet u. 
gebt wurden. Le Kort war ber Befehlshaber diefer Schaar, B. felbit aber 
iente ald Gemeiner babe. So übte er ſich von unten auf im Kriegsbienfte, 
baute fich eine kleine Eitabelle u. ftürmte fie mit feiner Schaar u. f. w. Diele 
Vorbereitungen hielt die NRegentin Anfangs für unfchuldige Kinderfpiele; fpäter, 
als P. die Zahl feiner Soldaten mehrte, erregten fie aber, verbunden mit feiner 
laut geäußerten Unzufriedenheit über ben fchlechten Ausgang ber Feldzuͤge gegen 
die Türfen u. über ben Günftling, die Eiferfucht Sophiens u. feine Ermordung 
wurde befchldfien. Die Streligen Hatten ſich dazu willig finden lafien, body P. 
erhielt Nachricht davon, flüchtete in das Dreieinigkeitsflofter u. verfammelte das 
felbft feine Setreuen. Die Berfchworenen rüdten an, wagten aber nicht anzu- 
greifen. Nun rüdte PB. vor, nahm Sophien gefangen, ließ fie in ein Kfofter 
ringen; Iwan begab fich feines Antheiles an dem Throne und PB. übernahm 
nun bie Regierung allein. P. befaß brennenden Dirft nah Kenntniſſen, Kraft 
u, Eifer, —9 aus dem Zuſtande der Rohheit u. Unwiſſenheit empor zu ſchwingen. 
Allmälig verftärkte er feine Garde (Preobratſchenskiſche Garde), die endlich bis 
auf 5000 Mann heranwuchs u. größtentheild durch Ausländer vollzäflig gemacht 
wurde. Bei dem Seebienfte wurde ber Holländer Karftlen Brand fein Lehrmeifter. 
Die Eivilifation feines Volkes war nun bas Ziel, welches P. ſich geftedt hatte. 
Ein Hauptmittel dazu fehlen ihm eine anfehnlicye, nady dem Muſter anderer eus 
ropäifcher Staaten gebildete Kriegsmacht zu Waſſer und zu Lande, welche 
ftellen er unabläffig bemüht war. Er 309 — viele Auslaͤnder in ſeine 
Staaten, ſowie zum Schiffbaue insbeſondere Holländer u. Engländer. 1694 hatte 
er es fchon fo weit gebracht, daß er eine Escadre von Archangel in das weiße 
Meer auslaufen laffen konnte, mit der er felbft die Reife machte. Unterbeffen 
war der Krieg mit den Türken zwar noch immer, doch ohne allen Nachbruck 
fortgefegt worden. P. bot nun große Streitfräfte auf und ließ dazu auf bem 
Woronefch eine Flotte erbauen. ‘Der erfte Feldzug 1695 endigte aber nicht glüds 
lich, und bei der vergeblichen Belagerung von Aſow büßte P. 30,000 Wann ein. 
1696 bediente fich P. deutfcher und Holländifcher Ingenieurs, Kanoniere u. Mas 
trofen. Er felbft befehligte ein Kriegsſchiff. Run gelang ihm die Eroberung von 
Alow, weßwegen er einen Triumphzug in Moskau hielt. Bevor aber bieje® Feſt 
gefeiert wurde, verftieß er feine Gemahlin Euboria Lapuchin, die er noch während 
der Regentfchaft feiner Schwefter geheirathet hatte, in’s Kloſter, indem fie ſich 
ſtets allen feinen Planen widerfegte, ihn mit Eiferfucht quälte und ihrem, durch 
- ihn gezeugten, Sohne Alerei einen Widerwillen gegen feinen Bater beibrachte, 
Eine Berihwörung, von der Czarin bereitet, follte ausbrechen. ‘PB. wurde davon 
benachrichtigt, trat, von einem einzigen Difizier begleitet, bei Nacht in das Haus, 
wo bie Berihrvorenen fi verfammelt hatten, und erfchredte fie durch feine uns 
vermuthete Erfcheinung fo fehr, daß fie e8 nicht wagten, Hand an ihn zu iepen. 
Run befahl er fogleich ihre Verhaftung und ließ fie am folgenden Tage hinrich⸗ 
ten. Darauf unternahm er zu Anfung bes Jahres 1697 eine große Reife nad 
mehren europälfchen Staaten, und zwar reiste er in Begleitung einer großen Ges 
fanbtichaft, bei der er fich incognito befand. In Lievland machte er Anfprüde 
auf Ehrenbezeugungen, bie ihm von ben Befehlshabern der Feftungen, ba er in 
cognito reiste, vertagt werben mußten. Diefes that er aber, um fpäter eine 
Vorwand zum Kriege zu haben. In Berlin wurde ee vom Kurfürften Friedrich 
mit großen Ehrenbezeugungen empfangen und ſchloß eine innige Freundſchaft wit 
ihm. In Holland langte er he ohne alle Begleitung an und befah bert 
unerkannt alles für ihn Sehenswerthe, befonders aber Alles, was zum Seeweſen 
gehört. In Saardam ließ er fih als P. Michailow unter die Schiffszimmerleute 
einfchreiben , arbeitete bafelbft mehre Monate lange auf den Werften und genof 
mit den dortigen Arbeitern gleiche Nahrung. Er zimmerte fich dafelbft ganz allein 
einen Kahn und half ein Schiff verfertigen, welches er nach Archangel fchidte, 
Während biefer gemeinen Arbeiten verfäumte er bie Regierung feiner Staaten 


“nn 


Peter. 113 


nicht und aus feiner Werfftätte erließ er Befehle an feine Heere u. Regierungs⸗ 
Cellegien. Bon Holland aus wollte er nach Franfreich reifen, änderte aber hie 
nm Plan, als Ludwig XIV. ihn merken ließ, baß er ihn nicht nerne bei ſich fähe, 
ub ging nun nad) England, wo er feine Arbeiten bei dem Schiffbau fortfehte, 
Unterricht in ber Mathematif u. Chirurgie und in ber Scifffahrtsfunde u. alle 
Induſtrie⸗ u. Kunſtwerkſtaͤtten in Augenfdein nahm, um Künftler u. Handwerker 
me Anfiedelung in feinen Staaten zu überreden. Run ging er im Früßlinge 
1698 über Amflerdam nad Wien und war fhon im Begriffe, von da aus nad) 
Stalien zu reifen, als ex Nachricht von einer abermaligen Empörung ber Stre⸗ 
igen erhielt. Er kehrte nun ſchleunig nah Moskau zurüd, fand aber bei feiner 
Sinfunft die Empörung durch den General Gordon ſchon gedämpft und die Auf; 
räprer alle gefefielt. P. ließ mit unerbittlicher Strenge die Schuldigen hinrichten. 
Das Corps der Eireligen wurde nun völlig aufgelöst. Gleichzeitig flanden bie 
Sriaden bei Aſow gegen P. auf. 84 ihrer Häuptlinge wurden nah Moskau 
gdodt und kamen durch die Hand des Garen um. Da bie Prinzeſſin N 
gemein als bie Urheberin dieſer Verſchwörungen bezeichnet wurbe, fo ließ P. 
m das Kfofter, in welchem fie ſich befand, Galgen fchlagen und 200 Bers 
dworene daran aufhängen. Während er fo durch Schreden feine Macht 
kfekigte und feinen Befehlen Gehorfam verfchaffte, war er bemüht, die 
Eitten feines Bolfes zu verändern und fie mit ben anderer eurcpälfcher Voͤl⸗ 
iz in Hebereinfimmung zu bringen. Junge, vornehme Ruffen mußten Reifen 
mternehmen, um ſich im Auslande zu bilden, alle Rufen vom Stande fi die 
Bärte fcheeren lafien, auch die Nationaltracht ablegen, endlich mit ihren Frauen, 
ie bis dahin, gleich den Drientalen, von aller Gefellichaft entfernt gelebt hatten, 
effentliche Luftbarkeiten befuchen. Als 1699 ber Patriarch Hadrian farb, ſette 
2. feinen neuen Patriarchen mehr ein, fondern erklärte fich felbft zum Haupte der 
reſſiſchen Kirche. Das Jahr, welches die Rufien bis dahin mit dem Scptember 
aunngen, begann nun auf feinen Befehl mit dem Januar. Noch ftiftete er 1699 
tn Et. Andreasorden, um die Ehrbegierde des Adels zu fpornen. Das Murten 
gegen bieje Neuerung wurde mit graufamer Strenge beftcaft. Um die Seemacht 
und den Handel feines Reiches emporzubtingen, bedurfte er eines Hafens an ber 
Oſtſee; dieſen konnte er aber nur durch einen Krieg mit Schweden erlangen. 
Deßhalb Hatte ein Krieg mit dieſer Macht längft zu feinen Planen gehört; er 
ſchloß im biefer Abficht 1699 mit Dänemark u. Sachſen ein Buͤndniß gegen Schwe⸗ 
den, und erflärte biefer Macht den Krieg. Den Borwand nahm er von dem 
Range an Ehrenbezeugungen, ben er bei feiner Durchreiſe durch Lievland wahrs 
genommen haben wollte. Ec fiel in das ſchwediſche Gebiet mit einem Heere von 
9.000 Mann ein und belagerte Rarva. Karl, der unterdeflen Daͤnemark befiegt 
und zum Frieden von Travendal gezwungen hatte, kam mit einem Heinen Heere 
nach Lienland und fchlug und zerftreute das ruſſiſche Heer. Karl warf fi nun 
nit aller Macht auf die Sachſen und ließ Rußland Zeit, neue Kräfte zu ſam⸗ 
nen. P. rüftete auf's Reue, und während Karl von Schweden beichäftigt 
war, in Polen einen König abs und einen anderen einzufegen, eroberte er von 
1701 — 1704 Ingermanland, Eſthland und Licvland, und gründete bie gläns 
ımdbe Refidensftadt Petersburg ımd bie Feſtungen Kronftadt und Kronſlott. 
Bei ter Gründung ber neuen Haupiftadt hatte er große Schwierigkeiten ber Derts 
lifeit zıs überwinden, doch feinem gewaltigen Willen mußte Alles weichen. Nad)- 
tem er bie Abficht, ein Küftenland an ber Oftfee zu befigen, erreicht und einen 
Aufſtand der Kofaden in Aſtrachan 1705 unterdrüdt Hatte, bot er Karl den Fries 
tem an. Karl verweigerte ihn aber ſtolz. Noch mehrmals mußten die ruflijchen 
Deere vor ben (hwebiihen fliehen, u. Karl wäre vielleicht Sieger geblieben, wenn 
er feine Richtung nad) Moskau genommen hätte. Bom Hetmann Mazeppa (f.d.) 
verleitet, ging er aber nad) der Ufraine und warb 1709 bei Pultawa geichlagen. 
Rad Diele Eiege, durch den P. ein großes Anſehen bei allın —8 
Nähten gewann, nahm er ben Titel eines Kaiſers und Selbſtherrſchers an unk 
8 


Reelsuciopäpie. VAL 


Pd 


114 Peter. 


eroberte Riga, Wiborg und Kepheln. In ſeinen Planen zur Civiliſation ſeines 
Volkes und zur Befefligung feiner Macht wurde er im November 1710 durch eis 
nen Krieg mit den Türken unterbrochen, bie Karl XI gegen ihn aufgewiegelt 
hatte. P. ging ihnen 1711 entgegen und brach in die Moldau ein, wurbe aber, 
da er fi) mit 30,000 Mann zu weit gewagt hatte, plöglich von einem tuͤrkiſchen 
Heere eingefchloffien und war nahe daran, gefangen zu werben. Seine kluge Bes 
mahlin Katharina, bie er aus dem niebrigften Stande zu fi) erhoben und im 
März 1711 öffentlich für feine Gemahlin anerfannt hatte, rettete ihn u. erfaufte 
durch Meberredung und bie Beſtechung des Großveziers ben Frieden am Pruth, 
nach welchem P. Aſow zuruͤckgab und zaganrog nebft anderen Peiehigungen am 
ſchwarzen Meere fchleifen mußte. Für dieſe Rettung ftiftete P. 1714 zur Ehre feiner 
Gemahlin den St. Katharinenorben. Zur Herftellung feiner durch die Beichwerben 
bes Feldzuges am Pruth angegriffene Gefundheit machte PB. 1712 eine Reife nad 
Karlsbad u, vermäßlte auf diefer zu Torgau feinen Sohn Alerei mit ber Prinzeſſin Char 
Iotte von Wolfenbüttel, Darauf ſchloß er ein Bündnis mit Preußen, Hannover, Sach⸗ 
fen und Dänemark gegen Schweden, und führte feinen Verbündeten ein 
Fa von 50,000 Wann nad Pommern zu, womit er Stettin belagerte u. Stral⸗ 
und eroberte. Damals hatte er den Plan, beutfche Länder zu erobern, um als 
deutfcher Fuͤrſt Sit und Stimme auf dem Reichötage zu erhalten, doch ließ bie 
Politik der übrigen europäifchen Mächte es nicht zu. Unzufrieden über bie ihm 
von feinen Verbündeten entgegengeftellten Hinderniffe, verließ er Pommern u. fe 
gelte auf einer Flotte von 200 ©aleeren, auf der 16,000 Mann befindlich waren, 
nad Finnland und machte beträchtliche Eroberungen in biefer Provinz, überließ 
aber feinem Feldherrn Galyczin, diefe Vortheile zu verfolgen, und ging wieberum 
nu See, um bie feindliche Flotte aufzuſuchen. Er fand und ſchlug bei ben 
landsinſeln im Juni 1714, u. diefer Sieg, der ihm bie Obermacht der ruffifchen 
Flotte in der Dftfee verhieß, und bei welchem er felbft eine große perfönliche Tas 
pferfeit bewiefen, ja fogar das feindliche Admiral. Schiff genommen hatte, 
ihm größere Freude, als ber Sieg bei Pultawa, und er feierte ihn durch 
prachtvollen Triumphzug. Da nad dieſen Begebenheiten der Krieg mit 
ben nicht mehr P.s Thaͤtigkeit ausjchließlich in Anfpruch nahm, fo traf er wmehre 
Einrichtungen zur Bildung feiner Unterthanen und zur Erhöhung ihres Wohlſtan⸗ 
bes, wozu die Einrichtung einer Kreifchule, die Ertheilung von Prämien auf bie 


Th 


Schifffahrt und bie Abfendung von Geſandtſchaften, um Handelsverbindungen an . 
zufnüpfen, nad Tibet und Perfien gehören, Darauf trat er 1716 abermals ein⸗ 


große Reife an, doch jet nicht ſowo 
ucchfegung politiſcher Zwede. Er ging in Begleitung feiner 

Kopenhagen, Lübeck, Hamburg, Bremen und Amfterbam nad) Frankreich, 
biefer Macht fchloß er einen Sandelstraftrat, mit ben Königen von Preußen und 


(, um Senntnifie ufammeln, ale Rn 
lin 


Dänemark erneuerte er bie ſchon früher beftandenen Berträge, mit bem -fchwebifchen : 
Minifter Grafen von Görz ließ er fih 1717 im Haag in Friebensunterhandlum . 


n, denen unfehlbar ein Bündniß zwiſchen Rußland und Schweben gefolgt 


en 
Fun würde, wenn nicht Karls XII. früher Tob Schwedens Politik eine anben . 
Richtun gegeben hätte. Diefe Reife wurbe ihm durch feinen Prinzen Alexei vor ' 

R | 


bittert, ch ſtets als ein Feind der neuen Einrichtungen feines Vaters se 
—* und die Mißvergnuͤgten um fich ſammelte. Da ber Ausbruch einer 

chwoͤrung zu befürchten war, fo berief ihn P. zu fi nach Kopenhagen. Wied 
reiste ab, Doch nicht nach Kopenhagen, fondern nach Wien und Neapel, Duck 
das Berfprechen der Verzeihung feines Ungehorfames lodte ihn P. nach Moskau, 


verhängen und, nachdem er einftimmig von ben Richtern zum 

worden war, ihn 1718 im Gefängniß fterben. Seine Anhänger wurden mit: 
beftraft. 1711 ſetzte P. den dirigirenden Senat ein, 1714 erließ er ein Land⸗ 
friegsreglement, 1718 ein Seereglement, in eben biefem Jahre wurbe bie Bolige 
und bie Regierung auf europaͤiſche Weile eingerichtet, @leichzeitig entwarf er Nag 


ließ dann von einem bazu eingefegten Gerichtshofe eine Unterfugung gegen | 
e * 
dem 








3 


Peter, 115 


zum 2abogafanal, ließ 1710 den Kronftäbter-Panal graben, in beinfelben 
rd e a und die 15jährige Kopfjählung eim, errichtete 
1721 beilige Synode, 1724 die Afabemie der Wilfenfchaften. Den Krie 
mit Schweden endigte B. 1721 durch den Noftädter-Brieben auf die rußmvolifte 
Er Hatte feinem Reiche bie Provingen Lievland, Efhland, Ingermann 
land, einen Theil von Karelien und den Diftrift Miborgslän erworben u. Ruß- 
land zum Gefeggeber des Nordens erhoben. Der Senat, bie Synode und bas 
Volt riefen ihm mm zum Kaiſer von ganz Rufland aus u. nannten ihm Vater des 
Baterlandes ; er felbft aber nahm den Beinamen des ® roßen an. "Darauf befchäf- 
er fich mit —— bes längft gehegten Planes, feinen Unterthanen ben 
en perfifchen Seidenhandel zugumwenden, zu weldem Zwede er das Faspiiche 
te dere der en laffen. Eine 
ſchaft rufifcher Kaufleute, die ſich mit Seidenhandel befchäfs 
wurde von ben unter perſiſchem Schupe ftchenden Lesghiern — 
und erſchlagen. Um Genugthuung * — überzog [7 
mit Srieg. ee bent ein, dann fehrte ex 
faız zuruick und feierte dafelbft einen Triumph, ließ aber mit feinem 
Kae den Prieg fortfegen, Der Shah von Perfien bat um Frieden, der 1723 
wurde. Berfien trat an Rußland Theile feiner nördlichen, an ber Weft- 
Faspii leere liegenden, Provinzen nebft ben Städten Baku u. Ders 
Aus Eiferfucht über Ruplands wachſende Macht kündigte die Pforte 
minal, 1723 u 1724, Rußland den Krieg an, dem aber beide Male Franf- 
ugs Bermättelung vorbeugte. Kurz vor feinem Tode ließ P. durch den Kapi— 
Bering unterfuchen, ob Afien von Amerifa wirklich getrennt ſei. Dann ftif« 
ee 1724 dem Alerander⸗Rewsly⸗Orden u. ftarb 1725 an einer sad 
1 durch den Genuß ——— Liqueure unheilbar gewordenen Gonorrhoͤe. — 
ber Thron —— ſein von Balconet, P. zu 
Granitfels hinauf d, mit ale Rechten und mit der 
Infhrift: „Petro Primo Catharina Secunda MDCCLXXXI.“ aufgebedt, an wel 
dem wahrhaften, ber Nefidenz zur höchften Zierde gereichenden, Kunſtwerke ber 
Bilner zroölf Jahre ununterbrod;en gearbeitet hatte. Noch ſechs andere, zum 
Thal ebenfalls ſehr werthwolle Denfmäler des großen Kaiſers befinden fih zu 
Peiersburg, Kronftadt, Rultawa, Woroneſch, Ladeinoie Pole und Liperf. Val. 
Halem „Biographie P.s des Großen” (3 Bde., Münfter u. %py. 1803 — 5); 
Bergmann, „PB. ber Große ald Menſch und Regent“ (6 Bde, Niga, dann Mis 
iau 1823-30); Segur, „Histoire de Russie et de Pierre-le-Grand“ (Zte Aufl., 
Varis 1829) ; Binder, „PB. der Große u. feine Zeit” 1845 u. Die Biographien von 
Serten, Boltaire, Bauer, Bacmeifter u. A. Wichtig find auch: das Tagebuch 
P.s des Großen bis zum Nuftädter- Frieden, aus dem Ruffifchen 1773 überfegt, 
und das ruſſiſche Original ber von Katharina II. burchgefehenen und eigenhäns 
fig verbeflerten Geſchichte P.s des Großen. — 2) P. I., Sohn bes hingerich- 
teien Großfürften Alerei und der Prinzeffin Charlotte von Braunſchweig, geboren 
1715 , beftieg zu Folge des Teftaments der Kaiferin Katharina l. 1727 in einem 
Alter von 12 Jahren den Thron von Rußland unter der Vormundſchaft Menzi— 
te 6. Diefer bemädhtigte fih ausſchlieblich der Regierung, zwang die Etief- 
ihwefter des Kaiſers, Anna, fi aus Petersburg zu entfernen, umgab den jun: 
gen Monarchen mit Aufpafjern und verlobte ihm mit feiner Tochter. Seinen ei— 
genen Sohn wollte er mit Natalie, ber Schwefter bes Kaiſers, vermählen. Durch 
den großen Mißbrauch feiner Gewalt hatte fih Menzikoff aber viele Beinde ger 
macht, an deren Spige die mächtige Familie Dolgorufi ftand. Gr wurde durch 
Re bereitö nach einem halben Jahre geftürzt und nah Eibirien verbannt. Der 
junge Kaiſer rief nun feine Großmutter Eudoria und AUe, die unter ben vorigen 
Regierungen in Ungnade gewefen waren, an feinen Hof zurüd. Nunmehr war 
aber alle Gewalt in ben Händen des Fuͤrſten Dolgorufi, der den Kaifer mit fei- 
ner Tochter verlobte. Schon war ber Tag der Bermäplung feftgeicht, als P. V. 
8* 


z 
*6 





— 


116 peter. 


zu Anfang des Jahres 1730 an den Pocken ſtarb. — 3) P. II. (Kari Ulrich), 
Sohn Herzogs Karl Friedrich von Hoffteins Bottorp und Anna's, ber Alteften 
Tochter P.s L, geboren zu Kiel 1728. Die Laiferin Eliſabeth, feiner Mutter 
Schwefter, berief ihn nach Petersburg, ernannte ihn zum Großfürften von Ruß⸗ 
land und erklärte ihn, nachdem er die griechifche Religion angenommen hatte, zum 
Thronerben. Seine Erziehung, die in Rußland vollendet werden follte, warb abs 
fichtlich vernachläßigt. Zur nämlichen Zeit, ald er zum ruſſiſchen Thronfolger er; 
Elärt wurde, bot ihm ber Stodholmer-Reichsfenat die ſchwediſche Krone an, bie 
er aber ausfchlug und feinen Oheim Adolph Kriedrich dazu empfahl. 1744 vers 
lobte fih P. mit der Prinzeffin von Anhalt Zerbft, Katharina. Doch gelang «8 
nicht, daß beide Gatten Zuneigung zu einander faßten, vielmehr wurde ihr Ber- 
hältniß immer gelpannter. 1762 beftieg P. nach dem Tobe Eitfabeth’8 ben ruffis 
ſchen Thron. Er trennte ſich fogleich von den Bundesgenofien Rußland’s und 
ſchloß Frieden und Bündniß mit Eriebrid II. von ‘Breußen, rief die zahlreichen 
nah Sibirien Verbannten zurüd, erlaubte dem ruffiichen Adel wieber, ins Aus; 
land zu reifen und in fremden Heeren zu dienen. Gleichzeitig verfügte er viele 
Verbefferungen in ber Ainanzverwaltung und in ber Rechtöpflege. Das ganze 
Reich hoffte nach diefen Neuerungen den Eintritt einer glüdlichen Zeit, aber zugleich 
machte P. übereilt viele kirchliche Neuerungen, ließ die Bilder aus den Kirchen ent» 
fernen u. zeigte fich geneigt, die Kirchengüter einzuziehen. Bet dem Heere machte 
er gleichfalls viele Acnderungen. Er löste die unter Elifabeth beftandene Robels 
garde auf und ftiftete dafür die Holfteinifche Garde, welcher er feinen Oheim, den 
Herzog von Holftein, zum Befehlshaber vorſetzte. Den ruſſiſchen Stolz verlehte 
er dadurch, Eur er, [hwärmerifch Friedrich IE ergeben, mit dem er felbft während 
bes Krieges Elifabeth’8 Verftändniffe unterhalten hatte, bei jeder Gelegenheit der preußls 
ſchen Tapferkeit vor der ruffifchen den Borzug einräumte, um eine Stelle im preußifchen 
Dee bat u. fich felbft in preußifche Uniform Ffleidete. Mit Dänemark wollte er 
einen Krieg wegen ber Rechte des Haufes Holftein an das Herzogthum Schles⸗ 
wig anfangen. Schon fandte er eine Heeresabtheilung nach Pommern und feine 
Garde marfchirte bereits aus der Hauptflabt ab. Seine Gemahlin Katharina 
lebte indeffen zurüdgezsogen in Peterhof, wofelbft fie aber Alles erfuhr, was be 
Hofe vorging, und im Stillen die Mittel vorbereitete, ſich des Thrones zu bes 
mächtigen. . beobachtete keine Rüdfichten gegen fie, und verhehlte nicht, er er 
efonnen fei, die Prinzefiin Woronzow zur Kaiferin zu erheben. Sie mußte ba 
ber das Aergſte fürchten, verließ in der Nacht auf den 9. Juni 1762 Peterhof, 
ftellte fi an die Spige der Verſchworenen und flürzte die Regierung PB... B., 
durch Verſprechungen getäufcht, Fam nach Petersburg, warb aber, als er in ben 
Palaſt trat, gefangen genommen und in ein Gefängniß einige Stunden von Pe 
—X gebracht, wo er nach ſechs Tagen ſtarb. Seine Gemahlin Katharina 
olgte ihm. | 
Deter, Könige u. Fürften diefes Namens 1) P. DL, König von 
Aragonien, Balenca u. Catalonien, geb. 1236, der feinem Bater, Jakob L, —*— 
hatte fi) ſchon als Prinz gegen die Mauren ausgezeichnet, Seit 1262 mit Con- 
ftanze, der Tochter des Könige Manfred (f. d.) von Eicilien, vermäßlt, faßte 
ee nach dem Kalle Konradin's (f. db.) den von Johann von Procida entworfenen 
Plan auf, Sicilien dem Niurpator Karl von Anjou zu entreißen, was ihm aud 
vollftändig gelang (|. Sicilianifche Befper). Seitdem gehörte die ganze Infel bis 
zu Ende des 15. Jahrhunderts dem jüngern Haufe Aragonien. Vergebens hatte ber 
Papft P. u. die Sicilianer In den Bann gethan. Als nun vollends Karls von 
Anjou Sohn, der Prinz von Salerno, in dem Seeſtege bei Neapel P.s Gefangener 
wurde, fo ließ gegen lehtern der Papſt das Kreuz predigen u. ſchenkte en 
Krone dem Sohne bes Königs von Franfreih, Karl von Valois, der auch 1285 
in Catalonien einfiel, aber, von P.s Bruber Jakob aufgehalten u. dann zur 
geſchlagen, fih zur Ruͤckkehr genöthigt fah. Bald nachher ftarb P. am 10. Ros 
vember 1285 zu Billaftanca de Penades. — 2) P. IV., König von Aragem; 


Deter — Peterborough. 117 


1336— 87, Triegte glüdlich mit Genua und vertrieb die in Mallorca herrfchende 
Linie, geriet aber mit den Ständen in Streit, ohne die Macht des Koͤnigthums 
erweitern zu fönnen, vielmehr mußte er die Gewalt bes Großrichters (Juſticia) ver- 
mehren u. biefem namentlich das Schiedsrichteramt zwifchen dem Könige u. ber 
Ration geben ſehen. Ein Etreit mit feinem Sohne verbitterte das Ende feiner 
Regierung. — 3) P. der Graufame, König von Eaftilien u. Leon, geboren 
zu urgos 1334, beftieg in feinem 16. Jahre 1350 den Thron, nad) dem Tode 
feines Vaters Alyhons U. Er machte ſich durch Geiz u. Blutdurſt fo verhaßt, daß 
fein natürlicher Bruder Heinrich davon Anlaß nahm, ihn mit Hülfe P.s IV. von Aras 
gonien u. Karls V. von Sranfreich 1366 aus Frankreich zu verfagen. Nachdem P. 
durch Den Prinzen Eduard von Wales wieber eingefegt worden, wurde er von Heinrich 
im Treffen bei Wontiel überwunden u. bald hernadh, den 14. März 1369, eigen» 
kindig ermordet. Die Geichichte erzählt: fehr viel Nachtheiliges von ihm. — 4) P. IL, 
Lönig von Portugal, geboren 1648, Sohn Johann's IV., verdrängte 1668 feinen 
fdwachfinnigen Altern Bruder, Alphons IV., vom Throne u. aus dem Ehebette. 
Erin erſtes wichtigftes Werk ift der mit Epanien zu Stande gebrachte Friebe 
(1668), worin biejes Reid Portugal als unabhängiges Reich erkannte und auf 
alle Dazu gehörigen Länder, Beuta ausgenommen, Verzicht that. Nur der fpanifche 
ondfrieg flörte die Ruhe, in der B. den Reſt feines Lebens regierte. Ans 
fange fah er fi) genöthigt, den Herzog von Anjou als Erben Karls II. zu 
afennen; in der Folge aber trat er auf die Seite Oeſterreichs und war biefer 
—— an feinen Tod, von engliſcher Hülfe unterſtützt, trau Er 
Peter. Berfhiedene Berfonen diefesRamens N PB. der Ein, 
fiebler, au B. von Amiens oder P. von Acheris genannt, geboren in ber 
Diöcefe Amiens, vielleicht zu Acheris bei Laon, war erfl Soldat u. verbeirathet, 
ward aber nach bem Tode feiner Gattin Einfiedler. Als folcher wallfahrtete er 
um beiligen ®rabe u. wurde hier tief ergriffen, das heilige Grab in den Händen 
der Ungläubigen zu fehen. Er verfündigte auf feinem NRüdwege den Jammer, 
deſſen Augenzeuge er gewefen war, u. von himmliſchen Gefichten, wie er wenig- 
kms felbft überzeugt war, getrieben, erregte er überall die Gemüther zu einem 
kiligen Eifer, durchzog Branfreih u. Italien u. bewog ben Papft Urban IL, 
—* feine Entſcheidung das Unternehmen zur Ausführung zu bringen. Dieß 
geſchah auf ben beiden Kirchenverfammlungen zu Piacenza u. Elermont (Bergl. 
im Art. Ereuzzüge). Ein bebeutendes Heer z0g unter P.s Anführung aus; 
th ſchon in Ungarn erlitt daffelbe eine foldye Niederlage, daß nur ber kleinſte 
Theil Konftantinopel erreichte. Die Kreuzfahrer kamen in die Aufferfte Noth, bie 
Gottfried von Bouillon (f. d.) dem Unternehmen eine glüdlide Wendung gab. 
Tiefer eroberte 1099 Jeruſalem u. P. wurde bdafelbft in Abweienheit des neuen 
Patriarchen Großvicarius. Er kehrte aber fpäter wieder nach Europa zurüd, 
gründete das Klofter zu Huy u. ftarb dort 1116. — 9 P. von Blois (Ble- 
sensis), geboren um 1130, erhielt feine erfte Sibung zu Paris, ftudirte die Rechte 
m Bologna, die Theologie bei Joh. v. Salisbury, fam bald nachSicilien als Lehrer des 
jungen Könige Wilhelm, hernach nach England als Eefretär Heinrichs IL und 
wurde zulegt Archidiakonus zu London, Kanzler des Erzbiſchofs von Canterbury 
u. Brofanzler des Königs u. ſtarb ungefähr. 1200. Seine Briefe verbreiteten 
vieles Licht über die vielen wichtigen Staatöhänbel feiner Zeit. Seine 65 Reben 
haben nichts Auszeichnendes, weder in Sachen, noch im Ausdrude; außerdem 
Ihrieb er moraliiche Abhandlungen ıc. Opera omnia, Paris 1767, Fol. — 3) P. 
ron Abano, f. Abano. | 
Peterborough, Karl Mordaunt, Graf von, geboren 1658, diente, 16 
Jahre alt, auf ber gegen die afrikaniſchen Mauren audgelaufenen Flotte, ging 
bei der Revolution gegen Jakob II. zum Prinzen von Cranien über, flieg, nach⸗ 
ben biefer unter dem Ramen Wilhelm II. den engliihen Thron eingenommen 
hatte, immer höher, erhielt 1705 das Commando über eine im fpanifhen Erbfolge⸗ 


118 Peterhof — Veteröburg. 


friege zur Unterftügung des Erzherzogs Karl nad Spanien gefdhidte Armee, nahm 
Denia, eroberte Barcelona u. ganz Butalonien, dann Balenda u. zwang 1706 
den Marſchall Tefie, die Belagerung von Barcelona aufzuheben, wurde Generalifiis 
mus der verbündeten Truppen in Spanien, kehrte aber, da er fi durch Ueber⸗ 
muth verhaßt gemacht Hatte u. in Zwiſt wenen bes Oberfommando’s mit Dem 
Fürften von Liechtenftein gerathen war, nady England zurüd, worauf bie Unfälle 
folgten, die Karl den Bell von Spanien Eofteten. PB. war von 1700-1713 
Geſandter in Wien u. an mehren italimifhen Höfen; er ftarb 1735. 

eterhof, Eaiferlich ruſſiſches Luftfchloß im Gouvernement St. Petersburg, 
am Meerbufen von Kronftabt, mit weitläufigen Gebäuden, die mehre durch hiſtorl⸗ 
ſche Erinnerungen merfwürdige Gegenftände enthalten. Ramentlih fieht man hier 
die Kleidungsftüde u, Werkzeuge Peters des Großen; beffen Shlafgeması das 
ſich noch in demfelben Zuftande, wie bei befien Tode, befindet u. m. Alljaͤhr⸗ 
lich wird bier am Geburtstage der Kaiſerin (1. Juli) ein beruͤhmtes Vollsfeſt ges 
halten, wobei ſich nicht felten mehr als 100,000 Menfchen einfinden. — In 
der Nähe bie Heine Stadt gleiches Namens mit 1200 Einwohnern. 

etermänuchen (Trachinus L.), ®attung aus der Kamille ber bidföpfigen 
Bruftfloffer (der barfchartigen Fiſche). Der länglicdhe Leib ift an den Seiten ſehr 
zufammengebrüdt, fo auch ber Kopf; bie nahe chenden Augen richten ih nad 
oben ; im Kiemendeckel ift 1, vor jedem Auge 2 (fleinere) Stacheln, audh bie 
Schulterknochen find gezähnelt. Sie folen in ben Stadheln ber erſten Rüden; 
flofie Gift Haben. Arten: der Petersdrache (A. draco), ein Fuß lang, oben 
gelbbraun, unten filberig, fchräg braun linirt, Im Mittelmeere; er nährt fidh von 
Krebfen u. Schaalthieren u. it wohlfchmedend ; das linirte P. (A. lineatus) u. a. 

Petermaͤnnchen, eine ehemalige churtrierifche Scheidemuͤnze, die das Bildniß 
bes heiligen Petrus im Revers trug u. 5 Pfennige Eonventionsmünze galt. Es 
gab auch dreifache von demfelben Gepräge. — Die fogenannten neuen P. waren 
im Werte gleich einem xheinifchen Ortsgulden. 

Deteröburg, von den Rufien Sancts Petersburg genannt, Die zweite 
Hauptftadt (die erfte iſt Moskau) des ruffifchen Reiches u. die erfte Refibenzftadt 
des Kaifers, zugleich Hauptftabt des gleichnamigen Gouvernements, Sit ber höch⸗ 
fien Reichsbehoͤrden u. eines griechifchen Erzbiichofs, Liegt in einer weiten (Ebene 
am Einfluffe der Newa in ben finnifchen Meerbufen, hat einen Umfang von 4 
Meilen u. 460,000 Einwohner, worunter 390,000 Griechen, 21,000 Katholiten, 
33,000 Proteftanten beider Confeſſionen u. die übrigen Angehörige verfchiebener 
chriſtlichen u. nichthriftlichen Religionsparteien find. Die Stadt ie in 12 Theile 
u. dieſe wieder in Stadtviertel abgetheilt. Jene werben abgebildet durch bie Rewa, 
bie fi in die nörblich abgehende große Newka, bie fpäter wieder einen Arm, 
die Fleine Newka, ſüdweſtlich abfendet, u. die große u. Kleine Newa, welche beide 
Waſſili Oftrow (Wilhelms⸗Inſel) einfchließen, theilt. Mit Ausnahme einer ges 
genwärtig im Bau begriffenen fteinernen Brüde, welche bie genannte Inſel wit 
ber eigentlichen Stabt verbinden wird, führen bermalen blos Schiffbrüden über 
die Newa. Der anfepmiichfe u. fchönfte Theil von St. PB. iſt ber ſuͤdliche, am 
Iinfen NewasUfer, mit dem Admiralitätsviertel. Zwifchen biefem und bem nörd- 
lichen oder rechten Ufer ber großen Newka, oder ber Wiburger Seite, liegen von 
Süden nad Norden 1) Waſſili Oftrow, 2) die eigentliche P.er⸗Inſel mit ber 
Geltung, ber Infel Petrowski u. ber Mpotheferinfel, und 3) Kamennoi Oftrow, 
Kreſtowsky u. Jelagin, eine reigend bebaute Infelgruppe, auf welcher ſich Gärten, 
Allen, Parkanlagen u. kaiſerliche Prachtgebaͤude neben befcheidenen Datſchen 
(Sommerhäufern) befinden. Wenige Städte Europa’s befigen eine fo große Anzahl 
breiter u. langer Straßen, als P. Einige davon find 120 Zuß u. barüber breit, 
u, der Newskyproſpekt Hat eine Länge von beinahe 5000 Fuß, ift aber mit ben 
minder eleganten, jedoch fchnurgeraden Kortfegungen befielben nahe eine Meile 
lang. Die befahrenſten Straffen find mit Holgquadern gepflaftert, an ben Seiten 
führen präditige Trottoirs entlang, wie auch die Ufer des Stromes u. ber Ka⸗ 


Petersburg. 119 


näle meiſt als Herrliche Granitquais ſich darſtellen. Beſonders ſehenswerth iſt ber 
ſogenannte engliſche Quai, an dem Hauptarme der Newa. Die ſonſtige Pflaſter⸗ 
ung u. auch bie Beleuchtung ber Stadt iſt nicht empfehlenswerth; nur bie Haupt⸗ 
ſtraßen find mit Gas erleuchtet. Auch an gutem Trinkwaſſer fehlt es; man trinft 
das Wafler ber Rewa, woran ber Fremde fih Anfangs fchwer gewöhnt. Fon⸗ 
tanfa, Gatharinentanal u. Moika heißen die drei Kanäle der Stadt. Prächtige 
Reinerne u. gußelferne Brüden führen über biefelben. Die Bauart von B. ß 
die großartigſte, bie man ſich denken kann. Beſonders in ben eleganten Stadt 
tbeiten erheben ſich die herrlichſten Staats- u. Privatgebaͤude. Maſſen von Granit 
u. Marmor find zu Säulen u. jedem Schmude ber Architeltur verwendet u. bie 
Gebaͤude find im ebeiften antifen Styl gebaut; weite Pläbe umgeben bie Ges 
binde, nirgends enge, dumpfe Bäßchen. Die Bürgerhäufer find faſt durchweg 
ens oder zweiftödig, mit Stud beworfen u. mit heiteren Yarben angeftrichen, 
haben meift abgeplattete, mit Eifenplatten gebedte, vol, ſchwarz ober grün ans 
gehrichene Dächer, Das in PB. der Palaft oft neben der Hütte ſtehe if unwahr; 
es Reben aber neben jenen oft nur gewöhnliche aweißödtige Bürgerhäufer u. dieſe 
ſind zu z nur von Fachwerk gebaut; defto flattlicher find dieſelben, je naͤher fie 
an den eleganten Stabttheilen ſich befinden. Die weiter entfernteren Stabttheile 
fad aber immer noch geräumig und luftig. Ganz P. ift auf Roften u. Pfählen 
gebaut. Bei allen Häufern ber VBornehmeren find bie Gorridors u. Treppen mit 
iuſſiſchen Defen heizbar, Doppelfenfter allenthalben. Die Treppen find fafl durchs 
gig Doppeltreppen, die Räume Iuftig u, weit. Wintergärten find in ſolchen 
ern oft angebradht; mit großen Yenfterfcheiben wirb Luxus getrieben. Der 
miere Stod wirb meift zu Berfaufsläden benügt, oder ift Wohnung der Dieners 
ihaft, ba man benfelben ber Feuchtigkeit wegen für ungefund hält. Unter ben 
Blägen der Stadt ficht oben an: ber Petersplatz mit der von Falconet gegoflenen 
Bitvfäule Peters des Großen auf einem 9000 Gentner fchweren Granitbiod und 
einem Gifengitter mit vergolbeten Knöpfen umgeben; der Admiralitätsplab, weft 
ih von dem Winterpalais; dee Sommergarten mit herrlichen Alleen, dem prachts 
vollen eifernen Bitter an der Rewa u. dem Häuschen, das Peter der Große 
während bes beginnenden Baues von St. P. bewohnte. Reben dem Admiralis 
tätöplage ber große Platz, ber auf ber einen Seite bogenförmig mit dem Admira⸗ 
Inätsgebäube endet, mit ber 160 Fuß hohen Aleranderjäule, Deren Bau von Monts 
terranb geleitet wurde. Bon der Witte bes Admiralitätsplapes laufen die größten 
Berfpective (fo heißen in P. alle langen regelmäßigen Straßen), unter biefen 
namentlich Die Rewsfonperfpective, der Sammelplap alles Schönen u. Eleganten 
u dee DMorgenfpaziergang der vornehmen Welt. Berner die :Baradepläbe, bes 
ſonders bie Gzarenwiele mit dem Denfmal Suwarow's; dann ber weit größere 
Semenowskoi⸗Platzparad, von Kafernen umgeben, NAlerandrowefoi » Plagparad, 
äne Quadratwerſt groß, u. Preobratſchenskoi⸗Platzparad. Andere Bläge find nicht von 
tee Bedeutung, die man von der Großartigfeit P.s erwartet, N die Theaters 
pläge, der Heumarft, dee Krugloi Rynok (runde Markt), der Ifaafsplag, ber 
Platz zwifchen ber Akademie der Willenfchaften, der Börfe u. der Mauth auf 
der Baflliusinfel, ber Plat vor dem Gadettenhaufe mit Romanzow’s Denkmal. 
Thore u. Mauern Bat die Stadt nicht, wohl aber nach allen Seiten bin aus» 
laufende, an den Kanälen u. Brüden mit. Barrieren gefchloffene Straßen, beren 
wei mit Triumphbögen geziert find, — An ber Spite der zahlreichen ruſſiſch⸗ 
griechifchen Kirche hebt Die noch nicht vollendete, aus Granit u. Marmor ers 
baute Iſaalskirche, in ruſſiſchem Style mit fünf Kuppeln erbaut u. bis an bie 
Eyige des Kreuzes 300 Fuß Hoch; die Kathedrale der heil. Mutter, Gottes zu 
KLaſan; bie Peter u. Paulskicche, die Spaß⸗Preobratſchenskoi⸗Sabor, die Tri⸗ 
nttätslirche, Nikolaikirche u. v. a. Bon anderen Kirchen nennen wir: bie fathos 
liſche auf ber Newskoy'ſchen Perſpective; bie armenifche, bie neue hollaͤndiſch⸗ 
reformirte, bie neue beutich proteftantifche, die lutheriſche Petrifirche, der Betſaal 
ber Herrnhuter u. ſ. w. Die Kirche ber Eitadelle, auf ber Infel, wo ſich bie 


120 Keteröburg. 


Feſtun g befindet, ift durch ihre ftarf vergolbete, 154 Fuß Hohe Spihe u. durch bie 
faiferliche Gruft merfwürbig. Unter beh Klöftern erwähnen wir das Alerander⸗ 
Newky⸗ Kloſter, am Aufferfien Ende der RewölysBerfpektive, der Sin des Mes 
tropoliten; das Smolnoiflofter, jept ein Exziehungsinftitut für 800 abelige Fraͤu⸗ 
lein unter dem Schuge ber. Kaiſetin; das Sergiew’fche Kloſter auf dem Wege 
von P. nach Peterhof. Unter den Taiferlichen Palaͤſten flieht oben an: ber 
80,000 [I Euß einnehmenbe Winterpafaft auf dem linfen Ufer der Newa, welcher 
mit der daran floffenden, durch Bogengänge verbundenen, großen u. Heinen Ere⸗ 
mitage, in denen fich ein Theater, die Gemaͤlde- Münzs u. Gemmenfam: N 
fowie eine Bibliothek von 100,000 Bänden befinden, eine Fronte von ungefäl 
550 Fuß bildet. Berner das Marmorpalais am Warsfelde, von Katharina IL 
für Orlow erbaut; der Michailow'ſche Palafl, worin Kaifer Paul feinen Tod 
fand, jept dem Ingenieur- Corps zu feinem Lokale eingeräumt; bas Palais bes 
jroßfürften Michael, 364 Buß lang, mit fhönen u. umfangreichen Gaͤrten; ber 
autiſche Palaft, von Katharina IL für Potemfin erbaut, jegt ziemlich im Berfalle; 
ber Faiferliche Palaſt auf der Infel Jellagin u. v. a. Ueberrafchend groß if die 
Anzahl der fogenannten Krongebäube, ter ihnen nennen wir: das prächtige 
Admiralitätsgebäube, das grobantige Generalſtabegebaͤude, das Gebäube bes 
Senats u. ber heiligen birigirenben Synode, den Palaft des ominiſterlums 
u. bie ſchoͤne Reitbahn der Barbe, das neue Alexander⸗-Theater, ihm zur Seite 
das Bibliothefgebäube mit einer halben Million Bücher u. Kartenwerken, u. unfern 
davon bas Boftinoris Dwor oder bie Kaufhalle, die 340 Läden reicher Kaufleute 
enthält; ferner das Zeughaus, bie Reichsbank, ber Lobarb, die großen weiblichen 
Erziehungshäufer, das Findelhaus, bie neue Admiralität mit einem fleinernen Ge⸗ 
bäube, in welchem bie größten Schiffe gebaut werden; auf Waſſili Oftrow bie 
ſtattliche, mit zwei Roftren gefmüdte Börfe, bie großen Waarenfpeicher, bie Zoll⸗ 
Gebäude, bie Univerfitätegebäube, bie Akademie der Wiſſenſchaften mit ber Etern- 
warte, die ber Fünfte, bie verfchiebenen Gabetten» Inftitute; auf ber Wiburger 
Seite bie medico  Hirurgifche Akademie, u. in verfchiedenen Theilen der Stabt 
Spitäler, die großen —A und Erxetzierhaͤuſer. Bon ben tlichen Unter 
richtsanſtalten verdienen Erwähnung: bie 1819 gefiiftete Univerfität, das o⸗ 
giſche Hauptinftitut, beſtimmt zur Bildung von Lehrern für den höhern Unterricht, 
die geiftliche Akademie im Alcrander Newokykloſter, 4 Gymnaſien, das orientalts 
ſche Imftitut, das Bergcorps, bie technologiſche Anftalt und viele andere Krons 
und Privatinftitute. Die nach Leibnitz's Plane von Peter dem Großen gefiftee 
Atademie der Wilfenfhaften, die ſtets unter ihren Mitgliedern Männer von euros 
päifchem Namen zählte, hat auch gegenwärtig noch von ihrem Ruhme Nichts eins 
gebüßt. Haft jede der genannten Anftalten befipt zugleich eine Bibliothek, fowie 
eine ober bie andere Kunftfammlungen ; befonders werthvoll find bie verfchicbenen 
Mineralien: u. Münzfammlungen im Berg-Eorps, ber Exemitage, im orientalifhen 
Imfitute, fowie auch ber botanifche Garten durch feine reihen Gewächshäufer 
fich auszeichnet. — Das Fabrikweſen P.s iſt zwar von Bedeutung, body ſteht es 
Moskau Hierin nad. Es Hatte im Jahre 1839 269 Fabriken, während Moslau 
562 hat. Die meiften umd größten. Babrifen liegen vor den Thoren ber Gtabt, 
längs ber Rewa, unb liefern Hauptiächlich Leder (Juchten, Saffian u. Glanzleder), 
zuden, Glas, Porzellan, Seidens, Keinen, Wollen: u. Baumwollenzeuge, Kattun, 
piche, Wachstuch, Tapeten, Papier, Tabak, Pulver, chemiſche Artikel, Eiſen⸗ 
guß, Uhren, Gold⸗, Silbers, Stahle, Vronces u. Galanteriewaaren. Mehre mit 
roßen Koften errichtete Fabriken und Manufafturen werden für Rechnung ber 
one einzig in ber Abſicht unterhalten, um Wetiftreit zu erweden. So find als 
glänzende Gtabliffements Hier zu nennen: bie faiierliche Fabrik der Gobelindtas 
peten, bie PBorzellanfabrik, die Kryſtallglas- und Spiegelfabrif, die Eifengießere, 
bie Juwelenichleifereien u. a. Weii wichtiger aber, als bie Babrifinbuftrie, in ber 
— dieſer Hauptſtadt; er iſt der ausgebehntefte von allen Vlaͤhen bes nörbs 
den Europa’s u, man Tann wohl annehmen, bag P. mehr als die Hälfte der . 


 Peteröburg. 121 


Eine dene: — — Sms al 

Binfichtlich el6 vor den gm — —— genießt: 
alle dieſe -Umftände haben’ zufammertwirfend die Schwierigfeiten ber: Lage P.s 
(urze der es Fal jer8, Bodens u. |.10,) 


Dauer dee Schifffahrtsgeit, e bes Fahrwaſſ⸗ 
überwunden. Die Hauntgegenflände — kan Hart Kinds, Yartafüe, 
— e, Stangeneiſen, Pupfer, Borſten, Taue au 
ide, Hanf- u. Leindl, »Leinfaat, Segeltuch, Ravenstuch, 
Bretter, Dielen, Rauchwaaren Gold u. —— die —— Sram ch, 
Baumwolle, ‚Kaffee, rel Zuder, 11172 
Br „Bein, ——— Barber 


fölger, * ne Reis, Sa, © Steinto hlen Saba, Sa *— Zitronen 
4 * 4 J ” er, 7 
— di ——— da, 10 Ser Ci Silk in 
ie un 
von 2. iR Rronfadt di. 89), wo — für bie — 


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2 ®. „mit 
engliſche Kaufleute, ſode Dänen, ed 

’ ICH Se Compteire ruhen ter er 
F — im Innern des Landes, — 
der Ausfuhr beſtimmten — 


m 
ii 


beiten ber 4 fi von 1 Beier dem Großen u. Katharina II 

aiden Ten — 
Pen — — ia ke ne = kn en feine Abs 
gaben, ftellen feine Refruten, find feinem Gildenzwange unterworfen, fondern ar- 


heiten u. handeln frei buch das ganze Reich. Zahlreiche Handelsanftalten, unter 
denen die Reichsleihbanf, die Commerzbanf, bie Börfe u. mehre Verſicherungs— 
geiellichaften oben an ftehen, fowie die weithin verzweigte Dampfſchifffahrt, welche 
direkte Verbindungen mit London, Havre, Duͤnkirchen, Hamburg, Stodholm uud 
anderen Plägen unterhält, tragen viel zur Blüthe des Handels bei. — Während 
bie niederen u. mittleren Stände ziemlich eingefchränft u. fparfam leben , entfaltet 
bie höhere Burgeoifie und namentlich ber fehr zahlreiche Adel einen ungeheueren 
Lurus u. Aufwand, der durch Die zahlreiche Dienerfchaft, die Jeder, der nur einiger 
maßen die Mittel hiezu befigt, halten zu müffen glaubt, noch unendlich vermehrt 
wird. Unter den öffentlichen DVergnügungen machen die Theater, deren P. ſechs 
zählt, einen der wichtigften Beftandtheile aus. Volksfeſte find fehr häufig, befon- 
ders bie fogenannte Butterwoche, die Woche vor Faften, wo auf dem Admirali- 
tätsplage allerlei Beluftigungen ftattfinden ;_bie Balmfonntagwodhe, die Oſternacht, 
der Dftertag, das Erinnerungsfeſt an bie Todten, ber Montag nah Oftern, bie 
Weihnachtsmaͤrkte, das Ochfenfeſt, das Sommerfeft in Beterhef, das Neujahrfeft 
im Bergen Saal, wo ber Kaifer 20,000 Eingelabene bewirthet ; das Fruͤhlings— 
feſt am Et, Peter: u. Paulstage, die mititäriiepen Paraden u.a. Während ſich 
die Petersburger im langen Winter in ihren Wintergärten und Treibhäufern er: 
aögen, zieht mit Anbruc des Frühlings, befonders am 1. Mai, die ganze elegante 
Belt auf die Infeln, nad Ochta und die nächften Dörfer, wo Vatſchen, d. h. 
Billen jeder Art, der Petersburger fehönen Welt Sommerwohnungen bieten. 
Zwar find die Umgebungen nur Birfenwälbchen, Tannengebüfh und Weiden, ins 
deſſen ift doch alles Mögliche gethan, aus ber Gegend das Mögliche zu machen. 
NRAHR dieſen finden Spaziergänge im Winter auf dem englifhen Ouai und ber 
Rewoky⸗Perſpective, im Sommet Spazierfahrten nah Novaja Deremeja, wo bie 
Strune’jde Mineralanftalt iR, nad ben ſchönen dem PBublitum geöffneten Etro: 


122 Peterfen — Peterfilie, 


anow’fchen und Besborodfow’fchen Gärten, weitere nach ben kaiſerlichen Luft- 
—*5 Peterhof, Gatſchina, Oranienbaum, Krasnoje⸗Selo, Pawlosk, Stre⸗ 
lena ꝛc. ꝛc., fowie auf ber Eiſenbahn nach Zarskoje⸗Selo Statt. — PB. wurde 
1703 waͤhrend des nordiſchen Krieges von Peter dem Großen angelegt, der da⸗ 
durch ſein Volk mit anderen Nationen zur See in Verbindung zu bringen beab⸗ 
Katipte und felbft den Bau der Feftung leitete. Diele Große des Reiche , bie 

ch dei dem Kaiſer beliebt machen wollten, bauten einzelne Stabttheile und bie 
nachfolgenden Herrſcher u. Herrfcherinnen beeiferten fi), bie neue Hauptftabt 
möglihft in bie Höhe zu bringen. Befonders thaten dieß Katharina H., Alerander 
u. Rifolaus. 1762 wurbe hier der Friede zwifchen Rußland und Preußen ges 
ſchloſſen, ber ben Tjährigen Krieg beendigte,, fowie 1805 bie Eoalition zwifchen 
Rußland, Oeſterreich u. England, die ben Krieg dieſes Jahres gegen Frankreich 
hervorrief; ebenfo 1812 ein geheimer Bertrag mit Schweden gegen Frankreich. 
Feindliche Einfälle Hatte die Stadt nie zu beflehen, aber oft war fie der Schaus 
plag gewaltjamer und blutiger Ecenen, namentlich bei Thronveränderungen. — 
Die neueften Beichreibungen von P. in deutfcher Sprache find: von Kohl, Dresd. 
u. Leipz. 1840, 2 Thle., u. Treumund Welp, Leipz. 1842, 3 Thle. 

Deterfen, 1) Johann Wilhelm, ein religiöfer Schwärmer, geboren zu 
DOsnabrüd 1649, ſtudirte in Gießen u. Roftod Theologie, wurbe auf der letztern 
Univerfität Profefior der Poefie, dann Prediger zu Hannover, nady einiger Zeit 
Superintenbent des Bisthums Lübel zu Eutin, und 1688 Superintendent zu 
Lüneburg, wurbe aber 1692 dieſes Amtes entfeht, weil er hier öffentlich feine chi⸗ 
ltaftifchen Meinungen ausbreitete Er Taufte ſich bald nachher ein But zu Niebers 
Dobeleben unweit Magdeburg, fchrieb hier viele Bücher, reiste an verfchiedenen 
Drten in Deutfchland herum und blieb ſtandhaft bei feinen Meinungen, bis an 
feinen Tod 1727. P. war ein Mann von ziemlicher Dichtergabe, wie denn 
wirklich feine „Stimmen aus Zion” 3 Thle,, Halle 1698 u. 1701, vieles Erhabene 
enthalten, hatte aber feine Einbildungsfraft nicht burch gelunde Kritik in Ordnung 

ebracht. Nicht nur er ſelbſt wollte außerordentliche Winke u. Offenbarungen er⸗ 
—* haben, ſondern er glaubte das auch von ſeiner Frau Johanne Eleonore 
von Merlau; noch vielmehr aber von einer jungen Freundin derſelben Roſemunde 
Juliane von Aſſeburg. Seine vornehmſten Schriften ſind: Wahrheit des herr⸗ 
lichen Reichs Se Ghrifti, 16935 Ewiges Evangelium, 1700, u. a. ©. Peter⸗ 
ſens Leben von ihm felbſt, 1717, fortgefegt u. mit ihrem eigenen Leben vermehrt 
von feiner Frau, 1719. — 2) P., N. M., einer der geichägteften bänifchen 
Sprach⸗ u, Geſchichtsforſcher, geboren bei Obenfe 1791, wurbe 1815 Lehrer am 
eminar zu BrabesTrolleborg auf Fuͤnen, privatifirte feit 1826 in Kopenhagen 
und wurde 1830 Regiftrator beim geheimen Archiv. an hat von ihm: Däs 
niſche Wortbildungslehre, Kopenh. 18265 Geſchichte ber dänifchen, norwegiſchen u. 
ſchwediſchen Eprache, ebd. 1829 f., 2 Bde.; Daͤniſche —— fuͤr Deutſche, 
ebd. 1829; Handbuch der altnordiſchen Geographie, ebb. 18345 Daͤnemarks Ge⸗ 
ſchichte in der älteſten Zeit, ebd. 1834 f., 3 Bde.; auch Überſetzte er ben 4. — 10. 
Theil ber „Fornmanna-Sögur“ in das “Dänifche. 
eterögrofchen hieß bie jährliche Abgabe, welche früher in England an 
dem e des Heil, Petrus an den römifchen Stuhl entrichtet wurde, um bafür 
in Rom eine Schule für engliſche Geiftliche, fowie bie Graͤber ber Heil. Petrus 
u. Paulus zu unterhalten, Diefelbe betrug ein Penny von jedem fe, und 
fol ſchon feit dem Jahre 725 von dem angellächfiichen Könige Ina bewilligt 
worden feyn. Schon im 13. Jahrhunderte überftieg ber Betrag bes P.s bas 
Einfommen bes Königs und wurde von Heinrich . (f. 8), zugleich mit feis 
nem Abfalle von der Tatholifchen Kirche, abgefchafft. 
eterfille (apium petroselinum), eine befannte, zweiläßtige, aus Sardinien 
ftammende, - Häufig in en caultivirte, in brei Varietaͤten, mit krauſen (Plu⸗ 
mages®.), glatten u. breiteren Blättern (legtere mit ſtaͤrkerer eßbarer Wurzel) 
vorfammenbe flanze, als Zuthat zu Speifen in mancherlei Art in allgemeinem 


Petersingel, Die, liegt mitten im Bielerjee, hat eine Halbe Stunde im Um⸗ 
ragt nördlich von fleilen Sandfeinfelfen in ben Eee hervor, ſteigt gegen 
n, wo das Wohnhaus liegt, fanft ab und trägt fehöne Weinberge, 
1, Getreidefelder u. Wieſen, fowie auf der Höhe prächtige Eichen. Auf ber 
he ſteht ein achtediges Lufthäuschen, während ber Weinlefe Sonntags zum 
? geöffnet und von ber Umgegendb aus flark befucht. In dem ehemaligen 
T, wo gegenwärtig ber Schaffner wohnt, fleht man das Zimmer, in welchem 
ffeau (f. d.) 1765 einige Zeit verweilte und in dem ſchoͤnen Traume lebte, 
und Sicherheit gefunden zu haben. Mehre Theile der Infel bieten eine 
: Ausficht dar. 
Yeteräforn, |. Einforn.- 
Petersthal, ein Mineralbad in dem Amte Oberfirdh des babiichen Mittels 
!teifes, in einem anmuthigen Thale und 1231 8. über dem Meere gelegen, 
t Douche⸗, Dampfs, Gas⸗ u. Wafferbäbern, forte mit Wohnungen ⸗ 
wohl eingerichtet. Daſſelbe erfreut fich eines ziemlich ——— Beſuches 
hat einen ſehr großen Abſatz an Rineralwaſſer, das feinen Miſchungsver⸗ 
iſſen nach zu ber Claſſe ber erdig⸗ſaliniſchen Eiſenwaͤſſer gehört. Je nad) dem 
itativen Berhältnifie ihrer Beftanbtheile unterfheiden Fe die vier Quellen 
eteröthal fonft nur wenig, und fommen in ihrer Wirkung jenen von 
jenfhwalbad (f. d.) nahe. Sie find bald mehr ſtaͤrkend, bald mehr 
end u. werben wie biefe gebraucht. I 
Deterwarbein (Pötervär), bie Haupt» unb Grängfetung Slavoniens und 
ins, unftreitig bie flärkfle der gefammten öſterrelchiſchen Monarchie, Liegt 
an der Donau, welche Hier einen großen Bogen gegen Norden beſchreibi, 
$ gegenüber in ähnlicher Weife, wie Ofen gegenüber von Es be 
aus der obern Feſiung, aus ber untern Feſtung unb ben bei Vorſtaͤdten 
igsthal und Rochusthal. 6000 Einwohner mit der Garniſon. Die obere 
ig mit bem Hornwerfe iſt ein Jahrhunderten trogender Bau. Sie thront 
nem von brei Seiten Holitten Felsberge, 204 Fuß ober dem Donaufpiegel, 
nthält weitläufine Kafernen und Kafematten, ein neu erbautes Offiziersquat⸗ 


124 Petion — Petit, 


blutige Siegestrophäen auf Piden geſteckt, bem Weſſir bei feinem Einzuge vorges 
tragen. Haft zwei Jahrhunderte hindurch mühten fich ‚die Chriſten vergebens, ben 
Erbfeind wieder aus dem Lande zu vertreiben. Am 5. Auguft 1716 endlich ers 
focht bei P. Prinz Eugen einen der glänzendften Siege. Das ganze türkiiche 
Lager und 170 Kanonen waren bie eine, bie Eroberung von Temesvar bie andere 
Frucht dieſes glorreihen Tages, defien Ereigniffe Furcht und Schreden durch alle 
Länder der Osmanen, Freude und Jubel durch alle Ränder der europälfchen Chri⸗ 
fienbeit verbreiteten. mD. 
Petion, 1) Alerandre, ſ. Haitt. — 2) P.deBilleneuve, Jerome, 
geboren zu Ehartres 1759, fludirte die Rechte, wurde Advokat in feiner Baters 
ftabt und 1789 zum Deputirten des dritten Standes in ber Rattonalverfammlung 
ernannt. Nach dem Ausbruche der Revolution wandte er ſich ganz zur republifa- 
niſchen Partei, ward Präfident des Parifer Eriminalgerichte, war einer von ben 
Gommiffarien, welche 1791 den König von Varennes zurüdbrachten, und trug 
auch am meiften zu deſſen Verhaftung bei, warb an Bailly’s Stelle Maire von 
Paris begünftigte die Bewegungen, benen bie Vorfälle im Juni 1792 folgten 
und wurde deßhalb von ber » enartemenieberwaltung entfeht. Die Rationalvers 
fammlung geb aber diefen vom Könige beätigten efhluß wieder auf und P. 
war nun ein boppelt erbitterteer Gegner bes Königs und Koͤnigthums. Am 3. 
Auguf verlangte er im Namen der Barifer von der Rationalverfammlung he 
bens bes Königs Entthronung. Am 9. und 10. Auguſt befand er fi im Pas 
lafte, wohin der Fön berufen war. Bon da an waren Danton, Marat, Robes⸗ 
pierre gegen ihn in Volksgunſt. Bergebens fuchte er dem Morben in ben Sep» 
tembertagen Einhalt zu thun. Als der Konvent zufammentrat, warb P. Prähbdent 
defielben und ſprach als folcher bie Aufüebung bes Fönigthumes aus. Im Oftober 
warb er von Neuem Maire von Paris. Mit Erbitterung ſprach er nun gegen 
ben König, trat aber zugleich als offener Gegner Robespierre's u. bes Schredens: 
Syſtems auf, ftimmte 1793 für den Tod Ludwigs XVL mit Appellation an bas 
Volk, berief die Errichtung des Wohlfahrtsausſchuſſes und arbeitete in demſelben 
mit voller Kraft. Des Einverftändniffes mit Dumouriez angeklagt, warb er den 
2. Juni in Anflageftand verfegt; als ex entfloh, ben 28. Jull mit Buzol, Lanjui⸗ 
nois und noch 14 Anderen außer dem Geſetze erklärt und vom Convent ben 3. 
Dftober über ihn und noch 52 Deputirte ber Berhaftsbefehl ausgefprochen. Mit 
Buzol und Lanjuinois irrte er num in ber Bretagne umher und man fand fie 
endlich im Juli 1794 unweit St. Emilian in ber Wildniß, verhungert ober ermors 
bet, halb verwest. 

Petit, Frangois Bourfour bu, berühmter Augenarzt, geboren ben 24. 
Juni 1664 zu Paris, fludirte zu Montpellier, wurbe —28 1690 zum Med.Dr. 
promovirt u. begab fi) dann zu weiterer Ausbildung in feinem Fache nad Pa 
is. Bon 1693 an war B. theild als Feldarzt, befonbers in den Niederlanden, 
thätig, theild aus Vorliebe zur Botanik auf Reifen. Nach dem Utrechter Frieden 
1713 ließ er fi in Paris nieder u. erwarb ſich befonbers als Augenart ausge⸗ 
breiteten Ruf; 1722 ward er Mitglied der Akademie; 1741 am 18. Juni ſtarb 
er. — P. war gunähft im Gebiete ber Augenheilkunde fchriftftellerifch thaͤtig; 
außer mehren Abhandlungen fchrieb er: „Letires d'un medecin des hapitaux du 
Roi & un autre medecin,“ Namur 1710. — „Lettre concernant des reflexions 
sur les decouvertes faites sur les yeux,“ Paris 1732, — 2) P. Antoine, 
berüßmter Wundarzt, geboren 1718 zu Drleans im Departement Loiret, Sohn ei⸗ 
nes armen Schneiders, wibmete ſich dem Stubium ber Heilkunde zuerft in feiner 
Baterftadt, dann in Paris, wofelbft er 1746 zum Med. Dr. promovirt wurde. P. 
erwarb fidy durch die Ausübung der Heilfunde ſolchen Ruhm, daß er 1760 Mit- 
giich ber Akademie wurde; 1768 wurde er Infpektor fämmtlicher franzöftfcher Mi⸗ 
itärfpitäler und 1769 Profefior ber Anatomie; 1776 legte er feine Stellen nieder 
und zog fi) aufs Land zurüd; er ftarb den 21. Oktober 1794 in Dlivet bei Or, 
Jeand, P. Hinterließ Feine direkten Abkoͤmmlinge u. verwendete daher fein großes 


Betit- Maitre— Petitlo prinelpii, 125 


Bamögen zur Gründung eines Lehrftußls der Anatomie u. eines ber Chirurgie 
an der mediciniſchen Fakultät von Paris, fo wie zur Stiftung von Armenärzten 
x. Armenrechtsanwälten in feiner Vaterſtadt. — P.s wichtigfte Schrift iſt: „Re- 
egeil des pieces concernant les naissances tardives.“ Paris 1766, 2 Voll. — 
3) B., Jean Louis, berühmter Chirurg, geboren den 13. März 1674 in Bas 
ris, beſchäftigte ſich ſchon als Knabe mit anatomifchen Arbeiten: bei dem berühms 
ım Littré ,, ber im felben Haufe wohnte ; fpäter fludirte er die Chirurgie, wurde 
1692 Feldwundarzt u. folgte der franzöftifchen Armee nach Flandern; nach bem 
Frieden 1697 wurde er im Milttärlagareti zu Tournay angeftellt, verließ aber 
1700 den Dienft u. ließ fi als ausübender Chirurg in Paris nicder, wo er 
bald fo ausgebreiteten Ruf fich erwarb, daß er 1715 zum Mitgliede der Akademie 
kr Wiſſenſchaften erwählt wurde und daß ihn 1726 ber König von Polen u, 
1134 der König von Epanien zu ſich beriefen, um feinen Rath einzuholen. Bei 
Erichtung ber königlichen Akademie der Chirurgie 1731 wurde P. deren Direktor. 
&r farb den 7. April 1750. — Seit Paré Ri db.) hatte Feiner ber franzöflfchen 
Chirurgen fo großen Einfluß auf die Fortichritte der Chirurgie, als P. — Außer 
aäreihen Abhandlungen in den Denkfchriften der Afademie der Wiffenfchaften 
ffrieb er: „L’art de guerir les maladies des 05,* Paris 1705, erfchien in vers 
ihiedenen Auflagen, zulegt 1772, auch wiederholt deutſch. — Nach feinem Tode 
eihien, Herausgegeben von Lesne: „Trait6 des maladies chirurgicales et des 
operations qui leur conviennent.“ 3 Vol., Par, 1774, 2te Aufl. 1790. E. Buchner. 

Petit⸗Maitre (franz.), wörtlih Kleinmeifter, ift 1) die franzöfiihe Bes 
aanung für unſere beutfhen: Zierbengel, Etuger, auch Pedant ıc. — 2) Hießen 
ſo im 15. Jahrhunderte jene Solgfihneiber und Kupferftecher, welche ausfchlicBlich 
fine, forgfältig ausgeführte Arbeiten lieferten. Doch ift wohl die Benennung 
an ſich oder im ihrer eigentlichen Bedeutung Alter, ald die Anwendung berfelben 
auf Holzſchneider und ferftecher jener zierlichen Arbeiten wegen. Am fo wes 
niger verdient die bin u. wieber aufgefellie Behauptung —— zu werden, 
daß Der Urſprung ber Benennung in die Zeiten der Fronde (ſ. d.) (1648 -54) 
tlle, indem man damals die Parteigänger des Herzogs von Beaufort mit dem 
Namen importants, und die Anhänger des Prinzen von Condé mit petits maltres 
belegt Habe, weil diefe burchaus ſich zu Herren der Monarchie machen wollten. 
Tieg wäre allenfalls nur eine veränderte Anmwenbung der Benennung, wohl aud) 
durch den Gegenſatz von important und petit ganz gut zu erflären, 

Detition, Bitte, Anſuchen, Verlangen. Im politiichen Leben verfteht man 
mter B. die an die Regierung oder die Stände gerichteten Bitten, Vorftellungen 
und Zinträge, diefelben mögen nun von einzelnen oder mehren Bürgern, ganzen 
Gorporationen oder von den Ständen felbft ausgeben. Das grundgelegliche Recht 
ter Staatsbürger, Bitten oder Beichwerden einzubringen, heißt Betitionsrecht. 
Dieſes Recht, obgleidy ein allgemeines Menſchenrecht, wurbe noch bis auf bie 
neuefie Zeit, wenn mehre Bürger ober ganze Innungen von bemfelben Gebrauch 
machen wollten, felbft in Staaten, die ſich fonft unter bie civilifixteften zaͤhl⸗ 
ten, nicht felten von der Regierungsgewalt völlig unterdrüdt ober, wo dieß wegen 
der in der Berfaffung allzuklar ausgefprochenen Beftimmungen nicht ging, dem» 
jelben wenigftend dadurch einen Damm entgegen zu fegen verfucht, dag man ben 
Bürgern bie Berfammlungen zu Berathungen über gemeinfame P.en verbot und 
io das verfaffungsmäßige Affociationsrecht verlepte. Durch den neuen Umſchwung 
der Tinge befteht das P.s⸗Recht jekt in allen Staaten Europa’s durchaus uns 
verfümmert ; am unbefchränfteften, wie überhaupt alle Bolfsrechte, in England; ja 
ſelbſt in ber Türkei find eigene Einrichtungen zum Empfange u. Erledinung aller 
un getroffen. Das einzige Rußland dürfte auch hier noch eine Ausnahme 
nachen. 

Peiltlo prinelpll nennt man in der Logik denjenigen Fehler in ber Bes 
meisführung, daß man Etwas mit einem Grunde zu beweilen fucht, der felbft noch 
des Beweiſes bebarf. 


126 - Yetitorienlagen — Petrarea. 


Petitorienklagen heißen diejenigen Rechtsmittel, wodurdy ein Petitum gel 
tend gemacht wird, es mag dieſes einen Namen haben, welchen es will. Ihnen 
entgegengefegt find die Bolt efforifhen Rechtsmittel, wodurch ber bisherige 
Beik geltend gemacht wird. N. 

Petra, auh Hadriana genannt, die alte Hauptſtadt bes peträifchen Ara- 
biens, in einem mit hohen Felſen umgebenen, bis 500 Fuß tiefen Thale, einige 
Tagereifen von Jericho, 300 Stadien vom tobten Meere, mit vielen Höhlenwohnungen, 
nahe bei dem Berge Hor. P. war erſt von den Edomiten, dann von ben Naba⸗ 
thäern bewohnt u. beren Hauptſtadt; unter Kaiſer Trajan wurde ed ben Römern 
unterworfen u. Hauptftadt von Palaestina tertia; fpäter war es Sitz eines Bi: 
ſchofs. Die Araber nennen es jegt Ar⸗Rakim: die ausgehauene Stadt; fonft 
heißt B. au Wady Mufa; man findet dafelbft noch merkwürdige Reſte, fo wie 
unzählige Helfengräber in die fleilen Wände eingehauen, 

Petrarca, Franz (nah Anderen Petrarcha), Italiens größter erotifcher 
Dichter und zugleich Kir die Zieberherftellung der claffifchen Literatur einer ber 
einflußreichften Beförberer, war geboren zu Arrezzo am 20. Juli 1304. Geine 
Eltern, in Florenz anfäflig, mußten während der langwierigen Unruhen ber Guel⸗ 
phen und Ghibellinen flüchten. Ste begaben ſich deßhalb nach Arezzo, und bald 
darauf nach Avignon, wohin die Paͤpſte damals ihren Sig verlegt hatten. In 
ber Echule zu Garpentras wurde ber Knabe 4 Jahre lange in dem damals ges 
brauchten Trivium u. Quadrivium unterrichtet. Um die Rechte zu flubiren, bezo 
er die Univerfität Montpellier und die berühmtefte Rechtsſchule Bologna. eb 
entfchädigte er fi über das trodene Rechtsweien an ben eifrigen Stubien ber 
liebreigenden römifchen Claſſiker. Der Tod feines Vaters, welcher 1327 an ber 
Peſt ploͤtzlich Auiveggerafit wurde, rief ihn nad Avignon zuruͤck. Er trat in 
den geiftlichen Stand. In Bauclufe, einem wildromantifchen Drte in ber Nähe 
von Avignon, hatte er von feinem Bater einige liegende Gründe ererbt. Während 
feines dortigen Aufenthaltes erblidte PB. am 6. April 1327, dem Eharfreitage, 
in der Pirde zur heil. Clara eine Dame, Namens Laura, welche von nım an 
das Ideal feiner Liebe geworben ift umb ihn zu jenen erotifchen Canzonen begels 
fterte, welche als unfterbliche Dihtungen für alle Zeiten gepriefen werben. Weber 
bie näheren Berhältniffe diefer Laura iſt, ungeachtet vielfacher Unterfuchungen, wer 
gen der ſich widerfprecdenden Data Nichts noch mit Sicherheit zu beflimmen: uns 
—59— ob die Dame verheirathet, oder nicht, ob ſie der Liebesgluth des Dichters 

hoͤrung gewaͤhrte; Manche ſogar gehen e weit, die Perfönlichkeit ber Dame 
Laura in die ideale Myftif der dichteriichen Xorbeerfrone (laurea) zu verflüchtigen, 
was aber ficher falfch if. Die einfame Umgebung und die wildromantifche Lage 
bes Orts bewog ihn, bier am ungeftörteften feinen Etudien obzuliegen. 
zwei Bücher „vom einfamen Leben”, fanden am beften in diefem Thale ihr cha⸗ 
rakteriſtiſches Gepräge Der Bifhof von Cavaillon, Philipp von Cabaſſole, 
nachmaliger Cardinal, war ihm ein werther Gönner u. nahm bie Debdifation bes 
Buches mit Erfenntlichkeit auf. Ein Heldengedicht, weldhes Scipio ben Großen 
verherrlichte, zog die Aufmerffamfeit auf feine dichterifchen Talente Sowohl von 
Rom, als von dem Kanzler der Parifer Univerfität erhielt er Einladungen, bie 
Dichter s Krone in Empfang zu nehmen. PB. gu ber Weltftabt den Borzug und 
fam über Neapel dahin. König Robert der Gütige empfing ihn mit ber größten 
Auszeichnung u. erbat fich, feine Dichtung über Afrifa ihm zu wibmen.. Am 8. 
April 1341 geſchah auf dem Capitol feine Dichter-Krönung mit ben ehrenvoliften 
Seierlicpfeiten. Das Arhidiafonat zu Parma gewährte ihm eine forgenfreie 

iſtenz. Der Tod feiner geliebten Laura verleidete Ihm den ferneren Aufenthalt 
in Frankreich. Abwechfelnd zu Verona, Parma, Padua, Venedig und Mailand 
lebend, wo er von Galeazzo Visconti zum Staatsrathe erhoben wurde, nahm er 
einen bleibenden Aufenthalt zu Arqua, in der Nähe von Padua. 1364 wurbe 
ihm von den Florentinern die Herausgabe ber confisctten Güter zu Theil, umb 
duch Boccacio als Geſandten die Einladung, in ihrer Mitte feinen Sig zu ne 


8 vIrOrUmM ullusir. es epıst, Iamıl. ubri 15 (in Der Bıbl Golbertina). 
e einer Tatein. Ueberfegung bes Homer, Aus einem Hamburger Cober 
m Schneiber P. Historia Jul. Caesaris Äerausgegeben 827, unb been 
nahzuweifen verfucht. Bon feinen lateinifhen Werfen die Atteften Ges 
dgaben, Bafel 1496. Benedig 1503. Bafel 1554 und 1581 fol. Ihm 
das Verbienft, Cicero's Briefe ad familiares in Verona aus dem Staube 
liothefen Hervorgezogen, und das Studium ber griechiſchen Sprache, wie 
ſiſchen Literatur, neu erwedt zu haben. In ber praftiichen Philofophie 
[3 größtentpeite ber Stoa, beren Lebensweisheit er in feinen lateinifchen 
hen mit Wonne amempfihtt Von großem Werte für die Zeitgeichichte 
ne Briefe. Unter ben Lyrikern feines Volkes Hat er fi durch die Samms 
iner italieniſchen Gedichte: Le rime ober auch il Canzoniere ben erften 
rungen. Sie beihäftigen fi) ausfchließlich mit der Verherrlichung feiner 
und zerfallen in2 große Hälften, bie erftere, in vita di Mad. Laura, enthält 
5omette, 21 Canzonen, 8 Seflinen u. 10 Balladen; die andere in morte di 
Laura 90 Soneite, 8 onen u. 1 Ballade, worin bie milde Wehmuth 
BZartheit der Grinnerung weit nachhaltigeren Eindrud auf das Herz 
n, als bie oft al eintönigen Liebesfeufzer der erften Hälfte. Die „Trionf“ 
In Werk feines Höheren Alters u. wurben wenige Monate vor feinem Tobe 
%. Februar 1374 beendet. Das Gedicht befteht aus einer Reihe von Biflos 
m zinen gefchrieben, unb will ben Bang der menſchlichen Schidſale und 
Yeblingsthema aller feiner Schriften, die Eitelfeit alles Irdiſchen, barftellen, 
io, baß er babei vorzüglich auf ſich ſelbſt und auf bie Geliebte Rüdficht 
k Bon Ausgaben feiner ttalienifhen Werke zählt man über 300, und for 
in Marfand’6 Bibliotheca 'archesca, Mail. 1826, als auch in Rofetti’s 
ta perla bibliografia del P., Trieft 1834, find biefelben namentlich vers 
et. Kine ——— u. vollſtaͤndige Ausgabe feiner Rime mit Paſſoni's 
rlungen et ien zu Babua 1827—29, 2 Bde. Der mit der größten Sorg⸗ 
on Marfand nad den bewäßrteften alten Ausgaben hergeftellte Tert liegt 
eueren Ausgaben zu Grunde. Die ‚Brathtausgabe: Pabua 1819 — 20, in 
sart-Bänden mit ſchoͤnen Kupfeen, if nur in Exemplaren borhanden 2 


m finhoem Mrois man AAN Mire Meutiche Mohorishimaen: man Ari⸗a 





128 | Petrikaun — Petrus. 


findet P. von verfchiebenen Arten ber Säugethiere, Amphibien, Fiſche u. Inſekten, 
und diefe heißen Zoolithen, oder von ganzen Gewädhfen ober ihren Thellen, 
u. biefe heißen Bhnsolteden; nur von Bögeln hat man Feine PB. gefunden. Die 
P. finden fi an einem Orte häufiger, als an einem andern, auf hohen Bergen 
und auch fehr tief in ber Erde. Die meiften B. find Kalk; der Holstein beſteht 
aus Hornfteinmafle u. der Holzopal ift verfteinertes Nadelholz. manche find 
Erdharz u. brennbare Stoffe gedrungen, oder e8 Haben fie Erdtheile ausgefüllt. 
Andere Körper, bie leichter verwefen, werben nicht in Steinmaflen verändert, fons 
bern laffen blos Einbrüde in die weiche Steinmafle zurüd, und biefe en Typs 
polithen (Spurenfteine), und daraus erklären fih die Abdrüde von Yarrenträus 
tern u. f. w. in manchem Geſteine. Auffallend if, daB von vielen biefer P. kein 
lebendes Eremplar mehr angetroffen wird: dergleichen find die Mammuthsfnochen, 
Ammoniten u. v. a. Vergleiche auch den Artikel Mineralogie. 

Petritau (polniſch Hieirtöm), Kreisftabt in der ehemaligen Woiwobfchaft 
Kaliſch des Königreiches Polen, hat 7 Eatholifche Kirchen, ein Piariftencollegium, 
Gymnafium, Audenvorftadt und 2600 Einwohner. Hier wurben im 15. u, 16. 
Jahrhunderte die Reihötage gehalten u. feit 1578 trat bier auch das fogenannte 
Tribunal, der oberfte Gerichtshof des Reiches, zufammen. Man fieht in P. noch 
jest die Trümmer ber königlichen Burg. 

etrobruflaner, f. Petrus von Bruys. 
etrograppie, ſ. Geognofie. 
etronius (Titus) Arbiter, ein römifcher Ritter, aus Maſſilia gebürtig, 
war Gonful in Bithynien und Conful unter Nero, ber ihn zum Arbiter elegan- 
tiarum (Aufſeher der Hofluftbarfeiten) ernannte Durch die Feindfchaft eines 
ewiffen Tigellinus 309 er fich ben Haß bes Kaifers zu, der ihm fein Leben ko⸗ 
Äete, ob er gleich durch einen freiwilligen Tod feiner Hinrichtung zuvorkam. Unter 
feinem Namen befigen wir ein nicht ganz volländig erhaltenes Satyrifon. 
Daſſelbe ift eine oft fehr anftößige Darftellung der Herrichenden Zügellofigfeit ſei⸗ 
ned Zeitalters, befonbers des Volkslebens in Neapel, nicht ohne Wis und Leb⸗ 
aftigfeit u. mit eingemifchten Werfen, worunter ein befonberes Gedicht über ben 
ürgerfrieg (bei Wernsdorf, Band 3, ©. 24 ff.) bas ner twärbigfe iR; 
— Ausgaben: von Burmann, Leyden 1743; von Anton, Leipzig 1782; von 
bem Grafen Reviczky, Berlin 1785. Dagegen berufen die angeblidh zu Bes 
grab efundenen u. von Franz Rod ot (Paris 1694 u. Amfterdam 1756) vers 
ffentlichten, und bie aus der Bibliothek zu St. Ballen von Marchena (Paris 
1800) herausgegebenen Fragmente auf einem literarifchen Betruge. Deutſche 
Ueberfegungen befigen wir von Heinfe (Schwabach, angeblih Rom, 2 Bände, 
17735 neue Auflage 1783) u, Gr oninger (Berlin 1796 und, da biefe Auflage 
confiscirt u. verbrannt wurde, ohne bed Verfaſſers Ramen gedrudt, Blankenburg 
u. Leipzig 1798). Vergl. Niebuhr, „Zwei claffiide Schriftfteller, Curtius u, 
P., des 3. Jahrhumderts n. Chr.” , in deſſen „Kleinen Hiftorifchen Schriften“ 
(Bonn 1828) und Studer, „Ueber das Zeitalter des P.“ im „Rheinifchen Mus 
ſeum“ (Heft I., 1842). 

Petrus, der Heilige, Apoftelfürft u. das erſte Oberhaupt ber Kirche von 
Rom, von Geburt ein Galiläer, hieß vor feiner Berufung zum Apoftelamte St 
mon, war ein Sohn des Jonas und ein Bruder des heiligen Apofteld Anbrens, 
und trieb, wie dieſer u. wahrfcheinlich auch fein Vater, das Gewerbe eines Fiſchers. 
Er wohnte urfprünglich zu Betbania am See Genefareth in Ober-Balilda u. 208 
von da nad Kapharnaum, wo er, wie man gewöhnlich glaubt, fich verehelichte; 
wenigftens ift es gewiß, daß feine Schwiegermutter in biefer Stabt wohnte. And 
reas folgte feinem Bruder und Beide trieben ihr erſtes Gewerbe fort. Allein 
ihr irdiſcher Beruf Hinderte fie nicht, an bie Heiligung ihrer Seelen zu benfen, 
Sie lebten in zuverfichtlicher Erwartung des Meffind. Aus dieſem Grunde trat 
ſchon der HL Andreas umter bie Jünger des großen Borläufers unferes Denn 
Des, was Mehre auch von dem Hl. P. glauben, Als Erſterer hörte, daß Johan⸗ 


Petrus. J 


ge Fe Br Gottes nannte, 

Me - je Rast 1, Gefelifi ai. Sa im it Ban 
ie hier mit Jeſu— 

— ex Ch ifug, der Geiöfer der Weih, 


jeuder: il erfündigend, ‚abe 
Eid ——— Imtidte — ——— 
5 


3 


® 


ge 


— die Betr 8 a jöttlichen Mundes zu hören, eilte er ohne 
er ‚gebend, mit ee ——— 
In ri Balbäifenen — griecsifh Petrus (gels) ummanbelte, 
kiten Brider brachten ten einige Zeit bei ae u ent Re te a 
— aurüdkfehtten, ſeſñ en v Kiez ihm zu kommen, am feine 
ungen Ende beffe hres des erften, "wo Deſus 
ifennt als Lehrer auftrat, fah er Simon Deme umb — an dem See⸗ 
—————— s— dene "le Ma ‚die hen 
en Bol en! unl en 
Bihkin. Mach geminte Beh Hehe Rand m My meer, Dice 
en 


— 


der die ganze Nacht umfonf in — feinen Naı "Rand ges 
— er alle ug Safe fahr —— 
—— a nen * und warf das Netz aus. Er 
iyım eine, ſolche Menge Er er nicht nur fein Fahrzeug anfüllte, fons 
kn au och. des — —— der Söhne des Zebedaͤus, bie 
ncniger Entfernung, vott und ihm zu Hülfe kamen, um) das Ne 
— ee Au fen beladen war, daß «8 zu jerreißen fehlen. 
%, diefes Wunder —* varf fi vor Jeſus She und rief aus: 
‚sugbe vom denn ich bin eiit fündiger — Durch dieſe Demuth 


— geößten — würbig. Als Jeſus hierauf zu P. und 
ſe ſolten ihm folgen, een fie ungefäumt, und zwar mit 
nmeren ‚Herzensftimmung, daß Erfterer nachher vertrauensvoll fa- 
gm fonnte: Sieb, Herr! wir haben Alles verlaffen, und find dir gefolgt, Eie 
kiafen zwar Nichts, als einen Nachen und Eifhernege, allein bie Heine Hingabe 
nie Hingabe ihres ganzen Reichthums und mit einer fo unbedingten Kostren- 
nme Herzens verbunden, daß man fagen fan, fie haben bamals der Welt 
usganer Seele entjagt. Dieß ift jebod nicht genug, fie entfagten zugleich ſich 
klbt und ihrem eigenen Willen. Zur Belohnung verſprach ihmen aber auch der 
Ele nicht nur eine ewige Geligfeit in dem andern Leben, fondern auch das 
hendertjache in dieſem, nämlih Schäge ber Gnade und geiftigen Segnungen mit 
nm unzer ftör baren Eeelenfrichen, der, allın Begriff Überfeigend, in den Tröftuns 
za deg hl. Geiftes gefunden wird. Von jener Zeit an verliefen B. u. Andreas 
tie meht ihren göttlichen Meifter, fondern wurden feine unzertrennbaren Gefährten. 
Tumal6 geſchah es au, daß Iefus in Kapharnaum die Schwiegermutter des hl. 
geſund machte. Nach dem Ofterfefte des Jahres 31 erwählte Jefus feine 12 
Intel. Obſchon BP. nicht der Erfte geweſen, ber zu Chriſtus gefommen ober 
den ihm berufen voorden, und in feinem Betrachte ber Ältefte Jünger Chrifti ger 
min iR, jo fteht er doch immer, fo oft die Apoftel genannt werden, nicht nur 
cha an, fondern, fo lange Chriftus auf Erden lebte, fehen wir ihm auch immer 
tm übrigen vorgezogen, fehen ihn fowohl in dieſem Zeitpunfte, als nad ber 
Himmelfahrt ChHrifti, als den Erften in Reden und Handeln. Matthäus, wenn 
a die Apoftel aufzählt, nennt P. ausdruͤclich den Erſten. An ihn richtete Je— 
8 gewöhnlich das Wort und er antwortete im Namen feiner Genoſſen. Jeſus 
vefprach ihm auch ungefähr ein Jahr vor feinem Tode, daß er ihm bie Objorge 
über feine ganze Kirche anvertrauen werde, welche Verheißung er nach feiner 
Auferftehung verätigte, ALS der Heiland wegen einiger ſchwachen Scüler, bie 
ifn verließen, weil fie beffen Lehre vom heiligen Abendmahle nicht erfaflen konn— 
tm, an bie zwölf Mpoftel bie Frage flellte, ob auch fie von ihm weggehen woll« 
9 





Realenepelopäbir. VII. 


130 Petrus, 


ten, fagte der hl. P. mit Entfchloffenheit: „Herr, zu wen follten wir gehen? Du 
haft Worte des ewigen Lebens.” Durch diefe Antwort bewies er, baß er bereit jei, bie 
unergründlichften Geheimniffe auf das Wort Jeſu zu glauben u. daß er, ihm mit den leb⸗ 
hafteften Gefühlen der Liebe zugethan, Fein größeres Unglüd fenne, als bie Trennung 
von ihm, der ewigen Wahrheit. So rief er auch bei ber®erflärung feines Meifters 
aus: „Hier ift gut wohnen”, andeutend, daß er nur bei Jefu u. in befien Verherr⸗ 
lichung fein Gtüd finde. Allein dieſe Seligfeit mußte durch mühevolle Arbeiten 
u. bittere Leiden errungen werben. Jeſus fagte demnach feinem @eliebten vor, 
welches fchaudervollen Todes er fterben werde. P., bas Geheimniß bes Kreuzes 
noch nicht erfaflend, wollte feinen Meifter abhalten von ber Leidensbahn ; u. nur 
ein ftrenger Verweis konnte ihn darüber beruhigen. Zwei Male warf er ſich mit 
liebevoller Sehnfucht in's Meer, um Jefu entgegen zu eilen. Jeſus fam auf bem 
Waſſer wanbelnd zu feinen Jüngern. P. wuͤnſchte auf dem Wafler zu dem Hel- 
ande hinzutreten; allein, obgleich von ihm geheißen, warb er doch beim erften 
Male von plöglicher Furcht ergriffen und fanf, bis ihn die rettende Hand bes 
Gottmenſchen auf den Zluthen emporhiell. Aus dieſer Furcht und dieſem Miß⸗ 
trauen follen wir lernen, daß wir Nichts durch uns, Alles aber durch Gottes 
Lraft vermögen. Da P., Jakobus und Johannes Zeugen der Verflärung bes 
Herrn waren, follten fie ihn auch in den Garten Getſemane begleiten, damit fie 
unfern feine Todesangft, fein mit blutigem Schweiße überronnenes Angeficht ſchaue⸗ 
ten. Als hierauf die Juden, von dem verrätherifchen Jünger angeführt , Jeſum 
ergriffen, z0g P., von Eifer für feinen Meifter entflammt, das Schwert u. hieb 
dem Malchus, einem aus der bewaffneten Rotte, das Ohr ab. Der Erlöfer gab 
ihm einen Verweis, ihn lehrend, daß die Geduld und Demuth bie einzige Waffe 
feiner Schüler ſeyn follen, und heilte das Ohr wieder an. Bald wurbe inbeß ber 
muthvolle Jünger, wegen feines großen Selbftvertrauens unb weil er das Gebe 
und die anempfohlene Wachfamfeit vernachläßigt Hatte, beftraft ; benn er fiel in 
Lauigfeit, und wenn er noch Jeſus, mit dem er in ben Tob zu gehen verfprochen 
atte, nadhfolgte, fo geichahe e8 nur von Ferne, wie ber hl. Lukas bemerft. | 
efus zu Kaiphas geführt worden, trat PB. ebenfalls in den Hof ein und mifchte 
fi unter des Hohenpriefterd Diener u. bie anderen Feinde Jeſu. Zwei Mägbe 
warfen ihm dort vor, auch er gehöre unter des Verflagten Jünger, und zweimal 
betheuerte er, daß er ihn nicht Fenne, Indeß fräßte der Hahn; allein P. warb 
noch nicht auf fein begangenes Verbrechen aufmerkſam. Eine Stunde fpäter fagte 
ifm eine andere Perſon, er fei ficherlich Einer der Jünger Jeſu, was ſogleich neh 
Andere aus den Umftehenden beftätigten. P. betheuerte nun zum brittenmale m 
zwar mit einem ide, daß er den Menfchen, von dem geredet werde, nicht kenne. 
Nach diefer dritten Verläugnung frähte der Hahn zum zweitenmale. Allein bie 
ſes Zeichen, obgleich vorausgefagt, vermochte den Schuldigen noch nicht in fi 
zurüdzuführen. Jeſus blidte ihn an, nicht fowohl zwar, wie der hl. Auguftin be 
merkt, mit ben leiblichen Augen, als durch bie ihn Heimfuchende Gnade. Unb 
diefer Blick änderte fein Herz in einem Wugenblide um unb bewirkte die vollen 
betefte Befehrung. P., von dem lebhafteften Schmerze burchdrungen, verließ unver 
züglich die ihm E unheilbringende Geſellſchaft, ging hinaus in’s Freie unb ließ 
feinen Thränen wit jerfnirtthtem und gebrochenem Herzen ungehemmten Lauf. 
Sein Fall diente dazu, ihn für alle Zufunft feft in der Demuth zu begründen, 
bie gleichfam feine Lieblingstugend wurde. Der zum Wufter der Hirten beſtimute 
Apoftelfürft lernte ferner aus dem begangenen Fehler mit ben Schwächen bei | 
Nebenmenſchen Mitleid tragen und die Sünder mit Güte behandeln. P. u. Jo- 
hannes eilten auf bie Nachricht der Maria Magdalena u. der anderen HI. Frau, ' 
baß ber Heiland auferftanden fei, auf den Fluͤgeln der Liebe zu bem Grabe. Ob 
glei der Hl. Johannes zuerfl bei dem Grabe angekommen war, trat er bennodh 
erft nach P. Hinein und fie fahen Beide den Ort, wo man ben Leib Jeſu hin⸗ 
geist hatte. ALS fie dann zurückgekehrt waren, erfchien ber anb ber Marla 
agbalena und an bemfelben Tage noch dem HL. B., ausichlieglich vor den aw 


Yeieus: 431 









vn Koeln. e nachher warb auch ben übrigen en in Bolllän, 
auf Geheit dt eis ſich begaben, das GLüd zu Theit, dem. 
u ki. “ie Be va — pe re 


Tiberias filchte, erblickte er Jeſum an 


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Gelegenheit fragte ex den Heil, P. drei Male, ob 
| Anger: liebe? Und P. antwortete, Jeſus kenne ja bie 

en. wurbe er doch betrübt, ba er biefelbe Frage 
denn ex befürchtete irgend eine vers 
beit. Es war. ganz billig, baß ex Ienen aus Liche ber 
aus Furcht verläugnet Hatte, und daß ein dreifachen: ar 








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unit das erniß feiner ‚dreifachen Berläu ut machte, 
Sud bie : * | Reiter, befien Gottheit er früher fo 
kefinell | als damals fchon zum 

Sitge. gelegte f orge bie Schafe und Laͤnmer, d. h. 
ter Wie aa | B.: ertannte, von Höheren Lichte 

it, bie Gatigat. | fe freimuthig; er lichte feinen Heiland mehr, 
4 Vie Übrigen Auger, bdeßhalb ward er zur Wuͤrbe Hirten 
heben. Unit er, um feinem Weiler aͤhnl werben, fein , wie 
eier es Uem den Martertod, und zwar am ‚bel ie 
Aue, wein | len ah Dem 

' . e, 

diem Blllikn zu rach er aber auch, bei feiner 
die bis sum Ende ber Zeiten unb ihre Lehre zu beftätigen durch 







’ würdigen Erfüllung ihrer Sendung nothwendi- 

Ihnen dann am Pfingftfefte durch ben. hl. Geiſt mitgethelit. 

des Herrn in fliller Zurüdgezogenheit u. unter 

Troͤſters harrten, wurbe, auf bes Hi. P. Antrag, an die 

Matthias zum Apoftelberufe. gewählt. Als 

des KH. Geiſtes eine große Menge Juden um 

ſich verfammelte, Hielt ber hl. P., ausgerüftet mit hoͤhe⸗ 
fie, wodurch drei taufend befehrt wurden. 

bald die Belohnung ihres Glaubens, indem ihnen 

Si. Geiſt feine Gaben in reichlicdher Fülle mittheilte. Alle beharrten im Ges 

und an ber Teilnahme der göttlichen Geheinmiſſe. Sie verfauften ihre Güs 

ben Erlös zu ben Apoſteln, damit diefe ihn unter bie bürfligen 

austheilten. Die —— —— bes Evangeliums wurde damals auch 

glänzendes Wunder ftigt, welches die hl. P. und Johannes 

Apoſtel gingen um bie neunte Stunde in den Tempel, wo bie 

ete zu verfammeln aflegten. An der fogenannten 

faß ein Lauer von Geburt, ber Almoſen begehrte, 

chen erwedte bei ben Apofteln inniges Mitleid u. der 

Jeſn auffichen und wandeln. Raum hatte ber 

auffprang , mit feinen Wohlthätern in ben 


Yes dem — 


8 werfen, unter bem Vorwand —A 
en, unter bem e, o 


De⸗ folgenden ens führte man fie vor ben Ä 
erwiesen: abe‘ oßate ‚ baß fie Feines Safe (he 










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132 Petrus. 


ſeyen und der hl. P. erklaͤrte laut, daß der Lahme im Namen Jeſu geheilt wor⸗ 
den, in dem allein Heil zu finden. Die Richter konnten die offenkundige Wahr⸗ 
heit des Wunders weder beſtreiten, noch deſſen Beweiskraft ſich entwinden; ſie 
entließen daher die 2 Apoftel mit ber Weiſung, fernerhin nicht mehr im Namen 
Jeſu zu predigen. Auf dieſes Berbot aber erwieberte P. mit heiligem Muthe: „Urs 
theilet felbft, ob es recht fei, euch mehr, als Gott, zu gehorchen”. P. u. Johan⸗ 
ned gaben nach ihrer Entlaſſung den anderen Jüngern Kunde von dem, was ihnen 
gefhehen, fuhren aber, wie vorhin, fort in ihrem gottgefälligen Wirken. Inter 

en damaligen Gläubigen brachten auch Ananias und Eaphira, fein Weib, den 
Erlös ihrer Güter zu den Fuͤſſen der Apoflel, behielten aber heimlich einen Theil 
davon zurück. Diefe Heuchelei hielt ihnen P. als eine Lüge gegen ben bl. Geiſt 
vor und fie fielen, zur Warnung der Gläubigen, todt vor ihm. nieber. Ueberdieß 
befräftigten die Apoftel ihre Sendung noch durch viele andere Wunder. Sie tries 
ben die Teufel aus und heilten bie Kranken, fo daß dieſe in ihren Betten auf bie 
Straffen und Gaſſen gelegt wurden, wo fie der Schatten bes KH. PB. allein ſchon 
von ihren Gebrechen befreite. Die Apoftel wurden indeß von Neuem. verhaftet 
und in ein gemeinfchaftliches Gefaͤngniß geworfen. Allein ein Engel öffnete ihnen 
in derfelben Nacht die Thüren und ehe fie in reiheit, worauf fie ben folgenden 
Morgen wieder im Tempel erfchienen und Jeſus den Befreuzigten öffentlicdy pre⸗ 
digten. Der hohe Rath ließ fie nun wieder vor fih führen, um fie abermal zu 
verhören. Die Apoftel fagten aber nichts Anderes zu ihrer mertheibigung , ale 
daß man Gott eher gehorfamen müffe, al8 ben Menſchen. Kaiphas und feine Ans 

änger gingen nun zu Rathe, wieman fle dem Tode überliefern könne. Ihre graufame 

oft ward jedoch nicht erreicht, indem Gamaliel, ein berühmter Befeßgeber , ihnen 
rieth, den Ausgang abzuwarten u. ihnen fagte, man würbe fi vergeblich bem 
Fortgange der Xehre der Apoftel widerfeßen, wenn fie von Gott komme. Ban 
entließ fie daher, nachdem fie vorher duch Etreiche beftraft worden. Die Jünger 
bes Herrn fehrten aber voll der Freude zurüd, daß fie würbig befunden worben, 
an der Schma u, den Leiden bes Kreuzes Antheil zu nehmen, befien Borzüge 
fie nun vollfommen fannten. Die Zahl der Gläubigen vermehrte ſich, ber Be: 
drüdung ungeachtet, mit jedem Tage; auch nahmen mehre Priefter bie Lehre Jeſu 
an. Allein diefe glänzenden Siege der Wahrheit veranlaßten eine allgemeine Be 
folgung zu Serufalem,. Der heilige Stephan empfing die Märtyrerfrone us bie 
anderen Glaͤubigen ergriffen die Klucht, um ihr Leben zu retten. Nur bie Apofld 
blieben zu Serufalem, um bie bdafelbft verborgenen Brüder zu ermuthigen. “Die 
flüchtigen Jünger verfündigten an den verfchiedenen Orten ihrer Zerſtreuung bie 
Lehre Jefu, wodurch zu deren Verbreitung beitrug, was fie hätte vernichten fol 
len. Bei diefer Veranlafiung geſchah es auch, daß ber heilige Diakon Philippus 
mehre Samariter befchrte. Der heilige P. u. Johannes gingen Hierauf nad 
Samarien, um bie neuen Jünger im Glauben zu Fräftigen u. ihnen ben heiligen 
Geiſt mitzutheilen. In dieſer Stadt war es auch, wo der heilige B. zum erſten 
Male gegen Simon den Zauberer redete. Als der Friede in ber Kirche wieber 
hergeftellt war, verließ der Heilige SB., der während der Verfolgung in Jeruſalen 
geblieben war, die Stadt, um die Gläubigen der Umgegend zu befudgen. ge 

ybda, einer Stadt des Stammes Ephraim, heilte er einen Gichtbruͤchigen, Ra 
mens Aeneas, welder ſchon acht Jahre Franf lag. Zu Joppe erweckte er bie 
Tabitha von den Todten, welche eine durch Gottfeligfeit u. thätige Naͤchſtenliebe 
ausgezeichnete Wittwe war. Während feines Aufenthaltes in diefer Stabt wohnte 
er bei Simon, einem Gerber, wo ihm ein Engel vom Himmel den Befehl brachte, 
zu dem Hauptmanne Cornelius Hinzureifen, um ihn zu taufen. Er hatte auch ein 
Geſicht, worin ihm Gott auf eine ſehr deutliche Welfe ben Beruf ber Helden zum 
Glauben zu erfennen gab. — Nachdem bie Apoſtel fich vertheilt hatten, fliftete P. 
bie Kirche zu Antiochien, wo bie Gläubigen zuerft Ehriften genannt wurben, 
hierauf jene zu Rom. Wie lange PB. der Kirche von Antiochien u. wie lange ex 
der zu Rom vorgeftanben Habe, darüber find bie Angaben her Geſchichtsoſchreiber 


| 


Petrus. 133 


abweichend. jemein nimmt man inbefien an, er Habe 7 Jahre zu Antlochien 
—* feinen Hauptſitz bt. Die katholiſche Kirche Hält beide 

in em Andenfen, jenen zu Rom ben 18. Januar, jenen zu Ani 
22. Bebruar. — Seine Biſchofopflichten hielten indeſſen den Heiligen Apoftel 
fi von Zeit zw Zeit zu entfernen, um auch in anderen Ländern ben 

Me So fehrte er denn nach kurzer Zeit in den Orient 

ſehl des Könige Herodes Agrippa, ber ſich durch feine Sin: 
it efällig machen wollte, in den Kerler geworfen wurde, Da 
tas Heil an dem fi nach) dem Ofterfefte öffentlich follte voll⸗ 
nom werden, flehte die nanze Ehriftengemeinde von Jeruſalem in glühendem Ges 
zu Gott um deſſen Befreiung u. ihre heißen Wunſche wurden erhört. Der 
—— war von 16 Soldaten bewacht, bie je vier u. vier abwechſelnd Wache 
ki hielten, zwei im Gefängniffe neben ihm u. zwei an ber Thüre, Dieſe 
— ber Judenkoͤnig getroffen, damit ihm der Apoſtel nicht 
Tönne. ‚Ketten gebunden, ſchllef er ruhig zrotfchen feinen Mächtern, 
ber göttlichen Worfehung anvertrauend, Gegen Mitternachi 
Tode beftimmnten we ward das le von hellſtrahlen⸗ 
Ein Engel fand neben dem Apoftel, ſtieß ihn wedend an 
aufzuftehen, fi zu umgitten, die Sohlen — ſein 
werfen u. ihm nachzufolgen. Sogleich fielen die Ketten von 
folgte dem nach. Als Beide durch bie erfte u. zweite 
ven, famen fie am bie eiferne Thüre, welche in die Stabt 
ete *— von ſelbſt, ſo daß ſie ungehindert durchwandelten, worauf 
ihn noch eine Gaſſe weiter führte, verſchwand. SB. war bisher 
— en er Engel * ihm ee ran 
u. pries den Hertin. ing an bag (8 der Maria, Mut: 

Markus, wo mehre Yünger verfammelt um feine Bi 
er an ber Thuͤre des Vorhofes Flopfte, Fam ein Mägbdlein mit Ras 
men Rhode, zu horchen, wer ba fei. Sie erfannte bie Stimme des P. u., vor 
Freude außer ſich, lief fie zurüd, um den Jüngern zu fagen, daß V. vor ber 
Thüre ftehe. Allein man wollte ihr nicht glauben; es müßte, fagte man, des 
Apeſtels Engel ſeyn, ben Gott eines außerorbentlihen Ereigniſſes wegen ſchicke. 
RP. aber hielt an mit Klopfen u. man öffnete ihm endlich Die Thüre. Nun er— 
zählte er ihmen, wie ber Herr ihm aus dem Kerfer gerettet habe u. empfahl ihnen, 
tiefes dem Jakobus u. den Brüdern zu wilfen zu thun, worauf er, die Stadt 
verlaftend, fih an einen fihern Ort zurüdzog. Als es Tag ward, entftand eine 
gtosße Beftürzung unter den Eoldaten, denn fie wußten nicht, was mit P. vor: 
gegangen wor. Herod«s lich in feiner Erbitterung die Wache hinrichten, als 
hätten fie des Gefangenen Flucht begünfligt. Eudoria, des Kaifers Theodofius 
tes Juͤngern Gemahlin, fol im Jahre 439 die zwei Ketten, womit ber heilige P. 
in Jerufalem gebunden war, aus dieſer Stadt nad Konftantinopel gebradht und 
eine davor ihrer Tochter Eudoria, welche ben Kaifer VBalentinian II. gebeirathet 
hatte, nach Rom geſchickt haben, wo fie von diefer Fürftin der Kirche, welche fic 
an ben Köquiliniidyen Hügel bauen ich, zum Gefchenf gegeben worben feien. Der 
keilige Cäfarius fagt, daß man zu feiner Zeit ehrerbietig die Ketten aufbewahrte, 
womit ber Heilige 9 in feiner legten Gefangenſchaft, die feinem Martertode vor⸗ 
berging, gebunden war. Diefe Weberbleibfel wurden, nad der Angabe der be 
rühmteften Kirchenväter, von den Gläubigen hoch verehrt. Die Päpſte pflegten 
auch ben Fürften Feilipäne von biefen Ketten zu ſchicken, welche fiein ein Grucifir 
cher in einem goldenen Echlüffel verfchloffen, u. bie Kirche feiert das Andenken 
an dieſes wunderbare Ereigniß am 1. Auguſt. — Nach feiner Befreiung burdh- 
wanderte ber heilige P. mehre Länder des Orients u. ftellte ba felbft Biſchoͤfe auf. 
Als diefe Anordnungen getroffen waren, reiöte er wieder nah Rom, welche Stadt 
er jedoch im Jahre 49 verlaffen mußte, da Kaiſer Claudius die Ehriften u. Juden 
daraus vertrieb, wegen Unruhen, welche der Haß ber lepteren gegen bie erſteren 


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— 


134 Petrus. 


erregt hatte. Dieſe Derteeibung hatte indeß Feine weiteren Belgen, indem beide 
Theile bald wieder die Erlaubniß erhielten, nah Rom zurüdzufommen. Der 
Orient fah nicht lange nachher den Heiligen :B. noch einmal, als er im Jahre 51 
dem allgemeinen Concilium zu --Jerufalem beimoßnte, wo nad feinem allgemein 
angenommenen Ausſpruche entfchieden wurbe, daß die befehrten Heiben nicht zur 
Beobachtung der Sagungen bes alten Bundes verpflichtet fein. Wir Haben von 
dem heiligen B. zwei kanoniſche Briefe. Der erfte if aus Babylon gefchrieben, 
unter welchem Ramen die gelehrtsften Kirchenväter die Stadt Rom, ben bamalis 
gen Mittelpunft der Abgötterei u. des Lafterd, verfichen. Er fcheint zwifchen ben 
Fahren 54 u. 55 geichrieben u. Hat zur Abficht, die Neubekehrten unter den Reis 
den u. Berfolgungen in dem Glauben zu flärfen u. bie Irrthümer des Zauberers 
Simon, wie auch jene der Nicolaiten, zu widerlegen. “Der zweite, kurz vor bes 
Apoſtels Tode aus Rom gefchrichen, kann als deſſen geiſtliches Teftament ange 
iehen werben. Er ermahnt barin die Gläubigen, unermüdet an ihrer Heiligung 
zu arbeiten u. verwahrt fie gegen die Schlingen der Irrlehre. — Nebſt Rom Hatte 
ber Blaubensbote nach dem allgemeinen Befehle Iefu Stalin u. andere Provin- 
zen des Abenblandes zu feinem Wirfungsfreis erforen, um fo weit als möglich 
den Ramen Jeſu zu verbreiten. — Simon, der Zauberer, hatte ſich zu Rom bei 
Raifer Nero beliebt gemaght u. fogar verfprocdden, an einem beftinmten Sage gem 
Himmel hinauf zu fliegen. Wie mehre angeſehene Vaͤter, ber heil. Juſtin, der 
heil. Ambrofius, der heil. Eyrilus von Jeruſalem u. N. berichten, hat es Simon 
wirklich verfucht, fi In Gegenwart einer großen Menge Volks in bie Höße zu 
ſchwingen, ift aber auf das Gebet bes Heiligen Apofteld P. auf die Erbe Herab- 
geftürzt, hat bie Beine gebrochen, u. ift wenige Tage nachher in Wuth u. Bers 
zweiflung geftorben. Simons Unternehmen u. Tall wird nody_befräftiget durch 
heidniſche Schriftfteller, wie Dio Chryſoſtomus u. Suetonius. Kaiſer Nero hatte 
Ihon die Ehriften zu verfolgen angefangen, um fie als Urheber des großen Bran- 
des zu Rom den Heiden verhaßt zu machen und von. fi) ben Berbacht feines 
Berbrehens zu entfernen. Diefe Berfolgung wurbe fortgefegt, als das Chriften- 
thum durch die Predigten u. Wunder ber Apoftel fo große Fortfchritte machte, 
Auch P., nachdem er fein Apoftelamt mit puͤnktlichſter Treue verwaltet Hatte, 
wurde der Reronifhen Wuth aufgeopfert am 29. Junius, bie Ehronologen find 
aber nicht einig, ob dieſes im Jahre 65, 66 oder 67 gefchehen fei, weil fie in 
Berechnung bes Oeburtöjahree Ehrifi von einander abweichen. Aus Ehrfurcht 
gegen Jeſum Chriſtum verlangte P. mit umgefehrtem Körper an’s Kreuz gehe 
zu werben, Chriftus Hatte ihm feine Todesart vorgefagt, Joh. 21, 18. 19: 
„Wahrlich, wahrlich, ich fage bir, in ber Tugend gurteteh du dich felber und 
gingeft, wohin du wollte; im Alter aber wirft du beine Hände ausftreden und 
ein Anderer wird dich gürten u. Binführen, wohin du nicht will. Das fagt Er, 
um Damit anzudeuten, mit welcher Tobesart er Bott verherrliden würde.“ — 
Daß P. hingeführt wurde, „wohin er nicht wollte,” damit ſtimmt bie Ueberlie g ein, 
daß er, aut dringendes Bitten ber Gläubigen, um bem Zorme bes Wütheriche 
Nero zu entgehen, fi in der Nacht von Rom entfernen wollte; aber vor dem 
Thore jet ihm ber Heiland erfhienen, ald wollte Er in die Stabt gehen. P. 
habe Jeſum gefragt: „Herr, wo se du bin?“ aber zur Antwort erhalten: „Ich 
ehe nah Rom, um mich abermals kreuzigen zu laffen.“ P., merkend, was ber 
Geiland damit fagen wollte, Habe fi umgewandt, den Bläubigen die Erfcheimung 
erzählt, dann fei er zur Haft genommen u., wie wir bereits gemelbet Haben, ges 
freugiget worden. Nach dem Zeugniffe des Heiligen @lemens von Nlexanbrien 
wurde auch die damals noch lebende Frau bes Apoſtels P., deren Mutter Chri⸗ 
ftus vom Fieber befreit Hatte, mit welcher ber Apoſtel aber keine eheliche Gemein⸗ 
(haft mehr hatte, zu gleicher Zeit zum Tode geführt u. P. ſoll fie ermuntert 
haben, an ben Herrn zu gedenken. Ob bie heilige Jungfrau Petronilla eine 
wirkliche oder nur geiftlihe Zochter des Apoftels geweſen hy ift nicht bekannt. 
— P. ſollte, wie felbft die Vorſage Chriſti beweist, der Kirche nur auf einige 


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fon werben, weiche der Kirche Ghrifti drohten, drohen u. drol 
MR wohl ganz natürlich, daß der Nachfolger Petri dort aufzuſuchen iſt, 
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18. ſo finden wir ben Nachfolger des Apoſtels P. u om. 
2eibnip, Suftem ber Theologie, Mainz 1820, S. 237—99.) Was 
am ſich nicht wiberfprochen "werben kann, das bi 


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t auch bie Geſchichte. 
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heutigen Tag u, es wird auch 


Yerzas, Heilige biefes Dh ferner 6 BBifgof von Aler an⸗ 


Irien, Heiliger Märtyrer, den Eufebine einen „vor! en Lehrer 


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Ne unter feiner Gerichtsbarleit Randen. Ungeachtet bes Ei u ber Sorgfalt 
[1 , ws doch auch , in welchen die Welttiebe vorherrfchte u. 
die ig Religion melneidig wurben, um ben Peinigungen u. dem Tode 
mm entrinmen. Unter biefen gab Feiner ber Kirche ein fo großes Aegemiß, wie 
Neletins, Diſchef von Lyfopolis in ber Thebais. P. verfammelte ein Con⸗ 
lim, worin Meletins der © verläugnung u, mehrer Erevel übere, 
führt a Amtes — er —FX a LH ent‘ Hr ia mit 
witig gi made, heiten die eyiae ehe Bart Bifvrgmigte, De 
fie Äfiin u iniahägen yeignn war Um feine rechtfer⸗ 
——— ———— 
ER 
a verlaffen, fer gegen bie n 
„Wtig, fei, iInbem ex fie zu frühe. u. zu I Ber jengemeinfchaft wieder 


tung begründet, bie, nach ihrem Ucheber maus, 

fünfzig: Jahre fortbefiand. Meletius, über das Anſehen feines Metropor 

fügungen der Kanonen unb 
Die angemaßte Gewalt 

en —— 

chen, Zu J ui er 

* —e Arius, damals lieb der lerne 


136 Petrus. 


niſchen Geiſtlichkeit. Sein Stolz und feine fürmifche Gemuͤthsart hatten ihn 

dieſem Schritte hingeriſſen, den er aber einige Zeit nachher bereuete, worauf ihn 
ber heil. P. zum Viakon weihete. Später erklaͤrte er fich jedoch wieder für bie 
Meletianer und tabelte laut das Verfahren bes Heil. P., der biefe Anhänger ber 
Spaltung mit dem Kirchenbanne belegt hatte. Der heil, Oberhirt fannte zu gut 
das menſchliche Herz und bie Gemüthsart des Arius, als baß er, fo lange biefer 
vom Stolze beherrfcht wurde, befien aufrichtige Belehrung gehofft hätte Er 
ftieß ihn daher aus ber Kirchengemeinfchaft aus und wollte nie mehr fein Urtheil 
zurüdnehmen. Unter Diofletian’s oder vielmehr unter Galerius Maris 
mian’s Regierung wurde ber heil. R. des Glaubens wegen eingeferfert. Allein 
einige Zeit nachher erhielt er feine Freiheit wieder. Unter Rarimin Daja 
ward ber Heilige indeß fpäter wieder eingezogen u., ohne irgend ein gerichtliches 
Verfahren, im Jahre 311 zum Tobe verurtheill. Die Prieſter Fauftus, Dio 
und Ammonius wurden mit ihrem Oberhirten enthauptet. Jahresſtag 26. No⸗ 
vember. — 2) P. der Heilige, Biſchof von Sebafte in Armenien, flammte 
aus einem alten und vornehmen Gefchlechte, in welchem, wie ber heil. ®regor 
von Razianz berichtet, Tapferkeit u. Tugend erblich waren, u. war das jüngfie 
von zehn Kindern aus der Ehe des Heiligen Baftlius u. der heil. Emmelia, 
Der heil. Bafllius und ber Heil, Gregor von Nyfia waren feine Brüder. Er 
verlor feinen Bater, als er noch in ber Wiege lag, ward aber von ber HL. Mas 
erina, feiner Schwefter, erzogen, die, im Gebanfen ber Heiligen Heberlieferungen in 
ihrer Familie, das zarte Kind fremden Händen nicht anvertrauen wollte, fondern 
ihm früßzeitig Sinn für Tugend einprägte. Sie ward für ihre Bemühungen 
beloßnt, denn PB. machte in der Kenntniß der göttlichen Dinge u. auf dem Wege 
zur Bervollfommnung glänzende Fortſchritte. Die Heil. Emmella hatte zwei Klöfter 
geftiftet eines für Männer, das andere für Jungfrauen; dem erften fland Baſilius, 
dem andern Macrina vor. Umgeben von folchen Heiligen Vorbildern fonnte P. 
nicht gleichgültig bleiben und trat daher in das Klofter feines Bruders, an beffen 
Stelle er im Jahre 362 Abt ward. Die grauenvolle Hungersnoth, welche zu 
felbiger Zeit die Ränder des Pontus und Kappadocien heimgefucht hatte, erlaubte 
unferem Heiligen, feine Liebe für Unglüdliche im fchönften Lichte ftrahlen zu lafs 
fen. Weit entfernt von ängftlicher Berechnung feiner Hülfsquellen u. nur erfüllt 
von Bertrauen in bie Güte Gotted u. von Ergebung in deſſen göttlichen Willen, 
Dachte er weder an ſich, noch an feine Brüderfchaft, und mendete Alles an, um bie 
Sräßlichkeit des Uebel zu mildern. Die Armen wurden die alleinigen @egens 


ftände feiner Sorgfalt; er nahm fie mit vwäterlicher Liebe auf, ließ ihnen alle. 


Hülfe angebeien, bie feine Hülfemittel zu leiften erlaubten, und wenn bie Almo⸗ 
fen die Einfünfte des Klofters erfchöpft hatten, wußte er durch den Einfluß feiner 
Zugendb und Beredfamfeit große Summen zu erlangen, die er ebenfalls zur Mil: 
derung des Unglüds ausgab. In feinem Klofter leuchtete er ben Brüdern ale 
ein Hohes Beifpiel unendliher Tuamdhaftigfeit vor, und als er nach dem Tobe 
bes Euftathius im Jahre 380 Bifchof von Sebafte warb, entwidelte er eine 
Kraft, die ihn feines Berufes durchaus würdig erfcheinen ließ. Seine Diözefe war im 
traurigften Zuftande, denn der Artanismus, den fein Vorgänger öffentlich gelehrt 
hatte, Hatte tiefe Wurzeln gefchlagen. Große Hinderniffe ftanden ihm all 
entgegen, ſein Eifer und ſeine Weisheit beſiegten aber alle, und bald ge es 
ihm, die Irrthuͤmer zu zerſtreuen, u. den unverfaͤlſchten katholiſchen Glauben 


herzuftellen,, fo, daß feine Einfegung als ein fichtbares Zeichen bes göttlichen 


Schutzes für bie Kirche von Sebafte angefehen ward. Im Jahre 38 —7 
der Heilige der Kirchenverſammlung in Konſtantinopel mit bei, wo er die Ver⸗ 
bammung des Macedonius, der die Göttlichfeit bes heiligen Geiſtes laͤugnete, wit 
ben anderen Bifchöfen unterfchrieb.. Nachdem er 17 Jahre fein Bistkum wit 
wahrhaft apoftolifchem Eifer verwaltet Hatte, ftarb er 387. Sein Gebädhtnißtag 
it der 9. Januar. — 3) P. der Heilige, mit bem Beinamen Ehryfologus 
(Oolbrebner, wegen feiner ausgezeichneten Berebfamkeit), wurbe zu SImola 


— 


Petrus. 197 
(Forum Jı se 405 geboren und durch den bortigen Se 
— a Die ſtille tern — 
Pe ihm bie Leitung der Kirche von Ravenna — 
wurde os, Be neue Bst betete und faftete, um die Gnade des Himmels 
auf die ihm anvertraute alla herabzugiehen, die er duch Wort und That in 
Sr nn ar ee ie ra 
en je Heberl 
vollends — farb zu Imola nach Fi aber ſcheinlich ⸗ 
ME Ze re Sr 
Ir jrößte Th ls 
Predigten find \, mehr —— F als ruhrend —2— Schreibart hat nichts Ge⸗ 
D ige faft wie lauter einzelne Sprüde u, — 
—S —— Verbindung nicht, Der Inhalt feiner vredg 
meiſt ein nachdruͤdliches Ermahnen zur öftern h. Communion, zum Almofe FR 
5 


® 


Beten u. Faſten. Seine Werfe erſchienen Bologna 1534, A. ; ebendaf, 
Venedig Kl fol. ; Lyon 1623, 1676 fol.; Paris 16715 ah 
fol.; Augsdurg 1 758, fol; u. in ber’ Bibliotheca Patr., Paris 1662 
Bibliotheca Patr. * Leyden 1677. Die Kirche feiert fein Andenken ben 
4. Dezember. x. 4) ®B. der Heilige, Erzbiſchof von —— 
wurde im Delphinat x von armen, aber tugendhaften Eltern geboren, zeichnete ſich 
tur ein gutes —— feltene Durchſchauungskraft u. lebhafte gern aus, 
inbte aber ma Bervollfommmung in ver zu end, als in der Wiffen! ta u 
A im —— * das Ordenskleid in Bonnevaur, Ik 
ven hatten, unter ber Leitung des hi. Bernhard in she 
J und den Geift des ®e ers bewahrten. Nachdem Eu 9 
Er FioRer gewef jetvefert war, —— ch ſehr vornehme Männer zur 
unter Biefen Amadeus, ein naher Anverwandter Konrad’ III. Nr ver 
jung zu den ehehen Dienften benügt zu erden. —* (bt 
an es 11. Graf Albion, der eines Tages ihm zu befuchen Fam, fand einen 
mit Schweiß bedeckten Mönd, der die Schuhe der Anderen putzte, u. in demſelben 
feinen Neffen, ber fo im Gebete vertieft war, daß er ben Grafen nicht kommen 
hörte. Albion fonnte bei ‚Hofe nicht Ruͤhmens genug von der Demuth bes Kür 
fen machen, ber 1141 im Geruce ber Heiligkeit ftarb, vorher aber P., feinen 
Freund, zum Abte bes von ihm geftifteten und eigenhändig mitgebauten Riofters 
Tamies im Sprengel von Tarantafia beftellt hatte. Sein Eohn, auch Amadeus 
genannt, blieb eine Zeit lange am Hofe des Kaiſers, trat dann in's Klofter 
Clairvaur unter die Leitung des heil. Bernhard und ftarb als Bifchof von Lau: 
ianne. Im Jahre 1142 wurde P zum Biſchofe von Tarantaſia erwaͤhlt. Dieſer 
Eprengel bedurfte eines ſolchen Hirten, denn der Vorgänger, ein Miethling, 
harte Alles in Verwirrung u. Verwilderung hinterlaffen: Die Geiftlihfeit verdor— 
ten, den Gottesdienft vernachläßigt, die Güter verpraßt, das Volf in Unwiſſen— 
beit. P. wußte mit bewunderung&würdigem Gifer allen Gebrechen abzubelfen 
und lebte in wahrhaft rüßrender Einfachheit, theilte fein grobes Brod und bie 
gemeinen Genüffe mit den Armen und Bettlern an feiner biihöflihen Tafel, ar: 
keitete wie als Moͤnch, predigte viel u. fliftete Schulen. Er glänzte auch durch 
tie Babe der Wunder, die ihm einen folchen Ruf bereitete, daß feine Demuth 
ebebte und er fih 1155 in aller Stille den unzähligen Huldigungen entzog. Tie 
Beftürzung war unbeſchreiblich, der Jammer maßlog. in Jüngling aus diefer 
Gegend trat zufällig in ein beutfebes Cifterzienferflofter, erfannte den Heiligen 
inter den Möndyen, verrieth feine Würde u. Alle fielen vor dem Bifchofe nicder 
und baten um feinen Segen. Nun wollte ec eine noch größere Verborgenheit 
ſuchen, warb aber zu fehr beobachtet und mußte zu ber ihn ſehnlich erwartenden 
Herde zurüdgehen, wo er einen Bruder und eine Schwefter Gott weihte, wie 
ex feinen Bater ſchon nach Bonnevaur, feine Mutter in's Paulsflofter gebracht 
hatte. Er war der Segen ber Gegend u. Die Alpen fehen in ihm den Engel ver 


Satz 


Z 


ih 


138 Petrus. 


Wohlthaͤtigleit. Er gruͤndete Hoſpitien zum Beſten der Reiſenden in dieſen ge⸗ 
faͤhrlichen Gebirgen u. fein zu fuͤhlendes, immer mehr Nahrung bebürfendes Herz, 
trieb ihn an, im Elfaß, Burgund und Italien Gottes Wort zu verfünden und 
Segen zu verbreiten. Im grauenvollen Schisma biefer Zeit nahm er offen bie 
Partei des Papftes, felbft in Gegenwart Friedrichs L, ber ihm wegen feines 
Greimuthes doch nicht zürnte u, die Aufwallungen feines heftigen Gemüths unters 
drückte, weil ber Brälat ein wahrhaftiger Mann Gottes u. bes Friedens war. Im 
Jahre 1170 mußte er auf Befehl des Papſtes die Könige von England u. Frank⸗ 
reich verföhnen und Ludwig VII. ließ ihn mit hohen Ehren empfangen, bie feine 
Demuth nicht beeinträchtigten.. Zu Chaumont in der Rormandie kam ihm Hein⸗ 
rich 11, felbft entgegen, * vom Pferde, kniete ehrfurchtsvoll nieder und behielt 
den Mantel des Heiligen, den das andaͤchtige Volk eben zerreißen wollte, ganz 
an ſich, weil, wie er ſagte, ber Gürtel bes Heiligen ſchon viele Wunderheilungen 
bewirkt habe. Am Afchermittwoch 1171 befuchte er ben Heiligen in ber Abtei 
Mortuner bei Rouen, um von befien Hand bie Afche zu empfangen. Die ihm 
furz nachher aufgetragene Verföhnung bes englifchen Königs mit feinem Sohne 
gelang feider nicht. Der Heilige farb 1177 in der Abtei Bellevaur bei Belangen 
73. Jahre und fein im Augenblide des Todes in zwei Theile fich trennenber 
Körper wurde in ber Kirche von Tarantafla und ber Abtei Elairvaur beigefeht, 
wo die Theile ber Berwefung widerflanden und bie Entheiligung ber Gottlojen 
überbauerten. Jahrestag 8. Mai. — 5) P., der Heilige, von Nolasto, 
Stifter des Ordens der Barmherzigkeit zur Auslöfung ber Gefangenen unter ben 
Ungläubigen, wurde 1189 in Recaudum (jet Mas des Saintes Puelles) nicht 
weit von Gafelnaudari in Languedoc geboren, wo feine vornehme, reiche 
mächtige Familie lebte u. fich in jener für ben Glauben fiurmbewegten Zeit buch 
Frömmigkeit auszeichnet. Schon früßzeitig athmete feine Seele die Tugenden 
feiner Bäter ein und eine glänzende Erziehung vollendete bie Schöpfung eines 
edlen Geiſtes. Befeelt von Gott und Nächftenliebe, fand fein junges Herz feine 
höchfte Wonne in der Linderung menfchlichen Elends, wobei ihm fein Reichthum, 
mehr aber noch die Babe zu Gtatten fam, mit milden Worten Troft in bie Ge⸗ 
müther der Unglüdlichen zu fenfen. Jeden Morgen in aller Krühe betete er an 
Gottes Altären und fing jedes Mal fein Tagwerk mit einem Almofen an, bad 
er dem erften beften Armen verftohlen reichte. In feinem 15. Jahre verlor er 
feinen Bater, war aber ſchon fo ernft u. reif an Gottfeligfeit, daß er feſt auf ber 
einmal betretenen Bahn fortwandelte, wobei ihn feine fromme Mutter unterftüßte 
und er, bie Welt immer mehr aus dem Gefichtspunfte verlierend, feine Güter für 
Nichts achtete und nur nach Gott auffchaute, der allein im Stande feyn konnte, 
des andadhtglühenden ‚pergend Feere hr llen. Die irdiſche Liebe genügte Ihm nicht, 
fo fehr der Ruhm feines ahnenreichen Ramens eine Berehelichung wünfchenes 
wertb machen mußte und er auch dazu gebringt ward. Ihm war A eine höhere 
Sendung beftimmt: darum legte er das Geluͤbbe ewiger Keufchheit ab u. vwoibmete 
fi) ganz ber Vertheibigung der heiligen Intereſſen der Religion und ber Erhal⸗ 
tung des fo fehr befhirmien fatholifhen Glaubens, dem Sarazenen u. Albigenfer 
noch ein Mal ben Untergang zu bereiten u. ſchmachvolle Entheiligungen aus heibs 
nifhen Zeiten beizumifchen verfuchten, wogegen aber bie Herzen der Glaͤubigen 
bes Kreuzes im heiligen Zorn ſich erhoben und mit gewaffneter Hand ben Bein 
Gottes u. feines heiligen Wortes die Spitze boten. Auch PB. fühlte fi auf das 
Tieffte bewegt, ergriff das Schwert und trat in das Heer bes Grafen Simon 
von Montfort, der das Fatholifche Ariegeher: gegen bie Albigenfer anführte, welche 
durch ihre unerhörten Graufamleiten eine fehaudervolle Verwirrung in Lang 
angerichtet Hatten. Da Peter, König von Aragonien , bei Muret die Schlacht 
u. das Leben verlor, wurde fein Eohn Jakob durch Simon von Montfort zum 
Gefangenen gemacht. Diefer übergab ihn aber, gerührt durch das Unglüd bes 
faum fee Jahre alten Prinzen, der Obforge P.s und fchidte Beide nach Bars 
selona, ber Hauptſtadt von Aragonien, In biefer neuen Sphäre blieb P. feinen 


Petrus, 139 


Ankh — F Pen 
* 2.0 ‚ehalten hen * —5 —A 
unter — 


en * en er Her a: bei. der 
Kunde —— 'ampfgenoffen, die, von ‚ben 
Bus, x en u. Laftthiere geworben waren und feine Geele 8 
auf zu ‚ daß er ihnen eh Befreier ſende. Dann wanderte er von 
Ort zu Ort und pri gleichſam einen deiioen Zeug ber Freigebigfeit und 
Großmuth zum Losfauf er Sklaven. eine Reben: Kt en in ges 
— zweite wieder: Viele gaben ihr Scherflein, deutende 
au dem heiligen Zwecke her und «8, kam fo viel zuſammen, daß ‚ex bes 
{6leß , einen Orden zu flften, der. fi, ausfchließlich dem Gefchäfte der Sklaven- 
— widmen uns ki Ka —— ji ah — —— 5 
Hinderniſſe en us| — thigen Planes 
— 3 nahe ne Sufacı zum Hin 30 Hinmcb, 9 fin 
anzunehmen und ihm bie Mittel zum KH —* Gelingen fennen 
lehren. Dieß geſchah auch; der Heil, Raimund von PBennafort wirkte kräftig 
des menfchenfreunblichen Wirkens mit und der König, felbft gab 
Is dem Orden, der am Saurentiustage 1223 errichtet wurbe, zur Woh⸗ 
nung: Am Tage der Einweihung legte P. in die Hand des Biihofs Berengar 
tus Gelübde ab, alle feine Güter unb jelbft feine perfönliche- Freiheit Gr Auo⸗ 
Kung ber jenen aufuopfern. Das Bolk jaucate dem —— — 
Entichluffe bie a hen feines regen Mitgefühls zu: — hatte freudig 
—— —— —— e Klage na Beil) toi ei das weiße 
Sumbel 


ui, 


ah em breifahen 
der — des een u der — t. So war * Grundftein 
und das Gebaͤude wuchs. unter ber fegenbringenden Hand des — 
fo, bad man bald in Barcelona ein Veitläufiges Klofter bauen 

e Stiftungen in anderen Orden folgten, unter welchen das von. Uneza 

das berühmtefte ward, das den Namen S. Maria de Mercede del Puche führte, 
Der Heilige wurde General der „Redemptoriften”, wie man die Mönche nannte, 
welche Die Gefangenen erlösten. Uber nur zum Theile war der großartige ‘lan 
des Meifters ausgeführt, denn er wollte nicht blos für die Sklaven in den Yan 
dern riftliher Fuͤrſten wirken, auch den in fernen Landen der Jünger Mahomeds 
vom Sklavenjoche Erdrüdten wollte er Hülfreih werden, Darum hielt er vor einer 
großen Verſammlung eine begeifternde Rebe, bie alle Glieder des Ordens hinriß, 
worauf er u. ein anderer Bruder zur erften Ausflucht in die Länder der Ungläu: 
digen gewählt ward. Dieſe Exlöfer durchzogen Grenada u. Valencia, befuchten, 
nöfteten, unterrichteten Die Gefangenen, Fauften viele [08 u. ftärften die anderen 
turch freudige Hoffnung. Vierhundert Sklaven verbanften biefem Erfiverfuche des 
deiligen Werkes ihre Freiheit: cin Erfolg, der Alles mit Wonne und die Araber 
ielbft mit Bewunderung erfüllte, bie in Menge dadurch befehrt wurben. Der 
bebe Ruf diejed wahrhaft edeln Ordens zog nun edle Ritter aus Frankreich, 
Deutſchland, Ungarn u. England unter ſein glorreiches Panier; der im Erfolge 
aber um jo bemüthigere Heilige verdoppelte feine Anftrengungen, reiste immerfort 
turh Spaniens Königreihe und beſchloß endlich, nach Algier zu Schiffen, wo er 
nah unendlich fegensreigem Wirken und fefter Beharrlichkeit bei den Drohungen 
der Kadi's in Feſſeln gefchlagen und auf einem elenden Kahne den Wellen über: 
geben ward, Die ihn wunderbar nad den Küften feines DButerlandes trugen. 
Nah feiner Rüdkehr nah Barcelona wollte er die Generalewürbe ablegen; al- 
lein Riemand wollte dazu einwilligen; Alles, was er dur feine Bitten und 
Thränen erlangen fonnte, war, daß man ihm einen Gehülfen an die Seite gab, 
um ihm bie Amtswürbe zu erleichtern. Der heil. Ludwig, König von Fränk— 
ti, zeigte befondere Hochachtung gegen unfern Heiligen und ſchrieb ihm mehre 
Briefe, worin er ihm fein Verlangen Außerte, ihm zu ſehen. Diefe Freude wurde 
ihm auch 1243 in Languedoc gewährt, wo er, ben Diener Gottes empfangend, ihn zoͤrt⸗ 


* 


140 Petrus, 


lich umarmte unb ihm chrerbietig ben Borfchlag machte, iin in das Heilige Land 
zu begleiten; allein feine fchwächliche Geſundheit Hinberte ihn, eine fo weite Reife, 
— er es ſehnlichſt gewuͤnſcht haͤtte, zu unternehmen. Waͤhrend ſeiner letzten 
Lebensjahre empfand er eine beſtaͤndige Schwäche, die von feinen ſchweren Berufs⸗ 
arbeiten herruͤhrte. Ex flarb am 25. Dezember 1256, 67 Jahre alt. Die Kirche 
feiert fein Andenten den 31. Januar. — 6) B. der Heilige, von Luxem⸗ 
burg, Garbinal u. Bifchof von Med, Sohn Guibo's von Luremburg u. Mas 
tHildens, Gräfin von Saint⸗Pol, wurde geboren 1369 zu Ligny, einer Kleinen 
Stabt in Lothringen, Bisthums Toul, und verlor Vater u. Mutter fchon in 
feüdefter Kindheit. Orgieres, verwittwete Gräfin von Saint- Pol, übernahm 
bie Sorge für feine Erziehung, und als fie bei zunehmenden Jahren bes Knaben 
biefes w Otige Geſchaͤft nicht mehr allein beforgen Tonnte, wählte fie burch Tu⸗ 
gend u. Fähigkeit ausgezeichnete Männer, bie feiner ferneren Erziehung gewachſen 
waren. Als er fein zehntes Fahr erreicht Hatte, warb er zur Vollendung feiner 
wiffenfchaftlichen Bildung nad Paris gefhidt. Während feines Aufenthaltes in 
biefer Stadt warb Balerian, fein Altefler Bruder, von ben Engländern bei 
einem Treffen in Slandern, wo die Franzoſen und Flamaͤnder gefchlagen wurben, 
gefangen. Auf die Nachricht, daß fein Bruber nad Calais geführt worben, 
unterbrach P. feine Studien, begab ſich 1381 nach London und blieb bafelbft 
als Geifjel für feinen Bruder, bis diefer im Stande wäre, fein Löfegelb zu ent 
richten. Seine Tugend gewann ihm bie Zuneigung und Liebe ber Engländer. 
Nach einem zwoͤlfmonatlichen Aufenthalte in London ſchenkten ihm daher biefe großs 
müthig die Freiheit, mit bem Bemerfen , fein Wort allein genüge ihnen zur 
Sicherung bes zu entrichtenden Geldes. König Richard II. lud ihn an feinen 
of; P. fuchte fih aber unter verfchiebenen Vorwaͤnden davon loszufagen und 
te nah Paris, um ba feine wiffenichaftliche Laufbahn wieber Tortgufepen. 
Durch lange Nachtwachen und firenge Faften unterwarf er feinen Leib den Höheren 
Sorberungen bes Geiſtes. Nie ftattete er Befuche ab, außer im Nothfalle. Bel 
feinem Umgange, den er ſich nur mit frommen Männern geftattete, fuchte er al- 
lein die Ausbildung feines Geiſtes und bie Seiligung feiner Seele zu beförbern. 
1383 erhielt ihm fein Bruder ein Kanonifat an ber Domfirche zu Paris. Diele 
Würde fchien ihm eine neue Verpflichtung aufzulegen, fich mit noch angeftrengterem 
Eifer dem Dienfte bes Herren zu wibmen. Als der Ruf feiner Heiligfeit bis nad) 
Avignon gelangte, ernannte ihn Elemens VII, ben Frankreich während ber 
großen Spaltung als rechtmäßigen Papft erfannte, zum Erzdiakon von Dreur in 
ber Diözefe Ehartres und erhob ihn 1284 auf ben bifchöflichen Sig von Meg. 
P. fehte Alles in Bewegung, um biefes von ſich abzulehnen; als man ihm aber 
öfter wiederholte, er würbe durch hartnätige Weigerung Gott beleibigen, unters 
warf er ſich der höheren Beſtimmung. Seinen Einzug in Meb hielt er b , 
fitzend auf einem Eſel, um hiedurch bie Demuth unferes göttlichen Erloͤſers nad): 
zuahmen. Nachdem er von feiner Kirche Befige genommen, bereiste er das ganze 
Bisthum mit Bertrand, einem Orbensmann aus ber Genoſſenſchaft bes Heil. 
Dominicus, ber ihm als Weihbifchof beigegeben war. Ueberall ftellte er bie 
Mißbraͤuche ab und bewies einen bewunberungswürbigen Eifer, vereint mit hoher 
Klugheit. Seine Einkünfte zerlegte er in drei Theile, wovon ber eine für bie 
Kirche, der andere für die Armen und ber dritte für ben Unterhalt feines Haufes 
beftimmt war, Was er von lebterem noch erfparte, ſchoß er ebenfalls zum 
der Armen, Seiner Güte ungeachtet, lehnten fich dennoch einige Städte gegen 
ihn auf und wählten ofme fein Zuthun neue Obrigfeiten, wodurch fie wefent- 
lihe, von feinen Berfahren ſtets ausgeübte Gerechtfame verlegten. Sein Bruber 
führte aber durch gewaffnete Macht die Unzufriebenen bald wieder in bie 
Schranken ihrer Pflicht zurüd, Diefes Ereignig betrübte das Herz bed Tiebes 
vollen Oberhirten tief, und er entfhädigte fogar von feinem Erbgute bie Ruhe⸗ 
ftörer für den erlittenen Schaden, welde Oroßmuth ihm alle tn gem. 
Clemenoô VI, ernannte ihn zum Garbinal und behielt ihn bei in Avignon 


Petrus. 141 


RB. Heß in Nichts von feinen ee ar a 
Bapft befahl, zur Schonung —— Geſundheit eine andere A eneweiſe zu waͤhlen, 
ſich gehorſam ber Höhern — fuchte indeß durch —— 
Almofen bie ihm’ verbotenen — u erſeden. Seine Liebe gegen bie 
war fo groß, daß * ͤß jener — — u. 

den: Dürftigen austheilen ließ, Bei feinem Tode befland feine 
———— in ſieben en. a onate nach feiner E un ur 
befiel ihn ein Settigee er. Anfänglich hatte man ı ng, 

er ee = —— A eine 
Sen fung folgte, bie Alles befürchten ließ. + Man 
— es — fi * jiehen, 
freubig befolgte, um in Einſamleit — 
ſeiner Zant beichtete und — ————— er jeden — 

der ihm damals beſuchte, ſprach er mit ſolcher sur 

der Eitelkeit der Welt u. von ben Süßigfeiten himmlifchen Andacht, daß 
Dienfte Gottes: fi oeihte u. auf dem bil hen Stuhle 
als Hl. —— N Ebenfo ward auch auf fi Zufpruch 

Schwefter ke Mufter jungfräuliher Vollfommen! 
Abnahme feiner Kräfte fühlte, begehrte er die Heil; en Sterbs 
Anz gen en ac aha aha gegen nnd, wat 
en gegebenen 6, wenn er 
nicht fo fo, wie es feine Pflicht — mit u Beilhele ee 
—— unierhielt er ſich im Stillen tt, bis er feinen Geiſt 
dam 2. Juli 1337, in bem achtzehnten Jahre ls Lebens, Nah ger 
Bee len laute Br Et 

ie eng u am 5; 

— — der See von Keiner ara aus dem Orden deöiheil, Franciscus, 
Stäbtehen der Provinz —— in Spanien, 
en; .. Erin: 5 Garavito, war Befehlshaber ber Stadt; feine 
Mutter, aus einer abeligen Familie entiproßen, zeichnete ſich, gleich ihrem Grmakl, 
durch ihre Tugenden u. ihre Srömmigfeit aus. Schon ald Knabe bewies P., von 
Liebe Gottes erglühet, eine bewundernswuͤrdige Treue in Erfüllung feiner Pflich- 
ten u. einen hoͤchſt erbaulichen Andachtseifer. Der Tod entriß ihm feinen Bater, 
als er eben feine philofophifchen Studien zu Alcantara vollendete. Einige Zeit 
darauf ward er nad Salamanca geſchickt um dort das kanoniſche Recht zu hören. 
Während feiner zwei Univerfitätsjahre widmete er feine_Zeit den MWiffenfchaften, 
dem Gebete und der Beſuchung der Kranken in den Epitälern. 1513 ward er 
wieder in fein Vaterland —— und feine erſte Angelegenheit war, über 
icine_fünftige Lebensweiſe nachzudenken. Einerſeits fanden ihm bie herrlichften 
Auafichten in der Welt offen, anderfeits erwog er die ihn bedrohenden Gefahren 
u. die Vorzüge u. das Glüd des einfamen Lebens. Endlich fiegte die Gnade u. 
er entſchloß fo, in den Orden ded heiligen Franciscus zu treten. Er legte 
daher in dem Klofter Manjarez, auf ben Gebirgen zwiſchen Eaftilien u. Portugal, 
die Geluͤbde ab. Bald leuchtete er unter feinen Mitbrübern hervor durch feinen 
tbätigen Bußeifer, der ihn fo vollfommen von allem Irdiſchen lestrennte, daß er 
der Welt wahrhaft gefreuzigt war. Einige Monate nah Ablegung feiner Ge— 
lübde warb er in ein Kloſter bei Belvifo, das in einer öden Gegend lag, gefchidt. 
Hier erbaute er fi in einiger Entfernung von ber Genoffenfchaft eine Zelle und 
übte auferorbentlihe Abtödtung. Drei Jahre fpäter erwählte man ihn, obgleich 
aft 20 Jahre alt, zum Vorftcher eines Eleinen Kloſters zu Badajoz, der Haupt: 
ftadt Eftramadura’s. Nah Verlauf der Zeit feines Vorfteheramtes kündigte ihm 
jein Provinzial an, er folle fih zum Empfange ber geiftlihen Weihen vors 
bereiten. Als Priefter ward er dann zum Predigtamte beftimmt. Im folgenden 
Jahre wurde er Guardian in feinem Orbensflofter zu Placentia. Alle ihm ans 
vertrauten Stellen verfah er mit ungemeinem Ruhme, fi immer als den Diener 


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142 | Petrus. 


feiner Brüder haltend u. ihnen in allen Tugenden vorleuchtend als Muſter. Nach 
der Befreiung von ſeiner Obernſtelle mußte er 6 Sabre lange ganz allein dem Volke 
das Wort Gottes verfündigen. Auf den Lehrftühlen der Wahrheit erfchien er, 
wie ein Engel des Herrn, um die Eünder au Buße aufzuweden, u. fie mit dem 
euer der gettlicpen Liebe zu entflammen. Unzählige Befehrungen Frönten feinen 
gottfeligen Eifer. Aus Liebe zur Abgefchiebenheit bat er hierauf feine Vorgeſetzten 
um bie Erlaubniß, fein Leben in irgend einer Einoͤde zubringen zu bürfen, wo er 
ſich ungehindert der Befchaulichkeit widmen fönnte; dieß warb ihm bewilligt und 
man fchidte ihn in das Klofter zum heil. Onuphrius in Lapa bei Eoriana, das 
in einer ſchauerlichen Einöde lag. In dieſer Abgeſchiedenheit verfaßte er feine 
Abhandlung über die Betrachtung u. eine andere, nicht minder vortreffliche, Ab⸗ 
handlung über den Seelenfrieden. Johann III., König von Portugal, von ber 
Heiligkeit des Dieners Gottes hörend, erfuchte deſſen Provinzial, ihn nach Liffabon 
reifen zu laſſen, damit er ihn über einige Gewiſſensfaͤlle zu Rathe ziehen könnte. Er 
wurde burh P.s Antworten auch fo befriedigt und durch befien ganzes Benehmen 
fo erbaut, daß er ihn einige Zeit fpäter zum zweiten Male zu ſich beſchied. Bei 
beiden Befuchen befehrte ber Heilige fehr viele Hofleute. Die Infantin Maria, 
Schweſter des Königs, entfagte aller Weltpracht u. legte die drei Kloſtergelübde 
ab, jedoch mit dem Vorbehalte, am Hofe weltlihe Kleider zu tragen, wo fehr 
wichtige Angelegenheiten ihre Gegenwart erheifchten. Sie fliftete auch zu Liſſa⸗ 
bon ein Klofter ber Armen Clariffen für vornehme Frauen. Eine damals unter 
den Einwohnern Alcantara’8 ausgebrochene Zwietracht erftidte P. durch feine ſal⸗ 
bungsvollen Reben. Kaum hatte er biefes Gelchäft vollendet, ald man ihn 1538 
zum Vorfteher der Provinz Eſtramadura ernannte, wo er eine ſtrenge Verbeſſer⸗ 
ung einführte. Nach Verlauf der Zeit feines Vorſteheramtes kehrte er im fol 
aenden Jahre nach Liffabon zurüd, um fi dem Ordensbruder Martin von St. 
Maria. anzufchließen, der, um eine ſtrenge Berbefferung zu begründen, eine Eins 
fiedelei auf den unfruchtbaren Gebirgen errichtete, Arabida genannt. Der Heilige 
P. entflammte den Eifer ber neuen Genoſſenſchaft u. ſchlug ihr noch verfchiebene 
Einrichtungen vor, die fle ebenfalls annahm. Als ber Orbensgeneral, Johannes 
alas, nad Portugal fam, wollte er auch PB. fehen u. fattete ihm in feiner Zelle 
einen Beſuch ab, wo er fo erbaut wurde, daß er bie neue Genoſſenſchaft fehr lieb 
gewann u. ihre Erweiterung zu bewirken ſuchte. P. leitete 2 Jahre das Haus, 
worin Diejenigen geprüft wurden, welche in bie Genoſſenſchaft eintreten wollten. 
Gnblich beriefen ihn 1544 feine Obern na Spanien zurüd, wo feine Brüber ber 
Provinz Eftramabura bei feinem Wieberfehen bie innigfte Freude bezeugten. Bier 
Fahre —* mußte er wieder nach Portugal, wo er waͤhrend feines breijaͤhrigen 
Aufenthaltes ber Verbeſſerung von Arabida die letzte Vollendung gab und 1550 
ein neues Klofter bei Liffabon gründete. Nach 10 Jahren wurde die Genoſſen⸗ 
[haft zu einer Drbensprovinz erhoben. Da indeß bie erhabenen Tugenden bes 
heiligen P. viele Bewunderer herbeizogen, eilte er wieder nad) Spanien zurüd, 
wo er ungefannt zu feyn hoffte Er kam 1551 zu Placentia an u. fogleich ers 
fuchten ihn die Brüder, das Provinzialat anzunehmen. Er erbat ſich aber bie 
Freiheit, eine Zeit lange für ſich allein zu leben, Die man ihm auch zugeſtand. 
Zwei Jahre fpäter ward er in einem Generalcapitel zum Cuſtos erwählt. 1554 
entwarf er ben Plan zu einer Gongregation, bie eine noch firengere Verbeſſer⸗ 
ung, als die ſchon beftehenbe, annehmen follte. Sein Vorhaben erhielt allgemeinen 
Beifall. Der Papft verlich ihm ein Breve, kraft befien ihm erlaubt wurde, ein 
Klofter nah feinem Plane zu bauen, welches denn auch unweit Pedroſo, in bem 
Bistäume Palentia, zu Stande fam. Man fegt die Gründung dieſes Haufes in 
das Jahr 1555, von welcher Zeit man auch die Reform ber unbefchuheten Frans 
cidcaner oder der firengeren Obfervanz bes Heil. P. von Alcantara, herfchreibt. 
Der Graf von Dropeza ließ auf feinen Randgütern dem Heiligen 2 neue Klöfter 
bauen, worin ebenfalls bie Verbeſſerung, wie noch in mehren anderen Häufern, 
eingeführt wurbe. 1561 wurden biefe verfchiebenen Klöfter zu einer Provinz er⸗ 


Petrus. 148 


hoben. Bald darauf begab P. ſich nach Rom, um bie Beflätigung feiner Ge⸗ 
zoflenfchaft zu erhalten, die ihm auch von Paul IV. ertheilt wurde. Als Kaiſer 
Larl V. nach Abtretung feiner Krone fi in das Klofter zum Hl. Juflus, aus 
dem Orden der Hieronymiten, zurüdgezogen Hatte, erfor er fih den HI. B. zu ſei⸗ 
nem Bewiflensrathe, in der Ueberzeugung, es fei Niemand geeigneter, ihn zu einem 
rfeligen Tode vorzubereiten. Allein ber Heilige, vorfehend, daß biefes Amt mit 
inen Verrichtungen u. mit feiner Lebensweife 9 nicht wohl vereinige, führte 
nehre Entfchuldigungen an, woburd er embli ben Kaifer bewog, von feinem 
Begehren abzußehen. Als P. 1559 auf einer Bifttationsreife zu Avila anlangte, 
litt die HL. Thereſia, welche in biefer Stadt wohnte, manche Verfolgungen und 
nuslenbe —— Sie beſprach ſich hierüber mit dem heil. P., der, ihren 
Zußand bald erkennend, ihre Zweifel zerſtreute u. fie über die höhere Führung 
berußigte. Nachdem er fie auf alle Weife getröftet Hatte, ermahnte er fie bringen, 
ie Verbeſſerung in bem Garmeliter- Orden einzuführen und biefelbe vorzüglich 
af die unerfchütterliche Grundlage ber Armuth aufzubauen. Während ber Heilige 
die Häufer feiner Genoſſenſchaft befuchte, befiel ihn im Kloſter Vicofa eine Krank⸗ 
keit. Als der Graf von Dropeza hievon Kenntniß erhielt, nöthigte er ihn, in 
kin Haus fich dringen zu laſſen, um dba alle nöthige Hülfe zu finden. Als ber 
Diener Gottes fein In Ende fühlte, ließ er ſich in das Kloſter Arenas tragen, 
zu da in den Armen feiner Brüder zu fterben. Dafelbft angelan t, begehrte ex 
togleich die HL. Sterbſakramente, ermahnte noch feine Brüber, den Tugenden ihres 
Etandes nachzuſtreben, beſonders die Armut zu lieben, u. gab ruhig feine Seele 
in die Hände feines Schöpfer, am 19. Dftober 1562, im 63. Lebensjahre. Gre⸗ 
or XV. fehte ihn 1622 unter die Seligen u. Clemens IX. 1669 unter bie Hei⸗ 
Kgen. Jahrestag: 19. Oftober. 

, Berfchiedene diefes Namens. 1) P. Lombardus, ſ. Loms 
bardus. — 2) P. v. Bruys, gebürtig aus der Dauphins, ein bloßer Laie, 
fing in früher Sugend an, fih zum Kirchenreformator aufzumwerfen u. wurde im 
12. Jahrhunderte das Haupt einer Keberfefte Er begann unter bem Scheine 
einer firengen Lebensweiſe, ärmlich gekleidet, mit NRebfeligfeit begabt, fing feine 
Laufbahn damit an, daß er in den Hütten ber Lanbleute gegen bie Reichen u. bie 
Eitten ber Geiftlichkeit loszog, dadurch bie Aufmerkſamkeit des großen Haufens 
und einen — — mit welchem er Provence, Languedoc, Gascogne 
durchiog u. feine hümer ausftreute, bie Kirchen zerflörend, Kreuze u. Altäre 
jertrüimmmernd. Alleweit ſah man ungetaufte Chriſten, entheifigte Kirchen. Aus 
der Provence vertrieben, wurde er in Languedoc verhaftet u. 1126 zu St. Gilles 
aufgefnüpft u. verbrannt. Seine u. feiner Anhänger Irrthümer laffen ſich auf 
5 Sauptpunfte zurüdführen: 1) Läugnete er die Gültigkeit der Kindertaufe, als 
unnüg, weil man bei ihrem Empfange ben Glauben nicht erwecken fünne; 2) ver 
dammte er die Kirchen u. Altäre u. ließ fie zerftören, wo fein Anhang bie Obers 
band hatte; 3) verwarf er die Verehrung ber Kreuze, u. ließ fie zertrümmern; 
4) erflärte er bie h. Meſſe für unnüg u, verbot die Feier berfelben; 5) behauptete 
er, daß bie für Die Todten ertheilten Almofen u. verrichteten Gebete ihnen Nichts 
nügten u. verbot, das Lob Gottes in den Kirchen zu fingen. Da fich viele diefer 
Eeairer in Languedoc u, Dauphiné verbreitet hatten, fo brachten fie bafelbft im 
mölften Jahrhundert einen Schwarm Heiner Serten zum Borfcheine, welche bie 
Provinzen Frankreichs beunruhigten u. nach dem Charafter bes jeweiligen Secten⸗ 
bauptes verfchiedene Kormen annahmen. So ftanden Taudelin, Peter v. Bruns, 
Amold von Brescia ac. auf u. flifteten ihre Secten. Die Proteftanten machten ger 
wöhnlich aus Beter v. Bruys einen heiligen Reformator u. einen ihrer Patri⸗ 
chen, deren fh Bott zur Erhaltung der reinen Lehre bedient habe. Diefe Bes 

rünbdet ſich jedoch durchaus nicht auf ein Document feiner Zeiten: wie 
mögen teßanten , welche die Wiebertäufer verdammen, dad Anſehen eine® 
Beter von Bruns fo Hoch erheben, der in der That nichts Anderes, als ein Wieder⸗ 
täufer IR? Solite man nicht erröthen, bei ſolchen Menfchen die Kette der Mebers 





144 Hetfchenegen — Peurbach. 


lieferung ber proteftantifchen Kirchen zu fuchen? — 3) P. be Bineis, geboren 
zu — am Ende des 12. Jahrhunderts, ſiudirte zu Bologna u. wurde bafelbft 
Sekretär Kaiſers Friedrich II, Hierauf Richter, Rath, Protonotarius, Etatthalter 
von Apulien u. endlich Kanzler. Als folder ward er 1232 u. 1237 zum Papſte 
Sireger IX, geſendet, um ſich mit demfelben über bie Mittel, bie Unruhen in ber 
Lombarbei zu ſtillen, zu berathen. 1239 begleitete er Friedtich nach Padua und 
erhielt Hier bie Pabuaner, ald Friedrich excommunicht wurde, durch Meberrebung in 
Ruhe. Gleiches geſchah mit ben Veronefern u. überhaupt zeigte er fih als eifr 
rigen Bertheidiger bes Kaiſers gegen ben Papft. 1240 ging er zum Concil nad 
Lyon, um feines Herrn Rechte zu wahren; als ber Papftgleihwohl bie Bann 
Ebifte gegen ihn beftätigte, wurbe ber Kalfer argwöhniih auf P. u: Meß ihm bie 
Augen ausftechen. Andere behaupten, daß dieß Schicfjal nicht unverbient gewefen 
fei und daß er ben Kaifer habe vergiften wollen. P. war ein großer freund ber 
Poeſie u. man Hat von ihm noch Canzonen u. mehre Gonnete; auch feine Briefe 
erſchienen in mehrfachen Auflagen, Bafel 1566, Amberg 1609 u. öfter. — 4) P. 
WB albus, fe Walbenfer. 

Petfchenegen, ein tatarifches Romadenvolt, das früher feinen Woßnfig in 
bem jepigen ruffifchen Gouvernement Charkow hatte, wovon noch jegt einige Dörs 
fer im Eharkowerkreife die „peatſchenegiſchen“ heißen. 

Petſchora, ein Fluß in Rußland, entfpringt am Nralgebirge, nimmt bie Uſa 
und Tyra auf, indem fie bie Statthalterfchaften Wologba und geist durch⸗ 

teßt u. fält in das nörbliche Eismeer, wo fle einen großen Bufen bildet; ihr 
'auf beträgt 142 Meilen. An ihren fanbigen und fumpfigen Ufern ber rechten 
Seite zieht fich bie petfchorifche Carktiiche) Steppe hin. — Petſchori, Stadt im 
Kreife und der Gtatthalterihaft Pleskow (europäifches Rußland), Hat ein 
Wallfahrtsflofter, eine in Stein gehauene Kirche mit weitläufigen unterirdiſchen 
Gängen, Korn und Flachshandel und 400 Einwohner. 
eucer, Kafpar, Melanchthons Schwiegerſohn u. ein berühmter Gelehrter, 
£ ben 6. Jan. 1525 zu Bubifiin in ber ‚oben beſuchte daſelbſt und in 
oldberg das Gymnaſtum und kam 1540 auf bie Unlverfitaͤt Wittenberg, woſelbſ 
ex ſich dem Studium ber Mathematik und der Heilkunde widmete. 1545 wurde 
er Magister philosophiae, 1554 erhielt er die Profeſſur der Mathematif, 1560 
wurde er ald Med. Dr. promovirt und ſogleich zum Profeffor der Mebiin "ers 
nannt; audy führte er im felben Jahre, wie auch 1568, das Reftorat ; bald wurde 
er auch Leibarzt bes Kurfürften von Sachſen und Infpektor ber ganzen Mitten 
bergifchen Univerfität. Sein Anfehen erlitt aber einen großen Stoß,-al® er in ben 
Vetdacht des Ealvinismus fam; 1574 kam er barüber in Unterſuchung u. wurde 
zu lebenslaͤnglicher Gefangenſchaft verurtheilt, bie er theils in Rochlig, theils in 
Zeig, von 1576 aber auf ber Pleiffenburg bei Leipzig zubrachte. Erſt als ſich 
der Kurfürft Auguſt 1586 abermals ihlte, wurde V. auf Borbitte der Braut, 
einer anhaltiſchen Prinzeffin, feiner Haft entlafien. Er zog nun nad Deflau, 
wurde Anhaltiſcher Leibarzt und flarb bafelbft ben 25. Sept. 1602. — PB. Hat 
mehre_aftronomifche umb mebizinifhe, ſowie theologiihe Werke gefchrie — 
Bol. E. P.s Lebensbeſchreibung v. Joh. Chriſt. Leupold, Budiſſin 1745. E. Buchner. 

Peurbach oder Purbach (Georg von), ein großer Mathematiker, geboren 
zu Peurbach (daher auch der Rame) in Defterreich ob der Enns 1423, bildete 
ich zu Wien und auf mehren beutfchen, italieniſchen und franzöflfchen Univerfitäs 
ten als Mathematiker aus, wurde als Lehrer ber Aftronomie nad) Padua bern⸗ 
fen, zog aber bie Lehrftelle ber Mathematit zu Wien vor, wo er 1461 farb. Er 

ab der Trigonometrie eine neue Geſtalt, indem er bie Sexagefimalrecht abs 
Phafıe, dem Halbmeffer 600,000 Theile gab und die Sinus. Kinfüprte Aufer 
mehren geometrifchen Erfindungen verdankt man ihm das geometriiche Viereck u 
den Gebraud des Bleiloths. Er beobachtete ſchon aͤußerſt genau und bericht 
viele der Ptolomäifchen Angaben und Berechnungen. Sein berühmtefles Buch 
betitelt: Theorise planetaram, mehrmals gebruft, zulept Köln 1581. Es wurde 


: Gigenfhaft wohnte er als Geſandter ber Gtabt Auge! mehren 
jen bei. Marimilian I. ernannte ihn zu feinem Rathe, und ent: Ye 
wichtigen Rechtangelegenheiten feines einfichtsnollen Rathes. 
er im Kamen ber Stadt dem Kaiſer Karl V. in Brügge Aue Mint 
ichen Regierung &lüd u. feine Dabei gehaltene Rebe erfchien ker! im Druck. 
se 1 —8* 1520 zählte auch ihn zu feinen Mitgliedern; von 
erhielt er für Die Stadt Augsburg die Freiheit, Fi lagen zu 
fi und feine ganze Familie aber bie Auszeich ed Patriziais 
r — am 28. Depember 1547 im hohen 82jährigen n Geefemaltr. Seine 
e in Geſchichte Alterthumswiſſenſchaften waren für bie bamaligen 
ıgemein umfaffend. Im 40. Jahre lernte er noch griechiſch, verwen 
innen (ie Sammlung von Münzen und Manu ten und bewies ſich 
önner für Unterfügung ber Wiſſenſchaften und ihrer Pfleger. 
eiften find bemerfenswerth:: Romanae vetustatis fregmenta in Aug. 
* dioecesi. 1505. Inscriptiones vetust.. Roman. et earum fragm. 
ind, Mainz 1520. Sermones convivales de mirandis Germane anti- 
» 1789. Quorandam a ‚scientia illustratoram judioium 1529. Frag, 
bulae anti: sliquot per Rom. provincias itinera. Ex. 
ca. Ed. Welfer, Sad. 19%. Die erſte jabe biefes — en Akten⸗ 
x bie alte Geographie, weiche aber blos einige Fragmente bier Karte 
Zuet volän * aber ſehr ungenau und von AFuß auf einen Daß 
2 Fuß rebu⸗ fer geftochen in Ortelü Pareigo Antıo 
Die, nad In 53 ————— 3 
Reiches, bie auf Befehl bes Kaiſers Severus — nach Anderen Reiens 
ı.. Tabı bula, geo) ph. Theodosiana benannt — "m 
Ht aus einem g item Deißoeneicnifle, das bie Entfe Eau 
m lange | der 5* ten Militaͤrſtraſſen angibt u. worauf .$ Bi 
FR ladt, 8 Colonie u. ſ. w. Eben fo find 
ie Be erge, de Helen, an benen füffe zu paſſiren find, und bie angrän- 
Nälfer. a if bahei nicht auf Die Pänae. Breite unb Laae 





146 Peyronnet — Pfaͤffers. 


Muͤnchener Akademie als ſelbſtſtaͤndiges Werf: Tab. P. denuo cum Cod. Vindob. 
collata et emend.. Lpz. 1824. Fol. in 12 Blaͤttern. Cm. 
Peyronnet, Charles Ignace, Graf von, geboren zu Borbeaur 1770, 
Ichte dafelbft Anfangs als Advokat. Nach der Reftauration machte er ſich durch 
feine Anhänglichkeit an die Sache der Bourbons befannt u. wurbe während bes 
Minifteriums Decazes Bräfident des Tribunales erfter Inftanz zu Bourges. Zum 
Deputirten gewählt, war er eines ber heftigfien Mitglieder auf ber rechten Seite, 
fprach gegen bie Preßfreiheit, fam 1821 auf Deferre's Empfehlung als Siegel: 
bewahrer und Suflizminifter ins Kabinet und ward 1822 mit Gorbiere und Bils 
fele in den Grafenftand erhoben. Er fehte e8 durch, baß bie Advofaten wieder 
in ben Stand gefegt wurden, den fie vor 1810 gehabt hatten. Nach dem Eon: 
treffe von Verona machte er 1823 den beredten Vertheidiger bes Krieges mit 
Spanien und fegte kurz vor Ludwigs XVIIL Tode die Wiedereinführung der Cars 
fur duch. Er war indefien Großftegelbewahrer geworden. Das Sacrilegienge: 
fe war feine Schöpfung, fo wie er auch großen Antheil an der GSeptemnalität 
der Deputirtenfammer hatte Er verließ das Minifterium mit Billele, Anfangs 
1828 und trat erſt, nachdem das Minifterium Polignac im Auguſt 1829 gebil⸗ 
bet war, wieder in baffelbe ein. Hier wirkte er im Sinne ber Außerfien Ultra's, 
und ihm u. Polignac werben befonders bie Ordonnanzen vom 25. Juli 1830 zu 
eichrieben. Auf ber Flucht warb er im füblichen Frankreich gefangen, mit feinen 
Golegen Polignac, Chantelauge und. Guernon Ranville vor die Pairskammer ge 
ftellt, zu lebenslaͤnglicher Befangenfchaft verurtbeilt und mit feinen Gollegen 
Schloſſe Ham verwahrt, 1836 aber freigelaffen. Während feiner Gefangenfchaft fchrieb 
. ae d’un prisonnier, Paris 1834, 2 Thle.; Hist. de France, ebd. 1835, 
eile. 
eyronfe, f. La Beyroufe. 
fäffers, 1) eine berühmte Benebiftiner s Abtei in der Landſchaft Sargans, 
im Ganton St. Gallen, nicht weit vom Rhein, in einem hohen und romantlichen 
Zhale, eine Etunde von Ragatz. Das Kofler, im Jahre 713 geftiftet,, erhielt 
eine Kleine Landſchaft und der Abt 1194 die Fürftenwürde. In der Schweizeri⸗ 
fhen Staatsumwaͤlzung verlor er zwar die Oberherrfhaft und einen Theil feines 
Bermögens, aber noch blieb ihm das Patronatss Recht über mehre Dörfer. Die 
wirklichen, ſehr anfehnlichen, zum Theile mit Marmor befleideten Kloftergebäube 
wurden im Jahre 1665 nach einem großen Brande aufgeführt. Die Bibliothef 
war bedeutend u. merfwürbig auch das Archiv für die Geſchichte bes Landes. Auch 
P. hat unter den Stürmen, welche in unferen Tagen über bie fchweizerifchen Kloͤſter 
ereinbrachen, 1838 feinen Untergang gefunden. — Dem Kloſter gegenüber befindet 
ch ein fhöner Waſſerfall u. nicht weit Davon genießt man auf Dem Taborberge eine 
herrliche Ausſicht. — 2) P., ein Babeort in der Landfchaft Sargans, im Canton Gt. 
Ballen, 2 Stunden von Ragap, von wo ein Saumweg zum Babe führt. Diefe 
merfwürdige warme Quelle fol 1038 von einem Jäger der Abtei entdeckt wors 
ben, dann 200 Jahre lange verloren geweien feyn. Sie wurde 1240 wieder ges 
funben. Anfangs pflegte man mehre Tage lange barin zu fipen, zu efien unb zu 
ſchlafen, wegen ber Gefährlichkeit des Zuganged. Später wurde ein armfeliges 
Gebäude über dem Abgrunde errichtet, in weldhes man fich mittelft Strickleitern 
durch eine Oeffnung des Daches hinein begeben mußte. 1240 wurbe ein neued 
geräumiges Badehaus errichtet. Zur Zeit ber Peſt, 1611 und 1629, war bas 
ab ein willfommener Zufluchtsort gegen biefelbe. Im lehteren Jahre brannte bas 
Gebaͤude ganz ab, wurde darauf aber an einer geräumigeren Stelle aufgeführt u. 
das Waſſer dahin geleitet. 1704 wurben bie jegigen ®ebäube gegründet. Die Ouclle 
liegt 2128 Fuß über dem Meere, in einem wilden Felfenfchlunde, wohin im 
böchften Sommer bie Sonne nur vier Stunden lange fcyeint, über ber wii 
thenden Tamina. Die Felfen ftehen auf ber einen Seite 664 Fuß fenfrecht über 
bem Orte, auf ber anbern zieht fi ber Berg etwas zurüd. Ein furchtbares 
Swauſpiel geben bier bie Gewitter. Das Rollen bes Donners unb bas Getök 


Pfändung — Pfaff. 147 


ver Wafferfälle iſt fo gewaltig, wie es bie erhabene Gebirgsnatur einzig geben 
fııı. &benfo merkwürdig ift der Zeitpunkt, wo beim Brechen ber Winterfälte bie 
gewaltigen, an den Felfen hangenden, Eismaffen mit Krachen herunterflürgen. Die 
Duelle fließt zuweilen nur im Sommer und hat 294° R. Wärme. Zur Bors 
iorge ift, wenn in trodenen Monaten die gewöhnliche Duelle nicht genug Waſſer 
liefern ſollte, an einer ticferen Etelle ein durch die Tamina getriebenes Pumps 
wert angebracht, welches eine hinlaͤngliche Quantität Heilwaſſer liefert. Diefe 
tiefere Duelle bat 30° R. Das Wafler ift helle und fehr leicht, ohne Ges 
ruch, Geſchmack und "Farbe, und wird zum Trinken und Baden gebraucht. Seine 
Birffamfeit in Heilung vieler langwierigen Krankheiten hat die Erfahrung meh- 
rer Jahrhunderte beisieten, befonders wird es gegen verdorbene Säfte, Verftopfun- 
en der feinften Organe und Magenbeichwerden gelobt und von der Mitte bes 
mins bis in den September aus ber Kerne und Nähe ſtark beſucht. Die 
Trink⸗ und Bade» Kur unterftügen ſich gewöhnt. Auch in ber Ferne wird das 
Vaſſer getrunfen. Es ift eine alte Erfahrung, daß Binreichender Schnee u. Regen 
im Dochgebirge mit bem Reim der Quelle in genauer Verbindung ftehen, fo 
daß fie nach einem trodenen falten Winter fpärlicher erfcheint, al8 nach einem 
noflen. Der Bäber find neun, alle in fchönen Gewoͤlben. Tief unter den Küflen 
wüthet im engen Bette die Tamina; die hohen Felſen werben immer höher, vers 
engen fich Immer mehr und verwandeln bad graue Tageslicht beinahe in Schats 
tm. Die feuchte kühle Luft vermehrt den Schauer des Neifenden; zuletzt ſchlie⸗ 
sen ſich die Felfen ganz. Dieſer Drt Heißt der Beſchluß und Bier liegt eine 
ihöne Marmorhoͤhle. Die Wirkung diefes Ganges ift gegen 1 Uhr Nachmittags 
am fchönften; denn alsdann fallen zwifchen die Zellen einige Sonnenftrahlen und 
die Wanderer erfcheinen dem Hineinfehenden wie beweglihe Schattenbilder. Vgl. 
Raifer , die Heilquelle zu Pfäffers, Ehur 1822. 
ändung oder Auspfändung ift ein gerichtlicher oder fonft obrigkeitli⸗ 
cher Erefutiondfchritt, vermittelft defien dem Schuldner ein zur Befriedigung ſei⸗ 
nes ubiger hinreichender Theil feines beweglichen Bermögens weg- und in 
gerichtliche Verwahrung genommen wird. Gegenftand ber P. find gewöhnlich zu⸗ 
nuͤchſt bie entbehrlihen Mobilien, vor Allem baares Geld oder Pretiofen, wo 
folhe vorhanden; nur im Nothfalle wird zur Wegnahme von Handwerkszeug, 
Adergeräthen und den zum Berufe notwendigen Büchern oder Betten, nie aber ber 
netäwendigen Kleidung gefchritten. Die P. erfolgt nach vorgängigem vergeblichem 
Zahlungsgebote, außer bei rüdftändigen Abgaben u, Gebühren, nur auf des Glaͤu⸗ 
biger Antrag und defien Angabe der abzupfändenden Sachen, welche verzeichnet 
und tarirt werden. Innerhalb einer Friſt ſteht dem Schuldner deren Einlöfung 
nach dem Tarpreiſe zu, außerdem biefelben entweder dem Gläubiger nad dem 
Tarwerthe als Zahlung übergeben, oder verfteigert werden und aus dem getzone 
die Schuld mit allen Koften bezahlt, der Meberfhuß dem Schuldner zurüdgeftellt 
wird. Findet man gar Nichts vor, fo wird darüber ein Protofol aufgenommen 
und dee Schuldner muß einen Manifeftationgeid leiften, daß er Nichts bei Seite 
geihaffe Habe. Berfchloffene Behältniffe werden nöthigenfall8 mit Gewalt eröff- 
net. Die B. wird bis zur völligen Befriedigung bes Glaͤubigers wiederholt, wel: 
dem auch vom Augenblide derfelben an ein, zumal bei ausbrechendem Goncurfe 
(. d.) wichtiges, weil einen. Borzug gewährendes, Realrecht zufteht. Dem Miß⸗ 
brauche der Verzögerung ber P. durch muthwillige Appellation, oder durch vors 
ebliches Eigenthumsrecht an die berfelben zu unterwerfenden Begenftände von 
eiten Anberer, namentlich der Ehefrau u. der Kinder, ift in den meiften neueren 
Geſeßgebungen Binreichend begegnet. 

Gfaff, Chriſtoph Heinrich, Profefior ber Chemie, an ber Univerfität 
Kiel, geboren ben 2. März 1773 in Stuttgart, Sohn eined Hofs u. Domänert- 
Rathes, befuchte das Gymnafium feiner Baterftabt, fam dann auf bie Karlsaka⸗ 
bemie m. wurbe 1793 an derfelben zum Med. Dr. promovirt. PB. begab fidh nun 
nach Göttingen, um feine Kenniniſſe zu erweitern, ging 1795 ale Relfearzt Äner 

10 


18 Pfeife — Pfahl. 


räflichen Familie nach Italien, Tieß fich 1797 zu Heidenheim im württembergifchen 

Sartfreife als praftifcher Arzt nieder, wurde aber noch im felben Jahre als außer- 
ordentlicher Profeſſor dee Medizin nach Kiel berufen; 1801 wurbe er orbentlicher 
Profeſſor der Chemie, nachdem er mit bänifcher Unterflügung einige Zeit in Paris 
zugebracht Hatte; 1829 wurde er Etatsrath. — P. hat fich auerft befannt gemacht 
durch feine nach Form u. Inhalt meifterhafte Kritif der „Elemente“ Browns in 
feiner Schrift: I. Browns Syftem der Heilkunde, überfett u. mit einer Eritifchen 
Abhandlung über die Brown'ſchen Grundfähe begleitet, Kopenhagen 1796, 8., er: 
lebte drei Auflagen u. einen Nachdruck. Eben fo wichtig ift fein Auftreten gegen 
bie Ausfchweifungen bed Magnetismus in feiner Schrift: „Ueber u. gegen ben 
ibiecilipen Magnetismus u. die noch jetzt vorherrfchende Tendenz auf dem Gebiete 
besfelben,” Hamb. 1817. — Unter feinen übrigen zahlreichen Schriften find bie 
wichtigften: „Syftem der Materia medica nad) chemiſchen Principien,” 7 Bde., 
Seipie 1808—24. — „Handbuch der analytifchen Chemie," 2 Bde., Altona 1821. 
2te Aufl. 1824. E. Buchner. 

Pfaffe. Diefer den Geiſtlichen urfprünglih als Ehrentitel, jebt nur noch 
unwürdigen Gliedern bes geiſtlichen Standes beigelegte Titel wird von @inigen 
von bem Griechiſchen zaras (Vater) abgeleitet; richtiger aber ift die Ableitung 
von ben abgefürzten lateinifchen Worten: Pastor fidelis animarum fidelium (p. f. 
a. ff.) zu deutfch: „Treuer Hirte der gläubigen Seelen,” wie in älteren Zeiten fi 
bie Geiſtlichen der chriftlichen Kirche felbft nannten u. unterfohrieben. 

faffenhofen, Städtchen u. Landgerichtsfig an der Ilm, im Kreife Oberbayern 
des Königreiches Bayern, mit 1800 Einwohnern, ift geſchichtlich merkwuͤrdig durch 
das im Jahre 1705 unter dem Markgrafen Ludwig von Baden Hier abgehaltene 
Lager bed beutfchen Heeres, aus bem ber franzöflihe Marſchall Villars den ge 
nannten Zeldheren vom 6.—14. September vergebens zu werfen fuchte; fernere 
durch die im öfterreichifchen Erbfolgefriege am 15. April 1745 Hier flattgehabte 
Schlacht zwifchen den Oefterreihern unter General Batthyani u. den vereinigten 
Franzoſen u. Bayern unter Segur, worin erftere Sieger blieben und deren Folge 
der Friede von Füffen war; endli durch das am 19. April 1809 zwifchen den 
Deflerreichern u. den Franzoſen unter Oudinot Hier vorgefallene ®efecht, in wel- 
chem ber legtere Sieger war. 

Pfahl, der, ein mächtiger Quarzgang im bayrifchen Walde u. eine ber merk: 
würbigften geognoftifchen Eripeinun en. Er beginnt bei Kirchdorf, zwei Stunden 
füdih vom Markte Regen, u. erſtreckt fi von ba gegen Rorbweflen zwanzig 
Stunden weit durch das Waldgebirge. Bei Wetterfeld überfchreitet er, in bie 
Oberpfalz einbrechend, den Regenfluß u. erhebt fi) neuerdings bei Pöflng über 
Strahlfeld, Echmwarzenberg, Neukirchen, die Erzhäufer, Tarjöldern (wo er ben 
fteilen Hirfchberg bildet) bis Schwarzenfeld. Ja darüber hinaus wird er noch 
bei Altenricht, Hirfhau u. Kohlberg wahrgenommen u. fireicht geb in noch 
ungeahnter Gekrefung unter jüngern Gebirgen verbedt fort. zeigt ſich auf 
den höchften Rüden der mittlern Granitberge als ein nadter Felskamm in bizar⸗ 
ren Auszackungen. Sein größter Durchmefier beträgt nie über brei bis vierthalb 
Lachter, feine größte Erhebung über die Gebirgsrüden ift 120 Fuß. Bermutblid 
war er vor Zeiten von der Gebirgsmaſſe ganz eingefchlofien; da aber ber Granit 
duch Verwitterung zerfiel, fo erhienen ie nadten Wände bes Pfahles. Die 
Anhänger ber Hebungstheorie werben fagen, daß biefe Maffen der Innern Exrbrinde 
angehören, u. nad u. nad das Branitgebirge durchwachien haben. Nach Dr. 
Waltl's Anficht ift der Pfahl nichts anderes, als der Höchfte Rüden oder Kamm 
eines in ber Tiefe ſich erftredenden Duarzgebirges ober eigentlichen u. wahren 
Urgebirges. Der Quarz, woraus ber P. befteht, if nicht immer von gleicher 
Beſchaffenheit. Bald bricht er fo rein, daß man ihn zur Glasfabrifation verwen⸗ 
den kann, bald enthält er viel Thon, bald endlich nähert er fich dem Hornſtein. 
— Um den B. in landſchaftlicher Hinficht würbigen I fönnen, iſt Viechtach ber 

geeignetfie Bunkt, benn bier ragt fein grottester Felskamm am bebeutenbfien her⸗ 


’ 


Pfahlburger — Pfalz. 149 


vor u. lauft weithin fihtbar über Berg u. Thal, gleich der chineſiſchen Mauer. 
Stellenweiſe indeſſen ift die Felſenlirnie durch große Lüden unterbrochen u. kommt 
oft erſt auf dem nächflen Berge wieber zum Borfchein. Berfolgen wir eine Strede 
ihren Zug Anfangs glauben wir auf einer gebahnten Heerſtraße zu wandern, 
die aber in langer Zeit kein Fuß mehr betreten; denn Gras u. Geſtruͤppe wu⸗ 
chert über den Steinen. Dann erheben ſich die weißen Quarzfelſen ploͤtzlich thurm⸗ 
hoch aus bem Boden, u. wir meinen bie Ruinen gewaltiger Burgen oder ganzer 
Städte vor und zu fehen. Haben wir biefen phantaftifchen Trümmerhaufen burch- 
flettert, fo ebnet fich der Boden wieder u. faftiges Grün, wie man es im Hoch⸗ 
ebirge der Alpen zu finden gewohnt ift, bebedt ihn. Einige Schritte weiter 
Hoßen wir im Gebüfche unvermuthet auf ein paar abenteuerlich „geformte Zacken. 
Eine lebhafte Phantaſie könnte fie fuͤr die Leiber kaͤmpfender Rieſen halten, die 
waͤhrend des Ringens in Stein verwandelt worden. Eine Strecke hinter dieſer 
inzelten Gruppe folgt wieder eine zuſammenhaͤngende Reihe punrernv geRal- 
teter arzbloͤcke. Immer wechſelt die Scene, u. ebenſo die Farbe der Maſſen, 
die hier blendend weiß, dort gelb oder grau find u. an andern Stellen durch alle 
Ehattirungen ind Rothe fpielen. Aus diefen Andeutungen fann man entnehmen, 
weich” malerifche Effekte die Yelspartien bes P.s in der Landſchaft Hervorbringen. 
In höchkken Grade überrafchend find bie Bilder, welche fie an nebligen Tagen 
eder in ber Beleuchtung einer Mondnacht entfalten. Zeichnende Künftler könnten 
hier die ſchönſten Studien machen, u. für fie ift der P. nicht minder intereffant, 
als für ben Raturforfcher. mD. 

Bfaplbürger hießen im Mittelalter Solche, die in einer Stabt das Bürger- 
Recht erworben Hatten, ohne bafelbft ihren Wohnfts zu haben. Der Name wirb 
davon abgeleitet, daß fie außerhalb bes Pfahls oder Graͤnzpfahls (extra palum 
cwitatis) wohnten. — Pfahlgerichte oder Zaungerichte nannte man foldhe 
Gerichte, deren Competenz fi) nur über die Gemeinde felbft, nicht aber über bes 
ren Rarfung hinaus erſtreckte. 

Pfalz (Palatium, d. 5. Palaſt), nannte man früher bie im ganzen beutfchen 
Reihe zerfireut herumliegenden Laiferlichen Burgen oder Schlöffer, wo bie Kaifer 
abwechfelungsweije ihren Aufenthalt nahmen, um duch ihre Gegenwart die öffent: 
lihe Ordnung u. Gerechtigkeit in allen Theilen des Reiches zu an: * 
einer ſolchen P. als Aufſeher vorgeſetzten kaiſerlichen Beamten hießen P.Grafen 
u. waren zugleich Richter über einen gewiſſen hiezu gehörigen Bezirk. Jedes 
Herzogtäum im deutſchen Reiche Hatte einen ſolchen P.⸗Grafen u. über alle war 
Ber faiferliche P.⸗Graf zu Aachen gefeht. Bald wurden einige dieſer P.⸗ Grafen 
mächtig, erwarben dieſe Gebiete erblich und vergrößerten fie anſehnlich. Die be: 
fannteften unter biefen P.n waren: bie eigentlihe P., auch P. ſchlechtweg genannt, 
die B. in Bayern u. die P. in Sachſen. — Später nannte man auch bie Rath: 
käufer in ben elfäßifchen Städten P. 

Pfalz war ber frühere Name zweier deutſchen Reichsländer, die bis zum 
Jahre 1620 zufammengehörten u. wovon zur Unterfcheidung das eine Ober⸗ ober 
baverifche P., das andere Unters ober Rheins P, genannt wurde. Erſtere, die 
Ober⸗P., zwiſchen Böhmen, Bayern, Neuburg, Bayreuth u. dem Gebiete ber 
Reichsſtadt Remberg gelegm u. 130 [J Meilen mit ungefähr 300,000 Einwoh- 
nern zählend, Hatte Amb eg zur Hauptfladt u. bildet jebt die bayeriichen Kreife 
Sherfranten (f. db.) u. erpfalz (1. d.). Die Unter- oder Rhein: PB., zum 
größten Theile auf dem linken Rheinufer, zwiſchen Lothringen, Elſaß, Mainz, 

ier, Baden, Württemberg u. Kapenellenbogen, 75 [J Meilen mit 305,000 Einw. 
u Mannheim u. Heidelberg zu ben größten Städten, ift jebt zwiſchen Heffen, 
Bayern u. Baden geteilt. Die PB. ward von Dtto L 966 an Hermann, ben 3. 
Eon Herzogs Arnulf von Bayern gegeben, welcher fich zuerft P.⸗Graf am 
Rhein nannte. Nach dem Tode Hermanns II. belehnte Kaifer Friedrich I. das 
mit 1156 feinen Stiefbruber Konrad, beifen Tochter Agnes durch Heixach wit 
Heinrich, Dem Sohne Heinrichs bes Löwen, fie an das Haus Bayern bradtte. 


150  Sfalggraf— Pfanne, 


Die Tochter dieſes Fuͤrſten vermählte fih mit Otto II. von Wittelsbach, welcher 
bie P. erbte u. mit Bayern vereinigte. Das Haus Bayern theilte fi 1255 in 
ein herzogliches u. in ein pfalzgräfliches ober furfürftliches Haus. Haupt bes 
(egtern ward Ludwig II., befin Geſchlecht 1559 erloſch. Die P. fiel nun an 
Friedrich III. aus der Nebenlinie Simmern. Als deſſen Urenfel Friedrich V. die 
böhmifche Krone 1619 angenommen hatte, ward er ber Ober: PB. verluftig, welche 
Bayern nebft der Kurwuͤrde erhielt. Yür das pfalggräfliche Haus ſchuf man eine 
achte Kurwürde. Die Linie Simmern erlofch 1685 u. Unter-B. fam an den P.⸗ 
Graf von Neuburg, Philipp Wilhelm, einen Abkommling Ludwigs des Schwarzen 
von Zweibrüden. Als 1777 das alte Haus Bayern erlofch, erbte ber P.⸗Graf 
Kart Theodor auch Bayern. Die jepige Vertheilung ward im Wefentlichen ˖durch 
ben Frieden zu Lüncville (1802) feſtgeſetzt. 
falzgraf, ſ. Pfalz. 
fand heißt eine Sache, auf welche ein Glaͤubiger zur Sicherheit ſeiner 
Fordeiung ein Recht (P.-Recht) hat. If dieſe Sache beweglich u. kann fich 
ber Gläubiger in deren körperlichen Beſtitz ſetzen, ſo Heißt fie Fauſt⸗P. Ci. d.), 
ehört fie zu den Immobilien, fo Heißt fie Unter⸗P. oder Hypothef (fi. d.). 
m Außerften Falle kann fie zur 2öfchung ber Forderung verkauft werben, daher 
nur verfäuflidde Gegenftände verpfändet werben koͤnnen. Das jepige P. » Recht 
ift noch fehr unbeflimmt, und theils xömifchen, theild Cbefonders das Pfaͤnden) 
beutfchen Urſprungs. Stilifchweigendes P.-Recht Hat ber Staat am Bermögen 
ber Beamten, die Ehefrau am Dermögen des Ehemannes wegen bes Eingebrach⸗ 
ten; Unmündige u. Wahnfinnige an dem ihrer Euratoren; Kirchen, Schulen und 
Stiftungen an dem ihrer Verwalter, Die VBerpfändung von Immobilien muß ge: 
richtlich geichehen ; jedoch können biefelden Immobilien mehrmals, zur 1., 2., 3. 
u f. w. Hypothek verpfändet werden, fo daß jede folgende erft nach Löfchung ber 
vorhergehenden in Anwendung fommen kann. In ben meiften neuen Geſehgeb⸗ 
FR And bie ſtillſchweigenden P.⸗Rechte aufgehoben und muͤſſen befonders be: 
ellt werden. | 
Dfandbriefe heißen diejenigen auf den Inhaber lautenden Obligationen ober 
Schuldurfunden, die von einer, unter Genehmigung u. Beauffihtigung ber Landes; 
Regierung gebildeten und wirkenden, Geſellſchaft ausgeftellt find, welche für bie 
Zahlung des Kapitals u. der Zinfen einen Hinreidhenden Realwerth in liegenden 
Gründen verpfändet Hat. In ihrem ganzen übrigen Weſen fommen bie B. 
mit den von einer Regierung audgefertigten Staatsfchuldfcheinen gänzlich überein 
und find, wie dieſe, mit Coupons verfehen, gegen welche bei ber Hauptkaſſe des 
Vereins zu ben beftimmten Terminen bie feftgefegten Zinfen bezahlt werben; bems 
nad Haben fie, wie die übrigen Staatspapiere, einen nach ben Umftänden veräns 
berliden Curs und ihre Coupons laufen wie die der Staatsobligationen um. — 
In Preußen entflanden feit dem Ende des fiebenjährigen Krieges und fpäter 
mehre Gefellfchaften, deren erfter Zwed e8 war, das geluntene ertrauen unter 
ben Gutsbefigern wieber zu beleben, und welche unter Verpfändung einer großen 
Anzahl von Nittergütern und unter gemeinfcdhaftlicher Bürgfchaft u. Berwaltung 
Kapitalien gegen folhe PB. aufnahmen, verzeichneten und wieder zurüdzaßlten. 
Es traten jedesmal die Gutsbeſitzer einer u. berielben Provinz zufammen, u. von 
diefen KreditsBereinigungen rühren bie weftpreußifchen, oftpreußifchen, pofen’fchen, 
pommer'ſchen, kur⸗ und neumärkifchen, fchlefifchen und mittelmärfifchen P. Her. 
Dfanne, 1) ein vierediges oder rundes Gefäß, welches im Berhältniffe zu 
feiner Weite nicht fehr tief ift, Etwas darin aufzubewahren, zu Tochen, zu braten 
oder zu fieden; fo: Brat⸗P., Brau⸗P., Kohlen⸗P., Mörtel-B., Bett⸗P., Leucht⸗ 
P. — 2) Bei Schießgewehren jener fupferne oder meflingene Schloßtheil, 
bei welchem die Richtung feiner Vertiefung (des P.n⸗Troges) dem Zuͤndloche 
gegenüberliegt und welcher beftimmt ift, das zur Entzündung des Schufles noth⸗ 
wendige Pulver aufzunehmen; auch nennt man bei der Artillerie P. jene Fleinen 
eifernen ober Eupfernen Vuͤchſen, in welchen eiferne oder kupferne Achſen ſich be 


Pfarrer. 451 


en, welche aber durch Büchfen nicht bur .— 3) In der Anato: 
—* Seit nl) De ae Auer Eilemarı vs Boden 34 fa? 
befinbliche tmig audgel elenfgrul 7 
A —— a 


farrer (Parochus), ift ein dem Bifchofe fuborbinirter Geiftlicher, welche 
über bie — eines gewiſſen Bezirkes unter Oberaufſicht und mit Bevoll 
mähtigung des Biſchoſs nach gewiffen Beichränfungen die Seelforge als Amts: 
tet. ausſchließlich ausübt, — Ueber den geichichtlichen Urſprung der P. variiren 
die Meinungen; fo viel iſt gewiß, daß — ehrwuͤrdige Inftitut ſehr alt iſt z ob 
aber Clemens, ober Anaclet ober, Evariſt ihr Urheber ift, bleibt eine noch ganz 
merwiejene Behauptung. Viele, beionders franzöfiiche Theologen, ftellten bie 
g auf: das Inflitut ber -P:, welche Nachfolger ber Febeniig Jünger 
wären, fei urfprünglich eine göttliche Einrichtung. Allein für eine ſoiche unmit- 
tdbar göttliche Inftitution — bie geſchichtlichen Zeugniſſe, u. weder in der 
en Schrift, noch in ber Tradition iſt bieß begründet: Vielmehr Ichrt ung die 
ichte, daß in ben drei erften Jahrhunderten gar feine u im lichen 
Sinne des Wortes, exiflirten, Wem: auch in den Briefen heil. Ignatius, 
Enprianus und Dionyfius Spuren hievon vorkommen, fo wird body ber Name 
Barohie immer noch — — mit Diöcefe Pte In jeder Stabi 
und im dritten Jahrhunderte auch ſchon in Hleineren Städten war ber Sig eined 
Biſchofs nebft einer Kirche, in welcher fich, nicht nur bie Glaͤubigen ber Stadt, 
fonbern auch jene von ben dom angewiefenen — an beftimmten Tas 
gen verjammelten und worin der Gultus gefeiert und die Saframente ausgeſpen⸗ 
det wurden. An jeber biefer Kirchen beſtand ein Presbyterium, weldes den 
Senat des Bifhofs bildete, Nachdem indeß die Zahl der Gläubigen gewachſen 
war, und folglich auch die Parochien oder Diöcefen fich bedeutend vermehrt hat 
ten, man einigen Prieftern die — der Zufammenfünfte der Gläubigen 
in ben D ‚ deren Bevölkerung noch nicht go gemg war, um eine Di 
fans oder Episfopalfirche gründen zu fönnen. Von den Zeiten Konſtantin's an 
gab es auf dem Lande eine gewiſſe Anzahl folder Hülfsficchen, denen man aus 
legt den Namen „Parochia® gab, ganz jo, wie jenen, welche unter ber Leitung 
eines Biſchofs flanden. Erädte von großer Bevölferung waren in Bezirfe ge 
theilt, weldye man zu Alerandrien Lauren (Aavpa, Etrafe) nannte. Da diefe 
von einem P. regierten Kirchen gleihfam eine fleine Diöcefe bildeten, fo übertrug 
man unvermerft den Namen „parochus“ auf Den, der das Haupt einer ſolchen 
mar, und den Namen „Parodie“ auf den Bezirk, fowie es bei den Landkirchen 
geſchah. Wir erfehen aus verfchiedenen Goncilen, baß in Gallien dieſe Presby— 
ictial⸗Parochien ſchon im vierten Jahrhunderte vorhanden waren; doch gab man 
isren Vorftehern nur ben Namen „presbyter“; den eines parochus legte man 
ibnen fpäter bei; an einigen Orten gibt man ihnen ben Titel „plebanus“, d. 6. 
Vorftand des Volkes, Rector, und endlich aud) „curatus“ für curalor, d. h. ein 
mit der Seelſorge Beauftragter. Die erfte und Lipte Benennung find bei ung 
am gebräudlichften geworben, doch beftchen auch die Namen eines Rectord und 
Plebanus noch heute, der erftere namentlih in Großbritannien. Die P. find 
war nach ihrem Charakter als Prieſter göttlicher Inftitution, die pfarrliche Juris— 
diktion aber ift ein Ausfluß der biſchöflichen Gewalt, von welcher die pfarrliche 
Macht in ihrem ganzen Umfange abhängig u. ber fie in ihrer Ausübung unter: 
geordnet ift. — Die Amtsgewalt der P. ift in Beziehung auf den pfarrlihen Bezirk 
ne ordentliche — eigene (propria), im Gegenfüge ber delegirten u. bloß 
tifarirenden (delegala et vıcarıa), welche den aufgeftellten Pfarrvikaren zu: 
tommt. Dabei ftchen die P. immer in einem Zubordinationg » Verhältniffe zum 
Didceſan-Biſchofe, ebgleich ihre Amtsgewalt über bie ihrer geiftlihen Döforge 
anvertrauten Gemeinden ihnen für beftändig und nicht bloß auf Ruf und Wider⸗ 
uf übertragen ift, Vom Diöceſan-Biſchofe erhalten fie ihre Sendung, ftehen un— 
ter defien Oberauffiht und Leitung, und fünnen von dieſem in mannigfacher 


152 Pfau — Pfeffer. 


Hinfiht, fo fern es das Wohl der Didrefans Gläubigen erheifcht, in Ausübung 
ihrer Amtsgewalt beichränft werben. Vergleiche ben Artikel Parochie. 
Pfau (Pavo), Gattung ber. hühnerartigen Bögel, mit freien, feitwärts lie⸗ 
genden Naslöchern auf dem gewölbten Schnabel, Sporen an ben Füßen, beweg- 
lichem Federbufche auf dem Kleinen Kopfe und langen Dedfedern über bem kurzen 
Schwanze, die an ber Spitze mit Augenfleden gezeichnet find und beim Männchen 
radartig aufgerichtet werben können; bie Weibchen find büflerer gefärbt, als bie 
Männden, die zu ben prachtvollſten Vögeln gehören. Das Vaterland ber P.n 
ift das füdliche Afrika u. befonbers Oftindien, wo man fleenocdy wild antrifft. Ar⸗ 
ten: a) der gemeine P. (P. cristatus), allgemein befannt, wurde buch Aleran- 
ders bes Großen Zug nach Indien in Europa befannter u. nach u. nach überall 
einheimiſch; in Paläftina war er es ſchon zu Salomo’8 Zeiten. Bei den Grie⸗ 
hen war er ber Vogel der Here (Juno), welche die Augen des Argus in feinen 
Schweif verſetzte. In Rom galt er. feit Q. Hortenfius ſowohl als Prachtgericht, 
als auch als Lederbiffen (beſonders Bas Gehirn) bei Gaftmählern. — b) Der 
weiße ®. (P. albus), von welchem d Bermifhung mit dem gemeinen P. 
auch gefchedte Baftarde vorftommena-— c) "Der Doppelipornige P. (P. bical- 
carius 8. tibetanus) in Tibet. — d) Der grüne P. (P. picifer) u. a. Wan 
hält die P.en mehr zur Zierbe, ale zum Ruben; denn ihr % it hart und 
zäh. Ihre Eier find genießbar; ihre Federn werden zu allerlei Bupfachen, im 
Oriente befonders zu Geberbüfgen und Fliegenwedeln verwendet. Ihre wibrige 
Stimme gilt als Vorzeichen des Witterungswechiele. 

Dfeffel, Gottlieb Konrad, geboren ben 28. Juni 1736 zu Kolmar, ſtu⸗ 
birte daſelbſt, dann in Halle Jurisprudenz, mußte biefe Univerfität aber, einer 
bedeutenden Augenſchwaͤche wegen, 1754 verlafien und erblindete 1757 gänzlid), . 
warb 1768 hefiendarmftädt. Hofrath, errichtete 1773 mit Erlaubniß Ludwigs XV. 
ein afabemifches Erziehungsinftitut (Kriegefchule) für proteflantifihe Söglinge in 
Kolmar, erhielt 1782 das Bürgerrecht zu Biel in der Schweiz, warb 1783 in 
ben großen Rath jener Stadt aufgenommen u. 1788 Ehrenmitglieb der Afademie 
ber Künfte zu Berlin. Die Revolution in Frankreich bewirkte bie Aufhebung 
feiner Kriegsfchule ; er warb 1803 Praͤſident bes neu errichteten peoteftantifchen 
Confiftoriums zu Kolmar und farb bafelbft am 1. Mai 1809. P. gründete fidy 
mehr ducch feine Fabeln und Epifteln, als durch feine bramatifchen Erzeugniſſe 
einen Namen in ber beutfchen Literatur; als Mann empfahl er ſich durch Hohe 
moralifche Würde u. einen feften Charakter. Dramatifche Kinderfpiele, Straßburg 
1769. Theatralifche Beluftigungen nach franzöftfchen Muftern, Frankfurt un 
Leipzig 1765 f., 5 Thle.; poetifhe Verſuche, Tüb. 1802 f., 10 Thle., 5. Ausg. 
1817 f., 7 Bde.; proſaiſche Berfuche, ebenbafelbft 1810 f., 10 Thle, Suppl. 
1829. Auswahl ber Fabeln und Erzählungen, ebendaf. 1840. n. 

feffer, lateinifch Piper, find bie getrodneten beerenartigen Früchte bes in 
Oſtindien u, befonders in den nieberländifchen Beſttzungen auf Java u. Sumatra, 
aber auch auf anderen oftindifchen Inſeln, fo wie auf ber Oftfüfte von Malakka 
und auf der Weftfüfte der oftinbifchen Halbinfel wilb wachfenden u. Haufig ans 
gebauten gemeinen SPfefferfirauches, Piper nigrum L., eines Schlinggewächles, 
das gewöhnlih an Bäumen angepflanzt wird, an benen es empormwädhst, ins 
bem es ſich durch Stadheln baran feſthackt. Die Beeren find anfänglich grün, 
werden aber zur Zeit ber Reife roth, und, wenn fie überreif find, gelb. Die 
Pflanzen tragen immer reife u. unreife Fruͤchte zugleich, welche bei der Ernte, 
bie jedoch gewöhnlich vor dem völigen Reifwerden ftattfindet, inbem ber Geſchmack 
dann fchärfer ift, fortirt werden. Sie werben hierauf auf Matten an ber Sonne 
Da wodurd fie runzelig werden, indem bie Schale einfchrumpft, u. geben 
o ben ſchwarzen ober braunen P., Piper nigrum, der einen eigenthümlichen Ge⸗ 
ruch, brennenden, fcharf gewürzten Geſchmack hat und unter der bünnen Schale 
aus einem feften, grauen u. gelblichweißen, in ber Mitte häufig hohlen Kerne bes 
febt. Dex weiße —* Piper album, iſt die Frucht der naͤmlichen Pflanze, allein, 


Pieferfreſſet  Meffers. 2008 


item, fäßt man die Beeren völlig reif. oder überreif werben, legt fie 
ben ober in & „ woburch ſich bie —— — erweicht, 
m der Somne u. veibt bie Schale mit ben Die Körner 
glatt u. ohne — von heller, gelblichweißer Pre . Geruch u; 
ſchmad weniger iR als beim ſchwarzen In England wird jedoch auch 
weißer P. aus gewöhnlichen ſchwarzen bereitet, indem man biefen in Sees 
fer ’einmeicht, ehe Tage der Sonnenhige ausfept, dann trodnet u. Die Schalen 
— — Langer P. ſind die in einem gemeinſchaftlichen Blüthenſtiel befinds 
ei woeiblichen, halbreifen, getrockneten, einem Birfenfägchen ähnlichen Beeren, 
Pflanze, Piper longum Lin., welche ebenfalls in Oftindien einheis 
Ser ganze Btiipenfiet ift 1 biß 2 Zoll lang, u. wenn man benfelben 
der je nach zerfchneidet, fo bemerft man bie Samen a Heine weiße Körner, 


Sg358 
Hr 


*— 


az 


weldhe in 2. — — Sul llegen. Der Geſchmad — 
ihärfer, als beim ſchwarzen P,, der Geru rahaft, pfefferartig. — Spani- 
ider; 6 oder le der los tfot, heißen bie Früchte der in 
Oft> u. Weftindien 'einh le eißbeere —— annuum 
Lin.). ——— re von 4 u. eine pyri — 
—— Ihre Farbe iſt Anfangs grün, gi u ‚bei ber Reife roth oder Er die 


are der Samen in ift A —— Im Innern en 

3 Sceil Animes: tte, platte, nierenförntige, gelbe 

Der — rn —J etwas ubend; getrodnet u. etwas zu 

ai En = a al Riefen. Der Gefgmad it fe Seemen u been 
a Man —— ben ſpaniſch — 

in Ungarn, füblichen Beanfeeih. und on 


— jerfras, ande eigene Re Di 
dr 
Scpnäel, welche oft faft % ehe des Körpers erreichen, aus E tem tnochen⸗ 


artigem Zellgewebe — mit Luft angefülft find, gegen das Ente fih biegen 
Zähne haben. Sie leben nur in heißen Gegenden Süd-Ameri 
a's gefellihaftlic, Treffen Krüchte, Infeften und während ber Brütezeit auch Eier 
und junge Vögel. Die Arten find prächtig gefiedert. Hierzu der Toco (Rh. toco), 
ſchwarz, Bruſtring, Augenkreiſe, After roth, Hals u. Buͤrzel weiß; Prediger 
(Rh. pica), grün, röthlich, ſchwarz, Bruſt gelb, Bauch, Spitze des Schwanzes 
roth; wird leicht gezähmt. 
fefferkuchen, Honigfuchen, Lebkuchen, ein befanntes Gebäd, zu dem, 
außer Pfeffer (auch wohl ohne Pfeffer), mehr oder weniger anderes u. feineres 
Gewürz u. für die gemeinen Sorten (braune P.) Honig, ober auch für ganı 
zeröbnliche Gebaͤcke gemeiner Syrup, für die feineren (weise P.) Zuder fommt. 
Mir diefer Zuthat wird für gröbere Sorten Roggen- für bie feineren Waizen⸗ 
Mehl durchgefnetet, und im verfchiedenen Fornien, meift als platte, viereckige 
Ruden mit oder ohne eingemengte Mandeln, Citronat u. f. w., gebaden. Die 
beten P. liefern: Nürnberg, Bafel, Braunfhweig, Breslau, "Am, Offenbach, 
Etlangen ıc. 

Pfefferkũſte, ſ. Malabar. 

Pfefferminze, Herba menthae piperitac, fi find Die geftielten, eilanzettförmigen, 
inigen, „ gelägten, etwas haarigen, herzartig punftirten Blätter der aus England 
Rammenden, jept aber auch bei ung überall angepflangten Mentha piperita L#Der 
Gehmad derſelben ift ſtark, feurig, kampferartig, gewürzhaft, ein Gefühl von 
le auf der Zunge zurüdlafiend ; der Geruch angenchm aromatifh. Eic 
wirfen flüchtig erregend, frampfftiltend, gelind ſchweißtreibend. In den Apothefen 
und Konditoreien bereitet man daraus die fogenannten P.-Kuͤchelchen. — 
das aus der P. dur Deftillation gewonnene ätherifche Del wird zur Li— 
ee Konditorei und in der Mebizin ftarf verbraucht. 


Pfeffers, |. Pfäffers, 


— 
Ihe 





154 Pfeife — Pfeiffer. 


wieife ift 1) ein, einer Flöte nicht unähnliches Inſtrument, welches früher 
beim Wilitär üblid war. Es führte nämlich feit Einführung ber Soldheere im 
16. Jahrhunderte eine jede Compagnie Fußvolk, nebft einem ober zwei Tambouren, 
einen Pfeifer oder zwei Spiel, und biefe P. erhielt fih bis zu Anfang bes 19. 
Jahrhunderts, wo fie beinahe in allen Armeen abgeſchafft wurde, Heut zu Tage 
bedient man fih ber PB. noch auf der See, um mit berielben verfchiedene Befehle 
zu geben, auch führen bie Jäger u. Schügen einiger Armeeh Heine PB.n, um mit 
denfziben gewiffe Signale zu geben, welche deßhalb auch Signal⸗P.n genannt 
werden. — 2) P. P Sabata- . 

Kl ‚das, auh Hartfhlädtigfeit (d. h. Herzſchlächtigkeit, vom 

niederfächfiichen Hart f. v. a. Herz), it eine Krankheit der Pferde, wo nach ber 

eringften Anftrengung ber Athem kurz wird unb babei ißnen die Ylanfen heftig 
—* en. Sie entſteht meiſt durch Erkaͤltung, von ſchlechtem Futter, veralteter 
5— u. uͤberhaupt von Allem, was die Lunge afficirt. Im hoͤhern Grade und 
dauernd wird fie zum Dampf ober auch zur Lungenſucht. 

Dfeifer Heißt die Made eines Heinen Nüffelfäfere, Curculio napi. Dieſer 
Käfer erſcheint im Juli und legt in jede Blüthe ein Ei, die ausgekrochene Mabe 
nährt fi von den Körnern und frißt fich zuleht aus der Schote heraus, wodurch 
bas Kübfenichötchen das Anfehen einer Pfeife befommt. Der Schaden, ben bie 
P. anrichten, ift bisweilen beträchtlich; durch zeitige Ausfaat kann man bemfelben 
vorbeugen; ift aber die Made ſchon im Ruͤbſen, jo muß man biefen, wenn er 
auch noch nicht reif ſeyn follte, in Schwaben liegen laſſen. 

Dfeifergericht hieß früher eine feierliche Gerichte gung bes Schoͤffenrathes 
zu Stanffurt a. M. in bee Herbftmeffe, die am legten Gerichtstage vor Warik 
Geburt Statt hatte, wobei die Abgeorbneten der Städte Nürnberg, Worms und 
Bamberg unter ber Begleitung von Kunſtpfeifern erfchienen, einen hölzernen Becher, 
ein Pfund Pfeffer, einen weißen Biberhut, ein Paar weiße H ik ein weißes 





Stäbchen und einen Räberalbus überreichten und bie Beftätigung ihrer Meßpri- 
vilegien, namentlich Zollfreiheit, erhielten. Diefe Feierlichkeit hörte mit dem Erloͤſchen 
bes deutfchen Reiches auf. i 
t, Burkhard Wilhelm, geboren zu Kaflel 1777, Hofs und Re 
gierunge : Ardhivar dafelbft, dann Subſtitut des Seneralprocurators beim Appellas 
tionsgerichtöhof, 1814 NRegierungerath, 1817: Oberappellationsgerichtsrath, 1820 
deßgleichen zu Luͤbeck und feit 1824 wieder auf feinen vorigen Poſten zuräds 
berufen, 1830 Angeorbneier auf dem Landtag, war Borftand des Ausſchuſſes, 
ber 1832 den Miniſter Haflenpflug anflagte und ber auch feine Wahl für 
die folgenden Landtage hinderte. Perſoͤnlich hat P. feitbem nicht wieder an ben 
ftändifchen Arbeiten Theil genommen. Schriften von ihm: Bermifchte Aufſaͤtze 
über Gegenftände dee römifchen und beutfhen Rechts, Marburg 1802; 
Ueber die Graͤnzen ber Civilpatrimonialjurisbiction, Marburg 1806 5 Napoleons 
Geſetzbuch nad) feinen Abweichungen vom gemeinen Rechte Deutichlands, Goͤtt. 
1808, 2 Bbe.; Ideen zu einer neuen Gefeßgebung für beutfche Staaten, Bött. 
18105 Rechtefälle, entichieden nach dem Geſetzbuche Napoleons von Frankreichs 
und Weftphalens oberften Gerichtehöfen, Hann. 1810—13, 2 Bde.; In wie fern 
find Regierungsdandlungen eines Zwijchenherrfchers für ben rechtmäßigen Regenten 
nad deifen Rüdfehr verbindlich ? ebd. 1819 5 Reue Sammlungen bemerfenswerther 
Entfcheidungen des Oberappellationsgerichte zu Kaffel, ebd. 1810— 21, 5 Bde. ; Praft. 
Ausführungen aus allen Theilen ber Rechtswiſſenſchaft, Hannover von 1825—38, 
5 Bde; Die Grundzüge der rechtlichen Entfcheidung bes ſachſen⸗gothaiſchen Sucs 
ceſſionsfalles, Kaſſel 1826; Ueber die Ordnung der Kegierungsnachfolge in ben 
beutfchen Staaten überhaupt und im fächfifhen Geſammthauſe überhaupt, ebb. 
1826, 2 Bde; Einige Worte über ben Entwurf einer Berfaffungsurfunde für 
Kuchefien, ebd. 1830; Darftellung der Lage der landfändifchen @elchäftsverhälts 
niſſe bei Auföfung ber Ständeverfammlung vom 26. Juli 1832, ebd. 18325 Ge⸗ 
fdicte ber Ianbfländifchen Berfaffung in Kurheſſen, ebd. 1834, | 
we 


Peite- Pferd, 155 


Pfeile gehören zu ben älteften Gefchoßen und wir finden biefelben bei den 
älteften Völkern. Sie wurden von dem Bogen (ſ. d.) gefchleudert und waren, wie 
wir foldhe bei ben Alteften Bölfern finden, von leichtem Holze, an bem einen Ende ge- 
fiedert, an dem andern mit einem ſpitzigen Eifen beſchlagen, welches auch Wider⸗ 
baden Hatte. Sie wurden in einem Köcher getragen, welcher an einem Gehänge 
über Die Schulter hing. 7” ' 

iter heißen in der Baufunft frei oder an einer Wand ftehende, meiftens 
vierefige Stügen aus Mauerwerk ober ne Steinblöden. Sie dienen, frei 
Rebend, zur — ———— Bogen und Gewoͤlben, beſonders auch bei Geund⸗ 
bauten umd über der Erde, bei bededten Gängen anftatt der Eäulen u. erhalten 
dann einen Fuß mit einem Sodel und einem Ablaufe und ein Kapitäl. Das Vers 
daltnis ber Breite zur Höhe richtet ſich nad) dem zu erfüllenden Zwede u. nach 
der Bauart bes Gebäudes. Meberhaupt ee bie P. nicht ben Regeln, wie 
die Säulen; auch if ihre Entfernung von einander, d. h. von Mitte zu Mitte 
Pfeilerweite), den obwaltenden Umftänden ber Solidität mehr, als einer äflhetifchen 
—— Werben indeſſen freiſtehende P. zum Tragen von Ballen 
bebedter ge in öffentlichen Gebäuden u, f. w. angewendet, wo fie bie Stelle 
der Eütilen vertreten, ſo muß ſich ihre Anordnung auch nach ben firengeren Ges 
fegen derfelben richten. Die P. haben ein ſchwereres Anfehen, als die Säulen. 
Die P., welche an Mauern ftehen, finb’entweder Pilafter, wo fie dann, wie 
die Säulen, behandelt werben und mehr oder weniger vor ber Mauer hervor⸗ 
fiehen, oder es find Stügpfeiler u, fie dienen zur Verſtärlung von Mauern, 
die einen Gegendruck auszuhalten Haben. Sie werden dann von Maueriverf von 
unten nad ſchraͤg zulaufend aufgeführt und durch ſtarle Bindefteine ber 
Srüi verbunden. Haben die P einen Druck aufzufangen, wie bei ben alts 

und anderen Gewölben, fo heißen fie Strebe-P. 

Pfennig oder Bfenning war urfprünglich der allgemeine Name jeder Münze 
in Deuiſchland, ber fih von Hohlmüngen ober Bractenten (f. d.) her 
ſchreiben fol, weil diefe die Geftalt eines Pfännchens Hatten. Man hatte gol: 
dene und filberne P.e, Dickpfennige, dünne, breite, hohle ꝛc. Später bezeichnete 
man Damit eine filberne Sceidemünge, von der 160 Ctüde eine Mark feines 
Silber enthielten und die mithin 2 gute Groſchen oder 9 Kreuzer werth war. Sie 
wurden aber immer feiner und geringhaltiger geprägt und 1255 gingen bereits 
660, 1344 960 und 1400 12—1400 Zuide auf eine feine Marl, Man fepte 
immer mehr Kupfer zu und prägte fie endlih ganz aus Kupfer, woraus der 
Unterfchicd zwijchen weißen und ſchwarzen Pin entftand. Sept ift der P. in 
zary Deutſchland Die Eleinfte Fupferne Scheidemünze, welche aber nicht völlig 
gleiben Werth hat, indem in Preußen und mehren anderen Ländern Nord- 
keutſchlands 12 Stüde, in Sachſen ic. 10 Stüde 1 Groſchen, in den nach Gulden 
tetnenden Ländern 4 Etüde einen Kreuzer, in Hamburg 12 einen Schilling 
ausmachen. 

Pferd Cequus caballus), Gattung aus ber Familie ber einkufigen Saͤuge— 
tbiere, wozu, außer denfelben, noch der Efel, Halbejel, das Zebra und Quagga, 
jewie Die Baftarde vom Re u. Eſel (Maulthier u. Mautefel) gehören, hat ftatt 
ter Zchen einen ungefpaltenen Huf; oben u. unten find 6 Vorberzähne (bei jungen 
Thieren mit_einer Vertiefung in ber Krone) und 24 Badzähne mit vierediger 
Krone und Echmelplätthen vorhanden; bei dem Hengfte find noch (bei der Stute 

tet felten) oben u. unten 12 Hafenzähne, zwiſchen dieſen und den Badzähnen 
it eine Luͤcke. Das Gehirn ift ſehr Fein, das Guter doppelt, bie Gallenblaſe 
ichlt. Der Magenihlund kat die Geftalt eines S, weßhalb das P. ſich aud 
nit erbrechen Fann; feine Nahrung befteht aus allerlei Vegetabilin. — Das 
P. ift eines ber edelſten und nüglichften Thiere, welches fon in den frührften 
Jiten von ben Menſchen gezähmt und in cin Hausthier umgeſchaffen wurde. 
Es tett nun beinahe auf dem ganzen Erdbeden, ſowohl unter der Linie, als unter 
tn Wendekreiſen; doch eigen Plima, Beben u, Nahrung den fihtbarten tus, 


156 Pferd. 


und nach biefem teilt man bie P.e in gewiſſe eat Das Innere von 
Afrika wird für das urfprüngliche Vaterland bes P.s gehalten, von wo es nach 
Aegypten fam und bann nach Arabien u. PBerfien. Unter ben afrifanifchen 
Racen gelten die Berberroffe u. bie Hohen DongolasB.e für die beflen; 
boch dieſen werben die aflatifchen Dorgenogen vor allen die arabiſche Zudt, 
dann bie perfifchen u. türfifchen. Bon ben arabiſchen flammen bie jeßigen 
fo Eoftbaren en gliſchen P.e, vor allen bie Renner, weldhe aus reinem aflatifchem 
Blute durch bie Zucht fo fehr verebelt worben find, daß fle theilweife ihre mor⸗ 
genlänbdifchen Vorfahren übertreffen; dann bie verſchiedenen Kreuzungen von Boll: 
blut u. Halbblut, aus denen unter anderen ba8 Jagb> P. von Lelceſterſhire ab: 
ftammt, zuletzt das gewöhnliche Zug: P., das urfprünglich aus einer Kreuzung 
mit Vollblut kommen mag und wieber zur Erzielung neuer Bereblung bient. In 
Frankreich, welches durch feine B.e- Zucht eben nicht berühmt ift und bes Aus⸗ 
landes nicht entbehren fann, find die normännifchen P.e die edelſten, in 
Spanien die den englifchen vorgezogenen andaluſiſchen, welche zur Zeit ber 
maurifchen Herrfchaft durch afrifanifche verebelt wurben. Nach den engliichen 
P.en werden die neapolitanifchen befonbers gefhägt. Hinter biefen folgen 
die P.e der Ukraine, jene von Ungarn, ber Moldau, Polen u. Rußland. In 
Deutfchland wird in ben neueren en fo viel für bie Vereblung der P.e ge 
tban, daß bie Folgen davon bald fichibar werden fünnen. Im Rorben von 
Deutfchland gelten die Holfteinifchen, nad bdiefen die medienburgifchen 
u. friefifhen Roffe am meiften u. werden als Reit: u. Wagen: PB.e geſchaͤtzt; 
im Süben find feine fchöneren Racen zu finden, als bie württembergifchen, 
welchen jedoch in Dauerhaftigfeit bie erft feit Kurzem ſich verebeinde Zucht auf 
bee badiſchen Hardt fih an bie Seite flellen laſſen. Man theilt die P.e in 
Hinfiht auf ihren Gebrauch in ſchwere und leichte Fahr⸗ u. Reit⸗P.e. Ganz 
wilde P.e fol es noch herdenweiſe in den Steppen Mittelafiens geben; vielleicht 
gehören aber auch Diefe nur zu ben verwilberten. Sie find klein, langhaarig, mit 
idem Kopfe u. fahlbrauner Yarbe, überaus ſcheu und bösartig, ziehen unter An⸗ 
führung eines Hengftes in ben Steppen umher, fielen Schildwachen aus u. vers 
theibigen fich, wenn fie angegriffen werben, mit den Hufen ber Hinterfüße, indem 
fie die Köpfe zufammenfteden. Durch Zucht verebelt, variirt das P. Hinfichtlich 
ber Farbe außerordentlich (einfarbige u. mifchfarbige in zahlreichen Nuͤancen) und 
befommt hiernach, wie nach gewifien befonderen Abzeichen, die mannigfachfien Ra- 
men u. Bezeichnungen. Yür bie einzelnen Theile feines Körpers und deren Ab⸗ 
normitäten ober eigenthümliche Geftaltung gibt es gleichfalls befondere Bezeich⸗ 
nungen. Die —** natürliche Lebensdauer des P.s kann man auf 40 Jahre 
beſtimmen; ſeine Brauchbarkeit hoͤrt gemeiniglich nach dem zwanzigſten, ſelten erſt 
nach dem fuͤnfundzwanzigſten Jahre auf. Zu den vortheilhaften Eigenſchaften 
eines P.s in Beziehung auf feine Beurtheilung gehört, daß es gehörig geſtellte 
u. gut gebildete Gliedmaßen, einen kleinen trodenen Kopf, eine breite hohe Stirn, 
furze fpige und nahe an einander ſtehende Ohren, helle, fchwarze, im Kopfe fidy 
ſchnell herumwendende Augen, große, reine u. ſchnaubende Nafenlächer, ein trodenes 
Kinn u. dünne Lippen habe; der Hals fol mittelmäßig lang, babei hoch aufges 
richtet, dünn u. ſchmal, Bruft und Kreuz breit u. rund, der Rüden gerabe, 
Bauch mittelmäßig flark fern. Endlich ßetor noch dazu, daß die Haare kurz, 
bas Thier munter u. hurtig im Freſſen ſei, ſich gut ſatteln, anſchirren u. auf ben 
Rüden fchlagen laffe. Das Alter bes P.s laͤßt fich nach ben Zähnen beffelben 
bie zum vollendeten 9 Aal genau, fpäter nur ungenau beftimmen, vorausgefeht, 
daß Feine abfichtliche Täufchung obwaltet, an benen ber P.⸗Handel fehr reich iR. 
Kein Hausthier ift fo vielen Krankheiten unterworfen, wie das P. (Rob, Drufe, 
Wurm, LKolit, Koller, Maufe, Dampf, Hartihlächtigkeit, Lähmung, Gallen, 
Hornflüfte, Hornfpalten, Verſchlag, Strengel, Erblindung, Spath ꝛc. ic.). Gute 
Abwartung, reinlidde Stallung, regelmäßige, angemeffene u. hinreichende Büiterung, 
gute Streu, fleißiges Bupen bei mäßiger Arbeit verhindern viele Krankheiten und 


— u 


Pferdekraft — Pferdezucht, 457 
verlängern das Leben und bie Brauchbarfeit des P.s bebeutend. Außer ber bes 
fannten der lebenden Pe zum Ziehen u. Reiten müpen fie auch nad) 
ißrem Tode. Das Fleiſch wird von mehren Völkern, namentlich von bem fübs 
lichen Polen, den » Tataren und den pen an ber Guineafüfte ge⸗ 
fen, und neuerlich Hat man 1 auch in Deutſchland und anderen cultivieten 
Finden viele Mühe gegeben, den Genuß beffelben einzuführen, aber bis jeht noch 

Erfolg. ähnelt dem Rinbfleifhe, fehmedt aber etwas füßlicher, 

wird von Tataren u, Kalmuͤcken friſch als gewöhnliches Getränf ge- 

durch er geiftiges Getränf, Kuhmiß, Kosmos o) 
Araki, daraus bereitet. et wird Einſchmieren des Leders ger 
braucht. Der Sehnen bedienen fi Sattler - Orgelbauer unter dem Namen 
Roßadern zu feſten Binden. Die re aus ber Mähne und dem Schweife 
werben als Kehrwiſche, Haarbüͤſche, zum Auspolftern von Matragen, zu 

böben ze; verwendet. Die Haut liefert Leder u. der Huf wird zu Kämmen u, 

verarbeitet. — Im der Mythologie wird als Schöpfer bes P.6 von 
den iechen Pofeibon genannt. Als einft Pofeidon und Pallas um ben Befig 
—* Attifa —— a R sur — Me — Mr das — 

anheimfallen follte, welcher jelben das ni je Produkt gefchenft ha 
würde. — fie mit dem Dreizack in die Erde und ſogleich das 
Rob; P ſchuf ben Delbaum, ber fegensreicher erfannt wurde. Die gabel 
will wohl fagen, dur Phönigier jebrauch des Roffes zuerft im Mttifa 
befannt wurde, Die Erfindung, bas P. zum Reiten u. ſ. f. zu Dee 
Amazonen, Rentauren, bem Kaftor, Bellerophon, auch dem Poſe 
jeben., Den Zaum ſoll Athene dem Bellerophon im Traume guest en, 
dami den Megafos zu bändigen. Ms Rofie höherer, felbft göttlichyer Natur 
u. Abfımft find bekannt: rege, bie Roßf des Boreao, die Roffe bes 
TE enehraf iR ein Das pr Shfung v Danpfaafginen. ud Watt 

in ur von ent. a 

nimmt: man an, daß eine P. ein Gaviht von 3 Fr N fönifch oder 
33,000 P. Avoir-du:-pois in einer Minute 1 Fuß hoch hebe. 

Pferdezucht. Diefelbe wird in wilden, halbwilden oder cultivirten Geftüten 
betrieben, oder es wird auch berfelben auf dem Lande durch Anlegung von Rand- 
geftü:en nachgeholfen. Letztere find in cultivirten Ländern, wo die Weide für 
größere Geftüte fehlt (auf jede Stute muß man 350 Ruthen gute Weide und auf 
jedes Fohlen die Hälfte rechnen), die befferen. Bei der Paarung ift vornehmlich 
auf Geſundheit und Fehlerlofigfeit, fowohl des Hengftes, als der Etute zu fehen. 
Beide Dürfen nicht unter dem fünften Jahre zur Fortpflanzung gebraucht werden. 
Gut ift es, wenn man au Zucthengften (Befbälern), fremde, mit Umfic;t ausge 
mählte Racenpferde, auch wohl ähnliche fremde Zuchtftuten (Mutterpferde) hat. 
Tie befte Beſchaͤlzeit find die Frühlingsmonate März bis Ende Mai. Das Mut- 
terpferd gebt 11 Monate trächtig. In der Regel faugt ein Füllen 4—6 Mo- 
nate an der Mutter, wobei forgfältig darauf zu ſehen ift, daß fich biefe, wenn fie 
von der Arbeit fommt, vorher abgekühlt hat, ehe das Füllen faugen darf, auch muß 
hie chißte Milch vorher ausgemolfen werben. Aufdie Fütterung der Füllen im erften 
Jabre muß die größte Sorgfalt verwendet werden, damit fie nicht verfümmern. 
Im Winter müfjen fie 4 Pfund Hafer mit Hädfel vermifcht und 8 Pfund gutes 
Wieſenheu, aber feinen Luzernerklee erhalten. Im zweiten Jahre werden fie auf 
ine nahrhafte Weide gebracht und den zweiten Winter ebenfo, wie in dem vor- 
dergehen den, gefüttert. Zu vieles Körnerfutter darf ihnen nicht gereicht werden ; 
gutes Wieſenheu und täglich einmal Hafer ift das befte Kutter. Mit biefer Wars 
tung wird bis zum britten ober vierten Jahre fortgefahren , wo fie allmälig zur 
Arbeit gemöhnt werden u. fo ftufenweife auch Fräftigeres Butter befommen muͤſſen. 
Für die Füllen braucht man gewöhnlich drei befonbere Ställe, einen für die halb- 
ind einjährigen, einen andern für bie zweijährigen, einen britten für bie breijä 

tigen. Das Entmannen (Waladen) der Hengftfüllen gejchteht am ywedmähig: 


Kamm! 


2 


33 





158 | Pfingſten. 


ſten im zweiten Jahre; früher würbe der Entwickelung ihrer Staͤrke Eintrag ge: 
ichehen. Bald nachher unternimmt man audy das Englifiren (ſ. b.), wenn dieſes ge- 
ſchehen fol. Zu dem Gedeihen ber P.e trägt ihre gute Abwartung, fowie gute 
Etreu von reinem Etrod, das tägliche und volftändige Putzen, Reinigen u. Stri⸗ 
geln, woran fie zeitig gewöhnt werden müflen, Bürften, Wafchen und Schwem- 
men ungemein Vieles bei. Zur Arbeit müflen ſie flufenweife gewöhnt, alle Härte 
babei vermieden und feine muthwilligen Nedereien von Knechten geduldet werden, 
damit fie ſich feinen ftörrifchen, falkayen und boshaften Charakter angewöhnen. 
Uebrigens muß allen Unarten, Koppen, Krippenbeigen, Beißen, Schlagen u. bgl. 
zeitig vorgebeugt werben. Eine beſondere Rüdficht bei den P. en verdient auch der 
ufbeihlag (ſ. Huf). Sehr wichtig ift auch der Aufenthalt ber P. fir ihre 
ejunbheit. Am beften befinden fie fi, wenn fleim freien herumlaufen u. grünes 
Futter genießen können. Da diefes aber wegen Mangel an Weideland, dann, da 
die P.e gewöhnlich zur Arbeit verwendet werden u. ihnen bei biefer, wenn fle nur 
irgend etwas ſchwer ift, grünes Futter nicht genügt, gewöhnlich unthunlich if, fo 
werben fie häufiger in Ställen verwahrt. Nur bei Stuttereien und in Gegenden, 
wo e8 vieles Weideland gibt, ift e8 gewöhnlich, bie B.e auf die Weide zu fchiden. 
Sehr gefund iſt es, wenn das P. jedes Jahr einige Wochen ober mindeftens 
einige Tage auf bie Weide gehen kann. Läßt man aber weiden, fo treibt man 
erft nach gefallenem Nebel oder Reif aus, und ehe er Abends wieder erfcdheint, 
wieder ein, fucht auch Mittags den Schatten. Trodene Wiefen und Hauptfädh- 
lich Berggegenden find die befte Weide. — Vgl. Raturgefchichte des Pferbes und 
feinee NRacen, Weimar 1810-1816; Ammon, Handbuch ber gefammten Geftäte- 
kunde u. Pferdezucht, Königsberg 1833; Hering, das Pferd, feine Zucht, Be 
handlung u. f.w., Stuttg. 1837; Resfa, Die Pferbewiffenfhaft in ihrem ganzen 
Umfange, Prag 18385 Baumeifter, Kurzgefaßte Anleitung zur Hauspferbezucht, 
Um 1843; Schönberg, Anleitung zur Pferdezucht, Dresden 1833 ; Dieteriche, 
anbbuch der praftifchen Pferbefenntniß, Berl. 1835; Stewart, Rath für Pferbe- 
fäufer, Hannover 1837, und Ammon, Ueber Berbefferung und Vereblung ber 
Landespferbezucht, Aürnb. 1831. 
fingften (lat. Pentecoste), fommt feiner Wortbildung nach her von bem 
riechiſchen revenxoory scil. Mipa d. i. der fünfjigfte Tag nach dem Paſcha⸗ 
| e. Bei ber deutſchen Nachbildung wurde das griechiſche evre durch das 
beutfche fünf gegeben. Gothiſch Heißt 50 ſimlti u. fimfinstiguns, ber fünfs 
zigfte fimftigjus; althochdeutſch 50 fünfzuc, der fünfzigfte fünfzugosto. P. Heißt 
althochdeutfch fimfchusti (Kero überfegt auch pentecoste durch fona fimfchustim) ; 
mittelhochdeutfch findet mar pfingeste, pfingesten, pfingestac. — Das Pfingftfefl, 
eines der Alteften Feſte in ber chriftlichen Kirche, ift zum Andenken an bie Aus 
gießung bes Heiligen Geiſtes über die Apoſtel angeordnet. Zugleih wirb auch 
mit diefem Feſte bie Gründung der Religion u. Kirche Jeſu Grit begangen. 
Rah mofaifher Vorſchrift mußten alle Sfraeliten am fünfziaften Tage nad 
Dftern zu Jeruſalem erfcheinen, wo die Bfingftfeier theils zum Andenken bes von 
Bott auf dem Berge Sinai erhaltenen Geſetzes, theild zur Entrichtung des Dans 
fe wegen der eingelammelten Ernte begangen wurde. Ebenſo begaben ſich nad 
ber Himmelfahrt Ehrifti die Apoftel nach Ierufalem, um dort Die verfprocdhene 
Ausgießung bed Heiligen Geiftes, des Tröſters, — der dritten Perſon in ber 
Gottheit, — u. zwar in dem Haufe oder im Saale der Maria, Mutter des Jo⸗ 
hannes Markus, unter befländigem ®ebete zu erwarten. Dieſes Haus ober bie 
fer Saal ift das Symbol ber allgemeinen Kirche, in welcher der Heilige Bat 
Allen denen mittheilt, welche mit aufrichtigem Herzen nach Grfenntniß. der ⸗ 
heit u. Heiligkeit ſtreben. Am Pfingſtfeſte um bie dritte Stunde, u. nach kirchli⸗ 
her Meberlieferung an einem Sonntage, warb ein plöglicdhes Getöfe an dem Bears 
fammlungsorte ber Apoftel vernommen, wodurch die Ankunft des heiligen Geiſtes 
angezeigt wurde. Diefer erfchien in der Geftalt bes Feuers u. teuriger Zungen, 
Diefes Feuer war ein Symbol der göttlichen Erleuchtung, wie ber Liebe, wie 


Pinzing—Pfifter. 159 


bie Apoftel erfüllte, Nebftbem wird dadurch die Gabe ber Sprachen vorgeftellt, 
vermöge welder bie Apoftel allen Völkern der Erbe das Evangelium verfündigen 
fonnten. — die Sendung bes Aeligen Geiftes empfingen die Apoftel alle 
Gnaden s u. Wunder» Gaben, welche fie zur Berfündigung des Evangeliums und 
zur Ausbreitung des Reiches Gottes auf Erden bedurften, Die Feier des Pfingft- 
war fon zu den Zeiten ber Apoftel im Gebrauche: bieß läßt fi aus der 
igfeit des Greigniffes ſelbſt abnehmen; außerdem aber zeugen auch noch bie 
wäter Epiphanius u. — für den apoſtoliſchen —— dleſes Fe⸗ 
fies, welches am fünfzigſten Tage nach ber Auferſtehung Jeſu Chtiſti gefeiert 
murde. Zwiſchen Oftern u. P. wurde, zur Bezeu, hun der großen Freude über 
bes Herrn, bes fo wichtigen Gcheimniffes unjerer heiligen Relis 
gion, fein Faſten beobachtet u, alle Gebete in der Kirche werben fichend verrichtet, 
mas auch Heut zu Tage noch ber Fall ift. Im vierten Jahrhunderte wurden 
wäßrenb biefer Zeit für bie würbige Feler der Auferſtehung Jeſu Chriſti, wie zur 
Bekräfti dieſes höchft wichtigen Ereigniffes, an ben Verfammlungen ber She 
digen Die @efeichten der Apoftel —— u. erffärt; denn bie in der Apoſtel⸗ 
gehhichte enthaltenen Wunder wurden als die Fräftigften Beweiſe ber Auferftehung 
angefehen. Das Pfingſtfeſt hat eine Vigil, Pfingft- Vigil genannt, 
Die Vriefter u. Leviten erfcheinen hiebel in den Atarkleidungen von violetter Farbe, 
Nachdem fich diefe Altare begeben haben, erfterer eine Verbeugung gemacht 
u. foldhen in ber fe gefüßt hat, werben ſechs Prophetien, wie am ſams⸗ 
von den Geiſtlichen im Chore, in jenen Kirchen aber, wo nur ein Prieſter 
—— von dieſem allein abgeleſen. Die Lichter werden erſt beim Anfange 
der heiligen Meſſe angezündet. ſen den einzelnen Prophetien werben Trat⸗ 
tus und Golleften entweber vom Chore gefungen, ober vom Prieſter leiſe gebetet. 
a ee ‚ober abgelefener fechöter Prophetie wird die Weihe des Tauf- 
', wie am Eharfamftage (f. Char woch e) vorgenommen, weil in ben erften 
Zeiten bie feierliche Taufe felbft an biefem — u. am Charfamfte an die Neulinge 
ausnefpendet wurde; gegenwärtig ift bieß außer Mebung gefommen, jeboch wird 
nemöhnlich noch das — der heil. Firmung an diefem Tage adminiſtrirt. 
Sobald in ber Litanei die Worte „Peccatores, te rogamus audi nos,“ gebetet find, 
begeben fi Priefter u. Miniftranten in die Sakriſtci zurüd u. legen da die Meß— 
Heider von rother Farbe an; während deſſen aber werben bie Lichter angezündet. 
IR dieß geſchehen, fo begeben fie fich wirder zum Altare, wonad vom Chore das 
Prrie angeftimmt u. fortgefungen wird. Im Uebrigen gefchicht die Abhaltung 
es Amtes der heil. Meffe an diefem Tage nah Anweilung der Meß - Ordnung. 
Eeit dem dreizehnten Jahrhunderte wird die Pfingſt-Vigil zur würdigen Vorbe— 
reitung auf das Pfingfifeit mit Faften begangen. Nach Anordnung ber Kirche 
bat das Pfingſtfeſt au eine Oftav cl. D.). 

Pfnzing, |. Theuerdanf. J 

Pfirfich iſt die wohlſchmeckende Frucht des Pfirſichbaumes (Persica vulgaris), 
von weichem, außer der Frucht ſelbſt, noch die Blüthen, Blätter u. Kerne im 
Gebrauche find. Die hellfarmoifinrothen Blüchen haben einen gewürzhuften Ge— 
tuch u. bitterlichen Gefehmad, wurden fonft bei Hautausfhlägen angewandt, find 
it aber außer Gebrauch gefommen; eben fo bie Blätter, Folia Persicorum, welche 
einen ſchwachen, bittermandelähnlichen Geſchmack befigen. Die von der holzartigen 
Schale befreiten hellbraunen Kerne, Nuclei Persicorum, find eirund, fpig, etwa 
einen halben Zoll lang u. faft eben fo breit, innen weiß; im Geſchmack u. übrigen 
Eigenfchaften gleihen fe ben bitteren Mandeln, u. werben, wie dieſe, zur Darftellz 
ung blaufäurehaltiger Bräparate verwendet. Mit Weingeift beftillirt geben fie ci- 
nen unter dem Ramen Perſico befannten Liqueur. 

Pfiſter, H) Albrecht, ber erfte Buchdruder in Bamberg, welche Stadt naͤchft 
Mainz die chronologiſch-älteſten Ineunabeln aufzuweiſen bat, Als Geburtsjahr 
Prs wird das Jahr 1420 und als fein Todeslahr 1470 angefegt; dieſer 
Zeitraum läßt ſich jedoch nicht urfundlich belegen, fondern ift nur wahriheinüche 





160 Pfiſter. 


Schlußfolge aus einigen ſeiner datirten Druckwerke. Da Albrecht P.s Vater ge⸗ 
gen 1440 in Urkunden der Frankfurter Maße als Geleitsgeldeinnehmer genannt 
wird, fo ift e8 wohl moͤglich, daß P. in Frankfurt geboren wäre. Als Xylograph 
u. Zeichner der in Holz geichnittenen Bilder feiner Werke wurbe er auf die gro- 
Ben Berbefferungen geleitet, welche er im Drudweien durch richtige Anwendung 
der beweglichen Buchftaben verfuchte Durch ihn barf mit Recht Bamberg als 
bie zweite beutfche Buchdruderftätte gelten, weil bier dieſe Kunft zugleich ver- 
beffert und vollkommene Werfe aus feiner Offizin Hervorgegangen find. Bon fei- 
nen Drudiwerfen find bis jett befannt geworben: 1) Ablaßbriefe, in benen fich bie 
P.'ſchen Typen ber 36zeiligen Bibel nicht verfennen lafien. 2) Eine manung ber 
chriſtheit widder bu Durke; ein Büchlein von 9 Seiten in Quart, eine Art Kalen- 
der für das Jahr 1455. Es wurde von Dozen in der Jeſuiten⸗Bibliothek in 
Sugsour aufgefunden, und befindet fich jeßt in der Hofbibliothef zu München. 
3) Ein Kalender vom %. 1457. Das Original in ber Töniglichen Bibliothek zu 
Paris. 4) Die I6zeilige Iateinifche Bibel, unter bem Namen bie „Schellhorn’fche“ 
befannt, weil diefer fie zuerſt beichrieben. Sie enthält 881 Blätter u. ſoll 1456 
— 60 gebrudt worden ſeyn. Eremplare finden fih in. Paris, London, Stutt- 
art und auf ber Leipziger Univerfitätsbibliothef. 5) Boner's Edelftein, ober das 
Fabelbuch vom J. 1461, 88 Blatt ohne Titel mit 85 Holzfchnitten. Das einzt 
vorhandene Eremplar befindet fih in ber Herzoglichen Bibliothek zu Wofenbütte 
6) Die fieben Freuden Mariä in 9 Quartblatt, von denen 5 Tert u. 4 auf beis 
ben Seiten mit 8 Holzfchnitten in gefchrottener Manier (manisre criblde) bebrudt 
find. Ein einziges Exemplar befannt in ber Münchener Hofbibliothef. Ange: 
hängt 7) die Leidensgefchichte Jeſu in 21 Blatt, wovon 10 Blatt ben Tert und 
11 Blatt die Holzfchnitte mit 20 Darftellungen einnehmen. 8) Das Buch ber 
vier Hiftorien vom Jahre 1462, enthaltend die Geſchichten von Joſeph, Daniel, 
Eſther und Judith; es befteht aus 58 bedrudten Blättern mit 61 Holzſchnitten. 
Es find nur 2 Eremplar befannt, das eine in ber fönigl, Bibliothek zu Paris, 
das andere in ber Spencer’fchen. 9 Allegorie auf den Tod; 24 Blatt mit 5 
Holzſchnitten, welche bie Erfcheinung bes Todes umter den verfchiebenen Ständen 
und Altern ber Menfchheit barftellen. Diefes Werk bildet gleichfam ben Borläus 
fer Fr ben fogenannten Todtentaͤnzen; 2 Eremplare vorhanden, das eine in ber koͤ⸗ 
niglichen Bibliothef zu Paris, das andere in Wolfenbüttel. 10) Rechtsſtreit des 
enfchen mit dem Tode, 23 Blätter, Hieven bat die Wolfenbütteler Bibliothek 
1 Exemplar, dann die Bamberger ein Bruchftüd daraus. 11) Armenbibel, 17 
Blatt, auf beiden Seiten bebrudt, ber Tert ober- und unterhalb ber 170 Holz⸗ 
ſchnittbilder. Drudjahr 1462. Exemplare in ber Wolfenbüttler, Barifer u. Spen⸗ 
cerfchen Bibliothef. 12) Biblia pauperum 1462 von Dibdin genau befchrieben ; 
nur 1 Eremplar in der Spencer'ſchen Bibliothef befannt. 13) Belial ober ber 
Troft der Sünder, 90 Blatt Fl. Fol. 1462. Auf dem letzten Blatte iſt ber Drus 
der ausdrüdlich genannt: Albrecht P. in Bamberg, Eben fo authentifch if dieß 
der Hall in dem „Buch ber vier Hiftorien.”" „Zu Bamberg in berfelben Stadt, das 
Albrecht P. gebrudt Hat, do man zalt taufend un vierhudert Jar, Im zwei und 
fechzichfte das ift war" u.f.w. (Im Belial auf der 92 u. lebten Seite). Boners 
Edelftein gleichfalls in der Schlußſchrift „In Bamberg bes Buchlen geenbet iR 
Am Sant Balentins Tag, Gott behüt uns vor feiner Plag*. Auf das ho 
Alter der Bamberger u, namentlich ber P. ſchen Typographie machte zuerſt ber boͤ 
fe Gelehrte Dr. Paul von Prag aufmerkfam. Diefer fohrieb um 1459 auf bie 
legte Seite eines auf ber Krakauer UniverfitätssBibliothef befindlichen Manuferipts 
die Rotiz in lat. Sprache: „ber Büchermacher fei ein Künftler, ber Bilder und 
Schriftzeihen in Tafeln aus Erz, Eifen oder hartem Hole eingrabe, mit Farbe 
überftreihe u. auf Papier ober ein reines Bret einen Abbrud liefere. Zu feiner 
Zeit fei in Bamberg ein Mann geweſen, ber bie ganze Bibel auf Platten ges 
fhnitten und abgebrudt Habe“. Die neueſten Forſchungen in biefem @ebiete 8 
den ſeitdem bie hiſtoriſche Richtigkeit anerkannt u, beſtaͤtigt gefunden, daß Albrecht 


Pier. 161 


. urfprünglich ein Eger und Briefbruder gewefen, vie bicß 
Re aus ben ang an Ka ſchnitten feiner Werke ergibt, und daß ihm in 
Bamberg — onologijhe Stelle ‚gebül re "nad Guttenberg 
Mainz, Bg Big her Camus, Notice d’un livre imprim& ä Bam- 
en 1462 5 —— et contenu dans un volame arrivö ä'la bibl. 
— 799; — End Buch druckergeſchichte von Bamberg, Nürns 


= 


5 


Ken 


1 Idee generale d’une collection — gestampes 

— EL a — — KR, Banı 
1840, er! e ber Bun er! 

—— — iR Se N SE ©. 128 — 41, Au rn 


ide. — 2) Vosann — Bon einer ber 
— ne neueren Zeit, aus einer früher in Stutt⸗ 
ie, geboren zu Pleidelsheim bei Marbach 1772, trat 1790, 
A ae in den niederen Seminarien genoffen, in das höhere 
he Seminar zu Tübingen ein und ge oß hier ee eis 
ie phil en und theologifchen erg ben 5* 
ys, mit welchem er das Banb ber reunbichaft imm 
An Se Ye feiner Univerſitaͤtejahre ſchrieb er eine Differtation: De ori- 
iis allegoricae sacrarum literarum interpretalionis. Spittler’d 
ergs — in zuerſt auf den Gedanken, eine Geſchichte vor 
zu fchreiben. Den erften Band hatte er ſchon entworfen, als er Mil 


Fi 


lers geſchichte bei einem Stuttgarter Freunde mit großer Ueberraſchung 
fand. jepetent in — ‚ab er ben J. Band, für welchen er Mühe 
hatte, einen Verleger zu finden, in den Drud und reiste "barauf nad Wien. Von 
Johannes den Wil mt bei ne aufgenommen, bemügte er im Wins 
tee 1804 —5 in H ber Tat En ſammlung ii —7— jan Eobis 
“8, nac jammtausgabe ber töquellen 

des hie erglichen — — ——— P. wurden durch bie 


Greigniffe des abe 1806 vereitelt, Zur — der eher Geſchichte 
bot ihm ber verſtorbene Praͤlat von Schmid in Ulm feine reichhaltige Handicrif: 
tmammlung an. SP. vermehrte diefe Hülfgmittel, indem er auf höchften Antrag 
Nie Archive ber vormaligen Neichsftädte umd Abteien in Oberſchwaben befuchte, 
worauf er vom Diafonate Vaihingen an ber Enz 1813 zu der angenehm geleges 
nen Pfarrei Untürfgeim bei Ganıftabt befördert wurde, um in nähere Verbindung 
mit dem koͤniglichen Archive gebracht zu werden. Außer mehren in Zeitſchriften 
eſtreuten Aufſaͤtzen gab er heraus: Hiſtoriſcher Bericht über das Weſen der 
Verfaffung bes ehemaligen Herzogtfums Württemberg, Heilbronn 18163 Denk⸗ 
mürdigfeiten ber uartiembergiicsen und ſchwaͤbiſchen Reformationsgefejichte, in 
Babindung mit Schmid, 2 Thle., Tübingen 1817; Die evangelifhe Kirche in 
Württemberg ıc., ebd. 1821; Herzog Ehriftoph zu Württemberg, 2Bde. ebd. 1819; 
erzog Eberhard im Bart, 0. 1822; Geihihte von Schwaben, 1 — 5 Bb., 
eilbronn 1821 — 27, und die Gefiihte der Deutfchen, 6 Bde., Hamburg 1829 
— 42, der legte von Bülau, zu der von Heeren und Ufert herausgegebenen Ger 
ſchichte der europäifhen Staaten gehörend und durch forgfältige Ouellenforfhung 
und Darftellung ausgezeichnet. Eine ganz aus Urkunden gezogene Geſchichte 
Bürttembergs Hi nod in ber Handichrift. Im Sommer 1832 wurde P. zum Prälas 
ten u. Generalfuperintenbenten von Tübingen mit dem Wohnfig zu Stuttgart ernannt 
mb ein ausgezeichnetes literariiches Verdienſt auf dieſe Weife würdig belohnt. 
Durch fein Amt in bie Etändeverfammlung berufen, hat er ſtets mit ber minifter 
tiellen Majorität geftimmt. Er ftarb 1835 zu Etuttgart; nach feinem Tode gab 
Jäger 1838 feine „Gefcichte ber württembergifchen Verfaftungr heraus. 
fizer, 1) Paul Ach az, ein trefflicher Jurift und Staatsmann und einer 
ber ebelften und wahrhaft freifinnigften Patrioten, geboren zu Stuttgart 1801, 
ftudirte 1819— 23 auf ter Univerfität Tübingen Jurisprubenz, warb 1823 Sekre⸗ 
tar beim Jufizminifterium ı. 1827 Afeffor bei dem königlichen Gerichtshoße zu 
11 


Bealencpelopäble. VII. 


— 


162 | Pflanzen. 


Tübingen. Seine bekannte Schrift: „Briefwechſel zweier Deutſchen“, Stuttga: 
1831, 2te Aufl. 1832, worin er bie Refultate feines Nachbenfens über Politi 
Philoſophie und fehöne Literatur nieberlegte und einen Anſchluß an das Syfte 
Preußens als einzige Soffnung beutfcher Nationalität empfahl, warf ihn der wuͤr 
tembergifchen Bureaufratie in Die Klauen u. veranlaßte ihn, aus dem Staat 
bienfte zu treten. 1833 wählte ihn Tübingen zum Deputirten in die zweite San 
mer, wo er, eine glänzende Nebnergabe beurfundend, gemeinfchaftli mit Ludwi 
Ubland (I. d.) an der Spige ber Oppofition fland. Seine Motion aus Berar 
laſſung ber Bunbesbefchlüffe vom 28. Juni 1832 führte die Buffung bes Lanl 
tage —* In den beiden Landtagen von 1837 u. 1838 abermals Kamme: 
mitglied, überzeugte er fich endlich, namentlich feitdem ber allmädhtige Schlaye 
die Perſon des Königs felbft, fo wie die Wirkſamkeit aller wahren Patrioten aı 
Null Herabgebrüdt Hatte, von der Unverbefierlichfeit des württembergifchen Regtı 
rungsſyſtems u. verbat fich feitbem alle Biedererwählung. Einige Jahre dara 
übernahm er, obgleich in jeder Beziehung einer der unabhängigften Männer Wür: 
temberge, aus reiner Liebe für feine Vaterfladt eine untergeordnete Anftellung b 
der ſtaͤdtiſchen Berwaltung Stuttgarts, bis endlich die große Umwandlung in 
März d. J. den edlen Mann aus feiner freiwilligen Zurüdgezogenheit hervo: 
rief und das ihm lange genug vorentbaltene Bertrauen feines Koͤnigs ihm b: 
proviforifche Verwaltung des Kultus: u. Unterrichts s Departements, mit dem T 
tel und Rang eines wirklichen Staatsrathß, Nbertrug. ©egenwärtig iſt er ein 
der württembergiichen Abgeordneten beim Parlament in Frankfurt; allein bie neu: 
ften Nachrichten über feine Gefundheit lauten allzu beunruhigend, als daß bie 
Berfammlung noch lange hoffen bürfte, in ihm eine ihrer Zierben zu befigen 
Schriften von ihm find, außer ber ſchon genunnten: „Weber Entwidelung bes ö 
fentlihen Rechts“ (Stuttg. 1836) ; „Das Recht der GSteuerverwilligung” (ebl 
1836), „Gedanken über Recht, Staat unb Kirche” (2 Bde. ebd. 1842). Sein 
Zeitgebichte find einfach, klar und flrömen aus einem für Wahrheit und Red 
tief erwärmten Herzen. — 2) P. Guſtav, ber jüngere Bruder bes Vorigen, ei 
nicht minder geiftreicher u. begabter Mann u. an dichterifcher Fülle ihm noch überleger 
geb. 1807 zu Stuttgart, feit 1821 Seminarift zu Blaubeuren, fludirte 1825—3 
zu Tübingen Theologie und Philoſophie, warb Nepetent am theofogiichen Semi 
nar und lebt privatifirend in feiner Baterftadt. Seine „Gedichte“ (Stuttg. 1831 
„Reue Sammlung” (1835); „Dichtungen epifcher und lyriſch⸗ epifcher Ga 
tung” (1840), „der Welfche und Deutfche” (1844) athmen eine eble Sreifinnigfe 
und gehören zu den befieren Produkten ber neueren Zeit. Außerdem überfehte « 
„Byrons Dichtungen” (4 Bde.), bearbeitete das „Nibelungenlied“ (Prachtausg 
Stuttg. 1842), —2— „M. Luthers Leben“, „Uhland und Rückert, ein kritiſche 
Verſuch“, „Heine's Schriften und Tendenz“ und viele beſonders kritiſche Aufſaͤt 
in dem Morgenblatte, deſſen Mitredakteur er ſeit 1837 iſt. 
Pflanzen. Dieſe belebten Naturkörper find organiſche Weſen, denen Em 
pfindung u. willkuͤrliche Bewegung mangeln. Alle ihre Organe, bie ſich auf bi 
auptverrichtungen erſtrecken, reduciren ſich auf die Ernaͤhrung u. Vermehrung 
e kommen nicht alle zu gleicher Zeit in Vorſchein, ſondern entwickeln ſich nac 
u. nad in 3 Berioden, nämlich im Grünen, Blühen u. Reifen. In ber erfle 
Periode bilden fih die Organe ber Ernährung, in der zweiten bie der Vermeht 
ung und in ber dritten werben biefe iHeilweite weiter ausgebildet und Mu Fruch 
und Samen umgewandelt. Wenn wir bie Zwecke betrachten, welchen die P. 3 
entfprechen beftimmt find, fo finden wir dreierlei. Der eine ift ber, ben gemeine 
Bedürfniffen des Menfchen, feiner Ernäfrung und feinen Gewerben, hauy 
feinem Haushalte zu bienen. ine andere Bedeutung der P.⸗Welt iſt die fü 
die Regulirung zahlreicher und umfaſſender phyſikaliſcher Progefle an der Erd 
Feuchtigkeit und Trodenheit ber Atmofphäre, Wärme und Kälte bes Bobent 
Gleichförmigkeit oder greller Wechfel im Klima, dann aber vorzüglich das Lebe 
ber Thicre u, bes Menſchen find durch Meppigfeit u. Art der Vegetation beding 


Pflanzen 


As den dritten, ebelften und Zwed ber ——— — o 
wie alle andere Natur, f * —— zu feyn. „Sie ift Dre 
im Zempei Ontted, in,melhen Anesiemmng der Sb &önheit und Grhar 
benbeit die Form des Cultus ausmacht.“ bleiben) — Es fteht nicht in 
baß die Keime des organiſchen Lebens aus dem Kampfe der unorganis 
Ihn Elemente während ber dungsperioden der Gebe einmal —— 
Kr af Ob. aber biefer. Borgang öfter Statt gefunden oder Statt „ns 
mußte, iR eine andere Frage, Der berühmte fcharffinnige Botanifer I 
Shleiden- Hält bie Annahme, einer mehrmaligen Urgeug ung, einer gang neuen 
— — B feimen aus ümorgäniſtrten ‚oder elbft unorganifchen 
üb g und folglich für la und zwar aus ber Zuſam⸗ 
pi nachfol, — Bettachtumgen über. bie all Entwidelung: der 
e P.e ift aus vielen Heinen, ſeibſt fehr fünftlih gebauten und mannig. 
Stoffe enthaltenden een aufammengefeßt ; größtentheils- find biefe Börner 
ha fo ein, daß für ihre —— das unbewaffnete Auge nicht hinreicht. 
* ne der ganzen Pr Welt gilt alfo die Zelle, deren Entftehung 
u lichen Zufammtreten von Kohlenfüure u. Waſſer sn 


* u — hr von Kohlenfänre u. Amoniak ‚andererjeits zu Salem 
a En 
« 
ma Se Belle als eine — Beine 


ner — Art. die 
[a » weiß man aus ber noch ———— 
anfacher gebauten P., zumal der Wafjer-P., aus einer — Bi 
= u nu — nu * verſchiebene Form der Ba unters 
ann zu einer di poigen u. formenreichen P.- Wi Beh 
—— Kae md Märme, die Urfachen ihrer — 
— des Bodens an leicht aufldslichen unorganih 
mächft eine Abänderung des chemiſchen Progefjes: im 
2) — ein Größeres ober geringeres Abweichen in den Formen hers 
smufen, Aehnliche — zeigt auch unfer gedüngtes Culturland, ſowie Die 
Apmregion, welde von ben am meiſten der Verwitterung preisgegebenen nadten 
hiberen Felſen beftändig mit einem Reichthume auflöslicher Verwitterungsprodufte 
veiergt void. Wir wiffen ferner, daß einmal gebildete Spielarten, wenn fie 
nehte Generationen hindurch unter denfelben Bedingungen fortvegetiren, zulegt 
in Unterarten, b. h. in Epielarten, bie fih mit Sicherheit durch ihren Samen 
jenpflanzen Laffen, übergeben, wie das 3.3. unfere Weizenfelder beweifen. Wenn 
mn aber dieſelben Einflüffe, die eine Abänderung der urfprünglichen Form einer 
Ve hervorriefen, nicht Jahrhunderte u. —— ſondern 10 und 100,000 
Ihre in gleicher, Weife zu wirfen fortfahren, fo wird, wie aus der Epirlart 
an Unterart, eine fenrfehende Ps Form werben, die wir als Art bezeichnen 
aifen. Daß die Nup- und Nahrungs-P. dem Menfchen überall Binfolgen, wo 
te flimatifchen Bedingungen ihres Wachsthums ſich noch vorfinden, ift wohl 
guy natürlich. Auffallend aber ift es, daß gewiſſe P. den Menfchen freiwillig 
md ohne deſſen bewußte Mitwirkung begleiten und ſich in feiner Nähe, um die 
Hütte, um ben Stall, auf Dünger- u. Sompofthaufen anficdeln. Noch jept wer: 
den ung die großen Bölferzüge, die ih im Mittelalter von Afien aus gegen das 
mittlere Europa wendeten, durch das Vorbringen aſiatiſcher Steppen-P. bezeich- 
na, 3. B. der Kochia (Kochia scoparia) nad Böhmen und Krain und des 
tatariichen Meerfohls (Crambe tatarisca) durh Ungarn und Mähren. 
Ih den Befreiungöfeiegen fand fih an vielen Etellen, wo Koſacken gelagert, 
B. um Schweigen, eine P. (Corispermum Marschallii) ein, bie fonft aus- 
ihlieslich in den Eteppen am Dnieper einheimiih ift; auf ähnliche Weife ver— 
breitete ſich mit den ruffiihen Heercszügen von 1814 eine P.e (Bunias orienta- 
lis) durch Deutſchland bis Paris. Uebrigens fennt man auch folhe P.-Wanderungen, 
melde ganz ohne alle Mitwirfung der Gegenwart des Menſchen Statt inden, 
11* 


1 


164 Pflanzenbutter — Pflafter. 


Wir erinnern dabei nur an manche Samen u, Früchte, bie vermöge ihrer Bildung 
geſchickt gemacht find, vom Winde fortgetragen zu werben, ober an Samen, die 
von dere bigen Vögeln verfchlungen u, unverbaut, oft in weiter Entfernung von 
der tter⸗P., im Auswurfe des Vogels keimen. Die Art der Bertheilung ber 
P. über die Erde lehrt bie P.Geographie (botaniſche Geographie). 
Wenige P. nur find in allen Theilen der Erbe anzutreffen; die meiſten find nur 
über einen gewifien Bezirk bee Erdoberfläche verbreitet, Die geographiiche Lage 
(Breite und Ränge) und bie Erhebung der Erboberflädhe über den Meeresipiegel 
bedingen befonders dieſe Verbreitungsbezirke. Zwiſchen biefen beiden Urfachen 
findet eine gefehmäßige Mebereinftimmung Statt. Geht man naͤmlich von ben 
Teopengegenden gegen die Pole Hin, fo Tommt man im Allgemeinen durch biefel- 
ben PB. Bezirke, wie wenn man in ber heißen Zone von ber Ebene auf einem 
ſehr hoben Berg fleigt. Die prachtvolle u. Höchft mannigfaltige Flora mit ihren 
gigantifchen Formen zwifchen ben Wenbefreifen verliert bei ihrem Hebergange in 
die gemäßigten Zonen von ihrer prachtvollen Mannigfaltigfeit nach u. nach immer 
mehr, bis fie endlich in den Polargegenden faft gänzlich erſtirbt. Ganz ähnlich 
ift die Erfcheinung in ber heißen Zone bei Befleigung eines in bie Schneeregion 
reichenben Berges. Hier finden wir den Fuß des Berges von den herrlichen 
Tropen P. umgürtet, auf feiner mittleren Höhe ift nur mehr bie Flora ber ges 
mapigien Zone repräfentirt u., weiter oben angelangt, trifft man nur bie wenigen 
Gewaͤchſe der Polargegenden. Gleichförmige Urfachen bedingen gleichförmige 
Erfcheinungen ; vorzüglich iſt e8 bie Intenfität der Temperatur und des Lichtes, 
ber Grad ber Feuchtigkeit des Bodens u. der Atmofphäre, die auf die Begetation 
einen fo großen Einfluß äußern (vergleiche ben Artifel Ifothermen). — Die 
Eintheilung der verfchiedenen PB.-Arten, deren man, obwohl bad Innere mancher 
Länder noch nicht erforfcht iſt, bereits weit über 50,000 kennt, geichieht durch 
Aufftellung von natürlichen ober fünftlicden Syſtemen (f. Botanik). Litera- 
tur: M. 3. Schleiden, „die B. und ihr Leben“, populäre Vorträge. Leip⸗ 
jig 1848. C. Arendis. 

anzenbutter, f. Butter. 

anzenkunde, |. Botanik, 

anzenthiere, |. Zoophyten. | 

Pflafter 1) (Emplastrum), nennt man jene befannten Aufferlichen Heilmittel, 
die fih von ben Salben (f. d.) durch eine feftere und härtere Gonfiftenz, fo wie 
durch ihre meift zähere und klebende Befchaffenheit unterfcheiden. Sie find Ge⸗ 
menge von verfchiebenen Subftanzgen, nady denen ihre Bereitungsart mehr ober 
minder mobificitt wird. Man theilt die P. ein: in Blei-, Wachs⸗ und gummis 
Auralge P., von denen die erfteren als chemifche Verbindungen zu betrachten find. 
Die Wachs⸗P. werden in wirflihde Wachs⸗P. (cerata) und in gemengte 
P. (Empl. composita) unterfchieden. Die erfteren bereitet man, indem man bie 
nöthigen Subftanzen, meift Fett, Blei⸗P., Wachs u. Harz bei gelinder Wärme 
zufammenfchmilzt, durchſeiht (colirt) und dann in Formen ausgießt, ober nach bem 
Erkalten Inetet und in Stengel ausmalzt, Leptered wird Malariren genannt u. 
mit den Dänden vorgenommen. Die gemengten P. erfordern bei ihrer Bereitum 

rößere Umſtaͤndlichkeit. Die Hauptbeftandtheile werden zuerft geſchmolzen un 
urchgefeiht, hierauf kommen die anderen Subſtanzen fogleich hinzu, oder erſt nad) 

dem Erkalten, je nachdem dieſe fchmelzbar find, oder flüchtige Stoffe enthalten. 
Wenn alle Theile gut untereinander gerührt „find, wird die Maffe malarirt u. in 
Stengel ausgerollt. Die gummiharzigen P. find feine eigentlichen P., indem fie 
größtentheils nur durch Zufammenfchmelzen von Bummiharzen (|. b.) bereitet 
werben. Das englifche P. (Empl. anglicum), ebenfalls fein wirkliches P., wird 
baburch bereitet, Daß man eine Auflöfung von Haufenblafe mittelft eines Pinfels 
auf einen in Rahmen aufgefpannten Taffet gleichförmig aufträgt und nad bem 
Trocknen auf einer Seite mit Benzoätinftur (f. Ben zoe) uͤberzieht. aM. — 
2) P. Ein mit Steinen belegter Fußboden, fo wie diefer Meberzug von gut zus 





ren 165 

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— ——— ee a ee Gegend von 
Damaskus, wild wachfenden und in Europa Häufig angebauten gemeinen PB. 
Baume, domestica, bie lepteren von dem Kriedheln- Kreken— 
Yatobs- oder Ha fer⸗ > aume, P. insititia, welcher am Kaufaſus za 
in ber Berberei einheimifh iſt. Im manchen Gegenden, namentlich im 
ihen Deutfchland ee ingen, bezeichnet man mit dem aus bem flavifchen 
— Namen Zwetfchen bie, ovalen und mit dem Namen P. die runden 
Kultur find von beiden Arten eine außerordentliche —* Ba 
— 17 Welche zum durch Farbe, Pe Größe und 
* einander abweichen. —* —— FR 

in großer — irre Ma — m * at jr 
— eniſtandenen Varieteten ae ſrunges find. Deutſchland 
wird die gewoͤhnliche blaue — oder Zwetſche, bie De Pru- 
mas domestica, am häufigften angebaut, weil —5— ſich am leichteſten 
den mörblichen Gegenden am tragbarſten und ausdauerndſten, und zu, 

barſten if. Man kultlvirt fie zwar faft überall, mit Ausnahme der Me u 

Be ET U ge 
; d ı, igen o 

und * , und rer von dieſen en aus wird fie ſowohl 

als auch, und zwar in —— und als Handel tel, in 

getrodnetem Zuftande Am zu Muß eingefotten, Derfenbet Getroetnet werben fie 

meift mit dem Kerne und der Echale in eigenen Darröfen, oder auch in Bad: 

dien nach Herausmahme des Brodes; zuweilen werden fie jedoch auch gefchält u. 

entfernt und dann unter dem Namen Prünellen verfauft. Am bedeutenbfien 

it jedod ber Handel mit getrodneten PB. in Frankreich, wo ihr Ausfuhrwerth 

mehr, als der aller anderen getrodneten Früchte zufammen, beträgt. 

Pflicht ift eine Handlung, wozu ber Menſch als finnlich Vernünfti es Wefen 
durch jeine Vernunft ober durch religiöfen Drang genöthigt wird. enn aus 
tem Nichtthun deſſen, wozu die genannten Motive den Menſchen antreiben, irgend 
ein Nachtheil entftehen fönnte, fo wird bie P. zur Verbindlichkeit. Vergl. 
übrigens den Artikel Sittenlehre, 

PflichttHeil (Legitima, nämli_partis hereditatis). Im pofitiven Rechte 
wird ber Grundfag aufgeftelt, daß Teftirende ihren Bfutsfreunden einen Theil 
idtes Bermögeng vermachen müffen,, wenn fie feinen rechtlich feftgeftellten Grund an- 
geben können, warum fie diefelben übergehen. Derjenige Theil des Vermoͤgens 
nun, welcher ben Blutsfreunden nothwendig vermacht werben muß von dem Exb- 
laffer, wenn das Teftament nicht ungültig ſeyn fol, Heißt P. Diefer Rechtsſatz 
bat feinen Grund in der Natur ber Sache ſelbſt, daß nämlich für Anverwanbte 
sor Allem geforgt werben müffe. Weil die Anverwandten des Teftirenden nun 
tieſen P. det Nefem Grunde fordern fönnen, heißen fie auh Notherben, oder 
jolche Erben, die nothmwendig bedacht werben muͤſſen. Zu ben Rotherben ger 
biren nad Röm. Rechte: 1) Alle Defcendenten ober Verwandte adfteii enber 
Einie, von den Eltern auf die Kinder, in's Unendliche, wenn fie auch no« 
geboren ſeyn follten. Diejenigen Grade ber Verwandiſchaft, welche ben Tefator 
na dem Rechte auch ohne Teftament beerben würden, fchließen natürlich auch 
bier die anderen aus. 2) Die Afcendenten ober Verwandten auffteigender Linie, 
son ben Kindern auf bie Eltern bis in's Unendliche; auch hier ſchüeßt her Im: 


166 Pflug — Pforte. 


teftaterbe die anderen aus. 3) Geſchwiſter des Teftirenden, bie aber dann nicht 
bedacht zu werden brauchen, wenn berfelbe Inteftaterben Hat, u. auch außerbem nur 
dann auf den SB. Anfpruch machen fönnen, wenn ihnen eine ehrlofe PBerfon im 
Teftamente vorgezogen worden wäre, Sie müflen auch mit bem Teſtator biefelben 
Eltern, oder wenigftens denfelben Bater gemein haben. Der P. befteht darin, 
daß, wenn 4 oder weniger ald A Notherben ba find, biefe ben britten Theil von 
dem Antheil erhalten müfien, ben fie als Inteftaterben erhalten haben würben. 
Eind mehr als A vorhanden, fo müffen fie die Hälfte eines Antheils erhalten, ben 
fie al8 Inteftaterben befämen. Kommen Rinder und Entel als Notherhen zufammen, 
fo treten leßtere an die Stelle ihrer Eltern, fo daß Diejenigen, welde von bems 
felben Sohne ober berfelben Tochter abftammen, zufammen für Eine Perſon ein- 
treten. Um den Pflichttheil auszumitteln, muß auf ben Bermögensftand bes 
Teftators zur Zeit feines Todes Rüdficht genommen werben, alfo nicht auf ben 
zu ber Zeit, wo teflirt wurde. Jede Beichwerung ober Berminderung bes P.e 
von Seite des Teſtirenden wird als nichtig angelehen. KRüdfichtlic der Modi⸗ 
fifationen, die das pofitive Recht durch die Landesgeſetze erhält, muß auf Ausar⸗ 
beitungen biefer legteren verwiefen werben. N. 

Pflug, der, ift das wichtigfte Werkzeug für den Aderbau, zur Aufloderung 
bed Bodens. Er Kat theild wirkende und nothwendige, theils leitende und nicht 
notäwendige Theile. Wirkende Theile find: 1) Die Schar oder eiferne Schaufel, 
welche den Erbdftreifen im Untergrunde wageredht abfchneibet; 2) das Sohlen; 
ftüd ober Pflughaupt, der am Boden einhergebenbe Theil bes P.s, an welches 
vorn die Schar, oben der Grindel befeftigt iſt; 3) ber Grindel oder Baum, durch 
eine doppelte Verbindung mit dem Sohlenflüde befeftigt, iſt dazu beflimmt, bie 
Zuglinie in eine mehr Horizontale Rage zu bringen; 4) die Griesfäule, wodurch 
das Soplenftüd und der Grindel feſt verbunden werben; 5) bie Hanbhabe ver: 
bindet den Grindel ebenfalls mit dem Sohlenſtuͤcke am hinterſten Ende und dient 
dann, rüdwärts auffteigend, ale ein Hebel, womit der PB. in gehöriger Richtung 
erhalten wird; 6) das Streichbret, womit der durch das GSedeifen ober Weiler 
und Schareifen abgefchnittene Erbfreifen umgewendet wird. Eine gute Form des 
Streichbrets haben befonders der Brabanter, Smalfche und Bailay'ſche PB. Nicht 
weſentlich ift das Borbergeftel. Darauf beruft ber Unterfchied von Raͤder⸗P., 
welche einen Wagen zum Wordergeftel Haben, Schwing⸗P. ober B. ohne 
Bordergeftel, Stelzen- PB. oder einräderigen P., die eine Schleife oder ein 
Rad vorhaben, Bildet die Schar einen ganzen Kell ober gleichichenfeliged Dreieck 
und Hat er auf beiden Seiten ein aufwärts gefrümmtes Streichbret, fo nennt man 
den B. Haden oder Aadlz ift das Streichbret fchmal u. wird es, in bie Gries⸗ 
fäule eingehängt, nad jedem Zuge überftelt, Wende⸗P. Zu ben beſten Br 
gehören die belgifchen, pfälztfhen u. thüringer (Altenburger). 

Pforr, 1) Johann Georg, ein vorziglicher Thiermaler, geboren 1745 zu 
Upfen in Niederfachien, fam, 32 Jahre alt, als Schüler an bie Malerakademie 
zu Saffel und wurde bald als Mitglied derfelben aufgenommen, lieb fih 1781 
zu Frankfurt a. M. nieder und farb dafelbft, ale Künftler, wie als Menfch Hoch: 
geachtet, 1798. Er erreichte in feinen Darftelungen bie höchfte Naturwahrheit, 
namentlich als Pferdemaler, und war eben fo ausgezeichnet in Delgemälden, als 
in Handzeichnungen und colorirten Blätten. Bon ihm u. A. 11 Blätter ber vor: 
züglichften Pferdes Racen. — 2) B. Kranz, Sohn bes Vorigen, geboren 1788 
zu Frankfurt, ging zu feiner Ausbildung 1806 nach Wien und 1810 mit Over: 
bei nad Rom und flarb dafelbft, für die Kunſt zu früh, 1812, 

Porta oder Schulpforta, im Regierungsbezirt Merfeburg ber preußifchen 
Provinz Sachen, eine Stunde von Naumburg , ein ehemaliges Ciſterzienſerkloſter 
und feit 1543 eine der drei fogenannten ſächſiſchen Kürftenfchulen (f. b.), 
von Kurfürft Moriz geftiftet, mit 152 Freiſtellen. Viele gelehrte unb beruͤhmte 
Männer gingen während ber Zeit ihres Beſtehens aus dieſer trefflichen Lehr 
anftalt hervor. | 


Pfortader— Pfropfen, 


— er das größte Sei a bie —— 
Fe 


HEN. 


"die: — Malen 9 era tigften zur 
BE ine und Bueteite Bindun N 

Seenigng erbauum; ehem; ihr 
5 beim ie e bie Reber fubfam 3 nach U 
Er oe endlich in den — — 
argefäffen wird die Galle gebildet u. aus den⸗ 
— hervor, ſondern auch die Gallen» 
1 ae E Saite ausfüh url Sämtliche — der PB. zufams 


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als ein ehend⸗ Benenfy eine 
——— = bes er Blatt diefem bilden * —— 
= — Serie ne ssmanlfor forte — allgemeine 
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— dabrilen, Leder⸗Fabrilen, — —— 


Weater ıc. — Die © aus bem 

Sr 10 fen Denim, N te Sarpemeite Demi 
jet dem ing, am 

6. B 1622 N r : 


des Rüdzjuges des en ——— 
zoge. — Im benachbarten Dorfe Eutingen, Br der En, Dentmal der Aufhebung 
der Leibeigenſchaft durch Karl Friedrich 1789. 

Pfranger, Johann Georg, geb. 5. Auguft 1745 zu Hildburghauſen, 
Cohn eines Lohgerbers, ſtudirte in Koburg und Senn, ward 1772 Bfarrfubftitut 
in Etreffenhaufen u. 1776 Hofprediger in Meiningen, wo er am 10. Juli 1790 
6. P, mar duch chriftliche Srömmigfeit lichenswerth u. im Leben fehr geachtet. 
Eeinen Namen verbreitete in_der Literatur, außer einigen gelungenen Predigten 
und religiöfen Gedichten, befonders ſein diktatiſch- dramatiſches Erzeugniß „der 
Moͤnch vom Libanon“, worin der Verfaſſer die Würde des Chriſtenthums gegen 
Wings „Nathan“ vertheidigt und den Eieg bes Chriftenthums über allgemeine 
Religionsanficten barftellt. Predigten über die Eonn= und Seftaneepifein, 
Reiningen 1779 — 91, 4 Bde. Vermiſchte Predigten, Lpz. 1792 — 94, 3 Thle. 
TerMönd vom Libanon, Deſſau 1782, 2te Aufl., 1785, 3te Aufl, Lpz. 1817. ‚Die 
Auferftehung der Tobten, eine Gantate, Hildburgh. 1776 u. a. 

Pfropfen nennt man eine ber älteften Beredelungsarten der Obftbäume, do⸗ 
bei ein Reis von einem edlen fruchtbaren Baume in den Stamm oder in die 
Rinde eines Wildlings ober minder veredelten Baumes fo eingeſchloſſen wird, daß 
«6 mit ihm verwachſen fann. Man hat verfchiebene Arten des P.s: das P. in den 
Spalt, in die Rinde, in ben Eattel, in den Korb (Stufenp.), das Gabel-P., Abla— 
ctiten u.a. Doch find die lehteren Arten nicht allgemein anwendbar u. bringen auch feis 
nen reellen Rugen, daher nur die beiden erfteren hier in Betracht fommen. 1) Das 
B.in ben Spalt. Der Etamm oder Aft eines in Holy u. Mark gefunden Wild- 
lings, ber nicht mehr als 3 bis 1 Zoll ftark fern darf, wird zu Anfang des 
Frühlings, wo er im vollen Safte ftcht, abgefchnitten, mit einem ſcharfen Meffer 
abgeplattet u. mit dem B.-Meffer etwa 4 Zoll tief gefpalten (entweder quer durch 
— ganzer Spalt — oder nur auf einer Eeite — halber Spalt — welches leg: 


EEE 


168 Pfründe — Pfyfer. 


tere den Wilbling weniger verwundet). Hierauf wird ber Spalt mittel eines 
ı 300 breiten, 4 Zoll dicken Keilchens von Elfenbein, Knochen ober hartem Holze 
(P.⸗Keil) bis zur Tiefe von 1— 14 30H erweitert und nun das, vorher ſchon 
zugefchnittene, PB. Reis behutfam eingefeht. Diefes wird am bdiden Ende 3 — 
1 300 lang feilförmig, bis zur Dide eines Mefferrüdens, an dem obern Ende zu- 
eipigt und muß da, wo es auf ber Platte des Wildlings Cauf dem Kopfe) auf 
Habt, auf beiden Seiten Horizontale Anfäbe Haben. Beim Einfepen in ben halben 
Epalt darf die inwenbige Seite des P.⸗Reiſes nicht fo did im Durchmeffer ſeyn, 
als die Außere, an die Rinde bes Wildlings anfchließende, weil fonft eben dieſer 
enge Anfchluß ber legteren, worauf Alles anfommt, verhindert werben würde, Beim 
. Einfegen des P.⸗Reiſes hat man darauf zu achten, daß die Außere braune Rinde 
deffelben nicht abreiße oder ſich ablöfe und daß die innere grüne Rinde des P.⸗Reiſes 
mit der des Wildlings genau zufammenftoffe. Dem P.⸗Reis laſſe man hödhftens 
4 Augen und ſetze es fo ein, daß das unterfte Auge nach innen ftehe, bamit beim 
Gruͤnen deſſelben der Kopf des Wilblings, den man übrigens nebft der durch bie 
Spalten entftandenen Wunde möglichft nenau mit Baumwachs verftreicht, möglichft 
bald dem verberblichen Einfluffe von Sonne und Regen entzogen werbe. Bei 
ftärferen Röpfen febt man wohl au 2 — 4 P.⸗Reiſer auf, von denen man aber 
im nächften Fruͤhjahre nur das Fräftigfte ftehen läßt. Durch an den Kopf befes 
ftigte, das P.⸗Reis dedende und überragende Dornen ıc. ſchützt man daffelbe vor 
Beihädigung und Abbrechen durch darauf fich fegende Bögel. — 2) Das P. in 
die Rinde, weldes man hauptſaͤchlich bei ftarfen, 2— 4A Zoll im Durchmefler 
haltenden Stämmen oder Aeften anwendet, die man nicht gut fpalten Tann ober 
will, und die man durch Umpfropfen gern veredein möchte, gefchieht auf folgende 
Weiſe. Nachdem der Stamm oder Aft abgefägt und abgeplattet worden iſt, (bei 
Aeſten geichieht es am beften 1 Fuß Hoch über einer Gabel) macht man einen 
fharfen Einfchnitt in die Rinde, bis auf das Holz, etwas länger, als der Keil 
bes P.⸗Reiſes gefchnitten ift u. lüftet die Rinde mittelft des P.⸗Keilchens, das bes 
fonder8 dazu geformt fern muß. Darauf ſchiebt man zwifchen Rinde und Holz 
des Wildlings das P.Reis ein, das dazu auf folgende Weife gugefiänitten iſt. 
Auf der einen Seite deſſelben wird ein Einſchnitt bis an das Mark oder die 
Hälfte des Reiſes gemacht, alsdann keilfoͤrmig 13 Zoll heruntergeſchnitten, auf der 
andern Seite aber wird nur die braune Oberhaut, fo weit fie von der Rinde bes Wild⸗ 


lings bebedt werben würde, abgelöst, bie grüne Rinde aber darf nic geriet wer⸗ 


ben. Nun ſchiebt man das P.⸗Reis fo ein, daß die abgeplattete e deſſelben 
an das Holz des Wildlings anfchließt, und verftreicht und verbindet die Wunde 
forgfältig mit Baumwachs. Fleißiges Nachſehen nach den P.⸗-Reiſern iſt unum⸗ 
gänglich noͤthig; die unterhalb der P.⸗Stelle etwa auswachſenden Räuber darf 
man aber vor Johannis nicht wegnehmen. Die P.⸗Reiſer müßen von guten, ges 
funden, tragbaren Bäumen, am beften aus dem Gipfel, oder von der Gübfeite 
genommen werden. Dan bricht oder fchneibet fie am lichften ‚Fury vor dem Ge⸗ 
brauche ; die ſchon im Februar oder März gefammelten verwahre man in bie Erbe 
oder im Keller, damit fie weber vertrodnen, noch zu früh treiben. 
fründe, f. Praͤbende. 
fund ift 1) ein Handelsgewicht in Deutfchland und in ber Schweiz, von 
verfihiedener Schwere u. deung ; man nergleiche deßhalb die Artikel von ben 
Gewichten verfchiedener beutfchen Länder und der Schweiz ; 2) im Muͤnzweſen 
der Name einer Rechnungsmünge, welcher theild allein , theild in Berbinbung mit 
einem ber Wörter: Banco, Heller, Sterling (f. d.) gebraucht wird; 3) ein 
Gold» und Silbergewicht, indem 1 Pfund = 2 Marf = 8 Unzen mthält. 
Pfyfer, 1) Ludwig, ein berühmter Schweizer-General, geboren zu Luzern 
1523, trat 1553 in franzofifche Kriegsdienfte und ſchwang fich durch Berbienfte 
zu ben höchften Kriegswürden empor. . Karl IX. fohlug ihn zum Ritter und ber 
Sieg bei Dreur oder Bleauville war großentheils fein Werk. Nah ber Rückkehr 
in fein Baterland ging er als eidgenöfliicher Geſandter 1566 zu Kaifer Marimis 


„„" 


baden ⸗MPhaenomen. 169 


Regensburg. 1567. führte-er dem frän Könige Karl IX. 

eibgenöffifcher A und ee ae Int hen 
von Meaur durch bie ee bes Prinzen Eonde nad Er 

——— am et a daß er felbft den König ich All, 

ließ, denn er, war bei — ion aͤußerſt ergeben, was man auch 

8 dem Legate von 30,000: Gulden jeher Tann, das er bem — 

—— —— Gr ſtarh 1594. — 2) BP, Ludwig, geb, zu Luzern 1715, 

[3 208 als Gadet a e Kriegadie "und ftand noch 1768, in benfels 

a als Generallieuten take den großen sn bie ganze Si 

ch geometriichem Maßſtabe habener Arbeit von Wachs fo —— 

wm alle Höhen, ae nn Er Stege und ben ganzen Bau der 

t Augen fieht, und nach einigen Jah en hatte er mit bewundert — 

—* ar Härte‘ ai Helvetlen auf dieſe Art zu Stande gr Er 


badon aus, Eliß, ein. Schüler des. Sokrates, der ihn aus ber. Seangen ⸗ 
Feen Seeräuber, — er bei der — feiner Vaterſtadt gerathen war, 
faufte und dem er fortwährend, treu blieb, & wurbe der Stifter: ve 
a Di Bon vcn Band nahprhure,& Sci 
farm jon’g, von Mendelsſohn nacgeahntes, Gelpr: 
j keit der Seele unter * ame. Schüler Phis 
fi G blos auf bie Moral ein, 
, Tochter des Minos und. der hafiphas, warb zugl mit Xlabne 


Ei 


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58 


\ t und, nachdem er bi »-gehei 
De a Id nen, are 19, aa Bahr 
— He Te kan ae nr Bea Ant ir 
haben. Sophotles und Eur — unter ben Reueren Racine, und nos. 


dieſen ‚Stoff dramatifch bearbeitet, 

Phaedrus, der hewöhntichen, Angabe nach ein Thrafier von Adfunft und 
ein Breigelafjen Augufts, berühmt durch feine fünf Bücher aefopifcher Fa— 
bein, in fechsfüßigen Jamben, mit. vieler natürlichen Leichtigfeit erzählt. Wegen 
ber wenigen Nachrichten u. des Stillſchweigens ber übrigen alten Echriftfteller 
über ihn, hat Chrift in feiner Differtation „De Phaedro,“ Leipz. 1746, die Hecht: 
hat diefer Fabeln angefochten u. Diefelben für eine Arbeit des Nifolaus Perot⸗ 
tus im fünfzehnten Jahrhunderte erflärt. Auch jegt ift es noch nicht ſicher aus⸗ 
gemacht, welchem Zeitalter fie angehören. — Ausgaben: von Bentley, mit dem 
Ian u. Syrus' Mimen, Cambridge u. London 1726; beifen Commentar zum 
®B. einzeln, von Pinzger herausgegeben, Breslau 1833; von P. Burmann, 
Lerden 1727. Am reichhaltigfien u. forgfältigften von Schwabe, Halle 1779-81, 
3 Ihle.; fehr vermehrt, Braunihweig 1806, 2 Bde. Auch von Lange, zweite 
tebefferte Ausgabe, Halle 1823 u. von Be Leipz. 1803. Phaedri fab. 
'riginta noviter detectae, Tübingen 1812. Diele 30 Fabeln find aber nicht neu 
wuigefunden, fondern fhon Burmann kannte und gab fie mit den älteren heraus, 
Haag 1719. Neuefte Fritifche Ausgabe von Orelli, mit dem Cäfar Germanicus, 
tem Pervigilium Veneris u. des P. Syrus Eentenzen, 2. Aufl., Zürih 1832. 
Brauhbare Echulausgaben hat man von Zell, Etuttg. 188, Hoffmann, 
dert. 1836, Dreßler, Bauzen 1838, u. ſ. w. Metrifche Meberfegungen von 
ihmwarz, Halle 1818, von E. U. VBogelfang, 2. verb. Aufl., Leipz. 1823; 
Jeinzelmann, Salzwedel 1834, und von Kerler in den „Römifchen Babel: 
igtein“, ®b. I. u. U, Stuttg. 1838. 

Phaenomen (Gefesemung, heist Etwas, infofern es ſich als Beobachtetes 
18 lediglich nach den Geſehen unſerer finntichen Natur darftellt. Daher Phae⸗ 
omenologie, bie Erfheinungslehre. Hegel bezeichnete mit biefem Worte bie 
arftelung ber verfchiedenen Formen und Entwidelungsftufen bes Bewußtſeins, 








170 Phasthon — Phalanr. 


in fofern davon zugleich bie Art abhängt, in welcher das Bewußtſein die Welt u. 
ſich ſelbſt auffaßt. 

Phaëthon, d. h. der Leuchtende, Sohn des Sol u. ber Klymene, wiewohl 
feine Abſtammung ſehr verſchieden angegeben wird, Als ſchoͤnen Juͤngling ent- 
fuͤhrte ihn Venus in ihren Tempel auf Kypros. Seitdem leiteten die kypriſchen 
Könige ihr Geſchlecht von ihm her; man nennt ihn deßhalb Vater von Aſtynoos, 
Großvater von Sandakos, Urgroßvater von Kinyras. Epaphos, des Zeus Sohn 
von Jo, warf ihm einft feine geringere Geburt vor. Aus Blutfloly ging er auf 
feiner Mutter Rath zu Helios, der ihn freundlich aufnahm und jede feiner Bitten 
zu erfüllen fchwor. P. dat fih aus, einen Tag über einmal ben Sonnenwagen 
lenken zu dürfen. Helios mußte nun den Wunſch gewähren. P. —F en 
Wagen, bald aber brachen die Sonnenroſſe aus dem Geleiſe und der Wagen 
ſteckte Alles in Brand auf der Erbe, wo er fich ihr zu weit näherte. Die Erbe 
flehte Zeus um Hülfe an, worauf ihn biefer durch einen Blitzſtrahl in den Eri⸗ 
danus (Po) fehleuderte Aus Betruͤbniß über ihn wurde fein Freund Kyknos zum 
Schwan. Auch feine unglüdliden Schweftern, die Phastontiaden, grämten ſich 
zu Tode und wurden in Erlen verwandelt; feine Mutter Klymene wurbe wahn⸗ 
kunig vor Schmerz. Kunftwerfe ftellen die Verwandlung feiner Schweftern, ihn 
auf der Erde, die Rajaden mit umgeflürzten Krügen, Alles in Flammen ıc bar. 
— Ein zweiter PBhaöthon war einer der Titanen und Water des Erethrieus. — 
Ein Dritter war ein Sohn der Aurora u. des Kephalos, oder Tithon, ein Lich: 
ling der Venus. ' 

baläuen, ſ. Schmetterlinge. 

balanr, der, war bei ben alten Griechen ein Eorps fchwerbewaffneten Fuß⸗ 
volfes, aus Rotten, als der niedrigften Einheit, zufammengefeht, deren mehre, in 
Orbnungen anderer Benennungen zufammengeftellt, den ganzen P. bildeten, “Die 
Tiefe des PB. oder die Tiefe ber einzelnen Rotten betrug gewöhnlihd 16 Mann; 
allein die Befchaffenheit des Bodens, die Menge ber Streitfräfte, befonders bie 
Fortſchritte in der Kriegskunſt u. andere auf die Aufftellung einwirfende Umftände 
mußten Mobdificationen in ber Tiefe hervorbringen. Wurde einer Rotte eine an- 
dere fo angereiht, daß die zweite mit der erften in der Richtung ſtand, u. wurde 
mit dieſer Zufammenftellung der Rotten fertgefahren ‚ fo formirte fi ber P., 
deſſen Yrontbreite durch die Rottenführer gebildet wurde. Die Frontbreite des P. 
wurbe nach der ganzen Tiefe in zwei Theile getheilt, von denen ber eine ber 
rechte Flügel ober Kopf, der anbere der linke Flügel oder Fuß genannt 
wurde. Der Punkt, wo bie Fronte durchſchnitten wurbe, erhielt die Benennung 
Nabel oder Mund oder Fuge. War ber P. in Schlachtordnung aufgeſtellt, 
fo bildeten bie einzelnen Abtheilungen Zwiſchenräume unter fidh, durch welche 
die leichten Truppen fich zurüdzogen, oder bie Reiterei ihre et machte, oder 
welche die Ausführung einzelner Bewegungen erleichtert. Der P. gliederte ſich 
in mehre Unterabtheilungen. Derfelbe konnte am beften und ortheifbafteften auf 
einem ebenen u. freien Terrain fechten; wo ſtark bedecktes oder durchichnittenes 
Terrain fih ihm in den Weg ftellte, ba riß er auseinander, verlor feine ges 
ſchloſſene Stellung, feine Kraft, feine Furchtbarkeit, denn ber Feind brauchte nur 
bie entftandenen Lüden zu benügen, um ihn aufzureiben. Bei Allem bem Hatte 
bie Stellung im P. bei der damaligen Taktik viele Vortheile. Der P. ab durch 
die Staͤrke ſeines allgemeinen Angriffes gewoͤhnlich den Ausſchlag. ſchlug 
ohne große Zwiſchenraͤume; die ganze Maſſe der Phalangiten bewegte ſich in 
einem gleichen Zeitmaße nach einer Richtung, ohne zu wanken oder ſich zu trennen, 
ein Glied unterftügte das andere u. alle Glieder bildeten mr eine Maffe Um 
eine fo aufgeftellte Heerfchaar, welche aber mehr eine Marfhlolonne, als eine 
Schlachtſtellung und für den Marſch beſſer, ald zum Kampfe war, anzu⸗ 
greifen, mußte man fünf hervorragende Reihen von Spießen angreifen; daher 
war ein Angriff auf den P. blieb Diefer geſchloſſen, gewagt u, e mißglüden. 
Der P. war einfadyer, als bie römifche Schlacdhtorbnung ; diefe theilte nämlid) 


Phalaris ⸗ Phantaſtiſch· m 


: Aufmerffamfeit des Oberbe (ders mehr, als die Aufftellung im P.5 allein biefer 
ixde_ wieder mangelhaft, rn ee eek 
'affen betradtet, welche mit fürgeren nicht untermifcht waren. 

, Tyrann von Agrigent in Sicien, aus Kreta geblittig, von ums 
wiffem Zeitalter, th 555 v. Ehe, wegen feiner Graujamfeit. berüichtigt, 
I te ſich durch ſche Soldaten und Hinrichtung der angeſe 
änner im Staate in feiner Sign zu behaupten, wohin unter anderen die 
annte Anekdote von Perillus (f. 6.) gehört. Es werden ihm 148 Briefe 
gefchrieben, die ihn, wenn fie wirklich won 2m find; von ber tiebenswirbigften 
—2 ht —8 Mei m b ie — Mi Set, 

er jetheift u. ber zur ent (2 it; 

J — baren | hrten, hat biefer Unt fa e 
als fie fonft. für ſich haben würde. Die Meinung, dap diefe 
— onius Zeiten lebenden Sophiften, —— Urheber 
ben, Hat viel Wahrfeheinlichfeit für fi. Die * Ausgabe IR die von Lens 
tp an Bülfenaet, 2 Bde, Gröningen 1777, Neue Ausgabe von Schäfer, 


Ede 


Apsig 1823, E 
ö, einer der Argonauten, Fam, noch als Kind, in Gefahr, von einer 
Ahlange, Die Ihn Immmpunden. hatte, getöblet zu werben; fein Bater (Meon oder 


erſchoß fie, ofme den Knaben zu verlegen. — Er: hatte einen Altar 
a —— 
en’ die ı 

Gen Gliedes, gleichbebeutend mit ve Eingam (f. d,), ber Inbier, als Symbol 


rent den @rypt 60.) Beißen im 
D em ameni db) 
n jen —— die per er — —— gen, 


durch Staubfaben u, Piftilie/ wodurch fie hr 


im 


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Phantafie, |. Einbifdbungsfraft. 

Phantasmagorie, heißt die Darftellung von Luftbildern oder wefenlofen Ge 
alten, zu der zwar eine ber Laterna magica (f. d.) ähnliche Vorrichtung 
agewendet wird, wo aber die Bilder, ftatt auf einer feften Wand darzuftellen, 
uf einen durchſichtigen Echirm projicirt werden. 

Phantasmen nennt man Bilder, die in mancherlei Art dem Auge fi bars 
len, von den wirklich fichtbaren Gegenftänden aber verſchieden find. Die Urfache 
rfelben liegt in einem Fehler des Auges, oder in krankhaftem Zuftande des Ge— 
md, ober Die P. entftchen endlich aus Mitleidenfhaft bei Erkrankungen anderer 
örpertheile. Der an P. Leidende ift günftigften Falles fich defien wohl bewußt 
weiß, Daß Das, was er ficht, in Wirflichfeit nicht befteht; wenn aber die P. 
nger andauern, oder in heftigeren Fällen gleich Anfangs, ift der Leidende nit 
ı Etande, das Ierthüimliche feiner Geſichtswahrnehmungen zu erfennen ; er hält 
am feine SB. für Wahrheit u. verfällt in Irrereden u. Geifteöftörung, infoferne 
eſe nicht ohnehin Die Urfache der P. waren. E. Buchner. 

Phantafos ift in der Mythologie der Griechen der Sohn des Schlafes, 
: ben Träumenden allerlei Geitalten u. bunte Bilder vorzaubert. 

Phantaftifch (ſeltſam, abenteuerlich), nennt man in Kunſtwerken u. befon: 
s in Dichtungen das Hinausihreiten über die Natüirlichfeit oder Naturwirklich— 
t, wenn in ber Behandlung des Stoffs die Phantafie mehr oder minder vor: 
fichend ift, woburd ber Grad des Phantaftiichen beftimmt wird. Das Ro: 
intifhe (ſ, d.) kann ohne dieſes Whantaftifche nicht beftehen. Beſonders 
gebildet erfcheint es im Gchicte des Mährchens cf. b.) u. nad außen in 
: Geftaltung der Arabesfe u. des Grotesken (1. dd.). — Bhantaftifher 
an heißt der dem gefelligen Tanze, folglich der Eitte genenüberftehende. Er 
arafterifirt fich durch das Eonberbare u. Wunderliche in Kleidung u. Mimik; 


172 Phantom — Pharifäer. 


durch ein Abfpringen von der rhythmiſchen Bewegung, gleichfam nad) der augen: 
blidlicden Einwirkung der Phantafle. . 

Phantom bezeichnet im Allgemeinen jedes Phantaftebild, vorzüglich aber jene 
Phantasmen (f. d.), deren Falſchheit der damit Behaftete nicht erkennt; es iſt 
dann fo viel als Trugbild. — B.e heißen aber auch Fünftliche Vorrichtungen, an 
welchen Operationen eingeibt werben. Die chirurgifchen Operationen werden 
zwar an Leichen geübt, aber für Augenoperationen bedient man fidh ber Augen: 
pbantome, da bie Augen in ben Leichen fehnell zufammenfallen. Diefe Augens Be 
beftehen aus einer Menfchenlarve mit Augenhöhlen, in welchen frifhe Thieraugen, 
am beſten Schweinsaugen, angebracht werden. In ben befieren Diefer Augen⸗P.e 
ift-ein eigner Mechanismus angebracht, der alle natürlichen Bewegungen bes Aus 
ges zuläßt, wodurch der Ruben ber Operationsübung fi fleigert. Zur Einübung 

er geburtshütflichen Operationen bebient man fich der geburtshülfliden P.e, bie 
am zwedmäßigften aus einem ffeletirten weiblichen Becken beftchen, das mit Leber 
überzogen tft und an welchem die Weichteile durch Auspolfierungen Hergeftellt 
werben. Die gewöhnlichen geburtshülflidden P.e fielen nur bie allein nötbige 
Bedengegend dar; es gibt aber auch Tünfllich gefertigte ganze Biguren, bie ale 
P.e in der Geburtshülfe dienen. . Buchner. 

Pharao Chebr.), fo viel als König, nah Anderen fo viel als Sonne, 
war 1) der gemeinfchaftlidde Name aller fehßeren agpptiichen Rönige, wie Btos 
lomäo8 ber fpäteren aus griechifchem Stamme. Die geichichtlich merfwürbigften 
B.n find: a) P., welcher in der Geſchichte Abrahams vorkommt; er nahm Abra⸗ 
hams Weib in feinen Harem, fanbte fie aber unberührt wieder zuruͤck. b) B., 
auch Apis, Agrwpo⸗ oder Serapis, in der Geſchichte Joſephs (ſ. d.). — 
2) P., eines der älteſten und verbreitetſten Hazardſpiele, nach dem Könige 
P., von dem ſonſt ein Kartenkonig den Namen hatte und ber, als ein vorzuͤglich 
unternehmend geltender König, bei biefem @lüdsfpiele am Häufigften beſetzt 
wurde, benannt. 

baraonsrage, |. Ichneumon. 
barifäer, d. 9. Abgefonderte, Auserwählte, Heilige, von dem 
hebräifhen Worte Barafch, waren eine berühmte, jüdifche Sekte, deren Urſprung 
dunkel iſt. Man glaubt, fie feien bald nach der babylonifchen @efangenfchaft, 
veranlaßt durch die Bekanntfchaft mit den Lehren Zorvafters, entftanden nach Ab- 
ang ber letten Bropheten, ber Bewahrer des Glaubens. Unter dem Hohenpries 
er Jonathan traten fie als gelehrte Partei aufz dagegen ging Johannes Hyrs 
fanus 1, (der Maffabäer), zu ihren Gegnern, den Sabducäern, über um 110 vor 
Chriſtus. Die P. waren daher die Männer, die politifch religiöfen Lenker bes 
Volfes u. genoßen eines fehr großen Anſehens. Sie waren zur Zeit bes Könige 
gerobes in zwei Parteien getheilt: in die Schüler des Hillel u. in bie des 
ch ammai. Jener kam aus Babylon u, war dann 40 Jahre lange das Haupt 
bes Synedriums; er fand viele Anhänger feiner milden, ja fchlaffen Lehre. Das 
gegen gründete fein Schüler Schammai eine eigene Schule, in welcher die Strenge 
herrſchte; fo entftanden Heftige Streitigkeiten. ganzen blieben Hillels Grund» 
füge in Fragen der Moral herrfchend ; in A bes Ceremonien⸗Geſetzes nah⸗ 
men die des Schammai immer mehr zu. Jene ſind die eigentlichen P., mit denen 
ber Heiland e8 zu thun hatte. Die letzteren nannten fich ſpaͤter Karaiten. Die 
P. nahmen, neben den fohriftlichen Neligionsurkunden, auch die mündliche Meber- 
lieferung an, zeichneten ſich duch Eifer für den alten Glauben aus, fo baß ihre 
Richtung ficher auf Erhaltung des überlieferten Offenbarungswerfes ausging und 
fomit die P. weit höher, als ihre Gegner, die Sabducher, fanden. —88 ſelbſt 
Fa dem Bolfe, zu thun u. zu halten, was fie befehlen (Matth. 23, 2), infos 
een ihre Sapungen ben göttlichen Geſetzen nicht zuwieber liefen. Allein Die mei⸗ 
ſten P. bildeten durch die Weberlieferung eine Art fpefulativer Gottesgelehrtheit 
aus, welche fie durch finnbilbliche Erklärung in bie Heilige Schrift legten, und 
Denüßten fpäter biefe Meberlieferung zur Beweisfuͤhrung fir bie außerorbentlich 


Mn 


Pharmacentit — Pharmacie, 173 


ı Geremonien. Sie rühmten ſich einer ganz Pe Kenntniß des Ges 
ver Religion u, wähnten, ſchon badurch dis ſott J——— 
n ein unvermeidliches Berhängniß; doch nahmen ſie davon das fittliche 
aus. Sie glaubten war die Unfterblichfeit ber Seele u, bie Auferſtet 
Eodten, aber fie — auch die Seelenwanderung der Tugendhaften, 
ere gi u. böfe Geifter unter den Oberften Melatron u. Samael, welche 
uf die Menfchen üben. Sie behaupteten, Gott könne wegen ber Bers 
brahams u. der wahren Erfenntniß u, Gottesverehrung feinen Juden 
n. Sie hielten fih an ben todten Buchftaben des Geſehes, geftatteten 
Cheſcheldung aus jeber-Urfache, Hielten nur den Eid bei Gott für bin- 
atteten ben Haß gegen Feinde u. das Vergeltungsrecht; aber bie Heils 
' Ktanfen am Sabbath u. das Abpflüden einiger Uehren, um ben Hun- 
llen, mißbilligten fie. Die natürlichen Gefege, auf deren Webertrerung 
afe gefegt war, erflätten fie für Fleime, die Geremonienverorbnungen aber 
e Gebote, daher fie ungerechten Zorn u. unzüchtige Begierden Klei⸗ 
hielten u, unter dem Deckmantel ber Religion Arme um das a au 
ichten. Sie waren ehrgeisig u, rußmfüchtig, trugen ihre langen Gebete 
BWerfe vor allen Menſchen zur Schau; dabei verachteten fie alle Nicht⸗ 
jünber. Die überlieferten Gefege zogen fie oft ben moſaiſchen vor; 
arden in der Mifchna, die Nachtraͤge in der Gemara Eye Sie 
ſer das Unterlaſſen von Waſchungen u. Reinigungen che 
ter der Strafe der Ausrottung. Dagegen verachteten fie das vierte Ger 
nicht etwa verunreinigt zu werden, hielten fie fi von Sündern und 
entfernt, Das Gejeh vom Zehent dehnten fie auf bie gerirafist ſten 
8; fie fafteten wöchentlich zweimal, Die Säume an ben Kleidern, Pisie 
ettel an der Stirn machten fie größer u, breiter, als andere Reute, um 
x für das Gefep zu zeigen, Johannes ber Täufer u, Ehriftus tabeln 
ich ihre Heuchelei, ihre Ungerechtigkeit, ihren Ehrgeiz u. ihre Sucht, vor 
ch aus uzeichnen. Chriftus warnte wiederholt vor dem Sauerteige, d. 
1 falichen Lehren der P. Zu den Zeiten Jeſu beftand das Synebrium 
P.n, feinen beftigften Gegnern, welche ihm auf alle Meife nachftellten 
verderben ſuchten. Cie wollten nicht von ihm getauft ſeyn, Argerten fich 
n Umgang mit Zöllnern u. Süntern, beſchuldigten ihn ber Sabbath: 
ing, bielten ihm für einen Gottesläfterer, begüchtigten ihn bes Umgangs 
Oberften der Teufel, forderten gleihwohl, ein Zeichen von ihm zu fehen 
die Heilung eines Blindgeborenen nicht glauben. Nach der Auferwed- 
Lazarus fuchten fie ihm mehr als je zu tödten, ärgerten fich über feinen 
ı Serujalem u. ließen ihm endlich gefangen nehmen u. zum Tode bringen. 
Selte der P. waren: Nifodemus, Gamaliel, der Apoftel Pauls, einige 
ten. Bald nad Jeſu ſcheint fih das Anfehen der P. vermindert zu haben, 
die heutigen Juden faft alle dem Pharifüismus zugethan u. nennen ſich 
bbaniten. 

rmaceutik hieß fonft der praktiſche Theil der Pharmacie (ſ. d.); in⸗ 
mt der Ausdrud jegt nur noch wenig vor. 

rmacie, oder Apotheferfunft, ift jener praftifche Theil der Natur: 
fen, welcher die Keuntniß, Ginfammlung , Aufbewahrung, Zubereitung 
ung ber Arzneimittel zum Gegenſtande hat. Wiſſenſchaftlich behandelt 
SP. erft im der Neuzeit, als Kunft ift fie alt. P. und Mediein gingen 
r Hand in Hand. Die Aegypter verfertigten ſchon Abkochungen und 
von Arzneipflanzen, gebrauchten die Aſche der Papyruspflanze ale Heil- 
d ſollen auch fon einige Pflafter gefannt haben. Vor Hippofrates 
n feine Nachrichten über V. bei den Griechen, aber in den Schriften 
ühmten Arztes find die älteſten Geſchichts-Quellen diefer Kunft. Zu 
ern drang die P. erft fpät, wie alle Künfte, Die Araber befchäftigten 
iders nach dem Untergange des römijchen Reiches, viel mit Chemie und 


174 | Pharmakolith pPharus. 


P. Sie führten viele chemiſche und andere Arzneimittel ein, welche theilweiſe 
noch gebräuhlih find, wie: Rhabarber, Kampher, Sublimat ı. Bon ihnen 
wurbe die PB. zur felbftftändigen Wiſſenſchaft erhoben und im 8. Jahrhunderte zu 
Bagdad bie erfte Apotheke errichtet. Als durch die Kreugzüge nach Europa wie 
ber Künfte u. Wiſſenſchaften verpflanzt wurden, flifteten die Aerzte in Italien bie 
fo berühmte Schule von Salerno, errichteten dort Apothefen (Stationes), benen 
Apothefer (Confectionarii) vorftanden. Bald darauf wurden auch in anderen 
Ländern Europa’s Apotheken etablirt u. Kaifer Friedrich II. erließ die erfte Apo- 
theferordnung. Im 17. Jahrhunderte blühte Die P. beſonders empor, weil Die 
Entdedungen in den Raturwiffenichaften großen Einfluß auf fie übten. Aus jener 
Zeit find mehre Männer, wie Hoffmann, Glauber, Mynficht, Kunkel ꝛc. durch 
ihre chemifchen u. pharmaceutifhden Arbeiten vortheilhaft bekannt. Gleiche Fort: 
chritte machte die P. im 18. Jahrhunderte; die Zahl der pharmaceutifchen Schrift: 
eller vergrößerte fich immer mehr, und Männer wie Boerhave, Dippel, Minde⸗ 
rer, Scheele ıc. traten aus jener Epoche als tüchtig hervor. Mancherlei Ent: 
deckungen im Gebiete der Chemie und Raturwirfenichaften überhaupt, fowie bie 
im jebigen Jahrhunderte aufgefundene Proportionglehre veranlaßten eine große 
Berbefierung der pharmaceutiihen Vorfchriften, die Entfernung ungleichmäßiger 
Präparate u. f. w., und fo hob fih denn die P. auf die hohe Stufe der Wiſſen⸗ 
ſchaft, fo daß fle ale Schwefter der Chemie betrachtet werben fann. — Die PB. 
befchäftiget ſich, als foldhe, nur mit jenen Gegenftänden ber Raturwiſſenſchaften, 
welche ſich auf Arzneimittel beziehen; außerdem lehrt fie noch gerifie mechaniſche 
Betigfeiten, welche zur Anwendung jener Wilfenichaften nöthig find. Sie zer: 
füllt in 4 Theile, und zwar: 1) die Lehre von den Arzneimitteln, (Phar⸗ 
mafognofte), 2) die Lehre von den mechaniſchen Fertigkeiten (phars 
mareut. Technologie), 3) Angemanbte Chemie (pharmac Chemie) und 
A) Receptirkunft. (Bergl. die Artikel: Apotheke, Apothefer, Apothe 
ferorbnung, Apothefertare, Difpenfatorium). aM. 

Pharmakolith, Geſchlecht aus der Gruppe Calcium, ift fehr weich, enthält 
24 Kalk, 44— 5 Arſenikſaͤure, gegen 24 Waffer, wiegt 24, erfcheint in haar⸗ u. 
nabelförmigen Kryſtallen, theils einzeln aufgewachſen, theils in Büfcheln, Ster: 
nen, Kugeln, auch traubig, nierenförmig, ald Anflug u. f. w., bat ein flrahliges 
Gefüge, mufcheligen, auch erbigen Bruch, Seiden- auch Glasglanz, waflerhelle, 
auch weiße, ind Graue und Roͤthliche übergehende Farbe, fchmilzt (ſchwer) mit 
Knoblauchgeruch u. löst fih in Salpeterfäure ohne Braufen. 

— ſ. Dispenſatorium. 

harnabazus, ein perfiſcher Satrap in Kleinaſien, unter Darius Nothus, 
wo ihn, ben Bunbdesgenoffen ber Spartaner, 411 vor Chr. Alcibiades fchlug, 
welchen er hernach ermorden lich. Ebenſo hinterliſtig täufchte er ben Lyſander, 
blieb aber feinem neuen Könige Artarerres Mnemon gegen befien rebellifchen 
Bruder Eyrus treu und verfebaffte gegen die ne welche ibn befriegten, 
bem Athenienfer Konon den Oberbefehl der perliichen Flotte. Nach dem antal 
cidifchen Frieden aber, 387 v. Chr., fiel fein Anfehen fehr. 

barnaces, König von Pontus, Sohn Mithridates des Großen, empörte 
das Kriegsheer gegen feinen Vater, der ſich in der Verzweiflung felbft bas Leben 
nahm, 63 v. Chr. Während des bürgerlichen Krieges zwifchen Pompejus und 
Caͤſar bemädhtigte er fich faft aller feiner väterlichen Beſitzangen wieder; allein 
bald zog Caſar Ci. d.) gegen ihn zu Felde und überwand ihn fo gefchwind, 
baß er (Bäfar) darüber feinen Freunden das befannte „veni, vidi, vici“ ſchrieb. P 
—* nachher fein Leben gegen einen feiner Statthalter, —— ander, der ſich em⸗ 
pört hatte, 

Pharfalus, eine der anſehnlichſten Etäbte in Theſſalia Phthiotis, am Eri⸗ 
peus, fübweftlih von Larifſa; jenfeits Ferſalo; bicht über ihr die Pharſali— 
[hen Selber (Pharsalici campi), wo Caͤſar ben Pompejus beflegte, 

Vbarus, |. Leuchtthurm, 


Phafen— Ppidias, - 175 


Phafen find die bekannten Li Item, ‚unter denen in periodi 
eife der Mond (f. riyg ae bloßen Augen, ne ae 
d Venus aber durch Fernroͤhten ung barflellen. Bei dem Mars jedoch nimmt 
fen volle erleuchtete Scheibe nur wenig ab, und man fann daher von biefem 
ameten nicht eigentlich fagen, baß er fich unter verfchiebenen P. uns zeige, 

Vhafis, rin Fluß in Molchis, ber as dem blidien Theile der Moshiei 
mies entfprang, — bie Fortſezung des Bons von dem Fuße des. Raus 
us und ‚den Gränzen Iberiens an. Ex ergo fi in das öflliche Ende des 
2. Eurinos. An ihm war ber Schauplap, der Thaten Jajon’s di. b.). 
tete 


n haben auch die —5 — —* Namen, 
Aoplaſtik, oder Korfbildnerei, ift bie Nachbildung architeltoniſchet 
in Kor, — von Auguft Rofa, Architelten in Rom, zwifchen 1780 
1790, vervollfommmet von dem Baurathe Mey in Aſchaffenburg, und felb 
f_bie Nachbildung gotbifher Baubenfmale in Anwendung gebracht. &o 
Hbildungen find zum Behufe des Kunfftudiums nicht Sloß wohlfeiler, ‚als bie 
8 Thon, Stein und dgl. verfertigten, fondern. tragen auch ſchon bie braune 
zbe alter Denfbauten an ſich. 
bed, 1) einer ber Älteften griechifchen Philofophen aus ber 
en Infel Syrus, nicht weit von Delos gebürtig, lehrte innerhalb ber am 
„ Olympiade (im 6. Jahrhundert v. Ehr.). Er ſcheint feine Einfichten in 
iilefepbie, befonders die Lehre von der Seelenwanderung , bie er auch feinem 
h oras mittheilte, aus Aegypten zu haben. Er philofophirte 
in unbener Rebe, bie aber noch ganz bildlich war und nahe an Dice 

foradhe gränzte. Er ſchrieb ein Werk, "Errauvxos betitelt, oder eine Theo» 
wie umb hr jonie, verband ben höchften Gott mit ber Materie u. lei 
: Unfterblichfeit der_ Seele. Daß ex aber, wie Cicero fagt, der Erfie gewelen, 
e.diefe Lehre vorgetragen habe, iſt nicht zu behaupten, da fie ſchon bem Drs 
«us u. anderen von ben en Weifen befannt geweien zu ſeyn ſchein. ‚Seine 
agmente wurden herausgegeben von. Sturz, 3. Auflage, Leipzig 1824. — 2) 
‚ ein Logograph, aus der Infel Leros, einige Jahre nad Herodot geboren, 
dt fi in der Folge zu Athen auf und ferrieb ein Wert: Toropiat oder Ap- 
uoAoyia betitelt, in 10 Büchern, worin er die auf die athenienftiche Geſchichte 
zug habenden Eagen, fowie gelegenheitlih auch die der benachbarten Völker 
nmelte, die Gründung vieler Etädte u. Etaatın und die Wanderungen der 
een Bewohner Griechenlands nachwies. Die von den Alten ebenfall8 unter 
em Namen angeführte Archäologia Attica ift wahrſcheinlich ein von dem eben 
geführten verjchiedenes Werk. Die Fragmente find von Sturz in der vorher 
oähnten Ausgabe zugleich mit gefammelt, dann von Müller in „Historicorum 
ıecorum fragmenta (Paris 1840). Vgl. Matthiä „De Pherecydis frag- 
atis‘* in deſſen „Vermiſchten Schriften“ (Wittenberg 1833). 

Pherekrates, ein berühmter Dichter ber alten Komödie, um 430 vor Chr., 
ı ben Alcrandrinern in den Kanon aufgenommen, von dem 25 Etüde ange 
nt werden, darunter „"Aypıoı,‘‘ wovon ein Bragment bei Platon, herausgegeben 
d behandelt von Heinrich, Kiel 1813, 4. Nach ihm ift der Pherekrätiſche 
76 benannt, ein choriambiſcher Vers, vom adoniſchen lediglich unterfebieden 
ch das bdemielben vorgefepte Anfangsglied, welches bei Horaz immer cin Spon 

u u 


18, bei Eatull aber ein Trochäus if: — — -vu— — — 

Phidias, der berühmteſte Bildhauer des NAltertfums, 483 vor Chriſto zu 
jen geboren, war ein Zeitgenoffe des Perikles unb arbeitete in Marmor, Erz, 
Id u. vorzüglich in Elfenbein. Er war der Gifte unter ben Griechen, ber das 
böne der Natur ftudirte und nachahmte. Seine PBhantafie war groß und 
erzt, er wußte auch den Gottheiten das gehörige Anfehen u. den erforderlichen 
edrud zu geben. Sein Jupiter war, nebft der Juno bes Polykletus, cine 
nus des Alkamenes und hernach viner des Prariteles die vollkommene ta 


176 Philadelphen — Philadelphia, 


tue, die das Alterthum gekannt hat. Die Kunſt erreichte durch P. und ſeine 
Zeitgenoſſen ihre Größe u. man kann ihren Styl den großen u. hohen nennen. 
Sein olympiſcher Jupiter ſtand in ſo hoher Bewunderung, daß kein Bildhauer nach 
ihm fich nur unterſtand, dieſelben nachzuahmen, u. die Römer ſowohl, als die 

riechen, hielten es für ein Ungluͤck, dieſes bewundernswuͤrdige Kunſtſtuͤck niemals 
geſehen zu haben. Die Eleer ſtifteten zu Gunſten ſeiner Nachkommen ein Amt, 
welches blos darin beſtand, dieſe Statue immer rein zu halten. Eben dieſer P., 
fein Schüler Alkamenes, vornämlich aber Polykletus, Hatten den Ruhm, daß fie 
die fchönften Hände machten. Er arbeitete auch mit Menefifies in der Baukunſt. 
Weil er von Perikles fehr gefchägt u. ald Fremd behandelt wurde, fo befchuldigte 
man ihn, um jenen zu fränfen, er habe bei Verfertigung der Statue der Minerva 
einen Theil bes Goldes zurücdhbehalten. Man wog auf fein Berlangen die Mafle, 
fand aber eben fo viel, als ihm gegeben worden war. Seiner Unfchuld ungeachtet 
wurde erin’8 Gefängniß geworfen, wo er auch ftarb. 

Philadelphen hieß eine geheime Verbindung im napoleonifchen Heere, beren 
Haupt der Brigadegeneral Dudet war u. welche den Zwed hatte, die Republit 
wieder herzuſtellen. Bei der Schlacht von Wagram wurde ber genannte General 
mit 35 feiner Mitverſchworenen in einen Hinterhalt gelodt, und dort erfchoffen. 
Näheres über die Eache weiß man nicht; vielleicht fland die Mall et'ſche Ver⸗ 
ſchwörung vom Jahre 1812 damit in Verbindung. 

biladelphia, die bedeutendſte Stadt in dem nordamerifanifchen Freiſtaate 
Pennſylvanien, etwa 30 Meilen vom atlantifehen Ocean, zwifchen dem Delaware 
und Schuyefill, die fich unterhalb ber Stabt vereinigen, gelegen, befteht aus 6 
heilen: der @ity, der nördlichen u. füblichen Freiheit outhwark, Moyamen⸗ 
fing und Paſſynuk u. zählt 300,000 Einwohner. Die Stadt ift ſchoͤn und regel⸗ 
äh gebaut, Hat fehr breite Straßen mit gutem Pflaſter, fchönen Trottoirs, 
reichlicher Erleuchtung ; viele öffentliche Plaͤtze (Wafhington, mit ber Bildfäule Waſ⸗ 
hingtons), fleinerne Häufer, viele öffentliche Gebäude (Staatenhaus, 3 Rathhaͤuſer, 
Balbingtonhall, einige Schaufpielhäufer), 57 Kirchen verfchiedener Confeffionen 
(13 der Presbyterianer, 4 der Katholiten, 6 der Episcopalen, 6 der Dudder, 5 
der Baptiften, 4 der Lutheraner u. f. w.; Darunter die fchönfte Neu » Jerufalem. Man 
findet Hier eine Univerfität, eine Akademie der Naturwiſſenſchaften, eine Afabemie 
der fchönen Künfte; ferner eine‘ amerifanifch - philofophifche Geſellſchaft zue Befoͤr⸗ 
derung nuͤtzlicher Kenntniffe, eine mebizinifche, eine chemifche, eine mechanifche und 
eine beutfche Gefellichaft, eine zur Aufnahme bes Landbaues, ein Athenaͤum, Peale's 
Mufeum, welches die reichfte Raturalienfammlung in Nordamerika befigt, eine 
Menge gut eingerichteter Schulen ꝛꝛc. Eine allgemeine philadelphifche Bibliothek 
wurde von Franklin angelegt und ihr 1790 errichtetes Gebäude, auf deſſen Fronte 
die Statue Franklins von weißem Marmor fteht, iſt eines ber geldmadolifim 
der Stadt. Hier befindet fi auch die Münsftätte, in welcher alle Münzen ber 
Union geprägt werben. — Obſchon B. von Hew- Dorf, New: Orleans u. Boften, 
was den Handel betrifft, überflügelt worben ift, fo übertrifft es dagegen biefe 
Pläge in Hinficht der Inbuftrie, welche, außer einer Menge Twift aus den vielen 
Baummwollipinnereien u. großen Ouantitäten Baumwollwaaren, viel Zuder, Tabat, 
Leder, Wachstuch, Tuche, Seibenzeuge, Papier, Tapeten, gie, Seife, Glas, 
Porzellan, Bleiweiß, Kutſchen, gute Gold» u. Silberwaaren, Eifenguß, Rägel u. a. 
Eifen- u. Stahlwaaren, Spinn- u. andere Mafchinen liefern. Auch findet man 
pier viele Dampfmehl- u. Schneidemühlen, flarfe Branntweinbrennerei u. Bier 
rauerei, fowie wichtigen Schiffbau. Man berechnet, daß in ben verſchiedenen 
Hands, Waſſer⸗ und Dampffraftetabliffements u. den dazu gehörigen Niederlagen 
und Geichäfts - Bomptoiren, außer den eigentlichen Betriebscapitalten, 100 
Millionen Dollars niebergelegt find. In den legten drei Jahren finb allein 
18 neue Dampf: Walzmühlen angelegt worden. Dabei befchäftigt ber hieſige 
Buchhandel, der erfte in ganz Amerifa, mehr als 150 Preſſen. Die Rich⸗ 
fung, fo wie bie ©egenftände des Handels von P., unter welchen, außer Baums 


Philadelphla — Philanthropinismus. 177 


Saumwollwaaren und Tabak, feines Mehl einen Hauptartifei bildet, 
felben, wie beiden vorgenannten Blüten, u. enfe ift er Hier aus au) der 
nad Oftindien u, China bedeutend. Es laufen hier jährlih 5—600 Schiffe 
' man fchlägt ben Werth der Ausfuhr zu 6—7 Millionen, den der Eins 
er zu 16—17 Millionen Dollars an. Obgleich nicht am Meere gegen, 
}. Doch vortreffliche Verbindungen nach der Meeregfeite, nach den 
ren u. Staaten, fo wie nach den weltlichen u. füblihen Staaten bar 
n Delaxare, ber bie größten Schiffe trägt, durch Kanäle u. Eifenbaßnen, 
in diefer Beziehung fogar Vortheile vor New» Mork u, Bofton, deren 
Berbinbungen über RR. gehen. Eine noch größere Zukunft fteht ber 
wor, wenn eıft bie projeftirten Eiſenbahnen nad New⸗Drleans, Bitte 
d dem Sdio u.nac dem Erie See fertig feyn werden. — P: ift nach dem 
on William Penn angelegt, aber nicht ganz nach demſelben eführt 
von 1790—1810 war ed Bundesftadt, von da an wurde der Gongreß 
avehppia, 34106, eier br erüßmteen Lafenfler d 
a, Iafob, einer ber tt jeler bes vorigen 
derts, ber in allen Hauptftädten Guropa’s das größte Ba a 
feine He ln fürftlich bezahlen Tief, Einen Beſuch, den 
im Iaßre- 1777 der Univerfitätsftadt Göttingen zugebadht hatte, vereitelte 
teiche und wigige Profi Lichtenberg (1. d.) bafelbft durch den bes 
auch im Litendergs Schriften gebrudten Anfchlagzettel, worin er P.s 
ent auf bie barodefte Weife perfiflirte. — Uebrigens wollte P. ſelbſt nie für 
afchenfpieler von Fach angefehen werben, fondern ftellte ſich in bie Claſſe 
ollen MWerjöntichkeiten eines Saint- Germain, Eaglioftro, 
er, Eafanova u. f. ww, mit beren Thun u. Treiben das feinige in 
her Beziehung verwandt war. 
Waeni, u patriotifche Brüder aus Karthago, bie, um einen Krieg ihrer 
ME mit Eyrene über eine zwoifchen beiden liegende Samdwüfte zu beendigen, 
n, daß zu gleicher Zeit in gleihem Schritte von beiden Orten Männer 
m follten ; der Bunft, wo fie ſich träfen, follte Die Grüne ſeyn. Die bei 
über kamen aber viel weiter, als die cyrenäifchen Gefandten, die nun jene 
Ngten, zu frühe ausgegangen zu feyn. Nah langem Streite ließen fie 
Ne Wahl, bis zu einem von ben Cyrenäifern beftimmten Punkte mit ihnen 
nene zurüdzufehten, oder fih an jenem Punkte begraben zu laffen. Die 
äblten das Leptere und wurben fomit lebendig begraben. Die Karthager 
tihnen hierauf hier Altäre und verordneten ihnen zu Haufe noch weitere 
Zeugungen. 
hilagrius, ein griechiſcher Arzt, ber wahrſcheinlich im 3. Jahrhunderte nad) 
> lebte. Wie aus den noch vorhandenen Brucftüden feiner Werke zu fchließen 
: fi) bei Dribafius u. Actius finden, hat er ſich namentlich um die Chirurgie 
unbedeutende Verbienfte erworben. 
Philammon, Sohn des Apollo u. der Chione (nad Anderen der Philonis), 
o ſchon, daß fi die Nymphe Agriope in ihn verliebte u. ihm den berühmten 
m Thamyris gebar, für deſſen Mutter wieder Andere bie Mufe Erato aud- 
» Er fol zuerſt den Tanz wwiſchen beiden Geſchlechtern eingeführt haben. 
Philanthropie, Menſchenliebe, Menſchenfreundlichkeit; davon abgeleitet ber 
md: Bhilanthropinismus cf. d. folg. Act.). 
Philanthropinismus. Hiemit wird das Erziehungsfuftem bezeichnet, welches 
n drei legten Decennien des 18. Jahrhunderts Baſedow u. beſſen Anhänger 
den freien Grunbfägen Amos Comenius, Locke's und Rouffeau’s aufzuftellen 
einzuführen fuchten, fo genannt, weil die Begründer dieſes Syſtemes bie 
chenliebe als die Tendenz aller Erziehung und alles Unterrichtes betrachteten 
» Daher felbft vorzugeweife Philanthropiften nannten. Ohne Zweifel bezeich⸗ 
er P. nit nur cine wichtige Periode in ber Geſchichte des Erziehungswer 
das mit ihm eine neue Cyoche begonnen, fondern er hat ſich audy nit geringe 
2 


alencpelopäde. WILL 1 


178 Philanthropinismus. 


Verdienſte in allen Gebieten der Staatswiſſenſchaft und bes öffentlichen Lebens 
erworben. Er Hm großen Antheil an der Verbreitung u. wachſenden Herrichaft 
eläuterter Anfichten über unverjährbare Menfchenrechte; ebenfo an der Ent⸗ 
indung geiftiger Kräfte aus allen Tiefen bes Bolfslebens und der Anerkennung 
ber Talente gegenüber dem privilegirten Herfommen, das ihnen den Weg zu verfperren 
fuchte; an der Hebung u. Kräftigung des Bürgerftandes; an ber Aufhebung der Leibei⸗ 
enfchaft, der Abfchaffung des Kegerhandels, der Emancipation der Sklaven, an der 
Reinigung des Strafrechts von willfürlicher Härte, überhaupt an ber Verbeflerun 
ber Rechtöpflege, des Armenweiens, der Befängniffe u. f. w. In Deutichlan 
—3 man ſich beſonders die Vervollkommnung des Erziehungsweſens angelegen 
eyn laſſen. Das von Baſedow, feinen Anhängern und Nachfolgern — Wolke, 
Iſelin, Campe, Trapp, Salzmann u. A. — auf bie Orundfäge Locke's u. Roufs 
Kot gebaute Erziehungsſyſtem hieß vorzugsweiſe das philantropifche, weil ed Men- 
henliebe und Menfchenfreundlichkeit zum Ausgangspunfte und Endzwecke aller 
Jugendbildung nahm. Nach diefem Syſteme wurbe unter dem Schuße des Her 
3098 Franz von Anhalt im Jahre 1773 zu Deflau ein Philantkropin geftiftet, das 
zwar 1793 wieder einging, aber ähnliche Anftalten Hervorrief, wovon fich bie 
Salzmann'ſche zu Schnepfenthal bis in's neunzehnte Jahrhundert erhielt. Die 
Philanthropen der Schule machten fi dur Eimführung befferer Lehrbücher in 
den Randfcyulen verdient 5 durch Deihränfung ber blos mechanifchen Gedaͤchtniß⸗ 
übungen, durch zwedmäßigere Sorge für Reinlichfeit, Geſundheit und allfeitiger 
Entwidelung der Rörperfräfte. Ihre Methode aber, wonach durch flufenmweile 
finnliche Aulhauıngen das höhere Studium eingeleitet und auf einfchmeichelnde 
Weife den Kindern die Kenntniſſe und Yertigfeiten erſt nur fpielend beigebracht 
werden follten, entbehrte des firengeren wifienfchaftlichen Ernftes unb verlor fi 
vielfach in leere Zändeleien, fo daß das Etreben, den ganzen Menfchen in allen 
Richtungen auszubilden, die ſpezielle tüchtige Fachbildung allzu fehr vernachlaͤſſi⸗ 
gen ließ. Die gemuͤthlichen Verfuche der Weltverbeflerung von ber Schulſtube 
aus wurden durch die franzöfifhe Revolution unterbrochen , die dafür für ihre 
Ideen ber Gleichheit, der Freiheit und der Verbruͤderung ber Bölfer ifre wit 
Blut geträniten philanthrepifchen Wurzeln hatte. Die nädfte Aufgabe der Revos 
Iution war auf Zerftörung gerichtet, und erft nachdem fie in ber Vernichtung fi 
erfhöpft Hatte, dachte man an ben Verſuch, den B. auch pofitiv zu geftalten. Im 
Sabre 1796 warb von fünf Bamilienvätern zu Baris bie Geſellſchaft der ſogenannten 
Theophilanthropen gegründet, bie vom folgenden Jahre an unter ber Lels 
tung von Reveillere Lepaur ftand. Die Mitglieder diefes Vereins ber Gottes 
u. Menſchenfreunde verwarfen jebe pofitive religiöfe Offenbarung und befannten 
fih zu einer fogenannten Bernimftreligion, wofür fie ſich einen eigenen Eultus 
erjannen, bei dem es nicht wenig auf theatralifche Effeftmacherei abgefehen war. 
Zur Ausübung deffelben wurden ihnen nach und nach von ber franzöflichen Res 
gienung zehn Kirchen in der Hauptftabt eingeräumt. Aber ſchon Napoleon, das 
obenlofe diefes und verwandten Treibens erfennend, feste die katholiſche Kirche 
alsbald wieder in ihre Rechte ein, wenn auch gleich im Geiſte des kraſſeſten Caͤ⸗ 
Iareopapiemug, u. alsbald fchien jede Spur bes Area herr verſchwun⸗ 
ben. Während nun aber jo bie Weltgeſchichte ſelbſt, als Weltgericht, über bie 
von fi) ſelbſt abgefallenen Völker ihre fchweren Strafen verhängte und fle aus 
ihren phllanthropifchen Träumereien zum belleren —— ihrer Rationalität 
erwedte, bildeten fih aus einer Vermiſchung oder Berichmelzung ber ſchon im 
Iheophilanthropinismus und ben Lehren eines Babeauf enthaltenen Elemente bie 
neueften Eyfieme ber franzöftfchen u. englifchen Socialiſten. Wohlwollen u. Eis 
telfeit wirkten gleichmäßig bei ihren Stiftern als Triebfedern; Wahrheit u. Irr⸗ 
thum, in Da — Mifchung, gingen daraus hervor. Es war aber ihr gemein 
jamer u, weſentlichſter Grundfehler die Nichtigkeit aller Verſuche zur Unifoemie 
ung ber Geſellſchaft; das Meberfehen bes Mannigfaltigen in der Einheit; bie 
Wisachtung der von ber Ratur und Gefchichte bedingten nationalen @lieberung 


Philemon — Philidor. 179 


törpers, wie bes: Geiſtes der Menfchheit. Auch die Philanthropen bes 18. 
umbertd drohten mit ihrem Kosmopolitigmus alles Fr in biefem Glieder⸗ 
aufwweichen. Sie fpielten oft nur die Menfchenfreunde, weil fie nicht Bas 
ofteunde und Bolfsfreunde feyn fonnten, oder feyn durften; und wenn wir 
aran erinnern, daß be jene Periode des P. eine Zeit der Bölferfchmad) 
dölferfhwäche geworben ift, fo fehen wir und um fo beftimmter darauf an- 
en, vor Allem durch die Kräftigung und Befreiung, ber Nation, der wir 
angehören, bie Schuld abzutragen, womit auch. jeder Einzelne ber Beftim- 
der Menſchheit verfallen iſt. 
Philemon u. Baucis, ein frommes Ehepaar in Phryglen, in der griechiſchen 
‚ auch in der beutfchen Literatur nicht unbekannt, inft beſuchte Zeus mit 
18 bie Erbe, um das Treiben der Menfchen zu fehen. Sie baten überall vers 
rum. gaflihe Aufnahme, nur P. u. B. gewährten fie ihnen u. bewirtheten 
immfifchen mit Alem, was fie hatten, Zeus verwandelte das Maier in 
om Wein, führte nach ber Mahlzeit das fromme Ehepaar auf einen nahen 
ließ dann die ganze Gegend von einer großen Waſſerſluth überfhwernmt 
3%, im welcher nur die Feine — des frommen Ehepaars erhalten wurde, 
verwandelte biefelbe in einen Tempel, beftellte P. u. B. zu Prieftern deffelben 
wanbelte, als fie zu hohen Jahren gefommen. waren Ss in eine Eiche und 
eine Linde. Dichteriſch bearbeitet ift Die Sage u. von Dvid, Metasr 
I VAL, 618 f.; Bob, Simmil, Geb., Leipz. 1833, 2, Bd.z Göthe, Fauſt, 
13 Pfeffel, Schaufpiele, Straßb. 1763, % 
bilemon, j. Menander, 

6, Manuel, ein — Dichter aus Epheſus, geboren um 1275 
Ehr., verfaßte ein Gedicht, in Jamben über. bie Eigenſchaften der Thiere, 
er faft ausſchließlich dem Aelian (j.d.) folgte ; Ausgaben von Bersmann, dann 
Baum, Utrecht 1730. Berner hat man von ihm, ebenfalls in Jamben, ein 
bt über die Schifffahrt (in ben Miscell. Obsery, in auct, vet. von Pauw, 
Yımb 3.). Endlich if er Verfaffer mehrer Epigramme von Wernsborf uns 
em Titel: Philae carmina graeca herausgegeben, Danzig 1775. Alte 
Sedichte find nur von geringem poetischen Werthe. Vgl. Thorlacius, „De 
ele_Phile iambographo graeco“ (Kopenhagen 1813). 

Pbiletas, ein Grammatifer, Kritifer und ausgezeichneter Dichter, von der 
Kos gebürtig, ber Lehrer des Ptolomäus Philadelphus, ſchrieb Ele— 
Epigramme und ein Gedicht Nactana', doch legt Schneider das 
einem andern P. von Epheſus bei. Seine Fragmente find ge— 
lt von Kayſer (Göttingen 1793), N. Bach (Halle 1829) und Schnei— 
im „Delectus poeseos graec. elegiacae etc.“ (Bötting. 1839); eine treff⸗ 
yaufe Ueberfegung von Weber in den „Elegifhen Dichten der Hellenen“ 
. 1826). 
Philhellenen (Griechenfreunde) wurden alle jene Männer genannt , welde 
riechen in ihrem legten Freiheitöfampfe entweber durch perfünliche Kriege: 
:, oder durch Geld, oder auf eine andere Weife unterftügten. Der 15. Sep: 
ce 1843 hat die Beweife der Dankbarkeit der Gricchen gegen jene PB. ge 
welche fih bis babin noch in Griechenland aufgehalten hatten. 
Pbilidor, Kranz Andre, (Danican genannt), ein namhafter Componift 
iner ter Echöpfer der Opera comique im Frankreich, geboren zu Dreur 
kam als Kapellfnabe an den franzöſiſchen Hof und ließ ſchon im 11. Jahre 
emſelben feine eıfte Motette aufführen. In ber Kolge bereiste er Holland, 
ınd und Deutfchland, wo man mehre Opern, 3. B. den Hufihmib, den Sol⸗ 
18 Zauberer, Ernelinde, Tom Jones ꝛc. lange mit Beifall hörte, Reichtum 
infäflen, euer in Gemälden, fowie eine angenehme Melodie zeichnen feine 
ofitionen vorzuͤglich aus, wogegen man oft das allzu fpielendein feinen Gemälden 
Auch als Schacſpieler Hatte P. großen Ruf u. jhrieb einen_oft gebrudten 
sur lejeu des echees, beutjh von Ewald, n. Aufl, Gotha ag. Er pie 
12 


180 Philipp. 


einft in Berlin 3 Spiele Schach zugleich gegen 3 Meifter mit verbundenen Aug 
und gewann fie in furzer Zeit, reiste alljährlich nach London auf Koften bes 1 
figen Spadelube, defien Mitglied ex 30 Jahre lange war, und ftarb zu Le 
on 1795. 

Philipp, Könige von Macedbonien. — 1) PB. IH., au der Gro 
genannt, mit welchem Die Glanzperiobe Macedoniens beginnt, der Vater Alere 
dev’8 des Großen, war der vierte Sohn des Amyntas, Tam in feiner Jugend « 
Geiſel nach Theben, bildete fich dafelbft unter ben Augen des Epaminondas u 
Pelopidas, entfloh in feinem 22. Jahre u. warb num der Nachfolger feines Bi 
ders Perdikkas II, 360 v. Chr. Er fand fein fleines Reich innerlih vol n 
thender Unrufen und äußerlich unfähig, feinen Nachbarn, befonders den Illyrie 
zu widerfiehen, denen Macedonien Tribut geben mußte Eben fo gefährli 
Nachbarn waren Arhen u. befien Kolonien und Bundeögenofien, von Denen m 
erwarten mußte, daß fie Alles dazu beitragen würben, Maccdonien in felı 
Shwädhe zu erhalten. ber PB. wußte ben Uebeln Mit Einficht und Nachdr 
zu begegnen, machte raſch gute Anordnungen im Staate u, verbefferte Die Krier 
zucht, befonders durch den neu erfundenen Bhalanr (f.d.). Durch Gewinnung | 
Adeligen, deren Söhne er zu feinen Bagen machte, befämpfte er zuerft feine i 
neren Gegner, unterjochte dann die Päonen, trieb die Illyrier über die Graͤ 
zurüd und, nicht zufrieden hiemit, griff er überall um ſich, nahm den Thrakie 
ihre Gränzftäbte, Feſtungen und G®oldgruben und machte feinen Namen aud) 
Thefialien furchtbar , da er den Tyrannen Lykophron aus Pheröt verjagte. I 
mer Hatte er fein Augenmerk auf Griechenland gerichtet u. er bereitete im Still 
Vieles vor, um in einem Angriffe auf daſſelbe glüdlich zu fern. Unter bi 
Borwande, bie Phokier zu befriegen, wollte er in Griechenland eindringen, all 
die Athenienfer fperrten ihm den Eingang. Aufgebracht darüber, entwarf er ein 
Plan gegen Athen: er erbaute eine Flotte, ihren Handel zu flören; er verftär 
fein Heer, Athens Pflanzftädte in Thrafien zu unterjochen; er befolbete Rebr 
in Athen und erregte Unrußen auf Euböa, die Athenienfer vom Kriege gegen i 
abzuhalten. Doch vorher mußte er Olynthus bemüthigen, das er gegen Ath 
gehoben Hatte. Er griff e8 349 un, eroberte e8, fchlug die Athenienfer zur ©: 
unterhandelte zugleihd wegen bes Friedens und nahm ihnen Städte in Thrafi 
weg. Es erfolgten neue Unterhandlungen; er beichwor ihnen ben Frieden u 
verſprach den Thebanern Hülfe, gegen das mit Athen verbünbete Pholis. N 
rüdte er durch die Thermopylen in Griechenland ein, züchtigte die Phokaͤer, 34 
erhielt ihre Stimme im Amphiktyonen⸗Gerichte u, verließ darauf, 345, mit ſchei 
barer Gleichgültigfeit Griechenland und befriegte Illyrien. Doch bald, 344, ı 
ſchien er als Retter der Unterdrüdten im PBelopormes und ſchrieb Sparta Fri 
densbedingungen vor. Immer öffentlicher wurden feine Beinpieligfeiten geg 
Athen; er vertrieb ben Cherſobleptes aus Thrakien und nahm Kandia geg 
Athen in Schutz. Diapelthes warb mit einem Heere nach Thrafien gefandt. ' 
verflagte ihn, Demofthenes vertheibigte ihn und ein neues Heer wurde zu feir 
Unterflügung gefhidt. Eubda ward von den Athendern wieder eingenommi 
342 5 die von P. belagerten Städte, Perinthos und Byzantion, wurden bın 
Phokion befreit, PB. 341 in feinem eigenen Gebiete angegriffen, und ber aı 
blühende Handel durch bie athenätfche Flotte zerftört, PB. aber, um bie Griech 
feiner vergefien zu machen, verlieh fein Land, z0g gegen die Scythen und untı 
warf fih auf dem Rüdwege die Triballer. Nun ließ er beftochene Amphiktyon 
zur Beftrafung von —*8 — nach Griechenland rufen und nahm eine phokaͤiſ 
Stadt, Elatea, ein; die Griechen vereinigten fich, wurben aber gefchlagen 
Chäronea 338, und P. ward zum Oberfeldherrn der Griechen gegen bie Per! 
erklärt, 337. Doc, während ber großen Zurüftungen zu biefem Zuge warb 
von einem Paufanias 336, -47 Jahre alt, im 25. Jahre feiner Regierung ı 
mordet, am Tage ber Berheirathung feiner Tochter Kleopatra an Alexand 
König von Gpiros und Bruder der verfloßenen Olympias. Man meint, b 


ag EEE 
rivatlafter, war beſonders dem Trunfe ergeben, war unkeuſch und liebte 
mn Bid. Viele Anklagen hat man aber aus ben Berichten feiner Feinde 
nr und fie find fichtbar übertrieben. — 9 P. II., war bei dem Tobe 
aters Demetrius ll. (geftorben 232 v. Ehr.), erſt 3 Jahre alt, daher fein 
ntigonus IL. Bormund und duch Heirath ber Föniglihen Wittwe König 
As diefer 221 farb, beflieg P. den Thron. Er befaß Talente, aber 
Bünftlinge verbarben ihn. & war graufam gegen feine Freunde; viels 
aus Verdruß darüber, fo oft von ihnen get ufcht zu feyn. Als Buns 
e ber Achaͤer warb er im manche verdrießliche Kriege mit ben Aetoliern 
riern verwidelt. Der verberblichfte aber war ber gegen bie Römer. Er 
fi) 215 mit Hannibal u. umterftügte diefen heimlich. Nachdem baher bie 
!arthago gebemüthigt Hatten, zogen fie gegen Macedonien u. ber Conful 
s $lamlı flug ben P. bei Kynoskephala in Theſſalien 198, Er 
if Macedonien eingefchränftz Griechenland wurbe für frei erklärt; P. 
ıw 50 Schiffe behalten, mußte ein großes Löfegelb zahlen u. feinen Sofn 
18 als Geiſel fhiden. Er würbe noch härter Haben bißen müffen, wenn 
n Antiochus von Syrien bie Römer mit einem Angriffe bedroht Hätte. 
r — gegen dieſen Huͤlfe leiſtete, ſchickten fie ihm ben Temetrius 
Inbeß wurde P. mit aunehmendem Alter immer argmwöhnifcher u. graus 
3erfeus, fein Altefter Sohn, aber von einer Beifchläferin, fuchte die Liebe 
76 zu gewinnen und ben Demetrius, ben rechtmäßigen Thronerben, auf 
fe zu verläumden. Es gelang: Demetrius wurde durch @ift ermordet. 
: jept Perfeus ein frogigen Betragen annahm, wurde ber betrogene Bas 
emüthig und flach vor Gram 179. Perfeus war fein Nachfolger. 
Hipp (PHilippus), Marcus Julius, roͤmiſcher Kaifer, auch P. 
jenannt, aus Lostra in Arabien, ie das Haupt einer Räuberbande, 
fi bei ber römifchen Armee zu höchften Ehrenftellen, zwang als 
3 Prätorio ben Kaifer Gordion III., ihn zum iteegenten anzunehmen 
isn, ba er floh, im Miu 244 n. Ehr. Hinrichten. ter ihm feierten 


DE TER amna Mfinumn hie AMMNMAheIne mer Mama 





184 Ä Philipp. 


Abgeſchiedenheit war ihm um fo angenehmer, da fie ihm Gelegenheit barbot, 
firengere Buße zu üben u. fich einzig der Beicbauung zu widmen. Er lebte blos 
von getrodneten Kraͤutern u. tranf aus einer Quelle, die noch Heut au vage bes 
fannt if unter bem Namen: Bad des Hl. Philippus, auf bem Berge Mons 
tagnate. — Bel feinem Austritie aus ber Einöde war ber Mann Gottes von 
neuem Eifer entbrannt, in allen Herzen das Feuer ber göttlichen Liebe anzufachen. 
Er predigte daher an mehren Orten Italiens, und ba er einen audgebreiteten 
Wirfungsfreis ſich wählen wollte, ernannte er einen Etelivertreter zur Leitung 
bes Ordens. Sein Eifer führte ihn in mehre ber größeren Stäbte Frank⸗ 
reiche, nach Flandern, Friedland und Oberdeutfchland, wo er heilfam zur Belebung 
eines gottesfürchtigen Sinnes hinarbeitete. Nach zireilähriger Abweſenheit 
kehrte er 1274 wieder zurück, um zu Borgo das Generalkapitel ſeines Ordens 
zu. halten. Bei dieſer Verſammlung wollte er feine Etelle nicderlegen; allein, 
ftatt fein Begehren zu bemilligen, beflätigte man ihn vielmehr lebenslänglicdh 
in diefem Amte In bemfelben Jahre begab er ſich auch auf die zweite all 
emeine Kirchenverfammlung zu Lyon, wo Papft Gregor X. in eigener Perfon 
Bm Vorfig führte, um daſelbſft um die Beftätigung feines Ordens anzubalten, 

die er auch erlangte. Aller Orten, wo ihn fein Weg burdyführte, verfündigte er 
das Wort Gottes; er verftand es befonders, Keinhfeligfeiten u. Entzweiungen zu 
unterdbrüden u. bie Gemüther auszuföhnen. Stalien wurde damals von inneren 
Zwiften nnd Uneinigfeiten, hauptſächlich durch die Parteien ber Welfen und Gi⸗ 
bellinen, ſchrecklich zerrütte. P. Tänftigte in verſchiedenen Etädten die Wuth der 
gegen einander ergeimmten Yeinde ; in Korli war er aber, bevor er bie Zwietradht 
unterbrüden fonnte, großer Lebensgefahr ausgefeht. Die Aufrührer verhöhnten 
u. mißhandelten ihn Anfangs mit Schlägen, bis es endlich feiner Sanftmuth u. 
unüberwindlichen Geduld gelang, ihre Wuth zu baͤndigen u. zu entwaffnen. Einer 
der bigigften Streiter Beregrin Latiozi, der in feiner Erbitterung felbft ben 
Heiligen gemißhandelt, ward burch deſſen Benehmen fo gerührt, daß er ſich weis 
nend vor ibm niederwarf, ihn um Verzeihung u. um ben Beiftand feines &ebetes 
anflehte. Er trat dann in den Orden der Serviten zu Siena, wo er als rollen 
detes Mufter der Buße in einem Alter von 80 Jahren farb u. wegen ber Bun; 
ber, die durch feine Kürbitte gefcbehen find, unter bie Zahl der Heiligen erhoben 
wurde, Da ber Hl. Ordensvorfteher in der gänzlichen Zerrüttung feiner Befund» 
heit fein Ende berannahen fühlte, wollte er noch immer bie ihm anvertrauten 
Ktöfter befuchen. Zu Tobi angelangt, warfer ſich vor bem Altar der allerfeligften 
Aungfrau nicber u, fagte betend, mit Heiliger Andachtsglut: „Diefes if ber 
Drt meiner Ruhe für immer.“ Des folgenden Tages hielt er dann eine 
ſehr rührende Rebe über die Herrlichkeit der Ausermählten im Himmel. Ein 
higiges Fieber, das ihn am Feſte der Himmelfahrt Mariä befiel, fündigte ben 
Bıüdern die Gefahr an, in welcher fein Leben fchwebte. Während feiner Kranfı 
heit bewährte er die lebhafteften Gefühle der Zerfnirfhung Da er am achten 
Tage bes Feſtes feine Auflöfung fühlte, ließ er fidh noch einmal fein Buch her 
beiholen ; fo pflegte er fein Cruzifix zu nennen. Er ſtarb in liebevollem Hinblide 
auf den am Kreuze ausgeftredten Heiland. Clemens X. fehte ihn 1671 unter bie 
Zahl der Heiligen, allein bie Heiligſprechungsbulle wurbe erſt 1724 durch Be 
nedift XIN. herausgegeben. Die Kicche feiert fein Anbenfen am 23. Auguſt. — 
2) P. Reri, Stifterder Gongrengiion bes Dratoriums, wurde 1515 zu 
Florenz geb., wo feine Eltern, Franz Nert Advokat, u. Lutetia Solbi, beide Eprößlinge 
reicher Familien, lebten. Fruͤh ſchon entwidelten fich Die Tugenben, bie ihn fpäter bes 
rüßmt gemacht Haben u. Jedermann mußte befonbers feine Sanftmuth u. Gebulb bes 
wunbern. Eilf Jahre alt, fam er faft nie aus ber Kirche heraus, betete u. hörte 
auf Gottes Wort mit ungewöhnlicher Andacht, zeichnete ſich durch Achtung vor ben 
Oberen, Inbrunft, Demuth u. Liebenswürdigfeit fo aus, daß man ihn allgemein 
nur den guten Philipp nannte. Nachdem er feine Erfiftubien vollendet, kam ex im 
18, Jahre zu einem, bei Monte Gaflino wohnenden Oheim, einem reichen Kauf⸗ 


— 
Philipp. . 185 


manne, dee ihn fo lieb gewonnen, daß er ihm zu feinem Exben einſehen wollte, 
P. fühlte ſich aber zue-Bollfommenheit berufen, entfagte dieſem irdiſchen Glüde, 
verließ das Haus feines: Ohelms und ging nach Rom, wo er Erzieher ber Pins 
der des adeligen Fiorentiners Galeotto Caccia wurde, der bald. zu bemerken Geles 
re Batte, daß er in dem Heiligen einen wahren Schag gewonnen, benn feine 

machten ſchnelle Fortſchritie in Wiſſen u. Tugend: Der Ruf der Heiligkeit 
des jungen Lehrers verbreitete ſich, wie feine Kenntniſſe in Philofophie u. Theologie 
unahmen, und er überragte alle feine. Genoffen, die ſich emfig um feine Freund⸗ 
ſchaft bewarben. Er fettete fi) aber blos an die Tugendhafteften, fcheute jede 
kitraubende Zerftreuung und — Unterhaltungen amd geiſte mit jeder Mir 
nute, ba er fühlte, daß man einft von jebem für das Heil verlorenen Augenblide 
Rechenſchaft zu geben haben würde. — Diefer Vorfehrift ungeachtet, war. er nicht 
yanz frei von den Berfolgungen des Feindes unfers Heils, denn Junge Wüftlinge 

ihten feine Sitten zu verderben. Der sgeilige aber widerſtand wußte 

durch die hohe Salbung feiner Rebe zu legen und zum Guten zu flimmen; Ges 
bet, Faſten und Demuth waren die Waffen des frommen Kämpfers, ben aber 
das Mleifch dennoch Lange beunruhigte umd felbft im 50. Jahre noch ftörte, wo 
er aber fo Herr der Regungen unferer verberbten Natur ward, daß er ſich des 
Körpers faft gar nicht mehr bewußt war. Bon feinen Eltern nahm er nur bas 
zum Unterhalte höchſt Nöthige an und man fah in feiner aͤrmlichen Stube nur 
ein ſchlechtes Lager und einige Bücher. Er fand feine fchönften Freuden im: Bes 
ſuche der Kirchen und Hofpitäler, betete oft ganze Nächte hindurch an den Thüs 
ven der Gotteshäufer oder vor ben Reliquien ber Märtyrer auf dem Begräbnifis 
Plage Ealirtus;, 3 ruhte, wenn Muͤdigleit ihn übermannte, auf ben Platten 
ter Vorhallen der Kirchen, Während: er Philofophie ſtudirte, galt es ihm ale 
Grfeg, täglich Betrachtungen uber die Leiden Jeſu Chrifti anzuftellen, und er 
fonnte fein Exugifir fehen, ohne Ströme von Thränen zu vergießen. Nachdem. er ben 
Curſus der Theologie vollendet hatte , ſtudirie er die Heilige Schrift, die heiligen 
Bäter umd das fanonifche Recht u. erlangte bald eine fo tiefe Penntniß im Heiligen 
Bien, dab der gelchrte Gardinal Baronius befannte, dem Heiligen viel zu dans 
fn zu haben, da er täglich durch ihn ermuthigt umd belehrt worden fi. Das 
kiße Verlangen, ganz mit Chriftus vereinigt zu ſeyn, veranlaßte P. im achtzehn: 
un Jahre, das weltliche Wiffen ganz bei Seite zu legen und er verfaufte alle 
darauf bezüglichen Bücher und gab den Erlös den Armen. Bald erlangte ber 
nürdige Diener des Herrn die Gabe des Gebetes in einem erhabenen Grabe u. 
ihöpfte überfchwenalide Wonnen, die er oft kaum zu faſſen vermochte. Im einem 
dieſer himmilijchen Augenblide wirkte die göttliche Liebe fo mäͤchtig auf ihn ein, 
daß fi Die Gluth nach Außen Bahn brady und er vor freudiger Beraufhung ger 
ferben wäre, wenn Gott feine Tröftungen nidt vermindert hätte. Diefe merk: 
rürdigen Begünftigungen ber Gnade waren Wenigen befannt, denn der eben fo 
teicbeitene, als fromme Heilige wußte fie vor den Augen Anderer zu verbergen, u. 
anſtatt fich Etwas darauf einzubilden, ftrehte er darnach, verachtet zu fern. Mit 
tan in Der großen Etadt lebte er wie ein Einfiedler, übte Buße und Rafteiungen 
und fehnte ſich nach dem Tage, wo fein Geift von den Banden des Leibes erlöfet 
würde. Befeelt von apoftolifyem Eifer, befuchte er öffentliche WBläge, um bem 
Himmel Eeclen zu gewinnen oder Eünden abzuwenden. Als Laie hatte er Viele 
tefehrt und in ben Hofpitälern im Dienfte der Kranken, deren edelhafte Wunden 
er verband, unendlichen Eegen verbreitet; aber er ſchuf größere Werke feiner uns 
endlichen Liebe, die lange nach ihm Segen verbreiteten. So ftiftete er die Brü- 
derichaft der hl. Dreieinigfeit in Ron, wobei ihn fein Beichtvater, ber fromme 
Verſiano Rofa, unterftügte, bie 1548 im ber Kirche St. Salvatore del Campo 
entftand und zur Unterflügung armer Kranker thätig feyn ſollte. Vierzehn edle 
Männer verbanden ſich mit ihnen zu dem Liebeswerke u. er leitete fie mit bewunde— 
tungewürdiger Weisheit, wie fie Pilger, Pranfe u. Genefende aufnehmen, bedienen 
u, belehren ſollten. Alltaͤglich unterhielt er fih mit ihnen in fanfter Weile von 


„188 | Philipp. 


öttlichen Dingen u. wirkte durch ſeine Bekehrungen Wunder. Viele Sünber bes 
ehrten ſich u. widmeten ſich von nun an der Erlangung der Tugend u. Vollkom⸗ 
menheit. — Zwei Jahre ſpaͤter verlegte er den Sitz der Bruderſchaft in die 
Dreifaltigfeitöfirche, gründete ein neues Hoſpital, das noch jetzt eines ber beſten 
ber Ghriftenheit iſt, wo wir oft das rührende Schaufpiel anftaunen fünnen, Car⸗ 
dinäle u, Fürften die niedrigften Dienfte verrichten zu fehen, Yußwafchungen ber 
ilger, jede Art der Kranfenpflege und wahrhafte chriſtliche Hingebung. 36. 
ahre wurbe er wider Willen zum SPriefter geweiht, denn feine Demutk verlangte 
nicht nad) fo Hoher Würde. Er trat in die Gemeinſchaft ber Prieſter des heili⸗ 
en Hieronymus, die wegen ihrer Tugenbliebe in hohem Anſehen ſtanden. Durch 
—** Leben voll Armuth erbaute er die Brüder, und am Tage, an dem er fein 
erſtes Amt hielt, warb feine Seele mit folchen außerordentlichen Tröftungen bes 
guobigt bag das Beben feiner Glieder die hohe innere Aufregung beurkundete. 
ieſe Tröftungen erneuerten ſich öfter beim Heil. Meßopfer und er kam manch⸗ 
mal am Altare fo in Ertafe, daß es oft mehre Stunden währte, ehe er bie heil, 
Senblung vollenden konnte. Darum ſah er fich auch fpäter genöthigt, die Heilige 
efie in einer Hausfapelle zu lefen, die heute noch die Aufmerkſamkeit ber from; 
men Pilger auf fih zieht. Galloni, fein Belchichtsfchreiber, berichtet, daß fein 
Körper oft ſchwebend erhoben warb und fein Antlig lichtumſtrahlt erfhien. — Er 
ward vom glühendften Eifer zur Belehrung ber Sünder verzehrt, u. ald er einmal 
mit einem Juden zufammen gefommen war, ward er fo von Mitleid für bie 
Seele des Unglüdlichen erfüllt, daß er drei Wochen lange unaufhörlih für den⸗ 
felben feufzte und betete, bis er bie Freude erlebte, daß ber Nude um bie Taufe 
bat, Die verhärtetften Gemüther konnten ber Macht feiner glühenden Beredſam⸗ 
feit nicht widerftehen und man mußte das befondere Talent bewundern, mit dem 
er die Büffer zur Zerfnirfchung führte Eben fo konnte er in bie Tiefen der Her- 
gen ſchauen und verborgene Euͤnden entdeden. Sein Eifer machte den Wunſch 
im ihm lebendig, bie Gögendiener Indiens zu bekehren; feine Freunde aber hielten 
ihn zurüd, weil er in Rom genugfame @elegenheit zu reichlicher Erndte Hatte, 
So fegensvoll fein Wirfen war, wagte es body der Neid und die Berläumbung, 
an feinem Rufe zu nagen: man befchulbigte ihn bes Stolzes, Ehrgeizes und ber 
Heuchelei, u, felbft ber Papſt warb durch die Gerüchte fo getäufcht, daß er ihm 
feine Huld entzog. Auch ben Kelch harter Prüfungen, bie Bott über feine Die- 
ner verhängt, mußte ex leeren, boch warb feine Unſchuld erfannt und bie vollen» 
bete Berehrung des Volkes belohnte den Tugendhaften. Mit erneuerter tigkeit 
gab er fich feinen Bemühungen für das Heil der Menfchen bin; feine Stube warb 
nicht leer von Suchenden und ſelbſt bie vornehmften kamen zu ihm, ihr Herz zu 
erleichtern. Die Zahl feiner Schüler wuchs täglich umd er fliftete aus ihnen bie 
Eongregation der Dratorianer, welche ein Etoly Italiens war und noch iR. Der 
Heilige leitete dieſen Orden lange Zeit ald General, bis gegen das Ende feines 
Lebens Alter und Schwäche ihn veranlaßten, fein Amt in die Hände des ehrwuͤr⸗ 
digen Baronius, eines feiner berühmteften Schüler, zu legen. Gregor XI. beftä- 
tigte 1575 ben 1564 geftifteten Orden u. gab ihm die Kirche U. 2. Frau de Va- 
licella, von der P. 1583 Beſitz nahm. e Schüler fuhren enungeachtet 
fort, die Kranken in bem Hofpitale ber Dreifaltigkeit zu bedienen. Florenz, Ren, 
pel, San Severino, Lucca, Palermo, Padua, Ferrara und andere Städte fahen 
ähnliche wohlthätige Häufer diefes Ordens entftehen. — Vom Alter niebergebeugt 
und reih an fo vielem Tugenden, fehnte fih P. v. R. nach feiner himmliſchen 
eimath. In einer Krankheit fam er in Berzüdung, wobei ihm bie Heilige 
gfrau erfchien und er ausrief: „O bu allerheiligfte Mutter Gottes, was ha 

ih gethan, daß bu mich eines Beſuches würbigeft Kurz darauf fagte er zu 
vier Aerzten, die bei ihm waren: „Habt ihr bie felige Mutter Gottes nicht ges 
ſehen, die mich burdh ihren Beſuch von meinen Leiden erlöste?* Er gefunbete auch 
wirklich auf wunderbare Weife, doch nur auf kurze Zeit, dam nad) einigen Ta⸗ 
gen rief ber Herr bie fchöne Seele in ben Chor ber Engel, Sein geliebter Bas 


Philipp. 187 


ronius gab ihm die lehte Delung und ber Garbinal Friedrich Borromäus bie 
dL — — Sierbende das, indem er mit ihtaͤnenſchwangeren Bli⸗ 
den auf bas fiche Liebesmahl ſchaute: „Siehe ba, meine Liebe! Er kommt zu 
mir, ber bie shöe Wonne meiner Seele ift." Als er bas hl. Abendmahl em- 
pfangen hatte, fagte er: „Nun habe ich den in das Haus meines Herzens aufge 
nommen, ber rhaftig mein. Arzt. if.“ Kurz vor feinem Tode durchſchauer⸗ 
tem unmennbare Wonnen fein Inneres; ungebuldig zählte er bie Stunden, bie 
fein Geift ſich freudig aufſchwang, um bie Glorie des Schöpfers zu bewundern 
und mit den Strömen der Wonne überfluthet zu werben, von ber ſchon Tropfen 
auf feine Pilgerfahrt gefallen ivaren. Er ftarb am 26. Mai 1595, 80 Jahre alt. 
Sein Leib, der lange Jahre umverfehrt blieb, ruft in einem foftbaren, von Wun⸗ 
dern umgebenen Echreine und Gregor XV. ſprach den frommen Ehriften 1622 heis 
ig. Die Kirche feiert fein Andenfen am 26. Mat. 
—— von Schwaben, deutſcher Kaiſer, Sohn Kaiſers Friedrich 1. 
fa) u. der Beatrir von Burgund, Ange Bruder Heinrichs VI., erhielt 
von biefem Tuscien u, die Mathildifchen Güter in Italien und, als beider Bruber 
Konrad geftorben war, das Herzogthum Schwaben. 1197 war er auf feinem 
Wege zu feinem Bruder Heinrich nady Sicilien bis Fiascone gefommen, als bie 
Raliener fich bei der Nachricht von des Kaifers Tode 'empörten, wobei P. mit 
Lebensgefahr kaum nach Deutfchland zurückkam. Hier fuchte er ale 
rmumd feines unmündigen Neffen, Friedrichs I., der 1196 einrichs Rache 
folger ernannt warb, dem Throne zu behaupten, Aber Bapft Immocenz II, 
bewirkte, daß Berthold von Zäftingen zu Andernach erwählt ward. Damit nun 
die Erone dem Haufe ber Hohenftaufen nicht entgehe, beſchloß P., ber ſchon bie 
Reichökleinodien hatte, fich ſelbſt als Kaiſer aufzuftellen, bewog Berthold durch 
11,000 Marf Silber u. Lehen zum Rücktritt, ließ ſich 1118 zu Muͤhlhauſen zum Kalfer 
wählen umd zu Mainz von dem Erzbifchofe von Tarantaife, in Aoweienheit des 
Konrad von Mainz, frönen, nachdem ihm zuvor der päpftliche Legat 
tom päpftlichen Banne losgeſprochen, womit ihn Papſt Eöfeftin wegen einiger 
Gemwaltthätigfeiten, die er ald Herzog von Toskana an den Gütern ber römijchen 
Kirche verübt haben follte, belegt hatte. Innocenz erflärte die Handlung feines 
tegaten für nichtig, und ließ al8 Gegenfaifer Otto von Braunſchweig aufftellen. 
2. gerftörte 1198 duch den Herzog Walram von Limburg und Ottofar von 
Böhmen, den er zum König erhob, Bonn u. Andernach und verheerte einen großen 
Theil des Erzbisthums Köln. Mehre Treffen ſchlug er gegen Otto, vorzüglicy 
an ber Mofel, und immer fiegreih. Im Jahre 1199 zog er gegen Sachſen und 
belagerte Braunfchweig, wiewohl vergeblich. Der Markgraf Dietrih von Meißen 
aber gewann einen fo großen Einfluß auf ihn, daß er auf feinen Betrieb den 
König von Böhmen diefes Landes verluftig erflärte, weil dieſer 1200 die Schwer 
fer des Markgrafen, Adela, verftoßen. Ais P. den wankelmuͤthigen Landgrafen 
Hermann I. von Thüringen züctigen wollte, ward er von bem vereinten Heere 
ber Böhmen unter Ottofar, der Sachſen unter dem Pfalzgrafen Heinrich, Otto’s 
Bruder, und der ‚Shleinger in Erfurt eingeſchloſſen, entkam jedoch zu dem Marf- 
rafen nach Meißen. it verftärkter Macht erihien er im folgenden Jahre in 
büringen ; die Böhmen flohen vor ihm; u. auch Landgraf Hermann unterwarf 
fi. Ni die Oberhand über Otto behaltend, ließ fi 1204 vom Exzbifchofe von 
Löln zu Aachen vonNeuem frönen u., um von allen Verdrießlichkeiten loszukommen, 
fh 1207 vom Papſte vom Bann losiprehen, unter ber Bedingung, daß der 
Kaifer feine Tochter dem Vetter des Papſtes, Richard, zur Gemahlin und ihr 
ftatt des Brautfhages Spoleto, die Anconitaniſche Marf und die anderen Ma: 
thildiſchen Länder geben follte. Mit Otto wurden Unterhandlungen gepflogen, 
bag er dem Kaiſerthume entfagen, die kaiſerliche Prinzeſſin Beatrix heirathen und 
nebft dem Herzogtfume Schwaben die Anwartſchaft auf das Kaiſerthum haben 
follte. Aber Dito ging dieſes nicht ein und nad kurzer Waffenruhe rüftete man 
fh wieber zum Kriege, als P. den 21. Juni 1208 in feinem Gemache u Bam- 


188 Philipp. 


berg von dem Pfalzgrafen Otto von Wittelsbach meuchlerifch ermordet ward, weil 
P. diefem feine ihm früher verlobte Tochter Kunigunde nicht hatte zur Ehe geben 
wollen und au, als Dtto fi) um die Tochter des Herzogs von :Bolen zu be- 
werben ftrebte, an die Stelle bed Empfehlungsbriefes an den Herzog, ben ber 
Pfalzgraf fi vom Könige erbeten, ein emahnungefchreiben untergefchoben hatte. 
P., von ſchwachem Körper, Hatte zwar nicht bie Triegerifchen Talente feines Va⸗ 
ters, doch fehlte es ihm nicht an Muth u. Gleichzeitige preifen ihn als einen ge- 
ſchickten, leutſeligen u, freigebigen, auch geleßrten Regenten. 

tlipp, Könige von Spanien. DB. IL, Sohn Kaifer Karls V. u. 
Iſabellens von Portugal, geboren zu Valladolid 1527, vermählte ſich 1543 mit 
Maria von Portugal und übernahm darauf al8 Stellvertreter feines Vaters bie 
Regierung Spaniens. Sein Hang zur Härte wurde von feinem Rathgeber, dem 
Herzog von Alba, angefacht. Auf Befehl feines Vaters fam er 1547 nad) 
Deufalan, wo er burch fein flolzges Benehmen bie beutfchen Kürften fo gegen 
fih einnahm, daß ber Plan des Kaifers, ihn zu feinem Nachfolger im beutfchen 
Reiche wählen zu laſſen, fcheiterte. Auch das Vertrauen der Riederländer vers 
ſcherzte er durch feine abfloßende Kälte. Nach dem Tode feiner erften Gemahlin 
vermäßlte er fi 1554 zum zweiten Male mit der Königin Maria von England ; 
doch waren feine Bemühungen, Antheil an ber englifchen Regierung oder wenig- 
ftend großen Einfluß darauf zu erlangen, vergebens. Bereits 1540 hatte ihn 
fein Vater mit dem Herzogthume Mailand beiehnt, 1554 ihm die Königreiche 
Neapel und Sicilien abgetreten, und 1556 übergab er ihm auch bie Rieberlande 
u, die fpanifche Krone nebft Indien. Als er kaum die Regierung angetreten 
hatte, gerieth ex mit bem Papfte Paul IV. in Zwift u. ließ ben Herzog von Alba 
von Neapel aus in den Firchenftaat einfallen, um ben PBapft für feine Anhäng- 
lichkeit an Frankreich zu beftrafen; doch verhinderte ihn feine Srömmigfeit, dem 
römifchen Hofe ernſtlich zu Leibe zu gehen. Gegen Frankreich, welches ihn in 
den Riederlanden angegriffen hatte, zog er, von englifchen Hülfsvölfern unterflügt, 
und gewann 1557 die glänzende Schlacht bei St. Quentin. Nur ber Ueber⸗ 
legenheit feiner Truppen, nicht feiner Tapferkeit hatte er den Sieg zu verbanfen, 
den er auch nicht, wie er gekonnt Hätte, Paris einzunehmen benuͤtzte, ſondern 
fi mit der Eroberung von Ehatelet, Ham und Royon begnügte, Dagegen ber 
Herzog von Guiſe fehnell ein Heer fammelte u. ihm Thionville, den Engländern 
Calais entriß. Um fi den Gewinn ber Schlacht von St, Quentin zu fihern, 
hatte B. dem heil. Laurentius ein Slofter gelobt. Er löste biefes Gelübbe durch 
den Bau bes Escurials, mit einem Aufwande von 80 Millionen Piaſtern. Bald 
darauf gewann er durch feinen Feldherrn, ben Grafen Egmont, einen zweiten 
Sieg bei ®ravelingen, den er gleichfalls nicht benuͤtzte; doch fchloß er 1559 einen 
vortheilhaften Frieden zu Chatenus@ambrefis, durch welchen er Thionville, Mas 
rienburg, Montmedi, Hesdin und die Grafſchaft Eharolois erwarb, Während 
befien war 1558 feine zweite Gemahlin, Maria von England, geftorben und er 
bewarb ſich nun um die Hand ihrer Rachfolgerin, Elifabeth, od vergebens, Er 
vermählte fich daher mit Eliſabeth von Frankreich, der Tochter Heinrichs H., die 
früher feinem Sohne erfter Ehe, Earl o& (f. d.), beftimmt geweſen war. Sobald er 
den Krieg mit Frankreich beendigt Hatte, fanbte er eine Expedition gegen bie Sees 
räuber aus, bie damals das mittelländifche Meer unficher machten, unb deren 
Haupt, Dragut, welcher in Tripolis feinen Sig hatte u., ungeachtet des Friedens, 
von Frankreich angereist, faft ganz Corfica unterwarf, Der Herzog von Mebina- 
Geli, der diejes Unternehmen leitete, richtete aber Nichts aus u. verlor viele Men, 
fhen. Ein zweiter Kr zen gegen Dragut war nicht — Nachdem er 
ſeine natuͤrliche Schweſter, Margaretha von Parma, zur Statthalterin der Nieder⸗ 
lande eingeſetzt Hatte, ging er nach Spanien ab. Kaum hatte er ſich zu Loredo 
in Biscaja ausgefchifft, als feine Schiffe von einem Sturme zerftreut wurben u. 
ſcheiterten. Den heftigen Widerſtand, ben er in Neapel u. Mailand fand, der in 
Reapel fogar zu einem Aufruhre gebich, möthigte ihn dort, feiner Abſicht zu 


Philipp. 189 
entfagen.. Defto eiftiger frebte-er, in den Niederlanden feinen Willen durch zu⸗ 
fegen uw. bafelbft sc die Beſchluͤſſe des Conciliums von Trient zur Ausführung 
u beingen. Zugleich verband er die Abficht damit, bie großen Vorrechte ber 

iederländer nad und nach zu vernichten. Der Carbinal Granville, den er 
der Statthalterin zum Minifter beigab, machte fich durch feine Verfolgungsſucht 
berüchtigt. Dadurch veranlaßte er den Aufftand der Niederländer, zu deren Ber 
—— vergebens die Schaͤtze aller feiner Reiche verſchwendete u. Menfchens 
biut im Strömen vergießen ließ, Er ſandte Alba dahin, der, nachdem er in 5 
Iahren 18,000 Menſchen hatte ſterben laffen, zurüdfehtte, ohne Etwas ausge 
richtet zu haben. Während Alba die nieberländifchen Provinzen entvölferte, it 
diejes P, in Valencia u, Granada, wofelbft er die Moristen (Ehriften maurifcher 
Abkunfty durch ſchredliche Bebrüdungen zum Aufftand reizte, bei welchem 200,000 
Menſchen umfamen und eine noch größere Menge zur Auswanderung penätbigt 
ward, einen eigenen Sohn u, Thronerhen, 108, ließ er 1568 hinrichten. 
Während P. feine eigenen Unterthanen befämpfte, ließ er bie Küften feines Reiches 
von türfifchen Seeräubern plündern u; erft, als ihm der Bapft die Zehnten von 
allen geiſtlichen Gütern bewilligt Hatte, rüftete er ſich, fie zu beftrafen, Sein 
Stiefbruber, Juan b’Auftria, gewann 1571 gegen. bie Türken die berühmte 
Seeſchlacht bei Lepanto, eroberte 1573 Tunis u. 1574 Goletta. An größeren Er⸗ 
folge rte ihn P.s Eiferfucht, die fo weit ging, daß er den Geftetär 
des ‚en, Escobabe, hinrichten ließ. Als 1580 bie männliche Linie der Könige 
von Portugal mit Hei dem Cardinal erloſch, machte P. Anſprüche auf dieſes 
Königreich. Obgleich nicht ber nächfte Erbe, fo war er doch ber mächtigite, 
Alba befiegte in ber Schlacht bei Alcantara den Kronprätendenten Anton, Prior 
von Giato, und Portugal mußte ſich unterwerfen, Nicht weniger, als in feinen 
Abrigen Ländern, zeigte ſich auch in Portugal bie reaierung Po nachtheilig, und 
da ee den Portugieſen den Handel mit den empoͤrten Niederlaͤndern unterfagte, fo 
büßten erflere ihren blühenden Handel u. nach u. nach auch ihre beften Colonien 
ein. Der Kampf mit den Niederländern nahm nicht nur alle Staatsfräfte Eya- 
mens in Anfpruch, fonbern verwidelte es auch mit anderen europälfchen Mächten 
in Kriege, die feinen glüdlihen Ausgang Hatten. Vergeben bot P. alle Mittel 
zur Meberwältigung der Niederländer auf; felbft der Tod Wilhelm’s von Oranien 
tratte ihm feinen Schritt näher zum Ziele und bie niederländifchen Infurgenten 
fanden bereitwillige Unterftügung bei England u. Frankreich. Um das erftere 
u güdtigen, aud wohl um es zu erobern, rüftete P. mit umermeßlichen Koften 
tie berübimte unüberwinblihe Flotte aus, die aus 150 Krieggſchiffen beftand und 
mit 20,000 Mann Landtruppen, 7000 Seeleuten u. 3000 Kanonen befept war. 
Tiefe Flotte wurde theile durch einen Seefturm, theils Durch Die vereinigte enge 
fihe u, nieberländifhe Seemacht völlig zu Grunde gerichtet. PB. vernahm die 
Nachricht von der Vernichtung feiner Forte mit großem Gleihmuthe und fagte: 
‚ih danke Gott, daß ich die Mittel befige, eine neue Flotte zu bauen.“ ine 
weite, von ihm gegen England ausgerüftete, Erpebition hatte feinen beffern Erfolg. 
Bald darauf, 1591, Hatte er einen Aufftand ber Aragonier zu befämpfen, welcher 
durch feine Eingriffe in die Rechte dieſer Provinz veranlaßt worden war. 1592 
begann er einen Krieg mit Frankreich, indem er ber Ligue gegen Heinrich IV., 
doch in der Abficht Seitand feiftete, die franzöftfche Krone für feine Tochter Clara 
Eugenia zu gewinnen. Heinrich IV. erwehrte ſich feiner Feinde, und indem P.s 
Here einige Bläge in Frankreich beſetzten, wurden fie abgehalten, gegen bie 
Niederländer Etwas zu unternehmen. Auch der Krieg mit England bauerte fort 
und SB. erfuhr die Demütkigung, daß Cabir von ben Engländern genonmen und 
fine in diefem Hafen befindliche Flotte zerflört wurde. Erfchöpft endlich, entfchloß 
er fih, die Niederlande feiner Tochter Clara Eugenia 1596 als Brautfhat zugus 
fihern u. ben ihr beftimmten Gemahl, Erzherzog Albrecht, zum Statthalter diefer 
Lande zu ernennen. Mit Frankreich ſchloß er 1599 den Frieden zu Vervins u. 
Monate darnach am 13. September endete er fein eben. — 2) P. V. Qeraeg 





190 Philipp. 


von Anjou, geboren 1683, Sohn bes Dauphins Ludwig u. Enfel Ludwigs XIV. 
von Frankreich, wurde 1700 von König Karl IL. von Spanien zum alleinigen 
Erben aller feiner Reiche eingefegt und nahm nad befien Tode (1.Rovember 1700) 
von Epanien Beſitz. Es Eoftete aber einen 12jthrigen blutigen Krieg, bie P. 
ruhig auf feinem Throne faß, weil Defterreich ein Älteres Erbrecht an Epanien 
hatte, auch den Seemächten u. anderen benachbarten Fuͤrſten, die auf dieſe Art 
vereinigte franzöfifhe und ſpaniſche Macht zu gefährlich wurde. Der Ütrechter 
Friede 1713 entfchieb zwar zu Gunſten P.s, aber die Krone Spanien verlor body dabei 
Mailand, Neapel, Sieilien, Sardinien, die Niederlande, Minorca u. Bibraltar u. 
P. für fih u. feine männlichen Erben das Erbrecht auf Frankreich. Um Res 
gierungsgeichäfte befümmerte ſich der König wenig, fondern war immer das Epiel 
derer, die if zu renieren wußten, Anfangs der PBrinzeffin Orfini u. dann feiner 
weiten Gemahlin, Elifabeth Farneſe, u. bes Bardinals Alberoni. P. Hatte von 
eher eine fchwermüthige Gemütheftimmung, die in WBahnfinn u. felbft in Wuth 
überging, mit gefunden Zwifchenräumen vermifcht. In einem Anfalle diefer Schwers 
muth gab er feine Krone an feinen Sohn Ludwig, den 15. Januar 1724, ber 
aber überall nach ber Vorfchrift des der Königin ergebenen Miniſters Grimaldi 
regierte und ſchon im erſten Jahre ſtarb. Nur fein Beichtvater konnte PB. bes 
wegen, die Krone wieder anzunehmen. Und nun figurirte er gleichfam noch 23 
Jahr auf dem Throne, indefien Elifabetb das Ruder führte, und felbft biefe, bie 
doch fonft große Gewalt über ihn Hatte, konnte ihn von dem Schritte, das Scepter 
zum zweiten Male abzutreten, nur mit ale zurüdhalten. Er flarb endlich 1746 
u. hatte feinen Sohn Ferdinand zum Nachfolger. 
Philipp, Könige von Frankreich. 1) PB. I. Auguft, der Eroberer 
oder der Bottergebene, geboren 1165, Sohn Ludwigs VIL, des Schönen, u. 
ber Alir, Tochter des Grafen Thibauld von Champagne, gelangte 1180 unter der 
Bormundfchaft des Grafen Philipp von Flandern zum Throne u. bildete ſich in 
feiner Jugend zu einem ber klügſten Regenten feiner Zeit. Den König Heinrich IL 
von England, der feine Minderjährigkeit bemigen wollte, um einen Theil feiner 
Lande an fich zu reißen, zwang er mit ben Waffen in der Hand, die alten Ber; 
träge zu beftätigen. Sodann erweiterte er fein Gebiet durch die Grafſchaft Vers 
manbois, die er 1184 dem Grafen von Flandern entrief. Auch bei. der Innern 
Verwaltung des Landes zeigte er eine rege Thaͤtigkeit. Er unterdrüdte die Fehden 
der großen Bafallen, verfchönerte u. befeftligte Paris und andere Städte, vertrieb 
die Juden 1184 u, zog ihre liegenden Gründe, von ben ausfichenden Schulden 
aber 20 Prozent ein. Die Coteraur oder Brabancons (dienftlofe Solbaten), bie 
buch ihre Räubereien das Lund unficher machten, ließ er 1183 nieberhauen. 1190 
machte er mit einem großen Heere einen Kreuzzug, half 1191 Acre erobern, kehrte 
aber in bemfelben Jahre zurüd, da die größere Adhtung, bie König Richard 
Lowenherz von England feiner Tapferkeit wegen genoß, feinen Stolz verlebte. 
1192 nöthigte er Balduin von Flandern, ihm die Grafſchaft Artois zu überlaffen. 
Def griff er die englifhen Befigungen in Frankreich an, obgleih er ges 
chworen, Nichts gegen Richard während feiner Abwefenheit zu unternehmen. Die 
Folgen dieſes Krieges waren aber auch nicht günſtig. P. wurde von Rouen mit 
Verluſt zurüdgefchlagen u. fchloß einen Waffenftiiliftand auf 6 Monate, während 
befien er Ingelburga, eine Prinzeſſin von Dänemark, heirathete. Diefe verftieß er 
bald darauf, um fi mit Agnes zu vermäßlen. Der Papſt that ihn deßhalb in 
ben Bann, doch löste er benfelben wieder, als er verſprach, feine frühere Ge⸗ 
mahlin wieber anzunehmen. Rod einmal zog P. 1199 gegen Ricyarb von Eng⸗ 
land in's Feld; nachdem biefer aber geftorben u. fein Bruder Johann ohne Land 
bemfelben auf bem Throne gefolgt war, unterftügte er den Neffen beffelben, Arthur 
von ber Rormandie, der fein Räherrecht an die Krone Englands behaupten wollte, 
Arthur wurde gefchlagen und auf Befehl Johannes ermordet. P. zog ihn als 
franzoͤſiſchen Bafallen dafür zur Verantwortung, erklärte ihn, ale er nicht erfchien, 
aber Zehen verluftig u, eroberte bis 1204 die Rormandie, Maine, Touraine und 


PPFREPE SEEN 
von ben Füßen der Pferde getreten u. an ber Kehle verwundet, 30,000 
ye wurden getäbte, Der Graf von Flandern u. ber Graf von Boulogne 
nam —— —R 1216 beriefen die gegen Johann empoͤrien 
ider P.s Sohn, Ludwig, auf den engliſchen Thron. Ludwig begab ſich 
ingland u. wurbe [u london gefrönt, Johann farb vor Gram 1223, 
Eod tilgte den Groll ber Engländer, welhe fih nun für feinen Sohn 
& U. erflärten u. Ludwig zwangen, aus England zu weichen. — 2) P. IV. 
Höne genannt, Sohn u. Nachfolger P.s ML. (des Kühnen), geboren 1268, 
Ite fi 1284 mit Johanna, Königin von Navarra, daher er aud) ben Titel 
dönigs von Navarra führte, und trat die Regierung 1285 an. Den Krieg 
agonien führte er ohne ge Anfrengung bis 1291. Kaum war biefer 
t, als er in Beinbfeigt ien mit England gerieth, in welche auch Graf 
von Flandern , und der deutſche Konig Adolph, als feine Feinde, vers 
wurden. Bapft Bonifazius warf fi zum Schiedsrichter auf und gebot 
einen Stillſtand, doch 1297 brach ihn P. und eroberte einen Theil von 
m. Der Sriede mit England kam erft 1303 zu Stande. Erbitteri auf den 
ı von Slanbern weil diefer England beigeftanden Hatte, fantte P. ein 
yes Heer gegen ihn, welches aber 1302 bei Courtray eine völlige Rieder⸗ 
iitt. Durch diefe Kriege in Geldnoth verfegt, beſchwerte P. feine Unters 
mit Hohen Abgaben u. verfchlechterte die Münze, wodurch er allgemeine 
iebenheit erregte. Den Krieg mit Slandern fehte er fort und erhielt 1304 
ons einen glängenben — — u. barauf im Srieden einen Theil von Flan⸗ 
BP. wollte deßhalb die Gelſtlichteit beichagen. Diefes verbot Bonifaz 1296, 
jegen unter! gie den @elflichen alle @eldfendungen nah Rom. Alle Bers 
diefe Streitigkeiten beimlegen, fheiterten, weil bes Könige Räthe, Wilhelm 
t u, Peter Slotte, die Feindichaft des Königs mit dem Papfie zu unters 
firebten. Um ſich vor ber Wirkung bes päpftlichen Bannes zu fichern, bes 
: Zönig 1302 die Stände bes Reiches zufammen, Dagegen telt Bonifaz 
a ein Conciiium, erließ eine deftige Bulle u. that ben König in ben Bann. 


Kon nl Sachte AM Darm in Manlalnen har Midnmen 





192 Philipp. 


ihrer. Er flarb 1314. — 3) P. VI. von Valoisg, oder ber Gluͤckliche, 
Stammherr der föniglichen Linie Valois, Sohn Karls von Valois, des Bruders 
Philipps des Schönen, erbte ben Thron 1328. Sein Erbrecht wurde von 
Eduard II. von England, ber ein Enfel weiblicher Seits von Philipp dem 
Schönen war, in Anipruch genommen, diefer aber von ben franzöflichen Großen 
D nichtig erflärt. Gleich nach feinem Regterungsantritte verglich er fich mit 
ohanna von Navarra, überließ ihr das Königreich Neapel, behielt aber bie 
Geafſchaften Champagne u. Brie, wofür er fpäter 1336 ihr noch die Grafjchaften 
Angoulöme u, Wortain gab, Gleich darauf zog er gegen bie empörten Flanderer, 
bie ihren Grafen Ludwig verjagt Hatten, befiegte fie in der blutigen Schlacht bei 
Kaſſel u. fehte ben Grafen wieder ein. Diefer glänzende Sieg bewirkte, daß 
Eduard III. 1329 erfchien u. dem Könige von Frankreich als Herzog von Guienne 
perfönlich die Huldigung leiftete, 1330 fchlichtete er die langwierigen Streitig⸗ 
feiten der geiftliden u. weltlichen Großen wegen der geiftlicden Gerichtsbarkeit. 
2.8 gehn! gab Beranlaffung zu den blutigen Keiegen, die zwiſchen Frankreich 
und England mit kurzen Unterbrechungen 100 Jahre lange geführt worden find, 
Er verfagte feinem Schwager, Robert III. von Artois, den Beflg diefer Grafſchaft 
u. nöthigte diefen, bei Eduard II. Schub zu fuchen. Diefen König reiste er 
felbft Anfangs durch Unterflügung der Schottländer gegen England, dann durch 
offenen Angriff auf Guienne. Eduard war zum Frieden geneigt, den aber P., 
ſtolz auf feine großen Kriegerüftungen, verfhmähte. Beide Theile bewarben ſich 
nun um Bundesgenofien u. 1339 fam der Krieg zum Ausbruche. Nachdem 1340 
die franzöftfche Flotte auf der Höhe von Sluis von den Engländern vernichtet 
worden war, fam ein Stilftand auf 2 Jahre zu Stande, ber verfchiedene Male 
erneuert, nie aber gehalten wurde, da wegen ber Erbfolge in Bretagne ſich ein 
neuer Streit erhob, an dem beide Könige Theil nahmen. Böllig erneuert wurbe 
ber Krieg 1346. P. hatte ein mäcıtiges Heer zufammengebracht, mit welchem er 
graubie feinen Feind, dem er doppelt überlegen war, völlig vernichten zu Eonnen. 
m 26. Nuguft 1346 griff er die Engländer bei Erefiy an, erlitt aber eine fo 
völlige Niederlage, daß darin fein eigener Bruder Karl, Graf Ludwig von Flan⸗ 
dern, nebft 12 anderen Grafen, 1200 Ritter, 80 Bannerheren u. 30,000 frans 
fie Krieger umfamen. Die Yolge biefer Niederlage war ber Berluft von 
alais, welches über 200 Jahre in englifhen Händen biieb, u. cine fo völlige 
Entfräftung, daß bie Feindſeligkeiten von franzöftfcher Seite nicht fortgefegt wer⸗ 
ben fonnten. Aus Geldnoth jah P. ſich gezwungen, ſchlechte Münzen zu prägen 
und das Reich mit drüdenden Steuern zu belaften, unter welchen die Salsfteuer 
(la Gabelle) 1344 eine immermwährende blieb. In feinen lebten Lebensjahren 
fand SB. noch Gelegenheit, das Reich durch 2 Gebiete beträchtlich zu erweitern. 
1349 trat ihm Hubert II, der kinderloſe Beflger der Daupbine, dieſes Land mit 
dem rbinge ab, daß einer der Föniglichen Söhne fletd Titel u. Wappen eines 
Dauphin führen ſollte. 1350 kaufte P. die Herrfchaft Montpellier von dem 
Könige Jakob von Waforca für 120,000 Goldthaler. Yrüher ſchon Hatte er von 
feiner Mutter Margarethe, Tochter König Karls II. von Neapel, die Brafichaften 
Anjou u. Maine geerbt. Er ftarb 1350, 
Philipp. Verſchiedene fuͤrſtliche Perſonen biefes Namens 1) 
P. I, der Kühne, Herzog von Burgund, vierter Sohn bes Königs Jos 
hann von Frankreich u. der Graͤſin Bona von Luremburg, geboren 1342, erhielt, 
kaum 14 Jahre alt, wegen feiner Tapferkeit bei Poitiers ben Beinamen ber 
Kühne, wurde aber bafelbft mit feinem Bater gefungen u. nach London gebracht. 
Befreit, wurde ihm bie zum Herzogthume erhobene Grafichaft Touraine 1360 u. 
1363 die Lehen von Burgund gegeben und er zum erften Pair von Frankreich 
ernannt. Er regierte bis 1404. — 2) PB. II, der Gute, gering von 
Burgund, Sohn Johann's des Kühnen und Margaretha’s von Bayern, geb. 
1396, fam 1419 durch die Ermordung feines Vater zur Regierung. In dem 
1420 mit England zwifchen Frankreich und Burgund geichloffenen Frieden wußte 


— 


* Philipp. 193 


ee zur Strafe für die Ermordung feines Vaters, welche durch bie Begleiter bes 
frangöfifchen Dauphins geſchehen war, deſſen Ausfchließung zu bewirken. Zugleich 
begann er mit Jacoben von Brabant und deren zweitem Gemahl, bem Herzog 
von ‚ einen Streit, der ſich mit dem Vergleiche enbigte, Fraft defien P. 
ala "Erbe Jacobea's, wenn fie finderlos ftürbe, gelten, fie aber ohne feine Ein⸗ 
willigum; D won jollte. Doch Jacobea brach 1430 die leptere Bedingung, 
worauf hrer Befigungen: Hennegau, Holland und Seeland bemächtigte, 
indem er nur zu ihrem Unterhalte ausſetzte. Nachdem er 1429 Namur 
durch Kauf erworben hatte, fielen ihm auch Brabant und Limburg zu, als die 
Ermilie Anton’s von Burgund, des zweiten Sohnes Herzogs PB. des Kühnen, 
Im Frieden mit Seanfreich zu Meras von 1435 erhielt P., außerdem, 
König Karl VIL wegen Johann's Ermordung förmliche Abbitte leiften mußte, 
e Diftrikte Sranfreihs, nämlich: Macon, St. Gengoul, Aurerre u. Bars 
, Monbidier und Noye, St.-Dutentin, Corbie, Amiens, Abbe 
sille, PBonthiow, Dourlens, St.Riguier, Erevecoeur, Arleur u. Mortagne und bie 
ft Boulogne für ſich u. feine Erben. Zu biefen bedeutenden Befigungen 

lam 1 noch das Herzogthum Luremburg. P. hatte ſich 1430, nachdem 
kine beiden Ehen finderlos geblieben waren, zu Brügge zum. "britten 
Male mit Ziabella, einer Tochter des Königs Johann I, von Portugal, vermählt 
ud zum Gedäcdhtniß dieſer Verbindung am 10, Januar 1430 den Orden bes 
Bließes Arie: Bon den drei Söhnen diefer Ehe überlebte den Bater 

nue der jüngfte, Karl, Graf von Charolais, der ihm am 16, Juli 1457 in ber 
Regierung te, — 3) PB. L., genannt der Großmüthige, Landgraf von 
eifen, Sohn und Nachfolger Wilhelms IL, und Anna’s von Medlarz 
geboren 1504, folgte ſchon 1509 feinem Bater unter Vormundſchaft feiner 
Mutter in der Regierung, die er 1518 perfönli antrat. Sie fiel in jene viel- 
bewegte Zeit 44 und religiöfer Ummälzungen, wo das Ritterthum im ben 
legten verzweifelten Verſuchen, das Fauftrecht gegen die Beftimmungen des Land- 
friedens aufrecht zu erhalten, unterging. So fämpfte er für Sicherung bes all- 
‚meinen Landfriedens, indem er fi 1522 mit dem Kurfürften von Trier u. der 
Pfalz gegen den fehdeluftigen Ritter Franz v. Cicdingen verband und ihn 1523 
sur Mebergabe feiner Veſte Landſtuhl zwang. Deßgleihen Half er 1525 durch 
den Sieg bei Frankenhauſen den thüringifhen Bauernkrieg beendigen. 1524 ers 
flärte er fich für die Kirchenfpaltung, führte zwei Jahre fpäter (1526) den Pro— 
teftantiamus im feinem Lande ein, ſchloß in bemfelben Jahre mit Kurfachfen das 
Ehugküntnig zu Torgau und rüftete fi, auf das Gerücht von einem Buͤndniß 
der Farholifchen Kürften, zum Kriege. Schon 1527 gründete er aus fäcularifirten 
Lleftergütern bie Univerfität Marburg, und verfuchte dort im Dftober 1529 die 
Wittenberger u. Schweizer Reformatoren in ihren getrennten Anfichten zu ver 
einigen, obwohl vergebens. Auf ben Tagen zu Epeier (1529) und Augsbu 
(1530) befannte er fih offen für die Reformation und ſchloß zu deren Verthei— 
digung im November 1530 ein Buͤndniß mit Bern, Zuͤrich und Straßburg, trat 
auch im folgenden Jahre dem ſchmalkaldiſchen Bunde bei, an deſſen Spitze er ſeit 
1536 mit Kurfachfen fand. Rach der Schlacht bei Mühlberg mußte er fi dem 
Raifer Karl V. unterwerfen, der ihm für feinen Gefangenen erflärte und ihn zur 
Auslieferung feines Geſchuͤzes und Zahlung von 150,000 Gulden Strafgelbern 
wang. Erſt 1552 erlangte er durch Kurfürft Morig’s Einſchreiten nach dem 
Abſchiuſſe des Pafjauer Vertrages feine Freiheit wieder, worauf er nach Kaffel 
wurüdfehrte und bis an feinen Tod (31. März 1567) fein Land gar jedoch 


Hr 


- 


t 





dur Teilung deſſelben unter feine 4 Söhne zerfplitterte. Die Hugenotten in 
Sranfreich unterftügte er durch Hülfsvölfer u. für den verbannten Herzog Ulrich 
von Württemberg wirfte er vereint mit König Franz J., von Frankreich. Weber 
jein Privatleben und feine ehelichen Verhältniffe ſehe man den eigenen Artifel 
in unferem Werke „Doppelehe”. — 4) P., Herzoge von Orleans, fiche 
Orleans. 

Realencxcopadi vat 43 


194 Philipper — Philippinen, 


Philipper, Brief an die, fiehe Philippi. 

Philippeville, Hauptſtadt eines Diſtriktes in ber belgiſchen Provin; 
Namur, bat ſtarke Feſtungswerke, bie ein unregelmäßiges baſtionirtes Fuͤnfeck 
mit Ravelins bilden, ſchoͤne gerade Straßen und 1800 Einwohner. In der Nähe 
Marmorbrühe und Bleibergwerfe. Angelegt von ber Statthalterin Maria von 
Ungarn 1555 auf Lütticher Gebiet und benannt nad Philipp III. von Spanien, 
tom P. burg den porenäifchen Frieden an Franfreih, wurbe nah Vauban 
ftärfer befeftiget, warb 1815 durch Belagerung von den Alllirten genommen und 
an bie Niederlande abgetreten und gehört jebt zu Belgien. 

Philippi, eine im Altertfume anfehnliche Stadt in Macedonien, an ber 
thrakiſchen Graͤnze, auf einer fleilen Anhöhe, norböftlih von Amphipolis, alſo 
benannt nad bem Könige Bhilippus, welcher foldde erweiterte und befeftigte. 
Kaiſer Auguftus erhob P. zur römifchen Nieberlaffung und ſchenkte ihr das Bür- 

errecht. Der heil. Baulus ftiftete hier eine chriftliche Gemeinde, indem er bie 
amilie der Lydia und bes Kerfermeifters befehrte; er wurde aber, nebſt Silas, 
verfolgt, gegeißelt, eingefertert und dann entlaffen. Später befuchte er biefe Ges 
meinde noch einmal und erließ einen Brief an felbige P., im Mittelalter noch 
blühend, if jegt zum Dorfe Filiba herabgeſunken. — Der Brief des Hi. Apo- 
eld Paulus an die Ehriften in P. ift das eilfte kanoniſche Buch des Neuen 
aments, und ber Zeitfolge nach der fechste Brief dieſes Apoſtels. Ec fchrieb 
benfelben während feiner erſten Gefangenfchaft zu Rom um 62 ober 63 n. Chr. 
und zwar durch den Epaphrodit, auf defien Bericht von dem guten Zuftanbe ber 
dortigen Gemeinde und zum Danfe für die ihm gefandte Unterftügung. “Der 
Apoftel gibt darin den Philippern feine Freude über ihre gute Berfaffung zu er 
fennen u. berichtet ihnen über feine damalige Lage; dann folgen Ermahnungen zur 
Demuth, zur brüderlichen Liebe und Trofiverheißungen, Warnungen vor ben Ser: 
lehrern, ben jüdifch gefinnten &hriften und Ermunterung aur Standhaftigfeit und 
Ermahnungen zu verſchiedenen Tugenden. Das Lob ber Philipper, Dank u. Se 
genswünfche für ihre Wohlthaͤtigkeit fchließen ben Brief. 

Philippiea Heißt jede heftige, leidenſchaftliche Rede, Strafrede. Die Benennung 
hat ihren Urſprung von den Reden, weldhe Demofthenes gegen ben König Philipp 
von Macedonien Bielt (orationes philippicae), und bekanntlich nannte auch Ei- 
cero fo feine Reden gegen ben Antonius. 

Philippinen heißt ein Archipelagus von neun größeren und vielen Kleinen 
Infeln im ftillen Meere, welcher dieſes vom chinefifchen Meere trennt und beffen 
Geſammiflaͤcheninhalt bei 7000 Meilen beträgt. Diele Infeln liegen meiſt 
hoc), find gebirgig, vulfanifcher Katur, einige mit noch thätigen Vulkanen, Ha 
ben eine gute Bewäflerung , fehr angenehmes Klima, das bisweilen jeboch burdh 
ſchreckliche Drfane geftört wird, außerordentlich fruchtbaren Boden, fagen indeſſen 
ber europäifchen Natur wenig zu, find aber wegen ihres Produktenreichthums ein 
ſchäzbares Eigentkum der Spanier. Man findet Affen, Meerfagen, verfchiebenes 
Rothwild, Eichhörnchen, fliegende Hunde, Hirfcheber, mehre Arten Wald⸗ unb 
Feldhuͤhner, Papageyen, Faſanen, Bauen, Tauben, viele Seevoͤgel, Krokobille, 
mehre Arten von Schildkröten, Schlangen, viele Fifche von manderlei Art und 
Geſchlecht, große Schwärme Bienen in den Wäldern, Auſtern und andere See⸗ 
thiere (Riefenmufcheln) , Heufchreden, Perlen; ferner Reis und andere Getreide 
arten, zarte Semüfe, Gewürze, Kaffee, Zuder, mehre PBalmenarten, Cedern, 
Ebenholz, Eifenholz, Rohr ; endlich mancherlei Metalle. Die Zahl ber Einwohner 
wird zwiſchen 3_ und 4 Millionen angenommen; fie gehören zu ben Malaien und 
Dapuas; das Herrichervolf, die Spanier, rechnet man mur gu ungefähr 5000. 

ußerdem gibt es noch Chineſen (auch getaufte, ungefähr 60 — 70,000). Die 
meiften Malaien find Chriſten geworben, ohne ihre Sitten und Lebensweiſe fehr 
eändert zu haben. Die Einwohner bauen Reis (mit 100fältigem Gewinne), 
aummolle von vorzüglicher Güte, Indigo, Zuder, Seide (durch die Spanier erſi 
eingeführt), Honig, Gewürze (Kakao, ſchwarzer Pfeffer, Zimmt, Mustatnäffe) ; 


u Pbhilippoburg — Ppiliftän. a 


das Arbeitathier ift ber A Pferde werben blos zum Reiten benügt; man treibt 
ergiebige Bifcherei, geist doch ganz Funfilos) elle (Gold, —— 
vbenũhi reichen Eau von Holz, fertiget allerlei Zeuge u. 
aus Baumwolle und Hanf, zieht einiges wieh, treibt ausgebreiteten, doch 
durch Seeräuberei der Sulubinfulaner gef seheten Handel. Diejer fol 10 — 11 
Rillionen an Werth ein- und 94 — 10 Millionen ausführen, wobei jedoch die 
Tranfitogüter aus ſpaniſch Amerifa mitgerechnet find, Der europäiihe wurde 
wither buch die königliche Gefellihaft der P. betrieben, doch Hat fich dieſes Vor⸗ 
echt joben, hfigen der N: dadurch nicht blühenber geworden iſt. - Eis 


& 


ſein u. das Innere ſelbſt der größeren Infeln hat noch eigene Herrſcher; 
ige und ber größere Theil dieſes Archipelagus gehört den Spanien, bie 
enen. Generalfapitän (jedes Mal nur auf 6 Jahre erwählt) Hier haben 
ihn alle Civil⸗ u, Militärmacht lenken laffen. Ein Lieutenant beforgt 
die Militair-, ein (von Spanien hingefendeter) Staatsrath die Eivil- 

Den einzelnen Ortſchaften ftehen Alladen vor. Die herrfchende 
ie tatholiſche, welche ſeht reich botirt if. Die Militairmacht befteht 
Mann Linientruppen u. über 12,000 Mann Milizen. Die Einkünfte 
zu ungefähr 5,000,000 Gulden. Gintheilung: in bie größere In= 
anila, bie Biſſayers, Babuyanen und Bali, Zum Gouvernement der P. 
noch die Earolinen und Marianen gerechnet. — Die P. wurden von 
- 1521: zuerft beſucht und Lazarus + Infeln genannt und 1571 von 
* fg genommen, nachdem ſchon 1542 den Namen P. erhal⸗ 


ten. 
Philippsburg, Stadt u, Amtsfig im Untercheinkreife bes Großherzogthums 
Baden, Pr bes Salzbachs in ben Rhein, mit 1800 Einwohnern, gehörte 
früger zum Hochftifte Speyer u, wurde ſchon 1317 von Biſchof Emico befeftigt 
und zur t —5 — 1618 befeſtigte es ber Biſchof Philipp von Speier nach 
Art, ward aber vom Kurfücften Friedrich V. von ber Pfalz hieran gehin⸗ 
tert. 1619 nahm ber Biſchof die Befeftigung wieder auf u. nannte die Stabt 1623 
2. 1633 ward es von dem Rheingrafen u. den Schweden belagert u. genommen, 
1634 aber von denfelben an Frankteich überlaffen. 1635 überrumpelten es die Kai— 
ferlihen, 1644 nahmen es die Frangofen wieder. Der weftphälifhe Friede 
beftätigte das Beſatzungsrecht ber Franzoſen. Diefe verftärkten auch die Werke 
bedeutend. 1676 nahmen die Deutihen P. nach langer Blokade und Raifer und 
Reich erhielten in dem Nymweger Frieden das Recht, Garnifon darin zu halten, 
1683 nahm der Dauphin P. ein, doch gaben die Franzoſen es 1697 im Rys— 
wider Frieden wieber heraus und die Deutichen verftärften es beträchtlich, ließen 
aber bie Werke fehr verfallen, fo daß 1734 die Franzoſen es leicht nahmen; doch 
blieb ber Marſchail Berwid hier. 1735 wurde P. dem Reiche wieder eingeräumt, 
verfiel aber gänzlih und warb befhalb flatt der Reichstruppen 1772 von ben 
Raiferlihen und ftatt diefer, die 1782 abzogen, von ben Epeyer’ihen Truppen 
beiegt. Im franzöfiihen Nevolutionsfriege ward P. nothbürftig Hergeftellt und 
von den Kaijerlichen befegt, litt 1799 durch ein Bombarbement fehr, ward ge: 
nommen und hierauf gänzlich geſchleift. Seine Hauptftärke beftand in ber Lage, 
in ben Moräften. P. fam 1802 an Baben. 

Philiftäa war ein ſchmaler Landſtrich im Suüdweſten von PBaläftina, an ber 
Küfte des Mittelmeeres hin, mit den fünf Städten Akkaron, Geth, Azot, Aska— 
ion und Gaza (unter eben fo vielen fleinen Fuͤrſten), welde in der Ebene von 
Sephela lagen. Bon PB. hat fpäter ‘Baläftina durch die Griechen den Namen 
erhalten. Die Philifter find die Nachkommen ber Söhne Mesraim’s, Enfel 
Cham's. Das eigentliche Vaterland ber Philifter aber iſt Kaphthor, wohl bie 
Infel Lreta; die Kaphihorim ftammten demnach aus Aegnpten, wanderten nach 
Zaphthor (Kreta) u. von bort ein Theil nad) den ſuͤdlichen Gegenden Kanaan’s, 
wo fie die Heviter vertilgten, an beren Etatt wohnten u. fi Philifter nannten. 
Sie waren ein zahlreiches Friegerifches Volk von großem Körperbau, dabei ſtolz 

42 


9 


Erin 
if 


196 Philiſtus — Philips. 


und hochmuͤthig. Der gemeinfame Name ihrer Fuͤrſten war Abimelech; beren 
Haupiftabt oder doch Koͤnigsfitz bie Gerara. Krüher fcheinen fie den wahren 
Gott Sta zu haben, nachmals übten fie den fchänblichften Goͤtzendienſt. Ob⸗ 
wohl Mofes den Kampf mit ihnen vermieden hatte, d waren fie doch öfters mit 
den Ifraeliten im Kriege verwideltz boch fanden fie an dem Helden Samfon 
‚einen gefährlichen Gegner. Zur Zeit bes Hohenpriefterd Heli befiegten fie bie 
Sfraeliten und entrifien ihnen die Bunbeslade, welche fie im Tempel ihres Goͤtzen 
Dagon aufftelltenz; fie gaben fie jedoch, von Gott empfindlich geftraft, mit Ge⸗ 
ſchenken zurüd, Seit Samuel begannen die Philifter den Fürzern zu ziehen. In 
der Reihe diefer Kämpfe ift der berühmte Zweikampf David's mit dem Rieſen 
Goliath einer ber merkwuͤrdigſten, auf den eine Niederlage der Philiſter erfolgte. 
Bleihwohl fand David bei ihrem Könige Achis Schub gegen Saul. Die Phi⸗ 
lifter rüfteten fi) nun neuerdings wider Ifenel; und flegten enticheidend. Aber 
David ſollte Jirael aus der Hand der Philifter erretten; wirklich brachte er a 
mehre enticheidende Niederlagen bei und Demmbigte fie ſehr. Salomon herrſchte 
bis Gaza. Dem Könige Iofaphat waren die Philifter zinspflichtig; ſie beflegten 
aber den König Joram, und obwohl vom Könige Ozias überwunden, nahmen fie 
doch dem Könige Achaz mehre Städte. König CEzechias unterwarf fie aber wies 
der. Endlich wurden auch fie von dem Alles vernichtenden Strome ber Affyrer 
verfhlungen u. ihr Name fogar verfchwanb. 

Philiſtus, ein griechiſcher Gefchichtsfchreiber, Schüler bes Iſokrates und 
Bertrauter des älteren Tyrannen Dionys, ahmte den Thucydides nach u. fchrieb 
die Geſchichte der beiden Dionyfe, ferner 12 Bücher über Aegypten ꝛc. Die wer 
nigen noch übrigen $ragmente find zufammengeftellt von Göller in feiner Schrift 
„Ve situ et origine Syracusarum, (Leipzig 1818) und Müller in „Historico- 
rum graec. fragmenta“ (‘Paris 1840). 

billips, Georg, einer ber eifrigfien und unermübdlichften Berfechter bes 
eonfervativen Prinzips in Kirche und Staat, Mitglied der Afademie der Wiſſen⸗ 
fchaften zu Muͤnchen und geweſener ordentlicher Profeffor der Rechte an der dor: 
tigen Univerfität, Abkoͤmmling einer engliſchen Familie, ward 1804 in der Gegend 
von Danzig von gran Eltern geboren. Rachdem er zu Göttingen bie 
Rechtswiſſenſchaft ſtudirt hatte, Habilitirte er fich 1825 als hiſtoriſcher Rechtslehrer 
an der Univerfität Berlin. Um biefe Zeit war es, wo er mit Jarde Ci. b.), 
das Band der Freundſchaft ſchloß. Beide Freunde traten miteinander in ben 
Schooß der katholiſchen Kirche zurüd. 1833 erhielt B. einen Ruf ale ordent⸗ 
liher Profeffor der Rechtswiſſenſchaft an die Münchener Univerfität. Die Kölner 
Irrungen veranlaßten ihn, gemeinfchaftlich mit bem Sohne feines Altern Freun⸗ 
bes Joſeph von Bdrres, Guido Goͤrres, zur Begründung der mit Recht 
fo hoch gelpäbten hiftorifch = politifchen Blätter, welche eine Menge ihrer vorzuͤg⸗ 
lichften Artikel aus feiner Feder enthalten und durch ben feften und entfchledenen 
Ton, in dem fie gehalten find, nicht nur Bayern eine Reihe von Jahren hindurch 
zur erſten geifligen Macht in Deutfchland vom Tatholifchen Etandpunfte aus em⸗ 
porgeboben, fondern auch dem Charakter ber Katholiken Deutfchlanbs überhaupt 
eine entichiebenere Ausprägung gegeben haben. In diefem Geifte wirkte B. im Vereine 
mit gleich gefinnten und gleich gelehrten Männern, außer den ſchon Genannten 
namentli mit Döllinger, Windifchmann, Moy u. Ringseis, fruchtbar u. Iegens- 
veih bis zum Frühjahre 1847, wo frembartige Elemente — bie wohl befler 
ewig ferne von Bayern geblieben wären — jene gewaltige Aenderung in ben 
oberften Regionen ber Staatöverwaltung herbeiführten, bie mit ber Entfernung 
Döllinger’s, Moy's, v. Laſaulx' und P.8 von ihren Lehrflühlen begann u. genau 
ein Jahr fpäter mit ber ‚gewaltfamen Befeitigung ber Urquelle des Unheils felbft 
endigte. P. wurde zum Rathe bei ber k. Regierung von Nieberbayern in Lands⸗ 
ut ernannt, welche Stelle er indeſſen nicht antrat, fondern es vorge, in ge 

fe feinen wiflenfchaftlichen Beftrebungen zu leben. Anfangs Mat be. 36. 
wählte ihn das Bertrauen feiner Mitbürger zum Mitgliede bes conflituirenden 


Philo. 197 


Parlaments in Frankfurt. Seine Schriften find: Verſuch einer ung ber 
Geſchichte bes iſad ſiſchen Rechtes, Göttingen 1825; Engliſche Reichs: und 
Rechtsgefhichte Anfımft der Normannen, Berlin 1827, 1 Bd; Grundfäge 
bes beutichen gemeinen Privatrechts, mit Einfluß bes Fehnrechts, Berlin 1 
—46, 3. Aufl,, 2 Bde; Deuiſche Geſchichte, Berlin 1832; Deutiche Reihe: 
und RKechtsgeſchichte, München 1845, und fein Hauptwerk, das „Kirchenrecht“, 
dag feit 1! bei Manz in Regensburg erfiheint u. bis jeht bis zur erften Ab 
theilung des 3, Bandes gebiehen ift. B.A. 
BP. von kariffa, griedhifcher Philoſoph, Beitgeneffe Eicero’s, ber ihn 
in Rom hörte, gehörte ber afademifchen Schule an, neigte fih mehr, als feine 
— er, zu den dogmatiſchen Lehren ber alten Afabemie und wird deßhalb als 
der der vierten Akademie genannt. — DDP. von Alerandria, jübiicher 
Theolog und gelehrter Schrifiſtelier. Er lebte zur Zeit Chriſti in Alerandria, wo 
die bebeutendfte jübifche Gemeinde im Auslande war; im Jahre 40 nach Chrifte 
ging er am der Spige einer Geſandtſchaft nach Rom zum Kaifer Eajus Caligula, 
als Greis, wie er felbft fohreibt, was —— auf ein Alter von 70 Jahren 
beutet, fo baß er etwa 30 vor Ehriftus. geboren, und wahrfcheinlich bald nach 
kiner — nad Alerandria geftorben if. Jene Geſandiſchaft fandten bie 
Juben von ria an ben Saifer, um ihre bürgerlichen Rechte umd freie 
Religtonskbung zu Alerandria ficher zu ſtellen u, fich namentlich augen bie Befchuldis 
gen bes Rhetors Apion zu Rom zu vertheidigen. Sie veriveilten faft ein ganzes 
he in Rom, a je von dem Kaifer gehört zu werben; ja, fie kamen babei in 
Lebensgefahr. P. legte feine Rechtfertigung in einer Vertheidigungsfchrift nieder 
(de legatione ad Cajum), bie nach dem Tobe Caligula’s im Senate verlefen 
murbe, und ben Juden zu ihren Rechten verhalf. Daß P. noch bis zum Jahre 
42 in Rom verweilt, ober zum zweiten Male dorthin gekommen, mit bem Seifigen 
Petrus zufammengetroffen u. Chriſt geworben fei, ift eine durchaus unwahrſche 
liche Sage. —P. ift der bebeutendfte unter denjenigen Schriftftellern, welche den 
tidifchen Offenbarungsglauben und die griechiiche Philofophie, wie fie namentlich 
in Alerandria zufammengetroffen waren, innerlich zu verſchmelzen fuchten. Es 
war dieſes befonder8 das Streben der Eefte der Therapeuten, bie oft ehrenvoll 
von P. erwahnt werden, obwohl er ihr felbft micht angehörte. Zu Grunde legte 
man hauptfählih die platonifche Philofophie, untermiſcht mit pythagoräiſchen, 
fteifhen und orientalifhen Lehren. Dualismus ift daher ber Grundzug des 
Epftemes; Gott u. Materie im unendlichen Abftande von einander als gleich ewige 
Grunbprineipe; die Kluft ausgefüllt dur eine von Gott zur Waterie Rs 
feigende Reihe von Mittelwefen, von denen das oberftc der Logos iſt. Die Erz 
fenntmiß Gottes beruht auf innerer Anfhauung u. Ablöfung von der Materie. 
Hier erfcheinen alle die Grundzüge des Gnofticiemus u. Neuplatonismus. Wich⸗ 
tiger noch iſt P. geworden als Chorführer der allegorifirenden Auslcgungsweife. 
Um nämlid das alte Teftament mit jenen philoſophiſchen Lehren vereinigen zu 
fönnen, mußte er nothwendig fehr Vieles in bemfelben in einem allegorifhen Sinne 
erflären, was auf mande Kirchenfchriftfteller, namentlich auf Origenes, einen leines— 
weges zu billigenden Einfluß ausgeübt hat. — P.s erhaltene Echriften find 
herausgegeben von Morel (Genf 1613); von Thomas Mangey (2 Bde. London 
1742 Hol); neu abgedrudt duch Pfeifer (5 Bde. Erlangen 1785—92). Dann 
in ber Biblıoth, sacra Patrum. Lips. Tom. V1., 828. Seine Bhilofophie am voll⸗ 
ftändigften bearbeitet von Etaudenmaier in der „Philofophie des Chriſtenthums oder 
Metaphyfik der heiligen Schrift,“ Gießen 1840. S. 360—462. Berner: Groß: 
mann Quaestiones Philoneae, Leipzig 1829. Gfrörer: P. u. die alexandriniſche 
Theologie. Stuttg. 1835; u. Dähne, Geſchichtliche Darftelung_ der jüdiich- 
alerandrinifchen Religionsphilofophie, Halle 1834—35. — 3) P. Herennius, 
aus Byblos, um d. 3. 100 nach Chriſto, verfaßte nebſt mehren anderen Schriften eine 
Ueberfegung ber phönizifhen Geſchichte des Sanduniathon, ber zur Zeit des 
irojaniſchen Krieges gelebt Haben fol, Bruchftüde diefer Weberfegung fit eu 





198 Philochoros — Philologie. 


halten bei Eufebius in ber Praeparatio evangelica 1, 10. Eine in Portugal von einem 
ewiſſen Wagenfeld angeblich entdeckte u. zu Bremen 1837 heranen egebene voll: 
Bambi e Hanbfchrift biefer Heberfehung beruht Höchft wahr bein! © ar einem 
literariichen Betruge. Ja, wahrfcheinlicd Hat P. felbft den Namen bes Sanchu⸗ 
niathen bei feinem Werke nur untergeſchoben. Bergl. Sanchuniathonis Fragmenta 
a Philone vorsa ed. J. C. Orelli, Leipz. 1826. — 4) P. aus Byzanz, um 150 
nach Chriſto, fchrieb ein Bet ade bie fieben Wunberwerfe der Welt, gerandger 
geben von Drelli, Leipzig 1 
Philochoros, ein —* Geſchichtſchreiber u. Schuͤler des Gratofihenes, 
aus Ashen, lebte zu Anfang bes dritten Jahrhunderts vor Ehrifto in Alerandıia, 
u. fohrieb unter dem Titel „Atthis“ eine Geſchichte Athens u. Attifa’s, wovon bie 
noch übrigen Fragmente von en u. Siebelis, Leipzig 1811, u. von Müller, 
Paris 1841, Herausgegeben wurben. 
bilodemuß, ein epefuräticher Philoſoph aus Gadara, um's Jahr 120 vor 
Chriſti, ones Berichte u. Epigramme, von welchen lebteren man S1 bei Brund 
(Analecı, poet, graec. Vol. I. p. 31) abgebrudt u. erläutert findet. Eine an- 
dere Schrift von ihm, ITepı Pyropınys, iR unter den Alterthuͤmern von Her: 
culanum entdedt worden; begleichen en Buch „Über Tugenden u. Fehler,“ und 
„über Muſik.“ Bon dem rhetorifchen Werte haben bie Deraubgeber der Anti- 
quitates Herculanenses im 5. Bande ein Specimen geliefert, fowie Gros, Dr; 
tord 1840, eine Ausgabe veranftaltet. Tas Werf über die Muſik wurbe mit 
einem Commentar u. lateinifcher Ueberſezung herausgegeben von Rofini im 1. 
Theile der Volumina Herculanensia, Reapel 1793; von Murr (Strasburg 1804) 
und von demfelben in einer beutichen Meberfegung (Berl. 1806). 
Philoktetes, Sohn des Poeas u. ber Demonafla, ein berüßmtr B 
—* war im Beſitze der Pfeile des Herkules, die dieſer ihm gefchentt, we 
eweien, ber ihm g legten fehmerzlihen Dienſt erwieſen, u. feinen Shete: 
Sam —— . war ein Freier der Helena und mußte daher, um ihren 
Raub zu rächen, mit dem Griechenheere nad) FE ziehen; dieß fonnte nicht 
oßne erkules Waffen erobert werben, daher frug man P., wo berfelbe begraben 
fei ; da dieſer jedoch dem Heros durch einen eis gelobt hatte, feine Grabflätte 
geheim zu balten, fo weigerte er fi), Die Zumuthung zu erfüllen n. zeigte end⸗ 
I um doch fein Berfprechen, wenigſtens dem Worte nach, us Halten, die Ge: 
end mit dem Fuße an; ba fiel einer ber Pfeile, bie Herkules mit dem Blute der 
ydra vergiftet, auf den Fuß u. R. befam davon eine unbeilbare Wunde (nad 
deren durch einen Schlangenbiß), welche rigen üblen Geruch verbreitete, daß 
man in feiner Näbe nicht bleiben konnte: B. ward daher auf © eine wüRe Sniel 
ausgelegt u. hieb dort in ber Ginfamfeit neum Sabre lange, bis Agamemmon, ber 
wußte, daß an feinen Pfeilen Troja's Schichal Bing, ibm dort Holen ließ. Machaon 
beilte ihn zuerſt. indem er ibn in tiefen Schlaf verfenthe, dann bie Wunde aus: 


Ad. — ſich nach Italien, gründete dort eine Kolonie, beſiegte von —* aus 
Anwohner, die Gumpanier, u. Nich zuiegt, nachden er bie Reliquien des 
Sultgene, Set us Pfeile, tem Apello gemitzet, im Kriege ber‘ Pellenier und 


indier aus 

Diilslens, 8 a Bi Rüdlefend, Schuler des Archetas aus Krotona 

— aus Ne Kine Baterſtadt wegen eines Bertrediens zu ben Zus 

Er ſel ter ertte Prehagenier gemein een, ter cfentlidh ine pytha⸗ 

geräifde Schriſt, nimlid De redes physicis, INfumm * bat — Ein be⸗ 
raßenter Mechaniker gleiches Mumet von Taren wirt bei Wim genannt. 

Philologie iR re Wilfenituft des Asfükten Alrertieund Dice Name, wel 

der der Terüi kin U nd nur auf { 

erettiertigt werden, ale zerate fie 

Der da RUFT vorliegt. um mülintie 












Philologie. 199 


prägt. Bon ber verwandten Gefehichte ber claffifchen Wölfe umterfheidet 

ih die P. dadurch, fie das Leben — in ſeiner zuſtaͤndlichen Befchaffens 

en Se Th ea Ehe kn Wr ef 
irogeß der erfolgt, licher im 

Anblit die Befchrä: auf —* Leben ber vorzugsweiſe fo genannten 


daffifchen Völter (Griechen Rönfer) und namentlich gegenüber ber Sprach⸗ 
wiflenfchaft im Allgemeinen, welche, aufer ber eigentlich fo genannten P., ale 
le das Stubium ber orientalifhen und ber neueren Sprachen umfaßt. 
auch dieſe — * guten gefdichtlichen Gründe, welche aus 
— der. daſſiſchen Voͤller in ber ganzen Entwickelung ber Menſchheit zu 
entnehmen find, und wir loͤnnen und einer näl Bezeichnung. diefer Andeutung 
um. fo weniger entheben, weil in deren Berfennung ber Hauptgrund der ſchi— 
u einfeiti, nen liegt, die man fo Eee ber claſſiſchen P. namentlich 
ter Offen! und indbefondere bem A. T. gegenüber, anweiſet. Wollten wir 
nämlidp die — Auffaffung, wonach in ben claffiſchen Voͤllern das rein 
Nenſchliche in feiner hoͤchſten und ſchoͤnſten Vollendung erſcheint, ohne Weiteres 
aufnehmen, fo müffen wir. entweder. in dieſer Bellendung eine bloße aͤuherllche 
Form, ohne innere Wahrheit, erkennen, oder der inneren Wahrheit ber Offenbarung 
feibft zu nahe treten. Um dieſen beiben verkehrten Auffafjungen gleihmäßig zu 
gehen, müſſen wir von der Thatfache ausgehen, daß der Charafter ber vor- 
duflichen Geichichte, zum Unterfehiebe-von ber riftlichen, eben darin De daß 
dert Die ewige göttliche Wahrheit u. bie Entfaltung des Menſchlichen nicht 
at jener innern Ausgleihung u. Harmonie gelangt find, wie fie, getragen von 
der des Gottmenihen, als Idee bem Chriftenthum u. der Kirche, als ber 
vollendeten Idee der wicbergeborenen Menfchheit,. zu Grunde liegt. Nur muß man 
tiefem Gegenfag in ber vorchriftlichen Zeit nicht als einen ailıten faffen, 14 
dern, fo wie der göttlichen Of rung im A. T. und bem Träger berfelben, dem 
Wolle ber Iuben, fein eigent ice Teciates md polen Sehen, lie 
hümliche Bildung in Kunſt u, Miffenfchaft nicht abgeht, fo fehlt auch um, 
dem Leben, ber Kunft u. Wiſſenſchaft ber claffifchen Völfer nicht aller innere 
furlicher und religiöfe Werth, wie dieſes ein einigermaßen gründliche Studium 
defjelben einem Jeden Mar machen muß. Unter allen heidnifchen Völfern des Alter- 
tbums nehmen nun ohne Zweifel die Griechen u, Römer eine ſolche hervorragende 
Stellung in der Entwidelung der Menſchheit in diefer Richtung ein, daß ſie mit 
vollem Rechte als die claffiichen vorzugsweiſe bizeichnet werden; fie Haben am 
allermeiften das allgemein Menſchliche zur Anſchauung gebracht, wogegen bei ben 
übrigen mehr ober weniger Eigenthümlichfeiten u. Behonderheiten ausgeprägt find. 
Nur muß mar das eigentlich fo genannte claffifche Alterthum nicht jo ungerecht 
überfägen, daß man dagegen alle anderen Entwidelungen verachtet, wie es früher 
ter Hall war. Auf ſolche Weije werden wir die hohe Bebeutung des Claſfiſchen 
wahren, ohne weder in Beziehung auf die Offenbarung gottesläſterlich, noch in 
Beziehung auf die Entwidelung anderer Völker ungerecht zu werden. — Nachdem 
wir nun ben Begriff und das Verhältniß der claffiihen SB. zu den verwandten 
Wiſſenſchaften erfläut haben, wird «8 unſere nächfte Aufgabe fern, den Inhalt 
der ſelben näher zu beflimmen. Ten das ganze Leben der briecen u. Römer in 
feiner reihen Entfaltung umfaffenden Inhalt der P. hat man feit Wolf („Dars 
ftellung ber Alterthumswiſſenſchaft in Welfs und Buitmanns Mufeum der Alter 
ibumswiſſenſchaft, 1. Bda., 1. Stüd, Berl. 1807, 8., wieder abgebrudt durch 
W. Hoffmann, Leipz. 1833, ferner: Molfs Encyklopädie ber P., herausgegeben von 
Erodmann, Leipz. 1830, u. Wolfs Vorlefungen über Alterthumswiſſenſchaft herz 
ausgegeben von I. D. Guͤrtler, Leipz. 1831) in verſchiedener Weiſe zu ordnen 
geſucht; wo aber eben die Muannigfaltigfeit der Verſuche den fprechendften Beweis 
ibt, daß das innere Prinzip noch nicht recht erfaßt if. Wir glauben ung ber 
übe, biefe verſchiedenen Cintheilungen, bei denen mehr oder weniger nur rein 
aͤußerliche Eintheilungsgründe angewendet erſcheinen, näher zu harafterifiren übers 


200 Philologie. 


heben zu koͤnnen und nennen nur noch: Fr. Aſt, Grundlinien der P., Landshut 
1808; Fr. Aier Gedraͤngte Ueberficht der zur Alterthumswiſſenſchaft gehoͤ⸗ 
renden Theile in Schillings Allgemeiner Zeitſchrift, Nuͤrnberg 1813, Band J.; 
J. J. Eſchenburg: Handbuch ber claſſiſchen Alterthumskunde, 8. durch Dr. Luͤtcke 
beforgte Auflage, Berlin 1837; Bernhardy: Grundlinien ber Encyklopaͤdie ber 
P., Halle 1832. — Schuh, Encyflopädie der claffifchen Alterthumskunde, Heidel⸗ 
berg 1834. Hoffmann, die Alterthumswiſſenſchaft für Bymnaflaften und Stu- 
dirende, mit 16 archäologifchen u. mythologifchen Kupfertafeln, Leipzig 1835. — 
Matthiaͤ, Enchflopädie der P., Leipzig 1835. — Bödh hob zuerft den Unter: 
fchied eines formellen u. reellen Theiles beftimmt hervor, indem er zu bem erften 
die Kritik u. permenentit (Auslegungskunft), zu biefem die politifche Geſchichte 
mit honolege und Geographie, das Staatsleben, das Privatleben, Kultus und 
Kunft, das Wiſſen ber Alten nebft dee Gefchichte der Literatur u. Sprache rech⸗ 
nete. Hieran uns anfchließend, jedoch nicht in Allem genau folgend, verjuchen 
wir ben Inhalt der P. in folgender Weife zu beftimmen. Als wefentlichfter Haupt: 
theil fpringt fofort das Studium der claffiihen Sprachen, wie fie in ber alten 
Literatur ausgeprägt vorliegen, in bie Augen. Da aber diefe Literatur u. Sprache 
felbft der vollendete Ausdruck bes alten Lebens if, fo wird biefes Studium einen 
zweiten Haupttheil nöthig machen, nämlich die Kenntniß des griechifchen u. römi- 
ſchen Lebens felbft nach allen feinen Richtungen bin. In diefen beiden Theilen 
wird man aber ohne befonnene u, ſcharfe Beurtheilung bes vorliegenden Materials 
feinen Schritt vorwärts thun können, u. fo fchließt ſich als ein britter, durch beide 
Theile gleihmäßig hindurchgehender u. eben befhalb von beiden zu unterfcheiden- 
der rein formeller Theil die Kritik (ſ. d.) an. Zu dem erften Haupttheile gehös 
ren: die Grammatik, Metrif, Hermeneutik, Rhetorik cf. d.), ferner die Geſchichte 
ber Literatur mit ber Xiterärgeichichte; zu bem zweiten Die Alterthümer, in drei 
Haupttheilen, nämlih die Staatsalterthümer, bie häuslichen und religiöfen 
Alterthümer (Mythologie u. Kultus), Gefchichte der Philofophie bei ben Alten, 
Archäologie und Studium der Antifen, namentlich Kenntniß der erhaltenen Kunſt⸗ 
werke, mit Rumismatif u, Spigrapbif, — Die Gehhichte der. clafiifhen Völker 
mit ihren Hülfswifienfchaften, Chronologie u. Geographie, wirb man wohl nicht 
füglih aus ber Weltgefchichte rrausreißen und als einen befondern Zweig der 
P. unterorbnen fönnen ; auch find die Sränzen, wie wir oben angaben, beſtimmt 
genug gefhieden. Diefe Maſſe des philologifchen Willens, welche man in ben 
einzelnen Zweigen ſchon bis ins Genaueſte ausgearbeitet u. feit der neueren Zeit 
auch zu einem großen Ganzen zu verarbeiten angefangen hat, ift zu einem unge: 
heueren Umfange angewachlen, an welchem viele Sahrkunberte mitgearbeitet haben. 
Ihren Urfprung bat die Wiffenfchaft der B. von den Griechen; den Anfang bil: 
ben bie Arbeiten zur Sanımlung und Ordnung ber Homerifchen Gedichte unter 
ben BPififtratiden in Athen im fechsten Jahrhunderte vor Chr. Darauf befchäftig- 
ten fih die älteften Philoſophen mit Erflärung der Dichter (Homer und Theo: 
gnis) meift in allegorificender Weiſe. Ihnen folgten die Sophiften mit fpielender 
u. prunfenber Erflärungsweife ohne Innern Gehalt; zu gleicher Zeit fam eine 
neue Anregung durch die von Sieilien her nach Athen übertragene Rhetorik: grams 
matifche Fragen wurden in Anregung gebracht, namentlich über ben Urfprung 
ber Sprache mit Heftigfeit geftritten, aber Alles in Iophiftifcher Weiſe, oßne ern- 
ften Sinn für Wahrheit. Die Wiedergeburt der Philofophie durch Sokrates war 
von dem wefentlichften einfuße auch für unfere Wiſſenſchaft. Plato, deffen Ber: 
dienft in biefer Beziehung bisher noch nicht recht gewürdigt ift, that den Haupt⸗ 
ſchritt zur Grundlegung ber wahren Grammatik, indem er den wefentlichden und 
nothwenbigen Sufammenfang ber Sprache mit dem Denfen nachwies. Nriftoteles 
baute fort auf dem von Plato gelegten Grunde, indem er- mehr mit Logifcher 
Schärfe die Grundbegriffe beſtimmte; ganz vorwaltend wurbe biefes logiſche Ele 
ment unter den Stoifern, welche fich fehr viel mit fprachlichen Unterfu ungen bes 
foßten. So entwidelte ſich in biefer ganzen Periode die Grammatik, de bie 


Philologie, 201 


Grundlage der Ph. bildet, unter dem Einfluße ber Philoſophie. Es fand durch fie 
das Äußere Gebäude der Grammatik fo ziemlich vollendet da, als nach dem Unterg 
der politifchen Selbftftändigfeit u. der fchaffenden Entwickelung Griechenlands bie, 
die Freigebigfeit der Ptolomäer zu Alexandria und ber Attaliden zu Pergamits 
in diefen beiden Städten —— aufgehäuften, Schaͤe ber Literatur u. Kunſt 
den dirch die Philofophie gereiften Sinn zu einer umfaffenden —— — 
keit anregten, ber wir znda die Tröftung u. Erhaltung ber bebeutenbften Werte 
bes Alterthums zu banfen haben. Die ganze Rifenfehatt wurde — noch 
Grammatik genannt, unter welchem Namen hier jene drei —— aupt⸗ 
theile, das Sprachſtudium, die Kenntniß ber Realien und bie f, zufammenges 
faht wurden. Doc kommt ſchon ber Name P. auf, indem Eratofthenes von 
zandria im britten Jahrhunderte vor Chr. zuerft den Namen „Philolog“ geführt ha⸗ 
ben ſoll. Auch eine ganz neue füftematifche Behandlung ber eigentlich fogenann- 
ten Grammatik ging aus biefen Schulen hervor, welche. in grammatifpen Hands 
büchern firirt wurde. — Durch Krates von Mallos wurde im zweiten Jahrhun⸗ 
derte vor Ehr. biefe griechiſche Gelehrfamfeit nach Rom übertragen und bort mit 
großem. Eifer betrieben, obwohl weniger Im Geifte felbftthätiger Forſchung (Barro), 
as der Anmenbung auf ben Unterricht (Duintilian, Marcianus Eapella, Pris⸗ 
danus, worin unfere jepigen Grammatifen ihren Urfprung haben. Der Einfluß 
des Chtiſtenthums auf die claffifche Gelehrfamfeit wird gewöhnlich ſehr ungerecht 
deurtheilt. Die alte Welt Ing in Trümmern, das Chriſtenthum hatte die Miffion, 
ein ganz neues unb höheres Besen in ber Menſchheit zu begründen, Hiedurch 
tmurde ihm En Verhalten in Beziehung auf die heidniſche Bildung — 
die Kr igionen bes Heidenthums Fonnte es nur verabfeheuen; dieß hinderte 
aber nicht, bie claffifhe Ritteratur als eines der wefentlichften Bilbungsmittel aufr 
nehmen und dieſes gefhah nicht bios von Einzelnen, wie Clemens Alerandrinus, 
Drigenes, ©rı is von Nazianz, Bafilius, Iſidorus u. ſ. w., fobem von 
tee Ricche im Allgemeinen, fo daß fchon Julian ber Abtrünnige im vierten Jahr⸗ 
fumderte es als ein Haupimittel zur Untergrabung des Chriſtenthume anſah, ben 
Öhriften dag Studium der claſſiſchen Literatur zu verbieten, Daß dabei von ben 
Rirchenvorftehern die größte Sorgfalt angewandt wurde, die Ehriften vor den ges 
fübrliben Ginflüßen des Aberglaubens u. der Eittenlofigfeit_ des Heidenthums zu 
dewahren, ift gewißnicht zu tadeln ır. einzelne dabei vorfommenbe Mebertreibungen fönnen 
nicht maßgebend fern. — Konnte numauc ber einmal gefunfene claſſiſche Geſchmack 
aunächft micht wieder hergeftellt werben, fo wurde doch fürs Erfte namentlich durch 
die wüften, Alles umftürgenden Jahrhunderte der Völkerwanderung der claſſiſchen 
Yiteratur (im Abendlande namentlich der Inteinifchen) in der Kirche und in den 
Klöftern ein Aſyl geboten, und wenn wir und über das Moͤnchslatein mit allem 
Fuge luftig machen, jo müffen wir auf der andern Seite auch nicht vergeſſen, daß 
wir dem unermübeten Fleiße der Mönche, namentlich der Benediktiner u. in fpäs 
teren Jahrhunderten der Karthäufer, die Erhaltung der Hauptwerfe der Literatur 
einig und allein zu verbanfen haben. Wir fommen zu der Blüthezeit des Mit- 
telaliers. „Trifft hier nicht vieleicht mit Recht die Kirche der Vorwurf, daß fie, als 
ide ein fo ungeheueres Feld der Wirkſamkeit eröffnet, als ein fo lebendiger Eifer 
für Wiffenfhaft angeregt war, diefen mehr mit dem unnügen Wuſte ſcholaſtiſcher 
Spigfindigfeiten, als mit der gefunden Koft claffifcher Bildung genährt habe?“ So 
urtheilen allerdings diejenigen, welche die tiefe und allumfajfende Bedeutung des 
fichlihen Dogma nicht kennen und babei, ehe ber Grund gelegt ift, das 
Haus ausgebaut fehen wollen. Nicht fo die Kirche; es mußte zuerft das drift- 
lie Dogma in feinem innern Zufammenhange und in feinem Verhältniß zur 
Vernunft ERkitefoppie, Wiſſenſchaft) im Allgemeinen feftgeftellt und fo ein Fun— 
Bament zum Weiterbau gelegt werden. Dieß wurde zunächft durch die Scholaftif 
geleiftet und dabei hatte die Kirche fo wenig einen Kampf und eine prinzipielle 
Abneigung gegen das claſſiſche Altertum im Sinne, baß nicht allein bieß, wenn 
auch innod fo nothbürftiger Weife, fortwährend in ben Schulen und Klüten hie 


202 Philologie. 


Hauptelemente des Unterrichtes und der Beſchaͤftigung bildete, ſondern ſelbſt jener 
großartige Aufbau der Theologie an ariſtoteliſche und platoniſche Philoſophie, 
mochten fie dieſe auch in noch fo ſehr entſtellter Form beſitzen, angelehnt war. 
Den Ariftoteles Hatten die Echolaftifer Snfange in ber Bearbeitung von Boc; 
thius, nachher in der arabifchen, denn auch die Araber haben ſich in der Zeit 
bes Mittelalters vielfach, jedoch in einer einfeitigen und engherzigen Weife, mit 
ber griechifchen Literatur und namentlich mit Ariftoteles beſchäftigt. — Nachdem 
nun die Scholaftif ihre große Aufgabe erfüllt Hatte, der lebendige Geiſt allmälig 
aus ihr entwichen und nur ein unerquidlicher, in barbarifchen Formen ausgepräg: 
ter, Formalismus übrig geblieben war, da war es fehr natürlich, daß die Sehn⸗ 
fucht nach dem im Abendlande, wie wir fehen, nie untergangenen - Studium ber 
claffifchen Literatur wieder Iebendiger erwacte. Der Anftoß ging von Italien 
aus. Schon bei Dante finden fd bie eıften Anklänge; dann wirkten mit hoher 
Begeifterung Petraca und Boccaccio. Hiemit beginnt die lebte und bebeutendfte 
Periode der Bhilologie. Dem von jenen gegebenen Ainfoffe wurbe nachhaltige Kraft ver: 
lieben durch bie im fünfzehnten Jahrhunderte aus Konftantinopel nach Italien herüber: 
fidenden Griechen (Ehryfoloras, Gaza, Laskaris), welche bie dort erhaltene griechiſche 
iteratur mit herüber brachten. Es folgt die Zeit der fchwärmenden Begeifterung 
für die claffifche Literatur in Italien; was bie Ideen angeht ift Plato, was ben 
Styl angeht, Eicero der Hauptanhalt. Breigebige Wirkſamkeit der Mebiziner in 
Florenz u. Rom; Samming von Hanbichriften — Codices Laurentiani — Ber: 
vielfältigung derſelben mittelft der eben erfundenen Buchdruderfunf. Gelehrte 
Buchdrucker: Aldus Manutius zu Venedig, die Iunta zu Florenz, Manilius 
Ficinus, Laurentius Valla, Hermolaus Barbarus, Politianus, Philippus Bes 
roaldus, — Bon Italien wurde der neu erregte Eifer zunaͤchſt auf Deutfchland 
übergetragen: Erasmus, Agricola, Eeltes, Reuchlin. Er geftaltete fi) hier na⸗ 
mentlich zu einem erbitterten Kampfe ‚ges bie verknoͤcherte Scholaſtik, zeigt aber 
auch anbdererfeits ein befonnenes Streben, bie Schwärmerei für die clafjijche Alter: 
thumskunde nicht zum Schaden ber chriſtlichen Offenbarung ausfallen zu lafien. So 
wäre eine allmälige uegleihung ber extremen Richtungen wohl zu Hoffen ge: 
weien, als bie firchliche evolution Luthers, die, zum Theil felbft aus biefen Kaͤm⸗ 
pfen erzeugt, nicht ohne die größte, wenn gleich une indirefte, Virkung auf. bie 
Richtung dieſer Studien blieb, dazwiſchen trat Luthers theologiſches Syſtem von 
bem gänzlichen Berberben ber Natur und dem alleinigen Werthe bes fo engherzig 
aufgelaßten Glaubens konnte an und für ſich dem clafſiſchen Studium nicht guͤn⸗ 
a ſeyn; dennoch wirkte nicht allein er felbft, ſondern ganz befonders fein 
itarbeiter Melanchthon und defien Schüler Eamerarius namentlid durch Bil 
ung tüchtiger Pädagogen und Einrichtung von Bymnaften, viel für daſſelbe. 
Bald aber zeigte fidy Tener ennherzige theologifche Geiſt in feiner vollen Wirkſam⸗ 
feit, und obwohl bie nächften She bumberte no immer eine Anzahl tächtiger Phi⸗ 
lologen in Deutfchland und namentlich unter den Proteftanten aufzuweiſen haben 
(G. Fabricius, Kylander, Hieronymus Wolf, Rhodomannus, Sylburg, Ritters; 
bus, Taubmann, Borrihius, Barth, Freinsheim, Gudius, Spanheim, Reinefus, 
Gellarius, Weller), fo herrſchten boch theologifche Streitigkeiten durchaus vor u. 
die P. machte im Ganzen feine bebeutenden ortfchritte, bis ber breipig: 
jährige Krieg noch ftörender eingriff. Unter den Katholiften waren auch 
Deutiähland die tüchtigften Philologen aus dem Orden ber Jeſuiten. Erſt nad 
dem Berlaufe mehrer Sahrhunberte ſollte fi in Deutfchland die Wiſſenſchaft der 
P. zu einem neuen Aufſchwunge erheben, nachdem fie einen Kreislauf durch bie 
anderen Laͤnder Europa’8 gemacht Hatte, bem wir zuvor folgen müflen. — Der erfte 
Punkt, den man, nachdem ein mehr georbnet wifienfchaftliches Streben in bas 
neugewedte Studium des Alterthums eintrat, bearbeitete, war bie grammatifalifche u. 
lexikaliſche Ordnung des Sprachftoffes. Dievon haben au Epanien u. Portugal, 
bie bei der weiteren Gefchichte unferer Wiflenfchaft ganz in den Hintergrund tre⸗ 
ten, noch einige tüchtige Vertreter aus bem 16. Jahrhunderte aufzuweiſen. Vives, 


Philologie, 203 


Achilles Statius, Giacconius, Sanctius, defien „Minerva” ein Hauptwerl für bie 
Grammatik if. Reger blieb ber Eifer fir das claffiihe Studium in Italien; 
Vorzügliches wurbe jeleiftet für die Lerikographte, (Nigoltus, Bareellini, Faccio⸗ 
lati); Die Interpretation wurde vorzugsweile durch bie Aufmerffamfeit auf 
bie fipfiftifhe Elegang beflimmt, wie wir bei Paulus Manutius, Victorius, 
Urfinus, Gyraldus und gan befonders bei Muretus, dem erften Lateiner ber 
neueren Zeit, ſehen. % & hatten auch bie Italiener nicht unbebeutenden Antheil 
an ‚ was wir als zweites Hauptaugenmerf in der P. bald hervorire ⸗ 
ten fehen, nämlich dem ein und Sondern der Realien, namentlich ber 
Antiquitäten und Archäologie (Sigonius, Fabretti, Gerrari, und in neuerer Zeit 
Visconti, Muratori, Daft, Equarra, Seftini, Bea, Inghirami u. viele Andere), 
fo wie auch am ber fritiihen Bearbeitung (Robortelli, Lagomarfini, Garatont, 
Mai). — In Frankreich wurde die P. im fechögehnten und fiebenzehnten Jahr: 
Sunderte mit einem ungeheueren Eifer betrieben; bie Hauptrichtung war jene ſchon 
oben and ebene bes umfaffenden Sammelns des fprachlichen und fachlichen Stof- 
fes, fo in ber erften Zeit, wohin bie Riefenwerfe bes Budaeus u. bes Robert 
% ih Stephanus u. die gelehrten Commentare des Turnebus, Lambinus ic. 
, bas fpradhliche noch vorherrfchend war, allmälig aber die Nealien die 
Dierhand — (die antiquarifhen Sammlungen ber gewaltigen Polyhiſtoren 
Exaliger, Cafaubonus, Salmaflus) ıt. dieſe bann nach ben einzelnen Richtungen 
—— wurde. Die alte Rechtögelehrjamfeit hatte ſchon für ſich eine ſeht tüchtige 
gefunden durch die großen Staatsmänner, wie Thuanus, Eujacius, 

Brifonius, Hotomannus, Pithöus, Die Aftronomieu, Chronologie wurde verdienſtvoll 
tarbeitet durch den Jefuiten Petavius u. Pröret, die Geographie durch b’Anville, 
bie Archaͤol durch den Benediftiner Montfaucon, dem fih Graf be Eaylus 
anfehließt, die Numismatit durch Pellerin, für Geſchichte Petitus, Valeſtug, für 
mittelalterliche Satinität du Fresne du Cagne. Sehr viel für bie Bereicherung 
der antiquariihen Gelehrſe it wurbe geleiftet durch die 1663 * Alade⸗ 
mie ber Inſchriften. Die Erflärung ber Ciaſſiker wurde oberflählicher u. ſpie- 
nd, wie bie Interpretationen von Andre Dacier u. deſſen Gattin Anna Dacier 
u. die Ausgaben in usum Delphini zeigen. Gin größerer Eifer u. eine gründli: 
here Interpretation wurde nah der Mitte des 18. Jahrhunderts wieder ange: 
regt Durch die Mufter des Auslandes (Desbillons, Villoiſon, Brund, Oberlin, 
Schweigbaͤuſer, Barthélemy u., durch die Revolution unterbrochen, in ber neueften 
Zeit_in umfajjenderer Weife fortgefegt. Eaint-Eroir, Matter, Raoul» Rodette, 
veiſſonade, Letronne, Gail, Ehampollion-Figeae, Clavier, Millin, Sylveſter de 
Sacy, Coufin, Lefage, Simonde de Eismendi, u. A. — Die Unternehmungen na 
Aegypten, Morea u. Algier, fo wie die Anregung deutſcher Gelchrten, von denen eine 
bedeutende Anzahl (Karl Benedift Hafe, Miller, Egger 2.) in Paris lebt, Haben in 
der neueften Zeit viel gewirkt; bei Verbeſſerung des Schulwefens durch Eoufin u. Pille: 
main voucde auf die claffifchen Studirn weſentůch Rüdjicht genommen ; zu bedauern ift 
nur, daß die Univerfität, welche das Monopol aller Gelchrfamteit für Frankreich 
bisher in Händen hat, in einem fo wenig chriftlichen und religiöfe inne ihre 
Aufgabe verfteht. — Einen dritten Hcerd philvtogiicher Gelehrſamkeit bildeten bie 
Niederlande. Auch hier blieb der Charafter des Sammelns u. Stoffrufhäufens 
vormwaltend, und obwohl dieſer bei einzelnen, wie bei Hugo Grotius, Lipftus, Vof- 
Aus, Perizonius, mit einer großatigeren Anfhauung, mit grammatiſchem Scharf- 
blide oder mit Sinn für Gufhichte gepaart war, % teat doch bald, namentlich 
in ber eigentlichen Republif der Niederlante, die im Charakter der Niederländer 
iiegende Kleinlichleit auch hier im Ängftliden Sammlerfleiß u. namentlich im zwech 
leien Aufhäufen von Parallciftellen bei der Interpretation, die ſich faft einzig mit 
der lateinifchen Literatur u. namentlich den lateinifchen Dichtern beſchäftigt, hervor 
und bildete fo eine Schule oder vielmehr eine Manier, welche bie fehr vielen Aus— 
länder und namentlich die Deutfche, bie unter den Namen biefer niederländiſchen 
Vhilologen glänzen, doch recht eigentlich zu niederlaͤndiſchen Philologen watı. 


204 Philologie, 


Es zeigt fih diefer Charakter ſchon bei ben Altern: Meurfius, Heinfius, Grono⸗ 
vius, raevius, noch mehr aber bei ben fpäteren, den Beiden Burmann, Drafen- 
borch, Duder, d'Orville, Oudendorp, Wefleling, Clericues, und felbft Durch den 
großen Hemſterhuis, der ber griechifchen Literatur zuerft Beitung in ben Niebers 
anden verfähaffte, und feine Schule, Baltenaer, Ruhnken, 2ennep, Pierfon, 
Luzac, Wyttenbach, Siuiter, konnte diefe einmal vorherrfchende Richtung nicht 
überwunden werden. Erſt in neuefter Zeit Bat durch den Einfluß ber deutfchen 
P. eine beffere, auf grünblichere Kritif gebaute Methode Eingang gefunden bei 
den zum Shell noch lebenden: Thorbede, Heusbe, Groen van Priefterer, Geel, 
Peerlkamp, Karſten, Limburg-Brouwer ꝛc. — Bür die Hebung der philol. Stu⸗ 
dien wirkte in der letzten Zeit beſonders die durch Bake wieder aufgenommene 
Bibliotheca critica nova bis 1831; an ihre Stelle traten 1837 Symbolae literariae. 
— In England nahm das Studium der Claſſiker früh eine weſentliche Stelle in 
dem Unterrichte ein und war hier felbft mit dem Staatsleben innig verwachien, 
indem bie englifchen Staatsmänner mehr, ale anderswo, ihre Bildung durch ein 
gründliche, wenn gleich von Einfeitigfeit nicht freies claſſiſches Stubium erhalten. 
Ein gründliche Sprachſtudium bildete von jeher die Hauptrichtung ber englifchen 
Philologen (Linacre, Buchanan, Rubdiman) mit mancherlei Eigenthümtichfeiten 
u, Sonderbarfeiten in ber Interpretation: Pearſon, Gataker, Stanley, Dodwell, 
Maittaire, Clarke, Barnes, Sale. Durch Richard Bentley wurbe bie genaue 
grammatifalifde u. metrifche Beobachtung zur Grundlage einer neuen geregelten 
u. von einem feften Anhaltspunkte ausgehenden Tertesfritif gemacht u. damit eine 
neue Bahn in ber P. gebrochen, bie namentlich auf Deutichland ihre wichtige 
Rüdwirfung haben folltee In England artete zunächft die Bentley'ſche Kritik zu 
einer großen Willfürfichkeit aus, indem man bie durch Beobachtung entbedten, 
Fr aber doch nicht Stich Haltenden Regeln ald Rorm ber Tertesänderung aufs 

elite (Davis, Wafle, Taylor, Marfland, Dawes, Toup, Tyrwhitt, Warefteld) 
bis Porfon im Anfange dieſes Jahrhunderts wieder einen befieren Weg einfchlug, 
worauf die ueueren, Elmsley, Gnisford, Blomfield fich Hielten, ohne jedoch zu ber 
Höhe der allgemeinen Anfchauung ſich zu erheben, ben bie beutfche P. erreicht 
bat. Neben Diefer grammatikaliſch⸗kritiſchen Richtung ging in England von An⸗ 
fang an, ziemlich ſcharf von ihr gefchieden, die auf Sammlung und Orbnung ber 
Realien, namentlich der Geſchichte u. Antiquitäten gerichtete Middleton, Wood, 
Chandler, Gibbon, Gillies, Stuart, Mitfort, Adam, Elinton, Leale, Dunlop, 
Fellows, Hamilton, Ainsworth, Thirwall, Finlay, Arnold. Diefer Stoff tft jetzt 
in einer Reihe ncyflopäbifcher Werke, mit Berüdfichtigung beutfcher Korfchung, von 
W. Schmith auf eine brauchbare Weife verarbeitet. Zur Beſprechung u. ts 
theilung der philologiſchen Exfcheinungen dient jebt das Classical Museum, jeit 

843 an bie Stelle des Museum criticum Cantabrigiense getreten. — In Deutſch⸗ 
land hatte, als ſich Die P. nach dem breißigjährigen Kriege, zugleich mit ben übrigen 
Wiſſenſchaften allmälig wieber hob, zunächft die nieberlaͤndiſche Manier einen 
nicht guten Einfluß (Ausgaben a la Minelli) ; jeboch zeigte ſich bald beſonders ſeit 
ber mächtigen Anregung, bie im Gebiete der Wifienfchaften von Leibnig ausging, 
in den Seiftungen nes Babricius, Gesner, Heufinger, Morus, Erneki, 
Reiske ein felbfiftändiges und umfaſſendes Streben, als von ber Mitte des 18. 
Jahrhunderts an, in Verbindung mit anderen Erfcheinungen (Hebung ber beugen 
Rationalliteratur in fteter u. inniger Beziehung zur claſſiſchen — Klopftod, Leſſing 
— Dann die Kantifhe Philofophie) eine grammatifchs Treitifche Richtung, wie wir 
fie namentlich in England gejehen haben, fi Bahn brach und theils unmittelbar, 
theils mittelbar einen bisher nicht gefannten Umſchwung in ber PB. hervorbrachte. 
Die erſte Anregung zu biefer neuen ‚gremmatiigeteitifgen Richtung geſchah durch 
Reiz, dann Schüg, Schneider, Bed, Baft, Sale; ihren Höhepunft erreichte 
fie in G. Hermann, ber ber Grammatik, den Weg ber bloßen Empirie verlafs 
ſend, auf dem Boden ber Kantiſchen Philoſophie eine rationelle Grundlage zu 
geben verſuchte, in weldyem Sinne bdiefelbe von Reiflg, Lobed u, mehren Anderen 


„I _ wm own weine [rerppuwg au vor ver genug 
nze P. zuerſt als ein organifches Ganıe aufzufaffen verfuchte. Die durch 
B Beben gerufene Hiftorifch-diplomatifche Kritik wurde befonders von 3. Befter 
m größten Erfolge geübt. Meberhaupt aber entftand jetzt durch das Ans 
erwirfen ber drei genannten Elemente ein reges Leben auf dem Gebiete der 
en P., welche immer tiefer in die volle Erfenntniß bes Lebens ber clafs 
Voͤlker einführte u. den Höchften Zwed ber a immer fchärfer ins 
faßte. Die Leiftungen biefer neueren beutfchen P. find außerordentlich ums 
ih u. die Zahl der ausgezeichneten Gelehrten fo groß, daß wir uns mit 
nnung ber Ramen erfter Größe begnügen muͤſſen. Dahin gehören: Boͤckh, 
r, Muͤller, Welker. Mehre einzelne Namen zu nennen, wagen wir 
weil immer zu fürchten iſt, daß manche übergangen werben, die nicht 
genannt zu werben verbienten. Faſt alle claſſiſche Schriftfteller, u. na⸗ 
h die aus ber Blüthezeit bes claffiichen Altertfums, bie früher verhältnißs 
fehr vernachläffigt waren, fanden u. finden ihre tüchtige Fritifche u. exege⸗ 
Bearbeitung , worin für das ſprachliche u. das fachliche Element gleichmäßig 
ng getragen iſt; die Sprachforfchung, welche durch Berbindung mit ber 
Ion und der neueren, romaniſchen fowohl als insbeſondere beutichen, 
yforſchung zur vergleichenden u. damit zur philofophifchen Sprachforſchung 
job (Humbold, Bopp, Pott, Grimm, Diet, Lohmann, Schmitthenner, 
), ging anberfeits auf bie genauefte Beobachtung der Dialefte, fowie ber 
— bei den einzelnen Schriftſtellern u. in ben verſchiedenen Zeitaltern 
Grammatiken: griechiiche von Buttmann, Matthiä, Roſt, Kühner, Srüger, 
om; Die gr. Dialekte von Struve, Gieſe, Ahrens; Lexika von Baflow, 
z; Pape; neue Bearbeitung des Thefaurus v. Stephanus durch Hafe in 
) Für die lateinifche Grammatik von C. Schneider, Zumpt, Ramshorn, 
„Billroth, Weißenborn, Krüger; Partikeln von Hand; Synonymif von 
ein; Lerifa von Schwenk, Freund, Kärcher, Mühlmann. Die verfchiedenen 
: der Reals PB. wurden nicht minder bis ins Einzelnfte bearbeitet; wir 
für die griechiſche Geſchichte u. Geographie: Mannert, Manfo, Ulert, 


sr. Areham. Dahlmann . Dranfoen - Katie. Biranort _. Miniemafn: für hie 





206 Philomela — Ppilopömen, 


Wenngleich nun dieſe neuere Bearbeitung ber P., namentlich in Deutfchland, fi 
von ber früheren fehr vortheilhaft dadurch unterfcheibet, daß es nicht mehr eine 
planlofe, wüRe Aufhaͤufung kritiſch ungefichteten Stoffes ift, Fr daß überall 
die einzelnen Refultate faft als fertige Faufane zu betrachten find, bie nur warten 
in einen großen Bau zufammengefügt zu werben, u. wenngleih das Beduͤrfniß 
diefer organifchen Anorbmung ſich überall lebhaft ausſpricht, ſo koͤnnen wir 
doch das Hiefür bisher Geleiſtete nur als ungenügende Berfuhe ans 
fehen, u. wie wenig bie Stimmführer ber Wiſſenſchaft darüber ſchon zur Einigkeit 
gelangt find, zeigt unter anderen namentlich der fo tief einfchneidende und keines⸗ 
wege zum genügenben Abſchluß gekommene EZ Streit zwiſchen Bottf. Hermann 
284 u. ihren —— Anhängern. Wir find der Ueberzeugung, daß dieſe 
wahre srgantice inheit auch für bie Wiffenfhaft ber P. noch bann erreicht 
werben könne, wenn eine, bie Thatiachen ber Beobachtung und bie Refultate ber 
tritiſchen Forſchung volftändig anerfennende u. benügende, Auffaffung vom höhern 
u. hoͤchſten Standpunkte aus wieber burchbringt, u. hier iR eine Aufnabe, bie nur 
bie katholiihe Weltanſchauung zu löfen im Stande if. Denn fo fehr wir es mit 
Dank anertennen, wie viel durch bie vom Proteflantismus ausgehende Anreguug 
in der wiffenfhaftlichen Forſchung bisher geleiftet worden iR, fo bitter müffen wir 
es beklagen, daß das Refultat u. ber Geift dieſer Forſchung bisher in Oppofition 
zum Chriſtenthum u. der pofitiven Offenbarung im Allgemeinen getreten if, in 
cine Oppofition, die in ber richtig aufgefaßten Sache ſelbſt Nichts weniger, als 
begründet ift. Und anberfeits, fo fehr auch durch bie Einrichtung unferer Univer⸗ 
fitäten u. Oymnaften, buch philologiſche Seminare, buch eine große Anzapl phis 
lofophifcher Zeitfchriften (Heidelberger Jahrbücher ber Literatur, Göttinger und 
Münchener Gelchtten-Anzeiger,, Ienaifhe Allgemeine Literaturzeitung , Berliner 
Jahrbücher für wiffenfhaftliche Kritik — jept eingegangen — Jahns Jahrbücher 
für P. und Pädagogik, Rheinifches um, el pt redigirt von Welder und 
Ritfhl; Zeitung für Alterthumswiſſenſchaft, — Mufeum bed Rheinifch - Weſtphaͤ⸗ 
liſchen Schulmännervereins — Philologus oder Zeitſchrift für das claſſiſche Alters 
thum, Repertorium ber daſſiſchen Philologie) — für bie Förderung u. Ausbrei⸗ 
tung ber —8 iſchen Wiſſenſchaft geſorgt If, fo läßt ſich dennoch nicht verlen⸗ 
nen, daß dürch Die vorzugsweiſe aufs materielle und ſogenannte Praltiſche gehende 
Richtung unferer Zeit, jo wie durch bie tief ins Leben eingreifende fogenannte 
phllanthropifche Pädagogik (Angriffe auf die Symnafien von biefer Seite buch 
Klump, Lorinfer, Dicffenbach), auch ben claſſiſchen Etubien, wie allem hen 
den, ein ernſter Kampf bereitet wird, ben fie wohl nicht beſtehen möchten, ohne 
ihre aufgabe in ihrer tiefften Tiefe erfaßt zu Haben, 

Philomela, Tochter Bandions I., Könige von Athen u. Schweſter der Profne, 
welche an den thrafifchen König Tereus verheirathet war u. mit dieſem ben Itye 
jeugte. Als letieret zum Jünglin; berungewagfen war, reiste Tereus nach Athen; 

rofne bat ihn, ihre Schweſter 8 mitzubringen; Tereus nahm fie mit fi und 
ſchnitt ihr die Zunge aus. P. entdedte aber biefe Schandthat Ihrer Schweſter 
durch ein Gewebe. Aus Rache ſchlachteten beide ben Itys u. ſehten ihn als 
Gericht dem Vater vor. Tereus erfannte die That u. verfolgte bie entfliehenden 
Schweftern. Diefe riefen bie Götter um Erbarmen an, worauf Ale verwandelt 
wurben: Profne in eine Nachtigall, P. in eine Schwalbe, Tereus in einen Wieder 
hopf. Spätere verwechfelten jene Berwanblung, befonders vömifche Dichter, und 
ließen P. zur Rachtigall werben, 

Philomelos, Sohn bes Jaflon (nicht Jaſon) u. ber Eeres, fpannte zuerſt 
Stiere an ben Wagen u. fol deßhalb als Bootes unter bie Sterne verfegt wor⸗ 
ben ſeyn. Nach Anderen ift es Itarlos, dem biefe Ehre widerfuhr. 

—— Sohn bes Kraufios, aus Megalopolis in Srtabien, gebosen 253 
vor Chrifto, erhielt von en Bormunde Kaſſander von Mantinea treffliche 
Erziefung u. ward durch Eldemos u. Demophanes in ber Staatslunſt umters 
richtei, diente dann unter ben von Megalopolid nach Latonien gefchidten Truppen, 


Pbhiloſophie. 207 , 


bebaute aber, tgefehrt, felbft feine Felder u. Weinberge. 30 Jahre alt, zeigte 
er Klugheit u. als Kleomenes von Sparta Megalopolis überfiel; fpäter 
bite er dem Antigonos Soter in den Krieg u. ward nad; dem Tode des Aratus, 
210 vor Ehrifto, Feldhert des — Bundes, der lehle große Feldherr der auen 
Griechen, dem Epaminondas ähnlich in line igennůhigleit, Einfachheit, Klugheit, Thäs 

feit, Kühnheit, Ex verbeſſerte das ganze Kriegswelen, gab ben Soldaten 

jere Waffen und übte fie in. allen Arten von taftiichen Evolutionen, Ale 
bie ben Ach unterworfenen Meffenier wieder zu ben Waffen griffen, ward. er, 
78 Jahre alt, nachdem er Wunder der Tapferkeit gen, vom ferde abgewors 
fen, alanoen u, von feinem perfönlichen Feinde Dinofrates im —— je (183 

u 


vor nr genöthigt, den Giftbecher zu nehmen, was er mit ber e eines 

—— Die Schwierigkeiten, denen bie feſte Beſtimmung des Bes 
griffts PB. unttliegt, fönnen wir nur dann als unuͤberwindliche anſehen, wenn 
wir felbft in einem falſchen Begriffe von P. befangen find. So lange wir ndms 
ih die von ber einen Seite als etwas rein menfhlihes, u. dennoch von ber 
andern Seite als fo betrachten, als ob fie ihr leptes Ziel in ſich felbft habe, fo 


& 
2 


die Erſcheinung wieberholen, daß jeder Philofoph , indem er fein 
anderen gegenüber, für das allein wahre Hält, was er, wenn er eines 
laſſen fan, one mit den höchften Begriffen fein Spiel zu treiben, 
Begriff von P., je nach dem oberften Orunbfape feines Syftemes, 
iß der Begriff ber P., * er noch einen realen Inhalt haben, 
anderer feyn, als nad) Artftoteles, nach Kant ein anderer, als nady 
‚Hegel. Siehet mar aber, um biefen Widerfprüchen zu. entgehen, 
‚Inhalte der gan ab u, fucht dem Begriff berfelben blos in 
iellen, in ber eigenthümlichen Art u. BAR ber ph. Exfenntniß ; ſeht man 
Weſen der P. lediglich darein, daß fie_eine Erkenniniß nach Bernunfts 
, ober eine benfende Erkenntniß das Dbjefte fei, fo hat man einerjeits 

ſerm Bewußtfeyn über das Mefen der P. feineswegs Gegnüge gethan und 
anderfeit doch noch Nichts crflärt, indem man, wenn man ſich Rechenſchaft geben 
will, was unter diefer benfenden Erkenntniß zu verftehen fei uw. wie fie fi 
nicht allein von der gewöhnlichen, fondern auch von der wiſſenſchaftlichen, wie fie 
io beim Mathematifer jtattfindet, unterfcheidet, jedenfalls doch wieder zu den Ber 
iehungen unferd Denkens auf die legten und höchften Prinzipien unferer Er- 
fenntniß zurüdfommen muß. Werben wir alfo durch den Begriff der P., die keines— 
wegs identiſch ift mit dem der allgemeinen Wiſſenſchafi, unwiderruflich hin— 
gewiefen auf bie legten u. höcften u. eben deßhalb in ſich felbft ruhenden Prin— 
üpien der Wahrheit, fo fünnen wir, um diefen Begriff zu beftimmen, durchaus 
nicht Abfehen nehmen von ber Religion, bem Glauben an die Offenbarung, welche 
ja ißrerfeitS mit eben dieſem Anfpruche in unferer Ueberzeugung feſtſteht, daß in ihr 
diefe höchfte, abfolute Wahrheit uns gegeben ift; denn zwei hoͤchſte Prinzipien des 
Denkens fönnen wir mit unferem Denfen nicht vereinbaren. In der That 
findet aber auch ein folher Dualismus der höchften PBrinzipien, ein folder uns 
vereinbarer Widerſpruch zwiſchen Philoſophie u. Offenbarung nicht ftatt, wenn 
nicht die P. den ungegrünbeten Anfpruch erhebt, daß fie, als etwas rein und nur 
menschliches, das — Prinzip der Wahrheit in ſich habe; fie kann dieſes nicht 
thun, ohne zugleich fi) ais das Abſolute zu halten, ohne den Menſchen zur Null 
zu machen. Co lange hingegen der Menſch ſich als ein abhaͤngiges, geſchaffenes, 
endliches Wefen erfennt, gegenüber Gott, dem Echöpfer, alfo feine Erkenntniß als 
etwas relatives, fo lange Fann_er bie wahren und hoͤchſten, in fih ruhenden Prin⸗ 
gipien ber Wahrheit nicht in fi, fondern nur in Gott u. feiner Offenbarung 
ſuchen. In EAN? u. legter Inftanz ift alfo PB. u. Offenbarung eben fo we— 
fentlich identifch, als es für den Menſchen nur eine höchfte Wahrheit geben kann. 
Der Unterfchieb zwiſchen P. u. Offenbarung oder Glauben fol aber damit keines—⸗ 
wegs verwifcht werben; er if aber nur ein formeller u. hiſtoriſcher. In fo weit 


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Philoſophie. 


Menschen dieſe hoͤchſte Wahrheit in Gott durch die Suͤnde u. Ent⸗ 

ven Gott abhanden gekommen, aber ber Keim des Böttlichen in ihm nicht 
und erſtorben ift, entftcht in ihm cine Sehnfucht, ein Ringen und 
Etreben nach der vollen Wahrheit, und der Ausdruck dieſes Strebens iſt eben die 
P. So nimmt es Platon, ber Vertreter aller wahren P. im Alterthume; fo druͤckt 
es bie Sprache ber Griechen ſelbſt aus, indem fie buch den Namen P. (pıdeiv, 
lichen, u. sopia, Weisheit) auf dieſes Streben nach Weisheit hinbeutet. Wollte 
man Dagegen einmwenden, daß nach folder Auffaffung jedenfalls bie chriftliche 
Offenbarung, ale welche Anfprüche darauf mache, die abfolute und vollendete 
ffenbarung zu ſeyn, als das Ende ber P. anzuſehen fei, fo enthält eine folche 
in enbung allerdings etwas Wahres, infoweit bie chriftlicde Offenbarung auf 
aͤhnliche Weiſe, wie das Geſetz, auch die P. aufgehoben Hat, indem es diefelbe er⸗ 
“ fühlte, indem es flatt des Ringens nach ben Grundprinzipien der Wahrheit dieſe 
ſelbſt dem Menſchen wieber gegeben hat, u. wir werben unbebenklich jeden Ver⸗ 
fuch, eine andere Grundlage zu legen, als bie da gelegt, der Thorheit deſſen gleich 
halten, der, nachdem er einmal gut und feft das Fundament zu feinem Haufe 
gelegt, es wieder zerflört und nie zum Ausbaue kommt, ober endlich vielleicht 
auf einem viel hlecteren, als das erfle war, und ganz unhaltbaren fein 
Haus zu errichten verfuht. Sollte aber mit jenem Einwurfe dad gemeint 
feyn, daß der Glaube an bie Offenbarung in Ehrifto u. feiner Kirche etwas Uns 
phitsfophifches, ein Köhlerglaube fel, der den Menfchen in wiffenfchaftlicher Be: 
jiebung die Hände in den Schooß legen läßt, fo würben wir darauf ant: 
worten, daß die Kirche den Glauben nicht anders, denn ald Samenforn be 
tradhtet, das bie ganze u. volle Wahrheit freilich in ſich Hat, aber dennoch fie erft 
erfchließen u. entfalten fol, was ohne Thätigfeit des Einzelnen, ohne ſubjektive 
Forſchung, die den formellen Charakter ber ih, zum Unterſchiede vom Glauben, 
ausmacht, nicht gefchehen kann; die Kirche fegt dem Glauben den noch unvollen- 
beten Zuftand bes Schauens gegenäber, u. zwar als einen folchen, ber burdh bie 
Mitwirkung des Einzelnen u. im Ganzen genommen durch die Entwidelung der 
Kirche in hrem irbifchen Dafeyn angebahnt werben fol. Erſt dann, wenn im Sen: 
feits diefer Zuftand des Schauens eingetreten iſt; erft dann tritt allerdings bie 
weientliche Identitaͤt der (wahren) En u. der Offenbarung wieder hervor. — Ins 
dem wir alfo als ben mwefentlichen Inhalt des Begriffes der PB. die Erkenntniß 
bes an fi) Wahren, des Abfoluten, ber letzten Prinzipien fefthalten, welchen In⸗ 
balt fie mit der Offenbarung u. dem Glauben gemein hat, unterfcheiben wir fie 
von diefen dadurch, daß, indem hier biefer Inhalt durch göttliche Bofition gegeben 
iR, er dort entweder gefucht, oder doch erforicht wird u. der menſchlichen Ers 
fenntniß mehr und mehr angepaßt werben fol, fo daß jebenfalls das fubjektive 
Denten als das formell Eharafteriftiiche ber P. erfcheint. — Der aufgeftellte Bes 
griff von P. findet feine volle Betätigung in ber gefchichtlichen Entwidelung 
(ben, die wir hier nur in ihren Hauptmomenten in biefer Beziehung andeuten 
fönnen, indem wir wegen bed Einzelnen auf bie betreffenden Artikel vermeifen. 
Die P. nahm ihren Urfprung und vollendete ihren erften großen Kreislauf in 
Griechenland, in dem Momente beginnend, als man zuerft im fubjektiven Denfen 
die lehten Prinzipien des Eeyenden zu erforfchen unternahm. Daß man ben Gang 
der Entwidelung in ber griedhifchen P. noch fo wenig richtig erkennt, hat feinen 
Grund darin, weil man den formellen Begriffsfchematismus, wie er nach Arifto- 
teles, und zum Theil durch ihn in jener dit herrſchend wurbe, als die lebendige 
Entwidelungsperiobe ber P. bereits abgefchlofien war, ober als. ein reiner fubs 
jeftiver Standpunft, wie ihn das Altertfum kaum Fannte, unbewußt immer zu 
jener Betrachtung mitbringt. Gleich bei ihrem erften Anlaufe nämlich, bie lebten 
Prinzipien, das an ſich Beftehende zu erfaflen, Löfte ſich die griechifche PB. in eis 
nen ſchroffen Gegenſatz ber Anftchten auf, indem die eine Seite das Werben felbft, 
die andere das nadte Senn als das lebte Prinzip betrachtete. Als aus dieſem 
Orgenfage mit Nothwendigkeit die, dic Wahrheit des Denkens ſelbſt angreifende 






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e auf folge, Weihe geiwonnene ſchar mige Eitwigciung der formalen 
rVortſchritt der P. u. der Wiſſenſchaft fuͤr alle Zeiten, 
Er bie Entwidelung berfelben nach ihrem innern Gehalte in Platon 
yöhepunft erreicht u. fiel nach Ariſtoteles wieder in neue Gegenſaͤtze aus⸗ 
£, die fich jetzt weientlih auf ethiichem Gebiete bewegten. Die Römer 
ine ſelbſtſtaͤndige Bedeutung in der Gefchichte ber Philoſophie. — Das Ehriften- 
at der P., als foldyer, keineswegs feindlich entgegen, fonbern indem es das 
in derfeiben in fi) aufnahm, das eben dadurch beftimmter ſich ausicheis 
alfche befämpfte und überwand (f. Neuplatonismus), trug es in fidh 
m einer neuen u. höheren, alles Wiflen auf feine lebten u. hoͤchſten Bes 
m aurüdführenden P., die, in den Kirchenvätern fchon ber Sache nach ent⸗ 
in der Scholaftif des Mittelalters in beftimmte Kormen ausgeprägt wurde. 
mbige, alfeitige Durchführung ber in ber ſcholaſtiſchen P. gegebenen 
ien wäre bie Aufgabe des fl enden Zeitalter geweſen; ftatt befien 
sch den Abfall von ber Kirche auch die P. in eine negative, ralfh fubs 
Richtung geworfen, die eben in unferen Tagen auch wieder ihren Kreislauf 
t hat. Das „Cogito ego sum“ des Cartefius fteht an ber Spige biefer 
B. Rein vom. te aus follte ein neues Fundament ber Wahrheit ges ge 
den. Diefes konnte nur zu einer Reihe von Berfuchen, zu einer Reihe 
: aufbebender Syſteme führen, bis endlich ber im —* Kriticismus 
jeftin u. formell gewordene Standpunkt im Hegelichen Pantheismus zur 
ı der Regation ufchfug u. —* in das Stabium ber in der That fas 
\ ı DOppofition ge g —A die göttliche Wahr ey — iſt. So iſt es faſt 
ihrem Weſen na e Erzfeindin der Offenbar⸗ 
—— ih Bi müffen uns indeß den wahren Stanbpimft nicht ver⸗ 
ıffen, noch auch verichmähen, felbft aus dieſer teten Entwidelung ber P. 
zu ziehen. Katholifcher Eeits find es Baader und Günther, bie in neuerer 
großartigfter Weiſe die Aufgabe bee P. zu loͤſen verfuchtens zu einer P. 
ie, wie De ſgolaßtiſche, mit mit der Kirche ‚Hand in Hand ging, And b wir wir jet 


GI -fu bil 





210 Philoſtratus — Philorenns, 


neuerer Zeit geltende Eintheilung in theoretiſche u. praktiſche P. ſtimmt im 
Ganzen mit der Phyſik ——— — — u. Ethik der Alten; nur daß der falſche, 
ſubjektive Standpunkt auch hier wieder durchſchielt, indem Kant, von dem fie aus⸗ 
aing, nicht, wie Ariftoteles, biefen Unterfchieb in ben Objekten, fondern in ben 
Seelenvermögen ſelbſt legte. — Weber bie verfchiebenen, in der P. anzumwendenden 
Methoden, fo wie die verfchiebenen Syſteme vergl. die Artikel: Dogmatismus, 
Skeptizismus, Kriticiömus, Empirismus, Rationaliemus, Rea- 
lismus, Materialismus, Senfualismus, Spiritualismus, Pan- 
theismus, Deismus, Theismus. — Ueber PB. u. Geſchichte der P. im 
gemeinen vergleiche, neben ben älteren Werken von Bruder u. Buhle, Tennemann : 
Geſchichte der P. (11 Bde., Leipzig 1798—1819); Tegerando, Histoire com- 
harce des syst&mes de la philosophie (Paris 1822, deutſch von Tiebemann, 
arburg 1806) ; Tiedemann, Geiſt der fpefulativen PB. (Marb. 1791— 97); 
Reinhold, Handbuch der allgemeinen Geſchichte der P. (Gotha 182830); und 
Lehrbuch der Geſchichte der PB. (Iena 1846); Ritter, Geſchichte ber PB. (Hamb. 
1829—45) ; Segel, Borlefungen über Gechichte der B.; Windifchmann, P. im 
Fortgange der Weltgefihichte, Bonn 1820; Rirner, Geſchichte dee P., Sulzbach 
1830; Deutinger, Grunblinien der pofitiven P., Regensburg 1843. F.M. 

Philofratus, Flavius, der ältere, auch von feinem Aufenthalte zu Lemnos 
der Lemnier genannt, u. P. der jüngere, eben daher, u. Jenes Schweſter⸗ 
fohn, lebten beide im dritten Jahrhunderte nach Chriftus. Der Erftere, ein Sophiſt 
und Rhetor, lehrte die Beredfamleit zu Athen u. Rom. Bon ihm if das Leben 
des Appollonius von Tyana, in 8 Büchern, vol übertriebener Lobfprüche, 
befonders auf die vorgeblihen Wunder bes Apollonius, der um bas Jahre 70 
nad) Ehrifto lebte. Außerdem hat man von ihm bie mythifche Geſchichte von 21 Helden 
des trojanifchen Krieges unter den Titel Heroica ; eine Lebensbeichreibung ber 
Sophiften in 2 Büchern, u. 66 Belchreibungen von Gemälden einer Bilder 

alerie zu Neapel. Befchreibungen biefer Art hat man auch von bem jüngern 

‚u für Sunftliebfaber find fie in mancher Hinficht noch brauchbar und unters 
haltend, wenn ihnen gleich &enauigfeit und natürliche Einfalt mangelt. Cine 
Ichrreihe Abhandlung über beide, von dem Grafen Caylus, fleft im 29. Bde. 
der Mem. de l’Acad. des inscriptions; von Meufel überfept in ben Abhand⸗ 
ungen des Grafen zur Runftgeichichte, Thl. 2, S. 184. Gründlicher noch find 
bie Erläuterungen, die Heyne in einzelnen Programmen über diefe Gemälde ge 
geben bat, Gött. 1796— 1801. Fol. u. in dem 5. Bde. feiner Opuscula Academica. 

ergl. Jacobs Animadv. in Callistrati statuas et Philo:tratorum imagines., Leip,;. 
1797, 8. Rehfues über ben Ingern P. u. feine Gemäldebefchreibung, Tüb. 
1800, 8.; Göthe über Kunft und Alterthum, Bb. 2, Hft. L ©. 27 ff.,u.80. 2, 
H. 3, ©. 159 ff. — Ausgaben beide Philoſtrate von Gottfried O learius. Lpz. 
1709, u. von Kayſer, Ari 1844 u. f. (vorzüglich). Die Heroica find ein 
zeln vortrefflich Herausgegeben worben von Boiffonade, Paris 1806; die Bilder 
bes älteren u, jüngeren B. u, die Statuen bes Kalliftratu6 von Jacobs und 
Welder, Lpz. 1825. Eine fehr gute Weberfegung der Heroica u. bed Apollonius 
hat mar von Jacobs, Stuttg. 1828—32, 5 Bbdhn. u. ber Bilder von Lin 
dau, Stutig. 1832 u. 33, 3 Bochn. 

Philorenus, ein griechifcher Dichter von Cythera, lebte am Hofe bes älteren 
Dionys und wurbe von dieſem zu den Steingruben verurtheilt, weil er ſich nicht 
entſchließen Eonnte, die Gedichte des Tyrannen zu loben. Man tabelte an 
feine ungeheuere Epluft, die auch bie Urfache feines Todes war; er flarb nämlich 
an dem Genuſſe eines Meerpolypen, beffen Kopf er, nachdem er bas Uebrige 
verzehrt Hatte u. ſchon fein Herannahendes Ende fühlte, noch mit ben Worten vers 
ſchlang: „Run, fo laßt mich auch diefen noch verzehren, ba ich einmal ſterben 
muß.“ Die Bruchſtücke beffelben find geſammelt von Bippart in „Philexeni, 
Thimothei, Telestis dithyrambographorum reliquiae,“ (2p}. 1849) u. Shmibt 
in ber „Distribe in dithyrambum poetarumque dithyrambicorum . religuias,” 


war ein Soßn des rudjlofen Ringe ykann. — 
fe nannten die älteren Chemiker und Alchymiſten ein birnfoͤrmiges, in 
eraden, verhältnißmäßig langen und engen Hals uͤbergehendes gläfernes 


blegetbon, au Pyriphlegethon, it der Rame bes furchtbaren Höllen- 
welcher, ftatt bes Waſſers, Feuerwellen mit ſich fortwälzt und glüßenbe 
m feinem Bette treibt. . 
blegma, deutſch wörtlich: Schleim, bildet 1) die überwiegende Grundlage bes 
nten phlegmatifhen Temperaments, bes vierten nach der Anficht 
in welchem ber Schleim das Hebergewidht Hat, das fich durch Reizlofigkelt, 
Seit, Mebermaß von Feuchtigkeit u, Kälte andeutet. — 2) In ber älteren Kunſt⸗ 
der Chemiker ber wäfferige Theil einer mit Atherifchen ober ſpirituoͤſen 
angefhwängerten Fluͤſſigkeit, welcher bei einer Deftillation entweder uns 
mit Abergegangen, oder in dem Deftillationsgefchirre als untauglich zuruͤck⸗ 


n if. | 
hlegon, aus Tralles, daher auch Phlegon Trallianus genannt, ein 
sffener des Kaiſers Hadrian, ſchrieb um 138 n, Chr. im griechiſcher 
e zwei Werfe „De mirabilibus“ u. „De Macrobiis“. Ausgaben: nad) Xylan⸗ 
on Franz, 2. Aufl., Halle 1822 und von Weſtermann in: „Pare- 
sive scriptores rerum mirsbilium graeci ,“ (Braunfchwei 1839) 

blegyas, Bater ber berfihusten Koronis, welche durch Apollo ee des 
mp wurbe. P. war hierüber fo ergrimmt, baß er den Tempel bes Gottes 
te, wofür Apollo ifn erfchoß und er als VBerächter der Bötter im Tar⸗ 
urch eine Angft geftraft wurde. — Ein Zweiter befielden Namens war 
hn bes Mars und ber Ehryfe, ober befier der Dotis. Er machte fich 
Ine Räuberfolonie berühmt, die von ber Stadt Phlegya (nach ihm be- 
Alles umher in *— und Schrecken ſetzte, u. die ſogar den Tempel zu 
zu plündern beabfichtigte, was nur der tapfere Elatos hinderte. Er fiel 
von den Händen bes Nyfteus und des Lykos. 


Blaniiine Snulachhlihh . Mahenunsa2‘ muchs erh man MA DR 





212 Phocis — Phönizien. 


u. doch fchästen ihn Philipp u. Alexander, und von Antipater, erhielt er einen 
für Athen ziemlich vortheilhaften Frieden. Bon jebt an war er macedoniſch ge- 
finnt, weil er glaubte, daß fein Vaterland nur in der Abhängigkeit von WMacedo> 
nien glüdlich feyn würde. Als er fein Vaterland gegen bie liftigen Anfchläge 
des Volyfperchon, des Vormunds der macebonifchen Brinzen, fchüste, hielt ihn das 
verbiendete Volk, das ſich durch BVorfpiegelungen von Freiheit täufchen ließ, für 
einen Feind des Vaterlandes und verurtheilte ihn mit noch anderen zum Tode, 
318 Jahre v. Ehr. Auf dem Wege dahin fragte ihn ein vertrauter Freund: „ob 
er Richts an feinen Sohn zu beftellen Hätte?" „Sa, fag’ ihm, gab er zur Antwort, 
daß er den Athenienfern das mir zugefügte Unrecht vergeffen Sn. „Seine Hin 
richtung wurde fogleich bereut, und feine Anfläger theils getödtet, theils erilirt. 
Vaterlandsliebe, Unbeftechlichkeit, Redlichkeit, Edelmuth, weife Vorficht find uns 
ftreitige Vorzüge diefes Mannes; aber eben fo wahr ift, daß er, ber Ariftofratie 
zugethan und ber macebonifchen Herrfchaft günftig, bie Befreiung feines Vater⸗ 
landes fogar hinderte. Sein Leichnam wurde unbeerbigt über die Graͤnze gewor⸗ 
fen, von einigen Freunden aber nach Eleufis gebracht u. verbrannt. Bald inbeß 
ehrte ganz Athen feine Afche durch Denkfäulen. Sein Leben und Wirken Haben 
unter den Alten Plutarch und Cornelius Nepos gefchildert. Bergleihe Heyne’ 6 
Abhandlung : „Res a Phocione in republica Atheniensium gestae* in deſſen 
„Opuscula,“ (Bd. 3.). 

Phocis, eine Landfchaft in Hellas, nad Photos, Sohn bed Aeakos oder 
Ornytion benannt. Vom Parnaſſos durchzogen und vom Kephiſſos bewäflert, 
hatte es Delphi, Kriffa, Antifyra und Elatea zu wichtigen Städten. Die Ein- 
wohner, Dorter, fpielten zwar nie eine bedeutende Rolle in Griechenland; fie waren 
indeffen die einzigen, welche den Athenern bei Marathon beiftanden. Im Heiligen 
Kriege hielten fie faft 10 Jahre der Kraft von faft ganz Griechenland Stand. 

bocylides aus Milet, ein griechifcher Gnomendichter aus dem ſechsten 
Jahrhunderte v. Chr., wurde früher für den Berfafler eines noch vorhandenen 
Gedichtes „Nutheticon“ (Ermaßnungsaedicht) gehalten, das aber erft dem vierten 
chriſtlichen Jahrhunderte angehört. Ausgaben: Bon Brund in ben Poetae 

i gnomici, Leipz. 18175 von Gaisford in Poetae graeei minores, Leips. 
823 3 von Boiffonade, Paris 1823, und mit deutſcher metrifcher Heberfegung 
von Stidel, Mainz 1831. 

Auer Tochter des Uranos und der Gaͤa, durch Koͤos Mutter von Leto 
und Afteria. Als fpäter Apollon Phoͤbos (Sonnengott) wurde, nannte man fo 
die Diana (ale onbgöttin). 

Phoͤbus, nicht Beiname, fondern ein zweiter Name bes Apollo bei ben 
Griechen, von denen er gewöhnlich Phoibos Apollon genannt wird, eine Zufam- 
menfebung, analog der von Pallas Athene, 

Phönir, ein fabelhafter Vogel in Adlerdgröße, mit theils goldenem, theils 
rothem Gefieder. Er fam, wie die Einwohner von Heliopolis glaubten, alle 500 
Sabre beim Tode feines Vaters aus Arabien nach Aegypten u. brachte feinen Vater, 
in ein Ei von Myrrhen nehüllt in den dortigen Tempel der Sonne, um ihn in 
demfelben zu begraben. Andere nennen ihn einen indiſchen Vogel, der alljährlich 
nach Aegypten Tomme, und fich daſelbſt verbrenne. Aus feiner Afche entfiche ein 
Wurm, aus dem, vom Sonnenftrahle erwärmt, fich ein neuer PB. bilde; nach Ans 
dern entfteht er wieder aus jeiner Alche, ober ber ſeines Neftes, bem er. zuvor 
Zeugungsfraft verliehen u. |. w. Man glaubt hierin ein phoͤniziſches Symbol 

gemeinen, oder aftronomifchen, oder großen Weltjahres zu erfennen. 

Phoͤnizien (ein aus dem Griechiichen ftammender Name, von den ſonſt an 
der Füfte haufig wachfenden PBappelbäumen — ooivınıs) Hieß im Alterthume 
ein Theil Syriens, das ſchmale Küftenland am Mittelmeere, von der Stadt Ara⸗ 
dos u, dem Stuffe Eleutheros bis unterhalb des Berges Karmel und Tyros, am 
Leontes; doch mögen auch noch füdlicher, im Gebiete von Paläftina, einige Küften- 
Aäbte Dazu gehört haben, fo daß Ptolemäos vie fühlihe Graͤuze bis zum Chorſens, 


Phoͤnizien. 213 


an dem Gäfaren lag, ausbehnen konnte, und daß wohl bie ganze Seefüfte von 
bis Pelufion P. genannt wurde. Diefes nicht viel über 100 [I Meis 
In große Laͤndchen war zum Thell ſandig und gebirgig; ber Libanon und ber 
Antilibanon Tiefen in norböftlicher Richtung neben einander Hin, und zwifchen bei⸗ 
den Gebirgsfetten Kölejyrien. PB. Hatte daher Mangel an Getreide, dagegen 
gute Fifchereien, bie der des cederreichen Libanon, bie bequemfte Lage zur 
abet am mittelländifchen Meere, mit vielen durch die Natur felbft gefioesien 
— und in feiner 'blühendften Perlode eine Menge wichtiger und hmter 
je, wie: Sidon, bie ältefte, Tyros, Arados, Tripolis, Bybios, Berytos, Sas 
bt. Diefe Städte waren Anfangs, als Golonien von einander, von der Muts 
terftabt abhängig. So wie aber einzelne berfelben mächtiger wurden, machten fie 
fh umabhä und bildeten eigene Staaten, die nur das gemeinſchaftliche Inter 
ze bes Handels u, die Verehrung der (von ben Griechen Herakles genannten) 
Rationalgottheit zu Einem Volke verband, So waren Sibon, Tyros, Arabos 
inelne Staaten, mit erblichen, aber durch Obrigfeiten eingefchränften Königen 
an ber Epige, bie, wenigftens in gewiffen Zeiten, eine allgemeine Reihsverfamms 
lung in Tripolis bildeten, wo fie fih über bie allgemeinen Angelegenheiten des 
Etaates berathichlagten. Doch war es natürlich, daß unter biejen einzelnen 
Staaten ber mächtigfte die fibrigen gewiſſetmaſſen beherrichte; und jo finden wir 
i Periode ®.8, 1000-600 dv. Ehr., einen phöniziichen Staͤdte⸗ 
und, an deſſen Spige Tyros ſiand. Die Flüffe in P. waren nur unbeträdhtliche 
Küftenflüffe, wie: der Ehorfeus, an ber Sübgränge bes Landes, ber Eleutheros 
wa. — Das Urvolk der Phönigier lebte, waͤhrſcheinlich nomabiich, Anfangs am 
perſiſchen Meerbufen, wo noch fpäter 2 Infeln, Tyros und Aratos, (die Bahrein- 
infeln) , mit Ueberreſten phoͤniziſcher Heiligthimer gefunden wurben. Von 
wanderten fie nach dem arabiſchen Meerbufen aus, von da nordwärts nah Bas 
laſtina u. Syrien u. endlich, doch ſchon lange vor ber Ankunft der. fraeliten, 
in ihre nachherigen Wohnfipe ein, wahricheinlich durch eine mächtige Horde ges 
draͤngt, oder ſich als Hanbelsvolf an ben Küften Hinziehend. Viehzucht u. Ader- 
bau waren in P. faft unmöglich; aber bie Küften boten Fiſche, u. Fiſchfang führte 
auf Schiffbau, Nah u. nach wurden fie ein feefahrendes u. daher in feſten Si 
gen wohnendes Volk, das bald auf Raub, bald auf Handel ausſchiffte. Wichti— 
ger, als im ihren Begebenheiten, find ung die Phönizier auf Reifen, u. wohlthä- 
üg für Die Menfchheit dur die Anlegung von Eolonien und dur bie friedliche 
Verbreitung ihrer gewonnenen Gultur. Die Noth hatte fie gezwungen, das Meer 
au betreten, und die Unfruchtbarkeit ihres Bodens machte fie zu Seeräubern. Sie 
landeten auf den benachbarten Küften u. Infeln u. raubten Fruͤchte, Vieh und 
Menihen. Immer fühner gemacht, ſchifften fie auch nad) entfernteren Küften u. 
Infeln. Indeſſen mußte die Kargheit des Bodens ihren Geift aud zu anderen 
Erfindungen reizen ; fie erfanden die Bereitung der Wolle, Purpurfarbe, bes Gla— 
ie, und manches Andere vervollkommneten fie. Theils das Gefährliche der See— 
täuberei, theild die Ausficht des fiheren und freudigeren Gewinnes beim Taufch- 
handel, da rohe Nationen glänzende Kleinigkeiten für foftbare Metalle oder andere 
Landeserzeugnifie freudig eintaufchten, mußten ihre Schiffe zum Handel Hinlenfen, 
der fchon fehr frühe blühte (ſchon Mofes u. Homer fennen biefe Blüthe). Ihrer 
Lage nach mußten bie Phönizier vorzüglich auf dem mitteländifchen Meere Han— 
bel treiben. Der näcfte Handelsort war bie Infel Kypros, beren Einwohner 
ihre Diener wurden u. wo bie Bhönigier bie erften Colonien anlegten. Zunächft 
tamen fie nach Rleinafien, Griechenland, den griechifchen Inſeln; Kilifien, Karien, 
Rhodus, Kreta, die Sporaden und Kykladen wurden von ihnen bevölfert; doch 
blügte ihr Handel hier nur in der früheren Unfultur. Bon ben unterdefien ein fee 
fahrendes Volk und mächtig gewordenen Griechen wurden fie theilweife in Klein: 
afien vertrieben; doch konnten Diefe ihrer nicht ganz entbehren; Räucherwerf, 
Burpur, Putzwaaren mußten fie von ihmen nehmen. Von Aegyptens Küfte hielt 
die Phönizier ber Eigenfinm bes das Fremde haffenden ägyptischen Boltes ab, dos 


214 Phonizien. 


wenigſtens bie Fahrt in die Nilmuͤndungen keinem Ausländer geſtattete. Aber Ca⸗ 
rawanenhandel muß fie nach Aegypten getrieben haben; nicht blos war ein Vier⸗ 
theil von Memphis von Phoͤniziern bevoͤlkert, ſondern auch bie Anlegung des hun⸗ 
dertthorigen Thebens wird dem tyriſchen Herkules augefchrich en. ichtiger und 
bauernder war ber phönizifche Handel nach der norbafrifanifchen Küfle Zwar 
hatten fle hier, wie auf Sieilien, Sardinien und den Kleinen Infeln umher (auf 
Malta will man in neuerer Zeit phönizifhe Münzen und Denkmäler und Refte 
phönizifcher Sprache gefunden Haben) nur Eolonien angelegt, um Ruheörter auf 
ber langen Fahrt nahTarfis zu haben ; allein bald wurden die neuen Pflänzlinge 
wichtiger, indem fie durch den Karamwanenhandel in das innere Afrifa die bort 
eingetaufchten Waaren ben Phöniziern zuführten. Daher finden ſich hier fo viele 
phönizifche Colonien, außer Utica, Auza u. rarihage; Adrumetum, bie beiden 
Leptis u. Tanger, bie mit ber Mutterftabt immer in freundlichem Berhältniffe 
blieben. Doch war Hifpanien das Hauptland für ihren Seehandel ; Gold, Sil⸗ 
ber, Eifen, Zinn, Blei fanden fie reichlich und eingemalhte Sübfrüdhte waren ein 
berühmter fpaniichee Handelszweig. Unter den vielen auf Tarfis angelegten Co: 
Ionien war bie berühmtefte Gadir; wie fie das Ziel der Fahrten im Mittelmeere 
war (Säulen des Herkules), fo war fie wieder der Anfangspunft zu entfernteren 
Fahrten im atlantifchen Drean (nur fabelhafte Nachrichten darüber). Sie Ichiff- 
ten nördlich nach den Zinninfeln und in den nördlichen Drean, bis zur Mündung 
bes Eridanos, wo fie Bernftein holten, ber dem Golde gleich geſchaͤtzt wurde, 
weßhalb fie diefe Fahrt zu verhüllen fuchten. Auch an ber Weftfüfte von Libyen 
follen fie Infeln, wie Madera, die glüdlichen (canarifchen) Infeln ıc. beſucht u. be 
völfert haben. euere dehnen irrig ihre Fahrten hier bis zur Goldküſte, bie über 
ben Senegal Hin aus. Noch Andere behaupten fogar, daß fie Amerika gekannt u. 
befucht hätten. Unbebeutender war ihr Seehandel auf dem arabifchen Meerbufen 
nad Ophir, nur eine Zeit lange unter David u. Salomo, u. auf dem perfiichen, 
buch die Babylonier vielleicht biß Beylon. Ihre Entdedungsreifen, befonbers bie 
berühmte Umſchiffung Afrika's unter Recho, ift nicht fo gewiß, als man gewöhn- 
ih glaubt. Indefien, mögen biefe auch zum Theil erbichtet feyn, fo müflen doch 
bie Phoͤnizier weit ausgebreitetere Kenntniſſe der Erde gehabt haben, ale die Grie⸗ 
hen u. Römer, Diefen aber wehrten fie eiferfüchlig, ihnen auf ihren entfernten 
Fahrten zu folgen, erdichteten Mährchen von Seeungeheuern, Meergallert u. |. w. (da⸗ 
her phönizifche Lügen fprichwörtlidh in Griechenland), verwirrten bie Folgenden 
durch Irrwege , oder ließen gar bie eigenen Schiffe firanden. Daher verlor ſich 
ihre Erbfenntniß mit ihrer Schifffahrt u. Britannien 3. B. mußte zum 2 Male ent- 
bedt werden. Handel trieben die Phoͤnizier hauptſaͤchlich zwar mit ihren Fabrik⸗ 
u. Manufafturwaaren; nicht minder wichtig aber war der mit ben durch Kara⸗ 
wanen aus dem innern Aften und Afrika zugeführten Waaren: Weihrauch, Gold, 
Edelſteine aus bem glüdlichen Arabien, Zimmt, Elfenbein, Ebenholz aus Indien 
u, Yethiopien, durch die Gerrhäer zugeführt, baumwollene u. geftlidte Zeuge aus 
Aegypten, Wolle zu ihren fchönen Webereien erhielten fle von Nomaden aus ben 
arabifhen und forifchen Wüften u, aus Thomarga (Armenien), Pferde aus Tus 
bal und Meſchech Cfaufafifche Länder), Sklaven und Kupfergefchire. Diefer ganze 
Handel aber blieb lange Tauſchhandel; auch follen nicht die Phoͤnizier, fondern 
Die Rumidier zuerfi Münzen geprägt haben. Erfinder aber bes Schiffbaues find 
fie gewiß. Ihre Schiffe waren gewöhnlich rund, mit weitem Bauche u. flachem 
Boden, fie Hatten Ruder und Segel und fegelten ohne Kompaß, bei Nacht nad 
Leitung der Sterne. Der Ruberbänfe waren zwei, auch 3 ſchraͤg über einander 
(biremes, triremes) ; auch hatten ihre Schiffe 3—A Steuerruder. Daß bie Phoͤ⸗ 
nizier zeitig im Befige der Buchftabenfchrift gewefen, darauf führen allgemeine u. 
hiftorifche Gründe, Auch If die Sage nicht unwahrfcheinlich, bag fie bie Rech⸗ 
nenfunft erfunden haben. P. ift das eigentliche Geburtsland des griechiſchen 
Goͤtterkultus. Höhere geiftige Bildung, wie Dichtkunft, Malerei, Bildhauerei, ıc. 
fdeint ben Bhöntzlern —*— geweſen zu ſeyn. 


Phokas · Phel. 215 


hokas ber Heilige u. Martyrer, wohnte vor bem Thore ber Stadt 
Pontus u. bebaute einen Garten, der ihm nebft feinem Lebensbedarfe 
‚ewährte, ben Armen veichliche Almofen zu ſpenden. Mit biefer den 
elt gering erfcheinenden Beihäftigung vereinte er ununterbrochenes 
Seine Behaufung ftand_ den Fremden u, Reifenden, bie nirgends unter» 
ten, Immer So unterftügte er mehre Jahre hindurch große 
Bebrängten, woburch er würdig ward, fein Leben für Jeſus hinzus 
ungeachtet ber Niebrigfeit feines Gewerbes kannte man ihn, wegen 
jend und Näcftenliebe, im ganzen Lande. — ber grauſa⸗ 
ung, bie Diofletian im Jahre 303 gegen bie Jünger Jeſu br 
er als Chriſt angeflagt. Sein angebliches Verbrechen war. fo wi 
man nicht für m hielt, bie ‚gewohnten Börmlichfeiten gegen ihn 
en. Den Henfern warb daher der Befehl ertheilt, den Heiligen, wo 
antreffen würden, ohne Weiteres zu töbten. Zu Sinope angelangt, 
bei P. ungefannt ein u. nahmen feine freundliche Einladung, bei Im 
m übernachten, ig an. Durch feine Redlichkeit u. fein zuvorfommendes Bes 
nehmen wurden fe fo entzüct, daß fie ihm unter dem Nachtefien ben Zwed ihrer 
Reife entdedten, mit dem Wunſche, er möge ihnen fagen, wo fle jenen SP., den 
—*— toͤdten befehligt ſeien, am. ſicherſten treffen fönnten, Der Diener Gottes 
berte ihnen, ‚ohne die geringfte Beftürzung, ex fenne jenen Mann fehr wohl, 
u des andern Tages werde er ihnen. bie gehörige Auskunft daruͤber ertheilen, 
As fi die Gäfte zur Ruhe begeben Hatten, machte ber Heilige ein Grab, legte 
Alles, zur Beerdigung Nöthige, in Bereitſchaft u. brachte die übrige Nachtzet 
Gebete zu, um zum Tode vorzubereiten, Bei Tagesanbruch trat er vor bie 
Berihtödiener, fagte ihnen, P. fei in ihrer Gewalt u. es ſtehe nun bei ihnen, 
des erhaltenen Auftrages ſich zu entledigen. Da biefe ihn fragten, wo er. denn 
wäre, erwieberte er ihnen ganz ruhig: „Er ftcht vor euch; ich bin es ſelbſt.“ 
Durch ſolche Antwort — waren fie eine Zeit lange wie verſteinert u. konnten 
fi entſchließen, ihre Hande in bas Blut eines Mannes zu tauchen, ber fo 
große Tugendhaftigkeit bewiẽs u. ber fie mit fo ungemeiner Herzlichkeit in feinen: 
Hauſe beherberget hatte, P. ermunterte fie gewißermaffen, indem er ihnen zu ver 
ftehen gab, ex fürchte feineswegs den Tod, weil er ihm zum größten Vortheil feyn 
werde. Endlich ermannten fie fih u, bieben ihm ben Kopf ab. In der Folge 
erbaute man eine Kirche unter feinem Namen, welde, im ganzen Morgenlande 
terühmt, den größten Theil feiner Heberbleibfel in fid) flog. Der Hi. Afterius, 
ter um das Jahr 400 Biſchof von Amafen war, hielt in der Kirche, welche eis 
nige Ueberrefte feiner irdiſchen Hülle befaß, eine Lobrede auf den hl. Blutzeugen. 
Auch bemerkt derjelbe, daß die Echiffer in allen Ländern zu Ehren dieſes hl. Blut 
zeugen Freudenlieder fingen, um feine Fuͤrſprache bei drohenden Gefahren flehen, 
und ben von ihrem Gewinne für die Armen befiimmten Theil, „Antheil des 
h. P.“ nennen. Von eben diefem Heiligen fagt Chryfoftomus, als von deſſen 
Gebeinen nad Konftantinopel gebracht wurden, daß die Kaifer ihre Paläfte vers 
lafien, u. herbeieilend die Reliquien des Heiligen verchren, um ber Gnaden, welche 
dabei die Menſchen erlangten, theilhaftig zu werden. Jahrestag 3. Juli. 
Phokos, Vater des Kriſos und Großvater des Strophios, bei welchem Oreft 
erzogen und mit deſſen Sohne Pylades von dieſem die berühmte Freundſchaftever⸗ 
bindung geſchloſſen wurde. — Ein zweiter P. war ein Sohn des Neptun u. Ge: 
mahl der Anthiope. J 
Phol ift ein anderer Name des Gottes Baldur (ſ. d.), ber unter dieſer 
Benennung vorzugsreife von Thüringern u, Bayern, d. h. nach dem Ausbrude 
älterer Zeiten Hermunduren u. Marcomannen, verehrt wurde, bie jedoch auch feine 
andere Benennung Palter u. Balder gefannt zu haben feinen. Grimm (d. 
Muh. 2. Aufl. S. 208) Hält zu Phol den celtiſchen Beal, Beul, Bel, Bele— 
nus, eine Gottheit des Lichts oder Feuers, den flav. Vjelbog, Belbog, fammt dem 
Adjectiv bel, bjel = weiß, litthauiſch baltas, welches durch die Fortbildung t macht, 


J—— 
Bir: 


ä 


FR 
2 


4: 


3 


H 
* 


216 Phonetiſche Schrift — Phosphor. 


daß Bäldäg u. Baldr berfelken Wurzel angehören. Bon biefem Gotte Phol find 
in Ortsnamen noch wichtige Spuren vorhanden, 3. B. Bfalfau (Pholeſouwa) 
bei Baffau, Phalzpoint (Pöofespiunt) an der Altmuͤhl, Phulsborn (Pholesbrun⸗ 
nen) an der Saale, Pholingen bei Straubingen, Pfullendorf oder Follendorf 
(Phulsdorf) bei Gotha, was auf eine weite Verbreitung des Cultus dieſes Got⸗ 
tes hinweiſet. x. 

bonetifhe Schrift, f. Hieroglyphen. 

borkos, (auch Phorkys oder Phorfyn) Sohn des Pontus und ber Gaͤa, 
ber Bater aller möglichen Meerungeheuer und felbft einer ber befannteften Meer: 
götter ; er war vermählt mit feiner Schwefter, ber Keto, welche ihm die Graͤen 
(nah ihm Phorfyaben genannt), bie Gorgonen, ben Hesperifchen Drachen, ferner 
Pephrebo, Enyo u. Cherfis oder Dino gebar. Man weiß nicht recht, was man 
aus der wunberlichen Zabel machen, wohin man den P. verfeten fol; Pauſanias 
weist ihm ein Koͤnigreich am tritonifhen See in Afrika an, Andere verfehen ihn 
nach dem jehigen Corfifa ober Sardinien. — Ein zweiter P. war unter ben 
Bundesgenofien der Trojaner während bes 10jährigen Krieges; cr befehligte Die 
Phrygier, erlag jedoch vor Ajar weithin fchattender Lanze, 

Phorometrie, ift die Xehre von ber Beflimmung ber Srogtähigfeit, mithin 
ein Theil der höheren Mechanik. — Phorometer ein Apparat, die Tragfaͤhigkeit 
eines Gewölbes, einer Brüde u. f. w. zu meffen. — Bhoronomie wurbe Eonft 
bisweilen die Lehre von der Bewegung fefter und flüfliger Körper genannt. 

Phoroneuns, Sohn des Inachos und ber Meliffa, Tochter des Okeanos, 
folgte feinem Bruber Aegialeus in der Regierung von Argos, und erzeugte mit 
ber Nymphe Laodife oder der Kerbo die Rıobe und ben Ngis, ferner den Klyme⸗ 
no8 und die Chthonia (obwohl nicht befannt ift, wer biefer Beiden Mutter war), 
welche gemeinſchaftlich einen Tempel ber chthoniſchen Venus erbaueten, wofür fie 
fpäter göttliche Verehrung genoſſen. Ein anderer Sohn des P. hieß Europe. P. 
gab den Griechen fo gute Geſetze, daß fie von ihm ihre Zeitrechnung anfangen, 
weil fie erft durch ihm entwildert und geflitet worben find. Außer feinen Kriegen 
mit den Telchinen hatte er viel von Neptun zu leiden, dba diefer feinem Lande 
das Wafler entzon, weil er baffelbe ber Juno und nicht dem Poſeidon zugefpro- 
hen. — Ein zweiter P. fcheint ber Altefte F der Lapithen geweſen zu ſeyn; 
er war der Vater des Koronos, welcher den K nig der Dorier, Aegynmios, mit 
Krieg überzog, worauf dieſer ben Herafles zu Hülfe rief — er blieb von ber 
Hand bes letztern. 

Phosphor ift ein chemifcher Grundſtoff (Element), der in ber Ratur meiftens 
verbunden mit Sauerfteff in Form von phosphorfaueren Salzen vorkommt. So iſt 
das nochengerüfle ber Säugetbiere und Vögel phosphorfaurer Kalk mit etwa 
einem Achtel Eohlenfaueren Kalks. Außerdem findet fich - phoephorfaurer Kalk, 
ncbft phosphorf. Magnefia u. phosphorf. Ratron in allen Klüfftgfeiten des Thier⸗ 
förperd. Die Pflanzen enthalten ebenfalls phosphorfaure Erben, die fie aus dem 
Boden empfangen, worin fie vegetiren; denn ber phosphorfaure Kalk if im Mi⸗ 
neralreiche Häufig verbreitet u. bildet einen, freilich untergeorbneten, Gemengtheil 
vieler Gebirgsarten, 3. B. des Granit, Gneiß, Glimmers. Die Samen ber Ges 
treidearten find befonders reich daran. Um P. zu bereiten, fcheibet man aus 
weißgebrannten Knochen mittelft verbünnter Schwefelfäure die P.⸗Saͤure aus; 
al vermengt man die Flüffigfeit mit Kohlenpulver u. deflillirt bei Weißglüh⸗ 
iße, wobei der rohe P. gewonnen wird. Diefer muß unter heißem Wafler Durch 
Sanbfenuhtcber epreßt, nachdem er in Gladröfren zu Stängelchen geformt, umter 

affer aufbewahrt werden, um bie freiwillige Orybation u. bie dadurch bewirkte 
Leichtentzünblichfeit zu verhüten. Außer biefem kann man auch PB. barftellen aus 
Menſchenunrin, fofern dieſer phosphorfaures Amoniaf u. phosphorfaures Ratron 
enthält. Der P. ift entweber farbloß oder von blaßgelber Farbe, durchſcheinend 
ober auch vollfommen burchfichtig , in ber Kälte fpröde, bei mittlerer Temperatur 
weich u. biegfam wie Wade, Sein ſpez. Gewicht it — 1,77. Er riecht knob⸗ 


Phodphorescenj · ar 
an ber Luft Dämpfe aus, welche im Finſtern Teuchten, u. ent 
zündet beim Reiben leicht, daher er mit Bebutfamfeit gehandhabt werden muß, 
um fo mehr, weil bie durch ihm verurfachten Brandwunden zu ben bögartigften 
gehören. Der P. 1d6t fich in Waſſer gar nicht, in Aether u. fetten Delen wenig, 
am meiften in Steinöl, Schwefel-P. ıc. Mit mehren Stoffen 8 Verbin⸗ 
dungen ein. Es gibt 4 Verbindungen (Orvde) bes P.s mit lerſtoff, in 
denen ſich die Sauerftoffmengn = 1:2: 6 : 10 verhalten; fie heißen: P.oryb, 
unterphosphorige Säure, vHoephorine Säure u. P-Säure Lehtere 
wird im der Medizin u. Chemie, im Ganzen felten, angewandi; fie dient auch zur 
Darftellung ber phosphorfauren Salze. Mit Wafferftoff bildet der P. das P.⸗ 
Bafferftoffgas, welches in 2 Zuftänden vorfommt: 1) als Leicht entzuͤnd⸗ 
lihes, weldes ſich von ber Luft bei gewöhnlicher Temperatur u. gewöhnlichen 
buſtdruck entflammt u. von dem man vermuthet, daß es die Srrlichter veranlaffe; 
Nals ſchwer entzünbliches, P. + Wafferftoffgas, das fich erft bei höherer 
Temperatur oder bei vermindertem Luftdrucke entflammt, Beide fönnen kuͤnſtlich 
bargeftellt werden, entftehen aber außerdem bei’ Faͤulniß phosphorhaltiger organi⸗ 
Iher Körper, Fernere Verbindungen bes P.s find bie mit Schwefel, Selen, 
db, Brom, Ehlor, Fluor, Stickſtoff u. den meiften Metallen. Der P. felbft ges 
hört zu ben fräftigften, durchdringend reigenben u. belebenden Arznei-Mitteln, muß 
daher auch wegen der intenfiven Wirfung nur mit großer Vorficht angewandt 
werben. Uebrigens dient er zur Darftellung reiner P.-Säure; dann zur Bereitung 
dee Bor Feuerzeuge und Reibzündwaaren, wie Zündhölshen, Zündihwämme und 
lichter, ſolche Reibzündwaaren bedient man ſich eines Breies, ber durch 
janmmenteiben von warmem Waſſer mit arabifchem Gummi u, P. und behut⸗ 
fames —— von geriebenem chlorſautem Kali (f. Kalium), mit etwas 
Berge, bereitet wird. — Der P. wurde von Brandt in Hamburg 1669 zu⸗ 
fellig endeckt u. von Kunkel bie richtige Methode für die Bereitung beffelben er⸗ 
fünden, nachdem die von erfterem geheim gehaltenen Verſuche die Eriftenz dieſes 
Körpers dargethan Hatten; baher die Bezeichnung Branbt’fher, Kun 
fel’iher P. C. Arendts. 
Phosphorescenz nennt man ein nur ſchwaches Leuchten ohne große Er: 
wärmung u. mit nicht ſehr merflicher Veränderung in ber Befcbaffenheit des leuch⸗ 
tenden Körpers. Diefe Eigenfhaft der P. hat befonders der Phosphor (f.b.), 
ferner Die fogenannten Leuchtſteine, die Fünftlich bereitet werben: fo ber Bo- 
lognefer Leuchtſtein, (gepulverter, mit Eiweiß zur Pafte geformter und ges 
alübter Echwerfpatb), Canton’ Phosphor (gebrannte Aufternfchalen mit 
Echwefelleber gemifcbt u. geglüht), Balduin's Phbospboric; aber auch mehre 
natürlich worfommende Körper aus allen drei Naturreichen zeigen P. Diefe P. 
entfteht durch mindere oder ftärfere Erwärmung, fo ohne Eintritt des Gluͤhens; 
io phosphoresciren der Flußfpath, Schwerfparh, die Diamanten, mehre hauptſaͤch—⸗ 
ih aus Thon» oder Bittererde beftehende Mineralien, Elfenbein, Schreibyapier, 
Maismehl ıc.; oder die P. entficht duch Beftrahlung (Infolation), nah 
Einmirfung des Sonnen: oder Tageslichts; folche zeigen bie meiften weißen und 
halbfarbigen Körper, befonders aber auch die fäurehaltigen, Falfartigen Koffilien, 
tie Mineralien aus dem Baryt- u. aus dem Kieſel-Geſchlechte, Eier- u. Auftern- 
ihalen ıc. Die P. wird ferner erregt durch den elektriſchen Funken, wenn 
tiefer bingegangen ift über die Oberfläche mander Körper, fo befonders wieder 
tes Schwerfpaihs u. der Mineralien aus dem Kalfaefchlehte ıc. Bon felbft 
entfieht P bei manden Körpern aus dem Thier: u. Pflanzenreiche; fo phoshoree- 
ren faules Hol, Kartoffeln, wenn fie feimen, 2c. fehr viele thierifhe Sub— 
fanen, wenn fie der Fäulniß ſich nähern, fo befonders bie Seefiſche; aber auch le— 
bende Thiere leuchten, fo das Johanniswuͤrmchen (f. Leuchtfäfer), der Regen: 
wurm, die Eier der Eidechfen, ferner mehre Arten Seethiere, welche auch die P. 
des Meeres bewirfen. Berner entfteht B. auch bei der Kryftallifation 
verfhiedener zufammengefepter Salzmaſſen, ſowie bei plöglich veränderter Dichäg⸗ 


218 Photphorus — Photins. 


keit der Luft u. bei ploͤtzlichem Drucke auf Waſſer u. andere Flüͤſſigkeiten. Endlich 
werden manche feſte Körper zur P. gebracht durh Drud, Bruch ober Reis 
bung. — ©. Placidus Heinrich, die P. der Körper, 5 Abthellungen, Rürnberg 
1811—1820. E. Buchner. 
oe a f. Lucifer. 
botinus aus Galizien, in ber erften Hälfte des 4. Jahrhunderts, Anfangs 
Schüler u. Diafon des Bilchofs Marcellus von Ancyra, dann Biſchof von Sir⸗ 
mium, verbreitete bie in den Schriften feines Meifters vorgefundene ſabellianiſche 
Keberei, indem er namentlich die DVerfchiedenheit ber 3 Berfonen in der Gottheit 
läugnete. Die wunderbare Empfängnig Chriſti im Schooße Mariä durch den 
heil. Geiſt nahm er zwar an, glaubte aber nicht an fein Dafein vor jemem feiner 
fterblichen Mutter, und Iäugnete auch die Perfönlichkeit des Heil, Geiſtes, befien 
Wirkungen nur die Wirkung des ewigen Baters fein. — Diefe Irrthümer waren 
nicht fo bald kundbar geworden, als fie ſowohl von ben artanifchen, als katholiſchen 
Bithöfen verdammt wurden. Auf einer zu Mailand 347 gehaltenen Synode 
wurde P., weil er auf feinen Irrthuͤmern beharrte, der bifhöflihen Würde ent⸗ 
fest, welcher Spruch aber duch die Anhänglichkeit feiner Gemeinde von Sirs 
mium zur Zeit vereitelt wurde. Auf einem 351 zu Sirmium in Gegenwart bes 
Kaiſers FKonftantius gehaltenen Concilium ward er abermals ber Irrlehren 
des Sabellius und Paulus von Samofata fhuldig befunden und feines 
Amtes verfufig erflärt. P. befchwerte fich beim Kaiſer, als über erlittenes Un⸗ 
recht, worauf Diefer eine Unterredung veranftaltete, welche in Gegenwart von acht 
Senatoren zwifchen ihm u. Bafilius, Biſchof von Ancyra, gepflogen werben 
folte. Da er auch Hier unterlag, fo beftätigte Konftantius das gegen ihn aus⸗ 
efprochene Entjegungsurtheil u. } idte ihn fogleih in bie Derbanmung. Bon 
Sulian dem Apoftaten 361 zurüdgerufen, warb er von Kaiſer Balentinian] 
wieder vertrieben und flarb in feiner Berbannung, mit Hinterlaffung einer Schrift 
von ben Irrlehren in griechifcher u, Tateinifcher Sprache, im Jahre 376. Seine 
Irrlehre Hatte fh in Illyrien ausgebreitet, konnte aber nur wenige Anhänger 
finden, weil die allzu mächtige Partei dee Artaner feine andere Kcherei aufs 
fommen ließ. 

Photius, Patriarch von Konftantinopel, flammte aus einer vors 
nehmen Familie dafelbft und war ein Neffe des Patriarchen Taraſtus. Er wurbe 
zu ben erften Würden bes Reiches erhoben, war Staatsfefretär, Oberſt ber Leib» 
wache u. Senator. Dur ben Cäfar Barbos veranlaßt , verbannte ber Kaijer 
Michael II. den Patriarchen Ignatius auf die Infel Terebintfus. Bardos er- 
flärte nun den P. zum Patriarchen, ohne ſich um bie bei der Wahl ber Biichöfe 
üblichen Kormen zu kuͤmmern. P., der noch Laie war, empfing in ſechs Tagen 
ale Weiden: am 1. Tage ward er Moͤnch, am 2. Lektor, am 3. Subbiafon, am 
4. Diakon, am 5. Prieſter, am 6. Patriarch (858). Die Wahl war gegen bie 
Kirchenfagungen, darum wußte Bardos Anfangs auch feinen Bifchof zu finden, 
ber den Gewaͤhlten weihen wollte. P. wandte Alles an, den PB. u. Nitolaus I. 
für fich zu gewinnen, u. da ihm dies nicht gelang, fo entfchloß er ſich zur Rache. 
Diefelben Gefinnungen wußte er auch dem Paiter beizubringen, und mit befien 
Erlaubniß verfammelte er zu Konftantinopel (866) eine Synode u, fprach darin 
wider den Papſt ein Abfegungss u. Ercommunicationsurtheil aus. Diefes war 
bie erfte Beranlaffung des griechiſchen Schiema. Aber bald verlor B. feinen Bes 
fhüßer u. feine angemaßte Würde. Michael wurde im September 867° durch 
Bafilius ermorbet, der fih kaum allein am Ruber bes Staates fah, als er. ben 
P. auf die Infel Stepe verbannte und ben heil. Ignatius wieber einſehte. In 
dem 8. allgemeinen Gondlium zu Konftantinopel (869) wurbe ber Kirchenbann 
über P. ausgefprochen. Nach des Ignatius Tod (23. Oktober 878) trat PB. wieber 
auf, ber inzwifchen nach Konftantinopel zurüdgefehrtt war. Er behauptete ſich bis 
zum Regierungsantritte des Kaifers Leo, der ihn (886) nach Bordi in Armenien 
verbannte, wo er auch wahrſcheinlich (891) flarb. P. verband mit ber feinften 


Photographien — Photomietrie, 219 


Volitik ebreitete 15 liche: Gelehrſamkeit, aber feine Handlungsweiſe u. 
feine theologiſche Anſicht jann nicht entſchuldigt werden. Von ihm fagt Fv. Rery: 
B. war ein Mann von ganz ungewoͤhnlichen Geiſtesgaben. Mit einer eben jo 
geiimblichen, als Alles umfaffenden Gelehrſamkeit u. einer ganz ungeheuern, wahrs 
haft Erftaunen erregenben Belefenheit verband er einen ſcharfen, tief eindringenben, 
Ales mit Leichtigkeit fich eigen machenden Verſtand. Selbft nach dem Zeugniffe 
feiner Gegner war P., nur mit Ausnahme der Dichtfunft, ein aͤchtes Univerfals 
re Keine Wiſſenſchaft war ihm fremb u. er in feiner ein bloßer Dilettant, 
onderm lets tief in alle ihre Gcheinmifle eingeweiht... Im feinem berüßmten 
Bude, „Die Bibliothel“ welches er zum Theil während feiner Geſandtſchaft an 
den Hofe ber Khalifen von. Bagdad ſchrieb, liefert er von 280 Schriftftellern, 
Bbilofophen, Theologen, Geſchichtſchreibern, Rednern u. A. ‚gedrängte, jedoch licht: 
volle Auszüge ihrer Werke, nebft einer oft fehe treffenden kritiſchen Beurtheilung 
des Inhaites ihrer Schriften, wie ihres Styls und Charakters, Kurz, bem von 
der Natur, wie von dem Zufalle jo verſchwenderiſch begünfligten P. fehlte 
durchaus Nichts, als bloß aͤchtes Chriſtenthum, wahre Srömmigfeit und ein red⸗ 
liches, wahrheitliebendes Herz.“ Außer der genannten „Bibliothek“ haben wir 
von P. noch riefe, das Wert „Nomocanon“, Reben u. mehre — 
lungen, Von Ausgaben, deren jedoch feine ‚die ſammtl. Werke enthält, find 
m nennen: die Bibliothef von Goͤſchelius, Augsburg 1601, Hol.; von Schottus, 
Genf 1611, Fol.; von I. Belker, Berl. 1824, 4, 2 Bde; Nomocanon von 
Juftellus, Paris 1615, 4; von Voellus, Paris 16615 Die Briefe, Lond. 1651, 
Bol., 1705, ol. Einzelne Reden u. Abhandlungen gaben Gombofifius, Basnage, 
% rk end I "rn — ER 
jen, f. t er, 

Mona Heißt. derjenige Theil der Optik id.) der fich mit ber 
Meſſung der Intenfität des Lichtes befchäftigt, und zuerft von Bouguer, voll 
ftändiger aber von Lambert auf wiffenihaitliche Weife behandelt wurde. - Man 
bedient fich hiebei des Photometers (Lichtftärfemeffers). In neuerer Zeit find 
verſchiedene Verſuche über einzelne Zweige der P. angeftellt worden; namentlid) 
son Ritchie, Wollafton u. Rumford. Das von letzterem angegebene Photometer, 
das einfachfte unter allen bisher vorgefchlagenen, berubt auf dem Grundfage: der 
Ecbatten eincs Körpers erſcheint befto dunkeler, je ftärfer feine Umgebung erleuch- 
iet iſt. Es beftcht aus einer vertifalen, mit gleichförmig weißem Papiere überzo: 
genen Ebene, von welcher in der Entfernung von einigen Zollen ein ſchmaler, 
ündriſcher, einen halben Zoll ſtarker, Stab aufgeftellt it. Wie man nun den 
Glanz zweier leuchtenden Körper, 3. B. das Licht einer Lampe, mit dem einer 
Wachskerze vergleichen, fo ftellt man beide in gleichen Entfernungen fo hinter den 
Stab, Daß Derjelde zwei Schatten auf bie weiße Fläche neben einander wirft. It 
dann der eine Schatten dunfeler, als der andere, fo entfernt man dasjenige Yicht, 
welches den dunfelern Schatten wirft, fo lange in berfelben Richtung, bis beide 
Schatten gleih dunkel erſcheinen. Diefe Intenfität_des Lichtes der Rampe ver: 
hätt fh nun zu jener des Kerzenlichtes, wie das Quadrat ber Entfernung ber 
erfteren zu jenem des lepteren. — Leslie's Photometer, eigentlih ein Differenz 
tial= Thermometer und die Lichtftärfe nur bloß mittelbar Durch die erregte Wärme 
angebend, befteht aus zwei correjpondirenden Thermometern, von welchen blog 
tie Kugel des einen gefhwärzt ift. Im Dunfeln ftchen dieſe beiden Thermo— 
meter glei hoch, im Kichte aber jener mit geſchwärzter Kugel höher, als 
ter andere, und zwar um fo höher, je größer die Intenfität des darauf fallen: 
ten Lichtes ift. Das von Rampadius angegebene Photometer zeigt zwar 
Abftufungen des Lichtes, jedoch nicht verhaͤlinißmaͤßig. Es befteht aus 
Hornfcheiben, beren mehre hintereinander geftellt werden, bis der leuchtende Ge— 
genftand unfichtbar wird. Vergleihe Langsborf’s Grundlehren der Photo: 
metrie oder ber optiſchen Wiſſenſchaften, Gelingen 1803; Littrow's Dioptrif, 
Wien 1830 und Lampadius' Beiträge zur Atmoiphärologie, Freiberg IBLT. 








220 Photoſphaͤre Phryne. 


Photoſphäre heißt, 1) bie Lichthuͤlle, von welcher ber wahrſcheinlich an 
und für fich dunkle Sonnenförper umgeben iſtz 2) nah Paftorff eine bloß 
ſchwach fihhtbare Erfcheinung , die in guten Achromaten als das Bild eines Pla⸗ 
neten umgebend geſehen werde. Nach neueren Erfahrungen wird aber Paftorff’s 
entdedte ®B. ber ‘Planeten wohl nichts Anderes, als eine optiiche Täufchung feyn. 

Phraſe (grieh.), eine Redeart, Floskel, verfhönernder Ausdrud, — Phra⸗ 
feologie, bie Lehre von den einer Sprache eigenthümlichen Redensarten; dann 
eine Sammlung von folchen. 

Phrafiren Heißt im muflfalifchen Sinne ein Tonftüd oder einen Gefang 
kunſtreich, geſchmackvoll und anziehend ausführen, wozu theild eine gute Bogen 
führung, ein guter Anſchlag und Anſatz, theils ein gefchicdtes Athemholen gehört. 

Phratria, f. Phyle. 

Phreneſie, eine mit Heftigem Fieber verbumbene Tobſucht, woburd ges 
meiniglich ein lebensgefährlicher Zuftand herbeigeführt wird. Es leidet dabei ent; 
weder dad Gehirn urfprünglih, meift zu Kolge einer Gehirnentzändung, oder 
eonfenfuel, während Organe ber Bruft ober bes Unterleibes, beſonders das 
Zwerchfell, entzündlich gereizt find (PBaraphrenitis). 

Phrenologie, Gehirnlehre überhaupt, dann aber befonders die von Gall 
(f. d.), begründete Lehre des Gehirnbaues, inſofern auf berfelben die geiftigen 
Kräfte und Reigungen des Menfchen beruhen, u. in biefem Sinne gleichbebeutend 
mit Schädellehre. 

Phrixos, Sohn des Athamas (f.d.) u. ber Nephele, fam nad Kolchis 
und vermählte fi) dort mit einer Tochter bed Königs Aetes, mit Chalfiope, 
welche ihm mehre Kinder gebar, bie fpäter, als fle nach Griechenland wollten, 
um ihres Vaters Erbe zu Holen, auf bem PBontus Eurinus Schiffbruch litten 
und von ben Argonauten auf einer wüften Infel gefunden wurden. — Sie trafen 
ben P. nicht mehr lebend; man weiß nicht recht, wie er geftorben; nach Diobor 
ermorbdete ihn fein eigener Schwiegervater, — Ein anderer P., ober eine andere 
Zabel von dem Nämlichen, if, daß fein Bater Kretheus ihn verfloßen, weil 
feine Stiefmutter Demodike ihn böfer Zumuthungen angeklagt, es aber in ber 
That umgekehrt geweſen, indem fie ihn geliebt, er fie aber geflohen. 

Phrygien, eine Landihaft in Kleinaften, mit wechfelnden Gränzen und Ab⸗ 
thellungen, zu Homer’8 Zeit die Gegend am See Askania und am Sangarios; 
fpäter umfaßte e8 als Großphrygien das Land zwifchen Bitäynien, Paphla⸗ 
gonien und Rappabofien, al8 Kleinphrigien das Land am Hellefpont (Troas 
nebft dem Küftenreiche an der Propontis) und am Berge Olympos. Der Boden 
war meift eben; die Berge, Dindymos und Berekynthos, waren befonders durch 
ben bier einheimifchen Dienft der Göttermiutter befannt. Andere Berge waren 
Kadmos, Mefogis, Dlympos. Mehre große Ylüffe bewäflerten bas Land: ber 
Rhyndakos, der Mäander, mit dem id der Marſyas und ber Lykos vereinte, 
nördlich von biefem der Hermos, der Sagaris u. der Halys floffen ins ſchwarze 
Meer. Die Phrygier, urfprünglicd Thraker, lebten lange unabhängig unter eige⸗ 
nen Königen, bie faft fammtlidhe den Ramen Midas tragen, und gehordhten feit 
560 al8 Indifche Provinz den Perfern. Sie galten als weichlich, aber als gute 
fifer; die nach ihnen benannte Tonweiſe, ftolz u. kriegeriſch, hielt Die Mitte zwi: 
fen der Indifchen und dorifchen. 

Phryne, eine der berühmteften griechifchen Hetären, aus Thespiä in Böotien 
pebürt! ‚ lebte in der zweiten Hälfte bes 4. Jahrhunderts v. Chr. und fam aus 

ree Heimath arm nach Athen, wo fie Anfangs mit Kapern handelte, bald aber 
aus ihren Reizen reichlichen Gewinn zu ziehen wußte Als fie von bem vers 
fümähten Euthias bei den Heliaften bes Atheismus angeklagt warb, enthüllte 
Hyperides, ber fie vergebens zu vertheidigen gefucht Hatte, endlich ben Richtern 
durch Zerreißung ihres Gewandes ihre Reize und rettete fie. Als Anabyomene 
fies fie einft zu Eleufis vor der verfammelten Menge in’d Meer. Prariteles 

e fie. P. fol fo reich geworben feyn, daß fie fich erboten Habe, die Mauern 


Phrynichus Physharmonica. 221 


von Theben wieder aufzubauen, wenn man über die Thore ſchriebe: Alerander 
bat fie gerftört, P. wi aufgebaut, 

—— 1) ein aufenienfcper Feldherr und Feind des Alcibiabes , ber 
Nichts un! ıcht ließ, diefem, der damals als Erulant außerhalb feines Vater: 
landes lebte, die Rüdfehr zu verfperren. Er wurde nachher, als er zur Partei 
der —— —5 auf oͤffentlichem Marlte von den Demokraten erſtochen. 

jente und Geſchicklichkeit deſſelben als Staatsmann und 
— — * rm aus Br en, ein Tragifer und Schüler des Thespis, 511 — 
Ehr., den fomifchen Stoff von ber griechiſchen Tragödie, 
‚te Si "rnRhafte Gegenftände, und führte, zuerft Frauenzimmers 
en auf Theater ein. Auch  bebiente er. fich vorzüglich des Tetrameters, 
Unter —* Fo einen Stüden, die ſaͤmmtliche verloren geganı sangen find, erwähnen bie 
Aten „Die Phöniffen“ befonders u. „Die —— von el bei deren Auf- 
fürung fein — ſich der Thränen enthalten konnte, © gleich der Dichter 
feibft deshalb hart beftraft wurde, me ex einheimifches Unglüd dargeftellt Hatte. 
Vergleiche Hoffmann „Ueber P.“ in Jahn's „Archiv für Merle, und 
Fädagogif“ (1830) und Dtfr. Müller, „De Phrynichi Phoenissis“ (Göttingen 
1835). — 3) PB. mit dem Beinamen Arabius, ein Sophift, aus Bithynlen, 
lebte unter den Kaiſern Marcus Aurclius und Gommodus. Man hat von ihm 
Eclogae nominum et verborum alticorum in alphabetiſcher Ordnung. — 
ben: Rom (1517; Hoͤſchel, Augsb. 1601, 4.5 Lederlin u Hemfterhuls, 
Amfterdam 1706, Fol.; von Baum, Utrecht 1739, 4; von Lobed, Lpz. 1820; 
femer Iporapasneun oogıorıny, von Bekker im 1. Bande feiner Anecdota 
graeca, Berlin 1814 herausgegeben. 

Phthiotis, eine anbfeheft in Theffalien, zwiſchen dem Malifhen Meerbufen 

Fr En 5* Pindos. Darin bie Haupiſtadt Phthia, Geburtsort des 
e8 (f. b.). 

Philarchus, ein griechifcher Gefchichtsfchreiber, um 190 v. Chr. der’ bie 
Geftichte der erften 100 Jahre nach dem Tode Alerander’s des Großen fchrieb. 
Werf ift verloren, bis auf wenige Bruchftüde, Die von Lucht (Reipiig 
1336) und Brüdner (Breslau 1839) gefammelt und erläutert worden find. 
Vergleihe Thoms, „De Philarchi vita et scriptis“ (Greifew. 1835). 

Phyle die, ähnlich dem römiihen Tribus (. d.), eine gewiſſe Einwohner⸗ 
abtheilung in Athen u. Sparta, welche wicber in drei Bhratrien zerfiel. Die 
Mitglieder einer folhen hießen Phyleten und die Vorfteher Phylarchen, bie 
in der Folge auch Befehlshaber der Phyle im Kriege waren. 

Physharmonica (vom griehifhen Puw, blafen), ift ein etwa 4 Schuh 
langes und 2 Schuh breites Taſten⸗Inſtrüment. Die Luft tritt vermittelft zweier 
Drudcälge durch ein feines Mundloch, welches, mit fehr dünnen, metallenen 
Staben verfehen, ſich allmälig öffnet. Diefe Stäbchen vibriren nun nah Maß— 
gabe der Stärke des Luftzuges und bringen, beſonders in einem Saale, ſehr ein⸗ 
dringende Töne hervor. Es wird auch mit einem Pianoforte vereinigt geſpielt. 
Der Inſtrumentenmacher Haekel in Wien erfand es 1825, und nicht ſowohl um 
dieſe, als um die Erfindung des Aeoladikon, mit welchem dieſes Inſtru— 
ment Aehnlichkeit bat, haben vier Kuͤnſtler ſich geſtritten. Durch ſpaͤtere Ver— 
kefjerungen des Wiener Orgelbauers Jakob Deutſchmann kann mit dieſem, von 
mancher Seite veraͤchtlich beürtheilten, Inftrumente Alles ausgeführt werden, was 
Bcsinftrumente ſowohl einzeln, als in der Geſammtwirkung hervorzubringen ver⸗ 
mögen, und auch der Ton iſt beliebig zu verſtärken, zu mildern, oder nur kurz 
bervorzubringen. Ein anderer Inftrumentenmacder in Wien, Johann Usner, 
brachte Zungen ober Tonfebern von Glas oder Metall an mit Stahlhämmern, 
die durch das Berühren an die Zunge fhlagen und ein geläufiges, richtiges 
Spiel, wie auf bem Pianoforte, bewirken. Endlich will der Drgelbauer Georg 
Mayer in Wien (1840) eine faft gie Umgeftaltung dieſes Inftrumentes 
ausgeführt haben, fo daß es durch Völle, Rundung, Stärke und Annehmigtet 








— 


222 Ä Phyfik. 


des Tones, und mit Doppeltönen ſelbſt in Kapellen und kleineren Kirchen wirk⸗ 
fümer, als ein Bofitiv, zu verwenden fi. Das alfo verbefferte Inſtrument 
wurde nun Hedyphon genannt, ift wie das Pianoforte mit einer Taftatır von 
fehs Dftaven u, zwei Drudbälgen im Innern verfehen, welche von außen durch 
zwei Pedale (Trittzüge) geleitet werden und nach Bebürfniß des Vortrags mehr 
oder weniger Stärfe des Tons erzeugen. 

Phyfik, oder Naturlehre, if bie Wiſſenſchaft von den Außeren Veraͤnder⸗ 
ungen unorganifcher Körper und den Geſetzen Glatmgeiehen) ‚nach welchen dieſe 
erfolgen. Es ift eine unbeftreitbare Wahrheit, daß die eben angegebenen Ber: 
änderungen der Koͤrper (Phänomen, Raturerfcheinungen, Raturbegebenheiten) nad) 
unwandelbaren Gefegen erfolgen, wir aber fönnen dieſe Veränderungen nur auf 
dem Wege der Erfahrung kennen lernen, u. alle unfere Erfahrungen find entweber 
Beobachtungen (Öbfervationen), oder fle find Verſuche (Experimente). Diefe 
beiden Begriffe unterfcheiden fich darin von einander, daß wir im erften Kalle 
einen Körper in feinem natürlichen Zuftande belaffen, und auf alle ihn treffenden 
Veränderungen aufmerfen, während wir im zweiten Kalle ben natürlichen Zu⸗ 
ftand des Körpers Andern, ihn alfo zwingen, in Berhältniffe einzugehen, in bie 
er von felbft nicht gelommen wäre. Mit einem Berfuche ift eine Beobachtung 
verbunden u. die fog. ErperimentalsP. befchäftigt ſich mit ſolchen Berfuchen, 
während bie fonft genannte reine P. lediglich die Geſetze entwidelt, nach welchen 
die Veränderungen an den Körpern vorgehen. Das eigentliche Feld ber P. iſt 
aber nur die Erfahrung. Die P., ohne etwas Weitered von ihrem ausgebreiteten 
Augen zu fagen, gewährt Unterhaltung, vernichtet Aberglauben und ungereimte 
Vorftelungen von Ton fo fchredhaften Erfcheinumgen , lehrt ung viele Dinge bes 
nügen und leitet auf Erfindungen, befonder® in Künften und Gewerben, welche 
für die ganze Menfchheit oft von dem außerorbentlichften Ruben find. Solche 
Erfindungen find: der Compaß, der Bligableiter, die Dampfmafchinen, die Augen: 
und Ferngläfer, die Kunſt zu färben, zu bleichen u. f. w. Die P. betrachtet bie 
allgemeinen Eigenfchaften ber verfchiedenen feften, flüßigen u. luftförmigen Körper 
in dem Zuftande der Ruhe und Bewegung, erläutert die Geſetze von dem Hebel 
und den dahin gehörenden Rollen, Flaſchenzuͤgen, Rädern u. Räderwerfen, han: 
belt von dem Falle freier Körper und der Wurfbewegung, gebt au ben Doftrinen 
von der fhiefen Ebene, dem Keile und der Schraube über, erörtert bie Geſetze 
des Pendels und handelt vom Stoße. Sie behandelt bie flüßigen und Iuftförmi- 

en Körper, deren verſchiedene Eigenſchaften und die daraus hervorgehenden Er 
heinungen, fowie bie Lehre von dem Schalle Sie erörtert bie Lehre vom Lichte 
und zwar: a) die Lehre von der gerablinigen Verbreitung, b) jene von ber 
Zurüdwerfung und c) yon ber Bredhung bes Lichtes, mit allem dem, was in 
das Gebiet der Optif gehört, gibt die Geſetze der Wärme u. erklärt bie hleraus 
entftehenden vielen Exrfcheinungen, behandelt den Magnetismus und bie Eleftricität 
nad) ihren Gefegen und zeigt deren Wirfungen. Um bier nicht in Wicderhofun- 
gen zu verfallen, verweifen wir im G@inzelnen auf bie betreffenden Artifel unferes 
Werkes. — Die PB. Hat im Allgemeinen in demfelben Verhältniße und gleichzeitig 
im Laufe der Zeit ihre jeßige Geſtaltung gewonnen, als auch Mathematif immer 
mehr Kortfchritte gemacht hat; doch verdankt fie ihre Höhere Stellung theilweife 
auch ber fchärferen und vorurtheiläfreieren Beobachtung ber Natur, auf weldyem 
Wege 3. DB. die Entdedung bes Eleftricismus und Magnetismus in ihr neue 
Epochen begründen. Schon im Alterthume erwarben fi nicht unbebeutende 
Verdienſte um bie phyſikaliſchen Wiffenfchaften bie Ehaldäer, Aegypter, Araber 
und Griechen, deren Philofophen namentlich auch P. zum Hauptgegenftande ihrer 
Unterfuchungen madten; allein erſt mit Kopernikus (ſ. d.) begann biefelbe 
wiffenfchaftlich behandelt zu werben. Bebeutend gefördert aber wurde fie feit bem 
Anfange des 17. Jahrhunderts durch Baco v. Berulam, Galilei, Toricelli, Kep⸗ 
ler, Otto von Gueride, Descartes, Bayle, Hoof, Borelli, Grimaldi, Pascal, 
Pharb, Mariotte u. A., vor Allen aber durch Newton, ben Schöpfer ber neueren 


Phyfilaliſche Geographie — Pfyfiognomie, 223 


B., beren Gebiet dann durch hend, Kircher, Euler, o' Graveſand, Mur 
ſtendroed, te en, le, rieſtley, Black, Galvani, Lichtenberg, 
Ritter, Volta, Eavı I, Davy, A, v. Humboldt, Ampere, Biot, Derfled, Gay- 
Ruffae, Herichel, Pouillet, Baraday, Weber, Baumgartner, Munde, Fechner, 
PVaff, Gmelin, Berzelius u. dv. A. immer mehr erweitert wurbe, was auf viele 
neue Erfindungen und Berbefferungen ben geöhten Einfluß Hatte, Siehe bie 

jer von Mayer, Schmidt, mer, Kaftner, Munde, Scholz, Brandes, 


ijenlohr, Lamp, Pouillet u. A, 
* lifche Geographie, ſ. Geographie, 

theslogie, (eigentlich Natur-Gotteslehre), Heißt im Allgemeinen 
bie rliche logie, im Gegenſahe zu der geoffenbarten (pofitiven) ; dann aber, 
im:engeren Sinne, diejenige Lchre von Gott us göttlichen Dingen, welche ſich auf 
bie —— fichtbaren Welt, gründet, u. fa bie Aufpa gefegt Hat, von 
terfelben, als Pringipe der natürlichen Ordnung. u. Boltommenheit, zu dem 
re —— Vergleiche übrigens die. Artilel Gott, Res 
sion, eologie I ; 

bufi ie nennt man bie einem Menfchen eigenthümliche, ihr wor: ans 
deen auszeichnende, natürliche Gefitsbildung. Auch von einer P. ber Thiere 
hriht mar, verfteht darunter aber nur. die unterfheibende Gel erg 
Arten Ausgehend von dem Brunbfage, daß das Geficht der Spiegel der. Seele 
ki, von ber. Thatfache, daß länger oder Beftiger auf das Innere wirfende Eins 
haider ſich allmalig auch im keußern in beſtimmten Zügen ausprägen, hat man. ge- 
bt, aus ber P. eined Menſchen arm innere Natur zu ergründen, und ve 
Su nannte man Phyfiognomif, worunter man in weiterem Sinne aber 
au die Sumſt, aus. dem gefammten Aeußern eines Menfchen feine- innere, Natur 
wieflimmen, verficht. Man nennt die P. die imtellectwelle P., wenn fie 
mulglih auf bie —* Thätigfeiten ‚gerichtet. iſt; die moralifche, wenn fie 
suit dee Ausipähung Der Moralität zw thun Hat, u. die mebizinifche, wenn 
fe zue Erfenntniß des relativen Gefundheitszuftandes, der Pranfheitsanlagen oder 
nifliher Krankheiten aus äußeren Erſcheinungen gelangen will, Man hat die 
".auh benüßt, um das fünfiige Schichſal eins Menſchen vorauszuſagen; fie ge 
kit dann zur MWahrfagerfunft u. bildet einen Theil der Magie (fe d.)5 ihre 
Inrabtheilungen aber And: die Chiromantie (f. d.), Die Metopoffopie, Die 
Funk aus ben Faltenlinien der Stirne die Natur des Menſchen u. fein vergange: 
nd, wie Fünftiges Geſchick zu erkennen ꝛc. Auch die Schädellehre (ſ. d.) ge: 
bit in ben Berei der P. — Man hat verſchiedene Einwürfe gegen die P. er- 
teben, daß nicht immer das Aeußere dem Innern entipreche, indem oft hinter einem 
tummen Geſichte ein geiftreicher Menſch verborgen fei; daß der Menich ſich ab- 
fhelih in feinen Geſichtszügen verftellen könne, um fein Inneres zu verfchleiern ; 
ti die P. Sache bes Gefühle fei u. daher die Eindrüde eines Gefichts auf ver: 
itiedene Individuen fi verſchieden geftalten, wie denn überhaupt die P. jeder 
in Begriffen darſtellbaren Grundlage entbehre u. daher nicht wiſſenſchaftlich be— 
trieben werben fönne; endlich, daß im Innern des Menfchen Veränderungen vor 
fi gehen können, denen bie ſchon früher ſcharf ausgeprägten Züge nicht nach— 
sufolgen vermögen. Troß biefer Einwürfe läßt fih nicht lüugnen, baß der P. 
was Wahres zu Grunde liegt, denn alle Leidenſchaften drüden fi, namentlich 
kei Ungebilbeten, in fo beftimmten Zügen aus, daß gerade hierin ein Grund ber 
allgemeinen BVerftändlicfeit der Mienenſprache bei unfultivirten Völkern liegt; 
häufige Wiederfehr eines Affektes aber u. ber ihm entſprechenden Veränderungen 
ter Gefichtözüge bewirkt allınälig ein Fortbeftehen diefer letzteren u. wir fchließen 
daher aus ihrem Vorhandenfeyn mit Recht, daß die ihmen zu Grunde liegenden 
Leidenſchaften die vorherrſchenden feien u. beurtheilen hiernach die innere Natur 
eines Menſchen. — Schon in ben älteften Zeiten finden wir Spuren ber P., fo 
bei Ariftoteles, Hippofrates, Plinius ıc Im Mittelalter erfhienen fchr 
viele Werfe über P., welche aber größtenteils auf Ariſtoteles u, Galen ſich Kügn, 





224 Phyſiokratiſches Syſtem — Phyſiologie. 


oder in chiromantiſch⸗aſtrologiſchen Spekulationen ſich ergehen, waͤhrend ber kleinere 
Theil eine Fülle von Erfahrung bietet u. zum Theil auch die P. wiffenfcbaftlidh 
zu geftalten firebt. Im neuerer Zeit hat befonders Lavater (|. db.) im Gebiete 
ber P. Aufſehen erregt; fo groß u. allgemein bafielbe aber auch war, eben fo 
norübergehend war es, als feine Gegner, befonders Lichtenberg, die Ober: 
flächlichteit mancher feiner Saͤtze nachwiefen u. zeigten, daß er fi) mehr bucch 
fein Gefühl, als durch den Verftand Habe leiten (offen. E. Buchner. 

Phyſiokratiſches Syſtem nennt man diejenige national söfonomifche Anflcht, 
nach welcher das landwirthichaftliche Intereffe für das wichtigfte im Staate er- 
achtet u. daher, im Gegenfage zu dem Mercantilfyftem (|. d.), diefem vorges 
zogen wird. Die Staatsmänner, welche biefem Grundſatze Huldigen, Heißen das 
der Phyſiokraten oder Defonomiften (vom griech. oinovouia, Haushalt). 
— Das p. S. wurde als ein eigentlicher Gegenftand der Staatskunſt zuerft in 
Frantreih von F. Ques nay, Leibarzt Lubwigs XV., aufgeftelt u. vornaͤmlich 
um 1757 befannt. Doc finden fi die Grundlagen beffelben fchon bei Lode u. 
anderen britifchen Schriftſtellern. V. R. Mirabeau war befonders deſſen Begün- 
fliger, doch nahm es erft unter Ludwig XVL, als Turgot ſich für daſſelbe erklärte, 
cinen höhern Aufichwung; nachher fanf e8 wieder in Frankreich, bis zur Zeit der 
Rationalverfammlung in der Revolutionszeit, wo e8 ein entfchiedenes Mebergewicht 
befam. In Deutfchland wurden, befonder8 in Baben, mit deſſen Einführung, 
wiewohl fruchtlos, Verfuche gemacht. Auch Kaiſer Joſeph IL. und Leopold 1. 
waren ihm geneigt. Nach biefem Syfteme ift die Erde einzige Duelle des Ras 
tionalsEinfommens u. öffentlichen Wohlftandes ; Alles kommt auf Probuftion aus 
dem Pflanzen» u. Thierreiche an. Wirklich nugbare Staatsbürger find daher auch 
nur folche, welche ben Boden bauen u. benügen u. fo einen Ueberfluß über bas 
liefern, was fie felbft von ihren Erzeugnifien verbrauchen; Gelehrte, Künftler, 
Kaufleute, Handwerker u. f. w., al8 unprobuftive Etaatsbürger, vermehren nur 
mittelbar ben allgemeinen Wohlftand, Eine nothwendige Bedingung bes Wohl: 
befindens beider Claſſen ift aber unbebingte Freiheit allee Gewerbe; eben fo völlig 
freie Eins u. Ausfuhr im Handel. Da aller Reichthum vom Boden ausgeht, fo barf 
auch nur eine Abgabe, auf den Reinertrag des Grundeigenthumes bafirt, ftattfins 
ben. Indbeſſen ift dieſes Syftem in feiner firengen Yolgerichtigfeit nicht praktifch 
ausführbar, indem ja auch die Induftrie ſelbſt, das Genie und Alles, was durch 
Vereblung des rohen Raturprobufts demfelben einen höhern Werth verleiht, als 
Zuwachs des Nationalreichtäumes nicht außer Anfchlag bleiben kann. Auch fann 
eine blos vom ©rundertrage entnommene Steuer nur in einem gefchloffenen 
Handelsftante ihre Rechtfertigung finden, wo der Produzent feine Preiſe im Ver⸗ 
hältniffe der Erhöhung der Steuern fleigern Tann. 

Phyſiologie ift die Lehre von der organiichen Ratur des Menfchen, b. h. 
von den Geſetzen, nach welchen das organifche Leben des Menſchen ſich Aufiert, u. 
von den Verridhtungen ber Theile bes menſchlichen Körper; im weitern Einne 
begreift man barunter auch Die Rn von ber organijchen Ratur der Thiere, 
welche man auch vergleichende P. nennt, und bie Lehre von ber organifchen 
Natur der Pflanzen, die fogenannte Pflanzen PVP. Ale P. zerfällt in? Teile: 
allgemeine P., Lehre von den Geſetzen des Lebens überhaupt, und fpegzielle 
P., Lehre von den BVerrichtungen ber einzelnen Körpertheile. — Diefe B. gehört 
zu den theoretiihen Studien ber Heilfunde; fie fegt, um über Das organifche Leben 
urtheilen zu fönnen, nothwendig die Kenntniß vom Bau der Körpertheile voraus, 
und daher muß ihr das Studium der Anatomie vorausgehen. Anderſeits aber 
muß die P. dem Studium ber Bathologie vorangehen, da e8 eine ihrer Haupt⸗ 
aufgaben ift, der Heilfunde als Grundlage zu dienen; fie wird, indem fle bie 
Lebensprogefle in ihrer befondern Beziehung zur Krankheit u. beren Heilung bes 
tradhtet, — zur angewandten P., eine Doktrin, die gewöhnlih als allge 
meine Bathologie und Therapie bezeichnet wird. — Zwed ber P. im 
engen Sinne if bie vollftändigfte und ficherfte Erkenntnis des Menſchen. Dies 


piacenza. 225 


ien Zweck er fügt ſich bie P. auf bie Anatomie, phyſiologiſche u. 
Yelsaiioe, — 35 — ie, auf pathologii 
m Si Alnato mie ü. P. Thiere u. Pflanzen u. endlich auf Beobadh- 
er am ım lebenden, — Menſchen, am kranken — an 
lebenden Thieren. — Durch die Erreichung. ihres 
Iweckes iſt * — von — Einfluße auf viele andere Zweige des — 
Alten. ——— u. Philoſophie, Religion u. Recht müßen, da ihr nächfter 
der Menſch in den verichiebenen Bezichun; — Lebens iſt, in ſeht 
der. michtigften, Vantte zue PB. u, ihren Ausfprüchen ihre ——— nehmen, 
man fie nicht in — Irethümer ſich verlieren wollen, ch iſt es 
chet die Heilkunde, fuͤr weiche die PB. von fo ‚grober Wiistigte , daß fie 
“ * Del u,.ihe Leitftern betrachtet, werden muß. . Daher ift auch von 
‚won dem wichtigften Einfluffe ‚auf die praftiiche Be Fl 
Deren rar jen in berfelben Haben meiſtens auch — 
—— ‚ber fruͤhern Zeit lauft die Geſch icht e der 
neallef mit Geſchichte der Anatomie; vor Ariftoteles (ſ. d.) rn 
feine Rede feyn, aber auch Atiſtoteles P. F mehr ſpelulativ/ u. erſt Ga⸗ 
len; d.) verdanit dieſelbe eine umfaſſende, au are aue Zergliederung u. —— 
—— egründete Bearbeitung. Die materlaliſtiſche P. Galen's Herr‘ 
—— fort, bie Sheophraftus Baracelfus ( 5 
—— ründete dieſem folgte van Helmont (is d.) mit feinen 
grindlicherm, —— erfahrungen: fich, mehr annähernden Syſteme. Durch 
—— mit der karteſiſchen — verlor das Helmont’iche Syſtem 
dis anllebennde Moftifche u. es entftand ein neues: hemifches Syſtem ber Pı, das 
dea Frang de le Boö Sylvius (f. d.), welches in verfchiebenen Abänb, 
lange die Oberherrſchaft behauptete, bis bie iatromathematiſche Schule fi 
wenigftens in ber Form des Beweifes ‚bie firengfte mathematifche Methode —2 
u km ſeſten Theilen des Körpers bie vorztalihften Stellen —— Bald fuͤhlte 
man aber, Daß dem organiſchen Leben doch Etwas zum Grunde liegen muͤſſe, was 
tie unorganifche Natur nicht Hat, u. fo bildeten ich die dynamiihen Schulen der P. 
as, von denen Die des Friedrich Hoffmann (f. d.) nod am meiften auf 
itrematbematifche Anfichten gebaut ift, während G. E. Stahl (f. d.) der Pſyche 
tie Dberherrichaft über das Leben des organischen Körpers zuerfannte. Beide 
Seſteme fuchte A. v. Haller (f. d.) zu vereinigen. Im neuerer Zeit blieben die 
kerrihenden philofophiiben Evfteme nicht ohne Einfluß auf die SB., und nament- 
\ih hat denſelben die Naturphilofophie ausgeübt. Noch dauert diefer Einfluß fort; 
Ne heutige P. beftrebt fich aber vorzugsweife über das Thatſaͤchliche Licht zu ver- 
hreiten, zu welchem Behufe fie alle ihre Säge auf Erfahrungen u. Beobachiungen 
u fügen ſucht u. in diefer Beziehung als Erperimental:®. auftritt. Um 
über Die Anfänger von Irrwegen abzuhalten u. fie bie richtige Methode zu Beob- 
abtungen u. Berfuchen zu lehren, — anderntheils, um mit vereinten Kräften u. 
nah vorausbezeichneten Planen Beobachtungen u. Verſuche anzuftellen, bat man 
in neuefter Zeit phyſiologiſche Inftitute gegründet, deren erftes 1831 durch 
Burfinie in Brealau gegründet ward; feitdem wurden ſolche errichtet in Noftod, 
Bern, Göttingen, Würzburg ıc. 5 3. 8. Pierer u. E. Choulant, anatomiſch⸗ 
vhrfiologiihes Realwoͤrterbuch. 8 Bde., Altenburg 1816— 18293 R, Wagner, 
Handwörterbudy ber P., Braunſchweig 1842, bisher 2 Bde.; K. 3. Burdach, die 
V. als Erfahrungswiſſenſchaft. 6 Bde, Lpz. 1832—1840. — Ferner die gan 
u Lehrbücher von Autenrieth, Biſchoff, Magendie, Rudolphi, Tiedemann, Valen— 
tin, R. Wagner, Walther ıc. E. Buchner. 
Piacenza, (das alte Placentia) ehemalige Hauptftadt des jet mit Parma 
vereinigten erzogthums gleiches Namens, in einer fruchtbaren Ebene, nahe am 
Ro, über ben eine Schiffbrücke unterhalb der Einmuͤndung der Trebbia führt, 
if weitläufig u. groß, mit breiten Etraffen, doch fehr menfchenleer, indem bie 
Siadt nur 32,000 Einwohner zählt, während leicht deren 100,000 Raum hätten, 
15 


Reatenepelopäble. VII. 


Br 


335 # 


228 Piacenza — Pianoforte, 


Die Stadt ift eine ftarfe Feſtung, mit einer Eitadelle von 5 Baflionen, worin bis 
daher Defterreich das Beſatzungsrecht ausübte, Hat viele u. große Palaͤſte, viele 
fhöne Kirchen, unter diefen namentlih: 1) Die Kathedrale, aus dem Anfange 
bes 12. Jahrhunderts, im romaniſch⸗lombardiſchen Styl. — 2) S. Sifto, bie 
reichfte Kirche von P., mit Denkmalen ber Kaiferin Engelberga und der Margas 
reiha von Oeſterreich — 3) S. Antonio mit einem fchönen alten Veſtibul. — 
4) ©. Francesco grande mit Gemälden von Campi, Maloſſo und einer Copie des 
im Escurial befindlihen Martyriums des h. Lorenz von Titian. — 5) S. Michele, 
mit einem Gemälde des h. Yerdinand von der Hand der Herzonin Antonia Bour: 
bon, Tochter Kerbinand’s u, Mriulinerin in B. vom Sabre 1797 u. m. a. Unter 
den Llöftern iR S. Giovanni di Canale wegen feiner Malereien aus dem 12. u. 
13. Jahrhrhunderte befonders fehenswerth. Auf der Piazza del Palszzo publico bie 
coloffalen Reiterftatuen von Alerander und Ranuccio Zarnefe aus Bronze Wan 
findet außerbem hier ein Gymnaſtum, botanifchen arten, geologifches Kabinet, 
Theater, eine öffentliche Bibliothet mit 36,000 Bänden und mehren werthvollen 
Manuferipten, darunter eine Palimpfefte aus dem 9. Jahrhunderte u. bas Pſal⸗ 
terium der Kaiſerin Engelberga, Gemahlin Ludwigs Il. von ihrer eigenen Hand 
um 847 gefchrieben. — Die Einwohner betreiben Seibenfpinnerei u. Fabrikation 
feidener, wollener u. baummollener Zeuge, Eträmpfe, Hüte u. f. w. Der Hans 
del ift ganz unbedeutend, da P. eben jo wenig, als Parma, eine felbfithätige 
Role im Binnenhandel Staliens fpielt, weßhalb auch ber Bo von ben Bewohnern 
der Stadt verhältnigmäßig fehr wenig zum Schiffstransport benüpt wird. — Bon 
ben Römern, zugleich mit Cremona, im Jahre 350. n. R. gegründet, litt P. fpäter 
im zweiten bunitchen Kriege beirädtlich durch die Karthager. Im Kriege zwiſchen 
Otho u. Vitelius, 70 n. Chr. wurde es fat ganz zerftört. Im Mittelalter ſtritten 
um feinen Befig die Scotti, Arcelli, Landi, Anquifiola, Torriani u. Visconti. Ends 
lich kam es an das Haus Farneſe, deſſen erfter F Pietro Lodovico, wegen 
Tyrannei verhaßt, vom Balkon feines Palafies durch Verſchworene herabgewor⸗ 
fen wurde. Von der Zeit an theilte P. das Schickſal von Parma, ſchreibt aber 
feinen Verfall von der fücdhterlichen Pluͤnderung durch Francesco Sforza 1488 her, 
wobei an 10,000 Einwohner als Sklaven fortgefuͤhrt wurden. 

Piacenza, Herzog von, ſ. Lebran. 

Piano, Gtal.) in der Tonkunſt: leiſe, ſanft; eine Andeutung, daß bie mit 
dieſem Ausdrucke (abgekürzt p.) bezeichnete Stelle ſchwaͤcher oder leiſer, als bie 
vorhergegangenen Stellen, vorgetragen werden ſoll. Die Steigerung wird mit pp. 
(piu piano) und auch wohl mitppp. (pianissimo) ausgedrüdt, obgleich letzteres hin⸗ 
reichend mit pp. bezeichnet feyn würde, In Frankreich ift P. auch die Benennung 
des Pianoforte (f. d.). 

Pianoforte oder Fortepiano, das befannte muſikaliſche Inftrument, defien 
Saiten über mehre auf dem Refonanzboden errichtete Stege gefpannt find u. durch 
Hleine gepolfterte Hämmer vermittelft der Taften, am häufigften von unten, feltes 
ner von oben, in Schwingung gefebt und letztere ſodann wieder niebergelaffen 
werben. Es ift gewöhnlich dreichörig und zur Veränderung des Tons auch mit 

ewifien Zügen verfehen. Die von oben an die Saiten fchlagenden Hämmer 
beißen Gapstaften u. find von 3. B. Streicher in Wien 1824 erfunden. Der 
numfang des P. beträgt jetzt vom tiefen Contra-F. ſechs bis fieben Octaven. 
Die Form ift entweder Flügels oder Tafclform, dieſe jedoch weniger zur Birtuos 
fität des Spiels geeignet, als jene. Das erfte Modell baute 1717 Ch. G. Schroͤ⸗ 
ter, Organift in Rordbaufen, weldes von Silbermann gegen 1726 in Sreißurg 
ausgeführt wurde. Doc) fol auch der Inftrumentenmacdher, Bartolo Chriſtofal 
in Florenz 1720 auf den Gedanken gekommen ſeyn, ein ſolches Inſtrument zu 
bauen und es fogar fon 1718 wirklich gebaut Haben. Die Tafelform gab bie 
jem Inftrumente Frie der ici in Gera 1760 u. nannte es zum Unterfchiebe Fortbien ; 
das erfte aufrecht ftehende PB. aber mit einem Pedal, (Giraffe⸗F.) verfertigte Jos 
dann Schmidt, Hof u. Eandorgelbauer in Salzburg (geboren 1757). Ausge⸗ 


Piariften. 227 


zeichnete Inſtrumente biefer Art find in Paris von Erard und Pape (einem 
Deutfhen), in Wien von Conrad Graf, A. Stein, W. Leihen, fegt ders 
von Streicher u. von m. A. gearbeitet. Die englifhen PB.’ find wegen 
pe und Tonfülle befannt, doch verliert lebtere ſich bebeutend in einem 
= ae, Außerdem find fie, weit bie Taſten fehr tief fallen, ſchwieriger zu 
dein, als die nach dem’ beutichen (Wiener) Mechanismus gebauten , deren 
runder flötenaetiger Ton in großen Tofalttäten durchdeingt, und bie auch viei 
leichter zu behandeln find, Verſuchen, dem P. eine größere Volllommenheit 
zw geben, hat es in neueſter Zeit nicht gefehlt. Eder u SE in Rouen 
bauten ein P. ohne Holz, ganz aus Metall (1835), welches an Schönheit, Sir 
Herheit u. Dauer de Tons alle anderen Inſtrumente biefer Art übertreffen folk: 
Hora in Wien lieferte eines (1839) von Gußeifen, an Form u. Größe 
ben Wiener Flügeln gleich, jedoch nach einem eigenen Princip, ohne —535 
der engliſchen ut. feangöfifchen Inſtrumente. Piano ohne Saiten erfand vape in 
Paris (1838), bei welchem der zum Theil —— e Ton durch Metaüblat⸗ 
ter hervorgebracht wird. Dieſes Inftrument fol aber P. nicht verdrängen, 
fonbern für ſich beftehen. Dann erfchien in der Parifer Getverbeausftellung von 
dem namlichen Pape (1339) ein Flügel von Hleinem Format und von einer 
neuen Ei ion, bei welchem unter anderen der Refonanzboden durch ben & 
tenbezug felbft —— und ſo dem Inſtrument eine große ea ers 
theilt wird. Endlich verfertigte Wilhelm Schwab in Reh ein Feder⸗ Salten⸗ P. 
(1839) als elegantes Zimmermöbel, den Kaften aber 18— 20 Zoll länger, als 
bei anderen Klavieren, wodurdy jedoch der Ton keineswegs an Stärke, ie, Run⸗ 
oder Klangſchoͤnheit verlieren fol, indem bie fhlangenförmig gebogenen Sats 
‚chen Erfap dafür gewähren. Die neiteften Verfuche, . eine ans 
dere Enrichtung oder größere — zu geben, find folgende, Gegen Ende 
des Jahres 1 verfertigten die Brüder Greiner in Weplar ein Inflrument in’ 
Flägelform, welches wie ein Klavier gefpielt wird, aber mit Darmfaiten bezogen 
ift, die durch eine Mafchiene auf ähnliche Meife, wie bie Saiten ber Violine, zum 
Tönen gebracht werden. Diefes Inftrument fol den Anforderungen aller Kenner 
tiprecben und alle bisherigen Verfuche, ein ſolches Problem zu löfen, bei Wei— 
tem übertreffen. Ferner hat ber Inftrumentenmader Gleig in Erfurt ein tafels 
formiges P. mit einem Aeolodikon vereinigt, jo daß beide Inftrumente entweber 
uugleich, ober auch einzeln zu fpielen find. Auch Hier fol der Ton beider Nichts 
au wünſchen übrig laffen und eine Kraft Haben, daß durch ihn nicht nur ein 
großer Eaal, ſondern aud eine Kirche mittlerer Gröfe ausgefüllt wird. Hierher 
möchte auch das von Iſoard in Paris angeblich neu erfundene Inftrument gehö— 
tm, welches fo eingerichtet ift, daß bie Saiten, wenn, wie beim P., der Hammer 
auf fie anfeblägt, au den gewöhnlichen Tom von ſich geben, den aber ein durch 
das Pedal hervorgebrachter Luftſtrom fortflingen läßt und zwar, nad) Belieben des 
vieler, ftärfer oder ſchwaͤcher. Der Ton hat im Ganzen Aehnlichfeit mit der 
Irgel und ift befonders in den tiefen und hoben Tönen ungemein ſchön. Es gibt 
mehre P.-Echulen. Ausgezeichnet iſt Hummel's theorctiich = praftiihe Anweifung 
um P. Spiel, Wien 1828, 3 Bde. Folio; Adam, P.-Schule bes Eonfervatoriums 
der Mufif in PBarie, aus dem Frangöfifchen in's Deutfche überfegt von C. Czerny, 
in 3 Abtheilungen, 1936, Wien. Cjerny, Schule des Virtuofen, und die Schule 
der @eläufigfeit, ebd., Methode des Mölhodes de Piano par Moscheles et 
Fetis. Berlin,1340 u. f. 

Viariften oder PBaulinifche Genoffenfhaft der regulieten Kferifer der Armen 
unter dem Schuge der hl. Mutter Gottes zu den frommen Schulen (patres scho- 
larum piarum), heißt ein von bem hl. Jofeph von Ealafanza_(f. Jofepb A.) zu 
Anfang bes 17. Jahrhunderts geftifteter und 1621 von Papft Gregor XV. beftä- 
tigter Orden, welcher den Zwed bat, fich unentgeltlich dem Unterrichte, namentz 
lich an den lateinifhen Schulen, zu widmen. Die Mitglieder legen befhalb bei 
ihrem Eintritte in dem Orden, außer den 3 gewöhnlichen Moönchögeköbden, oh 

15* 


228 Piaſt — Piazzi. 


ein viertes ab, ſich dieſem ſpeziellen Zwecke beſonders zu widmen. Deßhalb kann 
auch kein Prieſter des P.⸗Ordens zur Seelſorge angewieſen werden. Sowohl 
hinfichtlich der Ordensverfaſſung, als Kleidung, hat der P.⸗Orden viele Aehnlich⸗ 
beit mit dem der Jeſuiten. Dieſer Orden bluͤht noch jetzt in verſchiedenen Laͤn⸗ 
fern, wie Ocſterreich, Böhmen, Mähren, Schleſien, Ungarn; am weiteſten iſt er 
aber in Polen verbreitet, wo ihm an vielen Orten das Erziehungsweien anver: 
traut ift und bie meiften öffentlichen Lehranſtalten unter jene Zeitung fiehen. 
Der durchgreifende Umſchwung der neueften Zeit hat auch bei diefem Orden rück⸗ 
figilich feines Zwedes mehrfache Mobififationen herbeigeführt ; indeſſen iſt er von 
dem allgemeinen Haffe, weldyer fich dermalen über bie Jeſuiten ergießt, bis jet 
noch verſchont geblieben. 

Biaft, ein Bauer aus dem polnifchen Fleden Kruswitz in Cujavien, gaftfrei 
und einfach, wurde 840 von ben Polen zum Herzoge oder Könige gewählt. Er 
fol weife und frieblich regiert, zu Gneſen refidiet haben und 861 ruhig geftorben 
feyn. Sein Sohn Zenowig ward fein Nachfolger und Stammpater der nad) 
ihm Piaften genannten Könige von Polen, welche 1370 mit Kaſtmir IL, u. ber 
Herzoge von Schlefien, bie 1675 mit Georg Wilhelm von Liegnik und Brieg 


erlofchen. 

Diafter, 1) eine Rechnungs⸗, und wirklich geprägte Silbermünze in 
Spanien und deſſen ehemaligen amerifanifchen Eolonien Mexiko, Columbien, 
Peru ꝛc. Diefer ſpaniſche P. ift feit Jahrhunderten eine wahre Weltmünze ges 
worden und in faft ganz Aften, Afrika und Amerifa als Haupt-Handelsmünze in 
@irkulation. — 2) Eine Rechnungs⸗ und Silbermünze in ber europaͤiſchen Tür: 
fei, in der Levante, Arabien und ben afrifanifchen nörblicden Küftenländern. — 
3) P. oder Dollar Rechnungsmünge fehr verfehiedener Art, auf den weftindifchen 
a Auf ben philippinifchen Infeln dient der ſpaniſche B. als kleines 

e w 0 

Piave, ein Kuͤſtenfluß des adriatiſchen Meers, im Gouvernement Venedig 
des lombardiſch⸗venetianiſchen Königreiches, entſpringt auf den Tyroler Alpen, 
durchläuft bie Delegation Belluno u, Trevifo, nimmt den Cordevolo und andere 
Slüffe auf, ift von Naventa an fchiffbar, fällt durch den Porto di Cortelazzo in 
der Delegation Benedig in das adriatifhe Meer. Er ift durch einen Kanal, 
nicht weit von feiner Duelle, mit dem Degaro (Nebenfluß bes Tagliamento) ver: 
bunden. An der P. fand am 8. Mai 1809 ein Gefecht zwiſchen ben Franzoſen 
und Italienern unter dem BVicefönige Eugen und den Defterreichern unter Erzhers 
og „gebann Rat, das, troß ber tapfern Gegenwehr ber Defterreicher, mit deren 

zuge enbigte, 

Piazzi (Biufeppe), geboren zu Ponte 1746, trat 1764 zu Mailand in 
den Orden ber Theatiner, wurde 1770 als Profefior dee Mathematif an 
die neu errichtete Mniverfität nad) Malta berufen, fehrte aber nach Aufhebung 
der Univerfität nach Rom zurüd. Bon da ging er nad Ravenna, ward Dis- 
reftor des Adelscollegiums, darauf Prediger in Gremona, Hierauf Profeſſor 
der Dogmatif an dem Inftitute St. Andrea de Balla zu Rom. 1780 erhielt er 
eine — 26 ber Mathematik zu Palermo; auf feine Veranlafſung wurde hier 
eine Sternwarte angelegt; für den Ankauf von Inftrumenten, für biefe unternahm 
er eine Reife nach England u, Frankreich. Auf diefer Sternwarte, bie 1789 ges 
baut wurde, ftellte er mehre Beobachtungen an, unternahm auch ein Sternenver- 
zeichniß und widmete ben erften, 1684 Sterne enthaltenden, Catalog dem Inſti⸗ 
tute zu Paris; ein zweites, 1814 vollendetes, Sternenverzeichniß enthält 7646 
Sterne. Am merfwürbigften aber ift feine Entdedung bes Planeten Ceres 1801. 
Auch machte P. fi) um Verbefferung des Maffes und Gewichtes von Sicilien 
verdient. 1817 wurde er nach Neapel berufen, um ben Plan des neuen Obſer⸗ 
vatoriums daſelbſt zu prüfen. In feinen legten Lebensjahren widmete er fich bes 
fonder8 der Verbeſſerung bes öffentlichen Unterrichtes in Sicilien u. flarb 1826. 
Seine bemerfenswertheften Schriften find: Della specola astronomica de’ regi studi 


L | mn 


Pie—Piccolomini, 229 


di Palermo libri V. 2 Bde, Palermo 1792 — 1795, Praeeipuarum stel- 
larum inerrantium positiones mediae, ebd. Re Bol. en * Sternenkata⸗ 
* an — EN astronomia, 2 Bde, mit ®., ebd. 1817, 4, überfegt 
Bir, cent, eat) fo Se Sm Bergfpige, kommt Häufig in Zufammenfeguns 
: ach Guf Eeylon) u. dgl. 
B ten, 
ardie, € je8 Gouvernement in Frankreich, zroifchen —— me, Nies 
derländen, Normandie, Jole be France u. dem Meere liegend, getheilt in Die Ober 
und Nieder-P., mit der Hauptftadt Amiens. Jeht unter Die Departements Somme, 
Dife und Aisne vertheilt. Canal de Picardie Heißt ein Kanal im Departement 
Somme, beider Schelde anfangend u. zum Pas de Calais führend, aber nicht 


voll 
Bernard efchägter Kupferſtecher, geb. 1673 zu Paris, wandte 

ee Y 
fh ftrenger Proteftant ji den Niederlanden ind Rab 1733 zu Amfterdam, 
Er befaß ein 6 —— Talent, die Manieren anderer Meifter taͤuſchend nachzu⸗ 
ahmen und ftah gegen 1300 Blätter, von denen die früheren bie gefchägteren 
find, u. a. aud die zahlreichen ans zu bem an des c&r&monies relig. de 
toutes les nationes‘“ (11 Bde, Amft, 17% 

Piceini, Nicolo, ein berühmter —— — zu Bari 1723, Schu⸗ 
ler Leo's im Conſervatorium St. Onofrio zu Neapel, trat 1754 mit einer Opera 
buffa und 2 Jahre fpäter mit der ernften Oper Zenobia auf, Seine Ankunft in 
Sranfreich, wohin er 1776 von ber Königin berufen wurde, gab bas Signal zu 
einem muflfalifyen Streite, wobei man ſich nicht blos mit Epigrammen begnügte 
und welcher erft mit Gluck's Abreife endete, — ſtarb 1800 zu — ſch 15 
mehr als 150 Werke, wovon feine Oper „Dido“ ſich allein auf der Bühne er⸗ 
— hat. Bon ihm find auch noch die Opern: „Roland“ a „Iphigenie in 


Aloſteie Flote. 

Piccolomini, ein altes, angeſehenes Geſchlecht, das feinen Urſprung aus 
Rom ableitet, fi in der Folge zu Eiena_ nieberließ und dafelbft zu großem 
Gange eıhob, wie es denn ſchoͤn 1325 auf feine Koften ein Regiment Reiterei 
für die Florentiner ausrüftete u. hernach in ber Republif Eiena die vornehmften 
Staatsſtellen bekleidete, — Wir erwähnen hier: 1) Nencas, Sylvius, Bartolos 
maus, f. Bapft Bius I. — 2) Alerander, Coadjutor von Eiena u. einer 
ter gelehrteften Männer des 16. Jahrh., geboren 1508, war in den fhönen Wif- 
inigaften, der Naturlchre, Mathematif und Theologie erfahren, verband damit 
«inen unfträfiden Wandel und ftarb zu Eiena 1578. Er hat viele Schriften 
verſchiedenen Inhalts gefchrieben, darunter auch einige theatralifhe Etüde, die zu 
ibrer Zeit fehr beliebt waren. — 3) Franz, zu Eiena geboren, Ichrte dafelbft u. 
au Padua 53 Jahre mit vielem Rubme die Philoſophie und ftarb 1604, 84 Jahre 
alt, Seine Eommentare über den Ariftoteled werden wegen ihrer Deutlichkeit u. 
wegen ihres Scharffinnes gefhägt. — 4) Dctavio, Fürft von P., Herzog von 
Amalfi, Faiferlier Generallieutenant, Ritter des goldnen Vließes, geboren 1599, 
weihte ſich frühzeitig den Waffen. Seine erſten Dienfte that er unter dem ſpani— 
ſhen Heere im Mailändifchen u. fam mit den Truppen, welde ber Großherzog 
von Florenz dem Kaifer Ferdinand I. au Hilfe ſchickte, nach Böhmen. — Am 
aroßen Tage bei Lügen (1632) hatte P. mit feinen Güraffieren ficben Mal ans 
nefegt, und nad 6 erhaltenen Musfetenfhüßen gelang es ihm dennoch, bie durch 
Bappenheims Unglüd außer Faffung gebrachten Truppen unter dem einfallenden 
Nebel dem Feinde zu entführen. Auch war es fein Regiment geweſen, bei welz 
Gem Guftav Adolph den Tod fund. — Wallerftein belohnte SB. mit einem Ges 
ſchenke von 30,000 Thalern und fand ihn auch in ben folgenden Unternehmungen 
feines Vertrauens würdig, welches ber Umftand, daß P. unter gleicher Eonftella- 
tion mit ihm geboren war, und bie anfcpeinende Offenheit feines Charakters oh 


— 


9 


230 Piceolomini. 


mehr erhöhten. — Nicht wenig mochte daher der Generaliſſimus bei feinen lehten, 
weitausfehenden Planen auf ihn gerechnet haben, von bem er, wiewohl durch 
feine Bertrauten gewarnt, nichts Arges ahnen und aus feinem Horoffop nicht 
fchen konnte, daß eben ein fo edler Mann ber Erfte feyn würde, perfünliche Ber: 
binblichfeiten und freundfchaftliche Berhältniffe der hoͤhern Pflicht gegen den Mo- 
narchen unterzuorbnen. P. führte damals (1614) den Befehl in Oberoͤſterreich. 
Zu Pilfen noch, faum aus dem Berfchwörungsfaale getreten, gab er dem Hofe 
die erfte unmittelbare Rachricht, eilte felbft nach Wien u. ließ, da er in der Nacht 
eintraf, den Kaiſer aus dem Schlafe weden, weil man in der Etadt Verftändnifie 
vermuthen mußte und die Begenanftalten Eile forderten. Rachdem er felbft mit 
Gallas zu Linz Maßregeln genommen, brach er, der Erfte, mit gewaffneter Hanb 
auf: ein Schritt, wobel er wegen der ſchwankenden Treue fo Bieler, auf die man 
ſich Hier verlaffen mußte, feine ganze Klugheit und Feinheit nöthig Hatte, um fich 
burch fo manche Gefahren und Schwierigkeiten durchzuwinden; denn, daß er bas 
ſchon verlaffene Pilfen ohne Widerftand nur befeßen und daß ber große Schlag 
zu Eger bereits „geiban feyn würbe, ließ fidh nicht erwarten. Er unterflügte nun 
fräftig die Anftalten, die Gallas gegen bie bebenklichen Folgen traf, Die man von 
innen u, von außen befürchten mußte. — Rad ber Schlacht bei Nördlingen, wo⸗ 
bei er fich gleichfalls auszeichnete, durchſtreifte B. mit Sfolani einen Theil von 
Schwaben und Franken. Sie eroberten Dinkelsbühl, Mergentheim und Rothen- 
burg, und während Sfolani mit feinen Kroaten im Innern bes Landes Schreden 
verbreitete, ging P. über den Main, wo eine ſchwediſche Partei unter Wilhelm 
von Weimar, die feinen Uebergang zu verhindern fuchte, ſich vor ihm zurüdzog 
und auch Kitingen, Ochſenfurt und Schweinfurt genommen wurden. Er fiel 
nun in das Hennebergifche nnd machte einen Berfuk auf Königshofen, indeß bie 
übrigen kaiſerlichen Befehlshaber den Reſt von Franken vollends eroberten und 
fih in Heſſen und am Rhein ausbreiteten. Durch das Hülfsheer von 12,000 M. 
zu duß und 7,000 Pferden, das er nach Namur brachte, veränderte ſich die Lage 
der Dinge ganz zum Vortheile der Spanier. Zwar waren feine Verſuche auf bie 
Schentenfhanze, auf Hesdin und Mouſſon vergeblich; aber befto glüdlider en⸗ 
digte ſich das Treffen, durch welches Thionvile (Dietenhofen) zurüderobert und 
bee Marfhall Truquires von ihm gefangen wurde (1635 — 39). — Wieder in 
Deutſchland thätig (1640), hielt Pi PB. im feften Lager vor Saalfeld, bis auch 
die Schweden, von gleichem Mangel gebrüdt, aufbrechen mußten, denen man nun 
na Franken und 8 en nachzog. — Zur Eröffnung bes folgenden Yeldzuges 
(1641) drängte fih P. über Regensburg ben Schweden fo rafch entgegen, daß 
er Baner duch ben Böhmerwald bis nad Zittau warf. Stange hatte fih in 
Neuburg nah A Stürmen unbedingt ergeben müflen. In Rieberfachfen, wohin 
fih der Kriegsſchauplatz zog, hatte das verlorene Treffen vor Wolfenbüttel Feine 
bedeutenden Kolgen, ba die Belagerer zulegt felbft abzogen und von ben Kaifer- 
lihen mehre Eräbte genommen wurden. P. rüdte vor Göttingen, ging aber wes 
gen der zu weit vorgerüdten Jahreszeit wieder zurüd und forgte fir Winterlas 
ger, dur welche bie Verbindung bed Heeres gefichert blieb. — Im Winter noch 
(1642) zog PB. mit dem Erzherzog Leopold Wilhelm ben Schweben nach in bie 
Mark Brandenburg, Torftenton’s Sortfchritten in Schlefien Einhalt zu thun, ſam⸗ 
melte er ein Heer in Mähren, bei defien Annäherung der Yeind von Brieg ab- 
zog unb welcdyes ihm immer zur Seite nach Sachſen folgte, bis dieſer ſich vor 
Leipzig ſetzte und Die unglüdlicde Schlacht vorfiel. Durch die Stellung, die P. 
in feinem Winterlager nahm, brüdte er die Schweden von ber Belagerung von 
Sreiburg weg und that ihnen fonft nody Abbruch, bevor er feine Reife nach Spas 
nien antrat, defien König ihn vom Kaiſer erbeten hatte. — P. wurbe mit großer 
ausgelchmung aufgenommen, aber erft im folgenden Jahre nach ben Niederlanden 
beordert. Hier machte er fich fehr verbient, befonbers dadurch, daß er ben Unter 
nehmungen der Teangöfihen und hollaͤndiſchen Flotten mit Nachdruck entgegen, 
wirfte und bei ben Berfuchen, Duͤnkirchen zu entfeßen, Alles aufbot, was Kennt 


Pichegru. 231 


—5 Kriegsliſt vermögen, Er rettete den Plah nicht; aber feine 
Anftalten machten ihm auch bei: bem Feinde Ehre und brachten feinen Namen am 
laiſerlichen „Hofe in ſo lebhafte Erinnerung, daß er (1648) —— warl 
das (£ zu wenden, das in den lehten Feldzugen dem oͤſterreichiſchen 
den Rüden gelehrt Hatte, Seine Ankunft brachte neues Leben unter die 
tbig ‚gewordenen Truppen; ber Beind mußte aus Bayern und, der Oberpfalz weis 
chen und wagte von dieſer Seite aus feine bedeutende Unternehmung mehr. Nach 
völlig geendigten eligleiten erſchien P., der, ein eben fo gewandter Staatss 
mann, als vollendeter Feldherr war, in ber Eigenichaft eines erſten kaiſerlichen 
———— auf * * —* — wo * an 

Frieden zur Bollziehung zu bringen, und Deutichland von. bem en ftem⸗ 
- Kriegsvolie zu befreien, noch fo manchen Anftand ar Sein ro in bem 
ſchweren Gefhäfte und die Empfehlungen der reihsftändifchen Abgeordneten er- 
warben ihm vom Kaiſer den Reichsfürftenftand, und, was ihm dabei befonders zur 
Ehre gereicht, auch das Furfürftliche Collegium verwendete fi (1654) um: feine 
—— auf dem Reichslage. Vom Könige von Spanien war, er in den un 
ter- feinen — verlorenen Beſih des ‚Heyonttumd Amalfi wieder Singeiept 
worden, Er ſtarb zu Wien 1655, und zwar Einderlos (fein Sohn Mar, der 
Wallenftein aufgeführt wird, ift ‚eine bloße fingixte Perfon) ; feine 
Güter gingen auf bie Kinder feines Bruders Aeneas über, 

geu, Jean Charles, ein berühmter franzöfiicher General, geboren 

1761 von armen Eltern zu Arbois in der Branches-Comte, unweit Befangon, Die 
Sraneiscaner feines Geburtsortes waren feine erften Lehrer und fehidten ihm in 
ide Collegium nach Brienne, um bafelbft Philofophie und Mathematif zu flubiren. 
Aus Abneigung gegen ben Ordenoſtand, zu dem er beftimmt war, ‚ging P. 1783 
nach Straßburg, nahm Dienfte bei. einem Artillerie-Regimente und ward nach 
einiger Zeit Sergeant, Er verfah ‚nicht nur feinen Dienft auf das Pünktlichfte, 
fondern  ftubirte auch für ſich die Kiegsfunft mit großem Eifer und machte. einige 
Berfuche in der Dichtfunft. Die Revolutton ‘gab ihm Gelegenheit. fih emporzu- 
ſchwingen. Nachdem er 1792 ein Bataillon Nationalgarden mit vielem Ruhme 
commandirt hatte, fam er zu dem Gencralftabe des Generals Guftine, warb 1793 
Divifionsgeneral und nod im Dftober beijelben Jahres Oberbefehlshaber ber 
Rheinarmee. Hier griff er, in Verbindung mit Hoche, die Defterreicher täglich an, 
ſchwaͤchte und ermübete dadurch biefelben immer mehr, überftieg am 22. Decem- 
ber Die Weißenburger Linien, zog am 28. in Landau ein u. zwang den General 
Burmfer über den Rhein zu gehen. Am 5. Februar 1794 wurde er zum Ober 
general der Nordarmee ernannt, Die, 150,000 Wann ftarf, am der belgiſchen 
Gränze ftand. Mehrmals von den Oefterreichern zurüdgeworfen, machte er immer 
neue, fühne Angriffe, und die berühmte Schlacht bei Fleurus E. d.) entſchied 
das Schickſal Belgiens. Die Kaiferlihen zogen fih nah Maftrigt zurüd und 
P. rüdte, nah Befiegung aller feiner Gegner, am 19. Januar 1795 in 
Amfterdam ein. Er ftand jept in fo allgemeiner Achtung, daß ſelbſt der Wohl 
fabrtsauefhuß, vor dem alle Generale zitterten, es nicht wagte, ihn anzutaften. 
Ran mußte, daß er von allem Faftionsgeifte entfernt war und nur den Ruhm 
vor Augen hatte. Deßwegen übertrug ihm ber Nationalconvent am 3. März 
1795 die Dberbefchlöhaberftelle über Die vereinigte Nord» u. Rheinarmee. Kurz 
barauf, als er fi in Paris befand und bafeibf ein Aufruhr entftand, wurde er 
zum Oberbefehlshaber ber Parifer Nationalgarde ernannt, worauf unter feiner Mitz 
wirfung ber Reft ber Jafobiner beportirt, ober wenigftens außer Einfluß gefegt 
wurde. Im Eeptember ging P. über ben Rhein und griff die Feinde auf beiden 
Ufern des Neckars an; aber feine Unternehmungen miflangen, «8 wurbe in ben 
legten Tagen des Jahres 1795 ein Waffenftillftand gefcloffen und P. trat im 
März 1796 das Commando an Moreau ab. Es würde ihm leicht geworben 
fenn, eine ber glängendften Etellen bei bem diplomatifhen Corps zu erhalten; 
man trug ihm mehre Gefandthaftspoften an auswärtigen Höfen an, er lehnte 


232 pPiqler — pico. 


fie aber ab und zog fich in ben Schooß feiner Familie auf ein Guütchen bei 
Belangen zurüd, das nicht einmal fein eigen war. Allen ſchon im folgenden 
Jahre, ala neue Deputirte zum getepgedenben Körper gewählt wurden, fiel bie 
Wahl mehrer Departemente auf ihn. Er Fam als Repräfentant bes Jura - Des 
partements nad Paris und wurde in ben Rath ber 500 eingefühtl. Man 
wählte ihn einftimmig zum Präftdenten und feine erſte Rede bewies, daß ex ein 
eben fo würbiger Repräfentant der Nation fei, als er ein großer Feldherr war. 
Während er im Rathe der Jüngeren faß, widerfegte er fich immer flandhaft den 
wiberrechtlicden Eingriffen bes Direftoriums in die Eonftitution und war ſtets 
von ber gemäßigten Partei, die ernſtlich Friede und Eintradyt in ihr Vaterland 
zurüdfehren fehen wollte. Die 3 Mitglieder des Direktoriums: Neubel, Barras 
und Reveillere- Lepaur, bie dadurch ihre Projekte gehemmt fanden, fuchten nur 
eine Gelegenheit, ihn und mehre feiner Bolegm, bie nicht von ihrer Partei waren, 
zu ſtuͤrzen. Er wurde endlich von benfelben eines heimlichen Einverftänbnifies 
mit den Emigranten, um das Koͤnigthum in Frankreich wieder einzuführen, bes 
ſchuldigt und ohne alle Beweife mit mehren anderen Gliedern beider Räthe und 
anderen Perfonen, im September 1797 nad) Eayenne in Sübamerifa deportirt. 
Nah Erduldung zahllofer Mühfeligfeiten enttam er 1798 feinem Exile, fam nad) 
England, dann nach Deutfhland und irrte unter fremdem Namen In verfchichenen 
Gegenden umher. Da er fidh nirgends ficher wähnte, ging er 1803 wieder nach 
England, trat hier einem Bunde gegen den Kaiſer Rapoleon bei und begab ſich 
im Anfange des Jahres 1804 insgeheim nah Paris, um die Ausführung zu 
leiten. Er fiel aber am 28. Februar in die Hände der Polizei. Nach öffents 
lichen Nachrichten fol er am 6. April der Etrafe durch einen freiwilligen Tod 
entgangen ſeyn; wahrfcheinlicher aber if, daß er auf Napoleons Befehl insgeheim 
an erichtet wurde. In allen, mit ihm angeftellten, Verhören war P. zu Teinem 

efänbniffe zu bringen gewefen, obgleich viele Zeugen gegen ihn auftraten. P. 
war anerkannt unter ben frangöftfchen Generalen einer ber talentvollſten u. genoß 
auch ale Menfch verdiente Hochachtung. Selten bat fich ein ®eneral die Liebe 
feiner Untergebenen und die Achtung der Beftegten in einem höheren Grabe er» 
worben. — Mehre Bildfäulen, die ihm während der Neftauration errichtet wur; 
- den, zertrümmerte die Bolfswuth in der Julicevolution wieder. Bgl.Montgaillarbd, 
„Memoire concernant la trahison de P.“ (Par. 1804). . 

Pichler, Karoline v., Tochter des Hofraths Fr. v. Greiner, geboren 7. 
September 1769 zu Wien, verheirathete fich 1796 mit bem Regierungsrath v. P. 
und ftarb, im Privatleben, als ein Mufter ber Weiblichkeit verehrt, zu Wien 1843. 
Berfafierin lyriſcher u. dramatifcher Gedichte, am befannteften jedoch al8 Romans 
fhriftftelerin, gefinnungstüchtig , voll Gefühl für das Gute und Edle, mit farb- 
loſer Breite der Darftellung große Borliebe für fentimentalifirende Neflerion ver- 
bindend. Saͤmmtl. Werke, Wien 1812—20, 24 Bde.; baf. 1820-43, 53 Bde.; 
1823—45, 60 Bde; Denfwürbigfeiten aus meinem Leben, herausgegeben von 
F. Wolf, daſ. 1844, 4 Bde. RK, 

Ka ſ. Sanswurft. 

ico, Johann, Graf von Mirandola, Sohn bes Herzogs Franz von 
Mirandola und Grafen von Concordia, geboren 1463, zeigte frühzeitig glänzende 
Talente u, bewundernswerthes Bebächtniß, fo daß man fich erzählt, er habe 2000 
ihm vorgeſprochene Wörter in berfelben Reihenfolge mit Leichtigkeit wieberholen 
fönnen. 14 Jahre alt bezog er die Univerfität Bologna, um das Tanonifche Recht 
zu fludiren. Zu feiner weiteren Ausbildung in ben philofophifchen Wiffenfchaften 
befuchte er mehre franzöfifche und italienifcbe Akademien und fnüpfte mit den bes 
rüßmteften Lehrern damaliger Zeit perfönlicde Berbindungn an. Ganz unges 
wöhnliches Auffehen erregte er, indem von ihm 1486 zu Rom 900 Thefen ges 
drudt erſchienen, welche er öffentlich gegen jeden Gelehrten zu vertheidigen 
erbot. Diefe oh gehörten theild der Logik, Phyſik, Mathematik u. Theologie, 
theils auch der Magie u. Sabbala an u, waren aus griechifchen, römifchen, jüs 


Pieten— Pictet; 233 
iſchen und arabiſchen Schriftftellern entnommen. Allein es kam nicht gu der 
fichtigten Difputation, denn die Erlaubniß hiezu ward nicht nur verweigert, 
ſondern manche Säge wurden von ben Gegnern als häretifch bezeichnet ; naments 
üch waten aus 900 113 ſolche anftößige Säge ausgehoben. Cine von ihm heraus⸗ 
gegebene Schugfärift wandte fih am ben päpftlichen Ausfpruch Inmocenz VII 
Schiedsrichter „welcher zwifchen beiden Parteien: eine Vermittelung anbahnte, 
Um vie fee en Angriffe feiner Feinde zu beſchwichtigen, verließ er Rom m, 

ei Franteeid, 4491 ging im feiner ganzen Lebensanficht 
eine unerwartete. Umwandlung vor fich;: ber -28jährige rul ſchtige Gelehrte ver⸗ 
brannte. alle feine Gedichte, verlegte ſich ausſchließlich auf das Siudium der Heil, 
ft, mit Hintanfepung. ber) bisher betriebenen weltlichen Schaugelchrfamfeit, 

'aufte feine Erbgüter an feinen Vetter u. erwarb mit deren Erlös ein Land, 

im Ferrariſchen ie, um hier ungeſtoͤrter feiner religiöſen Betrachtung ſich hi 
zugeben. Er hatte ſich vorgenommen, die Religion ber Juden u. Muhamebaner 
zu —— da ihm einſt von einem Aſtroiogen ſoll geweiſſagt worben ſeyn, 
er werde 33, Lebene jahre unfehlbar flerben, eiferte er) gewaltig gegen den 
a iben ber ‚Sternfundigem,, Indeß ftarb er fogar ne ein 40 früher, 
32 Jahre alt, am 17. November‘ 1494 zu Florenz“ Scaliger nannte 
im "wegen feiner‘ ſehr ausgebreiteten Gelchrfamteit „Monstrum sine vitio.* Die 
fonderbare: Richtung feiner Studien wirb durch die — Methode der 
damaligen Zeit erflärbarsı Nur ein Theil ſeiner Schriften‘ erſchien im Drude, 
als: Heptaplus, s. de Dei crealoris opere sex dierum; De ente et uno opus; 
De hominis dignitate oratio; Regulae 12 in pugna spirituali; Comment, in T. 155 
Aureae et familiares epistolse; Disput. in astrologiam, Ein Werk, unter dem 
Titel? Cabalıstarum  selecliora obscurioraque dugmata, mit ‚Erklärungen von 
Archangelus: Bürgovensis, Vened. 1569 , wird — ihm crieben. 
Gefammt-Auggaben feiner Schriften: Bonn 1496, Baſ. 1572—73, 2 Hol, Sein 

Leben beſchtieb fein Vater Franz. *. Cm 

Picten (Picth, ein Volt im nördlichen Britannia barbara, im norbweft- 
lichen Hochſchottland, das erft im 4. Jahrhundert vorfommt; wohl ein fpäterer 
Name der Galedonier, von ihrer Gewohnheit, den Körper zu bemalen, 

Pictet, 1) (Marc Auguft), geboren 1752 zu Genf, aus alter angefehener 
Familie, ftudirte Nechtswijfenichaft, ward Rechtsanwalt, ergab ſich aber aus ber 
ienderer Neigung dem Studium ber Naturwiffenfhaften, erwarb fih auch dadurch 
die Freundſchaft des Aſtronomen Mallet und bes Geologen Sauffure , welchen 
Igteren P. auf einer Alpenreije begleitete u. beide in ihren Arbeiten fräftig unter 
fügte. 1786 folgte er Sauffure in deſſen Profefjur. In den politifhen Etürs 
men, die Genf beirafen, erhielt er ſich gleiche allgemeine Achtung, verlor aber fein 
Vermögen, was feiner Thätigfeit eine mehr literarijhe Richtung gab. 1796 be: 
gründete er mit feinem Bruder Karl P. de Rochemont u. mit Maurice die Herz 
ausgabe ber Bibliotheque britannique (jeit 1816 Biblioth. universelle). Dirfes 
Unternehmen bezwedte die Befanntmadhung u, Verbreitung aller in England ger 
machten wichtigeren und herausgefommenen Werke und war bei ber damaligen 
Hemmung bes Berfehres zwiſchen dem feften Lande u. England nicht ohne Nugen 
für die Wiffenihaften, da Mehres einzig dadurch bei uns früher, als es fonft 
möglich geweſen wäre, befannt wurde. 1798 unterhanbelte P. au Gunften feiner 
Laterftadt mit der franzöfifhen Republif u. erhielt für Genf befonders freie Mes 
tung Des Religiengcultus, fowie die eigene Verwaltung der öffentlichen Anftalten 
des ererbten Gemeingutes. 1802 ward er Mitglied des Tribunals, fpäter einer 
der fünf Auffcher der Faiferlichen Univerfität. Nach der Reftauration Fehrte er in 
tie Brivatverhältnifje zurüd und lebte mit dauerndem Eifer den Wiffenfchaften, 
vorzüglich dem Studium der Meteorologie, machte auch, zur Errichtung eigener 
Obſervatorien auf den höchften europäifchen Gebirgen, den Anfang bamit auf dem 
Hospiz des großen Et. Bernhard u. unternahm bebeutende Verbejjerungen des 
Genfer Obfervatoriums. Bis an fein Ende ausgezeichnet thätig als Aftonem, 


53 


& 








23 Piend — Piemont. 


Mineralog u. Phyſiker, ſtarb er 1825 zu Genf. Sein ſehr bedeutendes Cabinet 
ber Erperimentalphyfik kaufte bie Stadtverwaltung von Genf für das bafige Mu⸗ 
feum. — 2) Karl P. be Rohemont, Bruber des Vorigen, geboren 1755 zu 
Senf, warb in dem Seminar zu Haldenftein bei Ehur erzogen, trat 1775 in das 
franzöfifche Sameigerzegiment von Dießbach, 1795 kehrte er in feine Vaterftabt 
zurüd, hHeirathete die Tochter bes Etaatsratbes de Rochemont, beffen Familien⸗ 
namen er nım führte u. bereiste mit feinem Bruder England. 1789 wurde ihm 
die Reorganiation ber Genfer Miliz übertragen 5; 1790 befleibete er ein Polizei⸗ 
richteramt. 1794 flüchtete er mit feiner Kamilie nach Waadtland, kehrte aber nach 
wieberhergeftellter Ruhe nach Genf zurüd. Während der franzöfifhen Herrichaft 
blieb er ohne öffentliche Anftelung und befand ſich 1813 mit als Abgeordneter 
Genf's bei den verbünbeten Monarchen in Bafel, in welcher Eigenfchaft er 1814 
in Paris u. beim Wiener Congreß war, 1815 wurde er Geſandter u. bevoll- 
mädhtigter Minifter der Eidgenofienfchaft in Paris u. Sardinien, und nach feiner 
Kuͤckkehr in Genf Repräfentantenrath u. Staatsrath, zog ſich indeſſen nach vollen» 
beter Drganifation Genfs auf fein But Lancy zurüd, um ſich feinem Lieblings⸗ 
ſtudium, der Landwirthichaft, zu widmen. Hier beforgte er die landwirthſchaft⸗ 
liche Abtheinun der oben erwähnten Bibliotheque britannique, errichtete mit Fel⸗ 
lenberg landwirthſchaftliche Armenfchulen u. beflimmte auch das ihm von Genf 
gem. te anſehnliche Geſchenk zur Eerichtung von Lancafterfchulen; er ſtarb 1824 zu 

enf. Schriften: Tableau des Etats-Unis d’Amerique, ‘Bar. 1795; La Suisse 
dans l’interöt de l’Europe, 1821. Der Bericht über Hofwyl, welchen der Graf 
Capo d’Iftria dem Kalfer Alexander überreichte u. der unter dem Namen dieſes 
Diplomaten gebrudt erfchien, ift ebenfalls von P. 

Picus, ein römifcher Feld» u. Waldgott, Sohn des Saturnus u. Bater des 
Faunus, ber bie Düngung bes tragbaren Erbbodens erfunden Haben fol, fowie 
Die Kunft, das Getreide zu flampfen. Er war ber ältefte König von Laurentum. 
Virgil erzählt von ihm, daß Circe, von Liebe gegen den fchönen Juͤngling ent: 
brannt, ihn in einen Epecht (picus) verwandelte, weil er feiner Gemahlin, ber 
Benilia u. des Janus Tochter, Canens, treu bleiben wollte. P. warb nachher 
unter bie Götter verfeßt u. neben Janus u. Faunus verehrt. 

Diedeftal, ein Unterſatz, worauf Statuen, Büften, Bafen u, dergl. ruhen, 
dann aud ein Saͤulenſtuhl. Das P. kann wohl verziert ſeyn, darf aber dadurch 
ber ar feinen Eintrag thun. Im ber Regel enthält es bie Infchrift. 

erg oſtament. 

Die, der enge, Hintere Raum im Schiff, am Hinterſteven, wo der Conſtabler 
vorräthiges Ladezeug, Taljen, Taue ıc. verwahrt. Daher die P.sftüden, bie hier 
aufrecht gehenden Hölzer, welche das hintere Scherff des Schiffes bilden. 

Piemont, ein zum Königreiche Sardinien gehörigen Fürftentfum in Stalien, 
zwiſchen Savoyen, Kranfreih, Genua, Mailand und ber Schweiz. gelegen, hat 
(mit den ihm eimverleibten Theilen von Mailand u. ſ. w.) 550 [I Meilen, if 
durch die penninifchen, ſchweizer, grauen, cottifchen u. Seealpen gebirgig, hat unter 
ihnen Hohe Spigen (Monte Rofa, große Bernhard, Eenis, Viſo u. a.), wirb durch 
die Apenninen von Genua getrennt, verflacht fih aber nady Mailand zu, wird 
bewäflert vom Po, dem bie Gewaͤſſer des ganzen Yürftenthums zufließen, Bat 
mehre Heilquellen, auf dem Gebirge ziemlich rauhes, in den Thälern mildes 
Klima, das jedoch die Unbequemlichteiten ber heißen Winde nicht fpürt. Eben fo 
verjchieben ift der Boben: auf dem Gebirge ziemlich oder gern unfeuchtbar, in den 
Ebenen, befonders in den Flußthaͤlern, fehr gebirgig. Die Einwohner, 2,850,000 
(darunter gegen 20,000 Waldenſer, fonft lauter Katholiken), treiben guten Aders 
bau (oft mit mühfamer Bearbeitung bes Landes) mit Gewinn von Weizen, Mais, 
Hülfenfrüchten, Hirfe, Biehzucht (weniger beträchtlich), Weinbau (gute Weine 
aus Caſale und Acqui, hoch fehlt bie forgfältige Zubereitung), Obfls, Delbau 
(befonders aus welchen Nuͤſſen), Flachs u. etwas Handelsfräuterbau, Geiben- 
gut (ſehr thätig u. gewinnreich, angeblich jährlich 200,000 Zentner Gocon®), 


Pierer. 
Gartenbau, Fiſcherei, Bergbau (auf Kupfer, Eifen, Marmor, Steinfa u. a), 
die Induftrie ft noch nicht fehr im Aufſchwunge; Seide befchäftigt am meiften, 
weniger 2einweberei, Gerberei, Bearbeitung ber Metalle, Verfertigung von Hi 
waaren. Der Handel vertreibt biefe Fabrikate und die Landeserzeugniffe, 
Provinzialverwaltumg ift wie in den übrigen Staaten des Königreiches, das 
Derappellationggericht befindet fi) zu Turin, 
» Johann Friedrich, Herzoglich fächftfcher Obermebizinal-Rath u. 
ber: des „Enonflopädiichen Wörierbuchs der Wiſſenſchaften, Fünfte u. Ge 
iwerbe*, wurbe am 22, Januar 1767 zu Altenburg geboren, und zwar nach dem 
Zode feines Vaters, welcher Oberfteuereinnehmer Ab Stabtfynbitus war. Nach 
beenbigten Oymnaflalftudien in ber Paterftabt bezog er 1783 bie Hochſchulen Jena 
und Erlangen, um der Arzneifunde fi) zu widmen. 1788 zum Doktor promovirt, 
unternahm er eine wiſſenſchaftliche Reife nach Berlin, Wien, Straßburg, Göttingen, 
u. trat-1796 als praktifcher Arzt in fein Vaterland auf. 1792 zum Landphyfitus 
ernannt, wurde ihm zugleich die Lehrerftelle am anatomifchen Theater übertragen. 
In ben Priegsjahren 1813-— 15 iete ſich ihm ein erweiterter Wirkungskreis, 
= Beften der: verwundeten Krieger und gegen bie verheerende Epidemie in ben 
itärlazarethen bie Aieeddienlichhen Vorkehrungen zu He Das grafjirende 
Nervenfieber ergriff auch ihr u. erfchöpfte auf lange Zeit feine ohnehin ſchwaͤch⸗ 
liche Gefundheit. Als Anerkennung feiner im Kriege geleifteten Dienfte, wurde 
er zum Hofrathe ernannt; 1823— 24 ald Vorftand einer Commiſſion — 


92 


bes Mebizinalweiens und Abfaſſung einee Medizinal-Orbnung jegeben, 
enbih 1826 zum Dber-Medizinal-Rathe erhoben. Auch als die on a in 
Deutſchland zu nahen ſchien, wurde fein Rath für eine gebildete Jr Com 
miffion eingeholt und er fchrieb zu dieſem Behufe bie Abhandlung: Borfichtsmaß- 
regeln für Fall des Ausbruches der Cholera, 183%, Sein fihon feit 1825 
wanfender, Gefundheitszuftand wurde gegen das Ende des Jahres 1832 durch einen 
neuen Anfall erfchlüttert, dem er am 21. Degember auch erlag. Won ber’ Arztlichen 
Praris hatte er fich ſchon frühzeitig zurlcgegogen, indem Gomoht Neigung, als 
ſtwächliche Gefundheit, ibm mehr auf Die theoretiihe Bearbeitung feines Faches 
dinzog, denn feine eigenen Erfahrungen hatten ihm binlänglich bewiefen, wie das 
vermeinte Wiſſen in dem Gebiete der Heilkunde fo oft täufche, und er zog es 
daher vor, fein Leben der Betrachtung u. Beobachtung der phyſiſchen u. geiftigen 
Ratur zu widmen, wobei er feiner Schule augsſchließlich Huldigte, fondern in ber 
tationellen Empirie das einzige Heil für die Medizin au findin glaubte. Ceit 
1799 ſchon hielt er in einem Heinen Kreiſe junger Männer Vorlefungen über 
mediziniſche Anthrepologie, gab 1798 „mediziniſche Rationalzeitung“ heraus, deren 
Hortſezung unter dem Titel: Allgem, medizin. Annalen des 19. Jahrhunderts mit 
tem Jahre 1800 weiter geführt wurde. Kaifer Paul von Rußland beſchenkte 
den Herausgeber dieſer Zeitung mit einer goldenen Dofe. 1799 erfaufte P. die 
Auendurger Hofbucpdruderei und errichtete darauf 1801 auch eine Buchhandlung 
unter der Birma: „Literariiches Comptoir“. Mit der ärztlichen Handbibliothef: 
„Bibliotheca iatrica“ beabfichtigte er die Durchführung des ‘Planes, die Werke der 
berühmteften Aerzte des Alterthums in einem Sammelwerfe zn concentriren; allein 
bas Unternehmen fand feinen gedeihlichen Fortgang u. mußte, naddem 3 Bände 
ven Hippokrates erfchienen waren, 1806 abgebrochen werden. Im Jahre 1816 
ſchritt er zur Ausführung des neuen Planes, ein „allgemeines Mediziniſches 
Realwörterbuch“ zu liefern, und überließ feinen gefammten buchhändlerifhen Vers 
lag, mit Ausnahme diefes Realwörterbuches, an die Buchhandlung Brodhaus 
in Leipzig. Zu dieſem Werfe und den Annalen, die unter dem Titel „Kritische 
Annalen“ von jegt an erfhienen, nahm er anfänglich mehre Gehilfen an, gab 
aber feit 1825 die Annalen und von 1827 an aud das Realwörterbuch, welches 
1829 vollendet wurde, allein heraus. Nachdem fein Sohn, Heinrih Auguft, 
Major außer Dienften, feit 1821 ihn bei Führung der Buchhandlung mit 
theilnehmendem Eifer unterftügte, wurbe eine bebeutende Erweiterung der Druteri 





236 Pieriden — Pietiſten. 


in Bollzug gefegt, u. genanntes encyflopäbifche Wörterbuch von einer anderen Hand⸗ 
ung fäuflich zu feinem Berlage gezogen. Da P. fchon früßer einen bedeutenden 
Antheil an dem Plane des Ganzen und an der Bearbeitung mehrer Artifel ge 
nommen hatte, fo übergab er jebt bie Redaktion feinem Sohne, indeß feine eige⸗ 
nen Beiträge fich bis zum 18. Bande erftredten. Bei Gründung u. Erhaltung 

emeinnügiger Anftalten betheiligte er fi gerne: fo wirkte er z. B. Eräftig mit 
ei ber Stiftung ber literarifchen Geſellſchaft, der naturforfchenden Gefellichaft 
bes Ofterlandes, ber Sparkafia und des Kunſt⸗ u. Handwerfervereins in Alten- 
burg. Vieler gelehrten DBereine Ehrenmitglied, war er auch während 46 Jahren 
in die Freimaurer » Loge Archimedes in Altenburg 22mal yennnerfilhrender 

er. m. 

Dieriden, ſ. Mufen u. Pieros. 

Pieros, Sohn des Magnes von einer Najade, Bruder des Diktys und 
Polydektes. Er fol von ber fe Klio geliebt und durch fie Vater des Hya- 
kinthos geworben feyn. — Belannter iſt ein anderer P., Autochthon, König von 
Emathia, Er hatte nam Töchter, welche ſich auf ihren Geſang fo viel einbilbes 
ten, daß fie die Mufen zum Wettfampfe aufforderten; Nymphen waren Richterins 
nen; fie entſchieden gegen bie fterblichen Jungfrauen, und fo wurden bie Pieriben 
zur Strafe für ihren Hochmuth, in Eiftern verwandelt, die Mufen aber erhielten 
den Namen Pieriden. — Ein britter B. fol den Mufendienft in Macedonien 
gegrünbet Haben. 

Dierrot Citalienifh, Kleiner Peter), in ber Pantomime eine komifche, aus 
bem Harlefin und Policinello (. d.) zufammengefegte Maske, in ber 
Kleidung bes lebteren, felbfi mit weißgefärbtem Geſicht und foldyen Händen, 
trippelnd mit gebogenen Knieen, bäurifchspfiffig und launig (hauptſaͤchlich auf ber 
Kenofinen Bühne) und gleichfam beftimmt, unaufhörlicd Schläge zu befommen. 

Stalien iſt es bie Rolle des einfältigen Dieners, ber den Taufnamen bes 
Burſchen führt, aus welchem ber Harlefin ſich bildete, und fein Eharafter ift nur 
die zur Selbfiftändigfeit erhobene dumme Eeite von jenem. 

Pietiſten (Zrömmler), ift ein Barteiname unter den deutſchen Proteftan- 
tm, womit man eine gewiffe Fraktion berfelben zu bezeichnen pflegt, welche fich 
zwar nicht förmlich von ber eingeführten öffentlichen Gottesverehrung abfonbert, 
jedoch die gewöhnlichen Firchlichen und Lebensverhältniffe für nicht genügend zur 
Seligfeit Hält und fowohl durch Fünftliche Aufregung bes religiöfen Gefühle, wie 
durch eine gewiſſe Strenge und Gebrüdtheit bes Außeren Lebende (Entſagung 
von öffentlihen Luftbarfeiten, Tanz, Theater u. |. w.) diefen Zwed beffer zu er- 
reichen ſucht; dabei aufs Hartnädigfte an den urfprünglicden Bekenntnißſchriften 
der Iutherifchen Lehre und ihrer Confequenzen fefthält und jeden Andersdenkenden 
im Schooße des Proteftantismus felbft als Ungläubigen, Unchriften und hoͤchſt 
bemitleidenswerthen, wo nicht baffenswerthen anfieht ober meldet. Damit verge- 
ſellſchaftet fi) gemeiniglich ein geiftlicher Stolz, gegründet auf bie. Meinung, 
daß fie das Salz ber Erde fein, wovon Chriſtus ſpricht, daß um ihret- 
willen die Langmuth Gottes ein Einfehen Habe, wie einſt zu Abrahams Zeiten 
mit ber Welt, die im Argen liegt, und feine Strafgerichte aufſchiebe — ein 
geiftliher Hochmuth, in welddem fie, voll erträumter Gottfeligfeit, verächtlich 
auf Alle Herabbliden, bie nicht zu ihrer Fahne fchwören, u. die Wiffenfchaft vers 
achten, bie fie nicht verfiehen; ber fie aber boch Häufig nicht abhält, vor den 
Kindern diefer Welt, vor Fürften und Höflingen, fich mit wahrer Hundedemuth 
zu beugen, wenn fie einen für ihre Sache wichtigen Bang dadurch machen zu 
fönnen hoffen. — Der Pietismus hat zweimal in Deutfchland eine große Aus» 
breitung erlangt ; zuerft am Schluffe des 17. Jahrhunderts durch Spener (|. d.), 
einen eben fo gelehrten, als tief fühlenden Mann, ber, bei aller Vorliebe für das 
Lehrfuftem und die gottesbienfllidhen Einrichtungen feiner Kirche, die bebenfliche 
Richtung, worein bie proteftantifche Theologie gerathen war, und bie Unfruchts 
barleit des hergebrachten Predigtweſens klar durchſchaute. Er hielt daher in ſei⸗ 


* Pigafetta — Pigalle. 237. 


Verſammlungen (fogenannte Collegia pietatis), in welchen das fromme 
durch erbauliche Auslegung u. Fromme Gefpräche genährt wurde, Die ſes 
fand, weil es aus einem Bebiirfniffe der Zeit hervorgegangen war, 
Anfangs vielen Anklang, in der weiteren Entwidelung aber nahmen bie 
reformen Spener’s einen faft bizarren Charalter anz ‚das Streben, nähtte einers 
feits den innern Hochmuth des Seftengeiftes und impfte anderſeits eine trübfelige 
Ropfhängerei, im Gegenfag zur Lebensfriſche bes wahren kirchlichen Lebens eim; 
Einen neuen: Auffhwung nahm der Pietismus in neuerer, Zeit aus verfchiedenen 
Veranlaffungen, und das Eonventifel- und Froͤmmlerweſen, ſein Lebenselement, 
wird bermalen von Kopfhängern, eitlen Halbwifferm, die ſich gerne Anſehen und 
Berühmtheit verfi möten, von ſchlauen Finfterlingen ; zelotiſchen Siong⸗ 
wachtern, alten Beiſchweſtern, welche die Suͤnde verlaſſen haben, weil dieſe fie 
verlaſſen hatte; von Geiſtesunmündigen ſedes Alters, Standes u. Geſchlechts, von 
Heuchlern und der großen Maſſe jener Menſchen, die theils aus Eigennutz mit 
dem. Strome ſegeln / ber eben fluthet, theils aus Sucht zu glaͤnzen; endlich von 
jenen Elenden, die heute Freigeiſter und morgen Geſpenſterſeher find, Fräftig ger 
fördert, gelobt, mit Wort, That und Schrift in Schup genommen. 
fett, Anton, Begleiter von Magel haens cf. d.) auf) feiner Ent⸗ 
‚Sreife, ‚geboren gegen Das Ende des 15. Jahrhunderts. zu Vicenza aus 
einer adeligen tosfanifhpen Familie, las in früher Jugend die: Berichte: über die 
Reifen der Spanier und Portugieſen, welche feine, Reifeluft erwedten und ihn 
jet, ſich befonders mit dem. Theile der Mathematik: zu. befchäftigen ‚. ber 
in Beziehung zur Schifffahrt: fteht. Als Magelhaens feine Expedition vorbereis 
tete, befand ſich SB. mit “einer römifchen Sefanbifepaft in Spanien; er ſchloß ſich 
ſogleich an die Erpedition an u, verließ mit dieſer am 10. Auguft 1519 Sevilla, 
Seine gute Gefunbheit, fowie feine Nüchternfeit bewahrte ihn vor) allen Krank⸗ 
keiten, Die den größten Theil feiner: Gefährten hinwegrafften ; auch entging er 
dem feindlichen Schwerte, obgleich er an ei Seite laͤmpfle jer 
in dem unglüdlichen Gefechte auf Zebu fiel. Nach mehr als breijäßriger Reife 
fehrte P. mit 17 Gefährten von biefer erften MWeltumfegelung nah Sevilla 
ur, wofelbft er am 8. September landete. Nachdem P. mit feinen Gefährten 
duch eine Wallfahrt ihr Gelübde gelöst, begab er fih nah Valladolid zu 
Karl V., dem er eine Abſchrift feines fleißig_geführten Reiſetagebuchs übergab. 
Gr befuchte nun die Höfe von Portugal und Frankreich, wo er qute Aufnahme 
fand, und fehrte in feine Heimath zurüd, wo er auf Andringen Clemens VII. u. 
des Johanniter» Großmeifters eine ausführlihe Beſchreibung feiner Reife verfaßte. 
1524 wurde B. Iohanniter-Ritter, fpäter Orbens-Commandeur von Novija; bie 
it feines Todes ift unbefannt. Wir verdanfen PB. die einzige Beſchreibung von 
Magelhaens' Entdefungsreife; es würde biefe nur in unvollftändigen u. verftuͤm⸗ 
melten Copien vorliegen, wenn nicht Amoretti in ber Ambrofianiichen Bibliothef 
in Mailand eine, wenn aud nit Driginal-, doch zu Lebzeiten P.s gefertigte 
Handſchrift, in italienifch = venetianisch = fpanifher Mundart gefchrieben, entdedt 
bitte, welche er in reinem Italieniſch und in franzöfifcher Ueberfegung veröffent- 
libte: Premier voyage autour du monde par le chevalier P. sur l'escadre de 
Mighellan etc, Paris an IX. — P. ſchrieb auch einen Trait& de navigation, ber 
aber feinen befondern Werth anfprechen ann. E. Buchner. 
Pigalle (Jean Baptifte), geboren 1714 zu Paris, Echüler Lemoine’s 
und Lemayne's, vervollfommnete ſich als Bildhauer in Italien, trat 1744 in die 
Maler» und Bildhauer-Afabemie, vollendete die beiden Statuen des Merkur und 
der Venus, die 1743 Ludwig XV. dem Könige von Preußen ſchenkte, den P. 
auch 1756 in Berlin beſuchte, um feine Arbeiten noch einmal zu fehen. 1765 
erhielt er den Auftrag für das Grabmal des Marihalls von Sachſen (1776 in 
Strasburg aufgeftellt), und fpäter au auf das Denkmal, welches 1765 die 
Stadt Rheims Ludwig XV. errichten ließ. Der König ernannte P. zum Fönig- 
lichen Bildhauer und gab ihm den Et. Michaelsotben. Bouchaudon Abertiug 


Hi 


hi 


238 Pike — Pilafer, 


ihm die Vollendung feiner beruͤhmten Neiterflatue. Die Büfte Voltaire's ſchreckte 
bucch zu große Natürlichkeit ab. Ein Feiner Knabe mit einem leeren Kaͤfige, u. 
feine legte Acbeit, ein Mädchen, welches fich einen Dorn aus dem Fuße zieht, 
find wegen ihrer Schönheit u. Zartbeit am meiften befannt, P. flarb 1785 zu 
Paris ald Rector und Kanzler der Alademie, 

Bike (Pique), hieß früher die Lanze ober der Spieß des Fußvolks, ſowohl 
zum Angriffe gem Fußvolf, als gegen Reiterei. Diefe Spieße kommen unter 
verfchiebenen Benennungen vor. Ihr Schaft war ziemlich lang, und wir finden 
benfelben von 10 — 14’ Länge. Das Blatt oder Eifen der B.n war 8 — 10° 
lang, an dem Ende fehr fpigig und war an dem entgegengefegten breiten Ende 
mit einer Heinen, Warze genannten, Kapfel mit einem abgekürzt Tegelföürmigen 
Eifen verfehben. Diefe, unter dem Namen Haſta, Pilum, Sariffa, Pfriemen, Ge⸗ 
fum, und im Mittelalter untee dem Namen P. vorfommende Waffe war bie 
Hauptwaffe besjenigen Fußvolkes, welches man heut zu Tage die Linien - Infan- 
terie nennt, wurbe noch im 3Ojährigen Kriege von ben fogenannten Pifenieren 
gehn — Landsknechte) und wid nur ber allgemeinen Einführung ber 

euergeiwehre. 

Piket (piquet), ift ein beſetzter Poften, ein Theil der Sicherheitstruppen im 
Felde vor einer größeren Truppe, welcher zur Aufnahme anderer, vor ihm flehen- 
der und von ihm ſelbſt voraefchobener, Bortruppen aus einer ber Stärke der Vor⸗ 
poften felbft angemefienen Anzahl von Soldaten unter einem Commanbdanten bes 
fieht. Die B.e zerfallen, ohne Rüdficht auf einen fpeziellen taktiſchen Zwed: a) 
in Hauptpifete oder Hauptpoften oder Feldwachen, welche, da fie unter 
dem unmittelbiren Befehle von Offizieren fiehen, auch Offiziers⸗P.e genannt 
werben, und b) in Unteroffiziers-P.e, welche von den Hauptpoften entweber 
mehr vorwärts gegen den Feind gefchoben oder mit ben Feldwachen in einer Linie 
fiehen, von einem Unteroffizier befzhligt, von Einigen Feldwachen, von Andern 
aber P.e ſchlechtweg genannt werden. Alle diefe verfchiedenen Poften find Nichts, 
als Feldwachen, indem fie, die einen wie die andern, ald Aufnahme» oder Un- 
terftühungspoften ber vor ihnen flebenden Nbtheilungen, alle gleichen Zweck 
haben, entweder bei des Feindes Borrüden die Haupttruppe zu alarmiren, oder 
ein von ihnen beſetztes Terrain fo lange zu behaupten, bis die rüdwärts gelagerte 
Haupttruppe fi in eine foldde Verfaſſung geſetzt Hat, dem Feinde ſelbſt begegnen 
zu tönmen, oder endlich dem Feinde die Stärfe und die Stellung ber hinter ihnen 
(agernden oder ſtehenden Haupttruppe zu verbergen. Da bie erfien die Schlag- 
fertigfeit der Hinter ihnen ftehenden Truppen vorausfegen,, fo ift Ihre Stärke un⸗ 
bedeutend, ißre Anzahl aber muß ber Ausdehnung der Aufftelungslinte der Haupt⸗ 
truppe angemefien feyn — und haben fie durch Alarmiren des Feindes Borrüden 
angıbeutet, dann haben fie den Zweck ihrer Aufftellung erfült, Wichtiger find 
bie zweiten, Daher werben fie nicht nur ftärfer befegt, fondern erhalten auch eine 
verhältnismäßig ſtarke Reſerve als Unterfiügung. Die dedenden oder maskirenden 
P.e, als Mittel, dem Feinde bie Stellung und Stärke der Truppen zu verbergen, 
füllen mit den Vertheidigungs⸗P.n in der Hauptfache zufammen. Die P.e machen 
einen Theil bes Borpoftendienftes aus. 

Bilafter Heißt in ber Baufunft ein vierediger, gerabliniger, mit der eben 
falls gerablinigen und ſenkrechten Mauer zaufammenhängender, jedoch vor diefelbe 
hervortretender Pfeiler, welcher nach der Säulenorbnung , der er re Ber: 
hältniffe und Berzierungen erhält, durch die er fi) von dem gewöhnlichen Pfeiler 
unterfcheidet. Die B., eine Erfindung dee Griechen, haben theils eine conſtruk⸗ 
tionelle Beftimmung , um naͤmlich zu Wandverflärfungen zu dienen, theils und 
vorzüglich eine Afthetifche, um lang fich ausdehnende Gebaͤudemaſſen einzutheilen u. 
Mipverhältnifie zu entfernen. Ihre Formen weichen zwar in mancher Hinfidht 
von jenen ber Säulen ab, werben aber wieder vielfach von ihnen beflimmt, indem 
ihre Geſtalt nach den verfchiebenen Säulenordnungen ſich richtet. Außerdem 
fängt ihre Breite, fo oft biefe Pfeiler ben Säulen gegenüber, ober mit ihnen 


prilatre de Rozier — Pilatus, 239 


gleiher —— wi u uch — — ab, —— 
em jen Gel dv ſtaͤndiger 
obgleich a ——— ſich ſehr verfchleben 3 
ren, die eine runde Form vorausſehen, und bei den 
je Venangung weg. Die Römer machten die Pfeiler mitunter ben 
ähnlich und verjüngten fie, wie ;, was jedoch in ber Folge wies 
wurde, Endlich bediente man ſich ber P. zur Verzierung der 
Säulen; jegt aber werben fie zum Schmud ber Prady gebäube 
Säulen, und ohne ee re — ini ir 
u ewoͤhnli⸗ 0 jellt, da um achten ol 
—* um ein Bietet ihrer Breite, aus ber Mauer hervor ⸗ 


be Rozier, Jean Frangois, Phnfiker, berühmt durch ſein uns 
‚ches Ende, geboren 1756 zu r follte zuerft bie Chirurgie erlernen, voib« 
mete ſich aber dann ber Mpotheferfunft. Als er —— entfloh er. feinen: 
Eltern u. begab. ſich nach Paris, wo er Anfangs in. eine Apotheke eintrat, amd 
Öffentlichen: Vorlefungen über Mathematit u. Raturwiſſenſchaften bes 
aber felbft Borlefungen über imentalphyfif hielt und, machbem 
‚kabenie der Wiflenihaften einige Abhandlungen vorge t hatte; zum 
der Chemie in Rheims ernannt wurde, Nach kurzem Aufenthalt daſelbſt 
er aber nah Paris zurück, und wurde. Aufieher der naturhiſtoriſchen 
en von Monfieur (Ludwig XVIII). 1781 ‚errichtete: er ein Mufeum 
16. hemifcher u. phyfifalifher Verſuche und befchäftigte fich, mit Unterftügung 
des Bolizei-General-Lieutenants Renoir, mit Unterfuhung verſchledener Gasarten, 
als die Entdefung Montgolfiers (f d) befannt ward. ı SP. drang mit au 
Wiederholung, des Montgolfierihen Verſuchs in’ Patis u, wenige nach bem 
Auffteigen des erften Lufiballons in Paris (25, Auguft 1783) fündete ‚er an, 
daß demnächft er jelbft mit einem Ballon aufſteigen werde: Dieh geſchah am 
21. Dftober 1783 mit glüdlichem Erfolge. Noch zweimal unternahm P. glüds 
liche Luftfahrten; ald er aber fein Vorhaben, im Luftballon nach England über: 
aufegen, ausführen und hiezu das Verfahren Montgolfierd mit dem von Charles 
verbinden wollte, — ein Beginnen, das, nad Charles eigenem Ausſpruche, ein 
Koblenbeden auf ein Sulverfaß jegen hieß, — verunglüdte er. Er flieg den 15. 
Juni 1785 in Begleitung des PhyÄfers Romain in Boulogne auf; der Ballon 
war aber noch faum 2—300 Toiſen emporgeftiegen, als er in Brand gerieth; 
eine halbe Stunde fpäter ftürzten bie beiden Reifenden in der Nähe von Tour de 
Grov zu Boden; P. war todt, Romain ftarb wenige Minuten darnach. — ©. 
Tournon de la Ehapelle: La vie et les m&moires de P., Paris 1786. E. Buchner. 
Pilatus, mit dem Vornamen Bontius, der fünfte römiſche Landpfl:ger 
(Statthalter) von Judäa, 27—36 nah Ehrifto, unter Kaiſer Tiberius. Ihm 
nurde Fefus Ehriftus von dem jüdischen hohen Rathe zur Verurtheilung über 
liefert, von ihm verhört, für unſchuidig befunden u. auf die Klagen des Hohen⸗ 
priefters zu antworten aufgefordeit. Um Jefum los zu werden, ſchickte ihn P. 
um Könige Heroes. Er wußte wohl, daß die Juden den Heiland aus Neid 
überliefert hatten; dennoch läßt er ihnen die Wahl zwifchen ihm und Barabbas; 
feine Gemahlin warnte ihn zwar, und er felbft betheuerte öffentlich die Uns 
ihuld Jeſu; dennoch willfahrte er aus Menſchenfurcht, um fi gefällig zu 
machen, den ungeftümen Forderungen der Menge: er gab Barabbas los, verur⸗ 
theilte Jeſum, den er noch geißeln ließ, zum Tode und überlieferte ihn zur 
Kreuzigung. Cr beftimmte dann die Kreuzes-Neberſchrift, erlaubte hierauf dem 
Joſeph von Arimathäa die Abnahme Jefu u. lich das Grab Jeſu bewachen. 
Außer dem, was die hl. Geſchichie von dem feigen, unwürdigen P. erzählt, der 
feiner eigenen Ungerectigfeiten u. Graufamfeiten wegen es nicht wagte, die Uns 
ſchuld zu fhügen, wird er auch von Profan-Scriftftellern al8 ein Mann ger 
ſchildert, der nad Weije der meiften Proruratoren bie Gerechtigkeit wertaufte, hie 


55 


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240 Pilger — Pilfen, 


Unterthanen beraubte u. manche Gewaltthätigfeiten verübte. Nach vielen anderen 
Grauſamkeiten ließ er eine Menge Samariter, eined einzigen Betrüger wegen, 
nieberhauen ; da wurbe er von Bitellius, dem Oberftatthalter von Syrien, ent- 
ſetzt u. nah Rom zur Berantwortung geſchickt. Er fol nah Vienna in Gallien 
verwiefen worden feyn u. dort aus Verzweiflung fich felbft getöbtet Haben. 

Hilger oder Pilgrim, vom lateinifhen Peregrinus, ein Fremder, ein 
Reiſender, befonders ein folcher, der aus frommem Antriebe nad) einem entfernten 
Gnadenorte wallfahrtet. Das Kleid der P.e beftand früher in einem branuen ober 

rauen Gewande; ber B.- Hut war mit Meeresmufcheln geziert u. Hatte einen 
ehr breiten Rand; der B.- Stab beftand aus einem langen, oben mit einem 
Knopfe, unten mit einer Epige, an der Eeite mit einer Kugel verfehenen Stabe; 
die P.⸗Flaſche war ein ausgehöflter Kürbis, 
ilau, gut gebaute Stadt im Kreife Fiichhaufen bes preußiſchen Regierungs⸗ 
Bezirkes Königsberg, auf einer Erdzunge an der Einfahrt in's friſche Haff, wels 
ches hier durch die Meerenge Gatt mit der Dftfee zufammenhängt, der Spitze ber 
frifhen Nehrung gegenüber, Hat einen Seehafen, wo bie großen, nad Könige» 
berg u. Eibing beftimmten Schiffe erleichtert werben, Leuchtthurm, Störfang, 
Kapiarbereitung, Schiffbau, Seehandel, Oymnafium u. 4000 Einwohner. Reben 
dee Stadt liegt die flarfe Feſtung P., ein ziemlich regelmäßiges Fuͤnfeck. Die 
Halbinfel, auf deren Spitze P. erbaut ifl, nennt man wegen der vortrefflichen 
Ausficht u. wegen eines fchönen Buchenwaldes das Paradies. Sie wurbe 1807 
von ben Franzoſen genommen, 1812 für die Dauer des Kriegs mit Rußland dem 
Kaiſer Napoleon eingeräumt, 1813 von den Rufien belagert u. nah bem Ab⸗ 
zuge der Franzoſen an Preußen zurüdgegeben. 

Pillen (Pilulae), find aus einem fleifen u. zaͤhen Teige geformte Sügelchen 
von der Größe eines Pfefferforns bis einer Erbſe, welche ganz verfchludt und 
befonders dann vorgeichrieben werden, wenn ſcharfe, übelichmedende, in Eleiner 
Babe wirffame Stoffe gegeben werden follen. Der Arzt hat bei einer P.⸗Ver⸗ 
orbnung, bei genauefter Kenntniß bes Berhaltens der zu nehmenden Stoffe, hin⸗ 
ſichtlich ihrer Confiſtenz u. chemifchen Eigenfchaften, genau zu berechnen, wie viel 
von jedem einzelnen Stoffe auf jede P.e kommen fol und gibt dann entweder an, 
wie viele B. aus der vorgefchriebenen Maſſe gemacht werben, oder wie ſchwer 
die einzelnen P. feyn follen. 

Pillunitz, ein Luſtſchloß in reigender Gegend, am rechten Eibeufer, der Sommers 
aufenthalt des Königs von Sachſen. Am 27. Auguft 1791 warb Bier die bes 
rühmte Convention zwifchen Defterreih, Preußen u. Sachſen zur Wieberherftel- 
lung der Bourbonen in Frankreich gefchloffen. 

Hillory, fe Schandpfahl. 

tlot, |. Lootſe. 

ilote, Rame eines mafrelartigen Yifches, welcher befländig den Schiffen 
folgt, um den Abfall von Rahrungsmitteln aufzufangen. Da ber Hai biefelbe Ge⸗ 
wohnheit Bat, fo behaupten die Matrofen, der erftere biene biefem als Führer. 
Sein Fleiſch fchmedt angenehm. 

Pilpai, ſ. Bidpai. 

Hilfen, Kreisftadt u. eine der vornehmſten Städte des Königreichs Böhmen, 
breitet fich, umgeben von fruchtbaren Weldern, in einem breiten, von ber Beraun 
dburchftrömten Wiefentgale aus u, zählt mit ihren 3 Borftäbten 548 Häufer, 
u. über 9000 Einwohner. Zu den anfeßnlichften Gebäuden ber Stabt gehören: 
Die ſchoͤne gothiſche Hauptkirche mit einem 30 Klafter hohen Glodenthurme und 
guten Gemälden, das geichmadvolle Gymnaflalgebäube, das gothiſche Rathhaus 
und das alte Deutfhe Haus. Nebft dem Kreisamte für den Bilfenerfreis trifft 
man bier eine philofophilche Kehranftalt, ein Gymnafium, eine Hauptichule, ein 
Militärfnabenerziehungshaus u. ein Theater. Die Tuchmadherei wird flark bes 
trieben u. es werben grobe u. mittelfeine Tücher erzeugt; auch eine Safflanleber- 
fabrif macht gute Waare. Die biefigen IJahrmärkte werben .von einem . großen 


. Pille 241 


Theile ber handeltreibenden — —— ich beſut 
und nicht unwichtig iſt der. Speditionshandel mit Wolle, & Zub, — — 
von. einem patriotijdhen Bereine auf 
unter. ‚ber Leitung des —— 
an das Karlethor, wo fie, in 







zwei Arme theilend, bis an bie u reicht, wodurch dieſe Eiſenbahn "mit 
der Elbe in mittelbare Verbindung teitt, deren —— er — den 
örh ba biefe © auptcommer⸗ 


wie in a ſteht und 
aufmannd + und Tranfitogüter. vers 
— zwiſchen Kaiſer Otto I. u. 
Heintich I. von: Bayern flat welchem ber lehtere Sieger blieb. 
I «(Funginae), Orbnung aus ber natürlichen Abıh Abtheilung ber — —*— 
bei & 3. Orbnung in ber Elaffe Cryptogamia, find in ihrer Geftalt 
hr me wachfen auf ber Erbe, beſonders auf Thier- u. Pflangenftoffen, 
08, se ala Schmaroger * lebenden Gefaͤßpflanzen, wie unter 
auweilen, wie ber Schimmel, an ber Ponte von. Flüßigfeiten, ber 
bike! n Benbtigteit u Wärme, aber Licht. Ihr Sporenhalter ift ſehr mans 
nig gebildei, — flach, ‚Hohl, enthält außen, innen ober am einer Stelle 
die Sporen; ift — fleifhig oder — in jeder Gattung und jedem 
Alter beftimmt gefär grün, u, entfteht in dem nicht ſchmarohenden aus 
einem — — Blechtenlaube aͤhnlichen Badenneg. Die Heinen Schma- 
* her⸗P. — Born —*— gewöhnlich unter der Oberhaut derſel⸗ 
— durchbrechen er liegen in Bauten ‚en Schläuche, bisweilen 
ae bi Berreien der Me, ‚oder —— Bei 
den aus ben Sporen I bi Nepe: aus biefen ent⸗ 
A be ber P. Baltee : fenchtes Klima. erzeugt bie meiften. PB, Die 2—3000 
bis jegt befannten, nit ſchmarohenden Arten gehören meift Norb> u. Mittels 
Europa an. Die fehmarogenben find fo Häufig, daß faft jede phanerogamifche 
Mange deren hat. Viele P. geben eine Feäftige, aber ſchwer verdaulihe Nahr- 
ung; eine große Anzahl iſt giftig. Allgemeine Kennzeichen, um bie giftigen zu 
unierſcheiden, gibt es nicht. Gefährlich find die, welche beim Zerfchneiden ſchnell 
die Farbe ändern, oder, mit Zwiebeln gekocht, fegtere ſchwarz färben, Die milchigen 
und die, welche im Alter in ſchwarze Flüßigfeit zerfliegen. Mehre find roh giftig, 
nit aber gefalgen. Familien: 1) Haupt: A Schwaͤmme (Hyımenomycetes), mit 
einer zufammenhängenden Haut an der Auffenfeite zur Aufbewahrung des Keim— 
fürnerapparated. 1. Gattung: Blätter-P. (Agaricus); an ber Unterfeite des 
Hutes befinden fih ſenkrecht ftehende, von dem Umfange zur Mitte gerichtete, auf 
teiden Flächen mit der Bruthaut befleidete Blätter. Arten: Fliegen -B. (A. mus- 
carius), hat einen fnolligen Stiel mit fhuppiger Wulf, rothen, leberfarbenen, 
giben oder gelblien, am Rande fein gefucchten Hut und weiße Blätter, if in 
Küldern Häufig, fieht ſchön aus, ift aber fehr giftig. Ehampignon (A. campester). 
?. Gattung: daltenſchwamm, Holz-P. (Merulius) ; die Keimförner befinden ſich 
in geteilten, gleichlaufenden Blättchen oder aderähnlich ſich verzweigenden Falten. 
ihränenfhiwamm (M. lacrymans), ungeftielt,, oft fußbreit,, voftgelß, teöpfelt am 
Rande, ift befannt unter dem Namen Hausfhwanm. 3. Gattung: Löcherſchwamm, 
Röpren- PB. (Boletus) ; an der Unterfeite des Huts befinden ſich Röhren, die mit 
tinander verwachſen, vom Hute leicht zu trennen und an der innern Oberfläche 
mit der Bruthaut verwachfen find. Feuer-P. (B. luridus), Hat einen biden, 
üförmigen, genegten Stiel, fifenförmigen Hut, rothgefaͤrbte Röhren, waͤchst in Waͤl⸗ 
tern, ift fehr giftig. 4. Gattung: Stachelſchwamm (Hydnum) ; die Samen ſihen in 
Stacheln. Habichtſchwamm (H. imbricatum), mit feftem, didem, weißem Stiel, 
Reifhigem, Bellgraubraunem, dunfelgefhupptem Hute, und graubraunen Stadeln 
auf ber Unterfläche; im Herbſte in Nabelwälbern, iſt eßbar. 5. Gattung: Morchel 
(. d.). 6. Gattung: Loͤrchel (Helrella), hat einen braunen, aufaeblaimen, ‘ 
an 


Beatenepelopädie. VII. 


249 Bimpinelle — Pindaros. 


den Stiel angevachfenen Hut mit wellenförmigen Runzeln; in Tanmenwälbern, eßbar. 
2, Familie. Bauch⸗P. (Gasteromycetes), von faft kugelrunder Form, ftiellos, Die Sporen 
liegen frei in einer gleichartigen Maſſe. 1. Gattung: Boviſt (Bovista); Der große 
Boviſt iſt weißgelb, wird fehr groß u. iſt eßbar. 2. Sattung: Stäubling (Lyco- 

erdon), geld, geftielt, mit flacheligen Warzen u. Schüppchen, ift eßbar. 3. Gattung: 
Zrüffeltf.d.). 3. Familie: Brande (Uredinei), ſ. Brand. 4. Familie: Schimmel- 
artige (Mucedinei), fe Mehlthau, Mutterforn, Schimmel. 

Pimpinelle, eine Pflanzengattung aus ber natürlichen Familie der Dolden⸗ 
gewächſe der fünften Klaſſe zweiter Ordnung bes Linne’jchen Syſtemes. Die 
befannteften Arten find: p. magna, in Süd» Europa, body auch in Thüringen, in 
Wäldern u. Vorhoͤlzern; p. saxifraga, Überall in Deutichland, auf Bergen und 
Hügeln, au an Aderrändern, blüht vom Juli bi8 Oftober. Die jungen Blätter 
koͤnnen al8 Salat verfpeist werden, auch Hängt man fie in kleinen Bündeln in 
Bier, um ed wohlfchmedend zu machen, u. verbefiert fauern Wein damit. 

Pinakothek hieß bei den alten Briechen u. Römern der Borplap im Atrium, 
der mit Statuen, Gemälden, Foftbaren Gefäßen u. anderen Bildwerfen ausge: 
ihmüdt war, daher man auch jet noch eine zur Öffentlichen Beſchauung aufge: 
ftellte Sammlung von dergleichen ®egenftänben fo nennt. Beſonders führt bi 
Ramen das von dem Könige Ludwig von Bayern zu München (f.d.) errichtete 
Gebäude, in welchem fi die Fönigliche &emäldegalerie befinde. Ein zweites 
Gebäube, für die Aufftelung der Werke neuerer Meifter beftimmt, it ebendafelbft 
gegenwärtig im Bau u. feiner Bollendung nahe, 

Pincette, eine Kleine Zange von verfchiebener Größe, aus an dem einen 
Ende vereinten Stahlplatten verfertigt, welche mit den Epigen auseinander gehen, 
beſtimmt, um mittelft eines mäßigen Bingerbrudes damit kleine Gegenftände, aber 
ſcharf, faffen zu fünnen. Sie ift um beßwilln an ben Innenſeiten ber Enden 
mit Querriefen verfehen. Die Probe, daß fie gut faßt, ik, daß man bamit aud) 
ein Haar fefthalten fann, daher auch ihr Rame Haarzange. Die Anatomen 
brauchen fie, um feine Theile beim Seciren dem Meſſer näher zu bringen; Chi⸗ 
rurgen, um aus Wunden oder Geſchwuͤren, auch dem Ohrgange, frande Körper 
wegzunehmen, oder auch für befondere eigene Fälle. Man unterſcheidet daher auch 
anatomiſche u chirurgiſche B.n, die in ber Form, nad) ben befonderen 
Zweden, in Etwas abweichen und zum Theile mit noch anderen Vorkehrungen 
verſehen find. 

Pindar, Beter, ſ. Wolcott. 

Pindaros, aus Theben in Böotien, geboren 520 vor Chr., biüßte um 490, 
ber berühmtefte und ſchwungreichſte Dichter der Griechen in ber höhern Gattung 
der Siegshymnen, bie er auf verfhiedene Sieger in den griechiſchen Kampfſpielen 
verfertigte. Bon ihm find noch vierzehn olympifche,: wölt pythiſche, eitf nemeiſche 
und acht iſthmiſche Orden übrig. Bon feinen zahlreichen anderen Hymnen und 
Paͤanen, Ditkyramben, Threnodien ıc. haben wir nur noch Fragmente. Quinc⸗ 
tilian nennt ihn mit Recht den erhabenften unter ben neun berühmteflen Lyrifern 
der Griechen (Anakreon, Sappho, Pindar, Alcäus, Stefihorus, Ibykus, Bacchy⸗ 
lides, Simonides, Alkman) wegen feines fühnen Schwunges u. ber vorzüglichen 
Stärke feiner Gedanken n. dichterifchen Bilder, ſowie wegen der ſtromenden Yülle 
feines Ausdrudes, Eine lyriſche Schilderung feines Charafters macht Horaz, B. 
4. Ode 2. — Die ältefte Ausgabe dieſes Dichters ift die Aldiniſche, Venedig 
1513. Die fonftigen beften Ausgaben find: von Erasm. Schmid, (Wittenberg) 
1616, mit einem noch immer fehr brauchbaren Kommentar; — von e, Goͤt⸗ 
ting. 1773—74, 2 Bde., 3te Aufl., Lpz. 1817, 3 Bde., und eine Fleinere Schul: 
ausgabe, 1797 und 1812 von E. D. Bel, N. A. Leipz. 1810, 2 Bde. (unvols 
lendet) ; von Aug. Bödh. Leipz. 1811 — 22, 2 Bde. in 4 Abtheil,, für Kritik u. 
Metrit Außerft ſchaͤtzbar; von Demfelben eine Handausgabe, Lpz. 18255 — von 
Thierſch, mit ‚einer Meberf, in ben Pindarifchen Versmaſſen u. Erläut. Epz. 1820. 

2 Shle — Pindari carmina ect. Commentario perpetuo illustrevit L. Diefsen, 


Pindarrees — Pinel, 243 


— rein, bu In Fe u ben Be —* Ahlwardt mit ſteter Op⸗ 
und von nm „Corpus poelarum 

ran ee perl la 

2, je, 1776, &) ‚gejammelt 

— De ee —— gen — nen) von Ger 

biete, Berlin 1777 u. ber chen von bemfelben, Bee 1779: Gurlitt hat 

mit gleichen &tüde die-nemeifhen und iſihmiſchen Oden überfegt, im. deutſchen 


Mi m und Wiedelburgs humani Magazin; bi Sie 
ſeum, ee urge an wa ag gain; — 53 e— 


ak 
ka * 41816. * Ideen, en, von en Geh a gan hai, find-in: 
bat ben jegt Lpy· 11824, a ‚Bde. und die sl 
—258 Sden en Wr Die ne — ift bie oben, au 
—— on Th Ine Oben fr von Solger, I. 9: Kuh Man, 
u. W. von Boldt — verdeutſcht worden. Franz: 
‚gaben Toutlet (Par. 1818) und Muzac. Par. 1833), Brieiif )s lateinische 
befigen wir von Aemilius Portus (Hanau 1806); neu verbeiferte-Ausy. 

3 ford Eondon 1814 und 1821) und zugleich zu Homer, von Damın 
(Ber! ds new bearbeitet von Duncan, 2ond. 1827, und: von, Bal, Eh. 

5 Roft, 89, 1831, 4). Bol. J. ©. Schneider, Verſuch über P.s Leben und 
— En — ung: Er — treffliche Schrift an — 
Pindarrees, ein 5 ger Belt in.ber vorberinbifchen P trovin — 
wah ar ſehr daß er über 30,000 Mann Reiterei — thells 
Glaubens, wohnt in einem Landſtriche von 20 
Meilen An W 8 din PR nimmt: jeden Verbrecher auf u — 
— — bei if Waſſerſtande über bie a und 
70-100 Meilen * ſchlaäft dann, den Zaum des bei Nacht je 
fattelten Pferdes am Arme; u. ſchweift im bereit von 10-14 Ta; Be I en 
weit. Weiber umd Kinder bleiben unter bem Schuge der nicht Berittenen in ber 
Heimatd. Waffen find: Lanzen, Spieße, Schwerter, bei wenigen Luntenflinten. 
Im Frieden leben die}. in kleineren Gefellfchaften von 100—200 Mann unter vi- 
genen Anführern (Mhorladahs cder Tofdars). Zu ihren theild in Heinen Truppe 
(Buzzafs), oder in größerer Maffe (Lubburs) unternommenen Streifzügen treibt 
fie Die Unfruchtbarkeit ihres Landes. Mit den Briten 1817 in Krieg gerathen, 
wurden fie fat gänzlich aufgerieben und ihr damaliger Anführer, Earar, ergab 
ih auf Gnade und Ungnade. 

Pindemonte (Ippolito, Ritter), ein trefflicher italienifcher Dichter aus Ve— 
tona (geb. 1753), wo er aud) 1828 ſtatb. Er überfegte Mehres aus den Alten, 
malte Englands Landfchaften u. Sitten in „Poesie campestri,* feierte des Cherus 
ters Herrmann Tod in einem Trauerfpiele und dichtete Herrliche Lieder, Epifteln 
u. Eermonen. — Eein Bruder, Giovanni P., geboren 1751, PBrätor zu Verona, 
einige Zeit in Paris, geftorben 1812, zeigte gleichfale, ein großes, aber nicht durch: 
gebildetes Talent. 

Pindos, ein hohes, rauhes, dem Apollon u. ben Mufen Heiliges, von Eüboft 
nah Eüdireft ziehendes Gebirge Iheffaliens, auf der Gränze von Epiros und 
Aetolien und von Theffalien und Doris, der Hauptfnoten der helleniichen Berg: 
maſſen, aus bem ſich die kerauniſchen Gebirge, der Othrys, Drta u. a. entwideln, 
mit den Quellen bes Aoos, Inachos und Peneos. 

Pinel, Philipp, berühmter Arzt, geboren den 11. April 1745 zu Sanct Paul 
im Departement Tarn, Sohn eines Arztes, fiudirte die Heilfunde in Touleuſe 
und wurde dafelbft 1764 zum Med. Dr. promovirt. Gr ging nun zu feiner wei- 
tern Ausbildung nad Montpellier, wo er nebenbei Unterricht in der Mathematif 
gab; einige Jahre fpäter begab er fih nad Paris, wo er ſich mit mehren ſpä— 
ter berühmt geworbenen Aerzten verband u. feine erften ſchriftſtelleriſchen Leiſtun⸗ 
gen veröffentlichte. 1792 wurde er Oberarzt am Bicktre und hatte zum —B 

W 


244 Pingre — Pinie. 


Geiſteskranke und Verbrecher noch auf gleichem Fuße behandelt wurden, Gelegen- 
beit, das 2008. der erfleren zu verbeflern, indem er ihnen bie Ketten abnahm und 
fie einer menſchlichern und Heilbringendern Behandlung unterwarf. Diele Vers 
fahrungsweife ſchlug B., ungeachtet mancher Widerfprüche, auch in der Salpstriere 
ein, an welcher er 1794 Oberarzt wurde, und erfcheint fonach als der eigentliche 
Urheber der neuern wiſſenſchaftlichen Richtung in ber Pſychiatrie, bie, ſchon früher 
von Andern angeftrebt, von ihm zuerft ind Leben gerufen warb und feitdem ſich über- 
allhin Bahn gebrochen hat. SB. hat ſich außerdem große Verdienſte erworben durch ſei⸗ 
nen Verfuch, die Krankheiten nach der Analogie der Gewebe und Berrichtungen 
einzutheilen, wodurch er nicht nur zu Bichat's Ci. d.) unfterblichen Arbeiten die 
Beranlaffung gab, fondern auch der Begründer der neuern forgfältigen mebicini- 
ſchen Borfchungsmethode wurbe. Er hatte kein befonderes Lehrtalent, doch folg- 
tem feinen Vorträgen in der Salpetriere, ſowie ald Profefior an der mebicinifchen 
Schule eine große Anzahl Lernbegieriger ; weit entichiebeneren Einfluß auf bas 
Studium der Heilkunde hatte er aber durch feine Schriften. Er flarb zu Paris 
ben 25. Oftober 1826. — Seine widhtigeren Schriften find: „Nosographie phi- 
losophique“, Paris 1797, 5te Aufl. 1818, viermal ins Deutfche überfeht. — 
„Medecine clinique“, Paris 1802, 3te Aufl., 1815. — „Traitö medico-philoso- 
phique sur l’aliönation mentale“, Paris 1791, 3te Aufl, 1809. Deutfch 
Wien 1801. Sein Sohn, Scipion P., fludirte zu Paris u. wurbe bafelbft 1819 
Med. Dr., war dann Arzt an der Salpetriere und ift es jetzt am Bicätre; 1831 
war er zur Beobachtung der Eholera in Warſchau. Er Hat gefchrieben: „Recher- 
ches sur les altörations de l’encephale“, Paris 1821. — „Physiologie de !’homme 
aliöne“, Paris 1833, nachgedrudt in Brüffe.— „Traitö complet du regime sani- 
taire des alienes“. Paris 1836. Zweifacher Nachdrud in Brüfiel 1837. E. Buchner. 

Pingek, Alerandre Guy, geboren zu Paris 1711, widmete ſich dem 
geiſtlichen Stande u. wurde im Stifte der hl. Genovefa zu Senlis erzogen. Seine 
Theilnabme an den janfeniftifchen Streitigkeiten zog ihm Berfolgungen zu. In 
Rouen, wo er einer niedern Lehrftelle vorftand, veranlaßte ihn Le Cat, in ber hier 
1748 geftifteten Akademie der Wiftenfchaften die Stelle eines Aftronomen anzu⸗ 
nehmen, obgleich er jet erſt das Studium der Aftronomie begann, in dem er aber 
bald ſolche Hortfchritte machte, daß er 1750 zum @orrefpondenten der Pariſer 
Afademie ernannt wurde. Nach Paris zurüdberufen, wurde er Canonicus regens 
u. Bibltothefar von St. Genovefa, fland von 1751 an der neuerbauten Barifer 
Sternwarte 40 Jahre lange vor u. gab 1754-57 den erften Scifferfalender 
unter dem Namen: Almanac nautique, heraus, von weldhem die Connaissances 
de temps nur die Fortſetzung bilden. 1756 ward er wirkliches Mitglied der 
Akademie u. bereicherte von 1753—70 ihre Mömoires mit Beiträgen; beſonders 
beichäftigte er fich mit Berechnungen von Sometenbahnen u. Sonnen- u. Mond⸗ 
finfterniien.. Er nahm nun als Beograph der Marine an verfchiedenen See⸗ 
reifen, für Brifung von Seeuhren, Theil, beobachtete auch 1769 den Durchgang 
der Venus durch bie Sonne quf dem Cap frangais u. flarb zu Paris 1796. Bon 
feinen Schriften verdienen Bemerfung: Cometographie, 2 Bbde., Par. 1783, 4.; 
Histoire de l’astronomie du XVII. siecle, Par, 1791, 4, u. m. a. 

Pinie, Piniole oder Arvennuß, Pineolus oder Nucleus pineae, iſt der 
Fruchtkern de Bintenfidhte, Pinus Pinea L., eines in den wärmeren Gegenden 
Europa’s, auf Gebirgen in Frankreich, Spanien, Italien, der Levante, in Defter- 
reich, Galizien, Tirol, Ungarn ꝛc. wachſenden, dem Fichtengefchlechte ehörenden 
Baumes. Derfelbe trägt I—6 Zoll lange, am Grunde I—5 Zoll breite, pyras 
midenförmige, glatte, gelbbraune Zapfen mit 2 Zoll langen, oben biden, abge: 
rımbeten Schuppen, an deren Grunde je 2 Samen oder Nüffe ſitzen, fo baß jeder 
Zapfen deren mehre Hunderte enthält. Diefe find 4 Zoll lang, flach, mit einer 
binnen, braunen Haut umgeben, inwendig weiß u. haben einen füßen, mandel⸗ 
artigen Geſchmack, werben Veoh leicht ranzig und eben fo auch bas in den füb- 
Yen &inben baraus gewonnene, angenehm fchmedenbe, fette Del. Sie kommen 


Pinle — Pionnierd, 245 


aus Spanien, Italien, Frankreich u, ber Levante (bie. lehteren follen die beſten 
R b ‚über Ben Genua, Venedig, lie Marfeille —5 
in den 1 u. werden In der Küche u, von den Conditoren ungefähr 
wie bie Mandeln it,4 auch, werben fle in Zuder eing 1. Grüher | te 
man fie auch in der Mebipin u., wie bie Manbeln, zu, Emulfionen, vor denen fie 
en ae! ‚Vorzug. haben, ; 
Lk f- 


icchio (Bernarbino, eigentlih Bernarbino Betti), geboren zu 
Berugia 1454, lieferte in Rom und anderen Städten eine Menge treffliher Ge— 
mälde. Zu feinen 10. Gemälden in „Siena, die Geſchichte bes Papftes I, 
darſtellend, machte Rafael einige Zeichnungen. P. farb 1512, 

Piombing, Hauptftadt des gleichnamigen italienifchen A «io 
Reiten mit 18,000 Einwohnern), auf einem felgen Borgebirge am Meere ge 
legen, mit 1400 Einwohnern. ‚Das Sirftentgum geh e he der lano, 

«6 1398 argen Bifa, vertaufehten. Nach dem ode Aleranders Appiano, h, 
Beſib ber, Spanier; 1619 im ben des Haufes ba ag IE 
an bie Ludoviſi verfauften, dann durch Erbſchaft an die Herzöge-von Coria, ⸗ 
Co ini, bie bis 4801 herrſchten. Napoleon gab es damals feiner, Schi 
Elifa Bacciochi, 1844 aber. erhielt es Ludovift Buon-Compagni unter tossanifcher 
Oberhoheit zurüd, Seit 1841 vegiert duͤrſt Anton, J. geboren 1808. , _ 
bo (Hra Sebaftiano dei), -eigentlih Luückani, berühmter Maler, 
geboren 1485 zu Benedig,. war ein Schüler. des Giorgione, defien_treffliches Eos 
lorit_ er ſich — u. lam fpäter nad, Rom, wo die bortige Schule auf ihn 
— u Michel Angelo: ihn an. ſich Jog us, mit Zeichnungen —— 
um ‚feine großartigen — ‚mit, dem warmen. —* Eolorit ver⸗ 
gnt zu ſehen. Auf ſolche Weiſe entſtand au feine. Jegt in vondon befindliche 
isn Nr Autgaeinn De del Aa An 
'. Auögezeichn, guch ertod der heil, a er 
feinen felbfiftänbigen — find. die IRortentie N d Aretino’s, der Zulia 
Gonzaga, Clemens VII, ꝛc. von hoher Vollendung. Durch legtern erhielt er das 
einträglihe Amt eines päpfilichen Siegelbewahrers (daher fein Name bel P.), 
malte feitdem nur noch wenig u. ftarb 1547. 

Pionniers nennt man jene, in befondere Abtheilungen formirten Soldaten, 
welche diejenigen techniſchen Arbeiten verrichten, wozu einige Kunftfertigfeit ger 
hört. Dieje Arbeiten beitehen gewöhnlich: in dem Baue der Laufbrüden, in dem 
Baue von Flößen zur Benügung als fliegende Brüdenz in dem Baue von 
Schanjzen von verſchiedenem Profile und in der Bekleidung berfelben mit Rafen, 
Faſchinen, Schanzkoͤrben, welche lehtere fie felbft berfetigen; in dem Schließen 
der Kehle von Schangen mit Halbpaliaden, in welche Schießlöcher angebracht 
werden; im Herſtellung ber verjchiedenen Arten von Verhauen; in ber Deffnung 
und Herrihtung von Colonnenwegen, Herrichtung verborbener Wege in brauch» 
baren Zuftand und Unterhaltung ber Communicationen. — Alle diefe Arbeiten, 
welche jegt den Genictruppen überwiefen find, wurden, von ben Griechen und 
Römern an, von der Infanterie beforgt, welche nad) ber Anficht einiger militäriz 
ſchen Schriftftellee noch heut zu Tage hiezu berufen ſcheint. In dem breißigs 
jährigen Kriege forderte die fi mehr und mehr vorbereitende Yeuertaktif einen 
erhöhten Echup gegen deren verheerende Wirkungen aus ber Ferne, baher jede 
der Friegführenden Parteien zu Verfhanzungen ihre Zuflucht nahm. änbeh gab 
«8 damals noch feine Genietruppen, und alle jene weitläufigen Schanzen u. Ber 
ſchanzungen waren das Wert der Infanterie. Nach dem dreißigiährigen Kriege 
errichtete Ludwig XIV. reitende Pe, welche indeß wieder eingingen; allein bie 
Infanterie blieb immer mit den B.-Arbeiten beauftragt u. war es felbft noch in 
fiebenjährigen Kriege, welcher fi durch Die Anwendung von Verſchanzungen 
GHarafterifirte. Friedrich I. ſchien den Nugen der P. erfannt zu haben. & 
hatte 1742 ein P.-Regiment von 2 Bataillonen errichtet, welchem 2 Eompagnion 


246 Pipe — Pipin. 


Mineure zugewiefen wurben. Da er aber 1758 dieſes P.⸗Regiment in ein 
Musfetiers Regiment verwandelte, fo blieben nur die 2 Mineur-Compagnien übrig, 
welche in ben Keftungen verwendet werden mußten, daber man mit Recht anneh- 
men kann, daß jene Dienftleiftungen, welche jest den P.n obliegen, auch damals 
noch der Infanterie überwiefen wurden. Die Oeſterreicher hatten um jene Zeit 
ein dem Generalſtabe untergeorbnetes SB.» Bataillon von 6 Eompagnien; in ben 
anderen Armcen aber, felbft bie franzöfifche nicht ausgenommen, gab «8 noch 
feine ober fehr wenige P., und was an P.⸗Arbeiten gefhah, wurde von ber 
Infanterie geleiftet. Die franzöfifche Revolution und die in ihrem Gefolge ziem⸗ 
lich verändate Kriegsführung ließen beinahe überall Genietruppen, unter * biefen 
auch P., auftauden. KReitende P., welche ber Reiterei zugetheilt find, haben 
nur die Ruffen. 

Pipe ift eigentlich ein eigenthiimfich geformtes, langes, ſchmales Faß zu 
Wein und Del, "deffen man ſich befonders in Spanien, Portugal, Italien ıc. zum 
Verfenden dieſer Waaren bedient; es ift aber auch in mehren Ländern ein be⸗ 
ſtimmtes Map für diefe und andere Klüßigfeiten, namentli in Epanien, Portu: 
nal u. Vraſilien; ferner in den norddeutfchen Sechäfen, namentlich für Wein, für 
Del, und ein altes englifhes Wein, Branntweins und Biermaß. 

ipin. Name dreier, in ber Gelchichte ber Franken ausgezeichneter Maͤn⸗ 
ner. 1) P. J. von Lanben, aus einem edeln Haufe in dem Lande an der 
Maas entfproffen, wo fein Bater, Karlmann, große Güter im Hafpengau befaß ; 
trug Vieles zur Ontfernung von Theodorich’8 Kindern von Auftraften, —* dazu 
bei, daß Clothar II. von Neuſtrien zu dieſem Reiche gelangte, u. ward deßhalb von 
ihm zum Majordomus ernannt. P.s qutes Vernehmen mit dem Biſchofe Arnulph 
von Metz war dem Lande ſehr wohlthaͤtig, da hierdurch Die Zwiſte der Geiſtlich⸗ 
keit mit den weltlichen Großen aufgehoben wurden. Arnnlph's Sohn, Anfegifil, 
gab P. ſeine Tochter Begga, und aus dieſer Ehe ſtammt das Karolingiſche Haus. 
Bei der Unzufriedenheit, welche nach Clothar's Tode 631 über König Dagobert's 
üppiges Leben entftand, hatte P. ald Mafjordomus einen ſchweren Stand u. hielt 
fi) nur durch feinen Eifer für Gerechtigkeit und feine Behutfamfelt aufrecht. P. 
ftarb 1639; fein Sohn Grimoald behamptete die Stelle des Majordomus. — 2) 
P. 1, von Heriftal, oder PB. der sung ere, des Borigen Enfel, Anfegifil’s 
und Begga’s Sohn, wurde nebft feinem Better, Martin, von ben Auftrafiern, 
weiche fib nach Dagobert's II. Tode nicht unter das von dem neuftrifhen Major: 
domus Ebroin wieder aus bem Kfofter geholten Königs Theodorich II. Herr- 
ſchaft bequemen wollten, 680 zum Perzeg von Auftrafien und unter dieſem Titel 
zum Regenten diefes Landes ernannt. a zogen Theodorich und Ebroin wider 
fie zu Felde, u. Martin u. PB. wurben gefchlagen. Exfterer verlor durch ben Ver⸗ 
rath der Neuftrier fein Leben, letterer rettete fich im fein Land u. Ebroin Fonnte 
ihn weder buch Lift, noch durch Gewalt bezwingen. Nach Ebroin’s Untergang 
durch Hermanfrid 682 machte der neue neuſtriſche Majorbomus Waratto mit PB. 
Frieden. As nad Waratto’8 Tode eine Bartei unter den Leubes deffen Schmie- 
gerfohn Berthar zum Majorbomus erhoben, mußten mehre von benen, bie fich 
diefee Wahl widerſetzt Hatten, Schuß bei den Auftrafiern fuchen. P.s Unterhanb- 
lungen für fie fruchteten bei Berthar Nichts; daher ergriff PB. das Schwert 687, 
ſchlug die Reuſtrier bei Teſtri und bemädhtigte ſich ber Stadt Paris, der fönig- 
lien Schäge und der Perſon bes Königs ſelbſt. Diefer mußte iin zum Major: 
Domus aller drei Reihe machen, und P. regierte nım nach Gefallen, aber auf 
folche Weife, daß er bald das allgemeine Zutrauen erwarb. Er führte bie nicht 
mehr Etatt Habenden Bolksverfammlungen auf dem Märzfelde wieder ein, fo daß 
neben ben Leudes und ihrem Anhange auch das Wolf der Freien an ben öffent: 
lichen Beratbfchlagungen Theil nahm. Nachdem PB. das Innere der Monarchie 
in Ordnung gebracht, fuchte er bie Völker, bie ſich bei dieſen Unrußen von ber 
Oberherrſchaft ber Franken losgemacht, wieder zum Gehorfam zu bringen. Den 
den Seibenbefehrein tapferen Widerftand Iciftenden König der riefen, Ratbob, 


=) Pipin, J 27 


ug SB. und ihn zinobar. ya 697 Friegte Rathod von Neuem; MP; 
hu de Dahl und A um ben Frieden zu befeſtigen, feinen Sohn, 
Beh, —— tefifchen Fürften, Teutſand, Heirathen. Gegen bie 
Alemannen machte P. a Hi 710 fiegreiche Feldzuge. Da ber merowi —— 
Thron Dr ben der jungen Rönihe fo: öft erledigt 
it P. dem Ver! —— —— t entgangen. Auf Ri 
rich IH. folgte ——7 Sohn Chlodowich II. (9 1695) auf — 
fein Se Childebert HL. (695 un auf dieſen der mind: 
dert —— Tepten ea B;, nachdem Notbert, den er, . als er 4 
—— N am als Wächter des Könige Theodorich IL, und 
rs Bud er in N zurücgelaſſen — ſeinen eigenen Sohn Grimo⸗ 
omus zu, feinem anderen Sohne Drogo gab er das Jogthum 
—— Nah Grimoald's Ermordun iR — R * Lüttich ſehte — — 
Ei elle — hintetlaſſenen den eudebald, 
ajot domus ein. So war bereits eine Mahn. * bſt farb zu 
= en Hal * jatte en ai Eohne ‚Droge und ben 
er 5 fich noch bei Pleltradens Lebzeiten run 
Rat Martell re — — . ber Kurze, Karl Martell's zweiter 
Sohn , wurde won ihm 739 zu dem Im ge ber Longol —— —— 
daß er ers ——— en möchte; dieſer that 
wurde ſo fein: zweiter Winter, Kurz vor feinem Tode, 74, — Karl Dart, 
——— der Großen, das unter m e Söfne; Karlmann erhielt 
ft Aemannien und Thüringen ———— Bar —— und 
der —— aan "te Antheil an Reifen, Bar gund umd Muftcaften ha⸗ 
Aber Karmann und P. nahmen ihn in Laon gefangen und An ihn 
=} die Burg Neufchateatt in den Ardennen. Gegen —— erhoben ſich die Herzoge 
von Bayern, von Schwaben und Aquitanien, Sie wendeten ſich zuerſt gegen 
——— der ihnen getreu zu fein bereit bei ihres Waters Leben Kr 
Zuge machten ſie eine neue Eintheilung ber Länder unter ſich; auch 
gaben ne in Diefem Jahre ben Franfen wieder einen König, Childerich IM. Den 
Herzog Odilo_von Bavern u. den ihm verbündeten Herzog Theobald von Schwa 
ben ſchlugen fie TI3 am Le und zwangen Obilo zur Unterwerfung. Während 
hierauf Karmann die Sachſen zum Frieden nöthigte, fuchte P. Theodobalden in 
feinem Lande heim. Beide zwangen 745 ben Herzog von Aquitanien, Geiſeln 
wm ftellen. Her des ganzen franzöfifchen Reiches ward P. 747, als Karlmann 
ten Kriegsmantel mit dem Ordengfleide vertaufchte. Zuvor Hatte diefer feinem 
gefangenen und berautten Halbbruder Gripho die Freiheit und Güter verfchafft. 
Gripho aber konnte nicht ertragen, daß P. das ganze Reich befigen follte. Da 
ward P. im neuen Krieg verwidelt; denn die Schwaben, Bayern und Sachıfen 
wollten ihm bie gegen Karlmann eingegangenen Verbinblichfeiten nicht halten. Zu 
den Sachfen floh Gripho. Gegen diefe brachte der bedrängte V. die riefen und 
Slaven in die Waffen. Gr felbft bezwang die Nordſchwaben. Gripho floh zu 
den Bavern und verbrängte den minderjährigen Thaſſilo. PB. eilte gegen die 
Bayern ; dieſe lieferten ihren neuen Gerzog aus u. P. überlich das Land Thaſſilo 
als fränfifches Lehen. Alemannien lich P. durch Grafen verwalten. Auch ward 
ber ſaͤchſiſche Heerführer Theodorich gefangen. Nach diefer Befefligung des frän- 
fiihen Reiches glaubte P., daß die Zeit gefommen, die merovingifhen Könige 
rom Throne zu ftoßen und ihm felbft mit Hülfe des römifchen Stuͤhles zu beftci- 
gen. f einer Berfammiung ber Branfen, 751, brachte er es dahin, daß nad) 
Rom gefandt ward, mit der Frage: „ob Derjenige mit Recht König heiße, welcher 
ſorglos baheim fige, oder Derjenige, welcher die Laſt des Reiches u. aller Stants: 
geihäfte zu tragen habe." Der Papſt Zacharias antwortete: „es fei befler, das 
derjenige König heiße, auf dem bie Regierung beruhe.“ Da ließ P. Childerich IU., 
ter darum bie gregierung nicht geführt, weil man ihm die Hände gebunden, und 
ſeinen Sohn Theodorih in Klöfter ſtoßen und fih zu Soiſſons auf den Child 


218 Pippi — Pirkheimer. 


erheben u. vom hl. Bonifacius zum Koͤnige ſalben, nebſt ſeiner Gemahlin Bertha 
(752). Bon dem helbenmuͤthigen Könige ber Longobarden, Aiſtulph, welcher bie 
griehiiche Herrſchaft in Oberitalien durch Eroberung bes Reſtes bes Erarchats 
cendigte, heftig bebrängt, flehte der PBapft Stephan II. P. um Schub an. Da 
ließ B. ihn zu fi kommen und fi zu St. Denis von ihm nochmals falben u. 
feönen, und zugleid auch ſcine Eöhne Karlmann und Karl d. Gr. Allen 
dreien übertrug ber ‘Bapft im Ramen bes römifchen Senates und Volkes das 
Patriziat. An den Elaufen ber Alpen überwand PB. 756 die Longobarden; Ais 
ſtulph, nach Pavia geflohen, gelobte, die fränkifche Oberherrichaft anzuerkennen 
und Ravenna mit dem Grarchat abzutreten, erfüllte aber nad P.s Abzuge bie 
Verfprechungen nicht und belagerte Rom. P. zog 757 wieder gegen ihn, flug 
ihn, belagerte ifn in Pavia und zwang ihn zur Erlegung einer Geldſumme von 
30,000 und einer jährliden Steuer von 5000 Golbgulden und zur Abtretung 
bes Erarchats, welches P. dem römischen Stuhle fchenkte, ungeachtet ber Anträge 
der kaiſerlichen Befandten. 753 bis Remen an der Weſer vorbringend, hatte oh. 
die Sachſen zu einem jährlichen Zinfe von 300 Roſſen gesungen; doch 757 
mußte er fie in ber Schlacht bei Sitten im Münfter/jchen von Neuem überwin⸗ 
ben. Durdy Eroberung Narbonne's vertrieb er die Sarazenen völlig über die 
Pyrenaͤen. Bon 760 — 768 that er wiederholte Heerfahrten wider Den Herzog 
Waifer von Aquitanien, und als dieſer umgelommen, ſchien Aquitanien bei — 
Abſterben 768 unterworfen; aber gegen feine Söhne und Nachfolger, Karlmann 
und Karl, unter die B. bei Annäherung feines Todes das Reich getheilt, erhob 
Hunold von Neuem die aquitanifchen Waffen. 
Pippi, f. Siulio Romano. 
Piqnet, f. Pitet. 
Sirans, f. Athen. 
irat, ſ. Seeräuber. 
irithoos, ſ. Theſeus. 
irkheimer (Willibald)y, ber gelehrte Nürnberger Rathsherr, ward am 
5. Dezember 1470 zu Eichſtaͤbt geroren. Seine Eltern waren Joh. P., Rath 
bes Biſchofs vor Eichſtaͤdt und. Doktor der Rechte; feine Mutter von Bamberg 
ebürtig, hieß Barbara Löffelholz. Er flammte aud einem alten earhe fähigen 
uͤrnberger⸗Geſchlechte und war Patrizier dafelbft. Fruͤhzeitig begleitete er feinen Va⸗ 
ter auf feinen Reifen, wodurch er an melden und GSittenfenntniß einen reich: 
haltigen Zuwachs empfing. In feinem 18, Xebensiahre warb er nad Eichftäbt 
gefendet, um mit dem Hofleben fowohl, als mit dem Kriegshandwerfe allmälig 
vertraut zu werden. Sein ritterliher Sinn fand in ben Triegerifchen Belchäfti- 
gungen viel Geſchmack und Befriedigung. Ungern bezog er baher bie Hochſchule 
von Padua, um die Rechte zu ſtudiren. Das Stublum der griechifchen Sprache 
betrieb er eifriger, al8 des Vaters Wunſch war. Rah 3 Jahren vertaufchte er 
biefe Univerfität mit der von Pavia. Hier zog er Mathematik, Erdkunde, Aftronomic, 
Arzneis und Gottesgelchrtheit in den Kreis feiner Etudin, vor allen aber Hatte 
bie Alterthumskunde den größten Reiz für ihn, Nach Verlauf von A Jahren ers 
hielt er von feinem Vater den Auftrag zur Heimkehr; dagegen rieth ihm biefer 
fein Vorhaben, um bie Doftorwärde fi) zu bewerben und an ben kaiſerlichen 
Hof zu ziehen, aus mehrfachen Gründen abe In Nürnberg nahm er nun feinen 
bleibenden Wohnftg u, verehelichte fih mit Grescentia von Köndburg Kaum 
28 Jahre alt, warb er in ben Rath gewählt und auf in wichtigen Geſchaͤften 
gebraucht. 1499 brach der Krieg ofen den. Schweizern unb bem. ſchwaͤbiſchen 
unde aus, an defien Spige der Kaifer fand, Als Kelboberfir ward P. an 
ber Spite eines Zugs von feinen Mitbürgern erwählt und bier leiſtete er Alles, 
was man von feiner Klugheit und Tapferkeit erwarten durfte Das Bolt ber 
Schweizer ſcheint feine Achtung in hohem Grade erworben zu haben, dem er 
ſchildert in zwei Büchern nicht nur bie erften Großthaten der Schweizer bis auf 
biefe Zeit, fondern auch die Geſchichte biefes Krieges mit foldher Unparteilichkeit 


Aa Pirmafenz — Piroguen. 249 


u. felbft Wärme für die Eidgenoffen, daß man nicht —— ſollte, er ſei ihnen 
im Hilde Streite —— Nach feiner Ruͤckkeht ward er won feinen 
Mitbin; oft in Eenbungen an die Raifer Mar und Karl V. 
verwendet u. —— 1 ein jenkt. Aber ihn traf aller Bi gar Mäns 
ab Pie Ben en äfenlihen Gen Shen pr url enge Bertien def. Gr 
er von a u, lebte aften: 
An jrofe Summen die beften Ausg: griech. Hu rom, 2. elta an, viele 
ie ften u. arbeitete Mehres im eriih chen Fache aus, sing 
Gfhmadk für Kunft führte ihn dem Albrecht Di ty mit Dem er it eund⸗ 
f eh die bis zum Tode waͤhrte Außer Su , Altet ums» u. Geſchichts— 
vun m u ‚auch ber Specialgweig der Numismatif. befonbers an, und er 
ne tende Muͤnzſammlung zu Stande. 1504 verlor er feine Gattin, 
ihm eben das jechste Kind geboren, — und die treue Anhäng! it an fie 
“4 ihm nie zu einer zweiten Ehe reiten, hl aber nahm er auf bringenbes 
Bitten- feiner Mitb wiederum einen — im Stadtrathe ein und dete 
1512 einen Geſandiſchaftepoſten zu dem Kaiſer nach Köln, Die ‚geheimen Ränfe 
ſciaer nn verbitterten ihm: feine. Stellung, fo. baß er zum ten Male ſeine 
ntlaffung — aber —— —— als die ——— des Po⸗ 
dagra feinen heitern Muth trübten, widerfegte man ſich nicht weiter em wie⸗ 
derholten Begehren um Ruhe, Indep extheilte ex immer noch, foviel er vermochte; 
guten en Er ftarb, 60 Jahre alt, Seine — find vermiſchten In! alte, 
bald hiſtorſſche en bald — Ergüffe: ſatiriſcher Laune, Hoͤchſt 
wichtig — bie Geſchichte feiner Zeit iſt ſein — mit den Gelehrten. 
en ed. —— a 41610. — belli Suicensis ed. Munch, u 1826. 

35 1 en Reinpfalg fon 

— ng Er —— ne je 3500 Ginehae, 
hr ule u. 

Bier auf der nahe liegenden en Karin am 14. September 1793 

wiſchen den ftegreichen Arauben your dem Herzoge von Braunſchweig und den 

Franzofen unter Moreau (|. d. 

Pirna, Stadt im einen Rreife bes Koͤnigreichs Sachfen, an ber Elbe, 
mit nahe an 6000 Einwohnern, hat gute Schulanftalten, ein Hofpital, Waijen- 
haus, Fabriken in Stärke, Kattun, Strümpfen, Hüten, Tuch, Leinwand, Töpfer 
den, Elbeſchifffahrt, Handel mit pirnaiihem Sanbfteine, ber bis nad 
Topenhagen, Berlin, Hamburg verführt wird, Tabals- u. Hopfenbau. Ueber der 
Etadt liegt der Felfen u. das Schloß Sonnenftein, früher eine mit P. verbun: 
tine Beftung, feit dem fiebenjährigen Kriege nicht mehr unterhalten, im neuerer 
Zeit wohleingerichtete Irrenanftalt. — P. füge von din Slaven befegt, wurde 
tiefen von den Deutfchen abgenommen u. Kailer Heinti I. trat c6 938 dem 
Bisthume Meifen ab; jpäter fam es an Böhmen u. 1249, als Heiraths— 
gut ber Prinzeffin Agnes, an Heinrich den Erlauchten, Marfgrafen von Meißen. 
Albert der Unartige verkaufte c8 aber wieder an das Bisthum Meißen u. dieſes 
ließ es wieder an Böhmen ab. König Wenzel verfegte :B. an ben Markgrafen 
Wilhelm den Einäugigen, u. da es nich wieder eingelöst wurbe, blieb es immer 
bei Kurfachfen, befonders, da dieſes 1459 im egerihen Vertrage bas wirkliche 
Befigrecht darüber erhielt. 1634 hier Vertrag zwiſchen Sachſen u. dem Kaifer, 
der den Prager Frieden einleitete. Am 23. April 1639 wurde P. von den Schwer 
ten unter Baner genommen. Sehr litt die Stadt im 7Tjährigen Kriege, wo in 
ihrer Nähe die fächfifche Armee von den Preußen gefangen wurde. 1813 war 
P. von den Franzoſen befegt, Die auch ben Eonnenftein zu befeftigen anfingen. 

Piroguen heißen bie größeren Fahrzeuge der Wilden, die bisweilen 30-50 

Mann fafien können u, entweder aus, durch Feuer ausgehöhlten, biden Baum: 
fänmen befteben, ober aus einem hölzernen Gerippe zufammengefegt u. mit rauhen 


250 Pirol — Piſa. 


Thierfellen oder mit Baumrinde überzogen find. Eie haben gewöhnlich weder Maſt, 
noch Segel, ſondern nur Ruder. Die kleineren heißen Canots. 

Pirol Pfingſtvogel, Goldamſel, Kirſchvogel, Oriolus galbula), 
ein 9 Zoll langer, ſperlingsartiger Vogel; das Männchen (doch erſt im 3. Jahre) 
ſchoͤn gefiedert, gelb an den Flügeln und Schwanz ſchwarz, das Weibchen zeiflg- 

rün u. an den Flügeln ſchwaͤrzlich. Er kommt im Mai an u. ziekt ſchon im 
uguft fort, licht dides Gehölze u. Hat einen lauten, vollen, flötenartigen Ton. 
Seine Rabrung find Raupen, Käfer, Infekten, dann namentlich Kirjchen ımb 
Beeren. Sein Re iſt beutelförmig ſehr Eunftreich. 

Piron, Aleris, geboren zu Dijon 1689, folgte von Jugend auf feiner Rei- 
gung zur Poeſte, ggine nad Paris, warb Sekretär bei einem Finanzverwalter u. 
arbeitete für die Bühne. Er eröffnete eine dramatifche Laufbahn mit Parodien 
und fomifchen Opern ; feine erfte Arbeit war Arlequin Deucalion, ber eine Menge 
anberer folgte, in denen viel fomifcher Wis, aber wenig Blan u, feine Kunſt an- 
zutreffen ifl. Sein erſtes eigentliches Luftfpiel war die Ecole des peres, ben 
meiften Ruhm aber erwarb er fidh durch feine Metromanie ou le poete, eines der 
beften Luftipiele der franzöfifchen Bühne. Er wäre Mitglieb der franzöftfchen 
Akademie geworben, wenn Boltaire, den er durch feine wigigen Einfälle gereist 
hatte, nicht feine Aufnahme zu Hintertreiben gewußt hätte Aus Rache Hiefür 
machte er fich felbft die Grabfchrift: 

Ci git Piron, qui ne fut rien, 
Pas m&me Academicien. 

(Hier ruft P., der Nichts war, nicht einmal ein Akademiker) Er ftarb 
1773. Unerachtet feiner nicht blos witzigen, ſondern auch beißenden Einfälle, 
hatte PB. doch das befte Herz. Außer feinen Theaterftüden Hat man von ihm 
Epitres, Contes, Chansons, Epigrammes, Tables und andere Poösies fugilives. 
Die meiften feiner Gedichte zeichnen ſich durch glüdliche Erfindung, neue u. übers 
raſchende Züge u. Bilder, die geiftreichfle Laune, ein frifches u. warmes Kolorit 
und bie leichtefte, fließendfte Verfififation aus. Den größten Werth Baben feine 
Sinngedichte u, poetifchen Erzählungen. Aber nur ger zu oft beleidigt er in 
jeinen Gedichten Sittlichfeit u. Wohlftand. Seine Werke erfchienen zu Paris 
1776 in 9 Bänden. 

Pirouette (franz), in bee Tanzkunſt der Kreisſchwung, das ſchnelle Um⸗ 
brehen des Körpers auf einem Fuß im zierlihen Tempo. Die Alten Eannten 
bereits diefe P.n und viele andere Tanzkunftftüde, und übestrafen barin, wenn 
geid nit an Grazie u. Zierlichkeit, Doch an Stärfe u. Kedheit bie heutigen 

allettänger und Tänzerinnen vielleicht eben fo, wie bie indiſchen Gaukler 
die europäifchen. Ä 

Piſa, Hauptftadt der gleichnamigen toskaniſchen Provinz, in einer anmuthi⸗ 
gen Ebene, am Buße des Appenin, an beiden Ufern des Arno, 5 Miglien vom 
Meere entfernt gelegen, ift gut gebaut, jegt aber fehr veröbet, mit dem milbeften 
Klima, obſchon im Sommer zu heiße und böfe Luft herrſcht; ift Gig eines Erz⸗ 
kifchofs und einer 1338 ‚gegründeten Univerfität und hat 25,000 Einwohner, 
welde Baumwollen⸗, Gelben, Uhren⸗, Stafl-, Bold, Glass, Seifen⸗ und 
BVitriolfabrifen unterhalten und beruͤhmte Kunftbiumen, Korallens und Alabafter: 
waaren verfertigen. Der Hanbel befteht hauptſaͤchlich in dem Bertriebe bes Oels, 
das in der Umgegendb gewonnen wird. Einen vortheilfaften Einfluß auf ben 
Berfehr wird ficherlich die nach Livorno und Florenz führende. Eifenbahn Haben. 
Die Stadt Hat flarfe Mauern, eine Gitabelle, Cafiell, Wort, ſchoͤne Kaien am 
Arno, mehre große Plaͤtze (Marktplag mit der Bilbfäule der Göttin bes: Meber: 
fluffes), Patäfte (des Großherzogs, bes Erzbiſchofs, der Kanzlei, die Börfe, Rit- 
terpalaft u. a). Unter den 80 Kirchen zeichnet, fih ber pehhtige Dom, auf 
bem ſchoͤnen Domplage, vorzüglich aus. Diefe Kathebrale if 1 von griechi⸗ 
hen Baumeiftern gebaut; das Schiff wird von 70 marmornen Säulen getragen, 
in bemfelben befindet fih das Grabmal Kaifer Heinrich’ VII. und Herrliche Ge⸗ 


piſa 251 


mälde vom Andrea del Sarto. Mor dem Dome ſteht das 1152 erbaute Baptiſte⸗ 
rim, eine runde, von herrlichen Säulen getragene Kuppel. Hinter erhebt 
ih berühmte ſchie fe Thurm (campanile torio). Er warb 1174 von 


einem Deutfchen, Wilhelm, aus Marmor gebaut, iſt 168 Fuß Hoc, mit B übers 
einander ftehenden Säulengängen geichmüdt, und Treppen führen von außen auf 
im; er. hängt 12 en 13) Fuß über. Er ift jedoch nicht, wie man 
nf meinte, abfichtlich fo gebaut worden, ſondern hat fih, wie viele Gebäude in 
Br, nach dem Meere zu gefenkt. Dem Dome gegenüber Tiegt ber berühmte 
Tobtenader, Campo santo, ein länglidyes‘ Biere, beftehend aus Erde, die von 
Yerufalem geholt worben iſt, mit gothifchen Hallen und Brunnen und herrlichen 
Bädern, faft zerftörten Gemälden von Giotto, Balmacco, Orcazena, Benozza, 
Gouoli u. A; berühmte SAH worin Ugolino und feine Söhne 
1288 um, ſeyn follen, tft nicht mehr vorhanden. Andere Sei ⸗ 
leiten find noch: bie Kirche della Spina und St. Stefano, ein — — 
re Wafferleitung. In PB: ift’ferner eine Univerfität (geftiftet 1309, bes 
und erneuert 1343, mit Bibliothel von 60,000 Bänden, Sammlung aſtro⸗ 
— hyſttaliſchem Cabinete, botaniſchem Garten u. ſ. 1w.), mit 


wel 4 Tollegien verbunden find; außerdem ein medicinifches Collegium erjs 
1 Senlnar) Arndemie italanı, Saretei en in wollenen und 
feibenen Webereien, Hüten, Glas, Alabafterwaaren. Pı ift faum mehr der Schatz 


tm bes fonfigen; ganze Straßen Mi wüßte, das Pflafter von Duas 
en mit Gras bewach dee Dauer und je find zu Promenaden 
geworben, die Gräben zu @ärtenz ftatt 450,000 Einwohner bewohnen es PS 
mie 25 —30,000; nur die Kaien und der Senn find noch ſchoön. Die 

it, bis auf "Monate, ſeht gefünd, doch bi bisweilen ber Sirocco. Die 
— angenehm. Geburtsort von Galilei. —— 
Ihr. je nahen pifanifhen Bäder behaupten unter den europätichen "Mine 
n einen vorzuglichen Rang. Sie waren ſchon zu Plinius Zeiten bekannt 
md benüht. Sie Ttegen eiwa 3 itaftenifche Meilen welt von der Stadt, am 
Berge Giuliano; es find ihrer 12, von einer natürlichen Wärme von 24° — 32° 
X. Sie find reih an fohlenfaurem Gas u. vitriol: wie auch falzfaurem Natrum. 
Cie werden hauptfählic zu Bädern in rheumatifchen, gichtifhen und anderen 
Prankheiten, aber auch innerlich” benügt und jehes Jahr zahlreich beſucht; doch 
waren fie in ber Mitte bed vorigen Jahrhunderts noch mehr in ber Mode, ale 
iegt. — Eine der zwölf etrurifchen Städte, wird P. (von Etrabe) für eine nach 
tem trojaniſchen Kriege eingewanderte griechiſche Eolonie gehalten u. (von Virg. 
Aen. X.) mit dem griebifchen PB. im Peloponnes am Alpheus in Verbindung 
cebracht. 561 n.R. mit Rom verbündet, wurde es 574 römiſche Eolonie u. fpäter 
Municipium, als welches es von Auguftus den Namen Julia Obſequens erhielt. 
Hadrian u. Antonin verfhönerten e8 beträchtlich mit Tempeln, Theatern, Triumph 
bogen, wovon jet Nichts mehr zu fehen if. — Durch feine Lage am Arno und 
bem ehemals vortrefflichen, nun verfhlammten Hafen eignete es fich ganz zur 
mächtigen Handelsftadt, und felbft als ganz Italien ohnmächtig barnieber tag, 
bewahrte es ſolche Lebenskraͤſte, daß es ſchon im Hohen Mittelalter zugleich mit 
Venedig Anfehen auf dem Meere hatte, Im 10. Jahrbunderte den Sarazenen 
Eardinien, Eorfica, Palermo entriß, 1029 Karthago eroberte u. im Berlauf bes 
12. Jahrhunderts gluͤdliche Kriege gegen die Normannen in Sicilien und Unter: 
italien führte (1135 — 1140). Die Krenzzüge gaben P. Gielegenheit zur Erwei— 
terung feiner Macht, namentlich im Orient, wo es bedeutende Seftpungen hatte, 
erwedten ihm aber auch in Genua eine gefährliche Nebenbuhlerin, die nah man: 
chem unentſchiedenen Kampfe in Ugolino’8 unglüdliher Seeſchlacht von Meloria 
1283 (1284) feine Macht brach. Noch ein Jahrhundert lange ſuchte P., obſchon 
unter fortdauerndem Verluſte feiner auswärtigen Befitzungen (1236 ging Sardi⸗ 
nien verloren) und im Kampfe gegen die Nachbar-Republifen, namentlich gegen 
Lucca (Castruccio Castracani) u. Borenz — ſich zu halten. Nah tem ken 


252 Piſander — Piſano. 


Frieden mit Genua 1341 begannen die Familienfehden der Raspanti u. Bergolini um 
die Signoria, denen Kaiſer Karl IV. ein blutiges Ende machte 1358. Inzwiſchen 
war der Republik im eben aufbluͤhenden Florenz ein neuer Feind erwachſen; ſchon 
bie Gründung eines neuen florentiniſchen Hafens von Talamone im Sienefiſchen, 
noch mehr aber der darauf folgende Krieg 1362, in welchem bie Ylorentiner bie 
Flotte und den Hafen von P. zerförten (und bie. Hafenfette nach Florenz führ- 
ten), machten dieſes verarmen. Noch einmal erlebte die Republik unter der 
Signoria bes Pietro Gambacorti 1369 — 1392 ein vorübergehendes Glück, 
fam aber nad) deſſen Ermordung in bie Gewalt bes Giovanni Galeazzo Bis- 
ar PM Mailand und 1406 an Florenz, deſſen Schidfale es feit der Zeit ge- 
theilt Hat. 

Difander (Beifandros), 1) Sohn des Mämalos, Führer der Myrmi⸗ 
denen unter Achilles. — 2) B., Sohn bes Polyktor, Freier der ‘Benelope, von 
Philoötios getödtet. — 3) P., aus Kamiros auf Rhodos, um 650, wird, als ber 
erfie nad) Homeros und Heſtodos, von den alerandrinifchen Kritifern unter bie 
Zahl der epifchen Glaffifer aufgenommen; er bichtete eine Heraflen. — 4) P. aus 
Zaranda, viel fpäter, Verfaffer eines kykliſchen Gedichtes, „Heroikai Theagoneioi.“ 

Pifang, die Srucht von musa paradisiaca, ift jebt in allen Theilen ber 
wärmeren Erdſtriche verbreitet; doch fcheint Indien u. Afrifa ihre Vaterland zu 
ſeyn. Man hat fie in einer Menge Spielarten, von ber Größe von Birnen, die 
burch die Kultur der Pflanzen entitanben find, fich felbft aber nicht weiter fort: 
pflanzen. Ihr Geſchmack ift feigenartig. Sie ſowohl, als die ihnen verwandten 

ananen, bie Kung auch mit ihnen verwechjelt werben, find in Oſtindien, China 
u. den Infeln des Sübmeeres eine fehr gemeine Koft, mit der man fchon die zars 
teften Kinder nährt u. von ber viele Taufend indifhe Familien faft einzig leben. 
Auch die Europäer in biefen Ländern finden fie fehr fchmadhaft, fo daB fie darin 
ihr den Borzug vor allen europäifchen Früchten geben; doch Fönnen Viele auch 
wegen ihrer großen Süßigfeit fie nicht vertragen. Auch unreif, gekocht und ges 
ſchmort werben fle gegeffen und dienen ald Brod. Durch Gährung erhält man 
auch ein angenehmes, weinartiges Getränke daraus. Rur mit großer Mühe wers 
den in europälfchen Treibhäufern P's zur Reife gebracht. 

Piſano, 1) Nikola, Bildhauer u. Baumeifter, ber Wiederherfteller ber Kunſt 
in Italien, geboren um 1200, geftorben nad) 1273. Rad ben Höchft unvollkom⸗ 
menen seifungen feiner Borgänger erreicht in feinen Geftalten bie tue eine 
überraichende Bollendung in ber Form. Diefe find ber. Antike nachgebildet, bis; 
weilen reine Copien berielben. Ob diele feine einzige Lehrerin war, ober ob bie 
überrajhende Berwanbtichaft mit den Werfen zu Wechſelburg u. Freiburg durch 
ben Einfluß fächfifcher Künftler auf ihn zu erklären iſt, laͤßt fich ſchwer entſchei⸗ 
den, In ber Architektur fand er fchon große Borgänger, an benen fidh fein Baus 
fiyl entwidelte. Sculpturen: ein —* der Kreuzabnahme an dem Dom von 
Lucca, vom Jahre 1233; die Saulpturen dee Kanzel im Baptifterium zu Biln, 
von 1260 und im Dome zu Siena nad) 1266; der Sarfophag bes HI. Domini» 
cus zu Bologna, Bauwerke: die Kirche St. Michaele im Borgo zu Pifa u. die 
Kathedralen zu Piſtoja und Volterra; noch viele andere werben ihm, doch nicht 
erweislih, zugeichrieben. — 2) Giovanni, Sohn u. Schüler bes Vorigen, an 
befien Arbeiten er Theil nahm, geboren um 1240, geftorben 1320 zu Pila, wid 
als Bildhauer duch Einführung bes germantichen Style von bem feines Vaters 
ab, deſſen Meifterfchaft er ſedoch nicht erreichte, unb arbeitete an ber Faqade bes 
Doms von Orvieto, dem großen Brunnen vor dem Dome gu Perugia, das große 
Altarwerk im Dome zu Arezzo, eine Madonna am Dome zu Florenz, bie Kanzeln 
in St. Andrea zu- Pikoja und im Dome von Piſa. Er if auch der Baumeiſter 
bes Campo santo (vollendet 1283) und ber Fleinen Kirche St. Maria della Spina 
daſelbſt. — 3) Andrea, geboren zu Piſa um 1280, geftorben zu Florenz 1345, 
gab, unter Giotto's Einfus, feinen Geftalten mehr Leben und Bewegung-, führte 
mit biefem bie reichen Sculpturwerfe an ber (1588 : abgetragenen) Fahade bes 


⸗ kam 


Piſchaur — Piſiſtratus. 259 
Glodenthurme loreng aus, fertigte (1: bie ' 
Seitenthüre a m bafelbft a die irche 

iftoja. — Ninb, Sohn und Schüler des Vorigen, über- 
an Anmuth und Durchbildung ; von ihm 2 en in 
ia. della spinm zu Pifa, bie Gruppe der. Verkündigung Mariä in: St. 
bafeldft vom € 1370. — 5) Bittore, genannt Pifanello, ein 
in ber 41..Häffte des 15. Jahrhunderts, der germaniſchen Richtung 
d, zeichnete als Maler durch eigenthümliche Zartheit aus, wurbe 
jeine gegolenen und ciſelirten Medaillen von: vortrefflicher Arbeit: berühmt 
if —— end Fer jattung zu — 
in ‚an Lahore 
a — 
e, r e Ebenen , mi angebautem Lande, 
Alkali ade \Corgenärtin hans Seonlherton uber ulasefknl 
unb ber Zanfapfel offen biejem und dem — von Kabul, Das Sand 
it bewohnt von den Berduranern, Damanern und mehren Gebirgsvöltern, beren 
Gefammtzahl zwifchen zwei und dreimalfunderttaufend angegeben wird. — Die 
ige Hauptftabt, am Kabul, in einer obftreichen end, hat 5 engliſche 
Meilen im Umfange, einen Königlichen Palaft mit üppigen Gärten, mehre andere 
Valäfte, Wallfagetstempel, eine muhamedaniſche Akademie und jegt 
(früher 


14 
& 
8 
& 


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no 70,000 
100,000) Einwohner, welche Handwerfe m. bedeutenden Handel trieben. 
> Sife ran, wörlid: yAampfn, ane ah. 1791 son Co 
(franz. geſtampft), eine zu von Cointereaur 
gebene t, bei welcher ein fteinerner Grund gelegt und auf diefen * 
Form Erde und Stroh mittelſt eines Werlzeüges (Piſoit) zuſammenge ⸗ 
aupft wird. Die auf biefe Weiſe entftehenden Mauern ſind weit fefter, als Lehm: 
wände, u. werben zu noch mehrer Feſtigleit mit einem Ueberzuge von. Gyps oder 
Kit belleidet. Der P. ift befonders zu lanbiirthfchaftlichen Gebäuden u. zu Wohs 
nungen von Lanbleuten anwendbar. 

Pifidien, eine Feine aſiatiſche Landſchaft am nördlichen Abhange des Taurus, 
ſehr gebirgig, wurde in ber früheften Zeit blos als ein Theil von Bamphilien 
(1. d.) betrachtet. Die Bewohner, fühn und räuberiſch, waren ſtets der Schreden 
ibrer Nachbarn. 

Pififtratus, ein Athenienfer aus dem Gefdlchte des Kodrus cf. d.), ein 
Verwandter und Zeitgenoffe Solons, erhielt noch zu Lebzeiten des legtern, 561 
vor Ehr., mit Hülfe der ärmeren, aber zahlreiheren Bürger, welche er durch 
BVopularität und Berebjamkeit gewonnen, eine mit Keulen bewaffnete Leibwache 
zum Schutze gegen angebliche Nachftelungen der Vornehmen, u. nachdem er fi 
damit ber Burg bemädhtigt hatte, die Alleinherrfchaft über Athen. Zwar wurde er 
bauptfächlich durch den Altmäoniden Megafles, das Haupt ber Baralier, und 
Lokurgos, das Haupt ber Pedier, zwei Mal, 560 und 552, vertrieben ; aber 
nachdem er 538 fih zum dritten Male mit Hülfe ber Thebaner und anderer 
Griechen, auch Athener, der Herrſchaft bemächtiget hatte, behauptete er Diefelbe bis an 
feinen Tod 528 und fie erbte ſogar auf feine Söhne, Hippias u. Hiparchos, fort. 
Uebrigens war PB. Nichts weniger, als Tyrann in unjerem Sinne des Worte ; 
vielmehr war, fo lange er an der Epige der Regierung ftand, fein Leben Attika's 
Heile geweiht. Er befchügte Solons Gefege und wandte fie an. Seine Milde, 
Wohlthaͤtigkeit und Tapferkeit konnten felbft feine Gegner nicht verfennen. Er 
fuchte, wie Solon, den Müßiggang aus dem Lande zu verbannen und befonders 
ben Aderbau emporzubringen. Seibſt gebildet und ein treffiiher Redner, förderte 
er Arbeitfamfeit, Künfte u. Wiſſenſchaften. Er ſchmuͤckte Athen mit trefflichen öf- 
fentlihen Gebäuden, befonders bie Teinpel des pythiſchen Apollo und des olmm- 
piihen Zeus, fammelte zuerft Bücher und brachte Homer’s Gefänge in die Ord— 
nung, in ber wir fie jept befigen. Sein Leben if voll Züge, weiche das Urtheil 


254 Piſo — Piftill. 


Solon's beſtaͤtigen: „P. wuͤrde der vollkommenſte Bürger ſeyn, wenn er nicht ber 
ehrgeizigſte waͤre.“ | 

Piſo ift dee Zumame ber in ber römiichen Gefchichte Häufig vorkommenden 
gens Culpurnia, eines plebejifchen Geſchlechtes, woraus namentlich folgende zu 
merken find: Lucius Calpurnius B., Bolfstribun im Jahre Roms 604, wo 
er ein Geſetz gab de pecuniis repetundis. Mit dem P. Mucus Scaevola be: 
fleibete er 620 bas Conſulat. Uneigenmügigfeit und Treue waren feine Haupt- 
tugenden, daher man ihm den Beinamen Frugi gab, Er war au ein guter 
Redner u. ſchrieb römifche Jahrbuͤcher. Sein Sohn gleiches Namens war Prätor 
642. Sein Enkel gleiches Namens bekleidete die nämliche Würde 679. ein 
Urenkel, Cajus P., war der erfte Gatte der Tullia, ber Tochter Cicero's, den 
biefer an verfchiebenen Drten feiner Schriften ſehr rühmt. Unter Cicero's Zeit: 
genoflen find aus biefem Geſchlechte vornämlich zu merken: Cajus P., Eonful 
686. Marcus P., Eonful 692, ein guter Redner u. Philoſoph. Lurius P. 
Gaefonianus, Eonful 695, in weldem Jahre Eicero ins Eril ging. Dieſer 
&harafterifirt ihn in mehren feiner Reben. 

Piſtacia (pist. L.), Pflanzengattung aus der natürlichen Familie der Tere: 
binthaceen, zur Dioͤcia, Pentandria des Linnsichen Syſtemes gehörig. Merkwürdige 
Arten: p. vera, in Perfien, Arabien, Eyrien heimifcher, in Griechenland, ben 
üblichen Italien, Frankreich Fultivirter, ein 20—30 Fuß hoher Baum, mit ge: 
fiederten Blättern, weißlichen Bluͤthen, eßbaren Fruchtkernen, (Piſtacien) in weißer, 
holziger, mit bünnem, lederartigem Heberäuße beffeibeter Schale; p. terebinthus, 
beträchtliher, auf Ehios, in Oſt⸗Indien, Norb-Afrifa, SüdsEuropa beimifcher, 
auch Fultivirter Baum, mit gefiederten Blättern, violettenen Blüthen, Mutterpflange 
des cnprifchen Terpentins; p. lentiscus, |. Maftirbaum; p. narbonensis, trifolia, 
ebenfalls eßbare Früchte liefand und von Einigen mit Unrecht für Barietäten ber 
p. vera angejehen, 

Piſtill (Stempel, Pistillum), nennt man einen Theil ber Pflanzen: 
Blüthen (f. Blume), welcher zu den Befruchtungsorganen gehört. Weſentlich 
befteht der B. aus zwei Theilen, nämlich aus dem Fruchtnoten (Germen), 
Eierfiod, (ovarium) u. ber Narbe (stigma). Zuwellen zeigt fich noch ein drit⸗ 
tee, aber unweſentlicher Theil, der Griffel oder Staubweg (stylus). Der 
ruchtfnoten ift der untere, mehr ober minder verbidte Theil des P.s, er befteht 
entweder aus einem ober mehren Fruchtblaͤttern u. fchließt in den Faͤchern Clocu- 
lamenta) feiner innern Höhlung bie Keimfnospen (gemmulae, früher Eichen, 
ovula, genannt) als die eriten Anfänge bes Samens ein. Er befindet fich geößten- 
theils frei u. nimmt feinen Anfang ba, wo auch bie Blüthenfülle (Kelch u. Krone) 
und die Staubgefäffe (ſ. d.) entipringen. In biefem alle Heißt er ein 
oberfiändiger (germen superum), wie 3. B. bei ben Lilien u. Tulpen. An⸗ 
berfeitö fleht er aber ganz unterhalb des Anheftungspunftes der übrigen Blüthen- 
theile u. ift mit dem untern, rößrenförmigen Theile des Kelches faft vollfonmen 
verwachten. Als folder Heißt er unterftändig (g. inferum), wie z. ®. bei 
ben Schwertlilien u. Rarziffen. Die Keimfnospen erfcheinen gewöhnlich in größerer 
Anzahl und zwar zuerft als Heine, warzenförmige Grhöhungen, die nach u. nad) 
bie Korm von Zapfen annehmen, an benen ſich bald zwei verfchiebene Theile, ber 

aden u. ber Kern, wahrnehmen lafien. Unter Narbe verfieht man ein brü- 
ges Organ mit einer gewöhnlich eigenthümlich modificktten Deffnung ; fe ift 
immer von ber gemeinjamen Dberhaut entblößt u. drüftg oder warzig, aber bie 
Wärzchen find von fehr verfchiebener Größe. Sie fondert eine eigene Feuchtigkeit 
aus, welche den aus ben Staubgefäflen erhaltenen Samenftaub (Pollen) fefthält 
und zum Austreiben feiner Fortfäge bringt, die dann einbringen zu ben Samen- 
fnospen. Der Griffel ift eine Verlängerung bes Fruchtknotens in eine längere 
oder fürzere Röhre, die bei manchen Pflanzen gänzlich fehlt ; er if feiner ganzen 
Länge nach von einem feinen Kanale durchzogen, ber mit eigenthümlichen Zellen 


en 255 


Aus di⸗ ellen 

ae ſchleimige Fan w figfeit A & al yet Art. 
fochi (Brany Me — 60 —— wo er ſich als Eän- 

ger —— er aber, d) lieberlichen Lebens: 
wandel verloren yucch R ernaͤhren mußte, Er wurde da⸗ 
durch veranlaft, den jeoretifchen She der Mufif eifrig. zu ſtudiren ar. zeichnete 
fh bald als aus. 1796 kam er als marfgräfliher Rapellmeifter 
nad Ansbach, ging zu Anfang des 18. Jahrhunderts wieder nad Italien 
zurůck, wofeldft er im einen ihtihen Orden trat u. A — der Compoſition u. 
ungen em. u 14 ker Ei I sing Be bear Baupi, 
en. ner ſeht e auflina, 

Farin m — B. Mat a Opern, aber unge 


— Stege Toskana, in einer’ fruchtbaren und ge 

funden use innen u. am Ombrone, iſt Sig eines Ex; iach, 
Pe — u. — — eine, nes nur ſchwach befefttgte Eitabı 

mit Reliquien u. merkwürdigen Gräbern, 27 art⸗ u. 26 ofen 

— —* anfehnliche an ſchone Str Gymnaflum, sein 

2. öffentliche thefen, botanifchen Garten und 40,000 

Ra er die ® — —— 680 he 

ie Baterfla ed lers Forieguerri, 

Rieciardetto u. Bracciobini. — Für bie neuere — 2 


3 N ir ſonders durch den Reichtfum feiner Saulpturen aus d 
32 1a. hunderte an die fi —— an * in u Bi erhalten daten, 
A RER Feideke Men Nähe lieferte. Eatilina das 


verzweifelte Treffen, in welchem er blich. m Saat bildete fich Hier in den 
Barteifämpfen der Guelfen u. —— die — der Schwarzen u. Weißen 
u bie der Cancellieri und Panciatichi. t von P. gilt’ Nie ebfidem von 
Eienı als der reinfte von Italien. 

Piftoja, DD Leonardo de, genannt Malatefta, ein feines trefflichen Co⸗ 
lorit8 wegen berüßmter Hiftorien» u. Portraitmaler, arbeitete in Rom, Lucca und 
Neapel, wofelbft er auch farb; Geburts: u. Tobesjahr find unbefannt, doch trägt 
eines feiner Bilder bie Jahreszahl 1561. Gr arbeitete an den Raphael ſchen 
Logen in dem Batican. — 2) B., Paul ba, Bruder bes Vorigen; ebenfalls 
geſchidter Maler. 

Piſtole, 1) ein furzes, in ber Regel mit einem 8-10 Zoll fangen Laufe ver: 
ſehenes Feuergeweht, das von der Reiterei am Sattel, von Seeleuten u. Kofaden 
im Leibgurt, auch von Reifenden im Wagen geführt wird. Die P.n befichen aus 
benfelben Theilen, wie die Flinte, nur dag ihr Kolben feinen Anfchlag (Baden) 
bat u. fehr gekrümmt u. bünne iſt, um fie bei bem Losfchiegen bequen N feſt in 
der Hand halten zu können. Sehr kleine P.n, die man in der Taſche bei ſich 
tragen fann, heißen Ter zerole. Diefe u. die gewöhnlichen P.n hat man doppelt, 
ſelbſt wierläufig. Oft find fie faum 3—4 Zoll lang u. ganz von Ciſen. Die 
erften P.n find unbezweifelt in Italien aufgefommen, denn im Jahre 1364 ließ 
fhon bie Stadt Perugia 500 derſelben verfertigen, deren Schuß durch jeden 
Harniſch drang, obgleich fie nur eine Spanne fang waren. Sie hatten Anfangs, 
mie alle Generdeiehe, ein Luntenſchloß, das naher, vielleicht zuerft in Piftoja 
dakeır der Name), verbefiert u. zu einem Radſchloße, endlich zu Ende des 17. 
Jahrhunderts in ein fogenanntes franzöfifches Schloß verwandelt ward. — 2) In 
der Papierfabrik eine kupferne Röhre, welche in ber Werkbutte eingefittet wird, 
um biefe damit, flatt ber gewöhnlichen Blaſen ober Keffel, zu erwärmen. — 
3) Spaniſch Piastole (Stüdchen, Plättchen), fpanifche Goldmünze von Louisd'or⸗ 
größe. Die alten waren fehr unförmlih, feit 1730 wurden fie rund und von 
befferem Anfehen. Anfänglih war das Gold 22 Karat fein, fpäter 21 Karat 
8 Graͤn; dabei gingen 343 Stüd auf die rauhe Mark, = 5 Tr. & Sri, 


Nah ihnen wurden bie franzöfifchen Louisd’or eingerichtet, auch in Rom und 
Genua wurberr dergleichen gefchlagen. Später begriff man unter biefem Ramen 
alle goldenen 5 Thalerftüde, deren Werth aber bebeutend durch das Aufgeld 
variirt. Das 21 Karat feine Gold wird nad ihnen P.n⸗-Gold genannt. 
Pitard, Jean, ein franzöfifcher Wundarzt im 13. Jahrhunderte, ber ſich 
fchon früßzeitig durch feine Kenntniſſe fo auszeichnete, daß er noch vor feinen 
30. Lebensjahre zum erften Leibchirurgen Ludwigs IX, (des Heiligen) ernannt ward, 
und diefen auf mehren Feldzuͤgen, namentlich audy nach Paläfkina begleitete, Auch 
bei den nächftfolgenden beiten Königen Frankreichs war PB. erſter Leibchirurg. 
Verdient hat er ſich gemacht um die Hebung dee Chirurgie (ſ. d.) durch bie 
Errichtung des Eollegiums ber Wunbärzte in Paris, welche er 1260 von Lubs 
wig IX. erwirkte. P. Ichte noch im 3. 1311 und ftarb wahrfcheinlich um biefe 
Zeit. E. Buchner. 
Pitaval, François Gayot de, geboren zu Lyon 1673, wo er 1743 als 

Advofat flarb, dee Sammler von berühmten Recdhtsfällen „Causes celebres et 
interessantes* (22 Bbe., Haag 1733, deutich Lpz. 1747—50). 

itcairn, eine Infelgruppe aus dem Archipelagus ber niedrigen Infeln in Auftra- 
lien ; Diefelbe hat eine größere, mehre Kleinere Infeln, wenig Waſſer, bringt Yams, 
Piſang, Schweine u. dgl., auch europaͤiſche Gartengewaͤchſe. — Die B. wurden 1767 
von @arteret entdedt, waren aber bis 1789 ohne Einwohner; ba wenbeten fich 
einige gegen den Kapitän Bligh aufrühreriihe Matrofen, nebft Maͤnnern und 
Weibern von Dtaheiti Hierher; aber die Europäer wurden bis auf Abams, 
Young Macleiu. Quintal, vonden Otaheitern ermorbet, Diefe aber von den 
Stabeitihhen Weibern, fo daß die ganze Eolonie aus jenen 4 u, 10 Weibern beftand. 
Nach Maclei’s u. Quintals Tode sichteten Adams u. Young eine Berfafjung ein u. 
bald darauf flarb auch Young. Die erfte Nachricht von biefer Eolonie brachte 
Beechey, ber die P. 1826 befuchte, nad Europa. 1829 farb Adams, u. weil 
die Colonie bei ihrem Wachsſthum Waffermangel zu leiden ann fo‘ wurbe fie, 
27 Köpfe ftarf, 1830 nad Otaheiti übergefiedelt, Eehrte aber bald zurüd, 1837 
betrug fie 92 Köpfe. 

ithecuva, 1. Iſchia. 

ithon (Peter, lat. Pithoeus), geboren 1539 zu Troyes, berühmter Rechts⸗ 
geledrter u. Schüler des Cujatius. Der reformirten Lehre zugethan, rettete er In 
der Pariſer BlutHochzeit mit Roth fein Leben, ging zur katholiſchen Kirche über, 
warb von Heinrich IV. zum Generalprocurator ernannt, zeigte ſich als heftiger 
Vertheidiger der Freiheiten der gallicanifchen Kirche u. flarb 1596. Wan nannte 
ihn ben Panzöfifcen Barro. Schriften: Corpus juris canonici, 2 Bbe., Baris 
1687; Mosaicarum et romanarum legum collatio, 2 Bde, ebd. 1689, %ol.; 
Ecclesiae gallic. in schismate status; Les libertes de l’eglise gallicane, erſte 
Ausg., ebd. 1639, leßte Ausgabe, ebd. 1817. Außerdem war P. ein genauer 
Kenner der Alten, gab mehre Itinerarien, den Salvianus, mehre Rhetoren, ben 
Suvenal, Perfius u. Cato's Difticden heraus, fand mehre Fabeln des Phaͤdrus 
und das Pervigilium Veneris auf und edirte fie. 

itiscus, 1) Bartholomäus, Theolog u, Mathematiker, geboren ben 
23. Auguft 1561 zu Schlauen in Schlefin von bürftigen Eltern, fludirte zuerft 
in Grünberg, fam 1579 nach Breslau, 1583 aber nach Zerbſt, wo er ſich bem 
Studium ber Theologie widmete. 1584 begab er ſich in bie neureformirte ‘Pfalz, 
wurde am Hofe Johann Cafimirs Erzieher bes fpätern Kurfürften Friedrich IV. 
und nachmals Hoffaplun; er ſtarb 1613. — PB. Hat mehre theologiſche, fo wie 
mathematifche u. aſtronomiſche Schriften gefchrieben. Er fland in Briefwechſel 
mit Kepler u. Tycho de Brahe. Seine wichtigften Schriften find: „Trigono- 
metris,“ Branffurt 1599, u. „Thesaurus mathematicus,“ $ranffurt 1613. E. 
Buchner. — 2) P. Samuel, ein verbienter Philolog, geboren zu Zütphen 1637, 
fiudirte zu Deventer u. Gröningen, wurde Rektor zu Zütphen, bann am Gymna⸗ 
Rum zu Utrecht, 1717 zur Ruhe gefeht u, flach 1727. Seine vornehmften Werte 


Pitſchaft. 257 


find, ein jept noch brauchbares u. von anderen Schriftftellern oft benüßtes Lexi- 
cum — romanarum, Leuwarden 1713, 2 Bde, Venedig. 1719, 3 Bbe., 
Sa 1737 , 3 Bde. ; ferner Lexicon latino-belgicum, Amfterdam 1704, 4. 
fl., vermehrte u, verbeſſert von MWefterhov, 2 Bde, Rotterdam 1771. Auch) 
dat man von ihm u en bed Suetonius, Eurtius, Aurelius Victor u. A. 
Pitfhaft, 1 Iodann Jakob Adolph, Doctor ber Medizin, großherzog⸗ 
lich baben’iher Hof ⸗ u. Mediinalrath u. Stadtphyſilus zu Baden, 1783 zum: 
geboren, empfing auf dem aſtum, fo wie auf der Hohen Schule bafelbft u, 
auf der zu Würzburg feine wijlenihaftliche und ärztliche Bildung. -An lehtere 
Drte erhielt er auch am 48. September 1806 bie mediginiſche Doftorwürbe, 
Bald darauf naturalificte er fi im Großherzogthume Baden, wo ihn fein Ruf 
als Mitglied in bie Sanitätscommiffion brachte und fpäter (1829). in ber 
Stelle eines Stadtphyſilus zu Baden feiner Wirffamfeit ein wuͤrdiges Feid ers 
öffnet wurde. Schon frühzeitig entwidelte P. jene geiftreiche literariihe u. glüd- 
liche praftifhe Thätigkeit, welche er in feinem fpäteren Leben zum Frommen ber 
mebiginifchen Wiffenfhaften umd zum Heile der leidenden Menfchheit fo vieljeiti, 
entfaltete, daß fie ihn in die Reihe der erften Aerzte Deutfchlands verfepte, % 
gehörte nicht zu ben Spezialiften, er hatte ein Univerfaltalent u. bewegte ſich auf 
dem Gefammtgebiete ber Medizin; auch war. er Philofoph, Anthropolog und 
Bönfifer genug, um ebenfalls in ber Pinchiatrie u, in ihrer befonderen Anwen- 
bung auf bie gerichtliche Medizin jentliches zu leiften. Seine Sache war es 
nicht, die Wiſſenſchaft zu foftematifiren ober Gompilationen zu machen, jonbern. er 
dagırerreotnpirte bie Natue durch fein fcharfes geiftiges — führte. die ges 
wonnenen Bilder in einzelnen Scenerien vor — Peine Darftellungsweife war jene 


des woktates, eine naturgetreue, erſchöpfende u. in il eine 
nbehilde, = Aut In dee Belt Bapagte Rh P. niht Des mi. Were 
fondern auch mit Erfolg; davon geben feine Aufſaͤhe verfehiebenartigen Inhalts 


in nicht medizinifchen Zeitfehriften rühmliches Zeugnig. Ein Freund der Auf ⸗ 
färumg u. Feind jener Verfinfterung, freute er ſich nicht minder ber in Richt, 
Recht u. Freiheit gemachten Fortfchritte u. Erwerbungen, als jener in Wiſſen 
ibaft u, Kunft. Seinem fräftigen Geifte diente ein eben fo fräftiger Körper zur 
Hülle u. er war dadurch gleich geeignet, mit Ausdauer feinen Studien, wie feinen 
ärztlichen Gefchäfte vorzuftehen. Neben dieſen reihen Geiftesgaben beſaß P. auch 
alle jene Vorzüge eines biedern Charakters u. gefühlvollen Gemüthes, welche dem 
Arıte bei feinen Standesgenoffen Achtung u. Anerkennung, bei feinen Pflegbe— 
foblenen Liebe u. Vertrauen fihern. Pes Hlarer innerer Sinn u. feltene Geiftes- 
färfe traten beſonders in feiner legten Krankheit hervor, im welcher er die Con- 
fultationen feiner Aerzte leitete, und ohme Klage, mit wahrhaft rührender Geduld 
und Ergebung, got Leiden ertrug. Er ftarb am 3. Pebruar 1848. eine 
Schriften find: „Unterricht über die weibliche Epoche, Schwangerfchaft, das Wochen: 
bett u. über die phyſiſche Erziehung der Kinder in den erften Jahren,“ Heidelberg 
1812; „Mediziniſches Kamilienbüchlein," ebd. 1812; „Der Arzt als Rathgeber 
u. Hausfceund,“ ebd. 1817; „Weber bie äußerliche Anwendung des falten Waſſers 
in bigigen Fiebern“ (gefeönte Preisſchrift), 1823; „Aphorismen des Hippofrates,“ 
verdeutfcht u. commentirt, 2 Thle., 1825; „Gin Wort über die afiatiiche Cholera,” 
1831; „Die Heilquellen u. das Klima Badens,“ 1831; „Biele Abhandlungen 
im Sournale ber praftifhen Heilkunde von Hufeland u. Ofann (feit_ 1817); in 
Ruft’8 Magazin der gefammten Heilkunde; im mebizinifhen Converfationsblatte 
von Hohnbaum und Jahn; im Magazin für die philoſophiſche u. mebizinifch - gericht- 
liche Heilfunde von Friedrich ; in ben Jahrbüchern für Anthropologie von Raſſe ; mehre 
ausführliche Kritifen in ben Heibelberger Jahrbüchern ber Literatur, in Ruft’s u. 
Caſpers kritiſchem Repertorium für die gefammte Medizin, in ber Bibliothek für 
praftifhe Heilfunde von Hufeland u. Dann; in der Cholerazeitung von Radius, 
fowie mehre anthropologiihe u. belfetriftifche Auffäge verfhiebenartigen Inhalts 
in nicht mebiginifchen Zeitſchriften.“ — 2) ®., Johann Baptift, Doctor der 
a7 


Realenepctopäbie. VI. 


258 Pitſchaft. 


Rechte, Praſident des großherzoglich heſſiſchen Obergerichts zu Mainz, Comman⸗ 
deur bes großh. heſſiſchen Ludwigsordens 2c., jüngerer Bruder des Vorigen, ges 
boren 1786 zu Mainz; erhielt am Gymnaſtum zu Mainz,’ wie an den Hoch⸗ 
fhulen zu Aſchaffenburg, Würzburg u. Heibelberg feine wiſſenſchaſtliche Bildung. 
Den damaligen Kandesgefegen, welche ben Beſuch einer franzöftichen Univerfität 
zur Borbedingniß für den Staatsbienft madhten, Folge leiftend, befuchte berfelbe 
von 1807—1811 die Rechtsſchule zu Paris. Nach geichehener Wiedervereinigung 
des linfen Rheinufers mit Deutfchland warb P. 1814 zum Subftitut des Staats: 
profuratord beim Bezirksgerichte zu Zweibrüden befördert, welche Beförderung er 
jedoch, duch Yamilienverhältniffe nah Mainz abberufen, ablehnte u. dafür gegen 
Ende Augufts 1815 als jüngfter Richter bei dem dortigen Kreidgerichte eintrat. 
Als 1816 die Provinz N in dem neuerrichteten Obergerichte ihren hödh- 
fien Gerichtshof erhieht, wurde B. amd. November beffelben Jahres zum General: 
abvofaten an demfelben ernannt und fchon 1818 zur Stelle eines Raths, 1827 
eines Bicepräfidenten u. 1840 zu jener eines wirklidden u. alleinigen PBräfidenten 
dieſes solleglume erhoben. Das Vertrauen der Staatsregierung, fowie jenes 
feiner Mitbürger berief P. außerdem noch zu vielfachen und wichtigen flaatlichen 
u. ſtaͤdtiſchen Yunktionen, die er ſaͤmmtliche mit eben fo vieler Gewifienhaftigfeit 
und Umficht, ald Glück flets au erledigen wußte. Im Jahre 1829 zum Landtags: 
beputirten u. als folcher zum Mitglied des Geſetzgebungsausſchuſſes erwählt, nahm 
er an den Landtagsverhandlungen von 1829—30 thatigen Antheil und zeichnete 
fih in den von ihm erftatteten vielen Berichten, namentlich über bie verbefierte 
Gemeindeordnung, die Abfchaffung des Prangers in Rheinhefien u. die Finführung 
der Preßfreiheit, eben fo fehr durch Umficht u. Klarheit, als durch feften u. red» 
lichen @harafter aus. Zu P.s namhafteften früheren Berbienften in ber polis 
tifchen u. gelehrten Welt, fowie um den Mainzer Univerfitätsfond, gehörte auch 
bie Abfaffung feiner claffiichen „Sendſchrift an die deutiche Bunbesverfammlung 
zur Wahrung der Rechte des Mainzer Univerfitätsfonds auf einen großen Theil 
feines von den Bundestruppen occupirten ECigenthums“, Mainz 1836, worauf 
ihm 1837 die großherzogliche Landesuniverfität die juriftifche Doctorwuͤrde verlieh. 
In Anerkennung feiner Staatsdienerwirkfamfeit verlieh ihm fein Landesfürft am 
29. Dezember 1839 das Ritterkreuz I. Claſſe u. 1843 das Gommanbeurfreuz bes 
RL He hefitichen Ludwigsordens. Ein. warmer und treuer Anhänger ber 
römifch:katholifchen Kirche, war P. ber Erſte, der über Ronge u. fein Benehmen 
als Menfch ſchrieb. Er hielt dabei an dem Prinzip allgemein religiöfer Freiheit 
fe u. fprach Nichts von feinem Glaubensabfalle, fondern nur von feinem unges 
jeglichen Benehmen gegen feine geiftliche Oberbehörde u. dem wureigen Biſchof 
Arnoldi in feinem berüchtigten Sendſchreiben, das er, nach den Ausdrude eines 
berühmten Gorrefpondenten ber allgemeinen Zeitung vom 3. Dezember 1843, mit 
ber größten Klarheit u. Ruhe Punft vor Punkt erörterte u. in feiner Richtigkeit 
darftellte. Freund u. Zörberer alles Kortichritts, begrüßte er im Rovember 1847 
den Leipziger Congreß ‘über ein allgemeines deutſches Wechfelrecht in öffentlicher 
Dbergerichtefihpung bei ©elegenheit der periodiſchen Erneuerung u. Bereidung bes 
Panbelögerihte n folcher Weife, daB feine Rede in viele beutfche Zeitungen 

berging. Auch die neueften politifchen Bewegungen in Deutfchland und Heſſen 
ließen 9 nicht muͤſſig und bewogen ihn, mit Intelligenz, Vaterlandsliebe, Energie 
u. Redlichkeit auf das Ganze in feiner Vaterſtadt und Provinz zu wirken. Er 
befürwortete an ber Spige ber Deputation ber gefammten richterlichen Ragiftratur 
am 5. März 1848 hoͤchſten Orts die vom Stabtvorftande bei dem Minifterium 
porgebrachten Anträge im Interefie der Entwidelung der politifchen, bürgerlichen 
u. religiöfen Freiheiten u. der Erhaltung der öffentlichen Orbnung, u. zwar mit 
ber unmittelbaren Folge, daß unter ber fogleich eingetretenen Mitregentichaft bes 
Erbgroßherzogs u. dem Minifterium Gagern die befannte Proflamation vom 6. 
März u. deren Nachtrag erlaffen wurde. Muͤndlich u. fehriftlich kaͤmpfte er für 
die conßätutionelle Monarchie u. gegen bie übertriebenen Forderungen einer uns 


Pitt, 2 259 


ruhigen Maſſe; auch befteitt er bie von bem Abgeorbneten Zi en ben Prinzen 
Gil u · Kanzler Linde in der Kammer beantragte Wahrrgel ut, ſuchte — 
ig die Stadt Mäinz von einer Betheiligung an dieſem Antrage abzuhalten. 
Ganz feinen Orunbfägen getreu, vertbeibigte er auch im Vorparlamente diefelben 
Grumbiäge. Er ftimmte füc direfte Wahlen und insbefondere für den badiſchen 
Bahlmodus, fowie für Permanenz des Voiparlaments bis zum Gintritte der 
sonftituirenden Berfammlung, bamit ber Zuftand der Revolution ſich nicht repro- 
ducite und jede Veranlaffung zu Revolutionen durch ſchnelle Reformen entfernt 
webe P. hat in feinem politifchen u. ganzen öffentlichen Leben fich immerdar 
als aufrichtiger Mann des Rechts benommen u, daher ftets nur der Sache, nie 
mals aber der Perfon gebient, In der Meinung, das vollfommene Vertrauen der 
Etaatsregierung nicht mehr zu befigen, fuchte P. um feine Entlaffung aus dem 
altiven Staatöbienfte nach, bie ihm auch dann, unter Bezeugung der Zufriebendelt 
mit feiner langjäßrigen treuen Amtsführung, zu Theil wurde. Noch nie in Mainz 
wurde ein Rüdtritt aus dem Amte mehr betrauert, ald der dieſeg Mannes, denn 
alle Autoritäten fprechen fih dahin aus, daß deffen Privat u. öffentliches Leben 
fo rein ift, als es je einen Magiftraten geyiert hat, Durch feine Berfönlichfeit 
it P. eine hoͤchſt intereffante Erſcheinung. Im feinee männlich Fräftigen Geftalt, 
in feinein feinen, aber ungefünftelten und zugleich wuͤrdevollen Benehmen erfennt 
man einen Mann, den Natur u. Bildung zu einem hohen Poften gefhaffen Haben, 
in dem geiftreichen u, gemüthlichen Ausdrucke feines Geſichts ben Gelehrten und 
Menfchenfreund, in feiner männlich feſten u. mobulirten Stimme, fowie in feiner 
fliegenden u, edlen Sprache den vollendeten Redner. Obwohl man befennen muß, 
daß BP. im ber Wahl feines Berufes gluͤclich N riffen u. ſich ſelbſt erfannt Hat, 
fo findet man dod bald in feinem ang len, daß derfelbe auch für jeden 
andern Zweig der Wiffenfchaft u. Kunft gleich Hohen Beruf befist. Seine Schrif- 
ten find: De eruditione iadebiti;, Par. 1811; Du contrat de Sociste, ebd. 18115 
Sendſchreiben an die deutfhe Bundesverfammlung zur Wahrung der Nechte des 
Mainzer Univerfitätsfonds auf einen großen Theil feines von ben Bundestruppen 
occupirten Eigenthums, Mainz 1836; Herr Johannes Ronge, mit Gründen wies 
derlegt, für Katholifen und Proteftanten, Mainz 1844; Auffäge in Zeitſchriften, 
Kammerberichte u. f. w. u. 
Pitt, 1) William, Graf von Chatam, Enkel des Thomas P. Gou— 
verneurs von Madras, geboren 1708 zu Weſtminſter, ſtudirte zu Eton u. Orford 
und trat dann als Cornet in ein Cavalerieregiment, verließ aber bald den activen 
Dienft, weil er an der Gicht litt, und widmete fich den Studien, beſonders bes 
Cicero und Thucydides, Fam 1735 in's Unterhaus und verwendete fein glängen- 
des Rednertalent für die Oppofition gegen Robert Walpole. Dieſer ließ ihn aus 
Rache aus der Armeelifte ftreid;en, dagegen machte ihn ber Prinz von Wales zu 
feinem Kammerherrn, Bergebens fuchte ihn Walpole fpäter für fi zu gewinnen, 
As Walpole 1742 aus dem Kabinet trat, erwartete man, P. in Ddemfelben zu 
ſchen. Doch die perfönliche Abneigung Georg's II. hinberte dieſes noch, und er 
nahm fortwährend feine Stelle bei der Oppofition gegen ben neuen Minifter, Lord 
Garteret (Graf von Granville), ein. Erf, ald ber Herzog von Newcaftle 1746 
ein neues Minifterium bildete, trat er als Viceſchatzmeiſter von Irland in daſſelbe. 
Bald wurde er Geheimerrath und Kricgszahlmeifter, Er zeichnete fi duch Uns 
eigennügigfeit und gute Einrichtungen aus und gewann fo bie öffentliche Mei- 
nung, die er durch fein Eintreten in das Minifterrum etwas verloren hatte, wie- 
der. 1755 verließ er das Minifterium, weil er des Herzogs von Newcaflle An- 
fihten über den fich vorbereitenden Krieg nicht billigte. Doch ſchon im Dezember 
1756 ward er nad) dem Sturze Newcafile's mit Legge zur Bildung eines neuen 
Eonfeild berufen und erfter Etaatsfefretär. Er verfagte jedoch feine Zuftimmung 
zu einigen Maßregeln, die ber König aur Sicherung Hannovers traf, und trat 
daher im April 1757 wicber aus bem Kabinet, jedoch nur, um, von ber allge 
meinen Volföftimme berufen, im Juni 1757 auf feinen alten SBoften gutyien, 
17 


i 


260 Pitt, 


Bon jebt an war er ber That nach Principalminifter und gab fogleich bem Kriege 
eine andere Wendung. Er vernichtete in Deutſchland die Capitulation von Klos 
fir Seven und machte es dem Herzoge Berbinand von Braunfchweig durch 
englifche Unterftügungen möglich, ben Sieg zu erringen, Zugleich erhielt Frie⸗ 
drich der Große von England jährlih 16 Millionen Subfidien, Frankreich wurde 
durch biefe Anftvengungen in Europa feftgehalten und gehindert, Hülfe nad) Amerifa 
zu fenden, auch verlor es dort Duebed fammt ganz Canada. Die ober, bie Dies 
fen Krieg zur Vermehrung ihres. Handels benügten und auf hollaͤndiſchen Schif⸗ 
fen franzöflfches Eigenthum verführten, hielt er ducch Verlegung ihrer neutralen 
Zlagge ab, noch mehren Gewinn von den Umftänden zu ziehen. So hatte er 
durch fein Genie die Macht Englands bebeutend gehoben, als Georg II. 1760 
farb, Auch unter feinem Nachfolger, Georg III., behielt er feinen ‘Bolten, erneu⸗ 
erte aber bie früher gefchlofienen SrrebenBanträge, und fon war ein Waffenftill- 
ftand gefchlofien,, als ber unerwartete Bruch deſſelben durch die Engländer bie 
Unterhandlungen vereitelte. 1761 war ber Familienpact zwiſchen ben bourboni⸗ 
fhen Höfen gefchlofien worden. P. wollte Spanien deßhalb ohne vorherige 
Kriegserklärung feine Flotte und einige Colonien nehmen; als diefes aber im Ka⸗ 
binet nicht durchging, nahm er im Oktober 1761 feine Entlaffung. Sein banf- 
barer König bewilligte ihm eine Penſion von 3000 Pfund, deren Annahme ihm 
von der Oppofition fehr verbacht wurde. Wergebens wollte ihn Lorb Bute 1762 
u. 65 wieder ing Minifterium ziehen, er fchlug es immer aus; Doch ald 1766 Im 
März das alte Minifterium wegen ber nicht durchgegangenen Stempeltare refig- 
nirte, übernahm er die Bildung eined neuen, das er aus Männern von allen 
Parteien zufammenfette, fich den Poften des Siegelbewahrers vorbehaltend. Er 
trat nun auch mit bem Titel Biscount P., Graf von Ehatam, in das Oberhaus 
ein, welche Annahme von Titeln ihm aber vieles von feiner Popularität koſtete. 
Kraͤnklichkeit, vornaͤmlich die Gicht, die ihn ſchon gehindert hatte, . fidh mit ber 
Adminifiration zu befaffen, zwangen ihn 1768, feinen Poften als Siegelbewahrer 
niederzulegen. Umfonft rieth er beim Ausbruche ber amerifanifchen Unruhen zur 
Maͤßigung; 1776 erklärten ſich die Eoloniften für frei. Ein Berfuh P.s zur 
Austöhnung (1777) ſchlug abermals fehl. 1778 zog er fich durch eine Heftige Rebe 
im Parlamente, das er, geführt von feinem Eohne und Schwiegerfohne und ganz 
in Flanell gehüft, noch einmal befuchte, und indem er bas Benehmen ber Minifter 
laut tabelte, babei aber zugleich fich heftig gegen bie Unabhängigkeit von Amerika 
erklärte, eine toͤdtliche Krankheit zu und flarb auf feinem Lanbgute Hayes bei 
Kent am 12. Mai 1778. — 2) William, zweiter Sohn des Borigen, geboren zu 

ayes in ber Grafſchaft Kent (nicht, wie franzöftfche Biographen behaupten, in 

anfreih) 1759, ſtudirte zu Cambridge, trat dann mit günftigem Erfolge als 
Sachwalter auf, legte fich aber mit großem Eifer auf die Parlamentsberedfamfeit 
und meldete ſich bereitö 1780 zur Parlamentswahl für Cambridge. Er fiel durch, 
wurde aber 1781 für den Borough Appleby gewählt. Er vereinigte ſich Anfangs 
mit der Oppofition, die dem Lord North gegenüber fland, und fprach mit großem 
Talente und ganz feines Vaters würbig gegen biefen Minifter u. gegen ben von 
ihm erregten amerifanifchen Krieg, Die Oppofition flegte 5; das Minifterium 
wurde gewechfelt, P. machte aber nicht gemeinfchaftliche Sache mit ber neuen 
Verwaltung, fonbern fegte feine Angeifl fort gegen das Minifterium und für 
eine Parlamentsreform. Doch der König Georg IL, ber ſtets fein großer Freund 
war, gebot ihm, feine Theorien, bie ihn begeifterten und von feinem Monarchen 
entfernten, aufzugeben. P. wurde 1782 Kanzler ber Schapfammer. Als Schil⸗ 
burne durch Fox und North, die fich zu biefem Zwede verbunden Hatten, aus 
dem Kabinet verdrängt wurde, legte auch P. feine Stelle nieder, bereiste Frank⸗ 
reih, Italien und Deutfchland und kam nach England zurüd, wo er ſich im Par⸗ 
lamente mit einer fcheinbaren Beſcheidenheit zeigte. Bor und North waren in's 
Minifterium getreten, und P, fchien bereit, ſich mit ben Min zu vers 
dinben Doch ba8 war nur eine Falle, in bie Bor gelodt wurbe. Diefer 


Pitt. - 261 


laubte ihn mit feinen Anfichten über bie indifchen Angelegenheiten einver⸗ 

ie amd verlas eine BIN über die Verwaltung Indiens. Hier gerade erwar⸗ 

tete ihn P. Er 309 das Berhältniß in Unterſuchung u, ftellte es als ben Rech⸗ 
m 


ten ber Krone zu nahe tretend dar. Der König Hatte dieſelben Gedanken. PB, 
wurde mit bem Re als erfter Lord ber Schagfammer und als Kanzler 1783 
von Neuem an 


je Spitze ber Staatsangelegenheiten — Damals war er 24 
Jahre alt, Hatte wenigen Einfluß und weniges Vermögen, und man glaubte, feine 
Verwaltung würbe von nicht langer Dauer feyn, benn das Unterhaus war mit 
feinen tbarften Gegnern angefült. Doc fiegte er über das Unterhaus und 
Lord North äußerte über ihn, er fei zum Minifter geboren, Eine große Bewes 
Fe folgte auf die Auflöfung des Parlaments. Die Feinde P.s vereinigten fich, 
um feinem Triumphe Sinderlic zu ſeyn. Indeſſen behauptete ex fi, Er fand 
den Schag leer, das Einfommen von ben Zöllen buch den Schieichhandel ge⸗ 
fdmälert und die Verwaltung Oftindiens in großer Verwirrung. Gr begann 
damit, daß er bie Handelsunterfchleife durch die Herabfegung der Zölle Hemmte, 
Ingegen erhöhte er die Fenſtertaxe; durch die erftere Mafregel Hatte er bie Liebe 
des Volles erworben, durch bie zweite verlor er fie wieder, Indem er ben Sub⸗ 
feibenten auf Staatsanleihen ein weiteres Feld öffnete, befcränfte er ihre Vor⸗ 
heile und erhielt Geld zu wohlfeileren Zinfen: Dadurch und durch —— auf 
verſchiedene Lurusartilel verſchaffte er ſich bie nöthigen Summen, mit welchen er 
1786 einen Tilgungsfond für die britiiche Staatsſchuld gründete, ber 1792 er⸗ 
weitert wurde und auf fo finnreicyen Berechnungen benfie daß im il 
bes Anwachfens der b ſich auch die Tilgung berfelben vermehrte. Darauf 
nahm bie Verwaltung Indiens feine Thätigfeit in Anfpruch. Den bereits ſchwan⸗ 
fenden Erebit der oftindifchen Compagnie erhielt er dadurch aufrecht, daß er ihr 
zur Bezahlung ihrer Schulden an die Regierung, eine — Friſt bewilligte. 
u einen Hanbelsvertrag mit Frankreich 1786 leiftete er dem britifchen Hans 
bei einen weſentlichen Vorſchub. ine Tripelalliance 1789 zwiſchen England, 
Preußen und den Niederlanden und ein anderes Buͤndniß mit Schweden gegen 
Rußland, beffen wachſende Macht ihm gefährlich fahien, gehören mit zu den Meis 
ferftüden feiner Politik. Durch die Gründung der Werbrechercolonie in Neu 
Eid-Wales 1788 erwarb er fi einen unvergänglichen Ruhm. Der Ausbruch 
der franzöfifchen Revolution gab ihm neue Gelegenheit, feine Meifterfhaft in ber 
Politik aufs Glängendfte zu beweifen. Frankreich, biefen gefährlichen Nebenbuhler 
Englands zu ſchwaͤchen, war ein Hauptziel feiner Thätigfeit. Durch die Revolu- 
tion, die er in Frankreich heimlich nährte, während er ihr in England den Zus 
gang vochrte, hoffte er feine Abficht zu erreichen. Demgemäß behauptete er bis 
1792 eine ftrenge Neutralität gegen Frankreich. Der Tod Ludwigs XVL. zwang 
ihn, den Anfichten Georg's II. nadzugeben und fi zum Kriege zu entfchließen, 
den nun ber Nationalconvent England felbft erflärte. Durch beträchtliche Rüftun- 
em hatte fi P. längft auf dieſen Fall vorbereitet, und während er durch bie 
remdenbill und durch die Aufruhrbill die Ruhe Englands ficherte, vereinigte er 
alle größeren europäifchen Mächte zum Kampfe gegen Frankreich. Die Ligue, an 
deren Epige P. ftand, Hatte zwar Anfangs einigen Erfolg, mußte aber fpäter ben 
franzöfifhen Waffen auf dem Feſtlande weichen. Damals hatte P. einen harten 
Kampf zu beftehen. Die Siege der Franzoſen in Belgien, Holland u. am Rhein, 
die Landung berfelben in Wales fegten England in Schreden. Irland drohte mit 
einem Aufftande. Die Empörung der Flotte in Plymouth und Portsmuth ließ 
das Aergfte befürchten. Die Etaatsfhulden vermehrten fih von Tag zu Tag 
auf eine fo bedenkliche Weife, daß die Capitaliften ihre Banfbillets einzogen und 
die Bank, die außer Stand war, fie zu bezahlen, verlangte, daß bie Regierung 
fie mit den nöthigen Summen unterftäge. P. fuspendirte buch ein Staatsbefret 
bie Baarzahlungen. Georg III. vergoß Thränen, als er das Dekret unterzeichnen 
follte. P. tauchte felbft die Feder ein, ſteckte fie dem Könige zwifchen bie Finger 
u. fagte: „esmuß fern." Die Maßregel wurde von der Oppoftion ein vohd⸗ 


— 


262 Pittakus — pittorest. 


ter Bankerott genannt. Doch war ſie die Frucht einer weiſen Berechnung, durch 
die allein Englands Handel und Gewerbefleiß erhalten und der Staat vom Uns 
tergange nerettet wurde. Unterdefien hatte Preußen den Fricden von Baſel, Oeſterreich 
den von Campo⸗Formio gefchloffen. Da bildete R. eine neue Eoalition zwiſchen 
Dcfterreich, der Türkei und Rußland, doch hatte fie eben fo wenig Erfolg, als 
die frühere. Bonaparte trat auf und eröffnete bei Marenao jene lange Sieges⸗ 
bahn, welde auf dem Schlachtfelde Altes vereitelte, mas PB. weten Gabinete ges 
winnen wollte; ber Fricde von Luͤneville wurde unterzeichnet. Tie innige Freund⸗ 
Ihaft Bauls I. und Bonaparte’8 verfegte der Politik P.s cinen harten Etoß, 
boch befreite ber baldige Tod des ruſſiſchen Kaiſers England von vielen Beforg: 
niffen. Vergebens btieben die Unterbandlungen mit Frankreich. 1802 wurde Ars 
land, dem die Emancipation feiner Katholifen zugefidert worden war, mit Enge 
fand verbunden. Diefe Union gebört zu den wicdhtigften Maßregeln P.s, durch 
bie er fih um fein Baterland, nicht aber um Irland, verdient gemacht hat. Der 
König weigerte fi, das Berfprechen, welches feine Minifter wegen ber Emancis 
pation geleiftet hatten, zu erfüllen. Da B. den Frieden zu Amiens mit Frank⸗ 
reich zu feinem Verdruſſe unterzeichnen fah, erbat er fich feine Entlafjung. Seine 
Gegner Hagten ihn nun wegen feiner Verwaltung an, er vertheibigte ſich aber 
fo ic reih, daB das Parlament mit großer Stimmenmehrbeit einen Danf für 
feine Amtsführung beſchloß. Die Bildung cined neuen Minifteriums erfolgte uns 
ter feiner Mitwirfung. Da die neuen Minifter aber fi bald unabhängig von 
P. machen wollten, verfeindete er fich mit ihnen. Als 1804 ein neuer Krieg mit 
Frankreich unvermeidlich fchien, trat B. wider an die Epige der Staatsverwals 
tung und war fogleidh bemüht, eine neue Berbindung zwifchen Oeſterreich und 
Rußland gegen Frankreich zu fliften; er fah ſich aber in feinem Plane getäufcht. 
Sm Dezember 1805 fiel cr in cine gefährlidie Krankheit und enbigte den 23. Jaͤn⸗ 
ner 1806 fein Leben. Er ftarb fo arm, daß das Parlament feine 40,000 Pfund 
Sterling betragenden Schulden bezahlen mußte Sein Leichnam fand feine 
Nuheftätte in der Weftminfterabtei, woſelbſt das dankbare Baterland ihm cin 
Denkmal febte. 

Pittakus, geboren 649 v. Ehr. zu Mitylene auf Lesbos, töbtete ben Ty⸗ 
rannen Melandhros 612 v. Ehr., befiegte 610, als die Athener wegen bes Bes 
fides einer Stadt in Streit gerathen waren, ben Phrynon im Zweikampfe, 
[ng auch die unter Antimenides und dem Dichter Alkäos mit Gewalt in ihr 

aterland zurüdtommenden Flüchtlinge zurüd, Die ihm bafür von feinen Mits 
bürgern angetragene DObergewalt verwaltete er von 589579, iegie fie dann felbft 
nieder u. lebte noch 10 Jahre ald Privatmann. Daß er nur bie Hälfte der ihm 
eſchenkten Ländereien annahm; baß er feinem bitterfien Feinde, Alkaͤos, verzieh; 
eine Regierung u. (in Berien gegebene) Geſetze; daß er bie Geſchenke bes Kröfos 
ausſchlug, ihm aber die Unterjochung bee jonifchen Inſeln widerrieth, charakteri⸗ 
firen den Weifen, wie er denn auch zu den 7 Weifen Griechenlands gerechnet 
wird. Sein Epruh war: „Lerne die Zeit kennen; in ber Zeit ift alles Gute ents 
halten.“ Bon feinen Elegien und einer profaifchen Schrift über Die Geſetze, welche 
die Alten erwähnen, Hat fich Nichts erhalten, fondern nur ein Brief an Kröfos 
tet Diogenes von Laörte u. ein fehr kurzes Gedicht, das auch von Schneibewin 
in dem „Delectus poesis graecorum elegiacae .etc.“ (Göttingen 1839) aufge: 
nommen worden ift. 

Pittheus, König von Troezene, das er durch Zufammenzichung ber Stäbte 
Hyperea u. Anthea bebeutend vergrößert hatte, war ber Großvater bes Thefeus, 
ben er, wie befien Sohn Hippolytos, erzog. Vgl. Aegeus. 

Pittorest, maleriich, Heißt überhaupt Alles, was durch eigenthämlichen Rei; 
das Auge anfpricht u. fefthält, u. in Beziehung auf ben Stoff insbefondere, was 
zur malerifchen Behandlung geeignet ift, namentlich aber jene Begemfänbe, auf 
deren Fläche ein Reichthum von Zarbentönen überblidt wirb, ober Die durch Licht 
u Barbe erh Reiz u. höhere Bedeutung erhalten. Dem Ben fickt das Poetiſche 


Pittsburgh — Pins, 26 


u. Plaſtiſche entgegen, dieſes als das förperlich Geformte, jenes als bie Grund» 
ibee des Gemäldes. Der Gegenftand des Pen ift mithin das durch bie Farbe 
fich außernde Freie u. mannigfaltig Veraͤnderliche. Wird dennoch aber von pit- 
toresfen Bildwerlen gehen en, To Tann bieß eigentlich nur im tabelnden 
Sinne gefcheben, wenn nämlich die Bildwerfe aus ihrem eigentbümlichen Ger 
biete in bad der Malerei übertreten, wogegen Gebichte u. a ER 
diefe Bezeichnung erhalten, wenn fie Die geſchilderten Gegenftände malerifch, gleich- 
ſam ald gegenwärtig, vor das geiftige Auge Hinftellen, und Reifen p. genannt 
werben, wenn bie gegebenen Schilderungen 6* bildlich veranſchaulicht find. 
—— ber Grafſchaft Alleghany, in dem nordamerikaniſchen 
Freiftant Penniylvanien, am Ohio, ber hier durch den Zufammenfluß des Monon⸗ 
goheln und Alleghany gebildet wirb, wurde 1753 von ben Franzofen unter bem 
jamen Duguesne angelegt, ift jegt nach Philadelphia bie größte u, gewerbs 
reichſte Stadt des genannten Staates, fchön u. regelmäßig gebaut, hat Strafen 
nit Trottoirs, ein Rathhaus, Markihaus, Gefängniß, Zeughaus, 8 Kirchen, 
wotunter die engliihe St. Pauls Kathebrale im goihiſchen Style, eine 1820 ges 
füftete Afademie, Bibliothek, Mufeum, 4 Banken u. über 30,000 Einw. Die 
nbuftrie der gangen Gegend ift höchſt bedeutend; viele Mühlwerke, als Mehl, 
Del, Säge, Papiermühlen, Eifen- u. Glashütten, Giefereien, Metallfabriten, 
Gerbereien, Brauereien, Seifenfiebereien, Wollen: u. Baumwollen-Manufalturen, 
Rögelfabrifen, Dampfmafchinenbauwerfftätten ac. Der Handel ift eben fo ſehr 
bedeutend u. wird durch bie vortrefflichen Gommunifationswege, aber auch ſchon 
durch die Schifffahrt auf dem Ohio u. Miffiffippi befonders beförbert und belebt: 
Eifenbahnen u. Kanäle, bie fich immer mehr ausdehnen, ift die Verbindung 

mit Philadelphia Hergeftellt. — 1845 brannten in der Stadt 1200 Häufer_ab. 

, Name von neun römifhen Päpften. — 1) P. L., der Heilige 
und Martyrer, als welcher. er am 11. Juli verehrt wird, von Aquileja, wurde 
im 3. 142 auf den päpftlichen „Stuhl erhoben und verwaltete bie Kirche ungefähr 
15 Jahre. Bon ihm rührt u.a. ber Befehl her, daß Oftern nach ber apoftolifchen eber⸗ 
iert werden u. fich dieReier nach dem Vollmende nach dem 
Gintritte des Frühlings richten fole. Auch verdammte P. dem Irulehrer Valentin 
u. wollte den Marcion (ſ. d) nicht aufnehmen. Diefer war von feinem ciges 
nen Vater, einem würdigen Bifchofe, wegen Entehrung einer Jungfrau von ber 
Kirhengemeinfhaft ausgeſchleſſen worden ; um daher wieder aufgenommen zu werben, 
begab er fi nad) Rom, allein man verweigerte ihm die Aufnahme, fo lange_er 
biefelbe nicht von feinem eigenen Biſchofe wirbe erlangt haben. Umwillig ſoll 
Narcion hierauf aufgerufen haben: „So will ich denn euere Kirche zerreißen u. 
eriffen fol fie bleiben!“ Marcion wurde nun der Schüler Cerdo's und bald 
tarauf felbft Eeftenftifter. Im die Regierungszeit P. I. (150) fällt auch die erfte 
Schutzſchrift, welche der heil. Juftinus der Martyrer (f. d.) an den Raifer An: 
tonin, den Senat u. das römiſche Volk für die chriſtliche Religion richtete. Der 
gute Eindrud, welchen diefe Schrift bei dem Kaifer machte, hatte die glüdliche 
dolge, daß dieſer, obſchon er die alten Dekrete nicht aufhob, doch nach Athen, 
Thefſalonich, Lariſſa u. andere Städte Griechenlands Schreiben ergehen ließ, um 
das Volk von der Wuth gegen die Chriften abzuhalten. Indeffen war dieſes zu 
ſehr gereizt u. wurde in Diejem Zuftande von den heidniſchen Prieftern unterhals 
ten; die Wuth brach immer wicher aus, fobald nur ein Vorwand fich zeigte; 
beſonders fuchte man die Schuld aller Unfälle u. Landplagen auf die Chriften zu 
ihieben u. fi bewegen an ihnen zu rächen. Daffelbe geſchah wieder, als durch 
Grobeben einige Stäbte zu Grunde gingen. Statt aber den Heiden zu willfahren 
und Die Ehriften zu verfolgen, fuchte vielmehr der Kaiſer die Heiden in einem 
Schreiben an bie aſiatiſchen Städte duch Hinweifung auf das Beifpiel der Ehri: 
fen zu beruhigen. — 2) P. IL, vor feiner Erhebung Aereas Sylvius, aus 
dem gräflihen Haufe Biccolomini di. d.), geboren zu Corfini im Sienefſiſchen 
1405, war Sefretär auf dem Bafeler Gonciltum, deſſen Gefgiätsigriter u uk 





lieferung am Sonntag 


264 Pins, 


wurbe. 1442 wurde er Geheimfchreiber Kaiſers Friederich IH., beforgte mehre 
biplomatifche Sendungen, wurde nachher Cardinalbiſchof von Siena u. 1458 zum 
Papfte en ohne ed zu wollen, vielmehr fcheinen die Stimmen deßhalb haupt⸗ 
fächlich auf ihn ſich vereinigt zu haben, weil er ben Beftrebungen bes Cardinals von 
Rouen, die Wahl auf fich zu lenken, entgegentrat, damit nicht der päpftlidde Stuhl 
mit allen hieraus entfpringenden nachtheiligen Folgen wieder nach Frankreich ver- 
fegt würde, Dafür hatte er aber auch an Ludwig XI, von Frankreich einen be- 
ftändigen ®egner. Groß war P.s Eifer zur Rettung Europa’8 von dem drohen- 
den Soche ber Türfen. Auf der Hiezu veranlaßten Berfammlung zu Mantua 
(1459) fand er feine Unterftügung; fein guigemeinter Berfuch, den Sultan Mu⸗ 
hamed durch ausführliche fchriftliche Belehrung zum Chriſtenthume gu befehren, 
blieb erfolglos. Im Vertrauen, e8 würden, wenn er, ber Lehrer ber Fuͤrſten und 
Bater der Ehriftenheit, und noch dazu von Alter gebeugt, voranginge, auch bie 
übrigen Regenten folgen, ſtellte er fih an ber Spitze eined Heeres gegen bie 
Tuͤrken; doch auch fo blieb er ohne Unterſtuͤtzung und beſchleunigte bar allzu 
große Anftrengung feinen Tod, der zu Ancona am 14. Auguft 1464 erfolgte, che 
ee das feindliche Land erreicht Hatte Man fand bei ihm 50,000 ®oldgulben, 
welche er gefammelt hatte, um den Türfenfrieg, ber ihm fo ſehr am Herzen lag, 
damit zu beftreiten. Diefes Geld wurbe dem Könige Matthias von arn ge: 
geben, der am meiften von ben Türfen zu fürdhten Hatte, aber ihnen and et 
widerftand. — In einer eigenen Bulle Hatte B. II., nach dem Vorbilde des h 
Auguftin, feine eigenen früheren irrigen Grundfäge, namentlich über bie Stellung 
bes PBapftes, zurüdgenommen. „®laubet mehr, fagt er barin, einem erfahrenen 
reife, als dem Leichtfinne eines jungen Menfchen; mehr dem Papfte, als einem 
Privatmenfhen; mit einem Worte: verwerfet den Aeneas Piccolomini u. 
höret P. IL” Gegen bie wieberauftauchenden Appellationen von dem PBapfte an 
ein allgemeines Concil erließ er ein Verbot unter pro dung ber &rcommunication ; 
bie pragmatifche Sanction ber Yranzofen vermochte er nicht zu befeitigen, Die 
noch erweiterte Wahlencapitulation wußte B. IL durch ein Gutachten mehrer 
Nechtögelehrten gewaltfam aufzuheben. Zur Befriedigung feiner PBrachtliebe und 
Verſchwendung bedurfte er ber Einkünfte. fremder Kirchen; bie früheren Mißbraͤuche 
in ber Verwaltung von Benefizien ſchoſſen in gebeihticher Früchtbarkeit wieder auf. 
Da open befämpfte er bie eimfeitig Beibnilibe chtung bee Wiſſenſchaft, als einen 
Abfall vom Blauben. Unter den Berfolgten befand fih Laurentius Vallau. 
Platina; ber letztere rächte fich dafür. Durch eine ungünftige Lebensbeſchreib 
feines Verfolgers. Rach feinem Tode begann für das Papfitfum eine trauri 
u. in mancher Beziehung felbft noch fehmachvollere Periobe, als bieß ſelbſt im’ 
10. Jahrhunderte der Ball geweſen war. — 3) P. U., ebenfalls aus dem Sies 
nefifchen Haufe Piccolomini, Neffe des Vorigen, erwählt im Jahre 1503, konnte 
mit feinen guten Gefinnungen, ben herrſchenden Mifbräuchen in ber Kirche abzu⸗ 
elfen, kaum einen Anfang machen, da er ſchon 27 Tage nach feiner Wahl ſtarb. — 
) B. IV, Medici, geboren 149, der Nachfolger Pauls IV. cf. d.), wurbe 
erwählt im Jahre 1559, aber es verfloffen nady dem Tode feines Borgängers faft 
4 Monate, bis das Conclave ber Eardindle zufammentreten konnte, e Wieder; 
berftellung des Conciliums von Trient wurbe beſchworen; der Bapft anerkannte 
fogleih Yerbinand von Oeſterreich als Kaiſer, ernannte ben Karl Borros 
m Aus (f. d.) zum Garbinal u. verlieh, aus Dankbarkeit gegen ben Großherzog 
von Toscana, weil er ihn das Wappen ber Medici von Florenz Hatte annehmen 
lafien, (PB. Hieß eigentlich Medich ino u. war von geringer Herkunft; den Ramen 
Medici hatte er aus der oben genannten Beranlafiung erhalten), auch befien zwei⸗ 
tem Sohne bie Cardinalswuͤrde. Er begann feine Regierung mit einem harten 
Prozeſſe gegen bie Garaffa, die Neffen des vorigen Papftes, indem er auf übers 
triebene Klagen hin das Tobesurtheil über fie ausfprach, ließ das Eondlium von 
Trient (ſ. d.) von Reuem verfammeln u. fortfegen u. fchloß e8 1563, nachdem 
am 3. Dezember biefes Jahres die 25. und Ichte Staung war gehalten worben, 


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Durch eine Bulle vom 26. Januar 1564 wurben fobann bie Befchlüffe diefer 
wichtigften aller Kirchenverſammlungen von dem Papfte beftätigt. Auch ließ der⸗ 
felbe ein, nach ben Befchlüffen bes Conciliums verfertigtes, Slaubensbefenntniß in 
ber ganzen Ehriftenheit bekannt machen, welches fowohl von Jenen, welche zu 
einem Eirchen ⸗ ober Lchramte, ald von Allen, welche zur fatholifhen Religion 
zurüdffehren, angenommen werben muß. Bür bie Verſchoͤnerung u. Unterhaltung 
der Kirchen in Rom u, des Vaticans verwendete P. große Summen; auch fuchte 
ww, obwohl vergebens, eine Vereinigung ber riflichen Kürften zur Rettung des 
von den Türken hart bebrängten Malta zu Stande zu bringen, weßhalb er den 
Orden des Heil. Lazarus von Jeruſalem reſtaurirte. Im Ser 1565 befiel den 
Papſt eine gefährliche Prankheit. Kaum hatte der heil, Karl Borromäus Nach⸗ 
richt davon erhalten, fo eilte er nach Rom, beſchwor feinen Oheim, bie wenige 
‚Zeit, bie ihm noch übrig wäre, nur einzig zum Heile feiner Seele anzuwenden, 
reichte ihm Die heil, Saframente u. verlieh 9 nicht, bis er verſchieden war, wel⸗ 
«8 den 9. Dezember 1565 geſchah, nachdem P. der Kirche 6 Jahre vorgeſianden 
hatte, Bei feinem Ende war auch ber heil. Philipp Neri (j. d.) gegenwärtig 
u. der fterbende Papft erkannte das Glüd, unter bem Beiftande zweier jr 
zeichneten Heiligen zu fterben‘, denn verfehen mit ben heil. Saframenten , belebt 
durch ben ein, bie Hoffnung u, Liebe, zu deren Erwedung die Heil, Männer 
die ihm beiftanden, ihm bie Worte vorfprachen, waren feine legten Worte: „Nun, 
9 Herr! laß Deinen Diener nad Deinem Berfpreben in Frieden fahren.“ — 
HB V., ber Heilige, vor feiner Erhebung Michael Ghisleri, wurbe 
den 27. Januar 1504 — der kleinen Stadt Bosco, im Biothume Tortona, ger 
boren. Er ſtammte aus einer: alten, edeln Familie, die aber durch ungluͤcliche Zeitver⸗ 
haͤltniſſe Vieles von ihrem alten lange verloren hatte, Die in feiner Ju—⸗ 
gend er! Tugendlehten hatten auf fein zartes Gemüth einen fo lebhaften 
Ein! gemacht, daß er, fie niemals vergeffend, ſchon in feinem 15. Jahre voll: 
fommen von ber Welt fi) losriß und in den Orden des Heil, Dominicus trat, 
Int diefem neuen Stande ftrebte er mit jedem Tage nach höherer Volltommenheit. 
Seine Beſcheidenheit, Demuth u. Unterwürfigfeit, verbunden mit feiner Liebe zum 
Gebete, zum Faftın u. Wachen, erhoben ihn bald zum Mufter ber ganzen Ge— 
nofſenſchaft. Als er nach zurüdgelegten Prufungsjahren zum Priefter geweiht 
worden, üübertrugen ihm feine Obern das Lehramt der Bhilofophie und Theo— 
logie, welchem er auch ſechzehn Jahre lange mit bdem_ fegenvollften Gebeihen 
vorftand. So oft man ihn zum Vorftcher erwählte, fuchte er durch Bitten 
und Thränen die Erhebung von ſich abzuwenden; mußte er aber aus 
Gehorfam einwilligen, fo fuchte er mehr durch Beilpiele, als burch 
Befehle feine Mitbrüder zur Erfüllung ihrer Standespflichten anzuregen. 1556 
ernannte ihn Paul IV. weiber feinen Willen zum Biſchofe von Nepi und Eutri 
im Kirchenſtaaie; im folgenden Jahre wurde er zur Gardinalswürbe erhoben, 
unter dem Titel: Zur heil. Maria über der Minerva; allein er 
gab fih von der Etadt Alcrandrien in der Lombardei, bie nicht weit von feinem 
Geburtsorte entfernt lag, den Namen Carbdinal von Alerandrien. Diefe Würben 
verbreiteten neuen Glanz über feine Tugenden, ohne bie minbefte Veränderung 
in feinen bisher gewohnten Andachtsübungen hervorzubringen. P. IV. verfegte 
den Gardinal von Merandrien auf den bilhöfliden Sig Mondovi in Piemont, 
da ihm Niemand tüchtiger ſchien, einer durch die Kriegeverheerungen verwilberten 
Diözefe vorzuftchen. Der Heilige eilte mit zärtlider Sorgfalt zu der ihm anver⸗ 
trauten Heerde. Seine Arbeiten und Beijpiele waren auch von folder Wirkſam— 
feit, daß er, überall Frieden u. Ginigfeit herftellend, feine Kirche wieder zu ihrem 
alten Glanze erhob. In Rom nahm er fpäter an allen Greigniffen Theil, bie 
damals bie Kirche bewegten, und ſcheute ſich nicht, mit aller Macht die Aufrecht: 
haltung ber geiftlichen Zucht zu unterflügen. So ließ er fih auf feine Weile 
feine Zuftimmung abbringen, als ber Papft den bdreizehnjäßrigen Ferdinand von 
Mebicis im heiligen Collegio ber Eardinäle aufnehmen wollte, denn ex war iher- 


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zeugt, daß bie Infignien dieſer Würbe nicht zu einem Epielwerfe De gt 
werden dürften; er wid nicht und das ganze Eonfiftorium zollte ihm Beifa 
Eben fo feft zeigte er fih in ber Gölibatfacıe. Kaiſer Marimilian II. Hatte dem 
Papfte fchriftlich die Bitte an's Herz gelegt, bie Briefterehe zu erlauben, indem 
dies das befte Mittel feyn bürfte, die Seftirer wieder zur Kirche zu führen. Alle 
Cardinaͤle, der Heilige an der Spige, erklärten aber, daß Nichts an den alten 
Zuchtgefegen geändert werben dürfte Nah P. IV. Tode fiel die Wahl der Ears 
dinaͤle, nicht oßne thätigen Einfluß des heil. Karl, dem fein Eifer u. feine hohen 
Fähigkeiten wohl befannt waren, auf ihn. Gleich im erften Jahre feines Papſt⸗ 
thums machte P. V. viele heilfame Verfügungen, übte aber auch eine Strenge 
aus, welche nur in’ feinem eigenen geregelten Wanbel ihre Erklärung findet. Den 
Geiſtlichen flößte er befonders Liebe zur Befcheidenheit und zu den Wiflenfchaften 
ein, verbot ihnen das Tragen feidener Kleider, ermahnte fie, bie heil. Väter zu 
ſtudiren, und ließ in feinem Palaſte wöchentlich dreimal theologische Vorlefungen 
halten. Ungemeinen Widerftand fand er wegen ber Nachtmahls⸗Bulle 
(ſ. d.), welche er befolgt wiffen wollte Ale feine Anverwandten entfernte er 
von Rom. Nur zwei Neffen durften bleiben, wovon er einen zum Garbinale 
machte. Er ſtellte die Caraffa's wicber in ihren vorigen Etand; auch ließ er 
ben roͤmiſchen Katechismus herausgeben. Der Sieg, welchen⸗-die chriſtliche Flotte 
duch den Eifer des Papſtes, welcher bie Ausgaben beftritt, öffentliche Gebete, 
Gaften und andere gute Werfe anordnete, die Befehle eriheilte, unter Anführung 
des Don Juan von Oeſterreich gegen die Türken in bem levantiichen Meerbufen 
davon trug, war fehr wichtig. “Die Türken verloren gegen 30,000 Wann; man 
machte 3,500 Gefangene, worunter vornehme Offiziere waren, 130 Schiffe wur; 
den erobert und 15,000 Chriften in Freiheit geſetzt. Die Beute war fehr groß. 
Aus Dankbarkeit für biefen glorreihen Sieg fette B. V. das Roſenkranzfeſt, 
enannt Maria vom Eiege, ein. — Gegen die Königin Elifabsth von England 
lieg B. V. eine Bulle ergehen, welche nur das Uebel ärger machte. Die Königin 
ließ wider die Katholiken neue Gelege ergehen, zog bie ®üter derjenigen ein, 
welche aus Liebe zur Tatholifchen Religion England verlaffen hatten und erflärte 
die Priefter als Majeflätöverbrecdher, welche in bas Königreich zurüdfehren wuͤr⸗ 
den, um bie Katholiken in ihrer Religion zu unterflüben. Was ber graufamen 
Eliſabeth felbft bei ihren Glaubensgenoſſen noch befonders fortdauernde Schande 
macht, iſt bie fchmähliche Behandlung und Berurtheilung der Maria Stuart 
(. d.). Die ganze Kraft feines Bontififats ſetzte P. an die Durdführung ber 
Tridentinifchen Beftimmungen. Durch ihn erfchien dee römifche Stuhl wieder in 
jener Erhabenheit, vor der fi die Kürften und Bölfer nebeugt. “Die vielbefpro: 
chene Reform bes päpftlichen Hofes führte B. durch. „Wer regieren wolle, fagte 
er, muͤſſe mit ſich felber anfangen.” Daher waren feine Ausgaben beichräntt, 
wie er denn für fich felbft Außerft wenig beburfte. Seine Diener, die ihm, wie 
er glaubte, ohne Hoffnung auf Kohn, blos aus Liebe treu geblieben, verforgte er 
anftändig , aber feine Auverwandten hielt er ſtrenge — fle follten nicht über ben 
Mittelland Hinaus. Um tunftigen Mißbraͤuchen vorzubeugen, verbot er durch 
eine Bulle jede Belehnung mit irgend einer Beſetzung der roͤmiſchen Kirche und 
erklaͤrte die im Voraus in Bann, die dazu rathen würden. Er hielt ſtrenge auf 
Refidenz der Bifchöfe, gebot den Pfarren, treu in ihren Kirchen auszuharren 
und widerrief bie darüber ertheilten Dispenfationen. Bit der größten Wachſam⸗ 
feit und Thaͤtigkeit verfuhr umter ihm bie Inquiſition. In allen diefen zur Re- 
form führenden Schritten fah P. ſich durch den Heil. Karl Borromäus thätigft 
eförbert.” Er ftarb den 1. Mai 1572, nachdem er ber Kirche etwas über feche 
Sahıe vorgeftanden hatte. Clemens X. fprach ihn 1672 fellg und Clemens XI. 
feste ihn 1712 unter die Zahl bee Heiligen; ber Tag feines kirchlichen Gedaͤcht⸗ 
— — der aa. rr 6) De VL, —5 —X& Angelo — 
e Braschi, geboren zu Ceſena 27. er war e 
—* den geiſtlichen Stand und machte feine Studien zu Rom. Schoͤne 


Pins, - 2367 

Geſtalt u. treffliche Erſiehung Tegten bei ihm ben Grund zu jener Milde u. Ernft, bie 
er fpäter zeigte. 19 Fahre alt, wird er Doctor der Rechte, ging 1740: mit feis 
nem Obeime Karl Bondi und bem Garbinalbifhofe Ruffo nah Rom, wo er 
son 1745 Auditor der pänftlihen Kanzlei u. 1753 Geheimfchreiber Benebitt’s XIV. 
ward. Unter Glemens XIM. auf der Partei ber Carbinäle Rezjonico u. Eolonna, 
hielt er 1766 das Schagmeifteramt, vermochte aber den ganz zerrüttelen Finanz 
zen durch Betriebfamfeit und Orbnungsliebe nicht aufzuhelfen; er fanf in bem 
Zutrauen des Voiles in ber langen Thewerung, warb daher von Clemens XIV, 
zue Abtei Rubiaco verfept und Gardinal. Als er am 14. Februar 1775 zum 
Bapfte ausgerufen tward, warf er ſich auf Die Knie und. verrichtete ein fo ruͤhren⸗ 
des Gebet, baß alle Anweſenden in Thränen ausbrachen; bann wandte er fi 
an die Gardinäle und fprab: „Ehrwürdige Väter! Eure Berfammlung: ift nun 
vendet, aber wie unglücklich ift ber Erfolg davon für mich ausgefallen!” — 

fm das Volk, welches mit feiner Wahl nicht ſehr zufrieden war, ſich geneigt zu 
nahen, tbeilte P. VI. Geld aus, erhob die reblichften und äumften Prälaten zw 
geiklichen Aemtern und Mürben, bewies aber auch Strenge gegen ‚fahrläßige 
Beamte, verfagte Niemand den Zutritt zu fich und zog — überflüßige Penftos 
sen ein, was Alles ihm bie Liebe des Volkes gewann. Sein Stand wurde aber 
auf der andern Seite bald fehr erſchwert. Man verlangte von ihm die Frei⸗ 
laſſung bes Jefuiten-Generald Ricci und Anderer, welche auf ber Engelöburg 
fen. Gott rettete ihm aus biefer Verlegenheit durch den Tod Rieci's. Spanien 
verlangte, P. VI. möchte ben feligen Johann PBalafor (f. d.) Heilig ſprechen. 
Der von Clemens XIV, ſchon angefangene Heiligfpredungsprogeß wurbe baher 
afeig fortgefegt, allein der Papft erflärte: daß Balafor einftweilen bei bem 
Range ber Seligen belaffen werben müffe, weil der Widerſacher die Rechtgläus 
tigkeit bes Bifchofes in Zweifel gezogen Hätte. — dieſe Erklärung zog ſich 
P. VI. das Mißtrauen des ſpaniſchen Hofes zu, — Die Jeſuiten im preuͤßlſchen 
Volen und Schlefien blieben in ihrer Verfaſſung, weil in dieſen Ländern die Aufs 
hebung-Bulle nicht war verfündiget worden. V. VI. fah fih bewogen, um beren 
Verfündigung anzuftchen, erhielt aber vom Könige Friedrich I. zur Antwort: 
„Man habe ihn bei Aufhebung des Ordens nicht zu Rathe gezogen; er jehe bie 
Aufhebung als nicht geſchehen an und belaffe die Jefuiten in feinen Etaaten auf 
dem alten Buße." BP. VI. wollte zwar nachgeben, allein von Epanien und Porz 
tugal gedrängt, trug er darauf an: daß im Preußen die Jefuiten ihr Ordenskleid 
ablegen, nicht mehr predigen u. feine Saframente mehr austheilen follten. Fried⸗ 
rich willigte barein, ließ aber die Jefuiten in ihren Collegien beifammen wohnen 
und fie mußten die Schulen behalten, weil dem Könige daran lag, daß feine ka— 
tholiſchen Unterthanen cine weile u. gleihförmige Erziehung erhielten. Auch im 
tuſſiſchen Polen, zu Mohilow und Polozf, blieben die Jefuiten; ja die Kaiferin 
Katharina Il. erzwang es fogar, daß P. VI. Mohilew zum Erzbisthume erhob, 
— Iofeph Il. machte dem Herzen des bedrohten Papſtes nicht wenig Kummer. 
Der Kaifer hatte, fon durch feine Erzicher, den Abbe de Terma, dahin geleitet, 
eine ganz unkirchliche Richtung genommen, in der ihn Janfeniften und ſ. g. Phi— 
loſophen zu beftärfen wetteiferten. Ihm erfchien die Kirche ald dem Staate 
gänzli untergeordnet und nur zur Vefriedigung bes religiöfen Gefühle gewifler 
Glaffen feiner Unterthanen beftimmt. Daher fuchte er in feinen Landen die ka— 
tboliſche Kirche als felbfifländige Corporation zu vernichten, und da ihm bier ber 
Glaube und das Gewiſſen des Klerus und Bolfes entgegentrat, durch eine mo— 
terne Bildung in General-Seminarien fi) den jungen Klerus zum willfährigen 
Drgane zu machen. eine vielen kirchlichen Verordnungen, die nicht felten bie 
ins Kleinlichſte gingen, waren weder durch die geiftigen, noch materiellen Bebürfniffe 
feines Bolfes hervorgerufen und tragen, mit wenigen Ausnahmen, ben Etempel 
ſummariſcher Willkühr. Von 2000 Klöftern blieben faum 700 und diefen wurde 
ber Vekehr mit auswärtigen Obern verboten; Wallfahrten, Prozeſſionen, ber 
Rekurs nah Rom In Ehefachen, den Eid wegen ber unbefletten Empiingnig der 


268 Bind. 


h. Jungfrau, u. Gott weiß, was fonft noch, unterfagte ber Kaifer mit fonberbarem 
Ernfte — die katholiſche Kirche Defterreiche follte von Rom getrennt werben, 
Alles am Ende einem Hoffirchenrathe untergeben werben. Berhandlungen von 
Seite des Bapftes führten zu feinem Ziele. PB. VI entſchloß fih nun, felbfi 
nah Wien zu reifen. Am 26. Februar 1782 um Mitternacht ging er zu den 
Gräbern der Heiligen Apoftel Petrus und Paulus, betete um ihren Beiftand und 
las eine Heilige Meſſe; am folgenden Tage trat er bie Reife an, auf welcher 
überall große Schanren frommer Seelen fih an feinen Wagen drängten, um we: 
nigftens feine Kleider zu berühren; bie Wachen wollten dieſes ar ber 
Bapft fagte ifnen aber: „Laſſet die Kleinen zu mir fommen und wehret es ihnen 
nicht." Kaiſer Joſeph, begleitet von feinem Bruder Marimiltan (nachher Kur⸗ 
fürft von Köln und Deutfchmeifter), fuhr dem PBapfte vier Pofts Stationen von 
Wien, bis Reufirchen, entgegen. Sobald fie den päpftliden Wagen erblidten, 
Riegen fie aus, ber Papft gleichfalls, er gab beim Zufammentreffen dem Kaifer 
drei brüderliche Küffe. Am 22. März 1782 fuhr der Bapft im Wagen bes Kai⸗ 
ſers, an beflen rechter Seite, unter dem Donner der Kanonen, dem Geläute der 
Bloden, PBaradirung ber Garniſon, und dem Gebränge einer ungeheuern Bolfs- 
Menge in bie falteefiche Burg ein. Der Kalfer behandelte feinen hohen Gaſt 
mit aller zuvorfommenden Höflichkeit, wi aber dem Hauptztele der Gegenwart 
beffelben in den Unterhandlungen aus, u. verwies bie Gefchäftsfachen an feinen 
Staats-Kanzler, den Fuͤrſten Kaunitz, einen flarrn Dann, welcher, gleich ge- 
frönten Häuptern, ed unterließ, bie vom Dapfie dargereichte Hand zu kuͤſſen. 
Zur Rüdrelfe ließ der Kaiſer dem Papfte einen fchönen u. bequemen Reiſewagen 
machen und fchenkte ihm ein mit Diamanten befettes Kreuz, gegen 200,000 Gul⸗ 
den werth. P. VI. nahm es an mit ber Aeußerung: „Ich Iche dieſes Geſchenk 
nicht als mein perſoͤnliches Eigenthum an, ſondern es ſoll bei dem heil. Stuhle 
bleiben, damit es meine Nachfolger, bei großen Feierlichkeiten, als Unterpfand des 
kaiſerlichen Wohlwollens tragen Fönnen.” Der Abſchied war rührend, und alle 
Umftehenden brachen in Thränen aus. Auf ber Rüdreife kam P. VL auch nad 
Augsburg, wo er von einer Deputation Tatholifcher und proteftantifcher Raths⸗ 
bern empfangen wurbe und 3 Sage verweilte In einem zu Rom gehaltenen 
Eonfiftorium pries ber Papft die erhabenen Eigenfchaften bes Kaiſers und be; 
merkte: daß er fich in feinem Zutrauen zu ihm nicht betrogen babe; mandye 
Punkte hätte er von der Billigkeit befielben ſchon erhalten u. er hoffe noch mehre 
In erhalten; indefien gelang es ihm doch nicht, den Kaifer, ber im Jahre 1783 
hn mit einem Bejuche zu Rom überrafchte, und Manches von feinen Korberungen 
nachgab, ganz nady feinem Sinne umzuwenden. — Ein fehr großer Berdruß wurbe dem 
Bapfte im Großherzogthume Toskana bereitet. Auch Leopold, Joſephs Bruder, 
wollte reformiren, body nicht fo flürmifch, wie biefer. Leopold wollte bei feinen 
Reformen fein Gewiſſen unbeſchwert erhalten, u. fah fih um einen Wann um, 
der ihn berathen, und ihm bie Graͤnzen bezeichnen koͤnnte, über welche er nidht 
inausgehen dürfte Zum Unglüd fiel feine Wahl auf Ricci, ben Biſchof von 
iſtoja, der gallifanifche Prinzipien mit ſich Herumtrug u. ihnen auf der Synode 
zu Piftoja öffentlichen Ausdrud und Anerkennung zu verſchaffen fuchte (1785). 
Erft 1794 verdammte PB. VL in ber Bulle „auctorem fidei, bie weit vers 
breiteten u. vielfachen Anklang findenden Aften dieſer Synode. Aehnliche Res 
formen, refpeftive Bebrüdungen bes kirchlichen Lebens, nahmen bie Republik 
Benedig und ber Minifter des Könige von Neapel, Tannucd, vor. — m 
Deutichland war burdy jene, das Anfehen bes roͤmiſchen Stuhles fehr verlehenbe 
Schrift des Febronius (ſ. Hontheim), fo wie durch bie Reformen Joſephé II. 
u. A. ein Geiſt bes Widerfpruches u. der Ungebundenheit herrſchend geworben, 
wie ihn die beutfche Kirche feit ben großen Synoben bes 15. Jahrhunderts nicht ges 
fehen hatte. Die päpftlichen Runtiaturen u. das Moͤnchthum wurden zuerfi ans 
# riffen u. reelle katholiſche Schriftfteller, felbft ner glaubten nur noch vom 
ipe ber Rüplichkelt aus jene Inſtitute halten zu innen. Mit ber Entfernung 


| Dana r 


Pins. 268 


ber Nuntien hatten bie 3 geiſtlichen Kurfürſten u. der Erzbiſchof von Salzbu 
zugleich die Gonftituirung einer deutſchen Nationaltirche in Petio. Auf dem Con 
us zu Ems (f. d.) wurden bie Präliminarien entworfen, die im Ge auf 
bejchränftheit ber bifchöflihen Amtsgewalt, mit Aufhebung der hierauf begüge 
lichen päpftlichen Rechte abzielten. Doch näherten ſich die Erzbiſchoͤfe bald wieder 
dem römifchen Stuhle u. bie hereinbrechende Revolution machte den ferneren Bes 
fx ven ber Art ein Ende, — Clemens XIV. Hatte für das Jahr 1775 das 
all; ine Jubiläum ſchon ausgeſchrieben, konnte aber bie Heilige Pforte nicht 
mehr eröffnen, dieſes blieb feinem Nachfolger P. VI, vorbehalten, Wie groß der 
Eifer — dieſes Jubiläum zu gewinnen, bezeugt P. VI. in ber Erlenſions⸗ 
Bulle des ilaums vom 25. Dezember 1775 auf bie ganze Fatholiiche Ehriftens 
beit. — In Schweben beftanben u. beftehen noch ſeht harte Geſehe für die wenigen 
Katholiken, welche fih in dieſem Lande befinden. 1781 hatte Guftav Ul. = 
Katholiken einige Vortheile gugeftanden, 1783 fam er feloft nad Rom, wohin er 
Ihon gefchrieben Hatte, daß bie in feinen Staaten wohnenden Katholiken fich ſtets 
kine® befonderen Schuges würden zu erfreuen haben. — Die in Rorbamerifa 
erſtreuten Fatholifchen Chriften wurden in Stand gefegt, ihre Religionsverfamms 
lungen ordentlich einzurichten u. begehrten mit Bewilligung bed Eongteffes 1789 
von P. VI. einen Bifchof, u. trugen ihm das Ernennungsrecht für immer an, 
B. VI. überließ den Katholiken für das Erftemal die Sorge, ſich einen Bifchof 
m wählen u, behielt fich vor, benfelben zu beftätigen. Der bifhöflihe Sig Fam 
nad Baltimore u. der Biſchof ift päpftlicher Legat. Schon unter P. VII wurde 
«8 nothwendig, die bifhöflihen Sige in Nordamerika zu vermehren u. Baltimore 
u einem Exzbisthume zu echeben, weil die Zahl der Katholifen Augen unahm. 
Auch mit Neapel wurben 1791 die Differenzen bei Gelegenheit der perjönlichen 
Anmwefenheit des Föniglichen Ehepaares zu Rom in ber Ehanvoche zur Zufrieden 
heit ausgeglichen, — Als Landesregent verewigte P. feinen Namen buch ein ſehr 
wichtiges Unternehmen. Bisher waren alle Verſuche, die ſo gefährlichen por 
nifhen Sümpfe auszutrodnen, mißlungen; allein dieß fchredte ben unternehmens 
den Geift eines P. nicht ab. — Aus den bisherigen Mittheilungen geht hervor, daß 
P. zwar manden Troft u. manche Freude genoſſen; allein das, was wir von nun 
an zu erwähnen haben, beweist ung auch, wie richtig er vorausgefagt hatte: das 
Reſultat der Papftwahl fei für ihn fehr unglücklich ausgefallen, Unter feinem Pon: 
tiffate brach befanntlich die franzöfifhe Revolution aus, zu welcher der Zündfloff 
bereits feit einem halben Jahrhunderte aufgehäuft war. ir übergehen, als nicht 
bieher gehörig, den Verlauf ber Ereignijje bis zu dem Punkte, wo ber Klerus 
ich dem Anfchluffe an ben dritten Stand nicht mehr entziehen fonnte. In der 
Abendfigung ber Nationalverfammlung vom 14. Auguft 1789 überboten fi Adel 
und Klerus in Opfern, bie fie der Nation brachten; der Bifhof von Nancy 
beantragte die Ablöfung der Feudallaſten vom kirchlichen Beſitzthume und die Be 
ftimmung des Ertrages zur Unterftügung der Armen; die Pfarrer gaben ihre 
Accidienjen auf. In ben fpäteren Sitzungen proponirte Villiers die unentgeltliche 
Aufhebung des geiftliyen und weltlichen Zehenten ıc. Mirabeau wollte den 
Klerus vom Staate falarirt wiffen, Lieges vertheidigte den geiftlihen Zchenten: 
„fie wollen frei ſeyn, fagte er, u. verftehen nicht gerecht zu ſeyn.“ Da mehre 
Pfarrer darauf verzichteten, — war die Sache bald entfhicden: der Klerus er 
bielt feine Entfädigung u. doch betrug ber Zehent über ein Drittel feines Ein: 
tommens. Am 10. Dftober ftellte noch Talleyrand den Vorſchlag: die Güter des 
Klerus als Eigenthum ber Nation zu betrachten; Mirabeau hatte diefe Motion am 
12. Dftober weiter durchgeführt, u. das Einkommen der Pfarrer auf mindeftens 
1200 Er. feftgefept haben wollen; ungeachtet ber Einreden von Lieges, Meury 
u. A. wurden am 2. November bie Güter des Klerus als Eigenthum der Nation 
erflärt u. ber Befhluß vom Könige (4. November) beflätigt. Seit 1. Juni 1790 
arbeitete fih die Nativnalverfammlung in ihren Sitzungen mit Abfaffung ber 
Givilconfitution bes Klerus ab; für jedes Departement follte ein Biertum — 


70 Pius. 


2 
Ir alle Bisthümer 10 Erzbisthümer errichtet werden; die Wahl ber Geiftlichen 
oll dem Volke überlafien u. diefe zum Eide der Treue gegen Nation, Geſet u. 
König verpflichtet werden. Die Bifchöfe proteftirten umjonft Dagegen: bas Bolt 
warb in feandalöfen Schriften gegen den Klerus aufgeregt, dem Könige die Bes 
flätigung des Beſchluſſes abgenoͤthigt. Am 3. Januar 1791 machte Lameth ben 
Antrag, die noch unbeeidigten Geiftlichen bei DBerluft ihres Amtes zum Eide zu 
zwingen. Die Bemerkungen, zu deren Aeußerung ſich mehre Geiſtliche in ihrem 
Gewiſſen verpflichtet fühlten, wurden von dem Pöbel mit dem Gefchrei: „an bie 
Laterne” übertäubt. Bon 131 Bifchöfen leifteten nur 4 den Eid, von dem übri- 
en Klerus lehnten über 50,000 den Eid ab. Der Papſt verbammte durch bie 
ulle „caritas* die bürgerliche Conftitution des Klerus u. verbot den Geiftlichen 
bie Reiftung bed Eides ausdrädlich. Als fpäter zwiſchen den Franzoſen u. anderen 
Mächten ber Krieg ausbrach, rüftete auch ber PBapft ein Heer zum Schuhe bes 
Kirchenſtaates. Nach den Siegen Bonaparte's in Oberitalien griffen Die Franzoſen 
auch den Kirchenſtaat wegen dieſer Rüflung an u. PB. mußte .mit.Berluft von 
Ländergebieten u, Bezahlung von 21 Millionen Livres burch den fpanifchen Ge⸗ 
fandten Azara einen Waffenftilftand ſchließen laſſen (1796). Als Bonaparte nun 
aber fogleih das Anfinnen ſtellte, alle gegen Frankreich erlafienen Dekrete aufzu- 
heben u. P. dieß verweigerte, erklärte jener den Waffenſtillſtand für aufgehoben 
(1. Februar 1797) u. zwang alsbald ben Papft zum Frieden von Tolentino 
(19. Februar 1797); außer ber Berzichtleiftung ber päpftlichen Beligungen in 
Frankreich und ber Abtretung der Legationen Bologna, Yerrara und Romagna 
mußten noch 30 Millionen Francs bezahlt, eine große Anzahl Manuſcripte und 
Kunſtwerke ausgeliefert werben. Dabei erklärte der Eroberer: „er habe ganz 
Europa ein Beifpiel von der Mäßigung bed Direktoriums gegeben." Als in Rom 
bei einem Auflaufe der franzoͤſiſche General Duphot getödtet warb, fchidte Frank⸗ 
reich Berthier in den Kirchenſtaat, weldder Rom als Republif proflamirte 
(1798), Nun wiederholten. fidy auch fogleih die Scenen von Paris. Die be 
mofcatifche Partei, gehoben von alten u. neyeren Erinnerungen, ſchmeichelte dem 
General Berthier auf eine niedere Weiſe, verhöhnte dagegen ben unglüdlicyen 
unterbrüdten PB. Am Eingange ber Engelsbrüde errichteten fie eine Statue ber 
Böttin der Freiheit, welche die Tiara u. andere Symbole der Religion mit Füßen 
trat. Ueber dem Borbange des Theaters Alberti malten fie alle Symbole ber 
päpftlichden Würde, wie fie Thiere und Menfchen mit Koth befchmusten u. f. w., 
ja man emtblöbete fi nicht, bei ben ſataniſchen Orgien ſich aus ben Heiligen 
Gefäßen zu berauſchen. Um fo mehr erichien bie Anweienheit bes Oberhauptes 
ber Kirche für ben beſſern Theil bes römifchen Volkes: nothwendig. Als er darum 
weber bie Flucht ergreifen, noch auch dem SKirchenftaate entiagem wollte, wurde 
er, ein 80 jaͤhriger Greis, um nicht ber Unzufriedenheit bes Volkes einen Ans 
fnüpfungspunft zu einer &egenrevolution zu geben, zuaft nad Siena u. dann 
in das Karthäuferfiofter nach Florenz gebracht. Die rührenden Beweiſe von 
Mitleid u. Theilnahme, die man dem Bapfte bier bezeugte, erregten ben Unwillen 
ber Philoſophen u. die politifche Aengftlichkeit ber “Direktoren; man wollte ihn 
baber nady Spanien ober Sardinien verfepen. Als aber ber Krieg wieder aus⸗ 
brach, führte man ihn, ohne Rüdficht auf fein Hohes Alter, nach Balence im füd- 
lichen Frankreich. Aber auch hier follte er nicht bleiben, weil es bie Gewalthaber 
beunrußigte, daß “Durchreifenbe fich zuweilen beim Papſte vorführen ließen u. um 
feinen Segen baten. Da entzog ihn aber ein janfter Tob ferneren Qualen 
(29. Auguft 1799). Der bürftige Reft feiner Habe, der nur als Erinnerungs⸗ 
zeichen Werth hatte, wurde den Dienern, die ihm in's Unglüd gefolgt waren, 
genommen u, ale Franzöfifhes Nationaleigenthum verkauft, Selb den 
eihnam wagte man nicht zu beerdigen, in Erwartung höherer Befehle; fo eng: 
herzig machte die vom Bolfsmagiftrate errichtete Herrfdhaft, die man Freih 
nannte, Erſt durch ein confulariiches Dekret Bonaparte8 (30. Dezember 1799) 
Sonnte ber Bater ber Ehriftenheit mehre Monate nad feinem Tode eine Grab» 


Pius. ar 


ſtaͤtte erhalten. Nach mehren Jahren wurden feine flerblichen Ueberreſte unter 
wehmüthiger Freude nah Rom gebracht u. in ber Bafllifa des heil, Petrus bei⸗ 
gie 117. Bebruar 1802). — 7) BP. VI. Oregorius Barnabas Graf 

hiaramonti, geboren zu Gefena 14. Auguft 1740, trat, 16 Jahre alt, in 
ben Benebiftinerorden u, ftudirte in bem Kloſter bes hi. Paulus zu Rom Philos 
fophie, ——— u. kanoniſches Recht. Hierauf lehrte er zu Parma Philoſophie, 
zu Kom Theologie u. belleidete verſchiedene Aemter feines Ordens. P. VI. machte 
tön 1782 zum Bifchofe von Tivoli, verfegte ihn dann im Jahre 1785 auf bas 
Bisthum von Imola u. erhob ihm zur Würde eines Cardinals. Bonaparte wurde 
von ben vortrefflichen Eigenſchafien des Biſchofs von Imola jo gerührt, daß er 
auf feine Fürbitte eg —— — begnadigte, als er im Jahre 1796 
ben Kirchenſtaat mit feinen eren uͤberſchwemmie, und fah, wie der würbige 
Bifchof den größten Theil der Brandfhagung felbft bezahlte und dadurch feine 
Diözefanen gegen weitere Ungemache rettete. Da Rom bei dem Tode P. VI. 
noch in der Gewalt der Franzoſen war, verfammelten fi im März 1800—35 
von verſchiedenen Seiten, theild aus ber Befomgenfgaft, theild aus dem Eril her⸗ 
beigeeilte Garbinäle in dem Klofter San Giorgio Maggiore zu — u. waͤhl⸗ 
ten ben Cardinal Chiaramonti — Bapfte, der num ben Namen P. annahm. 
Bernichtet ward fomit bie höhnifch verkündete Weiſſagung der Pariſer Clubbs u. 
der Proteftanten aller Länder, daß nah P. VI. fein Papft mehr ben Stuhl ae 
tri befteigen werde, aber damit zugleich auch ein großer Sieg ber katholiſchen 
Kirche gefeiert. Der deutſche Kaifer Franz IL, der dem Papfte in feinen Staas 
tem eim freies und chrenvolles Afyl gab, ernannte ben Marchefe Ghislierl von 
Bologna zu feinem bevollmächtigten Minifter beim HL. Vater. Auch die Geſchaͤfto⸗ 
träger von Sardinien und Neapel und ber Patriarch von Antiochia, im Namen 
des Königs von Spanien, brachten ihm fogleich Glüdwünfche und bigungen 
für ifre Souveraine. Selbft Paul I, von Rußland ſchickte einen Biſchof nah 
Benedig, ber ben Papft des Schuges ber durch bie —— Polens ihm (1794) 
zugefillenen katholiſchen Lande verfichern ſollte. Auch in Rom hoffte man bie 
Wiederberftellung ber weltlichen Herrſchaft des Papftes, die feit dem 15. Februar 
1798 duch ſchmahliche Ufurpation aufgehört hatte, und brachte ihm darum bie 
Huldigung in Venedig. P. VI war aud) fo glücklich, zufolge des Schuges ber 
verbündeten Mächte, beſonders Defterrcich6, bald nah Rom zurüdfehren zu fünnen 
(4. Juli), wo er mit lautem Jubel begrüßt wurde. Sein erſtes Geſchäft war, 
daß er fih in die Kathedrale zur Anbetung des Hl. Saframentes begab. Sogleich 
war er barauf bedacht, die von der Revolution gefhlagenen Wunden zu_heilen. 
In vinem Encyclicum hatte er bie zwedmäßigften Mittel angegeben, den Schaben 
zu heilen, den die kathoͤliſche Kirche erlitten hatte. Die päpftlihe Regierung in 
Ancona und Perugia wurde twieder hergeftellt, ber Getreidehandel frei gegeben. 
Gonfalvi ward zum Protofefretär des Staats ernannt. Um bie 50 Millionen 
Schulden zu bezahlen, gab P. das Beiſpiel der Sparfamfeit und fepte die Ein— 
fünfte des päpftlichen Palaſtes von 150,000 Ecudi auf 36,000 herab, gab Ger 
jege zur Wicderherftellung der guten Sitten und verfünbete mit ber Einführung 
der früheren Regierung eine Amneftie, die nur bie Anftifter ber Rebellion aus- 
ſchloß. Durch die Shlaht von Marengo (14. Juni 1800) war aber das ganze 
nörblihe Italien den Frauzoſen zugefallen, worauf es zum Frieden von Luͤne— 
ville (9. Febr. 1801) Fam, wornach die Etſch als Gränge ber öfterreichiichen Staaten 
in Italien bezeichnet und imArtifel 12 die cigalpiniiche Republif anerfannt ward. 
Co mußte die päpftlihe Regierung auf die Legatienen von Bologna, Ferrara, 
Forli u. Ravenna verzichten. Nach diefem Frieden ließ fih der ‘Bapft die Wieder 
verföhnung des apoftelifhen Stuhles mit Frankreich vorzüglih angelegen ſeyn 
u. bitte fon früher ausgeſprochen: es könnte ihm nichts Angenehmeres wieder 
fahren, als für jenes Volk fein Leben hinzugeben, wenn er mit feinem Tode defs 
jen Heil erfaufen fönnte. Auch Bonaparte, ber erfte Conful (ſ. 15. Dez. 1799), 
wuͤnſchte biefe Ausföhnung, aber mehr aus Politik, denn er {ah wohl, day ter 


272 Pins. 


Glaubenshaß der Jakobiner nicht die Geſinnung ber Vollsmaſſen ſei. Es kam, 
nach Beſeitigung mannigfacher Schwierigkeiten, wobei ber Bapft in feiner Stel⸗ 
lung die —5 — Nachgiebigkeit beurkundet hatte, bereits im Juli zum Abſchluſſe 
eines Concordats mit Frankreich. In demſelben Jahre noch beftätigte SP. bie 
Fortdauer ber Jefuiten in Rußland, erlangte die Reftauration in Sicilien, bemühte 
fih aber vergeblih um ihre Ruͤckkehr nach Frankreich als Bäter des Glaubens, 
fowie ihm auch bie Wieberherfiellung bes Malteſerordens nicht gelang. Weife 
Sparfamteit, ernftes Zurüdfordbeen ber Kirchengüter, Beförderung bes Handels 
durch Aufhebung dee Monopole und Zölle, durch neue Nachgrabungen, woburd) 
er ben Armen im Volke Beichäftigung gewährte, bezeichneten feine Regierung im 
Sinnern, während Concorbate, wie das mit Frankreich, mit ben italienifchen und 
liguriſchen Republifen, feinen Einfluß auf das Kirchenwefen biefer Länder ſicher⸗ 
ten, Indeſſen hatte Bonaparte, nicht zufrieden mit dem Iebenslänglichen Conſu⸗ 
late, es dahin zu bringen gewußt, daß man ihn um bie Annahme ber erblichen Kaiſer⸗ 
würbe über Sranfreich bat. Um bie Sache recht feierlich zu machen, mußte P. VII. die bes 
ſchwerliche Reife nah Paris machen, wurde aber glei Anfangs Kalt behanbelt. 
Am Krönungstage — den 2. Dez. 1804 — mußte ber Papſt in der Kirche auf 
ben neuen Kaifer eine Stunde warten, um ihn, ber fich ſelbſt die Krone aufſetzte, 
leichwohl falben zu dürfen. Defto mehr Beweife von Tregebenpei und Ehrfurcht 

atte ber Papft von bem franzoͤſiſchen Volke, fowohl auf der Reife, als in Paris 
erhalten. Die Krone auf dem Haupte, behandelte Rapoleon PB. VII. zu Paris 
gleihfam als einen Gefangenen, ber nicht eher nach Rom zuruͤckkehren burfte, ale 
bis es ihm erlaubt wurde. An ben Bapft, der von biefer Zeit fo manche Bebräng- 
niffe gebuldig ertrug, ging vom Kaifer der Antrag, ein Schutz⸗ u. Trug-Bünd- 
niß mit Frankreich einzugehen, in Folge befien alle dem Kaifer mißfälligen Ge⸗ 
fandtfchaftsperfonen aus Rom entfernt und alle engliſchen Schiffe von ben Häfen 
bes Kirchenftaates ausgefhlofien werben follten ; im Weigerungsfalle warb mit 
Wegnahme der Mark Ancona gedroht. So in Allem getäufcht u. zu ber Ueber⸗ 
jeugung gelommen, bag Napoleon keineswegs Frieden mit ber Kirche haben, fon- 
dern in Allem nur ben Gelüften feines Ehrzeizes freöhnen wolle, kehrte B. im 
April 1805, nachdem feine beharrlichen Weigerungen, ben Kaifer in Mailand zum 
Könige von Stalten zu Frönen, die Spannung vermehrt Hatten, nach Rom zurüd. 
Nun folgte eine Fränfung nach ber andern: Durchmaͤrſche franzöflfcher Truppen, 
die Eroberung Neapels, die Reformen Joſeph's dort, die Drohungen Rapoleons 
regten feinen Widerſtand an, er verweigerte bie Anerkennung König Iofephs von 
Neapel, die Schließung feiner Häfen für bie Engländer, und franzöfifche Truppen 
befesten 1808 im Februar Rom und entwaffneten die päpftlichen; vergebens broßte 
er Napoleon am 27. März mit dem Banne. Urbino, Ancona, WMacerata u. Ca⸗ 
merino wurben, troß feiner PBroteflationen, dem Königreiche Stalien einverleibt u. 
bie zweite Drohung bes Papſtes mit dem Banne 3. April 1809 befchleunigte 
bie gänzliche Aufhebung des Kirchenſtaates am 17. Mai befielben Jahres. Im 
Folge zweier Bannbullen, welche ber Papſt am 10. u. 14. Juni gegen den Kai⸗ 
fer der Franzoſen erließ, wurde ee am 7. Juli von General Rabel feftgenommen 
u., als er bie Berzichtleiftung auf feine weltliche Herrſchaft beharrlich verweigerte, 
nah Savona abgeführt. Beharrlich ſchlug P. das Anerbieten von 2 Millionen 
Kranken jährlicher Einkünfte nebft einer fürſtlichen Hofhaltung aus, wieberfehte 
ſich entfchlofien allen Befchlüfien Rapoleons in Kirchenſachen u. verfagte allen 
von biefem ernannten Bifchöfen die kanoniſche Beſtaͤtigung. 1812 ward er nach 
Sontainebleau gebracht und ihm im Ianuar 1813 ein Vertrag abgenöthigt, in 
Folge beffen er dieſe Beflätigung ertheilen follte. Als aber Napoleon das nur erft 
im Eniwurfe vorhandene Concordat einfeitig befannt machen ließ, nahm P. bie 
gemachten Eonceflionen zurüd u. wurbe deßhalb in noch härterer Befangenihoft 
gehalten. Bald darauf erreichte aber ben Allgewaltigen bie gerechte Nemefis. 

er Papſt wurde nach Napoleons Sturze wieder freigelaffen u. zog am 24. Mai 
1814 unter ben Jauchzen ber Römer im Triumphe wieber in ber auptfabt ber 


Pins, 


ein, — ds Giomkuiee GiipEmaiE em f 
inlphanbe Haie, iR um eifelt eines Staathalters Cheiftt En 
—— ‚Mitglieder der. Familie Napoleon s in — en u. ſchubte 
üde' gegen ben Haß Derjenigen, welche, ſo lange fie glüdlich waren, 
ihre a Hatten Auf dem Wiener Eongrefie legte der Eardinal Con⸗ 
faloi eine —— ein gm bie ber römischen Kirche nachtheiligen Berfils 
u, beſonders Säcularifatton u. bie jung des beutfchen Reis 
ches, die aber, —— porausjufehen war, erfolglos blieb — Die, durch ber 
Lüneviller Frieden in elle ihren Grunbfeften wmgeftürzten, lirchlichen BVerhältniffe 
= Deuiſchland wieder Herzuftellen, war num eine ber erſten u. wichtigften Aufgas 
en des Kicchenoberhauptes. Um aber bie — neue 
5 — treten zu laſſen, fehlte 'e8 an dem guten Wilien berieni; J 
Fücften, welche —— hatten, bie Bisthumer und Domlapitel zu botiren. 
wichtige Belang enichaft des Papftes mußte dazu dienen, den verwaisten Zul 
der katholiſchen Ehriftenheit in Deutfchland noch; mehr zu verfchlimmern, En! “ 
nachdem: der Papft ſchon Lange wieder frei war, fhien man da w. bort am bie 
ſchen Unterthanen % denfen. Im Königreiche Württemberg forgte'man zu⸗ 
erft Merle biefelben durch —2— eines ‚Bepbiihofe: 4817. @ploß. ber sung 
vom euren ein Goncorbat mit. V. VI; es fand aber große Schwierigkeiten 
erft im Jahre 1824 Fonnten die neuen Erzbifchöfe und Bifböfe Bel ‚von * 
Stühlen nehmen. Dem Beiſpiele Bayerns ſchienen zwar Baden, Darmftadt, Kurs 
beiten, Naſſau, Oldenburg und Württemberg folgen zu wollen, allein man ſehle 
folche Bebingniffe, welche der nicht gehen; Inh flug ſolche Männer X 
— vor, welche der Papſft nicht annehmen — — ua, fam ii 
auch -ein Vertrag zu Stande und wurde ber Haup dh 1823 | —— 
—— ſo daß die Katholifche Kirche für die ir Nee bh 
Ga ‚eine ——— ——— * Sr Gmb —53* 
doch — latholiſche Kirche in iche, fo wie den meiften 
deutfchen Staaten, keineswegs im in N Mur Berttäge Au Genuße ihrer 
Religiongfreibeit. Mit Hannover ift war auch ein Concorbat abgefchlofien wor: 
dem, aber es dauerte lange, bis es vollzogen wurde. In den Niederlanden ift Die 
Kirche lange im Juftande des Druges und des Gewiſſenswanges geblieben. Es 
wurde wat enbli auch ben 18. Juni 1827 eine Eonvention eingegangen, \wo- 
nah Mecheln ein Erzbisthum, Lüttih, Namur, Tournay, Gent, Brügge, Am: 
flerbam und Herzogenbufh Bisthümer feyn follten; allein in ben brei lehigenann⸗ 
ten Etädten umterblieb die Belegung mit Bifchöfen und fie wurden nur durch 
apoftolifche Vikare verwaltet. Am 7. Auguft 1814 rief P. durch die Bulle_Pro- 
vida solersque ben Jefuitenorben wieber ins Leben, ber auch bald wieder Zutritt 
in Sranrreib, Italien, Spanien und ber Schweiz fand u. au in England und 
Belgien Eolegien gründete, Gegen bie ordnungswidrige Verbreitung ber Bibel 
durch bie fogenannten Bibelgefelihaften, um dädurch eigennügige Abſichten und 
die Aufrechthaltung längft verwworfener Irrthuͤmer zu fördern, erflärte fich ber rös 
mifhe Stuhl ebenfalls Be nachdruͤclich. Mit Frankreich ſchloß P. VI. 1817 
äine neue Uebereinfunft, nach welcher die Zahl der Biſchöfe auf 92 erhöhet wer— 
den follte ; dieſelbe fand aber Hinderniffe, fogleih zum Vollzuge zu fommen. Nach 
ter päpftlichen Bulle vom Dftober 1822 erhielt Frankreich ri Er bisthuͤmer und 
66 Bisthuͤmer, weil der König fich erflärte, die Mittel nicht zu haben, bie feſt⸗ 
gefepte Zahl ven 92 zu dotiren. Gegen bie italienifhen Carbonari wurde am 
13. September 1821 eine Bulle erlafien, worin Allen u. Jeden verboten wurde, 
in ihre Geſellſchaft einzutreten, oder ihre Schriften, Statuen ıc. zu lefen oder zu 
befigen. Pius VII. befchloß fein leiden - und thatenvolles Leben auf eine ſchmerz⸗ 
fie Art. Vom Alter und durch fo viele ruhmvoll überftandene Leiden gefhwächt, 
mußte er an einer längs ben Wänden gefpannten Schnur fi halten, um ſicher 
eben zu fönnen. Als er diefe Schnur am 6. Yuli 1823 beim Aufſtehen ver- 
Kite, ftürgte er zu Boden und brach das linfe Schenfelbein. Ale angewantten 
Realencpelopäble. VIIL a8 


274 Pius. 


Mittel ungeachtet, konnte das theure Leben des geliebten Vaters ber Chriſtenheit 
nicht laͤnger erhalten werden. Am 18. Auguſt empfing der hl. Vater die letzte 
Wegzehr, am 19. die hl. Oelung und am 20. folgte Fein fanftes Hinſcheiden in 
eine beſſere Welt. Als P. VII. in ber lebten Radt von demjenigen @eiftlichen, 
der ihm bie Pfalmen vorbetete, „Ihre Heiligkeit” angerebet wurbe, erwieberte er 
feufzend : „Was? Heiligkeit! Ich bin ein armer Sünder.” P. VII. gehört un- 
ftreitig unter die merfwürbigften und ruhmmwürbigften Paͤpſte. In neunzehn Sitzun⸗ 
gen des Eorfiftoriums ernannte er hundert Garbinäle, zehn Hatte er noch in petto, 
d. h. noch nicht feierlich bekannt gemacht. Während feiner Regierung find 
neun und achtzig Cardinaͤle geftorben; bei feinem Tode lebten noch drei und 
fünfzig Eardinäle, welche er alle, bis auf zwei, ernannt hatte. — 8) P. VIII., 
Franz Zaver, Graf von @afiglione, geb. zu Cingoli in der Mark Ancona 
1761, genoß bie vortrefflichfte Erziehung und Bildung und wurbe an ber Univer- 
fität zu Rom zum Doktor der Theologie und bes Tanonifchen Rechts beförbert. 
P. VII. ernannte ihn 1800 zum Bifchofe von Montalto in der Markt Ancona. 
1808 verbannte ihn Napoleon, wegen feiner treuen Anhänglichkeit an feinen Obern 
und wegen ber nähern Berbindung mit Eonfalvi, nach Frankreich, wo er in ben 
bürftigfien Umftänden leben und manchmal auf Stroh fchlafen mußte. Erſt 1814 
fonnte er mit PB. VII. wieder nad Rom zurüdfehren, der ihn 1816 zum Bifchofe 
feiner Vaterſtadt Ceſena und zum Garbinalpriefter von St. Maria Transpontina 
machte. As ber neue Cardinal fich für feine Erhebung bedankte, fagte ihm ber 
Hl. Vater: „Sie werben einer. meiner Nachfolger ſeyn!“ 1821 wurde ber Car⸗ 
dinalsPriefter Caftiglioni als Cardinal⸗Biſchof nach Frascati, dem alten Tusculum, 
überfegt. In diefer feiner legten Eigenfchaft war er Groß Pönitentiar u. Praͤ⸗ 
fett der Congregatio Indieis, woburdy er Gelegenheit befam, ſich vielfadhe Er- 
fahrungen zu fammeln, vorzügli aber die Berhältniffe der Literatur kennen zu 
lernen. Als am 31. März 1829 die Bapftwahl auf ihn fiel, welche, da naments 
ih der Kaifer von Defterreich erklärt Hatte, baß er an feiner Partei Theil neh: 
men wolle, oßne alle perfönliche und politifche Rüdficht gefchehen war, ba prote⸗ 
flirte ber Reugewählte feierlich, weil er ſich unfähig Mr bie päpftlicde Würbe 
hielt. Allein die Cardinaͤle wollten nicht darauf achten; doch geftanden fie ihm 
eine kurze Bebdenkzeit zu, um den hl. Geiſt um Rath und Erleuchtung anzuflehen. 
Nach andertthalb Stunden fam P. wieder aus der Kapelle bes Conclave, worin 
ee fih verſchloſſen Hatte, Hervor und erflärte: daß er, im Vertrauen auf ben götts 
liden Beiftand, das Amt der Regierung der HL. Kirche bes Herrn annehmen wolle. 
Allgemeiner Jubel herrſchte, fobald die Wahl befannt wurde. Am 5. April er 
folgte die Krönung, weldher auch König Ludwig von Bayern und bie Großfür- 
fin Helena von Rußland beiwohnten, und am 24. Mai bie feierliche Beſitznahme. 
P. VII. fing feine Regierung mit Wohlthätigkeit und Frömmigkeit an. Sein 
anzed Vermoͤgen, welches er als Cardinal befaß, beflimmte er ben Armen. Bers 
Öieene zwedmäßige Berorbnungen wurben erlafien, namentlich die Thierhetzen 
abgeſchafft. Um von Gott eine glüdtliche Regierung zu erbitten, verlieh P. VIII. uns 
term 18. Juni 1829 ein Jubiläum auf die Dauer von 14 Tagen, fowohl für 
Rom, als für bie ganze Chriftenheit. In einem Rundfchreiben, das der PBapft 
am 24, Mai 1829 an alle Patriarchen, Primaten, Erzbifchöfe und Bifchöfe ers 
ließ, warnte er vor dem Indifferentismus, bem Treiben der Bibelgefellichaften, 
den Angriffen auf den Glauben ber Kirche und den geheimen Gefellichaften , na⸗ 
mentlich der Freimauerei, al8 von aller unb jeber boftiven Bafls und dem kirch⸗ 
lichen Xeben ablentend und Unglauben, oder doch wenigftens Unentichiebenheit fürs 
bernd und hegend. — Als die Ruffen nach ber Einnahme von Adrianopel einen 
vorteilhaften Frieden fehloffen, verwendete fih P. für bie vertriebenen und Ihres 
Eigentfums beraubten katholiſchen Armenier. Er erreichte, daß in Konftantinopel 
ſelbſt ein Patriarchat für fie errichtet, die Verbannung aufgehoben und das vor⸗ 
"enthaltene Recht und geraubte But ihnen wieber attet wurde. Den Kaiſer 
son Brafilien forberte er bringend und väterlich zur Aufhebung ber Sclaverei 


275 


und Don Vetro hörte auf ‚die Stimme des Vaters ber. Chriftenheit Die 
iberrafehende Kunde, daß das, durch Jahrbunderte wegen feines. Glaubens unters 
aber glaubensvolle, Irland. unter dem Einfluffe der, Berebfamkeit Sir, Ros 
emancipirt worden ſei (13. Juli 1829), ftärfte ihn gleich- beim Bes 
Pontififates, und die Nachricht von ber Eroberung Aigiers, wo Jahr⸗ 
Taufende von Ehriftenfelaven: fhmachteten,-durd) die Franpofen, 
Schmerz über die im vielen Theilen der Ehrienheit ausgebrochene 
aber, dem Hereinbrechen fo. fchwerer Zeiten nicht gewachfen, ward ber 
am 30. Rovember 1830 ‚aus diefer — —— 
tuhle. — 


SIEB 
KH 


— 
Hi 


{ 


nr der Eräftige Gregor XVL Ch b.) auf bem päpftlichen 
9) B.IX., mit fi Familiennamen Johann Maftai-Berretti, glorreich rer 
gierender Papft feit dem 14. Juni 1 — Geboren am 13. Mai 1792 uSi 


aus uralter aräflicher Familie, wollte er ſich nach Bolten! feiner 
‚Studien dem Militärftande widmen, wanbte ſich aber, durch, epileptifche 
daran gehindert, bem — Berufe au, Indem er im. Vertrauen auf 

je Maria's eine Wallfahrt nach Loretto unternahm: und feitdem von bies 
ufällen: befreiet blieb, Zum Priefter geweiht belam er in Rom ein Kano⸗ 
übernahm. die Aufficht eines Heinen: Spitals. Unter Leo All. dem apos 
Vitar Cardinal Mug auf einer, Sendung nad Chili als Aubitor. b 

eine ebenſo eniſchiedene Feſtigkeit des Charakters ‚:als 
feine. au ben Armen, fein prieerlicher ‚Eifer und fein Verwaltungs⸗ 
tung mehrer großen Spitäler und wohlthätigen Anftalten fi von 
die er nach feiner Rückkehr in Rom uͤbernahm. Im Jahre 1827 
iſchof won Spoleto und. unter Gregor XVL im Jahre 1840 Bifchof 
Imola und Cardinal. Am 14: Juni 1846 wurde er nach einem — 
Conclave zum Papfte gewählt und nahm ben Namen Pius an. Noch find, 
bem wir dieſes ſchreiben, nur erft 2 Jahre feitdem vergangen, und ſchon müffen wir 
das Pontififat Pins IX. den bebeutendften an die Seite ftellen und es als einen 
Wendepunkt in der Geſchichte der Fatholiichen Kirche bezeichnen, nicht freilich fo 
ſehr wegen unmittelbar Firchlicher Ereigniffe, ald wegen des Umſchwunges, ber 
durch und unter Pius in der Stellung ber Kirche zu den bürgerlichen und polis 
tiihen Verhältniffen eintrat. War unter Gregor XVI. die fatholiihe Kirche, in 
dem vollen Bewußtfeyn ihrer inneren Einheit, der Unverleglichfeit ihrer Lehre u. 
Disciplin, und ihres Berufes, der ganzen Welt das Evangelium zu verfündigen, 
ber neuen Zeit gegenüber getreten, % war jegt ber Zeitpunkt gefommen, mit als 
lem Ernſte an die dringend nothwenbigen Reformen ber weltlichen Verwaltung, 
zunaͤchſt des Kirchenftaates, zu denken, womit bann ein Eingehen auf die Forderungen 
der Zeit in biefer Hinficht ausgefprochen u. eine veränderte Stellung in ben politiſchen 
Verbältniffen eingeleitet war. So wenig alfo, wie das ftrenge Feſthalten des perfüns 
ih durchaus mild gefinnten Gregor an ben feit Jahrhunderten geltend geworde— 
nen abfoluten Regierungsformen aus feinem perſonlichen Charakter herzuleiten ift, 
fo wenig dürfen wir die tief eingreifenden weltlichen Reformen Pius IX. etwa 
allein feiner Herzensgüte u. Milde, fondern müjfen fie eben fo fehr feiner politi- 
ſchen Einficht zufchreiben, welche eben den rechten Zeitpunft für Diefelben erkannte, 
Den Anfang feiner Reformen machte der Papft mit einer faft unbeichränften Am- 
neflie für die, welche wegen politiicher Vergehen verurteilt oder in Unterfuchung 
waren. Die aus fechs Cardinälen zufammengefegte Etaatsconfulta trat bald zus 
rüd, da fie großen Theil aus Anhängern des alten Syſtems beftand; ber Gars 
binal Gizzi trat an die Spitze der Verwaltung, bie bald befunbete, daß es 
nicht bloß auf eine energifche Verbefferung der mannigfachen in biefelbe eingeſchli—⸗ 
chenen Uebel, fondern auf eine innere Umgeftaltung des ganzen alten, unhaltbar 
gemorbmmn Spfternes abgefehen ſei. Die Eenfur, in fo weit fie nicht ben Glau— 
em und bie Sitten beiraf, wurde bedeutend ermäßigt, eine Munizipalverfaffung 
und Bürgerbemaffnung (Nationalgarde) in Rom und im ganzen Kirchenftaate 
eingeführt, durch Die Uebergabe bes Priegsminifteriums an den siden —RX 
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276 Pius, 


die allmälige Säcularifation ber weltlichen Zeige der Berwaltung eingeleitet, 
enblich eine Etaatsconfulta als berathende Etänbeverfammiung aus allen PBrovins 
zen bes Landes berufen. Zu gleicher Zeit wurde aufs thätigfle, unter eifriger 
perfönlicher Theilnahme des Papftes, an fofortiger Abftelung befichender Miß⸗ 
bräuche, namentlich in ber Juftiz und in der Berwaltung der wohlthätigen Anſtal⸗ 
ten, gearbeitet und bie folgenreichften Anftalten zur Hebung ber materiellm Inte: 
reflen des Landes, fo wie ber bed Unterrichtöweiens vorbereitet. Die Eonceffion 
zur Erbauung von Eifenbahnen warb ſchon gleih nach dem Aeglerungeantritie 
gegeben; die Polizei wurde fireng gehandhabt, das Ghatto der Juden eröffnet, — 
Alle diefe, fo unmittelbar bad Wohl der Untertanen berührenden Maßregeln, vers 
bunden mit zahllofen Zügen ber reinften Herzensguͤte, die man ſich von Mund zu 
Mund erzählte, fteigerten die Liebe des Volkes zu P. bis zu einem Grade, wie h. 
wohl nie in einem gleichen Grade ein Herrfcher befeflen hat; es fehlte freilich nicht an 
Soichen, die mit den Reformen des Papftes, deren Nothwendigkeit fie nicht begriffen, 
und noch viel weniger an Soldhen, bie mit der Langſamkeit feiner Verbeſſerungen 
unzufrieden waren; es kam fogar zu einer angeblidhen Verſchwoͤrung, von ber 
man nicht recht weiß, ob fie wirklich von jenen angezettelt, ober mur von biefen 
erdichtet und ausgebeutet worden iſt; inbeß ift Die Liebe zu Pius in dem Herzen 
des befiern und gröbern Theiles der Untertfanen zu tief gewurzelt, ale daß von 
dieſer Seite Schlimmes zu erwarten wäre. Bel weiten fchwieriger find bie Ber 
widelungen der politifchen WBerhältniffe, worein ber Papſt durch Die Reformbeſtre⸗ 
bungen in feinem eigenen Lande gezogen wurbe, Der Kirchenftaat, ben man 
fonft als das Mufter eines fchlecht verwalteten Landes zu nennen pflegte, fand 
jegt mit einem Male als das Beifptel eines auf dem gluͤcklichſten Wege fih res 
generirenden Staates vor den Augen ber bewundernden Weltz die Wirkung, zunaͤchſt 
auf bie übrigen italienifchen Staaten, fonnte nicht ausbleiben, überall regte ſich das 
Streben nad) Berbefferungens fie famen aber nicht überall fo ruhig und gefeglich 
zu Stande, wie zu Rom, und führten glich weiter, als der Papft vielleicht im 
Anfange gewollt Hatte. Nachdem Neapel, Sardinien, Toskana eine Gonftitution 
befommen hatten, konnte diefe ben Römern nicht mehr vorenthalten werden. Die 
großen Ereignifle, welche gleich im Beginne bes Jahres 1848 in Franfreih umd 
in Deutfhland vor ſich gingen, mußten die Sache noch befchleunigen. Mit ber 
am 23. April 1848 gegebenen, freifinnigen, aber dennoch gemäßigten Berfaflung hat 
nun aber der Papft nach feiner feierlichen Erklärung die Granze ber politiichen 
Meformen- erreicht, bie er nicht mehr überfchreiten darf, Auch Hat er biefen Schritt 
erft dann gethan, nachdem eine barüber niebergefegte Commiſſion ber ſtrengſten 
Theologen ihr Gutachten dahin abgegeben, daß er, ohne feinen Rechten als Obers 
haupt der Kirche und Regent des Kirchenftaates zu nahe zu treten, benfelben 
thun könne. Auch if der Papſt dabei, was nicht zu überfehen ift, nicht auf bie 
revolutionäre Idee der Volfsfouveränität eingegangen, fondern er hat aus freiem 
Willen dem Bolfe feine alten, gefehichtlich begründeten Rechte wieber gegeben, wie 
benn in der That bas Eyftem des Abſolutismus in der Regierung erft auf bem 
Boden der neuen Geſchichte entftanden, ober doch wenigftend zur Durchfuͤhrung 
gekommen iſt. — Die ſchlimmſte Verwidelung entftceht für den Papft aus ber 
Idee ber Einheit ber italieniſchen Nation, welche freilich mehr in ben Köpfen der 
Eraltirten, denen Die alte weltliche Greße Roms vorfchwebt, als tief im Volke 
lebt, wie fie auch in ber That aller gefchichtlichen Begründung entbehrt. Hier 
fteht Defterreich mit feiner Herrſchaft über Oberitalien und feinem Beſatzungsrecht 
in Kerrara entgegen. Die eıfle Colliſion, welche durch eine, jedenfalls unzeitge⸗ 
mäße, Ausübung biefes Befatungsrechtes von Seiten Defterreiche herbeigeführt 
wurde, wurde burdy das würdige Benehmen bes Papftes und die Mäßigung Der 
öfterreichifchen Regierung noch glüdlidy gelöst. Als aber, in Folge der anberweis 
tigen großen Greignifie, Oberitalien ſich gegen bie Öfterreichifche Herrfchaft em⸗ 
pörte und ber filh daraus entfpinnende Kampf mehr und mehr zu einem italieni- 
fen #ationalfriege fich gefaltete, Tonnte es der Papſt nicht hindern, baß auch 


Plzarro— Pizzicato, „a 


aus dem Kirchenftaate und Rom felbft Freiwillige san bemfelben bei! ig ten; 
= die eraltirte Partei —— gar —— um ben ® BE 5 
Kriegserllaͤrung gegen zu zwingen. * weigerte 
Br ee 
en e. wi je, gemäßigte Partei bie an! 
a _ politiſche eten des, Bapftes, —— uns bisher allein bes 
hat u. welches allerdings, ben Umfländen gemäß, bisher in den Borbers 
—— iſt, zog ihm nicht allein. die unbegrängte Liebe ‚feiner Unterthanen, 
die Bewunderung ber ganzen Welt zu und. viellei — 
Saite: ſo fehr von allen Yartelen gefeiert ee als der von P. IX: 
—— von Seiten ‚der Proteſtanten und lauen Katholiken An⸗ 
* mit der Erwartung untermiſcht war, daß er num in ihrem Sinne 
eben. itend im Gebiete ee — auftreten werde, wie in dem des Staa⸗ 
5* zum fie fi bald. in ihren — — finden. Ag 
in lirchlicher gen je ein ——— Petri, der 
SE dann unverleglichen und Mürde des —— — 
entg ſo in * ichreiben -bei Beſihnahme des —— vom 
9.,Rovember., ‚an alle Erzbiſchoͤe und Biſchoöfe; jo; in dem vom. 25, 
he — a — nr Da Ra —* —3 * 
reg te; em an ben ‚Er, 
in Irland, gerichteten. Refkripte, ber Plan ber, von 
— Regierun a errichtenben fatholifchen — als —— 
trat, da Me — Si 3 Sn Me ein; 
er. e8 nur ba, wo N es in 
—— je 4. DB. in en Auffi eg: —— 3 
Verbreitung ber Kirche zu wirlen hat — Gelegen⸗ 
heit, gehabt, a Beförderung ber Sifiekn, duri — 
archais von „. welcher durch die freunbfcaftliche Senat 
zu dem Hofe in — möglich wurde, endlich durch bie W —* lellung 
des katholiſchen Epiſtopats in England. — Verbinden wir dieſe entſchieden fick 
liche Haltung des Papftce mit dem Achten Geifte des Reformirens im politifchen, 
fo haben wir das, wodurch das Pontififat P. IX. als epochemacend immer in 
ber Geſchichte daftehen wird, indem er thatfächlich ber Welt den Beweis gegeben 
bat, daß ber Achte Fortſchritt mit der Unmwandelbarfeit des Fatholiihen Glaubens 
nicht unvereinbar if, — Was die vielfachen Vorwürfe anbelangt, die man P. IX. 
wegen feiner angeblichen Haltung in dem gegenwärtigen öͤſterreichiſch⸗italieniſchen 
Kriege von gewiſſer Eeiten her macht, fo hat er 2 theils felbft glänzend das 
gegen gerechtfertigt, theils verweifen wir in biefer Hinficht auf feine Lage völliger 
Unfreiheit, wie fie in der Augsburger PBoftzeitung vom 6. Juli d. $ eben fo 
glaubwürdig, als jedes katholiſche Herz tief betrübend eier wird. F. M. 
Pizarro, Franz, ein berühmter ſpaniſcher Abentheurer, ber Entdeder und 
Eroberer Peru's, uncheliher Sohn eines Hidalgo, geboren 1475 zu Trurillo, 
wo er im feiner Jugend die Schweine hütete, bis er aus Furcht, für ben Verluft 
eines Schweined Strafe zu erhalten, nach Amerika fi einfchiffte. Im Jahre 
1525 fegelte er mit Diego Almagro u. bem Geiftlihen Hecnandez Lucque von 
Panama ab u. gelangte zu einer Zeit nad) Peru, al hier eben ber Bürgerkrieg 
müthete. Anfangs Bundesgenoffe des Infa Atahualpa oder Atabaliba, nahm er 
biefen bald gefangen, preßte Im Schaͤtze ab u. erdroffelte ihn. Sein Glüd führte 
ihm neue Kampfgenofien zu, jo baß er, zur Gründung feiner Madıt, 1535 bie 
Stadt Lima erbaute. Als bie gemeinfhaftlihe Gefahr verſchwunden war, ftellte fich 
Zwietracht zwiſchen ben Fuͤhrern ein. Almagro ward beſiegt und P.s Bruder, 
Hernandes P., erdroffelt (1537). 1541 warb P. felbft von Almagro's Sohne 
ermorbet, 
Pizzicato, eine Bezeichnung bei Bogeninftrumenten, bag bie Saiten mit den 
Fingern gegwidt ober gerifen, nicht mit dem Bogen (arco, coll’ axco) gti 


278 Placet — Pland. 


erben ſeum. Mit der Verzeichnung arco tritt dann wieder ber Gebrauch bed 
ogens ein. 
g Placet, oder Placetum regium iſt nach ſtaatsrechtlichen Grumbfägen das 
(aus dem jus cavendi fließende) Recht des Staates, von den Geſetzen, Verord⸗ 
nungen u. Verfügungen ber Kirchengewalt, ſofern dieſe bie aͤußeren Kirchen⸗An⸗ 
gelegenheiten — die wandelbaren u. abaͤnderlichen kirchlichen Einrichtungen — 
die Außere Disciplin u. überhaupt Gegenſtaͤnde gemiſchter Natur betreffen, Eins 
ficht zu nehmen, um zu fehen, ob fie nichts Stantsnefährliches enthalten, das if, 
ob die Bifchöfe nicht etwa dur Mißbrauch ihres Anfehens u. ihres Einflufies 
in Religionsfachen Dinge eingemifcht Haben, welche dem öffentlichen Staatswohle 
entgegen find, u. entweder bie Genehmigung zur Publikation derfelben zu ertheilen, 
oder folche, wenn fie aus gerechten u. Hinreichenden Urfachen dem GStaatswohle 
nachtheilig befunden werben, zu verfagen, oder auch fie nach Umfländen an’ bie 
betreffenden Kirchenobern zur geeigneten Berbefferung zurüdzugeben. — Das P. 
fann ſich fomit nicht auf die wefentlichen u, inneren Theile der Religion, welche 
von ihrem Stifter felbft als unabaͤnderlich angeorbnet find, ober auf Gewiſſens⸗ 
ſachen erftreden, weil daburch das Leben berfelben nach Innen gehemmt, bas 
Palladium ber inneren Kirchen s Freiheit verlegt u. bie rein geiftliche Wirkſamkeit 
geläbmt würde. Eben fo wenig Tann das PB. eine eigentliche Cenſur Ficchlicher 
erorbnungen feyn, fo daß bie Staatsgewalt nach Belieben an den vorgelegten 
kirchlichen Berordnungen flreichen, oder Zufäge machen bürfte, fonbern es beſteht 
blos in ber Erklärung: daß bie zu erlaffenden Anordnungen ber Kirchenobern, 
nachdem fie zur Einficht der Staatögewalt vorgelegt worden find, Nichts enthalten, 
was dem Staate nadhtheilig wäre, und umgekehrt im entgegengefegten Falle, Vgl. 
übrigens den Artifel Staat u. Kirche, 

Plafond, in der Baukunſt die Dede eines Saales ober Zimmers; dann bie 
verzierte Dede, das Obergetäfel, u. auch das auf der Dede befindliche Gemälde 
(vergl. Dedengemälde). — PBlafonniren, die Dede eines Zimmers bekleiden, 
insbefondere die Kunft, in Dedenftüden bie Figuren fo zu zeichnen, daß man fie 
von unten hinauf wirklich zu fehen glaubt, u. alle Höhen fo barzuftellen, daß fie 
ſich nad ben Augenpunften hinziehen. 

Plagiarius (lat.), urſpruͤnglich Einer, der die Leute drüdt, um das Ihrige 
bringt ; dann, wer wiffentlich einen freien Menfchen als Sklaven kauft ober ver 
fauft, oder fonft fremde Sklaven an ſich zieht ober verkauft, einen fremden Sklaven 
verführt, feinem Herrn zu entlaufen, einen entlaufenen aufnimmt, verftedt u. ſ. w. 
Berfhieden davon ift Fur servi (Menfchendieb) dadurch, daß letzteres aus Gewinn: 
ſucht gefhiehtz das Verbrechen: Plagium. — Jetzt nennt man PB. einen Schriftfteller, 
der aus fremden Werfen Gedanken, Worte u. f. w. entwendet, ald wären fie fein 
Eigenthum. Das Bergehen felbft Heißt Plagiat. 

Plaidiren (franz), vor Gericht mündlich verhandeln. — Plaidboyer, bie 
Bertheidigungsrede des Anwalts beim mündlichen Gerichtsverfahren. 

Plan, 1) foviel als Grundriß (f. d.). — 2) Die regelmäßige Anorbnung 
bee Haupttheile irgend eines Werkes oder Unternehmens ; dann auch ein einzelner 
Gebanfe, den man aysführen will. — 3) Beim Goldſchlag en eine Form von 
Pergament, in weldher die Hautformen erfrifcht werben; man beftreicht in biefer 
Abficht beide Seiten des P.s mit weißem Weine u, legt bie Hautformen einige 
Zeit awifchen bie P.e. 

anlandı 1) Gottlieb Jakob, ausgezeichneter Kirchenhiftorifer u. Profefior 
ber Theologie in Göttingen, geboren 1751 zu Nürtingen, einem Stäbtchen in 
Württemberg, von armen Eliten. Dur Unterflügung wohlhabender Gönner 
fonnte ber Fränflidhe Knabe den Studien fi widmen. 1771 bezog er bie Tüs 
binger Hochfchufe, um fich zum Seelforger zu bilden. Allein nachdem er durch ein 
glänzend beflandenes Eramen und Dilputation den Mapiftergrab 1774 fih er 
worben, wurbe er noch in demfelben Jahre zum Nepetenten ernannt. Je mehr 
er bei tieferem Studium ber Theologie im Weſen unb in ber Form ber chriftlichen 


Pland, ki) 
Kirche manche eingeſchlich ene Abirrungen von ber des. Chris 
—— zu —— um deſto unwiderſtehlicher erwacht eh a6 Bi 
bürfniß, durch eine forg ige Unterfuchung in bem —— Beat die viel⸗ 
fältigen —— er * — Fe je nach —— . Euls 
tus —— Wege ber Bifto fchen Sur von dem 
—— Refultae or Sedenkhaft wa können. Diefer Haup: —— 
zieht. fich ‚oder minder durch alle ft Hichengefeictche Bee F 
Um ſeine nur ege Befoltum au verbefjern, bewe 
bemie erledigte — I 
fon fer hg e da F ing * 
Theol machte er ine gi J 
—— Kreiſen bi denn ee "acid 
Lehrbegriffs 


ehrenvolle Ruf, bfolger zu werben. 1787 bewies ihm die Tübinger 
— —— F eine —— indem ſie ihm, gerade an dem 
3a se September, das Doktor-Diplom —— 
wurde er Son an —* IL ebenen sen und Prof. pri 
it, — Gmeralfuperintendenten erhoben, 1817 mit dem Guel⸗ 
afabenifcher = Wirlungskreis 


g erſtreate ſich auf Vorleſun · 
eſchichte —— —— —— Eycyllopaͤdie 
= jo er ae 2-3 Stunden vortru; in fpäteren —— 
he den Kreis feiner Borlefungen ers 
ihm —* a —* Kloſters Buͤrsfelde, welches in feinem Gonfforiabegete * 
—— es ihm, bie. Oberaufficht 5 ——— fuht 

zu důr A lternloſe Sinder erzogen wurden, kurzem 

"der edle ra je am 31. — 1833. Seine vor I 
licheren Schriften: „De canone hermeneutico, quo scripturam per scriplüram 
interpretari jubemur.“ 1774. Die oben berührte Geſchichte des proteft. Fehr: 
begriffs, 6 Bde, 1781 — 0. Neuefte Religionsgeſchichte (angefangen v. Wald, 
fortgefegt unter feiner Auffiht), 3 Thle,, 1787— 93. Grundriß einer Geſchichte 
der kirchlichen BVerfaffung, kirchlichen Regierung u. bes kanoniſchen Rechts, 1791. 
Anecdota quzcdam ad hist. Concil. Trident. pertin. Fasc. 1— 15, 1791 — 
1805. Einleitung in die theologifhe Wiffenfhaft, 2 Bde., 1793 (eine noch jett 
ſeht empfehlenswerthe theologiſche Encyklopaͤdie, worin eine ausgewählte Literatur 
enthalten iſt). Abriß Hiftorifcher und vergleichender Darftellung der bogmatifchen 
Eyfteme unferer verfchiedenen chriflichen Hauptparteien, 1797. Gefchichte ber 
proteftantifhen Theologie, 1 Band, Leipzig 1797. Weber die Trennung und 
Wiedervereinigung der chriſtlichen Hauptparteien, Tübingen 1803 (ein ſchönes 
Denkmal ächt:chriftliher Toleranz). Geſchichte ber chriftlich = firchlichen Geſell⸗ 
ihafts-Berfaffung, 6 Bbe., 1803 — 5. Betrachtungen über bie neueften VBerän- 
terungen in dem Zuftande ber Fatholifchen Kirche, 1808. Worte bes Friedens 
an bie fatholifhe Kirche, 1809. Weber Spittler als Hiftorifer, 1811. Ueber bie 
gegenwärtige Lage und Verhältniffe ber katholiſchen u. proteftantifhen Partei in 
Deutfchland, 1816. Ueber den gegenwärtigen Zuftand u. bie Bebürfniffe unferer 
proteftantifchen Kirche, 1807. Leben bes ſchotuſchen Reformators Johann Knor 
aus dem Engliſchen des Dr. M’Erie, überfegt 1817. Geſchichte bes Chriften- 
thums in ber Periode feiner erfien Einführung, 1818, 2 Thie. Ueber Behand- 
mg, Haltbarkeit und Werth bes hiſtoriſchen Baweifes für die Böttlichfeit des 
Ehrifenihumce, 1821. Geſchichte der proteftantifchen Theologie von ber Eoncor- 
dienformel an bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts, 1831. Außerdem viele 
Programme, Abhandlungen in theologifchen Zeitfchriften, . 8. Flatt’s Magazin, 
über Rechtfertigung, Sn irationd- Begriff 2c.; in Keifer’s Reformationd-Almanad). 
Spittler’8 Grundriß ber Geſchichte der hriftlichen Kirche wurde von ihm Keran- 


280 Plancus. 


egeben, und mit der 5. Auflage bis auf unfere Zeiten fortgeführt, 181%. — 2) 
heintih Ludwig, Altefter Sohn des Borigen, pienbtals DBrofefior der Theo⸗ 
logie in Göttingen und daſelbſt geboren am 19. Juli 1785, wurde von Privatleh⸗ 
rern im elterlichen Haufe unterrichtet, bis er 1801 das ymnaflum, 1803 bie 
Univerfität bezog, wo er bie Theologie bei Stäublin, Ammon, Eichhorn, Philolo⸗ 

ie bei Heyne und Heeren, Philoſophie bei Bouterwed und Herbart hörte. Des 

aters rühmliches Vorbild fpornte ben Jüngling zu übermäßiger geifliger An- 
firengung, woburdy er wohl ben ®rund zu der nachfolgenden Epilepfte legte. 
1805 löste er bie theologifche und 1806 auch eine philoſophiſche Preisaufgabe. 
1806 wurde er Repetent der Theologie an ber Univerfität, gleichzeitig mit bem 
ausgezeichneten Gollegen Geſenius. Zu feiner wiffenfchaftliden Ausbildung be: 
fuchte er mehre norddeutiche Hochſchulen: Kiel, Greifswalde, Roflod, Leipzig, Halle, 
Jena und fnüpfte die vielfeitigften Verbindungen mit ben berühmteften Theologen 
an. An ber Univerfität las er anfänglich über A. T. Eregefe und Bebräifige 
Sprache, — Beides nur Vorbereitung für bie Auslegung und Kritik des neuen 
Teftaments, welches er fi zum Lieblingsfache feiner Vorträge auserfehen Hatte, 
Die philologiſche u. Hiftorifch-Fritifche Seite bildete in ber exegetifchen Behandlung 
bei ihm das vorherrichende Moment; benn bie pbilologifche Borübung , welche er 
in der Schule feines Lehrers Heyne und im anregenden Umgange feines Freun- 
bes Diffen genofien hatte, leitete ihn mit glüdlichem Inftinfte, auf die Geſchichte, 
Grammatif und Lericographie des neuteftamentlichen Sprach⸗Idioms fich zu bes 
ſchraͤnken, worin er, neben Winer, wahrhaft ausgezeichnete Leiftungen hervor⸗ 
brachte. Seine Bemerfungen über bie erften paulinifchen Brief an Timotheus, 
worin er Schleiermacher's bekanntes Sendfchreiben polemifh würdigte, beurfun- 
dete feinen Echarffinn in ber Hiftoriichen Kritif des neuen Teſtaments. 1810 zum 
außerorbentlichen Profefior der Theologie ernannt, nahm ex an ben philofophifchen 
Forſchungen Herbart’8 regen Antheil, und ſchloß fi in Hinficht ber Methode 
an Kant und Fried an. Seit 1817 begann er auch Borlefungen über Dogmas 
tif und fuchte auf deren wiſſenſchaftliche Eonftruftion die Krüchte feiner phuͤoſo⸗ 
phifchen Studien anzuwenden. Allein bie fürchterliche Krankheit der Epilepfie 
ſchien, aller ärztlichen Hülfe und forgfältigfter haͤuslicher Pflege trogend, mehr u. 
mehr zuzunehmen und hieß ihn deßhalb einen ehrenvollen Ruf nach Greifswalde 
ablehnen, worauf er 1823 in Göttingen zum ordentlichen Brofeflor befördert 
wurde, Mit hriftlicder Geduld und Ergebung certrug ber Hartheimgefuchte bie 
zerftörende Gewalt ber Krankheit, welde von Zeit zu Zeit auch bie Freiheit 
des ©eiftes hemmte, bis ber 23. September 1831 ihn durch ben Tod von feinem 
Leiden befreite, Schriften: Diss. de principiis et causis interpretationis Philo- 
nianae allegoricae, 1806. Ennii Medea, 1807. Bemerkungen über den erften 
Brief an Timotheus, 1808. Entwurf einer neuen ſynoptiſchen Zufammenftellung 
ber 3 erften Evangelien, 1809. De vera natura atque indole orationis graec. 
N. T., 1810. Negatur philos. platonicae vestigia extare in ep. ad Hebraeos, 
1810. Exponuntur quaedum de fundamento theolog. recentiois, ejusque cum 
doctrina N. T. consensu, 2 Part., 1812 — 15. Ueber Offenbarung u. Inſpira⸗ 
tion, 1817. Prog. fragmenta quaedam lexici in scriptores Nov. Test. recens 
adornandi, 1818. Quaedam de recentissima Lucae evangel, analysi cirtica, 
1819. Kurzer Abriß ber philofophifchen Religionslehre, 1820. De significatu 
canonis in ecclesia anliqua, 1820. Observat. quaedam ad historiam verbi gr. 
Nor. Testam. in lexico libr. sacr. adornando haud negligendam, 1821. Frag- 
menta lexici in sacr. script. Nov. Test. recens adornandi, 3 Programme 1824, 
25, 27. Mit Wärme und Wehmuth fchildert Profeſſor Lüde fein Leben: Zum 
Andenten an Dr. Planf, Göttingen 1831. | Cm. 
Plancus, 1) Cnejus Munatius, Sohn eines angefehenen Senators u. 
Freundes Eicero’s, 4A v. Chr. Praͤtor. — 2) P. Lucius Munatius, beflen 
Bruder, Caͤſar's Anhänger, 42 u. 36 v. Chr. Eonful. Vorher zur Dämpfung 
eines Aufruhrs nach Gallien geichickt, erfuhr er Caͤſar's Ermordung, ergriff des 


Planetarium Planeten, 


Antonius * nach deſſen Falle, watd von Octavian — 22 
Cenſot. — HP. Titius Munatius Burfa, Bruder des — Eicero’s 
Feind, des Elediug 1b; hebte nach befien Ermordung das zur Race 
auf, ragen — en Leichnam un — ‚hier ver⸗ 
brannte u. jo e e legte, Später defhalb, von: Cicero‘ 
mußts cr in Grit gehen, Ss ihm Gäfer (47) ie —— 
Planetarium, iſt eine mehr oder weniger künſtliche Vorrichtung, die Be⸗ 
wegungen der Planeten u. aller dadurch erzeugt werdenden Erſcheinungen zu vers 
chaulichen, weßhalb das P. beim Unterrichte in dev, Aſtronomie ein —— 
I 
hu ch eine 


Huͤlfomittel in. Gewoͤhnliche Pen werden mit der Hand bewegt; bie 
gefegten u, beſſeren aber. haben ein Räderwerf, welches, wie eine Uhr dur: 
auf Seder im Gangrgefegt, die Planeten nad ihrer verhältnigmäßigen Ges 
init m eine in fe befindliche, die Sonne vorftellende * oder 
Lampe fen laͤßt. Weil Lord Drrery zuerſt ein P. verfertigen Ueß und 
Planeten, ders aber Manbelferne, —— 
ers anbelfterne, (vom griech: vAavao: 
irren); iſt der Name derjenigen HintmelsFörper oder Sterne am Firmamente, welche 
ihren Stand gegen die Nbrigen täglich verändern, nad) u. nad an vetſchiedenen 
Punkten des, Horigontsvaufz u, — uf 1. u ihr Licht von der Sonne 
erhalten, Dem Auffern Anfehen nach find, die P, wenigſtens die, welche manımit 
bloßen —— fieht, ben Birfternen (I. d) ſeht aͤhniich; ihr Licht ift aber nicht 
ſo funfelnd, wie das der Firfterne; fie verlieren, durch Fernrohre betrachtet, ihren 
Glanz at. erſcheinen nicht nur in matterem Lichte, ſondern auch vergrößt 
und ſcheibenfoͤrmig u. vollführen endlich, ihren Lauf nur im Thierkrelſe 
mit Ausnahme ber Pallas n.: Juno, die ihn überſchreiten. Die P. theilen 
in Haupt⸗ P.,, welche ſich um die Sonne bewegen, u. Neben-NP. (Munde 
Tradanten), welche ſich nicht nur um ihre Haupi-P., ſondern mit dieſen ſich um 
die Sonne bewegen. Die der Sonne naͤher, als dev; Erde, ſtehenden V. (Merkur 
1 Benus) heißen unterez die uͤbrigen, welche von ber Sonne weiter als bie 
Erde abftehen, obere P. Die Bewegungen der B. find anſcheinend fehr unre— 
gelmäßig; fie bewegen fih nicht nur vorwärts, d. h. von Weften nah Öften, 
ſondern auch öfters rüdwärts; ja bisweilen ſcheinen fie felbft eine Zeit lange ftille 
u ftehen. Alle aber bewegen ſich in eliptifchen Bahnen, die mehr oder weniger 
gan die Ekliptik geneigt find, um die Sonne, und auferdem um ihre eigenen 
ren, wodurd Tag u. Nacht auf jedem P. entfteht, während durch bie erftere 
Bewegung das Jahr u. die Jahreszeiten eines jeden P. erzeugt werben. — Wir 
fennen gegenwärtig 12 Haupt-P., von denen, außer der Erde, noch 5, nämlich 
Merkur, Venus, Mars, Zupiter u. Saturn, welche mit bloßem Auge fihtbar 
find, ſchon den Alten befannt waren, Indeffen waren jene weit entfernt, bie 
Erde unter die P. zu rechnen, vielmehr nahm jenes Syſtem, weldyes unter dem 
Ramen des ptolemäiichen befannt ift, die Erde als unbeweglih im Mittelpunkt 
ftehend an u. lehrte, daß um dieſe ſich zuerft ber Mond, dann Merkur u. Venus, 
hierauf die Sonne u. die übrigen P. Freisförmig bewegen, Dagegen bildet nad 
dem, jegt allgemein als das allein richtine anerfannten, fopernifanicen Syfteme 
nicht die Erde, fondern die Sonne den Mittelpunkt, um den fih fämmtlihe PB. 
(die Erde mit eingeichloffen) und um dieje wieder ihre Neben-P. oder Monde 
bewegen. Weil indeffen das Enftem des Kopernifus, wegen des wenigftens ſchein⸗ 
baren Widerfpruches, worin es mit mehren Stellen ber heiligen Schrift ftand, 
fowie an ben einmal eingewurzelten Vorurtheilen vielfachen Anſtoß fand, fo ſtellte 
Tycho de Brahe cf. d.) ein drittes Syftem auf, nach welchem Die Erde ruht 
u. Mond u. Sonne fi) um diefelbe bewegen, während ale anderen P. fih zur 
naͤchſt um die Sonne und nur mit biefer um die Grde bewegen follen. Allein 
biefes Spftem widerſprach den beobachteten Erſcheinungen zu fehr, um Beifall u. 
Eingang finden zu können, wogegen das Topernitanifäe allmälig immer allge 
meiner als richtig anerfannt wurde. Indeß bedurfte auch biefes in einigen Bunkten 


5 


282 Planeten. 


ber Verbeſſerung, die es buch Kepler (ſ. d.) erhielt, welcher bie Geſehe ber 
P.s Bewegung auffand (nad ihm die Kepler'ſchen Geſetze genannt) u. erkannte 
1) daß fih die P. nicht in Kreifen, wie noch Kopernicus angenommen Hatte, jons 
bern in Ellipfen beivegen, in deren einem Brennpimfte die Sonne flieht; 2) daß 
eine von der Sonne zu einem P. gezogene Linie in gleichen Zeiten gleiche Flaͤchen⸗ 
räume befchreibt u. 3) daß bie Quadrate ober zweiten Potenzen ber Umlaufs⸗ 
zeiten zweier P. fich wie die Würfel ober britten PBotenzen ihrer mittleren Ent- 
fernungen von bee Sonne verhalten. Erft 100 Jahre fpäter lieferte Newton, 
ber Entdeder ber allgemeinen Schwere u. Schöpfer der Mecdhanit bes Himmels, 
ben theoretifchen Beweis für bie Richtigkeit u. Nothwendigkeit dieſer Geſetze, bie 
Kepler nur auf empiriſchem Wege als richtig erkannt Hatte Sept find bie 
Bahnen dee P. in allen ihren Einzelnheiten mit einer Genauigkeit beftimmt, die 
faft gar Nichts zu wuͤnſchen übrig läßt. — Die 6 weiteren P., Uranus, Befta, 
Juno, Geres, Pallas u. Aſtraͤa, find erſt In der neueften Zeit entbedit worben, 
Durch die 5 letzteren wurbe eine Lüde ausgefüllt, bie früher zwiſchen Mars und 
Jupiter zu bemerken war. Theilt man nämlich den Abſtand des Saturn von ber 
Sonne in 100, oder den der Erde von ber Sonne in zehn gleiche Theile, fo Lafien 
ſich die mittleren Abftände ber P. von ber Sonne ziemlich genau durch folgende 
Zahlen ausdrüden: Mercur A, Venus 7, Erbe 10, Mars 16, Jupiter 52, Sas 
tum 100, Uranus 196. Zieht man bie erfte Zahl A von allen andern ab, fo 
fommt 3, 6, 12, 48, 96, 1925 Hier ift die Zahl Das Doppelte ber vorhergehenden, 
nur mit Ausnahme der Zahlen 12 u. 48 (für Mars u. Jupiter), zwifchen denen 
24 fehlt; die Sermutgung lag daher nahe, daß hier noch ein P. in dem Abſtande 
28 fteben fjollte, welcher die In ber lebten Reihe noch fehlende u. dieſelbe vervoll⸗ 
ſtaͤndigende Jah 24 geben würde, u. fie Hat ſich vollfommen beftätigt, wiewohl 
man nicht wen d überrafcht war, flatt eines P. deren mehre an biejer Stelle zu 
finden. — Bon Neben⸗P., deren, außer der Erbe, noch Jupiter, Saturn u. Uranus 
haben, gibt e8 im Banzen 18. — Um den Ort eines PB. für einen beftimmten 
Augenblid berechnen zu können, müßen 6 Beftimmungsftüde befannt feyn, welche 
man bie Elemente (|. d.) ber PB. nennt. Unter diefen find namentlich zwei be 
merfenswerth:: bie Ercentricität u. die Neigung ber P.s Bahn gegen bie Efliptif. 
Se größer bie Ereentricität iſt, befto mehr weicht bie Bahn von einem Kreiſe ab. 
Die größte haben bie beiden Kleinen P. Juno u. Pallas; bei jener beträgt fie 
über }, bei diefer nicht ganz 15 dann folgen: Merkur über 4, Aſtraͤa faft 4, Mare „N, 
> Beta beinahe , Geres „7, Saturn „',, Jupiter und Uranus „4, Erde noch 
nicht A, Venus „4r. die Keigungen ber Bahnen ber Altern P. gegen die 
Ekliptik find nur gering: Jupiter 1° 19, Mars 1° 51°, Saturm 2° 30°, Bes 
nus 3° 23°, Merkur 795 bie kleinſte kommt bei Uranus vor, u. beträgt hier nur 
46 Minuten. Alle dieſe P. erſchienen daher fehr nahe bei der Elliptik, Innerhalb 
eines ſchmalen Streifens, der ber Thterkreis genannt wird. Weit größer find bie 
Rf gngen mehrer ber übrigen P.⸗Bahnen; fie betragen bei Afträa nur 5° 20%, 
bei Befta 7° 8°, aber bei Ceres 10° 37°, bei Juno 13° 4 u. bei Ballas, welche 
bie größte hat, fogar 34° 35°, fo daß, von ber Erbe aus gefehen, Befta 12° 17°, 
Geres 13° 16°, Juno 20° 40 u. PBallas 50° 49° von ber Ekliptik entfernt feyn 
fönnen. Aus dem britten Teplerifchen Geſetze erhellt, daß die P. Hinfichtlich ihrer 
Umlaufözeit biefelbe Reihenfolge beobachten, wie Hinfichtlich ihres Abflandes von 
ber Sonnez je weiter fie von der Sonne entfernt find, deſto größer if auch ihre 
fiderifche Umlaufbzeit, d. h. ber Zeitraum, in welchem fie einen vollfändigen Umlauf 
um die Sonne machen. — Anlangend bie Größe ber P., fo iR Jupiter, ber bie 
Erbe feinem körperlichen Inhalte nach über 1270 Mal übertrifft, bei weitem ber größtes 
ihm zunächft ſteht Saturn, 1000 Mal größer als die Erbe. Die Hleinften B. find bie 5 
zulegt entbedten: Veſta, Juno, Geres, Pallas, Aſtraͤa, deren Größe übrigens 
noch gar nicht genau beflimmt if. Die fcheinbare Größe ber P. haͤngt nicht 
nur von ihrer wirklichen Größe, fondern auch von ihrem Abſtande von ber 
Erbe ab; von allen B. aber kommt Benus ber Erbe am nächften, bis auf 


Planeten. 283 
54 Millionen Meilen, u, dann fie uns größer als irgend ein anderer 
P., Indem ihe größter ſcheinbarer Durchmeffer 61 Serunden beträgt, während er 
ur ihres größten Abftandes von der Erde auf neun Secunben herabfinft, — 
Im auf ihre Beſchaffenheit und Größe Tann man drei Claſſen von P. 
unterſche © bie fünf Meinen: Veſta, Juno, Ceres, Pallas und Afträaz bie vier 
mittleren, Mercure, Venus, Erde und Mars, und bie brei großen, Jupiter, Sa— 
tuen und Ürantıs, Die mittleren‘ find die nächften bei der Sonne, die g 
nen Ah au Dir De Dion, fone Dachte The (na Mramtschung mu6, 
nen e Monde, fowie re ſeht ſchnelle rehun; 
Iren die mnieren fa gen In Deren welt Um In ihre 
Are drehen. — Wir fommen nun zu ben einzelnen B.: 1) Mercur ift na 
dem Borigen ber der Sonnenächfte P. Mittlere Entfernung von der Sonne 8, 
Heinfte 63, aan 95 Millionen Meilen ; Hleinfte Entfernung bon der Erbe 10%, 


größte 303 Millionen Meilen, Wahrer Durchmefler 684 Meilen, ; 

5— 124 5° Maffe 45 der Erde: Siherifche Umlaufßgeit 87 Tage, 234 Stunden; 

fimobifche 116 Tage. Die Rotationszeit ift der der Erbe beinahe gleich, Wegen 

feiner großen Nähe bei der Sonne, von der er ſich nie über entfernt, if 

Ba Tun ala ja a a karl pl 
im jatz ec au rund und zei ie 

doch will Schröter auf ihm * Berge entbedt Haben, — 2) Bonus. Fler 


Entfernung von der Sonne fat 15 Millionen Meifen, von der Fleinflen m, größs 
tem wenig verſchieden; Heinfte —— der Erde d4, je 36 Ninlonen 
ten. Meilen ; ſcheinbarer 961“, Maffe Br 
Erde. Sideriihe Umlaufszeit 224 Tage, 163 Stunden; fhmobifche 584 ae 
a Venus ift der fe hellſte 
BP. , dat ſchoͤnes weißes Licht und iſt nicht felten am Tage mit — 
zu ſchen. Von der Sonne ſteht fie nie über 48" ab; wenn der and 
— erſcheint fie im ihrem größten Glanze. Mit dem Fernrohre iſt bie Venus, 
eben ihres Helfen Glanjes wegen, ſchwer genau zu beobachten; dunkle Flecke ober 
ſonſt etwas Auffallendes zeigt ihre Oberfläche eben fo wenig, als Mercur, doch 
will Schröter auch auf ihr Berge entdedt haben, bie zum Theil weit höher, ale 
bie der Erde (bis fünfmal höher) find. Mehre Aftronomen, zuerft Fontana 1645, 
tann Caſſini 1672, haben einen Mond ber Venus wahrzunehmen geglaubt; jetzt 
iR man überzeugt, daß es feinen folden gibt. — 3) Erbe, f. biefe — 4) 
Mars. Mittlere Entfernung von der Sonne 314, Fleinfte 284, größte 344 
Millionen Meilen; fleinfte Entfernung von ber Erde 74, größte 454 Millionen 
Meilen. Wahrer Durchmeſſer gegen hod Meilen, ſcheinbarer 4— 26“. Maffe 
+ ber Erbe. Sideriſche Umlaufszeit 686 Tage, 23, Stunden, ſynodiſche faft 
730 Tage; Rotationszeit 24 Stunden, 39 Minuten. Diefer P. zeichnet fih 
durch fein röthliches Licht aus. Mit bem Fernrohre unterfcheidet man auf feiner 
Dberfläche röthliche und grünliche Flede, von denen jene feftes Land, diefe Waf- 
ferflädhen zu feyn fcheinen. Beſonders merfwürdig find aber bie glänzenden wei- 
sen Slede an beiden Polen, in denen wir höchft wahrſcheinlich etwas dem Schnee 
Achnliches fehen, da fie abnehmen, wenn fie der Sonne lange ausgefegt gewefen 
find, und zunehmen, wenn die Sonne tiefer herabfinft. — 5— 9) Die fünf Hlei- 
nen, in ziemlich gleichem Abſtande von der Sonne befinblichen, erft in diefem Jahr: 
hunderte entdedten P., von Herfchel die Afteroiden genannt, und zwar a) Eeres, 
1. Januar 1801 von Piazziz b) Pallas, 28, März 1802 von Dibers; 
c) Juno, 1. September’ 1804 von Harding; d) Vefta, 29. März 1807 von 
Dibers; e) Afträa, 8. Degember 1845 von Hende entdeckt. Hinfichtlich 
ihres mittleren Abſtandes von der Sonne folgen fie fo auf einander: Veſta 49, 
Aftrka 534, Juno 55, Ceres 57, Pallas 574 Millionen Meilen; boch fommen 
Juno, Aſträa u. Balas ihrer größeren Ercentricität wegen der Sonne näher, als 
Vefta, nämlich bis auf 41, 43 und 434 Milionn Meilen, während fih Veſta 
der Sonne bis auf 444, Ceres nur bis auf 523 Millionen Meilen näfert, Der 


284 Planeten. 


rößte Abſtand von der Sonne beträgt dagegen bei Bella am wenigſten, 534 
illionen Meilen; ferner bei Ceres 614, bei Aftrda 64, bei Juno 694, bei 
PBalas 714 Millionen Meilm. Der Exde nähert fih Juno am meiften, auf 20 
Milionen Meilen, Eeres dagegen nur auf 314 Millionen Meilen, während fich 
Pallas am weiteften, bis auf 924 Millionen Meilen, von ihr entfernt. Die fi 
deriſche Umlaufszeit beträgt bei Veſta 1326, bei Afträa 1524, bei Juno 1593, 
bei Geres 1681, bei Pallas 16864 Tage. Die Größe biefer Fleinen P. iR noch 
nicht mit Sicherheit anzugeben ; nach Herfchel, bem bie weiften Aftronomen beis 
en, beträgt der Durchmefier feines biefer PB. (Aſtraͤa kannte er nicht) viel 

ber 30 Meilen, nach Schröter beträgt er bei Veſta 59, bei Juni 308, bei Ges 
res 350, bei Ballas 452 Meilen. Diefe Unficherheit und Verſchiedenheit in den 
Angaben ift wohl Hauptfächlich aus dem Nebel zu erklären, ber einige biefer P., 
namentlich Gered und Pallas, zu manchen Zeiten umgibt und ihren eigentlichen 
Lern ganz unſichtbar macht, während fie zu anderen Zeiten ſcharf begränzt erfcheis 
nen, Nur Befta blieb fih immer gleich und Hat ein fehr lebhaftes Licht, fo daß 
man fie zuweilen mit bloßem Ange erkennen kann. Das Lebtere iſt zu gewiſſen 
Zeiten auch bei @eres ber Fall, die bald in einem hellen röthlichen, bald in einem 
ſchwachen weißlichen Lichte erfcheint. Die drei andern find nie mit bloßen Augen 
geieden worden. Nach der Hypothefe von Olbers find alle biefe Kleine PB. mur 
rümmer eines groben, buch eine unbekannte Urfache zerftörten P., eine Bermus 
thung, ber wir die Entdeckung ber Veſta verdanfen. — 10) Jupiter. Mittlere 
Entfernung von der Sonne 1074, Heinfte 1024, größte 1124 Millionen Meilen. 
Kleinfter Abftand von der Erbe Bi}, größter 1334 Millionen Meilen. Wahrer 
Durchmeſſer gegen 19000 Meilen, fcheinbarer 30 — 46“. Mafle 338 mal grös 
er, als die der Erbe. Eynodiſche AUmlaufszeit 4332 Tage 14 Stumben (faſt 12 
Jahre). Rotationdzeit 9 Stunden 56 Minuten. Aus dieſer fchnellen Umbrehung 
erklärt fih bie ſtarke Abplattung bes Jupiter, bie faft „1; beträgt, fo baß fidh ber 
Heinfte Durchmeſſer zum größten wie 100: 107 verhält, Diefer größte aller P., 
weldyer alle andern zufammengenommen an Maſſe faft dreimal übertrifft (wiewohl 
bie Dichtigfeit feiner Maſſe nur der vierte Theil der irdifchen iſt), zeigt im Fern⸗ 
rohre vier bis fünf große u. mehre Eleinere bunfle Streifen, bie dem Aequator 
bes Jupiter u, zugleich unferer Eftiptif paralell, aber feineswegs zu allen Zeiten gleich 
find ; außerdem mehre Kleinere Flecke. Höchſt wahrfcheinlich gehören ſie nicht ber Ober⸗ 
flähe des Jupiter felbf an, fondern feiner Atmofphäre; in den Streifen ſehen 
wir vermuthlich den Körper des Jupiter felbft, und zwar ſolche Gegenden, wo ber 
Himmel heiter if. Jupiter wird bei feinem Laufe um die Sonne von vier Mon; 
ben begleitet, bie ſchon mit fehr fchwachen Fernroͤhren gefehen werben und daher 
jofort nach Erfindung ber Fernroͤhre entbedt wurben (ziemlich gleichzeitig von 
Simon Marius oder Mayer in Ansbach 1609 und von Galilei in Piſa 1810; 
jener nannte fie Sidera Brandeburgica, dieſer Sidera Hedicea). Wegen ber de 
ringen Neigung ihrer vahnen egen bie Bahn des Jupiter und gegen bie Eflip- 
tie erfcheinen fte immer in beinahe geraber Linie. Ihre Durchmefler beitragen 
545, 450, 734, 585 Meilen, wonach der zweite bem Monde der Erbe ungefähr 
glei ift, bie andern aber merklich größer find; ihre Abflände vom Jupiter 
‚ 9%, 15%, 27 Halbmefler des Jupiter; ihre Umlaufszeiten um den Jupiter 1%, 
34, 73 und 16% Tage, Die brei naͤchſten Monde werben bei jedem Umlaufe vers 
finftert, indem fie durch ben Schatten des Jupiter gehen, ber vierte in ber Regel; 
biefe Berfinfterungen können wir beobachten und fie geben ein bequemes Mittel 
ab, um bie geographiſche Länge des Beobachtungsortes zu beflimmen. — 11) 
Saturn. ittler Abftand von der Sonne 197 Millionen Meilen, teinfter 
186, größter 2084 Millionen Meilen. Klemſter Abfland von ber Erde 
165, IP 2294 Millionen Meilen. Wahrer Durchmeſſer über 17,000 
Meilen, fcheinbarer 15 — 21”. An körperlichem Inhalte übertrifft alſo Saturn 
bie Erde fat 1000 Mal, dagegen an Waffe nur 101 Mal, ba feine mittlere 
Dichtigkeit zehnmal Fleiner, als bie Dichte der Erbmafle ik. Sideriſche Umlaufs⸗ 


Planeten. 285 


zeit 10759 5 Stunden, öber-294 Jahre. Rotationszeit 105 Stunden, Sa 
iſt lenntlich durch mattes, weißes Licht; durch das dernrohr betrachtet 
e Streifen, die dem Aequator parallel, aber weniger dunkel und 
auffallend, wiewohl breiter, .al8 bie des Jupiter find. Beſonders mer! iR 
dadurch, daß er von zwei flachen, dünnen Ringen umgeben ift, bie untereinans 
dem lich eoncentrifch find. Der Zwifchenraum zwifchen dem 
dem Innern Ringe beträgt über 4000, der zwifchen beiden: Ringen 
es Innern Ringes etwa: 3700, die bes Äußeren 2300, bie 
nach Herfchel dem Jüngeren 2%, nach Schröter‘ 119 Meilen, 
Galilel enidertte zuerft im Jahre 4612 den Ring, der ungefähr. das Anfehen zweier 
‚aber erft Huyghens (um 1655) wußte die Erſcheinung — 
entbedte 1715, daß der Ring doppelt iſi. Auch der Ring 
feſter und dunkler Körper und bewegi ſich gleichjeitig mit Saturn 
143 Jahre wird er uns unfichtbar; in der Mitte zwiſchen 2 
ikten, alſo etwa 74 Jahre vor» umb nachher, erſcheint er- am 
ober. am breiteften, Außerdem wird Saturn nod von fieben 
jeitet, von denen fünf im 17. Jahrhunderte entbedt wurden, 
‚hend 1655, vier von Eaffini 1671 — 1684 (von ihm sidera Lu— 
genannt) , zwei aber erſt im ‚Jahre 1789 von Herſchel dem Keiteren. 
n des zuerft entbesften fechsten, ber, an Größe den Mars übertrifft, 
"des fiebenten, ber ihm wahrſcheinlich wenig nachſteht, find. fie fo flein, daß 
fie nur ſehr gute Fernroͤhre gefehen werben koͤnnen, namentlich die beiben 
naͤchſten ; fie daher noch wenig befannt. Ihre Abftände vom Saturn betras 
gen beziehungsweile 35, Ay, 54, 64, 94, 22, 64% Halbmeffer des Saturn. — 
9) Uranus, von Herſchel dem Nelteren am 13. 1781: entdedt: und von 
ifm Georgium sidus, von anderen Aftronomen, namentlich: in England u. Sranf- 
, Herichel, fpäter, nah Bode’s Vorfchlag, ziemlich allgemein Uranus genannt. 
Abftand von ber Sonne u: Heinfter 378, größter 415 Millionen Metz 
Im; Abftanb von ber Erde 357 — 436 Millionen Meilen. Wahrer Durchmef⸗ 
fer 7500 Meilen, fheinbarer 4”. An Inhalt übertrifft er die Erde 81, an Mafle 
0 Mal, Siderifhe Umlaufszeit 30686 Tage 19% Stunden, oder ungefähr 84 
Jahre. Seine Rotationgzeit if unbekannt. Seine Bewegung um die Sonne zeigt 
große Unregelmäßigfeiten, bie ein neuerer feanzöfifcyer Aftronom durch Die Stoͤ— 
rungen eine noch entfernteren ‘B. von großer Mafle erklärt. Uranus erſcheint 
mit bloßem Auge fehr ſchwach, wie ein Stern der festen Größe, im Fernrohre 
als runde, matte, aber gleichförmig beleuchtete Scheibe, ohne Streifen ober Flede. 
Ihn umgeben wahrfcheinlich ſechs Monde, alle von Herſchel dem eltern entdedt 
und, bis auf zwei, bisher nur von ihm gefehen, fo daß nur das Dafeyn diefer 
met ganz zweifellos if. Sie unterfeiden fi von allen übrigen Haupt- und 
Reben: P. dadurch, daß fie fih von Dften nach Weften bewegen und zwar im 
Ebenen, die auf ber Efliptif beinahe ſenkrecht ſtehen. — Die P., wozu die Alten 
auch Sonne und Mond rechneten, wurden von den Ehaldäern als die wirkende 
Urfache bei allen irhifhen Begebenheiten angefehen, u. mit ihnen vereinigten fich dann 
die Einflüffe ober Zeichen des Thierkreiſes. Bei der Geburt des Menſchen fam 
«8 befonbers auf 4 Zeiben an: auf das, das im Augenblid der Geburt aufging ; 
das, daß gerabe in der Mitte des Himmels fand; das eben untergehende u. das 
unterirdiſche, d. h. das im entgegengefegten Meridian unter der Erde culminis 
tende. Dann beobachtete man aud) die Zeichen, bie vor jebem dieſer Hauptzeichen uns 
mittelbar vorhergingen und ihm folgten, und fomit hatten alfe 12 Einfluß auf 
Gluͤck und Unglüd, Gutes und Böfes, Leben und Tod des Neugeborenen. Au 
einen Geſchlechtsgegenſatz unter ben Zeichen ſetzten fie feft, indem fie biefelben 
vom Widder aus abwechfelnd als männlich und weiblich fi dachten und, biefem 
gemäß, ihren Einſluß beflimmten. Jedem Zeichen war ein Obergott zugeordnet, 
jedes wieder in 3 Decane getheilt, denen eben fo viele Genien zugegeben waren, 
während noch niedrigere Intelligenzen ben Heineren Untecabtyeitungen wortamen. 


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286 Planiglobium — Plantin. 


Im Zodiakus (ſ. d.) bewegten ſich nun als Herrſcher bie 7 P. und die vornehm⸗ 
ſten unter ihnen, Sonne und Mond. Sie hatten ihre Häufer im: Thierkreiſe: bie 
Sonne in ber Feuerglut des Löwen; dee Mond im Krebfe, dem Thiere des Wafs 
fers u. der Feuchte; Mercur, ber nächfte bei der Sonne, in ben Zwillingen und 
der Jungfrau; Venus im Stier und in ber Wage; Mars im Widder u, Skor⸗ 
pion; Jupiter in den Zifchen und im Schügen ; Saturn zu unterfi im Waſſer⸗ 
mann und im Steinbod. Den ganzen Drient beherrfchte bie Sonne, u. ihr war 
zunächſt Jupiter verbunden ; ben Weften ber Mond und mit ihm Benus. So wie 
bie Zeichen, theilten fih auch bie P. in gute und böfe Sonne und Mond wa- 
ren Regenten bes Lebens; jene gab Empfindung, biefer Wachstum. Jupiter u. 
Benus waren gut durch ihre Verbindung mit Sonne und Mond, Saturn und 
Mars böfe, weil fie fich zu beiden nur wenig hinneigen; Mercur, nach Beſchaf⸗ 
jendet ber Afpekten, bald gut, bald böfe. Auch der Befchlechtsunterichieb wurde bei 
en Sternen beachtet: Mond u. Venus waren weiblich; Sonne, Saturn, Mars 
männlih, Mercur beides. Der Tag vermännlicht die SB. durch Wärme u. Lraft, 
die Nacht verweiblicht fie durch Feuchtigkeit und Ruhe; auch nähern fie fich dem 
männlichen Charakter, wenn fie vor dee Sonne im Oſten hergeben, und dem 
weiblichen, wenn fie iv weftlich folgen. Aller Erzgeugungen Vater ift ber Him⸗ 
mel und die Mutter iſt in ben Elementen. Diefe Elemente wurben ımter bie 
12 Zeichen vertheilt, To daß dem Löwen, ald Zeichen des Sommerftolftitiums, 
welches er 2500 vor Chr. war, das Feuer, ber Jungfrau bie Erbe, ber Wage 
bie Luft, dem Scorpion das Waſſer und fofort herum entſprach. Dielen aftrolos 
piiden Sägen gemäß war nun auch ber Dempebienft eingerichtet, daß bie aſtro⸗ 
ogiſchen Mächte darin nieberfteigen und ihre Straßlen bineinwerfen konnten. Je⸗ 
ber B. Hatte im Bilde feine eigene Farbe und Geftalt, feinen eigenen Cultus; feine 
Priefter hatten ein eigenes Coftüm. 

Planiglobium, Planifphärium, ift eine nach ber orthographiſchen ober 
ſtereographiſchen Projektion ausgeführte bildliche Darftellung : 1) der Himmels- 
fugel auf einer Ebene, welche zur Geftärung und leichteren Beobachtung der Ge⸗ 
flirne bei ihrem Durchgange durch den Meribian, Auf und Untergange u. ſ. w. 
angewendet wird; 2) der Erdkugel, und zwar entweder mit ber oͤſtlichen u. weſt⸗ 
lichen, oder mit ber nörblicden und ſuͤdlichen Hälfte der Erdkugel. 

Planimetrie wird jener Theil der Geometrie genannt, welcher fich mit ber 
Drehung und den Eigenfchaften der Flächen beichäftigt. 

lanifphärium, |. Planig lobium. 

lantage, deutſch Pflanzung, nennt man vorzugsweife bie" Anpflan⸗ 
zung nüglicher Gewaͤchſe aus fremden Gegenden, bie einer befonbern @ultur be: 
bürten. — In Oft» und Weftindien heißen fo bie reichen Beflyungen bortiger 
Einwoßner oder Eoloniften, auf welchen ſolche Anpflanzungen geiipehen, 

Slantagenet, fpäterer Beiname und dann gumitienname es Haufes Anjoı, 
ben daſſelbe befonders feit Gottfried V. führte. Er foll daher kommen, baß dieſer 
Gottfried eine Binfterpflanze (Planta geneta) als Keldzeichen auf dem Helme führte, 
oder Daß ein Anjou (wahrfcheinlich —*— V.) fidy bei feinem Zuge nach Palaͤſtina 
aus Frömmigkeit mit Ginfter geißeln ließ. Befonders führte aber das Haus Ans 
jou dieſen Ramen, feit e8 mit Heinrich 1. 1154 den Thron beftiegen u. ihn bie 
auf Richard II. 1485 behauptete Nach ihm beftieg Heinrich VII, aus dem 

aufe Tubor, ben Thron, welcher auch ben letzten Sprößling bes Haufes P., 
buard, 1499 enthaupten ließ. 

Plantin, Chriſtoph, ein berühmter Buchbruder, geboren {u Mont » Louis 
in Touraine, machte ſich mit feiner gut eingerichteten Typographie in Antwerpen 
anfäßig, wo ihm König Philipp II. von Spanien den Titel eines königlichen 
Architypographen verlieh. Er pflegte mehr als 20 Prefien im Gebrauch a feßen 
und fich mit den Typen aller europaͤiſchen Sprachen zu verfehen. Der Lohn für 
feine Arbeiter belief ſich nicht felten täglich auf 100 Goldgulden. Ihm gebüßrt 
das Berbienft, als ber Erſte arabifche Bücher gebrudt zu haben, Mit ber Cor 


Planudes — Plaſtik. 287 


—A 1» bat eilen bie bi Dur: 
———— — ja Mg 2 


Er nahm nur hoͤch I Eörreftoren in feine 
ie ie 


eu erwarb‘ fich 1, daß ebi N aniſch 
ſo die Kia 4 he — ee ihre echte (em men 
Eine jierbe feiner‘ Oft iſt die — befannte FR lotten ⸗ 
ren — 
ben m. er (um 1 Su 1500, 79 Says at We 


—* Duͤrftigleit. 
Buch druckerei übernahm nach feinem Tode fein: Eidam Moreius Das 
befannte — der Plantin' hen Dffiein iſt Beben: —— einen aus: 
it ber : Labore et constantia. ir bie Geſchichte 

— erſchlen ein ker Katalog: Index librorum, 
qui ex typographia Planliniana prodierunt, Antwerpen 1615, 8. 

Plonnded, Marimus, ein a Mönd zu ae wurde von 

— Andronicus dem älteren 1327 als Selanbten nach Venedig a8 eſchickt, nd 
1353. Er hat ſich nicht fo fehr A ee Hriften, e 
noch im den Bibliothefen ungedruckt 
t —* bie Literatur verdient — le bie aefo 
Boten, — e — — und — te aus Traditionen und Hhypoi 
= ir 08 nmel nicht In üer See aan halte, aheiite Anıder 
aut r fern erhaltene,‘ griechiſche Anthos 
logie di. &). Era af eifge Grammatit und nl raue von 
ihm hat Badmann ben Anecdota graeca, Bd, IL, Lei —— 
Bon feinen griechiſchen Ueberſ⸗ I kennen wir bie ehr die de der ih en“ 
des — der ee 8 Ovid in Profa, herausgegeben von Bolfs 
1622; tn Oeditte dt Bociint, er —2 von 8.8. Weber, 
4.5 des’Somnium Seipionis von Cicero, herausgegeben von 9, 
Halle eg 8 eines Bruchſtucs ber Schrift Ad nn herausgegeben 
von Matthäi, Most, 1810, 4. 

Plas, David van der, ein niederländifher Maler, geboren zu Amſterdam 
1647, war namentlid in Portraits ausgezeichnet. Köpfe u. Hände zeichnete er 
umübcrtrefflich; feine Farben find verftändig gemifcht u. daher fehr friſch, feine 
Gemälde haben viele Kraft u. eine unverbejierlihe Haltung, fo daß er dem Tir 
tian oft nahe fommt. Er flarb zu Amfterdam 1704. 

Plasma, |. EHalcedon. 

Plaſtik (Bildnerei, Bildformkunſt), iſt die Kunft, Förperliche Figuren u. 
Geftalten in weichen oder harten Maffen nachzubilden, obgleich die urfprüngliche 
Bedeutung (ars plastica), als Formfunft, auf die Bildung der Geftalten aus 
weichen Maffen bezogen wird. In weiterer Ausdehnung begreift man aber 
unter P. nicht nur die erwähnte Formkunſt, fondern auch bie Fildgauerei (ars 
statuaria), bie Kunft, Bildfäulen aus härteren Maffen zu verfertigen, und bie 
Bitdfehnigkunft, die fi als sculptura auf das Bilden von Figuren aus Holz, 
Etein, Elfenbein, Metall ausdehnt, die Bildnerei im weiten Sinne. Diefer ordnen 
fih dann unter: die Reliefs, die Eteinfchneibefunft, Stempelfchneidefunft, die Muͤnz⸗ 
funft und wohl auch die Phello-P., der Kormfunft aber die Bildgieferei (in Gyps 
u. Erz), einfchließlih der Toreutif. Daß die Achiteftur in das Gebiet ber P. 
gezogen wird, läßt ſich wohl vertheidigen, denn fic bildet auch in Formen und 
Mafen, Dagegen aber gehören Zeichnenkunſt u. Malerei in feiner Weife zur plas 
Rifcyen Surk u, ebenfowenig der Holzfchnitt, das Kupferftechen u. Lithographiren, 
meil es bei allen diefen um einen bilblihen Abbrud auf ber Kläche, nicht 
um eine wirkliche körperliche Form zu thun if. Wie jede Kunſt verlangt u. gibt 
auch bie P. ein Refultat, d. i. ein bleibendes, ſelbſtſtaͤndiges Werk, und darum 
iſt es wenigfen feltfam, die Schaufpielfunft u. Pantomimif als ein bloßes Nach» 
ahmen Förperliher Stellungen, aus ber Reihe ber vorübergehend dartelenten 


288 Plata — Ylata-Stanten. 


Fünfte in die der plaflifchen zu verfegen. Die P. bewegt fi) demnach ausſchließ⸗ 
lich im Reiche der pofitiven Form und ihr Stoff gehört durchaus der Sinnen⸗ 
welt an. Sie bebarf ber Farbe, bed Helibunfels und der Perſpeklive nicht; fie 
behält nur bie reine Form, liebt daher das Radte, und gibt bad Körperliche 
ſelbſt al8 ein Sichtbares u. zugleich taftbares, von Luft ring6 umgeben. Auch 
trägt fie nicht, wie ein Bemälde, das Licht in fi, es muß vielmehr auf ihre 
Werke gerichtet werben, u. fo kommt zuletzt Alles auf deren richtigen Standpunkt 
u. bie rechte Beleuchtung an, wenn alle Schönheit ihrer charakteriſtiſchen Formen 
bem Auge ſich barflellen fol. Den Moment der Darftellung betreffend, wenn ber 
Bildner ihn aus ben mannigfaltigen Veränderungen des menfchlichen Körpers 
nach einer befliuunten Abficht wählt, muß berfelbe fo beichaffen feyn, baß er biele 
Abſicht zwar deutlich ſchon ausfpricht, doch nicht bis zu dem Höhepunft vorbringt, 
von welchem das Ziel unfehlbar erreicht werben mußte. Es findet mithin Hier 
ein mittlerer Moment Statt, nicht ein Zuſtand ber vollenbeiftien Rufe. Das 
Ideal des Plaftifchen iſt nur zu erreichen, wenn bie im Momente der Zeit feft- 
gehaltene Körperform auch das in ihr feſtgewordene Geiflige, Ihren Charakter 
nämlich, als Ergebniß der früheren Lebenszeit, ausbrüdt, ober das Sittliche mit 
bem Plaſtiſchen innigft verbunden erfcheint und in biefer Exrfcheinung zur flehen- 
—5 — a was aber allein in vollendeter Darftelung bes Menſchlichen 
ausruhr ‘ 

Plata, Rio de Ia, (Silberfirom), ‚ik ber Name ber fübamerifanifchen Ströme 
Parana, Paraguay u. Uruguay nad ihrer Pereinigung eine meerbuſenaͤhnliche, 
5 Meilen breite, 40 Meilen lange Waſſermaſſe, die zu 2% zwiſchen Santa Lucia 
u. las Piedras, wo das füße Waſſer aufhört, faft 15 Meilen breit wird. 

lata-Staaten (Vereinigte Provinzen bes Rio de fa ‘Plata, Argentinifche 
Republik), eine Republit Euͤd⸗Amerika's, zwiſchen 20° 55° — 40° 56° fühlicher 
Breite, 307° 36‘ — 323° 46' öflidder Fänge von Bolivia, Paraguay, Brafllien, 
Uruguay, dem .atlantifchen Meere, Patagonien u. Ehile begränzt, eine Flaͤche von 
41,260 [J Meilen, mit fat 3 Millionen Einwohnern, Durch den ganzen Weften 
fireicht der Kamm der großen Andenfette, nach Dften nimmt Die Abbachung immer 
mehr den Charakter der Ebene an u. echebt fih von 35° ſuͤdl. Breite zu ben ſo⸗ 
genannten Pampas (ſ. d.). Nur bie Streden im Norden u. Weften find dicht 
u. bewaldet, andere Streden bebeden Moor, Sand, Salpeter. Auf ihnen ſchwar⸗ 
men wilde Rinder u. Pferde, verwilberte Hunde, Jaguare u. Kuguare, bie Ars 
mabille, ber Zorifo, der amerifanifche Strauß u. Indioner. Eine große Anzahl 
Ströme (Parana, Paraguay, Uruguay 2.) und Bergwäfler führen ihre reichen 
Maffen dem atlantifhen Meere zu, ober verlieren ſich in Sumpffeen. Sandboden, 
ben nur eine geringe Ackerkrume bedeckt, herrſcht vor; doch gedeihen trefflich 
Weizen, Mais, Wein am Fuße der Anden, Tabaf, Reis, Indigo ıc. im Rorben. 
Die Wälder wimmeln von ®eflügel, die Gewäfler von Fiſchen. Das Klima IR 
in ben Ebenen u. im Norden tropiſch, auf dem Hochgebirge u. im Süben rauf. 
Die Bewohner find zur Hälfte Indianer, übrigens Kreolen, Mulatten, Meflizen, 
Neger, Engländer, Franzoſen, Deutfche. Faſt verwilbert find bie freiheitsliebenden 
trefflichen Reiter, die Gauchos oder Bewohner der Bampas. Der Aderbau iſt 
unbedeutend, das Haupterwerbömittel die Viehzucht, Der Handel verführt Häute, 
Saure, Wolle, aldı Hörner und manche Erzeugniffe Peru’s und Chile's über 
uenos Ayres u. Montevideo. Die gemeinfchaftliche Bundesregierung leitet ein 
Diktator u, ein Congreß in Buenos Ayred. Die Staatdeinnahme belief ſich 1842 
auf faſt 3 Millionen Thaler, Höher war die Ausgabe. Die Schulden erreichen 
36 Millionen Thaler, ohne die rüdftändigen Zinfen. Die einzelnen Staaten find: 
Buenos Ayres (ſ. d.), Santa Fe, Eorbova, Santiago, Turuman, Salta und 
Jujuy, Catamarca, Rioja, San Juan, Mendoza, San Luis, Entre Rios, Cor; 
rientes, Tarija, las Miſſiones. — Die La P. Ct. machten mit Paraguay das ches 
malige fpanifche Vicefünigreich Buenos Ayres aus, weldhes fih 1816 für unabs 
Sängig erklaͤrte. Die Provinzen Entre Rios, Gorrientes, Salta und Cordova 


Plataͤa — Platen; 


289 
ſchlohen an und ein Congreß gab 1819 eine der norbamerifanifchen nachge⸗ 
bildete jung. Den erften Kampf Hatte die junge Republik Kae ale 

ven ber Banba Oriental —— er endigte mit ber Unabl —— 
dieſes Staates im Jahre 1828, terdefjen war nach mehrfachen Unruhen bi 
Verfaffung 1825 u. 1827 abgeändert worden. ‘Den Bürgerkrieg, welcher 1829 
awifchen den Föberaliften u. ben. Anhängern des Unitarfyflems-ausbrach, endigten 
Quitogas u. Roſas, welcher legtere jegt an die Spige der verfehuldeten Repu⸗ 
blit trat, Det Krieg mit Seankreich, welcher 4840 beigelegt wurde, foftete abers 
mals große Summen ‚Geldes; indeffen begann Rofas, abermals zum Direktor 
erwaͤhlt, ſeit 1845 von Neuem —— mit der Republit Banda oriental, 
ſowie mit England und Frankreich, die er noch, fortbauern. Die beiden leht⸗ 
enannten Mächte haben. daher den Plata gemeinfhaftlich mit ihren Flotten bes 
jeöt, Buenos Ayres abgeſperrt und die Küſtenbatterien zerfört, find indeſſen bis 
jegt nicht im Stande-geweien, etwas Ernftlicheres auszurichten. Vergl. Pedro be 

jeliß, Obras relativas a la hist, de las provv. del Rio de la P., 6 Bbe, 
Buenos. Ayres 1837 ; Parkſh, Buenos Ayres and Ihe provinces of la P., Lon⸗ 
bon 1839; Robertfon, Leiters on South-America, Lond. 1843. 

latda (Platäh), Stadt des weſtlichen Böotiens, am nörblichen Abhange 
des jes Kithäron in fehöner, vom Aeſopos bewälerter Ebene, unweit (jü 
wetfich) von Theben, ander Gränze von Attifa u. Megaris, ſtieß an die Straße 
von Athen nach Theben u. Megara, Hatte einen Minervatempel, erbaut von der bei 
Marathon den Date abgenommenen Beute, mit Gemälden von berühmten Meis 
ham, 3 B. Polygnotos, u. einer von Phidias verfertigten, hölzernen, vergoldeten 
mit marmornen Händen, Füßen u. Geficht, auch einen berühmten Junotempel, 

Hier 478 v. ai Schlacht zwiſchen ben Perfern unter Mardonios u. ben Grie—⸗ 
den unter Baufanias und Ariflides, worin erftere gänzlich gejchlagen wurden; 
Marbonios fiel mit den meiften der Seinigen. 

Plateforme, 1) in ber Baufunft eine das Zimmerwerf des Dachs tragende 
Balfenreiße, ein flaches Hausdach zur freien Ausſicht, eine Gartenanhöhe (Ter- 
cafe) zu ſolchem Behufe. — 2) In der Befeftigungsfunft, |. Bettung. 

Dlaten, Karl Auguft Mar, Graf von Baten-Hallermünde, geboren 
24. Dftober 1796 zu Ansbad, kam 1806 in die Cadettenſchule zu München, 
1810 in das Pageninftitut, warb 1814 Lieutenant, machte den Feldzug gegen 
Sranfreich mit, bezog 1818 unter der Korm eined Urlaubs die Univerfität Wuͤrz⸗ 
burg, 1819 Erlangen, wo er das Etubium der lateinischen, griechiſchen, perfiihen, 
arabiſchen, franzöfiiben, italienifpen, ſpaniſchen, holländiſchen und ſchwediſchen 
Sprache mit regem Fleiße betrieb, reiste 1826 nach Italien, ward 1828 Mitglich 
der Afademie der Wiffenfchaften in München, machte 1823 eine zweite Reiſe nach 
talien und farb ben 5. December 1835 in Syrafus. Dramatifcher, befonders 
berifeber Dichter, Meifter in der metrifhen Technik u. rhythmiſchen Formenkunſt, 
mit Rüdert (ſ. d.) kunſt- u. geiftverwanbt, fonft vielfah an bie Romantif ange 
lehnt, doch aud der Neuzeit zugewandt, in feinem politifchen Liberalismus nationals 
deutſch, mit den vaterländifhen Zuftänden nicht zufrieden, darum in bitterem 
Weltſchmerze ſich verzehrend. Er war mißftimmt u. glaubte auch Andere gegen 
fh mißftimmt; ihm fehlte, wie Göthe fagt, Die Liebe zu fi, feinen Leſern und 
Mitpoeten. „P. entwidelt reihe Bildung, Geift, treffenden Wis und fünftlerifche 
Vollendung, man findet bei ihm Cinbildungsfraft, Erfindung, Probuftivität, aber 
ihn hindert bie unfelige polemifhe Richtung.“ Diefe Worte Göthe’s gehen zwar 
zunaͤchſt auf P.s dramatifche Erzeugniffe, finden jedod auch vielfach auf feine 
anderen Dichtungen Anwendung. Er ſchwingt in ber „verhängnißvollen Gabel,“ 
im „romantifhen Dedipus,“ im „Schatz des Rhampfinit“ voll perfönlidher Er- 
bitterung bie Geiſel gegen Kogebue, Müllner, Clauren, Immermann, Kind, Heine, 
Houmwald, Raupad u. a. Dichter, gegen Reiſebeſchreiber u. Pedanten mander 
Art. ALS Lyriker if er wohl am größten in ben „Öhafelen“ u. in den „venes 
tianiſchen Sonetten.“ AS Gpiter gab er in feinen „Abafiben" mehe Küe 

Rralenepelopädie. VII. 49 


290 Plater — Platin, 


Einzelnheiten, als ein epifch « vollendetes Ganze. Seine „Geſchichten bes Koͤnig⸗ 
reichs Neapel” zeichnen fi) durch Klarheit u. Einfachheit der Darftellung aus. 
Vergleiche weiter Hillebrand (Literaturgefchichte 3, 501 f.); Kehrein (dramatiſche 
Poeſie 2, 333 f.); H. Stieglig, Bilder des Orients 1831 f.; u. befonders Mind; 
wis, Graf von P. ale Menſch u. Dichter, Lpzg. 18385 Ghaſelen, Erl. 1821; 
Lyrifche Blätter, daf. 1821; Vermifchte Schriften, daf. 1822; Gedichte, Stuttg. 
1828; Schaufpiele, Erl. u. Tuͤb. 1828; Sämmtliche Werfe, Stuttg. 1838, 1 BD. 
Tafchenausg. 1843, 5 Bde.; Ausg. in gr. 8., 1816, 5 Bde. x. 
Dlater, Grafen von, eine urjprünglich weſtphaͤliſche Familie, die bereits 
im 13. Jahrhunderte nach Liefland u. Polen einwanderte. Mehre Mitglieder der⸗ 
felben wurden während ber legten polnifhen Revolution genannt, von denen wir 
anführen: 1) Ludwig, trat 1794 als Freiwilliger in das polniſche Rational: 
heer, warb Adjutant des Generals Sierakowski u. wurbe bei. Macdejowize ver⸗ 
wundet, nahm fpäter die Stelle eined Provinzial-Forftmeiftere an u. wurde 1822 
als Geißel mit nach Rußland gefchleppt. 1815 kam er in ben Staatsrath und 
leitete ba8 Domainen- u. Forfiweien; er war in. beftländiger Oppoſition mit dem 
Großfürften Konftantin u. Nomwofilzoff. 1830 ging er mit Kniaziewicz nad) Paris, 
um Polen bei der franzöflichen Regierung zu repräfentirenz als bie Rufen gefiegt 
hatten, wurden feine Güter confiszirt u. er lebte feitbem in Paris. — 2) Emis 
lie, geboren 1806 zu Wilna. In glügenber Begeifterung für bie Freiheit ihres 
Vaterlandes, erregte fie in Litthauen einen Aufftand, flellte an bie Epitze eines 
Jaͤgercorps u. führte daſſelbe Heldenmüthig. Der Uebermacht weichend, fuchte fie 
mit ihrem Better, Graf Edfar P., verkleidet nach Warfchau zu gelangen. Die 
Mühen der gefahrvollen Reife mitten durch bie Feinde, wobei fie ſich des Tags 
in Gebüfh u. Moräften verfteden mußten rieben fie auf. Site flarb 1831. 
Platin, (weißes Bold) if ein edles Metall, welches bis jetzt nur gebies 
gen (im metallifeben Zuſtande), aber felten rein, gewöhnlich mit Palladium, Iri⸗ 
dium, Rhodium, Eiſen ꝛc. gemengt, gefunden wurde. Der Rame iſt fpanifch u. 
bedeutet nach dem Worte Plata (Silber), ſilberaͤhnlich. Es ift nicht unmwahrs 
ſcheinlich, daß diefes Metall ſchon den Alten bekannt geweſen, denn fie erwähnen 
bei den Solbwäfchereien eines graulic weißen Metals von der Schwere bes 
Goldes. Ein fpanifcher Geometer, Don Ulloa gab bie erfte beftimmte Erwähnung 
davon, er fand es auf einer wifienfchaftlichen Reife 1735 in Peru; Charles 
Wood, ein englifcher, Metallurg, brachte e8 1741 von Jamaica mit. Es wurde 
dann 1752 von Echeffer genauer unterfuchtz dieſer fand, daß ed dem Golde an 
edlen Eigenfchaften am nächften fiche, und nannte es befhalb weißes Bold, Im 
Jahre 1819 wurde e8 auch im Ural entbedt. Das P. iſt von grauer, zwifchen 
Eilber und — ſtehender Farbe, lebhaft glänzend, doch weniger politurfähig, 
als Silber. Sein ſpezifiſches Gewicht iſt verfchieben nach dem Grade der Rein- 
Beit, im vollflommen reinen u. gefchmiebeten Juftande == 21,5, im natürlichen = 
16 — 195 es iſt Härter als Bunker, in hohem Grade dehnbar, zwar nicht fo 
fehr, wie Gold und Eilber, und faft fo zähe wie Eifen. Beſonders zeichnet fich 
das P. dadurch aus, daß es den meifteu chemifchen Agentien (f. Reagentien) 
widerfteht und für fich felbft im heftigften Ofenfeuer (wohl aber im Knallgasge⸗ 
bläje), nicht fchmilzt. Es findet fih in der Natur, wie das meifte Gold, u. auch 
immer in feiner Begleitung, im Sanblande und Sande der Flüfle, felteıter in ans 
ſtehenden Gebirgen. Kryſtalle (kleine Würfel) find Höchft felten, gewoͤhnlicher 
ftumpfedige oder rundliche Etüde, Körner und Blättchen. Am meiften wird P. 
aus Südumerifa und vom Ural erhalten, wo man es durch Wafchen, wie das 
Gold, gewinnt. Die Platinwäfchereien am Ural liefern jährlich an 6000 — 7000 
Mark. Darunter befinden ſich öfter größere Stuͤcke; fo werden 3.8, in Petersbur 
2 Etüde gezeigt, von benen das eine 10 Bf. 54 Solotnif, das andere 20 Fi 
44 Golotnif wiegt ; im Juni 1843 gewann man bort ein Städ von 23 Pfund 
23 Solotnit Schwere Die akademiſche WMineralienfammlung zu München ents 
Halt ein Süd von 25 Unzen und 197 Gran (Med. Gewicht), ein Geſchenk ber 


Platner, 291 


Srafen Demiboff,, deren Güter die teichften Platinfchäge beherbergen. In Bras 
filien, Neug a, auf St. Domingo und in Bern hat man bisher noch feine 
beſonders große Stüde von P. gefunden; das größte, bei Cuodotto gefundene, 
ze etwas über 24 Unzen (= 14 Pfund preuß. Gew.); man bewahrt «8 in 
der Eöniglichen Sammlung zu Madrid auf. Außer ben genannten Fundgegenden 
bezeichnet man noch Borneo als ſolche auch in Frankreih, Departement be la 
Eharente, u. in Epanien follen Heine Mengen, eingefprengt in anderen Gefteinen, 
vorgefommen ſeyn. Das P. geht mit anderen Stoffen chemiſche Berbindimgen 
ein; fo_fennt man zwei mit Sauerftoff (Orydul u. Oryd), Sauerftoffs u. Haloid» 
falge, Schwefelplatin “und Verbindung mit anderen Metallen. Die Verwendung 
des P.s iſt eine mannigfache und daher das Metall eines der müplichften. Seine 
Härte, feine Dehnbarkeit, Peuerfeftigfeit und ‘fein Wiberftand gegen die meiften 
Reagentien machen es vorzüglich zu chemifchen und phyſilaliſchen Inſtrumenten 
tauglich; es wird ferner zu Aietetten u. bgl., dann in ähnlicher Weife, wie Gold 
und Silber, als ee ober zur Platinirung von Supfer, Glas, Porzellain x. 
verbraucht. Im den —44 1824 — 1834 wurde in Rußland daraus Münze 
geprägt umd zwar bis zum Werthe von 24 Millionen Thaler; ba aber bie Res 
sierung, wegen Unzulänglihfeit ihrer Gruben, das Meifte von Privaten kaufen 
mußte, fo wurden bie P.- Münzen in ber neuern Zeit wieber abgefchafft. Die 
Reinigung und Bearbeitung des P.s in ſchwierig und koſtſpielig weßhalb ber 
des gereinigten und verarbeiteten 3 bis Amal höher ſteht. Man fhäpte 
das P. Anfangs [0 Hoch, wie Gold, jegt verhalten ſich die Werthe von Silber, % 
u. Gob, wie 1:8:15.— P-Shwamm nennt man eine graue, glamoie, beim 
Reiben mit harten Körpern glängend werdende Maffe von zündartiger- Eonfiftenz, 
welche entfteht, wenn eine gewiffe P.-BVerbindung CPB.- af) in einem Schmelz. 
tigel ſtark zufammengebrüdt und weißglühend gemacht wird, Er wird bei ben 
Doͤbereiner ſchen Zündmafchinen (f. Zundmafhinen) benügt. - C. Arendts, 
Platner, 1) Johann Zaharias, geboren zu Ehemnig 1694, fludirte 
Leipzig und Halle Medizin, wurde zu Halle Doktor, wandte fih, nad einer Reife 
dur Deutfchland u. Frankreich, 1719 nad Leipzig, wurde 1721 bafelbft Brofeffor 
der Anatomie und Chirurgie, fpäter anderer Lehrfaͤcher u. ftarb bafeldft 1747. Er 
bat fein Anbenfen dur eine Menge ausgezeichneter afabemifher Schriften erhal: 
ten, bie ald „Opuscula chiurgica et anatomica,“ in 2 ®bn., Leipz. 1794, 4. zu: 
fammengedrudt wurden, und durch feine Lehrſchrift: Institutiones chiurgicae ra- 
tionalis, Reipzig 1745 und mehrmals, zulegt Venedig 1747, 4., deutſch von 9. 
8. Böhmer, Leipiig 1748, u. A. 1770, holländifh von Houttuyn, Amfterdam 
1746 überfest. — 2) Sriedrich, geboren zu —— 1730, war Doftor der Rechte 
und feit 1752 außerordentliher Profeſſor derfelben in Leipzig; warb 1762 Ap- 
peſlationsrath und orbentlicer Profeffor und rüdte immer höher hinauf und farb 
1770. Als eleganter Jurift bewährte er ſich durch nachftehende Schriften: Lanx 
satura, Altenburg 1758; J. A. Beıküi Elogium. Leipzig 1759; Historia juris 
seientise civilis romanae et byzantinae, ebd. 1760. Auch war er (1753 — 1758) 
Mitherausgeber ber Comment. Lispiens. Iıterariar, und beforgte die neuefte Aus: 
gabe von I. $r. Gronov’6 Observationes, Leipzig 1755. — 3) Ernft, des Vorigen 
Cohn, geboren zu Leipzig 1744, wurde, nach daſelbſt vollendeten afabemifeen 
Studien, 1766 Doktor der Philoſophie und 1767 Doftor der Medizin, nah 
Ruͤckkehr von einer wiſſenſchaftlichen Reife in Deutfchland und Holland aber eben: 
dafeleft 1770 außerordentlicher Profeffor der Phyſiolegie und 1801 aud außer 
ordentlicher Profeffor der Philofopbie, nachdem er beinahe 30 Jahre lange, neben 
mediziniſchen Vorieſungen, auch philofophifche und zwar biefe, bei feinem gefälli- 
em Bortrage, mit einem ungewöhnlichen, fi immer gleich haltenden, Beifalle ge— 
Halten hatte. 1811 wurde dieſe außerordentliche philoſophiſche Profeffur in eine 
ordentliche verwandelt; auch erhielt er den Titel eines koöͤniglich fächfiichen Hof: 
tathes. Ohne eine eigentliche philofophifhe Schule zu begründen, ober einer an⸗ 
dern anzuhängen, gab ihm bod bie Flare und zugleich populäre au ner Wo 
19 


292 Plate, 


loſophiſchen Darftelung und das Afthetifche Gewand, in das er feine Vorträge 
N! fleiden wußte, zu feiner Zeit eine eigenthümliche Stellung. Zuglei Hat er 
ch um Anregung und Verbreitung bes Studiums ber Pſychologie und beren in⸗ 
nigere Berbindung mit der Mebizin entſchiedene Berbienfte erworben. Gleichwohl farb 
er, dem das Wefn feines Geiſtes klarer war, als ben meiften feiner philofophirenden 
Zeitgenoffen, feltft in @eiftesgerrüttung 1818. Außer mehren achtbaren Program- 
men und feinen akademiſchen Schriften verdienen befonders folgende Werke Be- 
merfung : Briefe eines Arztes über den menfchlichen Körper, 2 Bbe., Lpz. 1770, 
71; Anthropologie für Aerzte und Weltweife, 2 Ihle., ebd. 1772, 73; neu bear- 
beitet, etd. 1790; Bhilofophifche Aphorismen, 2 Bde., ebd. 1776 und 1782, ver- 
befierte Aufl. 1793, 1800; Quaestionum philosophicarum libri II., ebd. 1794 ; 
Lehrbuch der Logik und Metaphyſik, ebd. 1795: Vermiſchte Auffäpe über medizi- 
niſche Gegenftände, Frankfurt und Leipgig 1796. Borzüglide Bemerkung von 
feinen Heinen Schriften verdienen: Quaestiones medicinse forensis, Program. 
XXXXIV., die Leipzig 1797 — 1817, 4., erſchienen u. von C. F. Heberidh, in eine 
andere Orbnung gebracht, Leipzig 1820, überfigt wurden. Diefe fowohl, als 
Medicinae studium octo semestris descriptum (in 8 Programmen), nebft noch 
einem Programme De hbertate medicorum bona , gab von Neuem, nebft Inder 
u. P.s Leben, 2. Ehoulant, Leipzig 1824, Heraus; feine Opuscula academica 
überfente C. G. Rıumann, Berlin 1824. | 
Plato, der größte Philoſoph bes Altertiums und wohl aller Zeiten, wahrs 
ſcheiniich im Jahre 429 zu Athen von dem Arifto und ber Periltione oder Po⸗ 
tone, bie ihren Namen auf Kcdrus-u. Solon zurüdleiteten, geboren, hieß eigentlich 
Ariſtokles, wurbe aber fräter entweder von feiner breiten Etirn, ober feinen breiten 
Schultern, wie man fagt, mit dem gebräudhlich gewordenen Namen B. benannt. 
Aus einer der erften Familien Athens entiproifeny genoß er ohne Zweifel eine 
uiehung wie fie nur immer einem freien Athener zuftand. Früh befchäftigte er 
fih mit dichteriſchen Verſuchen, eine ausgearbeitete Tetralogie fol er auf des 
Sofrates Rath ind euer geworfen haben. Sein erfter Lehrer in ber Bhilofophie 
war ber Herafliteer Kratylus; von feinem 20. Jahre an aber genoß er den Um⸗ 
gang und bie Belehrung des Eofrates, etwa 8 — 9 Jahre lange Nach ber 
Hinrichtung bed Sofrates, die nicht geeignet war, feine Abneigung gegen bie 
entartete Demokratie zu vermindern, glaubte er ſich in feinem Vaterlande nicht 
mehr ficher, bielt fih eine Zeit lange bei Euftides in Megara auf u, unternahm 
dann große Reifen, zuerft nach Aegypten und Eyrene, dann nady Unteritalien u. 
Sicilien, wo er mit den Pythagoraͤern enge Verbindungen anfnüpfte, bie von ber 
beutendem Einfluffe auf feine Philofophie waren, Seine Freimuͤthigkeit gegen ben 
Zyrannen Dionys den Aeltern fam ihm theuer zu ſtehen, indem biefer ifn an 
ben lafcbemonifhen Gefandten Polis auslieferte, der ihn auf Aegina ald Skla⸗ 
ven verkaufte. Durch Anniceris aus Eyrene wieder loßgefauft, kehrte er nach 
Athen zunüd und begann jet, beiläufig in feinem AO. Jahre, feine Lehrthätigkeit 
in einem bei Athen gelegenen Gymnafium, die Afudemie genannt. Zweimal uns 
ternahm er noch nach dem eine Reife nad Syrafus: das erſte Mal bald nad 
bem Tode bes Altern Dionys, auf Veranlaſſung Dio's, der durch ihn auf Dionys 
ben Jüngern zu wirken hoffte. Die Verbannung Dio's veranlaßte ihn bald zur 
Ruͤckkehr. Fur Zeit darauf unternahm er feine dritte Reife nah Eyrafus, -in 
bee Heffrung, die Zurüdberufung bes Dio von Dienys zu erwirken; er erreichte 
feinen Zwed nicht und entging io nur durch Bermittelung des Pythagoraͤers 
Archytas der Gefangenſchaft. P. farb an feinem 82. Geburtstage; der Tob foll 
ihn beim Schreiben überrafcht haben, was vielleicht nur fagen will, baß er bis 
zum Tode feine Geifteöfräfte umverfehrt bewahrt habe. — P. legte feine Philos 
jophie in einer Reihe von Dialogen nieber, einer Form ber Rebe, bie er zuerſt 
ausbildete und die ihm Gelegenheit gab, feine Gedanken in einer wunberfamen 
Lebendigkeit und Fuͤlle zu entwideln, ohne daß fie weder die Schärfe der dialekti⸗ 
/den Beitiamung, noch ben Innern fuftematiihen Zufammenhang vermiſſen ließen. 


Plate, 293 
ein ſolcher unter den Dialogert fei, wenn gleich nirgends das Streben na 
adftraften —— a Berbortrtt, unterliegt feinem Hr 
entdeden ift von Mehren, juerft mit zu großer Willfürlihfeit von Schleler⸗ 
mit mehr Wahrheit von FR. 5 ‚Hermann und Stallbaum verſucht wors 
ber a ran Entwielungsganges in den Dialogen werden wir 
in das innere Wefen der platoniſchen Philoſophie eindringen. Wir wers 
deßhalb zuerft die Dialoge in der Orbnung, wie fie wahrſcheinlich auf einans 
folgen und zufammen gehören, angeben, um bann näher auf ihren Inhalt 
einzugehen. Zwei Reihen laffen ſich fügfich unterſcheiden; die eine bilden bie Dia; 

je, in denen wir mit ziemlicher Gewißheit den: innern Gntwidelungsgang ber 
Bi en Philofophie nachweiſen können, bie andere die, bei denen bieſer ins 
nere Zufammenhang nicht fo beftimmt heivortritt, “die wir mehr als Nebenwerte 
der einen oder andern Abtheilung ber erften Reihe zutheilen u. von benen einige 
mit mehr oder weniger Entfchiedenheit als unächt betrachtet werden. Zu der ers 
a Reihe gehören: der Cratylus, Theätetus, Eophiftes, Parmenides, Politicus, 


133355 


ilebus, wſion, Phädon, Phädrus, Polſtia (vom Staate) Timäus, Kritias. 

dieſen Dialogen wird auf weſentlich fokratifcher Grundlage, wonach das Wifs 
ſen und die end (das Sittliche) iden tiſch find, mit beſtaͤndiger Beruͤckſichti 
ber Gegenfäge, bie bie vorſokratiſche Philoſophie in den Abgrund ber — 
jeftürgt Hatte, und im: Kampfe mit dieſer die Philoſophie Plato's in folgenden 
Srmbzägen entroictelt, Nachdem im Gratyfus die ſich entgegenftehenben Ans 
fichten ber Sophiſten tiber das MWefen ber Sprache, in welchen einige ein 
nothwendiges Grzeugniß ber Natıtr, andere ein reines: Werk — 
Willkür erkennen wollten: Anſichten, wodurch mit dem Weſen ber. Sprache 
zugleich die Wahrheit des mit der Sprache innig veifnüpften Denkens. von 
vorn herein vernichtet wurbe, im ihrer Falſchheit dargelegt und dann im Theätes 
tus und Sophiftes ber im der vorfofratiichen Philofophie hervorgetretene Gegen⸗ 
a überwunden und mit fiegreicher Dialeftif nachgewieſen ift, daß weder in Dem 
beftändigen Fluße bes Heraflit, noch in dem abftraften Sein des Parmenides 
die Wahrheit der Dinge gelegen fey; daß alfo das Denfen ein höheres Sein 
poftuliren muͤſſe, welche Subftunz und Bewegung, Einheit und Vielheit zugleich 
ift, fo ift_hiemit die Grundlage für die Lehre von den Ideen gewonnen; denn 
Die Ideen find eben diefe Wejenheiten, durch beren Erfenntniß wir zum wahren 
Denken gelangen und dem unaufhaltiamen dluße ber ſinnlich- werdenden Dinge, 
fo wie dem bloßen abftraften Sein gleihmäßig entfommen, Die fo gewonnene 
Grundlage ber wahren Philoſophie wird nun im einer zweiten Abtheilung von 
Dialogen, in denen man ben fuftematifchen Zufammenhang ber einzelnen unter 
einander nicht fo leicht ohne Willfürlicfeit entftellen fann, theils gegen die gro- 
sen, fi gegen die Lehre von den Ideen erhebenden, Echwierigfeiten zu vertheidis 
en gefuht (Parmenides, Dino), theild im ihrer Bedeutfamfeit für die ganze 
— an mehren weſentlichen Punkten nachgewieſen, an ber Idee des wah— 
ren Staatsmannes im Politicus, an der Lehre von ber Unſterblichkeit ber Seele 
im Phaedo, an dem Begriffe der Philoſophie ſelbft im Sympoſion u. Phaedrus, 
endlich am der Lehre vom höchften Gute im Philebus. Hieran ſchließt ſich bie 
dritte Abtheilung der erften Hauptreibe, in ber eine pofitive Eonftruftion ber gans 
zen PVhilofophie von der gewonnenen Grundlage aus verſucht wird, und zwar, in 
Anwendung auf den Menſchen, in den 10 Büchern der Politia oder vom Staate, 
als der Idee der menſchlichen Gemeinfchaft, und dem umvollendeten Kritias; in 
Anwendung auf die Natur u. ihre Erſchemungen im Timaeus. — Im der zwei⸗ 
ten Hauptreihe ſcheiden wir zuerft eine Abtheilung aus, welche einfache Erörters 
ungen in fofratifcher Weife enthält, und Die ganz im Anfange ber fchriftftelleri- 
ſchen Thätigfeit Plato's zu fegen ift; hierhin gehören: die Apologie, Bertheidig- 
ung bes Sofrates gegen bie ihm gemachten Befyuldigungen, der Crito, Jo und 
mehre andere. ine zweite größere Abtheilung, die mit der erften Abtheilung ber 
erften Reihe, Kratylus, Tpeätetus, Cophiftes, nahe zufammennängt ud AU wit 


x 


294 Plato. 


ſokratiſchen Eroͤrterungen uͤber das Weſen des Sittlichen und einzelner Tugenden 
beſchaͤftigt, bilden: der Gorgias, Protagoras, Laches, Charmides, Euthrypho; bie 
genauere Beſtimmung in Betreff der übrigen kleineren Dialogen würbe uns hier 
zu weit führen u. ie auch zum Theil mit unüberwindlichen Schwierigkeiten ver: 
- Inüpft; die Bücher von den Gefegen find wahrfcheinlich das letzte Werk P.s u. 
fhließen fi genau an bie Bücher vom Staate, indem fie das bort aufgeftellte 
Ideal an die Wirklichkeit anzupafien fuchen. — Gehen wir nun bazu über, ben 
hiee angebeuteten Inhalt ber P.nifchen Päilofophie einer näheren Beſtimmung 
unb Beurtdeilung ıc. zu unterwerfen, fo fpringt fofort Die Ideenlehre ale ber 
eigentliche Schwerpunkt der P. niſchen Philoſophle in die Augen. Auf ihr beruft 
ber Begriff P.s von ber Philofophie, als ber Erfenntniß von dem Seienden, 
Ewigen, im Gegenfage zu dem blos Scheinbaren, Bergänglichen. Nichts befto 
weniger unterliegt bie Ideenlehre P.s ben größten Schwierigkeiten, deren er ſich 
ehr wohl bewußt war, ohne fie vollſtaͤndig löfen zu können, aber auch, oßne feine 
eberzeugung von ber erfaßten Wahrheit baburch irgend wanfenb machen zu 
laffen. Die Ideenlehre unterliegt Schwierigfeiten,, erftens in —— auf den 
Begriff oder bie Idee Gottes, als des hoͤchſten, abſoluten Weſens. Denn, find 
bie Ideen der Dinge etwas an für ſich weſenhaft Subfiſtirendes, fo Haben fie Antheil 
am Sein; fo muß aber auch das Eein felbft als bie eine hoͤchſte Idee gefaßt 
werben, mit der dann eine Wahrheit auch wirklich fubfiftirender Ideen nicht ver- 
einbar if. Sie unterliegt zweitens Schwierigkeiten in Beziehung auf das Ver⸗ 
hältniß ber Ideen zu einander; benn es müflen dann bie aus biefem Berhältniffe 
fih ergebenden — z. B. der Begriff der Gleichheit und Ungleichheit, wieder 
etwas weſenhaft Subſfiſtirendes ſeyn, wodurch man in endloſe Reihen fubfiftiren- 
ber Weſenheiten geräth ac. Sie unterliegt drittens Schwierigkeiten in Beziehung 
auf die Vielheit der einzelnen Weſen, worin die Idee zur Erſcheinung kommt; 
iſt die Idee „Menſch“ z. B. etwas weſenhaft Subſtſtirendes, ſo fragt ſich, wie die 
Idee in allen einzelnen Menſchen ſeyn könne, ohne ſelbſt in die Theilung einzu⸗ 
gehen. Sie unterliegt viertend Schwierigkeiten in Beziehung auf den Stoff, bie 
aterie, in ber bie Idee, die doch an ſich etwas rein Geiftiges if, zur Erſchein⸗ 
ung fommt. — Alle diefe Schwierigkeiten mußten bem hell fehenden und nad 
Wahrheit bürftenden Philoſophen ſich enigegen ftellen, oßne baß er fie vollftänbi 
überwinden fonnte, fo lange er nidht bie Brunbieiren ber dhriftlichen Wahrheit 
von Gott, von der Schöpfung, vom Falle und ber Erlöfung erfannt hatte; biefes 
im Einzelnen durchzuführen, würde bier zu weit führen; P. ahnete überall das 
Wahre, und diefe Ahnung war es, die ihn mit foldher dialektifchen Ueberlegenheit 
der falfchen Weisheit der Sophiften gegenübertreten, weldye ihn mit folcher Ener⸗ 
gie von feinem höheren Standpunkte aus alle Gebiete der menfchlichen Erfennt: 
niß durchdringen und zu einem garen Ganzen vereinigen ließ. P. hielt als bie 
Grundlage aller Wahrheit feſt: Bett, die Höchfte Idee, Die Idee bed Guten, wenn 
er auch das Verhaͤltniß dieſer höchften Idee zu ben anderen, untergeorbneten, fidh 
nicht zu deuten vermochte; unb es muieruegt durchaus keinem Zweifel, daß, wenn 
er Gott fo bezeichnet, er darunter ein geifliges, perſoͤnliches, hoͤchſtes Weſen vers 
fanden habe. — Diefe Idee des Guten ober Gottes ift die Sonne, die im Mit: 
telpunfte feines ganzen Syſtemes ſteht; fie Dent zu runde feiner Phyſik: bie 
Welt iR ein Wert Gottes, ein großes, organliches Ganze, worin bie Idee bes 
Guten auf möglihft vollfommene Welle geoffenbart werben fol; die Materie 
bleibt ihm dabei unerflärt, das Böfe erfcheint nur als nothwendige Schranfe und 
Hemmung; ber Dualismus iſt nicht vollſtaͤndig überwunden, obwohl er nicht In 
dee Tendenz der PB.nifchen Philofophie Liegt. Die Idee bed Guten ober Gottes 
legt ferner zu runde feiner Ethik; Thellnadme an dem hoͤchſten Gute iR Ziel 
des Menſchen; verloren gegangen if fie dem Menſchen durch eigene Schulb in 
feinem frühern, rein geiftigen Leben; das Streben nad) Wiedererlangung des vers 
lorenen Gutes iſt die Philofophie, das Bemühen, biefe im andern zu weden, bas 
SBefen ber Liebe; das Ideal bes menfchlichen Lebens, welches nur in einer @e 


Platonifche Riebe, 295 


meinfe im Staate möglich ift, dasjenige, wo bie Könige PHilofe ſind ac, 
wo im ſelbſt dieſe Idee des Guten, fo viel — verwickelt iſt und 
von ihm aus, das Ganze belebt. — Wir ſehen, wie viel Vorahnung der chriſt⸗ 
lichen Offenbarung überall bei P. Hewvortritt; wie er ringt und firebt, ſich von 
ben: Orundirrtfümern der heibniichen Religion auch philofophiſch volftändig zu 
befreien, obwohl ihm. dieſes nicht gelingen Tonnte, Daher ift aud) feiner ber 
enden Philofophen zu dem Chriſtenthume in ſo mannigfache und innige Ber 

il gefommen , wie er; Ueber die weiteren Schidfale der Bınifden Philos 
ſophie den Attikel Ala dem ie und Neuplatoniker. — Od P. vermöge 
ſeiner ganzen Anſchauungsweiſe es vermocht hätte, feine Philoſophie in einem 
auf jenden: Syſteme zu entwideln, können wir dahin geheilt feyn laffen ; 
daß er es gethan hat, dürfen wir ihm nicht zum Mangel anrechnen. Denn 
nimmer würde ‚er dann eine fo lebendige Gntwidelung gegeben haben, wie. e8 
klößt_ in dem Dialogen der Fall iſt, bie, auch abgeſehen von ber Bebeutfamkcit iin 
"8 Inhaltes, vollendete: Kunftweike find, die als eine ganz eigene Gattung 
ihen der Poefie und Profa mitten inne ſtehen. An die Poeſie freifen fie beſon⸗ 
ter durch die lebendige, dramatiſche Charafterifirung ber Perſonen und. durch die 
ängeflochtenen Mythen, bie dem Ganzen nicht fremdartig, ‚sondern in einer noths 
wenigen Beziehung zu dem philofophiihen Inhalte ftehen, indem darin bie Bars 
tieen eingekleidet find, die ber dialeliiſchen Erörterung entzogen werben follten. 
Die Spraͤche if durchaus rein und ebel, und auch von biejer, Seite gehören bie 
Dialoge Pro zu dem Bollenbetfien, was bie — Literatur befipt. — Der 
fttliche after P.s iſt, ſo weit bewährte Nachrichten reichen, durchaus fleden- 
los, und erſt ſpaͤtere Neider haben ihm Sinnlichkeit, Habſucht und Schmeichelei 
Ei die Tyrannen vorwerfen wollen. Was das legte betrifft, jo fuchte er ohne 
mon feine Berbindungen mit ‚den Eyrannen von Syrafus zu benügen, mn 
fein Ideal von einem philofophifchen Könige zu verwirklichen, ſah ſich aber bald 
eräufcht, Daß er mehr zur Ariftofratie hinneigte und in der gefunfenen- Demos 

atie feiner Vaterſtadt fein Heil mehr erblicte, lag in ben Verhältnifien wohl 
begründet; daß er fi überhaupt der politifchen Thätigfeit in feiner Vaterftadt 
anz entzog, kann nur Der ihm zum Vorwurfe macyen, ber feine philofophiiche 

irfjamfeit nicht recht zu würdigen verfteht, — Unter ben älteren Ausgaben ber 
Schriften P.s ift hervorzuheben die von H. Stephanus, 3 Bde., Hol. 1578 mit 
ber Meberfegung des Manilius Ficinus, Frankfuri 1602; unter den neueren bie 
von I. Bekker, nah der Schlelermacherſchen Ueberfegung geordnet, 10 Bände, 
Berlin 1816 — 24 und London 1826; AR, 11 Bbe, Leipzig 1819— 32; Stall- 
baum, 12 Bde., Leipzig _1821— 25, mit einem reihen und gründlichen Commen- 
tar; einzelne Dialogen find herausgegeben: von Buttmann, Heindorf, Wolff, Aft, 
Stalbaum, Schneider, Nitih, Dronfe, Lindau ꝛc. Zum tiefern Eindringen in 
bie P. niſche Philoſophie gaben gründliche Anleitung: die Einleitungen bei ber 
deutfchen Meberfegung von Echleiermacyer (neue Auflage, Berlin 1817—28) und 
ber frangöfijhen von Coufin, fowie im der Ausgabe von Etallbaum; ferner 
Tennemann: Syftem ber P. niſchen Philoſophie, Leipzig 1792 — 95; Tiedemann: 
Argumenta dialogorum Platonis im 12ten Bande der Bipontiner Ausgabe bes 
P.; Socher, über P.s Schriften, München 1820; van Hcusbe, Initia_philoso- 
phiae Platonicae, Ütreht 1827 — 36; 8. FJ. Hermayı, Geſchichte und Suftem 
der P. niſchen Philoſophie (Heidelberg 1839); Br. Aſt, P.s Leben u. Sarinen, 
Leipzig 1816. . M. 

Bıatonifce Liebe Heißt die, von Plato (f. d.) in feinem philoſophiſchen 

Epfteme geforderte, geiftige Liebe zu dem Wahren, Schönen u. Guten, in welcher 
der Menich unbedingt leben und handeln muß, um feine erhabene Beftimmung zu 
erreichen und wahrhaft fitlich gut zu werden. Im engerem Sinne nennt man 
fo eine geiftige Verbindung zwiſchen zwei Berfonen verſchiedenen Geſchlechts, ber 
lediglich die genannte Gefinnung und Zwed zu Grunde liegen, und bie frei von 
allem u, allgem ſinnlichen Intereffe if. 


296 Platow — Plattiren, 


Platow, Matwei Iwanowitſch, Graf von, geboren im mittäglichen 
Rußland 1757, ſtammte aus einer griechifchen, aber feit lange in Rußland einge: 
wanberten Familie, trat unter bie Kofaden u. ſtieg durch Tapferkeit u. Berbienft 
zum Hetmann. 1806 führte er als Generallieutenant die Kofaden in Preußen 
und Bolen an, kam nach dem Frieden zu Tilfit zu ber Armee in ber Moldau 
gegen die Türken, zeichnete fich hier wieder aus, nahm unter anbern 1809 Ba- 
bad und ward zur Belohnung General ber Cavalerie. 1812 befehligte PB. 20 
doniſche Kofadenregimenter, 2 Jägerregimenter und 2 reitende Batterien, die ſtets 
die Avantgarde oder Arrieregarbe ber Ruffen bildeten und, obgleich bei ernftlicdhen 
Angriffen wie Spreu zeftäubend, ben Franzoſen doch bei bem Rüdzuge unendli: 
hen Schaden beibrachtn. Bon ber Berfolgung biefes Corps ſchreibt ſich ber 
Abfcheu der Franzoſen gegen das Wort „Koſack“ Her. Zum Lohne warb P. zum 
Grafen ernannt. Doch hatte er in biefem Feldzuge herben Berluft erlitten; fein 
einziger Sohn warb durch einen polniichen Uhlanen getödtet. 1813 und. 1814 
befehligte er in Deutſchland ein ähnliches Streifcorpe und bewirkte, mit bemfelben 
oft unvermuthet vorbdringend, manchen glüdlicden Coup, auch kam er nach Parie. 
Schon auf dem Rüdmarfche von ba fehrte er 1815 wieder um, um nochmals gegen 
Paris vorzurüden, doch enbigte ſich dieſer Krieg bald und P. kehrte nad) dem 
Don zurüd, wo er zu Neutfcherfast 1818 ſtarb. Sein Leben befchrieb in rufſſi⸗ 
fher Sprache Smirnof, Petersburg 1822. s 

Plattenfee (Balaton), ber größte See in Ungarn, liegt zwifchen ber 
Szalader, Sümegher und Belzprimer Gelpanfchaft und Hat eine Länge von 
40,000 Wiener Klaftern. Seine Breite mißt bei Fok geamn 8,000 Klafter. Am 
ſchmalften ift er bei Tichann, wo feine Breite kaum 200 Klafter beträgt. Das 
nördlide Ufer umgrängen Berge und page welche teils mit bedeutenden Wal; 
dungen bebdedt, theils mit fruchtbaren nreben bepflanzt find. Eine Merkwür⸗ 
digkeit des P. find die verfteinerten Ziegenklauen. Es wirft nämlich dieſer Eee 
Steinden von folder Größe und Geftalt an's Ufer, wie die Hälfte einer Ziegen: 
klaue ungefähr ausfieht. Sie find weiter Nichts, als petrifizirte Schneden, welche 
durch die Berfteinerung unkenntlich geworden find. Auch find die Geſtade biefes 
Sees, befonders bei dem Orte Fok, mit dem reinften und fchönften Eifenfande be- 
bedt, ber fehr fchönen Streufand liefert. Befieht man biefen Sand durch das 
Mikroſkop, fo erblidt man, außer den vielen Eiſentheilchen, auch unendlich kleine 
Koͤrnchen von Edelfteinen, namentlich ben Granat, den Rubin, Amethufl, Topas 
u, dgl. Man findet allerlei Gattungen Fifche im P., welche fich durch ein fefte- 
res, gefunderes u. fchmadhafteres Yleifch von ben Fiſchen anderer Gewäfler un- 
teriheiden. Der P. befigt auch eine Art Fiſch, welcher nur in biefem See zu 
Haufe ift und in feinem onfligen Gewäfler angetroffen wird. Man nennt ihn 
ben 50908, deutſch Zahnfiich (Perca lucioperca)., Diefen Ramen erhielt ex we: 

en feiner 4 großen Hadenzähne, die felbft bei gefchlofienem Wunde hervorragen. 
och findet man im P. eine Gattung Fiſche in faft unglaublicher Menge, Weiß⸗ 
iſche oder Schwertlinge genannt, u. fie ericheinen fo häufig, daß fle beinahe 
ie Oberfläche bes Waſſers bededen. 

en heißt: unedles Metall, namentlich Kupfer, Eifen, Mefling u. f. w. 
mit Platten von edlem Metalle, vorzüglich Gold und Silber, belegen und baffelbe 
barauf befeftigen, fo daß dann bie Wanre ausfieht, als wenn fie ganz von edlem 
Metall wäre, und zwar weit eher, als die blos vergoldete ober verfilberte Waare, 
bie eine viel bünnere Lage von dem eblen Metalle bat, als jene. Das P. ges 
ſchieht entweber vermittelt der Glühhige, ober durch Hämmern und Brefin. So 
wird 3. B. eine flarfe Kupferplatte mit einer bünnen Eilberplatte belegt u. dann 
da8 Ganze zwifchen Walzen zu duͤnnem Bleche ausgeftredt, aus welchem dann bie 
verlangten Gegenftände nerfertigt werben. Die plattirten Waaren, von benen 
übrigens bie flberplattirten ungleich häufiger im Gebrauche find, als bie golbs 
lattirten, find von großer Mannigfaltigkeit, 3. B. Kaffees unb Theekannen, Schüf- 
An, Zeller, Reuchter, Dofen, Etuis, Üpferdegeiäilere, Syoren, Schnallen, Be 


Planen — Plautus, 297 
ſchlaͤge, Knöpfe u, vi tele biefer Artifel fommen aus leld in Eng⸗ 
land, wo das P. er if, ſowie aus Birmingham, Lonbon, Paris, 
u. im Deutfchland namentit Zierlohm. 

Plauen, 1) tftadt des wolgtländifhen Kreifes im Königreiche Sachfen, 
in einem jchönen am der weißen Eifter gelegen, hat ein fönigliches Schloß 
Ratſchauer), fhöne, meiſt mafjive Häufer, Gymnaſium, Schufehrerfeminar, Ge 
werbfehule, 2 Hofpitäler, Waiſenhaus und gegen 11,000) Einwohner, Die Stadt 
iſt nächft Chemnig die wictigfte Fabrifftabt des „garen Landes und Hauptfig der 
auögezeichneten ſach ſiſchen Muffelin:, Moll:, Battift+ u. Jaconetfabrifation, fowie 
für geftidte und brodirte Waaren, welche hier und in ber ganzen Umgegend, in 
U — Adorf, Falkenſtein, Lengenfeld, Oelsnig, Mylan, Reichen⸗ 
dach u. f. m. ſende von Menſchen beſchaͤftigen, während zugleich große Spin⸗ 
nereien Wolle und Baumwolle und anfehnlihe Kattun⸗ Eu —* 
vaumwollen⸗, Damat:, Cambric⸗ und Strumpfwaarenfabrikation in diefer Ges 
gb heimif find. — 2) Dorf im föniglich ſachſiſchen Kreife und Amte Dres: 

‚ an der Weiſſeritz, von welchem ber fogenannte Blauenfche Grund, ber ſich 
von hier bis Tharand faft 3 Stunden ——— und wegen ſeines vlelfachen 
ſe's, das er ſowohl dem Geologen u. Botaniker, als dem Naturfreunde übers 

haupt — ig heſucht wird, feinen Namen hat. 

P oder Plotius, Name eines, meift aus geſchichtlich —— 
Gliedern beſtehenden, Plebejergeſchlechtes im alten Rom, zu welchem bie Kamilien 
Aeliani, Deciani, Hypfäi, Proculi, Silvani, Bari, Vennones u; a. geh — Bon dem 
Bolfstribun Marcus Plautius Sitvanus hat die fogenannte Plautia Jex judicihria 
ihren Namen, ein im Jahre 90 vor Ehe. gemachter Gefepvorjchlag, nach welchem 
die Richter aus den Senatoren und Rittern und einige aud) aus ben ‘Piebejern 
ee en Heci ein roͤmiſcher Luſiſpieldich Sarfin 

r arcus eius, romiſcher Lu ter aus a 
im Umbrien, 227—184 v. Ehr., lebte in fo dürftigen Umftänden, bag er um-ben 
täglichen Lohn in einer Stampfmühle arbeiten mußte, nachdem er früher Unter: 
nehmer eines komiſchen Theaters gewefen, und wahrjcheinlich feinen Gläubigern 
als Sclave übergeben worden war. Er beſaß für fein Zach_vorzügliche Talente, 
reichen, treffenden Witz, gluͤckliche Erfindungsgabe und alle Stärke des komiſchen 
Ausdrucks. Die griechiſchen Komiker, Epiharmus und Diphilus, waren 
feine vornehmften Mufter. Befonders gelang ihm das Nichrigfomifche; nur übers 
ſchritt er darin, feinem Zeitgefhmade zu gefallen, oft die Graͤnzen der Eittfam- 
keit. Aus einer Menge von Luftjpielen, die man ihm zufchrieb, und deren 
Gellius 130 zählt, hielt ſchon Varro nur 21 für ächt, nämli die 20 une 
jegt noch übrigen und die Vidularia, die alfo das einzige wäre, weldhes uns von 
den aͤchten Stüden fehlte. Seine Luſtſpiele find fogar von den neueren Dichtern 
häufig benügt und nachgeahmt worden. Ausgaben fämmtliher Luftfpiele: die 
ältefte von Georg Merula, Venedig 1472, Bol.; von Lambinus, Paris 
1577, Bol; von Taubmann mit fehr quten Erläuterungen, Wittenb. 1612; von 
Ernefti, nad) der Gronoviſchen, Lpz. 1760, 2 Bde. Die Zweibrüder A., 2. Aufl. 
von Brund beforgt, 1788, 3 Bde. Mit einem Commentar von Bothe, Ber: 
lin 1810, 4 Bde. Handausgabe von demfelben, Halberftadt 1821, 2 Bbe.; von 
Richter, Nürnberg 1833 u. f.; von Weile, Quedlinburg 1837 und 1838, 
2 Bde. — Bon den Auegaben einzelner Sıüce verdienen wegen ber metrifchen 
Berichtigung bemerkt zu werben: die bes Rubens von F. W. Reitz, Leipzig 
1789 (neue Ausgabe, Breslau 1824), des Trinummus von G. Hermann, 
Leipzig 18005 von Geppert, Berlin 1844; von F. Lindemann, Leipzig 
1830; von legterem Herausgeber find aud noch ber Miles gloriosus, Leipzig 
1827; die Gefangenen, Leipzig 1830 und der Amphitruo, 188. ; auferbem ein- 
zen der Truculentus von F. Goͤller, Köln 1834; der Epidicus von F. Ja— 
cob, Lübeck 1835 und die Bachides von Ritfhel, Halle 1835. — Eine 
deutjche Heberfegung von mehren Stüden, Berlin 1784. Welttindig u. want 


208 Plebs — Blejaden, 


von Ch. Kuffner, Wien 1806 und 1807, 5 Bbe In alten Silbenmaßen 
deutſch wiebergegeben von Köpfe, Berlin 1809 u. 1820, Band 1 und 2, Die 
Fortſetzung hat Roft verfprodden, von bem bis Iept folgen Stüde ers 
dienen find: Epidicus, Leipzig 1822; Pfeubolus, ebendafelbfi 1823; Mofellaria, 
ebendafelbft 1824; ber Kaufmann, ebenbaf. 18265 Curculio, ebendaf. 1830. — 
Lateiniich und beutfch von Danz, Leipzig 1806 — 11, A Bde — Leifing’s 
Abhandlung über B. Leben und Schriften, fteht in feinen fämmtlichen Werten, 
Theil 22, Seite 267 ff. und Theil 23, Seite 3 ff. Einen Verſuch, die punis 
63 Sm im Bönulus bes PB. zu erklären, machte J. J. Bellermann, 
erlin . 

Plebs, Plebejer, hieß im alten Rom feit Tulus Hoſtilius die Maſſe ber 
ale und nad Rom überfiebelten Albaner und anderer Latiner. An Zahl 
überftiegen fie ben römifchen Populus, lebten aber zum Theil auf ihren früheren 
Gütern. Sie waren von ben Gomitien, bem Senate und allen Etaate- u, Prie: 
fterämtern aueneihtoflen und ganz ber Willkuͤhr der PBatrizier Preis gegeben, 
OP deren Richterfpruch fie nicht einmal appelliren durften. Dennoch mußten 

e Kriegsdienſte leiften. Tarquinius Priscus vermochte biefen Zuftand nur in 
foweit zu ändern, baß bie edeiften plebejifchen Familien in 3 alte Tribus aufges 
nommen wurden. Dagegen theilte Servius Tullius die P. in A Stadt» und 26 
Landtribus, an beren Spige Tribunen Randen, und öffnete zugleich durch Die Bers 
teilung der ganzen Bevölferung in 5 Bermögenscaflen den P.n ben Zutritt zu 
den comitiatus maximus oder comitia centurieta. Aber immer noch war ber 
Eintritt in den Senat, die hohen Magiftraturen, bie ee die Benügung 
ber Staatsländereien ein Vorrecht ber PBatrizier. ee legte Tarquinius ftellte 
felbft, fo lange er Herrfchte, den frühern Zuftand wieder her. Bei der Errichtung 
ber Republif erlangten die P. einige Bortheile, wie bie Aufnahme mehrer ples 
bejiſchen Ritter in den Senat und durch die Balerifchen Geſetze einigen Schutz 
gegen die Patrizir. Weitere Ausfichten vernichtete ber g mit Porfenne, 
wobei 4 ber PB. ihre Befigungen verloren und verarmten. Die Beeinträchtigung ber 
wenigen, ben P.n gewährten Rechte durch bie Patrizier veranlaßte ben großartigen 
Kampf zwifchen der hochmüthigen u, treulofen Dligarchie u. ben unterbrüdten P.n, 
welche, ohne den Boden ber Gelee u verlaflen, fich endlich die Mittel erfiritten, 
fi gegen Trug u. Tyrannei zu fchügen. Als den P.n alle Staatds u. Prie⸗ 
flerämter offen ftanden, verfehwand der Unterſchied zwifchen beiden Parteien ganz» 
lih und der Ausdrud P. bezog ſich auf die große Menge, im Gegenfage zu ber 
Adels⸗ oder Senatorenpartel. Der Mißbrauch, ben fpäter Tribunen von ihrer 
Gewalt machten, war nicht im Intereſſe der eigentlichen P., fondern einer bemos 
fratiihen Partei in ihrer Ausartung, bie indeß fpätere Schriftſteller mit Unrecht 
als die P. bezeichnen. 

Pleißnerland hieß im Mittelalter ber Landſtrich zu beiden Seiten ber 
Pleiße, beſonders das Amt —— und die Staͤdte Leißnig, Kolditz, Walden⸗ 
burg, Krimmitzſchau und Werdau mit ihren Gebieten. Genau laſſen ſich indeſſen 
die Gränzen nicht beſtimmen; auch kann es fein gefchloffened Ganzes gebildet 
haben, indem mehre zum P. gehörige Ortfchaften von meißnifchem Gebiete ums 
geben waren. Das PB. war bis 1254, wo ed Markgraf Heinrich der Erlauchte 
von Meißen in Befis nahm, Reichsdomaine. | 

Plejaden, bie fieben Töchter des Atlas und der Plejone (ihre Namen find: 
Elektra, Maja, Altyone, Kelaeno, Taygete, GSterope, Merope), bie fih aus 
Schmerz über den Tod ihrer Schweftern, ber Hyaden (f. d.), ober über bas 
Schickſal ihres Vaters felbft den Tod gabenz nad einer andern Mythe aber, um 
vor ber ungeflümen Liebe bes Drion ficher zu ſeyn, von Jupiter an ben Hims 
mel verfeßt wurden, wo fie nunmehr das befannte Siebengeftirn auf dem Rüden 
bes Stier im Thierkreiſe bilden. Es find 7 Sterne fünfter und fechster Größe 
(nur einer, Alkyone, ift dritter Größe) und mit bloßem Auge leicht zu unterfcheis 


Plektron — Pleß. 299 
m; — Fernröhre geben 40 ie Sterne in dieſem Sternhaufen, „Die Römer 
ınnten dad Ganze Vergilise — 

Plektron Heißt das Inſtrument (Kiel, Feder, Hammer), womit ber Kitharift 
e Saiten erklingen macht, in welder Bedeutung das Wort Dr von. Homer 
‚braucht wird. Später bediente man ſich neben dem P. auch ber Finger, dann 
eſer allein. Es ift nicht zu behaupten, daß im Anfange das Singeripiel für. un⸗ 
ft gehalten wurbe, aber bie Lacebämonier Bei dieferhalb einen Kitha⸗ 
Ren einer Geldftrafe, weil er, von ber alten ‚Sitte des Spiels abweichend, 
ne Reuerung einführte,, Mebrigens ſteht plectrum bei Tibull (HI.,.A. 39) 
id Horaz (Od. U., 13, 26) für die Kithara felbft, und bei leßterem (Od. IL, 

40) aud für ein Iyrifhes Gedicht. . 
Plenum: (lat.), das Volle; in plono, in voller Berfammlung, 3. B. eines 
ollegiums. 
leonasmus, in der Rhetorik ein überflüßiger Gebrauch gleichbedeutender, 
rer dem Sinne nad) ſchon in anderen enthaltener Wörter, wodurd dann au 
x namliche Begriff ober Gebanfe wiederholt wird. Nur. in wenigen Fällen 
ent eine ſolche Wiederholung zur größeren Veranſchaulichung, dagegen ift fie 
* fe Er — wohl in der Regel, grund» und nach druclos und ſomit ein 
er Rebe: 

Plefcow ober Rffow, ein Gouvernement im europälfchen Rußland Cfeit 
777) mit 797 Meilen und 725,000. Einwohnern, meift Ruffen, doch auch 
it einigen Finnen und Letten untermifcht, iſt ein Theil des ehemaligen Groß» 
rſtenthums Nowgorod und liegt. zwiſchen ben Gouvernements  SBeter&burg, Row 
mob, Twer, Smolenst, Witebsk und, Liefland. Das Land ift hügelig, unters 
iſcht mit Waldungen, Moräften und Seen, wird bewäflert vom Mitoner See, 
oliſta, Khwat und. anderen Seen, den: Hlüffen Düna (hier entjpringend), 
swath, Welifaja, Shelon, Polifta und anderen; die Einwohner treiben. Aderbau 
ait Getreide und Hanf zur Ausfuhr), Gartenbau, wenig Obftbau, Viehzucht 
Pferde u. Schweine), Fiſcherei (Stinte), aber wenig Inbuftrie. Die Wälder haben 
eles Raubwild, Das Mineralreich gibt Salz, Sumpfeijen und bergl., das 
ver nicht gehörig benüyt wird. — Die gleichnamige Hauptfladt, an ber Weli- 
ja, Sig der Oouvernementsbehörden und eines griechiſchen Erzbiſchofes, hat 
),500 Einwohner, 42 Kirchen, darunter bie mit — Kuppeln geſchmuͤckte 
athedrale, ein Prieſterſeminar, proteſtantiſches Bethaus, Gymnafium, Kreis: 
zule, Waiſen- und Zuchthaus, lebhafte Induſtrie, namentlich Gerbereien und 
egeltuchfabrilen, Handel zu Waſſer nah Narwa, zu Lande nad) Petersburg 
id aljährlih im Februar einen ftarf befuchten Markt. — Früher unabhängig 
ıter republifaniiher Verfafjung, wurde P. 1509 von dem Großfürften Iwan 
zaſſiljewitſch erobert und dem rufjiihen Reiche einverleibt. 

Pleß, Standesherrfhaft im preußiichen Regierungebegirfe Oppeln, 25 U] 
teilen mit 70,000 Einwohnern, feit 1817 zu einem Kürftenthume erhoben, fan 
548 _an die Grafen von Promnig, davon einer 1768 dieſelbe feinem Better, 
m Fürften Friedrih Erdmann von Anhalt: Köthen, überließ, welcher der Stifter 
r Linie Anhalt > Köthen=‘B. wurde. Durch den Herzog Heinrich wurde bie 
errſchaft im Februar 1846 an den Grafen Hans Heintich X. von Hochberg 
gen eine Jahresrente von 30,000 Thalern abgetreten. Jept bildet das Kür: 
nthum, welches eben und fehr waldig, von mittelmäßiger Fruchtbarkeit u. von 
t Weichfel, Pßcynka, Brzamfa, Biramfa und Ruda und vielen Teichen bewäf: 
st ift, mit Ausnahme eines feinen, zum Kreife Beuthen gehörigen Theiles, faft 
nz ben Kreis P. bes ſchleſiſchen Regierungsbezickes Oppeln, mit 18 [J Meilen 
ı 54,000 Einwohnern. — Die gleihnamige Hauptftabt des Fürftenthumes, 
ig der fürfilichen Behörden, an der Pßcynka und zwifchen zwei troden gelegten 
oßen Teihen, ift gut gebaut und hat ein ſchönes fürftliches Schloß mit einem 
arten, worin eine fhöne Orangerie befindli if, Hofpital, eine Bleiweiß- und 
artoffeauderfabrif, eine Wachsbleiche, Tuchweberei und 3000 Einwahner, 


300 Pletho — Pletz. 


letho (Georgius Gemiſthos), aus Konſtantinopel, ein Neuplatoniker 
und Mathematiker, lebte im 15. Jahrhunderte, war 1438 mit Gaza u. Beflarion 
auf der Kirchenverfammlung zu Florenz, wo er fidh ber beabfichtigten Vereinigung 
der griechiſchen und roͤmiſchen Kirche widerfegte, obgleich er fpäter auf bie Eeite 
ber roͤmiſchen Kirche trat; er lebte zuleht, geflüchtet, am Hofe des Herzogs von 
Florenz. Die neuplatonifche Philofophie, die er der bes Ariftoteled vorzog und 
empfahl, fuchte er mit Iſokrates Lehre zu verbinden. Man hat von ifm: De 
Plat. et Aristot. philosophiae dıfferentia, griechiſch, Benedig 1532 u. 1540, 4., 
Iateinifch von Heniſchius, Bafel 1574, 4.; Zoroastreorum et Platonic. dogma- 
tum Sompendium, griechifch u. lateinifch von V. H. Thryllitzſch, Wittenberg 

„4., u. m. a. 

Plettenberg - Mietingen. Das Stammhaus dieſer ſehr alten Familie iſt 
das Städtchen und Amt P. in der Grafihaft Mark in Weftphalen, welches dies 
felbe im 13. Jahrhundert in einer Fehde mit dem Grafen von ber Mark verlor. 
In der Folge verbreitete ſich das Gefchlecht in mehre Linien. 1) Die Turlänbiiche, 
gegründet durch Walther, den berühmten Heermeifter des beutfchen Ordens in 

iefs u. Kurland, als folder 1527 von Karl V. zum NReichsfürften mit Sit und 
Stimme in der NReichöverfammlung ernannt (regierte von 1495 — 1535), iſt 
längft erlofchen. 2) Tie Stammlinie in Deutſchland theilte ſich mit 2 Söhnen bes 
Freiheren Johann Adolph, mit Ferdinand und Bernharb Wilhelm, in 2 Unter; 
linien, die Rorblicch’iche und Lehnhauſenſche. Hier nur Räheres von ber erften. 
Der Stifter derfelben, des Freiherrn Johann Adolph Alterer Sohn, Ferdinand, 
(geboren 1690, geftorben 1737), erbte von feinem Baterd Bruder Friedrich Ehris 

an, Fürftbifhof von Münfter, das Nordkirchiſche Kidelcommiß, erfaufte 1722 
die Herrichaft Eys, bald darauf auch die Graffchaft Witten, wurde 1724 in ben 
Reichögrafenftand erhoben, und erhielt wegen: Witten u. Eys 1732 Reichoſtand⸗ 
fhaft durch Aufnahme in das werphälifce Grafencollegium. Durch den Luͤne⸗ 
viller Frieden kamen jene unmittelbaren reichsftändifchen ſchaften an Frank⸗ 
reich. Der Reichs⸗Deputations⸗Hauptſchluß von 1803 entſchaͤdigte ihren Befitzer 
durch die, vorhin zur Abtei Heabach gehörenden, Ortſchaften Mietingen und Sul⸗ 
mingen (nachher unter dem Namen Mietingen zu einer Grafſchaft erhoben), 
fammt dem Zehnten in Baltringen, 500 Joh Wald in ben Diftriften Wolfloch, 
Leitpühl und Schenfenfau und eine auf Burheim radicirte Immerwährende Jahr: 
rente von 6000 fl Durch bie rheiniſche Bundesacte warb die Grafichaft Mies 
tingen der Souveränetät des Königs von Württemberg ſtandesherrlich unterges 
orbnet. Der Mannsftamm des gräflicden Haufes P.⸗W., tatholifcher Religion, 
iſt feitdem erlofchen. 

Pletz, Joſeph, k. k. öfterreichifcher Hof» und Burgpfarrer zu Wien und 
infulirter Abt, geboren am 3. Januar 1788 zu Wien, war der Eohn eines Buch⸗ 
halters in einem dortigen Handelshaufe, wurde in der Rormalfchule zu Et. Anna 
unterrichtet, wo Auguftin Gruber, der nachmalige Fürftergbifchof von Salzburg, als 
Katechet fein religiöfes Gefühl zu pflegen wußte. dem Oymnafium zu St. 
Anna behauptete er ſtets einen der erften Bläge, u. trat 1806 bie philoſophiſch 
Studien an, wo Frint die Religionswiflenfchaft lehrte. Obgleich P. die Ausficht 
hatte, im Kalle er ſich mit Eifer den mathematifchen u. aftronomifchen Studien 
widmen würde, bie Adjunftenftelle bei dieſen Faͤchern an der Univerfität bald zu 
erhalten, zog ihn doch unmieberftehliche Borliche zu dem geiftlichen Stande Hin. 
1808 ward er in das fürfterzbifchöfliche Alumnat aufgenommen, am 30. Auguf 
1812 zum Priefter geweiht u. am 28. Oktober beffelben Jahres als after Stus 
dienpraͤfekt des Alumnats beftimmt. Nachdem er währenb der 1814-15 erledigten 
Lehrftelle der Dogmatik als Euppient an ber Univerfität Vorträge gehalten, wurbe 
PB. am 6. September 1816 zum Hoffapları ernannt, mit ber Verpflichtung, an 
ber höheren Bildungs⸗Anſtalt für Weltpriefter zum heiligen Auguftin bie Gtubien 
zu leiten. Am 10. Maͤrz 1823 übertrug man ihm auch die ordentliche Profeffur 
der Dogmatif an ber Hochſchule u. am 15. Februar 1827 ein Kanonifat an ber 


Plenrefie— Pleyl. 301 


Metropole zu St. Stephan. _ Da’ mit dem Jahre 1826 die Theologiſche Zeit- 
Grife'uon DB. mit han 23 Bande. und ben tk Jahrgange befchlo) = ae 
ünbete er an beren Stelle eine neue u. entwidelte, Fish ©. 3-61, beren 


e 
we u. Bebürfniß. Zum Domdechanten am 27. Juni 1830 erhoben, erwarb er 
Ich durch Goncentrirung ber einzelnen Stiftungserträgniffe u. durch beifere Vers 
der Kapiteltemporalien um das Wohl des Kapitels bleibende Verdienfte, 
o baß aud er den Impuls erneuerte au. dem nothwendigen Baue ber. bereits 
aufälligen Heinen Sanonifatögebäube, die einen ber ſchoͤnſten SPläge Wieng verz 
nftalteten, nur unbebeutende Revenuen abwarfen u. auf feinen all eine lange 
Dauer mehr verſprachen. Indeß gelang die Ausführung bes Planes erft feinem 
Rahfolger. Seiner eiftigen Verwendung, ift die Fräftige Unterftügung Der ame⸗ 
ilaniſchen Miffionäre u banfın, welche bald darauf, 13. Mai 1829, zur Grün- 
ung bes 2eopoldinen» Vereines führte und unter dem Praͤſidium des — 
Brafen von dirmian für die Verbreitung des chriſtlichen Glaubens in Amerika 
nvergeßliche Berbienfte erwarb, PB. übernahm bereitwillig die Redaktion. ber 
Berichte dieſes Vereins u. blieb ſowohl durch eigene, als durch Sammlung fremder 
daben ftets einer der erften Beförberer der Anftalt. Für die leinfinder» Bervahrr 
mftalt dee Gemeinde Herrnals bei Mien, fowie füc reichliche Ausihumidung bürf- 
iger Kirchen in Ornamenten u. Altargeräthichaften, war. er ein freigebiger Goͤn⸗ 
ver. Seit dem 6, Auguft 1832 wurde er au noch zum Direktor ber theolos 
iſchen Stubien u, zum Referenten. für dieſelben bei ber f, k. Stubienhofcommijfion 
nit dem Charakter eines k. f. Regierungsrathes ernannt, Als ber Nele 
Burgpfarrer Wagner Biſchof von St. Reiten geworden, wurbe P., mit Beil 
haltung feines Direftoriums. auch Burgpfarrer, u. weil die Würde eines Abtes zur 
kil. Jungfrau von Pagrany in —— mit dem Amte eines Obervorſtehers der 
‚öberen Bilbungsanftalt für Weltpriefter gewöhnlich verbunden war, wurde ihm 
ie jegeben. Das Vertrauen, welches der Eaiferlihe Hof in feine Fröms 
nigfeit u. Umficht ſehte, veranlaßte feine Erwählung zum Beichtvater des Kaiſers 
zum Religionslehre ber Söhne des Erzherzogs Ftanz Karl, Die Krönung des 
Paifers in Mailand 1839 führte ihn nah Italien u. ald Frucht berfelben finden 
& in ber theologiſchen Zeiticrift mehre ſchäßbare Berichte über die Karıhaufe 
ei Pavia, die Kirche des heil. Antonius in Padua, die feierliche Mebertragung 
er Reliquien des heil. Zeno in Verona u. ſ. w. Er ſtarb plöplih, auf füinem 
Jeimmege von einer Eigung in ber Studiencommijjion, wo er Fury zuvor mit 
fifer u. arbeit feine Berichte vorgetranen baute, am 28. März 1840 in Folge 
ines Blutſchlages. In der Nähe der Baftei ftürzte er ohmmächtig zu Boden; 
eine legten Worte waren: „Einen Wagen in meine Wohnung im Schweizerhofe.“ 
die vielen einzelnen Gegelegenheitoſchrifien, Predigten u. a. m. fünnen hier nicht 
eſonders aufgezählt werden; nur einige wichtigere Sihriften verdienen Grwähs 
ung: Erflärung aller im Gvang. Buch vorfommenden Gpifteln, 3 Bde, 18225 
der hohe Werth des Jubelablaſſes u. feine Bıdingungen, 5 Predigten, 18265 
‚um Schluſſe des heil. Jubeljahres, 3 Predigten, 18265 Die Che nah dem 
Bilfen unferes Herrn u. Heilandes, Braut: u. Gattengeſchenk, 1832. Aus feinem 
briftlichen Nachlaſſe verdienten wohl einer gedruckten Bekanntmachung: Weber das 
eil. Meßopfer, 10 Predigten im Advent 1821 gehalten; Theol. dogm. generalis 
t specialis, in 158 Bogen Manujfript vorhanden, u, j. w.; die Menge feiner 
;afualreden if außergewöhnlid. Näheres über fein verdienſtvolles Leben ent— 
Alt die biographiſche Sfizge von Dr. B. Schad, Wien 1841. Cm. 
Pleurefie oder Pleurithis, Bruftfel » Entzündung. Vergl. den Artikel 
Feitenfteen. 
Pleyl (Ignatius), geboren in Oeſterreich 1757, ein Schüler Haydn's. 
‘r ftand in der Damals fo berühmten Eſterhazy'ſchen Kapelle in Eifenftadt und 
ım nad deren Auflöjung, nachdem er Italien u. Frankreich bereist hatte, 1787 
18 Kapellmeifter nah Steaßburg. Er verlor aber biefe Anftellung dur die Res 
olution u. ging nach London, wo er mit feinem Lehrer zuſammentraf und, tra 


i 


902 Plinganſer — Plinius. 


deſſen Berühmtheit, mit ihm in ber Gunſt des Publikums rivaliſtrte. Spaͤter ging 
er nad) Paris u. etablirte daſelbſt eine Mufifalienhandlung, welche noch jegt blüht 
u. ſich um bie Kunſt durch fchöne Ausgaben werthvollee Muſikalien, befonders 
Bartituren, fehr verdient gemacht hat. Als Eomponift behauptete B. einen hohen 
Rang. Seine Muſik if in hohem Grade melobids und gefällig, ungefucht und 
eiter. Er ift zudem einer der fruchtbarften Componiſten; feine Werfe belaufen 
ch weit über 100, welche aus Symphonien, Quartetten (dieſe befonder® ſchoͤn), 
Trio's, Duo's u. ſ. w. für alle Inftrumente befichen. Außerdem fchrieb er noch 
A Dper „„ Xhigenla· und eine ſehr werthvolle Pianofortefhule Er farb zu 
aris 1831. 

Dlinganfer, Georg Sebaftian, wurde um das Jahr 1680 zu Pfarr: 
firchen in Niederbayern geboren und, nach vollendeten Studien, Sekretär beim 
kurfuͤrſtlichen Pflegamte baſelbſt. 1705, im Verlaufe des fpaniichen Erbfolge: 
krieges, gefchah der denfwürbige Aufftand bes bayrifchen Volles gegen ben Drud 
der Eaiferlichen Landesokkupation. Einer ber thätigften Vorkaͤmpfer befielben war 
der räftige uw. feurige B. Er ward Hauptmann der Reichenberg’fhen Landfahne 
u, erlangte fpäter die Direktion des Aufftandes unter dem Titel eines „Landes⸗ 
defenfions⸗Kriegs⸗Kommiſſaͤrs“. „Die bartenBebrüdungen bes Feindes, die treu: 
loſe Eigennüpigfeit der Beamten, das Mepeln u. Würgen ber unfchuldigen Land⸗ 
leute, der durch die allgemeine Aushebung dem werthen Baterlande unmittelbar 
bevorftehende Totafruin, bewogen mich zu einem chriftlicden Mitleid genen den 
bedrängten Sandmann,” fagt PB. in ber von ihm gefchriebenen Geſchichte jener 
Tage. Am 10. November begann er an ber Epige der Lanbesvertheidiger, deren 
Zahl bald auf 24,000 Mann anwuchs, bie Belagerung ber Feſtung Braunau 
am Inn. Die Bauern waren in zwei Hauptfcharen getheilt, die unter ber Fuͤhr⸗ 
ung bes Studenten Meindl u, bes bayrifchen Kuͤraſſierwachtmeiſters Hoffmann 
ftanden. Das fehlende Gefchüg verfchaffte fih P. aus Burghauſen, welches er 
den Kaiſerlichen durch einen Handftreih weggenommen hatte, und Ende November 
ging Braunau durch Kapitulation über. Run wandte fih P. gegen Schärding, 

a8 am 4. Dezember in feine Gewalt fiel, und machte fogar einen Anſchlag auf 

Paſſau, der aber mißlang. Zur nämlichen Zeit wurden von den Aufflänbifchen 
die kaiſerlichen Beſatzungen aus Bildhofen, Cham, Ober⸗Viechtach und aus Kel⸗ 
heim verjagt. Aber der Adel und die Geiftlichfeit zeigten wenig Eifer für bie 
Sade der Ranbesvertheidiger, u. auch die Beamten waren meift kaiſerlich gefinnt. 
Die Regierung zu Burgbaufen freute fogar offen den Samen bes Mißtrauens u. 
ber Zwietradht aus. „Die Bauerſchaft koͤnne fich den beftehenden Häuptern nicht 
länger anvertrauen, dieſelben wären fämmtlich Leute von ‚geringer Herkunft, bie 
ſich bei einem böfen Ausgange zu des Landmannes unwiederbrinalichem Schaden 
zuerſt davon machen würden.“ So fpradden die zu Braunau Mitte Dezembers 
verfammelten Räthe und Kavaliere, u. auf diefer Männer Berorbnung Hin wurbe 
das feitherige Direktorium der Landesvertheidigung aufgehoben. Dies bereitete 
den unglüdlidhen Ausgang des fo herrlich begonnenen Werfes, Es kamen bie 
Schreckenstage ber Wiederbefegung Kelheim’d u. Cham's durch den rachebürftenden 
Feind, die Blutbäder von Sendling u. Aidenbach. In wenigen Tagen gingen 
die Früchte aller frühern Siege wieder verloren. Da, als er ringsum Alles ge 
wichen, verrathen u. verloren fah, brach P. das Schwert entzwei, mit welchem er 
fein Volk nicht hatte retten können, u. floh Das von dem Soldatendespotismußs unter: 
jochte Helmathland. Eıft nach zehn Jahren Tehrte er wieder nach Bayern zurüd. 
Zu Augsburg, wo er vom Jahr 1723 bis zu feinem den 7. Mai 1738 erfolgten 
Tode als erfler Rath u. Kanzler des Reichsſtiftes Et. Ulrich lebte u. den Ruhm 
eines gerechten u. weiſen Mannes trug, ruht auch feine Aſche. — Baterlänbiiches 
Magazin, Jahrg. 1837. Nro. 28. mD. 

Plinius, D Eajus Secundus, ber Aeltere, einer ber gelehrichen 
Römer, aus Berena, ober, nach Anderen, aus Comum gebürtig, lebte 23—79 v. 
Ghr., beilcibete Militär: u. Eivilämter u. war zuletzt Befehls der Flotte zu 


‚Plinthe, 303 


Mifenum. Hier verlor er fein Leben beim Ausbruche bes Veſuv. Seine Wiß⸗ 
begierbe u. feine Arbeitfamfeit waren außerordentlich. Seine „Naturgefchichte* 
iſt mehr ein encyelopädifches Werk, reich an Gelehrſamkeit, u. eines ber beträchts 
üchſten Denfmäler ber alten Literatur, dem Geograpfen u, Kunftliebhaber nicht 
minder wichtig, ald dem Naturforfcher; nur nicht überall zuverläffig und zufams 
menftimmenb genug. Seinem eigenen Geftänbniffe nach ift es eine Sammlung 
aus beinahe dritthalbtauſend Schrifrftellern, unter welchen die meiften verloren ges 
gangen find. Der jüngere P. nennt es mit Recht: „opus diffusum, eruditum, 
nec minus varium, quam ipsa natura.‘ Es befteht aus 37 Büchern, wovon das 
erfte den Entwurf des Ganzen darlegt; B. 2—6. begreift die Kosmographie u, 
raphie; B. 7. betrifft den Menfhen; B. 8—11. bie Thiere; B. 12—22, 
bie Planen; B. 23—32. die Arzneimittel aus dem Thier- u. Pflanzenreiche; 
8. 33—37. die Metalle, bie Steine, die Bildhauerei u. Malerei, verwoben mit 
der Gefchichte der vornehmften Kuͤnſtler u. Kunſtwerke. Der weitläufigfte Com⸗ 
mentar darüber find bes Grafen Rezzonico DisquisitionesPlinianae, Parma 1763 ff. 
2 Bbe., Fol. — Ausg. von Harbuin, Par. 1723, 3 Foliobände; nad berfelben 
von Franz, Leipz. 1778—91, 10 Bbe., fehr fehlerhaft gebrudt; correfter iſt die 
weibrüder Ausg. 1783—84, 5 Bhe,; neue Recenfion bes Tertes von Sillig, 
ipy. 1831—35, 5 Bde. Mit einer frangöfifchen Aeberfegung u. kritiſchen Ans 
merfungen von Poinfinet be Sivry, Par. 1771-82, 12 Bde, MNeberfegt von 
6. Groffe, Frankf. 1781—88, 12 Bbe. ; Fritſch, 8 Bde. Prenzl. 1829—30, u. 
Euͤlb, Stuttg. 1840 ff. — Das Brauchbare für die Kunft im Auszuge: Ex Plinii 
Sec. ist. nat. excerpta quae ad arles spectant. cur. Ch. G. ie, Göttingen 
1790, 8.; e libro XXXV. de pictura, Gött. 1810, 8. — Die Chrestomathia 
Pliniana, von 3. M. Geöner, Leipzig, lehte Ausg. 1776, 8. — 2) PB., Eajus 
Ehcilius Secunduß, der Jüngere, Eihweherfohn bes Vorigen u, von ihm 
aboptirt, geboren 62 n. Chr. zu Comum, Ouincilian’s Schüler, erwarb ſich als 
gerichtlicher Redner vielen Beifall in Rom, Unter Domitian ward er Prätor, 
unter Nerva und Trajan Gonful, dann Augur, zuleht Statthalter in Bitäynien. 
Deßhalb verfertigte er eine Lobrede (Panegyrieus) auf den Kaifer Trajanıs, 
eigentlich eine Danfrede, mit unläugbaren Schönheiten, doch verſchwendetem Lobe 
u. Rednerfhmude. P. ift auch Berfaffer einer Brieffammlung (10 Bücher), zwar 
nicht fo viel Natur, Einfachheit, Schönheit u. Correftheit enthaltend, wie bie Eis 
cero’8, doch immer fehr fhäybar, ſowohl von Eeiten des Inhaltes, als der Eins 
fleidung. Cie machen uns nicht bloß mit der Handels- u. Gefinnungsweife des 
N. befannt, fondern geben und auch manchen Aufichluß über die Geſchichte, bie 
Gebräude, Eitten und berügmten Männer der damaligen Zeit. Das 10. Bud 
it das vorzüglichfle, enthaltend bie Berichte bes P. an Trajan, nebft den Re— 
ifripten biefes Kaifere. Die beften Gefammtausgaben beider Werfe find: von 
Gesner, Leipz. 1739; neue Ausgabe, von Schäfer verbeffert, 1805; von @ierig, 2 
Bde., Leipz. 1805 u. Gros, 2 Bbe., Bar. 1838. Die „Briefe“ allein wurden 
von Gierig, 2 Bde, Leipz. 1800—2; Tige, Prag 1820 u. 1823, und M. Dö- 
tng, 2 Bde, Freiberg 1843, u. ein „Epistolarum delectus“ von Herbft, Halle 
1839; der „Panegyricus* von Gesner, 2. Aufl., Gött. 1749; Arngen, 3. Aufl., 
Amfterd. 1738; Schwarz, Nürnb. 174%, 4. und Gierig, Leipz. 1796, bearbeitet. 
Deutfche Ueberfegungen ber „Briefe“ lieferten Schmidt, 2 Bde, 3. Auflage von 
Strack, Leipz. 1819, und Schäfer, 2 Bde, Ansb. 1801—2, 2. Aufl. 1824; des 
„Panegyricus“ Wiegand, Leipz. 1796, u. Hoffa, Marb. 1837, und von beiden 
Schriften Schott, 5 Bde., Stuttg. 1835. Vgl. Gierig, „Ueber das Leben, ben 
moralifhen Charakter u. den fchriftftellerifhen Werth bes jüngern P.“, Dortm. 
1798, u. Held, „Weber den Werth ber Brieffammlung bes jüngern P. in Bezug 
auf Geſchichte u. roͤmiſche Literatur,“ Brest. 1833. 
Plintpe (vom Griech. mAivSos, Ziegel), nah Heſychius in der Bau- 
funft ein gewiffer Theil des Säulencapitäls; nah Vitruv das große glatte 
Glied unter dem Schaftgefims; in unferer Baufunft das untere yiredige Sn 


3904 Plock — Plotinus. 


an den Baſen der Pilaſter, Poſtamente und der Saͤulen, auch Tafel genannt. 
Bei den Griechen beſtand die P. aus gebrannter Erde u. diente auch zur Unter⸗ 
Inge der Säule, doch wurbe fie nicht überall, wie jet bei uns, in Anwendung 
gebracht. Ihre fonflige Benennung if Sohle, Sodel, Zode 

Plock, Hauptftadt des gleichnamigen Gouvernements im Koͤnigreiche Polen, 
an der Weichiel, ehemals bie Hauptfladt von Mazowien und Refibenz der polni- 
{hen Herzoge Wladislam Hermann und Boleslaw II., welche in ber hiefigen 
Kathedrale begraben liegen, ift eine der aͤlteſten Städte Polens, Sig der Pro- 
vingialbehörben u. eines katboliſchen Bifchofs, deſſen Eprengel ebenfalls zu ben 
älteen in Polen gehört. Man findet Hier 11 katholiſche Kirchen, ein Collegiat⸗ 
ſtift, Piariftencollegtum, außerbem mehre Klöfter, eine Synagoge, Waiſen⸗ und 
Armenhaus, Gymnaflum, Theater, Öffentliche Bäder ı. Die 7000 Einwohner, 
von denen faft die Hälfte Juden find, treiben ziemlichen Handel. 

Ploͤn, Stadt Im Herzogthume Holftein, am See gleiches Namens, mit 2,700 
Einwohnern, hat ein Ichönes Schloß mit Park, einft Refivenz bee Herzoge von 
—E Kirchen, lateiniſche Schule (Breitenau'ſche Stiftung), Waiſenhaus, 

rmenhäufer. 

Plombiren heißt: Waaren, welche durch ein Land gehen follen und babei 
gar feine, oder nur eine geringere (Durchgangs) Abgabe zu entrichten haben, als 
wenn fie im Lande verbraucht würden, beim Eingange in das Land mit einem 
Bleifiegel, der Plombe ober dem Bleiverſchluß, verflegeln. Dieß gefchieht von ber 
Zollbehörde des Kintrittsortes , und die des Austrittsortes unterfucht die Plombe 
und läßt, wenn file biefelbe unverlegt findet, die Waare pafficen. Auch ganze 
age fönnen, wenn Nichts von der Ladung im Lande bleiben foll, plombirt 
werden. 

Plombieres, Stadt im franzöflihen Departement ber Bogefen, in ber Tiefe 
eines pittoresfen Thale gelegen, mit 1500 Einwohnern, welche Meſſer⸗, Nägelr, 
Kettens, feine Eifens und Stahlwaaren⸗, Broberies und Quincailleriefabriken bes 
treiben. Beſonders berühmt ift die Stadt wegen ihrer fchon ben Römern befann- 
ten Mineralquellen, welche zu ben falinifch »alfalifchen gehören (mit Ausnahme eis 
ner einzigen Falten Stahlquelle), von denen eine 70, die anderen 40 — 50° R. 
befigen und ſowohl Außerlih, al8 Bäber, fowie als Getränke gegen Schwäche 
der Hautorgane, chroniſche Hautausfchläge, Skrofelkrankheiten, rheumatiſche, gichti⸗ 
ſche und Unterleibsleiden eine durchdringende Wirkſamkeit aͤußern. 

Plongirbad, ſ. Bad. 

longirſchuß, ſ. Depreſſionsſchuß. 

lotinus, ein Philoſoph der alexandriniſchen Schule, geboren zu Lykopolis 
in Aegypten 205 n. Chr., bildete fih unter Ammonius Saccas zu Alerandrien, 
begab fih, um die Philoſophie der Indier und Perfer kennen zu lernen, nad 
Perſien, Ichrte in ber Folge zu Rom mit großem Beifall und flarb 270 auf eis 
nem Landgute in Bampanien. Er war ein tiefer Denker, aber dabei auch ein 
Schwärmer, dr an Magie und Wunderfraft glaubt. Weil er ſich oft ſehr duu⸗ 
fel ausbrüdt, Tonnte man feinem Eyſteme bis jest noch nicht vollig auf ben 
Grund fommen; fo viel fcheint indeß gewiß, daß er ber eigentliche nereiniger 
ber platonifhen Philofophie mit ber ariftotelifchen und dadurch ber wahre Befors 
berer des fchwärmerifchen Lehrgebäubes ber neuplatonifchen Philoſophie war, wels 
cher er zuerft die ſyſtematiſche Form und Publicttät gab, Seine Philoſophie vers 
breitete fi von Rom aus in den berühmteften Städten Aſtens u. Griechenlands, 
fand in der ganzen aufgeflärten Welt eine gintige Aufnahme und verſchlang in 
Kurzem alle anderen Sekten gaͤnzlich. In feinen Schriften kann man den ſchwer⸗ 
müthigen, von einer zügellofen Einbildungsfraft beherrfchten Mann nicht verfen- 
nen, fo viele Mühe fih auch jein Schüler Porphyrius gegeben Haben will, ges 
funden Menfcbenverftiand hinein zu bringen. Es find ifrer 54, in 6 Enneaden 
abgetheilt. Marfilius Yicinus, der fie auch in's Lateiniſche uͤberſetzte, ge fie 
heraus zu Bafel 1580, Fol. Die volftändigfte und befte Ausgabe iſt bie von 


Plũſch · Plutarhos. 305 


Greuzer (3 Bbe,, Orf. ae 4.5, eine beutfche Ueber lieferte elhardt 
—9 — Seine Schrift: „De a ne — 


Pluſch ein ee Zeug , welcher theils von Seide, theils von Ka⸗ 
auch gemifcht von Wolle oder Baumwolle mit Seide verfertigt 
Man hat deine ga, glatt, gemuftert und gepreßt. Bei legteren wird bas Dejs 
fen ebracht. Die Sorghakichften Fabriken diefes Artikels 
find in Sr olland, ——— und ben Niederlanden; jedoch werben Pe 
ie aud in hland verfertigt. Man verwendet fie in der Regel zu 
Ben zum Ausſchlagen der Rutichen, zu Schlafröden u. m. a; 
Plus, deutih:: mehr, ein Kunftausbrud, welcher bie Abbition zweier Größen 
begeii Das Zeichen dafür ift., welches, wie das Minuszeihen (—), auerft 
— u. Zumal eingeführt haben. Es wird auch zur Bezeichnung pofitiver 
Größen gebrauch! 
— — f. Praeteritum. 
he o / aus Ehäronen in Böotien, in ber Mitte des 1. und zu An⸗ 
fang des 2. Jahrhunderts n. Ehr,, Schüler des Anmonius in Athen, Eflektifer, 
— der 1 Side, zu Rom, unter Andern auch des Habrian, eifriger Gegner ber 
ver, befleibete mehre Ehrenftellen, wie bie eines —i — von 
— In feinen- vielen, ausgehreitete Beleſenheit verrathenden Schriften 
gen er aͤchte Weisheit u. mannigfaltige Kennt: Der ——— iſt beredt, 
die Darſtellung —S der Ein hat die Sleden” feiner Zeit. Ex iſt & 
fchmüdt mit ben Sentengen ber früheren Philofophen u. Dichter, ohne ihre 
4 zu erreichen. Seine Werfe find eine reiche Quelle für‘ bie Geſchichte der 
Ste Sende, eine u; des menschlichen Berftandes überhaupt, nur oft zur 
philoſophiſchen —— — bat man ben allgemeinen Namen, ware 
33 ahe⸗ he obgleich ihr Inhalt verfchiedene Gegenftände bi 
eſchichtſchreiber verdient P. einen vorzüglichen Rang wegen: „Römildhe u. 
griechifche Unterfuchungen ;" „eu. Dfiris“ Hin — ee 
mata“, vorzügli aber wegen feiner vergleichenden Lebensbeſchreibungen, worin er 
den Eharafter der berühmteften Griechen u. Römer auf die Ichrreichfte u. unters 
baltendfte Art fchildert, vergleicht und beurtheilt. Ausgaben der Gefammtwerfe: 
nad) ber von Stephanus (13 Bde., Par. 1572), die von Reisfe (12 Bhe., Lpz. 
1774 — 82) und Hutten (14 Bde, Tüb. 1791 — 1805) die wichtigften. Die 
„Moralia“ wmurben bearbeitet ven Xylander (Baf. 1574, Fol.) und von Dan. 
Wyttendad (6 Bbe., Orf. 1795 — 1800, 4.; ; au 12 Bde. 8.; abgebrudt 
&p3. 1796. fg.), wozu fpäter „Animadversiones in Plutarchi Moralia“ (2 Bde. 
in 3 Thln., Orf. 1810 — 21; verbefferter Abbrud von Schäfer, 2 Sde. Lpz. 
1821) und ein „Index graecitatis“ (2 Bde. Orf. 1830, —D Lpz. 1835) 
kamen. Die neüeſte Tertrecenſion mit lat. Ueberfegun; gab übner (2 Bde, 
Par. 1839 — 42) und eine große Fritifche Ausgabe wird von A. W. Windels 
mann vorbereitet. Die Hiftorifhen Schriften oder „Vitae“ fanden Bearbeiter an 
Bryan und Mofes be Soul (5 Bde, Lond. 1723 — 29, 4.), an Korais 
(6 Bde, Bar. 1809 — 15), an Schäfer (6 Bde., Leipig 1825 — 30) 
und an Sintenis (Bd. 1 — 3, %p. 1839 — 43). Bon ben Ausgaben 
einzelner philoſophiſcher Schriften erwähnen wir: die der Schrift „De pla- 
citis philosophorum“ von Bed, (Lpz. 1787), „De sera numinis vin- 
dieta“ von Wyttenbach, (Leyd. 1772), der „Consolatio ad Apollonium“ von 
Uferi (Zür. 1830) unb des „Eroticus“ von Windelmann (Zür. 1836), u 
von ben vorzüglichften Ausgaben einzelner Lebensbefchreibungen die bes Bbitopde 
men, ber beiden Gracchen u. des Brutus“ von Bredomw (dte Ausgabe, Altona 
1821), bes „Alerander und Cäfar“ von Schmieder (Halle 1804), des „Timos 
leon, ber Gracchen und des Brutus“ von Fabrici (Rpz. 1812), des „Philopö- 
men, Flaminius und Pyrrhus“ von Bähr (Lkpz. 1826), bes „Alcibiades“ von 
Demfelben (Heidelb. 1822), des „Aeım. Baulus u. Timoleon! von Heid (Sun. 
20 


Rralemepciopäbir. VII. 


1832), des „Themiftofles“ von Sintenis (Lpz. 1829 unb 1832) und von 
Bortichid (Berl. 1845), des „Brutus“ von Vögelin (Zür. 1833), des „Bes 
rikles“ von Sintenis (Rp3. 1835), des „Anis und Kleomenes“ von Sch» 
mann (Greifsw. 1839), des „Phocion“ von Kraner ELpz. 1840), des „So⸗ 
fon“ ven Weftermann Graunſchw. 1841) und bes „Cimon“ von Ekker 
(Mir. 1844). Sämmtlidye moraliihe Schriften find von Kaltwaffer (9 Bde, 
Frankf. 1783 — 1800) und von Bähr (Stuttg. 18% fg.), die Lebensbeſchrei⸗ 
bungen von Schirad (8 Ebe., Berl. 1776— 80), Kaltwaffer (10 Dbe., 
Magdeb. 1799 — 1806) und Klaiber (Stuttg. 1827 fg.) überfegt worden. Bol. 
Heeren, „Pe fontibus et auctoritate vitarum parallelaram Plutsrchi” (Gött. 
1820) und 2. F. Herrmann, „De fontibus vitarum Plutarchearum“ (Marb. 
1836). — Unter dem Titel „Plutarch“ erſchienen auch in neuerer Zelt Samm⸗ 
ungen von Biographien ausgezeichneter Männer in den verfchiebenften Ländern 
uropa’6. 

Pluto, einer der drei oberften Götter der Griechen, Jupiters und Neptuns 
Bruder ; ihm fiel, bei der Theilung der Welt, die Region unter der Erde zu u. 
er ift demnach der ernfle Beherrſcher des Hades, des Schattens u. Tobtenreiches, 
des Tartaros. Ernft find auch alle antiten Darftelumgen von ihm. — PB. ftand 
dem Zeus in feinen Kriegen wider die Titanen, Cyklopen u. Giganten bei; ba 
er ſich aber in die Kriege der Menfchen mifchte, erging ‘es ihm übel, denn Her- 
kules verwundete ihn, als er den Myliern gegen ben Beiden zu Hülfe kam: aud) 
ein zweites Mal verfolgte der Halbgott ihn bis an die Pforten der Unterwelt u. 
—— ihm einen Pfeil in die Schultern, von welchem ihm Paon befreite. Er 
hatte Broferpina (f. d.) zur Gattin; eine Geliebte bes Gottes war Menthe, 
welche jedoch von Proſerpina in cine Kraufeminzpflınze verwandelt wurde — 
2.8 unterirdische Reich war von ben Seelen ber Berftorbenen bevölfert: biefe 
erfchienen vor feinem Throne u. wurden von den drei Höllenriktern, Minos, 
Rhadamantos u. Aeakos, geridtet und kamen entweder nach dem Elvſtum, oder 
bem daran floßendin Etrafortz; nur wenige Belipiele find da, daß er Seelen, bie 
in fein Reich kamen, wieder zur Erde zurüdichicte: dieſes geſchah durch Herafles 
mit Atfeftis u. mir Thefeus, durch Orpheus mit deffen Gattin Eurndile ıc. ; fonfl 
war er gewöhnlicy unerbittlid, obwohl den Menfben im Allgemeinen gewogen, 
ja ihr wahrer Wohlchäter, indem er bie Kruchtbarfeit ber Kelder, das Wachſen 
u. Gedeihen beförderte, daher er auch an vielen Orten prächtige Tempel Hatte. 
An Beinamen ift er nicht fo reich, wie viele feiner Brüder, er heißt: Agatbaleos, 
Agelaſtos, Ayefilaos, Altor, Axiokerſes, Chthonios, Die, Kebruus (in Rom), 
D.fus, Quietalis, Soranus, Sıygius, Summanus, Beblus u. Vejcvis. 

Plutos, der Gott des Reichihumes, ein Eohn der Eeres und bes Saflon 
(nit Jaſon, wie Viele Haben); er war fehend geboren, warb aber von Ju⸗ 
piter blind gemacht, weil er fidy vorgenommen, nur die guten, edlen Menſchen zu 
beglüden. Lucian gibt ihm eine Üble Geſellſchaft: die Dummheit, den Stolz, ben 
Betrug, die Krankheit, die Verweichlihung, die Schmach — Begriffe, welche 
wohl nicht urfprünglih mit dem Reichthume verfnüpft find, fondern mm (was 
ziemlich parador flingt, doch wahr iſt) durch die fortichreitende Eultur u. Gittern 
verfeineung (oder Verderbniß) zu dem elben kamen. 

luvial (ven p‘uvia), au Ehors oder Beipers Mantel genannt, ein weiter, 
vom Dale bis auf die Fuͤße Herabhängender u. vorn offener Mantel. Urſpruͤng⸗ 
lich diente das P. den Geiſtlichen zum Schuge gegen Regen u. ftürmifche Witters 
ung, deßwegen hatte foldyes eine Kapuze, weldhe dee Geiſtliche über den Kopf 
ziehen konnte In der Folgezeit ward es in ber Fatholiihen Kirche ein Feſtkleib, 
weiches aus gutem feibenen Stoffe verfatigt wird. Die Kapuze iſt ſchon lange 
abgetürzt u. gewöhnlich mit einer Quaſte verfehen. Born wird baffelbe mit 2 
füdernen oder aus anderem Metalle verfertigten Haden zufammengehaltn. Der 
Biſchof trägt ſolches bei feierlichen Umgängen, bei ben deneinweihungen und 
fonfigen Gonfjekrationen, bei ber Ausipendbung ber Heiligen Firmung u, überhaupt 


Plymouth — Po; 307 


dann, wo es in dem Pontifical vorgefehrieben if. Die Priefter, bedienen. 
deſſelden bei allen liturgiichen Bunctionen, außer, der hi. Meffe, wobel das nl 
mum ausgefept ift, al; bei feierlichen Veſpern, Betftunben, Umgängen, dann bei 
der Aſchen⸗ Kerzen, Palmen-, Kräuters, Salze ıc. Meiheu, f. iv, wie,es bas 
Ritual anzeigt, Die Farbe defielben. richtet. ſich entweder nach ber Farbe bes 
Tages , ober. fie. iſt für gewiſſe liturgiſche Verrichtungen ritwalmäßig, eigens 
month, böfhigte Eee, Eich — 
ymouth, igte See» Stabt in der engliſchen Grafſchaft Devon, an ber 

Mündung des Tamers 1. des Piym in den, Kanal, gelegen,. bilbet nebt Devon- 
port u; Stonehoufe zufammen eine Stadt, hat eine fefte Citadelie, 2 Kicchen, 
32 Kapellen. ber. Difienters, ‚eine lateinifhe (vom State. unterhalten.) Schul 
Werthaus. Gefänanig, —* he mehre Waifen- u. Armenhäufer, Sehe 
täler u. 80,000 Einwohner... B. it vor. Allem wichtig als Seiegenafen, in wel⸗ 
em fortwährend ein Theil ber, engliichen Kriegsflotte legt, u. durch die damit 
verbundenen ungeheueren Anftalten zum Baue u. zur Ausrüftung ber Schiffe, wie 
Dods, BWerfte, Schmieden, Mafchinenbauanftalten, ‚Seilereien, Magazine und 
Arfenale. „Bor dem Hafen, iſt ein ſeit 1812 angelegter Damm von 
um Schupe gegen die Wellen, u, 34 Meilen davon in, ber See ber ‚be je 

btthurm auf dem Felſen Eodyftone. Der Fabrik- u, Handelöverfehr ber, Ein- 
wohner ift verbältnißmäßig nicht. bedeutend. 

umatif, f. Nerodvnamif, — 
uneumatiker, ſ.Meſſallaner. 

Pueumatiker heißen die Anhänger einer aͤrztlichen Schule, deren Gründer, 
Athenaus aus Eilicien, um das Yabe 50.1. Chr. lebte, Nach ber, Lchre des 
Athenaͤus, welche weientlich auf bie ftoifhe Naturphilofophie gegründet Ift, befl 
das Al duch ein. feuriges Preuma, dem Erzeuger u. Bilbner aller Materie, welche 
nur umgetvandeltes Pneuma ift, - Das abjolute Vneuma ift ‚der — be⸗ 
wufite Gott, bie Weltſeele; durch ihre Ausflüffe find die Seelen ber Menſchen, 
Thiere u. Pflanzen gebildet, und von dem Verhalten biefes Pneuma in ben eins 
zelnen Körpern hängt beifen Geſundheit oder Krankheit ab. Echon die nächſten 
Schüler des Athenaͤus fahen fi übrigens durch die Einfeitigkit feines Syſtem, 
und beſonders die Schwierigkeit feiner Anwendung auf die tägliche Praris veran- 
laßt, daſſelbe mit den bewährteften Grundfägen der herrſchenden Schulen au vers 
ſchmelzen, fo Agıthinus von Lacedämon u. fein Schüler Acchigenes aus Apamca 
in Syrien. Auch der mit Reit berühmte Aretäus aus Kuppadocien erfcheint in 
Berg auf bie theoretifhe Unterlage feiner Beobachtungen als P., während ber 
Geiſt derfelben durchaus hippefratifch if. E. Buchner, 

Pneumatifb-hemifher Apparat, Heißt eine Vorfehrung, wodurch Gasar— 
ten nad deren Entbindung au'gefanaen und durch Eperrung (wozu gewöhnlich) 
Queckſilber gebraucht wi:d) gegen Mifung mit atmofphäriicher Kurt verwahrt 
maben Man hat folhe, nach beſenderen beflimmten Zweden, in ſehr verſchie— 
bener Art. 

Preumatologie bedeutet im Allgemeinen die Lehre vom Pneuma (Beife). 
Ze nad ber Kafjjung des legten Begtiffes bezeichnet dann bie P. verſchiedenes: 
fo die Lehre ber Bneumatifer (i.d.); oder P. wurde als gleichbebeutend mit 
Piochologie gebrauht; auch die Lehre von den Engeln wurde ald P. beyeichnet 
in ber Theologie; vorzugsweife aber wurde P. als gleichbedeutend mit Daͤmono⸗ 
logie gebraucht u. dem Gebicte der Magie zugerechnet. E. Buchner. 

Po, bei den Altın Padus, Eridanua, ber gröfte Fluß Italiens u. ei- 
ner ber wenigen Fluͤſſe, bie ihren Lauf von Weften nad) Often nehmen, entipringt 
auf tem Monte Bijo, bei Pian del Rei, 6000‘ über bem Meere, an der Gcänze 
Frankreichs, durdftrömt Pienont, macht bie Gränze des lombardiſch-⸗venetianiſchen 
Königreits mit Piemont, Parma, Modena und bem Kirchenſtaate und ergicht 
fih in mehren Mündungen in's abriatifhe Meer. Bon Turin an ift er faiff- 
bar. Sein Waſſer ift gelb und fhlammig. Die Ufer leiden Häufig hei Urhir- 

208* 


308 Pochwerke — Podiebrad. 


ſchwemmungen, und während bie Verſchlemmungen das Bett immer hoͤher machen, 
dämmen die Bewohner die Ufer in bie Höhe, To das er näher dem Meere weit 
über dem Niveau der Ebene fließt, welcher Umftand zu gewerblichen, aber vors 
nehmlich zu Aderbauinterefien benügt wirb. 
Pochwerke, Pochmuͤhlen, nennt man die Mafchinen oder Mühlen zum Zer- 
ftofien oder learn der Erze, aus welchem Metalle herausgebradht werben 
follen. Sie find gewöhnlidd Stampfwerke, von Waflerrädern getrieben, von deren 
ftarfen, unten mit Eifen befchlagenen Stampfern, den Pochftempeln, jeder 180 
bis 225 Pfund wiegt. Däumlinge der umlaufenden Waflerradwelle (ober einer 
andern umlaufenden Welle) heben fie an ihrer Ratte empor, damit fle in den mit 
Eifen belegten Pochtrog, der das Erz enthält, niederfallen und letzteres zermalmen. 
Sn dem Moctroge fönnen zwei, drei und mehr Stempel arbeiten, welche befto 
chwerer find u. einen deſto größern Hub haben, (von einer deſto größern Höbe 
erabfallen) müffen, je härter und fefter das zu zerſtampfende Erz if. — Die P. 
d entweder trodene oder nafle, je nachdem das Erz troden ober naß gepocht 
wird. Lepteres Na um das Zerfläuben zu verhüten. Während bes Pochens 
wird das Erz in dem Pochtroge mit einer Schaufel umgerüßrt. Man flebt bie 
epochten Erze, und was nicht durch die Siebe geht, wird weiter gepocht. Für 
Aimerze find die Pochſtempel nicht mit Eifen befchuhet (weil Eifen die Güte 
des Zinns verringern Tann), fondern unten mit harten Steinen, namenlich Wa⸗ 
den, verfehen. Hin u. wieder wendet man, flatt der Stampf⸗P., auch Hammer: 
P., felbft Walzwerke an. 
odeld (Karl Friedrich), geboren 1757 zu Wörlts bei Halle, flubirte 
ier Theologie, ward 1780 Lehrer der Braunfchweigifchen Prinzen, hierauf Se⸗ 
etär des Herzogs Auguft von Braunſchweig zu Nordheim, 1800 Hofrath u. Ka⸗ 
nonicus u. ftarb, zugleich das Cenſoramt verwaltend, 1814 zu Braunfchweig. 
Tiefe Kenntniß des menfchlichen Herzens u. fcharfe Beobachtung des Lebens zeich⸗ 
nen feine gut und einfach gelärienenen Werke aus. „Beiträge zur Beförberun 
der Menfhentenntnip (2 Stüde, Berl, 1788 — 89); „Kragmente zur Kenntni 
bes menſchlichen Herzens,“ Hann. 1788— 94; „Charafteriftif des weiblichen Ge⸗ 
ſchlechts“ (5 Thle.en. Aufl. 1806); „Bontrafte zu dem Gemälde der Weiber,“ 
nn. 1804 5 „der Mann“ (4 Thle. Hannov. 18058); Ueber Gefellihaft ıc., 
ann. 1813—16, 2 Bde. u. m. a. 
—8* ſ. Blättern u. Kuhpocken. 
odagra heißt bie Gicht (ſ. d.) in den Fuͤßen; ſie iſt weitaus bie Haufigfe 
Korm der Gicht. Die Häufigkeit und Schmerzhaftigkeit des P. veranlaßte 
Dichter Balde (f. d.) ein „Solatiam podagricorum“, München 1661, zu fchreiben, 
fowie anberfeite vor 300 Jahren Pirkheimer eine „Apologia seu laus podsgrae“ 
fhrieb, die in neuerer Zeit von M. Mar Mayer ins Deutfche uͤberſetzt wurde u. 
in Nürnberg 1831 erfchien. E. Buchner. 
odefta (ital.), eine der bürgerlichen Gerichtsbarkeit vorſtehende, hohe obrig- 
fehlihde Perſon in Stalien, mit mehrer oder minberer Gewalt, etwa einem Amt⸗ 
manne oder Schultheißen entfprechend., Bei den alten italienifchen Republifen 
hatte der P. oft die höchfte Gewalt im Staate. 

Podgorze, Stadt im Kreife Bochnia des Königreihs Galizien (Kaiſerthum 
Defterreih), liegt an ber Weichfel, Hat 2000 Einwohner, eine Hauptfchule, in 
ber Nähe Eifenwerke, Zlintenfteins und Kreidenbrüche. — P., der Fluß, bildet 
auf eine Strede die Gränze zwifchen dem öfterreihifchen Königreiche Galizien u. 
Nußland u. faͤllt in den Dnieftr. | 

Podiebrad, Georg von, geboren den 6. Apıil 1420, Sohn des Huffitifchen 
Grafen Herant von Kunftat, zeichnete fich früßzeitig durch feine kriegeriſchen Tas 
Inte aus. Während ber Minderjährigkeit des Könige Ladislaus Poſthu⸗ 
mus wurde. nebſt Mainhard von Neuhaus zum Statthalter non Böhmen er- 
nannt; 1448 bemädhtigte er fich jedoch der Perſon feines Collegen und führte 
fortan bie Regentichaft allen, 1491, als Kaiſer Friedrich IE in Wiener 


—ã 


Podium Potkel · Fleiſch. 309 


Neuftabt von dem öfterreichifchen Ständen zungen u. hatt; bebrängt wurde, zog 
ihm P. zu Hulfe. Nach dem —— migs Ladislaus 1457 wurde 
P. sam Sriebrich IM. und andere Mitbewerber von den böfmifchen Si 

zum nige gewählt und zog 1462 bei ber erneuten Bebrängniß Kaiſer Frie⸗ 
drid's diefem neuerdings zu Hülfe. Im der Folge veruneinigie er ſich ch, 
twieber mit bem Kaifer ; 1467 wurde er als: Keher von dem Bapfte Paul in ben 
Bann gethanz verberblichee wurde ihm noch der Krieg mit Matthias Eorpix 
nus von Ungarn, welcher deſſen Sohn Biftorin Hi und, gefangen nahm. 
Mitten in den Kriegsunrußen und, ohne bie Befreiung feines Sohnes erlebt zu 
haben, ftarb P. den 22. März 1470 und: wurbe zu Meng in ber Domlirche zu 
St. Veit begraben. Seine erfte Gemahlin war a von Sternberg, 
feine zweite Johanna von Rofenthal gewefen. Seine überlebenden Söhne, 
Vitltorin und Heinxrich, wurden bei der folgenden-Königswahl Übergangen u, 
erbten nur bie Herzogthümer Münfterberg ı. Glag, in welchen fie fhon 1463 
von Kaiſer Friedrich beftätigt worden waren. Der Stamm PB. erlofch 1647 mit 
Karl Friedrich, dem legten Herzöge von Münfterberg. P.’s Nachfolger 
auf dem böhmifchen Throne wurde Wladislaus, Sohn des Könige Kafimir 
son Polen. war. ein Mann voll Weisheit und Kraft, von Talent u. Huma⸗ 
nität, einer Krone würbig. . “ 

Podium, — ein erhöhter Ort, um aufzutreten, eine Anhöhe, dann 
ein Exfer oder die Ausladung an einem Gebäude (nach Vitrav u. 5 im 
römifhen Amphitheater ein erhößter Play für ben Kaifer u. die Großen des 
Reichs; im Theater der Alten der Plag vor den unterflen Sipen; im en 
Theater der vorbere, vom Vorhange begrängte, fichtbare Theil der Bühne u. 
fo viel wie Sockel ¶ . d.). 

Podlachien Hieß ehebem ein Herzogtfum u. eine Woiwodſchaft im Königs 
reihe = bie bis 1569 zu Litthauen, fpäter —— Polen gehörte. Bei Errichtung 
bes Koͤnigreichs Bolen wurde wieber ‚eine hdohfehant biefes Namens von 
228 WMeilen mit 332,000 Ginwohnern errichtet, die aber nur einen geringen 
Theil des alten P. umfaßte u. 1844 aufgehoben wurde, 

Podolien, ehedem cine polniſche Provinz u. feit 1775, wo es an Rußland 
fam, ein ruſſiſches Gouvernement, deffen gegenwärtige Organifation ſich aber erft 
von 1796 ber Datirt, mit 931 [J Meilen und 1,520,000 Ginwohnern, welde 
Klein- u. Großruſſen, Polen, Deutfhe ꝛc., meift ber griechiſchen Kirche angehörig, 
find. Es liegt zwiſchen den Gouvernements Volhynien, Kiew, Cherſon, Beilaras 
bien u. dem öfterreihifchen Königreihe Galigien. Der Boden ift durch Vor— 
berge ber Karpathen (Jalon), die, nirgends bebeutend Hoch (500 Fuß), fih all: 
mälig verflahen ; gebirgig, füblich findet ſich eine fandige Steppe, fonft if die 
Provinz fehr fruchtbar u. gibt im Meberfluß Getreide aller Art u. üppigen Gras— 
wuchs. Die Berwäfferung geſchieht durch ben Dniefter (Gränzfluß gegen Beffara- 
bien, mit vielen feinen Nebenflüffen),, den Bug und mehre Seen; das Klima 
ift mild, angenehm u. gefund. Die Ginwohner treiben Aderbau (ſehr nadhläßig, 
doch mit Gewinn, auch von mandherlei Handels ewaͤchſen), Gartenbau (auch nicht 
foftematifch betrieben), Waldeultur (in den weltlichen Theilen), Jagd auf fi 
bier nicht felten findendes Raubwild, Geflügel (Trappen), Viehzucht (ſhöne Pferde, 
Rinder, Schafe, Schweine, Ziegen), Fiſcherei, einige bergmännifche Beichäftigung 
(Bearbeitung bes Sumpfeifens, Salpeter), wenig —X u. Handel. Ginger 
theilt ift B. in 12 Kreiſe. Die Hauptftabt ift Kaminiec, mit 16,000 Ginw. 

Poͤkile (griechiſch), woͤrtlich: verfchicbenartig, bunt, hieß im alten Athen ein 
bebedter, mit trefflihen Gemälden verzierter Gang (Plinius, H. N. XXV. 9), 
zugleich zu gelehrten Unterhaltungen dienend. P. hat daher auch die Bebeutung 
einer Bildergalerie u. bezeichnet jegt wohl auch ein gelehrtes Allerlei. 

Pökel: Fleifh nennt man Fleiſch, befonders Rindfleifh, welches, mit Salz 
eingerieben, eine Zeit lange in einem Gefäße eingefchloffen gelaffen wird, damit es 
vor daͤulniß gefihert werde; durch das Salz u. die aus dem Kleihe una 


310 Poelemburg — Pönitentiarins. 


Säfte bildet fi eine Ealjbrübe (Pökel, Bölellafe), welde das Fleiſch bes 
decken muß. Deshalb nimmt man dazu am beften ein eichenes Faß, deſſen Dedel 
mittelft einer Schraube auf das Fleiſch gepreßt wird, Sollte ſich keine Pokellake 
bilden, fo übergießt man buffelbe mit einer, aus einer Auflöfung von etwa 4 Pfund 
Kocſalz, N rund Zuder u. A Loth Salpeter in ungefähr 20 Pfund Waſſer 
gebildeten Pokelbruͤhe. Damit das Kleifh eine rothe Farbe bekomme, freut 
mm etwas Eulpiter unter das Cal. Zu viel Ealpeter macht das Fleiſch hart. 

Poelemburg (Cornelius), ein berühmter Maler, geboren zu Utrecht 1580, 
ging frühe nady Rom, malte da erft in ber Manier des Elzheimer, nahm dann 
die Sanftheit des Rıphael an u. ahmte bei feiner Zurüdfunft in fein Baterland 
den Rubens nad. ein Golorit ift fehr angenchm uw. lieblich, fein Geſchmack 
gut, feine Hintergründe find meiftens Ruinen des alten Rom’s, glücklich audger 
Dacht, feine Wolfen leicht u. durchfichtig und feine Landſchaften in einem natuͤr⸗ 
lichen Ton, aber feine Zeichnung ift nicht richtig, u. ſobald feine Gemälde ihre 
gewöhnliche Größe überfteigen, verlieren fie viel von ihrer Anmuth. Man bat 
von ihm auch etliche rabirte Blätter u. nach ihm haben Bronkborſt, Lens, Morin 
n, neuere Meifter gearbeitet. Cr farb in feiner Vaterſtadt 1660. 

Poͤlitz, Karl Heinrich Ludwig, einer ber frudtbarften Schriftfteler in 
verfehiedenen Wiflenfchaften, geboren 1772 zu Ernftthal im Sctönburgiſchen, 
ftudirte zu Leipzig, warb 1794 daſelbſt Privatdocent, 1795 SBrofefior an ber 
Ritterafademie ‚zu Dresben, 1803 Profeffor des Naturrechts in Wittenberg, 1815 
der Geſchichte in Leipzig, 1820 auch der Politik u. Etaatswirtkfchaft, Hofrath, 
und ftarb als Geheimerrath 1838. Seine Hiftorifchen, publiciftifchen, Afthetifchen u. 
philoſophiſchen Schriften enthalten zwar nicht neue Nefultate einer tieferen Forſch⸗ 
ung, aber «8 herrfchen in ihnen zwedmäßige Anordnung u. Iebentige Darftellung, 
weihalb fie au als braudbar allgemein anerkannt werden. Wir nemen aus 
ber ſehr großen Zahl: „Aeſthetik für gebildete Leſer,“ Leipzig 1807, 2 Bde. ; 
„Boruläre Anthrepologie;“ „ittlichreligidie Betrachtungen u. ſ. w.“ 3 Bbe,, 
neue Auflage 1810: „Bruchftüde aus den Clafſikern der deutfchen Nation,” neue 
Aufl, 4 Bde.; „Encyelopäbie der gefammten philoſophiſchen Wiſſenſchaften,“ 
2 Thle.; „Lehrbuch der beutfchen Sprache,“ 2. Aufl. 1810; „Erziehungswiliens 
ſchaft,“ 2 Bde; „Geichichte Preußens," A Bde; „Geſchichte bes Fönigreide 
Sachſen,“ 2 Bde.; „Praktiſches Handbuch zur flatarifchen u. curforiihen Lektüre 
ber deutſchen Claſſiker,“ A Bde.; „Handbudy ber Weltgefchichte A Bde., neue 
Aufl. 1837—38, fortgefegt von Bülau u v. a, Seine reiche Bibliothek vers 
machte er der Leipziger Rathe » Bibliothef. 

Poͤllnitz, Karl Ludwig, Freiherr von, Eönigl, preußifcher Kammerherr u. 
Mitglied der Akademie der Wiffenichaften in Berlin, geboren zu SIffum 1691, 
verlebte einen großen Theil feines Lebens am preußifchen Hofe u. warb als Luftig- 
macher bei König Friedrich II. u. befien Vater zuweilen wohl gelitten. Als Schrift- 
fteller ift er nicht unrügmlich bekannt durch fein „Suxe galante“ (deutſch: Lich» 
ſchaften Königs Auguft I. von Polen, Berlin 1784), vornämlich aber durch feine 
für die Zeitgefchichte brauchbaren Me&m. de Ch. L. B. de P. contenant les ob- 
servalions, qui’ il a fuites dans ses voyages, 3 Bde, Lüttidy 1734; Leitres 
et Mem., 5 Thle. Amfterdam 1737; Mem. pour servir a l’hist. des quatre der- 
niers souverains de la maison de Brandenbourg, Berl. 1791, 2 Bde., beutfch 
ebd. 1791, 2Bbe. P. war weder tiefer Beobachter, noch fehr unterrichteter Mann, 
aber ein guter Erzähler, von felichtem, gefundem Berftande, u. ein Mann, ben 
es fehr intereffirt zu haben feheint, zu wiflen, wie es in biefem u. jenem einzıInen 
Halle zugegangen, der auch deßwegen fleißig nachfragte, im Aufſchreiben deſſen, 
was er erfragt hatte, weder chronifartiges Detail fuchte, noch bei einer allges 
meinen kahlen Schilderung ftehen blieb. Er ftarb 1775. 

Pönitentiarius, 1) ber Vorfteher der päpftlichen Penitenziaria in Rom, 
welche in befonderen Refervatfällen im Namen des Papftes Difpenfationen ertheilt. 
Diefes Amt wird ftetö von einem Garbinale bekleidet. — 2) Derjenige Geiſtliche 


Pönitenz — Pölcelianer. a 
am den Metropolitans und Kathedral⸗ Kirchen, welcher mit biſchoͤſlichet Bevoll⸗ 
mächtigung das Bußamt in Betreff; der dem viſchofe vorbehaltenen Fälle ausübt 
unb dann auch alle cesus; reservalus- behandelt, welche an bie römilche Böniten 
tiarie reffortiren., In dem neuchten, Gonrordaten und... päpftlihen Nebereinfunfts- 
Bullen wurde dieſe tribentinifche Verorbnung wicber ‚erneuert und feftgefept: 
daß ein Domcapitular. ſteis die Stelle eines P. verfehen fol, Oft verfieht der 
bic;öflihe General: Vikar Augleih bie Funktionen, eines. P. Das Amt eines P. 
fol nad. Concil. ‚Trident, Sess. XNIV. C. 8. de. reform. nur einem Doctor oder 
Lrentiaten, ber, Theologie ‚oder des Tanonifcen Reis, welcher 40 Jahre. alt iſt, 
‚ober „einem ae tauglich erlannten Manne übertragen werden. 

önitenz, 1. Buße, 

‚Pöppig, Eduard Eriebrich, o bentllcher Profeffer der Zoologie an der 
Univerfiat Yeipzig und. Vorfieher, des naturhiſtoriſchen Gabinets —— befons 
ders —— durch bie Bereicherungen, welche er durch feine ausgedehnten 
Reiſen der Naturlunde verlich,..geboren zu Reipzig 1798, von wo er. Moon als 
Student, weite Reifen ‚unternahm. + Bon. 1822 — 24, beſuchte er Cuba, bann 
Bennfylvanien u..von 1826—32,, mit Antefüigung eines Leipziger Artienvereing, 
Chile Peru und einen Theil, von Brafilien. Die reihen Ergebniffe feiner, Reifen 
legte er nieder, in: „Relie in Chile ac“ ‚(2 Bhe,.1835— 36), „Nova genera et 
* a Bde., 1835 — 45).., Außerdem ſchrieb er: „Landſchafiliche 

te , ’ 

'öfebelianer, eine ſchwaͤrmeriſche, moſtiſche Sekte, fo benannt nad) item 
Urheber, Thomas Pöfhel, geboren. zu.Hörig in Böhmen 1769. Im 2. 1796 
zum, Briefter geweißt, wurde er Gooperator. und, Katedyet in. Braunau, Er wär 
3,.ber 1806 ben, unglüdlichen Buchhändler, Palm Ci. d.), zum Tode borbereis 
tete, und. zur Hinrichtung, begleltcte., , Sein. zu. ft mwärmeriicen, Einbilbungen ge« 
ei und in ‚früheren abe ſchon mit. aftermyſtiſchen Ideen zu ſeht genährter 

eint durch dieſe erjchütternde, Gewaltthat eine ‚Etorung, erlitten. zu haben, 
bie von jener Zeit an durch, deutliche Spuren bes, Tieffinnes und einer in 
fih gefehrten Melancholie und dur anhaltende Ueberſpannung veroffenbarte, Cr 
ward deßhalb feiner beſſern Stelle enthoten und als Landlaplan nad Ampfels 
wang (önnfreis in Oberöfternid) verfegt. Diefe tief gefühlte Zurüciegung 
fteigerte feine Schwärmerei; er hielt fich für einen Märtyrer des Glaubens und 
zur Etifiung einer neuen Kirche berufen. eine irre Pdantaſie fpiegelte ihm 
Dffendurungen und Erſcheinungen vor, und er trat als Prediger ber „neuen 
Offenbarung“, wie er feine Lebre nannte, auf. — Der Hauptinhalt feiner Lehre 
war: Chriftus wohnt in den Herzen der Reinen, derielbe leitet u. regiert alle 
ihre Handlungen. Dem Reinen erfde'nt Gott und die Mutter Gettes, von des 
nen fie Offenbarungen erhalten. Der Menſch muß fid) reinigen laſſen; wer dieſes 
unterläßt, zieht fi die ewige Verdammniß zu und ift des Todes ſchuldig, ber 
ihn allein wieter reinigen und des Himmels würdig machen farn. Dieje Lehren 
müffen bis zur hingebenden Aufopferung des Lebens beobadtet werden, wenn 
anders die neue Offenbarung nicht verloren u. ben Juden zu Theil werden foll; 
denn Gott hat die allgemeine Bekehrung dieſes Volkes und die Verſchmelzung des 
Juden- und Ehriftenthums in einer Univerful-Religion bejchloffen, worauf ſodann 
das taufendjährige Reich im neuen Ierufalem beginnt. Die neue Lehre fand 
vielen Beifall, befonders unter dem weitliken Geſchledte. Nebft Pöͤſchel's Pres 
digten wurden auch fliegende Blätter, Heine Brofgücen, Prophezeiungen, felbft 
Bibellefen zur weiteren Verbreitung der Schwaͤrmerei benügt, fo daß bie Zahl 
feiner Anhänger mit jedem Tage anwuchs. Die Bethörten verrichteten alle au⸗ 
ſeren Religions-Nebungen mit größter Anftrengung , entrichteten ihre Gebete im 
glügenden Eifer, knieend, mit zur Erbe geſenttem Haupte. Manche beteten auf 
freiem delde mit Hingeftredtem Körper, in Erwartung, ber Himmel werde fi 
auſthun, — brachten häufige Opfer für Meffen, walfahrteten, fafteten firenge, 
gingen öfters zur Kommunion, fie mochten gebeichtet haben, oder nicht, inſonders 


312 Poſchelianer. 


feierlich war ihnen die Anrufung Marien's und der Heiligen. Aber es fehlte 
auch nicht an mancherlei Ausſchweifungen. So ſaßen Weibsperſonen zur Beicht 
und ertheilten die Looſprechung, auch die Taufe ſollen ſie mit Weihwaſſer gegeben 
haben. Bei ihren Zufammenfünften, die auch in der Nachtzeit fortgeſetzt wurden, 
ſollen ganze Verſammlungen entkleidet erſchienen und dabei manches Schandbare 
verübt worden ſeyn. Das Ausgezeichnete dieſer Sekte war jedoch die ſogenannte 
Reinigung, welcher Operation ſich jedes Mitglied unterwerfen mußte. Es 
war eine Art Erorcismus, wodurch der böfe Feind audgetrieben werden follte. 
Man gab dem Energumenen ein gewifies Del und Pulver ein, wodurch er in 
ſcheußliche Convulſionen gerieth, während welchen unter Beben und Zittern mit 
Stoßen und Fußtritten Weiber in bacchantifher Wuth bis zur Erſchoͤpfung im 
Kreiſe umhertanzten u. den Teufel verfcheuchten. — Als im März 1815 Napoleon 
von Elba nad Frankreich zurückkehrte, verbreitete fi) in jener Gegenb ber 
Glaube: diefer ſei der leibhaftige Antichrift und die Zeit des verfündeten tauſend⸗ 
brigen Reihe nun im Anzuge aut und zuverfihtlich fpracdh man von einem 
gänzlichen Untergange ber beftehenden Kirche, von baldiger Ummwandelung ber 
Weltordnung, allgemeiner Judenbefehrung und Auswanderung nach dem im 
Diamantenglanze ftrahlenden Ierufalem. Der Glaube an biefe, fih mehr und 
mehr ausbreitenden, Prophezeiungen hatte Arbeitsfcheue im Gefolge u. ließ aß 
ber bürgerlihen Ordnung befürditen, weßhalb die weltlichen Behörden, & frä 
gen Mafregeln gegen die Verbreitung bes Uebels veranlagt, nächtliche Streifzüge 
veranftalteten, bie Verfammlungen aufboben u. firenge Unterfuchungen anſtellten. 
Poͤſchel warb eine Zeit Tange unter befondere Aufficht bes Decanats Voͤkla⸗ 
brud geftellt, und fpäter, als fein Einfluß fortwährte, nah Salzburg in 
Verhaft gebracht. Doch, feine Anhänger, hiedurch nur noch mehr erhigt, unters 
hielten geheime Verbindungen mit dem gefangenen Meiſter, fchlofien fi enger 
an einander und verfielen endlich auf den Wahn: der Herr könne wohl die Er; 
mordung ber Unreinen gebieten, und bei ben erhigten Schwärmern artete der 
a ne in Blutburft aus. Eine Mutter war im Begriffe, ihr Kind bem 
ern zu Ehren zu tobt gu martern, welches aber noch glüdlicher Weife ihren 
Klauen entriffen wurde; ein Vater wollte im Kerfer noch ſein Kind morben und 
ließ es dann erft los, als er mehre Wunden von den Wächtern erhalten Hatte. 
In der Charwoche des Jahres 1817 brach die Wuth in ihrer vollen Scheußlich⸗ 
feit aus. In der Nacht vom Palmfonntage auf den Montag beredete ein Teufels- 
austreiber ein paar Männer: er ſei Ehriftus, und führte fie dann zu einem 
Haufe, um 3 Menfchen zu erfchlagen, die nicht von der Secte waren. In ber 
felben Nacht wurde fünf Biertelftunden von Ampfelwang in einem aus etlichen 
Bauernhäufern beftehenden Weiler, wofelbft man einen Opferaltar errichtet Hatte, 
von einer zahlreichen Berfammlung befhlofien: dem Herrn ein Menfchenopfer zu 
bringen; das 2008 follte entfcheiden und fiel auf einen Bauern, Ramene Haas. 
Dieſer berebete ein 19jaͤhriges Mädchen, feine Pflegetochter , ſich flatt feiner zum 
freiwilligen Opfer darzugeben, zuvor aber brach man gewaltſam in Häufer ein, 
fchleppte ein altes Weib, Saat en’s Mutter — und einen alten Mann herbei. 
Erftere wurde mit einer Art auf einen Streich entfeelt zu Boden geflredt, bas 
Opfer bes alten Mannes aber, ber nicht auf ben erften Streich getöbtet wurbe, 
doch nach einigen Tagen flarb, ward für ungültig erflärt. Das Mäbchen traf 
jept die Reihe, ihm wurden an beiden Händen, von der Hand an, bie Flechſen 
aufgefchnitten, die Brüfte aufgelöst und ein Thell vom Hinterleibe abgenommen, 
fodann der Kopf gefpalten, fo, daß das piem mit dem Blute auf ben Boben 
B. Des folgenden Tages wurde bas Mäbchen und bie zerfchlagene Alte in 
tiefem Zuftande in ber leeren Stube, wo Alles umher verwüſtet war, gefunden. 
Sie follen fogar das Blut ihrer Dpfer, als das wahrhaftige Blut, getrunfen 
haben. Der Schauplag dieſer gräuelvollen Scene wurbe bes andern Tages von 
bee Buͤrgermiliz befegt, die Theilnehmer gefänglich abgeführt, bald aber, bis auf 
ſechs ber Etrafbarften, wieder in Freiheit gejeßt. — Geifiliche Belehrung und 


Poeſie — Poggendorf. 318 


e jeln der weltlichen Macht machten diefe Sefte, deren Anhänger 
Zahl fih jaupt nicht höher, ale ui 126 Berfonen belief, in kurzer Zeit vers 
ſchwinden. Im Saljburgifchen fand biefe Schmärmerei wenig Anhang, indem 
das Bolf ſchon in früheren Jahren durch gründliche Belehrung. gegen 
durch derlei Irrthuͤmer verwohrt und durch weckmäßige Anftalten" von Oben 
herab beim ganzen Spude Einhalt gethan wurde. Poͤſchel wurde nach Wien 
abgeführt, wo er beutliche Spuren von Geifteözerrüttung bliden ließ, und unter 
forgfame geiftlipe Aufficht geftelt wurde, Die Gräuelthaten feiner Anhänger hat 
er jeberzeit mißbilligt, Auch in Würzburg und ber Umgegend zeigten ſich im 
Fahre 1816 — 1817 Spuren des Pöfheltanismus, hervorgerufen durch bie 
fanatifchen Predigten eines Gonventualen des Auguftinerflofters — Jo⸗ 
hannes Se und durch die geheimen Umtriebe eines Bernard Müller 
von Koftheim bei Mainz, welche Störung der häuslichen Ruhe und Verfall des 
zeitlichen Wohlſtandes mancher verlockten Familien beforgen ließen, bie aber durch 
thätiges Einſchreiten und Zuſammenwirken der weltlichen und geifilichen Behörden 
mit Entfernung und Unſchaͤdlichmachung der Urheber biefer Schwärmerei in Kurz 
gem unterbrüdt wurden. 

ioefie, |. Dihttunft 2 

petit, bie Theortle der Dichtkunft, Deren Aufgabe es ift, den — 
Weſen, den Inhalt u. die Form, oder uͤberhaupt bie Bedingungen u. Grunds 
füge der Dichttunſt (f. d.) ıt: ihrer Richtungen oder Arten zu unterfuchen und 
vermittelft des angewandten Prinzips ber ſchoͤnen Kunftbarzuftellen, Hierin iſt 
ſowohl ihr allgemeiner, als ihr befonberer Theil enthalten, und da Di 
funft an ſich Gedanken in anſchaulicher ®: ung buch bie Sptache 
darzuftellen hat, fo folgt gleichfam von felbft dah hier auch bie Theorie des 
dichteriſchen Style u. was zur Technik der P. gehört Metrif, und Reimlehre, 
nicht umbeachtet bleiben darf. Sehr beyeichrtend wird die Dichtfunft die Vermittlerin 
aller Zeiten, Bölfer u. Menfchen, die Dollmetſcherin aller Gefühle u. — 
genannt, u. da fie urfprünglich überall wahr ı. friſch, gleichſam immer als bie 
Gine erfcheint, fo liegt darin auch der Grund einer ſchon früh erfolgten, ober 
wenigſtens verfuchten Ausbildung ihrer Theorie, welche, indem man vom Befons 
teren zum Allgemeinen, von dem Kunſtwerke zur Regel aufftieg, die Grundlage u. 
Quelle der Lehre vom Echönen felbft geworden if. Den Grund zur deutſchen 
P. u. Metrit legte Martin Opig durch fein Buch: „Von ber Poeterei,“ 
1364, welches au unter dem Titel Prosodia germanica bis zum Jahre 1668 in 
Teutfchland zehn Auflagen erlebte. Ferner fehrieben über P. Ecaliger, Gerh. Voß, 
2. Racine, d’Alembert, Marmontel, Baumgarten, Joh. A. Schlegel, Gottfched, 
Breitinger, Sulzer in feiner „Theorie der Dichtkunft,“ Engel in feinen „Anfangs— 
gelben einer Theorie der Dihtungsarten”, Jean Paul F. Richter in feiner „Bors 
hule der Aeſthetik“, Hellmuth, Winter in feiner „Dichtlehre" (Kafan 1840), der 
tie P. aus dem pfychologifhen Standpunkte darftellte. Einzelne Gegenſtaͤnde der⸗ 
felben bearbeiteten befonders Sturz, Leffing, Klopftod, Delbrüd, Wilhelm v. Hums 
boldt, Herder, Schiller, Götbe, die Gebrüder Schlegel, Tied, Falk, u. A. ; Kritifen 
lieferten Müllner, Menzel, Börne u. A. 

oggendorf, Johann Ehriftian, Profeffor der Phyfil an ber Univer- 
fität Berlin, geboren zu Hamburg den 29. Dezember 1796, Sohn eines Kauf- 
manns, befuchte das Johanneum bafelbft u. die Fiedler'ſche Erziehungsanftalt in 
Schiffbeck, erlernte die Apotheferkunft, begab ſich aber 1820 nad Berlin, um fi) 
anz dem Stubium der Naturwiffenfchaften zu wibmen. Schon im folgenden 
Jahre betrat er bie fchriftftellerifhe Laufbahn mit einem Auffage „über ben 
Magnetismus der Volta ſchen Eule," in der Ifis. 1834 wurde er außerordent⸗ 
licher Profeſſor an ber Univerfität, 1838 Mitglied der Akademie ber Wiflenfchaften 
u. 1839 ordentlicher Profefjor. — PB. ift feit 1824 Herausgeber ber feinen Namen 
tragenden „Annalen ber Phyfik u. Chemie,” einer Yortfegung ber von Gilbert 
fortgefegten Annalen von Gren. %, Buchner, 


814 Poiſſon — Pola. 


Poiſſon, Denis Simeon, einer der auegereichneiften franzöfifcden Mathe, 
matifer, geboren 1781 zu Pithiviers (Loiret), Zögling der polytechniſchen Schule 
zu Paris, 1805—15 Profeffor an derfelten, 1812 Mitglied des Inſtituts, 1820 
des Unterrichtsraths, 1830 Pair, neftorben 1840 als Profeſſor der Mechanik. 
Unter feinen Werfen find die wichtiaften: „Traite de möcanique“ (deutſch, 2 Bde., 
Berlin 1835—36), „Theorie mathömatique de la chaleur,“ „Lehrbuch ber Wahr: 
ſcheinlichkeitsrechnung“ (deutſch, Braunſchweig 1841). 

Poitiers, Hauptſtadt dee ehemaligen Provinz Poitou, jeht bes franzoͤſiſchen 
Departements Vienne, am Einfluſſe der Boivre in den Clain, Sitz der Departe⸗ 
mentsobehoͤrden, eines Biſchofs und eines königlichen Gerichtshofes, ſowie eines 
Handelsgerichts, iſt alt u. unregelmäßig gebaut, etwas berefligt, hat mehre ans 
ſehnliche Plaͤtze, darunter der Königsplatz, viele große Gärten u. Spaziergänge 
in u, um die Stadt u. eine ziemliche Anzahl Kirchen, unter denen fi Die Las 
thebrale auszeichnet. Man findet hier eine 1431 geftiftete Akademie mit 2 Falul⸗ 

ten, ein Lyceum, öffentliche Bibliothef, Mufeum, einen botaniihen Garten und 
eine Geſellſchaft der Nacheiferung und bes Aderbaues. Tie Einwohner, gegen 
25,000, befchäftigen fi vorzüglich mit Fabrifation von Wollenwaaren, Gerberei 
u. Branntweinbrennerei u. treiben nicht ganz unbebeutenden Handel. — P. ift 
das alte Pictaviam der Römer. Unter den vielen Ueberreften römifcher u. keltiſcher 
Wterthümer, Die fi in der Umgegend finden, tft befonders merfwürbig ein 20 
Buß langer, 17 Fuß breiter, auf 5 Pfeilern ruhenber, länglich runder Etein, ein 
Denfmal der alten Kelten. Hier fiegte 732 Karl Martell über die Sarazenen 
unter Atderrhaman, wobei 375,000 Araber um’s Leben gekommen ſeyn fellen. 
Am 19. September 1356 Schlacht (auf dem nahen Kelde Maupertuis) zwiſchen 
80,000 Beanzofen unter dem Könige Johann und 8000 Engländern unter bem 
ſchwarzen Prinzen. 

Pokutien hieß früher der Theil des mefllichen Galiziens zwiſchen bem Dnieflr, 
ben Karpathen und ber Bufowina, ein ſchoͤner gebirgiger Landſtrich, deſſen Bes 
wohner (bejonders die Rußniaken) viele eigenthüntiche Gebräuche u. Volkslieder 
unter fi) bewahrt Haben. 

Hol nennt man in der Geographie und Geometrie bie Endpunfte einer Are; 
baher kommen auch bei der Kugel in der Geometrie diefe B.e vor. Bel ber Erbe 
u. deren Darftellung im Kleinen, ben fogenannten Erdgloben, fommen zwei ſolcher 
P.e vor, von welchen der eine ber nördliche ober arktiihe, der andere ber [üblich e 
oder antarftifche PB. genannt wird. Die Berlängerungen diefer beiden P.e, fo weit, 
daß fie das Himmelegewölbe berühren, heißen die Welt⸗P.e. — In ber Natur⸗ 
lehre Heißt P. der Sit einer entgegengefebten Kraft oder Eigenfchaft; baher nes 
gativer, pofitiver P. 

ola, ein Städtchen im iftrianer Kreife des Königreichs Illyrien, mit nur 
900 Einwohnern, welche meift vom Thonſiſchfange leben, Sitz eines Bilchofs, 
einft eine blühende Etabt, jetzt Halbverfallen u. veröbet, in einer maleriichen Lage, 
an einem fanften Abhange mit Delbäumen bepflanster Hügel u. an einem gro 
gafen, welcher die ganze römifche Rube forte aufnehmen tonnte, hat verfallene 
auern, 4 Thore, zwei Eitadellen, eine Kathedrale auf den Ruinen eines heidni⸗ 
ſchen Tempels, eine grienife Kirche, 3 Klöfter u. ein Bstbhum. An ber Stelle 
des heutigen PB. fand die Römerftadt Pietas Julia. Man findet noch zahlreiche 
römiſche Alterthuͤmer, worunter befonders ein gut erhaltenes Amphitheater, 300 
Schritte vor der Etabt, 366 Fuß lang, 292 breit u. 75 Hoch, in zwei Ordnungen 
mit 144. Bogen verfchen, welches 18,000 Menſchen faßte. In der Etabt felbfi 
fiedt man bie Ruinen eines römifchen Triumphbogens, ber jeht zum GStabtihore 
bient (bie fogenannte goldene Pforte) u, zweier Tempel, wovon ber eine, im ebels 
fien Style erbaut, Rom u. dem Auguftus, ber andere ber Diana geweiht 
war. BZahlreich findet man Bruchfiüde von Säulen, Eapitälen, Gellmien, Grab⸗ 
feinen u. dergl. Der Hafen iſt wenig befucht. In dem lehtern fiel 1379 eine 


Polack — Polarkreife, 415 


blutige Seeſchlacht zwiſchen den Genuefern u. Benetianern vor. ı In feiner Blüthe 
zaͤhlte P. über 30,000 Einwohner. \ min j 

Poli (Martin Theophil), ein rühmlich- belannter Maler, war in 
Polen, wahrſcheinlich um 1500, geboren, gerieth in feiner Jugend durch Hülfe 
eines feine Talente ahnenden Menfcenfreund«s, ftatt zu einem Hanbmerke) zu 
fonmen, im das Atelier eines Malers, vermuthlic im benachbarten Schlefien, 
und Kob ſich mit feinem angeborenen Talente, das er durch fleißiges Stubiuim 
vollſtandig ausbildete, bald zu dem Runge eines Künftlers empor, Noch in feis 
nen Jugendjahren Fam er nad Tirol, erhielt daſelbſt den Titel eines erähergogs 
lien Hofmalers, wurde dann auch Hofmaler des Kirftbiichofes von Zrient, 
blieb. dãſelbſt durch 30 Jahre, verfertigte viele ſchoͤne Gemälde und ſtarb endlich 
zu Briren, wo er in der Brauenficche bearaben ward; - Die vorzüglichften Werte 
diefes Künſtlers find: Die Bermählung Mariens und Joſephs, als Hochaltarblatt 
in der Servitenkixche zu Innsbrud; der hl. Felix von Gontalicio, die HL. Anna, 
Maria und das Jejusfind, in der Epitalfirche zum: Hl. Geiftz auch malie er eine 
Heine Kapelle in dem fpäter aufgehobenen  Branciscanerflofter, dafelbft auf das 
Trefflihfte: Zu Trient findet ſich von feiner Hand: die Himmelfahrt Maria’, 
der berhlebemitifche Kindermorb, die Altarblätter des hl. Ehriftoph, der hl. Dotos 

u. Maria's in der Domlirche, der Bogen über. dem Hochaliare der 
tirche, die ſchmerzhafte Mutter, die heil. Clara, eine unbefleckte Empfängniß, 
Anton von Padua und der Portiuncula⸗Ablaß in der Franeiscuskirche ber 
Auguftin, ambefledte Empfaͤngniß u. noch ein Frauenbild in dev Markuelirche, das 
Hodau arbild vom Heil. Kreuz und die Kreugtragung Chrifti in der Kı 
eche, das altarblatt Maria hei den reformirten Franciscanern. Ri en 
ſich von dieſem Künftler ſchöne Altachlätter zu Brixen und Male im Suljthale, 

nennt man ein auf bem Mittelmeere gebräuchliches Schiff, entweder 
mit drei Maſten und vier ecligen Segeln, ober fie Mihren lateiniſche el, auch 
manchmal cinige Gefhüge: 8 

Polariſation des Lichtes wird von neueren Phyſikern bie, ſchon laͤngſt im 
Doppelipath befannte, drppelte Strahlenbrechung genannt, indem es hier den An— 
igein hat, als habe ein Kichtfteahl vier Seiten, wovon je zwei, einander gegen— 
über liegende, entgegengefegte Eigenſchaften, alſo Bolarität (1. d.) befgen. 

Polarität nenzt man dirjenige Eigenſchaft Des Magnete (f. d.), nad 
welcher er, wenn er ſich frei bewegen kann, den einen feiner Pole nach der Ge— 
gend des Eüdyols, den andern nach der Gegend des Nordpols unferer Erde 
febrt. Auch ven der Magneinadel braucht man den Ausdiud P. in demſelben 
Sinne. Ueberhaupt finder allemal da, wo Magnetismus angetioffen wird, auch 
P. ftatt. — In einem etwas uneigentlihen Sinne nennt man P. auch diejenige 
Cigenſchaſt gewiſſer Körper, vermöge welcher fie an zwei, einander gerade entge— 
gen gelegten, Punkten andete leichte Körper mit betrachilicher Kraft zurüdftoßen 
oder anzieben. Endlich bezeichnet man Damit überhaupt dem Gegenjag in der 
Natur, auf wilden, nah naturphiloſephiſchen Anfichten, indem durch Vermitte— 
lung eines Dritten das im Eape u. Gegenſatze Geſchiedene in eine höhere Ein: 
beit aufgenommen wird, alle lebendige Bildung, alles We.den und Erhalten 
im eben berußt, ſowie aller Untergang im Zerfallen in Oegenjäge feinen 
Grund hat. 

Polarkreife oder Bolarzirfel werden ſowohl auf der Erd» ald Himmels- 
fugel zwei Hleinere Kreife genannt, welde in allen ihren Punkten von den Pel— 
punlten um bas Maaß der Schiefe der Ekliptif, alfo um 234 Grad, und vom 
Acauator 66; Grad entfernt fird. Es gibt einen nörbliden u. füdlihen P.; 
jmer heißt auch der arftifche, dieſer ber antarftiiche. Sie laufen parallel 
mit dem Acquator, und find daher am Himmel Tagfreife, auf der Erde aber 
B. Auf der Erde find dieſe Kreife von der Ratur felbft dadurch genau_marfirt, 
taß bafelbft einen Tag im Jahre, im Norden nämlih aur Zeit des Sommer: 
Sonnenfilftandes, und im Eüden zur Zeit des Winter-Sonnentihtanies , ie 


316 Bolarländer — Polemik. 


Sonne gar nicht untergeht. An dem fürzeften Tage ginge fie dagegen gar nicht 
auf, wenn ihr Bild nicht durch die Strahlenbrechung über den Horizont erhoben 
würde — Da die Schiefe der Ekliptik merklich veränderlih if, fo iſt es auch 
bie Stelle der P.; indeß beträgt der Unterſchied ſo wenig, daß er nicht in An- 
flag fommt, und daß man bie oben angegebene Entfernung biefer Kreife von 
den Polen und dem Aequator immer annehmen kann. Daß die P. die Falte 
Zone begrängen, ift weitläufiger in dem Artifel Erde gezeigt worben. 

Bolarländer Heißen alle Länder der Erboberfläche, welche, in den falten 
Zonen liegend, von den Polarkeiſen (f. d.) eingefchloffen werben. 

Bolarmeer, f. Eismeer. 

Polarftern oder Nordftern, ein Firftern zweiter Größe, welcher davon 
feinen Namen Hat, weil er der nächfle am PBolpunfte if. Wir Ieden ihn zu allen 
Jahreszeiten und zu jeder Etunde ber Nacht, bei heiterem Himmel, in der Mitter, 
nachtönegend, Immer auf berfelben Etelle, weil er feinen Ort nie merklich veräns 
dert. Da er nicht weit von anderen fehr kenntlichen Sternen fieht, fo ift er auch 
licht am Himmel zu finden. Er ift der legte Stern im Schwanze bes Fleinen 
Bären, oder, wie man gemeiniglidh biefes Sternbild auch nennt, des Fleinen 
Himmelswagen. Nicht weit von dem kleinen Bären fübwärts iſt der große 
Bär oder der große Himmelswagens, ein Sternbild, welches aus fieben fehr 
hellen Sternen befteht, wovon 4 ein längliches Viereck, alfo gleichfam einen Was 
gen ober die A Räder bes Wagens, und die 3 Übrigen in einer frummen Linie 
gleichfam die Deichfel bilden. Diefe 7 Eterne fallen ihrer Helligkeit wegen am 
nörbliden Theile des Horizonts einem eben leicht in die Augen. Zieht man in 
Gedanken von den beiden Hinterräbern bes zagene eine gerabe Linie nach Nor⸗ 
ben hinauf und verlängert bdiefelbe, fo trifft biefe Linie bald auf einen hellen 
Stern, und bdiefer ift der B. — Wegen feiner Rähe am Polpunkte befehreibt er 
bei der täglichen fcheinbaren Umbrehung des Himmels feinen merflidden Kreis. 
Seine Erhebung über den Horizont beträgt über 50 Grade. Sein Abſtand vom 
Pole if, wegen bes Borrüdens ber Nachtgleichen, jährlich einer Heinen Veraͤnder⸗ 
ung unterworfen. Tycho be Brahe fand 1577 feine Entfenung vom Pole 
2° 58° 50%; Riccioli 1680 2° 39° 305 Maraldi 1732 2° 11‘ 9“ und 
Bode 1780 1° 52° 11“. Hieraus erhellet, daß der P. dem PBolpunfte jährlich 
näher rüdt. Ginge dieß fo fort, fo muͤßte er endlich mit jenem Punkte zufam- 
menfallen, allein aus dem Borrüden der Nachtgleichen weiß ber Aftronom zu bes 
rechnen, daß die größte Nähe des P.s an den Pol nie m als 274 Minuten 
betragen fann. Sobald er dieſe Rähe erreicht hat, wirb er fich wieder entfernen. 
Für den füblichen P. nimmt man einen Stern ber Heinen Waſſerſchlange an, 
welcher noch über 11 Grabe vom Sübpole entfernt if. — Der nörblide P. 
diente den Alten auf ihren Seefahrten zum Leiter, daher er auch Leitſtern hieß. 
Sie unterfchieden darnady die Himmeldgegenben. 

Polemarchos, f. Archon. 

Polemianer, ſ. Apollinaris. 

Polemik, deutſch: Streitkunſt, heißt uͤberhaupt die Kunſt, gewiſſe Lehr⸗ 
füge nach ihrer wiſſenſchaftlichen Beziehung gegen erhobene Anfechtungen zu ver⸗ 
meibigen. Auf dem Felde der Theologie verfteht man unter P. die Kunſt, bie 
Glaubens u. Sittenfäge, wie die Disciplin feiner Kirche, gegen bie einer anbern 
Eonfeflion zu vertheidbigen. In der B. fteht Glaubens» Eyftem gegen Glaubens» 
Syſtem, fohin Eonfefllon gegen Confeffion, fohin Pofltives gegen Pofltives; in 
ber Apologetif Hingegen Reht das Natürliche dem Pofitiven gegenüber, So viele 
Religions- Formen und Religions: Parteien es gibt, fo vielfach wird fih auch bie 
P. in wifienfchaftlicher Beziehung geftalten. Jede P. muß von allgemein aner- 
fanntn Grundſaͤtzen auagehen. In Anſehung ber religiös s chriftlichen PB. find 
Dieß die allgemeinen Ideen der Religion, die Lehre der Offenbarung und bie mit 
ber Gefchichte des Chriftenthums in Verbindung flehenden Thatfadhen. In Ans 
fegung ber firchlichen P. find es die Dogmen unb Unterfcheibungsiehren jeber 


L | BL 


Polemo — Polen, 97 


eÄhe, Won ber Wahrheit Tanıt man fih entfernen, entweder durch Abfall, 
oder durch Zurüdbleiben. Der Jrrthum ift immer thätig, aber in 34 engeſeh⸗ 
ter Richtung mit dee Wahrheit; das Zurüdbleiben Hinter der er i) jegen 


ift Trägbeit. Vom Standpunkte ber Fatholifchen Kirche aus si die 
der diſſentirenden ee entweber als abfällig, ober als Hinter 
der iheheit des Katholicismus zurückbleibend betrachtet werden. Der Abfall, 


ober das ‚bleiben, oder’ die Corruption in Beziehung auf den 2 

erzeugt Re in Beziehung auf Eultus und Sitte Separatismus um 
in Beziehung auf bie icgenberfaftung u. das Kicchen-Regiment das Shisma, 
Die P. hat nun bezüglich dieſer die gehörigen Rachweiſungen u, Widerlegungen 
zu liefern. — Dir ® iſt die Irenik entgegengefegt, welche zum Zweite hat, die 
iffentirenden Religions-Parteien vermittelnd wieder zu vereinigen. 

Polemo, 1) ein griechiſcher Phitofoph aus Athen, um 315 v. Chr, Schü⸗ 
ler. bes Kenofeates, von welchem der ausjchweifende Jüngling ſo gefeſſelt wurde, 
daß er feine ganze Lebensart änderte, ſich mit Eifer der Philoſophie widmete, 
nach feines Lehrers Tode mit Ruhm ber Afademie vorftand und berühmt gewor ⸗ 
dene Männer 309, unter Anden ben Arcefilas, ‚Stifter der mittlern Afademte, u. 
Zeno, den Stifter der ſtoiſchen Schule. Er ftarb in hohem Alter an der Schwind⸗ 

Unter feinen philoſophiſchen Sägen war auch der: das hoöchſte Gut fei, 
der Ratur gemäß leben; ein Sag, ben vorzüglich Zeno nachher weiter ausführte 
unb zur Grumblage feiner Sittenlehre machte. Die Fragmente hat Preiler unter 
dem Titel; Polemonis Periegetae fragmenta, Leipzig 1838, —— — 
2) B., ein Sophiſt aus Laodicea, ber im 2. Jahrhunderte n. Chr. lebte und bei 

jer Antoninus Pius in geofer Gnade ftand. Den größten Theil feines Lebens 
brachte er in Smyrna zu, mißbraudhte aber fein Talent als Redner zur Nährung 
feines Eigennuhes u. Stolzes. Wir haben von ihm nur 2 Hofreben, aus 
man fieht, daß feine Beredjamfeit ftarf und Heftig war. Drellt hat die genanns 
ten Reden, Leipzig 1819, Sp nei 

Polen, das gegenwärtige Königreich, unter 35 — 42° öftlicher Länge und 
50 — 55° nörblider Breite, grängt weftlich und nördlich an Preußen, nordöfts 
lich und öftlib an Rufland und fünlih an Defterreih (Galizien u. Krakau); ber 
gefammte Gränzumfang beträgt 3114 Meilen u. der Flaͤcheninhalt 2341 I) Meis 
lem, ber fi folgendermajjen auf die 8 Wojwodfchaften, in welde der Staat zer- 
fält, vertheilt: Plock 34183; Mafowien 357; Kaliſch 311,4; Krafau 1944; 
Sandomir 260; Lublin 2963; Podlachien 252; Auguftowo 3413. Der Boden 
iſt faft durchaus Ebene, nur im Euͤden erheben fi einige Berge dis gegen 2000 
Fuß (die Lyſagora, ein 5 Meilen langer Höhenrüden, auf deſſen höchfter Kuppe 
das Klofter Swienty Krzyz ſteht)y. Im Norden find viele Sümpfe, welche fih 
längs der Narew und dem Niemen ausbehnen. Hauptfluß ift die Weichfel, Die 
aus öfterreichiich Schlefien Foinmt und duch P. nad) Preußen frömt, im Lande 
durchaus fhiffbar; ferner die Nida (mur bie Wojwodfhaft Krakau bewäffernd), 
die Pilica Cin der Wojwodfchaft Krafau entfpringend, mit Heinen Fahrzeugen 
ſchiffbar), der Wieprz, der Bug (aus Galizien, Lublin und Podlachien von Rußs 
land ſcheidend); der Drewenz (aus Preußen); die Warthe (aus ber Wojwobs 
ſchaft Krakau durch Kaliſch nad) Preußen; ber Niemen (öftliher Gränzfluß gegen 
Rupland). Das Klima ift etwa wie im mittleren Schweden; mittlere Temperas 
tur zwifchen 26° R. Kälte und Wärme; ber Winter, oft mit vielem Schnee, 
tauert 5 Monate. Gefunde Luft. Der Weichfeljopf ift eine epidemifhe Kranks 
heit. Biehfeuchen find häufig. Naturerzeugniffe: Mineralien, nur in den füblis 
den, von Zweigen der Starpathen durchſtrichenen Gegenden, Eifen von vorzüglicher 
Güte, jährlich 100,000 Zentner Kupfer, filberhaltiges Blei und Zinf. Die im 
17. Zahrhunderte fo reihen Eilbergruben (bei Olkusz in Krafau) find erfoffen, 
wie überhaupt der Bergbau fange nicht ſchwunghaft u. erfprießlich genug betrieben 
wird. Torf und Steinfohlen; an Salz ift Mangel. Getreide gibt es in Menge; 
ebenfo Erbſen und Hopfen; in den ausgedehnten aber ſchlecht abminikeitten Wola 


818 Polen. 


dungen, die etwa 4 ber Oberfläde bebeden, hat man Heberfluß an Holz. Viele 
Pferde, jedoch iſt die Race fchledyter geworben; viele Schafe und fehr veredelt. 
Wuchs und Honig zur Ausfuhr; Wildpret gibt es in Menge, befonders Hafen. 
Bon Raubthieren ift der Wolf fehr häufig. Die Flüffe find ſehr reich an Zifchen. 
Die Einwohner find, mit Ausnahme der 115,000 Juden und ber wenigen beut; 
ſchen Gewerbtreibenden, Slaven, nämlich großentheils Polen; nur im Rortoft, (Aus 

uftowo) Litthauer, in Lublin Rothruſſen ober Rußniafen. Die Juden hielten 
rüßer bie Schenken und lebten handeltreibend größtentheild auf dem Lande; nach 
einer neuerlihen Beſtimmung mußten fie alle in bie Städte ziehen. Die Be: 
fammteinwohnerzahl beträgt 4,150,000, weron im Durchfchnitte 1775 Bewohner 
auf die Meile kommen (in Mafovien 2285). Bon ben 453 Stäbten if bie 
bebeutendfte die Hauptſtadt Warſchau (Mafovien), mit ‘Braga 130,000 Einwoh⸗ 
ner, fedann Lublin mit 13,000 Einwohnern, Kaliſch mit 10,000 Einwoßnern u. f. 
Die Stände beftchen aus dem fehr zahlreichen Adel (unter 14 Menfchen 1 Abeli- 

ec), mit wenigen Ausnahmen meiftens arm unb als Landwirthe, Pächter, ja 

nechte lebend ; aus dem ehemals fehr reichen, jetzt fehr beſchraͤnkt lebenden Klerus, 
aus Bürgern u. Bauern, beren Leibeinenichaft aufgehoben, deren Bildungsgrab aber 
immer noch ein fehr niedriger ift. — Manufakturen u. Kabrifen fannte das frühere 
B. eigentlich gar nicht u. es gab faum in ben größeren Brovinzialftähten die nöthigften 
Handwerfer. Allein feit ber ruſſiſchen Herrſchaft Hatten der Kunſtfleiß und die 
Fabriken fo zugenommen, daß P. ſogar manche Fabrikate ausführen konnte: jes 
Doch durch ben polnischen rvolutiondfeieg, von 1830 ift die Induſtrie in vielen 
Zweigen wieber ſehr vermindert worben. Befonders blühend waren vor 1830 bie 
Tuchfabriken; jetzt hat fi die Tuchfabrifation auf den 6. Theil ihres früheren 
Betrages vermindert. Ebenfo haben die Baumwollen⸗, Leinwand und Eeidenfas 
brifen gelitten. Bon anderen Induſtriezweigen find noch befonders bie zahlreichen 
Bierbrauereien, Brantweinbrennereien und Gerbereien, die Eifenfabrifen u. Glas⸗ 
Hütten, die berühmten Frauenzimmerſchuhe und Sattlerarbeiten von Warſchan zu 
erwähnen. Der Handel beſchäftigt ſich arrefientheils mit Naturprodukten, führt 
Getreide, Mehl, Pferde, Schiffbauholz, Welle, Wachs u. Honia aus, bie ver- 
ſchiedenen Manufalturen u. Kabrifate, Wein u. Spezereiwaaren. Bedeutende Meffen 
werben zu Warſchau und Lublin gehalten und in Warſchau iſt eine Nationalbanf. 
Gute Kunftftraffen wurden feit ber ruſſiſchen Herrfhaft gebaut. Die Muͤnzeinheit 
ift: der polniſche Gulden zu 18 fr. im 24 fl. Fuß; Goldmänzen zu 25 u. 50 fl. 
Die meiften Polen befennen ſich zur Fatholifhen Kirche. Der hohe Klerus bes 
ſteht aus 1 Erabifchof zu Warſchau, 6 Riſchöfen: au Lublin, Plock, Kielce, Wigry, 
Ebelm (unitarifcher) und Krakau. Die 180,000 Lutheraner fliehen unter bem 
Conſtſtorium zu Kaliſch. Nichtumirte Griechen 100,000, etwa 1200 Bekenner 
bes Islam in der Wojwodſchaft Auguſtowo. Die ruſſiſche Kirche macht ges 
ringe Fortſchritte in P., troß der fuftematifcken Begünftigung der Hebertritte und 
der ängftlichftien Beicbränfung ber katholiſchen Geiſtlichen. — Die polnifche Sprache 
ift eine der gebilbetften Mundarten ber großen flavifchen Kamilie, und befaß im 
16. u. 17. Jabrhunderte eine eigene blühende Literatur (|. d.), die aber durch bie in 
den höheren Ständen’ald Umgangeſprache angenommene franzöflike u. ale Ge⸗ 
ſchaͤftsſprache eingeführte lateiniſcke — jest ift die von ber polnifchen wenig ver- 
ſchiedene ruſſiſche die offizielle Epradde — in den fpäteren Zeiten fehr gefunfen ifl. 
Die allgemeine Bolfsbildung fand erft unter der ruffiichen Regierung Beruͤckſich⸗ 
tigung. Seit 1816 befteht eine Univerfität in Warfhau, Lyceen in allen Pro; 
vinzialhauptfläbten: Bürgerfchulen und Elementarfchulen, die 1821 erft 1222 Leh⸗ 
rer und 37623 Schüler Hatten; auch Priefterfeminare, Normalfchulen zur Bildung 
von Elementarlehrern, eine polutechniiche, cine Bergwerksſchule, ein Blinden» und 
Tauhftummen-Inftitut, eine Forſtſchule, ein katholifches adeliges Kollegium, eine 
Rabbinerſchule zu Warſchau, eine Lanbwirthichaftss und Thierarzneifchule zu Mas 
riemont bei Warſchau. Dafelbfi befinden ſich auch einige gelchrte Befellichaften 
und eine Kunftfchule, mit welcher eine Sternwarte und ein botanifcher arten 


Polen, 319 


verbunden iſt. Deffentliche Bibliothefen befinden ſich zu Warſchau, außer der Unis 
', mit 150,000 Bänden und. einer, reihen. Kupferſtichſammlung / 
noch mehre; auch iſt fege bemerfenswerth. bie fürftlih Gyartoryskifche zu 
Palawy mit foftbaren riften. — Im November 1815 gab Alexander dem 
Lande eine conftitutionelle Verfaffung mit feibfiftändiger Adminiftration u, Armee; 
nach dem Aufftande von 1830: bat P. feine Berfafung verloren, wie fein Natios 
nalheer , behielt. aber feine feibftftändige Abminiftration und Gemeinbeverfaffung, 
«8 für immer mit dem rufliihen Reiche vereinigt if. Der Adminifteas 
tionsrath des Königreichs befteht aus dem vorfigenden Staathalter, den Oderdi⸗ 
reftoren, dem Generalcontrolor und aus einigen andern Mitgliedern, Ein Staats⸗ 
zarhı hat bie Eontrole des Jahres-Bubgets, befbäftigt fi mit der Adminiftcative 
© gu. a. Die oberfte Behörde für P. ift der ruſſiſche Staatsrary, im 
weldjem ein "befonderes Departement ber polniſchen Angelegenheiten errichtet: ft. 
Der —— Oberdirektoren find drei: für das Innere, den Kultus u, Uns 
tereicht; für Die Juſtiz; für bie Finanzen und ben Schaps fie führen ben Da 
in drei betreffenden Regierungscommiffionen.. Oberfte Gerichtshöfe find: die 
—— -zu Lublin und Petrikau (Kaliſch), und ein, Tribunal höchfter 
zu Warfhau. Es ift im Werke, das verbefferte ruffifbe&efepbuch auch 
in ®. —— die noch beſtehende Zollſchranke gem Rußland fi zu 
laſſen. — Stel er bes Kaiſers von Rußland als König von Polen ift ges 
— der Fürſt Pastewirih-Warfbawsti. — Feſtungen find: Zemost, Moͤd⸗ 
In; Warſchau wird durch eine gene Eitadelle gefchügt, 

Geſchich te. Die erfien ohner Polens waren Leiten und Wenden am 
Niemen u, an der Oftfee, die fi an ber Weichſel ald Laden nieberliehen. Im 
10. Jahr hunderte begegnet man dem Ramen Polen, welder Bewohner. ber 
Ebene bebeutet. 840 vereinigten ſich die verſchiedenen Häuptlinge: unter einem 
aus dem Dunkel ber Sage als —— al beffen Nacht: 
als Piaften, bis in’s 14. Jahrhundert P. beherrichten, einige_ Zeit: hi 
unter ber Oberhoheit der deutſchen Könige; biefe beförberten bie Einführung des 
Ghriftentbums und die Etiftung der Bisthümer zu Pofen, Gneſen u. Krakaü. — 
1138 theilte Boleslaw I. P. in vier Länder: 1) Groß⸗B. Can der Warthe), 
2) Klein⸗P. (Can der obern Weichſel), 3) Schlefien, 4) Mafovien. Mit diejer 
Tbeilung begannen die inneren Zwiftigfeiten. Bereits Konrad, ber Enlel Bor 
leslam’s, mußte die deutſchen Ritter gegen die heidniſchen Preußen zu Hülfe 
rufen und die Mongolen fonnten 1240 ungehindert P. verwuͤſten. Eadlich ver— 
einigte ber fräftige Wladislaw Kofjetef Groß: u. Klein-P. wicder und lich 
fib (1320) zu Krakau frönen; er vererbte feine Krone auf feine Nachkommen. 
Sein Sohn, Kaſimir der Große, entfagte zu Gunſten der Könige von Böhmen 
feinen Rechten auf die Oberherrfhajt von Schlefien, eroberte aber dafür mehre 
ruſſiſche Provinzen. 1340 unterwarf er Rothrußland, 1349 entriß er die Pro- 
vinzen Bolhynien, Podolien, Chelm u. Belz den litthauiſchen Herzogen, welche fie 
von Rußland erobert Hatten. Da Kafimir 1370 finderlos ftarb, endete mit ihn 
das Haus ber Piaften in Direkter Linie. Einige Seitenverwandten wollten ben 
Thron dem ungarifhen Könige Ludwig (Neffe Kafimir’s) ftreitig machen, was 
ihnen jedoch nicht gelang ; der hicbei vom Adel Fräftig unterfrügte Ludwig mußte biefem 
dafür Zugeftändniffe machen, auf welche ſich die fpätere ariſtokratiſche Verfaſſung 
P.s u. deifen endliche Ummandelung in ein Wahlreich gründete. Ludwig mußte 
fich bereits die von ihm getroffene Wahl Sigismund’s_ von Luremburg zum 
Gemabl feiner Altern Tochter Maria u. zu Pine Nachfolger vom Reicjetoge 
von 1382 behätigen laſſen. Rach feinem noch im felben Jahre eingetretenen Tode 
bracden jedoch die P. ihre Zufage und übertrugen Ludwig's jüngerer Tochter, 
Hedwig, bie Krone, unter der Bedingung, baß fie fi mit Jagello, Großs 
herzog von Litthauen, vermähle, der fi erbot, Litthauen mit PB. zu vereinigen u. 
nebft feinem Volke die chriftlihe Lehre anzunchmen. Jagello erhielt in der Taufe 
den Namen Wladislamw u. wurde 1386 zu Krakau gekrönt, Eck unter Sie 


3% Holen. 


gismund Auguft (1569) wurden übrigens P. u. Litthauen ein Reich, während 
bis dahin im legten Lande unter polnischer Oberhoheit ‘Prinzen aus dem jagel- 
lonifchen Haufe berrfchten. Wladislaw IIL (1434) mußte, um feinem Sohne Wla- 
bislaw (feit 1440 König von Ungarn, ald Wladis law IN. in der Schlacht 
bei Barna 1444 fiel) die Nachfolge zu fihern, die Privilegien bes Abels ver: 
mehren. Er berief, um ſich außerorbentliche Einkünfte zu verkhaffen, im 3. 1404 
bie Sendboten ober Deputirten bes Adels zu einem NReichstage u. führte den Ge⸗ 
brauch der Borlandtage in den Etaroftein oder Wojwodſchaften ein. Im 16. 
Jahrhunderte erlofch fein Haus, das übrigens vermischt regiert hatte und fich bei 
jeder Thronvacanz von den Großen die Nachfolge beftätigen laffen mußte, mit 
Sigismund I, Auguft 1572, und nunmehr fiherten bie Stände bei jeber 
Thronerledigung das Recht ber freien Wahl. Eo entflanden bie ſehr flürmifchen 

ablreichätage, bei denen ber junge Adel bewaffnet u. beritten erſchien und ein 
Lager bei Warſchau beps. Heinrich v. Valois war der erſte Wahlkönig, 
welcher (1573) jene, die koͤnigliche Autorität in aller Ohnmacht an die Spitze 
einer ariftofratifchen Republif ftellende, Pacta conventa beihwor. Sein Nachfolger, 
Stephan Batdory, Großfuͤrſt von Siebenbürgen (1575—85), nöthigte Ruß⸗ 
land (1582) zur Räumung Liefland’s, das der Großmeifter bes deutſchen Ordens, 
Kettler, gegen Kurland und Semgallen an PB. abgetreten hatte, ben biefes 
Liefland veranlaßte jedoch unter Bathory’s Nachfolger, Sigismundlll. (1587 
—1632) einen Krieg mit Schweden, ber erft 1660 mit ber Abtretung Liefland’s 
an Schweden im Frieden zu Dliva endete. Sigismund’s Sohn, Wladisiaw IV. 
(1632— 1643) war der lette König von P., welcher giudliche Kriege mit dem 
immer mächtiger werdenden Rußland führte, 1618 bis nad Moskau vorbrang, 
1634 nach der Einnahme von Smolensf jene Hauptftadt abermals bedrohte und 
in biefem Jahre durch ben Frieden von Wiasma feine Herrſchaft bis weit über 
den Dniepr ausbehnte. Sein Bruder u. Nachfolger, Johann Kafimir (1648 
— 68), verlor Liefland an Schweden; ein Theil der Kofaden hob 1654 die Bers 
bindung mit P. auf und begab fich unter ruſſiſchen Schutz; ber Kurfürft von 
Brandenburg entzog 1657 Oftpreußen ber polniſchen Lehensherrſchaft, und bie 
Ruſſen nahmen im Waffenftillftande von Andrufow 1667 ihre verlorenen Pros 
vinzen jenfelt bes Dniepr wieber zuruuͤk. Unter Michael Wisniowiedi 
(1668—73) empörten ih auch die noch dem polniſchen Scepter unterworfenen 
Kofaden u. riefen die Türken als Bundesgenofien zu Hülfe; biefen mußte Mi- 
chael Kaminiec und Pobolten abtreten, ſich zu einem ſchimpflichen Tribute vers 
pflichten u. den Kofaden die Ukraine überlafien. Diefen Bertrag erkannte indeß 
die Republif nicht an, und als ber SCrongroßfeldferr gerade am Tage nad) dem 
Tode Michael’8 (11. November 1673) bei Choczim einen glänzenden Sieg über bie 
Türfen Davontrug, wählte man diefen zum Könige. Der beidenmüthige So bies ki er, 
langte im Frieden von Zurawno (1676) einige Theile der Ukraine zurüd, wie bie Auf, 
hebung bes Tributs, ſchloß ein Trugbündnig mit Oefterreich egen bie Türken u. 
entſetzte 1683 - das von den legteren hart bebrängte Wien, e P. unterffügten 
ihn jedoch fo fchlecht, daß er fh zuletzt gemöthigt-fah, 1689 gegen bie Türken 
ein Buͤndniß mit Rußland zu fchließen, diefem ganz Kleinrußland am linfen unb 
Kiew am rechten Ufer der Dniepr abzutreten. Während die ruſſiſche Macht im⸗ 
mer glaͤnzender ſich entfaltete, erbleichte P.s Stern immer mehr, wozu freilich 
auch beffen treulofe Dertengebelihe nicht wenig beitrugen. Unter auguf I. von 
Sachſen (1697—1732) erlangte zwar P. durch den Karlowiger Frieben (1699) 
die früher an die Türfen verlorenen Gebiete wieder, bagegen zog es ſich durch 
ben Verſuch, Liefland wieder zu erlangen, eine bemüthigenbe Zetriegun Seitens 
Karls XL. von Schweden zu. Auguft II. (1733) mußte 1737, da das Kett- 
lerſche Haus in dem Herzogthume Kurland ausgeftorben war, dieſes polnifche Lehen 
"dem von Rußland unterfüsten Biron überlafien. Rad dem Tode (1763) bes 
zweiten fächfiichen Königs Auguft II. warb durch ben Einfluß ber ruffifchen Kai⸗ 
jerin Satharinall. Stanislaus Auguft, Graf von Poniatowskl, gewählt. 


Polen; 321 
Da den linhauiſchen Befennern ber: Kirche die von der Verfaſſung 
SS nk rein Sr char —* —— a 
9 Der u. bie polniſchen Senatoren, die fein Mittel hatten, den Aufftand 
u wandten: ſich abermals an bie ruſſiſche Katierin um Hülfeund bieje 
ließ amı — — einruden. Krafin s ki, Biihof von Kaminiec, der 
der diſchen erfannte bie Unmoͤglichteit, ben ruſſiſchen Truppen 
En m ae — 

ſe en von 

Einfluß auf die Angelegenheiten, des Borbens yı ‚paraloficen. hend ex bie 


zum Beuche mit Rußland aufreizen. Diefer Krieg drohte Preußen u. Defterreich 
Hineingugiehen. u. zu einem energiſchen zu werben, als Friebrich II. von — 
auf eim Mittel verfiel, zu gewiſſer — zu entſchaͤdigen, die Mol 
und Walachei, welche, als bie ſſel der Donau und: bes Meeres, 
—— — en fehen wollte, bir A er 
Krieg: von. ber Tür! [pruchte, gegen Rußland zu fichern, 
bie Grängen fi eigenen Befigungen zit erweitern, Diefes. Mittel follte Polen 
bietert, welches. bie —— han er Kriege geweſen 
biefem Sande Hatte ber B; Erich alle ber geſellſchaftlichen Ordnung 
— ek ae or 
ren — hatte, follte jegt erfüllen. „Es 
‚bie fommen, ſagte er 1661 auf bem — — die 
ihre inneren Streitigleiten 462* eute Nachbarn 
wird , Moskau Weißrußland und Oeſterreich 
Dieſes Wort Hätte ſich beinahe ſchon im 17. Jahrhunderte bes 
als ber König von Schweden, KarlX,, dem Garen Alerei Mihailos 
vorſchlug, V. zu erobern, u. den einen Theil mit Rußland, den andern 
mit Schweden zu vereinigen. Seit: dieſer Zeit erhielt. ſich die Idee einer Theilung 
3.8; fie wurde fogar von bem türfifhen- Diwan aufgefaßt, welcher Anfangs 1770 
dem öfterreichifhen Gefandten ben Vorfchlag machte, mit gemeinfamen Kräften 
Stanislaus Auguft vom Throne zu ftürzen, u. die Republik zwifchen Defter- 
reich u. der Türkei zu theilen. Der Vollftreder der Idee Johann Kafimir's war 
mın Friedrich I. Mit Hinweifung auf die augenicheinlihe Kraftlofigkeit P.s 
ſchlug er Kaunitz bei der Zufammenfunft mit Kaifer Joſeph in Neuftadt vor, 
die benachbarten Wojwodſchaften unter dem Vorwande verfchiedener alter Anz 
ſpruͤche von ber Republif zu trennen. Zu diefer Maßregel ward Friedrich durch 
bie ungünftige Lage feines Königreichs veranlaft. Er wuͤnſchte fein, aus heteror 
genen Theilen beftehendes, von fremden, namentlich von polnijchen Gebieten durchs 
ihnittenes Land abzurunden, da es ihm nur dann möglich war, Preußen auf ber 
Etufe von politifher Macht, auf welche er es. gehoben hatte, im Syſteme ber 
europaͤiſchen Mächte Halten zu fönnen. Kaunig, unermüblid auf die Vergrößer- 
ung ber öfterreichiihen Monarchie bedacht, hielt es für fehr vortheilhaft, auf 
Koften P.s eine Entfhädigung für den unerfeglihen Verluſt Schlefiens und die 
im Belgrader Frieden aufgegebenen Landftrihe zu erhalten. Er unternahm es 
daher bereitwillig, feine Kaiferin für den Plan zu gewinnen. An den Peters⸗ 
burger Hof fanbte deßfalls Friedrich feinen, in ber Bolitif, wie auf dem Schladt- 
felde gleich gewandten u. brauchbaren, Bruder Heinrich ab, der diefes Mal feine 
Muͤhe Hatte, bie Kaiferin Katharina, welde fi übrigens nur Weißrußland 
ausbebingte, für ben Plan zu gewinnen, benn, wenn auch Friedrich von Preußen 
zuerſt bie Hand an's Werf legte, fo hatte fich doch ficher bie ftaatsfluge Monarchin 
längft überzeugt, daß Rußland, welder Anfiht auch bereits Peter ber Große 
gewefen, dem — direften oder indireften — Befige P.s auf Die Dauer nicht ent- 
jagen kann. Maria Therejia aber unterzeichnete ben Theilungsentwurf mit 
folgenden Worten: „Placet, weil fo viele große u. gelchrte Männer es wollen; 
wenn ich aber ſchon längft todt bin, wird man erfahren, was aus tier Ber: 


Stealencpelopabir. VAlL. F 


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et 923 


e unter der Iſche glimmenden Feuers. Der Aufftand begann um 
ed um-6 9 — u. sem am naͤchſten ne * 
von dem Ruſſen verlaſſen. ine proviſorlſche Regierung bildet ſich 
wird Diktator; doc zroingen ihn feine Mäßigung u. fiebe, die Diftatın 
ſchon am 18. J 1831 wieder nieder zu 0 mit dem ge. 
wirb unheilbar durch ‚die Erklärung, bee Thron fei'erlebigt ı.'bas 
Romanom befien verluftig (20. u. 25. Januar). Fuüͤrſt Rad ziwill wird s 
u. eine jerungsbehörbe unter dem Bi des Gürhen Eyartörhafi 
ft. Die Ruffen, umter dem Feldmarſchall Diebitih-Sabalfanaki, 
an fünf Punkten die Graͤnzen (5. Sebruar); Dwernirtfiegt über 
Geismar bein Stogek; fo wie Skraynedi über Diebitfch ſelbſt bei Dobre 
7. Bebruar) 5 | die Ruſſen erlangen nur unbedeutende Vor ihelle u. die P. bes 
ee — en Tagen (1% u. 20, ——— bei Wawra 





. 
- 


Im heißen bei Grochow, der ſich b ie 
— ie ſchwer — — siehen 
uch. Radjinsill dankt ab: (25. Februar); an feine Stelle 


bei Dobre u. Grocdhow: Warſchau nerettet hatte. Diebitſch, durchrigro 
geſchwaͤcht, mußte den. Plan einer Beiogeumg bee 
ungen machen, um ben Hebergang. über bie am Wieprz zu 
Nach einigen fruchtloſen —— werben die ruſſiſchen Generale Roſen 
Gi. Maͤch u. Geismar (1. April) —325 dieſe ile, wie bie 
Sage ber. Ruffen durch ben, num auch in Litthauen u. Volhynien ausgebrochenen, 
erben ausgeglichen durch die N -Divernidi’s, mit dooo Man 
chiſche Gränze zu überfchreiten, wo dies ganze Corps —— 
ft peil).)  Rejultatlos iſt die —5 Schlacht bei Oſtrolenla (26. 
Diebitſch firbt (6. Juni) ; an feine Stelle tritt Bastewirfd. Abermals mürfen 
fih P.unter Gielgud, CHiapowskiu. Rohl and über bie Gränenach Preußen 
retten (45. Juli); Großfürft Konſtantin ftirbt. Während Sltrzyneci abdantt u. 
Greuelfcenen in Warfchau erfolgen (16. Auguft), Hatte ſich Paskewitſch, die Rath- 
lofigfeit u. den Zwielpalt unter den polniſchen Führern benügend, Warfchau ges 
nähert; am 6. September heftig angegriffen, fiel die Etadt bereit6 am folgenden 
Tage. Hiemit war der Aufftand zu Ende. Die meiften Aufftändifchen entfloben, 
fanden faft in allen Ländern Echug u. Unterftügung, trugen aber in vice Ges 
enden, was man bald inne wurde, die Keime der Unzufriedenheit mit ben ber 
tehenden Regierungen, ber wühlerifhen Unruhe. Gegen bie Zurüdgebliebenen 
ward mit möglichfter Milde verfahren; von ber am 1. November 1831 erfolgenden 
Amneftie wurden 286 Abmwefende ausgenommen. PB. erhielt ein neues organifches 
Statut (26. Februar 1832), wogegen die Emigration proteftirte, u, wird unter 
dem Namen eines Königreihs ais Provinz mit einem Statthalter von Petersburg 
aus regiert; bie polnifche Armee ward ber ruffiichen einverleibt. Mehre feitbem 
verfuchte Aufftände endeten mit Hinrichtungen u. Verbannungen, wie überhaupt 
das Land jegt unter ſchwerem eijernem Scepter fteht; indeſſen ſcheint, allen Ans 
zeichen nach, während wir dies fehreiben, in Folge der großen politifchen Bors 
gänge in gan Europa u. ber von ben preußijhen P. mit treulofem Aufftande 
elohnten Reorganifationsverfuhe Preußen’s in Pofen, (für bie allgemeine Theil⸗ 
nahme bes ibeologifhen Deutfchlands an ihrem Schidjale, das jenem er am 
Herzen lag, als Deutſchlands eigene Neugeftaltung, beweifen ſich bie P. im All⸗ 
gpmeinen dadurch banfbar, daß fie Alles aufbieten, einen Krieg Frankreichs gegen 
ꝛeutſchland herbeizuführen), eine Krifis im ruſſiſchen P. bevorzuftehen, entweder 
durch eine Empörung, ober auch dadurch, daß Rußland, Behufs der Ausführung 
irgend einer Mafregel zu Gunften P.s, Preußen u. Defterreich die Hand bietet. 
Eine Deputation aus ruffiih P. fol nach Petersburg fih gewandt Haben, um 
vom Kaifer die Vereinigung des ganzen ehemaligen P. unter einem Prinzen feines 
Haufes u. ruſſiſchem Schuge zu erlangen: ein Verlangen, das wit dem Eentolt- 
ſationsſtreben aller Elaven, jeßt lebendiger, benn je, wohl aulammenhhngen wod · 
21 





324 Polenta — Polignae. 


Anderſeits muͤſſen die Deutſchen in Poſen gegen die Uebergriffe der P. blutig 
eſchuͤzt werden, u. erklaͤrte der Bundestag die Aufnahme ber Stadt u. Feſtung 
Voſen, wie Weftpreußen’s, in ben beutfhen Bund! — Echließen wir mit bem Ur; 
theile eines Schriftftellere, der, enthuflaftifcher, als gerecht, für P. in bie Schrante 
etreten, über den polnifchen Rationaldyarafter u. die von ihnen bis jetzt ge- 
pielte Rolle: „Eine befondere Veranlaffung, bie B. im Allgemeinen zu lieben u. 
zu bewundern, hat man wahrlich nicht. Selbſt ihre Hervorragendfte gute Eigen- 
ſchaft, das flandhafte Kefthalten an ihrer Rationalität, beweiien fie erft, feitbem 
duch ihre frühere Fremdthuͤmelei ihre Selbftftändigfeit zu Fall gebradht worden. 
Eie haben in geiftiger, fittlicher u. politiicher Hinfct, wenn auch feine durchaus 
unrüßmliche, fo doch nicht die Rolle geipielt, zu der fie im Namen des Slavis⸗ 
mus berufen waren. Jahrhunderte lange waren fie frei u. mächtig, aber fie haben 
in geiftigee Hinſicht wenig, in politifcher gar Nichts zu Stande, fie haben ben 
Stavismus nicht zu Ehren gebracht. Eine fehwelgeriiche, fremde Unfltten nad): 
äffende, fremder Beftechung zugängliche Ariftofratie, duch Knechtſchaft verdummte 
und entfittlichte Bauern u. der Mangel eines freien bürgerlichen Volkokern's Haben 
fie fo tief Heruntergebracht, daß die Nachbarn es wagen fonnten, fie fo zu miß⸗ 
andeln. Ob biefes jegt anders würde, bezweifeln Viele. Franz Schufelfa, 
eutfchland, P. u. Rußland, Hamburg . Br. 

Dolenta, eine Nationalfpeife der Italiener, beftehend in einem Brei aus 
—* „ober feinem Waizenmehl, Häufig auch aus beſonders bazu bereiteten 

artorfeln. 

Police (Verſicherungsſchein), heißt eine Urkunde, welche Verſicherungsge⸗ 
ſellſchaften den bei ihnen Betbeiligten (Berficherten) ausſtellen, und worin bie 
Antheilsfumme, Rechte und Verpflichtungen ber legteren verzeichnet find. Bol. 
ben Art. Aſſecuranz. 

Policinell, |. Pulcinella. 

Dinar da Caravaggio, ſ. Ealdara. 

olignac , ein fehr altes und berühmtes franzöftfches Adelsgeſchlecht aus 
Languedoc, das feinen Ramen von dem Städtchen Bolignac bei Puy (Departement 
der Ober⸗Loire) herleitet, früher bie Grafſchaft Velay beſaß und nun au in 
Bayern (Wildthurn) anfäflig if. Die P. erhielten 1780 die franzöfifche Her- 
zogswürbe, 1820 vom päpftliden Stuhle die Fürſtenwürde, welche feit 1838 auch 
für alle Nachkommen der Yamilie in Bayern beflätigt wurde. Wir führen daraus 
an: 1) Melchior, geboren zu Buy en Belay 1661, Eardinal u, ein gewanbter 
Diplomat, wurde zu mehren wichtigen. Miflionen verwendet. 1693 fanbte man ifn an 
Johann Sobiesfi nach Polen, um diefen Fürſten von dem Bündnifie mit Oeſterreich 
abzuziehen; fpäter brauchte ihm ber frangöfifche Hof zu den Unterhandlungen in 
Warſchau, durch welde man dem Prinzen Eonti die polnifche Krone verfchaffen 
wollte; ba diefe Unterhanblungen jedoch mißglüdten, fo ward er 1698 zuruͤckberu⸗ 
fen und in feine Abtei Bonport verwiefen; 1710 gebrauchte man ihn feboch wies 
ber bei ben Berhandlungen zu Gertruydenburg und hierauf bei dem Congreſſe zu 
Utrecht. Später warb er franzöfiicher Geſandter in Rom. Ws Gchrififteller 
machte er fich burch das Lateiniicpe Lehrgedicht: Anti-Lucretius s. de deo et na- 
turs, Paris 1747, befannt; es ift in das Stalienifye, Englifche, Franzoͤſiſche u. 
Dautfche überfegt. Er ftarb 1741. — 2) Jolande Martine Gabriele be 
Borakeon Herzogin von P., geboren um 1749, Heirathete 1767 den Grafen 
ules v. P., war Höchft liebenswürdig und gewann dadurch bald die Gunſt 
der Königin Marie Antoinette. Diefe faßte eine zärtliche Freundſchaft zu ihr, u. 
da die P. nicht in ben WBermögeneverhältniffen war, um für immer am Hofe bleiben 
zu können, fo wußte es Marie Antoinette dahin zu bringen, baß ihr Gemahl zum 
eıften Stallmeifter, 1780 zum Herzoge und bie Gräfin von P. 1781 zur Bouvers 
nante der ohne und Töchter Mariens Antoinettens ernannt wurde Natürlich 
sog ihr biefe Gunſt vielen Haß und Neid zu; fie warb vielfach verläumbet und 
endlich fo angefeindet, daß ihr ihre Freundin, die Koͤrigin, ſelbt 1794 bie Flucht 


Poliguac. 325 
befaßt: Sie z der Schweig dann in Wien) aufs‘ a 


1) 
jahlreichen Reifen nach dem Eontinente und zurück, wodurch 
‚bie enge bung Frankreichs mit England -erleichtertei 
Borzüglid fh had) Cam ’8 Tode an Wellington u. deſſen Syſtem 
an, und zum helle dem Einfluffe bie Staatömannes fell er es zu verbanfen 
gehabt haben, daß ihm am 8. Auguft die Bildung eines Minifteriums im Sinne 
der Ultras übertragen ward, von dem er feit dem November 1819 Präfident war. 
Anfangs war dieſes Minifterium etwas furcbtfam, wie denn der Charakter P.s 
entſchieden ängftlih war. Es verfuchte bie Nation, die Wähler, bie Kammern 
zu geroinnen: Alles umfonft ; die Wähler wählten feine Gegner zu Deputitten u. 
die Kammern votirten mit einer Mehrheit von 221 Stimmen eine Adreſſe an ben 
König, worin biefer indirekt gebeten wurbe, das Minifterium P. zu entlafien. Der 
König that dieſes indeſſen nicht, fonbern löste auf P.s Antrag die Kammern auf 
und befahl neue zu wäblen. Unterdefien hatte fih P. fehr Vieles von einer ſchon 
längft vorbereiteten Expedition nach Algier (f. d.) verfprochen, indem er dadurch 
die Gunſt des Volkes zu gewinnen hoffte. Allein das Bolk ſchrieb den befannten 
glüdlichen Erfolg der Tapferkeit der Armee, nicht den Miniftern zu, u. bie neuen 
Bablen, bie im Juli gleich nach der Landung erfolgten, fielen noch weit fchlim- 
mer für das Minifterium aus, als die früheren. P. ließ ſich indeſſen durch die 
allgemeine Stimme ber Nation nicht warnen, fondern ließ ben König am 25. 
Juli 5 Ordonnanzen unterzeichnen , wodurch die Preßfreiheit bis auf Widerruf 
aufgehoben, bie Kammer, noch bevor fie verfammelt war, wieder aufgelöst u. das 
Bahlgefeg eigenmächtig verändert ward, Die Julicevolution (f. Frankreich 
Gefchicht e) war die Kolge davon. P. begleitete den König auf feinem Rüdzuge 
nah Rambouillet. Hier verweilte er, trat aber, da er erfuhr, daß ber bisherige Kieutes 
nantgeneral bes Königreiches, der Herzog von Orleans, unter dem Titel Lu d⸗ 
wig Bhilipp (. d.) die Krone angenommen habe, bie Reife nad England 
über Eherbourg an. P. war während bes Beginned des Kampfes in Paris 
geweſen, Hatte ſich, als man den 27. fein Minifterhötel flürmte u. zerflörte, nad) 
den Tuilerien gerettet u. bort ben 28. verweilt, jedoch die Unterhanblungsvors 
ſchlaͤge, die ihm Lafitte und andere Liberale machten, durch ben Maria Mar- 
mont zurädgemiefen. Erſt als das Bolf Miene machte, auch die Tuleren am 


328 Politiſche Freiheit — Politifche Poeſie. 


eigentlich politifche, welche filh auf die Verbältnifie des Staates (bie fog. öf- 
fentlichen Berhältniffe) bezieht, inſofern nämlich der Staat als eine beflimmte An⸗ 
ftalt betrachtet wird; b) in die abminiftrative, welche alle bie zur Berwaltung 
im weiteren Sinne gehörigen Verhältniffe im Etaate betrifft. Iene geht mehr nad) 
außen, diefe mehr nad) Innen; die erfte umfaßt hauptfächlich bie parlamentarifchen 
Reden, lettere macht ſich beſonders bei freien Verfaſſingen geltend; c) die ge 
richtliche, die e8 mit den eigentlichen Rechtsverhältniffen der Bürger im Staats- 
leben felbft zu thun Hat, infoweit nämlich Rechtsſachen einer gerichtlichen Beftim; 
mung anheim fallen, u. bie vorzugswelfe, jedoch mit Berläugnung jeder perfünlichen 
Anfiht, im Gebiete der Criminaljuſtiz anzuwenden feyn dürfte, u. d) in die mi⸗ 
Iitärifche Staatsberedſamkeit, deren Zwed if, den Muth zu weden, zu beleben 
und zu fräftigen, oder die Thatkraft zur Tapferkeit im Kampfe zu beftimmen. 
Ueber bie öffentlichen Anforderungen ber p. B. vgl. Rebe und Rhetorik. 
Mebrigens wird aber der Staaterebner, als ſolcher, fehr oft — t ſeyn, mehr 
auf Ueberredung, als auf Ueberzeugung hinzuwirken, wie er denn nicht felten auch 
feine eigene Anfiht u. Meberzeugung , felbft außerhalb bed gerichtlichen Kreiſes, 
wird zurüdhalten u. dem Beften des Staates unterorbnen muſſen. 

olitifche Freiheit, |. Freiheit. | 

lee eographie, fe Geographie. 

Dolitifches Gleichgewicht, das Beftreben der Staaten, die ſchwankenden 
Außeren Berhältniffe gegen einander baburch zu befefligen, und fi) einem recht: 
lichen ruhigen Beſitzſtande in fo weit zu nähern, baß bie nad außen firebende 
Macht, von den Äbrigen gemäßigt, für feinen Theil Vedru aung ober Beſchraͤnk⸗ 
ung herbeifuͤhrt. Univerſalherrſchaft zerſtoͤrt das p. G., daher bie inſtinkt⸗ 
maͤßige Verbindung mehrer Maͤchte zur Abwendung eines zermalmenden Ueber⸗ 

ewichts. Zum Eyſteme fing ſich dieſes natürliche Beftreben in neuerer Zeit zuerft 
m 15. Jahrhundert in Italien zu bilden an, als Frankreich feine Anfprüche 
auf Reapel geltend machte u, dadurch in allen Staaten das Gefühl der Nothwen⸗ 
digkeit entſtand, fich biefer Uebermacht entgegen zu ftellen. Allmälig verbreitete 
fi) das p. ©. im 16. Jahrhunderte über die ſüdeuropäiſchen Staaten und 
war im 17. Jahrhunderte der Beweggrumd, welcher bie Kürften Europa’s gegen 
Defterreich bewaffnete. Es trat hier zum erften Wale der Fall ein, daß, unge: 
achtet dieſes allgemeinen Hauptzwedes, feine Einigkeit unter den Fürſten felbft 
war, in ihrer Mitte fein an innerer und äußerer Kraft ausgezeichneter Mann 
aufftand u. Schweden der Bereinigungspunft aller Kräfte werben mußte. Durd) 
biefen Kampf begründete fih in Deutichland der Mittelpunft des p. G⸗Syſtems 
und verbreitete fidh von hier aus im 18. Jahrhunderte über ganz Europa. Bes 
fonders war e8 eine Hauptmaßregel ber Politik Friedrich's des Großen, «es 
zu bewahren. In neuerer Zeit wurde durch die Kortfchritte Frankreichs zur 
Zeit der Revolution und unter Rapoleon das p. ©. faſt ganz aufgehoben 5 doch 
der Pariſer Friede ſtellte es 1814 wieder her. — Jetzt, wo nach dem durchgaͤngigen 
Umſchwunge der Dinge in Europa nicht mehr die Cabinete entſcheiden, ſondern 
der Wille der Voͤlker maßgebend iſt, kann von einem p.n G.e im bisbaherigen 
Sinne des Wortes nicht mehr bie Rebe fenn. 

Politiſche Poefie, eine, befonders in Epochen bes Umſchwungs flaatlicher 
und gefelfchaftlicher Verhältniffe, fchon feit den Alteften Zeiten herrſchende Gatt⸗ 
ung, vorzüglich der lyriſchen Dichtfunft, beren entflammende, zuͤrnende ober gei⸗ 
Belnde Heilen aus dem Widerfpruche hervorquellen, in welchen ber freie, ſelbſtbe⸗ 
mußte Geift mit gebrüdten, Menfchenreht und Menfchenwürbe nerachtenden, Zus 
Ränden der Zeit geräth, Die Worte Göthers: „Ein garftig Lieb! pfui, ein 
—5— Lied!“ — laſſen ſich zwar auch in unſeren Tagen auf eine Menge in 

erſe geledter Zeitumgsartifel anwenden, aber wenn das politifche Lied aus wah⸗ 
rem Dichterherzen hervorbricht, aus einer freien, edlen Seele, die über jeden uns 
natürlichen Zuftand braufend ihre flammenden Schwingen ſchlaͤgt, dam Hat es 
feine Soße Bebeutung und Berehtigung, und \elır Bdrhe IN in gewiiee Shane 


VPolitiſche Poefie un 329 


volitifeher Dichter , ſowie es vor Allen Schiller. im t ‚war, 
Schon bie * hatten ihren ya und Tyrtäos, bie, ihren 
— Bei den Deutſchen iſt jede Pexiode ihres ſtaatlichen dur 
eußerungen Lied orbenen Freiheitsdranges bezeichnet, |, Die, der 
Barden bezogen Fr ohne: Zweifel auf Baterlandsliebe und Voltrul auf 
und Tol Aus dem deutſchen Mittelalter. ſelen die 
je eines Veit Weber In der Anfang: ale 

dafliichen Literatur ⸗Periode fehen wir —— als begeiſterten 

"der, er 


‚Revolution, von Anfangs viel Gutes Hoffte u, an ihr her, 
+ Wenn die in der p. der 
eu a 
e 


Granfreich niemals volfe: be 
* — tes, Und 
als ber Tyrann von —— —— — he 
h in’s gelb, Aheodor.Rörner fiel fenb- mit. Leler us. 


Seume, Arndt, Uhland, Rüdert, Follen, Schentendorf find, bie 
— nennt von denen dann —— — * 
tichen Poeſie gegen äußere Unterbrüdung zur Mahnung an die Menf 
Ben: verwandelte, die Fücften ihren rettenden Bölfern ſchui⸗ 

beten. ag ne 'enb ber Zeit ber Pefauration Mercy. und - 
Barthelmy ihre chen Erinnerungen an die ‚Begeiflerung ihrer revolu ⸗ 

tionären u. an ben Ruhm. ihrer Kaijer-Epode, Beranger ſtimmie feine, 
Solfsthümlichen Freigeitögefänge an u. in den Julitagen fang Delavig 
ı PBarifienne®.. Das Jahr 1830 wegte aber ‚in Deutſchland ‚einen OD 
bes ferien Geſanges, ber um fo Höher und voller emporguoll „je ftärker. bie Ges 
walt war ‚die ihm nieberprefien wollte... Anaftafius — reichiſche 
—— tar. ‚der Erſte, der ‚im, feinen  „Spagiergängen- eines Wiener 
PBoeten“ ben Drang der Zeit wieder in begeifterten Freiheitshymnen ausſprach 
obwohl er mehr als öfterreichifcher Patriot auftrat, während feine auf ihm fol 
genden Landsleute Karl Bed (Näcpte, gepanzerte Lieder) u. Nikolaus Lenau 
(Gedichte, Albigenfer u. f. w.) fi mit der höchften dichteriſchen Weife, ald Kos: 
mopoliten auf ben Standpunft der allgemeinen Freiheit ftelten. Platen, 
Stieglig und Pfiger find gleichzeitig zu nennen und es ift zu bemerfen, daß 
befonders auch die deutfchen Polenlieder der meiften diefer Sänger das Edelfte find, 
was die damalige Zeitdichtung brachte. Das Jahr 1840, ſchon durch N. Beder’s 
„RHeinlied“ bezeichnet, erweckie, nachdem ſchon im früheren Jahrzehnt bie Lyrik, die 
fich an Zeitverhältniffe anſchloß, immer mer zum allgemeinen Begriff politiſcher Dicht- 
ung erhoben war, einen neu hervorbraufenden Strom zu höherer Poeſie verflärter 
Politik, deſſen erfte Wogen mit Herwegh (dem Mann der Leyer, aber nicht bee 
Schwerte) in feinen „Gedichten eines Kebendigen“ ; Dingelftedt (Lieder eines 
fosmopolitiigen Nachtwächtere), Hoffmann v. Zallersleben (Unpolitifche 
Lieder) und Prutz zulammengefaßt erfcheinen, been Gefänge Eigentyum bes 
Bolls geworben find. Emanuel Geibel (Zeitftimmen), Sreitigeath Glau⸗ 
bensbelenntniß), Seeger (Sohn ber Zeit), Johann Scherr (Laute und leiſe 
Lieder, Erbaulihes und Beſchauliches), Gottſchalk (Eenfurflüdtlinge) und 
Deeg ſchloſſen fi) mit mehr oher weniger Glüd und Beruf an biefe an, und 
ber erften öfterreichiichen Trias: Grün, Lenau und Bed, folgte eine zweite — 
Morig Hartmann Eelch und Echmwert), ber formvollendete Alfred Meiner 
Gedichte, Ziska) und der feurige Sänger der „Fruͤhlingoboten aus Defterreich“ 
u bes „lyriſchen Wanderbuchs“ Herrmann Rollett. — Siehe Prup „Literar- 
hiſtoriſches Taſchenbuch“ (Jahrg. I., Leipzig 1842). Literar- hiſtoriſche Samm⸗ 
lungen von politiſchen Gedichten haben geliefert: Hoffmann von Fallersleben, 
„Politiſche Gedichte aus der beutfchen Vorzeit“ (Leipzig 1843) mit (hägberen 


& 


22 


330 Politiſche Berbindungen — Polizei. 


Einleitmgen, und H. WMarggraff, „Politiſche Gebichte aus Deutſchlands 
Neuzeit" (Leipzia 1843). 
olitifhe Verbindungen, f. Geheime Gefellfhaften. 
olitiſche Wiffenfchaften, |. Staatswiffenfhaften. 
Polizei Heißt diejenige Anftalt im Staate, ober derjenige Theil ber Staats⸗ 
gemalt, befien Zwed und Aufgabe es iſt, ‚pinbernifle wegzuräumen, welche fich 
er Ausführung von allgemein nüglichen und rechtlich erlaubten Unterne gen 
ber einzelnen Staatsbürger in ben Weg legen, unb durch Anwendung der Ein: 
einfraft gar nicht, oder nicht fo vollfommen entfernt werben fünnten. Sie um; 
bat dabei das ganze menfchliche Leben u. forgt alfo für die phyſiſche, wie für bie 
moralifche Perfönlichkeit, endlich für das Bermögen der Staatsbürger, überall 
unterftügend und nachhelfend. Gingetheilt wird bie P., theils nach ben verfchiede- 
nen ©egenftänden, welche ihre Geſchaͤftsaufgabe find, in bie Geſundheits⸗ u. Mes 
dizinal⸗P., in bie Cultur⸗P. und in die Detonomies d. h. Reichthums⸗P., welche 
lestere wieder in die Landwirthfchafts-, Manufakturs und Handels⸗P. zerfällt; 
theils nach Verfchiedenheit ihrer entweber bloß negativen, ober pofitiven Tendenz, 
db. h., je nachdem ihr Zweck entweber blos In ber Dihemg bes Borhandenen bes 
Bed oder in der Erreichung einer Berbefierung, in die Sicherungs » und Wohl- 
ahrts⸗P. — Was 1) die Medizinal⸗P. betri, fo ergibt ſich beren Begriff und 
Aufgabe fhon aus dem bloßen Worte. — 2) In das Gebiet der Cultur⸗P. ges 
hören nicht nur foldde Amtshandlungen, welche den Zwed haben, zu verhüten, 
daß der Verſtand, daͤs Gefühl und bie Päantaflereinheit der Untertanen nidht 
verderbt werden, 3. DB. das Verbot aller flaatsgefährlichen Vereine, Verbot 
ber Kuppelei, Hurerei, Unterdrüdung ungüchtiger Schriften, Pasquille, Berbot 
ber Thierquälerei, Verbot von unzüchtigen Bildern und Schhaufpielen, — ſendern 
auch ſolche, welche den Zwed Haben, Berftand, Gefühl und Geſchmack des Bol- 
kes zu verebeln, 3. B. bie Anle ung ‚öffentlicher Wiſſenſchaftsſchulen, Reals, polys 
technifche, @ewerbes, paͤdagogiſche, Blindens, Taubftummenfchulen u. f. w., Aus⸗ 
fhreibung von Prämien für Mbfaffung ai Volksbücher, Unterflügungen ausges 
geichneter Studirender, Anlegung von Bibliotheken, öffentliche Belobung, Praͤ⸗ 
mien-Ertheilung, Errichtung von Denkfäulen an Hoch verdiente Männer, Anlegun 
von Kunftafademien, d. h. Lehranftalten für Plaftif, Malerei und Muſik, un 
ſ. f. — 3) In die Defonomies®. fallen diejenigen Maßregeln, welche ben Zwed 
haben, die Reichthumsmaſſe des Volks zu verftärfen und Berlufte zu verhüten, 3. 
B. die Anlegung von Sparkaſſen, bie Extheilung ber Aufenthaltserlaubniß an 
auslänbifche Rentenverzehrer, „ufhebung von Aus s u. Einfuhrverboten, Berbot von 
unnöthigem Luxus, Gewinnung neuer Laͤndereien durch Austrodnung von Süm- 
pfen, Unterflügung der gefammten Munufakturproduftion (des Gewerbeweſens), 
Begünftigung bed Handels durch Einführung bequemer Maße und Gewichte, 
Deauffihtigung der Börfen, Abhaltung von Märkten, pafiende Regulirung ber 
Zölle, Errichtung von Schupanftalten gegen Beuerbrünfte, Ueberſchwenimungen ır., 
Beauffihtigung Fremder, Beftrafung ber Bettler, Taration von Waaren (bes 
Brodes, Fleifches 2c.), Gebot des Graͤnzſteinsſetzens, Vertilgung bes Ungeziefers 
und unzählige weitere Maßregeln ber verfchicdenften Art. — Diele umfaflende 
Ihätigkeit der P. macht, wie ſich von felbft ergibt, es biefer Anflalt mdgt ch, in 
faft alle nur denlbare Berhältniffe des menſchlichen Lebens einzugreifen und, unter 
dem Scheine der Berufspflicht, fich in Dinge zu mifchen, die von ihrer eigentlichen 
Wirkungsiphäre weit entfernt liegen, wozu die tägliche Erfahrung mehr als genug 
Beifpiele liefert. Eben, weil die P. überall einzugreifen hat, ift es auch nicht 
möglich, alle einzelnen ZAlle ihrer Kompetenz genau zu bezeichnen ; nur das läßt 
ſich als oberfter Grundfag aufftellen, daß fie nur da, wo zur Erreihung vernünfs 
tiger, allgemein nuͤtzlicher Zwede bie Einzelfraft nicht hinreicht, in's Mittel tre⸗ 
ten, Gier aber auch Immer, zwedmäfiig und vollſtaͤndig eintreten muß. — Aus 
dieſen Auseinanderfegungen ergibt fih nun unbezweifelt, daß die P. als öffent- 
Iide Behörde täätig zu ſeyn berufen ift, und daz «6 war ein Leiden eines 


Vote 3 
ge ift, wenn in —— bie a a, * 


— ee table ZIV, maß und —— 


— — Ri jebracht, daß man  feldft der Hefe des 
Beblente, um Die —— don, tn de 
bie geheime P. nach Deutfchla, ee) ® 
zumachen beeifert war. : ——— Me * — 
Tommen, daß das Inflitut ein Ri Mate as 
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Hennen Angelo (gewoͤhnlich lateiniſch —5 Polens Ger, 
geboren zu Montepulciano 1454, ftubirte frühzeitig bie Werfe ber Alten und 
fonnte ſchon im 13. Jahre Iateinifhe und griechiſche Gedichte machen. Brühzeitig 
beftellte ihn Lorenz von Mebici zum Lehrer feiner beiden Söhne; 1480 übertrug 
ihm berfelde ein Kanonikat und das Lehramt ber griechiſchen und römifchen Lite- 
ratur zu Florenz, welches er auch, bis an feinen 1494 erfolgten Tod (angeblich 
aus Betrübniß über das Schidfal feiner Gönner, der Medici) mit gleichem Eifer 
u. Beifall befleidete, P. war unter allen iteratoren des 15., gewiflermafien auch 
bes 16. Jahrhunderts umftreitig derjenige, ber fich als Lehrer und Schriftfteller 
den größten Ruhm erwarb u. dieſen Ruhm audy am längften behauptete. Durch 
claſſiſche Schriften fowohl, als buch Bildung gelehrter Schüler, hat er fih um 
die Xiteratur fehr verdient gemacht. Seine &hracgeterfamtet war tief und 
rünblich; namentlich hat er fih durch folgende Schriften berühmt gemacht: Ge- 
Meichte der Verfebwörung der Pazzi (lat.); lateiniſche Meberfegung Ge Herodia⸗ 
nus; griechiſche Epigramme; Briefe (lat. 12 Bücher) ; Lamia s. praelectiones 
in Aristotelis opp.; Epistolae pro Epicteto et de ira; Canzoni a Ballo con 
welle di Lorenzo Medici etc., Unterfuchungen über bie einzelnen roͤmiſchen Ge- 
etze, Ueberfepungen griechifcher Elafiifer. Die Sammlung feiner Schriften, Bo- 
logna, 1494, 4., Benebig 1498, Fol., gehört unter bie fetenen Bücher, ebenfo 
die von Gevphius, 3 Bde, 1550 Naausgegetem. — Bol. Menden, „Historia 
vitae Ang. P.“ (Leipz. 1736, 4.) ; Ceraffi, „La vita di Ang. P.“ vor beffen 
Ausgabe ber „Stanze“ bes PB. (Pad. 1751) und Bonafous, „De Ang. P. 
vita et operibus* (Bar. 1845). 

olta, ein befannter böhmiſcher Nationaltanz im $ Takt, der in neuefter 

Zeit faft in ganz Europa Eingang gefunden, dadurch aber viel’ von feiner eigen: 
thümlihen Einfachheit eingebüßt hat. 

Polfwig, Staͤbtchen Im Preife Glogau des preuhiſchen Regierungstente” 


— 


332 Holen — Polniſche Sprache u, Literatur, 


Liegnis, in einer waldigen Gegend, mit Tuch s und 2einweberei und 1800 Ein⸗ 
wohnern, fteht, wie Schilde, Scheppenftäbt u. a. DO. im Rufe allerhand thörichter 
Streihe (Bolkwigerftreiche). 

olen, f. Staubfäden. 

ollio (Cajus Afinius), römifcher Staatsmann und Gelehrter, Freund 
Caſar's, des Antonius und NAuguftus. Als Eonful im cisalpiniſchen Gallien 
(40 vor Er.) ward er mit Bil bekannt, der ihm die 4. Efloge widmete; Do; 
raz bichtete eine Ode an ihn. egerifche Talente bewährte er in Dalmatien. 
Bon feinen Tragödien, philoſephiſchen Echriften und Geſchichte der Bürgerfriege 
in 7 Büchern ik Nichts auf uns gefommen. Er gilt für den Gründer ber erften 
öffentlichen Bibliothef in Rom. P. farb 3 n. Er. 

Pollok (Robert), trefflicher fchottifcher Dichter, geboren 1799 bei Eagles⸗ 
heim (Renfrewſhire), 1827 Prediger, geftorben in bemfelben Jahre zu Shirley 
Common bei Southampton, auf einer Reife nach Stalien. Seine vorzüglichften 
Werte find: ein Gedicht in 10 Büchern: „The Course of Time“ (n. Edinb. 
1841) ; die Erzählungen: „Ralph Gemmel“ und „The persecuted Family“. 

ollur, |. Diosfuren. 
ollur, 1) Julius, aus Naufratis in Aegypten, zu ang des zweiten 
Jahrhunderts n. Ehr., Rhetor zu Athen, ift durch fein griechiiches Wörterbuch 
(Onomasticon) befannt, das aus 10 Büchern beſteht, auf Sacheintheilungen ge: 
geindet, zur Erklärung und richtigen Beftimmung der ſynonymiſchen Wörter und 
ebensarten ſehr dienlich u. zur Aufflärung mancher Umſtaͤnde bes Alterthums 
brauchbar if. — Lederlin u Hemfterhuis haben davon zu Amfterbam, 1706, 
2 Bde. Fol., die befte Ausgabe beforgt und ber letztere gibt in einer lehrreichen 
Vorrede zum Gebrauche dieſes Wörterbuches die nüglichfte Anleitung. Neuer Ab- 
drud von W. Dindorf, Lpz. 1824 in 5 Bin. — 2) PB. Julius, ein dhrift- 
licher Schriftfteller, wahrfcheinlich aus dem 10. Jahrhundert, fchrieb eine Historia 
physica oder sacra, welche die Begebenheiten von Erichaffung der Welt bie auf 
die Regierung des roͤmiſchen Kaiſers Valens enthält. Ausgaben: von Bianconi, 
Bologna 1779 u. von Hardt, Lpz. 1792. 
olnifhe Sprache und Literatur. Die polnifche Sprache iſt eine Mımb- 
art des großen ſlaviſchen Sprachſtammes, wozu auch das Ruſſiſche, Böhmifche, 
Wendiſche, Serbiſche, Slavoniſche u, ſ. w. gehören. Sie if, troß ber gehäuften 
Gonfonanten, wohllautender u. biegfamer, als alle die anderen ſlaviſchen, ja, als 
mehre beutiche Mundarten, bilbfamer unb Fräftiger, als irgend eine; beſonders im 
Geſange if fie fehr wohllautend. Die polniſche Sprache ſchied fih im Mittelal- 
ter vom Altſlaviſchen zu einer Zeit, wo noch Feine Schrift exiſtirte und d die 
Trennung leicht war. Bon der (weichern) ruſſiſchen Sprache unterfcheibet fie ſich, 
ungeachtet des gemeinfchaftlichen ſlaviſchen Urſprunges, dadurch, daß fie von ihren 
Nachbarn eine Menge harter Eonfonanten angenommen hat. Sie ift befonders 
unter König Sigismund Auguft (1548 — 72) blühend und Buͤcherſprache gewor- 
ben. Ihr goldenes Zeitalter kam man bis In die Mitte der Aegierung igis⸗ 
munds IIl. jegen. Sodann warb durch deſſen Verfolgungsgeiſt und feine Liebe 
zum Ausländifchen ber Geſchmack verborben ; man mifchte immer lateinifche Bros 
den einz bie vielen Kriege erfchöpften das Land. Eo verfiel die polniſche Sprache, 
begann aber feit Auguft III. wieder aufzuleben und bob ſich wieder ſeit Stanis⸗ 
laus Auguft (wo die Stäbte mehr ri erhielten) zu hoher Blüthe. 1801 
bildete fih zu Warſchau, unter bem Borfige bes Biſchofs Albertranti, eine Ges 
fellichaft zur Aufrechthaltung ber Reinheit ber polnifchen Sprache, bie 1802 den 
1. Band ihrer Schriften herausgab. Die Polen bedienen fich feit dem letzten 
Drittheile des 17. Jahrhunderts der Lateinifchen Buchflaben ; fonft waren beutfche 
oder boͤhmiſche Lettern im Gebrauche, wie biefes noch jest in Oſt⸗Preußen und 
Schlefien bei den lutherifchen Gemeinden der Kal if. Urſpruͤnglich ſtammen aber 
bie polnifchen Buchftaben, fo wie bie böhmiſchen, neuflanifchen und die’ aller an 
deren flavifchen Dialekte, welche ihre Schriftzeihen veriinhert Boten, aus hem Alt⸗ 





) Griehen. Um mehre f 

ben auszubrüden, Haben bie Polen, wie Böhmen und andere ——— 
teinifche anwenden imüffen. Die Ausfprache ift wegen der vielen Con⸗ 
ſe tig, und in fat teinee Sprache iſt der Fremde, mag er auch 

nod) ee gelebt + 0° feicht erkennbar, Auch im 
finden & fich das Pofnifche in Oberfi "(das 
Baffer-Bolnifch), das in (hen, das in der Gegend: von 

Xralau u. f. w. alß fa chen fo diele eigene te. Die polnifdye: 
a a a aan, Ba 
N Driho ie $ 
zu Anfang, die zu Ende des 1. Sahefunderts, die Denohewsti’s Fa 
"Große Buchſtaben werden am Anfangeıber Schrift einer — und 
en in Eigennamen, Namen der ', Ems 


gra⸗ 


lehre ber polniſchen Sprache“ (deutſch, 2 Bde. Lemb. 1842). Das umfaſſenbſte 
polniſche Wörterbuch iſt das von S. ©. Linde (f. d.). Unter den älteren pols 
niſch⸗ deutſchen Wörterbüheın ift das von Troy (Lpz. 1779; neue Aufl., Brest. 
41831) und unter den neueren bad von Bandtfe (2 Bde, Brest. 1806), das 
von Mrongovius (neue Aufl., Königsb. 1835) zu nennen. Am braudbars 
fin find die polnifch-beutfchen und deutfch-polniihen Wörterbücher von dem Pros 
feſſor an der Krafauer Univerfität, Trojansfi (4 Bde., Poſ. 1835 — 46). — 
Da die Abfaffung von Werfen in lateinifher Eprache das Gedeihen der polni- 
ſchen Rational-Literatur lange aufbielt, fo fann man die Entftehung ber 
legteren (vereinzelte Erfcheinungen, wie das Lied bes Heil. Adalbert aus dem 10. 
Jahrhunderte, das Altefte Denfmal der p. L., können in biefer Beziehung faum 
in Betracht kommen) erft von ber Regierung ber beiden Sigismunde 1507 — 72 
an batiren. Unter Sigismund J., einem großen Freunde und Beförderer claſſiſcher 
Bildung, fam durch de en Vermählung mit der mailändifhen Prinzeſſin Bona 
italienifcher Gefhmad in die p. 2. Zwar fchrieb der Jeſuite Sarbievius, mit 
Recht der polnifhe Horaz genannt, feine Oden nod in lateiniſcher Sprache; in- 
deſſen bildete ſich doch gleichzeitig das Polnifche zur Staats» Gelehrten- und Ge— 
bildetenfprache; in ihr ſangen Lyriker und Satirifer; alte Vermaße wurden 
nachzuahmen begonnen und aud Geſchicht e wurde fhon in rühmlicher Weife 
gefhrieben. Man nennt biefe Zeit da8 golbne Zeitalter berp.%; Ka— 
&banomwsfi war jegt der Hauptdichter u. gilt ald Vater der polnifchen Poeſie. 
Auf das Gebeihen der p. L. in diefer Periode Hatte großen Einfluß die bald aus 
dem Auslande eingeführte Reformation; fie rief kirchliche Gefänge und 
Bibelüberfegungen hervor. Nun folgten, veranlaft durch bie Kriege mit 
den nördlichen, füblichen und öftlichen Nachbarn, wicder 2 Jahrhunderte des Rüd- 
ſchrities, und da Dir jeit 1566 in das Reich gezogenen Jejuiten {ah aim Wod- 


334 Polniſche Sprache u Literatur, 


nahme bie latemiſche Sprache zum Organ ihrer wiflenfchaftlichen Leiſtungen wähls 
ten und fie faft die ausfchließlichen Vertreter der Literatur waren, fo konnte 
natürlih das Polniſche in dieſem Zcitraume keineswegs zu einem, auch nur 
einigermaffen bedeutenden, Standpunfte erheben. Noch ungünfliger war die Re- 
gierungsperiode Augufts II. und III.; dagegen blühte unter Auguft IV., mit dem 
wachſenden Wohlftande der Etäbte, auch die Literatur von Neuem wieder auf u. 
beionders machte ſich ber Piarift Stanislaus Konarsli und vor Allen die Ge⸗ 
brüber Zaluski, welche die 1745 zu Warfchau eröffnete, 1795 aber nad Peters⸗ 
burg abgeführte, aus 200,009 Werfen (darunter 20,000 in p. ©.) beftchende 
Bihliothef gefammelt hatten, um die Befeitigung des fteifen Scholaftidemus und 
die völlige eftaltung in Wiſſenſchaft und Erziehung u. um bie Schöpfung ei- 
nes nationalen Theaters verdient. Freilich kam jest aber auch durch bie Eym- 
pathbie der Polen und Franzoſen ein franzöfifhhes Bildungselement in 
bie p. L. und S. Der Held der p. 2. damaliger Zeit iR Krafidi, Erz 
bifhof von Warſchau. Mehr noch bob ſich die p. L., ald nach dem Kalle bes 
Baterlandes eine Rettung in der Erhebung des Volks zu einem Bürgerfinne er⸗ 
ſchien. Damals ertönte patriotifcher Kriegsgefang (3. B. das berühmte: „Noch ift 
Polen nicht verloren“), und nachdem die neuen Hemmniffe der Literatur im ben 
Kriegejahren durch den Frieden gehoben waren, ftrebte man alsbald, zunaͤchſt bie 
fremden Elemente auszufcheiden. 1801 ftifteten 3. Exadi, Dmochowsti und Als 
bertrandi bie Gefelfchaft der Freumde der Wiſſenſchaften in Warſchau, bie fid 
eine große Bibliothek fammelten u. beſonders unter Staszic vortheilhaft wirkten. 
1815 begann der auch anderwärtd gefämpfte Kawpf zwiſchen Romanticismus u. 
Clafficismus in Polen ; die polnifden Romantiften gingen von Litthauen aus u. 
hatten ihren Eis in Wilna; an ihrer Spige ſtand der durch Engländer und bie 
neuere deutſche Dichterfchule gebildete Mickiewicz; fie wollten bie Poeſte aus ben 
feit den 9 Jahrhunderten getragenen Feſſeln bes Latinismus u. bes feit dem 18. 
Jahrhunderte verbreiteten Gallicismus befreien u, eine nationale Poefle gründen. 
An der Spitze der Claffifer ftand Ofinsfi (farb 1838), u. wenn auch die Elafs 
fifee noch ihren Anhang haben, fo ift der Sieg ber romantifchen Schule als ent- 
ſchieden dadurch zu betrachten, daß ſich alle jungen Talente, wie Kaflmir Brod⸗ 
zinski (farb 1835), Odyniec, Goßczynski, Julius Korſak ıc., zu berfelben hal- 
ten. Jetzt wurbe auch nationale Geſchichte (von Lelewel) gefchrieben. — Wenn 
ungeachtet biefes Sieges u. jenes Erwachens eines nationalen Sinnes dennoch 
bis dahin nichts Großes geleifiet wurde, fo liegt davon der Grund in ber firengen 
Benfur, unter welcher die Fruͤchte des erwachten Geiſtes, befonders in Litthauen, 
gehalten wurden, und nach ber Revolution ſprach e8 Rußland ganz unumwunden 
aus, daß es die Polen ganz ruffificiren wollte, um fo ihre Rationalität zu er⸗ 
Riden u. fräftige Auflehnungen gegen Rußland unmöglich zu machen. Und bie 
ruffifche Regierung Hat nicht nur alle wifienfchaftlichen Anftalten bee Polen aufs 
gehoben (mie auch bie Geſellſchaft der Freunde der Wiffenfchaften in Warfchau, 
deren Bibliothek, 50,000 Bände, fegar nach Petersburg gefchafft wurbe) u. jebe 
Regung für Literatur u. Wiſſenſchaft gehemmt, fondern auch ben feit 1833 eröff- 
neten zahlreichen Schulen ganz rufftfche Verfaffung gegeben u. fle mit rufftfchen 
Lchrern befegt u. 1837 fogar die Kenntniß ber rufen Eprache ald Bedingung 
um Cintritte in Staats⸗ und Eivildienft geftelt. Doch Hat ſich die Liebe zum 
aterländifchen nicht nur im Königreiche, fondern auch u. vorzüglich in Kitthauen, 
Vodolicn 2c., erbalten ; ja, man fann fagen, daß in biefen Zeiten bes Untergangs 
ber polnifhen Ration im Aeußern, die polnifche Poeſte eine Höhere Stufe einge: 
nommen hat, als je In der neueften Zeit find die ufrainifchen Dichter mit 
proßer Auszeichnung aufgetreten, welche Land, Leben u. Gefchichte der Ukraine 
efungen u. bdargeftellt haben; hierher gehören Zaleski, Malzesſski, Goszynski, 
Padura, Grabowski, Czaykowski. Eben fo hat man fich jebt mit ber Sammlung 
alter nationaler Poeſien beichäftigt, fo beſonders Maciejowski, Woycicki, Banbıte, 
KZudurefi, Freier entwickelt fih die p. 2. in dem Trekaote Rroton unk im den 


Polnifge Sprache u, Literatur; 
dann Pie Ay can Behdne 





aiſchen Er ef — Mucy 
nders fi. aus. — hat ſich am 
ben. pı anten, — — u. — 
Raliongitera at iR hauptfächlich. bei 
ercentriſchen Hoffnungen u, ihre If I Ehre —5 
5 befteht ſaris eine von. Meränd 
ündete polniiche. Drudterei-u, Bapharbung In In Sonden = * ie 
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igen über; 4) die Boefie hat fidı b m. Dur 
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—— oder Leichtfinn“, Waı — — 
en, gefammelt, Bresl. 1 6 Be; EHE "Öhie beiben 
Bart 1830, 3Bbe); Bernatowicz. (Nalenez, deutſch von afe, 8 
on „Reipz. ; ft (ber. ter um 
It, Vofen 1839 5: Sie war lebenslang elend, Wilna 1840, u. m.); Mafalshi 
Sohn des Untertruchfeß, Wilna 1831, 5 5 Bde., ein adminiffrativer Roman) ; 
bowsli (Der Kofadenaufftand in den Steppen, Wilna 1839); Czayfowsti 
eunkeree Par. 1838, 2 Bbe.); —J ebd. 1838, 2 Bde., beutih, Liſſa 
Stefan Gzarniedi, Par. 1840, 2 Bde. ; Bennatowsfi. Novellen fehrieb 
Niere Siemiensfi; Sagen fammelte Grabowski (Kofadenfagen, Paris 1837, 
tich von Minsberg, Glog. 1838); Woycicki (Warfh. 1837, 2 Bde., deutſch 
Leveftam, Berl. 1839). Unter den Lyrifern find zu nennen: ber ältefte Mi- 
I Rey (1515-68); ber trefflihe Kochanowoti. Neben Iepterem werden 
Auszeichnung im 16. Jahrhunderte genannt: Jan Rybinski (Behrer in Dan- 
Nicolaus Szarzynofi (farb 1581, Gedichte, geſammelt von feinem Bruder 
ft, n. A. von Joſeph Muczfowsfi, Poſen 1827); im 18. Jahrhunderte Mias- 
zli, Stanislaus Grochowoli (farb 1644), der beſonders geiftliche Lieder 
ete, Szymonowicz (genannt Simonides, ſtatb 1629), wegen feiner lateis 
‚en Oden der polnifhe Pindar genannt; eine Sammlung geiftlicher Lieder 
nflaltete Artomius im 16. Jahrhunderte. Mit Bel af fan Kochowski 
b um 1700) beginnt fon ber kalte, ſchwache Geift ber 3. Periobe fih zu 
m, doch zeichneten ſich noch als Dichter aus: Samuel Twardowsfi, Bards 
fi, Ufeydi, Morsztyn, beſonders die Dicpterin Eliſabeth Druzbacka (farb 
I, Trembedi (ftarb 1812), ber Schöpfer einer neuen poetifhen Sprache 
:zye, gefammelt Warfhau 1819, 2 Bde.), Karpinski, Bursfi, Niemcewicz, Mids 
cz (Gedichte geſammelt, Paris 1829, 2 Bde.), Kniazin beionders erotifche Lieder, 
ıye, (gefammelt Warfhau 1787, 3 Bde), Wegiewski (farb 1787, fchrieb 
ders fehr bittere Gedichte), Godebefi (farb 1809), Sienfiewig, Starzynati, 
awski, Joſeph Tymowski, Kicinsli, Slowadi, Alerander Chodzko (Roefien, 
zeburg 1829), Brodinnsfi, Ehuard Odyniec (Porfien, n. Auflage, Roten 
2,4.) Julius Porjaf (Gedichte, 1833; Nowe Poezye, Wilna 1BAL, % Wie), 


936 Poluniſche Sprache u. Literatur, 


Zaleski (Gedichte, gefammelt Lemberg 1838), der mit mit Malczesi, Goßczynski, 
Thomas Pabura (der die rusniafifche Sprache ber ufrainifchen Kofaden in feinen 
Liedern anwendet; Gedichte, Herausgegeben Lwow 1843) und Graboweli zu ben 
ukrainiſchen Dichtern gehört; Kraszemsti (Bebichte, neue Sammlung, Warſchau 
1843, 2 Bde), Garcjynsli (ſtarb 1833 in Avignon, bichtere befonders Kriegs⸗ 
lieder), Auguft Bielowoli in Galizien, Lufas Siemiensfi, Guſtav Ehrenberg u. 4. 
In neuerer Zeit fängt man ernftlih an, Sammlungen von Bolföliebern zu ver- 
anftalten. Einige berfelben ftammten fchon aus dem 15. Jahrhunderte. Das 
polnifche Volkslied Hat eine eigenthuͤmliche Korm; es befleht aus 2seiligen Stro⸗ 
phen, deren erſter Vers ein Bild aus der Natur, ber zweite erft dem eigentlichen 
Gedanken enthält. Solche Lieder heißen Krakauer Lieber (Krakowiaken) u. man 
fingt fe zum Tanze. Die erfte Idee, ſolche Lieder zu fammeln, hatte Brobzinsfi ; 
Zorian Chodakowski wollte alle Bolfstieber Polens tin Kleinrußland aus bem 
Munde des Volks fammeln und, von Dorf zu Dorf ziehend, ließ er ſich von 
Geiſtlichen, Organiften, Bolfsfängern und alten Weibern ſolche Lieder vorfagen 
und vorfingen, aber er farb vor der Herausgabe berfelben. Auch der Sprach⸗ 
forfchee KQucharski fammelte auf feinen Reifen foldhe Lieder. Sammlungen Tamen 
heraus von Woycidi (Warſchau 1836, 2 Bde.) : galiztfche von Waclaw (Zalesfi, 
Lemberg 1833, mit Muflf von K. Lipinsfi, Deutſch Leipzig 1833) und Zen. 
Pauli (Lemberg 1838): littbauifche von Czeczot (Wilna 1838), Krakauer (Kraf. 
1840); grofipolnifche von Berwinski (Breslau 1840). Deutich überſetzt find 
polniſche Bolfslteber von Bincenz Poll, Leipzig 1833. Zu Bolfsliedern find Za⸗ 
boromafl’s, Zalesti’s und Padury's Dumy, welche Romanzen u. Balladen, ähns 
liche ritterliche Thaten des Volks befingen, geworben. igentlide Romanzen u. 
Balladen gibt es von Niemcewicz, Farys, Migiawig. Idyllen fehlen in neuefler 
Zeit noch in ber p. 2. fehr, vielleicht, daB wegen ber Herabwürdigung bes pol: 
nifhen Bauern dieſer Gattung fein Talent ſich zuwendete; einzeln aus ber fruͤ⸗ 
bern Zeit find die von Saymanowicz und Zimorowicz Nachahmungen Theokrits: 
Sammlımg polniſcher Idyllen, Wilna 1770; Balentin Gurski, u. hierher Tönnen 
auch Brodzinski's poetiſche Darftellungen des ypolnifchen Landlebens gerechnet 
werben. Kabeln fehrieben Kraſicki, Niemcewicz, Morawsfi und (voll Sarkasmen), 
Gorecki (Maris 1839), au Gascinski. Satiren fohrieb ſchon Kochanowski, 
befonders Kraficki. Als Didaktifer Haben ſich nur menige verfucht, wie Sebaftian 
Klonowicz, genannt Acernus (farb 1698, in dem Lateinifchen gefchrieben: Vic- 
toria denrum, 1600) u. Tomaszewski;: eben To im befchreibenden ®edichte, 5.8. 
Trembedi (Befchreibung des Gartens der Gräfin Sophie Potocke), Wenf (Bes 
fhreibung der Gegend Krakau's, Krakau 1833). Dramatiihe Werke: Theatra⸗ 
life Borftelungen fanden ſchon im 15. Jahrhunderte in Polen Statt, e8 waren 
Darfiellungen aus ber Leidensgeſchichte Jeſu. ine der erften gedrudten Komoͤ⸗ 
bien ift bes Krakauer Bürgers Anton Winiemefi „Wunderbare Hochzeit. Im 
Anfange bes 16. Jahrhunderts wurden auf dem Hoftheater lateiniſche Dramen 
anfaeführt, und damals gaben bie Dominikaner bie erften Faſtnachtsſpiele in 
Krakau, e8 wurden dazu eigene Theater gebaut u. zu ihrer Aufführung brauchte 
man mehre Tage. Eine alte Tragödie ift „Jephtes“ von Joſta Zamwidi von 1587. 
1603 wurden zwar bie Faſtnachtsſpiele, um der Beripottung ber Nichtkatholiken 
zu entgehen, verboten, aber bald erfchienen fie wieder. Unter die namhaften 
(aber nicht bie erfien) Dramatiker Polens gehört ber Lyriker Johann Kocha⸗ 
nowski (bie Abfertigung ber griedifchen Geſandten). Unter Wladislaw IV. 
wurde auf dem Hoftheater zu Warfchau nefpielts unter Johann Kaflmir (1661) 
wurden franzöfffhe Dramen und italienifhe Opern eingeführt: für bas Bolt 
wurde an Fefltagen unb bei Jahrmaͤrkten polnifch neipielt; die Jeſuiten gaben las 
teiniſche Schuldialoge vor dem Abel, und je mehr diefe Aufführungen mißalüdten, 
defto größer war die Heiterfeitz etwas Gute und Gediegenes wollte Niemand 
fehben. Der Niarift Ronarsfi u. der Jeſuit Bohomelec verbefierten den Geſchmack 
befonders durch Meberfegung Moliere ſcher Stüde Ges (editieren Dramen erichienen 


Volniſche Sprache u. Literatur; 337 
frzs, a rain ‚erfter als ber * 


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ce 16 Dramen (Tı u gras, Stand ofen 
einem Pelvaienier in ber Beitung Aleswier) aufge 


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in Aftarb 1826, Sein Stfit fer, ji ba Ru 


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Kopinsti, Kaminski (das dı — —— Sebirhobe⸗ 
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A 8 Mr, — — 
a ——— 1830 Kraſinst —— 

die Piamen Davids; fein Bruder, PBiote Kocanoweli Eh befreites eh 
falem (in Octave Rime, n. A., Breslau 1825), u. Jedriny Kochanowefi Virgils 
Aeneis: im 16. Jahrhunderte wurden in Folge der weitverbreiteten Reformation 
von Wal. Brzozowski böhmijche Geſaͤnge (Königsberg 1554), u. von Jan Seklucyhan 
zuerft das N. T. 1551 u. von Jun Keopolite® (Krakau 1561), u. Jak. Wuyak 
(ebd. 1593) die ganze Bibel überfegt. In neuerer u. meuefter Zeit wurden über 
fegt: Lucanus von Chroscianoli, Homers Alias u. Virgils Eflogen von Na 
urgzeweli (1811), Homer u. Birgil von. Dinodyomsfi, befien Schn, Franz Sa— 
— Dwochowoli edenfalls viel überfegt; ferner wurde Fe Kleiſts Frühling 
von Storzkiewicgz, Byrons Giaour von Midiewicz, W. Scotts Jungfrau am Eee, 
Byrons Braut von Abydos, TH. Meore's Erzählungen von Eduard Odyniec, 
Jzors Zug gegen die Polowzer aus dem Ruffiihen von Belowsli; Shafivenre’s 
Dramen von Holowefi (Wilna 1840); auh Julius Korfaf iR ein fleißiger 
Ueberfeger. Unter ben Heberfegungen aus dem Deutfhen find zu bemerfen mehre 
fhilteriihe Dramen von Kamiensfi (Direktor bes Theaters zu Lemberg), bie 
Iprifgen Gedichte von Schiller (gefammelt von Aug. Biclowoti, Lemberg 1841), 
Tieds Bittoria Accorombona; aus dem Franzöfifchen eine Auswahl ber Gedichte 
Victor Hugo's von Bruno Licinefi (Warfhau 1841), eine Sammlung fremder 
Boltslieder von Luc. Siemiensfi (Poſen 1842, 11 Thle.); griebifhe u. orienta> 
liſche Lieder von Chodzto. — 2) Proſa. Unter allen Häcern der Wiſſenſchaften 
haben fi die ‘Polen am meiften mit den hiſtoriſchen befpäftigt, und zwar 
vorzüglich mit der Gedichte ihres Volkes u. der Rammverwandten Bölfer. Im 
12. u. 13. Jahrhunderte fchrieben Chroniken in lateinifher Sprache: Martin 
Gallus (wohl eigentlich Kuret), Kadlabel, Boguphalus (Bifbof von Poſen, ftarb 
1253), alle abgedrudt in Mizlers Sammlung, Warfhau 1761; im 15. Jahr 
hundert fchrieb Jan Dfugosz (oder Longinus, Biſchof von Lemberg, tar 14800) 
der erſte gründliche u, Fritiihe Hiſtoriler ber polniſchen Literatur, merk in yalı- 

22 


Hralenepelopäbir. VUN. 


338 Poluiſche Sprache u, Literatur, 


ſcher Sprache Geſchichte; Joch. Bieldki (Chronik, Eralau 1597, Sarſchau 1761), 
dann Luc. Gomidt (Geſchichte der Krone Polens, Krakau 1637 u. 5.), Mar. 
Stryilowsli ſchrieb eine Chronik Litthauens. Daneben ſchrieben auch noch Andere 
u. zwar lateinifch, wie Marc. Kromer, Erzbiſchof von Ermeland, farb 1589 (De 
origine et rebus gestis Polonorum) u. Stan. Oxzechowoli (Annales Poloniae) ; 
zur Zeit ber Jefuitenherrfchaft zeichneten ſich als befiere Hiftorifer aus: Piafedi 
(farb 1644). Von tätigteit für die polniſche Geſchichte iſt bie veeußilche 
Chronik von Wigand, von der ber polnifhe Hiſtoriker Diugosz eine lateiniihe 
Heberfegung fertigte, welche Ragpnent 1842 Herausgab. Zu den neueren Hiftorifern 
gehören: Naruscewicz (ber polniſche Tacitus genannt); Niemcewicz veranftaltete 
eine Sammlung von Denkſchriſten zur Geſchichte Polens (5 Bbe.), welche von 
Wiszniewefi (Krakau 1837) u. Ambr. Grabowsli Chiftorifche Alierthümer Pos 
Iens, ebd. 1840, 2 Bde.) fortgefept wurbe; Banbtke (farb 1835) ſchrieb eine 
Geſchichte Polens ; Lelewel ſchrieb über mehre Partien der p. Geſchichte. Maciejowsli 
ſchrieb über bie alte‘ Gefchichte, Literatur und Geſetzgebung ber Slaven; eine 
Sammlung von polnifhen Biographien, Befchreibungen ausgegrabener Urnen u. 
Alterthümer gab ‚dagote Bauli in ben Starozytnosei galioyiskie heraus; Kucharsfi 
gab bie Alteften flavifchen Rechtsdenlmaͤler heraus; Raczunsfi fehrieb Über pol- 
nifche Geſchichte u. Mebaillen (Cabinet medalöw polskich, Bofen 1841, 3 Bbe.), 
u. gab mehre Memoiren Heraus (die Memoiren von Poſſek nannten Einige uns 
tergefchoben, doch Hat ihre Aechtheit unb ihren Werth Lachdwicz nach einer in 
Retersbung gefundenen Handſchrift aus bem 17. Jahrhunderie dargethan, (Wilna 
1843) u. jammelte (in dem Codex diplom. msjoris Poloniae, Polen 1840, 4. u. 
in dem Archiwum tajne Augusta II, in bem Breslau 1843, 2 Be), fo wie Lacho⸗ 
wicza (in den Denkſchriften FR Geſchichte Polens [Briefwechfel zwifchen König 
Sigismund Auguf u. Rif. Rabziwill] Wilna 1842) wichtige Urkunden zur Gi 
fhichte Polens. Zu dem Mebaillenwerfe ſchrieb Graf Anton Leduchowski eine 
Grgängung (Notice sur deux mödailles polon. inedites, München 1842); über 
die Verwidelung ber Bolen mit den Tataren, 162730, ſchrieb Przylecki (Remb. 
1842) ; Subieniedi (farb 1675), Wegierski (farb 1749), Lukaszewicz befchäftigten 
fi mit ber Religions» u. Reformationsgefchichte Polens u. legterer ſchrieb eine 
Spezialgefhichte von Pofen (Pofen 1838, 2 Bhe.); eine gleiche von Wilna ſchrieb 
M. Balinsfi (Wilna 1836, 2 Bbe:) u. Kreszewski (Wilna 1840), von Litthauen 
Theodor Narbutt (Wilna 1837 ff.). Die Geſchichte des Iehten Aufftandes beſchrieben: 
Mochnacki (Paris 1834, 3 Bbe.), Gnorowsli (London 1839); bie Geſchichte 
deffelben in Litthauen, Volhynien u. ben füblichen Provinzen befchrieb Wrotnowsti 
(Paris 1837, 2 Bbde.). Die Generale Dembinski, Uminsti, Rozydi erzählten zu 
ihrer Bertheidigun itne Kriegsthaten in jenem Aufftande. Hiftorifhe Rüdhlide 
auf Pobolien, Bolhynien u. die Ufraine, mit Beurtheilung vom ariſtokratiſchen 
Stanbpuntte, findet man in des @rafen Mler. Przezdziedi (Podole, Wolyn i Ukrains, 
Wilna 1841, 2 Bde). Unter den Biographien find befonbers zu bemerken: 
aus Älterer Zeit die Biblioteka historyzov, politykow, prawnikow, vom Biſchof 
Zaluski (ftarb 1774), Herausgegeben Krakau 1832), bie ber Könlgin Barbara 
Rabziwill von Balinsfi u, bie Selbſtbiograhhie Aler. Jelowids (Paris 1839, 
2 Bde.). Von allgemeiner Tendenz find bes polniſchen Geiftlichen gu 0 Kollon⸗ 
sie Harb 1812) Fritifche Unterfuchungen über die Orunbfäge der —2 — des 
enſchengeſchlechts (Herausgegeben von Kojſiewicz, Krakau 1842). Die Literär- 
geſchichte wurde bearbeitet von Starowolski, Kojalowicz (Historia literaris, 1650 
—69, 2 Bde.) u. A. Die Literaͤrgeſchichte Polens bearbeitete zuerſt Bichael 
Bienniensti (Krakau 1840), auch gen Mucjkowoll's Geſchichte ber Univerfität 
Krakau hierher, da bie Geſchichte biefer Univerfität bie Gefchichte des wiſſenſchaft⸗ 
lichen Lebens in Polen iR. Bon Werth für politiſche u. Liternturgefchichte If bie 
in Lemberg (nach mehrjähriger Unterbrechung wieder) erſcheinende Zeitfchrift bed 
Dffolinst’jhen Muſeums. Golebiotwmakt lieferte Beiträge zur Sittengeſchichte Polens, 
Philologie wurde ſchon früße, befonders unter König Sigismund T.fin Polen 


alle 


339 

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fi (Mach 1817), ! fi, Mucztowati 
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In Polen Tommt aud ein Gonverfationglerifon 

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Er a län wi a Da Terug m 
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— Set der ir IR Die Male Bucye 


Kepaabe yanaa vom vom Grafen Gren Bias Plater, Liſſa 1841, 2 Dbe. ht 
Sie Marco, berühmter Reiſender, geboren um 1250 in Venebig aus 
einer patrichichen Familie, Sein Vater war als Kaufmann viel im Oriente ge- 
reist u. war bei P.s Geburt eben abwefend. Bei einer neuen Reife 1271 ber 
gleitete P. feinen Vater u. Oheim, welche fih nad der Tatarei wendeten, zu dem 
GSroßfhan Kublai, defien Befanntfaft fie auf ihrer frühern Reife gemacht hatten, 
u. anciden fie auf fein Verlangen ein paar vom Papfte gefendete Miffionäre zus 
führten. P. gewann fich bald die Zuneigung des Großlhans u. verweilte lange 
Zeit in feinem Reiche, fo wie in China, dann befuchte er mehre Gegenden Ins 
diens, Verfiens u. Kleinaſiens u. fehrte erft 1295 mit feiner Familie u. reichen 
Schägen in feine Heimath zurüd. Kurze Zeit darnach übernahm er ben Befehl 
über eine Galeere der Flotte, welche Venedig gegen die Genueſer ausgerüftet hatte; 
fein Schiff wurde aber genommen, und er ald Öefangener nah Genua gebradt. 
Hier verfaßte num P., theils um bie Langeweile der Gefangenfchaft zu verſcheuchen, 
theil® um ſich feiner im ebung gefittig zu. erweifen, Die.Befchreibung feiner Reifen 
und Abentheuer. Nach Yanger Gefangenfhaft wurbe er endlich losgegeben, fehrte 
nad Benedig zurüd ü. verheirathete fi. Um 1323 ftarb er. — P.s Reiſe⸗ 
beſchreibung verbreitete fi bald durch ganz Europa u. wurbe alfentHalben mit 
großer Begierde aufgenommen, fand aber wenig Glauben ; übrigens hat fich Vieles 
von bem, was damals ald Märchen erfchien, durch die Berichte fpäterer Reiſen— 
der als wahr erwieſen. P. felbft unterfcyeidet immer, was er felbft gefehen und 
erfahren, von dem, was er von Anderen vernommen, u. in Erſterem ſcheint er ber 
Wahrheit immer treu geblieben zu ſeyn. Seine Berichte waren vom größten Ein» 
fluffe auf den Entwidelungsgang u. die Fortſchritte der Schifffahrt u. des Handels, 
Jahrhunderte lange war w. blieb das, was er über mande Länder bes Innern 
Afiens berichtet Hatte, die einzige Kenntniß, welche man in Curopa von biefen 
Ländern hatte. — Seine Beſchreibung war wahrſcheinlich urſpruͤnglich in vene- 
tianiſchen Dialekte abgefaßt, was jedoch nicht gewiß ift, da ſchon frühzeitig weite 
Ranujfripte in verſchirbenen Eprachen exiftirten. Zum erſten Male gr, v · 


340 Polonaiſe — Polybius. 


ſchien fie in lateiniſcher Sprache in Quart obne Datum, aber wahrſcheinlich 1484 
zu Rom oder Vencdig; die erſte italieniſche Ausgabe erſchien 1496 An Venedig, 
die befte aber ebendufelbft 1553 u. 1583 in der Sammlung von Ramufio, der 
überdieß bie zu feiner Zeit nody "umlaufenden Sagen u. Angaben über P. fammelte 
u. der Rachwelt aufbewahrte. Die befte Inteinifche Ausgabe ift die von Andreas 
Müller, Berlin 167135 außerdem erfchienen 1 portugieftfche, 2 ſpaniſche, 3 deutiche, 
3 franzöfliche u. 7 engliſche Meberfegungen. E. Buchner. 

Solonaife, ein polniſcher Rationaltanz, dann auch bie Melodie, nad} welcher 
dieſer Tanz ausgeführt wird. Sein Eharafter ift ſehr feierlicher Ernſt bei lang: 
famer Bewegung im $ Tafte mit 2 Reprifen. Treffliche Gompofitionen befielben 
gab Oginski. Schr verändert wird er aber in Deutichland u, faft in ganz Europa 
getanzt. — Dann nennt man P.n auch Zmijchenfäge ber Inftrumentultüde im 
brillanten Charakter, gewöhnlidy alla pulacca, d. 1. in der Bıns Bewegung, über: 
fhrieben. Diefe Bewegung Hat man fogar bei GBefangftüdn auf ber Bühne, als 
Arie oder Rondo behandelt, in Anwendung gebradtt. 

Polozk, Kreisftadt im ruſſiſchen Gouvernement Witebsk an bee Tüna und 
Bolota, bis 1778 Hauptftadt einer polnifchen Wojwodichaft u. dann eines eigenen 
Gouvernements, hat mehre Kirchen u. Bethäufer verſchiedener Confefflonen, einen 
Kreml, viele Klöfter (ehemals bedeutendes Jeſuitencollegium), ein Holpital und 
6000 Einwohner (darunter viele Juden) welche Handel mit Flache, Hanf, Leber, 
Getreide, Honig ac. treiben. — Hier fanden im Jahre 1812 verfchtedene kriegeriſche 
Vorfälle ftatt: am 30. u. 31. Juli Gefechte zwilchen den Ruſſen unter Wit: 

enflein u. den Franzoſen unter Dubdinot, worin Ichtere zu uͤcgeworfen wurden; 
odann am 1. Auguft, mit umgekehrtem Refultate; eine Schlaht am 17. u. 18. 
Auguft, zwifchen ebendenſelben, welche ftegreich für die Franzoſen ausfiel, und 
endlich am 18. — 20. Öftober eine Schlacht zwiſchen den Ruſſen unter Wits 
enfein und ben Sranzofen unter Gouvion St. Cyr, in ber legtere eine Nieder: 
age erlitten. 

Polterabend, der Abenb vor der Hochzeit, wo nach einem, in vielen Theilen 
Deutſchlands, namentlich im Norden üblichen, uralten Gebrauche, junge Leute 
allerlei lärmende Scherze ausführen, numentli altes Geräthe, Tifche ıc. zerfchla- 
gen, angeblih um dem neuen ©eräthe der jungen Eheleute Plag zu machen. — 
Der P. ift wahrfcheinlich flaviichen Urfprunges, u. es legt bemfelben wohl eine 
religiöfe Idee zu Grunde, wie man benn nody jet an altſlaviſchen Opferplaͤtzen 
ganze Berge zerfchlagener Thongefchirre findet. 

Dolyaenus, ein griechiſcher Rhetor u. Anwalt aus Macebonien, der um bie 
Mitte des 2. chriftlichen Jahrhunderts blühte, fchrieb „Kriegsliften berühmter Keld- 
herrn® (Zrparyyyuarına) in 8 Büchern, von denen aber das 6, und 7. nicht 
mehr vollstandig erhalten find, fo daß Die Yprünglie Sammlung von 900 
Erempeln nur noch aus deren 830 beftht. Ausgaben : von Gafaubonus, Lyon 
15895 Maasvicius, Lenden 1690-91; Wurfinna, Berlin 1756, u. Korai, Baris 
1809, — Heberfegungen lieferten: Seybold, Frankfurt 1793—94, 2 Bde., und 
Blume, Stuttg. 1833, 34, 2 Bdchn. 

Volybius, einer der beften griechlichen Beichichtfchreiber, aus Megalopolis 
in Arkadien, ein gefchidter Staatsmann u. Krieger, lebte ungefähr anbertbalb 
Jahrhunderte v. Ehr. meiftens zu Rom, wo er befonder8 mit dem jüngern Scipio 
in genauer Verbindung ftand. Die Icgten 6 Jahre feines Lebens brachte er wies 
der in feinem Baterlande zu. ein biftoriihes Werf war eigentlich eine Mnis 
verfalgefhichte eines Zeitraumes von 53 Jahren, vom Anfange des zweiten pus 
niſchen Krieges bis auf Peries, den letzten macebonifchen König, ben bie Römer 
befiegten.. Es hatte die Aufichrift: "Ioropia nadolıny, u. beftand aus 40 
Büchern. Nur noch die 5 erften haben ſich davon ganz erhalten, und einzelne 
Stellen aus dem 6. bis zum 17., nebft einigen Fragmenten. P. ift als Urheber 
u Mufter der pragmatifchen Geichichtserzählung anzufehen u. vornaͤmlich wichtig 
durch feine genauen Beſchreibungen kriegedſchet Anftolten, wor Ihe (eine eigene 


Polychromie. ẽ 341 


i le heit: geſchidt machte, "Seine Schreibart iſt N 
—— fer Aber dochochet und anflänbig und bie Snrabarn ande 
Mannes von! miniß, Belefenbeit u, Nachdenken. — Auegaben : von Obſo⸗ 

von Caſaubonus, Par. 1609; von Gronov, 3 Bbe., Amft. 

1670; von Emnefti, Ss 4763; 3 Bde. ; von Schweighäufer, neue Ausg, Oxford 
effer, Berlin 1844, 2 Bbe. a} 6-39, 

Buches von Angelo Mai,ı Rom 1827, 2 Bde. 5: von Geel, Leyden 1829 5 von 
Sucht, Altona ‚zugleich mit — lateiniſch in der Didol ſchen 
u Dbe., Paris, 1839; J hat man von Dels⸗ 
5 den Anmerkungen ds und Guiſchart's (7 Bde. Breslau 

Berlin 9, 45; von Senkold, mit Auszügen aus Folard (4 Bde. Lemgo 

iefen , mit Anmerkungen u. bilbl ellungen —— 
Mn — 
iR 

== ‚und "Bundes, nebft einer hiſtoriographiſchen Abhandlung über SP“ 

Berlin 1849). 0 u Ener r „art 
* Gielfarbigkeit). Bekanntlich Hat man in der Architeltur und 
Skulptur ber Alten nicht felten Spuren ‚einer Malerei gefunden, die bisher nur 
dem umvollfommenen Anfängen — ie en. Kunſt ſchrieben 
Hauptvorzug ber ebelften' mittleren Periode darin 
Naturnachbildung nur ber Form, nicht der Farbe 

habe; Seit geraumer Zeit find jedoch, auf mancherlei 
r Am dieſer Sweifel entſtanden, "und: namentlich. hat P 

sraelen den Eigelting, angeln, Supıe, m. Ite Eintun mchre Raten 
von ga y er an taten » 
aba nnd Mhgen —— 

Augen u; Lippen die verrathen. 

die unterdefjen in Italien u. Griechenland. von ‚Künftlern u. Gelehrten ı 

Unterfuichungen, befonders an den Baumerfen auf der Akropolis in Athen un att 
der Trajansjäule in Rom, hat fich die Anficht von der Bemalung alter Statuen 
u. Bauwerke beftätigt, u. in Folge deffen ward ©. Semper zu einer weiteren 
Rachforſchung über diefen Gegenftand veranlaft, worüber denn au „Vorläufige 
Bemerkungen über bemalte Architeftur u. Plaftif bei den Alten“ (Aliona 1834) 
erfchienen find, um den Beweis vorzubereiten, daß bie gefammte alte Kunft, audy 
in den beften Zeiten, gefärbt gemefen ift. Zu gleichem Zwede erſchien ein Wert 

„Ueber die P. ber griechiſchen Architeftur u. Efulptur und ihre Brängen,” von 
Hranz Kugler, mit einer farbigen Lithographie, Berl. 1835, worin indeß, wie in 
R. Wiegmanns fonft fehr fhäpbarer Abhandlung „Die Malerei der Alten“ 
(Hannover 1836), das Meifte auch nur auf Vermutungen beruft. Denn bie 
alıen Dentmäler find theils in dieſer Hinficht immer nody zu wenig unterfucht, 
theils nur geringe Refte der Faͤrbung vorhanden u. außerdem die Beichreibungen 
von der Färbung an einem u. demjelben Denfmale ſeht verfchieden, fo daß bie 
Auffellung eines Syſtems der P. füglich nicht ftatthaft fegn dürfte Dan könnte 
mit diefer Art der Malerei in Verbindung bringen, was Eoof (Skizzen aus Spas 
nien, a. d. Engl. von P. Friſch, Etuttg. 1834) über die Periode der ſpaniſchen 
Bildgauerfunft gefagt hat, Die fih durch das ganze 17. bis in's 18. Jahrhundert 
erfiredte. Ihm zufolge charakterifit Die bemalte Bildhauerei vorzüglich biefe 
ſpaniſche Eule, u. das Bemalen u. Vergolden der größtentheils aus Holz ger 
arbeiteten Statuen u. die Behandlung der Draperie bildete damals eine Kunſt 
für fi, welche die größte Gefcbidlichfeit erforderte, was jedoch, beiläufig bemerkt, 
in Beziehung auf bie deuiſche Bilbfhnigerei ſcon früher, wärend des 15. und 
16. Jahrhunderts, der Full war. Das Bemalen des Angefihts u. der Hände 
geſchah nun in Spanien entweher vom Mcifter ſelbſt, ober unter feiner unmittel- 
baren Auffiht von anberen bedeutenden Künftlern. Ginige der beſten Exemplare 
follen ih nod im Plöftern befinden, wohin vor allen die augerhaih Serie 








342 | Polychromie. 


wenig bekannte, von Fremden kaum beachtete Statue des heil. Hieronymus in 
dem Kloſter San Geronimo be Buenaviſta, etwa eine halbe Legua vor ber Stadt, 
gehört. Cie ift aus Thon gearbeitet, leicht mit Karben überzogen u. nad) Eoof 
allein Hinreichend, eine Ration von Bildhauern zu bilden, den Bewunberer für 
eine lange Reife zu entfchädigen u. die Streitfrage Über antife u. moderne Kunſt 
zu entfcheiben. Der Künftler biefer Statue iſt 9 eter Toregione, jedoch kein 
Spanier von Geburt, ſondern im 16. Jahrhunderte zu Florenz geboren. Wenn 
in dem Geſagten feine Uebertreibung herrſcht, jo wäre freilich bie Färbung in 
der Skulptur u. bei architektonifchen Gliedern der Schönhelt nicht ungünftig und 
dieſerhalb vielleicht auch nicht ausfchließlich auf die unvollfommenen Anfänge u. 
Ausgänge der helleniſchen Kunft zu befchränten. Zu biefer Annahme fcheinen 
indbefondere auch die Bemerkungen Hittorff's u. Zanth’8 zu bereiitigen (Archi- 
tecture moderne de la Sicile eto., Par. 1835), nach welchen es eine bereits 
überzeugenb erwiefene Thatfache feyn foll, daß bie Griechen nicht nur Gemälde 
Im engeren Sinne bed Wortes auf den Wänden ihrer Tempelhallen u. f. w. an- 
brachten, fondern daß fie ihre Gchäude von Innen und Außen, von Oben bis 
Unten mit ber bunteften $arbenfülle, wie ſie die fübliche Natur als ihre Wieder⸗ 
fpiegelung fordert, fhmüdten, ja, daß fogar die Vollendung ihrer Bilbfäulen, bes 
ſonders derer, bie den Gebäuden angehörten, die Kunft des Malers in Anſpruch 
nahm. Allein die Griechen haben jene Malerei au auf Grabſt eine ange 
wendet; denn Dr. Roß fand in neueſter Zeit dergleichen im Piräus, welche vers 
möge ihrer eleganten u, korrekten Zeichnung die Heberzeugung geben ſollen, daß 
Meifter der Kunft an ſolchen Monumenten zu arbeiten pflegten. Wenn übrigens 
Hitter u. Zanth bie Anmenbung jener Karbenfülle auf Gebäude u. dergl. als 
cine Wiederfpiegelung der füblichen Natur betrachten, fo fucht bagegen Klenze in 
München —— (Aphoriſtiſche Bemerkungen auf einer Reiſe nach Griechen⸗ 
land, Berl. 1838), „daß der alte Gebrauch, plaſtiſche u. architektoniſche Denkmale 
anz ober theilweife farbig zu verzieren, nicht vom Beftreben ausging , natürliche 
Erich nachzuahmen; daß der Grieche vielmehr gewollt habe, feinen Kunſtwerken 
auch ben Reiz fchöner Farben an ſich beizufügen und einen heitern harmoniſchen 
Eindrud zu erwirfen, indem er die Wahl u. Zufammenftelung ber Farben von 
ber Forberung einer Höheren, über bie bloße Raturnachahmung binausgehenden, 
Charakteriſtik abhängig machte, ohne babei die Bränzen bes Schönen ober bie 
der einzelnen Künfte zu überfchreiten.“ Indeß bürfte gerade biefer letzterwaͤhnte 
Umftand gegen die in Rebe ſtehende Faͤrbung enticheiden. Denn es läßt ſich 
an beftreiten, baß die Beftalt, wie folche ein Gegenftanb ber Skulptur if, thats 
ſaächlich nur eine abfirafte Seite der confreten menfchlichen Leiblichkeit bleibt, 
und ihre Formen feine Mannigfaltigkeit von partitularificenden Farben und Bes 
wegungen erhalten, was fein zufälliger Mangel, fondern eine durch den Begriff 
bee Kunft felbft bedingte Beſchraͤnkung bes Material u. ber Darftellungsweife if. 
Die Skulptur hat baher ſich nicht wilfürlich ber maleriſchen Faͤrbung entäußert, 
fondern dieſe darum nicht aufgenommen, weil fle derfelben nach ihrem beftimmten 
Standpunfte nicht bebarf, indem fle fih nur ber räumlichen Formen der menſch⸗ 
lichen Geftalt zur Darftellung bebient und bie Färbung, ober das Bemalen ber 
Sculpturen, vorhandene Fehler in ben Zormen zu verbeden geeignet ift. Ueber 
wiegend möchte demnach noch immer die Behauptung bleiben, daß die Erfcheinung 
medrfarbiger Statuen lediglich hinweiſe theild auf Anfang und Ende der Kunſt, 
theils auf ein Hineinbrängen bes Trabitionellen der Religion in die Kunſt, und 
auf die Luft, Goͤtterbilder möglichft reich u. prächtig auszufchmüden, wobel jedoch 
Elfenbein u. Gold noch Fein malerifcher Gebrauch von Farben find. (Vgl. Meyer, 
Geſchichte der bildenden Künfte bei ben Griechen, Bb. J. ©. 119, umd Hegel, 
Aeſthetik, I, S. 357 ff.) 2etromme, Lettres d’un Antiquaire & un Artiste sur 
Pemploi de la peinture murale dans la decoration des temples et des autres 
edifices publics ou particuliers chez les Grecs et les Romains, Paris 1835 
und Raoul-KRodette, Peintures antiques insditen, precsdtes de recherches zur 





e die deinde in einem Treffen, ward von einem vor⸗ 
nehmen VPolemarchos ——— ‚aber von ‚feinen. Mitbit nd 
ine, Statue. am ‚Grabe des Oreſtes, u. bie: Nagiftete — mit. feinem 
niffes alle ‚öffentlichen. Berornungen. —*8 

Volyeder, ein, nut von ebenen lichen isn, d —8 ciger 8 
aber ein Be auf el, | Ad hen ae Gen de Bü Er 
bei welchem die er en: 
ge. Das P. vervielfältigt ‚einen durch daſſelbe —— = 


2 Bent doch l hr til Spielereien, gu 
I el En ni man ic, 
er je 
von einander verzeichnen * — haananh ea er ee 
ir per 40, 20, 35,56 1 1 wu al ee ahlen 4, a * * 125, 
2160. few Be Dtiaöentiodten 1 gehe ET bie Do⸗ 
— — 4, 20, er 200, 45; u. ſ. w. —— aliehled er 


ar o 

Mit wie sel Brodhaus fett, Bichveib eiberel, fonbern, ‚ber Bars 
bedeutung. nad“ face mehrfache Ehe, d.h. Befriedigung des Geſchlechtstrie⸗ 
bes von Seiten einer Perſon bed einen Seichlechts mit wehren bes andern, jedoch 
immer unter Vorausſehung der Rechtmäßigkeit, oder doch wenigftens der Nichtan- 
ftößigfeit eines folhen Verhältniſſes, Die P. zerfällt dann hinwiederum in Po- 
Inandrie, Vielmännerei, und Bolygynie, Vielweiberei. 

Polyglotte Heißt im Allgemeinen jedes Werk, das eine und biefelbe Materie 
in mehren Sprachen enthält. So hat man z. B. Wörterbücher in mehren Spra- 
hm, welche P.n heißen. Namentlich aber führen dieſen Ramen Bibelausgaben 
in mehren Sprachen (B.n-Bibeln), deren man eine ziemliche Anzahl hat u. unter 
benen vorzüglich nachſtehende vier a geworben find. 1) Die fogenannte 
Eomplutenfifhe Bibel (das alte ament), benannt nach der Stadt Com- 
plutum, oder Alcala de Henarcs, 6 Bbe,, Bol, Prachtausgabe, 1514 — 17; fie 
enthält den hebräifgen Text, Vulgata, Septuaginta, eine neue bucfläbliche las 
teiniſche Meberfegung, chaldaͤiſche Barapbrafe und deren lateiniſche Meberfegung, 
und wurde veranftaltet von dem Cardinale Zimenes, der .auf Anfchaffung ber 
Hanbfhriften, ben Drud u. ſ. w., bebeutende Koften wandte, bejonbers durch eine 
große Zahl Gelehrte. — 2) Die Antwerpener Bibel, aud Königliche Bibel 

enannt, weil Philipp II. einen Theil der Koften beftcitt, B Bbe., 1569 — 72, 
jol., Herausgegeben unter ber Aufficht des Spanier6 Benedikt Arias Mon, 
tanus; bas alte Teftament, Tert, Bulgata, Septuaginta, buchftäbliche lateinis 
ſche Heberfegung,, mehre chaldaͤiſche Paraphraſen (Tangumim), deren Iateinifche 
Ueberfegung ; das neue Teftament, Text, Bulgata, fyrifhe Weberfegung, mit ſyri⸗ 
fen und hebräifchen Lettern, nebſt deren Inteinifcher Berfion - ent altend. — 
3) Die Pariſer Bibel, 10 Be, Fol., 1645, beforgt vom PBarlamentsadvofas 
tn Guz Michelle Jay, ber fein ganzes Vermögen darauf vermenbete; altes 
Teftament, Abdrud der Antwerpener V., nebft ſyriſcher u. arabifcher Meberfegung 
bes alten Teſtamentes, beren wörtliche lateiniſche Berfion und der \omerttaniiäe 


hend 
zen. a Zehen, Gemahl der Ati, Water dep Subhale. — Sy 
Sem men, Wkönig Do Aheo —* in Era, 10. Kölep im aha mefe 


344 Polyguotod — Polykarpus. 


Pentateuch und deſſen Lateinifche Verſion; Neues Teſtament, ebenfalls die Ant: 
werpener P., nebft deren arabifcher Verfion u. deren woͤrtlicher lateinifcher Ueber⸗ 
fegung. — 4) Die Lonboner (waltonfhe) Bibel, lost durch den Erzbi⸗ 
{hof von Chefter, Bryan Walton, mit Cromwell's Unterftügung, 6 Bbe., 2 
Supplementbänbe, Fol. 1684 — 87, gibt die Barifer P. vollftändig wieder, nebft 
verfchiedenen Grundtexten Athiopifcher Ueberſetzung und deren lateiniſcher Verfion. 
Außerdem gibt es Heine P.n über einzelne Theile der Bibel. — Enbli hat man 
auch P.ns Ausgaben von Profanſchriftſtellern; fo namentlich eine von Birgit, 
von William Sotheby, Lond. 1716, ben lateiniſchen Text, eine engliſche, 
deutſche, franzöfifche, fpanifche und italienifche Meberfegung enthaltend. 

Polygnotos, ein berühmter griechifcher Muler aus Thaſos, 450 — 410 v. 
Chr., lernıe die Kunft von feinem Bater Aglaophon und verbefierte biefelbe merk⸗ 
lid; denn, ob er gleich nur einfache Karben gebraudte, fo bereitete er doch fchon 
verfchiebene Ocherfarben und brachte dadurch ben erften Anfang der Schönheit 
in bie Bildniſſe, daß er ben Gefichtern lebhıfıe Züge und Anmuth gab. Er Hat 
auch fchon die enfauftifhe Malerei (1. d.) verſucht. 

olygon, Vieled, nennt man in der Geometrie eine Figur, welche mehr als 
vier Seiten hat, In der Kriegsbaufunft heißt P. eine Befeſtigung, welche mehre 
Seiten und mehre Winkel hat. In Frankreich verſteht man unter P. den Erer- 
jierplag mit Geſchuͤtz. j 

PVolygonalzaplen nennt man Summen arithmetiſcher Reigen, beren erſtes 
Glied 1 und deren Differenz 1, 2, 3, 4 u. ſ. w. if, Die man nad) den verſchie⸗ 
benen Arten der Berfinnlihung durch Dreis, Biers, Fünfs, u. f. w. Ede, Trigo- 
nals oder Triangularzahlen, wenn ber Unterfchieb ber Glieder in der Arithmeti- 
ſchen Reihe 1 ift, Tetragonals oder Duadrats, Pentagonals, Heragonals, Hepta- 

onals und Ortogonal u. f. w. Zahlen nennt, wenn ber Unteridhied 2, 3, 4, 5, 

‚uf. w. iſt. So find 1) 1, 3,6, 10, 15, 21, 8 u. |. w. Trigonalzahlen ; 
2) 1, 4, 9, 16, 25, 36 u. f. w. Tetragonalzahlen : 3) 1, 5, 12, 22, 35, 51, 
70 u. ſ. w. Bentagonalzahlen; 4) 1, 6, 15, 28, 45, 66, 91, 120 u. f.w. He 
xagonalzahlen. Alle biefe Reihen flimmen darin überein, daß man durch Abziehen 
der Differenzen ihrer benachbarten Glieder auf eine beftändige Größe fommt, wel 
ches die Eigenſchaft einer arithmetifchen Reihe vom zweiten Range if. Sehr 
— findet man die P. in Marpurg’s „Progreflionscalcul,” (Berlin 1774 um 

gehandelt. 

Polyhiſtor wörtlich: reich an geihichtlichen Kenntnifien, hieß ehemals, vom 
bie einzelnen Wifienfchaften u. deren Zweige noch nicht fo ausgebildet, wie jeht,— 
waren, ein Gelehrter der in vielen, ja allen getriebenen Wifienfchaften bewandert 
war, 3. B. Salmaſius; ſchon Apion führte dieſen Ehrennamen. 

Dolyhymmia, eine bee neun Muſen, ſ. dieſe. 

Polykarpus, Biſchof von Smyrna, Heiliger u. Martyrer, im Heidentfume 
geboren, nahm in früher Jugend, im Jahre 80, das EhriftenthHum an, wa:d ein 

hüler der Apoftel, namentlich des Lieblingsjüngers Johannes, der ihn um das 
I. 96 zum Biſchof von Smurna weihte. Man hält den H. P. für den „Engel 
ber Kirche” , befien in ber Offenbarung Erwähnung gefchieht, als des Einzigen 
unter ben Bifcyofen, bem Chriſtus feinen Borwurf machen würde, dem er viel; 
mehr ein herrliches Zeugniß gab, indem er ihn reih an Gnade nannte und ihm 
die Krone des Lebens verhieß, bie er durch fein Blut erfaufen ſollte. Wie alle 
heiligen Seelen ber erften chriftlichen Zeit, fehnte er ſich nad dem Martyrthum, 
und dieſer Durft befam durch bie Ankunft des HL Ignatius, den man von Ans 
tiohien. nady Rom fchleppte, neue Nahrung. PB. cilte zu dem erlauchten Beken⸗ 
ner, lüßte ehrfurchtsvoll deſſen Ketten und beide fprachen lange von bem Gluͤcke, 
für Gott zu leiden; von den unausſprechlichen Freuden des Martyrertkums und 
der ewigen Ecligfeit, dem ‚glorreichen Erfage für wenige Leidensmomente. Ig⸗ 
natius fchrieb ihm auf ber Reife u. bat ihn, die Kirchen Aftens zu tröflen, weil 
er es nicht vermochte, und daher ſtammt der anoftoliihe Brick bes V. au bie 


polykarpus 345 
nich zu In den Mircjeh  Afiens berfefen "warb 


zwiliwbet; det noch gu Hi⸗ 03 

mb — jeden Stand und jedes Alter enthält. > Im Jahre 158 

eiste Pi nad | um. fic mit ft Anicetus über bie" Feier’ des Oferfeftes 

u berathen, welches bie Kirchen: Afens nach jüblihem Gebrauche den 14. März 
. u 


Rom,’ Aegypten 1. das Abendland aber den darauf folgendeh 
—— —— — — =. 
jebrauche zu- faffen, um feine Zervoiirfniffe herbeihufühten. gelang 

5 Val ' Berführte in den’ Schooß ber katholiſchen y 

er über die Spaltungen im Schooße ber Kirche, und als 

Rom begegnete und ihn fragte: „ober ihn kenne,“ antwortete 
dun Ber a, ich erfinne Dich für den Erfineborenen des Satan.“ Als er wieder 
ı Emyria war, brach bie — unter Marc Aurel 1; Luclus 
zerus aus, Etatius Dnadratus würhete ten! gegem bie- ‚deren 
mehr auf u P. wurde 


lien — "u reihe und 
in ana, Treat Sem 
nit rauhen’ Worten angelaffen, vom daß er ſich am Beine vers 


bt 
es Kaifers schwören. wollte, ſchrie diefer: „Hort: mit dem Gottlofen“;ider Seile 
ider fchaute herum unter den Heiden, ſtredte die Hand gegen die Profanen, blidte 
jen Himmel und rief mit einem Seufjer: „Weg mit den Gottlofen“. Als der 
Broconful ‚abermals in ihn drang, Ehriftum zu ſchmaͤhen, erwicderte er: „Ich diene 
hm feit 86 Jahren und er hat mir niemals Üebels gethan ; wie könnte ich mei⸗ 
en Heiland, meinen König femähen. Wille, daß id Chriſt bin. Willſt du bie 
Zchre Chrifti kennen lernen, fchenfe mir einen Tag und id will did barin uns 
erweiſen“. Der Broconful ſprach nun: „Weberrede das Bolt“. — PB. erwier 
yerte: „Mit Die zu reden bin ich bereit; denn wir werben belehrt, den Borges 
ıgten bie ihnen ſchuldige Ehre zu erweiien, bie unfer Gewiſſen nicht verlegt. 
Diejes Bulk aber ift mein Richter nicht, daß ich mich vor ihm vertheidige". Auf 
Hefes hin drohte ihm der Proconſul, ihn den wilden Thieren vorwerfen zu laſſen 
1, als dieſes Nichts fruchtete, mit bem Scheiterhaufen. Als jedoch alle Drohuns 
zen ohne Erfolg waren, ließ der Broconful Imal ausrufen: „PB. Habe bekannt, daß 
x ein Chriſt fei,” worauf da6 Volk, Heiden wie Juden, feinen Tob verlangte. 
Sogleich wurde ein Scheiterhaufen errichtet. Als ihn bie Schergen an den Pfahl 
inden wollten, fagte er ihnen: „Diefe Borfchrung ift ummöthig, laßt mich fo. 
Der mir Kraft gibt, das Feuer zu dulden, wird mir audy Kraft geben, unbewegt 
mf dem Scheiterhaufen zu bleiben.“ Sie begnügten fich daher, ihm nur bie 
Hände auf den Rüden zu binden. Hierauf richtete der Heilige ein inbrünftiges 
Bebet zum Himmel, und nachdem er baffelbe beendigt Hatte, wurde ber Scheiter⸗ 
jaufen angezündet und eine große Flamme loderte hoch auf. Das Feuer mölbte 
ich aber um ihn gleich einem Bogen und erſchien, wie ein vom Winde aufge: 
chwelltes Segel, und er ftand in der Mitte unverfehrt. Da nun bie Verfolger 
ahen, daß er vom Feuer nicht verzehrt werden fonnte, befühlen fie einem der 
Schergen, ihm einen Dolch durch den Leib zu ſtoſſen. Dieſes geſchah, ımb bas 
Blut floß in folder Fülle, daß es das Feuer auslöfchte. Die Ehrikten fammelten 


316 Polykletes — Polypen. 


hierauf die Gebeine und bewahrten fie, gleich einem koſtbaren Schatze. Sein Ans 
denfen begeht die Kirche am 26. Januar. | 

Polykletes, aus Sicyon, einer ber berühmteften griechifchen Bildhauer und 
Maler, aus dem Zeitalter bes Perikles, arbeitete in Marmor und Erz und war 
mehr, als Phidias, öffentlicher Lehrer ber Bilbnerfunft, indem er nit nur ein 
Buch über bdiefelbe fchrieb, in welchem er zeigte, daß bie Schönheit bes Körpers 
in der Symmetrie aller Theile beftehe, fondern auch eine, feinen Regeln von ber 
Symmetrie gemäße, Etatue verfertigte, bie er eben fo wohl, als bas Buch, ben 
Kanon oder die Regel nannte. Bon feinen vielen ehernen Figuren find vorzüg- 
lich berühmt : ein Diabumenus, als ein ſehr weich gearbeiteter Jüngling; ein Do- 
riphorus, welchen männlichen Juͤngling Lyfippus feinen Lehrmeiſter in ber Bild⸗ 
bauerfunft nannte, ımb ein paar Knaben, welche mit Würfeln fpielten. Er ifl 
ber erfle Erfinder ber ehernen Statuen, bie auf einem Beine fiehen. Er Hut aud) 
eine große Juno aus Elfenbein und Gold gemacht. 

olykrates, Tyrann von Samos, Zeitgenoffe bes Cyrus u. Kambyſes, re 
gierte von 540-523 v. Chr. u. machte in Jonien forwohl, als auf den benach⸗ 
barten Infeln, viele u. fohnelle Eroberungen. Mitten im Laufe berfelben wurbe 
er von einem Statthalter bes perfifchen Könige Kambyſes auf eine verrätherifche 
Art nah Magnefin gelodt u. getöbtet, — P. war ein Mann von großen Fähig- 
feiten, aber auch graufam gegen feine Begner, bie ex hinrichten, ober zu ſchweren 
Arbeiten verurteilen ließ. Dagegen gab er fi auch ben Schein eines gebilbeten 
ARufenfenumbes, baß er Künfller u. Gelehrte an feinen Hof zog, fo unter Anderen 
en Anakreon. 

Dolymeter ift ein Inſtrument, welches flatt bes Braphometers, bes Compaſ⸗ 
fes, der Waflerwage, bes Rapporteurs, dienen fol. Es ift im Grunde bie Ber 
einigung biefer Inſtrumente, u. zwar in ber Art, um fo wenig Raum, als nur 
moͤglich, einzunehmen u. leichter weiter gefchafft werben zu können; allein es vers 
einfacht Nichts, iſt zufammengefeht, Toftfpielig, zerbrechlich und dem Verderben 
unterworfen, 

Polynefien, ſ. Auftralien. 

Polynom, ober vielt heilige Sröße, nennt man eine mathematiſche 
Größe, die aus mehr ala zwei, durch bie Zeichen (Pe) oder (—) mit einander 
verbundenen Theilen befteht. — PBolynomifcherkehrfay heißt bie analytifche For⸗ 
mel, welche die Zufammenfegung einer Potenz einer vieltheiligen Größe aus ben 
Theilen berfelben u. dem Exponenten ber Potenz vorftellt. 

Polypen nennt man in ber Ehtrurgie weißliche, bräunliche, bald hohle ober 
folide, bald glatte ober mit fchleimabfondernden Bläschen befepte, fleifchartige Aus» 
wächfe, bie fich in den Höhlungen des Körpers aus ber bie innere Flaͤche derſel⸗ 
ben umfleidenben Schleimhaut, meift mit einer ober mehren Wurzeln, bilden. Im 
äußern Gehörgange, in der Naſe, dem Schlunbe, ber Gebärmutter und beren 
Scheide entfichen ſie am häufigften, außerdem auch im Maftdarme, auch im ben 
übrigen Därmen u. dem Magen, in ben Rebenhöhlen ber Naſe u. ber Luftröhre 
u. in der Harnblaſe. Hiernach befemmen fie auch ihre Benennungen, wie Naſen⸗, 
Schlund», Gebärmutters®. u. |. w. Bel Leichenöffnungen an Hisigen Krankhei⸗ 
ten Geftorbener finden ſich bisweilen im Herzen mehre P. (Herz ®.), bie im 
Leben fchwer zu erkennen find, u. oft große Leiden verurſachen; hauſige Mb aus 
geronnener Lymphe u. Blut beftehende, ben PB. aͤhnelnde Maſſen, in Herzen 
u. ben großen Gefäßen, bie man als falſche P. bezeichnet hat. Die wahren P. 
find in Organen, bie eine Schleimhaut Haben, als Afterproduktionen diefer anzus 
jehen; oft fie rein örtlichen Urfprunges, oft liegt ihrer Entftehung auch ein 
allgemein franfhafter Zuftanb des Körpers zu Grunde, 3. B. Gicht, Luſtſeuche, 

pheln u. |. w. Jede P.⸗Art Hat ihre Eigenheit; im Fortgange können fie 
ſehr Iäfig, ja Iebensgefährlich werben. Die Heilung if, nebſt Berüdfichtigung 
bes allgemeinen Zufandes, nur, wo man ihnen beifommen kann, durch Ausrottung 
des P. mit feinen Wurzeln möglich. 


MPolypen ⸗ Polyfondeton 7 

Mob L nthiere, | 

ERBETEN 
ober 


2 
— —— an ſeinem obern Ende, 


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dienen der 
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—— Als Berd joorgan dient ein ſe 
en a a aan Inne 
Aeite Dun j "vom Kmospen: ice Tieren öfen fi) entvcherfpäter 





s al 
(Zooecorallia); ſie leben größtentheits nicht: an andere geheftetz 
bie aneifen: Anden fich ar Mene, ee die —— monen, 
ilztorallen 1c. 5 andere leben im fer, wie die Armpoly pen, beren 


n € J 
ehe nen iſt. 2) Die Pflangentorallen: allia) 

— jedes einzelne Thier in einer beſondern Zelle auf dem 

Die Edelforalle (Corallium' nobile), bie. Königat 
(sis —— bie Fach er lorallen (Gorgonia atellum) ac. die ſich alle 
durch beſondere Formen ihret Korallenſtoͤcke DDie  Stamuls 
foraflem (Scl 5 hiezu rechnet mian bie ſchwarze Korallen 
Ihes lsidis). 4) Keimtoralten ‚odae).;hier ſich ans 
beten befonders die Federbuſchpolypen — * > va.) 

Polyphemos, 1) einer der ftärkften Männer, welche den Argonautenzug mit⸗ 
machten. Da Hylas, des Herkules Liebling, von ben Nymphen geraubt wurde, 
fuchte PB. denfelben u. erzählte dem Herkules von dem Verluſte. Beide vereinten 
fih nun, doch unterdefjen entfernte ſich die Argo; fo ließ fih P. in Myſien nies 
der, gründete u. beherrfchte die Stadt Kios. Herkules wanderte nad Argos. — 
2) Ein zweiter P., ein Gigant, Eohn des Tartaros u. der Gaͤa; er wirb auch 
Kolophemos genannt, 

Poiyplaſiasmus, die Kunſt, Delgemälde zu copiren u. zu vervielfältigen, 
erfunden zu Ende des vorigen Jahrhunderts von I. Booth. Man bediente 
ia a 9 Pantographs und vollendete die Copie aus freier Hand mit 
em Pinſel. 

Polvplektron, eigentlich ein Vielſchlaginſtrument, nach Kirch er eine Benenns 
ung des Claviers oder Spinetts. Unter dieſem Namen baute auch vor mehren 
Jahren Diep in Paris ein Tafteninftrument mit Darmfaiten bezogen u. mit Einer 
Saite für jede Taſte. 

Polyptoton (gr.), eine thetorifhe Figur, vermöge welcher ein Wort in ver- 
ſchiedenen Endungen, Zeiten u. |. m. wieberholt wird, 3. B. Ait quis, aio; negat 

is, nego (Terent). 

PVolpfpaft, |. Flaſchenzug. 

Polyfperhon, Feldherr Aleranders des Großen u. nach befien Tode Bor- 
mumb ber jungen Prinzen. Er feßte die griechifchen Städte in Freiheit u. machte 
ſich mächtig in Macebonien, wohin er 3 vor Chr. einen von Alexanders Söh- 
nen, Herkules, brachte, den er aber bem Kaffander, zu Gefallen töbtete, indem er, 
nebft diefem, ber Olympias Partei ergriffen Hatte, welcher er Anfangs entgegen 
gewefen war. Bon feinem Tobe weiß man nichts Gewifles. 

otpfpnbeton ober Bolyfyntheton (griech.), eine rhetoriſche sin; fie 
begeicpnet bie Häufung bed Bindemwortes, theils um den raſchen Gang Ver Br 


# 


348 Polytechniſche Schulen — Pombal. 


fellungen in ber Rebe zu hemmen, theils zu beſchleunigen. Klopſtock insbeſon⸗ 
bere bedient fich Dieler Figur, welche das Gegentheil von Aſyndeton iſt, fehr oft, 
4. B. Und das Geſchrei u. der Tödtenden Wuth u, der donnernde Himmel u. ſ. w. 

Polytechniſche Schulen find Lehranftalten für die höheren Gewerbsweige. 
Der Unterricht erftredt fich auf alle Zweige ber Mathematif, auf Phyſik, Chemie, 
Technologie, Maſchinenkunde, neuere Sprachen, Buchhaltung, Zeichnen, Geogra⸗ 
phie und angefchichte: Alles wo möglih an ber Hand der Anfchaumg u. in 
Bezug auf Die Anwendung. Erſt der Auffchwung ber neueren Induſtrie hat fie 
ind Leben gerufen. Frankreich ging voran und errichtete 1794 eine Ecole cen- 
trale des travaux publics, weldye 1795 ben Ramen einer polytechniſchen Schule 
annahın. Sie erfuhr öfters eine neue Organifation und warb 1830 und 1832 
definitiv unter das Kriegemimnifteaium geftelt. Ihre Zwed if, der Artillerie, dem 
Genieweſen, bem Brüdens u. Strafienbaue, dem Seebaue, bem Bergfache tuͤch⸗ 
tige Subiefte zuzuführen. Die Aufnahme gefchieht in Folge eines Eramens, 
doch muß der Ajpirant Franzoſe, über 16 und weniger ald 20 Jahre alt feym. 
Indeſſen nimmt man Militärs bis zum 25. Jahre auf. Der Eurfus iſt zweijaͤhrig, 
bie, Dieriplin militärify,. Prag erhielt eine p. ©. 1801, Wien 1815, Nürnberg 
1823, Dresden 1828. Andere befinden fi: in Münden, Berlin, Hannover, 
Stuttgart, Augsburg, Karlsruße ıc. In England entbehrt Feine bedeutende Han- 
dels⸗ oder Dianufakturftadbt einer ähnlichen Anftalt. 

Polytheismus (Vielgötterei) iſt der Glaube an eine Mehrheit vom 
Söttern, welche fi ins Unenbliche fteinern fann. Der B. zeigt fich in ſehr von 
ſchiedenen Geftalten, vorzüglich als: a) Menfchenverehrung (Anthrepolatrie); 
b) Thierverehrung (Zoolatrie); c) Geſtirnverehrung (Mfrolatrie) ; d) 
Feuerverehrung (Pyrolatrie) ; e) Berebrung beliebiger Dinge Getiſchismus). 
Ä Polyrena, die jüngfte Tochter bes Priamos, von fo außerorbentlicher Schön 

eit, daß Achilles verfprach, Treja an Hektors Stelle zu vertheibigen, wenn man 

e ihm zur Guttin geben wolle. Gr verlieh die Griechen und warb mit: ber 
ſchönen Königetochter verbunden; ba aber ſchoß am Altare Buris, durch Apollo 
geleitet, ihm einen Pfeil in die Ferſe. Nach der Eroberung von Troja verlangte Hills 
Schatten Antheil an der Biute u. an feinem Grabe warb B. geopfert. 

Domade oder Bommabe nennt man eine wohlriechend gemachte Fettmaſſe 
zum Beftreichen des Kopfhaares, theild um biefes gefchmeibig und glänzend zu 
erhalten, theild um es zu conferviren u. feinen Wuchs zu befördern. er Ram 
rührt bavon her, weil ber Erfinder, ein Barifer Haarkuͤnſtler, ihr Anfangs zerquetichte 
Aepfel (pommes) al8 ein Haarverfihönerungsmittel zuſetzte, weßhalb es auf 
richtiger if, wie im Franzoͤſiſchen Bommabe zu fchreiben. Die Hauptmafle ber 
P. if in der Regel ESchweinfett oder auch Rindsniark (Rindomark⸗P., 
welche befonders zur Kräftigung des Haarwuchſes dienen fol), und bem erfterm 
febt man, je nachdem bie ih. Bärter oder weicher werben fol, etwas Rinbstalg, 
dem Ichteren etwas Schweinefett zu. Auch wirb zuweilen zur Beförberung bet 
Haarwuchſes gepulverte Ehinarinde oder Chinarindenertrad (EhinasP.) binms 
gefügt. Den Wohlgeruch gibt man gewöhnlich durch Zuſatz von wohlriechendes 
Del, wie Rofens, Nelen-, Jasmin, Lavendel⸗, Eitionens, Bergamottöl ⁊c., auf 
wohl Moſchus, Ambra ıc., oder man fchmelzt das Fett mit einem : wohfriehenben 
Wafler, oder fnetet die Blumen, Gewürze ıc. felbft barunter, ſchmelzt es dann zu⸗ 
fammen, und feihet es durch. Tie P.n warden Häufig von den Friſeuren, bie 
wohlriechenden befonba 8 von den Barfümeriefabrifanten verfatigt u. gewöhntid in 
zierlihen Büchschen von Porzellan, Eteingut, Glas ıc. von verfchiedenier Form u. 
mit, ober ohne elegante Etifeite, verkauft. Auch formt man bie feften, namenilich 
bie zum Beftreichen bes Bartes beftimmten (Bart⸗P.), in Etangen, die mit 
Pipier ummwidelt werben. Cine ähnlide Muffe, mit augeießten Sngrebienzien 
gegen das Aufipringen der Lippen ıc., vwoirb in ben Npothefen unter dem Ramm 
Lippen-®. verkauft. ' 

Pombal,DomSchaftian Joſéde Carv alt Melle, Graf von Dep 





b. 
zeugen. das Gepraäge bie Sittenlos 

M und ber Eharafter des Is kaum e b Vale, j 
igen fönnen. Zu ber von P. längft vorbereiteten Aufhebung bes Jefultenordeng, 
gegen den er Jahre lange mit Pladereien aller Art zu Felde gezogen war, mußte 
endlich im Jahre 1758 ein Morbverfuh gegen den König, den man mit dem 
Mebermafie aller Milltühr biefem Orden zur Laft wälzte, die willfemmene Berans 
laſſung bieten. Mehre Große bes Reihe und Mitglieder des Ordens wurden 
theils zum Tode verurteilt, theils verbannt, im folgenden Jahre ber gefammte 
Orden für mitfhuldig erklärt u. deſſen Angehörige aus dem Reiche gewieſen. Von 
nun an herrſchie ber Minifter mit deſpotiſcher Gewalt. Verbannung nah Afrika 
war das 8008 eines jeben, auch noch fo Vornebmen, ber fih ihm zu widerſehen 
wagte. Mit Papſt Clemens XIV. entzweite er fi über Ausdrüde in dem Breve, 
das die Aushebung ber Jeſuiten beftätiate, und that während des Bruches große 
Eingriffe in die Rechte ber Kirche. Als ber Bourbonifhe Familientraftat ge- 
ſchloſſen wurde, fuchte Srankreih u. Spanien Portugal wegen ber gemeinfdhafts 
lihen Abftammung der Häufer Bourbon und Braganza auch hineinzuzichen und 
zugleich den Englänbern feine Häfen zu verſchließen, doch P. wies biefen Antrag 
mit Verachtung zurück. Darauf rüftete Frankreich und Spanien beträchtliche 
Streitfräfte, um Portugal zu bezwingen. P. aber rief ben Grafen vonder Lippe⸗ 
Büdeburg in das Land, der zwedmäßige Vertheidigungsanftilten traf und fo, 
verbunden mit der Ohnmacht Spaniens, Portugal rettete. Doc, nach bald ge 
ſchloſſenem Frieden fien der Graf von Lippe P. gefährlich und er entließ ihn 
auf die ehrenvollſte Weife. Um ben Handel Portugals zu heben, fuchte er beffen 
Marine zu mehren, demüthigte bie Algierer, errichtete Huandeldcompagnien nad) 
Fernambuc, Para und Maranon, legte Pilanzungen in Brafilien und anderen 
Colonien an u. hob diefe ungemein. 1768 fand eine Annäherung zwiſchen Por⸗ 
tugal u. dem Papſte Clemens XIV. ftatt, bie 1770 eine völlige Ausföhnung zur 
Golge Hatte. Zum Danfe ernannte ihn der König zum Marquis von P. 1770 
wurde fein aͤlteſter Sohn Präfident bes Senates und feinem Bruder, Baul, er 


350 Pomeranzen — Pommern. 


fon Großinquifitor war, verfchaffte er den Cardinalshut. 1773 unterwarf er 
bie Univerfität von Coimbra einer gänzlichen Reform, ließ bald darauf ben Ka⸗ 
nal von Oeyraͤs anfegen, verwandelte 1775 Das alte Gebäude ber Jefulten zu Liſſa⸗ 
bon in ein fehönes Spital und errichtete feinem Herrn eine prächtige Bilbfäule. 
Seit 1774 fing der König an zu Tränfeln und in feiner Krankheit Hatte ſich bie 
Königin großen Einflußes auf ihn bemächtigt; ja, 1776 warb fie zur Regentin 
ernannt. 1777 ftarb ber König und bie junge Königin Maria erhielt die Regie: 
rung. Sogleich fiel B. in Ungnade, mußte abbanfen, es wurbe ihm fogar ber Pro⸗ 
zeß gemat und er zum Tode verurtheilt. Die Königin begnadigte ibn aber 
1781 und verbannte ihn nur 20 Stunden weit von Lifiabon, erlaubte Ihm auch, 
feine Revenüen (über 75,000 Thaler) in Ruhe zu verzehren. 

Pomeranzen oder Orangen find bie befannten Früchte des in Oftindien 
einheimifchen u. jetzt im füblichen Europa und Weflindien cultivieten Pomeran⸗ 
zenbaumes, Citrus Aurantium. In nördlichen ®egenden zieht man ihn Häufig 
in Gewächshäufern, wo feine Krüchte auch zur Reife kommen. Die verfchiebenen 
Abarten des B.- Baumes laſſen ſich Hauptfächlich in 3 Abtheilungen bringen, fie find: 
1) Die Orange oder Apfelfine (ſ. d.; — 2) die P., unterfchieden von ber 
Drange durch größere, wohlriechendere Blumen und dadurch, baß ihre, einen 
bitterfauren Saft enthaltenden, Früchte eine uneben rauhere Schale ober Haut 
von rötherem Gelb haben; — 3) die Bergamotte, Hat viel Tleinere Blumen, 
als die beiden vorher genannten Arten, auch befigt dieſelbe einen andern Geruch, bie 
Früchte find birnförmin oder flacdhgedrüdt, blaßgelb, und ihr fäuerlicher Saft ent- 
Hält ein angenehmes Aroma. Die bittern B. Tommen fowohl reif, als unreif in 
den Handel. Die reifen find ziemlich Tugelförmig, an beiden Enden etwas ein- 

ebrüdt u. an dem einen Ende mit einem Nabel verfehben. Sie haben etwa bie 

röße der Gitronen, eine dicke, im frifchen Zuſtande rothgelbe, getrodnet aber 
dunkelſchwaͤrzlichgelbe oder braune Echale u, frifch ein gelbliches, füßliches, ſaͤuer⸗ 
lichbitter ſchmeckendes, In 9 bis 12 Yächer getheiltes Fleiſch, mit 18 rumblichen, 
platigedrüdten Samen. Die ımreifen, Fleinen, grünen Pomeranzen find erbſen⸗ 
bis kirſchgroß, rund, faſt ganz glatt, mit einzelnen, ganz kleinen, von den einges 
trodneten Delbläschen Berrührenden Vertiefungen. Ihre Farbe iſt (troden) dun⸗ 
felbraun. Sie ſchmecken angenehm, gewürzbaft bitter u. haben einen aromatifchen 
Geruch. Wan gebraucht fie zu Liqueur und als Arzneimittel, Die ganz fleinen, 
fleinharten, werben von ben Drechslern zu verfchiebenen Gegenftänden verarbeitet. 
Bon den reifen PB. gebraucht man den Saft unter Speifen und zu verfchiedenen 
Getraͤnken, wie 3. DB. zu Bifchof, Garbinal ꝛc. Der Gebraud der überzuderten 
P.⸗Schalen iſt befannt; die Blüthen der Pi geben durch Deftilation das wohls 
riechende Neroliöl. Die vorzüglicäften P. find die in Aflen u. Amerika erzeug⸗ 
tn. Im mittleren und nörblidderen Europa bezieht man fie aber meift aus Spa- 
nien, Portugal, Italien u, der azoriſchen Infel St. Michael, von woher große 
Duantitäten nad London kommen. Malta, Genua, der Gardaſee und Malaga 
liefern auch vorzüglich gute P. 

Pomerellen (Klein-Bommern), eine Landſchaſt zwifchen ber Weichſel, 
Rebe, Pommern und der Oſtſee, vormals zum polniichen Breußen oder Herzogs 
thum Preußen gehörig. Seit 1772, in welchem Jahre es preußifch wurbe (doch 
ohne Danzig, das 1793 an Preußen kam), bildet PB. einen Theil der Provinz 

eftpreußen, wo e8 gegenwärtig unter bie Regierungsbezirke Danzig und Mas 
rienwerbder vertheilt iR 

Pommern, eine zum preußifchen Staate gehörige Provinz, zwifchen Med: 
lenburg, Brandenburg, Weflpreußen und ber Oftfee, 574: Meilen mit 
1,100, Einwohnern, worunter nur 10,000 Katholifen, wirb duch bie Ober 
in Bors u. Hinter⸗P. geidichem. Das Land ift faft völlige Ebene, — bie Höchfte 
Anhöhe, ber Gollenberg bei Köslin, erreicht nur 300 Fuß — zumeiſt fandig und 
moraftig, doch im Weſten Weizenboden und fehr fruchtbar längs des Strandes 
Binter unftäten Dünen. In den Sand⸗ u. Steinbeten yeten LU Strike 


Porhöriin — Pomologie. 851 
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daß 4— in möglichfter Vollfommenheit ft 
biume’ fetbft zu erziehen, zu erhalten, zu veredeln u. a wodurch bie $. in bas 
Gebiet ber Gärtnerei Übertritt; ferner bie Unterfcheidung ber verfhiedenen Obft⸗ 

familien (Kern, Stein, Beeren:, Kapfelobft) unter ſich; eben fo ber Gattungen 
(als: des Kernobftes in Aepfel, Birnen, des Steinobftes in Pfirfihe, Pflau- 
men u. |. w., bed Beerenobfles in Johannis⸗Stachelbeeren, u. bes Kapfelobftes in 
Rüfle u. ſ. w); der Sorten (als: bei den Aepfeln, Calvils, Ramburs u. a., 
den Birnen in Bergamotten, Chriftbirnen u. a.) und ber Abarten. Zum Behufe 
ber Unterſcheidung ber verfchiedenen Obftarten Hat man die @eftalt zu Huͤlfe 
genenimen (3. B. und vorzüglich bei ben Birnen, auch bei ben Aepfeln), ferner 
Die Farbe, die Schale, die Beigpaffenfeit bes Fleiſches, des Kernhaufes, bie Größe, 
beftehenbe Erhöhungen ober Bertiefungen, den Stand der Blume (Meberrefte bes 
Blumenkelches), des Stieles, ber Kerne, Reifezeit, Dauer u. bergl. mehr. Die ſy⸗ 
ſtematiſche Befchreibung der verſchiedenen Obftforten Hat aber theild durch fo viel- 
fahe, mehr oder imeniger häufig Ha Zufälligfeiten, theils durch fortges 
feßte Vermehrung berfelben, durch neue Zucht aus Kernen, durch kuͤnſtliche Ver- 
ebelung u. ähnliche Verſuche der Pomologen fo vielfache Schwierigfeiten gefuns 
ben u. findet fie noch, daß ein ſtreng wiſſenſchaftlich durchgeführtes Syſtem ber 
BP. kaum denkbar ift, am wenigften, ba, wie die Erfahrung gelehrt hat, nicht 
alein ber Boben, ſondern auch das Klima des Landes, wo bas Obft wächst, 
auf jene BVerfchiebenheit einen unverfennbaren u. großen Einfluß Hat u. mande 
Obſtſorten in ihrer vollfommenen Schönheit öfter nur in einem Heinen Landſtriche 
gefunden werden. Um bie Charakteriſtik der Odfiforten Haben fich verdient gemacht: 

Duintiny, Duhamel, Chriſt, Diel, Sidler, Fritſch, obgleih ſchon vor ihnen, 
wenn auch weniger ftreng, bie verfehiedenen Sorten ihre Hauptnamen hatten, 

Die angewanbte P. belcäftiget fi mit der Kenntniß ber zueitmäßigften Bes 
nügung des getvonnenen oder zu gewinnenden Obſtes. Das eine ttch wordg: 
lich 18 Sdmud ober Ledergericht auf ber Tafel benuͤht, heiizt daker Takel 


352 Pomona — Pompabdour. 


obſt; man wählt theils ſchoͤn ausſehende Sorten, theils aber, u. vorzüglich, bie 
fi) durch Zartheit, Gewürz, Geſchmack u. Fuͤlle des Saftes auszeichnen. Ans 
deres Obſt dient mehr zu anderem Gebraudde in der Wirthichaft, als: zum 
Kochen, Baden, Dämpfen, zur Bereltung des Ciders, Branntweine, ifigs, 
Syrups u. Suftes u. ſ. w. u. heißt Wirthſchafts obſt; Hanbelsohft if es, 
in fo ferne es theils frifch oder zubereitet ein Gegenftand des Handels wird. 
Der Pomolog muß hiebei nicht allein mit der befonderen Nüglichkeit diefer oder 
jener Sorte für die verfchiebenen Zwecke vertraut feyn, ſondern auch durch Ge⸗ 
brauch feiner Einne, beſonders auch des Geſchmackes, fein u. ſtreng unterfcheiden 
fernen. Zu feiner vorzüglicheren Beihärtigung gehört die Obſtbaumzucht, ober 
bie Kenntniß, die Bäume, jeden nad feiner Eigenheit, zu fäen, verpflanzen, er 
ziehen, vercdeln (durch Piropren, Oculiren, Copuliren, Abfenfen u. |. w.), bie 
Behandlung des Obſtes (die Abnahme zu rechter Zeit und auf rechte Weife, die 
Aufbewahrung beffelben u. f. w.), fomohl auf dem Stamme, als auf der Lager⸗ 
flätte. — Es ift offenbar, daß die praftiiche P. der theoretifchen vorausgehen mußte; 
das Obſt mußte früh fchen dem Menfchen ein Gegenftand ber Beachtung werden, 
zumal ig jenen Gegenden, bie bes ewigen Frühlings oder Sommers emtbehren, 
Deßhalb wurden Bäume aultivirt, die ſich durch fchmadhafte oder ſonſt nutzreiche 
Früchte empfahlen. Durch die Züge ber Römer in bie an wohlſchmeckendem 
Obſte reihen Gegenden, vorzüglich Aflens (Klein⸗Afiens). wurden Bäume nad 
Griechenland (diefes war zum Theil ſchon vor der Römerherrfhaft geichehen) u. 
Italien verführt, von wo aus fie dann Eingang in bie anderen europäifchen Län 
der gewannen. So kamen die Pfirſchen (amvgdalus persica) von Perſien, bie 
Kirſchen (prunus cerssus) aus Kerafos, die Pflaumen aus Syrien, bie Aprifofen 
(pr. armeniaca) aud Armenien. Anweilung zur Obſtbaumzucht aab ſchon Birgit. 
In Frankreich blühte fie früher, als in Deutfhland, wo fie an Karl dem Großen 
einen eifrigen Beförberer fand. Die Kreuzzüge braten auch neue Obftiorten 
ins Abendland zurüd; mehre Mönchsorben, vorzüglich die Benedictiner, nahmen 
fie in Pflege u. der immer mehr aufblühende Handel beförderte die Verbreitung. 
Am meiften zeichnete fich das fübliche Deutfchland und Frankceich aus, wo man 
bie cdleren Sorten (Franzobſt) baute und wo befonders Quintiny und Duhamel 
be Monceau die B. zur Wilfenfchaft erhoben. In neuerer Zeit haben fi, be 
fonders unter den Deutfchen, um die P. verdient gemadt: Henne, v. Muͤnch⸗ 
haufen, Chrift, Diel, Fritzſch, Sickler, Hempel u. A. , welche die P. ſyſtematiſch 
bearbeiteten. Pomologiſche Bereine find in Ungarn, London, Berlin, Dresden, 
Altenburg, Buben a. d. D., zum Theil mit großen Obftanlagen. 

Pomona, eine altrömifche Göttin der fruchttragenden Bäume u. der Härten 
überfaupt. Man erzählt, daß die Satyrn, Faunen u. Waldyötter, ja daß Priap 
ſelbſt der fchönen Jungfrau nachgeftellt, daß fie jedoch jede Annäherung forgfältig 
vermieden, bis Vertumnus fie in der Gehalt einer Frau überliftet, nadbem er 
als Pflanzer, Echnitter u. Winzer vergeblich gefudt, zum Ziele zu gelangen. 
Jetzt, nachdem fie ſich ber Freundin ergeben, verwandelte er fi) in einen fchönen 
SJüngling u. fie verfchmähte den Freund nicht. Dieß fol unter der Regierung 
des Könige Procas in Latium gefchehen ſeyn. Sie wird für -Identifh mit ber 
Nortia der Etrusfer gehalten. ⸗ | 
Pompadour (Jeanne Antoinette Poiſſon, Marquife de), Mat 
treſſe Ludwigs XV., die Tochter eines untergeordneten Beamten bei der französ 
fiſchen Armeeverwaltung, geboren 1720, wurde von ihrer Mutter wegen ihrer 
Sckönheit ſchon in ihrer Jugend für einen Föniglichen Biſſen gehalten. Eie hei- 
rathete 1741 einen gewiſſen Etioles, einen Unterpachter, von großem Bermögen. 
Ihr Haus war der Eammelylag von Schöngeiſtern, hungrigen Ticbtern u. ans 
genchmen Müffiggängern. Die junge Frau fuchte indefien den lüfternen Augen 
des Königs befannt zu werben u. erhielt bald bie hohe Gnade, ſich unter dem 
Titel der Marquife de P. bis zu befien erfter Maitreffe emporzuſchwingen. Sie 
übte ald foldye bie hoͤchſte Gewalt aus u. Alles am Hofe hing von ihr ab. Eie 


Pompeji. 353 


war bie Herrſchende im Cabinet, entichieb über Krieg u. Frieden u, hatte ben 
gröhen Einfluß auf die Staatsgefchäfte. Minifter wurden abgefegt u. Bringen von 
eblüte mußten ſich bemüthigen, wenn fie es gewagt hatten, ihr die Gpige zu 
bieten. Alles, was fie wollte, wollte auch der König; fie gab den Ton an und 
Ludwig XV. lallte ihn nad. Selbft bie Kaiferin Maria Therefia fand es nicht 
unter ihrer Würde, ber franzöfifchen Maitreffe eigenhändig zu fchreiben, was deren 
Eitelkeit fo fehr ſchmeichelte, daß die Theilnahme Frankreichs an bem Kampfe 
gegen Friebrich IL. von Preußen bie Folge davon war. Nachdem P. den König 
einmal Geben beſtimmt hatte, griff fie mit beiden Händen in die Staats» 
caſſe. er ben: unermeßlichen Summen, bie das peaitige Leben, das er mit ihr 
führte, koſtete, nahm fie noch größere für ſich, legte biefelben entweber in bie 
nken in Europa, ober verwendete fie zu prächtigen Gebäuden und zum 
Ankaufe anfehnlicher Aanbgiite. Als eine Krankheit fie den Umarmungen des 
Königs entzog, warb fie feine Kupplerin, führte ihm andere Schönheiten zu unb 
beherrfchte ihn unumfchränft, bis an ihren Tob 1764, in einem Alter von 44 
Jahren. Was für große Reichthuͤmer fie zuſammengeſcharrt Hatte, iſt Daraus zu 
erfehen, baß bie Berkeigerung ifrer Effekten ein ganzes Jahr dauerte. Die ihr 
zugefähriebenen Memoiren n. Briefe, welche 1758 zu London erfchienen, haben 
wahrſcheinlich den jüngern Erebillon zum Verfaſſer. 

Bompeit, eine von den drei, im Jahre 79. n. Chr. durch ben Ausbruch des 
Beiuvs verfchütteten Städten, am Meerbufen von Reapel, 13. Miglien von biefer 
Stabt entfernt, von ber im Jahre 1748 die erſten Spuren durch einen Wein- 
gärtner aufgefunden u. feltbem weitere Ausgrabungen veranftaltet wurden, fo daß 
jegt ein ziemlicher Theil der ehemaligen Stadt zu Tage liegt. — Der Sage nad 
von Herkules, waßrfcheinlich von chaldäifchen Auswanderern gegründet, ward P. 
nach u. nach won Etruskern, Oskern, Samiten u. Römern bewohnt u. nach bem 
Bundesgenofientriege von Sylla erobert. Nach ber Zeit Municipium, wurde es vors 
nämlich unter Yugukus u.Rero bebeutender Handelsplatz. Im J. 79 mit Herculanum, 
Teglana, Taurania, Oplontis u. Stabiae verfchüttet, ſcheint es erft einem fpätern 
Ausbruche feinen gänzlicden Ruin zugufchreiben zu Haben, da, nach Suetonius, 
Titus eine Eolonie zur Wiederbelebung der verödeten Stäbte Hinfandte. Die 
Nachrichten, ob viele Menfchen bei der Kataftrophe umgefommen, (auten wider⸗ 
ſprechend; bie wenigen vorgefundenen Sfelette beuten auf das Gegentheil. Unter 
Alche u. Kleinen Steinen war die Stabt begraben, an ben tiefften Stellen nicht 
unter 15 Fuß tief. So leicht im Ber hälinip zu bem unter eifenharter Lava bes 
prabenen culanum bie Arbeit bes Ausgrabens ift, fo Hat man doch bis jeht 
aum ein Biertel ber alten Stadt aufgebedt. Das meifte ift unter Karl Ill. und 
unter franzöfticher Herrfchaft geichehen. — Die Straßen, deren 18—20 ausge⸗ 
graben, find gerabe, mit Lava gepflaftert, bie Beleife durch bie Räder eingefellt; 
an ben Seiten laufen Trottoird von Puzzuolana, ober breiten u. ovalen Steinen, 
darımter Hug die Wafferleitungen. — Wo Straßen ſich kreuzen, findet fidy ge 
wöhnlich ein Brunnen, daran Reliefs und andere Ornamente. Gegen bad An⸗ 
fahren der Wagen fchüpten Edfteine. Auch Altäre der Lares compitales finden 
ih an folden Stellen. — Die Häufer im Durchſchnitte find Hein, jedoch gibt 
e8 auch Boohnungen ber Bornehmen, an benen man bas Prothyrium, b. i. bas 
Entröe ober den tlichen Theil, wo auch ber Thürfteher wohnte; das Veſti⸗ 
bulum, das Cavaädium ober Atrium, eine offene Halle, u. das Tablinum, oder 
die Befuchhalle, u. ben privaten Theil, das Periftylium oder bie Innere Säulen, 
halle; Die Cubicula, das Schlafzimmer, mit ein wenig erhöhten Plägen für bie 
Betten, den Deus Gynäceus, die Wohnung der Frauen, dad Sommertriclinium, 
wo bie Matrazen lagen, von einer Bergola befchattet, das Wintertriclinium ; das 
Sacrarlum, oder die Hausfapelle mit ben Hausgöttern; bie Exedra, ober ben 
Saal; die Pinakothek, Bibliothek, Baͤder, Heiße u. kalte, erftere nebft Küche, Keller, 
Speifes u. Delfammer ıc., meift im Souterrain, nach einander unterfcheidet. — 
Das Periſtilium enthielt auch ben Xyſtus, einen Blumen: u. Gemüfegarten, barin 

Rıslencptlopäbie. VIIL 73 


954 Pompeji. 


häufig ein Kifchbehälter. — Das Lararium, mit Gemälden, bie den Laren dar⸗ 
gebrachte Opfer darftıllen, ift eine Niſche, darin gewöhnlich eine Lampe bramnte. 
— Im Atrium findet man Häufig ein Impluvium, d. i. einen Behälter für's 
Regenwafler. — Nach der Straße gehen felten Zenfter; auf den flichen Dächern 
fiehen oft Pergold. Ein Stodwerk iſt das Gewoͤhnliche, doch finden ſich aub 2—3. 
Die Säulen der Gänge find von Stucco, die Mauern von Lava, Tuff, mit 
Stucco überzogen, geglättet u. bemalt. — Die meiften Malereien find Arabesken; 
hiftorifche Gemälde nehmen nur einen geringen Rıum ein. Die Fenſter find ge 
woͤhnlich mit las ' chuͤtzt u. dieſes zeigt fih dick u. trübe. Die Fußboͤben 
find moſaicirt. en Außenfeiten ber Häufer ftehen bie Namen. — Die öffent: 
lichen Gebäude find geräumig u. prächtig, — Bemerkenswerthe Gebäube find: 
Billa Suburbana, oder das Haus des M. Arrius Diomedes, aufgıbedt 1771, 
als eines ber erften in P., hat 3 Stodwerke, deren oberſtes zerftört if; in das 
zweite gebt man von ber Via Domitiana, Gräberftraße, ein: das Periftul war 
mit Fresken geziert u. gränste an einen Raum, mit 4 Porticus umgeben, in 
deren Mitte eine Eiftrne Dem Haufe gegmüber in ber Via Domitiana die 
Gräber der Familie des Diomebes. — Gebäude zum Behufe des Todten » Silicers 
niums, zwiſchen ber Billa des Diomedes u. bem Herculanum⸗Thore, Klein, ehedem 
reich verziert, im Innern mit Symbolen des Todes, Bögeln ꝛc., enthält ein Tri⸗ 
elintum für 3 Matragen u. eine Menfa, darauf das Todtenmahl gefeiert wurde. 
— Grabmal des Calventius Quietus, mit einem Bifelium unter der Inſchrift. 
Gegenüber ein Grab mit einer Marmorthüre; innen eine Niſche. Grabmal bes 
Auricius Scaurus, mit Basreliefd von Gladiatorenkaͤmpfen; im Innern vice 
Niſchen für Graburnen. 1838 hat man ben wirkliden Eingang gefunden, und 
in defien Atrium 4 mofalcirte Säulen, u. am Grabmale die große Bafe aus Glas, 
die jegt in den Studi zu Reapel aufgefteil if. Gafthaus für Lanbleute und 
Fremde, denen es nicht neftattet war, in ber Stadt felbft zu übernachten. Uſtrina 
publica, gegenüber, ber Angabe nach der alte famnitifbe Begräbnißplatz. Bon 
da aufwärts bie Billa Cicero's, die ſchon 1749 ausgegraben, aber wieder zuge 
worfen worden u. in welcher bie werthvollen Gemälde ber fogenannten herculani⸗ 
[hen Tänzerinnen u. die 2 Moſaiken bes Tioscorides aus Samos gefunden wor 
den, die man jest in den Studien zu Neapel fieht. Gin Wadthäuschen, darin 
it ein Stelet gefunden murden. — SB. hatte deppelte Mauern, buvon bie einen 
im Graben hinliefen, nach einem Zwifchenraume von 20 Fuß. Ihre Höhe bes 
trug 20—25 Fuß. Die Thore find: das Heiculanumthor mit 3 Abtheilungen, 
das Surnos oder Eecthor; das Yfistäor (vom Fflstempel), das Nolathor u. noch 
ein fünfte neuentdedtes. Gaſthaus bes Albinus, rechts an der Mıuer, das man 
für ein Poſthaus ausgibt, weil man mehre NRäderreife u. viele Pferdeknochen in 
den Etällen gefunden. Kaffechaus linfe, vicheid;t ein Thermopolium, eine Art 
Dranntweinfchenfe, mit einem Dien, Mamorplatten mit Schriftzeichen, Simfe 
für Glaͤſer 2. Haus ber Beftalinnen, 2 Abtheilungen, davon bie eine bie Ueber 
ſchrifit „Salve!“ führt, Bäber u. ein Schlafzimmer mit Gemälden, ein Antieibe 
zimmer, eine Bibliothek, eine Galerie, einen Salon u. ein Larartum hat. Haus 
ber Chirurgen, neben dem vorigen, mit weiter Borhalle, daran ein Garten. Pon⸗ 
Derarium, mit weiten Thorweg, wo Scknellwagen u. Gewichte gefunden worben. 
Dem gegenüber, neben Trümmern, das Haus des Kajus Cejus, jept Eoldatenquartier, 
ehemals wohl für Bäder beftimnt, mit einem Krypto⸗Porticus. Seifenfleberei, fo 

enannt nach ben bafelbft gefundenen Sachen. Haus der Tänzerinnen, fo genannt nad 
en daſelbſt gefundenen Bildern von Tänzerinnen; im Schlafzimmer Böttinnen, 
Genien, Krieger, Tänzer, Bacchanten ꝛc. Daneben das Haus ber Ifis, fo ge 
nannt von aͤgyptiſchen Gottheiten, die man bafelbft gefunden. Backhaus, links 
ber Via Domitiana, mit 4 Sornmühlen, dem Badofen, Waflers und Blumen, 
Gefaͤßen, gehört zum Hufe des Cajus Salluftius, einem ber größten u. reich 
verzierteften, in ber Vıa Domitiana, darin noch ziemlich gut erhaltene Malereien: 
Diana und Aktion, Europa, Phrixus und Helle, Mars, Venus und Gupibo, 


Pomp, = 355 


Hier, wurde auch bie ſchoͤnſte antike Bromzegruppe, Herfules mit dem Hirſch, aus ⸗ 
‚egraben, die jegt in Palermo tft, . Nebın dem Haufe des Salt en eines 
ufjchmiebs; ein ‚zweites gıöheree Bachaus; die Wohnung eines ers, 
mad man, aus angemalten Flöten und, Geigen und thentealiiägen Scenen ) 
fen. Haus bes Julius Polybius rechts, in der. Via Domitiana, weit ‚groß, 
mit 6, Läden, 2 Eingängen und Arkaden. Das Haus des ale emiften, fo ges 
nannt von der Schlange (Klugheit), die die Pinie (den Top) frißt. Haus des 
Aedilen „ſo genannt von der mit Farbe daran geſchriebenen Inſchrift, Die 
einen Lobſpruch auf ihm enthielt, und die man ſpaͤter an mehren Haͤuſern in P, 
gefunden, lints der Via Domitiana und gegen die Bäder hin, ganz ſſolirt, mit 
7.gäben, von benen jeder feinem eigenen Eingang hat. Haus des dramauſchen 
Dikters, eines der eleganteften in M,, gegenüber ben öffentlichen Bädern, . Die 

Bäder, ausgegraben 124, de 7 ingänge, Nahe den Bädern 
ein länglicher Plah, bdeifen 3 Seiten Werfflätten und Magazine einnahmen, 
deſſen wierte nach, ber Via di Mercurio offen fteht,- und wo. noch an einem 
Pilafter- Refte von Malereien finden, die aufsdas Geſchaft der W er beus 
tem, das auch „, ven großen Wafferbeden am obern Ende des, Plays nad, hier 
—— ift, Das Haus mit dem großen Rifchen» Springbrunnen in 
‚Via di Mercurio, ‚mit einer Grotte voll Etein- und Mofaikverzi und. 
einem mit Masten Ne Brunnen; die Wand iſt mit Blumen it; an 
einer Seitenwand eine Theatericene. Das Haus mit dem feinen Nijhen-Spring« 
Brunnen, reicher und fchöner verziert, als das vorige, Das Haus der Diode 
furem, dem vorigen. gegenüber, fo TE: von, ben Gemälden bes Cuftor und 
„bie einen ber 2,Haupteingänge fhmüden, ausgegraben 1828 — 1829. 
des Meleager,, benannt nach, einem im Cingange gefundenen Gemälde, 
und Atlantis, mit,2 Arien. und, einem noch wohl erhaltenen Theile 
‚Stodwerts. Haus des Apollo, gerade genmitern genannt ne 
einem Bilbe bes Gotted in bemfelben. Die drei Mofaitwandgemälde 
BP. find bier gefunden worden, Rechts Davon zwei Häufer, In benen Die großen 
fernen Vaſen 1835 gefunden worden find. Haus des Hermapsroditen, fo ger 
nannt von bem Bilde der Toilette eines ſolchen. Haus des Labyrinths, mit 
einem ſchoͤnen Gemälde von Paris und Helena. In der Strada della Fortuna, 
deren ganze Ränge biß zur Porta di Nola erft 1840-1841 ausgegraben worden: 
das Haus des Zaun, fo genannt von einer Kleinen Bronzeftatue, die hier gefuns 
ben worben, ausgegraben am 7. Dftober 1830 in Genenwart des Eobned von 
Goͤthe. Schräg gegenüber fteht ein Feiner (Mercurius ?) Tempel; in der Nähe 
find mehre mit goldenen Ringen und Bracelets verzierte Sfelet6 gefunden mors 
ben. Haus des Großherzogs von Toscana, fo genannt, weil c6 in feiner Ger 
genmart ausgegraben worden, mit Heinen Mofaifen nnd Wandgemälden. Haus 
er Bacchanten, fo genannt von Gemälden derfelben im Innern. Am obern 
Ende des Atriums ein Brunnen mit Moſaik. Tempel der Kortuna, ein kleincs, 
aber fhönes Gebäute, mit einer Niſche für die Göttin. Hier_ift eine weibliche 
Marmorftatue, ferner bie des Cicero in der Toga, daran noch Spuren von Purs 
pur, gefunden worden. In dieſer Gegend feinen Läden mit Glaswaaren und 
Brongegefhirr geftanden zu haben, nach den baran reihhaltigen Ausgrabungen 
zu ſchließen. Forum civile; ber Eingang von ber Seite ber Via di Mercurio 
iſt durch einen einfachen, hohen Bogen und zwei Heinere Bogengänge. Bededte 
Säufengallen von Travertin umgeben das Korum von drei Seiten; zwifhen den 
Säulen ftanden bie Statuen ausgezeichneter Bürger, beren Piedeſtale noch ſicht⸗ 
bar find. Die Bafilica, dur cine enge Gafle vom Venustempel gerennt, ſteht 
mit einem der Porticus bes Forums in Verbindung durch ein Veſtibul, aus 
welchem mehre Stufen nad ihr hinaufführen. Die drei Gebäude am Eübende 
des Forums, nahe ber Bafilica, tragen gleichfalls den Charakter von öffentlichen, 
bie entweder im Bau, oder in ber Reparatur im Jahre 79 begriffin gemein, 
Der Baflica gegenüber fieht das Ehalcidicum mit dem Krypto: —8 ION 
IR 


— 





7 





356 Pomppejus. 


von Eumachia. Tempel des Romulus (ehedem bes Mercurius), dem Mauerwerke 
nach ſehr alt. Die 8° erhöhte Zelle mit einem Piedeſtal für eine Statue ſteht in 
einem von Mauern umgebenen Hofe. Curia für die Berathung ber Angelegen- 
heiten der Auguftalien, halbrund, gegen das Forum offen, mit Sigen u. Niſchen 
verfehen. Pantheon, neben der Curia, 1821—22 ausgegraben; im offenen 228° 
breiten, 180° langen Hofe ein Altar, von 12 Piedeſtals umgeben, worauf die Sta- 
tuen der 12 Hauptgottheiten ftanden. Ein Haus, in Gegenwart des Königs von 
—55 1823 ausgegraben, enthält mehre kleine Bronzeſtatuen, ſowie bronzene 
eraͤthe, Gold⸗ und Eilberſchmuck, auch einige Relief. Das Haus des Mars 
und der Venus, mit einem 116’ tiefen Brunnen, ber noch Immer Waffer hat. 
aus der Brazien, fo genannt von einem ©emälde derfelben mit Venus und 
donis. Daneben ein Gaͤßchen, an deſſen Mauern bie 12 Hauptgottheiten ab- 
gebilbet find. Die ganze breite Straße, die vom Forum nad den Theatern führt, 
it mit Läden befeht. Rechts am Ende biefer Straße fleht das Haus, das zuerft, 
beim Befuche des Kaiſers Franz, dem Publicum geöffnet wurde, Porticus, am 
Eingange zum bdreiedigen Korum auf dem Wege nach dem TragöbiensTheater, mit 
fch8 Tufffäulfen, und nad ber Infchrift eined Piedeſtals mit der Bilbfäule des 
M. Claudius Marcelus, die aber nicht gefunden ifl. Forum Triangolare, mit 
drei PVorticus, von 100 doriſchen Säulen Altern Styls getragen u. mit verfchließ: 
baren Eingängen, auagegraben 1796 und 1813. Das Haus bes Kaiſers Io; 
eph, fo genannt, weil es in feiner Gegenwart aufgebedt worben, enthielt viele 
agen, Gewichte und Geräthichaften von Bronze. Tempel des Herkules, wohl 
ber ältefte ber bisher aufgebedten Tempel in P., fcheint nach dem Echbeben 
vom Jahre 63 erneuert zu fen. Tempel ber Ifis, der Inſchrift nach, nad 
dem Erdbeben vom Jahre 63 wieder hergeftellt von Rumerius Popidius Cel⸗ 
finus. Tempel des Aesculapius, von einer dem Tempel bes Romulus ähnlichen 
Architektur. Komödiens Theater (Odeum), aus Tuff gebaut, auf dem Brunte 
eines alten Lava⸗Bettes, halbrund, Flein, mit einem Dach gebedt, das von Säulmn 
getragen wurbe, für Mufik eingerichtet, Tragoͤdien⸗Theater, ein ſchoͤnes Gebäude 
von Tuff und parifhem Marmor, über einer Straße von ſehr alter Lava, be 
deutend größer, ald das Odeum. Das Forum Nundinarium, zwifchen beiben 
Theatern, laͤnglich vieredig, mit Porticus von roömiſch⸗doriſchen, mit Stud über 
zogenen und roth und gelb gemalten Säulen umgeben. Das Amphitheater, im 
ttelpunfte eines großen Plage, mit 30 Reihen Sige für 18 — 20,000 Zu 
Idauer u. m. a. — Vgl. Goro von Agyagafalva, Wanderungen buch P., Wien 
1825; Zahn, die Hauptergebniffe der neueften Ausgrabungen zu P., Stutt- 
art 1828. P., Herculanum und Stabid, von Zahn, Berlin 1829 u. 1822. 
. Gell, Pompeji, mit Kupfern, London 1828. Herculanum u. Pompeii, voll 
fändige Sammlung ber daſelbſt entdedten Malereien, Bronzen und Mofaiten, 
geftochen von Rour und Bouchet, Hamburg 1838. 

Pompejus, Enejus, ber Abkoͤmmling eines römifchen ‚nlebejergefchleihtes, 
mit dem Beinamen der Große, einer ber größten u. glüdlichften Felbherren ber 
Römer, geboren im Jahre Roms 648 (107 vor Ehr.), zeichnete fi früh durch 
gewinnende Eigenfhaften u. Unerfchrodenheit aus, diente zuerfi gegen Cinna un- 
ter feinem Bater, dem graufamen u, geizign Enejus®P. Strabo, u. rettete ihm 
bei einer Meuterei das Leben, Im Gabıe 84 warb er eigenmädtig für Gulla 
3 Legionen u. führte ihm biefelben, nachdem er 3 feindliche Anführer gefchlagen 
hatte, zu, wurde von®bemfelben ald Imperator begrüßt u. nad) dem Siege feiner 

artei mit deſſen Stieftochter vermäßlt. Nachdem er die Marianer in Stalien, 

icilien u. Afrika befiegt u. Hiarbas von Numidien gefangen hatte, rief Sulla 
eiferfüchtig ihn zurüd, ehrte ihn aber mit dem Beinamen bes Großen u. bewilligte 
ihm den Anfangs verweigerten Triumph, als P. ihn erinnerte, daß die Menfchen 
die aufgehende Sonne mehr, ald bie untergehende, verehren. Als er darauf gegen 
£epibus u., nach der Ermordung des Sertorius, gegen Perpenna in Spanien neue 
£orbeeren errungen hatte, teiumphirte er abermals, erteilt AO), wüafei er hie 


Hompejusfänle — Pompiers. 357 
u demſelben führenden Aemter noch nicht begleitet hatte, das: Gonfulat, 11 befe- 
fich durch populäre Maßregeln u. Wiederherftellung der tribuniciihen Ge 
in ber Gunft bes Volles, So fam es, daß ber Vorfchlag bed Ga 
— der Seeräuber P. auf drei Jahre mit unumfchränkter 
alle Meere u. alle Küften, bis 400 Stadien Lanbeinwärts, zu bes 
durchging u. binnen 40 Tagen reinigte er (68) das Meer von ihnen 
nach vier Monaten ben ganzen Krieg beendet. Dur das Manilifhe 
Eieero’8 Fürfprabe wurde (67) Diele Gewalt ihm verlängert u. auch 
dehnt, zur Beendigung bes Krieges gegen Mithridates. Nachdem 
lagen. u. aus Pontus vertrieben, beſſen Bundesgenoffen gezüchtiget 
PBaläftina zu römifchen Provinzen gemacht —— er zum britten 
hirend in Rom ein, Er wollte ber Erſte im freien Rom feyn, nicht 
Tyrann; man fürchtete jedoch feine Macht u. mannigfache Yun angethane 
mochten mitwirken, baß er (60) mit Eäfar u. Craſſus ſich zum erſten 
je verband, zu deſſen Befeftigung er ſich mit ber Tochter des. erfteren, 
hlte. Doch nur biefer zog aus dieſer Verbindung Gewinn, erhielt 
Einfluß Gallien auf 5 Jahre als Provinz zugetheilt, und erwarb 
Ruhm des größten Feldherrn, während jener zu. Rom auf, a 
u. durch &haufsiele bie finfende Volfsgunft zu bewahren fuchte, 
Zufammentunft ber Triumvirn zu Lucca (55) geftanden P. u. Erafius 
die Verwaltung der Provinz auf weitere 5 Sabre au, bedingten fi 
as Conſulat aus u. befleideten es in demfelben Jahre. Nah Erafius 
‚e in Parthien u, Julia's Tode traten P. u. Cäfar in wachfender Eifer 
einander. gegenüber. Grfterer begünftigte ald Haupt der Optimaten bie 
® des legten, rief zwei demfelben geliehene Lenionen zurück u. hintertrieb befs 
fen Antrag auf eine abermalige Verlängerung des Oberbefehls in Gallien, Den 
drohenden Sturm zu befchwören, wurben beibe veranlaft,) ihre Legionen zu ent⸗ 
laffen. Doch Gäfar überfchritt bewaffnet den Rubicon (49), das Volk und bie 
Legionen fielen ihm zu; PB. u. fein Anhang, jet erft die Uebermacht ihres Geg- 
ners erfennend, flohen erfchroden nah Capua u, ſchifften fih dann von Brundus 
ſium nad Gpirus ein. Während feine hiſpaniſchen Legionen von Gäfar gefchlas 
gen wurden, waffnete P. den Drient zur Vertheidigung der Nepublif, wich vor 
den raſch ihm Nacheilenden nad) Theffalien zurüd, nahm gegen feine Neigung die 
Schlacht bei Pharfalus an (48) u. floh, als feine Legionen wichen, vorfchnell das 
Schlachtfeld verlaffend, nach ber Küfte u. ſchiffte ſich in einem Heinen Fahrzeuge 
nad Aegupten, um bei dem jungen !PBtolemäus Zuflucht zu fuchen. Allein diefer 
fandte ihm Meuchelmörder entgegen, bie ihn am Strande niederſtießen. Cäfar 
vergoß Tränen, ald man ihm das Haupt des P. zeigte, ließ es feierlich beifegen 
und einen Tempel der Nemefis darüber erbauen, feine Mörber aber beftrafen. 
Der verftümmelte Leichnam wurde von feinem treuen Freigelaffenen, Philippus, 
verbrannt. PB. war von fittlihem Charakter, treu in ber Freundſchaft und ſcho— 
nend gegen Feinde; doch, von zu großem Selbftvertrauen, eitel und wanfelmüthig, 
verfanf er gegenüber feinem großen Gegner in Kleinmuth u. Schwäche. 
— f. Alexandria. 


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ompelmufe, f. Citronate. j 

ompierd (Spripenleute), nennt man jene militäriſch organifirten und 
uniformirten Arbeiter, größtentheil aus ber Elaffe der Maurer, Zimmerleute, Ka⸗ 
winfehrer und fonftigen Reuerarbeiter, welche in beftimmten Lofalen ihre Wach⸗ 
often Haben und beim Ausbruche einer Feuersbrunſt nicht nur bie ſchon bereits 
ſtehenden Beuerfprigen bedienen, fondern auch mit anderen Löfchapparaten (nament⸗ 
fi) numeritten Höhen, bie fie fchnell zu Leitern zufammenfügen, naſſen euer» 
Patfchen u. dgl.) dem brennenden Plage möglichft nahe fommen und fo bie er- 
fprießlichften Dienfte leiſten. Zuerft in Paris feit 1772 eingeführt, findet man 
diefes wohlthätige Inftitut jegt nicht nur im fa allen Hauptflädten Europa’s, 
fonbern felbft in vielen Provinzial⸗ und Fleineren Städten, 


358 Pomponatius — Poniatowält, 


Pomponatius, Petrus (eigentlih Pietro Pomponazzi), einer ber 
berühmteften Peripatetifee des 15. und 16. Jahrbunderts, geboren zu Mantua 
1462, lehrte die Philoſophie zuerft in Padua u. hierauf in Bologna mit großem 
Bıifalle. Er hielt fich zwar ftrenge an Ariftoteles, Defien Enftim er in ber ur: 
fpränglichen Reinheit wicder Herzufiellen fuchte, eröffnete aber durch gründlichen 
Scharffinn in Unterfuchung einzelner Gegenftände, wie: Unfterblichkeit, Freiheit, 
Fatum, Vorſebung und Bezauberungen (oder der Frage, ob bie wunderbaren Er⸗ 
ſcheinungen in der Natur ron dem Einfluffe der Geifter, wie die Platonifer behaup⸗ 
teten, oder von bem Einfluffe der Geftirne berrühren), eine Menge neuer Anſich⸗ 
ten, bedte Die Schwachen Sciten ber ariftotelifhen !BEilofopbie auf und regte zu 
tieferen Unterfuchungen an. Er gerieth burdy die Lehre, daß es nach Ariftoteles 
feine Beweiegründe für die Unfterblichfeit der Eeele gebe, in einen heftigen und 
efährlichen Etreit, namentlicdy mit Adhillini, in welchem er ſich auf bie Unter: 
cheidung zwiſchen pofitivem Glauben und natürlibem Wiſſen früste Aus feiner 
Saule gingen mehre treffliche Köpfe hervor, wie Porta, Jovius, Caͤſar Ecaliger, 
Gontarenus, Niphus, S:pulorda (beide fpäter Gegner von ibm), Banini. Seine 
Warte erfchienen zu Bafel 1525, 56, 67, %ol.; De animi immart., Bologna 
1516 und öfter, zulegt von Barbili, Tübingen 1791. Berg. Dlearius, de 
P. Pomp., Jena 1709, 4. 

Pomponius, Name eines plebejifchen Geſcklechtes in Rom, das feinen Ur⸗ 
fprung von bes Einige Numa Sohn, Pompo Pompilius, abgeleitet Haben foll 
und zu dem bie Familien Attid, Baſſi, Bononienfs, Flacci, Labeones, Marcelli, 
Mathones, Melä, Secundi, Ecrti, Silvani, Vejentani gekörten. 

Donce de Leon, Fray Luis, berühmter ſpaniſcher Dichter im lyriſchen 
Bade, geboren zu ®ranada 1527, dichtete vorzüglich ſchoͤne religiöfe Geſaͤnge, 
weßhalb die Spanier ihn zu ihren beften Dichtern zählen. Seine Werke erfibies 
nen unter dem Titel: Obras proprias y traducciones, Madrid 1631, 16., Ba- 
lencia 1761 und ebendaſ. 6 Bde., 1804 — 1806. 

Pondihery, Hauptftabt der franzoͤſiſchen Befigungen in Oſtindien, auf ber 
Küfte Coromandel, in ber Provinz Karnatif, an ber Ausmündung bes Flufſes 
Bingo in den bengaliihen Meerbuſen, mit etwa 40,000 Einwohnern, welde 
vorzüglich Reis, Indigo, Baummolle und Zuderroßr baum, Seidenzudt treiben, 
Dpium bereiten u. vicle baummollene Zeuge weben. Im Sabre 1672 für Frank⸗ 
reich erworben und ftaf befeftigt, war F obſchon ohne Hafen und nur mit 
einer effenen Rhede verſehen, in der erſten Hälfte des vorigen Jahrhunderts ein 
ſehr wichtiger Handelsplatz, ſank aber, in Folge unglücklicher Kriege mit den Eng⸗ 
laääͤndern, und konnte ſich ſeitdem nicht wieder zu feiner fiühern Größe erheben, 
obſchon ſeit dem letzten Frieden Manches für die Stadt von Seiten Frankreichs 
geſchah. Es wurde hier ein Pflanz ngarten angelegt, der bereits einer der be⸗ 
traͤchtlichſten in Indien iſt, ferner die Seidenzucht eingeführt, auch ein Leihbaus 
und ein Bazar errichtet. Außer P. beſitzen die Franzoſen auf derſelben Küfte, 
füblih und nördlich von diefer Stadt, die kleinen Plaͤtze: Garical, mit einem 
Hafen, an einem Münbungsarme bes Cavery, und Danaon im Innern; ferner 
auf der wefts oder malabrifhen Küfte die kleine Hafenſtadt Mahe6, unweit Kali- 
fut, die hauptfächlich Pfefferhandel treibt. Endlich gekört ihnen auch noch bie 
Stadt Ehandernagor am Hugli, oberhalb und unweit Calcutta tm britiſchen 
Bengalen, jedoch üben die Engländer alle Hoheitsrechte über die Etadt aus. 

Doniatowäli, eine berühmte polniſche Adelsfamilie, bie ihren Stammbaum 
bis in das Jahr 1269 und in das Geſchlecht Srzeniava zurüdiührt. Anfangs 
des 17. Jahrhunderts Heirathete bie Erbin der poniatowskiſchen Güter, Sophie, 
Tochter bes Albert B. u. der Anna Lesczinski: 1) Joſeph Saliguerra, aus 
bem italienifhen Geſchlechte Toreli, Ablümmling der Grafen von Guaſtalla und 
Montechiarugolo, geboren 16125 biefer war von Ranucio L, Part von PBarına, 
feiner Giner beraubt und allein von allen den Eeinen, bie hingerichtet worben 

waren, nad Polen entkommen, wo feine Samilie Ion Küher as okkaraak vr 


Poniatowsti, 359 


langt hatte, Er nahm bort erft den Namen Ezioled (gleichbedeutend mit To⸗ 
ſpaͤter von feiner Gemahlin den der P. an und jtarb um 1650. — 2) 
nislaus P.; Graf, geboren 1678, bes Vorigen Enkel, ſchloß ſich ſchon 
als Jüngling ber ſchwediſchen Partei am, begleitete — Karl XII. als Generals 
major auf a Flucht von Pultawa nad Oczalow und leiftete ihm ar derſel⸗ 
ben die lichſten Dienſte. Er erregte darauf, als Geſandter Karı’s in Kons 
flantinepel, den Divan gegen ben Czaͤt Peter ben Großen, welche Mühe jedoch 
TIL der Be am Pruth wieder vereitelte, den er vergebens zu Hintertreiben 
ſtrebte. Er begleitete hierauf Karl XI. nach Deutfchland, warb zum Statthalter 
von Zweibrüchen erhannt und: lebte hier mit dem —— Stanislaus Leoc⸗ 
zinsti im wertrauter Freundſchaft. Nach Karl's XI. Tode unterwarf er ſich Aus 
ML, der ihm nicht nur nach Polen zurüdzufehren erlaubte, fondern ihm auch 
Güter zurüdyab, ihn zum Großihagmeifter von Litthauen, zum —— 
Befehlöhaber der Leibgarde und Palatin von Mafovien ernannte, Nach 

8 I. Tode trat er auf bie Partei von Stanislaus Lesczinsli u. begleitete 
als die ruffich-fächfiiche Partei feine Wahl nicht zugab, nad) Danzig, wo 
er aber deſſen Sache aufgab und fi Auguft IM. umterwarf, dem er mum treu 
diente und zwei Mal, 1740 und 1741, ald Gefandter nach Paris ging, Nah 
einigen Befehhungen der Radziwil’s und Potozfi’s, Die ber König indeſſen beis 
legte, warb er 1752 Koftellan von Krakau. Epäter iu) er fi) vom Hofe zurüd 
und lebte zu Lemberg auf feinen — Er ſtarb —— —— 
marques dun seigneur polonais sur Vhistoire de Charles par ire, 
gung 1742, zugeiprieben. Im zweiter Ehe war er mit der Tochter des Prinzen 
afimir Gzartorys vermählt, und dieſe Ehe brachte ihm mit. dieſem mächtigen 
Geſchlechte in Berührung und war Miturſache, daß fein Eohn fpäter König von 
BVolen wurde. — 3) R., Stanislaus Auguft, f. Stanislaus, König von 
Isolen. — 4) B., Andreas, geboren 1736, trat in Taiferlich Bi he 
Kriegsdienfte, ſchwang ſich durch feine Tapferfeit und feine Verdie bis zum 
Range eines Feldzeugmeifterd empor und wurde 1764 in den Fürftenftand erho⸗ 
ben. Im blutigen Känıpfen 18mal verwundet, behauptete er bis zu feinem Tode, 
ber 1773 erfolgte, den Ruhm eines ber treffichften kalſerlichen Generale ; fein 
Regiment war eines ber fhönften und grübteften in ber öfterreipifhen Armee. — 
5) P., Joſeph Anton, Fürft von, Eohn des Vorigen, geboren zu Warſchau 
7. Mai 1762, wurde unter den Augen jeines Fönigliden Obeims erzogen, trat 
1779 in oͤſterreichiſche Dienfte als Lieutenant ein, war im Türfenfriege bereits 
bis zum Obeift und Arjutant des Kaiſers Joſeph M., der ihm feine Gunft 
fhenfte, geftiegen und wurde bei der Einnahme von Schabacz gefährlich verwuns 
det. Als 1789 Polen fi zu regen und eine beffere Stantsverfaffung vorzubes 
reiten begann, verließ er die öfterreiiftten Dienfte und trat in polnifge, nahm 
fih aud der Bildung der neu formirten Corps mit Eifer an. Er erhielt von 
feinem Oheime, als 1791 Rupland mit der Voten gegebenen Eonftitution nicht 
zufrieden war und mit Krieg drohte, ben Sperbefeht bes Heeres in Volhynien 
gegen bie Ruffen und befehligte daffelbe 1792—93, warb ader, da ihn ber uns 
entjchloffene König ohne Hülre ließ, langfam nad der Weichſel zurüdgedrängt 
und legte, als er bier die Nachricht von des Königs Abfall zu der Eonföderation 
von Targowice erhielt, voll Unwillen fein Commando nieder. Er reiste hierauf 
nad) Italien, kehrte aber, als er Nachricht von dem Aufftande feines Vaterlandes 
erhielt, zurüd und langte im Eommer 1794 in Warſchau an, als eben der Kös 
nig von Preußen ſich anſchickte, dieſe Etadt zu belagern. Sogleich übernahm er 
an bes nad Litthauen gejendeten Mokronowski's Etelle den Befehl über ein 
Corps in Kosciuszko's Armee, das die Schanzen linfs von Marymont befegt 
hielt. Er ward aber hier überfallen, und wäre beinahe von dem hierüber ers 
zuͤrnten Bolfe ermordet worben. Dennoch befehligte er bann wieher in Eübpreus 
sen und, nad Praga's Erftürmung durch Eumarow, an ber Pſura u. Weichkel, 
wo fein Cotpo tpeil6 fig ergab, theild auseinander ging. V. ging wm wıh 


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FEBES 


360 Poniatowski. 


Wien, feine Güter wurden aber confiscirt. 1798 kehrte er nach Warſchau zurüd 
und erhielt einen Theil derſelben von ber preußiſchen Regierung wieber. Er lebte 
nun auf feinen Gütern, befonders zu Sablonfa, das er fehr verſchoͤnerte. Hier 
blieb ex bis 1806 nady.der Schladht von Jena, wo bie Franzofen in Sübpreußen 
einrüdten. Der König von Preußen forderte ihn nun in einem eigenhändigen 
Schreiben auf, das Militär» Gouvernement von Warſchau zu üuͤbernehmen, eine 
Rationalgarbe zu organifiren und für bie Sicherheit der verlafienen Bewohner 
Polens zu forgen. In diefer Eigenfchaft empfing ee am 28. Rovember Murat 
bei Warſchau und geleitete ihn in bie Stadt. Anfangs benahm fi P. klug u. 
vorfichtig, folgte dem Aufrufe der Franzofen an die Polen nicht, rieth auch feinen 
ehemaligen Waffengefährten ab, e8 zu thun; erft die münblichen Verſicherungen 
und Berfprechungen Napoleon's gewannen ihn für Polens Sache. PB. gab 
aber vorher, indem er an ben König von Preußen ſchrieb, feine Entlaffung ein. 
Er übernahm nun das Kriegsminifterium bes neuen proviforifchen Gouvernements, 
organifitte mitten unter dem Sturme neo. Seeirged u, unter unendlichen Schwierig⸗ 
feiten eine neue polnifche Armee u. fehte es Durch, daß biefe ein eigenes Armee⸗ 
corps bildete u., ftatt der dreifarbigen franzöftfchen Cocarde, die polniſchen Ratio; 
nalfarben trug. Das Armeecorps warb zur Belagerung von Danzig verwendet u. 
hatte Hier mit manchen Schwierigfeiten u. mit dem Berbachte der Franzoſen, bie 
dem P. noch nicht ganz trauten, viel zu kaͤmpfen. Der Friede von Tilſit erfüllte 
die Ho g Polens keineswegs. Statt eines Königreich Polen warb ein 
Herzogthbum Warfchau errichtet, u. biefes Anfangs von den Franzoſen als ero⸗ 
berte Provinz behandelt. Yranzöftfche Truppen burchzogen es, ſchlechte Manns» 
zucht haltend; 24,000 Mann blieben darin fliehen, die Domainen wurden an frans 
zöftiche Generale verfhenkt, u. P.s Lage warb baher fehr peinlich. P. ſchwankte 
daher fogar in feinen Gefinnungen und neigte fi auf bie ruffifche Partei Hin 
als ihn der anfommende Marſchall Davouft wieder für die franzöflfche gewann. 
Er organifirte nun die Armee des neuen Herzogtfumes (12 Regimenter Infan— 
terie, 16 Regimenter Cavalerie, einige Compagnien Artillerie), ließ Praga undem 
Modlin befeftigen, mußte aber die fchönften Renimenter nach Spanien ſenden; 
andere lagen in Danzig u. in ben preußifchen Obderfeftungen in Garnifon. Unterm 
diefen Umftänden brach der Krieg zwifchen Oeſterreich u. Sranfreich aus und ein— 
Corps von 36,000 Mann, unter Erzherzog Ferdinand, rüftete fi, in bad Herzog 
thum Warſchau einzufallen. P. hatte, ungeachtet bed allgemeinen Aufgebotes 
nur fehr wenige Truppen (etwa 12,000 Mann) ihnen entgegenzufegen, operirte 
aber fo Hug, daß, obgleich Warfchau geräumt werden mußte, er boch bei der 
Gapitulation die vortheilhafteften Bedingungen erhielt. P. 18 ſich mın auf bas 
rechte Weichfelufer u. überfchritt die Weichiel, während der Erzherzog weiter nach 
Thorn operirte, oberhalb Warfchau, fiel in Galizien ein, regte bort bie Polen zu 
neuem Aufftande an, befebte Lemberg u. flürmte Zamosk. Der Waffenfiliftand 
feste feinem Borrüden Graͤnzen. ach befien Auffündigung unterftügten die 
Ruſſen P. gegen Oefterreich ; indefien war ihre Hülfsleiftung nicht eben lebhaft, 
da fie fürdhteten, der Aufſtand in Galizien möchte ſich auch über ruſſtſch Polen 
verbreiten. Deßhalb endete ber Feldzug nur mit Krakau's Beſetzung buch 
beide Armeen u. P. erhielt biefen Pla, ungeachtet er nach bem Buchladen bes 
Waffenftilftandes den Defterreichern eingeräumt werben follte, durch Feſtigkeit u. 
imponirende Haltung. Mit dem Frieden von Schönbrunn, ungeachtet durch den⸗ 
felben das Herzogtum Warfchau Krafau u. das nördliche Galizien erhielt, war 
P. Feineötwege zufrieden; er ſah darin einen neuen Beweis, daß Rapoleon nur 
ben eigenen Bortheil wolle, ohne auf das Heil ber polnifchen Nation Vieles zu 
geben. P. Hatte beim Schluſſe bes öfterreichifchen Feldzuges das polnifche per 
auf 17 Infanteries, 16 Eavaleries u, 2 Artillerieregimenter gebracht 5 ex verftärkte 
die Keftungen Braga, Thom, Moblin, Zamost u, Senbomir unausgefeht, und 
errichtete Militärfchulen, Artillerie und Ingenieur⸗Akademien. eg 
Inſtructionen von Rapoleon mußte er die yolniige Urmee, fiie Gomalerie ir 


— 


Pond — Pontanus. 361 


erſter, die Infanterie in zweiter Linie, an ben ruffifchen Graͤnzen aufftellen. 1811 
warb er vom Könige von Sachſen als auferordentlicher Gefandter nach Paris 
geſendet, teaf-bort-alle Vorbereitungen zu dem Fünftigen — gegen Rußland, 
eilte aber. bald nach Warſchau zurüd, um Polens Streitkräfte zu otganiſiten. 
In der That ftellte Polen zu Anfang des Krieges, die Weichfellegion umgerechnet, 
80,000 Mann, von benen aber die Hälfte unter ber übrigen frangöfifchen Armee 
vertheilt war, die andere Hälfte als 5. Corps unter P.s Befehl fand. Diefes 
Corps — Anfangs, unter — von Weſtphalen ſtehend, zu dem rechten 
frangöl Bügel: Der König von Weftphalen wollte die Schuld eines durch 
ihm mißlungenen Unternehmens, Bagration zu vernichten, auf B. fchieben, und 
ſchon war biefer im Beanifiey na Barfhau zurüczufehren, als Davouft bie 
Schulblofigfeit feine anerkannte u. num Jerome zurücgefchiett wurde, Bei Mos 
faist machte P.s Corps den rechten Flügel aus u. focht fehr tapfer, befepte auch 
Mookau. Auf dem Nüdzuge hielt P.s Corps die größte Ordnung und 
feine "ganze Artillerie zurüd. Co brachte er vo 6000 Mann nad 
au und z0g fich mit biefen und. anderen zufammengerafften Truppen fpäter 
fan — Böhmen nach Sachſen. Er erhielt num den Oberbefehl über 
Bolen u. Franzofen, mit allen Infignien eines Marfehalls von Frank⸗ 
den Titel, den er nicht annehmen wollte, zu haben, Er hatte wefents 
an bem Einfalle der Srangofen über Gabel in Böhmen, am ber 
nt Dresden u. an ben Hin: und Herzägen Napoleon’s. Am 16. Ofs 
ec vorwärts. Reipzig den Außerften rechten Flügel der Aufftellung bei 
ewig. u. Marklenberg ein ur. vertheidigte dieſe Stellung tapfer, Napoleon 
emannte ihn deßhalb zum Marfchall von Feantreih. Am 18. flug er fih 
tapfer in feiner früheren Stellung, mußte fie aber am 19, -verlaffen. Bon den 
Preußen u. Ruffen lebhaft —8 ward er durch einen "Schuß in bie Schulter 
verwindet, jog ſich durch die Gärten bei Leipgig und wollte eben, nur noch we⸗ 
nige Schritte von ben Franzofen getrennt, durch die Eifter ſchwimmen, als er 
durch einen Flintenſchuß töbtlich bleffirt ward, fich mit bem ebenfalls bieffirten 
Pferde uͤberſchlug, in bie Elfter ftürzte u. in deren Fluthen feinen Tod fand, Er 
wurde nad einigen Tagen aus dem Waſſer gezogen u. fein einbalfamirter Leich⸗ 
nam nad feinen Gütern, nachher nah Warſchau geführt u. 1816 mit Grlaubniß 
Kaiſers Aerander zu Krakau in der Gruft der Könige von Polen beigefegt. 
Bons, Jean Louis, Aftronom, geboren den 25. Dezember 1761 au Penre 
im Departement Ober-Alpen, fam 1789 an das Obfervatorium nach Marfeille, 
Deffen Borftand er fpäter wurde; 1809 wurbe er von der Herzogin von Lucca an 
Die neuerrihtete Sternwarte in Marlia berufen; bei beren Aufhebung 1815 
xmurbde er Direktor der Sternwarte in Florenz u. flarb bafelbft den 14. Dftober 
1831. — ®. war fo vertraut mit dem Anblide des Himmels, daß er bie mins 
Defte Deränberung an bemfelben auf den erften Blick erfannte; er hat ſich nament⸗ 
Lich mit der Beobachtung der Kometen befhäftigt u. deren 37, davon 23 zu Mars 
Teile, endedt. E. Buchner. 
Pont a Mouffon, Stadt im Bezirke Nancy des franzöfifchen Departements 
Meurthe, an ber WMofel, hat einige Befeftigungen, in der Nähe eine Mineralquelle, 
mehre römifche Alterthümer, darunter beſonders eine Waſſerleitung u. 7000 Eins 
voohner, welche hauptfächlih Twiſtſpinnerei, Runfelrübenzuderbereitung,, Fayence⸗ 
und Thonfabrifation betreiben. 

Pontanus, 1) Jakob, Jefuit, eigentlih Spanmüller, geb. zu Brür 
in Böhmen 1542, trat zu Prag in den Orden, lehrte 30 Jahre lange in Bayern 
Grammatik, Dichtfunft und Rhetorik u. ftarb zu Augsburg 1626. In ben alten 
Sprachen befaß er bie grünblichften Penntniffe, vorzüglich hatte er es in ber la⸗ 
teinifchen Schreibart fo weit gebracht, daß feine Särihten durchaus das Gepraͤge 
der beften römifhen Schriftfteller aus dem goldenen Zeitalter tragen: Progym- 
nasmata latinitatis, seu Dialogorum puerilium volumina quatuor, ein Ausısq 
davon wurbe lange auf Fatholifchen u. proteftantifchen Schulen den Unfüngen In 


eh 


— 


862 Ponte — Pontianus. 


der lateiniſchen Sprache vorgeleſen. Institutiones poeticae; Carmina sacra ; Co- 
moedisee; Hymni; Floridorum lib. VIII. Urberfegungen aus dem Gricch'ſchen u. 
m. a. — 2) P. Joh. Jovianus) aus Gerreto erzogtkum Spoleto, ge- 
boren 1426, ſeit 1471 Sekretair bei verſchiedenen Königen von Reapel, auch 
Vicckoͤnig von Reapel, ein berühmter Geſchichtſchreiber, befferer Redner ale Dichter, 
in feinen Sitten bäuerifch, in feinem Styl beißend u. allyufrei, wodurch er fich viel 
Haß zuzog. Außer mehren philoſophiſchen Schriften (de obedientia; de fortitu- 
dine ; de principis offıciis; de lıberalitete5 de beneficentia; de magnißicentia ; 
de spiendore etc.) hat man von ihm eine, ihres claffifchen Ausdruds wegen 
hocgeihägte Geſchichte feiner Zeit unter dem Titel Historia Neapolitane, in ſechs 

übern, worin er am umftändlichften bie Kriege Königs Ferdinand L von Neapel 
mit dem Herzog Johann von Anjou befchreibt, abgedrudt in feinen fämmtlicben 
Werten, Baiel 1556 In A Bben., und im Thes. antiquit, et hist. Ital. T. IX. 
auch befonders, theils zu Neapel 1618, Fol., theils zu Dotrecht, 1718. — 3) B. 
(Johann Ifaad), Doktor ber Medicin u. Profeffor der Phyſik u. Mathematik, 
wie auch Föniglich daͤniſcher u. ber Etaaten von Geldern H ſtoriograph, geboren 
u elfingör Dänemark, war ein Gehuͤlfe Brahe's bei feinen aftronomifchen 

rbeiten u. lehrte Phyfik u. Mathematik zu Amfterbam u. Harberwyf, wo er ben 
6. DOftober 1139 ſtarb. Man bat von ihm eine Ihäybare Ausgabe bes Mas 
erobius, Analectorum lib. Ill. s. ad Plautum, Apulejum et Sınecas etc. consurae, 
Reftod 1600, & u. mehre Hiftorifbe Werke, die fih durch Fleiß, Treue u. Eles 
ganz auszeichnen, Rerum dsnicarum lib. IX. (bis 1448), Aufl. 1631, Kol. unb 
Die Fortſetzung bis 1583 in Westphal. Monument. T. Il, Häufig faft nur Ueber» 
fegung bes Huitfeld'ſchen Werl's, aber oft auch höchft ſchaͤtzbare Verbeflerungen 
deſſelben. Hist. Geldricae lib. XIV. Harderw. 1639, Fol. Discussionum hist. L 
I. ebd. 1637. Rerum et urbis Amstelud. hist. Amſterd. 1611. Hol. mit Kupfern u. 
m. a. Gedichte ıc. 

Ponte, 1) Giacomo ba, geboren zu Baſſano 1510, daher au Baffano 
genannt, ein trefflicher italieniſcher Maler u, der Gründer ber venctianifchen Gens 
remalerdi. Man Hat von ihm geifllide und weltliche Hiſtorien, Lantichaften, 
Märkte, Geſellſchaften und Bildriffe, die mit einem außerordentlich leichten und 
kräftigen Pinſel verfertigt find. Er verlepte aber den Anftand der würbigften u. 
heiligften Darftellungen durch Thiere (Hennen und Kapen), bie er ſich nicht ent⸗ 
halten fonnte, babei anzubringen. Er ftarb in feiner Baterftabt 1592 u. Hinter; 
ließ eine zahlreiche E chule ober vielmehr Malerfamilie ; er hatte nämlich A Eöhne, 
die fämmtlihe Maler waren und von benen ihm Brancesco, 1543 — 1591, 
am nächften Fam. — 2) P. Lorenzo da, geboren 1748 zu Cenoda im Benetia- 
nifchen, fam früh nach Wien, dichtete dort mehre Oi perntirte (zu Don Juan, Figaro, 
bem Matrimonio segreto etc.), ward Dofpoet unter Joſeph IL, nach befien Tobe 
zurüdgelegt, Theaterunternehmer zu London , fpäter zu New⸗NYork und ſtarb 
bafeltft 1838. 

Ponte⸗Corvo, am Garigliano, Hauptftatt des Fürftentfums gleiches Nas 
mens in ber neapelitaniichen —*8* erra bi Lavoro, aber zur päpftlichen Dele⸗ 
gation Frofinone gehörig, ehedem von Rapeleon an Birnabotte, vorigen König 
von Schweden, verliehen, mit einem Caſtell, Bilchofsfig und 6000 Einwohnern. 
Man findet Hier mehre Infchriften aus der antiken, lange zerfiörten Stadt Inter 
amna. — In der Nähe bie neapolitanifche Stadt Aquino, Buterftadt bes Juve⸗ 
Shen bee Thomas von Aquino (f. d.), eines der Häupter ber fcholafifchen 

ologie. Ä 

Pontianus, der Heilige und WMartyrer, römifcher Papft, von Geburt ein 
Roͤmer, erwählt 230, verwaltete die Kirche etwas über 5 Jahre. Die Geſchichte 
hat uns von dieſem Papfte keine näheren Nachrichten feines Wirkens Hinterlaffen. 
Gr wurde, wie Einige wollen, unter Kaiſer Alexander Severus, ber unter 
großer Etrafe verboten haben fell, Ehrift zu werden und ein Ehri zu bleiben, 
nad Anberen vom Iyrannın Maximin auf vie Inid Sartinien verbannt , vos 


Pontifex—Pontififal- Aleidungen. 363 


y —— Tree ent an —* Ba. Be — re 
eit ‚ man glaubt, auf Veranſtaltung bes Pap jabianus, eht. 
Sein Beft wird den 19. Nov. gefeiert, 

Pontifex war bei den alten Römern ber Name bir Priefter, die fchon von 
Numa angeordnet wurden, deren anfänglich nur Einer, hernach vier, dann acht 
und im der Folge noch mehr waren, Der Vornehmfte und Aufſeher derfelden war 
der P. maximus, der das höchfte priefterliche Anſehen u. die meiften Vorrechte 
befaß. eine Wahl gefhah zuerft durch die Könige, dann durch das Collegium 
der Pontifices u. hernach (feit 104 v. Ehr.) durch das Volt. Bon Sulla erhielt 
jenes Collegium dieß Vorrecht wicher, das ihm jedoch in ber Folge abermals ges 
nommen wurde, Alle übrigen Prieſter, u. felbft die Beftalinnen (1.d.), landen unter 
biefem erften Oberpriefters ex hatte die Aufſicht über alle nd 
ten, bie — Feſte und der damit verbundenen feierlichen Gebräuche, 
pe Abfafjun; = alen ; auch — 8* 5 A 

war eine etexta und fein Hauptſchmuck, aus dem nes Op⸗ 
fertbieres werfertigt BI galerus. Auguftus übernahm als Kaiſer biefe Würde 
Kr rn feine Nachfolger befteideten fie gleichfalls, bis auf Gratianus, ber fie 
abſchaffte. 

Pontififalamt Heißt eine, von einem Biſchofe, oder ſonſt von einem Kirchen⸗ 
präfaten, wilcher fich ber biichöflichen Imfignien bedienen darf, eelebritte Heilige 
Meffe, im Beifeyn eines Eeremoniars, eines Diafons und Subdiafons u, anderer 
Geiftlichen, welche zum Dienfte des Biſchofs oder infulirten Adtes ıc. und ber 
Diakonen verwendet werden, Das P. unterfcpeidet ſich von’ einem Hocdhamte, 
welches ein gewöhnlicher Priefter abhält, darin, daß biefer nur von einem Diakon 
u. Eubdiafon, und vorfehriftsmäß'g noch von vier anderen Geiſtlichen bedient with, 
nur während bes Gloria und Credo am Faldiftorium figt, während ber Blſchof 

eich nach der erften Altar» Beräucerung bis zum Offertorium allda verbleibt, 
jatt Dominus vobiscum, Pax vobis fingt u. nach dem Ite missa est den biſchöͤfli⸗ 
hen Segen erteilt. — Der Biſchof hat, fofern er nicht durch eine gültige Urs 
ſache verhindert ift, ein P. zu halten ain Fefte der Geburt unferes Herrn, am 
Feſte der Erſcheinung, am grünen Donnerftag, am erften Dftertage, am Ehriftis 
Himmelfahrtsfefte, am erften Pfingftiiertage, an Marid umelfährt, am deſte 
des Divcefan- Patrone 2c.; übrigens find die Episfopal= Felte in ben Kirchen, Dis 
teftorien einer juden Diöcefe nach der hierüber beftehenden Obfervanz genau anges 
zeigt. — Bei jidem P. fol die Kirche feitiich ausgeſchmüͤckt ſeyn. 

Pontifikal · Dignitär if daejenige Kichenamt, welches zur Vornahme ber 
vorbehaltenen Reste der Weihe, ber Ausipendung der Saframente der Weihe u. 
Firmung , dann der verfchicdenen Confefcationen und fonftigen Pontifikalien bie 
Befugniß ertheilt. 

Pontifitale wird in der Fatholifchen Kirche dasjenige, unter päpftlicher Aus 
torität verfapte und cdirte Kirchenbuch genannt, in welbem alle liturgiichen 
Formeln und Ritus für die Räpfte und Biſchöfe rückſichtlich ber Ausfpendung 
ber hl. Saframente, insbejondere der Ficmung, der Ertheilung der hi. Weihen, der 
Eonfefration der Biichöfe, der Einweihungen der Kirchen und übrigen Pontifikal— 
verricktungen genau verzeichnet find, und wonach biefe ftets vorgenommen wers 
den mi he 
Pontififalien find diejenigen geiftlichen Verrichtungen, welche nur jene höh— 
eren Kircpenbeamten, die vermöge der Gonfekration die Pontifikalwürde erlangt 
haben, vornehmen dürfen, fo wie überhaupt auch die kirchlichen Yunftionen ber 
Biftöfe, fobald fie im feierlihen Dınate erfheinen und pontificiren, Bontififal- 
handlungen beißen. 

Pontifital« Kleidungen find diejenigen, welche den Bifchöfen allein eigen 
find, oder die aus befenderer Gnade des römifchen Stuhles auch anderen Kirchen⸗ 
Prälaten zu tragen erlaubt werden. (S. d. Art. Biſchof.) 


364 Hontifitat — Pontons, 


p ontiſikat Heißt in ber katholiſchen Kirche bie paͤpſtliche Wuͤrde. (Siehe 
apſt). 
Portimuſhe Sümpfe (Satura palus), heißen bie in einer Laͤngenausbehnung 
von 36 Miglien fübli) von Rom zwifchen Nettuno u. Terracdina, und in einer 
Breite von 6—12 Miglien zwifchen dem Sabiner » Gebirge und dem Meere ſich 
ausdehnenden WMoräfte, erzeugt buch den mangelnden Abzug ber See vor⸗ 
naͤmlich im Sommer mit ſchlechten Duͤnſten erfuͤllt, der Wohnort von Vuͤffelhecrden, 
Wildfehweinen, Hirſchen u. wilden Geflügel. Geit undenflichen Zeiten Bat man 
an ihrer Srodeniegung gearbeitet; neuerer Zeit Haben bie Päpfte Martin V., 
Sirtus V., u. Pius VI. Vieles dafür gethan; nach letzterem heißt auch ber Haupt: 
graben Linea Pia. Häufer fieht man, außer ben Pofte u. Wachthaͤuſern an ber 
Straße, nur wenige; ihre Bewohner haben ein abichredendes, fieberbleiches Aus⸗ 
ſehen, durch welches allein fie vor einem Aufenthalt in dieſer Gegend warnen, 
wo nur im Wagen zu fchlafen ſchon ſchaͤbdlich if. Die Straße iſt vortrefflich ges 
baut u, gewährt bie fchönften Ausfichten, ift aber von Zeit zu Zeit wegen Raͤu⸗ 
bereien berüdhtigt. In älteften Zeiten war biefe Gegend ein fruchtbarer Land⸗ 
ſtrich, auf welchem 23 Städte, zum Theil lacedaͤmoniſche Colonien, flanben, 
bie größtentheils während ber erften Zeiten ber roͤmiſchen Republik verfanken. 
Bergl. Adler, Nachrichten von den p. S., Altona 1783. Prony, „Description 
h a grephigue et historigue des marais Pontins“ (Pari6 1823, 4., mit 

as, %ol.) 

Dontond, oder Brückenſchiffe, find mehr ober weniger kahnartig geftal- 
tete Fahrzeuge aus Holz, Kupfer, Eifen, Blech, Segeltuch ober Leber, bie zum 
Baue ber Kriegebrüden verwendet werben u. befhalb, in befonderen Zügen, (Pon⸗ 
tontrains) vereinigt, den Armeen nachgefahren werden. Die nöthige Leichtigkeit 
bes Transports u. ber Handhabung, die erforderliche Haltbarkeit u. Sicherheit 
gegen die Einflüffe der Witterung u. endlich die verfehiedenen Arten, durch welche 
man das Tragvermögen von einer theilweiſen Zerftörung durch feinbliches euer 
unabhängig machen will, haben verſchiedene Pontonſyſteme hervorgerufen. 1) Die 
hölzernen B. haben bie Vortheile der Wohlfeilheit u. der leichtern Reparatur, 
da dieſe ohne allen Zeitverluft von jedem Pontonnier ausgeführt werden Tann. 
Dagegen find fie meift fehr ſchwer unb unbeholfen und erfordern große Trans⸗ 
portwagen — Haquets — mit zahlreiher Beipannung. Das neue Syſtem 
bes k. k. öfterreichiichen Oberfin Birago Hat mehre dieſer Nachtheile vers 
mieden, indem er bie P. aus mehren gefonberten Stüden beftehen läßt; es 
fann auch hier eine Geſchützkugel nur ſchwer den ganzen PB. zum Sinfen bringen. 
Herner Tann das Tragvermögen biefer PB. ganz dem augenblidlihen Bebarfe 
angepaßt werben, da durch die Weglaffung ber Mitteltheile die Brüde leich⸗ 
ter, aber ſchneller zu Stande fommt. — 2) Die metallenen P. beſtehen 
aus einem hölzernen @erippe, das mit Metallblech — Kupfers oder Eifenbleh — 
beichlagen if. Der innere Raum bleibt entweder hohl u. bieß ift die fchlechtefte 
Art von allen, dba das Loc einer Kanonenkugel hinreiht, den PB. finfen zu 
machen u. eine augenblidliche Reparatur unmöglich if, — ober er it mehr ober 
weniger in Fächer getheilt, die entweder einen flarfen, aber Kohlen Bord bilden, 
oder den ganzen innern Raum einnehmen. Nach erfterer Art find die en 
u, Gpanifeten P.; doch befchäftigt man fi in Frankreich lebhaft mit Verſuchen 
neuer Gonftruftion; nach ber zweiten Art bie preußifchen, nach der letztern feit 
lange ſchon bie fächfiichen u. 1824 auch die englifchen bes Ober Pasley. — 
3) Eine Abart der PB. find die Cylinder⸗P., die aus 2 hoͤlzernen, vorn u. hinten 
koniſchen, neben einander gelegten Gylindern gebildet find. Ein aufgejentee Ge⸗ 
ruͤſte dient, um fie feſt zu halten u. zu verbinden, ſowie zur Auflage bes Brüden- 
weges. Ihre Rachtheile beftehen barin, daß fie einzeln nicht zum Meberfeßen zu 
verwenden find, zufammen aber weniger Tragvermögen befigen, als ewöhnlidhe 
Fach⸗P. Gebraucht wurben fle von ber englifden Armee 1815 in Frankreich. 
— 4) Die leichteſten u. handlichſten B. find die aus Segeltuh qrierkiaen ver 


Pontonniers — Pontoppidau, 365 


en Pot n. Sie b aus einem über 
Ei ge le eiynde ha ie, 6 
— —— u. ſo iß mehre au —* einzigen 
HOCH ‚werden können. eich F ſehr leicht — u 
—— Geſchoß ke din, we ttige Reparatur in u 
— — (ungen hat. — 44 br Auszu; uhfeichen, hat man 5) 
a u, iur) ans, aus einem — Kahne von 14 
36 A art mit Korf —— iſt er, felbft voll Wajler, 
= as „Mi er — en. befigt, ie hunderte finden wir 
— ichte feiner Bahıeug je zum Ueberg, en En fe auf Schiffprüden 
dieſe Zeit Keen die —— elichen u — en in 
Br iferlichen — mehr geeignet, das übermäj jatfe 
— als — — FR — * ir nei — = — 
er annte elogrammnat verinn⸗ ſenble ak 
Mr, an — um Bietes ſchwerer wurden He B., welche Die ofert al 
eine der hollandiſchen aus Meffingblech erbauten. Zu Anı ji 
18. % — verfielen die Sachſen auf die blechernen PB. mit vielen 
allen, ee Sefeigen, tm ee mad fümere ansubcfem, onen Er 
BE Beta, nicht genügen, daher verfiel man auf die Bi —— ‚von leich⸗ 
jollte, 


hölzernen P., d icht 1000 b nicht übe 
befanden auch — an —5 Re ein man aber de ka 


daß das Tragvermögen der P. Immer nicht fo one ai als man zu 
an fo vergrößerte man bie Dimenfionen berfelben — Stk 1 
als deren man fi ie zu Tage beinahe allgemein 
diefe Art famen bie P. außer Gebrauch. 
werden diejenigen Soldaten genannt, welche zu den ©: Hi 
arbeiten ı, dem Schlagen der eu brücken verwendet werben. Diefelben 
einigen Armeen, wie B. bei den Sranzofen, ber Artillerie yugetheitt, in Ne 
an en fie eigene Eorps aus u. bilden einen Theil der Genietruppen. Schiff 
bauer, Holzarbeiter im Allgemeinen, Schiffleute u. Fifcher eignen fih am beften 
zu P. — Pontonniergekaäthſchaften ober Bruͤckengeraͤthſchaften heißen 
alle zum Schlagen einer Schiffbrücke nothwendigen Geraäthſchaften. Dahin ger 
bören: die Stredbalfen u. Einleger, die Brüdendedladen, die Anker, ober, in deren 
Ermangelung, die Anferungsförbe u. fonftigen verfenften Körper, bie verfchiedenen 
Klammern, die Niednägel, die Schrauben, die mit Eifen befchlagenen Piloten, die 
Schlegel, Hauer, Schaufeln, die verfchiedenen Hebel, die Hebgeräthichaften, das 
verfiedene Seilwerf, von ben Leinen biß zu den Anfer- u. Sparmtauen, endlich 
bie verfchiebenen Winden u. die zu den Lanbbrüden nothwendigen Hölger. 
Pontoppidan (Eri), ein berüßmter bänifher Theolog, geboren 1698 zu 
Aarhus in Jütland, wo fein Vater Stiftsprobft war, ftubi te in Ropenhagen, 
bereiste Holland u. England, befleidete feit 1723 in Dänemark mehre Meebiger: 
ftellen, wurde 1735 «Hofprediger Kopenhagen, auch 1738 auferordentlicyer 
Profeffor der Theologie auf ber Daflgen Univerfität, endlich Prokanzler u. erfter 
Profeſſor der Theologie u. farb am 20. Dezember 1765. Er befaß Fenmtnifie 
in vielen Theilen ber Wiffenfchaften u. einen reinen Eifer für nerbreitung bes 
Guten, bewies rühmliche Amtötreue u. erwarb ſich außer feinem Baterlande durch 
feine Schriften den Namen eines einfichtövollen Gelehrten. Theatrum Daniae 
veteris et modernae, ober Schauplag bes alten u. jehigen Dänemarks, Bremen, 
2 Theile, 4., hernach weit vollftändiger unter bem Titel: Danske Atlas, eller 
Kongenriget Danemark , förestillet ved en udförlig Landsbeskrivelse ved E. 
Kontoppidan, fortsat af Hans de Hofmann, Kopenhagen 1763—81, 7 Bbe. (3. 
A. Scheibe fing an, das Werk in's Deutfche zu lbafegen, es erſchien aber nur 
des 1. Bdes. Ir u. 2r Thl., Kopenhagen u. BE 1766.) — Förste Forsög 
paa Norges meturlge, Historie, Kopenh. 1752, 2 Thle. &., mit Kuplern, Vi 
it Anmerk, von 3. A. Scheibe, Kopenh. 1753, 2 Thle. cuch mai. — Nü- 


366 Pontos — Popowitſch. 


nales ecclesiae Danicae diplomatici, oder nach Ordnung ber Jahre abaefaßte u. 
mit Urkurden belegie Lirckenhiftorie bes Reiches Dänemark, Kopenh. 1741—53, 
4 Thle., 4. — Gesta et vesligia Danorum extra Daniam, Lpzg. 1740, 3 Bde., 
(eine rohe Compilation, oft aus den fchlechteften Schrigrftellern). Kraft der Wahr⸗ 
heit, den Unglauben zu befiegen, in hiftorifcken Beifpielen mander Religionsijpöts 
ter, aus dem Dänifchen uͤberſetzt, Kopenh. 1759. 

outos, Sohn des Aethers u. der, Erde, vermählt mit Thalaſſa u. durch 
dieſe Vater vieler Kinder: des Phorkys, Thaumas, Nereus, ber Polyro, Kalypſo, 
Admeto ⁊c.; ferner faſt aller Fluͤſſe u. ſ. w. 

Pontus, die ganze Südluͤſte des Pontus Euxinus (. d.); dann eine 
Landſchaft im öftlihen Theile von Kleinaſien, weſtlich an Galatien, Paphlago⸗ 
nien u. den Hilys, ſüdlich an Kappadocien, öſtlich an Kolchis u. Acmenien 
graͤnzend, mit den Städten Amiſus, Anafla, Kalura, Komana⸗Pontica, Trapezunt 
ua SB. bildete frühzeitig einen eigenen Staat, deſſen Könige Mithridates 
hießen. Mithridates IH. eroberte Kappabocien u. Paphlagonien; Mithribates IV. er: 
pie von den Römern Groß⸗Phrygien. Mitbridates VII. erhob das Rech auf 

en höchften Gipfel, woburdy er, zum eigenen Verderben, die Giferfucht ber Rö- 
mer reiste. P. wurde nach deſſen Befiegung von den Römern vertheilt u. end⸗ 
lich eine römifche Landfchaft unter Kaifer Nero. 

ontus Eurinus, f. Schwarzes Meer. 

ope (iprachverwandt mit dem lateiniſchen Papa u, mit dem altdeutfchen 
Pfaffe f. d.), Heißt ein Prieſter in der griechiichen Kirche. Seit Peter bem 
* iſt ihre hierarchiſches Syſtem, welches früher in Rußland beſtand, aufs 
gehoben. 

Pope, Alerander, berühmter engliſcher Dichter, geboren 1688 zu London, 
erhielt feine Ecziehung —— im väterlichen Haufe, wo er ſchon im 12. Jahre 
eine Ode auf die Einjamfeit verfahte. Nachahmungen u. Ueberfegungen beichäf- 
tigten ihn fortwährend; im 16. Jahre fchrieb er feine „Pastorals“, Es folgte bie 
Ode an Bäciliens Tag u. der Verſuch über Kritif (1709). Großes Yuffchen 
erregte ſchon die Elegie an eine unglüdlide Dame (1711), aber feinen Dichter 
Ruf gründete mit Recht der „Lockenraub“. Seine Ueberfegung ber Iliade fand 
ſchnellen Abfug (1715— 20). Die berühmte Epiftel von Beloife an Abälırd 
warb um Diefelbe Zeit gefchrieben. Die Poetafter griff er in mufterhaften Ber 
fen, mit Wig, oft auch mit Ungerechtigkeit in dem burlesten Heldengedicht „The 
Dunciad* an (1728). Auf Bolingbrofe’s Anlaß verfaßte er das ſchoͤne didaktiſche 
Gedicht: „Essay on Man“ (1733- 34), dann, mit mehr Geift, als Boileau, aber 
eben fo ſcharf u. in ber Form nachläßiger, Satyren. Er ftarb 1744 zu Twiden- 
ham. As Dichter ſteht er Höher, denn ale Menſch. Werke, Lond. 1841, deutſch 
von Böttner u. Delders (Lpzg. 1842). 

Popilius, ein plebejifches Sefblecht des alten Roms, aus bem insbefondere 
die Kamille der Länates befannt ifl. Zu bemerken find: Marcus P.Länas, 
Conful im Jahre Roms 396, 399, 405, 407. Ein anderes diefes Namens, Eon, 
ful 438, u. ein Dritter, Conſul 579; biefer befriegte die Liguſier. Gaius B. 
Länas, Eonful 580 u. 595, wies ben forifhen König Antiohus Epiphanes, 
ber Alerandrien belagerte, fehr bemütbigend auredht. Marcus P. Länas, 
Gonful 614. Publius PB. Laͤnas, Eonful 621. 

VPopma, eigentlih van Bopmen (Aufoniue), von Alf in Friedland, 
aus abeligem Geſchlechte, geboren 1565, als Jurift u. Philolog berühmt, ftarb 1613. 
Er fchrieb: De differentiis verborum lıb. IV. u. De usu antiquae Lectionis lib. IL 
Marb. 1653, 2pıg. 1719, Al, fehr vermehrt durch Joh. Ehr. Meſſerſchmid, Lpig. 
1769, zur lateinifähen Philologie fehr brauchbar. De ordine et usu judiciorum 
lib. II. Leuwarden 1617. Nueg. des Varro, Leyben 1601; des Ealluftius, Fren⸗ 
eder 1619, des Vellejus Paterc., ebd. 1620 u. m. a. 

Popowitſch. Johann Sigmund, einer ber vielicitigften Gelehrten bes 
vorigen Jahrhunderts, warb geboren den 9. Tebrum 1105 m Eryin, nem Decke 


«5... 


Poppaͤa — Poppo. 367 
im Kreiſe Eilfi des Her: 16. Steiermarl, Nachdem er ‚frühe feinen ‚Water 
te u fi — art a ——— REN ee ec. in 
in ‚das Gonvift zu St. Barbara. aul 
ee — Kar 2 — u, rien Studien, 


I 
ni 


* au nord Aus Liebe für feine — Studien — 
@ 3. Italien u, übern: Heimath — die 
* nee 3 in 5 Seibicheneh hol he fern. ı Nachdem er 15: Jahre 
ie 'B, bald zu. Wien gelebt, ‚entfagte = dieſem 

Im 3 er —J it He „os8 an. der neu errichieten a 


lung * er 1746 auf, —— 

Sn ac em lang die. Schwaͤmme ber dortigen Um⸗ 
ae u. Fach, Hi ni Kein, Seine 1750, erfienenen „Untere 
+ Meere" ver! —A — Scharfſinne u. jan Gelehrfamfeit 
folgte feflor der 


? — allgemeine Yneiten 17. ex. einem Rufe als 
en Sprache. u. Berebjamfe t nah Wien u. bielt hier-an der ule u, 
— Ritteralademie feine Vorleſungen. Ruͤgſichtelos ben alten Schlend⸗ 


© — — —— kn Silo nu 2 er u. Anı 
indungen, ar fun en — 
Kine rein — der —— Wien — 
ten. Aber je u. re. fiegte auch. bier, u. P. begab fi, von. ber Liebe 


I% —— feiner Schüler, fo wie Ir — — —8 ſeinen 
nach Bertholdöborf bei Wien, wo er ben 21. November 1774 — 

57 hell feines Rachlaſſes befigt bie k. Ho Pe en, worunter 
ih das | u öfterreichifch = ſtelerlſch⸗ fürn —— befindet. 
Seine b: — Meere. Frant 
fi ae An ——* Verſuch einer Teilung der 
utjchlande, Wien 1780. W.W; 
Sabina, eine zömifche Dame, die an Schönheit u. Big, ‚aber 
Fa an \ Eittenfofigfeit alle anderen ihrer Zeit übertraf. Sie feflelte ben Kaifer 
Nero durch den Zauber ihrer Unterhaltung fo an fi, daß er feine Gemahlin 
Octavia verſtieß u. fie heirathete. Ste unterhielt beftändig 500 Ejelinnen, in 
deren Milch fie zur Erhaltung ihrer Schoͤnheit fi badete, u. Die iht folgen 
mußten, wenn fie eine Reife vornahm. Sie fam durch cinen Fußtritt um's Le—⸗ 
ben, dem ihr Nero, als fie hochſchwanger war, gab, weil fie feine Neigung zum 
nn getadelt hatte. Sie wurde prächtig begraben u. Nero feldft hielt ihr 
bie Lobrebe, 

Boppe (Johann Heinrih Morig von), ein befannter technologiſcher 
u. Mugendicriftfteller, geboren 1776 zu Göttingen, wo er au fludirte und zur 
glei deſonders bie Uhrmacher- und andere Künfte praftifh fennen lernte, warb 
1804 Privardorent, 1805 Profeſſor am Gymnaſium in Frankfurt aM. und 1818 
Hofrath u. Profeffor zu Tübingen, wo er biß vor Kurzem wirfte. Er hat zuerft die 
techniſchen Wiſſenſchaften tiefer u. ausführlich behandelt u. durch feine populäre, 
Hare Darftellung vielen Nutzen verbreitet, befonders auch für die Jugendbildung. 
Seiner Schriften find fehr viele, bie wichtigften: Cneyflopädie des gefamnten 
Mafcinenweiens, 8 Bde., Leipz. 1803—27; Lehrbuch der Technologie, 2. Aufl., 
1838; Phyſikaliſcher Fugenbfreund 1, 8 Bde., 1821: Magiſcher Jugend 
freund, 3 Bbe., 1817; Aſtronomiſcher Jugendfreund, 4 Bde. 1822—23; Ges 
Ibichte ber Erfindungen u. Gntbedungen in Lünften u. Wiſſenſchaften, 4 Bde, 
1830 ; Zedmetgiihee Univerſalhandbuch, 3 Bde. 1837 — 41; Bollsgewer ho⸗ 
2 5. Aufl., 1841 —42; Praktiſche Mechanik, 1843; Populäre Phyfik, 
1842, ıc. ıc 

Poppo, Ernft Beiebriä, ein namhafter Philolog, geboren au Buben 
1794, Schüler von Hermann, Boͤch und Zumpt, wurde 1815 Privardocent in 
Leipzig, 1816 Conreftor zu Guben u. 1818 Direktor des Gymnafiums zu Krant- 
furt a. D. Man hat von Ihm, außer mehren Schuliriften, Ausgaben um 





368 Populares — Porphyr. 


Thucydides, 11 Bde., Leipz. 1821 — 40 (fein Hauptwerk); von Xenophons Cyro⸗ 
paͤdie, ebd. 1821, deſſen Anabaſis ebd. 1827, ſowie eine neue Bearbeitung ber 
Bremer'ſchen Ausgabe von Lucians Böttergeiprächen, Leipz. 1823. 

Populares, |. Optimates. 

Hopulär Heißt Alles, was dem Bolfe verftändlich u. für dieſes beftimmt ift; 
daher populäre Schriften, d. h. Volksſchriften, wobei es eine ber erfien, aber leider 
allzuwenig beachteten, Regeln ift, daß ber Berfafler zmar eine gemeinfuplihe der 
Denkfähigfeit der niederen Volfsclaffen entfpredhende Form wähle, nicht ab& zu 
der Bildungsftufe feiner Lefer Herabfteige, diefe vielmehr zu fich echebe. Im Umgange 
iſt p. fo viel als leutfelig, in bie Bolksfitte eingehend u. daher Popularität, na- 
mentlich von Kürften u. fonft in der Geſellſchaft Hochgeftellten Perſonen gebraucht, ein 
folches Benehmen, wodurch die Liebe u. Gunſt des Volkes gewonnen wird. Man 
mterfcheidet in dieſer Beziehung eine edle ‘Bopularität, wobei ber Hochgeftellie 
I Richte von feiner Würbe vergibt, von einer uneblen, bei welcher dieſe aufge: 
opfert wird. 

Poreia, eine berühmte Römerin, Tochter bes Eato von Utifa (f. b.), zu⸗ 
aft an den Bibulus, nachher an ben jüngern Beutus verheirathet, verband mit 
wiffenfchaftlichen Senntnifien ein zartes Gefühl und männliche Entfchloffenheit. 
Um zu verſuchen, ob fie das ihr anvertraute Geheimniß von ber Verſchwoͤrung 
ihres Gemahls u. anderer unzufriebener Römer gegen den Julius Caͤſar werde 
verfchweigen fönnen, auch wenn man fie Martern unterwerfe, brachte fie ſich felbft 
eine gefährliche Wunde bei. Weil fie ben Tod ihres Gemahls nicht überleben 
wollte, fol fie glühende Kohlen verfchludt haben. — Eine andere B., des Cato 
von Utika Schwefter, wirb von Cicero u. a. wegen ihrer vortrefflicden Eigen» 
ſchaften fehr gerühmt. 

Doreia, ein altes öfterreichifches Gefchlecht in Friaul, Kaͤrnthen n. Krain, 
das 1662 in den Neichsfürftenftanb erhoben wurde u. Sig u. Etimme auf bem 
Reichötage erhielt. 1698 flarb mit Franz Anton ber ältere Stamm auß. 
Gegenwärtig blüht das Haus in einer fürftlichen (deren Sig zu Spital in Kaͤrn⸗ 
then iſt) u. in mehren gräflichen Linien. Der vorige Fürkt, Alphons Gabriel, 
f. E wirklicher Geheimerrath , Oberfterblandhofmeifter der Grafſchaft Goͤrz und 
Gouverneur des öfterreichifchen Küftenlandes zu Trieſt, farb 1835. Gegenwärs- 
tiger Chef des Haufes ift fein Sohn, Alphons Seraphin, geboren 1801. 

ordenone, |. Regillo. 

Poren heißen die Ayvifgenäume eines Körpers, befonder® auf deſſen Ober- 
fläche, u. die Eigenfchaft der Körper, foldhe Zwifchenräume zu haben, Poro⸗ 
fität. — P. der Haut find die Fleinen Deffnungen ber Haut, durch welche bie 
Daare durchgehen. 

Porphyr, eine gemengte, fefte Gebirgsart, welche in einer Grundmaſſe von 
rother, grauer, btäufich-grauer ‚ feltener geben: grüner ober blauer Farbe verfchies 
bene farbige Punkte und Kleden Hat. Die Grundmaſſe befteht gewöhnlich aus 
Hornftein, Kiefelichiefer, Feldſtein, Klingflein, Grünftein ober Thonftein, und man 
unterjcheidet darnach Hornfteins, Kiefelfihiefer- PB. u. |. w. Ferner theilt man ihn 
ein: in eigentlichen oder wahren P., mit eingemengtem Felbfpath und Horns 
blende ; After⸗P., mit Kalkſpath u. Hornblende; üÜbermengten P., mit mehr ala 
en Amengungen, z. B. Feldſpath, Glimmer u. Hornblende, zuweilen auch noch 
Quarz, in einer Grundmaſſe von Thonſtein; halbgemengten oder Halb⸗P., mit - 
nur einer Beimengung, wie 3. B. der antike grüne P. von grüner, Hornfteinartis= 
ger Grundmaſſe mit eingemengtem, blaßgrünen Feldſpath. Die verfchiebenen Zu 
ammenfegungen u. Beimengungen bilden eine große Menge Arten bes P., weldes 
zum Theil fehr fchön find u. wegen ihrer Dre u. ausgezeichneten Politurfähigem 
feit ſchon in ben älteften Zeiten, wie noch jeht, zu Werken ber ſchönen Baukunſc 
u. anderen Kunftarbeiten häufig benügt wurden. Unter ben fchon den Alten be 
Fannten P.-Arten zeichnen fi) vorzüglich aus: der rot he, antife P., dunkelroth, 
mit rofenrotben Punkten, u. von allen am mern aeiärt, ter (Kan erwähnten 


Porphyrion— Porphyrius. 


369 
rüne antifeP. aus Aegopten; der ſchwarze P. ſchwarz mit weißen u. grauen 
Anker m 3 Pa berühmteften modernen V. Arten gehört ber : 
ſche, dunfel, mit " Sleden, woraus in ber königlichen Fabrik zu Elfend ahl 
im Dalarnelän vorzüglich fdöne Vaſen, Urnen, Schalen, Platten, Dofen u. 
verfertigt werben. Der P. findet ſich in. fehr — von. Frankreich, 
Stalien, a 30.5 hier namentlich im Ki Ageihe Sachſen, 
DOcfterreich, Schleſien, Thüringen, im Schwarzwalde ıc Der ſchönfie 
u. aber kommt aus dem Orient, Seiner Härte u. Dauerhaſtigkeit m 
ift ‚eines ber ‚beften Baumaterialien , befonders: zu Fundamenten, Str 
Eiffteinen, Mauerfteinen, Steinmeparbeiten. u. Straffenpflafter. Die ber 
—— eine ſchoͤne Politur annehinenden Sorten ‚werden zu arch itekto⸗ 
|, Säulen, Geſimſen, Altären, Denfmälern, Fußböden — 
au vielen Gegenſtaͤnden der Sieinſchneidelunſt verarbeitet: — Cine ed⸗ 
—— die fogenannte- Terracotta, welche 'ichfeit mit dem P. u Granit 
wirb zuweilen P. genannt. 
Porp » einer der Giganten, welche im. berühmten — gegen die 
en; dieſer, indem. er, Juno ſehend und ihre Schönheit bewundernd, 
zu gen vergaß. — Ein Anderer, ber Sohn des Erebos u. ber Nacht, 
mit dem Ebengenannten zu feyn.— dritter deſſelben Namens 
in König, noch vor Aftaeos; er fol der Venus Urania den erſten 
Tempel gebaut haben. 
hyrius, 1) der Heilige, Bifhof non —— wurde 353 in 
falonii vornehmen u, reichen Eltern geboren, bie Nichts fparten, um ihn 
längend ftatten. Er lernte fleißig u. Hatte die fhönften Ausfichten , durch 
— Reichthum eine, große Rolle zu ſpielen, ließ aber alle ber 
fi u, begab fidy in die Wüſte Seete, wo er fünf Jahre bei ben 
Einfieblern ein bußfertiges Leben führte und dann eine Grotte bei Jeruſalem, 
nahe am Jordan, bezog, deren: Feuchtigkeit feiner Gefundheit fo ſchadete, daß er 
nad) einigen Jahren eine Wohnung im Serufalem nehmen mußte, Der großen 
Schwäche ungeachtet, wanfte er an einem Stode täglich zur Kirche, wo das koſt⸗ 
bare Holz des Kreuzes Chrifti aufbewahrt wurde. Eines Tages, als: er mit 
Mühe die Stufen erflimmte, bot ihm ein Jüngling, Marcus, den Arm, P. aber 
ſchlug den Beiftand demuthövol aus u. fagte: „Ich bitte, laß mich; da ich nur 
in ber Hoffnun, eher fomme, Berzeihung meiner Sünden zu erlangen, möchte 
es nicht thunlich ſeyn, Hülfe anzunehmen. Die Mühe, mit der ich diefe Stufen 
erfteige, gewinnt mir vieleicht Gottes Barmherzigkeit“. Diefe Antwort beftimmte 
den von Bewunderung erfüllten Jüngling, ein Schüler des Heiligen zu werben 
und wir verbanfen ihm bie Lehensgeliichte feines Lehrers. Um dicke Zeit ftarben 
bie Eltern des Heiligen u. er fandte Marcus ab, das Exbtheil für ihn in Em— 
pfang zu nehmen, das er dann (4500 Goldftüde) an Kirchen, Klöfter und Arme 
vertheilte, feinen Unterhalt aber mit Zeltmachen verdiente. Marcus ſchrieb Bü— 
er ab. Der Himmel, der ihn genug geprüft erachtete, fchenkte ihm bie Geſund⸗ 
beit wunderbar auf dem Calvarienberge, während einer Bifion, wieder; ber Bir 
ſchof von Jerufalem weihte ihn 393 zum Priefter u. zum Bewahrer bes heiligen 
Kreuzes; als aber bald darauf der Hirte der Gemeinde Gaza geftorben war und 
Geiflichkeit u. Volk fich nicht einigen fonnten u. Johann, Biſchof von Caͤſarea, 
ihren Metropoliten, zu wählen baten, wählte dieſer unfern Heiligen. Weil der 
Bischof ſchwer zu dem Veriuſte u. P. zur Annahme zu bewegen waren, bediente 
fich Johann einer KiR, indem er lehteren bat, einige Zeit bei ihm zu bleiben, um 
mit ihm über einige Stellen der heil. Schrift Rüdfprache zu halten. Der Hels 
tige gehorchte, befuchte aber mit ahnungsvoller Seele noch einmal bie hl. Stätten 
u. beugte fich vor dem HI. Kreuze, feinem Schüler zurufend: „Wohlan benn, ber 
Wille des Herrn gefchehe!" Kaum hatte er Caͤſarea betreten, als er ergriffen u. 
in die Kirche gebracht wurbe, wo der Biſchof fon zum Auflegen der Hönte vers 
reit war, Während ber ganzen Feierlichkeit zerfloß V. in Ihr men, mi write 


Realencpclopäbte. VI. 


4; 


A 
Bin 


H 


on 


370 Porpora. 


lich uͤber die nicht geſuchte Wuͤrde u. nur die Gofung bes goötilichen Beiſtandes 
hielt ihn aufrecht. Uebrigens war auch ſeine kuͤnftige Stellung nicht leicht zu 
nennen, denn es lebten nur wenige Chriſten in Gaza, bie von ber Ueberzahl ber 
ftolgen Heiden gebrüdt wurden. Sein Ruf war vor ihm hergegangen und bie 
Gemeinde holte ihn freudejauchzend ein, bie Heidenpriefter erbebten vor dem ges 
waltigen Streiter de8 Herrn, ben Drafel verkündet hatten. Er war 43 Sabre 
alt beim Antritte feines Amtes, in befin Verwaltung er durch Ganftmuth Ber» 
trauen zu erlangen fuchte Cine große Dürre, bie fpäter Viele zur Belehrung 
führte, machte Anfangs fehr üblen Eindrud auf die Hungersnoth befürdhtenden 
Gemüther, bie darin ben Zorn ihres Abgottes Marnas ſahen und allen Pomp 
u Goͤtzenbeſchwichtigung vergeblich benügten. Da gebot P. einen feierlichen 
gang mit dem Kreuze, zog mit feinee Herde nach der Kirche St. Timotheus 
vor ber Stadt, fand aber die Thore bei der Zurüdkunft verichloffen und erhielt 
feinen Einlaß. Run ließ er mit noch größerer Inbrunft zu Gott beten und ber 
Barmherzige fandte plöplich einen ungeheuern Regen; bie Heiden öffneten und 
ſchrieen: „Chriftus Hat geftegt, er iſt der alleinige Gott”. Die Wunber führte 
Biele zur Taufe. Die im Heidentfume Verharrenden verfolgten bie Chriſten mın 
um fo mehr, P. aber wandte fih an Kaifer Arcadius u. den einflußreichen Jos 
kann Ehrnfoftomus u. es erfchien ein Beamter, ber die Tempel ber Goͤtzendiener 
tchließen mußte. Leider ließ dieſer fich beftechen u. ber Heilige fah ſich fo außer 
Wirkfamfeit gefeht, daB er den Metropoliten um Abberufung bat. Johann ließ 
ihn zu fich kommen, um mit ihm nach Konftantinopel zu reifen, wo fie ben Kaifer 
um Adhülfe angehen wollten. Sie famen über Rhodus, wo ber fromme Proco⸗ 
piuß, ber Einfiebler, fie ermuthigte und an bie Kaiferin Euboria zu gehen rieth, 
die nady der ihm geworbenen höhern Eingebung eines Eohned genefen würbe, 
wenn fie ihnen beiftände. Euboria u. Chryſoſtomus verfprachen ihnen Beiftend, 
u. als bie Katferin den Sohn geboren hatte, wirkte fie um fo eifriger. Arcadius 
fandte nun ben glaubendeifeigen Eynegus nad Gaza, mit dem Gebot, bie Tem⸗ 
pel zu fchließen und eine prächtige Kirche an die Stelle des Jupitertempels zu 
bauen. P. zog im Triumphe ein u. ſah von da an die Heiben, immer mehr zu 
PBaaren’ getrieben, in das Aiyl des wahren Glaubens flüchten und flarb 420, im 
67. Jahre feines Alters, den 26. Febr., an welchem Tage auch die Kirche fein 
Andenfen feiert. — 2) P. eigentlich Malchus, ein neuplatonifcher Philoſoph, 
geboren in dem Dorfe Batanea in Syrien 233 n. Ehr., hatte in feiner Jugend 
en Drigenes, dann in Athen ben Longin u. in Rom ben Plotinus zu Lehrern. 
Nachdem er ſich eine Zeit lange in Sicilien u. Karthago aufgehalten Hatte, kehrte 
er nah Rom zurüd u. lehrte dafelbft mit großem Beifall Philoſophie u. Bered⸗ 
famfeit bi8 an feinen Tod, 304 oder 305. Er befaß zwar große Kenntniſſe, nas 
mentlich in ber Aeſthetik, Mathematik, Muſik, Theurgie, Aftrologie, Geſchichte u. 
Philoſephie, allein er neigte fi auch zu Schwärmereien, zum Glauben an Er⸗ 
ſcheinungen und anderen theurgifchen Albernheiten. In ber Philoſophie war ex 
Neuplatoniker, erweiterte das Syſtem feines Lehrers Plotinus bem theoretifchen 
Theile nach und Härte einzelne Etüde bes Emanationsfuftem’s befjelben auf. “Er 
ift Verfaſſer vieler, die Grammatik, Philologie, Rhetorik, Dialektik, Matkematif 
u. Philoſophie betreffender Schriften, von denen fi aber nur 13 erhalten Haben: 
Vita Pythagorae et Plotini; De abstinentia ab esu animantium; Sententise ad 
intelligibilia ducentes (eine Art von Einleitung zu Plotin's Echriften); De an- 
tro Nympharum : Isagoge de quinque vocibus s. praedi: abilibus etc. Zuſam⸗ 
men find feine Schriften nie edirt worden; einzeln: Vita Pyıh Sententiae etc, 
de antro Nympharum, von Holftenius, Rom 1630; Vıta Pyth. von Kuͤſt er, 
Amſt. 1797. De abstin. von Rhör, Utrecht 1767. A. De antro, von Goͤns, 
ebd. 1765. Er fchrieb auch gegen bie Ehriften ein verloren gegangenes Werk in 
Fr gen. Sein Ausbrud iR gut, aber bie Wortfügung gezwungen und 


Porpora (Ricolo), ein berühmter Tomtünkler , geboren u Beakıın wm 


Porſenna — Porſon. 371 


690. machte ſich frühe durch feine Opern ⸗Compoſitionen in Jtallen, 
und England rühmlich bekannt. Im Recitativfiyle ſoll er beſonders 'meifterhaft 
yo feyn ; auch wird die beiwundernswürbige Leichtigkeit gerühmt, bie er in 

Seſang brachte, Größern Ruhm aber erwarb er ſich Durch bie von ihm 1731 
zu Neapel errichtete Singfcpule. Ihm gebührt vor ben Uebrigen ber — 
er ben Geſang für's Herz u. den richtigen Vortrag ber Worte im Recitatio‘ 
lehrt hat: Farinelliw Anton Hubert oder Wberti, waren feine berügmteften 
Schüler, Er ftarb wiſchen 1760 u. 1770. 

Porfenna, König von: Cluſtum in Etrurien, rüdte mit einem Heere vor 
Rom, um den vertriebenen Tarquinius Superbus wieber einzufegen , umd wilrde 
ohne bie that des Horatius Eocles in die Stadt eingedrungen ſelbſt ſeyn Das 
hart te Rom wurde durch die entſchloſſene Selbftverläugnung des Mucius 
Scävolad. b.) gerettet. Der König z0g ab, nachdem er Geiſein empfangen Hatte, 
u: ließ ebelmüthig feine Borräthe im Lager bem — Rom zuruck weß⸗ 
halb ber Senat hm eine Säule errichtete u. Königliche Ehrengeſchente überfandte, 
Er wurde fpäter ein treuer Fteund u. Bundesgenoffe der Römer, Nach anderen 
Berichten wurde Rom wirklich von ihm, bis auf das Kapitol, eingenommen und 
erhielt nur unter fehr harten Bedingungen ben Frieden. | 

De Richard, ein berühmter englifiper WSilolog u. Seritifer, geboren zu 
Eaft Rufton, einem Dorfe in Norfolt 1759, machte fhon als Knabe, unter der 
Leitung feines Vaters, große Kortfchritte im der Matbematif it. erhielt’ von feinem 
12; Jahre an von einem Geiftlichen Unterricht im Griechifchen und San 


m 


worin er fo fchnelle Fortſchtitte machte, daß man bald in der nanzen 
von ihm ſprach. Ee kam 1774 auf bie Schufe nad Eton, wurde 
lied des Trinity College, 1781 Gellow, 1783 Mugifter und 1791 Prord 
der iſchen Sprache zw Cambridge. Als bie fogenannte London Institution 
gi wurde, erwaͤhlte man ihn zum Bibliothekar, aber er genoß dieſe Verſor⸗ 
ig nur furze Zeit u. farb im September 1803. P. Hat ſich um bie griechi- 
‚be Literatur höchft verbient gemacht und behauptete unter ben Philologen feiner 
Zeit eine ber erften Stellen. In der Bekanntſchaft mit den griebiihen Tragi— 
fern u. dem Ariftophance, in feinem Urtheile über Manuferipte, in Allem, was fich 
auf die metrifhe Richtigfeit der dramatiſchen u. Iyrifchen Verfififation bezieht, u. 
in ben minnigfaltigen Zweigen, die mit diefem Studium verknüpft find, war er 
unter feinen Zeitgenofien vielleicht der Eıfte. Seine Kenntniß der Grammatif, fo 
wie feine Bekanntſchaft mit den alten Lexikographen u, Eiymologen war eben fo 
tief, als genau, u. feine Vertrautheit mit Shafefpeare, Ben Jonfon und anderen 
dramatiſchen Shriftftelern Hatte faum ihres Gleichen. An einer ausgebreiteten 
Bekanntſchaft mit griechiſchen und lateiniihen Schriftftellern hinderten ihn feine 
Ausfchmeifungen im Trunfe, welchem er fehr ergeben war. Seine erfte geleh:te Ars 
beit war eine neue Bearbeitung ber Hutchinfonfen Ausgabe von Kencphons 
Anabafis, bei der er mehre Manuſcripte benügte. 1790 bereicherte er eine neue 
Ausgabe ber Emendationes in Suidam et Hesychium et alins Lexicographos 
graecos, aus ber Clarendollt'ſchen Preſſe, mit fririfchen Anmerkungen. Zur Ber: 
breitung feines Ruhmes dienten zuerft Die polemifchen „Lettres to Mr. Archdea- 
con Travis“. Heyne's Virgil lich er 1793 mit einer fleinen Vorrede und etlichen 
Eonjefturen abdruden, aber diefer Abdrud ift fo vol Druckfehler, daß er in Eng- 
land ſelbſt in ſehr ſchlechtem Rufe fteht. Den meiften Ruhm erwarb ibm feine 
prachtvolle Ausgabe des Aeſchvlus, bie 1795 zu Glasgow erſchien. 1797 gab 
er bie H:cuba des Euripides heraus, ſowie deſſen Dreftes, die Vhöniffen u. Mer 
bea, wovon Schäfer einen vermehrten Abdruck beforgte, Ite Aufl., Lpz. 1824, 4 
Bde. u. London 1825. Auch hatte er Antheil an der zu Orford 1800 in 4Bbn. 
afchienenen Prachtausgabe des Homer, Miele Auffäge verſchiedenen Inhalts 
von ihm finden fi in dem Morning Chronicle. — Nach feinem Tode wur 
ben mehre fiiner Heinen Ecniften von Kidd in den „Tracis and misce- 
anecous criticismes of Rich. P.“ (®ond, 1815) und auperten, and Ken 
Er 


972 Sortal — Portalis. 


Papieren von Monk u, Blomfield „Adversaria“ (Lond. 1812, - wiederholt Leipzig 
1814), enthaltend Bemerfungen u. Emenbationen zu griechifchen Dichtern; ferner 
von Dobree „Notae in Aristophanem“ (Cambr. 1820), beßgleichen ein berichtig- 
ter Text des Leritons bes Photius (2 Bde., Lond. 1822) u. feine „Annotata ad 
——* von Gais ford in ben „Lectiones Platonicae“ (Oxf. 1820) bekannt 
gemacht. , 

Portal (vom lat. porta), in ber Baukunſt der Daupteingang in eine Kirche, 
einen Palaft, oder ein anderes großes Gebäude, gewöhnlich en u. Sims; 
werf verziert; dann in Gaͤrten ein als Eingang bienender belaubter ausgen, in 
Geſtalt einer Ehrenpforte. — Sinnig hat man dem P. im gothifcpen Lichenbau 
bie myſtiſche Bedeutung gegeben, baß baffelbe, als die höhere, in bas Schiff führende 
Hauptthüre, durch feine perfpektivifche Berengung barauf hindeute, wie bas Aeußere 
fchmal werden, zujammengehen, verfchwinden folle, um den Eingang zu bilben, 
indem das Innere ber fihtbare Hintergrund fet, zu welchem Bin ſich das Aeußere 
vertieft, wie bag Gemuͤth beim Eintreten in fich felbft als Innerlichkeit ſich ver- 
tiefen muß.” Gewöhnlich öffnet fi über dem t⸗P. in dem gothifhen 
Style ein großes Kreisrund, Rofe genannt, eine demſelben eigenthümlich anges 
hörige Form, u. wo fie fehlt, ift fie durch ein Toloffales Fenſter mit Spitzboͤgen 
erſetzt. Diefe Rofe, als überliefertes Zeichen ber Verſchwiegenheit, hat Hier wohl 
auch die Bedeutung, daß im Innern bes Tempels alles Weltliche verſtummen u. 
Hz u. Gemüth fi nur zu Bott erheben foll, 

ortalis, 1) Jean Etienne Maria, Graf von, geboren 1745 zu Bes 
auffet im Departement Bar, vor der Revolution Barlamentsadvofat zu Mir, z0g 
nach dem Ausbruche biefer 1790 von ben Geſchaͤften zurüd u. begab k ‚ 
nach kurzem Aufenthalte auf dem Lande u. zu Lyon, nach Paris, wo er als ver- 
daͤchtig feftgefegt, 1795 aber freigelafien, vom Seinedepartemente zum Rath ber 
Alten erwählt, u. deſſen Sefretär wurde. 1796 Praͤſident befielben, befämpfte 
er mit weiſer Mäßigung die Direktorialpartei u. handelte mit Rachbrud ben 
firengen Maßregeln entgegen, bie man gegen die Priefter zu treffen im Begriffe . 
war. Eben fo eifrig befämpfte er das Geſetz vom 28, April 1796, welches ben 
Abkoͤmmlingen der Emigrirten die Theilung ihrer Güter mit ber Ration auferlegte. 
Am 25. Juli 1797 fimmte er gegen die Bolkögefellichaften u. kurz barauf kam 
er auf bie Lifte derjenigen, welche das Direktorium wegen ihres freimüthigen 
Miderfpruches deportiren lafien wollte Allein er entfloh nach Holftein zu bem 
Grafen von Reventlow ; 1800 von Napoleon zurüdberufen, warb er Gouvernemento⸗ 
Commifjär des Priefengerichtes, u. noch im nämlichen Jahre Staatsrath, Mits 
alle der Rebaftion des Code civil, 1804 Minifter bes Eultus u. Großkrenz ber‘ 
hrenlegion. P., in Gefahr zu erblinden, mußte ſich 1806 einer Augenoperation 
unterwerfen, bie auch gelang, doch farb er bereits 1807 zu Paris. Er hinterließ: 
Sur l’usage et l’abus de l’esprit philosophique pendant le dixhuitiöme sidcle, 
2 Bde. Paris. — 2) PB. Joſeph Maria, Graf, Sohn des Vorigen, geboren 
1778 zu Air, kam mit feinem Vater 1793 nach Paris, machte ſich 1796 durch 
einen Aufſatz über Montesquieu befannt, verließ nach dem 18. Fructidor 1797 mit 
feinem Bater Frankreich, u. verlebte fein Exil ebenfalls auf dem Gute bes Grafen 
Reventlow, befien Nichte, eine Gräfin Hold, er fpäter heirathete. Ein Wert, 
das er um dieſe Zeit fchrieb, ward 1800 von ber Akademie zu Stodholm gekrönt. 
Er wurde 1804 nach feiner Ruͤckkehr nach Franfreih zum Geſandten beim Kur⸗ 
erztanzler bes beutichen Reiches, 1805 zum Generalſekretaͤr des Minifteriums bes 
Cultus, bald darauf zum Staatsrath u. 1810 zum Generaldireftor des Buchs 
banbels ernannt. 1811 wurde er auf 40 Stunden von Paris erilirt u. burfie 
erft 1813 dahin zurüdfchren. Als Präfident bes Gerichtshofes zu Angers bes 
willfommnete er Ludwig XVII, blieb während ber 100 Tage im Amte, war beim 
Moifeld u. wurbe nach ber Rüdfehr des Könige Staatsrath und Pair. Rad 
dem Sturze Biliele’d erhielt er 1828 das Minifterium der Juſtiz, ward aber durch 
das Polignac ſche Miniſterium wieder verdrängt. Te Ühernakn wem wither Ti 


Portament — Portiens, 373 


Präfibentenftelle des Gaffationshofes, die er ſchon feit 1819 bekleidet Hatte, und 
wurbe nach der Jultevolution von Ludwig Philipp, deſſen Dynaftie er 1 fit 
ergeben erwies, zum BVicepräfidenten ber Pairsfammer ernannt, welche er 
zur ig dieſer Sammer in Folge der Februarrevolution von 1848 bekleidete, 
Das von feinem Vater Hinterlaffene, von ihm herausgegebene Werk begleitete er 
mit einem sur Porigine, Phistoire et les progres de la littörature frang- 
aise et de la philosophie. 5 

Portament, (ital, porlamento di voce, das Tragen der Stimme), 
iſt das Tragen ober Verſchmelzen eines Tones mit einem andern, ohne alle merl- 
bare Unterbrechung, gleichfam in einem langgedehnten Hauche. Diefe überaus 
anſprechende, aber erft durch viele Hebung zu erwerbende Gingmanier N 
zugleich Stärke, Kühe, Rundung dee Töne u. ein Athemholen u rechten Zeit. 
findet der Auodruck portamento auch auf Blas- u. Bogeninſtrumente 

ven] J 
7 ift ein viereciger Schiefer» oder Marmorftein, ringsum mit Holz 

eingefaßt. An ben vier Eden fowohl, als in der Mitte, u be’ ein Kreuz 
u. in der Mitte auch eine Deffnung haben, in welde bie Reliquien bei ber 
Eonfefration von dem Biſchofe eingelegt werben fönnen, P. wird er genannt, 
weil er von einem Drte zum anbern getragen werden Tann, Jedes P. vom 
Biſchoſe confekeirt ſeyn; übrigens kann nur mit bifchöflicher Erlaubniß ein ſolches 
zum Be . er u ſ. w. gebraucht werben. 

orter, ſ. Bier, 

ortfolio war der Name einer, vom 21. November 1835 bis 27, Mat 
1837 (im Ganzen in 45 Nummern) zu London erfchienenen Zeitfchrift, welche 
wichtige Dokumente zur politifchen Zeitgefhichte, namentlich eine Reihe — 
Deyeſchen aus ben Jahren 1826—29 enthielt, an deren Aechtheit Re 
fach u. nicht ohne Grund gezweifelt wird, Das P. machte feiner Zeit großes 
Auffehen u. wurbe auch in's Franzöfifche u. Deutſche überfegt. Die Dofumente, 
welche deſſen Inhalt bilden, follen von dem Großfürften Konftantin, ber bie Ge— 
wohnheit hatte, fih von allen wichtigen Staatsfchriften u. diplomatiſchen Noten 
bes ruͤſſiſchen Kabinets Copien anfertigen zu laffen, bei feiner Flucht aus Wars 
ſchau zurüdgelaffen worben feyn. Wie fie nun weiter veröffentlicht wurden, ift 
bis jegt no& nicht ermittelt ; der englifche Geſandtſchaftsſekretar Urquard wurbe 
feiner Zeit als bei deren Veröffentlichung hauptſaͤchlich betheiligt bezeichnet. 

Portici, ein Markifleden u. tönigliches Luſtſchloß bei Neapel, am Buße des 
Veſuvs, if, fo wie das damit verbundene Dorf Refina, auf ben Trümmern von 

erculanum (f. d.), erbaut. In dem Schlofie felbft, durch beffen Hof bie 
traße von Neapel nach Salerno führt, befand ſich früher das Mufeum der 
Alterthümer ; jept fieht man bafelbft noch einige Gemälde aus ber neuen fran- 
zöfifchen Schule u. mehre antife Mofaikfußböden. Bon ben fhönen Garten: 
Anlagen aus genießt man eine Herrliche Ausſicht über ben Meerbufen von 
eapel. 

Porticuß, eigentlich jeber mit einem Dache bebedte u. an ben Seiten freie 
Ort; dann bei ben Alten cin Säulengang, eine Säulenhalle, eine an einer Ceite, 
ober an beiden Seiten offene Galerie mit einem auf Säulen ruhenden Dache, 
theils freiftehend (Periftylos), theils in Verbindung mit öffentlichen oder Privat 
gebäuben (Peripteros), u. nicht felten mit Gemälben verziert, welche bei einer 
von beiden Seiten offenen Galerie an der mitten durchzogenen Wand angebracht 
waren. in folder P. diente im Sommer als fehattiger Ort, im Regenwetter 
u pagiergängen, zu philoſophiſchen u. rhetoriſchen Unterhaltungen und Ueb⸗ 
ungen, in welchem Falle berfelbe meift von einer Seite geſchloſſen u. mit Sigen 
verjehen war. Daher bezeichnete P. auch das philofophifhe Syftem, ober bie 
philofophifche Sekte felbft vergl. Cicero, Acad. IV. 24. u. a.). Ferner wur 
dem dergleichen Hallen benügt zu Gaſtmaͤhlern für das Volk, zu Senatsfigungen 
u. ſ. m — Zuweilen nennt man in ber Bautunft P. auch eine Dobe van Kr 


374 Portluncula — Portrait. 


gen Säulen vor einem Gebaͤude, u. nach ben Pandekten gab es fogar einen P. 
im oben Stodwerfe, worauf ſich wahrſcheinlich bezieht, was von Bitrun „plu- 
teum inter superiores columnes“ ann wird. 

Portiuncula, ein Feld bei Ali, in ber Delegation Gpoleto bes Kirchen⸗ 
ſtaates; darauf eine berühmte Wallfahrtskirche des 5. Franciecus von Ai. Dieſe 
fleine Kirche war dem heiligen Franciscus von ben Benedictinern geſchenkt und 
er baute fich dabei eine Kleine Wohnung. Hier meldeten fi nun Ungählige zur 
Aufnahme in feinen Orden und bas ſchiechte Haus warb ber G sa allen 
nachmaligen Sranciecanerflöfteen. PB. hieß biefes Haus und Feld, weil es der 
Heinfte Theil ber Erbſchaft bes Heil, Franciscus war. Siehe bie Artikel Fran 
ciscaner und Franciscus. 

Port-Fadfon, ein prächtiger Hafen in ber Provinz Eumberland in Reu- 
Sids Wales, ber Raum für 1000 ber größten Schiffe bietet, gegen alle Winde 
gefichert ift, gegen 50 Buchten und einen Eingang hat, der burdy bie Kunſt bis 
auf 4 Meile verengert werben könnte. Hicher wurde 1787 die nad) Botanybay 
befimmte engliſche Verbrecher Kolonie verlegt und 1788 bie Stabt Sibney 

egründet. 
g Portland⸗Vaſe Heißt eine prächtige antike Vaſe, blau mit weißen Reliefs, 
bie unter Bapft Urban VI. (Barberini) in einem rümifchen Begräbnißgewölbe aufs 
efunden wurde, Hierauf in ben Befig des Herzegs von Portland kam, ber 
i. um 1000 Guineen faufte, und jest im biisiihen Mufeum if. 1844 wurbe 
fie von frevelhafter Hand von ihrem Poſtamente herabgeftürgt, Indefien jo fünf 
lich wieder zufammengefegt, daß man bie Berlegungen nur mit Mühe wieber er⸗ 
tennt. Bergleihe Wedgewood „Description sbreg6e du vase Barberini“ 
—— 0) und Veltheim „Ueber die Barberini⸗ſoder P.⸗V.,“ Helms 

t . 

Port-Natal, Hafen an ber füböftlichen Küfte von Afrika, noͤrdlich vom 
Capland, in neuefter Zeit der Zufluchtsort ausgewanderter ungufriebener 
bifcher Coloniften. 

Dorto, |. Oporto. 

Dorto-Belo, Stadt in ber Provinz Panama des columbifchen Departe⸗ 
ments Iſthmo; liegt ungefund am caratbifhen Deere, hat guten Hafen (entbedt 
von Columbus 1502) gededt durch mehre Forts, viele ſchlechte Gebaͤude, ſchoͤnes 
Zollhaus, mehre Kirchen u. 8000 Einwohner. Der Handel, welcher er fehr 
blühend war, weil hier die europätichen Waaren et und zu Lande nad) 
Panama geichafft wurden, ift fpäter ganz gefunfen, ſoll aber neuerdings durch 
die Anloge von Eifenbahnen wieder gehoben werden. 

Portorico oder Puerto rico, die kleinſte ber vier großen Antillen, 182 U] 
Meilen groß, mit etwa 360,000 Einwohnern (darunter 42,000 Regerfkiaven), 
eine ber Alteften Eolonien Epaniend. Die Infel erfreut fih eins im Verhälmi 
zu ben anderen Antillen gemäßigten und gejunden Klima's, zeichnet fich dur 
Fruchtbarkeit aus und kommt hinſichtlich der Raturbeichaffenheit im Allgemeinen 
ganz mit dem übrigen Weftindien überein. Beoölferung, Anbau und Handel ha⸗ 
ben ſich in der neueften Zeit hier far in dem nämlichen Verhältniß, wie auf 
Cuba, gefteigert u. P. fügrt mit Mecht den Ramen des „reihen Hafens“, bemm 
reich iſt die Ausbeute an weftindifchen Probuften, welche bie Infel liefat. Haupt: 
produfte find Zuder, Kaffee, Tabak, Reis, Baumwolle u, |. w. Die Rindvieh⸗ 
und Maulthierzucdt iſt bedeutend. Hauptftadt und erfter Handelsplatz ber Inſel, 
wie auch Sig des Generalcapitäns u. Biichofs, it San Juan be Puerto 
Rico, an der Norbfüfte gelegen, mit 35,000 Einwoßnern und einem fchönen 
gefen. Andere dangxepuge find: Aguadilla, ebenfalls an der Nordkuͤſte, San 

erman, an der Süpfüfle, nad San Juan bie wichtigfte Etadt der Infel, u. 
Moyaguez an ber Wefllüfe. Der Ausfuhrhandel der Infel wird meift von 
St. Thomas aus Dirigirt. 

Vortrait heißt die malerifche ober vlaſtiſche Abbildung einer wirklich lehen⸗ 


Port-Royal— Portsmonth. . 8395 


m , ober hiſtoriſchen Perfon, im engern Sinne ein, ohne Veränderung aus ber 
dividuellen Ratur eines Befimmten Individuums im bie Kunſt übertragenes 
Yilbniß, Die Afthetiiche Forberung iſt bier, daß ein P. Charaklerbild fei und, 
ei aller fpeziellen Aehnlichkeit, ein ebled Gepräge von jener, das Befondere im 
Ugenieinen wieberfpiegelnden, Wahrheit und von dee höheren Freiheit u. Kraft 
r ganzen Geftalt an fi trage, oder mit anderen Worten, baf bie Charakters 
ichnung bes P.s in einem durch den. Geift verarbeiteten Gefichte beftehe Daher 
llen nur e des Selbfiftändigen, Ausgezeichneten und Eigenthümlichen, ber 
wſiognomiſche, jedem Zuge feine Bedeutung gebende Ausbrud,nicht aber Heine 
atftellungen, wenn fie nicht ſchlechterdings zum Charakter der Phnfiognomie 
hören, beſonders bei weichen und zarten weiblichen Geſichtern, in bie Kunfi⸗ 
zftellüng übergehen. Obgleich der PB.» Maler «6 am ——— mit dem wah⸗ 

Ideal der Eunſt zu thun Hat, fo nimmt doch dieſes Fach Feine untergeorbnete 
telle in der Malerei ein, ſchlieht ſich vielmehr der Gefhichtömalerei .(f.d.) 
und erfordert, indem. es alle. Schwierigkeiten und. alle glänzenden Verdienſit 
Malerkunſt vereinigt, nicht mur eine allgemeine, fondern auch eine beſondere 
jehende Wahrheit, Die weder einen Typus, noch ein conventionelles Berfahren 
id Manier zuläßt und geftattet. Im P.⸗Malen ausgezeichnet waren. bei ben 
riechen ſchon: Apelles, etwa 330 dv. Chr. , neben welchem Protogenes genannt 
ied. Später foll Giotto, Cimabue's Schüler, geboren. 1276, geftorben 1336, 
erſt P.s in feine Werke eingeführt haben, um: in ben Bügen feiner Köpfe Leben 
ib — des Ausdrucks zu vermehren, Beſt lmmt aber fommt ums 
> den He — —— — — — — aus 
rag und Wur aus afburg , jen von Giotto, herrüßren, 
Seal bas Bildniß Karls IV., einer Gemastin und feines. Sohnes vor, obs 
eich wirklich nad Naturftudien ausgeführte Köpfe und Bildniſſe in Gemälden 
ſt 100 Jahre fpäter erfcheinen. Große PB.» Maler waren: ; Velasqugg, 
embrandt , Van Dyt. 

Port-Royal, ein Eifterztenferfrauenflofter bei Paris, 1233 geftiftet u. beſon⸗ 
ts als Mittelpunft ber junfeniftiichen Umtriebe (f. Janfenius u. Janfents 
:n) befannt geworden. Die Aebiiſſin dejielben, Angelica Arnaulbd, war von 
m Abte Duvergier von St. Eyran gebildet worden und dieß wurde die Veran— 
fung, daß die Frauen dieſes Kleſters, die fonft wegen ihrer wahren Krömmig- 
it in allgemeine Achtung ftanden, fi mit den Häuptern der Janfeniften ver- 
ınden, deren mehre fi fogar im der Nähe dis Kloſters anfiedelten. Hiedurch 
6 fih Papſt Alcxander VII genöthigt, Die Bulle feines Borgängers Innocenz X. 
um occasione“ dur eine neue „Ad sacram“ zu beftätigen und auf Anfuchen 
e franzoͤſiſchen Biſchöfe 1665 ein Formular nad Frankreich zu ſchicken, welches 
2 gefammte Geiftlihfeit ohne Zweideutigleit unterſchreiben follte. Auf Berans 
Hung des Erzbiſchofes von Paris ſchrieb Boſſuet eigens an die Klofterfrauen 
n PR. und ermahnte fie zum Gchorfam. Während nun die Geiſtlichkeit das 
»xmular des Papſtes unterfchrieb, leifteten die Klofterfrauen von P.-R. entweder 
iw eine befchränfte Unterjchrift, oder verweigerten fie auch gaͤnzlich, was fie ins 
fien ſchwer büßen mußten, indem ihre Widerfeglichfeit die Aufhebung u. völlige 
ftörung des Klofters durch die Parifer Polizei im Jahre 1709 zur Folge hatte. 

Portsmouth, flark beicftigte Seeſtadt und größter u. ficherfter Kriegshafen 
iglands, im der Grafſchaft Hamp, auf ber, dur einen ſchmalen Meeresarm 
m feften Sande getrennten, Iniel Vorthea im Canal und eigentlih aus zwei 
ıäbten, PB. u. Porthea, mit zufammen 60,000 Einwohnern, beftebend. Außer 
ı Dods für Kauffahrer (darunter feit 1845 ein großer Dot für Dampficiffe) 
det man hier die bemundernswürbigften Schiffswerfte, mit ihren Magazinen 
e Sciffe- und Kriegsvorraͤthe, die größten in der Welt, wezu noch das unges 
uere Arfenal mit allen Werfftätten zum Bau von Kriegsigiffen und zur Aus- 
ftung einer Flotte gehört, fo daß übırhaupt ber Hafen von P. die Hauptftation 
e britijcpen Seemacht if. Richt unbebeutend ift auch der Kandel dee Wocch 


m 


3 


376 Portugal, 


Portugal. Geographie u, Statiftil. P. liegt zwiſchen bem 8° 15'— 
11° 20° öftl. Länge u. 36° 56‘—42° 7° nördl, Breite, im Rorden u. Oftar von 
Spanien, im Süben u. Weſten vom atlantiſchen Meere eingeſchloſſen. “Der yortu: 
gieſiſche Staat befteht aus dem Königreihe P. mit ben 5 Provinzen: Eſtrama⸗ 
dura, Beira, Minho, Iras 06 Montes, Alemteio und dem Königreiche Algarve, 
Außerhalb Europa befist P. noch an Eolonien: in Aſien das Gouvernement Dili 
auf Timor u. das Gouvernemeut Macao, in Afrika die Infel Mabelra, bie 
Azoren, Cap Berd, die Guineas⸗Inſeln, die Gouvernemente Angola u. Mezam⸗ 
bique. — Die höchften Gebirge P.s, welches überhaupt bergig, fleinig u. fanbi 
ift, ziehen fämmtlidhe von Spanien herüber: Serra d'Eſtrella (Pinhel 7200 Sub 
yo), Serra de Montezinho (bis zu 6—7000 Fuß, mehre Monate mit Schnee 
edeckt), Serra be Suazo (Gaviarra 7400 Fuß hoch), die Serras de Monchii⸗ 
que (bis nahe 4000 Fuß) u. Ealbeiraro in Algarve. Häufige Erberfch en 
u. viele mineralifhe Quellen, aber Feine Vulkane. Unter den Dergebiegen iſt Das 
bie fübweftliche Epige bildende ©. Bincent merfwürbig durch feine meilenhohen 

öhen. Ylüffe: Minho, noͤrdlicher Graͤnzfluß gegen Epanien, Douro (in Spanien 
uero), Mondego (bis Coimbra (Biffbar, welcher ber einzige. Fluß, der nicht 
aus Spanien kommt), Tejo (mit bedeutenden Hebenflüffen). Mehre Küftenflüffe. 
Der merfwürdigfte See auf dem Eftxella, der Lago esareo, bunfle See, mit bes 
beutendbem Abfluffe, SR ohne ſichtbare Zuflüffee Der Flaͤchenraum von ganz 
P. beträgt 1933 . u. die größte Provinz iſt Alemtejo. Algarve hat 
130 . Die afiatiſchen Eolonien enthalten 312, die afrifanifchen 868 
— Das Klima iſt ſehr milde Der Fruͤhling beginnt im Kebruar, Seewinde 
mäßigen bie Site bes Sommers. In Liffabon ifl ie größte ige gewöhnlich im 
September, 20 bis 230 R. Der Winter ift cher ſtuͤrmiſch u. vegnerifch, als kalt. 
Schnee fällt nur in den hohen Gebirgsgegenden. Naturerzeugniſſe: bie 
Gebirge find, ficheren Anzeichen nach, rei an Mineralien, aber ber Bergbau iſt 
aͤnzlich vernachlaͤßigt; die überaus reihen Eifengruben find im gaͤnzlichen Zer⸗ 
Elle; Marmor, Thon u. Töpfererbe; etwas Goldfand. Zwei Steinkohlenberg- 
werke, Sees u. Quellſalz in Menge, als Ausfuhrartifel. Vorzüglich viele Schwefel: 
bäder mit hohem Wärmegrade. Die Vegetation ift üppig, aber ber Aderbau vers 
nachlaͤßigt; Mais in den nördlichen Provinzen, Reis in Beira und Alemtejo, 
Wein in Tras 08 Montes (Portwein), Eftremabura (Muscat), Kaſtanien, Oliven, 
Feigen, Orangen, Datteln, Johannisbrod, Mandeln, Piſtazien, Waflermelonen, 
Citronen, diefe u, Drangen felbft auf den Bergen; Korfeichen, andere immer grüne 
Eichen mit efbaren Früchten; amerifanifche Aloe in Hecken. Hie u. da großer 
Holzmangel. Pferdezucht, bis auf das Geftüt gu Evora, und Hornvieh⸗ 
zucht gänzlich vernadhläßigt, bei bem fchlechten Zuftande ber Weiden. Efel und 
Maulefel, zum Theil groß u. fchön, in Menge, ebenfo Ziegen; Schafe in runder 
a 700,000 Stüd, in Alemtejo den Merinos aͤhnlich. An Wildpret Dams 
hir ſche, wilde Schweine, Hafen u. Argalis oder wilde Schafe in ben nörblichften 
Gebirgen gegen Spanien. Fiſche in großem Weberfluße u. in Mannigfaltigkeit. 
Seide in Tras 08 Montes, gute Bienenzucht. Die Portugiefen find mit den 
Spaniern faft von einem Stamme, u. haben ihre eigene, aber dem Spanifchen 
ſehr verwandte Sprache. Biele vormals heimliche, feit 1820 gebulbete Juden, 
u. frei geivorbene Neger u. Mulatten. Die Einwohnerzahl P.s beträgt 3,800000, 
mit Inbegriff der außereuropäifchen Befldungen etwas über 5 Millionen; bie 
rößte Einwohnerzahl hat die Provinz Beira, bie bevölfertfie It Minho, wo 10 
Ral mehr Menihen auf der [] M. leben, als in Alemtejo; das ganze Land 
fönnte viermal mehr Einwohner ernähren. Etädte zählt P. nur 21, mit den 
Azoren 24; die bevöltertfie iſt die Hauptflabt Liffabon (Eftremabura) mit 260,000 
ohnern; fodann kommen: Porto (Minho) mit 70,000 Einwohnern, Coimbra 
(Beira) mit 15,200 Einwohnern u. f. — Zu Uffabon Fabriken aller Art, Gewehr⸗, 
Bichs, Gold» u. Silbers, Fayences Fabriken, auch ein aber fencollegiu ,‚ aber 
wenig wirkend. Baumwollmweberei in ben wärblichen {naen. & 


2 
Hi 
8 
El 
is 
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Tabak ift in Liffabon u. Porto auf R verpachtet 
Millionen Sud. Sukerebereen in Fr a ni 
Eonfitimen in Liffabon, Porto, Coimbra, Handel meift See, weil, 
Spanien, die Verkehrswege —— (ner m nem Zuftande ———— 
laͤßi⸗ befinden. Ausfuhr: für mehr ale 15 

Sn, ddl Orkan. Quind sn he Son 
Hanbelög: betrieben wirb; er wird vor; fe nach —— 
Srangen u. Citronen (¶ Million Gulden), Dliven A lden), Kork, 
Sumad, Wolle (4 Milllon Gulden, darumter j ſpaniſche), —— 

era — — 5— nun —* Ber, — ke 


ur gg en — ee neben, on, 
il, Once, Kar gen une für den — Pa 
Be Ib: Reis —— aluta), deren 6 — 1Krayer ; 
der Milteis 1000: —S jegt 3 Gulden; Cruſaben = 480 330 9 12 
Be Reis; auch 


— 


— 


⏑ 
ictelt iR der a e6 u Alben, mit 9 unter ihm Rebenen a De 


jerbem noch 1 
unter dem heil, fehende Bifhöfe. Im Jahre 1638 534 fter 1. war 
= —— Mönche, 132 für Frauen, mit 8592 Individuen und ee 
Einfühften, 1 Dilion Seanten an Raturaleinfin en 

alle engere aufgehoben, wodurch ſich die Zahl der —* en, bie Im 
önden u. Nonnen 29,700° Inbipibuen betrug, um 5600 —— 
öffentien Unterricht beforgen 833 Elementar⸗, 322 lateinifche Schulen mit 
einer Schülerzahl von etwa 22,000. Afademien der Wiffenfchaften zu Liffaben 
u. Thomar; Univerfität zu Coimbra (1820 1600 Studenten, 84 Profefforen), die 
früßer beftandenen Lehrftühle für Medizin in Liffaben u. Oporto find jept aufge 
hoben; Afademien der Marine und des Handels zu Porto und Liſſabon. Kunft- 
ſchulen zu Liſſabon. Königliche Bibliothek (80,000 Bände) zu Liffabon. Univers 
fitätebibliothef (38,000 Wände) zu Coimbra; mehre gefhägte Klofterbibliothefen ; 
5 Sternwarten; botanifcher Garten zu Coimbra (der zu Liſſabon ift aufgegeben) ; 
Buchdrudereien beftanden noch vor wenigen Jahren nur zu Liffabon, Porto, 
Coimbra, die 1805—1819 durchſchnittlich jährlih 95 Werke lieferten. — Die 
Staatsverfaffung ift die conftitutionelle Monarchie. Die volljiehende Gewalt 
hat der Monarch. Die gefepgebende Gewalt übt ber Monarch gemeinschaftlich 
mit ben Cortes, welhe aus der PBairs- u. Deputirtenfammer beftehen. Auf 
25,000 Seelen ein Deputirter, alfo für P. 121, wozu noch 20 für bie außer 
europäifchen Befigungen fommen. Die Erbfolge ift in gerabe abfteigenber männs 
licher u. weiblicher Linie (cognatifhe Lineal» Succeffion). Titel: König ober 
Königin ber vereinigten Königreiche Portugal, Brafilien u. beider Algarven, mit 
dem Praͤdikate „allergetreuefte Majefät“. Der Kronprinz ift Herzog von Braganza, 
beffen ältefter Sohn Prinz von Beira. — Die gewöhnlichen Staatsausgaben er 
heben fi) auf 11,156 contos de reis jährlich, alfo auf etwa 17 Millionen Thaler; 
die Einnahmen betragen 9841 contos, noch nicht 15 Millionen Thaler, alſo ein 
jährliches Defizit von 2 Millionen Thaler, Unter biefen Umftänden nimmt bie 
Staatsfchuld ftets zu u. ein Staatsbanferot if zu befürchten. Das portugiefiiche 
Finanzioftem befteht lediglich im Anleihen maden. Die inländifhe Schuld beträgt 
32,708 contos de reis, etwa 50 Millionen Thaler und trägt Intereſſen von 
24 Millionen Thaler. Die ausländifche beträgt über 70 Millionen Thaler, 
mit 35 Millionen jährlichen Zinfen. Dies fi blos die conielitiete St, 


Er 


378 Portugal, 


Dazu kommt nun noch bie nicht confolibirte Schuld, befichend aus ben Obliga⸗ 
tionen einer Menge einer Anleihen aus ber Zeit vor ber Thronerhebung Donna 
Maria’s, aus unglaublichen Rüdftänden an Sold, Penfionen und Behalten, bie 
man 1841 ale Schuld capitalifirt hat. Bon ber ausländifchen confolidirten 
Schuld zahlt P. nah einem in London getroffenen Uebereinfommen die Hälfte 
ber Intereſſen, bie zweite Hälfte foll fpäter abgetragen werben, und biefe von 
Termin zu Termin ſich anhäufenden Interefien bilden eine Art von fhwebender 
Schuld. Die Armee beträgt nach ben offiziellen Angaben 29,000 Mann, hebt 
fih aber in Wahrheit blos auf 18,000 Mann Yußvolf und 1800 Reiter. Die 
Dauptfeftung, iſt Clvas. Bon ber ganzen, früher fo mächtigen, Marine iR Nichte 
geblieben, als. zwei Linienfchiffe mit 80 Kanonen und 37 andere Fahrzeuge von 
verfchiebener Größe, die, nebft einem Dampfichiffe u. ben beiden Lintenfchiffen, zu⸗ 
fammen 944 Geſchuͤtze führen. Diefe Streitkräfte verfchlingen, rechnet man bie 
Zinfen dee Staatsſchuld Hinzu, die nanze Staatseinahme; bie Civilliſte, weldhe 
1822 2,640,000 fl. betrug, ift auf 480,000 fl. herabgeſetzt; von berfelben erließ 
die Königin für das Jahr 1847 zur Erleichterung des Gtaates ein bedeutendes, 
Ritterorden: 1) Der Thurms und Gchwertorden, geftiftet 1459, erneuert 1808. 
2) Der Jfabellenorden, geftiftet 1804. Damenorben. 3) Dee Ehriftusorden, geſtiftet 
1319. 4) St. Jago⸗Orden. 5) Der Orben db. 5. Benebitt v. Aviz, beide 
aus dem 12. Jahrhunderte, und 6) ber bei Gelegenheit der Hulbigung 1818 zu 
Rio Janeiro geftiftete Militärorben der kl. Jungfrau von Billa Bizofa, auch ber 
Orden unferer lieben Frau von ber unbefledten Empfängniß genannt. “Der Abel 
zerfällt in Titulados, Hohherr, u. Hidalgos, niederer Adel, letzterer meiſtens fehr vers 
— Klerus, Bürger und Bauern find durch bie Conſtitution vor dem 
efepe gleich. 

Geſchichte: Der Name des von den Römern Lusiana genannten Lande, 
das mehre Jahrhunderte hindurch mit Spanien einerlei Schidfale Hatte, wirb vom 
Hafen (Porto) von ale, an der Mündung des Duero, abgeleitet. König Al 
phons Vi. von Gaflilien machte (um 1100) feinen Schwiegerfohn, den Grafen Heim 
ri von Burgund, Urenfel Hugo Eapet’s, zum erblichen Statthalter bes noͤrd⸗ 
lichen Iheiles biefes Landes. Sein Eohn, Alphons I., der fein Reich durch Er⸗ 
oberungen der Araber bis Alemtejo ausbehnte, warb nach bem Siege bei Urique 
(1139) zum zönige ausgerufen und von dem Papſte in biefer Würbe befätigt. 
Um feinen neuen Staat gegen bie Könige von Leon und Eaftilien zu behaupten, 
welche die Umabhängigfei deſſelben befiriiten, befannte er fiy (1142) zum zins⸗ 
baren Bajallen des hi. Stuhles. Diefes Berkättniß fuchten feine Nachfolger, bie 
nach u. nach auch Algarve eroberten, wieder aufzulöfen; bieies gelang erſt Dionys 
dem Gerechten (1279—1325), ber den Uderbau und die Schifffahrt beförberte 
und 1290 bie Univerfität zu Liſſaben ftiftete, welche 1308 nach Eoimbra verlegt 
wurde, Mit König Ferdinand dem Artigen (1383) ſtarb der Adhte burs 
gundice Mannsſtamm aus, Diefer Kürft hatte feine einzige uneheliche Tochter 

eatrir mit Johann L, König von Caftilien, vermählt u. dieſem die Thron, 
[ige in Portugal zugefichert. Allein fein natürlidyer Bruder, Don Juan, ben 

biheu der Portugiejen vor ber caftilianifchen Herrfchaft benügend , bemädhtigte 
fi) des Thrones und behauptete fi) auf bemfelben durch den Sieg bei Aljuba- 
rotta (14. Auguft 1385) über die Caſtilianer und die mit ihnen verbünbdeten Fran⸗ 
zofen. Mit diefem Johann I. begann bie unächte burgundiſche Dynaftie, von 
1385 — 1580, weldyer Portugal feine größten Monarhen und hoͤchſte Blüt 
verdankt. 1415 rüftete er eine Flotte gegen bie afrikanifchen Mauren, landete 
Ceuta und flug in der bdortigen großen Mofchee feine drei Söhne zu Rittern. 
Dieler erfle Berhud erwedte ber Portugiefen Neigung zur Echifffahrt u, zu See 
abentheuern. Iohann’s zweiter Eon, Don Heinrich, mit bedeutenden mas 
thematifchen und nautifchen Kenntnifien ausgeftattet, trug Bauptfächlich hiezu bei. 
Unter feiner Leitung wurden (1418 — 1452) Madeira, die canarifchen, azorifchen, 
sapoerbiichen Infeln und bie Küfte von Guinea entbedt, Unter Johann IL 


Portugal, * 379 
1—1495), dem 4, Könige aus biefem Haufe, fand’ Bartolommeo Diaz 
16) das Borgebirge ber ‚Heffnung. Johann —— großen 
IL feiner Borredhte, unt: ‚te firenge eine deßbalb ausgebrodh: 
befeftigte hiedurch das koͤnigliche Anſehen. Unter feinem: Nachfolger Emas 
dem Großen (1495 — 1521) u. deſſen Sohn, Fohann IL (1521.— 
feierte ‘Portugal feine glängenbfte Epoche. Basco de Gama fand 1597 
nad Oftindien, wofelbft nun bie ‘Bortugiefen jenes mächtige Reich 
deten, die Namen eines Albuguerque, Almeida, Abunna,Sik 
Ya und be Eaftro in der Geſchichte unſterblich gemacht hat. Ste famen 
rad Ehina und Japan , entdedten und behaupteten die Molutten, 1500 
Cabral Brafilien, welhes Amerigo Belpuwcei befepte. Gin — 
lange waren bie Portugieſen die erſie ſeefahrende Nation in Europa. Unter 
ann Il, kamen auch die erften Jeſulten, vom Könige berufen, um in Indien 
Arlen, nach ‘Portugal, nämlich Rodeiquez u. gm Zaver. | Die beiden Bär 
pirkten fegensreih auf den verweichlichten Hof-und die üppige Hauptftabt, 
ber König nun auf dringende Vorftellungen des Cardinal Heinrich fich ente 
St, Kaver nach Indien zu entlafien, beffen Apoſtel er wird, Roͤdrigu 
tin Liſſabon ein Co) m. Während aber aller Reichthum nad) 
ıte und deffen Handel blüßte, entvölferten dag Kleine. Land, die ausw. 
ditionen u. Kriege,  'Sebafttan (1557 — 1578) opferte fein Leben in einem 
nuge gegen Maroffo. ‚Sein; Grofoheim u. Nachfolger , der Gardinal Hein 
r Mar 1580 ohne Erben, worauf PHilipp/ll von ien, als ber 
n Tochter Emanuel’s, Portugal in Befig nahm, wodurch deſſen Bıüthe 
t ward, Bisher Hatten die Portugiefen ſich in. dem ausichließlichen Hark 
oſtindiſchen Waaren, befonders, mit Gewürzen, behauptet und bie Holländer 
m in Portugal geholt, um, fie im nörblichen ** abzufegen. Da 
Al, vefdaft hat, 0 Brie Q min MpLULyp, nen an Han 
verfha je ſo ie nun PP, ‚ihnen: allen 
Portugal zu verbieten, was fie förmlich nöthigte, ben Seeweg nad) Oftinbien 
15) jelbft zu fuchen, um ihre Waaren an der Quelle zu holen; Bald hatten 
nach deren Befiegung bei Bantam (1601), die Portugieſen aus ihren meiften 
Hungen auf den Moluffen vertricben und Batavia gegründet; nicht lange 
ee «8 und Portugal mußte auch Brafilien, feine Niederlaffungen auf_ ber 
dlüfte an Holland abtreten, wie bafjelte auch die bisher Portugal zu Theil 
denen Handelövortheile auf Japan an fi zu ziehen wußte. Diefe ſchmerz⸗ 
2 Verlufie, welde der fpanifhe Hof gleichgültig mit anjah, feine Verſchwen⸗ 
der potugiefifhen Prondomänen, die Entfernung bes portugiefiſchen Adels 
den Etnatsamtern u, die drüdendften Auflagen, brachten endlich die, die Spa⸗ 
ohnehin bitter Haffenden Portugiefen dazu, das ſpaniſche Joch unter ihrem 
en caftilianijben Könige CB hilippIV.) wieder abzufgütteln. 1640 erlangte 
ugal feine Gelbftftändigfeit wicder und erhob in der Perſon Johann’s IV. 
s Urenkels Eduard’S, jüngften Bruder ber Könige Johann II. und 
nei) das Haus Braganza auf ben Thron. Nah einem 2Bjährigen 
ge war Portugal’ Unabhaͤngigkeit (1668) durch England's und Frankreich's 
tand entſchieden. Zwar nahmen die Hollinder inzwifchen noch bie portugies 
en Niederlaſſungen auf Eeylon, behielten au in dem Frieden von Haag 
39) alle ihre Eroberungen in Dftindien, doch entriß ihmen cine Empörung 
filien wieder. Alpbong VI, ber zweite Braganza, unter dem dich gefchah, 
de auf die Veranlaſſung feiner nächften Anverwandten (1667) abaefegt. Pes 
I. (+ 1706) nahm fiegreih, aber nutzlos, am fpanifchen Erbfolgekriege Theil, 
engliſche Geſandte Methuen beridete ihn (1403) zu einem ber portugiefls 
? Induftrie nachtheiligen Hanbesvertrage, welder ominöfe Methuen: Vertrag 
1834 in einen proviforifpen verwandelt ward. Johann V. (+ 1750), Stifs 
d18 Patriarchats zu Lifjabon und Erbauer des prächtigen Mafra, war gegen 
e feines Lebens in einen Zuftand von Schwäche verfallen, wen er tie Ni 


380 u Portugal, 


el des Staates feinem Beichtuater, P. Baspar, aus dem Branciscanerorben, 
berließ, unter befien Minifterium ſich zahlreiche Mißbraͤuche in bie Berwaltung 
eingeſchlichen Hatten, Diefe Misbräuche abzufchaffen, hatte ber Minifter feines 
Nachfolgers Joſeph Emanuel ct 177), Sebaftian von Carvalho, 
Marquis von Pombal, befonders im Auge, fo wie man auch anerfennen muß, 
daß biefer, durch bie Gunſt der Sefuiten emporgefommene, Staatsmann bie 
zig der Regierung kraͤftig führte, Gewerbe, Handel, Wiſſenſchaften und 
ünfte durch zwedmäßige Maßregeln hob; was er aber in materieller Be- 
ziehung leitete, ‚gi lange nicht das Unheil aus, bas er in religiöfer Beziehung 
duch feine nihillſtiſche Richtung, in ber er einem Ehoifeul und d'Avanha 
voranleuchtete, ftiftete. Auf's Grauſamſte verjagte er bie Jefuiten aus dem 
Lande (1758) und brach durch blutige Hinrichtungen für unerwielene Verſchwoͤr⸗ 
ungsverfucye die Macht der erften Bamilien bes Landes, die dem Emporkömmling 
ich nicht hold waren. Er fohredte vor Nichts zurüd, nicht vor Faͤlſchungen 
päpftlicher Erlaſſe, nicht einmal vor bem fürchterlichen Ereigniffe, dem Erdbeben 
von Liffabon (1755), das feinen Muth, wie feine Regierungss u. Organiſations⸗ 
funkt, auf eine große unb in der That wohlbeflandene Probe ftellte. Unter Mit 
wirkung bes Grafen von Schaumburg-Lippe Hob er das ganz gefunfene Kriegs: 
und Seeweien dargeftellt, daß Portugal feine Freundſchaft mit England gegen 
bie Angriffe eines banifsfrangöflfcher Truppencorps (1762) mit Nachdruck vers 
Den ar onnte. Pombal endete in Ungnade u. Berbanmung. Auf den ſchwa⸗ 
en weiblichen Joſeph folgte beffien Tochter Maria Branzidca, Die ihren 
Gemahl und Batersbruder (PBebro IV., geftorb. 1786) zum Mitregenten wählte. 
Ihres Blödfinnes wegen übernahm ihr Sohn Johann die Staatsverwaltung. 
Diefer wurde, auf Frankreich's Antrieb, von Spanien unter Karl IV. beftiegt, 
weil ex feiner Freundſchaft für bie Engländer nicht entfagen wollte. 1807 fah er 
fi Fa vor ben Franzoſen nach Brafilien zu fliehen. Zwar wurde P. 
durch Hülfe der Engländer bereitö wieder 1808 von franzöfifcher Herrfchaft bes 
freit, allein Johann VI, feit dem Tobe feiner Mutter (1816) König, verfchob 
die Rüdfehr nah PB. Der Einfluß der Engländer auf bie Verwaltung bes ver: 
waisten Landes erwedte bas ipvergnigen ber Ration,, fo bag auf Betreiben 
einer herrfchfüchtigen Partei Anfangs 1821 eine Empörung ausbrach, welche un; 
ter dem Borgeben, die Rechte der herrfchenden Dynaftie zu vertheidigen und bie 
Engländer von aller direkten Leitung ber Etaatsangelegenheiten zu entfernen, bie 
foniglihe Macht auf das Engfte beichränfte Die im Juni 1821 erfolgte Rüd: 
fehr des Könige Fam nun „zu fpät* und fo trat ber für PB. lange gefürdhtete 
Schlag ein, daß fi Brafilien — bisher von dem zu Rio Janeiro als Regent 
tefidirenden Kronprinzen als integrivender Theil der Monarchie verwaltet — 
gänzlich von dem Mutterlande losfagte und fidh unter Pedro I. als ſelbſtſtaͤndi⸗ 
ed Kaiſerthum am 1. Dezember 1822 conftituirte In P. felbft warb von ben 
aftionen der König förmlich begerefiht und mußte ſich endlich unter den Schutz 
des im Hafen von Liffabon liegenden englifhen Admiralitätsfchiffes begeben, 
worauf durch britifches Einfchreiten endlich die Ruhe wieder Hergeftelt warb, 
Nach dem Tode Johann's (März 1826) trat eine Regentfchaft unter feiner 
Tochter, der Infantin Sfabella Maria ein, die auch Don Pedro, Kaiſer 
von Braftlien, beftätigte. Letzterer verzichtete zu Bunften feiner Tochter, Maria 
da Gloria, auf den Thron von Portugal, und gab biefem Staate (Juli 1826) 
eine neue Verfaſſung. Nun trat ber zweitgeborene Sohn Johann's, Don 
Miguel, als Kronpräfident auf, obwohl er Don Pedro's Conſtitution bes 
ſchworen Hatte und mit Donna Maria verlobt war. Er löste bie von Don 
gem berufenen Gortes auf (Juli 1828) und bie von ihm berufenen alten 
orte® erflärten ihn zum unumfchränkten Könige Don Pedro erklärte dieſen 
Schritt als Ufurpation und feinen Bruder als Mfurpator, mit bem er nicht un» 
terhandeln werde. Während Donna Marta, auf dem Wege na P. begriffen, 
in England mit königlichen Ehren empfangen ward , tat Don Miguel tie at 





= 
‘ 


Portugal. 381 
ledenſten Mafregeln zur Unteriverfung bes Landes, Madeira ward im Auguft 
(828 genommen. Der Königin Sache hatte nicht viele — und einzeine 
Lufftandsverſuche u ihten Gunſten twurben auf's Strengfte unterdrüdt u. 
Indeffen ſchadele Miguel feiner Sache dadurch fehr, baß er bei ber 
ver Infel Terceira he wegnehmen ließ; daß er mit der Anerkennung 
tee neuen Regierung in Frankreich zögerte; daß er mgiide u. franzöfifche Unter 
hanen gegen arbiträre Behandlung nicht fehlte, Dies führte 4. durch das 
irſcheinen von Kriegsfchiffen ipten, Reclamationen dieſer Mächte, — 
denugtfuung erhielten, jedoch fortan Don Pedro offen begünftigten. 0 
ejehien deſſen Mi (2. Bebr. 1832), worin er fi Eñntſchluß anfünbigte, 
ie Regierung feiner Tochter Herguftellen. Er landete auf Terceica und übernal 
ie haft u, befegte bald darauf Oporto, bie Küften in Belager 
ngi erflärt waren u. das ftrengfte Kriegogeſeh über dem Lande 6. 
Bier Gefechte zu Lande und zwei Geetreffen hatten feinen 64. die 
oohl wegen ber Uneinigkeit Don Pedro's mit dem Oberbefehls! der ie, 
eren Sold: in Rüdfand. war. Nun übernafm aber der englioe Admiral Nas 
der ‚(Juni 1833) —— der Flotte und ſchlug ſofort Don Miguel's See⸗ 
acht bei Kap St. Vincent entſcheidend. Nun erfolgten in allen Provinzen ber 
Reihe nad große Bewegungen zu Gunflen ber — und die Armee Don 
Bebeo’8 beſehte am 25. Juli Liſſabon, während es dem Befieger von Algier, Ger 
ıeral Bourmont, an ber Spihe der Miguel 9 — — 
— Don Miguel's Sache zu retten er jete. Donna Marla 
a Gloria I. ward von England anerfanrit; eine fpanifche Armee überfcritt das 
'andz; Don Miguel felbft warb, Befangen? verzichtete, —— aber nach ſeiner 
— von Genua aus (1834). Don Pedro überlebte nicht lange 
Sieg (+ 24. September). Vermählung ber Königin mit bem Herzöge von 
nl (27. Januar 1835). Für das Wohl der jen, uner 1, don einer 
hrgeizigen Camarilla umgebenen Königin, wie für das Wohl bes Landes farb 
er Herzog zu frühe, nämlich nad kaum zweimonatlicher Ehe, am 28. Mär. 
die Wahl des zweiten Gemahls fiel auf den Prinzen Ferdinand Auguft von 
5achfen-Koburg. Vom Volke falt empfangen, traf er am 9. April 1836 im Tejo 
in. Faſt einftimmig verweigerte ihm Die Deputirtenfammer die im Heirathsver⸗ 
je zugefagte Oberbefehlshaberftelle. Die erzürnte Königin fhloß die Cortes⸗ 
Sigung mod vor der Berilligung bes Budget und entließ das Minifterium. 
Ye nächfte Sigung ward gleichfalls Faum nach der Eröffnung wieder gefchloffen. 
Yaher Spannung zwifchen Regierung und Bolf, benügt von ben Migueliften zu 
ihlreichen Aufftänden, und eine brüdende Binanznoth. Am 9. September 1836 
wurden die liberalen Abgeordneten bes Nordens in Liffabon mit bem Rufe: „Es 
be die Eonftitution von 1820” empfangen; das Minifterium wollte bie Beweg⸗ 
ng durd Militär bemeiftern, biefes aber ging zum Bolfe über. Die Königin 
mete fofort ihr Minifterium wechfeln. —A — ein reicher Wuͤhler, aber kein 
aient, Sa da Banbeira und Caſtro bildeten bie neue Regierung, ber Hof 
eſchwor die neue Berfaffung. Die politifhen Clubs aber waren bie eigentlichen 
tegenten. ine Gegenrevolution blieb nit aus; 20 Pairs, Balmella an ber 
Fpige, proteflirten gegen bie Aufhebung ihrer Vorrechte, der Cardinal-⸗Patriarch 
weigerte ben Eid auf die neue Verfaffung. Der englifche Gefandte ließ See— 
Idaten landen u. die britifhen Schiffe eine drohende Haltung einnehmen, auch 
x franzoͤſiſche Gefandte verhieß der Gegenrevolution ihren Schug. Die Königin 
ttließ das neue Minifterium u. orbnete bie Herftellung der Charie Don Pedro's 
n. Das Bolf aber und mit ihm die Nationalgarde widerfegten fih. Der ale 
bſolutiſt geltende frühere Kriegäminifter Freire warb angehalten, als er gerabe 
ir Königin nad Belem fuhr, und auf feine Beigerung der Eonftitution von 
820 ein Lebehoch auszubringen, ermorbet. Unter diefen Umftänden mußte ber 
Jof nochmals, am 5. November, ben Forderungen des Boltes nadıgeben nl Wie 
eibehaltung der Eortesverfaffung von 1820 mit den von den Corte Kr uk 





982 Sortugal. 


gehaltenen Abaͤnderungen verheißen, fowie das Minifterium beibehalten. Waͤhrend 
die Königin eine banfende Proflamation an Boll und Nationalgarbe erlieh, 
flüchteten die Minifter ber Gegenrevolution, auch Palmella, auf englifche Schiffe 
und nach England. Indeſſen gerieth das Volk aufs Neue in Aufregung, als 
eine nachträgliche Berklaufulirung zu der Verheißung vom 4. Rovember erkhlen; 
die Rationalgarde hielt die Königin in ihrem Palaſte in einer gewiſſen Ge⸗ 
fangenſchaft. Die Bürgergarde maßte fi eine Herrſchaft an, bie zuleht 
beim ſtehenden Heere Eiferfucht erwedte Als nun die Cortes im Januar 
1837 fich verfammelten, bildete bie hoͤchſt bemofratifche Berfaffung von 1820 
und 1822, (denn fie fegte nur Eine Kammer und für ben König ein blos 
fuspenfives Veto fe) ben naͤchſten Gegenſtand ihrer Beratfung Zur An 
bahnung einer Berföühnung ber ‘Parteien und ber Gewinnung der “Diplomatie 
trug der Entwurf ber zur Revidirung der Berfafiung niedergeſetzten Commiſſion 
auf bie Bildung von zwei Kammern und ein unbebingtes koͤnigliches Veto an. 
Dieb rief große Erregung unter den Radikalen hervor. Indeſſen Tießen fich bie 
Cortes durch den Drud von Außen nicht fchreden u. fprachen ſich für das Zwei⸗ 
fammerfvften aus. Nun erhoben fi Milttärbewegungen für bie Charte Don 
Pedro's unter ber Leitung des Marſchalls Salvanha u. bes tapfern Generals 
Schwalbad, eines Deutfben. Auch ber Herzog v. Terceira, einige Garni: 
fonen u. ein Adjutant des Königs ging zu den Chartiften über. Der britifche 
Gefandte war deren Deiwegung nicht fremd u. wohl ſelbſt nicht ber Dofs denn 
die Königin verweigerte einem, ſtrenge Mafregeln gegen bie Aufitändigen ver 
fügenden, Defrete die Unterfchrift. Es kam zu mehren Gefechten, bie im Kurzen 
ecfnlglo6 waren, jedoch capitulirten die Ehartiften am 20. September u. bie 
Führer derſelben mußten das Land verlaffen. ine härtere Beftrafung berfelben 
ließ fich die Königin nicht abnöthigen, bie überhaupt jetzt mehr Halt im Lande 
durch die Geburt eines Thronerben befam. Wie durdy ihre ganze Geſchichte die Por⸗ 
tugiefen die Spanier copirten, troß ihres gegenfeltigen Hafſes, warb auf bie neue 
Berfaffung in ihrer vermittelnden Haltung zwifchen Eüniglicher u. Volksgewalt der 
Gonftitution nadhgebildet, welche fih Epanien nad der Revolution von La Grania 
gegeben. Am 19. März 1838 ward die neue Verfaſſung beendet, von ber Koͤ⸗ 
nigin befchworen u. als legte Verfaffung der Monarchie veröffentlicht. Sonach 
behebt nun eine Deputirtenfammer von 114 durch direfte Wahl ernannten Mit 
gliedern. Kein Beamter, Bifchof oder Pfarrer ift in feinem Diftrifte, feiner Dioͤ⸗ 
zefe oder Parochie wählbar, Die 52 Mitglieder der erften Kammer werben gleich: 
false vom Bolfe und nur auf beftimmte Zeit ernannt. Bebingungen ber Waͤhl⸗ 
barkeit al8 Senator find ein Alter von 35 Jahren u. ein Einfommen von etwa 
3500 fl. Dem Monarchen ſteht abfolutes Veto zu u. das Recht, die Corte zu 
verfammeln u. aufzulöfen; im legten Falle müffen jedoch fpätcftens nach 30 Tagen 
neue Cortes berufen werben. Nach dem Aueſterben der regierenden Dynaſtie 
haben die Eortes das Recht, eine neue zu wählen. Der König u. bie königlichen 
Prinzen wurden für unfähig zum Oberbefehle über bie bewaffnete Macht erffärt. 
Eine Demonftration der Ecptembriften, d. 5. derjenigen, welche auf eine Bers 
faffung im Sinne ber Scptemberrevolution 1837 drangen, ſcheiterte an der Feñig⸗ 
feit der Cortes, wohl auch, weil aus ber Nationalgarde viele aufregende Ele⸗ 
mente entfernt worden waren; do brach am 11. März, abermals ein Aufftanb 
aus. Den Köninlihen blieb aber der Sieg; au die Wahlen zu den Kammern 
fielen gegen die Eraltirten aus und deren Demonftrationen in der Hauptkabt ers 
wieſen ſich als refultatlos. Zeigten ſich auch beide Kammern als gremäßigat, fo 
fonnte doch den Angriffen der Oppofition das im Auguft 1838 gebildete Mini⸗ 
fterium nicht widerftehen. Unter ber Bräftdentichaft des Barons da Ribeira be 
Sabrofa bildete fih ein meiſtens aus Septembriften beſtehendes Miniſterium. 
Nach kurzer Amtsbauer führten jedoch Hauptfäcylich bie zunehmenden Bermidelungen 
mit England wegen des Sklavenhandels zu abermaligem Wechſel. Kurz nah 
Beendigung bes Kriegs gegen Rapole on halte Bortaaek wir Einglan dıszn, 


— — 


Portugal. 


383 
Ü fi wodurch biefem, noͤrdlich des Aequator's, das Recht. ber 
En unter portugieſiſcher ————— «in 
fpäterer Vertrag dehnte dieſes Recht auch auf die Sklavenfdiffe 89 des, Ae⸗ 
ſollte der x e 

des Sllaven handels im — Gebiete im treten, und 

war erſt am 10. Dane 1836, ausgeſprochen worden, wonach 
ber Vertrag. erfi mit 1852 in te fü 


‚als zu betradh! 
nun Balmerfton entſchiedene Mafregeln. ine 
— enbrade Die Beflmmung, baß Yorın and (me Ciesfit 
) „bie 9, an 
füblich des Aequator’s, weggenommen werben follen, bie Zuftimmung. beider Hätte 
fer, obgleih Wellington eine folde —— dem „alten Verbündeten 
Englands“ für eine Verlehung des Voͤller rechtes tie, Die Demi j 
richtete am 4. Auguft 1839 an alle Mächte, welche die Wiener reß⸗ 
et, hatten, eine Note uͤber Das. „feindſelige u. umerhörte Berfahren 
jerung," waͤhrend im Lande felbft bie u je, Exbitterung ‚gegen 
das — — herrſchtegu deren a ar das „Diario.da 
dent mächtigen Onglanh Fe ee 
mächtigen 9, 7 ie 
iſche eh fcheiterte, blieb nur Eines übrig ;, eine — 
‚ unter. beffen Regierung die ſriedliche Loſung der Diff: nit 
J. möglich war. Gegen ‚Ende. 1839. bilbete, ſich unter Bomfin ale : 
minifter ein neues Minifterium mit Magelhaens für, das Innere, Eofta 
Gabral für die Juftigz, Graf VBillareal für,die Marine, Pereira erraz 
für die Finanzen, Bisconde da Garreira für das Auswärtige, -Diefes Mi 
nifterium beftand größtenteils aus Pedriften, ber England genchmen Partei. 
Darum fand «8 heftige Oppofition im Lande, in ber engliichen Preſſe aber Unter— 
fügung, die jedoch die britiſche Negierung nicht Hinderte, ihre Aniprüche — nun 
auch auf bedeutende Geldentihädigung für ben Unterhalt engliſcher Truppen 
im I. 1826 — zu häufen u. rüdjichtlos geltend zu maden, ohne Beachtung der 
von P. geftellten gerechten Gegenforderungen. So war es vorauszufehen, daß 
die Anfangs 1340 neu zufammentretenden Cortes größtentheild aus Septembriften 
beftehen würden, die nun auch zunaͤchſt, mit —VB des Budgets, die eng⸗ 
liſche Frage u. zwar in einer Weiſe aufgriffen, daß ſich das Minifterium bereits 
am 25. Februar genöthigt ſah, die Kammern aufzulöfen und auf den 25. Mai eine 
neue Berfammlung zu berufen. Trotz dem nun alle Parteien, die Radifalen und 
Migueliften, Alles aufboten, die neuen Wahlen in ihrem Einne zu lenken, zeigte 
fich doch in der neuen Kammer eine verföhnlipere Stimmung gegen England, oder 
vielmehr eine richtigere Einficht in des Landes Hülflofe Lage, das freilich bei Aufs 
hören des Sklavenhandels in Gefahr ift, feine afrikaniſchen Colonien, deren Ver— 
waltunggfoften es dann nicht mehr beftreiten fann, zu verlieren. — Bis auf bie 
neuefte Zeit herab bictet biefes verfommene Land das traurige Schaufpiel beftäns 
digen Kampfes zwifhen Regierung u. Volk, oder vielnehr Parteien — denn im 
eigentlichen Volke, namentlich auf dem platten Lande, herricht Fein politifcher Einn 
— u. beftändiger Revolutionen. Bon dem Siege Don Pedro's an find_regel- 
mäßig alle zwei Jahre Aufitände erfolgt. 1836 ein Aufftand ‚gegen bie Charte, 
1838 ein Aufruhr der Radikalen vom Arfenal, 1840 eine Empörung in Liffabon 
u. anderen Etädten, 1842 Cofta Cabral's Erhebung für bie Charte, 1844 das 
Pronunciamento von Bomfin in Portalegre u. Almeida, 1846 ber durch Engs 
lands Hülfe gebämpfte, von ihm aber auch angeregte Bürgerkrieg , der aan 
gegen ben Dinifter Cabral gerichtet war, welcher jegt wieder In das Miniteriaum 


Be 


334 | Portugal. 


eingetreten. Der Hof ſcheint einen entſcheidenden Einfluß auf bie lichen 
Angelegenheiten auszuüben. Bon der Königin heißt es, daß fie, gutmuͤthig und 
etwas träg, bie Pflichten ber Königin denen ber Gattin u. Mutter —* und 
bem Staate nur eben bie unumgängliche Aufmerkſamkeit ſchenke, bagegem oN ihr 
Gemahl, feit er den Königetitel erhalten, haͤu bes Steu bemaͤch⸗ 
tigen; man glaubte, daß —8* Geheimſchreiber, der Staatsrath Diet, bedeutend 
auf ihn einwirke und noͤthigte ihn ermaßen zur Entlaflung deſſelben. Der 
eigentliche Regent if aber jebenfa ofta Cabral, der finanzielle Heiland 
B.8. elix Lichn owsky fpricht fich in feinen Erinnerungen aus Spa; 
nien und P. (184%) folgendermaßen über biefe Perfönlichkeit aus: Antonio 
Bomardo da Coſta Cabral, im Jahre 1803 geboren, widmete fich mit Erfolg 
ben Rechtsſtudien, war Advofat, fpäter Richter zu Terceira u. ſodann Sekretär 
bes Generalauditors ber pebriftifchen Armee zu Oporto. Don Bebro ernannte 
ihn zum Profurator beim Obertribunal biefer Stadt. Hierauf warb er Richter 
bes erften Gerichtshofes ber Acoren u. dann des Obertribunals von Liffabon. 
Als am 7. März 1838 Soares Baldeira in Folge flets zunehmender Anarchie 
feiner Stelle entfegt warb, fam Coſta Cabral an die Spige ber Bertwaltung. 
Hier eröffnete fih ihm eine glänzende Gelegenheit, jene Energie zu entwideln, 
von ber er. fpäter fo viele Benehe gegeben. Die Hauptftabt, ben Excefien eines 
anarchiſchen Zuftandes Preis gegeben, befand fi) in völligfter Unordnung; alle 
eſetzlichen Verhaͤltniſſe waren Auflöfung nahe; den Miniftern, die dieſem 
Buflande abhelfen follten, fehlte e8 an Muth u. Talent; die Börfe u. alle Kaufs 
mannsläben waren gefchloffen, Feine Gefchafte wurden mehr gemacht. Die ganze 
Bewölferung ftand unter den Waffen u. verftärkte bie 20 Bataillone ber Rational 
garbe, bie größtentheild aus ben eraltirteften Revolutionäre beflanden u. mur von 
ihres gleichen angeführt wurden; felbft dem Throne drohte Gefahr. Da ergriff 
Coſta Cabral mit Fräftiger Hand die Zügel der Verwaltungs; 5 Tage barauf 
waren alle Meuterer entdedt, entwaffnet u. Liffabon fah ben Tagen der Unords 
nung u. Gefeplofigfeit die vollfommenftle Ruhe u. Sicherheit folgen. Coſta Cabral 
war feit 1835 Bei Mitglied des Parlaments genden, eine Stellung in. 
bemfelben war bald bebeutend u. 1839 Hatten feine Verdienſte vom legten Jahre 
ifm einen ſolchen Ruf gegeben, daß, obwohl er noch jung war, die Königin ihn 
in den Minifterrath b * u. mit dem Portefeuille ber Juſtiz u. geiftliden An⸗— 
eiegenheiten beauftragte. Durch koͤnigl. Dekret vom 28. Sanur 1842 feiner 
—* e wegen der Bewegung am Vorabende dieſes Tages (die durch legrapiee 
Depeſche eben in Liſſabon bekannt geworben) verluſtig erklaͤrt, trat er im naͤchſt⸗ 
folgenden März wieder in das Cabinet als Miniſter bes Innern. Ihm verdanken 
die Portugiefen mehre ber wichtigen Gefepe, die von ihm entworfen u. einge⸗ 
führt wurden ; eine Reform bes Gerichtsweſens, ein Gefeh über bas Berwaltungs-= 
weien u, eine neue Örganifation ber Nationalgarbe. Während bes Beilchen® 
ber Minifterien, deren Mitglied er war, wurden Die politifhen Berbindungen mie 
ben norbifhen Mächten eröffnet u. wieder hergeftellt. Unterhanblungen mit ber 
römifchen Curie angefnüpft, Traftate über den Handel im Allgemeinen unb ber 
Sklavenhandel mit England u. ein Handel» u. Ravigationsvertrag mit den nord⸗ 
ameritanifchen Freiſtaaten abgefchlofien. Auf feine große Majorität geftügt, fährt 
Eofta Cabral noch Heute fort, den Kammern Vorſchlaͤge zu machen, die ein ge 
race Erfparungsfoftem einführen u. allerlei Mißbraͤuche abfchaffen follen; e 
Richtſchnur der Innern Adminiftration u. Maßregeln für die öffentliche Sicherheit 
beſchaͤftigen ihn gleichfalls. Im letzter Zeit hat er eine Commiſſion aus ben unters 
richtetften Deputirten u. intelligenteften Männern zufammengefeht, den öffentlichen 
Unterricht zu organifiren; ihre Arbeiten find bereits bedeutend vorgefchritten und 
während ber naͤchſten Sigungen (1843) foll ein Hierauf besügliches Geſetz den 
Kammern vorgelegt werben. Die Wege u. Berbindungen im Innern des Landes, 
biefe wichtige, in Portugal fo vernachläßigte Branche, iſt ein Gegenftanb der bes 
fondern Sorgfalt dieſes thätigen Mintfterd, ungeaäter ver vielen Siunteriakäien, 


Portugal, 385 
mehe als Halbhundertjährige Degradation; gerrättete Finanzen’, ein ge» 
en Land. nothwendig —— — Alles, mit. einem Kost, 

— en unter einer ſo PH en "Verwaltung, die im innigften 
R 2 Krone: ſieht, dieſes ſchoͤne, von Bott fo reich "begabte Land aus 
es Zuftanbe ſich erheben wird, wenn nur die Intriguen u. bie 
tige Oppofition: jener Leute und Fractionen, bie für monarchiſch und ords 
bend De yet wollen, nicht den Gang der Regierung hemmen und ihre 
—* —* ein Fe ober Vatien Dieter Bu — 
gleiten u. mgen ſtehen manche eſehte er, 
jens zumeift: auch Auf Mare ein ——— si, ber el 2 citirte 
noch keine Kenntniß rad lonnte. So erhob fich bie öffentliche Stimme 
8 gegen feine, freilich da Abwendung drohender —* erlaſſenen, Geſete 
Auguſt 1344. Dieſe Geſetze beſtimmen, daͤß das Mi jeden rich⸗ 
Beamten, ber nicht ſeit drei Jahren angeſtellt iſt, — kann daß die 
oder bie PBenfionirung ber Offiziere aller: Grabe rein in der Willkür 
Iher tiegt, ohme daß Gründe ber einzelnen Mafregel angegeben zu werben 
13 endlich, daß jeber Profeflor ber Hochſchule ohne, Weis abjegbar iſt. 
fen Defreten läßt ſich das gegen er Offiziere, allenfalls rechtfertigen, da 
Gehorſam gegen das a die Aa Eigenſchaften der pottugieſi⸗ 
ilitärperfonen And, Mi Bäufgen 1, von der bewaffneten Macht aus» 
nen, Aufftände —— u. deli miſter daher nicht man 
v —— Claſſe ſo als möglich ſich unterwün 
‚Erete gegen ben Richters u. Lehrſtand fe BEN Seife 
Unabhängigkeit beider ift ftetS geachtet worben, u. nam— 
den von der Zeit: des Dittelalters an bie größte Freiheit genoffen: Unter 
aßregeln, die Cabral während feiner ſo gut wie —— nn 
Im, fand blos eine ziemlich allgemeine Zuftimmung : das Gonforbat mit 
lichen Stuhle. Die Spannung mit Rom aufn durch das Defret Don 
über bie Aufhebung) der Möndsorden, worauf Rom mit einer Bannbulle 
te. Es entftand nun in P. ein Schisma, das ſich bis im bie Fleinfte 
ve erftreckte. Der Bifchof von Bizeu erklärte, daß er feine anderen Bifchöfe 
efter anerfenne, als bie vom Papft ernannten, u. die Folge war, daß fehr 
chen leer ftanden. Die von ber Regierung ernannten Pfarrverwalter 
u. mit Recht, als Eindringlinge angefehen. Diefe hat nun auch ber 
Stuhl in dem Gonfordate nicht anerfannt u. ein mit bem Patriarchate 
abon verbundenes Capitel fteht lediglich unter bem Papſte. Das Eon- 
A wichtig für das Land, dba während ber Spannung mit Rom die Mir 
eine Stüge in den religiöfen Sympathien des Volkes fanden. — Diefe 
el wird zugleich als das einzige bezeichnet, was Cabral für bie geiftigen 
n bes Landes gethan habe u. ihm eine ſchmaͤhliche Vernachlaͤſſigung des 
en Erziehungsweſens vorgeworfen; die geringfügigen Erſparungen, welche 
nnoth zuweilen erzwungen hat, feien ftets in dieſem Wache eingetreten. 
gen feine Sinanzverwaltung erheben ſich gewichtige Stimmen: er made 
1 Preis Anleihen u. habe ein fchlechtes Steuerfuftem eingeführt. Bei dem 
e von Almeida machte fich die Finanznoth brüdend geltend ; die Septembriften 
ven Cabral Hülfe, unter der Bedingung, daß er über die Verwendung ber 
en Gelder während ber Zeit feiner Verwaltung Rechenſchaft ablege. Darauf 
zabral nicht eingehen. Nicht beſſern Erfolg hatte eine Berathung mit den 
anfier8 von &ifaten, die erflärten, daß fie Fein Mittel zur Abftellung der 
inten, ba das öffentliche Vertrauen durch die Politik der Minifter zu fehr 
t fei. Cabral wollte nun Schuldfheine im Betrage von 2000 contos 
ausfchreiben ; dieſer Plan warb aber von ber Jimta bes öffentlichen 
verworfen, einer aus 4 Mitgliedern beftehenden Behörde, deren Aufgabe 
ber den Krebit zu wachen u, bafür zu forgen, dag teine winiteruie 
7 ben Interefjen der Glaͤubiger oder des Staats u nahe tete; von on 
W 


selopabie. VL. 


386 Portugal, 


Mitgliedern ernennen 2 bie Staatögläubiger, eines bie Sammer ber Abgeorbneten, 
eines die Regierung. Run machte Cabral befannt, daß das gerade abgelaufene 
Tabalsmonopol nur dem verpachtet werben folle, der dem Staate eine Anleihe 
von 4000 contos (6 Millionen Thaler) machen könne. Diefes Anerbleten war eine 
Derfafiungeverlehung, benn das Staatsgrumdgefeh gebietet, daß die Bedingungen 
einer Anleihe ſtets bie Denchmigung bes Gortes haben müflen, u. bier verfügte 
ber Minifter geradezu, ohne die Volksvertreter zu fragen. Nun fchloß aber auch 
Cabral noch duch Tiftige Bedingungen jede Mitbewerbung aus u. verichaffte 
auf dieſe Weile die Anleihe ber Confianga national, einer Geſellſchaft, gegen die 
ber Vorwurf der Agiotage allgemein erhoben wird. Die Bortheile der Regierung 
rebuziren ſich auf die Hälfte des Nennwerths. Solds und Gehaltruͤckſtaͤnde ber 
Offiziere u. Beamten betragen an 14 Mil. Thlr. u. dieſe Summe ift durch an 
bie Betheiligten gegebene Scheine dargeſtellt. Der Confianga national warb nun 
augelafien, die Hälfte ber icihe in ſolchen Scheinen zu bezahlen. An dieſer 
(fte machte natürlich die Geſellſchaft bedeutenden Gewinn, denn fie erkaufte bie 
heine von darbenden Beamten um Spottpreife u. berechnete fie ber Regierung 
zum vollen Werthe. Ein ſolches Berfahren if in P. boppelt gehäfflig, da bie Ge⸗ 
halte verhältnismäßig fehr gering ſind. Da Cabral verſprochen hatte, biefe An⸗ 
leihe folle die legte von ihm abgefchlofiene feyn, ergriff er das kunftsmittel, 
ohne zu beruͤckſichtigen, ob nicht von dieſer oder jener Steuer der Wohlſtand des 
— hart *8* werde, ſaͤmmtliche Auflagen bedeutend zu erhöhen. “Die 
olgen find nicht ausgeblieben. Viele Derter find verlaffen, weil die Erben des 
Befigers die unverhältnigmäßige Erbfchaftsfteuer nicht bezahlen koͤnnen; ſeit be 
Wiedereinführung der Sulafteuer, die nach ber Bertreibung ber Spanier nie wieber 
beftand, liegt das wichtige Gewerbe bes Kilchfangs ganz barnieder u. eine große 
Geſellſchaft, die bis dahin blühte, ift ihrer Auflöfung nahe. Noch trauriger wirt 
die neue Weinfteuer, welche bie geringen, wie guten, Sorten ber naͤmlichen Ab— 
gabe unterwirft. Yügt man hiezu noch bie Erhöfung bes Tonnengelbes, beim 
Zoll's auf fremdes Roheiſen, eine mit Strenge durch efübrte und auf alle möglicdem 
Arten von Berträgen ausgedehnte Stempeltare, fo befommt man ein fehr uner— 
freuliches Bild von Cabral's finanzieller Thätigkeit, die er wohl nur beffal 
jo weit ausdehnen konnte, weil er dafür forgte, daß wo möglidy nur ergebene Re— 
nierungsmänner, Beamte ıc. in bie Kammer gewählt wurden. Ein fo fehe irw 
Armuth u. Trägheit verfunfenes Land, wie B., ſollte durch ein weiſes Steuer 
ſyſtem zur Snbußrie aufgemuntert, nicht aber durch Höchfte Befleuerung ber werigerw 
noch blühenden Gewerbe auch noch biefe vernichtet werben. Der Duero»Bertragg 
mit Spanien, nämlich über die Schifffahrt auf dem Duero, welche unter Efpar= 
tero in Spanien und Bomfin in P. zu ernfien Zerwürfniffen führte, iſt noch 
nicht ausgeführt, obgleich für beide Staaten bie Erleichterung des Graͤnzverkehrs 
ur Niederhaltung des verberblichen Schmuggelö ein bringendes Bebürfniß if. — 
nter den politiichen Parteien haben bie Migueliften gegenwärtig bie geringſte 
Geltung. Die Aufftände, die zumellen in ben Gebirgen von Algarbien ober in 
den Ebenen von Alemtejo ausbrechen, find ſtets unbedeutend u, nicht einmal poll 
tiiher Natur, da fie von Menfchen ausgehen, benen Don Miguel blos Borwant, 
das Blündern einziger Zwei if. Die wirklich migueliftifche Partei zerfällt in 
zwei Unterabtheilungen, die Ultra » Migueliften. u. die Gemaͤßigten. Die erfteren 
beftehen aus Altabeligen und einigen ehemaligen Kloſtergeiſtlichen; fie Halten’ fh 
indefien gänzli fern vom politiſchen Schauplaze. Die Gemäßigten, zu benen 
befonders Adelige der mittleren Claſſen u. Weltgeiftliche gehören, wiünfchen einen 
aufgeklärten Abfolutismus, wie ihn Zea Bermubez in Spanien in das Leben 
rufen wollte. Diefe Partei nimmt feit einigen Jahren an den Wahlen Theil u. 
hat in der zweiten Sammer zwei tüchtige Kührer, Canavaro, einen reichen 
Butsbefiger, u. Beirao, einen jungen Arzt. Die liberale Partei zerfällt in 4 
Unterabtheilungen. Auf der äußerften Linken flehen bie Radikalen vom Arſenal, 
fo genannt feit bem Aufftande bes ihnen angehbrenden Uriensitegimenit, ak de 


Portugiefifche Sprache u, Literatur, 387 


tolgen die Eonftitutionellen von. 1820, Anhänger der Vollsſouveraͤnetat A 
’ De Demofzaten;, beibe Parteien haben ind unteren Claffen der She R 
Jugend großen. Anhang. _ Gegenwärtig fchwanft Abcigen end. bie, Gewalt 
ben noch nicht, erwähnten. zwei Barteien, nämlich, den Septembriften 
u. jen. Die erfteren ſind Anhaͤnger der. Verfaſſung von 1838, bie anderen 
iſchen carta da lei Don Pebro's. Die * der Chartiſten ſind 
F Fir Be Praͤſident der zweiten Sammer, John-Bernarbo, da 
Eofta ur Babe bed Minifters, Eivilgouverneur von. Liſſabon uß hierauf 
— in Spanien, früher einer der bedeulendſten Abvofaten, ein Mann von 
großen igfeiten , ferner Graf Campanh aa, ein alter, Soldat —— u. 
ehemalige Kapian Don. Pedro’s, Pater Marcos, Unter ben. Septembriften 
find — Vaffos, zu ſehr —— wie Paſſos —— 
nifter, Charrett, ber geiſtreichſte Journaliſt u. der beſte Den — 
der Neuzeit. Die früheren Haͤupter ber Partei, Bomfin u Bandeing,, find 
gegenwärtig unwirtſam. In ve Preſſe wird. der Parte ienkampf ‚eigen 
als im Parlamente; es zeigt fich auch in ihr mehr. Talent, als auf: bem in 
ſtuhle. — Das Bild Portugal’s gehört zu den iehrreichſten, welche die 
wart bietet, Welch’ ein. Gontraft zwifchen vormals. und. jept!: Zu welcher 
wurde — * unter Johann I, unter Don Bedrou. Alphons Y. und 
manuel dem Großen buch die Macht des. hriftlichen, Glaubens 
354 ‚u welcher Erbaͤrmlichkeit iſ es = dem Haufe durch ‚den 
mit Rom, duch. die hochmuͤthige Heberfp: — Fönigliben Gewalt, 
bie Macht des Unglaubens und ‚der, auch in ſe ee 
hereihenben, Freimauerei herabgefunfen! Wer läugnen. möchte, daß es —— 
des Glaubens war, ‚die in früheren Zeiten Portugal fe hoch emporgehoben, ber N 
leſe Schäfer’s Ba Portugal’s;, — von ber ‚Stelle WR wo er den 
chriſtlichen Tod ber Gemahlin $oaos I, ſchildert Gd. U. 270 ‚Wer, aber 
nicht anerkennen wollte, daß in dem Verfalle ‚der Religion der —— des 
jegigen Verfalles ber Hation zu fuchen fei, ber erfläre es, wenn er fann, wie 
auf einmal in dem fonft fo ruhm- u. thatenreihen Lande, Ratt ber hochherzigften 
Aufopferung, nur der maßlofefte Ehrgeiz u. Ggoismus; ftatt des unbeugfanften 
Heldenmuthes nur weichliche Beigherzigfeit; ftatt des großartigften Unternchmungs- 
geiftes _ nur bie erbärmlichfte ISntriguenfucht zum Vorjchein famen. Iſt e8 Die: 
jelbe Sonne, welche jene Riefenftämme des 14. u. 15. Jahrhunderts großgezogen, 
bie diefe Gift- u. Schlingpflangen bes 17. u. 18. gezeugt Hat; ober find es bie 
Rebel des Hochmuths u. ber Zweifelfucht, die, vom Norden herabgefommen, über 
tem fehönen Lande fi gelagert und feinen Boden vergiftet haben? Man hat 
freigebig bie Jeſuiten mit allem Fluche belaftet, ber P. in den legten zwei Jahr: 
hunderten getroffen hat. Wenn die Jefuiten ein Vorwurf trifft, fo if es, daß 
fie nicht längft, den Staub von ihren Schuhen fehüttelnd, einem Hofe dem Rüden 
fehrten, ber 1 ihrer nur bediente, wie mancher verzärtelte Kranke feines Arıtes, 
ben er um fo mehr zu Rathe zieht u. um Palliation foltert, je weniner er Muth 
u. Willen Hat, die wahren Heilmittel anzumenden, duch bie ec allein genefen 
fönnte. Indeſſen find bie Jefuiten längft fort, u. um Volk u. Land ift es nur 
deſto ſchlimmer geworden. Gin glühendes, bewegliches Volk, wie die Portugiefen, 
bedarf mehr, ald irgend eines, des ftügenden Anfehens ber Tradition u. des fänf- 
tigenden Einfluffes der Religion. Man hat ihm beides genommen und ihm ftatt 
berjen eine fremde Bildung einimpfen wollen, für die nicht ein gefundes Element 
in ber portugiefiihen Natur zu finden war. Kein Wunber, daß das Bol ver- 
kümmerte! Üebrigens ift jegt eine Krifis offenbar nahe und ber Herrfchaft bes 
Haufes Braganza hat, wie es fcheint, die legte Stunde geſchlagen. Br. 
Portugiefiihe Sprache und Literatur. So nahe auch bie portugiefifhe 
Sprache ber Epanifchen fteht, fo ift fie dennoch Feine bloße Mundart derfelben. 
Der Außere Charakter der port ugiefhen Sprache, ihr Laut iR von dem der pur 
niſchen jehr verfoieben. Die voll: und hellllingenden Eonjonanten im Spain 
* 


388 Bortngiefifche Sprache u. Literatur. 


find im Portugieſiſchen weich und fluͤſſig; ſelbſt die einfachen Vokale finb Häufig 
buch Berboppellung breiter auseinander gefloſſen. Verliert bie portugieflfche 
Sprache dadurch etwas an Kraft, fo ift ihre größere Wahrheit Hinlänglicher Er⸗ 
fag. — Ihre Endungen find fo volltönig, daß fie mit der größern heit, fo 
wie mit der rafchen Zufammenziehung ernfterer Wörter ſich zu einem lieblichen 
Ganzen zufammenfchließen. Die Ausfprache if für den Ausländer ſchwer, beſon⸗ 
ders, was die Rafals und Butturallaute betrifft. Selbft der Spanier gab ber 
portugieftfchen Sprache, (die, der feinigen minder verwandt, — ber italienifchen 
näßer ift, deren Lieblichkeit fie athmet, und am nächften der franzöflichen fteht, 
deren Friſche fie Hat) den Namen der Blumenſprache. Vgl. Ir. de Santo Luiz 
„Glosario das palavras da lingoa francesa que se tem introduzido“, Liſſabon 
1827. — Auch im grammatifhen Bau tft die portugieſiſche Sprache von der 
fpanifchen vielfach verſchieden. Bis auf bie Araber theilten bie Bortugiefen mit 
den Spaniern bie meiften Schidfale, und fo waren beide Sprachen benjelben Mi: 
[ungen unterworfen; allein Portugal entwand fich früher der Herrfchaft ber 
Araber, ehe noch deren Einfluß auf ihre Sprache fo groß, wie in Epanien, werben 
fonnte, weßhalb das Portugieftiche in vielen Wörtern dem Lateinifchen treuer 
blieb, ohne darum ihm ähnlicher zu fen. Bol. „Ioao de Souſa“ Vestigios da 
lingoa arabica em portuguez (Liffabon 1830). — Berjchiebene Dialekte finden 
fi im Portuaieft en nicht vor, e8 fei benn bie Volksſprache bes portugiefifchen 
Galizien, das Galego, weldhes, von dem fortfchreitenden Bildungegange ausgefchlof- 
jen, fefter, aber auch roher, das Alte bewahrt. Bergl. Rune de Liao „Origem 
da lingoa portugueza“, Liffabon 1777. In Oftinbien hat fich in manchen Ge⸗ 
genden ber portugieflichen Befigungen eine Miſchung mit dem Oſtindiſchen gebil- 
det. Das umfaffendfte Wörterbuch der portugieftichen Sprache verbanft bas 
Mutterland einem edlen Braftlianer, Antonio de Moraes, Liffabon 1831; bie 
beften Sprachlehren verfaßten: Pedro Jofe de Sigueiredo „Arte da grammalica 
Portugueza“ Lifjabon 1799, und Soared Barboza „Grammatica da lingoa por- 
tugueza“, Liffabon 1800. Bon Lußmiwihrbigem Fleiße zeugt das beutfch-portugies 
fiite und portugiefifch s deutfche Wörterbuch von J. D. Wagener, von welchem 
auch eine portugiefliche Sprachlehre erfchienen. Nebftdem verdienen Erwähnm 
die portugieflfche Epracdhlehren von Aldont, Müller u. Wollheim, der au 
ein Tafchenwörterbuch der portugieflfchen Sprache verfaßte. — In Rüdfiht auf” 
den Bildungsgang der portugieflfchen Literatur lafien ſich vier Perioden feſtſetzen. 
Erfte Periode, Unter dem milden Himmel in dem fchönften Lande des Weftens, 
nachdem es den Bewohnern gelungen, das Joch der Mauren abzufchütteln, ba 
ertönten in der früheften Zeit Lieder und Geſaͤnge im Romanzo biefes Küftenlan- 
bes. Zu ben wenigen Meberreften dieſer Xieber aus dem 13. Jahrhundert geair 
erfilich eine Fleine hiſtoriſche Romanze, Trovas dos Figueiredos“, bie der Eifter- 
zienſer⸗Mönch Bernardo de Beito aufbewahrte und bie er, wie er verfichert, von 
Landleuten in der Provinz Beira noch fingen hörte. in anderes ähnliche Ge— 
dicht foll den tapfern Ritter Gonzalo Hermiguez, (Gongalo Hermiguez a Ouro— 
ana) zum DBerfafier haben. Endlich werben zu biefen Meberreften zwei Gedichte 
von Egas Moniz Coelho, und ein Bruchſtuͤck eines hiſtoriſchen Gedichtes über ben 
Untergang bes chriſtlichen Spaniens durch die Mauren gezählt. — In Portugal 
und im ſprachverwandten Galizien trat bie Poefte früher, als in Spanien, in 
ausgebildeter Form hervor und zwar durch Heinrih von Burgund, welcher bie 
provencalifche Lieberfunft nah Portugal brachte. Bon diefer Art denn find 
die Liederbücher (Cancioweiros), bie filh nach ber Troubabourpoefie bildeten und 
geftalteten. Für das aͤlteſte dieſer Lieberbücher gilt bad des Könige Diniz: 
„Cancioneiro d’El Rey Dom Diniz“, bas —X die Winke des tiefen Kenners 
der Südliteratur, Ferdinand Wolf, vor kurzer Zeit ans Licht gebracht worden. 
(Bergleihe von Kauslers Vorrede zur Liederfammlung bes Barca de Refende). 
Dem 13. Jahrhunderte gehört ein anderes Liederbuch mit provengalifchen Vers⸗ 
maßen an, beijen Berfaffer, wie Mehre glauben, Iono KoWo IK; — wur dur 


Portugiefifhe Sprache u. Riterafur, 389 


Sammlung gelſtlicher Lieder und Romanzen in galigifeher oder altportugiefifcher 
Sprache, deren Verfaſſer ber König Alfons X. gefeiert wird. Diefe Lieder, 
im einfachen Bolkston gedichtet, Haben durch den fommen Sinn, welder darin 
waltet, und durch bie Icbenbige —— etwas ungemein Anziehenbes, Das 
14. Jahrhundert bietet uns als einzigen Ueberreſt vier Lieder des Könige Dom 
Pebro dar, des Gemahls der unglüdli en Sgnen de Ga, ERRLENNE R 
15. Jahrhundert entfaltet ſich bie volle Blüthe der portugieftihen Liederpoeſſe; 
die Vorliebe für das Lied prägte ſich hier befonders aus, während wir bie hifte- 
riſche Romanze beinahe pam vermiffen. Der gefeiertfte Lieberbichter. diefer Zeit 
war ber tapfere, unglüdliche Ritter Macias, von deſſen jhwärmerifchen Liedern 
ſich mr ein einziges erhalten Hat, Außerdem verdient ‚genannt zu werben eine Dich- 
tung des Dom Pedro, Gonnetable von Portugal, eine klagende Erinnerung 
(‚Paine: pour joie‘) an bie fo früh ae: Schwefter, die Gemahlin des AL 
ſo V,, umd ein unendlich mildes Lied „an Jeſus“ (ad hom Jesu) von Dona 
lipa de Lancafter, der Schwefter Dom Pebro’s. Vergl. Bellermann, „bie, alten 
Lieberbücher ber, Portugiefen”. Doch Die reichſte Duelle, bee portugieftihen 
Lieberbichtung im 15. Jahrhundert ift bie allgemeine Lieberfammlung (Cancioneiro 
h des Garcia Refenbe ci, b.), bie heiter fröhliche Lieder, Geſellſchafts— 
und: geiftliche Lieber umfaßt. Eine vortreffliche Ausgabe biefer — 
felbft in Portugal — Außerft feltenen Sammlung ward — unter Mitwirhung des 
literarifchen Vereins zu Stuttgart, durch Archivrath Ritter, von Kausler, — mit 
einem höchft wichtigen Vorwort — in's Leben gerufen, Die hervorragenfien Nas 
men in biefem Dichterreigen find bie eines Bernarbim Ribeyro und veines 
Sa be Miranda. Ribeyro's Hirtengedichte find voll unausfprehlicher Weich 
heit und athmen eine gewiffe Schwermuth. Dafielde Gepräge tragen feine Lieber, 
Werk von größerem Umfange — theils in gebunbener,„theils in ungebunde⸗ 
ner Rebe — iſt deſſen Schäfer und zugleich Ritterroman : - „Menina,@ mogo*, 
eine ‚romantifche Darftellung des wichtigften Theils feines! eigenen ‚Lebens. . Sa 
de Miranda fteht am ben Marfen bes alten und neuern Gefchmads, ber im 
Anfang des 16. Jahrhunderts durch die Nachahmung des italieniſchen Style in 
Portugal Eingang gefunden. Die erften DVerfuhe in ber Proſa find: Der 
treue Rathgeber (Leal conselheiro) von dem König Duarte; ferner der profaifche 
Theil in der erwähnten Dichtung des Dom Pedro, und ber Betrachtungen (Me- 
ditagoens) ber Filipa de Lancafter, fowie deren Ueberfegungen aus dem Lateini— 
ſchen und Franzoͤſiſchen. — Diefen Verſuchen reihen fib an: Die Chronik des 
Königs Johann I. von Fernando Lopez („Chronica d’EI Rey Dom Joäo 1.“); 
die Chronik des Könige Johann I. von Garcia Refende („Chronica que trata da 
vida do christianisimo Dom Joäo o segundo“) Lifjabon 1607; Ehronif des Kö— 
nig Duarte (Chronica do Senhor Rey Dom Duarte); Chronik des Königs Al- 
fonfo V. („Chronica d’Elrey D. Alfonso V.) beide von Run be Pina, und ber 
profaifhe Theil in dem genannten Roman des Bernardim Ribeyro. — Dritte 
Periode. Durch Heberfegungen aus dem Italieniſchen war der Geift ber ita- 
lieniihen Poeſie ben “Bortugiefen nicht mehr fremd, und es fand fih cin 
Mann, welcher bie Einführung des_italienifhen Styls vermittelte. Cs war 
Sa be Miranda; bie romantifhe Echäfermelt war bie Heimath biefes 
Dichters; er verpflanzte die bidaftifch »romantifhe Poeſie, — die poetiſche 
Epiftel und bie Canzone auf pertugiefifhem Boden und wurde durch feine Luft 
ſpiele: „Die Fremden“ (Os estrangeiros) und bie „Vilhalpandos“ (Os vilhal- 
pandos) der Vater der portugiefiihen Bühne. Denfelben Weg ging Antonio 
Gerreira (geboren 1528) in feinen Inrifchen Gedichten; die Poefie der Sprache 
war ihm da das Höͤchſte. Ebenſo verhält es fi mit Pedro ba Caminha und 
Diago Bernardes: „Flores do Cima“, Die zartefte Frömmigfeit ſpricht aus fei- 
nen heiligen Liedern „Varias rimas äo bom Jesus“. — Doc eine einzige Er— 
ſcheinung in ber Literaturgefehichte ift der Einfiedlerdichter, Agotino da Em, 
ber Bruder des Divgo Bernarbes. Die zarten, frommen Dihtungen Ars wur 


390 | Sortugiefifche Sprache u. Literatur. 


derfamen Manncs, der fünfzehn Jahre als Einfiebler in ber Arrabida lebte, und 
beffen Leben oje de Mesquita fo rührend einfach befchrieb (deutſch von Dr. F. 
J. Schermer) wurden gefammelt, mit dem Titel: „Var. Poezias do Ven. P. Fr. 
Agostinho da Cruz“. — Bon Hoher Wichtigkeit find die frommen Dichtungen 
des Pedro da Coſta Pereftrello und des Franciſco Galvao, gefammelt 
von R. C. Caminha, Liffabon 1741. — „Obras ineditas dos nossos insignes 
poetas“. Tom. I. — Bewunderung aber erregt zu dieſer Zeit Ferreira's —5 — 
(Castro), ein Drama, welches Afchylifche Kraft atbmet, ſophoklidiſche Meiſterſchaft 
in ber Behandlung bes Stoffes und euripideifche Kenntniß des menfchlidden Her: 
ens, denn Ferreira war ber tieffle Kenner u. begeifterte Verehrer des claffiichen 
— *& — Gleichwohl gelang es erſt Gil Vicente, ber Schöpfer des na⸗ 
tionalen portugieſiſchen Drama’s zu werben. Er verließ den neuen Styl und 
fehrte zu dem alten Rationalgefhmade zurüd, Seine Schaufpiele beftehen aus 
heiligen Spielen, (obras de devacdäo) aus Komöbien und Tragitomödien und aus 
Fargın (Farsas). Barreto Feio und Monteiro veranftalteten eine neue Ausgabe 
diefes feltenen Werkes, Hamburg 1834. — Der Delepumtt des Ruhms, den 
Bortuge durch feine Siege, durch Entdedung neuer Laͤnder erfliegen, bot eine 
Külle des epifchen Stoffes dar, u. bald erfchien auch der Edle, der Bewunberte; 
der, groß wie bie Heldenthaten der Bortugiefen, als Krieger fie mit Heldenfraft 
im Gefange feierte Ea war Luis de Camoens (ſ. d.). Eein Deitgemofie Se 
ronymo Gortereal befang die Belagerung von Diu „eirco de Diu*, den Schiff: 
bruch des Manoel Souza Sepulveda „Naufragio de Sepulveda“ u. die Schlacht 
von Lepanto; doch in diefen drei epiichen Dichtungen tritt ung — bei einzelnen 
Schönheiten — eine kalte Erzählung entgegen. — Der Glanz bes portugieffchen 
Ruhms war ſchon entfhwunden, da fans Luis Pereira den Schwanengefang 
bed Baterlandes „Elegiada“ und e8 war der Grabgefang der portugiefiihen Ra: 
tionalpoefl.e — In dem Heldengedichte: „Alfonso Africano“ von Moufinho 
Duebedo de Baftelo Branco — finden ſich ausgezeichnete Epifoden und glänzende 
Beichreibungen, aber auch ſchon Spuren des Gongorismus. Roc tiefer ftchen 
die epifchen Gedichte: Die. Gründung Liffahons „Ulysee“ von Pereira de Caſtro 
(geboren 1571). Das wieder erlangte Malaca „Malaca conquistada* von Ea 
de Menezes (geboren 1642). Rodrignez Lobo's „O condestabre“, ber portugies 
fifche Eid. — Bras Mascarenha’s „O Viriato tragico“. — Das befreite Spa: 
nien „La Espana librada“ von Ferreira de Lacerda (geboren 1595). Die Ma- 
chabaͤer El Machabeo von Miguel de Sylveira, — die beide, mit Verſchmaͤhung 
ber p. ©., in fpanifcher Eprache gefchrieben find, — Endli „die Gründung 
Portugal (Alfonso ou a fundazäo de Portugal“) von Francisco de Mordes e 
Basconcellos, wovon unter dem Titel „Affonciada“ Oſorio de Pina Leitao eine 
neue Ausgabe veranftaltete (Liffabon 1818). An biefe fchließt fi die „Chaulei- 
dos“ von Paiva d’ Andrade in Iateinifcher Sprache, und die lateiniſche Ueber⸗ 
Keen des „befreiten Serufalem“ von Thomas de Karla an. In der biufolifchen 

vefle dagegen traten auch zu biefer Zeit freundliche Schöpfungen mit nationas 
lem Gepräge in's Leben. So der Schaͤfer⸗Roman „Lusitania transformada“, 
von Alvares do Driente, eine liebliche Dicbtung in Profa und Verſen. Am 
meiften aber ragt unter allen ber Yrühling „Primavera“, der Hirt in der $rembe 
„O pastor peregrino“ und der Entzauberte „O desenganado“ von Robeigues 
Lobo, der um die Mitte bes fechszehnten Jahrhunderts geboren wurbe. “Den hoͤch⸗ 
fien Reiz in diefen Dichtungen Haben die lieblichen Beichreibungen von anmuthi⸗ 
gen Gegenden und bie Lieber, die vollendete Mufter in ihrer Art find. — Der 
unglüdlide Manoel ba Beiga fang feine „Laura d’ Anfryso“, und Banbara fang 
prophetifche Lieder. — Der Songoriemus, der in ber epiichen Dichtung fich im 
Keimen gezeigt hatte, verbreitete fich jebt auch auf die lyriſche Poeſte, und ent: 
faltete fih in Liedern, Sonetten, Romanzen, erzählenden Gedichten zur vollen 
Größe. Bon biefer Art find: Die Schmerzen ber Ignez de Caſtro und bes Dom 
Pedro (Sentimentos de Dom Pedro e de Ignez de Casurc) von Damned ir 


Portugiefiiche Sprache u. Literatur. 39 


Azevedo Pereira; bie Fabel „von Polyphem und Galatea“ von Jeronymo Bahia 
u — „Zagreifen“ (Jornadas) ; die Gedichte ber Klofterfrau, Violante do Ceo 
(4601) und beren Drama „Santa Engracia‘ (Parnaso lusitano de divinos e hu- 
manos versos,‚Lifjabon 1733) ; der Eleine Schäfer des Parnafies und bie einfa- 
men ‚2lagen Avolo's (Pegureiro de Parnaso; sandades de Apollo) von, Diogo 
Gamado; die Klagen des Albano (Sundades de Albano) von Simao Tortefao 
Coelho. Kae) die Sammlungen: „A 'Feniz Renascida, ou: obras poelicas 
ete., Liſſabon 1746, 5 Bde. und que o clarim de Famada ; Postilhao 
de — Antonio Barbozga Bacelu verfpottete "in feinen „Salardades de 
aonio“ die Saudades des Diogo Camancho und jene eine Ungenannten; und 
ber vortreffliche Jacinto Andrabe verhößnte in — feiner Fabel vom Polyphem 
unb ber ea, ſowie in feiner Fabel „de Narciso* ben Gongora; allein ohne 
Erfolg. — Die Proſa betreffend, ſo bemühte ſich Rodriguez Lobo, bie wohl, 
flingenben, -eiceronifchen, ‘Perioden, in. ‚Diefelbe einzuführen und, vollgog dieſes In 
feinem: „Hofe auf dem Lande“ (Corte na alden, e noites de inverno).., Doch 
die romantifche Profa erhielt ſich in Novellen u. Romanen, - So im „Palmerim“ 
des Francisco de Morars „ein Werk, Das ber große Gervantes in feinem Gericht 
über. die, Bücher von ben: Flammen verfchonte; und in Sotomayor’s „Ufer. bes 
Mondego“ „Ribeiras.do Mondego“; enblich in bem Rittercoman „A constante 
Florinda non Pired Le Rebello, u. im feinen „Iehrreichen Novellen“ , sera 
exemplares“, Auch die claſſiſch erzählende Profa fand ihren Gründer in einem 
Manne, ber fi ſchon durch eine. Schrift, in zomantifcher Profa „Chronica:do 
— Clarimundo“ ausgezeichnet. — Joao be Barros (f.d). Sein 
daſſiſches Geſchichtswert wird unfterblich feyn, wie die Großthaten, bie es ze 
Tief gnter ihm fteht in Rüdficht auf bie claſſiſche Darftellung ber. Kortieher ſei⸗ 
ned Meifterwerkes, Diogo de Eouto, — Bernao Eopez de Caſtanheda te 
denſelben —— — zwar nicht mit jener Ausbehnung , aber mit müheno! 

feit „Historia do descobrimento e da conquista da India pelos Portu- 
guezes.* — Der Sohn des großen Affonfo de Albuguerque (f. d,) befchrieb bie Thaten 
des gefeierten Vaters; und wohl hat noch niemals ein fo großer Bater einen fo 
fraftvollen Erzähler feiner Thaten im Sobne gefunden „Commentarios do grandi 
Affonso D’ Alboquerque“, Liſſabon 1774). Jeronymo Dforio (f. d.), ein 
Mann voll ungewöhnlicher Liebe und Treuherzigkeit, erzählte einfach und offen 
das Leben bes Könige Emanuel. Damioa de — verdient durch ſeine Chronil 
des Koͤnigs Emanuel (Chronica de feliciss. rey D. Emanoel) und bie des Kö— 
nigs Johann I. (Chronica do Princ. D. Jono I., Liffabon 1567). Im der Bes 
ſchreibung bes Königreihe Portugal von Duarte de Liao (Primeira parte das 
chronicas dos reys de Portugal) if vor Allem das anziehende Bild wichtig, 
das er von König Diniz, als König, Krieger und Dichter, entwirft. Von un: 
gemeinem Fleiße zeugen bie geſchichtlichen Arbeiten von Andrea be Refende: 
„Deliciae Lusitano-Hispanicae“; „Lusitaniae antiquitates“; jene von bem frommen 
und gelehrten Erzbifyof von Braga, Bartolomeo dos Martyres „Relagao dos 
Reys do tempo que viverao e regnarao at6 EI Rey Dom Sebastiao“ u. bergl. 
— Ein unvergängliches Denkmal fegte ber edle Abt, Zacinto Freire b’Andrade, 
dem tapfern Joao be Caſtro dur die Lebensgefchichte befielben „Vida de D. 
Joao de Castro“, die eben fo aufgezeichnet ift durch bie claffifch = einfache Dar- 
ſtellung, wie duch Treue und Unparteilichfeit. Mild und fanft, wie das Leben 
derjenigen, das fie zur Anfhauung bringen, find bie zwei claſſiſchen Biographien: 
Leben des Bartholomeu dos Martyred „Vida de Ven. D. Fr. Bartholomeu 
dos Martyres“ und Leben des Hl. Dominicus „Vida de Sao Domingos“, (Liffabon 
1767) von Frey Ruiz de Souza. Mit Hoher Begeifterung und Kraft erzählte 
Joao de Rucina, das Leben bes Beil. Franciscus Kaverius „Vida de Sao Fran- 
eisco Xavier“. — Die Abhandlungen des Gongoriften, Faria e Soufa: „Ueber 
ben irrigen Begriff von der Poefle”; „über die Sonettenpoefie”; „über Schäfer: 
Doefie" find geſchmadloo, wie feine Gedichte. Gleiche Bewontinig Hat ed mit 


392 Portugieſiſche Sprache u. Literatur. 


feinem Commentar über die „Lufiaben“ u, die lyriſchen Gedichte bes Luis des Camoens 
„Lusiadas de Luis de Camoes commentadas,“ Madr. 1639; „Primas varias de 
L. de Camoes, commentadas“, (Liff. 1685). Bierte Periode. Wie bie britte 
Periode der p. L. mit Einführung bes italien, Style begann, fo begann biefe vierte das 
mit, daß fle dem franzöf. Geſchmack Eingang verflattete. Erizeyra war der Erſte, ber 
demfelben durch bie Meberfegung der Poetik Boileau's Vorſchub gab u. in feiner 
Henriciade (Henriqueida) die franzöfifhen Grundfäge verwirklichte. Unter Jos 
hann V. ward eine Akademie nach dem Mufter der franzoͤſiſchen errichtet u. bald 
die Dichtergefellfchaft ber Akademie begründet. Pedro Ant. Correa Garckto, ein 
Mitglied der Akademie, ein hoher Kenner des claffiichen Alterthums, bemühte fich, 
bie Sprache u. Darftellung des en Jahrhunderts zurüdzurufen ; außer 
dem verfuchte er, bie Sylbenmaße des Horatius u. pindariſche Strophen einzufüh- 
ren u. bereicherte die Bühne mit zwei Luftfpieln — nad ben Brunbfägen bes 
claffifchen Altertfums „Theatro novo.“ „Assemblöa, ou Partida.“ „Obras,“ Liſſab. 
1778 u. 1825. — Antonio Diniz da Eruz zeigte eine höhere Kraft bes Schaf 
fens; in feinen Oden finden ſich die erhabenften Stellen, allein fie find mit 
Schmud überfüllt; ala anafreontifcher Dichter iſt er unübertroffen, doch bie Dich⸗ 
terfrone erwarb ihm fein komiſches Epos „O Hyssope.“ In der SHirtenpoefle 
ragt Domingos dos Reis Quika hervor (f. b.). Francisco Dias Gomes vers 
dient mehr als geiftreicher Kritiker, denn als Dichter Beachtung. — Einen befon- 
dern Platz behauptet in dieſer Periode Claudio Manoel ba Coſta (Obras, Coim⸗ 
bra 1773). — Lange war der Heldengefang verhaltt, ald Joſo Dürdo, ein Brafl- 
lianer, die romantifchen Abenteuer des Baramuru befang. („Caramuru“ Poema 
epico do descubrimento da Bahia,“ Liffab. 1781,) eine epifche Dichtung, die, bei 
manden Mängeln ber elung und ber epifchen Geftaltung, national if und 
manche Vorzüge Hat. Nah Diniz iſt Thomas Antonio Bonzaga, gleichfalls ein 
Brafllianer, der ausgezeichnetfte anafreontifche Dichter. Eeine Dichtungen, bie er 
unter dem Namen „A Marilia de Dirceu“ fammelte, find voll Anmuth u. unver- 
gleihlicher Schönßeit, pohee Lob verdient ber gefühlvolle Sänger der unglüd- 
lichen 2indoya, der nationalfte der braftlianiihen Dichter, — Joſé Bazilie da 
Gama. — Gama's „Uraguay,“ ein modernes Epos, ift reich an ecareitenben Ras 
turbefchreibungen ; Sprache u. Darftellung find einfach u. ſchön. Die Bühne war 
feit langer Zeit unbeachtet geblieben, da trat Antonio Jofe als komiſcher Dichter 
auf. Unter feinen formlofen Luftfpielen finden fich manche, die wahrhaft komiſch 
find. Das befte von all feinen Luftfpielen ift wohl: „Alecrim e Mangerona,“ ein 
Acht Fomifcher u, nationaler Stoff. Der franzoͤſiſche Geſchmack griff jetzt außer- 
orbentlih in Portugal um ſich, verdrängte alles nationale Bepräge u. wirkte felbft 
auf die Sprache Höchft verderblich ein: die claffifch » portugiefiihen Dichter wurden 
verachtet u. als unwiſſend u. gefehmadlos gebrandmarft. Bergebens bemüßte fich 
bie Akademie der Wiſſenſchaften zu Liffabon, dem Uebel zu fleuern. Da erſchienen 
zwei Männer, beide ausgerifet mit den glänzendften Geiftesgaben, als Retter: 
Francisco Manvel do Nacimento u. Manoel Bocage. Francisco Manoel, der 
einzige Vertreter des Barcao, kämpfte mit Riefenftärfe gegen das Ungethüm, ben 
Gallicismus, u. gegen alles Andere, was bie Rationalliteratur zerſtoͤrte. Seit 
Camoes Hat Fein Dichter der portugiefiihen Sprache foldde Dienfte geleiſtet; er 
vermochte mehr, als eine Akademie, u. vollzog mehr als fie. Seine Epiftel „über 
die Dichtkunſt“ Wetteifet mit jener bes Horatius; feine begeifternden Oben find 
groß u. erhaben, wie die Gegenſtaͤnde, die fie feiern u. befin en. Die Ueberfebs 

ungen bes Dberon von Wieland, bes punifchen Kriege von Silius Italicus, vor 
allen aber feine Weberfegung ber Märtyrer bes Ehateaubriand find große Schäße 
für bie Sprache u. Poeſte; Obras, 11 Bde, Paris 1817. Manoel Bocage, eis 
ner von den reichbegabteften portugiefifchen Dichtern, war der feurige Sänger ber 
Leidenfchaften, der Liebling der Jugend. Unter feinen vielm Sonetten finden fidh 
manche, bie in der p. 2. nicht ihres Gleichen haben. Doch bie unendliche Erg: 
barkeit feiner Bhantafie brachte ihn zu Webertreibungen: ex erhebt de 


Portugiefifche Sprache u, Literatur; 393 


ilte, der fich in ben ‚ungeheueren Räumen verliert; er verläßt bie Natur, 
em Maße irrt auch feine — ſein Styl nicht felten vom e ab. 
Ward: er der Urheber eines neuen Gongorismus, ben man nach jeinem 


amen „Elmano“ Elmanismus nannte. (Obras, 5Bbe,, — ——— 
nhaͤnger ahmten feine Fehler nach, ohne feine glänzenden Ei, 
N; vs zwei von benfelben: machen * ruͤhmliche Ausnahme: 
EM: da Eofta e Silva. Gomes, ber Dichter der Nova Cafiro, hatte 
Bühne, bie glängendften Sefnung en — die durch ſeinen ſo ar 
ichtet wurden.‘ (Nova ‚Castro, Tray tab. 1817.) er M. 
mann durch fein liebliches PH „der Spayiergang“ (50 — 
romantiſche Dichtung: „Barboneza de Gaia, ou Spectro“‘) alle Herz 
Antonio Ribeiro: dos Santos, ber als Odendichter im der — und 
der Sprache mit Ferreira wetteifert; Fr. el en — Jeſus, 
eiſterhaft die Metamorphoſen u. des Ovidius üb: Toletino 
edler Satiriker, bie "Sitten u, Be Kran nat fo-natürkich 
omingos Marimiano Torres, deſſe te wit — des Quita 
Iofe' Anaftacio da Lunha, — pi — en ber Wider⸗ 
innern Harmonie ſind, die nicht aus Wohlklan⸗ erſe, ſondern 
entipringt; Souza Caldas endlich, ber ee ‚erhabener, hei⸗ 
der, m Manoel Ignacio Alvarenza ; traten- in bie Fußftapfen des Fran⸗ 
moel. Joſo Agoftingo de-Macedo begann das Romantifche mit bem 
n zu vermählen. So in feinem Lehrgedichte ,‚O Newton,“ in F et tiefs 
Dichtung „die Betrachtung“ (A meditagäo), in feinem Epos 
\fatirifpen Dichtung „Os burros.* Ihm folgten Curvs Ste in ſei⸗ 
‚hirambos“ ; Ioao Evangeliftn be Mordes in feinen Oben; PBimentel 
do in: feinen „Apologös“. — Mehre jugendftiſche Geiſter ftrebten jeht 
m Poeſie ein mehr volfsthümliches —7 zu —* * * gehen 
dh: A. Feliciano de Caſtilho, der in feinen „Cartas d’Echo 
erlande die erſten Heroiden fchenkte it. in feinen rafhen —— 
»s historicos“) bie Geſchichte Portugals im Gewande ber Dichtung vor 
Äbrt; Mozinho b’Albuquerque, der in feinen „Georgicas Portuguezas“ 
ien römiſchen Dichter ebenbürtig zur Seite flieht; u. 3. ©. Magalhaens 
„Suspiros poeticos e saudades u. B. 2. Bianna „Poesias“ (Bar. 1821). 
oͤner gibt fich diefes fund in den politiih=religiöfen Poeſien des Alerandre 
o de Carvalho: „A voz de propheta,“ „A harpa do crente“. Doch das 
‚reichte Hierin I. B. Leitao Almeida. In aM feiner Größe tritt ung 
e Dichter Portugals, Camöes, in Almeida’s epifcher Dichtung „Camöes“ 
Die epiſch-lyriſche zihung, „Dona Branca ou a conquista do Al- 
t die nationalfte, welche die p. ©. befigt. Die epifch - Inrifhe Dichtung 
la“ hat Almeida nad) valerlandiſchen Liedern verfaßt. Seine Dichtung 
da Terceira“ ſchließt eine unendiiche Fülle von Poeſie in ſich u. fein 
«6 hiftorifches Gemälde „Cato“ ift mit den brennenbften, aber wahren 
ufgetragen. Auch Brafilianer gingen jegt biefen Weg: fo Antonio Jofe 
e Pina Leitao in feinem epifhen Gedichte: „A Affonsiada“; Joſé Boni- 
ndraba in feinen „Poesias avulsas.“ Dasfelbe Gepräge haben die Ge⸗ 
ı zwei ungenannten Brafilianern: „Poesias offrecidas as senhores bra- 
„Romances historicas.“ — BWiftenfhaftlige Literatur. Phi— 
e. Pedro da Sonfeca, geboren 1432, eftorben 1599 in Liffabon, ein 
ner ber ariftotelifhen Philoſophie, verfakte eine Metaphyfif: „Commen- 
lectica et metaphysica.“ Zur PBhilofophie der Geſchichte gehört bie tief- 
Schrift des großen Antonio PVieira „Geſchichte der Zufunft“ („Historia 
0%), Liffab. 1718. — Theologie. Hervorragende Werke im Gebiete 
gen Eregefe find: Sebaftino Barradas: Itinerarium filiorum Israel ex 
in terram repromissam, 1620 ; ferner deſſen „Concordantia sein 
in Werf bes höcften Lieffinns u. außerordentlich wmfafender Serie 


394 Portugieſiſche Sprache u. Literatur. 


famfeit ift Antonio Vieira's „Clavis Prophetarum, ein Werk, auf deſſen Ausar⸗ 
beitung Bieira fünfzig Jahre verwendete, In Betreff ber Moral zeichnen ſich 
bie Schriften bes Hector Pinto u. Amador Arraiz aus. Diefelben werben außer; 
dem wegen ber clafiifchen Darftellung geruͤhmt. — In Betreff ber Dogmatik iſt 
zu nennen: Francisco Macebo „Clavis Augustiniana liberi arbitrü. — In ber 
Kirchengefchichte: Jooo be Zucana : „Memories sobre as missbes na India.“ 
Antonio de Figueirebo: „Elementos de historia ecclesiastica“ ; „Lusitania sacra“ ; 
Francisco de Almeida : „Apparaio para a disciplina e ritos ecclesissticos de 


Portugal, Liffab. 1735. As Kanzelredner verbienen erwähnt zu werben: Kr. 
Bartolomen dos Martyros (geboren 1514): „Praticas sobre os E das 
fostas de todo anno“. — Joao be Lucana: „Sermods“. Br. Henrique be ©. 


Seromino de Tavora; Fr. Francisco Foreyro; Fr. Antonio Feio (geboren 1589, 
geftorben 1627). Doch ber größte, clafiiiche Kanzelrebner Bortugals, das voll 
endetſte Mufter für alle chriftlichen Kanzelredner, it Antonio Bieira (f.b.): 
„Sermo&s“, 15 Bde, A. Liſſab., beutih Ir—Ar Bd. von Dr. F. 3. Schermer, 
Regensb. 18401847. Ungemein gemuͤthvoll u. ergreifend find auch bie Pre; 
bigten bed frommen Manoel Bernarbes (geboren 1644): „Sermoös e 
Praticas,“ 2 Bde, A. Liffabon 1762. Unter ben Reueren zeichnen fi 
aus: Manoel de Macebo, Bereira de Basconcellos „aches Sacrıs“, 
3 Bde., iffab. 1785, deutfch von Dr. S. 3. Schermer, Regensb. 1842, befonder®& 
aber der gefeierte Dichter, Jofe Agofinho de Macedo: „Oracdes Sacras.“ Ir 
ber Aicefe: Bartholomeu dos Martyres: „Compendium spiritualis dootrimae ;‘ “ 
„Collationes Spirituales ;“ Manoel Bernarbes, „Meditacdes da Via purgativa,”- 
Ziffabon 1762, — Rechtswiſſenſchaft und die Politik. Franciſco Freit « 
(geboren 1597) verfaßte mit vielem Scharffinne u. großer Geſchichts⸗ u. Rechte - 
kunde feine nerneibigungefehrift rüdfichtlich des Nechte bes Haufes Braganı« 
auf ben portugiefifchen Thron: „Apologia veritatis.“ Bemerkenswerth find be. 
fonder8: „Portugal na balanca da Europa“ von I. Bapt. d’ Almeida Garrett 
„Desengano ao povo,“ von Joſé Agoftinho de Macebo; „Manifesto da mache 
portugueza,“ von Franciſco de Sao Luiz; „‚Projecto de Codigo politico pava 
a nacdo portugueza,“ von Silveſter Pinheiro Ferreira. — In ber Mebijin 
behauptet einen hohen ‘Bla Yofs Maria Soares dur fen Wal: „Memories 
para a historia da medicina lusitana ;““ außerdem erwarb ſich derſelbe baburd 
hohe Berbienfte, daß er treffliche mebizinifhe Werke anderer Völker durch geif- 
reiche Meberfegungen dem Baterlande zugängig machte. In der Botanik ifl die 
Schrift wichtig: „Flora farmaceutica,* von J. be Figueiredo. Geographie 
So recht bemerfenswerth ift der Bericht, den Bas de Caminha, ber Geführte des 
Pebralve; Cabral, über die Enidedung von Brafilien erftattete. Dieſes woichtige 
Dofument aus dem 16. Jahrhundert Hat M. Ayrez de Bazal im Jahre 1817 zum 
Erftenmale dem Drude übergeben. Gag wichtig ift ferner aus dem 16. Saks 
hundert das Tagebuch bes berühmten Magelbaens, welches Dr. 8. Türkin feine 
mufterhaften Monographie trefflidy benügt hat. So recht eigenthümlich find „bie 
Vilgerfahrten“ (Pere inagden, Kifiebon 1614, 1678, mit Zufägen, 1711 m 
1725) von Fernao Wende; Pinto, der, von Entdeckungs⸗ u. Abenteuerſucht ge 
trieben, Afrika u. Aflen durchreiſste. Befondere Beachtung verdienen die geogra⸗ 
phifchen Werfe über Brafilien: „Roteiro geral do Brasil;“ „Corographia ra⸗ 
siliense,‘ von Manoel Ayres do Cazal; „Corographia portogueza,“ von Antonio 
Gary, Coſta; „Geografia statistica do Brasil.“ — In der Mathematif glänzen 
als gefeierte Ramen: Pedro Nuñez Cgeftorben 1577); Barcao s Stodler 5 * 
Anaſtacio da Cunha (außerdem berühmt als lyriſcher Dichter), u. Joſoͤ de Sonja 
„Obras posthumas“ (Liffabon 1746), — Die Raturwiffenfchaft befreite 
Theodor d'Almeida von ihrer Befangenheit u. bem Scholaſtiſchen. Dieß vollzog 
ee in feinem umfaflenden Werke: „Recreacöes philosophicas,* Liffabon 10 Bde. 8., 
und in feinen „Cartas mathematicas.“ — Bon ben meiften gefchichtlicdhen 
Werfen iR zu erwähnen: „Historia do Brasil‘ von Termin Samen Kıkanda 


Portulat — Porzellan, 395 


88). — Im Bereiche ber En finden fi Feine beſonders her⸗ 
en Werke; doch verdienen als ge he Ueberfeger genannt zu werben: 
aiao, ber die Aeneide Virgils griechiſche Verſe, u. die Lufiade des 
In Tateinifche Verſe über, te, — Joao Franco Barreto überfepte bie 
teifterhaft in potugiefifche Stanzen, u. Antonio Rib. Santos bie Werfe 
tus. — Bon hohem Werihe iR: — Lexicon novissimum latin. 
von Joſé Ferreira (Paris 1849). Nahern Aufſchluß über die p. S. 
en: Bibliotheca lusitana von Diego Barbofa Machado (Liffabon 1741)5 
Itörature du Midi,“ von Eidniondie; „Resumds de l’histoire li re du 
et du Bresil“ Baris 1826), u. befien: „Chef d’oeuvre du thı 
(Baris 1823) ; „Bosquejo da historia da poesia e lingoa Poı R 
326). Geſchichte der Poeſie u. Berebfamteit, 4. Bb., von Fr. Bouter- 
tting. 1805). — Einen vortrefflichen Hausſchat, der mit vielen Ans 
1 bereichert ift, ſchenkte Fonſeca den Freunden der p. 2.: „Parnaso Lu- 
ı Poesias selectas dos auctores porluguezes antigos e modernos“ 
Paris 1826—1834). 1 8 
tulak (Portulaca oieracea), iſt der Name einer, aus dem ſudlichen 
aus Oſtindien ſtammenden Gervürzpflange, bie jet auch durch ganz ⸗ 
Härten angebaut wird, Man bemügt die faftigen u. ſeht erfriſchenden 
od wie die jungen Triebe, als Salat ober gekocht als Gemüfe. Auch die 
tengel werben, namentlich in Frankreich, wie bie Gurken eingemacht, 
roh mit Eſſig, Del u. Pfeffer gegefen, h 
twein, ein weißer u. rother portugiefifcher Wein, welcher in großer 
ı ben Provinzen Minho u. Beira gebaut wird; er geht über Liſſabon ır. 
ER nad en und Holland. Er muß einige Jahre Tagern vom 
are ift er am beſten. 
zellatı (von dem portugiefifchen" Worte Porcella, eine Heine Schale), ift 
verglastes, feines Thongeſchirr u. die befte von allen irdenen Warten. 
ſcheldet fih von dem Steingut dadurch, daß es durch einen hohen Hit: 
Art Echmeljung erlitten hat, wodurch es durchſcheinend geworben ift. 
ı u. Japan bat man fchon feit den älteften Zeiten vortreffliches P. vers 
fien gute Qualität noch jept anerfannt ift, deſſen Formen und Malerei 
rem Geſchmacke wenig zufagen, weßhalb es meift nur als Euriofität ge- 
d, u. nur in der neueſten Zeit ift es, namentlih in Frankreich, Mobe 
‚ vornehme Zimmer mit japanifchen u. chineſiſchen P.-Vaſen zu becoriren, 
efiſche P. wird aus Kaolin oder P.- Thon u. weißem, verwittertem Feld⸗ 
fertigt, und zu ben feineren Gattungen wird noch eine Art Topfftein, 
* genannt, zugefeßt. Die Maſſe deſſelben ift fehr weiß u. von bichtem, 
orne, auf dem Bruce gewöhnlich röthlih u. mit einer undurchfichtigen, 
ulichen Glaſur überzogen, Auch verfertigt man dort eine geringe Sorte 
wie bie Ziegelfteine, zum Bauen benügt wird. In Anfehung ber Dauer 
übertrifft es alle befannten Arten. Das japanifhe P. hat eine vor- 
weiße Glafur, welche die Malerei bebedt; biefe ift in lebhaften Farben 
t u. befonders ift bie blaue Farbe glänzender, befgleichen find die Zeich- 
. Blumen nicht fo barod, ſondern naturgemäßer, u. die Verzierungen 
“u. nicht fo überhäuft, ais beim chineſiſchen P. Es if dagegen meift 
‚ zerfpringt leichter in der Hitze. In der neueren Zeit hat fih jedoch 
tät des chinefifchen, fo wie des japanifchen P.8, verfchlechtert. In Perfien 
falls P. verfertigt, das mit dem chinefiichen große Achnlichkeit hat u. 
für Diefes verfauft wird, aber es ift ſchlechter u. fpringt befonbers leicht 
Slüßigfeiten. Das hinefifhe PB. kam zuerft gegen Ende bes 15. Jahr⸗ 
durch die Portugiefen nah Europa u. galt bis in das 18. Jahrhundert 
große Seltenheit u. Koftbarfeit, fo daß der König von Polen, Auguft der 
sem Könige von Preußen ein Regiment Dragoner für eine Anyık \ftenır 
überließ. In Guropa wurbe bie Berfertigung des V. s von einem ars 


396 Porzellan. 


wiſſen Böttcher aus Schleitz erfunden, der als Apotheferlehrling in Berlin Heim; 
ih die Stabt verlafien hatte und, ba ec vorgab, ein Geheimniß, Gold zu machen 
zu befiten, vom SKurfürften von Sachfen, Auguft dem Starfen, aufgenommen 
wurde, der, um ihn zu zwingen, ihm dieſes Geheimniß mitzutheilen, ihn auf ben 
eöndgkein fegen u. dort laboriren ließ. Hier brachte Böttcher zwar fein Golb 
tande, erhielt aber zufällig im Jahre 1706, al8 er eine feuerfefle Compo⸗ 
tion zu Schmelztiegeln auszumitteln fuchte, eine dem P. ganz ähnliche Maffe, 
nur von brauner Farbe. Mit dem Beiftande des Naturforſchers u. Mechanikers 
Tſchirnhauſen gelang es ibm jebocdh bald darauf, weißes P. darzuftellen, worauf 
1708 in Dresden eine Werfflätte zur Berfertigung befielben u. 1710 Die große 
P.⸗VFabrik auf der Albrechtsburg bei Meißen errichtet wurde. Dieſe verbeflerte 
jeitbem ihr Fabrikat fortwährend, fo daß es, wenigflend was bie Güte ber Maſſe 
betrifft, ſchon längft als das befte in Europa anerkannt ift, obgleih man ihm 
bas Berliner in Bezug auf Malerei, da8 Wiener wegen fehöner u. dauerhafte 
Bergoldung u. das franzöfifhe in Bezug auf Schönheit der Formen vorzieht. 
Obgleich die Bereitungsart als das firengfte Geheimniß behandelt, alle Arbeiter 
auf ber Fabrik zum Stillſchweigen beeidigt u. bie Ausfuhr der Maſſe, welde 
Damals in anderen Ländern noch unbekannt war, bei Tobeöftrafe verboten wurde, 
jo gelang es doch durch Verſuche u. andere Mittel, auch anderwärts ein meh 
oder weniger ähnliches Fabrikat hervorzubringen, fo daß ſchon 1721 bie Yabrit 
zu Win, 1751 die zu Berlin, 1756 die zu Nymphenburg bei München, 170 
die zu Bolfftädt bei Rudolſtadt u. ſ. w. errichtet wurden, u. jeht wird faſt in 
allen Ländern Europa's P. von befferer oder geringerer Güte verfertigt, In 
Frankreich ift befondes die föniglicde Fabrik zu Sevres berühmt, welche vortrefflice 
und befonders großartige Erzeugniffe liefert ; boch iſt das ranohiche P. zu ſtark 
verglast u. daher dem Springen leichter unterworfen, als das Meißener, Berlimer, 
Wiener ıc. Außerdem gibt e8 noch in u. um Paris viele u. bedeutende Fabriken, 
fo wie au) an mehren anderen Orten in Frankreich. In England find befonders 
die Fabriken zu Worcefter u. Liverpool zu bemerken. Dänemark hat eine bedeutende 
Fabrik in Kopenhagen; Stalien in Neapel, Mailand u. in Toskana; Schwein 
a Röhrftrand u. Guſtavsborg; Belgien mehre in Tournay, Mons u. Brüſſel; 
ußland befonders mehre in Petersburg u. noch an mehren anderen Orten; Spanien 
hat einige Fabriken von geringerer Bedeutung, denn die große königliche Fabril 
im Schloſſe Buen-Retico iſt eingegangen; Holland hat namentlih eine Yabril 
in Weesp bei Amfterdam, u. auch in Rorbamerifa wird, befonders zu Philadelphia, 
jehr ſchoͤnes P. verfertigt. — Die Maffe des P.s befteht ber Hauptſache nad) 
aus Kiefel- u. Thonerde, wozu noch, um bie Halbglasartige Zufammenfchmelzung 
hervorzubringen, kleinere Duantitäten von Kalferde, Gips, Schwerfpath, feuer: 
beftändigen Alkalien ꝛc. fommen. Das Duantitätöverhältniß biefer Beftanbtheil 
weicht jedoch überall, nach ber verfchiebenen Befchaffenheit derfelben, von einander 
ab u. felbft in einer u. derſelben Fabrik findet eine Verſchiedenheit flatt, je nad: 
Dem größere ober Eleinere Gegenflände verfertigt werden, fo wie man auch in 
mehren Fabriken P. von verſchiedener Qualität verfertigt. Die verfchiebenen Be 
ftandtheile, aus benen das PB. verfertigt werben fol, werden mit der größten 
Sorgfalt duch Auslefen, Zermahlen, Schlemmen ıc. von allen frembartigen Bes 
miſchungen gereinigt, dann gleichmäßig gemifcht, mehremale zufammengefnetet u. 
wieder zerkleinert, bierauf, wie bie gewöhnlichen Töpfergefchirre, nur mit größerer 
Sorgfalt, auf ber Drebfcheibe, vermittelft hohler Formen, Schablonen, oder auch 
durch Pouſſiren aus freier Hand, in die vorgefchriebenen Geftalten gebracht. Die 
. geformten Gegenftände werden halb getrodnet, dann mit flählernen Inftrumenten 
eebnet u. geglättet, bie verbogenen Stüde gerade gerichtet, u. nachdem man fie 
t völlig austrocknen laſſen, werben bie, welche glafirt werben follen, in einer 
mäßigen Hiße ſchwach gebrannt u. Hierauf durch Eintauchen in bie zu einem 
ünnen Brei angerührte Blafur, oder dur Bepiniein mit herielken hamit ber: 
gogen. Diefe Glafur beſteht gewöhnlih aus ungeidt ven niuliken roketaiien, 


— — — 


Porzellan. 397 


wie das P., nur in anderen Berhäftniffen, bamit fe leichter ſchmilzt; doch bi 
fie auch nicht eher in Fluß — als bis die P.-Maffe f au “if 
Verg übergeht. Man bat daher, nach der Schmeizbarkeit der I 
leichtflüßige u. ſtren LE AR Die Ingredienzien derfelben 'werbeit ganz | 
emabfen u, mit fer in einen bünnen Brei verwandelt. Die fo vorbereiteten 
jenftände werben hierauf in beſonders eingerichteten Defen und buch ſtarke 
ige bis zur Zufammenfinterung gebrannt, wobei bie Glafur in eine verglafende 
elzung gebracht wird. Dieſes Brennen dauert gewöhnlich 18-20 EN, 
amd wenn man an ben von Zeit zu Zeit aus dem Dfen —— RPrı 
(erben fieht, daß ber richtige Zeit bamit erreicht ift, läßt man das 3 
ausgehen, verfchließt alle Defmngen des Ofens u. läßt ihn 1 Bis 2 Tage ab⸗ 
Es Nachdem dann auch die Oeffnungen nach u. nad) wieder geöffnet worden 
), wird das fertige P. herausgenommen 1., je nachdem es mehr oder weniger 
bollfommen gerathen * in Fein⸗ Mittelgut und Ausſchuß ſortirt. In Meißen 
ſortirt man in Gut, Mittelgut, Ausſchuß, Brad, Unſcheinbares u. Bruch. Hierauf 
werben bie Stüde, welche nicht weiß bleiben ſollen, gemalt u. vergoldet, 3 
Nalen bedient man fi) gervöl ber Metalloryde, bie mit ‚einem bleifreien, 
leichtſlußigen Glaſe zufammengeichmolen, dann fein gemahlen, durch feibene Siebe 
, mit Lavendel» ober vectificirtem Terpentinöl abgerieben und dann mit einen 
et das P. enfaeteapen werben, Das Malen erfordert eine um ——— 
Heſchicklichteit, als die meiften Farben erſt nad dem Brennen zum Vorſcheine 
ommen und der Künftier ſich daher die Wirkung feiner Arbeit nur vorftellen, fie 
iber nicht felbft wahrnehmen fann. Der fogenannte Goldpurpur gibt eine purpur⸗ 
nit er vermifcht eine rofenrothe, und mit Kobaltoryd eine violette Barbe; 
Eifenoryd gibt eine, zwiſchen Ziegels und Granatroth ftehende Farbe, mit Man- 
anoryd braum; Neapelgelb oder Piepglamige Säure geibı mit Eifenoryd ver⸗ 
nifcht orange; Uranoryd ſchwarz, mit Bleioryd ftroßgeld; das reinfte und ut 
Schwarz gibt Jribium; eine Miſchung von Eifenorydul, Mangan- und te 
nd ebenfalls Schwarz; Kobaltoryd blau, was durch Zufag von Zinn» oder Zink 
nd Heller wird; Chromorydul, fo wie Kupferoryd grün ac Nah dem Aufe 
ragen der Farben werden fie duch Erhigung des P.s unter einer Muffel eins 
jebrannt. Da das Kobaltornd die zum Hartbrennen des P.s nöthige Hige ohne 
Kachtheil aushält, fo wird die blaue Malerei gewöhnlich vor der Blafur aufge 
n und mit Diefer eingefchmelzt. Zum Vergolden nimmt man reinftes, in 
nigewaffer aufgelösted und dann niedergefchlagenes Gold, zum Berfilbern 
Silberoryd und zum verplatiniren Platinoxyd, Teibt biee Ingredienzien mit Spieöl 
and vinem Flußmittel, beim Golde gewöhnlich aus Wismutboryd, beim Silber aus 
Borar und Soda beftehend, zufammen, trägt dieſe Mifhung auf und erhigt dann 
Ne Gegenftände unter der Muffel, bis die aufgetragene Maffe völlig gefloffen u. 
er Metallüberzug auf der Glafur befeftigt if. Die den Karben zugefegten Fluß— 
nittel muͤſſen natürlich bei einem geringeren Hitzgrade fehmelzen, als die Glaſur. 
Um Kupferftihe auf P. überzutragen, werden fie von den Kupferplatten vermittelft 
Echmelzfarben auf mit Seife beftrihenes Papier abgebrudt, biefes hierauf, fo 
ange es noch frifch if, auf das °P. gelegt u. fo eingebrannt, — Außer dem ger 
vöhnlichen ober Achten P. hat man noch unächtes ober fogenanntes Fritten-P., 
velches ſchon vor ber Erfindung bes erfteren, im Jahre 1695, in Frankreich vers 
'ertigt wurde u. jetzt noch verfertigt wird; auch die 1756 zu Sevres errichtete 
Ka lieferte Anfangs nur ſolches unächtes und erft feit 1768 aͤchtes P. Das 
titten» PB. wird aus weißem, feuerfeftem Thon, mit Zufag von Glasfritte als 
Zlußmittel, verfertigt. Die Zufammenfegung der Glafur weicht von der des Ads 
en P.s ebenfalls ab. In England wird unter bem Namen Iron stone china, 
tamentlich in Chelfea, Coalport und Derby, viel Fritten-P. verfertigt. — Das 
illigere Sanitäts- oder Gefundheitsgefhirr befteht aus einer Miſchung 
von P.-Mafje und ? feuerfetem Thon; die Glaſur iſt die nämlice, woie van V. 
as Drefen geſchieht aus freier Hand, weßhalb die gleijartigen Eegentinte 





398 Porzellaunſchnecke — Poſen. 


nicht fo genau in Form und Größe uͤbereinſtimmen, wodurch aber die Verfertigung 
wohlfeiler wird, ald beim PB. — Ein intereffantes und fehr beliebtes Fabrikat, 
welches 1827 in Paris erfunden wurde, jebt aber in ben meiften beutfchen PB. 
Fabriken verfertigt wird, find die transparenten oder fogenanntn Diaphan: 
bilder, aus unglafirttem P., welche, gegen "das Licht gehalten, täufchenb eine 
getufchte Zeichnung barftellen, indem bie Platten an ben bunfelen Stellen bider, als 
an ben hellen find. 

orzellanfchnedle, Cypraca L., eine Schnedengattung, mit eiförmiger, in 
ber Mitte gewölbter, an den Seiten verfürzter Schale. Die Spindel ſteht wenig 
vor und bie fchmale, bei alten Thieren geferbte Mündung läuft über bie ganze 
Schale. Sie haben faft durchgängig ſchoͤne, porzellanglänzende Karben, wodurd) 
ihre Schalen fo beliebt geworden find, daß fie gewöhnlich einen tbeſtandtheil 
der verſchiedenen, mit Muſcheln beſetzten, Galanteriearbeiten bilden. Es gibt da⸗ 
von mehre Arten. 

Pofaune (lat. buccina), deren Gebrauch ſich ins fernfte Alterthum verliert, 
it eines von denjenigen Blechinftrumenten, welches vermittelt eines, vom Bla 
fenden bald lang, bald kurz auszuzichenden, Bogens im Stande ift, alle Töne offen, 
frei u. fräftig anzugeben. Es theilt fich in Die Discant-, Temors, Alts u. Baß⸗P. 
und ift in verfdhiedener Größe gebaut. Doch bedient man fi ber Discant⸗P. 
feltener, Häufiger dagegen zweier Gattungen ber Baß⸗P., nämlich der Quarts u. 
Quint⸗P. Sie bietet dadurch, daß ber Ton gezogen wird, in ber Behandlung 
große Schwierigkeiten dar u. ber Bläfer muß nicht nur ein guter Muſiker, fon 

en auch von ſtarkem Körpers(lungen-)Bau feyn. Auch auf der P. gibt « 
Solobläfer, im Orchefter aber ift ihr die Stelle, welche fie einzunehmen Hat, 
genau vorgefchrieben. In die Oper führte fie Blud ein, dann Mozart. Bor 
zugsweife eignet fie fich jedoch zur feierlichen Begletung bes Kirhengelange, 
— Poſaunenbaß; ein Orgelregifter von 16—32 Fußton und eine ber ſtaͤrl⸗ 
ſten Baßſtimmen. 

En f. Reptun. 

Polen, 1) das Großherzogthum, eine Provinz des preußiichen Staates, ge 
bildet aus einem Theile des aufgelösten Großherzogthums Warſchau, ber 1815 
durch den Wiener Congreß mit der preußifchen Monarchie vereinigt wurbe, naͤm⸗ 
ih aus dem größten Theile des Departements PB. und Theilen der Departements 
Bromberg und Kalifh, gränzt an Pommern, Weftpreußen, Brandenburg, Schle⸗ 
fien und ruffifh Polen und Hat auf 5364 [_J Meilen 1,300,000 Einwohner, von 
benen über 800,000 Katholiken, bei 400,000 Proteftanten und ber Reſt Juden 
find. Das Land ift eine völlige Ebene, wo nur einige geringe Hügel und Ans 
Fa fih erheben, mit einem meiftens fandigen und lehmartigen, ſtellenweiſe 
umpfigen, im Damen tragbaren Boden, der in ben Nieberungen längs ber ai 
feren Zlüffe fette Marfchen bildet. Die Fluͤſſe Haben einen geringen Fall. ; 
ger der Weichfel, welche hier die Braa oder Brache empfängt, gehören bie an- 
beren zum Stromgebiete der Ober, darunter bie Wartha ber vornehmfte if, in 
welche fih in dee Provinz die Prosna, Obra u. Welna, u. außerhalb berfelben bie 
durch die Lobſonka, Kuͤddow u. Drage verftärkte Netze u. die Bartfch ergießen. Der 
Bromberger- Kanal dient zur Verbindung ber Braa mit der Netze u. dadurdh zur 
Berbindung der Weichfel mit der Oder. Bon den zahlreichen Landſeen ift ber Goplo ber 
größte. Getreide in Meberfluß, Hülfenfrüchte, Flachs, Celgewächfe, Holz u. Vieh find 
die Hauptprobufte, wozu noch Hanf, Tabak, Hopfen, Gemüfe und Obſt, fogar 
etwas Wein kommen. Jagd und Fifcherei find bedeutend, aber an Mineralien 
iſt P. arm und von Metallen gibt ed blos Sumpfeiſen. Nur an ben beutfchen 
Graͤnzen, in den großen Städten und im Nepbiftrifte wird die beutfche, fonft all⸗ 
gemein bie bolnifce Sprache von ben Stabts und Lanbbewohnern geredet. Die 
Induſtrie blüht am flärkfien in ben von den Deutfchen bewohnten Gegenden, wo 
viel Tuch und Leinwand fabricirt wird. Kerner find bie Spigenfabrikation, bie 
Gerbereien, Rürfchnerarbeiten, Eichorienfabtiten, ie Branniweinbrenmerei ic. gu 


Posgam — Pofition. 39 

—7— nr die Inbuftrie überhaupt auf bie Stäbte; das ‚platte 

and nimmt, = innerei und Leinweberei, —— — 
rer el Hat —X dem bie, Weichſel und einige ſchiffbate 

Verbindung mit der Oſtſee —— eine —— — ‚aber. 

Bandfraken And (let; doch —— t aud an, Kunſtſtraßen zu bauen 

Ban; — Krotoſchin, Liſſa, Poſen, — treiben En ee 

entlichen — find. ‚die 5 Gymmaſien " 

en —* und — 2 Briefterfeminarien, zu P. u. — efen, 

im, zu P. u. Bromberg, und eine Hebammenanftalt zu PB, 

— bildet zwei nt Fr — — Ne 

— e x er Spipe 

—— —— ſteht der —— iſchof —* und P. Im sy 


ver. meueflen pol iffe in bem thume tollen bie deutſchen 
an 
64 jer Prı ul en ri, 
‚en Gegenb an ber “ ift Sberpränbiune, des Ober 


— und te fowie ans — und iſt in neueret 
Zeit zu einer ſtarken Feſtung mit Citabellen und Forts erhoben worden. Die 
Stadt iſt ſchoͤn gebaut und hat große freie Plaͤtze; —— iſt der — 
= mit u — 6 Borftäbte, 28 Kirchen, ein griechiſches 

ie — —— 2 Gynnafien, Priefterfe —8 
kn es —— bie große Bibliothek von 20,000: —5 
merfwürbige Baferleiun * über 40,000 Einwohner, worunter 9000 Zuben, 
welche, außer den büry Gewerben, deren Betrieb durch bie vielen hohen 
Beamten, das Militär und den benachbarten reichen Abel gt wird, Bas 
brifation von Tuch, Leinwand, Tabak, Leder, Gold» und Silberwaaren, Uhren, 
Siegellad, Firniß, Bacpsleinwand, en, Waffen, fupfernen en 
Del, Bier und, Branntwein, und lebhaften ‚Handel. mit — und ruſſiſch 
Lanbesprodulten, namentlich mit Holz, Getreide, Wolle, Vieh, Bellen, ‚par 
Flachs, Bettfedern, Tabat, Hopfen, Honig, Wachs u. |. w. treiben. P. ift, 
nachſt Gnefen, die ältefte Stadt ‘Polens und wird für den älteften Sit und Ber 
gräbnifiort der polnischen Könige ausgegeben. Das dafige Bisthum foll von 
Miezislaw I. gegründet worden ſeyn. Früher Sig einer eigenen Woywohfchaft, 
fam PB. 1793, bet ber zweiten Theilung Polens, an Preußen. Im Deyember 1806 
Eriede zwiſchen Napoleon und Kurfürft Friedrich Auguft von Sachfen, welcher 
nad) demfelben den Königstitel annahm. 1807 kam es durch den Frieden von 
Tilfit zum Großherzogthum Warfhau, 1815 an Preußen zurüf und ber 
Fürft Radziwill vefidirte hier als koͤniglicher Etatthalter bis 1830. 1828 wurde 
der Beftungsbau begonnen und 1834 bie Eitadelle (Hort Winiary) auf 
den Boniner Höhen angelegt. In _ben legtverfloffenen Monden war P., in Folge 
des wuthentbrannten Streites zwifchen ber beutfchen und polnifchen Bartei, ber 
Schauplag mehrfacher Gräuelfcenen. 

Dosgarn, [. Sudow (Karl Adolph). 

Pofidonios, aus Apamea in Eyrien, Staatsmann und Stoifer, Banätios 
Schüler, um 108 v. Ehr., lehrte nach biefem zu Rhodus (daher auh P. Rho— 
dios), fam 52 nah Rom u. ftarb im Jahre 50 v. Ehr.; er war Cicero's und 
PBompejus Freund; dem ihn beſuchenden Pompejus Hielt er unter den hoͤchſten 
Körperfchmerzen mit aller Kraft eines Stoifers eine philofophifhe Borlefung ; 
er fhrieb: Ta nera HoAvßıov in 52 Büchern, befien Refte I. Bake, Leyden 
1815, herausgegeben hat. 

Hofition, Stellung, Lage, Heißt 1) in ber lateiniſchen und griechiſchen 
Proſodie das Aufeinanberfolgen eier ober mehrer Konfonanten, ober eines 
doppelten Eonfonanten auf einen Celbftlauter, wodurch berfelbe lang wird. — 
2) In der Tanzkunft nenntman P. eine gewiffe Stellung der Türe, nat Mt 
gabe ber auszuführenben Pas. — 3) In ber Mufit, \. Lage. — 8 Im 


400 Poſitiv — Poſſelt. 


Kriegsweſen nennt man P. jenes Terrain, auf welchem eine Armee oder ein 
Armeecorps, oder eine größere Abtheilung anhält, um zu Tagen, zu bivouafiren, 
eine Ruheftellung zu nehmen, oder fi zu ſchlagen. Die Wahl der P. iſt eine 
der wichtigften Angelegenheiten bed Krieges, zu beren Löfung fehr viel Genie gehört; 
Berechnung, Erfahrim und militärifches Augenmaß tragen viel hiezu bei. In 
Hinficht uf die Wichtigkeit der zu nehmenden Pen find fie es, wodurch 
man den Feind in feinen Anternehmungen aufhält, ihm in feinen Bewegungen 
laͤſtig wird, ihm tremmt und in Heine Abtheilungen zerftüdelt, ihn von feinen Ma⸗ 
azinen entfernt und für deren Erhaltung beforgt macht, ſich auf bie Flanken u. 
n den Rüden bes Feindes, fich ſelbſt aber in die Berfaffung febt, ihn wäh- 
rend eined Marfches anzugreifen, in Schlachterbnung gegen ihn zu marfchiren, 
ihn felbft aber diefes Bortheiles zu berauben. 

Hofitiv oder affirmativ Heißt Alles, was an ſich Gegenflanb ber Bor- 
ftellung tft, fel e8 num eine reine Größe, ober eine Realität, ober ein Berftanbes- 
begriff. Durch das P.e und deſſen Aufhebung, das Regative (ſ. d.), bildet 
ſich das logiſche Verhaͤltniß von Sat und Gegenſatz. 

Poſitiv, auch PBortativ und Regal, nennt man eine gprusorgel eine 
feine, tragbare, leicht an einen andern Ort zu flellende Orgel, wit wenigen 
Stimmen und meift er Pedal, für Schulen, Kapellen, kleine Kirchen u. f. w., 
oft auch mit einer Tiſchplatte bedeckt. — Außerdem wirb noch P. eine Fleine, vor 
ber großen ftehende Orgel genannt, zwiſchen welchen beiden dann ber Organiſt 
feinen Plag zu haben pflegt. 

Hoffe, überhaupt ein Scherz, Spaß, dann eine fcherzhafte Rebe ober Ge⸗ 
bexde, die außer ber Graͤnze ber gefellichaftlichen Eonvenienz liegt. Es iſt nicht 
zu behaupten, daß in der PB. an ſich ein Beichränftes u. Unmwürbiges enthalten 
jey, benn dieß würbe ber möglichen äfthetifchen Behandlung berfelben woiberfpre- 
hen. Daher wäre jener Er Arıma beizuflimmen, nach welcher die PB. ein Er 
zeugniß ber fcherzhaften Laune if, die in den Kreis bes Bemeinen herunterfleigt, 
ohne felbft gemein zu werden. Dazu gehört nun allerdings Beweglichkeit bes 
Geiſtes u. Wig in der Erfindung, allein eben deßhalb belufligt fie auch in ber 
höchften Uebertreibung. Trüge fie dagegen ben Charakter bes Befchränkten und 
Unmürbigen, fo fönnte fie nicht in das Kunftgebiet der Komiker, ber PBantomi- 
men u. der fomifchen Poeſie eintreten. In lebterer Beziehung Heißt nämlich ein 
Erzeugniß, welches ben Eharafter ber P. an fich trägt, felbft eine PB. im Allge⸗ 
meinen, u. eine dramatifhe P. (ein DB. Spiel) insbefondere dann, wenn, ohne 
genaue Beachtung der Regeln bes höhern Luſtſpiels u. mit Bernachläßigung ber 
Gharaftere u. des Zufammenhanges der Scenen, bie Situationen dem gemeinm 
Leben angehören oder anzugehören fcheinen. Inſofern nun hier vorzugswelfe ent- 
weder der Wit, oder die Phantaſte herworleuchtet, unterfcheidet man noch die fa: 
tiriſche P. u. die Zauber⸗P. Erſtere macht die menfchlicden Thorheiten in hu⸗ 
moriftifcher Nusgelafienheit durch den fchlagenden Wit einer geiftreidhen Satire 
lächerlich, legtere dagegen bringt den Kontraft des Wunderbaren und Gemeinen 
in buntem Gemiſche zur Darftellung, 

Doflelt, Ernft Ludwig, ein bekannter beutfcher Hiftorifer, geboren zu 
Durlah 1763, erhielt eine forgfältige Erziehung , zeichnete fich ſchon auf ben 
Gymnafien zu Durlach u. Karlöruße durch feltenes Talent, ungemeinen Fleiß u. 
Beicheidenheit aus, fludirte in Göttingen die Rechte u. promopirte in Straßburg. 
Schon auf der Univerfität entfchieb fich feine Liebe zum Stublum ber Bolitif, 
welche ihn felt der Zeit, nebſt Gefchichte u. römifcher Literatur, bis an das Einbe 
feines Lebens ae ausfchließend befchäftigte. Anfangs war er Regierungs⸗ 
Advofat in Karlsruhe u. bald nachher Profeſſor der Gefchichte u. Berebfamfeit 
am Gymnaſium daſelbſt u. geheimer Sekretär. Schon damals kuͤndigte er fidh 
bem Publifum durch die Herausgabe feines wiſſenſchaftlichen Magazine für Aufs 
flärımg, eine Geſchichte der Deutfchen, die er aber unvollendet Hinterließ, eine 
Schrift gegen Mirabeau, feine Geſchichte der beutuhgen ürkenperiine, Gedichte 


Poſſenhaft — Poflesini, 401 


nach Boltaire, Geſchichte Guſtavs Il ıu. a. als einen en 
3. — m. a, Fan Schriften noch viele Spuren eines allzuheftigen 
eat ang aus — Geſchmacks an ſich trugen, Seit En 
war — —— bad Bei Raftadt, legte aber rs diefe Stelle aus 
Liebe zur Unabhärigfeit u —— ſchaäftigung —— * lebte ſeitdem abs 
wechfelnd mit feiner Familie in: Karlsruhe, Durlach, Tübi , Nürnberg und 
Die Ereigniffe der. Zeit, vornaͤmlich die fcanyöi Sr Revolution mit 
- en, „ern Ina feine Aufmerfjamfeit u. die von ihm — 
—— je 6 — ————— wi voll 
e y en Prozeſſes 9 ni as 
buch für Die sun een euefte Geſchichte (8 Jahrgänge. lien, 1 — bie euros 
pälfchen Aalen Cfeit 1795) u. bie wurden rühmliche Dent- 
mäler feines Namens. Man hat A: 8 —— Erzeugniſſen (eſon ⸗ 
ders ben früheren) nicht mit Unrecht getabelt, 1er A ie Kant 
tafie u. fein für alles Große u. — 
— oft eine, den Sinn der Sf ichte — kn — 
u. ſeinen Ton zu einer Staͤrke u. Ueppigkeit Senne die grell genug 
mit. ber. Einfalt ber beften älteren u, neueren Mufter contraftiven, Man hat ‚aber 
babei nicht verfannt, wie in allen Erzeugniſſen feines Geiftes Selbfftändigfeit u. 
Genialität walten; wie überall: in ihnen ſich —* mit reichet ae aus, e 
* u. mit ber Kraft der Alten genaͤhrier Geiſt aufündige; wie — 
—— das bunte Gewimmel ber Tages begebenheiten unter "Zotatbi 
eat mit welcher Energie die Grundftriche bet Gemälde re 
—7 — —E und fie aus; — ſeyen; wie endlich auch deut ⸗ 
fer Fleiß u. bie gewiſſenhafte Achtum, erfte Geſetz bie Thatſachen bes 
richtige u. orbne, Allein alle diefe — —— elche beſonders von den Freunden 
5 mit Enthufiasnus aufgenommen — zogen ihrem — il 
viele Feinde von ber Gegenpartei zu. 1799, als der His ende Krie, 
ausbrad), ließ fogar ber alferliche 6 General Sıtaray BP. Me nliche Fr ges 2 
Sicherheit bedrohen. P. war von Natur ängſtlich u. geneigt, gerne bag Echlimmfte 
au erwarten, u, biefe unglüdliche — mag, nahm bejonders feit der Zeit 
zu, ale Moreau, mit dem er im freundfchaftlichen Verhältniffen ftand, im Februar 
1804 in gefänglide Haft gerieth. Das Shidfal diefes Freundes beſchäftigte 
ihn wmaufhörlih u. erfüllte fein Herz mit bangen Sorgen. Diefe Furt, und 
wahrſcheinlich noch einige andere Umftände, erzeugten in ihm eine Melancpolie u. 
Unruhe, bie ihn von einem Orte zum andern trieben. Am 10. Juni 1804 reiste 
er von Durlach, wohin er wenige Tage zuvor von Nürnberg zurüdgefommen 
war, nad Heidelberg. Am andern Morgen zwifhen 7 u. 8 Uhr war er im 
Zimmer allein, öffnete das Fenfter, ftürzte Ga verzweifelnd hinab auf’s Pflafter 
u. zerſchmetterte Die ganze linke Seite feines Gehirns. Sogleich eilte Hülfe von 
allen Seiten herbei, man trug ihn Hinauf, Holte ben Wunbarzt u. trepanirte ſei⸗ 
nen Kopf. Mitten in der Operation erwachte er aus einem Taumel, mähnte, 
der Friſeur fei über ihm u. ſprach beutlich: „Dießmal gehe ber Herr etwas unfanft 
mit ihm um." Nach 1 Uhr verſchied er. S. Schubart Sendſchreiben über P.s 
Leben und Charakter. Seine gefammelten Werfe gab Weid in 6 Bden. 
1828 heraus, 

Poſſenhaft, der Poſſe (ſ. d.) entſprechend, geneigt und fertig, Poſſen zu 
maden ; dann im tabelnden Sinne die Bezeichnung eines groben, am unrechten 
Orte angebrachten, bie eigene Gemeinheit verrathenden Scherzes. 

Poffevini, Antonio, Iefuit u. Rector verichiedener Collegien feines Ordens, 
geboren zu Mantua 1534, aus einer angejchenen aber verarmten Familie, ausge 
zeichnet durch Gelehrfamfeit, wurde von dem päpftlihen Stuhle zu verfhiedenen 
Gefandtſchaften nah Rußland, Polen u. namentlih nah Schweden verwendet, 
um Dort auf ben Wunſch Königs Johann DI. bie Wiebervereinigung mt ter 


Kirche zu bemwirfen. P. war ein rüftiger u. gewandter Arbeiter anf dem ihm 
Kealencpeloräble. VIII. DIS 


— 


402 Poſſirlich — Poſtel. 


angewieſenen Felde, u. wenn es ihm nicht gelang, Schweden unbedingt wieber 
mit ber Kirche zu vereinigen, fo lag ber rund Hevon lediglich darin, daß bie 
von Johann verlangten 12 Zugeftändniffe, namentlich die G bes Kelches 
beim heiligen — male, die Briefterehe u. Die eier ber Meſſe in ber Landes» 
fprache, bie päpftliche ehmigung nicht erhielten. Seine Schriften, benen man 
übrigens nicht ohne Grund allzugroße PBartellichkeit für die Interefien feines 
Ordens vorwiet, And nicht unwichtige Quellen für bie Kirchengeſchichte feiner 
Zeit. Sein Apparatus sacer, 2 Bde, Köln 1608, fol. u. feine Biblioiheca se- 
er ebd. 1607, enthalten werthvolle Berzeichnifie der Kirchenichriftfteller u. ihrer 
Werte; ebenfo feine Moscowia, Wilna 1586 u. Köln 1595, fol Er flarb 1611 
zu Serrara. Bol. La vie de P., Paris 1712 und Theiner, Schweben und jeine 
Stellung zum Heiligen Stuhle unter Johann IL, Sigismund II. u. Karl IX. nad) 
geheimen Staatspapieren, 2 Thle. Augsb. 1838—39. 

Poffirlic, poſſenhaft im guten Sinne (f. Poſſe), als Ergebniß der Natur, 
ohne Abſicht u. gleichſam unwillkürlich. Das P.e erfcheint zwar ebenfalls laͤ⸗ 
cherlich, flreift aber allerdings auch an bas Nieblide u. Naive u. gibt ſich bes 
fonders in gewiffen Bewegungen fund, Es Hat übrigens ben Charakter völliger 
Unbefan enbeit u. entfpricht wohl am meiften dem fogenannt Drolligen, wobei ber 
Begriff des Gemeinen oder Häßlichen feine en ung findet. 

Poſtament, der Unterfag einer Bildhauerarbeit, Bafe, Statue u. Säule, bei 
ber erften auch Fußgeſtell, bei Statuen insbefondere Bilderſtuhl, und bei 
Säulen Säulenftuhl genannt. Beide Iestere, die Bilder: u. GSäulenflähle, 
beftehen aus dem Fuße, dem Würfel u. dem Dedel ober Kranze u. können ſehr 
mannigfaltig: rund, edig, oval u. f. w. ſeyn. Doc bleiben Säulenftühle nlatt 
u. nur Bilderftühle erhalten angemeflene, auf das Etanbbild ſich beziehende Ver: 
alerungen. Die Höhe u. Breite der P.e fleht immer im Verhaͤltniß au der Figur ; 
je ftärker Diefe ift, um fo breiter u, niedriger muß jenes feyn. Niemals aber 
bürfen bie Verzierungen der P.e die Aufmerkſamkeit in größeren Maße anipres 
den, als die Statue ſelbſt. 

Poſtel, D Wilhelm, geboren in dem Dorfe Barenton in ber NRormanbie 
1510, wurde ſchon in feinem 13. Jahre auf einem Dorfe Schulmeifter, um mit 
bem bortigen Erwerbe zu Paris ſtudiren zu können, lernte bafelbft ohne Anweiſung 
die hebrätiche u. griechifche Sprache, reiste zweimal mit dem franzöftfchen Geſand⸗ 
ten nach Konftantinopel u. brachte viele arabifche u. ſyriſche Hanbfchriften grüd, 
von weldhen Kaiſer Ferdinand I. bie älteſte furifche Meberfegung bes Neuen 
Zeftaments 1555 zu Wien in 4. druden ließ. Bei feiner Rüdkunft nad Frank⸗ 
reich erhielt er die Stelle eines königlichen Profeflors ber orientaliſchen Sprachen 
u. Mathematif, Nachdem er von Wien, wohin er fi) in ber Kolge begab, flüch- 
ten; Rom, wo er ſchon Novize bei ben Jeſuiten war, wegen feiner fonberbaren 
Meinungen nach vierjähriger Gefängnififtrafe verlafien mußte u. zu Benebig von 
ber Inquifttion nicht fowohl für einen Ketzer, als für einen Narren erflärt wor⸗ 
ben, kehrte er 1551 nah Paris zurüd. In Gefahr, auch Hier zur Berantworts 
ung gezogen zu werben, flüchtete er nochmals an den kaiſerlichen Hof, wo ex fo 
lange blieb, bis er nach einem öffentlichen Widerrufe aller feiner Irrthuͤmer nad 
Frankreich zurüdberufen u, in bie königliche PBrofefforftelle wieder eingefeht wurde 
Er flarb den 6. September 1581 in einem Llofter zu Paris, in welches er we 
ap erneuerter Bekanntmachung feiner Irrlehren eingefihloffen worden feyn fol. 

. war ein Schwärmer, ber aus feiner Bernunft , bie nach feiner Meinung bie 
höchfte Stufe erreicht Hatte, alle Lehrſaͤtze der chriftlichen Religion, die Geheim⸗ 
nifje nicht ausgenommen, erklären wollte. Gr behauptete: Chriſti Seele fey vor 
der Welt erichaffen u. mit dem Loges vereinigt worben; Alles, was in der Ratur 
it, ſe am Himmel mit hebraͤiſchen Buchftaben abgebildet zu fehen. Er Hoffte 
eine Beieherbringung aller Dinge u. rühmte fi) eines Umgangs mit den Engein, 
bie ihm allerlei Geheimniſſe lehrten. Manche feiner fanatiſchen Gebanfen Hat ex 
jo Dunkel vorgetragen, daB man feinen Sinn wit wohl erratgen tous, Berühmt 


s 
H 





Ye. . L ) 
wurde er unter anderen durch feinen Verfuch, bie Wahrheit des Chriſtenthums aus 
Bernunftgrünben zu erweifen u. alle Religionen mit der chriſtlichen zu vereinigen: 
De orbis terrarum concordia, Bafel 1 fol. Panthenosia, ebd.1547. Großen 
Eifer wendete er auf die Verbreitung ber. orientaliihen Sprachkunde, un in feinen 
vielen Schriften ift er eben ſo reich an kühnen Anfichten u. Combinationen, als 
an Paradorien u. thörichter Grillen: Linguarum XII. Alphabetum, Par. 1538. 
De originibus s. hebr. ling. et gentis antiquitate, ebd. 1538. Gramm, arabien, 
ebd: 1538, 4. u. v. m — 2) P., Ehriftian Heinrich, geboren 1. Dktober 
1658 zu Freiburg im Hadelerlande, Sohn eines Prebigers, Aubiete in Ü 
u. Leipzig Jurisprudenſ, ward 1668 im Roſtoch, wo er feine Studien vol 
Licentiat, machte eine große Reife durch Deutſchland, Holland, England, Frant- 
reich u. Italien, ward dann Adpofat in Hamburg, machte 1700 abermals eine 
Reife durch Deutfchland, die Schweiz u. Italien u, flarb in Hamburg 22. März 
1705. P, war mit‘ manchen fi Geiſtesgaben ausgefattet , aber arm van 
gefunder Urtheilsfeaft u. reinem Geſchmack; er, ber mur Hohen u. Gewals 
jem trachtete, wollte ben Geichmad ber Deutfehen, Griechen, Engländer unb 
zu einem großartigen Ganzen verbinden! Belannter, als durch feine 25 
Opern und fein unvollendetes Epos '„Wittefind" (Hamburg 1784) in lohen ⸗ 
ſteiniſchem Styl, warb P. durch feinen Streit mit Wernide,der gegen bie Lohen- 
—— —— und fe „poetiſche Zuckerbaͤcker“ nannte, Poeiiſche Schriften, 
erg x 
often, find Anftalten, welche meift vom Staate, feltener von Privatpers 
—5 — ee * — werben, —— Ei, Badete 
w fonen zu gewi ten Zeiten regel von einem zum an⸗ 
dern zu Beförbemn, womit zugleich auch in * Regel die Einrichtung verbunden 
iſt, daß Reiſende und Briefe auch zu jeder andern, als ben feftgefegten Abgange- 
zeiten, ar eine höhere Vergütung ſchnell befördert werden können. — Schon mit 
dem erften Entftehen bes Handels u. Verkehrs zoifchen den Wöltern fühlte man 
die Nothwendigkeit folder Einrichtungen, und wir finden daher fehon im fehr 
frühen Zeiten Spuren davon, die jedoch meift nur den Regenten bienten u. wegen 
Unvollfommenbeit u. Unficherheit der Straßen, häufiger Kriege, feindfeliger Ver— 
hältniffe der Regierungen gegen einander ıc., lange zu feiner geregelten und dem 
Allgemeinen nügenden Vollkommenheit Famen. % erfte, unferen SB. ähnliche Ein- 
richtung, bie aber lediglich bem Staatsoberhaupte diente, wurbe bereits durch den 
Verſerkoͤnig Cyrus (ums Jahr 540 v. Chr.) geſchaffen, wovon und Herodot u. 
Zenophon erzählen, daß diefer mächtige Herrſcher auf den großen Straßen feiner 
Reiche in ber Entfernung einer Tagreife Häufer erbauen ließ, in welchen Wagen 
u. Pferde unterhalten wurden und wo Individuen beftellt waren, um die fönig- 
lichen Briefe u. Effekten in Empfang zu nehmen und ben, zu_beren Meiterbeför: 
berung eigens beftimmten, Reitern u. Führern zu übergeben. Die legteren waren 
ermächtigt, auf ihrem Wege nötbigenfals Pferde, Wagen, Schiffe u. Menfchen 
mit Gewalt zu nehmen und die Beförderung ging Tag und Nacht ohne Unter- 
brechung fort, fo ſchnell, als die Pferbe, ohne Sehen zu nehmen, in einem Tage 
laufen fonnten, ohne durch Unwetter, Hige oder Kälte ein Hinderniß zu finden. 
So waren vom Ägeiihen Meere bis nad ber Hauptftadt Sufa 111 Stationen 
in ber Entfernung einer Tagreife von einander angelegt und bie bafelbft aufge: 
führten Gebäude waren fo geräumig u. prachtvoll, baß bie perfiichen Könige auf 
ihren Reiien fammt ihrem Gefolge barin ihre Wohnung auffchlagen Fonnten. 
Während ber fpäteren politifhen Ummwälzung in biefem Theile Aftens gingen auch 
diefe Inftitutionen des Cyrus unter und wir treffen erft bei ben Römern wieber 
auf ähnliche. — Bei den Griechen waren ebenfalls bereit ums Jahr 450 v.Chr. 
Fußboten zur Ueberbringung wichtiger Nachrichten in Gebrauch u. ein Jahrhun⸗ 
dert fpäter bediente fi Alexander ber Macebonier fehr gewanbter Läufer. 218 
Jahre v. Ehr. beftanden, nad Caͤſars Berichte, bei den Gallien Baten, wurd 
melde man wichtige Greigniffe binnen drei Stunden AO Meilen wc Kun mehen 
8 


404 | Poſten. 


konnte. So erzählt uns auch Caͤſar von reitenden P. und privilegirten Voten, 
welche theils öffentliche Diener, theils Privatboten der vornehmen Römer waren. 
Aber erft um's Jahr 27 v. Chr. rief der Kaifer Auguftus im römiichen Reiche 
eine ziemlich regelmäßige Pofteinrichtung in's Leben, welche, ba fie nur bem Kaiſer 
u. dem Staate diente, gewöhnlich Cursus publicus genannt wurde, zur Fort⸗ 
bringung von VBriefichaften u. öffentlichen Beamten benügt warb, ſich aber nur 
auf großen Land» u. Heerftraßen bewegte, worauf zu biefem Behufe breierlet 
verſchiedenartige Orte eingerichtet waren, nämlich : Civitates ober Städte, Muta- 
tiones ober Pferdewechſel und Mansiones oder Herbergen. Die beiden legteren 
wurden damals ſchon Stationen (wegen bes Stillfaltens) genannt. Auf eine 
Tagereife befanden ſich wenigftens fünf, meift aber acht Mutaliones. Die zum 
Ausruhen beflimmten Mansiones lagen eine Tagereife von einander entfernt und 
waren fehr prächtig u. bequem eingerichtet. Civitates waren die Drte, von und 
nach welchen ber Cursus feine Richtung nahm und wo fowohl Stillliegen als 
Diebe und Wagenwechfel flatt hatte Die Beförderung sing fo ſchnell von 

tatten, daß bie Poſtillone (Veredarii) nicht eher vom PBferbe fliegen, als bis fie 
am Ziele waren, unb felbft Speile und Tranf auf ben Pferden zu ſich nahmen. 
Eben fo ſchnell wurden auch die Wagen befördert. Eine Art langfamer gehenber 
Lafiwagen (Vehicularii) aber diente zum Nachführen des Gepaͤckes. Die Geſez⸗ 
bücher der römifchen Imperatoren enthalten eine fehr große Menge von Berord⸗ 
nungen über alle Einzelnheiten dieſer Inftitutien , welche übrigens für bie Unters 
thanen fehr läftig war, ba biefe, Anfangs wenigftens, für deren ganze Unter 
haltung Sorge tragen u. fogar die niederen Beamten erhalten mußten, ohne einen 
Augen vom Cursus publicus. zu ziehen, indem befien Bortheil, wie gefagt, nur 
bem Kaiſer u. dem GStaate zu Gute fam und jeder Andere zu befin B g 
einen befondern Erlaubnißſchein nachfuchen mußte. Die Regierung aber erhielt 
auf diefem Wege jehr fchnel von allen Begebenheiten Nachricht, welche in ben 
entlegenften Theilen des Reicho fich zutrugen, und konnte den entfernten Staates 
bienern auf's Eiligfte ihre Befehle zugeben lafien, fo daß das felbft Heute kaum 
eiliger geichehen kann. Als aber das fo mächtige römifche Reich nach u. nadh 
veriel, ging auch der Cursus publicus gänzlih zu Grunde und wir finden feine 
weiteren Spuren jeine® felbft nur theilweiſen Hortbeftehens ; wohl aber ſcheint es, 
als Haben fpäterhin noch jene Privatunternefmungen ihren ziemlich ungeflörten 
Fortgang gehabt, wovon uns Bäfar berichtet, daß zu feinen Zeiten es auch .eins 
zelnen eonen in Rom u. an andern Orten bes Staats erlaubt geweſen, auf 
ihre eigene Rechnung Pferde u. Wagen zu halten, deren fih ein Seber zu feinem 
Zwede nad) Belieben bedienen durfte. “Der große Franken: König Karl wedte 
zwar in feinem ausgedehnten Reiche den alten Cursus wieder zum Leben und ers 
richtete drei große Stationen: nach Italien, Spanien und Deutfchland; durch Die 
Theilung des Reiches unter feine Söhne u. die berfelben folgenden Unruhen ging 
aber auch diefe neue Echöpfung ſpurlos wieder verloren, wozu bas in Deutichs 
land immer mehr um fich greifende Bauftrecht in biefem Lande hauptſaͤchlich beis 
trug. Mit dem Auffchwunge der Civiliſation Im Mittelalter wurbe inbeffen das 
Bedürfniß regelmäßiger Communifationen immer fühlbarer, und zu Anfang bes 
13. Jahrhunderts richteten in Deutfchland zuerſt bie Kaufleute in den Danfes 
fädten regelmäßige Boten u. Buhroerbinbungen ein. Gegen Ende bes 15. Jahr⸗ 
hunderts wurde 6 von Roger I, von Thum u. Taxis, welcher Oberjaͤger⸗ 
meifter Kaifer Friedrichs II. war, bie erſte, den Ramen Poſt führende Anftalt 
begründet; noch mehr aber that dafür fein Enfel, Franz J. welcher unter anderen 
1516 eine Reitpoft von Brüfiel nah Wien, 1522 eine zweite über Nürnberg nad) 
Wien anlegte und von Kaiſer Marimilten J. zum Generalpoftmeifter ernannt 
wurde. Ihm wirb daher die eigentlidhe Begründung der PB. in Deutfchland zus 

eſchrieben, weldhe bald immer mehr ausgebreitet u. vervollfommnet wurben. Die 
Flrhen von Thurn u. Taris blieben feitbem Reichsoberpoftmeifter, bis ihre Rechte 
din) die Aufhebung des deutſchen Reiche IBOA u, We daran Kulgenten Kriege 


Poften. 405 


Bergeffenheit Tamen, Die deutſche Bundesafte fehte fie jebod in biefe Rechte 
wieder ein und feitben find fie noch jegt in mehren beutichen Bundeöftanten im 
Beige der Poftverwaltung , am andere Haben fie biefelbe abgetreten, 4. Ban 
zo gegen Meberlaffung bes Fürftenthums Krotoſchin im Pofen’fchen 1. — 
Franfreich wurden umter Ludwig XI. duch das Edift vom 19, Juni 1464 
ie erften förmlichen Poftanftalten begründet, welche ſich auch fogleih fo vortheil« 
haft zeigten, daß alle deßhalb gehegten Erwartungen weit überttoffen wurben ır 
die neue Einrichtung ſich raſch vervollfommnete u. ausbreitete, Im Jahre 1638 
wurben in England, 1637 in Schweben, 1701 in Epanien, 1718 im‘ 2 
1760 inRordamerita, 1762 in Dänemark die erften P. angelegt. Die Einti: 7 
waren jebod bis in bie neueren Zeiten noch immer fehr mangelhaft u. beſonders 
bie Berfonenbeförberung hoͤchft unvollfommen, langſam u, unbequem, Erft nach dem 
wieder Hergeftellten. Frieden in Deutfchland Haben fi beſonders der preußtidhe 
bireftor von Nagler, ber fürftlih Thurn u. Taris’fhe Oberpoftcoms 
miffär Hoftath Dieg, und ber Föniglich ſachſiſche Oberpofidireftor von Hütt 
mer weientliche Verdienfte um bie Hebung bes beutfchen Poſtweſens erwo: u. 
dieſes iſt jept in faſt allen civiliſirten Ländern zu einer früher nie gekannten Voll⸗ 
Tommenheit gelangt, an ber noch fortwährend mit lobenswerthem Eifer gearbeitet 
wird. In Dezug auf ben Briefverfehr —— bie Verbeſſetungen beſonders in 
dem regelmäßigen Ineinandergreifen der Poſtiurſe zwiſchen fremden Laͤndern, fir 
beſchleunigter und vermehrter Beförderung ‚ in ber immer allgemeiner werdenden 
—— Brancaturzwanges und in Herabfegung des Briefporto's in den 
meiften dern; bie Perfonenbeförberung aber wurbe befonders burdy die Eins 
rich der Diligencen u, der fchnellen u. bequemen Eilwagen, anftatt ber Frühs 
eren plumpen, langfam gehenden und meift unbededten Poſtwagen, außerordentlich 
verbefiert und zugleich vermehrt: Cine ganz neue Richtung hat jebod das Pofl- 
weſen in ber neueften Zeit durch bie immer allgemeiner werdende Anlegung ber 
Eiſenbahnen erhalten, welche bie Fahr⸗V. und Eilwagen bald von allen 
ftraffen verdrängen und biefes Communicationsmittel allein auf bie Nebenftrafien 
verweifen werden, auf denen es aber, felbft in Folge ber Eifenbahnverbindungen 
awifchen ben größeren Etäbten, überall vermehrt und vervollfommnet wird. Die 
DBriefbeförberung fann jedoch den Poftanftalten von ben Eitenbahnen nicht ent- 
riffen_werben, aber fie wird dadurch außerordentlich befchleunigt u. erleichtert u. 
der Handel u. Verfehr gewinnt weſentliche, früher nie gefannte Bortheile. Ob 
und welchen Einfluß in ber nächften Zeit die wichtige Erfindung ber eleftrifchen 
Telegrapden, die in England und Nordamerika ſchon von dem Publifum benügt 
werben fönnen, auf die Beförderung von Nachrichten und mithin auf die jepigen 
Briefpoftverbindungen haben werde, läßt fidy gegenwärtig noch nicht ermefien. — 
Die P. find in faft allen Ländern vom Staate eingeführt und werden auf beffen 
Koſten u. für deffen Rechnung als Regal unterhalten und verwaltet, Sie haben 
daher gewiffe Privilegien, namentlich das Verbietungsrecht gegen jede Privatun- 
ternehmung, welche den Charakter einer Poftanftalt annimmt, indem fie Perſonen 
oder Sachen ftationsweife, oder doch mit öffentlich befannt gemachter regelmäßiger 
Zeit des Abgangs und der Ankunft fortfchafft (obgleich lehteres in ber neueften 
Zeit Hin und wieber, namentlich in Sachſen, erlaubt worden iR); fie verbietet 
ferner Fuhrleuten u. nicht dazu verpflichteten Boten u. anderen Perfonen, verfie- 
gelte Briefe u. Waarencolli unter einem gewiſſen Gewichte (gewoͤhnlich 30—40 
Pfund) zu befördern. Den fahrenden P. muß auf den Etrafien Jedermann aus⸗ 
weichen, fobalb ber Poftilon das Zeichen mit dem Horn ober ber Poſttrompete 
ibt; ihre Beamten ſtehen in vielen Ländern unter einer erimirten Gerichtöbar- 
eit ıc. Dagegen haftet bie Poſt für jedes Verſehen oder Beruntreuung ihrer 
Beamten und erfegt jeden Verluſt an bem ihr übergebenen Gegenftänden, vergütet 
felbft eine gewiſſe feftnefegte Summe für einen verloren gegangenen bloßen Brief, 
wenn berfelbe bei ber Aufgabe recommandirt worden war; fie tft ferner wit der 
größten Sorgfalt bie nöthige Einrichtung, daß bie Behelung ver Brie vod 


1. 


= 


406 Poſten. 


Packete mit der moͤglichſten Schnelligkeit u. Sicherheit geſchieht u. muß ſtets bes 
firebt feyn, ihren eigentlichen Zwed: Beförderung bes Sandels und ber Gewerbe, 
Bequemlichkeit des Mublifums und möglichfte Wohlfeilheit aller Yon Leiſtungen 
im höchfimöglichen Grade zu erreichen. Ueberhaupt darf bie Poſtanſtalt von 
Seiten der Etaatsverwaltung nie als bloße Quelle des Einfommens, fondern nur 
als ein für ſtaatswirthſchaftliche Zwecke begründetes Inſtitut betrachtet werben, 
welches die Regierung felbft dann in möglichfter Bollfommenheit zu erhalten vers 
pflichtet ift, wenn ber Ertrag befielben auch ben bafür erforderlichen Aufwand 
nicht deden ſollte. Selbſt das finanzielle Interefie erfordert aber bie lichſte 
Billigkeit dev Taxen, namentlich für das Brief⸗ u. Paquet⸗Porto, denn niedrige 
Anſaͤhe vermindern nicht das Einkommen, fondern vermehren es, ba bei höherem 
Porto weniger Briefe gefichrieben werben und Jchermann bie Poſt auf alle mög- 
liche Weife zu umgehen ſucht. Man hat davon in neuefter Zeit, namentlid) 
England, die auffallendfien Beweife erhalten u. man arbeitet jet auch In Deutſch⸗ 
land daran, in diefer Hinficht die zweckmaͤſſigſten Berbefferungen einzuführen. “Der 
auf Anregung Preußens und Oefterreihs zu Dresden verfammelte Poftcongreß 
hatte hauptſaͤchlich den Zwed, einen deutſchen Poftverein zu bilden u. gleichmäßige 
Normen für die Tarirung und Behandlung, beſonders der Briefe, aber auch ber 
Sahrpofigegenftände innerhalb Deutfchland feftzuftellen und ohne Zweifel wird bie 
eben errichtete Eentralgewalt jetzt das Poftweien unter ihre sellung nehmen und 
fo bie Langft gewuͤnſchte Einheit vervollſtaͤndigen. — Die verfchiebenen Zweige, 
in welche die Ihätigfeit ber nn in Deutfchland zerfällt, find namentlich folgende: 
1) Die reiten den P. oder BriefsP.; fie beförberten urfprüngli nur Briefe, 
welche ein Poſtillon zu Pferde in einem verfdloffenen Felleiſen von einer Sta⸗ 
tion zur andern brachte. Im neuerer Zeit trat jedoch in ben meiften Staaten an 
bie Stelle bes Reiters ein Kleiner einfpänniger Wagen, nur aus einem hölzernen 
Kaften zur Aufnahme des Felleifens und einem Sige für den Poſtillon beftehend, 
welcher den Weg eben fo jchnell, die Meile in etwa & Stunden, zurüdiegte und 
wodurch es möglich wurbe, mit ber reitenden P., welchen Ramen biefe Einrich⸗ 
tung beibehielt, auch Heine Packete von einigen Pfunden u. Kleine Geldſendungen 
von 50 — 100 Thalern, gewöhnlich gegen ein erhößtes Porto , zu befördern. 
Auf den Eilwagencurſen find jedoch dieReitpoften meift verdrängt worben, indem bie 
Eilwagen eben fo ſchnell gehen, größere Paquete mitnehmen können u. viel mehr 
Eicherheit gewähren. — 2) Die verfchiedenen Berfonen-P. Fruͤher hatte man 
blo8 bie fogenannten ordbinairen oder fahrenden B., welche Berfonen, 
Briefe und Paquete bis zu einem bebeutenderen Gewichte beförbertn. Die Was 
gen waren aber fo unbequem als möglich, meift unbebedt; nur auf’ einzelnen 
Straffen, wie 3. B. zwiſchen Dresden und Leipzig, gab es bebedte, aber hoͤchſt 
plumpe u. unbeholien fogenannte Poſtkutſchen; dabei fuhren fie fehr langfum, bie 
Erpedirung auf den Stationen ging ebenfalls fchläferig und erforderte viel Zelt, 
fo daß fie en mehr als zwei Stunden zur Zurüdlegung einer Meile 
brauchten. Em üdweftlichen Deutfchland und am Rhein kamen indefien ſchon in 
ben letzten Jahren bes vorigen Jahrhundert die in England und Frankreich 
{bon länger als Privatunternefmungen üblihen Diligenzen auf, bebedte und 
bequeme, in Federn hängende Kutſchwagen, welche fehneller fuhren, unterwegs 
raicher expedirt wurden, fo daß fie die Meile in der Regel in einer Stunde zu 
rüdiegten u. Berfonen u. Padereien beförberten. Sie wurden in vielen anberen 
Laͤndern erſt F dem Kriege eingefuͤhrt und verdraͤngten dann uͤberall die alten 
Poſtwagen. Schon im Jahre 1805 wurden von dem Tarieè'ſchen Oberpoſtamte 
in Frankfurt a. M. die noch ſchnelleren (die Meile in 4 Stunden) fahrenden 
u. noch bequemer eingerichteten Eilwa gen am Oberrhein eingeführt, gingen 
aber ſehr bald durch bie Auflöfung der Keichspoft in Folge ber Errichtung des 
Rheinbundes wieder ein und wurben erſt im Jahre 1821: durch die wieder ein 
gefepte Taris’jche Poftbehörbe, im Wereine mit dem preußifchen Oberpofbireftor 
son Nagler, zuerk auf ber Straſſe zwiſchen Tranktunt u. Katie wirtih u. 


Poften: 407 


bleibend in's Leben gerufen. » Die zwedmaͤßige Einrichtung wurhe bald allgemeiner 
und ſchon nach Jahren gab es nicht allein in Deutfchland, ſondern auch 
felbft in Rußland Bolen feine nur irgend bebeutende Straſſe, welche nicht 
mit Eilwagen befahren wurbe, ie bildeten wirklich eine neue Aera in ber Pers 
fonenbeförberung, erleichterten dag Reifen außerordentlich u. wurben überall fleißig 
bemügt, obgleich die Tare verhältnigmäßig ziemlich hoch, meift ca. 10 Ser., 
heil aber auch noch mehr, für bie Meile war auch machten fie, wie ſchon 536 
die Reit⸗P. entbehrlich, indem fie Briefe und kleine Paquete mitnahnen. 
— beſtanden die Diligenzen fort, welche etwas Weniges langſamer fuhr 
ven, g Paquete mitnahmen und auf denen das Perſonengeld in der Regel 
ca: + billiger war, ald auf ben Eil-P. Da aber das Reifen mit den Eil⸗P. u, 
ſelbſ mit den Diligenzen für Viele immer noch zu foftfpielig war, fo hat man in 
der neueren Zeit. auf vielen Straffen fogenannteBerfonens®P. eingerichtet, eben⸗ 
falls elegante u. bequeme Wagen, bie in ‚ber — ausſchließlich für den Perſo⸗ 
nenttansport eingerichtet find, faſt eben fo ſchnell fahren, als bie en, auf 
denen aber das ſonengeld nur die mn und noch weniger, als biefen, 
beträgt und die daher Manchem das Reifen as machen , ber es 
—— ei dere lee — NR jest Ya wo 
en gibt, jen in zweämaͤßige Ver! gelegt, - es 
ſcheint, als ob — für. die Perfonen» und eben fo auch für ie Briefbeförberung 
der liche Grab von Volltommenheit t fei, wenn nicht unfere erſin⸗ 
eiche Zeit, befonders in Bezug auf das, jedenfalls noch neue u. mithin 
vieleicht noch in der Kindheit liegende, Eiſenbahnweſen über kutz oder fange noch 
weitere mächtige Schritte vorwärts thut. bie: Gorrejpo find: die Eins 
richtungen in-ganz Deutfchland jest: fo vollfommen, daß man, bejonders von ben 
Städten aus, jeden Tag faft nach jedem Orte fehreiben ‚Tann und Taum 
mehr nöthig Hat, den Poſtbericht um Rath zu fragen oder ihn auswendig zu 
* lernen, was fonft jeder Kaufmann thun mußte. — 3) Die Botens: oder Fuß⸗ 
V. befördern bie Briefe zwiſchen Meinen Etäbten oder bedeutenden Dörfern, wo 
feine Bahr P. gehen. Es find eigene Moftboten, welche zu feftgefegten Stunden 
abgehen, u. zwar gewöhnlich nad) Anfunft ber Fahrpoft am Abgangsorte, u. von 
ihren Beftimmungsorten auch wieder bie Briefe bahin zurüdbringen. Dazu ger 
hören aud die in den meiften großen Städten eingerichteten Stabt=-P., dur 
welche Briefe im Innern der Stadt felbft befördert werben, indem gewöhnlich auf 
mehren Punkten in berfelben Briefiammlungen eingerichtet find, wo man bie 
Briefe an Perfonen in einem anderen Staditheile abgibt, die dann mehre Male 
tes Tages von Poftboten abgeholt und von ben Briefträgern ausgetragen wer- 
den. Damit ftehen in mehren großen Stäbten Lanbpoftboten in Verbindung, 
welche Briefe und Heine Paquete auf die umliegenden Dörfer bis auf eine ges 
wiffe Entfernung tragen und dergleichen auch von ben Dörfern wieder in Die 
Stadt zur Poft bringen. Um bie Beftellung nothwendiger Briefe In feiner Art 
aufzuhalten, if jegt an vielen Orten aud die Einrichtung getroffen, daß ſolche 
Briefe fofort nach ihrer Ankunft, wenn fie auch außer ber gewöhnlichen Befel- 
lungsgeit, 3. B. bes Abends, anfommen, ben Abdreffaten gegen eine mäßige Bers 
gütung beſonders zugeſchikt werben, wenn auf die Adreffe Die Bemerkung „erpreß 
u beftellen“ gefegt if. Auch Fann man Briefe, welche nach Dörfern oder andes 
ten Orten befimmt find, nach benen feine oder nur felten Boten abgehen, burch 
erpreffe Boten gegen eine beftimmte Meilengebühr befördern laffen. — Außer ben 
bisher erwähnten, zu einer beftimmten Zeit abgehenden Poftgelegenheiten, welche 
feine Abweichung erlauben, befördert die Poftanftalt jedoch auch Perſonen und 
Briefe auf Verlangen zu jeder andern beliebigen Zeit. Das erftere geſchieht durch 
4) bie Ertra-P., indem Reifende, welche einen eigenen Wagen haben, zu jeber 
Zeit Poftpferbe, und wer feinen eigenen Wagen hat, auch einen ſolchen von ber 
Voſt erhalten und damit von Station zu Etation befördert werben Tamm. Wir 
jebes Pferd und Dieile, und eben fo auch für den Wagen, wierd eine geiie W- 


408 Poſten — Potemkin. 


geſetzte Taxe bezahlt, und fo if dieſe Art bes Reiſens zwar bie koſtſpieligſte, aber 
auch bie bequemfte, indem man zu jeder beliebigen Stunde abreifen und überall, 
wo man will, bleiben kann. Bermittelfi eines Laufzettels, ben man durch bie 
Briefpoft vorausichidt, fann man auch, wenn man fehr ſchnell u. ga un aufge: 
balten reifen will, beftellen, daß auf jeber Station zur feftgefepten Sum De Die 
Pferde bereit ftehen. Bei ber jepigen, fo fehr verbefierten, Berfonenbeförberung 
durch die regelmäßigen P. Hat jedoch die Benuͤtzung der Ertrapoft gegen früßer 
bedeutend abgenommen. Roch mehr ift biefes in Kolge der Häufigen u. befchleu: 
nigten Briefbefoͤrderung ber Fall mit 5) den Stafetten oder Efafetien 
(wahrfcheinlich vom italienifchen staffa, der Steigbügel), durch welche man Briefe 
auf Derlangen zu jeder beliebigen Zeit abfenden Tann, Es find reitende Poſtillone, 
welche den Brief von Station zu Station befördern, was natürlich die koſtſpieligſte Brief- 
beförberung ift und daher, wenn es überhaupt noch gewicht, nur in Außerft 
wichtigen Faͤllen benügt wird. Zwiſchen Städten mit Eiſenbahnverbindung fällt 
natürlich dieſe Beförberungsart in ben meiften Källen ganz weg, benn, wenn auch 
ber Dampfwagen erft nach mehren Stunden abgeht, fommt er doch, wenn bie 
Entfernung nit allzu kurz iſt, immer noch früher an's Ziel, als ber ſchnellſte 


Reiter. 

Hoften Heißt 1) eine Stelle oder Punft, wo Jemand zu einer beſtinmten 
Berrihtung angeftellt wird, daher auch gleichbedeutend mit Amt. — 2) Ein 
Punkt, wo eine Schildwache aufgeftellt wird, fo wie biefe ſelbſt; ſodann jeber 
Terrainpunft, der aus irgend einem Grunde U er werben muß, Sie werben 
mit Truppen befegt u, gehörig vertheidiget, auch wohl verfchangt, u. heißen dann 
verſchanzte P. —B., Kette nennt man eine fortlaufende Reihe von Schildwachen, 
bie irgend einen Raum einfchließen und fo nahe an einander ftehen, daß Nichts, 
weber am Tage, noch in der Nacht, fich unbemerkt zwifchen ihnen hindurch fchleichen 
kann. Das Aufftellen folder Truppen heißt pofliren. — 3) PB. heißen auch 
nicht Falibermäßige Kugeln, größer als das gröhfte Schrot, etwa von Erbſen⸗ 

vöße, beren 4—6 zur Tödtung des größern Wildes, z. B. ber Rebe, in ein 
ewehr geladen werben. 

Poſthumus Heißt ein Knabe und Poftfuma ein Mädchen, das nach bes 
Baters Tode geboren wird. 

Poſtille (von post illa, nämlich legenda, d. i. nach dem Terte zu lefen), 
nennt man ein Predigtbuch, welches zum Borlefen in der Kirche gebraucht wir. 
Auch hat man Hauspoftillen, d. i. Andachts⸗ und Predigtbücher zum haͤus⸗ 
lichen Gebrauche. 

Poſtulat oder Heiſcheſatz Heißt ein folder Satz, der ohne Beweisführung 
angenommen und ald gültig anerfannt werden muß; in ber Mathematik eine 
Aufgabe, die an und für ſich felbft als begreiflih vorausgefegt wird, wie 3. ®. 
aus jedem Punkte, von jebem Abftande einen Kreis zu ziehen. — In ber Kant'ſchen 
Philoſophie ¶. Kant) Heißt P. ein theoretiſch nicht erweislicher, aber aus ſtitlich 
praftiihen Gründen anzunehmender Sag. 

Poſtumins. Die Postumia gens war ein patrizifches Geſchlecht mit ben 
Familien Albus, Albinus, Cominius, Megellus, Regillenfis, Te 
mofamus, Tubertus, Tympanus Wir führen bier an: 1) P. ber Ael⸗ 
tere, Feldherr des Kaiſers Ballienus in Gallien, den ber Kaifer wegen feiner 
Tapferkeit und trefflichden Kriegofuͤhrung fo achtete, daß er feinen Sohn Saloninus 
bei ihm aufwachfen ließ, Die Amme aber tötete den Prinzen, und nachdem ſich 
(don in mehren Provinzen Gegenkaifer aufgeworfen hatten, wählte auch Gallien 

en PB. zu feinem Kaiſer. Er regierte 7 Sabre vortrefflih, wurbe aber Durch 
Lollianus geftürzt, welcher auch bes P. Sohn, 2) PB. den Jüngern, welchen ber 
Bater zum Caͤſar gemacht Hatte, Hinrichten ließ. Sie gehören Beide zu ben 30 
Tyrannen. Verdient Hatte fih PB. um Gallien dadurch gemacht, baß er das 
Land gänzlid von den Deutichen reinigte. 

oteratin, Gregor Alerandrowitiä, Krk von, ih Tallieiliier 


'Potemkin, 409 
Feldmarſchall, 1736 auf einem Meinen Landgute, 20 Werfte von Smolenst, ges 
boren, ftammte aus einer abeligen, vormals polnifchen Familie und war 
Sohn eines Hauptmanns in einem ruffiichen Garniſonsregimente. Früher für 
den ——— Stand beftimmt, wechfelte er feinen Beruf u. trat als dahndrich 
in Garde zu Pferd ein. Er war eben im Dienfte, als Katharina I. am 
38. Juni 1762 ihren Gemahl vom Throne ſtieß. P. bemerkte, daß die mit bem 
Degen in der Hand erſcheinende Kaiferin fein Porte d'Epée hatte und bot ihr 
das feinige, Die machte die Kaiferin aufmerffam; feine Figur gefiel ihr und 
am andern Morgen war P. Oberft und Kammerjunfer, zeigte auch als ſolcher 
dem fchwebifchen Hofe die Revolution an. Zurüdgefehrt, er fi in bie 
Umgebung. KSatharinens und fühlte eine Heftige Neigung für fie. Damals befaß 
aber Gregor Drloff ganz Katharinens Gunft, und oͤbſchon fie P. zum Kämmerer 
umd in den Rang eines Generalmajors erhob, ſehte e8 Orloff doch durch daß P. 
‚egen die Türken gefiict wurde, Ge’ zeichnete ſich hier aus, warb Generals 
jenant, kehrte aber umter dem Borivande, eine Siegesnachricht zu hi en, 
nad) Petersburg it, als er vernahm, Katharina gedenfe den —* zu 
jein, Aber ſchon war ein Vertrauter Orloffs ein; erceben und P. warb Mönch 
„im Alerander-Newsfykiofter, Doch Katharina eh ihn erſuchen, zurüdzufehten 
und er erſchien bald darauf als erflärter Günftling am . Sein auf 
bie Kaiferin war ungemein, Sie trug — —— lleß ſich feine h 
die fo weit gingen, baß er oft Br Inreden nicht antwortete, gefallen, fiber» 
* ihn mit Ehrenfiellen und hatte feinen andern Guͤnſtling neben ihm. Eine 
geheime Galerie führte aus feinem Palaſt in die Zimmer der Kalferin und oft, 
wenn es einen wichtigen Eniſchluß galt, begab fih die Kaiferin zu ihm, Er 
beredete Katharinen zur Zufammenkunft mit Joſeph IL. zu Mohilew und zur Reife 
nach ber Keim. Als Gouverneue der füdlihen Provinzen des Reichs traf er dort 
alle Vorbereitungen zu einem Türfenktiege und berebete Hierauf die Kalſerin zu 
der Reife nach Cherſon. Als 1787 die Pforte ſelbſt vermöge ber Intriguen 
R.8, Rußland den Krieg erflärte, befehligte er die Hauptarmee, melde 1788 
Drzafoff belagerte und ftürmte, Er fehrte nun nach Petersburg zurüd, wo ihn 
Katharina mit Glanz empfing, aber da fie fih weigerte, ben Günftling Mamanoff, 
ben P. felbft Katharinen gegeben Hatte, und ber nicht demuthsvoll genug gegen 
ihn erfchten, zu entlaffen, fo kehrte ex zu ber Armee zurüd, focht dort gluͤdlich, 
eroberte Bender, überließ ſich aber fpäter ſybaritiſchen Vergnügungen und über- 
gab Sumwarow bie fernere Leitung des Feldzugs. Die Friedensunterhandlungen 
au Jaſſy zoo ungeachtet bes Verlangen der Kaiferin nach dem Frieden, in 
die Länge. ittferweile war Platon Zuboff Katharinens Günftling geworben. 
P. Hafte biefen, weil er ihm nicht empfohlen Hatte. Cine pifante, oft bittere 
Eorrefpondenz entfpann fh zwifchen P. und feiner Herrfcherin, und P. ſah darin 
die Zeichen feiner nahen Ungnade und eilte nach Petersburg. Er gab bei feiner 
Anweſenheit in feinem Palafte, der zum Gedaͤchtniß feiner Siege den Namen 
Palaſt von Taurien führte, bie glaͤnzendſten Feſte. Da riefen bie ohne fein 
Wiſſen erfochtenen Siege Repnins und die durch diefe rafcher gehenden Friedens⸗ 
unterhanblungen P. wieder nach der Moldau. In Jaffy fuhr er Repnin dort 
wegen feiner Unterhandlungen an, und broßte ihm, fein Werk umzuftürzen. 
Be reiste er nach Nikolajerm; doch im Wagen warb ihm plöglich unwohl, er 
eg aus, ward auf einen Teppich unter einem Baume gelegt unb verſchied hier 
in den Armen feiner Nichte, ber Gräfin Branida, bie ihm begleitet Hatte, den 
15. Oktober 1791. Er hinterließ ein Vermögen von mindeftens 44 Millionen 
Thalern. Dan fagt, daß er Sübrußland zu einem unabhängigen Staate habe 
vereinen und von Katharinen losreißen, oder fi in der Türkei unter bem Schuge 
Rußlands ein Beflgtfum erfämpfen, oder ein deutſches Fürſtenthum faufen wollen. 
Schon vor feiner Erhebung zum Günftling hatte er ein Auge verloren: nadı Eini- 
gen warb e8 ihm von Drloff ausgeſchlagen, nady Anderen hatte er 28 heim Bl 


410 Potenz — Potoci. 


fpiele, u. noch Anderen durch Krankheit eingebüßt. 1836 wurbe ifm in ber Stabt 
Cherſon ein Denkmal errichtet. 

Potenz oder Dignität nennt man in ber Mathematit das Probuft aus 
2 oder mehren gleichen Factoren (ſ. d.). Die Anzahl der Faktoren wirb durch 
eine Eleine Zahl (Erponent) oben, rechts von der Grundzahl (Wurzeljahl) anges 
deutet, 3. DB. 3° — 3x3x3 = 27, ober: die Wurzel 3 in der 3. 9. In 
ber Mechanik ift P. jede erhaltende oder bewegende Kraft, Hebel, Schraube, Keil, 
Scheibe, Welle. — Potenziren, verflärken, zu einer P. erheben. 

Pothier, Robert Joſeph, berühmter frangöfifcher Juriſt, geboren 16% 
zu Orleans, erhielt feine wifienfchaftliche Borbildung in dem Jeſuitencollegium 
feiner Baterftabt, ſtudirte Hierauf bie Rechtswifienfchaft, und wurde 1720 am 
Chatelet von Orleans angeftellt, dort Rath und 1749 Profefior ber Rechte an 
der Univerfität Orleans. Er farb 1782. Ausgezeichnet hat er ſich vorzüglich 
durch feine Ausgabe der Pandelten, 3 Bde. Baris und Chartres, 1748—52, 
Fol. Außerdem fchrieb er eine große Anzahl juriſtiſcher Schriften unter dem 
Titel: Oeuvres completes, zuerft Paris 1810 in 25 Bhn. herausgegeben, fpäter 
von Siffrein (17 Bde, Paris 1821— 23); von Rogeon und Firbach (2 Bde., 
Paris 1830) und von Dupin (10 Bde., Paris 1824). 

Potocki, eine aus der Wojwodichaft Krakau ftammende, polnifche Grafen⸗ 
familie, aus ber wir anführen 1) Ignaz, Graf von, geboren 1750, Großmar⸗ 
— von Litthauen, unternahm, mit vielſeitigen Kenntniſſen ausgeruͤſtet, mehre 

eiſen in's Ausland und war nach ſeiner Ruͤckkehr patriotiſch em dem Bas 
terlande mit feinen Einfichten und Erfahrungen zu nügen. Polens Regeneration 
durch Erhebung des Bürgerftandes, Bernichtung aller Reibeigenfchaft, 
bes Adels u. Linterricht des Volks waren das —* ſeiner Bemuͤhungen. 
war ihm von allen Stellen, die er verwaltete, feine wichtiger, als bie eines Mit; 
glieded in der Commiſſion bes öffentlichen Unterrichts. Er verwaltete biefelbe 
ruhmvoll, bis zur Auflöfung bed Reichs, und fchrieb felbft eine Meberfehung von 
Condillacs Logik, bie er zum Unterricht in Polens Schulen einführte Um ben 
rufliihen Einfluß auf Polen zu fhwächen, ſtellte er fih, als Großmarſchall von 
Litthauen, an die Epige der angefehenften Männer feiner Ration und durch ihre 
Bemühungen ward die Gonftitution von 1776 erſt flufenweife untergraben und 
1789 ganz geftürzt. Unter den Anhängern Rußlands, welche ben vereinten Ba 
trioten entgegenftrebten , war ſelbſt Ignazens naher Berwandter, Stanislaus 
Felix cf. d.). Glüdlicher war Jona; beim polnifchen Könige Stanislaus Au⸗ 
uft, einer neuen Conftitution feine Beiftimmung zu geben, bie am 3. Mai 1791 
eierlih proflamirt ward. Während Ignaz nach Berlin reiste, um ben preußis 
hen Hof für Polens neue Berfaffung zu gewinnen, arbeitete Stanislaus Felir, 
ein Better, mit nicht geringerem Glüde an ihrem Sturze. Der felbftfüchtige Adel 
vermehrte Felixen's Partei und fo entiprang jene contrarevolutionäre Confoͤbera⸗ 
tion, welche mit bem Manifefte zu Targomis (im Mat 1792) das Signal zur 
Theilung und Vernichtung bes unglüdlichen Polens gab. Um Leben oder Ge 
heit zu retten, verbannte ſich P. ſelbſt nach Dresden und während feines Auf⸗ 
enthaltes dafelbft wurden ihm feine Würden entriffen und feine Güter confiszkee. 
As fi 1794 die Einwohner von Warfchau gegen bie Ruſſen empörten und 
Kosciuszko fie bei Praclawice gefchlagen und aus dem Lande verbrängt Hatte, 
kam P. zurüd. Er verband fih mit Kosciuszfo und, bevollmächtigt von biefem, 
organifirte ex fogleich zu Warfchau eine provijorifche Regierung, die öffentlichen 
Angelegenheiten zu verwalten; er felbft übernahm in derielben die diplomatifchen 
Sehänte. Aber Polen, bald von preußifchen und ruſſiſchen Armeen wieder über 
ſchwemmt und von feiner fremden Macht unterftügt, unterlag in Kurzem wieder 
und Suwarow drang flegreih in Warfchau ein; P. warb, gegen das gethane 
Berfprechen, gefangen nah Rußland gebracht und erhielt fl nah Katharinen's 
Tode 1796 von Kaiſer Paul feine Sreiheit wieder, Er ging nun nad) Galizien, 
ſchuf fi vom Refte feines Bermögens eine gemhidgliie Einkaeteii, wu Take 


Potofi, ! aut 


im Umgange mit den Mufen der traurigen Vergangenheit u. Gegenwart zu ver ⸗ 
gie Die ereiige Reprung, unter baen Eu a auf —— 
lebte, dewachte ihn nicht ohne Mißtrauen, als fie die aus ihrem Vaterlande 
geflüchteten und verbannten Polen unter feanzöfiihen Bahnen zu drohenden Les 
— anwachſen ſah. P. wurde gefangen nach Krakau geführt und erſt nach 
igen Monaten wieder entlaffen. Eben als er von Neuem, die — 
Baterlandes hoffend, in den Kreis des Geſchaͤftolebens zurüdfehren wollte und 
fh aufmachte, um in Wien feine Erfahrungen und Kenntniffe unter Napoleon’s 
Leitung dem Baterlande noch einmal zu weihen, ftarb er 80. Auguſt 1809. — 
2 ®. Stanislaus Felir, Graf von, Großmeifter der polnifchen Artillerie, 
jeboren 1751, fand in Polen zur Zeit der Unruhen im Jahre 1788 in großem 
Infeben. Als eifriger — ber ehemaligen Ariftofratie, widerſetzte er ſich 
aus ganzer Macht dem um biefe Zeit verfammelten Landtage, welcher im Mai 
1791 dem Staate eine monarchiſche Zr gu geben werfuchte, ‚bie allein 
fähig geweſen wäre,  denfelben aus ber Anarchie und folglich aus ber Unbedeu⸗ 
tenhekt, unter ‚der ‚er fhmachtete, zu ziehen. Die Plane des Grafen P. trafen 
mit benen des ruſſiſchen Hofes zufammen; er trat daher in genaue Verbind 
mit diefem und te felbft. im Mai 1792 (vereinigt mit Rzemusfi u. Branidi) 
m Targowitz ein Manifeft gegen bie neue Conftitution geben, welches 
jelbe vernichten follte. Von der — Armee, an die er fi anſchloßz, uns 
f fegte er fein Vorhaben leicht durch u, der König Stanislaus. trat felbft 
dieſer g. von Targowitz bei, welcher ber, unter Rußlands Auſpicien u. 
B.8 Einfluſſe gehaltene, Landtag von Grodno folgte. Dieſer hob bie, im vorher⸗ 
‚chenden Jahre beſchloſſene, monarchiſche Eonftitution auf und — die 
des Landes. Es iſt nicht unwahrſcheinlich, daß P. einen Augenblid 
el ‚ bie Krone dem Könige zu entreißen. Wie dem auch feyn mag, fo 
— er 1793 mehre Commiſſionen bei der Kaiſerin von — u. übte 
im Laufe diefes Jahres große Gewalt In Polen aus. Als aber feine Landsleute, 
aufgemumtert und angeführt von Kosciusſto, Kolontay, Ignaz P. u. A., 1794 
gegen Die Ruſſen zu den Waffen griffen, machte man Felit P. den Prozeß: er 
wurde für einen Berräther des Baterlandes erklärt und zum Tode verurtheilt, 
feine Güter wurben eingezogen, u. ba er abmwefend war, flug man fein Bildniß 
an ben Galgen. Im Januar 1795 ernannte ihn Katharina I. zum General 
en Chef; 1793 hatte er ſchon ben Alexander-Newski-Orden erhalten. Seitdem 
lebte er auf feinen Gütern u. ftarb 1803. — 3) PB. Stanislaus Koſtka, 
Graf, Bruder des DVorigen, geb. 1760, General ber Artillerie, auf den Reihe- 
tagen 1788 u. 1792 durch Berebfamfeit bemerkt, ging, als ber König der Targos 
wiger Gonföberation beitrat, nad Defterreih. Dem Großherzogthume Warfhau 
leiftete er feit 1807 als Präfibent der Oberfchuldireftion die beften Dienfte. Kai 
fer Aerander ernannte ihn 1815 zum Minifter des Eultus und öffentlichen Uns 
ierrichts. Er ftarb 1822. P. fchrieb über Beredſamkeit u. Styl (4 Bde. 1815) 
und bearbeitete Windelmann’s Werk über die Kunſt der Alten (1815). — 4) 
P. Johann, Graf, geboren 1761, höchſt verdient durch Forſchungen über die 
ſlaviſche Geſchichte, wozu er Materialien auf vielen Reifen fammelte. Er lebte 
zum Theil in Petersburg und ftarb 1816 zu Dlabowfa in Volhynien. Schriften: 
Reife in die Türkei und Aegypten, Warſchau 1788; Essai sur l’histoire uni- 
verselle et recherches de la Sarmatie, ebenbaf. 1789, 4 Bbe.; Hıstoire primi- 
tive des peuples de la Russie, Petersburg 1802. Klaproth war P.8 Begleiter 
auf mehren Reifen u. nannte nad ihm einen Archipelagus im gelben Meere. — 
5) P. Elaudine, Gräfin, geboren 1808 zu Konarzew bei Pofen u. feit 1824 
vermählt mit dem Grafen Bernard P., ging 1830, trotz des preußifchen Ver: 
botes, nah Warfhau u. pflegte dort bie Kranken in den Spitälern mit großer 
Aufepferung; nad Warſchau's Falle trat fie an die Spige des Huͤlfsvereins in 
resben. 
Potoft, Bauptflabt des gleichnamigen Departements in der fühomentaniihen 


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ET NOT IR 


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Ze — = Tsereiden boben Berges, 
- - - zn:  oHefpital und ift berühmt 
- Sezre, die hoͤchſten von allen 
.—-_ m melde ſchon fat 1545 be: 
— — Wiang bes 17. Jahrhunderts 

- ze Muͤnze. 

— — nz m italienifchen Olla potrida 
-en.228 Gefaͤß von Porzellan oder 
zen Blumen u. allerhand anderen 
_. om es geöffnet wurde, das Zimmer 
semtlih; 2) in dee Mufif eine 

2%. zr Eige, die geſchickt miteinander ver: 

- - - reisten werden; 3) in der Litera 

=> reihe ganz verfchiedene Gegenftänte 
000... me Miscellen (.b.). 

. - „mim Regierungsbesirkes (373 [I Meilen 

- „ze Provinz Brandenburg, am rechten 
—— Sorunter gegen 4000 Katholiken, zweite 

_-—m:Xpräfidiums, hat viele prachtvolle Pa⸗ 
. *e Plaͤtze, Kanäle, 9 zum Theil ausge⸗ 

nr Echloffe, 600° Tang, 30° breit, mit 8 
. - -- mr inte ben Kanal, mit Ginem Bogen; brei 
ax: re "Era von Badfteinen ıc. Als befondere 
.. - 2 = Suftgarten, mit Baumgängen, Blumen: 
- 23 WT2on u Ampfitrite, von Tritonen umgeben, 
" 5-2 ». Kit preußifcher Feldheren u. viele andere 
ren ;5> "utrforte preußiſcher Geſchuͤze. Der Parade 
ou. 7 &rrmsde Der Wilhelmsplag. Der Schüpen: 
j =_ 2 ran Reliefs von Chiefe. — Die Nikolai: 

z. zıem großen finmbolifchen Gemälde im Chor 
ae zäh von Rofenthal. In ben Frontons ber 
7,0 8 men die Himmelfahrt in Relief. Die Heilig: 
nm; sit Die Garniſonskirche mit Glockenſpiel. 
82. mirtem metallenem Sarge ber flerbliche Theil 
— .. 722x. welche die Preußen im Befreiungsfriege 


a 


Ds 


m ge °z Zapfen, Die in ihm gefallen. Des Königs 

" X. ur Etmüd, ward von Napoleon mit fortgenommen 
" "LI ezminden. Hier ilt auch das Grab Friedrich Wil⸗ 
72 88 zu Gemälden von Pesne; Die franzoͤfiſche mit 

ı= "u. Das Kmistibe Schloß, von Gieſe 1673 begonnen, von 
” “2. regt u von v. Knobelsdorf unter Friebrich II. 
Ice: sr ie Bodt 1700. Colonaden nach ber Havel u. 

" 5 "  rgesgenen von Storch. Im Innern zeigt man bie 


Ten er Summer, feinen Schreibtifh ıc, den Marmor: 
: "ne Sreilefaal, das Bronzezimmer, die neuen ober 
em Seritte von Pesne, Watteau, Le Eueur u, A. — 
er N nr des Stadthauſes von Amfterdam unter Friebd⸗ 
nem 9°, m Thurme der Atlas mit der Weltfugel in Kupfer 
5,5 Sommanbantengebäude mit verfchiebenen Eculpturen 


or az ser Friedrich Wilhelm IT. erbaut. Das Cafine, 

EN nsctismmlung ber märfifch » öfonomifchen Geſellſchaft. 

ne PRRRRRRRRFG EX zımmt bie koͤnigliche Gewehrfabrik, Die wöchent- 

mM an. mer DM erften Platz ein. Hier werden bie in 

nie gefäfter u. equiget , die Gewehre mit 

5* Be on rungen Stand geieht. Qudareikit u u. I. 
PFEBE? XI: ‚ 1 Be Fu ..\ 


AU 





Pott — Pottafche, 43 


uderfieberei, nach ber Stettiner die größte im ber Monarchie, u. eine Chokolade⸗ 
abrif, welche mit Dampffraft arbeitet. Außerdem beftehen Fabriken in Tuch, 
aumwolle, Seide, Strümpfen, Bändern, Leder, Wachstuch, Tapeten, Tabak, 
emifchen Farben, Bleiftiften, Darmfaiten, fowie Brennereien u. Brauereien, 
ehr beachtenswerth ift ber, namentlich in ben Föniglichen Gärten von Sansſouci 
triebene, Gartenbau u. die koͤnigliche Gaͤrtner⸗ Lehranftalt erfreut fich eines vors 
glihen Rufes. ‚Das gewerbliche Intereffe P.s wird gefördert durch den im 
ommer 1843 gegründeten Verein für Handel u. Gewerbe, welcher im $ 
345 eine Sonntagsſchule für Handwerlslehrlinge in's Leben rief u. im 9 
346 eine, von dem induftriellen Fortſchritte P.s das günkiofte miß ablegende, 
usftellung veranlaßte, ſowie durch die Eiſenbahnverbindung mit Berlin, Magbes 
irg, Hamburg ıc. Der Handel der Stadt ift unbedeutend u. fo Hat P., top 
I jabrifen, feiner ftarfen Garnifon, feiner Behörden u, wiſſenſchaftlichen An⸗ 
ılten, etwas Todtes, Oedes u. Einförmiges, — Bom Jahre 993, wo es als 
n wenbifches Fiſcherdorf Potzdemp oder Popdupimi („unter ben Eichen“) vor» 
mmt, bis auf Kurfürft Friedrich Wilhelm blieb SB. ganz unbeachtet, ber 
oße Kurfürft erkannte die Schönheit der Lage, foot :aßen u. Verſchönerun⸗ 
man u. gab dem Orte — Rechte Srledrich rn L legte 
tauern u. hollaͤndiſche Häufer an u. wählte bie Stabt zu feinem Lieblingsauf⸗ 
halte, Ihren Glanzpunft erreichte fie unter Friedrich IL, der "Paläfte erbaute, 
arten ſchuf, u. Hier der PHilofophie, Dichtkunft u. Muflk lebte Sans ſouci 
d das Töniglihe Schloß u. viele große Häufer in der Stadt, das neue 
alais, das 7 Millionen Thaler zu bauen foftete ıc., find feine Sibpfüngen, 
riebrich Wilhelm IL. Tegte ben neuen Garten mit bem Marmorpalais an und 
te das. Schaufpielfaus; Friedrich Wilhelm IM. Brüden, Kirchen und Ka— 
— 5 ey: IV. Eharlottenhof ı« P. iſt bie Vaterſtadt 
umbo .d.). 

Pott, Percival, Wundarzt am Bartholomäus-Hofpital in London, geboren 
12, ein fehr erfahrener u. demfender Arzt, war auch Mitglied der F. Sortetät 
r Wiſſenſchaften in London u, ftarb 1789, nad) Anderen 1788. Seine fehr 
igbaren chirurgiſchen Echriften und Abhandlungen: von ber Maftdarmfiftel, 
m den Hauptwunden, vom Waſſerbruche, und anderen Krankheiten der Hoden, 
ın ber Thraͤnen- u. Maftdarmfiftel ꝛc. wurden mehrmals im Original und im 
eberfegungen gebrudt: The chirurgical works of P. Pott, a new edit. 
ih his late correclions from James Earle, London 1791, 3 Bde. (babei 
in Leben). 

Pottafche, Afhenfalz, rohes Fohlenfaures Kali, wird vorzüglich 
18 der Ajche verſchiedener Holzarten, namentlich harter, als Buchen, Eichen, 
üftern, Eſchen erhalten ; aber auch die Afche ber Eräuterartigen Pflanzen kann 
qu benügt werden. Die Aſche wird mit Waſſer ausgelaugt, durchgeſeiht, bie 
Affigfeit bis zur Trodene abgeraucht u. unter öfterem Umrühren in einem dazu 
agerichteten Ofen fo lange gebrannt (calcinirt), biß die färbenden Theile zerftört 
id. 68 ift nun eine fefte, klingende, weißliche, bläuliche ober röthlihe, in ber 
ıft zerfließende Salzmaſſe, die mit Säuren aufbraust u. einen laugenhaften Ge⸗ 
jmad befigt. Sie befteht in veränderlichen Berhältniffen aus Kali, Kohlen- 
ure u. Wafier, gemifcht mit ſchwefelſaurem u. falzfaurem Kali, Kiefelerde, Thons 
de u. auch mit Metalloryden. — Die falireihfte B., welche bis 985 fohlen- 
ures Kali enthält, ift die doppelt calcinirte von Spiſed in Illyrien; bann folgt 
e ungariſche befte weiße, blau Stich und blaue, Die amerifanifhe Perlaſche 
u bis 825 Gehalt; Steinafche ift geringhaltiger, auf dem frifhen Bruce 
Scheint fie ſchoͤn roth, wird aber, fobald fie Feuchtigkeit angezogen hat, ſchwarz; 
e ruſſiſche Kron-⸗P., fo genannt, weil fie Monopol der Krone und wovon bie 
‘afanforte bie befte ift, gleicht an Gehalt der amerifanifchen; bie inlandiſche 
uͤringiſche, Land-P. genannt, hat oft 50 5 Kaligehalt; außerdem at «d ah 
mʒöofiſche, italienifhe, ſpaniſche u. polnifde. Der Gebrau ver B. vow Kite 


— 


414 Potter — Yottery. 


ben, Bleihen u. Seifenfieben, fowie zur Glasfabrifation, ift wohl Binlänglich bes 
fannt. Zu mediziniſchen Zwecken ift auch die befte ungariſche noch nicht rein ges 
nug u. muß erft durch mehrmaliges Auflöfen in Waſſer, Filtriren u. Abrauden 
in einem eifernen Keſſel gereinigt werben. &8 ift dann ein dichtes, fehr weißes, 
von frembartigen Steffen ziemlich freies Pulver, welches unter dem Namen Kali 
carbonicum depuratum, gereinigtes Eohlenfaures Kali, offizinel if. 
Sol das fohlenfaure Kali faft frei von fremdartigen Beftanbtheilen feyn, fo ver- 
pufft man 2 Theile gereinigten Weinftein mit 1 Theil gereinigtem Salpeter u. bes 
handelt e8 dann wie das vorige Präparat, Der officinelle Rame iſt dam Kali 
carbonicum purum oder e tartaro oder Sal tartari, Weinſteinſalz. 
Wird fiedende P.-Löfung mit Kalkbrei verfebt, fo entfleht die Aetzlauge ober 
Seifenfiederlauge. Zu medizinifhen Zweden läßt man bie Lauge bis zur 
Trodene verdbampfen u, verwahrt das weiße an ber Luft leicht zerfließende Sal 
als trodenes Aetzkali, in wohlverfiopften Glaͤſern. Da es fih in Stüden 
befier zum Aetzen anwenden läßt, fo ſchmilzt man es u. gießt es in Stängeldyen. 
Auch diefes Salz, Kali hydricum oder causticum fusum, geſchmolze⸗ 
nes Aetzkali, Aepftein, muß vor Luftzutritt verwahrt werden, 

Potter, 1) John, Erzbifhof von Canterbury, geboren 1672 zu Wakefield, 
fiudirte zu Orforb, wurde bafelbft Profefior der griechifchen Sprache, 1708 ber 
Theologie, 1715 Biſchof daſelbſt, 1737 Erabifchof von Canterbury und Primas 
von England u. ftarb im Oftober 1747. Er war ein grünblicher Gelehrter n. 
erwarb ſich auf vielfache Art Verdienfte um die Birfenfdaften. Die wichtigften 
find die, die er fi um bie alte Literatur durch die Ausgaben bes Lykophron (1697 
— 1702) u. bes @lemens von Alerandrien erwarb. Boch wurde er am bekann⸗ 
teften durch feine Archaeologia graeca, or Ihe Antiquities of Graece. Oxford 
1699, 2 Bde. mit Kupfern, Ite Ausgabe, London 1776, 2 Bde.; aud las 
teinifch u. deutfch von 3. 3. Rambach, Halle 1775, 3 Bde. (dee te Band 
vom Ueberſetzer). Das Werk iſt zwar nicht vollfländig, der Unterfchieb ber Zei: 
ten iſt nicht genugfam berüdfichtiget, e8 gehört aber beflenungeacdhtet ımter bie 
brauchbarften Werke diefer Art. P. war auch ein gewandter Staatsmann, u. fo oft 
dee König nach Deutichland reiste, einer ber Regenten, welche in feiner Abweſen⸗ 
heit die Regierung führten. — 2) P., Paul, ein berühmter Thiermaler, geboren 
zu Enkhuyſen 1625, flubirte in Amfterdam mit großem Zleiße ; ba er aber nie aus 
getan fam, fo Haben feine Landichaften das Flache und Einfache ber dortigen 

egenden. Sein Pinfel ift marfig, feine Beiwerke wegen des Hellbunfels ange 
nehm u. reizend u. überhaupt ift feine Manier befier, als feine Zeichnung, welche 
befonders bei Schafen nicht fehr richtig u. natürlich If. Er hat auch 4 aroße u. 
8 kleine —— mit einer leichten, Phielenden u. geiftreihen Radirnabel verfer: 
cat. Er farb in Amfterdam 1654. — 3) P. Louis Joſeph Anton van, Re 
blifaner, geboren 1786 zu Brügge, trat nad) längerem Aufentbalt in Italien als 
heftiger antikatholiſcher Schriftfieller auf („Esprit del’Eglise“ 2. Aufl, Paris 1837, 
„Vie de Scipion Ricci,* 3 Bbe. 1825) u. ſchrieb in gleichem Geifte Zeitungsau 
titel. Als die hollaͤndiſche Regierung ihm feine Anftellung nab, gef er biefe uns 
gemefen an u, erlangte durch Anfchluß an bie Tatholifhe Partei die Gunſt bes 
olkes, welche feine Berurtheilung zu 18monatlicher Haft u. enbli 1830 zu 
gänzliher Verbannung noch mehr fleigerte. Während der durch feine Schriften 
und Prozefie weientlich geförderten beigifchen Revolution erſchien er wieder in 
Brüffel, warb Mitglied ber proviforiihen Regierung u. trug im Rationalcongreß 
auf Einführung einer Republit an. Berftimmt, daß feine Anträge abgewieſen 
wurden, begab er filh wieber nad Paris, wo er bis jet meift gelebt Ant. 1836 
erfchien von ihm „Geſchichte bes Chriſtenthums“. (8 Bde, Baris.) 
otterp, ein Diſtrikt in ber englifchen Grafſchaft Stafford, mit einer Menge 
von Töpfereien. Der Hauptort iſt Burslem mit 16,000 Einwohnern u, Steingui⸗ 
fabrifen (WBedgewood). Außer der Guͤte {hätt man bie geſchmackvolle Form ber 
dortigen Geſchirre. 


Pottfiſch — Pouqueville. 415 


Bo: oder Kafchelot, Physeter L., eine zur. Familie der Waltfifche 
gehörende Fiihgattung, die ſich befonders durch einen außerordentlich großen, wie 
— Kopf auszeichnet ‚der $: bis zur Hälfte des ganzen, AO — 60 

lang werbenden, Thieres ausmacht. Er findet ſich in faſt allen Meeren, bes 
fonders um ben Aequator, in den Gewäflern von Japan, Neuholland u. Brafilien 
u. wird wieder Wallfiſch gefangen. Er iſt für den Handel wichtig * des 
in ſeinet Kopfhoͤhle ſaltenen Wallrat ho welcher ſich in dem groß köpfl⸗ 
gen P. oder dem Pottwall E. macro: I, in größter Menge findet, u. 
—— feiner Leber und Gallenblaſe ſich erzeugenden grauen "Ams 

ra (ld). 
oudrette nennt man ein zum Düngen beftimmtes, trodenes, geruchlofes 
Bus welches aus Menſchenkoih, mit Zufap: vom Kalk, bereitet und zuerft von 
Bridot in Paris verfertiget wurde, welcher bafelbft-eine bedeutende Fabrik ans 
legte. Es machte als ein ausgezeichnetes Düngungsmittel, beſonders für Gärtner, 
großes Aufſehen, indem 240 Pfund: davon ſo viel Wirfung thun follten, ale 
1200 Pfund Rindvichmift, u. die Parifer Fabrik, welche ben Sat um 7 Frans 
ten verkaufte, machte nicht allein: bedeutende Gefchäfte damit, fondern es wurden 
auch an mehren Orten in Deutſchland, namentlich in Berlin u. bei Dresden, Bas 
brifen davon angelegt; allein das Produkt verlor bald feinen großen Ruf, indem 
—* — Den wurde, daß es bei weitem nicht die geprieſene Wirlung 
er vorbr in 
I, Marie Charles Joſeph be,igeehrter, und geiſtreicher Literat, 
1755 zu Paris, unehelicher Sohn. des; Prinzen Eonti, erblindete 1779 in 
om, wo er fi für die Diplomatie auebildete u. befchäftigte ſich dann Hier, in 
Paris u. London mit philoſophiſchen Studien. (Hauptwerk: Tresor — 
et dietionnaire grammalical de la langue fr., das noch nicht gedruckt iſt). 
Venſionen duch bie Revolution verluftig, lebie er vom Echriftftellerei, einige Zeit 
als Buchhändler, feit 1808 aus feinem Schloffe zu Vaurbrins bei Soiffons, wo.er 
1833 farb, Der liebenswürbige Mann verfafte mehre Gedichte, (Les quatre 
ges), moralifhe Schriften u, geiftreihe Erzählungen, 

Poularde, |. Kapaun. 

Ponquevile, Brangois Charles Hugues Laurent, befannt durch 
feine Reiien in Griechenland, geb. ben 4. Nov. 1770 zu Merlerault in der Nor- 
mandie, Departement Orne, befuchte das Gollege in Caen u. fam 1795 nad) Bas 
ris, um fi dem Etudium ber Heilfunde zu widmen; 1798 aber begleitete er bie 
niebergefegte wiſſenſchaftliche Commiſſion nad Aegypten. Auf ber aus Gefund- 
heitsrüdfichten angetretenen Rüdreife wurde P. von einem Korfaren gefangen ges 
nommen u. nad Tripoliza auf Morea gebracht, wo er 10 Monate als Gefange⸗ 
ner lebte; 1799 wurde er nach Konftantinopel gebracht u. in ben fieben Thürmen 
fehgefegt. Erſt nad neuer 2jähriger Gefangenſchaft gelang es ihm, in die Hei— 
math nach Paris zurüdzufchten, wo er ſich der Vollendung feiner ärztlichen Stu— 
dien widmete und 1803 zu Med. Dr. promovirt ward. eine Abhandlung über 
die Peſt erregte großes Auffehen; doc verlich P. die ärztliche Kaufbahn u. vers 
öffentlichte 1805 ein Werk in 3 Bänden: „Voyage en Morde, ä Constantinople 
et en Albanie“, welches großen Beifall fand, in's Deutſche u. Englifche uͤberſeht 
wurde und dem Berfaffer die Stelle eines Generalconfuls in Griechenland vers 
ibaffte. Im biefer Eigenſchaft blieb P. 10 Jahre lange bei dem berüchtigten Ati 
Paſcha in Janina, mit bem er fi gut vertrug, obwohl wahrſcheinlich von dem⸗ 
felben überliftet. 1815 fam P. als Conful nad Patras, verließ 1817 aber auch 
diefen Poften u. Eehrte nach Paris zurüd, woſelbſt er als Mitglied der Akade— 
mie der Infchriften ben 20. Dezember 1838 ftarb. — Bei großer dorſcherliebe u. 
ſehr günftiger Stellung, um Zeitereignifje und örtliche Verhaͤltniſſe beobachten zu 
tönnen, ift P. in feinen Schriiten, die große Beachtung fanden, doch nicht frei 
von Oberflaͤchlichkeit u. flüchtiger Darftellung. Außer den erwähnten Shall 
förteb er: „Voyage dans la Grece,“ 5 Bde,, Paris 180, Ar AR. BB 


416 Pouſſin — Pozzo di Borgo. 


1826. — „Histoire de la régéneration de la Gröce 1740 — 1824“, 4 Bbe,, 
Paris 1824 ıc. E. Buchner. 

Houffin, 1) Nicolas, ein berühmter franzöftfcher Geſchichts⸗ u. Landſchafts⸗ 
maler, von feinen Landsleuten ber franzöftfche Rafacl genannt, eboren 1594 zu 
Andelys in ber Normandie, gie, zu Haufe u. in Paris von unbebeutenden Mei⸗ 
fern gebildet, 1645 nach Stalten, wo er an dem Dichter Marini einen Gönner 
fand u. mit ganzer Seele feiner Kunſt lebte, aber bald in große Dürftigkeit ges 
rieth. Seine Darftellungen ber 7 Saframente erwarben ihm einen Ruf nad 
Paris, wo er einen anfehnlichen Gehalt erhielt und als erfier Hofmaler für das 
Louvre befchäftigt wurbe. Er zog indeß vor, fchon nah 2 Jahren 1642 nad 
Rom zurüdzufehren und blieb —2 bis zu feinem Tode 1665. P. bildete ſich 
in eigenthümlicher Weife fireng nach der Antike, davon Sinn u. Gel er aufju- 
faffen und in feinen Hiftorifchen Gemälden wiederzugeben bemüht war, bie auf 
das Sinnigfte und Durcchbachtefte aufgefaßt waren, aber zumeift ber Wärme unb 
Lebensfrifche entbehrten. Weit bedeutender noch iſt er in den Lanbfdhaften, bie 
ebenfalls in plaftifcher Ruhe u. hohem Ernſte einen antiken Geil athmen und in 
allen ihren Theilen fih zu einem bebeutungsvollen Ganzen orbnen. Auf ihnen 
finden meift prachtvolle antife Architekturen eine angemefiene Stelle. Seine vors 
züglichften hiſtoriſchen Gemälde befinden fih im Louvre. Treffliche Stiche nad 
ihm lieferten Audran, Pesne u. Elaudine Stella. — 2) B. Kaspar, eigentlich 
Dughet, Schwager u. einziger Schüler des Borigen, zu Rom 1613 geboren u. 
1675 geftorben, beffen Landſchaften, außer jenem hohen Ernſte, ein Charakter ber 
Bewegung in Darftellung des fanften Wehens ber Luft und bes erfchütternden 
Sturmes eigen iſt. 

0330 di Borgo, Karl Andreas, Graf, geboren 1768 zu Alala auf 
Eorfifa, aus einer armen adeligen Familie, wurbe Advokat, war beim Ausbruche 
der Revolution mit der Yamilie Bonaparte auf berfelben Partei und hielt ſehr 
freifinnige Reden. 1791 Mitglied der Nationalverfammiung , hielt ſich zu ben 
Bruffotiken, warb 1791 durch einige bei — XVI. gefundene Papiere compro⸗ 
mittirt u. mußte fliehen. Nach Corſika zuruͤckgekehrt, trat er zu Paoli's Partei 
u. wurde deßhalb 1793 vor den Convent gefordert, aber unterdefien durch engli- 
(den Einfluß Präfident des Staatsraths auf Eorfifa. 1794 floh er nach Eng: 
land u. 1796 nah Wien, machte 1799 Suwarow's Feldzug gegen Frankreich 
mit u. trat, als ber Feldzug mißlang , beſonders durch bes Lords Minto Eins 
flug, als Staatsrath in —5 — Dienſte u. widmete ſich von nun an der Diplo⸗ 
matie, ward 1805 Oberſt im Gefolge des Kaiſers u. ſollte ſeinen Monarchen als 
Commiſſaͤr bei der engliſch⸗ruſſiſch⸗ neapolitaniſchen Armee in Suͤd⸗Italien repraͤ⸗ 
ſentiren, kam jedoch an, als das Heer ſich eben auflöſte. Er warb num nad 
Wien gefchict, unterhandelte hierauf im Konftantinopel , gung dann zur Armee, 
verließ aber den ruflifchen Dienft 1808, ba er fürdhtete, daß Rußland ihn auslie⸗ 
fern werde, ging wieder nad Wien und trug Hier viel zur Aufregung bes öfters 
reichiſchen Eabinets u. daher zum neuen Kriege 1809 bei. Nach dem Örieden vers 
langte Rapoleon feine Auslieferung, bie aber verweigert warb. Er ging nun 
wieder nad Konftantinopel u. von hier, nach einer Reife durch Aſien, 1810 nad 
England. Erft 1813 kam er in Kalifch wieder zu Alerander. Unterwegs hatte 
er Bernabotte bearbeitet. Bon nun an war er zum Sturze Napoleons unermsübet 
thaͤtig. Ihm fol man den Abfall Murats, ben Anſchluß Schwedens und mehres 
Andere zu Gunſten der Aliirten verdanken. Er ging nach dem affenfilßande 
in das Hauptquartier des Kronprinzen von Schweden, Anfangs 1814 nad Lons 
don, um die Eiferfucht Englands auf Rußland zu beſchwichtigen, kehrte dann 
Armee zurüd und hatte bedeutenden Antheil an dem Entſchluß der Allirten, ſich 
fühn auf Paris zu wenden. Nach London zu Ludwig XVIIL gefendet, beivog ex 
biefen, Frankreich eine liberale Conftitution zu geben und nachſichtig zu regierenz 
er warb nım außerorbentlicdher Commiffär bei dem proviſoriſchen Bouvernement u. 
foäter Geſandter bei der koniglich franzoſiſchen Regierung. WBWs wart ur offers 


° v Pogguoll Prob: F 417 


ordentlichet eh im Haupt Wellington’s, warb. bei Waterlos Teicht 
verwundet u. nach —* (den der Aliirten in Paris trat — 
en wieber an und unterzeichnete den Vertrag im November. 1817 ward er 
erterallieittenant, wohnte 1322 dem Eongeß von Berona bei u. war 1823 aufer- 
orbentlicher "Befandter in 1: 1825, bei der Krönung Nikolaus I, erhielt 
er den el-u. eine Dotation, wurde General der Infanterie und Generals 
abjutant des Kaifers, 1826 aber Gefanbter zu Paris. Die polnifche Infurrection 
je ee in große Berlegenheitz am 17. September 1831 hätte ber 

;öbel fein Ste geflüxint, ‚Seitdem war er zweimal in London, um 

dem Gonferengen aber bie, ortentalifche und belgifche Frage beijuwohnen. 1834 
— 35. wurde er wieder Gefandter in London; dann nahm er wegen Sränfs 
uf, feinen Msfhied und {cie feiben. als Privatımann in Paris, wo er 


gueu Gozzuola, dos Puteoli ber Alten), Stadt am Meerbuſen von 
Neapel, in eitter reigenden Gegend, mit ftarf ‚befuchten warmen Bäbern 1 10,000 
Einwohnern, war im Alterthume eine reiche Hanbelsftadt, Feftung, Hafen und 
ber gnügungsort ber reichen Römer, mit vielen Billen und PBaläften, 
von nur. no) wenige Trümmer ſtehen. Der alte, von Calpurnius erbaute, 
a tempel ift die Heutige Kathebrale S. Procolo, nur einige Säulen und 
Infchriften aus ber alten Zeit finden fich noch wor. — Auf dem Hauptplage ein 
Viedeſtal, auf dem el bie Alfegorien der 14 Gtäbte Kleinafiens ftanden, bie 
aber unter Tiberius ein Erdbeben > gertrümmert wurrben. Cbendaſelbſt eine 
Meer (Colsneo) An Bert $ De Hauteier upangid and rnotktnn 
tl (Colosseo) eita & 0 zugänglich um 
wird am der weiteren Ausgrabung gearbeitet. Die Arena, 250 Fuß Tang; Eins 
gänge und Thierbehätter find: nı Das Labyrinth des Däbalus, ein 
unterirbifches Gebäude, bient vieleicht als MWaflerbehälter. Der Sonnen ober 
Serapistempel, zur Hälfte unter Waffer, eine ber größten und fchönften Ruinen 
des Altertfums aus dem 6. Jahrhunderte Roms, durch ein Erdbeben 1750, furz 
nah der MWiederauffindung, zerftört und bis auf 3 Säulen und die Fußböden 
alles architeftonifchen und Sculpturenfchmuds beraubt. Man fieht auch noch 
mehre der alten Weihbadfammern, mit denen der Tempel —328 war. Das 
Haus (Academia) des Cicero. Reſte des alten Molo, nach dem Caligula eine 
Brüde von 25 zogen gebaut, deren Reſte ebenfalls zuweilen fichtbar find. 

Pradt, Dominique Dufour be, politifcher Schriftfteller, zu Allanches in 
Auvergne geboren 1759, royaliſtiſcher Deputirter ber Beiftlichfeit ber Rormanbie 
bei der erften Nationalverfammlung, bis er nach dem 18. Brumaire Emigrant in 
Hamburg ward, durch den Marfhal Duroc bei Bonaparte Beichtvater, Baron 
und Bifhof von Poitiers, 1809 Erzbiſchof von Mecheln. Als es ihm 1812 
nit gelang, Polen zu infurgieen, fiel er in Ungnabe; dafür wußte er von ber 
proviforifchen Regierung bas Kanzleramt der Ehrenlegion zu erhalten,’ verlor e8 aber 
bei ber 2. Reflauration wieder u. trat ben erzbifchöflichen Stuhl von Mecheln an 
Holland gegen eine Rente ab. Im Jahre 1828 war er Mitglied der Kammer. Er 
farb 1: auf feinem Schloffe Bebrine. Seine Schriften betreffen far alle poli- 
tiihen Fragen feiner Zeit und find nicht ohne Werth. Wir nennen davon nur 
folgende: Antidote au congres de Rastadt, Hamburg 1798; De la Prusse et 
de sa neutralite, Paris 1800; Hist. de l’ambassade dans le grand duche de 
Varsovie, en 1812, Paris 1815, deutſch Wien 1816; Du congres de Vienne, 
Parts 1815 u. 1816, 2 Bde., deutfch von Rotteck, Freiburg 1815, von Nitfche, 
Lpzg. 1816; L’Europe apres le congres d’Aix la Chapelle, ebd. 1819; Le 
congres de Carlsbad, ebd. 1819; Suite du congres de Carlsbad, ebd. 1820; 
La Grece relativement ä l’Europe, ®p3g. 1822, deutfch ebd. 1822, u. Stuttgart 
1822 5 Congres de Panama, Patis 1825; Un chapitre sur la legitimite, Baxie 
1830; De la presse et du journalisme, Paris 1832; De Yesprit actuel du 
clerg6 Irangais, ebd. 1834, u, v. a. 
Realencpclopäble. VII. A 

— 


418 Praͤadamiten — Präbende, 


Praͤadamiten, eine im 17. Jahrhunderte entſtandene, aber vorübergehende 
Sekte, welche behauptete, daß vor Abam ſchon Menfchen vorhanden geweſen. 
Ihr Stifter war Ifaat de la Beyrere von Bourbeaus, neboren 1594, der aus 
den Worten: Römer 5, 15. „Schon vor dem Geſetze war Sünde in ber Welt; 
die Sünde aber wird nicht zugerechnet, wo fein Geſetz if“ ſchloß, daß diefe Worte 
von bem mofaifchen Geſetze nicht könnten verflanben werben, weil bie Suͤnden des 
Rain, der Sobomiten und mehrer anderer in jenen erften Zeiten felen befkcaft 
worden, welche Beftrafung in Kolge eines dem Adam gegebenen Geſetzes Gtatt 
gehabt hätte; es müfle demnach vor Adam Menfchen gegeben haben, benen bie 
Sünde nicht zugerechnet worden. Die Schöpfung biefer' Menfchen fehte Ia Pey⸗ 
rere in den erften Anfang ber Welt, wo Gott in allen Ländern berfelben mit 
einem Male Männer u. Weiber fhuf, von welchen die Helden abflammen, Die 
zweite Menfchenichöpfung gefchah erſt lange nachher, da Gott den Adam zum 
Bater feines, des jübifchen, Volkes in's Dafeyn rief. Sein Buch, „Präabamiten,“ 
wurbe zu Paris verbrannt, von dem Bifchofe zu Ramur mit Cenſur belegt, ber 
Verfaſſer felbft zu Bruͤſſel 1658 gefänglich eingezogen, von wo er ſich nad Rom 
begab, um bafelbft feinen Irrthum, 2 Jahre nach deſſen Entftehung, zu ben Füßen 
Alcranbers VIL abzufhwören. — Ta diefer Irrthum, bie Ausgebunt eines müßigen 
Kopfes, den Leidenichaften keine große Ausbeute verfprach, fo ging er mit jenem 
Urheber zu Grabe. 

Praͤbende. In den älteften chriſtlichen Zeiten lebten bie Geiſtlichen von 
den Oblationen (f. d.) der Gläubigen. Nach und nad aber bilbete ſich en 
gemeinfchaftliches Kirchengut, welches, als die chriſtlichen Gemeinden fh fer 
vermehrt hatten, dergeftalt vertheilt wurde, daß jebe einzelne Kirche einen bes 
flimmten $ond angewiefen erhielt, woher die Benefizien, mit benen das Recht 
zu einem lebenslänglichen Unterhalte verbunden ift, entftanden (f. Ben eftzien). 
Da die Erhrbungsweiſe bes Beneftztal » Einkommens viele Achnlichleit mit ben 
bei dem römischen Heere üblich gewefenen Stipendien und Präbenden Hatte, fo 
nannte man die Benefizien insgemein auch praebendae (Pfründen). Insbeſon⸗ 
bere aber wurde biefe Benennung nach ber Auflöfung des chrobegang’fchen In⸗ 
flitut8 von dem firen und ftandesmäßigen Einkommen der Kanoniker nebraudit, 
fd daß nur die Runonifalpfründen als eigentliche P.n erfkeinen (ſ. d. Art Dom 
fapiteD. Dan pflegte daher auch die B.n an den Stiften canoniae zu nennen, 
eine P. jedoch von einer canonia wieder darin zu unterſcheiden, bad man unter 
erfterer die Kanonikaleinluͤnfte felbft, unter letzterer aber bie ſtiftsmaͤßigen Redte 
verftand. Daher entftanden auch bie fogenannten praebendae capitulares und 
domicellares, fo wie die preebendae majores und minores. — In manden 
ber ehemaligen Stifte waren. B.n, zu welden nach den befonberen Riftifchen Sta⸗ 
tuten nur jene befördert werden fonnten, die das Presbyterat empfangen Balten, 
biefe hießen deßhalb Prie ſt er⸗P.n (praebendae presbyterales) ; in anderen ward 
bei gewiſſen Sanonifaten das Diafonat, und wieder in anderen nur das Gub- 
diafonat erfordert, und in noch anderen mußte der Candidat entweber Doktor der 
Theologie oder des kanoniſchen Rechts feyn, woher bie Benennung Doktors⸗P.n. 
Rad) ber Heutigen Berfaffung der Domkapitel in Deutfchland können rückſichtlich 
der Eigenichaften, welche die Bewerber befigen müſſen, fo wie vüdfichtlidh ber 
Verrichtungen, zu welchen bie Präbenbirten verbunden find, eigentlich nur Priefer 
in die Etifte aufgenommen werben, ausgenommen, (8 wüßte für ein ober bas 
andere Individuum auf beſonderes Anſuchen Tispenfation ertheilt werben. — 
Eine andere Art der P.n waren ehemals bie fogcnannten Frei⸗NP.n (praebendae 
liberae), deren Inhaber entweder ganz, oder zum Theile von ber Berbinbiichkelt 
zur Refidenz befreit, ober welche wegen ber Berwaltung befonderer Geſchaͤfte am 
Münfter chorfrei waren. Da diefe aber immer einen nachtheiligen Einfluß auf 
das Kirchenweien und ben Gottesdienſt Hatten, fo erließ der Kirchenrath von 
Trient befchränfende Beftimmungen gegen felte. Eine ferwere Einteilung de 
Ben iſt jene in Regular: mb Sätular- Rn, —— 


— 


‚Präcipitat — Prädeftination, 419 
— arlanaen können. Im Zweifel wird jedoch jedes Benefijum 


nefizium gehalten. Daffelbe findet: auch im engerem 
ame bei den P.n flatt. Nach den —— der sa han and if 
mehrer P.n unterfagt. 
ri —— und —— — — 
ren w ſonders von Rechts, gebraucht; bi r a clu⸗ 
fxiſt, diejenige Friſt, nach deren Ablauf Anfprüche nicht —— ge⸗ 
it werben koͤnnen, ſondern Derjenige, ber fie geltend zu machen hat, von: bem 
bte dazu eſchloſſen oder prächubtrt wird. ie wird zuweilen von 
sate- ober von Behörden angefegt, damit gesife Anfprüche an denfelben bis 
deren Ablauf angemeldet, fpäter aber als erlofchen betrachtet werden follen, 
onders tommt ber Ausbrud in Eoncurfen vor und man verfteht dann biejenige 
ſt darunter, vor. deren Ablauf fih die Gläubiger gemeldet Haben wmiüffen, 
nicht, von ber worhanbenen Maſſe ausgefchloffen zu ‘werben. 
Pradeſtiuation (Borherbeftimmung) Heißt der, aus mißverſtandenen 
lien in den Schriften des Heil. Auguftinus gegen die Pelagianer.df, d.) 
u. namentlich von mehren Reformatoren au Anfehen gebrachte Say: daß 
nach, feinem ewigen Rathſchluſſe bie einen Menfchen zur Seligfeit, die ans 
en zur Verdammniß befiimmt habe,  Auguftinus Hatte nämlich, gegenüber ben 
agianern, welche, den ‚Begriff der Freiheit übertreibend , "Erbfünde u.) Gnade 
gneten, in feiner weiteren Gntwidelung von ber Nothwenbigfeit ‘ber Gnade 
ige: durch die Sünde müßten an ſich alle Menſchen verloren gehen; doch habe 
tt nad der Groͤße feiner Barmherzigkeit aus der Maffe der Berdorbenen je 
gewählt, «denen er feine Gnade u. die Gabe der Beharrlichkeit verleihe; je 
‚den Kinder Gottes; wenn fie auch eine Zeit lange vom rechten Wege abirren, 
kommen fie noth wendig wieder zurüd u. en in der Gnade (praesciti, 
edestinati). Der Grund biefer Auserwählung Liege nicht in ber Vorausfict 
ttes, baß fie mit der Gnade felbfithätig mitwirfen werben, nicht im Berbienfte 
Menſchen, fondern allein in ber freien Erwählung Oottes (praede- 
ıstio ad vitam). Dagegen überlaffe Gott andere ihrem Berberben und zeige 
diefen feine Gerechtigkeit ; fie gehen nothwendig verloren, nicht, als ob fie felig 
:den wollten u. nicht fönnten, fondern weil ke an bem Böfen ihre Freude u. 
: Luft Haben; ben unerforſchlichen Rathſchluß Gottes bei der Barmherzigfeit 
en jeme u. der Gerechtigkeit gegen dieſe fönne der Menfch nur anbeten. Bis— 
len fpricht fih Auguftinus zwar noch entfdiebener aus und behauptet fogar 
e zweite Vorherbeſtimmung Gottes (praedestinatio ad poenam), aber bann 
cht er ausdrüdlih auf ben großen Unterſchied beider P.s Arten aufmerk⸗ 
ı und unterläßt es nicht, auf das verfchiebene Verhalten Gottes bei beiden 
zuweifen. Nachdem ber Etreit über die P.s-Lehre, die zuerſt an den Semi- 
‚agianern (ſ. d.) ihre Gegner und im 9. Jahrhunderte an dem Mönche 
ttſchall zu Ocbais einen beredten Verteidiger gefunden, fi) durch das ganze 
ttelalter hindurch geyogen hatte, wobei die Kirche immer das Beftreben zeigte, 
Ertremen auszumweichen, neigte fi die Mehrzahl der Reformatoren ber ber 
taten P. zu, indem fie eine foldhe von ber freien Gnade Gottes und der 
pfänglichfeit bes Menfchen für das Evangelium abhängig machten. Dagegen 
ann in ber reformirten calviniftifchen Braction die unbebingte P. bie ent» 
ebene Oberhand, und es wurde bier als Dogma feftgefept, daß ber durch 
ttes Rathſchiuß erwählte Menfch, ohne Freiheit, ñothwendig felig werben müßte, 
anderen bagegen ber Berbammniß überlaffen würden. In biefer ganzen 
cenge findet 4 das Dogma ber P. in den Symbolen der ſchottiſch⸗presbyte⸗ 
üfden, der franzöfifchen und der nieberländifchen reformirten Kirche ausge: 
schen. Die milbere Faſſung vertheidigte die Partei ber Remonftranten (f.d.). 
& das Tridentiner Concilium verwarf bie firenge P.H-Lchre und bie Jan- 
ften, die biefelbe wieder hervorzogen, wurden mit dem Anarhema belegt. An 
erer Zeit hat bie calwinifliihe Anficht wieder einen Wertheitiger —8 Se 
A 


40 Sräbdeterninisund — Praefectus, 


macher gefunden, indem er ihren confequenten Zufammenhang wit dem Dogma 
von ber Erbfünde nachzuweiſen fuchte, 

Brädeterminismus, |. Determinismuß, 

—— enſ ſ. Kategorien. 

räbdicantenorden, |. Dominikaner. 
raͤdieat, 1) das, was von einem Gegenſtande oder Subjekte (I. b.) 
ausg on ober ihm als Eigenfchaft beigelegt wird. — 2) So viel als 
tel (1. d.). 

Präeriftenz, die Annahme von dem Dafein bes menfchlicden Geiſtes vor 
feinem Erfcheinungsieben in der Verbindung mit bem Körper, welche gegründet 
wurbe auf die Vorausfegung eines Urfeins bes menfchlichen Geiſtes, ober, unter 
Zugeftehung einer Schöpfung , eines von förperlicher Drganifation unabhängigen 
erübern Dafeins, endlich auch unter gedachter Möglichkeit einer Seelmmanberung. 
— Den Anhängern biefer Lehre, Präeriftenzianer genannt, flanden entgegen bie 
Tradbucianer, welde das Vorhandenſein der Seele des kuͤnftigen Menſchen in 
ben zeugenden Individuen behaupteten. 

räfation (Borrebe) Ik das feierliche Gebet in ber HL. Meſſe, wodurch 
ber Prieſter das Volk zum Dante gegen Bott auffordert; fo genannt, weil 
bie Einleitung zum Meßkanon ober zum eigentlichen Meßopfer iR. In den Al 
teren 2iturgien kommt bdiefelbe auch unter ben Benennungen von Immolatio, Con- 
testatio Missae, u. in ber mozarabiſchen unter bem Namen Illatio vor. Auch 
heißt fie Hymnus angelicus, weil durch felbe Gott mit ben Engeln unfer Danf 
entrichtet werben fol, ober, weil wir uns in folcher vereinigen zum Dante und 
Preife Gottes. Der Berfaffer derfelben ift unbelannt. Einige föhreiben fie bem 
Bapfte Gelafius I, Andere dem HL. Ambrofius u. wieber Andere Gregor 
dem Großen zu; dann noch Andere führen ihre Abfafung und @inführung- bis 
auf die apoftolifchen Zeiten zurüd. So viel ift indeß gewiß, baß ihr Urſprung 
fhon tn die erften chriftlicdhen Zeiten fällt, weßwegen die Iebtere Meinung fehr 
viele Wahrfcheinlichkeit für fich Hat. Gelaſtus, Ambrofius, Cyprian und u⸗ 
ſtinus erwaͤhnen ihrer u. in ihren Schriften kommen einzelne Stellen aus ** 
ben vor. Anfangs hatte man wahrſcheinlich nur eine P., welche praefatio com- 
munis genannt u. bie für alle Tage u. Feſte gebraucht wurde. — In ber 
vats oder ftillen Meſſe wirb bie B. von dem G@elebranten gebetet, bei Aemtern u. 
feierlichen Mefien aber in bem vorgefchriebenen Tone gejungen. Seit bem 12. 
Jahrhunderte gibt e8 folgende Bın: von ber Geburt unferes Herın; von bem 
Ericheinungsfefte; von ber Kaften; von bem heil. Kreuze; von Oſtern; von ber 
Himmelfahrt Chriſti; von Pfingſten; von ber allerheiligflien Dreifaltigkeit u. von 
ben Apofteln, endlich kam auch noch Hinzu die P. von der allerfeligften Jungfrau 
Maria, welche für alle Marienfefle gebraucht wird, u, die praefatio communis. 
Dein Gebrauch diefer P.en, welche nach Berfchiebenheit der Feſte varliren, zeigt 
das Rirchen-Direftorium an. Jede P. fehließt fich mit dem bdreimaligen Sandus, 
welchen Sirtus I. eingeführt haben ſoll. 

Präafect ift in Frankreich u. den nach franzöflfcher Verwaltungsart organis 
firten Ländern der Titel des oberfien, einem Departement (f. b.) vorfleßenden 
Beamten, dem römifchen praefectus (f. d.) nachgebildet. Der P. bat mehr 
UntersP.en, denen die Maires u. Cantons⸗ Maires untergeben find. Der P. 
beforgt die Verwaltung u. Polizei, nicht aber das Geſchaͤft eines Richters. Auch 
bei anderen Befchäften hat man B.e,fo: See⸗P.en, ale oberfte Beamte über bas 
Flottenweſen in großen Häfen. Das Gebäude, in bem ber P. wohnt, ober das 
Bureau, wo er arbeitet, Heißt die Präfertur. 

Praefectus, d. 1. Borgefester, Borfteher, ein Titel, ben im alten Rom 
mehre Magiftrate führten, wie 3. ®. ber P. annonae, mit Gerichtsbarkeit über 
Alles, was die Lebensmittel betraf; P. classis, Admiral; P. praetoris, Befehls 
Baber ber Leibwache des Kaifers, ſchon unter Tiberius eine einflusreiche politifche 

Stelung. ie wurben unter Konftantin Stattgalter der Irosingn, 2. 


Praͤgeſchat — Prälaten, En 


ober urfprünglich Custos Urbis genannt, Stabifommanbant, eine unwichtige Stelle, 
dis Auguftus eine Art polizeilicher Würde daraus ſchuf, im welcher a die 
ganze Gewalt des Praetor urbanus aufging. 
Prägelhag, |. Münzen. * 
Prägnant (lateiniſch praegnans); fruchtbar, voll, faftig, wird jeht 
8* —— und Ausbrüden Häufig gebraucht für: geiſtreich, inhalts⸗ 
wer u. dal. ] 
Präjudiz (Praejudieium), bem Wortfinne nach bie vorgefaßte Meis 
5 man von einer Perſon oder Sache a bezeichnet in ber etefprange 
2 Rechtonachtheil, der namentlich im jefverfahren für den Fall, 4 
eine richterlich ober gefeplich gebotene ober nachgelaſſene Handlung unterlaffer 
wird, angebroht ift; 3. B. wenn Einer einen ihm zuerfannten Eid nicht ableiftet, 
fo wird daß das Gegentheil von dem, was er befchwören follte, 
wahr fei. Ein P. muß vorfhriftsmäßig vorher gehörig angebroht worden ſeyn, 
che ber Rechtsnachtheil erkannt werden darf, 2) Eine Streitfache, welche einem 
Hauptftreite vorausgehen. muß, u. welche für bie Hauptfache von. nothwendigem 
w, entjgeibendem Einfluffe ift. Dahin gehören bejonders bie Fragen über da⸗ 
mitten +, PBerfonen- u. Standesrechte. 3) Die Entſcheidung, befonders höherer Ges 
richtshoͤfe, in zweifelpaften u. dunkelen Fällen, weiche für andere Fälle gleicher Art 
Prälaten bei I nie lehenslanglichen Vorft 
jen im engern Sinne bie lebenslaͤnglichen Vorſteher 
ODrdens⸗Inſtitute; im weitern Sinne aber werden mit dieſem Namen ve 4 
hen Wuͤrdentraͤget u. überhaupt bie Geiftlichen hoͤhern Ranges in der Fathı 
Kirche bezeichnet. — Erimirte P., deren es fon milrelarD, find ſolche, welche 
über ihre Kloͤſter die bifchöfliche Jurisdiction ausüben. ie haben oft eine ber 
bifchöflichen ähnliche Gerictäbarfeit (jurisdictio quasi episcopalis), welche a 
eboch nur auf bie ihnen umtergebenen Geiftlichen, in ber Regel aber nicht 
die Laien erſtredt; ausgenommen, es würbe ihnen bie geiſtliche Iurisbiction über 
diefe vermöge einer befondern päpftlihen Verleihung, oder vermöge einer Verjährs 
ung zufommen. Man nennt folhe P. prälati nullius dioeceseos, weil fie über 
tinen gewiffen Bezirk, welcher feiner Didzeſe einverleibt ift, jurisdietionem quasi 
:piscopalem ausüben , ohne jedoch Bifchöfe zu feyn. — Die P. Haben haufig 
das Recht, fich der bifhöflichen Infignien zu bedienen u. gewiſſe Pontififalhands 
lungen zu verrichten. Dahin gehört bie Befugniß, den Drdensprofefien bie Ton- 
iur u. die fleineren Weihen zu ertheilen, bie Einweihung ihrer Kirchen, Paras 
mente, Hl. Gefäße, Glocken u. f. w. vorzunehmen; für fremde Kirchen aber bürfen 
fie nur ſolche Weihungen verrichten, die mit feiner Salbung verbunden find. Sie 
haben ferner das Recht, Nevizen, welche bie erforderlichen Eigenfchaften befigen, 
aufzunehmen; heutiges Tagcs müffen fie fich jedoch Hiebei nach ben beftehenden 
sartifularen Gefepen u. Anorbnungen benehmen u. haben hiezu fowohl bie lans 
xöfürftliche, als bifchöfliche Beftätigung einzuholen. Sie werben zu ben Synoden 
jerufen, genoßen ehemals in — Hinſicht das Recht der Landſtandſchaft u. 
jefaßen bisweilen die Fürften- Würde, wie 3. B. bie Aebte von Chiemſee, Fulda 
1.9. Cie haben, wenn fie fi der bifchöflichen Infignien bedienen dürfen, ben 
Rang nad) dem Bifchofe, vor ben einzelnen Domfanonifern, nicht aber vor bem 
yefammten Domfapitel. Ehemals waren fie häufig von ber bifhöflihen Juris—⸗ 
iction eremt, gegenwärtig aber, wo Die Eremtionen far überall erloſchen ober 
wfgehoben find, — find fie mit ihren Mlöfterlihen Inftituten der Jurisdiction des 
Diögefan» Biſchofs unterworfen. Die Wahl berfelben unterliegt jegt beinahe in 
len Staaten, nebft ber bifhöflichen, auch ber landesfürſtlichen Beftätigung. — 
Die Dignitare an den Kathebralficchen befigen auch bisweilen, vermöge eines bes 
onbern Privilegiums oder Herfommens, ben Titel u. die Rechte eines P. — In 
England, Schweben u. Dänemark Hat fi die P.- Würde aud nach ber Refors 
nation bei den Proteftanten erhalten u. in einigen 2ändern bes proteftantifhen 


422 praͤliminarlen — Präpofition. 


Deutfchlands führen biefen Titel die Generalfuperintendenten, mit beren mt 
gewöhnlich das Sig,» und Stimmrecht auf den Landtagen verbunden ift. 

Sräliminarien heißen bie vorläufigen Beflimmungen, welche gewoͤhnlich 
einem Friedensſchluſſe (f. d.) zur Grundlage bienen. 

Präludium, |. Borfpiel. 

Prämie, 1) überhaupt fo viel als Belohnung, namentlih für wiffenfchafts 
liche u. Kunflleiftungen; dann auch in Echulanftalten den Schülern zur Aufmun- 
terung wegen Fleiß u. guten Betragens gegebene Preife, Schul⸗P.n. — 2) 1. 
Affecuranz. — 3) B.n oder Pr-Sheine heißen auch bei einigen Lotterie; 
Anleihen, wie 3. B. bei dem Anleihen der preußifchen Seehandlungsſocietaͤt von 
1832, die Gewinne, welche einem Loofe (PBartialobligation) nicht wegen feiner 
Rummer, fondern zufolge der Ordnung, in ber die Nummer gezegen wird, 5 8. 
zunächft vor oder nach einem großen Gewinne, zu Anfang ober gu Ende ber 
Ziehung, zu Theil wirb. 

Prämiffe, überhaupt etwas Borausgefehtes; bann in ber Logik ber Borber: 
fat eines Schlußes, vgl, Syllogismuß, 

Prämonſtratenſer oder Norbertiner, ein geiſtlicher Orden, ber feine 
Stiftung dem Heil. Norbert (f. d.) verdankt, ber im Jahre 1120 das erfte Klo⸗ 
ftee dieſes Ordens auf ber Isle be Trance erbaute u, die Regel bes Heil Aw 
uſtinus annahm. Der neue Oben, der 1126 die päpftlide Genehmigung von 
Honorius Il. erhielt, blüßte gleich bei feinem Entftchen alänzend auf u. Korbet 
erlebte bie Freude, bis 500 Drdensbrüber zu zählen. Seiner urfprünglichen Ein; 
richtung nach war er ein Orden von firifter Obſervanz. Die Genofien deſſelben 
enthielten fi) von allen Fleiſchſpeiſen, beobachteten zu gewiffen Zelten ein feh 
fitenge® Faſten u. trugen niemals leinene Kleider. Der P.⸗Orden war in 50 
Brovinzen eingetheilt u. zählte 1300 Manns» u. 400 Frauenklöſter. Innozenz IV. 
behauptete, die Glieder beffelben feien von den ihnen vorgefchriebenen auguftini; 
{hen Vorſchriften abgewichen u. hielt deßhalb für nöthig, die Strenge ihrer vori⸗ 
en Flöfterliden Zucht wieder Herzuftellen. Gregor IX. genehmigte verſchiedene 
ür den Orden in Borfchlag gebrachte Verbefferungen, reſp. Milverungen. Ebenfv 
ertheilte Nikolaus IV. den herumziehenden Drbensbrüdern u. Pius IL dem ganzen 
Orden die Erlaubniß, mit Ausnahme ber bei ihm eingeführten u. allgemein an« 

eorbneten Faſttage, Fleiſch effen zu bürfen. Die P. widmen fih bem Prediger⸗ 
te u. ber Seelforge, tragen weiße Kleider, (weßwegen fie auch weiße Ghor= 
herrn heißen,) mit einem vorne berabhängenden Sfapulier, außer bem Klofter abewe 
einen Mantel von gleicher Farbe. — Gewöhnlich befinden fi bie Mannes un 
Srauentlöfter dieſes Ordens in abgefonderten Kiofergebäuben an einem u. ben 
ke Orte. In den lepteren Zeiten, befonders vor der Eäcularifation, zeichnet— 
& biefer Orden durch feine geregelte Kloſterzucht u. durch fein Beſtreben, bie 
Wiſſenſchaften zu befördern, aus, 
tänefte, |. Baleftrina, 
ranumeration, (VBorausbezahlung), Heißt bie ine Verpflichtung, ir⸗ 
gend ein in beflimmten Zeiträumen erſcheinendes Buch, Lieferungswert ober Zei 
tung zu beziehen u. Daffelbe vorauszubezahlen. 

Präpofition, fonft, aber unrichtig, Vorwort genannt, weil es gewößnlidz 
vor dem vegiaten Caſus ſteht; richtiger Verhaͤltnißwort, weil es das Ver— 

Itniß zweier Gegenſtaͤnde bezeichnet, beſonders, wenn letzteres nicht ſchon durchẽ 

lerion ausgedrüdt werben kann, 9 in der Grammatik ein inflexibler Rebe 
theil, verwanbt dem Adverbium (|. d.), wenn man beffen Inhalt nicht als ei— 
nen bei ſich bleibenden ober rußenden Umftand, fondern in feiner Beziehung untl 
Richtung gegen Anberes auffaßt, weßhalb fie eines Caſus bebürfn. Man kann 
u. muß oft bes Wohlflanges u, der Kürze wegen P.en mit anderen Wörtern zu— 
fammenziehen oder verfchmelzen, fo: zur, flatt zu der; anflatt, indem, wodurch⸗ 
ſtatt burch welches. Je reicher eine Sprache an Caſus u. daher je beftimmter fie 
iA, deſto weniger bedarf fie ber P.en; baher bie frangöftfche, englifche u. italieni= 


— — 


Prarien — Präfnmntion: 423 
ſche Sprache fehr an Pen; doch eine geiſt reiche bie Schattirum, 
—— ante beobachtende a, oft Ben ſtait der Carusfermen iger 

:ärien, f. Savannen. j 

fend oder gegenwärtige, Zeit, bezeichnet in ber Grammatik theils die 
Gleichzeitigkeit ber Handlung mit dem Momente, in welchem dieſelbe ausgefpros 
hen ‚wird. (3. B. jeht weiß ich, was es heißt, ein gutes Gewiſſen Haben); 1heils 
fieht es, abgefehen von jedem Zeitwechfel, ald immanentes Prädikat (4. B. der 
Menſch ift fterblich); theils endlich gebraucht man: «8 bei allgemeinen Behauptun⸗ 

u. Sentenzen, (3. B. was bu willſt, daß bie die Leute ihun follen, das thue 

1 ach). eigenthümlicher Gebrauch des: P. iſt das ſogenannie p. historicum, 
welches da angewendet wird, wo die Erjzaͤ von etwas Vergangenem in eine 
Schilderung übergeht, durch die, man bie Aufmerkſamkeit des Leſers ſpannen will, 
indem man bie — Begebenheit in bie Gegenwart verlegt; ‚alas od: Alles wor 
den Augen bes Leſers felbft vorginge. 
itation, 1). eines. der nit fen, aus dem Batronat (feb)-flleßen- 
echte, worunter man bie Befugniß verfteht, dem Bifchofe einen Geiftlichen 
eine erledigte patronatliche Pfeinde, in Berfäing m bringen, weder dann 
bemfelben ‚fo. ferne feiner Tauglichkeit und MWürdigkeit Nichts ‚bie 

fründe — muß (collatio necessaria im: Gegenſahe zu der. collatio 

): — In den erften chritiſchen Zeiten, wo mit ber. Ordination zugleich bie 
beftimmte, Anftellung bei’ einer Kirche verbunden. war, wußte man von: dieſem Urt 
terfchiede nichts. Bald aber a — bie Vorftcher ber Stifte und Klöfter das 
Recht, Geiftlihe zu den an ihren Kirchen erledigten Stellen zu ernennen. ' Spä- 
ter erhielten auch. Lalen diefes Recht bei geringeren Benefizien, auf ben Grund ber 
erfüllten geſehlichen — — GPatronahh. Das Praͤſentationo⸗ 
Recht erſtredi ſich nicht nur auf Kirchenpfründen, es auch auf dle 
Sloͤckner⸗, Meßner- u, Schuldienſte, ſofern Sg durch dund ‚ober Auo⸗ 
Ka ober Bauführung ſich ein Patronat an biefen Stellen erworben hat: Die 
B. iſt übrigens durch die wirflich gefchehene Erledigung eines Patronat = Benefi- 
ums bedingt u. findet eigentlich nur bei ben fogenannten niederen Kirchenaͤmtern 
tatt, während bei den höheren kirchlichen Etellen dem Patron blos das Recht 
yufteht, zu der volljogenen Wahl feinen Eonfens zu ertheilen, ober aus Hinrel- 
henden Gründen feine Zuflimmung zu verweigern u. fomit bie Aufhebung ber 
Wahl zu veranlafien. — Die P. muß gefegmäßig, d. i. unter Beobachtung ber 
hierüber beftchenden Verordnungen, weldye ſowohl von ber Kirche, als von bem 
Staate erlaffen worden find, wie auch mit Berüdfichtigung bes beiderfeitigen 
Wohles geſchehen. Ift der ‘Batron noch minderjährig, fo muß er bei Ausübung 
bes P.s Rechtes fi einen Beiftand wählen, welche Stelle gewöhnlich ber Bors 
mund vertritt. — 2) P. eines Wechfels, die Vorzeigung beffelben von Seiten 
bes berzeitigen Inhabers an ben Begogenen, entweber zum Zwede ber Acceptation, 
ober ber fofortigen Bezahlung (f. d. Art. Wed fel). 

Präfident (Borfigender), Heißt Derjenige, ber in irgend einem Eollegtum den 
Borfig führt und die Geſchaͤfte leitet und bei Stimmengleihheit bie entſcheidende 
Stimme abgibt. Indeſſen erhalten biefen Titel gewöhnlich (mit Ausnahme der 
Schweiz, wo er jedem Collegialvorftande ohne Ausnahme ertheilt wird), nur bie 
Borfigenden der höheren und höchften Eollegien, währenb bie ber untergeordneten 
Direktoren (ſ. d.) Heißen, fowie die der ftändifchen Kammern. Wo bei fehr ftark 
jefegten Collegien neben bem eigentlihen P. noch Vice-P. oder Directoren 
yer einzelnen Yptgeitungen find, führt erfterer oft ben Titel Ober⸗-P. ober 


deiP. 
Fhobilitte Harmonie, |. Leib ni tz. 

Praͤſumtion, 1) in_philofophifcher Beoetung die Borausfegung von etwas 
Unbefanntem oder auch Künftigem, nad bloßen Gründen der Wahtſcheinlichkeit. 
Daher Präfumtiv, mas wahrfcheinlih, oder unter gewiſſen Bebingungen 


424 Prätendent — Prävention, 


eintreten wird. — 2) Im juridiſchen Sinne ein Gap, ber ohne Beweis fo lange 
als richtig angenommen wird, bis ber Beweis des Gegentheils geliefert wird. 

Hrätendent (wörtlich Anſprecher), wird namentlich im politiichen Leben von 
Cinem gebraucht , der Erbanfprüdhe auf einen ihm vorenthaltenen Thron mad). 
So waren und find z. B. B.n: Jakob MI. und Eduard von England; Gi— 
ſtav Waſa von Schweden, Don Carlos von Spanien, Don Miguel vor 
Boctugal, her Herzog von Bordeaur von Frankreich, Herzog Karl von Braus 
ſchweig (1. bb.). 

’ Dräteritum ober vergangene Zeit, Heißt in der Grammatif bie Bezeichnurg 
ber Bergangenheit durch befondere Yormen des Zeitwortes, deren «6 brei gib:: 
1) das abfolute B. oder Perfectum; 2) das Imperfectum, welches ba gefekt 
wird, wo zwei Handlungen als gleichzeitig in gegenfeitige Beziehung geſetzt werben, 
z. B. ich fchlief, ald er mich befuchte; 3) das Blusquamperfectum, wo biee 
gegenfeitige Beziehung als nicht gleichzeitig bargeftelt wirb, 3. B. ich war 
ausgegangen, als er mid; befuchte. 

rätor (Anführer, Feld herr), warim alten Rom eine ben Eonfuln zuge 
ſellte Magiftratsperfon, 366 v. Chr. zuerfl, und zwar aus den Batriziern, 337 
auch aus den Plebejern gewählt. Anfangs hatte ber P. 6, fpäter blos 2 Lic⸗ 
toren in Rom. Sein Hauptgefhäft war, Recht zu fpredhen; zuweilen befehligte 
er das Heer, oder erjegte bie abweienden Confuln. Im Jahre 246 ward ein 
zweiter P. eingefegt, um Recht zwiſchen ben römifchen Bürgern u, Fremden zu fprechen, 
P. peregrinus genannt, zum Unterfchiede von dem P. urbanus oder Urbis, Stand 
Einer an ber Spige bes Heeres, fo verfah ber andere deſſen Gefchäfte in ber 
Stadt. Mit dem Umfange ber Republik mehrte fi die Zahl dee P.n. So 
wurden 227 v. Ehr. 2 P.en mit ber Verwaltung von Sicilien u, Sardinien, 197 
zwei andere mit ber neuen fpanifchen Provinz betraut. Nach Ablauf feines Dienſt⸗ 
jahres erhielt der P. oft als Proprätor bie Verwaltung einer Provinz. Gulla 
erhöhte bie Zahl der P.en auf 8, Cäfar nach einander auf 10, 12, 14 u. 16; 
Auguftus fette fie endlich auf 12 feft; umter Tiberius gab es 165 Claudius er 
nannte 2 P.n für Fideicommißſachen; Titus Hiefür nur einenz Nerva beftimmte 
einen P. für fisfaliiche Streitigkeiten. Der erfte im Rang blieb ber P. urbanus, 
weldher Rom nur auf 10 Tage verlaffen konnte. Er beforgte die Ludi Apolli- 
nares, war ber eıfte Richter u. befaß mit bem P. peregrinus das Jus Edicendi; 
in Givilfachen war er einer ber Richter u. führte in Griminalfachen den Borfib. 
Sprach er ſelbſt Recht, fo faß er im Berichtshofe auf einer Sella curulis, bod 
auch außerhalb des Gerichtshofes konnte er richterlihe Handlungen vornehmen. 
Selbft in ben leßten Zeiten bes Kaiferreichs Hatten die P.en die Jurisbiction. 

Brätorianer, ald Praetoria Cohors der römifchen Feldherrn, durch Auguftus 
Leibwache des Kaifers, 10,000 Mann ftark, von Bitellius auf 16,000 Mann er 
hoͤht. Sie erhielten doppelten Sold u. nach Ablauf der Dienftzeit (unter Auguſt 
12, dann 16 Jahre) 20,000 Sefterzen. Ihre Macht wuchs bald fo, daß fie, 
gleich den Janitſcharen in Konftantinopel, Kaifer ab⸗ u. einfehten. Rah Perti⸗ 
nar Tode boten fie die Kalferwürbe zum Kaufe aus. Severus löste fie auf, vers 
bannte fie aus ber Stabt, doch mußte er file in neuer Weiſe und in viermal flärs 
ferer Zahl wieder herftellen. Diocletian minberte ihre Zahl u. Vorrechte. Mas 
rentius vermehrte fie abermals, bis Konftantin fie 312 n. Chr. theils niedermeteln 
ließ, theils in die Regionen vertheilte. 

Prävarication heißt die Meberfchreitung der Pflicht, insbeſondere bed Klaͤ⸗ 
gers ober Advofaten, wenn berfelbe, in Wahrheit ed mit der Gegenpartei haltend, 
Klage oder Bertheidigung nur zum Scheine führt. 

Brävention (Zuvorfommen) nennt man im Rechtsverfahren bas frühere 
Einfchreiten der Gerichte u. den dadurch erlangten Anfpruch an eine Rechtsfache. 
Die P. wird durch bie Verfügung ber ‚Bertabung bes Beflagten auf bie einge 
reichte Klage auf Seiten bed Klaͤgers u. durch Einhändbigung ber Citation, auf 
Seiten bed Beklagten begründet und findet dann ftatt, wenn mehre Gerichte in 


Praͤventiv · Juſtiz — Prag, 425 


Öeting auf den jur Sprache tofall competent find. Dun 

erlangt ein Bericht das Rest und ———— bie Ber! feit, bie 

kei ‚allein und nel zu verhandeln u. zu entſcheiden. Crisis 

lachen teitt bie P, dann ein, wenn unter mehren competenten Eriminalg, 

3 eine bie erfte Labung zur Vernehmung erlaffen hat durch 

yecialinquifition, bi aber auch fhon die Öeneralunterfuchung, bur« 4 

von Stedbriefen, durch die Nach) und ähnliche — en. Eben 

eniſcheidet in — wenn ber Schuldner in mehren © — "u 


x. Güter befigt, —— Fin ih —— 
lche in jebi — — «in © 
1» a jo Ei jegt, wi he 


El tiv-Fuftiz, — a hen ne olizei — 
ligel üb el — vor 
an hun Bea Gerne henmamen 1 beg mit Eache ve Bela, {em 


ber Juftig Bord d ieberherftellend ſoll 
len im Zaume ten. 3 — der —e— —— on rechnet 
en ur · P.⸗J. folgende einzelne Ameise bie Beauffi 

welches von ben ——— Aus allzu 


xbe; der Bin jeln gegen Baganten (Hei 

Land Bee — Benufficht, jung — —— Sin aan * 
für — —— Verbot 

een ur 9. des Lebens der Bürger durch Merbot Hr 
Sfften, Ana —— * gehend, jeabenwerden, gegen. Mord u. — 


apregein zur Sich ‚9, der y lichen —— 3 B. Verbot bes 
s u. ber — — der Anlegı on Zucht * 
Seiten einer Prive —— — Vermögens, 
B. Bgegen Im Diekhaktı 9 Pre KR bie Genfur (Bund 
t fhädlicher: Schriften ih Fi 
Drag (Praha); die dt En on zreiches Böhmen, llegt unter 50° 
18° rhliher Breite umb bem 32° 5 0% u Länge, 616 Fuß über ber 


rbfee, beinahe in ber Mitte bes Landes, an beiden Ufern ber Moldau und 
fünf Bergen, dem Schloß s, Lorenz-, Steahöfer-, Myfchehraber» und Wind- 
Wenige Städte in ganz Deutſchland bieten eine folde Fülle mleehinet 
Ähten, indem P., eine große Anzahl hervorftehenber Gebäude zeigenb und mit 
em reihen Diabeme von Thürmen befränzt, aus bem Btußtgale beiberfeits zu 
ehnlicher Höhe emporfteigt und mit einer Burg im OR und Weſt, dem Hrab- 
n und bem Wyſchehrad, anfängt und endiget. Die Moldau mit ihren reigens 
Infeln und fchönen Brüden, welche bie 2 ufermafien in mehre bebeutende 
uppen gertheilt, trägt nicht wenig bei, ben Gffeft bes großartii jn Bildes noch 
yx zu fleigern. — . wird in vier Hauptviertel ober Städte eingetheilt: Alt⸗ 
Dt mit ber Judenftadt, Neuftadbt, Kleinfeite und Hrabfdin. Al 
eftäbte find anzuſehen: Karolinentgal, Wyfhehrad und Smihow. 
8 Ganze hat bei einem Flaͤchenraume von einer halben Q Meile einen Ums 
g von 4 Wegftunden, 55 größere und Hleinere Pläge, 249 Gaflen und 3285 
bäube, unter welden man 55 fatholifhe Kirchen und Kapellen, 15 Ktöfter, 
sroteftantifche Bethäufer, 10 Synagogen und 12 Kafernen findet. Die Zahl 
Bewohner beträgt, one jene ber Vorftäbte und bie Garnifon, 112,000. Es 
> davon $ Böhmen Eſchechen) u. Deutſche, doch die Sprache der Letzteren 
rſcht trog der Minderzahl in den gebildeten Ständen vor. Die Stadt if 
gsum von ftarlen Mauern, Wällen, Baftionen und mit Gräben umgeben, hat 
x gleichwohl aufgehört, eine Feftung im flrengern Sinne des Wortes zu feyn. 
2 großer Theil der Wälle ift jeßt mit Anlagen bepflanzt und in ‘Bromenaben 
geroanbelt. Stabtthore befigt P. acht, unter welchen bas neue Roßthor am 
önften. Die Bauart ber Häufer ift durchaus mafliv; bie älteren Stadtteile 
den enge, winfelige Straßen, Die Reuftabt dafür um fo breitere, vegeimdiiar v. 


426 Prag. 


fehr große Pläge. Die Stabt iſt durchaus gepflaftert, mit Trottoirs u. Kandlen 
verfehen, und Nachts durch arganbifche Lampen beleuchtet. — Zu P. haben ber 
Oberftburggraf von Böhmen, das Lanbesgubernium, das Generalkommando, das 
Appellationsgericht, das Landrecht, die Rmeralgefällenverwaltung, bee Großmei⸗ 
fer der Kreuzherrn, bie Kreisaͤmter von Beraun und — und viele Unter⸗ 
behörden ihren Sit. Auch refidirt Hier ein Fürft-Erzbifchof. Unter den wiſſen⸗ 
ſchaftlichen Anfalten fleht die Univerfität oben an, bie Altefle in Deutfchland, 
gegründet 1348 von Raifer Karl IV. Die Zahl ihrer Studenten belief ſich im 
nfange auf 40,000, bis bie Huffitenfriege ihre Hohe Blüthe zerflörten. Gegen⸗ 
wärtig Bat fie 47 Profefforen, 15 Adjunften und 3350 Studenten, eine Biblie- 
thef, eine Sternwarte, ein phufifalifches und naturhiftorifches Muſcum, einen bo: 
tanifchen Garten, ein chemiſches Laboratorium, ſechs Klinifen sc. Weiter befikt 
P. eine technifche Lehranftalt und Realfchule, 3 Gymnaflen, 20 Zrivialichulen, 
2 Klofterfchulen für Mäbchen, eine Geſellſchaft ber Wiflenfchaften, eine patriotiſch⸗ 
öfonomifche Gefelichaft, ein vaterlänbifched Mufeum mit reihen Sammlungen. 
Die Kunſt pflegen: bie Geſellſchaft patriotifcher Kunftfreunde mit ber Kunſtaka⸗ 
bemie und ber Bildergallerie, der Verein zur Beförderung ber Tonfunft in Boͤh⸗ 
men mit dem Mufikfonfervatorium, der Verein für Kirchenmuſik, ein beutiches u. 
ein böhmifches Theater. Yür die Zwede der WBohlthätigfeit forgen: 3 Waiſen⸗ 
Häufer, ein Taubſtummen⸗, ein Blindeninftitut, 4 Kleinkinderſchulen, ein Armen: 
inflitut, 3 Siechenhäufer, ein allgemeines Krankenhaus mit Irrens, Gebaͤr⸗ und 
Findelhaus, 9 Spitäler. Bon jeher war P. ausgezeichnet durch feine Bäber, bie 
felbft jene von Wien weit übertreffen an Großartigfeit, Eleganz und Reinlichkeit. 
Die fhönften find das St. Wenzels⸗, Bapperls und Sophienbab, leßteres auf 
ber Färberinſel. Zwei Militärs und eine Civilſchwimmſchule befinden fich gleich: 
falls bier. Die Induftrie P.s Hat in neuerer Zeit einen bedeutenden Aufſchwung 
genommen, wozu der Berein zur Ermunterung bes Gewerbfleißes wefientlich mit 
eitrug. Kupfer⸗Zuͤndhütchen, Gewehre, chemilche Probufte, Spirituofen, Siegel: 
lad, Tiſchlerwaaren, Filzhute, gebrudte Baummollenzeuge ıc. find bie Hauptpro- 
bufte und von Hoher Vollkommenheit. Der Handel begreift zum Theile bie ge: 
nannten ®egenftände, zum größeren Theile aber iſt er Tranfitohandel zwoifchen - 
Rorddeutſchland und ben öfterreihifchen Provinzen. Die Moldau wird von PB. 
abwärts mit Segelfähnen befahren, unb felbft das Dampfboot kommt bei höheren 
Wafferftande aus ber Elbe herauf. Den Berfehr zu Lande befördern Straßen 
und Eiſenbahnen. — Wir wollen nun zur näheren Befchreibung ber einzel 
nen Stabttheile und ihrer Merkwürdigkeiten übergehen, vorerſt aber noch einerm 
Blick auf die Moldau und ihre Brüden werfen. Der genannte Fluß bildet in 
nerhalb der Stadt ſechs Infeln. Auf der größten berfelben, ber Inſel Rampe 
iſt ein Theil der Kleinfeite erbaut, von ber fie nur ein ſchmaler Waſſerarm trennt 
Die Sopbiens ober Färberinfel Hat fehr gefchmadvolle Anlagen und bins 
dem Publikum als Selufigumgsnt, und auf br Schüßeninfel iſt bie Schieß— 
fätte angebracht. Die übrigen Infeln find nicht von nebeutung. Die au 
mächtigen Sandfteinquadern aufgeführte Molbaubrüde ift eines der berühmte 
ften Bauwerke ber Art in Deutihland. 1357 unter Karl IV. von dem Meile 
Peter Arler begonnen, wurbe fie 1503 mit einem Aufwande von 170,000 fl- 
vollendet. Sie verbindet Alt» und Neuftabt mit ber Kleinfelte, rußt auf 16 Bo— 
gen unb ift 1790 Zuß lang. Das maffive Steingelänber trägt 28 Gtanbbilder 
unter benen befonders bie eherne Bilbfäule bes böhmifchen Landespatrons, bei 
heil. Johann von Nepomuk, hervortritt, welcher auf Befehl König Wenzel’ vorm 
der Brüde in die Fluthen der Moldau Hinabgeftürzt wurbe, weil er, ber Legenbem 
zufolge, Die Beichte der Königin nicht verrathen wollte. Die Aufgänge un rüdes 
vertHeibigen zu beiden Seiten impofante alte Thuͤrme. Der Altftäbter Thurm iſ 
reich an fehönen Bilbwerfen, unter andern fieht man bie Wappen aller Länder ir 
Stein gehauen, welche einft mit Böhmen verbunden waren. Diefer Thurm alleirw 
rettete 1648 bie Alt⸗ und Neuftadt von B. vor ben Schweden, bie fi durck? 





Prag: 427 


Berrath bereits der Kleinſeite bemaͤchtiget hatten, Der Angriff kam durchaus 
amerwartet, und das Brüdenthor war at ohne Vertheibigung, Die Schweden 
en auf daſſelbe los da ließ ein Jefuit, der aus dem Collegium nachſt ber 
® am, ſchnell das Fallgitter Herab. und vertheibigte mit nur _brei 
ben Poften, bis die Bürger zur Unterftügung. herbeifamen. Die Schweden bels— 
—— und he lie Thurm 14 Wochen lang, aber ohne: Erfolg, Oberhalb 
Steinbrüde eine: 1455 duß lange Kettenbrüde bei ber Schügeninfel 
über den Fluß. 4839 durch eine Alliengeſellſchaft begonnen, iſt fie ein Werk ber 
neueften Zeit und ftellt die Verbindung zwifchen der Neuftabt und Kleinfeite her. 
— I) Die Altfadt. Dieſe, am rechten Ufer ber Moldau liegend ‚ iſt ber 
Eentralpunft des Handels, und der vor zuͤglichſten Bildungsanftalten,. über 
de Taf ar ager Stühle, She, Eichen nme, rften 
eng, und winfelig, die hoch; Alles weist.auf bie graue-Vorzeit zurüd, 
Der anfehnlihfte Pia Fa große Ring, ben eine, zum-Gedächtniffe. ber 
Befreiung -P.8 von ben Schweden errichtete Marienſaͤule u. ein Marmorbrunnen 
fhmüden. Unter ben ihn jebenden Gebäuden macht: ſich vorzüglich die 
Theintirdpe bemerklich, ein ehrwuͤrdiger gothilcher Bau. Schon gegen Ende 
des 9. Jahrhunderts: Hatte der erſte liche Deraon Döhmene; Borziwog, an 
biefer Stätte eine Kapelle erbaut; ihre jegige Geftalt und Größe aber werbanft 
Kin ‚Kirche den deutſchen —— in u Re u —* — ihren 
men Bogen aufführen 1. Das ſclante Thurmpaar ſorg 
Bam hinzufügen, Neben ber Kanzel das Grabmal bes Er en 
Tycho de Brahe, der Geſchichte der huſſitiſchen Unruhen ſpielt dieſe Kirche 
eine nicht unwichtige Rolle, da fie bie Hauptlirche der Utraquiſten war und ihr 
Der befannte Johann Rokyyana als Pfarrer vorftand. Die Pfarrlirche von; St, 
DIatob enthält ein prachtvolles, reich mit ſymboliſchen Figuren geſchmuͤdtes 
Marmormonument bed böfmifchen Ranzlers und ſer Großpriore , 
BWratislaw von Mitrowis. In ber alten che zu Et; Gallus predigte 
Huß feine Lehre, Die Kirche bes ritterlihen Orbens ber Kreuzherren mit’ dem 
rothen Stern ift eine im edelften Style gebaute italienifche Rotunde mit fühner, 
hoher Kuppel, Neben ber Bruͤcke erhebt fich eine impofante Gebäubemaffe, bie 
ein ganzes Etrafenviertel einnimmt, mit Kirchen und Kapellen; bas ift das 
Collegium Elementinum, ein Werk der Jeſuiten, jet Eigentfum ber Uni: 
verfität. In ben geräumigen Hallen werben Borlefungen über Theologie und 
Phitofophie gehalten. Hier % auch das erzbifchöflihe Seminar untergebracht u. 
bie Univerfitätsbibliothef, welche an 100,000 Bände zählt und befonbers reichhal⸗ 
tig in der böhmifchen Literatur if. Das Univerfitätsgebäude oder Earolinum, 
1363 erbaut, bewahrt im Innern und Aeußern noch manchen architeftonifchen 
Schmud aus alter Zeit, Das neue Rathhaus, ber Theinkiche gegenüber, 
iſt vor Kurzem an der Stelle des niebergeriffenen alten erbaut worden. ur bie 
Kapelle, das Portal ber Südfeite und der große Thurm, allem Anſcheine nach 
aus dem vierzehnten Jahrhundert, ftehen noch von Letzterem. Der Thurm Bat ein 
felttames Uhrwerk mit beweglichen Figuren, eine Arbeit des Magiſter Hanuſch 
vom Jahre 1490. Schlieglic gedenken wir noch im ber Altſtadi des Haufes, 
in weldem Huß wohnte, jegt eine Weinfchenke, bes ftändifhen Theaters, ber 
Palaͤſte des Hürften Eolloredo, der Grafen Clam-Gallas und Kinsky. Bon 
ben nörblichen Theilen der Altftabt in einem Halbfreife umringt, liegen am rechten 
Ufer der Moldau eng aufammengebrängt die Häufer der Jubenftabt. Die 
Ifraeliten haben biefen StabttHeil feit bem 11. Jahrhunderte inne. Die Haupts 
merfwürdigfeit beffelben ift der alte Jubenfriebhof mit feinen Taufenden von 
Grabfteinen, darunter ber Eunftreich gearbeitete Sarfophag des zu Zeiten Kaiſers 
Rudolf IL. wegen feiner Gelehrfamfeit Hochberühmten Rabbi Löw. — 2) Die 
Neuftadt, ber jüngfte, elegantefte, größte, aber zugleich unausgebautefte Theil 
P.s, unter Karl IV. gegründet, umſchließt die Altftabt in einem weiten Bogen 
und war von Diefer ehebem dur Wal und Graben geſchleden. Mon vr on. 


428 Prag. 


prachtvolle, vornehm breite und glänzende Straſſen. Auf dem Roßmarfte ſteht 
die Neiterbilbfäule bes heiligen Wenzel, bes alten Landespatrons von Böhmen. 
Die Kirche St. Ignaz hat ein großartiges Portal und St. Hieronymus, bei dem 
Benebiktinerflift Emaus, einen intereffanten Kreuzgang. Das Neuflädter Rath: 
haus ift Hiftorifch merfwürbig, weil hier am 30. Juli 1419 durch ben Fenſter⸗ 
flurz mehrer Rathsherrn bie Lofung zum Ausbruche bes unfeligen gulfienteirges 
gegeben wurbe. Nahe babei if das Garnifongfpital, mit einer 624 Fuß langen 
Vorderſeite, einft ein Jefulten-@ollegium. Schöne Spaziergänge umgeben an der 
Stelle der ehemaligen Befeftigungen biefen Stabttheil. Die Außerfle Spige ber 
Neuſtadt bildet ber Hoch auf Felſen fliegende Wyſchehrad mit feinen Feſtungs⸗ 
werfen. Hier genießt man eine herrliche Ausficht über ganz Prag. Die erim 
Beherrfcher Böhmens hatten auf dem Wufchehrab eine Burg, um welche fid 
nad) der Hand viele Klöfter, Kirchen und Paläfte erhoben. Während der Huf 
fitenfriege haben Feuer und Brecheifen biefe Gebäude faft alle zerflört und von 
den 14 Kirchen ift nur noch das Collegiatftift St. Peter u. Paul übrig. — 3) 
Die Kleinfeite, am linken Moldauufer ſich hindehnend, iſt der Sitz ber meiften 
Lanbesftellen und am reichfien an Paläften. in großer Theil dieſes Stabt- 
vierteld zieht fi), bisweilen mit fehr bedeutender Steigung, die verfchiebenen 
Bergabhänge hinan. Unter den Gotteshäufern zeichnet N vorzüglich bie 
St, Niflasfirche aus, ein Bau von coloffalen Berhältniffen und Iururiöfer 
Pracht, mit flolger Kuppel und im Innern mit Marmor, Bergoldungen und 
Malereien faft überladen. Sie wurde in ihrer gegenwärtigen Geftalt von ben 
Jeſuiten aufgeführt. Die Auguftinerfirdde zu Et. Thomas birgt einen Tofl- 
baren Schatz an ben beiden Hochaltarblättern von Rubens. Die Malteferfirche, 
ein intereffantes Alterthum, wurbe fchon 1156 gegründe. Bon ben weltlichen 
Gebäuden nennen wir das Gubernialgebäude, dann die Paläfte ber Yürften 
gr, Lobfowig und Fürftenberg, der Grafen Sternberg, Moin, Thun 
und Noſtitz. Alle diefe aber überragt an Großartigkeit und biflorifcher Bedeutung 
dee Waldſtein'ſche Palaſt. Er gehört noch heute der gräflich Waldfteinifchen 

amilie und fl großentheils fo erhalten, wie ihn einft ber berühmte Ahn biefes 

aufes, Albrecht Wallenflein, Herzog von Friebland, im Jahre 1620 auf ber 

tele von zwanzig niebergerifienen Bürgerhäufern errichtet Hat. Unverändert 
ift der große Prunkſaal mit einem Dedengemälde, welches ben Herzog, ale Apollo 
in einem Biergefpann triumphirend am Himmelsgewölbe Hinfahrend, zeigt; an 
ben Seiten ftehen als Kariatyden, in Grotesf und Stein ausgeführt, bes Fried⸗ 
länders Hauptleute. Eben fo unverfehrt ift auch das Grottenwerk im Garten, 
das aſtrologiſche Gabinet und ein Badegemach bes Herzogs. In einem Zimmer 
neben der prachtvollen Loggia des Erdgeſchoſſes ficht ausgeftopft das Pferd, 
welches Wallenftein an dem blutigen Tage von Lügen ritt. In dem Oratorium, 
von welchem aus er bie Mefle in ber Daustapee hörte, liegen noch biefelben 
zerpihe ausgebreitet, auf welchen ber Mann der Schlachten damals gefniet. — 
4) Der Hrabſchin, bie Akropolis von B., ift ber prächtigfte, aber menfchen- 
leerfte Theil der Stadt. Er hat feinen Namen von dem böhmifchen Worte Hrab 
b. i. Burg, und noch heute trägt er auf feinen Luftigen öhen bie konigliche 
Al burg, mit welcher, als dem wichtigften und impofanteften Gebäude biefes 

iertels, wir billigerweife beginnen muͤſſen. Scon bie alten Herzoge Böhmene 
hatten eine Burg auf dem Hrabdſchin. Die Könige Wenzel I. und Ottokar IL 
befeftigten biefelbe mit Gräben, Mauern u. 22 Thuͤrmen, von denen aber nur 
noch die vier Gefaͤngnißthuͤrme fiehen, darunter ber verrufene Daliborfa, Nach: 
bem 1316 eine heftige Feuersbrunft das Schloß zerflöürt, baute es Karl IV. nad 
bem Plane des alten Louvre in Paris wieber auf. 1541 verwandelte e8 ein 
wiederholter Brand in Schutt u. Afche, u. min erſt erhoben Kaiſer Ferbinand 1. 
und König Mathias bie jebige Hofburg, welche unter Maria Therefia von 1756 
bie 1774 vollendet wurde. Das drei Stockwerke hohe, ungeheuere Gebäude ent- 
Jalt 440 Gemaͤcher und 3 große Säle, dem heutiken, hen Wpantichen und ben 


Prag. 429 


Bladislaw⸗ ober Hulbigungsfaal, welcher 212 Fuß lang if und feine 
fühne Wölbung ſich auszeichnet. Die Front des Schloffes gegen die Stabt mißt 
200 Schritte, erften Burghofe ift ein Springbrunnen angebracht, Im zweiten 
fieht die Reiterftatue bes heil, Georg und bie Domkirche. Aus ben Fenſtern ber 
alten Landſtube im dritten Stockwerke des Schlofies wurden am 23. Mai 1618 
von den rebelliichen Ständen bie koͤniglichen Statthalter Martinig und Slawata 
eworfen, bie Beranlaffung zu dem breißigjährigen Kriege Zwei Heine 
enkſaͤulen am walle erinnern an biefe verhängnißvolle Begebenheit, durch 
welche der fchredlichfte aller Kriege heraufbeichworen wurde, ber je bie beutfchen 
Lande verwuͤſtet u. durchtobt. Rudolf IE verwahrte im P. er Schloffe feine berühmte 
Kunſt⸗ und Schapfammer, die einen W von 17 Millionen gehabt Haben 
fol. Kurfürk Johann Georg von Sachſen führte 1632 davon 50 Wagen voll 
g unb ben Reft verfchleppten fpäter die — Gegen —— zieht 
ch vor der Burg der Hirſchgraben herab, und jenſeits deſſelben liegt der Schloß⸗ 
garten, wo ſich eine prachtvolle Ausſicht erſchließt, insbeſondere dem ſoge⸗ 
nannten Ferdinandeiſchen Belvedere. Der vom Burgraume umſchloſſene Dom 
St. Veit iſt eines ber ſchoͤnſten Denkmale altdeutſcher Baukunſt, aus —3— 
die kuͤhnen, uͤberaus zierlichen Bogen, welche die Kirche mit 
ſtehenden Thurme verbinden. Dieſer war vor dem Brande von 1541 506 
hoch, Hat aber gegenwärtig nur noch eine Höhe von 314 Fuß. Karl IV. U 
1344 den Bau biefed Gotteshaufed buch Matthias von Arras beginnen, aber 
bie fortwährenben Kriege ber fpäteren Zeiten hinderten bie Fortſetzung, unb ber 
Dom if in feiner jetzigen Geſtalt kaum zur Hälfte vollendet. Selbft was zu 
Stande gefommen, wurbe nach ber Hand durch Brände, Religionsftürme und 
Belagerungen vielfach befchäbiget. Insbeſondere machten die Preußen im Jahre ' 
1757 bie Kirche zur Zielfcheibe ihres Geſchuͤßes, und allein am 5. Juli wurde 
felbe von 1550 Kugeln  getr . Das Innere bes Domes wirb buch 15 % 
thiſche Bögen in ein Mittelichiff u. zwei ee getheil. Die Länge 
Hauptfchiffes beträgt 157, feine Breite 48, bie Höhe 116 Fuß, bie Breite ber 
anzen Kirche im Lichten 144 Fuß. Rings um die Geitenfchiffe ziehen ſich 12 
apellen. Der Fußboden ift mit weißen u. grauem Marmor quabrirt. 
werke, Verzierungen, Statuen, Grabdenkmale, Gemälde finden fidy ungeachtet ber 
argen Berwäflungen noch in großer Anzahl vor Den Hochaltar zieren brei 
werthvolle Bilder aus ber niederländifchen Schule. An der Epiftelieite ſteht bas 
berüßmte fllberne Grabmal des heiligen Johann von Repomuf. Der Todestag 
beffelben, ber 16. Mai, tft das größte Feſt von Böhmen. Aus dem ganzen 
Lande firömen die Gläubigen herbeis Die Feier dauert 9 Tage, u. Anfang u. 
Ende berfelben wirb burch ein Feuerwerk auf der Schüßgeninfel bezeichnet. N 
res Augenmerk verdient beſonders auch ein Herrlicher Chriſtuskopf (Veraicon) auf 
Goldgrund an einem Pfeiler der Satriftel, eines ber Ichönften Werke ber byzan⸗ 
tinifhen Schule. Im Schiffe erhebt fi das Maufoleum der böhmifchen Könige 
aus karrariſchem Marmor. Ueberaus prachtvoll ift die Et. Wenzelstapelle, 1347 
von Karl IV. erbaut, deren Wandgemälde mit Halbebelfteinen moſaikartig einges 
faßt find. In der Sigmunbefapelle zeigt man ben Fuß eines großen ehernen 
Armleuchters von funftreicher Arbeit, weldder aus dem Salomonifchen Tempel in 
Jeruſalem Herrühren ſoll. Die Schapfammer bewahrt unter andern Koſtbarkeiten 
einen Theil ber böhmifchen Reichskleinodien. An ber wand ber Dreifaltigs 
feitefapelle fieht man bas merfwürbige Mofaikbild, bie Auferfiehfung der Tobten 
barftellend, weiches Karl IV. im Jahre 1371 durch griechiſche Künftler anfertigen 
lieh. Im Thurme hängen 7 Bloden, deren Größte 227 Zentner wiegt. Bor 
der Burg breitet fich ber große Hrabfchiner Platz aus, ein längliches, mit Baum⸗ 
ängen bepflanztes Biered, das von dem erzbiichöfliden, großherzoglich toskani⸗ 
Ken n. andern anfehnlichen SPBaläften, fo wie von ben Kurien ber Domberren 
auf drei Seiten umfchloßen if. Das Gebäude der Privatgeſellſchaft yardıalllyer 
Sunftfreunde daſelbſt enthält eine Galerie von 1400 Bemälten u. We Sammiıns 


430 Prag. 


en des vaterlaͤndiſchen Muſeums. Dieſe beſtehen aus einer Bibliothek von 12,000 
ben u. 600 Hanbſchriften, aus einer ethnographiſchen u. Muͤnzſammlung, ei⸗ 
nem geognoſtiſchen u. botaniſchen Kabinet, einer Mineralienſammlung u. |. w. 
Deftlih trennt den Play ein hohes Gitterthor mit prächtiger Einfahrt von dem 
Vorhofe der Koͤnigsburg. Weitere Schenswürbigfeiten bes Hradſchin find: bie 
Lorettofirche, das Stift Strahof, ber Schwarzenberg'ſche u. der Czernin'ſche Pa⸗ 
af. Die Lorettoficche, welche ganz nach dem Muſter ber Santa casa in Loretto 
erbaut ift, befigt einen reihen Schaf , darunter eine Monftranze mit 6666 
Diamanten. Auf dem Thurme ein Glockenſpiel. Das Prämonftratenferfift 
Strahof wurde im 12. Jahrhundert vom Herzoge Wladislaw IL gegründet. 
In ber fhönen Kirche ruhen die Bebeine bes Heiligen Norbert, bes Stif⸗ 
ters des Prämonftratenferorbens, und ber in ber Schlacht bei Kühen ges 
fallene Kriegsheld Graf Pappenheim, Die Orgel iR die größte in Boͤh⸗ 
men. Das Klofter Hat eine trefflich georbnete Bibliothek von mehr als 
50,000 Bänden u. eine werthvolle Gemäldefammlung Der Czernin'ſche Palaft 
ift das prächtigfte Privatgebäude Prag’s, mit einer 76 Klafter langen Kollonabe, 
inbeß durch Belagerungen und andere Sriegdereigniffe fehr herabgekommen, fo 
daß es jet theilwelfe an Leute ber ärmften Boltsklaffe vermiethet il. — Die 
Umgebungen Prag's find intereſſant und abwechslungsreih. Wir nennen bas 
Kuchelbad, das romantifche Felfenthal des Heil, Prokop, das von dem gefchichtlich 
denkwuͤrdigen weißen Berge beherrfchte Motaler Thal, den Sternwald, ein che 
maliger Thlergarten, das herrliche Scharfathal, bie böhmifche Schweiz genannt, 
den Park Baumgarten, welcher für Die Prager bas iſt, was ber Prater für bie 
Wiener, und eine vorzügliche Zierde an dem im gothifchen Style erbauten Luft 
fchloffe Bubenetfch umichließt, die Kaifermühle, das ſchoͤne Schloß Troja, den Zis⸗ 
taberg, an deſſen Sübfeite viele zahlreich befuchte Luftorte und Gärten liegen. — 
Geſchichte. Auf einem felfigen Berge am linfen Molbauufer grünbete im 8. 
Jahrhunderte nach der Sage die weife und reigende Libuffa eine Burg, unter des 
ren Schuge eine Stadt entftandb, welche ſchon nach 100 Jahren 4 auf das 
rechte Ufer Hinüber vergrößerte. 971 entftand das Bistum Prag. Bis zur 
Mitte des 13. Jahrhunderts hat die Geſchichte zahlreiche Belagerungen ber Stabt 
aufgezeichnet, beren bie meiften Folgen ber langjährigen, blutigen Thronſtreitig⸗ 
feiten waren, welche ihren Anlaß in ber Unbefiimmtheit ober Nichtbeachtung ber 
Succeffionsgefeße hatten. Mit DOttofar II. begann eine glanzvolle Epoche, wie 
für Böhmen im Allgemeinen, fo für Prag insbefondere, Die Prachtliebe biefes 
Fürften, ber wegen dieſer Eigenfchaft der „Goldene“ genannt wurde, verpflangte 
regeren Gewerbsgeift, Wohlftand u. feinere Sitte in die Hauptflabt bes Landes. 
Noch viel Höher aber fchwang ſich Prag unter Karl IV. empor, welcher bas 
Prager Bisthum zu einem Erzbisthume erhob, das Königsfchloß, den Dom, eine 
Menge ber prachtvollſten Kirchen und Klöfter erbaute, der Stabt große Priviles 
gien verlieh, fremde Gewerbsleute ins Land zog, dem Handel allen möglichen 
Vorſchub that und feinem Volke allenthalben neue Erwerbsquellen öffnete. Cine 
feiner IegensreichRen Inftitutionen aber war die Gründung ber Univerfität in 
rag. Durch den Umftand enblih, daß Karl, der erſte unter ben böfmifchen 
errichern, auf feinem Haupte mit ber böhmiſchen Königefrone zugleich bie Krone 
bes römifchsdeutichen Reiches vereinte, wurde Prag zugleich bie Hauptfat von 
ganz Deutfchland und der Eitz eines doppelten Hofftaates. Unter Wenzel IV. bes 
gannen bie von Huß angeregten unfeligen Religionswirren, welche Prag ber 
meiften jener herrlichen Kunſtſchaͤtze beraubten, die Karl IV. Hier angehäuft 6, 
u. die Stadt von ihrem Hochpunkte ſchnell in tiefen Verfall brachten. Die hufs 
fitifhen Schwärmer, durch bie Hinrichtung ihre® Lehrers zu Conſtanz erbittert, 
überfielen, plünberten und zerflörten Kirchen und Kloͤſter; bie @eiftlichkeit, ber 
Abel, die reichern Kaufleute und Bürger flohen und ließen ‚bee Häufer u. Güter 
bem Pöbel Preis. Mit einem Heere von 150,000 Mann rüdte Sailer Sigmund 
im Juni 1420 vor Prag, um den Aufſtand zu erbrüden, Wer Wir Kulien 


D | 


am — Em neue Ser 


Mh ve — in — u. der —— 
mäßrt me 1 Ceft —2 denn unter ben Huf a ‚ählte man nicht wi 
6 fieben verſchiedene — aaa ſich sogen ei —— bitter‘ 
uhiger wurbe es erft, als Sigmund. von öhmen wieder König 
terfannt ward. Aber —* * hatte No an ie er IV. fo prächtige 
ühende Stadt — Die — ga Kirchen 
'euftabt lagen in Trümmern, die Fonlnabuen, = Dom, das Stift — u. 
= Menge andere geiftliche u. weltliche Gebaͤude Randen als nadie Wäı 
a8 fiole Prag hatte —— Zierden —— 9— ee * as 
igten ſich die — der Anarı 
EL 1 Induſtrie Fe ‚ang darnieder. Erſt als. Bau den —— 
—— tag: wieder beſſere Zeiten. ſes Monarchen St 
re das goldene Zeitalter der Fünfte u. a in — ve 
af hten. ‚Er umgab ſich in feiner Refidenz "zu Bra; 
jeten, legte bedeutende Ki —— en an, bene Yo augen 
ule. Bald aber ‚erhoben ie. Am 23. Mi we auf 
m Prager Schloße ber Gerüchtigte enſterſturz, das nl zum en 
je je Böhmen fielen vom je. Oeſterreich ab u. wählten Friedrich von 
Mal zum Könige. Am 8. Nov. 1620 erfolgte bie Schlacht auf dem * 
Sie, Die, Böhmen: erlitten da tbarfte Niederlage; Friedri— 8 —2— 
milian von Bayern zog an ige des lichen ‚Heeres in Brag ei. * 
l. Juni 1621 hub das — über die an. A Männer, * 
18 den edelſten Geſchlechtern, iheils die Vornehmfien dee —— * wurden 
af dem Altfiadter Ringe vor dem Rathhauſe enthauptet. Darauf jhritt man eif⸗ 
g zur Wichereinführun ber fatholifchen Religion; aber zahlreiche Familien wan⸗ 
ten lieber aus, ald fh biefer Mafregel zu fügen. Auch von ben fpätern Gr- 
gniffen des 3Ojährigen Krieges wurde Prag noch ſchwer derührt. 1631 wurde 
I von ben Sachſen, 1632 von Wallenftein genommen, 1648 von den Schweden 
ngefchlofien u. hart bedrängt, Mit diefer erfolglofen Belagerung erreichte der 
Hährige Prieg fein Ende, u. zwar in derfelben Stadt, in welder er begonnen 
aite. Die Succeffionsfriege, welhe nach der Thronbefteigung Maria Therefia’s 
usbrachen, verhängten über Prag wieder ſchweres Unheil. Am 26. November 
731 erlegen die Srangofen md Sachſen die Wälle, und am felben Tage zog 
‘arl von Bayern in der Stadt ein u. ließ fih am 7. Dez. von der Buͤrgerſchafi 
aldigen. Ueber ein Jahr blieben die Krangofen in Prag. Am 30. Auguft 1744 
ſchienen 80,000 Mann Preußen vor Prag u. rüdten nach heftiger Beſchiebung 
n 16. September in den drei Städten ein. 13 Jahre fpäter, am 6. Mat 1757, 
el die Schlacht bei Prag vor, in welcher bie Preußen fiegten, aber ben Feld⸗ 
arfhall Graf Schwerin durch den Tob verloren. Nun begann die fehredlichfte 
jelagerung, welche die Annalen ber Stadt fennen. Friebtie IL. ſelbſt leitete fie, 
her mit einer Barbarei, welche man einem fo gebildeten Fürften nicht zutrauen 
te. 23,000 Bomben und 58,000 Kugeln wurden während ber 21 Tage ber 
jeſchießung in die Stabt gefchleubert , dabei die Kanonen gerabe auf bie herr 
chſten Gebäude, vorzüglid, wie fhon erwähnt worden ift, auf die Domlirche 
richtet. Diefe begann binnen 3 Tagen mehr als breißigmal zu brennen. Die 
!ieberlage bei Kolin am 18. Juni zwang endlich bie Preußen zum Abzuge. 
dem fah Prag feinen Außen Feind mehr, deſto mehr aber hat es in unfern 
agen durch den innern gelitten. Die vielgeftaltige Slavenbewegung, die gegen 
‚ärtig bald unter ber allgemeinen Benennung bes "Banflavisnus, balb unter dem Ramen 
er einzelnen Slavenſtaͤmme auftritt, hat für das weſtliche Europa ihren Eentrals 
unft in Prag gefunden, von wo aus fie, von dem tiägchiihen Elemente geitar 
n, auf eine Bereinigung aller im Zübweften von Europa wohnen Sim 








432 Praga — Prakrit. 


ſtaͤmme hinarbeitet und zunaͤchſt nach ber Herrſchaft in Oeſterreich ſtrebt, ale 
endliches Ziel aber die Gruͤndung eines großen Slavenreiches in Ausſicht nimmt, 
welches alle Slavenſtaͤmme vom adriatiſchen Meere bis zum Pontus, von ben 
Karpathen bis zum Peleponnes umfaflen, und zugleich bie dazwiſchen Tiegenben 
beutfchen und magyarifchen Nationalitäten in fi) aufnehmen würde. In Prag, 
wo ber Hebermuth ber tichechifchen Partei bis zur terroriftiichen Unterbrüdung ber 
deutfchen Benölferung herangewachfen war, mußten biefe Beftrebungen über furz 
oder lang zu Konflitten führen. Sie erfolgten den auch, nachbem furz vorher 
ber Stavencongreß in biefer Stabt zufammengetreten war, am 12. Juni 1848 
aus anfcheinend geringfügiger Veranlaffung, und 6 Tage lang wüthete ber 
Kampf in ben Ba . Indeß fanden die Tſchechen an bem Tommanbirenden 
Generale ber kaiſerlichen Beſatzung, Fuͤrſt Windiſchgraͤß, einen überlegenen Geg⸗ 
ner, deſſen Energie u. militairiſcher Einficht es gelang, den Buͤrgerkrieg zu daͤm⸗ 
pfen u. die Empoͤrer zur Unterwerfung zu zwingen. Mit dieſem Siege hat der 
Fuͤrſt feinem Kaiſer bie böhmifche Krone, dem deutſchen Reiche eines feiner ſchoͤn⸗ 
ften Lande gerettet. — Zul, M. Schottky, P. wie ed war u, ift, 2 DBbe., 1831; 
Welleba, Führer u. Erflärer der Merkwürdigkeiten der Metropolitanfirche St. Beit 
zu P., 3te Aufl., 18345 W. A. Gerle, Pu. feine Merkwuͤrdigkeiten, Zte Anfl., 
18365 3. v. Krombholz, Topographifches Tafchenbuh von P., 1837; Lubs 
wig Zange, P. und feine nächſten Umgebungen, 1845. mD. 

ſch mes , Die auf dem rechten Beichtziufer liegende Borfladt von Wars 

au (f. d.). 

Pragmatife, der Wortbebeutung nach: was zum Handeln, zur Betreibung 
der Geſchaͤfte gehört, was dem vorgelegten Zwecke entipricht, daher gemeinnügig, 
Iehrreih. Die derartige Befanblungeweile ſelbſt Hei ragmatismuß. — 
In der Geſchichtſchreibung (ſ. b.), auf welche ber Ausdruck p. ins Beſon⸗ 
dere angewendet wird, verſteht man darunter die Darſtellung ber Begebenheiten 
nach ihrem urſaͤchlichen Sujammenbange u. ihren nothwenbigen Folgen. 

tagmatifhe Sanction heißt ein Staatsvertrag ober Srunbgefeh, das über 
wichtige Staatsangelegenheiten feftgefeut wirb u, für ewige Zeiten in Kraft blei⸗ 
ben fol, Die wichtigften p.n S.en find: 1) die Ludwigs bes Helligen, Könige 
von Frankreich, vom %. 1268, über die Angelegenheiten ber franzöftfchen Geiſt⸗ 
lichkeit. — 2) Die Karls VIL von Frankreich von 1438, von Franzi. wieder aufs 
gehoben (f. Öallicanifhe Kirche). — 3) Die p. S. Kaiſers Karl VI. Diefer 
wollte, weil er ohne männliche Nachkommen war, die Thronfolge feiner Alteften Toch⸗ 
ter Maria Therefla zuwenden. Er regulirte alfo 19. April 1713 bie Sucreffion 
auf bie weibliche Nachkommenſchaft nach dem Nechte der Erftgeburt und {var 
(0, daß, im Kalle feine weiblichen Nachkommen erlöfchen follten, bie weiblichen 
Nachkommen feines Brubers, Kaiſers Joſeph I., u. wenn auch biefe erlöfchen folls 
ten, bie weiblichen Nachkommen feines Baters, Kaiſers Leopolds J., zu fuccediren has 
ben. Karl VI. brachte große Opfer, um bie Anerkennung berfelben von ben aus⸗ 
wärtigen Mächten zu erlangen, was ihm auch großentheils gelang. Eugen von 
Sovoyen Hatte ihm gerathen, feine Opfer, fondern das Heer auf einen Achtung 
gebietenden Stand zu bringen. Mit Recht, denn nach Karls Tode brach ber öfters 
reihifhe Erbfolgelrieg (f. d.) aus. 4) Die p. ©. Karls II. von Spa 
nim von 1759, in Folge deren er feinem dritten Sohne und befien Nachkommen 
ben Thron des Königreichs beider Sicilien abtrat. 

rahm, ein flaches, breites Fahrzeug mit niedrigem Bord, zu verfchiebenem 
Gebrauche beim Waflerbau beftimmt, 3. B. zum Muebangern der Häfen und Ras 
naͤle (Baggerprahm), bei Roftichlagungen im Wafler, beim Ausziehen von Pfaͤh⸗ 
ien im Waſſer, ferner beim Transporte von Wagen u. Vieh über Flüfle (Fahr⸗ 
prahm) u. |. w. Bei Keuersbrünften bebient man ſich ber auf einem PB. ſtehen⸗ 
ben, das Wafler aus einem Fluſſe faugenden Sprigen (Prahmſpritzen) mit 
großem Bortheil, 

Vrafrit, bebeutet „n ach gebildet“ oder, nak vera gewiiniiien Seroias 


Praktiſch — Prechtl. 433 


pebsaude „gemein“, ift ein Sanderitbialeft, unter deſſen Ramen bie älteren in- 
ifhen Grammatiker oft alle Dialekte des Sanscrit verftanden. P. fpreihen in 
ben inbifchen Dramen alle guten ®enien u. Frauen. — De Präkrita dialecto 
libri dao, auctore Alb. Hoefer, Berol,; 1836. 8. — Institutiones linguae Präkri- 
ticae ad decreta Vararuchis et commentsrios Bhämahae aliorumque concinnavit 
Chr. Lassen. 8. Bonnae; 1837. — D. N. Delius, radices linguae Präcriticae. 
Supplomentum ad Lassenii institationes etc. Bonnae, 1839. 
raktiſch Heißt, im Gegenfage zum Theoretifchen (j. Theorie) Alles das, 
was ſich auf das Hanbeln bezieht. Während die Theorie bie Idee aufftellt, bil: 
bet bie Durchführung berfelben bie Sphäre bes Praktiſchen, bas, als folches, immer 
als wahr anerkannt werben muß. Dieß erftredt ſich auf alle Seiten bes menſch⸗ 
lichen Lebens, wie auf bie Sittlichkelt, fo auch auf Kunft u. Wiffenfchaft, Indu⸗ 
firie u. Gewerbe, Die Moralphilofophie lehrt, was in fittlicher Beziehung p. feyn 
fol, fowie die einzelnen Zweige ber Wiſſenſchaft u. Kunft, ber Induſtrie u. Ge⸗ 
werbe ihrerſeits das Praftifche in eigenen Theorien aufftellen müflen. Das B.e 
muß mit dem Theoretifchen immer verbunden werben, wenn lebteres Bedeutung 
ewinnen ſoll; denn das Theoretifche if an fidh ein bloßes Problem, fo lange es 
Is nicht in der Durchführung als wahr bewährt. N. 
Prangen Heißt in der Schifferfpracdhe: eine übermäßige Anzahl Segel beife- 
en, um entweder Feinden zu enifliehen, ober fich von gefährlichen Küften zu ent- 
—— ſollte dadurch auch das Schiff oder die Ladung einigen Schaden leiden. 
Wenn ein ſolcher Schade dadurch geſchieht, fo gehört er zur großen Havas 


tie cf. b.). 
oder Schandpfahl, der meift erhabene Drt, wo gemeine Verbrecher, 

durch ein Balseifen feſtgehalten, auch wohl mit Schanbdfteinen behangen , bem 
Publikum zur Schau ausgeftellt werben. 

Praragoras, von Los; ein Astlepiabe (ſ. b.) u. Lehrer des Herophilos. 
Er bat ſich durch eine Menge näherer Beſtimmungen und felbft Entbedungen in 
der Anatomie u. Pathologie einen Namen gemacht. Seine Schriften find verlo- 
ten genangen; bas Meifte, das man von ihm weiß, hat Galenos in feinen Schrifs 
ten 


Praxis, überhaupt die Ausübung von Etwas u. fomit der Theorie (ſ. d.) 
migegengeicht befonders verfieht man unter advokatoriſcher u. Ärztlicher 
P. ben Geſchaͤftokreis ber Rechtsanwälte u. Aerzte. 

Srariteles, wahrfcheinlih aus Athen, brachte feine Jugend in Athen zu u. 
warb ber berühmtefte Bildhauer ber Alten , ber allen Schriftfiellern als unübers 
troffener Meifter gilt. Bon feinen Lebensumftänden ift wenig befannt, nicht eins 
mal Geburtsort u. Geburtss oder Todes⸗Jahr. P. Hatte 2 Söhne, Kephiſſodo⸗ 
ros u. Eubulos, von denen erfterer auch als Bildhauer berühmt if. Wahrs 
ſcheinlich lebte PB. in der erſten Hälfte bes A. Jahrhunderts v. Chr. u. war Zeits 

enofie von Skopas (ſ. d.). Mit beiden begann das Zeitalter des fchönen Style, 

eine berühmteften Statuen führt Plinius (Hist. nat. XXXVL 4. 5.) an. Die 
gefchäßtefte war die Aphrodite von Gnidos. Andere berühmte Bilder von ihm 
waren: die Aphrodite von Kos, der Eros von Thefpiä u. der Satyros Periboͤtos. 
Auch bildete er Standbilder der Artemis, Demeter, bes Bacchos in Erz u. Mars 
mor. Bon feinen Bildfäulen fam wahrfcheinlich Nichts auf ung; Copien davon 
find vielleicht: die capitolinifche Aphrodite, ber Satyr aus ber Billa des Antonius 
im Muſeum Pio⸗Clementinum. 

Precarium, die unentgeltliche Geſtattung des unbeſtimmten Gebrauches einer 
Sache, bie Einer befitzt, oder der Ausübung eines ihm zuſtehenden Rechtes an 
einen Andern auf Widerruf. 

Prechtl, 1) Marimilian, Abt des Benebiktiner » Klofterse Michaelfelb im 
der Oberpfalz, ein geichägter theol Her Schriftſteller, geboren am 20. Auguft 
1757 zu ubach bei Eulisad, Kub rte unter ben SJefuiten am Gymnaſtum zu 

mberg, trat, 18 Jahre alt, in das Benebiktinerfiift Michaelfelb, vollendete Hier 
Nealencyclopadie. VI. 28 


434 Prechtl. 


eine philoſophiſchen u. theologiſchen Studien u. ward auf Koſten des Kloſters 
—F feiner Prieſterweihe 1781 auf bie Univerfität Salzburg geſendet, um im 
geiftlihen u. weltlichen Rechte ſich weiter auszubilden. Nach feiner Ruͤcklehr 
1786 wurbe er für bie jungen Kloftergeiftlihen zum Profeſſor bes kanoniſchen 
Nechtes ernannt und ibm zugleich bie neue Einridtung bes Archivs u. ber Re 
iſtratur anvertraut. Seine gruͤndlichen juridiſchen Kenniniffe gewannen mande 
—*8 zum Beſten ſeines Kloſters, von denen ein und der andere mit 
50—100 fl. anhaͤngig waren. Erwuͤnſcht war es ihm, die Fuͤhrung verdrießlicher 
Prozeſſe mit dem llebgewordenen Lehramte ber dogmatifchen u. moralifchen Theo⸗ 
logie 1788 vertaufchen zu fünnen. Ber Einladung bes herüßmten Fuͤrſtbiſchofs 
Martin Gerbert von St. Blaften, für das hiſtoriſche Sammelmwerf Germania 
sacra diplomatica einen beliebigen Beitrag zu liefern, entſprach P. 1793 u. gab 
eine kurze, mit Diplomen belegte, Geſchichte ber Abtel Michaelfeld. Durch wibrige 
Zeitumftände waren bie hiftorifchen Quellen der oberpfälziichen Abteien zerfärt 
u. man begnügnte ſich zur Aufbellung der Vorzeit nicht felten mit unbegrünbeten 
Traditionen. Um auf fefteren Grund zu bauen, fammelte P. mühfam bie noch 
aufzutreibenden Diplome, fuchte ihre Beglaubigung, u. entwarf hienach mit feiner 
historia Monast. Mich. einen zwar kurzen, aber zuverläfligen Leitfaben für bie 
Geſchichte feines Kiofters. 1794 an das Lyceum zu Amberg berufen, warb er 
Maurus Schentl’8 College. Die angebotene Lehrſtelle der Moral an ber Uni 
verſitaͤt Ingolftadt lehnte er ab u. erhielt 1798 das Rektorat des ganzen Schul 
hauſes zu Amberg, in weldyer Eigenichaft er 1799, während der Winterquartiere 
ber öfterreihifchen Truppen, ſich durch Energie und humane Behandlung belicht 
machte. Bei dem Tode did Kurfürften Carl Theodor wurbe ihm höheren Orts 
ber Auftrag zur Abhaltung der Trauerrede. Wahrfcheinlich in Folge biefer ge 
lungenen Probe redneriſchen Talcntes wurbe ihm, mit Beibehaltung des Rektorais, 
der Katheder der Rhetorik Übertragen. Die allgemeine Adytung u. Liebe erbob 
ihn endlid am 14. Januar 1800 mit Stimmeneinhelligfeit zum Abte von Mi 
chaelfeld. Schon im nächflen Juhre begann er einen fehr foßfpieligen Schulbau, 
u. ungeachtet vielfacher Hinderniſſe und ſelbſt ber 1803 eingetretenen Saͤculari⸗ 
fation, gelang ihm fpäter noch die Vollendung. 1804 wählte B. feinen Yufent: 
halt in Vilseck u. lebte in ſtiller Zurüdgezogenheit ben Wiſſenſchaften u. unter: 
fügte mit freigebiger Huld die Armen ber Umgegend. Plank's „Worte bes 
Friedens“ veranlaßıen feine „Friebensworte* , weldye Anfangs anonym erfchienen 
u. durch milde u. tolerante Darftellung ihre ironiſche Tendenz aufrichtig beurlun⸗ 
beten. Dagegen verdiente aber Tzſchirner's Provokation durch feinen Ange 
„Katholizismus u. Proteſtantiomus“ eine ſchaͤrfere Zurechtweifung, welche gebüß- 
render Weife von P. ertheilt worben ifl. Sein Lebenswandel zeigte ſich wahr: 
haft priefterlih, duch Frömmigkeit u. ungeheuchelte Wohlthätigfeit Hochachtung 
u, Ehrfurcht einflößend. Er ftarb am 13. Juni 1832. Schriften: Trauerrede 
auf das Hinſcheiden des Kurfürften Karl Theodor 1799. Wie finb bie ober 
pfälzifchen Abteien im Jahre 1669 abermals an bie geiſtlichen Ordensſtaͤnde ges 
fommen? Rürnb. 1602. Ueber ben Geift u. bie Selgen der Reformation, 1810. 
(Die Autorfhaft wird von manchen Kritikern ihm beftriiten u. dem Kirchenhiftorifer 
Kertz vindicirt). Briedensworte an die Eatholifche u. proteftantifche Kirche, 1810, 
2. Auflage 1820. Briedensbenehmen zwiichen Boffuet, Leibnig u. Molan, 1815, 
Seitenftüd zur Weisheit Dr. Luther’s, 1817. (Hiezu u. hierauf bezügliche Send⸗ 
ſchreiben, polemiih, 1817 — 18). Beleuchtung der Tzſchirner'ſchen rift: Ka⸗ 
tholizismus u. Proteſtantiomus, 1824. Rechtfertigender Ruͤckblick auf bie Beleuch⸗ 
tung, 1824. Vielfache Beiträge zu Eatholifchen Lit. Zeitungen u. päbagogifchen Zeit 
ſchriften. Cm. — 9 P., Gohann Joſeph, Direktor des polytechnifchen Ins 
pitute in Wien, geboren den 16. November 1778 zu Biſchofsheim an ber Rhön 
Wuͤrzburgiſchen, ftudirte an der Univerfität Würzburg bie Rechte u. begab 
Ad 1601 nad Wien, um beim Reichshofrathe zu prafticiren; fpäter wendete er 
Ad ganz ben Raturroifienichaften zu u. ging ld Ecgeter nal Brden, Lg 


Prebiger— Predigt, 435 


aber 1809 nach Wien zurüd u. lehrte an’ der Rexlatabemie Phyſit u. 5 
1814 wurde er Profeffor der techniſchen Chemie u. 1815 Direktor des pol 
niſchen Inftituts;_ 1818 wurde ec zum Fatferlichen Regierungsrathe ernannt. — 
BP. Hat fi große Verbienfte erworben um die Einrichtung u, Ausbildung bes 

ichſt nach Pinen —— geſchaffenen polytechniſchen Inſtituts in Wien, 
jowie um das Gedeihen der Technologie überhaupt, beſonders durch feine: „Tech⸗ 
nologiſche Encyclopaͤdie“, 15 Bde., ttgart 1830 — 1847, bie noch nicht voll 
endet ift. — Außerdem veröffentlichte er ſeit 1819 Jahrbücher des polvtechniichen 
Inftituts in Wien u. fehrieb: „Grundlehren der Ehemie in iechniſcher Beziegung“, 
2 Bde, Wien 1813 — 1815, 2. Auflıge, 1817, E. Buchner, 

diger, f. 1) Kohelet, 2) Predigt. 
edigerorden, f. Dominifaner u. Bettelorden. 
redigt ateiniſch praedicatio), Heißt ber * die —— beftimmte 

fentliche Kanzelvortrag, einer ber wichtigften Theile des chriftlichen Religions⸗ 
unterrichts, zunädft für ‚die Erwachfenen in ber Gemeinde beftimmt, zur ders 
ung bes wahren Glaubens, der ächten Religiofitätıu, Tugend, fowie zur Belehr- 

u. Erbauung überhaupt. ine chriſtliche P. im Sinne ber Katholifen ift 

jenige Religions» Vortrag , beffen Wahrheiten aus den Duellen des Chriſten⸗ 
tzums — aus ber Bibel u. Tradition gefchöpft, die von Jeſu gelehrt, von feinen 
Apoſteln vorgetragen worden find u, von ber Kirche u. ihrem Oberhaupte als 
Glaubens» u, Sittenlehren* bargeftellt werden. Die P. unterjcheidet fi) von dem 
latechetiſchen Unterrichte dadurch, daß biefer eigentlich bios mit der Theorie ber 
Religion u. Moral fich befaßt, u. biefe Gegenftände mehr als Sache des Willens 
beh.amdeltz obgleich allerdings auch hier ſchon auf den Willen u. bag Herz ein 
heilfamer Einfluß Statt finden kann u. fol. Der Prediger hingegen fol auf 
dem Grunde fortbauen, bie bereits vorhandenen Eefenntnifje u. Weberzeugungen 
dee Zuhörer erweden, beleben, vervolllonimnen u. befeftigen, bie religiöjen Wahr ⸗ 
heiten auf mehre Umftände u. Veranlaffungen, die mit dem Glauben, der Reli⸗ 
gion, Tugend u. Zufriedenheit in Beziehung ftehen, anwenden u. bie durch Ju— 
gend und Unterricht beabfiytigten guten, wohlthätigen Eindeüde erneuern und 
verflärfen. Die B.n find ohne Zweifel das eıfte u. nothwendigſte Mittel, bie 
telintögsfittlicbe Bildung, befonders des großen Haufens, mit Erfolg zu befördern. 
— 68 ift freilich nit zu läugnen, daß fi dem guten Erfolge der Kanzelvor— 
träge manche bedeutende Hinderniffe, ſowohl von Seite der Zuhörer, als auch 
des Predigers felbft, entgegenftellen. Zu den erfleren gehören: bie zum Theile 
grobe Unwiſſenheit des Volkes, deſſen Irrthümer u. Vorurtheile in Äbficht auf 
teligiöfe Gegenftände, der überhand nehmende Unglaube, die herrfchende Neigung 
zu finnlihen Bergnügungen u. ber daraus entſtehende Edel an dem Ernfthajten 
u. Ueberfinnlihen, das unter fo Vielen überhand nehmende Sittenverberbniß u. 
die Gewohnheit folder Menſchen, üffentlihe Religions - Vorträge filten oder gar 
nicht anzuhören; bie Unfähigkeit ded gemeinen Bolfs, einen längeren zujammen- 
hängenden Vortrag mit ungetheilter Aufmerffamfeit anzuhören, zu faffen u. nad - 
den wefentlihen Punkten zu behalten; das alltägliche Vorurtheil, befonders in 
Städten, daß mit dem Schulunterrihte u. dem Anhören einer Meffe Alles abger 
than fei; endlich die traurige Gewohnheit Mandyer, das, was der Prediger fagt, 
nicht auf fi, fondern auf Andere anzuwenden, Dem Prediger felbft mangelt 
oft bie Gabe ber Deutlichkeit u. Herablaffung, die Kunſt, feinem Unterrichte Res 
ben u. Intereffe durch ben Inhalt deſſelben u. das Aeußerliche im Vortrage zu 
verſchaffen; der Fleiß, den er auf bie Ausarbeitung feiner P.n verwenden foll u. 
dad Beftreben, diefe nach den Umftänden u. Bebürfnijfen der Verfammlung ein: 
zurichten; das Zutrauen feiner Gemeinde u. die Sorgfalt, durch Reinheit des 
Wandels feine Lehren zu befräftigen: allein, wenn nur Er alles Mögliche thut, 
um ben Hinderniffen der Wirffamkeit öffentlicher Religions» Vorträge abauhelen, 
fo wird u. muß 8 ihm gelingen, biefe recht Heilfam u. frudgtbeingenn zu wadgen. 
Se inniger er von ber Wichtigkeit feines Amtes als Religlonsiehrer zarten 

28 


436 Pregel — Preißler. 


tft, deſto weniger wird er fi) in Anfehung feiner P.en einer Nachlaͤßigkeit ſchul⸗ 
big machen, defto weniger in bem Fleiße, womit er fie ausarbeiten joll, mühe 
werben, defto mehr Sorgfalt wird er zugleich auf das Aeußerliche im Bortrage, 
auf Deklamation u. Aktion verwenden, deſto mehr wird er fich die Vervollkomm⸗ 
nung feines moralifchen Charaktere angelegen ſeyn laffen, deſto größer wirb aud 
ber Nuten feyn, ben er mit feinen Ben ftifte. Der Prediger if in einem ge 
wiſſen Berftande u. unter gewiſſen Einfchränfungen auch Redner. Die Anweifung 
zur aedmäbigen Einrichtung der P.en, al8 befonderer Religions » Vorträge, gibt 
die Homiletif (ſ. d.), fowie die Rhetorik ci. d.) ein Syſtem von Grund⸗ 
fügen, Regeln u. Borfchriften aufftellt, welche der Rebner gebraucht, um feine 
Borträge ſowohl nad) der Ratur u. bem Zwecke ber Berebfamfeit überhaupt, als 
nach beionderen Abfichten auszuarbeiten. Die Nothwenbigfeit des P. Amts ſelbſt 
fann nur dann in Zweifel gezogen werben, wenn man F Misverfändnifle ers 
laubt, die den wahren Beruf des Geiftlichen aus den Augen lafien, ober fehler 
afte Einrichtungen u. Berhältniffe zum ungerechten Borwurfe für den ganzen 

tand macht, oder, aus Mangel an Erfahrung u. Menfchenkenntniß, die Unent⸗ 
behrlichkeit des chriftlichen Religions » Unterrichts u. Lehramtes durch übertrieben 
Vorſtellungen von einer Eultur verringert, welche faum bei den Wenigften ange 
troffen wird. Ueber das Techniſche u. Geſchichtliche ber Kanzelberebfamteit 
fiehe die Artikel Redekunſt u. die einzelnen Literaturen. 

Pregel, ein Fluß in Preußen, ber ſich im oftpreußifchen Regierungsbezirke 
Gumbinnen bei Infterburg duch den Zufammenfluß der drei kleinen Quellfluͤſſe 
Angerap , Infter u. Piſſa bildet u. bei Inſterburg fchiffbar wird, Bei Wehlau 
mündet links die Alle in ihn ein. Durch ben DeinesSanal von Tapiau aus mit 
bein curiichen Haff u. dadurch, vermittelft des Kleinen u. großen Friebrichsgrabens, 
mit der Gilge verbunden, fließt er unterhalb eöniggberg in das frifche ge 

Preißelbeeren oder Preußelbeeren, auch Krausbeeren ober Krone⸗ 
beeren genannt, find die purpurcothen, glatten Beeren bed, in trodenen Waͤl⸗ 
tern bes nörbliden Europa und auf hohen Gebirgen füblicherer Gegenden oft 
in ungeheuerer Dienge, fo daß ganze große Streden damit bebedit find, wachen: 
ben, immergrünen, 6—8 Zoll hoben —*38 auches, Vaccinium Vitis Idaeae 
L. Sie reifen im Herbſte und haben einen herbſaueren, nicht unangenehmen 
Geſchmack, weßhalb fie Häufig, in Zuder gefotten oder damit verfüßt, ale Er 
frifcehungsmittel oder als Zufoft genofien werben. Das Muß davon wirb in ber 
Medizin und der Saft zur Berfertigung von Wein, Branntwein und Giflg ge 
braucht. In einigen Gegenden Deutſchlands, beſonders in Rorwegen, Schweden 
und Juͤtland, bilden fie einen bedeutenden Handelsartikel. Die Blätter und 
Stängel fünnen auch ald Gerbematerial benügt werden. 

reißler,, eine berühmte Sünftlerfamilie, aus ber fih 1) Daniel einn 
Namen machte. Er war aus Prag „geartig, durchreiste Deutfchland u. Böhme, 
ließ fi in Nürnberg nieder, verfertigte mit vielem Ruhme für Kirchen u. Pri⸗ 
vatperjonen Hiftorifche Gemälde u. Bildniſſe u. flarb 1665, im 38. Jahre, Die 
Kiliane, Sandrat, Hainzelmann u. A. haben nad ihm in Kupfer geftocdhen. Ef 
nach feinem Tode, 17. Ian. 1666, wurde ihm FW Sohn 2) Johann Daniel 
geboren. Nachdem er bei feinem Stiefvater H. Popp u. Johann Murrer bie 
Kunſt erlernt hatte, ging er nach Italien, hielt fih 8 Jahre in Rom auf, Tan 
nach Nürnberg zurüd, wurde bafelbft Direktor der Akademie der zeichnenden 
Künfte u. flarb au da 1737. Er war ein vortreffliher Hiftoriens u. guter 
PBorträtmaler u. Bogel, Ph. Kilian, Propſt u. A. Haben nad ihm in Kupfer 
Bearbeitet, Man put auch von ihm ein gutes u. nuͤtzliches Zeichnungsbuch, welche 
eßwegen für bie Akademie in Petersburg in bie ruſſiſche Sprache überfeht 
wurde, Ruͤhmlich traten in feine Zußftapfen: feine Tochter 3) Barbara Hr 
Lena, die an ben Braunfchweiger Hofmaler, P. W. Debing, verheirathet war, 
u, feine 4 Söhne 4) Johann Juſtin, der Aelteſte von. ihnen, geboren in 
Rürnberg 1698, Hielt fi) 8 Jahre in Italien auf wu menge in il tan 


Prenzlau — Preßburg. 437 
Adfunft um 1732 mit einem Altarblatt, welches die Grablegung Cprifti vor⸗ 
lt, berühmt. Ec heirathete die gefidte Künftlerin ba Warn” 3 
Bittwwe des Lanbfhaftsinalers Graf wurde nad) feines Baters Tode Direktor 
x Zeichnungsfdule u. ſtarb 1771. Außer den Hiftorifchen Stüden, die von 
iner malerifhen Erfindungsfraft um legte er fi mit dem Beifall der Ken- 
m aud auf andere Arten von Gemälden, Seine Brüder, Heid u. A, Haben 
ach ihm in Kupfer geſtochen; er ſelbſt radirte nach Rubens, Boucharbon ıc. 
fein jüngerer Bruder 5) Georg Martin, geboren in Nürnberg 1700, war 
n vorzüglicher Rupferftecher, gl Italien Beige er zierliche Bilbniffe u 
ıte Hiftorifche Blätter, flach einige Statuen ber Galerie zu Dresden u, eine 
/ammlung von 21 Blättern von den jhönften Statuen zu Rom u. zu Slorenz, 
ıch feines Bruders Johann Juſtin Zeignungen. Als guter Zeichner gab er 
fentlichen Unterricht in ber Maleratademie in Nürnberg, wo er 1754 farb, — 
5 — Ruhm noch, als einer ber erften Kupferſtecher feiner Zeit, erwarb fi 
» Johann Martin, Bruder des Vorigen, geboren in Nürnberg 1715. Uns 
e ber Leitung feines Vaters u. feines Srubes Martin, Tegte er ng 
nämlich auf Mfocifige —— Sein erſtes Stüd, David u. Abigail, 
ich einem Gemälde von Guido Reni, zeigte ihm ſchon als einen ausgezeichneten 
upferftecher. 1739 machte er eine Reife nad; ‘Paris, wo er verfchiedene Kupfer⸗ 
he herausgab. 1744 wurde er von ba als ‚Soffupferteiher u. Profeſſor der 
unf e nad) Kopenhagen gerufen, wo er 1 Rarb, Sein Grabſtichel 
ae den Werfen vieler alten u. neueren italieniſchen u. feanzöfifchen Meifter ge- 
ibinet. Das nach Raphael’ gelieferte Blatt Madonna della Sedia  ift eines fer 
xtrefflichftem, welches feine hervorgebracht hat, Der fünfte Bruder 7) 
alentin Daniel, geboren in Nürnberg 1717, machte fih als —— 
ſchwarzer Kunſt berühmt, Er hielt ſich 2 Jahre bei feinem Bruder in 
* auf, lieferte beſonders ausnehmend feine Blätter in ſchwarzer Kunfi, 

Sin —— aus dem loͤnigl. daniſchen labinet, und flach zu Nürn⸗ 
eg . 

Prenzlau, Kreisſtadt im preußiihen Regierungsbezirke Potsdam und che 
alige Hauptftabt der Udermarf, in einer fruchtbaren Gegend, an der Uder, die 
er aus dem Uderfee ausfließt, wirb durch ben Fluß in Die Alt» umd Neuftadt 
geteilt, u. hat 5 Vorftäbte, 7 Kirchen, darunter bie fhöne gothifhe St. Ma- 
enficche mit vielen Altertjümern, ein Gymnaflum, 5 Hofpitäler, ein Ranbarmen- 
ius, eine Badeanftalt (das Elifabethenbad) mit Dampf- u. Schwigbäbdern, eine 
apiermühle, Wollen-, Baumwollen + u, 2einweberei, Gerbereien, Tabaks⸗ und 
trohhutfabrifation, ftarfen Tabaksbau, Bierbrauerei, Branntweinbrennerei, Tas 
ifs- Vieh- u. Geireidehandel und 11,000 Einwohner. Hier mußte fih am 
3. Oltober 1806 das nur noh 6— 7000 Mann ſtarke preußifche Heer, unter 
m Fürften von Hohenlohe, mit 64 Kanonen an die Branzofen ergeben. 

Presbyopie, |. Weitfüchtigfeit. 

resbyter, ſ. Briefter. 
resbyterianer, ſ. Anglikaniſche Kirche u. Puritaner. 

Presbyterium iſt eigentlich ber ſtehende Senat bes Biſchofs, ben die fitz- u. 
Immberechtigten Mitglieder ber Kalperrattisihe bilden (f. Domkapitel). Be 
‚farreien befteht folches aus einem Ausfchuße ber Gemeinde» Glieder, welche den 
irchenrath in einer Gemeinde ausmachen. Auch verfammeln bie Bifhöfe von 
eit zu Zeit bie ihnen untergebenen Pfarr» @eiftlichen, um fi mit ihnen über 
lles, was dem Wohle der Kirche und Diözefe förderlich iR, zu berathen. Diefe 
terfammlungen heißen gleihfals Presbyterien oder Diözeſan-Synoden. 
- B. wird aud) der Chor der Kirche genannt. 

Preßburg — ungariih Bofony, flavifh;Preszburek, — k. Freiftabt in 
ngarn u. Hauptftabt der P.er Geſpanſchafi, liegt an der Donau, im Rorbden 
. Weften von den mit Weinftöden bepflanzten Heinen Karpathen eingelhlfen, 
abrend gegen DR und Süd eine weite, fruchtbare Ebene AK ausichnt, MU 


438 Preßburg. 


ben Borfläbten, ofne den Schloßberg u. Zudermantel, nimmt bie Stabt einm 
Flaͤchenraum von 558,000 Klaftern ein. Sie ift offen, benn bie Ringmauen 
wurden bemolitt, u. die fogenannten „Linien*, von welchen fie bermalen umgeben 
fi find ein bloßer Graben, ohne weitere Befeſtigungswerke. Das Innere zeigt 

dh unregelmäßig gebaut u. hat cin ziemlich Holperiges Granitpflufter, doch füR 
durchgängig fteinerne Haͤuſer. Bon ben 16 öffentlichen Biägen zeichnet fidh Feiner 
durch bejondere Größe u. Schönheit aus. — P. Hat zwei Haupttheile, bie Al, 
ſtadt mit ihren Borftädten und bie Außern Borflädte. Diele find: Das Biw 
menthal, ber Schloßgrund und der Zudermantel, Die beiden legten 
fichen nicht unter ftädtiicher, fondern unter PBalffy’icher Gerichtsbarkeit. -Der 
Schloßgrund wimmelt von Bekennern ber moſaiſchen Religion, bie hier auch eine 
Synagoge haben, aber von ben Preßburgern ungern gefehen zu werben fdheinen, 
wie die am 23. u. 24. April 1848 flattgefundene, in den Zeitungen vielfach be 
fprochene Judenverfolgung bartfut, wobei viele Wohnungen ört wurden ı, 
die Argften perfönlichen Mishandlungen vorfielen, — Exceſſe, die vor dem Richter 
ſtuhle der Humanität niemals Billigung finden werden. Durch den Schloßgrund 
fünt der Weg nach dem Tönigl, Skiofe, welches jegt leider in Trümmern liegt, 
aber ſelbſt aus diefen auf bie alte Größe u. Pracht fehließen läßt. Die Ruinen 
ſtehen auf einem 430° über das Niveau ber Donau erhabenen Hügel. Unter 
Ungarns frühern Königen haben mehre öſters hier fi aufgehalten, namentlid 
Ludırig J. Sigmund u. Matthias Corvinus; auch viele Reitstage verfammelten 
fi in den Sälın bes P.er Schloſſes. Die heil. Reiöfrone, Ungarns Palladium, 
wurde von 1552 bis 1784 hier aufbewahrt. Die chrenvolle Würde eines Schloß⸗ 
hauptmannes, mit dem Eigenthumsrechte auf bie urſprünglich zur Königsburg 
gehörigen bedeutenden Ländereien if feit 1599 in der Palffy'ſchen Familie eiblich. 

18 1:84 Ruifer Joſeph II. die höchften Landesoſtellen nach Dfen verlegte, un) 
das Schloß aufhörte, Refidenz der Bulatine zu ſeyn, erloich fein alter Blanı, u 
e8 wurde 1802 zu einer Kaſerne eingerichtet, Im Mut 1811 brach in feinn 
Näumen Feuer aus, weldyes nicht mehr gedämpft werden konnte. Seit biefe 
Zeit fiehen nur noch die vier Stodwerfe hohen Umfangsmauern, welche ein 
grobes Duadrat mit Foloffalen Edihücmen bilden. In dir Nähe des Schloſſes 

egt ber ſchöne Palffy'ſche Palaſt u. Gurten. — Unter ben ®ebäuben der Stabi 
ſelbſt if dus merfwücdigfte der Dom zu Et. Martin, in weldyem ſeit 1563 bie 
Konige von Ungurn gekrönt zu werden pfl’gen. Es befieht bei biefer Kirche, bie 
von König Etephan begonnen und von Konig Ladislaus 1090 vollendet wurde, 
ein Kollegtalftiit von 12 Kapitularen. Die Franziskanerkirche if ein ſchaͤtzbares 
Denkmal altdeutiher Baufunft. In der evangelijchebeutfchen Kirche befindet fich 
ein ſchoͤnes Alturblatt von Defer. Das Landhaus, in weichem bisher bie 
Reichoverſammlungen gehalten wurden (bie neueften Berfügungen haben den un⸗ 

ariihen Reichstag nach Peſth verlegt), iR ein einfacher, anſpruchloſes Gebäude. 

ngleich mehr Pracht zeigen die Refidenz des Erzbifchofes von Gran u. bie Pa⸗ 
läfte des Fuͤrſten Grafſalkovies, ber Grafen Aipermont, Cſaki, Zichy u. Szapary. 
Das Ältefte Haus in der Stadt iſt das Mednyanſky'ſche. Urali iſt auch das 
Rathhaus, welches noch manche Kuriofitaͤten enthält, bie Glauben u. Sitten ber 
Vorzeit charakterifiten. Das Theater mit dem Redoutenfaale iſt ein ziemlich an 
ſehnlichcs Gebäude Merkwüidig in ihrer Aıt find ferner noch das große Kom 
magazin zu 160,000 P.er Metzen und die Kuferne an bee Donau. Ueber biefen 
Etrom führt die auf 27 Kähnen ruhende Karolinen⸗Schiffbruͤcke — Man zählt 
in P. gegenwärtig vier Moͤnchs⸗ und drei Nonnenklöfter, naͤmlich: Benehiftiner, 
Brangiefaner , Kapuziner u, Miferilordianer, Urfulinerinen, Eitjabithinerinen u. 

ennen zu unferer lieben Frau. Unterrichteanftalten: bie fatholifche Akademie, 
mit einer philofophifchen u. juridifchen Fakultät, geifl. Seminarium, Archigym⸗ 
nahum, proteſt. Lyccum, Konvift für Etudierende, Rotionalmufterfchule, eime 
Mäpcyenbildungsanftalt bei den Konnen zu U. 2, F., Taubfiummeninftitut, ein 
Kirpenmufifverein sc. In einem eigenen Ihnen Sehäuhe wor dhchen Wr AD 


Prefburger Friebe — Preffe. * 439 
be zählende Bibliothek des Grafen Appony aufgefteltt, welche aber ber Bes 
im Jahre 1842 auf eines feiner Güter hat Bungee a die Zwede 
Wohltgätigfeit forgen ein — ein Stadilajareih u. Irrenhaus, ein 
ital barmherzigen Brüder, das Spital ber Elifabethinerinen, ein 
ıbenfpital, ein Waifenhaus, das Armen-Jufiitut und mehre Berforgungsanftalten, 
« Sn ben 1700 Häufern Ps leben 38,000 Einw., die größtenteils Deutiche 
oder, wenn auch flaviicher Abkunft, doch bdeuticher Ehrade fi bedienen, 
echte Magyarenthum findet man erft tiefer im ande. Handel u. Gewerbes 
st. ehr bedeutend; eigenthümliche Erzeugniffe der Lehtern die B.er 
gel Ceime Art Kuchen) u. das vortreiflihe Zwiebad. Im großem Blore 
r dem Weinbau, der Obflbau, befonders auf den vielen fruchtbaren Donaus 
ein. Elſenbahn nach Tyrnau. Dieimgebungen der Stadt find ſehr ammuthig. 
e Brüdenau, ber Prater von P., und bie Donauinfel Müplau werden am 
ten befucht. Noch feyen erwähnt Sanſſouci, wo man eine reizende 
» Stabt'hat, bie friedliche Hütte, die Appony’iche Mühle , der Kalvari 
8 König-Gerdinandsbab (Eitenbrünnel). — Gefhichte: Die Stadt erhob fir 
ter dem Schuhe ihrer ftarfen Bergveſte frühſeitig zu einem bedeutenden & Anz» 
ide gegen Deutfchland u. Böhmen, und erhielt ———— Schon 
11. hunderte finden wir mehre Belag: derſe erwähnt, So 
F J 
eben, bei I Hulſe ſüchie u. fand, von dem Heere des Kalſers eins 
tommen, Nach der unglädlichen Schlacht Bela’s IV: gegen bie * 
F u on am — — Ku —— 3— gleichen 
en ſpaͤtern 'enfriegen it erfuhr, er! auı 1. ber Zerflö: h 
Iche die fiegreihen Barbaren überall verbreiteten, wo ihr Gäbel bligte, 1302 
wd bie Stadt von Kaifer Albrecht I. erobert, u. unter iömund brachten bie 
den Scharen ber Huffiten Tod- u, Verderben in ihre Mauern. Im Dftober 
19 htigte ſich Bethlen Gabor P.s, welches auch 1633, mäsrend der Bes 
jerung von Wien durch die Türfen großes Ungemach erlitt. - Am 26. Dezember 
05 wurde hier ber benfwürbige Preßburger Friede (f. b.) zmifchen Oefters 
& u. Frantkreich geichlofien. Die Etandhaftigfeit, mit welcher 1809 die Stadt 
3 franzoͤſtſche Bombardement aushielt, wobei 123 Häufer abbrannten, if ein 
ögezeichnetes Beifpiel von Patriotismus. Kaifer Franz belohnte benfelben 
ch ein Ehrendenkmal, beftehend in feiner aus weißem Marmor gearbeis 
en Büfte, welches aber erft 1840 vollendet und bem Stabtmagiftrate einges 
ndiget wurde. mD. 
Preßburger Friede, der, gefchloffen den 26. Dezember 1805 zwiſchen Defters 
ch u. dem Kaifer Rapoleon. Defterreich erlitt hiebei große Verluſte und zwar 
das vor wenigen Jahren erworbene Venedig, 730 Seiten u. über 200,000 
nmwohner, fielen an das Königreih Itallen; b) Tirol, Vorarlberg und einige 
ndſchaften famen an Bayeınz c) der größte Theil des Breisgau u. Konftanz 
jielt Baden; d) die Donauftädte u. ein Theil von ſchwaͤbiſch Defterreich fiel an Wuͤrt⸗ 
aberg, die Föniglihe Würde u. Souveränetät biefem, dem Großherzog von Bas 
ı die legtere allein zugeſtanden. Dafür wurde Salzburg ber öſterreichiſchen 
onarchie einverleibt und der Erzherzog Ferdinand, bisheriger Kurfürft von Salz⸗ 
eg, duch Würzburg entidädigt. Der Erzherzog Anton erhielt die Hochmeiſter⸗ 
irde des deutſchen Ordens erblich. Dem Erzherzog Ferdinand von Deferreidh- 
te wurde für das verlorene Breisgau eine Entfhädigung in Deutſchland zuges 
je, die er aber nie befam. Bei der Vollziehung bes Friedens ergab ſich aber 
‚e Schwierigkeit; als nämlich die Franzoſen Dalmatien, als zu Venedig gehörig, 
etzen wollten, waren die Ruffen in Cattaro, die Franzoſen behielten alfo Braunau 
iegt und räumten es erft 1807, als nach dem. Titfiter, Frieden ‚die Ruflen Lats 
ro verließen. Aber für die Raͤumung Braunau's mußte Oeſterreich gegen Zta⸗ 
n ben Iſonzo als Granze anerkennen. * 


5a 


— 


Ne 


I. r . ARTIH. 
Yreffe nennt man jede mecaniſche Vorrichtung, workäge Yan 


2 Preſſe. 
end eine Sache einen ſtarken, oft ſehr ſtarken Druck auszuüben, entweder, um 
die Sache zu irgend einem Zwede recht feft zu Kalten, oder fie in einen engen 
Raume zufammen zu zwängen, oder aus Körpern eine Fluͤſſigkeit herauszutreiben, 
oder die Geftalt eines Körpers zu verändern, ober feiner Oberfläche irgend eine 
Bildung zu geben. So hat man, bem Zwede nach, Buchbinders P.n, Kammma; 
her» P.n oder Horn⸗ u. SchildpattsPB.n, Tuch⸗P.n, Zeug⸗P.n, Leber-Bın, 
PBapiermaher:B.n, Wein, ober Moſt⸗P.n, Oel⸗P.n, Staͤrke⸗P.n, Siegel⸗P.n, 
Buchdrucker⸗P.n, Kupferdrucker⸗P.n, Steindruder-PBn, Munz⸗P.n u. f. w. 
Dem Mechanismus, oder der Art ihrer Wirkung nach, gibt es Schrauben⸗P.n, 
Hebel-B.n, Keil» Bn, Walzen⸗P.n, hydrauliſche oder vielmehr hydroſtatiſche u. 
hydromechaniſche P.n, Luft» B.n u. Dampf-P.n. Unter ihnen ift Die Schrauben 
P. die befanntefte u. nuͤtzlichſte. — Der Haupttheil der Schrauben» B. iſt eine 
ftarfe hölzerne, eiferne oder meſſingene Schraubenfpindel, welche fidy in einer 
Schraubenmutter auf» u. nieder» oder (in manchen Allen) au hin⸗ und Her 
fchrauben läßt. Die Schraubenmutter befindet ſich feft in einem ſtarken Riegel 
oder Balfen des, möglichft feft mit dem Erd⸗ oder Fußboden verbundenen, nidt 
leicht verrüdbaren Geftelles der P., u. mit der Schraubenfpinbel iſt ein mehr 
oder weniger langer Hebel verbunden, woran bie beivegende Kraft, meiftens bie 
Hand des Menſchen, die Schraubenfpindel umdreht, zum Preſſen vorwärts und 
zum Nachlafien des Prefiens rüdwärts dreht. Je länger (nad) dem @efete tes 
Hebeld) der PB.s Hebel oder P.⸗Bengel ift, deſto wirkſamer if die PB. Der un 
tere Theil ober das Ende der Schraubenfpindel wirft zuerſt auf einen Klotz ode 
auf ein Brett, welches zwiſchen dieſem Ende u. der zu prefienden Sache ſich bes 
findet. Nicht felten ift die PB., um fle da, wo es nothwendig ift, noch wirkfame 
oder Eräftiger zu machen, mit einem Raͤderwerke ober mit einer Winde verbunden, 
welche die Schraubenfpinbel unmittelbar oder vermöge eines Seil umtreibt. Um 
da, beim Rachlafien der Kraft, das willfürlidhe Zurüdfchnellen von ben Raͤdern 
ober von dem Geile zu verhüten, befindet ſich zwiſchen biefen Thellen und ba 
Schraubenfpindel, oder au blos an ber Schraubenfpinbel, ein Sperrad mit 
Sperrhaden, welches blos die Umdrehung nad Einer Richtung hin erlaubt, nad 
der andern aber nicht anders, als wenn man ben Sperrhbaden von ben Zähne 
bes Sperrrades hinwegnimmt. Bei der Hebel⸗P. bewegt ſich ein ziemlich Tan: 
er Balken mit feinem einen Ende in einem vertifalen Pfoſten um einen Bolzen 
n horizontaler Lage auf u. nieder. Ungefähr aus feiner Mitte geht ein Seil 
empor u. in ber Böse über eine Rolle, weldde an einem Querbalken des Pfo⸗ 
ſtens fist; von dba herunterwärts um eine Winbe, bie ein fräftiges Sperrrab wit 
Sperrhaden Hat. Beim Umbreben ber Winbe, nach ber Einfallrichtung bed Sperr⸗ 
hadens in die Zähne des Sperrrabes, bewegt fi ber Hebel Herunterwärts und 
drüdt, an einer Stelle möglihft nahe an feinem Ende, auf ben Klog ober bas 
Brettſtuͤck u. dgl., welches zum Prefien gedrüdt werben muß, um baburch fogleic 
wieber ben zu prefienden Körper zu brüden. So kann man diefe P. zum Keltern 
des Weines, zum Ausprefien anderer Eäfte aus P u. Pflanzenfruͤchten, 
zum 2ebers u. Zeugprefien ıc. anwenden. — Die Keil: P. wirb befonders in 
ben Delmüßlen gebraucht. Die Cylinder⸗ oder Walzen: B.n kommen in Zuders 
abrifen, Stärfefabrifen, Kupferbruderein, Steinbrudereien, Kattundrudereien, 
ünzwerfftätten u. anderen Metallmaarenfabrifen vor. Die von bem franzoͤſiſchen 
Grafen Real erfundene hydroſtatiſche B., welche burch den Drud einer mehr ober 
weniger hohen Wafferfäule wirkt u. Hauptfächlich zum Ertrahiren von Stoffen aus 
Pflanzen gebraucht wird, beſteht aus einer Röhre u. einem an einem Ende damit 
verbundenen cylindrifchen Gefäße, welches über feinem eigentlichen Boben noch ei⸗ 
nen andern durchloͤcherten Boden, mit einem darauf Legenden Stüd lodern Zeu— 
ned hat. Auf daffelbe werben bie Körper gelegt, welche ertrahirt werben follen— 
Alddann wird ber Dedel darauf geichraubt u. Waſſer in die Röhre gegofien 
So drüdt das Waffer der Röhre den Dedel bes Gefäßes mit einer Gewalt 
welche dem Gewichte einer Waflerfäule von ber Höhe bes Waflers in der Roͤhre 


Preffe, Preßfreiheit. al 
+ ber Grundfläche des Dedtels gleich ift. Deal bie Höhe des Waffers 
—x der Röhre die Grundfläche des Dedels —5* wäre a Drud 
em Gewichte von viermal 6 — 24 Kubilfuß sei. De t nun ein (Parifer) 
Mubiffuß Waffer 70 Pfund, fo beträgt der Trud 1680 fund. Dieſer Drud 
sed von dem Waſſer des Gefäßes den auf dem Zeuge liegenden Körpern jez 
heilt; er lann bie von Pflanzen, Pulvern u. dgl. abzufondernden Theilchen kraͤf⸗ 
bfondern u. mit dem Waſſer verbinden. — Aus —* Berechnung ſieht man 
don ein, daß ber Drud diefer P. deſto fräftiger wird, je höher das Waffer in 
er Roͤhre fteht u, je weiter das mit der Röhre verbundene Gefäß, feigticg —— 
eſſen Deckel Unten am Boden kann ber Ertraft durch einen 
m werben. Noch viel flärfer drüdt die —— P., bei —* wu 
Baſſerſaule in ber Röhre noch ein Hebel wirft, weßwegen auch bie Röhre felbft 
= ſo Boch zu —* braucht. Ein an einer Stange b — wie ein 
umpen! in die Röhte, f dicht am bie innere Wand berfelben fich 
nfchließend, — er zum Auf⸗ u. Nieberfpielen noch ben nöthigen Raum behält, 
50 t er von einem einarmigen Hebel herab, der in horizontaler Lage an eis 
em Griffe auf u. nieder bewegt werden kann, u. zwar hängt ermöglicht nahe 
on feinem a ar —— damit bie Entfernung ber auf ben Hebel 
oirkenden Kraft bedeutend weiter von dem Umbrefungepunfte fei, als ber 
and oder die Stelle des Druds, — die P. wirken ſolle ¶ Hebeh. So 
ann man eine außerordentlich ſtarle Preffung erzielen. — Die Rommerghauſen'⸗ 
he Luft» Bun wie die Hotronatifche BP. Haupt zu Extraften von Pflanzen ac. 
eftimmt, beftcht aus zwei blechernen ober jinnernen, auf einem Brette — "eins 
nder befeftigten, Bertifulen Eylindern, wovon der eine ‚eine: Waflerpompe: vor⸗ 
teilt, der andere, außer dem gewöhnlichen Boden; einen burchlöcherten, A Bilirt 
em beftimmten, mit Zeug zu bededfenden Boden mit hat. Beide € 
inb durch eine Querroͤhre mit einander verbunden. — in der Pump⸗ 
hr hat eine DO, „durch welche Waſſer a egoſſen wird, fo daß bie 
Röpre unten im Waſſer ſteht Der Kolben hat le fich öffnendes Ben: 
Eu. ebenfo die Röhre unten. Wird num der Kolben ſchnell auf u. nieder ges 
sieben, fo entftehen ſchnell hintereinander Iuftleere Räume in der Röhre und in 
iefe tritt ebenfo hinter einander die Luft aus dem Filtrircylinder unter bem durch⸗ 
scherten Boben hinweg. Der Drud der Außern Luft wirkt dann als Preflung 
uf die, auf diefem Boden liegenden, Körper u. ertrahirt fie. — Auch eine Com⸗ 
teffionspumpe, nad Art ber Windbüchfe, fowie eine Dampfpumpe e hat man 
F einer P. vorgefhhlagen ; beide find aber nicht zur ordentlichen Anwendung 
foınmen, 

Preffe, Preßfreiheit. Unter P. im übertragen en Sinne verfieht man ben 
Inbegriff von fchriftftelerifchen Erzeugniſſen aller Art (gefchloffene Werke, wie 
jeitfpriften), welche durch den Drud der Deffentlichkeit übergeben werben, übers 
‚aupt die ganze geiftige Bewegung, welche fi vermittelt der Buchbruder:P. öfs 
entli fund gibt. Die unbeihränfte Befugniß, ſolche geiftige Erzeugniſſe durch 
oas immer für ein Vervielfältigungsmittel (Buch, Kupferz, teindrud uf.mw) 
u veröffentlidyen u. ungehindert zu verfaufen, ohne bazu irgend einer bornängle 
‚en Erlaubniß zu bedürfen, — was natuͤrlich die nachträgliche Berantwortli at 
ür den Mißbrauch biefer Freiheit nicht ausſchließt — Heißt Breßfreiheit. Um 
ebod dem Geſetze, welches über Mißbrauch ber P. urtheilt u. erfennt, feine 
Berwirflihung möglich zu machen, verfteht ſich von fellbft, daß bei Ausübung 
es Rechts der PB. der Ausübende an gewiffe Formen bunden, wie z. B. hab 
mf jeder Schrift, ober jedem Bilde, der Name bes Verfafſers, Druders oder Berles 
jerd genannt feyn muß, um, wenn buch Veröffentlichung berfelben eine firafbare 
dandlung G. B. ein Pasquill, ein Aufruf zur Empörung 2.) verübt worben 
väre, ben oder die Schuldigen zur Verantwortung ziehen zu Eönnen. — Richt, 
um ben ſchon hundertmal geführten Beweis des Vorzuges ber P. vor der Cen ſur 
fd.) gu wieberhofen, fondern lediglich, um nicht einfeitig zu verfahren und bie 


442 Preffe, Preßfreipeit, 


Sache vollſtaͤndig zu behandeln, folgen Hier die Bründe für u.wieber die B.u. 
zwar letztere zuerf. Es läßt fich nicht laͤugnen, baß mit freier P., well fie zu 
gleich in eine zügellofe ausarten kann, biß die Berichte einfchreiten, mandhe Uebel 
verbunden ſeyn können, mande Rachtheile mehr ober minder unvermeidlich ver 
bunden find. Gerecht if der Abſcheu gegen bie Mißbraͤuche des P. u. gegen bie, 
wo P. befteht, nicht immer abzumwendende Breßfrechheit. Brivatperfonen Tonnen lei⸗ 
denſchaftlich behanbelt, verläumbet werben; es iſt ungewiß, ob fie es erfahren, alfo 
fi vertheidigen können; Manch er verachtet es, anonymen Seribleen zu wider⸗ 
fprechen u. leidet demnach darunter tief; verfucht man aber Wiberlegung, fo er 
zeugt dieß unnöthige, Argerliche Kämpfe, (auch Koften) und am Ende iſt es doch 
verläumberifcher Leidenfcbaft gelungen, dauernden Veidacht gegen achtungswerthe 
Maͤnner zu erzeugen, Ebenſo find Religion u. Sittlichfeit freier B. manchen 
Eingriffen und Beleidigungen aufgefcht, die um fo nachtheiliger feyn mögen, ba 
reine jugendliche Gemüther dadurch auf immer verborben werden fönnen m. ba, 
hat ber Menfch einmal fidh verführen lafien, zu einer irreligiofen ober unflttli- 
hen Richtung ſich zu neigen, e8 unendlich ſchwer für ihn iſt, bavon zu lafien u. 
durch Schriften entgegengefegter Art bie einmal entſtandene krankhafte Richtung 
zu heilen. Endlich macht «8 bie freie P. möglich, Lehren zu verbreiten, 
weldhe dem Staate im Ganzen, ober ber Staatsregierung nadhtheilig find, bie 
©rundfäge guter Ordnung untergraben, Liebe u. Bertrauen ber Staatsbuͤrger zu 
ihren Regierungen erfchüttern, zur Beradhtung aller Geſetzlichkeit auffordern u. ba; 
duch Samen ausftreuen, befien Brüchte revolutionären Tendenzen bie Hand rei; 
hen koͤnnen. Vorzugsweiſe gilt diefed von Zeitungen, Flugblaͤttern, Zeitichrifs 
ten, weil fie allgemeiner, ald Bücher, im Bolfe verbreitet werben , oft wegen po» 
pulärer Form am meiften Eingang finden u. bie Tagesbegebenheiten beiprechen, 
für welche die greße Maſſe in ber Regel am meiften fich intereſſirt. — Läßt ſich 
nun, wenn man chrlich feyn will, nicht laͤugnen, baß biefe Hebel durch P. ent⸗ 
ſtehen können, fogar bei beftehender PB. mitunter unvermeidlich find, fo fucht man 
das Inflitut der Cenſur folgendermaßen zu rechtfertigen. &s iſt Pflicht des Staa⸗ 
tes u. namentlid ein Recht ber Staatöpolizcigewalt, Mebel, die entfichen können, 
zu vermeiden; den Bergehen, die begangen werben können, zuvorzulommen; Ver⸗ 
brechen, die vorbereitet werben, nicht vollführen zu laſſen, um fie alddann zu be; 
ſtrafen, fondern ihnen vorzubeugen. Warum foll hier, bei Nachtheilen,. welche buch 
ie P. erzeugt werben fünnen, ein Anderes flatt finden? Freiüch Hat Jeder das 
Recht, feine Gedanken buch den Drud zu vervielfältigen. Aber kein Recht im 
Staate ik unbefchränft ; jedes Hat feine Graͤnze, fobald es in einer Welfe ausge⸗ 
übt werden will, welche in die Rechtsfphäre eines Andern eingreift, u. der Staat 
ift verbunden, dafür vorbeugend zu forgen, daß dieß nicht gefchehe. So befchränft 
er ben Abſatz von Giften; fo wehrt er dem Berkaufe von geſundheitſchaͤdlichen 
ober verborbenen Waaren u. vernichtet biefe. Warum foll er nicht gleiche Sorg- 
fait üben rüdfichtlidh ber durch bie P. zu verbreitenden Uebel, zumal, ba es feyn 
ann, daß durch die bloße Beftrafung nicht aller Nachtheil des einmal, verbreiteten 
Hebels vernichtet wird? — Bei manchen Staatsmännern mag endlich auch bie 
Abneigung gegen bie freie B. noch baburch gefteigert werben, daß bucch Genfur 
ben an ber Spige der Stantsverwaltung fiehenden Männern das Regieren aller 
dings viel leichter gemacht ift u. daß, wie überall, ber Uebergang von ‚einem Ey; 
ſtem zu einem andern feineinbequemlichfeiten hat, was namentlich bei einem Ver⸗ 
taufcyen bee Cenſur mit freier P. im Anfang der Fall ſeyn wirb, bis man an 
bie unvermeibfichen , mitunter gar nicht angenehmen, Folgen ber letzteren ſich ge 
wohnt hat. — Diefen, ohne Rüdhalt angeführten, Gründen gegen bie Freiheit 
P. flehen nachfolgende, gewiß weit qlänzendere, für dieſelbe entgegen. Ganz abs 
gefehen von ber Politik, fördert die PB. Wifienfhaft, Intelligenz und Humanitäts 
benn nicht leicht findet in irgend einem Theile bed menfchlichen Wiſſens ein bes 
beutender Kortfchritt ohne freie Gedankenmittheilung flat. SIR Iehtere ber Genfur 
unterworfen, fo Tann das fubjettioe Ermeſſen der Cerhoera The weruariusie Verlag. 


Prefie, Preßfreifeit, 443 


ober ſchaͤdliche Lehre unterdrüden; oft ſcheut ber Eenfor eben fo fehe das nur 
Misfällige eines Bortrags: u. wie natürlich iſt es, daß er im Zweifel ben fichern 
Weg einidhlägt und ein Erzeugniß ber Geiftesthätigfeit vernichtet, welches er oft 
beurtheilen nicht vermag. Oft werben hierdurdy die ebelften, bie heilſamſten 
heiten auf lange Zeit untadrüdt, Sodann wirft die Cenſur auch negatio 

fehr nadhtpeilig, Indem, aus Scheu vor ihr, Muth u. Luft zur Beiftesthätigfeit uns 
terbrüdt, der Auffhwung ber Gedanken erfiidt und ein großer Theil derjenigen, 
welche bie Wiſſenſchaft fördern könnten, zum Schweigen gebracht wird, aus 
Bitterkeit barüber, bap fie den Drud ihrer Geiftesprodufte dem Urtheile Solcher 
unterwerfen follen, bie fehr oft hiezu unfaͤhig find. Mindeſtens bewirkt fie, daß 
der Schriftſteller, ber eine Cenſur über fi) weiß, wiſſentlich, oder ohne klares 
Selbſtbewußtſeyn, fih bie Frage vorlegen wird, welches Schidfal fein Werk in 
der r zu erwarten babe, und er wirb demnach fo arbeiten, daß es zu moͤg⸗ 
lichſt wenigen Einwürfen Anlaß gibt. — Weit wichtiger aber erfcheint ben Mei- 
Ren (u, dieß wird daher gewwößnlich mehr Hervorgeheben) ber politifche Stand» 
yunft, von weldem aus die B. in verfchiebenen Richtungen zu beurtheilen ift. 
Hiebei iR vor Allem Far und bürfte nicht beftritten werben, daß gegen Willfüßr 
der Beamten, gegen Mißbrauch der Amtsgewalt aller Staatébdiener fein befierer, 
fein genügenderer Schup u. Schtem gedacht werben könne, als Deffentlichleit, das 
eißt B. Die Furcht vor derfelben verhütet eine große Menge von Ungehörigs 
eiten der Angeftelltenz bie freie B. bringt jede Unbill zur allgemeinen Kenntniß, 
zur Senntniß der Regierenden u. erleichtert dieſen dadurch ihre Beftrafung, gleiche 
wie ihre Abwehr für die Zukunft. Die PB. ſchuͤtzt alfo die Staatsangehörigen, 
daß fie ſtets nur rechtlich) von den Borgefegten behandelt werben ; fie gewährt zus 
gleich der Regierung eine vollſtaͤndige Kenntnid ihrer Organe, während fie zus 
gleich dem ausgezeichnet neniflenhaften Beamten ein ganı unverbädhtiges Zeugs 
niß beilegt. Noch größer dürfte ber Gewinn durch bie P. für die Regierenden feibR 
ſeyn; denn nur durch fie hören biefe die volle Wahrheit; fie erfahren die Wünfche 
u. Anfihten des Volks und werden in ben Stmd geſetzt, hierauf Rüdficht zu 
nehmen; fie werben hierdurch von ber möglichen Gefahr befreit, über die Bebürf- 
niffe des Staats in Ungemißheit erhalten zu werden, bi hierbucdy in großen 
Staaten eine erfolgreiche Staatsummälzung ausbrechen Tann. Diefcs Mittel in 
feiner vollen Freiheit bringt den Herrfchern jeden Wunſch, jedes Verlangen, jedes 
Bebürfniß ihrer Völker, ihre Liebe u. Kreude, ihren Haß u. ikr Leid entgegen: es 
führt fie in die Wohnungen ber Bedrängten, Berfolgten u. Unterdrüdten, es fürs 
dert deren Klagen vor ihren Thron, es verkündet ihnen den Zuſtand der Ders 
waltung, bie erfolgreiche oder mangelhafte Ausfügrung ihrer in den wohlwollend⸗ 
fien Gefinnungen ertheilten , oft mißdeuteten Anordnungen; es leitet ihre Blide 
auf die geheimfien Mängel, auf bie in bem tiefften Dunkel fchleichenden Miß⸗ 
bräuche, auf die Verirrungen der Willluͤr. Go öffnet dieſes Mittel den Furſten 
eine unverfiegbare Duelle zue Hebung ber Gerechtigkeit, des Wohlwollens u. ber 
Beförderung bed Gemeinwohls. Durch Cenſur bugegen vermindert fi, wenn 
auch nur allmälig, doch um fo perifie, Liebe u. Vertrauen zur Regierung; und 
wäre fie bes reinften Eifers voll für Bolföbeglüdungs wären ihre Anorbnungen 
u. Echriste jämmtlich eingegeben von biefem fchönen Gefuͤhl: man trauet ihr nicht, 
weiß fie das freie Urtheil ſcheuet. Dieſes letztere iſt jedoch bei allen guten Res 
pierungemoßregein geroiß unfhäblic u. gewährt fogar der Regierung eine Stüge, 
bem jedes nachtheilige Urtheil durch bie fiegende Kraft der Wahrheit, fobald 
nur freie Rebe vergonnt ift, fonder Mühe verfcheucht wirb und überdieß Freude 
n. Dankbarkeit jeder Regierung gezollt wird, wenn fie cenfurfrei ihre Berfügungen 
befprechen läßt, — Diele Bründe für die freie P. find wohl fo bideutend, daß 
bie gefchilberten Nachtheile bei einer Abwägung: „welches Eyſtem ber Etaat bes 
bien folle, ob das ber freien B., oder das der Eenfur* nicht in entfcheidenbe 
etrachtung kommen können. Der unpartetifche, rubige, leibenichaftslofe Beobachter 
whb alfo für die volltommen freie P. entfcheiden, ihrer unverkennba⸗ 


am Prefie, Preßfeeipeit, 


rn Nachtheile ungeachtet. Er wird diefes um fo mr ehrlich und mit ruhigen 
Gewiſſen thun können, ba dieſe Nachtheile, fo wenig fie theoretifh ſich weg rä- 
foniren laffen , doch praktiſch in einem viel milberen Lichte erfcheinen. — “Denn, 
was zuerft die angeführten perfönlichen Angriffe durch bie P. betrifft (Klatſcherei, 
Gemeinheit, Berläumdung , Heberei),, fo mag darauf, baß dergleichen, laut 
häufiger Erfahrung, auch bei Cenſur nicht vermieden wird, hier deßhalb fein 
Werth gelegt werden, weil man wähnen möchte, durch größere Etrenge ber Cen⸗ 
fur ſolchem Ungemach fleuern zu fünnen. Aber, was läßt ſich einwenden dagegen, 
daß ber ehrlihe Mann perfönliche Angriffe bis zu einem gewiflen Grabe ftill- 
ſchweigend verachten mag, weiterhin aber zwifchen Vertheidigung burch bie P. u. 
gerichtlicher Verfolgung des Berläumbers die Wahl Hat? Freilich findet man bei 
vielen Deutſchen immer noch eine gewiffe Scheu vor dem gedrudten Buchflaben, 
eine überaus weiche Empfindlichkeit ‚gesen öffentliche Angriff. Diefe würbe jes 
doch, auch ohne zur englifhen Glelchguͤltigkeit bei perfönlichen Angriffen über: 
gehen zu müfien, geheilt werben durch eine freie P., u. die Ausficht, einen Feh—⸗ 
ler abzulegen, fol uns body nicht vermögen, eine fonft annehmbare Babe abzu- 
lehnen. — Auch die Sorge um Benachtheiligung der Moral u. Sittlichkeit, ſowie 
ber Religion, ift keineswegs dergeftalt begründet, wie e8 im Ullgemeinen erfcheinen 
mag. in allen Fällen fleht e8 ja ben Staatsbehörben frei, gerichtliche Einfchreitung 
nad ben Geſetzen zu veranlaffen bei wirklichen u. offenbar nachtheiligen Angriffen 
auf das, was den Menfchen Heilig iſt. Wer aber nur theoretijch hieruͤber urtheilt, 
uͤberſchaͤtzt leicht die Gefahr unmorafifcher ober Ireetigidier Schriften. In jenem 
Lande, in welchem für Erziehung und Bildung der Jugend alfer Stände berges 
ftalt geforgt wird, wie es jept in Deutfchland gefchieht, ſtehen Sittlichkeit und 
Religiofität bei der eminenten Mehrzahl fo feft, bag für Schriften ber erwähnten 
Art ein einigermaßen nennenswerther Einfluß unmöglich if. Auch iſt ein befon 
deres Interefie für fie in ſolchen Ländern gar nicht vorhanden; auch ohne bie 
emmmiſſe dev Eenfur werben fie nur felten erfcheinen, weil ber Verſuch ihrer 
breitung faum einen Gewinn verſpricht. Cenſur kann dem religiöfen Glauben 
feineswege Heiligkeit und Kraft bewahren und bie ewigen Wahrheiten einer Res 
ligion, die den Geiſt der Liebe athmet, bebürfen zu ihrer Aufrechthaltung Feines 
Zwanges. — Was aber die, nur durch freie P. möglichen, Lehren betrifft, welche 
den Fürften und den Regierungen Nachtheil bringen fönnen, fo lehrt bie Ges 
fhichte der neueren Jahrhunderte, daß die alfermeiften Unruhen und Revolutioner 
da entftanden, wo bie P. nicht frei war. Wie viele Mittel Hat jede wohlgeorts 
nete Staatsregierung bei freier P., ſolchen, ihr feindfeligen, Bemühungen alle Wirk⸗ 
famfeit zu entziehen? Ihr fichen alle Materialien zur Widerlegung von Irr⸗ 
thümern und abfichtlichen Unwahrheiten zu Gebote Ihr ftehen, wenn ſie nicht 
buch Cenſur viele Wohlgefinnte abfchredt, Männer genug zu Dienft, bie, aus 
erüftet mit Talenten und Kenntniffen, für Wahrheit und Recht kämpfen, Ueber⸗ 
aut ſchlaͤgt man den Einfluß ungegünbeter Angriffe gegen eine Regierung ges 
wöhnlich viel zu don an. Anfichten eines Schriftellers, wenn fie ihm eigen, 
rein perfönlich find, Haben nie den mindeften Einfluß auf die Welt. Solche An- 
fidten wirfen nur dann, wenn fie bereits mit größerer oder geringerer Deutlich⸗ 
keit in ben Menfchen ruhen. — In Staaten mit repräfentativer Berfaffung tritt 
für das Eyftem freier P. noch ein weiterer Grund ein. Das Grundprincdp bie 
fer Berfaffungen febt bekanntlich eine öffentlihe Meinung voraus und biefe 
muß ſich ug eich ausfprechen Fönnen, damit fie beitrage, dem Volke die Wohl 
thaten ber erfafung zu fichern, damit fie die Staatsregierung unb bie Stände 
mit des Volkes Bebürfnifien und Wünfchen bekannt mache, damit fie das Volt 
ſelbſt über feine Interefien auffläre und verfländige. Lanbftändifche Berfammlungen 
fönnen bafür einen enden Eriag nirgends bieten; denn nur durch freieß, 
öffentliches Urtheil über Regierungsfachen und über bie landſtaͤndiſchen Verhand⸗ 
lungen felbft kann die Ue un ber landfländifchen Richtung mit ben Grund» 
fügen u, ben nothwendigen Folgen ber Berfafiung \eihtt verbürgt, ster tie Yneiymn, 


Preffen — Preußen. 46 


mit Klarhelt erkannt werben. — Werben die Graͤnzen ber P. verlegt, fo tritt der Zu⸗ 

and der Preß frech heit ein. Diefer und ben durch fie Herbeigeführten Rechtswers 

legumgen entgegen gu wi Hohe Pflicht bes Staates. Alle geordneten Staats⸗ 

oereine en er mit ber züinchmenden Ausbehnung bes Gebrauches der P. gegen 

deren Mißbrauch Mafregeln getroffen; die einen auf präventivem Wege: Herd . 

Art. Eenfur), beffen Unzuläfligfeit u. Zwedlofigfeit wir indeß eben —— 

gewieſen haben; andere haben ſich mit dem gewöhnlichen Rechtsgange 

— duch Gefege (Preß geſe de) beſtimmt, was Mißbrauch ber 2. Er 
— wie ſolcher zu beſtrafen ſei. Solche Strafen treffen zum ande 

ftfteller und, find dieſe nicht bekannt, bie Verleger u. Drucker. 

A wo Genfur noch befteht, findet deffen ungeachtet Beftrafung ber Fe 

— —— Statt. Die Cenſur Befeht jegt nur noch in Rußland, 

as allein der Troß bietet. Nordamerika, Großbritannien und Irland 

erfreuen fich der worzüglichiten FAR) geregelt durch liberale Preßgeſetze, welche 

Befchworenengerichte, die das „Schuldig“ een „Unſchull big“ —— Fa sg 

anwalte ober von Privaten Aingekfagten ausfp: 

Auch in Frankreich, in der Schweiz, in Belgien, —— x 

— en, Dänemark w. Griechenland befteht P. freilich ar or — 

ober er firenge na en duch Zuläfligkeit polizeilicher 

sign bie Berbi a riften (duch Berbote und = 3* 

in ſeiner efeggebung ſich —— nad — 

—— P. Fanfliegen wird, fteht zu erwarten; wir wün| 

ber Gefchworenengerichte. 

Heel en der Matrofen heißt jener — in den Ne 
liche up Leute, beſonders Seeleute, bei einem Kriegäfalle von ben 
mit Gewalt wegzunehmen und zum Seedienfte zw zwingen. In England, Nord⸗ 
amerika, Sea, m in 3% — iſt das P. jegt noch gewoͤhnlich. 

ne, f- 

28 ER Marten. Maler, Zeichner u. Kupferſtecher, befonberd 
befannt durch feine Bertigfeit, Handzeihnungen berühmter Meifter nahinohmen, 
die er in 3 großen Sammlungen herausgab. Er war 1739 zu Grünbach 
boren, arbeitete in Venedig u. Rom, porträtiete viel in ber Schweiz, bildete fei ne 
Hantzeihnungsmanier in Nürnberg aus u. übte fie in Frankfurt a. M., zuletzt 
in Augsburg, wo er 1808 ftarb. 

Presto, ſ. Tempo. 

Pr£tres refractaires ober insermentes, nannte man in ber franzöfifchen 
Revoiution die Priefter, welche den Eid auf die bürgerliche Verfaffung ber Geiſt⸗ 
lichfeit zu leiften verweigert hatten. 

Preuß, Johann David Erbmann, geboren 1785 zu Lanböberg an ber 
Warthe, neigte fi ſchon auf ber Univerfität' zu Frankfurt a. d. O., noch mehr 
als Hauslehrer zu Berlin, der Geſchichte zu, die er_feit 1816 am Friebrich⸗ Wil⸗ 
Helms + Inftitute lehrt. Im Jahre 1840 warb er Hiſtoriograph für das Königs 
reich Preußen. Mit großem Fleiße gearbeitete und mit Wärme gefchriebene 
Werfe von ihm find: „Friedrich der Große“ (5 Bde. Berlin 1832—34) ; „Lebens⸗ 
geihichte des großen Königs Friedrih von Preußen“ @ Bbe., 2. Aug., 1837); 
„Briedrich der Große als Schriftfteler (1837—38), mit feinen Berwanbten und 
Greunden (1838), Jugend u. Fhronbefteigung“ a „Alemannia oder Sammlung 
der fHönften Stellen 1.“ (3 Bde., 5. Aufl., 184: 

Preußen. 1) Geographie u arak Die rreufifihe FZongꝛ chie 
breitet ſich in Mitteleuropa ifehen dem 23° 35° — 40° 31.0.8. ° 8 
550 5% N. Br. aus. Größte Länge von ber ruffijchen bie ir "anpfigen 
Graͤnze 345 Stunden ; größte Breite von Pleß in Oberſchleſten bis zur nördlichen 
Spige der Infel Rügen 150 Stunden. Der Gränzumfang beträgt 839 Meilen, 
wovon 104 Offeefüfte. Der Flaͤcheninhalt beträgt 5062 [Melten. ren 
fält in einen oſilichen u. weftliden Haupttheil, die durdy Helen, 


46 Preußen. 


Braunſchweig getrennt werden. Der erftere graͤnzt im R. an Mecklenburg und 
die Oftfee; DO. an Rußland, Polen u. Oeſterreich (Krakau); ©. an Oeſterreich, 
Sachſen, Altenburgifche, Reuſſiſche, Schwarzburgiſche, Koburg⸗Gotha'ſche und 
Weimar'ſche Laͤnder; W. an Kurheſſen, Hannover, Anhalt⸗Bernburg u. Braun⸗ 
ſchweig. Der weſtl. Theil hat im N. Holland und Hannover; O. Hannover, 
beide Lippe, Braunſchweig, Waldeck, Kurheſſen, Großberzogthum Heſſen u. Raſſan; 
S. O. die homburgiſche Herrſchaft Meiſenheim, das oldenb. Fuͤrſtenthum Birkenfeld 
u. die Pfalz; S. Frankreich; W. Holland, Belgien, Luxemburg zur Graͤnze. Jener 
begreift von den 8 Provinzen bed preußiſchen Staates: Brandenburg, Po m⸗ 
mern, Schlefien, Sachſen, Breußen, (Oſt⸗ u. Weſtpreußen) Pofen; 
dieſer Rheinlandu. Weftphalen. (Der Kanton Reuenburg mit Balengin in ber 
Schweiz, welcher bisher den König von Preußen als Fürften anerfannte, bat ſich 
im März 1848 zum unabhängigen Schweizer» Kanton erklärt u. Preußen wird 
biefe Revolution als „vollendete Thatfache* anerkennen, bı weder bem preußiſchen 
EStaate, noch Könige, diefer Befig Vortbeile brachte.) Alle preußifchen Provinzen 
gehören jetzt zum beutfchen Bunde, mit Ausnahme des vorwiegend polnifchen An- 
theild von Pofen, der gegenwärtig eine beſondere Organifation erhält. Das 
ganze Land iſt eingeteilt in 25 Regierungsbezirke, von denen ein jeber wieder in 
landräthliche Bezirke zerfällt. — Der Boden ift im Ganzen eher eben, als ge 
birgig, befonders nicdrig an der Dftfee. An der Küfte u. im Branbenburgifchen 
vicle Sandfläden. Im S. u. W. am gebirgigfien. Gebirge: 1) Die Subeten, 
Schleſten in S. W. umfäumend (Schnees ober Riefen:Koppe 5040° hoch, in ben 
mittleren Eubdeten ober tem Riefengebirge). 2) Harz (im Broden 3500° hoch) 
u. Thüringerwalb bis zu 2940°, Suchfen N. W. u. S. W. begränzend. 3) Weſer⸗ 
ebirge (als Teutoburgerwald u. Porta Westphalica) die Brov. Weſtphalen noͤrdl. 
chſtreichend, wenig über 1000 hoch. A) Die Sauerländiihen Gebirge (bis 
zu 2600’) in der Wulterwalb mit dem Siebengebirge (2000') im GSüben von 
Wefiphalen u. in Rheinlant. 5) Der Hunderüd mit Hochwald (2300°) jenfelts 
bes Rheins, am rechten Mofelufer, als Fortſetzung der Vogeſen. 6) Der Hohe 
Keen (2100) u. die Eifel Chöchfte Buntt Hohe Acht, 2260), zwiſchen Maas, 
Mofel u. Rhein, FZortfegung ber Ardennen. — Gewäſſer: a) Meerbufen ber 
Dftiee (v. DO. n. ®.): der Pußiger oder Pautzler Wyf, an der weſtpreußiſchen 
Füße; der Rüger Bodden u. das Prorer Wyf, beide bei der Infel Rügen. Mit 
der Oſtſee verbunden find verſchiedene Strands oder Binnenfeen, zufammen 664 
IR. groß, worunter die größten das Kurifche u. Friſche Haff in P. und bas 
settinee Haff in Bommern. b) Lanbfeen: vornehmlich in Oſt⸗ u. Weſwreußen, 
Brandenburg u. Bommern, beren 383 von ben größten (Spirdingfee u. Mauerſee 
in Oftprenßen) jcboch feiner ganz 2 [JM., zufammen eine Klädhe von etwas 
über 344 [_ JM. einnehmen. Flüffe: 1) In die Dftfee u. zwar a) in das Kurifche 
Haff mündend: der Riemen (Memel), an feinen MRündungen in 2 Hauptarme, Ruf 
u. Gilge ſich theilenb u. auf preußifchem Gebiet 22 Dieilen fchiffbar; b) in bas 
Friſche Haff: die Pregel, Raffarge u. Regei (ein Arm der Weichfel): bie Weichiel, 
aus Polen, 30 Meilen fchiffbar auf preußifchem Gebiet; c) in das Stettiner Daft; 
bie Ober, aus Mähren, 100 M. fchiffbarer Lauf, mit welcher ſich links Bober 
u, Neifle, rechts die 48 M. ſchiffbare Warthe vereinigt. 2) In die Rorbfee: die 
Elbe aus Böhmen und Sachſen, 55 M. fehiffbar (rechts mit Havel, 26 M. 
ſchiffbar, nebft Spree, 21 M. ſchiffbar); ber Rhein, 43 M. fchiffbarer Lauf 
(rechts mit Lahn, Sieg, Ruhr u. Lippe, linfs mit Nahe u. Moſel). Die Weſer 
berührt nur auf einzelnen Punkten preußiiche® Gebiet; die Ems verläßt baffelbe 
bald nad) ihrem Uriprunge. Kanäle, hauptfächlich zwifchen Weichfel, Oder u. 
ide, deren ackt. Das ganze Königreih hat 5062 [ IM. Das Klima if vors 
zugsweiſe anmuthig in den Rheinlanden. In ben Küftenländern an ber Oſtſee 
veränberliche, raube, feuchte Luft. In Schlefien, Sachſen, Weſtphalen ein mil 
deres, ſich gleich bleibendbes Klima. In den Brandenburgiſchen Sanbfteppen aus 
weilen brüdendbe Sommerhige u. ungeſunde Austünkung ber Did Keyeshen Se 


Preußen, 


waͤſſet. Raturerzeugniffe: Silber wird hauptſaͤchtich gewonnen aus 
Kupfererzen von Sennerch Eachſen) u. Bleierzen bon Tannetsih — 
Niederrhein; Kupfer, Eiſen u. Robftahl, — in Oberfchlefien, wo in 
Gegend von Gleiwitz god fönigl. Eijenhüttenwerfe befinden; das befte in Weſt⸗ 
pbalen u, am — lel in Schlefien und am Niederrhein; Zink in Schiefien; 
Meſſing, Kobalt, Arfenif, Antimonium; Salz wird produgirt auf 16 Salinen. in 
Sachſen u. Weftphalen, 2 in Pommern u. 3 im Rheinland; Alaun, Bitriol, 
Salpeter, Schwefel, Eteinfohlen in der Ruhr u. in Schlefien, Braunfoblen, 
Torf in den Dftfeegegenden und in Brandenburg, Bernftein an der Oftferfüfte, 
Rarmor in Schlefien; Mineralquellen bie meiften in: dee Rheinprovinz, vorzüglid) 
in Aachen, auch in Schlefien u. Weftphalen, Secbäder an der Dftiee. Art Brods 
getreide wächst überall ber Bedarf u. aus Preufien wirb viel ausgeführt, Mein 
berühmt am Rhein und an ber Mofel. Der Obftbau wird im — Rande 
fleißig betrieben, weniger bee Del» und Hopfenbau, Härbfräuter in Schleflen, 
lachs in Weftphalen u. Schlefien, Tabak in ziemlicher Menge, doch in gröberen 
Sorten, in Brandenburg, Schleften, Sachen, —— u. Rheinland, Holz übers 
jaupt in großer Menge, nur Sachſen u. Weftpreußen- haben: holgarıne Gegenden, 
Äberhaupt 18 Mil. Morgen Waldungen. — Pferde 14 Mil. Stüd, wovon 
Brandenburg und Pommern die Hälfte; vortrefflihe Landgeſtüte in Dftpreui 
Brandenburg u. Sachſen. Der größte Rindviehftand in der Rheinprovinz, in 
Beſtphalen u. Schlefien, der geringfte in Weftpreußen; Schafe, Merinos u, ganz 
»erebelte, wie halbveredelte (Schleiten allein 14 Mill.), mit einem jährlichen Erz 
je von beiläufig 250,000 Centn. Wolle; Schweine die meiften in Weftpreußen 
uch Pofen, bie wenigften in Schlefien. Das Wildpret iſt im ganzen Lande fehr 
zelüftet u. Raubthiere (Wölfe) wohl nur noch in Poſen u. } 
mern iR durch feine Gaͤnſezucht berühmt. Fiſche häufig. in ben vielen Flüſſen u. 
Seen, Der ‚Seingeiang an der Oftfüfte ift erwähnenswert. Einwohner hat 
zegenwärtig das Königreich 16,453,540. Unter den 25 Regierungsbezixken zahlt 
Breslau die meiften, Stralfund die wenigften Ginwohner. Am bichteften bewöltert 
ſt der Regierungsobezirk Düffeldorf, der die Eiberfelder Fabrikgegend einſchließt. 
Am weniaften bicht bevölfert find die brei öftlichen SProvingen, am Pichteften Rheins 
and u. Weftphalen. Preußen zählt 985 Städte, 340 Markıfleden, 36,000 Dörfer 
1. Weiler. In den Städten Icben „>, ber ganzen Bevölferung. Nach ihrer 
Einwohnerzahl rangiren fi) die bedeutendften Städte folgendermaßen: Berlin, Bres⸗ 
au, Köln, Königsberg, Danzig, Magdeburg, Aachen, Stettin, Poſen, Halle, 
Barmen, Potsdam, Elberfeld, Erfurt, Frankfurt a. O., Düffeldorf, Crefeld, Müns 
ter ıc. Die Hauptmaffe der Bewohner find Deutfpe in allen Provinzen, auege⸗ 
tommen in Polen, wo die Polen z ber Bevölkerung bilden (bie Deuiſchen in 
under Zahl feine halbe Million) ; nach der Zählung vom Dezember 1843 lebten 
teben 790,000 Boten 420,000 Deutſche u. 80,000 Juden in der Provin. In 
ven Preifen Birnbaum, Meferig, Bombſt, Frauſtadt, Ehodzefen u. Czernikow ift 
118 beutfche Element dem polniſchen fa um das Vierfache überlegen. Außerdem 
eben 569,000 Polen in Weſtpreußen, neben 1,666,000 Deutfhen. In Preußen 
teten die Polen nur in zwei getrennten größeren Maffen auf: in langen Streden 
in dem aͤußerſten Süboftrande von Oletzko bis oſtwaͤrts von Thom, fobann an 
‚er Pommeriſchen Gränze von der Dftfee in der Richtung nad Bromberg und 
iach Stargard, hier aber in ber Mitte faſt völlig von beutfher Bevölkerung 
urchbrochen. Im Einzelnen ift das Zahlenverhältniß ber beiden Nationalitäten 


7:78 


olgenbes : 
In 5 Kreifen 43 Polen, 2 Deutſche, — Juden, 
„Au Hm ar — * 
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448 | Preufen. 
In 6 Kreiſen . Polen, # Deutſche, 26 Juben, 


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In 25 Kreifen ift die polniſche Bevölkerung höchſt unbedeutend. In Oftpreußen 
drängt ſich der größte Theil ber polnifchen Bevölkerung in Mafuren zuſammen. 
Mafuren if derjenige Teil bes alten Preußen's (das Subauer Land), ber fid 
bem beutfhen Orden am heftigſten unb längften wiberfegte. Die Bevölkerung 
wurde theils ausgerottet, theils nach Samland verpflanzt u. durch Einwanberer 
aus dem benachbarten Mafovien erfegt. Im Anfange bes 18. Jahrhunderts ent: 
völferte die Peſt dieſe Gegenden abermals und es wanderten viele Polen ein, 
wahrſcheinlich Diffidenten. So —* es wenigſtens nach ben Religionsverhaͤlt⸗ 
niſſen, ba bie Polen Maſuren's faſt insgeſammt Proteſtanten find. Ihre Sprache 
weicht von dem Hochpolniſchen etwas ab, namentlich in der Ausſprache. Im 
Jahre 1814 lebten in Maſuren 73,856 Deutſche und 142,949 Polen. Auch 
Schleſien hat eine polnifche Bevölkerung, deren Zahl verfchieben angegeben wird, 
In Nieberfchlefien wohnten vor 22 Jahren 450,000, in Oberfchlefien 500,000 Polen, 
was ein Drittel der Bevölkerung ausmachen würde “Der Adel iſt beinahe 
ganz beutfch geworben, ebenfo ber Mittelftand, während ber Bauer u. ber Arbeiter 
mit zäher Hartnädigkeit an den alten Gebräuchen und ber Sprache feſthalten. 
Die Sprache, das fogenannte Wafferpolnifche, wird von ben Polen bes Königs 
reiche u. zumal von ben Literaten als roh u. bäuerifh verachtet. Schleſien ents 
hält eine überwiegend polnifche Bevölkerung (518,000) nur in dem Reg ds 
bezirke Oppeln, öfllid von der Ober. Es wird ſich als Schlußrefultat aus biete 
Zahlen ergeben, daß bei einer Reorganifation Polens auf nationaler Grundlage 
— der einzigen, die als berechtigt anerkannt werben kam — nicht die gegen 
wärtigen Provinzialgrängen, fonbern Die Gränzen ber Ration den Mapftab et 
müſſen. Doch müflen wir auch hinzufügen, baß bie Polen in Preußen u. Schle⸗ 
fin (Mafuren u. Wafferpolen), namentlich aber in Oftpreußen, ber Rationalität 
der Polen, theilweife auch durch die Religion, fchon fo entfrembet find, baß bei 
ihnen felbft fehwerlich ber Wunfch nach einer Trennung von Deutichland entflchen 
wird ; wir müffen Hinzufügen, baß, wenn mun biefe Laͤnderſtriche fich ſelbſt über 
ließe, one allen Zwang bie Germanifirung bald geflegt haben würde Nimmer 
aber werben wir jene halbe Million von Deutfchen opfern, bie feit fo lange auf 
ber Borhut Deutichlands gegen Often geftanden haben. In einem Augenblicke, 
wo das Bolf der Deutfchen ſich zum echen Male wieder erhebt in feiner Kraft 
und feiner Hoheit, follen fie nicht dem religiöfen Fanatismus u. dem blinden Ra 
tionalsHaffe des rohen polnifchen Bauern Preis gegeben ſeyn. Nicht mit unver 
dienten Opfern wollen wir unfere Erhebung beginnen. Wir wollen die Erober⸗ 
ungen opfern, welche bag Schwert machte u. eine bem Volke fremde, länderfüdh 
tige Politif; aber nicht jene Eroberungen, welche ber Pflug u. bie Gewerbe und 
bie Bildung gemacht haben. Schlimm genug, daß feine ſcharfe Bränze gegogen 
werben kann; daß ſtets Deutiche in polnifchen u. Polen in beutfchen —8 en 
werden wohnen muͤſſen; aber wir werden keinen Fuß breit Erde abtreten, wo 
man Nichts als deutſche Sprache vernimmt. Wir wollen an dieſer Stelle ſofort 
etwas näher auf bie in neueſter Zeit ſehr wichtig gewordenen Verhaͤltniſſe ber 
polniſchen Landestheile Preußens eingehen. Den, bem rufliichen ober preußifchen 
Scepter unterworfenen, Polen fagte man 1815 die Aufrechthaltung ihrer Volls⸗ 
thümlichkeiten zu. Der Aufruf bes Königs von Preußen vom 15. Mai 1815 
an die Einwohner des Großherzogthums Poſen verfprach die Mehrung ber Nas 
tionalität u. die Theilnahme der Polen an der zu erwartenden Verfaſſung mit 
Beftimmtheit. — Im anderen ale materiellen, Dingen hielt man jeboch nicht Wort 
u. im Uebrigen fcheiterte bie preußifche Politik, fo großherzig fie auch in gewiſſen 
Beziehungen war, an ben fo natürlichen nationalen Trennungen der Polen. Das 
Grunduͤbel aller ſlaviſchen Kulturzuftände iſt barin zu fuchen, daß ſich nirgends 
ein tüchtiger, felbfifländiger dritter Stand gebilter dat, Blend Desk 


chon im 13. eine Bi aft befaß, welche en bes. Adels 
nit — rang Fe fefte er —— ers bildete, 
be ie Länder flavifcher Zunge noch jegt nicht die Anfänge eines Bürgertfums, 

gilt für Polen, wie für Rußland, Ungarn u. f. w. Was zwifchen reichen 
Srundheren in ber Mitte liegt, beftcht aus rohem Kleinadel, den nothiwenbigften 
Dandwerfern, N) fremder Adkunft, u. vornaͤmlich Juden. - Den lepteren 
legt man ben materiellen Verfall des Landes ſchreiben u. ſollte doch viel⸗ 
neht die Sitten des Volkes anflagen, das in ſorgioſer Verſchwendung das eigent- 
—— —— ae u. auf * —— — dem Wucher n 

preußiſche Regierun⸗ te en daher Haup! 

4 ‚Hebung bes materiellen Wohlfandes 1. auf Vermehrung ber — 
ichten zu muͤſſen, um auf dieſen Wegen zu dem eigentlichen Ziele: zu Belangen, ie 
ver Schaffung eines Buͤrgerſtandes. Das vom 8. April 1823, wegen Ab» 
öfung der bäuerlichen: Taften, befreite ben Aderbauer von der Leibeigenſchaft. 
Ein zweites 2 — die Verhäftniffe der Juden und b die enbliche 


g bed a 
aues, zur Einfül einer —— u. wohlfeilen Jul e, zur Beſcin⸗ 
ung weralteter Mebel je fanden ı bein ben Pofenern«felbft — Von 
nderen Seiten wurde oft mißbilligend angeführt, daß Poſen, bie am niedrigſten 
eſteuerte Provinz bes Staats, bie größten Koſten made, bei ber Anlage‘ von 
| bei Entfhädigungen für Bertife u. f. w. die meiſte Ber un; 

Mit allem biefem wurde der Zwed verfehlt u. fogar der materielle 
L den man fo Vieles that, wollte nicht — Die Bauern waren 
dem Drude ihrer Guisherrn befreit, als fie dem jüdiichen Wucher an⸗ 
Die Hypothefenbücher u. bie’ Anzeigen von Subhaftationen, von benen 
jeitungen wimmelt, beweifen ben traurigen. Zuftand des Heinen Grund⸗ 
‚efigerd. Das einzige Zeichen, daß das Volk feiner Erniedrigung ſich bewußt iſt, 
eſteht in einem ſchranienloſen Haffe gegen bie Juden, von dem bie ‚Zeitungen 
inzelne, faft unglaubliche, Beifpiele berichtet Haben. Die großartigen Bemühungen 
er preußifchen Regierung würden dennoch einigen Erfolg gezeigt haben, wenn nicht 
ver Adel ſtets gegen fie opponirt hätte, Je mehr die Regierung das Materielle 
w8bildete, um fo entfchiedener wandte fi) der Abel von diefer Seite ab u. dem 
Idealen zu. Ja, diefe Förderung ber materiellen Intereffen erſchien ihm als bie 
wößte Gefahr der Provinz, da das Volk durch diefes „Geſchenk ber Danaer“ leicht 
yon dem großen Baterlande der Polen adgelenft u. germanifirt werben könne. 
38 find zwei wichtige Dokumente vorhanden , eines von dem Regierungschef 
Flottwell, das andere von dem damaligen Oppoſitionschef Racaynafi aus 
tegangen, in denen bie entgegengefegten Anfichten ben vollftänbigften Ausdrud 
Inden. Das Redhtfertigungsichreiben von Flottwell lautet im Auszuge: „Während 
neiner Wirkfamfeit vom Dezember 1830 bi6 zum Beginne des Jahres 1840 
abe ich bie, bei Verwaltung der Provinz geftellte, Aufgabe dahin verftchen zu 
nüffen geglaubt, ihre innige Verbindung mit dem preußiichen Staate dadurch zu 
ördern und zu befeftigen, daß Die, ihren polniſchen Einwohnern eigenthümlichen 
Richtungen, Gewohnheiten, Reigungen, bie einer ſolchen Verbindung wiberftreben, 
illmaͤlig befeitigt, daß Dagegen die Elemente des beutfchen Lebens in feinen 
nateriellen und geifligen Beziehungen immer mehr in ihr verbreitet werben, da⸗ 
nit endlich bie gänzliche Vereinigung beider Nationalitäten al ber Schluß biefer 
Aufgabe durch das entfchiedene Hervortreten beutfcher Kultur erlangt werden 
nöge. Das Gefammtwohl bes Staats macht die Verfolgung dieſes Ziels zur 
Rothiwendigfeit, und wenn babei Erinnerungen und Gefühle eined Theils der 
solnifhen Einwohner verlegt werden, fo liegt die Beruhigung hierüber in ber 
leberzeugung, daß die Provinz dabei in allgemein menſchlicher Hinficht gewinnt 
md daß die Gefchichte allmälig alle Völker aus den Schranken früherer u. noch 
veftehender Trennungen folden Ummwandlungen und neuen Getoltungen wiegt 
Mt. Die fbonenbfte Berüdfichtigung aller, zumal vejenigen, units 
% 


Realenpelopäbie. VII. 


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J. 


450 Preußen. 


fichfeiten polnifchen bes Volksſtammes, welche an ſich achtungswerth find und 
ſich daher auch bei fortfchreitender Kultur geltend machen werben , gebietet 
ſchon die Klugheit ; ber Rüdblid auf bie Geſchichte Polens und auf 
unfere eigene macht aber diefe Schonung auch zu einer höheren Pflicht. Am 
fräftigften u. zugleich willfommenften fördert die Zwecke bed Staats die Gorge 
für die materiellen, ober weniaftens von ber Mehrzahl als materiell aufgefaßten 
Intereſſen der Provinz. Die Entfeflelung der Bauern u. der Stäbte von ber gu ⸗ 
herrlichen Gewalt, die freigegebene Entwickelung des Gewerbfleißes u. die Erleich⸗ 
terung u. Vermehrung eines allſeitigen Verkehrs werben von ben verſchiedenſten 
Claſſen der Einwohner als Wohlthaten der preußiihen Regierung zum Theil fehr 
dankbar anerfannt. Ebenſo erfennen Alle ben hohen Werth ber vertrauensvollen 
Sicherheit, welche die Ueberzeugung von einer unparteilfchen Gerechtigkeit ber 
Gerichtsbehörden u. von ber Bewifienhaftigkeit der Verwaltung auch dem Gering- 
fien gewährt. Die Bermehrung der Unterrichts u. Bildungsanftalten erſchien 
auch dem bunkeln Gefühl bes Lanbmanns als eine wohlwollende Yürforge ber 
Regierung; mit dee Zunahme feines materiellen Wohlgefühls u. der Erweiterun 
feiner freien Thätigkeit begriff er immer mehr bie Unentbehrlichfeit jener Anal 
ten, u. fo öffnen ſich ber beutſchen Bildung, wie von felbft, immer mehr Zugänge 
zu dem Ideen⸗ u. mpfindungegan e der Einwohner. Nach biefer Bilbung abe 
u. überhaupt nach einem Leben in beutfcher Welle hatten bie zahlreichen, zum 
Theil feit den älteften Zeiten ſchon angefeflenen, beutichen Bewohner ber Provin 
lange vergeblich verlangt; fie wird ihnen jetzt als ihre Recht, u. indem das bat- 
ſche Element allmälig alle Berhältniffe ber Provinz durchdringt, fällt bie Scheibde⸗ 
wand nieder, hinter welcher fie nocy vor wenigen Jahren den Einwohnern des 
preußifchen Staats als ein Berbannungsort erfcheinen mußte So wie aber ba 
ber allmäligen Befchränfung der wiberfirebenben Elemente jeder Schritt über die 
näͤchſte Nothwendigkeit u. Ruͤtzlichkeit hinaus bedenklich erſcheint, fo iM jehes 
Schwanken in den Verwaltungsgrundſatzen verderblich. Denn bei den polniſchen 
Einwohnern erregt es ben Argwohn ber Abſicht, durch wirkliche ober fcheinbare, 
freiwillige ober abgedrungene, Rh glebigfeit ihre Zuneigung gewinnen, gleichſan 
erfaufen zu wollen. In ben beutfchen Einwohnern erfchüttert jede Zurichneifung 
auf frühere Zuftände das Vertrauen, felbft auf die nächfte Zukunft ber Peooh 
u. lähmt in ihnen den Muth zu ber freien Lebensthätigfeit, welche für bie Zwede 
bes Staats ihre volle Bedeutung erft erhält, wenn fie fi) ohne Unterbredhung u. 
in bem fidhern Gefühle nachhaltiger Kraft erhalten kann. Was durch Bevor 
ung ber polniſchen Einwohner erreicht wird, haben bie Erfcheinungen in bieder 
Provinz während der Revolution im Königreiche Polen gezeigtz dieſe felbft Yat 
elehrt, daß ben unzufriedenen Theil ber Einwohner Feine Zugeftänbnifie oder 
ergünftigungen befriedigen, weil eine vollfommen unbefchränfte nationale u. yo 
litiſche Selbftftändigfeit der ‘Polen verlangt wird, Des Gouvernements würdig 
u. deßhalb angemeſſen erfcheint e8 mir dagegen, offen den Grundſatz auszufpre 
hen u, zu befolgen, daß die Provinz dem beutichen Elemente keineswegs ver 
ſchloſſen; daß fie vielmehr ihm, als dem Lebenselemente des Staats u. ſchon eine 
guten Dritttheils der Provinz felbft, geöffnet u. daß feine Ausgleihung mit bem 
ne a ohne Eingriffe umgereöhter Willkuͤr dem Entwidelungsprozeffe ber Ge⸗ 
chichte überlaffen werden fol, Allerdings wird eine ſolche Offenheit der Landes 
Regierung nicht bie Neigung ber jept ihr wiberfirebenden Einwohner gerwinnen, 
aber dazu gibt es überhaupt noch feine Mittel, alfo wäre es unzeitig, darnach zu 
Kreben. Dagegen werden auch in biefer Provinz biejenigen Schritte u. Maßre⸗ 
gein der Regierung am ficherften zum Ziele führen, welche allen Einwohnern 
erfelben Achtung abmötbigen, u, dieſe wird nicht gewonnen, wenn bie Bermuth- 
ung entfiehen fann, die Regierung verfolge Zwede, welche offen auszufprechen, 
ihr der th fehle. Mit berfelden Offenheit u. Beſtimmtheit fprach bei ben 
Dulbigungefeierlichfeiten in Königsberg Graf Raczynski bie Anfichten ber „ 
egierumg ießt noch wiberfirebenden Einwohner" gegen den König aus. Nach⸗ 


Preußen: 451 


dem ber: als, Regierungshandlungen, welche bie Dankbarkeit ber Polen ver» 
dienten —— bes. Erzbiſchofs von Dunin u. die Amneftirs 
ne aller politif zn bezeichnet. Hatte. (von ben vielen materiellen Vers 

jerungen- ſprach er Fein Wort), fuhr er fort: „Wir gehören einem Bolfe an, 
welches weber. dag, Gebächtniß, noch das: Gefüht feiner alten Würde verloren hat, 
Was kann es alfo Schmerzliheres für uns geben, als den Gedanken, daf bie 
mächtigften Regierungen Europa's, welchen die Borfehung unfer Schidjal über 
antwortet hat, ung der chtung geweiht zu haben fcheinen? In Ew, Fön 
lichen Majeſtaͤt echabener- Seele wohnt bie Liebe zu Allem, was edel u, gut iftz 
Ew. Majeftät erfennen auch: in den ihnen anvertrauten Völkern ben Baur geil 
Bi u. fittlicher Veredi u. möchten kaum herrſchen über ein unwuͤrdiges Ge⸗ 
ſchlecht. Darum werden Ew. koͤnigl. Maj. es uns nicht übel deuten loͤnnen, daß 
mir bier um Abhülfe derjenigen Uebel —— mit welchen wir 
bisher gefränft wurden. Ew. Maj. in Gott rithender föniglicher Vater folgte ben 
eblen mh en eines 558 Gemuͤths, ais er in dem Beſthnahme 
pom-15. 1815 uns ein Vaterland, Nationalität, Religion u, Sprache unfes 
ver Väter, feierlichft verbürgte.  Diejelbe Bürgichaft oieberholte, ehe er die Ge 
lübbe unſeres Gehorfams empfing, ber Statthalter des Königs am Tage ber 

gung, den 3. Auguft, 1815 Sie waren die Baſis unferer Eide, Wir 
ſchwuren fie in dem vollen Glauben, daß eines Königs Wort, an dem das Glüd 
von Millionen hängt, Har fei, wie das Licht der Sonne, u. feiner Deutung uns 
terliege. Wer würde wohl in dem, was, und geboten war, als. Erſatz für das, 
was wir verloren, Anderes gefehen haben, als _bie-reinfte Wahrheit? Wer. hätte 
zu ahnen. vermocht, wie bie derbe Wirklichkeit ſich geftalten u. unfere Hoffnungen 
bitter täufhen — was im Laufe der Zeit bis zum Landtagsabſchiede vom J 
4837-1. bis auf ben heutigen Tag Über uns ergehen ſollte? Geruhen Em. fönigl, 
—— AR a —— ber erften —— — 
e, Verordnungen u, Inſtitutionen zu ver; 7 N und 

für Schritt verfümmerten, RS uns bie foftbarften Siter u. Rechte find, die wir 
aus dem großen Schiffbruche retteten. Vergleichen Allerhöchftdiefelben mit dem 
äußern Scheine, den der Buchflabe nur ſchwach bewahrt, nun gar bie Art, wie 
die Belege in’ Leben treten, die Praris der Behörden und gegenüber, u. Ew. 
Majeftät werben nicht glauben, daß wir in gegenwärtiger Verfaſſung unſeres 
Heimathlandes ein Vaterland anerkennen fönnen, daß unfere höheren Bebürfniffe 
befriedigt u. daß unſeren befferen Wünfchen ein würdiges Ziel edler Thatkraft 
iefegt fei. Nicht durch das Gefeg, wohl aber durch mißbraudte Deutung deſſelben, 
And wir in allen und von Dero hochſeligem Vater großmüthig ertheilten Präros 
gativen bei der Befignahme unferes Großherzogtfums im Jahre 1815 beraubt. 

te allerhöchften föniglichen Worte: „Auch Ihr Habt ein Vaterland u. mit ifm 
einen Beweis meiner Achtung für Cure Anhänglichkeit an basfelbe erhalten. Ihr 
werdet meiner Monarchie einverleibt, ohne Eure Nationalität verläugnen zu duͤr⸗ 
fen. Eure Sprache fol neben ber beutfchen in allen öffentlihen Verhandlungen 
gebraucht werden;“ — welche in dem allerhöchften Befignahme - Patent vom 15. 
Mat 1815 uns angefündigt wurden, find unauslöfhbar in unferen Gebanfen u. 
Herzen geblieben. Ebenfalls die auf allerhöchften Befehl uns unterm 8. Juni u. 
12. Juli 1815 befannt gemachten Urfunden, folgende Worte enthaltend: „Die 
öffentlichen Behörden des Großherzogthums Poſen werben fi fünftig eines Sie⸗ 
gels bedienen, in welchem fich der preußifche Großherzoglich-Poſen'ſche Adler mit ber 
Umfchrift der Behörden in deutſcher und polniſcher Sprache befindet. An ber 
Stelle des bisherigen öffentlichen Wappens u, ber Landesinfignien fol der fönig- 
lich preußifche, u. zwar im Großherzogtfume Poſen der königlich preußifche grobe 
herzogliche Adler aufgerichtet werden. Der erfte Präfident des Oberappellatlons⸗ 
gerichtes u. die Präfidenten ber Landgerichte müffen aus ben Eingeborenen gewählt 
werden. Die polnifhe Sprache wird in allen gerichtlihen Verhandlungen beibes 
Balten werben.“ — Das find, allerdurhlaucptigfter König u. Hm diejenigen 


452 Preußen. 


Gerechtſame u. gnaͤdigen Ausbrüde, mit welchen uns Ew. königlichen Maieftät 
Vater bei der Occupation der Provinz entgegen kam. Durch den Raum von 25 
Jahren haben wir alle diefe uns ertheilten Bortheile nach u. nach in der Praris 
verloren. Die polniſche Sprache ift, in Folge des durch das Staatsminiſterium 
unterm 17. April 1832 erlaffenen Regulativs, aus allen öffentlichen, gerichtlichen 
u. außergerichtlihen, Verhandlungen fo verdrängt worden, daß nur deutſche Ber- 
fügungen von allen Behörden erlaffen werden u. bei ben ber beutfchen Sprache 
ganz Unfundigen eine polniſche, gewöhnlich unvollfommene, Ueberſetzung beigefügt 
ift, von ber öfters feine Spur in ben Akten bleibt u. bie auch feine gefeliche, 
bindende Kraft u. Bebeutung bat. In den beiden koͤniglichen Regierungen find 
etwa nur zwei Beitglieben, bie nothbürftig polnifch verſtehen, u. es gibt Gerichte, 
bie, außer dem Dolmetfcher, nur etwa einen Affeffor ober Referendarius haben, 
welcher mit ben ‘Barteien zu fprechen im Stande if. Nirgends fehlt es an fols 
chen, bei denen ein polnifcher Rame die gänzlich mangelnde Kenntniß der polni- 
[hen Sprache verdeden fol. Man überläßt es gewöhnli ben armen Bauern, 
bie mit bdeutfchen Berfügungen ober Erfenntnifien heimgefucht werben, fidy einen 
Heberfeßer zu fuchen; bei Vernehmungen läßt man fie auf bie polnifchen Rebens 
protofolle verzichten u. der Inhalt wird ihnen in einem faum verftänblichen pols 
nifhen Dialekte mitgetheilt. .. Der gefelerte deutfche Fleiß weiht ſtolz der Bers 
nichtung die Sprache eines dem Untergange beftimmten Volkes, u. damit dieſes 
über das ihm zugedadhte Schickſal aufhöre in Zweifel zu fenn, damit es ſich mit 
bem Gedanken an das Unvermeidliche um fo mehr vertraut mache u. bie Erinners 
ung an fich felbft verliere, ift aus den Schulen die Geſchichte des polnifchen Bas 
terlandes verbannt. Der durch bes hochſeligen Könige Majeſtaͤt uns verlichene 
Titel eines Großherzogthums Poſen wird in allen öffentlichen Correſpondenzen 
egen ben Ramen einer Provinz Poſen vertaufcht u. ber weiße Adler auf ber 
ruft des fchwarzen iſt fhon von allen Schildern u. Siegeln verfchwunden und 
bie Ew. k. Maj. Scepter unterworfenen Polen find in Einwohner polniſcher 
Abkunft verwandelt, In den Gymnaſten warb früher die polnifhe Sprache in 
den vier niebrigften Claſſen docirt. Das jetzige Mariengymnaftum hat in ben 
Jahren 1816 bis 1824, alfo in acht Jahren, währenb das Polniſche Unterrichtes 
Sprache war, 154 Schüler für bie Univerfität ausgebildet, während von ba ab 
in ber doppelten Zeit, feitbem das Berhältniß verändert worden, von ben Gym⸗ 
naften zu Poſen u. Liffa 45 Abiturienten vorbereitet worben find. Da bie polnifche 
Jugend die deutſche Sprache erft erlernen muß, che fie genau zum Begriffe der anderen 
Wiſſenſchaften gelangt, u. ber deutſche Schüler dieſes nicht braucht, auch Die polnifche 
Sprache nicht erlernt, fo ergibt fich von felbft, daß bie Fertigkeit in beiden Sprachen eine 
immer feltenere Erfcheinung unter ben Provinzialbeamten gewähren muß, ja fogar 
ein Haupthinder niß ber Errichtung eines Realgymnaflums in Pofen if, in wel 
chem das Polnifhe in fein Recht als Unterrichtsſprache wieder eingefegt werben 
fol, indem man bie nöthige Zahl ber Lehrer, welche beider Sprachen mädhtig 
find, nicht zu befchaffen weiß. Die, ben aus anderen Provinzen kommenden jungen 
Beamten als Aufmunterung zur Erlernung der polniſchen Sprache gewährte 
Geldunterftügung ift bis dato ganz zwecklos geweſen u. hat nur als Stipenbium 
für Günftlinge gedient, indem feiner von denfelben bie polnifche Sprache fo ers 
lernt Hat, daß er fi in ſolcher verftändlich machen fönnte. Weit nuͤtzlicher wäre 
e8 gewefen, wenn man ber polnifchen Jugend biefe Unterflübung zur Erlermung 
der deutſchen Sprache bewilligt Hätte, indem bekanntlich ber Pole zur Erlernung 
der Sprachen viele Leichtigkeit befitzt. In ben fatholifchen Seminarien zu Poſen 
und Gneſen u. bei der Bildung derjenigen Leute, welche bem nur ber polnifchen 
Eprache kundigen Bolfe die the Eprifti verfündigen follen und das Wort Got⸗ 
tes zu predigen berufen find, wirb die T eofogie und alle anderen Wiſſenſchaften 
in ber deutſchen Sprache gelehrt, weldhe dem Fünftigen @eiftlichen zu feinem Bes 
rufe in den meiften Fällen nicht nöthig , während die vobniſche Sprache unent⸗ 
behrli if. Die Wahl der Landräthe aus Eutsbegern ver Wevoon IR VE Vaio 


„00H... 


Preußen 


453 
uns nicht zu ftatten gefommen, und nach Abfegung Aller, welche bei ber Decu⸗ 
—— der Provinz vergehen und lauter De ehe heute kaum 
rei oder vier, welche die polnifche Sprache befigen. €; K. M. dürfen wir. 
fagen, was Allerhöchft bero erhabenes Gemüth mit uns empfindet; daß eine ſolche 
Entnationalifirung bie ſchmachvollſte Demüthigung iſt und daß die Güter, welche 
wir vertheibigen, wahrhaft moraliſche Güter find , die wir höher achten, als bie 
materiellen Bortheile, durch welche wir ung. für jede, wie man meint ibealifche, 
Güter entſchaͤdigt und belohnt halten follen. Gott Lob! Noch find E. EM. 
polniſche Unterthanen nicht in dem Grade in gemeinen Eigennup verfunfen und 
durch ihr politifches Ungfüd bergeftalt demoratife, daß eine ſolche Entfhädigung 
ihre befieren Gefühle zum Schweigen brächte. Wir erfennen das uns zugewen⸗ 
dete Gut dankbar an, ohne es zu überfhägen; wir unterfcheiden fehr wohl, was 
das Werk einer weifen und humanen Gefepgebung und Regit iſt, von bem, 
was das goldene Fuͤllhorn bes Friebens Über und ausgefchüttet Aber eben 
darıtm muf wir auch mande Laft, manche Prägavirung und Beeinträchtigung 
als ein Gegengewicht in bie Waagjchale legen, wenn wir bi ben ebleren Ge⸗ 
genftanb unjerer Beſchwerden nicht zu entweihen fürchteten. Nur das Eine, was 
mit dieſem unmittelbar zufammenhängt, fei erwähnt, daß bie Art nicht blos an 
unfere Voltsthümlichfeit u. Sprache, an unſere nationale Eriftenz gelegt ift, fon« 
bern, um biefe befto gewiſſer zu zerftören, auch an unferen Grundbefig, bamit un⸗ 
fer Stamm befto ſchneller von dem Boden unferer Väter verichwinde. Die foger 
nannte Germanifirungswuth dehnt ſich bis auf bie Parcellirung der Domainen u. 
anderer Güter aus, welche der Staat acquirirt hat, und ſolche wieder an Leute 
aus anderen Provinzen vortheilhaft vertheilt, mit Ausfchluß der eingeborenen 
len. Dieß fol auf Grund einer Inftruction bes föniglichen Miı ber 
mainen vom 30, November 1836 geichehen, unb babei ift verorbnet, daß foldhe 
Güter, ohne öffentliche Licitation, im — n im Ganjen vers 
fauft werden, am fremde Leute, mit iſchluß der Eingeborenen. Was 
hat folhe Maßregeln der Verfolgung eines ganzen Volkes hervorgerufen ? 
Was Hat das Herz eines Königs, welchen die Geſchichte mit dem Namen 
des Gerechten ausgezeichnet hat, fo von uns abwendig maden Tönnen? 
Nichts Anderes, Alerdurchlauchtigfter König, als das fuftematifche Verfahren von 
Xeuten, welche, in Verkennung ihres befleren Berufes, fi zwifchen ben König u. 
feine Unterthanen zu flellen gefucht Haben und durch feindliche Berichte die Ein- 
geborenen bes Großherzogthum's Poſen zu verbächtigen fih bemühten, um fi un- 
entbehrlih zu maden. Aus welcher Feder kommen in öffentlichen Blättern 
Deutſchland's ale Auffäge gegen unfere Provinz? Wie viele Ligen u. Bosheiten 
enthalten nicht ſolche Schmaͤhſchriften? Sogn die Staatszeitung Nr. 205, 206, 
207 von biefem Juhre unter dem Titel: „Ueber ben Regierungsbezirk Bofen wäh- 
rend 1Sfäriper Deeupation" enthält Gegenftände, welche nur aus der Feber eines 
zur Provinzialbehörbe gehörenden Beamten fließen können, beffen verfehrter Wille 
die Befriedigung einer blinden Leidenſchaft in Berläumbung einer Nation gefun⸗ 
den hat. E. K. M., über ſolche Sachen erhaben, werben die verbunfelte Wahr: 
heit zu erfennen wiffen und ben Wahiſpruch Ihres Königlichen Haufes: „Suum 
cuique“ auch an und in Erfüllung gehen laſſen u., was und gebührt nad) gött- 
lichen u. menſchlichen Rechten, in Erfüllung bringen.” — Diefe Aftenftüde gewähren 
eine deutliche Anfhauung der Zuftände in Pofen, wie fie vor dem gegenwärtigen 
Drganifationsverfuche, ben das preußifche Gouvernement unternommen, geiefen ; 
enthalten die Klagen u. Beſchwerden ber preußifchen Unterthanen polnifcher Ra- 
tion volftändig, fo wie auch, was fi bagegen anführen läßt. Die allerdings 
gerechtfertigten Klagen über ftiefmütterliche Behandlung des Polnifhen in ben 
Schulen wurden von dem Könige fpäter berüdfichtigt u. in biefer Beziehung wur⸗ 
den bie zwedmäßigfien Mafregeln getroffen. Auch von den Gericitsbehöchen 
wird feit mehren Jahren bie Parität der Sprachen firenge gehauhhakt. Woh nl 
niſche Gingaben an die Gerichte erfolgen poiniſche Veſcheide vnd Tier Extemmir, 


454 Preußen. 


werben in ber Sprache bes Klägerd ausgefertigt. Das Perfonal macht auch 
hier die größte Schwierigkeit, da, bei ber Abneigung ber ‘Polen gegen ben preußi⸗ 
ichen Staatsdienft, Die deutfchen, des Polniſchen unfundigen Beamten weit über 
wiegen. Die polnifhe Prefie erfreut ſich volles Schutzes; es erifticen 9 polnis 
ihe Zeitfchriften. Die bedeutenbfien find: „Rock“ (das Jahr), eine gebdiegene 
wiſſenſchaftliche Zeitſchrift. Das „Literarifhe Wochenblatt”, demokratiſcher Ten: 
benz, bem ber ariftofratifche „Wifienichaftliche Bote“ gegenüber ſteht. Die „ir: 
chenzeitung“ iſt gemäßigt. Mehre Bereine geben Boltsichriften heraus. Außer 
ben Polen in Bofen, Weftpreußen und Schleften, hat Preußen noch an Slaven: 
11,500 Mähren im Regierungsbezirt Oppeln ; 11.000 Böhmen in Schlefien und 
als Koloniften in Berlin und Potsdam u. 76,000 Wenden in der Laufit. Den 
altpreußiſchen und litthauifchen Volfsftamm Haben in ihrer Eprache noch gegen 
150,000 Individuen im Regierungs bezirke Gumbinnen erhalten u. gewähren bem; 
felben deßhalb noch ben Hiftoriihen Namen Litthauen. — Außerdem leben noch 
etwa 10,000 Wallonen im Regierungsbezirfe Aachen. — Rad den Religionsver⸗ 
hältnifien hatte Breußen bis auf Friedrich den Großen eine proteftantiike 
Bevölkerung , unter ber nur wenige Katholiken zerftreut lebten. Durch bie Er 
werbung von Schlefien, von Poſen, Weftphalen und Rheinland, mit ihren über: 
wiegend fatholifhen Bevölferungen, wurde jedoch das Berhältniß der beiden Eon. 
feflionen faft paritätiſch. Etwa 2 ber Einwohnerzahl ift katholiſch. Diefe befigen 
eine Kirche auf etwa 1000 Menſchen. In Oftpreußen u. Litthauen ifl das Be: 
Haltniß der Proteſtanten zu den Katholiken, wie 46 zu 15 im aus ber erfim 
Theilung Polen's dazu gefommenen Bisthum Ermeland ift dagegen das Verhbält⸗ 
niß wie 1 zu 12. In MWeftpreußen ift das Verhältniß wie 26 zu 25, bie Ein 
wohner polniſcher Nationalität find nämlich durchaus Katholifen. Im Großher⸗ 
zogthum Poſen, wo in Betreff der Nationalität das nämliche Verhaͤltniß herrſcht, 
fteht die Anzahl der Proteftanten zu den Katholifen wie 9 zu 19. In ben 
altpreußifchen Provinzen Pommern, Brandenburg u. Sachſen, mit Ausnahme bes 
Regierungsbezirk's Erfurt, if, mit Einſchluß Berlin’s und Potsdams, wo mit 
bem Militär über 10,000 Katholiken leben, das Berhältnig wie 187 zu 
2. In dem Regierungsbezirfe Erfurt iſt das Verhaͤltniß wie fünf zu zwei. 
In Schleften ift der nörbliche Theil vorzugsweiſe proteftantifch (4 zu 2), ber füh- 
lide überwiegend katholiſch durch die flaviiche Bevölkerung (9 zu 1). In Rhein 
land u. Weftphalen herrſchen die Katholiken vor; biesfeits des Rheins iſt bas 
Verhaͤltniß wie 7 zu 16, jenfelts bed Rheins wie 1 zu 8, im Regierungsbezirke 
Münfter wie 1 zu 24. Mennoniten leben 12,976 in ben Regierungsbezirk 
Danzig, Marienwerber u, Königsberg, etwa 2000 im Rheinland (in Krefeld 800) 
u. Weftphalen. Im Regierungsbezirt Bumbinnen leben etwa 1300 griechiſche 
Katholiten. Im ganzen Staate leben 183,600 Juden, vorzugswelfe in ben pol: 
niichen Lan destheilen; in der Stadt Pofen bilden fie 2, in Kempen weit über bie 
Hälfte, in Liffa über 4 der Bewohner. Außerdem zählt Berlin 5645, Breslau 
5413, Danzig 2367, Königsberg 1454 u. Glogau 1094 Juden; in Rheinland 
u. Weftphalen bilden fe faft 3 der Geſammtzahl. Die wenigften finden fidy in 
ben Regierungsbezirfen Straljund u. Merfeburg. — Die tehnifhe Kultur 
hat feit dem Anfange biefes Jahrhunderts in ben weftlichen u. mittleren Provinzen 
fo große Fortfchritte gemacht, daß in den meiften Manufafturen bie preußifchen 
Habrifate mit ben ausgezeichnetften ihrer Art glüdlich concurriren. Leinen waa⸗ 
ren u. Öarngefpinnfte wurden von jeher trefflich in Schlefien u. Weftphalen 
gefertigt, beide Artikel find jedoch durch die Mafchinenleinwand gebrüdt u. biefer 
Manufafturzweig fteht jegt lange nicht mehr fo blühend, denn ehemals. Die große 
Roth der (hlefifinen Weber Hat in ber lehten Zeit in ganz Deutfchland Theil⸗ 
nahme erwedt, Biele Webftühle ftehen jest leer. Die Wollmanufakt ur ift in 
ber Rheinprovinz, in Sachſen, Schleften u. Brandenburg fehr blühend. Die Ein⸗ 
fuhr an Wollenwaaren beträgt gegenwärtig Taum % he8 Wertes her Ausfuhr. 
Hauptfächlich in ber Rheinprovinz blüht die Seltenmanufatiur u. weudltt 


Preußen. 


einen Ueberſchuß von etwa 9 Millionen Thaler; * D — wird 
= ie — ‚Bunde betrieben. ee 
wollenwaaren in Schlefien, a gu a 
det ——— nur ee Rn ven he bes. Rohfofs, Tonbern. gemäl 
lionen als Ueberſchuß. Die Metallmaaren — * 
Sek — re Solingen, Graffhaft Mark — find für bie ml 
Millionen anzufchlagen. Die — — fliehen jegt bi 
= als er mn Mit dem Aufſchwunge ber tı en 
Kultur: geht der des Handels Hand. in Hand. Ds die et a 
dem Rheine der Verleht außerordentlich gehe! Oder ift der 
lebhaftefte Punkt. des —“ reslau; a Fig a N Fluße noch 
Stromregulirungen, als bi Jahre — m bi 
Die ‚Eifenbahnen, die Danedorf-Ciberfelber, de ——— ah, welche Ra 
——— Sci. ie, And mac nÄgiye Rh Se Senne 
6, jener, 
P.8 Handel feht. indeffen —* lange nicht auf der Höhe, zu ber a 


überfeeifchen,. eines 'hanbels,. durch —— 
wit ein Beiſpiel. Die Provinz P. iſt weſentlich ein Aderbaulanı 
Sand ift noch lange nicht gezwingen, bem Bebauer Alles zu gewähren, mas es 
ug: — ehlt es dazu etwa am en? egs, die Pros 
zählt etwa 24 Millionen Einwohner u. nirgends möchte fo viel Arheits- 
to} in Deutſchland Ein werben, als in { * — [2 —J An 
den —— ie, der Rührigl ——— 
ein Bi e Indu Een lie a 
en fann, an ann den ——————— mit. ben, erſten iften. volens 
Liuhauens fal — dem Spiele lafjen; er — it Unnmrbenfiüher 
Zeit — leife u. nur —— , Memel u. Danzig, ) 
im Grunde mit ihm zu ſchah rovinz — begründen Ihre ro⸗ 
bufte: Weizen, Holz, Leber u. Wolle. Das Holz geht unverarbeitet in ferne 
Länder u. fommt in Geftalt fremder Schiffe unter fremder Flagge beſuchsweiſe 
in bie preußifhen Häfen zurück. Was foll fi barin ändern? Cine Politik, 
welche die Waffe der Differentialzölle gehörig gebrauchte, wüͤrde hierin allerdings 
‚ar Vieles ändern, Aber die begünftigten preußiſchen Haas haben fein 
Intereie daran; fie haben Furcht vor momentanen Verluften ; ben Augenblid allein 
im Sinne, fohreien fie für den freien Handel, ohne zu bedenfen, daß P. nur durch 
eine Beriode mannigfaher Zolfämpfe, welche mit Berluften Eingefner allerdings 
angefüllt feyn würden, dahin gelangen fönnte, ben Weg ber Freihandelspolitif 
mit wahrhaftem Bortheil einfhlagen zu bürfen. Meberhaupt ift es ober war es 
Reid, ee bo Eiferfucht ber alten u, neuen Provinzen, welche eine großartige 
Hanbels) olitit bisher verhinderten. Wir fagen, e8 war : benn der nun allerorten 
Srönende Ruf nah Deutſchlands Einigung u. Kräftigung gegen Außen wird 
uns, mit einer ſchützenden Flotte, wenigitens einen, von allem Sleinlichen fernen, 
proßartigern Handelsgeiſt einflößen, obgleich feit ber Errichtung des P. zu ver⸗ 
ankenden Zollvereins — defien Einnahme für P. betrug 1847: 19,193,216 Thlr. 
— in biefer Beziehung ſchon Manches erreicht ift. Bisher ſcheiterte das ſchoͤne 
Projeft einer rheinifchen Seerhederei an ber Eiferfucht ber preußifchen Hafenftädte 
an ber Rorb- u. Dffee. In Betreff ber geiſtigen Kultur Preußens iſt vor Allem zu 
bemerken, daß P.s Einfluß auf den Seift ber beutfchen Literatur feit einem Jahr⸗ 
hunderte ein überwiegender war u. baß in Betreff der Zahl u. ber Drganijation 
der Unterrichtöanftalten aller Art P. unter allen curopäifchen Staaten ben erften 
Rang einnimmt. Nur für den Elementar - Unterricht ift in einzelnen Landſchaften 
noch nicht gehörig geforgt. Bon ben ſechs Tandesuniverfitäten Hat erſt Fried⸗ 
rich Wilhelm li. die beiden, wiſſenſchaftlich am reichſten ausgefotteien, di Brr- 
fin (1810) u. Bonn (1818) geftiftet; zwei andere, Halle-Wittenberg u. Brei 


in 


456 Prenßen. 


Frankfurt, jene 1815, diefe 1811, find durch ihn theils durch Bereinigung, theils 
durch bie großartigſte Unterſtützung faſt wie neu begründet worben. asielbe 
muß in Bezug auf Königsberg Hinfichtlih ber Begründung vieler Inflitute, 
wie auf die Erweiterung aller Lehrmittel gerühmt werben. Rur Greifswalde er 
fuhr, bei feiner felbfiftändigen Stellung in Rüdficht feines Vermögens, wenige 
unmittelbare Unterftügung, wie dies auch bei der im Jahre 1834 erfolgten Stift 
ung ber mit diefer Univerfität verbundenen Iandwirthfchaftlichen Akademie zu EL; 
dena geſchah. Yür Fatholifche Theologen u. Schulmänner wurben bie Akademie 
zu Münfter u. das Hoflanum zu Braunsberg mit zwei Fakultäten, einer philoſo⸗ 
phifchen u. theologifchen, zeitgemäß umgeftaltet. (Münfter bemüht ſich, zu einer 
vollftändigen katholiſchen Univerfität erweitert zu werden, was in ber That, ia 
nur noch Breslau eine katholiſche Univerfität If, nothwendig wäre) Im Herbke 
1846 warb eine, mit ber bonn'ſchen MUniverfität verbundene, landwirthfchaftlice 
Lehranftalt unter der Leitung bes verdienten Defonomen Dr. Schweiter (ber ber 
Anftalt in Tharand borgeanben hatte) eröffnet. Für die Ausbildung von In⸗ 
buftriellen, Kaufleuten, Künftlern, überhaupt Solchen, welche feinem eigentlichen 
wiffenkhaftligen Berufe fih ergeben, beftehen im ganzen Staate trefflidde Real 
oder Bürgerfchulen. Lehrerfeminarien gibt ed 45. Das Inſtitut der Cadetten⸗ 
fhulen u. Lehrbataillons ift nunmehr aufgehoben worden. — Für die Heeresmacht 
find bisher, feit dem großen Kurfürften, Die finanziellen u. phyſtſchen Staatskräfte 
vorzugsweife in Anfpruch genommen worden ; der Militäretat Toftet gegenwärtig 
3 des Staatsaufwandes, nämlich 23,720,000 Thle. bei 55,081,000 Thlrn., alle 
dings noch eine übermäßige Summe, wie fie fein anderer Staat auf fein He 
wein während bes Friedens verwendet, jedoch gegen bie früheren Zuftände faR 
auf die Hälfte ermäßigt. Das gefammte Heer umfaßt im vollen Friebensetat 
(die Beurlaubung außerhalb ber Einübung u. Erercierzeit erſtreckt ſich bis auf 
u. 3 der Mannſchaften) 155,909 Mann. In P. it Jeder ein geborener 
durch die Militärverfaffung ausgebildeter Soldat, ohne Unterfchieb des Standes 
u. Ranges. Der erfte Baron u. ber Sohn feines Taglöhners fechten in be 
Schlacht neben einander. Die Vertheidigung des Baterlandes kennt keinen Rang 
in diefer Bereinigung aller Stände zu Einem Zwede, u. in bem Gemeingeifte, 
der dadurch erwedt wird, erhält das Heer eine große moraliſche Kraft. el 
würdig iſt es, allein in der Ratur der Sache volllommen begründet, daß, unge 
achtet dieſer militärifchen Richtung des Volkes, es Kein frieblicheres gibt, als das 
preußifhe, P., die Eleinfte unter ben großen Mächten, hat das 5 
ve) vierzehn Tage, nachdem der König fein Volk in ben. Krieg ruft, befinden 
ch 330,000 Mann auf dem Marfche, mit Allem verfehen, was ber Krieg erfor 
bett, u. 14 Tage fpäter folgt bie Referve, wenn es fo fein Wille if. Da: 
ftehende Heer in P. ift die Kriegsfchule und in ber Landwehr liegt ber eigen 
lihe Kern bes Heeres. Die Landwehr erfter Clafie macht noch die jährlichen 
Hebungen mit. Das zweite Aufgebot befteht größtentheild aus Soldaten, welche 
vom ftehenden Heere zum crften eiufgebet u. von biefem durch ihr Alter zum 
zweiten Aufgebot übergegangen find. Aus ber Zahl der jungen Leute zwifchen 
bem 20. u. 25. Lebensjahre werden bie zum Dienfte bes ftehenden Heeres erfor 
berlihen Mannfchaften ausgehoben, alle übrigen gehen zum zweiten Aufgebot 
(Landwehr zweiter Claſſe) über. Die Dienftzeit im Deere ift auf brei Jahre bes 
flimmt ; den jungen Leuten aus allen Ständen fleht es frei, ftatt befien als Frei⸗ 
willige auf ein Jahr, allein auf ihre Koften, in das Heer als gemeine Soldaten 
einzutreten, um ben Dienft zu lernen. Diefe geben nun nad einem Sabre zur 
Reſerve über, in welcher fie zwei Jahre verbleiben; bie anderen treten nach 3 
Dienft» (in ber Infanterie find jebt in der Regel nur 2 Dienfliahre erforderlich) 
u. 2 Refevejahren in das Aufgebot erſter Claſſe u., nach 12 jähriger Dienftzeit 
im Heere, in ber Erienereieroe u. in der Landwehr erfter Claſſe, in bie Landwehr 
zweiter Bloffe. Die für bie Cavalerie ber Landwehr nöthigen Pferde ftellen auf 
bie Dauer ber jährlidhen Mebungen die Gruntbeiger der Kreir. Mi hen rt 


7 
532 


relru⸗ 
fteßt. 
macht hievon eine Ausnahme u, vefrutirt fi aus der ganzen Monarchie): Etwa 
130,000 Mann erreichen alle Jahre das 20. Jahr u, man kann auf 208 Abs 
zang reinen — die Ausnafmen find ganz unbedeutend — bleiben 
na 100,000... Bon biefen werben jährlich nur 25 
Ne Frehvilligen, u. die übrigen ıgehen, je nach den Umftänden, 
senen Claſſen der Landwehr über. (Bülow Eummeromw, Bi feine Deefeflunge 
eine Verwaltung, fein Berhältniß zu Deutfchland, te Aufl, (in 1842, 
Infanterie befteht aus 257 Bataillonen, die Reiterei aus 256 Esfabrons, die Ars 
ällerie aus 151 Compagnien (10 Beigaben); ferner 18 Pionnier+ Eompagnien: 
Die Garde hat 20,000 Mann in 4 Ini jeregimentern —— 
Bataillonen Jäger u. Schügen zu 600 Mann, 4 —— — zu 600 
Reſervecavalerieregimenter zu 600 M., 1Artilleriebtigade u. — 
son 284 Mann u. 1 Garniſonbatailion zu 600 Ms; nterie. 87, 
in 32 Regimentern von 3 Bataillons zu 2160 M. u. 8 Rejerveregimentertt von 
2 Bataillonen zu 1440 M., 4 Jägers und Schüenbataillone zu 600 Mund 
8 Garnifonsbat. zu 600 M.; die Cavalerie 18,240 M. in 8 Regimentern Kui ⸗ 
raſſiere, 4 Regimentern Dragoner, 8 Reg. Uplanen u. 12: Reg. Hufarem Die 
Artillerie zählt 15,250 M., 108 Batterien mit'8 Gefügen. Die 9 PBionnirabtheis 
en haben 2250 M.; ferner 2500. M. Gendarmerie in 9 en u. 5000 
. Invaliben in 24 €: nien,” Der Offiziere find 5600, von benen «bie 
Mehrzahl von Adel, weil die jungen Spröflinge ber adeligen ſer fih 
ame 
ere zunächft 


* 


eife der militäriſchen Laufbahn wibnenz ein umgefe 
t im Offigiercorps der Landwehr, bas ſich fürdie Sul 
aus der Reihe ber einjährigen Freſwilligen rekeutirt. Jedes Landwehrbataillon 
ift zufammengefegt aus 4 Comp. Infanterie, 1 Eskadron Reiterei und 1 Gomp. 
Artillerie. Die höheren Offiziere der Landwehr u. die für jedes Bataillon bei 
dem Stamme ftetS verblibenden drei Offiziere werden aus bem ſtehenden Heere 
entnommen. Außer der Lebunggzeit find nur bie Stäbe u. Stammmannfchaften 
im Dienfte: preußiiches Garde > Landwehrregiment 51, preußiſches Provinzial-?.-R. 
etwa 66 Mann. Das ganze Heer ift abgetheilt in 9 Armeecorps, von denen 
eines bie Garde bilbet, weiches nur in Berlin, Potsdam u. Charlottenburg fteht, 
während die übrigen Armecorps durch die Provinzen vertheilt find. Jedes Ars 
meecorps enthält Abtheilungen von allen Waffen, zerfällt in 2 Divifionen zu 3 
Brigaden für Fußvolk, Reterei u. Landwehr. Trog diefer wirklich trefflichen 
Drganifation des Heerwefers, die aus dem November 1815 flammt, u. welche 
eine Verſchmelzung bes ftefenden Heeres mit dem Bürgerftande, eine Volksbe⸗ 
waffnung anbahnen folte, wer doch, wie fidh bei ben traurigen Creigniffen bes 
1819 März 1848 in Berlin gezeigt, ber altpreußiſche ſtarre Solbatencorpsgeift 
noch feineswege aus dem yreußiihen Heere gewichen. Neben bem ftehenden 
Heere hat fi jegt, in Folge ler jüngften Ereigniffe, eine eigentliche Volksbewaff⸗ 
nung, eine Buͤrgerwehr im genen Lande, wie überhaupt in Deutſchland gebildet. 
— 2) Verwaltung u. VBerfaffung. Der Vermaltungsorganismus ift fols 
gender: bie unterften Verwaltungsbehörbden find in ben Städten bie Magiftrate, 
auf bem Lande die Nittergutsbefger u. bie koͤnigl. Domänenbeamten und in ben 
Dörfern die Schulzen; fie verwiten die Polizei, Kirchen» u. Schulfachen u. ſ. w., 
aus eigenem Recht ober ald Dekgirte umentgeltfih, u. alle außerordentlichen Aus⸗ 
gaben treffen fie. An ber Epge eines jeden ber Kreife, in welche das ganze 
Rand getheilt ift, fleht der Kreis. Landrath. Diefer, von den Rittergutstetgern 
in_ber Regel aus ihrer Mitte gevählte u. von ber Repterung dehdhe Beomte 
beforgt bie ganze Berwaltung im Prelfe, zugleich beauffiägtigt ex ven Brtungp- 


458 Preußen. 


freis ber unterftien Berwaltungsbehörben u. bildet die erſte Rekursinſtanz. De 
Landrath muß als ein beftändiger Commiſſarius der Regierung betrachtet werben. 
So geht bie ganze Verwaltung aus ber Mitte ber Adminiftrirten felbft hervor. 
Eine Anzahl Kreife bildet ein Regierungs s Departement, an befien Spitze eine 
Regierung fteht, die in drei Abtheilungen zerfällt: in bie ber Polizei u. Gewerbe, 
ber geiftlihen u. Schulangelegenheiten u. der Domänen u. Forften. Die indirel⸗ 
ten Steuern bilden eine befondere Verwaltung, mit einem Provinzial, Direktor an 
der Spite. In den Regierungen werben alle Begenftände collegialifch behanbelt; 
bie von Speziellen Interefin von ber Abtheilung, bie. wichtigen, beſonders alle 
Prinzipienfachen, im Plenum ber ganzen Regierung. Die Regierungen bilben eine 
Rekursinftanz, von welcher wieder an das Minifterium recurrirt werben kam. 
An der Spibe der fämmtlichen Regierungen einer Provinz fteht der Oberpräfident, 
der zugleich Chefs Präfident derjenigen Regierung ift, bei welcher ex feinen Wohn: 
fiy Hat. Nach dem Willen bes vorigen Königs follte eigentlich biefe, von ihm 
roͤßtentheils gefchaffene, Berwaltung eine Gentralverwaltung feyn, allein in ben 
egierungen, als Diftriftverwaltungsbehörben, findet ſich eigentlich eine. weientlide 
Abweihung von einer Gentralverwaltung, welche flatt deſſen nur einen Praͤfekten 
oder Oberlandrath geftatten würbe. Allein ganz befonders war es bie Stellung 
der Oberpräfidenten, durch welche ber G eageber ſich eine Buͤrgſchaft fchaffen 
wollte, daß die Berwaltung eine väterliche bleibe. Sie follen bie Vermittler zwi⸗ 
ſchen der höheren, rein leitenden, u. ben verwaltenben Behörben fen; um bies aber 
volftändig zu feyn, hätte man ihnen auch eine Höhere Wirkfamfelt u. vollere Be: 
fugniß einräumen müflen. Ueber den Regierungen ftehen bie verfchiedenen Sad; 
minifterien. Ihnen fteht die höhere u. allgemeine Leitung ber Geſchaͤfte zu. In 
jedem Minifterium befinden fich wieberum ß, viele Abtheilungen, als es beſondere 
Gefchäftspartien gibt. Die Räthe der Minifterien haben bei ben Sigungen feine 
Stimme, fondern die Entſcheidung hat allein der Miniſter. Saͤmmtliche Minike 
rien bilden zufammen das Staatsminifterlum, in welchem ber nächfte Thronfolger 
Sig u. Etimme hat. In der Regel wirb ein Minifter, wie jetzt der bes Innen, 
von dem Monarchen mit bem Borfibe im Staatsminifterium betraut, Die Minis 
fterien bilden zugleich, wie bereits erwähnt, Die Recursinſtanz bei Befchwerben 
über bie Regierungen u. von biefen geht es wieder an das Cabinet bes Könige. 
Auch Hiemit ıft aber ber Inſtanzenzug noch nicht beenbe:, denn nun fteht es ben 
Bethelligten noch frei, fich die Bevorwortung ihres Rehts von ben Provinzial⸗ 
fländen — jest wohl von den Kammern — zu erbitten, bie überhaupt nur dam 
erft gewährt wird, wenn ber, welcher fie wünfjcht, ‘ale Inſtanzenzuͤge durchge⸗ 
macht Bat. Der Minifterien find bis jest, mit dem teugebildeten Handelsmini⸗ 
fterium, dreizehn, darunter war feines für ben Aderbru u. bie Gewerbe, was in 
einem Staate, bei vorzugsweife ein Aderbau treibenter, ein großer Mißftand if. 
Erfreulich if es, daß das Miniftertum Auerswalt endlich cin befonderes Mini: 
ſterium für bie Landwirthichaft gebildet hat. Auch fonft wird ber Aderbau in 
P. fehr fliefmütterlich behandelt. Zur Belebung ber Gewerbe u. bee a 
werben jährlich wenigftens eine halbe Million Thale verwendet; zur Unterflüg 
bes Aderbaues dagegen find für bie ganze Mmardie von mehr ale 
[I] Meilen 5000 Thaler ausgefegt, was auf die [J Meile faum Einen 
Thaler macht! Diejenigen Defonomen, bie auslindiſches Vieh kommen lafien, 
um die Biehracen im Lande zu verbeſſern, miflen noch einen bedeutenden 
Einfuhrzoll bezahlen, ftatt daß ihnen eine Praͤme gebuͤhrte. — Hoͤchſt unzwed⸗ 
maͤ das Durcheinanderwerfen ber veyiſhiedenen Verwaltungszweige; 
So gehört das Miniſterium ber geiſtlichen, Unekrrichts⸗ u. Medizinalangelegen⸗ 
heiten zuſammen, während letzteres offenbar den Miniſterium bes Innern und 
der Polizei zugeteilt feyn ſollte. Handel u. Gewerbe, welche jegt ein eigenes 
Minifterium bilden, waren, nebft dem Chauffees 1. Bergwefen, bisher dem Finanz⸗ 
minifterium beigelegt, wohl um die Steuerverwaltung gleichſam dafür zu ent- 
ſchaͤbigen, baß ihr bie vwoefentlichften Zweige eired® Tinonyelnikeruums qeiwamen 


— 


Preußen. 459 


find, denn die fo wichtige Partie der Geld+ Inftitute — die der. nd 
ee ee 
foftem er un wo feine 
ſteht, bie ſich in ber Meberficht des Ganzen befinbet u. wo der ſogenannte 
minifter Ber een als ber — — iſt. Die Poſtver 
einem en Die —— eines eigenen in 
ber Arb⸗ im Bee Der Schematismus — rg 
jender: 1) Der Staatsrath. 2) Das 
D das ſtatiſtiſche Bureau; IM die Archive, mine d — geheim 
u. Eabinetsarhiv u. 7 Provinzialarbive; IM) die Ober⸗ Craminationeen 
für ben ag der Regierungen. 3) Das Minifterium der geifllichen, 
Unterrichts: u. Mebdizinal-Angelegendeiten, zit deſſen Neffort die Akademien, x 
— — N Bereite, wiſſenſchaftlichen ee 
en gehören. 4), Das Minifterium des fönigl. es und ber fönigl, 
Zu deſſen Reſſort die Kom» Fibei iBcafje, ber 4 
die —— Forſtlehranſtalt zu Neuſtadt » Eberswalde, wa Die Ze 
= gehört bie Verwaltung des Staatsſchatzes u, der Münsen. 
J deſſen Reſſort gehören a) das geheime erg » ‚ber 
Bene Reviſions⸗ F Cafjatiunshofz e) Die ee un Eraminationde 
commiffion. 7) Das Minifterium des Innern u) der Polizei, mit en Abtheilungen 
für das Innere, für die — —— = ne ol für die lands 
wirthſchafilichen en dan noch mit sbureau für ‚alle 
Abtheilungen. 8) Minifterium der Einamen — den — für 
safe * Be er bie —— der Steuern, für Gewerbe 
Berg: * — Gülle Salinenweſen ; dazu noch die ——— u. 
waflliche 9) Das Minifterium des Handels: u. ber 
55 beten. 10) Das Minifterium. des Kriegs, welches zerfällt in 
Allgemeines Kriegsbepartement; h) Dilitär-Defonomie- Departement. 11), Das 
Deomrinnent der Haupt» und Landgeftüte. 12) Das Generalpoftamt. 13) Die 
Hauptverwaltung der Staatsfhulden. a) Staatsfhulden-Tilgungscaffe; b) Eon: 
trole der Staatspapiere; c) Immebiat-Commiffton zur Vernichtung der dazu bes 
ftimmten Etaatspapiere. 14) Die Seehandlung. 15) Die Hauptbank in Berlin, 
von welcher fieben Banfcomptoire in ben Provinzen reffortiren. 16) Das Königl. 
Erebit-Infitut für Schleſien. 17) Das große Militär-Waifenhaus zu Potsdam. 
18) Die Ober-Rehnungsfammer. 19) Zu biefen Behörden kommt nun noch das 
neu gegründete Minifterum für die Landwirtäfpaft. — Finanzverwaltung. 
Die jepige Staatseinnahme — im Budget von 1841 if fie zu 55,867,000 Thlr. 
angegeben — beläuft ſich minbeftens auf 70 bis 75 Dit. Thir. Brutto. Trotz 
einer fo großen Zunahme der Staatseinnahmen, bie Folge eines langen Friedens, 
günftiger Eonjunftionen u. ber fo rafch zunehmenden Feväit ölferung, finb wenig 
günftige Refultate im Staatshaushalte erreicht worden, was wohl zunächft feinen 
Grund in ber Zerfpaltung ber Finanzverwaltung und dem hiedurch nothwendig 
herbeigeführten Mangel eines Finanzſyſtems hat. — Den 17. Januar 1820 er- 
ſchien ein Gefeg, in welchem die Höhe ber Staatöfhulden angegeben u. für ges 
ſchloſſen erklärt wurde, und ber Monarch fich felbft bie Verpflichtung auflegte, 
feine neuen Schulden zu contrahiren. Das Gefep vom 29. November 1822 und 
bie Berichte der Hauptverwaltung ber —e— vom Jahre 1833 u. 1841 
ergaͤnzen die in jenen enthaltenen Angaben. Nach jenem Geſetze vom Jahre 1820 
war bie Staatsſchuld, mit Einfluß von 11,242,347 Thlr. unverzinslicher Schulden, 
auf bie Höhe von 191,343,067 Tfle. feftgefegt und buch das Gefek von 1820 
find die ftänbifchen Staatsfhulden hinzugefommen mit 25,914,694 Thlt. Nach 
den fpäteren Berichten ift ſolche durch Ausgleihung ber höhern Valuta bis zu 
217,975,515 Thlr. erhöht. Auf biefe Summe find abbezahlt 62,777,912 Tätr., 
bleibt 155,197,604 Thlr. Laut Bericht der Staatsicyulden: Vermolbung Kt in 
Dem Zeitraum vom 1. Jan. 1820 bi6 31. Dezbr. 183% abberaekk DIEBE. 


460 Preußen. 


und laut Mittheilung derſelben Behörde an die Provinzialſtaͤnde vom 1. Januar 
1833 bis 31. Dezember 1840 19,801,184 Täler. Zufammen: 62,777,912 Thlr. 
Die Fonds zu diefen Abzahlungen find genauen a) aus dem Berfaufe ber Do; 
mainen von 1820 bis 1833 23,818,475 Thle.; b) aus dem Verkaufe ber 
Domainen von 1833 bis 1840 11,860,478 Ihlr. Da die für verkaufte Dos 
mainen eingelösten Staatsfchulden nur die Ausgleihung zwifchen Aktiv- und 
Baffiv-Bermögen bilden, fo hat fich erfteres dadurch cher verfchlechtert, al6 vers 
befiert, und dieſe Summe muß daher, wenn von einer wirklichen Berbefierung 
der SchuldensBerhältniffe des Staates die Rebe ift, von der übrigen Summe ab 
Beton werden. Es bleiben daher 27,098,959 Thlr. Aus den Staatseinnahmmn 


= nn... 


nd dazu verwendet von 1820 bi8 1840 23,331,374 Thlr.; der Ref bie u 
Ausgleichung jener Summe wurbe durch ben niebrigen Cours der Staatspapiere 


bei Einlöfung berfelben gewonnen. Um biefe 27,098,959 Thlr. ift nun bie Staats 
ſchuld vermindert; allein es find dagegen wieber neue Schulden dazu gekommen 
durch die Prämienanleihe ıc. 27,849,902 Thlr., fo daß bie Staatsſchuld ſich ver 
mehrt Hat um 750,943 Thlr. Durch den Berfauf der Domainen Hat bas 
Aktiv s Bermögen des Staates eine umerfreuliche Beränderung erlitten. Seit 20 
Jahren hat die Abgabenlaft, welche das Land zu zahlen hat, um etwa 7% Mill. Thlr. 
zugenommen. “Der Hauptgrund der fo großen Vermehrung der Revenüen eg 
entfhieden in dem zunehmenden Verkehr, bem daraus entipringenden Wohlſtande 
u. dem in befien Kolge ftärfern Verbrauche; inzwiſchen iſt e8 auch nicht zu läug: 
nen, daß Preußen bisher, flatt einer Verringerung ber Steuern, eine Berme 
erfahren hat, die theild aus ber Deutung ber Steuergefege u. ber ſchar fen In 
wendung berfelben entfprungen ift, theils aus ber bireften Erhöhung ber Stenern 
jelbft, wie e8 bei ber Branntweinfteuer und ber im Jahre 1824 erfolgten Stei⸗ 
erung bed Briefporto’8 der Kal if. Durch letztere allein Hat ſich die Einnahme 
es Staats um 60,000 Thlr. vermehrt, obgleich von dieſer Berwaltungspartie 
fehr große Summen zu allgemeinen Zweden verwendet werden. Die Staatsein⸗ 
nahme zerfällt in folgende Titel: a) aus ben Domainen u. Forften; b) Berg 
werke; c) Poſt; d) Lotterie; e) Grundſteuer; f) Glafienfteuer; g) Gewerbſteuer; 
h) Eingangöfteuer; i) Branntwein = u. Braumalsfteuer; Ik) Wein» u. Tabafftarr: 
1) Stempel; m) Mahl: u. Schlacht-Accife; n) Elb⸗ ⁊c. Schifffahrtsabgaben; 0) 
Hafens, Kanals ıc. Geld; p) Einnahme aus den Ausgangs⸗ u. Durhgangegdli 
ben Brüdengelbern; q) aus bem Salzregal; r) aus verſchiedenen Titeln (dieſe 
zufammengenommen brachten im Sabre 1841 die Summe von 61,092,966 Thlr.). 
Die Gerichtsfporteln bilden eine fehr bebeutende indirefte Steuer. Sie find zur 
theilweifen Dedung der Rechtspflege beftimmt, welche 1841 aus den Staatscafim 
einen Zuſchuß von 2,219,000 Thlr, erhielt. In dem Theile ber Monarchie, wo 
Das preußifche Landrecht eingeführt tft, belaufen fich bie jährlichen Sporteln gegen: 
wärtig wahrfcheinlih auf mehr als A Mill. Thlr.; mithin würde, bieß voraus: 
geledt, bie Verwaltung ber Rechtöpflege allein in ben öftlichen Provinzen, wo das 
andredit gilt, etwa 6,219,000 Thlr. betragen; dazu kommen bie Koften ber 
ſaͤmmtlichen Privatgerichte, unter deren Jurisdiction fich 3 Mil. Einw. befinden, 
ferner die Mandatarien-Gebühren mit gewiß 24 Mill. Thlr., die Gebühren ber 
Executoren, Sequeftratoren u. |. w. — Bei den Ausgaben nahmen, im 1. Bubget 
von 1822, die auf die Kronfideicommiß : Domainen angerwiefenen Etats für den 
Hofhalt, Apanagen u. bie dazu gehbrenben Snftitute u. Gebäude 2,500,000 Thlr. 
(31; der gefammten Ausgaben), die Berzinfung ber Schulden und ber Tilgungs⸗ 
fonds 11,303,750 Thlr. (faſt der Ausgaben), das Kriegsminiſterium 22,804,3 lr. 
(gegen 3), das Miniſterium des Innern u. der Polizei mit Einſchluß der Regierungen, 
onſiſtorien u. Medizinal⸗Collegen 4,800,300 Thlr. (etwas über ), das Minifterium 
ber geiſtlichen, Unterrichts⸗ u. Mebizinalangelegenheiten 2 Mill. (über „,), das Minis 
ſterium ber Juſtiz, mit Ausnahme der Gerichtsfporteln 1,720,000 Thlr. (über „,), 
das Miniftertum für Handel und Gewerbe, nebtt der Erhaltung her Runfiftraßen 
und Kanäle, 1,574,000 Täler. (215), dad Minitterium ver —RBX 


x Bralrneds 


Prenßen. 457 


gelegten 39. Lebensjahre gehen die Soldaten bes zweiten Aufgebots zum Land» 
rm über u. bleiben in bemfelben bis zum 50. Sahre; dann erſt find fie von 
jedem Kriegsbienfte entbunden. Die ganze Organiſation ift übripene auf bie 
Bertheidigung gerichtet. - Da das preußtfche Heer ein Rationaleer ift, fo rekru⸗ 
tiet ſich jedes Armeecorps aus ber Provinz, in welcher es fleht. (Die Garbe 
macht hievon eine Ausnahme u. refrutirt fih aus ber ganzen Monarchie.) Etwa 
130,000 Mann erreichen alle Jahre das 20. Jahr u. man kann auf 20 $ Ab» 
gang reinen — bie Ausnahmen find ganz unbedeutend — bleiben bienftfähig 
etwa 100,000. Bon biegen werben jährlich nur 25 bis 30,000 ausgehoben, ohne 
bie Freiwilligen, u. die übrigen gehen, je nach ben Umftänben, zu ben verfchies 
benen Glafien ber Landwehr über. (Bülow⸗Cummerow, B., feine Berfafiung, 
feine Berwaltung, fein Berhältniß zu Deutfchland, 3te Aufl., Berlin 1842.) Die 
Infanterie befteht aus 257 Bataillonen, bie Neiterei aus 256 Eskadrons, bie Ars 
tillerie aus 151 Compagnien (10 Brigaben) ; ferner 18 Piomnier⸗Compagnien. 
Die Garde Hat 20,000 Mann in A Infanterieregimenten zu 1440 Mann, 2 
Bataillonen Jäger u. Schühen zu 600 Mann, A Eavalerieregimenter zu 600 M., 
2 Refervecavalerieregimenter zu 600 M., 1 Artilleriebrigade u. Pionntrabtheilun 
von 284 Mann u. 1 Garnifonbataillon zu 600 M.; die Infanterie 87,840 M. 
in 32 Regimentern von 3 Bataillons zu 2160 M. u. 8 Referveregimentern von 
2 Bataillonen zu 1440 M., 4 Jäger: und Schügenbataillone zu 600 M. und 
8 Barnifonsbat. zu 600 M.; bie Cavalerie 18,240 M. in 8 Regimentern Kui⸗ 
raffiere, 4 Regimentern Dragoner, 8 Reg. Uhlanen u. 12 Reg. Hufaren. Die 
Artillerie zählt 15,250 M., 108 Batterien mit 8 Geſchuͤtzen. Die 9 Pionnirabthei⸗ 
Iungen haben 2250 M.; ferner 2500 M. Gendarmerie in 9 Brigaden u. 5000 
M, Invaliden in 24 Eompagnien. Der Offiziere find 5600, von benen bie 
Mehrzahl von Adel, weil die —* Sproͤßlinge ber adeligen Häufer ſich noch 
vorzugsweiſe ber militaͤriſchen Laufbahn mwibmen; ein umgekehrtes Verhaͤltniß 
herrſcht im Offigiercorgs ber Landwehr, das ſich für die Subalternoffiziere zunaͤchſt 
aus ber Reihe der einjährigen Freiwilligen refrutirt. Jedes Landwehrbataillon 
iſt zufammengefeht aus 4 Comp. Infanterie, 1 Eskadron Reiterei und 1 Comp. 
Artillerie. Die höheren Dffisiere ber Landwehr u. bie für jedes Bataillon bei 
dem Stamme ſtets verblibenden drei Offiziere werden aus dem ftehenden Heere 
entnommen. Außer ber Nebungszeit find nur bie Stäbe u. Stammmannfcaften 
im Dienfte: preußifches Garde» Landwehrregiment 51, preußifches Provinzials?.-R. 
etwa 66 Mann. Das ganze Heer ift abgetheilt in 9 Armeecorpe, von benen 
eines die Garde bildet, weches nur in Berlin, Botsdbam u. Charlottenburg fteht, 
mäßrend die übrigen Armecorps durch die Provinzen vertheilt find. Jedes Ars 
meecorps enthält Abtheilingn von allen Waffen, zerfällt in 2 Divifionen zu 3 
Brigaden für Fußvolk, Reterei u. Landwehr. Trotz biefer wirklich trefflichen 
Drganifation bes Heerweſeis, die aus dem November 1815 flammt, u. welche 
ine Berfchmelzung des fleienden Heeres mit dem Bürgerftande, eine Volksbe⸗ 
eh anbahnen follte, wer doch, wie fich bei den traurigen Ereigniſſen bes 
18/19 März 1848 in Berlin gezeigt, der altpreußifche ftarre Soldatencorpögeift 
noch keineswegs uud dem weußilihen eere gewichen. Reben bem fichenben 
Heere Hat fich jet, in Folge ter jüngften Ereigniffe, eine eigentliche Volksbewaff⸗ 
mung, eine Buͤrgerwehr im genen Lande, wie überhaupt in Deutfchland gebildet. 
— 2) Verwaltung u. Berfaffung Der Berwaltungsorganismus ift fols 
gender: bie unterften Berwaltungsbehörben find in den Städten bie Magiftrate, 
auf dem Lande die Rittergutsbefger u. bie königl. Domänenbeamten und in den 
Dörfern die Schulzen; fie verwdten bie Polizei, Kirchen- u. Schulfachen u. f. w., 
aus eigenem Recht ober als Dekgirte unentgeltlich, u. alle außerorbentlichen Aus⸗ 
aben treffen fie An ber Epbe eines jeden ber Kreife, in welche das ganze 
dan getheilt ift, ſteht der Kreis Landrath. Diefer, von ben Rittergutsbeflkern 
in der Negel aus ihrer Mitte genählte u. von ber Regierung beftätigte Beamte 
beforgt die ganze Verwaltung im Rreife, zugleich beauffichtigt er ben Wirkunge- 


462 Preußen. 


Nothwendigkeit aufmerkſam, bie ſtaatlichen Einrichtungen P.s mit ben Anforder⸗ 
ungen der Neuzeit in Einklang zu ſezen. Aus allen Preußen, mit Wegr 

aller beſtehenden Standesunterſchiede, Ein Volk zu machen, jeden Stand zu refor: 
miren, ihn dadurch mit den übrigen zu verfchmelgen u. den Thron auf das freie 
Zufammenwirfen felbibewußter Bürger zu begründen: das war ber großartige 
lan, ben man bamals verfolgte.” Mit dem Martinitage 1810 Hört alle Guts⸗ 
unterthänigfeit in P. auf“, Heißt es im Edikte vom 9. Oftober 1807. „Rad 
biefem Tage gibt ed nur freie Leute. Die Stäbteorbnung vom 19. November 
1808, verbunden mit dem Geſetze vom 2. Rovember 1810, führte in ben Stäbten 
in Adnlicher Weife aus, was jenes Edift auf bem Lande gethan Hatte. “Die Cor: 
porationen verfchwanden, der Zunftzwang hoͤrte auf, jeder Thaͤtigkeit wurde freie 
Bewegung innerhalb ihres Wirkungsfceifes zugeſichert. Diefe Städteorbnung 


enthielt alle Grundzüge jener allgemeinen Rationalvertretung, von ber Stein in : 
feinem berüßmten Runbfchreiben vom 24. Rovember 1808 fagt, daB von ihrer 


Einführung Wohl u. Wehe des Staats abhänge, da auf biefem Wege allein ber 
Rationalgeift poſitiv erwedt u. belebt werben fünne. Der Grundſatz Stein’s: 
„Jeder active Staatsbürger, er befite hundert Hufen oder eine, er treibe Land⸗ 
wirthichaft, Fabrifation oder Hanbel, er habe ein bürgerliche Gewerbe, ober er 
ſei durch geiftige Bande an ben Staat gefnüpft, habe ein Recht zur Repraͤſen⸗ 
tatton*, kam bier zur Ausführung. Alle Grundzüge einer conflitutionellen Staate- 
verfaffung,, Bertretung der Bürger durch freigewäßlte Abgeordnete, Theilnahme 
diefer Abgeordneten an ber Gefepgebung, Bewilligung ber Abgaben durch dleſel⸗ 
ben, das Recht ber Befichwerbeführung u. der Anlagen, Berantwortlichkeit ber 
Staatsbeamten, Aufſtellung eines Budgets u. f. w. Anden wir in ber Etädte 
ordnung vom 19. November 1808 wieder. Indem der Staat bie Juſtiz u. in 
größeren Städten auch die Polizei felbft übernahm, konnte er bie fäbtifchen Ge⸗ 
nofienfchaften an allen Wohlthaten einer geordneten Rechtöpflege Theil nehmen 
lafien. Ein weiterer Bortbeil ward dadurch erzielt, daB man bie ftädtifche Ver⸗ 
waltung von dem Staatshaushalte, in dem fle früher zum Theil enthalten gewe⸗ 
fen war, folgerichtig ſchied, dadurch den Gefchäftsgang weientlich erleichterte, bie 
verfchiebenen Controlen aufbob u. fomit an Geld u. Arbeitskräften wefentlide 
Erfparungen machte; endlich fielen auch bie bisherigen Zufchüfle aus den landes⸗ 
herrlichen Caſſen weg. Nach dem Frieden trat in der Gefebgebung, was Ge 
meindeangelegenheiten betrifft, ein langer Stilftand ein. Es war früher Plan 
gewefen, auf die Etädteordnung eine Ordnung für die Landgemeinden nachfolgen 
zu laflen u. Kreisverbände mit einer repräfentativen Verfaſſung einzuführen. De 
Plan fcheiterte, wohl vorläufig am Widerftande ber PBatrimonialgerichtsherren, 
beren Gerichtsbarkeit aber, als mit freier Landesverfafiung unvereinbar — wit 
ſolche auch der ehemalige Staatsminifter von Schön, ber, felbft Gerichtsherr, 
offen al8 wider ben Geiſt ber Zeit bezeichnete — jest ihr Ende erreicht hat. Das 
gegen wurde am 17. Mär; 1831, nad borgängiger Beratung mit den Provin⸗ 
zialftänden, eine vevidirte Etädteorbnung für die preußiſche Monarchie befannt 
gemacht. Diele follte da, wo die alte Stäbteorbnung efegliche Kraft Hatte, nur 
auf befonderes Verlangen der betreffenden Provinzialftände oder Landgemeinden ein 
geführt werben. Diefe revidirte Ordnung unterfcheidet ſich von der alten namentlich 
darin, baß fie bei der Wählbarkeit der Stadtverorbneten u. der Magiſtratsmit⸗ 
glieder einen Eenfus einführt u. dem Magiftrate eine doppelte Cigenichaft, als 
ftäbtifche u. al8 Staatsbehörbe, beilegt und in lehter Beziehung ben betreffenden 
Staatöbehörben gänzlich unterordnet; auch kann der Staat die Stabtverorbneten: 
Berfammlungen auflöfen u. einzelne Stabtverorbnete auf immer oder für gewifle 
Zeit zur Wahl unfähig machen. Die fortbauernde Pflichtvernachlaͤßigung und 
Unordnung, ja, ber Staat behält, ſich das Recht vor, in gewiſſen Fällen Der 
betreffenden Stadt bie verlichene Berfafiung wieder zu entziehen. Grundzüge 
beider Etäbteorbnungen find folgende: Außer der Stäbteorbnung erhält je 


Etadbt ein Statut, in dem die durch Lotalverkälinie beiinaken «rahmuenien 


| [ 





Preußen, 


eſede ausgeſprochen werben. "Bürger iſt Jeder, welcher das 
u an ben — Geſchaͤften der Stadtgemeinde bei ven ah 
hmen. Das Bürgerrecht ertheilt ber Magiftrat, nach v 
mw Stabtverorbneten, u. = beffen Erlangung iſt Jeder befähigt, 
BE a ch man da 
t fomohl bur« n e al 
[8 wie durch einzelne Handlungen, ober eine Lebensweife, die öffentliche Ver- 
tung —— Außer den Bürgern gibt es noch Schutzverwandte, 
te ihren Wohnſitz im Stadtbejitke Haben, an. den Wahlen nicht Theil 
ven, ‚alle Gemeindelaften aber mittragen und, gleich, den Bürgern, - ftäbtife 
drumdftüde erwerben und aud Gewerbe treiben; bürfen, Die Obrigfeit ber 
Jemeinde if der: Magiftrat ; bie Stellvertretung in: ben, Händen ber 
uf drei Jahre gi len Stabtverordneten, ‚Deren Wahl geſchieht in Heinen 
Stäbten durch eine Berfammlung aller Bürger, in größeren ‚nah Bezirken, in 
Stäbten, wo bie verſchiedenartigen —— Nr Gnwohner dieß raͤthlich machen, 
ach ——— ber Beſchaͤftigung oder Lebensweife der Bürger. Aus: 
ahmsweiſe fönnen ——— 3 ihlt werden, die das erforderliche, Vermoͤgen 
icht beſihen, nachdem fie durch Beſchiug des Magiftrats und der Stadtverord- 
eten für wahlfähig erklaͤtt find. Die Stadtverordnetenverſammlung, die ihre Ber 
Blase Stimmenmehrheit faßt, kann nur auf ordnun en Beruf ihres 
ers oder deſſen Stellvertreters, bie fie aus ihrer auf ‚ein Jahr. ers 
Yäplt , zufammentreten. Sie ift_ ber Gemeinde für. ben Inhalt 
ur bann verantwortlich, wenn fle in unreblicher Abficht "verfahren ‚Haben, - Der 
Ragiftrat, der zugleich Verwalter der Gemeindeangelegenheiten und Dr; 
Staatsgewalt ih bildet ein Collegium und beſteht aus einem, Bürgı er und 
us 3 oͤder mehren, theils befoldeten , thells unbefolbeten Magiftratsmitgliebern, 
Me werben von ben Stabtverorbueten gewählt, ber Bürgermeifter und bie beſol⸗ 
eten Räthe auf 12, die unbefoldeten auf.6. Jahre, unter Beftätigung ber Re— 
ierung. Der Magiftrat iſt die einzige ausführende Behörde der Stadt u, führt 
ie gejammte Verwaltung berfelben; ald Organ ber Stautsgewalt überwacht er 
ie Beobachtung der Kandesgejege und führt die ihm von den Gtaatsbehörben 
ir den Umkreis ber Stadt zu Theil werdenden Aufträge aus. Der Bürgers 
teifter ift befugt, ihm als gefegwidrig oder gemeinihädlich erſcheinende Beſchlüſſe 
es Magiftrats auf feine Verantwortlichkeit zu fuspendiren, muß jedoch fofort 
arüber an die Regierung berichten. Der Magiftrat Hat blos ein Gutachten der 
Stabtverordneten, woran er jedoch nicht gebunden ift, einzuholen bei allen Ange 
‚genheiten, wo es fi um Grfüllung von Pflichten gegen den Staat, gegen In— 
itute und gegen Privatperfonen handelt, bei der Anlage ober Unterhaltung von 
Yolizeianftalten oder Armeninftituten, in Angelegenbeiten der Kirchen, Schulen, 
Ztiftungen u. f. w. An die Entſcheidung ber Stadtverorordneten if er gebun- 
em bei der Feftfegung des Haushaltsetats, bei Verfügungen über Gemeindebefitz⸗ 
jum u. über Gerechtſame der Stadt, bei außerorbentlihen Gelbbewilligungen 
dgl. Die Genehmigung der Stantsbehörbe ift erforderlich bei Veräußerung von 
xrundſtuͤcken, Anleihen, Gemeinheitstheilungen, Verkauf von wiffenfhaftlichen u. 
"unffammlungen, Archiven, Einführung von Gemelndeauflagen u. dgl. Bor 
em Anfange des Jahres muß ein Haushaltsetat fefgefeßt werden. Die in die 
5tadtcaffe fließenden Einfünfte dürfen nur zur Dedung bes öffentlichen Stabt- 
ebürfniffes verwendet werden. Die Stabtverorbneten controliren bie Verwaltung 
nd müfjen daher fich in Heberficht des Haushalts durch Einfehung der Rechnungen, 
iften u. ſ. w. erhalten, wobei fie eventualiter bei ber Regierung um Unterfuchun, 
egen ben Magiftrat antragen Fönnen. Die Regierung, als flaatlihe Oberauf- 
chtsbehoͤrde, controlirt bie Beobachtung ber Gelege, bie orbnungsmäßige Führun; 
er Verwaltung, unterfucht u. entfcheibet die Beſchwerden inzelner in Beh 
er ihnen als Gemeindemitglieder zufiehenden Rechte. In allen Bementeange- 
genbeiten {ft bie Regierung erfte, die höhere Staatsbehorde zacie Rerursutung, 


464 Preußen. 


Heber allgemeine Dertaltumgegrumbfäge u. deren Anwendung gebührt feboch bem 
Richter Tein Ausſpruch. ach ber revibirten Stäbteorbnung Haben bie Befiger 


mittelbarer Städte des Recht, Bürgermeifter u. Magiftrat zu beflätigen, bie 


flädtiiche Polizei zu verwalten, in den wichtigften Fällen mit ihrem Gutachten vers 
nommen zu werben. Die Deffentlichkeit der Stabtverorbnetenverfammlungen und 
Magiftratsfigungen ift nunmehr su ben. Für die Rheinprovinz, bie feit ihrer 
Cinverleibung in bas franzöflfche Reich der dortigen Geſezgebung u. einer von 
felber gegebenen, Nichts weniger als felbftftändigen, Semeindeverfafiung gefolgt war, 
ward am 23. Juli 1845 eine befondere Gemeindeordnung geaden. Deu erfim 
Provinziallandtage warb ber Entwurf einer Städtes und &emeindeorbnung vor 
elegt und von demfelben, nach flüchtiger Berathung, angenommen, Man beab⸗ 
chtigte aber nach dem „anbtageab Wiebe vom 13. Si 827 eine Trennung in 
Stadt» und Landgemeinden und bies fand entichiebenen Widerſpruch. Man berief 
1831 die Abgeordneten ber Städte und ließ ihnen bie Wahl zwiſchen ber altın 
und revidirten Städteorbnung. Beide wurden verworfen, „weil fie dem Begriffe, 
ben ber Rheinländer mit Staatsbürgertfum verfnüpfe, durch bie von Ihnen aufs 
geftellte Unterfcheidung zwifchen Stabtbürgern, Schugverwandten und Lanbbe 
wohnern nicht entfprächen.“ Es trat dabei bie merfwürdige Erfcheinung ein, daß 
bie Regierung, um in den Bemeindeangelegenheiten Gleichheit der Geſetzgebung 
zu erzielen, der Bevölkerung ausgedehnte Rechte antrug und baß biefe, um ben 
Grundſatz der Gleichheit aller Staatsbürger aufrecht zu erhalten, Diefe Rechte zuruückwies. 
Die Verhandlungen wurden wiederholt aufgenommen, zuerft 1842 bei Gelegenheit 
der Verſammlung ber Ausfchüflfe (der Provinzialftände, zur Anbahnung ber als 
emeinen fändifchen Vertretung) in Berlin; die rheinifchen Mitglieder verwarfen 
och abermals ben ihnen vorgelegten Entwurf, weil ben Anträgen bes rheiniſchen 
Landtags fo gut wie gar feine Berüdfichtigung geſchenkt worden ſei. Beim Lands 
tage von 1843 kam man indefien über bie weientlichften Seimmungen der gegen⸗ 
wärtigen Gemeindeorbnung überein, ohne daß übrigens ein eigentliches 
fländniß erzielt wurde. Der Landtag beanfprudhte Mitwirkung bes Gemeinde 
raths auch bei denjenigen Angelegenbeiten ‚ welche Pflichten gegen ben Gtast 
betreffen, u. wollte eine in pung des Staats in die Gemeinbeangelegenheiten 
nur dann geftatten, wenn zwifchen dem Bürgermeifter u. dem Gemeinberathe ein 
Conflickt entſtehe. Gegen eine Abfonderung von Dorf u, Stadt ſprach man fid 
wieder auf das Entfchiebenfte aus. Fu gleicher Zeit war man iInconfequent ges 
nug, von dem Grundiate der Gleichheit darin abzumweichen, daB man keineswegs 
alle Staatsbürger zur Ausübung des Wahlrechts zulafien wollte “Der Lanbiag 
verwarf nämlidy den Borfchlag, den Benfus, außer nad) der Grund⸗ und Claſſen⸗ 
fieuer, auch nach ber Gewerbfteuer zu normiren, wodurch viele minder begüterte 
Gewerbtreibenbe auagefehloffen wurden. So erſchien das Geſetz, beffen wefentlichfe 
Beftimmungen find: Die Orbnung iſt eine gemeinfgaftihe für Stadt und Land. 
Wollen einzelne Stäbte bem Beifpiele von Weplar folgen u. Verleihung ber revi⸗ 
dirten Stäbteordnung verlangen, fo follen fie dieſe mit ben fonft üblichen, fich als 
notäwenbig ergebenden, ftatutarifchen Anordnungen erhalten. Die Gefammtige 
meinden find ald Communalverband mit den Rechten einer Gemeinde beibehalten; 
es kann jebodh, wenn 3 ber Gemeindemitglieder darauf antragen, auch eine Abs 
fonderung ftattfinden; der Oberpräftdent entfcheibet Hierüber unter Berich an 
bie Regierung. Befondere Statuten u. Dorforbnungen fönnen, wo ng, ea 
werden. Erimirt von der Gemeinbeverorbnung find die Stanbesherrn, Die ſervis⸗ 
berechtigten Militärperfonen, bie penftonirten Offiziere und Militärbeamten, bie 
Schullehrer u. Geiftlichen, die Eivilbeamten, aber nicht bie Rittergutöbefiger (vie 
in den alten Provinzen). Die Teilnahme an den Wahlen ftcht blos ben M 
beerbten zu u. denjenigen, welchen bas Bürgerrecht befonbers verliehen if. M 
beerbte find 1) In den auf dem Landtage unter dem Staate ber Stäbte vertre⸗ 
tenen Gemeinden, a) in den mahl⸗ und fchlachtfieuerpflichtigen Gemeinden alle 
Bürger, die aus ihrem Gewerbe, Bermögen u. bgl. ein reines Einfommen von 


Preufen. 465 


0.bi6,600 D fiehen;.b) in ben. Ela tigen. Stäbten Ale, bi 
tweder einen KR ar von 2 Ra ag oder cu Sf 


m 
— 
— 
— 
5 
€ 
* 
5 
& 
z 
3 
ei 
5 


bien. 
ve. ein Dritttheil der Gemeinberäthe (Stabtverorbneten, ohne Unterſchied der 
ſion) wählt aus irgend einer ‚ber Je nach ber Größe der Orte beträgt 
& Anzahl. ber — ee 1.30, Es gibt deren, Die kraft eigenen 
echtes eintreten, nämlich (aͤhnlich den Rittergutsbefigern in ben nicht unter dem 
tanbe ber Städte vertretenen. Gemeinden) bie. in dem Gemeindebezirk wohnenben 
rundeigenthuͤmer, bie von ihrem in. dem Gemeindebezirfe liegenden Grundeigen- 
um 50 Thaler, an. Hauptgrundftenern zahlen. . Die Gemeinderäthe werden vom 
ürgermeifter ufammenberufen, u,.ee muß biefes, wenn ber vierte ni Berufung 
tlangt, Der Landrat Tann ben Beſchluß des Gem, ergänzen ‚; wenn 
jelbe nach zweimaliger Berufung zur. Berathung. eines u, beffelben Gegenſtandes 
t vollzäplig erfhienen iſt. Den ‚Bürgermeifter wählt in Städten von, über 
1,000: Einwohnern. ber Koͤnig, in Heineven Ortſchaften, nach vorgängl; 
des Landraths, die Regierung (1). Steigen wir won ber Gemeinbever- 
fing eine Stufe höher, fo sepegnen wir den Kreisftänden,. welche aus ben 
-gutsbefigern u. ben: Deputieten ber Städte u. des Bauernftandes- beftehen. 
uf.ben Kreiötagen erſcheinen die Rittergutsbefiger-in Perfon. Zu ben Ev: 
Provinzial» Landtagen wählen fie einen —— aus. Ihrer Mitte, jo 
äblen. die Bürger ii Stabt zu bem Kreidverfammlungen- einem Abgeordne⸗ 
n._ Behufs ber Wahl zu den Gommunials and Provinzial: Landtagen treten 
€ ten mehrer Heinen Stäbte: zufammen und wählen aus ihrer, Mitte ben 
Bar jen. Die großen Etäbterhaben seine Biril-Stimme, Die Heinen Grund« 
len in ihren Dörfern. je einen Deputirten, welcher mit den Deputirten 
iberer Dörfer zufammen einen Vertreter zu ben Sreistagen enennt; dieſe vers 
nigen fih nun wieder mit den Vertretern anderer Kreiſe, um den Landtagsab- 
rordneten zu beftellen. Der Londrath präfidirt in ber Reicheverfanunlung. In 
llen Communalangelegenheiten des Kreiſes haben bie drei Stände Beſchlußfaͤhig⸗ 
it, jedoch if zum Echuge der einzelnen Etände bei getheiltem Interefie die itio 
ı partes zuläfiig, wo bann in fol) feltenen Fällen die Landesregierung entfcheis 
et. Der Eommunallandtag verfammelt ſich jährlich in der Hauprftabt der ‘Pros 
ing; er ift befchluffähig und ein Ausſchuß leitet Die Geſchaͤfte zwiſchen dem jährs 
hen Eipungen. Auch hier controlirt u. beftätigt die Regierung, ober weist zus 
üd. — Das föniglice Defret vom 22. Mai 1815 ordnete die Provinzialftände 
. aus diefen „bie Verſammlung der KRepräfententenfammer” an. Das Geſctz vom 
. Juni 1823 rief felbe, aber nicht die Reichsverſammlung, in's Leben. Dann 
Atggten bie befonderen Gefege für die Landtage der einzelnen ‘Provinzen vom 27, 
Rärz u. vom 1. Juli diffelben Jahres, zulegt die Verordnung für Pofen vom 
5. Der. 1830. Die Provinzialandtage beraten die Geſchze, welde die Provinz 
ein angeben, und auch „fo lange feine allgemeinen ftändifhen Verſammlungen 
attfinden“, die Entwürfe folder allgemeinen Gefege, welche Veränderungen in 
zerſonen u, Eigentbumsredhten und in den Steuern zum @egenftande haben; fie 
aben das Recht, Bitten u. Beſchwerden, die auf das fpezielle Wohl u. Intereffe 
er ganzen Provinz oder eines Theiles derfelben Beziehung haben, anzurechnen 
‚an ben Thron zu bringen; über die Gemeinde Angelegenheiten ber Provinz 
efdließen fie vorbehaltlich der föniglihen Genehmigung u. Auffiht. Die Stände 
eftanden in Wefipfalen u. P. aus Standeöherren, Herren u. Rittern, Bürgern 
. Bauern, in ben übrigen Provinzen blos aus ben drei lehten, dba Etanbesheren 
ort nicht vorhanden find, 2 in Poſen u. 1 in Brandenburg ausgenommen. In 
Irandenburg waren unter 68 Etänden 34 Ritter, in P. unter 95 45 Ritter, in 
Bommern unter 48 24, in ber Rheinprovinz unter 79 25 Ritter, A Etandesheren, 
7 Wefiphalen unter 71 20 Ritter, 14 Standesherren , in Beim uner VIA 
Ir 


Realencpclopäbie. VII, 


466 Preußen. 


Ritter u. Standesherrn. Offenbar war alfo der Adel u. der große Bobenbefl 
anderen Ständen gegenüber überwiegend ſtark vertreten. Um wählbar zu 
ward bei allen Etänden erfordert: Grundbeſitz, in aufs u. abfleigender Lini 
erbt, eder auf andere Weife erworben und 10 Jahre nicht unterbrocden ; biı 


meinſchaft mit einer der chriſtlichen Kirchen; bie Bollendung bed 30. Lebensf: 


Der vom Könige ernannte Landtagscommiffär hatte tie Wahlen zu prüfen u. I 
nach Befinden eine andere Wahl anordnen. Zu einem gültigen Be 
über foldye Gegenftände, bie von ber Regierung zur Beratfung an ben La 
ewwiefen waren, ward eine Stimmenmehrheit von 2 Dritttheilen erfordert; al 
Deren ſtaͤndiſchen Befchlüffe konnten durch bie einfache Mehrheit gefaßt werden 
Itio in partes fonnte unter benfelben Bedingungen, wie auf den Communal 

attfinden. Sn einem folchen Kalle verhandelte die Berfammlung nicht wu 
er Befammtheit, fondern nach Ständen. Bei Beichlüffen, weldye bie befos 
Rechte von Etanbesherren betreffen, fand biefen der Recurs an bie Regi 
zu, Die Etände waren als berathende Berfammlung eben fo wenig mi 
Ständen anderer Provinzen, als mit den Communen und Kreiöftänben ihrer 
vinz in Verbindung, es fanden daher feine Mittheilungen unter ihnen flati 
Das Refultat der Lındtageverhandlungen ward durch den Drud veröffentlicht 
biefem befchränften Maße von Befugniffen ift es natürlich, daß die Stände - 
märtifhen und ſaͤchſiſchen Stände erklärten fich inbeß Dagegen — wieberhol 
eine reicheftändifche Verfaſſung drangen. Der Ausbau berfelben war and 
Kriedrih Wilhelm I. wie Friedrich Wilhelm IV. durch die Gabin 
dren vom 1. März 1841 u. vom 20. Juni 1842, worin allgemeine Aus| 
ber Stände zur abrung auch der allgemeinen Lanbesinterefien, verbeißen. 
nächte Schritt zur Entwidelung diefer ftänbifchen Vertretung auf Hiftorifcher 
fi geihah dur das Patent vom 15. Webr. 1847 durch Berufung be 
ſten vereinigten Reichötages, zerfillend in eine Herrn⸗ u. Deputirtenfammer 
nad Bebürfniß berufen werben follte. Bemerken wir jet noch, daß nım 
Preußen in bie Reihe der conftitutionellen Staaten mit einem verantwort 
Minifterium und zwei Kammern eingetreten if. Der Ausbau bieferr « 
Fe Berfafiung ifl, wie bereitö bemerkt worben, noch im Werber 
griffen. 

Geſchichte: 1) Bor der Gründung bes Königreichs. Das Stammlan 
eutigen Künigreiches Preußen ift die Mark Bronbenburg, vor ber grofien 
erwanterung von Longobarden u. Senenen bewohnt. Nach deren Mbzug bei 
es der —* Volfsftamm der Wilſen (Stamm der Wenden), welche Bra 
burg (Bannibor, Brennabor) erbauten. Mit ihren nörbliden Nachbarn, 
Sachſen, gerietben fie unter die Botmäßigkit Karls des Großen, erla 
jedoch unter deſſen Nacfolgern auf einige Zeit ihre Unabhängigkeit wieder 
fie der deutſche König Heinrich L Cum 930), nebft den angrängenten We 
ſtaͤmmen, völlig unter jochte. Otto I. gründete (946 — 49) die Bisthümer 1 
denburg und Davelberg. Die weltliche Aufſicht über dieſe Gegend erhielt e 
Salzwedel wohnender Markgraf. Im 12. Jahrhundert beichnte Kaiſer 8 o 
(1135) den Brafen von Asfanien, Albrecht den Bären, mit diefer Marl 
(daft, der feinen Eig nady Brandenburg verlegte und fih nunmefr Mark 
von Brandenburg nannte. Diefer befeftiate feine Herrfcbaft über das 
zwiſchen Eibe u, Ober, bezwang gänzlih die Wenden und gründete Köln aı 
Spree, Frankfurt an der Ober, Neuftadt » Everswalb u. a. 1320 erlofch 
Mannsftamm, der audy die Würde eines Kurfürften und Ersfämmerers des 
[hen Reiches verwaltet Hatte. Der damalige Kaifer, Ludwig ber Bayer, 
lich die Marfgrafichaft als ein heimgefallenes Lehen feinem älteſten Sohne. 
biefem kam «6 an feine jüngeren Bruͤder, bie 18 1373 an ben Raifer Kar 
verkauften. Defien jüngerer Sohn Sigismund überließ es 1415 bem & 
grafen Friedrich VL von Kürnberg, aus dem Haufe Hohenzollern, der 
eträchtliche Summen zu feinem Kriegszüge gegen bie Ungarn vorgefckoffen | 


Preußen. 467 


1. belehnte ihn (1417) auf bemEoneil zu Koftnig feierlich mit ber Eurfürftlichen 
Würde. So wurde diefer Fürft, ber Abe Sig in Berlin nahm, ber 
pater der nachfolgenden Kucfürften von Brandenburg und Könige von 
Sein Sohn, Kurfürft Sriedric I. (1440), überließ bie, fränkijchen en 
feines Haufe, — u. Bayrenth, feinen jüngeren Bruͤdern ; daher Marfgr 
don Brandenburg in Franfen, Die einentliche —— vergrößerte 
Ammer mehr, "Unter Joachim I: (41517) wurde das Lutherthum eingeführt, 
woburd die Etifter Brandenburg, berg u. Lebus u. endlich auch das Erz⸗ 
fift Magdeburg mit bem Burfürhenihim vereinigt wurden. Johann Sigie- 
mund erwarb durch feine Gemahlin Kleve, Mark u. Ravensberg u, durch feinen 
Better das Herzogthum Preußen (1609). Das urfprünglihe Land der Preußen 
erfbeint erſt feit dem 10. Iahrhundert in der Gefchichte. Man nannte nun einen 
Theil der flaviſchen Anwohner der Oſtſee, oftwärts von der Weichſel, weiche bis⸗ 
ber Eſtlander hießen, Vreußen (Porufien) von dem ſlaviſchen Worte po nach, 
nächft, längft, u. Russi, dis Flüfdhens Ruf). Diefe Preußen, Bermandte ber 
Letten, führten großentheils ein nomadiſches Leben u. beuntuhigten ihren Nachbar, 
den —J Konrad von Mafowien (Maſuren), fo daß biejer dem deutſchen Or⸗ 
den für feinen Beiftand das Gebiet von Kulm abtrat (1226) u. ihm alles Rand 
zuſprach, unter der Beftätigung Kaifers Briebrid IL, das er von den Preußen 
erobern würde, Im Zeit von 53 Jahren unterwarf ſich — der Orden das 
je Rand zwifchen der Dftiee, der Memel u, an beiben Ufern ber Nicberweid- 
Re Er befeftigte feinen Befig durch die Städte Thorn, Danzig, Cibing, re 
g u a. und ber Hochmeiſter vertaufchte — bisherigen Sig Venedig 
mit Marienburg. Die reihen Etäbte —— Hase gegen bie 
Bebrüdung der Ritter die Marlenwerder ſche Union und begaben endlich in 
ben Schup bes ei von Polen, Nach einem langen u, blutigen Kriege mußte 
(1466) der Orden Weftpreußen an Polen abtreten u, Dflpreußen als polniſches 
Lehen anerkennen, Dieſes verwandelte ber Hochmeifter Albre bt, Markgraf von 
Brandenburg , mit Bewilligung feines Oheims, des Könige Sintsmund von 
Polen, (1525) in cin erbliches Herzogtbum, in welchem er das Lutherthum ein» 
führte. Sein Nachfolger Albreht Friedrich war geiſtes chwach, weßhalb ſein 
Veiter, Markgraf $riedrich von Anſpach, für ihn die Regierung führen mußte. 
Jo achim Sigismund, fein zweiter Nachfolger, nahm nach dem Ausfterben ber 
preufifhen Magnaten (1612) von dem Herzogtfume Preußen förmlich Beſitz. 
Er nahm auch die reformirte Lehre an. Sein Eohn, Georg Wilhelm, litt ſchwer 
durch die Drangfale des Kriegs, gewann aber durch das Ausfterben ber Herzoge 
von Pommern (1737) Erbredt auf dieſes Land, welches fi indeß no in 
der Gewalt ber Schweden befand. Auh Vorpommern mußte im weftphälifchen 
Frieden (1648) an Schweden abgetreten werden. Brandenburg warb bafür ent⸗ 
ſchaͤdigt, u. a. mit dem Hochſtifte Halberftabt. Kurfürſt Friedrich Wilhelm brachte 
es ald Schwedens Bundesgenoſſe babin, daß der König von Polın (1657) P. 
für cin unabhängiges Herzogtfum erklärte. Diefer große Fürft, der den_verei- 
nigten Nieberländern gegen Frankreich beiftand, nöthigte den König von Schwer 
den, der ihm als Franfreih8 Bundesgenoſſe in das Rand gefallen war, zur Ab- 
tretung eines Theilıs von Vorpommen u. befegte feine vermüfteten Etädte mit 
vielen Taufenden franzöfifhen Rıligioneflüchtlingen, die ihm fleißige Gewerbtreibende 
u. gefhidte Offiziere verſchafften (+ 1088). 2) Das Pönigreic. Sein Nadr 
folger, Friedrich J., fegte fi (18. Ian. 1701) mit Bewilligung des Kaiſers Leo» 
peld I. die Königs- Krone auf. Sein Land vermehrte er durch Anfäufe von bem 
Kurfürften von Sachſen u. durch bie von feinem Oheim, bem engliſchen Könige 
Wilhelm IM, Prinzen von Nafjaus Oranien, ererbten Grafſchaften Meurs, Lin, 
en, Neufhatel u. Valengin. Ceine Unterthanen vermehrte er durch viele Tau- 
end Waldenfer, Pfälzer, Sranzofen. Univerfirät zu Halle (1694), Akademie ber 
Wifienfhaften. Friebrich Wilhelm I. (1713—40) richtete fein beionderes Augen ⸗ 
merk auf fein Heer u. brachte baffelbe auf einen acztunggebietenben Aus; a 
EN) 


468 Preußen. 


machte gleichfalls Erwerbungen, namentlich (1720) erlangte er Stettin und das 
Land zwifchen Oder u, Peene. Er war ein fo guter Haushalter, daß er, unge 
achtet er die Echulden feines Vaters bezahlen mußte, einen Schatz von 8 bis 9 
Millionen Thaler Hinterließ. Friedrich IL., der Große (|. d.) (174086), eroberte in 
bem berühmten fiebenjährigen Kriege von Oeſterreich Schlefien, befien Beſitz ihm 
die Sriedensichlüffe zu Breslau (1742), Dresden (1745) u. RE (1763) 
fiherten. Bei ber erfien Theilung von Bolen (|. Bolen, Geſchichte) eignete 
er fich Weftpreußen u. den Repıbiftrift zu. Er machte audy noch andere Erwerbs 
ungen. Die Zahl feiner Untertanen vermehrte er durch 45,000 Geloniftenfamis 


Cr "5 


Iten, die 800 neue Dörfer anlegten. Auch fammelte er, außer den vielen Milio- 


nen, die er dem Wohlftande feincs Landes u. ber Vergrößerung ber Armee wid 
mete, noch einen greßen Vorrath von baarem Gelbe, Durch feinen flegreihen 
Kampf auf Leben und Tod gegen Oeſterreich, Frankreich, Echweben, Rußland u, 
das beutfche Reich verfchaffte er P. eine Stellung unter ben erflen europäifchen 
Maͤchten. Seine u. des Landes Eriftenz nöthigten ihn, die einmal angenommene 
Stellung zu behaupten. Sein Genie, die mit Gewalt geworbenen Soldaten ımb 
das den Untertbanen durch Regie u. Monopole abgepreßte Geld waren bie brei 
Faktoren, auf weldhe P.s künftige Etellung gebaut ward. Im regften Berfehre 
mit den Encnelopäbiften feiner Zeit, namentlich mit Voltaire u. d'Alembert, gefiel 
er fi in Hochſtellung franzoͤfiſcher Art u. Sprache u. Verachtung ber beutfchen, 
in völliger religiöier Ungläubigfeit, obgleich er die von ben Bourbonen vertriches 
nen Jeruiten in Schleften fchügte, Friedrich Wilden IL (1786—97), bes großen 
Sriedrich Neffe, vereinigte durch Erbſchaftsrecht (1791) Anſpach u. Bayreuth mit 
ben Ländern feiner Krone u. gelangte, durch bie völlige Auflöfung bes polniſchen 
Reiches (1795), zum Befige von Euͤd⸗ u. Neuoftpreugen, von Danzig u. Thorn. 
Das Heer wurde abermals vergrößert, aber der Schag Friedrichs des Großen war 
nicht nur duch bie Feldzuͤge nach Holland (1787), Frankreich (1792—95) und 
Polen (1793), fondern auch durch größern Lurus gewaltig zufammengefchmolen. 
Friedrich Wilhelm III. (1797— 1840) erhielt zur Entichädigung für das im Frie⸗ 
den von 2üneville am linfen Rheinufer an Frankcreich Abgetretene (1802) Qued⸗ 
linburg, Mühlhaufen, Nordhauſen, Eichsfeld, Erfurt, Hildesheim, Goelar, Pabers 
born, Efien, Werden, Lippftadt u. einen Theil von Muͤnſter. Yür Anſpach und 
ben Meberreft von Kleve überlich ihm Frankreich (Ian. 1806) den Beſitz der hannd- 
verijhen Länder. Sowohl diefe, al8 fo viele andere Provinzen, entriß ihm jedoch 
wieder der hoͤchſt unglüdlihe Krieg mit Frankreich (vom Oktober 1806 bis zum 
ſchmachvollen Zilfiter Frieden, 9. Juli 1807). Diefe Verlufte wurden jedoch auegeglis 
chen, durch den von dem tapfern Bolfe fo herrlich unterftügten ſiegreichen Feldzug in 
Frankreich, welchem der zu Tepiig, 9. September 1813, zwiſchen Oeſterreich, * 
Rußland u. Großbritannien abgeſchloſſene Quadrupelallianz voranging u, welcher 
(1814) mit dem erſten Pariſer Frieden ſchloß. P. gelangte durch dieſen wieder 
zum Befitze von Weftpreuiien, dem Netzediſtrikt, von Danzig u, Thorn, wie von 
den füdpreußifhen Bezirken Poſen, Gneſen, Kaliſch. Da es aber bie anderen 
ehemals polniſchen Provinzen, das übrige Südpreußen, fo wie Reuoftpreußen an 
Rußland; Hildesheim, Oftiricsland, Goslar, den nördlichen Theil von Lingen u. 
Diünfter, einen Theil des Eichsfeldes an Hannover abtreten mußte, fo ſprach ihm 
der Wiener Eongreß einen Theil bes Königreiches Sachen u. einen bedeutenden 
Landſtrich an der weftliden Eeite des Rheins, von Krefeld bis Bingen, zu. So 
bann überließ ihm Tänemarf das von Schweden gegen Norwegen erhaltene Bors 
pommern; Heflens Darmftabt das Herzogthum Weftphalen, u. Naſſau⸗Oranien, 
welches den holländifchen Thron beftieg, feine ehgungen am rechten Rheinufer. 
Bon dem deutſchen Bunde, welcher auf dem Wiener Stantencongreß abgefchlofien 
worden, ward SB, nicht nur ein Mitglicd, fondern auch, nach feiner neuern Stells 
ung eine ber eıften Maͤchte; der König war auch einer der Mitftifter ber in Pas 
ris 1815 gegründeten fogenannten „heiligen Allianz”. Die Ruhe bes Landes 
fonnte durch die Juliusrevolution in Frankreich u. die burauffolgenben Ereigniſſe 


prtweſa. 


A a ch 
8 energiſchen u. zugleich frieblichen er Ftiedtich Wildes — El tere 
en an den bedrohten en die drohende Gefahr abzuhalten. 
ihm war £8 vorbehalten, P. zu einer — Macht erſten Ranges zu erhe⸗ 
em. Rach bem Frieden von Tilfit war, um das Sand von —— Untergange 
w reiten, eine Ummanbelung aller ®; je vor Unterftügt von zwei 
toßen Staatsmännern, von Stein benberg, bieer nad inder an die 
5pige ber Verwaltung berief und berem Anbenfen jebem Deutichen theuer ſeyn 
en —5— er Ars Plan mit eben fo viel Harer Einficht, als Willendftärke aus: 
ihm Hat in ganz kurzer erg aus — 
Be ——— fo viel Sichetheit u. Erfolg ausgeführt. 
—— de ficht des Königs von der feines Staatsfanjlers — 
jenannte Gensbarmeriegefeg 1. beſonders ber Entwurf 
—— den der Imne dem Monarchen — — 


beranl⸗ einer beutli 89 
erg — Reiheflände mil Fr De — hr —— 
Hatten Lande eine aͤhnliche Berfaſſung gegeben 395 wie unter Stein bie 


Städte erhalten hatten. Gr wollte alle ariftofcatifhen Elemente —— 
iber! überzeugt, daß bie ——— —— 2.8 von einer Gonftutien abe abs 
Yängig ſel. Das wollte ber Könt: Sein Lieb janfe, alle proteſtan⸗ 
ifgen Kulte zu Einem erangeli en zu —— ſeine intoleranten Anfich⸗ 
en über alles Katholiſche; fein Verfahren gegen bifchöfe von Köln u. von 
—— befannt. Ein latholiſches Dogma (tt ber Verbreitung des Proteftans 
die Ehe» Bee entgegen: fofort erflärt bie I 'egierung, bie 

hisher auf Fanoniichem te — Praxis ſei aufgehoben (ah union) 
„zum Nupen der Einheit ber Macht im Etaate.“ Da indeffen die Biſchöfe au 
‚ine fo feltfam le theologiſche Entfcheibung von Berlin” aus noch 
völlig überzeugt fcheinen, fo arbeitet man 20 Jahre lange burch Verl päi 
licher Entjheidungen, Nichtveröffentlichung von Erlaffen bes päpftlihen Stuhles, 
Berfpredungen u. Drohungen baran, den Miderftand ber Biſchöfe zu brechen. Es 
gelingt; nur ein Einziger achtet die beftändige Tradition ber Kirche, achtet feine 
Pflicht höher, als den Föniglichen Willen: man befchuldigt ihn ber Kriebensftör- 
ung, ber Auflehnung gegen ben Landesherrn; man nimmt endlich zur Gewalt feine 
Zufludt u. entfernt ihn unter dem Schutze der Kanonen von feinem Eite. Die 
Proteftantifirung bes Fatholifhen Volkes wird foftematifch betrieben durch den Schuls 
zwang, buch eine überwiegende Anzahl proteftantifcher Rormalſchulen u. Semis 
narien, durch vorzugsweiſe Befegung ber Gymnafien u. Univerfitäten mit prote— 
ftantifchen oder lauwarm⸗ katholiſchen Profefforen: vorzugsweiſe war aber die Mi: 
itärbienfteit eine Schule des Vroteftantismus. Mit der Thronbeſteigung Friedrich 
Wilhelms IV. geftalteten fh in biefer Beziehung bie Verhältniffe weit erfreuliche, 
wenn auch gleih PB. nicht aufhörte, fi für dem vorzugsweiſe proteftantifchen 
Staat, des Proteftantismus Sdildhalter u. Vorkaͤmpe in Deutſchland au halten. 
Uleberhaupt ift ber Thronwechſel in P. das Signal geworben für eine Reihe von 
Ereignifien, Entwidelungen u. Beftrebungen, — in luͤrzeſter Friſt, weit über 
die Gränzen des preußifchen Staates hinaus, überall in Deutfchland ein neues 
politifches Leben, eine allgemeine u. erhöhte Theilnahme an den Geſchicken des 
Baterlandes hervorgerufen Haben; P. warb unaufhaltfam der Gonftitution entge⸗ 
gengeführt, u. weil bie Regierung es nicht verftund, entſchieden in bie Zeit und 
ihre Forderungen einzugehen, ohnmaͤchtig ftrebte, ben einmal feftgefegten Plan his 
floriſcher Entwidelung mit dem gebieteriihen Drängen ber Zeit zu ermitteln, 
mußten die Parifer Yebruarrevolution u. Die barauf erfolgenden Ereigniffe in 
Deutſchland wie ein elektriſcher Funke wirken: bie gewitterfchtwangeren alten 
entluben fih in ber Schredensnadt bes 19. März 1848. 

rebeſa, Stadt im Sandſchat Janina des Ejalets Rumili (europälfe 
Türkei), am Golf von Arta; hat einen Hafen (Bathi), ansgehreitiim Gh 


470 Prevorſt — Prévot H’Eriles, 


mit Del u, Getreide u. 8000 Einwoßner, lauter Griechen. Die Etabt wurbe 1684 
Eigenthum ber Benetianer, 1797 von den Feanzoſen befegt, 1798 von Paſcha 
Ali von Sanina erobert, wobet bie meiften Einwohner umfamen, u. erhielt ſpaͤter 
durch Englands PVermittelung verfchlebene Freiheiten. In der Nähe die Ruinen 
von Rifopoliß (f. b.). 

Prevorft, Kleines Dorf in ber Pfarrei Gronau bes württembergifchen Ober: 
amts Marbach, nach welchem Juſtinus Kerner (f. d.) ber dort 1801 geborenen 
berühmten Eomnambule, Friderike Hauffe, Tochter des Revierfoͤrſters Wanner, 


in feinem über fie herausgegebenen Werte (4. Aufl., Etuttgart 1847), dem ' 


Kamen „Seherin von P.“ beilegte. Frühe ſchon entwickelte ich in dieſem Maͤbchen, 
bei einem ſonſt heitern Sinne, eine große Nervenreizbarkeit, ein in Träumen her 
vortretendes Ahnungsvermögen, fo wie eine Neigung zum Wunderbaren, und en 
eigenthümliches Wehegefühl regte ſich in ihr, namentlich in der Nähe von Tobten, 
In ihrem 19. Jahre nah Kuͤrnbach, einem Torfe in Baden, an ben bortigen 
Kaufmann Hauffe verheirathet, verfiel fie alebald in Echwermuth und flete 
Weinen u. nah 7 Monaten (1822) in ein 14 taͤgiges Fieber, das eine fehr es 
höhte körperliche u. geiftige Reizbarkeit, anhaltende Krämpfe, Bifionen u. magne 
tifche Erſcheinungen aur Folge hatte Sie konnte bas Licht nicht mehr ertragen, 
wurde für ſideriſche Einwirkungen fo empfindlich, daB fie ben Nagel an der Wand 
ſchmerzlich fühlte u. glaubte fi) eine Woche lange täglich von einem Geile mag 
netifirt, in bem fie ihre Großmutter erfannte. Cine, auf ihre eigene Berorbnung 
eingeleitete, geregelte magnetifcke Kur führte zwar nicht den eigentlichen E ommam 
bulismus, aber ein fo erregtes inneres Leben herbei, baß fie Zufünftiges in Kiyſtall⸗ 
ſpiegeln fah, das Bild bei ihr eintretender Perſonen geraume Zeit zuvor in einem 
Glaſe mit Waſſer erblidte, Häufig mit Geiftern verkehrte ıc., ftelte fie jedoch in 
fo weit her, daß die magnetifben Zuftänte nur alle 7 Wochen periodifch wieder 
fehrten. ine zweite ſchwere Niederkunft im Dezember 1824 verfehte fie in den 
früheren Zuftand in gefteigertem Maße und die Behandlung durdy einen Teufels 
banner, ber fie als eine Befeflene betrachtete u. ihr ein grünes Pulver, fo wie ein 
Amulet fchidte, brachte neue feltfame Ericheinungen hervor, und hatte bie völlige 
Zerrüttung ihrer Nerven u. he'tige Krämpfe zur Folge. Das auf Kerner’ Ruth 
cingeftellte magnetiſche erfahren verfchlimmerte ihren Zuftanb fo, daß jener, als 
fie 1826 ihm zur ärztlichen Behandlung in feinem Haufe übergeben wurde, wieder 
zum Magnetismus greifen mußte, wodurch er einen vollfommenen magnctifchen 
Schlaf u, einige Befferung bewirkte. Auch ber fernere Verlauf ihrer Krankheit, 
welcher fie den 5. Auguft 1829 unterlag, war von höchft eigenthümlichen Erſchein⸗ 
ungen u. einem fortgefegten Verkehre mit Geiſtern Verſtorbener begleitet. Die 
Section zeigte Verhartungen ber Unterleibebrüjen u. Ent;ündung bed Herzens u. 
der Lunge. Ob u. in wie weit bei bem wahrbeitsliebenden Berichterſtatter Selbſt⸗ 
täufchungen mitwirften, ift ſchwer zu befiimmen; gewiß aber ift, baß er die Blide 
auf ein, in feinen Erfdeinungen nicht ganz abzuläugnendes unb in feiner Tiefe 
noch uncrferfchtes, Gebiet des menſchlichen Seelenlckens lenkte. Vergl. Eichen 
mayer: „Myſterien des innern Lebens, erlaͤutert aus der Geſchichte der S. v. P.“ 
(Tübingen 1830). 

Drevot d'Exiles, Antoine Frangois, Abbe, geboren zu Heebin in 
Artois 1697, fiudirte bei den Iefuiten u. trat in ihren Orben, verließ ihn abır 
bald wieder u. ergriff die Waffın. Des Soldutenlebens überbrüffig,, Tehrte er 
wider zu den Jeſuiten zurüd, verließ fie aber balb abermals u. trat in ben Bene 
dietinerorden zu Et. Maur. Hier u. in dem Kloftr St. Germain bes Pres 
nahm er an mehren gelchrten Aıbeiten feined Ordens, namentlich an ber Gallia 
christiana thätigen Antheil, verlich aber, den Freunden ber Welt au ſehr ergeben, 
das Klofter wicder u. trieb ſich einige Zeit in Holland u. dann in England herum, 
bis er, der Zerftreuungen überbrüßig, 1734 wirber nach Frankreich zuruͤckkehrte, 
Almofenier u. Eefretär des Prinzen von Conti wurbe u. 1763 zu Paris farb. 
P. war einer ber fruchtbarften Echrififteller feiner Zeit, ausgerüftet mit einer 


an 


Provotalgerichte -- Priapos, art 


egiebigen Einbildungstraft, einem feinen, aber nicht immer ſichern Geſchmad u. 
* S—— ae & Pete: Da me 1a Hi Ei b 
ns dem Gnglifchen, fehrieb ein Journal: Le Pour. et le Contre 1733, 20 Bbe., 
warb ſich aber. den meiften Beifall durch feine oft gedrudten u. aud im Auss 
‚ande Häufig gelefenen Romane, von benen wir nennen: „Hist. du chevalier des 
Grieux et de Manon Lescaut“ (n. A, 1797, deutſch Erlangen 1834), „M&moires 
d’un homme de qualite, Hist. de ind“ (deuiſch 3 Bir, Reipzig 1832), 
De Bee Kıller.ne. Seine choisies erfchienen in 39 Bänden, 
a BR 
rẽvot: te waren in Frankreich außerorbentliche Specialcriminal⸗ 
— ae eine ——— — meiſt nicht recht Pe 
jan über gewiffe Verbreyen; in der neueren — feit 1810, vorzüglich 
ya leihhanheis, mit: ſeht abgefürzten — echt ſprachen. 4814 wurben 
aufgehoben, 1815 unter dem Namen Cours prevölales tieder hergeftellt. In 
artement tar ein ſolches Gericht, weiches aus einem redhtöverftändi 
äfidenten, einem hoͤhern Militäreffiier und vier Mitgliedern. bes 
beftand; 1818 wurden fie aufgehoben, 
in die ben Epigramme (f. d.), welde 


— heißen die erften deutſe im 
13. Jahrhunderte erſchienen und. darin J—— haben, daß fie 
‚ine ” von Begriffen mit einem epigı fen Schluffe unter Einem zus 
ammenfa| * ‚ 

Priamos, der befannte König von Troja, Sohn bes Laomedon, Bruber der 
Be u, Gemahl ber Hıfuba, einer der unglüdlichften Heroen bes umd, 

ſah feine herrlichen Eöhne Heftor u. Deiphobos, er fah alle anderen, fünf 
Muchbobet u (ln Sen Reben va nur Den Ungeathenfen befben, Mai 

, zu feinen nur ing: tem B 

Ale überleben, bis auch ihn ein Pfeil des Mhiloftets ereilte. Cr fein 

es Troja einen Raub der Flammen, feine Untertganen alle einen Raub 

odes ober des noch graufamern Feindes werben, der in Elend u, Sklaverei Hinz 

wegführte, was das Schwert verfhonte; faum daß ihm, nachdem Heftor tur 

den hartherzigen Achill zwölf Tage lange um das Grab des Patroflos geſchleift 

war, ber Troͤſt blieb, durch unendliche Geſchenke feines Sohnes Leib zuruͤckkaufen 

a. ihm ein ehrlich Grab geben zu können; — cr felbft ward von Pyrrhus an den 

Haaren in den Vorhof zum Altar des Zeus geſchleiſt u. dann Mit abgehauenem 

Kopfe unbeerbigt auf freiem gelbe den Hunben zur Beute gelaffen. Einzelnes von 

einer Gefchichte fommt bei ben Hauptheiden der Jliade vor, daher es, um Wie 
verholungen zu vermeiden, hier übergangen wird. 

Priapos, Sohn bes Dionyfos u. der Aphrobite, welche fi bes mißgeftal- 
eten Knaben ſchaͤmte, ihn ausfegte, worauf er, von Ziegenhirten gefunden und 
wferzogen, ein Gott ber Herden, überhaupt aber das Eymbol ber druchtbarleit 
wurde. Lampſakos war dir Hauptfig feiner Myflerien u. er wurde mit über- 
zeoßem Phalios gebildet, dem Jungfeauen nicht felten bie Eiſtlinge ihrer Blüthe 
anter blutigen Ceremonien darbrachien. Was uns obfeön ift, war es jenen, ber 
Ratur näher ſtehenden, Völkern nicht u. die Nubitäten, welche unferem verwöhns 
ten Blide anftößig find, waren es ihnen keineswegs; ja, Theile, die uns ſchaͤndlich 
ieinen, waren, als mächtige Hebel des Werbens u. Entſtehens alles deſſen, was 
nicht von Mranfang geſchaffen iſt, ehrwuͤrdig, Gegenſtaͤnde der Anbetung, fo wie 
der Phallos in Aegypten, der Lingam u. Bas Joni in Inbien 2. Später fanf 
diefe Naturgottheit auch bei ben Römern u. Griechen fehr Herab, u. mit zuneh⸗ 
mender Eittenveiderbniß fah man in ihm nur den Gott, beffen Guben bie aus 
ihweifenden Diener der Benus begünftigen follten. — Priapeia heißt eine 
Sammlung an ben Priapos gerichteter epigrammatifcher Gebichte, von mehren 
Berfafiern, unter denen auch Birgil, Ovid u. Eatufl genannt werben. Heraus⸗ 
gegeben find fie in ber Tateinithen Anthologie von Burmann und von 


472 Priegnig — Prießnitz. 


Meyer (f. Anthologie) und einzeln von Scioppius (Frankfurt 1606) 1: 
und von Linbenbrog, mit Scaligers Anmerkungen (Padua 1664). | 
Priegnig oder Vormark, ein vormaliger Theil ber Kurmark, zwiſchen 
Hannover, Mecklenburg, der Mittelmarf, Magdeburg u. der Altmark, 57 [J] Me I 
len groß u. mit 100,000 Einwohnern, eine Sanbebene mit niedrigen Anhoßen u, 
nur ftrichweife mit fruchtbaren Streden, von ber Elbe, Havel, Doffe, Stepeniz 
u. Elbe durchfloſſen, wurde fonft in ſteben Kreife oder Diftrifte: Perleberg, Lens 
zen, Pritzwalk, MWittftod, Kyritz, Havelberg u. Plattenburg eingetheilt u. bildet 
jet die zwei Kreiſe des preußifhen Regierungsbezirkes Motedam, nämlich ben 
Kreis Oſt⸗P. u. den Kreis Weſt⸗P. 

* Prießnitz, Bincenz, geboren 1799 zu Oräfenberg, einer urfprünglichen 
Kolonie des benachbarten Städtchens Freiwaldau, einem in einer Schlucht bei 
Gräfenberg gelenenen Dorfe bes öfterreich = fchlefifchen Kreiſes Troppau, if de 
Begründer der Kaltwaſſerheilkunde (f. Hydriatrif) in ihrer jeßigen ausgedehn⸗ 
ten Geftalt. P., für bie Landwirthfchaft beftimmt u. erzonen, empfand fchon ſehr 
früßzeitig befonderes Interefie an ber Heilkunde. Seine Eitern führten eine Feine 
Wirthſchaft zu Graͤfenberg, in der ein Heilfundiger Laie aus der Umgegenb fein 
Abfteigequartier nahm, um dort Kranken feine Hülfe angebeihen zu laflen. Diejem 
ſchloß fih B. en u. erwarb ſich bei bemielben manche Kunftfertigfeit, namentlid 
in Dehanttung Außerer Schäden. Er felbft Hatte in feinem 17. Lebensjahre den 
Unfall, durch Ueberfahrenwerden einen Rippenbruch zu erleiden, wo ihm bie Außer 
Anwendung bes Falten Waſſers vorzügliche Dienfte that. Bon da an gewann er 
für daſſelbe große Borliebe, bie ihn fpäter, als bie Kundſchaft feines Lehrmeiſters 
nach deſſen Ableben an ihn übergegangen war, pranlaßte, das kalte Waſſer zu 
ſeinem ausſchließlichen Heilmittel zu gebrauchen. Sein genialer Geiſt ließ ihn 
bald die ausgedehnte Wirkſamkeit des kalten Waſſers in ihrer verſchiedenartigen 
Anwendung bei einer ihm gebotenen großen Anzahl Kranker erproben u. aus 
ſich einen vollftändigen Heilapparat ſchaffen. Was bie alte Medicin durch bie 
verfchiedenartigften Heilmittel erftrebte, gelang ihm, durch ein combinirtes hydriati⸗ 
ſches Heilverfahren in Krankheiten jeder Art zu erzielen. Sein Ruf Hatte fid 
bereit8 unter dem Bolfe der nahen u. entfernteren Umgebung verbreitet, als eine 
Gräfin auf einen benachbarten Gute an einer Bauchfellentzündung plöglid) und 
lebensgefährlich erfranftee Die Dringlichkeit u. Hülfelofigkeit ded Falles — denn 
fein autorifieter Arzt wohnte in ber Nähe — verfchaffte enblich einem Diener, 
welcher Bincenz vorfchlug, nachdem man ſich in Anwendung aller zu Gebote 
ftehenden Hausmittel vergeblich erfchöpft Hatte, dus Anfangs verweigerte Gehör. 
Bincenz erſchien u. mit ber ihn auszeichnenden Entfchiebenheit uͤbernahm er die 
Behandlung dieſer Dame. Dur ein combinirtes u. energifches Kubriatifches 
Verfahren war e8 ihm ſchon vor Ankunft eines aus ber Entfernung herbeigehol⸗ 
ten Arztes gelungen, die heftige Krankheit zu brechen u. zur günftigen Enticheids 
ung zu führen. Diefer erfannte offen u. wahr biefer Lenanblung nicht allein ihr 
Verdienſt zu, ſondern ließ fie bis zur vollendeten Heilung in Wirkſamkeit. Die 
Sache erregte Aufſehen unter dem fchlefifchen Adel u. P.s Ruf war vollendet. Der 
ſcharfe Beobadhtungsgeift diefes wahrhaft zum Arzte geborenen Mannes fammelte 
fi nun in ber ihm reichlich gebotenen Gelegenheit vicle Kenntniſſe u. außeror- 
dentliche Yertigfeit in der Exfenntniß der Krankheiten. P. vervollfommnete nun 
auch fein Eyftem, wodurch eigene Einrichtungen nöthig wurden, welche berfelbe 
Anfangs einfach herſtellte, bis ber ſtets wachſende Shlauf u. der Rang feiner 
Patienten eine größere Ausdehnung u. bequemere Einridtung geboten, u. fo ent- 
fand 1829 die erfle, jetzt fo großartig daſtehende u. von ber Natur in jeder 
Bezichung zu diefem Zwede fo fehr begünftigte, Kaltwafierheilanftalt zu Graͤfen⸗ 
berg. Es konnte auch unter diefen Berhältniffen nicht fehlen, daß Vorurtheil und 
perfönliches , wie pefuniäres, Interefie B. und fein Eyſtem angriffen. Die 
erzielten glänzenden Erfolge aber verfhafften bald P. das Recht der freien 
Ausübung des Hybriatifchen Heilverfahrens , fo wie biefem neuen Heilſyſteme 


Prieſter. 473 
ur len unter den Lalen und endlich auch durch Aerzte ifenfaftitge 
(presbyter, mpeoßurepon, Aelteſter), I derjenige, welcher ie bung das 

13 


Stein der Ordination (f.b.) bie geiflliche Gewalt zur —— des 
= erhalten hat. AN Ban in der Shnfenfolg e ber ihr 
> te M die Stelle unmittel) dem Bifchofe u, über * Diakon 


alas t, ift die Darbring HL Meßopfers vermittelft Conſelrirung 
Er Cugaciiie cd. Atarsfattame ve Mi und das Weſentlichſte 
feines Amtes, jeran fehließt fi bie —— zur Ausſpendung ber — 
Sakramente, die Salramenie der P⸗We der Firmung — 
VBertvaltung allen dem Biſchofe — —* bie Gewalt zu wei “ 
nen (wieder mit —— der Biſchofe vorbehaltenen: Benel — 
Gewalt, durch Predigt das Wort Gottes zu verfünbigen und Antheil an der 
Ausübung bes Pirchenregiments zu nehmen, NA feine liche Gewalt Tann 
jedoch der Presbyter nur in Unterordnung unter ben Biſchof u. in —— 
von ihm ausüben, fo daß er zur Auenbung der kirchlichen‘ Jurisbictton bes 
fonberen biſchoͤſlichen Mandates bedarf. Daher kann namentlich ber P. die 
——— Schiũſſelgewalt durch a des — GArt.) 
— er Me he Approbation feines B Fer 
———— Siehe den Artikel Ordination, Im weiteren Sinne ift 
(sacerdos, irpeös), ein aus dem Volfe zu dem Ende Ausgeſchiedener u. Ger 
weihter, im im Namen bes Volkes der Gottheit Opfer bar; en u. hinwie ⸗ 
nn —— jeit Gnaben u, Wol Apr zu fpenben. *) 
— J ber Begriff von P. u. wie uns ihm bie Weltg bei 
bei den Juden ıu bei * — — Es Aura hatſache, 
vis, A bei allen Völfern feit den Uranfängen ihrer®: ef har 
HR Dpfer u. P. un Ohne — u. ” — “en ganze —X 
Religion u. es hat dieß feinen anderen Grund weil e8 ſo im Weſen 
ber Religion liegt, Denn Berföhnung mit ber Sende u. —— Hin 
gabe an Diefelbe in Anbetung u. Danf — find bie beiden Grunbelemente 
aller Religion u. beide finden in dem Opfer ihren Ausbrud (f. d. Art. Opfer). 
Daher fehen wir ſchon die Söhne des erften Menfchen dem Alerhöchften Opfer 
barbringen u. bie erfle Huldigung, welche Nog nat) der Sündfluth feinem Er⸗ 
retter darbringt, ift-wieberum ein Opfer; — in Opfern beftcht der Cultus der 
Patriarchen; Opfer bilden ben Mittelpunkt des von Gott angeorbneten M o- 
ſaiſchen Gottesbienftes, u. wie fehr auch bei den gelben die wahre Urreligion 
zerfplittert, verunreinigt u. entftelt wurde: mit dem Bewußtſeyn höherer göttlicher 
Mächte u. ber Verfohnungsbedürftigfeit des Menfchen blieb ihnen auch das 
Opfer, als bie nothwendige Weife der Botteöverehrung. Vom Opfer aber iſt 
der P. ungerteennlih. So lange die patriarchaliſche Samitien. u. Stammesver⸗ 
faffung beftand, war der Patriarch, wie der Fürft, auch der P. der Familie u. 
diefe geboppelte Wuͤrde vererbte fi nah bem —X ber Erſtgeburt. Sobald 
aber die Familien u. Stämme zu Völkern fich erweitern, tritt auch überall ein 
efonderter B.-Stand hervor, meiftens an einen beflimmten Stamm aber eine 
ace gefmüpft. Denn, wie das Opfer aus ber Menge ber profanen Gegenftände 
ausgeſchieden wird als eine reine u. geweibte Gabe für die Gottheit, fo muß — 
nach bem Gefühle u. ber Meberzeugung aller Völter — derjenige, welcher dieſe Gabe 
barbringt, felbft geweiht u. ausgeſchieden feyn ‚von dem profanen Volke. Steht 
ja der PB. da als ein Mittler zwifchen ber Gottheit u. dem Volfe, fo fann er 
nicht felbft zu dem letzteren gehören. So erforbert es fhon bie Ehrfurcht gegen bie 


=) Diefen Begriff des Prieflertfums, mit befonderer Beziehung auf die Eühnung der Sünden, 
foricpt der HL. Paulus in feinem Briefe an bie Hebräer alfo aus: „Jeder Hohepriefler, aus 
den Menfchen genommen, tird für bie Menfchen befellt, in ihren Angelegenheiten bei Gott, 
damit er barbringe Gaben und Opfer für die Süuder.“ Hebt, 6, 1. 


474 Prieſter. 


Himmliſchen. Wie der Menſch nimmer wagen darf, gemeine, unreine Gaben in 
gemeinen zu profanem Gebrauche beflimmten Gefaͤßen an einem unbeiligen Orte 
arzubringen, fo barf ſolches auch nicht durch profane Hände gefhehen. Rein 
u. auserwählt müflen bie Gaben, geweiht bie Opfergefäße, ber Tempel, ber Altar 
fein; aber eben fo nothirendig muß auch berjenige ausgefondert u. geweiht ſeyn, 
ber al8 ber Repräfentant bes Volkes vor bem Altar erfcheint u. opfert, um dem⸗ 
felben Gnabe u. Verſoͤhnung zu erflehen, ober befien Dank u. Anbetung barzu- 
bringen. Erbeifcht es mithin fchon bie Eigenfchaft ald Repräjentant des Bol: 
kes vor dem Altare der Bottheit, daß der P. eine von der Menge abgefonberte, 
geweihte Perfon fei, fo ift foldhes noch nothivendiger, in fofern er als Repräfen; 
tant der Gottheit erfcheint, beren Willen er entweber dem Bolfe fund madı, 
ober beren Gnaden er bemfelben überbringt. Denn bie Gottheit kann ſich mır 
eines außderlefenen u. geweihten Werkzeuges bedienen. Deßhalb wirb audh bei 
allen Völkern, wie bie Beftimmung des @ultus überhaupt, auch bie erfte Ein 
feßung des dazugehörigen P.⸗thums auf bie Götter zurüdgeführt, Es wäre bie 
thörichtefte Oberflächlichkeit , biefe fchlechthin allgemeine Idee vom P.sthum und 
Dpfer auf Aberglauben oder gar Betrug zurüdführen u. nicht vielmehr bie hoͤ⸗ 
here Wahrbeit in derfelben anerkennen zu wollen. Daber ift auch ber ifraeli 
tiſche Opferkultus u. das iſraelitiſche P.thum fo wenig etwas aus bem Heiden; 
thum Herübergenommenes, baß umgefehrt bie Cpfer u. das P. thuum bei ben Hei⸗ 
den feiner Idee und Weſenheit nach ein Ausflug ber urſpruͤnglichen religiofen 
Wahrheit if. Was aber das ifraelitifche P.thum, als Vorbild des chrifilichen 
insbefondere betrifft, fo war in ber patriacchalifchen Zeit immer der Erfigeborene, 
das Stammeshaupt, auch P. der Familie Da Gott bei dem Auszuge aus Ass 
gypten alle Erfigeburt der Aegypter mit dem Tode gefchlagen, bie Erfigeborenn 
der Iſraeliten aber gefchont u. das ganze Bell aus der Knechtſchaft befreit 
Batte, follten alle erftgeborenen Eöhne Sracls fortan dem Herrn geweibt ſeyn 
zum Dienſte des Heiligibums. Für fie trat einer der zwölf Stämme, ber Stamm 
Levi, ein, dem auch Mofes u. Aaron entiproffen u. ber einen befonderen Eifer 
für den Gottesdienſt gezeigt Hatte (Erob. 33, 26 ff.). Er vepräfentirte mithin 
das ganze Volk im Dienfte des Heiligthums; ausſchließlich dieſem Dienſte ge 
weiht, erhielt er bei ber Bertheilung des gelobten Landes kcinen Untkeil, fondern 
er follte vom Zehnten (fiehe den Artikel) u. den Opfern leben. Diefe Xeviten 
waren jedoch noch nicht eigentlide P., bradıten nicht die Opfer bar, fonbdern 
waren nur Die Diener und Helfer der PB. im Heiligen Dienſte. Das P.thum 
wurde dem Aaron «dem älteren Bruder Moſis), u. feinen Söhnen übertragen 
durch eine unter Opfern vollzogene höchft feierliche Weihe u. Ealbung, bie Moſes 
an ihnen an ficben aufeinander folgenden zum wiederholte (Revit. 8.). Auch 
das P.thum vererbte ſich durch leibliche Abftammung auf bie Nachkommen 
Aurons, ohne daß an benfelben einzeln die dem Stammwvater ertheilte Weihe wies 
berholt wurde; fpäter wurben alle Leviten, auch wenn fie nicht gerade aus 
Aarons Nachkommenſchaft waren, zu dem P.thume zugelafien, Den Schlußſtein 
bes P.thums bildete der Hohe⸗P. As foldyer warb zuerſt, vermittelft ausge, 
zeichneter Weihe, Aaron felbft vor feinen Söhnen eingeweiht u. feine Würde vers 
erbte auf Eleazar, feinen Sohn u. deſſen Nachkommenſchaft; auch hier wurden 
fett Eli auch P. aus anderen Zamilin zum Hobenprieftertfum zugelafien. Nur 
Einer konnte jeweilig wirklicher Hoher⸗P. ſeyn. Dieß ift die Hierarchie bes 
altteftamentlichen P.thums, das Vorbild der Hierarchie des chriſtlichen P.thums. 
Das Amt der P. aber war 1) Die Beforgung des Gottesdienſtes, genau nach ben 
Vorſchriften des Hl. Geſetzes; fie hatten die täglichen, wie felertäglichen u. außer 
orbentlihen Opfer darzubringen, ben Weihrauch der Anbetung wel dem Raͤucher⸗ 
altar anzuzünben, das Licht bes flebenarmigen Leuchter zu unterhalten, woͤchent⸗ 
ich die Schaubrode aufzuflellen ꝛc. Cie hatten auch für das ganze Volk zu 
beten, wie Mofes für es bie Hände gegen Himmel zu erheben; in Zeiten ber 
Roth lagen fit — wie es in ber Schrift Heißt — wiſchen Vorhof u. Altar, 


Priefter, 475 
veinend u. betend für. das Volf, 2). Waren fie die Bewahrer"tt. Ausleger des 
Befeges. (Deut. 31.) „Die ae bes P.6, fagt in dieſet Beziehung der Pros 
dhet Maladias (2, 70) follen die HL Miffenichaft bewahren 1. das Gefeh foll 
man fuchen aus ihrem Munde, benn et (ber P.) ift ein Bote des Herrn ber 
Enblih war ihnen 3) übertragen bie Handhabung ber durch das 
mofaijche Gele angeordneten Disciplin. Durch den Hohen-P. aber war die 
Einheit bes Pithums gewährleiftet. Ihm waren gewiſſe Eultushandlungen vor ⸗ 
behalten, wie namentlich bie bebeuttungsvolle Sühmung des ganzen Volkes am 
——— stage. Der Opferfult u. das P.thum des alten Bundes war 
(8 prophetiſcher u. typifcher Natur; denn weder Fonnte das Opferbiut der 
Widder u. Stiere die Schuld der Menjchheit tilgen, noch das levitiſche P.thum 
die Verföhnung mit Gott vollbringen: das Hat allein vermocht Jeſus Ehriftus, 
ber wahre u. ewige P., ber fich jelbft als das allein mwohlgefällige u, genügende 
Opfer feinem himmliibem Vater u Verföhnung ber Welt ein fir ‚allemal. dar⸗ 
gebracht umb ber Menfchheit die Gnade der Eündenvergebung u. ‚Bellinun, ‚ers 
worben hat (Hebr. 9., fiehe ben Artifel Jeſus EHriftus). Diefes Werk Jeſu 
Ghrifti ift mithin fein worübergehendes, fondern ein in feiner ganzen Fülle "bis 
zum Gnde ber Welt durch die Wirkjamfeit des Hl. Geiftes lebendig 
(fiehe den Artikel Kirche); foridauernd, damit die Verführung u. Gnade, die 
Ehriftus dem ganzen Menſchengeſchlechte erworben, allen einzeinen Gliedern des- 
felben wirklich zugewenbet werde, Darum hat Chriftus das —— 
Menſchwerdung u. feines Opfertodes unter und verewigt in dem allerheilige 
fen Saframent des Altars (ficherden Artifel) u. hat bie Gnade der Sün- 
denvergebung u. Heiligung , bie er durch feine Menſchwerdung u. feinen Dpfer« 
tod ung erworben, niedergelegt in ben heil. Saframenten, wie er die Wahrheit, 
die er und geoffenbart, niedergelegt hat in bem Worte des. Evan 18.*) Ende 
lich Hat Ehriftus der Herr die Seinigen zu einem fichtbaren Reiche Gottes ‚der 
Kirche, vereinigt (f. d. Art, Kirche). Hat aber Chriſtus eine fihtbare Kirche 
aeftiftet, u. fteht es feſt, daß er berfelben in der Euchariflie ein fortdauerndes 
Dpfer bintalaffen; daß er feine Gnaden an ſichtbare Eaframente, feine Wahr: 
beit an die lebendige Mrebigt bes Evangeliums gefmüpft, fo hat er auch noth- 
wendig cin fortdauerndes fihibares P.thum ftiften mürfen, zur Vollbringung des 
Dpfers, zur Epentung ber Eaframente, zur Verkündigung des Evangeliums, zur 
Regierung der Kirche, gerade, wie das Alles aud im altın Bunde der Kal war. 
Und fo hat 8 denn aud; Ehriftus wirklich gethan u. zwar hat ır Diefe Gemalt bes P. tbums 
nicht jedem Einzelnen ohne Unterfhieb, nad der Gefammtheit ber Glaͤu— 
bigen, fenbern einzelnen Männern (die rauen find von jeder priefterlichen 
Function ausgeſchleſſen, 1 Kor. 14, 34 u. 35. Mulier tacest ın ecclesia) übers 
tragen, welche er felbft augerwählte, um fie zu feinen Etelivertretern zu machen, 
deren Amt u. Pflichten er beftimmte u. welche er mit ber dazu erforderlichen Ge 
walt u. Gnade audftattete (f. d. Art. Ordination). Tiefe Auserwählten find: 
Petrus, bie Apoftel u. die Jünger, u. ba Ehrifius diefe Einrichtung nicht 
für die furze Lebınsdauer dieſer Ecſterwäblten, fendern für alle Zeit biß zum 
Weltende getrıffen, deren Rahfolger: der Papſt, bie Bifböfe u. die Priefter. 
Diefe Kirperfpaft der menschlichen Stellvertreier Jeſu Chriſti des ewigen Hohen» 
prieſters ift das chriftliche Prieſterthum. Deſſen Gewalt geht mithin allein von 
EHriftus aus und beruht lediglich auf der freien Ermwählung bucd ihn, 
wie er zu feinen Apofteln fprah: „nicht ihr habt mich, fondern ich Habe euch er⸗ 
wählt“. Hierturch ift jene Lehre ber Proteftanten, wonach bie Diener der Relis 
gion, die Prediger, nichts Anderes find, als Erwählte und Beamte ber Gemeinde, 
als eine ſolche bezeichnet, die mit der Stiftung Chriſti in Widerſpruch fteht. Daß 
übrigens dieje Lehre dem Proteftantismus eignet, if fehr natürlich, Denn vor 
®) Bir verflehen bier unter biefem Ausdrucke nicht bie alfo benannten Bücher der HI. Schrift, 
fordern, nad) dem biblifchen Sprachgebrauche, die Gefammilshte des Kern, 


476 Priefter. 


Allem, ba die Reformatoren fich auflehnten gegen das rechtmäßige Prieſterthum 
ber Kirche, wurben fle dahin gedrängt, bie Imftitution bes Prieſterthums übers 
haupt zu läugnen, u. fie thaten es, indem fie, unter Berwerfung des befonberen 
Prieftertfums, allen Gläubigen ohne Ausnahme ein algemeinee riefterthum aus 
fohrieben, fo daß jeber Getaufte auch Prieſter u. als folcher, wie zur felbfleigenen 
Auelegung u, zur Predigt des Wortes Gottes, auch zur Verwaltung ber Sakra⸗ 
mente befähigt u. befugt fei. Ein allgemeines Priefterthfum aller Geriften ‚ über 
in einem ganz anderen Sinne, als Luther es meint, erfennt auch bie katholiſche 
Kirche an, in Gemaͤßheit der Worte bes HI. Betrus (I. Betr. 2, 9.), daß Ale 
„ein auserwähltes Geſchlecht u. ein Tönigliches Prieftertfum“ feyen; ba ja alle 
durch bie Taufe geheiligt, mit ihren Prieftern auf das Innigfte vereinigt u. da; 
durch Tebendig an allen Handlungen ber Priefterfchaft durch deren Bermittelung 
UAntheil nehmen. Aber fo gewiß Alle biefes allgemeinen Prieſterthums tHeilkaftig 
find, eben fo gewiß Hat Ehriftus der Herr — wie auch bie hl. Schrift bis zur 
Evidenz e8 ausſpricht — das befondere Prieſterthum nur feinen Apofteln und 
Juͤngern übertragen. Die Reformatoren aber waren für biefe hell aus ber 
Schrift Hervorleuchtende Wahrheit blind und klammerten ſich lediglich an jenen, 
übrigens fhon im Alten Teflamente (Malach 1, 11): enthaltenen, Ausfpruch Petri 
von dem allgemeinen Prieftertfum. Freilich trug biefe Lehre, nachdem fie fich id: 
rer als Bat ge en die Autorität ber katholiſchen Kirche bedient Hatten, ihnen 
felbft bittere % de, indem, da jeder bas Apoftelamt ſich anmaßen konnte, wie 
namentlich die Zwickauer Propheten u. bie Wiebertäufer in fo bedroßlicher Welfe 
thaten, bie größte Anarchie herein zu brechen droßte ; daher denn bie Reformatoren 
bald ihren Grundfag vom allgemeinen Prieſterthum in der Praris wieder aufho⸗ 
ben, indem fie nur die für berechtigt zur Ausübung beffelben erklärten, welche zum 
Prebigtamt förmlich angeftellt feyen; biefes Anftellungsrecht aber gaben fie, wie 
befannt, in die Hände ber weltlichen Regenten. Hierdurch find aber natürlich bie 
proteftantifchen Prediger nicht zu Stellvertretern ger fondern nur zu Beamten 
bes Staates geworden ; noch viel weniger aber kommt ihnen — wie auch ber 
Sprachgebrauch zeigt — irgend wie die Eigenfchaft eines Prieſters zu, u. zwar 
deßhalb, weil bie Broteftanten das euchariſtiſche Opfer verworfen kaben, ohne 
Dpfer e8 aber auch feine Priefter gibt. Ja, auch die Spendung ber Saframente 
u, bie Berfündung des Evangeliums verleiht den proteftantifhen Predigern in 
feiner Weife einen höheren Charakter, ba ihnen bei der Predigt die Lehrautorität 
fehlt u., was die Saframente betrifft, nach proteftantifcher Xehre deren Wirkſam⸗ 
feit ganz von dem Glauben des Empfängers abhängt. Ganz anders bei dem 
Prieftertbum der Kirche Chriſti. Der katholiſche Prieſter ift nicht von ber Ges 
meinde, nicht von ber weltlichen Obrigkeit, fondern von Chriſtus erwählt u. ges 
ſendet; er Hat eine reale Macht u. Gewalt u. zwar bie Bollgewalt Ehrifti, deſſen 
Stellvertreter er if. Er ift von Chriftus beauftragt, bevollmädtigt, geweiht u. 
begnadigt : 1) an feiner Etatt das Evangelium unfehlbar zu verfünden, 2) bie 
Kirche Chriſti zu regieren, 3) vor Allem aber — u, darin beruht recht eigentlich 
fein priefterlicder Charakter — das Opfer bes neuen Bunbes zu feiern und bie 
Saframente zu verwalten. In alleweg ift daher ber chriftliche Priefter Stellvers 
treter Chriſti u. weit entfernt, von ber Gemeinde, von dem Volk feine Sendung 
u. Gewalt empfangen zu haben, wird erft das Bolt durch ihn u. feine Vermittelung 
der Gnade und Wahrbeit Chrifti theilhaftig. Berner geht aus dem Bisherigen 
hervor, daß zwar die Predigt des Evangeliums mit zu den Funktionen des Prie⸗ 
ſterthums gehört, keineswegs aber befien weientliche —A iſt, ſo daß der 
nicht P. waͤre, welcher nicht predigt. Die weſentliche Hauptfunktiou des chriſtlichen 
Prieſterthums iſt vielmehr die Darbringung bed euchariftiichen Opfers (der Heil. 
Meſſe), das ſelber der Mittelpunkt, wie aller goͤttlichen Gnadenanſtalten des Chri⸗ 
ſtenthums, fo bes ganzen chriftlicden Eultus iſt. Demgemaͤß hat — gegenüber 
ben Irrthümern ber h g. Reformation — das allgemeine Concil von Trient 
(Sess, 23.) ertlärt: „Opfer und Prieſterthum (sacriioium et sacerdotium) find 


Briefen: ar 
der 


durch bie Anordnung Gottes fo mit einander verbunden, daß beides unter 
ſchaft eines jeden Geſehes (mämlich bes |. g. Gefeges ber Natur, des 
8 u. des Evangeliumg) zuſammen beftand. Da ali neuen 
Tatholifche Kirche aus des Herrn Einfegung das Heil. u. Eus 
Hariftie überfommen hat, fo .mnß man auchheleumen; —— 
bares und aͤußeres Priefterthum, in welches das alte übergegangen ift (Hebr. 7, 
12) beftehe. Daß aber diefes Pri wirklich von ee Heren u. Erlös 
fer eingefegt u. den Apofteln u, ihren Nachfolgern im Priefterthum die Gewalt 
übertragen worben fei, ben Leib u. das Blut des Herrn zu conſecriren, zu opfern 
u. zu ſpenden, nicht minder die Sünden nachzulaſſen ober zu behalten, beweiſen 
bie heiligen Schriften u. hat die Tradition der latholiſchen Kirche immer gelehrt 
u. Alle, die das Gegentheil behaupten, von der Kirchengemeinſchaft ausgefe —— 
Wie das Prieſterthum bes alten Bundes hierarchiſch geordnet war , ſo auch 
des neuen Teftamentes, nur daß die Hierarchie D°3 chrihlichen Prieftertfums: 
reicher u. vollendeter auegegliebert ift: fo erforderte es die Einheit, die Schön! 
u, Lebendigkeit ber Heiligen Orbnung, Als Hoherpriefter (in Diözefe) fteht 
ba. ber Bilder; unter ihm verwalten bas SPriefterthum bie —— u — ben 
Leviten entfprechend — ftehen ihnen als Diener zur Seite fechsfacher Abſtu⸗ 
fung: die Diafonen, Subdiafonen, Aolythen, Lektoren, Exoreiften und 
(. d. At. Ordination), "Da aber die chriſtliche Kirche nicht, wie Iſtael, auf 
ein Land befchränft ift, — ben Etdkreis ‚ fo faßt der Papſt (GGed. 
Act.) als Biſchof der Biichöfe und oberfter Hoberpriefter das ganıe 
zur Einheit zufammen, Auch diefe hierarchiſche Gliederung , wie in 
Betrus, den Apoſteln u. Jungern eingefegt u, bie Kirche zu allen Zeiten — 
hat, hat der Proteftantismus verworfen, aber das Concil von Trient auf's 
feierlich als göttliche ——— gewahrt (Conc. Trid. Sess. 23). Noch iſt ein 
wichtiger Unterfchied hervorzuheben, welcher das neuteſtamentaliſche —— 
vor dem des alten Teſtamentes auszeichnet. Dieſes vererbte nach dem 
fleiſchlicher Abſtammung in dem Stamme Levl's; jenes vererbt ſich war auch 
von den Apoſteln her, in ununterbrochener Succeſſion bis zum Ende der Welt, 
aber nicht durch leibliche, ſondern durch geiſtige Zeugung. Wie naͤmlich Chriſtus 
die Apoſtel fich frei erwaͤhlte u. Gewalt und Gnade ihnen übertrug, fo wählten 
aud die Apoftel_ aus dem gläubigen Volke bie würdigften aus u. übertrugen ihs 
nen dur das Saframent ber Leibe die geiftlihe Gewalt, und fo geſchieht es 
fort u. fort durch ihre Nachfolger. Jehtzt alfo find bie Pforten des Priefterthums 
Allen aufgetfan; Fein Stand, feine Abflammung, fondern nur Unfähigfeit und 
Unwürdigfeit fliegen Davon aus. Unter den Fähigen und Würbigen follen aber 
die erwählt werden, die ihren befonderen göttlichen Beruf zum Prieftertfum ers 
probt haben u. durch Grömmigfeit, Tugend u. Wiſſenſchaft ſich auszeichnen. Nah 
apoftolifger Anordnung Hat die Kirche in diefer Beziehung jegliche Sorgfalt an⸗ 
gewendet u. den höchſten Fleiß auf die Erziehung ihrer Kleriker verwendet. Dar⸗ 
aus mag man entnehmen, wie offen Jene ber Wahrheit in's Geficht ſchlagen, 
welche in ber fathelifchen Kirche von einer „Priefterfafte” fprehen, während es 
fein, im beften Sinne dieſes Wortes liberaleres, Inftitut gibt, als das katholiſche 
Prieftertfum, bei welchem allein das Verbienft u. ber Beruf entſcheidet. Daß aber 
bie Auserwählung zum Prieftertfum, durch die Kirche, durch Papft u. Biichöfe 
efchieht u. durch fie die Gewalt u. Gnade übertragen wird, fann nur Der ans 
höis finden, ber nicht weiß, was Prieftertfum und Kirde und wer Chriftus if. 
Eind nämlich die Priefter Chriſti Stellvertreter u. hat Chriſtus feine Gewalt von 
Gott, fo Fann aud bie göttliche Gewalt des Prieftertfums nur von Ehriftus 
durch feine Stellvertreter, nimmermehr aber von dem Bolfe ausgehen. Der Ein- 
flug, welcher dem Bolfe bei der Wahl zum Prieſterthume geftattet ift, kann in 
nichts Anderem befteben, ale, daß fein —& über ben zu Waͤhlenden gehört 
werde. Und das geſchah auch jeberzeit in der Kirche. Da ber cpriftliche Priefter 
nur in ihrer Eigenihaft als Ehrifli Stellvertreter Gewalt hat und ihm hieielke 


478 Prieſterweihe — Prim. 


nicht um feinet=, fonbern um bes Volkes willen gegeben ift, fo if die Guͤltigkeit 
u. Wirkſamkeit feiner priefterlichen Funktionen unabhängig von feiner perfönlichen 
Wuͤrdigkeit. Hingegen ift e8 bie ftrengfte ethifche Yorberung, daß ber Prieſter 
auch in Gefinnung u, Leben der Heiligkeit feines Amtes entipredhe u. bie Kirche 
hat zu biefem Ende alle nur möglichen Borfehrungen getroffen. Aus biefem 
Grunde — weil von ihm nicht blos bie gewöhnliche chriftliche Sittlichkeit, ſondern 
eine beſondere religiös-fittliche Birtuofität geforbert wird — hat fie ihn namentlich 
zur Ebelofigfeit u. zum Brevirgebet verpflichtet (ſ. d.). H, 
Dee Se ſ. Ordination. 
rieftley, Joſeph, ehemaliger Prediger einer Diſſenters-Gemeinde zu Bir; 
mingham u. zugleih als Philoſoph, Chemiker u. Phyſiker bekannt, war ber Echn 
eines Tuchmachers und 1733 zu Fielbhead bei Leeds in Yorkſhire geboren. Gr 
genop bie gewöhnliche Erziehung ber zu Geiftlichen bei einer Diſſenters⸗Gemeinde 
eftimmten Jünglinge, befum auch ein foldhes Amt, mit einem Gehalt von nır 
30 Pfund Sterling, Wegen feiner Heteroborie bald verfchrieen, konnte er als 
Schullehrer Bier feine Einkünfte nicht vermehren; befto befier gelang ihm dieß zu 
Warrington, wo ſich feine Kenntniſſe ſehr erweiterten u. fein Gluͤck durch bie Ber: 
bindung mit einer trefflichen Gattin blühend wurde. Bon Warrington begab a 
fi) nach Leeds u. wurde Hausgenoſſe u. Geſellſchafter des Grafen von Shelbume, 
nachmaligen Lords Lansbonne, mit einem Gchalte von 250 Pfund Eterling un 
freier Etation. Mit dem Lord machte er 1774 eine Reile nach Frankreich um 
verlebte darauf viele gadlie Jahre ald Prediger ber Diffenters zu Birmingham, 
bis er 1792, wegen feiner freien theologiichen u. politiichen Meinungen, in einem 
Aufftande, den ber Poͤbel aegen ihn erregte, um feine Bibliothek, Manufcripte u. 
einen großen Theil feines Vermögens gebracht wurde, Aus DVerbruß über bie 
Mishandlungen, bie fo weit gingen, daß er fih faum in London ſicher glaubte, 
und aus Furcht, daß auch feine Eöhne fchwerlih in England ihr Kortfommen 
finden würden, begab er fih nad Amerifa. Es wollte ihm aber bier nicht ge 
lingen, ber von ihm fo fehr vertheibigten Lehre ber Unitarier vicle Anhänger zı 
verichaffen und er flarb 1804 zu Northumberland in Nordamerika ald Lehre 
einer Kleinen Gemeinde, bie nie aus mehr als 30 PBerfonen beftand. P. war ein 
Mann von unbeicholtenem Charakter u. unter ben Gelehrten, auch außer feinen 
Vaterlande, berühmt als fcharffinniger Fäyfifer, aber von den Theolonen wegen 
feinee focinianiihen Meinungen häufig angegriffen. Am befannteften find unter 
feinen Ebriften: History and present state of electricity wilh original experi- 
ments, 1767; Adaitions 1770; deutſcht ven K:ünig, Berl. 1774; Theological 
repository, 6 Bbe., 1770— 1788; Institutes of natural and revealed religion, 
3 Bde., 1772; beutfb von I. W. 8. Linf, 2 Thle., Frankf. u. Leipz. 1783; 
History and present stute of discoveries relating to vision, light and colours, 
2 Bde, 1772: beutih von G. ©. Klügel, 2 Thle., 17755 Experiments end 
observ. on different Kinds ofsir, 3 Bde. 1774; Deutfb von C. Lubdewig, Wien, 
3 Ihle, 1778; Lectures on oratory and criticism., 1777, deutih von 9. 3. 
Eichenburg, 1779; Experiments and obs. relating to various branches of na— 
tural philosophy, 3 Bde., 1779; beutih, 3 Thle., Leipı. 1780; History of the 
corruptions of christianıty, 1762 ff.; deutſch, Hamb. 1785, Perl. 1785; Forms 
of prayer for the use of unitarien societies, 1783; Deutih, Berl, 1786; Com-— 
parison of the institutions of Moses with ihose of Ihe Hindoos and other an- 
cient nations, Northumberland 1799; deutſch von Zügenbein, Braunfchweig 1801. 
mehre andere Schriften, auch Abhandlungen in ben Philos. Transact, zum Theil 
verdeutſch in Gren's Journal der Phyſik ac. eine theolegiſchen und bafin ges 
örigen Schriften haben zu näherer Prüfung vieler gangbaren dogmatifchen Ideent 
elegenheit gegeben. Sie verrathen Scharffinn, wenn es ihnen oft auch gar 
fehr an Gruͤndlichkrit fehlt. 
Prim ift ein Theil ber kanoniſchen Tagzeiten, welcher ehemals nach Sonnen⸗ 
aufgang — zur erften Stunde bed Tages — zwiſchen ben Laudes u. ber Terz 


Vrimas — Primiffer. 429 
verrichtet werben mußte. Bor dem fünften Jahrhunderte ſcheint bie Pirnicht bes 
lannt geweferr zu ſeyn, fonbern war wahrſcheinlich mit dem ——— 
vereinigt, Gewöhnlich werben die Moͤnche des Kloſters zu Bethlehem für bie 
Urheber berfelben gehalten. Anfangs Hatte die P. einen Hymnus; auch waren 
die ſechs Pſalmen noch nicht auf die fechs Wochentage vertheilt.  Somohl bie 
leiſe Abbetung des Confiteor, ala die Verleſung des Martyrologiums bei der PB. 
flammt von den Flöftern der. Die Anleitung, wie die P. zu beten iſt und aus 
welchen Pfalmen, Gebeten ıc. fie befteht, gibt bie Rubrik des Breviers Nr, XV. 

Primas (der Erſte, Vornehmfte), ift vorzugaweile der Titel des  vornchmflen 
Geiftlichen in einzelnen Ländern. So nannte fih ber Eczbiſchof von Lyon J 
von Gallien, der von Sens P. vom Gallien und Germanien, der zu Bourges BP. 
vor Aquitanien, ber von Roten P. von der Normandie; von Epanien war «6 
Anfangs ber Erzbifchof von Sevilla, fpäter der von Toledo; in England gab: es 
2 B.n, ber Erzbiſchof von Canterbury von A land mit 66, ber. von 
Horf von England; P. von Ungarn ift der Er; von Gran: er führt ben 
Titel Bürft, iR Beifiger des F. ungarifchen Statthaltereirathes, Obergeſpann bes 
Graner Komitats, Legatus natus des — Stuhles u. f. w. Trönt den 
König (fiehe Balatinus), Er if der Borftand ber Fatholifchen Kirche in 
Ungarn u. feine Stellung bie einflußreichfte u. wichtigfte im Sande. — In Polen 
war feit dem Concil von Konſtanz der. Exzbifchof von Gnefen u. Poſen B.; in 
Deut[hland war es ber Erxzbifchof von. Salzburg. Auch der, chemalige: Kurerz- 
Tanzler u. Erzbifcpof von Regensburg, Karl von Dalberg, trat nad) 8 
bes Rheinbundes (1806). bemfelben als Für ſt⸗P. bei. 

'rimat, ſ. die, Artifel Kirche, Papſt, Bifhof. wunsch 
rimaticcio, Brancesco, ein’ iter Maler, geboren zu Bologna 1490, 
gi en in Frankreich 1570, war ber ‚ber durch getreue Nadal ig ber 
tur einen befjern Geſchmack in ber Malerei na) Frantreich brachte. Er war 
ein guter Kolorift, feine Zufammenfegungen find geiftreih, bie Stellungen feiner 
Figuren fhön u. feine Zeichnung richtig, hingegen tadelt man feine zu unfleigige 
ee Die beiten Kupferſtecher haben ungefähr 480 Blätter nach 
ihm radirt. 

Prime heißt ber erſte Ton in einer Dftave. Die reine P. beſteht aus zwei 
Tönen von ganz gleicher Größe; bie verminderte, wenn ber eine Ton um bie 
Hälfte des andern Tons tiefer, u. bie große oder übermäßige, wenn derſelbe 
gegen den andern um bie Hälfte Höher ift. 

Primiffer, Alois, Tuſtos des FE. f. Antiquens u. Münzfabinets u. ber 
Ambrafer- Sammlung zu Wien, geboren zu Innsbrud 4. März 1796, kam 1806 
mit feinem Bater, dem Schloßhaͤuptmanne Johann Baptift P., nad Wien, wo 
er noch al8 Studirender der Philoſophie biefem ald Gehülfe in der Aufficht ber 
Ambrafer-Sammlung beigegeben wurde. Als dieſer 1815 verftorben war, erhielt 
er, unter Oberleitung bes Direftorß des F. £. Antiquen- u. Münzkabinets, die An- 
ftellung als Cuſtos der Ambrafer-Cammlung u. bald darauf auch des genannten 
Eabinets. 1817 wurde er nach Tyrol geihidt, um bas Befte von den 1816 
noch zurüdgelaffenen Ambrafer Altertfümern u. Kunſtſachen nah Wien zu ſchaf— 
fen, —8 unter feiner Leitung bie völlige Aufſtellung ber Ambrafer-Sammlung 
im unteren Belvedere erfolgte. Er wurde ber gelehrten Welt leider zu früh ent- 
tiffen, als er eben im Fache der altdeutfchen Literatur u. Kunſt Ausgezeichnetes 
zu leiften begann. Er ftarb den 25. Juli 1827 in Wien. Im Drude hat er 
berausgegeben: Die k. f. Ambrafer - Sammlung, Wien 1819. — Ueberſicht ber 
Ymbrafe Sammlung, ebenb. 1825 (Auszug aus dem Vorigen). — Den 2. Band 
der Sammlung altdeutfcher Gedichte von Hagen u. Buͤſching. Auch unter dem Titel: 
Heldenbuch, Berlin 1820. — Der Stammbaum des Haufs Habsburg Oeſterreich 
nad den Originalien der f. k. Ambrafer-Sammlung .lithographirt, mit hiſtoriſchen 
und Kunſtnadrichten begleitet, Wien 1820. — Außerdem fehr viele gebiegene 
Kunfs und Literatur: Auffäge in Buͤſching's wochentlichen Radrichten, in der 


480 Primitien — Princip. 


Wiener Literaturzeitung, in ben Wiener Jahrbüchern, woſelbſt auch mehre Recen⸗ 
fionen. — In Hormayr's Gefchichte Wiens, Archiv u. Taſchenbücher lieferte 
er gleichfalls interefiante Beiträge über alte Denkmäler bdeutfcher Literatur uub 
Kunſt; fo 3. B.: Freyd als Turnierbuch; Sammlung altdeutſcher Gebichte von 
Maximilian I. und deſſen Memoirenbuch, in ben Jahrgaͤngen 1820—23 des His 
forifchen Taſchenbuchs. Bon P. ift ferner ber Tert zu Dürers Dreieinigfeit 
im Belvedere zu Wien. 

Primitien Hießen bei den Alten die Erſtlinge ber Fruͤchte, welche einer 
Gottheit als Opfer dargebracht wurben. 

Primitivum heißt in der Grammatik ein Stamm⸗ oder Wurzelzeitwort, in 
Gegenſatze zu einem abgeleiteten, welches man Derivatum (ſ. b.) nennt. 

Primiz ift die erfte feierliche Meſſe, welche ein neugeweißter Prieſter unte 
Beihülfe eines Afliftenten liest. Eigentlich ift die SB. nur eine Privatmeſſe und 
kann auch als folche gehalten werben: wegen ber großen Theilnahme bes Pubs 
likums aber wird fie meift als Hochamt ehalten. Nachdem mit dem Sanchiffi⸗ 
mum ber Segen gegeben ift, flimmt ber Prieſter das „Veni sancte spiritus“ an, 
welches ber Chor fortſetzt, hierauf fingt er die Oration, „Deus, qui corda fide- 
liam etc.“ und beginnt dann bie Mefie. Nach berfelben Iegt ber Primiziant ben 
Anweſenden die Hände auf. ®ewöhnlich wird auch bei dieſer Feierlichkeit eine 
Predigt gehalten, welche BP.» Predigt Heißt. 

Drimogenitur, f. Erfigeburt u. Majorat. 

Primzahlen heißen ſolche ganze Zahlen, bie fi nur durch 1 ohne Re 
theilen laſſen, ober bie fich nicht als Produkte anderer ganzer Zahlen, bie Einheit 
abgerechnet, betrachten lafien, wie z. B. 2, 3, 5, 7, 11, 13, 17, 19. Diefe nennt 
man auch abfolute PB. Relative P. dagegen heißen zwei oder mehreganze Zahlen, 
Die ante Au gleinen von 1 verfchiebenen, gemeinſchaftlichen Factor haben, wie 
d. ©. 3, 9, 60, (1. ' 

Princip (principium), wörtlich: das Erſte, der Anfang, Urfprung, ber innere 
Grund; dann im Allgemeinen: der Anfnüpfungspunft aller Gefenniniß, das, bis 
wohin wir in unferer Vorftelung in Raum und Zeit zurüdgehen. Angewenbe 
auf daß Seyn, Erfcheinen u. Wirken ber Dinge felbft, bezeichnet das P. derfelben 
die urfächliche Kraft ihres Seyns ober Hervortretens, die Grund» ober Leben: 
fraft derfelben. Hier bietet fi) nun als Matertal der Erkenntnis die Welt in 
ihrer Gefammtheit, in Gegenftelung bes erfennenden Subjefts, bar. Für Erflere 
ift nun P. die Wahrheit ibn, was aber durchaus Nichts, als ein bloßer Ber 
ſtandesbegriff ift, indem die Wahrheit ber Dinge nur in ber Auffaffung in dem 
eigenen Bewußtfenn fi) bdarlegt und Hier als Thatſache abftrahirt wird. Die 
Metaphufifer der frübern Zeit unterfchieden P. bes Seyns u. bes Werbens (P. 
essendi et fiendi). In Auffafiung bed Lebteren aber wird Erſteres ein Unter 
georbnetes, weil, was iſt, Doch vorher geworben ſeyn muß, hört alfo auf, ein 
Erftes, ein P. zu ſeyn. Man begriff dafielbe auch unter dem Worte Cauſal⸗P. 
(P. causale) u. ſtellte ihm das P. ber Zeitfolge (P. non causale) entgegen. In 
Hinfiht auf das bloße Erkennen, u. von allem Erkennen, und von allem Erfenn- 
baren abftrahirt, it PB. (Ertenntniß-P., P. cognoscendi) bie logiſche Be 
bingung ber Einfidht u. eigentlich der Verftand in feinen einfachen Operationen 
ſelbſt. Alle logiſchen, alle mathematifchen Wahrheiten berufen barauf. — 
In der Moral iſt das P. bie Grundbedingung einer freien Handlung und alle 
Marimen des Lebens berufen darauf (vergl. den Art, Sittenlehre). Da aber 
von uns, als befchränkten Sinnenwefen, ein wirkliches oberfles (einziges) P. in 
feiner biefer geiftigen Richtungen gefunden wirb, fo flellen ſich in ber Erkenntniß 
immer nur Be in der Mehrzahl u. in Nelativität auf einander bar, mit benen 
wir uns auch für die gewöhnlichen Zwede des Lebens begnügen. So hat felbft 
bie Mathematik mehre Brunbfäge (Ariome) neben einander geftellt, bis zu benen 
bie mathematifche Einficht verfolgt wird u. bei benen das Weiterforfchen aufhört. 
Sp betrachtet auch ber Chemiker feine Elemente als P.e, wenn er in feiner Analyſe 


Principal — Prinzenraub. a1 


ver —— nichts Verſchiedenartiges mehr darzuftellen vermag. Auch bie 
togif ſtellt mehre Grundfäge auf, Die ein —— antaſtet, und nur dann 
— ven die Schulen miteinander in Streit, Denken von 

‚oberften Ps bie Rede if. — Während fo über das, was im Einzelnen 
gebühet, der efunde 3 — längft feinen Zweifel ach: de — 
man in Beiden uf ie Yurisprudenz im Ganzen, u. felbft in Jung auf 
bie befonberen ji — ehe" ‚namentlich Naturrecht u. pofitives Recht, 
Staatsrecht, Privatreı gr Criminalrecht, immer ob ihre Erfenntnife bir 
ein ——— —— P. begründet u. vereint feien, ober nicht. Es 
Diefeh ab Ent mit anderen Worten der Streit, ob fie wahre Wifienfchaften und 
inneres Syftem bilden ober nicht. Nur das Erftere ift wohl das Richtige, Es 
war entſchieden auch bie Anficht ber Meifter des daſſiſchen Altertfums, —— 
en modernen Rechts⸗ u. Staatswiſſenſchaft wohl En 
Borwürfe machen, als die, daf fie für’ Exfte über! im Seyn um 
vom Staat, vom Geſetz u. Recht bie P.ien u, mit die lebendige —— 
ſowohl im wirfichen u, praftifchen Leben, wie in dem geiftigen Bor u, Abbilde 
N — oe en „egal ch 
ann verw e er unlebenbigen, zu 
bie P.ien u. Kräfte vn —* u. re Erfennens, Hält namentlich ihre — 
nißformeln von Geſetzen u. Rechten für die wirklichen Gefege und Rechte ſelbſt. 
Es iſt auch biefes wieder eine Folge ber Zunft- oder Handwerfseinfeitigkeit ber 
Gelehrten, die, weil ihre Beihäftigung in dem Erkennen und im Betra bes 
unmittelbaren nächften Stoffe. ihres gelehrten Erfennens, nämlich der wiſſenſchaft⸗ 
lichen Gedanten u. Re; ae ober ve aufgefchriebenen —— befteht, dieſe 
als die —2— ſelbſt an t und darüber das wirlliche Leben 434 

——— bei ber Orgel bie Hauptſtimme, dit. ‚die tieffte offene Flöͤ⸗ 

tenftimme eines Manuals (j.b,), deren Gröge die übrigen Stimmen 
eingerichtet find. Diefes Flötenwerf, welches gewöhnlich aus gutem Zinn gear 
beitet ift, die tiefften Pfeifen jedoch auch aus Hol, fteht — voran, dem Auge 
fihtbar. Dann heißt P. die britte Stimme bei Trompetenaufzügen — PB las 
fen, auf der Trompete, die mittleren Töne fehmetternd u. mit Zungenſchlagen 
vermifcht vortragen. 

Bringt enden, f. Garkinaltugenben. 

ring, ber Hwarge, f. Eduard 8). 

Dam » Eduards: Zufel eine eritanifge Eolonie ber britifchen Krone, 
früher St. John's Imfel genannt, liegt in einer füblihen Bucht bes St. 
Lorenz» Bufens, füdöflih von Reu-Braunfhweig u. nörbli von New 
Schottland. Die Infel Hat dieſelde Bobenformation, wie das nahe Feſtland, 
u. ift von vielen Meeresarmen burchfchnitten. Früher eine franzöfifche Fiſcher⸗ 
ftation, wurde fie von ben Franzoſen feit Anfang bes 18. Jahrhunderts colonifirt, 
ging dann an England über u. wird nun größtentheil® von Schotten bewohnt ; 
die indianifhe Urbevölferung iſt faft ganz verſchwunben. Holz, Fiſcherei, Acker⸗ 
bau u. Viehzucht find bie bebeutendfien Hülfsquellen. Die anfehnliche katholiſche 
Bevölkerung gehört zur Diözefe Halifar. Hauptftabt u. Sig des — 
iſt EM :Tomn. 

Eingab ales-Infel, eine Infel in Hinterindien, auf der Weftfüfte von der 
Sa alaffa, nahe am Fefllande, hat gegen 8 [J Meilen, iR gebirgig u. 
waldig, von mildem Klima, bringt Schiffsbauholz, elaftifhes Gummi, ‘Pfeffer, 
Bären, Eichhörnchen, Schildfröten u. f. f., if von ben Briten angebaut worden 
u. bient zum Gtapelplage für bie umliegenden Bäder. Die Zahl der Einwohner 
beträgt etwas über 12,000, bie aus verfchiedenen Nationen deſtehen. Die Infel 
kam buch Verheirathung ber Tochter eines Malaien» Häuptlings an einen enge 
liſchen Kapitän Light (1786), der eine Colonie mit Fort anlegte; hat jept eiges 
nen Gouverneur u. Beſatzung. Hauptſtadt: George-Town. 

Prinzenraub, f. Kunz von Kauffungen. 

Rraleneyelopäble. VII. 1 


482 Bringen von Geblüt — Pribelanns, 


Prinzen von Geblüt heißen biejenigen entfernteren Verwandten eines res 
gierenden Haufes, welche dieſelbe Abftammung mit biefem haben u. im Falle bes 
Erloöſchens des leuteren zur Erbfolge berechtigt find. 

Prinzeſſin⸗Stener Heißt diejenige Abgabe, welche bie Untertfanen in einigen 
Ländern bei der Vermählung einer Prinzeffin des regierenden Haufes entrichten 
müffen. Die Töchter apanagirter Prinzen haben hierauf feinen Anfprud). 

Prior ift der Obere eines Mannokloſters; wo ein Abt if, iſt ber V. der 
Erfte nach dieſem. Daſſelbe Verhältnis findet auch in Frauenklöften Statt. Die 
Würde eines ſolchen Kioſter⸗Obern Heißt Briorat. Oft bezeichnet man bamit 
auch die Wohnung eines P.s ober einer Priorin, weil diefe gewöhnlich von ben 
Wohnungen der übrigen Klofter« Eomventualen getrennt it u. ſich meift in ber 
Mitte des Klofter: Gebäubes befindet. 

Prior, Mathew, geboren 1660 (nad Einigen zu Windborem in Mibdl: 
eſex, nach Andern zu Londen), fludirte zu Cambridge u. begleitete feit 1696 bie 
Stelle eines Sefandtichaftss Sekretär bei dem Badener @ongrefie. 1697 wohnte 
ee dem Abſchluſſe des Ryswider Friedens bei u. ning im folgenden Jahre ala 
Geſandter an ben franzoͤſiſchen Hof. Auch in ben folgenden Jahren wurde P. oft 
zu diplomatiſchen Gefchäften gebraucht. Vom Jahre 1703 bis zur Thronbefteigung 
Georg’s J. war er bevollmädhtigter Geſandter am franzöflfchen Hofe; aber bie 
triumphirenbe Partei ber Whigs (f. d.) rief ihn von bort zurüd und ließ ifm 
auf Befehl des Unterbaufes 1715 verhaften. Man gab ibm Echuld, Heimliche 
Unterhandlungen mit dem franzöfifhen Minifterium gepflogen zu haben. Erſt 
nad zwei Sahren erhielt er feine Kreiheit wieder. Mangel an Hinreichenben 
Einkünften nöthigte ihn, feine Gedichte auf Pränumeration druden zu laffen. Zu 
ben 4000 Guineen, bie er auf diefe Weile erhielt, fügte fein Goͤnner, Lord Har: 
ey, eine gleiche Summe. P. kaufte fi nun ben Lanbfig Downfall in Eifer, 
wo er feitbem in ruhiger Mufe fidy mit poetifchen Arbeiten befchäftigte. Er flarb 
1723 zu Winpole, unweit Orford, den Ruhm eines höchft eleganten u. correften 
Dichters hinterlaffend. Die Phantaſie Hatte wenig Antheil an feinen Gedichten; 
Stärke u, Tiefe des Gefühle waren ihm fremd. Ueber bie mittelmäßigen Poeten 
feines Zeitalters erhob er fih durch Reichthum an Gedanken, durch ben feinften 
u. reizendften Ausdruck in gefälligen, nicht felten überrafchenden Wendungen, u. 
in der Liederpoeſie befonderd durch eine Anmuth, in ber ihn wenige engliſche 
Dichter übertroffen haben. Seine poetifche Werke, zu Lonbon 1740 in 2 Bbn. 

efammelt u. ebenbaf. 1754 new aufgelegt, beftehen aus Liebern, Erzählungen, 
pigrammen u. zwei großen Gedichten: Salomon on the vanity of the world 
ı. Alma ou the progress of mind, von benen das erfie zu ben ernſten Lehrge 
bichten, das letzte zu der ſcherzhaften didaktiſchen Gattung gehört. 

Priorität, Borrang, Borzug; namentli beim Eoncurs cf. b.) ber 
Borzug, weldyer einem Glaͤubiger vor Fe andern in feinen Anfprüchen auf bas 
Bermögen eined Schuldners, worauf mehre Gläubiger Anſpruch machen, zw 
fommt. Das P.s⸗Recht tritt vorzüglich beim Pfandrechte (ſ. d.) u. in Exe⸗ 
futionsfällen ein. — Prioritätstlage if die Klage eines Goncurögläubigers, 
welcher durch das Claſſifikationsurtheil (ſ. Concurs) fich befchwert erachtet, um 
entweder felbft in eine beſſere Claſſe verfegt zu werben, ober einen andern Glaͤu⸗ 
biger in eine geringere Claſſe —3 — 

Priscianus, ein lateiniſcher peadhlehrer zu Konftantinopel, aus Gäfaren 
gebürtig, ober nach Anderen aus Rom u. in Gäfaren erzogen, lebte wahrſchein⸗ 
lich in der erſten Hälfte des 6. Jahrhunderts. Seine grammatifhen Com 
mentarien in 18 Büchern, find das weitläufigfe ältere Werk über bie Ans 
fangögründe der Sprache u. haben in ihrer Art ein claffifches Anfehen erhalten. 
Die eıften 16 Bücher, worin die einzelnen Rebetheile abgehandelt worden, heißen 
gewöhnlich ber größere B. u. bie beiden legteren, welche bie Wortfügung be 
treffen, ber Eleinere. Dazu fommen noch andere Beinere YHuffäge über bie 
Accente, über die Versmaße des Terenz u. f. f.z es find auch Gedichie von ihm 


Priseillianus, 483 


Abrig, die aber einen Höchft geringen Werth haben. — Ausgabe in’ "8 
Sammlung ber lateiniſchen Grammatifer; einzeln am beften Bon hr > 
1818 4,2 Bde Die Heineren grammatiſchen Schriften find deſonders Herand- 
gegeben von I. Lindemann, enden 1918. - Von den Gedichten befindet fich bie 
fegung: bed Dionvſius Pericgetes, unter anderen in Bernharty’s Ausgabe 
bes Dionyfius, bie Gedichte’ De Jaude imperatoris Anastasii und De ponderibus 
&t mensuris find einzeln herausgegeben von St. % Endlicher, Wien 1833. 
Priseilianud, ein Mann von edler Geburt, der mit ſchoͤnen Raturgaben 
Gelehrfämfeit u. berebten Bortrag verband, uneigennühig, aber dabei 'higig und 
— wurde gegen das Eade des 4. Jahrhunderts der, Stifter einer go: 
= manichäifchen Selte, bie ſich in Spanien erhob, felbt Anhänger aus hi 
te Ständen u. aus dem weiblichen Gefchiechte hatte, bie ſich nach ihrem Ober» 
haupte nannten, Gleich den Manichäern, nahmen die Priscilliäniften zwei Grund⸗ 
weſen an. Das böfe Grundwefen, ber Teufel, ſei fein Geſchoͤpf Goties, fondern 
as den Kinfternäjfen u. dem Chaos hervorgegangen und von Natur böfe. Die 
Seele Hielten fie für einen Ausflug der Geifterwelt, welche ſchon vor ihrer Mer- 
einig mit dem Leibe beftehe; ihre Beftimmung ſei von ‚Himmel zu Hlnmel 
berabfteigend, die böfen Geifter zu bekaͤmpfen us & büßen Sünbent, "bie fie 
> im oberften Himmel begangen; bie unterfte Stufe! ihrer Wanderung fet die 
» habe die, Seele die ihr anklebende böfe Materie: bei wi von iht 
nängfich losgewunden, dann erfehwinge fie fich zum oberften dem 2. 
ber Gottheit u. ihrer urfprünglichen Heimath. Mit den Sabelltanern hoben bie 
Priscilianiften den Unterjchied ber drei Perfonen der Dreieinigfeit auf;  Jefus 
Ehriftus habe nur einen Scheinleib angenommen, fei'nur dem Scheine nach 
heboren worden u. Habe ebenfo' gelitten, it anderen Gnoftifern verdammten fie 
bie Ehe ır: die Zeugung, erlaubten ſich aber abſcheullche Sünden des Fleiſches, 
deren Mitgenoffinnen fie ben Namen: angenommener-Schiveftern gaben. Dem als 
ten 'Zeftamente, welches fie nicht verwarfen, gaben ſie eine bildliche Deutung; ben 
neuteftamentlichen Schriften fügten fie —— Acten des heiligen Thomas, bes 
heiligen Andreas u. bes heiligen Johannes u. zwei andere Schandfchriften, deren 
eine, Memoria Apostolorum, von B.; bie andere, Libra, Pfund genannt, von 
Dictinius verfaßt war, bei. — Ihre Lehren geheim zu halten, war den PBıiscils 
lianern zur heiligften Pflicht gemacht. Auch Xügen u. Meineid waren ihnen in 
biefem Falle erlaubt. — Diefe Eefte verbreitete ſich ſchnell durch ganz Spanien; 
auch zwei Biſchöfe, Inftantius u. Salvianus, ließen fih zu berfelben verführen. 
Es war um das Jahr 379, als fie bie öffentliche Aufmerkjamfeit erregte; Hygi⸗ 
nus, Biihof von Cordova u. auf feinen Antrieb Idacius, Bifchof von Emerita, 
widerſetzten ſich ihrer Ausbreitung, verfolgten ihre Anhänger mit mehr Hitze, als 
Klugheit, u. beförberten fo nur ihr Wachsthum. Hugin, ber zuerft gegen fie zu 
Felde gezogen war, begab fich bald ſelbſt unter ihre Fahnen u. nahm fie in feine 
Kircbengemeinfhaft auf. Nach mehrfältigen Disputen zwiſchen Idacius und den 
Priscillianiſten kam die Sache auf einem zu Saragoffa von den Bifhöfen Spa— 
niens u. Aquitaniens 381 nehaltenen Concilium zur Sprache. Die Angeklagten 
magten es nicht, fi dem Ausſpruche des Conciliums bloß zu geben. Die irrige 
Lehre wurbe verdammt u. die Biſchöfe Inftantius u. Salvianus nebſt ben Laien 
Helpidius u. P. mit dem Kirchenbanne belegt. — Ithacius, Biſchof von Oſſo⸗ 
bona «jegt Gftombar im Königreich Algarve), wurde mit dem Bollzuge dieſes 
Eonciliar: Befchluffes, wie auch dem Biſchofe Hyginius dasfelde Schidjal anzu 
fündigen, beauftragt. — Die beiden Bifchöfe, erbittert gam das über fie ergan- 
gene Urtheil, weihten nun P. felbft zum Bifchofe von Adila. Ithacius u. Ida— 
Aus dagegen, von unheiligem Eifer geleitet, forderten die weltlihe Gewalt auf, 
iene Männer aus ihren Städten zu vertreiben u. erwirften, nad) mancherlei fehnö- 
yem Verfahren, von Kaifer Gratian einen Befchl, daß die Keper nicht nur aus 
ihren Kirchen u. Städten, fonbern auch aus dem ganzen Lande vertrieben werben 
'ollten. Die Priscilianiften, eingefhüchtert durch das kaiſerlüche NY ran 
v 


484 Priscilianns, 


ſich nicht, ihre Sache vor Bericht zu verfechten, legten von felh ben bifchöfliche 
Titel, den fie ſich beigelegt hatten, ab, bie Anderen aber zerfixeuten fi. Inſtan 
tus, Salvianus u. P. aber zogen gegen Rom, um ſich bei Papſt Damafıs 
rechtfertigen. Unterwegs verbreiteten fie ihren Unfinn in Aquitanien, beionben 
u Auch. Der Bilder von Burbigala (Bourbeaur), ber heilige Delphinius, fehk 
ch zwar ihnen entgegen, aber fie trieben eine Zeit lange ihren Unfug auf ben 
Landgute ber Euchrocta, Gemahlin des Dichters u. Rebnerd Delphidius, bie f 
für ihre Partei gewannen u. deren Tochter Procula, wie man fagt, von P. ge 
fhwängert, ſich ihrer Leibesfrucht durch Arzneimittel emtledigtee — In Rom vo 
Damafus abgewiefen, begaben fi Inftantius u. P. (Salvian ftarb in Rom) | 
nach Mailand zu dem heiligen Bifchofe Ambrofius, wo ihnen ein Gleiches wider : 
Nun wendeten fie fi) an ben Hof, wo es ihnen gelang, durch Bitten u 
Beftechungen ben Magister oficiorum, Macebonius, zu gewinnen, ber einen fi, 
ferlihen Befehl erwirkte, Fraft deſſen das durch Idacius erbetene Edikt aufgehoben ' 
u. fie in ihre Kirchen wieder eingejet wurben. Nach ihrer Ruͤckkehr w k 
auch den Proconful Volventius auf ihre Seite zu bringen. Zu fehr erbost gega 
ihre Feinde, mit Wiebereinfegung fich nicht begnügenb, belangten fie nun 
cius, als einen Störer bes kirchlichen Kriedens, vor Gericht u. erwirkten bas 
Tobedurtheil gegen ihn, dem er nur durch eine fchleunige Flucht nach Gallien u 
dem PBräfertus Mräterio, Sregorius, dem auch Spanien untergeorbnet war, ent 
ging. Er gewann befien Gunſt; auf feinen Befehl follten bie Urheber ber Un 
ruhen vor ihn gebracht werben, auch fchidte ex einen Bericht an den Kaifer, um 
allen Eingriffen vorzubeugen. Allein am Hofe, wo Alles feil war, erwirkte Ru 
cebonius, der von den Prisciiianiften mit einer großen Summe war erfauft wer 
ben, daß bie Erkenntniß in dieſer Sache dem Praͤfecten Galliens entzogen nd 
dem Vicarius Spaniens übertragen wurde. Macebonius fchidte jogar nach Trier, 
wo Ithacius ſich aufhielt, um ihn nach Spanien Holen zu lafien. Dieſer aber 
entging den Nachforſchungen u. verbarg fi bis zur Empörung bes Marimns 
bei dem Bifchofe Britannius. Als Marimus flegprangend nad Trier gelommm 
war, reichte ihm Ithacius eine heftige Klagefchrift gegen bie Prischlianiften en. 
Marimus ertheilte den Befehl, Alle, welche mit ben Irrthuͤmern bes M. ange 
ftedt feien, nach Burdigala zu fchaffen, wo fie von einem Concilium gerichte 
werben follen. SInftantius u. P. wurden vor das Concilium zu Gericht geftellt; 
Erfterer, da er ſich ſchlecht vertheibigte, bes bifchöflichen Amtes unmwürbig erflärt 
P., das nämliche Mrtheil beforgend, wollte ſich gar nicht rechtfertigen, fonbern 
berief fi auf den Kaifer u. man beging die Schwachhelt, diefe Berufun ge 
zu lafin. Run wurden Alle, welche in diefe lage verwidelt waren, na er 
vor das Gericht des Kaiſers geteilt Die Biichöfe Ithadus u. Idacius erſchie⸗ 
nen als Anfläger., Der Hl. Martin, Bifchof von Tours, befand ſich eben bamald 
zu Trier, um für Unglüdliche, Die wegen ihrer Anhänglichfeit an Gratian zum 
Tode verurtheilt waren, Gnade & erfiehen. Er drang mit aller Liebe und allem 
Aufwande von Berebfamfeit in Ithacius, daß er abftehen möge von feiner An⸗ 
flage, feine Blutſchuld auf fih laden u. bas Episfopat nicht befleden wolle Er 
beſchwor fodann den Kalfer Marimus, daß er das Blut ber Schuldigen nidt 
vergießen möge, als Grund angebend, baß ed genüge, die Schuldigen, bie durch 
einen Ausſpruch der Kirche ala Ketzer erklärt worben, von ihren Stühlen zu 
ftoßen; es jet ohne Beiſpiel, baß eine Firchliche Sache vor einen weltlichen Ric 
ter gebracht würde. Ithacius, um den Wirkungen des Eifers bes Hl. Martin 
zuvorzufommen, befchuldigte ihn ber Ketzerei; aber dieſer Kunfigriff, ber ihm ſchon 
bei vielen feiner Gegner zu Gluͤcke gefhlagen war, blieb dießmal erfolglos. “Die 
Abıntheilung der Priscillianer wurde, fo lange ber Hl. Martin ſich zu Trier auf 
hielt, verſchoben u. Marimus verfpradh ihm fogar bei feiner Abreiſe, baß das 
Blut der Angeklagten nicht fließen ſollte. Allein während ber Abweienheit des 
H. Biſchofs von Tours unterlag Marimus den Eingebungen u. bem Anbrange 
ber beiden Biichöfe Magnus u. Rufus, entfagte den Brunbfägen ber Bilde, 


Priſe — Prisnta; 485 


welche Martinus ihm: eingeflößt Hatte; u. übergab die Sache der Priscilianij 
bem Präfertus Präterio evedius. — me ſcharf — 
xveimal nahm er P. in Verhoͤr u. uͤberwies ihm durch eigenes Sing I; 
baß.er fih auf fhandbare Wiſſenſchaft verlegt, nächtliche Zufammenkünfte mit 
Weibern von ſchlechter — gehalten u. andere empörende Schänblichkeiten 
Degengen re) legte ae — an —— — 
vor, der, naı jeberholter Unt, ung, P. u. le en der 
würdig ertannte. P. Feliciſſimus ır. — ſeine — Eu 
1 2atroniamis, beide vom Laienftande, wurben zu enthauptet. Inf us, 
den das. Concilium zu Bourdeaur verdammt Hatte, ward: in die forlingiichen Eis 
lande bei Britannien verwiefen. Einige andere, weniger Bekannte, wurden theils 
mit Verbannung, theils mit Einziehung ihrer Güter beftraft.. Pıs Tod, Hatte nur 
bie Wirfung, daß die Sefte ſich mehr verbreitete u. bie Seftirer nur Hartnädiger 
wurden, bie ihr Haupt fehon wie einen Heiligen verehrten, zu ihm, wie zu einem 
Martyrer, beteten u. feinen heiligern Schwur, als ben Schtwur"auf feinen Nas 
men kannten. Noch bis zum 6. Jahrhunderte gab es viele Mianiftenz ihret⸗ 
wegen wurde noch im Jahre 563 ein Concilium ir Braga gehalten. ‘Der. Eifer 
bes hl. Papftes Gregorius, des hl. Turibius, Biihofs von Aftorga, endlich der 
— 2 'auren in Spanien, trugen das Meiſte zu ihrer gänzlichen Ver⸗ 
Ptriſe Heißt das von einem Kaper genommene Schiff ( Kapereh, fowie 
auch end eines Seefrieges ein feinbliches, durch ein Kriegsichiff aufgebrach⸗ 
tes Schiff, fei es nun Eigentfum des feindlichen Staates; oder einer erſon. 
Nachdem daſſelbe in einen Hafen gebracht, wird gewöhnlich von einer aus See⸗ 
jeren u. —— zuſammengeſetzten Gommiffion (dem Prifengericht) 
——— ob es behalten (für „gute P.“ erklärt) oder wieder freigeg: wer⸗ 
Prisma nennt man im Allgemeinen jeden Körper; welcher von zwei gleichen 
u. einander parallelen Vielecken als Grundflächen, u. 3, A ober mehr Parallelos 
rammen als Seitenflächen eingefchloffen ift. Befonders verfteht man darunter drei— 
Fiige Glasprismen, zuweilen in einem Geftelle befeftigt,, die von den Optifern 
verfertigt u. zu Experimenten über Die Brechung u. Zerflreuung ber Lichtftrahlen 
ebraucht werden. Statt der maffiven gläfernen Prismen bedient man ſich aud 
ſolcher, die aus geichliffenen Glasplatten zufammengefegt, an den Grundflädyen mit 
2 breiedigen meflingenen Platten bedeckt und inwendig mit Waſſer oder einer an- 
bern weißen durchfichtigen Slüffigfeit ausgefüht find. — Ale edige Stüde Glas, 
alfo auch die Prismen, färben die durchgehenden Lichtſtrahlen und zeigen alle 
Farben des Regenbogens. Die war fhon den Alten befannt, nur wußten fie die 
Erſcheinung nicht weiter zu erflären. Erſt Grimalbi vermuthete, daß das Licht 
bei_ feinem Durchgange durch das Glas eine Brechung erleide u. daß alfo durch 
diefe Brechung die Farben veranlaft würden. Endie flelte Newton im Jahre 
1666 feine Verſuche mit dem P. u. ber Strahlenbrechung an u. kam babei auf 
bie wichtigen Entdedungen, welche in ben Artikeln Brechbarkeit u. Karben 
G. d.) angeführt find. — Prismatifhe Karben heißen bie fhönen Farben, 
welche das P. gibt, wenn man die Lichiſtrahlen hindurch gehen läßt. Sie wer: 
den auch einfache oder urfprüngliche Karben u. Farben des Regen 
bogen genannt. Außer bem Prisma gewähren alle brechenden Materien, beren 
Flächen ſchiefe Winkel miteinander machen, z. B. die Regentropfen, die Tropfen 
bei ben Wafferräbern ber Mühle, die Ränder der Linfengläfer zc., wenn die Licht: 
ſtrahlen durch fie gehen, biefe Erſcheinung. Diefe Farben find nad ber Ordnung 
ber verfchiedenen Grade ber Brechbarkeit rot, orange, gelb, grün, blau, 
indigo u. violet. Eigentlich findet jedoch zwifchen biefen 7 Farben feine ges 
nau abgefchnittene Gränzlinie ſtatt, fondern es verläuft fi die eine unmerflid in 
die andere; daher verurſacht die Brechung ber Kichtftrahlen eigentlich eine fehr 


486 Pritmoid — Privileginm. 


große Menge von Yarbenfchattirungen, wovon bie 7 genannten nur bie hervor⸗ 
ftechendften find, 

Prismoid Heißt ein geometrifcher Körper, deſſen Brumbflächen parallel gerads 
linige Figuren von gleich vielen Seiten, ober unaͤhnliche find. Die Seitenlinien 
oder Kanten finb fich einander, feine, ober nicht alle, parallel, wie foldyes Bebing- 
ung bed Prisma’s iſt. 

rivatakten, f. Alten. 

rivatdocenten heißen die Lehrer an den Hochichulen, welche von ben Res 
gierungen zwar die Erlaubniß, an den Hochſchulen zu lehren u. bie üblidden Hos 
—ãAã einzunehmen, aber nicht den Rang und Gehalt von Profeſſo⸗ 
ren haben. 

Privatmeſſe iſt nach ber Kirchenſprache eine ſolche Meſſe, bei welcher ber 
Prieſter allein ſakramentaliſch communizirt u. welche in der Stille, ohne Geſang 
u. Kirchenmuſik, blos mit einem Miniſtranten, in der Kirche oder auch in einer 
Hauskapelle geleſen wird. 

Privatrecht (jus privatum) Heißt, im Begenfabe zum Staatöredhte, (f. 
d., jus publicum) , ber Inbegriff derjenigen Rechtswahrheiten, bie ſich auf bie 
rechtlichen Verhaͤltniſſe der Staatsbürger unter fich beziehen. 

Privilegium bedeutet im weitern Sinne jede Abweichung von dem gemein 

ültigen ſtrengen Rechte (jus commune, jus strictum), d. h. jede Ausnahme von 
Polen Rechtsgrundſaͤtzen, welche ſich als ſtreng logiſche Eonfequengen bes Rechtes 
begriffes darſtellen, und zwar ohne Unterſchied, ob einer ſolchen Ausnahme ſelbſt 
eine allgemeine Gültigkeit in Folge ihrer Aufſtellung in einem allgemein verkuͤn⸗ 
beten Geſetze, oder nur eine, auf einzelne Yälle befchränfte, Gültigkeit für einzelne 
Perfonn oder Sachen, oder einzelne Claſſen berfilben, in Folge ihrer 
Anordnung in einer fpeziellen Verordnung, zufemmt. Ein jedes P. in dem anges 
gebenen weitern Einne Tann daher der Form feiner Anordnung (Publication) 
nad) entweber ein jus generale oder ein jus speciale ſeyn. Solche jura singu- 
laria aber, welche nur als jus speciale, d. h. nur in befonberen, blos für eingine 
Fälle gültigen Berorbnungen enthalten find, heißen vorzugsweiſe u, im engeren 
Einne P.n. Seinem Inhalte nad kann ein Sonderrecht entweder eine Begünftis 
gung u. Bevorrechtung enthalten, oder «8 kann zu befonderen Leiftungen u. aften 
verpflichten, Beichränfungen auflegen, oder fonft nadtheilige Verhältniffe begruͤn⸗ 
ben. Je nachdem bas Eine oder das Andere geichehen ik, bezeichnet man das 
Sonderrecht als privilegium fuvorabile oder privilegium odiosum, Yür das er 
ftere find in Deutichland im Mittelalter insbefondere die Worte: „Gnade“, ober 
„Breibeit, Freiheiten” Im Gebrauche geweſen. Iſt ein PB. einem Individuum ober 
einer Corporation in der Art verliehen, daß fich der Verleiher zugleich verpflichtet, 
anberen PBerfonen entweder überhaupt nicht, oder doch nicht innerhalb eines gewifs 
fen Bezirkes, oder inmerhalb gewifier Zeit ein ähnliches P. zu ertbeilen, fo wird 
das P. ein ausfchließliches oder Monopol; im entgegengefegten Falle, wenn das⸗ 
felbe B. mehren Perſonen pertiehen wird, ein cumulatives genannt, “Der Veran⸗ 
lafjung ihrer Ertheilung nad find bie Privilegien entweder ad instentiam oder 
ex arbitrio gegeben, je nachdem ber Eouverän um die Ertheilung angegangen 
worden war, oder, ohne ein ſolches Nachſuchen von Seite der Interefienten, aus 
eigener Entſchließun g (proprio motu) das P. verliehen Hat, Wirb das P. von 
dem Etaatöherrfcher in Foige eines onerofen Nechtsgefhäftes, wie Lauf u. f. 
w. (wohin aber die bloße Aahlun ber nady der Landeeverfaflung etwa für bie 
Ausfertigung der Diplome u, bie dazu erforderlichen Etemyel u. dgl. gebührenden 
Zaren nicht zu zählen find), verliehen, nennt man das P. ein conventionelles; 
im entgegengejegten Falle, wenn es ohne Gegenleiſtung von Seite bed Empfän, 
gerd gegeben wird, ein gratiofes PB. Nach feiner Wirkung if ein P. entwe⸗ 
ber ein affirmatines, ober ein negatives, je nachdem es bem Inhaber bie 
Bornahme pofitiver Handlungen geftattet, oder Dritte zu Unterlaffungen im Ver⸗ 
hältniffe zum Berechtigten verpflichtet, wie z. V. ein P. gegen den Nachbrud. 


Privilegium. 487 


‚em Umfange nach ift ein P. entweder ein perfönliches,; wenn es einer 
om nur für fich auf ihre Rebengzeit; oder auf eine fonft beftimmte Zeit, oder 
ſwar für fi) und ihre Iegitimen Descendenten, jedoch im biefem Falle ofme 
t barauf verlichen wird, ob dieſe Descendenten auch Erben u. Rechtsnach⸗ 
t des Beliehenen werben, oder nicht, wie z. B. bieß bei der Verleihung des 
hen Adels der Fall iſt. Ding lich (privilegiumreale, Real- PB) wid ein 
‚ann genannt, wenn es einer Perſon zu Guͤnſten einer. von ihr befeffenen 
tobilie in der Art verliehen wird, daß es fortwährend mit) biefer Immobilie 
inen jeden Erwerber derfelben — (als ein: Immobiliarrecht) übergeht, gleich 
db bet neue Erwerber ein Univerfals oder ein Eingularrehtsnachfolger bes 
© Brivilegirten iſt. Gemifchte P. —— mixia), d. h. ſolche, welche 
Charakter: eines perſonlichen u. eines BPo in ſich vereinigen, kann es 
Ratur ber Sache nach nicht geben, Was man ſo nennt, ‚find nichts Anderes; 
jerfönliche P.n, an welchen, fraft einer 'befonbern Bergünftigung der Gefepe; 
noch einige andere beftimmt bezeichnete Perſonen, außer dem erſten Privlie⸗ 
i, nicht ‚aber deffen fämmtliche Rechtsnadjfolger Antheil haben, fowie 4: B: 
em privilegium ‚moratorii auch die Bürgen des ne Antheil nehs 
— Eine eigenthümliche Bedeutung: hat endlich Wort „PB. (privilege)“ 
anzoͤſiſchen Civilrechte. Er bezeichnet hier ein gefepliches Vorzugsrecht eines 
bigers an dem Vermögen feines Schuidners, kraft deſſen er bei bet Befrie⸗ 
% den übrigen Gläubigen und fogar den Hypothelglaͤubigern vorgeht. Et» 
lehnliches findet fich jedoch auch: ſchon im: gemeinen (tömijchen): Rechte in 
g auf bie Rangordnung der Pfandgläubiger untereinander, unter ber Bezeich⸗ 
als pignus privilegiatum- 8. | qualifieatum oder hypoiheca privilegiatar 8, 
ficata., (Thibaut, Evftem des Pfand-R. 8.8021. fl.) — Hinſichilich ber 
nftände, worauf fie fich bezichen, find die Arten der P.m | eben ſo mannig fach 
8 verſchiedene Rechte oder Verpflichtungen «gibt , welche nach ber‘ fpegiellen 
töverfafjung eines Landes als finguläre Rechtöverhältniffe erſcheinen. Die 
uchlichſten Arten ber P.n in Deutfehland , welche in Form der Verordnung 
ingelne :Berjonen eıtheilt werden, find: 1) Handels B.n, Monopole u. PBa- 
für Erfindungen, u. P.n gegen Nachdruck, Nachbildung von Kunftwerken 
l. — 2) Die Ertheilung des jus universitatis füe Vereine jeder Art u. die 
tigung milder Stiftungen als idealer Perſonen. — 3) Die Verleihung von 
eihnungen jeder Art (Orden, Titel, Würden, Etandeserhöhungen); ja, ſogar 
efammte Staatsdienft beruht hinſichtlich des Staatsbeamten auf einem P., 
amfelben durch das Anftellungsdefret eben fowohl befonbere Rechte, als bes 
re Pflichten aufgelegt werben. — 4) Die Begnadigung, Abelition und Er— 
‚er Etrafe. — 5) Ertheilung von Dispenfationen gegen prohibitive Eivilge- 
wie VBolljährigfeitserklärung, Regitimation unehelicher Kinder u. |. w. — 6) Von 
er Bedeutung war aud nach ber Altern Verfafſung das Aſylrecht, welches 
wichtigen Theil der ben geiftlichen u. weltlichen Immunitäten zuftändigen Pris 
en bildete, allein bes großen Mißbrauches wegen, welcher bamit getrieben 
e, fhon feit dem Anfange des 16. Jahrhunderts immer mehr eingefchränft 
beutungslos wurde. Die regelmäßige Art, wie P.n erworben werben, ift 
zerleihung durch das Etaatsoberhaupt, u. dieſes Recht bes letzteren, P.n zu 
Ien, wird Pn» Hoheit ober B.ns Regal genannt. Im Mittelalter wurde bas 
der P.n⸗Ertheilung in Deutichland, nach dem Mufter des römifhen Rech- 
18 ein ausfchließendes Recht bes Kaiſers betrachtet, welches er entweder 
telbar, ober durch eigene, durch befondere Vollmachten (Comitive) hierzu bes 
erflärte Beamte (Pfalzgrafen) ausübte. Den beutfchen Landesherren kam 
diefes Recht nur in fo fern u. in fo weit zu, als fie von bem Kaifer dazu 
t erflärt waren. Entſprechend dem Charakter, welchen die B.n- Gewalt der 
tatoren im römifhen Rechte an fi trug, war auch die SB.» Gewalt ber 
ben Raifer, melde ſich in fo fern als Nachfolger der rumiiigen heran, 
" älteren Zeiten, und namentlich noch in den Zeiten ver Kahentauien, AT 


488 Prisilegium, 


ein abfolutes u. unbefchränftes Recht anerkannt, u. darauf geht auch ber Ausbrud 
„plenitudo potestatis caesareae oder Faiferlihe Machtvollkommenheit“, worauf 
fich die Kaiſer bezogen, wenn fie eine mit bem hergebracdhten Rechte in Wider 
fpruch ſtehende ober fonftige erorbitante Berfügung erließen. Die P.s Hoheit be 
Kaifer fpielt daher in dem mittelalterliden Rechtsſyſtem eine große Rolle. Waͤh⸗ 
rend nämlich auf ber einen Seite der Kaifer durch bas Herfommen, bie Verfaſ⸗ 
fung des Reiches u. burch bie Mebermacht der Reichöftände gehalten war, bie ge 
feggebende Gewalt nur mit, Goncurrenz des Reichstages auszuüben, fo Hatte er 
dagegen in feiner B.nsHoheit das Mittel, einfeitig n. willfürlich zu verfügen, we 
—8 freilich am Ende häufige Verwickelungen u. Streitigkeiten mit ben Reichs⸗ 
ſtaͤnden entſtanden u. naturgemäß das Beſtreben hervorgerufen wurde, die kaiſer⸗ 
liche Machtvollkommenheit immer mehr einzuſchraͤnken. Dieſe Einſchraͤnkung wurde 
endlich im weſtphaͤliſchen Frieden (1648) im Großen durchgeführt, indem darin 
in Bezug auf die Vornahme aller eigentlichen Regierun ehanblungen die Theil⸗ 
nahme ber Reihöftände u. des Reichstages zur Regel erhoben wurde, jo daß bie 
Befugniß zur Ertbeilung gewiſſer B.n, wie 3. B. die Standeserhößung, bie Le⸗ 
gitimation unehelicher Kinder, die Verleifung afabemifcher Würden ıc., nur noch 
als eine Singularität erfchien; baher benn auch jene P.n, welche von dem Kai⸗ 
fer nach wie vor, ohne Concurrenz des Reichstages, unmittelbar ober durch bie mit 
piehgrafiher Eomitiven verfehenen Reichöglieder ertheilt werben fonnten , feitdem 
als Reſervatrechte bezeichnet wurden. — Nach den gegenwärtigen Staatövers 
hälinifien in Deutfchland bedarf es, um ber Krone die B.nsHoheit zu vindiczen, 
den frühern hiſtoriſchen Titel nicht mehr, fonbern fie ſteht dem Staatsoberhaupt 
fraft des Begriffes der Souveränetät (als Integrivenber Beftanbibeil berfelben) zu. 
In den modernen conftitutionellen Monarchien tft bereitö die Frage angeregt wor» 
ben, ob u. in wie fern den Landſtaͤnden eine Theilnahme an der P.n⸗Hoheit zu 
fiehe. Diefe Frage ift, nach dem Geiſte ber conftitutionellen Monardhie, welde 
nur eine Theilnahme der Landſtaͤnde an ber Geſetzgebung, aber nidht an ben Ber, 
ordnungen Tennt, gerade nach dem formellen Unterfchiebe zu beantworten, ob bie 
Krone von dee P.n⸗Hoheit in ber Form ber eigentlichen @eiehgebung ‚ ober in 
ber Form der Verordnung Gebrauh macht. Wo die Bıns Hohelt in Form ber 
allgemeinen Gefeggebung — und alfo in der conftitutionellen Monatdie 
mit Zuftimmung der Landfläinde — ausgeübt wird, ift bie Krone in dem Ge⸗ 
brauche Diefes — völlig unbeſchraͤnkt, d. h. es gibt Hier für ben Um 
fang, in welddem die P.n⸗Hoheit zu gebrauchen ift, feine anderen Graͤnzen, als 
jene, weldye ber geiepgebenben Gewalt ihrer Natur nach durch den Zwed bes 
Staates geſetzt find. N) bagegen die B.n = Hoheit nur in der Form fpezielle 
Berordnungen ober Referipte, in Bezug auf einzelne Fälle u. Perfonen ausgeübt 
wird, fordert die Humanität u. die Billigkeit, fowie dieß auch aus dem Begriffe 
eines rechtlich geordneten Staatözuftandes von felbft folgt, daß ber Inhalt eines 
ſolchen P.s für das betreffende Individuum nur ein vortheilhafter, nicht aber ein 
— gegen die allgemeinen Gelege — verlepender ſeiz baher denn 3. B. ein Re 
feript,, welches die von ben ordentlichen Berichten ausgefprochene Strafe fchärfen 
würde, als ein illegaler Act ber Staatsgewalt zu betrachten wäre. — Zur ge 
richtlichen Geltendmachung und Beftreitung ber En find die, für bie Geltendma⸗ 
hung u. Beftreitung ber Servituten in bem gemeinen Rechte gegebenen, binglichen 
u. poffefforifchen Rechtsmittel in analoger Anwendung zu gebrauchen; insbefon 
bere ift unter den Nechtsmitteln letzterer Art, nach der Natur ber hier in Frage 
fommenben Berhältnifie, die Spolienflage von ber haͤufigſten praftifchen Beben 
tung. Wo ein B. in der Form eines Reſcriptes ertheilt worden if, kann baffelbe 
au are Big von denjenigen, welche fi dadurch rechtswidrig beeinträchtigt 
halten, vermittelft ber Einzede ber Erfchleihung angefochten werben. Im age 
meinen gelten binfichtlich bes Erloͤſchens der P.n biefelben Brunbfäge wie in 

1u8 auf das Erlöfchen anderer Rechte überhaupt. P.n erloſchen daher, u. zwar 
ogar ohne einen Anfpruch bes bisher Privilegirten auf Entichäbigung , fowie 


Probabilismus — Problem, 489 


bas P. durch ein eigentliches u, allgemeines Grfeg aufgehoben wird, ohne 
Unterfieb, ob es ebenfalls in einem allgemeinen Ge —— war. 
Wird dagegen ein P. einer Perſon nicht durch ein allgemeines Geſetz, ſondern 
nur. durch ‚eine Berorbnung (ein Refeript) , aus chten des Fe 
Wohls, aufgehoben, welche nur gerade gegen bie ‚einzelne Perfon des —— 
ten und in einem einzelnen Falle geltend gemacht werben, fo treten Hier ‚alle 
Rüdfichten. ein, welche im Allgemeinen da obwalten, wo der Staat erworbene 
Rechte von einer Privatperfon, oder in einem beſondern Falle, zum Opfer verlangt. 
Außerdem erlöfchen Pın durch den: Ablauf der für die —— von Klagen 
überhaupt geltenden gemeinrechtlichen Berjäl ifriſt. Dem Privilegirten iſt es 
in der Regel unverwehrt, auf fein P. zu verzichten u. daſſelbe aufzugeben, in ſo 
weit überhaupt jedem Berechtigten frei ſteht, feine Rechte —— t zu. laſſen 
ober denſelben zu entſagen, b. h., in ſo ferne ihm dieß nicht durch eine beſondere 
Beſtimmung unterfagt iſt, wie z.B. mitunter der Verzicht —— 

tandesprivilegien, wie 4. B. der privilegirte —— , verboten iſt, oder in ſo 
fern das P. nicht mit Pflichten 0 iſt, wie 4. B. die Befugniſſe der Staats⸗ 
beamten, in welchem Falle die Wirfjamkeit ber ſagung durch die Ertheilung 
der Staatserlaubniß bedingt iſt. 

Probabilismus nennt man im jemeinen die Behauptung, daß gar feine 
Erfenntniß auf einer volllommenen Ger: beruhe, fondern daß ihr ein, im 
günftigften Falle, hoher Grab ‚von Wahrfcheinlichfeit unterlicge. — In einer befons 
deren Bedeutung aber verfteht man unter P. die Anficht, welche jeden Grundfag ober 
jede Handlung für —— Hält, ſobald fich nur irgend ein wahrſcheinlicher 
Grund für deren Güte anführen läßt. Dieſe Lehre, um bie Mitte bes 

erts leider auch won einzelnen liebern des Jefuitenorbens_vı t 

von den Janſeniſten nicht ohne Scharffinn und bittere Satire befämpft, hat 

ihrer Zeit nicht — zur — der Moralitaͤt beigetragen. Zu weit 

gingen aber offenbar: diejenigen, die den Probabiliften ‚gem geradezu ben 
Sag unterfehoben: ber Zwec heilige die Mittel. 

Probe heißt im Theaterweien u. in der Mufif die Privataufführung eines 
Drama oder eines Tonftüds, um bie öffentlihe Darftellung zur angemeffenen 
Vebereinftimmung und Rundung zu bringen. Dergleihen B.n geſchehen theil- 
weife und im Ganzen und darnach erhalten fie ihre verfchiedenen Benennungen, 
als: Leſe-, Coftumes, Haupt» u. Generals®.n, Stuͤck- und Zimmer + B., Elavier-, 
Ehor=, Geſang⸗ und Quartett⸗P. n. 

Probejahr, ſ. Noviziat. 

Probiten nennt man in der Muͤnz- und Hüttenfunbe: den Metallgehalt ber 
Erze, und bei Legirungen ben Feingehalt an Gold und Silber beftimmen. Das 
Letztere nefchieht für die gewöhnlichen Zwede bes Goldſchmieds mittelft Abtreibens 
auf der Kapelle (. b.), ober, wenn es ſich um bie größte Genauigkeit hanbelt, 
auf dem feit 1830 befannten nafen Wege, wobei bie Probe in Ealpeterfäure 
gelöst und das Eilber durch Zufag von Kochſalz als Hornfilber gefällt wird. 

Probirkunft, die Kunſt der Beftimmung bes Feingehaltes ber gold - u. filber- 
haltigen Legierungen ; dann, als ein Theil der chemifchen Analyfe, die Kunft, nutz⸗ 
bare Erze auf ihren Metallgehalt zu prüfen. 

Probirnadeln, Kleine Stifte verfchiebener, aber genau bekannter procentifcher 
Zufammenfegung, theild von Eilber u. Kupfer, theild von Gold u. Silber, theils 
endlich von allen drei Metallen. Man macht, um den Beingehalt bes Goldes u. 
des Silbers zu unterfuchen, mit mehren biefer Radeln Striche auf dem Probir⸗ 
fein, einem abgefhliffenen Stüde ſchwarzen Kiefelfchiefers, daneben einen Strich 
mit ber Probe, vergleicht genau die Farben ber Striche und ſchließt nun von 
dem Seingehalte der Rabel auf den der Probe, 

roblem, etwas in Frage Geftelltes, was buch Unterfuhung und nach 
Gründen wiftenfhaftlih befannt werben fol; daher problematiſch, was noch 
in Zweifel geftelt ift. 


490 Probus — Procida. 


Probus, 1) Marcus Aurelius, roͤmiſcher Kaiſer, ein vortrefflicher Feld⸗ 
herr u, beliebter Regent, aus Sirmium in Pannonien, zeichnete ſich früße bei 
der Armee aus u. wurde 276 vor Chriſto Kaiſer. Er focht fehr glüdlich gegen 
bite Deutfchen, Blemyer, Perfer und gegen verſchiedene Kaifer und erbaute o 
richtete mehr ale 70 Stäbte wieder auf. Im Auguſt 282 wurbe er unweit 
Sirmium als ein Opfer feiner foharfen Kriegszucht und feiner Nichtachtung ber 
Soldaten und ber ihnen aufgelenten Arbeit ermordet. — 2) P. Valerius, ein 
Grammatifer, aus Berythus gebürtig, der unter Nero, bis zur Regierung bes 
Domitian lebte Wan hat von ihm, außer mehren verloren gegangenen Werfen, 
eine Abhandlung De nolis Romanorum interpretandis, herauögegeben von fin 
denbrog, Leyden 1599, und Ernft, Sorau 1674 mit Anmerkungen, und 2 Buͤcher 
Grammaticarum institulionum. Man findet leßtere in der von utfchiue beforgten 
Sammlung alter Grammatifer, Hannover 1605. 

Procent Heißt eine Verhältnißzahl zu 100. So fagt man z. B.: bie jährliche 
Vermehrung ber Bevölkerung eines Landes betrage 7 P., d. h., auf je 100 Ein 
wohner dickes Landes kommen jebes Jahr 7 Menſchen mehr; am häufigften aber 
braucht man das Wort P. bei Intereſſenberechnungen, indem man fügt ,‚ en 
Gapital werde oder fei zu fo und fo viel P. ausgeliehen, d. h., von je 100 
Bulden dieſes Capitals werben fo und fo viel Gulden jährlich als Nutznießung 
dem Berleiher des Capitals zu Gute gerechnet und bezahlt. In biefem inne 
find alfo die P.e nichts Anderes, als die feftgefehten jährlihen Zinfen (ſ. b.) eines 
Capitals von 100 Thalern. 

Proceflionen find öffentliche, unter gewiſſen Feierlichkeiten veranftaltete got 

tesbienftliche Aufzüge, welche nach einer beftimmten Form u. Ordnung von einer 
Kirchengemeinde, oder von mehren gemeinfchaftlidh, an beftimmten Tagen begangen 
und theils innerhalb, theils außerhalb bes Gottesdienſtes abgehalten werden. So 
lange biefelben ſich nur auf das Innere der Kirche beſchraͤnken, unterliegen fie 
blos ber Leitung und Aufſicht der Kirchenvorſteher; fobald fie aber außerhalb ber 
felben gehalten und in entfernte Kirchenorte geführt werben, tritt, nebft ber kirch⸗ 
lichen Aufficht, auch bie polizeiliche ein. Die Beſtimmung ber Form und Feier 
berfelben, als religiöfer Anftalten, gehört aber lediglich zum Reſſort der geiftlichen 
Oberbehörben. Theophorifche P. nennt man jene, bei denen das Sancdiffimum 
mitgetragen wirb. 

Procida, Eleine Inſel zwiſchen dem Vorgebirge Mifenum u. der Infel Ifchia, 
zur Provinz u. dem Königreiche Reapel gehörig, bat 4 [J Meile u. 5000, ſonſt 
18,060 Einwohner, war u. ift noch immer, die großen Städte abgerechnet, bie 
bevölfertfte Gegend ber ganzen Exbe, dabei fehr fruchtbar, bringt Del, Wein, Seide 
u. Fiſche. Hauptfiabt: St. Eatalbo. 

Procida (Sodann von), geboren zu Palermo gegen 1225, ftubirte erfl 
Medizin, erwarb fih das Vertrauen der Kaifer Friedrich I. und Konrad IV., für 
bie er fletö eine warme Anhänglichfeit Hatte, ergriff fpäter bie Waffen für Kon⸗ 
radin von Schwaben u. begab ſich nach dem Siege Karls von Anjou über biefen 
Fuͤrſten zur Königin Konftanze von Aragon, weldye ihn gütig aufnahm und ihm 
Befigungen gab. Er blieb flets in Berbindung mit Sicilien und die Nachrichten 
von den Bedrüdungen, worunter fein Baterland feufzste, vermehrten ben Haß, 
welchen das traurige Ende Dlanfreb’s u. Konradin’s erregt hatte. P. unternahm 
große Reifen, um Karln Feinde zu erweden, ging 1279 fogar nad Sicilien, fah 
aber bald ein, daß er bie von den frangöfifchen Truppen durchſtreiften Provinzen 
biesfeitö ber Meerenge von Meffina noch nicht würde in Aufftand bringen bürfen, 
obgleih alle Einwohner des franzöfifchen Joches müde umd geneigt waren, Alles 
zu wagen. Er ging nun nach Konftantinopel zu Kaiſer Michael Palaͤologos, wels 
hen Karl von Anjou aber angreifen wollte, erhielt von jenem eine beträchtliche 
Summe ®eldes, welches er anwendete, um die Sicilianer mit Waffen zu verfehen, 
erhielt 1281 in Konftantinopel noch 2500 Unzen Bold, welche zur vollfommenen 
Bewaffnung bes Königs von Aragon verwendet wurden, durchſtreifte num Sicilien 


Proeonſul — Procoplus. 49 


unter verfchtebenen Verkleldungen, führte ben Adel nach Palermo, übertedete noch 
das Volk, keine Beſchimpfung von den Franzoſen mehr zu dulden und war, ob 
er glei an der am 30. März 1282 begonnenen —— der Franzoſen feinen 
thätigen Antheilinahm, doch die erfte Urſache derſelben. Nach dem’ ©: ber 
ſteilianiſchen Vefper überreichte er Peter II von Aragon im Namen aller Ges 
meinben von Sicillen bie Krone biefes Reiches wu blicb ſtets ein getreuer Ra 
der aragonifchen Monarchen, welche in Sicilien aufeinander folgten, Er lebte no: 
1302 u. farb in hohem Alter; I nor 
ſconſul, hieß in ben früheren. Zeiten Roms) ein Conſul, dem, nach Ver⸗ 
lauf feines. Amtejahres, das Eonfulat verlängert’ wurde, ober der als Magiſtrat 
son niederem Range, wie Marcellus u. Gallius, als Prätor, oder als Privat⸗ 
perfon im dringenden Faͤllen conſulariſche Gewalt erhielt. Daſſelbe gilt vom dem 
Proprätor. Dann nannte man fo eine außerordentliche Magiftratöperfon ‚bie 
nach Ablauf ihres Conſulats in Rom (bisweilen auch, ohne vorher: Conſul ge⸗ 
wege: zu ſeyn), Statthaller in einer Provinz war. In gleichem Berhältnife 
Rand ein geweſener Prätor als; Proprätor, 3 1 
‚ocopins, 1) ein Geſchichiſchrelber bes: 6. Jahrhunderts, aus Caͤſarea in 
Palaã ſtina, Sahmwalter u. Rhetor zu Konſtantinopel und in der Folge eine Zeit 
lange. Sladtpfleger daſelbſt, Freund des Beliſar. Er ſchrieb acht Bücher; die er 
in sei Tetraben theilte, wovon er die erſte die perſiſche 1. bie zweite, Die gothiſche 
Geſchichte nannte, obgleich nur die beiden erſten Buͤcher den Krieg mit den Pers 
fern; ‚die beiden: folgenden die ‚Kriege mit den Vandalen u. Mauren in Afrika ta 
Die vier legten die Kriege der: Gothen vom Jahr 4982—552 betreffen. - Außerdem 
hat man noch unter, feinem Namen "Avirdora oder eine geheime Geſchichte des 
0f8 zu Konflantinopel, worin er alles Lob, Auftinian’d, der Entſetzung Ber 
tifars «wegen, wieder. zucidnimmt, und Kriguata, ober 6 Bücher von bem 
durch den Kaiſer Juſtinian errichteten oder erneuerten Gebaͤuden. Seine Schreibart 
hat: das Verbienft der Deutlichkeit und) Sprachrichtigkeit, und ihm gebührt ber 
erſte Rang unter ben byzantinifhhen Geſchichtsſchteibern, deren große Samm⸗ 
lung in der Pariſer Ausgabe von Labte, Fabrot u, Dufresne 1648 ff. aus 46, 
und in der Venediger 1729 ff. aus 27 Koliobänden beftcht; bie neuefte von Nies 
buhr, Beffer, Dindorf u. A. beforgte Bonner Ausgabe ift noch nicht vollendet, 
— Die befte Ausgabe des P. ift die zu letzterer Summlung gehörige von W. 
Bindorf, Bonn 1833, 3 Bde. Die geheime Geſcichte ift einzeln von I. Eichel, 
Helmft. 1654, herausgegeben und von I. P. Reinhard in's Deutſche überfept, 
Erlangen 1753. — 2) P., Andreas, ber Geſchorene (Holy, rasus), 
auch ven feinen Gefährten ber Große genannt, ein berühmter Anführer der 
Huſſiten, des furdtbaren Ziska Nachfolger, war um 1400 zu Prag aus aber 
ligem Geſchlechte geberen. Früh verwaist, nahm fi ein Oheim feiner an, ließ 
ihn fludiren u. nahm ihn auf feine Keifen nach Frankreich, Spanien, Italien u. 
Zerufalem mit. Nach feiner Ruͤckkehr erhielt P. die Priefterweihe, woher fein 
Beiname der Gefchorene; beim Ausbruche des Huffitenkrieges aber ſchlug er 
fih auf deren Eeite, zeichnete ſich durch mehre glänzende Waffenthaten aus und 
machte fi bei Zisfa ſehr beliebt, der ihn auch bei feinem Tode 1423 zum Heer: 
führer empfahl. P. ſetzte nun den verheerenden Krieg mit erneuertem Fanatis mus 
fort. Im Juli 1427 u. im Auguft 1431 ſchlug er bei Mios und Tahan bie 
den Huffiten an Mafje weit überlegenen Kreuzherrn der beutfhen Reichsvoͤlker u. 
machie durch verreüftende Etreifsüge feinen Namen und bie Auffitifchen Waffen 
allentgalben furchtbar. Oeſterreich, Franken, befonders aber Sachſen u. bie ber 
katholiſchen Lehre noch ergebenen boͤhmiſchen Länder, die Laufig und Schlefien 
wurden zum Schauplatze der empörendfien Gräuelthaten, Mord, Brand u. Raͤu— 
bereien. 1433 ging er als Gefandter zum Concilium nad Bafel u. verfocht da- 
ſelbſt die Lehre der Huffiten, wobei er durch feurige Berebfamfeit cinen übers 
zeugenden Beweis lieferte, daß er in feiner kriegeriſchen Laufbahn feine früheren 
Studien nicht vergefien hatte; bald aber ergriff er wieber das Schwert, lage 


492 Procura — Protos. 


Par und 308, als Meinharb von Neuhaus, Befehlöhaber ber neu geworbenen 
faiferlihen Truppen, die Taboriten in der Prager Reuſtadt vernichtet Hatte, 
tächend gegen Prag, fand jeboch in der Schlacht bei Hrziby, den 28. Mai 1434, 
in welcher bie 2* einen entſcheidenden Sieg erfochten, feinen Tob, mit 
welchem auch bie Macht der Huffiten für immer gebrochen war. Vergl. auch 
Huſſiten u. Huffitenfrieg. 

ocura oder Brocuration nennt man die Vollmacht, welche ein Kauf: 
mann, Fabrikbeſitzer ıc. einem feiner Gehülfen ertheilt, um in feinen Ramen güls 
tige Handelsgeſchaͤfte abzufchließen u. zu unterzeichnen. Ein folder Bevollmaͤch⸗ 
tigter heißt dann Procurift, Brocuraträger ober Procurant. Die Er 
theiflung ber PB. muß gewöhnlich dem &erichte u. ber Hanbelsbeputation bes Orts 
angezeigt Pe und wirb allen Gefchäftsfreunden durch ein befonderes Cir⸗ 

ar mitgetheilt. 

Procurator, wörtlich: Fürforger, Stellvertreter, war unter den roͤmiſchen 
Katfern ein Titel, ben mehre Borgefzhte über einzelne Zweige der Staatsverwals 
tung, fowie die Statthalter in Heineren Provinzen, bie einen Theil von größeren 
bildeten, führten. — Seht verfteht man barumter überhaupt Einen, welcher von 
einem Andern duch eine Vollmacht den Auftrag erhalten hat, gerichtliche ober 
außergerichtlihe Geſchaͤfte für ihn zu beforgen. Der B. hat alfo eine Perſon zu 
vertreten u. fi) dafür vor dem Gerichte mit einer Vollmacht auszuweifen, wohl 
auch Caution zu leiſten. In manchen Staaten beftehen bei ben hößeren Gerichten 
eigens angeftellte B.n, durch beren Hand alle vor den höheren Gerichten verhan⸗ 
beiten Prozeſſe geben müflen. Mit Recht ift aber in neueren Zeiten auf bie 8 s 
liche Aufhebung dieſer ebenfo unnöthigen, für Staat u. Bürger ſehr Toftfpieligen, 
als unzwedmäßigen P.n⸗Cinrichtung angetragen worden. — Mit dem Auodruckt 
General‘P. wurde in Frankreich vor ber Revolution berjenige bezeichnet, welcher 
beim Parlament und bei ben übrigen hohen Gerichtshöfen bie Sachen, welche bas 
Intereſſe bes Könige betrafen, entweder felbft beforgte, ober bucch Generaladvokaten 
beforgen ließ, — Brocuratoren von San Marcus, hießen früher in Benedig 
bie vornehmften Staatsbeamten. Es gab 9 wirkliche u. viele Titular⸗P., bie 
—* Titel, wegen des damit verbundenen Ranges, mit den groͤßten Summen 

ezahlten. 

Prodatarius, ſ. Datarie. 

rodigium, |. Omen. 

eodigus (lat.), Verfchrwender. Pro prodigo erflären, heißt in ber Rechts 
ſprache: Jemanden durch obrigfeitlichen —28 wegen Verſchwendung bie Die; 
pofitionsfähigfeit über fein Bermögen entziehen. 

Prodromus (Borlauf), 1) eine einleitende Schrift ober vorläufige Abhand⸗ 
lung, worin ber Berfaffer eine allgemeine Ueberſicht ober einen vorläufigen Be 
ori von Etwas gibt, was er in einem fpäteren Werke ausführlich zu behandeln 
beabfihtigt. — 2) In bee Baufunft zuweilen bie Borberfeite bes und 
ber Saͤulengang, oder die EArulenhalle vor ber cella des Tempels, wofür jedoch 
bie Benennung Pronaos üblicher iſt. 

Product, ſ. Multiplication. | 

Produktion, im Allgemeinen Hervorbringung, Erzeugung von Etwas, ſowohl 
Materiellem, ald Geifligem. Namentlich verfteht man darunter in nationalsöfono; 
miſcher Bedeutung bie Hervorbringung oder Umänderung von ber Indbuſtrie er 
fprießlihen Gegenfländen durch Die arbeitende Glafie der Staatsbürger. Die 
Frage, welche Arbeit bes Menfchen probuftiv fel, war von jeher zwilchen ben 
tnatögelchrten Rreitig, indem bie Anhänger bes Merkantil⸗ u. phyſiokrati— 
hen Syſtems cf. d.) einander hierin entgegenftehen. 

Protos, Zwillingsbruder des Akriſios, warb von dieſem aus Argolis ver- 
trieben, gewann jedoch mit Hülfe des Jobates, Könige von Lycien, befien 
Sthenobaͤa er Heirathete, einen Theil deſſelben, Tirins, wieder, weldhe Stadt ihm 
bie Gyflopen mit Mauern umgaben. Man fchreibt ihm ben Perſeus zu, indem 


Profan — Profil, 493 


er bei feines Bruders Tochter, Danae, ben Jupiter gefpielt Haben fol, Seine 
Gattin verliebte ſich in dem edeln Bellerophontes u. werklagte ihn, ba er ihr nicht 
Gehör gab, bei ifrem Gatten wegen böfer Zumuthungen. — P. iſt Bater ber 
Prötiden. Diefe wurden von Juno ober’ Bacchos, weil fie ihren Dienft ver⸗ 
adhteten, mit einem Wahnfinn geftraft, welcher machte, daß fie fich für Kühe 
hielten, in den Wäldern umher Monet u. Geberben und Gebrüll bes Herbens 
viehes nachafmten.  Melampos, ein berühmter Augur, heilte fie, indem er mit 
einer Schaar rüftiger Jünglinge ihnen nachfelgte, he durch liches Thun ver⸗ 
traut machte und fie endlich wieder e. Eine der P., Iphianaffa, erhielt, 
mebft dem dritten Theile des Reiches, Melampos zum Lohne. Die anderen hießen: 
Iphinoe, Lyſippe, Hipponoe, — 

ofan (lat. profanus) hieß bei ben Römern jeder nicht einem Gott ges 
weißte Ort, fowie jede nicht in bie Myfterien (j. d.) eingemweihte Perfon ; 
daher’ jegtüberhaupt:: uneingeweiht, unheilig, weltlich Cm Gogenfape zu geiſtlich). 
Dann aber auch in weiterer Bedeutung : gemein, unfittlich; daher bas ort 
profaniren u. das Hauptwort Brofanation fo viel ala Entweihung, 
abwürdigung. — ProfamS rribenten oder Profan-Schriftfteller $ 
—— roͤmiſchen Auctoren, im Gegenſatze zu den bibliſchen ı, lirchli⸗ 

en 

Prof, die feierliche Ablegung eines Orbendgelübbes (f. Gelübbe) nah 
un 'oniziate, Auch bie Berfonen ſelbſt, welche ein ſolches ablegen, heißen 

tofeffen. 

Peofeffor war im alten Rom ber Titel eines angeftellten Lehrers der Gram⸗ 
matit u. Rhetorik; jept —* denſelben: 1) auf Univerfitäten die zu Vorleſun⸗ 
gen angeftellten alabemiſchen Lehrer. Nach den Fakultäten unterſcheibet man Pin 
bee Theologie, ber Jurisprubenz, ber Mebicin, ber Bhilofophie ıc, 
Haben fie eine Anftelung mit der Verbindlichkeit, gewiffe — au halten, 
fo werben fie als P.s ordinarii bezeichnet. P,s extraordinarii hal blos das 
Recht zu afademifchen Vorlefungen , aber zugleich Anwartfchaft zum Gintritte in 
offen werdende Etellen als ordentliche P. A umeifen führen die ordentlichen P.n 
auch befonbere Benennungen nad) einzelnen Zweigen berjenigen Fakultätswiſſen⸗ 
ſchaft, zu der fie fich befennen, wie: V. des Naturrechtes, ber Anatomie, 
der Chemie u. f. w. Gin, ebenfalls bie Erlaubniß, Collegien über wiſſenſchaft⸗ 
liche Gegenftände zu lefen befigenber, jedoch nicht förmlich angeftellter Lehrer heißt 
Doctor oder Magister legens. — 2) Auch die Lehrer auf Lyceen, Gymnafien u. 
anderen wiffenfcpaftlichen Anftalten führen den P.n- Titel. 

rofil, 1) diejenige Zeichnungsweife eines Segenfandes, die entfleht, wenn 
man fi ihn von einer Vertifalebene burchfchnitten denft u. nun alle burchfchnits 
tenen Theile der einen Eeite ihrer Höhe u, Breite nach aufträgt. Bei P.en von 
Bauriffen fügt man häufig noch die Anficht der hinterliegenden Theile zu, fo daß 
das Ganze an Natürlicpkeit gewinnt. P.e vor Terrainabfenitten find nöthig 
beim Straffen-, Eifenbahn- u Kanalbau, ebenfo bei Befeftigungsanlagen,, wo 
das Dominiren wefentlihen Einfluß hat. Ylüchtige P.e kann man aus einem 
enauen Plane abtragen, doch wird die Scala felten fo genau immer gehalten 
Fun, daß ein nur einigermaßen richtiges P. zu entwerfen möglich wäre. Ent⸗ 
hält ber Plan fon Höhenangaben, 6 ift bieß viel eher möglid. Speielle Bros 
flirungen erhält man dur das Nivellement (f.d.). — De von Grundriffen 
erleihtern das Verſtaͤndniß der Pläne ungemein u. find faft unerläßlih. — 2) In 
der Malerei die Seitenanſicht des menſchlichen Angefichts, der Gegenfag von en 
face. Ganz vorzüglid if es zur Darhellung der Figuren für das Relief geeig⸗ 
net, indem es die entgegengefeßte Eeite dem Auge entzieht, von ber sintern Sat ie 
des Körpers jedoch mehr oder weniger zur Anſchauung bringt und dadurch den 
Begriff des Körperlichen Bervollfänbigt- Das griechiſche P. liegt in ber fpecifis 
ſchen Verbindung der Stirn u, Naſe, in der faR geraden, ober ber fanftgebogenen 
Linie nämlich, in welcher die Stirn ſich zur Rafe ohne Unterbrecgung fortiegt, aher 


494 Profoß — Prohibitivſyſtem. 


näher in ber ſenkrechten Richtung dieſer Linie auf eine zweite Hin, welche, wenn 
man fie von ber Rafenwurzel nach dem Kanal bes Ohrs zieht, mit jener_erften 
Stirn u. Rafenlinie einen rechten Winkel bildet u.von Camper als die Schön 
heitslinie des Gefichts charakterifirt wird. In folder Linie ſtehen Naſe u. Etim 
in ber ibealen Sculptur durchgängig zu einander, u. dieß ift feine blos rationale 
u, kuͤnſtleriſche Zufälligfeit, fondern eine phyſiologiſche Nothwendigkeit. 

Profoß hieß früher, als körperliche Züchtigungen beim Militär noch bas 
Da unlorefahen waren, ein eigener Untercffizier, der biefes verfehen u., wo die 
jüchtigung durch Mehre — wie z. B. beim Spießruthenlaufen, die Ruthen 
hiezu liefern mußte, auch das Binden, Schließen u. Einſperren der Verbrecher zu 
beforgen hatte. In älteren Zeiten gab e8 bei ben Armeen einen General» Br, 
der ermächtiget war, bie Tubesftrafe zu volljiehen, ja fogar felbft zu beſtimmen. 
Die Stellung des P.n war früher eine unehrenvolle, nicht unähnlich ber der Scharf: 
richter. Jetzt ift die Beihäftigung bes P.n eine ganz veränderte u, ihm die Auf 
it über die niebere Hauspolizei, bie Reinhaltung u. |. w. der Kufernenlofale 

ragen. 

Prognoſe nennt man in ber Heilfunde bie Erfenntnig bes Tünftigen Ber 
laufes und Ausganges einer Krankheit. Die Erfcheinungen, auf welche ſich bie 
P. zunächft gründet, werden prognoftifhe Zeichen genannt. Die P. muß aber, 
fol fie eine richtige feyn, nicht auf einzelne Erfcyeinungen ſich flügen, fondern fie 
muß geichöpft werben aus ber Vergleihung der gegenwärtigen Ericheinungen mit 
früßer beobachteten ähnlicher Krankheiten, aus der Bergleihung ber vorhandenen 
Lebendfräfte mit den Urfachen und der Beicaffenheit der Krankheit, aus ber Be 
tradhtung der Conftitution bes Alters und Geichlechts bes Kranken, feiner frühen 
Lebensweiſe und der vorausgegangenen Krankheiten, fowie ber Jahres⸗ u. Klima 
tiſchen Verhältniffe, endlich aus ber ſchnellen oder mangelnden Wirkfamfeit ber 
Heilmittel. Bei forgfältiger Beobachtung und Erwägung biejer Punfte kann ber 
Arzt den Berlauf u. Ausgang einer Krankheit voraus beftimmen. Nichts aber, 
fagt ſchon Hinpofrates, laffe den Arzt der Gottheit Aßnlicher ericheinen, als das 
Zorauefagen fünftiger Dinge; daher Nichts dem Arzte mehr Vertrauen erwirbt, 
als eine ricktige B., dagegen Nichts fo fehr das Bertrauen entzieht u, bes Arztes 
Anfehen untergräbt, ald wenn eine P., fei fie eine günftige ober ungünftige, 
duch den Erfolg als eine falſche ſich ausweist. E. Buchner. 

Programm, überhaupt eine Bekanntmachung einer öffentlichen Behörde mittel 
Anfchlages ; dann beſonders eine Einladungsicdhirt, namentli von akademiſchen 
Lehrern bei gewiflen Yeftlichfeiten, die, neben ber eigentlichen Einlabung, noch irgend 
einen wiſſenſchaftlichen Gegenftand behandelt. Am gemwöhnlichften werben ſolche 
P.e get firchlichen, wie bei politifchen Feſten und bei “Doctorpromotionen aus 
gegeben. 

Drogreffion, Kortgang, Kortfchreiten, Heißt 1) in der Mathematik 
eine fortſchreitende eh eine Reihe von Größen, bie nach einem gegebenen 
BVerkältniffe zu: ober abnehmen. Eieift aritbmetifch, wenn Addition oder Subs 
traction, geometrifch, wenn Wultiplifation oder Divifion über das Verhältnig ent» 
ſcheiden. — 2) Als rhetoriſche Figur die fortfihreitende Verftärkung bes Ausbruds 
durch ftärfere Ausdrüde. 3) In bee Muſik die Wiederholung einer kurzen melos 
diſchen Fiaur in verfchiedenen Tonarten, befonders üblich beim Orgelpunkt. 

Prohibitivſyſtem oder Prohibitionsoſyſtem wird dasjenige Finanzſyſtem 

enannt, nach welchem bie Einfuhr fremder Naturs oder Induſtrieerzeugniſſe vers 
oten, oder doch durch Auflegung von hohen Zöllen fehr erfchwert wird, in ber 
Abficht, dadurch die Inbuftrie des eigenen Landes zu unterftügen unb zu heben, 
neue Gewerbszweige hervorzurufen ac. Es ift aber jept wohl durchgängig aners 
fannt, daß ein ſolches Syſtem im Allgemeinen feinen Zwed nicht allein nur un, 
vollſtaͤndig erreicht, fondern daß es auch die natürliche und zugleich vortheilhafteſte 
Richtung des Bewerbfleißes ftört, den Handel laͤhmt, das Staatseinfommen vers 
tingert und den Schleichhanbel hervorruft. Cine gänzliche Ausſchließung fremder 


Projectil— Prokeſch von Oſten. 495 


Erzeugniſſe ift aber ſelbſt kaum ausführbar. In ber. neuern Zeit ‚if. ein P. 
namentlid von Napoleon gegen bie Erzeugniffe Englands, und ‚faft ganz allges 
mein ‚von TAN PR Hi in Paraguay ausgeübt worben, 

oje Geſcho NT 

FR jection nennt man in. ber, mathematiſchen Geographie bie ‚allgemeine 

erſchiedene) Entwerfungsart.von Land» und See (auch Stern») Karten, Dieſe 
ſollen die Oberfläche der Erde oder des Himmels und alle deren Theile in einer 
Ebene ‚genau barftellen, was aber. befanntlid unmöglich iſt, da ſich eine * 
fläche nicht abwickeln, alſo ‚nicht, ohne Brechung ober. Faitenlegung, ſich in 
Ebene ausbreiten läßt. Da folglich eine getreue Abbildung. in einer Ebene nicht 
gegeben werden fann, fo muß man fi mit einem Gntmack Beundgen der dem 
Originale wenigftens fo nahe als — ober welcher den Abfichten, die 
man durch ‚einen ſolchen Entwurf  erri will, ſo gut ais möglich entſpricht. 
BR I un rt ee f Brit 58 

rokeſch von nton, err von, geboren zu. I; Dezem 
ber 1795, ‚zeigte ſchon frühe eine ungewöhnliche elfige Entmidelung, fo Ye 
in. feinem 5. Jahre ſchon eine Menge — er, naturhiſtoriſchet, beſonders 
aber dichteriſcher Werke geleſen hatte. Ex legte auch in verhaͤlinißmaͤßig 
Alter bie öffentlihen Studien mit Einfchluß der. Rebtsiwiffenihaften ſeiner 
Vaterſtadt mit Auszeichnung zuruͤck. Der Hang zur Dichtlunſt blieb vorwaltend; 
bis zum Herbſte 1813, wo ‚ihn, der. allgemeine Enthufiasmus zur, Armee trich, 
hatte er — von Boefien, ein Heibengedicht „bie Mattabaere u, ein paar 
Trauerfpiele geſchrieben; ‚Leiftungen, vor. benen einige, feiner ——— 
ein Stůd retteten, ba er ſelbe a wo er ihrer. habhaft werden Fonnte, vers 
tilgte. Gebrudt iſt aus diefer Epoche Nichts, als ein Gedicht auf Körneı’s Tod 
im Graͤder „Aufmerffamen”. Entf&eibenben Einfluß auf ihm nahm feit 1808 der 
Brofeffor Franz Julius Schneller, damals ‚or ber Blüthe des Lebens, und 
mit feltenen. Eigenfchaften des Same u. Ge fee mit großem, Wiffen u. einer 
belebenden Wärme für Kunft u. Wiffenfchaft begabt. Er Hatte den 13fährigen 
SB. bei Belegenheit einer Rede, welche Diefer bei der afademifchen Preisvertheil- 
ung hielt, fo lieb gewonnen, baß beide von dieſem Augenblide an im Herzen 
nicht mehr getrennt wurden. Sie wurden fi auch verwandt, denn Schneller 
heirathete bie Stiefmutter feines Lieblinge. Im Herbfte 1813 bewarb fih P. 
um eine Fähndrichftelle im Regimente Jordis u. machte bie ſchweren Kriege ger 
gen Napoleon in Deutſchland u. Frankreich mit. Er machte dabei eine fede 
Fahrt über den eisbededten Rhein u. überfiel, nur von Wenigen begleitet, einen 
ſechsfach ftärferen franzöfifchen Poften, vertheidigte ein anderes Mal mit 60 
Mann, wovon er die Hälfte verlor, eine Brüde über den Kanal Napoleon gegen 
mehr ald 800 Mann, bis fein Regiment gefammelt war, u. bewies bei jeder 
Gelegenheit in feinem kleinen Wirfungsfreife Muth u. Einfiht. Der Umfland, 
dag nad dem erften Parifer Frieden Fine Brigade nad) Mainz verlegt wurde, 
hinderte ihn, dem Entſchluß auszuführen, mit bem er in das Militär getreten 
war, nämlich, nad) beendigtem Kriege auf die Advofatur fi zu verlegen. Er 
machte den Feldzug von 1815 mit u. wurde im Bureau bes Eczherzogs Karl, 
damaligen Militärs u. Civilgouverneurs von Mainz, verwendet, bi er im Juni 
1816 mit feinem Regimente nah Linz in Garnifon kam. Der Aufenthalt am 
Rhein beftärkte die dichteriſche u. wiſſenſchaftliche Richtung in ihm. Aus feinen 
Briefen aus dieſer Epoche geht Hervor, daß er eine erflaunlihe Menge von Büs 
Kern mitten im Taumel des Krieges u. Häufiger militärifher Beſchaͤftigungen 
las; eine große Borliche hatte er für Jean Paul Friedrich Richter u. fehrieb 
mehre Erzählungen in deffen Style, bie er in einem Lefezirkel zu Mainz vorlag; 
auch überfegte er Wallenftein’s vage in gereimte englifhe Verſe. In Linz vers 
weilte er nur wenige Monate, Cine ausführliche Arbeit über Lalande'ſche und 
andere Kormeln aus der höheren Mathematit verſchaffte ihm die Profeffur biefer 
Wiſſenſchaft an der Eabettenfchule zu Olmüg, ber er durch 2 Jahre vorkanh, 


496 Prokeſch. 


dann aber von dem Feldmarſchall Fürſten Karl von Schwarzenberg nach Wien 
berufen u. deſſen Berfon zugetheilt wurde. Sn diefer Zeit fchrieb er viele Auf 
fäße für den Heſperus u. andere wiffenfchaftliche Journale; insbeſondere für bie 
öfterreichifche militärifche Zeitfchrift die Schlachten von Ligny, Duatrebas und 
Waterloo ; über den Koſaken u. defien Brauchbarkeit im Kelde u. m. a. Auffäge, 
welde dur Styl u. Darftellung ihm viele Freunde u. einen Ramen in ber lite 
rarifchen Welt machten. Er lebte damals im Kreife von Kuͤnſtlern u. Schrift 
ſtellern u. arbeitete an ein paar größeren gefchichtlichen Werfen, die in dem k. f. 
Kriegsarchive niedergelegt wurden. 1820 begleitete er den Feldmarſchall Fuͤrſten 
von Schwarzenberg nad Prag u, Leipzig u. harrte bis zu deſſen Tobe bei ihm 
aus. Er legte ben Tribut inniger Berehrung für biefen vaterlänbifchen Helden 
buch die „Denfwürdigfeiten aus befien Leben” (Wien 1822) an ben Tag: ein 
Werl, zum Theil unter geobätifchen Arbeiten in den Karpathen gefchrieben, zu 
welchen er als Offizier bes Generalftabs 1821 verwendet wurde. Im Yrübling 
1823 ging er als Hauptmann in das Infanterie» Regiment Prinz Leopold von 
Sicilien nad Trieſt; 1824 aber trieb ihn fein Belangen nad Griechenland u. 
Afien. Er glühte für Griechenland mit jugendlicher Wärme, aber ſchon feine 
erftien Briefe verrietben, wie weit feine Erfahrungen an Ort u. Stelle von ben 
ehertveibungen abwichen, an denen damals Europa frank lag. Während feine 
Reife nad) Konfltantinopel befuchte er das Feld von Troja. 1824 auf einem 
engliiden Schiffe nach Smyrna zurüdfehrend, gerieth er in große Gefahr, inden 
das Schiff das Feuer der Darbanellenfchlöffer auf ſich zog u. dann burdh mehr 
tägigen Sturm an ber Küfte von Methymne hart mitgenommen wurde, D 
beiuchte er im Dezember das Feld von Troja wieder, ging im Jänner 1825 nad 
Kreta, bereiste biefe Herrliche, damals eben aus ber Uoredücften Verhe 
Vroergegangen Inſel u. flieg in das Labyrinth nieder; dann ging er n 
ira u. ben anderen Eyfladen, wurde durch Sturm von Pathmos na Paros 
verſchlagen, befuchte die berühmten Marmorgruben, fiel auf Antiparos in bie 
Hände der Seeräuber, aus denen er ſich ide ch loswand u. in Ihrer Geſellſchaft 
fogar in die Tropfſteinhoͤhlen fich Hinunterließ, welche ſchon bie Alten viel beſprochen 
haben. Ende Februars überfiel ihn abermals ein Sturm in den Gewäflern von Iſpa⸗ 
han, der ihn an den Rand bes Unterganges brachte. Darauf beſuchte er Epheſus 
u. die joniſche Küfte, ging im April nad Morea u, über ben Iſthmus nach Athen, 
befuchte Aegina, Hydra u. einige andere Infeln, im Juni bie weftliche Hälfte von Kreta, 
bie Weſtkuͤſte von Morea, Zante, im Juli abermals einige Cykladen u. Scio, 
wurbe von dort krank nach Athen gebracht, wo er ein paar Monate verweilte, 
dann aber nady Sicyon u. Arabien Hin u, einen Theil des Herbſtes in Rau 
plia zubrachte. Er war mit Koletti, Maurofordato, Trikupi und mit anderen 
tern des Landes in naher Berührung u. nahm thätigen Antheil für bie 
artie der Regierung u. Ordnung. Im GSpätherbfte ging er nach Lesbos, um 
ch vom Fieber zu befreien, durchritt Lydien, Phrngien, Myſten u. Bitäynien, 
brachte das Fruͤhjahr 1826 wieder in Konftantinopel zu, machte Ausflüge in’ 
ſchwarze Meer, befuhr die Siibergruben im Ida, durchiwanderte bas ganze Ge 
birge dieſes Namens, Pergamus u. die Infel Lesbos in ihrer ganzen Ausbehn⸗ 
ung. Im September 1826 ann er nach Aegypten u. Rubien, fam bis an bie 
großen Katarakten u. fchiffte iclenigen von Syene herab. Im März 1827 war 
er wieder in Kairo, wo ihn Mehmeb Ali mit vieler Auszeichnung behandelte. 
Dort traf feine Ernennung zum Chef des Generalfiabs ber f, k. Eskabre. 
Er ging alfo in biefer Eigenfchaft u. als Marine» Major nah Rhodus u. Kos, 
ließ ſich zu Halikarnaſſos ausfehen u. ritt zu Lande nad Smyrna zurüd, Er 
führte num die politifchen Gefchäfte der Esfabre, bie eine große Thaͤtigkeit oe en 
en Seeraub entwidelte, bewirkte Im Fruͤhjahre 1828 die Auswechfelung griech (der 
u. aͤgyptiſcher Befangener, wofür Graf Capodiſtria fowohl, ale Ibrahim Paſcha, 
ihm durch in den öffentlichen Blättern befannt gewordene Schreiben banften. Im 
ril 1829 wurde er für verloren gehalten, da fein Fahrzeug buch einen gewal- 


Proklus. Eu} 


? Orkan in der Nähe von Scio — rettete 
aber nach Cap Sigri auf Lesbos, St. Scan —* wo er 
Breijügigfeit dee Ehriften unterhanbelte u. die ———— —— im Conſu ⸗ 
diefer t, wo fie zuerſt gegründet worden war, gi ungen 
zes Paſcha wieder aufpflanzen machte, bereiste — Land und 
1, 'bann den oberen Theil von ee u Hafeb. Bon feiner Regierung 
Refdenten in —— er er 1830 nad) fiebenjähriger a 
mbeit. nach Wien P. Hatte in der Levante durch feine vielen 
anntfchaften u. Buch eine Geärerürung einen rühmlichen Namen —— 
Er je in gefaͤl —— ‚Zeit, wo ee Ali = ie 
ming u. en graufamen Charakter Jatte, urch ungewi 
agte Fahrten belannt, indem er ———— Streden von 100 u. mehe Wei 
‚ffenen Booten zurüdlegte. Viele Familien in Smyrna, Shrien, ——— und 
Hriechenland danken ihm ihre oder ber Ihrigen ren Ei — feis 
Berbienfte gab ihm —— —— nach ine Zurhdfunft das Prädikat 
vom Dften.“ Er publi im and Segppten a. leinahen, ‚38%. 
n 1881. — Reife ins 6 he Land, — — * Pas Land gwiſchen ben 
araften des Nil, ebd. 1832, weicher Schrift er eine, von ihm felbft au Hard 
6 —9* Serie — — —* ve — das —— ie: ji 
b and irgendwo en. euro) Annalen von 1831 — 
einen Auſſatz über Kreta von ihm; bie. Wiener Jahrbücher von 1832—34 
ve Auffäge; die Wiener Zeitfchrift für Kunſt, Piterafite ıc. von 1831—33 
ich viele Briefe. Er ſprach ſich in einem Aufjape über die Reformen im tür» 
ven Reiche in den Wiener Jahrbüchern 1832 u. in einem gegen len in 
allgemeinen Zeitung (Jaͤner 1834) heftig “ das Neuerungsfuftem des 
ans aus, fo wie gegen das Beſtre —— euro) — — u. europäifche 
faffungs+ u. Verwaltungsformen auf — a derpflanzen. 
Juni 1830 kam P. in feiner ——— in — zoge von 
chfladt. Es entſpann ſich ein Verhältnig zwifchen NH in dem Werfe 
Grafen Montbel: Le Duc de Reichstadt, Paris 1833, einen worzüglichen 
5_einnimmt. Nach bes Herzogs Tode publigirte P. 1833 ein Schreiben über 
Herzog von Keihftadt, worin er mit wenigen, aber Haren Zügen ein edles 
d diefes Prinzen entwarf u. die albernen Luͤgen zu Boden fehlug, welche über 
Art feiner Erziehung von dem Parteigeifte waren ausgebreitet worben. Ein 
:hältniß, das nicht zu übergehen, ift auch dasjenige zu Friedrich v. Gentz 
db), welches einen hohen Brad von Innigkeit — Es war durch einige 
zre nur ein briefliches, ſeit 1830 aber war es ein täglicher Verlehr u. Aus⸗ 
ſch von Gedanfen u. Erfahrungen. 1831 wurde P. zur Säsrung der diplo⸗ 
iüfchen Correſpondenz nach Bologna u. 1832 in Geſchaͤften ber k. k. Beſatz⸗ 
jotruppen ber Legation nach Rom geſendet. Aus dieſer Epoche find bie in vr 
ener Zeitfchrift von 1833 eefieneren Briefe aus Italien; ein Schreiben über 
Malerei ber Alten, im 12. Hefte ber fleyermärkiichen Zeitfchrift, u. einige 
ıqmente im „Echo“, Jänner 1834. Im Februar 1833 erhielt er eine Sendung 
Mehmed Alt u. Half zu Alerandria den Frieden mit dem Sultan vermitteln. 
rüdgefommen im September desfelben Jahres, wurde er nah Muͤnchengraͤtz ber 
en, wo bie Zufammenfunft der Monarchen ftattfand, am 29, Juli 1834 aber 
a bevolmächtigten Minifter in Griechenland ernannt, wohin er wenige Wochen 
‚auf abging. 1835 erhielt P. die Beförberung als Oberſt im Infanterie-Res 
iente Prinz Sehentober Sangenburg, in welchem er Oberfilieutenant war ; auch 
er Inhaber mehrer Orden. Fri wurde er Generalmajor u. 1845 in ben 
nreichifchen Freiherenftand ehem. Soeben melden bie Zeitungen, baß das 
ıgebilbete Minifterium mit ihm wegen Annahme des, Portefeuilles der auswärs 
em Angelegenheiten in Unterhanblung flei 
— DB. der ‚Selle, Erzbiſchof von Konftantinopel, bafelbft ge⸗ 
en, wurbe, noch fehr jung, Vorleſer in dieſer Stadt. Die Beranman Wo 


Reolenepclopäbie. VII. 


498 Vroklus. 


ſes Amtes hinderten ihn jedoch keineswegs, feine begonnene wiſſenſchaftliche Lauf 
bahn mit raſtloſem Eifer zu verfolgen. — Einige Zeit war ber hl. Chryſoſto⸗ 
mus fein Lehrer, ber ihn auch zu feinem Schreiber erwählt Hatte Atticus 
ertheilte ihm fpäter das Diakonat, wie auch bie Prieflerweihe, u. nadh dem Tode 
dieſes Erzbiſchofs würbe er deſſen Nachfolger geworben feyn, wenn nidht beſon⸗ 
derer Rüdfihten wegen Sifinnius auf ben Patriarchenſtuhl erhoben worben 
wäre. Diefer weihte PB. zum Erzbiſchof von Cyzikus, ber Haupiftabt bes 
fpontus. Er konnte jedoch ven biefem Eprengel feinen Beſitz nehmen, Die 
Einwohner von Eyzifus, die Obergerichtsbarfeit bes Patriarchen von Konſtanti⸗ 
nopel nicht anerfennend, ben ihnen zugeſchickten Biſchof zurüdwielen. P. blieb 
baher zu Konftantinopel, wo er fidh buch feine Predigten einen hohen Ruhm er⸗ 
warb. Als Siftnnius 427 feinen Hirtenftab nieberlegte, wünfchten mehre un 
fern Heiligen auf deſſen Stuhl erhoben zu fehen. Andere aber fhüsten vor, er 
jei ſchon Biſchof u. die Verſetzung von einem Stuhle zum andern fel durch bie 
Kirchenfagungen verboten. Reftorius warb demnach zum Erzbifchofe erwählt. 
Der neue Dberhirt, ber unter dem Schleier bee Heuchelei feine eigentlichen Ge⸗ 
finnungen verborgen hatte, erfchien bald in feinem wahren Lichte u. bie von ihm 
verbreiteten Irrthüumer wurben das Nergerniß ber ganzen Kirche. — P. nahn 
muthig die Wahrheit in Schup u. bewies gegen das Ketzerhaupt, daß bie aller 
feligfte Jungfrau Mutter Gottes genannt werden müfle. Nach des Neſtorius 
Entſetzung ward Marimian im Jahre 431 auf ben Patriarchenſtuhl erhoben. 
Jene, die für PB. ſtimmten, Hatten fi duch die oben ſchon erwähnten Gründe 
zurüdhalten laſſen. Als aber Marimian im britten Jahre feines Hirtenamtes 
ftarb, fielen ale Stimmen auf den 5. P., indem man den Umftand geltend 
machte, daß er unmöglich die Leitung der Kirche von Cyzikus übernehmen könne 
Die Neftorianer u. die anderen Irrlehrer behandelte er mit größter Scho ‚0 
er gleich der katholiſchen Kirche mit Herz u. Mund zugethan war. Ebenfo Aanı 
er auch mit dem Papfte, mit den HL Eyrillus von Alexandrien und mit 3 
bannes von Antiochien in unverbrüchlich Heiliger Derbinbung. Dem Wunſche 
Der armenifchen Bifchöfe gemäß, erflärte er fih in einem Senbfchreiben über bie 
Schriften des Theodor ven Mopfueflia, befien Lehre verdammend, bie den Re 
ftorianismus begünftigt, und ihr gegenüber den Glauben ber Tatholifchen Kirche 
hinfichtlich der Menſchwerdung barftellend. Hierauf ermahnte er bie Armenier, 
der Lehre des HL. Bafilius u. des Hl. Gregor von Nazianz, deren Namen u. 
Schriften bei ihnen in hohem Anfehen ftanden, flets anzußangen. Hebrigens ent⸗ 
hielt er fich aller Anzüglichfeiten gegen Theodor, ber in fatholiichen Ge⸗ 
meinfchaft geflordben war, Aus den noch vorhandenen Werfen bes HL. Fr er 
man, daß Fine Einfihten dem ihn befeelenden Eifer in feiner Weife nachſtanden. 
Seine Briefe betreffen hauptſaͤchlich die Streitigkeiten, bie ſich damals über di 
Menſchwerdung bes Sohnes Gottes erhoben. Einige feiner Homilin find Lob 
reben auf bie Mutter Gotted ; bie übrigen handeln großentheild von ben Ge 
gehaniffen u. enthalten Unteriweifingen auf die Hauptfefte bes Jahres. — Das 
Jahr 447 iR in der Gefchichte befonders merkwürdig wegen bes Erbbebens, das 
während 6 Monate verfchiedene Gegenden des Orients in Schrecken ſetzte. Die 
Erſchuͤtterungen waren fo furchtbar, daß man nicht wußte, wohin man flichen 
ſollte, um Sicherheit zu finden. Die Bewohner von Konftantinopel irrten auf 
ben Seldern umber; auch der Kaiſer Theodofiud zagte unter biefen Schred⸗ 
nifien ber Natur. Der Hi. P. mit feiner Geiſtlichkeit folgte feiner derbe, weiche 
die Furcht zerſtreut hatte, fie ohne Unterlaß tröftend u. ermahnend, bie Barmer 
jigfeit Gottes anzuflchen. Das Bolf, feine Gebete mit denen des Erzbiſchofs vers 
einigend, antwortete mit bem breimaligen Ruf: Here, erbarme Dich unfer! 
a a lanet und anbere griechifhe Geſchichtſchreiber erzählen, man habe ein 
Kind geſehen in den Lüften u. die Engel bas Trisagion fingen gehört, wei 
halb ber HL B. feine Gemeinde habe fingen lafin: O Heiliger Bstt, a hei⸗ 
liger u ſtarker Bott, o Heiliger, unferblicher ®ott, erbarme Dich 


p | Im 


Profne — Proletarier, 49 
fer! — Welche Bewandtniß es mitdiefer Erſch auch habe, fo ift bi 
vlel gen, daß ber je dieſes Gebet — Ale verrichtete u, daf 
s Erdbeben aufhorte. Das Tris ag lon wurde in das Meßbuch zur 
m u. iſt heut zu Tage noch bei den Griechen im. Gebrauche. leſes i 
eilig“ wird in der griechiſchen Meſſe vor dem Evangelium geſungen. ‘Das breis 
al Heilig ,. das vor der Wandlung geſungen wird ‚ ftammt aus hohem Alters 
ume,. Saias, Pap. Vi., hörte die Eherubim „Heilig, Heilig, Heilig“ fins 
m u, durch. biefen Preigefang im Himmel den ſtarken und unfterblichen Gott 
ben, ber in feiner jendeit Eine. Natur iſt in ber Dreigeit der Perfonen. 
on dem Himmel »alfo Hat die Kirche dieſen Robgefang, ben bie * nach der 
des Hl. Johannes, in alle Ewigkeit * Die, Morgenländer 
reiben. ben DI. P. bie lehte Ueberarbeitung der Liturgie des hl. Ehryfo flo- 
u. ober der Kirche, von Konftantincpel au, wie auch jener bes bl, Sakobus 
er ber Kirche von Jerufalem. Der hl. Eyrillus fagt in dieſer Beziehung von 
m,.er fei ein frommer Mann geweien, vollfommen bewanbert in der Kenntniß 
tKirchenzucht und. ein treuer Beobachter der Kirchenſahungen. Daſſelbe Lob 
— auch der Papſt Sirtus ML, bei. Der heil. P. farb am 24, Oltober 
7 u. wird an biejem Tage, beionders in ber. mor; diſchen Kirche, hoch ver⸗ 
rt. — 2) B., ein neuplatonifcher Philoſoph zu Athen, —— zu Konftantinos 
F. 412 .n. Chr., auch ber ®ycier genannt, weil: feine Eltern aus Lycien waren, 
(birte in feiner Vaterſtadt und befonbers zu Alerandrien ,.. wo er fich theils auf 
+ Berebfamfeit: u. Sprachtunſt, theils auf. die römifche Sprache und Rechtoge⸗ 
Iefamfeit u. endlich, durch einen Traum veranlaßt, auf die Philoſophie Iegte, 
3 Athen hörte er ben Plutarch u. Syrianus und war ihr Nachfolger auf dem 
Öefluhle daher ex den Beinamen Diadohus führt. Sein Tod eufotste 485. Er 
ı einer ber_gelehrteften Etleltilet feiner ‚Zeit, der eine neue Deduftion der 
Hften Begriffe durch ‚eine Leiter von Dreiheit verfuchte, und ſich auch Es 
ünbfiche mathematifche Kenntniſſe auszeichnete. Man hat 20 gebrudte u. no 
tige ungedrudte Schriften von ihm, welche für bie Specialgefhichte der Philos 
bie wichtig find. Es find darunter Commentarien über ben Hefiodus, Plato 
Euflides, fat alle einzeln gedrudt. Sein Schüler und Nachfolger auf bem 
hrſtuhle zu Athen befchrieb Fin Leben. Ausgaben feiner Werfe hat man von 
oufin, Paris 1820 — 25, 6 Bde. u. von Ereuzer, Oxford 1835, 3 Bde. 
Prokne, ſ. Philomela. 
rokris, ſ. Cephalus. 
rokopius, ſ. Procopius. . 
Prokruſtes (Bolterer) , ein Beiname des Polypämon , eines Sohnes bes 
eptun , den er von feinem barbarifhen Verfahren mit Fremden erhielt. Gr 
zie einen eben, ber in feine Hände fiel, in ein Bett, welches ihm nicht paßte; 
ar es zu lang, fo hing er dem Ungtütichen Ambofe an die Füffe, um ihn zu 
eden; war ed zu kurz, fo hieb er ihm fo viel von ben Beinen ab, bis ed ihm 
rade recht war. Thefeus that ihm, wie er ſchon fo Vielen gethan. 
Prolegomena (griechiſch), Vorrede, Einleitung zu einer Wiflenfchaft. 
Proletarier (Proletarii, von proles, Nachfommenfchaft; dem Wortfinne nad 
iner, der nur durch die Kinder, welche er dem Staate gibt, Werth und Be 
utung in biefem erhält), hießen zu Rom diejenigen Bürger, welche weniger als 
2,500 Affe (266 Thaler) Vermögen Hatten, baher feine Abgaben bezahlten 
id, da bei der Eintheilung des Voikes in Eenturien die Höhe ber bezahlten Ab⸗ 
ıben das Prinzip ber Eintheilung bildete, fo gut als feinen Einfluß auf bie 
staatöverwaltung ausübten. Das Proletariat ftand eine Stufe höher, als bie 
;tfaverei, benn ber P. war, wenn auch arm u. gebrüdt, body perſoͤnlich frei 
. zömifcher Bürger. Allein er ſchwebte unausgefegt in Gefahr, aus dem Stande 
:r Freien in denjenigen ber Sklaven herabzufinfen. Konnte er feine Schulden an 
ie Reichen nicht bezahlen, fo wurde er in beren Schuldgefängniffe geworfen, aus 
selhen er als freier Mann felten wieber hervorging. As in us“ Ar er 


500 Proletarier. 


roͤmiſche P. nicht mehr wegen geringer Schulden feiner Freiheit beraubt werben 
fonnte, fo blieb er doch in einem äfnfichen Verhältniſſe ber Abhängigkeit zu ber- 
jenigen Perfon, welcher er fich, zu feiner Sicherheit, als Schugheren (Patron), 
freiwillig oder gezwungen durch bie Macht ber Verkältnifie, angefchlofien Hatte 
eutzutage verfteht man unter Proletariat den Stand der befiglofer Arbeiter. 
iefer Stand iſt fo alt als die Geſchichte und wir finden benfelben unter ver: 
ſchiedenen Geftalten bei allen Völkern der Erde. Je roher und unmenfchlicher ein 
Volk, deſto gebrüdter der in feinem Schooße lebende Stand der P.; je gebilbeter 
dagegen und je menfchlicher ein Staat, deſto glüdlicher auch bie Lage Der beſitz⸗ 
fofen Arbeiter. Dee Stand ber befiglofen Arbeiter iR, im Ber 6 m ben 
übrigen Ständen, faft aller Orten der zahlreichfte. Selbſt in denjenigen Staaten, 
wie 3. B. in Rorbamerifa, woſelbſt feine Lage bie günfligfte, if te ahlreich. 
In gut verwalteten Staaten ſind die aneichtungen fo getroffen, daß es dchem P. 
möglich iſt, fich im Laufe einiger Jahre fo viel zu erwerben, um ſich in 
Stand ber befigenden Arbeiter auffchwingen zu fünnen. In fchlecht verwalteten 
Staaten bagegen bringt es der P. oft in feinem ganıen Leben nicht dahin, fid 
mehr zu verdienen, als er für feinen und feiner Familie mono eftigen halt 
bedarf. Die —A eines Staates beruht weſentlich auf der Leichtigkeit, mit 
welcher ſich die Mitglieder eines weniger begünftigten Standes in einen 
ftigteren aufzufchwingen vermögen. * einem gut eingerichteten Staate ſollte 
jeder Menſch als P. anfangen, allein im Stande jenn, fi) durch feine Tüchtigkeit 
zu den höchften Ehrenftellen des Staates aufzuſchwingen. Bon einem foldhen Zus 
ftande find wir in bem alten Europa allerdings noch weit entfernt, allen das 
friſche Rorbamerifa ift demielben bereits fehr nahe gerüdt. Dort gehört bie große 
Mafie der Jugend aller Orten dem Stande ber befiglofen Arbeiter an. Allein 
im Laufe weniger Jahre erwerben fich die jungen Leute in ber Regel fo viel, baf 
fie im Stande find, ein trorfändipee Geſchaͤft zu beginnen. Anders iſt Die Lage 
bes P.s in der alten Welt. In Europa ruht der größte Theil der Abgaben auf 
dem Stande der P. Denn nicht die Einnahmen, Sondern die Ausgaben u. na 
mentlich biejenigen der erften Lebenöbebürfniffe, werden beſteuert. Außer ber 
Steuerlaft ruht aufdem P. in Europa auch no Ka ra die Laſt des Kriegs⸗ 
dienftes u. mancherlei gezwungene Arbeiten (Frohnden). In einem Theile von Europa 
(in Rußland, bisher auch in Medienburg) ift ber PB. noch immer leibeigen. 
In anderen Theilen Europa’s lafteten auf demfelben bis auf bie neuefte Zeit noch 
immer wenigftend die aus ber LXeibeigenfchaft herrüßrenden Abgaben und Dienfe. 
So namentlich faft in unferem ganzen deutfchen Baterlande der rechten Rheinſeite. 
Aller Orten ruht auf den P. am fchwerften das herrſchende Bevormundungs⸗ u. 
Polizei⸗Syſtem. Schuplos fteht der befitlofe Arbeiter dem Eapitaliften und ben 
taat&behörben gegenüber. Unter dieſen Umftänben bürfen wir uns nicht wın 
dern, daß die — — unter ben beſitzloſen Arbeitern im Laufe ber letzten 
Jahrzehnte faft aller Orten, insbefondere aber in Großbritannien unb Irland, 
Frankreich und Deutfchland in beumruhigender Weiſe zugenommen hat. Ja, wa 
möchte läugnen, daß die Ummälzungen biefes Jahres an allen Enden und Ed 
Europa’s, namentlih in Frankreich, Hauptfächlich auf Rechnung bes Profetariats 
zu fegen find? Unter biefen Umftänden ift e8 eine politifche Lebensfrage geroorben: 
„durch welche Maßregeln kann bie, allen unferen europäifchen fogenanmten Cultur⸗ 
ftaaten drohende, Gefahr gänzlichen Umfturzes ber beftehenden ehalinfie vorge 
beugt werden?“ Bon der Löfung dieſer Frage wirb es abhängen, ob pa in 
Barbarei verfinfen u. bie Eivilifation an Amerika übergehen Iaflen, ober aber ſich 
u neuer Lebenskraft emporfchwingen werde. Je wichtiger, je tiefer in alle Ber 
nifje ber Familie, ber Gemeinde, der Kirche u. bes Staats bie Löfung biefer 
age eingreift, befto mehr müͤſſen natürlich alle biefe Elemente bes 
ebens auch dazu beitragen, biefelbe zu verwirklichen. Das Uebel, welches bem 
traurigen Zuftande umferes Proletariats zu Grunde liegt, läßt ſich als Kehrfelte 
besjenigen Uebels bezeichnen, aus welchem bie eorrupten Zuftänbe unſerer 


4 m 


‚Prolog — Promeſſe · 501 


ugten Glaffen Hervorgehen. Was unfere Fürften u, Herren zu viel das 
Ken unfere-®. —— Es fommt nur darauf an, ben —* gen Reich⸗ 
huͤmern der bevorzugten = einen Abfluß zu Gunften der A zu —— 
jo wird ſich bald ausgleichen. Der * Zuſtand unſeres Proletariats 
ſt Nichts weiter, als die Folge des — 5* Gleihmaßes zwiſchen ben verſchle⸗ 
denen Theilen des Staais foͤrpers. Ki wieberherzuftellen ift allerdings feine 
eichte Aufgabe. Allein durch das rebliche Zufammenwirken aller Betheiligten 
mirb fich daſſelbe dennoch wieder herſtellen laſſen. Um unferem Proletariate Wohl 
Rand u. Bildung zu verfchaffen, if vor allen Dingen die — eines ge⸗ 
rechten Steuerſyſtems nothwendig. So: lange bie ganze Laſt der Abgaben auf 
yen nothwendigften Xebensbebürfniffen. ruht, kann ſich das Proletariat nit heben. 
Sobann ift die Abſchaffung aller auf bem Grunde u, Boden ruhenben Laften, aller 
perfönlichen Dienfte, welche nicht gleichmäßig. unter alle Staatsbürger vertheilt 
ind, erforderlich, Die Abſchaffung des mittelalterlichen Zunftzwanges und. bie 
Einführung einer auf dem Grundjage bes Affociationsrehts ruhenden Gewerbes 
wdnung ; die Einführung eines bie gleichmäßige Bertheilung ber Güter beförbernden 
Eubrediis u. die Abfchaffung aller Vorrechte ber —— Claſſen ferner 
mumgaͤnglich nothwendig. Gleichen Schritt mit dieſen Al müffen: übrts 
jens auch Diejenigen geben, welche die Bildung des Volfes in allgemein geifiger, 
n Eichlicher u. Bolten Beziehun, ihrem Gegenftande haben, SBtehfeibe 7 
Bewiſſens⸗ u. Lehrfreiheit, yerfönlihe eiheit, Abſchaffung bes beftehenden Bevor» 
—— ber. ſtehenden Heere von Beamten u, Soldaten, mit einem 
Borte, «grünbung einer das Boltswohl mehr, als bie Borrechte ber bevorzugten 
Blafien, berüdfichtigenden ‚Staatsv: 9. Diefes find die Mittel, mit beren 
Däütfe zu gleicher Zeit die corrupten Zuftände unferer bevorzugten. und bie trübs 
eligen Zuftände unjerer arbeitenden, Ela| posten werben können. 

Prolog, Borrede, Eingangs- ober Eröffnungsrede, im Theaterweſen 
‚ine vor Aufführung des Schaufpield in ber Regel nur von Einer Perſon geſprochene, 
m das Publifum gerichtete Rebe, mit Hindeutung auf ben Inhalt des Stüde, 
Diefen jegt felten gewordenen P. hat man dem Theater der Alten entnommen, 
sei welchem der Schaufpieler, welcher benfelben ſprach, ebenfalls prologus hieß. 
Im der griehifhen Tragödie und Komödie ging ber P. der Parode des Chors 
»oran u. gab kurze Erklärungen über bad, was bereit8 vorgegangen u. noch zu 
wiwarten war. Es geſchah dieß aber nicht nur zu Anfang, fondern auch in ben 
Zwifchenabtheilungen des Drama. Oft wurde im P. auch bie Nachſicht der Zus 
chauer in Anfprud genommen für ben Dichter u. die Schaufpieler. Gegenwärtig 
inden bie P.e bei gewiſſen feſtlichen Darftelungen auf bem Theater immer nody 
hre Anwendung. — Uneigentli nennt man B.e auch jene Borfpiele, bie, von 
nehren Perfonen geſprochen u. aus Scenen beftchend, ein Ganzes bilden und bie 
jeſchichtliche Einleitung zum nachfolgenden Drama geben. 

rolonge (Schlepptau), heißt bei ber Artillerie ein 36 Fuß langes, 10 Li- 
ven ftarfes Tau, um baffelbe an ben Protzwagen zu befeftigen und vermittelft 
ver Schlinge bes Taues das Gefhüg beim Maneupriren vorn unb rüdwärts 
u bewegen. 

Prolongiren, eigentlih verlängern, daher Hinausfhieben; namentlich 
»ie Erfüllung einer Zahlungsverbinblichfeit mit Bewilligung des Glaͤubigers ver⸗ 
chieben und auf einen fpätern Termin fegen. Daher Brolongation, bie Hin- 
un oder Mebertragung einer Zahlungsverbindlickeit auf eine fpätere Zeit. 

1. Wechſel. 

u romeſſe nennt man eine Urkunde über die Vermietfung von Looſen (Par⸗ 
ial» Obligationen) bei otteries Anleihen, wobei bem Miethenden gewöhnlich bie 
jei einer Ziehung herausfommenden größeren, bem Dermiethenden aber bie klei—⸗ 
teren Gewinne bis zu einem gewiffen Betrage zufallen. Mit Recht iſt das P.n⸗ 
Spiel, als eines der unfiherften Gluͤcks-Spiele, da überbieß ber Inhaber ber P., 
elbft dann, wenn ber verabrebete Gewinn wirklich herauskommt, außer dem quten 


502 Promethens — Vronomen. 


Willen des Vermiethers durchaus keinen Rechtstitel fuͤr die Geltendmachung ſeiner 
Forderung Hat, faſt in allen wohlgeordneten Staaten verboten. Vergl. übrigens 
bie Artikel Lotterie u. Staatspapiere. 

Promethens, Sohn des Titanen Japetos und ber Okeanide Klymene, vol 
Weisheit, Kunſt und Staͤrke, ein Freund und Gefaͤhrte ber Götter, welche ihn 
wegen feiner hohen Geiſtesgaben fehr lebten, denen er fich jedoch (und befonbers 
dem Zeus) verhaßt machte, indem er an ihrer Allwiſſenheit amelfelte. Um biefe 
zu prüfen, Hatte er einft bei einem Opfermahle einen jungen Etier zerlegt umb eine 
Menge Knochen und Sehnen, mit Fleifch umhuͤllt, unter den anderen gewöhnlichen 
Etüden dem Zeus zur Wahl geboten; dieſer hatte, wie ber ſchlaue Erdenſohn 
vermuthete, ſich durch den Schein blenden laſſen u., zum Gelächter ber Anderen, 
die Knochen ftatt bes Fleiſches gewaͤhlt. Diefes vergaß ihm Zeus nicht — mt 
als nun P. Menfchen bildete, Minerva felb ihm eine Rektarfchale brachte, welche 
Ihm und feine Geſchoͤpfe begeiftern follte (von den berabfallenden Tropfen fogen 
die Bienen, bie Epinnen und der Ecdhmettetling [Eeidenwurm] und theilten ſeit⸗ 
bem mit dem Menfchen das Borrecht geiftbegabter Wefen, die Kunfi), unb er, P. 
das Feuer vom Himmel entwandte, um feine Gefchöpfe zu befeelen, da beſchloß 
Zeus feinen Untergang. Er warb durch Bulfan an den Kaufafus gefchmicdet 
und mußte es dulden, baß ber Adler bes Zeus täglich zu ihm hernieberſchwebte 
und ihm die Lcher abfraß, welche ihm während ber Nacht ftets wieder wuchs. 
Lange trug er dieſe Marter, denn er wußte, es würbe ein Sterblicher ihn bereink 
befreien; dieß geſchah durch Herkules, der ben Adler erſchoß. Nach Anderen be; 
freite ihn Ehiron, der, von dem Pfellichuffe des Herkules gequält, fi) ben Tod 
wünfchte, welcher ihn, ben Unfterblichen, nicht erreichen konnte, wodurch ſich ein 
Orafelfpruch erfüllte, nach dem er frei feyn follte, fobald ein Unſterblicher fein 
Leben für ihn dahin geben wolle. Eine dritte Sage läßt Zeus felbft den größten 
ber Zitaniden befreien; P. weiffagte ihm nämlich, daß dem Echoße ber Thetis fid 
ein Sohn entwinden würde, der größer feyn würde, als fein Vater, und biefe 
Weiffagung entledigte Zeus, der im Begriffe fland, zu Thetis zu gehen, ihn nad 
breißigjäß ger Dual feiner Strafe P. war mit Aſia vermählt und war Vater 
des Deufalion (ſ. d.). 

Promotion, woͤrtlich: Beförderung , wird hauptſaͤchlich von ber unter be 
flimmten Bedingungen und mit befondern Feierlichkeiten gefchehenen Vefoͤrder 
ung FR afabemifhen Würbe eines Doctors, Magifters (ſ. bb.) x. x. 
gebrau 

Promptuarium, überhaupt: was man * Gebrauche gleich in Bereitſchaft 
at, ein Handbuch oder ſonſtiges Werk, worin man mit Leichtigkeit etwas ſinden 
ann: in dieſer Hinficht auch als Buchtitel gebraucht. 

Pronomen, lateinifch, eigentlich ein das Nomen (f. b.) vertretender Rebeihell 
Fuͤrwort, richtiger Perfonenwort, Deutewort, eine leere allgemeine Form, die zurüd 
bleibt, wenn man einen, durch ein Hauptwort bezeichneten, Gegenftand von feinen 
beftimmten, befonderen Inhalte ablöst, fo daß in dieſe Form ein Gegenſtand als 
foldyer überhaupt, ber als ſelbſtſtaͤndiger, ohne Ruͤckſicht auf feine beſondere und 
eigenthümliche Natur, gefaßt werden Tann. Das PB. foll aber nidht bios bie 
Nomina vertreten, um Kürze, Abwechfelung und Wohllaut in die Rebe zu bringen, 
wenn bie zu Häufige Wiederholung eines Namens Weitfchweifigfeit, Ermübung 
und Mißklang verurfachen würde, fondern «8 hat auch eben fowohl, wie anber 
Rebetheile, die Beflimmung, einen Begriff zu bezeichnen, welcher ohne fie in ber 
Sprade gar nicht ausgebrüdt wäre, Dieſer Begriff ift die Individualität ober 
PVerfonalität, wodurch fie, auch in ben allgemeinften Ausbrüden auf befimmte 
Gegenftände hinweiſen. Se ungebilbeter eine Sprache ift, beflo weniger P.ina 
finden ſich in ihr. Uebrigens brüden fie auch die Geſchlechtsverſchiedenhelt aus, u. 
werben beflinirt. Es gibt 6 Arten der P.ina: a) Perfönliche P.ina, Berfonen 
wörter, P.ina personalia, welche ben Gegenftanb in ber Rebe bezeichnen: ich, 
du, er (fie, e8), wir, ihr, ftes auch das allgemeine P. indefinitivum, Jemand, 


Pronuba-— Prodmlum. 503 
Niemand, man. Man Tann fie fubftantivifche P.ina nennen, weil fie, glei 
den Subftantiven immer ben Begriff der Selbffländigkeit enthalten. Bon diefen 
perfönlichen P.- Wörtern gt eine Art von Adjectiven aus, burch welche Etwas 
als einer Perfon angehö 9 bargeftelt wirb, bie zueignenben Pina, Pina pos- 
sessiva : mein, bein, fein, ihr, umfer, euer, u. ſ. w. Sbwohl ſie, fireng genommen, 
nicht Hieher gehören, pflegt man fte doch, weil fie unmittelbar aus ben Perfonens 
Wörtern hervorgehen und, in Beziehung auf biefe, am beflen  verftanden werden, 
als biefen untergeorbnete P.ina zu betrachten. b) Hinweifende Pina, P.ina 
demonstrativa. c) Beftimmenbe P.ina, P.ina determinata, ſolche P.ina, welche 
auf einen Gegenftand hindeuten, um ihn in Beziehung mit einem andern zu 
en: der ic. d) Beziehliche Pina, Pina relativa, f. Relativum. e) 
tragende P.ina, P.ina interrogativa, zum Theil ben relativen P.n ans 
gehörig: wer, was, was für Einer ic, F) Auf das Subjekt ſich beziehende P,ina, 
P.ina reflexiva: feiner, fih, ©. Reciprocum, 
ronuba, Eheftifterin, ein Beiname ber Juno (f. d.). 
ony, Baspard Claire Francois Marie Riche, Baron be, auss 
gezeichneter Ingenieur, geboren den 11. Juli 1755 zu Chamelet bei yon, Sohn 
eines am Parlamentsrathes, erhielt eine ausgezeichnete Erziehung und 
wurde 1776 in bie Bauſchule aufgenommen; 1780 wurde er Unter» Ingenieur, 
verweilte fpäter einige Zeit in Paris, als Gehülfe von Perronet u. Chezp, leitete 
1785 mit erfterem den Hafenbau in Duͤnkirchen u. begab ſich für einige Zeit 
nad England; 1787 war er betheiligt bei dem Bau der Brüde Ludwigs XVL 
in Baris, u. wurde dafür 1791 zum Oberingenieur in-Perpignan ernannt. Er 
teat jedoch diefe Stelle nicht an, um nicht Paris verlaffen zu müffen, u. wurbe 
zum Generaldirektor. bes neu eingerichteten Steuerweſens ernannt, kurz Darauf 
aber mit Ausarbeitung der logariihmiſchen u. trigomometrifchen Tafeln nach bem 
neuen metrifhen Syfieme beauftragt, welche umgeheuere Aufgabe er In wenigen 
Jahren löste u. deren Refultate in 17 Boliobänden auf der Sternwarte in Paris 
hinterlegte. 1798 wurde P. Generalinfpeftor u. kurze Zeit darnach Direftor ber 
Baufhule; bei der Gründung ber polytechnifchen Schule wurde er Profeffor ber 
Mechanik an derfelben und Mitglied des Inftituts bei deſſen Errichtung. Nas 
poleon’8 Gunft hatte er verfcherzt durch feine beharrlihe Weigerung, bie Erpebis 
tion nach Aegypten zu begleiten, baher ihm auch unter bem Katjerreiche feine 
Auszeichnung zu Theil wurbe, ungeachtet er von 1805—1812 dreimal nah Itas 
lien gefchiett wurbe, um den Lauf bes Po zu regeln, verſchiedene Häfen zu vers 
beffern u. ſchließlich bie Pontiniſchen Suͤmpfe auszubeflern. Unter der Reftauras 
tion wurbe P. 1827 zum Baron ernannt; er flarb den 29. Juli 1839 zu Paris. 
— Abgefehen von vielen Abhandlungen, find bie wichtigeren feiner Werfe: „Nou- 
velle architecture hydraulique“, Paris 1790, 2 Bde.; „Mecanique philosophi- 
que“, Paris 1800; „Recherches sur la poussee des terres*, Paris 1802; 
„Description hydrographique et historique des marais Pontins“, ‘Paris 1813, 
2. Ausgabe 1823 mit Atlas. — P.s Frau, eine geborene Lapoir be Froͤmin— 
ville, geboren zu Lyon 1754, geforben ben 5. Auguft 1822 in ber Gegend von 
Moulins, war eine vertraute Freundin der Raiferin Joſephine. — Sein Bruber, 
€. A. ©. Riche be P., Raturforfcper, Hatte die Erpebition zur Auffuchung 
des Lapeyroufe begleitet und ftarb 1797 in Bolge ber hiebet ausgeftanbenen 
Strapazen. E. Buchner. 
Prodmium (Vorbericht, Gingang, einleitenber Befang) hießen bei 
den alten Griechen insbefondere bie einleitenden epifchen u. Iyrifchen Borfpiele 
zum Lobe ber Götter an religiöfen Feſten. Mit benfelben eröffneten die Kicha- 
toben bie Feierlichfeit, worauf epiſche Vorträge über Helbenthaten, nad ber 
Volksſage, folgten. Verſchieden davon find die Einleitungen ber epiſchen Ge— 
fänge, beftehend in einer Anrufung begeifternder Gottheiten, urſpruͤnglich auch 
Prooemia genannt. Mit ihnen begann jedes epifche Gedicht u. fie famen auch 
wieberbolt, im Yortgange des Epos, an pafienden Stellen vor, wie 1, B. Was 


504 Propäbentit— Propertins, 


2, 484. — Pindar, welcher fih bes Ausbruds P. zuerſt bediente, dt bar: 
unter fogar ein Siegeslied. Und in ber That bildeten fich jene kurzen Proomien 
mit der Zeit zu felbARändigen Ganzen aus u. fanden ald epiſche Hymnen in 
den mufijchen Wettfämpfen Eingang. Uebrigens zeigen Prooemia auch bie Ein 
leitungen von Seite der Rebner und anderer Schrififtelleer an, wie benn über 
haupt P. zur Bezeichnung bes Anfanges eines Dinges gebraudt iſt, wie bei 
Athenäus mpooiuıov deinvov, ber Anfang des Mahles, weßhalb es wohl auf 
mit avaßoAy dem mufitalifhen Vorfpiel, gleichbebeutend ‚penommnen feyn mag. 
Propädentit, Borübung, Vorbereitung, heißt derjenige Unterriät, 
durch den bie, zur Erlernung einer Wiſſenſchaft oder Kunft erforderlich en, Kennt, 
niffe erworben werben, Natürlich Hat jedes befondere Fach auch feine befondere 
P., wozu auch bie fogenannten Hülfswifienichaften In der Kr 
nennt man auch, wiewohl mit Unrecht, die Logik ci. d.) bie philoſophiſche P. 
während jene doch eine felbfiftändige Doktrin if. Eher verbiente die Fundamen⸗ 
tal⸗Philoſophie dieſen Namen. 
ropaganda iſt im Allgemeinen jede Anſtalt, welche irgend eine Anſicht 
ober Meinung zu verbreiten ben Zwed hat; namentlich wird bad Wort gebraucht 
von Anftalten zur Berbreitung ber chriftlichen Religion, in weldem Sinne bie 
Miſſionen (ſ. b.) u. diejenigen Orden, beren Hauptzwed bie Ausbreitung bes 
Chriftenthums unter den Heiben ift, auch den Ramen P. führen. — P. (cos- 
gregatio de propaganda fide catholica) Heißt jenes Gardinal-@ollegium zu Rom, 
welches von Papft Gregor XV. (1622) zur Berbreitung bes dhriftfatholiichen 
Glaubens geftiftet uw. botirt u. dann von Urban VIIL mit vielen Vorrechten 
verfehen worden ifl. Ihr Zweck ift, durch Miſſionen bie Ausbreitung unb Er: 
—* des chriſtkatholiſchen Glaubens in den Ländern der Ungläubigen zu be 
ördern, Unter Urban VIIL (1637). wurde fchon zur Erreichung dieſes Zwedes 
. ein eigenes Seminar (Seminarium de propsganda fide) erridhtet, im welches 
Geiſtliche aus allen Nationen aufgenommen werden follen. Den Plan zu biefe 

Stiftung entwarf Johann Vives, ein Spanier und päpftlidher Hausprälat, 
weldyer auch ber Stifter biefes Inftituts war. In diefem Seminar werben alle 
bedeutenden lebenden Sprachen gelehrt und die beften Heberfehungen großer und 
gediegener Werke des Auslandes, oft in Türzefter Zeit, veranftaltet. Das Collegium 
der P. zu Rom befteht aus mehr ald 100 Perſonen aus verfchiebenen Rationen, 
Zu Neapel Hat fie ein Eollegtum für Ehinefen, welches, bes milderen Elima’s 
wegen, dorthin verlegt worben iftz aus dbemfelben gehen Miſſionaͤre hervor. Dem 
Ritus nach find die Alumnen der P., wie fie ſich 1837 dort befanden, und 
meift jederzeit ſo bort befinden, theils dem Iateinifchen, theils dem arms 
niſchen, griechlich » melchitiſchen, Eoptifchen,, ſyriſchen, Tyriich » maronitifchen 

und chaldaͤiſchen zugethan; im Glauben aber an unfern göttlidden Erloͤſer 
und feine unverfehrte eitelegre ‚ fowie in ber Anerkennung feines für bie 
fihtbare Kirche angeorbneten Statthalters, find fie Alle Eins, mögen fie nun von 
Oſten, ober Weſten gefommen ſeyn. Gleichwie unfere Fatholifche Kirche im Gro⸗ 
gen, fo ftellen fie im Befondern bie Gefüung jenes Gebetes unferes gen 
Heilandes dar: „daß Alle Eins feien, damit die Welt glaube an feine bung 
vom himmlischen Vater.“ — In uneigentlidher Bedeutung ſpricht man auch von 
einer politiſchen P. in diefer oder jener Tendenz, vorzugsweife in revolutionärer. 

Propemptiton (gried.), nennt man ein einem Abreifenden gewidmetes, ihm 
zur Reife Glüd wuͤnſchendes Gedicht, 

. Propertins, Sertus Aurelius, einer ber beften elegiſchen Dichter ber 
Römer, aud Umbrien, war ein Guͤnſtling des Mäcenas und farb im Jahre 15 
v. Chr, Bon ihm find noch vier Bücher elegifcher Gedichte übrig, deren vors 
nehmfte Verdienſte leidenfchaftlicher Ausdrud, reiche Poeſie u. correcte Schreibart 
find, nur, daß er oft die Graͤnzen der Natur u. der Zucht überfchreitet und mit 
bichterifchem Schmude zu verſchwenderiſch if. Kallimachus und Philetas, beren 
griechtiche Elegieen wir nicht mehr befigen, waren feine Muſter. — Ausgaben: 


Prophet. 505 


gewöhnlich bei Catullus ( d.); eimgeln. von J. Brouthuis, Amſterdam 1727 
von Volpi, Padua 1755, 2 Bde; von. Barth, Leipz. 1777, und. am 
ften von Pet. Burmann dem Jüngern, durch Lot. v. Santen, Utrecht 1780; von 
Kuinoe, Leipz. 1805, 2-Bde., von K. Lachmann, Leipz. 1816; von ve: Palda⸗ 
mus, Halle 1827; von Herzberg, 4 Bde., Halle 1843—45. — Ueberfet R 
mit Auswahl von K. L. v. Knebel, Leipg. 1798, und. von F. 8. v. 

2. vermehrte und werbefferte Ausgabe, Braunſchweig 18225 vollftänbige Ueber⸗ 
en 3:9: Boß, Braunſchweig 18305. von Herzberg, Stuttgart 1838, 

en. 


het (rpopyrys), dem Wortfinne nach ein Sprecher für einen Anbern, 
—— —S V. ein ſolcher —— wird, dem ſich Gott geoffen⸗ 
bart hat und: deſſen er ſich bedient, um ſelne Befehle den Menſchen zu ver! 

Die B.n hießen deßhalb auch Di en er oder Knech ie —— auch Boten, 
aͤcht er. Sie beſaßen bie Gabe der Weiſſagung u. Enthüllung ber Zukunft u. 
hießen darum auch Seh er. Ihr Ber uf geſchah durch Bott, entweder unmit⸗ 
telbar, oder mittelbar durch Menſchen in deſſen Namen, Gott ſelbſt theilte ihnen 
feinen Geift mit, welches „Banbauflegung des Herrn“ genannt wird. “Der 
auptzwed * —— war Goiles erbarmungsvoile Liebe zu ben ai Fon 

je mußten das Volk unterrichten, den in Verfall gerathienen Gottesdienſt wi 
emporbringen, bie Rathſchluͤſſe Gottes verfündigen,- für defien Ehre und Geſetz 
die Laſter bes Volkes und der Großen. eifern und feine. Strafen —— 
e mußten auch Gottes Willensmeinung ſchriftlich abfaſſen. Ihr Amt beglau—⸗ 
bigten fie durch Wunderwerle, führten eine ſtrenge Lebens weiſe und waren 
oft den Verfolgungen und der Rache ber Gottloſen ausgejegt. — Die Pın werben 
in. drei Zeitalter eingetheilt: 1) Bon der Schöpfung bis. auf Moſes nennt 
man als Bn: Adam, Henoch, Lamech, Abraham, Ifaat, Jakob, Joſeph, or 

feloft. 2) Bon diefem ‚bis auf die babyloniſche Wegführung: zähle man (nebft 
vier Prophetinnen) 56 eigentliche B.n. Sole ind Snupefäcnticp die,4. größeren 
u. die.12 fleineren PB.n,deren Vorträge in dem Canon des A. T. aufbewahrt 
werben, nämlih: Ifaias, Jeremias, Ezechiel u. Daniel, Ferner: Jonas, 
Dfeas, Amos, Joel, Mihäas, Nahum, Sophonias, Habakuf, Abdias, Aggaͤus, 
Zaharias und Malachias. Außer diefen fommen vor: Samuel, Bad, Rathan, 
Ahias, Jehu, Elias und Elifäus, Mihäas, Semeias u, Addo, Azarias, Oded. 
Mehre derfelben waren auch Reichsgeſchichtſchreiber u. Nathan zugleich Hofmeifter 
u. Erzieher König Salomon’. Ueberhaupt waren bie P.en nebft ben Prieftern, 
Inhaber u. Pfleger der Wiſſenſchaften. — Eigene Bn»Schulen entftanden zur 
Zeit bes Richter Samuel, welcher felbft ein P. war u. an beren Leitung Antheil 
nahm; fie Hatten befonbere Vorfteher. Die Vornehmſten waren zu Rariath- 
Jearim, Ramath, Bethel, Jeriho u. Galgal. Es waren Lehranſtalten, wo jü- 
diſche Zünglinge, Bn- Kinder oder Schüler genannt, in ber Religion, im Ges 
fege, in der Dicht: und Tonfunft unterrichtet und zu Gelehrten gebildet wurden. 
Zur Mebung wurben geiftliche Lieder gedichtet u. von Inftrumenten begleitet, ges 
jungen. Sie waren meiſtens Leviten, wurden fpäter beim Gottesbienfte angeſtellt 
und einige übten, vom göttlichen Geifte geleitet, da8 Amt ber wirklichen B.n aus. 
Es ift wahrſcheinlich, daß auch König David, ber fo fertige Dichter, ein Zög- 
ling der Bn-Schule war; auch heißt er ausbrüdlih ein. — Der Bn-Stanb 
begann mit der Einführung bes Königtfums, wo ber Staat in Gefahr kam, feine 
unmittelbare Beziehung auf Gott zu verlieren; er wurde aber nad) ber Tren⸗ 
nung ber Bruberreihe erſt recht wichtig u. wirlſam. Die P.n traten nicht nur 
als Seher, fondern auch als Sittenprediger auf. Sie Ichrten, daß ber Außere 
Gottesdienſt bem Herrn nicht gefallen könne, fo lange man in Sünden lebe; daß 
man nur unter ber Bedingung fütlicher Beſſerung Vergebung erlangen fönne u. 
daß die wahre Befferung in herzlicher Reue u. Verebelung bes Herzens befiche; 
ferner, daß dem Menſchen alle frühere Tugend Nichts nüge, wenn er lafterhaft 
werde. Die Bın vergeiftigten die Idee von bem Mefitas u feinem Reihe, 


506 Prophylaris — Propf. 


indem fle einen allgemeinen ewigen Frieden u. bie Bereinigung ber Nationen zum 
Berehrung Eines Gottes verkündeten. Go erfcheinen bie P.en als Reiniger 
u. Erweiterer der Religions, u, Gittenlehre umb als Borbereiter einer geiſtiqern 
beffern Religion. Rur die legten ber Fleineren P. weiſſagten nach ber Weg: 
führung (im dritten Zeitalter); von jener Zeit bis Inf Ghrifus fennen 
wir eigentlih nur Johannes den Täufer (|. d.), der nicht nur die Lebens: 
weife der früheren B.n führte, ſondern ein P. des Allerhöchften u. der groͤßte 
unter allen P.n genannt wird, weil er nicht, wie jene, das Tünftige Erſcheinen 
des Meffias, fondern fein wirkliches Dafein anfündigte, ja Ihn fogar einfuͤhrte. 
Chriſtus felbft, der Meſſtas, wird auch im neuen ente im ausgezeichneten 
Einne PB. genannt. — After» oder falſche P.n nennt bie Heil Schrift jene, 
welche, ohne Beruf, im Ramen von Bösen (wie Baals⸗P.en u. andere) umb aus 
ſchlechten Abfichten es wagten, zu weiſſagen. Cie follten nach dem mofalichen 
Geſetze gefteinigt werben. 
rophylaxis, Borbauung, nennt man in ber Heilkunde jene Verfahren, 
durch welches der Eintritt von Krankheiten abgehalten werben fol. Die P. bes 
zieht fi) bemgemäß entweder auf Silgung ber Krantheitsanlagen, um fo bie 
Empfänglichkeit für Krankheiten aufzuheben, oder fte befleht in unmittelbarer Ab⸗ 
wehrung ber krankmachenden Urſachen. Das propäylaktifche Berfahren kam 
u weit getrieben werden, wie die noch vor wenigen Jahrzehnten übliden Vor⸗ 
auungsfuren, beftehend in regelmäßig wiederkehrenden Aberläfien, ober bem 
zeitwelliger-Gebrauche von Brech⸗ u. Abführmitteln beweifen, obwohl fich nicht 
läugnen läßt, baß auch ihnen etwas Wahres zum Grunde lag, Die Ausübung 
ber P. ift zunächft Sache des Haus» oder Familien» Arztes, ber durch biefelde 
bie fich feiner Obhut Anvertrauenden vor Krankheiten bewahren foll mittelR 
Regelung ber biätetifchen Berhäftniffe, baher bie P. gewöhnlich ale ein Theil 
der gs eine betrachtet wird, forwie mittelt Anwendung pofltiver Heilmittel, um 
bie Conſtitution zu beffeen u. dadurch Krankheiten vorzubeugen, zu denen An 
lage beftcht. Auch die Sanitätspolizei hat es Häufig mit P. zu thun; fo erfcheint 
Die gefehlich angeordnete Kuhpodenimpfung ale PB. gegen bie Berheerungen ber 
Menfchenhlattern und in bösartig verheerenden Krankheiten, wie z. B. in der 
Cholera, ift die hauptſaͤchlichſte, wenn nicht alleinige fanitätspolizeilicye Halfe in 
ehöriger P., d. h. in Tilgung ober Minderung ber Anlage zur Krankheit za 
uchen. E. Buchner. 

Propontis nannten bie Alten das Meer, das durch ben thrakiſchen Bospo⸗ 
ros mit bem Pontos Eurinos u. durch ben Hellefpontos mit dem Agätichen 
Meere zufammenhing. Eigentlich ift die PB. die Erweiterung des Meeres vor bem 
Pontos Euxinos. Herobotos gibt ihr 1400, Strabon 1500 Stabien Länge, beide 
500 Stadien Breite. An der Oftfeite die Bufen Kianos u, Aftafenos; auf if 
bie Infeln Profonnefos und die Demonefoi (Brinzeninfeln). Seht Mare di 

armora. 

Bar ortion heißt in der Mathematif bie Verbindung von zwei gleichen 
Berhältniffen. Je nachdem bie Berhältniffe eine Differenz, ober einen Quotienten 
ausbrüden, nennt man bie B. eine arithmetifche oder geometriſche. So 
2:5 == 6: 9 eine arithmetiſche P., worin bie Differenz 3 iſt; 2? Am 6: 12 
eine geometrifche, worin ber Quotient 2 ik. — Broportional, im Verhaͤltniß 

ehend. — P., Größen, ſolche, die eine P. bilden; P.⸗Linien, diejenigen, welche 
n einem gewiſſen Berhältniße zu einander fiehen. P.⸗Zirkel, ein zu Ende bes 
16. Jahrhunderts erfundener u. von Galilei verbeſſerter Verhaͤltnißzirkel. Man 
findet durch ihm leicht die Berhältniße zwiſchen gleichartigen Größen, 


coprätor, ſ. Brätor. 

ropft ift an ben Kathebralficchen ber Titel des erſten Würbeträgere, um; 
mittelbar nach dem Bifchofe; an ben Collegiatkirchen aber iR er ber Erſte bes 
Stiftes, In der Regel Chrobegangs kommt er unter ber Demennung „Br 
Diakon vor, Zur Zeit bes gemeinfhaftlichen Zufammenlebens hatte ber B. einen fee 


8 | 


Propyläon — Profa. 
ausgebreiteten Wirkumpsfreis, Das Eoncil von Aach en übertrug ihm 
Berwaltung ber Stiftsgüter, In ben Kapitels + Verfammlungen Hatte er den 
Borfig u. im Chor fowohl, ale’ am bee biſchoͤflichen Tafel, nahm er den erften 
Play ein. Auch nach der Auflöfung des gemeinihaftlichen Lebens am Münfter 
behielt er feinen Rang u. bie Güterverwaltung u. iheilte die Kanonilalreichniße 
an Gild u. Raturalien aus. An manchen Kathedralen verfah er noch bie Stelle 
eines Acchidiafons u. war gewöhnlich von der Verbindlichkeit zur Reſidenz dis⸗ 
enſirt, weßtwegen er felten bei den Kapiteld-Berfammlungen gegenwärtig war, 
aber verloren indeſſen chemaligen Dom -+P:e einen großen: Theil: ihrer 
— Befugnipe , welche an den Vechant ıübergingen, jet aber befigen ſie 
jolche wie 
Propyläon, in ber Baufımfı bie Vorhalle, der Prachteingang eines großen 
Gebäudes; im eigenften Sinne die Benennung des —— Eingangs der 
alten Afropolis in Athen, ans Säulengängen gebildet. 
ee Au fſchub) if die Hinausiciebung von Etwas: auf eine fpä- 
tere 3 fo ſpricht man 5. B. von P. einer Frift, eines‘ Landtages u. |. w. — 
B. der Gerichtsbarkeit nennt man bad, wenn die Parteien bet einem für den Bes 
Hagten nicht competenten Richter ausdrücklich, vermöge ® 8 ober fillſchwei⸗ 
gend, durch Einlaffung des Beklagten auf die Klage, Recht nehmen, 
Profa, vom lat. porsus, geradehin, ungebunden, (wie Apulejus fagt: 
et vorsa facundia). Aus prorsus entftand batın prosus, wie bern aüch 
oralio prosa von Duintilian u. Mgebtaucht wird. P., als Ausdruck u. Dat⸗ 
fellung ‚von Begriffen, ift die Sprache der Refleftion, ober jene ſprachllche Dar» 
flellungsform, welche die Mitiheilung beſtimmter Kenntniſſe oder Erfe je bes 
gwedt, um biefe entweder weiter zu verbreiten, ober auf Gefinnung , Entſchiuß u. 
jandeln einzuwirken. Dort erſcheint fie dann als Sprache des gemeinen oder 
efchäftslebens, ober, in Bezichung auf Wiffenfhaft, als bie bibaftifche (bes 
lehrende) P., bier als Redelunſt oder ald oratorifhe P. "Da fol 
bie B, ftets durch einen Au feren Zwed bebingt ift, fo fleht fie der Moefle ent⸗ 
gegen, welche das innere Leben in einer burch fich felbft gefallenden Gcdanfen- 
reihe zu veranfhaulichen frebt. Ihr eigentlicher Charalter ift daher, wie ſchon 
Sachkundige bemerkt haben, Zwedmäfigkeit, wobei fie bes bilblihen Auedrudes 
fich nur zur größeren BVerfinnlihung der Erkenntniß, zur ſchnelleren Einwirkung 
auf den Hörenden bedient. Und wenn außerdem ihren Perioden angemeſſene Ber 
wegung u. Wohllaut der Sprache (numerus) nicht fehlen barf, ift fie boch nicht, 
wie bie Porfie, an einen bıftimmten Rhythmus gebunden, weßhalb man fe auch 
ungebunbene Rede (oratio soluta) u., im Gegenſatz, des gereimten Berfes bie 
ungereimte (reimlofe) Ride genannt hat. Aus ber hier flattfindenden Ber- 
fchiedenheit des Rumerus u. Rhythmus wird es auch erflärlich, wenn eine unvor- 
bereitete Vermengung der P. mit Verſen nicht weniger unangenehm und ftörend 
erſcheint, als profaifche Gedanken in ber Form von Verſen. Die Behauptung 
aber, baß bie P. fpäter ſich entwidelt habe, als die PVoefle, Tann wohl nur 
gan eigentlich auf verſtandesmaͤßige Ausbildung u. die abfteaften Wiſſenſchaften 
ezogen werben, in fo ferne dieſe nämlich fpäter find, als der Ausdrud ber Ges 
fuͤhle. Aus dem Gefihtspunfte der Kunſt näher betrachtet, iſt P. bie Darftelung 
bes Schönen, nad) beffen möglichen Abſtufungen u. Beziehungen, in ungebundes 
ner Sprade. Sie hat alsbann zu ihrem Sndalte Vorftellungsreihen, in welchen 
fich bie na dem Wahren an und in den Dingen firebende Erkenntniß mannigs 
faltig entwidelt, und beruht vorzugsweiſe in ber freien Ausbildung bes orale 
äfthetiichen Gebanfens nach feinem inneren wahren Gehalte. Der Afthetifche 
Werth der P. gibt demnach fich fund in ber Fünftlerifhen Bereinigung ber fiylis 
ſtiſchen Rüdfichten (d. i. ber Korm) mit ber Geltung bes Inhalts (d. i. mit 
bem Matertellen). Ueber die Eintheilung oder Glaffififation ber P. f. Rhyetos 
tif. — Kadmos von Milet, ein Sohn Banthions, etwa 600 v. &hr., fell zuerft in 
griechiſcher P. geſchrieben haben. Wenigftens iR nicht zu beitreten , op Vr 


ã 


508 Profcenium — Profelyten, 


Zeit hindurch Griechenland mur bie poetifche Darftellung kannte und bie P. erſt 
furz vor den Perſerkriegen, alfo faft mit obiger Angabe übereinftimmend, zur ver 
Randesmäßigen Gefchichtserzählung ausgebildet wurde. Daß ſolches mit der Ent 
ftehung der P. feine Gemeinſchaft habe, barf kaum berüßrt werben. — In blos 
materieller Bedeutung endlich wirb unter B. die Wirklichkeit ober das gemeine 
Leben verftanden. 

ofcenium, die Borbühne, ber Borplap ber Schaubühne, nach Suibas 
auch der Vorhang der Scene, fonft der Plag, auf welchem die Schaufpieler Rans 
ben unb ihre Rollen aufführten, gewöhnlich mit Inbegriff der Scene, dann auch 
das ganze Theater ober Schaufpielgebäude. Bei den Römern war jener Play, 
bes op gerucee wegen, mit Crocus beftreut. — Wir nennen P. den freien Plat 
vor dem Borhange bis zum Lampenbret. Bgl. Theater, 

zofeeiption (vom lat. proscribere),, nannten bie Römer die Ausbietung 
ber Güter eines Meberfchuldeten zum Verkaufe mittelft öffentlichen Anſchlages; 
dann die gewaltfame Aechtung eines Staatsbürgers, welche Sulla (f. b.) ein 
führte, um feine Gegenpartei aufjureiben, indem er die Namen ber zum Tobe vers 
urtheilten Anhänger der Partei des Marius, nachdem er biefe ganz beflegt Hatte, 
auf Tafeln fchreiben und biefe an öffentlichen Plaͤgen der Stadt aufhängen ließ. 
Jeder, der einen Proferibirten aufnahm ober unterflügte, verlor das Leben; bie 
Büter des Beächteten wurben eingezogen unb feine Kinder für unfähig erklaͤrt, 
Staatsämter zu befleiden (letzteres hob Julius GAfar auf). — Ieht verſteht man 
unter P. die mehr politifche, als gerichtliche und firafgefegliche Berbannung ober 
Ausweifung. In Deutſchland namentlich find in neuerer Zeit oft Höchft traurige 
P.n unter dem Namen der allzu mächtigen und übergewaltigen Polizei aus 
worden. Es gehören hieher die ungaftlicden u. inhumanen und auch ben eblerm 
völferrechtlichen Brundfägen u. Obſervanzen widerfprechenden Wegweifungen ge 
gen Außerdeutfche, fodann aber auch bie, a dem allgemeinen beutfchen Has 
tionalbürgerredhte und bem Sinne bes Art. 18 ber Bundesacte völlig wieberfpres 
chenden, beliebigen Ausweifungen von Angehörigen anderer deutſcher Vundesſtaa⸗ 
ten u, enblich vollends die, alles Staatöbürgerrecht, allen rechtlichen Zuftand ber 
Bürger mißadhtenden, beliebigen Wegweifungen der Bürger aus biefer oder jener 
Provinz oder Stadt, fogar aus ſolchen, welche die Heimaths⸗ oder Nahrungs⸗ 
ftätten ber Weggewiefenen waren, 

Proſector Vorſchneider), Heißt an anatomischen Lehranftalten ber bem 
vortragenden SBrofefior beigegebene Gehuͤlfe, ber die Cadaver zergliebert, zum 
Zwede ber Demonftration zubereitet u. die Präparate für ben Unterricht, ſowie für 
die Aufnahme in die anatomifche Sammlung anfertigt, 

Profelyten (rpooyAvro:), Fremdlinge, Ankoͤmmlinge, hießen bei ben 
Juben biejenigen, welche aus dem Heidenthume zum Judenthume übergetreten was 
ren. Man unterfchieb bei Ihnen PB. des Thors u. PB. der Gerechtigkeit; 
erftere hatten wohl dem Heibenthume entfagt, allein fie unterwarfen ſich nicht dem 
Geſetze der Befchneidung, während letztere ſich dem juͤdiſchen Eeremonialgefeße un, 
terzgogen u, im vollen Sinne bes Wortes Juden wurden. Die fogenannte DB. 
Taufe, welche bei ben Juden mit ben PB. vorgenommen wurde, verlegen Einige 
fhon in die Zeit Jeſu, Andere halten fie für jüngeren Urfprunges. Die erfle 
Erwähnung gefchießt ihrer in ber Gemara für bie En ber Zearftörung Jerufalems, 
bes Joſephus, Philo ꝛc. Doch if es Höchft wahrfcheinlich, daß, bei der Vorliebe 
der Juden für das Symbol ber Bafdung, diefelbe allerdings ſchon Alter feyn 
mochte. — Sept bezeichnet man mit dem Kamen B. Solche, die von einer chri 
lichen Eonfeffion zu einer andern übertreten. In foferne ein folder Wechfel ber 
Ausfluß der Innern Meberzeugung ift, kann kein Bernünftiger etwas Berwerfliches 
barin finden (vgl. Eonvertiten). Ohne B.würbe ja ſelbſt das Chriſtenthum 
nie haben in’8 Leben treten können. Eben fo wenig kann das Beftreben Jemandes, 
bie Religion, zu der er fich felbft bekennt, auch unter Anderen zu verbreiten, ges 
tabelt werben, wofern dazu nur nicht andere Mittel, ale überzeugende Beweife, an- 





Proſerpina — Profper, 509 
jewandt werben. In ſofern man aber unter Proſelytenmacherel das Beftreben 
GerReht, nicht ‚dur — ober ſchriftliche A Anden feine Ue 
ung mitzutheilen, fondern fie durch unredliche oder gar geivaltfame Mittel zu 

ber zu ziehen: dann, aber auch nur dann verbient ein ſolches Beginnen aller 
dings bie verächtliche Bedeutung, die man dem Worte Profelytenmadjerei ges 
wöhnlich unterlegt, u. mit Recht enthalten alle neueren Berfaffungen ernfte Verbote 
dagegen. Weber den Vorwurf der Profelytenmacherel, ber namentlich fkatholl⸗ 
ſchen Kirche von dem Proteſtanten gemacht wird, wollen wir mit diefen nicht rech⸗ 
—9 fie werden — sugsarben, var fie auf beiden Seiten vorkommt — ſowohl 
ep) ber Zahl, als der angewandten Mittel, uns zum Minderen nicht 

eben. x 


to — Perſephone. — 
[die (griech) bei den Alten der Mecent, bie Abmeſſung der Silhen, 
nad PBollur auch ein am ur Kitharaz jept die Silbenmeſſung ober meirſſche 
Bezeichnung der Wörter, bieri tige ZTonfegung auf Silbenlaute u. gewöhnlich glei) 
bedeutend genommen mit Pro fodit, Silbenmaßtehte, bie Lehre von ben Seiverhäft- 
niffen der Silbenlaute, von der Befhaffenheit der Silbenmaße u. von dem äupern 
Versbau. Die Kenntniß dieſer Lehre ift nicht blos dem a fondern au 
dem Gomponiften nöthig. Daß Ieptere jedoch von ber Proſodik * Lennini 
nehmen, if allbefannt, auch geftattet'man ihnen in dieſer Beziehung eine aus⸗ 
reichende Freiheit, 1. e8 wäre nur zu winfchen, daß fie foldye nicht über alle @räns 
8 ausdehnen möchten, Nah Ent's Ausführung (über Saat: 1 dr 

ten 1836) iſt für ben profobifcgen Silbengehait in urfprüngli deu 
Then Wörtern der Mecent oder bie Auszeichnung einer Sifbe vor einer andern 
durch bie Betonung das vorherrfchende, wenn gleich nicht das einzige Prin⸗ 
zip. Gegen biefe Behauptung in ber gegebenen Ei bürfte Faum ein 
Einwand zuläßig feyn; wohl aber if das erwähnte Werkchen, als ein treffli 
Ergebniß vielfeitiger Forſchungen, ber forgfältigften Beachtung werth, Nücki 
lich des griechifchen Accents ift Manches bemerkt worden von Thiſer ſch, Commen- 
tatio de accentus graeci natura, Halberſtadt 1824. — Vergleiche auch: Apel, 
Metrif, Lpz. 1814. 

Profopographie (griech.), Perſonenbeſchreibung, Charakterſchilderung, haupt⸗ 
ſaͤchlich ber als redend oder handelnd dargeſtellten —2 

Proſpekt, ſ. Anſicht u. Aufriß. 

Proſper, der Heilige, Kirchenlehrer aus Aquitanien, wurde nach ber ge⸗ 
woöhnlichen Meinung im Jahre 403 geboren. Man hat ihm den Beinamen „der 
NAgquitanier“ gegeben, um ihn von dem hl. P., Biſchof von Orleans, u. anderen 
Männern beffelden Namens zu unterfcheiben. Seine Schriften beweifen, daß er 
fi nicht minder auf die fhönen Wiſſenſchaften, als auf tiefes Borfchen in ben 

öttlichen Büchern verlegte. Er verließ fein Vaterland und begab ſich in bie 
Provence, wo er zu Marfeille, wie es ſcheint von bem heiligen Auguftin, das 
Büchlein von ber Zurehtweifung u. Gnade erhielt. Gewiſſe Priefter, fich 
an den Schriften biefes Vaters gegen die Pelagianer ſtoſſend, gaben vor, er 
vernichte ben freien Willen, obgleich er blos die Lehre der Kirche über die Noth⸗ 
wenbigfeit der Gnabe barin vertheibigt Hatte. Unter bem Borgeben, bie menſch⸗ 
liche Freiheit zu retten, behaupteten e daher, der Anfang oder dag erſte Verlan⸗ 
gen bes Glaubens, ſowie andere Tugenden u. übernatücliche Handlungen, bie, auf 
den Glauben geist, für den Himmel verbienftlih werben, ſeyen einzig das Wert 
des freiem Willens. Diefer Jrrtfum, unter dem Namen Semipelagianismus bes 
tannt, gab dem Gefchöpfe die Ehre der Tugend, in ihrem Beginne ober in ihrem 
Verlangen betrachtet, u. widerſprach dadurch offenbar ber Lehre Chriſti und ber 
Apoftel. Das Buch von ber Zurecht weifung u. ber Gnabe follte bie Vor⸗ 
urtheile der Semipelagianer zerftreuen ; allein Diele vertheibigten nur deſto hitziger 
ißre Irrthümer unb erhoben ſich noch erbitterter gegen ben heil. Auguftin. — 
Ein frommer Laie, Namens Hilarius, trat für den hl. Lehrer anf, verinn 


510 | Prostheſfis — Proteſilaos. 


den Glauben der Kirche u. be den hl. P., an dem Kampfe für bie Wahr 
eit Antheil zu nehmen. Es fcheint, baß lepterer auch Laie war; allein feine 
genben u. Faͤhigkeiten rüfteten ihn mit jener hohen Kraft aus, bie bem Ber 
breiter der Irrlehre einen mächtigen Damm entgegenfehte. Auf Anrathen bes 
hl. gilgtin⸗ ſchrieb er ſodann dem Hl. Auguftin, um ihn von ben Inrlehren 
ber Vrieſter zu Marſeille in Kenntniß zu fegen, u. der hl. Lehrer ſchrieb, theils 
fie zu widerlegen, theils auch zu belehren, die Bücher von ber Borerwählung ber 
Heiligen und von ber Babe ber Beharrlichkeit. Diefe 2 Bücher mochten wohl 
die Semipelagtaner überweifen; befehren ließen fie ſich jeboch nicht. Sie nahmen 
daher ihre Zuflucht zur Berläumdung, indem fie Auguftin u. bie, die es mit ihm 
hielten, befcyuldigten, daß fie eine nötbigenbe Gnade lehrten, welche ben freien Willen 
vernichte. Rufin, ein Freund bes Hi. P., fohrieb an biefen, um ben wahren 
Beftand der freitigen Frage zu erfahren. Der Heilige antwortete ihm in einem 
noch vorhandenen Briefe, worin er die Gerüchte, die von ben Feinden des Heilis 
gen Biſchofs von Hippo ausgefprengt wurden, den Beweggrund ihrer Hand» 
Iungsweife,, ihre Irrthuͤmer und bie wahre Lehre des heil. Auguftin Über bie 
Gnade u. den freien Willen barlegt. Da fich indefien die Semipelagianer ben 
Schein gaben, als hielten fie fih nur an bie Entſcheidungen bes Keil. Stuhls, 
machten Hilarius u. P. eine Reife nah Rom, um den Papſt Eölefin von 
dem ganzen Hergange ber Sache in Kenntniß zu fegen. Der Papſt erließ Hier 
auf einen Hirtendrief an den Biſchof von Marfeille u. an bie Bilchöfe ber 
gegend, worin er die Widerfacher ber Gnade befämpfte und dem hl. Auguftin 
großes Lob ertheilte. Da deſſen ungeachtet die Berwirrungen immer fortbauerten, 
ergriff der HL. P. felbft die Feder und fchrieb gegen das Jahr 431 fein Gebdicht 
gegen die Undanfbaren. Diefes Lehrgedicht ift Das Meiſterwerk des hl. Kirchen: 
vaters, fowohl in Rüdficht ber ſchoͤnen Schreibart , als des Träftigen Inhalts. 
Die Rotkwendigfeit der Gnade ift, befonders in Bezug auf die göttliche Liebe, ba 
rin gründlich erwiefen. Auch fpriht P. im Verlaufe feines Gebichtes auf bie 
„ glängenfe Weile von dem Stuhle des Heil. Betrusd zu Rom. — Als ber heil. 
eo der Große 440 auf ben päpftlihden Stuhl erhoben wurbe, ließ er ben hil. 
P. nah Rom fommen, wo er ihn zu feinem Geheimfchreiber ernannte u. im ben 
wichtigften Kirchenangelegenheiten gebrauchte. P. vernichtete auch die pelagianis 
fche Arrlehre, die fich in der Hauptflabt der Ehriftenheit zu erheben fuchte. Gel 
nem Eifer, feiner Wiffenfchaft und feinen unermüdlichen Arbeiten Hatte die Kirche 
bie gänzliche Ausrottung dieſer verberblichen Ketzerei zu verbanfen. Dex Heilige 
fheint um das Jahr 463 noch gelebt zu Haben, übrigens ift das Jahr feines 
Tobes unbelannt, Die Kirche begeht fein Andenken am 25. Juni. 
roßthefis, auch ProtHefis, eine ſprachliche, in der Hinzufügung eine 
Buchſtabens oder einer Sylbe zu Anfang des Worts befiehende Figur, wie 
z. ®. gnatus flatt natus. Anbere Tehren biete Erklärung um u. nennen PB. wen 
Fi einen Pote ein Doppelbuchſtabe, oder zwei u. mehre Mitlaute folgen, wie in 
ling u, dgl. 

Mrotagoras, ein griechifcher Philoſoph aus Abbera oder Teos, um bie Mitte 
bes 5. Jahıhunderts v. Chr. Demofrit gewann ihn lieb, als er ihm einſt mit 
einem Bündel Holz begegnete, den er fehr geicbidt zufammen gebunden Batte, und 
machte durch feinen Unterricht ben gelehrtn Mann aus ihm, ber als Philoſoph 
u. Rebner berühmt warb. P. lehrte zu Athen, wurbe aber daſelbſt als Goites⸗ 
Iäugner zum Tode verurtheil. Er entfloh auf einem Heinen Sahne nach ben 
Smieln, um ben athenienfifchen Schiffen, bie damals auf ber See freuten, zu 
entgehen u. ertranf in feinem 70. Jahre. Seine Bücher wurben öffentlich ver⸗ 
brannt. Plato läßt ben P. in einem Geſpraͤche, das von ihm ben Namen Kat, 
u. in dem Theätetus eine Haupt» Rolle fpielen. J E 

Srotefilaos, eigentlich Jolaos, doch, weil er ber erfle Grieche war, bes 
vor Troja dlieb, P. genannt, Sohn bes Iphiflos u. der Diomeba, war kaum mit 
Laodamia, ber Tochter bes Akaſtos, vermählt, als er nad Troja ziehen mußte 


Proteft.— Proteſtantismus. 511 


Die junge Gattin llebte ihn über Alles u. erbat ſich von den Göttern bie, Gnade, 
ihn noch einmal auf en fehen zu dürfen; es geſchah und bald bare 
auf gab fie ſich jelbft den Tod. P. ward als Heros ver und. hatte zu Elelos 
einen Tempel, Artailtes, ein Felbherr des Zerres, bat biefen, ihm das Haus bes 
Griechen, welcher, wider. ben großen König Krieg geführt, (bie Perferfönige bes 
teachteten ganz Afien als ihr Reich) , zu.ichenfen, Dieh gend es war der 
Tempel, deſſen unermeßliche Schäge Artaiftes nun indie Veſte Seſtos bringen 
ließ, welche er dann auch ‚mit aller Macht, die ihm zu Gebote fand ‚| gegen Ge 
ancädenben Griechen: vertheibigte, — doch mußte er fliehen, ba zuleht je Stabt 
fo ausgehungert war, daß feine: Leute feine Nahrungsmittel mehr hatten, als die 
lebdernen Gurte ihrer Bettgeftele. Man holte ihn auf der Flucht eins da gab 
BP. Geift ein ſchreclliches Zeichen: die geboörrten Fiſche, welche die Hellenen fich 
zum Abendefien braten ‚wollten, bewegten und: kruͤmmien ſich, ais od fie lebten; 
Die en Griechen wurden durch Artoiftes beruhigt, indem er fagte, nicht 
ihnen, fonbern ihm felbft gelte das. Zeichen: P., befien Grabmal, deſſen Tempel 
er entweiht, wolle ihm zeigen, daß er, auch tobt u, bike, von. ben Göttern Macht 
habe, feine Beleibiger ‚zu frafen. ‚Nun bot: er als Loͤſegeld für ſich hundert, 
für feinen Sohn aber zweihunbert Talente, body umfonftz ber Feldhert der Aıhes 
ner, Zanthippos, nahm das Anerbitten nicht an, ex ließ ben Schänber des Hei⸗ 
— lebendig am das Kreuz nageln und ſeinen Sohn vor deſſen Augen 


roteſt heißt bei Wechſeln Ci. d.) eine von einem. Notar ausgefertigte 
te * erfolgte Borlegung, aber nicht — Ann, ober Bezah⸗ 
lung eines Wechfels, worin ſich ge leich dee Inhaber els, wegen: aller 
daraus. entftehenden Schäden u. often, den Regreß u: bie übrigen Rechte vorbes 
halt. Wird er, nad) ſchon einmal erfolgtem P., abermals aufgenommen , ſo beift 
er Eontra:P. — In ber Schifffahrt eine gehörig beglaubigte ‚Urkunde über 
erlittene Havarie während ber Reife: 20 
Proteftantismud (vom lat. protestari), bezeichnet, feiner ſprachllchen Ablei⸗ 
tung nad, die vorherrfihende Neigung, es mit derjenigen Partei zu halten, (Die 
Grundfäge u. Meinungen derjenigen Partei zu theilen,) welche vorzugsweife mit 
der Benennung PBroteftanten (irgend wann) bezeichnet worden iſt. Der Name 
ſelbſt weifet uns alfo auf bie Geſchichte. Es fragt fi nämlih: „was war es für 
eine Partei, die fo genannt wurde u., ba fie eines Proteſtirens halber fo genannt 
worden if, wogegen hat fie proteſtirt? Die Proteftation, an bie hier zu denken 
iR, geſchah 1529, auf dem Reichstage zu Speier. — Einige Jahre vorher was 
ten in Foige ber, von Dr. Martin Luther (f.d.) 1517 gewagten, Oppofition 
gegen ben Papft u. durch fein, unter dem Schupe des Kurfürften von Sachſen 
fortgefegtes, Schmähen u. Läftern gegen den päpfllichen Stuhl u. bie römifch-fas 
tholifche Hieracchie, fowie durch feine Streitfchriften gegen die katholiſche Kirchen⸗ 
lehre, vorzüglich in Deutſchland Bewegungen entfianden, welche für Kirche und 
Staat bie unheilvolften Verwirrungen u. Zermürfniffe anfünbigten. Saum hatte 
Luther „nieber mit dem Papfte!“ gerufen u., in ber einen Hand das Gvange- 
um haltend, mit der andern die mit dem Worte: „Reformation“ überfchriebene 
Fahne aufgepflanzt, als von allen Seiten her Parteigänger fi) zufammenfchaars 
ten, bie theild mit bem Anführer den Ruhm bes Sieges theilen, theils ſchon im 
Boraus Beute machen wollten, ehe er noch felbft gefiegt hatte. Fürften u. Brei- 
itädte ftrebten nach völliger Unabhängigkeit, vom — Stuhle; Adelige und 
Magiſtrate ſtreckten ihre langen Hände nah ben Kirchengütern u. Riofterkgägen 
aus; Gelehrte thaten fi hervor, um die Lehren ber römiichen Kirche über ges 
wiſſe Punfte noch befler aufzuklären, ald es mit handfefter Gindringlichfeit Luther 
zethan hatte; Beiftliche fhnellten die Feffel des Eölibats ab; Mönde u. Nonnen 
zmtbanden fi ihrer Gelübbe; Bürger u, Bauern wurben, ohne zu willen, was 
Luther lehre, lutheriſch, um nicht hinter der — ber religionsmüben Vor⸗ 
nehmen zurüdzubleiben. Andere wurben, wie bie Epronifen einzelner Stäbe " 


512 Proteſtautiſsnms. 


heute noch beſagen, von den Stadtraͤthen gezwungen, dem katholiſchen Cultus ab⸗ 
zuſagen u. zur Annahme ber gottesdienſtlichen Reformen, bie entweder ſchon ein⸗ 
geführt waren, oder noch eingeführt werben follten, ſich — zu machen. 

chon 1524 war bie Partei beträchtlich angewachſen; fie minberte ſich auch 1525 
nicht, troßdem, baß Lutheraner u. Zminglianer auf einander fdhimpften u. fluchs 
ten (Religion war ja nicht ihre Hauptſache!); fie war fo ſtark, daß fie umter 
dem Schuge des Kurfürften von Sachſen u. bes Landgrafen von Heflen (Philipp) 
isren katholiſchen Gegnern fogar mit Krieg drohen Eonnte, Wirklich) machten ihre 
foeben genannten fürftihen Oberhäupter Thon 1528 Zurüſtungen zum Sriege. 
Als num auf dem Reichstage zu Speier (1529) durch ben Stellvertreter bed Kal 
ſers der Reichsabſchied publichtt wurde: „daß diejenigen Reichsſtaͤnde, bie ſich un- 
terfangen hätten, in ben kirchlichen Dingen Neuerungen vorzunehmen, unter An: 
drohung kaiſerlicher Ungnabe bedeutet würben, nicht nur mit folddem Beginnen 
einzuhalten (die Meſſe nicht abzufchaffen), fondern auch binnen Furzer Friſt Alles 
wieder auf den vorigen Fuß zu flellen“: da proteſtirten die ſich „evangeliſch⸗ 
nennenden Reichsflände am 19. April wider diefen Beichluß u. fügten ihrer Bro- 
teftation einige Tage barauf eine Appellation an ben Kaifer u. an ein Fünftiges 
freies, allgemeines, chriftliches Concilium bei. Bon bdiefer ‘Proteftation nun er 
hielten fie (von ber kaiſerlichen Kanzlei aus) den Ramen der „Proteftirenden“ 
ober „PBroteftanten“. Fragen wir nun nad) ben Grunbfägen dieſer Partel, bie 
wir, zum Unterfchiebe von ben fpäter eingetretenen Abartungen ihrer Familie und 
ihrer Sippfchaften, mit ber Benennung: UÜrproteftanten oder Altproteftanten bejzeich⸗ 
nen fönnen, fo erhellet vorläufig: dieſe Partei ber fih, wie Luther u. feine ges 
lehrten Anhänger, auf „Gottes Wort“ (auf die Bibel); zugleich aber unterwarf 
fie fich dem Urtheile der Kirche, perhorzefeivenb jedoch das Urtbeil u. bie Entſcheid⸗ 
ung bes Papſtes. Wenn es ihre mit ber Berufung auf die Kirche ein Ernft war 
(was fehr zu bezweifeln ift), fo bdrüdte fie damit bie Soffmung aus, daß die 
Kirche nicht von der Kirche abweichen, das heißt, daß die Kirche der Gegenwart 
nach dem Sinne u. der Lehre ber Alteften Kirche entfcheiden werde. — Dieſelbe 
widerkatholiſche Partei übergab, in Fraktionen getheilt, 1530 ben 25. Juni bem 
Raifer Karl V., weil biefer wiffen mußte, ob fie aus Chriſten beftehe u. im rs 
miſchen Reiche gebuldet werben fönne, auf dem Reichsſstage zu Augsburg ihre 
Glaubensbetenntniffe, nämlih a) die Autheraner: ein, von dem Wittenberge 
Suniehier Philipp Melanchthon Ci. d.) verfaßtes, das von bem 

ohann von Sachſen, vom Landgrafen Philipp von Heflen, von fünf anderen Fuͤr⸗ 
fon, von den Städten: Nürnberg, Reutlingen, Kempten, Heilbronn, Winböhelm u. 
Weiffenburg (d. 5. von den Städten eigentlich in dem Sinne, daß unter dem Ru 
men der Städte nur die Magiftratsperfonen u. ihre Schwäger u. Schwiegerföhne 
zu verftehen waren) unterfchrieben war, in lateinifcher u. deutſcher Sprache. — 
b) Zwingfi cf. b.), ob er glei das Haupt einer Partei war, fein eigenes, 
iſolirt. — c) Die vier Städte (db. h. die Magiftratsperfonen der Städte) : Straß⸗ 
burg, Memmingen, Konftanz, Lindau, ein von dem Straßburger Pfarrer Mar 
tin Bauer (der in feiner Abendbmahlsichre zwifchen Luther u. Zwingli bie Mitte 
hielt) verfaßtes Clateinifch gemeiniglich bie confessio tetrapolitana genannt). Der 
Kaiſer beachtete nur das von ben Kürften unterfchriebene Bekenntniß der Luthe⸗ 
raner. Er ließ bie anweſenden katholiſchen Theologen basfelbe prüfen u. wider⸗ 
wo u. fodann die Widerlegung den verfammelten Ständen vorlefen. Auf dieſe 

iderlegung fertigte Melanchthon für die Confeſſion eine Schutzſchrift (Apolo- 
gia), die aber ber Kaifer nicht annahm, fondern mit der Erklärung von fich wies, 
daß e8 bei dem KReichsabfchiede von Speier fein Bervenden habe. Die Berord- 
nung des Reichstags ward wider die Proteftanten (auf abgefaßt u. bee Kalle 
errichtete in felbiger eine Art Berthebigungebinbeiß (Liga) mit den Fatholifchen 
Ständen wider bie neue Religion. Allein, da die Gegenpartei fich ebenfalls durch 
ein Buͤndniß zu Schmalkalden 1531, welches auf 6 Jahre gefchloffen warb, ver 
einigte (welchem Bünbdniffe neun Fürften, zwölf Reichsſtaͤnde u. andere beitraten), 


Proteflantismus, 513 


n. des Kalfers Sand in Ungarn von den Türken bebroßt wurbe, fo mußte ber 
Kaiſer beim weitern Berlaufe ber Irrungen ſich foaar u gutinen Verhandlungen 
bequemen u, es geichehen laflen, baß ber Schmalka bifde und 1535 verlängert, 
1536 noch mehr erweitert wurde. Die Stabt Straßburg trat dem Bunde 

falls bei u, fogar Dänemark machte mit der Partei gemeinfchaftliche Sache. 1537 
verfammelten bie Proteflanten fidh in Schmalkalden wieder, ale Papft Baul ME. 
ein Concil zu Mantua auagefehrieben hatte (das aber nicht zu Stande Tam). 
Die gen faßten Hier, Luthern beipflichtenb (wider Melanchthons Meinung), 
ben Beichluß, daß das Goncilium von proteftantifcher Seite weder zu befchiden, 
noch anzuerkennen fei, weil bie Partei dem Papſte das Recht, über l zu richten, 
nicht einräumen könne. (Melanchthon erzählt epist. lib. 4. cap. 196: „meine 
Meinung war, das Concilium nicht gänzlich abzuf@jlagen ı denn, obwohl 
ber Papft im felben nicht Richter feyn kann, fo hat er dennoch das Recht, 
ed zufammenzurufen, und bas Goncilium muß befehlen, daß man zu Bericht 
ſchreite. — Die andere Meinung gewann, nad vielem Diöputiren, bie 
Oberhand und ich glaube, baß ein unglüdieliges Verhängniß babei ifl“.) 
Der Kaiſer gebrauchte als Schugherr ber Kirche im HI. römtfchen Reiche (1546) 
Gewalt. Das Glüd begünftigte feine wider die verbünbeten Sirchenfeinde u. 
ide Heer ergriffenen Waffen u. lieferte ihm fogar bie beiden Häupter bes 
(Schmalfalbil.ten) Bundes, ben Kurfürften Friedrich von Sachen (ben er in 
Sachſen 1547 nach ber Schlacht bei Mühlberg gefangen nahm) u. ben Landgra⸗ 
fen Philipp von Heſſen (der In Halle gefangen genommen wurde) in bie Hände. 
Dennoch war er nicht Willms, die PBroteftanten gänzlich zu unterdrüden. Er 
dachte vielmehr, begierig nach völliger Uebergewalt über die Reichsftände, darauf, 
bie proteftantifche Bartei fich für politifhe Zwede durch Gunſt zu verpflichten, 
wohl aud, fie zur Deiränfung ber päpftlichen Gewalt zu benügen, wie ex benn 
mit dem Papſte auch über ben Drt, wo das Concil zu halten wäre, in Zwiſt 
gerathen war. Das Concil geftaltete fich in Trient (1546). Da ber Papft aber 
es wieder nach Stalien (nach Bologna) verlegte (1547), fo proteftirte der Katfer 
förmlich dagegen u. nahm ſich nun vor, die Religionsftreitigkeiten in Deutfchland 
einſtweilen, bis hier ein Nationalconcil zu Stande käme, felbft beizulegen. Er 
ließ dieſerhalb auf dem Reichstage zu Augsburg (1548) einen Aufſatz verfer- 
tigen, wie es in Hinficht der Hauptpunkte des Glaubens u. Gottesdienſtes in- 
terim gehalten werben follte. Allein biefes Augsburgifche „Interim“, das 
ber protefantiichen Partei aufdrang, was fie nicht anerfannte, u. ihr einräumte, 
was bie kath. ihr nicht zugeſtand, befriebigte feine die beiden Parteien u. nur wenige 
Stände nahmen es an. Unterbefien farb Payft Baul II. (1548) u. der neue 
Papft Julius II. verlegte das Concil wieder nach Trient. Der Zwiſt zwiſchen 
Raifer u. Bapft hatte nun aufgehört; das Interim kam in Bergefienheit u. ber 
Kaifer ſuchte die Proteftanten durch gätliche Borftellungen bapin u bringen, daß 
fie fih das Concil zu beſchicken emtichlöffen. — Während die Troteftanten dieß 
beharrlich verweigerten u. dennoch wegen ihrer Zukunft beſorgt waren, machte 
Moritz, jetzt nach Friedrich's Gefangennehmung Kurfürft von Sachen, Anftalt, 
das ihm vom Kaiſer geſchenkte Vertrauen zur Ausführung feiner, bereits früher 
gegen des Kaiſers ehrgeizige Politit — oder Tyrammei, wie fie die Proteflanten 
nannten — gefaßten, Plane u. zugleich zur Befreiung feines Schwiegervaters, 
bes Sandgrafın Philipp von Heſſen, aus der Gefangenſchaft zu benügen. Beaufs 
tragt vom Kalfer, bie Achtserfiärung an der widerfpänftigen Stabt Magdeburg 
(die eine Feſtung war) zu vollziehen, Tonnte er, ohne Argwohn zu veranlaflen, 
ein Heer fammeln u. verflärfen u. bie Zeit abwarten, bis ber Kaiſer fi von 
Augsburg entfernt und Trient mehr ‚genähert Haben wuͤrde. Morig that bieß, 
indem er mit dem jungen Fanbarafen von Hefien, dem Herzoge Albrecht von 
Medienburg, dem Markgrafen Albrecht von Brandenburg u. dem Könige von 
Frankreich, Heinrich IL, ein Buͤndniß ſchloß (ben 5. Oktober 1551). Und fo brach 
er bald darauf mit feinen Truppen aus Thüringen, (wo fie in ben Winterquars 

Reelencpclopädie. VIIL 33 


514 Sroteflantisuns, 


tieren gelegen hatten) am 20. März 1552 auf. Das Ko verbünbete 
vereinigte fich ben 25. beffelben Monats bei Schweinfurt, jchritt ſchnell vo 
u. ftand fchon ben 31. März in der Nacht vor ben Toren von Augsburg. Der 
Kaifer, nicht nerüftet, fah fich genöthigt, mit Morig zu unterhandein. Er ge 
brauchte ald Mittelsperfon feinen Bruder Ferdinand, Mit biefem warb num bie 
Hebereinfunft getroffen (am 1. Mai), daß am 26. Mai zu Paffau ein Friedens⸗ 
congreß veranftaltet u. der foeben genannte Tag zum Anfangstermin eines Wal 
fenftiliftandes beftimmt werben follte. Ehe dieſer Tag kam, hatte Moritz unterbefim 
bie Eaiferl. Truppen am Fuße ber Alpen bei Keuten den 18. Mai gefchlagen u. am 
22, beffelben Monats die Ehrenberger Klaufe erobert. Der Kaiſer, ber beinafe 
in Gefangenfhaft gerathen wäre, weil Morig ſchon auf Innfprud (von wo der 
Raifer fliehen mußte) losging, entließ ben Kurfürften Friedrich feiner Gefangen 
haft. Morig verlangte die Freigebung feines Schwiegervaters, Abftellung aller 
efchwerben in ber Regierung des Reichs u. freie Religionsübung für bie luthe⸗ 
rifchen Proteftanten. So fam benn den 31. Juli 1552 der Paffzuer Wertrag m 
Stande, defien Schluß war, baß feine ber beiden Parteien die andere in ihren 
Glauben hindern, brängen ober ftören folle. “Derfelde Schluß warb auf bem 
KReichstage zu Augsburg 1555 ben 25. September durch Ferdinand (im Ramen 
des Kaiſers) beftätigt (u. folle jeder Theil den andern bei feiner Weife, feinen 
Geremonin, Hab’ u. Gütern, Land u, Leuten, feiner Obrigkeit u. Gerechtigkeit 
ruhig u. friedlich laſſen. Die Lutheraner follen in katholiſchen Ländern bie Re 
Iigionsfreiheit genießen , ebenfo die Katholifen in ben Ländern ber Proteſtanten. 
r ben Fall aber, daß Mitglieder der Eatholifchen Geiftlichkeit zu ber proteſtan⸗ 
tifhen Religion übertreten, entfchieb Yerbinand, daß der geiflige Borbepalt 
(reservatum ecclesiasticum) zu gelten babe, d. h., baß foldhe Perfonen zwar 
nicht ihrer Ehre, wohl aber ihrer Aemter u, Einfünfte verluftig werben mußten. 
— So wurde denn durch biefen Religionsfrieden ben Proteſtanten (jedoch 
mit Ausichließung der von ben Lutheranern in ber Abendmahlslehre biffentiren 
ben u. von jenen felbft gefaßten u. anathematifirten Partei der fogenannten Sa⸗ 
framentirer) die Neligionsfreiheit im beutfchen Reiche garantirt. Diefer Friede 
beſchraͤnkte die Partei viel zu wenig. Denn, war fie früher fchon mit Heißhun⸗ 
ger auf bie katholiſchen Stiftungen hergefallen; Hatte fie fich früher ſchon bie 
ärgften Gewaltthätigfeiten gegen bie Katholiken u. ihre Priefler erlaubt: fo werde 
fie nunmehr defto arroganter u. übermüthiger u. fuchte jeden Reft, ja jebe Spur 
bes Tatholifchen Weſens (das fie „päpftlicde Gräuel® nannte) aus ihrem erober 
ten Gebiete mit ſchaͤumender Wuth zu vertilgen. Das Thun u. Treiben ber 
Partei ward von nun an weiter Nichts, als die Ausſaat gu einem Religions 
friege. Wir können aber die Befchreibung Hier nicht weiter in Detail auaführen, 
So viel fehen wir nie bie Lehre ber Partei war nicht fowohl durch Willen 
haft, durch Cwiffenichaftliche) Widerlegung ber Katholiken begründet, als vie, 
mehr durch Soldatenfraft u. mit bewaffneter Hand behauptet. — Seht 
wir dieſe Lehre felbft etwas näher zu betrachten. “Die Eonfeflion ber Lutheraner 
Iprict a) bie Dnerfennung ber vier erften öfumenifchen Goncilien aus. Weber 
bie Lehre von Gott, von ber Dreieinigfeit u. von ber Borfehung war alfo fein 
Etreit. Die ftreitigen Punkte lagen b) vorerft in der Lehre von ber Recht⸗ 
Tertigun u. der Bergebung ber Sünden. Allerdings war in biefem Pumkte 
eine erbefferung der (unter ben Fatholifchen Lehrern üblichen) Lehrweiſe (ſ. ben 
Artifel Reformation), aber nicht eine Veränderung der Lehre felbft, am aller: 
wenigften ein Schiema nothwendig. Die Eonfeflion lehrt: Bon Natur mit ber 
verbammlichen Erbfünde unfer schenlang behaftet, werben wir Sünder gerecht⸗ 
fertigt, d. h. für ſchuld⸗ u. ſtraffrei erklärt durch den Glauben an den Verſoͤhn⸗ 
ungstod Chriſti (durch die Ergreifung des Verdienſtes Chriſti, weil durch bi 
Verdienſt die Möglichkeit, ſelig zu werben, objektiv bedingt iR). Dieſer Glaube 
(die ſubjektive delngunn des Heils) muß ſich als lebendig erweiſen; er bringt 
auch, wenn ex lebendig If, wie eine Heilige Wurzel, gute Werke (als feine Fruͤchte) 


Proteftantismnd, 518 


or. Dennoch —— diefe Werke an u. für ſich ſelbſt Fein Verdienft 
enn fie auch Mürdigfeit geben :gu gewiffen ar en, fo geben ‚fie doch 
fein Berdienft zur Erlangung der Seligfeit. Sie, bie Beihte eines unvollfoms 
menen, durch die Erbiünde derdorbenen Willens, find Gott nur wohlgefällig, ſo⸗ 
fern. fie aus einem, mit Chrifto durch ben Glauben vereinten, Willen hervor 
ingen u. Gott bem Urheber berjelben die Gerechtigkeit Chrifti zuredinet, — 
je Lehre war von ber Fatholifhen Lehre in Wahrheit nicht verfhieben. Denn 
«8 mußte ben Katholifen eingeräumt werden, daß ein todter- Glaube nicht feltg 
machen loͤnne, fo gut, als bie Katholiken einräumten, daß Werke, die nicht 
aus lebendigem Glauben und aus reiner‘ Liebe Gott; hervorgehen; vor 
Gott nicht verbienftlih fein, Auf das Berdi Chriſti fügten bie Kar 
tholilen ebenfogut ihre Hoffnung auf bie Seligkeit, als bie Lutheranet. — 
Sodann werden c)) Gegenfäge, gegen bie, Fatholifche ‚Lehre mufgeftellt im Bes 
treff der Saframente. Es wird zwar die reelle Gegenwart des Reibes und 
Blutes Chrifti im Abendmahl. (mit den Katholiken. gegen die Zminglianer und 
Calviniſten) behauptet, aber bie Brobverwanblungs- ( ubRantiasion- Lehre) 
egen die Katholifen geläugnet.. — Auch über die Unentbehrlichfeit der Beichte, 
die Rotäwendigfeit, die erinnerlichen Sünden: zu befennen und die Realität 
der Abfolution, als einer Sünbenvergebung, war man mit den Katholiten- einver- 
fanden. Die Meife, verfiherte man. in der Gonfeffion, fei nicht abgefchafft, werbe 
vielmehr mit aller Feierlichfeit und Andacht gehalten. Nur billige man nicht die 
Zueigmung bes Abendmahls für die Todten Eraft feiner Wirkung, opere — 
(als ob die Katholiken eine ſolche Wirkung je behauptet hätten!). Was ve 
der Saframente betrifft, fo läßt Melanchthon in der Eonfeffion deren drei 8, 
Abendmahl und Abdfolution) gelten, will. ſich aber ber Fatholifhen Meinung von 
der Zahl nicht Hartnädig widerfegen,, wenn man nur. nicht mitber lichen 
Kirche glaube, daß die Saframente ex. opere operato; d. i. (wie er bied nämlich 
unrichtig auslegte) ohne Glauben und fromme Gemüthsregungen (1), bie Gnabe 
wirfen, Die Antufung ber hi wurde verworfen, Merfwürbig find bie 
Schlußworte ber Eonfeilion: „Das ift ber kurze Inhalt unfers Glaubens, in dem 
man Nichts wider die Schrift, noch wider bie Fatholifhe Kirche, ja fogar Nichts 
wider die römische Kirche fehen wird, fo weit man fie aus ihren Scriftftellern 
erfennen kann. Man handelt nur von einigen wenigen Mifbräuchen, die ohne 
eine gewiſſe Vollmacht in die Kirche eingeführt worden find (N.B. die Beraubung 
ber Ktöfter war fein Mißbrauch und, wenn es einer war, fo hatten die Hern 
Reformatoren dazu Vollmacht, eine Vollmacht naͤmlich, bie ihnen Niemand gegeben 
hatte, als fie felbft). Und follte etwa auch in ein u. in anderem Unterfchied feyn, 
fo ſollte man ihn dulden, weil e8 nicht nothwendig if, daß die Kirchengebraͤuche 
überall gleich find.” — Aus diefen Worten ergibt fi die Antwort auf bie Frage, 
ob das Schisma der Proteftanten nothwendig geweſen fei, von felbft. Eine Ber- 
einigung zwiichen ber katholiſchen und proteftantifhen Partei war nicht möglich. 
Denn, wie hätte ber Papſt durch feiged Nachgeben gegen eine Partei, die nur 
aus Rechthaberei fih opponirte, das Anfehen ber Kirche compromittirt! Im 
Xehrpumften konnte er Nichts nachgeben, weil darin Nichts zu ändern war, unb 
in der Verfaffung fonnte er nicht nachgeben, weil weltliche Fuͤrſten über Kirchen⸗ 
glauben und Kirchengut rechtlicher Weife nicht zu verfügen haben. d) Die 
Theologen ber Gegenpmtei, wenn fie aud) den Katholiken hätten nachgeben wollen, 
durften nicht, weil die weltlichen Fürften, bie fi in der von ber Kirche abges 
falenen Partei das Kirchenregiment angemaßt hatten, Die Vereinigung der Par- 
teien nicht geftattet, oder zugegeben hätten. — Doch wollen wir in Betreff anderer 
Stüde unfer Urtheil mäßigen und verweifen deßhaib Hier auf ben Artikel: Ne- 
formation. Die fombolifhen Schriften ber Iutheriihen Partei find: 1) Die 
Schwabacher Artikel, an der Zahl 19, von Melanchthon, bie ber Augsburger 
Eonfeffion zum Grunde gelegt wurden. 2) Die Augsburger Eonfeflion (1530). 
3) Die Apologie ber Augsburger Eonfeffion (1530). A) Die yptaien 


516 Proteflantisuns. 


Artitel vom I. 1537, 9 Artikel, von Luther aufgeſetzt (enthaltend zugleich Luthers 
Erklärung, daß die Kirche Feines Papfted bebürre, weil Chrifius das Oberhaupt 
ber Kirche fei). 5) uthere roßer und kleiner Katechismus. 6) Die Eoncorbien- 
Zormel, oder das Bergiiche Buch (von Jakob Andrä, Kanzler in Tübingen und 
einigen Anderen 1577 verfaßt, um über die in ber Iutherifchen Blaubensfelte nach 
Luther Tode entflandenen Streitigkeiten nach Gottes Wort und der lutheriſchen 
Lehre gemäß zu entfcheiden, und 1580 publicht. Sie befteht aus zwei Theilen, 
nämlid) einer epitome unb solida declaratio. Dieſes Buch wurde aber nicht von 
allen Iutherifchen Gemeinden angenommen (ber Landgraf von Heffen wandte 
fih zur Partei der fogenannten NReformirten und folglich fein Land mit ihm 
auch. Denn bie proteftantifchen Kürften waren gewohnt, ihren Glauben zum 
Glauben ihrer Ränder zu machen. Welche Folgen der Proteftantismus für bie 
chriſtliche Kirche Haben werde, war ſchon bald nach feinem Entſtehen voraus zu 
chen. Wir wollen über das glüdlihe Verhältnis, in das er feine Anhänger 
este, einige glaubwäürbige Zeugniffe anführen. Capito (Bucers College in Straß⸗ 
burg) fagt (Epist, ad Farell. inter Calv. Ep. p. 5. 1537): „Das Anſehen der 
Diener am Worte If gänzlich vertilgt. Alles verliert, Alles geht zu Grunde, Es 
it unter ung Keiner, ja nicht einmal eine einzige Kicche, wo eine gute Sittenzucht 
wäre. — Das Volk fagt uns dreift: Ihe wollt euh zu Tyrannen der Kirche 
aufwerfen, die doch frei iſt; ihr wollt ein neues Papſtthum aufrichten. — Gott 
gt mir zu erfennen, was das fet, ein Hirt feyn und das Unrecht, das wir ber 
de durch ein Übereiltes Urtheil und eine unbebachtfame Heftigkeit, die uns 
ben Bapft zu verwerfen zwang, zugefügt haben. Denn bas Bolt, das der Aus⸗ 
geraffendeit gewohnt und in felber erzonen ift, iſt gänzlich zügellos geworden. — 
ie ſchrien uns zu: ich kenne das Evangelium genug: was habe ich euer 
Hülfe vonnöthen, um Jeſum Chriftum zu finden? Gehet, prediget Jenen, die euch 
anhören wollen!" Myconius in Bafel fagt (epist. Calv. p. 59: „Die Laim 
eignen fi) was zu und der Magiftrat ift Papſt geworden.“ Melanchton (epist. 
ib. 4. p. 135) beflagt fi, „daß die Sittenzucht in ber Tutheriichen Kirche ver 
borben ſei; daß man in derfelben an den größten Dingen zweifle, daß man in 
deſſen fowohl unter ihnen, als unter anderen, von einer deutlichen Erflärung ber 
Glaubenslehre Nichts mehr hören wolle und daß biefes Uebel unhellbar fei. — 
Die unter den Widcrfatholifchen entftandenen Streitigkeiten über das heil. Abend; 
mahl, worüber die Zwinglifhe Partei, die Anhänger ber Bucer⸗, Balvinifchen 
Lehre und bie Lutheraner wiederholt das bifligfte Gezaͤnke erneuerten ; die Streitig⸗ 
teiten über den Antheil des freien Willens an ber Belehrung (die funergiftifchen 
Streitigkeiten) ; ferner über ben Sinn, in weldyem die Rothmwendigfeit der guten 
Werke zu behaupten fei; ferner über den Fragpunft, ob Chriſtus nadh feiner goͤtt⸗ 
lichen, ober nach feiner menfchlichen Ratur der Realgrund unferer Rechtfertigung 
fei, u. dgl. — jene Streitigkeiten, welche eben durch bie Concordienformel aus 
geglichen werben follten — richteten Aergerniß und allerhand Zerrättungen in 
der Kirche an und widerlegten faktifch den proteftantifchen Grundſatz, daß weder 
Papf, noch Kirche, noch irgend eine menfchliche Autorität, fondern einzig und 
allein die Heilige Schrift (als das Fundamentum organicum des Glaubens) ber 
Richter (!) in Blaubensfachen ſei (daß ihr, vermöge ihrer Infpiration, eine 
auctoritas normativa und judicialis zufomme). Zu loben war indeß an ben 
Ultprotekanten, daß fie auch in der Oppofition gegen bie Kirche bie Idee ber 
Kirche noch fehgielten, auf Einheit des Glaubens Dringend, und daß ſie ihrer 
fogenannten Kirche das Wort Gottes zu bewahren fuchten. Bon biefen foeben 
erreichten Zwecken war es der lebtere, was fie beftimmte, die Partei der Sakra⸗ 
mertirer von ſich auszufcheiden (Kuther weigerte ſich ſtandhaft, He als Brüder 
m erfennen) ; ber erfiere, was fie nach ber erfolgten Fixirung bes Lehrbegriffe 
derch Die Goncorbienformel beftimmte, bie Lehrer ihrer Partei (Doctoren ber 
Mentagie, GSeiſtliche, Schulleiter und Staatsbeamtete) auf bie ſymboliſchen Schrifs 
zur ac a verpflihhten. — Reuproteftantiicge Sakobiner Haben diele Mafregel 





- 
Proteſtantismus. 517 


getabelt — mit Unrecht, Denn 1) muß die Kirche, müffen alle — 
itche, weltliche ſo gut, wie geiſtliche, darüber Verft ben, welcher 
5 in ber Picche gelte. Die Laien müßten von der Meblichfeit ihrer Lehrer, 
verfichert ſeyn. Wer ein Lehrer werben wollte, verſprach ja Lehrer zu wollen 1. 
alfo auch das Verfprechen geben, vecht Iehren zu wollen. Wollte er & 
t, fo konnte er ja vom Lehramte fern bleiben! 2) Die Geſellſchaft ver! 
—— Eonformität, in allen Einzelheiten, wie z. B. in ber Erklärung Ale 
Bibelfprüche, fondern im ben wefentlichen Lehren (Differenzen ‚entftanden noch 
barüber, ob den ſymboliſchen Büchern —— Kap folle: oder ob nur 
„quatenus cum scriptura sacra_ tiunt.“ In einigen war jene Aa 
mel, im anderen die fe üblich). Der Baar daß fo bie Glaubengfreigeit gelähmt 
worden unb „ein papierener Pe eingefegt worden fei, ift lächerlich. Nicht 
bie Glaubendfretheit, ſondern nur bie Lehrfrechheit wurde dadurch befchräntt, En 
im Staate Gefege, welche die Frechheit befchränfen (ohne die — — 
warum ſollen dergleichen nicht auch in ber Kirche ſeyn ? Auch bie von ben her, 
anern biverfe Partei der Zwinglianer und pi , bie unter bem Namen ber 
„Reforimirten“ zufammenbegriffen zu werben pflegt (f. d. Artikel 7 
erhielt Freiheit ber Retigionatbun und Anerkennung als fe —A 
durch den ri des aa hen Friedens fü * 1 (g 
Dsnabrüd), indem das, was ben SProteftanten bereits bh den ———— 
Religionsfrieden 1555 —— war, auf die Totalitaͤt der —— (ber 
Hänger ber Augsburger Gonfeffion, was bie Neformirten ebenfalls waren) auds 
gebehnt ward, Der fleineren Sekten aus bem 16. und 17. Jahrhunderte, 
die von ben- Eutheranern —— Et Ey die Menoniten, 
täufer, Quaͤler (Georg —— 90) , Herrnhuter (feit 1’ 
Unitarier (die in len, 1308" und 1565 FF von ben futhertfchen Gemeinden 
teennten und nachher 1638,. nachdem fie Socin's Lehre angenommen, nad 
Siebenbürgen, Schleſten, Preußen, Brandenburg und in die Pfalz answanberten) 
iſt weber im weftphälifchen riebensfchluffe, noch in fpäteren Arten, woburch bie 
faatsrechtlichen Verhaͤltniſſe der Katholifen u. Proteftanten gegen einander regu⸗ 
lirt wurden, beſondere Erwähnung geſchehen. Auch muß bemerft werden, daß, 
wider ben Schluß des weſtphaͤliſchen Friedens, ber die von ben Wroteftanten eins 
gezogenen Fatholifchen Kirchengüter, Stiftungen, Klöfter ıc. in ihren Händen ließ, ber 
Bapft Innocenz X. proteftirt hat (aus dem Rechtögrunde, weil man ohne feine 
Einwilligung in firhlihen Sachen disponirt habe), wenn gleich dieſes Proteftiren 
unter ben Zeitumftänden vergeblich geweſen ift. Kirplige Berfaffung ber 
Proteſtanten: a) Einfacherer Eultus, beftehend in Predigt (die feit den 
legten Decennien des 18. Jahrhunderts für ben Haupttheil des Gottesbienftes 
angefehen zu werben anfing), SKirchengebet, Gefang und Abendmahlsfeier (wobei 
in der frühern Zeit noch Manches vom fatholifhen Ritus, fpäterhin aber nur 
noch bei den Zutheranern die Confecration unter Abfingung ber Einfegungsworte 
nad Luthers beutfcher Bibelüberfegung beibehalten wurde). Man erkannte nur 
zwei Saframente (Taufe u. Abendmahl) an. Das Abendmahl wurbe unter 
beiderlei Geftalt ausgetheilt (der Tutherifche Geiftliche reicht [ungefäuerte] 
Dblaten oder Hoftien u. den Wein jedem Communicirenden mit eigener Hand. 
Die Reformirten laffen die Communicirenden Semmelbrod brechen u. geben ihnen 
ben Kelch in die Hand). Statt der Firmung ward die Eonfirmation ber Kater 
chumenen vor ihrem erftimaligen Abenbihahlögenuj fe . i. bie öffentliche Verpflich⸗ 
tung der Jugend auf das Glaubensſymbol) eingeführt. Die Geifilichen (bie im 15— 
17. Jahrh. noch Pricfter, fpäterhin aber nur Prebiger heißen wollten) wurden ordi⸗ 
niet (mittelft Auflegung der Hände, nachdem fie öffentlich das Abendmahl empfan- 
gen u. auf Befragen vor dem Bolfe ihr Bekenntniß auf die ſymboliſchen Bücher 
der Partei abgelegt Hatten), aber nicht geweiht. Die Beichte, im 15 — 17. Jahrh. 
noch eine Art Obrenbeichte, wurde in ben legten Decennien bes 18. Jahrh. Privats 
beichte. Späterhin aber, als ber Lehrfag, ba der Vrebiger keine Scuhen wer 


518 Proteſtantismus. 


geben fönne, allgemeine Anerkennung erhalten hatte, ward bie Privatbeichte (um 
der Bequemlichfeitsliebe der Geiſtlichen nachzugeben) abgeihafft u. an ihrer Etatt 
die fogenannte Allgemeine Beichte (die gar feine Beichte ift) eingeführt. Der 
Prediger hält eine Bußermabnung an diejenigen, die zum Abendmahl gehen wol- 
len, in welchem Winkel ber Kirche, oder auf welcher Emporfirche fie auch ſtehen, 
ob fie betrunfen, ober nüchtern feyn mögen, fügt ihnen dann bas Belenntniß ber 
offenen Schuld vor u. frägt fodann, ob fie beifern wollen. Wenn fie nun 
— natürlicherweife — alle einflimmig „Ja“ gefagt haben, fo erklärt ex, daß er 
ihnen unter Bebingung der Befferung bie Vergebung Gottes verfünbige, worauf 
dann in größeren u, kleineren Etädten, auch in mandyen Dörfern, gewoͤhnlich os 
gleich unmittelbar nad) dem Act das Abendmahl ausgeipendet wird. Bei den Re: 
formirten (die überhaupt eine fieengere Kirchenzucht hielten, als die Lutheraner) 
pflegt vor dem Abendmahlsgenufje der Einzelnen noch eine Privatcenfur vorherzu⸗ 
gehen. Die letzte Delung warb gänzlich abgeichefft — b) Die Prediger burften 
fich verehlichen. Hierdurch wurde ihr Stand fehr erniedrigt. Denn bie von ih 
nen hinterlafienen Wittwen mußten, wenn fie fein Vermögen hatten, auf allerhand 
Wegen ihr Brod fuchen, u. daß diefe Wege nicht immer die würbigften waren, bes 
weiſen zıhlreiche Betipiele; die Kinder mußten oft Halb nadt herumgehen. Die Ehe 
war auflöslidy geworben. Sin ber fpätern Zeit, da Frivolität u. Gewiſſenloſigkeit 
immer mehr überhand nahm, gehörten Cheſcheidungen mit zur Geldfpefulation. — 
c) Der oberfte Biſchof ward der Landesherr, nad dem Grundfage: cujus est 
regio, ejus et religio, d. h. wer ber Oberſte im Lande ift, ber hat auch das 
Commando über die Religion. In dem Lande Deutfchlande, das bie Wiege des 
P. if, u. in den angrängenden Rändern übte der Landesherr als oberfter Biſchof 
bag Kirchenregiment buch ein geiſtliches Gonfifiorium aus, dem ein weltliche 
Isräfident (in der Regel einer von Adel) ald Stellvertreter des Landesherrn vor: 
gelegt u. weltliche Räte beigefegt warn. Bor biefes Eonfiftorium gehörten bie 
Anträge auf Eheſcheidung, Streitigkeiten wider bie Geiftlihen, die Prüfung ber 
Predigtamtscandidaten, Die ber anzuftellenden Geiſtlichen u. deren Gonftrmation. 
Die Prarrftellen waren theils landesherrliche (die das Conſiſtorium ſelbſt zu be; 
fegen hatte), theils Patronatsſtellen. Letztere wurden fehr oft „mit ber Schürze‘ 
bejegt, d. h. der Kirchenpatron vocirte gerne dasjenige Subjekt, das feine Schwe⸗ 
fer, Tochter, Concubine 2c. heirathen wollte, oder gab die Stelle feinem Haus 
lehrer, um dadurch eine Verwandte oder Bekannte unterzubringen. Simonie, Nepo⸗ 
tismus, Gunſt — das Alles ginn bei Beſetzung ber PBfarftellen im Schwunge. 
Ließ der Kirchenpatron etwa bie Bauern felbit (in ber Schenke) wählen, fo konnte 
mit Branntwein viel ausgerichtet werden. — Reben dem Gonfiftorium ftanden 
Superintendenten (ohne Zurisdiction), die nur Aufficht über die Geiſtlichen u. Sir: 
hen ihrer Diöcefe zu führen u. in Babindung mit den Etabträthen oder ZJuftiz- 
beamten, al8 Kircheninfpeftoren ben Pfarren die Sirchenrechnungen abzunehmen 
hatten, Epäterhin nannten fich die Tuftizamtleute (die filh immer mehr und mehr 
Autorität anzumaßen anfingen) in Verbindung mit ben Superintendenten fogar 
die Kircheninſpection. Sie gerirten ſich (ob fie gleich meiſtens ganz unkirch⸗ 
ich gelinnt waren u. mandhe unter ihnın auch ein unfittliches Leben führten) als 
Vorgeſetzte der Pfarrer, chikanirten diefe auf vielfältige Weife, forderten fie bei 
entftandenen Zwiftigfeiten mit den Parochianen vor ſich, nachdem fie fſich vom 
Eonfiftorium dazu Vollmacht erwirft hatten ; fordertin fie fogar Sonnabend (da⸗ 
mit die Pfarrer nicht Beichte Halten lönnten) vor's Juftizgamt, brohten mit Real 
citation, begünftigten die Parochianen (im Einverfländniß mit ben Dorfichulzen) 
wider die Piarrer u. verwidelten dieſe in koſtſpielige Prozeſſe. Man hat Beifpiele, 
bag Pfarrer von Juſtizbeamten todt aeärgert wurden. Die Gonfiflorien gaben 
meiftens feine Hülfe, ba die geiſtlichen Aſſeſſoren in Rechtsſachen Nichts zu Tagen 
hatten u. Die weltlichen Affefjoren der Kirche u. ber Geiſtlichkeit meiſtens abhold 
waren, Die Superintendenten fportulirten zuweilen auf bie unverfcämtefte Weiſe 
und machten ſich dadurch von den Amtleuten abhängig, fo daß alfo ber Juſtiz⸗ 


Proteſtautismus. 51 


amtmann mit dem Pfarrer verfahren fonnte, wie er wollte. Dieſe Duälereten, 
zum Theil Schinbereien, fönnten nöthigenfalls mit Myriaden von Daten belegt 
werben. Der geiftlihe Stand wurde mehr u, mehr herabgewürbigt, bas 
—— mancher Dörfer von ben Kircheninfpeftionen immer und 
mehr Kusgefaugt, die Eonfiftorien wurden immer machtlofer u. überflüßiger, bis 
endlich das ganze Kirchenwefen der Willkür eines einzigen Eultus 8 und 
die Geiftlichen. ber tel ber Juftigbeamten völlig (früher hatten fie noch einen 
privilegirten Gerichtäftand, ber ihnen fehr theuer zu ftehen Fam u. nur ein Schatten- 
wer war) orfen wurden. Die lutheriſchen Geiftlichen. (des barbarifchen 


Druds größtentgeild müde) ı& ihre Parochianen beantragten an vielen Orten zus 
legt eine Presbpterialverfafjung, die entweber nidt, ober nicht in ber 

ftaltung zu Stande fam, wi Kirche u. Geiftlichkeit ſchon längft gerfallene, 
Bol fie wuͤnſchte. Das war der Höhft Hägliche Zuftanb der proteftantiichen, vor 


Allen ber lutheriſch -proteftantifchen Kirche in Norbdeutfähland, ungefähr feit 1800 
bis zur Entftehung ber „Lichlihen Wirren“ in ben Jahren 1845 fi — Neu 
BP. Das alte Lutherife«protchantifde Stlaubensfyftem wurde nach u. nach mehr 
und — untergraben u. tropbem, daß es immerfort öffentliche Geltung behi 
u. bie Geiftlichen bei ihrer Anftelung darauf eiblich verpflichtet wurben, von 
teroboren Profefloren ber Theologie u, von halbftudirten Geiſtlichen völlig anti- 
quiet (ohne daß fie fih aus dem Meineib im Geringften ein Gewiſſen machten). 
Wie dies zugegangen ſei, haben wir noch kurz zu erflären. a) warb bie Freiheit 
gegeben, einzelne Lehrſaͤte ber fombolifhen Schriften zu beftreiten. (Dies geſchah 
in Deutſchland zuerft in Preußen, ımter ber. Regierung Friedrichs des Grofien. 
Das Symbol biefes Fürften ar: „Der Glaube muß rei fen.“ Die: von 

ſte u. — Glaubendfreiheit ward. im feinen Staaten bie Mutter ber ® 

jeit u. € freute ihn, wenn cs über bie 1 ten recht derb her⸗ 
ging. Das Drama der Symbolſtürmerel wi 1772 eröffnet: — b) 
milde Eregefe ward vorbereitet dutch bem Leipgiger for ber Theologie, 
dann Auguft Erneſti, u. ben Rektor ber Leipziger Th: ſchule, Johann Friedrich 
Bilder. Dieſe erflärten das neue Teſtament, deſſen Sprache ihrem Vorgeben 
nad faft Nichte, ald ein Gemenge von Hebraismen war, aus dem Hebräiichen, 
u. machten fo aus bem griechiſchen Terte, was fie nur wollten. Diefes Spiel 
machten Antere, mit einem geringeren Mafe von Sprachkenntniſſen verfehen, 
nad. Der neufftamentlihe Tert ward zu einer wächfernen Nafe. So 
murben benn c) nit nur bie Lehren von ber fleNvertretenden Genugthuung 
Ehrifti und von ber Erbfünde, die fombolifhe: von der Trinität, ſondern auch 
die von der Gottesfohnihaft Ehrifti, von ber Auferſtehung, im hyperphyſiſchen 
Einne, ausgemerzt. Es fehieden fih nun Reologen (Reulehrer) und Paläologen 
(Altglaubenslehrer, von jenen „Dunfelmänner, Winfterlinge ꝛc.“ genannt) von 
einander. Unter ben Neologen felbft entftanden Parteien: a) bie Einen (bie wir 
die Rabifalen, Jakobiner ıc. nennen Tonnen) beraubten Ehriftum feiner höheren 
Perſoͤnlichkeit gaͤnzlich. Ste läugneten — nad bem Vorgange bes Berfaffers 
bes, von Son. Ephraim Leffing herausgegebenen, Wolfenbütteler Fragmentiſten 
— die Wunder und die Auferftehung Jeſu. Jene und biefe feien, behaupteten 
fie, natürlich zu erflären; bie bibliſchen Erzäflungen bavon, mit Dem, was flc 
Wunderbares enthalten, fowie die wunberbare Gefsigte von ber Geburt Jeſu 
fein Mythen. Jeſus fei ein bloßer Menſch, obwohl ein frommer und weifer 
Menſch gewefen. b) Die Anderen erfannten in Jeſu etwas Hoͤheres an, erflär- 
ten aber, daß Lehrbeſtimmungen darüber unnöthig feien und zur Religion nicht 
gen Der religiöfe Stoff, den man aus bem N. T. zog, ward immer geringer. 

an hatte aber für die Auswahl noch fein feftes Princip. Das gab nun Em- 

manuel Kant, ber Urheber der Vernunftfeitit. Das von biefem aufpeftelte Prin⸗ 
cip lautet fo: Das Höchfte im Menſchen iſt das Moralgeſetz. Die gebietet auch 
fich felbft Cautonomiſch), unbedingt Gehorfam fordernd. Um biefes Geſetz gern u. 
freiwillig erfüllen zu Tönnen, bebarf ber Menſch eines Glaubens. Dieb ift aber 


— 


520 Proteſtantismus. 


fein anderer, als ber Glaube an Bott und Unſterblichkeit (ber praktiſche Vernunft⸗ 
glaube). Und biefer Glaube gründet fi} auf feine theoretifchen Beweife, ſondern 
er ift nur bie fubjeftive Bedingung bazu, daß ber Menih das Moralgefe für 
verbindend halte. Eine Offenbarung muß biefen Glauben ausiprechen, Tann ihn 
verfinnlichen, aber nicht durch ultrarationale Erfenntniffe begründen. Säff, bie 
für ſolche Erxrfenntniffe genommen werben, find nur Produktionen der Einbilbungs; 
traf. Wunder zu glauben if, wenn auch Wunber möglid wären — fie find es 
aber nicht — zum religiöfen Glauben nicht nöthig. Go warb baher ben kantia⸗ 
nifivenden Theologen decretirtt: Das, was im N. T. Religionslehre iſt, iR bie 
(in den Evangelien enthaltene) Lehre von Bott, Pflicht u. Unfterblichkeit; Jeſus 
it ein gottgefandter Prophet (Lehrer), weil er biefe Lehre auf bie vernunftges 
mäßefte Weile ausgefprochen Hat. Was die Apoftel über feine Perſon gelehrt 
haben, das ift Aeußerung ihrer fubjektiven Chriſtolatrie und gehört nicht zur Res 
figion. (Man muß unterfcheiben die Lehre Chriſti und die Lehre von Chriſto. 
Blos an jene Haben wir. uns zu halten.) Diefes neue Suflem (ber Rationali⸗ 
firung des Chriftenthums) nannte fi Rationalismus (d. h. das Gelten⸗ 
laffen blos besjenigen, was zu bem, für das Moralgefeb abfelut erforberlihen 
Bernunftglauben gehört, mit der Annahme, daß alles Mebrige nur fromme Did: 
tung ſei). Seit dem Auftreten der Philoſophen: Schelling u. Hegel nann⸗ 
ten andere Theologen, die es mit .diefen Philoſophen Hielten, den Kantifchen Ra 
tionalismus eine viel zu befchränkte Auffaffung. Sie hielten ſich gerabe vorzugs⸗ 
weife an das, was das N. T. von ber göttlichen Verfönlichkeit ri fagt: an 
die Dogmen von ber Menſchwerdung Gottes, von bem leidenden Gotte, von ber 
Trinität 2c., erklärten biefe aber kosmogoniſch (pankheiftiich), nämlich fo, Daß unter 
Gott, dem Bater, bie fchöpferifche Raturwelt (natura naturans), unter dem Sohme 
(dem Menfchgeworbenen, leidenden Gotte) die, von jener probucirte Ratur zu ver 
ſtehen ift (natura naturata), deren Bulminationspunft der Menſchengeiſt ſeyn fol, 
in welchem Gott zum Bewußtfeyn feiner felbft komme. Ein großer Theil der 
Theologen hat aber, nüchterner geworben, dieſes gnoſtiſche Gebäude jegt, ba bie 
deutſche Philoſophie um allen Credit gefommen ift, wieder von ſich gegeben. Das 
Bolt, das feine chriſtlichen Gefangbücher, feine Katechismen und bie Bibel in 
den Händen Hat, mußte fi) lange Zeit hindurch von unredlichen, boppeigänglgen 
Predigern (die von Chriſti Auferftehfung, von feiner Himmelfahrt, von feinem 
Berfühnungstode predigten, ohne das Geringfte Davon zu glauben) betrügen lafln. 
Es ahnete nichts Arges, fonft hätte es ſolche rationaliftifhe Freidenker und Frevler 
von den Kanzeln gejagt. Dan errichtete aber Schulichrerfeminarien zum Ruin bes 
Glaubens. Solche bildete in Sachſen und Preußen der Erzrationaliſt Dinter. 
Aus defien Schule wurden Jünglinge, in denen faft aller religiöfe Glaube erloſchen 
war, zu Schullehrern beftellt. Diele erklärten in den Dorfſchulen u. mißhandelten 
bie Bibel, fpotteten mit ihrer Schuliugend über ben kirchlichen mare cenfir, 
ten mit ben Schulfindern unter öhnifhem Lächeln die Predigten bes Pfarrers; 
ben Bfarrern warb bie na über diefe Schullehrer entweder ganz genommen, 
oder fo befchränft, daß fie jo gut, als feine fen mußte. Auch In anderen Gegen: 
ben warb der Religionsunterricht ganz als Nebenfadhe und Bagatell behandelt. 
Und fo ift denn feit den Jahren 4800 eine völlig glaubenslofe Generation 
unter den Proteftanten aufgewachfen. In den Bornehmeren war durch ben Ein; 
fluß des Lurus u. das Gift materialiftifcker Srundfäpe ber religiöfe u. Firchliche 
Sinn ſchon früher ertödtet — Die Regierungen, benen man weiß gemacht Hatte, 
zum SProteftantismus gehöre freie Forfchung, befümmerten ſich um Theologie (man 
fagte gewöhnlich fpottweife: Theologei) und Kirchenweſen nit. Es war Grund» 
fa bei mehren proteftantifchen Regierungen, daß der Staat inbifferent gegen alle 
Religionen feyn müfle. — Daß eine glaubensfreigeifteriiche Gemeinde unter ihrer 
vergifteten Pädagogik nur Rebellen für Staat und Kirche erziehe und heranbilbe, 
hatte man ſchon a priori wiflen follen, wenn es auch bie neuefte Zeitgefchichte nicht 
faktiſch gezeigt Hätte. Die preußifche Regierung Hat zwar — zu Ihrem Ruhme 


Protefkation — Protogenes, 5 

es gefagt! beſonders durch das Minifterium Eichhorn den Portfehritten bes | 
glaubens Einhalt zu thun gefucht und die Mittel a — des lirch⸗ 
jen Sinnes auf Synoden (1845 fi) berathen laſſen, allein jem 
PR was fehr natürlich ift, da der Geift des Glaubens, einmal: entwichen, 
d mitht leicht zum Wiedererſcheinen beſchwoͤren läßt. Noch gibt es in Preußen 
d Sachſen Anhänger des alten Lutherthums und dort altlutheriſche Gemeinden, 
+ fich mit dem hertſchenden Unglauben nicht verföhnen. Die neuproteſtantiſche 
irtei proteftirf gegen alle Dogmatik; fie proteftirt ſelbſt gu den Altproteftans 
mus, — Ihr Grundfag ift: was jeder Prediger im N. T. findet und bavon 
t wahr hält, das darf er. öffentlich Ichren; die Faſſung ber Bibellehre ift immer- 
t der Verbefferung fähig — Feine beftimmte ift von ber Art, daß fie 
ht noch mehr berichtigt werben Fönnte, Won biefer, Partei insbejonbere wird 
latholiſche Kirche angefeindet. Sie iſt die anſpruchvollſte und intolerantefte 
d rühmt ſich, trog ber tiefen Finfterniß, in der fie. ftekt, am meiſten des Lichts, 
ehr fi beflagen iſi's, daß ber Wind aus ihren Sümpfen auch Dünfte im bie 
tholifche Kirche Herübergeweht hat. Der Rücktritt aus ber lutheriſchen, ober 
erhaupt proteftantifchen Kirche iſt, wenn Manche ihn thun, wohl — 
t, ob er gleich immer mißlich iſt, ba theils viele Katholiken ſelbſt indifferent 
gen die Glaubensbekenntniſſe find, theils felbft -firengere Katholifen gegen ben 
nvertiten oft unverdienten Argwohn hegen und ihn unter fich verfümmern Iaflen. 
iſt daher Keinem, der nicht gegen: Alles, was won Auffen Fömmt, völlig gleich⸗ 
Itig ift — Kine * au Gewiſſen anzurathen, Wilke, 

0! I» 1. Brote, ! . 

brteir ein Diener des Neptun umd einer. ber vornehmften Me 

eine Abſtammung wird verſchieden angegeben; man nennt Neptun u. nike, 
feanos u. Tethys, felbft Zeus. Bi war er mit Pfamathe , weiche ihm 
hre Kinder gebar: Theofiymenos, Thrones, Polygonos Telegonos (Alle 
rfules erlegt, ben fie zum Ringen: Herausforberten, von dein fie aber —— 
ı wurden), Theona u. A. Als zweite Gattin gilt Chriſonoe, fowie auch noch 
hre Kinder: Kabira, Rheta, Idothea, genannt werden. Berühmt ift P. durch 
ie Weifjagefunft u. die Kunſt, fi in taufend Geftalten zu verwandeln. So 
chreibt ihn die Odyſſee. Menelaos, auf dem Strande von Pharos, ber Infel 
ı Aegopten, feftfipend, nicht des Weges, noch der Entfernung feiner Heimath 
ıbig, wird von Idothea angeleitet, den Meergreis zu fejleln und, wie er fi) 
ch verwandelt, zulegt felbft in Waffer u. Feuer übergehend, ihn zu drängen u. zu 
ten, bis er feine erſte Greifengeftalt wieder annimmt, und ihn bann um Rath 
befragen, welches Menelaos au zu feinem Heile tut. Vielen ber alten 
iechen galt P. für einen König in Aegypten. — P. hieß auch noch einer ber 
‚Be des Königs Aegyptos, von feiner rechten Gemahlin, ber Aegyptia, ober 
er Aegypterin, einer Geliebten. 

Protogeneia, 1) die erfigeborene Tochter Deufalions u. ber Pyrrha, mit 
Icher Zeus eine Liebſchaft gehabt (nad Anderen war bie ältere Niobe Jupiters 
te Geliebte unter den Sterblichen), wodurch P. Mutter Opuns u. bes Aethlios 
ndymiond Vater) wurde. Man fehreibt ihr auch den Aethalion zu, wiewohl 
6 etwas zweifelhaft it. — 2) P., Tochter des Kalydon und ber Yeolia, die 
liebte bed Mars, welhem fie den Orxytos gebar. 

Protogenes, ein berühmter griechiſcher Maler, aus Kaunos in Cilicien, wel- 
8 damals den Rhobiern unterworfen war, Zeitgenoffe bes Apelles cf. b.), 
: ihn felbh Hoch fhäpte, aber von ihm fagte, er wiſſe den Pinfel nicht zu 
:laffen. Als Apelles einft den P. befuchen wollte u. ihn nicht zu Haufe fand, 
chnete er eine feine Linie auf eine baftehende Tafel, woran BP. feinen Beſuch 
annte, aber eine zweite, noch feinere, daneben zeichnete. Apelles, bei feinem 
iebderfommen erftaunt über die Gefchidlichfeit feines Nebenbuhlers, zeichnete eine 
tte, noch feinere, Hin, worauf PB. ſich für überwunden erklärte. An feinem bes 
imteften Gemälde, dem Jalyfos, fol ex 7, nad) Anderen gar 11 Aare arte 


522 Seotoloß-— Provencalen, 


beitet haben. Als er auf bemfelben einen Hund mit fhäumenden Munde an 
bringen und ihm die Darftellung bes Schaumes nicht gelingen wollte, fol er aus 
Berdruß den, zum Abwifchen der Karben beftimmten, Schwamm auf das Gemälk 
geworfen haben, woburdy der Schaum ſich ganz naturgetren barflellte. Ueber: 
aupt ftanden die Gemaͤlde des P. in ſolchem Anfehen, daß, als Demetkios bi 
Stadt Rhodos belagerte, er bie Belagerung lieber aufbeben, als geftatten wollte, 
daß diejenige Gegend ber Etadt, in welcher B. feine Werfftätte Hatte, in Brant 
geftedt würbe, welches das einzige Mittel war, den Ort zu bezwingen. 
Protokoll hieß bei den alten Griechen bas vorn angeleimte Blatt eina 
Papyrusrolfe, worauf bie Auffchrift ftand. Gegenwärtig verfieht man Darunter bie 
bei ben Behörden aufgenommene Aufaeihnung von daſelbſt zur amtlichen Be 
handlung gefommenen Gegenftänben, zur ®ebächtnigbewahrung berfelben; na 
mentlih die Aufzeichnung gerichtlicher Berhandlungen. Bor Gerichten werde 
die ai abgefaßt, den Anweſenden vorgelefen und von biefen gewöhnlid 


unterzeichnet. 

Ssrotomebicns it in Deflerreich der Titel jener, mit ber Oberaufficht übe 
das Mebizinalwefen in jeder Provinz beauftragten Aerzte, welche zugleich Rätk 
u. Referenten bei den Gubernien u. Landesregierungen find. “Der jeweilige Di 
sehon A} medizinifchen Studien an ber Wiener Univerfität if zugleich P. alle 
E aaten. 

Protonotarlus apostollcus ift ein vom heil. Stuhle aufgeftellter Roter, 
welchem das Recht zufteht, alle öffentlichen, das katholiſche Kirchenweſen betreſ⸗ 


fende Urkunden u. Verhandlungen aufzunehmen, bavon Adfchriften u. Auszüge m 


fertigen u. folche zu legalificen. Gregor XVI. Bat, zufolge der in dem geheimm 
i i y Golleahmm ber 


Eonfiftorium vom 12. Februar 1838 gehaltenen Allocution, das 

Protonotarii Apostolici, (auch) de namero participantiam genannt), welches fe 
hoch in das chriſtliche Altertum Hinaufreicht, in den lebten Zeiten aber beinak 
ganz erloſchen ift, durch eine eigene Conſtitution wieder in bas Leben zurüdge 
rufen; zugleich wurde burch biefelbe die Gonftitution von Sirtus V., welche bie 
Mitglieder diefes Collegiums auf 12 vermehrt hatte, für aufgehoben erflärt und 
bie urfprüngliche Anzahl fieben wieder hergeftellt. 

Proge, Heißt der Borberwagen an den Gefchüglaffeten. Beim Abfeuem 
wird er von den Laffeten getrennt (abgeprotzt), beim Fortſchaffen berfelben wieder, 
mittelft des ‘Brognagels, bamit verbunden (aufgepro 2. 

Provencalen heißen bie ritterlichen Dichter des [üblichen Frankreichs bis 
zur Loire u. des üblichen Spaniens unter dem gemeinfchaftlichen Ramen ber Pros 
venge(.d.), von bem Ende bes 11. bis zum Ende bes 13. Jahrhunderts (etwa von 
1090 — 1290). Die Eprache diefer Dichtung, deren höchfle Blüthe unter Rab 
mond Berengar IL, 1140, Statt fand (f. provengalifhde Sprade), war 
reich, zart u. wohlflingend, die Gegenftände der Dichtung aber in berfelben blie 
ben faſt durchgaͤngig Religion u. Liebe, Krieg u, Abenteuer aller Art. Diele 
bichteriiche Stimmung fand ihre Beranlaffung in ben damaligen Zeitverhältnifien, 
in ber Berüdrung mit dem Orient u. den bichtenden Arabern, in ben Reilen u. 
Zügen bes Adels, in dem Auftreten befielben mit Gefängen bei feſtlichen Gele⸗ 
genheiten u. dgl., woraus fi gleichſam von felbft ergab, baß bie Höfe ein 
Sammelplap für ſolche ritterliche Dichter wurden u. Brovengal mit Dichter ge 
wöhnlih gleichbedeutend war. Mit dem Entftehen ſolcher Dichterkreife erweiter: 
ten fi) auch bie Gefänge u. das Beftreben, fih gegenfeitig zu übertreffen, u. fo 
bildeten ſich ihre Iyriichen, gereimten, nicht immer Begeifterung verrathenden, Ges 
dichte hauptſaͤchlich in drei Hauptarten aus, nämlich in Canzonen, Eirventes u. 
Tenzonen. Jene, die Canzoni, find theils fröhliche Minnelieder (Soulas), oder kla⸗ 
gende Lieder (Leis), dann theils ibylifche (Pastourelles), theils didaktiſche, theils 
teligiöfe Geſaͤnge. Die Sirventes (Dienftlieder) find Gefänge zu Ehren ber Fürs 
fen, Helden u. Ritter, ober Kriegs u. patriotifche Lieder; bie Tensons (Tenzo⸗ 
nen) endlich find Wettgefänge, fich überbietenb im Ausdrude ber Liebe, im Lobe 


Provenoaliſche Sprache · Provenge. 523 


er Frauen, ober Streitfeagen betreffend u, vor den Licbeshöfen (Cours d’amour) 
mögeführt. Diefe Dichtfunft felbft führte den Namen Scienga gaye, di. bie 
röhliche Wiſſenſchaft, u. bie proveng« en Dichter wurden nebenher nicht blos 
ter hauptfächlichen Abftammung ihrer Sprache wegen bie romanifchen, ſondern 
päter auch in Beziehung "auf bie Kunft der poetifchen Erfindung Troubadours 
jenannt. Der italieniſche gleichbebeutende Ausdrud ift Trovatori, wogegen bie 
'päteren Dichter aus dem nördlichen Frankreich „ über welches, wie über Ita 
ien, ber provengalifche Gefang ſich gleichfalls. verbreitet hatte, Trouvers hießen. 
Beptere ſchrieben in&befonbere jene epifchen Gedichte u, Romane von ber Tafel 
unbe u. ſ. w., contes u. fabliaux, u. ſchloſſen endlich, nachdem: auch bie klang⸗ 
solle Eprache d’oc der rauhen langue d’oui hatte weichen müffen, mit den Min- 
strels u. Jongleurs (f. dd.). Der älteſte ber provengalifchen Troubadours 
Wilhelm, Graf v. Poitiers u. Guienne (geboren 1074) , u. ber: ungemeine 
der —— — und bes Provengalgefanges verbreitete beide bald auch in 
Italien u. Spanien. Der ausgggeichnete Ruhm ihrer Mufe Hat ſich auch im bas 
benachbarte Schwaben, d. h. in bas ehemalige Alemannien u. den angräng 
Theil der Echweiz um fo leichter verbreitet, ba die Provenge und das deuſſche 
Reih damals noch durch Lehensverbindung miteinander: verfnüpft waren. Mas 
Wunder, daß. diefer freundliche Gefang auch den talentvollen Deutſchen he 
bete u. die im ihm fchlummernden Präfte zur vollen Wirkiamfeit aufregte. In⸗ 
befien würde bieje Wirkung wohl nicht ſo bedeutend gewefen feyn, wenn die 
Dichtlunſt nicht - ihren Schutz am Throne: felbft gefunden hätte: Die beutfchen 
Kaiſer aus dem ſchwaͤbiſchen Stamme waren große Gönner, ſowohl ber deutſchen, 
als der provengalijchen u. toe kaniſchen Dichtfunft, Ftiedrich 1. „og mehr Trou⸗ 
badouts an feinen Hof und dichtete ſelbſt in ber provengalifchen Sprache, Ihr 
Beiſpiel erweclte andere deutſche Fuͤrſſen/ man verfuchte fogar, die anı 
Spiele an den Höfen zu Touloufe Paris nadzuahmen, veranftaltete‘ poctii 
Wettftreite, in welchen die Steger vom den angefehenften Damen gekrönt wurden, 
fo daß die Dichtkunft damals als die Würze gejellichaftlicher Unterhaltung und 
als herrſchendes Vergnügen deutſcher Fürſten zu betrachten war. Die eigentliche 
Blüthezeit des Rrovengalgefanges war im 13. Jahrhunderte. Im 14. verfiel er 
durch den Verfall des Ritterweſens überhaupt, wie durch bie Beränderung bes 
ganzen Zeitgeiftes, da die Phantaſie nun vom Berftande verträngt ward, burch 
das Ausfterben feiner fürfilichen Beftüger, u. befonders durch bie nun entftehenbe, 
von den damaligen Königen Frankreichs begünftigte, Herrſchaft der franzoͤfiſchen 
Eprache. Der letzte Dichter in dieſem Fache fol Jean Eftcves de Blefisres, 
gegen 1286, geweien feyn. Vergl. Willot, Hist. litt, des Troubadours, Paris 
1774, 3 Bbe.; Raynouard, Choix des poesies originales des Troubadours, 
Paris 1816— 1821, u. Nacträge (1835), nebft einer Grammatik, einem etymo⸗ 
logiihen u. alphabetifhen Wörteibuche der Sprache der Troubabours. 

Provencalijhe Sprache (langue d’oc, im Gegenfage ber langue d’oui, 
die im nördlichen Frankreich geſprochen wurde, vergl, franzöfifhe Sprache), 
beren Heimath im Eüden u. Welten Frankreichs u. in Eatalonien if, aus römi- 
fen u. germaniihen Etammmörtern gebildet, war ſchon früber, als bie nord: 
franzöfifcpe, ausgebildet u. erfcheint bereits firirt in ben erften Werfen ber Trou- 
badours (ſ. d.). Sie erhielt duch 3 Jahrhunderte hindurch nur wenige Aen— 
berungen, verfiel aber, als der blutige Krieg gegen bie Albigenfer bie Nationalität 
der fühliden Provinzen Frankreichs zerftörte. Ihr Einfluß auf das Italienifche 
u. Epanifche ift hoch anzufchlagen. Jetzt ift fie zu einem Dialekte herabgefunfen, 
welcher in ben Departements Dröme, Vaucluſe, Rhonemündungen, Obers und 
Niederalpen, Bar u. in ber Grafihaft Nizza gefprochen wird. Die Denfmale 
ber p. ©. fammelte Raynouard (f. d. Art. Brovencalen). 

Provenge, die, zwifchen Piemont, dem Mittelmeere, Languedoc, Dauphine 
und Benaiffin, theilte fih in die Ober-P. (den nörblihen) und Nieder-P. 
(den ſuͤdlichen Theil) ; hiezu kamen die Stadt und das Gebiet Moiguen wıh ir 


524 Provenqe. 


Grafſchaft Orange. Die P. iſt jetzt in die Departements Niederalpen, Bar mi 
Rhonemuͤndungen getheilt, ein kleiner Theil iſt bei Baucluſe. — Die P. war 
urſpruͤnglich von Saluern, einem liguriſchen Volksſtamme, bewohnt. Die Mar 
ſilier, phokiſche Anfiedler, bauten an der Kuͤſte Marſeille und mehre andere Städte, 
lebten aber mit den Urbewohnern in ewiger Fehde und baten ihre Bundesge⸗ 
nofien, die Römer, um Hülfe Der Conſul Fulvius warb 125 vor Chriſto gegen 
bie Saluer gefendet, ſchlug fie, und ber Conſularis Sextius befiegte und v 
123 den König berfeben, Teutamalus, und unterjochte die Nation. So wart 
das fühliche Gallien nach und nach zur römifchen Provinz, in welddem Sinne 4 
ben Ramen Provincia fuͤhtte. Doc war bie damalige Provincia weit größer, 
als die jegige P., und enthielt, außer der eigentlichen P., noch Languedoc, bie 
Dauphins und Savoyen bi8 Genua Hin. Später befaffen die Römer Diefen The 
ihres Reiches ungefört und erft nach der Zerftörung des weftrömifchen Reiches 
buch Odoaker (476) bemädhtigte fih Eurih, König ber Weſtgothen, bida 
Trümmer ihres Reiches und beiaß bie P., bis er von Chlodovaͤus getöbtet wurde 
Die Weſtgothen ſchenkten nun bie SB. dem Dengothentönige Theodorich, ber fe . 
feiner Zodter Amalfunta und feinem Enfel Athalrich hinterließ. Nach bern 
Tode wurden bie Oftgothen fo von dem Römerfeldhern Belifarius gedrängt, baf 
fie die P. um 545 den meroningifchen Frankenkönigen überließen und fie num ein 
Theil des Frankenreiches ward. Unter ber Regierung der Majordomus riß Un 
ordnung auch Hier ein und die PM. warb zum Theile die Beute ber Sarazenen, 
die an der Kuͤſte landeten und bis an bie Alpen flreiften, bis Karl Martel 
ihrer Herrfchaft ein Ziel fehte. Unter den Karolingern befaß Kaiſer Lothar und 
defien Söhne, Karl und Lothar H., dann Karl der Kahle und Ludwig der Stamm; 
ler die P. Schon unter Karl dem Kahlen Hatte Bofo die Tochter bes Kaiſers 
Ludwig II. geheirathet und war von ihm zum Grafen von ber PB. und 
ber Lombarbei ernannt worden. Unter Ludwig dem Stammler machte berfelbe hd 
nad) und nach mehr unabhängig und erflärte fih nach befien Tode 879 zum 
Könige von Burgund ober Arelat. Nach Boſo's Tode erhielt defien Sohn Lubmwig 
bie B.; er warb zum Könige von Italien gekrönt, ihm jedoch dort die Augen aus⸗ 
geſtochen und als Blinder kehrte er nad der PB. zurüd. Dort Hatte ein Große 
des Landes, Puge, fi der Grafſchaft P. und des ganzen burgunbifchen Reiches 
bemächtiget, der beide nach Ludwigs Tode völlig in Befitz nahm unb 926 zum 
vönige von Italien gekrönt wurde. Lubwigs Sohne, Karl Konftantin, gab er 
nur Bienne. Hugo überließ einem buraundifchen Großen, Rubolph, das gan 
transjuraniſche Burgund und behielt fi nur das Land zwifchen ber Rhone, 
Durance, den Alpen und dem mittelländifchen Meere, welches von da an P. Heißt, 
vor. Später, 930, überließ er ihm noch bie nörblicher gelegenen Länder zwoifchen 
ber Rhone, den Alpen und dem Rheine. Diefer Rudolph belehnte wieber einm 
ewiſſen Bofo, der fich mit Bertha, der Enkelin Hugo’s, vermählt Hatte, mit ber 
. Diefer ftarb 937 kinderlos und ein zweiter Bofo, ungewiß, ob ein Berwanbte 
bes erften, warb nun mit Arelat oder der PB. belehnt. Diefem folgte gegen 968 
fein Sohn Wilhelm I, der die Saracenen aus dem letzten Hafen $rarinet ver 
trieb. Unter deſſen Nachfolgern: Ratbob feit 992, Wilhelm II. feit 1008, Gottfried 
Bertrand und Wilhelm und Bertrand II. warb die P. nach und nach Eigentum 
und erblih. Wilhems Techter oder Enkelin, Gerberge, heirathete um 1100 den 
Grafen Gilbert von Rovergne, und deren Erbtochter, Douce, den Grafen Rais 
mund Berengar I, von Barcelona. Unter diefem wurden bie Streitigkeiten mit dem 
Grafen von Touloufe, ber nach Einigen bie andere Tochter des Grafen Gilbert 
zur Gemahlin ve ausgeglichen, defien jüngerer Sohn, Berengar Raimund, er 
telt 1130 bie P., während fein älterer Bruder, Raimund Berengar, Graf von 
arcellona, die Krone von Aragon erheirathete. Des erfteren Sohn, Raimund 
Berangar II., folgte ihm 1144 in der P. und biefem deſſen Erbtochter Douce I. 
(1160), die unverheirathet farb. Die P. fiel daher an die ältere Linie Barcelona, 
wo ber Graf Alphons L, deſſen Sohn Alpbons IL, befin Sohn Ratmmb 


U 354 


, Provinz — Provifion. 325 


Berengar IL, lepterer 1209, ihm folgten, Diefer hatte 2 Töchter. Die Altefte, 
Mürgaretfa, an Ludwig den ul König, Fe enteo vermählt, wurbe 
von ihrem Bater enterbt unb bie jüngere, Beattir, weiche Karl von Anjou, Brus 
der des Königs von Frankreich, fpäter König von Sieilien, heirathete, zur Erbin 
beftimmt. Sie trat die Re; —— 1245 nee gab aber ihre Ans 
forüche an die P. nicht auf, beide fegten Rudolph won Hababurg,. deut! 
Kaifer, zum Schiedsrichter ein, der 1279 die jüngere Tochter Beatrir im ie 
ber ®. —— deren Erben, Karl I, Robert und 9 e, Königin von 
Neapel, dann diejes Land bis 1382 befagen. Johanne fepte Ludwig I, Herzog von 
Anjou, Sohn Johanns, Königs von Frankreich, als ihren Aboptifahi, mit Mebers 
gehung der Prinzen ihres Haufes, zum Erben ihrer fümmtlichen Befigungen ein; 
diefer verlor jedoch bald Neapel, behielt jedoch die PB. und hinterließ 1384 
feinem Sohne Ludwig U. Er und fein Sohn Ludwig I. und fein Enfel Rene 
der Gute führten ben Titel Könige von Sieilien, befaßen aber nur bie P. Leh⸗ 
terer, ein ſchwacher Fürft, der ftatt der Regierung ſich mit idulifchen Schäfers 
len befchäftigte, wollte ftatt feiner Tochter Jolantha u, feinem Enfel, Karl von 
infou, Graf von Maine, den Herzog Karl den Kühnen von Burgund zum Er— 
ben einfegen. 2ubwig XL, König von Franfreih, wandte aber: biefen 
ab und bewirkte, daß Karl von Maine Rens bennod 1480 als Karl II. 
Dieſer fegte, Einderlos, wieder Karl Vlll, Sohn Ludwig's XL, damaligen Di J 
zum Erben ein, ber ihm 1481 wirklich fitccedirte und 1486 bie P. auf immer mit 
der Krone Frankreichs vereinte. Seitdem bildete fie immer eine Provinz. von 
Sranfrei und ein Gouvernement, bis fie 1789 bei der Departementaltheilung in 
die oben genannten Departements zerfiel. 

Provinz (Provincia) hieß bei ben Römern urfprünglich der Auftrag, beit 
ein Feldherr erhielt, ben Feind aus römifchem Gebiete zu vertreiben ; dann Ipäter 
ein Theil bes römiihen Gebietes außerhalb Italien, mit —— Organiſation 
u. xömiſcher Verwaltung. Die erfte roͤmiſche P. war Sardinien, 235 v. Chr. 
Anfangs wurden blos Prätoren unter beim Titel von Proprätoren, fpäter Con⸗ 
fuln als Proconfuln nad Ablauf ihrer Amtszeit zur Verwaltung ber P.n abge 
ſandt. — In neuerer Zeit führt biefen Namen eine größere Abtheilung eines gan- 
zen Staates. Meift fteht ihr ein Regierungspräftdent, ein Gouverneur, ein Statts 
halter u. bgl. vor, unter bem dann eine ober mehre Regierungen, Gubernien und 
dgl. das Land verwalten. — Endlich Heißt P. auch das übrige Gebiet eines 
Staates, im Gegenfage zur Hauptftadt. 

Provinzial ift ber Titel eines Vorgeſetzten über die Klöfter eines Ordens 
in einer Provinz, welchem das, aus ben Vorſtehern ber einzelnen Klöſter 
gebilbete, Ordenscapitel zur Seite ſteht. — Die P.e ſtehen ihrerfeits wieder 
unter dem Ordensgeneral. 

Provinzialismus, ein einzelner Ausbrud, oder eine ganze Redensart, 
sr blos einer einzigen Provinz eigenthümlih if. Vergl. auch ben Artikel 

om. 

Provifion, 1) im Kirchenrecht die kanoniſche Beſetzung eines erlebigten 
Kirchenamtes, welche innerhalb der gefehlichen Zeit an ben würdigflen unter ben 
Competenten unentgeldlih u. ohne ale Simonie (f. b.) gefchehen muß. Die 
Vorbedingung einer jeden P. eines Benefizium if: daß bajfelbe wirklich erledigt 
fei. Die Erledigung einer Pfruͤnde aber kann auf dreierlei Weife gefhehen: a) 
von Rechtswegen (de jure tantum), wenn ber biherige Inhaber eines Bene 
fiziums feinen Titel barauf verloren Hat, gleichwohl aber fi noch im faktifchen 
Befige deſſelben befindet; b) faftifch (de facto tantum), wenn ein Kirchenpfrund⸗ 
ner aus dem wirklichen Befige eines Benefiziums verdrängt, ober überhaupt aus 
dem Befige beffelben gefeßt worden ift; c) von Rechtswegen u. faktifch zus 
glei (de jure et facto simul), wenn für ben bisherigen Inhaber eines Benefis 
ums fowohl der Rechtstitel, als der Befig aufhört, z. B. durch das erfolgte 
Ableben eines Pfarrers, in welchem ale eine volfommene Erledigung der Birne, 


526 Proviſorium — Provoeation. 


eintritt. Eine Pfruͤnde, welche von Rechtswegen erledigt iſt, kann zwar einen 
andern Geiſtlichen verliehen, dieſer aber fo lange nicht in ben Beſit derſelben ein, 
geſetzt werben, bis ber zeitherige Inhaber mit feinen etwaigen Einreben gehörig 
vernommen worben ift, e8 ſei benn, biefer hätte notorifch das Benefizium auf eim 
unrechtmäßige Art befefien. Bel jeder Erledigung eines Benefiziums, wo ber Be 
neſtziat blo8 aus bem koͤrperlichen Beſitze gefebt ih, findet feine weitere Berleifung 
Statt, Die Verleihung eines Kirchenamted begreift brei Akte in fi: die Be 
zeichnung eines qualifizirten Subjekts (designatio personae), bie Uebertragung 
des geiftlichen Amtes (institutio collativa) u. die Einweiſung in ben Beid bes 
Benefijiums. — Der eigentlihe Berleifungs- (Collations⸗) Akt geiftlicher 

ift nach der Verfaffung der Kirche Ausflug der geiftlichen Gewalt, bie Ernennung 
fann auch Semandem Andern zukommen. — Die PB. Heißt eine vollfommen: 
(provisio plena), wo ber Kirchenobere alle brei Akte ausübtz eine unvollfom 
mene (provisio minus plena) aber ift fie, wenn biefelben getrennt find und me 
bee Bifchof nur institutio autorisabilis ausübt. — Die urfprüngliche Beſetzungs⸗ 
Art der Kirchenämter befteht in bem freien bifchörlichen nergebungerechte (collatie 
libera), wo der Bifchof den Geifilichen aus der Zahl der Gompetenten frei aus 
wählt, dem er ein erlebigtes Benefizium verleihen will; hiezu kommen noch a) bie 
Wahl bei höheren Kirchenftellen an Sathedrals u, Gollegiat- Kirchen; b) bie law 
besfürftliche Ernennung u, c) die Präfentation von Seite eines hiezu berechtigten 
Patrone. Endbdlich ſteht auch d) dem Papſte, theils vermöge befonderer Ueberein⸗ 
funft, theils zufolge ber Reſervationen, das Verleihungsrecht an gewiſſen Kirchen 
Pfründen zu. Rach der Eanonifchen Geſetzgebung ift jedoch der Diözefanbiichei 
ber ordentliche Verleiher aller in feiner Diözefe befindlichen Kirchenaͤmter. — 
Kirchen⸗Pfruͤnden, deren Berleifung ausfchließlich dem bifchöflidden Stuhle u 
fteht, Tönnen während der Sedisvakanz nicht von dem Kapitel vergeben werben, 
fondern es bleibt bie Verleihung berfelben dem Nachfolger im Bisthume vorbehal 
ten, ausgenommen, es käme das Bergebungsredht an denfelben bem Bifchofe und 
Kapitel gemeinfchaftlich zu. (Bgl. bie Artikel Benefizien, Eollation, Pa— 
tronat.) — 2) B. nennt man im Handelsweſen die Gebuͤhr, welche fich ein 
Kaufmann von einem andern vergüten läßt, für ben er irgend einen Auftrag, na 
mentlih einen Kauf oder Verkauf von Waaren, Wechfeln, Belorgung von Spe- 
dition oder Aflefuranz ıc., ausgeführt Hat u. in welcher die wirklichen Auslagen, 
wie Driefporto, Courtage, Fracht, Reparaturen, Kapergelb ıc. nicht begriffen find, 
indem biefe beſonders berechnet werben. Sie wird in ber Regel nad Procenten 
von dem Geſammtwerthe bes betreffenden Gegenftandes, mit le der erwaͤhn⸗ 
ten Auslagen (Epefen) berechnet. Nur bei Speditionen wird fie nad bem Ge 
wichte oder nach ber Anzahl der Eolli berechnet, da dem Spediteur ber Werth der 
Waaren unbefannt if. Die Höhe der P. ift nach den Uſancen an ben verfchie 
denen Handelöplägen, auch nach ber Gattung u. bem Gegenftande bes Geſchaͤfts 
fehr verfchieben ; bei Banqulergefhäften kann fie zwifchen $ u. 4, bei Waaren⸗ 
geihäften zwifchen 1 u. 4 Procent ſchwanken. Uebrigens bebient man ſich ges 
woͤhnlich des Ausbrudes PB. bei Banquiergefhäften und Eommiffion bei 
Wanrengeicäften. 

Proviforium, f. Interimiſtikum. 

Drovocation nennt man im Prozeffe die Aufforderung zur Erhebung einer 
Klage. P.n find gefeglich nur dann geftattet, wenn a) der Gegner ſich Anſpruͤche 
gegen ung berüdmt, bie und Rachtheil an Ehre u. Eigenthum bringen koͤnnen 
(provocatio ex lege diffamari), cder b), wenn befürchtet werben muß, baß uns 
Einreden verloren gehen, wenn der Gegner feine Klage nicht bald anbringt (pro- 
vocatio ex lege si contendat), Das Verfahren ift meift fummariich und enbet 
mit dem Beſcheide, daß bee Gegner, bei Berluft feines Klagrechtes, binnen einer 
geoifen Friſt Klage erheben fol. Im Concurs (|. b.) nennt man P. auch 
ie Öffentlichen Aufforberungen, in welchem Falle der ſich nicht melbende Glaͤubi⸗ 


en u 


Pro 527 


jer zwar nicht das Recht an feine Forderung felbft, wohl aber das Recht, in bier 
em Goncurfe zu liquibiren, verliert. 

——— chemiſchet, iſt im Allgemeinen dieſenige Operation ber Natur 
ober Kunſt, wobei oder wodurch das WB eines Körpers veraͤndert wird. Es 
iſt hoͤchſt wahrſcheinlich, daß. bie Beftandtheile, woraus alle Naturförper zufams 
mengejeht find, außer diefer Zufammenfepung,-für ich felbft alfo, eine ganz andere 
Natur u. Beichaffenheit Haben, als fie im jener Verbindung zeigen. Bon vielen 
Be a u En tan El 

en je, das Wafler un er! ‚ wenn fie ni 
—— verbinden, einen Arien, vom ihrer Natur völlig verſchiedenen Koͤr⸗ 
per, nämlich Waffer, u. ber Diamant, ber Foftbarfte unter: allen, Körpern, ift ein 
auf wunderbare Weife verbichteter. Kohlenſtoff. — Die Chemie, (f. d.) zeigt bie 
Mittel, die Naturförper zu zerſehen, d. h. ihre Beftanbtheile aus der, Verbindu— 
E bringen, in welcher fie einen gerinen Körper ausmachen; fie kennt aber 
ittel, durch neue veränderte Verbindungen neue Körper anderer Art: hervorzu⸗ 
bringen. ., Die Operationen: alfo, . nad welchen beides geſchieht, heißen hemiiher 
Pie; dergleichen find: die Auflöfung, bie-Niederfhlagung, das Shmels 
zen, Deftilliren w Sublimiren (f. d..befonderen Artikel); . In ber Natur 
‚ehen diejelben chemiſchen P. von ftatten und. buch ſie bringt die Natur bie bes 
digen Beränderungen in dem Weſen ber Körper, ober den Wechſel der Dinge 
hervor. — Nach bem atomiſtiſchen Syſteme laſſen ſich bie chemiſchen P.e kaum 
erflären. Denn nad) den Grunbfägen deſſelben müßten ja die. Materien nur mes 
chaniſch auf einander wirken, welches ſich kaum denken läßt, Nach dem dymamis 
ſchen Syfteme aber ift jeder chemiſche P. als eine Wechſelwirkung ber Grundfräfte 
der zu einem Körper, fich verbindenden. Materien zu betrachten. ! 

Prozeß, in der Rebtswiffenfchaft, heißt in allgemeinfter. Bebeutung 
jede gerichtliche Verhandlung , dann insbefonbere bie geiehmäßige Behanblun, 
eines flreitigen Nechtsverhältniffes vor dem competenten Gerichte, deren Beenbi 
gung durch Entfcheidung erfolgt ; in einem engern Sinne heißt V. die von den Geſe⸗ 
gen vorgefchriebene Weife, wie in Sachen des Mein und Dein die Parteien zu 
verhandeln, die Richter das Verfahren zu prüfen, nach bem beftehenden Rechte zu 
entfcheiden u. das Urtheil in Ausführung zu bringen haben. Das gerichtliche 
Verfahren felbft wird indeſſen nur in fo ferne PB. genannt, als dabei entweder 
über die Beftrafung eines Vergehens, oder über einen privatrechtlichen Gegenftand 
entweder von Amtswegen, ober auf Anrag des einen Theils eine richterliche 
Entſcheidung gefältt wird. Jenes gibt den Begriff des Criminal-P.s (ſ. b.), 
dieſes den des bürgerlichen ober Civil-P.s, von welchem legteren wir hier zu han- 
dein Haben. Die Verhandlungen, welche zufammen bie Entfceibung einer ftreitis 
gen bürgerlichen Rechtsſache besweden, betreffen: 1) die Darftellung, Prüfung u. 
Entſcheidung des freitigen Rechtsverhältniffes (causae cognitio et decisio) ober 
2) fie haben die Befolgung jener Entſcheidung zum Zwede (executio). Die erfte 
Art kann auch ein Privatmarın vornehmen, der in biefem Falle Schiedsrichter u. 
ber P. ſelbſt ein fhiedsrichterliher genannt wird. Da jedoch diefer P. nur bei 
Vereinigung ber Parteien ftatt finden kann und in jedem Staate die Selbfihülfe 
ausgeicloften if, fo mußte der Staat ſelbſt einen Weg fefllegen, auf welchem 
Jeder mittelft Anrufung ber Staatshülfe das ihm verfagte Recht erlangen kann. 
Diefer gefeplihe Weg nun, in fo ferne ber Gegenſtand eine bürgerliche Rechte: 
ſache betrifft, Heißt Civil-P. Unfer gemeiner deutſcher P. ift ein allgemeiner, 
fofern er in ganz Deutſchland gilt u. feine Grundlagen in ben Reichögefegen, in 
allgemeiner Gerichtsobſervanz, im kanoniſchen und römifhen Rechte Hat; ein ber 
fonbderer, wenn bie Gefege bes beftimmten Landes maßgebend find. Der bür- 
gerliche P. ift ferner entweber poffefforifch, wenn nur ber Befig; petitorifch, 
wenn ein anderer Anfpruch, als der auf Befig, verfolgt wird. Sind bie Förm⸗ 
lichkeiten, Friſten, Verfahrungsweifen ſtrenger u. weitläufiger, fo wird er orbdi- 
narifcher, im Begentheile fummarifcher genannt. Zu ben legteren gehören 


528 Prudentins — Pruth. 


z. B. der Concurs⸗, Executiv⸗, Wechſel⸗, Arreſt⸗, Mandats⸗, Provocations⸗P. 
Der ordinariſche P. bewegt fich in dem erſten Verfahren im Beweiſe u. im End: 
erfenntniffe, dem lebtern gehen bie Salvations-, Exceptionsfchriften, die Repliten, 
Dupliten u. Supplifen vorher, Die Sammlung ber gefeplihen Beſtimmungen 
über die Ordnung bes gerichtlichen Berfahrens wirb PB. Ordnung genannt, 
Für Deutfchland gab es nie eine den ganzen P. umfaflende —— Quel⸗ 
len derſelben waren: das römifche u. kanoniſche Recht und die deutſchen a 
jeber unter welchen leßteren der jüngfte Reichsabfchieb von 1654 das wichtige 
. Durch diefes Geſetz wurde ein einfacher u. fchnellerer Bang bes Verfahrens 
ngefüßrt. Seht befteht faft in jedem bdeutfchen Lande eine befonbere Civil PB; 
Ordnung, bie freilich hie u. da fehr alt find u. großer Verbeſſerungen 
Bei dem gegenwärtigen Streben nach Einheit und Gentralifation darf wohl auch 
ber „einfährung einer allgemeinen SB. » Orbnung in Deutichland entgegengeicher 
wer 


Prudentius, Aurelius Elemens, ein alter chriftlicher Dichter, lebte m 
Ausgang des 4. Jahrhunderts, bis ungefähr zum Jahre 405. Er war zu Ga 
lagurris (jet Galahorra) in Spanien geboren, trieb in früheren Jahren bas Ge⸗ 
{haft eines Eachwalters, verwaltete zweimal bie Statthalterfchaft berühmter 
Städte, wibmete fidh aber bei herannahendem Alter geiftlidhen Betrachtungen u, 
verfertigte Gefänge für die tägliche Andacht, zum Lobe ber Martyrer u. über ander 
religiöfe Materien. Sie find voll ſchoͤner Gedanken, obwohl nicht rein von ben 
* bes Zeitalters. Ausgaben: von Heinfius, Amſterdam 1667; von Taoli, 

arma 1788, 2 Bde; von Arevali, Rom 1788, 2 Bde.; von Obbarlus, Tü 
bingen 1845. 

Prüfening,, Pfarrborf an der Donau, im Kreife Oberpfalz u. Regensburg, 
bes Königreich Bayern, Landgerichts Stadtamhof. Das ehmalige Benebiktiner: 
kloſter datelöft wurde 1109 von Dtto dem Heiligen, Biſchof zu Damberg dee rän 
bet. Erſter Abt war Erminold von Hirihau. Diefer gab ein m —* 
Beiſpiel ſeiner Orthodoxie. Als naͤmlich im Jahre 1118 der vom Papſte 
fhalis exkommumizirte Heinrich V. von bem nahen Regensburg aus das new 
Stift befuchen wollte, ließ Erminold die Pforten fihließen u, verweigerte bem 
Kaiſer ftandhaft den Eintritt. Der berühmte Hiftorienmaler Leffing Hat in neue 
fter Zelt dieſes Ereigniß zum Gegenftande eined meifterhaft ausgeführten Gemaͤl⸗ 
des gewählt. 1633 hatte Herzog Bernhard von Weimar fein Hauptquartier in 
P. Die lange Reihe der Achte befchloß 1804 Rupert Kornmann, der hochgeehrte 
Berfafier der „Sibylien ber Zeit u. Religion”. — Die Kloftergebäube find jegt 
in Privatkänden u. in einen anmuthigen, von ausgezeichnet ſchoͤnen Bartenanlas 
gen umgebenen Landſitz verwanbelt. mD. 

Yrüm, Kreisftadt im preußiſchen Regierungsberirfe Trier, am Sübdende ber 
Schnee s Eifel u. am Fluſſe B., mit Lohgerbereien, Wollenweberei u. 2000 Eins 
wohnern, vormals ber Sig einer reichsunmittelbaren gefürfteten Bencdiktiner⸗Abtei, 
welche 760 von bem fränfifhen Könige Pipin geftiftet u. 1579 mit dem Hoch⸗ 
flifte Trier vereinigt wurde, fo daß der jeweilige Kurfürft und Erzbiſchof von 
Trier zugleich Adminiftrator diefer Abtei war u. Sitz u. Stimme auf ber geif- 
lichen Bank im NReichsfürftenrathe Hatte Im Jahre 1801 wurde bie Abtei auf 

ehoben und kam 1815 an Preußen. Im Mittelalter war bie Kloſterſchule von 
* eine der beruͤhmteſten. 
runellen, ſ. Brunellen. 
uth, der, entfpringt in ben Karpathen bes Stanislawower-Kreifes (Bas 
lizien), am Homoliberge hinter Mikuliszyn, u. ergießt ſich 2 Meilen unter Galacz 
in die Donan, Sein Lauf iſt reißend. Die flärkfien Nebenflüffe find der Cze⸗ 
remosz und die Shiga. In Balizien ift ber PB. durch 20, ber Czeremos; 
duch 9 Meilen flöpbar; weiter unten wird erſterer auch ſchiffbar. Ein Her 
Alexandri Hat 1844 ein Privilegium genommen, um von Galacz aus die Waaren 
wittelft des PB. nach ber obern Moldau zu bringen, beſonders aber von bort ben 


Prutz — Pſalm. 529 
reichen Getreibevorräthen einen Abfluß nach bem übrigen Europa zu ſchaffen. — 
An der zn des P. lag bie —— Dinogetia * elite, 
am rechten Ufer der Donau, Trosmi, der Geichichte fh der $ erühmt 
durch Peter den Großen, welcher 1711 am feinen Ufern (bei Falefhij) von ben 
Türken Sinpeftsften war, u. durch feine Fuge Gemahlin ven dem fonft unver: 
meiblichen Untergange. — Seit dem Bufarefter Frieden (1812) bildet der P. bie 
Gränze zwiſchen Rußland u. bem osmanifcyen Reiche. mD. 

Prug, Reinhold Ernft, politifcher Dichter, geboren 1816 zu Stettin, 
ſtuditie in Halle, arbeitete mit an-den Ruge’ichen Halle ſchen Cbeutfchen) Jahr: 
büchern, 1838 Dr. phil. (wobet er eine gründliche Iateinifche Differtation ſchrieb) 
feit 1841 in Iena, 1843 aus dem Welmarifchen verwiefen, dann in Gotha und 
anderen Orten lebend. Bon ber junghegel’ihen Schule Hoch gefeiert u. um feiner 
—— Tendenzen willen von ber Partei ber Liberalen geprieſen, hat er bi 

en von ihm gehegten Erwartungen noch nicht entiprochen, Seine Sprache I 

ewandt u. Kanig, feine Erfindungen bürftig u. feine Durchführung breit, be> 
jonbers in ben Tragöbien: „Karl von Bourbon“ und „Morig von Sachſen.“ 

Seine literariſch⸗hiſtoriſchen Arbeiten find nicht übel; feine Gedichte, befonbers bie 
politiſchen, gehören in ihrer Art zu dem befferen. Man hat von ifm: Ein Maͤhrchen, 
Gedicht 18415 der Göttinger Dichterbund, 18415 Gedichte, 1841; Literarhiftorifches 
Tafhenbud) für 1843 (mit einer Abhandlung über politifche Poefte) bis 1845, 3 Bde, ; 
Gedichte, neue Sammlung, 3. Auflage 1845 ; ben Könige von Preußen, Gedicht 18425 
Babens zweiter Sammer, 3 Gedichte, 18425 Geſchichie des Journalismus, 1, Thl., 
ur 18455 Die politiihe Poeſie der Deutichen, Leipy. 18455 Ueber deutfche 

iteratur der Gegenwart, Leipz. 1847; Kleine Schriften, 2 Bde., Merfeburg 1847; 
Sieben Jahre, 1840—47 ; Geſch. ber neueften Zeit, Leipz. 1848 u. f. m. 

rytaneum Hieß in Athen das Gebäude, wo die Prytanen, d. h. derjenige 
Ausfhuß des Senats, welcher bie Gefchäfte leitete, während der Dauer il 

Verwaltungszeit (35 — 36 Tage) wohnten und öffentlich gefpeist wurden. je 
fremden Gefandten wurben im P. empfangen u, auch andere, um ben Staat ver: 
diente, Männer erhielten bier auf Etaatefoften Unterhalt und Verpflegung, was 
für eine der höchften Ehren galt. — In Paris war das von Napoleon geftiftete 
Prytanee eine große öffentlihe Schulanftalt. 

J rzemybl (Przemislas), erſter Fuͤrſt von Böhmen, ber Legende nach 
ein Bauersmann, ben bie Fuͤrftin Libuſſa um 632 ehelichte u. auf den Thron 
erhob. Die Art feiner Wahl wird auf folgende Art erzählt: Als die böhmifchen 
Stände die jungfräuliche Fürftin dringend um bie Wahl eines Gatten beftürmten, 
that Libuſſa, die in dem Rufe bes Befiges geheimer Munbderfräfte fand, den 
Ausſpruch, daß derjenige, welcher von A auogefeiten Hofheren zu einer bes 
flimmten Stunde auf feeiem Felde, auf eifernem Tiſche fpelfend, gefunden werben 
würde, ihr Gatte werden folle. Diefe fanden benn auch auf friſch geadertem 
Gelbe den Landmann P. auf umgeflürztem Pfluge fein frugales Mittagsmahl_ver- 
sehrend. Er wurde fogleich mit fürftlichen Ehrenbezeugungen begrüßt, in die Stabt 

eführt u. mit Libuſſa vermäßlt. Ex gab den Böhmen mehre, fehr zwedmäßige Geſetze, 
Fine Nachkommen beherrfehten Böhmen durch lange Zeit ald Herzoge u. Könige u, 
der Stamm der Przemysliden erlofch erft 1305 mit Wenzel V., worauf Johann 
von Luremburg durch Heirath bie Krone erhielt u. fie auf feine Nachfolger vererbte. 

Pfalm, niederdeutfh Salm (vom grieh. yalAw, fallen), ein religiöfer 

Geſang, Heiliges Lied, vorzugsmeife ein folhes, das von Saiten» Inftrumenten 
begleitet wird. Insbefondere führen ben Namen P.en jene 150 Heilige Lieder, 
beren Sammlung das 21. kanoniſche Buch des alten Teftaments bildet, und bie 
nicht blos von den Juden in ihren Synagogen, fondern auch von ben erften 
Ebriften in ihren gottesbienftlichen Berfammlungen gefungen wurben u. noch jetzt 
häufig in Kirchen vorgelefen und erflärt werden. Urjprünglich hießen fie im 
Hebräifhen Mismor (d. i. ein abgefungenes, mit der Cyther begleitetes Lieb) ; 
fpäter wurden fie Thillim (Loblieber) genannt, Der über send. DENE 


Realencpclopäbie. VII. 


580 Pſalmodie — Pſammetichus. 


befindliche Name Schur bezeichnet jedes Lieb überhaupt, Hier aber eine Ode. — 
Bisweilen gebraucht man auch ben Ausdrud Moſchkil, was ein Lehrgebidht be 
deutet. Der 7. P. führt die befondere Ueberfchrift: Schiggaion (b. i. Slagelich, 
Elegie). Der Inhalt der P.en geht auf das Höchfte u. Heiligſte. Eie find, ab» 
ejehen von den berrlichften u. beutlichften Weiffagungen, betreffend Iefus Chri⸗ 
8 und fein Evangelium , ein allgemeiner, unerftörflider Schap des Lebens, 
ochſt geeignet, alle Leiden der Seele zu heilen; es if kaum ein Verhaͤltniß zwi⸗ 
hen datt u. den Menfchen, weldyes Hier nicht mehr oder weniger ausführlid 
u. treffend berührt wäre, Religion und Baterlantöliebe find Überall bie vorherr⸗ 
{chenden Empfindungen. Sie end gleichſam ein Abriß u. Inbegriff vom Inhalte 
des N. T. der heiligen Echrift. Die Eammlung der P.en fält, mit Ausichluf 
des, Mofes als Verfaſſer nennenden, 90 P.en u. einiger fpäteren Lieber, in bas 
Zeitalter David's, welcher nicht blos die Moefie feines Bolfes durch zwecknaͤßige 
Anftalten Hoch emporhob, fondern felbft viele P.en verfaßte. Obwohl ihm öfter 
alle B.en zugefchrieben werben u. 71 fogar feinen Ramen an der Etirne tragen, 
I find doch keineswegs ſelbſt die lepteren alle von ihm verfaßt. Einige ent 
ogar Hinweifungen auf fpätere Zeiten. Dabei gebören jedoch mehre P.en, welche 
David nicht namentlich beigelegt werben, wahrfcheinlich ihm an. Auch war fein 
Leben in ter That reichhaltig an Eteff für diefe Geſaͤnge: namentlidh enthalten 
feine Lieder viele Beziehungen auf feine Berfolgung, auf Borfälle zu Anfang fe 
ner Regierung, Abſolon's Empörung, feine Buße vor Nathan aꝛc. WMehre Ba 
gehören Affaph an u. P. 50, 73, 74, 75, 76, 78, 80, 81, 82, 83 führen fe 
nen Namen. Ferner werden Heman, Ethorn, die Kinder Korah, Galomo al 
Verfuffer von B.en genannt. Das P.-Buch begreift 150 P.en, welche indeſſen in 
älteren Munuferipten , indem einige zufummengezogen find, nidst in gleicher Zahl 
aufgeführt werden. Eo genau man * Immer die Verfaſſer ber P.en nachweiſen 
kann, fo unbekannt iſt der Sammler derſelben, als welcher gewoͤlmlich Esras be 
trachtet wird. Die Ordnung ſelbſt iſt nicht die richtige. Schicklicher würben 
z. B. P. 38, 51, 32 aufeinander folgen; P. 42 und 43 Haben einerlei Inbalt 
und machen ein Ganzes aus. Eelbfi die Eentuaginta rechnet B. 109 mb 110, 
fowie P. 114 u. 115 für einen P. Indeſſen folgte der Sammler vielleicht der 
Ordnung einiger vorhandenen Partifularfammlungen (2. Ehren. 29, 30). Die 
P.en enthalten Gefänge verfchiebener Gattung ; doch find ſie der Mehrichl nad 
lyriſch. Wie die Berfuffer zu denfelben verfhichen waren, fo. find die P.en felbk 
bald freudigen, bald traurigen Inhalts, daher einige Hymnen, andere den, ans 
dere Elegien, andere Lehrgedichte. Auch find fie in Hinficht auf Poetiſchen Ge 
halt ſehr verfhieden. Obgleih wir das Metrum der P.en nicht näher kennen, fo 
harafterificen fie ſich doch durch eine metriſche Korm ber Eprache. Tie alphabe 
tiſche Ordnung in P. 25, 34, 145 gehört au den Künfteleien einer fpäteren Zeit, 
Mehre P.en wurden im Tempel u. auf Reifen gefungen u, ber Chor antwortete 
dann wahrfcheinlich durch Wiederholung derſelben Gäße. 

Pſalmodie, ein Geſang, welder in durch die Einförmigfeit der Melobie, 
bie ſich dabei oft in drei neben einander liegenden Tönen bewegt, die Mitte zwi⸗ 
[den Sprade u. Belang Hält. Als Beifpiel können bie fogenannten Intonatlo⸗ 
nen der Prieſter am Altare dienen. 

Pſalter, 1) das Saiteninftrument, auf welchem bie Pfalmen efungen 
wurden ; baffelbe fol nach Einigen einer Harfe, nad Anderen einem Hackebret 
ähnlich geweſen ſeyn. 2) Befammtname für die Pialmenfammlung des alten Te 
flamente. 3) Im Mittelalter hieß fo der lange Rofenfranz, den die Kloſterfrauen 
einiger Orden am Guͤrtel führen. 4) Der B:ättermagen ber widerläuenden Täiere. 

Pfammetihus, König von Aegypten, 656 v. Ehr., einer ber 12 Fuͤrſten, 
die ſich in die Herrſchaft diefes Landes geheilt hatten, ſchlug, von Karlern, Jos 
niern u. Aegyptern unterftügt, feine übrigen 11 Mitbeherricher bei Memphis u. 
machte fih zum Alleinherrn. Er war ein um das Wohl feines Landes beforgter 
Regent u. ftiftete die Herrfchaft ber Saiter über Aegypten, welche faR 130 Jahre 


10. 





Pſeudo — Pſeudo · Iſidoriſche Deeretalen-Sammlung, 51 


dauerte und das Sand blüßend, fowie ben Auslänbern zugänglich machte. Gr 
a Syrien anz allein bie einheimtiche Kcegerkafte war durch die ae de 

. ben Fremden, beſonders den & iechen einräumte, zu empfindlich gefränft: 
200,000 berfelben verliehen, aller Vorftellungen P.8 ungeachtet, Aegypten und 
Teh.ten in ihe urfprüngliches Vaterland Aethiopien zurüd. Nun öffnete PB. allen 
Bremben bie Häfen, beförderte Auswärtige zu Ehrenft-llen, ſchloß mit den Arhes 
nieniern ein Handelebündniß u. ließ viele ägnptiihe Kinder griechiich lermen u. 
von Griechen erjichen, aus benen zum Theil die Lügenhıften oder ſelbſt getauſch⸗ 
ten Dollwetier und Hieroglyphendeuter wurden. Den Ajfyriern nahm er Asbod 
ober Motus in Paläftina nach 2Njähriger Belagerung weg u. bie, ſchon bis Eyr 
rien vorgebrungenen, Scythen hielt er Dusch Unterhandlungen und Geſchenle von 
Aegypten entfernt. Ihm felgte 617 fein Sohn Neo, 

Pfendo« (griech ), ein nur in Zufammenfegungen gebräuchliches Wort (3. Bi 
B.-liberal u. f. W.), wodurch angedeutet wird, daß das im Hauptworte Genannte 
nicht das Weien, Achte, Richtige, fondern blos Untergeſchobene, entweder aus 
Unfenntniß, oder mit Borfag fälihlich fo Genannte, auch Geſch vidtige fei. Bar 

jerfonen (wie 3: B. P.-Iſidor) zeigt 8 Solche an, bie entweder von Anderen 

ven falſchen Ramen erhalten, oder fich denſelben felhft gegeben haben. — Pr 
Aaripva, ein Sklave bes Agrirpa, ber den Tod feines Herrn verheimlichte und 
fich felbft für ifn ausgab, aber erkunnt und von Tiberius hingerichtet wurde, 
RApofel, ein faliher Apoftel. PB.» Ariftoteles, ein Munn, der unter dem 
Namen Ariftoteles verſchiedene Bücher geſchrieben, z. B. über die Welt; es kann aber 
eben fo qut ein Anderer deffelben Nawens ſevn. 

Pfendo-Fftdorifche Decretalen-Sammlung, heißt eine Sımmlung von Ka⸗ 
nonen und päpflichen Defretalen, welche im der erflen Hälfte des 9. —S 
zuerſt in Frankreich zum Vorſchein kam und nicht unweſentliche Veraͤnderungen 
im Kirchenweſen hervorbrachte. Die verſchiedenen Landeslirchen bedienten ſich 
füher abweihend irgend einer ber vorhandenen kirchlichen Kanonenſammlungen; 
fo bie ſpaniſche vorzüglich ber des Eribiſchofs Jfidor von Sevilia (Mdorus 
‚Hispalenfis). Diele lag auch der angeführten, in Frankreich aufgetauchten Summer 
lung, welche aus 3 Theilen befteht, zu Grunde; allein außerdem enthält die lehtere 
an mehren Stellen viele unächte Documente, die aus Unwiſſenheit bereits in mehre 
Privatfamn'ungen gefommen waren, verſchiedene Faͤlſchungen, im Ganzen gegen 
400 unächte Decretalen von Papft Clemens bis_auf Damafus, ſowie einiger 
fpä’eren Paͤpſte, fodann erbichtete Goncilienbefchtüffe und bie falihe Schenkungs⸗ 
urfunde Konftanting des Großen. Der Inhalt dierer pfeudoifidoriihen Sammlung 
befehränft ſich keineswegs, was bisher faſt immer allein hervorgehoben wurde, 
auf Gegenſtaͤnde des kanoniſchen Rechts, fondern fie verbreitet fi) mit demfelben 
Sntereffe über bogmatifche, moralifche, liturgifhe Fragen u. die Bußr 
bisciplin in Anfehung ber Hauptjäclichften Gebrechen der Zeit, wie endlich 
über ben Vorrang u. die Würbe ber römifhen Kirche, die Anpellationen an dies 
felbe, die verfkicdenen Gliederungen ber Hierarchie u. a.; bei Rechtsentſcheidungen 
folle eine ftrenge Prüfung der Zeugen vorgenommen und nur Berfonen von aners 
finnter Tugend u. erprobter Gottesfurcht zugelaffen werben. Richt ohne Grund 
wird von Luden vermuthet: den erſten Anlaß au dieſer Sammlung habe wohl 
ber Etreit Ludwigs des Frommen mit feinen Eöhnen gegeben, ber fo giftig ge 
worben, daß auch die heiligften Gefühle feine Achtung mehr fanden und die Bir 
{döfe des Reichs, in wilder Leidenſchaft einander gegenübertretend, fein Band mehr 
hatten, das fie gemeinſchaftlich umſchlang. Zweifelhaft ift aber auch die erfte üfs 
fentlihe Anwendung der Sammlung. Der Mainer Diakon Benebdict Levita 
dat fie nach ber Verfiherung des Hinfınar von Rheims durch den aus Spanien 
zuridgefehrten Erzbiftof Riculph von Mainz (787—804) erhalten und theils 
weiſe in feine Gefepfammlung aufgenommen (um 845). Die größte Aufmerks 
famfeit Ienften die Verhandlungen Kicolausl. mit Hinkfmar, Erzbifhof von 
Rheims, auf biefelbe u. brachten fo eine große Bewegung hervur. Rs ven m 

° 


592 | Pſendonym — Pſyche. 


geblichen ſpan iſchen Urſprung ſpricht Manches, mehr jeboch für fraänkiſchen, 
und wohl nach dem Pariſer Concil vom Jahre 829. Nur Gedankenloſigkeit konnte 
auf romiſchen Urſprung und ſogar auf Papſt Hadrian I. hindeuten, der bekanntlich 
den für feine Stellung weit weniger günftigen Dionyſtſchen Coder, als jene Samm⸗ 
lung des PfeudosIfidor, an Karl den —** geſchenkt hat. Faſt muß man eine 
gleiche Unwiſſenheit der jetzigen Gelehrten über ben Zuſtand des 9. Jahrhunderts, 
als der omaligen Zeitgenofien über die frühere Zeit vorausfegen. “Der wohl nie 
zu entdedende Verfaſſer nennt fi nach Sitte der fpaniichen Bifchöfe demuͤthig 
Isidor peccator (mercator), und zeigt ſich überall als frommen, innig gläubigen, 
tugendhaften, um das Wohl der Kirche aufeihtig beforgten Mann, der gar. feines 
bößartigen Betruges fähig iſt; daher ift auch Möhlers Parallele jener Samm⸗ 
lung mit den, dem Inhalte nach gleidy umfaflenden, fogenan nten apofolifchen 
Eonftitutionen u. Kanonen gewiß treffend. Die Berfafler diefer Haben bie 
Hervorbringungen fpäterer Zeit, um ihnen größere Bedeutung und Nachdruck zu 
eben, auf die Apoftel zurücdgeführt, Pſeudo⸗VIſidor in gleicher Welfe auf bie 

Apfte, den Felſen der Kirche, zurüddatirt und den allgemein verehrten Iſtdor 
von Sevilla als Sammler angegeben. Eben fo richtig erfcheint aber auch das 
von Walter gefundene Refultat, „baß die falfchen Derretalen im Wefentlichen 
an der kirchlichen Disciplin Nichts geändert haben z fie waren nur Ausdruck ihrer 
Zeit, die auch ohne fie ihren Fortgang gehabt hätte“ Wir müflen aber beifügen, 
daß fie offenbar dadurch, daß fie den der Zeit zu Thatfachen erhoben und ba 
mals erft Entftandenes als fchon in früheren Zeiten beftehend vorführten, ober ben 
Urſprung deſſelben mit Beftimmthelt angaben und auf biefe Nechtöverhältuiffe bes 
gründeten, zuverläfftg befonders bie größere Freiheit u. Unabhängigkeit der Kirche 
vom Staate und die umfafiendere Wirkſamkeit ihres Oberhauptes (episcopus 
universalis) fchneller ihrer Entwidelung zugeführt haben. Yür dieſen geringen 
Bortheil wurde die Kirche aber dem ungerechten u. ſchmerzlichen Vorwurfe aus» 
gelebt, als ob fie die Entwidelung eines Theils ihrer Verfaſſung einem „lügne« 
rifhen Werke“ zu verbanten Babe. 

Pſendonym heißt eine Schrift, die unter einem andern Namen, ale bem bes 
wirklichen Berfaflers, herausgegeben if. — Pfeudonymität war fchon im Alter 
thume Sitte; man nahm die Ramen berühmter Männer an, um feinen Probuften 
dadurch Leſer zu verſchaffen; zur Zeit ber Reformation gräcifirten die Gelehrten 
ihre Ramen, fo: Melanchthon (Schwarzerd), Faber (Schmidt) u. A. Die pſeudo⸗ 
nymen Schriftftellee der Deutihen hat Er. Raßmann in feinem Lexicon 
a Schriftfteller, herausgegeben von 3. W. Lindner, Leipzig 1830, 
gefammelt, 

Dora, f. Kraͤtze. 

Pſyche war in der Mythologie der Griechen ein liebliches Mäbchen,, deſſen 
Schönheit fo bewundert wurbe, daB man baffelbe bie zweite Benus nannte, 
worüber erzürnt, Aphrodite befchloß, fie zu verderben, und ihrem Sohne Amor, 
dem Süngling, befahl, jene mit dem Pfeile der Schmerzen zu rühren und fie in 
ben verworfenften Menfchen verliebt zu machen. Amor non: der Mutter Wünfche 
u vollziehen, zur Erde, fah aber kaum das Tiebreizgende Weien, als er fich feibf 
n P. verliebte. Er entführte fie num in einen Palaft, umgeben von ewig blühen, 
den Bärten, woſelbſt fie an feiner Seite des-Höchften Gluͤckks genoß, doch ben Ge⸗ 
liebten felbft niemals fah, weil er fie nur in dunkler Nacht befuchte u. ihr unter 
fagte, nach ihm zu forfhen. Sie wünfchte ihre Schweftern zu fehen und biefe, 
als Amor P.s Wünfche erfüllte, Wahr Unheil über fie, denn — vol Neid über 
das Glüd der Schwefter, — berebeten fie diefelbe, daß-ein Ungeheuer alinächtlich an 
ihrer Seite ruhe und daß es ihre Pflicht ſei, baffelbe zu ermorden. In Tobess 
angft, eines Unthiers Beute zu feyn, erhob ſich in der folgenden Nacht P. vom 
Lager, nahm eine verborgen gehaltene Lampe und einen Dolch und wollte den 
Todesſtreich führen, — da ſah fie den Goͤtterjuͤngling, durch den Schlaf verſchoͤnt, 
auf dem Lager ruhen, das fie jo oft. mit ihm geihelltz fie konnte nicht muͤde 


Pſychiatrie — Ptolemder. | 33 


werben, in biefem Betrachten zu ſchwelgen; plöglich "aber fiel ein Tropfen Del auf 
eine entblöste Schulter, er erwachte, und zürnend, feine Wünfche nicht befolgt zu 
eben, entflof er, PB. in — zurücklafſend. Die Unglüdliche fuchte ben 
Geliebten nun überall und kam zulebt felbR in den Palaſt ber Benus, welche 
unedel genug war, bie Arme auf das Härtefte als Dienerin zu behandeln u. fr 
Aufträge zu geben, welche offenbar auf ihren Untergang abzwedten. So mußte fie 
Wolle von den goldhaarigen Schafen Holen, deren Biß töbtlich war; fo mußte fie 
er aus dem Brunnen ſchoͤpfen, welcher von einem Drachen bewacht wurde; 
fo follte fie von Proſerpina aus der Unterwelt eine Büchfe mit Schönheitsfalbe 
holen — fie vermochte Alles zu erfüllen, was Benus verlangte, boch nur, indem 
Amor, feine Liebe noch im Herzen tragend, ihr unfichtbar auf jebe Weife beiftand, 
fie aus jeber Gefahr rettete. Toͤdtlich drohete ihr das Oeffnen der verhängnißvollen 
Büchfe zu werden, da erſchien der Götterfüngling und verfcheuchte bie tobtbrin- 
genden Dünfte, fie zu neuem Leben erwedend (ein Gedanke, den Eanova auf das 
ollendetfle ausgeführt Hat), Amor bat mım bei Jupiter um Grlöfung der Ge⸗ 
liebten und fo ward fie in den Olymp ımter die Unfterblichen aufgenommen unb 
mit Amor auf das Felerlichfie und Glänzendfte verbunden. Seit dieſer Zeit fol 
fi der Gott ber Liebe von der Erde zurüdgezogen haben und nur noch fein 
Bruder Pothos (das Verlangen) die Herrſchaft über die Menfchen führen. — 
P. wird gewoͤhnlich mit Schmetterlingsflügeln bargeftellt, auch Hält fie Häufig 
einen Schmetterling auf ber offenen d. 
one f. Seelenheilkunde. 
pchologie, Seelenlehre, Heißt jene Wiſſenſchaft, welche Die menfchliche 
Seele zu einem eigenen Gegenftande ber Unterfuhung macht. Die PB. betrachtet 
als felbfiftändige Lehre die Seele nach verfchiedenen Richtungen, indem fle auf 
den Grund gemachter Erfahrungen (Erfahrungsfeelenlehre) die Eigenfchaften und 
Wirkungen derfelben aufzählt (Raturbefchreibung der Seele), oder über die Ber- 
änderungen in ber Entwidelung und Ausbildung derfelben berichtet (Raturge- 
ſchichte der Seele), oder die Geſetze aufftellt, welchen die Erfcheinungen berfelben 
unterworfen find und biefe dadurch begreiflich zu machen ſucht (Raturlehre der 
Seele), ober endlich mit Hülfe der Vernunft die Erkenntniß der Nothwendigkeit 
deren Wefens darthut (rationelle P.), fowie deren Ableitung aus Gott, als dem 
legten Grunde aller Dinge, entnimmt Ciheotogtie PB.) As Antropologiecf. db.) 
berichtet die P., in Berbindung mit der amatologie, über den Zufammenhang 
wiſchen den Aeußerungen ber Beiftesthätigkeit u. dem organifchen Leben. 
diefer letztern Anwendung wirb fie für den Arzt nicht minder unentbehrlich, als 
für den PhHilofopgen. Gin weiterer Gegenftand der P. als foldder, fo wie in 
ihrer Verbindung mit der Somatologie u. als Lehre von den Berrichtungen beis 
ber und ihren Beziehungen zu einander, ift bie Lehre von ben Störungen und 
Krankheiten der Seele (Pſychiatrie) und bie Art u. Weife ihrer Behandlung und 
Heilung (Piychiatrif). u. 
Ptolemaͤer iſt der gemeinſchaftliche Name ber 13 griechiſchen Könige aus 
der Dynaſtie der Lagiden, welche nach dem Tode Alexanders des Großen 
(f. d.) das aͤgyptiſche Reich wieder erneuten u. 300 Jahre lange, von 323 — 30 
v. Chr., beherrfchten. 1) Ptolemäus L, des Lagos Sohn (323—284 v. Chr.), 
wegen Bertheidigung ber Be Fa gegen Demetrios Soter genannt, war ber nas 
de Sohn des macedoniſchen Königs Philipp u. ber Arfinos, welche mit Las 
906 verheirathet wurde. Ihm fiel nach Alexanders bes Großen Tobe Aegypten 
zu, wo er fih behauptete u. in Alexandria die berühmte Bibliothek gründete. — 
2) P. IL, Ehilabefpbos, Sohn des Borigen, um bie Kunft, Wiſſenſchaft u. 
Blüthe des Landes verdient (284— 246 v. Ehr.). — 3) P. IL, Euergetes, 
Sohn —* —A * on ben Sigrid, — die Shen 
inspflicht, gegen ben fyrifchen g Seleufos u. empfing an feinem 
bilopator, ein graufamer Tyrann, 230204 Den Beinamen führte er aus 


834 Ptolemdus. 


Spott, ba er feinen Bater vergiftet hatte — 5) P. V., Epiphanes, folgte 
feinem Bater unter Vormundſchaft. Auch er war graufam u. ausichweifend ; von 
204 — 181. — 6) P. VI., Philometor, auch Tryphon (Wolüftling), 
181 — 145. — P. VI. Physkon, auch Euergetes Il, graufam, 145 — 117. 
— 8) P. VIIL, Lathuros, einige Zeit blos auf Cypern beichränft, 116 — 81. 
— 9 P. IX., Nlerander I, kam buch feine Mutter Kleopatra auf den 
Thron. — 10) B. X., Alerander I., Sohn des Borigen, Gemahl der Kies 
patra, der Tochter des P. VIIL Er ward von dem felgenden vertiieben (65 vor 
Ehr.) u. vermachte fein Land den Römern. — 11) P. Xxl., Alexander IL, erkaufte 
den Schu Eifar’s, ward von den Alerandriern abaejegt und von den Römern 
wirder eingeſeßt (65 — 51 v. Ehr.). — 12) B. XL, Auletes, Gemahl ber 
berüchtigten Kleopatra, feiner Schwefter, Hatte den PBompejus zum Vormund, ben 
er nach der Schlacht bei Pharfalus ermeucheln ließ. As Caͤſar den Thron der 
Kleopatra zuſprach, erregte B. einen Auf: uf, worin er beim Echwimmen über 
ben Nil 45 v. Ehr. umfam. — 13) P. XIII. Puer, von Eäfar auf den Thron 
gefegt u. von feiner Schweſter Kleopatra (43 v. Chr.) vergiftet. 

Prolcmäus, Claudius, geboren um 90 n. Ehr. zu Pelufium in Aegypten, 
geftorben ungefähr um 170, von ben Griechen Jausacıos genannt, ein beruͤhm⸗ 
ter alexandriniſcher Mathematiker, Aftronom, Geograph und Mufiflefrer, von 
dem das fogenannte PBrolemäifche Weltfyftem ten Ramen hatte, das er in 
feinem „Almageft* in 13 Büchern vorträgt, dem. einzigen aus ührlichen Werte, 
das wir über Aftronomie aus dem Alterthume befigen, welches als geometriſches 
Werk immer berehrungswerth bleibt, ob es glei als phyfiiches keinen Werih 
mehr Hat, das A Mamum (geftorben 833) in die arabifhe Eprache u. aus bies 
fer Eprache Kaiſer Friedrich IL 1230 in’s Luteinifche überfigen ließ, während 
das griebifche Original er im 15. Jahrhunderte in Europa befannt wınde — 
(Reucfte Ausgabe, griechiſch, lateiniſch u. franzöftih, von Halma, 4 Bde., Paris 
1813 — 23). Rad dem Syfteme des P. fleht die Erbe unbeweglidh in bem ges 
meinfchaftlichen Eentrum von 11 Kreiſen. Bon der Erbe aus liefen in ben 7 
erften dieſer Kreiſe der Mond, der Merkur, die Benus, die Eonne, ber Mars, 
der Jupiter u. der Saturn. Der 8. Kreis bezeichnete die Bahn der Firterne; 
der 9. u. 10. Kreis hatten die Beftimmung, die Erjcheinungen ber PBräceffion zu 
erflären und der 11. oder letzte, das Primum mobile genannte, Kreis mußte alle 
übrigen 10 von ihm eingefchloffenen Kreiſe mir ſich täglich von Dften nah We 
Ken um Die Erde fortführen, während jeder Planet In der ihm angewiefenen 
treisförmigen Bahn von Welten nah Oſten um bie Erde lief. PB. Hat aber 
nicht über die G:öße der Entfernungen jener 7 Planeten von der Eonne, d. i. 
Richts Über die Halbmeſſer der verjchiedenen Kıeife feines Syfters mitgetheilt. 
Weil fchon zu den Zeiten des P. einige große Ungleichheiten im Laufe der Pla⸗ 
neten, befonder8 auch bes. Mondes u. der Sonne, entdedt wurden, fo konnte er 
biefe Üingleichheiten nur dadurch erflären, daß er die Kreiſe feines Syſtems in 
Beziehung auf bie Erde etwas verſchob und fie mm ercentrifhe Kreife 
nannte, bie jedoch in der Folge nicht ganz ausreichtenz namentlich machte bie 
Bewegung des Mondes ihm viel zu fhaffen. P. nahm baher jetzt noch einige 
kleinere Kreife zu Hülfe. Aber, je mehr man nach P.s Tode neue Ungleichheiten 
in den Bewegungen des Mondes u. ber Planeten durch genauere Beobachtungen 
entdedte, deſto mehr ſah man fi) auch genöthigt, immer neue Epicykel zu den 
bisherigen hinzuzufügen, ſo daß am Ende eine grängenlofe Verwickelung entftand, 
aus der man ſich kaum herauszufinden vermochte. Dieß zeigte nım das Unwahr⸗ 
ſcheinliche der ganzen Ptolemäiihen Hypothefe und wurde bie Veranlaff zu 
dem Eyſteme des Kopernifus (f. d.). — P. ſchrieb auch ein geographiiches 
Wal in 8 Bühern (yawypayızy Upyyyos) mit Landkarten von Gerhard 
Mercator, Amfterdam 1005, Fol., dei welchem er ben Geographen Marinus 
von Tyrus zu Brunde legte. Er beftimmte darin zuerſt, freilich fehlerhaft, bie 
Lage ber Derter nach ben Graben ber Länge u. Breite. Agathobämon, ein 


Ptolemais — Ptolomaͤer. 26 


lexandriniſcher Kuͤnſtler, zeichnete bie Landlarten dazu, die aber verloren gegan- 
en find. Ausgaben Avon Wilberg u. Grashef, Eſſen 1832 u. ff. und von 
tobbe, 3 Bde, Leipzig 1843 — 1845 ; Ueberſehung von Georgi in feiner al» 
m Geograpbie, Bd. I, Stuttgart 1838. — Auch des PB. navwv Bacıkov 
in Seth Calvisii Issgoge chronol, S. 702), ein chronologiſches Verzeichaiß der 
ſſyriſchen, medifchen, perfifchen, griechiſchen, römifchen Kaifer und Könige von 
tabonaffar (747 v. Chr.) bis auf Antoninus Pius (geſtorben 161 n. Ehr.), - 
Nirb von ben Ehronologen ſehr geſchaͤht. 

Ptolemais, ſ. Acre. 

Ptolomäer, eine gnoftiihe Serte im 2. Jahrhunderte, von Ptolomäns, 
nem Jünger und Zeitgenofien VBalentin’s, fo genannt. Wie fein Lehrer, 
ahm P. ein Höchft volltommenes Weſen an, von welchem Alles entfpringt, wich 
ber von jenem in ber Meinung von ber Entftehfung ber Welt und vom jüdifchen 
defege ab. — Balentin, um ben Urjprung des Böfen zu erflären und um in 
tm Syfteme, welches als Grundurfache von Allem ein höft volfommenes Wefen 
animmt, einen zureichenden Grund bed Dafeyns ber Welt und des darin vors 
adlichen Uebels zu finden, ließ von dem höchften Urweſen minber volltommene 
ntelligenzen (Meonen) hervorgehen, bie in ihren allmälig unfräftigeren Erzeugungen 
ıblich böje Weſen hervorbrachten, welche unfere Welt geflaltet, Briege erregt u. 
le Uebel, die uns brüdten, "hervorgebracht Haben. — Da bie heilige Schrift aus⸗ 
gt: daß durch Jeſus Ehriftus Aües gemacht worden if, fo müßte die Ers 
baffung der Welt von böfen, mit Ehriftus im @egenfage ſtehenden Geiftern 
ilſch ſchn; ber Widerfpruch, den man zwifchen dem Alten und Neuen Teſtamente 
ı finden vorgab und ber jener Behauptung zur Unterlage biente, verſchwand 
bald, wenn auf das Gefeg Mofis und auf die Abänderung, welche Ehriftus 
mit vornahm, ein aufmerkiamer Blick geheftet wird, — Der Dekalogus, als 
x Grund bes moſaiſchen Geſehes, irägt unverfennbar ben Stempel eines weifen 
id gürigen Gefeßgebers; er entKält die reinfte und dem Güde der Menſchen 
1gemeffenfte Sittenlehre; das evangelifche Gefeg hat das moſaiſche vervollftän- 
get. Die befonderen Anordnungen, welche die Güte des Geſehgebers in Schatten 

ftellen fcheinen, wie das Recht der Wichervergeltung exlittener Unbilten (lex 
lionis) waren Ergebnijfe der Zetiverhältniffe; und wenn Jeſus Chriftus fie ab⸗ 
yaffte, führte er fein, ben Abfichten des Scöpfers, welder im Dekulogus 
n Todtieplag verbot, zuwiderlaufendes Geſetz ein. — Die Eheſcheidung, welde 
hriftus aufhob, ift fein Geſetz des Gott: Welrfhöpfers, fondern eine bleße, 
ın Mofes angeordnete Polizeimaßregel, wie Chriſtus felbft verfihert. — Was 
e Geremonial= und vorbilblihen Griege betrifft, fo hat fie Chriſtus eigentlich 
cht abgefhafft, benn er hat ibren ©.if beibehalten und nur die Schale abger 
eift. Bei Abichaffung der altteftamentlihen Opfer fagte er nicht, daß man 
ott gar fein Opfer darbringen fell, fondern, daß man Hate der Thiere und des 
zeihrauchs ihm ein reines Herz und geiftige Gaben opfern muͤße; ebenfo verhält 
fi) mit den anderen Geboten. — Aus dieſen Vorausſetzungen ſchloß P., daß 
:8 jüdiihe und evangeliihe Geſetz einen guten Gott, und nicht zwei entgegen- 
fegte Gottgeiten zum Urheber habe; baß aber auch bie Welt nicht das Werk 
8 höchften Urweſens fei, weil fonft nichts Böfes darin feyn Tonne. Der Schöpfer 
ar daher ein guter Goit, wohnend im Mittelpunfte ber von ihm gefchaffenen 
zelt und von da aus alles mögliche Gute verbreitend; aber es gab in ber 
imlichen Welt noch ein ungerechies und böfes Princip, welches alcd Hebel her 
rbringt und mit der Materie vereinigt if. Um bie Wirkungen feiner Bosheit 
hemmen, hat Gott, ber Schöpfer, feinen Sohn in die Welt geſchickt. — 
olchergeſtali nahm P., ſtatt jener Unzahl von Aconen des Valentin, nur 4 Prin 
se für diefe Welt an. Wie aber dieſes böfe Wefen des P., welches nicht durch 
9 feldft war, in's Dafeyn kommen fonnte, wenn alle Wefen von einem höchft 
‚Nkommenen Urwefen ihren Urfprung nahmen: die Löfung dieſer Schwierigkeit, 


536 .. Pubertät — Puchta. 


welche er von einer gewiffen Meberlieferung erhalten zu Naben vorgab, iR 3. 
ſchuldi becden. 
ertaͤt, ſ. Mannbarkeit. 
Prublieiſten heißen die Schriftſteller und Lehrer im Fache bes Staats⸗ un 
Voͤlkerrechtes (jus publicum). Fruͤher ſetzte man bei dieſem Namen immer flubirte 
Juriſten voraus; in neuerer Zeit aber, ſeit den neuen politiſchen Verfaſſungen 1. 
Kämpfen u. bei ber allgemeineren Theilnahme ber Staatsbürger an benfelben, ge 
man biefen Ramen gewöhnlich auch allen politifchen Schrifiſtellern, insbefonder 
ben Zeitungsfchreibern, fobald fie über politifche Berhältniffe Grundfäge und Mein 
ungen aufftellen und vertheidigen. Publiciſtik if unftreitig eine ber wichtige 
Berhäftigungen, welche ein Bürger ergreifen kann: ein hoher u. einflußreicher, eben 
deßhalb auch mit großer Berantwortlichfeit verbundener Beruf, das Recht u. vor 
Allem das hoͤchſte und wichtige Recht des Baterlandes, des Fuͤrſten, ber Mit 
bürger, das Verfaſſungs⸗ und öffentliche Recht berfelben klar zu machen und zu 
vertheibigen. Die unermeßliche Schwierigkeit bes Gegenflandes und bie eben fo 
große und unmittelbar einflußreiche Wichtigkeit der publiciſtiſchen Lehren un 
Grundſaͤtze follte die PB. befonders auffordern, fi fo viel möglid vor Ein 
feitigfeiten und Berirrungen zu bewahren. Wahrheits⸗ und Gerechtigkeitsliebe 
find daher die erftin und unerläßlichfien Gigenichaften des P. Allein, wie 
oft fieht und erlebt man hievon bas gerade Gegentheil! Wie Häufig fickt 
man die ganze Wiſſenſchaft verfälichen, ganze Eyſteme auffiellen, um bie 
Willkür zeitlicher Machthaber zu rechtfertigen und bie öffentliche —— er 
zu a a Und bieß nicht nur in unbedeutenden Organen der öffentlichen Dein 
ung, fondern felbft in foldyen, die über ben Parteien zu ſtehen ſich vermefien und 
mit einer Art von Verachtung hinfehen auf Alles, was außerhalb ber von ihnen 
circumſcribirten Atmofphäre fich zu bewegen erlaubt. Man lefe, als Beleg, z. 8. 
nur bie Artikel der Allgemeinen Zeitung aus München vom Yebruar 1847 bis 
dahin 1848 und Halte Dagegen bie aus eben biefer Stadt vom März 1848. Man 
lefe, was baffelbe Blatt über Defterreich und das Syſtem feines Gabinets übe 
40 Jahre lange fchrieb, und Halte dagegen bie Artikel feit dem März dieſes 
Jahres, Safe theilt daher Klüber die P. ein in wahre oder Achte, d. h. 
wifienichaftlich gebildete, recht⸗ und wahrheitliebende, furchtlofe, und in S dein 
und After-®B., „bie Routinier: und Stegreifs und Gelegenheits⸗P., bie Poͤbel⸗ 
P., De und Wind: P,, welche knechtiſch den Mantel nad dem Winde hängen 
und dhamäleonartig bie Farbe wechfeln, u. die von F. E. Mofer au Galgen 
P. benannt werben. 
Dublicität, ſ. Oeffentlich keit. 
ublicola, |. Balerias, 
uchelt, Friedrich Augft Benjamin, Gcheimer Hofrath u. Brofeffor ber 
medicinifchen Klinik in Heidelberg, geb. den 27. April 1784 zu Bornsborf bei Luckau, 
Sohn eines Predigers, befuchte die Schulen zu Ludau und Lübben, Rubirte feit 
1804 in Leipzig, wurde 1811 Med. Dr. und noch im felben Jahre Privatbocent, 
errichtete 1812 eine Poliklinik, verwaltete die medizinifche Abtheilung ber Univers 
fitätsbibliothel u. wurde 1814 außerorbentlicher, 1820 aber ordentlicher Profeſſor. 
1824 wurde er als Hofrath u. ordentlicher Profefior der Klinik nach Heibelberg 
berufen und 1838 zum geheimen Hofcath ernannt. — P.s wichtigere Schriften 
find: „Das Benenfoftem in feinen krankhaften Verhaͤltniſſen.“ Lpz. 1818. 2te Aufl. 
1843, ins Holländifche überfeht, Amfterdbam 1834. — „De carditide infantum“, 
Lpz. 1824. — „Das Syftem der Medicin”, 5 Bde., Heibelberg. 1825.— 1832. 
I. Bd. in 2ter Aufl. 1835. — P. ift auch Mitherausgeber der Heidelberger mes 
dicinifchen Annalen. Sein Sohn, Benno Rudolph P., wurde 1840 in Heibel- 
berg zum Med. Dr. promovirt und ift bortfelbft nunmehr außerorbentlicher Pros 
N areblein. Friedrich, ci ha di guck Bechner. 
a, Georg Friedrich, ein namhafter u. verbienter (Sohn bes 
ebenfalls durch eine Menge Schriften um bie juriſtiſche Praxis nechientern 1845 





oo 
4 


Yad — Pacier · Auckan. * 

— sit Ye 
, wur 

aa 5 m Bi EN Nr 


lichen, Sqhriften vereinigen ich tiefe ——z u. In Ham, us —— 

fuhren davon an ——— (2 Bdk., Erlangen —— 37); „2 

ber Bandekten“ * rer —— „Eurfus ber m" (2 Be 
emeinen Clvilrechts, Fi 1832; „Eins 

a en est — 5 9 —— Pfunden, gleich 325 

Banden dentfhen " 


Pudding ober Blumpubbing a au Serviettenklos genammt, eine bes 
liebte Rehlſpeiſe, die am einfachen aus Mehl, Butter, Eiern, Ku, u 
von Hefe, auch klemen m. großen Roſinen, —— eimab Zimmt, in - 
53 u ee ae kr. 3 he 
en, 0 w en 
— 5* bie 2. auch verfihieene Kamen, wie: m, m: 
nen s 
Diingbofen, lammenofen, ein Ofen, welcher zur 
* Er Erzen genommene Roheiſens — ———— — 
lichen, überwölbten, mit Sand bedeckten Schmelzherd, ber ein in wenig 
neigt u. an beffen höherem Ende end ein Brueroh befinbet, auf welchem 
Bremmaterialien , welche buch ein Schuͤrloch hinein gebracht werben können, 
brennen. Dem Feuerroſte gegenäber, über dem tiefer liegenben Ende bes Herbes, 
it ein OD — 30° Hoher Sihernkein angebracht und an der vorbern Seite bes 
Ofens, oberhalb —— es, iſt eine Fr — durch welche das 
—5 in den Herb gerad voird. Das kommt alfo Bier nicht unmittelbar 
Diefe Blamme befreit, vermdge jur —S— — 
e vermoͤge en hohen erzeugten Lu 
—X die ganze Oberflaͤche des Eiſens ſorwadrend Sobald has € en einen 
artigen Zuftand angenommen , wird es durch hackenfoͤrmige Werkzeuge, bie 
bucch bie ben nd ber Einfaptääre durchgeſtectt werben, aufgebrochen, gewenbet 
rüber den erb außgebreitet, Unter dem Mufbraufen ber Waffe ent, 
voictelt fi Sohlinorn gas u, verbrennt an ber Oberfläche mit blauen Flaͤmuchen; 
es finbet F eine PR Eifens flat. Das Eifen wird immer fe 
u. Seller en trodenen fandigen Zuftand über, wora A Ban 
die Hitze en ee Schließen der Eſſe und es Schürlodhs verſtaͤrkt und 
dadurch, ſowie durch beſtaͤndiges Umwaäͤlzen ber Maſſe auf dem 833 nis 
macht, daß bie getrennten Gifentbeilihen unter ſich wieber Zufammenhang 9 
nen. Man N fie fogleich in beliebige. große, runde Klumpen, bie unter nen 
Hammer von anhängender Schlade befreit u. bann gewöhnlich durch Walzwerke 
zu Staͤben gebiinet "erden, Diefes Berfahren nimmt weit A u. beziehungs⸗ 
—* wohlfelleres Brennmaterial (man kann naͤmlich auch Torf und Stei —* 
verwenden) in Anſpruch, auch liefert es in derſelben Zeit, wie das gewoͤhnliche 
Friſchen, weit groͤßere Ma vn Bag von Stabeifenz es verbient baher vor dem ent 
genannten Ber tfahten bem 








ne a 218 feiner Strte beveiteteß weißes Pulver, beffen 
ch feit ber Sitte ve 16. —— zum Beſtreuen der Haste und 
Berüden ([. d.) nebiene, das aber jeht an Außer Gebrauch gefommen I 


9 Mugkan, dermann — Ludwig, —J Dan, be anne 
als gerader, Dichter u. Neifebefchreiber, geboren 1785 zu Muskau 
Laufig, er et feine —— auf der Hermäutifchen en Anfalt zu —* van m 2.w 
Sale = u. Rudirte. in Peipsig die Behte. 1811 fam er burd) ben 
eine Baters in ben Beil der Slaudesherrſchaft afi Muslan. Die er burg reende 


538 Pullnaer Bitterwaſſer. 


Anlagen verſchoͤnerte u. trat 1813, nachdem er ben ſachſtſchen Dienſt ale Ritt 
meifter verlafien, al8 Major in ruſſiſche Dienfte u. wınde Adjutant bes Herzogs 
Bernhard von Weimar, als welcher er fih beſonders in ben Niederlanden aus 
zeichnete. Zum Oberftlieutenant ernannt, beſchaͤftigte er fih in ber nädften ch 
mit Errichtung eines Jägerregiments und war zu Brügge Militär» unb Civil 
Gouverneur. Nach dem Frieden trat er in das Privatichen zuräd u. befuckte zu 
naͤchft England, wo er über ein Jahr blieb. In Muskau begann er nun nad 
großartigen Plänen feine Parkſchoͤpfungen, deren Werth noch dadurch erhößt 
wurde, baß mineraliihe Quellen die Errichtung einer Babdeanftalt möglich mad 
ten, die unter dem Ramen Hermannsbad befannt iſt. Abwechfelnd lebte er von 
zei zu Zeit in Dresden u. Berlin. Im Jahre 1817 vermählte er ſich wit der 

ochter des Staatskanzlers Füıften von Hardenberg, der verwittweten Reichsgräfin 
von Pappenheim, von ber er 1826 gefchieden wurde, Im Jahre 1822 wurde a 
von dem Könige von Preußen in den Kürftenftand erhoben. Im Jahre 1828 
unternahm er eine neue Reife nad) England u. verweilte bafelbR u. in Frankreich 
über ein Jahr. Nach feiner Rüdfehr betrieb er die Berfchönerungen in Muskau 
mit neuem Eifer nach vergrößertem Maße und gab biefem Werke eine wahrhaft 
eniale Vollendung ; eine Frucht biefer Thaͤtigkeit war fein großes Werk über 
—— Epäter machte er mehrjährige Reifen buch Nordafrika u, 
Vorberafin. Bon ba zurüdgefehrt, lebte er wieder in Muskau, bie er 1845 dieſe 

errſchaft verkaufte und fich feitbem an verfchiebenen Orten Deutichland’s 
aufbält. Als Schriftſteller machte Ah P. zuerft bekannt durch die „Briefe eines 
Beiftorbenen“ (4 Bde. , Münd, 1830 u. Stuttg. 1831), als deren Berfafler er 
jedoch erſt fpäter mit Eicherheit genannt wurde. Sie enthalten ein Tagebuch 
aus England, Wales, Irland, Franfreih, Deutichland u. Holland u. tragen aller 
dings die Spuren der Flüchtigkeit u. Leichtfertigkeit, mit welcher fie aufgezeichnet 
find, u. der Eelbftgefäligfeit des Berfuflers; dagegen flellen fie aber auch Höchkl 
Intereffante Sittens u. Charakterſchilderungen auf u. find in jo fern hoͤchſt wichtig, 
daß der Bearfafier fih in den höchften Kreiſen bemegte u. dieſe vorzugsweife ſch 
deit, während fie zugleich durch Kedheit der Sprade u. Urtheile ſich auszeichnen. 
Zunaͤchſt erfchienen von ihm die „Tutti frutti aus den Papieren bes Berftorbenen“ 
(5 Bde., Etuttg. 1834), in denen jebody des Unbedeutenden allzu viel eingemifcht 
iſt; nicht Höher fiehen die „Jugenbwanderungen* (Stuttg. 1835). Fruͤchte von 
P.s fpäteren Reifen find „Semilafjo’s vorlenter Weltgang; Traum u. Wachen; 
aus den VPapieren des Berftorbenen” (3 Bde., Cruttg. 1835), „Semilaflo im 
Afrika“ (5 Bde, Etuttg. 1836), „der Vorläufer” (Stuttg. 1838), „Sübdöftlicher 
Bilderfaal* (3 Bde, Etuttg. 1840), „Aus Mehemd Ali's Reich“ (3 Bde., 
EStuttg. 1844) u. „die Ruͤdkehr“ (Berlin 1846 u. f.). B. iſt ein Schriftſteller, 
ber immer mit Anmuch u. Gewandtheit fchreibt, dadurch aber oft zu unbegründe 
tem Ürtheile verführt wird. Ariftofrat durch Geburt u. Meberzeugung, bat ex ſich 
body eine eigenthümliche Art von Liberalismus angebildet; nicht mit t wird 
ihm eine Neigung zu frivolen Schilderungen vorgeworfen, fowie fein glängenber 
Styl durch eine vornehm feyn folende Miihung von Wörtern aus allem Eprachen 
entftellt wird, Eine ganz werthlofe Arbeit ift das „Leben bes Fürften von Püd- 
ler s Mustau“ von Auguft Jäger (Stuttg. 1843). 

Püllnaer Bitterwafler. Diefes entipringt bei dem Dorfe Büllna, eine 
Stunde von Brür, wenige Meilen vvn Teplig u. unweit der ganz v 
Mineralquellen von Saidſchuͤtz u. Seidlig u. gehört zu der Claſſe ber falinifchen, an 
fhwefelfauren Ealzen reichften Bitterwaffer. Es —** bitter falzig, it Hell u. 
flar, von gelblicher, in's Grünliche fpielender Farbe u. Bat eine Temperatur von 
7° R. Eeine Hauptwirkung iſt eine reizende, auflöfende, ſtark abführende, Häufig 
waͤſſerige Ausleerungen veranlafiende, die Abs u. Aucfcheidungen bes Lebers u. 
Gebaͤrmutterſvſtems bethätigende, das Gefaͤß⸗ u. Muskelſyſtem Tühlend sfchwä- 
chende, bie Säftemifchung verbünnende u. umändernde, die vollbiütigen u. phleg- 
matiichen, zu Blutandrang nad) Kopf u. Bruß vorzugewelle geneigten, ober an 


[1 


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Yuerpuralficher — Pufendorf. 539 


Berſchleimung u. Trägheit bes Darmkanals leidenden Organismen bei paſſender 
u. nicht zu lange fortgeſezter Anwendung beſonders gut bifommt, aber nerpöfen, 
ſchwaͤchlichen u. blutarmen Gonftitutionen, oder an Schwäche der Berdauungsors 
gane leidenden Subjekten durchaus nicht zufagt. Vorzugsweiſe nüglich erweist ft 

Gebrauch des P. B.s bei Beliblütigfeit u. vermebrtem Blutandrange n 
Kopf oder Bruftz bei Stodungen im Unterleibe u. Blurüberfüllung in demfelben 
u. ben hieraus _hervorgehenden Krankheitszuſtaͤnden; bei chronichen Hautausſchlaͤ⸗ 
gen, infofern fie auf vermehrtem Blutandrange nach der Haut im Allgemeinen, 
oder nach einzelnen Hautftellen beruhen; bei chroniſcher Etublverflopfung u. ber 
in dee Schwangerſchaft vorfommenden; bei cheumatifchen u. gichtifchen, aus Voll⸗ 
bluͤrigkeit — angenen Leiden; bei Geſchwuͤlſten u. Verhaͤrtungen im Druͤſen⸗ 
Lymph⸗ u. Haut eine: bei entzündlichen u. gaftrifchen Fiebern u. f. w. — 2—3 
Bedyer, in cbenfo viel Stunden u. de6 Morgens nüdtern, oder des Abents ges 
nofien, reichen in der Regel zur gewünſchten Wirkung aus. Der Gebrauch dieſes 
Waſſers erfordert nicht, wie die meiften anderen Diineralwafler zu ihrer Ver⸗ 
bautihtei Körperbewegung u. hat deßhalb vor diefen ben Vorzug bei bettlägerts 
gen Kranken. 

Buerpuralfieber, 1. Kind bettfieber. 

Puſtrich, ift der Name einer metallenen, inwendig hohlen, etwa eine Elle 
Hoden und einem didbadinen Jungen gleichenden Figur, weldhe 1552 auf bem 
Schloße Rothenburg bei Kelbra gefunden wınde u. jezt in Sondershauſen aufs 
bewahrt wird. Einige Alterthumoforſcher halten fie für ein forbiiches oder thuͤring⸗ 
iſches Goͤtzenbild; nach Anderen war fie bloß eine Branntweinblafe. Vgl. Bertram, 
Nachricht von dem P., Sondershaufen 1811. 

Hütter, Johann Stephan, ein ausgezeichneter Etaatsrechisichrer, geboren 
1725 zu Iſerlohn, bezog, mit einem Schatz von Eprachkenntniſſen ausgerüftet, ſchon 
im 13. Jahre die Univerfität Markurg, dann Halle u. Jena, wo er an Eſtor 
einen Freund fand, mir bem er 1742 nad Marburg ging. Hier befdyäfiigte ihn 
theils Unterricht, theils bie jurifiiiche Praxis. Den Gang ber Geſchaͤfte ſelbſt 
lernte er in Weplar, Regenspurg u. Wien fennen und trat old Xehrer 1746 in 
Goͤttingen ein, wo er 1807 ſtarb. Bon ihm unter anderen: „Auscrlefene Rechtes 
falle" (16 Bde., 1760—1809) ; „Hiſtoriſche Entwickrlung der heutigen Staats» 
verfoflung, bie beutfchen Reichs“ (3 Bde., 3. Auflage, 1798) 5 „Selbkbiographie“ 
(2 Bde, ) 

BYufendorf, Samuel, Freiherr von, ein berühmter Public u. Staats, 
mann, geboren in dem Dorfe Floͤhe bei Ehemnig 1632, der Sohn eines protes 
ſtantiſchen Predigers, ſtudirte zu Leipzig und Jena und wurde Hofmeifter bei 
dem fchwediichen Geſandten Goyet zu Kepenhagen, mit deſſen ganzer Familie ex 
zur Zeit des ſchwediſch daͤniſchen Krieges in 8 monatliche Gefangenſchaft geriet. 
1664 wurde er zu Heidelberg Profeſſor des Natur⸗ u. Völkerrechts, welches bie 
erſte Aniverfität in Deutfchland war, wo ein Lehrftuhl in diefem Fache errichtet 
mwurbe. 1670 ernannte ifn Karl XL von Schweden zum 1. Profeſſor ber Rechtes 
wiſſenſchaft auf feiner neu errichtete Univerfität zu Lund. 1678 folgte er einem 
Rufe ale Hiſtoriograph u. Staatsſekretaͤr nach Stockholm. Seine Geſchichte de 
robus suecicis haite Ihm aber in Schweden fo viele Feinde zugezogen, daß er 
1686 mit Bewilligung bes Königs von Echweben als geheimer Rath, Hiftorios 

raph u. Beifider des Kammergerichts zu Berlin in die Dienfte des großen 

mfürften Friedrich Wilhelm von Brandenburg trat. Einen Ruf an die neu ers 
richtete Univerfität zu Halle fchlug er aus. 1694 erhob ihn KaılXl. von Schweden 
in den Freiherrnſtand u. ſchon am 26. Okt. defielben Jahres frarb er. P. war 
einer der vadienfivolften Gelehrten des 17. Jahrhunderts, ber ſich um mehre 
Zweige ber Gelehrſamkeit unfterbliche Verdienſte erwarb, befonder6 um das Naturs 
u. Bällerreiit, befien zweiter Schöpfer er wurbe, nachdem Hugo Grotius ben 
Grund ‚gelegt hatte. Ausgeruͤſtet mit claſſiſchem Wiſſen, Geſchichte und Mathe⸗ 
matit, prüfte er feine Vorgänger, fuchte ihre Fehler zu vermeiden u. brachte ein 


. 


310 Pugatſchew — Pulcheria. 


Syſtem zu, Stande, das großen Beifall erhielt u. wegen ber Vollſtaͤndigkeit, beſ⸗ 
fern Ordnung im Ganzen unb Deutlichkeit dem Werke des Grotius vorgezogen 
wurde, ob es gleich baffelbe nicht ganz verdraͤngte. Der Grundſaß ber 

tät iſt die Bars feines lichtoollen, mit ben Redtöbegriffen überein enden u, 
auf die bürgerliche Berfaffung anwendbaren Syſtems. Werfe: Elementa juris 
universi, Haag 1660; De jure naturae et gentium, Lund 1672; De officio ho- 
minis et civis, ebd. 1673 u. öfter. Im Kirchenrechte machte er durch fein Wert 
De habitu rel. christ. ad vitam civ., Bremen 1687, 1727, und im Staatsrechte 
durch fein berühmtes, unter dem Ramen Severin be Monzambano edirtes Wert 
De statu imp. germ. ad Laelium fratrem liber., 1667 u. öfter, Epoche. Auch 
dem Hiftorifchen Unterrichte gab er durch Berbindimg ber Geographie u. Statiflif 
mit der Gefchichte u. durch esiehung ber Begebenheiten auf Politik, eine neue, 
das Studium wefentlich veredeinde Richtung: „Einleitung zur Gefchichte ber vor 
nehmften Reiche u. Staaten in Europa”, 3 Thle., Frankfurt 1682 u. öfter, aud 
fortgefebt von Dhlenfhläger daſelbſt, 1746, 4 Bde. Andere gehaltreiche 
Werte B.8 find: Comment. de rebus suecicis, Utrecht 1676, Frankfurt 1705; 
De rebus a Carolo Gust. gestis, Nürnb. 1696 , 2 Bbe.; De rebus gest. Frie- 
dricd Wilh. M., Berlin 1695, 1733, 2 ®be,; De rebus gest. Friedr. III., ebd. 

u. v. a. 

Pugatſchew, Jemeljan oder Jemelka, ein berücdhtigter Koſack, geboren 
1726 in dem Dorfe Simoweisf am Don, verbrachte feine Jugend unter Rau 
ben und PBlünbern, diente im 7Tjährigen Kriege bei der preußiichen, bann bei 
bee Öfterreichifchen Armee, kehrte 1762 nach Rußland zurüd u. zeichnete ſich 1769 
in mehren Befechten gegen die Türken burch Tapferkeit u. Muth aus Gein m: 
rußiger Geiſt verleitete ihn zu Meutereien u. Empörungen u. im September 1773 
elang es ihm, der fich jet für den verflorbenen Kaiſer Peter II. ausgab, einen 
Heft en Aufruhr der Kofaden in den ruffifchen Provinzen am Jaik zu ge 
ber fich durch das Orenburg'ſche u. Kaſan'ſche verbreitete, nachbem die Bafchfiren 
u. andere nomabifche Stämme ſich dazu gefchlagen hatten. Lange verteidigte fi 
P. mit einem wilden Muthe gegen die ruſſiſchen Truppen, welche gegm ihn aus; 
gelandt wurden, machte immer größere Broberungen, und der Aufruhr wurbe 

ußerſt gefährlich, als er ſich Moskau näherte, wo der gemeine Mann fidh gewiß zu 
ihm geichlagen Hätte. Er wurde aber enblid von dem Oberften Michelfon bes 


fliegt, fiel in defin Hände u. wurde den 10. Januar 1775 qualvoll Kingerichtet. 


Bol. Putchkin: „Geſchichte des Pichen Aufruhrs“ (deutſch, Stuttg. 1840). 

Dugtlatus, ſ. Sauftfampf. 

Pulcheria, die Heilige, Kaiferin, geboren 309, war eine Entelin Kaifers 
Theodoflus des Großen u. eine Tochter des Kaiſers Arkadius und ber Euboria. 
Ir Bater farb im Jahre 408, nach einer Regierung von 30 Jahren u. einigen 

onaten, als ein ſchwacher Fuͤrſt, der allezeit Durch fein Weib u. feine Kaͤmmer⸗ 
linge beherrfcht worden war, Er hinterließ einen Sohn von 8 Jahren, bem er 
den weifen u. tugendhaften Anthimus, ben ſtandhaften Freund ber HH. Aphra as 
tes u. en oKRomus, ald Bormund beftimmte. P., die beinahe eben fo jung 
war, als ihr Bruder, zeigte früher ſchon geore Anlagen zur Tugend und Froͤm⸗ 
migfeit, Am 14. Juli 414 ward fie zur Augufta erflärt, um mit ihrem Vru⸗ 
ber bie Faiferlihe Würde zu theilen, u. fie übernahm felbft, obgleich nur 2 Jahre 
älter, al8 er, die Sorge Fir defien fernere Fralefung. Die gluͤcklichen en, 
welche fie von Natur empfangen hatte, erſetzten bei ihr den Mangel an Erfah» 
rung. Sie gab ihrem Bruder bie tugendhafteften Lehrer u. firebte vorzüglich das 
bin, ihm tiefe Gefühle für Frömmigkeit einzuflöfien; denn fie hatte bie Ueberzeng⸗ 
ung, daß die fchönften Gaben ohne Religion unnüß und nicht felten joger hoöchſt 
gefaͤhrlich find. Sie lehrte ihn mit glühender Andacht beten, Alles lieben, was 
auf den Gottesbienft Bezug hat, u. mit Eifer die Lehre der katholiſchen LKirche 
vertheidigen. Man kann mit einem Worte fagen, daß ber junge Kaifer alles 
Gute, was er befaß, feiner Schweſter zu verbanten hatte u. daß es ein fehler, 


A 


Yulderla. 54 


oder vielmehr ein Mangel feiner Gemüthsanlagen war, baß ihn nicht mehr gute 
Eigenſchaften fhmüdten. Eben fo forgte auch P. für die Erziehung ihrer zwei 
Schweftern, bie unter ihrer Leitung ſtets auf dem —— voranfchritten. 
Das Verlangen nach der höhern Volltommenheit bewog bie junge Kaiferin, bas 
Gelübbe der Jungfrauſchaft abzulegen, worin ihre Schweftern ihr nachahmten, 
die auch an allen ihren anderen guten Werfen Antheil nahmen. Sie genoffen & 
meinfchaftlich ihre Nahrung und verrichteten vereint —* ern ie 
übrige Zeit wibmeten fie der Eclernung ernfter und nüglichee Wiffenfchaften ober 
für ihr Geſchlecht geeigneter Arbeiten. P. verließ nie ihre Schweſtern, als wenn 
Stantögefhäfte es erforberten, wobei fe jedoch in ihrem Herzen eine ungeftörte 
Einfamfeit ſich zu bereiten wußte. Sie übte Bußwerke u. Andachtsübungen, bie 
fonft an den Höfen der Großen nicht gekannt find. Der Eintritt in ihre u. ihrer 
Schweftern Gemach war allen Berfonen bes männlichen Geſchlechts unterfagt: fo 
fehr fürchtete die fromme Kaiferin fogar den Schatten ber Gefahr. Sie fah und 
ſprach die Männer nur im Oeffentlichen. Der faiferliche Palaft war unter ihrer 
Aufficht an ſtrenger Zucht u. Ordnung einem Klofter nicht unaͤhnlich. Ihre Ent- 
ſchließungen waren allegeit das Ergebniß ber reifften Berathungen mit weiſen u. 
tugenbhaften Männern ; die Befehle, die fie demnach ertheilte, mußten ohne Vers 
zug vollzogen werben, wobei fie jedoch nie anders, ald im Namen ihres Bruders 
handelte, damit die Ehre aller Unternehmungen, bie immer zum Ruhme bes Reis 
ches waren, auf ihm zurüdfiele. — Man bewunberte an ihr eine nicht gemeine 
Kenntniß der griechiſchen u, lateiniſchen Sprache; ber Gefchichte war fie vollfom- 
men fundig und erfahren in den verſchledenen Zweigen ber Literatur; darum ers 
klaͤrte fie ſich immer als Befchügerin ber Künfte u. Wiſſenſchaften. Weit entfernt, 
die Religion ber Politif dienſtbar zu machen, bezog fie vielmehr alle Unternehmungen 
u. Plane auf Gott und dabei ging Nichts dem Wohle des Staates ab. Allen 
Empörungen wußte fie flug zuvorzufommen; mit ben benachbarten Staaten un—⸗ 
terhielt fie den Frieden u. fuchte unermüdet in ben ihrer Herrſchaft unterworfenen 
Ländern, wo ber wahre Gott noch nicht angebetet wurde, befien Kenntniß zu ver⸗ 
breiten. Nie glängte die Tugend fo ſchön im Morgenlande; nie waren bie Völ— 
fer glüdlicher u. niemal war ber römifhe Rame fish in fremben Ländern mehr 
ehrt, als da P. das Ruder des Staates führte. Als ihr Bruder Theodo: 
Pe fein 20. Jahr erreicht Hatte, war fie bedacht, ihm eine feiner würdige Gat- 
tin zu fuchen und warf deßfalls ihre Blide auf Athenais, bie Tochter eines 
athenienfiſchen Philoſophen, die durch eine vortreffliche Erziehung fich auszeichnete. 
Diefe war an den Hof gekommen, um ihres DBaters Teftament, wodurch fie ent⸗ 
erbt worden, für ungültig erklären zu laffen u. ward fowohl wegen ihrer Schön: 
heit, als ihrer trefflichen Geiftesgaben, allgemein betwundert. Da fie in bem Heis 
benthume erzogen war, empfing fie zuerft die Taufe und erhielt den Namen Eu— 
doria, worauf fie 421 mit Theobofius vermählt und zwei Jahre fpäter zur 
Augufta erflärt wurde. — Bis dahin hatte PB. immer noch das Staatsruber 
elentt; allein ihre Macht erregte bald die Eiferfucht der Eudoria, bie, unters 
Müpı durch die Ränfe des Kämmerers Chryſaphius, bed Kaiſers Günftling, 
fie zu verdrängen fuchte, was ihr endlich aud nad der Verdammung des Ne: 
Rorius gelang. Theodofius, von Natur ſchwach u. unthätig, ging Anfange 
nicht in ihre Plane ein; zuletzt aber ließ er fih dennoch gewinnen, und befahl 
dem hi. Patriarchen Flavian von Konftantinopel, P. zur Diafoniffin feiner 
Kirde zu machen. Der hl. Biſchof fegte dieſem Anfinnen die fräftigften Gründe 
entgegen, wurde aber nicht gehört. Da er bemnad ben Kaifer feit auf feinem 
Entfhtufe beharren fah, entfernte er fi w. ließ heimlich SB. von ben böfen Ab- 
fihten ihrer Feinde in Kenntniß feßen. Die fromme Fürftin zog ſich baher auf 
das Yand zurüd, um ihre übrigen Lebenstage in ftiller Verborgendeit zuzubringen. 
Ihre im Jahre 447 erfolgte Zurückziehung war eine Quelle des Unheils für 
Staat u. Kirche. Eudoria u. Ehryfapdius wurben, um fi an bem heili— 
gen Flavian zu rächen, beffen bittere Verfolger, indem fie fh au Gurken des 


542 Pulcheria. 


Eutyches, deſſen Irrthümer verdammt worden waren, erflärten u. die in Epfefus 
im 3.449 verübten Bewaltthätigfeiten beff ügten. Auf ihr Anftifien erließ au Theo 
doſius eine Verorbnung, wodurch er Alles, was die Ketzer gethan batten, gut 
hieß. — Die kaiſerliche Schweſter banfte Bott für die Ruhe, welde fie tn ihrer 
Aogeſchiedenheit genoß u. beſchaͤftigte fich einzig nur mit Reltgionsübungen. Man 
hörte fie weder über ben Undank ihres Bruders, noch über die Gemwualtthätigkeiten 
der Kuiferin, die ihr BoH ihre Erhebung zu verdanken Hatte, noch über bie Uns 
erechtigk.it der erſten Etaatebiener Klage führen. Wenn Etwas fie beunrußigte, 
o war e8 dee Gedanke an die dem Eraate und der Kirche drohenden Gefahren; 
auch Hatte fie inniges Mitleid mit ihrem Bruber, ber durch übert:iebene Leichtgläubig- 
keit den Abfichten der Boͤſen fi hingab. Mit tiefem Gchmerzgefühle ſah fie das 
Uebel mit jebem Tage fteigen, bis fie der Bapft Leo endlich durch Briefe auffors 
derte, demfelben ſchleunige Abbülfe zu fchaffen. Entſchleſſen, ben lehten Berfud 
zur Rettung des Etaates u. der Kirche zu macyen, trat fie daher endlich aus der Abge⸗ 
ſchiedenbeit hervor u. begehrte an dem Hofe, vor den Kaiſer gelaffen zu werben, 
Dieß wurde ihr gewährt u. fe ſprach au ihm mit foldher Kraft, daß er, fogleih 
die Augen öffnerd, mit Schauder den Abgrund erblidte, an befin Rund man ihn 
gerüßrt hatte, u. den Ehryfaphius, zur verdienten Strafe feiner Berbredhen, zum 
ode veruriheilte. — Als Theodofius 29. Juli 450 farb u. Eudoria fid 
nah Paläſtina zurüdiogn, ward P. die Gebieterin des morgenländifchen Reiches, 
Um ihr Anfehen zu befeftigen, glaubte fie e8 mit Marcian, einem geborenen 
Illyrier, theilen zu muͤſſen. Dieſer war ein im Kriegsweſen ſehr erfahrener 
Mann, der mit einer tiefen Geſchaͤftskenntniß einen glühenden Eifer für den Tas 
tholifchen Glauben , feltene Tugenden und eine außerordentliche Liebe genen bie 
Armen verband. Als P. diefem ihre Hand bot, erklärte fie ihm zugleich ihr ges 
thanes Geluͤbde, in der Jungfraufchaft zu Ichen, und beide kamen überein, daß 
ihre Berehelichung biefes nicht beeinträchtigen folle. Diefe zwei großen Seelen, die 
miteinander nur nach einem Ziele fteebten, bemühten ſich fortan unabläßig. ihre 
Untertbanen glüdlich zu machen u. das Aufblühen der Religion und Froͤmmigkeit 
zu befördern. — Als der Papſt Leo vier Legaten nad Konftantincpel ſandte, 
wurden dieſe von bem Kaiſer und der Kaiſerin mit großer Freude aufgenommen. 
Ihr Eifer für bie Rechtgläubigkeit erhielt von dem Hl. Papſte u. von bem Eon 
cilium von Ghalceton, welches 451 bie eutvchianiichen Arriehren verbammte, bie 
verdienten Lobſpruͤche. Mit ihrem ganzen Anfehen drangen fie im ganıen Mor 
genlande auf die Bollziehung ber Beſchluͤſſe dieſes Conciliums, wobei fie aber 
viele Schwierigkeiten durch die in Aegypten u. Palaͤſtina wohnenden Srrgläubts 
gen fanden. Die fromme Kürftin gründete viele nuͤtzliche Anftalten und ſtiftete 
mehre Spitäler, die fie mit beträchtlichen Einkünften ousflattete, In eine ber 
von ihr geftifteten Kirchen fchenfte fie das berühmte Bild der allerfeligften Jung⸗ 
frau, welches ihr die Kaiſerin Eudoria von Jeruſalem gefchidt hatte u. das man 
für eine A.beit des Hl. Lukas hielt, Die Staatsıngelegenheiten hinderten fie 
nicht, ihrer Andacht zu pflegen; denn fie benügte alle ihre freien Augenblide zum 
Beten, Lefen u. zum Befuche der Armen, welche fie oft mit eigenen Händen be 
diente. Die fromme Kaiferin, die während ihres Lebens die Beſchuͤtzerin ber 
Kirche u. die Mutter der Armen war, gab durch ihr Teftament auch diefen alle 
ifre Guͤter, worüber fie frei verfügen konnte. Sie farb am 10. September 453 
in ihrem 69. Lebensiahree Marcian, puͤnktlich das Teflament feiner frommen 
Gemahlin vollziehend, feßte die von ihr angefangenen guten Werke fort und be 
wies ſich als einen treuen Nachahmer aller ihrer Tugenden, bis er am 26. Jaͤn⸗ 
ner 457 in dem 65. Jahre feines Lebens u. dem 7. feiner Regierung mit ibr im 
Reiche der Seligen vereinigt wurde. Sein Andenten wird wegen ber Dienfte, 
bie er der Religion gelciftet hat, von allen Jahrhunderten gefegnet werden. Die 
Griechen u. LZuteiner verehrten die hl. P. am 10. September und mit der Benen- 
ker am fran. Papſt Benedikt XIV. hatte eine beionbere Andacht zu bie 
gen, 


Pulci— Puls, 543 


el, Luigi, ein italieniſcher Dichter, geboren 1431 zu Forem Freund 
n Lorenzo de Medici u, Angelo Poliziano. Sein Epos: „Mi — 
zenedig 1481), zeigt viele Phantaſie, entbehrt aber einer künftlerifhen Anord⸗ 
een ftarb 1487. Seine Brüder, Bernardo und Luca, waren gleiche 
er. E 
Pulcinella (polichinel, fr.); eine italienifche Theatermaste, die aber auch 
i allen Volfsfeften, beionders im Garneval, erfdeint, Sie ift offenbar eine Mor 
Afation einer Altern Masle. Denn der P. als Marionette befteht ſchon feit 
ibenflicher Zeit, war von ben Zigeunern im ganzen Driente verbreitet und von 
a Hebräern fogar als Kinderfpielzeug nach Aegypten gebcacht. Als Schaufpier 
erſcheint er bei den Römern unter dem Namen Maccus, ben Kopf in eine 
loffale grotesfe Maske gehült, auf fehr hohen Sandalen, in einer Tunifa und 
jedem Mundwinfel ein filbernes Glödchen. Die ftebende Form befielben war 
c böderig geftaltete Kopf, die Übergrofe, nad dem Munde zugefpigte Nafe u, 
t Budıl auf Bruſt u. Rüden. Größtentheild in groteöfer Weile finden fir 
1, als Luſtigmacher, noch auf ber italienifhen Bolfsbügne, nur ift feine Klel— 
ng beftimmter geworden. Drei Biertheile des Geſichts find nämlich mit einer 
warzen Maske bededt, auf dem Kopfe hat er eine, ihm ausſchließlich gebuͤhrende, 
eißwollene Müge mit einem rothen Büfcel, um den Hals eine Leinwand» 
uife, ein weißwollenes Oberfleib mit weiten Nermeln, ein dergleichen Beintleib, 
f jenem Oberfleide noch Herzen von rotbem Tuch und um den Leib ein Haare 
U oder einen ſchwarzen Ledergürtel. Das Original von biefer italienifchen 
aete fol ein mißgeftalteter, aber luftigefatyrifcher neapolitanifcher Bauer Puecio 
Nniello geiweien feun, der, in eine Schaufpielerbande getreten, bald ber Liebling 
3 Publifums wurde, Eine andere Verfion nennt ald Typus dieſer Masfe eis 
n mißgeftalteten neapolitanifchen Poſſenreißer Paolo Einielo, von feinem in 
:apel wohnhaft neweienen franzöflichen Herrn Bıul Chinel (Polichinel) genannt, 
ıblich ift die Vermuthung aufgeftelit, daß Pullicennus, ein junges Sum 
8 Stammwort feyn fönne, weil die gebogene Naſe des P. faft wie ein Thler⸗ 
nabel ausfieht und feine fehnarrende Stimme dem Krähen eines Hahns nicht 
ye unähnlid if. Rogquefort leitet Die Benennung ebenfalls ven pullus ab. 
16 dem P. und Harlefin wurde der Pierrot (f. d.) zufammengefegt, 
Bulo-Pinang, ſ. Prinz Walesinfel 
Puls, nennt man den durd die Fortbewegung des Blutes in ben Schlags 
ern veranlaßten Anſchlag; biefer if vermittelt einerſelts durch bie ſprungweiſe 
ıfammenziehung ber legeren, anbererfeit8 durch jene ber Herzkammern, vorzugss 
Afe der linfen. In ben gerade laufenden Schlagabern befteht dieſe Bewegung 
»s in einer einfachen Erweiterung, bei den gebogenen dagegen ift noch eine Art 
eraderichtung bamit verbunden. Wahr nimmt man den P. bei ganz obers 
tt verlaufenden Schlagadern durch's Geficht; am beften aber bei ſolchen, die 
Knochen liegen, durch's Gefühl. Tie Pulslehre (Spygmologia) unters 
bet den Arzt über die normalen u. regelwidrigen Bewegungen bes Herzens u. 
re Schlag⸗, jo wie ber Blutabern, d. i, über diejenigen Eymptome bes Kreis: 
afs, die ſich zunächft auf einzelne Organe deſſelben, oder auf die Wechſelwirkung 
iſchen dem Blute und feinen Gefäfjen beziehen u. den Zuſtand ber Lebensthä— 
‚feit im Blutgefäßfyftem dartfun. Dieſelbe hat folgende Beziehungen zum Ge— 
nftande: die Anzahl ber Pulsſchläge innerhalb eines gegebenen Zeitrau— 
:8 flimmt genau mit jener ber Herzichläge zufammen u. wird an ben, bem Her—⸗ 
ı nahe liegenden, Schlagadern gleichzeitig, an ben entfernter gelegenen um 3 —4 
efunde fpäter wahrgenommen ; zugleich wird fie mobificirt durch eine Menge 
n Ginwirfungen , unter welden bie Verſchiedenheit des Lebensalters fehr bes 
erklich iſt. Co Hat der Menih als Fötus 140 — 150, als neugeborenes Kind 
0 — 140, im erften Lebensjahre 120, im 2ten 108, im Iten 95, im 7ten 85, 
© Zeit der Mannbarfeit 80, ale Erwachſener 75 u. im Greijenalter 60 — 50 
läge in der Minute. In Anfehung der befonbern Belhaffenkeit hes 


544 Vultadergeſchwulſt Pultawa. 


P. es kommt vorzugoweiſe die Blutmenge in Betracht; iſt dieſe groß, fo iſt *3 
rund, vol u. leiſtet dem Finger Widerſtand; iſt fie Dagegen gering, fo iſt ber P. 
Hein u. läßt fich leicht zufammenbrüden. Weberfteigt der P. in Bezug auf bie 
Schläge in einer beflimmten Zeit das Normalmaß, jo Heißt man ihn Häufig; bam 
if er Erfcheinung von Fieber oder momentaner, bald pafliver (falfcher), bald alti⸗ 
ver (wahrer) Erregung. Im umgekehrten Falle iR der P. felten und Folge 
direkter Schwäche bes Blutlebens ober der Herabflimmung der Relzbarfeit bes 
Herzens. Stimmen die P.ſchlaͤge in Bezug auf Stärke, Raums u. Zeitverhält 
nis vollfommen mit einander überein, fo nennt man. dieß einen gleidhen ode 
gleihmäßigen, im umgefehrten Kalle einen ungleichen P. Jener if nor: 
mal u. bei Krankheiten fo ſtets guͤnſtig; diefer aber fommt vor: bei Störungen 
u. Hinbderniffen in der Bluteiraslation, allgemeiner oder örtlicher, wahrer Bollbli- 
tigkeit, mechanifchen Fehlern im Herzen u, in ben groben Gefäßen in ungleider 
Reizbarkeit der einzelnen Nervenpartin. Ein ftarfer P. zeugt von teamvolle 
ufammenziehung und Auebehmung bes Herzens und hinlänglicher Freiheit bes 
reislaufs, oder deutet auf Blutreichthum, fo wie auf defien Reichhaltigkeit an 
Eruor u. Faſerſtoff. Er kommt vor bei vollfommener Geſundheit, ober bei ent 
zuͤndlicher Befchaffenheit des Blutes u. man erkennt denfelben an dem verhältniß- 
mäßig großen Widerſtande, den ber Inhalt der mit dem Finger gebrüdten Über 
erleidet. Hart ift ber P. meiftens unter demjelben Berhältniffe, wie ber ſtarlke, 
er Tann aber auch auf vermehrter Reizung oder auf Verknoͤcherung ber uch 
faͤßwendungen beruhen, wie lebteres im Hohen Lebensalter Häufig ber Fall if, 
Weich nennt man dagegen ben P., wenn bie oft fehr große Blutwelle mit er 
geringer Kraft gegen den zu fühlenden Finger anfchlägt u. fich Leicht nieder 
den läßt. Derfelbe ift dem jugendlichen Alter, zarter Organifation des Körpers 
u. dem phlegmatiien Temperamente eigen u. kommt bei Schwächeftanfheiten ober 
gebundener Xebensthätigkeit vor. Der ſchwache P. ift dem ftarken in Urfachen 
u. Eigenheiten gerade entgegengefebt und ein Zeichen allgemeiner wahrer Lebens 
chwaͤche, oder von mehanithen Hinderniffen im Kreislaufe. Groß erfcheint de 
. beim Einftrömen einer bedeutenden Welle gutgearteten Blutes in bie Schlag: 
abern u, deren ungewöhnlicher Anfülung mit demfelben. Er ift die le, 
von Kraft, Blutreichtfum u. ungehindertem Blutumfluß und befundet bei Fr 
heiten, wenn er fi aus einem Kleinen u. harten P. entwidelt, die Löfung bes 
Krampfes, bei Entzündungen Sertdeilung u. Ausgleihung des Blutumfluffes, fo 
wie den Eintritt der Kriſe durch Schweiß. Der Fleine ER in Weſen u. Korm 
das Gegentheil des großen, kommt vor bei Weibern und Männern von eu 
ſchwaͤchlicher Eonftitution, bei wahrer u. falfcher Lebensſchwaͤche, nach bedeuten, 
den Säfteverluften, oder bei ungleichmäßiner Blutvertheilung u. Vollbluͤtigkeit, oder 
Entzündung einzelner Drgane oder bes Gefammtorganismus, bei materiellen Reis 
zen oder nervöfer Reizung in den Berdauungsorganen. Beide unterfcheiden ſich 
dadurch, daß die Schlagader während ber Ausdehnung einen großen, beim klei⸗ 
nen PB. dagegen einen jehr geringen Umfang einnimmt u. die Ader faum fühlbar 
wird. Zufammengezogen heißt der P., wenn er Klein u. ungleich erfcheint, 
wo die Zufammenziehung des Herzens u. der Schlagabern die Ausdehnung über 
wiegt. Bollnennt man den P., wenn das in die Schlagabern getriebene Blut ſich 
nicht in einem Strome fortbewegt u. diefe an ber unterluchten Stelle nie biutleer 
wird, Er ift eine Erfcheinung der Vollblütigkeit. Beim leeren P.e dagegen 
find In Schlagadern durch eine zu Kleine und ſchwache Blutwelle zu wenig aus 
gedehnt. u. 
uldadergefhwulft, ſ. Aneuryoma. 
ultawa oder Poltawa, Hauptſtadt bes ruſſiſchen Gouvernements gleiches 
Namens (850 [J Meilen mit 1,650,000 Einwohnern), am Einfluße ber P. in bie 
Worska, ift von alten Befeftigungswerken umgeben, Sig ber Provinzialbehoͤrden 
und eines Biſchofs u. Hat 16,000 Einwohner, welche ftarten Kirfchenbau, Brannts 
weinbrennerei u. ausgebreiteten Handel, felbft bis Konftantinopel, treiben. Die 


Pultust — Pulver, 345 


5tabt hat 9 Kirchen, ein Gymnaſium, eine Cadettenſchule für 400 Zöglinge, eine 
reisſchule u. aufdem Marktplape ein jhönes Denkmal Peters bes Großen. — P. 
ar früher. Hauptort, eines ruſſiſchen Fürſtenthums u. ſchon unter Rurik eine 
‚che und mächtige Stadt. Nach der Theilung Rußlands unter die Söhne Wla- 
Imirs 1012 erhielt es einer: von. diefen. 1076 fiel hier eine Schlacht wiſchen 
m Preußen und Polen vor, worin lehtere Sieger waren. Befonbers merkwürs 
ig in der Gefcpichte if aber P. geworben durch bie am. 1, Mai 1709 begonnene 
lelagerung ber Schweben unter Karl XIL und) Durch deren vollftänbige Niederlage 
ach bie Ruflen unter Peter dem Großen, dem 27. Juni 1709, deren Andenten 
u — ber Nähe ber Stadt (eine 20‘ hohe ‚Säule, oben mit dem ruſſiſchen 
jet) verewigt, 

Pultust, Kreisfladt in Polen, am Narew, mit 8 Kirchen, bifchöflichem Pas 
fe, Synagoge, Gymnaſtum u. 3000 Einwohnern. Hier 1703 unglüdlihe Schlacht 
r Sachſen unter ‚General Steinau gegen bie Schweben unter Karl, XIL, fowie 
u 26. Degember 1806 Treffen zwifchen Erangofen unter Lannes u, den Ruſſen 
ter Bennigfen u. 1807. zwifchen dem Kronprinzen Ludwig von Bayern us Dem 
fifchen ‚General Witgenftein. 

Pulver (pulvis) heißen im Allgemeinen alle ———— (Cauch gröberen) 
ubſtanzen; dann insbeſondere 1) trockene Körper, die zu aͤußerlichen u. je 
eilzweden, oder zu verſchiedenen Gebrauche (Pub -, Dinten-, Limonadens 1. P.) 
f mechaniſchem Wege in feine Theile zerlegt: werben. Arzneimittel in P.⸗Form 
men erft jeit-bem 15. Jahrhundert in Anwendung. Im: engften Sinne: nennt 
an P. 2) das Schieß-P., ein inniges Gemenge aus Salpeter, er und 
ohle. Diefe, auf mechaniſchenn Wege in den Sufand ber feinften Zertheilung 
brachten u. auf das innigfte vermengten, Subftanzen wirfen im Augenblide ber 
erbrennung mit großer Energie Hei auf einander ein u. bie babei hervor- 
henden gasförmigen Produkte. bringen durch die Spannung; bie. fie im rs 
icke ber ehung durch die Zufammenpreflung in dem engen Raume ber 
rmaffe u. durch die Erhöhung der Temperatur, von ber biefe Verbrennung ber 
eitet ift, erlangen, die befannten Wirkungen hervor. Die Zeit, die Art u. bie 
efindung des P.s werben noch immer heftig beftritten. Schon zu Ende des 13, 
ahrhunderts war in einer der wehrhafteften Communen Oberitaliens, in bem 
escianifhen Bal Kamonica ein Waffenfhmid u. Büchfenmeifter (bombardista), 
x glüßende Kugeln aus Mörfern fchleuderte oder ſchoß. Eifernes Feuer 
ist feine Erfindung in Chronifen u. Urkunden. Berona ſchloß 1280 einen 
‚und mit bem Grafen Meindard von Görz-Tyrol u. wies ihn an biefen Waf- 
nſchmid zur Verbrennung von Trient. Daß Roger Baco, (f. d.) bereits 
e Beftanbtheile des P.s genau gefannt u. angegeben habe, ift befannt, befhalb 
it er auch für den Erfinder des 86 in Europa. Ein Franciscaner-Mönd, Berch⸗ 
id Schwarz cf. d.) bradte es bei ben Benetianern in einem Kriege gegen 
Jenua in Anwendung (1380) u. aus diefem Grunde wird er auch von Einigen 
ir ben Erfinder des Prs gehalten. Schon früher (1343) brachten es die Mau- 
ın bei ber Bertheidigung von Algezira gegen Alphons, König von Caſtilien, in 
nwendung u. die Chinefen follen dasfelbe ſchon vor unferer Zeitrechnung gefannt 
aben. Im Anfange des 16. Jahrhunderts verfertigte man Kriegs⸗P. für Ger 
büge aus 4 Theilen Salpeter, 1 Theil Kohle u. 1 Theil Schwefel u. jenes für 
euergewehre aus 18 Theilen Salpeter, 3 Theilen Kohle u. 2 Theilen Schwefel, 
aberte aber biefe Verhältniffe im Laufe der Zeit vielfach ab, bie man endlich ben 
3.fa ober das Vermilhungsverhältniß der BeftandtHeile des P.s beftimmt feſt⸗ 
ste. Diefem zufolge fol das Verhältniß des Salpeter immer drei Viertheile 
:8 Ganzen, d. h. ber vermifchten Maſſe betragen ; der Schwefel u, bie Kohle 
llen aber jedes mit ber Hälfte des übrig bleibenden Bierteld eintreten, u. biefem 
emäß befteht das im Kriege verwendete Schieß-P., man fann fagen normal, aus 
5 Theilen Salpeter, 125 Theilm Kohle u. aus 124 Theilen Schwekel. Bel 
em nieberländifchen P. beträgt bie Ouantität Salpeter wohl ESDSN 


Wralenepclopabie. VAL. 


46 Pulver. 


indeß nehmen bie P. macher mehr Kohle, als Schwefel, u. man glaubt daburch die 
angreifende Wirkung des P.s auf die Waffen zu vermindern. Bielfache Verſuche, 
zu ermitteln, welche Quantität Kohle gerade hinreichend fei, eine beſtimmte Ouan 
tität Salpeter in ber kuͤrzeſten Zeit volflänbig zu zerſetzen, u. welche Ouantität 
Schwefel in einem foldhen Gemenge bie zwedmäßigfte für die verfchiebenen 2, 
Sorten ſei, brachten verſchiedene Heine Abweichungen hierin hervor. Die Berfertig- 
ung bes P.s in den PB. Mühlen zerfällt in verfchiebene Arbeiten. Bel jeber Art, 
welche man bei bee Berfertigung bes P.s befolgt, macht man immer ben anfang 
damit, die Stoffe der Beſtandtheile auszulefen, den ganz gereinigten Salpeter 
Schwefel in ganz feines P. zu verwandeln, die Kohlen auf das feinfte zu zer⸗ 
reiben u. dieſe Materien zu einem gewiſſen Satze ober in einem gewiſſen Meng⸗ 
ungsverhältniffe mit einander zu verbinden. Das Zerfleinern u. Untereinander: 
mengen ber Materialien verrichtet gewöhnlidh ein Etampfwerf. Die Etampfe 
befielben werben, wie bei anderen Stampfiverfen, in Gruben buch Däumlinge eis 
ner umlaufenden horizontalen Welle, meiſtens Waflerradwelle, emporgehoben mb 
fallen gleich Hinterher durch ihre Gewicht wieder nieder auf bie in ben Gruben 
liegenden Materialin. Gewöhnlich arbeiten zwei Stampfer in Einer Grube. 
Diefe dürfen aber, wegen ber Gefahr des Entzündens, unten nicht mit Eifen, über; 
haupt nicht mit Metall befklagen, auch die Gruben nicht mit Metall belegt ſern. 
Ein Futter von hartem Holze fünnen unten bie Etampfer u. ber Beben ber Gru⸗ 
ben enthalten; find biefe abgenügt worden, fo vertaufcht man fie leicht mit neum, 
Nach dem angenommenen Berbältniffe vertheilt man die Materialien in ben Gira 
ben und läßt dann die Stampfer angehen, welche innerhalb 25 Minuten bie Ma 
terialien zerftoßen haben werden. Run muß man aber, weil die Berftäubung an 
fängt, die Maſſe mit Waſſer anfeucdhten (1 Pfund auf 20 Bfund P.maffe). Ad 
3 Stunden muß man dieß wiederholen, aber mit etwas weniger Waſſer. Eine 
ftarfe Befeuchtung verſchlechtert die B.maffe, obgleich fie allerbings bie —** 
ung u. bie Gefahr des Entzündens mehr vermindert. In mehren P.⸗ FFabriken 
macht man von einem Walzwerfe, ftatt von dem Stimpfwerfe Gebrauch. Naͤullich 
Walzen von Marmor oder Granit laufen ebenfo, wie bei den hollänbifchen Oel⸗ 
wühlen, in einem freiöförmigen Kanale herum, zerbrüden die unter ihnen liegenbm 
Materialien u. vermengen fie. Ein Arm an der, um ihre Are gebrehten, ſenktech⸗ 
ten Welle enthält, außer dem herumrollenden Steine, auch eine hinterher fchleifenk 
Etange oder Schaufel zum Herausftreichen der Maſſe aus den Eden bes Kanals 
u. Wiebereinftreichen in die Bahn; ferner ein Gefäß mit Wafler, welches langſan 
auf die Pulvermaſſe tröpfelt. Allerdings hat man bei foldhen Walzenmuͤhlen nicht 
ſo leicht die Gefahr des Entzündens zu befürchten, auch verfäuben fie nidht fo 
viel, Aber das Untereinandermengen geſchieht nicht fo fräftig und vwollftändig, 
wie bei ben Etampfmühlen. Das meifte Unglüd bei P.⸗Muͤhlen (Yuffliegen ber 
felben) kommt in den erfin 7 Etimden ber Bearbeitung vor unb zwar nicht fe: 
ten auch dann, wenn gar fein Metall in der Müple if, entweder wohl burd 
Erzeugung eines eleftrifchen Funkens, oder durch Zufammenpreflung von Luft bei 
der Vewegung ber Mühle. Am Beften wäre es daber auf jeben Kal, wenn man 
bie Materialien in den erſten 7 Stunden tur ein Walzwerk zerkleinern unb fe 
hierauf durch ein Etampfwerk unter einander mengen ließe. — Die P.⸗Maſſe wird 
nun geförnt, d. 5. in Fleine kugelrunde Körner verwandelt, welche nicht fo leicht 
feucht werden, nicht fo leicht verwittern, nicht fo von jebem ſchwachen e 
verweht werden, als das Mehl⸗P. Zu dieſem Körnen dienen pergamentene Si 
mit Fleinen kreisrunden Löchern, durch welche bie noch feuchte P.⸗Maſſe getrieben 
wird. Die Größe diefer Löcher richtet fich nach ber für die B., Körner befimm- 
ten Größe, weil dieſe fehr verichichen, gröber ober feiner, it. Der unter bem 
Walzwerke fertig gemachte P.⸗Teig kann fogleich geförnt werden; ber unter bem 
Etampfwerfe fertig gemachte ift noch zu feucht u. muß erſt noch, in Tücher ge 
ſchlagen, zu ber gehörigen Suangfeit Heprest werden. Das Sieb felhf kann vier: 
eig ober rund ſeyn. Sm erſtern Falle wird es von bem Muͤhlwerke durch Kur⸗ 


„0... 


Pulververfwörung. 7 
Eu, Lenkſtange hin⸗ und hergetrieben; Im andern Malle wird es durch Rab und 
etriebe oder durch Scheibe u. Rolle in Umdrehung gefegt, Eine Platte ober 
cheibe, die über ben P.⸗ gelegt wird, drüdt denfelben durch die Löcher des 
iebes in einen Kaſten. Weſenilich iſt jegt bag -Trodnen des Po. Es kann des 
ommers in freier Luft unter @lasfenftern gelgenen, aber auch durch Ofenwärme, 
obei das P. auf Tiſchen ausgebteitet iR, die mit grober Leinwand bededt find. 
a muß aber ‚der Ofen, befonders die oe fang deffelben zum Heizen, weit ger 
m dem P. entfernt feyn. Am ficherften iſt die Trodnung durch Heiße Dämpfe, 
# von einem bededten Keſſel aus: durch’ genau verſchloßene Röhren unter Kupfers 
atten geleitet werden, auf welchen bag a. llegt. Das Jagd-P. oder Puͤrſch⸗P. 
ittet man noch in einem um feine Are laufenden Faſſe, worin es ſich herumjigt 
an ben Wänden, an einigen mit der Are parallel angebrachten Stäben u. an 
d felber reibt. Hinterher wirb «8 gefiebt, um ben abgeriebenen BP.» Etaub das 
m'zu trennen. Das geglättete P. ſchmugt weniger ab, als bas ungeglättete, 
agt die Reuchtigkeiten weniger ein: ıt, behält fein Korn länger. Nur entzlindet 
ſich nicht fo Teiht u, aud feine Stärke fol ſich durch das Glätten vermin⸗ 
m. Die befte Farbe der Körner ſoll ein etwas rörhlich ſcheinendes Grau fenn, 
d war an allen Etellen gleich, wenn man Körner mit einem Meffer zerdrüct, 
itzündet man ein Kleines, auf weißem Papier liegendes P.rHäufhen oben mit 
ter Kohle, fo muß es ohne Praſſeln abbrennen, ber Rauch muß gerade in bie 
dHe feige, das Papier darf nicht verfenat werben u. auf demjelben bitefen 
ne ſchwaͤrzlichen Strahlen zurüdbleiben. Uebrigens probirt man die Stärfe 
3 BP. mit Kanonen u. Musfeten, An Beiteren, teodenen, nicht zu heißen Tas 
mu. an trockenen Plägen ftampft u. fpündet man das P. in moͤglichſt Dichte 
i#er ein: aber auch barin verwittert e8 in Jahr und Tag durch die im bie 
den u. Poren dringende Luft, fo daß man es mit der Zeit heraustäun, wieder 
sehnen u. fieben muß, was nicht möthig wäre, wenn man bie Faſſer inwendig 
t Zinn ober Zinkblech ausgeſchlagen hätte, — Befonders nothwendig iſt e&, 
: Nulverfabrifen vor Allem zu bewahren, was Anlaß zu Funken u. Keuter geben 
d Unalück durch eine dadurch entftehende Erplofton verbreiten fann. Mit kei— 
m Metalle und feinem Lichte fol man in die Mühle bineingehen; fie fol blos 
ın Holy erbaut und mit einem guten Bligabluiter verfehen fegn ; man foll nie 
ehr als 40 bis 60 Pfund P. auf einmal darin maden, das Rollen der P.s 
Aifer vermeiden u. lieber zum Porttragen Kiſten nehuien, auch die Fabrik mit 
nem Erdwalle umgeben, an welchem fih die Explofion bricht, wenn unglüdicher 
3eife eine ſolche entftehen follte. 

PBulververfhwörung Als Jakob I. cf. db.) 1603 ben Thron von Engs 
mb beftieg, hegten bie religiöfen Parteien, jede in ihrer Art, große Hrffaungen. 
Ye Katholifen erwarteten eine mildere Behandlung, als früher; bie ‘Buritaner 
‚fften die Einführung ihrer von Jakob ſelbſt vorher bekannten Lehre; die Hochs 
rchlichen endlich vertrauten darauf, daß ihre firdlichen Grundſaͤtze mit den pos 
tiſchen Jakobs übereinftimmten. Nur allein bie Iegteren fanden fich nicht ger 
iuſcht. Puritaner u. Katbolifen fahen ſich ſchwer verfolgt, beſonders bie leh⸗ 
ren mit harten Geldſtrafen beftändig bedroht, da Jakob feine habgierigen armen 
Schotten befonder8 auf dieſe Etrafgelder anwies. Bon Einem bieier Geplünder⸗ 
n ward nun, in Verbindung mit einigen anderen Kanatifern, 1605 die foges 
annte B. angezettelt, am der indeſſen bie britifhen Katholiken in Maffe eben fo 
nſchuldig waren, ald bie Jefuiten, benen man bie intellectuelle Urheberſchaft zus 
hob, und deren mehre die Härteften Etrafen, ja felbft die Todesftrafe erleiden 
weten. — Zehn Tage vor Eröffnung des Parlaments, 25. Dftober 1605, ers 
ielt nämlih Lord Mounteanle einen anonymen Brief, worin berfelbe gewarnt 
yurbe, an ber Eröffnung des Parlaments Theil zu nehmen, da dort ein Schlag 
eichehen würde, von bem man nicht wiflen werbe, von wem er kaͤme. Der 
koͤnig, bem biefer Brief übergeben wurde, kam darauf, daß dieſe Gefahr nichts 
Indercs fenn könne, als eine Pulvererplofton. Die Naht vor der tea ws 

R\ 


548 Pumpe — Punmpernidel, 


Parlaments den 5. Rovember 1605, wurben baher bie Souterrains unter be 
Oberhaufe unterfucht u. man fand wirklich einen Stollen von einem Kohlenma⸗ 
gazin aus unter das Haus vorgetrieben u, bort 36 Pulverfäffer unter Reisholz 
verſteckt. Ein verabfchiebeter Dffizier, Namens Fawkes, warb bei ber Mine 
angetroffen, bereit, das Pulver auf das erfie Signal in Brand zu ſtecken. Auf 
ber Folter um Mitfchuldige befragt, gab er 2 Edelleute, Catesby u. Percy, 
in deren Dienften er war, als Anftifter ber Verſchwoͤrung an. Diefe flohen nad 
der Grafſchaft Warwid, fanden hier einen dritten —— Digby, nd 
trafen ſogleich Anſtalten zum Auftuhr; von königlichen Truppen aber uͤberraſcht, 
waren fie zum Theil in tapferer Vertheidigung gefallen, zum Theil wurden fie 
gefangen u. Singerichtel Gleiches Schickſal Hatte ber Jefuitens Provinzial Bar: 
net, der im Beichtfiuhle Kenntniß von dem Complotte erhalten hatte, unb ber 
Jeſuit Didencorn. Die Hauptfolge aber war eine noch härtere Bebrüdung ber 
Katholiken, als zuvor, u. doch wurbe ſelbſt von englifchen Proteſtanten behauptet, 
daß bie ganze Verſchwoͤrung nur eine von Cecil angefiftete Spiegelfechterei war, 
um bem Katholizismus einen töbtlichen Streich beizubringen. Aber der Haß ber 
Mafle Hatte ſich einmal gegen die Katholifen gefehtt, denen nun ein neuer Un: 
tertfaneneib (of allegiance) vorgefchrieben wurde, worin der Sag von ber Gewalt 
bes Bapftes über die Könige ald gottlos u. Teberifch verdammt wurbe, ald wäre 
das Attentat der Kirchenlehre zur Laſt zu legen geweſen. Biele entzogen fid 
biefem Eide durch Auswanderung. Eine alljährliche Beier des 5. Novembers, de 
Tages ber Entdedung, wurde angeorbnet unb in der Liturgie ein Gebet um 
Schub gegen „graufame und biutdürflige Feinde“ eingefchaltet. “Der Strafcohr 
fiellte 1606 bie Recufanten den Ercommunizirten glei) u. verfügte gan e die 
Gonfiscation des beweglichen und £ bes unbeweglichen Vermögens, Berbannum 
oder lebenslängliche Haft. 

Dumpe Heißt im Allgemeinen jebe Maſchine, durch welche eine flüßige 
Materie in einer Röhre mittel des Aufs und Riederſtoßens eines barin feſt an: 
Ichließenden Körpers in bie Höhe gebracht wird. Es gibt Luft⸗P.n Ci. d.) u 
Waſſer⸗P.n, wie wir fie gemeiniglid über Brunnen angebracht jehen. !epter 
laſſen fih in 3 Arten abtheiln: in Saug⸗P.n, Druck⸗P.n und foldhe, bie 
beide Wirkungen, das Saugen und Drüden, zugleich in ſich vereinigen. Bei 
ber Druck⸗P. ift der Kolben unterhalb des Waflerftandes angebracht; bei be 
Saugs®P. aber oberhalb befielben und zwar auf einer Höhe, die nicht über 22 
Fuß fleigen, ja, noch unter dieſen Maße bleiben muß, weil der Drud ber U 
mofphäre nicht erlaubt, das Waſſer höher zu heben. Bei den vereinigten Saug; 
und Druckwerken fteigt zwar das Waffer wie in der Saug⸗P., aber ber Kolben 
it Hier voll, und wenn das Wafler bis an feine Baſis gelangt if, fo treibt er 
daſſelbe beim Herabſteigen wieber zurüd und zwingt es, in eine Seitenrößre zu 
treten. — Bei allen Pumpen muß der Kolben durchaus feft anfchließen, bamit 
weder Luft, no Waffer daneben durchdringen kann; er muß aber babei leicht 
aufs und niedergeftoßen werben fünnen, weil fonft die ftarfe Reibung theils vie 
Kraftaufwand erfordert, theild das Pns Werk befhädigt werben fann. Keine 
Subftanz ſchickt fi daher beſſer zur Belegung ber Kolben, als gutes Pfund⸗ 
oder Gohlenleber , weiches ſtark anfchließt unb zugleich fchr wenig Reibung 
verurſacht. — Auch die Klappen oder Bentile bee ‘B.n müßen feft anfchließen 
und dabei dennoch beweglich genug fen, bamit fie oßne Mühe gehoben werben 
und wieder zurüdfallen koͤnnen. So wie bie Kolben nad Beichaffenheit ber 
P.⸗Werke verfchieben find, fo auch bie Ventile. Man hat Muſchel⸗, Kegel- 
und SugelsBentile 

Pumpernidel ift der im Anslande gebräuchliche Name bes im alten Wels 
phalen gebadenen, groben, fchwarzen, aber kräftigen und ſchmackhaften Brodes, 
welcher daher rühren foll, baß ein burchreifenber Eranzofe einft geſagt Habe, das 
Brod fei nur gut für fein Pferd Nidel (c’est bon pour Nikel); im Lande felbft 
heißt es grobes Brod. Es wirb aus zweimal geichrotenem, nicht geflebtem 


Punier — Pupille, 549 


og alfo mit der Kleie, gebaden, gewoͤhnlich in großen (hödhftens 6 Brobe 
6 dem Scheffel), hohen, ianglich vieredigen Broben. Der P. wird befonders 
ufig nach dem nörblihen Deutſchland, Holland xc. verfendet, tvo man ihn, mit 
‚em Stüde feinem Weißbrod und reichlich Butter zufammengelegt, fehr gern 
aießt. — Auch bezeichnet man mit biefem Namen ein aus Mehl, Sirup, Dan 
n, Eiern, Gewürzen und etwas Pottaſche bereitetes, hartes Gonfeft, welches 
Conditoren, in laͤngliche Stüde geſchnitien, verkaufen. 
* war ber bei den Römern gewoͤhnliche Name für bie Karthager, 
arthago, 
ifde Kriege, |. Karthag o. 
unkt. 1) In der Geometrie der Hleinfte Theil räumlicher Gegenflände, 
: aber felbft nicht mehr als theilbar gedacht wird. In einem mathematifchen 
heper, deſſen Flaͤchen durch Linien begränzt find, bilbet er ſich in dem Zufam- 
nlaufe biefer Linien, wie in ben Eden irgend eines ber fünf xegel en 
jeper ; in einer Pyramide, und daher auch in einem Kegel, ift bie Shit ein P. 
t jeder Figur, in welcher Linien in Winfeln zufammentreten, ift die Stelle bes 
fammentretens; eben fo, too zwei ®inien fidh fchneiden, bie Durdhfchnittöftelle 
P. An jeder Linie find die Endtheile P.e. Ueber! fann ein P. in Ber 
z auf Linien als die Gränge berfelben bezeichnet werden. — 2) In der Mufif 
Zeichen, wodurch ber Werth ber Note ober ihre Zeitgeltung verändert wird, 
eht ber Punkt über der Note, fo ift fie leicht und Fury abzuftoßen (staccato); 
ben derſelben flehend, vermehrt ex ihre Dauer um bie Hälfte des Werths, jo 
5 eine Zweiviertelsnote mit dem Pe Dreiviertel gibt. Stehen zwei P.e hinter 
‚er Note, fo gilt ber erfte die Hälfte der Note, der zweite ein Viertel ober bie 
ilfte bes erften Po. Den 5 leihen Werth Hat ber erfle und ie P. 
ter Baufen, — Das (har bftoßen der Noten wirb über benfelben mit 
inen Strichen bezeichnet; befindet fich aber über den Abfloßungs- P.en nod) ein 
»gen (vergl. Legato), fo erfolgt der Vortrag Halb ſchleichend, Halb abftoßend, 
3) In der Redefunft ift 9 ein vollftändiger Sap, ein Redeſatz, der einen 
Nig ausgefprochenen Gedanfen enthält, ein Alanitt, ein beftimmter Theil ber 
be, jowie der Gegenftand berfelben. 
Punktation, eine Schrift, welde die Hauptpunfte eines abzufchließenden 
ertrags enthält, fomit gleichbedeutend mit Entwurf eines Vertrags. 
unktirkuuft, ſ. Kupferſtecherkunſt. 
upille, Licht- oder Sehioch, Sohn, Kindlein, (Pupilla) nennt 
in die in ber Mitte ber Regenbogenhaut bes Auges (f. d.) befindliche, einem 
warzen Flecke ähnliche Deffnung. Diefelbe hat beim Menſchen eine Kreisrunde, 
i ben übrigen Säugethieren überhaupt eine ovale Geftalt, jedoch mit umgefehrter 
chtung. Sie ift bei den Wiederfäuern u. einigen anderen grasfrefienden Thie- 
ı mit gefpaltenen Klauen horizontal:oval, fo daß ihr län, fer Durchmeſſer mit 
n Augenwinkeln parallel ift, wie 3. ®. bei dem Schafe, Bierte, Ochſen und 
‘el; bei ben fleiſchfreſſenden u. einigen Raubthieren dagegen perpendifulär » oval, 
er den Laͤngendurchmeſſer beider Augen durchſchneidend; beim Kagengefchlechte 
enfalls perpendifulär, aber langlich, ſehr beweglich, bei Tage mehr verengert, 
ıltartig, aber zur Nachtzeit fehr erweitert. Beim Menfchen ift ber innere, bie 
. umgränzende Rand ber Regenbogenhaut glatt u. rein, beim Pferde, Schafe u. 
hfen aber ragen traubenförmige Verlängerungen, Fortſaͤtze der Traubenhaut, 
: fog. Traubenförner, aus der P. hervor. Im Auge des Menfchenembryo 
die B. vom 3— 8 Monate durch ein bünnes, weißliches, mit feinen Gefäf- 
t durdgogenes Häuthen — Pupillarhaut — verſchloſſen, welches vom 
em Monate an immer bünner wird u. mit der weiten Entwidelung ber Regen: 
genhaut reißt u. aufgefogen wird. Bet mehren Säugethieren, wie Hunden, Ka— 
nu. f. w., bleibt die P. nach der Geburt noch auf einige Tage, meift 8 — 9 
age geſchloſſen, u. es bildet ſich dieſelbe erſt mit Vollendung bes genen Orga⸗ 
smus, fomit auch des Auges, durch eine ontraction der Regeogrohhoogr — 


550 Pupillen — Puritauer. 


Die Beftimmung ber P. if, bie Lichtſtrahlen in ben Grund des Auges fallen mu 
laffen u. vermöge bes, ber Regenbogenhaut innewohnenden, Erpanfions » u. Eon 
tractionsvermögens entweber bei zu grellem Lichte verkältnigmäßig wenige, ober 
bei geringer Beleuchtung moͤglichſt viele Etrahlen bis zur Netzhaut gelangen zu laſſen 
u, bei großer Entfernung das Echen ber zu betracdhtenden Gegenſtaͤnde möglich zu 


machen — im erſtern Falle iſt fie verengt, im zweiten erweitert. — Die P. fan 
burch verfchiedene krankhafte Ye änderungen der Regenbogenhaut bas Einfalen 


ber Lichtftrahlen u. fomit das Echen behindern u. unmöglich machen und zwar: 
1) dur ihre unvellfommene Verſchließung vermittelft ausgeſchwitzter Lymphe (fog. 
unaͤchter grauer Etaar) als Folge von Regenbegenhautentglinbung 8 -2) duch 
theilweife Berwachfung der Rrgenbogenhaut mit der Hernhaut ober Linfentapfd, 
nad Entzündung der betreffenden Theile; 3) durch ihre angeborene Berfchließung 
als Bildungefehler u. 4) durch ihre vollſtaͤndige Verwachſung als Folge innerer 
Augapfelentzuͤndung. In allen dieſen Faͤllen koͤnnen auch die übrigen Organtheile 
des Auges mehr oder weniger mit verändert ſeyn und von dieſen verſchiedenen 
Eomplicationen, fo wie von dem Grube der Pupilimverfchiießung, hängt ber ver 
ſchiedene Brad der Beeinträchtigung bes Sehvermögene ab. Iſt lebtere nur durch 
bie P. verwachſung bedingt, fo vermag In vielen Faͤllen die Kunſt durch Anlegung 
einer fünftliben P. u. Trennung beftehender Berwachfungen mit ben naheliegen⸗ 
ben Gebilden Hülfe zu fchaffen. [78 

Pupillen, |. v. a. Unmündige; daher die Namen: P.⸗Collegiun, 
NR, Senat, P.⸗Amt, für diejenigen Behörden, welchen bie Angelegenheitat be 
Minderjährigen zur Belorgung und Ueberwachung zugewieſen find. Vergleithe 
übrigens den Artikel Minorennität. 

Puppe ober Nymphe, |. Infelten. 

Burdaas, ſ. Vedas. 

Purganzen heißen im Allgemeinen abführenbe Arzneimittel; namentlich ver 
ficht man dinunter, im Gegenfage zu ben milderen (Rarirmittel), bie ſtärkeren 
Mittel diefer Art, welche ſchon in geringer Venge Fräftig wirkten, aber um fo 
vor fichtiger angewendet werben müflen, um nicht mehr zu ſchaden, als zu nügen. Ihe 
von Reinigung (purgare) dergenommene Benennung muß inbeffen nicht Dazu ve, 
leiten, eine Reinigung der Eäpte, ober bes Körpers überhaupt, von ihnen u a 
warten, Doc koͤnnen fie in geeigneten Fällen beläftigenbe Sıfe bes Darmfanals, 
zum Bortheil des Kranken, entfernen, oder audy, wie bei ber Waſſerſucht, eine er⸗ 
ſprießliche Ableitung bewirken, Gefunde müßen fie vermeiden. Die am meiſten 
gebräudplihen find (außer den milderen, wie abführende Salze, Blauberfal u. «a, 
oder aud bie dieſe enthaltenden Wafler): Kalomel, Rhabarber, Sennesblätter, Ja⸗ 
fappe, Aloe. Die ſtaͤrkeren (draſtiſche Mittel, f. d.), wie: Gologuinten, 
Scamonium u. a., we.ben nur in feitenen Fällen verorbnet. 

Purgatorium, |. Fegfeuer. 

Durısmus, das Streben, im Reben und Schreiben ſich fremder Wörter und 
Wortformen zu enthalten, anftatt der aus Fremden Eprachen uͤbergegangenen Worte, 
uber: Pe ie eigenen Eprache gebildete zu gebrauchen; daher Buriften,, die ſich 

e8 P. bifl.ißigen. 

Puritaner, Presbyterianer oder Diffenters, heißen in England jene 
Protiftinten, weldye fi von ber dort herrſchenden Epijkopalfichhe (1. angli- 
kaniſche Kirche) abtrennten. Die Kirche Englands behielt bei Annahme ber 
Reformation, mit gewifien Abänderungen in ben ®laubendlehren, die Hierarchie 
fammt einem Theile der Geremonien, wie fie untee Heinrich VII. üblicy waren, 
bei. Die Reformation wurde erft unter ber Regierung Eliſabeth's volflänbi 
in diefem Reiche eingeführt. Damals wurbe ber öffentlidde Gottesdienſt bur 
verfchiedene, von bem Parlamente beftätigte, Synodal⸗Conſtitutionen fo eingerichtet, 
wie er noch heut zu Tage in ber anglilanifhen Kirche in Mebung if. Sn ber 
en famen mehre Engländer, die unter Maria die Flucht ergriffen und 

& bie Lehren Zwingli’s u. Calvin's angeeignet Hatten, zurüd, Diefe ber 


Purkinje — Purpur. 881 


haupteten nun: baß bie Reformation Englanbs unvollfommen und ua Ueber» 
ee aus dem Heidenthume verunſtaltet fei; es mißfiel ihnen, daß bie Geiſtl ihr 
Amt im Chorrocke verrichteten; noch weniger ſtand ihnen bie Hierarchie u. t 
bes Bilchöfe an; fie behaupteten: alle Priefter oder Prediger hätten gleiche Ge⸗ 
walt u, die Regierung ber Kirche müfle von Eonfiftorien u. Bresbyterien, 
die aus Predigern u. einigen Aelteften vom Laienſtande zufammengefeht waͤren, 
ausgehen. Aus biefer Urfache hieß man fie Presbyterianer, jene bagegen, 
weldye der anglifaniichen Liturgie u. bierarchifchen Einricktung folgen, Epiſto⸗ 
palen. Jene wurden lange Zeit verfolgt u. als eine ſchismatiſche Sefte behan⸗ 
beit, wofür fie bei den Epitfopalen noch gelten. — Da die B. die von der eng» 
liſchen Kirche beibehaltenen Geremonien als abergläubiih, u. der Reinheit ber von 
Jeſus Chriſtus verorbneten, ganz geifligen Gottesverehrung zuwider, verwarfen, 
nannte man fie auch P., jedoch ging ihr Burismus nicht fo weit, daß fie nicht 
noch hie und da etwas Geremonichles beibchalten hätten. Einer ihrer ‘Prediger, 
Robert Brown, fand, daß man bei dem Eultus denn doch dem Sinnlichen noch 
zu viel einräume und daß man, um Bott wahrhaft im Geifte zu verehren, alles 
mündliche Gebet, ſelbſt das Gebet des Herrn, laffen muͤſſe: daher wollte er 
fi auch in feiner Kirche einfinden, wo man noch Gebete verrichtete: er fanb 
Anhänger und warb Stifter einer Sekte, die ſich für bie ganz reine Kirche 
anfah. Die Browniften hielten Berfammlungen, in welchen blos geprebigt wurde. 
Jedermann hatte das Recht zu prebigen, ohne daß, wie bei ben Calviniſten und 
Fr eine befondere Sendung hiezu erforberlih wäre. — Die Angliltaner und 

atholiten waren gleichmäßig Feinde der Browniften: ſtrenge beftraft, zogen 
fie gegen bie anglifanische Kirche heftig in ihren Predigten los und brachten bie 
nämlihen Argumente genen fie in Anwendung, beren fi bie Proteftanten rom 
bie katholiſche Kirche bedient Hatten: fie hatten fogar Martyrer und bie Selte 
befeſtigte fi in England; Brown nahm ben Titel eines Patriarchen ber res 
formirten Kirche an. — Die Theologen ber anglikaniſchen Kirche Haben bie Prin⸗ 
cipien der P. von ihrer Entitefung an bis zu ben neueren Zeiten befiritten. 
Man fehe hierüber Histoire Eccles. de la Grande Bretagne von Collier. (Man 
findet einen guten Auszug hievon in der Biblioih. Anglaise, T. I, p. 181). Ge- 
fhichte der P., von Daniel Neal Cengliih), 1736, 3 Bde, 

Purkinje, Johann Evangelift, beruͤhmter Denfiolog, geboren u Li⸗ 
bocdhowig Leitmeritz in Böhmen 1787, trat zu Nifolsburg ähren in den 
Piariſtenorden, verlieh aber benfelben wieder u, ftudirte in Prag Medizin, pros 
movirte 1819 zum Doctor, wurbe hierauf an ber dortigen Univerfität Aſſiſtent 
ber Anatomie u. Phyfiologie und 1623 Profeſſor der Phyfiologie und Pathologie 
zu Breslau. Werfe von ihm find: Beobachtungen u. Berfuche zur Phyfiologie 
der Sinne, Prag 1819-26, 2 Bochn.; De examine physiol, organi visus et 
systematis cutanei, Breslau 1823 ; Symbolae ad ovi avıum hi,toriam ante in- 
cubationem, Leipzig 18305 De ceılulis antherarum fibrosis, Breslau 1830 
(‘preasfchrift) 5; De pbaenomeno motus vıbratori conlinui in membranig, 
Breslau 1835. 

Purpur, eine aus dem Safte verfchiebener Conchilien gewonnene, koflbare 
Farbe, theils dunkel⸗, theils roſenroth, theils violett und fchon im hohen Alter 
thume (der Purpurmantel) das Abzeichen der Herrfcherwürbe, fowie ein Vorrecht 
der hoͤchſten Beamten, die deßwegen von den Römern vorzugswelle Purpura'i ges 
nannt wurden. Der Saft der Purpurſchnecke wurbe zuerft um 1439 v. Chr. in 
Zyıus zum Färben angewendet und Die badurch erhaltene Farbe daher tyriſcher 
P. genannt. Man erzahlt, daß ein Hirte durch feinen Hund, der am Meeres- 
fttande eine Muſchel zerbiß und davon purpurroth gefärbt wurde, auf bie Farbe 
aufmerffam wurde und feiner Geliebten ein Kieib damit färbte. Der Hirte foll 

fules, das Maͤdchen Tyros geheißen Haben u. fo von ihr der Name tyrifche 

arbe herruͤhren. Zu Moſes Zeit Eannten die Sfraeliten fchon ben P. — Homer 
erwähnt befielben in feiner Iliade (VL 219) und Obyfiee (13. 108), Im Rom 


552 Surpurfeiefel — Puſeyiſnus. 


wurbe er gleich nach Erbauung ber Stabt befannt, war aber felten unb wurde 
blos bei feierlichen Gelegenheiten von ben Prieftern, Obrigkeiten u. Königen ge 
tragen. Zu Romulus Zeiten trug man ihn blos auf der Trabea. Tullus 
Ritiue war ber Erſte, der nach Bezwingung ber Hetrusfer eine Toga praetexta 
und einen breiten Aufſchlag von Purpur trug. Cornelius Repos fagt: „In 
meinen Sünglingsjahren war ber violette PB. flark in der Mode; das Bfumb 
foftete 100 Denarien (36% fl). Bald nachher kam ber rothe tarentinifcdhe 
auf; biefem folgte der doppelfarbige tyrifhe, davon das Pfund 1000 Denarien 
(364 fl.) zu ſtehen kam. Publius Lentulus Spinther, ein Oberaͤdil, bediente Rd 
beffelben zuerft auf der Praetexta, welches man ihm übel nahm. Berbraudht aber 
nicht jept dieſen PB. in den Speiſezimmern.“ Plinius ſetzt Hinzu: „iebt werben 
alle P.⸗Tücher, die man zur Bequemlichkeit trägt, zweimal gefärbt." In Bud IV. 
60 erwähnt er, in Aften fei der P. von Tyrus, in Afrita ber von Menige, und 
an ber hen Küfte und in Europa ber von Lafonien ber beſte. — Unter 
fpäteren römifchen Kaifern wurde das Tragen bes P.s Jedermann verboten, der 
nicht zur Eaiferlichen Familie gehörte; Theodoſtus machte bie Faͤrberei ſelbſt m 
einem Regale u. es blieben nur zwei Färbereien übrig, eine zu Tyrus, bie an 
dere zu Konftantinopel; jene ging durch die Sarazenen, dieſe durch bie Türken 
bei der Eroberung der Stadt zu Grunde und mit ihnen verſchwand Die Kärberd 
der Achten P.s, an deſſen Stelle der mit Kermes erhaltene gefeht wurde. — & 
fam fo weit, daß die @elehrten felbft an dem Nochvorhandenſeyn ber PB. Bu 
ſcheln zweifelten, bis 1683 Wilhelm Cole zu Mincherd von einer Perfon rein 
hörte, die an der irlaͤndiſchen Küfte feines „einenpeug mit einer vortvefflidhen, von 
einem Schalthiere erhaltenen, Karmolfinfarbe einmerfte und darauf, nach mehrm 
vergeblichen Berfuchen, an ber Küfte von Sommerfetfhire und an ber entgegm 
gefegten von Suͤdwales P.⸗Muſcheln auffand. 1710 fand fie Reaumur, nmeik 
eben fo färbenden weißen Eiern, an ber Küfle von Poiton; 1736 Duhamel 
großer Menge an denen der Provenge und fpäter erfuhr man, daß eine Art in 
KRorwegen zum Zeichnen ber Wäfche benüst werde, u. andere an ber Küfte von 
Panama in Amerika vorkommen, und dort von ben Eingeborenen ſchon feit ben 
älteften Zeiten zum Kärben gebraucht werben. Um 1770 gab Paſtor Ström6 
Hapbare Nachrichten über biefelbe und ihre Benuͤtzung zum Zeichnen ber Wilde 
n Rorwegen. 
Purpurfriefel (miliaria parpuree) , eine fieberhafte, mit eigenthüwlichesme 
grutausiälage verbundene und Menſchen von jedem Alter befallende Krankheit — 
ie fommt Häufig bei Scharlachepibemien neben benfelben vor, unterfcheibet ſich⸗ 
aber vom Scharlach (f. d.) durch bie Art des Hautausichlages, fowie durch⸗ 
den unbeftimmten und unregelmäßigen Berlauf der Krankheit ſelbſt. Unter ab 
wechfelnder Hitze, mit Fröfteln und mit dem Erfcheinen ber allgemeinen Fieberan⸗ 
falle, entfteht ein bald fiehender, bald ſchwindender Ausfchlag, als eine aus rothen 
Pünktchen zufammenfließende dunkele P.sRöthe, mit deutlichen, über die Haut Her: 
vorragenden, hirfefornartigen Knoͤtchen. Bei der Sellumg it auf das Fieber die 
Hauptrüdfiht zu nehmen und biefem gemäß die Behandlung einzurichten, aber 
der Ausfchlag nur, in fo ferne man befien gänzliches Zurüdtreten zu verhüten 
fucht, zu beachten. 
urpurinfeln, ſ. glüdlihe Infeln. 
uſchkin, Alexander, Graf, gefhägter ruffifcher Dichter, geboren 1799 
zu Beteröburg, ließ ſchon auf der Schule zu Zarskoje⸗Selo ein Gedicht erfchels 
nen und warb fpäter wegen einer fühnen Ode an die Freiheit aus etereburg 
entfernt u. im füblicden Rußland angeftelt. Der Kaifer Nikolaus rief ihn zurüd. 
Er farb in einem Duell 1837. Seine bedeutenbfien Dichtungen find: „Ruffllan 
und Zjudmilla”, in 6 Gefängen (1820); „Der Berggefangene‘ ; „Die 
quelle” (1824); „Onjegin“, (1825); das Trauerfpiel „Boris Gubunoff* (3. 4. 
1835) ; Gefammtausgabe, Detereburg 1837, beutich, 2 Bde., Leipzig 1840. 
Sufeyiönns. r. Edward Bouverin Puſey, Kanonifus des Chriſt⸗ 


Puſeyismus. 553 


Church⸗ Collegs und Profeſſor ber. Hebräifchen Sprache an der Univerfität h 
war früher ben beutfcheproteftantifchen Anfichten zu; * geweſen, wie aus 
Werke hervorgeht, das er auf einer Reiſe in Dar (and veröffentlichte, Er geht 
darin fo weit, ſich am alle kirchlichen Geremonien zu erklären, Taufftein, Kan⸗ 
zel, Beichtſtuhl u. Communionstifch die vier flummen Gögenbilder der Kirche zu 
nennen. päter befehrte er fich, wahrfcheinlich durch den Einfluß: feines Freundes, 
Johann Heinrih Newman (f. d.), ehemaliges Mitglied des Colleg6 von 
Driel u. Pfarrer der St. Marienkirche in Orford, w. verjuchte eine Transigir- 
umg mit dem Lehren ber Fatholifchen Kirche. Die nächfte äußere Veranlaffung 
jur Entftehung des P. gab eine Verfammlung von mehren Mitgliebern ber 
iverfität, bie gegen Ende 1833 zu Orforb zu gemeinſanier Befprehung über 
firchliche Berhältnifie Alan wurde, Man kam Hier über gewiffe Grunbjäge 
2. über ein beftimmtes Verfahren überein u. nahm ein von Newman, ber eigents 
ichen Seele biefer ganzen Bewegung, entworfenes Glaubensbefenntniß an. Zur 
Berbreitung der 'barin ausgefprochenen u. zunächft nur auf eine refigiöfere Lebens⸗ 
ichtung abzielenden Anfichten benügte man nicht allein Zeitfehriften, fondern gab 
ch eine Anzahl ſelbſtſtaͤndiger Schriften Heraus, die ſog. Tracts for the times, 
. i. Die zeitgemäßen Tractate, Es find im Ganzen 90 dieſer Schriften erſchie⸗ 
ten, von 1833 bis Januar 1841; nach dem Erſcheinen ber 90. warb bie ⸗ 
egung vom Biſchofe von Orforb unterſagt. In dieſen Abhandlungen läßt ſich 
ine immer deutlicher hervortretende vüdläufige Bewegung zur Kirche verfolgen, 
Roch in der 70, welche betitelt ift: „der Erzbifchof Hober über das Gebet für 
Nie Zodten, heißt 6: „Unfer Zwed war es, bem Lefer ein Hlares u. uͤberzeugen⸗ 
ves U ‚gegen bie Romaniften an bie Hand zu geben, beren Dogma vom 
Segefeuer in’ diefem Werkchen auf gründliche Weife widerlegt wird“. Als Haupt- 
wert biefer Abhandlungen wirb folgender bezeichnet: „Einen umüberfteiglichen 
Wall zur Vertheidigumg des gläubigen Anglifaners gegen die Kirche von Rom 
pt errichten, klar u. deutlich die Graͤnzen zu bezeichnen, die ihm weiten Raum auf * 
der reichen Weide bes Katholicismus geben, ofne daß vernünftiger Weiſe zu be⸗ 
fürchten wäre, er möchte in jenen großen Hinterhalt falen, ber in die ganze las 
teinifche Kirche Unordnung gebracht hat, nämlich in den Hinterhalt des Papis— 
mus". In der 71. Abhandlung, als deren Berfaffer fih Newman befannte, 
heißt «8: „ber Gegenftanb biefer Abhandlungen wird feyn bie einzige Brage, bie 
uns wahrſcheinlich überrafchen wird: warum wir benn von Rom getrennt bleis 
ben, unter verfchiedenen Gefchichtöpunften zu betrachten”. Der Verfaffer ftellt 
ſodann ein Vertheidigungsfoftem auf, das die Anglifaner gegen bie Romaniften, 
wie er die Katholifen nennt, annehmen follen. Er ertheilt ihnen ben Rath, bie 
Grundfragen, wie 3. B. über bie Autorität des Papftes, die Glaubensregei u. f. 
w. zu vermeiden u. gegen bie harten Beftimmungen, bie auf bem Ehriften römis 
ſchen Befenntniffes laften, daß den Laien der Kelch verweigert werde, gegen die 
Nothwendigkeit der Beichte, gegen die über Ketzer verhängten Bannfluͤche, gegen 
das Pegefeuer, bie Verehrung der Bilder u. Anrufung ber Heiligen u. a. m. Ye 
au erheben, wobei ber Verfaffer doch zugibt, daß der Beichluß des Trientiner- 
Concils hinfichtlich der Verehrung der Bilder und Anrufung ber Heiligen einer 
vernünftigen Interpretation fähig fet; mur im ber Praris der römifchen Kirche 
werbe an verfchiedenen Orten mit diefen Dingen Mißbrauch getrieben. Wir wer» 
den weiterhin finden, daß dieſe Auffaffung auf die Dauer nicht flichhaltig befun- 
ben wurbe. In dem legten u. wichtigften biefer Traftate, dem 90., fucht Ne w⸗ 
man die 39 anglifanifhen Zundamentalartifel mit ben Fatholifchen Lehrfägen u. 
insbefonbere mit ben Tribentinifhen Eoncilienbefhliffen zu vereinigen. Es war jedod 
damit nicht auf eine Bereinigung der englifchen mit der Mutterkirche abgefehen, 
denn Rewman fagt in feinem Briefe an Dr. Jelf vom März 1841: „Ich 
kann mit ber größten Aufcichtigfeit erflären, daß ich bei ber Abfaffung u. Ver⸗ 
öffentlichung dieſer Abhandlung den Zwed Hatte, die Gewiſſen Deren u bes 
ruhigen, bie meinten, ba die 39 Artikel fie daran hinderten, Th wa x 


554 Pufeyisums. 


ber primitiven Kirche zu befennen“. — „Ich gab mir befondere Mühe, den brin- 
genden Bitten Solcher, die ich achte, nachzukommen, indem ich mein Moͤglichſtes 
that, um a verhindern, daß die Mitglieder unferer anglikaniſchen Kirche in ber 
Richtung Rom’s wandeln“. Die nämlihe Anſicht fpribt auch Pufey in einem 
Briefe an Dr. Jelf über biefe Abhandlung aus. Die Auslegung der 39 Actilel 
von Rewman erjcheint zwar als neu, allein er gab bereits viele aͤhnliche Inter: 
pretationen. Ward fpricht die wahre Anſicht ber Bertheidiger des Traftats 90 
aus: „Die Verfaffer der 39 Artikel hatten flets eine der Kirche opponirende Partei 
im Auge, bie fie nicht verlegen oder beleidigen durften. Aus biefem Grunde gibt 
fi in den Artifeln felbft eine angeftrengte Bemühung von Seiten ber Berfurfer 
fund , ihnen einen proteftantifchen Anftrich zu geben , während im Grunde fein 
Sad aufgeftellt wird, der Eolche ausfchlöfle, „Lie von ber urfprünglidyen Aus 
torität eine höhere Meinung Haben. Dr. Puſey u. die Anhänger feiner Schule 
bewilligen dem PBapfle ben Borrang der Ehre, nicht aber ber Autorität. Hierans 
[don ergibt ſich Klar, daß die 39 Art. ſich auf keine Weiſe mit ber katholiſchen 
ehre vereinigen lafien. Die Anglifaner müffen alfo nothwendig auf jene 
oder auf die Fatholifche Wahrheit verzichten: Niemand kann zweien Herrn bis 
nen. Newman's u. feiner Freunde Behauptung, ein anglicaniicher Geiſtlicher 
fönne bie Tatholifhe Lehre annehmen, wenn ihm auch feine Pflichten gegen bie 
engliſche Kirche nicht geftatten, Diefelbe zu lehren, mußte ſich demnach ia 
als unhaltbar — u, ihnen zunächſt ſelbſt — erweiſen. Bufey felbf be⸗ 
kanntlich noch außerhalb der Kirche, waͤhrend die meiſten feiner Freunde in die 
felbe eintraten, welche Zwitterſtellung ihm nun die hochkirchliche Geißlichkeit Teihk 
verargt. Durch die Zurüdgezogenheit, in weldder Newman vor feiner Em 
verfion verharrte, ward Pufey in den Vordergrund u. an bie Epige ber Schul, 
bie bereitö feinen Namen trug, gedrängt. Den unvermeiblidhen Schritt zu thu, 
—5 wohl Puſey Nichts anderes, als eine Abneigung gegen genife katholiſche 
ebräuche ; denn er eifert insbeſondere gegen den Mariendienſt, den Gebrauch de 
lateinifchen Sprache bei der Meſſe, die Entziehung des Kelchs, bie bei ben 8 
tholifen gebuidete Entweihung des Ruhetagıs, das Fegefeuer. Er gibt Übrigen 
offen zu, es könnten Momente eintreten, in benen man fidh gebrungen f 
müffe, Die anglicanifche Kirche zu verlafien, wenn «6 nämlih das Gefühl de 
EA verlange, wie dieß ohne Zweifel bei Newman und feinen Freunden de 
al war. Er geftcht fogar, daß feine Kirche ſich nicht in einem geſunden Zu 
ftande befinde — u. doch fol fie Anıheil am Leben bes Hi. Geiſtes haben! Aus 
druͤcklich will er Übrigens der Zufunft nicht vorgreifen, indem er die Wuͤnſche u. 
Anſprüche feiner Schüler aufzählt: „Wir flillen das Berlangen, daß man und 
ungehindert ald Glaubensſaͤtze annehmen lafle, was die alte Kirche, als foldye, an 
nabm u. daß man uns geftatte, Nichts von dem zu läugnen, was von ben al 
gemeinen Eoncilien beftätigt wurde, felbft dann, wenn nicht entfchieben ift, ob 
iefe von ber ganzen Kirche anerkannt wurden. Wir (Anglofatholiihen) verlam 
gen, und nicht ausbrüdlich durch eine verneinende Behauptung binden zu muͤſſen, 
welche fpäter eine etwaige Wicderverföhnung mit dem übrigen Theile ber abend» 
ländifhen Kirche unmöglid machen mußte. Was das wirkliche Eintreten dieſes 
Ereignifies anbelangt, jo überlaflen wir Zeit u. Stunde ben Händen Gottes, denn 
wir cerſchrecken nicht davor, bis zum Tode zu verharren in dem Glauben, den ber 
ute Biſchof Kew belannte; aber anderſeits glauben wir auch nicht (m. ich feltk 
ege dieſe Anficht), daß unfere jegige Lostrennung vom übrigen Thelle bes Chri⸗ 
ftentbums ein bleibendes Verhaͤltniß fei. Es ift ſolches vielleicht nur unfere ins 
bividuelle Stellung ; die Dauer der Epaltung wird uns nicht beunruhigen; jedoch 
werden wir uns nicht mit einem Spfteme befaflen, das uns das möglicher Weile 
baraus erfolgende Refultat einer Wiedervereinigung unjerer Kirche mit dem übris 
en Theile der abendländifchen Kirche aus den Augen verlieren ließe. Diele Ans 
t theilen, wie ich alaube, vicle Perfonen, deren Anzahl fi) von Tag zu Tage 
mehrt. Sie befigen Anhaͤnglichkeit am umnfere Kieche, ein vobegroͤnges Bertrauen 


Puſeyismus. —X 


me goͤtilichen Borfehung, Hoffnung ruͤckſichtlich des Ausgangs, doch nur in fo fern, 
als man nicht von ihnen verlangen werde, bas förmlich zu läugnen, was doch noch 
als die Wahrheit ſich herausſtellen dürfte". (Pufey’s Briefe über D’Relley's 
Prozeß.) Werten wir nun einen prüfemben Blid auf das Suflem, zu welchem 
Orforder Schule ihr Tranfigiren mit den Lejren der alten Kirche ausbildete. — 
Die Puſeyiſten geben ‚nicht zu, daB das Vorrecht die Aurtsdiftion dem römiſchen 
Bapfe zukomme; fie rebuziren feine Autorität auf die eines Patriarchen unb fein 
Patriarchat befchränft ſich, nach ihnen, auf Stafien und die benachbarten Infeln, 
Do nach diefem Syſteme, England nicht unter ber geiftlichen Obergewalt bes 
ſtes ftünde. Man behauptete fogar, wie 3. B. Dr. Palmer, der heil. Bater 
Habe eiſt feit dem 7. Jahrhundete in England eine geiftige Jurisdiftion ausgeübt 
und aud) von ba an fei er noch einige —* hindurch ſehr beſchraͤnkt ge⸗ 
weſen. Dieſer Roman wurde von dem gelehrten Lingard vollkommen widerlegt. 
Dieſer that auch bie Nichtigkeit ber Behauptung dar, daß vor ben Zeiten des 
heil. Gregor des Broßen und des Heil. Auguftin in England eine von Rom un⸗ 
abhängige Kirche beſtanden habe, bie, wie Einige behaupten wollen, von bem 
Keil. Haus gegründet worden fe. Es iR bemerfenswerth, daß die Anhänger 
des Profefiors Puſey fich ſelbſt Katholiken nennen, wie bie Donatiften zur Zelt 
des heil, Auguſtin; daß fle behaupten, ein AR ber katholifchen oder Univerjaltirche 
au feyn, obglich fie es nicht laͤugnen fünnen , daß dieſer Aſt fi von feinem 
Etamme getrennt habe. Trotz bem nennen fie fih „die Katbolifen in England,“ 
webei fie die fonderbare Ihee Haben, baß die mit Rom vereinten Engländer 
Schismailker felenz denn, fagen fie, Jene find «8, die fich zurüdgesogen haben, 
nicht wir. Sie wollen feine Proteftanten feyn, ba ber Proteftantismus „ein abs 
folut negativer Begriff fei. Wie wir das Weitere ausführen werden, war bie 
engliſche Staatskirche um die Zeit, als die neue Schule zuerfi ihe Haupt erhob, 
in eine höchft bedenkliche Lage gerathen. Die feparatiftifchen Parteien hatten fich 
in kurzer Zeit mehr als verdoppelt. Die Emanzipation und anbere verwandte 
Maßregeln Hatten zum größern Theile die politiihen Bollwerfe, die man zum 
Schude jener figfamen Dienerin ber Staatsgewalt aufgeworfen, eingeebnetz ein 
harter Schlug Hatte ihre fonft fo begünfligte Schwefter, die iriſche Staatskirche 
petroftn, welche plöglich um eine bedeutende Anzahl Bisthümer u. reicher Pfruͤn⸗ 
verfürgt worden war; ähnliche Beichräntungen wurden auch in England ers 
wartet, ja, ber erfte Minifter, Lord Grey, hatte den Bilchöfen im Oberhauje gefagt, 
fie follten daran benfen, ihr Haus zu beſtellen. Und nicht minder büfter und 
unerfreulic war der Anblid‘ des Innern Zuftandes der Kirche, ber verworrene 
Kampf der Hochkirchlichen mit den Evangeliihen, die völlige Ohnmacht ber 
Kirche gegenüber ber, ihrem Einfluffe faft ganz entwachfenen, Bevölferung ber 
roßen Städte; dazu die Wahrnehmung, daß dus Bewußtſeyn einer einigen, zus 
—— und fefien Lehre fich unter ben Kirchlichen bereits verloren 
babe und man mit rafchen Schritten einer völligen dogmatiſchen Aur:öfung ent⸗ 
gesen gebe; dann, in Verbindung hiemit, die weitere —— daß die ganze 
iteratur, wie fie bie engliſche Kirche ſeit einem Jahrhundert zu Tage gefordert, 
von dem ſchlechten @eifte theils des Ratitudinarianismus, theils des calviniichen 
Sektenweſens inficirt fel. — In diefer Lage fußte eine kleine Anzahl engliſcher 
Geiftlicher und jüngerer Theslogen den Entſchluß, die von allen Seiten gedrängte 
und bitter angegriffene Kirche zu vertheidigen. Sie erfannten bald, daß der Kirche 
nur von innen heraus, durch eine R.flauration ber Lehre und ber, jelbft bis auf 
die Erinnerung verfchwundenen, Disciplin geholfen werben Tönne Ihr erfter 
Gedanke war daher, auf die Grundlagen ber Laud'ſchen Schule zurüdzugehen, 
obgleich die Kette der dieſer Echule angehörigen Fatholizgirenden und antipros 
teftantifhen Theolegen ſchon felt ber Mitte des vorigen Jahrhunderts abgerıflen 
war und andere Grifter, bie mit jenen Nichts gemein Hatten, feitbem von der 
theologifchen und religiöfen Literatur des Landes Befitz genommen hatten. Keiner 
unter ihnen ahnte wohl im Anfange, wie weit fie in diefer rüdläufigen Bewegung, 


556 Dufevisuns, 


felbft wider ihren Willen, geführt werden würden. Es war babei eben fo natüur⸗ 
ih, als bebeutfam, daß Orforb der Eip der neuen Schule war. Die bortige 
Univerfität war flets ber lebendige Mittelpuntt, das Herz der englifchen Kirche; 
jebe größere Bewegung war von dort ausgegangen, ober hatte dort ihren Stüt⸗ 
punkt. Die neue Orforber Bewegung Hatte indeß ihren Vorläufer u, Propheten 
gehe: Alerander Knor, früher Privatfefretär des Lord Caſtlereagh, Hatte 
er Ausficht auf eine glänzende politifche Laufbahn entfagt, um ſich mit ungetheil⸗ 
ter Kraft dem Studium der Theologie zu widmen, one body in den geiftlichen 
Stand zu tretm. Bon da an lebte er bis zu feinem T:obe im Jahre 1831 völlig 
zurüdgezogen, nur von Wenigen gekannt, auf einem Landgute in Irland; feine 
Shrifm erfchienen exrft nach feinem Tode. Daß er ein tiefer origineller Denker 
ſei, —3 ihm auch die Gegner ſeiner Anſichten zu. Die Schrift kannte er 
rünblid), von ben Kirchenvätern wenigftens mehr, als bie meiften englifchen 
beologen feiner Zeit; daß in feinen Anfichten mitunter auffallende Widerſpruͤche 
und feltfame Incohärenzen zum Vorſchein fommen, iſt großentheild der duͤrftigen 
Kenntniß der Kirchengeſchichte, die er mit feinen Landsleuten gemein Hatte, zus 
ſchreiben. Knor Sing mit ganzem Herzen an ber englifch sbifchöflichen Kirche, 
aber er fand große Mängel an ihr ımb das ganze Gebaͤude fchien ihm in Hohen 
Grade ſchadhaft. Er-geftand es offen, daß es wohl feine andere Kirche gebe, 
Die geringeren praftifchen Einfluß habe. Diefe Ohnmacht leitete er vorzüglich aus 
jener krankhaften Schen vor allem fpezifiich Katholifchen Her, welche feit lange 
Zeit das Kerrfchende Gefühl in ber englifchen Kirche ſei; aus Furcht vor de 
Zransfubftantiation Habe man das Saframent zu einer bloßen Cer e herabge⸗ 
würdigt und, um der Unfehlbarfeit gu entgehen, Habe man Sebermann aufg 
dert, fich feinen Glauben felbft zu machen. Remains of Alex. K., London 1836, 
I. 58. Diefer antifatholifhe Geift und die Furcht vor fogenanntem PBapismns 
fei jegt (1816) flärker noch in England, als zur Zeit, wo man eine ſpaniſche 
Königin gefürchtet, und bei den Evangelicals insbefondere habe fich die Antipaihie 
bis zum bitteren Hafle gefteigert. Und doch Hoffte Knox einen Umſchwung ber 
Gefühle zu Gunften ber Tatholifchen Kirche und ihrer Lehren und Inftitutionn; 
er meinte, ber Stantsficche fiehe ein neuer heftiger Angriff von Seiten ber Diſſen⸗ 
terö bevor; mit biefen würden die Evangeliſchen leicht gemeinfame Sache machen 
und fo vielleicht einen zweiten Umflurz ber Kirche herbeiführen; dieſe aber wert, 
bei ihrer Wiedergeburt zu Harem Bewußtſeyn erwachend, fi vom Proteftantis 
mus mehr ab — und dem Katholifchen vielfach zuwenden. Denn nur zwei Punfte 
fegen einer Berftändigung wirkliche Schwierigkeit entgegen: bie Transſubſtan⸗ 
tiation und ber Primat des Papftes. (Correspondence between Jeb and Knos, 
J., 549.) Dabei fam er doch nicht über einen gewifien Eklekticismus hinaus, 
den er in religiöfen Dingen für fich felbft übte und auch der englifhen Kirde 
empfahl. Eine Wiedervereinigung, wie fie ehemals die Bifchöfe Forbes, Mon 
tague, dann Thorndyke für erreichbar u. wünfchenswertb gehalten, fchien ihm un 
glich. Er ahnete nicht, daß, wenige Jahre nach ber Erlheinung feines literari⸗ 
[hen Nachlaſſes, das Verlangen, der Ruf nach Kirchenvereinigung ſich fo Träftig 
erheben würde. — Um bdiefelbe Zeit trug fich ein anberes Ereigniß zu, das bie 
völlige Rathlofigfeit und innere Hohlheit der Staatölirdhe in ein Helles Licht 
zu feßen geeignet war. Ein fpanifcher Priefter, Blanco White, der in England pro; 
teſtantiſch und — Geiſtlicher „geworben war, und befien Schriften 
egen die Tatholiiche Kirche großen Beifall gefunden Hatten, get in feinem 
— — fo weit, daß er in einer 1834 erſchienenen Schrift „Heresy and 
Orthodoxy“ al8 Sorinianer u. Laͤugner ber chriſtlichen Grundlehre von ber Drei⸗ 
einigfeit auftrat. Neander in Berlin widmete ihm hierauf als einem Sinnesge⸗ 
nofien, einen Band feiner Kirchengeſchichte u. Erzbiſchof Whately in Dublin, di: 
ner ber wenigen englifhen SPrälaten, bie noch einem theologiſchen Ruf haben, 
redete bem bellianismus deutlich das Wort. „Wir geben nicht mehr, wir 
rennen auf ſchnell abſchuͤſſiger Bahn dem Abgrunke des Rattonstksuus, bes baa⸗ 


Pufeyismus. 557 


en Antichriſtenthums zu; es iſt die höchfte Zeit tkehren — hieß es nun in 
RXford. — Wie nun. dieſe Umlehr ins Werk g — — — Ki 

Umälig von einer Poſition in bie andere gebrängt ‚wucbat 

dalt zu machen u. diefe u. jene PBoftulate oder Ergebniffe Fpes Prot eſtantiomus 
ieben anderen latholiſchen Prinzipien u, Lehren „nd u En ion, ihnen unter 
en Händen mißlang u. mißlingen mußte: een wäre 
Üerdings eine mal hehe Aufgabe; wie aber Ana ur Hr, den 

en bie anglofatholiihe Schule gegenwärtig, nad) Berlauf von 

Innimmt, zu ſchildern u. das Syſtem Firchlicher Anl gen, wie es jept durch 
ie tuͤchti⸗ fen u. fharffinnigften Männer diefer Richtung) ausgebildet ift, in feinen 
vefentlichften Zügen darzulegen.) Es verfteht: ſich indeß hiebei, daß noch 
ingleichheit der Entwickelung im Einzelnen flattfindet; * wi 


proteftantifehen 

Yiberwillig mit fortziehen laffen u. jeden Moment file 
9 bare Stellung auch auf haldem Wege gefunden zu 

eitergehens uͤberhoben zu feyn. Sunzhk, (engel N, wie fi das 
er il ber rforder Schule über den großen Wenbepunft‘ ber neuern Zeit, bie 
teformation, geftaltet hat. Unſere Birke, fagen fie, beiyiefte allerdings einer 
ründlichen Berbefierung u. Reinigung, aber durch jene große kirchliche B 
« Ummälzung des ——— hunderte, ift fie 2* verunſtaltet, —— 
igt worden. Die von VI. u. Elifabeth ernannten. Bifchöfe — 
fraftianer ; dienſtbare Wer! au —* tyranniſchen —— gaben — un⸗ 
eraͤußerlichen Rechte des Epijfopats ber Willlür des Königthums 
ehre aber u. der Gottesbienft wurben durch * Einfluß der ai Res 
yematoren u. ber in's Rand. gerufenen 33 Aogen völlig im calviniſchen Sinne 
eformt. Wie eine reiſſende Fluth erg: an dem ——— 
eihs der Calvinismus mit feinen eig: — über die engtiie 
Ind darum ift auch calvinifcher sh fen 113 römifch « fatholifche Kirche in ber 
agliſchen lange vorhertſchend geblieben. Denn immer ift es der Ealvinismus ges 
yefen, ber die Controverfe mit Rom ganz befonbers verbittert hat. Doc) erft mit 
er Revolution von 1688 gelangte das proteftantifche Bundamentalpringip : „daß 
icht Autorität, fondern individuelles Lefen u. Forſchen in der Bibel der Weg 
ir Erlangung chriſtlicher Wahrheit fei," zur völligen Geltung. Don da an fiel 
te altfichliche Lehre von den Saframenten, als ben geochneten Kanälen der Gnade, 
5 der Arianismus u. Socinianismug ein u. nahm, wie die Bifhöfe Warburton 
« Butler bezeugen, ber Unglaube furdtbar überhand, — Was nun das Erzeug- 
i6 der Reformation, den ‘Broteftantismus betrifft, erflärt die Orforber Schule un: 
erholen, daß fie ihm für den gefährlichften u. unverföhnlichften Feind der eng— 
ſchen Kirche Halte. Zwei große Syfteme, fagen fie, fümpfen einen gegenjeitigen 
ſernichtungskampf, trachten nah ber Herrfhaft der Welt. In England indber 
mbere find beide in Collifion gerathen, fie kämpfen um den Befig der englifchen 
'irchengemeinfchaft. Das eine von beiden, Proteftantismus genannt, kann in 
ingland nicht identifch mit ber Kirche von England feyn, denn es zählt als feine 
teften Jünger die fchlechteften Mitglieder, ja, die erflärteften u, bitterften Feinde 
njerer Kirche. Und was faft noch fchlimmer ift: unfere Kirche ift durch dieſes 
roteftantifch = ſchismatiſche Element fo angeſteckt u. geſchwächt, daß fie den Kranf- 
zitsjtoff weder ausftoßen u. damit fih von ber Verantwortlichkeit frei machen, 
och irgend etwas Wirkfames zur Heilung des Schadens vorfehren kann; ja, fie 
mag nicht einmal_ben frefienden Krebs aufzuhalten, der durch bie innerfte Ger 
mwart fo großer Corruption ben ganzen Leib der Kirche verwütet, ihre Lebens⸗ 
äfte verzehrt, ihre Glieder laͤhmt u. in Geheim faft Alles, was noch gefunb u. 
in zu ſeyn ſchien, vergiftet. British Critie, Januar 1843. Diefer Anficht zu- 
Age erklärte die neue Schule: „Der Proteftantismus fei in feinem Welen u. in 
Nen feinen Tendenzen bie Religion des verborbenen meriätigen gegmat En, 


3: 


558 Sufeyismus, 


Juli 1841. Und was bie proteftantifche het von ber Rechtfertigung ans 
belangt, fo fei e8 die Frage, ob jemals eine Härefte, fo verabſcheuungs wuͤrdig u. 
unchriftlich, als diefe Theorie, die Kirche befeindet habe... . ja, e8 liege nahe 
enug, gewiſſe Heußerungen der Heiligen Schrift vom Antichriſt auf Luther zu 
ziehen. Ebd. April 1842. Es verſteht ſich demnach, daß die Orforber ſich aufs 
Entfchiedenfte gegen jede Gemeinſchaft oder Verwandtſchaft der englifchen Kirde 
mit den proteftantiichen Genoſſenſchaſten bes Gontinents ausfprechen. „Sie find 
nicht Kirchen, wir aber find eine Kirche.” Und doch kann nicht wohl geläugnet 
werden, daß die englifche Kirche noch viele proteftantifche Elanente in fich trägt. 
Die Oxforder erklären e8 demnach für die große Aufgabe ihre Wirkens, für bie 
innerfte Bedeutung des gegenwärtigen Streites, daß bie Ruionulfirdye entprote 
ftantifirt werde. &bd. Juli 1841. Natürlich erregte eine ſolche Erklaͤrung unter 
den Evangelicals einen ungeheuern Eturm. Sie riefen auf zum Schutze be 
Kirche gegen die Agitatoren, welche ſich nicht ſchäͤmten, das Brod ber Kirche zu 
effen, während fie fie mit Fuͤßen träten. Die Orforber erwieberten, baß fie unte | 
Entproteftantifirung keineswegs eine gewaltfame, revolutionäre Ummwälzung bb : 
beftehenden kirchlichen Zuftandes gemeint hätten u. beabfichtigten, fonbern eine als : 
mälige Erhebung, Kräftigung u. Wiedererwedung des kirchlichen Lebens; 
Wort u. Beiſpiel wollten fie befiere katholiſche Anfichten verbreiten, nicht yplögli 
u. beftructiv, ſondern langfam u. aufbauend; allerdings werde hiebei bie vielfach 
bei Seite gefchobene Tatholifche Lehre wieder zur Anerfennung gelangen; bie in 
bie neuefte Zeit habe man in Folge inſulariſcher Abfonderung u, ererbter Borurs 
theile einerfeitö von den Proteftanten des Eontinents eine viel zu günftige, anders 
feit8 von dem Katholicismus eine verbüfterte u. unrichtige Vorſtellung gehabt; 
e8 fei nicht abzufchen, wie die engliſche Kirche den wirklichen Fortſchritt der Auf: 
löfung zu Hemmen vermöge, ohne fatholifcher zu werden; bie Hochkirche habe, 
während die ganze übrige chriſtliche Welt in zwei biftinfte Lagen zerfallen, ihren 
gemifckten Eharafter fortmährend beibehalten, cben darum ſei aber Die Oxforder Schule 
berechtigt, die noch vorhandenen katholiſchen Elemente zu ihrer Bafis nehmt, 
biefe weiter zu entwideln. Brit. Critic., Januar 1843. — Bel dieſer Anſchau⸗ 
ungswrife, die in gleichem, fchielendem Schwanfen alle Haupts u. Grundſaͤte ber 
fatholifhen Kirche ihrem Syſteme zu vindiciren fuchte, wobei fie natürlich mit be 
Kändigen Widerfprüchen gegen fich felbft zu kämpfen Haben, oder in einem vitiöien 
Zirkel ih bewegen — —— ſich die Puſeyiten, oder beffer Anglos Katholiichen, 
in ein Gewebe widerfinniger Behauptungen verwideln u. immer wieder ben Bor 
derfa duch ben Nachſatz aufheben. Die Gegner faumten nicht, diefe Bloͤßen 
auezubeuten, Was wollt ihr denn — fügen fie — mit eurer Berufung auf das 
Anſehen der katholiſchen Kirche? Gehört kenn ihr dazu? Ihr meint, durch einm 
Zafchenfpielerfunitgriff ganz leiie den Lefer oder Hörer dahin zu bringen. daß er 
ſich die Unterfchiebung eurer blos lofalen, vor 300 Jahren gegründeten Kirche an 
die Stelle der alten u. allgemeinen gefullen läßt. Jede Autorität, bie ihr eure 
Kirche zueignen möchtet, müßt ihr, u. in weit höherm Grabe, jener, von der ik 
euch getrennt habt, zugefichen u. hiemit euch ſelbſt als Schiömatifer u. Häretite, 
ober doch als Glieder einer, nur duch Epaltung u. Irrlehre zu Stande gefom 
menen, Kirche erfennen. Ahr Huldigt der Prärogation der Kirche dem Prinziye 
nad, läugnet fie aber in der Praxis; während ihr von ben Rechten ber Kirche 
im Allgemeinen viel zu fagen wißt, gebt ihr ſelbſt das Beilpiel der Empörung u. 
Aufleenung gegen fie. — Co lange es anging, fuchten fidh die Anglokatholiſchen 
mit der Behauptung zu Helfen: bie Kirchenlehre bes dritten u. vierten Fahr 
hunderts fei wefentlich verfchichen von der fpätern römifch »katholifchen, vertreten 
durch das Tridenter Eoncilium ; fie fahen jedoch bald ein, wie wenig haltbar biefe 
Aufftellung jei u. nahmen willig darüber Belehrung an. So in dem Etreite über 
den Garbinalpunft des Chriſtenthums, die Lehre von ber Rechtfertigung. Rews 
man u, ihm frigend, Puſey, hatten noch in ben Jahren 1838 u. 1840 große 
Mühe auf die Rachweifung verwendet, baß ihre Nechtfertigungslehte zwar ber 


Pufepisund; 55 


itheriſchen u. calviniſchen voͤlli⸗ —2* aber babet doch auch won 
utholiſchen wirklich verſchieden je, Die-Sadhe lief theild auf ein Mi 

iß bes katholiſchen — theils auf theologiſche Subtilitaͤt hinaus. Da 
aumerilaniſche Biſchof, M'glpaine von Ohio, ein eifriger Evangelical, und | 
ies ganz —— daß bier feine reelle oder haltbare iedenheit fei, 
xforber haben ſich auch hiet geiehrig gezeigt u. in einem Artikel ber Brit. Cri- 
©, ber gegen den Biſchof Summer von Cheſter gerichtet ift, "haben. fie unde⸗ 
enllich die Befchlüffe ber Synode von Trient über die Rechtfertigung zur Bafis ° 
enommen. eb t bat bie ‚alte Erfahrung, daß. in dem, Syflem ber Kirche 
Mes: innig u. weſentlich zufammenhänge u. daß nur. Inconfequenz einzelne, ‚aus 
ee Harmonie‘ bes Ganzen herausgeriſſene, Lehren willfürlich ‚verwerfen oder ans 
ehmen fönne, auch durch die Entwidelung der Orforber Schule, eine ‚glänzenbe 
Jeftätigung verhalten, u. confequenter Weiſe mußten ‚deren aufcichtige jeden, 
ie ſich nicht mit theologiichen Subtilitäten begnügen, nämlich Nevman und. 
reunde, eine fatholifche Lehre nach der andern annchmend, nothwendig in ben 
5ch008 ber Kirche zurücgeführt werben; ja Dakeley’s Darlegung-ber Rothe 
vendigfeit der Ofrenbeicht veranlaßte nicht einmal eine Erwiederung von Seiten. ber 
jochfirchlihen ober Evangelicals u. Newma empfahl: in bem 90,,..bem legten ber 
Traots for the Times“, die, Annahme: der Lehren vom Fegfeuer, dem Ablaf, der 
Nilberverchrung, der Autorität bes Papſtes, ber Anrufung ber ‚Bella fo wie 
m Gölibat, der Geiſtlichen. — Seitdem haben die meiften Biſchoͤſe ſich gegen bie 
)xforder Schule, oder doch gegen bas, was fie ihre Uebertreibungen nennen, er⸗ 
rt; felbft in Orforb find ihre Gegner, ba ſich bie. einflußreicheren Stellen. in 
Iren Händen befinden, die ftärferen, Sie verdammten belanntlich eine. Predigt 
dufey’s.als „Eeheriich“ u. er wurde feiner Profeffur u. des Prebigtamtes auf 
vei Jahre entjegt, was aber gerade einer Verbreitung feiner Anfichten ſeht 
etlich war. Die Predigt behauptete nur, was seine lange Reihe engliſcher Bi 
böfe u. Theologen im ganzen: 17. Iahrhunderte, Andrews, Montagus, 
Iverall, Laud, Forbes, Thorndyfe u. A. gelehrt hatten. Die proter 
antifhe Reaktion fegeit mit vollen Segeln u. günftigem Winde ; die Anglofathos 
ſchen aber haben einige ihrer Pofttionen aufgegeben, einige ihrer, über die allzus 
chen Fortſchritte erfchrodinen, Bundesgenofjen eingebüßt, ihre benabteften und 
frigften Vertreter, wie Georg Ward, ben BVerfaffer des von dem Orforder Unis 
arfitätsrathe verdammten Werkes, „das Ideal einer chriftlichen Kirche”, Krieds 
ich Oakeley, Karl Seager, Aſſiſtent Puſey's, u. A. u. ihren eigentlichen 
übrer, Johann Heinrih Newman, der in den Drben ber Paffioniften eingetres 
n u. vor feinem Mebertritte das geiftreiche u. geledrte Wert „Entwidelung ber 
wiftlichen Kirche“ (deutih von Dr. M. Brühl, Schaffyaufen 1846) veröffents 
Shte — an die Kirche verloren. Ihr eigentliches Drgan, ber Britich Critie, ber, 
ach nur von willenfhaftlicher Seite betrachtet, weitaus die befte unter dem lirch⸗ 
chen Zeitjehriften Englands war, ward mit Anfang 1844 unterbrohen. Auch 
e Regierung, in deren Händen ein fo umfaffendes Patronat u. die Belegung 
ler Bisthlimer liegt, — Dr. Hampben, Brofefjor ber Theologie in Orford, 
urde fürzlich von der Regierung, obgleih im Jahre 1836 wegen offenen und 
Härten Nationalismus u. Satitudinarianismus fürmli verdammt, welche Genfur 
eilih 1842, ohne daß Widerruf erfolgt wäre, zurüdgenommen worden, trog vies 
r Proteftationen zum Biſchofe ernannt; es bewies dies, daß wirflih die englis 
be Kirche eine Staatsfirhe fei, die gar nicht einmal wagt, felbft wo es ihre 
eiligften Intereffen gilt, biefe energiſch zu wahren — fann ihnen nur ungünftig 
pn, benn bie Orforder haben die „Tyrannei ber Staatsgewalt über bie Kirche“ 
ir eine Haupturfache des Berfalls der legterm erfläit; fie betrachten auch darum 
ne Wicdervereinigung mit ber römiſch- katholiſchen Chriftenheit als eine große 
Bohlthat für England, weil eben dadurch der englifhe Zweig der Kirche erſtar⸗ 
ın u, das brüdende Joh des Regierungsdefpotismus gebroden, wenigſtens ers 
ichtert werden würde. — Jedenfalls iſt mit dieſtt Bewegung din wide 






Ei 


so Yufeyiämus. 


. ges Ferment in bie Staatskirche gefchleubert, das wohl früher ober fp& 
es deren Serfegung herbeiführen wird. Die Anglofatholiihen Haben die 
Thangere Gmeration des Klerus und nicht wenige ber jüngeren aus bem 
höheren Laienftande für ſich, fonft aber freilich fa alle Interefien gegen fid. 
„Haben wir in Vorſtehendem biefe Lehre vorzugsweife von der dogmatiſchen 
Seite (zumeifi nach Profeſſor Döllinger’s geiftreicher Auffaſſung in feiner Arbeit: 
Die Kirche u. die Kirchen, in ben sih. polit. Blättern, 1844) betrachtet, fo wollen 
wir nun felbe auch mehr von der Hiftorifchen in's Auge fafien, was uns näßer 
auf die Stellung des P. zur Kirche und zu ben foctalen Zuftänden in England 
führt, Der B. hat dem Anglitanismus nach zwei Richtungen bin pemübt: er gab 
der Geiftlichkeit eine würdigere Stellung, indem er auf beren ſittliches Ber 
ünftig einwirfte, und fodann hob fd durch biefe Bewegung bie Autorität bes 
iffopate, — bie „Bäfareopapie*. Darum ift jedoch der P. keineswegs mehr, 
als eine Phafe in der Fatholifchen Bewegung des Anglifaniemus, nicht dieſe ſelbſt: 
der Anglitanismus ift vorläufig nur auf dem Wege, ſich zu deprotefanti- 
firen und ſchismatiſch zu werben, flatt baß er bisher Häretifch gemein. 
Was gewänne aber alsdann bie Fatholifche Kirche buch Puſey's u. feiner Ge 
nofien Bewegung? — Wir haben nicht weit in die Geſchichte des Anglitanismus 
ang eben, um zu erfennen, baß die Bifchöfe der Hochkirche alles Einflufes 
ar auf ihre Geiftlicden, viel mehr noch auf die Maſſe bes Volkes. Im 
Jahre 1842 erließ der Bifchof von London eine Art von Verordnung , worin er 
ſich den Puſeyiten in einigen Punkten näherte, während er in anderen fie angrif. 
Dabei verfhonte er auch nicht bie Diffidenten, welche Die Wiedergeburt des Geiſtes 
duch bie Taufe laͤugnen. Der Prälat verfuchte die Anbahnung eines „Juste 
Milieu“ zwifchen den beiden Ertremen, überhaupt fprach er nur eine perfönlide 
Anſicht aus u. zwar mit fehüchterner und fchwanfender Unficherheit. Er ſprach 
nicht, wie ein Bifchof, ber fi in einem Hirtenbriefe mit Autorität auf einem 
unerfchütterlichen Grunde u. Boden bewegt. Und es währte wirklich nicht Lange, 
fo zeigte es fi), daß er, mit genauer Kenntniß der Berhältnifie und Zuftände, in 
folder Weife nur bie Defenfive ergriffen und, ſtatt ber Borfchriften, Ratbfchläge 
gegeben hatte. — Eine Wolfe von Brofchüren, von Zeitungsartifeln u. Angriffen 
aller Art warb von Seiten feiner Diöcefanen fowohl, als ber Diffidenten, gegen ihn 
gefchleubert. “Der „Record“ u. ber „Christian Observer“ begannen ben 
mit tüchtiger Unterftügung ber politifchen Journale „Morning Herald“ und 
„standard“. Ein Pfarrer von Knockholt, Suteliffe, richtete einen Brief an ben 
Biſchof, worin er befien Lehren ald abfurd, ſchriftwidrig, pufeyitifd u. 
papiftifch bezeichnete. Ein anderer Prediger, H olloway, erflärt aus ' 
daß, wenn bie Anficht des Biſchofs die wahre Lehre der englifanifhen Kirche ſey, 
er freilich ſeit dreißig Jahren Nichts, als ein Gewebe von Luͤgen gepredigt habe. 
Der Dekan von York bemerkt, bei der Leſung der biſchöflichen Verordnung habe 
ee zu zweifeln begonnen, ob er überhaupt je Die Lehre feiner Kirche verftanben 
habe. Endlich bedient ſich ein anderer Geiftlicher Londons, Dibdin, bes Dr 
gans des „Morning Herald“ um feinen Bifchof anzugreifen, während bas „Quar- 
teriy Review“, eines ber geachtetfien „Periodicals“, die Ermaßnungen des Praͤ⸗ 
laten ganz einfach als „Rindereien und Thorheiten“ bezeichnet. Es iſt leicht m 
denken, daß bie Maſſe ber Laien ſich dieſer Schilderhebung eines Klerus gega 
ve unmittelbaren Borgefegten anſchloß. In dem ganzen Streite hanbelte «6 
ch aber lediglich um Nichts, als anzuerkennen, daß ber Geiſt wiebergeboren wirb 
durch die Taufe, fowie um bie Wieberherftellung einzelner Theile bes Kultus. 
Wir Heben dieſen einzelnen Fall heraus, weil er der füngften Zeit angehört; wie 
viele Belege zur Behauptung, daß bie bifcyöflicde Autorität im Anglifanismus de 
nuce et pure Null fei, wären fonfl noch anzuführen! Gin anglitanifcher Bifchof 
hat feine Autorität in Betreff der Feſtſtellung eines Dogma, keine in Fragen ber 
Kirchendisciplin. Der Fanonifche Gehorfam bes Klerus gehört in der Hochkirche 
unter bie Zabulofen, unter bie transcenbentalen Dinge. Die biihölliche Gewalt 


Pufeyismus, 


—— hund Die rap eworhenen 
ur je, weltliche Juris! 

Geſed einem — Be in Tine ia San 
menheit ‚nicht „einmal —— — — 
koͤnnte. ber hätte mu Ei 


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— ke — He Bi — oder — Dane 
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Klerus, wie, das ‚übrige Volk, feinen Naden unter ie jeitiche- des Herrn; 
€ — ar sin a —* von Gentlemen nur für —— nicht für 
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D 


— 





—— eh Be a ae nad vie faten ‚ftrebe, . Ein 
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er ierüber Exftaunen = 4 tßerte, erwieberte — „Sie ame Zweifel. ein Mer, 


Fe Rt A a x bes 
—— finde, gelehrt — 2 Ber ent nicht Die 
Sin 4 Rn von dem Leben Vaneo ven „gandpfatte:8 von Mafefielb?” 
ener Hat Theologe, Whiston, deffen Lehte der Vitar fo hoch achtet, erzählt 
als wunderbare Thatjachen, daß der Biſchof Gibſon fih nur einmal verheirathet, 
u. auch nur einmal feine Diözefe gewechielt habe. Neben biefem Biſchofe fteht 
aber ein anderer, ber Socinianer Hoadly, ber beftändig eine Diözefe nad) ber 
andern übernahm, ftets höheren Einfommens wegen. Damals, wie jegt, war 
der ganze Gpijfopat der Hochlirche eine Lochſpeiſe in der Hand ber Regierung. 
Unter dem Minifterium Lord Liverpool’8 gab man in die eine Hand ein Kreuj, 
um gewiß zu jeyn, baß die andere für das Gabinet votire u. im umferer Zeit 
find ja doc die Bifhofefige Ely u, Ereter nichts Anderes, ald den „Boroughs 
mongers“ bei ben Wahlen bewilligte Belohnungen! Man begreift, daß bei einer 
fo ausgearteten individuellen Lage der Epiffopat mit feiner ganzen Organiſation 
an einem Abgrunde fteht. Derfelbe beruht auf feiner feften, breiten Grundlage; 
er ift nicht das Ocgan eines großen Ganzen; unter ben einzelnen Mitgliedern 
herrſcht eine bejammernswerthe Dislocation. Ihm ift es micht erlaubt, zu hanz 
dein, zu lehren, auf dem Wege der Doctrin zu entfheiden, zu richten! Die fath. 
Kirche Hinterließ ein Hlerifalifhes Tribunal, bie „Gonvocation“ genannt, welches, 
nad) bem Mufter des politifhen Parlamentes, in ein Oberhaus, worin bie Dir 
fhöfe u. großen lirchlichen Würdenträger faßen, u. in ein Unterhaus, das der 
niebere Klerus bildete, eingetheilt war. Man votirte in biefer Verſammlung die 
aus den Gütern der Kirche zu exhebenben Steuern u. beihäftigte fih aud mit 
dem Dogma u. der Disciplin. So ein Afterding dies Inftitut auch war, fo war 
es doch immer ein freies Inftitut, welches der kirchlichen Unabhängigteit fein 
Entftehen verdankte. Bald aber ufurpirte die Regierung das Recht, biefe Konz 
vocation zu berufen u. aufzulöfen; im Jahre 1717 erlaubte ih das — 
die Erben Hoadly's zu tadeln, die Regierung aber beſchühte ihren Günftling 
von dem Augenblide an war von diefer Verfammlung feine Rede mehr. — 
außer England, fände man ein chriftliches Epiitopat, das gu ner x —S 


Realenepclopäbie. VII. 


= Ka wien wurden nicht fo ‚reben.“ Ein anderer a Dr. BWatjon, 
ii 


562 Gufeylömns, 


Role in allen, zu feinem — Reſſort gern, Dingen verdammt wäre? 
Durch eine gerechte Strafe Gottes ift diefer Klerus, der einen zu geben Antheil 
an ben Dingen diefer Welt fi anmaßen wollte, nur noch ber Schatten eines 
großen Namens, magni nominis umbra. — In dem unförmlichen Gemiſche, bie 
engliſche Hochkirche genannt, finden fich die Heterogenften Elemente: Da ein dem 
Tatholifchen Baue entnommener Stein, bort ein Pfeiler aus dem Gebäube Cal: 
vin's. „Die Organifation unferer Kirche,“ fagt aber, „tft eine revolutionäre 
ii ber Reformation.” Sie warb mit übereilter Haft wieder aufgebaut, wie 
ene langen Mauern Athen's, zu deren Herftellung Brucdflüde von Grabmalen, 
Statuen, Tempeln u. Monumenten verwendet wurden. Diefe waren allzu 

am unrechten Orte, u. wie das Werk vorwärts rüdte, fah man, daß bie feind⸗ 
fihen Borpoften mit in's Bereich der Stadt eingefchloffen warn. Man warf in 
der Kirche zwei entgenengejepte religiöfe Tendenzen zufammen: die eine flühte 
fih auf das Urbild, bie andere auf eine ber erfteren gänzlich wiberfprechenbe 
Srundformel, während man doch aus beiden die nämlichen Pflichten, das näms 
liche theologifche Syſtem folgerte. Bon der einen u. ber andern Seite hatte man 
nicht genug hinreichende Kraft, ſich frei zu machen. Ein Hartnädiger Kampf um 
die Herrſchaft: Hierin refumirt ſich die Befchichte jener beiden Tendenzen, bie 
Geſchichte der Hochkirche, die Geſchichte des Landes ſelbſt. — Nothwendigerweiſe 
muß jebt eine der heterogenen Tendenzen ausgemerzt werben, wenn bie engliſche 
Kirche beſtimmt ſeyn fol, fild zu purificiren u. fh aus fich felbft wieder aufm: 
bauen, — Die Schwäde einer bergeftalt in fich ſelbſt uneinigen u. zerfallenen 
Kirche iſt alfo eine fo natürliche u. — *8 Erſcheinung, daß man fi muır 
wundern müßte, wäre e8 anders. Aber dieſe Uneinigfeit u. Zerfahrenheit, woher 
rührt fie? Sie ift die Kolge einer Erfcheinung, welche weder der B., noch irgend 
eine andere, nur partielle, Neuerung verfchwinden machen wird, nämlich eine Kolge 
des beftändigen Wechſels in der Lehre bee Hochkirche: eine Kirche, bie kaum felbk 
weiß, was —* lehrt, darf dieſe es wagen, ihre Anhaͤnger belehren zu wollen? — 
Ohne weiter aurddyugehen bi8 zur religiöfen Bewegung im 16. Jahrhunderte, 
bedarf es nur eines oberflächlichen Meberblids über die Vorgänge während eines 
u. eines halben Jahrhunderts, um uns bie verzweifelte Lage dieſer Hochkirche ger 
hoͤrig in's Helifte Licht zu fehen. — Als die Thorheit Jakob's IL bdenfelben zu 
einer traurigen Abirrung, trotz ber weifen Ruthichläge des römifchen Hofes, ver 
anlaßte, erhob fih im Schooße ber anglifanifchen Kirche eine Heftige Reaction, 
die fih in ber doppelten Geſtalt des Arianism u. Calvinism offenbarte. Beide 
verſchmolzen zu einer Art von De merung von nicht Hell u. nicht dunkel, nicht 
ſchwarz u. nicht weiß; welchen Zuſtand die Engländer pafiend mit Latitubina⸗ 
rianism bezeichnen. Diefer iſt nichts Anderes, ale abfoluter Indifferentismus in 
Anfſehung des Dogma’s, u. in diefem Christianismus vagus liegt die Urfache ber 
unter den hochkirchlichen Geiſtlichen allgemein herrfchenden laren Moral. In Folge 
befien fagten ſich bereit8 unter Wilhelm III. die Geiftlichen groͤßtentheils von ben ec 
ren (08, welche ein Lund, ein Collier, ein Thorndyke aufſtellten. Diefer Männer 
theologiiches Syſtem refumict fi in den Worten: Laffet Jeden feinem indivi⸗ 
duellen Antriebe folgen in Sachen bes Glaubens u. behaltet nur gewifle äußere 
Formen des Eultus bei zur größeren Befriedigung ber Sinne. der Erzbiſchof 
Tilloſton gab den erſten Ankos zu biefer An» u. Einbequemung; Gillingwort) 
machte daraus ein Syſtem u. Lode lieferte bie philoſophiſche Terminologie dam. 
Die Regierung hütete ſich, diefem Syflem hindernd in den Weg zu treten, wels 
des zwar jedes Blaubensgrundes baar war, aber aus dem Geiftlichen ein unge 
mein brauchbares Inftrument in der Regierung Händen machte. — (ine e 
Minderzahl war zwar gewifienhaft genug, gegen ein foldh frevelhaftes Bergeiien 
des Evangeliums zu protefliren und, da fie fi durchaus nicht gewinnen lafien 
wollten, mußten fie eben ald „non jurors“ aus ber Kirche treten. — Alsdann 
erft, ſagen die Pufeyiten, herrfchte der wahre Proteftantiemus, Seit ber Zelt 
des Apoftels Auguſtin von Canterbury gab es Keine teamiqere für hie angli- 


— 


Puſeyismus. 563 


iſche Kirche. "Der Arianism wurde in’s Leben: zurädtgerufen von Whiston u. 
te; — ging bereits einen Schritt weiter, Indem er bie. Teinität 1, bie, 
lliche — Kirche läugnete, — Die Folgen dieſer Anarchie zeigten 
unter ber. Geiftlichfeit auf eine furchtbare Weiſe. Der Biſchof Burneft nennt 
elbe bie zuͤgelloſeſte, die et geſehen. — Paley, deſſen Schriften weit. verbreitet 
ging abermals einen Schritt weiter, als bie Genannten; er. je die 
thentictät der Heiligen Schrift, gab. bie göttliche Infpiration nur in beſchrantler 
iſe zu “ —— die —— — —— war den Ph 5 * 
ignung der gi en arung Thür u. jeöffnet u. Chubb, Tol 
tbal verſuchten es vergeblich, dem einreißenden — einen Damm eniges, 
zuſehen u: zwar — fo-rächt ſich die mißhandelte Wahrheit, früh. oder 
h immer! — Hauptfächlich deßhalb, weil man die Epige ber Argumente, welche 
früger gegen bie katholiſche Kirche gerichtet hatten, jegt mit Vortheil ihnen 
gegenbielt. Der befannten Prinzipien eines Hume, seines Bolingbrofe, eines 
bbes können wir nur beiläufig erwähnen, aber, hervorzuheben it Die Ti 
die Hälfte der anglifanifchen Geiſtlichen mit ben Freidenkern — 
che machte. Eine große. und unverſchaͤmte Verachtung der jion iſt das 
ralteriſtiſche Merkmal unſeres Jahrhunderts“ ſchrieb ber Etzbiſchof Seder im 
hre 17385 „beeilt man ſich nicht, gegen dieſen Strom des Ünglaubens u. ber 
eligiöftät einen Damm zu erbauen, jo gehen wir. unmittelbar dem Untergange 
gegen.“ „Gar viele Menſchen,“ fagt der berühmte Bifchof Buttler im Aber 
56, „ſehen Heutzutage die Religion als abgemächte Sache anz das Chriſten⸗ 
in vergehe, es fei daher vergeblich, ſich damit zu beichäftigen.“ — Diele Antes 
enzien gemigen zum Berftändniß des Folgenden, Wir richteten nur die * 
adigſten Rüdblide in bie Geſchichte ber a aa Kirche, — Obgleich 
action in religiöfen Dingen, u. insbefonbere der P., obenbezeichnete Abnormitäten 
gewiſſe Schranken zurüdgemwiefen hat, fo. iſt es doch Jedem, ber —— 
en Blick in dieſe Verhaͤliniſſe zu thun, eine unläugbare Thatſache, daß. England 
religiöfer Beziehung einer großen Zerrüttung entgegengeht. Was vermag num 
» anglitanifhe Epiffopat zu deren Abwenbung beizutragen? Was find in feinen 
nden die abgeriffenen Lappen des Chriſtenthums, welde ber Anglifanis, 
8, gleih dem Erben, dem von feinem ganzen Reichthume nur ein paar vers 
te Rechtetitel übrig blieben, fo eiferfüchtig bewacht? Worin befieht ba 
amt biefer Bifchöfe und in weſſen Namen üben fie «8 aus? — Als Indie 
uen haben fie nur ihre einzelne Etimme, und felbft diefe wird vom revolus 
nären Proteftantismus oft überfchrieen; als Corporation eriftiren fie nicht, wir. 
ſen bereits, daß fie weder lehren noch richten, weber firafen noch belohnen 
men. Mebrigens geht ihnen jegt, wie vorbem, vor Allem die Einheit in ber 
ire ab; den Trinitariern, voie den Eocinianern, den Pufeyiten, wie den flarren 
loiniften, mag immer u. in feiner Weife, weder durch radicale Oppofition gegen 
Kirche, noch durd ein Koquettiren mit berfelben, es gelingen, ihre Vergangen⸗ 
t vergeffen zu machen, an welde fie durch ungerreißbare Bande gefeifelt find. 
ihre Bank im Oberhaufe gefettet, ben unzarten Spöttereien eines Lords über 
ſchlechten Häufer in Weftminfter, oder den vereinten Angriffen der Whigs, 
difalen und Diffenters ausgefegt, ift ihr Loo8 bem des Gefolterten auf einem 
de von glühendem Eifen vergleichbar, um bie näherliegende Vergleihung mit 
ometbeus nicht anzuwenden, die zu fehr nach einem Sarfasm ſchmecken wuͤrde. 
d diefe Männer follen das, England in der Zeiten Hintergrunde vorbehaltene, 
ſchick in Anfehung ber Religion leiten! Und zur Ordnung eines Wirrfals, 
: das anglifanifbe Syftem eines iſt, folte «8 genügen, baß einem fo gebrech⸗ 
‚en und franfen Körper ein wenig von dem jungen Blute der Schule von 
forb eingeflöst würde! Die soi disant Kıtholizität eines Pufey iſt vorerſt nur 
Ür gut, um einem alten zerfallenden Gebäude ber Politif wegen ein anftänbi- 
Anſeben zu verleihen! Denn bier liegt der Knoten der Frage. — Die anglis 
iſche Kirche, oder vielmehr die Kirche Elifabeths , die der Wow _ vi 
W 


564 Dufeyiönus. 


Au ihrer Eriftenz ber Stübe bes Thrones, wie des Armes der Ariflofratie. Im 
he iſt die Einheit zwifchen Thron und Altar auf das Innigſte wahr geworben 
und Glabftone Hätte gar Feine Mühe an bie Beweisführung einer fo offenkundi⸗ 
gen Ihatfache zu verwenden gebraudht.*) Diele Abhängigkeit ber en 

the vom Staate wird auch von allen britifchen Theologen pufeyitiicher Rich⸗ 
tung nicht nur zugeftanden, fondern bitter beflagt, und bie früheren ber berühms 
ten „Tracts for the Times“ gingen von biefem Standpunfte aus. Noch ſtaͤrker 
aſſen denfelben die Berfaffer der Lebensbeſchreibung der englifchen Heiligen **) im’s 

uge, welche überhaupt nicht mehr fragen: quid sentiendum, fondern quid agen- 
dam? Nur noch ein geringer Theil der anglifanifchen @eiftlichfeit ſteht auf dem 
Standpımfte Palmer und behauptet, bie anglifanifche Kirche ſei göttlichen Urs 
fprungs, apoftolifh und katholiſch; der Staat habe feinen Antheil an ihrem Ent: 
fiehen und übe feinen größern Einfluß auf fie aus, als folder überhaupt ber 
weltlichen Regierung chriftlicder Staaten gebüfre ꝛe. Unzweifelhaft wird biefe 
Stellung ber anglifanifchen Kirche zum Staate eine Reaktion, eine gewaltſame 
Spaltung in nicht allzuferner Zeit herbeiführen, aber zum Aufbau der neuen Ge⸗ 
ſellſchaft bedarf es fodann flärferer Hände, als derjenigen der Pufeyiten***) und 
„Evangeliften.” Der Leptgenannten Role beginnt jeßt fehr ictig zu werben 
und greift tief ein in bie gegenwärtige Bewegung. Es iſt wohl zu beachten, daß 
Diefelbe eine zwar vom Methobism ausgehende, doch gegen biefen gerichtete Real⸗ 
tion ifl, gerade fo, wie der Methobism eine vom Anglitinismus ausgehende leb⸗ 
hafte Reaktion gegen den Unglauben befielben if. Zwiſchen beiden herrſcht eine 
innigere Berwandtfchaft, ald man gewöhnlich glaubt. Das Entſtehen bes Bir 
tismus war von denſelben Crfcheinungen , bemfelben Enthufiaomus, benfelben 
Widerfprüchen begleitet. „Ohne bie Diffidenten,* fagt ein amerifanifcher Autor, 
„verfiele die engliſche Ration in das Verbrechen ber Mpoftafle; ihnen ausſchließlich 
verdankt man die letzten Funken bes reinen Evangeliums. Dieſer Funken er⸗ 
glänzte zuerft unter den Händen Whitfield's und Wesley's, welche baraus ben 
Methodism geftalteten. In diefen brady aber bald ein Schisma hinein, wodurch 
bie Evangeliften entflanden; aus biefer Partei rekrutiren fich Heutzutage vor 
sugetweile die Bidelgefellichaften. Der erfte Zweck diefer Schule war, ben Ari⸗ 
anismus und Belagianismus, welche im Schooße ber Hochkirche herrſchten, zu 
befämpfen. Bis gegen 1770 wirkte fie unter Whitfield ihrem Zwecke getreu, 
mit Boranftellung von Lehren, wie: die Unfruchtbarkeit der guten Werke, bie Praͤde⸗ 
ftination und ähnliche in dies Syſtem gehörende. Bei aller Annäherung an 
Genf früsten fich jedoch die neuen Anglifanifchen auf Ridley, Jewal, Eranmer 
und die übrigen Gründer der beftehenden Kirche. Bald aber tauchten neue Lichter 
unter ihnen auf; zuerft WIN. Romaine, ber wahre Begründer der Evangeliſten, 
fodann der Sflavenhändler John Newton. Eines Tages las biefer auf feinem Schiffe 
bie Bibel, als die Herzzerreißenden Klagen der unglücklichen, im tiefften Raume 
eingefchlofienen Schwarzen fein Herz rührten; er gab den Sflavenhandel auf u. 
wurde ein berüßmter Präbifant. Ihn erſetzte Joſeph Milner, welcher bei Luther, 
ben Presbyterianern und Diſſenters in die Schule ging. Rod andere, hieher 


*) Dan vergleiche das jüngft erfchienene Werf: „The Angelican Church ihe Creature and 
Slave of ihe State; in a series of Lectures delivered before the Acamedy of the 
Catholic Religion (Dublin) By the Rev. Cooper,‘ London 1844. 

**) Henry Newman n. feine Freunde, in der ſtillſten Surücdgezogenheit auf einem Landgute bei 
Orford lebend. Das Werk erfcheint andy im deutfcher und franzöflfcher Ueberfehung. 

"+, An einen Wortführer der leßteren, ein Mitglied der Gambridger biftorifchen „Camden- 
Society,‘ welde ans ganz pufeyitifchen Blementen zuſammengeſetzt iſt und auch im biefer 
Richtung wirkt, erließ Graf Montalembert ein herrliches Schreiben, worim er ben Puſeyiten 
auseinanderfept, daß fie die Fatholifche Kirche gar nicht begreifen, wenn fie glauben, ein 
Gompromiß katholiſirender Proteftanten mit derfelben fei möglich. Eben, weil die nicht moͤg⸗ 
lich und er ein guter Katholik fey, müfle er bie ihm von der Gorcietät zugedachte Chre 
(Aufnahme als Mitglied) zurückwelien. 








Bufeyismnd, 565 


Gehörenbe find : Scott, Robinfon, Biderfteih, und ber gegenwärtige Biſchof von 
en Dr, ®ilfon. Eine bemerfenswerthe Anatogie ik daß bie — 
gleich vom Anfange an ſich in eine ſtrengere und milhere Partei theilten, , 
gleihfam eine Hohe und niedere Kirche bildeten, Die erfte befannte fich tHeoretifch 
und praktifch zum finftern und harten Syfteme Ealvin’s über die Präb on; 
Die zweite fagte ſich zwar gleichfalls von demfelben in ber Theorie nicht los, nahm 
aber in ber Marie durchaus Feine Rüdficht darauf. Die Evangeliften zeichneten 
fi dur). ihre fanatiſche Intoleranz aus. und, die Diffidenten. felft erflärten, 
es gleich ſchwer fei, einen Diamant von. ganz reinem Wafjer, und einen mi 
engherzigen, ‚nicht fanatiſchen Evangeliften zu finden. Indeſſen kam doch 
eine Hebereinkunft zwifchen ben. beiden Parteien zum Zwede — Kampfes 
egen bie engttaie Kirche zu Stande; ber berüßmte W ce. machte den 
Dermitter ee Kampf, der [7 nun. entfpann, war ein heftiger, da bie 
Hochlirchlichen“ von allen Seiten angeriffen wurben.. Diefe. verti ten ſich 
jeboch rät, bewiefen ben Evangeliften, daß ihre Lehren nicht viel beffer, ale 
‚Härefien, ſelen und marfın ihnen vor, daß fie nur aus. dem Grunde innerhalb 
der. Kirche bfieben, um befto ficherer am deren Untergange arbeiten zu Fönnen, 
Diefer Vorwurf war. gegründet, wie fi in. ber Folge deutlich zeigte, Da bie 
ſroße Mehrzahl des; anglifanifchen Epiffopates gegen bie. Evangeli lich 
Findfeig geftimmt war, tonnten biefe nicht leicht zu Pfarreien gelangen, fanden 
aber ein anderes Ausfunftsmittel ; fie gründeten. nämlid an ben er 
orten. bed. Adels während. bes Sommers, in Bath, Tunbridge, Brigthon, Ehelten- 
ham, ıc, Succurſalien. Die neuen Präbifanten waren mtheild unterrichteter, 
als bie.alten — und verſtanden es, das Wort zu handhaben, fo. daß fie 
zahlreiche Aubitorien um fich verſammelten. Dies ging fo weit, daß bie Iegal 
eingeſehten Bfarrer ſich bald nicht nur verlaffen, fondern auch in ihren Rechten 
und Ar Einkommen gefränft fahen. Man, mußte nothwendiger Weife gegm . 
dieſe Mebergriffe einfehreiten. und. verlangte die Guiheißung bes Orbinariate,, ds 
Patrociniums und bes Pfarrers zur Gründung evangelifcher Kapellen. Das 
Sefep ift jedoch leicht zu umgehen und heutzutage ift eine ſolche Kapelle eine 
wahre Mobefahe. Die Damen insbefondere haben ihre Protöge’8 unter den Praͤ— 
bifanten, welchen ein Auditorium zu bilden fie fih auf alle Weife bemühen. 
Ja, es ift fo weit gefommen, daß Epefulanten fi der Sache bemächtigten und 
felbe trefflich auszubeuten wiſſen. Zunächft ftatteten fie das heilige Gebäude mit 
aller mögliden Eleganz und dem vollendeften „Comfort“ aus; eine ober zwei als 
Logen eingerichtete Galerien würden an ein Theater erinnern, wenn ber Com- 
muniontifh und die Kanzel fehlten. — Sodann flieht fi der Unternehmer nad 
einem Präbifanten um, um durch beffen Rebnertalent und fehmiegfame Lehre bie 
Elite der Geſellſchaft Herbeizuziehen, an welche die Logen fo theuer als möglich 
vermiethet werben. Manchmal gelingt es dem Geiftlihen, die Kapelle als Eigen» 
thum zu acquiriren und fo eine „Congregation“ zu gründen. In anderen Fällen 
verfieht er Anfangs das Amt eines Bifars beim anglifanifhen Pfarrer u. fucht 
fi populär zu machen, wo bann feine Anhänger fi) in ber Regel bemühen, ihm 
eine unabhängige Stellung zu verfhaffen, indem fie eine Kapelle für ihn bauen 
und fie ausftatten. Noch ein bemerfenswerther Zug diefer „evangelifchen Herren“ 
ift, daß fie faft immer den feinen Takt befigen, reiche Erbinnen zu heirathen.*) 
Ihre Gewandtheit in biefer Beziehung ift wahrhaft fprüchwörtlich geworden und 
brachte den berühmten Prediger Scott, ber die Pflichten feines Amtes ernfter 
nahm, faft zur Verzweiflung. Die nothwendigſte Eigenſchaft eines ſolchen fashionablen 
Prädifanten if, bag er das Evangelium in feiner ganzen „Reinheit“ prebige. 
Was unter folder Reinheit verſtanden wird, läßt fich leicht abnehmen; man ver- 
ſteht nämlich darunter Abweſenheit alles Dogmatifchen, welches durch eine Moral, 
die ein Türke und ein „ebler“ Heide mit demfelben Rechte ala bie ihrige bean- 





®) Edinburgh Review, L. Ih. p. 248, 


566 Sufeyiänns, 


fpruchen können, ober burch Ibylien über die Schönheit, die Harmonie in be 
Natur ıc. erſetzt wird. Nichts iſt eigenthümlicher, als die Ankündigungen in ben 
Sournalen dieſer Partei, „Record“ und „Christian Remembrancer,* deren wir eine 
der Curiofitaͤt Halber mittheilen wollen. „Wan fucht fir eine Kapelle 
MWeftende einen Geiftlidden von großer Pietet und Gefchidlichkeit 
einer außerordentlidhen Congregation. Diefelbe beſteht hauptſaͤchlich aus ben 
öheren @lafien ber Oeleit aft, worunter man vide treue Diener Gottes 
ndet. Man erwartet daher, daß ber Prediger Chrifi Wort in al cine 
Gülle und in aller Freiheit der Erlöfung verfünde* In einer andern Rumme 
fündigt ſich ein Geiftlidder an, „welcher vol Eifer und evangeliſcher Brunbfäpe, 
eine Kapelle im füblichen England fucht.* „Man fucht einen Geiſtlichen mit flarfe 
Bruft u. eindrudsvoller Rebeweife” (a powerful voice and an impressive manner), 
Seit einiger Zeit findet man bei ſolchen Aufrufen binzugefügt, Daß der Geiſtliche 
nicht von ber puſeyitiſchen Keberei angeftedt fenn dürfe. Zuweilen verlangt man 
fogar, ber Candidat folle im Stande ſeyn, um feine Kanzel Individuen alle 
religiöfen Ueberzeugungen zu verfammeln! Dan wäre faft geneigt, alles Das 
fäcyerlih zu finden, läge der Ernft nicht zu nahe! — Bis jept blieben wir noch 
immer innerhalb der Gränzen der anglitanifchen Kirche, in welcher man doch noch 
bie meiften Elemente der Kraft und Dauer zu finden beredhtigt if. — Welches 
traurige Bild u. welch' gänzliches Meberfehen alles besjenigen, was eigentlich bas 
ciftige Leben des Chriſtenthums ausmacht‘, fintet fich aber bereits hier! Beim 
nblide diefer großen Ausfaat von Zwietracht, weldde nur in einem Punkte einig 
iR: in der Berwerfung aller und jeder Autorität; beim Anblide dieſer Stupibhät, 
welche aus dem Predigeramte ein feiles Befchäft, aus dem Dogma eine Modes 
ſache macht, fragt man ſich mit Schreden, wie lange noch bieje große Komödie 
währen fol?! — Und die Armen u. Berlaffenen, welche bes Troſtes ber Religion 
um fo eher bebürfen, weil fie den Verfuchungen bes Lufters eher ausgefegt find: 
wie lange noch werben dieſe gebuldig vor den ‘Pforten jener Tempel harren, aus 
denen man fie, gleich einem von Chriftus verftoßenen @eichlechte, verbannt? (ine 
foriale Revolution beginnt auch bereit das fünftlihe Gebäude zu untergraben 
und der P. ift eine Phaſe derfelben, doch noch nicht die entſcheidende. Im eng⸗ 
liſchen Unterhaufe macht ſich eine Fleine Gruppe von Männern bemerfbar, welche, 
in feften u, gefchloifenen Reihen daftehend, ihre Minderzahl durch Kühnheit erfept 
u, politifhen Einfluß, fogar durch die Energie ihrer religiöfen Ueberzeugungen u, 
ihre intenfitive Stärke, gewinnt. Diefe Partei greift felten an, gibt aber auch 
feinen Fingerbreit nach, wo es bie Bertheibigung ihrer bedrohten Interefien gilt. 
Wir meinen die Diffidenten „Dissenters“. — Handelt es fi um eine Waßregel, 
wo, gemäß der alten Taftif der Tory's, das Babinet fi) bemüßt, unter Dem 
Dedmantel einiger, der Moral günftigen, Gonceffionen ein die Volksgerechtſame 
bedrüdendes Geſetz durchzubringen: fo find die Diffidenten alfobald auf dem „qui 
vive*, beihügen fogar die Katholifen und tragen gewiß zulegt ben Sieg bavon. 
So nöthigten fie Sir James Graham, eine Geſetzesvorlage wegen der Elemen⸗ 
tarfchulen zurüdzunehmen. — Nach Außen fügen ſich die Diffidenten auf beden⸗ 
tende Kräfte; viele Kubrifen u. Manufakturen in Mittels u, Oftengland find im 
Befige von Mitgliedern diefer Sekten, welche fo lange aller politifchen Rechte bes 
raubt waren; u Diele reichen Eigenthümer üben wieder einen großen Einfluß auf 
ihre unmittelbaren Untergebenen aus. Sie gründen Schulen, in weldhe bie Ar 
beiter ihre Kinder ſchicken müflen, wenn fie nicht verabfchiebet feyn wollen; daß 
ber Lehrer derſelben religiöfen Meinung angehören muß, ift ſelbſtredend, ebenfo, 
daß auf ſolche Weile gar viele Profelgten gewonnen werden, In ſolchen Diftriften 
hat demnach ber anglifanifche Geiftliche als Hirte ohne Heerde auch eine wahre 
Sinefure. Leider find die fatholifchen Kabrifarbeiter, deren in jenen Gegenden 
ſehr viele, gegen biefe gefährlichen Berführungen gar nicht, oder nur ſchwach bes 
ſchuͤtzt. — Ueberhaupt zeigen ſich bie religiöfen Epaltungen in England in ihren 
Zolgen, beſonders bei den niederen Claſſen, weldye alles Glaubens baar find, 


100. 








Puſteln — Putbus. | 567, 


furchtbar, von weicher Seite aus der focialen Hierarchie auch bie größte Gefahr 
droht. Die parlamentarifchen Unterfuchungen, bie Bills des —8 TR bie 
Briefe mehrer Geiſtlichen und bie Arbeiter Coalitionen bezeichnen eben foviele 
Symptome der tiefen Erniebrigung, worin jene Elaffen ſchmachten. — In ben 
(reihen Kohlenwerken leben gar viele Arbeiter, weldhe nie ben Ramen Jeſu 
riſti ausfprechen hörten, aber mit ber Geſchichte ber berüchtigtften ngliihen 
er innig vertraut find; da find die Linder bazu verdammt, 14 Stunden bes 
Tages ohne Bewegung in tieffler Finſterniß zu verweilen; in ber Tiefe biefer 
Abgründe übt aber auch das Lafter eine wahrhaft hoͤlliſche Herrfchaft auf ber- 
verfommene Weſen, daß fie Häufig ihre eigenen Ramen vergefien haben ! 
Die große Stadt Sheffield follte durch Brandlegung von Grund aus jerſtoͤrt 
u. bie Reihen in der entfiehenden Berwirrung exmorbet werben; unb wohlvers 
wahrte —— ii erwarteten bereits die Verſchworenen, als die Jueſac⸗ 
eines von Reue ergriffenen Arbeiters das ganze Complott unmittelbar vor dem 
beabſichtigten Ausbruche entdedte. — Beftrafungen, alte u. neue Geſetze v en 
indeſſen Richts gegen diefen untettbar nahenben Sturm, ber die englifihe Geſell⸗ 
ſchaft bebroßt. Dazu kommt noch, daß bie reichen Fabriken» u. Butsbefiger ſich 
Kauf verbinden zur ſyſtematiſchen Bebrädung u. Aushungerung des Ark : 
ein Eyſtem, deſſen fich ſogar ber reihe Marquis von Londonderry gegen feine 
Kohlenarbeiter in ber Sraficaft Durham, wo ex reiche Kohlenbergwerfe beflpt, 
Schulden kommen ließ. Die gerechten Klagen diefer Bergleute wurben von 
ſolche Zuſtaͤnde ‚gene benügenden, Chartiſten unglüdlicher Weife zu einer Art 
Anarchie u. offene evolte gefteigert, fo daß fih ber „edle Marquis in feiner 
Maßnahme mit einem Scheine von Gerechtigkeit umgeben konnte. Zehn Wochen 
lange blieb übrigens faft alle Arbeit eingefiellt. — Auch die merkwürdigen Re⸗ 
bescaiten» Unruhen find eine Folge bes unter ben ärmeren Claſſen herrichenden 
Elends und ber daraus entſtehenden Lafer. — Diefelben erinnern zwar an bie 
„Jaquerie“ bes Mittelalters; dieſe zu bezaͤhmen Hatte aber das Mittelalter ben 
unferer Zeit verloren gegangenen Glauben. Die faſt einzigen Stügen ber, in 
allen ihren Theilen erfhütterten, Geſellſchaſt unſerer Zeit find ja doch nur die 
Polizei u. die Soldatesfa. — Ziehen wir jeboch einen Schleier über biefe Racht⸗ 
bilder; noch vieles hieher Gehoͤrige wäre anzuführen, müßten wie nicht befürdys 
ten, ben eigentlichen Zweck biefes Aufſatzes aus den Augen zu verlieren. — Wir 
mußten einen Blid auf die allgemeine ituichun⸗ in England werfen, um 
— wenn wir dagegen die Huͤlfsquellen der engifanifen Kirche u, ber DI 
enten allee Farben abwiegen, ob eine Rabifalfur zu erhoffen fei, ohne das 
Einfchreiten der großen Helferin: der Kirche! — Wer aber wirb ſich überzeugen 
Lafien, daß ber Proteſtantismus, wenn au vom Staate emancipirt, biefe 
nei belcben u. zu fruchttragendem Boden umzufchaffen vermöchte? Und jebt follte 
eine Rüdbewegung nach ben Außeren Formen Bin, weniger eine Rüdfche zu ben 
Grundlehren der katholiſchen Kirche, Hinreichen, Die gefellfchaftlihe Ordnung 
durchaus wiederherzuftelen? Graf Montalembert Kat in dem oben diirten 
bewwunderungswürdigen Briefe klar bewiefen, daß dies nicht möglih! — Katho⸗ 
liſche Riten u. Meßgewaͤnder u. Ultarleuchter find nur leeres Schaugepränge für 
bie von ber katholifchen Wahrheit u. Einheit durch ben Abgrund a 
Schisma's Betrennten! Die Frage If: ya du, Kirche von England, audy bie 
Wahrheit, die eine Wahrheit, die Wahrheit der Männer des Mittelalters, 
ba Gemälde zu deinem Rahmen? Du fagft: ja; doch bie ganze fachkundige 
Belt, Broteftant wie Katbolif, fagt: nein; und bie katholiſche Welt ng! hinzu, 
daß 38 * Einhen feine Wahrheit if, u. diefe Einheit Haft du gewiß nicht!“ Br. 
ein, ſ. attern. 
utbus, Flecken an der Süboſtkuͤſte ber Inſel Rügen und Hauptort ber 
Grafſchaft gleiches Namens (6600 Einwohner), mit fürftlicdem Schloffe, “Bart, 
Gymnafium, Seebad u. A000 Einwohnern. Das alte Geſchlecht P. erhielt 1672 
ben freiherrlichen, 1727 den zxeichögräflichen Rang, warb 1728 in ber Würbe 


ı 568 Puteanns — Pygmalion. 


eines Erblandmarſchalls von Neuvorpommern und Rügen beſtaͤtigt und 1807 i 
ben Fürftenftand, nach dem Rechte der Erſtgeburt, erhoben. Der jetige Fuͤrß 
Wilhelm Malte, geboren 1783, erhielt 1817 das Präbifat Durchlauchte a 
iſt Mitglied des preußifchen Staatsraths, General der Infanterie u. Kanzler be 
Univerfltät Greifswalde. Im Jahre 1840 ließ ex die Majoratsherrſchaft P. m 
einer Graffchaft erheben. 

Puteanus, DB. Erycius, eigentlih Hendrif van der Putten, ge 
boren zu Venlo im Herzogthum Geldern, 1574, fiudirte zu Köln und Löwen, 
wurbe 1601 Profeſſor der Beredſamkeit u. Doctor ber Rechte zu Mailand, auf 
föniglich ſpaniſcher Hiftoriograph und 1606 Lehrer der Humaniora zu Löwen, 
Diele Stelle bekleidete er AO Jahre mit großem Ruhme, fo daß ihn der Erzherzog 
nicht nur zu feinem Rathe, fondern aus zum Statthalter des Schloffes zu Löwen 
erklärte. Er ſtarb 1646. Seine Gelehrfamfelt war groß, befonders in ben U; 
tertfihmern, ber Politik u. Geſchichte, aber das Gezwungene u. bie vielen Wort, 
fpiele machen das Leſen feiner fonft inftructiven Schriften unangenehm. Sein 
antiquarifhen Abhandlungen ftehen in Gronov's Thes. antig. graec., in 
Gravius und Sallengre’8 Thes. antig. rom, ferner hat man von ihm: 
Theatrum historicum Imperatorum austriacorum, ducum Burgundiae, regumgus 
Hispaniae, Brüffel 1642, Fol. Historiae insubricae ab a. 157 ad a. 973, lib. VL 
Löwen 1630, Fol., Leipzig 1678, auch unter dem Titel Hist, barbarica, Ant; 
werpen 1634 u. v. a. — 2) P. Peter, eigentlih Pierre du Buy, geboren 
zu Agen, ftubirte alte Literatur, Gefchichte u. Rechte, wurde von der franzöflfchen 
Regierung in wichtigen Angelegenheiten pebrauid! u. flarb ale Pnigliger Rath 
u. Bibliothekar zu Paris 1651, allgemein geſchaͤtzt wegen feiner Gelchrfamfeit 
u. feines humanen Charakters. Man hat mehre gefchäste hiſtoriſche u. juribifche 
Schriften von ihm; am befannteften find feine: Traites des droits et liberlös 
de l’eglise gallicane, 1639, 3 ®be. Preuves des libertös et. Commentaire 
sur le trait6 etc., befte Ausgabe von 1652. 

Puteoli, ſ. Bozzuoli. 

Putſchius, eigentlich Elias van Putſchen, berühmter Philolog, geboren 
1580 zu Antwerpen, ſtudirte zu Leyden, Jena, Leipzig, Heidelberg und Altdorf 
und flarb 1606 zu Stade Er gab heraus: Grammaticae lat. auctores antigq. 
collect, et vulgati, gannoser 1605. Sallustii opera, fragm. et notis aucls, 
Lenden 1603. Sein Leben befchrieb Nittershuflus, Hamburg 1726. 

Pygmaͤen, eine fabelhafte Bölkerfchaft von auferorbentlicher Kleinheit, welche 
in Mittelafrifa, in der Gegend der Rilquellen, wohnt und ſtets mit den Krani⸗ 
hen im Kriege leben fol, denen fie an Größe faum gleich kommt. Die B. find, 
zu ihrer Kleinheit, noch fo mißgeftaltet, daß ben britten Theil des ganzen Körpers 
der Kopf einmimmt. Plinius Nast, bag fie Häufer von Eierfchalen Hätten. Den 
Herkules follen fie einft mit einem großen Heere überzogen haben, als er fchlief; 
her De lächelte, widelte die Armen in feine Löwenhaut und brachte fie dem 

uryſtheus. 
ygmalion, 1) König von Tyrus, Bruder der Dido (ſ. d.), trachtete nach 
dem Tode ihres Gatten Sychaͤos nach dem Beſitze ber far Schaͤtze, welde 





biefer Hinterlafien Hatte. Er wuͤnſchte baher die Dido in jeine Gewalt zu befom- 
men, welche fich ihm jeboch, feine Abſicht ahnend, durch Lift entzog, ſich nad 
Afrifa wandte und dort ein neues Reich ftiftete, welches bald zu ungewöhnlichen 
Glanze u. großer Kraft anwuchs. Als Aeneas die unglüdlicde Königin verlaffen 
hatte, gab fie fidh ſelbſft den Tod; ihre Schwefter Anna floh nah Malita 
(Malta) zu König Battus. Da trat ihr Bruder P., welcher feinen Grimm wegen 
des ihm entgogenen Schatzes noch nicht vergeffen Batte, von Neuem auf; er drohte, 
Battus mit Krieg zu überziehen und die arme Anna mußte nun von Neuem aus 
bem kaum gewonnenen Aſyl nad Italien fliehen, wofelbft fie den Tod fand. — 
2) P., ein König auf Kypros und ein berühmter Bildner in Elfenbein. 
Emft Hatte er ein 7 wunberfchönes Mäbdhen geformt, daß er in ber heißeftn 


Bl 

| 
2 
28 


Mebe zu feiner eigenen Schöpfung entbrannte, am feiner —— 
ie. je ſchoͤnen Ylnar tüßte, hoffend, ſie würden 
bio Venus, Mitleid’mit dem Schwärmer die 
ie. "HÖR ammuthig erzählt Ovid dieſe Fabel in feinen B 
Polos war im Altertfume der Name von 3 Städten im 
Pebeutenbfte darunter, in Mefenien, am Bluffe Bamifos, auf 
Em Berger € Roryphafion peegen it jegt der Hafen Alts 
en fi I het SE —— 

e ule), man. y 
ebenen, eeainigen | * als Grundflaͤche — are 
ber , jufammenlaufenden Dreieden,'als die Grundfläche Seiten 
bie #, sterfeitig u. f. w. genannt wird. "Die Höhe der P. bi 
ber e auf bie (he gejogene Sentrechte. Fällt diefe 
bie Grundflaͤche, dann ſteht die P. ſenkrecht fonft rat Die 
!B., worausgefegt, daß fie —— iſt gleich halben 
Grundfläche, mit der Höhe eines Seitendreieds muitiplicitt. Der 

derfelben it gleich dem dritten Theile der Grumbfläche, t 

de. — Abgekürzte P. nennt man jenes Stück einer P 
bleibt, went man durch eine parallel zur Grundflaͤche laufende 
Stüd derfelben abfäpneidet. Die Oberfläche einer fenfredit je Grund 
d tem P. ift gleich der Summe: der beiden parallelen, ebenen Figuren, 

er je der enflaͤchen, und der Förperliche Inhalt einer ſolchen P. ya: 
jöhe, mit ber obern und unter Grundfläche und der "mittlern Proportion 
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if 
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wiſchen beiden muftiplicitt und das Probuft durch 3° biolbirt, 2 
Pyramiden heißen in der aͤgypliſchen Baufunft jene 6 
—— deren ſchief in bie Höhe gehende ern in eine 
vereinigen, gemeiniglich aber ‘oben etwas abgeplattet find. Die ge U 
fombolifchen Aechit in deren Mebesgang zur elaffifchen „und " nicht 
verfchieden rüdfichtlich des Alterd und der Größe, fondern much der Innern '@e- 
alt, indem in den älteren die Gaͤnge verfchlungener, in ben jüngeren einfacher, 
aber ganz mit Hieroglyphen bededt, gefchildert werden. Die Abftammung bed 
Worts ift ungewiß; man hält es für Agyptiih und nimmt puro-misi (Koͤnigs⸗ 
geſchlecht), oder pirama (erhabenes Dentmal) als die Wurzel an. Auch find die 
Aegpter wohl bie Erfinder diefer Bauwerke, beren Höhe gewöhnlich der Länge 
ihrer Grundfläche gleich und deren vier Seiten nach ben vier MWeltgegenden ges 
richtet find. Doch hat man ähnliche Gebäude auch bei den Babyloniern, Indiern 
und Merifanern, Das gewöhnlichfte Material war ein nicht fehr harter Kalk: 
ftein; andere Steinarten oder Ziegelfteine wurben felten verwendet. Indeß pflegte 
man fie wohl mit Granit nnd Marmor zu beffeiden. Die noch vorhandenen %. 
ftehen in Mittel- Aegypten und die berümtefte Gruppe derfelben ift bie von Gizs 
bei Memphis, vielleicht auch bie Altefte. Wie der Urfprung des Namens, blich 
auch die Beftimmung ber P. zweifelhaft. Nach Herodot wurde in Aegypten bie 
BP. Form als Sinnbild des menſchlichen Lebens angefehen: ber breite Fuß für 
beffen Anfang und die zulaufende Spige für deſſen Ende genommen, und in ber 
That ſcheint es jegt unbezweifelt, daß die P., als eine durch bie Kunft hervors 
gebrachte Außengeftalt, beftimmt find, ein Inneres in ſich zu bewahren, ein Ab» 
geſchiedenes einzufchließen und folches feiner Leiblichfeit und Geftalt nad dauernd 
zu erhalten, oder daß fie, in befonderer Beziehung, Umfchliegungen für Gräber 
ber Könige oder heiligen Thiere (des Apis u, ſ. w.) find und daß bie im Innern 
gefundenen Kammern und Gänge die Wege anbeuten, welche die Seele bes Bers 
ftorbenen bei ihrem Umlaufe und Geftaltenwechfel zu nehmen hat. Belzoni ent— 
bedte das Königsgrab in der P. des Chephrenes; und daß es auf bie möglichft 
lange Erhaltung des darin Aufbewahrten abgefehen war, ergibt der Bau jelbft, 
indem bei bdemfelben ber Eingang offenbar ſchon fo eingerichtet iſt, daß er nur 
mit Mühe wieder aufgefunden nnd eröffnet werben tonnte, Voraus wirte Ai 


570 Pyrenäen — Pyrker. 


auch die von Profeffor Forchhammer in Kiel geiußerte Meinung wiberlegen Lafien, 
nach welder die P. überaus kuͤnſtliche Bauten über ungeheuere Waſſerbehaͤlter, u. 
beftimmt geweſen find, ben Regen burdy Einfiderung zu reinigen u, in ber Tiefe 
fühl zu erhalten. — In der Malerei hat früßer die P.⸗Form ebenfalls eine 
bedeutende Stelle behauptet 5 fie war nämlich die Grundregel bei Hiftoriichen Com⸗ 
pofltionen, welche im Ganzen, wie in ben einzelnen Bruppen, vorhanden feyn follte. 
Gegenwärtig aber ift von ihr fa fo wenig mehr bie Rebe, als von ber 

der Weintraube, bie zu gleichem Berufe verwendet wurde, Vergl. Obelist. — 
Grobert, Beichreibung der P. von Bize, aus dem Franzoͤſiſchen, Gera u. Leipı. 
1801; Hirt, von den aͤgyptiſchen P., Berlin 1815. 

Byrenden, Gebirge zwifchen Frankreich u. Spanien, das am mittellänbifchen 
Meere im Cap Ereus und Gap Eervera fidh erhebt, gegen Weſtnordweſt fteht u. 
bann norböftlich mit den Cevennen, weRlich mit dem cantabrifchen Gebirge fh 
verbindet, Die Gebirgöfette ift gegen 85 Stunden lang, gegen 20 Stunden breit 
u. hat eine Fläche von 1200[] Lieues. Der Abfall gegen Süben, b. 5. auf ber 
Ipaniigen Seite, ift Reller, als auf bee gegen Norden, d. h. auf ber franzöflichen 

eite. Es zweigen ſich mehre Aeſte ab, jedoch finden ſich bie hoͤchſten Kuppen 
nicht in der Hauptlette, fondern im Kamme einiger Zweige, wie z. B. in bem 
Maladetta » Zweige ber Anethou ober NRethou, der hoͤchſte Berg ber B., 1787 
Toiſen hoch. Zwiſchen diefem Punkte und bem Offau» Thal befindet fich der 
ga Theil des Gebirges, in der mittleren Höhe von 1300 Toiſen. Darin find 
ie hoͤchſten Kuppen: ber Pic Pouis, der Berg Erabioules, Selsbeslas PBacaue, 
Clarabida; Clarabida; füblid davon ein kurzer Zweig mit dem Pic Pofets, 1764 
Toiſen Hoch, der Pic Latoa. Weiter nördlich fleht ein Zweig mit bean Die Tong, 
1630 Toiſen, Neouville, 1619 Toifen, Vic Arbizon, 1480 Teifen, Pic Midisde 
Bagnöres, 1506 Toifen, Mont» Perdu, 1746 Toiſen, Bignemale, 1722 Toifen. 
Es iR ein Irrthum, daß die P. frei von Gletſchern ſeien. Die meiften befinden 
I am NRorbabhange, zwifchen bem Arrans und Offau» Thale, Die bebeutenbfien 
b bie in dem Malabettas Zweige. Die befuchteften ber vielen Päffe find: ber 
‚ fadrbare von Bertus, von Papignan nah Epanien, Perche, Salo, von St.⸗Girons 
nad Lerida, Bielle, Banfrunc, von Dleron nah Jaca, Oriffon und Roncevaur, 
auf ber Straße von St.⸗Jean⸗,Pied⸗de⸗Port nah Monreal, Maya, zwifchen 
Bayonne und Pampluna. Das Gebirge hat reiche Eifens, Kupfer-, Bleis und 
ESilderminen, auch etwas Gold u. Marmor; vorzüglich fchwefelhaltige Mineralquellen, 
nämlich auf der franzoͤfiſchen Seite: Barröges, Eauterets, Et. Sauveur, s 
nereßsbesBigorre, Caux⸗Chaudes u. a Die Eiche wächst bis 800 Toiſen hoch, 
bie Waldfichte 1000 bis 1200 Toifen, höher der Rhododendron unb andere 
Pflanzen. Sehr zahlreich find in ben P. Wölfe u. Bären. — Rad den P. find 
N in Sranlreich benannt: bas ber Nieders B., ber Ober⸗P. und 
. DER 2. 
prenäifcher Friede, geſchloſſen am 7. November 1659 zwiſchen Frankreich 
und gyund auf der Safaneninfel in ber Bidaſſoa, beſtimmte hauptſaͤchlich bie 
Bermählung Ludwigs XIV. mit der Infantin Maria Therefia, welche 4 Million 
Thaler als Mitgift mitbringen, dagegen auf die Rachfolge in Spanien verzichten 
folte. In anderen Artikeln ward ausgeſprochen: bie Wieberherfiellung bes 
Derioge von Lothringen, Entfagung ber Anfprüde auf Elfaß Seitens Spaniens, 
btretung eines Theil von Artois an Frankreich, welches auch Rouſſillon behielt. 
Mazarin verſprach, ben König von Portugal nicht zu unterflügen. 
- Bpripplegetbon, |. Phlegethon. 
yrker, Johann Labislaus von Felfö-Eör, Patriarch» Erzbifchof 
von Erlau, ausgezeichnet als wohltäätiger Kirchenfürk und epiichsreligiöfer Dichter, 
war geboren am 2. Rovember 1772 zu Langh im Stuhlweißenburger Gomitate, 
wo fein Bater, ein waderer Krieger aus ber Zeit Maria Therefin’s, ald Gute 
verwalter wirkte, 1780 warb ber kaum Sjährige Knabe, ber Altete Sohn von 
6 Rindern, auf bas Gymnaſtum nah Stu urg geſendet und bezog bann 


| 


Pyrker. 


e Atademia zu Fuͤnflirchen, um ſich bort den philoſophiſchen Studien zu widmen 
unautiheten in feinem ferneren Lebensberufe; oh er im- Staatsbienfte, oder 
‚öftande, wie fein Bater, feine Laufbahn machen wolle, warb ihm der 
‚ beiveinem ſiciliſchen Edelmanne als Sefretär einzutreten. Im Frühjähre 
jann er feine Reife —— allein unmittelbar vor der Ueberfahrt 
entſchied er ſich für die Nichtannahme der Stelle und) trat die 
Be Nah ne en er⸗ 
tte, denn Koͤrſaten lanerten auf Beute, daher iſt die ung Nachticht 
—8 ſei — en — Sklave —— — ee Mo⸗ 
aaten auf jem je na mmen, je v alte 
Base malerifch »romantifchen Fußreiſe geſtaltete, bildete einen 
jendepunft im Ye Lebenszufunft. Ri Allein entfalteten * reichen Er⸗ 
em der Reife u. das eigenthümliche Vollsleben in dem ſüdlichen Klima in 
empfänglichen Geiſte eine großartige" Welt und van An * 
wedten in ihm die befruchtenden Keime des dichteriſchen Lorbeers 
fellige Verleht mit einem ehemaligen —— — — 
Aufnahme in demſelben Orden zu ſuchen, die ihm in 
ifte Lillenfeld zu - Theil ward am 18: Oltobet FH f 
St. Pölten vollendete er feine theologiſchen Stubien und ai (O0 Becher 
weiße, Das Stift‘ Lilienfeld‘ Hatte an feinem) Stiftövermögen im Berlani 
ge empfindliche: Verlufte erlitten und PB. war ' nun: bis 1807 3 
‚Stiftsöfonomie und Kanzlei betraut; ‘Nur wenige) Abendſtunden 
‚Konnte = * ern Apeg literariſchen —— Bas P. in 
dleſen Zweigen waͤhrend haͤngnißvollen Jahre von‘ 
das Klöfter nicht verſchont blieb, als «Stiftöfämmerer Teiftete, fand. dankbare An⸗ 
und entwidelte in feiner Lebensbahn auch die praftifchen Talente welt 
licher Klugheit. Mit * Faͤhigkeiten verband er eine Milde, —— und Leut ⸗ 
feligfeit, nicht minder zugleich eine Feſtigleit des Charatters, einen männlichen 
Muth der Seele, bie ihm die Herzen Aller zu gewinnen "wüßten. 1807 erhielt 
P. die Pfarrei Dürenig und hier bewährte er 1809 feine Unerfchrodenheit, gepaart 
mit bewundernswerther Aufopferungsiäbigfeit, indem er fi dem, über die Er: 
morbung einzelner Frangofen erbitterten, la Bouyere gegenüber mit feinem Leben 
für jenes der Feinde verbürgte und nur dadurch Dürrnig von ber bereit6 anbes 
fohlenen Niederbrennung rettete. Nach dem Hinſcheiden bes Abtes Joſeph von 
Lilienfeld traf die Brior- und Adminiftratorwahl den verdienftvollen Pfarrer von 
Dürrnip, die ſich bald darauf im Juli 1812 in die förmliche Abtswahl verwanbelte. 
In den Annalen diefes Stiftes wird ſtets P. als Wicderherfteller des Klofters 
eine rühmliche Stelle finden; er gab ihm nicht nur im öfonomifcher u. materieller 
Hinficht, jondern auch in wiffenihaftliher Beziehung neues Leben, ſchuf und ver 
befferte die Mittel und Hiülfsquellen des Stiftes, forgte mit gleicher Theilnahme 
für die Bereicherung der Bibliothek, der Gemälde +, Naturalien = und technologiſchen 
Sammlungen. Während dieſer feiner fegensreihen und orbnenben Wirkinmfeit 
entftanden zugleich bie begeifterungsvollen dichteriſchen Arbeiten des reichbegabten 
Kirhenfürften, obwohl die Herausgabe ſelbſt erft fpäter in dem Zeitraume feines 
Patriarchats in Venedig vollführt warb, aber gar bald bie allgemeinfte Aner⸗ 
fennung und raſche Verbreitung fanden. Die Veranlafjung zur „Tunifias“ war 
durch eine fheinbar unbedeutende Gelegenheit Herbeigerufen. Einft fam nämlich 
ein Trinitaree Mönd in das Haus feiner Eltern als Sammler für die Erlöfung ber 
efangenen Chriften in Afrika und erzählte viel von den Mishandlungen, welche 
fe von den Korfaren erbulden mußten. Der junge Labilaus blätterte eben in einem 
hiſtoriſchen Bilderbuche. Der Mönd wies auf das Bild Karls V. und fagte, 
da$ biefer Kaifer viele Taufend Ehriftenfflaven nach einem blutigen Kampfe aus 
ihren Banden errettet Habe. eit diefer Zeit hörte P. nie ohne innere Bewegung 
den Namen Karl V., und als er bie Jlias gelefen hatte, war auch fein Ent» 
ſchluß gefaßt, jener Heidentgat das Lied feiner Mule zu wimen, Raıtımn u 


— 


5 


574: Pyromantie — Pyrometer. 


abführend, harntreibend, das Lymphs u. Druͤſenſyſtem reizend, ben Auff 
Prozeß beförbernd und Hierdurch bie Säftemifhung umändernd. “Der Ä 
endlich iſt in feiner Wirkungsweife ben Salzquellen verwandt, Recht denfelben aka 
an Kraft bei weiten nad. Ihre Heilanwend finden die Eifenquellen in bel 
meiften, auf reiner Schwäche beruhenden, Krankheiten des Rervens, Muskel⸗1 
Gefaͤßſyftems, ber Ernaͤhrung u. Zuni ung, u. Tagen gen) beſonders fchlefie 
u. reizloſen Gonftitutionen zu, werben aber, der bigen orficht angewenie, 1. 
auch bei aufgeregtem Nervenſyſtem dann ertragen, fobald biefer Zuftanb auf Bias 
ſchwaͤche beruht. Unpaſſend, felbft ſchaͤdlich wirken fie bei Hartleibigkeit und we 
handenen Stodungen in den Organen dee Verdauung u. Ernäßrung, fo wie bi 
einem reizbaren, zu Gongeftionen geneinten Gefäßiufteme. Speciell empfohlen & 
ber Gebrauch derſelben in chroniſchen Nervenkrankheiten mit oben genannten Cie 
rafter u. nach Schwaͤchungen u. Säfteverluften, fo wie bei Hypochondrie u. Hyſterit; 
bei fehlerhafter, auf Schwäche berußender Säftemifchung, Bleichſucht, Georbut u Y 
engliſcher Krankheit; in Blutungen u. Schleimflüffen aus Schwäche; in Schwäde 
Krankheiten der Berbauungswerkzeuge, Appetitlofigfeit, Reigung zur Verſchlen 
ung, zum Durchfall, zur Magenverfäuerung, bei Magenframpf, bei Gicht m 
oroniäpen Rheumatismen, bei nerwöfer u. aus Berftiimmung ber Unterleiborgem 
herruͤhrender Augenſchwaͤche. Die Eoolquellen dienen innerlich als auflöfend sw Y 
öffnendes Mittel, äußerlich als die Aufſaugung beförberndes u. zugleich ſtaͤrkenden 
Bad u. es findet deren Anwendung theild als Worbereitungsfur zum Gebrauk F 
der Etahlwäfier, theils dann ihre Stelle, wo bie letzteren ihrer erhigenden W | 
wegen gar nicht ertragen werben, und zwar bei chroniſchen Krankheiten bes 
fen, u. Lymphſyſtems, Geſchwulſten und Berhärtungen, vorzugsweife fEropkulöle |: 
Ratur; bei chroniſchen Nervenkrankheiten, insbefondere, wenn foldye mit Blutes \ 
geflionen gepaart find; bei chronifchen Hautkrankheiten, Flechten, Gefchwüre, | 
Salzfluſſen u. dgl. — Bei Hautfchwäche und ber darauf beruhenden Anlage m 
Rheumatismus, fo wie bei wirklichen rheumatiſchen und gichtifchen Beſchwerder 
und den daraus Kervorgegangenen materiellen Ablagerungen und Desorganifatiss 
nen, bei Stodungen im Leber⸗ 1. Pfortaberfuftem und bei Verfchleimungen und | 
Träghelt des Darmkanals. — Die häufigfte Form ber Anwendung biefer Waſſer 
iſt die innere, wobei taͤglich A—8 Becher 3—A Wochen hindurch unvermifcht, ode 
mit einem Zufage von Mil getrunfen werden. Je nad) Bebürfniß werben bi 
verfchiebenen Brunnen mit einander verbunden. Auch entfernt von ber Quelle 
kann das B.er Wafler getrunfen werden. Ferner gebraucht man das P. er Mine 
ralwafier zum Waſſer⸗, Tropf⸗, Sturzs, Gas, und Qualmbade, fowie ale Bad 
douche. Die letzteren beiden erweilen ſich vorzüglich bei bartnädigen, örtlichen 
ichtifchen Leiden, Lähmungen, Geſchwulſten u. Verhärtungen, flechtenartigen md 
Prophuidfen Hautleiden nüglih. Mehr noch find die Mineralich er B4 
gegen biefe Krankheitsform gepriefen. u. 
Pyromantie, im Allgemeinen das Wahrſagen aus dem Feuer, z. B. aus bau 
Blitze; dann aber befonders aus der Opferflumme, wobei man es für ein günkis 
ges Zeichen hielt, wenn alle Theile bes Opfers von derſelben ſogleich ergriffen 
wurden und bdiefelbe nicht cher erloſch, als bis Alles in Aſche verwanbelt war. 
Auch eine Hellglänzende, rauchlofe und ruhig brennende Flamme galt für Glüd 
verheißend ‚ während Die Theilung berfelben, oben an ber Epige, Ungläd 
e e. 
prometer (griech.), ein Inſtrument zum Meſſen hoher Hitzagrade, bei welchen 
Duedfilberthermometer nicht mehr anzuwenden find. Das Wedqwood'ſche 8. 
wird nicht mehr gebraucht; das Daniell'ſche beruft auf ber ungleichen Ausbdehn⸗ 
ung von Platin und Thon duch Wärme In einem Bohlen, unten verfchloffenen 
Thoncylinder befindet ſich Hier eine 10 Zoll lange, „5 dide Platinftange auf bem 
Boden befeftigt, während das obere Ende bes Gylinders eine Rolle trägt, worüber 
ein feiner Platindraht läuft, befien eine Ende am obern Theile der Pietinfange 
befeftigt iR, bas andere durch eine Spiralfeher angezogen wirt. Da beim 






Vorophorpyrrho. 
das Platin ſich ſtarler ausbehnt, als der Ton, eine Drehung ber: 
erfolgen, welche 5 eined Zeiger an — —— 
Nur laſſen fi nicht alle Theile bes Inftruments ſelben aus ⸗ 
auch wird der Platindraht zugleich wit erhidt. Po benu hie das Ent 
eines ae Stroms, welcher entficht, ſobald Platin u. Gold) 

erl —— Meſſen der Hige, * 

im Aligemeinen jede Gubftanz, bie in Beruͤhrung mit ber 
chtentwidelung brennt; dann nennt man fo beſonders das von 
—— 


an ber Mündung: fir 
Anfangs mit einem von Krelde 
mit einem anderem genau ſchließenden Stöpfel gegen den 


hren. 
nik, ſ. Feuerwert. 
(6Li6, cin Berglied von ge faryen Ghiben,. dee pur 8 
perhichiud, eb von ji irgert f zur 
raſchen Bewegungen im Kampfe diente u. befhalb auch zu ben, bei 
jenen, Liedern gebraucht wurde, — Pyrrhiche hieß 
entlich ein friegerifcher Tanz mit allen Bewegungen 
bigung, welden nad Blinius u. Solinus 
"Anderen B., ein Sohn des Achilles, eingeführt haben fol. A 
gar unter Pyerhiche nur ben Tanz in Waffen B 
Toten Arc In Sea engeihe he. 
m in Kreta —* 
"Mprrho, ein berühmter griechifcher foph, der Urheber bes Stepticiemuß,, 
276 v. Chr. geboren, widmete ſich in feiner Jugend der Malerei, 'wurbe Aber: 
durch das Studium ber Schriften des Demofeit und durch eigenes Nachb 
zur Philoſophie hingeleitet. Während Einige feiner Zeitgenoffen ihm als einen 
Thoren ſchilderten, der, confequent feinem Syſteme, feinem ihm im Wege ftehenden 
Gegenſtande ausgewichen u. oft felbft in Abgründe gerannt fei, rechtfertigte ihm 
dagegen hinreichend bie Achtung Aleranders des Großen, der ihn auf feine aflas 
eifcen Beldzüge mit fih nahm, fowie die der Athenienfer, bie ihm ihr Bürgerrecht 
ſchenkten, und ber Eleer, bie ihn zu ihrem Oberpriefter machten. Da ihn bei 
feinen philofophifchen Forſchungen weder Demokcit’8 Dogmatismus, noch die mer 
ariſche Dialektit, noch die Vernunftfpiele der Sophiſten befriedigten, fo ließ er 
is dadurch zur Bezweifelung aller theoretifhen Säge verleiten u. glaubte, man 
fönne jedem Beweisgrunde einen andern, eben fo wichtigen, entgegeniegen, folglich 
fei jeber Schluß unfiher und man dürfe gar Nichts mit Zuverihffigteit bejahen, 
oder verneinen. Er läugnete daher das Dafein Gottes u. andere Säge ber theos 
tetifchen Philoſophie zwar nicht geradezu, meinte aber, fie feien völlig unbeweisbar 
u. der Menſch muͤſſe immer darüber in Zweifel bleiben. Den finnlichen Erkennt 
niffen ſchrieb er eine zur Leitung bes menfchlichen Verhaltens hinreichende Wahrs 
ſcheinlichleit zu. Der Endzweck aller Philoſophie war ihm eine völlige Gleich⸗ 
mäßigfeit, bie er aus der Ungewißheit aller menfchlichen Dinge Herleitete Er 
baute alfo felbft auf ben Skepticismus feine Moral und lehrte, man müfle im 
feinem Verhalten den gemeinen Meinungen u. Gewohnheiten folgen, Nichts mit 
Heftigfeit begehren ober verabfcheuen, ſich Über Nichts zu fehr freuen oder bes 
trüben, weil es doch in Anfehung jeder Sache immer ungewiß bleibe, ob fie ein 
Gut, oder ein Mebel fei. Mebrigens war die Verachtung faſt aller Wiſſenſchaften 
eine ganz natürliche Folge dieſer Zweiſelſucht. Unter P.'s Nachfolger gehören: 
Eurylochus; Timon von Phlius; Ptolemäus aus Eyrene; Acnefidemus; Sertus 
Empicifus; jedoch fand dieſe Philoſophie nirgends fonderlichen Eingang. Bergl. 


& 





576° Pyrthus — Pythagoras. 


Tiedemann, Geiſt ber fperulativen Philoſophie, 2 ehe. 332 ff.; Stäublin, Ge⸗ 
ſchichte u. Geiſt des Sfeptidsmus, 2 Bde., Leipzig 1794. 
Pyrrhus, 1) P. auh Neoptolemos, Sohn bes Achilles u. 2a Deidamla, 
der goshter des Königs Lykomedes, wurbe, ba bie Seher prophezeiet Batien, man 
tönne ohne ihn Troja nicht erobern, von ber Inſel Er geholt und verrichtete 
nun vor Troja bie kuͤhnſten Thaten, obwohl er nicht älter als 12 Jahre war; 
aber er war auch fo graufam, als tapfer u. fchon, morbete ben Polites vor ben 
Augen feined Vaters ——3, —*5— dieſen felbR an ben en burdh bie 
Burg und thhlete ihn, opferte die liebreigende Polyrena am Grabe feines Vaters 
u. a. m. NIS feine Sriegsbeute befam er die Andromache, Hektors Gattin, und 
‚einen Sohn bes PBriamos, bie er ale Sklaven fort re Er jeugte 
mit Andromache den Molofio6, Pergamos u. Pieroo und gab als er 
fich mit Hermione vermäßlte, dem Helenos zur Battinz er ſelbſt Rarb, bevor 
er. bie neue Ehe vollzogen, von ber Hand bes Dreftes, welcher bie ihm 
gele gte Braut ſich mit dem Schwerte in ber Hand wieder eroberte — 2) 
nig von Epirus, um 300 v. Ehr., Sohn bes vertriebenen Könige Henfibes, 
eroberte mit bes illyriſchen Königs Glaucus Unterflügung im 12. Jahre das 
väterliche Erbe wieder, das ihm fein Broßohelm —— — 5 Jahre fpäter 
entriß. Er focht J unter ſeinem Sawager Demetrios Poliorketes, namentlid 
bei Ipſus, und war kaum buch den König von Aegypten, “Btolemäus, wieder 
auf den Thron gelangt, als er. feinem raftlofen Ehrgeize in beftändigen Lämpfen 
Befriedigung bot. Am wichtigen war ber Feldzug gegen Rom, als er 280 0. Chr. 
z einen enfehnlihen Deere u. Sriegselephanten ben bedrängten Tarentinern zu 
Hülfe eilt. Zwar bewährte er go Feldherrntalente, vermochte aber weber 
gegen bie Sröıner, 2 gegen bie Karthager Yun Sicilien feinen Zwed zu erreigen. 

Bin Insife — 08 ward er en einen Stein getöbtet 271 3 air. 
ber eifter im NAufichlagen eines Lagers unb i —** 

Gt * hehe Schriften, bie er hierüber ſchrieb, geichieht. bei 


Fe hnung. 

thagoras, einer ber berühmteften Weiſen bes „grrehiihen Alterthums, 

Sti * oe altenifchen Schule. Leider if Alles, was über biefen großen Mann 
gef rieben worben, \ voll Unwahrfcheinlichkeiten, daß es ziemlich ſchwer Hält, 
—A verlaͤßliche Lebens» u. vorzuͤglich Bildungs⸗Geſchichte zu geben; auch 
Werk vorhanden, das man mit Sicherheit als von ihm ſelbſt verfaßt be⸗ 
ten fönnte; ja, felbft die fogenannten goldenen Sprüche, bie fo ziemlich als 
kurzer Grundriß feiner populären Vorträge gelten können, fcheinen er von einem 
einer Söhne ober Schüler verfaßt zu ſeyn. Selb das Jahr ber Geburt P.s 
ſt ungewiß, doch duͤrfte es wohl 584586 v. Ehr. ſeyn. Das Blaubwürbigke, 
kurz gefaßt, iſt wohl, daß reſcrau⸗ P. o Vater, ein Kaufmann aus einer phös 
niziſchen Stadt, wahrfheinlih Tyrus, nad Samos handelte, das Bürgerrecht 
erhielt u. fich mit feiner Familie bort anflebeltee Kreophilus war B.6 erfler 
Lehrer. P. fuchte faft alle damals befannten Wellen auf u. warb ihr gelehriger 
© uͤler. So foll er bis zu Pherechdes Tobe bei ihm auf ber Infel Scyrus ge 
en ſeyn. Andere behaupten, er wäre Thales Schüler geweſen, was auch fehr 
ni —c fuͤr —* hat. Niemand, der auch nur etwas mit * so eher 
erteaut ift, wird begreifen, daß er eben fowohl in bie büferen Myſterien ber. 
Mi * yptens, als auch in bie minder dicht verſchleierten Geheimniße N 
—56 —** Cvybelen⸗ eingeweiht war. Auch iſt gewiß, daß ihm die be⸗ 
hute Säfte bes Ida (Jupiter Wiege) nicht unbefannt geweien. Den Orient 
bereifeie er, um perflfche u. chaldaͤiſche Magier kennen zu lernen, auch die inbifchen 
Gymnofophiften befuchte er. So mit ben Kenntnifien faſt aller Religionen auss 
get, führte er den fchon lange ei Zaret and, eine eigene Sekte zu 
Nur kurze Zeit blieb * —* math. Warum er ſie ſobald ver⸗ 
IR ungewiß, wahrſcheinlich aber, um 3 Sa bes Molnkentes zu ge 






er 
der, wie feber Tyran, ihn als Vollsauftlaͤrer Haste, Kroton in Großgriechenl 


Ppthagoras. 577 


chtigt durch die verderbten Sitten feiner Einwohner, erſah er fich zum Schau⸗ 
atz Feines Wirkens, das von wahrhaft wunderbarem Erfolge gekrönt wurde. 
eine bee würbdevolle, äußere Origeinung, bie noch durch lange 
ientaliiche weiße Gewänder gehoben ward, fein herabwallender Bart, die goldene 
one, bie er meiflens trug, wenn er vor dem Volke erfchien, wirkten eben fo fehr 
ıf die Sinne, wie feine ſirenge Weisheit, vereint mit milden Tugenden, auf bag 
emüth Aller, die ihn kennen lernten; gleich den indiſchen Prieftern enthielten er 
feine Schüler ſich von jeder thierifhen Nahrung, blos Pflanzenfpeifen — mit 
usfchluß der Bohnen — efiend. Sehr bald nad P.s Ankunft in Kroton vers 
fetten fih die Sitten im Allgemeinen u. 600 Einwohner legten ihr ganzes 
ermögen zufammen, zum Beſten bes von P. geftifteten Bundes u., was noch 
ehr — umterwarfen fich all feinen Borfchriften, bie mitunter fehr firenge waren. 
tanchmal legte P. feinen Schülern ein Stillſchweigen von 2 bis ſelbſt zu 5 Jah⸗ 
n auf (das ppthagoraͤiſche Stillſchweigen), um fie mehr auf das Einfehren in 
h felbft zu weifen; er forderte viel von feinen Schülern: ſtrenge Orbnung, uner⸗ 
yütterliche Aufmerkiamkeit, Sittlichkeit, waren unerläßliche Bedingungen ; längere 
eit durften die Schüler nur feinen Lehren horchen (bekannt if, daß „Er hat's 
fagt“ [avros epa], ihnen fatt allen Beweifes galt); fpäter erſt durften fie fra⸗ 
n, ja felbft Eirwuͤrfe wagen u. Hießen dann auch erfi Pythagoraͤer. Doch 
ind jedes Zwanges u. wohl wiffend, daß bie einzige unzerreißbare Feſſel der 
gene Wille if, Eonnte Jeder, dem bie Prüfungszeit zu lange und zu ſchwer 
‚ien, gehen, erhielt fogar Alles, was er zum Beften ber Gemeinde gegeben hatte, 
rüd, galt aber auch in berfelben ald ein Tobter, dem man fogar ein Grab bes 
itete. Trotz, oder wohl eigentlich wegen feines glänzenden Erfolges fand P. 
ıch fehr viele Feinde in Kroton; einer ber rachgierigften war Eylon, ein fehr 
icher u. viel vermögender Bürger, ber erbittert war, weil P. ihm aus unbefanns 
n Gründen die Aufnahme unter feine Schüler verſagte. Zumeiſt mag es wohl 
ylon geweſen feyn, der ben vieleicht nicht ganz ungegründeten Verdacht mehrte, 
iß, außer fittlidyen u. religiöfen, auch volitifge, ber beftehenden Regierung gefähr- 
be Dinge verhandelt würden. Gewiß ift, daß, um eine glänzende Rache aus⸗ 
üben, Ehlon einft das Haus Milo’s, eines Anhängers P., überfiel u., ale eben 
ne große Berfammlung von Pythagoräern dort flatt fand, es mit feinen Freun⸗ 
n u. Dienern umzingelte u. anzündete Wenige entfamen, über 40 Perfonen 
tloren dort das Leben. P. fcheint nicht im Haufe geweſen zu feyn. Er floh, 
ſich, da er von den Lokrern gar nicht aufgenommen wurde u. in Metapontum 
hr verfolgt wurde, fand er endlich eine Freiflätte im Tempel der Muſen, wo er 
ver, aus Mangel an Nahrung, in einem Alter von beiläufig 80 Jahren ftarb. 
us einer ehelichen Berbindung, die er in Sroton nefäloffen, atte er mehre 
inder; body nur zwei Söhne, Telanges u. Mnefargus, wurden feine Schüler u. 
achfolger. — Leider geftattet der Raum u. die Tendenz dieſes Werkes nur einen 
ye kurzen Ueberblick feiner großartigen Lehre, bie natürlich, wie faft jebe berars 
je, doppelt, eine öffentliche u. eine geheime war; ber erftern Eonnte jeber, weß 
ſters oder Standes immer, theilhaft werben, boch nur Auserwählte ber zweiten. 
ie Lebensordnung in P.s Schule zu Kroton fcheint den jegigen Borfämpfern 
8 Eommunismus zum Borbilde zu dienen, denn auch bort herrſchte wohl ges 
einſchaftliches But, gemeinfchaftliche Freuden, aber auch gemeinfchaftliche Arbeit, 
rbnung u. Tugend — mehr u. würdigere Aehnlichkeit als alle vorgeichlagenen und 
e u. ba verfuchten communiftifhen Anftalten, hat daher bie fchon feit jo lange 
hmlich bekannte Baſedow'ſche Erziehungsanftalt. Ganz verfihieden, wie es eben 
: Luft u. Bähigfeit des Schülers mit ſich brachte, waren auch bie Lehrgegen- 
ınbde, die vorgetragen wurden, da wohl feiner von P.s Schülern gleich ihm 
big war, alle Wiſſenſchaften mit gleicher Geiſteskraft zu erfaflen u. feflzuhalten. 
ie audgezeichnetfien Philofophen, Dichter, Stantsmänner, Oekonomen u. bal. 
ngen aus feiner Schule, um an anderen Orten bie Geſchäfte des Buntied au ir: 
rgen u. neue Schulen zu gründen. — Da, wie {hm erwähnt wein, —XR 


Noalency lopubie. VIII. 


578 Pythagoras, 


felbft wohl gar nichts Schriftliches vorhanden, iſt es auch ſehr ſchwer zu unter 
fcheiden, wie weit feine Lehre ging, ba größte Geheimhaltung zu den Heiligfien 
Pflichten gehörte, u. was Zufah feiner Schüler ifl. Die fiherfien Nachrichten 
über PB. dürfte wohl Ariftoteles Tiefen. Nach ber Zerförung bes Bundes in 
Oberitalien fammelten zwei feiner bevorzugteften Schüler, Archippus u. Lyſis, feine 
Lehrſaͤtze, doch wurden ſie noch immer (ehe eheim gehalten und nur fpät erſt und 
nur ſehr ſchwer kaufte Plato eine Hanbſchrift über P.s Philoſophie und erhielt 
dazu von Philolaus befien Eommentar feiner Lehren u. Sprüde. In P. erhob 
Pr ber Geiſt von dem Sinnlichen, Unmittelbaren, bei welchem die Jonier fliehen 
blieben, zum Heberfinnlichen, Intelligibeln ; aber unfähig, dieſes ſchon in feiner reis 
nen, nadten Geſtalt ald Begriff zu faflen, blieb der philoſophiſche Genius noch 
in ber Mitte ftehen. zwiſchen Anihausımg u. Begriff, bewegte fich alfo in ber (aber 
finnlichen Phantaſte u. fchaute das Logifche in dem Schema oder Symbole bes 
Begriffs an. Darum ift ber Pythagoräismus die griechifche Urphiloſophie. Daher 
fommt es, daß er mehr, als jede andere Philoſophie ber Griechen, einen bas ganıc 
Leben umgeftaltenden, mädtigen Einfluß ausgeübt u. bis in bie letzten Zeiten 
riechifcher Bildung ſich erhalten hat. Als Grundlage aller Studien betrachtete 
fh. die Mathematik. Die Lehre von den Zahlen war fehr bedeutend und geheim; 
nißvoll, iſt auch jegt nicht mehr möglich ganz zu ergründen. Die Monade oder 
Einheit, ald die Quelle aller Zahlen, mag ihm wohl vielleicht als Symbol ber 
Baeitfhßpfung gegolten haben; bie Dyas fchien ihm weniger vollfommen, aber 
Urſache von Wachsthum u. Theilung; die Trias hat bie Eigenfhaften beider. — 
Sollte Hierin nicht ſchon eine dunfele Ahnung von dem Dafeyn ber nöttlidhen Drei 
einigfeit legen? — Einige fhreiben das auf einem Viereck fidh befindende Einmal 
Eins P. zu, daher man auch fagt: Pythagoräifche Rechentafel (f. Abacus). Auch 
ft es wahrfcheinlich, daß die Pythagoräer ſchon die Kugelgeflalt ber Erbe annah⸗ 
men; denn die Ku eigeftlt galt ihnen als das Schoͤnſte. Muflt nahm auch ei- 
nen bebeutenden Theil der Lehrzeit in Anſpruch, doch ſchien fie einen boppelten 
Zwei gehabt zu Haben: als Kunſt das Gemüth fänglicher zu machen, als 
Wiffenichaft den Geiſt zu erheben. Alte u. neue Schriftfteller fchreiben B. die 
Sıfindung eines mufifalifchen Inftrumentes mit einer Saite zu, welches Mona- 
Korb, fpäter puthagoräifche Lyra hieß u. gleihfam als Karmonifcher Taktmeſſer 
diente, Die Aftronomie fchien P. in nahem Berbande mit ber Muſik zu fleben. 
Er fand, daß bie Entfernung der verfchiedenen Himmlifchen Sphären von ber Erbe, 
dem Verhäftniffe der muflfalifchen Tonleiter entipreche: er wußte, daß fie in im- 
merwährender Bewegung feien: was war alfo natürlicher bei feiner Innigen Neber⸗ 
zeugung, das ganze Weltall fe ein harmoniſches Ganzes, als, daß ex annahm, 
bie Bewegung ber Sphären braͤchte auch einen Höchft reinen, ſchoͤnen Ton hervor, 
u. fo liegt benn auch eine ganz einfache Wahrheit ber fcheinbar fo fabelhaften 
Verſicherung feinee Schüler zum Grunde: P. ſei der einige Sterbliche gewefen, 
dem es vergönnt war, bie himmlifche Sphärenmuflf zu Hören, denn fein inneres 
Ohr vernahm fie ja wirflih. Nach dem Studium vieler Wiffenichaften warb erfl 
zur Philoſophie gefchritten, ald deren Hauptzwed galt, durch GEontemmpfation ber 
höchften Weisheit ähnlicher u. würbdiger ber Bereinigung mit ihr zu werben. Phi⸗ 
loſoph (Freund der Weisheit) nannte ih P. felbft, als er einft vom griedhifchen 
König Leon um feinen Stand befragt wurde, wobei er zugleich erklärte, daß ber 
Name eines Wellen (copos) nur Gott gebuͤhre. Gewiß Hatte P. vor Chriſtus 
unferm Herrn bie würbigfte Anfiht von Gott. Er erſchien ihm als ber Inbegriff 
alles Großen u. Guten; noch glaubten die Pythagoraͤer an breierlei untergeordnete 
himmliſche Weſen: Götter, Dämonen, Heroön, verfhieben an Macht u. Würde, 
nachdem fie ber Gottheit näher oder ferner flanden, bie Götter u. Böttinnen wohn, 
ten in Mond u. Sternen. Sehr viele Aehnlichkeit ift zwiſchen P. u. PBlato’s 
Lehrfäpen, nur fpielen bei P. die geheimnißvollen Zahlen eine größere Rolle, daher 
Plato’6 Lehren viel faßlicher find; überhaupt ik der Tieffinn der Pythagoraͤer ber 
Steffinn ber Phantafle, one den Schariien des Berrefene. Ein Kauptglaubene 


Pythagoraͤiſcher Lehrſatz — Pypthiſche Spiele. 579 


tifel war bei den Pytkagoräern die Seelenwanderung. P. nahm an, daß bie 
eele des Menſchen aus Zweierlei beftehe: dem Rationalen, welches im Gehirn 
ohne u. ein Theil der Weltfeele, oder auch Ausflug eines Eentralfeuers, folglich 
ttlih u. unzerftörbar fei, u. dem Srrationalen, welches im Herzen feinen Sitz 
be u. alle Gefühle u. Leidenfchaften umfaſſe. Die fühlende Seele (Iuuds) 
rgehe; der benfende Geift (ppever, voüs), weil aus göttlidem Duell, fei uns 
rblich. Auch glaubten fie, dag diefer Theil nach dem Tode eine Weile irgendwo 
eharre u. dann, im Berhältniß, nachdem er Strafe ober Lohn verdiene, in den 
drper eines Thieres ober Menſchen einkehre, bis er endlich ganz gereinigt zum 
quell alles Seyns zurüdfehre. Schon lange vor P. war in Aegypten bie Lehre 
r GSeelenwanderung (Metewpſychoſe) befannt, doch wahrfcheinlich wird wohl 
fer Glaube Urfache feyn, weßhalb PB. niemals Thiere töbtete. P.s Sittenlehren 
reinen großentheild De Gefehtafeln Mofes zum Grunde zu liegen, nur find fie 
nfter u. ausführlicher, weil er fie auch einem fchon gebildeten Volle gab. Zum 
eweiſe hier nur einige feiner befannteften Sprüde: „Die Jugend gewöhne ſich 
ı Gehorfam, leichter wird fle dann dem Anfehen ber Bernunft gehörigen." — 
Das Verlangen nach Ueberfluͤſſigem if thöricht, weil es ohne Graͤnzen if.” — 
Stillſchweigen ift beſſer, denn nichtige Worte" — „Thue, mas du ſelbſt für 
© Rechte haͤltſt; verfämähe bes Volkes Lob u. Tadel" — „Es ift feige, ben 
n Gott angeroi jener Platz früher zu verlafien, ald er es erlaubt." — „Ries 
md if frei, ber ich nicht ſelbſt beherrſcht.“ — Ein Eid war P. Heilig; bie 
odten ließ er richt verbrennen nad den Göttern unb Dämonen befahl er bie 
chſte Verehrung dar Aeltern u. Lchrern zu zollen; Breunbfchaft galt faſt für 
ugend, auch wird eine tiefe Religiofltät von P. u. feinen Schülern gerühmt ; 
chis defto weniger verhielt er fich gegen ben Bolföglauben feiner Zeit negativ. 
(8 P. ausgezeichtetſte Schüler u. Berbreiter feiner Lehre kann man wohl, außer 
inen Söhnen, nch Philolaus, Archytas, Ekphantus, Dcellus, 
imäus nennt. S. G. 

Suthagoräicher Lehrſatz, f. Magister mathescos. 

Pytbeas, en Geograph des Alterthums, aus Maffilia, machte mit maflili- 
sven Raufleuter um 320 v. Chr. eine Reife nach ber Norbfeefüfte, wobei er bis 
ı den Tanaue gelommen ſeyn ‚wollte; wahrfcheinlich iſt er wenigſtens bis nach 
)änemarf gefonmen. Cr felbft befchrieb feine Reife in einem Werke unter dem 
titel repinios. Die alten Geograpken nennen ihn lügenhaft u. unzuverläflig. 
ebrigens veranft man ihm die erften Bnaaben über ze und Zänge berTage 
verſchiedenn nördlichen Breiten, Beobachtungen über Ebbe u. Fluth, worauf 
: dem More Einfluß zufchrieb. Nach feiner Meinung war der Nordpol ein leerer 
Has, in baen Nähe 3 Sterne ſtaͤnden, bie mit jener Stelle ein Borwerf bildeten. 
He Fragmnte feines Werkes find Herausgegeben und erläutert von Arwebfon, 
pſala 184. Außerdem haben in neuerer At Adelung, PAnville, Barth, 
orfter, Rannert, befonders aber Lelewel in feinen „Entbedungen der Kar⸗ 
Jager u. Griechen im atlantifhen Ocean“ (Berlin 1831) und Str afröwich in 
er Schut „P. de Marseille de la geographie de son temps“ (Paris 1836 ; 
eutfch alt Zufägen von Hoffmann, Lpz. 1833) bie Refultate des PB. einer 
enauern Unterfuchung unterworfen. Vgl. Fuhr, „De Pythea Massiliensi“ 
Darmabt 1835). 

Pthia, f. Delphi. 

yythiſche Spiele hießen Kampfſpiele bee Griechen, welche dem Apollo Py⸗ 
sus zu Ehren auf den Friffäiichen Feldern, in der Nähe von Delphi, gefeiert 
ren. Diefem Gotte u, dem Andenken feines Gieges über den pythifchen Dra⸗ 
yen waren fle eigentlich gewidmet und entweber von ihm felbft, oder von ben 
Inpbiktyonen, ober von Diomedes geftiftet. Wan hielt fie anfänglich mit bem 
:ntritte jebes neunten u. in der Folge, gleich den olympifchen, zu Antang, E 
nften Jahres. Die dadurch entflandene, aber minder newühnlihe, Aetreiuung, 
ich Pythiaben ſcheint vor bem britten Jahre der 49. Diuplate 2 ya 9) 

3 


580 Python — Quaden. 


an gerechnet zu ſeyn. Zur Belohnung erhielten die Sieger gewiſſe dem Apollo 
heilige Aepfel, oft auch Lorbeerkraͤnze. Anfänglich ſollen die Wettſtreite blos mus 
fifaliich geweien und mit Silber, Gold oder anderen Sachen von Werth belohnt 
worden ſeyn. Der babei uͤbliche pyt hiſche Belang (ruSınds vouos) verherr: 
lichte den fchon erwähnten Sieg Apollo's und befand aus fünf ober ſechs beſon⸗ 
ders benannten Theilen, welche fo viele einzelne Momente und Fortſchritte dieſer 
Unternefmung enthielten. Bon ähnlicher Art war ber babet gewöhnliche feierliche, 
aus fünf Abtheilungen zufammengefegte Tanz. Alle, bei den olympiſchen Spielen 
eingeführten, Kampfübungen wurden nach u. nach auch in diefe pythiſchen Spiele 
aufgenommen. Die Aufficht darüber Hatten bie Amphiftvonen, bei welchen ſich 
die Kämpfer vorher einfinden mußten, unter denen neun Eieger buch Bindars 
pythiſche Oden vorzüglich berühmt geworden find. Jener Ort, wo biefe Spiele 
gehalten wurben, war eine zwiſchen Delphi u. Cirha befinbliche, dem Apollo ges 
weißte Ebene, 

Ppython, Sohn des Demogorgon und ber Erbe, ein firchtbares Ungeheuer, 
befien Rachen groß genug war, um ganze Klüffe aufzunehmen, beffen fich ſtraͤubende 
Mähne die Sterne beruͤhrte. Gr wußte, baß er feinen Tod von ber Hand eines 
Sohnes ber Latona finden würde u. verfolgte daher biefe auf das Heftigfte, mußte 
fie aber durch ben Boreas ſich entrüdt jehen, worauf er wieder nach bem Parnaß 
zurüdfehrte. Als Apollo die Waffen zu führen vermochte, erlejte er das Unge: 
heuer, um feine Mutter zu rächen; ba es indefien göttlichen Urfprengs war, mußte 
er fi von dem Morde einigen laſſen, bevor er Beſitz von der Stelle und bem 
Drafel nahm, das fpäterhin Das beiphifche Hieß. 


Sn, 


D. 1) As Lauts nd Schriftzeichen ber 17. Buchflab, in den meiften 
Alphabeten (im Griechifchen fehlt es), ift ein Gutturalconſonant und flets mit 
einem folgenden u verbimden. — 2) Als Abkürzung: a) in römifchen Sn: 
fhriften = Quintus, Quintius, Quaestor, quartus; b) in ber Receptur = Quentchen; 
c) in der Mathematif = Quadrat; d) auf früheren franzoͤſtſchen Münzen bis 
1709 die Münzftätte Rarbonne, von da an PBerpignan und Ehalonı — 3) Als 
Zahlzeichen = 500; 5. = 500,000; in ber Rubriciung = 11 

Duadfalber , ein Wort ungewiffen Urfprunges, doch jebenfals beutfchen, 
(könnte man hier nicht geradezu an das Duaden der Fröfche benfen ‚io daß es 
Einen bezeichnete, ber unter Gequacke — b. 5. eintönigem Geſchrei — fere Salben 
zum Berfaufe ausbietet?), nennt man Einen, ber, ohne mediciniſche Sıdien ge 
macht zu Haben, und ohne bie geiehliihe Erlaubniß zu befigen, Arzneimity dispen⸗ 
firt und überhaupt in bie ärztliche Praxis hineinpfuſcht (Vergl. auch de Ariikel 
Marktſchreier). Niederlegung ber Praris und im Wieberholungsfie Ge: 
fängnißftrafe find die Mittel, womit bie Mebicinalpolizei gegen die Dudfalber 
einzufchreiten pflegten. , 

Duaden, ein deutſches Volk, befien Sig, das heutige Böhmen, Mhren, 
Defterreich, fübli von der Donau, öfllih von den Jagygen, nördlich vor den 
Karpathen und Subeten, wefllih von den Markomannen begränzt wurde. Gie 
fommen in fteter Verbindung mit den Markomannen (ſ. d.) vor, mit inen 
hatten fie nach Verdrängung ber Bojer Befis von ihren damaligen Wohnpläcn 
genommen, waren den Nachbarn gleich fürchterlich; mit ihnen vereint Friegten ie 
gegen bie Römer, mit benen fie wegen ber Naͤhe Noricums fehr bald befana 

wurden; beſonders war Pannonien der Gegenſtand ihrer Bermüflungs- und Cr: 
sberungslufl. Kaiſer Marcus Antonia Vebngte fe rk, und ſchloß einen 


Duadragena -- Quadrat. 581 


emlichen Frieden mit ihnen, der doch fo wenig half, daß bei jeber Gelegenheit 
e Q. ihre Nachbarn beunrußigten. Später wurden fle bedeutend gefchrwächt ; 
dft von auswärtigen Königen, die unter ber Römer Hoheit ftanben, ließen fie 
5 regieren, bis im 5. Jahrhunderte ganz aus der Gefchichte verfchwinden. 
nter dem Ramen Q. fonmmt fpäter auch noch ein anderes Bolt vor, das aus 
sen Zufammenfluffe verfchiebener fuenifcher Völker beftand, bie von ben Römern 
n Landftrich zwifchen ben Flügen Marus und Eufus (in Ober -Ungarn) ans 
wieien und einen König aus quadifchen Geſchlechte, Bannius, erhalten hatten. 

Quadragena hieß in der älteren katholiſchen Kirche das, mit verfchiebenen 
ugübungen verbundene, AOtägige Faſten oder Abgelondertfeyn eines reuigen 
ündere. Dann nannte man fo auch die 40 Geißelhiebe, die Einem als koͤr⸗ 
ee a auferlegt wurden, ober bie er fih als Buße felbft zu 
theilen pflegte. 

Dnadragefima. 1) Die Zeit vom Aſcherwittwoch bis zum Charſamſtag 
aſchließlich, d. Art, Faſten. — 2) Die von ben römifchen Kaiſern eingeführte 
bgabe des 40, Theiles von Summen, worüber ein Streit vor Gericht geführt 
— dann auch bderfelbe Theil von dem Ertrage der Zölle, der an das Aerarium 
zahlt wurbe, 

Duadrant heißt ein mathematifches Inſtrument, den 4. Ar eine® Kreiſes, 

er einen Kreisbogen von 90° barftellend,, das zu aftronomildhen, fo wie zu 
reftrifchen Meſſungen dient. Die früher üblichen feſt ſtehen den oder Mauer, 
„N waren an einer Mauer in der Mittagsfläche des Ortes, für ben fie auf- 
ſtellt waren, befeftigt. Jetzt find an ihre Stelle die beweglichen getreten, 
deren Mittelpuntte an einem Zapfen ein an feinem Objectivende brehbares 
nrofr angebracht ift, deſſen Ocularende ein Fadenkrenz Hat und mittelft eines 
onius auf dem Limbus bes in Grade eingetheilten Den bie Winkel anzeigt, 
Ache die Neigung bed Rohrs gegen bie Horizontale oder Berticale des D.n 
at. Hängt der Q. fenfrecht, fo Heißt ee Bertical-O., liegt er Horizontal, 
zimuthal⸗Q. — Der fogenannte Reduct ions⸗Q., ein nothwendiges Ins 
ument bei langen Eeefahrten, it ein Biere von Bappenbedel oder Holz u. ſ. w., 
ıf welchem ein rechtwinfeliges Parallelogramm verzeichnet iſt, befien Oberfläche 
ve große Anzahl von Nord nah Süd und von Of nach Weſt laufender Fleiner 
nien enthält. Nebft diefen find von ber Spige des Winkels, welche den Mittel» 
met darſtellt, Bögen gezogen, beren Rabien die acht Windftriche bezeichnen, 
m Buben, welcher von dem nämlichen Mittelpunfte ausgeht, erftredt ſich über 
e zwiſchen jedem Windfteiche liegenden Grade. Man bebient ſich dieſer D.n, 
n den Weg zu beflimmen, welchen man zurüdgelegt hat, und die Meilenzahl 
ich der Länge und Breite anzugeben. 

Quadrat (Beviert), begelchne fowohl eine Zahl, als eine Flaͤche. Im 
ſtern Falle ift e8 eine Zahl mit fich felbft multipficitt, ober, mit anderen Worten, 
6 Product zweier gleicher Zahlen; das Quadrat von 5 iſt daher z. B. — 
x5— 25 Man bezeichnet das D. einer Zahl, indem man rechts oben an 
e Zakl eine Kleine 2 fegt, 3. B. 102 bebeutet das Q. von 10, d. i. 100, die zum DO. 
hobene Zahl aber nennt man in Beziehung auf baffelbe die Q,, Wurzel (ſ. d.). 
[8 Flaͤchenraum ift Q. ein rechtwinkeliges Biere mit gleichlangen Seiten. Dan 
ißt alle Flächen nach ben Q.en ber Einheiten ber Sönpenmape und nennt Diele 
na Q.⸗, Geviert⸗ ober Flaͤchenmaße. Ein Q.- Fuß if daher eine rechtwinke⸗ 
je Hläche von einem Fuß Länge und eben fo viel Breite, und fo find auch bie 
wdrüde Q.⸗Zoll, Q.⸗Elle, Ds Meile, Q.⸗Meter ıc. zu verfiehen. Um ben 
„s Inhalt eined größeren vechtwinfeligen Vierecks zu finden, multiplichtt man bie 
Hl der Maßeinheiten, welche bafielbe in ber nänge un in der Breite Hat, mit 
aanber, und fo hat 3. B. ein Stüd Feld von Fuß Länge und 20 Fuß 
reite A000 Q.⸗Fuß. WIN man willen, wie viel ein gröberes O. kleinere 
taßeinheiten enthält, fo multiplicirt man bie Anzahl ber kleineren u 
inheiten, weldye in ber größeren enthalten find, wit ſih ſebeh. Da ie ı B. 


582 Quabratiſche Gleichung — Quaker. 


ein Fuß 12 Zoll Hat, fo if ein Q.⸗Fuß = 12 x 12 = 144 Q.⸗Joll; dh 
Das Q.⸗Maß bezeichnet man auch durch das Zeichen [J, und 8. bebeuta 
daher Q.⸗Fuß, D O.⸗Zoll, D DO.» Linie; in Srantueih [J> DO, Meter x 

Quadratiſche Bleichung oder Gleichung zweiten Grabes, nenntam 
eine ſolche Gleichung, beren unbefannte Größe In ber zweiten Potenz ſteht. Ihre 
Auflöfung geht nach den Regeln ber gewöhnlichen Gleichungen vor ſich, jeteg 
muß am \ nde aus beiden Thellen ber Gleichung die DO. Wurzel andge 
zogen werben. 

Quadratſchrift, auch affyrifche ober chaldaͤiſche Schrift, Heißt bie, im ben 
Handicpriften der hebraͤiſchen Bibel vorfommende Schrift, zum Unterfchiebe von 
der Muͤnz⸗ u. famaritanifchen Schrift, weil jene urfprünglich edig war, während fe 
ſich jest nach dem Mufter der famaritanifchen abgerundet hat, Die Gamaritane 
pflsgten die Q. auch bie Esrafche zu nennen, weil fle wohl barin eine che 
lichkeit mit der babylonifchen finden mochten, welche bie Juden waͤhrend bes Erils 
fennen gelernt und fi) angeeignet hatten. Die Q., bie, urſpruͤnglich be 

hönizifchen ähnlich, durch ben großen Fleiß, den man auf bie Abſchrift ber hell 
ücher verwendete, in biefe geſchmuͤckte und verzierte verändert wurde, ſcheint ken 
hohes Alter zu haben. 

Quadratur heißt die Verwandlung einer geometrifchen Figur in ein Duabrei. 
Sind die Hlächen ber zu verwandelnden Figur gekrümmt, fo nennt man biee 
Operation auch Eomplanation, was mittelft der Differentialrehnung 
({. d.) ausgeführt wird. — Die DO. des Kreifes, die eigentlich nur darin beſteht, 
ben Inhalt ber Kreisfläche zu beftimmen, und wofür man das Quadrat gewählt 
hat, weil biefes das gemeintaftliche Map jeder Flaͤche if, * von die 
Mathematiker befchäftiget, Hat aber immer nur annaͤhernde Reſultate geli u, 

ilt (glei der Auffindung bed perpetuum mobile, fowie bes Steines ber 
eifen, f. d.) in idrer genauen Ermittelung für eine unlösbare Aufgabe. Schon 
Anaragoras (f. d.) befchäftigte ich mit ihr in dem Gefängiß, in das er ge 
bracht wurde, weil er bie Sterne für materielle Dinge gehalten hatte; fpäter 
Hypofrates, Archimebes und viele Andere. Doch if die Sache an ſich felbR nicht 
ausführbar, daher bie franzöftfche Akademie 1775 erklärte, Teine Wuflöfung ber 
Duadratur bes Zirfeld in Erwägung ziehen zu wollen. 

Duadratwurzel nennt man jene Zahl, welche man findet, wen man ein 
Produkt in zwei gleiche Faktoren auflöst. Um anzuzeigen, daß aus einer Größe 
die Q. ausgezogen werben fol, fegt man berfelben das WBurzelgeihen vor. So 
bedeutet V 25, daß aus 25 die D. heraungesogen werben fol, welche = 5 if. 
Quadratzahl if das Probuft aus 2 gleichen Faktoren. Go find 4, 9, 16, 
25 uf. wm On von 2, 3, 4,5 u. ſ. w. Ä 

Quadrille (franz), VBierpaartanz, ein munterer frangöflfcher ang, den 
vier Paare ausführen. Die Melodie, aus zwei ober mehren Reprifen / 
jede derſelben von 8—16 Takten, iſt im 2 ober $ Takt geſeht und erforbut einen 
lebhaften Vortrag. 

drivinm, |. Freie Fünfte 

QDuadrupel- Allianz, ein Buͤndniß zwifhen 4 Maͤchten. Dielen Rama 
führte 3. B. der Bund vom 2. Auguft 1718 zwifchen Frankreich und England, 
den Niederlanden und Kaiſer Karl VI., um Epanien zur Aufreihthaltung bes 
Utrechter Friedens zu zwingen. Epanien trat ſchon 1720 bem Bunde bei. Die 
neuefte DO. ward 1834 von Frankreich, England, Spanien u. Portugal zur Be 
hauptung ber neuen Thronfolge in Spanien u. „rortugal geichloffen. 

Quaͤker (engliſch Quakers), eine, in ber Mitte des 17. Jahrhunderts unter 
ben PBroteftanten Großbritanniens von George Kor (f. d.) geftiftete, töfe 
Sekte ſchwaͤrmeriſcher Art, welche eine innere individuelle Erleuchtung von Gott 
zu ihrem Hauptlehrſatze macht, ja, diefe fogar über die Schrift feht. Ihr eng- 
lifcher Rame, welcher Zitterer bebeutet, kommt daher, weil fie jebesmal an 





Quaͤter · s68 


allen Gliedern zittern / ſo oſt ſie eine ſolche Erleuchtung vom göttlichen 
& Haben — Sie gehen von dem Glauben aus, In Der Rent ** 
h Schweigen u. Harren einer unmittelbaren göttlichen Offenbarung durch ben 
Heiligen: Geift 'haftig werde und ſtellen Hinter jene die in ber Heiligen Schrift, 
als eine unvollftändige u. auf bie Gegenwart nicht völlig ammwenbbare,  zurüd. 
Diefer, nur in reiner Innerlifeit Licht u. Heil fuchende, Mofticismus entfernte 
u von dem pofitiven u. hiſtoriſchen Ehriftenthume, indem er daſſelbe meift als 
jorie.. des inneren Lebens auffaßte, u. erklärte allen Außern Gottesbienft für 
ja, ſelbſt die Saframente find ihm nur innere Handlungen. Bei ihren 
Berfammlungen in ben, alles Schmudes entbehrenden, Bethäufern warten fie ohne 
| ag 1». bis ein Glied ber Gemeinde der Geift zu reben treibt, und geſchleht das 
t, E entfernen fie fi ſchweigend. Einen befondern geikligen Stand erkennen 
fleniht an, doch haben fie in neuerer Zeit einzelnen Begabten bas Prebigen 
ur ben Shen, fone ale Bergnigungen; Ne Kmilde Kehenfgapcı Aafepe 
u ten, fowie alle Vergnügungen, bie ie U 
Tonnen; fefthaltend. an ber natürlichen. Gleichheit aller Menfchen, entb Ara 
vor Niemand ihr * t; fie reden Alle mit Du an und dieſe OL wird 
auch äußerlich durch eine Kleiderordnung fegehalten. Folgerecht ik aud) 
, Berfafi ie ‚ein demokratiſche. Ice Chmeinde v elt { ch 
——— und Ordnung ihrer Angelegenheiten und t dae d8- und 
4 ericht für bie Einzelnen, Die von ihr gewählten Deputicten bilden in 
Bingen Beuirls⸗Verſammlungen bie zweite Snfanz Zubiee ſenden wiederum 
ihre, Vertreter zu ben jährlichen ——— ie, nach der Zahl 
der Provinzen, an 7 Oiten ei zeitig gehalten werben und in lepter 
eniſcheiden haben. — Die politifchen. u. Hirchlichen —— in. England’ 
das Quäferthum hervor und begünftigten feine Ausbreitung ‚von Wales u. Lei⸗ 
ceſter aus. über —3 — ſo daß dor ſchon 1658 bie er Generalverſammlung 
au Bedford halten ionnte. Männer, wie Robert Barklay (G d), ae 
eine beftimmte Faſſung u. foftematifche Ausbildung u. William Penn feit 1681 
ein neues Vaterland in Nordamerifa, wohin fi) viele vor ben Berfolgungen aus 
England retteten und bort jegt eine Bevölkerung von mehr als 300,000 Seelen 
bilden. In England, wo fie 1689 durch bie Toleranzacte lirchliche Dulbung ers 
rangen, leben deren noch über 60,000, auch in Holland haben fie feit 1658 Ein- 
gang gefunden; in Deutſchland befteht nur in Friedensthal bei Pyrmont eine 
Bemeinde. Die in dem norbamerifantichen Befreiungsfriege bie Waffen ergriffen, 
wurden, ald fechtende ober freie Qu, von der Theilnahme an den Synoden 
ausgeſchloſſen. Die wachfende Anzahl derer, welche bie rauhen Eitten aufgeben, 
werden die naffen D. genannt, gegenüber ben Trodenen, bie in ber alten 
Sittenfirenge beharren. Im 19. Jahrhunderte bildete fich unter ihnen eine uni⸗ 
tariſche Partei, been völlige Losfagung vom hiſtoriſchen Chriftentfume bei Ans 
deren wiederum (ſeit 1837) ein engeres Anfchließen an bie heil. Schrift hervorrief. 
Ihre, nur durch freiwillige Beiträge unterhaltenen, Wohlthätigfeitsanftalten find 
vortrefflih, ihr Lebenswandel, mit feltenen Ausnahmen, unbefolten und ſittlich 
fireng, Bettelei und ſchwere Verbrechen kommen faſt gar nicht vor. Anbern Urs 
fprungs u. nur in ber Annahme des Innern Lichts, in der Verwerfung der Sa— 
Iramente u. in ihrer Moral jenen verwandt find die Schüttler-Q. (Shaking 
Quakers) ober Shafer8, bie, aus ben Jumpers hervorgegangen, unter Anna Lee 
feit 1774 bei New-NYork einige Gemeinden bildeten, melde in völliger Güter-Ge- 
meinſchaft leben, alle Geſchlechtsverbindung, aud die eheliche, verwerfen, baher fie 
fih nur duch neue Anhänger von Außen ergänzen und durch Abtöbtung bes 
—leiſches für Die bevorfichende große Weltepoche weihen wollen. Ihren Ramen 
gab fie von den tanzartigen Bewegungen u. Drehungen, bie einen wefentlichen 
eſtandtheil ihres Bottesbienftes ausmachen. Nach bem Tode ber Gtifterin, bie 
ben neuen Meſſias zu gebären verheißen Hatte, traten einzelne Oberhäupter an 
die Spige ber Sefte, die noch in etwa 6000 Mitgliedern einige Dörfer am Qubion 


gen Abbruch (f. d.). 


584 Quãſtor — Qualitaͤt. 


bewohnt. V ergl. „Obseryations on the society of the Friends“ (London 
1824), und Tüfa, „Religiöfe Grundfäge der Ehriften, die man DO. nennt“ 
(Leipzig 1828). 

Dudäftor war im alten römifchen Staate ein Eivifheamter, welcher bie Ein 
fünfte bes Staates eincaflirte u. die Aufficht über, ben öffentlichen Schag führte. 
Die Den verwahrten auch in ber Stadt u. zwar bei bem öffentlichen Schatze bie 
Heerbilder (die Römer bebienten ſich nämlich feiner Iopenannten fliegenden Fahnen) 
und überlieferten fie ben Oberbefehlshabern, wenn biefe zu Felde ningen, und in 
biefem Kalle folgte dem Oberbefehlshaber ein Q., welcher zudem Stabe bed Com⸗ 
mandirenden gehörte und befien Berrichtungen nun nicht mehr bürgerlich, fondern 
milttärifch waren, daher er auch quaestor militaris genannt wurbe. Die militaͤri⸗ 
ſchen Den mußten für ben Mundvorrath bei einem Heere forgen, ben Sold aus 
zahlen, bie im Kriege gemachte Beute verkaufen und in den fpäteren Zeiten das 
von den Soldaten bei ben perracihen niedergelegte Gelb verwalten. “Der Ort, 
wo der Q. in einem Lager feinen Lagerraum und fein Zelt Hatte, wurbe Quaesto- 
rium genannt. Das Amt eines Q.s oder die Duäftur war bie erfte Stufe in 
der Staatöhlerardhie der Römer und bahnte erſt den Weg in ben Senat ; inzwi⸗ 
ſchen befleideten bisweilen auch abgetretene Eonfuln dieſes Amt. ' 

Quaglio, Rame einer zahlreichen, geſchaͤtzten Künfllerfamilie Aus ihr: 
1) Lorenz, geboren 1730 zu Laino am Comerfee, wirkte als fter zu 
Mannheim, wurde unter Karl Theodor 1778 Hofardhiteft und kurfuͤrſtlicher Rath 
zu Münden und flarb daſelbſt 1804. — 2) Giovanni, Sohn des WBorigen, 
geboren 1772 zu Laino, bildete fi in Italien zum Maler und Architekten, wurde 
1793 Hoftheatermaler, dann Profefior ber Kriegsbaufunft und Oberingenieur zu 
München, wo er 1811 ſtarb. — 3) Biufeppe, ein Neffe von L. Q., geboren 
zu Laino 1747, ebenfalls Maler und Baumelfter, wurbe 1801 in diefen Eigen 
{haften zu München angeftellt und erwarb ſich um die Deforationsmalerei mit 
feinem Bruder Julius große Verdienſte. Er flarb 1828 und hinterließ vier 
Söfne. — 4) Angelo, geboren 1778 zu Münden, ausgezeichneter ‘Deforationd- 
Maler, lieferte auch vorzägliche Zeichnungen italienifcher Kirchen, ſowie die bes 
Doms zu Köln für das Boiſſerée'ſche Werk u. ftarb 1815. — 5) Dominico, 
geboren 1787 zu München, Anfangs Deforationsmaler, widmete fidh in der Folge 
ganz der Delmalerei, fludirte die vorzäglicäften Bauwerke des Mittelalters und 
wurde einer ber größten Meifter in kirchlichen Architekturbildern. Er leitete im 
Auftrage des jegigen Königs von Bayern den Wiederaufbau bes Echlofies Hohen: 
ſchwangau u. ftarb 1837. Seine beiden jüngeren Brüder, Lorenz u. Simon, 
widmeten ſich der Dekorations⸗ u. Genremalerei zu München. 

Quai oder Steindamm, nennt man eine fleinerne Mauer, welche man an 
ben Ufern von Ylüffen ober Deerarmen, welche einen Hafen oder Baflin ein; 
fihließen, in einer folchen Höhe erbaut, daß der hoͤchſte Waflerftand fle nicht über: 
ragen Tann. Sole Dämme dienen zum Eins u. Auslaben der Güter und zur 
Aufftelung von Truppen und Gefchügen bei feindlichen Angriffen. Steintämme 
an Flußufern, deren Höhe die der Ufer nicht überragt, find bei Hochwafler ber 
Ueberſchwemmung audgefegt. Sie dienen zum bequemen Anlanden ber Fahr⸗ 
zeuge, zum bequemen Auslanden der Güter und zum Schutze ber Ufer ge 

Dualität wird bei jedem wahrnehmbaren Gegenflande Das genannt, woran 
das Vorftellungsvermögen ſich Hält, um benfelben gefondert von anderen “Dingen, 
womit er zunächft in Verbindung fleht, aufzufaffen. Die Q. ift fomit das, was 
als einer Sache eigen unterfchieben wirb (Eigenfhaft) und bieß fowohl überhaupt, 
als auch in irgend einem feiner Merkmale; daher man auch eben fo von mehren 
Dem einer Sache ſpricht, als von Qi. überhaupt; boch muß eine foldhe einzelne 
Q. einer Sache weientlich zufommen, nicht ihr blos zufällig u. von außen ertheilt 
feyn. Ohne Den an Dingen zu unterfcheiden, würden wir ar feine Borftellung 
von Etwas, als für fich Beſtehendem, Haben, Es if alfo DO, eine Uridee bes 


Quandt — Quartal, | 585 


Erfenntnißvermögense. (Bol. den Art. Kategorien.) — Bei den alten Gram⸗ 
matifern it DO. au fo viel al8 Modus des Zeitworts. Im gemeinen Leben 
endlich wirb es gleichbedeutend mit Rang u. Titel Iemandes genommen. 

Duandt, Johann Bottlob von, ein gefchägter Kunſtkenner, geboren 1787 
zu Leipzig, befuchte 1814 u. 1820 Italien, woher er viele Kunſtſachen, befonders 
altdeutiche Gemälbe, mitbrachte u. fpäter Schweden. Er lebt ſeit 1820 in Dresden, 
wo er fih als Vorſtand des fächflichen Kunftvereins durch Borträge u. Schriften 
verdient macht. Bon ben letzteren nennen wir: „Streifereien im @ebiete ber 
Kunſt“ (3 Bde, Leipzig 1813); „Geſchichte ber Kupferftecherfunf“ (1826) 5 
„Briefe aus Italien über das Geheimnißvolle ber Schönheit u. Kunſt“ (2 Bde., 
Bea 1830)5 „Lanzi's Geſchichte der Malerei in Italien“ (3 Bde. 1829-32); 
era „ber Aeſthetik“ (1844); „Nippes von einer Refe nah Schwe⸗ 

en“ . 

Duantität, 1) Ueberhaupt eine nicht näher beflimmte Menge ober Größe, 
2) Die Unterſcheidung der ®röße von einem erkennbaren Begenftande, Die ebenfo, 
wie die Qualität (ſ. d.), eine Mribee iſt. (Vgl. ben Art. Kategorien.) 
3) In der Metrif die Sylbendauer, das Sylbenmaß, bie Länge u, Kürze ber 
Sylben. Jene, die Länge, wirb mit bem Zeichen —, biefe, die Kürze, mit u mb, 
wenn bas Maß unbeftimmt ift, die Sylbe lang oder kurz gebraucht werben Tann, 
mit u bemerkt. Hiernach nennt man eine Eylbe longa, brevis, oder anceps 
(communis). 

„Johann Joachim, k. preußifcher Kammermuſtkus, geboren 1697 
in dem Dorfe Oberfchaben bei Böttingen, erlangte nur mit Mühe von feinem 
Bater, einem Hufſchmid, die Erlaubnig, feiner Reigung zur Muſik zu folgen. 
Er lernte fie in Merfeburg, wurde an verfchiebenen Orten Stabtpfeifergefelle, 
fam 1718 in die polnifche Kapelle nach Dresden u. machte nun vorzüglich bie 
Flöte zum Gegenftande feines Stubiums. Dabei übte er fih im Componiren u. 
fam 1727 mit reihen Kunſtkenntniſſen von einer Reife nach Italien, England u. 
Frankreich zurüd, die er 1724 angetreten hatte. Friedrich I. von Preußen, dem 
er als Kronprinz auf ber Klöte Unterricht gegeben Hatte, berief ihn 1741 in 
feine Dienfte und in biefen blieb er bis an feinen Tod, welcher zu Potsdam ben 
12. Juli 1773 erfolgte Q. war nicht nur einer der größten Meifter auf ber 
Flöte, fondern machte fich auch um bie Berbefferung dieſes Inftrumentes verdient. 
Er ſetzte Demfelben eine Klappe zu und erfand ben Aus» u. Einfchiebefopf, wos 
durch bie Flöte, ohne Berwechfelung der Mittelftüde, um einen halben Ton tiefer 
ober Höher geftimmt werben kann. Mit beträchtlichen Vortheil verfertigte er ſelbſt 
Flöten zum Berfaufe u. fein Verfuch einer „Anweifung die Slöte zu fpielen,* 
Berlin 1752, 4., mit Kpf., neue Aufl., Breslau 1780, auch franzöftfch und Hol 
ländifch, verräth tiefe Einfichten in bie Grundfäge der Muſik und fand allgemeinen 
Beifall. Als Eompoftteur lebte er zwar meiftens nur für feinen großen Schüler 
Sriebrich II., für den er gegen 300 Concerte und 200 Solo's gelebt haben foll, 
die nicht in's Publitum gekommen find; aber auch das, was man in biefer Art 
von ihm Bat, wirb von Kennern fehr geichätt. 

Duarantaine, ſ. Contuma;. 

Quarré (franz.), ein Viereck, bezeichnet in der militärifchen Taktik eine ſolche 
Aufftellung einer größern oder kleinern Infanterieabtheilung, in welcher bie 
Truppen, Indem fie nach allen 4 Seiten Kin Front machen, ein rechtwinfeliges 
Viered bilden, um auf dieſe Weiſe die Angriffe der Cavalerie abzuwenden. 

Duart, 1) ein Getreidemaß in England, Bremen, Polen, Galizien, fodann 
ein —2 für Fluͤſſigkeiten in einem großen Theile Deutſchlands, namentlich 
in Preußen, ſowie in Polen u. Galizien, wo es Kwart geſchrieben wird. — 
2) D. oder Quartier, auf Schiffen die Zeit, wie lange die Seeleute, ohne ab⸗ 
nelöst zu werben, im Dienfte bleiben müflen. Es gibt während 24 Stunden brei 
D., jedes zu 4 — und beren zwei, jebes gu 6 Stunden. 


nennt man in abminiftrativer Hinficht ven A, Aha ened Soie, 


4 


586 Quarte — Quarz . 


3 Zeitraum von 3 Monaten, fowie ben Anfang und (Enbiermi 
es ſolchen. 

Quarte heißt in bee Muſik der vierte Ton von einem angenommenen erſten 
Tone, oder ein Intervall von vier Rotenftufen, nach ihrem Gebrauche theils Kon 
—5 „ theils Diſſonanz: erſteres nämlich, fo lange fie, die reine A., nicht als 

ufaaltung ber Terz des nachfolgenden Accords verwendet wirds; leßtere&, wen 
bie bemerkte Berwendung einteitt. Weil nun eine (rrhöhung oder Ermiebrigung 
(durch Kreuz ober Be) der höheren Note fowohl, wie der tieferen erfolgen lam 
fo beftimmen ſich hiernach drei Gattungen ber D., nämlich bie reine, bie vermin 
berte u bie übermäßige D., deren erſte aus zwei ‚genen Tönen u, einem halben 
Tone, die zweite aus einem ganzen Tone und zwei halben, unb bie Dritte, auf 
tritonus, (Dreitn) genannt, aus brei ganzen Tönen befteht. — Außerdem heiß 
Q. auch die a Saite auf ber Bioline. 

Dnartett, Bierftüd, vierflimmiger Satz, eine muſikaliſche Compoſtti 
weldde von vier Inftrumenten ober vier Singftimmen mit u. ohne Inftrumental: 
begleitung ausgeführt wird. Doch pflegt man bie allgemeine Benennung auch 
verfhieben anzuwenden u. dann unter OD. ein vierfiimmiges Singſtück und unter 
Duatuor ein Muſikſtuͤck für vier Inſtrumente zu verfichen. Abgeſehen von bie 
Mr —— iſt das DQ die entſprechendſte Gattung ber Kammermuſik, be 

re eigentliche Ausbildung Haybn (. d.) verdankt. D. gm 

lich aus einem Allegro, einem Adagio oder Andante, einer Menuet nebſt Iris 
Gett erfegt durch ein Scherzo), und aus einem Rondo ober Prefto ale dem Fi⸗ 
nale. — Im en geren Sinne iſt DO. ein von vier Saiten- oder Strei 

b. i. von zwei Biolinen, einer Bratfche (Viola) und einem Bioloncel in kunſt⸗ 
reicher Verflechtung , ober concertirend, audgeführtes Tonftüd. Gonft aber wer; 
ben auch Die Quintett's u, Sixtett's für Streichinftrumente zur Q.⸗Muſik gerech⸗ 
net. Herrfcht in dem DO. eine Partie vorzugsweiſe vor u, find die anderen blos 
begleitend, fo ergibt fi das fogenannte Solo⸗Q. Die Verſuche aber, bie 
man mit D.en ausichließlich für Blasinftrumente gemacht Bat, konnten keinen 
dauernden Beifall erhalten. 

Quartier nennt man im militärifchen Sinne eine ohne für Gofbaten 
bei den Bürgern, u. zwar entweder in den Garmifonsorten ſelbſt, ober auf den 
Maͤrſchen (vergl. übrigens den Artikel Binquartirung). — But D, heißt 
we ——— bes Pardons für gefangene feindliche Soldaten. — Q. auf ber 

ee, |. Quart 2). 

Quartodecimaner. Nachdem das allgemeine Concil von Nicaa (ſ. d.) begüglid 
der Feier des Heiligen Oſterfeſtes (ſ. d.) feſtgeſetzt hatte, daß Oſtern allegit 
an einem Sonntag zu feiern ſei u. daß dieſer Sonntag der unmittelbar auf be 
14. Mond bes erften Monats folgende feyn follte, fo daß, wenn biefer 14. 34 
ein Sonntag wäre, man die DOfterfeier auf den nächftfolgenden Sonntag zu vers 
legen Babe, damit man nicht mit ben Juden zufammentreffe, u. baß ber von bem 
Concilium benannte erfie Monat jener fei, befien 14. Mond entweber auf ba 
Tag der Frühlingsnachtgleihe, oder auf die nächfte Zeit nach ber Rachtgleidk 
fiele, beftätigte das Eoncilium von Antiochien 341 biefe Entfcheidung und —* 
bie Abſehung über Geiſtliche und ben Bann über Laien aus, welche Oſtern mi 
den Juden feiern würden. Diefe Ungehorfamen wurben mit bem Namen OQ. 
bezeichnet. Der HI. Epiphanus u. Theodoret fegen fie fogar unter bie 
und der 7. Kanon des erften Eonrils von Konftantinopel zählt He unter diejeni⸗ 
gen, weige durch Abfchwörung und Salbung wieder in bie Kirche aufgenom⸗ 
men wurben. 

Quarz oder Kiefel (Silex), ein zuweilen durchſichtiges, meiſt durchſchei⸗ 
nendes, oft aber auch anburcpfichtiges Foffil, mit Fett⸗ ober Glasglanz, ſplitteri⸗ 

em, unebenem, oft mufcheligem Bruche, zumeilen kryſtalliſirt oder in Afterkry⸗ 
allen, welches über die ganze Erbe, theild als Gebirgsart, theils als Lagermaſſe, 
theils von ſecundaͤrer Bildung, ale Geſchiebe, Grus u. Sand verbreitet iR. Auch 








| 


— 
nn un — 


M 


LE ED LE 1— 


Quafimodogeniti— Duatrebras, 


N 
iſt der DO. ein Hauptbeſtandtheil aller Gebirgsformationen, befonders ber Ur⸗ 

r —— bes Granits, Gneißes Thonſchiefers, der Grauwade 

Sieſelſchiefers, Q.⸗Felſes u. aller Sandfteine. Er befteht meiſt aus reiner Sicf 

; exde, die nur zufällig: bisweilen mit kleinert Quantitaͤten von Eiſenoryd, "Kalk oder 
anderen Beimengungen verunzeinigt iſt, hat ein ſpezifiſches Gewicht von 2, — 
2,5; und feine Härte iſt zwiſchen der des Feldfpaths u. des Topaſes. Er gibt 
am Stable Funfen u. zwei aneinander. geriebene, Stüde entmideln ein phospho- 
rescirendes Licht u. einen — empyreumatiſchen Geruch. Unterarten 
deſſelben find: ber Amethift, Bergkryftall, Citrin, Motion, Rauchtepas,'Brafem, 
Rofen:D.,, Jaspis, Ehalcedon,,Ehryfopras, Garneol, Feuerftein, Hornftein, Onyr ıc. 
Der D. findet in ber Technik mandperlei Anwendung; beſonders, ba er ſich in 
Berbindung mit Kali fehmelzen läßt, zur Verfertigung des Glafes, ber Glas— 
flüffe, des Emails; ferner als Zuſatz bei der Porzellan» u. ‚Steingutfabrifation 
und. bei Bereitung von verſchiedenem geringen Topfgefhire, zur der 
Smalte, als Echleifmittel, zu Mühle, Baus u. Pflafterfteinen ic, Die Stein⸗ 
— fertigen daraus. Reibſchalen, Reibſteine für Maler und zuwellen auch 

ijouteriewaaren. Der Di,» Sand dient als Schleifmittel, zur Berfertigung von 
Biepformen, als Streufand, zum Scheuern 1, zu manden wecen. 
fimodogeniti heißt der erſte Sonntag nach Oſtern, nach dem mit 

Worten —— Iniroitus der hl. Meſſe, ſonſt auch Dominica in albis oder 
weißer Sonntag (f..d.) genannt 

Quaſſia ift das Holz von quassia exoelsa,; einem in Surinam wachfenden 
Baume, weißlich oder gelblich, leicht, geruchlos u. bitterfchmertend u. P - 
noch mit der loſe anfigenden Rinde verjehen. Der vorwaltend bittere Beſtandt! 
defielben, das Duafiin oder Quaffitift, fowie der Ertralt des Holzes (extractum 
ligni Quassiae), offizinell und wird vorzüglich bei Schwäche der Werd 
werfzeuge angewendet, auch zum Betäuben der liegen. Die Rinde, welche 
terer, als das Holz ift, wird zu Liqueuren und zum Bittermachen bes Sieres be⸗ 
nuͤtzt. Sie ift dünn, mit papierartiger Oberhaut. ‘Eine Beiforte, die fogenannte 
Jamaica-Quajfia welche von der Sımaruba excelsa abftammen foll, barf in den 
Apotheken nicht geführt werben, obgleich fie in ihren Eigenſchaften mit der Su: 
tinamforte übereinftimmt; inbeflen werden zumeilen Becher baraus gedrechfelt, in 
welchen der Wein bitter wird u. dadurch eine magenftärkende Eigenfchaft erhält. Zus 
weilen foll ſich auch das Holz des Rhus metopium L. unter ber Q. befinden, 
welches Brechen erregt u. purgirt. Dadurch, daß ein Aufauß deſſelben mit Eis 
fenvitriol einen ſchwarzen Niederſchlag gibt, während Achte Q. unverändert bleibt, 
lann man «6 fogleich unterjcheiden. 

QDuatember (vom lateiniſchen quatuor tempora), ift ber uralte Name ber 
dreitägigen Faſten, welche in ber katholiſchen Kirche in jeder der vier Jahreszeiten 
vorgeichrieben find. Die Septemberfaften gilt ſchon für eine apoftoliiche Anord⸗ 
mung. Lange herrfchte in Bezug auf die Q. durchaus Feine Gleichförmigkeit z in 
Spanien waren fie im 6. Jahrhunderte noch nicht befannt und in Deutfchland 
wurden fie erft unter Karl dem Großen eingeführt. Ihre regelmäßige Beobach⸗ 
tung in ber abendländifhen Kirche batirt von der Zeit Gregor’s VII. Indeſſen 
fegte ſchon Papft Gelafius zu Ende bes 5. Jahrhunderts die Sonnabende ber 
DO. und ber Mitfafttage zur Ordination der Priefter und Diafonen ein, welde 
Verordnung von anderen Päpften beflätigt wurde. Das Concil von Piacenza 
verlegte die Q. auf bie Tage, an benen fie noch jet gehalten werben, u. ba ges 
tabe an ben Sonnabenden der Q. bie Ausweihungen Statt haben, fo find biefe 
Bafttage auch dem Gebete um gute Priefter geweiht. 

Quatrain, in ber Poefie überhaupt eine vierzeilige Strophe, Insbefondere 
bie vier erſten, auf einander ſich reimenden, Berfe eines Soneits und auch ein 
felbfiftändiges Gedicht von vier Zeilen. 

Quatrebras, ein Vorwerk an den Straßen von Rivelles nad Namur xð 
von Gharleroi nach Brüffel, Hier ein heftiges Gefecht am 16. Sunı ABIS nuüinen 


23: 8 


588 Quebek. 


den Franzoſen, Preußen, Briten und Niederlaͤndern. Napoleon's Zweck, ber Ber 
eini ung Bluͤcher's u. Wellington’6 zuvorzufommen unb fie vereinzelt zu ſchlagen, 
ward nicht erreicht; Ney warf fih zwar auf Q., um Wellington’s — 
zu verhindern, draͤngte auch den Erbprinzen von Oranien u. den Prinzen Bern 
von Weimar, vermochte aber, als immer neue engliſche Corps anlangten u. a 
feinen Ruͤckhalt nicht in's Gefecht bringen kannte, feine Vortheile nicht zu be 
baupten und mußte fich auf das Dorf Frasnes zurüdziehen. Der Berluft war 
auf jeden Theil zu 5000 Mann angegeben! bie Alliirten verloren ben Herzog vom 
Braunfhweig, Kriedrih Wilhelm (f. b.). 

Duebel, die Hauptflabt des britifchen Nordamerika, legt in Unter⸗Canada, 
an dem majeftätifchen, hier eine Stunde breiten St. Lorenzfluffe, in mitten eine | 
ſehr fchönen Gegend, deren Geſichtskreis durch eine hohe Bergkette begränzt wird. 
Es iſt erg Hg auf einer Landſpitze erbaut, welche ber in ben or 
einmünbdende Fluß St. Charles bilbet, u. deren Außerftes Ende, Gap Diamant, 
fi) 345 Fuß über den Waflerfpiegel erhebt. Die Stabt wird in zwei Theile, 
in ben obern u. untern eingetheilt; feßterer ift beinahe mit dem Waſſer gleich u. 
fieht mit ber obern Stabt durch einen engen, fi) windenden Weg in Berbinbung, 
welcher mit Feuerfchlünden von fehwerem Kaliber befept if. Auf ben nahen An⸗ 
höhen befinden ſich gut angelegte, ſtarke Feftungswerfe, u. ber Gipfel bed Cap's 
Diamant trägt eine uneinnehmbare Citadelle. Die untere Stabt liegt gerade ım- 
ter. dem genannten Gap und wird von ben Kaufleuten u. Handwerfern bewohnt. 
Hier befinden fich ber Marftplap mit ber proben Markthalle, die Börfe, das 
Zollhaus, die Banken u. der Hafen Port Diamant, Außer biefem, welcher gan 
vorzüglich ift, Hat DO. auch noch das prächtige, vom St. Lorenzfirome gebildete 
Beden, in welchem mehre Klotten mit ber größten Sicherheit vor Anker liegen 
fönnten. Die Straßen ber untern Stabt find indeß größtenteils eng und unte 
gelmäßig, hoch Haben fie fich feit dem furchtbaren Brande von 1845, ber hier 
1630 Haͤuſer verzehrte, bedeutend verfchönert. Die ſchoͤn gebaute obere Stadt, 
auf einer fleilen Anhöhe liegend, zeigt im Gegenſatze mit der untern ganz den 
militärifchen Charakter. Das Schloß St. Louis daſelbſt, in welchem ber e: 
rals Gouverneur feinen Wohnſitz hat und die Civil⸗ u, Militärkanzleien unterges 
bracht find, fleht am Rande eines 200° Hohen Abhanges u. iſt von furdhibaren 
Seftungswerfen umgeben. Im Zeugbaufe follen Waffen für 100,000 Mann fies 
en. — Die proteftantifche Kathedrale mit ihrem hohen Thurme wird für das 
Pönfe Gebaͤude DE gehalten. “Der katholiſche Dom hat eine gute Orgel Das 
Seminartum nebenan, groß u. geräumig, iſt zugleich die Nefidenz bes Tatholifcken 
Biſchofs. Das Hotel Dieu, welches ein Ronnenklofter, Hofpital, Kirche, Kirch: 
hof u. Gärten in ſich faßt, if zur Aufnahme armer Kranken beiderlei Geſchlechts 
beſtimmt, das Klofter bee Urfulinerinen zur Erziehung junger Mädchen. Rod 
find als vorzügliche Gebäude zu erwähnen: bie fehottiiche Kirche, das ehemalige 
Zefuitenfollegium, jetzt Kaſerne, der Gerichtshof mit prähtiger Facçade, das neue 
Gefaͤngniß u. die Artilleriekaſerne. — O. iſt der Sitz bes General⸗ Gouverneurs 
von britiſch Rordamerika, eines katholiſchen und anglikaniſchen Biſchofs, eines 
Obergerichts, des Provinzialparlaments. Man ſchaͤtzt die Bevölf mit Ein⸗ 
ſchluß der Vorſtädte auf 33,000 Seelen, worunter mehr als die Hälfte franzoͤſi⸗ 
her Abkunft find. An Elementarfchulen iſt kein Mangel; bas Seminar u. bas 
Gymnaſtum find ſtark befucht u. haben gute Bibliotheken. Es beſteht hier ein 
landwirthſchaftlicher Berein zur Beförderung des Aderbaues u, eine Geſellſchaft 
zur Verbreitung bes Unterrichts u. der Inbuftrie in Canada. Dabei tft Q. aud) 
ein Hanbelsplag von großer Wichtigkeit u. hat unter ben britifchen Gtäbten auf 
dem Feſtlande von Amerika nur Montreal zur Rebenbuhlerin. Täglich gehen von 
biejen beiden Städten mehthre Dampfichiffe ab, alle auf biefer Strede liegenden 
Ortſchaften belebend. — Die Menge hübfcher Landgüter in der Nähe, bie ſchoͤ⸗ 
nen Ausfihten von ben benachbarten Felshöhen, bie anmuthige Infel Orleans 
mitten im Strombette, verleihen ber Umgegenb von D. großen Rei, Die inte: 


4 





Duedengrad— Duedfilber, 589 


fuffe Beauport, welcher in einer ‘Breite von 50" über einen v Tentreche 


a 
r mn Naturfcene aber find die Fälle ——— ee dent 


. ten Helfen herabftürzt, Aus dem Abgrumde erhebt ſich ein unermeßlicher, wellen 


— — — — 


förmiger Schaum, der das fhönfte Farbenſpiel zeigt, wenn er von der Sonne 
beſchienen · wird. — Q. wurde im Jahre 1608, don ben Franjoſen an der Stelle 
bes indianiſchen Dorfes Stadacone gegründet, "Die Fortſchritte der Stadt waren 
nur langfam, weil fie beftändig mit ber Feindſchaft ber benachbarten wilden 
Stämme, namentlich der Irokeſen, zu fämpfen hatte, 1629 fiel Q. in bie Hände 
ber Engländer, wurde aber 1632 mit Ka Canada ben Franzoſen wieder zurück⸗ 
jegeben. Gegen Ende bes Jahres 1 machten bie u einen andern 
erſuch, fich der Stadt zu bemädhtigen, wobei fie beträchtlichen Verluſt erlitten, 
ohne ihren Zweck zu erreichen. Die Franzoſen waren num darauf bedacht, bie 
Feftungswerfe zu erweitern, welche feitbem noch mehr vergrößert wurden, u. jet 
im einem folchen Zuftande fich befinden, daß D. mit einigen der feteften Pläge 
in Europa verglicheh: werben kann. 1759 eroberten es bie Briten unter General 
Wolf, welcher abet bald darauf bei einem Entfapverfuche auf dem fogenannten 
Abrahamsfelde bei Q. fiel, Man ficht dort noch heute fein Denkmal, 1775 
wurde die Stadt —— von den Amerikanern belagert,  mD, 
Queckengras, Graswurzel (radix graminis), nennt man bie von den 
Scheiben und Faſern gereinigten Wurzeln von Triticum repens, einer auf Medern, 
an Zäunen, in Gebuͤſchen ac, als Unkraut wachfenden Grasart. Es find’ bis eis 
nige Fuß lange, eine bis zwei Linien dicke, biegfame, etwas Aftige, grashalmens 
Adnliche , mit ringförmigen Knoten vwerfehene, ke Burzeln, von —* is 
gelber Farbe und füßlichem, etwas ſchleimigem Se made, Sie werben bei 3 
verſchleimungen und als Blutreinigungsmittel, vorzüglich in Extractform als Mel- 
——— — Aydrargyrum hat als chemiſches Zeichen 
ei er, Arı a es 
und ſein Miſchungsgewicht iſt —S— 8 findet —* u. in Verbind⸗ 
ung mit Schwefel u. Chlor. Die Schwefelverbindung ift als Zinnober befannt, 
die Ehlorverbindung als Q. hornerz. Ein von Zinnober durchdrungener, bitumis 
nöfer Mergel wird zu Idria als Lebererz gewonnen, die von Zinnober Be eangenen 
Schiefer» u. Sandfeine aber werben Ziegelerze genannt. Der größte Theil des 
Q.s wird aus dem Zinnober genommen u. zwar duch Deftillation mit Eifen oder 
Kalf. Im erften Falle bleibt Schwefeleifen zurüd u. das frei gewordene D. de— 
flilfirt über; im lehtern Falle entſteht Schwefelcaldum, fchwefelfaurer Kalf u. das 
D. wird frei. In Idria erhigt man ben Zinnober durch Flammenfeuer unter Luft⸗ 
zutritt, wobei dee Schwefel des Zinnobers zu ſchwefeliger Säure verbrennt, Man 
läßt dann die Dämpfe von fehmwefeliger Säure u. DO. durch Kammern flreichen, 
in welden fih das DO. verdichtet. im Handel vorkommende Q. iſt nicht 
tein, fondern enthält noch immer fremde Metalle. Um es von biefen zu befreien, 
Digerirt man es entweber mit concentrirter Schwefelfäure, welche die fremden Me: 
talle auflöst, oder man beftillirt e8 in einer mit Eifendrehfpänen gefülten Retorte 
vorfihtig über. Chemiſch rein wird es erhalten durch Deftillation des Fünftlichen 
Zinnesers mit Eifen oder Kalf, oder durch Kochen von Sublimat mit Eiſen, wos 
bei fih das Q. metallifch ausfcheidet. Bei gewöhnlicher Temperatur if das Q., 
wie befannt, flüßig, bei ungefähr 40° €. gefriert es, bei 360° C. fiedet es. Wird 
es längere Zeit bei einer bem Kochpunkte nahen Temperatur erhalten, fo abforbirt 
es Eauerftoff aus der Luft und verwandelt fih in Q.⸗Oxyd. Kochende Salzſaͤure 
und verdünnte Schwefelfäure wirken nicht auf daffelbe. In Salpeterfäure löst es 
fi leicht. Es läßt ſich fehr fein zertheilen u. findet fich in diefem fein zertheilten 
Zuftande im Argentum Hydrargyri cinereum, in dem Aethiops saccharatus, Ae- 
thiops grophiticus, Mercurius gummosus etc. Mit Sauerftoff verbindet ſich das 
D. in zwei Verhältniffen zu Orydul u. Oryd. Q.Oxydul, aus 2 Aeq. O. u. 1 
Aeq. Sauerftoff befiehend, wird erhalten durch Zufag von Kali» ober Ratranätına, 
zu einer Auflöfung von falpeterfaurem D.-Orydul. Es Tr a \nmmitnunnd 





586 Nuarte — Quarz. 


ober 3 Zeitraum von 3 Monaten, ſowie den Anfang und Endtermin 
es ſolchen. 

Quarte heißt in der Muſik der vierte Ton von einem angenommenen erſten 
Tone, oder ein Intervall von vier Notenſtufen, nach ihrem Gebrauche theils Con⸗ 
ſonanz, theils Diſſonanz: erſteres nämlich, fo lange fie, bie reine A., nicht als 
Aufba ber Terz bed nachfolgenden Accords verwendet wirds; legteres, wenn 
bie bemerfte Verwendung eintritt. Weil nun eine Erhöhung oder Ernied 
(durch Kreuz ober Be) der höheren Rote fowohl, wie der tieferen erfolgen kann, 
[e beftimmen ſich hiernach drei Gattungen ber Q., nämlich bie reine, die vermin⸗ 

erte u bie übermäßige Q., deren erfte aus zwei ‚„gansen Tönen u, einem halben 

Tone, bie zweite aus einem ganzen Tone und zwei halben, und bie dritte, auch 
tritonus, (Dreitn) genannt, aus drei ganzen Tönen beſteht. — Außerdem heißt 
D. auch die a Saite auf ber Violine. 

Duartett, Vierſtuͤck, vierfiimmiger Sag, eine muflfalifche Compoſttion, 
welche von vier Inftrumenten oder vier Singfiimmen mit u. ohne Inſtrumental⸗ 
begleitung ausgeführt wird. Doch pflegt man bie allgemeine Benennung auch 
verfchieden anzuwenden u. dann unter Q. ein vierfiimmiges Singſtück und unter 
Quatuor ein Muflfftüd für vier Inſtrumente zu verfichen. Abgeſehen von bie 
jer Unterſcheidung, iſt das DO. die entfprechendfie Gattung ber Kammermuſik, bie 
hre eigentliche Ausbildung Haydn (fi. d.) verbanlt. D. beſteht gms 
lich aus einem Allegro, einem Adagio oder Andante, einer Menuet nebſt 
(iegt exfeht durch ein Scherzo), und aus einem Rondo ober Prefto als dem Fi⸗ 
nale. — Im engeren Sinne if Q. ein von vier Saiten» oder Streich 
d. i. von zwei Biolinen, einer Bratfche (Biola) und einem Violoncell in kunſt⸗ 
reicher Verflechtung , ober concertirend, ausgeführtes Tonfüd, Gonft aber wers 
den auch bie Duintett’s u. Sırtett’s für Streichinftrumente zur Q.⸗Muſik gerech⸗ 
net. Herrſcht in dem Q. eine Partie borzugemeile vor u. find die anderen blos 
begleitend, fo ergibt fih das fogenannte Solo⸗Q. Die Berfuhe aber, bie 
man mit Den ausichließlich für Blasinfirumente gemacht hat, konnten feinen 
dauernden Beifall erhalten. 

Quartier nennt man im militärifchen Sinne eine ne für Soldaten 
bei den Bürgern, u. zwar entweder in ben Garnifonsorten ſelbſt, ober auf ben 
Raͤrſchen (vergl. übrigens den Artikel Einquartirung). — Gut D. heißt 
ge Ben de Pardons für gefangene feindliche Soldaten. — Di. auf ber 

ee, |. Quart 2). 

Dnartodecimaner, Nachdem das allgemeine Eoncil von Richa (f. d.) bezüglich 
ber Weiler des Heiligen Dfterfeftes ci. d.) feftgefeht Hatte, daß Oſtern allezeit 
an einem Eonntag zu feiern fei u. daß biefer onntag der unmittelbar auf den 
14. Mond des arten Monats folgende feyn follte, fo daß, wenn dieſer 14. Tag 
ein Sonntag wäre, man die Oſterfeier auf den nächfifolgenden Sonntag zu ver 
legen babe, damit man nicht mit den Juden zufammentreffe, u. baß ber von bem 
Concilium benannte erfie Monat jener fe, deſſen 14. Mond entweber auf ben 
Tag der Frühlingsnachtgleihe, ober auf bie nächfte Zeit nach ber Rachtgleiche 
fiele, beftätigte das Concilium von Antiochien 341 diefe Entſcheidung und —* 
bie Abfehung über Geiſtliche und ben Bann über Laien aus, welche Oſtern mit 
ben Juden feiern würden. Diefe Ungehorfamen wurden mit dem Namen O. 
bezeichnet. Der HI. Epiphanus u. Theoboret fegen fie fogar umter bie Haͤretiler 
und der 7. Sanon bes erften Concils von Konftantinopel zählt He unter diejeni⸗ 
gen, weide buch Abſchwörung und Salbung wieber in bie Kirche aufgenom- 
men wurben, 

Quarz oder Kieſel (Silex), ein zumwellen burchfidhtiges, meiſt durchſchei⸗ 
nenbdes, oft aber audh unburchfgtigee Foffil, mit Fett» ober Glasglanz, ſplitteri⸗ 

em, unebenem, oft mufcheligem Bruche, zuweilen Eruftallifiet ober in Afterkry⸗ 
allen, welches über — Erde, theils als Gebirgsart, theils als Rh 
‚Helle von ferımbärer Bildung, als Geſchiebe, Grus u. Sand verbreitet iR. Auch 


mung 


Queckſilber. 59 
angervendet werben, Erſteres ſtellt ‚ein gelblich grünes, lehtetes ein prädjtig ro⸗ 
thes Pulver bar. Durch mäßiges Erhipen fublimirt das rothe Jodid ır, Rs fih 
im gelben Kryſtallen ab, welche durch Reiben wieder roth werden. Schwefeljaures 
O. Oryd wird erhalten duch Erhigen von O. u. Schwefelfäure. Beim Behans 
bein mit Waſſer gibt es ein gelbes Pulver, als Mineralturpoth befannt, ‚der ein 
baſiſches Salz, aus 1 Aeq. Schwefeljäure u. 3 Acq. Q. beftehend, if, Salpe⸗ 
terſaures Q.⸗Dridul wird: durch langeres Stehenlaſſen von Salpeterfäure über Q. 

alten; es ſeht ſich biefes Salz in Kryſtalllruſten ab. Sept man zu einer Auf⸗ 
von falpeterfaurem Q.⸗Oxydul Asmoniaffläfjigkeit, fo fält ein tief ſammi⸗ 
ſchwarzes Pulver nieber, welches als Mercurius solubilis Hahnemanni  befannt ift 
u das wahrfcheinlich eine Verbindung von 1 Aeq. Salpeterſaͤure, 2 Aeq. D. u. 
1. Aeq. Ammoniak it. Salpeterfaured Q. Oryd ift nur in ber Auflöfung befannt; 
Endlich find noch die Q⸗Verbindungen: das EyansD. u. das effigfaure Q.⸗Ori⸗ 
dul zu —— F D.8 mit anderen —— — 
genannt. ſonders g as am von Zinn u. Q., welches zum 
Belegen ber, Spiegel bient. Gold» —— endlich werben bei ‚der 
Bergol angewendet, — Die arjneiliche Wirfung bes Dis u. feiner Präpas 
vate iR gehnipft an feine phoffalifgen 1. Gemifcen. Eigenfiaften, weide. ihm 
eines Theild eine leichtere Aufnahme in bie ‚Säftemafle, andern Theils ſpezielle 
Wirkungen auf den menſchlichen Organismus verleihen. Bermöge. feiner Leicht⸗ 
lüffigteit u. Verbunftbarfeit, fo wie feiner: feinen Bertheilbarkeit u. feines großen 
fiſchen Gewichtes, wird es leichter in ber Säftemafje gelöst, als andere Mes 
talle, u. burchbringt bie Ganals u. Zellwände verhänigmdhig leichter, ‚als andere 
Flüßigfeiten, während e8 durch feine chemiſchen 'Berbind: ', namentlich in ber 
Form feiner Salze, anderen Metallen twieber ähnlicher u. feiner, ihm im regulin⸗ 
ifchen Zuftande zufommenden Eigenthümlichfeit des phyfikaliichen Verhaältens 
theitweife verluftig wird. Das regulinifche: Q. dient als Arzneimittel‘ 1) durch 
feine rein metaliiſche — feine Schwere, bei: Darmverſe und zur 
Austreibung mechanifcher Hinberniffe aus dem Darmtanale, in fo weit dieſe in 
abwärtslaufenden Partien befielben feftfügen. — Bei biefer Anwendungsweife 
beobachtet man, felbft bei längerem Verweilen im Organismus, faum eine dyna⸗ 
mifche Einwirkung, au) Hat man eine folhe nie zu fürdhten. — 2) Durch jeine 
mechaniſch⸗ dynamiſche Wirkung, d. i. durch ben Mebergang bes regulinifhen Q.s 
in bie Gefäße, erwirkt daffelbe, mittelft feiner feinen Vertheilung in Salbens und 
Dampfform, wo es im erften Halle in bie äußere Haut gerieben, ober beim Ein- 
athmen von den Schleimbäuten der Athmungswerfzeuge aufgenommen und von ba 
in die lymphatiſchen Gefäße u. Drüfen übergeführt wird, in dieſen eine Reihe von 
Ecſcheinungen leichter Anregung bis zur ſtaͤrkſten Reizung erzeugend. Das Res 
ſultat biefer Erſcheinungen ift eine mehr ober minber intenfive Steigerung ber 
Auffaugung im Igmphatifchen Syſteme u. Berminderung der Feſtbildüng in ben 
afficirten Theilen und bient zur Zertheilung afuter, entzünblicher Gefchwulfte und 
veralteter Berhärtungen u. Bergrößerungen ber normalen Subſtanz. Steigert ſich 
der Grab ber Wirkung bis zu einem hoͤhern Punkte, fo treten eigenthuͤmliche, uns 
ter dem Namen „Speihelfluß“ befannte Affektionen in der Mundhöhle ein, näms 
lich: Metalgefhmad, gefteigerte Speichelabſonderung, widriger Geruch aus dem 
Munde, Anfoncung, Aufloderung u. Vergrößerung ber Gpeicheldrüfen, der 
Mundſchleimhaut u. des Zahnfleifhes. Wurden die D.- Wirkungen durch das 
Einathmen von Dämpfen oder ber Berflächtigung bes D.6 in der Atmofphäre 
hervorgebracht, wie dies in Q. » Bergwerfen u. überhaupt bei ſolchen Perfonen 
vorkommt, bie mit Q. umgehen, fo fleigern fie ſich bis zur Vergiftung u. es ers 
folgen mehrfache Rervener[Heinumgen, wie Schwinbel, Zittern der lieber, Laͤhm⸗ 
ung und felbft ber Tod. Zum Heilzwecke find die O.+ Dämpfe faſt gar nicht in 
Gebraud; zur Zeit wendete man Zinnoberdämpfe gegen fophilitifhe Rachen⸗ 
geſchwuͤre an, hat biefes Verfahren aber wegen feiner anderweitigen Rate 
verlaffen. Das D,-Orpbul if ein fehr ſtart wirtenbes Arne, dos sher um 


588 Quebek. 


den Franzoſen, Preußen, Briten und Niederlaͤndern. Napoleon's Zweck, der Ver⸗ 
einigung Bluͤcher's u. Wellington's zuvorzukommen und ſie vereinzelt zu ſchlagen, 
ward nicht erreicht; Ney warf ſich zwar auf Q., um Wellington's Annaͤherun 
zu verhindern, draͤngte auch den Erbprinzen von Oranien u. den Prinzen Bern 
von Weimar, vermochte aber, als immer neue engliſche Corps anlangten u. er 
ſeinen Ruͤckhalt nicht in's Gefecht bringen kannte, ſeine Vortheile nicht zu be⸗ 
haupten und mußte ſich auf das Dorf Frasnes zuruͤckziehen. Der Verluſt ward 
auf jeden Theil zu 5000 Mann angegeben; die Alliirten verloren den Herzog von 
Braunfhweig, Friedrich Wilhelm cf. b.). 

Quebek, die Hauptflabt bes britifchen Rordamerifa, liegt in Unter⸗Canada, 
an dem majeftätifchen, hier eine Stunde breiten St. Lorenzfluffe, in mitten einer 
fehr ſchoͤnen Gegend, beren Geſichtskreis durch eine hohe Bergfette begränzt wirb. 
Es —5 eatraliſch auf einer Landſpitze erbaut, welche ber in ben Loren; 
einmünbende Flug St. Charles bildet, u. deren Außerfies Ende, Gap Diamant, 
fi) 345 Fuß über den Wafferfpiegel erhebt. Die Stadt wird in zwei Theile, 
in den obern u. untern eingetheilt; letterer ift beinahe mit dem Wafler glei u. 
ſteht mit der obern Stabt durch einen engen, ſich windenden Weg in Berbinbung, 
welcher mit Keuerfhlünden von ſchwerem Kaliber befept if. Auf den nahen Ans 
höhen befinden ſich gut angelegte, ſtarke Behungenerk, u, ber Gipfel des Cap's 
Diamant trägt eine uneinnehmbare Eitabelle. e untere Stabt liegt gerade un⸗ 
ter dem genannten Gap und wird von den Kaufleuten u. Handwerkern bewohnt. 
Hier befinden ſich ber Marktplatz mit ber großen Markthalle, bie Börfe, das 
Zollhaus, die Banken u. dee Hafen Port Diamant. Außer diefem, weldyer ganz 
vorzüglih if, Hat D. auch noch das prächtige, vom St. Lorenzſtrome gebilbete 
Beden, in welchem mehre Flotten mit ber größten Sicherheit vor Unter liegen 
fönnten. Die Straßen ber untern Stabt find indeß größtentheild eng und unre 
gelmäßig, doch haben fie fich feit dem furchtbaren Brande von 1845, ber hier 
1630 age verzehrte, bedeutend verfchönert. Die fchön gebaute obere Stabt, 
auf einer fteilen Anhöhe liegend, zeigt im Gegenfage mit ber untern gun ben 
militärifhen Charakter. Das Schloß St. Louis daſelbſt, in welchem ber Gene 
rals Gouverneur feinen Wohnfig bat und die Civil» u. Militärkanzleien unterge- 
bracht find, flieht am Rande eines 200° hohen Abhanges u. iſt von furdhtbaren 
Seflungswerfen umgeben. Im Zeughauſe follen Waffen für 100,000 Wann lies 
en. — Die proteftantifhe Kathedrale mit ihrem hohen Thurme wirb für das 
choͤnſte Gebäude DS gehalten. Der Tatholliche Dom hat eine gute Orgel, Das 
Seminarium nebenan, geoR u. geräumig, ift zugleich bie Refidenz des Tatholifcken 
Bilhofs. Das Hotel Dieu, welches ein Ronnenklofter, Hofpital, Kirche, Kirch: 
hof u. Gärten in fich faßt, iſt zur Aufnahme armer Kranken beiberlei Gefchlechte 
beſtimmt, das Klofter ber Urfulinerinen zur Erziehun Iunger Mädchen. Roc 
find als vorzügliche Gebäude zu erwähnen: die fchottiiche Kirche, das ehemalige 
Zefuitenkollegium, jetzt Kaferne, der Gerichtshof mit prädtiger Facade, das neue 
Gefängniß u. die Artilleriefaferne — Q. ift der Sig des Generals Bouverneurs 
von britiſch Rordamerifa, eines Tatholifchen und anglikaniſchen Biſchofs, eines 
Obergerichts, des Provinzialparlaments. Man ſchaͤtzt die Benölferung mit Eins 
ſchluß der Borftädte auf 33,000 Seelen, worunter mehr als die Sälfte franzöft- 
ſcher Abkunft find. An Elementarfchulen ift fein Mangel; das Seminar u, das 
Gymnafium find ſtark befucht u. Haben gute Bibliothefen. Es beſteht Hier ein 
landwirtäichaftlicder Berein zur Beförderung bes Aderbaues u. eine Geſellſchaft 
zur Berbreitung bed Unterrichts u. der Induſtrie in Banada. Dabei tft Q. auch 
ein Hanbdelsplag von großer Wichtigkeit u. Hat unter ben britifchen Stäbten auf 
dem Feſtlande von Amerika nur Montreal zur Rebenbuhlerin. Täglich gehen von 
biefen beiden Städten mehre Dampfichiffe ab, alle auf biefer Strede liegenden 
Ortſchaften belebend. — Die Menge hübfcher Eanbgüler in ber Nähe, bie ſchoͤ⸗ 
nen Ausfihten von den benachbarten Felshöhen, die anmuthige Infel Orleans 

atten Im Strombette, verleihen der Umgegem um D. großen Reiz. Die intes 


Queckengras — Quedfilber. 589 


reffantefte Naturſcene aber find die Fälle von Montmorench, gebildet von bem 
Fluſſe Beauport, welcher in einer Breite von 50° über einen 240° hoben, ſenkrech⸗ 
ten Bellen herabſtuͤrzt. Aus dem Abgrunde erhebt ſich ein unermeßlicher, wellen- 
formiger Schaum, der das fchönfte Karbenipiel zeigt, wenn er von-ber Sonne 
befgienen wird. — Q. wurbe im Jahre 1608, von den Franzoſen an ber Stelle 
bes indianiſchen Dorfes Stabacone gegründet. Die Kortfchritte der Stadt waren 
nur langfam, weil fie beftändig mit ber Feindſchaft der benachbarten wilden 
Stämme, namentlich der Irokeſen, zu fämpfen hatte 1629 fiel DO. in bie Hände 
der Engländer, wurbe aber 1632 mit ga Ganada den Franzofen wieder zurüd- 
gegeben. Gegen Ende des Jahres 1 machten die Engländer einen andern 
erſuch, fih ber Stabt zu bemäcdhtigen, wobei fie beträchtlichen Verluſt erlitten, 
ohne ihren Zwed zu erreichen. Die Franzoſen waren nun barauf bebadht, bie 
Seftungswerfe zu erweitern, welche feitbem noch mehr vergrößert wurden, u. jetzt 
in einem foldden Zuſtande ſich befinden, daß DO. mit einigen ber fefleften Plaͤtze 
in Europa verglichen werben Tann. 1759 eroberten es bie Briten unter General 
Wolf, welcher aber bald darauf bei einem Entſatzverſuche auf dem fogenannten 
Abraha e bei Q. ſiel. Dan ſieht dort noch Beute fein Denkmal. 1775 
wurbe ‘die Stadt vergeblich von ben Amerikanern belagert. mD. 

Queckengras, Graswurzel (radix graminis), nennt man bie von den 
Scheiden und Faſern gereinigten Wurzeln von Triticum repens, einer auf Aeckern, 
an Zäunen, in Gebuͤſchen ıc. als Unkraut wachienden Grasart. Es find bis eis 
nige Fuß lange, eine bis zwei Linien dide, biegfame, etwas Aftige, grashalmen⸗ 
ähnliche, mit ringförmigen Knoten verfehene, geruchlofe Wurzeln, von blaßftrohs 
gelber Farbe und füßlichem, etwas fchleimigem Geſchmacke. Sie werben bei Brufts 
verfckleimungen und als Blutreinigungsmittel, vorzüglich in Ertracdform als Mel- 
lago graminis, angewendet. 

Duedfilber, Argentum vivum, Hydrar hat Hg. als chemifches Zeichen, 
und fein Miſchungsgewicht if 1265,823. Es findet ſich gebiegen u. in Berbind- 
ung mit Schwefel u, Chlor. Die Schwefelverbindun i als Zinnober bekannt, 
die Chlorverbindung als Q.homez. Ein von Zinnober durchbrungener, bitumi⸗ 
nöfer Mergel wird zu Idria als Lebererz gewonnen, die von Zinnober durchdrungenen 
Schiefer⸗ u. Sandfteine aber werben Hiegelerze enannt. Der größte Theil bes 
Q.s wird aus bem Zinnober genommen u, zwar durch Deftillation mit Eifen oder 
Kalk. Im erften Falle bleibt Schwefeleifen zurüd u. das frei geworbene DO. bes 
flillirt über; im letztern Falle entfteht Schwefelcalcium, fchwefelfaurer Kalk u. das 
Q. wird frei. In Idria erhigt man ben Zinnober durch Flammenfeuer unter Luft 
zutritt, wobei ber Schwefel bes Zinnober6 zu fohwefeliger Säure verbrennt. Man 
läßt dann die Dämpfe von fchwefeliger Säure u. Q. duch Kammern ftreichen, 
in welchen fi das DQ, verdichtet. “Das im Handel vorkommende D, iR nicht 
rein, fondern enthält noch immer fremde Metalle. Um es von biefen zu befreien, 
Digerirt man es entweder mit concentrirter Schwefelfäure, welche bie fremben Mes 
tale auflöst, oder man deſtillirt es in einer mit Eiſendrehſpaͤnen gefüllten Retorte 
vorfichtig über. Chemiſch rein wird es erhalten durch Deftillation bes künftlichen 
Zinnoders mit Eifen ober Kalk, ober durch Kochen von Sublimat mit Eifen, wo⸗ 
bei fih das Q. metallifch ausfcheibet. Bel gewöhnlicher Temperatur if das O,, 
wie befannt, flüßig, bei ungefähr 40° C. gefriert e8, bei 360° €. fiedet es. Wird 
e8 längere Zeit bei einer dem Kochpunkte nahen Temperatur erhalten, fo abforbirt 
es Suuerftoff aus der Luft und verwandelt fi in Q.⸗Oxyd. Kochende Salzfaure 
und verbünhte Schwefelfäure wirken nicht auf daſſelbe. In Salpeterfäure löst es 
fih leicht. Es laͤßt fich fehr fein zertheilen u. findet fich in biefem fein zertheilten 
Zuftande im Argentum Hydrargyri cinereum, in dem Aethiops saccharatus, Ae- 
thiops grophiticus, Mercurius gummosas eic. Mit Sauerftoff verbindet ſich das 
Q. in zwei Berhälmiffen zu Orybul u. Oryd. D.-Orpbul, aus 2 Aeq. O, wu 1 
Aeq. Sauerflo ehend, wird erhalten durch Zufa von Kalts odex Rokeweiiiunn, 
zu einer Aufloſung von falpeterfaurem Q.⸗Oxydui. Es FAUL o\® \namuiiguurub 


592 Dueblinburg. 


deßwillen fehr unficher iſt, weil es fich Leicht zu einem Gemenge von regulinifchem 
D. mit Oxyd umbildet. Das Q.⸗Oxyd wirkt äußerlich heftig reizend, aͤgend u. 
zerſtörend auf die organiſche Maſſe u. innerlich tief in das vegetative Leben ein- 
teifend und die Säftemifchung umſtimmend. Es wirb darum Außerlich bei Auf⸗ 
oderungen, Wucherungen u, Afterorganifationen dyskraſiſcher Natur erfolgreich 
in Anwendung gebracht ; innerlich iſt e8 zur Extinctionskur nur bei ſyphilitiſchen 
Krankheitsformen mehrfach empfohlen. Das Schwetelquedfilber, mehr äußerlich, 
als innerlich gebräuchlich, wirkt Era auf die äußere Haut u. zeigt fich bei ſy⸗ 
ilitiſchen, flechten» u. fräbartigen ſchlaͤgen heilförberlih. “Der mineraliiche 
ohr gehört zu den älteren Wurmmitteln, und der Spießglanzmohr tft innerlich 
ein brauchbares Mittel bei chroniſchen Hautfrankheiten ber Kinder, Skrophelkrank⸗ 
t, Kraͤtze u. Flechten. Das Q.⸗Chloruͤr, das mildefte DA, Bräparat, wirkt gan 
efonders auf den Darmkanal, die Leber⸗ und die Speichelbrüfen u. führt um fo 
leichter zur Q.⸗Dyskraſte, je weniger es abführend wirkt. Charakteriſtiſch bei dem 
Gebrauche größerer Gaben von Calomel find die Stühle, welche immer von ber 
eopiöfen Ballenabfonderung grün gefärbt find. Man gebraucht basfelbe als Del 
mittel bei entzündlichen u. auf krankhafter Säftemifchung beruhenden Krankheiten, 
fo wie bei Darmüberfülungen u. dgl.,u, zwar einmal zur Ableitung u. Verſetz⸗ 
ung bes Kranfheitöprogeffes auf ben Darm und Berflüfligung bes entzündlichen 
Blutes, das andere Mal zur Reinigung der Säfte durch Antreibung ber Abfons 
derungen , fo wie endlich zur Darmentleerung. Specififche Anwendung ‚Fade 
bas Galomel gegen Leberkrankheiten, Luſtſeuche und Unterleibötyphus. Dus 
Chlorid, der Sublimat, if eines der gebraͤuchlichſften Q.⸗Praͤparate und zwar um 
deßwillen, weil man mittelſt beflelben alle verfchiebenen Grade der allgemeinen A⸗ 
irkung erzeugen kann. Innerlich genommen bettatgt es die Ausſcheidungen 
des Organismus überhaupt und jene ber Nieren aut insbeſondere und 
macht ſich hierdurch in allen dyskrafiſchen Krankheiten u. ſpeziell noch durch feine 
Iperifiche Wirkung bei ber Luflfeuche verdient. Aeußerlich angewendet wirkt ber 
ublimat als Arzneimittel u. dient, je nach dem hößern ober geringern Grabe 
feiner Boncentration, bald als Mittel zur Umflimmung der Vegetation ber Bäutis 
en Gebilde, bald zur Zerflörung von Afterprogefin. So nüglich, fo energiſch⸗ 
Aftig und heroiſch auf ber einen Seite biefes Mittel in angezeigten Faͤllen und 
bei gefchiet geleiteter Anwendung auch erfcheint, fo nachtheilig Tann wieder im 
efehrten Falle fein Gebrauch werden. Aehnlich dem Sublimat in Wirkung 
u. Heilkraft find der weiße u. rothe PBräcipitat u. von jenem nur durch eine tie 
fer, aber langjamer wirkende Aetzkraft verfchieben. Die übrigen ‘Präparate find 
in ihren Grundwirfungen den vorigen mehr ober weniger ähnlich, unterſcheiden 
fi aber von ihnen burch bie beigemifchte Wirkung der mit ihnen in Berbinbung 
gebrachten Zuſaͤtze. A. 
Quedlinburg, 1) ein vormaliges, reichsunmittelbares Krauenftift, das zum 
oberfächfifchen Kreis gehörte. Bon Kaiſer Heinrih 937 gegründet, wurde es 
1539 Iutherifh. Kurfachfen, bas feit dem 15. Jahrhunderte die Erbvogtei oder 
Erbſchutzherrſchaft mit der Landeshoheit über das Stift befaß, überließ 1697 biefe 
Gerechtſame an das Kurhaus Brandenburg für 300,000 Thaler. Die Aebtiſſin 
hatte als Reichsfuͤrſtin auf dem Neichstage, auf ber rheiniſchen Prälatenbanf , fo 
wie auf dem oberfächfifchen Kreistage Sig und Stimme. Das Gebiet beftand in 
der Stadt Q., dem Flecken Dittfurt$ und mehren Vorwerken, enthielt 2 [_] Meilen 
mit 13,000 Einwohnern, u. brachte jährlich an 40,000 Thaler ein. ch ben 
Reichstagsdeputationsreceh 1802 kam das Stift mit dem Gebiete als Entſchaͤdig⸗ 
ung an Preußen, 1807 durch ben Tilfter Frieden zum Königreiche Weſtphalen, 
1814 nahm es Preußen wieber in Beftb und ſeitdem iſt es zum Kreiſe Aſchers⸗ 
leben bes preußifchen R —— Magdeburg geſchlagen worden. — 2) O., 
bie vormalige Hauptftabt des Stiftes und ber S g „erleiden, jest Kreisſtadt bes 
zum preußijchen Re erungebegrte Magdeburg geh gen Fra Aſchersleben, am 
asrbößlichen Ende Harzes, an der Bote, in waleriſchen Lage, von 


r * 
Querfurt — Oueönel, 595 
| Größe und jedem Mufter. Sie werden meiſtenthells an Ort und Stelle abgefeh 

! indem jeden Abend 66 ber ‚großen Pläpe bei Fackellicht Markt held 

N wird. Die Stadt zäplt dermalen 42,000. Einwohner, — Zwei Stunden von-O, 

I liegt der. Bergfeffel Canada, beffen Heiien Bädern ausgezeichnete Heilfräfte zu 

Khrieben werden, — In dem Staate D, gibt e8 viele ſchͤne Hacienda’s, auf 

, Denen theils Rindvieh und verebelte Schafe, tHeils Weizen, Mais und, Bohnen 

' im Menge ‚gejogen werben. Der Diftrift von Gabereita enthält die Minen el 

| Doctor, Maconi und San Eriftobal, Nach Th. Glennie, mD, 

N Duerfurt, ein vormaliges, reichsunmittelbares Fürftenihum. im oberfächfifchen. 
Kreife, dem Kurfürften von. Sachen gehörig, ber. defhalb. Sik und Stimme auf 
ben oberſaͤchſiſchen Sreistagen Hatte, B4 Meilen mit 20,000 Einwohnern, 

hatte feine eigene Verfaſſung u. Stände u. war in die zwei Kreife OD. u, Jiis 

terbonß, getheilt. 1815 bei. ber Theilung Sachſens fiel es an Preußen u, bildet 
jegt Beftandtheile ber Preife D, u. Edartöberga des preußiſchen —— 
itkes — u. des Kreifes Juͤterbogh des preußifchen —— — 

Pote dam. Die Stadt ‚gleiches Namens, am Quernabache, ‚auf einem unebenen 

Boben, hat 3. Kirchen, ein altes Schloß, 2 Hoſpitaͤler, eine höhere an ER 

Kattundruderei, Salpeterfieberei, gute Steinbrüdhe in der Nähe u. 3600 Einwoh- 

ner. Jährlich werben 3 Märkte gehalten, davon befonderd ber Wiefenmarkt, 

welcher ‚auf der nahen fogenannten Ejelswiefe gehalten wird, wegen des, ftarfen 

Pferbehanbels berühmt ift, Auch find außerdem Schäfflers, Tiſchler⸗ u. Drechsler⸗ 

Waaren Hauptartifel biefes Marktes, 

Duednay, Frangois, geboren 1694 zu Merrey bei Montfort-’Amaury 

im Departement, ber Eure, war zuerft Feibchirurg Ludwigs XV. u, erſter Sekretär 

ber Afademie, ſo wie Herausgeber ‚des I. Bandes ihter Schriften, dann — u. 

ftarb 1774. Ex ſchrieb? Essai sur l’&conomie animale, Paris 1736, 3,Dbe.; 

Recherches sur, Y’origine eto. de la_chirurgie ‚en, France, Paris 1744 — 49, 

2 Bde; Traitö de la suppuration, Varis 1749 ; Elements de la philosophie 

rurale, Paris 1768, worin er, angeblich unter Mitwirfung Mirabeau’s, das bes 

reits von Rode u. Deder angeregte u. von ben frangöfiihen Philofophen feiner 

Zeit aufgenommene phyfiofratifhe Syſtem (f. d.) ber Staatswirthichaft entwidelte, 

Duesnel, Bafhafius, geboren au Paris 1634, trat 1657 in bie Eon- 
gregation des Dratoriums u. wurbe 1653 Priefter deffelben. Er war ein großer 

Gelehrter u. hatte ſich durch die Herausgabe ber Werke Leo des Großen, jammt 

beigefügten gründlichen Differtationen, 1675, vielfah verbient gemacht. Da in 

feinem Orden bie ruͤhmliche Sitte beftand, täglich Betrachtungen über einzelne 

Abſchnitte der Heiligen Schrift anzuftelen, fo betrieb er dies mit Eifer und gab 

feine. moralifhen Reflerionen über das ganze Neue Teftament heraus 

(1671; 1687)._ Das Werf war mit tief religiöfem Sinne, ädhter Geiftesweihe, 

einem feltenen Ernfte u. großer Gebanfenkraft gefchrieben. Cs erregte bie Ger 

müther in hohem Grabe u. Taufende fanden in demfelben eine geiftlihe Nahrung. 

Der Gardinal u. Erzbifchof Noailles empfahl es in einem Hirtenſchreiben. Andere 

hochgeftellte Prälaten ſprachen fi vortheilhaft darüber aus u. ſelbſt Clemens XI. 

machte die Bemerfung: es dürfte Fein italienifher Geiſtlicher im Stande feyn, 

ein Werk biefer Art zu verfaflen. Als aber bei genauerer Erwägung fi in 

Frankreich viele u. angefehene Männer dagegen erklärten, überzeugte ſich auch 

Elemens eines andern u. fehte eine Prüfungscommiffion, nicht aus Jefuiten, 

welche die Feinde der Janfeniften waren, fondern aus Mitgliedern bes Domini- 

Fanerordeng zufammen, ber in feinen Anficbten am meiften von ben Jefuiten ab⸗ 

wid. Erſt nach langer, höcft bebächtiger Erwägung machte ber Papft das Re 

fultat in der Eonfltution „Unigenitus“ befannt (1713), welche 101 Saͤtze aus 
ben moralifhen Reflerionen verbammte, u. in ber That hatte nah Arnaulds 

(1. db.) Tode der Janfenismus in Q. feinen Höhepunkt erreicht, Indem biefer die 

janſeniſtiſchen Verirrungen in Betreff ber Freigeit u. Gnade 88 en ee, 

aud nannte er Die, unter gewiffen Rüdfichten erfolgte, Bern —X WoewWꝛ 
—8 


596 Quetſchung — Quiberon. 


ſens eine Ausſchließung ber Soͤhne bes Lichtes von ber Duelle derſelben. Fi 
nun Q. unflreitig die Reinheit ber Glaubenslehre getrübt, fo wurde body oft 
and) auf ber andern Seite ſchwer gefehlt. Nach dem Erfcheinen ber Bulle verbot 
der Cardinal Roailles ſogleich bie Leſung der moralifhen Reflexionen in feine 
Didcefe, machte aber auf der vom Könige veranftalteten Berfammlung der Biſchoͤfe 
(1714) Schwierigfeiten in ber einfachen Annahme der Bulle und, als er mit den 
7 ihm beiftimmenden Bifchöfen nicht durchdrang, erließ er ein Eircular, worin er 
bie Berbammung ber moralifchen Neflerionen abermals wiederholte, aber bei Strafe 
ber &uspenfion verbot, bie Entſcheidung bes roͤmiſchen Etuhles anzunehmen. 
Auch die Sorbonne regiftrirte die Bulle nur zufolge einer Mehrheit von Stimmen 
ein. Indeſſen war Q. ſchon 1710 zu Aufterdam, wohin er fi, um feinen Geg⸗ 
nern zu entlommen, gewandt hatte, geflorben. Außer den genannten hat man 
noch mehre Schriften von ihm. 

Quetſchung nennt man bie, durch gewaltiame Einwirkung eines ſtumpfen 
Werkzeuge ohne Befchädigung ber äußern Oberfläche hervorgebrachte Verletzung. 
Sie befteht in einer, in verfchiedene Tiefe fih erſtreckenden, Herreißung Des unter 
ber Oberfläche gelegenen Gewebes u. gibt ſich vorzugsweiſe durch ben Blutaus 
tritt aus ben zerrifienen Kleinen Gefäßen kund, der bie blauen Flecke, Blutunter 
laufungen, Sugillationen bildet. Iſt bei der Q. zugleich die Oberfläche verleht, 
fo nennt man dieß eine gequetfchte Wunde ober Quetſchwunde. Die Heilung der 
Q. findet flatt, indem a mälg das ergoflene Blut wieder aufgefaugt wirb und 
ſonach Geſchwulſt u. blauer Fleck verfehwinden: bei bebeutenderen Den bildet fi 
aber rings um das zerftörte Gewebe eine Entzündung aus, bie in (Eiterung 
übergeht. Dieß gefchieht namentlich bei gequetichten Wunden, wo bie Eiter 
ung oft fehr bedeutend und von ſchlechter Beichaff.nheit wird, daher DO, 
Wunden im Allgemeinen längerer Zeit zur Heilung bebürfen, als bie einfachen 
Wunden. E. Buchner. 

Duevedo Billegad, Don Francisco de, einer ber befanntefien u. geiß- 
reichften fpanifchen Echriftfteller, geboren zu Madrid 1580, fludirte zu Alcala de 

enares bie gelehrten Sprachen u. Wiſſenſchaften, oßne jedoch eine zu feinem 

auptzwede zu machen, warf fi hierauf in die Gelchäfte ber Welt und hatte 

ntheil an mandher wichtigen Unterhandlung. Befonderd war er Sefretär bes 
Herzogs von Dfuna u. mußte wegen feiner Berbinbung mit biefem 3 Jahre 
gelen en fiten. Dasſelbe Unglüd z0g er ſich in ber Folge durch eine ſatyriſche 

chrift zu, worin er die Regierung Philippe IV., ober vielmehr bie des Grafen 
Lerma, mit vieler Freimüthigkeit — 52* Nach feiner Befreiung zog er ſich 
auf fein Schloß la Torre de Juan Abad zuruͤck u. ſtarb zu Villa nueva de los 
Infantes 8. September 1645. Q.s profaifhe u. poetifhe Werke, obgleich von 
ungleidem Werthe, erlangten clafjifches Anfehen. Feiner Wis u. treffliche Laune, 
aber audy zugleich mehr als juvenalifche Bitterfeit charafteriftren biefelben. Am 
beliebteften waren von jeher feine Suenos y discursos, beutih von Philander 
von Sittewald (Moſcheroſch), Straßb. 1645, reih an Herzenskunde, lebhaften 
Witze u. treffender Satire. Der erfle komiſche Bettels ober Schelmenroman (pi- 
caresco) iſt kin Historia y vida del gran Tacano , ben Bertuch in feinem 
Magazin der ſpaniſchen Literatur u. Keil unter dem Titel: „ber Erzfchelm Don 
Paolo” (Lpig. 1826) üÜberfept Hat. Q.s Übrige Gebichte, meift in der Petrarci⸗ 
ſchen Manier, find oft mit Schmud überladen; doch floßt man auch auf trefflidhe 
Sonette unter denfrlben. Unter den vielen Geſammtausgaben find die beften: bie 
u Madrid 1791—94 in 11 Bden. mit Kpfrn., u. die ebbf. 1842 mit Anmerk 
ungen erſchienene. Eine Ausmahl von E. de Ochoa, Par. 1840. 

Duiberon, eine ſchmale Landzunge, mit dem Städtchen gleiches Namens u. 
mehren Dörfern, im Departement Morbihan, an der weftlichen Küfe von Frank 
reich, mit einer trefflichen, durch das Fort Penthiévre gefhügten Rhede. Hier 
landeten am 28. Juni 1795 3200 franzöfifche Emigranten unter dem Befehle bes 
Grafen d Hervilly, deren Zahl allmaͤlig bis 17,000 anwude, Roch 19 Tagen 


OUO9 


Quietiſten — Quiloa. 597 


einer unbegreiflichen Unthätigfeit griffen fie enblich ben General Hoche, ber ſich 
an der Küfe verſchanzt hatte, an, erlitten aber eine, wie es fcheint, vollfänbige 
Niederlage. Mit Heldenmuth dedte Graf Sombreuil bie Einſchiffung von etwa 
2200 berjelben ; ex felbft mußte fich endlich ergeben u. warb am 28. Juli, nebſt 
ben übrigen Gefangenen, zu Bannes erfchofien. 

Duietiften heißen bie Ankänger einer, um bie Mitte des 17. Jahrhunderts 
als Gegenſatz zu bee damals in ber Theologie Herrfchenden, einfeitigen Berftan- 
besrihtung u. dem Mangel belebender Innerlichfeit au gefommenen, erirrung bes 
Gefuͤhls, die alle u, jede Berftandesfunftion zu abforbiren drohte, nach weldyer 
bie Seele, bie ſich durch vollfommene Beſchauung mit Gott vereinigt, alle Ein- 
Drüde bes — Richters leidend aufnimmt und hiebei in gänzliche Ruhe 
(quies) u. Unthätigfeit verfinft. Der Quietismus fand eines feiner Hauptorgane 
in dem fpanifyen Weltpriefler Molinos (I. d.). Obgleich Imnocenz XI. 68 
Saͤtze aus deſſen „geiftlihem Wegweiſer“ verdammt hatte, fo mehrten ſich Doch bie 
Anhänger dieſes Irrthums zuſehends; am beflimmteften prägte fich berfelve in 

freih u, Bier namentlich bei Johanna de la Motte Guyon (f. Gu yo n) aus. 

bre Grundanficht war: daß es einen Zuſtand ber reinen Liebe Gottes, Ya 
Rüdfiht auf Belohnung u, Strafe, gebe, in welchem der Menſch felb gegen fein 
Eeelenheil gleichgültig fei u. Bott nur geliebt werde als das liebenswärbigfe 
Weſen; daß man felig fei durch die Liebe zu Gott; ja, daß die Seele ſelbſt dar⸗ 
ein willige, bie ewige Verdammniß zu tragen, wenn Gott fie uns beftimmt Babe ıc. 
Solche eunbläge mußten bei genauerer Erwägung den größten Anſtoß, aber 
audy bie größte eforgniß erregen; die Schriften ber Guyon wurden baher von 
dem Erzbiſchof von Paris u. dem Biſchof von Chartres (1694) verdammt, und 
auch durch eine Commiflion, an deren Epige Boffuet (|. d.) fand, (1694— 
1695) in 34 Artikeln die wahre u. falſche Myſtik auf eine höchft marfirende 
und treffende Welle charakterifirt. Ohne die Theilnahme des frommen Fenelon 
(f. d.) wäre indeſſen das Auftreten der Guyon jedenfalld weit weniger geräufch- 
vol geweien. Diefer nämlich, in der Borausfegung, daß ihre Liebe zu Gott jenes 
innige u, großmätäige Gefühl fei, das ihm felbft erfüllte, und aufs Vollkommenſte 
von ihrer Tugend überzeugt, Hatte fich öffentlich als ihren Freund erklärt. Um 
jedoch ber weitern Wirkſamkeit dieſer Grundiäge entgegen zu wirken, verfaßte 
Bofſuet eine ausführliche Schrift über die verichiedenen Arten des Gebete (sur 
los etats d’oraison) u. übergab fie Fenelon, Biſchof von Cambray, zur Approba⸗ 
tion. Dieſer aber verweigerte biefelbe, weil ſich in bem Buche allzuharte Urtheile 
gegen die Guyon fänden; es entipann ſich ein eigentHümlicher Streit zwifchen 
zwei großen Männern, in welchem fih die Größe Fenelons durch tiefe Demuth 
am glängendfien zeigte. (Bgl die Art. Fenelon u, Boffuet.) Außer Spanien 
u. Frankreich verbreiteten fi die O. auch nach Reapel, ohne jedoch jemals eine 
befonbere Sekte zu bilden. Um bie Mitte des 18. Jahrhunderts wid) fobann ber 
Quietismus wieder anderen Zeitrichtungen. Welcher grobe Mißbrauch mit den 
ragen Lehren übrigens getrieben werben fonnte, zeigt unter anderen audy ber 
als Dichter und Prediger befannte Kofegarten (f. d.) in feinem Romane: 
„Sda von Pleſſen,“ in weldyem aller au und Ehrbarfeit Hohn gefprochen 
wird, unzüchtiges Weſen u. Liebe zu Bott Hand in Hand gehen. 

Quiloa, Königreich, erſtreckt fich an ber Oſtkuͤſte Afrikas vom Cap ee 
norbwärts bis zum Aequator. Diefer beträchtliche Raum wirb von drei verfchies 
denen Rationen bewohnt, den Mahubas, Muquiados u. Mudſchauas, welche ins⸗ 

efammt für Moslems gelten. Das Land if fruchtbar, gut bewaͤſſert und Bat 
höne Wälder. Der Fluß Mongallu, der fih füblih von der Stadt Q. in das 
Meer von Afrika ergießt, ift auf eine beträchtliche Strede ſchiffbar. Man trifft 
in Q. alle Thiere der heißen Zone, ben Löwen, Tiger, Elephanten, das Rhino⸗ 
zeros, Krokodil, Zebra, Chamäleon, das Flußpferd, die Biraffe u. |. w. Das 
Lönigreih IR zugleich erblih u. wählbar. Die Krone kam nie aus dem Brlur \ 
ber regierenden Familie konnnen; allein Berwandte des vechexchroo Kuılık Ar 


598 Duimper -- Quinctilianns. 


hen Grades haben gleiches Recht darauf, weßhalb unter ihnen d bie Depu⸗ 
tirten der verſchiedenen Stämme ber Küfte gewählt werben muß. beß Haben 
die Ufurpationen ber Araber von Maskat, welche ihre aneihoft nad und nad 
über Mombofa, Patte, Formoſa, Pemba, Zanzibar, Monfta, Quiviadſcha und 
Dſchiagara ausdehnten und vor etwa 30 Sahren ſich endli in Q. ſelbſt feſt⸗ 
festen, dem Landesfürften nur noch den Schatten feiner alten Macht gelafien. — 
Die ——— Q. liegt unter 8° 4° und 37° 21° oͤſtlicher Länge von Paris, 
45 Meilen füblih von Zanzibar. Erbaut auf einer Eleinen Snfel, im Innern 
einer durch zwei erhabene Punkte an der Küfte gebildeten Bat, bildet fie einen 
großen und fihern Hafen. Sie war zu Anfang bes 16. Jahrhunderts bie 
(ühendfte Riederlaffung in diefem Theile Afrikas, u. die portuniefifchen Berichte 
jener Zeit geben eine glänzende Darftellung ihres Handels u. Reichthums. Ge⸗ 
enwärtig if fie ein erbärmlicher Feiner Lanbfleden, ber nur durch ben Reger: 
Banbel noch einige Wichtigkeit gewinnt. Die Wohngebäude beftehen aus Hütten 
von Kofosbaumblättern , bie Straßen find Fußpfade in den Maisp gen. 
Das Haus des Könige iſt das einzige aus Stein erbaute. Das Klima ift unge 
fund, und man ift hier furchtbaren Fiebern unterworfen. — Albrand's Tagbud 
über Zanzibar u. DO. . 

Quimper, Hauptflabt des Departements Finiſterre in der franzoͤſiſchen Bro; 
vinz Bretagne, u. Sig eines Bistums, liegt am Zufammenfluffe des Odet und 
Benaud, am Ende eines Meerbuſens. Es at gegen 15,000 Einwohner und 
treibt ziemlichen Handel u. ftarfen Fiſchfang. Der Bafen fann Schiffe von 300 
Tonnen aufnehmen; größere Fahrzeuge gehen nur bis zur Heinen Bucht von 
Lanroz. Kathedrale, Hospital, öffentliche Bibliothek. Q. Hatte früher auch eine 
Univerfität, welche in großem Rufe fland u. ftarf befucht war. Die Umgegend 
jeigt na nach allen Seiten Bin freundlich, heiter und zu länblichem & ein 
adend. mD. 
Quin, James, geboren zu London 1639, vor Garrid (f. d.) ber größte 
englifhe Schaufpieler, fowohl im tragifchen, als im komiſchen Bade, beliebt durch 
feinen Wis u. Humor. Er flarb zu Bath 1766. 

Dntnault, Philippe, der Schöpfer der lyriſchen Tragödie in Frankreich, 
geboren zu Paris 1635, brachte ſchon im 18. Jahre feine erfle Komödie, les 
Rivales, auf die Bühne. Der Erfolg diefes, fowie vieler anderen Stüde, ver: 
ſchaffte ihm 1670 die Aufnahme in die Afademie. Im folgenden Jahre kaufte 
er ſich die Stelle eines Aubitord bei der Rechnungskammer. Seitdem fchrieb er 
bis 1686 nur Opern, die jegt noch als meifterhaft gelten, für Lulli, wofür ihm 
Ludwig XIV. eine Penfion von 2000 Livres ausfehte. Er flarb 1688. 

I uincailleriewaaren oder Kurze Waaren heißen alle feineren Waaren 
in Eifen, Stahl, Bronze ꝛc., weldhe zum Putze, Hausbrauche, für allerlei Ge⸗ 
werbe ıc. dienen. 

Quinetilianus, Marcus Fabius, ein Zeitgenofie bes jüngern Plinius, 
im erften Jahrhunderte n. Chr., von Geburt ein Spanier, aus Calaguris, aber 
ſchon in feiner Kindheit nad) Rom gebracht, lebte daſelbſt 20 Jahre lange ale 
ſehr beliebter Lehrer der Redekunſt u. bildete feine Schüler, worunter bie edelften 
Römer waren, tbeild durch Unterricht, theils burch eigenes Beifpiel. In ber 
Folge erhielt er von Domitian die Conſulwürde. Sein Aberaus ſchaͤtzbares, zur 
Bildung bes guten Geſchmacks ungemein fürberliches Werk, De institutione ora- 
toria, befteht aus 12 Büchern, und verbindet mit den beften Regeln zugleich die 
Anführung u. Eharafterifirung ber beften Mufter. Geine gefhmadvolle, gruͤnd⸗ 
lie Anweiſung begleitet den angehenden Rebner von feiner erften Erziehung bis 
zu feiner völligen Ausbildung. Eins der fchönften u. lehrreichſten Bücher ift das 
zehnte. Poggius fand das treffliche Werk erſt 1417 in ber Abtei zu St. Gallen. 
— Nusgaben: von PB. Burmann, Lenden 1720, 2 Bbe.; von Gesner, Göttingen 
1738 3 Sweibrüdener Ausgabe 1784, 4 Bde. Eine trefflide Bearbeitung iſt die 
von Spalbing, Leipzig 1798 — 1829, 5 Bde.; fortgefept u. vollendet von Butt- 


Buinctiub — Duinet, EN) 


mann u. Zumpt, wozu noch ein 6. Band, bie Indices enthaltend, von, Bonnell, 
Berlin 1834, fam, Nach diefer Recenfion hat Wolff eine Schulausgabe ber, In- 
stitutio oratoria bearbeitet, Leipzig 1816 — 1821, 2 Bde, ine neuere Ausgabe 
aller 12 Bücher if von N, G. Gernharb, 2 Bbe., sehnig 1830 u. des jehnten 
Buches befonders von Meyer, Leipzig 18335 Ben Halle 1834. Aus zugs weiſe 
iſt das Ganze überfegt von Henke (Lehrbuch ber fe önen Wiſſenſchaften in Profa, 
neu überarbeitet u. |, iw. von I, Billerbef, 3 Thle,, Helmftädt 1825). Eine 
Sammlung von Nebungsreben ober Deslamationen, 19, größeren u. 145, Heinereht, 
wird ihm gewöhnlich als Verfaſſer beigelegt, aber mit Unrecht, beim der Werth 
u. die Schreibart biefer Declamationen iſt ſehr ungleich und größtenteils, feiner 
unwürdig. Vermuthlich find fie von mehren, meift (päteren Berfafiern. Sie ftchen 
in mehren 35 von Quo Institutiones oraloriae, 3. B. in von P. Bur- 
mann, Leyden 1720, 8 Thle. — Ein noch übriger {&jöner Dialog eines Unger 
nannten: De causis corruptae eloquentiae, wird von Einigen dem D., von 
Anderen dem Tacitus, von noch Anderen, wiewohl noch unmwahrfeheinlicher, bem 
jüngern Plinius beigelegt; „gewöhnlich ift er bei ben Merfen der beiden erfteren 
Schriftfteller mit abgebrudt. inzelausgabe von Schule, Leipzig 1788; übers 
fest von Naft, Halle 1787, 

Dninctius oder Quintlue, ein roͤmiſches Geſchlecht, zu dem mehre, thells 
patriciſche, theils plebejifhe Familien gehörten. Ihm gehörten an: 1) Lucius 
Q, Eineinnatug (f. b.), — 2) Titus D. Blaminius ([. d), — 3) Tir 
tus D.Barbatus Capitolinus, ein Mann, defien Sanftheit u. Bieberfeit des 
Charakters ihm zu einem Lieblinge bes Volles machte, ob er gleich ein Achter u. 
eifriger Patricier war. Cr war ſechs Male Eonful, das erfte Male im 3. 

u. das lehte Mal 314 und zeichnete fi beſonders im Kriege gegen bi 
Aequier u. Volsler ruhmvoll aus. — 

Duinet, Edgar, ein bekannter frangöſtſcher Literat, 1803 zu Boutg-en⸗ 
Breffe geboren, machte feine Studien in Straßburg, Genf und Paris, bejuchte, 
dann in Heidelberg die Vorlefungen Ereuger’s, überfepte Herder’s Ideen ir 
Geſchichte der Menſchheit in’s Franzöfifhe und wurde inmitten feiner Studien 
nad Paris berufen, wo ihm das Inftitut, auf Degerando’s und Eoufin’s Em— 
pfehlung, den Auftrag gab, als Archäolog an ber wiſſenſchaftlichen Commiffion 
nad Morea Theil zu nehmen. Nach feiner Ankunft in Griechenland befäftigte 
fih Q. weniger mit Archäologie, ald mit Naturwiſſenſchaft und bichterifher Be— 
ſchreidung der Landſchaften. Anftatt dem Zeichner Dubois, ber fein Griechiſch 
verftand, an ber Küfte bei den Nachgrabungen zu leiten, durchſchweifte O. das 
Binnenland u. drang, nicht ohne Gerahr, nad bem von Türken befegten Athen 
vor, ohne übrigens irgendwo Nachgrabungen anzuftellen. Nach Frankreich zurüds 
gekehrt, ſchrieb er ein ausführliches Werk: De la Grece moderne et de ses rap- 
ports avec l’antiquits, ‘Paris, 2. Ausgabe 1832, woraus übrigens bie Roman: 
tifer u. Statiftifer mehr lernen, als die Archäologen. Während die Regierung 
ihm einen Jahrgehalt bezahlte, um feine Unterfuhungen über Griechenland fortz 
zufegen, legte fih Q. plöglich auf das Etudium der Poefie bes Mittelalters u. 
ließ in ber „Revue de Paris“ einen Auffag bruden, worin er nachzuweiſen fuchte, 
daß die Franzoſen bisher mande Schaͤtze der Parifer Bibliothek gänzlich übers 
fehen hätten; man wiberlegte ihn jedoch durch die Hinweifung auf ein vor wer 
nigen Jahren erfhienenes Heft das „Journal des Savans,* worin feine vermeints 
lien Entdedungen bereits mitgetheilt waren. Durch biefe Kritif wurde D. des 
Siudlums der Poefie des Mittelalters überdrüßig und beſchaͤftigte fi, immer 
nod Mitglied ter moreatifhen Commiſſion, mit Politik, freilich nicht mit den 
politifchen Angeltgenheiten Griechenlands, fondern mit den deutſchen Verhältniffen. 
Seine dlugſchrif L’Allemsgne et la revolution, Paris 1832, Hat den Haupt: 
‚fehler, daß fie, für das größere Publifum beflimmt, zu unverſtändlich abgefaßt 
ift. 1831 bereicerte er die franzoͤfiſche Literaturgefhichte durch eine interefjante, 
aber einfeitige Ahanblung über die Epen bes 12. Jahrhunderte, In yariiiios 


600 Dxiegttagefima — Quinte. 


der Weile u. glänzenbem Stufe fchrieb er 1832 über Italien die bemofratifche 
„Voyage d’un Snlitsire.“ Unter Adfafjung der verworrenen, aber ſtets geiſtrei⸗ 
hen Gedichte „Ahasver“ (1833); „Rapoleon“ (1836); „Prometheus" (18.38); 
lebte er bald in Straßburg, Parts, — u. begann 1839 als Profeſſor in 
Lyon Vorträge über Literatur, die er ſeit 1840 am Col:ege de France zu Paris 
fortfegte. Sein Urtheil über Deutfchland Hat ſich in neuerer Zeit weſentlich um; 
gefaltet Wäsrend er in feinem „Allemagne et Italie“ (2 Bhe., Paris 1839), 
em beutfchen Welen im Allgemeinen noch Gerechtigkeit widerfahren ließ, hat er 
fpäter gegen ein Hirngefpinft, das er als „Teutomaine“ bezeichnete, gemüthet. Mes 
berhaupt hat Q. durch feine Sucht, Aufſehen zu erregen, fowie durch feine regel- 
loſe Phantaſte fi fo bedeutende Blößen gegeben, daß der Unterrichtsminifter es für 
angemeſſen fand, ihm feine Borlefungen niederzulegn — eine Maßregel, bie 
noch erechtfertigt wurde durch fein? maßlofen Ausfälle gegen bie Kirche 
u, ihre Inflitute, gegen bie er mit Mich elet In ber gemeinfckaftlidh herausgegebe⸗ 
nen Schrift „Los Jösuites* (Paris 1844) zu Felde rüdte, und durch fein fort 
währendes Abſchweifen auf politiſche Discuſſionen. Einen Theil ſeiner Vorleſungen, 
welche beſonders durch ihren myſtiſchen Anflug auf die Jugend wirkten, Bat ea 
in ber „Revue des deux mondes“ abdruden laſſen, zu ber er außerdem eine 
roße Anzahl kritiſcher u. cultur⸗hiſtoriſcher Aufſaͤtze belgeſteuert Hat. Sein neue 
—* Wat iſt bie Schrift „Mes vacances en Espogne“ (Paris 1846). 

Quinquageſima, ber 50. Tag vor Oftern, audy „Esto mihi,“ heißt ber Sonn⸗ 
tag vor dem 1. Faſtenſonntage. — Q. abstinentiae et poeniteuliae, die zum Fa⸗ 
ften u. der Buße beftimmte 5Otägine Zeit, weil in ber, mit diefem Sonntage an 
hebenden, Woche die Faſtenzeit anfing. 

Dinguennium, ein Zeitraum von fünf Jahren. 

Quiutana, Manuel Joſé, wurbe geboren 1772 in Madrid. Nachdem 
er ſich in den Schulen zu Cordova u. dann an der Hochſchule zu Salamanca, 
wo er fih der Rechtswiſſenſchaft befließ, gebildet hatte, befleidete er werfchictene 
wichtige Aemter. Mit aller Liebe gab er ſich der Poeſte, ber Beredſamkeit und 
ber Gelchichte Hin. Er Ienfte zuerft in den Jahren 1795 durch einige lyuſche 
Gedichte, vor allen durch die erhabene Dbe auf das Meer „Oda al mar“, ben 
Blick auf ih. — Im Jahre 1802 gab er cinen Band Gedichte Heraus, 1805 
das Dramı „Pelayo“. Außerdem machte er fich verbient durch Die Gebicht⸗ 
fammlung: Spaniſche Gedichte von Juan de Mena bis auf unfere Tage, 3 Bde. 
1868. (Coleccion de pocsias selectas castellanas), wozu er fpäter noc einen 
vierten Band fügte. Außerdem veranftultete er eine Sammlung epifcher Gebichte 
in zwei Bänden (Poesia epica antigua). Bortrefflih if die biographiſche 
Schrift Q.s „Leben berühmter Spanier“ ıVidas de E-panoles c&lehres, 3 Bbe,, 
1830 u. 1838). — D. gehört unftreitig zu den ausgezeichnetſten neueren Didhtern 
in Spanien (theild als Iyrifcher, theils als dramatiſcher Dichter) — durch bie 
gene feiner Grgenftände, die Würde u, Kraft feiner Gedanken, die Ziefe bes 

efühls, die Erhabenheit der Bilder u. den Abel der Sprache. Sein Bersbau 
ift leicht, verftändiih u. vol Wohllaut. Unerreibar iſt er in der Parftellung 
der Schönheiten u. furchtbaren Ericheinungen ber Natur. S. 

QDuinte, in der Muſik der fünfte Ton vom Orundton aufwärts, ober ein 
Intervall von fünf Stufen; dann ein offenes Klötenwerf der Orgel von 12, 6, 
3 cder 14 Fußton, aus Zinn gearbeitet, welches beim Anfchlagen irgend einer 
Zafte immer auch die große Q. hören läßt; endlich bri Bogen enten bie 
bünnfte Eeite, auf ber Violine die e Seite. Bei der Q. in ber erſten Bedeu⸗ 
tung fonmen, wie bei der Quarte, drei Arten vor, nämlich die reine oder große, 
mit drei ganzen Tönen u. einem halben proben Tone; die verminderte ober Fleine, 
zuweilen audy die falfche genannt, u. Dieübermäßtige, von welden bie erfte eine 
Conſonanz if, die beiden anderen aber Diffonanzen. Einige Muſiker nehmen bei 
der Q., wie bei der Quarte, vier Arten an, indem fie bie verminderte u. Kleine 
D, trennen und bei ber Quarte eine große von ber Übermäßign. Die Q. be- 


t 


u 


dem Grumbtone die Tonatt; nl — ESEL fei, w 
bie Sk ober fleine Terz der beftiiitmt, Fortfe 


Koi ober großen On gift als fehl u 
Aa . Bacon —— ar — a atlar Si 
nigen find, se 1 den Be ortfehreiten zweier Stimmen zu_einer — 
er Bang gung entflehen, hen ber Raum pwiſchen der Q. vorher⸗ 
— Intervall Audeehld 
uinfeffenz (Quinta ent); eine Flellon des Theophraſtus Para- 
eelfus:ch..d.), indem er den A Cffenzen ber älteren Ehemifer, Dutch die bier 
ente dargeftellt, eine fünfte beifügte, bie ber SR öber bie Rraft eined na⸗ 
an Körpers fein follte, I biefer Srrerpung intern er ine OL In 
Mineralien, Begetabilien u. Antmalien; der Menſch ift nach ihm bie Ey 
F samen —— on Dann überaupt fo det ie genuigen, ‚Inneres Wefen, 
worauf anfonm: — 
Quintett, ein fünfftimimiges Stück, Fin ein Tonftüd für ⸗ 
ee — * 
öl au von nat Ag * 
QDuinfilianns, |. Duinctilianue wrer 
3 Quintin, der HA ige u. art von Geburt 
aus einer Senator-Kumilie.. Nach 'd — len un hieß. eh 
Zeno. Boll bes Eifers, für, bie Sehen ie Evangeliums - und Ts 
Don Verlangen, den Namen Ieru, ben An, a Er zu verkünden, verließ D. fein 
Vaterland, Allem entfagend, was er in der Welt al soft tte, und 9— Ian 








ie 





Zucian, naher Biſchof don ER —5 übten ſie das 
ecdigeramt in Gemeinfchaft, fpär ‚da or na El 
. „Fucan a ih Beauvals tungöfreife feines a id em: 





pie dafelbft die Krone der Blutzen, Al nachdem) ‚er eine, —7 je Heiden 
vefedrt hatte. — Der Heil. Q. blied zu Anlens, um da in feinem apoftoliihen 
Ante zu wirken. Als mächtiger Befänpfer bes Reiches der Binfterniß betete er 
ohne Anterfaß zu Gott, er möge den Samen ber göttlichen Lehre in den Herzen 
Aller, Die er unterrichtete, auffeimen u. zur Frucht werden laffen; und der Herr 
fegnete fein frommes und unermübdetes Wirken, Verſchiedene Wundergaben ver: 
lieben feinen Predigten, bie ſchon durch fein heiliges u. abgetödtetes Leben mächtig 
erſtüht wurden, neue Kraft, Aber fein Eifer koſtete ihn das Leben, zu Anfang 
der Regierung dis Marimian Hereuleus, den Diocletian zum Reichs— 
enoſſen erwählte im Jahre 286. Marimian hatte den Rictius Barus zum 
as Praͤtorio ernannt. Es ſcheint, daß legterer, deſſen Haß gan die 
de Religion viele Martvrer Frönte, zu Trier, der Haupıftabt des beigifchen 
Gallieng, feinen Eig hatte. Bei einem gewiffen Anlaffe fam er nad) Soiffons 
u. erfuht da, welche Fortſchtitte das Coangelium zu Amiens machte. Sogieich 
faßte er den Entſchluß, daſelbſt das Chriftenihum durch den Tod Desjenigen, ber 
es mit fo großem Eifer verfündigte, wieber zu vernichten, Als er nad) Amiens 
kam, ließ er den heil. O. aufgreifen und, mit Ketten beladen, in's Gefängniß 
werfen. Des andern Tages befahl er, ihn vor feinen Richterftuhl zu führen u. 
wanbte alle Verſprechungen und Drohungen an, um ihm zum Abfalle zu bringen. 
Da aber Alles Nichts fruchtete, ließ er ihn graufam mit Stodidlägen mißhan- 
bein, Nic dieſem führte man ihm wieder in's Gefängniß zurüd, ohne daß ihm 
Die Gläubigen irgend eine Hülfe oder einen Troft hatten bringen fönnen. In 
ben zwei anderen Verhören, bie er noch beftehen mußte, fpannte man ihn mit 
Winden fo auf der Folter aus, daß faft alle feine Gebeine aus einander fprangen. 
Man zerfleiſchte feinen Leib mit cifernen Ruten, goß ihm ftedendes Pech u. Del 
über den Rüden u, brannte feine Seiten mit Fackein. Der Martyrer, geſtaͤrkt 
durch Den, für welchen er alle Leiden bulbete, blicb erhaben über alle biefe Künfte 
ber Graufamfeit u. feine Ruhe mitten in ber Peinigung erfüllte Die Zuſchauer wit 
Schreden. — Da Rictius Barus indeß abreißte, gab er Brick, D. va Ur 








602 Duintole — Quiriuns. 


manbois zu bringen, wo er burdhzureifen gedachte. Die Hauptftabt dieſes Lande 
hieß Augusta Veromanduorum. Hier fuchte ber Statipaller auf’8 Reue, ak 
eben fo vergebens, ben tapfern Streiter Chriſti durch Verſprechen u. Drohunga 
zu beflegen. Endlich, an allem Gelingen feiner Bemühungen verzweifelnb, lich « 
ihn vom Halfe bis an bie Schenkel mit zwei Bratfpießen burchbohren u. eiſen 
Zweden zwiſchen Rägel und Fleifch, fowie in mehre andere Theile des Koͤrper 
und fogar in den Hirnfchäbel einzwängen. Zuletzt befahl er, ermübet in feine 
Grauſamkeit, dem unüberwinblicden Belenner das Haupt abzuſchlagen, was am 
31. Dftober 287, an welchem Zage bie Kirche auch fein Andenken feiert, geichaf, 
Quintole, in der Muſik eine, aus fünf gleichen Tönen befichenbe Rot 
figur, die mit ber Zahl 5 und einem Bogen barüber bezeichnet wird. Diek 
fünf Roten Haben den Werth der durch fie zerglieberten Hauptnote des Tafic, 
die gewöhnlich eine Biertelnote ift, und werben zufammenhängendb vorgetragen. 
Dnintus, mit dem Beinamen Smyrnäus, (von feinem Geburts, oda 
Aufenthaltsorte Smyrna) u. Kalaber, weil fein Gedicht In einem falabrifchen Lie 
fer aufgefunden wurbe, ein fpäterer griechifcher Dichter aus bem 5. oder 6. Jake 
hunderte v. Chr. Das ihm beigelente, aus den Cyklikern entlehnte Gedicht „Pa- 
ralipomena Homeri“ erzählt in 14 Büchern die Gefchichte des trojaniichen es 
vom Tode Hektors bis zur Ruͤckkehr der Achder u. iſt von ſehr ungleichem W 
Ausgaben: von Rhodomann, Hanau 1604, von de Pauw, Leybden 1734, von 
Tychsen mit Heyne's Anmerkungen, Straßburg 1807, und bie neuefte von Lehe 
in der Ausgabe des „Hefiod“ u. |. w. (Paris 1840). Proben einer beutichen 
Heberfegung geben Pfarrius (Saarbr. 1830) und Pia (Wertheim 1835). 
©. Tychsen, de Quinto Smyrnaeo, vor feiner Ausgabe, und 2. L. Struve übe 
die unter dem Namen des DO. ©. vorhandene Fortjebung ber Iliade, in feinm 
Abhand ungen u. Reben meiſt philoſophiſchen Inhalts, Königeb. 1822. 
Quirini oder Querini, Angelus Maria, Carbinal der römifchen Kirche 
u. ein um Kunſt und Literatur vielfach verbientr Mann, 1680 zu ya aus 
Flo⸗ 








einem alten u. edlen Geſchlechte geboren, kam frühe in das Collegium ber 
nad Brescia, trat dann in den Benebictinerorden und legte in bemfelben 
renz fein Gelübde ab. 1718 wurde er Abt feines Klofterd. Wegen feiner jeltenen 
Kenntniß des griechiſchen Kirchenweſens erhielt er von Innocenz XNL 1723 das 
Erzbiſsthum Korfu u. dieß gab ihm wieder Gelegenheit, jene zu vermehren. 1727 
wurde er Bifchof von Brescia und that als folder Alles, was er zur Berhar 
Hung biefer Etabt und zur Berewigung feines eigenen Namens nur vermochte 
Zugleich zum Cardinal erhoben, lebte er, zumal, ba er von Elemens XII. zum Bi: 
bliothefar des Vaticans und von Benedict XIV. zum Vorſteher ber Congregaltio 
indieis ernannt war, meiftens zu Rom, bis er fich 1751 das Mißfallen des Icht- 
genannten Papftes zuzog und in fein Bisthum zurüdfehren mußte, wo er 6. Ja 
nuar 1755 farb. Q. war ein durch eifriges Stubium und mehre Reifen vielfach 
ebildeter, namentli mit der Kirchen u. Gelehrtengeſchichte der neueren Jahr⸗ 
unbderte vertrauter, auf Beförderung allee Gelehrſamkeit erfeig bebachter,, babe 
aber auch in hohem Grade ruhmfüchtiger Mann. Seine zahlreichen Schriften be 
treffen meiftens Alterthümer, theils der Kirche, theils der Literatur: Primordia 
Corcyrae, 2. Aufl., Brescia 1738; Specimen variae literaturae, quae in urbe 
Brixia ejusque dıtione paulo post typographiae incunabula florebat, 2 Thle. 
Brescia 17395 Decades epist. lib. IV., 1742—49; Deca di lettere italiane, 
1746. An der fen ſyriſchen Originalausgabe der Werke Ephraͤms bes Syrers, 
zu Rom 1732—46, 6 Bde., Batte er vielen Antheil. Commentarii de rebus ad 
A.M.Q. von ihm felbft gefchrieben, 2. Aufl., Brescia 1454, 3 Bde. 
Duirinus, ein Rationalgott ber alten Römer, den dieſe als ihren vergätterten 
erfien König Romulus betrachteten, der aber wahrfcheinlich eine noch Altere fa 
biniſche Bottheit (von Bures) war. Wie Herkules die Hebe, fo hatte er eben 
falls die Böttin der Jugend, Hora, zur Gemahlin. Bon ihm Hatte das ganze 
Bolt feinen feierlicheren Ramen Quirites. Sein Felt (Quirinalia) wurde im 


AQuirinus — Quiroga. ‚603 


Bi: gefeiert. _Bgl. über Q., Romulus und Remus, als Rationalgottheiten, 
Fum in der Ginleitung zu Roms Geſchichte, S. 154. f 

Quirinus, Heiliger u. Martyrer, Bifchof. von Siscia, einer Stadt 
in Pannonien, an ber Save. Als er vernahm, daß Marimus, welder bie 
exfte obrigfeitliche Würbe in ber Stadt beffeidete, Befehl erhalten ‚ Ihn zu 
Bm: verließ er fogleich einen Ort, wo er. nicht. mehr in Sicherheit war. 

ein feine_ Verfolger fegten ihm nach, Holten ihn ein und mu ihn dor den 
Richter. Marimus fragte, ihm, wohin er fich durch feine Flucht habe, reiten 
oollen, „Ich bin nicht geflohen," war bes Heiligen Antwort, Jondern ich Kin 
Mate von. hier weggegangen, um meinem Meifter zu gehorfamen, benn 8 fleft 
gefchrieben: Wenn man euch in einer Stabt verfolgt, 6 geht in 
eine andere.” Nach vergeblichen Ueberredungen u, —— ihn vom Bes 
kenntniſſe Chrifti abtrännig. zu machen, befahl Marimus, den Selen mit Stöden 
zu fhlagen, was auch mit ber größten Unmenichlikeit vollzogen wurde, und 
Hierauf in das Gefängnip zu führen, mit bem Befehle, ihn ba mit ſchweren Ketten 
au belaften, bis er wieder Hüger geworben wäre, Der Martyrer verrichtete voll 
Glaubens ein inbrünftiges Gebet zu Gott u. um Mitternacht verbreitete ſich ein 
Helles Licht in dem Kerfer; ber Merfermelfter warf fih, durch bieies Wunder 
vi erfgüttert, zu des Heiligen Füßen und, fagte mit Thränen in, den Augen: 

itte ben Heren für mich, denn ich glaube, vet es feinen Gott außer dem gebe, 
der dir anbeteft,# OD. ertheifte ihm eine lange Grmaßnung und bejeichnele ihn 
mit dem geheiligten Siegel tm Namen Jeſu Chriſti. Dieſe Worte ſcheinen anzu- 
deuten, daß er ihm bie Sattamente der Taufe u. Firmung ertheilte, — ‚Der 
Richter, welcher bie Gewalt nicht Hatte, den heil. Märtyrer zum Tode zu nerur- 
tbeilen, f&idte ihn nah breit er Einferferun, & Amantiud, dem Staft- 
halter von Oberpannonien. Di ker fieß Mu arwar, wo er felbft Kinreiete, 
abführen. Als bei diefer muhevollen Reife dem Heiligen A Hriftliche Weiber 
Erfrifhungen barreichten unb er fie feghete, fielen ihm bie Ketten von ben Händen 
umd Fügen. Auf des Amantius Frage, ob er fimer noch bei feinem erſten Be- 
fenntniffe beharre? gab DL. zur Antwort: „Ich habe den wahren Gott zu Eifief 
befannt und niemals einen Andern angebetet. Ich trage ihn in meinem Herzen 
und Niemand auf Erden wird mich von ihm zu trennen vermögen.“ Amantius 
bot Alles auf, Quirin's Etandhaftigfeit zu erfhüttern; er ermahnte ihn, fein hohes 
Alter zu berüdfichtigen und machte ihm glänzende Verfprehungen. Als er ihn 
aber durchaus unbeugfam fand, fprad er das Urtheil dahin aus, daß er mit 
einem Muͤhlſteine am Halfe in den Fluß getvorfen werben follte, was aud auf 
der Stelle vollzogen ward. Der Heilige blieb inbefien, zum Erftaunen aller Zu⸗ 
ſchauer, anftatt glei in bie Tiefe hinabgejogen zu werben, lange Zeit auf ber 
Oberfläche des Waſſers, wo er die Ehriften noch ermahnte, in ihrem Glauben 
feft zu beharren unb weber Peinigungen, noch ben Tod felbft zu fürchten. Da 
ex aber, noch immer auf dem Waffer ſchwimmend, fürchtete, am Ende die Marterkrone zu 
verlieren, betete er zu Gott um biefe Gnade. Alsbald verfanf er in bie Tiefe 
des Waflerd und feine Seele wurde von ben Banden des Leibes gelöst, Die 
Ehriften fanden be8 Heiligen Körper u. beerdigten ihn an bem Ufer des Flußes. 
ae Dtartertoh erfolgte am 4. Juni 303 ober 304, ber aud fein Gebächt- 
nißtag if. 

Quiroga, Antonio, ein einflußreicher ſpaniſcher Offizier, geboren zu Be: 
tanzos in Galicien 1784, feit 1808 in ber Landarmee, follte ald Oberft mit ber 
Expedition nad Amerifa gehen, bie fi 1815 auf ber Infel Leon fammelte, bes 
nügte aber die Unzufriedenheit ber Truppen zu dem Aufftande, welcher Ferdi⸗ 
nanb VII. zur Annahme der Eonflitution von 1812 bewog. Bei den Cortes 
mäßig u. jeber Willfür feind, fämpfte er auch unter Morillo und, als biefer mit 
ben Franzoſen eine Convention abſchloß, allein in Coruna bis auf's Aeußerfte. 
Er ſchiffte fich endlich von hier nad England ein und blieb, ald er aud in 


604 Ontrodsrchipel— Quittung. 


Cadix nicht mehr wirken konnte, Hier und in Gübamerifa bis zum Jahre 1834 
Er ftarb 1841. 

Quirosarchipel, ſ. Neuhebriden. 

Quiſtorp, Johann Chriſtian, ber Abkoͤmmling einer angeſehenen Fa⸗ 
milie, bie ſeit 200 Jahren in Roſtock blüßte und mehre verdiente Gelehrte or⸗ 
brachte, geboren daſelbſt 30. Oktober 1737, ftudirte in feiner Vaterſtadt, hielt baſelbſt 
juriſtiſche Borlefungen, wurde Profeſſor, fam 1772 als Lehrer nach Bütow, 1780 
als Aſſeſſor des Oberappellationstribungls nad Wismar , erhielt 1792 den Add 
.u. ſtarb den 15. Mai 1795 als Oberappellationsratf, Er war in feinem ganıı 
Leben als Lehrer u. Geſchaͤftomann unermübet für Menſchenwohl u. Volksg 
feligfeit befchäftigt. As Schriftfteller bearbeitete er vornämlich das proteftantifde 
Kirchenrecht u. das peinliche Recht: Principia Jarisprudentiae ecclesiasticae 
maxime Protestantium, Roftod 1771; Orunbiäge bes beutfchen peinlichen Kedts, 
ebd. 1770, 6. Aufl, ä Bde., 1809-27 ; Ausführlicder Entwurf zu einem &efch- 
buch in peinlichen u. Straffacdhen, ebd. 1782, u. a. m. 

Duite, Dominigos dos Reis, geboren 1728 in Liffabon, war be 
Sohn eines Leinwandhänblers, der wegen Unglüdsfällen im Danbel feine Gattin 
mit 7 unmünbigen Kindern verließ und nach Amerifa zog, Die traurige Lage, 
in welcher ſich Die unglüdliche Mutter mit ihren Kindern befand, zwang bie‘elde, 
ihren geliebten Alteften Sohn, Dominigos dos Reis, das Gewerbe eines Peruͤcken⸗ 
machers erlernen zu lafien. Der breizehnjährige Jüngling verwendete bie freien 
Stunden zum Leſen der vaterländifchen Dichter und bald wagte er es ſelbſt, feine 
Gefühle in Berfen auszufprehen. O. gehört zu den Männern, die — ohne bie 
Säule — fi felbft bildeten. Ec erwarb fi bie gründliche Kenntniß ber 
italienifchen, franzoͤſiſchen und ſpaniſchen Sprache und beſchenkte das Vaterland 
mit feinen lieblichen Schaͤfergedichten, die, in Vielem ben Idyllen Geßners aͤhn⸗ 
lich, ſich, bei aller Zartheit und Lieblichkeit — mehr an bie Wirklichkeit anlehmen. 
Das Schäferdrama „Bicore” flreitet mit dem „Aminta“ Tafio’8 und dem „Pafor 
fipo" Guarini’8 um den Domwang. Sein Drama „Ignez de Gaftto" Hat vide 
Schönheiten; vollendet und Tieblich find feine Sonette und Oben. Er farb in 
‚ber [daten Mannesbluͤthe 1770. Eine Gefammtausgabe ber Werke DS erfchien 
in 2 Bänden, Liffabon 1781. S. 

Duito, San Francesco be, Hauptſtadt bes ſuͤdamerikaniſchen Freiſtaates 
Ecuador, in einem Hochliegenden Thale ber Anden, faſt genau unter dem Aequa⸗ 
tor, auf vulfanifchem, faft ſtets ſchwankendem Boden gelegen, mit zum Theile 
großen und fchönen Gebaͤuden und mehren anfehnlichen Plaͤtzen, hat einen pradıt- 
vollen Dom und 6 andere Kirchen, 6 Klöfter, darunter ein Jeſuitencollegium, eine 
bedeutende Univerfität, mehre andere wilfenichaftliche Anftalten und 76, Ein; 
wohner, welche Wollen: und Baummwollenweberei, Zwirn⸗, Spigen» und Band» 
manufaltur und einen bedeutenden Verkehr fowohl durch und mit Reugranada, 
als feewärts über Buayaquil unterhalten. Im Jahre 1797 wurde das herzliche 
Thal von Q. durch ein Erdbeben fürchterlich Heimgefucht. 

Duitten, bie proben, goldgelden, mit einer braͤunlichgrauen Wolle bedediten 
Früchte des im füblichen Europa wild wachfenben, aber auch bei uns einheimiſch 
gewordenen baumartign Q.⸗Strauches, Pyrus Cydonia L., von denen man 

epfels oder Birn⸗. unterfcheibet, je nachdem fe in ber Geſtalt Aehnlichken 
mit der einen oder andern biefer Früchte Haben. Roh werden fie nicht gegeifn: 
aber in Zuder eingemacht und auf verfhlebene andere Weiſe zubereitet gen ig 
man fie häufig. Auch der Saft wirb verfchiedentlih in ber Küche und 
torei angewenbet, und verbidt mit Zuder gibt er eine Marmelade. In Gtäde 
gelöniten und getrodnet, ober eingemadht, kommen fie häufig in den Hanke. 
as ge wird wie das Apfels und Birnbaumbolz verwendet. 
ittung, bie ſchriftliche Beſcheinigung über den Empfang einer Sache ober 
Zahlung. Da es im gemeinen Leben oft vorfommt, daß man, in der Hoffnung 
fofortiger baarer Bezahlung, der Kürze halber fogleich eine quittirte Rechnung mit- 


Quixote — Raab, 605 


ſendet, fo erhält eine Privatquittung erſt vom 30. Tage ihrer Ausflellung an 
Beweiskraft. 

Quixote, Don, ſ. Cervantes. 

Quodlibet (lat. quod libet), was man will, beliebiges Allerlei, eine Bes 
nennung von Gemälden, Heinen Gedichten oder muſikaliſchen Stüden, beren Theile 
ohne Ordnung und Zufammenhang, wenigftend mit anfcheinender Willlür, neben 
einander geftellt find und durch bunte ober phantaftifche Abwechſelung und Uebers 
gänge vergnügen können, an ſich aber feinen eigentlichen äfthetiichen Werth Haben. 

Duote Heißt bei gemeinſchaftlichen Unternehmungen ber Antheil an ben 
Loften und dem Gewinne, der jedem einzelnen Teilnehmer zufält (f. Dipis 
ben! ee Steuerweien: ber nach einem beftimmten Berhältniffe ausgervorfene 

a 
Quotient, ſ. Diviſion. 


R. 


N. 1) Als Laut⸗ und Schriftzeichen, in ber deutſchen und anderen 
europaiſchen Sprachen ber 18, In der griechifchen (mo er zu Anfang eines Wor- 
tes immer mit bem Spiritus asper [pP] vorkommt) der 17 Buchflibe bes Alpha⸗ 
bets, ein zu den fogenanten liquidis (Sungenlauten) ehöriger Eonfonant. Das 
R gehört Hinfichtlich feiner Ausfprache zu den ſchwerften Buchflaben, daher Viele 
an feiner Statt ein I hören laſſen, ober es zu tief im Gaumen ausfprechen 
(reißen, ſchnarren). — 2) Als Abrärsung: a) in roͤmiſchen Smfchriften — 
Roma, Romanus, Rufus Regnum etc. b) In ber Numismatif = rarus (felten) 
und, je höher der Grad ber Seltenheit ifl, RR; RRR; dann auch Revers (Kehr⸗ 
feite der Münzen). c) In ber ärztlichen Receptur == recipe. d) Auf dem Re 
vers franzoͤſiſcher Münzen: Orleans; auf früheren portugiefifchen, Rio Saneiro, 


— 3) Als Zahlzeichen: a) im Hebrälfchen = 200; 9 == 200,000; b) im 
Griechiſchen p = 100, p = 100,000; c) in ber Rubridrung == 17; d) In 
der Muſik, als Vorzeichnung, zuweilen ripieno, voll, mit vollem Orcheſter; R.H. 
== rechte Hand, was jedoch felten mehr gebräuchlich if. 

Haab (Györ), anfehnliche k. Freiftabt in der R.er Geſpanſchaft Ungarns, 
liegt am Ausfluße der Raab und Rabnig in die Donau, in einer großen, zum 
Theil fumpfigen Ebene, und gibt mit feinen zahlreichen Thuͤrmen von ferne ein 
hübfches Bid. Man unterfcheidet bie innere Stadt, welche 3 Thore Hat, von ben 
weitläufigen Borftädbten. Die Anlage iſt ziemlich regelmäßig, bie Bauart ber 
Häufer folid, das Etraßenpflafter gut, doch mangelt e8 ber Stadt an Trinkwaſſer, 
welches nur die Vorftäbte in Binlänglicher Dienge haben. Bis 1809, wo bie 
Srangofen bie Werke beichädigten, war R. ſtark befeftigt ; feitbem find die Baſteien 
zum Theil in Spaziergaͤnge umgeſchaffen, und an ber Etelle büfterer Kafematten, 
verfumpfter Wallgräben ganz neue, freundliche Straßen entſtanden, darunter bie 
ſchoͤne, breite Brangmößraße. — leberhaupt verfhönert und vergößert ſich bie 
Stadt zufehens. Gegenwärtig zählt fie, mit Einichluß ber bifchöflicden Inſel 
Szigeth, über 1900 fer und nahe an 18,000 Einwohner, unter weldyen 600 
Juden und viele Griechen. Recht huͤbſch ift der Markt, auf dem eine ſchoͤne 
Marienfäule fteht. Unter ben gottesdienftlichen Gebaͤuden zeichnen ſich die alte 
Domkiche „Wariahimmelfahrt,“ die Benebdiltiners vormals Jeſuitenkirche mit 2 
Türmen, und bie neue katholiſche Pfarrkirche in ber Wiener Borftabt befonbers 
aus. Im Ganjzen hat R. 8 katholiſche Kirchen, eine Kirche ber nichtunirten 


606 Naaen — Aabanıd Maurns. 


Griechen und bie proteftantifche Kirche auf dem Glacis. Bon ben weltlichen Ge 
bäuben verbienen Erwähnung: bie auf einer Anhöhe gelegene bifchifliche Reden 
(das fogenannte Schloß), das Ratbhaus, das neue Komitathaus, das Akademie⸗ 
Gebäude, die Paläfle der Brafen Eszterkaäzy und Zichy. — R. iſt der Hauptet 
der 29 Meilen umfafienden R. Geſpanſchaft, der Sitz eines Biſchofs md 
Domkapitels, und Hat eine fönigliche Akademie mit juribifchem und philofophiicen 
Studium, ein Archigymnaſtum der Benebiftiner, und eine katholiſche Primaärſchule, 
ein bifhöfliches Seminar und Prieſterhaus nebft theologifcher Lehranftalt (&yceum), 
ein proteftantifches Gymnaſium, ein Urfuliners Nonnenklofter mit Erzichungsanfalt 
für Mädchen, ein Theater, einen Reboutenfaal, ein Zeughaus, zwei Kaſernen, 
zwei große Armenhäufer, ein 1838 gegründetes Wailenhaus, eine beträchtlice 
Efligfiederei und viele Handwerfer. & haft it ber Handel, ber durch bie ſchif⸗ 
bare Donau und bie Lage R.s an der Hauptftraffe zwifchen Wien und Dfen fck 
begünftiget wird. — Die neue Promenade geraden einen fehr angenehmen Spajier⸗ 
gang; der fhönfte Punkt der Stadt aber iſt ber Hochliegende Kloftergarten, von 
welchem aus man ben Zufammenflug der R. mit der Donau überficht. 
Umgegenb bietet wenig Anziehendes. Unfern der Stadt befinden ſich 2 Bäume, 
die man dort allgemein „Räfoczy Bäume" nennt. Der befannte Anführer be 
ungarifhen Malkontenten, Rafoczy, fol hier fein Pferd angebunden Haben. Die 
Riefenbäume fallen jedem NReifenden auf; fie find gewiß mehre Jahrhunderte alt. 
Man fol von ihren Gipfeln herab in 13 umliegende Geſpanſchaften fchauen 
fünnen. An ihrem Buße, zwoifchen ben aus der Erbe hervorragenden Wu 
befindet ſich eine Kleine Eifterne, in welcher ſich der Saft, der bieien Bäumen 
entquillt, fammelt. — NRömerfleine und Münzen zeugen für das Municipium 
Arrabona und bie nahe Lage bes alten Eelemantia. Das Bisthum N. 
gründete ber König Stephan im Jahre 1009. 1598 machte fi Graf Adolf vom 
Schwarzenberg durch bie Wiedereinnahme der 4 Jahre vorher an bie Türken vers 
formen Feftung R. berühmt. Seit diefer Zeit führen die Schwarzenberge ein 
Raben im Wappen. Am 4. Juni 1809 wurde der ungariſchen Inſurrektion bei 
R. von den Franzoſen eine Niederlage beigebracht. mD. 
Naaen oder Raben nennt man auf Seefchiffen bie langen, ſtarken Etangen, 
welde an ihrer Mitte quer vor den Maften hängen und an benen bie Segel 
befeftigt find. Es find ganz Ferngefunbe Nadelholzftaͤmme von 20-40 und meh 
Fuß Länge und 1 Zuß und darüber im Durchmeſſer ſtark, welche ein Gegenſtand 
des Holzhandels in den Oſtſeehäfen, auf dem Rheine, Maine ıc. find. 
Rabanus *) Maurus war, nach der Annahme ber meiften neueren Korfcher, 
im Jahre 776 zu Mainz von angefehenen Eitern geboren. Den Beinamen Mau 
rus erhielt er fpäter durch feinen Lehrer Alcuin. Schon in früher Jugend kan 
er in das Kloſter zu Fulda, wo er den erften Unterricht erhielt und ſowohl in 
ber Tugend, als in ben Wiflenfchaften große Kortfchritte machte. Bon dem Mbte 
Ratgar ward R.mit Haymo und Hotte nad) Tours gefhidt (802), um daſelbſt 
unter Alcuins Leitung den Studien obzuliegen und fidh für das Lehramt in dan 
Llofterfchulen vorzubereiten. Rad feiner Rüdfehr uͤbernahm R., gemeinfchaftlid 
mit Samuel, dem nahberigen Bifhofe von Worms, die Leitung ber Klofterfchule 
zu Fulda, welche unter foldden Lehrern bald einen ungemeinen Aufihwung nahn 
und zu großem Anſehen gelangte. Die heil. Priefterweihe empfing R. im Deren 
ber 814 von Haifulf Erzbifhof von Mainz, Der Abt Ratgar wurbe indeß 
ben Stubien abgeneigt, hielt bie Mönche zur Handarbeit bei den von ihm unter 
nommenen Bauten auf allzuſtrenge Weife an und nahm dem R. felbft feine 
Bücher weg. Diefer machte eine Reife nach Serufalem. Unter dem Abte Egil 
(817) blüdeten die Schulen wieder auf und R, Iehrte wieber, wie früher. Rad 


— — — — 


*) Nach althochdentſcher Schreibung Hrabauns, wie auch Bach, Kunſtmam muub Mitter 
jrelben, von braban — Rabe. Dahl leitet, (ehr vamahrieiniin, hea Kamen tam 
af, rapere ab. 





Aabatt. 607 


Egils Tobe (822) wurbe R. zum Abte erwählt und ſuchte nun durch Wieberein- 
* ſtrengerer Zucht und Sitte unter den Mönchen nicht minder, wie durch 
eine wifjenfchaftliche Richtung und gelehrte Studien, dem Klofter neuen Glanz zu 
perteiben. Die Leitung der Schule übergab er dem Candidus, ben Unterricht für 
die Kleriker behielt er —* Im Jahre 842 legte er ſein Amt nieder und zog 
ſich in eine Zelle auf dem nahen Petersberge zurück, um mit deſto freierer Muße 
dem Leſen und Betrachten ber göttlichen Schriften obliegen zu koͤnnen. Aber aus 
diefee Zurüdgezogenheit warb er 847 durch die Erhebung auf den erzbifchöflichen 
Stuhl zu Mainz abgerufen; und von nun an fehen wir ihn wieder in ununters 
brochener Thätigfeit für das Wohl ber Kirche, insbefondere auch bei verfchiebenen, 
in den Jahren 847, 848, 852, 853 zu Mainz und Frankfurt gehaltenen Kirchen⸗ 
verfammlungen, zumal bei dem durch Gottſchalk über die auguftinifche Präbefina- 
tionslehre erregten Streit. Er farb 4. Februar 856 auf feiner Billa zu Winfel 
im Rheingau, wegen feiner Wohithätigfeit, feiner Yrömmigfeit , feiner fittlichen 
Etrenge u. feines Acht chriftlichen Sinnes allgemein verehrt und geliebt. R. er- 
ſcheint uns als ein Mann, in welchem bie oda Wiſſenſchaft ber Zeit nadh 
ihren Gaupteiihtungen fih abfpiegelt, bie durch ihn „geeifiermaßen getragen und 
ehoben, auf die nächftfolgende Zeit fortgepflanzt und fo für diefe vor dem Ver⸗ 
Falle und drohende Untergange gerettet worden iſt. “Die ganze gelehrte Schul⸗ 
bildung der Zeit knuͤpft fih an R. und nicht mit Unrecht nennt ihn darum fein 
Biograph Johann von Trittenheim ben erften Lehrer Deutſchlands u. ben Schöpfer 
bes deutſchen Schuls und Unterrichtsweiense. Bildung ber Geiftlichkeit war ihm 
Hauptaufgabe. Seine Moral ift "eine lautere, Acht chriſtliche, auf Sittlichkeit 
und Reinheit ber Seele vor Allem gerichtet ; er felbft frei von anmaßendem Stolze 
unb durch fein eigenes Beifpiel die Beicheidenheit und fromme Erhebung, die er 
überall lehrt und empfiehlt, beftätigend. In dogmatifcher Hinftcht hält er ſtren 
an bem sehebegeife ber Kirche und zeigt eine große Anhänglichkeit an ben heil 
Auguftin. Seine Schreibart ift einfach, klar, verſtaͤndlich, etwas gefuchter in 
feinen Poeſten. Seine zahlreichen Schriften laſſen fih, wenn man von feinen 
nicht unbebeutenden poetifchen Berfuchen abfieht, in zwei Abtheilungen unterfcheis 
ben, von welchen bie eine Diejenigen Schriften umfaßt, beren Inhalt, allgemeiner 
Art, zunächft die Begenftände einer allgemeinen wifienfchaftlichen, die Stubien ber 
Theologie verbreitenden Bildung befaßt, die anderen aber in mehr ober minberer 
Beziehung den theologiſchen Wiſſenſchaften angehört. Das wichtigſte Werk ber 
erften &laffe find die 22 Bücher De universo, eine große Encyclopaͤdie. Die 
theologiſchen Schriften find nroßentheils eregetiichen alte. Roh muͤſſen R.s 
Verdienſte um bie beutfche Sprache beſonders hervorgehoben werben. Wie er als 
Abt bei der Ausbildung feiner Kleriker für den Unterricht in der Mutterfprache 
thätig war, fo fäumte er auch nicht, als Erzbifchof für die Verbreitung berfelben 
zu forgen, indem er eine frühere Berorbnung erneuerte und ben ‘Prieftern befahl, 
die Homilien für das beutiche Volk nach den Bebürfniffen besfelben im bie beutfche 
Sprache zu übertragen. Bergl. über R., außer den größeren Werfen über bie 
deutfche Literatur und den Geichichtfchreibern von Yulda und Mainz, befonbers: 
N. Bad, Hrab. M., der Schöpfer bes beutfchen Schulweſens, Programm zu 
Fulda 1835; Fr. Kunſtmann, Hrab. M., eine Hiftorifhe Monographie, Mainz 
1841; H. Ritter, Geſchichte der chriſtlichen Philoſophie, IL S. 192 f.; Baͤhr, 
Supplement ber roͤmiſchen iteratugefiihte, Mm. S. 105 f.; Schrein u. Nidel, 
die Berebfamfeit der Kirchenväter, IV. ©. 628 f., und bie weiteren von biefen 
ebenen Rachweifungen. Die einzige Gefammtausgabe feiner Werke erfchien zu 
— — 1627, Fol., 6 Thle. in 3 Bon. Vieles iſt verloren, Anderes noch nicht ge⸗ 
druckt. Sein deutſches Gloſſarium erſchien zuerſt vollſtaͤndig in Eckarts Comment. 
de rebus Franciae orientalis, T. Il, Pes- 950 f., zuletzt in Graffs altHochbeutfchem 
ESprachſchatze, und in Gatterers Sch pem bee St. Gallener Bibliothek, x. 
Nabatt, im eigentlichen Sinne, iſt ber, nach einem geilen annenuumro«s. 
SProcentfage, 3 B. zu 3, 4, 55 u. f. w., berechnete Abyug von Aaklunaen 8 


6os8 Rabaut — Nabbiniſche Sprache. 


verſtehen, welche eher geleiſtet werben, als ſie fällig find u. mithin das für fruͤ⸗ 
here Zahlung auf die betreffende Summe in Abzug Gebrachte. Außerdem aber 
wird der Ausdrud R. meiftens im Geſchaͤftsleben fo gebraucht, daß berfelbe, ohne 
baß dabei da8 Moment bed Fruͤherzahlens Play ergriffe, nur als ein bloßer 
Bortheil oder Nachlaß zu betrachten ift, ber dem Käufer vom Verkäufer gewährt 
wird, Diefer, bei Zuderverfäufen in Hamburg, auf Meßplägen u, fonft übliche, 
R. iſt jedoch eigentlich weiter Nichts, als ein Wicberabzug beflen, was man erfl 
auf die Waare (bei Feſtſtellung des Preifes) geichlagen hatte, um durch den zu 
geährenben NR. keinen Schaden zu erleiden, u. mithin ift biefer ufancemdbige 

. ein nur ſcheinbarer Nachlaß, keine wirkliche Vergütung. — Der Bubhänd- 
lersR., der immer vom hundert berechnet wird u. gewöhnlich 334 oder 255 be 
trägt, wirb den Gortimentshanblungen von dem Verleger zu dem Zwede bewilligt, 
daß diefe das Eremplar eined Werkes, ohne Auffchlag, um benfelben Preis, um 
welchen ed ber Verleger im eigenen Detail» Berfaufe abgibt, verkaufen können, 
wogegen die mit ben Novitätenzufenbungen u. bem Remittiren verbundenen Un 
foften ihnen gufallen. — Der R. von 105, welchen Sortimentshandlungen ihren 
Kunden bei Baarzahlung zu bewilligen pflegen, Bat nur im oben angegebenen 
Sinne, ald Bergütung früberer Zahlung, einen Zweck. 

Rabaut de Saint- Etienne. Jean Paul, geboren zu Rismes 1783, 
proteſtantiſcher Beiftlicher u. zugleich Advokat dafelbft, Hatte fi) ſchon früher als 
Redner u. warmer Bertheidiger der Rechte feiner Blaubensgenofien befannt ge 
macht, als er 1789 von feiner Baterftabt in die erfte Rationılverfammlung ges 
wäplt wurde. Anfangs ein Freund der beantragten u. durchgeführten Reueruns 
gen, kehrte er aber bald im Nationalconvenie zu gemäßigten Anfichten zurüd und 
hatte den Muth, das Recht des Convents, über den König zu Gericht zu fiben, 
in Srage zu flellen. Dieß, fowie feine Verbindung mit den Girondiften, ward 
fein Verderben. Er entging zwar der Verhaftung, ward aber bald entbedt und 
am 5. Dez 1793 hingerichtet. Bon ihm: „Lettres a Bailly sur l’hist. primilive 
de la Grece* (1787), ,„Precis de l’hist, de la revol. fr.,“ 1790, n. U. nebſt 
Leben 1822. 

Rabbi, d. H. Meifter, Lehrer, Vorgeſetzter, war feit Hillel ein Ehrentitel 
ber jüdifchen Gefeglehrer im Zeitalter Jeſü, Ähnlich etwa unferem Magifter oder 
Doktor; fpäter warb er bei den Juden allgemeine u. beliebte Titulatur aller jd- 
diſchen Schriftgelehtten, die ſich unter den Juden bis auf bie jüngften Zeiten 
fortgepflangt hat. — Ein noch höherer Titel war Rabban, den nur fieben ji: 
bifche — führten und den ebenfalls Hillel zuerſt erbielt — Rabbinen 
heißen die jpäteren hebräifchen Schrififieller, die fih ber altbebräifchen, entfrem: 
beten Sprache bebienten, und ber Inbegriff ifrer Lehren u. Meinungen Rabbis 
nismus. — Rabbiner ift der Rame ber jehigen, von den Gemeinden berufenen, 
vom Staate geprüften u. beftätigten Jugendlehrer, Prediger u. Leiter bes Got: 
teöbienftes unter ben Juden, beren Bildung u. Wirkungsfreis nach den verfchie 
denen Ländern ſehr verfchicden if. 

Rabbinifche Literatur, f. jübifche Literatur. 

Nabbinifhe Sprache, die, ift ein neuerer Dialekt des Hebräifchen, welder 
aus der Feder der Rabbinen (I. b.), hervorgegangen if u. überhaupt über bie 
Schriften bderfelben Hinaus feine Verbreitung erlangt hat. Als nämlih die Rab: 
binen durch die Araber aus Babylon, das zu feiner Zeit für den Herb ber Wil 
jenf@aft galt, vertrieben wurden u. nad Epanien auswanberten, fanden fie bort 

ie gelchrten Forſchungen ber Araber über ihre Sprache fo lebendig, daß fie fi 
dadurch zu gleichen Forſchungen über ihre eigene Sprache um fo mehr aufgefors 
bert fühlten, als fle Diefelbe durch einen verdorbenen chaldaͤiſchen Dialekt ausge: 
artet u. entftellt fahen. Go rege u. allgemein aber auch unter den Rabbinen 
das Beftreben erwachte, biefe Sprache zu purificiren und ben Acht biblifchen 
Hebräisinus wieder Herzuftellen, fo mangelten ihnen die hiezu erforderlichen Hülfs- 
mittel zu ſehr, als daß fie zumal in einer Zeit ihre Aufgabe Hkken KUELR Glen 


Rabe — Rabelais. 609 


fönnen, in welcher die alten Ausbrücke u. Redeformen zur Darftellung newer, dem 
Urtypus fremder, Ideen nicht mehr ausreichten. Daher ging aus —* Purifi⸗ 
cationsverſuchen eine in vielem Betrachte völlig neue Sprache hervor, welche, 
weil fie nicht blos das Wert —5 war, ſondern auch von benfelben vor⸗ 
zuͤglich in Spanien, Italien, Po Deutſchland gebraucht wurde, ben Nas 
men r. ©. erhielt, So fehr inwiſchen der Zwed der r.n S.⸗Forſchungen vers 
fehlt wurde, fo wichtig find biefelben doch anberfeits für bie Geſchichte. Neben 
vielem Berfehlten enthalten diefelben doch auch mehre höchſt fhäybare Reſultate, 
ſo daß das Studium ber rabbinifhen Literatur ſich ber Mühe lohnt, Als Hülfe- 
mittel dazu bienen die Grammatifen von Aben Esra, David Kimcht, Elias Le- 
oitaz bie Wörterbücher von Nathan Ben Zechiel, David Kimchi, Eellarius, Tas 
land, van der Hardt, Tychſen, Burtorf ı, ſ. w.5'ferner die kritiſchen Revifionen 
des alten Teftaments von Meyer Hallevi, Menaham bie Lonzano, Salome 
Rorzi u, ſ. w.; endlich die Interpreten: Aben Esra, Salomo bi, Joſeph 
Kimchi, Levi Ben Gerfon, Haak Abarbanel, Maimonides u. f. w.; bie Commen⸗ 
tatoren, beſonders Maimonides von Raffe; die Apologeten Levi Ben Gerfon, 
Bipmann; bie Geographen u. Reiſebeſchreiber Mojes Petachia, Benjamin von 
Tudela, PBerijol von Avignon u. f. w. Nicht minder erwarben ſich bie Rabbinen 
auch um Mathematik, Ahrsnomie, Medicin u. Philofophie Verdienfte, doch find 
in diefer Beziehung, außer einigen Schriften bes Maimonides, wenige ihrer 
Werke auf und gefommen. 

„Rabe (Corvus corax), zur Familie der fräfenartigen Vögel gehörig ıt. ber 
zäh unter biefen, wird gegen 2 Fuß lang, ift bunfelfchwarg mit bläulichen 

himmer, hat einen abgerundeten Schwang u. einen ftarfen, ziemlich gewölbten 
Schnabel, Er iſt über einen großen Theil der Erbe verbreitet, doch nirgends 
haufig, lebt von faft Allem, was nur — enießbar iſt, auch von Nas, das 
er ſehr weit wittert, u. von Meinem Wild, fliehlt gerne glaͤnzende Gegenſtaͤnde 
ix brütet im März auf den Höchflen Bäumen ober in alten Thürmen u. Ges 
mäuern 5 fhmugiggrüne, braungefledte Eier in 20 Tagen aus. Jung aufgezo—⸗ 
zen, werden die R.n fehr zahm ır. lernen auch einzelne Wörter nachfprechen. In der 
Mothologie mehrer heidniſchen Völker, ſowie in ber Heraldik, fpielt der R. eine 
wichtige Rolle, Die Griechen u, Römer ſchrieben ihm die Gabe der Weiſſagung 
zu u. hielten ihn, wo er erfchien, für einen Unglüdspropheten. 
.  Nabelaid, $rangois, ein geiſtreicher, fatirifcher Schriftfteller ber Franzo⸗ 
ien, geboren zn Chinon in Touraine 1483, trat in ben Pranzisfanerorben und 
erwarb ſich mehr durch eigenen Fleiß, als durch Ainmoeifung, eine Menge Sprach⸗ 
u. anderer Kenntniffe. Weil ihm in biefem Orden kein hinreichender wiſſenſchaft⸗ 
icher Geift zu herrſchen ſchien, trat er 1523 mit päpftlicher Erlaubniß zu den 
Benebiftinern über, legte aber bald dad Ordenskleid ganz ab u. ging ais Welt- 
zeifllicher nach Montpellier, wo er Mebicin fubirte u. in der Folge auch lehrte 
a. übte, Reue über den gethanen Schritt bewog ihn endlih, um eine Abfolus 
tonsbulle Degen feiner Entfernung aus bem Kloſter der Benebiftiner nachzuſuchen. 
Bapft Paul ül. ertheilte ihm biefelbe, und bald darauf wies ihm ber Carbinal 
Jean du Bellay die Abtei St. Maur des Fofies zum Aufenthalte an, in welcher 
er als Kanonikus lebte, bis ihn Bellay als Pfarrer nah Meudon rief. Er ftarb 
m Paris 1553. N. ift der Vater der Satire u. einer der größten Meifter im 
Romifchen u. Burlesfen. Unter den ſchmutzigſten Einfällen fagte er bie treffend- 
ten Spöttereien über die damalige Verwaltung, verbrängte den Geſchmad an 
ıbenteuerlichen Wunderfcenen u. gab der noch dee rauhen u, übeltönenden Mut⸗ 
erſprache die erfte Ausbildung. Auch noch jetzt Hat fein wunderbarer, fatirifcher 
Roman Gargantua u. PBantagruel für die, welche ihn verftehen (denn felbft viele 
Franzoſen verflehen den alten Jargon nicht), bei allem Mebertriebenen, Poflen- 
yaften u. Abgefhmadten, eine angenehme Luftigfeit u. einen eigenen Humor. — 
Reuefte Ausgabe feiner ſaͤmmtlichen Werke: Paris 1840, vewrid V —XXG& 


Rralentyelopädie. VI. 


610: Rabener — Race. 


1552 u. öfter, von Regie, 2 Bbe., — 1832 — 41. Sein Bargantua u. 
Pantagruel erlebte von 1533 — 1836 94 Auflagen. 

Nabener, Gottlieb Wilhelm, geboren 17. September 1714 zu Wachau, 
einem Rittergute bei Leipzig, befuchte 1728 die Schule zu Meißen, ftubirte 1734 
in Leipzig die Rechte, beionbers das Steuerweien, warb 1741 Steuerreviſor, 
1753 Steuerfetretär in Dresden, verlor 1760 bei ber Beſchießung Dresdens feine 
Habe, warb 1763 Steuerrath u. farb 26. März 1771. Satiriker u. Brieffteller, 
mehr harmlos u. heiter, als ſcharf u. eindringend, im Leben Höchk liebenswurdig, 
im Amte mufterhaft. Als Schriftfteller pflegte er mehr eine gewiſſe abſtrakte Sa 
tire, indem er beftimmte Kategorien von Thoren, befonders aus dem Mittelftand, 
auffiellte u. fie dann durchhechelte, während Püdler-Mustau, Immermann, Pla 
ten, Prug, Tied u. 9. beſtimmte Perfonen angreifen. Gegen das Todesurtheil, 
das Gervinus über R. gefprochen, verfuchte in neuefler Zeit Henneberger 
(Archiv für das Studium ber neueren Sprachen u. Literaturen, herausgegeben 
von Herrig u. Viehoff, Elberfeld 1847, II., 1.) nicht u eine Ehrenrett: 
ung des Dichters. Sämmtliche Schriften, Wien 1773, 4 Theile, Leipgig 177, 
6 Thle., neue Auflage 1840. ee 

Rabirius, Calus Poftumius, ein römifcher Ritter u. natürlicher Son 
bes C. Curtius, lich dem aͤgyptiſchen Könige Ptolemäus Auletes auf Bitte bes 
Pompejius 5000 Talente u., um fi bezahlt zu machen, nahm er ben Borfchlag 
des Königs an, General: Einnchmer aller feiner Einkünfte zu werben. Dieſer 
ſchaͤndliche Fürft ließ ihn aber nachher gefangen nehmen u. R. konnte nur durch 
die Flucht fein Leben retten. Als er nah Rom zurüdtam, wurde er öffentlid 
angeflagt, baß ex dem Könige nicht nur eigene, fondern auch Staatögelder ge 
liehen Habe, von Cicero aber in einer noch vorhandenen Rebe vertheibigt und 
wahrfcheinlich losgeſprochen. 

Rabulift (vom latein. Rabula), ein gefhwätiger, ränfevoller Menſch, be 
zu feinem Bortheile Prozeſſe in die Länge zu ziehen, Recht u. Geſetz zu verdrehen 
weiß, überhaupt ein Zungendrefcher, Rechtsverdreher. 

Rabutin, Roger, Graf von Buffy, geboren 1618 zu Epiry in Ri: 
vernois, trat in Kriegsdienfte, warb Inhaber eines Regiments, Gouverneur von 
Nivernois u. Maroͤchal de Kamp; widmete fich fpäterhin, als er wegen feine 
Schriften in Ungnade gefallen war, literariſchen Beichäftigungen, kehrte nach 17 
Jahren an den of zurüd, fühlte aber bald, daß er nicht mehr für benfelben 
paſſe, 309 fi} ganz zurüd u. ftarb zu Autun 1693. Seine Histoire amoureuse des 
Gaules, neuefte Muagode, Paris 1754, 5 Bde.; feine Memoires, 2 Bde. , Paris 
1694 u. öfter, noch 1731; Histoire abreg6e de Louis le Grand, bafelbft, 1699 
u. a. m., gründeten feinen literarifchen Ruhm. Seine Lettres gab PB. Bouhors 
in 7 Bänden heraus. — Eine feiner Töchter, Klofterfrau in Paris, ſchrieb, außer 
mehren fprachlich bedeutenden Werfen, ben interefianten „Abrög6 de la vie de 
Saint-Francois de Sales“ (Paris 1700). 

Racau, Honorat de Beuil, Marquis de, Mitglieb ber franzöftfchen 
Akademie, geboren zu Roche⸗R. in Touraine 1589, warb Page am Hofe Hein- 
rich's IV., diente einige Jahre als Offizier, ließ fih dann zu Maris nieder und 
lebte bier, im Umgange mit hen beften Köpfen feiner Zeit, bis an feinen Tod 
1670. Er war unter ben früheren Dichten feiner Ration in ber Schäferpoefle 
am glüdtichften. In feinen Bergeries herrſcht überaus viel Ratur, Freiheit und 
Anmuth; nur verliert fidh oft das Gefühl zu fehr u. zu anhaltend in Beſchreib⸗ 
ung u. Deflamation. Weniger glüdlih war er in ber lyriſchen Battung. Seine 
fämmtlichen Gedichte erſchienen unter bem Titel „Oeuvres et poösies chrötiennes“ 
(Paris 1660, neue Ausgabe, 2 Bde, Paris 1724). 

Race nennt man im —— Unterabtheilungen ber Art (species) ; die⸗ 
ſelben zeichnen ſich von einander durch beſondere ————— aus, die den 
Artencharakter nicht aufheben, eine fruchtbare Vermiſchung verſchiedener R.n der⸗ 
felben Art geſtatten u. durch Abfammung were A vergingen. An woitehen 


2 


Rachel — Raeine. 61 


durch tlimatiſche u. Örtliche Einfluͤſſe, vorzuglich aber durch ftets in derſelben Fa⸗ 
milie, im ſelben Stamme erfolgende Foripftanzung. R.n werben verbeſſert, vers 
edelt durch bie Kreuzung, indem man Individuen verſchiedener Rn zur Bes 
gattung zuläßt, um fo dem new, Gezeugten bie Beeren Eigenthümlichfeiten 
Der Eltern zu verfchaffen. Dieſe ebelung ber. R.n bildet eine ber Hauptaufs 
gaben der, Tierproduktion. — Auch im Menſchengeſchlechte unterfheibet man Rn, 
Die ſich durch a befonbers ‚ausgeprägte Eipenthümtifeiten von einander aus⸗ 
zeichnen (f. Menic). E. Buchner. 

Nadel, 1) Joahim, ein derbet u. kraͤftiger beutfcher Satirenbichter, war 
geboren 1618 zu. Lunden in Norber » Dithmarfen, ftudirte zu Roftod u. Dörpt, 
war Reftor zu, Heiden, Norber u. Schledwig, wo er 1669 flach. . Juvenalis u. 
Perfius waren feine Vorbilder, und. bei feinem gefunden Verſtande und_feiner 
männlichen; Gefinnung ‚gibt er eine gute beutiche Bousmerat u. treffende Sitten⸗ 

emaͤlde feiner Zeit, bisweilen etwas plump u. nad, Opip’fcher Manier, breit. 

eue Ausgabe feiner, Gedichte von Schröder, Altona 1823. — 2). R., die erfie 
Schauſpieletin Frankreichs, geboren 1822, Find eines deuiſchen Juben in Paris, 
mährte ſich durch Singen auf ben Etrafen, als. ein. Gelanglehrer ihre Stimme 
erfannte u. ihr bis zu feinem Tode Unterricht ertheilte. Sie übte fi jeht in der 
Deklamation u. fam 1838, nad, kurzem Epiele am Theater Gymnaſe, an das 
Theatre Frangais wo ihr ‚geniales. Spiel fi immer ſchoͤner entfaltete. Auch in 
England fand fie Bewunderung. Die claſſiſche Tragödie hat buch fie ein neues 
Leben gewonnen, 

Nucine, 1), Jean de, unftreitig der größte tragiſche Dichter Frankreich, 
geboren 1639 zu Lafertö- Milon im Departement Nine, wurde nach dem frühe 
zeitigen Tode feiner Eltern in der Abtei Port-Royal und im College Harcourt 
zu Paris erzogen, wo er fi) mit beſonderer Vorliebe der claffiichen Literatur u, 
namentlich ‚dem Studium: der, griehifhen Tragifer, wibmete,..in deren Geift er 
tiefer, als irgend einer feiner. Zeitgenefien, eindrang und, Die er in der Folge zu 
Muftern feiner eigenen Schöpfung wählte., Eine Ode auf die Vermählung Lub⸗ 
wigs XIV. 1660 (La nymphe de la Seine) verſchaffte ihm ein königliches Ge— 
ſchenk von 100 Xouisd’or und eine Penfion von 600 Livres. Dieſer glückliche 
Erfolg war für ihn entſcheidend u. er faßte nun den Entſchluß, fih ganz ber 
Dichtkunſt zu widmen. Sein erſtes Trauerfpiel, la Thebride, vollendete er 1664 
und biefem folgten: „Alexandre“ (1665), „Andromaque‘‘ (1667), „Britannicus“ 
(1669), „Berenice“ (1670), „Bajazet“ (1672), „Mithridate“ (1673), „Iphigenie* 
(1674), „Phedre“ (1677), „Esther“ (1689) und „Athalie“ (1691), in denen er 
als gluͤcklicher Nebenbuhler Eorneilles auftrat. Auch ein Luftfpiel „Les Plaideurs“ 
hat man von ihm. Ludwig XIV. war dem Dichter fehr gewogen, ernannte ihn 
zu feinem Hiftoriographen u. unterhielt fich oft mit ihm. 1673 ernannte ihn auch 
die Afademie zu ihrem Mitgliede. Als er indefien einmal fo frei war, der Frau 
von Maintenon ein Memoire zu überreichen, worin er bie Mittel angab, wie 
Frankceich von dem Elende zu befreien fer, in welches bie glänzenden Beldzüge 
Ludwigs daffelbe geftürzt hatten, fiel er in Ungnade. Dieb verurfadte ibm fol 
&en Kummer, baß er in ein heftiges Fieber fiel und den 22. April 1699 ftarb. 
R. befaß einen überaus feinen Segmat und ein fehr zartes bichterifches Gefühl; 
daher war er im Ausdrucke fanfter und ruͤhrender Empfindungen vorzüglid glück⸗ 
lich. Auch blieb er überall der Natur mehr getreu, als fein ihm in mancher 
Hinfiht überlegener tragiſcher Nebenbuhler Corneille. Sein Styl iſt aͤußerſt for- 
reft und fein Versbau ungemein wohlflingend. Außer feinen bramatifhen Wers 
fen hat man von ihm einige Gefänge (cantiques) zum @ebrauche des Kloſters 
St. Eyr, vol Salbung ; Histoire de Port-Royal, 1667, 2 Bde.; eine Idylle auf 
den Frieden; einige Epigramme und Briefe vermifchten Inhalts, größtentheils an 
feinen Sohn Louis (ſ. d.), bie ſich durch ihre fließende Schreibart als Mufter 
empfehlen. Die Ausgaben feiner Werke find außerordemuh wukat, wien 
vorzüglidften gehören: bie mit Kommentar von Luneau BUTLER —BRX 


612 Raczynski — Rad. 


Blin de Sainmore (7 Bbe., Bar. 17689); die von Didot (3 Bbe., Par. 1801 
—5, $ol., mit Kpfrn.), von Betitot (A Bbe., Par. 1807), von Laharpe (7 Bde., 
Par. 1807), von Aimo Martin (7 Bde, Bar. 1820—21) und von Tiffot (5 
Bde., Par. 1826). Deutſche Ueberſezung von Wichof, Stuttg. 1844. — 
2) R. Louis, zweiter Sopm bes Vorigen, geboren zu Paris 1692, ſtudirte bie 
Rechte, ohne jedoch dabei die Ausbildung feines trefflichen Dichtertalentes zu ver: 
nachläßigen. Er erwarb ſich ſowohl als Dichter, wie als Menfch, Hohe Achtung, 
wurde 1719 Mitglied der Akademie ber Infchriften, erhielt fpäter durch Yleury 
eine Anftelung im Finanzfache und farb 1763. Seine poetiſchen Hauptwerfe 
find zwei philofophifche Lehrgedichte: la Religion in 6 und la Grace in 4 Ge⸗ 
fängen. Jenes erfte u. vorzünlichere Bat bie schen vom Dafeyn Gottes, von 
ber Selbfterfenntniß, von ber Offenbarung, vom Welterlöfer, von den Religions: 
Geheimniſſen und von bee chriftlichden Sittenlehre zum Inhalte u. in dem legten 
handelt der erfte Geſang von der Unfchuld, dem Fall u. ber elbfung, der zweite 
von der Macht der Gnade, ber britte von ber Belehrung und ber vierte von ber 
Gnadenwahl. Der Plan beider Gebichte, befonbers des erftern, ift mit viele 
Kunft angelegt und durchgehende Herrfcht eine gewiffe Beſtimmtheit und Feinheit 
der Gedanken und bed Ausbruds. Nicht felten aber mußten boch beibe der 
Trockenheit einzelner Erörterungen unterliegen; im Ganzen find indeß viele Schwie⸗ 
rigfeiten dieſer Art glüdli überwunden, Außerdim bat man von ihm einige 
Epifteln und verfchiedene, theils religiöfe, teils philofophifche Oben, die von Geis 
ten der Gorreftheit eben die Borzüge, wie feine Lehrgebichte, gaben aber durchaus 
wenig Begeifterung verrathen. Seine widtigfin in Proſa abgefaßten Were 
find: Reflexions sur la po&sie und Mém. sur la vie de J. Racine. Unter ben 
mehrfachen Ausgaben feiner fämmtlichen Werke nennen wir bie Amfterbamer 1756 
und die PBarifer in 6 Bben. 1808, 

Raezynski, 1) Eduard Graf von, geboren in PBofen 1786, ein geigähter 
olniſcher Gefchichtfchreiber u. Herausgeber wichtiger gefchichtlicher fmale, 
henfte feine reiche Bibliothef und fen neu erbautes Halaie ber Stadt Bofen 
und wirfte überhaupt dort fehr viel für das gemeine Beſte. So ließ er 3. B. 
bei Rau in Berlin die Statuen Herzogs Miecislaus und Könige Boleslaw 
von Polen für den Pofener Dom arbeiten, beförberte die Herausgabe bed polnt- 
fben Pfennigmagazins (Praviaciel luda) u. der polnifchen Heinen Encyclopaͤdie 
(Mala Eneyclopedya Polsks) zu 2iffa und ließ bie Tygodnik literacki heraus⸗ 
geben, wie er überhaupt Beförberer ber polnifhen Sprache und Literatur war. 
840 Hatte R. den Muth, dem Könige Friedrich Wilhelm IV. von Preußen bei 

der Huldigung zu Königsberg die Beſchwerden und Wünfche der unter preußifchem 
Scepter lebenden Polen ungeſcheut auszufprechen. Aus Berdruß über die Kraͤnk⸗ 
ungen, weldde er von ben verfchiedenen polnifchen Barteien zu befahren Hatte, 
nahm er fih am 20. Januar 1845 dur einen Böllerfhuß ſelbſt das Leben. — 
2) R. Athanaſius Graf, geboren 1788 in Großpolen, des Vorigen Bruber, 
trat in preußifhe Staatsdienfte, wurde 1831 Geſchaͤftstraͤger In Ropendagen, 
1840 geheimer Legationsrath, fpäter Geſandter in Portugal, fammelte auf feinen 
vielen Reifen in Deutfchland, Italien und ber Schweiz feine koſtbare Gemälde 
fammlung, bie er jest in Berlin aufbewahrt und jebem den Zutritt dazu geftattet. 
Er ſchrieb: Histoire de l’art moderne en Allemagne, Par. 183640, 2 Bde., 
beutfh von F. H. von bee Hagen, Berlin 183640. 

Rad nennt man im weiteften Sinne eine Mafchine, wodurch Etwas in Be 
wegung gelegt und erhalten wird; im engeren Sinne eine Mafchine zur Beweg⸗ 
ung der Wagen und Fuhrwerke aller Art. Die R.er felbft bewegen fih an ben 
Nrfenteln und beftehen aus der Rabe von Ulmens ober Eichenholz, oder je⸗ 
nem ausgehöhlten Theile, mittelft beffen fie an ber Are angeftedt und in welchem 
Die Speichen eingezapft werden; aus ben Epeichen, welche bie Rabe mit dem 
Srange verbinden, und aus dem, von den Felgen gebildeten, Kranze ober Kreife. 

— In ber Mechanik nennt man R. um die Welke \ennb R. welches bei fels 


Rabeliffe — Radefnge: 613 


nem Umbdrehen um fich felbft eine Melle oder einen Cylinder, welcher mit ihm 
feft verbunden if und auf ihm fenfrecht ſteht, fo, daß bie Are des Cylinders durch 
den Mittelpunkt des R.s geht, um ſich herumdreht. Die Laft hängt an einem um 
bie Welle herumgeichlagenen Seile; bie Kraft wirkt an bem Umfange bes R.es, 
ober an ben, ftatt des R.s ei) Speichen ober Hebeln, von welchen bie 
geraden Triebftöde, bie fnieförmig gebogenen Kurbeln genannt werben. Das 
R. an der Welle Heißt Bafyeh wenn bie Welle Horizontal liegt, das R. alfo 
fenfrecht fteht, Erbwinde aber im umgekehrten Falle. Wenn die Kraft um fo 
viel finft, als die Peripherie des R.s dt fo fteigt die Laſt erſt um fo. viel, 
als die Peripherie der Melle beträgt, d. h. die Gefchwindigfeit ber Kraft verhält 
fih zur Gefhwindigkeit ber Laft, wie bie Peripherie des R.s zu ber Peripherie 
ber Welle, ober wie ihre Diameter ober Rabien, 

Radeliffe, Anna, geborene Warb, geboren 1764 zu London, Gattin bes 
Eigenthümerd und Herausgebers bes „English Chronicle“, verfaftte eine Anzahl 
ſchauderhafter, auf die Phantafie berechneter Romane, die ihrer Zeit vom lefenden 
Publikum begierig aufgenommen wurden und von benen man in beutichen Ueher⸗ 
fegungen folgende fennt: Die nächtlichen —— * im Schloſſe Mazzini, 
Hannov,, 2 Thle, 1795. — Mbeline, ober bas. Abenteuer im Walde, Lpsg,, 
3 Thle. 1793. — Udolpho's Geheimniffe, Riga, 4 Ihle., 1795, — Die Italies 
nerin oder ber Beichtftuhl ber ſchwarzen Büßenben, Königsb., 3 Thle,, 1797. — 
Der Styl der BVerfafferin ift blühend und befonders in Schilderung ber Natur 
feenen malerifch. 1793 gab fie auch Reifen durch Holland u, längs bes Rheins 
heraus. Sie ſtarb 1823 zu London, 

Nadegaft (eigentlib Roswobitfch), ein wendiſcher ober. norbflavifcher 
Gott, das Symbol der Ehre und: Stärke, warb befonbers in Rhetra hoch verehrt, 
Sein Bild ift das eines kräftigen jugendlichen Kriegers; fein Helm ift, nad) 
Sitte der nordifchen Völker, mit einem Helmfhmude von außerorbentlicher Größe, 
mit einem Schwan, welcher bie Flügel ausbreitet, geziert; fein Bruſtſchild befteht 
aus einem Stierfopf; Lanze und Schwert find feine Waffen. Gr war ber dritte 
Gott der Wenden. Der eigentlihe Name Ros woditſch heißt Kriegeheld, ober 
Kriegshauptmann; als foldyer und beſonders als Rathgeber für alle Eriegerifchen 
Unternehmungen ward er betrachtet. 

Radeſyge heißt eine, in Norwegen u. Schweden einheimifche, chroniſche, ans 
ſteckende Krankheit, bie bald als ausfagartige, bald als ſyphilitiſche oder als Com⸗ 
plifation der Syphilis mit Skrophelfucht oder mit Sforbut, von Anderen aber 
auch als felbfiftändige Krankheit angefehen wird. Die R. tritt nach Monate oder 
Jahre langem Hebelbefinden, beſonders ziemlich beftändigen Gliederfchmerzen, als 
&ronifche, zur Eiterung Binneigende, Entzündung an ber Innern ober äußern Haut: 
bebedung und in dem unterliegenden Zellgemwebe auf; es entftcht eine blaurothe 
baͤrtliche Anſchwellung, welche erweicht und in ein Geſchwür mit fpedigem Grunde 
und unregelmäßigen Rändern übergeht. Nach einiger Zeit heilt dieſes Geſchwuͤr, 
indem es uneben vernarbt; es entftehen aber an anderen Stellen neue Geſchwüre 
und fo kann fi) die Krankheit Jahre lange fortfegen. Werben die Schleimhäute 
befallen, fo zeigt fi die Krankheit beſonders im Schlunde und in ber Nafen- u. 
Mundhöhle; manchmal werben Hier auch die Knochen zerflört, fo daß eine Oeff- 
nung zwiſchen Nafen- u. Mundhöhle entfleht, die Naſe einfinft ıc. Bei Vernach⸗ 
laͤßigung oder fehr Heftigem Auftreten fol die R. im heftifche Leiden, in Laͤhmun⸗ 
gen und Tob übergehen können. — Die R. befällt vorzugsmweife Weiber und 
Kinder, befonders, wenn fie fhon an einer Hautkrankheit leiten, häufiger Unver⸗ 
heirathete, dagegen felten über 50 Jahre alte Leute. Beförbert wird ihr Aus- 
bruch durch feuchte kalte Luft, Unreinlichfeit, den Genuß fehlechter Nahrungsmit⸗ 
tel, fetter, halbverfaulter Fiſche, ſchwer verbaulicher Mehlipeifen ıc., daher fie faft 
ausſchließlich nur unter ber Armern Bolksclaffe u. befonders an den Meerestüften 
angetroffen wird, Vererbt tritt die R. meiſt ext wit dem alten Arbendiiite ul. 
Mittel Anftedung wird fie weiter verbreitet, hauptiächtih Vurk en genannte 


614 Aadiealismns — Radicalkır. 


lichen Gebrauch ber Betten, Kleidungsſtücke ꝛc. Bei ber Behandlung muß ve 
Allem auf firenge Regelung der biätetiichen Verhältniffe gefchen werben, außer: 
dem werben zumelft die gegen bie Syphilis gewöhnlichen Heilmethoden auch hier 
empfohlen. — S. Hünefeld, die Radeſyge oder das fcandinavifhe Syphiloil 
£pıg. 1828. E. Buchner. 
Radicalismus (vom lat. radix, Wurzel), ein zur Bezeichnung eines beftimm: 
ten Umfreifes politifcher Anfichten und Meinungen bienender Ausbrud, ber indeſſen 
mit demfelben Rechte, wie man ihn auf eine Eeite hin anzuwenden pflegt, and 
auf den biametralen Gegenſatz angewendet werben fann. In ſolchen Staaten, 
wo nur Die Polizei eine Meinung hat, verftand man bisher und verfteht nod 
unter R. das unermüdliche Beftreben, die beftehenden Staatsformen, die Religion, 
furz Aues, was dem Menfchen Heilig und durch das alte Herfommen verehrungs: 
würdig iſt, einzuflürzen, zu vernichten und bie Anarchie an die Stelle bes Pol | 
zeiſtaates zu fegen. Bei vorurtheilsfreier Feſtſetzung bes Begriffes aber verſich 
man unter R. das Beftreben, ohne Berädfihtigung der beftehenden Berhältnifie, 
jedoch auf gefeumäfigem Wege bie politifchen, wie gefellfchaftlichen, Zuſtaͤnde eine 
Staates von den Schladen bes Altherfömmlichen, bem Geifte ber Zeit und be 
Fortſchritts Widerftrebenden zu reinigen, der Wüllfür, von wo fie auch ausgehe, 
Schranken zu ſetzen, das Geſetz zu einem Gefege für Alle, nicht blos für Einzeln 
zu machen; die ewigen u. unveräußerlidhen Rechte bed Volkes gegenber den 
Machthabern u. deren Werkzeugen zu wahren; kurz, bem Fortfchritte, dem Geſetze u. 
Rechte den Sieg über Willkür und NRechtlofigfeit zu verſchaffen. — Namentlich in 
England traten die Radifalen in neuerer Zelt bedeutend auf u. regten, ben Drud 
ber Einfommentare unb ben plöglichen Stillftand vieler Gewerbe nach dem Krieg: 
benügend, das Bolf m brohender Welle auf. Solche Beftrebungen wurden aud 
von liberalen Männern dee höheren Kreife, von Sir Francis Burbett, Rob. Wil: 
jon, Hobhoufe, John Ruſſel, Brougham und vielen Andern begünftigt. Das 
olk felbft fand feine begeifterten Rebner u. Bertreter an Männern, wie Hunt, 
Watſon, Hooper, Prefton. Als Hunt am 16. Auguft 1819 eine ungeheuere Vollks⸗ 
verfammlung in Mancheſter Hielt, warb militärifch und mit Blutvergießen einge 
fpritten, Hunt felbft verhaftet, aber bald gegen Bürgfchaft freigegeben. Met 
Glieder des Parlaments hatten fich der Bolksfache in und außer dem Parlament 
angenommen, traten aber bei dem gefährlichen Charakter, ben die Sachen naf- 
men, auf die Seite des Miniſteriums. Da Ienfte fidh die Erbitterung auf bie 
Minifter felbft, die man bei einem Gaſtmahle zu ermorden beichloß. 25 Perſonen, 
fammtliche dem aͤrmern Handwerföftande angehörig, wurden in das Complott ges 
Bogen. Der Anihleg warb aber entbedt, die Verhaftung ber Verſchworenen be 
wirft und auf ben Spruch der Jury die Hinrichtung an 5 der Haupträbelsfühs 
rer vollzogen. Die Hierdurch Hervorgerufene Aufregung legte fi zwar allmäli 
wieder, aber die Partei der Rabicalen erhielt ſich gleichwohl im Parlamente un 
außerhalb befjelben und aus ihrem Schooße ging ber Chartismus (f. d.) mit 
allen feinen unmittelbaren und mittelbaren Bolgen hervor, (Bgl. auch die Artikel 
Korngefege u Peel) Auch in anderen Ländern Haben, und namentlich in 
ber allerneueften Zeit, mehr oder weniger verwandte Bemühungen auf die Erreich⸗ 
ung beffelben Zieles Hingeftrebt, wie die Rabdicalen in England, und ber Umfang 
bes Kampfplatzes hat fidy erweitert burch die Hebertragung aller Fragen ber Ger 
graemman auf daß ſociale Gebiet. Jetzt ſchon ein Urtheil über die Zukunft des 
. für Europa überhaupt auszufprechen, wäre eine allzufühne Prophezeiung, ale 
daß wir uns an diejer Stelle darauf einlaffen dürften. 
Radicaltur nennt man jenes Heilverfahren, welches gänzliche Befeitigung 
der Krankheit u. völlige Wieberherftellung der Gefundheit zum Zwecke Hat. Sie 
ründet fi auf 3 Hauptanzeigen: 1) auf bie Entfernung der Anlage ber Krank⸗ 
Bet u. der fie bedingenben äußeren Echäblichfeiten ; 2) ber Krankheit ſelbſt und 
3) auf bie Wieberherfielung ber Integrität bes Lebens umb der Organiſation. 
Da bei Erfüllung ber erſten Anzeige die VBelcikgung er Unlage um Rrumiigk 








Radiebchen · Radomig. 615 


ber Regel einen zu großen Zeitraum in Anfpruch timmt u. oft von ber Hauptcur 
ı fehe abweicht, fo Hat man zunaͤchſt auf Entfernung entfernbarer fi 
inflüffe hinzuwirfen, bevor man zue eigentlichen Behandlung ber 
jeeitet, für den Fan, daß diefe dann noch fortbefteht, Hierbei Fommen, nebſt bem 
harafter, ber Form, dem Zeitraume und Grabe der Krankheit, ihr eigentliches 
defen, fo wie ihre etwaige Berrwidelung mit anderen Krankheiten u, beren gegen- 
itiged u. urfächliches Verhalten in’ mögliche Berüdfichtigung. Anlangend bie 
ndivibulität des Kranken felbft, fo geben Lebensalter, Geſchlecht, Temperament, 
örperbefchaffenheit, Lebensart u. Gewohnheit eine fpeciele Norm zur Behand) 

” Die Erfüllung ber 3. ‚Beuptangeige, die anna se: Genefung, hat bie 
ntfernung ber Folgen ber überftandenen Krankheit — da find: Anlage zum 
uen Erfranfen, Schwäche der Lebenskräfte u. Unvolllommenheit in der Organi- 
tion — zur Aufgabe. In Anfehung der Statthaftigfeit einer N, ift zu berüd- 
tigen, ob nicht Die zu hebende Krankheit zur relativen Gefundheit bes Indivi⸗ 
iums bereitö nothtwendig geworben ift u. ob nicht etwa bie Heilung am ſich ober 
e dazu zu gebrauchenden Mittel das Leben bed Kranken weit mehr gefährben 
anten, als e8 von der beftehenden Krankheit felbft zu ‚erwarten ſeyn h 
jas bie Möglichkeit ber Ausführbarfeit einer R. angeht fo ift biefelbe oft in 
n verzweifeltften Fällen gegeben u. mehrt ſich im gleichem VBerhältniffe mit der 
gtlichen Wiſſenſchaft und Kunſt in dem Maße, da fie lehteren oft kurz zuvor 
cht geahnte Triumphe verleiht. A 

Radieschen, ſ. Rettig. 

Radirkunf, j. Kupferfteherfunft. 

‚Radius, fo viel als Halbmeffer (fi. d.). — Im der Fortififation hei 
‚ jene Zinie, welche man von bem Mittelpunfte eines Polygons bis an 
pige eines jeben Bollwerfs zieht, Dieſer wird der Äußere oder größere R. 
nannt; jene Linie dagegen, welche von bem Mittelpunfte eines Polhgons bis zu 
m Kehlpuntte geht, erhält die Benennung Fleiner oder innerer R. —R. Ber 
r oder Leit ſtrahl nennt man bie, von dem Mittelpumkte der Sonne aus nah 
m Mittelpunfte irgend eines Planeten gezogen gebachte, gerade Linie; er gibt 
thin die Entfernung biefes Planeten von der Sonne. 

Radlof, Johann Gottlieb, ein tüchtiger Sprachforſcher, geboren 1775 

Kleinlauchftädt, Campe's Mitarbeiter am Verdeutſchungswoͤrterbuͤche, lebte in 
tfchiedenen Städten, ward 1818 Profeflor der Philofophie zu Bonn, erblindete 
722 u. wählte Berlin zum Aufenthaltsorte. Seine Schriften über Urfprung, 
jefen, Dialekte u, dgl. der deutſchen Sprache haben bleibenden Werth, befonders 
? „Zrefflichfeiten der beutfchen Mumbarten“, „bie Sprache der Germanen“, 
Rufterfaal aller deutſchen Mumbarten‘, „deutſchiundliche Zorfhungen und Er: 
iterungen“ u. ſ. w. 

Radowitz, Joſeph von, geboren den 6. Februar 1797, wurde in Alten» 
tg erzogen, wo feine Eltern ihren Wohnfig hatten. Fruͤh ſchon für dem weft- 
aͤliſchen Militärbienft beftimmt, kam er in franzoͤfiſche u. weftphälifche Militär 
ulen, u. trat im Dec. 1812 in die weftphälifche Artillerie. Mit diefer ging er 
den Zeldzug von 1813. Im der Schlacht von Leipzig verwundet und gefan- 
n, fehrte er fpäter nach Eaffel zurüd u. trat in kurheſſiſche Dienfte, nafn an 
n Beldzügen der Verbündeten in Frankreich Theil, u. wurde nach deren Been- 
zung, 18 Jahre alt, zum Lehrer der mathematifchen u. militärifchen Wiflen- 
‚aften bei dem furheffiihen. Cadettencorps ernannt. Denfelben Unterricht Hatte 
fpäter, als er in das Kriegsminiſterium getreten war, dem jegigen Kurfürften 
n Heſſen zu ertheilen. Das Zerwürfniß in der Furfürftlichen Familie berührte 
HR., da bie Rurfürftin ihm ihr befonderes Vertrauen geſchenkt hatte, In 
ge beiten ſchied er 1823 aus dem heſſiſchen Dienfte u. ging in ben preußifchen 
er. Dort trat R. in ben Generalfiab und wurde zum Lehrer des Prinzen 
brecht beftellt. Einige Jahre fpäter wurde er zum Chef bes Generalfiabes der 
ctillerie ernannt u. dem Prinzen Auguft beigegeben. In rer Eat W 


616 Naadſdloß. 


er bei den mamnnigfachen Umgeſtaltungen in bem Perſonale und Materiale ber 
preußifchen Artillerie vielfach befchäftigt geweien. Im Jahre 1836 wurde R. 
zum preußifchen Militärbevollmächtigten am Bunbestage ernannt, u. nahm nun 
ben regften Antheil an ben großen Kortfchritten, welche das Bundeskriegsweſen, 
fowohl das Heer, als bie fortifitatorifche Sicherung Deutfchland’s feither gemadıt 
bat. Das Jahr 1840 brachte die Gefahr eines Krieges mit Frankreich, R. 
wurde von feinem Hofe nah Wien geſendet, um dort in Verbindung mit bem 
General von Grolmann bie Hebereinfünfte über bie für Deutſchland's Schub er⸗ 
forberlichen Anorbnungen zu ſchließen, auf deren Grund er dann bie ferner 
Berträge mit den größeren beutfchen Regierungen ſchloß. — Mit Beibehaltung 
feiner Stellung am Bunde wurbe er 1842 als preußifcher Befandte an den Hö- 
fen von Karlöruße, Darmflabt u. Wiesbaden accrebitirt. Als der König’ Sriebrik 
Wilhelm IV. im Herbſte 1847 den Augenblid herangelommen erachtete, um bie 
Regeneration des deutichen Bundes bucchzuführen, ber er feine innerfien Wuͤnſche 
feit feiner Thronbefleigung gewidmet Hatte, berief er den General von R. nad 
Berlin. Seit defien Eintritt in den preußifchen Dienft Hatte ber jegige König 
ihm ein Vertrauen u, eine Zuneigung .bewiefen, wie fie dem warmen Dee 
biefes Yürften entfpricht u. ſeit Jahren war zwiſchen beiden bie Rothiwendigfeit, 
das bisherige Syſtem in Bezug auf den Bund gänzlich zu verlaffen u. ihn aus 
feinem Scheinleben zu einer neuen Exiſtenz zu erweden, ber Gegenftand - vielfache 
Erwägungen gewefen. Sept hatte R. unter ben Yugen bes Könige bie Borarı 
beiten zu biefem großen Unternehmen zu liefern und follte dann die preußifchen 
Borfchläge in Wien vertreten, leider aber trat bie Schweizer Angelegenheit ba 
zwifchen zu unerfeglichem Schaden aller Theile, u. man hielt den damaligen Mo: 
ment für ungeeignet, um ber öfterreichifähen Regierung neue Schwierigfeiten zu 
bereiten, R. befam nun ben Auftrag, mit dem erreichen Kabinete einen ge 
meinfchaftlichen Gang zur gerechten Schlichtung des Bürgerfrieges in ber Eibge⸗ 
noffenfchaft zu vereinbaren, weßhalb er fpäter auch nach Paris entfendbet wur 
— Die Sebruars Revolution ſtellte Indefien andere große Interefien in ben poll 
tifhen Vordergrund, und bie preußiiche Regierung verlangte nun von bem 
öfterreichifchen wor den unveruiglihen Eintritt in einen neun Weg für 
bie beutichen ngelegenheiten ‚ die nie. verfannten tiefen Bebürfnifle der 
Nation zu befriedigen; zu biefem Zwede wurde R. abermald nah Win ge - 
fendet. Ehe jedoch noch Hand an biefes Heilfame Werk gelegt werden Eonnte, 
flürzten bie Nachwirkungen ber Pariſer Ereigniffe die deutihen Regierungen und 
jo war auch hier, wie überall der allein rettende Weg zu fpät betreten worden. 
— R. verließ nun den preußifchen Etaatsdienft, u. zog ſich in das Privatleben 
zuruͤck. Der Bezirk Rüthen in Weftphalen, aus Theilen ber Kreife Arnsberg u. 
Zippftadt zufammengefeßt, wählte ihn zum Abgeordneten für bie conſtituirende 
beutfhe Nationalverfammlung. Hier hat er feinen Platz auf ber rechten Eeite 
bes Hauſes gefunden, ift in ben großen ragen über bie Wehrhaftigfeit u. bie 
beutfhe Marine, fo wie über bie auswärtigen Berhältniffe Deutſchlands vielfach 
hervorgetreten, u. hat fi) ald einen Mann von außerorbentlihem Scharfblide, 
umfaffenden Kenninifien, u. großem NRednertalente bewaͤhrt, fo daß jede Partei 
von Achtung gegen ihn erfült if. — Auf dem literariſchen Gebiete it R. durch 
mehre mathematifche, militärifche, publiziſtiſche u. Tunftgefchichtliche Arbeiten bes 
fannt geworben. Wir nennen unter Anderen ein früheres mathematifches Werk: 
Formeln ber Geometrie u. Trigonometrie, 1827 , ferner: Die Sonographie ber 
Heiligen, Beitrag zur Funftgefchichte, 1832; Ueber die Wahrfcheinlichkeit bei Ber 
ſuchen, 1827 ; Die fpanifche Succeffionsfrage, 1839; Geſpraͤche aus der Gegen 
wart über Staat u. Kirche, 1. u. 2. Aufl, 1846, 3. Aufl 1847; Wer erbt in 
Salem ‚ 1847 5; Deutfchland u. Friebrich Wilhelm IV., 1., 2. u. 3. Auflage, 
18483 Die Devifen und Motto bes ſpaͤteren Mittelalters 1847, u. a. m. C. Pfaff. 
Radſchloß, oder deutſches Schloß, heißt ein Feuerfchloß an einem Schieß⸗ 
geweßee, welches 1517 in Ruͤrnberg erfunen wurbe, Das R. befand aus einem 


Radziwill. 617 


Heinen, an feinem Umfreife mit Zaden oder Rippen verſehenen, flählernen Raͤd⸗ 
hen, weldjes, unter ber ‚mit einem. Schieber verjehenen Pfanne befeftigt, durch 
deren Boden ging. Es Hatte in feinem. Mittelpunfte äußerlich eine 

Welle (Are) und an diefer war ein Kettchen befeftigt, welches mit einer flarl 
Schlagfeder in Verbindung fand, Wollte man nun ben Wellbaum und. bie 
Feber ſpannen, was mittelft eines Schlüffels ober eines Spanners geiön, dann 
lief das Kettchen um ben Wellbaum, An bem vordern Theile des Schlofies war“ 
der Haden (Hahn), welchet zwiſchen feinen beiden Mäulern (Lippen) einen 
Beuerftein ober ein Stüd Schwefelfies hielt. Drüdte man nun mit dem Finger 
auf das Züngelcen, fo hob dieſer Drud bie Schlagfeber aus dem Einfchnitte, 
die Pfanne öffnete fih, der Stein ftemmte, fi an das Raͤdchen und es entftan- 
ben durch die, durch die Wirkung. der Feder auf das Räbchen Herborgebrachten, 
ſeht fehnellen Bewegungen deſſelben um feine Are jene Funken, welche ze 
fraut und mittelft diefes die Ladung des Feuergewehres entzünbeten. - Diefe Waffe 
wurbe anfänglich nur von ber Reiterei geführt 5 eine fonberbare Erſcheinung, Da 
fie für dieſe am weniaften geeignet war. Später ging fie auf das Yußvolf über 
und im 30jährigen Kriege. war fie die Waffe der fogenannten Hadenfhüpen. 
Als nad biefem Kriege bie alte ritterliche Bewaffnung von dem Genius bes 
Krieges zu Grabe getragen wurbe, wurben bie Feuerwaffen die Hauptwaffe und 
bie R,» Büchfe wurde fo lange geführt, bis fie von dem fogenannten franzöfifchen 
Beuerichloffe verdrängt wurde. 

Radziwill, ein altes polniſches, urſpruͤnglich litthauiſches ———— 
als deſſen Stammvater Narimunb, Fürft von Minsk, ber Sohn lit⸗ 
thauiſchen Großfürften, genannt wird. Die Linie von Gonioodz u. Medele ward 
ſchon 1518 in den Reichsfürſtenſtand erhoben, farb aber ſchon 1542 aus; bie 
andere Linie erhielt biefe Würde 1547, Merfwürdig find: 1) Barbara R,, 
geboren 1523, 1546 Gemahlin des Könige Sigismund Auguft, kurz nach ihrer 
Krönung vergiftet 1551. — 2) Ritolaus IV. R., Reichsfürſt von Birze und 
Dubienfi, Fürft von Olyka, Nieswiez, der Schwarze genannt-umd Stammvater 
bes noch blühenden Haufes, Feldherr des Königs Sigismund Auguft, eroberte 
1552 Lievland von den beutfhen Rittern; befonders merkwürdig durch feine bes 
rühmte polniſche Ueberfegung ber Bibel (er war Proteftant), Er farb 1567. 
eine Söhne wurden wieber fatholifh und einer berfelben, Chriſtoph Nikolaus, 
neftorben 1616, welcher 1587 ber Vereinzelung der Güter durch ein Hausgeſet 
vorbeugte, ließ die väterliche Bibel wieder auffaufen u. verbrennen. — 3) Mi: 
haelKafimir, 1709—63, Haupt der fächfifchen Partei in Polen. — 4) Karl, 
Balatin von Wilna, 1762 Großfelbherr von Litthauen, ein Heftiger Gegner bes 
Königs Etanislaus I. Auguft Poniatowsfi, wurbe als Stifter der Eonföderation 
von Radom geächtet, ſchloß ſich Später den Ruflen an und flarb, nach wechfels 
vollen Schidjalen, in Litthauen 1790. — 5) Anton Heinrich, geboren 1775, 
vermählte fib 1796 mit ber Pringeffin Friederike Louife Dorothea Philippine, 
Tochter des Prinzen Ferdinand von Preußen, und war von 1815 an Mitglied 
bes preußiichen Staatsraths u. Statthalter im Großherzogthume Pofen, das er, 
— trog feiner Verbindung mit dem preußifhen Königshauſe mit glüßender Begei⸗ 
ſterung Pole — durch die treueſte u. gewiſſenhafteſte Verwaltung mit feinem Schid- 
fale zu verföhnen fuchte. Zu ben feltenften Gaben der Perfönlichteit geſellte ſich 
in ihm eine ächte und vielfeitige Bildung in Wiſſenſchaft und Kunft, beſonders 
in ber Mufik, welche letztere er mit eben fo viel Xiebe, als Erfolg übte (er war 
Birtuos auf dem Bioloncel u. hatte eine ausgezeichnete Tenorftimme) u., gleich 
der Malerei u. Dichtkunſt, auf die liberalfte Weife pflegte und unterflügte. Rad 
einem reichen u. glüdlichen eben, beffen Abend nur durdy den Schmerz über bie 
unglüdliche Raiaftropfe Polens im Jahre 1831 getrübt ward, farb er am 7. 
April 1833 in Berlin. An feinem Grabe erlangen bie ſchoͤnen Ofterhäre aus 
feiner Mufit zu Göthe’6 Bauft, auf welche R. faft ben ganzen Zeitrum Kid 
teiferen Alters verwendet hatte, und welche unbebingt ga den qgesieiten Som 


\ 


618 Nädeldführer — Räucherung. 


[Höpfungen der neueren Zeit gehören. Auch feine übrigen Compofltionen, ſowohl 
Geſaͤnge, als Inftrumentalfäge, in welchen ihm überall Gluck, Mozart md 
Beethoven als Mufter voranleuchteten, fichern ihm eine ehremvolle Stelle unte 
ben gebiegenften Sonmeiftern ber beutfhen Schule. — 6) Michael Georg, 
jüngerer Bruder bes Vorigen, geboren 1778, focht ſchon unter Kosciuszko 17% 
— 94, warb 1812 von Napoleon zum Oberften ernannt und biente feinem Vater: 
lande ſeit 1815 als Senator u. Divifionsgeneral. Als Chlopicki bald nach bem 
Ausbruche der polniſchen Revolution die Dictatur niedergelegt hatte, warb R. 
mehr feiner patriotifchen Gefinnung , ala feiner Friegerifchen Befähigung wegen, 
zum Generaliffimus bes Heeres ernannt (am 21. Januar 1831), legte aber, wege 
feiner Mäßigung ber exaltirten Partei verdächtig, ben Felbherrnflab nach 
Schlachten von Grochow u. Praga in Skrzynecks Hände und wurde nach be 
Eroberung Warfchau’8 nah Moskau verwiefen. Gegenwärtige ter be 
beiden Ordinationen (Majorate) find: a) von ber Ordination Eleck, ber Fuͤrſ 
Leo, geboren 1808, ruffifcher Rittmeifter u. Flügelabjutant; b) von ber Orbi 
nation Olyka, Nieswiez u. Mir, Kürft Friedrich Wilhelm, geboren 1797, 
Sohn bes Fürften Anton Heinrich, preußifcher Generalmajor. 

Näpdelsführer, der Anftifter eines Aufruhrs oder Complotts, ober eines von 
mehren Individuen verfuchten oder begangenen Verbrechens. Man leitet den 
Ausdrud daher, daß im Bauernfriege (f. db.) die aufruͤhreriſchen Bauern ein 
Pflugrad auf einer Stange als Fahne mugen u. zugleich ſich gegenfeitig eiblid 
verfproigen hatten, ungetrennt, wie bie Speichen eines Rabes, bei einander 
zu en. 

Rädern, eine jebt außer Anwendung gefommene Todesſtrafe, wobei bem 
Berbrecher die Unterfchenkel u. VBorberarme, dann die oberen Schenkel und Arm 
mit einem ſchweren Rabe zerftoßen ober zerbrochen wurden; er felbft wurbe noch 
lebendig auf das Rab gelegt und mit biefem bis zum Verſcheiden, das zuweilen 
erft nad) Tagen erfolgte, auf einen an gebradit. Später unterfchiedb man N. 
von unten, wobei Stöße auf bie Bruft u. in das Genid das Leben ſchnelle 
endeten und R, von oben, indem man zuerſt das Rüdgrat zerfchlug u. zugleich 
ben Verbrecher erdroffelte, 

Raͤthſel (von rathen, errathen), die Darftellung eines Gegenſtandes durch 
umfchreibende Bezeichnung feiner Merkmale, ohne ihn in ber Form zu nennen, mu 
bem Zwede, daß berfelbe an jenen Merkmalen erfannt oder errathen werde R. 
find hiernach Wigfpiele und zur Mebung bes Scharffinnes geeignet, deßhalb darf 
bie Bezeichnung ſich nicht auf die gewoͤhnlichen Merkmale beichränfen, fie muß 
vielmeßr ſolche wählen, welche das Nachdenken vorzugsweife in Anſpruch nehme. 
Dieß gefchieht, wenn bie Merkmale vereinzelt ſich an mehren Gegenftänden vor . 
finden, vereinigt aber nur einen beftimmten Gegenftand charakteriſtren. Durch 
die Verbindung ber einzelnen Merkmale zu einem Banzen wird das R. poetiſch 
u. diefe Form erzeugt immer einen größeren Nachdruck. An u, für ſich aber & 
Hört das R. zu der bewußten Symbolit, indem ber Erfinder deſſelben bie 
Deutung nicht nur Klar und beutlich gewußt, fondern auch bie verhüllenbe Zora, 
unter welcher fie errathen werben fol, abfichtlich gewählt hat, wogegen bei Ye 
eigentlichen Symbolik es eben fowohl am klaren Bewußtſein der Bebeutung, oG 
an ber beftimmen Abficht der Berhüllung fehlt. Das R. gehört nun zwar —2* 
ſaͤchlich der Kunſt der Rebe an, kann aber auch in ber bildenden Kunſt, in Ve 
Architektur und Malerei eine Stelle finden. Der Gebrauch beffelben iſt m A 
hauptfächlich Heimifch im Morgenlande, und faft über alle Nationen me P— 
en Deine tet. — Marten bes R.s find: die Charade, dr ko 
griph. G. d.). 

Raͤnberfhnode Heißt die von den Monophyſuten (ſ. d) im Jahre 
abgehaltene Synode zu Ephefus, wobei bie Sreifprechung bes Eutyches (ſ. ⸗ 
erzwungen wurbe, 

Aaucherung nennt man jebe Art von Entarddung \iiger Sole, \he Wii 


-— — 


Rafael, 69 


6 Waſſerdampf find, Mean wendet R.en an ald Gasbäder oder Riechmittel, 
ı durch die Subftangen unmittelbar auf den Organismus einzuwirfen, oder man 
dient ſich derſelben zur Zerflörung von ſchädlichen Stoffen (1. Desinfection), 
Te Ren find entweber athembar, oder nicht athembar, Die athembaren Ren 
ben bewirkt, indem man bie Stoffe der freiwilligen Verbunftung überläßt, Lu 
Iffige Stoffe herumfprengt oder in flachen Gefäßen aufftellt umd ſtark riechende 
te herumftreut. Diefe Verdunftung wird befördert durch Erwärmung auf er⸗ 
hten Platten, über dem Lampenfeuer 1, Sehr fchlecht ift die Methode, Raͤucher 
ttel zu verbrennen, weil dabei nur Wenige Theile, bevor fte ſich entzünden, durch 
? Wärme Ber fpigt werben; daher taugen auch bie Raͤuch erlampen ges 
ohnlich Nichts, weil die über ber Lampe hängenden Schälden von Metall, ftatt 
n Porzellan, find und ſonach ein Verbrennen ber aufgelegten ſchen 
toffe bedingen, Beſſer find die Räuch erkerzen, in denen bie baren 
toffe in ſolcher Verbindung ſich befinden, daß fie, einmal angezündet, von felbft 
ttglimmen u. der brennende Theil aus dem nad) abwärts zunächft anglimmenden 
e Niechftoffe austreibt, Diefe R.en werden gewöhnlich benügt, um bie Luft in 
1gefchloffenen Räumen zu verbeffern; fie genügen dieſem Zwede aber in feiner 
zeiſe, indem fie wohl die Einwirkung der Pe ten Luft auf das Geruchsor; 
ıfheben, d. h. ben Geftanf in Wohlgerüche einhüllen, aber zur wirklichen Bi 
ıg ber Luft Nichts beitragen. Dagegen werben mephitifhe Dünfte wirklich u 
gt durch einige mineralfaure Ren‘, Die zwar an und für ſich nicht athembar 
d, es aber werben, wenn fie in „geringerer Menge ber —— Luft 
igemengt werben. Unter dieſen zeichnen ſich die Ren mit Chlorgas bejonbers 
18, die entweder durch Uebergiefung des Chlorkalls mit Schtwefelfäure, oder, nad) 
uyton · Morveau, durch Mengung von 4 Theifen fein gepulverten Braumfteln mit 
Theilen Kochſalz und Zufag von 4 Theilen 'verbünnter Schwefelfäitre bereitet 
aden. Benügt werben die athembaren R.en noch, um gewiſſe RN in ben 
tganismus zu bringen, fo namentlich, um bei Lungenfrantgeiten auf bie Ath⸗ 
imgsorgane einuwirken. Die nihtatbembaren R.en werden vorgenommen 
weder zur Desinfection gefchloffener Räume, oder, um fie als Heilmittel für 
nzelne KFörpertheile zu benügen. — Das Räuchern des Fieiſches, der Fiſche ıc. 
ird bewirkt durch den Holzrauch oder durch Behandlung des Fleiſches mit 
ıolzeffig. E. Buchner. 
Rafael, Sanzio, von Urbino, der Gefeiertefte unter allen Malern, ger 
sen den 6. April 1483, empfing ben erften Unterricht in ber Kunft von feinem 
iater, Giovanni ©., einem nicht unbebeutenden Künfller, von dem ſich naments 
& in der Mark Ancona nech zahlreiche Gemälde befinden, und fam nad) beffen 
ode (1494) nach Perugia in die Schule des Perugino, den er bald in befien 
genthümlicher Auffaffungsweife erreichte. Den zarten und tiefgemüthlichen, faft 
bmärmeriihen Charakter ber umbrifhen Schule tragen feine erften felbfiftändis 
ren Arbeiten von ben Jahren: 1500—1504, fo: die Krönung bes heil. Nikolaus 
m Zolentino (verloren) s bie Krönung der h. Maria (Batikan) ; die Bermählung 
z Maria (Brera zu Mailand); zwei Madonnen (Berlin) und, außer zahlreichen 
tineren Bildern, mehre dann von Pinturichio ausgeführte Carions für den 
ibliothekſaal des Domes zu Siena ꝛc. Bon großem bildenden Einfluße für 
na war fein Beſuch in Florenz (1509), wozu ihn zunächft die dort ausgeſtellten 
artons Michel Angelo’8 und Leonardo da Vinci's veranlaßten und wohin er, 
ch Bamilnangelegenheiten bald nah Urbino gerufen und bann wieder eine 
eit lange in Perugia verweilend, zu einem längeren Aufenthalte bis 1508 zurüds 
hrte. Unter den Künftlern, denen er fi bafelbft anſchloß, find vornämlich 
hirfandajo und Mofaccio zu nennen. Reben dem noch unfreien, zum Gens 
aentalen fi neigenden, Style des Perugino machte fih num bie finnlich Fräf- 
je Darftellung der Plorentiner und berem größerer Styl in Kormen um An- 
enbung immer mehr geltend, wobei zugleich fein eigenthümtches Stugeit AR 
mer entfchiebener entwidelte, Diefer Periode gehören am in vorwiegent wos 


620 Nafael. 


ſcher Auffaffungsweife: eine Madonna mit 4 Heiligen, in ber Lunette Gottvate 
mit Engeln (im Schloß zu Neapel); eine Madonna mit 2 Heiligen (Blenheim in 
England) ; die Madonna bel Sranduca (Florenz). Den Charakter beider Schula 
tragen an fi: die Mabonna bei Carbellino (Klorenz) ; die Jungfrau im 
(Wien) ; die heilige Familie mit der Kächerpalme (London) ; der heilige Georg wit 
ber Lampe (in der Gremitage zu Petersburg); eine heilige Familie (München), 
bie Srablegung (Gal. Borghefe zu Rom). Die Florentiniſche Richtung tritt Yin 
gegen {don vorwiegend hervor in ber Madonna, la belle jurdiniere (Paris), 
er Madonna aus dem Haufe Temopie (München), in der aus dem Haufe Co⸗ 
Ionna (Berlin) und ber bi Pascia (Florenz) ıc., fo wie in mehren Porträts, 
Darunter auch fein eigenes zu Florenz. Eine dritte Periode feiner Fünftlertichen 
Entwidelung und Bollendung begann mit dem Aufenthalte in Rom, wohn ea 
auf Bramante's Beranlaffung vom Papfte Julius I. im Jahre 1508 berufen 
wurde und wo er bis zu feinem Tode verweilte. Hier bildete fidh fein Stol in 
freiefter gpaltung zu höchfter Reinheit und vollendeter Schönheit aus u. die groß 
artigen Aufgaben, die ihm bier geftellt wurben, entwidelten bie ganze Erhaben: 
heit feines Genius und führten ihn auf die Höhe der Kunft, fo wie auch be 
eble Wettſtreit mit Michel Angelo's gleichzeitigen Leitungen zu Rom ihn en 
anregte, das Höchfte zu leiften. Auch in den zu Rom ausgeführten Werten 
ſtets fortfchreitende Entwidelung zu beobadhten. Bon ber in der lebten Zeit mu 
Florenz überwiegenden realiſtiſchen Auffaffung wandte er ſich Anfangs, doch mit 
freiefter Beherrſchung feines Stoffes, der tiefen Gemüthswelt feiner Jugenb wie 
ber zu, doch diefe Zartheit weicht wiederum ber Kühnhelt und Großartigkeit, die 
in fleigendem Maße feinen Styl der klaſſiſchen Kunft verwandt machte, und immer 
unerfchöpflicher ſtellt fi der Reichthum feines fchöpferiichen Genius dar. Geine 
Arbeiten zu Rom find in der erfieren Zeit faſt ausfchließlih von feiner eigenen 
Hand vollendet, während er fpäter, ald unter Leo X. (feit 1513) die verſchie⸗ 
denften Aufträge ihn in Anfpruch nahmen, bald mehr, bald weniger, feine Schüler 
Theil an ber Ausführung nehmen ließ. Der Sach⸗ und Zeitorbnung nach find 
die wichtigften biefer Periode: die Frescogemälde in den Stanzen bed Vatikans. 
Beſtimmt zur Berherrlichung ber päpftlichen Macht und Hoheit, flellen ſte in ber 
Stanza bella Segnatura (1508—12) die Theologie (die Disputa), Poeſie (ben 
Parnaß), Philofophie (die Schule von Athen), und Jurisprudenz (Juſtinian und 
Gregor X.) dar; in der Stanza d’Elioboro (1512—15) die Vertreibung Helio: 
dor’8 aus dem Tempel von Serufalem, das Wunder der Mefie von Boljena , die 
Befreiung Rom's von Attila und die Befreiung Petri aus dem Gefängniß; in 
ber Stanza bel Incendio den Brand im Borgo ıc., in der Sala di Goftantine, 
bie na) R.s Zeichnung von Giulio Romano ausgeführte Konftantinsfchlacht ıc. 
Ferner die zu den Stanzen führenden Loggien des Vaticans, in deren 13 Kuppel: 
gewölben ſich 54 biblifche, meift altteftamentlidhe, Scenen befinden, die nach R.E 
Zeichnung mei von feinen Schülern ausgeführt find und deren Wände und Pfeiler 
die reichften beforativen Malereien fhmüden, in benen ſich der claffifche Styl auf das 
Innigſte mit des Meifters Phantaftereihtfum und Schoͤnheits verbindet. So⸗ 
bann bie Cartons zu den Tapeten für bie firtiniiche Kapelle, die von R. um 1514 
mit Beihülfe feiner Schüler gefertiget und bis 1519 zu Arras gewirkt murden. 
Sie enthalten Darftellungen aus ber Apoftelgefhichte umb gehören zu den voll 
detſten Schöpfungen des Meifters. Die 10 Tapeten werben im Batican aufbewahrt, 
7 Cartons zu Hamptoncourt in England. Kleinere Wandmalereien von ihm finb: der 
Prophet Jeſaias in S. Agoftino u, die 4 Sibyllen in 6. Maria bella Pace zu Rom. 
Diefer Periode gehören auch an von Staffeleigemälden: unter ben zahlreichen 
Mabonnen die aus bem Haufe Alba (in der Eremitage zu Petersburg); die aus 
dem Haufe Aldobrandint (London); bie fogenannte Vierge au Diad&me (Paris); 
die Madonna bella Sedia (Gall. Pittt zu Florenz); die Madonna bella Tenba 
(Münden) ; die Madonna dell’ Impannata ⁊c.; unter den heiligen Tamilien bie 
fogenannte Berle (Madrid) ; die unter der Eldge (ebentakeihiity um ce iii 


Naff — Naffles. 621 


holung derfelben die fogenannte Vierge au Lözard (Gal. Pitti) u. 2 zu Paris ıc. ; 
unter den anderen Andacdhtsbildern die Biflon des Ezechiel (Sal, Pitt); die heit. 
Caͤcilie ootegna) ; ber Erzengel Michael; bie Heil, Margaretha (Paris); os 
Hannes der Täufer (Tribune zu Florenz); unter ben größeren Altartafeln bie 
Madonna di Fuligno (Batifan); die Madonna del Pesce (Escorial) ; die Sir; 
tinifbe Madonna (Dresden) ; die Sreuztragung Chriſti (Madrid) und die legte 
Arbeit feiner Hand, die Verklärung Chriſti (Vatikan). Unter feinen Bortraits: 
Papft Julius IL und Leo X. (Gal. Pitti), R.'s Geliebte, Kornarina, jugendlicher 
um 1509 (Palaft Barberini zu Rom), älter um 1518 (Gal. Bitti), Johanna 
von Aragonien (Paris), Binde Altoritt, nach Anderen R. ſelbſt (Münden) ꝛc.; 
endlich unter den mythologifhen Wandgemälden in ber Billa Farnefe die Bala- 
thea (um 1514) und Ecenen aus der Gefchichte ber Pſyche (um 1518—20) ıc. 
Auch als Baumeifter zeichnete er ſich aus; ex entwarf den Plan für mehre Baläfte 
in Rom u. Florenz und leitete nach Bramante's Tode feit 1515 den Bau ber 
Peterskirche. Der raftlos fchaffende Geiſt rieb früh den zarten Körper auf; ber 
in ganz Italien Hochgefeierte farb am Eharfreitage 1520 im 37. Jahre und 
wurde in S. Maria della Rotonda beigefegt. Der Anmuth und dem edlen Aus⸗ 
drude feiner Züge entfprach fein wohlmollender , beicheidener und liebenswürbiger 
Charakter. Seine fehr zahlreihen Schüler, denen er ſich mit ber liebreich 
gingebung widmete, hingen ihm mit unbegränzter Verehrung an, doch artete ihre 

achahmung bed Meifters nur zu bald in Manier aus. Die ausgezeichnetften 
unter ihnen find: Giulio Romano, —— Benni, Giovanni da Ubine, Bartos 
lomeo Ramenghi, Benvenuto Barofalo ꝛc. Bafari’s Angaben von R.’s Aus⸗ 
ſchweifungen in der Geſchlechtsliebe find unerwiefen. Er ſtarb unverheirathet, war 
aber feit 1514 mit Maria, der Nichte des Cardinals Bibiena, verlobt. Ueber⸗ 
trafen ihn auch Michel Angelo in der Zeichnung des Nadten, die Benetianer im 
Eolorit, Eorreggio im Helldunfel, fo Hat boch in keines Künftlers Seele ein. Hör 
heres Ideal der Schönheit gelebt, noch ſich in einem gleichen Reichthume von 
Meifterwerken, vollendeter im Ausdrud und in der Anorbnung ber Geftalten, 
geoffenbart. Die vorzüglicäften Kuͤnſtler Haben die meiften feiner Werke in geluns 

enen Kupferſtichen vervielfältiget, deren Verzeichniß bis 1819 Graf Lepel lieferte, . 

ahlreiche Umriſſe finden fich bei Laubon, „Vies et oeuvres des peintres les 
plus celebres.“ Vgl. PBaffavant: „R. v. U,” ıc. (Leipz. 1839, 2 Thle.). 

Raff, Georg Chriſtian, Lehrer der Geſchichte u. Erbbefchreibung an 
dem Lyceum zu Göttingen, gehoren zu Stuttgart 1748, ftubirte feit 1756 auf 
dem Oymnafium zu Ulm und jeit 1771 zu Göttingen, wo er 1775 an ber Schule 
Vicar des Eonrecors, 1780 aber Rector wurde und 1788 flarb, eine oft ges 
druckte und in mehre Sprachen überfegte Geographie u. Raturgefchichte für Kinder 
(von jener die legte Ausgabe von Andres, 3 Bde, Böttingen 1790—92 ; von 
biefer die neuefte Auflage ebd. 1827) verbreiteten viele nuͤtzliche Kenntniſſe in der 
Kinderwelt und Haben, des kindiſchen Tone ungeachtet, weit mehr Werth, als 
fein zuletzt erfchienener Abriß der Weltgefchichte ehr Finder, Göttingen, 3 Thle., 
1787, der 4. Theil von Gaspari, ebd. 1792. 

Naffiniren, ein chemifcher Ausdruck, der im Allgemeinen von der Läuterung, 
Reinigung oder Ausicheidung eines Gegenſtandes von frembartigen Beftanbtheilen 

ebraucht wird. Diefes gefcbieht bei verfchiedenen Gegenfländen: namentlich beim 
uder cf. d.), beim Kampher, Quecdlffilber, blauer Farbe ‚ Metallen, befonders 
Gußeiſen u. Stahl, wo e8 durch wiederholtes Schmelzen und Schmieden bewirkt 
wird. — In übertragener Bedeutung Heißt raffinirt fo viel als umfichtig, 
ewandt im Denfen und Handeln, jedoch gewöhnlich mit tabelnder Neben⸗ 
edeutung. 

Raffles, Sir Thomas Stamforb, geboren am Bord eines Schiffes in 
Weftindien 1781, ward in Hammerſmith erzogen und kam früh als Schreiber 
in’s oftindifche Haus nach London, 1805 als. Sekretär des Gounerneurs Duni a 
Pulo⸗Penang, wo er fih bald bie malaiſche Syrache andanee, Diiweiitaer oh 


622 Rafflefia — Ragozi. 


1807 Regifttator wurde. Seiner Gefundheit halber ging er 1808 nad Malakka, 
warb 1810 Agent bei den Malaienftaaten und 1811 Gouverneur des neuerwor⸗ 
benen Java. Hier legte er die Zeindfeligfeiten mit den ingeborenen bei, nahm 
die Inſel auf und ot wefentlihe Verbeſſerungen in dem Geſetzbuche und in 
der Rechtspflege ein. Jahre 1816 kehrte er mit einer großen Sammlung 
von Raturalien ıc. nad) England zurüd, wo er 1817 feine "Bekhichte von Java“ 
(2 Bde, n. 9. 1830) herausgab. Als Bouverneur nad) Benkulen 1818 gefen: 
bet, bemühte er ſich namentlich um ae wefun⸗ der Sklaverei und foͤrderte das 
britiſche Intereſſe durch Beſetzung von Singapore, wo er 1823 eine Akademie 
für engliſch⸗chineſiſche Literatur gruͤndete. Den Abend vor feiner Abreiſe nad 
Europa, 2. Februar 1824, verlor er durch den Brand bes Schiffes einen Befis 
von faft 30,000 Pfund Sterling, nebft werthvollen Papieren. Saum 2 Jahre in 
England, ftarb er 1826. Bon feiner Wittwe erſchien: Memoir of Ihe life and 
public services of Sir Th. R. (2te Aufl. 2 Bde, London 1835.) — Nah ifm 
wurde eine zu ben Alotyledonen gehörige Pflanzengattung Rafflefia genannt. 
Man kennt von berfelben nur zwei Arten. Die wunderbarfte if R. Arnoldi, 
auf Sumatra, welche fchmarogend auf dem Wein und ben meiften Dikotylebonen 
wächst. Sie ift blattlos; ihr Außerft kurzer Stiel trägt eine Blume, welche, voll 
ftändig aufgeblüßt, über 3 rheiniſche Fuß Durchmeſſer Bat und 15 Pfund wiegt; 
ihre aus 5 ziegelrothen, mit weißen Warzen befegten Blättern befiehende, Vlume 
ruft auf einer kurzen unb weiten Röhre, die über 10 Berliner Quart Waſſer 
fafien könnte. Der Geruch if unangenehm und faulendem Yleifche ähnlich. 

Rafflefia, |. Raffles. 

Rafn, Karl Chriſtian, berühmter Kritiker und Archäolog, geboren 1793 
zu Brahesborg auf der Infel Bühnen, gründete als Unterbibliothefar zu Kopen⸗ 
hagen die Geſellſchaft für nordiſche Alterthumskunde 1825, deren Herausgabe 
alter Schriftdenkmale (über 50 Bde.) er redigirte. Jetzt ift er Profeffor in Ko: 
penhagen. Bon ihm find: Ausgabe von Lodbrog's „Z.odeslied” (1826), Samm; 
lung norbifcher Sagen (3 Bde. 18239 — 30, daͤniſch 2te Aufl. 1829 — 30), ber 
Farder Sagen (1832), Ueberfegung der „Antiquitt. americanae“ (1837), worin 
bie Entdedung und Kolonifirung von nordameifanifhen Küften durch die Scans 
binavier im 10. Jahrhunderte bewiefen wird, und gemeinfchaftlih mit Magnufen 
dic „Denkmäler Groͤnlands“ (2 Bde. 1838). 

Ragozi (Ragoczy), oder Kurbrunnen wird eine Mineralquelle von 
Fiffingen cf. d.) genannt, welche fehr Häufig benügt wird, und zwar häufiger 
zum Trinken, als zum Baden. Der R. entfprindt am Süd: Ende ber ſchoͤnen 
Eolonnabe des neuen Kurſaales aus einem Gewölbe von Sandftein und Bafalt, 
wobei er große Gasblafen mit ziemlich ſtarkem Geräufche entwidelt. Das Waffer 
dieſer Mineralquelle fpielt etwas in bie bläulihe Farbe und zeigt ſich gefchöpft 
nicht ganz wafferklar, weil fich fortwährend viele Gasblaſen entwideln; der Ge⸗ 
Ihmad beffelben ift fäuerlicfalzig, zufammenziehend, und ber Geruch pridelnd 
fohlenfauerartig ; gekocht läßt e8 den Gerudy nad) Brom wahrnehmen; einige Zeit 
ber Luft ausgeſetzt, läßt es einen gelblich sröthlichen Niederfchlag fallen. Die Tem; 
peratur der Quelle beträgt > 9° R., der Temperaturwecdhfel der Atmofphäre hat 
wenig Einfluß. Der R. gehört zu den eifenhaltinen Kochfalzquellen und iſt bes 
fonder8 ausgezeichnet durch feinen Reichthum an Chlornatrium, Eohlenfauerem Gas 
und kohlenſauerem Eifen, fo wie buch ſeine Beimifhung von Job und Brom. 
Er ift der erſte und wichtigfte Mineralbrunnen von Kiſſingen, äußert beim Ge⸗ 
brauche cine fräftige und vielfeitige Wirkung, und fagt fehr verfchiebenartigen 
Körperconftitutionen zu, weßhalb er zu einer großen Berühmtheit gelangt ift. Ob⸗ 
wohl er fehr reih an Salzen ift, wird er doch getrunfen und ift leicht zu ers 
tragen. Er wirft auflöfend und zugleich flärfend, — zunaͤchſt umflimmend und 
belebend auf die Bangliennerven des Unterleibs, den Darmfanal, die Leber = und 
Vfortader und Uteriniyftem, — bie Darmausleerung befördernd, auflöfend auf vors 
handene Stodungen, bie Menftruntion beförbernd, — und pflegt auch nach Been⸗ 


Ragufa, Bu >) 
digung feines Gebrauches auf bie regelmäßige Excretion bes Darmlanals ſehr 
mosuhii nad jutpirfen. Der Gebrauch bes R. ift entweber son zu wiberrathen, 
oder mit Vorfiht zu geftatten in allen jenen Fällen, in welchen Neigung zu aftis 
ven Congeftionen, Fieber, Difpofition zu wafferfüchtigen Beſchwerden, organijche 
Leiden bes Herzens ober der großen Gefäße ıc. den Gebrauch, Ahnliher Mineral- 
waffer verbieten. Im neuerer Zeit wird ber R. häufiger, als fonft, zu Bäbern 
benügt, hiebei,wirft er auch auflöfend und ftärfend. endet wird der R. alle 
Jahre in beträchtlichen Mengen, ö aM. 

Ragufa (lav. Dubromwnif, türf. Baprownif), t. Sreisftabt in Dal⸗ 
matien, und Haupiftadt ber 5 Republik R., liegt in einer zwiſchen dem 
Meere und dem Berge Sergio hinziebenben Thalebene. Es hat ſo ziemlich die 
Geftalt eines Dvals, deſſen äußerfte Punkte im, Süden und Norben bie. fanft 
bergan fidh erhebenden Vorftäbte Pille und Ploce bilden. Doppelte Mauern 
mit Bafteien und Thürmen, unter welchen beſonders ber riefige Mincetto in 
Augen fällt, geben der Stadt das Anfehen einer mittelalterlichen Feſtung. 
den beiden Landthoren ftehen die Forts Leveroni und ©. Lorenzo, Iehteres 
auf einem hohen, in das Meer vorfpringenden Felſen. Auch der Berg Sergio, 
welcher R. nach allen Seiten an beherrſcht, trägt auf ſeinem Gipfel. einige 
Beftungswerke, das fogenannte Fort Imperiale, weldes von den al 
begonnen, aber nicht vollendet worden ift. Cine breite, regelmäßige Strafe, dei 
Corſo, theilt im Innern die Stadt in, faft gleihe Hälften. ‚Die übrigen Gafjen 
find meift eng, winfelig, und mit den Höher gelegenen Teilen der Stabt dur 
mehre Stiegen verbunden. Der ſchoͤnen Gebäude hat Raguja mehr als icg, 
eine andere Stabt Dalmatiens aufzumeifen. -Befonders fehenswerth find: ber 
Palauo, welcher zur Zeit ber Republif als ei des Rectors diente, berzeit aber 
das Kreisamt, fo wie das Juftizteibunal und einige andere Amterien beherbergt, 
— bie Dogana, ein im erhabenften gothifchen Style aufgeführtes Gebäude, vor 
welchem ein folofaler Maftbaum mit ber k. f, oͤſterreichiſchen Flagge aufgepflanzt 
it, — das Münzgebäube Geht die Hauptmauth) und das Jefultenfollegium Geht 
ein Mititärhofpita. Unter den Kirchen zeichnen fih aus: bie Domfirde, mit 
dem funftreihen marmornen Monumente des berühmten Mathematifers Bosfowich, 
die Kirche bes Heil. Bafllius, des ehemals fo Koch gefeierten Patrons der Stadt, 
und bie Jeſuitenkirche. Die Zahl der maffiv aus Steinen erbauten Häufer, von 
welchen als einer Kuriofität zu erwähnen if, daß die Küchen unter bem Dache 
angebradht find, beläuft fi) auf etwa 900 ; doch trifft man barunter mehre ruinen- 
artige Gebäude, bie theils durch Erdbeben, theils durch bie früheren Belagerungen 
zerflört worden find. Dez Hafen R.6 ift Mein, übrigens folib gebaut, und wird 
durch das 1570 erbaute Hort Molo vertheidiget. Hart unter ben Kanonen diefer 
Feſte ift der Bazar, wo allwödhentli dreimal Markt gehalten wird — ber ein 
ige im Lande, den bie Bewohner ber Borgränge ber türkifchen Provinzen be- 
fucben bürfen. Der Play ift mit einer 4 Fuß Hohen Mauer umfangen, an deren 
Rückwand fi das Kontumazhaus anlehnt, von Akazien gegen bie Sonnenhige 
gefbügt, und mit einer, reichliches Waſſer fprubelnden Fontaͤne gefhmüdt. Die 
türfifhe Karawane verfammelt fih in Vergatto, einem 2 Miglien Weges von R. 
entfernten Graͤnzpoſten, von wo fe unter militärifher Bebedung auf den Bazar 
hin⸗ und zurüdgeführt wird. — R. ift der Sig eines Kreisamtes und eines Bis- 
tbums, und hat ein Piariftenfolegium,mit Bibliothek, eine Hauptfchule, zwei 
Spitäler, ein Bindelhaus, eine Duarantäneanftalt und ein Theater. Die Zahl 
der Einwohner beläuft fi auf 7000. Der Wohlftand derfelben gründet fich faft 
ausſchließlich auf den Handel, benn die Erträgniffe der Landwirihſchaft find im 

anzen Kreisgebiete von kaum mittelmäßiger Bebeutung; wenn aud das 
Allına vorteefflich, ift dagegen ber felfige und fleinige Boben dem Aderbaue befto 
ungünftiger. An Getreibe fehlt es far gänzlich; Eübfrüchte aller Art aber, 
hauptſaͤchlich Wein, Del und Seide, werben in großer enge und Göte es 
gebracht. — Die Induſtrie ift nicht von großer Wiätigketz ie Gummi 


624 Ragufa. 


berfelben find Gerberei und Rofogliobrennerel. Gegenwärtig iR ber Hanbel Rs 
mebr Speditionshandel, größtentheils nach Bosnien. Der —* it ſehr religiös 
und gebildeter als feine dalmatiſchen Nachbarn. Noch gibt es daſelbſt einen zahl 
reihen alten, aber freilich größtentheils verarmten Adel. Die Sprache ik ein 
Gemiſch von Slavifh und Stalinifh. Das Lanbvolt, ein fchöner und Fräftiger 
Menſchenſchlag, verbindet mit der Gabe körperlicher Reize eine höchft malerifche 
Nationaltracht. Gewandte Schwimmer und trefflicde, fühne Seelaute, befigen bie 
R.ner überhaupt alle Gefchidlichkeiten, zu denen Gewanbtheit oder Stärke erfor: 
derlich iſt, in hohem Grade. — Am Fuße eines kahlen Berges gelegen , der im 
Sommer die Sonnenftraßlen wie ein Brennfpiegel auf bie Stadt wirft, iR R. 
eben nicht beſonders reich an Lieblicden Umgebungen. Doch fehlt es nicht gam 
an intereffanten Punften. Der befuchtefte Epaziergang iſt nad Gravo ſa, eine 
großen und fchönen Meeresbucht, die den eigentlichen Hafen ber Etabt bilde, 
ungemein geräumig und viel ficherer if, al der dem Eirocco ausgeſetzte Hafen 
von R. felbfl. Diefelde Hegt eine Miglie nordwärts, und iſt durch eine 
Straße mit R. verbunden. An den Ufern der Bucht haben die R.ner ihre Billen. 
Naͤchſt dem Hafen befindet fi) das Schiffswerft, und Hier war es, wo bie Re 
publik ihre einft fo glänzende Marine ausgerüftet hat, hier wurden auch bie 100 
Schiffe gezimmert, welche unter dem unglüdlichen Zuge Karls V. vor Algier von 
ben Wellen verfchlungen wurden, fo wie jene Schiffe, die als ein Theil der un 
überwindlichen Armada das gleiche Schidfal traf, Ueberaus reizend ift eine Fahrt 
durch den Golf, um das nördliche Vorgebirge herum in dag Balle ’Dmbla; 
diefes von Omblafluße durchſtroͤmte Thal hat vieleicht die üppigfte Vegetation in 
ganz Dalmatien, und Achnlichkeit mit Bauchufe. Auf ber entgegengefegten Seite 
von R. liegt das ehemalige Klofter S. Giacomo, jebt Artilleriefaferne , vor wels 
ch em eine ** Dattelpalme ſteht. Gegenuͤber iſt die kleine Felſeninſel La⸗ 
croma. Hier landete 1192 Richard Lowenherz, und 1396 König Sigmund von 
Ungern, al8 er aus ber unglüdlihen Schlacht von Nikopolis als Ylüdhtling 
zuruͤckkehrte. Das Fort dafelbft ift mit einem Martmilianifchen Thurme verfehen. 
In Hiftorifchee Beziehung merkwürdig ift das 3 Stunden füdlih von R. liegende 
R. vechia, das ehemalige Epidaurus, 589 v. CH. von griechiſchen Anfteblern 
egrünbet, jet aber nur noch ein Armlicher Flecken. Man fieht von ber alten 
tabt noch eine Wafferleitung und die Gräbftätte des Prätors und Geſchichtſchreibers 
Diabela. In der Räte ift die berühmte Hilarionshöhle, wo St. Hilarion durch 
Berüßrung mit feinem geweihten Stabe ben Drachen entzaubert. — R. Wurbe im 
Jahre 656 n. Chr. duch Flüchtlinge aus Alt⸗R. gegründet, ale diefes die Treburier, 
ein flavifcher Volksſtamm, zerftört Hatten. 980 entſtand has Bisthum R. Bis zur 
Mitte des 12. Jahrhunderts gehörte das raguſaniſche Gebiet unter einerlei Herrſchaft 
mit Dalmatien, nämlich Illyriens großem Reihe an. Illyrier und Slaven vermifchten 
fih mit den urfprünglichen Einwohnern, denn die vortrefflicde Lage des Ortes an 
einer der herrlichften Buchten bes Adriameered, bot ihnen Gelegenheit zu einem 
nuͤtzlichen Hanbelsbetriebe bar. Hiedurch waren bie R.ner bald in den Stand 
nefebt, ihr Gebiet zu erweitern, felbft die Eifenwerfe zu SJacotina nebſt andern 
Bütern zu erwerben, und durch ihre Verbindung mit dem orientalifdhen Kaiſer⸗ 
reiche fi vor ber Oberherrfchaft der Venezianer zu ſchuͤtzen. In der zweiten 
Hälfte des 12. Jahrhunderts gelang es ihnen, ihr feines Territorium unabhängig 
zu machen, und fich felbft eine Verfaffung Xil libro dı Statuto) zu geben. “Der 
große Rath, aus allen Übdeligen über 18 Sahre beftchend, Hatte unumfchränfte 
ewalt, gab Geſetze und wählte auch den Fleinen Rath, der aus einem monatlich 
wechfelnden Rektor und fieben Senatoren zufammengefebt war. Der Abel tBeilte 
fih in drei Rangklafien, Bolognefi, Salamancheſt und Sarbonefl. Diefe ⸗ 
feffung bewwahrten die R.ner, als fie 1357 es raͤthlich fanden, ſich für einige Zeit 
n ungarifchen, und fpäter in tuͤrkiſchen Schub zu begeben. Im Sabre 1440 
zählte bie Stadt 35,000 Einwohner, und die Umgegend deren 20,000. Die Peſt 
raffte 1548 7000, 1562 aber MW Reniien iin. Ba 40. Url AUS rs 


Dam 


Ragufa— Raimund. 625 


Rörte ein furchtbares Exrbbeben die Stadt, und 5000 Menſchen wurden im einem 
Uugenblide unter * Truͤmmern ihrer oh begraben. Im Hafen von 
— —5* emporte Meer über eo Bahn e. zu Unfälle 24 
— Welthandels brachten R. von feiner Bed: fe 
Ana 1700, 1799, n feinem — nad Bann — Napoleon hie Sa 
am. 70,000 Dufaten, und 1 Ye Bun unter bem Borwande vers 
edter Neutralität, das Geblet ve ste, We ron von den Ruffen und 
Montenegrinern furchtbat wermüftet: wurde: Erftere führten aus dem von 
Bravofa 30 —— zum Theil beladen/ hinweg, und ließen 10 anbere 
in-Slammen aufgeben. 1 —— Raguſa zu dem neugebildeten franzöfiichen 
—— —— mit welchem ed 1814 an Seſterreich kam. * 
ing der ‚ehemaligen Repubiik R. betrug 27,7% . Meilen, und die 
— 40,000 Köpfe, — Appendini: Notizie istoris ie sulle 
storia e letteratura d6 Ragusei, R. 18035 Engel: Geſchichte des. Freifantes, 


Bien 18075 Better: Vittheilungen aus R., Wien f« Kumft und, 
Stern, 12h; Manberungm in Dalmatien’ Ausland 1890, MD 
ua, ven von, | Parmont. 
x f. Barnhagen, 


Ra helini, — genannt —— ein veginn Re, eboren 

zu Bologna 1450, erhob ſich in einem. Zeitalter, wo Menge aus; 

Geifter aufftanden , zum —— Künftlers Bologna's und lann 

aut der Bologneftichen Schule angefehen werben, e ſich bis auf ne 
dovico Caracci bewirkte, Revolution erhielt, darauf ‚aber in ber 

jeünbeten Schule: verlor. Seine Zeichnung war außerordentlich —— 
—— Hug fein Kolorit zierlich und feine Stellungen ausgezeichn et ſchon. 


"Heimen, Breimund, fi Rüdert 

Raimondi, Marco Antonio, ein berühmter Kupferfiecher von Bologna, 
geboren um 1475, Schüler Raibolint’s (. d.)., ſtach Mehres nah Dürer in 
Venedig, arbeitete in Rom unter Rafael's Augen an Stihen nad) biefem, beren 
Geift, Eharatter und Schönheit er mit größter Wahrheit wiedergab, litt nach 
Rafael's Tode wegen des Stiche von leichtfinnigen Darftellungen nah Giulio 
Romano Gefängnifftrafe und gewann durch den meifterhaften ei der Martern 
des heil. Zorenz nad) Bandinelli die Gunft des Papftes. Bei Erftürmung Rom’s 
durch die Spanier (1527) flüchtete er nach Bologna, wo er 1540 farb, Man 
zaͤhlt von ihm 395, nach Anderen fogar 516 Blätter. 

Raimund, Ferdinaud, ein elester dramatifcher Dichter u, Schaufpieler 
in Wien, geboren den 1. Juni 1791 in der Kaiferftabt, wo fein Vater das Drechs⸗ 
lerhandwerk betrieb. Der Knabe wurde zu einem Zuderbäder in die Lehre gegeben, 
gefiel fih indeffen Hier durchaus nicht; mur aus Gehorfam gegen feine Eltern 
wagte er nicht, ſich zu widerfegen. 1805 warb er durch ben N feiner Eltern 
verwaist und er wollte nun feiner heftigen Leidenfchaft für das Theater Folge 
leiſten. Allein feine ſchwerfaͤllige Ausſprache ſchien kaum für dieſe Laufbahn “ 
eignet u. nur durch bie ausharrende Geduld u. angeftrengtefte Hebung gelanı 
ihm in fpäteren Jahren, diefe Mißgunſt ber Natur zu Seflegen, Im Nähte 1808 
war es, wo erden längft genährten Wunſch raſch zur Ausführung brachte, u 
von feinem Meifter ihm aufgetragene Zubereitung einzufiebender Nüffe vollzog u. 
dann raſch eniflog. Ex ließ ein Papier zuriick, worauf er die Worte fehrieb: 

„Diefe vierzig Ruß 

„Sind meine legte Buß.“ 
Der 17jährige R. ſchloß fi) mehren sau pielerteuppen an, wurbe indeß wegen 
feines geringen Talentes manchmal abgewigen, z. B. in Meidling, in Prefburg. 
Erſt 1813 im Theater ber Joſephſtadt unt Direktor Kunz begannen feine the 
tealiihen Anlagen ſich bemerkbar zu machen; er AA ee Koyen, nV 
er burdy feine Komif u. durd bie Waheheit u. Rokur Spies ven & 

[iu 


Realencpclopäbte. VILL. 


626 Raimund, 


freunden ſich empfahl. Mit ungewöhnlichen Belfalle gab er 1815 in dem Leo» 
poldftädter Theater Gaſtrollen, erhielt dort Engagement und warb bald Xiebling 
des Publikums. Seit 1823 begann feine glänzende Periode auch als Dichter. 
— Sein erſter ſchriftſtelleriſcher Verſuch war „ber Barometerinacdher auf ber 
Zauberinfel“. m folgte ein Jahr darauf ber „Diamant bes Geifterfönige“ ; 
1826 „das Mäbhen aus der Feenwelt“. — Das Humoriftifch » elegifche 
Maͤhrchen „ber Bauer ale Millionär", Eine höhere Stufe poetifcher Au 
beurfundete fi 1827 in „Moifafurs Zauberfluch“. Es erſchienen 1828 „ 
gefefelte Phantaſte“ u. „der Alpenkönig” ; 1829 „bie unheilbringende Zauber 
one, Nachdem R. 1828 Direktor des Leopoldflädter Theater geworben war, 
trat er nach 2 Jahren nicht bloß von der Direktion, fondern von ber Bühne 
anz zurüd u, lebte ausfchließend feiner Muſe, da er durch feine verfchiebenen 
fireifen u. Gaftfpiele in München, Hamburg, Berlin, Prag eben ſowohl en⸗ 
thuſtaſtiſchen Beifall, als auch bedeutende Geldeinnahmen gewonnen hatte. Yür 
fein beftes Buͤhnenſtuͤckk wird „ber Verſchwender“ gehalten, welcher 1833 gefdhrie 
ben wurde. So vereinigte fih dem Äußeren Antiheine nad Alles, bie Griken, 
dieſes Künftlers zu erheitern, u. doch war gerade er der Glüdlichen Feiner. Seit 
13 Jahren, wo er als Dichter auftrat, firengte er feine Geiftesfräfte übermäßig 
an, um das nachzuholen, was an Bildung in feiner Jugenbzeit verabfäumt wor 
ben war, Die vielen verbrießlichen Geſchaͤfte ale Regiſſeur und Direktor trugen 
gleichfalls van bei, fein zur Melancholie geneigtes Gemuͤth mehr unb mehr zu 
verbüftern. fitt an Hypochondrie, welche durch die beängftigenben Träume 
nur noch mehr ſich fleigerte. In dem Bebirgsthale zwiſchen Pernitz u. Gutten- 
flein erfaufte er fih ein Landgut, um vielleicht in ber Landluft Linderung feiner 
Gemüthsleiden zu finden. Am 25. Auguft 1836 fpielte er zufällig mit bem Hof 
hunde und diefer ritte ihm die Hand. Bon dem böfen @eifte der Hypochondrie 
erfaßt, bemächtigte fich feiner bie furdhtbare Ahnung, ber Hund fönne toll ſeyn. 
Er befahl, im wohl in Acht zu nehmen u. machte, um ſich zu zerfireuen, einen 
Ausflug nad Mariazell, von welchem er am 29. wicder zurüdfehtte. In feinem 
Landhauſe vernahm er nun, bee Hund habe noch ein Mädchen gebiffen, und fei 
fofort erfchoffen worden. Run ſchien dem Unglüdlichen in feinem Wahne fein 
Zweifel mehr an feiner gräßlichen Ahnung. In ber entfeblichfien Geiſtesver⸗ 
wirrung befaßl er, jogleih nah Wien zu fahren, um dort die Hülfe ber Aerzte 
u ſuchen. Auf dem Wege von einem heftigen Gewitter ereilt, mußte er in 
ottenftein übernachten; Dort übermannte ihn bie finneverwirrende Angſt feines 
unvermeidlichen Schidfals und in einem unbewackten Augenblide voßführte er 
burd einen Piſtolenſchuß die entſetzlichſte That, welche nach Stägigen 2eiben ſei⸗ 
nem Leben ein Ziel febte, am 5. September 1836. Er flarb mit allen Zeichen 
der Reue über feine unglüdliche Webereilung. Ergreifend war die Tobtenfeler in 
der Pfarrkirche der Leopoldfiadt in Win. Ein reich mit Gold geftidtes Bahr: 
tuch bedeckte den Katafalk, auf dem eine Leler mit einem Kranze in Trauerflor 
ehällt fand. Als das Mozart’fche Requiem und die kirchliche Todtenfeler zu 
de, alle Kerzen ausgelöfcht waren, flimmten bie Bofaunen bie Melobie bes 
Tifchlerliedes aus R.s „Verſchwender“ an: „und kommt ber Tod eink wit 
Gewalt — fo leg’ ich meinen Hobel weg ꝛc.“ u. diefe Melodie machte Hierauf 
einen paflenden Uebergang in bie bes Chors aus feinem „Alpenkönig“ : „fo leb 
denn wohl bu flilles Haus“ u, |. w. Lautlos und gerührt ging bie Trauerver⸗ 
fammlung auseinander. — Seine bidhterifhen Produkte zeugen von einer 
vielfeitigen Erfindungsfraft u. von einer tiefen, wenn gleich trüben und ernſten, 
Weltanſchauung. Das Bollsmährchen ift noch von feinem Deutfchen in dramas 
tifcher Beziehung fo ausgezeichnet behandelt worden. Als Schaufpieler ſtand Ihm 
bie Befähigung, zu erheitern u. zu rühren, gleicherweife zu Gebote und er übte 
oft diefe Doppelderrfchaft über das Gemüth ber Zufchauer mit bewundernswer⸗ 
em Takte Als Eharakterbarfteller, wie als Komiker, war fein Spiel ſtets 
adrheit u, Ratur u. er verichmähte das fogenannte Effefthaf Defonbere 


Raimundus. 


in bee Rolle „Valentin“ war die Vielſeitigkeit der verſchiedenſten Nuͤan— 
wahrhaft bewundernewertfis — Seine fämmtlihen — und poetiſe 
Werke gab I. R. Vogt in 4 Bänden heraus, Wien 11 
Raimundus, Name —— eiligen- 9 * Pennafort, der 
Sproſſe eines an dem johauſe von Aragonien verwandten Geſchlech⸗ 
tes, wurde 1775 im Schloſſe Bennafort in Catalonieũ —— u. machte in den 


pr 


— —* a Fortſchritte, daß er ſchon in feinem 20. Jahre zu Bat- 
eellona mit all —— Philoſophie lehrte; ee —— — 
beitete ber. Heilige en auf bie en Schüler hin, 0 
ledoch die wiſſenſchaftliche — ——— ei 
freien Stunden widmete ev liebevoller — der Ui lüdtichen: u. frieblicher 
Schlichtung der unter (feinen — IPB: CARE entftandenen igfeiten.. € 
Jahre fpäter z09 ser. nach Bologna, um ſich im ei an * —— 
vervollfommnen , hard dafelbft. Doctor, und: zeichnet: 

Hohen. Grade aus, daß Univerfität u. Rath ia dhen —— — 

ſo gelehrten Profeſſor zu beſihen. Berengar, Biſchof von lan, a wãhite il 
= 41219 — —— von welcher de er bald zum A: eye oh 
vicar u. ſcial ſtieg u. ſich ſtets in allen pri! Aigen Zugeaden auag 


Die din 2 die er ſtets freundlich geſinnt war, nannte et nur feine 
—— urft nach Vervolllommnung im: Wiffen veranlaßte ihn, 1222, 
onate nah dem Tode des, Stifters, * heil. Dominifus, in den Orden ber 
Vredigermoͤnche in Barcellona zu treten. Er ſtand bereits in Pi ‚47. Jahre, 
einem Alter, wo gemeiniglich der Wille Allen unbeugſam feft if; de 
war Gehorfam feine Wonne, Demuth feine Luft, und oft bat er um 
von Bußen. Wir verdanfen dieſem Umftanbe das berühmte Werk: ,Summa 
Raimundi,* als ber Obere ihm aufetlegte, eine Sammlung. * Gewiſſenofaͤllen 
zum Unterrichte der Beichtvaͤter u. Studirenden der Moralı auf; — kr * 
erſte Werk in dieſer Art iſt. Uebrigens predigte er vortrefflich 
mit dem Seelenheile der Menſchen, befehrte Keher, Juden u. — u. 8 
Sünder mit der Kirche aus. Jakob, König von Aragonien, befand ſich unter 
der Zahl feiner Bußfertigen u. er war der Beichtiger des heil. Petrus Nolasco, 
den er bei Gründung des Ordens zur Auslöfung der Gefangenen unterflügte. — 
Als bei dem berühmten Annulirungsprozeß ber Che des Königs von Aragonien 
mit Elconore von Caftilien, feiner Blutöverwandten, beren Sohn Alphons aber 
als legitim anerkannt wurde, bie Bifhöfe auf dem Concil von Tarra; jena ver 
fanmelt waren, lernte ber Legat Gregot's IX. bie Geiſtesſchaͤrfe R.s 
waͤhlte denſelben, um einen Kreuzzug gegen bie Mauren zu prebigen. Sein ı je 
henber Eifer belebte die Schwachen, begeifterte bie Erſchlafften, vereinte die 
einigen; Caftilim u. Leon eroberten viele Städte, Aragonien befreite Majorca rl 
Minorca u. fpäter das ganze Königreich Valencia von ben Helden. Den groß⸗ 
artigen Erfolg verbankte man meiftentheils feiner feurigen Beredſamleit, bie bes 
VPapftes Gregor Aufmerkfamkeit erregte, ber ihn nach Rom berief, u. 1230 zum 
Kaplan, d. h. Beifiger in Rechtsfachen des apoſtoliſchen Palaftes, dann zum 
Pönitentiar u. Beichtvater ernannte. In diefem hohen Amte ſtrahlte feine Dile 
u. Liebe zu den Armen wieder herrlich Jene: und bie Buße, bie er dem Papfte 
auferlegte, beftand darin, daß er ihn nöthigte, alle Bittfchriften anzunehmen u. 
fogleih zu beantworten. In dieſer Zeit ammelte er auch auf Befehl bed im 
tanoniſchen Rechte fehr erfahrenen Papftes alle Defrete der Päpfte u. Concilien 
von 1150. Diele, unter bem Namen der Decretalen berühmte u. 1234 von Gregor 
in Schulen u. Tribunalen eingeführte, Schrift war bie Frucht dreijaͤhriger Arbeit. 
Als ihn ber Papft zum Bifchofe von Tarragona ernannte, bat er thränend, biefe 
Bürde von ihm zu nehmen u. wurde auf:die verneinende Antwort fo ernfhaft 
frank, daß der Papft unter ber Zunge nachgab, daß er fi (einen Rus 
er feioh wähle. Um feine zerrüttete Befunbheit wieder Yernutieien, xedie u \n 
Ei Baterlanb, wo man ihn mit wahrem Gntzüden emyling. RN —8 N 


Mi 


628 Naimundus. 


waͤhlte er ſeine fruͤhere Lebensweiſe, trachtete in Demuth nach Vervollkommnung, 
lebte fo ſtrenge, daß er nur einmal taͤglich aß, u. war fo inbrünfig, daß er ſich 
während der heil, Meſſe bee Thränen nicht erwehren fonnte Go demüthig er 
aber fonft war, fo unbeugfam feft war er, wenn es die Sache Gottes zu vers 
treten galt, u. ale Jakob ſich einmal ein ungefegliches Betragen Hatte zu Schul: 
ben fommen laflen, eilte R. zu ihm u. mahnte ihn, als König u. Chriſt zu Han 
bein. Da der König aber fein gegebenes Berfprechen nicht hielt, bat er um Er⸗ 
laubnig, den König verlafien zu dürfen, ben er nad) den Inſeln begleitet Hatte, 
Jakob verbot ihm bei Todesftrafe, fich einzufchiffenz ber Heilige aber ** „Ein 
König der Erde verfchließt und den Weg, der König des Himmels wird ihn und 
öffnen.” Sein Bertrauen warb belohnt, Bott ließ ein Wunder gefchehen u. Ja⸗ 
fob warb von Stund’ an dadurch folgſamer. Im Jahre 1138 wählte ihn bas 
Kapitel der Dominikaner in Bologna zum General u. fandte vier Geiſtliche mit 
der Botichaft an ihn ab; er mußte, aller Einwendungen ungeachtet, dem hohen 
Rufe folgen u. eine Würde annehmen, bie feinen Kräften nicht mehr angemeflen 
war. Democh aber wirkte er hoͤchſt fegensreih für das Wohl des Ordens, 
trug aber 1239 in dem Kapitel von Paris darauf an, daß ein General Alters 
er feine Entlaffung nehmen koͤnnte, legte nach zweijähriger Führung fein Amt 
nieder, als ber Vorſchlag burchgegangen war, u. trat im 65. Jahre wieder in 
den Moͤnchsſtand zurüd, nicht um zu ruhen, fondern um mit erneuter Kraft Gu⸗ 
tes u. alle Pflichten des Prieſters zu üben. Zur Verbreitung ber dhriftlichen 
Religion unter den Sarazenen u. zur Berbefferung ber Sitten feiner Mitchriſten 
firengte er alle feine Kräfte an bis zu feinem lebten Athemzuge. Da er bei ben 
Koͤnigin von Spanien in hohem Anfehen fand, benuͤtzte er daſſelbe ſtets zur Yörs 
derung bed Guten; er fcheuete ſich fogar nicht, ihnen ihre Gebrechen vorzu⸗ 
halten u. auf deren Verbeſſerung unerbittlich zu beſtehen. Als der Heilige ſein 
Ende herannahen fuͤhlte, oblag er mit gedoppeltem Eifer Tag und Nacht den 
ſtrengſten Bußuͤbungen u. dem Gebete. Während feiner letzten Krankheit beſuch⸗ 
ten ihn die Könige von Gaftilien u. Aragonien mit ihrem Hofe, fi) glüdlich 
ſchaͤtzend, den legten Segen nody von ihm zu empfangen; biefelben wohnten aud) 
mit den Prinzen u. Prinzeffinen ihres Haufes feinem Leichenbegängniß bei. R. 
farb, 100 Jahre alt, am 6. Januar 1275, nachdem er zuvor mit allen beiligen 
Saframenten verfehen worben. Bel feiner Ruheſtaͤtte geſchahen viele Wunder, 
wovon mehre in ber, _1601 vom Bapft Clemens VIII. erlaſſenen, Heiligſprech⸗ 
ungsbulle angeführt find. Jahrestag: 23. Januar, — 2) R. Nonnatus, aus 
dem Orden unferer lieben Frau von ber Gnade zur Auslöfung der Gefangenen, 
wurde 1204 zu Portel, im Bisthume Urgel in Eatalonien, geboren. Seine Eltern 
waren von einer edlen, aber nicht fehr bemittelten Familie. Bon Kindheit auf 
zeigte er an nichts Anderem Luft, als an den Anbadhtsübungen u. der Erfüllung 
feiner Pflichten. Mit einem fcharfen Geiftesblide begabt, durchlief er eben fo 
ſchnell, als gluͤcklich, die wiffenichaftliche Laufbahn. Sein Bater, eine Neigung 
zum Kloſterleben, ober doch zum geiftlichen Stande an ihm wahrnehmend, uber- 
ug ihm, um ihn davon abzubringen, die Obforge über einen Meiechof. Der 
Nu lige gehorchte ohne Widerrede u. aus Liebe zur Einfamfeit übernahm er felbft 
bie Sur der en und fuchte, auf den Bergen u. in ben Wäldern bas Leben 
der alten Einfiebler nacdbzuahmen. Ginige Zeit nachher drangen feine Freunde in 
ifn, an ben Hof von Aragonien ſich zu begeben, wo es ihm wegen feiner vor- 
trefflichen Eigenfchaften u. wegen feiner Berwandtichaft mit mehren vielvermögen- 
den Häufern nicht fehlen könnte, fein Gluͤck zu machen. Diefen Zubringlichkeiten 
zu entgehen, trat er, feinem ſchon langgefaßten Entfchluß gemäß, in den Orben 
unfer lieben Frau von ber Onade zur Auslöfung der ®efangenen. “Die Urfadhe 
dieſer Wahl war feine unbegrängte Nächftenliebe, indem er darin ben unter bem 
Sflavenjodhe feufzenden Ehriften manche geiftliche u. leibliche Hülfe zu leiſten ges 
bachte. — Anfangs widerſehte AG fein Vater dieſem Vorhaben; zulegt aber ers 
Sangte R. beſſen Beiftimmung u. legte ya Barcelona In ie Sünhe tes Al. Petrus 


Raizen — Raja. 629 


Rolasco, der biefen Orden gefliftet Hatte, feine Gelübde ab. Der neue Ordens⸗ 
jenoffe ward bald durch feinen Eifer, feine Abtödtung u. feine übrigen Tugenden 
das Mufter feiner Mitbrüber, Seine Fortfehritte in der Volllommenheit waren 
jo ausgezeichnet, daß er nach zwei oder brei Jahren fchon würdig befunden 
wurde, ben hl. Drdensftifter in dem Amte eines‘ Exlöfers ber Gefangenen zu ers 
jegen. Gr ward nach Algier geſchickt u: befreite da eine große Anzahl’ Chriſten. 
Als er fein Gelb erfhöpft fah, gab er ſich ſelbſt als Geißel für jene Gefangenen 
Mn, beren Lage am härteften war u. deren Glaube am meiften gefährdet Pien, 
Diefes großmüthige Opfer feiner eigenen Freiheit erbitterte aber nur noch mehr 
die Muhamebaner, Sie mißhandelten ihn jo unmenſchlich, daß er unter ihren 
Händen geftorben wäre, wenn bie Furcht, das beftimmte Loͤſegeld zu verlieren, 
die Stabtobrigkeit nicht bewogen hätte, bem Befehl zu ertHeilen, daß man feines 
Lebens ſchone. R. fah fich num im Freiheit gefegt 1. durfte. hingehen, wo er 
wollte. Diefe Erlaubniß benüpte er, um bie Ehriften zu befuchen u. zu tröften, 
Much öffnete er mehren Muhamebanern die Augen, daß fie, bie Wahrheit des 
Evangeliums 'erfennend, ſich taufen liefen. Ais bieß aber bie Dean erfuhr, 
oerurtheilte fie ihm, lebendig geſpießt zu werben, Die Theilhaber an der Beſahl⸗ 
ang bes Löfegeldes der Gefangenen, für welche. er als Geißel ſich Hingegeben 
hatte, erlangten jedoch eine Veränderung bee Strafe, vermöge welcher er 

am mit Stodfchlägen mißhandelt wurde. Diefe Peinigung verminderte ſen 
feinen muthvolien Eifer nicht, denn er glaubte, fo lange noch Nichts gethan zu 
haben, als er feine Brüder in ber Gefahr bes ewigen Berberbens —* Auch 
ieß er feine Gelegenheit vorübergehen, wo er ihnen zu Hülfe eilen konnte, Er 
begann von Neuem fein Werk des Heiles u. ermahnte bie Chriſten u. unterrich⸗ 
ete die Ungläubigen, Die Stabtobrigfeit, davon in Kenntniß gefept, ergrimmte 
darüber fo ehr, daß fie ihn an allen Straßeneden der Stadt en, bie Lefzen 
nit einem glühenden Eifen auf dem Marktplape ihm durchbohren u. ben Mund 
nit einem Hängefchloß fperren ließ, das man nur zur Efienszeit wegnahm. Nach 
diefem legte man ihn in Ketten u. verfchloß ihn acht Monate lange‘ in ein Ger 
fängniß, bis feine Orbensbrüber das von bem HI, Petrus Nolasco gefdidte 
Vöfegeld brachten. Da man ihm nun nicht mehr in dem Gefängniffe laſſen wollte, 
begehrte er die Erlaubniß, wenigftens unter ben Gefangenen, bie feines Beiſtan⸗ 
des fo ſehr beburften, leben zu dürfen. Allein auf Befehl feines Obern mußte 
er in fein Vaterland zurüdfehren, Kurz nad) feiner Ankunft in Spanien wurde 
R. von dem Papfte Gregor IX. zum Cardinal ernannt. Diefe Würde veränderte 
aber fo wenig feine Gefinnungen, daß er, wie vorhin, fein ärmliches Ordenskleid 
trug und bei feiner gewohnten Lebensweiſe verharrte. Cr zog feine Zelle dem 
angebotenen Palaſte vor, wollte Nichts von reihen Geräthfdhaften wiſſen u. be⸗ 
grügte fi mit ben nothwendigſten Bebürfniffen. Der Papft berief ihn hierauf 
nah Rom, um ihn in ber Leitung ber Kirche zu Rath zu ziehen. Er trat ben 
Weg als ein armer Orbensmann anz kaum aber war er zu Cardona, etwa 6 
Meilm von Barcellona, angelangt, ald er von einem heftigen Fieber befallen 
wurde. Man bemerkte bald die Zeichen des nahen Todes und er flach ben 
31. Auguft 1240 in bem 37. Jahre feines Alters. Sein Leib wurde in einer 
Kapelle, zum Heiligen Nikolaus genannt, begraben u. der Heilige Petrus Rolasco 
ließ daſelbſt ein Klofter feines Ordens erbauen, worin man noch bie Reliquien 
des heil. R. aufbewahrt. 1657 ließ ber Papft Alerander VII. feinen Namen in 
das römifche Martyrologium ſetzen. Jahrestag 31. Augufl. 

Naizen oder Raazen, ein flavifcher Bollsftamm in Slavonien u. Serbien, 
ber im 7. Jahrhunderte bafelbft einwanderte u. vom Fluſſe Rafa feinen Ramen 
fun, Sie befennen ſich theils zur roͤmiſch⸗, theils zur griechiſch⸗ katholiſchen 

eligion. 

Anja oder Radſcha, ift eigentlich ber Titel der eingehorenen Kiten Sr 
boftans, von denen nur bie weni taften noch unabhängig, Wie weten Kriger Ten 
Broßmogul u. jept ben Briten tributpflichtig find. Ba weterer Beheaumg Ü 


630 Najas — Rakete. 


es überhaupt ein Titel, den ber Großmogul verleihen kann u. der in Hinboflen 
fo verbreitet if, als in Deutſchland bie niederen Adelstitel. 

RNajas (arabiſch, d. i. Herde), Heißen bie nicht muhamebanifchen Unter 
thanen der Türken. 

Najolen, Rigolen (fr. rigoler), den Boden 2— 4 Fuß tief auflodem, 
entweder durch Hade u. Spaten, oder durch beſondere Vflüge (Rajolpflüge), um 
bei gutem Untergrunde eine tiefere Aderfrume zu gewinnen, bie Erbarten zu mis 
fchen, oder das Unkraut zu tilgen. 

Rakete nennt man gewöhnlich ein fleigendes Feuer, welches aus einer, wit 
len an geladenen, Hülfe von ftarfem Papier oder Pappendeckel befteht. Diele 
ülfe ift an einem Ende verfchloßen, an dem andern mit einem Brandlodye ver: 
fehen, aus welchem das Gas ausſtroͤmen fann, und mit einer Miſchung von Eal- 
peter, Schwefel, Kohlen, Mehlpulver, oder bem Sa, angefüllt. Diefer Gap Hat 
die Treibfraft Hervorzubringen, weßhalb ee auch Treibfag genannt wirb. “Diele 
Treibkraft ift die Spannkraft des entwickelten Gaſes, weldyes nach allen Seiten 
einen gleichen Drud ausübt und wovon ber nad den Eeitenwänben ber cylinbti: 
ſchen da als gleich und entgegengeſetzt, ſich gegenſeitig aufhebt, waͤhrend nur 
der in der Laͤngenaxe ber Hülfe, deſſen Gegendruck durch die Ausſtroͤmung aus 
bem Brand» oder Zündloche vernichtet wird, thätig ift und die R. in Bewegung 
feat. Das Schießpulver ift zu einem ſolchen Sabe befonders verwendbar. Ba 
dem R.nſatze darf jedoch die Entwidelung des Gaſes nicht momentan oder in jo 
furzer Zeit, wie bei dem Echiefipulver, erfolgen, indem die möglicherweife verwend- 
baren Hülfen niemals fo viel Biberftandefähigfei haben, einen fo ploͤtzlichen 
Stoß, ohne zerriffen zu werben, auszuhalten. Gewöhnlich fest man dem Sape 
der Signal-R.n deßhalb überflüßige, grob verkleinerte Kohle zu, bamit beim 
Auffteigen derſelben ſich ein langer, feuriger Streifen bilde. Die Säge ber Gig 
nal-R.n find in der Luſtfeuerwerkerei — 28 ſehr verſchieden, weil es ſich hier 
nicht immer um die größtmögliche Triebkraft handelt; im Militär dagegen kom⸗ 
men gewöhnlich auf 100 Thle. Salpıter 16 Schwefel und 31. 25 grob gepul⸗ 
verter Kohle, nebft 12. 8 Mehlpulver, mithin im Ganzen Schießpulver mit über 
ſchuͤſſiger Kohle. Diefe Hülung oder diefer Sag wird mittelft eines cylindrifchen 
Setzers von feſtem und hartem Holze, ober auch mittelft einer Preffe Hart u. feh 
eingeichen, was man das Schlagen der R.n nennt. Um das Aufſteigen ber R.n 
zu befördern, welches befonder6 hurch die Größe der brennenden Oberfläche ge 
Nepieht, befommt die R. eine Bohrung, d. i. eine Tegelfürmige Seele, weldhe — 

wirkliches Ausbohren in ber Mitte des maſſiv geſchlagenen Satzes ober mitt 

eines eifernen Dornes hervorgebracht wird, Die Bafls dieſer Bohrum bildet dad 
Brandloch. An dem, dem Brandloche entgegengefegten, Enbe ber Sütfe wird 
nach dem Einſchlagen des Satzes eine kleine Quantitaͤt Puͤrſchpulver gelaben, 
was mar Schlag nennt, oder mar befeſtigt ſtatt deſſelben eine Kapſel, welche mit 
Schwaͤrmern, Regenkugeln, Leuchtkugeln, Sternpugen, auch mit Serpentofen n. 
f. w. angefült und zum Auswerfen diefer Körper mit einer angemeflenen Pulver⸗ 
ladung verjehen ift. Zwiſchen der Zehrung und biefem Schlage befindet ich ein 
Vorſchlag, d. 1. ein Eylinder von Papier, Pappendeckel, Thon. Diefer Borfchlag 
ift in feiner Are durchbohrt und leitet nach dem Berbrennen ber Zehrung bas 
Feuer in das Pulver der Verfegungsfapfel. Damit nun die Rn ihre Richtung 
behalten und auch der, dem Brandloche gegenüberftehenbe, ſchwerere Theil ber 
Hülje mehr in der Richtung nach oben erhalten wird, werben fie an einen, R.ns 
fetenflod oder R.nflab genannten, Stab angebunden. Diefer Stab iſt ge 
woͤhnlich 5— 6 mal fo lang, als die Hülfe, und deßhalb if an feinem obern 
Ende eine Hohltehle angebracht, in welche die R. gelegt und angebunden wird. 
Die Rn fteigen zu einer fehr beträchtlichen Höhe und die darüber angeflellten 
Berfuche weiſen nach, baß eine R. von 1! Z0U im Durchmefier eine Höhe von 
2200° erreichte u. |. w. Im der neuen Zeit betlent um A ah einer Urt 
verfester Rn, welche man Zallihirms in nenn. Die Anyiiilen in Sta 





Aalkoczy⸗ 631 


ı mals R.n, welche bei. Luſtfeuerwerlen angewendet werben und bon. welchen biss 
daher gefprochen wurbe, u, in Kriegs R.n ober congrev’fche, Rn. Dieje 
!  fegteren ‚gleichen: ben Signal-R,n, Haben jedoch Rärkere Dimenflonen. Man ver- 
fertigte deren von 18%, 2, 3, 34,44 im Durchmeifer,. und ihr Gewicht betrug 
24, 26—40 Pfund. Man ſchoß ſie unter einem Winkel von 45, 55. und -60% 
Die Hauptbeftandtheile dieſer Raketen find: die Bu die Brandfappe oder 
die Haube und der Stab, ,, Die Hülſe iſt ein Eylinder von Blech, welcher an 
dem einen Ende mit.einem, gleich diden Spiegel, von Fann deſſen Höhe & 
des Durchmefjers. ber Huͤlſe beträgt... werfe ft: ‚Der Spiegel hat in feiner 
Mitte ein 15 Rarkes, Mündungsfläche oder — der R. genanntes Loch, 
Die Hüͤlſe iſt inwendig mit einem, mit ftatkem Kleiſter oder Leim angellebten, 
Blatte von Pappendedel verſehen. Die Brandhaube iſt ein Cylinder von dem 
Durchmeſſer der R. und endet mit einem Segel, beffen ‚Höhe bem doppelten 
Durchmefier. des Eylinders gleich if. Er hat am feiner Spige eine 18% lange, 
vieredige, don hinten nach vorne mit ezahnten Kanten verfehene Spihe und 
der kegelformige Theil ift mit 6, ber Eylinder aber mit 3. Löchern verſehen. Die 
Brandhaube wird mit einem Sape aus 24 Pfund Schwefel, 8 Pi — 
412 Pfund Mehlpulver und A Pfund Kornpulver gefuͤlit. Die e oder Richt⸗ 
ungsftöde find. vierſeitige Prismen von leichtem Sie ſind an ihren dacen 
teiiformig *9 dhlt imd werben. mittelft — indern an ber R. 
€ e foll fo ſeyn, daß ber Schwerpunkt ‚einer mit Allem verfehenen R. un+ 
ter-bem Zundloche ſich befindet, Der Richtungsſtock wird dann an bie R. 


befeftigt, wenn man dieſe ‚werfen oder fchießen will, Die Rin werben in dem 
Augenblide, .ald man fie werfen will, ‚eine lange, an dem Stabe, dem Brand« 
ober. Zündlodpe der R, ‚gegemüber- mittelff eines befefligte"Stoppine, von 


welcher ein Faden, ohne zu. weit in das Zuͤndloch ‚gehen, in daſſeibe eintritt, 
und ‚duch einen in der Nähe befindlichen Kanonier entzündet. In det meuern 
Zeit dat man, die congrev’fhen R.n betreffend, bedeutende, Fortſchritte grad, 
Einer ber wefentlichften befteht darin, daß man den Ruſtock jeht in bie Are der 
R. einſchraubt, ftatt ihm, wie früher, anzubinden. Dadurch ift es möglid). ges 
worben, die R. aus einer Röhre zu fhießen, ftatt fie, wie früßer, in eine Rinne 
zu legen. Das Geheimniß, welches Heute noch bie congrev’fchen R.n umgibt, ift 
nicht mehr in ihrer Fertigung zu fuchen; denn bie dicht gewebten Schleier, welche 
das Laboratorium von Eongreve, feine Privatraketenfabrit, die MWerfftätten ber 
Oeſterreicher, der Franzoſen und auf einer ber. daͤniſchen Oſtſeeinſeln umgaben, 
find längft zerriffen und das Geheimniß der Kriege R.n ift heut zu Tage in der 
Entdedung ihres aeedmäfigfen jebrauches zu ſuchen. Es criftiren eine Menge 
von Anfihten über ben Gebrauch der Kriegs-R.n, allein immer noch Feine feften 
Regeln; man Eennt fohin die Eigenthuͤmlichkeiten der Kriegs-R.n, bie fie befähi- 
en, fi ber Artillerie an die Seite zu flellen, noch nicht und fohin bebarf die 

tt, wie man fid) deren bedienen foll, erft ber Loſung, beren Beendigung nod) in 
weiter Ferne liegt. 

Rakoczy iss Ragopy oder Ragopky, wie bie Deutfchen u. Franzoſen 

oft fchreiben), ein altungariſches mächtige Geſchiecht, welches ben Siebenbürgern 
mehre Fürften gab und am ber Spige der Malkontenten in Ungarn gegen bas 
Haus Oefterreih ftand. Die merfwürbigften find: 1) Sigmund, ®roßfürft 
von Siebenbürgen 1607—8. 2) Georg L., befien Sohn. Nah Sigmunds Tode 
wurde Bethlen Gäbor (f.d.) Großfürft von Siebenbürgen. Ihm folgte Georg I. 
1630-8. Er fand unter türfifcher Oberherrlichfeit, war in Feind eigteit mit 
Serdinand I. und griff deßhalb einigemale zu den Waffen. Bon den Schweden 
und Georg II. zugleich bedrängt, ſchloß Ferdinand mit lepterem Frieden zu Linz 
1645, in welchem die Proteftanten mehre Begünftigungen erhielten u. R. fieben 
ungarifche Eomitate zu Siebenbürgen befam, Dr Bea RE, fh um Kinie 
von Polen wählen zu laffen, mißlang. — 3) Georg N. nad bei üed Boierd An 
zum Öroßfürften gewäßlt 1642, vegierte-felbfftändig won ARAR, in wein Joe 


632 Raty— Naleidg. 


fein Vater ſtarb. Im Kriege zwifchen Schweben und Polen, 1655, nahm er 
SBartei für den Schwedenkönig Karl Guſtav, obſchon die hohe Pforte, unter deren 
Schutze er fland, ihn davon abmahnte. Die Türken ſetzten ihn feines Ungehoriams 
wegen ab. Er kämpfte nun gegen ben neuen Großfürften Franz Reben und 
fpäter gegen Achaz Barefay mit abwechſelnden Blüde Nun mifchten fich bie 
Fürften in den Kampf. Bei Klauſenburg kam es zur Schlacht, 1660. R. erhielt 
vier Kopfwunden u. wurde von ben Seinen nad) Großwardein gebracht, wo er am 
8. Suni 1660 vierzigiährig farb. — 4) R., Franz J. geboren 1645, wurbe fchon 
1552 zum Großfürften von Siebenbürgen gewählt, gelangte aber nie zur Herr⸗ 
fhaft, weil die Pforte Michael Agaſy I mit diefer ürbe bekleidete. ine 
Mutter, Sophia Batort, vermochte ihn, zur katholiſchen Religion zurüd zu treten. 
Die früheren R. waren Calviniſten. — R. war lange im guten Einvernehmen 
mit Kaiſer Leopold I., der fich, obfchon vergeblich, bemühte, ihm Siebenbürgen 
zu verſchaffen. Trotz dem ließ fih R. von feinem Schwiegervater Peter Zrinyi — 
die berühmte Helena Zrinyi war R.s Gemahlin — verleiten, an der großen Ber 
fhwörung Weflilinni’s, Naͤdasdy's u. f. w. Theil zu nehmen. R. brach mit an; 
fehnlihder Macht los 1670. Als er aber Hörte, daß fein Schwiegervater und 
Nadasdy u. Franzgipan in Wien ſchon gefangen; als General Spork gegen ihn 
anrüdte, verglich er fi mit dem Kaifer durch die Vermittelung feiner Mutter, bie 
immer fireng kaiſerlich geblieben. Zurüdgezogen lebte er dann noch 6 Jahre, u. 
farb am 8. Juli 1676 zu Makowitz, 31 Jahre alt. — 5) Franz IL, des Vorigen 
u der Helena Zrinyi Sohn, geboren 1676. Seine Mutter vermäßlte fidh im 
zweiter Ehe mit Tököli ci. d.), als fie Munkacz nach Zjähriger Belagerung 
den Raiferlichden übergeben mußte, wurbe fie mit ihren beiden Kindern Yranz u. 
Zullane nah Wien gebracht. R.s Bormund wurde Bifchof Kolonics. R. wurde 
bei den Sefuiten erzogen. In Deutſchland vermählte er fich mit Karolina Amalia, 
PBrinzefin von Heflen-Rheinfele. Er war lange ein treuer Anhänger des Kaiſers; 
endlich ließ er fich verleiten, durch einen Faiferlichen Offizier, Longewall, mit bem 
franzoͤſiſchen Hof zu correfpondiren 1700, 1. November. Dieb wurbe entweber entbedt, 
oder durch Longewall verrathen u.R. gefangen nad) Neuftabt gebracht. Bon da 
entfloh er nach Polen, kam nad Ungarn zuräd u. fland 11 Jahre an der Spige 
der Malcontenten, Anfangs mit viel Gluͤck, fpäter aber wurden feine Truppen 
häufig geſchlagen; er ging nad) Velen, um Hülfdtruppen zu bringen, aber während 
defien ſchloß Hyban Kärolyi, bisher R.s feſteſte Stüge, mit dem kaiſerlichen Co⸗ 
miffär Palffy den Frieden zu Szathmar 1711, 29. April, durch welchen die uns 
garifhen Bewegungen gänzlich erlofhen. R. ging nah Parts, von bort nad 
Madrid zum Cardinal Alberont, endlich in die Tuͤrkei; dort lebte er zu Rodoſſo 
in Kleinaften. Er flarb 1735 den 8. April. Seine Frau war fon 1722 zu 
Paris geftorben. Er Hinterließ 2 Söhne, Georg u. Joſeph. Georg IM. flüchtete 
von Wien nach Frankreich 1727, befuchte feinen Vater in Robofio 1732, ging 
nad) Frankreich zurüd ; was weiter mit ihm gefchehen, ift unbefannt. — 6) Joſeph, 
entfloß von Wien 1734 nah Frankreich, Tam 1736 nad Rodoſſo; die Türken 
wollte ihn zum Großfürften von Sieb mblirgen erheben, aber er ftarb, 38 Jahre 
alt, 1738. Mit ihm erlofch das Geſchlecht R. Mailäth. 

Raky oder Racky ift ein, befonders in Slavonien, Illyrien und ber öfter 
reichiſchen Militärgränze aus blauen Pflaumen oder Zwetichen bereiteter, flarfer 
Branntwein, der beſſer u. nicht fo note ift, al6 der ungariſche Slibowitza. Der 
flavonifche, beſonders ber fyrmifche, wird am meiften geichägt, Indem er ſelbſt bem 
Rum Nichts nachgeben u. eben fo, wie biefer, zur Punfchbereitung geeignet feyn 
fol. In Syrmien werben oft in einem Jahre, wenn bie Pflaumen gut gerathen, 
pegen 40,000 Eimer R. gebrannt, ber befonders nach Trieft u. Fiume geht, wo 
in die Schiffer gerne kaufen. 

Raleigh, Sir Walter, geboren 1552 zu Hayes bei Bobley in Devonfhire, 
aus einer alten Familie, ſtudirte Anfangs Rechtswifienfchaften, ging aber fpäter als 
Freiwilliger mit den von ber Königin Elifabet ben Hugenotten gejandten Hülfstruppen 


Rallentando — Ramaſan. 633 


nad Frankreich und focht 1578 mit ben Inſurgenten in ben Niederlanden dogen bie 
Spanier, erwarb fi 1580 bei Befämpfung ber Empörung in Irland die ng 
Elifabeths, die ihn darauf zum Statthalter von Eork erhob u. ihm miehre Güter 
in Irland ſchenkte. Begierig nah Ruhm, rüftete er 1583- auf eigene Koften ein 
Schiff aus-und machte damit Entdefungsreifen nach Nordamerika, und obſchon 
biefe von feinem ‚glüdlichen Erfolge begleitet waren, fo entwarf er boch neue 
Plane, Im Jahre 1584 erhielt er ein Patent auf Entdefung u. Eoloniftrung 
aller Länder Norbamerifa's, die fich noch Fein chriflicher Staat angeeignet Hatte, 
u. brachte mit 2 Schiffen eine fo reiche Ladung Helm, baf fein Verwandter, Sir Richard 
Greenville, fogleih mit 7 Schiffen abging, wobei Virginien in Beftg genommen 
u. ber Babaf nebft den Kartoffeln nach opa gebracht wurde, Unterdeſſen war R. 
zum Ritter erhoben, fortwährend: mit Gütern belohnt worden u. fo Hoch im ber 
dh Gunſt geftiegen, daß Leiceſter es für nothwendig fand, ifm ben Grafen 
von Eſſer entgegen zu ſtellen. So wie er die Mittel zur Begegnung der Armada 
berieth, fo trug er mit einem eigens ausgerüfteten Schiffe zu ——— 
Die Wiebereinfegung des Königs von jal führte ihn 1589 in biefes h 
wo feine Geldſucht nicht unbefriedigt blieb. Dichter Spenfer, ber ihn ale 
den Shepherd of the Ocean verherrlichte u. die Einleitung zur „Faery Queen“ 
an ihm richtete, führte er am Hofe ein. Bon bem Unternehmen gegen Panama 
(1592) zurüdgerufen, verfcherzte er durch ein Berhältniß mit einer 2 
bie er jedod dann heirathete, bie königliche Gunſt, erlangte fie jedoch durch die 
Erpebition nach Guiana, welches er fr Eiifabeth, in $ nahın, De 
daß er 1596 einen ea unter‘ bem Grafen von Effer gegen erhielt u. 
fpäter Gouverneur von Jerfey wurde. Unedel weibete er fi an der Hinrich 
feines Gegners, des Grafen von Eſſer, ohne zu daß fein eigener Glürt 

dem Eriölhen nahe war, Jakob I., erbittert, dah R, Vorftellungen über bie Ans 
ſtellung von Schotten in England machte u. Feind feines ', bed Grafen 
Eſſer geweſen war, ſah es gerne, daß fich Jemand fand, der R. ber Theilnahme 
an ber myfteriöfen Verſchwoͤrung befehuldigte, welche Arabella Stuart auf den 
Thron fegen wollte. ine erbärmliche Jurie fand ihn des Hochverraths ſchuldig; 
er ward 12 Jahre in den Tower gefegt, wohin ihn feine Gattin begleitete, und 
erhielt erft durch Beftechung des Günftlings Billiers feine Freiheit wieder. Im 
Kerfer verfaßte er die treffliche History of the world, neuefte Ausgabe, London 
1736. Seinem zerrütteten Bermögen wieder aufzuhelfen, uniernahm er mit önigl. 
Patent, aber ohne Vernichtung bes früheren Urtheilsſpruches, eine Exrpebition nad 
Guiana, wo er gegen ben Auftrag die fpanifhen Nieberlaffungen angriff. Den 
Klagen bes fpanifhen Gefandten darüber ſchenkte Jakob I. um fo lieber Gehör, 
als er um bie Hand ber Infantin für feinen Sohn Karl nachſuchie, u. war ſchaͤnd⸗ 
lich genug, R. bei feiner Rüdfehr 1618 verhaften u. wegen ber neuen Ueberſchrei⸗ 
tung feiner Befugniß auf Grund bes früheren Urtheils am 29. Oftober 1618 
binrichten zu laflen. Er ftarb männlid. — Unter dem Titel „Miscellaneous 
works“ (2 ®be., London 1748), erſchienen feine Heineren Säriften politifchen, 
hiſtoriſchen u. poetifchen Inhalts. 

Rallentando (aud) lentando u. ritardando), eine muflfalifche Vortragsbe⸗ 
zeichnung, nämlich: bebeutender nachlaffend, mälig langfamer im Grabe ber 
Stärke u. im Zeitmaße. Der Wiedereintritt der früheren Bewegung wird ger 
woͤhnlich mit a tempo bezeichnet. » 

Ralliement bedeutet das Sammeln -Blänflern auf ein gegebenes Zeichen 
— das Wiederfammeln ber im Gefechte WR Unordnung gerathenen Truppen — 
aud den Ort (point ou lieu de ralliment); welcher für ben Fall, als man ge 
ſchlagen würbe, ben verſchiedenen Truppen als Sammelplag angewiefen wird. 

Namafan oder Namadan, ber 9. Monat ber Türken, wo täglihd vom 
Sonnenaufgange bis Riebergange bie firengften Faſten gehalten werhen, wur I 
Nachts if es erlaubt, ſich buch Nahrung zu Rürten. Dod te Bromirt 


634 Ramdjana — Namean. 


fließt fih daran u. das R. fällt, wegen ber Rechnung nach Monbenjahten, 
ebenfalls binnen 33 Jahren in alle Jahreszeiten, 

Aamäfana, f. Sanskrit. 

Ramberg, Joh. Heinrich, Hofmaler zu Hannover, geb. daſelbſt 1763. Sein 
Bater, welcher Hofrath war, ſuchte Durch Unterricht in der Perſpektive u. Delmalerei, 
den er dem Sohne ertheilte, feine vielverfprechenden Anlagen frühzeitig zu ent 
wideln. Während einer Harzreife verfertigte der Hoffnungsvolle Künftler in we 
nigen Tagen eine ziemliche Anzahl von Länderzeichnungen, weldye die romantifchen 
Punkte des Harzgebirges naturgetreu twieber gaben. Diefe Eontouren, von bem 
bannoverfhen Minifter zu Et. James dem Könige vorgelegt, veranlaßten ben 
Entſchluß des Königs, dem jungen R. ein bedeutendes Reifegeld nah En 
zu bewilligen u. ihm eine Stelle an der Maler⸗Akademie zuzufichern. 9 Jahre 
lange weilte R. in London u. vervollfommnete ſich unter Reynold’8 Leitung in 
feiner Kunſt jo fehr, daß er jeden verlangten Gegenfland aus dem Kopfe zeichnen 
fonnte. Die gefchidteften KSupferftecher England’s, Murphy u. Bartolozzi, rech⸗ 
neten e8 fich zur Ehre an, nach R.s Zeichnungen zu arbeiten. Er verfertigte 
religiöfe Scenen für die fgl. Kapelle zu St. James, GSchilderein für die Bow 
bell'ſche Shaffpenres®alerie u. den Poetenfaal, wie auch ben Mebergang Alexander's 
über den Granicus für Carletonhouſe, den Palaft des Brinzen von Wales. Georg II. 
nahm oft mit Deugnigen feine Schnelligkeit im Zeichnen wahr unb fchidte ihn 
1783 nad den Niederlanden u, Stalin. Fürſt Kaunitz machte ihm vergeblid 
bie glänzendften Anerbietungen, um ihn für Oefterreich zu erhalten: er verfolgte 
feine Kunftreife, fmüpfte mit dem berüßmten Denon einen innigen $reunbichafte- 
bund und blieb längere Zeit in Rom u. Neapel, Nach feiner Ruͤckkehr in bie 

eimath erhielt R. vom Könige das Diplom als Hofmaler. Wenige Zeichner u. 

aler bewährten eine foldye Fruchtbarkeit u. Bielfeitigfeit in ihren Arbeiten. — 
Mehr als 50 Kupferftecher England’ u. Deutichland’8 Haben ber Fruchtbarkeit 
feines Pinfels nicht nmacheilen können. Befondere Auszeichnung erwarb er fid 
in der Carrikatur. Die Zeichnungen zu ben fämmtlichen Kupfern ber Pracht⸗ 
ausgabe von Wieland’6 Werken find von ihm. Er felbft äbte für 2 Bände bie 
Titelkupfer. Die Taſchenbuͤcher erfreuten ſich durch feine Kuͤnſtlerhand einer vor⸗ 
zuͤglichen Werthſchaͤzung; fo z. B. lieferte er 5 ſehr ſchoͤne Blaͤttchen zu 
Schuͤtze's „abenteuerliche Wanderungen von Weimar nach Karlsbad.“ Seinen 
Zeichnungen verdanft man bie Lieblichen allegorifchen u. hiſtoriſchen Kupferſtiche 
sum Taſchenbuche Minerva u. anderen Kalendern, nur alle in ihren Ent 
twürfen eine große Achnlichkeit u. befonders in den Staffirungen mit Sagen ober 
Hunden, eine ziemlich eintönige Mebereinflimmung. Als Garrifatur » Zeichner bes 
waͤhrte R. fi am beften Im Reinecke Buchs 1826 u. Till Eulenfpiegel 1827. — 
Außerdem gab er eine Anweifung zum Zeichnen ber menfchlichen Geſtalt mit 10 
Tafeln Heraus, R. war auch Mitglieb der philotechnifchen Geſellſchaft in Paris 
u. farb am 6. Juli 1840. Meber feine Werke, namentlich über bie Zeichnung 
„Alerander’6 Zug über den Granicus“ verbreitet fih bie Monographie Reumanns 
über Rs Kunſt u. Kunſtwerke, 1792. Cm. 

HRambonillet, Markifleden mit 3000 Einwohnern im franzöflfcyen Departe⸗ 
ment Seine u. Dife, an einem Kanale und in einem Walde, hat eine große Me 
rinoſchaͤferei, eine Stuterei und ein berühmtes koͤnigliches Luffchloß, in weldyem 
Franz I. flarb. Hieher zog fich ug Karl X. nad ber Barifer Iulirevolution 
vor feiner Abreife aus Frankreich . 

Nameau, Sean Philippe, giboren 1683 zu Dijon, warb Gapellmeifter 
zu Paris und componirte bafelbft 1733—60 über 50 Opern, worunter „Gaftor u. 
Pollur* und „Pygmalion“ die berüfmteften find. Seine Muſik wurbe aber bald 
burch Die Gompoftionen Gluck's verhängt. Weit berühmter if NR. als mufifas 
liſch⸗theoretiſcher Schriftfteller und als Erfinder eines neuen Tonfyflems, wo er 
ben Grund aller Harmonien aus der Ufeinankeriolge her Teruen fand und auf 

welches eine Menge Tonlehrer aller Ratlonm gebaut tahen, Kr Nach LIT, 


— 


Ramoᷣe Nam Mohun Roy, 635 


Seine Hauptiterfe find: Traits de ’harmonie, Paris 1722, und Elömens th6o- 
retiques et pratiques, ebd. 1759. 

Ramee, |. Ramus, 

Ramengbi, |. Bagnacavallo. 

Ramler, Karl Wilhelm, geboren 25. Februar 1725: zu Kolberg in Pom⸗ 
mern, ſtudirte in Stettin, Halle und (1746) Berlin, ward 4748 Profefior ber 
Logik und ſchoͤnen Wiffenfchaften am Eadettencorps zu Berlin, 1787 or des 
Theaters, legte 1789 die Profefiur und 1796 bie Direction nieder und farb 11. 
April 1798. R., als Iyrifcher Dichter und Meberfeper nennenswerth, fteht als 
Kritifer Höher; in lepterer Hinficht ber Mittelpumft micht nur für die preußtfche 
Dichtung feiner Zeit, fondern für faft Alle, welche das Heil der Literatur ihrer 
ſelbſt wegen fuchten. Durch fein ernftes u. verftändiges Stubium ber (alten Li 
teratur u, die, Befhäftigung mit den Kunſtregeln der Brunn, wie, fie Batteur 
feftgeftellt, an Präcifion 1. geſchmackvolle Darftellung gewöhnt, kam es ihm vor 
Allem auf lyriſche Deutlichkeit, überfichtliche Anordnung, wohlanftändige Mäßigung, 
Reinheit u. Eorreftheit in Sprache m. Form an. Lag damals, wie Göthe fagt, 
die Rhythmik in der Wiege, fo wirkte R. ſehr förbernd auf deren Heranbilbung 
und feſtere Geftaltung. Der Gcgenftanb feiner weltlichen Lyril befonders 
Friedrich der Zweite, umb wenn wir in feinen Dben auch mehr Allegorie und 
— Vutzwerk, als unmittelbar Iyrifchen u wahrnehmen, jo durfen 
wir doch von ben meiften: mit. Göthe behaupten, daß fie und „mit großen, 
exhebenden Gegenftänden befchäftigten“ u. männliche, wüchige @ebanfan ent! 
Poetiſche Werke, Ber. 18004, 2 Thle,, in A u. 8,5 Den, Berl. 1767—8, 
2. Aufl, daf. 17685 Lyriſche Gedichte, daf. 1772; Open aus bem —— 
1769; Geiftliche Cantaten, baſ. 1760. 1769; Batteur, uͤberſe, Leipzig 1758, 2, 
Aufl 1762, 3: Aufl, 1769, 4. Aufl. 1774, 5. 1803, 4 Bde; Einleitung 
in die [hönen Künfte u. Wiſſenſchafen, Görlig 1798; Friedrichs v. Logau Kriegs: 
gebichte, von R. u. Leſſing herausgegeben, Leipzig 1759. 17915 Lichtwer's Kabeln 
u. Erzählungen, Greifsw. u. eipg, 1761; Lieder der Deutfchen, Berl. 1766. 
1767. 1768; Lyriſche Blumenlefe, Leipzig 1774. 1778; Samml. der beften Sing» 
gedichte der deutfchen Poeten, Riga 1766; Ehr. Wernifens Ueberſchr., Leipz. 1780; 

abellfe, Leipzig 1782. 1790; Horazens Oben, überjegt, Berl, 1800, 2 Bde., 
ni Indere, x. 

Rammelsberg, ein 1810 Fuß hoher, filberreicher Berg im Harz⸗Gebirge, bei 
Goslar. Darin das ergiebigfte Silberbergwerk im Harz, das Hannover (4) und 
Braunſchweig (2) gemeinſchaͤftlich gehört. Deßhalb Heißt der Berg Communion- 
Unterharz, ber aͤuch bie Hüttenwerfe zur Dfer bei Offelbe u. Langelsheim, bie 
Eijenhütte bei @ittelde, nchft bemBergbaue bes Iberges bei Grund u. das Salz⸗ 
werf Juliushall umfaßt. Die Erzmaſſe des R.’S beftcht aus Schwefellies, Kupfer- 
fics, Bleiglanz, Zinfblende und Arſenikties. Die Erzmaffe ift fehr feft und wirb 
meift durch Feuer losgearbeitet. Der Bergbau wird in 5 Gruben betrieben und 
es find 5 Hauptſchachte und außerdem 6 zu Tage gehende Wetter- und Rauch⸗ 
ſchachte, fowie 2 Hauptfollen zur Wafferlöfung. Die Erze unterfcheidet man in 
Kupfer» u. Bleierze. Im Jahre 1838 wurden gewonnen: 104 Mark Gold, 3803 
Mark Silber, Blei 641,800, Bleiglätte 451,900, Zint 14,900, Kupfer 487,200, 
Schwefel 151,000, Vitriol 625,600, Alaun 19,206 Pfund. 

Ram Mohun Roy, ein gelehrter Bramine aus Bengalen, geboren um 
1773 im Diftrift Burdiwan, ward duch I. Digby zu Rungpore mit der engliſchen 
Sprache befannt und flieg zu ber höchften Stelle, bie ein Hindu im britiichen 
Dienfte erlangen fann, ber eines Oberauffehers, Dewan. Ein entfehiebener Freund 
ber Republif, feierte er durch Gaftmähler die Nachricht von ben Revolutionen in 
Spanien, Sardinien und Neapel (1820). Im Auftrage des Königs von Delhi, 
der ihn zum Najah ernannte, ging er nad) England, um Anträge aan ir 
ofindifche Compagnie geltend zu machen, was ihm ſo voltommen glany, Lt Ver 
Mogul ihm und feinen Erben einen Jahrgehalt von TER Son Sn 


636 Aamöden — Ramns. 


ausſetzte. Schon vor feiner Reife nach England warb er Chriſt (Unitarier) und 

verfaßte felbft eine Schrift über die Dreieinigkeit. Er ftarb 1833 bei Briftol. 

Im et, die arabiſche, perfifche, englifche u. hebraͤiſche Sprache waren 
m geläufig. 

Namsden, John, berühmter Berfertiger mathematifcher Inftrumente, ge 
boren den 8. Oftober 1735 zu Halifar in der Grafſchaft York, war zuerft Kupfer 
ftecher, wendete ſich aber bann, veranlaßt durch das häufige Abbilden von mathe, 
matifhen Infirumenten, felbft ber Berfertigung berfelben zu u. machte ſich bekannt 
durch eine große Anzahl von Verbeflerungen, bie er an ſolchen anbradhte, durch 
bie Erfindung einer Thellungsmafchine, befonderd aber bucch feine Berbefferun 
afteonomifher Werkzeuge. Er wurbe 1786 Mitglied der koͤniglichen Geſellſcha 
in London u. flarb Darelbft den 5. November 1800. E. Buchner. 

Ramdgate, Stadt auf der Infel Thanet in der englifchen Grafſchaft Sent, 
hat einen großen Hafen mit Steindamm von 800 Fuß Länge, guten Haͤrings⸗ 
fang, ein Seebad u. 4,000 Einwohner. 

RNamshorn, Johann Bottlob Ludwig, ein verbienftvoller Philofog und 
Orammatifer, geboren 1768 in Reuſt bei Ronneburg, ftudirte von 1786—89 in 
Jena Theologie, ward dann in Drlamünde, Dresden und Baugen Erzieher, von 
wo er 1802 als Profeffor an das Gymnaſium nach Altenburg berufen warb. Er 
ift einer ber geſchaͤtzteſten Schriftfteller über lateiniſche Graͤmmatik. Edhriften: 
Disserlatio geilelogica de corona civica et laureis ante domum Caesaris Au- 
gusti etc., Dresben 1800, 4.; De statuarum in Graecia multitudine disserta- 
tio ete., Altenburg 1814, 4.; Lateiniſche Grammatik, F 1824, 2te Aufl. in 
2 Bden., 1830; Lateiniſches Elementarbuch, 1826; Lateiniſche Schulgrammatik 
(Auszug und Verbeſſerung der aͤltern großen Grammatik), ebd. 1826 ; De verbis 
Latinorum deponentibus (Beigabe zur neuen Auflage ber Grammatik, als Brief 
an Großmann u. Eichftäbt), Lpzg. 1830; Lateinifche Synonymik, 2 Bde., Lpzg. 
1831—33 ; fononymifches Handwoͤrterbuch ber lateiniſchen Sprache, ebd. 1835; 
eine Ausgabe der Fabeln bes Phädrus, ebd. 1827; Lehrbuch ber Geſchichte, 
herausgegeben von Flathe, Bd. 1, Lpzg. 1838. 

Ramus, Petrus, eigentlih Pierre be la Ramͤe, geboren in dem Dorfe 
Euth in der Bicardie 1515, ftudirte zu Paris, und ſchwang fi aus dem nie 
drigften Stunde mit unerfchüttertem Muthe bis zum Lehrer der Univerfität Paris 
empor. Außer über Philoſophie, bei der er an ber Infallibilität des Ariſtoteles 
zu zweifeln wagte, lehrte er Redekunſt, las über die Alten und erwarb ſich großen 
Ruhm, aber auch viele Feinde, die ihn lange verfolgten und endlich bei ber Pas 
rifer Bluthochzeit Gelegenheit nahmen, ihn ald Reformirten zu tödten (25. Augufl 
1572). Das Studium der Alten und der Mathematik beförberte er mündlich u. 
ſchriftlich mit vielem Eifer und bie ariftotelifche Dialektik beftürmte er mit einem 
für feine Zeit feltenen Muthe. Er reinigte bie Logik von vielen unnügen Sub⸗ 
tifitäten und fudhte fie für das gemeine Leben brauchbar zu machen, ging aber 
barin zu weit, daß er behauptete, fie fei Nichts weiter, als ars bene disserendi. 
Sein größtes Verdienſt befteht darin, daß er eine beffere Methode des Bortragg, 
und zwar nad) den Urfachen, einführte, auch zur befieren Ueberficht fih der Tas 
bellen bediente und bann bie NRothwendigfeit guter Definitionen und Eintheilun⸗ 
gen zeigte, die man bie bafin über ber beftändigen antithetifchen Beantwortung 
der fubtilften Fragen ganz vernadhläßigt Hatte. Bon feinen zahlreihen Werfen 
führen wir an: Institutiones dialecticae, Paris 1543, neue Aufl, 1547 u. 1594; 
Animadversiones in dialeoticam Aristotelis, ebd. 1543; Scholae in artes libe- 
rales, ebd. 1559, auch 1569, Fol; Scholae metaphysicae, Bafel 1549, neuefte 
Ausgabe von L. Schoner, Franff. a. M. 1599, dann 1627, 4.; Grammaire 
francaise, Paris 1562; Liber de moribus veterum Gallorum, Bar. 1559 und 
15623 Liber de militia C. Julii Caesaris, ebd. 1559; Commentarius de religione 
christiana, 4 Bde., Frankf. 1576 (beforgt von Bafonius, mit der Biographie bes 

m Verfaſſers); Praefationes, Epistolae, Orationes, Bar. 1577. ' 


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XIE — 

Nance, Armand Jean le Bouthihlier de, geboren 1626 zu Paris, 
von einer engliſchen Familie, Reformator der Trappiften (f. d.) machte fi 
Anfangs ber —— Welt als ueberſetzer und des Analteon bes 
fannt. Zerfnirfcht durch einige erſchütternde Ereignifle in feinem Leben, # er 
mit Erlaubniß des paäpſillchen Stuhles feine Abtei Notre ⸗Dame du ® der 
Normandie, im Departement Orne, unweit Mortagne, zum Sihze der ſtrengſten 

a um. Seinen Mönchen waren alle Vergnügungen, valle Fleiſchſpeiſen 
und edleren Getränfe, felbft dad Sprechen verboten. Tiefes Stillſchweigen durch⸗ 
ſchritt die enge Pforte von Latrappe; nur Bußübungen, Beißeln u. Gebetbücher 
waren feine einzigen Begleiter. R. farb 1700 auf einem Lager von Stroh u. 
Ace. Ex ſchrieb Traitö de la saintetö et des devoirs de la vie monastique, 
1683, 4., worüber er mit Mabillon in Streit gerieth. 

Rang nennt man jene Ordnung, woburd ber Vorzug des Einer vor dem 
Andern im Aeufern fi) ausfprehen fol. Der R. if in allen Ländern durch 
Borfchriften beflimmt u. wird nad) verſchiedenen R.-Stufen entweder im Militär 
oder Givil feftgefept. Dieſes Verhaͤltniß ſelbſt Heißt R⸗Ordnung. In ben mei⸗ 
fen monarchiſchen Staaten beſtehen eigene Hofrang — — die Jedem, 
wenigſtens jedem Staatsbeamten, feinen R. anweiſen. Dieſelben find aber der 
verſchieden, befonders, was die Elaflification der Hofbeamten, Eivildiener u, Mir 
litaͤrbeamten u. ihr Verhältniß zu einander beteifft.— Der R. der Souveräne 
felbft wird an ben einzelnen Ste durch das Herkommen beftimmt, Unter den 
geopen Mächten findet feit dem Wiener Eongreffe bei diplomatiſchen Unterhandlungen 
fein wirklicher R. Statt, fondern diefelben unterzeichnen nach dem Anfangsbuch- 
ſtaben, den ihr Staat in frangöfiiher Sprache hat, Sonft gab es vielen 
wegen bes R.s und beim weftphälifchen Friedensfchluffe vergingen Monate, 
man fich darüber einigte, Zulept fam man überein, daß ein runder 
gebaut würde u. bie verfchiedenen Geſandten durch verfhiebene Thüren auf ein 
gegebenen Zeichen zugleich einträten w. auf ein anderes Zeichen an einen runden 

iſch zugleich träten. Nicht immer hatten die Kaifer den Vorrang vor ben Kös 

nigen. Die Kurfürften u. Großherzoge haben gleichen R. und nad ihnen bie 
Herzoge u. barauf die Fürften. Ganz hiervon verſchieden ift der R. der Stans 
ten. Zu ben Staaten 1. R.8, bie alle über 10 — 12 Millionen Einwohner 
haben müffen, rechnet man Rußland, England, Frankreich, Oeſterreich, Preußen, 
auch wohl bie Türkei (jedoch neuerdings nicht mehr) und Spanien. Zu benen 
2. R.s, die 3— 10 Millionen Einwohner haben müffen: leptere beide, Portugal, 
die Niederlande, Schweben, Dänemark, Neapel, Bayern u. ausnahmöweife bie 
Schweiz; zu den 3. R.8 (von 1—3 Millionen Einwohner): Württemberg, Sach⸗ 
fen, Hannover, ben Kirchenftaat, das Großherzogthum Toscana. 4. R.s find 
die Fleineren Souveräne in Deutfchland u. Italien. — Bei Kriegsſchiffen bebeus 
tet R. die Einteilung berfelben nach ihrer Größe u. der Anzahl der Gefüge, 
welche fie führen. Die verſchiedenen Seemächte beobachten bei biefer Eintheilung 
nicht alle diefelbe Anficht u. die Engländer u. Schweden hatten 6, die Holländer 
7, bie Franzoſen 5 R.e; Heut zu Tage aber fpricht man bei ben fogenannten Li—⸗ 
nienfhiffen gewöhnlich von 3 R.en und nennt Schiffe mit 3 ganzen Verdecken, 
welche zwiſchen 90 u. 120 Kanonen führen, Schiffe vom erfien R. Den zweis 
ten R. nehmen jene Schiffe ein, welche gewöhnlich feine Dreideder, nur mit 2 
ganzen u. oben mit einem Halbbeck verfehen, zwiſchen 80 u. 90 Kanonen führen, 
Schiffe, welche nur 2 ganze u. oben ein Halbdel Haben u. zwifchen 70 u. 80 
(gemöhnlih 74 Kanonen) führen, werben Schiffe vom britten R.e genannt. 
Schiffe vom vierten, fünften u. fecheten R.e find feine Linienfchiffe und kommen 
unter jenen Benennungen vor, welche fte führen. Rur allein die Engländer neh⸗ 
men die Fregatten zu dem fünften u. fechsten R.e. 

Rangirung heißt die Einthellung der einzelnen Soldaten nach ihrer Rügen 
größe in Die einzelnen @lieber. Diefelbe if nicht in allen Armen Katz a do 
nigen fiehen bie größten Reute im exften, die einften im yueten, \he wlkelgruien 


638 Rangſchiff — Raoul-Rocette, 


im dritten Gliede; in anderen ſtehen bie größten im erſten, bie kleinſten im dritten 
u. die mittelgroßen im zweiten Gliede. Das Auge wirbd ſich für bie erſte Art 
diefer R., bie Zwedmäßigkeit bei bem Gebrauche ber Waffen, beionbers beim 
Feuern, en wird ſich fuͤr die zweite Art ausſprechen. 

R di ſ. Linienſchiff. 

Ranke, Franz Leopold, ein fharffinniger kritiſcher Geſchichtsforſcher, ſtets 
auf Quellen fußend, die er an Ort u. Stelle einſah, mit lebendigem, wenn auch 
nicht vollkommenem Style. Sein Studium iſt beſonders der Geſchichte Europa's 
im Uebergange zur Neuzeit zugewandt. R. warb 1795 zu Wiehe in Thüringen 

eboren, war 1818 Oberlehter am Gymnaſtum zu Frankfurt a. d. O. und lehrt 
eit 1825 als Profeſſor die Gefdhichte zu Berlin. Er verfaßte: „Seſchichte ber 
romanifchen und germanifhen Völker“ (1824); „Kürften und Bölfer von Süb- 
europa im 16. und 17. Jahrhunderte” (A Bde, Bd. 2—4 bie römifchen apfe 
3. Aufl., 1844) ; „Die ferbifhe Revolution“ (2. Aufl., 1844), „Deutfche Geſchichte 
im Zeitalter der Reformation“ (6 Bde, 1— 3, 2. Auflage, 1842 — 47), Ram 
Bücher Preuß, Geſchichte (1. Bb., 2te Auflage und 2r Bd), 1848. Bon 
1831—36 gab er bie confervative „Hiſtoriſch⸗politiſche Zeitfchrift“, 2 Bde., jeben 
zu 4 Heften; von 1837 — 1840; „Sahrbücher des beutfchen Reichs unter bem 
fächfifhen Haufe“, wovon ir Wh. in 3 Abth., 2 Bd. in 2 Abth. u. Ir Bb. in 
1 Abth. erſchien. R. iſt einer von denjenigen proteftantifchen Schriftftellern, bie 
mit ber katholiſchen Kirche noch ziemlich glimpflich umgehen, doch iſt audh er von 
Einſeitigkeit nicht vug freizuſprechen. 

Ranunkeln, Verebelungen von ranunculus asiaticus, eine Pflanzengattung 
aus der natürlichen Yamilie der Ranunculeen, zur Polyandria Boliginia bes 
Linnoͤ'ſchen Syſtemes gehörig, die wegen ber vielen Abänderungen, die biefe, aus 
Samen ber halbgefültten Blumen gezogenen, Pflanzen in den Blüthen geben u, bie 
an Schönheit die Nelken noch übertreffen, ja zuweilen auch burch Geruch ſich aus- 
zeichnen, in Gärten beliebt find, Außer durch Samm, kann man fie auch 
Sehlinge ber alten Wurzeln vermehren. Man beftimmt bazu gewöhnlich eigene 
Beete, in. welche die Wurzeln der vorher aus dem Samen gezogenen R. im 
Dftober eingefegt werden, wo fie dann im Fruͤhlinge ihren * machen. 

RNanzioniren heißt, entweder in Folge eines bezahlten Loͤſegeldes, ober einer 

egenfeitigen Mebereinkunft aus ber Gefangenſchaft befreit werben. In ben 
eren Zeiten mußten nämlich bie Kriegsgefangenen mittelſt eines für fie ex 
legten Loͤſegeldes (rangon) auögelößt werden, welches jenem zufiel, welcher fie ge⸗ 
fangen gerommen hatte. Heut zu Tage if biefe Gewohnheit außer Uebung ges 
fommen u. ed werben bie beiderfeitigen Gefangenen gegen einander ausgewechfelt. 
Unter dem Worte Selbfiranzioniren verficht man bie eigenmächtige Befrei⸗ 
ung ober Entweihung aus ber Kriegsgefangenſchaft. Vergleiche den Artikel 
Rriegsgefangene 

Haonl-Nochette, Defirs, ein frangöfifcher —— geboren 1789 zu 
St. Amand, Proſeſſor u. Conſervator des Antifens und Mebaillencabinets auf 
der koͤnigl. Bibliothek zu Paris, mehr neiftreich, als a gelehrt, iſt Verfaſſer 
mehrer archaͤologiſchen u. hiſtoriſchen Werke, von denen wir anführen: Lettres 
sar la Suisse, crites en 181921" (2 Bhe., Paris 1823, 3. Aufl, 3 Bhe, 
1826 mit Kupfern); „Histoire de la r&volution helvetique en 1797 et en 1803° 
(Paris 1823; deutfch, Stuttgart 1826) 5 von Monnard in ben „Observations sur 
V’bistoire de la revolution helvetigue de Monsieur R.-R.“ (Paris 1824); 
„Histoire critique de l’ötablissement des colonies greog.“ (4 Bbe., Paris 1815); 
„Monuments inedits d’antiquites 6es grecq, 6ötrusg. et rom.“ (2 Bde., 

aris 1828—30, Fol. mit Kupfern); „Antiquits grecq. du Bosphore eimmé- 
rien“ (Paris 1822, mit Kupfern); „Bemarques sur un ouvrage intitulö: An- 
tiquitös etc.“ (Peteröburg 1823); „Cours d’archöologie‘‘ (Paris 1828 u. 1835); 
„Peintures antiques inedites“ (Paris 1836, 4., mit fern), bazu als Supple⸗ 
ment „Leitres arch&ologiques sur la peinture des Grecs“ (Paris 1840); Me- 


' 
j 


Rapheleng — Rapp. 639 
moires de numismatique et d’antiquite* (Paris 1840, 4.) und „Choix de pein- 


Rappeleng, eigentlich Raffelenghen, Branz, Profeſſor der ori 
Sprachen in Leyden, gebor bei Lille 1380 fubirte zu Paris, 
g en zu Lanoy ⸗ F 


he Sprache, Half hernach zu Antiwerpi 
Druderei, deſſen nsiegerfohn er war, brachte bie Druderei nach Leyden, wurde 
dafelbft Profeffor u. farb 1587. Ein gelehrter Drientalift, war er Cotrectot ber 
Antwerpen’fhen Polyglotte u. verfaßte: Lex. arab., Leyben 15995 cum not, Th. 
Erpeni, ebd. 1613, #015 Grammiat. hebr.; Dictionar. chald. etc. 

Rapp, Iohann, Grafinon, —— 1772 in Kolmar, von niederer 
Hertunft, trat als gemeiner Soldat 1788 in ein franzoſiſches Eavalerieregiment, 
machte erft die Feldzüge am Nhein, wo er viermal verwi wurbe, u. als u 
tant Defair’8 die Feldzüge in Italien u. Aegypten mit, Bin hier zum Chef 
cadron, wurde bei Theben verwundet u. nach Defair’s e bei Marengo Ads 
jutant Napoleon’s. 1802 von bemfelben nach der Schweiz geſendet, vermittelte er 
bie Bereinigung derſelben mit dem frangöfiichen ‘Interefe; 1803: leitete er die 
Befeftigungen am ben Ufern ber Elbemündungen gegen eine mögliche Landung 
der Engländer, fiel aber bald darauf in Ungnade, er fich feines Freundes 
Reynler annahm. Wieder bei Napoleon zu Gnaben gekommen, begleitete er ihn 
in das Lager von Boulogne u. ward fpäter Divifionsgeneral. Er warb nun mit 
Miffionen an Macbonald, Marmont u, St. Eyr im noͤrblichen Italien beauftragt, 
kam aber bald zu Napoleon zurüd, den er nad) Paris begleitete. 1806: unter 
nahm: er eine Rumbfiöafiöreie nah Hannover u. dem ii Deutfchland, 
befehligte dann bie Militärdivifion von Straßburg u. trug bort Vieles dazu bei, 
den Krieg von 1806 bereiten. Er wohnte als Adjutant Napoleons ber 
Schlacht von Jena bei, führte bei ® einen Theil bes Vortrabes Mus 
vats, ward in’Polen bei Golpmin, wo er wieder bie. Bloantgarde führte, vers 
wunbet, von Napoleon zum Gouverneur von Thorn u. im Juni an Lefebre's Statt 
zu dem von Danzig ernannt. Rs rechtlicher Charakter fand auf diefem Pofien 
Gelegenheit, das Harte in den faiferlihen Anordnungen zum Wohle der Stadt 
au milbern, was dieſe auch 1809 durch Meberreihung eines Chrendegens er= 
fannte. Dem Feldzuge 1809 gegen Defterreich wohnte er von der Schlacht von 
Regensburg an bei, ſocht bei Afpern, warb aber furz vor der Schlacht von 
Wagram mit bem Wagen umgeworfen u. brach das Achfelbein u. 3 Rippen. 
Nah Paris zurüdgefehrt, war er bei ber Vermählung Napoleons mit Maria 
Louiſe gegenwärtig, erhielt aber bald darauf die Weifung, nach Danzig zurüd zu 
tehren. Hier follte er Danzig im Sinne feines Herrn beherrſchen, zugleich Preußen 
u. Rußland u. bie Häfen der Oſtſee beobachten. Mit Yreimüthigfeit Auferte er 
fih gegen den Raifer,, ließ mehre Befehle beffelben, bie englifhen Waaren zu 
verbrennen, unauögeführt, ſprach lebhaft gegen bem ruſſiſchen Krieg u. gegen bie 
projectiete Entthronung bes Königs von Preußen, fand aber wenig Gehör. 1812 
begleitete er Napoleon nach Rußland, focht bei Smolensk u. Mojaist u. erhielt 
bier die 22. Wunde. In Moskau geheilt, begleitete er Rapoleon nad Malo— 
jaroslaweg u. fuchte ihn, ber mit Gefangenſchaft bedroht war, durch einen Ca- 
—— au degagiten. Er ſtuͤrzte indeſſen u. bie Koſacken eiiten an ihm 
vorbei. Erft Befliered befreite R. durch einen neuen Cavalerieangriff. Auf dem 
Nüdzuge leitete er Napoleon bebeutende Dienfte, erfor aber auf demfelben bie 
Nafe, ein Ohr u. zwei Finger. Kurz vor Wilna fendete ihn Napoleon nach 
Danzig voraus, um dort das, was von ber Armee hinkaͤme, möglichft vafch zu 
organffiren. Bald war er in Danzig eingefchlofien u. vertheidigte biefen Pla fo 
lange, bis ihn ber Hunger u. Mangel aller Bertheidigungsmittel im Jänner 1814 
m jebergabe, unter der Bedingung, frei nach Frankreich zurüdzufehten, nöthigte, 

te alliirten Monarchen ratificirten indeſſen bie Capitulation nicht. R. wach als 
Priegögefangener nad Kiew gebracht, Tehrte aber in dem Treten non Aral 
reich zurüd u, erhielt vom Könige bei der Landung Rapslens den Weich ih 


das erfte Armeecorpe. Der fo fchnelle Abfall ber Armee vereitelte jeboch allen 
Widerftand u. R. wurde von Napoleon als Befehlshaber ber Rheinarmee zur 
Befebung der Linien an ber Lauter u. von Weißenburg abgefendet, mußte ſich bei 
Annäherung ber Defterreicher jedoch auf Straßburg zurüdzichen. Ludwig XVII, 
ließ ihm, bis zur — der Armee, ben Oberbefehl über bie fünfte Divifton, 
worauf fih R. auf feine Güter zuruͤckzog, jedoch bald wieder nad) Paris in bie 
Umgebung des Königs berufen wurbe, ber R.s dankbare u. brave Aeußerungen 
bei der Nachricht von Napoleons Tobe achtend erfannte u. dieſe GBefinnungen 
felbft gegen R. ausſprach. Er flarb 1823 zu Paris ald Pair von Frankreich u. 
Generallieutenant der Gavalerie. Seine von ihm ſelbſt gefchriebenen Memoiren 
erfchienen zu Paris 1823. 

Rapperschwyl, Kleine Stabt im Schwelzers@anton Gt. Gallen, mit etwas 
über 2000 Einwohnern, liegt auf einem in ben obern Zürdherfee vom öftlichen 
Ufer hinaus gehenden Hügel, in einer angenehmen, gut angebauten Gegend. — 
Eine 4800 Fuß lange (wohl die längfte in Europa) und 12 Fuß breite neue 
Brüde ohne Geländer, führt auf eine Erdzunge am weſtlichen Ufer. Die Pfarr 
firche, das alte Schloß u. das Kapuzinerkloſter liegen ſehr fchön u. bieten praͤch⸗ 
tige Ausfichten dar. Ein gut angelegter, lange vernadläßigter Hafen nimmt bie zahl 
reich ankommenden Schiffe jeht auf. Die Waarendurchfuhr, eine englifche Baum⸗ 
wollenfpinnerei u. mehre Sahrmärkte beleben den Ort etwas; doch find die Eins 
wohner nicht fo thätig, als die Fremden, welche fich feit einer Reihe von Jahren 
—* angeſiedelt Haben, Indeſſen hebt ſich das benachbarte Jon en durch ſolche Ans 

ebelungen mehr, ale R. Eine Kunftfiraße, die buch R. führt, verbindet bas 
Toggenburg mit dem weftlichen Seeufer. Bon berfelben verfpricht man fich eine 
größere Gewerbsthaͤtigkeit. Oefters litt der Ort in früheren Zeiten burdy Krieg 
u. Brand, 1350 warb er von den Zürtchern eingenommen u. zerftört, 1444 von 
ben Schwyzern 8 Monate lange belagert. Auch in ben Bürgerfriegen von 1636 
u, 1712 wurde R. Hart mitgenommen. 

Rapport, gewöhnlich gleichbedeutend mit Meldung, nennt man beim Mills 
tär im weiteren Sinne jede, auf die dienflliden Berhältniffe Bezug habende, Ans 
zeige eines Untergebenen an feinen Borgefebten, welche mündlid oder ſchrift⸗ 
Lich gefchehen kann. In engerem Sinne verfteht man unter R. jede fchriftliche Meldung, 
welche den Zuftand irgend einer Abtheilung, ſowohl in Hinficht des Perfönlichen, 
als Materiellen, ben Erfolg eines Gefechts, Überhaupt eined Kriegsunternehmens, 
zur Runde eines Vorgeſetzten bringt. Wenn R.e den Zuftand einer Abtheilung 
in perfoneller und materieller Hinficht ausbrüden, fo erfcheinen fie gewöhnlich, 
oder doch oft, in tabellarifcher Form und werden dann Ausweife, Stand» 
tabellen u. f. w. genannt; berichten fie aber über ben vetolg einer Eriegerifchen 
Unternehmung, dann nennt man fie Relationen. In jeber Armee beftchen 
über diefe Art von Ren eigene Kormularien u. bie Anzahl diefer R.e, fowie bie 
Berioden ihrer Borlage, find durch reglementäre Befllmmungen fegeiegt, 

Hape, Neps, auh Ruͤbſen oder Rübfamen, heißen bie en einiger 
zu bem Geſchlechte Brassica gehörenden Pflanzenarten, weldje in bem größten 
Theile von Europa, mit Ausnahme der nörblichen Gegenden, angebaut werden, 
um ein, befonder® zum Breunen taugliches, Del daraus zu gewinnen. Es find 
namentlich folgende 3 Arten, welche bazu verwendet werben, über beren beutfche 
Benennungen, befonders im Den auf den Namen R. oder Reps, aber nod 
viele Unficherheit herrſcht: 1) der Winterrübfen, Winterreps, oder R., 
Brassica Napus oleifera, ift eine Rübenart mit fpindelförmiger, rübenartiger und, 
wenn bie Pflanze Raum hat, zuweilen eine wirkliche Rübe bildender Wurzel. 
Die Lörner find fein, rund, braun u. geruchloß, aber größer, als bie bes Som⸗ 
merrübfens, auch find fie oͤlreicher, als diefer, indem fie 32 — 338 Del geben u. 
die Pflanze trägt reichlicher, ba fie größer wirb u. ſich mehr beſtaudet, fo ba 
oft bas Korn davon geerntet wird. Ex wirb im Herbfte gefäet, an manchen 
Orten au im Oktober verpflanzt u. im folgenden Borfommer geerntet, — 2) 


Rapunze— Rafl, 64 


r Sommerrübfen ober Sommer-R., Brassica praecox, ebenfalls eine 
ibenart, die ſich von. ber. vorigen nur durch die ſchwächere — 
as kleineren, mehr rothen u, weniger- Del (gegen 305) geben! uns 
ſcheidet; auch ift das baraus gefchlagene Del etwas dunkler, Er wird im 
ühfahre gefäet u. gegen Michaelis geerntet: — 3) Die Rohlfaat, der Kohl⸗ 
ps, ober ber eigentlihe Reps oder R., Brassica campestris oleifera, ift 
hlaxt, mit großen, hellgrünen Blättern, welche oft unten Fupferartig u. mit einem 
ißen Staube bebedt, dabei aber glatt u, fleifchig find, Der Stengel ift ftärker 
treibt die Aefte, die fich mehr horigontal verbreiten, mehr nach oben; bie Wur ⸗ 
ift ftärfer u. faſt cylindeifch, die Blüche mehr Bellgelb u. fommt fpäter zum 
wicheine. Die Körner find größer, als die bes Ruͤhſens, u. geben das meifte 
l, indem man den Ertrag auf 8— 103 Höher, annehmen fan, ald von jenem, 
wird im Herbft gefäet u. im folgenden Sommer —— er leibgt den. Wins 
über weniger, als der Ruͤbſen, ift aber dem Inſellenfraße mehr aͤusgeſetzt. — 
im Einernten biefer Delfamen darf man nicht bie völlige Reife ber. Schoten 
warten, indem dieſe ſonſt auffpringen u. viele Körner verloren gehen. Sie wer« 
3 bader gelöniten, ober auch ausgerauft, wenn. bie-meiften Schoten reif find, 
er die Körner braun zu werben anfangen; bann werben fie in Bündel gebun⸗ 
tu. auf dem Felde einige Tage zufammengeftellt, wodurch fie völlig nachreifen, 
hierauf in ber Scheune, ober in, manchen Gegenden auf bem Felde-aus- 
droſchen. — Faſt in allen Gegenden Deutſchlands, befonderd in ben Ebenen, 
cd Ruͤbſamen in großer Menge gebaut. u, ebenſo auch in Holland, Belgien, 
— England. 20.5 ber hollandiſche und belgiſche wird für: den beften 
alten, 

Rapunze (fedi aolitoria), ein auf Aedern u. in Weingärten: leicht ſortlom ⸗ 
ndes Br, das aber bejonders in Gemüfegärten cultivirt wird, inbem es 
18, ehe es noch Stengel treibt, einen beliebten Salat abgibt, ber vorzüglich im 
ten Frübjahre, wo noch andere. Salatarten fehlen, willtommen ift. 

Raſchi, Salomo Ben Iſaak, geledrter Jude aus Troyes (geboren 1040), 
uchte die jüdiihen Schulen zu Mainz und Worms, wurde Geſetzgeber feines 
olkes und farb als Rabbiner zu Worms 1105. Seine Eommentare zu 30 
:actaten des babyloniihen Talmud find vortrefflich; außerdem ſchrieb er noch 
Aäuterungen zur hebräifhen Bibel (mit Ausnahme ber Bücher ber Ehronif), 
: öfter herausgegeben wurden, lateinifhy von Breithaupt, 3 Bde. Gotha 1710 
14. Sein Commentar zum 1. Buch Mofis in beutfcher Ueberfegung von 
aymann 1834; ber zum ganzen Pentateuch von Lukas, Prag 1833—38. Auch 
t man von ihm verfchiebene Gutachten, Bußgebete und eine Synagogens 


dung. 

Raferei, ſ. Seelenftörungen, 

Nafiren, bezeichnet in der Artillerie das Hinſtreichen ber Kugeln über das 
td, fo, daß fie nur 2—3' über den Boden oder die Erdfläche gehen. — Eine 
eftung rafiren, ober dieſelbe ſchleifen, Heißt, biefelbe durch Abtragung ber 
efeftigungen außer Bertheidigungsftand fegen. — Ein Schiff rafiren be 
utet, von biefem Fahrzeuge die Verdecke und Maften hinwegnehmen u. baflelde 

in ein PBonton oder Blahfhiff verwandeln. — Raſirende Kortification 

ird jene genannt, bei weldyer Die Verlängerung des Glans den Wal des Plages 
(det. — Rafirenber, beftreihenber Schuß heißt jener Schuß, ber, wer 
gſtens an dem größten Theile bes abfteigenden Aſtes feiner Flugbahn in einem 
geringen Abſtande von der Oberfläche des Bodens bahinfreiht, daß er bie 
öpfe ber in dieſem Raume aufgeftellten Soldaten nicht erreicht, 

Raſk, Rasmus Chriftian, ein gelehrter Spracpfenner, gehoeren 1784 
: Brenbefilde bei Odenſe auf Fuͤnen, lebte mehre Jahre in Island, bereiste 
schweben u. Rußland, warb 1808 Profeffor der Literatur-Eelhiäte nn Unter: 
bliothefar zu Kopenhagen. 1819 bereiste er Rußland u. Verten, verwelte in 
aurie, Teheran, Verſepolis, Schiras, Indim u. Ceylon, von “ N RER 


Realencpelopädie. VII. 


642 Raskolniken. 


reichen literariſchen Schaͤtzen für bie Univerfitaͤt nach Kopenhagen zurüuͤckkehrte, 
woſelbſt er 1832 ſtarb. Man hat von ihm: „Anleitung zur Kenntniß ber islaͤndi⸗ 
fhen Sprache“, Kopenhagen 1811, Stockholm 1818; „Kurzgefaßte Anleitung zur 
altnordiſchen Sprache” (deutfch von Wienbarg, Hamburg 1839) ; „Angelſaͤchſtſche 
Sprachlehre“, Stodholm 1817, Kopenhagen 1830; „Unterfuchungen über ben 
Urfprung der alten norbifchen Sprache” (Preisſchrift), Kopenh. 1818 (Auszug 
in Baters Bergleiibungetafeth) „Spaniſche Grammatik“, ebd. 1824; „Zrieftiche 
Sprachleßre*, ebd. 18255 „Dänifche Sprachlehre”, ebd. 1830; „Weber das Alter 
u, die Aechtheit bee Zendſprache u. des Zend⸗Aveſta“ (deutſch von F. H. van 
der Hagen, Berlin 1826)5 „Weber die thrakiſche Sprachclaſſe“ Cbeutich von 
Bater, Halle 1822). Rach feinem Tode erſchienen noch feine „Englifche For⸗ 
menlehre nach einem neuen Plane“ (1833) u. bie unfhäpbare „Sammlung feiner 
theilweife früher ungebrudten Abhandlungen“ (3 Bde, Kopenh. 1834—38). Alt 
feine hinterlafienen Sammlungen über Linguiftif werben auf der füniglichen Bis 
bliothef aufbewahrt. 

Naskolniken oder Ros kolniken, heißen bie ruffifchen Schiömatifer, welche 
ſich nach den liturgifchen Neuerungen bes Patriarchen Nikon 1666 von ber gries 
chiſchen Kirche trennten und an ben alten Formen u. Sapungen feftbielten. Sie 
fetbft nennen fih Staroverzi (Mitgläubige) oder Jobra niki (Husgemwäßlte) 
u, find unter fich wieder in ggahteel e Sekten getheilt. Sie verwarfen bie feit 
1642 von dem Patriarchen Nikon in Moskau eingeleiteten Reformen bed Kits 
chenwefens, bie Berbefierungen der griechifch-flavonifchen Bibelverfion und andere 
Iiturgifche Bücher, mit der Behauptung, daß nur in ber Altern ‚iturgie, welche 
fie fefthielten, die wahre Ehriftusreligion zu finden fe. Die Achten R. verfagen 
benen, bie nicht ihres Glaubens find, jeden ‘Dienft u. pflegen nicht einmal Um⸗ 
gang mit ihnen, Sie haben Priefter, Sarramente u. Kirchen und nehmen, außer 
der Bibel, noch die Schriften ber griechiichen u. ruffifhen Väter bis zur Mitte 
bes 17. Jahrhunderts an, Weil diefe Sekte Popen annimmt, heißen fie Po- 
poftſchini, im Gegenſatz zu ber anderen feftirerifchen Hauptpartei Duchoborzen, 
welche, alle PBriefter verwerfend, Bezpopoftfchini Gespopowzy) heißen. 
Die R. verfallen in viele Sekten: fo bie Chriſtowſchtſchina, welde einem 
Bauern verehrten, der ſich Chriſtus nannte; die Anuphriewfchtichina, welche, 
von einem Mönche, Anuphrius, gefiftet, einen gewifien Abbocus verehrten und 
nur bie al8 Priefter erkannten, die vor Nikon's Zeit geweiht waren. Die Paw⸗ 
linowſchtſchina, Andreanowſchtſchina, Dofizhawſchtſchina, welde 
auch die zu ihnen Uebertretenden wiedertaufen; die Woloſotowſchtſchina und 
Ilarionowſchtſchina, welche die kirchliche Trauung verwarfen und von denen 
Viele ſich ſelbſt verbrannten; bie Serapionowſchtſchina, die Stepha—⸗ 
nowſchtſchina, Rosſsmitſchina, Sabatniki, welche, nach juͤdiſcher Weiſe, 
den Sabbath feierten; die Pogaſchniki, welche Decken u. Felle, als Zeichen der 
Heiligkeit, zu ihrer Kleidung wählten; bie Philipponen, welche fih in Neu⸗ 
Oſtpreußen und Galizien noch immer erhalten haben, machen eine andere Sekte 
aus. Sie weigern ſich, Eide zu leiſten und Kriegsdienſte zu thun u. unterſcheiden 
ſich durch ihre Gebraͤuche von den R. Manches haben fie miteinander gemein. 
Bon dem Ritus der herrſchenden Kirche unterſcheiden fich die R. dadurch, daß fie 
das Kreuzeszeichen mit dem Zeiger u. Mittelfinger machen, daß fie das Halleluja 
nur zweimal fagen und zum dritten Male Binzufügen: Lob fei Dir, Gott! Die 
Geſtalt ihrer Kreuze iſt achteckig. Sie fcheren fi) nie den Bart und bas Haupt 
Haar ıc. Ihren Gottesdienft regiert der Storif (der Alte), dee auch bie zur 
Der Kinder verrichtet. Commimion, Firmung u. Trauung finden nicht Statt. — Die 
R. kommen gleich nach den Berbefierungen in ber griechiſchen Kirche durch ben 
Patriarchen Urban 1642 vor; fle verbreiteten fich beſonders ſeit 16665 bie ſchweren 
Berfolgungen unter Peter bem Großen machten fie nur hartnäciger fie Rarben 
licber ben Marigrertob ober flaͤchteten. unter Katharina II erhielten fie 

1762 Reigionsfreiheit und durch Betemiin 1183 tie Kitchen zu bauen. 





Rafori— Rafumomfky.. 648 


Sie verbreiteten fih nach Sibirien, unter die Kofafenflämme und nach Polen. 
Im eigentlichen Rußland find fie-gegenwärtig ziemlich erloſchen, ‚aber: die meiften 
donifhen und-aftatiihen Kofaten ‚find. biefer Partei zugethan. Vergl. tl, 
—— * ruſſiſchen Kirche, im kirchenhiſtoriſchen Archiv, 1824, Stüd 4 

Nofori, Giovanni, berühmter Arzt, geboren 1766 gu Parma, Sohn des 
dortigen Hofpital-:Apothefers, wurbe 1785 in Pifa zum Med. Dr. promovirt und 
Bielt: fi num zu feiner weitern Ausbil mehre Jahre Iange in Florenz und 
Bavia auf, begab fih 1793 nad u. kehrte erft 1795 über Paris in 
feine Heimat zurid, wo er fi) in Mailand als iſchet Arzt niederließ. 1796 
wurde er — ber Bathologie an der Univ avia, 1798 in Mailand 
Generalfefretär des Minifters bes Innerm der cisalpiniſchen Republik, kehrte aber 
bald als Profeſſor ber Klinit nad Pavia u. ebenfobalb. als Di jeher des 
Spitals nah Mailand zurüd u, begleitete beim Einrücken ber öflerreichift hen 
Armee 1799 das feanzöfiiche Heer als Oberarzt nad) Berta, wo er ein 
liches Peterhialfieber mit Ofüd befämpfte; errichtete, nah Mailand etehrt, 
im großen Hofpitale bafelbft 1807 eine mebicinifhe Elinik u. wurde Pros 
feifor am Militärfpital. 1812 verlor er alle feine Gtelen u. 1814 wurbe er al 
Mitglied ber Earbonari verhaftet u. theils in Mailand, theils in Mantua 
nehalten, Nach erhaltener Freiheit 1813 ſehte er feinen Elinifchen Unterricht 
Spitale zu Mailand fort u. befam. bald eine fehr ausgedehnte Praris; er flarb 
den 13. April 1837. — R. hat filh berühmt gemacht als der Stifter eines eiger 
nen Syſtems in der Heiltunde, der Lehre vom Contrastimulus, Raforismus. — 
Von feinen Reifen war er als eifriger Anhänger der Lehre wn's ger 
fehrt, aber die Petechialepidemie in Genua Hatte ihm das Haltlofe des 
anismus gezeigt u. ihn zur Aufftellung feiner — Lehre veranlaßt, die 
einſeitiger u. voller von willkuͤrlichen Annahmen if. Sein Hauptfap war, 
es außer den, von Brown angenommenen, veizenben Einflüffen noch andere gebe, 
welche auf ben menſchlichen Organismus eine der reizenden gerade entgegengelegte 
Wirkung äußern. Er machte feine Lehre, welche aufs Heftigfte angegriffen 
ward u. außer Italien feine Anhänger fand, zuerft befannt in einer Ueberſetzung 
von Darwin’d Zoonomie (Mailand 1803, 6 Bde), befepränfte fi nachmals 
aber faſt ganz auf ihre mündliche Verbreitung. Außer diefer Ueberfegung und 
einer frühern Meberfegung von Brown’s Softem ſchrieb R.: „Storia_dell’ epi- 
demia di Genova“, Mailand 1801, 3. Auflage, 1812; auch in's Deutſche uͤnd 
Branzöfifhe überfcgt. — „Teoria della flogose“, 2 ®be., Mail. 1837; erſchien 
in wiederholten Auflagen u. in beutfcher u. frangöfifcher Meberfegung. — Nach 
R.8 Tode erjchienen feine „Opere complete“, mit bes Verfaſſers Lebensbeſchreibung, 
herausgegeben duch G. Chiappa. E. Buchner. 

Rafpe, Heinrich, f. Heinrid 4), 

Naftadt, Hauptftadt des großhergoglich badiſchen Mittelcheinkreifes u. Sit 
ber SKreisregierung, jet beutiche Reichsfeſtung erften Ranges, zur Aufnahme von 
60,000 Mann befähigt und beftimmt, den Gingang in den Schwarzwald zu beden, 
liegt an ber Murg, Hat ein fhönes Schloß (bi 1771 Refidenz ber Drarfgrafen 
von Baden-Baden), ein Gymnafium, Schullehrerfeminar, einige Induſtrie und 
Speditionshandel u. gegen 8000 fatholifche Einwohner, Im Schloße find Tro- 
phäen aus den Türfenfriegen von bem Prinzen Ludwig, dem Freunde bes Prinzen 
Eugenius. In R. wurde am 28, Februar 1714 ber Friede zwifchen Frankreich 
und Oeſterreich gefchloffen, ber ben ſpaniſchen Erbfolgeftieg beendete. 1797—99 
war bier ein Friebenscongreß, der mit ber, auf einen mißverfiandenen Befehl des 
oͤſterreichiſchen Minifters Thugut durch Szeklerhuſaren ausgeführten, Ermordung 
der franzöfifchen Gefandten Bonnier, Roberjeot und Jean de Bry endigte, denen 
auf dem Tobesplage ein Denfmal errichtet ifl. 

Raſumowſty, Graf Alerei Grigorjewitſch, ud tolerier Sr 
veralfelbmarfpall und Oberjägermeiter, der Sohn eined Bauern, Worro —XR 

A 


} 


644 Ratafia — Nation, 


in dem Kicchdorfe Lemeſchi im koſeleczkiſchen Kreiſe bes tichernigow’fchen Gouver⸗ 
nements, erlangte wegen feiner fhönen Stimme und Bildung eine Stelle in ber 
faiferlichden Kapelle und ward in ber Folge ber Liebling ber Prinzefiin Elifabeth, 
bie ihn nach ihrer Thronbefteigung 1740 zu den. höchften Würben erhob u. fi 
fogar Heimlich mit ihm trauen ließ. R. hatte auf bie inneren Regierungsangele 
genheiten ben größten Einfluß u. durch feine Schuld gerietfen Seemacht, Handel 
und Juſtiz in tiefen Verfall. Die gemeinnügigften Anſtalten verfielen aus 
Mangel an Unterflügung und über die wichtigften Reiches und Staatsangelegen- 
heiten, wie über Krieg und Frieden, wurbe häufig blos nad Privatinterefie und 
Leidenſchaften entſchieden. Kaifer Peter II. ertheilte daher ſogleich nach feiner 
Thronbefteigung 1762 dem Grafen R. feine Entlaffung, worauf er zu Petersburg 
ein ftilles Privatleben führte, bis an feinen Tod im Juli 1772. 

Natafia, f. Liqueur. 

Nath (Consilium) ift 1) die Meinung und das Urtheil über eine Sache 
aus wahrfcheinlicden Gründen, mit bem Kebenbegriffe, Daß ber, dem dieſe Mein: 
ung mitgetheilt wird, diefelbe bei feinen Maßregeln berüdfichtige; 2) ein einzelne 
Beamter einer eoltegiatiich verfaßten Behörde, welcher, mit ng unter 
das Präfidium, in dem Collegium berfelben Sit unb Etimme hat; 3) die R.sver⸗ 
fammlung felbft, als Eollegium der Räthe unter dem Borfige des Präfibiums — 
R. der Künfhundert, wurde in Frankreich durch bie dritte Gonftitution neben dem 
R.e ber Alten geftiftet. Beide gingen durch die vierte Gonftitution des A. Ros 
venber 1795 unter. — R.von Baftilien Heißt der fpantiche Staats⸗R., beftehend 
aus einem Bräftbenten, ſechs R.n, einem Fiskal, ſechs Referenten und ſechs Se 
fretären mit einem Aktuar. Die Sigungen find Montage u. Mittwochs, worin 
Abends der König zu erfcheinen pflegt und ie oft dieſem Eolleplunm neue Ins 
firuftionen ertheilt. Der König nennt ifn Außeren R. Er hat den Rang über 
allen anderen Behörden. Ale Aemter und Gnabenbezgeugungen werben durch bie 


fen Rath vergeben, mit Einfluß der Grandenhüte u. der geiftlichen Würden. 


Ratibor, ein vormaliges unmittelbared Fuͤrſtenthum des preußifchen Ober 
fhlefiens, von ben Fürftenthümern Oppeln, Troppau und Jägerndorf, den Min- 
derherrfchaften Oberberg und Loslau und ber Standesherrfhaft Pleß umgeben, 
18 [J Meilen groß und mit 51,000 Fatholifchen Einwohnern, bie meiftens pol 
niſch reden, wird durch die Dder in zwei ungleiche Theile getheilt, wovon ber auf 
ber deutſchen Seite beffer und frudhtbarer, als der Falte, fandige und naffe auf 
der polnifchen Seite, ift, gehört jebt zu den SKreifen R. u. Rybnik u. mit einigen 
Ortſchaften zu dem Kreife Kofel des preußifchen Regierungsbezirkes Oppeln. — 
Die gleichnamige Kreisftabt, an der hier ſchiffbaren Oder, iſt Sit bes Oberlandes⸗ 
Gerichtes für Oberfchlefien, hat ein Landwehrzeughaus, Gymna drei Hoſpi⸗ 
täler, Krankenhaus, Garniſonslazareth, Tuch: und Leinweberei, Strumpfwirkerei, 
Tabaksfabriken, Getreides, Hanf⸗ und Flachs⸗, auch Wollenmärkte, lebhaften 

andel und 6000 Einwohner. Bei derſelben im Dorfe Boſatz liegt das Schloß 

., welches mit Bofag und 22 Dörfern im Kreiſe R. u. noch mehren außerhalb 
besfelben gelegenen Ortſchaften, die Herrfchaft R. bildet, die zu einem Mebiatherzog- 
thume erhoben und in ben Belige bes Landgrafen von Heſſen⸗Rothenburg fam, 
welcher basfelbe zur neiäbigung für feine, 1815 an Preußen gemachte, Abtret- 
ung ber niederen Grafſchaft apenellenbogen und einiger anderen Beflgungen in 
Kurheſſen erhielt. Als die Linie Hefien- Rotenburg mit dem Tobe des Landgrafen 
Bictor Amadeus 1834 im Mannsſtamme erlofch, fiel das Fuͤrſtenthum R. durch 
Teftament dem Prinzen Bictor von Hohenlohe s Waldenburg - Schillingsfürft zu, 
ber indeß erſt nach einem Prozeſſe mit ber kurheſſiſchen Regierung in ben Bey 
befielben gelangte und 1840 für majorenn erklärt wurbe, 

Ratification, die Beflätigung eines Friedens ober fonftigen Vertrages burd) 
bie höheren oder höchften Behörden eines Staates. Solche, beiderſeits ratificirte, 
Inſtrumente werben dann gegenfeitig ausgewechſelt. 

Ration if die beftimmte Quantitaͤt Butter, welche für bie Ernaͤhrung eines 


Rationalisuus. R 645 


Merbes abgegeben wird, Diefe R. wird dann dem Pferde in drei beftinmten 
Radigeiten ($utterzeit, mandmal au Stall — vorgelegt. — Auch die 
dIırantität an ben verfchiebenen Lebensmitteln, welche ber Soldat aus ben Mas 
azinen empfängt, wird R. genannt, 

Rationalismus (vom Latein, ratio), Vernunftthum, Heißt im e⸗ 
teinent jene Denkweife, nach welcher man in allen Urthellen u. Handlungen 
Borfehriften der Vernunft folgt, mithin in feiner Hinſicht dem Gebrauche * 
em entſagt. Der R. ſteht — allem Poſitiven en, nimmt Nichis, felbft 
yenn es ein noch fo hohes Alterthum für ſich hätte, ſchon deßhalb als wahr u. 
ichtig an, fonbern dringt auf bie tieffte Erforfhung des Weſens ber Dinge u. 
olgt nur ſolchen Gründen, die fi daraus ergeben u. fi) auf bie Bernunft 
gen. So betrachtet, fönnen bie Grunbfäge des R. durchaus feiner Miß- 
lligung unterliegen; ja, ihnen muß ber Menfch in allen Zweigen feines Wiffens 

önnens huldigen. Im Rt aud ber R. auf fein befonberes Gebiet 
orzugsweife ober gar ausfchließlich befchränkt; mur der Umftand, daß er auf dem 
felde der Theologie zuerft u. am mächtigften, oder wenigftens am auffallendften 
ch zeigte, iſt Urfache, warm man dem —— jem achgebtauche gi 
ei — che R. far * —— Mit In a 
e ofophie trat der R. in der ent e immer ausgeprägter 
es machte fich auf vielen Seiten sin die Anficht eitend, Daß Die Bernunft 
ie höchfte Auctorität in Glaubensſachen fei u. es ihre at aufomme, bie Mi 
ichfeit, Wirflichfeit und den Inhalt der — zu prüfen u. über 
bothandenſeyn u. ihre Auffaffung zu entſcheiden ſolches Recht ber. Ver⸗ 
runft ftügen ihre Vorkaͤmpfer auf die dem Menſchen — u. eines weiteren 
deweiſes weder fähigen, noch bebür! 1, Ideen von Gott u. Sittlichfeit, 
deiche für ben — gar feine, auch feine geoffenbarte Religion 
eyn und ohne welche er, eines fichern ie teligiöfe Wahrheit beraubt, 
tie gewiß werben fönnte, welche von b Offenbarung 2“ anl enben 
Religionen die rechte fei. Der R. ift im dieſer Hinficht alfo Vernumftglaube, ber 
ie Urkunden ber göttlichen Offenbarung Iebiglih nur als den Ausbrud früherer 
Bernunftoffenbarungen gelten läßt. Er ift, als ein Kind der mit ber fogenannten 
Reformation in die Kirche eingetretenen Negation, eine dem Proteftantismus eigen» 
hümlicy zufommende Erſcheinung u. fein Hauptwachsthum fällt in eben jene Zeit, 
v0 auf dem proteflantifchen Gebiete — indem man, fonberbar genug, feinem eis 
enen Princip ungetreu wurde — eine flarre Orthodorie u. ein Hölzerner Buch⸗ 
tabenglaube die nothwendigen Folgen bdefien, was man felbft eingeleitet Hatte, 
oieber abzuwenden verfuchte. Ms nun die Revolution in der Kirche, wie im Gtaate, 
Ne Feſſeln brach, da trat er, aller Lauterkeit u. Würde baar, als Naturalismus 
ind bis zum Atheismus gefteigerte Freigeifterei in's Leben, bie jede übernatür- 
iche Offenbarung als unmöglich, ja fogar als ſchädlich verwarf. Zwar fegte die 
dantſche — d. Sant) ſolchen Verirrungen Schranken und wies dem 
R., ihn abtlaͤrend u. veredelnd, feſtere u. engere Gränyen an; aber dennoch führte 
ie aus dem Kantianismus hervorgegangene einfeitige Verftanbesrichtung , Immer 
ioch zuweilen in fade Aufklärerei ausartend u. Die Religion entleerend, zu Anfang 
es 19. Jahrhunderts eine dDurchgreifendere Reaction herbei, bie unverkennbar in 
‚en unbefriebigten, religiöfen Bebürfniffen des Herzens wurzelte u., unterftügt von 
iner allegorifirenden oder an den Glauben appellitenden Vhiloſophie (Schelling 
i. Jacobi), zwar zunaͤchſt den Rüdiweg zu der Orthodorie des 17. Jahrhunderts 
vermieb, aber dennoch laut die Unzulänglichfeit der menfchlichen Vernunft zur Er⸗ 
jlndung u. Beurtheilung göttliher Dinge erflärte u. fpäter felbft das Buͤndniß 
nit ben Berfechtern bes Buchftabenglaubens nicht verſchmaͤhete. Mit bem Ein» 
teten biefer Reaction begann ber eigentliche Kampf des R. u. Supernaturalis- 
aus, in welchem beide Syſteme ihre jehige Ausprägung u. Geftalt erhielten. Auf 
ven Grund Kantifcher Peincipien erflärten nun bie Vortämpfer did R. dos de 
jeben ber Offenbarung in ber Philofophie, u. behampteten ie Sreniit wüh 


646 Rarionalzafl— Ran. 


(Röhre, Wegfcheider, Tieftrunk, Baulus, David Schulz, von Ammon ıc.), währen 
Harms, Reinhard, Tholud, Hahn, Dlehaufen, Hengſtenberg u. 9. mehr oa 
minber in verfchiebener Weile die Sache des Supernaturalismus vertraten um 
Tzſchirner, Bretſchneider, Böhme u. A. eine vermittelnde Richtung einfchlugen, in 
dem fie die Vernunft als einziges ‘Mittel betrachteten, bie übernatürliche Offen: 
barung als folche zu erkennen u. anzuerkennen (fupernaturaler R.), ober, wie 
Steudel, Schwarz u. A., die Anerfennumg der übernatürlichen Offenbarung nich 
von der Vernunft, fondern von Außerl’cdher Auctorität abhängig machen, aber ı 
ihrem Berftändniffe die Vernunft zulaffen (rationale Supernaturaliften). Die ſpelu⸗ 
lativen Theologen finden zwifchen beiden SBrincipien feinen Gegenſatz u. ſtehen bafer 
(wie Schleiermacher, Marheineke, Daub, Tweſten u. N.) außerhalb bes Streites 

Rationalzanl ift eine ſolche Zahl, welche durch die Einheit und Theile der 
felben fi volftändig ausdrüden oder biuftellen laͤßt. Ein Verhaͤltniß zweier 
Größen ift rational, wenn fie fih wie zwei rationale Zahlen verhalten, b. i., wenn 
fie commenfurabel find. 

Ratſchky, Joſeph Franz von, gebo ven zu Wien 1757, befleibete nad 
vollendeten Rechtöftudien an ber Wiener Unirverfität mindere Dienftpoften bei bem 
Mauthweſen in Wien. Seine ſchon damals Liervorragenden Eigenichaften brads 
ten ihn in den Kreis mehrer burdy Geiſt u. Herz ausgezeichneten Männer, unte 
welchen befonder8 die Hofräthe Born u, Sonnenfeld für ihn wirkten, fo daß er 
1783 bei der böhmifch-öfterreichtfchen Hoffanzlei als Hoffoncipift angeftellt wurde. 1786 
wurde er Regierungs⸗ u. Präfidialfelretär in Linz, 1791 Hof⸗ u. Präfidialfefretär bei 
der Finanz⸗ u, Commerzftelle in Wien, 1804 nieberöfterreicyifcher Regierungsratä u. 
Lottogefälls:Eameral-Direktor, 1806 Hofrat bei dem Tabafgefälle (verwendet im 
Staatsrathe) und endlich 1807 Etaats- u. Conferenzrath. R. war einer der beliebtehen 
Dichter Oeſterreichs. Bon feinen Gedichten (Wien 1785), weldye fd) durch leichten 
Wis, richtige Berfification u. Reinheit der Sprache auszeichnen, erfchien eine 
neue, vermehrte u. verbeflerte Ausgabe, Wien 1791 (das erfte, auf inlänbifchen 
Belinpapier gebrudte Buch). Seine neueſten Gedichte erfchienen ebdaſ. 1805. Sein 
heroifchsepifches Gedicht: Melchior Striegel, Wien 1794, neue Ausgabe, Leipzig 
1799, ift jehr gelungen zu nennen. Auch Hat er durch Herausgabe der Muſen⸗ 
Almanache, 1777— 96, Vieles zur Bildung bed Geſchmacks in Defterreich 
tragen. — Er flarb zu Wien ylöglid am Schlagfluße den 31. März 1810. 
Manufcripte ee er eine metrifche Meberfegung bes Lucretius, 

atte, |. Maus. 

Rageburg, cin zum Oroßherzogtfume Medlenburg-Strelig cf. b.) ge 
höriges Fuͤrſtenihum, an Dänemark u, Luͤbeck grängend, mit 64 [J Meilen und 
15,000 Einwohnern, ift bewäffert durch die Trave u. den Ratzeburger See, bringt 
reichlich Feldfruͤchte, Hat gute Fiſcherei u. etwas Schifffahrt auf dem Ger. — 
Die gleichnamige Hauptftabt im Rageburger See, auf einer Infel, mit 2300 
Einwohnern, Fiicherei u. Tranfitohandel, gehört zum Herzogthume Lauenburg, nır 
das Domflift u. der Palmberg zu Medlenburg - Strelib. 

Rau, 1) Gottlieb Martin Wilhelm zudpig befannt als eifriger An⸗ 
haͤnger der Homöopathie, geboren ben 3. Oktober 1779 zu Erlangen, Sohn des 
SeoTeffore der Theologie Johann Wilhelm R. u. Bruder bes Rationalölos 
nomen Karl Heinrich R., erhielt Privatunterricht, kam dann 1791 auf das 
Gymnaflum feiner Vaterftadt, 1797 auf die Univerfität, wurbe 1800 zum Med. 
Dr. promovirt u. habilitirte fih 1801 ald Privatdocent. Noch im felben Jahre 
wurde er Phyſikus in Schlig, 1813 in Lauterbady, 1824 in Gießen, 1821 war 
er zum großherzoglich heſſiſchen Hofrath ernannt worden, 1840 ben 22, September 
ftarb er als geheimer Medicinalrath. — R. rühmte fidh, ‚die Borzüge ber Homdo⸗ 
pathie nach 20jähriger Praxis durch 12jährige Prüfung erkannt zu Haben; uͤbri⸗ 
gend wich er von ber reinen Lehre ber Homöopathie bedeutend ab, indem er, 

anz entgegengefept ber Lehre Hahnemann’s, als Heilobjekt bie made Urſache 
er Krankheit bezeichnete, — Die widgtigeren \einer Stacitien u: u den 


vn Rab 647 


Werth des Homöopatiichen Heilverfahrens*, Heidelberg 1824, 2. Aufl, 1835. — 
Ueber bie Erfenntnif. und Heilung des Nervenfiebers“, Darmftadt 1829. — 
Kanon ber fpecifiichen ‚Heilfunft , Reipig 1838, auch überfept in's Branzdr 
He u. Italieniſche. — 2 Wilhelm, Sohn des Vorigen, ‚Profefor ber Kine 
ders u. Augen⸗Krankheiten am ber ‚Univerfität zu. Bern, geboren zu Schlig 1804, 
erhielt Privatunterricht, fam 1821 auf bas Gymna au Darmftadt „: bez 
1822 bie Univerfität Erlangen, 1823 Tübingen, 1824 Gießen und wurde 1528 
—5 zum Med. Dr. promoviert. Er beſuchte nun Heidelberg, fehrte 1827 nad) 
Bießen zurüd u. ließ. ſich bafelbft als ‘Privatbocent nieder; wurde er als 
eofeior nad Bern berufen. — R. ſchrieb unter anderen: buch. ber 
inderfranfheiten“, Frankfurt a. M, 1832. — „Orunblinien einer Pathogenie,* 
Mfurt a. M. 1834 und bie in Petereburg gelrönte Preisfchrift: „Worin if 
die unnatürliche Sterblichfeit- ber Kinder in ihrem erften Lebensjahre begründet ?* 
Bern 1836, 2. Aufl, 1840, — in's Hollandiſche überfept. — 9 R. Karl 
— Bruder von R. h) geboren zu Erlangen 1792, berühmter National⸗ 
efonom, lehrte die Staatswilenfdhaften früher in Erlangen, ſeit 1822 in Heir 
belberg. Seine wichtigfte Schrift ift: „Lehrbuch ber politiichen Defonomie* 
G. Aufl, 3 Bde, 1841 ff). Im der badifchen erften Kammer, wo er feit 1833 
figt, if feine Stimme von Gewicht, E. Buchner, 
aub ift, nach dem gemeinen beutfchen Stra fo wie nach den beſon⸗ 
deren beutfchen Strafgefegen neuerer. Zeit, das der Entwenbung, 
welches wittelft Ausibum von. Gewalt an der Perfon bed Befipers der entwen- 
beten beweglichen Sache begangen wirb. Zufammengefegt aus einem gewaltthäs 
tigen Angriffe auf eine Perfon u, eine Sache, verlegt der R. gleichmäßig _ das 
Recht des Menfchen auf fein Eigı a. auf. feine Perſon u, wird 
au den TEA Verbrechen gerei Das roͤmiſche Recht ftellte zwar bie 
teren Falle des R.is noch unter ben Diebftahl_Cj. d) u. behandelte fie 
tvatbelicte; doch zeichnete es andere ſchwerere Arten bes Rs, insbeſondere den 
traßen-R., als ſchwere, ber. öffentlichen Anklage unterworfene Verbrechen aus. 
Ebenfo behandelten bie Alteften deutfchen Rechte ben R. als ein ſchweres Verbrechen 
u. heben bei ihm noch insbefondere dem darin liegenden Friedensbruch heraus. Da: 
gegen fam im Mittelalter, zur Zeit des Fauftrehts, in Deutſchland der R., felbft 
in feiner ſchwerſten Begegnung als Etrapen-R., nicht felten in ber erlaubten 
Geftalt als Fehde cf. b.) vor u. wurde von Raubrittern, bie vom Gtegreife 
lebten, als eine Art von Gewerbe betrieben. Kaijer Rudolph von Habsburg ergriff 
zuerſt nad) ber Verwirrung bes Interregnums (ſ. d.) fräftige Maͤßregeln aan 
u. zerflörte eine Menge von Raubburgen; doch gelang «8 erft bem Kaifer Maris 
millan durch den allgemeinen beutfchen Kandfrieben von 1495, auf gefegliche Weile 
ben Unterſchied zwiſchen erlaubtem u. unerlaubten R.e zu verbannen u. damit 
dev Beftinmung ber Halsgerichtsorbnung Kaifers Karl V. den Weg zu bahnen, 
baß jeder Räuber mit der Strafe des Schwertes zu belegen fei. Diefer Artikel 
fegte jedoch nur Die Strafebes R.s feſt. Die Feftftellung feines Thatbeftandes 
blieb ber Wiſſenſchaft u. dem Gerichtögebrauche überlafien. Beide Fumen aber balb 
in dem oben angegebenen Begriffe überein, ber auch jegt noch bie Grundlage aller 
neueren beutfhen Strafgefege bildet u. eben befhalb in ben wefentlichen Beftim- 
mungen bes Thatbeftandes des R.s und jener Strafe cine beinahe gleichlautende 
Uebereinftimmung unter ihnen erzeugte. Das hauptjächliche Unterſcheidungemerl⸗ 
mal bes R.8 von ben gefährlichen Arten des Diebſtahls beftcht hiernach darin, 
baß bei dem R.e bie Gewalt gegen die Perfon des Beſihers als Mittel gebraucht 
wird, die Entwendung zu verüben, während z. B. ber bewaffnete Diebſtahl auch 
in feiner volftändigen Ausführung immer noch barin befleht, daß die Bemäctigs 
ung ber entwenbeten Sache ſchon gefchehen war u. die Waffen nur gebraucht 
wurden, um bie Wegbringung ber Gegenftände des Diebftahls zu fihern. Der 
R. fliegt dag Verbrechen ber Entwendung als einen nothwenbigen Theil Cines 
Begriffes in ſich ein u. es muß daher die Abſicht des Aydie® u ie Vr 


648 | Naubritter — Naubuögel, 


greifung eines fremden, u. zwar beweglichen, Gutes gerichtet feyn. Weil aber Im 
R.e zugleih die Beeinträchtigung des höheren Rechtes auf die Unverleglichkat 
ber Perfon Tiegt, fo kommt e8 bei Ihm nicht, wie bei dem Diebſtahl, hauptſaͤchlich 
auf den Werth der geraubten Sache, fondern mehr auf den Grab ber verübten 
Gewalt an, u. nachdem bie neueren Grundfähe des Strafrechts bem Rechte ber 
Perfon eine höhere Geltung zuweiſen, als dem Rechte auf das Eigentum, fo 
wird daraus durch beinahe alle neueren deutſchen Strafgefege gefolgert , daß bie 
Vollendung des Berbrechens bes R.s nicht erfi in der wirklichen Bellgergrrifung 
bes geraubten Gegenſtandes, fondern ſchon in der Ausbildung u. Bollführung ber 
Gewalt gegen den Beraubten, zum Zwede ber Befigergreifung ber zu raubenden 
Sade liegt. Dagegen muß bie Gewalt an der Perſon gefhehen u. genen bie 
Perſon felbft gerichtet feyn, u. bie an der Sache verübte Gewalt ift fein R., fon 
dern ein Arafkarer, gemaltfamer Diebflahl. Der Gewalt fiehen endlich Drohungen 
mit Gewalt glei, welche auf Leib u. Leben gerichtet u. bergeftalt befchaffen 
waren, daß ihre alsbaldige Bolführung mit Grund befürchtet werben konnte. 
Rah dem franzöfifchen Etrafrechte wirb übrigens der R., wegen feiner nahen Ber 
bindung mit dem Diebftahle, dieſem Berbrechen beigerechnet u. in feiner Strafe 
den ſchweren Fällen des Diebftahles gleichgeftelt. Der Gerichtsgebrauch in 
Deutſchland Hatte fchon frühe bie in der peinlichen Haldgerichtsorbnung angebroßte, 
Todesfteafe verlafien u. biefelbe nur in fehr ſchweren Fällen erkannt. Sämmtli 
neuere deutſche Strafgefeße ſetzen deßhalb auf ben R., in der Mehrzahl feiner 
Fälle, eine mehr oder minder lange peinliche Freibeitsſtrafe u. laffen nur dam 
die Todesſtrafe eintreten, wenn Jemand bei dem R.e getödtet, oder wenigſtens 
lebensgefährlich verwundet, oder in eine bleibende Krankheit verfegt worden if. 
Das römifche Recht Hatte den auf einer Landſtraße von Wegelagerern vorgenom⸗ 
menen R. — grassatio — unter ben ſchweren, ber öffentlichen Anklage unter 
worfenen, Fällen bes R.s befonders aufgezählt, u. darauf, fo wie auf Den wels 
teren Umftand geftüht, dag man eine Lanbfiraße als einen mehr befriedeten Ort 
anfah, zeichnete man früher in Deutfchland den Straßen⸗R. als eine ſchwere 
Art des R.s aus, Die neueren beutfchen Strafgefege unterſcheiden jedoch in biefer 
Beziehung nicht. Sie ftellen den auf einer Landſtraße verübten R. 3. B. dem 
in Wohnungen gleich u. bemeflen feine Strafe nady den oben angeführten ri 
meinen Etrafausmeflungsgründen. Geht die Abficht des Räubers beftimmt dahin, 
bie Gewalt bis zur Tödtung bes Beraubten zu fleigern u. fi) gerabe durch dieſe 
Tödtung bes Eigentums des Getödteten zu bemädhtigen, ober durch bie Töbtung 
fih vor der Entdedung zu fichern, fo wurde dieſe That R.» Mord (f. d.) genannt 
u. von anderen Mordthaten als die Tödtung unterfchleben, welche zum Zwede ber 
gewaltfamen Erlangung fremden Eigenthums verübt wurde, Die neuere Gtrafs 
rechtswiſſenſchaft in Deutfchland, fo wie die neueren deutfchen Steafgeiede unter 
ſcheiden jedoch zwifchen den verfchiebenen Fällen des Verbrechens bes Morbes 
nicht mehr, fondern zeichnen das befondere Verbrechen des Mordes in allen feinen 
Hallen als eine Art der Tödtung vor dem vorfeglichen vobtihlen nur darin aus, 
daß bei dem Morb der Vorſatz zur Töbtung mit vorheriger beriegung mit 
Vorbedacht, gefaßt wird, während bei dem vorfäglichen Todtſchlag der Borfak 
zur Toͤdtung ohne pergiingige Ueberlegung, im Affecte gefaßt wurde. Ueber 
den Kirchen raub f. d. Artikel, 

Raubritter, |. Fauſtrecht. 

Ranbfaaten, ſ. Barbarestenftaaten. 

Raubvögel, im Allgemeinen diejenigen nögel, bie fich von lebendigen Thies 
ren (und Menſchen) nähren, wozu dann auch die Inſektenfreſſer zu rechnen find: 
bann insbefondere diejenigen, bie fich durch krummen Schnabel u. krumme, ſpitzige, 
ſtarke Klauen auszeichnen (accipitres). Sie haben befonders ftarfe Schenkel⸗ 
muskeln u. vier Zehen; bie Zche bed Daumens u. bie ittelgehe find die ſtaͤrk⸗ 
fin. Sie theilen fih in Tag» und Nacht⸗R.; beide Haben einen ficheren, 
fanften und fchnellen Flug und brechen das Unverbaulidhe als Gewoͤlle wieder 


Rau 649 
heraus; zu jenen rechnete Sinnd bie Gattungen: alte, Geier und Würger, 
welche die Neueren in mehre en getheilt, Die Würger aber zu den Sper⸗ 
lingsartigen gethan haben; zu ben Nacht R.n, bie ſich durch größeren Kopf, 
mad) vorne gerichtete, tellerförmige Augen, große, reizbare Pupillen, weiches, feir 
denartiges Gefieder, ftarke, ſchauerliche Stimme auszeichnen, rechnete er die Gattung 
Eule, die ebenfalls in mehre zerfällt worden If. Goldfuß theilt bie R. in: Steljengeier 
emogera), Geier (vulturini), Habichte (aceipitrini) und MWürger (lanii). 

auch beißen alle, aus ſtark um ober wirklich in Slamme gerathenen, 
alfo brennbaren, Körpern auffteigende Dämpfe. Eie find ihrer Natur ober ihren 
Beftandtheilen nach völlig einerlei mit ber Flamme; biefe ift eigentlich brennenber 
R. — NR. wird erfordert, wo Flamme entftehen foll, aber «6 kann R. ftattfinden 
ohne Flamme. Legt man Holz, zumal feuchtes, gebörttes Laub, Stroh u, andere 
Brentmaterialien auf ein Kohlenfeuer, fo fteigt fehr bald Dampf oder R. auf, 
allein nicht fogleich Flamme ; es müffen ielmeht die brennbaren Sörper vr 
tig erhigt ſeyn, wenn fi) der R: zur Blamme ſünden foll, und bieß age 
au nur dann, wenn die atmofphärifche Luft hinreichenden Zugang hat; 
—— Falle verbrennen die Körper mit bloßem Glimmen unter aufſtei⸗ 
jendem Re. So lange ein brennender Körper blos glimmt und bampft,. werben 
Feine Beſtandtheile nicht völlig zerſetzt. Die völlige Zerfegung geſchieht allein 
mittelft des freien Zutritts einer genugfamen Menge tmofphärile Luft, Nah 
bem antiphlogiftifchen Syſteme Töjet nämlich das in berfelben befindliche Sauer⸗ 
ftoffgas (Rebensluft) den R, mit Wärme und Licht zugleich auf. Selbft bei ben 
meiften $lammen werben die Beftandtheile ber brennbaren Körper nicht gänzlich 
zerfegt, weil immer noch mehr oder weniger R. mit der Flamme zugleich auffteigt. 
Die Urſache hievon ift, daß die Luft nicht in bie inneren Theile des brennenden 
Körpers flark genu; — und die daſelbſt auffteigenden ——— 
verwandeln Tann, Der in dieſem Falle —— allemal über der 
Spige der Flamme, ober dieſe verliert ſich vielmehr ich in R. Die Flamme 
ift viel Heißer, als der R., am heißeften ba, wo fie nicht mit R. ht ift. 
Der R. felbft enthält da den höchften, für ihm möglichen, Grab ber Hige, wo er 
zunächft an die Flamme gränzt; je mehr er ſich von ihr entfernt, befto mehr vers 
liert er feinen Wärmeftoff, den er an bie Luft abſetzt; endlich unterfcheibet fich 
feine Temperatur gar nicht mehr von ber Atmoiphäre, obgleich man ihn noch 
deutlich in berfelben erblickte. Je weiter er fich im berfelben vermöge feiner Elas 
ftieität ausdehnt, defto weniger bleibt von ihm ſichtbar; enblich entſchwindet er 
bem Auge ganz und nur bie Geruchsorgane empfinden feine Theilchen noch in 
ber umgebenden Luft. — Je mehr R. bei ber Unterhaltung des Feuers auffteigt, 
befto mehr geht von ben Brennmaterialien ungenupt verloren. Der R. wird 
nämlid aus einem Theile der Beſtandtheile gebildet, welche in ihrer Zufammen- 
fegung das Brennmaterial ausmachen. Man fieht Hieraus, daß er nach Beſchaf⸗ 
fenheit diefer Beftandtheile verfchieden feyn müffe. Beim Holze beftcht der R. 
nad) ben neueften chemiſchen Unterfuchungen aus Waſſerſtoffgas (brennbares Gas), 
aus öligen und harzigen Theilen, ingleichen aus einer bem Efjig nahe verwand- 
ten Säure. Beim gewöhnlichen Verbrennen fleigen wenigftens 3 bes Holzes in 
R. auf und gehen mithin für die Wärme verloren. Mit bem R.e werden auch 
ſalzige Beftandtheile fortgerifien, welche das barin aufgehängte Fleiſch durchdrin ⸗ 
gen und vor ber Faͤulniß bewahren, wozu indeß auch das Austrocknen bei der 
Räucherung mitwirft. — Als Gas, welches leichter ift, fteigt ber R. in ber Luft 
auf und bildet darin Wolfen, bie fi aber bald zerfireuen. Die öligen und har- 
sigen Theile werben aber auch in ber Kälte bald verdidt, und fegen fi an ben 
naͤchſten falten Körpern als Ruß an. Daß der R. zunächft bie falten Gegen- 
fände auffucht, um fi) daran anzufegen, oder daran fortzuleiten, fieht man daraus, 
weil er die entfernteften Zuglöcher in den Zimmern, die Rigen ımd Spalten in 
Fenſtern und Thuͤren, endlich das Mauerwerk der Wände eher ou . Nuer 
ſchwaͤrzt, als Das Holzwerk. Hieraus erklärt ſich der Wohand, doh \n Amen, 


650 Raub — Rande, 


worin etwa ber Ofen raucht, ober Lampen und Lichter bampfen, bie Stellen ber 
üibertündhten weißen Wände, wo ſich das Säulenwerf und die Balfen befinden, 
allemal weißer ausfehen, als die bazwifchen befindlichen gemauerten Felder. Die 
Urfache, warum ber R. lieber an Ffälteren Körpern ſich anfebt, ift feine eigene 
Waͤrme und Wärme theilt fich, vermöge ihrer Ausdehnungskraft, gern ba mit, wo 
wenig Wärme iſt. Nicht in allen Regionen ber Luft fleigt der R. in bie Höfe. 
Auf Hohen Bergen, wo bie Luft fehr verbünnt if, jenft er ſich niederwaͤrts. Aus 
dem Krater des Aetna 3. B. mälzt er fih in mächtigen Wolfen am Gipfel bes 
Berges hernieber. Auch im luftleeren Raume ſenkt er fi abwärts. Gewiße 
Körper, infonderheit flüffige, ß B. Waſſer, erheben fich bei einem hohen Grabe 
von Erhitzung gleichfalls in die Luft, ohne daß jemals babei eine Flamme ent 
ſteht. — aber ſollte man hier nicht von R. ſprechen, denn dieſe Daͤmpfe 
find weiter Nichts, als aufgelöstes Waſſer, und werden in bee Kälte wieder mu 
Waſſer niedergefchlagen. 

Raub, Chriſtian, berühmter Bildhauer und Profeflor der Bilbhauerkunft 
an der Akademie zu Berlin, geboren 1777 zu Arolfen, entfchieb fich in Berlin 
(1797) für die plaftifche Kunft und bildete fi) 1804 in Rom im freunbichaftli 
hen Umgange mit Thorwaldfen und Canova aus. Seinen Ruf verbreitete das 
Denkmal der Königin Louife, welches er 1811 in Berlin begann und 1813 in 
Rom vollendete, ſchuf num mit überrafchender Fruchtbarkeit eine Menge fo 
loffaleer Statuen (Scharnhorft, Bülow, Gneiſenau, Fürft Wrede, Bictorien in ber 
Walhalla) und faſt zahllofe Büften und Modelle zu Denkmalen in Erz, eben fo 
meifterhaft gefchichtliche, als rein ibenle Stoffe behanbelnd. Sein Meiſterwerk 
jedoch if das in Berlin zwifchen der Univerfität und dem Palais des Prinzen 
von Preußen aufgeftellte Bronzedenkmal Friedrichs IL, weldhes auf hohem, mit 
zahlreichen Figuren gefchmüdten, Unterfage bie coloffale Reiterftatue biefes Königs 
darſtellt. Bergl. Waagen: Abbildungen ber vorzüglichften Werke von Chr. R. 
nebfi Text (Berl. 1827 fg.). 

Rauden, f. Tabat. 

Rauchwerk, |. Pelzwerk. 

Raude, Schuppenflechte (Psoriasis) ber Menfchen if ein, durch unge 
gelmäßige, mehr oder weniger ausgebreitete rothe, etwas über bie Haut hervor⸗ 
ragende, näffenbe, mit bünnen weißen Schuppen bebedte Flecken ausgezeichnete, 
nicht anftedfende, aber erbliche Hautfranfheit. Sie befällt beide Geſchlechter, meh 
aber weibliche Individuen 19 = jan guiniTepen Temperaments mit trodener 

aut, und die Menjchen überhaupt bei Unterleib» und Leberfiörungen, nad 
flörungen, bei unreinlicher Lebensweife, Aufenthalt in ungefunden Lofalitäten, 

chlechter und foharfer Nahrung, aber auch unter den günftigften Lebensverhält 
nifjen; vorzugsweiſe geneigt für fie find Müller und Bäder; hauptſaͤchlich abe 
ift fie durch eine innere, dyskraſiſche, Übrigens nicht näher befannte Urfache be 
Dinge. Je nach ihrer Form und Anſehen, fo wie nach ihrer Dertlichfeit unter 
ſcheidet man mehre, fpeciel bezeichnete, Barietäten von R. Gewöhnlich fchließt 
die R. andere Ausihläge aus, auch Krankheiten innerer Organe Bat man mur 
(ein gleichzeitig mit ihr beobachtet. Sie verſchwindet felten von felbft, geht aber 
fter in eine andere Barletät über. Bel ihrer befondern Bösartigkeit verbidt ſich 
die Haut allmälig bis in die Tiefe, wird die Krankheit permanent und endet das 
Leben unter dyskrafiſcher Entzündung und organifcher Beränderung innerer Or⸗ 
gane, ober in Folge von — und Soſgugt Ihre Heilung erfolgt un⸗ 
ter dem Gebrauche angemeſſener Mittel, gewoͤhnlich langſam und zwar ſo, daß 
die Schuppen abfallen, ſich langſamer erneuern, kleiner werben, ſich ebnen und 
abblafen unb bann blos für einige Zeit noch eine etwas bunflere Faͤrbung ber 
Haut zurüdiaften. Das Kurverfahren bei diefee Hautfrankheit befteht in der 
forgfältigen Befeitigung bee etwa vorhandenen Urfachen, ber Anorbnung von ein- 
fadyen, lauwarmen Seifen», Schwefels, Dampfs oder Seebäbern, der Berorbnung 
wöchentlich zweimal zu nehmender Abführungen und zum täglichen Gebrauche bie 


Rangraf — Raum; 651 


Schwefel: und Antimonialpräparate, nebft einem biutteink; — Thee aus Saſſa⸗ 
parille oder Fraiſamkraut, bei Stodungen in ben Unterlelbsorganen wire 
ende auflöfende Mittel. Aeußerlich gebraucht man gegen Ende ber Behandlung 
mit Nugen vorzugsmelfe eine —— von Queckſilber ſublimat. — Die R., der 
Grind, die Schäbe (Prora) der Thiere iſt ein langwieriges, anſteckendes, erbliches 
Hebel, das ſich durch Heftiges Juden, Scheuern und agen einzelner Hauts 
ftellen, dann durch Pufteln, Schorfe und Geſchwürchen auf bemfelben, fo wie 
durch bie Gegenwart von lebenden Würmern in den Puſteln, den fogenannten 
„Krägmilben" zu erfennen gibt. Man unterfeheidet eine bürre und eine fette R. 
Erftere beobachtet man am ſchlecht genäßrten Thieren, fie befteht mehr aus trodes 
nen Schuppen; Iehtere erjheint bei vollfaftigen fetten Thieren mehr als ein naffer 
Ausoſchlag, und ift die Folge naßfalter — —— während jene 
aus mangelhafter und fehlechter Nahrung und vernachlaͤßlgter Reinigung 
und dem Aufenthalte in niederen, bumpfigen Ställen hervorgeht. Het ber vers 
anlaffenden Urfachen, Berbefjerung ber Lebensverhaͤltniſſe, fältige Reinigung 
ber mit — und Tabatsaufguß ſind bie famften Mittel aegen 
die R. Bon großer Wichtigkeit iſt bie huͤtung ber MWeiterverbreitung Diefer 
ae Fre in Heerden; fie ift darum auch ein Gegenftand ber mebigt 
en Po Ah 

— silvestris) war im Mittelalter ber Titel mehrer Grafen ⸗ 
— fan; — Fe ge — * en als — 
nung fortgeführt, x und wilbe en jenen 
Eigenthumg mag Berantafung zu bee Benennung R. gegeben — —— fie die 
waldigen Wildriffe ausreuten und urbar machen liefen. dere Schriftfteller leis 
ten ed mit minderer MWafrfcheinlichkeit von rügen ab und geben dem R. 
Bedeutung mit Rügegraf (vgl. Rheingraf, ED: Es gab R.en von 
Dajfel (am Solingerwalde) und Rn am rn er Gegend von Trier, 
Kreuznach und Alzey). ALS diefe Befiyungen duch Ausftecben an die Pfalz fies 
Ien, erneuerte Kurfürſt Karl Ludwig 1667 den bloßen Titel zu Gunften feiner 
Gemahlin morganatifher Ehe, Louiſe von Degenfeld, 

Raum heißt im Allgemeinen biejenige unendliche Ausdehnung nah allen 
Richtungen, in welcher bie Dinge mit und neben einander beftehen, ber man bef- 
halb die dreifache Dimenfton der Breite, Länge und Höhe beilegt. Ariſtoteles, 
der fich zuerft im tiefere Unterfuchungen über den R. einließ, erflärte benfelben, in- 
dem er ihn mit einem an ſich leeren, unbeweglichen Gefäße vergleicht, für bie 
letzte ruhige Graͤnze des Himmels, fiel aber dadurch in denſelben Serthm, beffen 
er Platon beſchulbigte, daß er ben R. mit ber Materie verwechfele, denn 
jene Gränze gehört der Materie an. Die Unterfuhung ruhte ziemlich, bis zur 
Zeit der Scholaftifer, berem mehre, wahrſcheinlich aus Beranlaffung von Bibel: 
ftellen, ben R. für die Gottheit felbft oder eine Affeftion derſelben, kraft welcher 
ex allgegenwärtig ſei, erklärten. Newton betrachtete, ohne klar zu werben, ben 
NR. als Senforium des Höchften Weſens. Xeibnig dagegen nannte ben R. ben 
Begriff der Verhältniffe und der Ordnung, in weldem Dinge beftchen. Sant 
erflärte ben R. für die urfprüngliche Form des Anfchauens und bie Bedingung, 
ohne welche die objektive Welt dem äußern Sinne ſich nicht erflären würde. Die 
Reflerion über ben R. führt zu folgenden Hauptrefultaten. Der R. erfcheint nicht 
als etwas Wirkliches und Selbftfländiges, denn berfelbe verhält fi ganz gleich⸗ 
gültig gegen die Dinge, bie in ihm fich bewegen; er if gleichfam blos bie allge 
Heinhe faffung_derfelben in Hinfiht auf das Stetige; eben fo wenig fünnen 
dem R. Eigenschaften vindicirt werden, indem ber Menſch fi) wohl das Welts 
gene, aber nicht den R. wegzubenfen vermag ; noch weniger kann ber R. ein 
loßer Berhältnißbegriff feyn, weil bie Verhältniffe des Wo u. Bann bie Bor- 
fetlung des R.s vorausſetzen. Und doch kann derfelbe auch nicht als eine bloße 
Einbildung angefehen werden, weil fein Menſch fi von der Ihrer der BBos⸗ 
Digfeit des 3.8 lodgumachen vermag. — In ber Geometrie deiyı R'e Tania 


652 Roumer — Raupadı. 


0 

ung eines Körpers nach allen Seiten Hin. Diefe Ausdehnung wirb von Binien 
eingefchlofien. — In dee Stereometrie bebeutet R. das, was von den Fläche 
eines Körpers begränzt wirb. In der Mechanik wird R. jene gerade Linie genannt, 
welche ſowohl von ber Laſt, ald von ber Kraft in gleichen Zeiträumen burdhlaufen 
wird, — Bei einem Befefligungswerfe, fo wie bei einem Schiffe, Heißt R. bus 
Faffungsvermögen berfelben, und biefem gemäß find fie bei gleichem Umfange befls 
befler, je größer biefes Fafſungsvermoͤgen ift. 

Raumer, 1) Friebrich eubmig Georg von, ein trefflidher deutſcher 
Geſchichtſchreiber, geboren 1781 zu Woͤrlitz bei Deffau, flubirte zu Halle umb 
Göttingen Eameralia und Geſchichte, ward 1801 Referendar bei der kurmaͤrkiſchen 
Sammer in Berlin, 1802 Affeffor, 1806 Domänenrath zu Wuſterhauſen bei Ber 
lin, 1808 Regierungsrath in Potsdam, 1810 arbeitete er im Bureau des Staats: 
fanzlers Kürften von Hardenberg, 1811 ward er orbentlicher Profeſſor der Geſchichte 
u. Staatswiflenfhaft in Breslau. 1815 reiste er nach Italien u. wiederholte biek 
Reiſe 1816 u. 1817 auf königliche Koften, 1819 warb er Profeſſor in Berlin. 
1830 reiste er nah Paris. Bon feinen zahlreichen Schriften heben wir folgende 
als die wicdhtigften aus: Geſchichte der Soßenftaufen u. ihrer Zeit, 6 Bde., 2te 
Aufl., Lpzg. 1840—42; Geichichte Europa’s feit dem Ende des 15. Jahrhumderts, 
7 Bde., ebd. 1832— 43; Briefe aus Paris u. Frankreich im Jahre 1830, 2 Bbe, 
Lpzg. 1831; Briefe aus Paris zur Erläuterung der Geſchichte des 16. und 17. 
Fabrhunderts, 2 Bde., Lpzg. 18315 Ueber Recht, Staat u. Politik, 2te Aufl, 
Lpzg. 1832; Hiftorifhe Taſchenbuͤcher, 19 Bde., Lpzg. 1829-47. Seinen Reiien 
nad England im Jahre 1835, nad Stalien im Sehe 1839 und Amerika im 
Jahre 1843 verdanken wir feine Schriften: England im Jahre 1835 (2 Be, 
Lpzg. 1836, 2te um 1 Bd. „England im Jahre 1841” vermehrte Aufl., 1842; 
Beiträge zur neuern Gefchichte, aus dem britifchen Mufeum u. Reichsarchive 
(5 Bde, Lpzg. 1836 — IN; Italieniſche Beiträge zur Kenntniß biefes Landes 
(2 Bde., Leipzig 1840) u. „Die vereinigten Staaten von Rorbamerifa” (2 Bbe, 
Leipzig 1845), die durch bie außerordentliche Bielfeitigkeit, mit welcher ber 
Verfaffer zu beobachten verfteht, vor Ähnlichen Werken fi hoͤchſt vortheilhaft 
auszeichnen. — 2) R. Karl Georg von, ein verbienter Geograph u. Natur 
forfcher, jüngerer Bruder des Borigen, geboren 1783 zu Wörlig, lebte als Ober 
bergrath in Berlin, als Profeſſor der Mineralogie in Breslau u. Halle und iſt 
jetzt Profeflor der Raturgefchichte in Erlangen. Seine geognoftifchen Werte find 
wertbvoll; außerdem: „Lehrbuch ber allgemeinen Geographie” (2. Aufl. 1835); 
Baikkina? (2. Aufl. 1838); „Beiträge zur bibliſchen Geographie,” Leipz. 1843; 
„Geſchichte der Pädagogik" (3 Bde., Stuttgart 1843 fg.); Beſchreibung Ber Erb 
oberfläche, 4. Aufl., Leipzig 1844 ıc. 

Raupach, Ernft Benjamin Salomon (pfeubon. Lebrecht Hirſemenzel, 
€. Leitner), geboren 21. Mat 1784 zu Straupig in Schlefien, ftubirte in 
Theologie u. fam 1804 al8 Haußlehrer nach Petersburg, wurde 1816 als Hof 
rath u, ordentlicher Profefior der Philoſophie an der Univerfität dafelbft angeftellt, 
1822 als foldher fuspendirt und lebt ſeitdem in Berlin feiner dramatifchen Muſe. 
Erzäßlender u. lyriſcher, befonders dramatiicher Dichter, ohne lüferen Gehalt, 
oberflächlich u. rhetorifch-breit , vielfach an Kopebue erinnernd, ein „ peare 
ber Trivialität“ (wie Ad. Stahr fagt), in befien dramatifchen Erzeugniffen, be 
fonders in dem „Cyklus ber Hohenftaufen“ der Schauplag von EA it, in abge 
meflene Felder eingetheilt, die weiß oder ſchwarz gefärbt, die Figuren auch von 
Holz, wies herkommlich ift, rechts oder linfs, vorn ober Hinten, auf bunfelem ober 
hellem Felde ſtehend“ (Börne). Als Luftfpielbichter erfirebte R. ein reines, un 
befangenes Scherzipiel u. nahm vielfach die verfehlten Erfcheinungen u, Strebungen 
ber Zeit zum Vorwurfe, wußte jeboch feine beiden Hauptfiguren Schelle u. Till 
nicht zu Trägern des Komifchen zu machen, bie ohnehin nicht fein Eigenthum, 
fondern von Anberen erborgt find. Im Hiftorifchen Schaufpiele verfuchte fi R. 
an ber großen Zeit der Hohenſtaufen, aber wis geringen Site, "Sak Amamark 


Raupen, 653 


umfaffendem Werke find Verhältniffe und Begebenheiten, benen ein theatralifcher 
Gffeft fich abgewinnen ließ, äußerlich neben einander geftellt, ohne Erfaffung jener 
‚Helbenzeit, bie in unzähligen Pleinigkeiten, aber nicht in impofanten Größe 
wiebergegeben iſt. Am wenigften ift bas Kirchliche im jener Zeit würdig ge 
fhilbert ; dazu iſt R. ein zu moderner, verftändiger, nüchterner Proteftant. Auch 
das Voll in ben italienifdyen Freiftaaten war ein anderes, als der rohe, bornirte 
Pöbel Rs. Bol, weiter Enf in ben Wiener Jahrb. 80. 82, 855 Wötfcher In 
ben Berliner Jahrb. für wiſſenſchaftl. Kritit 18385 Kehrein, dramat. Poeſie ber 
Deutſchen 2, 247 fı u. Hillebrand, Literaturgefch. 3,589 f. Dramat. Werke fom, 
Gattung, Hamburg 1829 f., 4 Thle.z Dramat, Werke ernſter Gattung, baf. 
1830 f., 15 Thle. Die Hohenftaufen, baf. 1837 f., 8 Thle, ". 
aupen (Erucae) find Larven verfchiedener Infeften, beſonders der Schmet⸗ 
terlinge. Man unterfdeidet Achte ober eigentliche u. After-R. Letztere Haben 
entweder nur 3 Paar Bruftfüße, wie die Larven der Köcherjungfern (Phryganen) 
u, a, oder mehr ald 8 Fußpaare, wie die Larven der Blattweöpen (Tenthredo). 
Erftere (bie Larven der Schmetterlinge) haben außer dem platten, auf jeder Seite 
mit 6 nur durch's Mikcoffop fichtbaren Augen verfehenen, haarigen Kopfe einen 
Halbwalzenförmigen, aus 12 Ringeln: beftehenden: Leib mit 9 Luftlödhern u. 4—8 
Bußpaaren, barımter 3 Paar Bruftfüße, welche hornig und bei allen R.» Arten 
vollzählig find, während die warzigen Bruftfüße, ſowie die Nachſchieber, entweder 
unvohäßlig oder verfümmert find, oder ganz: fehlen. Bei ben meiften R. finden 
fih 4 Paar Bauchfüße (am 6—9. Ringel); bei manchen nur 3 Baar (am 6—8. 
oder 7—9. Ringel); bei anderen (den fogenannten Spann-R.) nur 1— 2 Paar 
Cam 8—9. oder am 9. Ringel); bei anderen find fie verfümmert oder fehlen gen 
PioheR. u. Minir-R.), Die Bauchfüße und Nachfchieber find zum An 
mern mit hafenförmig gekrümmten Borflen verſehen. Außer ben gezähnten, 
zwifchen zwei Kappen liegenden Freßwerfjeugen befindet ſich am Ropfe ber. R. 
an ber Unterlippe noch eine feine Deffnung, woraus fie fpinnen. Die Materie 
zum Spinnen liegt neben dem gerade ausgehenden Darmfanal, der von einer 
Maſſe (Fettkörper) umgeben if. Die Lebensdauer der R. von ihrer Entwidelung 
aus dem Ei bi zu ihrer Srerpuppung ift bei den meiften fehr kurz (3—4 Wochen) ; 
bei benen, die in Schlupfwinfeln, in der Erde ober in Gefpinnften überwintern, 
5—6 Monate; bei einigen Holzfreſſern, z. B. dem Weidenbohrer, 2—3 Jahre, 
Die R. Häuten fi) mehrmals, während welcher Zeit fie feine Nahrung zu ſich 
nehmen. Mande R. leben in der Jugend, andere bis zur Berpuppung gefellig 
in einem gemeinfchaftlichen Gefpinnft (Ref-R.); die meiften theils immer, theils 
nad ben erften Häutungen einfieblerifh. Bemerkenswerth find die gefelligen 
Wanderungen der PBroceffions-R. (Bombyx processionea). Die Größe ber R. 
fleigt von 1 Linie bis zu 6—7 Zoll Länge u. 4 Linie bis zu 1 Zoll Dide, Die 
Heinften leben zwiſchen den äußeren Häuten ber Blätter, von deren Zellgemebe 
arenchym) fic ſich naͤhren (Minir-R.); andere in Gehäufen aus vegetabilifchen 
u. thieriſchen Stoffen, die fie in das Gefpinnft verweben, oder auch in Seidens 
futteralen (Butteralmacher); noch andere in zufammengerollten Blättern (Blatt- 
wider); noch andere im Marf u. den Stengeln ber Pflanzen (Mark⸗ u. Sten- 
el: R.); oder im Holze u. unter ber Rinde der Baumflämme (Holz:R.); oder in 
Samensütfen Hülfen-R.); oder in ber Erde, theild immer (MWurzelsR.), theils 
nur bei Tage (Erd⸗- oder GrabsR.); ober auf ihren Yutterpflanzen und deren 
Blüthen (Tag-R.); oder in Obſt ıc. (Obſt-R.) ꝛc. Die meiften Arten naͤhren 
ich von vegetabilifhen Stoffen (Blättern, Blüthen, Knospen, Früchten, Samen, 
Rinde, Holz, Mark, Wurzeln, Mehl, Zuder, ‚Benig 2c.); einige auch von anderen 
R. (Mord-R.); einige wenige von vertrodneten thierifhen Stoffen (Federn, 
Haaren, trodenen Infeften ıc.). Rach ihrer aͤußern Geftalt, Aehnlichkeit, Ber 
dedung, Zeichnung und allerhand Auswüchſen theilt man bie R. auf verfchiebene 
Weife ein. Merfwürdig find fle befonder6 wegen ihrer Menge, in wahr anne 
Arten erſcheinen; wegen ihrer Gefräßigfeit, en Arie al Track in 


Nahrung zu fich nehmen, als fie ſelbſt wiegen; wegen ihres fchnellen und be 
deutenden Wachſsthums, indem 3. B. bie Weiden R. erwachſen 72,000 Mal 
ſchwerer ift, als ba fie aus dem Ei roch ; endlich wegen bes großen Schabene, 
den manche Arten von R. anrichten (die R. des Kohl⸗ und Baumweißlings, bie 
bes Weidenfpinners, des Forfifpanners, des Kiefernſchwaͤrmers, bes Kiefernſpin⸗ 
ners, der Ronne, ber Steferneule, bes Kiefernfpanners, des Fichtenipinners, des 
Goldafterfpinners, die Ringel» u. Stamm-R.; die R. der Korn⸗, Kleider⸗, Pelz, 
genigmotie u. a. m.) Ruͤtllich durch ihr Gefpinnfl _wird die Seiden⸗R. — 
tig iſt feine R. an u. für ſich; doch können die Haare einiger Arten (beſon⸗ 
ders der Proceſſtons⸗R.), wenn file eingeathmet werben, oder in zarteren Theilen 
ber menfchlihen Haut fich fefihängen, ober von weidendem Vieh verfchludt wer- 
ben, gefährliche, zuweilen tödtliche Entzündungen verurſachen. GSchupmittel gegen 

R.⸗Fraß und zu großes Ueberhandnehmen ber R. find: Fleißiges Abfammeln 
R., Eier u. R.⸗Neſter mittelft der R.⸗Scheere; Schütteln ber Bäume und Hefe 
und forgfältiges Reinigen derſelben von abgeftorbenem Holze, Rinde und alten 
Blättern; Beftreichen des Stammes und der Hefte mit Kalkwaſſer ober Seifen 
baum; Umziehen berfelben mit Bapler: ober Leinwanbdftreifen, bie mit Theer 

wiederholt beftrichen werden, ober mit Wolle und Werg; Umgraben ber 
rings um die Stämme, Raͤucherungen mit Echwefel, Salpeter, Hornfpänen ꝛc.; 
Anzünden von Feuern bes Abends u. Aufftellung von Glaslampen, die mit einem 
mit Theer beftrichenen Rebe umgeben werden u. dgl. m. In WBaldungen bient 
Abfperrung bes infichtten Terrains durch Aufwerfen von Gräben, worein Waſſer 
eleitet wird; Anzünben ‚von großen Feuern aus Wahholder, Stroh 2c. mit 
chwefel u. Salveter, Entfernung ber Moosbede, Eintreiben von Schweinherben 
u. dgl. m. Doch find alle diefe Mittel meift unzureichend, den Gang ber Natur 
zu ändern. — Große Verdienſte um dieſen Theil der Naturkunde erwarben fidh: 
Reaumur, Röfel, de Geer, Kleemann, Sepp, Wilkes, Esper, Bergfträßer, Brahm, 
Cramer, Ernſt, Drury, Hübner, Geyer, Freyer, Bois, Duval, Fiſcher, Godart, 
Duponchelle, Denis, Schiffermüller, Zabridus, Schrank, Borkhaufen, Ochſen⸗ 
heimer u. Treitfchke, Latreille, Meigen, Herold u. 4. — Belondere R.Ralenber, 
d. h. Angabe und Befchreibung der R. nad) den einzelnen Monaten, worin fie 
erfcheinen, nebft Angabe ihrer Yutterpflanzen u. fonftigen Rahrungsftoffe, Aufent⸗ 
- Salt ıc. bat man von Mader, Schott u. 4. | 

Raute, gemeine, Bartens oder Weinraute, Ruta graveulens, eine in 
Südeuropa wilbwachfende, in Deutichland cultivirte Pflanze, deren Kraut u. das 
daraus beftillirte Del, Herba u. Oleum rutae hortensis, als Arzneimittel im Ge 
brauche ifl. Die Blätter find dreifach oder doppelt fieberförmig, Abfchnitt flumpf, 
die unteren länglich, die oberen verkehrt eirund fpatelig; Geruch flarf —— un⸗ 
angenehm; Geſchmack bitter, kampherartig. Sie wirkt reizend, krampfſtillend, vor⸗ 
zuͤglich auf die Gebaͤrmutter. Das aͤtheriſche Del, von gleichem Geruche u. Ge 
Iümade, von grüner oder gelblicher Farbe, fommt gewöhnlich nicht gang Acht In 

en Hande 
ante, f. Rhombus. 

Navaillac, Brangois, ber Mörber Heinrichs IV. (f. d.), Königs von 
Frankreich, geboren zu Angouleme 1578, widmete ſich Anfangs dem Stande feines 
Baters, eines Rechtsgelehrten dafelbft, trat fpäter in den Orden der Feuillang, 
aus dem er jedoch wegen Ausfchweifungen und toller Ideen wieder verfloßen 
wurde, worauf er fich erft zur juriftlichen Praris wandte und alsbann mit 
Schulunterricht fi beichäftigte Mit feinen brüdender werdenden Umſtaͤnden 
wuchs auch fein Trübfinn, ber, durch bie damaligen Religionshändel in ihm zur 
Schwärmerei gefteigert, ihn Heinrich IV. als Hauptfeind der Kirche betrachten 
ließ. Endlich gebieh ber ſchon lange in ihm durch bie Feinde bes Königs ge 
näßrte Gedanke, es fei verdienſtlich, diefen zu ermorden, um feften Borfaß, den 
er Dann auch, nach wiederholten Berfuchen, am 14, Mai 1610 in Paris, als ber 

«  SLönig mit feinem Wagen in einer engen Straße ya halten qeuäthiat war, aus⸗ 


Raveaur — Ravenna, 655 


r " 
„ führte, indem er ihn mit einem Meffer erſtach. Gr ward auf der That fert 
‚amd, nah Erduldung der fehredlichften Marten, ohne Mitſchuldige zu en 
‚ben 27. Mai auf dem Greve-Piahe geviertheilt, Sein Name wurde vertilgtz 
| Bas Haus, worin er geboren, ber Erde gleich gemacht und feine Eiterm und 
Berwanbdten bei Todesftrafe aus Franfreich verwieler. 
| Naveaur, Franz, gebürtig aus Köln, erlernte die Hanblung und begründete 
ein Geſchaͤft in feiner Vaterftadt, fallirte aber und wurde fogar gepfänbet, wobei 
er ſich mit den unwillfommenen Dienern der Gerechtigfeit den Spaß machte, eine 
Stunde vorher Alles zu verkaufen, fo daß jene nicht einmal einen Tiſch fanden, 
worauf fie ihr Protokoll anı ven konnten. Nachher focht er in Spanien unter 
ben Chriſtinos, kehtte dann in feine Vaterftabt zuriict und errichtete eine Eigarrens 
Handlung. Ein lebhaftes Gefühl für Recht ift diefem Manne eigen, deßhalb war 
ee auch ftets in Streitigkeiten mit ber übermüthigen, altpreußiſchen Bureaufratie 
verwidelt und galt bei ihr für einen — Kopf, während er bei dem Vollke 
ſehr beliebt war. Bei ben unglüdlichen Kölner Auguftereigniffen des Jahres 
1846 nahm ex ſich feiner — ſehr an, wurde dann zum Stadtrathe erwählt 
und war im Früßlinge d. 3. bei der aus zwölf Kölner Stadträthen beftehenden 
Berliner Deputation, wo er durch fein ruhiges, aber entfeploffenes Benehmen den 
fi hoͤchſt ungnädig und übermüthig zeigenden Minifter won Bodelſchwingh in 
Berlegenheit brachte. Als das Deutfde Borparlament zufammentrat, erſchlen R 
in demfelben und zeichnete ſich als Mann von feltener Rednergabe und praltiſchem 
Blide aus. Die Stadt Köln wählte ihm zum Deputirten für bie deutſche Nas 
tionalverfammlung unb hier war er Mitglied der Deputation, welche im Namen 
jener Berfammlung dem Reichsverweſer, Erzherzog Johann von Defterreih, bie 
Nachricht von der auf ihn — Wahl ad ten überbrachte, bei welcher 
Gelegenheit R. von dem Reichöverwefer befonders ausgezeichnet wurde, während 
‚andererfeits fein Nebnertalent großes Auffehen erregte, NKränflichkeit hielt ihn in 
Wien zurüd und er wohnte ber —ãA ber öfterreichifchen een ar: 
22, Juli d. I. bei. R. ift zwar ohne höhere Bildung, aber eine praftifche, bie 
Umftände benügende und den Augenblick ergreifende Natur, wie wir fie in 
Deutfchland noch ſehr entbehren; Fed und Har feinem Weſen nad, weiß er zu 
jeder Zeit das rechte Wort zu finden, während er mit biefen Vorzuͤgen eine 
innige Liebe für feine rheiniſche Heimat u. deren Inftitutionen vereinigt. C. Pfaff. 
Ravelin oder Halbmonb nennt man im ber dortifikation ein flafchens 
ober funettenförmiges, vor ber Courtine ber Baftionsfeonte liegendes Außenwerk, 
deſſen Zmwed ift, Die Hinterliegenden Theile gänzlich vor Fernſchuͤſſen zu fihern, 
das Defilement der nebenliegenben Fronten zu erleichtern, ben Gang ber Belages 
rung zu verzögern u. felbft nach dem Berlufte duch fein Dafeyn noch ben Bes 
lagerer in ber freien Ausbreitung zu hindern. Ein gut angelegtes R. erzeugt 
mit den Baftionsfacen ein kreuzendes Feuer, zwingt fomit den Feind zu boppelter 
Decung u. fhließlih zum Angriffe auf daſſelbe, wofern er nicht feine eigenen 
Sappen im Rüden befcoffen fehen wil. — Rah Bauban (f. d.) vervoll- 
fommnete Cormontaigne die Einridtung ber R.s; am zwedmäßigften jedoch 
erſcheint ihre Anlage in den Suftemen von Colhorn u. Bousmarh. 
Ravenna, Hauptftadt einer Delegation im Kirchenftaate, in einer niedrigen, 
fumpfigen Gegend, eine Etunde von ber Mündung des Mentone, if Sig eines 
Erzbiſchofs, hat 21 Kirchen, darunter ben 1734 — 1749 ganz neu aufgebauten 
Dom, viele Klöfter u. Hofpitäler, ein Collegium, erzbiihöflihes Seminar, öffent- 
liche Bibliothef, Mufeum, das Grabmal Theodorich's (Maria della Rotonda), 
eine Heine halbe Stunde vor der Stadt Dante’s Grabmal, ein Waifenhaus, 
Leihhaus u. 25,000 Einwohner, welche Seidenfpinnerei, Seidenweberei u. Wein 
bau treiben. — Für bie Kunft-Gefhichte IR R., mit den noch großentheils wohls 
erhaltenen Denkmalen aus ber Zeit feiner größten Blüthe, eine der intereffanteften 
Städte, indem Re am beutliöften ben Zwiſchenzuſtand ywihchen der amliten U. wide 
alterlichen Zeit zeigt. — R. iſt eine ber Alteften Städte Staltend u. Ähreit keiuenWne 


656 Ravensberg— Raynal. 


fprung von den fabinifchen Umbriern, etwa 641 vor Erbauung Rom’s, her. Das Stabt- 
gebiet gränzte in Rorden an ben Bo, in Süben an ben Eavio, in Often an's Mer, 
in Welten an Sümpfe. Unter der römifchen Herrſchaft war es zuerft Umbrien, 
unter Caͤſar u. Sylla aber Ballien zugetheilt. Auguftus legte hier einen großen 
Hafen an u. veranlaßte damit die Gründung von Claſſe aus Ceſarea, welches 
erfiere unter dem Longobardenfönige Luitprand 728 zerfiört wurde. — 404 machte 
Honorius, Sohn Theodoflus des Großen, NR. zur Reſidenz bes weftrömifchen 
Reichs u. nach feinem Tode wandte feine Schweiter, Galla Placidia, bie Mutter 
Balentinian’s, auf den Glanz diefed zweiten Rom’s die größte Sorgfalt. 493 
that Theodorich, ber Oftgotbe, nach ber Beflegung des Odoakar ein Gleiches, 
u. feine Tochter Amalafuntda, 526—535, folgte einem Beiipiele. 540, nad) Be 
Regung der Oftgothen, wurde R. Sig des griechiſchen Erardhates u. bie Gtatts 
halter des prachtliebenden u. bauenden Zuftinian hielten fi an ihr Taiferliches 
Vorbild. Bis dahin reicht die eigentliche Blüche R.s. 752 fiel es in bie Hände 
bes Longobarbenkönigs Aiſtulf. Pipin machte fodann mit bem befreiten R. bem 
Papſt ein Geſchenk 755, das Karl der Große 769 betätigte. Es wurbe Hierauf 
von Eonfuln regiert. Im Kampfe der Guelfen u, Ghibellinen trat ale Haupt 
ber erfteren Pietro Traverfara an die Spitze des Regiments, fpäter wechſelten 
faiferlihe u. päpftliche Befehlöhaber, bis Oftafio IV. die Alleinherrſchaft erlangte 
(1318), die 123 Jahre dauerte. 1441 fam R. in die Gewalt ber Benetianer. 
1509 eroberte es Papft Julius IL u. ſetzte einen Garbinallegaten hierher. Durch 
den Frieden von Tolentino wurde es den Franzoſen unterthan, buch den Wiener 
Congreß 1815 dem Kirchenſtaate zurüdgegeben. 

Ravensberg, eine vormalige Grafichaft im weftphälifchen Kreiſe, von Lippe, 
Baderborn, Rietberg, Rheda, Münfler u. Minden begränzt, mit 90,000 Einwo 
nern auf 164 [J Weilen, if von der Wefer ducchflofien, welche Bier bie Werre 
aufnimmt, wird von einigen mäßig hoben Bergketten durchfchnitten u. Hat einen 
theils fetten u. fruchtbaren, theils fandigen, leichten Boden, guten Getreid⸗ und 
Flachsbau, vorzügliche Vieh- u. Bienenzucht, Steinkohlen, Torf, Salz, Mineral: 
quellen u. bedeutende Induftrie vornämlich in Leinwand. Seht iſt fie unter bie 
Kreife Rahden, Bünde, Herford, Halle u. Bielefeld des preußiichen Regierung 
Bezirks Minden vertheilt. Hauptſtadt war Bielefelb. 

Raynal, Ouillaume Thomas, Abbe, geboren zu St. Genie; im Depar⸗ 
tement Aveiron 1711, erhielt feine Bildung bei ben Jeſuiten in Touloufe, trat 
in biefen Orden, verließ ihn aber 1746 wieder u. warf ſich dem Studium jener 
verdorbenen Philofophie, wie fie damals in Frankreich im Schwunge war, in bie 
Arme, Diefen Geift athmen aud feine Werfe: „Histoire du Stadhouderat“ 
(1748); „Histoire du parlement d’Angleterre“ ; (2 Bände, 4. Auflage, Dis 
1748); „Anecdotes historiques, militares et politiques de l’Europe“ (3 “be, 
Paris 1753), die alle mehr oder weniger flüchtig gearbeitet waren und im 
Ganzen nicht vielen Werth befigen. Sein Huuptwerf aber ift die, ohne Grund 
fo berühmt getvorbene, „Histoire philosophique et politique des e&tablis- 
seınens et du commerce des Europeens dans les deux Indes“, Amnfterbam 
1771, 7 Bde, u. oft, Paris 1798, 22 Bde. Die befte beutfche Ueber 
fegung, Kempten 1783, 11 Bde, — Mit Recht tabelt man an biefem Werke 
die allzu ungebundene Sreimüthigkeit, Die einfeitige Strenge und bie nur 
blenbenden, keineswegs aber überzeugenden Ausfälle gegen Religion, Moral 
und Staat, fowie man auch bie Glaubwürdigkeit vieler Thatſachen mit 
Recht bezweifelt. — Die Schreibart if, wie in allen feinen Schriften, 
gefucht, *2 und vol wißiger Antitheſen. — Nachdem. das Werk ſchon 
mehre Auflagen erlebt u. durch ben Schimmer des Vortrags u. bie Kühnheit ber 
Gedanken allgemeines Aufiehen erregt hatte, wurde dem Berfaffer wegen deſſelben 
ber Prozeß beim Parlamente zu Paris gemadtt. Er mußte fein Baterland ver 
laffen, hielt fich feit 1781 bei Sriebrich I. von Preußen auf, kam 1785 nad 
Branfreich zuräd, lebte währmd der Reoatutien im Stillen in Dürftigfeit und 


Rapnonard— RE, 657 


arb am 7. März 1796 zu Paſſy bei Paris, Auch ſein Charalter war leines⸗ 
egs frei von Schwaͤchen u. ngeln. 

Raynonard, Frangois Juſt Marie, ber Vater ber romaniſchen Phi⸗ 
logie, geboren 1761 zu Brignolles (Bar), Advofat zu Draguignan, leant⸗ 
Veputirter auf der gefeggebenden Verſammiung, entkam in Folge des 9. Thermi- 
’r glüdlich aus dem Gefängniffe u. lebte nun ausſchließlich der Literatur, Die 
kabemie erwählte ihn 1807 zum Mitgliebe, fpäter zum Sekretär, Zmeimal im 
eleßgebenben Corps, bearbeitete er 1813 bie berühmte Adreſſe, welche men 
m u, bie geſetzlich garantirten Freiheiten verlangte, Er ftarb 1836. ft 
eſchrieben u. reich an Schönheiten find feine Tragödien: „‚Caton d’Utique“, bie 
+ im Gefängniffe fchrieb; „Les Templiers“, welche 1805 35mal aufgeführt 
urde. „Les ötats de Blois“ (1814) u, Tleinere Gedichte; Ichrreich feine „Uns 
rfuchungen über die Tempelritter“ (1813) u. die „Geſchichte des Municipal 
echts in Frankreich“ (2 Bde., 1829), bewundernswerth durch Fleiß u. Scharf 
mn bie Schriften über die romaniſche Eprachfamilie, bie er buch Grammatifen 
1816) u. „Gramm. compar&e des langues de l'’Europe latine‘ 1822; „Obser- 
att. philolog. et grammat. sur le roman du Rou“ (1829); „Sammlungen“ 
5.Bbe, 1817—22) u. „Rerifon® (1836 fg.), aufhellte, 

Razzi, Giovanni Antonio, genannt Sod oma, ein ausgezeichneter Maler 
er Schule von Sina, geboren 1479 zu Vercelli in Piemont, wurde von Leo X. 
am Ritter u. von Karl V, zum Pfalggrafen erhoben. Anmuth, Wahrheit, gute 
jeichnung u. treffliches Colorit bezeichnen feine Bilder, von denen bie ausgezeii 
‚eiften ſich in Siena befinden: fo die heil, Katharina von Siena u. die Kreugab⸗ 
‚abe. Durch Sonderbarfeiten u. Ausgelaffenheit gab er Stoff zu nachtheiligen Ge⸗ 
üchten u. ftarb 1554 zu Siena im Spital, 

Razzia, ein arabifhes Wort, womit man bie militäriihen Einfälle in’s 
eindliche Gebiet, mit Wegnahme von Vieh, Getreide u. ſ. w. bezeichnet, bie in 
em Kriege von Algier eine fo wichtige Rolle fpielen, und von benen mar mit 
inem Ale ſpricht, ben fie, mit wenigen Ausnahmen, nicht werbienen und ben 
aan paffender für eine andere Gelegenheit aufiparen follte. Auch find es die 
Frangofen nicht, welche bie R. eingeführt haben; fie haben dieſes Syſtem der Krieges 
übrung ald eine Volfsfitte vorgefunden, weiche täglich gegen fie felbft u. ihre 
Aliirten in Anwendung gebracht wird u. an deren Abfchaffung man nicht cher 
venfen barf, als bis die Givilifation überhaupt in jenem Lande Wurzel gefchlas 
em hat. Seit die Franzoſen unter den Einwohnern Alltirte gewonnen haben, 
ommt ber Fall täglich vor, daß dieſer oder jener befreundete Stamm buch eine 
R. um fein ganzes Eigenthum gebracht worben iſt u. feine Weiber u. Kinder 
118 Gefangene hat fortfchleppen fehen. Mit Recht fordert ein folder Stamm 
son ben Ftanzoſen Erfag für ben erlittenen Verluſt. Welch ungeheuere Summen 
vürden aber erforderlich ſeyn, um alle auf biefe Weife erlittenen Sriegeiaäten 
wu erfegen, wobei es immer noch geifeigaft bliebe, ob bie Gefangenen für Geld 
oszufaufen wären. Will man fi nun ben nächften Tag von allen Allirten, 
ohne deren Hülfe ber Kin mit Erfolg nicht geführt werben kann, nicht verlaffen 
iehen,, fo muß für deren Verluſte Erſätz geleiftet werden; in biefem Falle iR nun 
die R. nicht allein die bequemfte u. natürlichfte, fondern auch bie fiherfte u. ger 
rechtefte Maßregel, den Breunden wieber zu dem Ihrigen zu verhelfen. Uebers 
haupt muß man fi} eine von ben Franzoſen ausgeführte R. nicht fo furchtbar 

in ihren Wirkungen benfen, als man nad) manchen Berichten barüber wohl ges 
neigt ſeyn möchte. 

NE, eine fruchtbare, befonders an Wein, Feigen, Mandeln u. Salz ergibige, 
Inſel an ber Küfte des frangöfifchen Departements Nieder» Eharente, im atlantis 
{hen Meere, 3 Stunden von La Rochelle. Die Küften im Süben u. Weſten 
find fleil u. unzugänglih, aber im Norden befinden fi eine Menge Lanhunge- 
Plaͤtze u. ſichere Sim. Die Größe beträgt 775 TI Mein, wie ou 


Realencpelopäble. VI. 


658 Reaction. 


18,000, meift gute Seeleute. Hauptort iſt St. Martin, mit 3,000 Einwohnern 
u, durch 4 Korte vertdeibigt. 
Reaction, Rüdwirfung, Gegenwirkung. — Eine jede R. ſetzt, wie 
ihon der Name andeutet, eine Action voraus; iſt diefe eine Bewegung, bann 
wird die Gegenwirkung auch eine Gegenbewegung feyn, bie, wie alle Bewegung, 
in der Geifterwelt ebenfo, wie in der Körperwelt, nicht in einem ruhigen Be 
harren, fondern vielmehr in einer bewegenden und zwar abftoßenden Kraft ihren 
Grund haben kann, wodurch einer andern Kraft in ihrer Bewegung Widerſtand 
eleiftet wird. Die Ren in der politifchen Welt find immer bedingt durch das 
Dafeyn von Kräften, die miteinander in Widerftreit gerathen. Sie können eben 
fowohl in einem guten, als in einem böfen Einne eintreten, je nachdem fie naͤm⸗ 
lich tendiren, entweder einen vorhandenen fchlechten politifchen Zuftand in einen 
befiern, ober umgefehrt einen bereits beftehenden guten in einen ſchlechteren umzu⸗ 
wandeln. Betrifft dieſe Ummandlung auf dem Wege ber R. bie geſammte 
Staatsordnung mit der Staatöform, dann geht in dem einen, wie in bem andern 
Tale ein Revolution (1. d.) vor fi, Meift aber befchränft ſich bie reactionäre 
Bewegung blos auf das Erftreben ber Veränderung oder bes Umflurzes einzelner 
Theile oder Einrichtungen im Staatsgebäube, ohne daß das Ganze über ben 
Haufen geworfen wird. Nach dem gewöhnlichen Sprachgebraudhe verfteht man 
jedoch in der Politik unter R. nur eine rüdwirfende Bewegung in einem übeln 
Sinne, d. i. eine folche, welche darauf hinaus geht, einen ſchon vorgefchrittenen 
Geſellſchaftszuſtand auf einen ehedem dageweſenen wieder zurüdzubringen. Denn, 
wenn ein verfchledhterter oder nicht mehr zeitgemäßer politiſcher Zuftand verbeflert 
wird, dann pflegt man das Reform und nicht R. zu nennen. Geht eine R. mit 
Gonfequenz und gewiſſermaſſen fuftematifch bei ihren Beftrebungen zu Werke, 
dann hat man ein R.E-Syftem. Diefes Syftem, wie wir e8 bis vor Kurzem 
faft allenthalben walten fahen, verbanft feine Entftehung dem Siege ber Gegen 
revolution über die Revolution und begann eigentlich mit dem Sturze Napoleons. 
Der Grundcharakter des franzöflfhen Revolutionsfrieges, ben Napoleon als 
Kaiſer nur fortfegte, war Kampf bes philofophifhen Rechts gegen Hifto- 
rifhe Einfegungen, der Ideen gegen genebene VBerhältniffe, dictirt 
größtentheils duch Willkür, Verkehrtheit oder Gewalt. Dem Streite der Prin⸗ 
eipien war ein Ziel gefegt worden durch den Triumph der Revolution; aber er 
fchrte ſchnell zuruͤck, als die Eontrerevolution Siegerin ward. Natürliches und 
Hiftorifches Recht erneuerten ihren unfeligen Rumpf. Die Eontrerevolution, in 
Folge ihres Sieges im Befige der Gewalt, benügte diefe, durch bictatorifche 
Machtgebote und Waffengewalt — ber ullima ratio regum — dem Streite in 
ihrem Intereſſe ein Ende zu machen und fomit nahm das Unternehmen ber 
Unterdrüfung aller Ideen, welde das Princip der Revolution gewefen, und 
zugleich der entfchiedene Rüdgang in eine längft vergangene Zeit feinen Anfang. 
Es hat diefes Eyſtem der R., welches nah dem Umflurze bes franzöftfchen 
Kaiſerreiches in den Cabineten der europäifhen Großmaͤchte die Oberhand ges 
wann, ben Sieg der ©egenrevolution über die Revolution fogar verhaßt gemacht, 
indem es manche fchöne Blüthen eines befieren Zuftanbes abfireifte und von 
Neuem Entzweiung in die europaͤiſche Menfchheit brachte. Denn, währenb auf 
ber einen Seite bie gegen bie Forderungen des Zeitgeiſtes verbrüberten Feinde 
eine furchtbare Kette durch alle Länder unferes Erbtheiles Schlangen, betrachteten 
fih auf der andern Seite auch die Freunde ber Freiheit als Genoſſen berfelben 
Interefien, berfelben Hoffnungen und berfelben Furcht, allentgalben ohne Bers 
abredung ale natürlich verbrüdert, und fo ward ganz Europa, fo weit überall 
ein öffentlicher Geift Dämmerte, von Neuem von Partelungen burchdrungen und 
es entfpann fich der Streit zwifchen den Parteien auf das Heftigfte In Frank⸗ 
reich begann die R. gleich mit der Reftauration der Bourbons. Denn mit biefer 
kehrten Biele nach ihrem Baterlande zurüd, welche burch die Revolution vormals 
beſeſſene Rechte und Büter verloren hatten, und ber Anblid bes wiederhergeſtellten 


Reaction. un nn” 659 


alten Thrones wirkte in gar Manchen von benen, welche ehebem allein berechtigt 
genelen waren, in feiner Nähe zu ſtehen und Einfluß in dem öffentlichen je 
—— zu üben, das Verlangen nach Herſtellung ber alten Ordnung ber 
ige. So entftand in Frankreich eine Reastionspartei, welche den Staat und 
die Kirche wieder auf den Punft zuriicgebracht zu fehen wünfchte, auf weichem 
fie 1789 waren, Bon biefer Partei gingen fort und fort Machinationen: aus, 
die von Ludwig XVII. ertheilte Charte IE umgehen und umwirffam au machen, 
das Wahlgefeh zu verändern, bie Prehfreißeit befehränfen "und Epurationen 
mit der Beamtenfchaft vorzunehmen. Man glaubte, Frantreich in bie alte Lage 
urück regieren zu. Fönnen, woraus es fich durch die Revolution geriffen, Vers 
gebens machten: in’ jener Zeit: unbefangene Politifer in Frankreich auf die traut 
rigen Folgen bes immer deutlicher zum Vorſcheine kommenden R.s + Wefens aufs 
merffam u. zeigten, wie baffelbe, auf die Spihe getrieben, umvermeidlich zu einer 
Revokution führen würde, zumal bei einem Volfe, in welchem politiiche Auf- 
Märung verbreitet iſt. Unier ben Bourbon ſchen Miniftern war unſireitig Bill 
berjenige, ber das R.s⸗Syſtem mit ber größten Gewandtheit befolgte, aber den 
Ulteo’6 ging baffelbe unter ihm viel, zu langſam. So lange tudwig XVII, 
lebte, ‚gelang es gleichwohl ber N.6- Partei nicht, bie völlige und entichiebene 
Oberhand in. ber Leitung der öffentlichen Angelegenheiten Frankreichs zu ger 
winnen, aber fie konnte hoffen, den Sieg und bie Herrfchaft davon zu tragen, 
als Karl X. ben Thron beftieg uud fih am bie Spige ber R. ftellte. Er bügte 
den Irrthum mit dem Verluſte feiner Krone und dem Sturze feiner Dynaftie, 
In Franfreih wurden bie Hoffnungen ber R. durch bie Julltevolution 1830 
vereitelt; groͤßeres Gläd lächelte ihr in Deutfchland! Während auf der pyrenäts 
ſchen Halbinfel und in Italien R. und Revolution miteinander. abwechfelten, 
behielt in Deutſchland erftere mit Hilfe ber EIER, die in ihren Händen 
war ıt.. wodurch. fie über die bewaffnete Macht gebieten fonnte, im Ganzen ftets 
die Oberhand, fo daß fie fih nur Hier und da manchmal in ihrem Gange und 
in ber Verfolgung ihrer Plane durch fleine feheinbare Siege der Bervegungss 
partei, bie jeboch bloß vorübergehend waren, aufgehalten und unterbrochen fah. 
Es lag ſchon in der Natur der aus ber Zufammenfegung des beutfchen Bundes 
entipringenden Berhäftniffe, baß ber Bundestag früher oder fpäter eine reactionäre 
Tendenz, dem conflitutionell-repräfentativen Syſteme gegenüber, an den Tag legen 
mußte, Denn, gelangte dieſes Syſtem mit ben Ideen und Doctrinen von flaats- 
bürgerlicher Freiheit und volfsvertretenden Verfaſſungen in einer Anzahl deutſcher 
Staaten zur Verwirklichung, dann konnte e8 nicht edlen, baß durch Entwidelung 
velfsthümlicher Inftitutionen eine zeitgemäßere politifche und fociale Ordnung an 
die Stelle bes alten Regime mit feinen ererbten Gewohnheiten und Borurtheilen 
trat, An der Spige bes Bundes aber ſtanden zwei abfolutiftifhe Mächte, welche 
ein entſchiedenes Uebergewicht über alle übrigen Bundesglieder in Anſpruch 
nahmen, bie Berathungen der Bunbesverfammlung leiteten und auf beren Bes 
ſchluͤſſe einen beflimmenden Einfluß übten. Diefe beiden Mächte hatten nun 
nicht nur den Willen, fondern auch die Mittel, eben ſowohl dem politifhen und 
ſoclalen Fortſchritt in Deutfchland hemmend und hindernd in ben Weg zu treten, 
ald au, wenn fie e8 ihrem Intereffe angemeflen erachteten, eine rüdgängige 
Bewegung zu gebieten. Deutſchland glich nämlich feit feiner Reconfituirung durch 
ben Wiener Congreß mehr einer Hegemonie, in welche ſich Defterreih und Preußen 
theilten, als einem Staatenbunde mit Vorherrſchaft des Principe der Rechtsgleich⸗ 
heit feiner fämmtlichen Glieder, welche Iegtere in ber Bundesacte zwar auf bem 
Papiere ſtand, jedod in der Wirklichkeit nie fih Geltung zu verfchaften vermochte, 
Auch Hat ber deuiſche Bund nic einen ſolchen reactionären @eift u. Charakter, bis 
auf dieſe Stunde feiner Auflöfung, verläugnet. Die erſten Jahre nach ber Er- 
Öffnung bes deutſchen Bundestages verliefen freilich, ohne daß berfelbe in kom 
Galle gewwefen wäre, eine befondere reactionäre Thätigteit ya entiolten. Die 
abfolutifen Gabinete fihienen noch nicht gefonnen, Ad deo we IN 


660 Reactionsſymptome —Reogentien, 


fie in den Amphyktionen zu Frankfurt zur Hand hatten, zu ißren Zweden zu 
bedienen. Später trat indefien das R.s⸗Syſtem im Bereiche des beutfchen Bun 
bes immer fichtbarer hervor, und bald fpiegelte es ſich deutlich progreffive in 
allen Entſcheidungen, Defreten, Anordnungen und Maßregeln, bie von ber obers 
ften beutfchen Bunbesbehörde ausgingn. Es dauerte daher nicht lange nad 
dem Umfturze der Napoleon'ſchen Herrfchaft, daß fi auch in Deutſchland bas 
R.s⸗Eyſtem in ber That und im Worte laut und vernehmlich genug ankünbigte 
und ſich befonders durch mannigfaltige Diatriben gegen bie ehfreibeit funb ge 
In Folge des Carlsbader Eongrefies trat bafielbe in den Bundestagsbeſchlüſſen 
vom 20. September 1819 offen hervor. Den Maßregeln In Betreff der beutfchen 
Univerfitäten, der Beſchraͤnkung der Preßfreiheit und der Errichtung einer Cen⸗ 
tralbehörbe in Mainz zur Erforſchung und Unterfuchung ber revolutionären Um 
triebe folgten nachgehends noch manche andere in gleichem Geiſte, wodurch bas 
Held, worüber fi die Thaͤtigkeit der R. erfiredte, immer mehr erweitert wurde. 
Seit der Epuration der Bunbesverfammlung am Ende bed Jahres 1823 war 
auch jede Oppofition im Schooße diefer gegen bie Willensneigungen ber beiben 
großen Bundesmädhte verflummt und zum völligen Schweigen gebracht. “Bon 
der Zeit an Hatte die R. gm ungebindertes Spiel und fie trieb baffelbe, ohne 
bei irgend einer beutfchen eglerumg auf Miderfpruch oder Wiberfland zu floßen, 
bis zum Ende Februars 1848. — Man hört auch jetzt, nachdem ber ungeheuere 
Umſchwung eine durchaus neue Orbnung ber Dinge bei und a ufen hat, 
viel von R. reden, bie namentlich von Preußen, befien König fich, wie er feibk 
fagte (Briedrih Wilhelm IV. Hat feit 1840 viel gefagt), „an die Spite ber Bes 
wegung ſtellen wollte” ausgehen fol. Sie wird aber nicht eintreten, ober — 
wenn fe einträte — müßten wir die Deutfchen für unwuͤrdig ber Rechte erklären, 
welche zu erringen fo lange und fo große und bermalen mit ber Ausficht auf 
ben fchönften Erfolg gefrönte Anftrengungen gemacht worben find. 
Reactionsfymptome (Symptomata activa sivo auxiliaria) find bie Aeußer⸗ 
ungen bes Heilbeftrebens der Natur, welche jeder lebende Körper für feine eigene 
Selbfterhaltung gegen alles diefer Zeindfelige, fohin auch gegen eine in feinem 
Innern fi entwidelnde Krankheit, als etwas feine Exiſtenz in hohem Grabe 
Gefährbendes, macht, um auf diefem Wege feine Integrität wieder zu gerwinnen. 
Diefelben find in manchen Fällen, 3. B. in chronifchen Krankheiten, faum oder 
gar nicht bemerkbar; in anderen wieber, namentlich bei afuten Krankheitsformen 
u. vieler Lebensenergie bes ergriffenen Subjectes, beobachtet man fle auf eine fehr 
ausgezeichnete und deutlich in die Augen fpringende Weife. Eine Unterſcheidung 
der Reactions⸗ von den Krankheitsſymptomen ift oft ſchwierig, weil beide von 
den einzelnen Funktionen, Organen u. organiſchen Zlüffigfeiten abhängen u. ber 
Heilungsprogeß in berfelben Krankheit bei verfchiebenen Individuen auf verfchies 
dene Weife vor ſich geht u. bie erfleren an bie Stelle der Ießteren treten können 
und umgefehrt. Die R., die befländigen Begleiter des Lebens, begleiten jedes 
Krankheltsſtadium, gewinnen aber in dem Zeitraume, welcher der Höhe folgt, ben 
Krankheitsſymptomen bie Oberherrſchaft ab, verdrängen biefe dann ganz u. führen 
bie Krankheit unter Antreibung ber Ab⸗ u. Ausfonderungen zur Entſcheidung, welche 
man in ihrem günftigen Falle die „Kriſis“ nennt. In Anfehung ihrer Quantität 
u. Qualität zeigen die R. mehrfache, von geroifien Bedingungen abhängige Ber: 
fhiebenheiten. Diefe Bebingungen find theils Außere, theils innere u eh en ab 
ſowohl von der Beichaffenheit des reagierenden Individuums, von der Höhe ber 
Drganifationsftufe des reagirenden Gebildes u. von der Ratur ber, Die Reactionen 
orrufenden Krankheit, als von den Äußeren, bie Reactionen bemmenden ober 
günftigenden Verhaͤltniſſen, unter denen ber reagirende Organismus ſteht. ©. 
das Weitere unter dem Art, „Raturheilung*. A. 
Nengentien (gegenwirkende Mittel) werden in ber Chemie jene Koͤr⸗ 
per genannt, welche unter gewifien Umftänden durch irgend eine auffallende Er⸗ 
ſcheinung bie Gegenwart eincd anbern Koͤrherd angeigen, Sie bien bazu, um 


Neal 661 


bei hemifchen Unterfuchungen chemifche Analyfe) bie zu unterfuchenden Stoffe 
auf ihre Beftandtheile zu prüfen... Die Erſch en, welche ſich dabei zeigen, 
find mannigfach; fo fann eine Blüffigfeit auf den Zufap eines Reagens ihre Farbe 
verändern, oder e6 t dadurch ein Nieberfchlag ober Aufbraufen in Sur 
fügfeit 1. — Wenn ;. 2. in einem Minerahvaffer Ber Hinzugießen von © 
inktur eine dunkeltothe Färbung entfteht, fo läßt ſich Daraus auf einen Eifens 
ge lt. bes Mineralwaſſers fließen. Der Werth der R, wird von zwei Amflän- 
bedingt, nämlich, ob fie Harafteriftifch und ob fie empfindlich find, 
Eharafteriftifch nennt man ein Reagens, wenn bie Veränderung, bie es bei 
Gegenwart des Körpers, zu deſſen Entheckung es —— werben foll, hervor» 
bringt, fo ausgezeichnet ift, daß fie feinen bee 6 läßt, Empfinblid 
Dagegen iſt es, wenn feine Wirkung noch. deutlich erkennbar ift, auch wenn nur 
eine höchft geringe Menge von dem zu beftimmenden Körper vorhanden iſt. Eine 
große Aa von R. ift charalteriſtiſch und empfindlich zugleich. Um fichere und 
bare Schlüffe ziehen zu können, iſt es unbedingt nothwendig, daß bie R. 
ommen chemiſch rein ſeien, d. d., daß außer ben Beftandtheilen, welche wir 
als ihre wefentlidhen betrachten, feine uns umbefannten Körper barin Cin ben R. 
nämlich) enthalten ſeyn dürfen. Mar mache ſich deßhalb zur Regel, bie R,, fei 
es, daß man fie felbft bereitet, fei es, daß man fie kaͤuflich bezogen habe, immer 
einer forgfältigen Prüfung zu unterwerfen, bevor man fie zw einer Unterſuchung 
verwendet. % nachdem man ben zum Einwirken der R. — ‚en 
Br durch nafje Löfungsmittel ober durch Sig herftellt, unterſch man. 
auf naffem Wege u. R. auf trodenem Wege. Bei der Unterfi auf naffem 
Wege werden die R. im flüffigen Zuftande angewendet, bei der Unterfuchung 
auf trodenem Wege werben biefelben mit dem zu unterfuchenden Körper ber Eins 
—— Feuers ausgeſetzt. Dieſe beiden Hauptgruppen der R. laſſen ſich 
wieder —— bringen u. zwar wie folgt: A) R. auf naffem 
Bege. MALgemeine R. a) Solde, welche vorzugöweiſe als einfadhe 
Löfungsmittel dienen, wie 3. B. Waſſer (deſtillirt), Atohl, Aether. b) Solde, 
welche hauptfählih als chemiſche Löfungsmittel gebraucht werden, wie Salz- 
fäure, Salpeterfäure, Königswafler ꝛc. c) Solche, welche befonders zur Abjcheids 
ung ober zur anberweitigen Charafterifirung von Körpergruppen gebraucht wers 
den, wie bie Reagemspabiere, als: blaues Radmuspapier, Gurcamapapier ꝛc.; 
erfteres dient zur Entdeckung freier Eäuren in einer Ylüffigfeit, Indem feine Farbe 
dadurch in Roth umgeändert wich; letzteres gebraucht man zur Entdedung freier 
Alfalien in Klüffigfeiten, weil dabei feine gelbe Farbe in rothbraun umgemwanbelt 
wird, (Vgl. den Art. Oxyd). 2) Befondere R. a) Sole, welche befonders 
zur Erkennung der einzelnen Bafen dienen. b) Solche, welche hauptſächlich zur 
Auffindung ber einzelnen Säuren in Anwendung fommen. B) R. auf trod- 
nem Wege. 1) Auffliegungsmittel, mittelR beren man unter Beihülfe 
von Feuer (Röttroßtamme) bie zu unterfuchenden Körper für die Einwirkung 
anderer R. empfänglich macht, ober fie zerfegt. 2) LöthrohrsR., bie nur unter 
Anwendung bes Loͤthrohrs benüpt werden, wie Kohle, Borar, Soda ꝛc. — Der 
Anfänger und Ungeübte überhaupt verfehlt nur gar zu leicht das gehörige Maß, 
die richtige Duantität beim Zufage eines Reagens zu einem zu prüfenden Körper; 
dadurch entftehen die meiften Fehler bei chemiſchen Analyſen. aM. 
Neal (vom lat. res), bezeichnet, im Begenfage zu dem blos Formalen, das 
Sachliche, Wirkliche, daher: Realität fo viel ald Wirklichkeit. — R.- Eitation, 
eine gerichtliche Vorladung, verbunden mit wirklicher Ergreifung der Perfon und 
Borführung vor den Richter. — R.-Definition, Saderflärung, eine ſolche, 
welche das Wefen eines Begriffes fo angibt, daß man eine Einfiht in baffelbe 
gewinnt, — R.» Injurie, thätlihe Beleidigung. — R.saft, eine ſolche, welche 
auf ber unbeeglicjen Sache felbft haftet und auf ben jedesmaligen Befiger über: 
geht. — Realien, gemeinnügige Kenntniſſe. \ 
Neal, eine fpanifge Silber = und Rechnungsmänge, welge von yehittuuen 


662 Real — Nesfjumiren. 


Werthe, der durch die Nebenbenennungen fidh ergibt, vorfommt; fo Resles de 
Pista, R. de Vellon, R. de Plata antiqna, R. de Plata nueva, R. de Plata pro- 
vincial etc.; ber gewöhnlichftc ift der R. de Vellon (Kupfer⸗R.) m 34 Mars- 
vedis de Vellon = 2 Egr. 2,047 Pf. preußifh, nach welchem faſt allgemein in 
Spanien Bud und Rechnung geführt wird und welcher ſtets gemeint iſt, wenn 
R. ohne weitere Bezeichnung hebt: in Gadir und Sevilla rechnet man nad 
R. de Plata antiqua zu 34 Maravedis de Plata antiqua = 4 Ser. L,oso Bi. 
preusiſch 20 R. de V. oder 105 R. de Pl. a. werden auf ben Piaſter ci. b.) 
gerechnet. 

Neal, Pierre Françoois, Graf, geboren in ben öfterreihiichen RNieder⸗ 
landen 1765, Procurator am Chatelet zu Baris 1789, einer ber fähigften Rebner 
der Geſtllſchaft der Berfaffungsfreunde, welche fpäter den Ramen ber Jakobiner 
erhielt, ward durch feinen Freund Danton öffentlicher Anfläger am außerorbent 
lien Tribunal und gerieth nach Danton’8 Tode bis zum 9. Thermibor in Haft. 
Er vertheidigte jegt ungefheut als Anwalt die Angeklagten aller Parteien, wart 
1796 Hifturiograph der Nepublif, gelangte in Folge feiner Dienſte am 18. 
Brumaire duch Napoleon in den Etaatsrath u. 1804 in's PBolizeiminifterium. 
Während ber 100 Tage war er Bolizeipräfet. Er war verbannt, burfte abe 
fpäter zurüdfehren und flarb 1834. 

Realgar, |. Arfenik. 

Realismus, Wirflichfeitslchre, Heißt 1) in ber Philofophie dasjenige 
Spftem , welches den Dingen ein von unferen Borftellungen unabhängiges, wird 
liches Wefen zufchreibt und fomit der Gegenfag von Idealismus cf. b.). 
Der R. nimmt die wirkliche Ericheinungswelt als Stoff und Maſſe, als das 
Ecfte und Urfprünglicdde an, und erklärt barauß bie Sriiheinungen ber geiftigen 
Welt, bes Idealen, als eines von Jenem abauleitenden, nad) dem Grunbfage: 
reale prius, ideale posterius. Diele Syſtem, von welchem wir ſchon früße 
Spuren haben, lebte befonders im Mittelalter auf, wo bie Scholaftifer baffelde 
theils in Plato's, theild in Ariftoteles Schriften zu finden glaubten. 2) Das 
jenige Syftem ber Politik, welches fich, im Gegenſatze des politifchen Idealismus, 
ber fidy blos an die Vernunft hält, mit Verachtung der Bernunftideen, Ichiglid 
nach der Erfahrung richten will und blos das gemeine Nügliche beabfichtiget. 
Beide Syſteme müßen ſich nothwendig vereinigen, wenn das Rechte und Gute 
erzielt werden fol. 3) In äfthetifcher Beziehung ftellt ber R. die Rach g 
der Natur als das Princip ber Kunſt auf und ſo koͤnnten bie Naturaliſten in 
ber Kunſt einigermaßen auch Realiften genannt werben. — Der Realiſt an fid 
nimmt die Außerdinge als das Urfprüngliche und das Ideale als das Abzus 
leitende an, und Realwiffenfhaften behandeln bloß das Praftifche. 

Realrechte, oder dingliche Rechte, heißen, im Begenfage zu ben perfönlichen 
Rechten, foldye, die Jemand an einer Cache befißt. Dieſelben find von breierlei 
Art, indem fie entweder bie unbefchränfte Verfügung über die ganze Subftanz 
einer Sache in fich begreifen: Eigenthum (ſ. b.), oder blos zum vortheilhaften 
Gebrauche einer einem Andern als Eigentfum gehörigen Sache berechtigen: 
Servitut cf. d.), oder endlich für eine an einen Ändern zu machende Forderung 
eine Sicherheit an deſſen Eigentfum gewähren: Pfand (ſ. d.). 

Realſchulen find Anftalten, worin bie Schüler zu allen ſolchen Geſchaͤften, 
Gewerben und Aemtern vorbereitet werden, wozu feine akademiſchen Studien er: 
forderlich find. Sie eriftiren theild unter dieſem Kamen, theild unter dem von 
polytechniſchen Schulen (ſ. d) u. Höheren Bürgerfehulen u. find erſt 
eine Schöpfung ber neueren Zeit. Die erfte wurde von Heder in Berlin 1748 Ri 
gründet. Vergleiche Nagel „die Ibee der R.“ (Ulm 1840), und befien „Reife: 
Erfahrungen -über den gegenwärtigen Zuftand des R.⸗Weſens“ (ebd. 1844). 

Reaffumiren, aufnehmen, erneuern. Bei ben öffentlidhen Sitzungen 
ber Jury wird vom Bräfidenten berfelben, nachdem alle Zeugen abgehört u. ber 
Etnatsanwalt, wie der Beklagte gefprochen, die ganze Verhandlung furg u. bün- 


Reate — Rebell, 663 


ba reaffumiet, um den Geſchworenen noch einmal eine Furze, aber doch deutliche 
and genaue Darftellung des Ergebniffes: der Verhandlungen zu geben. 

Neate, Reatos, Reatium, eine alte Stadt im Sabinerlande, am Fluß 
Beinus. Sie fiheint uralt u, von demAboriginern felbft gegründet zu feyn; won 
iönn nahmen fie nachmals die Sabiner und fie war ihnen dee Hauptort ihrer 
nönlichen Befigungen, Unter ber Herefchaft ber Römer war R. zwar ein Munis 
cipium, ftand aber mit dem Landeögerichte unmittelbar unter Rom durch einen 
BPritor, Wichtig war fie übrigens nie und befteht noch jetzt ald eine mittel 
mäfige Stabt (Rieti). » Berühmt aber waren einige Partien im Reatinerlande: 
Reatinae paludes (reatinifhe Eümpfe), Wafferflächen, welche ber Velinus 
indem Thale bildete; Eonful M. Curius Dentatus durchſchnitt 463 nad Ers 
bauuig Roms den Berg und das ablaufende Waffer bildete einen prächtigen 
BWafixfall, der noch jegt zu fehen iſt. Reatina Tempe (Reatinus Rosea 
rura), ein vortreffliches und fruchtbares Thal, wo die Viehzucht mit Nutzen bes 
trieben wurde; auch wurde es in der Folgezeit von den Römern benügt, um 
Zandhärfer dafelbft anzulegen. Jetzt ift die Gegend fehr vernachläßigt. 

Neaumur, Rene Antoine Fer chault de, ausgezeichneter Phyſiker, ges 
boren 1683 zu Rochelle, befuchte die Schule feiner Baterftabt, machte feine pi 
Lofophifchen Studien im Iefuiten- Collegium zu Poitiers und fam 1699 nad 
Bourges, um ſich dem Stubium ber Rechtswiſſenſchaft zu widmen. 1703 ‚begab 
er fi nah Paris und wendete fih gany der Mathematit u. den Naturwiſſen⸗ 
ſchaften zu; bereits 1708 wurde er zum Mitgliede der Akademie ber Wiſſenſchaf⸗ 
ten gewählt u. erwies fich num bis zu feinem Lebengenbe als eines ber thätigften 
Mitglieder derfelben u. zugleich als ihr Wohlthäter, indem er eine ihm vwerlichene 
Penſion von 12,000 Livres erft annahm, als fie ber Akademie nach feinem Tode 
zugefichert wurde. R. erhielt diefe Penflon für feine Entdetung des Verfahrens, 
das Eifen in Stahl umzuwandeln; außerbem entbedte er bei feinen Verſuchen, 
japanifches Porzellan Herzuftellen, das matte Glas (Riſches Porzellan), — 
Bleibendes Berdienft aber erwarb er fich durch die Verbeſſerung bes Weingeift- 
Thermometerd u. die Herftellung einer Scala für benfelben, die nachmals auch 
auf ben Duedfilberthermometer übertragen warb u. noch heutzutage in Deutfe 
land u. Frankreich die allein übliche if. — R. ſtarb an ben Folgen eines Stı 
zes auf feinem Landgute Bermondiere in ber Maine ben 18. Dftober 1757. — 
Sein bedeutendftes Werk if: „Memoires pour servir ä l’histoire des insectes“, 
6 Dbe., Paris 1734— 1742, E. Buchner. 

Rebekkaiten hießen, nad der Bibelftelle 1. Mof. 42, 60 die Teilnehmer 
an dem in ber Grafihaft Wales in England ftattgehabten Aufftande gegen bie 
Wegzölle. Der Aufftand felbft Hich ſehr dezeichnend „Rebetfa." 

Nebel, Joſeph, Director der Bildergalerie im Belvedere zu Wien und 
ber Kunftihule der Landſchaftsmalerei an der Wiener Akademie ber bildenden 
Künfte, ein ausgezeichneter Landſchaftsmaler, war 1786 zu Wien geboren. Fruͤh⸗ 
zeitii Neigung für die Kunft fühlend, entwidelte ev unter ber Leitung bes ver- 
bienftvollen Wutfy ein feltenes Talent für Landſchaftsmalerei, ging bann mit dem 
damaligen Bicefönig Eugen von Italien nach Neapel, wo er bie paradiefifchen 
Gegenden am Meerbufen von Bajä, Neapel und Sorento vortrefflich barftellen 
lernte, auch als Darinemaler großen Ruf genoß. Den Etürmen, welde bald 
barauf Neapel erjütterten, entging R., indem er fi 1815 nad Rom begab, 
wofelbft er, ba feine Werke eifrig gefucht wurben, viel Verdienſt u. Anerkennung 
fand. Als Kaijer Franz 1820 Rom bejuchte und die deutfchen und erbländifchen 
Künftler eine reichausgeftattete Kunftausftelung im Palafte Cafarelli auf dem 
Eapitol veranftalteten, hatte auch R. einige % ner vorzüglichften Stüde biefer 
Ausftellung beigefügt. Darüber erfreut und R.s früherer Leiftungen eingedenf, 
berief ihn der Monarch als Fügers Nachfolger zum Director der k. k. Bilder⸗ 
galerie im Belvedere nah Wien u, ernannte ihn au zum Seholehensd 
Dafelöft, eine Stelle bes vollwichtigſten Vertrauens. R. enieroh Tem raw 





664 Rebellion — Nebhuhn. 


vollen Zutrauen durch viele, mit eben fo vielem Kumnftfinne, als raſtloſer Ainftveny 
ung gemachte, Reformen u, zwedmäßige Einrichtungen. Er begann auch bi6 
große Werk der Ausbeflerung u. zwedmäßigen Aufftellung jener herrlichen Sam 
lung von Gemälden , welches durch feinen Nachfolger , en berühmten Krafft 
(f. d.), auf bie ausgeieichneife Weile vollendet wurbe. Im September 1828 w 

er eine Echolungsreife zur Wieberherftellung feiner bereits ſchwankenden Gefind⸗ 
heit nach Dresben u. Berlin unternehmen; er fam iedoch nur bis in erfiere Sudt, 
wo feine Schwäche zunahm, ihn auf's Kranfenbett warf und feinen Leben ben 
18. December befielden Jahres ein Ende machte. Unter feinen zahlreichen ges 
lungenen Leiſtungen, meiftend von großem Umfange, zeichnen fidh vorzüglich cus: 
8 Landichaftsgemälde von ben kaiſerlichen Bamilienherrfchaften, die er im Auttag 
bes Kaiſers Franz verfertigte, 7 Landſchaften von den neapolitanifchen GSeekiften, 
welche in der Wiener Kunftausftellung 1827 allgemein bewundert wurben, uni 
endlich einige feiner großen Gemaͤlde, welche fich im Beſttze ber kaiſerlichen Bilder 
galerie befinden und worunter ein Sonnenuntergang u. ein Sonnenaufgeng auf 
Dem he mit ſchoͤner italieniſcher Landſchaft und Gtaffage beſonders 

w 


Rebellion, ſ. Aufruhr. 

Rebhuhn (perdix), Gattung ber huͤhnerartigen Voͤgel, mit kurzem, bidem, 
ſtark gebogenem Schnabel, kurzem, nieberhängendem Schwanze, Warm um bie 
Augen, das Männchen gefpornt ; fie leben gepaart u. nähren fich von Körnern u. Ge⸗ 
würzen. ten: 1) Das gemeine R., Feldhuhn CP. cinerea, Tetrao 
dix), 12 Zoll lang, rotbbraun mit weißen Strichen, unten weißlidh, an der 
des Männchens rothbraunes, mondförmiges Schild, lebt während ber Brut 
zeit gepaart, fonft familienmweife (Bolt) in ganz Mitteleuropa, brütet im Mai 
10—20 grünlicäbraune Eier an der Erde aus und if wegen feines wohlfchmedn 
ben Fleiſches ſehr beliebt. Auch die Eier werben gegeſſen. Das R. wird theils 
vor dem Hühnerhunde gefchoffen, theils in R.-Barnen gefangen. Auch hegt man 
es in R.⸗Gaärten, wo es leicht zahm wirb, befonberse wenn man bie Eier von 
einem Haushuhn audbrüten läßt. — 2) Das Kelfen- ober Klippen⸗R. (P. 
petrosus, Tetr. petr.), etwas fleiner, in hügeligen Gegenden Suͤdeuropa's, Rord- 
afritas und Kleinafiens. — 3) Das Steinhufn (P. saxatilis, T. sax.), 15 
Zoll Lang, fehr wohlfchmedend, in gebirgigen Gegenden Güdeuropas, beſonders 
Griechenlands und Mittelafiens, ift befonders fchön gefiedent. — 4) Das Rot 
Huhn, franzöfifches R. (P. rufus, T. ruf.), 14 300 lang, fehr wohlichmedend, 
in Italien, bejonderd auf Elba und Sardinien, auch im füblichen Frankreich und 
in Rorbaftifa. — 5) Der Sranfolin (P. attegen, T. attsgu), 16—17 Zoll 





ee u A en AB eur A et Au A aD A Fe ee 


lang, ön u. wohlichmedend, aber felt ben, et ringe 
um. * ahiielmeer, am Häufghen auf den griehifgen Snfeln und auf 
en. 


Rebhun, Paul, aus Plauen, mit ungewiſſem Geburts u. Tobesiahre. In 
Wittenberg, wo er ftudirte, war er Luther's Hausgenoſſe u. Rand mit ihm und 
mit Melanchthon in Briefwechfel, welcher letziere eine Treue und Aufrichtigfeit 
rühmt. Anfangs war er Rector zu Kahla, dann zu Zwidau, 1525 zu Plauen, 
1538 Archiviafon daſelbſt, 1543 Superintendent zu Selsnitz, zu weldher Stelle 
er von Luther war empfohlen worden; fpäter kam er als Superintenbent nad 
Schleiz, wo er die Reformation vollendete. Als fein Tobesjahr wird von Einigen 
1546 angenommen. R. erwarb fidh ein rühmliches Berbienft um bie he 
Ausbildung dee beutfchen Sprache, Seine befte Arbeit ift feine geikibe Komöbie 
Sufanna (Zwidau 1536— 1544, Wittenberg 1537), bern Bedeutung u. Ab⸗ 
fit in der Vorrede ausgeiprochen iſt: „Das Ereug zu tragn, gebult zu Habn, 
ond mehre, Wie jede Fraw fol halten werd jr chre. Wie oͤberken fih Halten fol 
im rechten, Was zu gebürt Herrn, frawn, find, magbe vnd knechten.“ Andert 
Erzeugniffe find: Ein Hochzeitſpil uf die Hochzeit zu Cana (Zwidau 1538. 

Fürnberg 1572) u. eine Abhandiung von der heutichen Dichtfunft. x. 


Rebus — Necenfion, 665 


Nebus (vom Lat. res, Sahe Gegenſtand), Zeihenräthfel, Bilder 
ag, Bilderwortfpiel, nennt man eine Spielerei, um Säpe oder Berfe, theile 
durch gemalte Figuren, theils durch biefe und beigefügte Buchfaben oder Eilben 
irgend einen tand auszubrüden. Der Mrfprung ift folgender: Bilderfhriften 
auf Bonbons entftanden bei ben ranzofen umb waren 1600 befonders in ber 
Picardie Mode, Daher nennt man noch jeht in Frankreich dergleichen Zeichen 
unb Bilberfchriften R- de Picardie. Die Benennung ſelbſt rührt her von ben 
Faftnachtfpielen der bort ſtudirenden jend, die ſolche Schriftchen in Beziehung 
auf gewiffe Stabtvorfälle ſatitiſch zuſämmenſtellten umb biefe Zeichenfpiele „de 
rebus, quae geruntur“ nannten. Es find hiernach Sinnbilber, deren Bedeutung 
aus ben Siguen zu erfennen ift, eine Art boppelfinniger, ziöeldeutiger Wortſpiele 
ober Witfpiele, beftehend in (ungen oder Zweldeutigleiten, welche, buch 
Worte oder Figuren, ober durch beide gemeinfchaftlich ausgebrüdt, in einem ans 
dern als natürlichen Sinme zu nehmen find, Einer anderen Angabe zufolge ſollen 
fie in Italien erfunden u. von den Franzoſen zu ung gekommen fehn, was jedoch 
weniger beftimmt fcheint. 

Recapitulation ift 1) in ber Rhetorik bie kurze Wiederholung bes Haupt» 
Inhaltes eines Vortrags; 2) im Rech nungo we ſen bie Wiederholung einzelner 
— um fie in eine Hauptſumme zu bringen, und erfen 

es Hauptpoftend. 

Necenfion, Necenfionswefen, — Recenfion, im Allgemeinen Beurtheil⸗ 
ung, wird dem gewöhnlichen —— gemäß faft —— nur auf 
die Beurtheilung von Erzeugniſſen Literatur und Kunft angewendet. Wer 
diefe —— zu feinem Geſchaͤfte macht, heißt Recenfent u. den Inbegriff 
beffen, was zu einer ſolchen Beurtfeilung gehört, bezeichnet man mit bem 
drude R.e-Wefen. Ihrer Beſtinimung nach ſollen vecenfirendbe Inftitute 
wiſſenſchaftliche Tribunale, gelehrte Richterftühle feyn, welche bie Exgebniffe ber 
denkenden u. fchreibenden Geifter vor ihr Forum ziehen u. über biefelben ein ums 
parteiiſches, flreng gerechtes Urtheil, mit klarer Darftellung ber Entſcheidungs— 
gründe, Teibenfchaftetse und in würbiger Haltung, wie bie Humanität fie gebietet, 
jedod auch frei von aller Schmeichelei, abgeben. Ein kritiſches Inftitut muß fi) 
felbft Anfehen au erwerben wiffen, wenn es beftehen fol. Und in biefer Hinficht, 
und weil der Recenfent, zumal ba, wo er einem Schriftfteller entgegentritt, felten 
unangefochten bleibt, fheint die Sitte, daß Recenfenten fih nicht nennen, ben 
Vorzug zu verdienen. Inzwiſchen find unfere Recenjenten nicht immer, was fie 
ſeyn follen. Der Beruf derer, welche ſich zu Richtern aufwerfen, beruht oft blos 
auf jener Anmafung, welche das Erbtheil eitler, abſprechender Köpfe if. Oft 
treten junge Leute ald Recenfenten auf, welche unmöglich ſchon in bie Wiſſen⸗ 
ſchaft eingeweiht feyn können. Die Relation fehlt nicht felten ganz, ober ift hoͤchſt 
unvolfftändig. Die Beurteilungen find_oft ein Convolut von dem, was bem 
Recenfenten bei Lefung einer Schrift zufällig einfiel, ober ein breites Gewaͤſch, 
das bie zu beurtheilenbe Schrift ganz außer Acht läßt u. mehr einer Abhandtung, 
als einer Beurtheilung ähnlich fieht. Häufig mifcht fich perfönliches Intereffe bei, 
Leldenſchaft verdrängt bie ruhige Beurtheilung , hindert bie Unparteilichteit und 
führt zu Streitigkeiten, welche gelehtter u. gebilbeter Männer unmwürbig find u. 
bie unbefangene Forſchung aufhalten. Cine tüdtige R. ift übrigens eine Auferft 
ſchwierge Aufgabe, oft ſchwieger, als bie Verfaffung eines Buches ſelbſt, u. nur 
Männer von der gründlichen Gelehrfamfeit folten an ihre Löfung gehen. Ob⸗ 
glei) eigentliche tecenfirende Inftitute, wie die fritifchen Blätter u. Literaturzei- 
tungen, erſt eine Erfcheinung ber neueren Zeit find, welche, bei ber allgemeinen 
Verbreitung der literarifhen Thätigfeit u. bes Interefie's an Wiſſenſchaft u. Kunſft, 
Bedürfniß eines civilifirten Zeitalters wurde, fo verliert fi) doch ber Anfang des 
R.8.Wefens bis tief in das Altertfum hinauf. Sobald es eine Literatur gab, 
43. es auch Recenſenten, welche bie in den Werten Aderet odö 

oten in ihren eigenen Schriften widerlegten , erweiterten „ Nele Wegrinteu. 


666 Recepiffe — Rechberg. 


Borzüglich war diefes auf bem Gebiete dee Philoſophie dev Fall, wo ſchon bei 
den älteften Philofophen ein Syſtem mehr ober weniger auf das andere ſich bes 
309. Vom Anfange an Hat das R.s⸗Weſen einen hoͤchſt bebeutenben Einfluß auf 
bie Kortbildung der Wiffenfchaft u. Kunft ausgeübt u. derfelbe würde nody größer 
u. heilbringender feyn, wenn bie recenfirenden SInftitute Immer wären, was fie 
feyn folten, Die Recenfenten aber immer ihrem Berufe genügten. — ud 
die Fritifche Durchficht eines von einem Andern verfaßten Werkes, namentlid 
eines alten Claſſikers, zum Zwede ber Herausgabe, heißt R. 

Necepiffe Clateinifh), wörtlih: empfangen haben, daher fo viel al 
Empfangſchein. 

Recept nennt man bie vom Arzte gegebene fchriftliche Anwaßng an ben 
Apotheker, wodurch bie bem Heilzwede entiprechenden Arzneimittel verorbnet, und 
beren Zubereitung beftimmt wird. Der Name R. kommt von dem Anfangsworte 
besfelben, „Recipe,‘“ d. 1. „Nimm“ Her, womit gewöhnlich in Abkürzung Be. oder 
Rec. bas R. beginnt. Bel Abfaffung eines R.s find verfchiebene Regeln zu 
beobachten, bie fich theils auf die Außere Form besfelben beziehen, theils den In; 
halt betreffen und entweder auf allgemeinen wifienfchaftlichden Gründen, ober auf 
geleolihen Beftimmungen berufen. Den Inbegriff aller biefer Regeln nennt man 

eceptirfunft oder Formulare. Die genaue Kenntniß biefer Rereptirfunf 
ift aber für den Arzt um fo nöthiger, als fle vorzüglich ihn fügt vor der Zu 
ammengefellung von Arzneimitteln, bie nach chemifchen Grundſaͤtzen unvereinbar 

d. Jedes R. ift ein wichtiges Zeugniß von der Weife, wie der Arzt Die Krank 
heit beurtheilt, und von dem Deilverfahren, das er gegen biefelbe eingeihlagen 
Ken Daher befteht auch in einigen Staaten bie gefegliche Borfchrift, daß 

othefer von jedem R., das ihm zur Bereitung zugeftellt wird, in einem eigenen 
Buche volftändige Abfchrift nieberlege Auch Hängt damit zufammen, baß ben 
Aerzten nicht geftattet if, felbft zu difpenfiren, d. h. felbft Die Arzneien zu bereiten, 
u. wo ihnen dieß bei größerer Entfernung von ber Apotheke boch erlaubt ift, bes 
ſteht die Borfchrift, do fie ſtets das Verordnete fchriftli als Recept fertigen, 
bevor fie an bie Bereitung deſſelben ſchreien. Die im R. enthaltene, vom —* 
eigens verordnete, Arzneiformel wird eine magiftrale genannt, im Gegenſatze zu 
ben allgemein gültigen, oder von ben einzelnen Landespharmafopden feftgefehten 
offizginalen Kormeln. — Jedes R. muß beftimmen: 1) bie Beftandtheile, welche 
entweder für fich, oder mit anderen mechanifch oder chemifch verbunden, in eine 
gewiffe Yorm gebracht werben follen; 2) die Menge berfelben; 3). die nöthigen 
mechanifchen oder chemifchen Zubereitungen und 4) ben Gebrauch (die Signatur), 
worin Gabe u. Zeit für die Anwendung bes Mittels feftgefeht wird. Außerdem 
enthält das volftändige R. das Datum ber Ausftellung , die Unterfchrift bes 
verorbneten Arztes und die Bezeichnung bes Kranken, für ben das R. vers 
orbnet ift. E. Buchner. 

Receptivität, f. Gun fängligfeit 

Receß, fchriftlicher Vergleich, Abſchied, Abſchluß mit Beſcheid, wirb ger 
woͤhnlich von den Landtagsabichieben (Reichs⸗R., ProvinzialsR.) gebraucht. — 
Im Bergbau f. v. a. Zubuße, Rüdftanb nicht bezahlter Beitragsgelder. 

Nechberg, Grafen von — flammen von einer alten ſchwaͤbiſchen Dynaften- 
Familie ab, welche fchon im 11. Jahrhunderte in ben Urkunden vorkommt und 
wahrfcheinlih mit ben en vervandt war. Der Stammvater Alrich 
betleidete 1161 die Marſchallswuͤrde von Schwaben, Seine Enkel befaßen im 
13. Jahrhunderte die Burg Hohenftaufen. 1609 wurben die R. in ben Reiche, 

afenftand erhoben und faßen wegen Aichheim und Hohenrechberg im ſchwaͤbi⸗ 
hen Reichögrafenkollegium. Mehre Bamilienglieder traten nach ber Hand in 
bayerifche Dienfte, und unter biefen zeichneten fi} befonders aus: 1) Alois 
Franz Xaver, Graf von R.,Rothenlöwen, ehemaliger Staats⸗ und Konferenz 
Pinifter ber auswärtigen Angelegenheiten ber Krone Bayerns, geboren im Jahre 
1767. Gr fand fchon in frühen Wer viplamoriie Unktellung, als ihn Herzog 


Ren N 607 


Karl von Zweibrüden zur Geſandtſchaft an ben Reichstag nad Regensburg 
ſchidte. Dort verehlichte er ſich 1796 mit einer Tochter preußifchen Geſand⸗ 
ten, Grafen Euftach von Görg, wohnte hierauf 1799 dem Friedenskongreſſe von 
Raftadt bei und nahm 1802 als bayriſcher Komitialgefandter weſentlichen Antheil 
an ben Verhandlungen über ben Relchsdeputationstezeß. Am 1. Auguft 1806 
übergab er zu Regensburg mit 7 andern beutfchen Gefanbten bie befannte Erklaͤr⸗ 
ung, in Folge deren fi der Reichstag für immer auflöfte und Franz II. bie 
Würde eines deutſchen Kaiſers niederlegte, 1810 zum wirklichen Gtaatsrathe 
erhoben, ging er vor Ausbruch des ruffiichen Krieges als bayrijcher Gefandter 
nah Wien, womit ihm König Mar damals einen SBoften von großer Wichtigkeit 
anvertraute, Später wohnte er mit dem Feldmarſchali Wrede den Verhandlungen 
des Wiener Kongrefes bei, wo er als bayriſchet Bevollmaͤchtigter befondern 
theil an ben Berathungen über die fünftige Geftaltung der ftaatsrechtlichen Ber: 
hältniffe Deutfhlands nahm, und auch das Seinige zur Aufrechthaltung der pos 
lütiſchen Bedeuiſamleit Bayerns beitrug. 1846 vermittelte er bie rath des 
Kaifers Franz mit der Prinzefiin Charlotte von Bayern, und das Jahr darauf 
wurde er zum Rachfolger des Minifters Montgelas im auswärtigen Amte er⸗ 
nannt. 1819 war er ‚beim Karlebaber Kongreffe als Abgeordneter Bayerns, und 
beim Regierungswechfel im Oltober 1825 endlich nahm er feine Penfton und 
lebte feitbem zu Donzdorf in Württemberg auf den Stammgütern feines Hauſes, 
die er 1842 feinem «Soßne Albert, dem jepigen Familienhaupte abtrat. — 
2) Anton, Graf von R.-Rothenlöwen, Bruder des Vorigen, geboren: 1776 in 
Donzdorf, trat 1794 bei der bayrifhen Armee ein, u. zeichnete ſich in ben nach⸗ 
folgenden Kriegen fo ſehr aus, daß er 1813 zum Generalmajor u. Chef beim Stabe 
des Wrediſchen Heeres ernannt wurde, Bei Hanau nahın er den franzöfifchen 
General St. Andre gefangen und focht ſodann 1814 und 1815 mit eichnung 
in Frankreich. Er ftarb als Generallieutenant 1837 zu München, mD, 
Nechenkunft ift die Anleitung zum ſchnellen u. richtigen Rechnen, deſſen 
Theorie die Aritämetit cf, d.) lehrt. Sie zerfällt in die allgemeine m. in 
bie angewandte. Der allgemeinen gebt das Numeriven ober die Zahlenkennt⸗ 
niß überhaupt voraus. Sehann gibt fie Anleitung zur einfachen, oder zu bes 
ftimmten Malen in gleihmäßiger Weiſe fich wieberholenden Bermehrung oder 
Verminderung von Zahlen, durch die 4 Eperies (Adbition, Subtracion, Multle 
plication u. Divifton), wobei auch bie Behandlung von Zahlenbrüchen auf gleiche 
Weife angebeutet wird. Zur Erkennung der Zahlenverhältniffe leitet die Regel 
de Tri. Zurangewanbten R. gehört zunächft die Rechnung mit befannten Zahs 
len, nach ben 4 Species u. ber Regel de Tri, dann bie Anweifung zum Rechnen, 
wie ſolches zu befonderen Gefhäften im Leben von Vortheil if. Hier madıt 
die kaufmaͤnniſche R. fich befonders — Sie lehrt, zu gewiſſen Reſultaten 
ſchnellet zu gelangen, als durch einfache Benügung ber Regel de Tri. — Die 
erften Verhältniffe bes menſchlichen Zufammentebens, Abfonderung u. Vermehrung 
des Gigenthums, Tauſchhandel ıc. machten fehr früh fhon Beflimmungen von 
Zahl, Maß u. Gewicht notäwendig, ohne daß man befhalb an eine fuftematifche 
Theorie diefer Kunft zu denken braucht, aber auch bei feinem Volke diefen An- 
fang allein fuchen darf; wohl mögen Aegypter, Phönizier u. andere handel 
treibende Nationen fie befonder8 ausgebildet u. als Bifenihaft begründet haben; 
aber Andere zählten u. rechneten gewiß auch. Unwathrſcheinlich if nicht, daß ſich 
die roheften Völker der Fünfzahl als Grund ihrer Rechnungen bedienten (meu- 
zaccıv, nad) 5 zählen); die Verdepplung zu 10 (dexas) f3 aber auch alt und 
Homer nennt u. kennt beide. Als Hülfsmittel beim Rechnen bediente man fi, 
außer ber Finger, auch fleiner Steine; nad Erfindung der Schreibefunft wurden 
hieroglyphiſche u. alphabetifche Zahlzeichen gebräuhlih (ſ. Ziffer); die Erfind⸗ 
ung bejonderer Zeichen zum Rechnen wird ben Arabern zugefchrieben. — Ale 
Kunft bildete fih das Rechnen befonders bei den Argaytern u. Bohlen 8, 
welde Bölfer fie früh auf die Aftconomie anmwendeten. \nter ven Erden UA 


668 Rechenmaſchine — Redinungäptobe. 


fi Niemand darin befannt gemacht; erft, als Alexandria blüßte, traten in 
Mutterlande ber R. Männer auf, welche fi mit Mathematik im All 
befchäftigten; ſpeciell über R. fchrieb Diophantos. Daffelbe gilt von 
mern, unter denen höchftens Bitruvius genannt werben kann, ber fi | 
der R. nur als Mittel zur Baukunſt beichäftigte; Julius Caͤſar mußte 
befierung des Kalenders einen Mathematiter aus Alerandria kommen lafien. 

der gemeinen R. befchäftigten fich größtentheils bie Sklaven, welche bie Brivat- 
rechenbücher ber ‚Deren halten mußten. 

Nechenmaſchine ift ein Apparat zur medhanifchen Aus chiedener 
Zahlenrechnungen. Die Alten beburften eines ſolchen mechaniſchen Hül , 
weil ſie die Zahlen auf ſehr unbequeme Art bezeichneten. So gebrauchten die 
Römer einen Abacus ci. d.), bie Chineſen ein aͤhnliches Inſtrument mit elfen⸗ 
beinernen Kuͤgelchen auf Drahtfaiten angezogen. Im 14. Jahrhunderte gebrauch⸗ 
ten die Deutfhen Rechenpfennige (ſ. d.), welche auf parallele Linien u. in 
Zwifchenräume gelegt wurden. Unter die vorzüglicäfien Hülfsmittel, das Multi 
pliciren u. Dividiren zu erleichtern u. abzufürzen, gehören die Neper'ſchen Staͤb⸗ 
den (Bacilien), welche bie Bielfachen der einzelnen Ziffern bis zum Reunfadhen 
enthalten, fo daß bie Einer unter dee Diagonale jedes Faches zur Rechten, bie 
Zehner aber über berfelben zur Linken fliehen (Neper Rhabdologiae seu nume- 
rationis per virgulas libri duo etc., Edinburgh 1617). Zu den chſten Rn 
zählt man diejenigen, welche nur das Stellen ber Ziffern in ben angegebenen 
Zahlen u, ein bloßes Drehen verlangen, wie z. ®. bie von Bascal 
(Recueil des machines approuvses etc.). Leibnitz erfand 1673 eine ander 
(Miscellanea Berol. a. a. 1709). Bolenus zu Babua erfand ebenfalls eine 
u. hat fie in ben „Miscellaneis“ (Benebig 1709) befchrieben. 1725 iſt eine von 
l'Epine verfertigt worben, welche einfacher, als bie von Pascal erfundene if. 
Hahn gab eine R. an, mit welcher bis 10 Millionen in ben 4 heried gesed‘ 
net werden kann. Die Berfuche zeigten, bag Müller’6 R. bei em⸗ 
peln etwas ſpaͤter, bei großen aber um Vieles eher fertig warb, als der Rechner. 
Iſt bei dem Gebrauche ein Verſehen gemast worben, fo deutet dieß bie R. mit 
telft eines Blödchens an. Eine nähere Befchreibung davon gibt ber „Böttingen’fche 
gelehrte Anzeiger“ (1754, S. 120). 1791 verfertigte Grüfon eine R., welde 
auf den Sertoren eines Kreisringes bie Vielfahhen von 2 —9 in ber Ri 
eines Halbmeflerd u. barunter die Summen jebes Bielfacdhen u. ber Zahlen 1 bis 
zu der vervielfachten Zahl weniger 1 angab. Die berüßmtefte R. aber iſt bie 
von Babbage; fie berechnet nicht allein aftronomifche u. ſeemaͤnniſche Tabellen 
mit großer Genauigkeit, fonbern verbefiert auch ihre eigenen Fehler ſogleich und 
druckt zuletzt die Tabellen vollkommen fehlerfrei, ohne alle menſchliche Gar — 
Uebrigens koͤnnen, da R.n wegen ihres mehr ober minder complicirten Baues 
ziemlich theuer im Preiſe ausfallen, foldde Mafchinen niemals, andere Umftände 
hierbei nicht einmal in Betracht gezogen, in Häufigen und allgemeinen Gebraud 

en. 


Nechenpfennige,, Zahlpfennige, auch Dantes und franzöfifch Jetons 
genannt, find Tleine runde, nad Art dee Münzen geprägte Meflings, zumellen 
auch Kupferplättcdyhen, deren man ſich als Spie en bedient. Man verfertigt 
fie in verjhiedenen Größen, befonders zu Rürnberg u. Fürth, Aus Frankreich 
fommen auch filberne, vergoldete und von goldaͤhnlichen Metallcompofitionen 
verfertigte. 

Rechnungdmünzen, |. Münzen. 

Nechnungsprobe. Bei allen Zahlenrechmungen ift es bekanntlich mehr oder 
weniger moͤglich, fich zu irren, b. h. wie man zu fagen pfleg! ſich zu verrech⸗ 
nen. Um alfo dieſem zu begegnen u. um zu erfahren, ob das gefundene Reſul⸗ 
tat irgend einer Berechnung das richtige (wahre) ſei, (ölägt man gewöhnlich 
das dem angewandten Rechnungeverfahren entgegengefehte 
+ DB. bie R. beim Abbiren dad Subteakiren , Subtrafiren 


55 
* 


34 
451 






Daßer wird 
bas Abbiren, 


Nest. 669 


" beim Multiplicren das Dividiren u. beim Dividiren das Multipliciren feyn, — 

WMan fann im Allgemeinen fogen, bie N. läßt ſich anftellen, wenn man bag Ger 
fundene ald das Gegebene u. das Anfangs —— nunmehr als das zu Sus 
chende annimmt, Bei numerifchen Rechnungen, die nad) vorgelegten allgemeinen 
Sormeln ausgeführt werden, wie es 4. B. im ber rechnenden Aifzonomie er Fall 
iſt, gibt es andere Mittel, bie als R. benüpt werben fönnen; fie beftehen gemeis 
nigli in der Anwendung gewiſſer Formeln, nach weldyen die numerifchen Berthe 
einiger ber, in ber ganzen Rechnung vorfommenben, Größen berechnet u. mit ben, 
bereits für fie gefundenen, Werthen verglichen werden. — Man f. übrigens 8. 
G. Buffe’s Beiträge zur Mathematik u. Phyfif, Deffau 1785. 

Necht im allgemeinften Sinne bezeichnet die Webereinftimmung. mit dem Ger 
fege; in engeren Sinne ift es die Mebereinftimmung mit einem praftifchen Geſehe 
oder einem Gefepe für daß freie vernünftiger Wefen ; im engflen Sinne 
endlich die Mebereinftimmung mit der einen ber beiden Hauptarten ber praftifhen 
— die man, zum Unterſchiede von ber religiöfen oder philoſophiſe 
Moral (ber fittlichen ——— bie R.s⸗ ober juridiſche Gefepgebung nennt. 
Als Mebereinfimmung mit dem juridifchen R.8:Gefege bezeichnet nun R. bald ben 
Inbegriff aller Verhältniffe, aller Eigenſchaften, wie aller untergeorbneten Regeln 
ober Geſehe, die mit dem R.s⸗Geſehe übereinftimmen‘ und ben @egenftand der 
Ro⸗Wiffenfchaft (f. d.) bilden, und aud) das mit dem R.3+Gefege überein, 
fimmende ober das juriſtiſche Wiſſen ſelbſt. So nennt man ben ‚genen geſegli⸗ 
hen Zuſtand eines Volkes das R. desſelben; fo nennt man alle roͤmiſchen © 
das römifche R.; fo auch die ganze Wiſſenſchaft ber —— NR. Bald bes 
zeichnet man mit dem Worte R. mur einzelne Seiten biefer Mebereinftimmung mi 
dem Gefege, jo insbefondere die allgemeine (obfectine) Eigenſchaft der Hebers 
einftimmung einer Handlung ober Erfcheinung mit dem R.s⸗Geſehe (justum), u. 
ebenfo die einer Perfon, einem Subjecte —— mit dem R. = Gefege übers 
einftimmende — (ein R., ‚eine Ro⸗ fupmiß, jus in diefem fubjecs 
tiven Sinne). — Will man aber, außer biefen allgemeinen, —— Wortbegrif⸗ 
fen, auch einen Sachbegriff von dem eigentlichen Weſen u. dem Inhalte des R.s 
im enaften oder im juribiſchen Sinne, und namentlid) von feinem Unterfchiede von 
der Moral haben, fo muß man zurüdgehen auf die Entſtehung, die Natur und 
Wefenheit des Ris⸗Geſehes. Schon ber allgemeine Menjchenverftand fept in Ber 
ziehung auf das juridiſche R.8-Gefeg und die demfelben entſprechenden R.s⸗Ver⸗ 
haͤltniffe voraus, daß biefelben allgemein erkennbar und Außerlich gültig ſeien, 
Außerlihe Richter- und Zwangsgewalt zulaffen und für einzelne Perſonen oder 
RE + Subjecte innerhalb der ihnen beigelegten R.e ober R.s⸗Sphaͤren ein freies, 
willfürliche Dürfen, einen beliebigen Gebrauch oder Nichtgebrauch ihrer R.e oder 
R.8+Befugniffe begründen. R.s⸗Geſetz und R.8-Verhältnig erſcheinen als eine 
an fi fittliche u. freie, aber äußerlich anerkannte, gegenfeitige Vereinbarung fitts 
licher, freier PBerfönlichkeiten für ihr gleich freies, feebliches Nebeneinanderbeftehen 
und Wirfen in der Sinnenwelt. Das R.8:Verhältnig foll mit anderen Worten 
eine freie Harmonie der Wechſelwirkung, den rechtlichen Frieden 
ober die gleiche rechtliche Breiheit dieſer Perfönlichfeiten begründen. — 
Die Unterfchiebe bes juriftifhen Rechts von der Moral, welde bis 
auf dem heutigen Tag noch immer fo fehr beftritten find u. gewöhnlich fo einfel- 
tig aufgefaßt werben, beftehen hiernach in folgenden gempuntin : D In dem 
unmittelbaren u. nädften Gegenftande u. Zwede. Diele beflehen nämlich bei ber 
Moral in der Harmonie der Gefinnungen und Handlungen ber Menichen mit 
ihrer höchften, fittlichen, unfterblichen Beftimmung, in ihter Harmonie mit fi 
ſelbſt u. mit der eigenen Seligfeit, oder mit dem göttlichen Willen und Beifall, 
Bei dem R.e dagegen beftehen fie in ber Erhaltung ber Außerlichen Harmonie 
der Wechfelwirfung verfchiebener Perfonen, oder in ber Erhaltung ihres gleichen 
rechtlichen Friedens, ober auch ihrer gleichen xechtlihen Krinet,. Kar Ye 
fragt ba8 R. als eine felbfiftändige Geſehgebung. Was ten aüun KU, 


670 Ket, 


der gleichen rechtlichen Freiheit nicht widerfpricht, das ift nicht rechtsverlehend, es 
ift juriftifch recht. — 2) In ben Quellen für beiderlei Geſeße. Die unmittelbare 
u. naͤchſte Quelle befteht nämlich für das moralifche Gele der handelnden Smbi- 
viduen in der Vernunft ober Religion, in ihrer eigenen vernünftigen oder religiö: 
fen Heberzeugung von dem, was bie Vernunft oder ber göttlidhe Wille ihnen für 
ihre fittliche Beftimmung vorfchreiben. Für das gemeinfchaftliche Friedens⸗ ober 
R.G6⸗Geſetz aber befteht zwar bie mittelbare u. legte Duelle auch in ber fittlichen 
Ucherzeugung der R.8:&lieber von ihrer Beftimmung u, von ber Nothwendigkeit 
eines würdigen, friedlichen Geſellſchaftsverhaͤltnißes für biefelbe; bie unmittelbare 
und naͤchſte Duelle fuͤr das R.s⸗Geſetz aber bilbet der Friedens⸗ oder R.S⸗Ver⸗ 
trag, die gemeinfchaftliche Außere Anerfennung gleicher Freiheit, ober einer gleid 
heiligen, gleich freien ‘Perfönlichkeit u. Würde. — Erfahrungsmäßig anerkannter 
Sriede freier Perſonen u. logiſche Entwidelung der Folgefühe aus dieſem aner⸗ 
fannten Grundſatze u. Grundbegriffe in ihrer Anwendung auf die Erfahrungéver⸗ 
hältniffe — das find die Quellen für alle R.s⸗Saͤtze. — 3) In ber Art ber 
Erkennbarkeit und Gültigkeit der Morals und ber R.s⸗Geſetze. Die R.E- Gefehe 
find objectio oder auf gleiche Weife und äußerlich für die R.s⸗Mitglieder exrfenn 
und bemweisbar und gültig. Sie find gefellfchaftlih allgemein erfennbar und gül 
tig für alle Mitglieder des R.6:Bereins, gleichviel, welchen verſchiedenen religid- 
fen oder philoſophiſchen Anfihten, Grundprinzipien oder Syſtemen fie huldigen. 
Die Moralgefege find biefes nicht. — 4) Ein vierter Hauptunterfchieb ber 
Moral u. des R.s, welcher eng mit allen bisherigen, mit dem eigenthümlichen 
Gegenftande und Zwecke, mit den eigenthümlidhen Quellen und der befonbern 
Art der Erkennbarkeit und Gültigkeit der Moral- und R.s⸗Geſetze zuſammen⸗ 
hängt, it der, daß die R.8: Gelege, nicht aber die Moral⸗Geſetze, ein freies, 
willkuͤrliches Dürfen, einen Rs⸗Kreis für das freie Belieben des Berechtigten 
begründen. — 5) Der fünfte Hauptunterfchied von Moral u. R. beſteht endlich 
darin, daß basR., nicht aber die Moral, Außere, finnliche Motive, äußere Richter 
und Zmwangsgewalt zuläßt. — Nach dem Bisherigen lafien ſich nun die gewoͤhn⸗ 
lichen Angaben der Unterfchiede des R.S von der Moral beurtheilen, wobei fid 
zwei Hauptanfichten entgegenfteßen. 1) Die felt Thomafius, Gundling u. 
vor Allem feit Kant ausgebildete Raturrechtstheorie, ober, wie man gewöhnlich 
fagte, die Theorie des natürlichen Zwangsredhts beging für's Erſte den Fehler, 
bag R. von der Moral gänzlich Ioszureißen. Es wurde fo einfeitia u. bobenlos. 
Gewöhnlich ftellte man hiernach zwei Hauptunterſchiede zwifchen Moral und R. 
auf. a) Man fagte, das R. Hat auch nicht einmal in feiner legten Grundlage, 
es Hat auch nicht einmal mittelbar eine Gemeinfchaftlichkeit mit der Moral, Feuer⸗ 
bach erfand, confequent biefe Anficht ausbildend, fogar neben ber moralifchen noch 
eine zweite praftifche, bie juribifche, Bernunft als die Duelle des R.o. Allein das 
aus ber fittlihen Bernunft flammende Morals oder Sittengefet umfaßt alles 
freie, alles praftifhe Handeln der Menſchen, mithin auch das gefellfchaftliche u. 
den R.s⸗Verein. Wollte man diefen gänzlich davon loßreißen, jo würbe berfelbe 
nothwendig aller fittlichen Heiligkeit entbehren — er müßte zugleich, nach bem 
großen Grundſatze des allumfaffenden Sittengefepes: „Was nicht für mich if, 
das ift wider mich“, unfittlich werden. Es wird auch wohl feiner befonbern 
Beweisführung bedürfen, daß es nur eine Vernunft gibt, nicht zwei, wie Feuer⸗ 
badh, oder gar, wie ein Herr Eallifen wollte, brei. Aber Feuerbach that dennoch 
der gBirtenfhaft einen Dienſt mit feiner ſcharfen Confequenz, bie Theorie bes 
ganzlih von ber Moral losgeriffenen Raturrechtes oder Zwangsredhts fo fehr 
auf ihre Außerfte Spitze zu treiben, daß ihre Unhaltbarkeit jo augenfällig wurde. 
Das R. ift keineswegs ganz losgerifien von der Moral. Es gründet fich viel- 
mehr mittelbar allerdings auf bie Moral, auf bie freie fittliche Mebergeugung ber 
Einzelnen von der Nothwendigkeit ber Achtung und ber 2 nerfennumg der freien 
SPBerjönlichkeiten ober bes rechtlichen Friedens. Die unmittelbare u. naͤchſte Quelle 
für bas R. aber ift die äußere, extahrungswätge Anerkennung, ober ber R.6« 


Recht. 671 


Vertrag ſelbſt, ber aus jener Meberjeugun; Bewverging, — b) Ein zweiter Fehler 
ber Kant'ſchen R.-Theorie war ber, daß fie den äußern Zwang, die Erawing- 
barfeit, nicht blos als den zweiten Hauptunterfhied zwiſchen R. und Moral, 
fondern fogar als ben urfprünglichften, ald ben hoͤchſten und wefentlichften Char 
tafter, ja, als das alleinige u, zureihende Mittel der Erfüllung aller R.s-Pflichten 
aufftellte. Deßhalb gab man au dem R.e den Namen „Zwangsrecht.“ Wir 
Dagegen glauben, ba die Zulafjung, nicht blos des Zmwanges, fondern überhaupt 
aller äußeren Motive, alfo auch bes ieren Lohne, ber Äußeren Ehre u. ſ. w. 
als ein blos abgeleiteter Charakter des R.s aufzuftellen ift und leiten benfelben 
aus defien Natur und Zwed und aus feiner, äußern gefellichaftlichen Allgemein 
gültigfeit ab, Wir betrachten auch den äußern Zwang feineswegs als genügend 
zur Grfüllung aller R.8- Pflichten u. Halten aud) eine faltiſche äußere Erzwing⸗ 
barfeit keineswegs für eine abſolut wefentlihe Bebingung jeder R.s- Pflicht und 
ihrer Anerkennung. Die Kant'ſche Theorie aber kam durch bie entgegengefegten 
Einfeitigfeiten zu den größten Fehlern. So ftellte fie als Kennzel der Re 
Pflichten, oder zur Beantwortung ber Frage: welches find Rechtspflichten? ben 
Sag auf: „R.8+ Pflichten find biejenigen Pflichten, welche erzwungen werden 
fönnen.” Fragte man nun aber: „welche Pflichten können oder dürfen benn ers 
—— werden?“ fo antwortete dieſe Theorie im Zirkel: die Ro⸗Pflichten. Noch 
bedenflichee aber waren andere auf dieſe Weiſe ſich ergebende Fehler, So wollte 
man wirkliche R.3+ Pflichten blos darımm, weil fle ſich nicht abfolut äußerlich ers 
zwingen ließen, ganz aus bem Rs + Gebiete aueftoßen. So z. B. die wahren, 
arundvertragsmäßigen R.3- Pflichten bes fouveränen Regenten, ben man ja zur 
Erfüllung der einzelnen Pflichten nicht richterlich abſolut zwingen Tann; fo ferner 
die wefentlichften R.8 + Pflichten der Ehegatten, Eltern u. Kinder, Diefe R.e- 
Pflichten, ſowohl nach dem roͤmiſchen, wie nach dem —— Re, und 
überhaupt das panie erſte NS Gebot der claffiichen xömifchen Jurisprudenz, 
das bes juriftifhen Honestum, oder das alle Staatöverhältniffe regierende 
Princip: „honeste vive,“ ja die ganze intellectuelle Hauptfeite alles Rechtes, ben 
rechtlichen Willen (die constans alque perpetua voluntas jus suum cuique tri- 
buendi). Gleich verfchrt war es, zu glauben, daß ber finnliche Zwang völlig 
genüge zur Verwirflihung ber Redtsorbnung. So vernachlaͤſſigte man die für 
eine wahre freie Rechtsordnung freier Weſen unerläßlihen Grundlagen oder Mo— 
tive der fittlichen Achtung u. Ehre. Man rief, ald habe man es mit einem Haufen 
Beftien oder roher Eflaven zu thun: „oderint, dum metuant!* das heißt: „gleich 
viel, ob die Bürger eine ſittliche Achtung für die Heiligkeit der Rechtsordnung, 
einen wahren rechtlichen Willen haben, ober nicht, wenn nur ein Außerer Zwangss 
mechanismus, wenn nur Furt u. Schreden vorhanden find.” Selbſt die Eibe, 
wodurch doch bisher noch alle Völfer, eben, weil fie von ganz entgegengefegter 
A: fiht ausgingen, die rechtliche Ordnung zu verbürgen ftrebten, fuchte man bei 
dieſer heilloſen Anficht zu befeitigen. Man behauptete ftolz: man fönne die Rechts— 
ordnung aud unter Teufeln verwirklichen, und überfah, daß nad dem Zeugnifle 
der Geſchichte noch bei allen Völkern Recht und rechtliche Freiheit zu Grunde 
gingen, wo religiöfe und fittlihe Achtung des R.s, ber Freiheit und Ehre zu 
Grunde gingen; wo nicht wenigftensim Allgemeinen bag R. auf biefer freien 
Achtung ruhete, wenn glei für bie Erfülung im Einzelnen äußere Motive 
als Unterflügungs- und Heilmittel Hinzugenommen werden Tonnen und müffen. 
Das Bemühen, dieſe äußere Zwangsrechtsordnung zu ihrer höchften Fol ericlige 
feit u. Vollendung zu erheben, insbeſondere Fichte's ſcharfe Kolgerichtigfeit in 
diefer Bemühung, enthüllte auch Hier die undeilbare Lüde des Syfiems. Fichte 
fah ein, daß in ber Rechtsordnung es gerade zur Erfüllung der wichtigften Rechtes 
pflichten, zur Erfüllung ber Rechtspflichten der Regierenden, an dem volftändigen 
äußeren Zwange fehle. Wer mag aber noch an eine wahre, felbfiftändige Rechis⸗ 
ordnung glauben, wenn alles Recht nur auf dem Zwange beruht u. wenn gern 
Diejenigen, welde bie Zmwangsgewalt befigen, wicgt dayı gemwungen werten 


672 Reteren, 


fönnen ‚ ihre Zwangsgewalt nur rechtlich und nicht rechtswidrig, nicht zur Za 
ſtoͤrung alle® R.s anzumenden? Fichte glaubte zu helfen, Indem er Ephoren e 
huf, welche felbft die Könige überwachen, zum Rechten zwingen und fie firefu 
often. Aber er vergaß, daß nun eine Zwangsgewalt fehlt, welche bie Ephorm 
zwingt, ihre furchtbare Gewalt nur rechtlich auszuüben, und welche fie bard 
Zwang abhält, nicht, wie fo oftmals in Sparta, felbft bie größten Deſpoten y 
werben. Sie werden nun bie eigentliche fouveräne Regierung. Abermals ia 
ewigem Zirkel muͤht ſich diefe Theorie vergeblih ab, ihr gefchlofienes Zwangt⸗ 
vecptögebäube zu vollenden, Stets bleibt ein Theil ber ingenden bleibt gerade 
bie größte, gefährlichfte Macht außerhalb des blos phyſtiſchen Stvangen 
bie Hauptiebenöfräfte der freien Rechtsordnung, die Tugend ber Bürger wm 
zunächft ihre freie Achtung ber eigenen u. fremden Perfönlichkeit und e m 
Die freie fittliche öffentliche Meinung, fo überfah biefe Rechtotheorie auch den m; 
ſpruͤnglichſten Hauptcharafter aller Rechtspflichten, jene Objecivität, ober bie al, 
gemeine äußere geſellſchaftliche Erkenn⸗-⸗ u. Beweisbarfeit und Gültigfelt für ale 
echtöglieber. Sie nahm daher auch Feinen Anftand, das R. aus nicht objectiven, 
individuellen philofophifchen Anfchauungen u. Schulfoftemen abzuleiten unb ife 
fo allen praftifchen juriftifchen Boden zu entziehen. — 2) Die andere, in at 
gegengefeßter Richtung einfeitige Haupttheorie über das Berhältniß von Moral 
u. Recht, die der früheren Philoſophen vor Thomafius und Sant, wie bie 
der fpäteren, bie ber Schellingianer u. Degelianer, begeht den Fehler, das 
R. mit der Moral, mit der philofophifchen u. religiöfen Sittenlehre zu verfchmelsen, 
c8 unmittebar aus berfelben abzuleiten, e8 blos ala ein befonderes Capitel der 
Moralpflichten Hinzuftellen. Cie genden es nicht bloß mittelbar (naͤmlich ver 
mittelft der erfahrungsmäßigen freien Briebensanerfennung u. Bereinbarung) auf 
die Moral, Dadbdurch nun fcheitert ihre ganze Begründung eines wahren freien 
Friedens⸗ oder Nechtsverhältnifies. Sie können nur eine völlig unpraftifd« 
Rechtstheorie, oder einen philofophiichen u. religiöfen Glaubenszwang durch biefelbe u. 
für Diefelbe begründen. Ihren angeblichen Netögele en fehlen alle fünf zuvor 
aufgeftellten wefentlihen Charaktere. Sie begrünben kein wahres freies 
Friedens» oder Rechtsverhältniß, feine praftifch gültigen Rechtsgeſetze, fonbern eine 
unpraftifche, bloße Lehre von Dem, was nad ihrer individuellen Schultheorie 
Recht werben könnte, wenn alle Indipiduen diefer felben Schultheorie Hulbinten, 
was aber nimmer ber Kal if. Sofern aber bie Anhänger dieſer Theorie zufällig 
Gewalt erhielten, ihre Theorie zu verwirklichen, würden fie einen philoſophiſchen 
oder religiöfen Glaubenszwang, einen fauftrechtlihen Meinungsftreit herbeifüßren. 
Diefe Syfteme begründen niemals obiectiv oder Außerlih u. geſellſchaftlich allge, 
mein erfenn u. beweisbar, für alle Rechtömitglieder gültige Geſetze. Ihre Morals 
theorie läßt feine Außerliche Richter u. Zwangsgewalt zu. Gie begründen enblich 
fein freies, willfürliches Dürfen innerhalb des eigenen Rechtskreiſes, mithin gar 
feine rechtliche Freiheit. — Man fafle das wirkliche Rechtsverhältniß freier Völker 
in feiner wefentlichen Geftalt auf, fowie e8 in bem gefellfchaftlichen u. wirklichen 
Leben gegeben iſt! Eine gründliche Analyfe deſſelben gibt alsdann alle jene obis 
gen fünf verfehiebenen Hauptbeftandtheile oder Hauptcharaktere befielben. Jeder 
erfuch, in einer allgemeinen freien Eonftruction eine Theorie des natürlichen 
Rechts zu entwideln, wird alfo ſich als einfeitig u. verfehlt darſtellen, fobalb er 
nicht dieſe weientlidhen Charaktere und Grunbbedingungen eines wirklichen freien 
Rechtözuftandes zu begründen vermag. 

Rechteren, Grafen von, ein altes Geflecht, zerfällt jet in eine jüngere 
Linie, die in Bayern die Herrichaftsgerichte Markt Einershelm, 2,,, Meilen 
und 5000 Einwohner, und Sommershaufen, 1,25 [J Meilen und 2100 Einwohner 
befigt Gufammen Stanbesherrfchaft Limpurg: Spedfeid) u. in eine ältere, in ben 
Riederlanden anfäffge Linie Haupt ber Jüngeren Linie iR Graf Friedrich 
Ludwig, geboren 1811, erblicher bayerifcher Reichsrath und Generalmajor ber 





Rehtglänbigkeit Rechtsſchulen ors 
Landwehr von Unterfranlen; Haupt der älteren Graf Adolph, geboren 1798, 
Befiger der Herrfeaften Almelo, Brifenveen, — Boldt ir Barton. ; 
Real ei ee — in welchem der Menſch fein 
8 t wirl e jan! |, in welchem ber ie 
Rechte u. feinen Anfpruch auf Staaten mehr Hat. Ein folder Zupand 
war in alten Zeiten bie Stlaveret (j. di). Mittelalter bildete fich ſodann 
ber Begriff der R. dahin aus, daß gewifje Perfonen durch ihr Benehmen bie 
Rechte eines Freien verloren, oder als werächtlich galten; er trat entweder als 
dolge gewiſſer Strafen ein (Acht ſ d), welche Vorrechte entzogen, ober als Folge 
einer gewifien Lebensweife, ober eines Gewerbes, ober wegen verädhtlicher Geburt 
Anrüchigkeit f. d.). Als fpäter die bürgerliche Ordnung fi fo weit aus⸗ 
bildete, daß man auch in dem Sklaven u. dem Geächteten die Würde des Men⸗ 
{chen noch ehrte, fand aud die R. Abftufungenz man etflärte auch den größten 
Verbrecher nicht mehr für nogelfrei "u, ber fogenannte bürgerliche Tod nicht 
mehr in gänzlicher R., fondern nur in dem Verluſte gewiſſer Rechte und in ber 
Unfähigfeit, ſolche zu erwerben. " Jetzt, wo bie Anficht feftfteht, Recht und 
Pflicht wechfelfeitig in einander — ſind und keines ohne das andere gedacht 
werden kann, darf ohnedieß fein Menjch für rechtlos erllaͤrt werden, ohne zus 
gleich auch aller feiner Pflichten gegen bie bürgerliche Geſellſchaft entbunden zu feyn, 
Nechtöbefis, ſ. Befit. 
Rechtfchrei! 18 —— 
Rechtofall Heißt der Inbegriff von Thatſachen, welche einem, zwiſchen ben 


|. _ [TEE 


Parteien fireitigen, Nechtsverhältnifie zu Grunde liegen. 
jelehrfamkeit, ſ. Rechts wiſſenſchaf 

Rechtskraft. Wenn eine Rechtsſache durch richterliches Urtheil entſchleden 
iſt, ohne daß weitere Huͤlfe geſucht werben kann, ſo wird dieſe Eniſcheidun— 
Rechte, das Urtheil wird rechiskraͤftig, iſt eine res judicata, worauf fich — 
für den das Urtheil ſpricht, "fortan fügen kann, um fein Recht Ay behaupten. 
Es entſteht jedoch die Frage, ob es abfolut eine resjudicata, eine R. geben fann, 
die felber zum Nechte wird, Das urfprüngliche Recht kann nämlich durch irgend 
einen Umftand unterdrüdt, oder verfannt morben fern. Im diefem Falle follte es 
feine abfolute R. geben dürfen, wenn am Ende bewieſen würde, dab das gefällte 
Urteil aus irgend einem Grunde rechtswidrig geweſen fei. Im Laufe des Bros 
zeſſes, bei reifgenbefcheiden, von denen jebody hier bie Rebe nicht if, forwie auch 
im alle, daß noch eine Inftanz offın ſteht, läßt man Nichtigkeitsllagen und Res 
flitutionen zu. Bei Eriminalfadyen if man bereit8 rechtlicher zu Werke gegangen 
umb pflegt gar feine R. anzunehmen. Es bleibt hier denjenigen, bie fich in der 
Unterſuchung befinden, auch nad} gefälltem Uitheile ſtets frei, ihre Unſchuld noch 
au beweifen. — Gelingt «8 ihnen nicht, fo muß das Urtheil endlich volls 
firedt werben. N. 

Rechtsmittel find diejenigen Akte, wodurch Rechtsanfprüche geltend gemacht 
werben koͤnnen. Im Allgemeinen gehören dahin alle einzelnen Handlungen, bie 
bei einem Prozeſſe vorfommen fönnen, fie mögen Ramen haben, welche fie wollen. 
Im Speziellen gibt es noch verſchiedene R., um eine ſchon verlorene Rechtsſache 
vor einen höhern Richter zu bringen; diefe nennt man bevolutive R. Grhält 
bie Rechtsſache in einer u. berfelden Inſtanz nur einen andern Referenten, ober 
werden bie Aften an ein anderes Gericht gefenbet, fo nennt man dieß fufpenftve 
R., weil dabei ber Bisherige Richter fufpendirt wird. N. 

Rechtöpflege, f. Iuftix. 

Rechtsphilofophie, |. Naturrecht. ‚ 

Rechteihulen. ALS das römifche Recht allgemein recipirt wurbe, Hanbelte 
es fich zunäcft darum, dieſes Recht auch authemiſch zu lehren, um es rein im 
bürgerlichen Leben durchführen zu fnnen. Daraus gingen bie R., oder befler, 
bei Eniſtehung und Fortentwidelung ber Univerfitäten, We Katuititen Ur We 
Redptewiffenfhaft hervor, an welden das poftioe Reit auihenin wechrWo 

Realencpclopädle. VL. R 


674 Nechts ſtaud — Rechtbwiſſenſchaſt. 


wurde. Die neuere Zeit hat durch ihre Beſtrebungen auf dem Gebiete des Ra⸗ 
tionalismus auch in dieſem Zweige des menſchlichen Wiſſens bedeutende Beweg⸗ 
ungen hervorgebracht. Vom Momente der Erſcheinung dieſes fortbewegenden 
Strebens theilien fi auch die R., ober richtiger, Die Lehrer an ben R. en ent; 
weber dem alten pofltiven Rechte an, ober fie wollten ſich auf dem Grunde phi⸗ 
Lofophifchen Wiffens den Verhaͤltniſſen ber neueren Zeit accommobiren. So entftanb bie 
hiftorifche m. die philoſophiſche R. Die Schärfe, die das Forſchen im Baufe 
der Zeit in allen Fächern des Wifiens eingeführt hat, Hat auch auf bie hiſtoriſche Schule 
ihren Einfluß geäußert. Um fich den neueren Beſtrebungen gegenüber zu Balten, 
wurben bie alten Rechtsquellen auf's Genaueſte geprüft u. werthvoll bargefellt. 
Allein die neuere Zeit in ihrem fo allgemeinen Umfehmunge hat anbere SImflitute, 
andere Rechtsnormen noͤthig. Das Leben Hat andere Bebürfnifie, die Rechte 
wollen andere Formen haben. Go wird am Ende bie hiſtoriſche Schule unterlie 
gen müflen, um ben neueren Redhtögrunbfäben freien Spielraum zu lafien. N. 
Rechtsſtand entficht, wenn ein Beſitzſtand auf Rechte gegründet werben 
fan, während ein, nicht auf ſolche gegrünbeter, Beſttzſtand immer wieber verloren 
gehen Tann; denn es koͤnnen ſich noch Rechte vorfinden, bie ihn als einen un 
rechtmäßigen angreifen u. umſtoßen. Wirb nun eine Zeit hindurch von feine 
Seite der ein Recht gelten gemacht, fo geht der Beſtyſtand durch andauernden 
Befitz einer Sade ( 9 in den R über. Wann buch 
ber R. jedesmal eintreten folle, bieß if durch Geſetze befiimmt. Da aber immer 
noch Rechte geltend gemacht werben können, fo haben bie neueren Geſete bei ber 
Hortbildung des Rechtsweiens einen oft fehr lange andauernden Bellsfanb ange 
ordnet, bevor dee R. durch Berjährung eintritt. Bei feinblidder Occupirung eines 
Landes durch fremde Voͤlker, ober Ufurpirung eines Throne durch einen 
Eindringling, wirb ber Beſitz geÄnbert, oßne daß Rechte vorhanden feyn konnen. 
Ein R. tritt Hier gar nicht ein, fo lange Ältere Rechte vorhanden find, und ber 
Beſttzſtand wird durch dieſe Rechte immer umgeftoßen werben, wenn fie anders 
eltend gemacht werden fünnen. Es bleibt übrigens ben einzelnen Befehgebungen 
erlafien,. wie fie es in biefem Punkte Kalten wollen. N. 
Kechtöwiffenfchaft (Juris prudentia) if der Inbegriff aller Kenntniſſe bes 
Rechts, fie mögen aus pofitiven Quellen geichöpft, oder auf rationellem Wege 
gewonnen werden. Rechtogelehrt heißt derjenige, ber mit ber R. vertraut iR. — 
ie R. in ihrer weiteften Ausdehnung begreift alle Rechtskenntniſſe, wie fie n 
allen Zeiten bei allen Bölfern Geltung hatten. Eine ſolche Zufammenftellung iR 
noch nicht vorhanden, die Quellen find noch nicht gehörig bekannt geworben, bie 
Arbeit kann, als noch nicht gehörig vorbereitet, aus nicht audgeführt werben. — 
Es können alfo nur diejenigen Quellen in die R. aufgenommen werden, welche 
bei wifienfchaftlich gebildeten Bölfern vorhanden find. Dahin gehört vor Allem die 
R. nach allen ihren Theilen, wie fie aus dem römifchen Rechte (f. b.) hervorgegan⸗ 
gen und bei den europaͤiſchen Völkern üblich if. Diefe recipirten aus Mangel 
an eigenen ausgebildeten Rechtsſyſtemen allmälig das roͤmiſche Recht. Daraus 
girgm im Laufe der Zeit alle pofltiven Rechtsſyſteme ber einzelnen eucopälfchen 
aaten hervor. Die überfichtliche Darftellung dieſer Wiſſenſchaft im Allgemei⸗ 
nen, wie fie fich bis jetzt herausgeftellt Hat, iſt zwar verſucht worben, aber nicht 
vollftändig gegeben. Vollſtaͤndigere Arbeiten find über bie Rechtöfufteme ber ein- 
zelnen Länder vorhanden. Zu bieſem Schate der gefammten R., wie fie in ben 
vorhandenen Quellen liegt, liefert auch bie Philofophie das Ihrige, indem fie bie 
Fortfchritte gibt, welche fih im Gebiete der R. geltend machen mäflen. — Die 
‚ Berhältniffe der Völker ändern fich fortwährend; dadurch werben anbere Rechte: 
normen nothwendig. Es tritt baher bie philofophifche Schule ein, um die Rechts⸗ 
[pßeme zu vervolllommnen. Die bogmatifche Darfiellung ber rechtswiſſenſchaft⸗ 
ichen Arbeiten gefchieht in Grundriſſen, mehr oder minder vollftändigen Gompen- 
dien. — N, Mit der hiſtoriſchen Darftellung ber R. beſchäftigt ſich Die Recht s ge⸗ 
Sdihte Dieſe heißt außere, wern ſe ih Lebiglich mit den Quellen und 


— —— 


Rechtswiſſenſchaft. 675 
beren Bearbeitung; innere, wenn fie ſich mit den Schiefalen der einzelnen im 


häftiget. Schon mit der erften Entftehung ber menſchlichen Geſellſchaft { 
ich zur Erhaltung» dee geſeliſchaftlichen Berbindung ein rechtlicher Zuftand aus, . 
Anfangs war Diele ſehr einfach, ‚nur gegen bie Rexendften Verbrechen gerichtet, 
bald complieieter u. zu einem Syfteme ansgefponnen. Bei allen Drientalen war 
bie Befepgebung fehr genau mit der Religion verbunden u. der Prieſterſtand die 
Baſis aller gefeglichen Erf jen (wie auch fpäterı die nordeuropäifchen und 
deutfchen Gefege nicht mehr auf ben Jahresfeſten verabredet u. angenommen 
wurden, fondern auch aus der Religion: felbft — — was auch im Chriſten ⸗ 
thume blieb, da die Lande u. Reichstage zugleich Concilien u, Synoden waren), 
Die erfte ordentliche Gefehgebung foll bei den Aegyptern Statt gefunden haben, 
Bei den Griechen begründete Aderbau bem gejellfchaftlihen Verein u. biefer bie 
Gefeggebung, weshalb: auch Demeter (Eeres) u. Triptolemos als erſte Geſeh⸗ 
jeber verehrt wurden. Außer biefen nennt man als foldhe: Apollon (bei ben 
efabiern), Phoroneus u. Kekrops (in Artifa), Gewiß ſcheint, daß Attita ſchon 
vor Aufgebung der monarchiſchen Regierung ziemlich ausgebildete Gefepe hatte 
(vergleiche Thefeus). Als Gefehgeber in Athen find bekannt: Drafon, Sor 
ton, Pififkratos, Kliſthenes (f. dd). Nach ben von bem Rathe der 400 
w dann von den 30 Tyrannen vorgenommenen Aenderungen brachte Guflides 
bie alte Gefehverfaſſung wieder in Wirffamfeit. Endlich war Demetrios Phales 
reus Urheber vieler neuen, ſehr wohlthätigen Geſehe. Bon dem größten Intereſſe 
aber ift die Gefchichte bes römischen Rechts (f. b.), ba es ale 
für bie meiften Rechtsinfitute in Deutfchland allenthaiben anerfannt iſt. ES. 
deutfhes Recht) — Im Italien erhielt ſich, aller. politiichen Beränders 
ungen ungeachtet, welche biefe® Land in ben nachfolgenden Jahrhunderten) er⸗ 
fitt,; der Gebrauch des römifcden Rechtes ſelbſt unter der Hertſchaft ber Longo⸗ 
barden u, Franken;  indeffen ſcheint unter der Herefchaft der Tepteren auch das 
Breviarum Alaricianum nah Stalien gefommen u. für die longöbardiſchen Rö⸗ 
mer bearbeitet worben zu ſeyn. Bis zum 12. Jahrhunderte fonnte für bie wiſſen⸗ 
ſchaftliche Bearbeitung des römifchen Rechtes, bei dem Verfalle aller Künfte und 
Wiffenfhaften u. bei der im Mittelalter allenthalben herrfchenden Barbarei und 
Anarıhie, wenig oder Nichts gethan werden; erfi um das Jahr 1130 zeigte fi 
in Ztalien ein neuer Eifer für das Studium bes römifchen Rechts u. bejonders, 
wurde dieſes auf der Rechtsſchule zu Bologna mit großer Vorliebe bearbeitet. — 
er Erſte, von dem wir wiffen, daß er um biefe Zeit zu Bologna bie Rechte 
lehrte, war Pepo. Ihm folgte der weit berühmtere Jrnerius oder Wernher. Er 
erläuterte den Tert ber Juftinianifchen Compilationen durch lurze Sad - und 
Sprachanmerkungen, welhe man Bloffen nannte; baher feine Schuͤler u. Nach⸗ 
folger im Lehramte ben Namen GBloffatoren erhieiten. Das Zerfallen Italiens in 
Inehte Hleinere Staaten und die Einwirkung mehrer Provinzialgeſetzgebungen auf 
daß italienische Recht gab demfelben feit dem 13, Jahrhunderte viele Verſchieden⸗ 
beit, die mur durch das gleichnamige Beibehalten des römiſchen Rechtes, ale 
Grundlage, eine allgemeine Aehnlichfeit behielt. Die italienischen Gefege find, 
ungeachtet Italien in fehr viele verfchtedene Staaten zerfallen ift, auch in ber 
neueren Zeit bie alten geblieben, obſchon bie franzöfiiche Revolution maͤchtig an 
benfelben gerüttelt hat. Faſt bei allen Geſehen Italiens, befonders des Kirchen 
flaates, ift der Einfluß bes kanoniſchen Rechtes deutlich wahrzunehmen. — Auch 
in Frankreich erhielt fich der Gebrauch bes römischen Rechtes das ganze Mittels 
alter hindurch. Schon in ber Witte des 11. Jahrhunderts foll der HI. Lanfcanc, 
Erzbifchof von Canierbury, als Abt zu Ber in der Normandie, das roͤmiſche 
Recht gelehrt Haben u. ſchon vor dem Zeiten ber Gloſſatoren nahm man bei Ber 
arbeitung deffelben auf die Juſtinianeiſchen Gefegbücher Ruͤckſicht. Seitdem aber 
das römifhe Recht durch die Bloffatoren in Italien voteder in Aufnahme rat 
warb, zeigte fi bald auch ein gleicher Eifer für dafelve in vn N 


\ ia Lehren nach ihrem’ Hefprunge ü. nach ihrer almäligen Ausbil 


676 RNechtswiſſenſchaft. 


auf ben Rechtsſchulen Frankreichs. Zu Montpellier lehrte ber Sloſſator 
centinus, geftorben 1192. Ludwig ber Heilige (1226—1270) ließ eine 
Heberfegung der römifchen Rechtsbuͤcher fertigen u. Pierre Des 
tete um’8 Jahr 1253 das franzoͤſiſche Gewohnheitsrecht u. verglich es mit ben 
römifchen Rechte. Zwar wurde ber Vortrag bes lehteren wegen bes großen Bei 
falles, den er erhielt, u. wegen bes Eintrages, ben das Tanonifche Recht baburg 
erlitt, vom Papſte Honorius IL um 1220 für Paris verboten; allein 
Berbot, durch die Ordonnance de Blois 1579, Art. 69, wiederholt , blieb ohne 
Wirkung u. feit jener Zeit bildete das Stubium des römifchen Rechtes biefenige 
Schule der franzöftfchen Rechtsgelehrten, befonders des 16. Jahrhunderts, 
Kamen noch jeht mit Achtung genannt werben. Trot biefer Adtung bes röml 
fhen Rechts in Frankreich, riffen theils durch das Lehenweſen, das bie verſchie⸗ 
benartigften Unter» u. Mittelgerichte conflituirte, theild burch ben Uebermuth ber 
Parlamente, bie fih ben königlichen Beichlüffen wiberfegten, theils burch bie fi 
nigliden Ordonnanzen, die, fobald fie von dem Parlamente einregiftrirt waren, 
unbedingt Geſetzeskraft erhielten, eine ſolche Berwirrung in den franzoͤſtſchen Ge⸗ 
ridhtshöfen ein, daß die offenbarften Ungerechtigfeiten von ben Gerichtshöfen bes 
gangen wurden u. daß eine Umänberung bes Gerichtsweſens bafelbft Bebürfnif 
wurde, Diefe Dringlichkeit einer Menerung war feiner ber geringften Anlaͤſſe 
zur franzöfifchen Revolution. Gleich beim Beginne derfelben wurde an eine Ums 
änderung des Gerichtsverfahrens gebacht ; England ward im Allgemeinen Hierin zum 
Mufter genommen, die Batrimonialgerichte aut elöst, das öffentliche Verfahren eins 
geräbn Sriebensgerichte beſtellt, höhere @erichtöftellen ernannt, von welchen an 
ppellationsgerichtshöfe appellirt wird u. wo ein Kaſſationshof in legter Inftan 
fpriht. In Eriminalfachen ift die Jury als Richter eingefegt, auch gibt ber 
1810 eingefüßrte Code penal darüber nähere Beſtimmungen. Allein auch bie 
Geſetze änderten fi: ſchon 1791 befchloß bie Rationalverfammlung eine Umaͤnde⸗ 
rımg ber beflehenden, bie 1807 auch zu Stande kam. Seitdem fland nur bem 
efeugebenden Korps u. fpäter der Kammer das Recht zu, neue Geſehe hinzu⸗ 
gen und bie beftehenden zu ändern, ber Kaifer u. fpäter der König beftätigten 
dieſe Beichlüffe. — In Spanien herrſchte urfprüngli das römifche Recht, vers 
wijchte ſich aber fpäter bei ber Eroberung Spaniens burch deutfche Stämme u. 
die Mauren wieder. Als die Ehriften die Oberhand erhielten, wurbe durch bie 
Inftitutionen der deutſchen Bölkerfhaften, welche fchon früher in Spanien einge 
fallen waren, verbunden mit dem Gewohnheitsrechte jeber Provinz u. auch wohl 
den ehemaligen Geſetzen ber Mauren, für jebes Königreich ein eigenes Recht ge 
bildet, das aber im Banzen doch Einen Ehurafter Hatte Im 16. Jahrhunderte 
ward Das zömifche Recht eingeführt und brachte einigermaßen Einheit in bas 
Chaos. Später war ber Konig in Spanien allein @efepgeber, feine Befehle 
galten für Geſetze. In neuefter Zeit hatten die Cortes nidyt Muße ‚ um 
eine neue Geſetzgebung für Spanien zu verfuchen, mehrmals ſprach fidh aber ber 
Wille dazu aus. — In England finden fich ſehr früh Spuren einer wiſſenſchaft⸗ 
lien Benbeiung bes römiichen Rechts. Bacarius, ein Iombarbifcher Rechtöger 
lehrter, ber in Bologna bie Rechte ftubirt Hatte, ging um bie Mitte bes 12. 
Jahrhunderts nach England, um dort beſonders ben @eiftlichen das römtiche 
Recht zu erklären. E päterhin befchäftigten ſich auch noch andere engliſche Rechtes 
elehrte mit dem römiichen Rechte allein; als geltendes Recht hat daſſelbe nie fes 
he Fuß in England faffen können. Dagegen nahm das englifche Recht buch 
ie Errichtung des Parlaments u. durch die Anerkennung bifien u. bes Könige 
emeinfchaftlich, als befugt, neue Geſetze zu geben, eine eigenthimliche Richtung. 
6 befolgte dabei altgermantfche Rechtsgebraäͤuche. Als foldye kann man bie Fries 
benögerichte, Jury's u. m. a. anfehen. Dagegen leibet bie englifche Geſetzgebung 
noch an zu vielem Hängen am Alten; ber Civilprozeß ift zu weitläufig, koſtſpielig, 
die Eriminalgefehgebung zu fireng, was wohl mit feinen Grund in ber Eigen- 
Ihümlichkeit des engliſchen Rationalkgoratters dor. Sam wu em allen 


| 


® 


— 


Rechtswohlthat ¶ Recitativ. om 


L 
= Rechte Hat fih das norbamerifanifche Recht gebildet, da ber größte 
" der nordamerifanifchen Freiftaaten urfprünglich engifiße Eolonien waren, Ko 
1 Doch fpäter wurden. Auch Hier, famen nach u. nad die SProvinzialrechte Hinzie 
= u. no) jegt find die Gefege nach den Provinzen verſchieden u; werden ‚von jebem 
Ri Staate einzeln abgeändert. Nur Gefege, bie ſich auf das. allgemeine Iniereffe 
= beziehen, werben von bem allgemeinen Congreſſe gegeben. 
“ Rechtswohlthat (Benehcium — juris), Heißt eine Ausnahme vom ſtren⸗ 
t gen Rechte, welche die Geſehe entweder für ein gewiſſes Alter, Geſchlecht, Stand 
2 m. Claſſe, ober für eine gewiſſe Gattung von Sachen, ober für: alle Unterthanen 
& zugeftehen, Dahin gehören: das Beneficium abstinendi, ober das Recht, ſich von 
t einer Erbſchaft losſuſagen z beneficium inventarii, das Recht des Erben, nur 
x zum Belange ber Eebſchaftsmaſſe für Schulden zu haften; beneficium compe- 
Ü tentiae, bei Verſchuldungen aus ber Maſſe das zum flandesmäßigen Unterhalte ° 
1 erforderlihe Duantum fordern zu bürfen u. m. a. 
k Necidive, Rüdfall der Krankheit (Morbus recidivus), bezeichnet eine 
6 Krankheit, wenn fie, one ihren Prozeß geendet zu haben, bis in die Reconvales- 
t cenz gefommen, wieder zu ifrem frühern Höhepunft zurüdfehrt, Veranlaßt wird 
dieſelbe durch unvollfommene Entfheidung ber concreten Krankheit, ober durch 
ı eine davon zurüdgebliebene Anlage zu een bei gleichzeitig fortbauernder 
direften oder inbireften Ginwirtung ber Gelegenheitsurfachen. Bezüglich des 
Ausganges eines Kranfheitsrüdfalles iſt zu bemerfen, berfelbe in der Regel 
weit ungünftiger ift, als jener ber urfprünglichen Kran Bei der Behandlung 
bee R. hat der Arzt, neben einem fachgemäßen umb fehr vorfichtig geleiteten 
und weniger energifhen Heilverfahren, —— auf Vervollſtaͤndigung ber 
Krife und auf Entfernung etwa noch fortwirfender Gelegenheitsurfachen: hin- 


zuwirlen. ii 

Recipient, ſ. Luftpumpe. — In bee Chemie bas kugel» ober birn⸗ 
förmige Geſchitr, worin das Deftillirte abläuft, wozu man oft ein burchfichtiges 
GSlas mit einem engen Halfe erwählt, damit von bem abgezogenen Spiritus um 
fo weniger verfliegt. 

Neciprof, gegenfeitig, wechſelſeitig; daher reciprofe Begriffe, folde, 
von denen einer für den andern gefegt werben kann; reciprofe Urtheile, 
folche, welche richtig bleiben, ob man das Subjeft an bie Gtelle des Präbikuts, 
ober dieſes an bie Stelle von jenem fegt; reciprofe Zahlen heißen zwei ſolche 
Zahlen, welche beide, multiplicirt, die Einheit zum Producte geben; in der Geo⸗ 
meterie heißt ein Parallelogramm r. von einem andern ihm gleichwinfeligen, wenn 
die Seiten bes einen bie mittleren Glieder ber Proportlon find, in weldyer bie 
äußeren Glieder die Seiten des anderen find. Im ber Grammatik verfteht man 
unter R.um ein Wort, welches Genenfeitigfeit ober Wedhfelfeitigkeit des Thuns 
‚zweier ober mehrer Perfonen ausdrüdt u. auf jede ber Perfonen in ber Mehr⸗ 
heit bezogen werben kann. Beſonders gehören hicher bie Pronomina_reciproca 
und Verba reciproca, wie fie ſchon die Alten nannten, die im Deutſchen duch 
das unveränderlihe „einander“ bezeichnet werben, 3. B. wir lieben einander, fie 
haffen einander u. f. w. 

Recitativ (vom Lat. recitare, laut herfagen), der Rebegefang, die Declas 
mation bes Geſanges, ſowohl dem Rebevortrage, als der Geſangmuſik angehörig 
und ben Uebergang von ber Decfamation in muflfalifhen Tönen zum lyriſchen 
Gefange bilbend. Im R. wird der Inhalt der Worte nach feiner ganzen Beſonder⸗ 
heit den Tönen eingebrüdt u. dadurch wird die Mufit zu einer tönenden 
Declamation, welche, wenn fie eine höhere ober erhöhtere Empfindung mit ſich 
führt, die Mitte zwiſchen bem eigentlichen Melobifchen u. Poetiſchen Halt. Man 
unterfcheibet das einfache R. u. das accompagnirte. Bel jenem befteht bie 
Begleitung aus einfachen Accorden bes Baſſes; bei biefem erfolgt He in weiten 
Sägen, fogar mit allen zur Berflärtung der Empfindung geagneen Driadter- 
Imfrumenten Daffelbe wich auch obligateß, das einfadge ud Lap yacsıın R. 


678 Recitiren — Rede, 


genannt, weil bei deſſen Bortrage in der italienifchen opera bufla, wo es allein 
noch üblich ift, die Befangtöne ganz in Sprachtöne übergehen. Richtiger jedoch 
iR die Trennung ber R.e in das einfache, accompagniıte, taftmäßige u. in das 
obligate R. Das einfache ift das bereits bezeichnete ; das accompagnirte basjenige, 
weldes vom Brgenquartett begleitet wird; das taftmäßige eigentlidh eine, 
fonders duch den Eintritt mehrer Blas » Inftrumente Bervorgehobene, eingewebte 
Melodie, und das obligate R., welches eine Arie oder Enfembleftüd ‚u 
baber nicht wegbleiben barf, ober obligat ift. Berner theilen fi bie R.e in 
dramatiſchen. oratorifche, von welchen letztere weniger handelnd, als betrachten) 
find, rubiger ſich fortbewegen, feine g ten Ausweldyungen Kratten und fid 
auf weniger entfernte Intervalle befchränten. Bon dem R. fol, wie Müller in 
feinee Aeſthetik dee Tonkunſt bemerft, Emilio del Cavaliere zueiſt in feinem 
Schäferipiele u. bem Oratorium Anima e Corpo Gebrauch gemacht haben (15% 
bis 1607) u. um biefe Zeit (1600) in ber Oper Ariadne von Giacomo Bei 
ſchon das moderne R. erfchienen feyn. Allein an einer andern Stelle nennt Müller 
ausdrüdlih den Giacomo Eariffimi, Kıpellmeifter zu Rom u. zu Padua 1640, 
ben Erfinder der Cantate u. bes modernen R.s, weldyes fein Schüler Ceſti, gegen 
1660 Kapelimeifter in Klorenz, mit den Arien bie Oper eingeführt Babe, Deeie 
Wideriprüce find bei Müller nicht ungewöhnlich, u. da auch Gaccini bie Erſin⸗ 
dung anfpricht, fo bürfte es kaum möglich feyn, auf den erſten Erfinder zuräd 
eben, wenn wir biefen nicht in Briechenland, wo das R. offenbar entiproffen i 
uchen wollen. Denn Gavaliere felbft erklärte feine R.⸗Form für bie der 
und Römer, durch welche fie (angeblich) fo Außerorbentliches geleiftet Haben, und 
Beri geftanb ihm in ber Anwendung berfelben den Vorrang zu. Das R. kam 
mithin nur für eine Wieberauffindung der altgriechiſchen Geſangweiſe gelten u. 
bafür galt es wirklich, folglich auch nur Cavaliere als befien Wieber 
Daher wird bie Dehauptung Kiefewetter’6 u. Anderer ale richtig anz 
jeon, daß Giacomo Eariflimi der Verbeſſerer dee Cantate u. bed R.6 gerveien u. 
ehteres von Scarlatti zur höchſten Vollkommenheit gebracht if. Rod mag be 
merkt werden, daß die Erfindung des R.s zuweilen auch bem Francisco 
parini aus Rom, einem Zeitgenofien Scarlatti’s, zugefchrieben wird u. von Ris 
colo Porpora, geboren 1685, u. Leonardo Leo, geboren 1694, fat ein Jahrhun⸗ 
bert nad Cavallere, in biefee Beziehung noch weniger die Rebe jeyn, am wenigſten 
aber, wie Grosheim meint, Tomelli das R. nach Italien verpflanzt Gaben Tann. 
Im Bortrage des R.s find übrigens die Italiener Meifterz bie beutfchen Sänger 
behandeln es gewögnlid, fehr mit Unrecht, als Rebenfadhe und vernachläßigen 
hauptjſaͤchlich ein beutliches Ausfprechen ber Worte, woburd das R. feine 
deutung u. wefentliche ã— zur Fortführung ber bramatiſchen Handlung 
verliert. Dieſe Vernachläßigung iſt daher für manchen Kunſtkenner eine Veran⸗ 
laſſung geweſen, das R. ganz aus der deutſchen Oper entfernt zu wunſchen. 
ein die dafuͤr anzubringenden Gruͤnde, „daß eine Unterbrechung des Befanges 
durch den gefprochenen Dialog bie Verfländlichkeit der Fabel erleichtere, bie 
Oper insbejonbere eigenthümliche Abwechfelung beförbere u. dieſe Abwechſelung 
einen wefentlichen Unterfchieb der deutfchen u. italienifchen Oper bewirke,“ ſcheitern 
an ber Bemerkung, daß wir in der durchgaͤngig muflfalifchen eneführung ber 
Dper aus der Poeſie in eine höhere Kunftwelt Binüber verfegt werben, in 
Gharafter fi) das ganze Werk erhält, wenn bie Muſik bie innere Seite ber 
Empfindung, bie einzelnen u. allgemeinen Stimmungen in ben verfchiebenen Si⸗ 
tuationen, Kämpfen ber Leidenſchaften u. f. w. zu ihrem eigentlichen Inhalte 
nimmt, um ſolche durch ben volftäntigen Ausbrud ber Affelte auch erſt vollſtaͤn⸗ 
Dig herauszuheben. 
Recitiren, ſ. Declamation. 
Rede, Eliſe, Dichterin in Dresden, geborene Reichsgräfin von Mebem, 
wurbe in Kurland auf dem großmütterlichen Gute Schönborn 1751 geboren, ers 
Jielt nach bem frühen Tode ihrer Mutter \n vden areienkiiniiken Kaufe eins 


Recke.. ca 


ganz einfeitige u. 3 1, To daß aſcetiſche Ueberſpannung "und 
moflifhe —— in ihr venenge werben mußten. Im 16. Jahre —2 
mit dem Freiherrn v. d. Rede hlt, welche Verbindung, bei fo entgegengeſehten 
Neigungen, Meinungen u, Weltanfichten, unmöglich lid werben konnie, weßhalb 
nad) 5 Jahren beide Ehegatten fich trennten. Cie zog nun mit ihrer Tochter nach Mitau; 
der Berluft: dieſer Tochter 1777 u, ein Jahr darauf auch ihres innigftgeliebten Bru⸗ 
ders legte in ihre reigbare Seele die ſchwaͤrmetiſchen Gefühle für den möglichen 
Umgang himmliſcher Geifter mit würdigen Menſchen bienieden. Sie pflegte nun 
bie ‚Gräber des Gottesaders zu beſuchen, oft halbe Nächte bort zuweilen unb 
gun an ber. Gruft: eines ‚gemeinfchaftlichen: s air Geiſt eines 
ligen: ihr erfcheinen, ‚ober durch irgend einen ſinnlichen 
baren, folder Gemütheftimmung. mußte Caglioftro’s Erſcheinen in taı 
im Februar 1779, Eu rien von unbekannten Obern beauftragt, wichtige maurerifche 
Schriften u. andere Schäge durch bie Kraft der Magie zu erheben, die auf einem 
ggiften Landgute in Kurland feit Jahrhunderten begraben liegen follten, auf 
life einen gewaltigen. Eindrud machen, Der Betrüger benügte ihre Stimmung 
und fteigerte fie durch das Vorgeben ber ihm verliehenen Macht, Geifter aus der 
Wohnung des Lichtes auf die Erde herabzugiehen, zur Höfen Meberfpannung. 
Ungeachtet. fpäterer Entdedung der vielfachen ı Betrüigereien des Charlaians, bes 
wahrte R. dennoch ben Glauben an Magie u. Wunderkraft der Myfit und bes 
färkte ſich barin duch fortgefegten Briefwechfel, mit Gtilling u. Lavater. Hlezu 
kam noch die Bekanniſchaft mit Profeffor Stark, ber in Mitau einen Al ven 
maurerifchen Unfug trieh. Die verftändige Unterhaltung mit Profeſſor Rean 
ſcheint endlich vo wirkſam durchgedrungen zu ſeyn u. fie brach bie on⸗ 
benz mit Stilling u. Lavater ab. 1780 erfolgte die völlige Scheibung- ihres 
Ehebundes. Ihr bedenllicher Geſundhelts zuſtand rieth ben Gebrauch von Karls⸗ 
bad, wo fie 1764 auf der Reife dahin bie intereſſante rg I von Hamann, 
Hippel, Kant in Königeberg, Nikolai; Biefter, Mendelsiohn u. Spalbing in Berlin, 
der Grafen von Stollberg in Dresden machte. Nach der Kur nahm fie das Ans 
erbieten des Dichters von Gögkingk banfbar an, ben Winter auf feinem Landgute 
Wuͤlferode bei Ellrich zuzubringen. Das nahe Halberftabt vermittelte die innige 
Greundfchaft mit Gleim. In dolge der berüchtigten Belobanbgefihichte in Paris, 
worin auch Caglioftro verwidelt war, welcher faft indiskrete Eröffnungen in Bes 
teeff feines Aufenthaltes in Mitau machte, fand fih R. bewogen, nad ihrer 
Nüdkehr nach Kurland, Februar 1786, das Tagebuch, das fie während Caglioſtro's 
Anweſenheit in Mitau geführt hatte, über beffen Thaten u. Behauptungen im 
Drude befannt zu machen u. ſoiches Seite fr Seite mit ben Erläuterungen, die 
fi ihr fpäter theils durch eigenes Nachdenken, theild durch Bode's Aufſchlüſſe 
entwidelt hatten, auszuftatten. Nicolai gab es mit einer Borrede u. einer Zus 
eignung an bie Herzogin von Kurland unter dem Titel: „Der entlarvte Eagli- 
ofteo,“ Berlin 1787, heraus. Sie betrachtete es als ein teflamentariiches Te 
maͤchtniß u. diftirte auf dem Krankenlager jene Anmerkungen, Kaiferin Katharina 
ließ R.s Schrift gegen Caglioſtro in’s Ruſſiſche überfegen und dankte in_einem 
hulbvollen Schreiben der freimüthigen Schriftftellerin, welche durch biefe Streits 
Kriften fh die Mißbilligung ihrer Verwandten zugezogen hatte. Verſchiedene 
eifen u. Einladungen nah Karlsbad, Halberftabt, Deffau, Warſchau füllten die 
nädhften Jahre, bis fie auf der Infel Allen bei dem herzogl. Auguſtenburgiſchen 
Gürftenpaare einen freundlichen Aufenthalt genoß. Hieraui ig e nah Hamm 
bei Hamburg, fand bei der Dichterin Karoline Rudolphi gaftlihe Aufnahme u. 
durch den belehrenden Umgang mit Klopftod, Raimarus, Sievefing u. Schröder 
einen für Geiſt u. Herz glei) reichen Gewinn. Von Katharina nad Petersburg 
eingeladen, wurde fie im Sommer 1795 mit der herablaſſendſten Güte empfangen 
u. zur BVerbefferung ihrer haͤuslichen Lage das Domänengut Pfalzgrafen um 
lebenslänglihen Genuffe ihr angewieſen. Hier traf fe Einchumgen, Ve NR 
nur ein gemilbertes Berhältnig ber traurigen Leibägen\igatt Ted Vroexeks 


Ki» 


6% Rellinghanfen — Recognition. 


bezwedten, fonbern auch zugleich auf bie Erziehung bes ſtlaviſchen Landmann 
zur allmäligen geſetzlichen Freiheit berechnet waren. Nach einem kurzen Aufent 
halte in Dresden nöthigte ihre fortbauernde Kränklichfelt die Werzte zum Ars—⸗ 
fpruche, daß ein wärmeres Klima, Stalten, verbunben mit dem @ebrauche ber 
Dampfbäder in Iſchia u. ben Seebäbern in Neapel, das einzig wirkfame Mittel 
zur Linderung ber Schmerzen fen möchte Mit ſchwacher Sofmung u. ſtraͤnben⸗ 
ber Empfindung trat R. in Begleitung bes langiährigen Freundes Tiebge im 
Auguf 1804 die Reife dahin an. Als fie in Rom bie Propaganda beſuchte m. 
der ehrwürbdige, ihr zum Gicerone beigegebene, Pater Paulino fie in die Druderei 
einlud, überreichte er ihr einen eben von ben ‘Blatten abgenommenen “Drudboge, 
worauf zu ihrer Ueberraſchung ein an fie gerichtetes lateiniſches Gedicht in 12 
ierlicden Herametern ftand. Nach wechfelnden Aufenthalte in Rom, Neapel, 
chia, trat fie im Juni 1806 bie Rüdreife durch Savoyen u. bie Schweiz an ı. 
fam gerade in Halle u. Jena an, als ber Krieg mit allen feinen Graͤulthaten 
bereit8 ausgebrochen war. Die an bes Herzogs von Gotha bot ihr auf 
dem Schloße Altenburg einen Zufluchtsort; fie weilte hier 2 Jahre bis 1808. 
Seit dem Jahre 1819 wurde, mit Ausnahme einiger Fleinen Reifen, Dresden wie 
ihr beftändiger Aufenthaltsort u. der Sänger der Urania hatte bei ihr fein Bürger 
u. Heimathsrecht erwählt. Ihren religiöfen Charakter fpricht fie am deutlichſten in 
isren Schriften u. Liedern aus. Sie ftarb am 13. April 1833. In ihrem Rad 
laſſe fand fich ein verfiegeltes Exemplar ihres Briefwechfeld mit ihrer Jugend 
freundin Stolz, das 8 Jahre nad) ihrem Tode geöffnet werden follte Gin 
zweites Exemplar unter berfelben Bedingung war an bie f. Bibliothek in Dresden 
addreſſirt. Ihr fonftiger reichhaltiger literarifcher Briefwechſel, worunter von 
1777—92 ‚die wertbuolle Correſpondenz mit dem Profeſſor Neander, feltene Ro 
tigen über den Einfluß der Sefuiten, der Freimaurer u. anderer geheimer Geſell⸗ 
haften, ſaͤmmtlich in Originalbriefen, war ber kurlaͤndiſchen ellſchaft für Li⸗ 
teratur u. Kunſt in Mitau vermacht. — Bon ihren ſchriftſtelleriſchen Probuften, 
meiſtens unter dem Namen Eliſa, verdienen Erwähnung: Geiſtliche Lieder nebſt 
einem Oratorium u. einer Hymne von Neander, herausgegeben von Hiller, 1783, 
3. Auflage, mit Borrede von Tiedge 1815, auch in's Litthauifche überlegt von 
Stender, 1789; Gedichte, herausgegeben von Tiedge, 1806 3 Tagebuch einer Reife 
duch einen Theil Deutfchlande u. Italien in ben Jahren 1804—6, Berausgeges 
ben von Böttiger, 4 Bde, 1815—17: Geiftliche Lieder, Gebete u. religiöfe Bes 
tradtungen, Berlin 1826: Viele Auffäge: in der Berliner Monatsſchrift, 
in Wielands deutfhen Merkur, Müchlers Aurora, Beders Almanach, Chew’s 
Iduna u. a. m. Cm. 
Recklinghauſen, eine vormalige, zum Erzſtifte Köln u. zum churrheiniſchen 
Kreiſe nebörige Graflchaft, von 15 [I Meilen mit 41,000 Einwohnern, zwiſchen 
Mark, Münfter und Eleve, tie 1803 durch ben Reichödeputationsabichluß dem 
Derioge von Aremberg (ſ. d.) zur Entfchäbigung gegeben, 1811 mit bem 
roßherzogtäume Berg vereiniget, und 1815 durch den Wiener Congreß bem 
Herzoge wieder, jedoch als eine preußiſche Standesherrfchaft, gegeben wurde. 
Sept bildet biefelbe einen Kreis bes preußifchen Regierungsbezirkes Muͤnſter. 
Die gleichnamige Hauptflabt der Stanbesherrichaft, mit 2600 Einwohnern, Bat ein 
Schloß, Gymnaſium, Franciscanerkloſter, Bierbrauereien, Branntweinbrennereien 
u. Leinwandfabrikation. 
Keclamation, Wieberforberung, Zurüdforderung, nennt man bes 
— eine Beſchwerde wegen Rechtsbeeintraͤchtigungen. Vergl. ben Artikel 
ecurs. 
Recognition (lat.), Anerkennung, beſonders gerichtliche Anerkennung, 
3: DB. der Unterfchrift eines Documents, einer Vollmacht ıc. — R.Egelber werben 
vom Erbpachter dem Grundherem gegeben, zum Zeichen, daß er das Grumdeigen⸗ 
thumdrecht beffelben anertennet. — R. bes Volkes ift in England ein feier 


Ucher Act, ber ber Krönung jedes nem Menschen verangeit. 


Necognoseiren — Reetification. 681 


Recognoseiren Heißt, ein Terrain mit allem dem; was auf bemfelben ſich 
befindet, in: jeder‘ Hinficht für, einen miltärifchen Ze unterſuchen. je Unter» 
fuchung bes Terrains, ober dieſe militärifye Betrachtung deſſelben mit allen ihren _ 
Einzelnheiten, fowie die Art u. Weiſe, wie biefe Uitterfun vorgenommen wird, 


heißt Recognoscirung, Erkennung: Der Awed der Recognoss 


cirungen im ge beſteht, nach den Abfichten, welche man entweber felbft, ober 
welche der Feind Hat: I) In der Unte rſuch ung von Bofitionen oder Plägen, 
melde man befehen will. 2 In ber ſpectellen Unterfuhung oder Be 
trachtung eines Bofens, Lagers, einee Cantonnirung, welde man 
behaupten, angreifen, überwältigen, oder Üüberfallen will. 3) In der Borbereitung 
beabfihtigter Bewegungen, oder in ber Beobachtung u. Folge ber 
feindlihden Bewegungen, 4) In ber Einholung von Nächrichten 
über die, Stärke, Stellung, den Zuftand und bie em Beindes. 5) In 
ber Einyiehung von genauen topographiſchen Nachrichten von einem 
Landſtriche, nach welchem das —— verlegt werben kann, beſonders in 
dem Falle,; wenn bie Operationslinie ;; welcher der Feind, ober wir felbft folgen; 
dieſen Landſtrich Durchfchneibetz endlich 6) in ber Einziehung von genauen 
—— über die Hülfsmittel, welche ein Land oder Santhrich ge 
währen Fann. 

Recollekten find zw dem Franctiacaner⸗Or den gehörige Kfofter = Geift- 
liche, welche bie erfte Regel des Heiligen Franciscus im ftreigften Sinne 
serolgen (bh Braneiscaner). ‘a 

econvention Heißt die MWiederflage vom Beklagten gegen ben Sue vor 
bemfelben Richter angeſiellt. Neconventent, Wiederkläger (zuvor Bekiagter); 
Reconvent, Wieberbeflagter (zuvor Kläger). 

Record (Recordum) heißt in England eine Urkunde auf Pergament; über 
eine: vor Gericht gepflogene Verhandlung u. das darauf gefälte Ertemtniß, bie 
in einem Föniglichen Gerichtshofe, der nur dazu berechtigt ift (Court of record), 
aufbewahrt wird, Gegen ein R. ift Fein Beweis mehr zuläffig, — Recorder 
ift der Sekretär des Staatsrathes, Er überbringt dem Könige die Tobesurtheile 
u. motivirt, unter Einfluß der Minifter, deren Beftätigung oder bie Begnadigung. 

Recrut wird ein neu zugehender Soldat genannt. Nach ben älteren Be- 

tiffen wurde ein Soldat oft 3 Jahre feiner Dienftzeit R. genannt und als uner⸗ 
Sabrener Neuling betrachtet. Heut zu Tage nennt man einen neu zugegangenen 
Soldaten nur folange einen R.en, bis er aberercirt ift und, wie man zu jagen 
pflegt, in ben Dienft tritt. Im biefer Beziehung ahmt man bie Gewohnheit ber 
Römer nad, bei melden ber Stand eines R.en fo lange dauerte, als er ben erften 
Unterricht in ber Handhabung und bem Gebrauche feiner Waffen erhielt. Wie 
lange aber ein R. erercirt werben folle, daß er im Stande ift, alles das zu er» 
lernen, was ihn zum Waffendienfte vollfommen verwendbar macht, haͤngt einer⸗ 
feit6 von dem Grabe ber Volfsbilbung, anberfeit8 von ber Waffengattung ab, 
bei welcher er eingetheilt ift — und biele Frage wurde, bie Infanterie anlangend, 
von jeher auf eine verſchiedene Art, wenn gleich nicht gen gut, gelöst. Früher 
war man ber Anfiht, ein Infanterift fönne in A Wochen aberercirt werben; 
gegenwärtig verlangt man hiezu eine Zeit von 4—6 Monaten. Für einen deut⸗ 
ſchen Infanteriften bürften 3 Monate hinreihen, umeign in Allem zu unterrichten, 
was ber gemeine Soldat wiffen u. erlernt haben muß. Die Cavalerie und Ars 
tillerie bedürfen, ihrer Eigenthuͤmlichkeiten wegen, eine längere Zeit zur Ausbilbung 
ihrer R.en, wephalb in verſchiedenen Armeen für dieſe eine längere Zeit zu bem 
erſten Unterrichte beftimmt if. 

Nectafcenfion, f. Auffteigung. 

Rectification (Rectificatio) wird eine, in ber Pharmarte, ober I bei 
hemifhen Arbeiten vorkommende, Operation genannt, um beionber® \yieuäie 
Stüffigfeiten gehaltreicher u. reiner zu machen. Wenn 1. B. ter einge Br 
geift mehremale für fi; befliliet (f. De FKillation) wie, jo wir cr Va 


— 


682 Meector — Rede, 


ſtaͤrker u. auch reiner. Diefe Bezeichnung wirb übrigens auch noch bei manchen 
a — durch welche gewiſſe Stoffe gereinigt werden, in — 
ung gebracht. a 

i Nector (lat.), eigentlich Regierer, Leiter, Vorſteher, Hießen im roͤ⸗ 
mifchen Reiche feit Kaiſer Konftantin die den Präfeften ober Exarchen unterge⸗ 
ordneten Statthalter. — Jetzt führen biefen Titel die Vorſteher Höherer Schulan 
falten, an manchen Orten au Directoren genannt; bie ihnen folgenben 
Lehrer heißen auh Brorector, Eonrector, Subrector. — ben beutfchen 
Univerfitäten führt der oberfte Borfteher u. Präftdent des afabemiichen Senats, ber 
ewöhnlich alljährlich aus der Mitte der Senatsmitglieder von biefen gewählt wird, 
en Titel Rector magnificus. In einigen Staaten, wo ber Regent diefe hoͤchſte 
Würbe fich felbft rejervirt Hat, Heißt er nur Brorector. 

Necurs heißt eine Beſchwerde, welche bei einer hoͤhern Gerichts⸗ ober Bes 
waltungsbehörbe gegen die Entſcheidung einer nieberern angebradht wird. a 
einigen Staaten gehört ber R. zu den orbentlihen Rechtsmitteln (ſ. b.). Wo 
man zwifchen R. und Appellation (f. d.) unterfcheibet, gebraucht man erſtern 
Ausdrud bei geringfügigeren, legtern bei wichtigeren Angelegenheiten, ober erſtern 
bon ee ahrung in Berwaltungsfachen, während in Juſtizſachen bie Ay 
pellation flattfindet. 

Redactenr (Herausgeber, Anorbner), iſt bie Bezei für alle Jene, 
weichen bie Leitung oder Herausgabe periobifch erfcheinender e — biefelben 
mögen nun In Zeitungen, enchelopäbifchen Werten, in Werten Berftochener, welche 
erſt geordnet u. gefichtet werben muͤſſen, beſtehen — kurz aller folder Werke, wo 
mehre Mitarbeiter betheiligt und ber R. die Vertheilung ber Urbeiten, die Drud⸗ 
ordnung u. Revifton ber erfteren zu beforgen Bat, übertragen if. Wenn andy ber 
R, nicht immer bie juridiſche Berantwortlichfeit für alle, aus dem von ihm ge 
leiteten literarifchen Unternehmen möglicherweife entfprungenen, Rechts» ober Geſeß⸗ 
verlegungen tragen kann, fo fällt doch jederzeit die moraliſche Berantwortlichfeit 
auf ihn, und zwar nach unferer Anficht felbft dann, wenn ein, zu was immer für 
einer lage Anlaß gebender, Artikel von befien Verfaſſer mit voller Namens 
unterfchrift unterzeichnet wäre. Der R. if für alle Artikel, die in dem von ihm 
unterzeichneten Blatte ſtehen, moralifch verantwortlid und die Ramensunterfchrift 
eined Berfaflers, befien Anfichten 3. B. ber beftimmt eſprochenen Richtung 
eines Blattes zuwiderlaͤuft, enthebt ihn eben ſo wenig der Verantwortlichkeit vor 
dem Publikum, als eine etwa gegen dieſe Anſichten ausgeſprochene Verwahrung, 
ba ſolche Artikel doch nur durch die Druckerlaubniß von Seite des R.E Defs 
fentlichkeit gelangen. — Das Gefchäft bes R.E Heißt Redaction. Er en, 
Berichtinungen, Aufrufe u. f. w., die von einem Blatte gegeben werden, tragen 
nie die Ramensunterfchrift der Perfon bes R.s, ſondern ſtets die ber Stelle. 
Zudem beſteht die Redacdion eines Blattes nicht immer aus einem einzigen R., 
fondern es find oft 2—3 R.e bei einem folchen beichäftigt. Bei den franzöftfchen 
u. englifhen Blättern, beren Riefenbogen einen mäßigen Octavband füllen, find 
oft bei einem Blatte 6—7 R.e angeftellt, an beren Spite dann ein Redacteur 
en chef (Hauptleiter) ſteht. 

Nede, der Ausprud der Gedanken, insbefonbere aber ein ber Form nad 
ausgebildetes Werk der Beredſamkeit (j. d.), mit Bezug auf einen beſtimmten 
Gegenftand, ober in aͤſthetiſcher Hinficht ein ber höheren Proſa angehöriger, kunſt⸗ 

erechter u. öffentlicher Bortrag, mit der Abficht, den Willen Anderer zu gewinnen, 
. 4. für gewiſſe Zwecke zu beflimmen, wobei die Meberrebung, ale Mittel, in ber 
Regel ausgefchloiien ſeyn fol. — Demzufolge Bat die R. immer einen Außern 
Zwed, zu defien Erreichung ihre ganze Form u. Ausbildung nur als das wirks 
famfte Mittel angewendet wirb, bamit auch bie Zuhörer er nämlichen Ucbers 
zeugung, ober Thätigfeit, ober zu dem nämlichen chluſſe gelangen, beren 
Durchfüßeung ber Rebner beabfichtigt ober ſich vorgefeht Hat. Das Aeßhetiſche 
der 33. aber liegt tgellß in ber Werwanktiäuit wir Yer Mucke, rüdfiptlid bes 





Nedekunſt — Rebemptoriften, 683 


Gebrauches der Bilder in anziehenber Schilderung, geſchmackvollen Sprach⸗ und 
Gebanfenwendungen,, theils in der Angemeſſenheit der Theile, in deren Berbind» 
ung zu einem abgerundeten Ganzen, in dem entfprechenden, von Declamation u. 
angemefiener Geberdenfprache unterflügten Bortrage u. in dem, neben bem eigent» 
lichen Zwede durch diefe Mittel erregten Woblgefallen. Dennoch muß bei einer 
R. ſtets die Zweckmäßigkeit als ein Mittel für einen außerhalb ifrer liegenden 
Zwed praktiſcher Art, mit Beobadhtung des Orts, bes Grades der Bildung, ber 
Zubörer u, fonfiger äußeren Berhältniffe, die Hauptfache bleiben u. dieſer die 
Scönkeit, ald Beiwerk, untergeordnet ſeyn, weßhalb die R. vielfach in das naͤm⸗ 
liche Berhältniß zur PVoefle geießt iR, wie die Acchiteftur zur bildenden Kunſt. 
Die im Artikel Baukunſſt mitgetheilten Bemerkungen über bie Berbindung bes 
Schönen mit dem Praftifchen werben indeß auch Hier den richtigen Afthetifchen 
Standpunkt befiimmen helfen u. barauf hinführen, daß, ungeachtet jener Unters 
ordnung, bei einer R. die Idee der Schönheit fehr füglich anzufchauen u. bie N. 
ſelbſt als ein, durch diefe Idee entſtandenes u. deren Leben verfinnlichendes, Gans 
zes zu betrachten iR, wovon fo manche aus bem Alterthume uns überlieferte R. 
noch heute Seugniß gibt. — Wie bei profaifchen Borträgen überhaupt, kommt es 
auch bei der an auf Erfindung u. Anordnung. Rückfichtlich ber Er⸗ 
findung (inventio) iR ber Begenftand einer R. entweder frei gewählt, ober 
gegeben. Im erften Falle muß derfelbe Feiner tief eingehenden Unertuhing bes 
ürfen, damit eine dogmatiſche Behandlung befielben nicht nöthig wird. bem 
gegebenen Stoffe aber wird bie, das ftärffte Interefle erwedende u. die wirkſamſte 
twidelung geftattenbe, Beziehung feftgehalten. ‘Die allgemeine Regel für beibe 
Fälle bleibt jedoch die, ben Hauptgegenftand in ber Entwidelung nicht zu vers 
rucken oder zu verändern, alle Theile auf denfelben zu beziehen u. ihn nach feiner 
praftifchen Bebeutfamfeit zu erfchöpfen. Die Anordnung (disposilio) der R. 
aber, oder deren vorläufiger Entwurf umfaßt den Eingang, die Erpofition, 
die Ausführung u den Schluß. Der Eingang (exordium, prooemium) 
iR die Bekanntmachung mit dem Gegenſtande oder deſſen Veranlaſſung, bie nö⸗ 
ihige Degrifiberfiärung u. dgl., um bie Aufmerkſamkeit der Zuhörer anzuregen 
u. Anterefie für die weitere Ausführung zu weden. Die Erpofition If 
Die kurze Darlegung des eigentlichen Gegenftandes und des Zwedes der R., zus 
weilen regte mit der Erzählung (|. weiter unten) verbunden u. begreift unter 
fih Die Aufftellung des Thema ober Hauptiages (propositio), d. 1. bie 
flare u. beflimmte Andeutung des abzuhandelnden Gegenftandes in moͤglichſt faß- 
licher Weiſe für Die Zuhörer; die Eintheilung (partitio, divisio), b. i. bie 
Darlegung derjenigen Seiten des Hauptfages, weldye des praftiichen Intereſſes 
wegen die vorzüglichfte Berüdfichtigung verdienen, u. bie Erzählung (narratio), 
d. J. die kurze Darlegung bes Thatſaͤchlichen, wenn der Gegenſtand eine geſchicht⸗ 
liche Beziehung Hat u., in Ermangelung befien, die allgemeine Eharakteriftit bes 
Gegenftandes. — Die Ausführung iſt Die weitere Erörterung u. Aufklaͤrun 
über den Gegenfland, ber eigentlich unterrichtende Theil der R., berechnet auf bie 
der praftifchen Thaͤtigkeit, d. 1. auf einen durch Meberzeugung her⸗ 
vorgebracdhten Entſchluß, bebingt alfo durch eine tüchtige Erklärung u. Beweis: 
führung (argumentatio), Der Schluß (epilogus, peroratio) if ber letzte Theil 
der R., worin die Hauptfäge wiederholt werden, um ben beabfichtigten Erfolg 
ber R. zu fihern. Die Darfkellung (elocutio) ift fein eigentlicher Beftand- 
theil dee R. ſelbſt rüdfichtlich des Inhalis, bezieht fich vielmehr auf den Ausdrud 
u. den Styl u, erfordert, wie bereit oben angedeutet, Anmuth, Klarheit und 
Reinheit, die man im Allgemeinen gleganı zu nennen pflegt. — Die Funk, 
öffentliche Borteäge in dem angegebenen Sinne abzufaffen oder zu halten, heißt 
⸗Kunſt oder Rhetorik. 
Redekunſt, ſ. Rede. 
Nedemnptoriften heißt bie, von dem Hl. Alfons Maria von Liaueri U) 
mit Bewilligung Papfis Clemens XI 1732 geftiftete un awa A. Su TUR. 


684 Reden — Redetbeile. 


vollſtaͤndig ausgeprägte Drbenscongregation zum allerheiligfien Erlöfer, 
baher au) Liguorianer genannt. Ihr Zwed iſt: eifrige Nachfolge Jeſu, Unter 
richt des Bolfes und namentlich ber Jugend. Unter den fchwierigfien und gan 
unerwarteten Hinbderniffen erſtarkte bie Geſellſchaft zufehende und ihre Ausdauer 
in Erfüllung bes wohlerwogenen Planes ihres Stifter war oft bewundernswerth. 
Die Thaͤtigkeit ber Mitglieder war ſtets eine unverdroſſene, und von der Reinkelt 
ihrer Abfichten zeugen Taufende von Beifpielen. Ihre Miffionen eröffnete ges 
wößnlich eine Predigt, welche den Zwed berfelben auseinanderfegte u. bie Stabt 
oder Landbewohner zur fleißigen Theilnahme an den gottesdienftlihen Handlungen 
der Miffionäre aufforderte. eben Morgen wurde ein Turzer Vortrag, j 
Abend eine ausführliche Predigt von einem beredten und begeifterten Miffkonkre 
gehalten. Der Inhalt war vorzugsweife bes Menfchen Sünbhaftigfeit und Gottes 
Strafgerechtigkeit; bie folgenden Predigten handelten von der Barmherzigkeit 
Gottes in Chriſto, deſſen Verdienft um unſere Sündentilgung und Mirtheilung 
von Kräften zu neuem Leben; über bie Ratur bes Gebetes, den Ruben befielben, 
über die Fruͤchte der Buße und Aehnliches. Die Schlußprebigt forderte eindring- 
lich umd Herzlich zur Ausdauer auf. Selbſt Angefehene und Beamte umterzogen 
fi) dann, nad Anleitung ber R., dem Unterrichte des Volks und der Kinder. — 
Anfangs nur in Italien verbreitet, wurden die R. 1811 im Kanton Freiburg 
in der Schweiz u. 18%0 auch in Oeſterreich eingeführt, wo ihnen in Wien der 
Paſſauerhof nebft der Kirche zu Mariaftiegen eingerkumt wurde. Seit März 1841 fan 
ben fie auch zu Altötting in Bayern Aufnahme Da man in ihnen eine Affiliation 
der Iefuiten erkennen wollte, fo blieben fie von Anfang bis auf dieſen Tag bens 
felben gehäßigen Borurtkeilen und Anfchuldigungen, wie biefer Orden, ausgefeht 
und ed durfte deßwegen nicht Wunder nehmen, daß in Oeſterreich bei den 6 
amen Umwaͤlzungen von unten herauf die Volkswuth, und in Bayern 

ber Syuftemsänberung von oben herab der Bureaukratenhaß an ihnen fein Muͤth⸗ 
den fühlte Bol. übrigens Liguori. 

Reden, Friedrich Wilhelm, Freiherr von, grünblicher flatiflifcher 
und induftriellee Schriftfteller, geboren 1804 auf feinem Gute Wendlinghauſen 
im Detmold’ichen, ſtudirte in Göttingen bie Rechte, verbantte feiner trefflichen Ber 
waltung als erſter Beamter bes hoya'ſchen Amtes Welten die Wahl in die erfte 
hannoveranifche Kammer, wo er ben Reformen das Wort ſprach und fidy der 
Snbuftrie annahm. Der Gewerbeverein, ber zum Theile durch ihn 1834 zu 
Hannover in das Leben trat, ernannte ihn zum Generalfefretär. Wegen ber ver 
änderten Berhältniffe Hannover trat er 1839 aus dem Staatsdienfte Er iR 
Spedaldirector der Berlin Stettiner» Eifenbahn und lehrt an der Handelslehr⸗ 
anftalt in Berlin. Bon ibm u. a. bie trefflichen Schriften: „Königreich Hans 
nover, ftatiftifch beſchrieben“ (2 Bde. Hann. 1839); „Die Eifenbafnen in Europa 
und Amerifa* (Berl. 1843). „Allgemeine vergleichende Handels und Gewerbes 
geographie und Etatiftif“ (ebd. 1844); „das Kalferreih Rußland“ (ebd. 1843), 

Kedende Künfte, nennt man bie Dichtkunſt (1. d.) und bie Redekunſt 
(fe Rede); insbefondere aber heißt letztere fo, weil fie durch öffentliche Reben 
einen beftimmten Zwed zu erreichen firebt. Der Name „redende Künfte“ bes 
zeichnet auch hier die Darftellungsmittel, nämlich bie Worte, beren ſich biefe 
Fünfte zur Hervorbringung ihrer Werke bebienen. Darum aber, weil bie Rebe, 
tunft einen äußern Zweck verfolgt, laͤßt fich nicht behaupten, baß ihr alles und 
jebes Schöne nur als Zierde, Mittel und Rebenzwed dient und fie durch Regeln, 
Beifpiele und Hebung füglich zu erlernen fei. Der wahre Rebner wird geboren, 
wie der wahre Dichter, und alle Regeln, Beifpiele und. Uebungen nügen zu 
Richie Weiler, als, ein vorhandenes Talent, ober, im Höheren Grabe, ein Genie 
auszubilden. 

F Redetheile (Partes orationis) , heißen bie verfchiedenen Wortarten, welche 
im Sage vorlommen ; dieſelben find entweder Empfindungswörter, ober Renntwörter 
(Belvörter), ober Deutewörter (Halbwirter), Die Reruwinier erfallen in Sub⸗ 


Nederpker— Rediug. 685 
tantiva, Verba und Participialia (Abiectiv, Particip, Infinitiv), bie Deutetoörter 
in reine Perfonalwörter,  beftimmende' Pronomina five, interrogative, demon⸗ 
—— —— Formwoͤrter (Artikel, Praͤpoſitionen, relative Pronomina, 
Eonjunctionen) (f. dD.). * 
Rederyker, war ber Name einer literariſchen Innung in Flandern und 
5 feit dem 15. und 16. Jahrhunderte, welche namentlich; die Woefte und 

ekunft zum Gegenftande ‚ihrer Beie ung machte, ähnlidy den Min 
teels ber wällifchen Völker umb ben Mi 5* ber Deutſchen. Ihre Vers 
ammfungen hießen Kammern, Rede- und RHetoriffammern, mit vers 
chiedenen Devifen und Emblemen, mit höheren und niebereren Mitgliedern, "Wie 
Nie Meifterfänger ihren Merker, Hatten’ fie ihren Bactor als Aufieher ber ihre 
re Produktionen. Sie verfertigten —— beſonders für 
ochzeiten und Begraͤbniſſe, auch für Feſtpüge; ſeibſt ag fo daß fie 
rften niederlaͤndiſchen Dichter ‘genannt werben und als jer des en 
Bolfstheaters in Slandern und Holland gelten Fönnen, Ihre Schaufpt 
heils in Städten, theils in Dörfern aufgeführt; bort in ben Rebefammern, 
uch Kammerſpiele genannt, hier im Freien auf Gerüften während ber Kirmeffen, 
uweilen ambulant und mit Wetiftreit verbunden, Verlleldete Männer fpielten 
die Frauenrollen. Im 15. Jahrhunderte waren biefe Kammern ſchon zahlreich, 
im 46. ‘Jahrhunderte aber: hatte Antwerpen allein deren 14, Gent 19, und zu 
Ende deſſelben zeichnete ſich befonders die Amfterbamer Kammer aus durch Leo 
Spiegel, D. Volfertsjoor, Koornhert und Römer Viſſcher. Die allegoriſchen Side 
rannte man Zinnespeelen, d. i/’Sinnfpiele, die Prologe Boorspeelen, die 
Rad) = und Poſſenſpiele Naspeelen. Cine Sammlung von den zu Gent auf 
jeführten Schaufpielen erſchien 1539, eine andere von ben Sinn-und ben Poſſen⸗ 
Ipielen zu Antwerpen 1562, und Sammlungen der Kammerſpiele unter dem 
Titel „Konfttonende Juweel (Kleinod der Kunſt) zu Zwoll 1607, und 
BlaerdingsR.s2Berg* (Vlaerding'ſcher Parnaß) 1617. — Berdrängt wurden 
die R. durch die poetiſchen Geſellſchaften und das eigentlich ‘geregelte “Theater, 
Den Grund jedoch zu der holländifhen Bühne legten auch zwei Mitglieder der 
Amfterdamer Kammer (Eofter und Brebero), im Jahre 1617; eröffnet wurde fie 
aber erft zwanzig Jahre fpäter 1637. Doc erhielten in einigen Städten und 
Dörfeen die R. ſich bis zu Anfang bes 18. Jahrhunderts, fa, bis zur neueften 
Zeit. Denn die Kammer von Gent trat wieder auf bei Einweihung der Genter 
Eifenbahn im Epätjahre 1837 und hielt, wie vor 200 Jahren, in flamännifcher 
Sprade Wettfämpfe dichtend und declamirend. Pol. Ernft Münd, zur Ges 
chichte des flaͤmiſch⸗hollaͤndiſchen Theaters, in ber Zeitfchrift Europa, 1838. 

Reding, 1) Alois, ein ebler Verfechter der Unabhängigkeit feines Vaters 
andes, von altabeliger Herkunft, geboren im Canton Schwyz 1655, trat in 
paniſche Dienfte, fehrte aber 1788 in fein Vaterland zurüd u. widerfeßte fih 1798 
16 Landeshauptmann bes Eantons Schwyz bem Einbringen ber Franzoſen, bie 
x am 2. Mai bei Morgarten zwüddrängte. Rad der Gründung ber helveti⸗ 
hen Republif war er auf ber Seite ber Partei, welche bie Ruͤciehr zur alten 
Berfaffung wuͤnſchte, bildete auch auf kurze Zeit eine neue Regierung , weldyer 
x al8 Sandmann vorſtand, unternahm zur Sicherheit berfelben eine Reife nad 
Baris, wurde aber wieder verdrängt, leitete jedoch die Angelegenfeiten ber kleinen 
Eantons und ward Landmann von Schwyz. Noch ein Mal erhob er fih vers 
eblich 1801 für die Herftelluug der alten Rechte, warb, auf Ney's Befehl, kurze 
m als Gefangener nad) ber Hefte Aarburg gebracht, lebte bis 1813 als Privat 
nann, wo er wicber, fowie 1809, zum Landmann von Schwyz erwählt warb. 
1813 unterhanbdelte er mit ben Verbündeten über bie Unabhängigkeit ber Echweiz 
1. farb 1818. — 2) R. Theodor von, aus dem Canton Schwyz, Verwandter 
»es Vorigen, trat ebenfalls in fpanifche Dienfte, warb 1808 Generalmajor; bie 
Junta ernannte ihn, als er alle Anträge Joſeph's, in feine Diente ya can, 
verwacf, zum @enerallieutenant, Ex führte eine Herresohtäekung uner Codevoe 


686 Redondilien — Reduit. 


trug das Hauptfählichfte zum Siege, von Baylen bei, focht in Katalonien mit 
Süd, unterfiügte General Bives bei Cardedon, vertheidigte bie Stellung von 
Llinas gegen Gouvion Et. Eyr, mußte aber nach deren Berluft bie Belagerung 
von Barcelona, welche er unternommen hatte, aufheben; 1809 wurbe er in bem 
Treffen bei Valls, zur Vertheidigung von Balencda, am 24. Februar verwundet 
und farb wenige Tage darauf. 

Nedondilien, (redondillas), eine altfpanifche, aus einer Verbindung von 
vier » fech8 = oder achtfulbigen Verſen beftehende Dichtart, in welcher fich ber erfe 
und vierte, ber zweite und britte Vers, ober ber erſte und britte, ber zweite mb 
vierte reimtn; dann in fpäterer Ausbildung eine fpanifche und portugieſiſche 
Bersform von vierzeiligen Strophen in größtentHeils trochaͤiſchen vierfiißigen 
Berfen, mit vollfommenen Reimen ober Affonanzen. Sie find das fiehende Silben⸗ 
maß für die ſpaniſche Romanze und auch für das Drama, welches letztere durch 
fie feine ſuͤdliche Farbe und Zartheit erhielt, neben welcher bie daftylifchen vier 
zeiligen Strophen in Stangen ſich nicht geltend machen konnten. 

Nedonte nennt man im Allgemeinen jede gefchloffene Schanze, welde 
blos ausfpringende Winkel Hat; im befchränfteren Sinne aber ein gefchloffenes 
reguläres Diele, welches, nach ber Anzahl feiner Seiten, vier» fünf s fechBfeitige 
ober eckige R. genannt wird. Die R. if demnach eine Schanze, burch wel 
man einen ifolirt ftehenden Poften, ein Detachement, gegen den Angriff des Fein; 
bes bedt. Die R.n find unter allen Schanzen am gefchwinbeften erbaut, beden 
oder vertheibigen vorgefchobene Poften, Berbindungen, Defilden, Anhöhen, einen 
Rückng, Flußuͤbergaͤnge, einen Flügel ber Armee, Brüden, Furthen, Ausgänge 
aus Engriffen u. f. w. Die breifeitigen R.n find am wenigften im Gebrauche, 
auch Haben fie die meiften Nachtheile. Die vierfeitigen R.n bagegen finb am 
meiften im Gebrauche und man verfteht unter einer R. gewöhnlich eine vierfeitige. 
Sie müßen gerade fein regelmäßiges Biere bilden und das Terrain beftimmt, 
welche Seite allenfalls länger, als eine andere, welcher Winkel ſtumpfer, als ein 
anberer werben muß. Die Gründe, warum man vorzüglich vierfeitige R.n an 
legt, find: gaie Leichtigkeit ihrer Erbauung und daß fie den größten Raum ober 


fang ha 

edonte, Bierre Joſeph, ein ausgezeichneter franzöfiicher Blumenmaler, 
eboren 1759 zu St. Hubert (Ramur), fertigte in Paris die Zeichrumgen zu 
. Heritier’8 Stirpes novae (‘Bari 1784) und mit Karbendrud die meifterhaften 
Plantes grasses (1799, Tert von Decandolle). Seitdem Hatte er an allen großen 
naturhiftorifchen Unternefmungen Theil und unterrichtete mehre lieber ber Koͤ⸗ 
nigsfamilte. Seine großartigftn Werke find: „Die Roſen“ (3 Bde, 1817—24, 
wohlfeile Ausgabe 1824—26, Auszug 1836); „Die Liliaceen“ (1804); „Choix 
des plus belles fleurs“ ıc. (1727—33) und „Auswahl fchöner u. feltener Blumen 
aus dem Parifer Gewaͤchshauſe“ (1839) R. farb 1840. Sein Bruder, ge 

boren 1766, unterftügte ihn bei feinen Arbeiten. 

Reduction (Reductio), auch Deforydation (Desoxydatio) genannt, if jene 
Operation, durch welche Körper, welche mit Sauerfloff (f. Oxyd) verbunden 
find, mittel eigener Mittel (ſ. Reagentien) wieder von dieſem getrennt wers 
den. Man kann dieß auf trodenem oder naflem Berge vornehmen. Auf teodenem 
Wege bedient man fich, nebſt den Rengentien, der Loͤthrohrflamme. Diele beficht 
aus zwei verfchiebenen Flammenkegeln, einem Innern und äußern. An der Spitze 
ber inneren blauen Flamme ift die Hite am ftärkfien: durch fie wird den Körpern 
ber Sauerftoff entzogen, weßhalb fie auch bie R.s⸗Flamme heißt; in der Außern, 
röthlichgelben Flamme, in ber bie Hitze weniger ftark ift, werben die Körper durch 
ben Zutritt der Atmofphäre mit Sauerftoff verbunden, baher man biefe mit dem 
Kamen Orydationsflamme bezeichnet. Wenn bie R. ohne Mitwirkung chemifcher 
Agentien, 3. B. nur durch Licht oder Wärme, ftattfindet, fo wird auch bie 
Wieberbelebung (Revivicatio) genannt. aM. 

Hebuit, Zufluchtsort, nemt wm eine, im Innern einer größern ® 


Reed — Reflerion. e87 


fefigung ober eine befeftigten Terrainabfchnittes angebrackte Befeſtigung, beren 
Beſtimmung bafin geht, den Bertheibigern ber äußeren Befefligungswerfe, wenn 
fie von dem Feinde überwältigt ind, als Zufluchtsort zu dienen, um neuen Wi: 
berfand zu leiten und bemfelben die vielleicht errungenen Bortheile wieder zu ent» 
reißen. Man legt R.s in den eingehenden aftenpläpen auf den gebedten We⸗ 
gen und in Haldbmonden an. Die Eitabellen find in ber Befeſtigungskunſt die 
größten RE. Die Form der R.s richtet fih nach der Hauptbefeftigung. Da nun 
ie Bertheidigung dieſer Werte erſt dann beginnt, wenn das Huuptwerf erobert 
iR, fo muͤſſen fie fo angelegt werben, daß fie bann noch vertheidigungsfähig find, 
wenn das Hauptwerk ero ik. Die Defekigung berfelben kann deßhalb ent: 
weber eine permanente, oder eine paflagere feyn. In ber Kelbbefefligung können 
R.8, deren Rupen in der Feſtungsbaukunſt anerkannt if, jeltener angewendet 
werben; jeboch tritt biefer Fall bei Bruͤckenſchanzen, Berfchanzungen von Däm- 
men, Schluchten und vor ben Eingängen in Dörfer u, dgl. ein; Blodhäufer ober 
Blockhaͤuſern ähnliche Anlagen, fowie Erbaufwürfe mit einer Palliſadirung, bie 
nen bier als R.s. Bei befefligten Stellungen, welche einen großen Terrainab; 
ſchnitt bederrfchen, in welchen di ebenfalls R.s befinden können, welche ben eins 
zelnen Punkten als Zuflucht dienen, find biefelben mehr ſelbſtſtaͤndige Werke, deren 
Größe u, Form von bem Terrain abhängt. 
Heebiiher Ss, f. Rettenred 
ees „ſ. Kettenrechnung. 
Refactie, ſ. Fuſtage. 

heißt der gemeinſchaftliche Speiſeſaal in den Kloͤſtern; in alten 
Urkunden kommen bafür auch bie Ausdrücke Remter, Remptir, auch Re 
venter vor. 

Aeferiren, berichten, vortragen; daher Referat, Vortrag, Bericht. 
Referent ober Referendarius Heißt derjenige, welcher bei Eollegien über 
die eingehenden Alten den Vortrag macht und das Enburtheil zur Deliberation 
abgibt. Ad referendum nehmen, Etwas zur Berichterflattung an- 


Reflector, ſ. Spiegelteleſkop. 
eflex, Wiebsrfdeim, iR in der Malerei das von einem beleuchteten 
Körper auf einen, vom Licht entblößten, Körper zurüdpraliende Licht, Da das 
Licht aber, bevor e8 von einem Körper abprallt, befien Yarbe angenommen Hat, 
o trägt es auch dieſe Farbe auf ben andern Körper über und vermifcht ſich mit 
einer eigenthümlichen Farbe. Damit mm die Harmonie der Karben feine Stoͤr⸗ 
ung erleide, ift die Kenntniß ber Theorie von den Ren jebem Muler vom ent- 
fehledenfen Nugen, Außerdem find ohne R.e die Gegenflände nicht zu runden 
und weder Leichtigkeit und onie des Ganzen, noch Wirkung und Ausjzjeich⸗ 
nung bes Detail zu erzweden; benn nad) bem Urtheile ber Kunftverftändigen 
follen fie nicht nur ohne Rachtheil bes Hauptlichts ober des Hauptfchattens irgend 
einem Theile nachhelfen, ober den Abſtand eines andern befördern, ſondern auch 
bart Aufmerkjamfeit erregen, wo ber Schatten die Gegenſtaͤnde zu ſehr verbeden 

te. 

Re ‚2 in der Phyſilk die rüdgängige Bewegung eines Körpers, 
welche buch das Zufammenfloßen mit einem andern Körper erfhlgt. Iſt der bes 
te Körper Hart und elaſtiſch, fo muß ber reflektirende Körper ebenfalls elaſtiſch 
zugleich Hart ſeyn. Gewoͤhnliche Erfcheinungen find: die R. des Lichtes, des 
es, ber Wärme, ber Wellen. Der Austallswinkel ift dem Einfallswinkel 
immer gleich, d. h. ber ausfallende Körper nimmt bei der rüdgängigen Bewegung 
enau bie enigegengejehte Richtung. Das Nähere f. unter Schalt, Licht, 
rehung, rme — 2) der Philoſophie das Zurüdtreten ber Seele 
in ſich felbk, um einen Gegenſtand, ber fe afficirt, ober einen Begriff nach allen 
feinen Merkmalen mit Aufmerkſamkeit zu prüfen u. zu beurtheilen 5 daher verfieht 
man unter R. oft auch das Wachbenfen überhaupt u., wenn won in 


688 | -  Neform. 


dee Mehrzahl braucht, Betrachtungen, bie man über irgend einen enftand ans 
ſtellt. Die R. ift theils logiſch u. befteht dann in Vergleichung ber Begriffe uns 
tee einander, theil8 transcendental ober metaphyſiſch, —* de dann nach bem 
Urfprunge und ber Objektivität eines Gegenflandes fragt und über das Wein 
befjelben Unterfuchungen anflelt. 

Keform nennt man ben Inbegriff der Maßregeln zur Yortbilbung bes 
öffentlichen Lebens, zur weiten Entwickelung und Erhoͤhung ber finnlichen und 
geifigen Eultur des Volkes. Sie if, ihrem Weſen nach, nichts Anderes, als 

erbefierung u. Der on ommnung in ber Berfaffung, Regierung und Verwaltung, 
fo wie fie von den Kortichritten bes Volkes nach allen Richtungen feiner Bilbung 
u. Geſittung gefordert wird. Die R.en berufen auf der erfahrungsmäßigen Ein 
fiht und Meberzgeugung, baß an ber allgemeinen Unvollkommenheit der menſchlichen 
Dinge auch bie ſtaatsgeſellſchaftlichen Einrichtungen Theil nehmen unb dieſe bes 
ortichreitens zum Bolltommenern und Beſſern befondere würdig und bebürfti 
db. Meber die Nothwendigkeit jeitgemöier Staatöreformen Haben darum 
die Staatsphiloſophen aller Zeiten übereingeftimmt, und zumal in unferen en 
iR Dieß ein Gegenſtand geweſen, ber oft die Staatögelehrten befchäftigt Hat. 
der Einführung von R.n und neuen Staatseinrichtungen kommt ed, wenn man 
Beftand berfelben Hoffen wid, vor Allem darauf an, ob fie dem Geifte, dem Cha⸗ 
tafter, der Bilbungsftufe der Rationen angemefien find. Es gibt Bölfer, bie fo 
feft an ihren Gewohnheiten, Einrichtungen und oft ſelbſt Vorurtheilen Hängen, 
daß fie der Einführung jeder R. Hartnädig wiberfireben, daher es ungemein 
ſchwierig hält, iären Zuſtand weientlich zu verbefiern. Lange Unterbrüdung und 
Willkuͤrherrſchaft bringen eine folche Verfchlechterung in ben Charakter ber Men 
ſchen, daß diefe fogar die Empfindlichkeit für das Beſſere verlieren und fi an 
das Schlechte bergeftalt gewöhnen fünnen, baß fie eine Berbefierung nicht einmal 
für wiinfchenswertä, ober als eine Wohlthat anzufehen geneigt find. Haben wir 
doch Beifpiele, daß Leibeigene fich das ihnen dargebotene Geſchenk der Freiheit 
verbaten unb ed vorzogen, in bee Knechtſchaft zu verbleiben. Eben fo hat man 
manchmal ein ganzes Volk ober vielmehr bie in Indolenz u. Unwiffenheit lebende 
Mafle des großen Haufens die Willkür eines abfoluten Regiments einer freien 
Berfaffung und liberalen Inftitutionen vorziehen fehen. In unferen Tagen und 
in dem jehigen civilifirten Europa aber floßen ben Bebürfniffen der Zeit entipres 
chende politiſche R.en weit weniger auf Schwierigkeiten u. Hinbernifie von Sei⸗ 
ten ber Bölfer, die fi) vielmehr Häufig nach benfelben fehnen, ald von Seiten 
ber Machthaber und einzelner Elafien der Gefellichaft, bie bei der Erhaltung bes 
Alten ein wirkliches oder eingebilbetes Intereſſe Haben. Gegen vernünftige R.en 
find gewöhnlich alle Diejenigen, welche durch Einführung berfelben Etwas von 
ihrem Anſehen zu verlieren oder in ihren Intereſſen gefährdet zu werben beforgen. 
Daher können ganze Elafien u. Stände ben R.en überhaupt abgeneigt feyn, weil 
es ihr Bortheil if, daß Alles beim Alten bleibe. Die, welche bei vorhandenen 
Stantdeinzithtungen fi wohl befinden, wünfchen natürlich feine Veränderung ders 
felben u. fuchen deren Gebrechen auf alle Weife zu bemänteln oder zu befyönigen. 
Wenn fie mit dem ®emeinfpruche, daß Alles den Stempel ber Unvollkommenheit 
an fi trage auf biefer fublunarifchen Welt, als Troſt⸗ u. Bertheidigungegrund 
nicht ausreichen, dann pflegen fie zu Ber lden die Gchlechtigfeit des Schlechten 
wenigftens Dadurch zu verringern, daß fle vorgeben, es fei in ber Wirklichkeit 
nicht fo übel, wie es in ber Einbildung erfcheine. Go hört man z. B. öfter bie 
Widerſacher von R.en bie Hörigfeit und Leibeigenfchaft in Schup nehmen, well 
bie Herren I Hörigen oder Leibeigenen mit patriarchaliiher Milde behandelten, 
b baß dieſe jelb nicht nach Emancipation verlangten, und bie abfolute Staates 
errſchaft Hat ihre Lobrebner, weil es zuweilen auch gute Willkuͤrherrſcher gibt. 
Was bisweilen und zufällig ber Fall fenn mag, wirb da als in ber Regel Statt 
Jabend angenommen. Auch fehlt es nicht an Leuten, weldye gegen alle R.en 
eine Scheu empfinden, indem ihnen Ne Weit, wie Re gerade iR, gut genug bünkt, 


Reform. 689 


ohne zu bedenken, mitielft welcher Reihe von R.en der gegenwärtige Zuftand er; 
reicht worden it. Solche Menfchen möchten gerne jeber Neuerung Halt gebieten 
und alle Hoffnungen der Zufumft in träger Gefuͤhlloſfigkeit dahin fchwinden laſſen. 
Sie ſprechen flets von ber Weisheit der Borfahren, als Kätten diefe ein für alle 
Male alle Verhältnifie für immer in Ordnung gebracht — gleich als Hätte jene 
gerldmte Weisheit der Altvordern darin befanden, das erweiterte Gebiet der 
tfahrung unbenügt zu laſſen. Nein bie Einrichtungen der Borzeit waren ja 
ebenfalls einmal neu und die Weisheit der Borfahren fügte fie zu den bisherigen 
hinzu, weil fie einfahen, daß ein veränderter Zuſtand nicht mit ben alten Mitteln, 
die für eine andere Zeit gut waren, geſchuͤtzt und georbnet werben fönne — 
Die Achte politifde R. in unferer Zeit wird darin zu beftehen Haben, baß, fo viel 
und fo weit es bie Umftände geftatten, einestheild die einem früheren, rohen Zeit- 
alter entſtammten Einrichtungen, Gefeße und Inftitute, welche den Stempel ber 
Verkehrtheit und Unnatur an fich tragen, befeitigt und aus den ſtaatsgeſellſchaft⸗ 
lien Ordnungen entfernt werden, um folchergeftalt die Gegenwart von ben 
Schladen einer barbariiden Bergangenheit zu reinigen, anberntheild aber zugleich 
Anderes an beffen Stelle geſezt wird, was mit der Vernunft und der Beichaffen- 
heit der menfchlichen Ratur in Mebereinftimmung fteht und den Forderungen und 
Bebürfniffen eines erleuchteten, in Bildung und Gefittung vorgefchrittenen Zeit 
alters entipricht. Denn das Bernunftgemäße iſt auch immer das Raturgemäße. 
Reformiren im ächten Sinne heißt: bie gefellfchaftlichen Berhältniffe nach Grund» 
fügen des ewigen Rechtes und ber Humanität verbeffern und Mißbräuche, bie 
fih zum Rechte erheben, abichaffen. Eine foldde R. wird freilich alte Stuͤtzen 
und Säulen eines lange beflandenen Gebäudes umzuftürzen haben; aber, wenn 
biefe Stügen und Säulen innerlich ausgehöhlt und vermodert find, nur noch 
täufchen, nicht Halten können: dann wird man ihren Untergang nicht zu beflagen, 
fondern nur dafür zu forgen haben, baß fich neue u. beffere bilden. Wenn aber 
manche Regierung, welche ernftlich zu reformiren beſtrebt war, burch alle ihre 
Ren dennoch Feine weientlihe Berbefierung der ftaatögefellichaftlichen Zuftände 
zu bewirken vermochte, fo ift dieß leicht begreiflich, wenn man erwägt, baß eine 
Regierung, die den Beruf haben fol, fith dem Neformationsgefchäfte in dem 
oben angegebenen ädhten Sinne und Geiſte zu unterziehen, vor allen Dingen felb 
den Principien des Bernunftrechtes gemäß eingerichtet feyn ober werden muß. 
Denn, wo das Regierungsſyſtem felbft verkehrt und fehlerhaft ift, ba koͤnnen auch 
alle, in befien @eifte und Sinne vorgenommene, Ren nur verkehrt und fehler 
haft ausfallen. Gehen biefe 3. B. von einer Regierung aus, bie herzlos ertöbs 
tend Alles bevormunden und daher auch Alles in ber Staatögewalt von oben 
herab leiten und Ienfen will, dann haben die von berfelben bewirkten R.en oft 
nichts Anderes zur Folge, als daß das Bevormundungsweſen mit feinem auf 
Alles laftenden Gentraldrude blos unter anberen Formen und Farben fortgejebt 
wird, Sie haben barum Häufig mehr den Außeren Schein, als das innere Weſen 
von wohlthätigen Verbefierungen und nicht felten mehr Uebeles, als Gutes zum 
Refultate. Meiftens haben fie feinen anderen Werth, als einen formellen und 
auch felbft den kaum. Es kommt, wenn es ſich darum handelt, zu reformiren, 
vor Allem darauf an, daß nach richtigen und gefunden Grundſaͤtzen reformirt 
wird. Als ſolche Grundfäpe bezeichnen wir das, zwifchen ben beiden Extremen 
ber Revolution und Reaction in ber Mitte liegende, und ebenfo von den Aus⸗ 
ſchweifungen der erflern, ald von ben Beftrebungen ber letztern entfernte, Syſtem 
des gefegmäßigen Reformirens oder des allmäligen Fortfchrittes, das allein dem 
Wohle der Regierenden, wie der Völker wahrhaft zufagen kann, das auch fchon im 
dem Weſen bed Staates enthalten if u. von ihm dringend geboten wird, Diefem 
Syſteme gemäß muß jede R. des Innern Staatslebens von ber geihichtlichen 
Unterlage der Berfaffung, Regierung und Berwaltung ausgehen, und das Forts 
ſchreiten fol mit Feftigfeit und Kraft, mit Bermeidung aller Uebereitung yÄieien. 
Die Regierung foll nie Hinter ber fortgefcgrittenen Bütung Vorrd —8 wor: 


Reslencpclepäble. VUL. 


690 Reformaten — Reformation, 


bleiben, dieſes aber auch nicht an ben Haaren zur Cultur gebracht werden bürfen. 
Dan fol, um mit Jefu zu reden, am Feigenbaume lernen, wenn der Fruͤhling 
fommt ; denn, wie die Ratur, fo hat audy bie Beifterwelt ihren Früßling. “Die 
große und fchöne Beftimmung der Politifer und Staatsmänner aber iſt es, bie 
Zeichen dieſes Fruͤhlings zu verſtehen, zu erflären u. feinen Eintritt, fowie feine 
MWirfungen und Folgen, zu erfennen und zu beachten. 

Reformaten find Regular» Geiftlihe vom Orden bes Heiligen Franciscas, 
welche mittelft einer durchgreifenden Reform ihre Ordensregel verbefiert, resp. 
folhe zu ihrer urfprünglichen Strenge wieber zurüdgeführt haben. “Diefelben 
haben ihre Entfleßung in Spanien (f. Branriscaner). 

Reformation, Umgeftaltung, Verbefierung. Vorzugsweife wird ſchlechthin fo 
genannt bie (dem Vorgeben einer gewiffen Partei zufolge einft ausgeführte) Kir⸗ 
henverbefferung, d. h. bie, im 16. Jahrhunderte von einigen beutfchen Reiche: 
fländen, unter Berufung auf Luther’d Lehrfäge (|. Luther) unternommene 
und durch Waffengewalt behauptete Abänderung ber öffentlichen Glaubenslehre, 
bes Cultus und ber Firchlichen Berfaffung, welche Aanberung, vom Stanbpwmfte 
der römifch-fatholifchen Kirche aus betrachtet, das Anfehen nicht einer Re forma: 
tion, fondern einer Deformation kat. — Unfer Artilel hat Antwort zu geben auf 
folgende Sragen: I wie ift jene Reformation veranlaßt u. wie weit 
ift Ste ausgedehnt worden? — Sie Hatte einen guten Borwand. Das Bers 
langen nad einer Verbeſſerung der kirchlichen Zuftände (der Eitten bes Klerus 
und der Sitten des Volks) war ſchon lange vor dem Anfange bes 16. Jahr⸗ 
hunberts In der Kirche laut geworben. Es Hatte ſich durch den Mund nicht mır 
einzelner Lehrer (wie des Biſchofs Wilhelm Durand, des Joh. Gerfon, des Bifchofs 
Petrus von Ally, des Biſchof Julianus), fondern ganzer Eonclien (u Bifa, 
Koftnig) ausgeſprochen. Insbefondere wurde bie Sittenverderbniß der beutichen 
Seiftlichkeit von den Päpften nachbrüdlich gerügt (S. ep. 1. Cardin. Julieni ad 
Eugen. IV. „Diele Ausfchweifungen erweden den Haß des Bolfes, unb wenn 
man fie nicht beftraft, fo muß man befürchten, es möchten die Laien nach Art 
der Huffiten die Priefterfchaft anfallen, wie fie uns auch ſchon öffentlich gebrofet 
haben. — Bald werden fie glauben, Gott ein angenehmes Opfer zu gen, 
wenn fie die Geiſtlichen als Gott und ber Welt verhaßte und in den Abgrund 
ber Bosheit verfenkte Leute mißhandeln u. berauben. — Man wirb die Schuld 
aller diefer Berwüftungen dem römifchen Hofe beimefien, den man als bie Urfache 
alles biefes le anfehen wird, weil er bie notäwendigen Mittel beizubringen 
wirb vernacdhläffigt Haben.” So Julian). Allein, fo wahr das if, fo unwahr 
iſt es, daß jene Stimmen mit ber verlangten Reformation eine Abänderung ber 
Lehre und des Gottesdienſtes gemeint Kätten. An eine Reformation in 
diefem Sinne wer fein Gedanke; fie Hätte von Katholiken gar nicht unternommen 
werben fünnen. Was ift aber mit ber fogenannten Reformation des 16. Jahr 
hunderts für ein Wagſtuͤck ducchgefegt worden? Erſtlich iſt in Häretifcher u. 
fectirerifher Manier die Fatholifche Lehre verändert worben und 
a) follte Die Hebung guter Werke in Schranken gewiefen (wo nicht gar abgeftellt) 
werden burch die antithetifch aufgeftelte Lehre: blos der Glaube an Chriſtum 
macht jelig, nicht das Verdienſt der Werke; b) warb die Zahl ber Sacramente 
verringert (reducirt Anfangs auf drei, nämlich) auf die Taufe, das Abenbmahl u. 
die Beichthandlung, fpäter nur auf bie beiden erfteren); bie facramentalifchen 
Weihen bei ber Prieferordination und ber Firmung wurden, wie auch 
die legte Delung u. ber Cölibat ber Beiftlichen, gene abgefchafft. Die Ehe 
ward für auflöglich erflärt — c) In Betreff des heil. Abendmahls ward die Trans 
fubftantiattion und, daß die Meſſe auch als ein Opfer für die Tobten betrachtet 
werden könne, geläugnet. Das heil, Abendmahl warb unter beiden Geftalten 
(communio sub utraque) auögetheilt. Die flilen Mefien wurden gänzlich auf 
geboben. — Die Rüplichleit des Ablafles ward abfolut eldugndi. d) Auch bei 

ber Taufe u. Abendmahlshandlung wurden viele, in ter Torkaltichen Kirche dabei 


Reformation. 691 


übliche, Ceremonien abgeſchafft; ©) bie Kloftergelübbe wurben für nicht verbindlich 
erklärt und daher Anfangs viele, nach u. nady aber alle Klöfter in dem Bezirke, 
wo bie Reformation grasfirte, aufgehoben. Dabei iſt ed nicht geblieben, fonbern 
auch zweitens bie Härefis (die Teuerifhe Lehre) mit dem Schisma (ber 
Spaltung , b. i. ber Lostrennung ber neuentftandenen Slaubenspartei von ber 
katholiſchen Kirche) verknüpft worden, welches Schisma, Anfangs nur eine 
proviforifhe Mafregel, fpäter nach ben Tragödien des (im Jahre 1618 entkans 
denen) breißigjäßrigen Religionsfrieges durch den Schluß bes weftphälifchen Frie⸗ 
bens (im ale 1648) wenigftens politifche Anerkennung erhalten hat. — Wir 
haben hier fogleich einige Fragen aufzuwerfen, nämlich folgende: aa) wurzelte 
benn die unter ben Geiftlihen u. Laien herrſchende Unfittlichleit in ber katholi⸗ 
{hen Lehre? Wer den Kopf auf ber reiten Stelle Hat, kann das nicht behaupten 
wollen. bb) War denn die Verringerung der Sarramente, die Abfchaffung fo 
vieler Ceremonien, waren überhaupt bie vorhin (von a bis ©) erwähnten Neuer- 
ungen in der Lehre bas erſprießliche Mittel, die Sitten des Volks zu verbeflern ? 
Wer nicht eine zu feurige Phantafie hat, wird das nicht glauben. Jedem Er⸗ 
fahrenen ift es vielmehr klar, daß eine Revolte gan das, was Jahrhunderte lange 
als Heilig galt, auf Bolfsreligion und VBoltsfitten einen verberblihen Einfluß 
äußern mußte. cc) Das Bol war nicht nur unfittlich, fondern auch von Fürften 
und vom Abel unbarmherzig gedrüdt, man möchte fagen: es wurbe faſt geldun, 
ben (daher ber Bauernfrieg in Schwaben, in Kranken u. in Sachſen). Dachten 
benn bie Häupter der Reformation daran, bie Lage bes armen Volks zu verbefs 
fern? Ha, daran war kein Bebanfe! Als die Gebrüdten ſelbſt reformiren wollten, 
flug man mit dem Schwerdt auf die Revolte 108, als ob ber gegen bie Kirche 
erregte Reformationsfturem nicht auch eine Revolte geweſen wäre. dd) Die kirch⸗ 
liche Reformation fol fo dringlich geweien fern. Machten denn bie Kürften in 
Verbindung mit einander das Recht, für das Wohl des Volls zu forgen, für ſich 
geltend ? Keineswegss fie lauerten erſt, wie Luther's Streit mit Tegel ausfallen 
würde, Und werm Luther in feinem Streite wider Tebel vom Papfte das ers 
betene milde Urteil empfangen hätte, — in Folge welches Urtheils er fortan fidh 
Still ſchweigen aufgelegt Haben würbe — fie hätten nicht einmal an ein Reformiren 
gebacht, gefchweige es verfucht. eo) Die reformatorifche Partei ſtellt heut⸗ 
zutage die Sache ber Quthersreformation fo dar, als ob ihr wefentlicher Charakter 
unb das, was ihr allerer® den Werth einer Reformation habe geben können, die 
Trennung vom paͤpſtlichen Stuhle —— fi. Kuͤndigte ſich denn mit einer 
hierauf gerichteten Tendenz Luther’s und feiner Anhänger Vorhaben an? Offiziell 
nicht. Nur unter dem Tiſche erfrechte man fich zu reformiren, und wo (wie 
1530 in Augsburg) officiele Erklärungen zu geben waren, rühmte man ſich 
(henchleriſch) feines Conſenſes mit der Lehre der Tatholifchen Kirche. FF) Eine 
Reformation mußte boch einen Plan haben, eine leitende Idee; fel es nun, daß 
bie Kirchenzucht, ſei es, daß die Lehre ber Kirche Hätte verbeflert werben follen. 
atte man benn eine folche leitende Idee (um ein burchbachtes, fvftematifches 
k Bervorzubringn)? Man hatte Feine Man fprang bald auf dieien, bald 
auf jmen Punkt. Man ging ber Lehre oft von einer beliebten Baflung zu 
ber gerabe entgegengefehten über. Luther war, als er auftrat, mit fich ſelbſt nicht 
im Slaren, und Melanchthon, ber Berfaffer der Augsburgifchen Eonfeffion, ift 
— da er nie felbfifländig handelte — nie mit fidh in's Klare gefommen (S. den 
Art. MReland thom. — Dies vorläufig über das Rewer an ih. Es war 
eine Bewegung, bie bald biefe, bald jene Richtung nahm, wo fie ihren Rubepunft 
erreichte. Was gab zuerfi den, dieſe Bewegung veranlaffenden Impuls? Der auf 
das Scheiß des Papſtes Leo X. bucch den (aus Leipzig gebürtigen) Domitaners 
moͤnch Johann Tetzel in Sachſen und fo auch in Luthers Nähe (zu Juͤterbogk, 
unweit Wittenberg) — Ablaß, wodurch Geld eingefammelt werken iur 

Erbauung ber Peterskirche in Rom und zum Kriege nenn Te ten. — 

an fagt, Zepel Babe bie Bergebung ber en um Beh nd x one 


692 Aeformation, 


abtaegeitel zu verfchtedenen Preifen — theurere zur Tilgung größerer, wohlfellere 
zur Tilgung geringerer Sünden — ausgeboten und fo ben ſchaͤndlichſten Nego; 
getrieben. Alles Bolt Habe ſich dergleichen Zettel gekauft. Luther Habe daher 
beim Beichtfigen erfahren muͤſſen, baß bie Beichtenden, benen er Bußen aufer 

te oder die Abfolution verweigerte, fidh, unter Vorzeigung ber von Tegel erfauften 

blaßzettel, geweigert hätten, bie auferlegten Bußen zu thun *) und, entrüfle 
darüber, habe er den Streit mit Tetzel über den Ablaß und die damit zufammen- 
hängenden Lehrpunfte begonnen. Daß er den Streit anfing, if gewiß. Er 
ſchlug 95 Theſes (Site) an die Schloßkirche zu Wittenberg an (den 31. Oktober 
1517), um Tegel zu einer Disputation Herauszufordern. Aber angeklagt bei bem 
Papſte, richtete er an biefen ganz bemüthig abgefaßte Verantwortungsfchreiben 
(im Jahre 1518— 1519: „Gib mir, fagt er im erften Schreiben, das Leben 
oder den Tod, billige ober verwirf; ich werde Deine Stimme wie bie 
Stimme Jeſu Chriſti anhören"); er erflärte, fich ben Urtheilen der Univer⸗ 
fitäten zu Bafel, Breiburg, Löwen, Paris unterwerfen zu wollen. Erſt 
dann als der Bapft (Leo X.) feine Saͤtze verbammt und ben Bann wide 
ihn ausgefprochen hatte (1520), fing Luther an zu wüthen. Er gab 1520 
die Schrift De captivitate babylonica (über die babyloniihe Befangenfchaft) 
und „an den beutfchen Abel,” fobann bie Schrift: „wider die verfluchte Bulle des 
Antichrifts” Heraus u. eine Schmähfchrift an bie „Fälfchlich fogenannten“ Bifchöfe. 
Die Sorbonne in Paris verdammte feine Schriften ; in Mainz, Köln u. Löwen 
wurden fie verbrannt. Dies reiste ihn noch mehr. Er verbrannte (1520 ben 
10. Oktober) in feinem Wittenberg vor dem Eifterthore die päpftlicden Dekretalen 
u. kündigte 1521 dem Papfte den Gehorſam volig auf. Er mußte zwar 1521 
vor der Reichötaneverfümmlung zu Worms erfcheinen und, ba er von Hier wie 
derum der wider ihn ausgefprochenen Acht entkommen (f. den Art. Luther), fo 
ward er in ber Meinung, daß er zum Reformator der Kirche beflimmt fei, nur 
noch fefter beftärft. Ex kehrt nun aus feiner Veſte (auf ber Wartburg) gegen Ende 
bes Jahres 1521 nah Sachſen zurüd, predigt u. ſchreibt Hier als Afephaler Im: 
mer fort. Seine Schriften wurden weit verbreitet; der Kurfürft von Sadhfen, 
ber Landgraf Philipp von Hefien fliehen an der Spiße feiner Partei; das Anfehen 
biefee wirft auf Andere. Luther fängt an 1523 den Gottesdienft zu reformiren. 
Nach feiner Schrift: „über die Ordnung des Gottesdienſtes“ wird auch anderwaͤrts 
in einzelnen Städten (wie 3. B. Magdeburg), u. in Landesdiſtrikten (wie in 
Zweibrüden, Bommern, Schlefien) reformirt, die file Meſſe wird abgefchafft u. 
in den Ritus einer öffentlichen Kommunionfeier umgeformt. Luther legt nicht nur 
1524 die Moͤnchskutte ab, fondern begibt fi) auch 1525 in den Eheſtand, er 
heirathet eine von ihm entführte SKlofterfrau, an ihrem Ramen liegt nicht fo viel, 
fie Hieß Katharina von Bora (ſ. d.). So ward feine Schaar noch beträchtlicher ver: 
mehrt; viele Mönche u. Nonnen merkten, daß ihnen der Ausgang aus dem Klo: 
fler geöffnet fei; bie Geiſtlichen, daß fie nun heirathen dürften. Es ließen fid 
nun deren immer mehre u. mehre trauen, Die Kürften achten; ſchon 1525 nann⸗ 
ten fich evangeliſch: der Kurfürft von Sachſen, der heſſiſche Landgraf Philipp, der 
Kurfürft Albrecht von Brandenburg, als Hochmeifter feines ſaͤculariſtrten Hoch⸗ 
meifierthums Preußen. Ste befamen nun fo mehr Untertfanen u. waren felbft kirch⸗ 
lich frei. Sie befamen Gelder aus ben Klöftern in die Hände Wer noch im 
Kloſter war, mußte herausgehen, denn die Gebäude wurden für andere Zwecke 
beftimmt u. zum Theile in kurzer Zeit umgefchaffen. Wan befand ſich bei ber 
neuen Berfafiung (denn um bie Lehre war es ben größeren u. Fleineren Macht⸗ 
habern eben nicht zu thun) recht wohl, Auch in Lievland, in einem Theile von 
Ungarn u. Defterreich, fchlich fich die neue Lehre ein. Ganze Städte (Lüneburg, 


— u — 


°) Mit ber katholiſchen Lehre vom Ableß Nimmt dieſes Vorgeben nicht überein; denn ber Ablaß 
diepenfirt (nach der kalholiſchen Lehre) von der Kigrara Srsaniüeeug nicht. Auch Tamm er 
nur benen zu gut Tommen, die im Stande ver Sake ui. 


Reformation. 693 


Gele, Nürnberg, Straßburg, Frankfurt am Main, Rorbbaufen, Bremen, d. h. bie 
Magiftrate diefer Städte u, ihr theils freiwilliger, theils erzwungener Anhang) 
traten in bas Reich der Freiheit ein. 1527 befannte fi auch Schweben imter 
Guſtav Wafa zu Luthers Lehre. 1528 legte man fich fchon Waffen parat, um 
feine Freiheit gegen bie Katholiten behaupten zu fünnen. Man bot bafer 1529 
auf dem Reichstage zu Speier dem Kaiſer die Spite u. — proteftirte (f. ben 
Art. Proteftantismus). Als aber der Kaifer auf dem Reichstage zu Augs⸗ 
burg von feiner Yorberung , daß dem R.s⸗Unfuge Einhalt gelbehen und A 
wieder in ben vorigen Stand peient werben follte, nicht abging, da ftellte man 
fi demüthig und drohen du) eich dem Kaifer gegenüber — demüthig, indem 
man fich vor ihm Hinfichtlich der Chriſtlichkeit zu legitimiren fuchte mittelft eines 
Glaubensbekenntniſſes, das zugleich als ein geiäubertes erfcheinen follte, und bie 
legte Entſcheidung vertagt wiffen wollte auf ein allgemeines Concilium, bas bie 
Akephaler ger nicht Willens ſeyn konnten, zu beichiden, wenn e8 auch zu Stande 
fommen würde; — broßend, indem man fich dem Kaiſer als eine refpeftable 
Maſſe darftellte (|. den Art. Broteftantismus). Späterhin befannten fich zu 
dDiefem Glaubensbefenntniffe brei Kurfürften: der von Sachſen, der von ber Pfalz, 
ber von Brandenburg; 20 Herzöge u, Fürften : bie ſaͤchſiſchen Häufer, Braun, 
fchweigs Lüneburg, Medienburg, Holftein, Lübed, Bayreuth, Baden u. Wuͤrttem⸗ 
berg; 24 Grafen, 4 Freiherren, 35 Reichsſtaͤdte. Daß man fi vom Papſte tren, 
nen wollte, Davon erwähnte die Augsburgifche Confeſſion wohlweislich Nichte. 
Und nad den neuproteftantifchen Lobrebnern ber Autherreformation hätte das 
gerade die Hauptfache bei der Reform ſeyn müflen! Wie ed Hernach zum Kriege 
gefommen zwifchen dem Kaiſer u. den durch den Schmalkalbifchen Bund confös 
erirten Fuͤrſten; wie ber Kaiſer den Schmalfalbifchen Bunb 1546 und 1547 zers 
ftörte, aber dennoch von ihm mit ber proteftantifchen ®egenpartei 1555 ben 25. 
September ein Religionsfriede gefchloffen werben mußte, H in dem Art. Brote 
flantismus. — Späterhin ſprangen aber manche Kürften u. NReichsftände vom 
(utherifchen Bekenntniſſe wieder ab: fo die Pfalz, der Berliner Hof, Heflen umd 
Bremen, der Zürft von Anhalt⸗Deſſau, welche alle das calvinifche Befenntniß ans 
nahmen, und als die Bereinigungsformel (Formula conoordiae, eine fymbolifche 
Schrift der luther'ſchen Proteſtanten), wodurch das Iuther’fche Glaubensſyſtem ſei⸗ 
nen völligen Abſchluß erhalten ſollte, publicirt u. ben luther'ſchen Gemeinden vor⸗ 
elegt wurde (1580), warb biefe, wie nicht von ben fo eben genannten Apoftaten, 
A auch von vielen anderen Mitgliebfchaften ber Lutheraner, 3. B. von Schweben, 
von dem 1536 Iutheriich gewordenen Dänemark, von Holftein, Schleswig, Pom⸗ 
mern nicht angenommen. Bon manchen der genannten Gorporationen fagt man, 
baß fie die Annahme aus politifchen Rüdfichten verweigert haben. — I) Durch 
welche Umſtände ift bie Ausführung biefer R. begünftigt und ers 
leihtert worben?! Man lefe ja nicht luther'ſche R.Hs Predigten (wie fie bei 
den Lutheranern jährlich am 31. Oktober, dem fogenannten R.s⸗Feſt, gehalten u. 
zum “Drude befördert zu werben pflegen), wenn man bie richtige Antwort auf biefe 
Frage Haben will! Die Intelligenzmänner fagen: ber deutſche Geiſt Habe nach 
Intelligenz gerungen und fi) mit Gewalt bie Bahn zum Lichte gebrochen. Sie 
meinen aber unter dem Lichte nicht ein damaliges Licht — denn ach! ihrer Mein: 
ung nad) lebten Luther u. feine ——— noch in dicker Finſterniß — ſondern 
fie meinen das heutige proteſtantiſche Licht, darn ach ſollen bie Altproteſtanten 
gelönappt haben! ob glei Xuther und feines Gleichen biefem LXichte, wie ber 
anderer dem Irrlichte, den Rüden würben gefehet haben. Wir wiſſen weit beffer, 
was der angeblichen R. auf die Beine geholfen hat. Die Sache ging ganz nas 
türlich zu. 1) Luther befam fürfliche u. adelige Anhänger, weil er Freiheit pres 
digte, Die Fürften, Abeligen u. Reichsſtaͤdte swangen ihre Unterthanen, bas 
von ihnen adoptirte Syftem anzunehmen, d. 5. fih in bie Verfaffung zu fügen, 
die innen ſelbſt Herrfchaft, Gelb u. But aus ben Klöftern 888 xXEX 
thons eigene Worte find hierüber deutlich genug „die Reananiine Karen Wir 


694 Reformation. 


(biſchoͤfliche) Herrſchaft am meiftens fie befümmern fich nicht um bie Religion, 
jondern um das Reich u. Die Freiheit.” Daher konnten die Reichsftäbte, Magi⸗ 
ftrate im Ramen aller ihrer Untertbanen u. die Kürften im Namen ihrer Länder 
der Augsburger Confeſſion fubfcribiren — die Freiheit gefiel auch wirklich Bielen 
aus dem Volke felbft, fo wie heiratholuſtigen Mönchen u. Ronnen u. Pfarren. 
— Andere aus dem Volke wurben getäufcht, weil die reformatorifche ei bas 
Wort „Evangelium“ zum Lofungsworte genommen hatte. — 2) Der Kaiſer 
Karl V. konnte nicht eingreifen wie er wollte. a) Mußte er Anfangs nachfichtig 
egen ben Kurfürften Friedrich IM. von Sachfen feyn. Diefer war nach Kaifer 
arimilians Tode Reichsvikar gewelen u. ihm vorzüglich Hatte Karl feine Wahl 
um Kaiſer zu danken. b) In den Jahren 1529 u. 30 beburfte der Kaifer den 
eiftand ber proteflantifchen Kürften u. NReichsflände wider bie feine Lande be 
drohenden Türken. c) In den naͤchſten Jahren war er in Krieg mit Frankreich 
verwidelt und Hatte fi mit ben fpaniichen Wingelegenheiten zu beichäftigen. 
Während feiner Abweienheit aus Deutfchland Hatte das RE: Werk unge 
flörten und ungebinderten Fortgang. — d) Das Reſtitutionsedikt Ferdi⸗ 
nandse U. Eonnte buch Die Kämpfe bes breißigjäßrigen Krieges nicht in 
Kraft geſetzt werben, ba bie ſchwediſche Hülfe den Widerſtand ber beutfchen 
Vroteſtanten gegen bie kaiſerlichen Waffen verftärkte und ber weſtphaͤliſche 
Friede (1648) gefchlofien werben mußte, nach welchem Kriedensichluffe nun im; 
mer mehr Klöfter u. Stiftungen fäcularifirt, das Keißt Bier „eingelädelt“ wurben. 
3) Was ift von ber R. zu Halten? Wir wollen unparteliiy urtheilen , wie 
woßl jebee Unpartelifche urtheilen wird, daß über diefen Punkt mit völliger Un- 
parteilichkeit zu urtheilen ſchwer if. Die Lobrebner der R., Gegner des Katho⸗ 
licismus, fagen: a) ber Katholicismus tendirt zum Aberglauben — wohin würbe 
ed noch gekommen ſeyn mit ber Berbummung der Menfchheit, wenn fein Luther 
aufgeftanden wäre? Wir entgegnen hierauf: ber “Broteftantismus tendirt zum 
Unglauben: wohin würde e8 mit ihm in kurzer Zeit fommen, wenn feine, durch 
einen PBapft aufammengehaltene, katholiſche Kirche wäre? Bor Berbummung aber 
würbe zulept doch die Vernunft bewahrt haben. Glaubt man denn, daß ber Ka⸗ 
tholicismus auf Bernichtung der Bernunft ausgehe? Ehe man fo urtheilt, made 
man fich mit dem Glaubensſyſteme des tridentinifchen once befannt! — Aber 
die Herenprogeffe, die Hinrichtungen der Ketzer, — würben fie aufgehört Haben, 
wenn nicht ber Menfchheit ein Licht aufgegangen wäre, das ohne die R. bes 
16. Jahrhundert nicht aufgegangen feyn würbe? Hierauf zu antworten if 
ſchwierig. Denn es Hilft nicht, daran zu erinnern, daß ja auch in Genf, auf 
des graufamen Reformators Galvin Betrieb, ein Servetus lebendig verbramnt, 
daß auch im lutheriſchen Sachen ein Kroll, des Kryptocalvinismus befchulbigt, 
enthauptet worden ift, um anderer Graͤuelthaten biutbürftiger Intoleranz u. uns 
menſchlicher Graufamfeit, bie im Eifer für die „reine Lehre“ begangen wurden, 
nicht zu gedenken. Aber bie Humanität, würbe fie nicht auch noch in die katho⸗ 
liſche Kirche eingedrungen ſeyn; würde bie Cultur der Wiffenichaft (die doch auch 
in der katholiſchen Kirche gepflegt wurde) nicht doch auch wohlthätige Früchte 
hervorgebracht Haben, wenn auch fein Proteftantismus zuvor auf Freidenkerei 
übergeleitet hätte? Man fagt b) „der Eentralpunft bes chriſtlichen Glaubens 
war ımter dem Wufte von Sapungen ganz unfenntli geworden. — Man 
folte Alles glauben, was bie Kirche zu glauben „vorftelt“ — blind, ohne 
Prüfung. ie Heiligenverehrung beeinträchtigte die Berehrung Gottes. — 
Die heilige Maria warb als Bermittlerin ber Seligfeit Chriſto gleichgeftellt.“ 
Allerdings warb das, was für ben chriftfichen Glauben von Chrifio zu 
wiffen und in einen Centralpunkt zu fallen nöthig if, zu ſehr in den Hin, 
tergrund gebengt die eertheget und ber Stolz auf ein Berbienft warb 
auf Koften des Glaubens an Ehrikum allzufehr befördert. ber das lag mehr 
an ber Lehrmethode, als an ber Lehre felbfl. Die Heutigen Protekanten fagen 
„Ja aud von ihren Borfahren, dab ihnen Var Doymraiatem wur ein Gongregat 


Reformation 65 


iffen ‚Sägen, deren, Quantität b i 
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— Gehalte, zum Unterſchiede von dem nichtfundament: 
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funden des Chri Längft gedrudt di „und aus 
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wie: Himmelsfönigin, Mittlecin di mie N it tern ai 
wenn denn doch en Mate Si 

wer fan, auch wird, daß Sue 
den ſei, das Maß folder Verehrung: in ben, Seel 11 

nau Segen ? — — wird 5— u — 
ofen den Gimme auf von ihnen Ye eilhte Da fine 

prannei über bie Gewiſſen, dad Mittel, Häusliche Beh Bi auszukundichel 
Sogar Finder von 8 und 9 Jahren follten beichten, um ausgefeagt werden zu 
fönnen über Bater u. Mutter. Ueberhaupt ift die Ofrenbeichte eine Entwürdig- 
ung bes Menfhen u. das Sündenvergeben eine Vergötterung ber Prieſter.“ — 
Hierauf mögen bie Eatholifchen Priefter befonders, wenn biejelbe Anklage heute 
no gegen fie gerichtet feyn follte, felbft antworten. Alles Gute in der Welt 
fann von Menfhenhänden gemißbraucht werden. Es bleibt aber immer bei dem 
Worte: abusus non tollit usum (ber Mißbrauch hebt den rechten Gebrauch Hrn 
auf). Die Beichte haben auch bie Proteftanten lange Zeit Hin beibehalten. Mi 
braͤuche konnten u, koöͤnnen ja — wenn deren — ch vorhanden waren oder find 
— abgeftellt werben, ohne daß ein Kirchenbruch nöthig war oder nöthig iſt. — 
d) Ey katholiſche Gottesdienft war ein Peunk. Der Bus der fimgirenden Prie- 
ſter erwedte in ben Kirchenbeſuchern nur Hoffart u. Prachtliche, die Gottesverehrung 
war ein pomphaftes Schaufpiel. — Schict es fi, wenn Kapitulare u, Dom- 
herren paarweile nad) einander auf golbgefticte Kifjen nieberfnieen, um vor Gott 
nieberzufnieen? Wir follen Gott „im Geifte u. in ber Wahrheit“ verehren und 
nicht mit foldem finnlihen Blendwerke" Hier muß man aber immer zwiſchen 
der Privatverehrung Gottes u. zwiſchen ber öffentlichen unterſchelden. Was 
von manchen Eeremonien, — namentlich jenem Nieberfnieen, angeblich ber ſtolzen 
Demuth, gefagt wird, darüber zu biscutiren ift hier der Ort nicht. Man fann 
aber erinnern, baß, wenn von dem, was zur Verehrung Gottes ſich ſchicen oder 
nicht ſchicken fol, die Rebe ift, bei dem öffentlichen Gotiesdienſte in ben proteftan- 
tiſchen Kirchen mandyer Orte gar Manches war u. ift, was man nicht ſchicklich 
nennen kann, wenn man nicht ein Feind von aller Aefihetif iſt. Aber nun Laffet 
uns fragen: e) wags hat denn bie R. hervorgebracht? Hat fie bie Sittlichfeit 
des Bolhs ehoben, fo daß das Voll unter ver Pihagegit her N. 
fer, ehrlicher, goltesfuͤrchtiger, in der, Erfüllung der in Ex gälır u 


696 Aeformation. 


worden wäre, als das katholiſche? find die proteftantifchen Geiſtlichen fittlicher 
geworden, als die fatholifhen? Worin beftehen denn heute noch auf manchen 
proteftantifchen Univerfitäten die Borbereitungen junger Leute aufs geiflliche Amt 
anders, al8 im Schmaufen, im Tragen befpornter Stiefeln und in dem Streben 
nad fehr ungeiftlihen Fertigkeiten, nämlich nach der Fertigkeit im Saufen, in 
der Handhabung ber Klinge u. im männlichen Trope? Denkt man nad) ber mo: 
bifch gewordenen Denkart an Gottesverehrung?! Man laͤßt fih „predigen“ und 
wenn das nicht „Ihn if" mag man ed nicht hören. Man zieht dem Predigt: 
ſtuhle das Theater vor. Der Prediger muß mit dem Schaufpieler wetteifern, 
wenn er „ein Publicum“ Haben will, wie Diefer. Wo Broteflanten wohnen unter 
Katholiken, ift es freilich anders u. die Katholiken find darüber gar nicht unge: 
halten. — Welches iſt die Etellung, die den Geiftlichen die R. angewiefen hat? 
Man fagt, unter den Päpften trugen fle ein hartes Joch; dann find fie frei ge 
worden. Aber fie find Knechte geworben ber weltlichen Herren, ber Austleute, 
ber Jurifien, und werben noch immerfort von weltlichen Unterbeamten chikanirt, 
ſchimpflich erniedrigt — fo viele Befehlshaber Haben fie, daß fie gar nicht mehr 
wiflen, wem fie gehorchen follen u. ihnen ſelbſt will Niemand gehorchen. Selbſt 
die Schulmeifter, die fonft ihnen untergeben waren, bürfen ihnen ohne Scheu bei 
der billigften Forderung die Spihe bieten, u. wollen von ber Kirche emanclpirt 
d. 8. fo den Pfarrern coordinirt feyn, daß. auch fie Iehren Tönnen, was fie wollen. 
In Sachſen lebten Iange Zeit geldhungrige Kircheninfpectionen (Superintenbent 
u. Amtmann) von den Sporteln, bie ihnen zuflofien, wenn fie gegen manchen 
Dorfpfarrer (der ſich nicht Alles wollte gefallen laffen), Prozeſſe anzetteln unb 
ifn ausbeuteln konnten. — Der Geiftlihe Hat nicht den geringfien Rang; er iſt 
unter den Bornegmen, ober unter denen, die vornehm feyn wollen, der Niedrigſte. — 
Zedermann fchämt fick, links neben ihm herzugehen. — Die Regiftraturen ber 
Superintendenin haben vor Gericht nur fidem semiplenam (halbe Glaub: 
würdigfeit). — Seht verlangen bie ®emeinden, daß der Pfarrer ſich nad 
dem &laubensbefenntniffe richte, das fie felbi gemacht, — ober, wenn 
ihre Bewußtſeyn ſich ändern follte, noch machen möchten. — Eine foldhe R., 
wohin fol Die noch gerathen ? Ueber das Volksbewußtſeyn, wann es auch bo» 
miniren will — wahr ifl’s, ed läßt den Geiſtlichen eine große Freiheit, fie fönnen 
lehren, was fie für richtig finden, benn @eiftliche u. Volk Haben in Norddeutſch⸗ 
land gegen die fombolifyen Schriften rebellirt; fie Haben die Bibel, aber bie 
muß fi nun auch Inechten lafien, das zu fagen, was ihre Ausleger, ganz fin: 
dirte u. Balbfludirte Pfarrer u. unfludirte Dorfichulmeifter, geiagt haben wollen. 
Die Pfarrer, es ift wahr, fie find unter bem freifinnigen Volke Päpfte für fidy; 
fie können lehren, was fle wollen, aber ed glaubt audy jeder Bauer, was er will 
— in Summa wird vom pofitiven Chriftenthume gar Nichts geglaubt, und. was 
dem pofttiven Chriſtenthume von ber allgemeinen Bernunftreligion einverleibt if, 
dem find die Wurzeln ſchon längft auch angefreflen. “Das ih die freie Kirche 
nach der Reformation. Run Hört auf! „Die Reuproteftanten find aufgeflärter, 
fie find von durchfichtigerem Verftande, als die Katholiken.“ Ja wohl, ja wohl! 
— (ine Rirche iſt eigentlich da gar nicht vorhanden, wo fein Oberhaupt ifl. 
Läßt fi denn nur irgend wie ber Sah rechtfertigen, daß ber Landesherr Bifchof 
der chriftlichen Kirche eines Landes fei? if denn nicht vielmehr behauptet worden, 
die Landesobrigkeit dürfe ſich für feine Relinioneparkei, für kein Blaubensbes 
fenntniß befonders interefliren? Aber jebt will mandher Landesherr auch nicht 
mehr Bifchof feiner, der evangelifchen Landesfirdhe fenn, aus dem Grunde, weil 
feine Kirche da if, oder weil man will, daß feine mehr da ſeyn fol. — „Die 
Wiſſenſchaften find durch die Reformation befördert worden." Wir geben zu, bafi 
bisher das Studium ber Hebrätfchen u. griechifchen Sprache bei den Proteftanten 
weit mehr gepflegt u. beförbert worden ift, als bei ben Katholiken, und baß bie 
ledteren indgemein leider nur zu ven Kenntniß diefer Sprachen befigen. Sie find 
in ber Eregeſe u, in ber neuteftamentiiägen Fit ofiysmelt quräd u. fie follten 


Reformation, 697 


in diefen Studien, wenn auch nicht ihrer Theologie halber, doch deßhalb nicht 
hinter den Proteftanten zurüdbleiben, um eine gewandte Polemif gegen dieſe 
führen zu können. Aber, wie ben Broteftanten zu befürchten fleßt, daß das Stu⸗ 
bium ber biblifchen Grundfprachen bald unter ihnen erlofchen u. erflarrt feyn wird 
— denn, wenn bie Bibel feine Geltung als Glaubensbuch mehr Kat, wozu bes 
darf es da der Kenntniß ihrer Originalfpradhen? — fo ift zu Hoffen, daß bieles 
Studium in ber fatholifchen Kirche einft aufleben werde. — Welche Wiſſenſchaften 
find denn außerdem durch die R. verbefiert ober in höhern Schwung gebracht 
worden? „Die Jurisprudenz durch die Aufhebung des kanoniſchen Rechts.“ Habt 
ihr nicht auch noch lange Zeit ein (fogenanntes) kanoniſches Recht gehabt? war 
das gelehrter, rationeller, als das Tatholifhe? u. euer Eivilcecht, das ift fo wenig, 
wie das Tatholifche Civilrecht, ein rationellwifienfchaftliches Syſtem, u. wird aud) 
nie Wiffenfhaft werden, wenn das Rebelliren fo fortgeht, wie es jept ange: 
fangen hat. Warum fagt ihr nicht auch, die Medicin Habe durch die R. gewonnen ? 
— „Das Studium der Kirchengefchichte iſt durch bie R. befördert worden;“ das 
iſt unſtreitig. Die Tatholifchen Gelehrten waren nämlich genöthigt, nachzuweiſen, 
wie die proteſtantiſchen Gegner die Facta ber Alteften u. neueften Sirchengefchichte, 
die Dogmen ber Älteren Väter, entflellt hatten. Es if unglaublich, mit welcher 
Dreiftigkeit jeme, die neueren fowohl, als die älteren unter ihnen, anflatt Geſchichte 
zu fchreiben, Geſchichte machten; kurz: Die ganze proteftantifche Theologie u. ihre 
neuefte Literatur hat nicht nur für die katholiſchen @elchrten feinen Werth, fie 
hat fogar für den proteſtantiſchen Gelehrten, dem es um Wiſſenſchaft zu thum if, 
aufgehört, Werth zu haben; wie denn auch ſchon von den Studenten bie Auf 
hebung der theologiſchen Fanultät beantragt worden ift, aus dem Grunde, weil 
die Theologie aufgehört Habe, Wiffenfchaft zu fenn. — Geſetzt nun aber aud), 
die R. Habe Bortheile gebracht: wiegen biefe Bortheile audy den Schaben auf, 
den fie angerichtet hat durch Beförderung ber Zrivolität, des religiöfen Indifferen- 
tiomus, des Unglaubens, der Widerfpenftigfeit gegen Gele, Ordnung u. Zucht? 
— Endlicy muͤſſen wir noch bemerken, daß das Borgeben, das Verlangen nad) einer 
R. im 16. Jahrhundert fei ein allgemeines geweien, falſch war. Es blieben dem alten 
Glauben treu u. fuchten Luthers Suche von ſich fern zu halten: die Regierungen 
von Deflerreih, Bayern, Frankreich, Spanien; in Sachſens Rähe: Herzog Georg 
(der Bärtige) von Sachien, Herzog Heinrich von Braunfchweig. Die Xobrebner der 
R. berufen fih noch auf den gelchrten Erasmus, ber wahrlich über Luthers Beftialis 
tät im Schmähen nicht günflig urtheilte. Was diefer vom evangelifchen Volke fagt 
(epist. 3 XXXL 47. p. 2053 u. in anderen Epifteln) wollen wir noch herfchrei- 
ben: „Was ift daß ehr ein evangelifcher Same? Niemals fah man etwas Aus, 
gelaffeneres u. zugleich Aufruͤhreriſches, als dieſe vorgeblicden Evangeliſchen“ u. 
(Lib. VI 4, XVIH. 6. 24. 49. XIX, 3. 4. 113. XXL, 3. XXXL, 47. 49. ac): 
Sie Helen die Vigilien u. Tagzeiten ber Racht m. des Tages auf. Diefe waren, 
fagen fe, pharifäiicher Aberglaube. Man hätte aber etwas Beſſeres bafür ein, 
fegen u., um fi mit Gewalt von dem Judenthume zu entfernen, nicht epicureiſch 
werben follen. Alles wird in diefer R. übertrieben. Man weist Dasfjenige aus, 
was man hätte fäubern follen; man zündet das Haus an, um ben Unrath befielben 
zu verbrennen ; bie Gitten werben vernachläßigt, Ueberfluß, Schwelgerei u. Ehe 
brücdhe vermehren ſich mehr, als jemals, es ift weder Regel, noch Zucht — ich 
will Hieber mit den Papiften, die ihr alfo verfchreiet, zu thun haben. — Ich 
finde (Lib. 31. 'ep. 59.) in einem einzigen guten Tatholifchen Bifchofe mehr Gott⸗ 
feligfeit, «l8 in allen eueren neuen Evangeliſten.“ Sapienti sat. Gerechtigkeit 
verpflichtet uns noch, Etwas anzumerken, nämlich: daß im 16. Jahrhunderte bie 
katholiſche Kirche in Deutichland verloren geweſen wäre, wenn nicht der Jeſuiten⸗ 
orden mit feinem unermüblichden Eifer, das Volk zu beichren, bem Kalle vorge: 
beugt Hätte, Dieſer Orden, den Proteftanten vor allen ein Dorn im Auge, trägt 
Daher, Heute, nach der Meinung ber PBroteflanten u. — Tells dxe ar 
liken, der mit ihnen in Geſtnnung verſchwaͤgert IR, die wohtuerniente Sauna. Sr Tan 


698 Reformation, 


in neuefler Zeit überall, wo man wider Die Obrigkeit u. die beftehende Berorbnung 
politiſche Unternefenungen vorhatte, ausgewiefen worden. — R. ber Deutſchka 
tholifen. Die Kölner Wirren cf. d.) hatten die Mißſtimmung ber Protes 
flanten gegen die Katholiken überall, wo jene mit biefen in einem —* —F 
wohnten, auf's Neue gereizt. Die Darmadter Kirchenzeitung, das 
Prediger von Dr. Röhr in Weimar, ſtachelten durch verlaͤumderiſche 1 em 
von fatholifchen Geiſtlichen u. ihren Uebergriffen den Haß immer mehr und meh 
auf. Man wollte einen Aufftand gegen die katholifche Kirche in Deutichland ver 
breiten. Bibelgläubige eiferten F ve katholiſchen Prieſter, als Faͤlſcher bes 
goͤttlichen Wortes, ee © fie Sinfterlinge, Politiker benuncirten fe 
als Feinde des Staats. Da aan 4 1844 zu Trier die Ausflellung bes heiligen 
Node, welche maflenhafte (üßrigene aber ganz ruhige) Wallfahrten der fermm 
u. nahen Katholiten nady Trier zur Folge hatte. Dies argerte die ai preiefkantiide 
Partei, weil fie fah, baß der Zauberftab ihrer Aufklärer w Einfluß auf ben 
Geiſt des Bolfes gehabt Hatte u. 1 ah das Tatholiiche Pt ch um bie Lehren 
ihrer Weisheit nit fünmere. Schmaͤhen u. —— gin * hr - nam 
fein Ende. Da machte ein —— er, 
katholiſchen Gemeinde zu Schneidemuͤhl Schlefien a Ye gi hr 5 
Regierung den ash es möge ibm au werden, mit ben 
eine von Rom unabhängige Gemeinde, bie das — von ihm —5— u. dem — 
trage beigefügte — Glaubensobekenntniß zu dem iheigen et wolle. zu conſti⸗ 
tuiren; was nach den in den preußiihen Staaten ber größt 
geltenden Princip der Glaubensfreiheit auch bald nad) dem Befu de geſtattet 
wurde. — Das Blaubensbefenntniß fi’8 legte fich das apöftlifße — 
Glaubensbekenntniß zum Grunde, erklaͤrte die Schrift für die Erkenntnißquelle ber 
chriſtlichen ge ‚ die fieben Saframente ber tatholifchen Kirche 83 
Fene jedoch die Prieſterehe, ja, erklaͤrte dieſe fuͤr eine Pflicht; 
bendmahl ſollte unter beiden Seftalten ausgetheilt, und bei V 
heiligen Sakramente die deutſche Sprache een gebraucht werden. Auch 
das Fegfeuer erfannte es an. Zuletzt erflärte es, daß Gh allein 
das Oberhaupt der Kirche und der heilige Geiſt ſein Stellvertreter ſei. 
was aus proteſtantiſchen Büchern u. zwar neuproteſtantiſchen entlehnt If.) Schnei⸗ 
demühl den 29. Dftober 1844. — Czerskis Glaubensbekenntniß war noch zu 
fromm, u. er erhielt auswärts feinen Beifall. — Bald darauf ließ ein anderer 
junger, aus dem Seminar entlafiener :Priefter, Johannes Ronge, von Lauras 
hütte aus ein in ben Beftigften u. derbſten Ausbrüden abgefaße Sendſchreiben 
an den hochw. Biſchof Arnoldi zu Trier und andere Schmaͤhſch eilen gegen, bie bie 
römiſch katholiſche Geiſtlichkeit beuden, Dieß machte weit mehr Aufichen. Der 
Brieffteller erhält von mehren Orten her Aufmunterungss, Dankſagungs⸗, Be 
lobungsfchreiben, Geſchenke 2. Man erfundigte Ir ſogleich, ob ex en 
habe u. fammelte, in Sachſen befonders, om für iän. — Schon zur Zeit 
— Wirren hatte der Profeſſor Krug in Leipzig ben beutfchen Katholiken 
den Borfchlag gethan, daß fie fi) doch von Rom trennen u. eine beutfdh -Tatholl- 
ſche Kirche formiren möchten. Die Bifchöfe würden dann wahrhaft frei, > 
mit der Zeit Polizeibeamte werben. — Dieſe plaufible Je n Due jegt (leider erſt 
nad) Krug's Tode) aufgegriffen. Ronge wurde Anführer. Wie » dem u 
Breslau, jo machte man auch in Sachen (Dresden und Leip 
Eiberfeld ıc. Anftalt, neukatholiſche Gemeinden zu eben. H es Auf- 
fiht warb zu Breslau ein (von dem erotn ppen ganz verſchiedenes) Glaubens⸗ 
bekenntniß fabricirt, das noch einfacher , als ber neuproteftantifhe Deismus 
war und das, wenn es nicht bie wenigen, chriſtlichen Worte enthalten Hätte: Ich 
glaube an Jeſum Chriſtum, unfern Heiland, (eben fo fagte ein zu Leipzig gepraͤg⸗ 
tes Glaubensbekenntiß ber ſaͤchſiſchen Rongeaner) von jeden Juden Yitte unters 
ſchrieben werben fünnen. (Es wurden zwei Saframente gefeht , alles Poſttive 
warb verworfen, bie Schrift Sollte zwar dir ienige Autorität feyn, auf bie man 


Reformation, 699 


e manchmal berief, aber ſie ſolle ar werden tar a — 
— w — en Br erh, ih BVoften ; Gefhäftsteiger 
0 + Ihrer 
Agenten u. * lam denn noch 1345 (im Februar), in — eine ie 
R = al Le Beste (mins don ange enehnie) 
eno J 
bene \ chrieb. Die Berliner Neufatholiten Iegt * gegen ne 
— 1845 Arten ein, — es. unchriſtlich doch fe der Streit ſich 
me * eglichen haben. So erflärten ſich denn in Sachſen (zu Dresden u. 
ig), —— (in Schleſien, in Berlin und in den Rheing: en) ganze 
— u name in 1 Deuiäfatihe Queht gar Weittietfde) 
= Genen, —* “ef — Babe bei 


! Deuffatfotictmus. bie, prakpanifigen Kictfeeunbe Sie kn den 
Der peiekeniiäpirhihen Wefofiun Im Eillen unter & tung — 
ger —— 


au Anderes, als. die Bereini —— von — ——— Apoſtaten, bie 

fan nat a Ch wat eds Snblrbuumn qu Deren Beobadh Kalt var 

jen viduum = abi vers 

pfligten mag). — * wir an der Art, wie ſchiomatiſche ch ‚(ein 

Schioma kann man es eigentlich nicht: nennen, auch nicht Secte, da: bie zuſam ⸗ 

mengetretene Genofienfhaft gar feinen Firchlichen Lehrbegriff hat u. ſich mm qm 
natürlichen Religion befennt) befördert umd zu Stande —— worden iſt das 

A von der Art u, Weiſe haben, wie im fechszchnten Jahrhunderte die lu⸗ 

u Stande acht worden iſt, fo — es ſich er⸗ 

— der (he, anzumerken, —— von Intriguen, Umtrieben, 

eeulationen (von 


Zauſqungen / politifhen = (von Seiten 

— dem dawien — Abfall foͤrd — geweſen iſt. 1) Um 
elte es ſich hier gar nicht, ſondern um bie Breifelt, nicht mehr: zu 
beichten u. fih von der Frau fcheiden zu laffen. - 2) An ber Spipe der Partei 
ftanden (außer dem vormaligen fatholifchen Prieſter Ronge und einem gewiſſen 
Profeffor in Breslau, der aber fpäterhin wieder abtrat), feine Gelehrten, fondern 
nur Fünfter u. Gejchäftsmänner, 3) Dieſe hatten in den fleineven Stäbten und 
Dörfern, wo es Katholiken ab, die zum Abfall von der Fatholifchen Kirche an⸗ 
gereizt werben konnten, ihre Agenten (Kaufleute, Handwerker u. dgl). 4) Es 
wurden Verſammlungen veranftaltet u. wie von der Randesobrigfeit, fo von ben 
Heineren Ortsobrigfeiten zugelafien. Den Berfammelten forderte ein Stimmfühs 
ver ber Partei, ben Hammer in der Hand haltend, Antwort auf die Frage ab, 
ob man fich von Rom trennen wolle und ſchlug dann nad) einigen Minuten des 
Stillſchweigens mit dem Hammer zu (ſo iſt es namentlich in Dresben gefchehen). 
5) Es wurde in allen Fleineren Städten die Herausgabe politifher Blätter verans 
ftaltet, worin bie römifche Kirche verläftert u, von dem Anwachle der apoſtatiſchen 
Bartel, unter allerhand Prahlereien u. Erdichtungen, Rachricht gu jegeben wurde. 
minebigungen ber katholiſchen Kirche u. Priefterfchaft wurden in folche Blätter 
nicht aufgenommen — fo in Sachſen u. Preußen. 6) Die Schmähfchriften ges 
gen die fatholifche Kirche u. die Portraits von Ronge u. Eonforten wurden von 
ben Buchhaͤndlern und vor Tröbelbuden ausgehängt; bie Vertheidigungsfchriften 
für die Fatholifhe Kirche wurden verftedt und unterbrüdt, 7) In den Hleineren 
Stäbten mußten ſich bie Katholilen des Orts u. ber benachbarten Dörfer durch 
Namensunterſchrift verbindlich machen, aus ber latholiſchen Kirche austreten zu 
wollen , indem man ihnen vorfpiegelte, man wolle blos Mißbräuche abfehaffen, 
man wolle fatholif bleiben u. alle katholifchen Gemeinden Sachſens u. Preus 
Gens feyen im Abfalle begriffen. Wer nicht gutwillig beitreten make, her wie W 
Lid bem Hoßn u. Spotte nachgeben. 8) Konge wußte, yon Siem, U I 8 
fi) um Rellgion handele, vor den ſchon etablirten u, wady wiär Asien Kan 


en. 


- 


\ 


700 AReformirte. 


tifenvereinen in Sachſen u. Preußen predigen. So auch andere von ihm inſtruirte 
Miſſionaͤre, die es ſich zugleich angelegen fenn ließen Anwerbungen zu machen. — 
Ronge burfte in Sachſen taufen, ja fogar neufatholiihe Geiſtliche orbiniren. 
9) Die Proteftanten gaben beträchtliche Summen Geld ber, damit Gemeinden fid 
etabliren und fogenannte Geiſtliche beftellen könnten. — Was von Zeit zu Zelt 
eingefommen war (faft Alles kam von Proteftanten), darüber warb in den Ber: 
fammlungen, in Gegenwart von Hunderten von Proteftanten, Kunde gegeben. 
10) Die Stadträthe u. Stadtverordneten räumten dieſen Rongeanern ihre Sig 
ungsfäle zu Abhaltung von Berfammlungen und Predigten ein, in den Provins 
jialftäbten öffnete man ihnen auch die Kirchen. Wenn ber Ortsgeiftliche fich beis 
jen weigerte, nahmen ihm die Communvorſteher bie Kirchenjchlüffel und fchlofien 
ſelbſt auf. Die Proteftanten fchmüdten den Rongeanern die Kirchen. Es wın- 
den um Gelb Entröebilletö vertheilt. Wenn gepredigt werben follte, warb ber 
Tag zuvor in den ftäbtifhen Wochenblättern befannt gemacht. 11) Die fchänd: 
lichen Lügenfchriften, 3. B. von dem Abfchrwörungsformular, das Die römifde 
Kirche den Eonvertiten aus bem Proteftantismus vorzulegen pflege u. ehemals aud) 
einem ſaͤchſiſchen Kurfürften, welcher Katholik wurde, vorgelegt Habe, wurben zus 
fammengefchrieben, gedrudt, von Buchhändlern öffentlich verfauft. — So geſchah 
c8 vor den Augen ber Landesobrigfeiten, fo waren bie Waffen geftaltet, mit benen 
man 1845 die römifchkatholifche Kirche in Norddeutſchland befämpfte. *) (Giehe 
hierüber die Schrift: Bericht, wie die Sache der Tatholifchen Diffidenten im Koͤ⸗ 
nigreiche Sachfen gefördert worden ifl, von einem unpartellfchen Beobachter, Leip⸗ 
v0 bei Ignaz Jackowitz 1846). Man Hat diefes deutſch katholiſche Abfallswerk 
ie zweite Reformation genannt. Diefe Benennung iſt in ber einen Hinficht laͤch⸗ 
erlich, da an eine Berbefferung ber Meligton Hierbei gar nicht zu benfen if 
(da8 Ganze ift nur ein Kortfchritt zur Aufhebung aller Religion), in der andern 
wahr, infofern es nämlich bei Verbreitung ber lutherifchen Reformation im 16. 
Jahrh. ebenſo zugegangen ift, wie es hier zuning. Die ſchaͤndlichen Machinationen, die 
man fich zum She le zur Verbreitung des Rongethums geflattet Hat, Haben mande 
veligiöögefinnte Proteftanten bewogen, in den Schooß der römifchkatholifchen Kirche 
zurüd zu ehren. Wilke, 
Reformirte, eine Partei der im 16. Jahrhunderte aus dem vömtfchkatholis 
{hen Kirchenverbande ausgetretenen Neuerer, die 1) mit den Lutheranern ſich 
gegen ben Papſt auflehnten, und unter Berufung auf die Schrift, als die alleinige 
Autorität in Glaubensſachen, fi das Recht zueigneten, ihren öffentlichen Lehr⸗ 
begriff nach ihrer Schriftfenntniß zu geflalten u. aus bem Eultus, wie aus Dem 
firchliden Lehrſyftem, Alles ausmünzten, was ihrer Meinung nad nicht in der 
Schrift gegründet war, — dabei aber auch 2) nicht nur mit Widerfpruch gegen 
bie Lutheraner eigene Lehrfäge Cbefonders in Betreff des Abendmahls, der Recht: 
Tertigung u. Gnadenwahl, der Nothwendigkeit der Taufe) aufftellten u. von ber 
altlutheriſchen Partei als Irrgläubige, namentlich als Saframentirer (Sakraments⸗ 
fhänder) gemieben u. gehaßt wurden, fondern auch 3) unter einander felbft über 
mehre Lehrartifel Diffentirten u. fich in Unterparteien u. Sondergemeinden zertheil- 
tn. Was 1) die Hauptfraftionen der Gefammtpartei anlangt, fo find biefe 
a) Zwinglianer, db. 8. die es in der Abenbmahlsichre mit Zwingli halten. 
— Ulrich Zwingli, geboren 1484 zu Waldenhaufen in ber ſchweizer'ſchen Grafs 
[haft Toggenburg, 1506 Pfarrer zu Glarus, 1516 Pfarrer zu Maria Einftebel, 
1519 zu Züri, nahm, als Luther in dem fächfifhen Wittenberg 1517 gegen bie 
nu lnpver kündigung (duch den Dominikanermoͤnch Johann Tepel) aufgeanben 
war, gleihfals 519 Anlaß, fid wider den, in ber Schweiz im Bisthum Koſt⸗ 
nig Ablaß verfündigenden, Frandscaner -Mönd Bernhard Samfon aus Mailand 


— — — — — — — 


) Die Katholiken, welche dagegen proteſtirten, daß bie neue Sefte fich katholiſch nenne, ba fe 
no weit weniger glaube, als vie Vroteftanten u. im Grunde gur Nichts glaube, wurden 
nicht gehört. Die Regierung nennt die Sehte: targatiiir Diitneken, 


ie Reformiste, vo 


[= ‚heben und mit Be des Raths won Zürich eine Erchenreform zu’ unter 
Shen bei ber es elle mit auf Abſchaffung der Möfter ab; fen war. 
je er aber Miene machte, die Meſſe abſchaffen zu wollen, ſehte fa 
wu; &eiten feines — Kopfes ſchon befannt gewordenen, Theologen ein 
* ', ber Stabtfekretär, entgegen. ofen Tieß der Rath 1523 auf Zwingt’6 
= Begehren zwei öffentliche Unterredungen ihm halten: die erſie über dogman⸗ 
fee Theſes (Gwingli Hatte ſich 6 67 aufgeſchrieben), die zieite über bie 
J fe und Bilderberehi Es g ang dem Dieputanten, feinen reformatoriſchen 
* ebungen ſowohl innerhalb Zürich bei dem Rathe, als auch auswärts Aner⸗ 
we fennung zu verſchaffen — ſympathiſtrte ganz beſondero mit dem ſeit 
Suthers Auftreten in bie Neformationswuth verfallenen u, 1521 (als der in die 
Reichsacht erklärte Martin Luther auf der Wartburg bei Eiſenach im ® 
D faß) als Afterreformator in Wittenberg durch feinen, in den Wittenberger Kirchen 
& getriebenen, Unfug der Bild ig u, andere, von ihm im Gultus aus Haß 
gegen bie Meffe umd dem latholiſchen Abendmahlsritus angerichteten Unorbnungen 
tigt gewordenen Andreas Carlftadt (eigentlich Bodenftein), Wie Earlftadt 
eine Abſcheu gegen bie Bilder, Reliquien, Heiligenverefrung u. dal. äußerte, fo 
fing Zwingli u. mit ihm fein Zuricher Nath 1524 an, in den Zuri Kirchen 
ben WBarorismus ber Neformationswuth an ben Bildern, Altären, ei, 
Drgeln u. f. w. auszulaſſen u, die Trümmer —5* auszuwerfen. Wie Carl⸗ 
fladi unter dem Lehrpimkte vom Abendmahl ſowohl die lutheriſche Eonfubffantias 
tions», als die Latholifche Transfubftantiationsiehte tt und die Worte Chriftt : 
das ift mein Leib“ auf eigene Art erflärte, fo auch Zwingli. Wie Eariftabt 
mit den Widerfäufern die Rothwendigfeit ber Taufe zur igfeit läugnete, 4 
beftritt auch Zwingli die Nothwendigkeit ber Kindertaufe zur Seligfeit, os er 
Taufe gleich wider bie Widertäufer als nüpfich beibehalten wiffen wollte, Er ers 
Härte Beh in Fleineren Schriften u. Abhandlungen, bie er etwas fpäter ben Wider⸗ 
täufern entgegenſetzte. Daß er bei dem Zuricher Rathe u. anderen Schweizern 
Beifall finden würde, war voraus uſehen. Der Rath u: bie Schweizer, denen 
das Streben nah Autonomie u. Freiheit ohnehin, rationell eigenthümlich ift, wilr- 
den gewiß nicht hinter ben fächfifhen Kaͤmpfern um die kirchliche Freiheit Haben 
zurüdbfeiben wollen. Und doch griff das Reformationswerf in der Schwein — 
obwohl es mehre Städte u, Kantone nach u. nach eroberte (4. B. Glarus, Biel, 
Appenzell, St. Gallen, Schaffhaufen, Bern, Muͤhlhauſen, Neuenburg u. a. D.) 
— nicht überall Plag. Mehre Kantone (wie Schwyp, Uri, Unterwalben, Zug, 
Luzern) blieben fatholifh. In Bafel wirkte für bie Reformation als Pfarrer das 
felbft, im Einverftänbniffe mit Zwingli, Defolampabius cd. i. Hausfchein), ber 
die Moͤnchskutte abgelegt Hatte u. fi, wie Carlſtadt u. Luther u. Andere getan 
hatten, feine Neformationsmüßen durch ben Eheſtand verfüßte. Wir müffen noch 
erwähnen, daß Carlſtadt, wegen der von ihm erregten Unruhen, auf Luthers Ber 
trieb 1524 aus Wittenberg u. bald darauf gar aus Sachſen verjagt wurde und 
daß biefer arme Mann in der Schweiz feine @eiftesverwanbten auffuchte, u. hier 
bei Zwingli u. Oekolampadius nit nur jetzt das eine Mal, fondern andere Male 
wieder huldreiche Aufnahme fand. Carlftadt ſchrieb Hier über das Abendmahl ges 
gen Luther. Seine fehweizerifchen Freunde rühmten u. vertheibigten ihn. ie 
eigene Übendmahlslehre fol Zwingli jedoch im ‚de zuerſt mit aller Beftimmt« 
het ausgeſprochen haben in feiner 1526_erfchienenen Schrift: De vera et falsa 
religione. Er erklärte aber die Worte Ehrifli: „das iſt mein Leib“ ſtets fo, als 
fauteten fie: „das bebeutet meinen Leib,“ Täugnete daher bie reelle Gegenwart 
des Leibes u, Blutes Chriſti im Abendmahl; er betrachtete das Abendmahl als 
einen Ritus ber Seinnerung an Jeſu Tod, Defolampabius deutete nach eben 
biefem Sinne; bas iſt mein Leib, das heißt, fagte er, das ift das Zeichen meines 
Eine 2. gr Dielen en figärlichen — nähe Rs es 
traßburg ber bortige PBaftor artin Bucer u. Woligang Es 
(Pipfiny, der feifer ebenfalls in Ball, naciper in Mainy wir. EACUUR 


, von 


702 Reformirte, 


Schriften entbrannte von neuem Fehde zwiſchen Luther u. ben Saframentirern. 
Der Streit wurde befonders hitzig, zum Theil in literarifche Biegen ausartend 
(zu denen befonders Luther aufgelegt war), von 1525 — 27. Luther vermochte 
feine Eonfubftantiationslchre, „Brodb u. Wein behalten ihre Wefenheit, aber in u. 
mit ihnen ift der Leib u. das Blut Chriſti,“ den Schweizern aus ben Worten 
Chriſti: „das tft," weder grammatifch noch logiſch zu erhärten. Es blieb bafer 
innmer beim Streiten. Erasmus rief ben Yechtern als rußiger Zufchauer von 
ferne zu: Ihr berufet euch auf das Wort Gottes u. glaubet befien wahre Aus 
leger zu ſeyn; fo werbet doch erſt unter euch ſelbſt einig, bevor ihr ber Melt 
Geſetze vorfchreiben wollet! Diefe Zwietradht der Parteien war der proteflanti- 
ſchen Sache in ihrer Oppofltion gegen die Satholifen nicht günftid. “Daher fand 
es aus politifchen Rüdfichten vor Anderen ber heſſiſche Landgraf Philipp rathlich, 
beide Parteien auszuföhnen, um bie Schweizer mit in den Schmalfalbifchen Bund 
(ſ. den Art, Broteftantismus) ziehen zu koͤnnen; ber ſaͤchſiſche Kurfürſt Frieb⸗ 
rich wollte aus religiöfen Gründen von ihnen Nichts wifien. Philipp lud deßhalb 
die Häupter der Parteien zu einem Gefpräche nach ber heſſiſchen Stadt Marburg 
ein, welches im aa 1524 zu Stande kam. Bei diefem Geſpraͤche fanden eins 
ander gegenüber auf ber einen Seite: Luther, Oſtander (ein großer Dittrich Schlag⸗ 
bei!) und Melanchthon; auf ber andern: Zwingli, Defolampabius und Bucer. 
Die Rottenmeifter Luther u. Zwingli führten hier allein das Wort. Keiner gab 
dem andern nad. Luthern war ber Tert: „das ifl,” zu gewaltig, u. Zwingli be 
rief fih auf Brammatif u. Rhetorik. Man mußte umverrichteter Sache ausein: 
ander gehen. Wie Zwingli ſchon Hut u. Stod ergriffen haben mochte, bat er 
wenigftens um Anerkennung der Brubderfchaft. Luther bewilligte ihm aber für 
die Zukunft, bis er widerriefe,, Leine andere Liebe, als, wie man fie auch bem 
Feinde zu erweiſen ſchuldig if. Uebrigens wolle er ſich dazu vergleichen, daß 
feine Partei wider die andere fchreiben ſolle. Das wollte er ihnen, erklärte 
Luther, zugeftehen, damit fie Friſt Hätten, in fich zu geben und fich erfennen zu 
lernen. — Zwingli und feine Genoſſen „rafeten, da fie fahen, baß man fie 
für Ketzer traftire.”" Im Jahre 1530, als auf dem Reichstage zu Augeburg 
die evangelifchen Neichsftände im Begriffe waren, dem Kaifer Karl V. ihr Glau⸗ 
bensbekenntniß zu überreichen, (was auch gefchah, f. den Art. Prote ſtantis⸗ 
mus), wollten die Straßburger biefes Bekenntniß mit unterfchreiben, jeboch mit 
Ausnahme feines zehnten Artikel (vom Abendmahl). Die Evangelifchen geftat: 
teten diefes nicht. Die Stadt Etraßburg und drei andere Städte mit ihr über: 
gaben daher ihr (von Bucer verfaßtes) befonderes Befenntniß (die lat. fogenannte 
confesrio telrapolitana), und auch Zwingli fhidte fein eigenes Bekenntniß herbei. 
Die reformirte —* (der Sacramentirer) war alſo von den Lutheranern (den 
fogenannten Evangelifchen) förmlich getrennt. — Sroing! läugnete auch, wie be 
reit8 oben bemerkt, die Exrbfünde ald Sünde (behauptend, fie jei nur bie Reigung 
zur Sünde) und beftritt daher auch die Meinung der Kirche, baß die Taufe zur 
Seigfeit nothwendig fei, indem er lehrte „baß die Taufe feine Sünde austöfche 
b Die Gnade nicht verleide; daß nur das Blut Jeſu Chriſti die Suͤndenver⸗ 
nebung gewähre, nicht die Taufe Doch wollte er in Schriften, bie er ben 
Wiedertäufern entgegenfebte (in fünf Abhandlungen), die Kindertaufe beibehalten 
wiffen. — Ueber ben Punkt vom Abendmahle erklärte er fich ſtets viel unzwei⸗ 
beutiger, als Bucer. (Zwingli: Chriſtus ift in dem Abenbmahle zwar für bie 
Betrachtung des Glaubens gegenwärtig, doch aber nicht wirflic) und wefentlich, 
ba fein Leib feit dee Himmelfahrt nur im Himmel if. — Bucer: Chriftus gibt 
den Gommunicirenden feinen wahren Leib u. fein wahres Blut [fo mit Luther], um 
bie Speife und der Trank ihrer Seele zu feyn [fo mit Zwingli genen Luther). 
— Unterdeſſen Hatte, wie oben bemerft wurbe, in der Schweiz die Reformation 
(im Eultus u. kirchengemeindlicher Verfaffung) auch außerhalb Zuͤrich's nach und 
nad immer weiter um ſich gegriffen (im Thurgau, Rheinthal, St. Ballifchen 
u 4). Darüber waren allerhand Misueligtiten u, Retımam eusttouhen avi: 


Reformirte, 708 


ſchen ben reformirten und ben bei bem katholiſchen Glauben verbarrenden Sans 
tonen u, Städten (Schwyg, Uri, Unterwalden, Zug, Luzern); auch bie reformir⸗ 
ten Ginzelgemeinden ſelbſt waren nicht übereinfiimmig. Man hatte mehrmals pur 
Ausgleichung ber Differenzen Religionsgeipräche u. Eonvente veranftaltet (in den 
Jahren 1526, 1528), aber immer vergeblih. Die Tatholifchen Kantone fchlofien 
ein Bünbniß mit Ferdinand und rüdten mit einem Heere wider die Gegner an. 
Die Züricher — von den übrigen reformirten Ortfchaften verlafin — fodhten 
allein und wurden 1531 (den 11. Oktober) bei Kappel geichlagen. Run wurden 
die Reformirten aus den Drtfchaften mandyer Santone (3. B. aus Solothurn) 
wieber vertrieben und ber katholiſche Gultus ward an vielen Orten wieder her⸗ 
geſtellt. Zwingli ſelbſt war in ber Schlacht gefallen. (Luther fagte in feinem 
Tractat. de ab ione missae — ber Teufel habe ihn mit vielen Streichen er⸗ 
ſchlagen, deſſen Stärfe er nicht habe widerfichen Eönnen.) Bald nach Zwingli’s 
Tode farb auch Dekolampabius. In Deutſchland milberte ber Nürnberger Friebe 
die Härte des Augsburgifchen Reichsabſchieds. Allein bie Zwinglianer wurben 
nicht nur von den Ratholifen, fondern auch von ben Lutheranern (beſonders nach 
dem Willen bes Kurfürften Johann Friedrich von Sachſen) von dem Bergleiche 
ausgeſchloſſen. — Bucer gab ſich noch Immerfort Mühe, durch vermittelnde 
(zweidentige) Formeln bie ſchweizeriſchen R.n (die Züricher und Bafeler) und bie 
Zutheraner zum Conſenſus in ber Abenbmahlsichre zu vermögen. Er hielt mit 
den Schweizern eine Unterrebung zu Koftnig (1533), richtete aber Nichts aus, 
Die Schweizer wollten alle boppelfinnige Formeln vermieden wiſſen u. verlangten, 
dem von ihnen bereits im Jahre 1532 gegebenen Befenntniffe genäß, von Luther 
äugeflanden: a) ba man bas Fleiſch Sch, Chriſti nur durch den Glauben eſſe; 
b) daß I. ©. als Menſch nur in einem gewiflen Orte des Himmels (alſo nicht 
egenwärtig) ſeiz c) daß er im Abendmahle durch den Glauben auf ſacramen⸗ 
taliſche Weiſe zugegen ſei (nicht perfönlidh). Als der Bapft das (nicht zu Stande 
gefommene) Concil nad Mantua ausgefchrieben hatte, gingen bie Straßburger 
(Bucer u. Capito) die Schweizer wieder um ein Olaubensbefenntniß an, worüber 
man fi) auf dem Concil vergleichen könnte. Die Bafeler fehten eines auf (das 
weite Bafeler Bekenntniß), worin fie ſich fo ausbrüdten: Der Leib u. das Blut 
find mit dem Brode u. Weine nicht natürlich vereinigt, aber Brod u. Wein find 
eichen, durch die Jeſus Chriſtus felbk uns eine wahrhafte Mittheilung feines 
eibes u. Blutes zufommen läßt, nicht, damit fie dem Bauche zu einer vergängs 
lichen Spelfe dienen, fondern damit fie eine Nahrung bes ewigen Lebens —* 
Die Züricher ließen ſich mit Bucer nicht ein, ſondern gaben das Glaubensbe⸗ 
fenntmiß Zwinglis wieber aus, das biefer kurz vor feinem Tode dem Könige von 
Frankreich, Franz L, zugeichidt Hatte. Bucer ermittelte «8, daß 1536 zu Wittens 
berg eine Berfammlung , zu ber bie Übgeordnneten der beutfchen Kirchen von beiben 
Parteien zufammentamen, gehalten wurde. Luther verlangte Hier von Bucer ben 
Widerruf jeiner Meinung vom Abendmahle Bucer gab feine Erklärung dahin: 
a) ber Leib u. das Blut Jeſu Ehrifli werden wahrhaft und wefentlich mit Brod 
und Wein empfangen, jebdoch b) außer dem Genuſſe bes Saccaments find ber 
Leib und das Blut Chriſti in dem Brobe u. Weine nicht enthalten; es wird 
c) bei der Erthellung bes Sarraments der wahre Leib und das wahre Blut Jeſu 
Chriſti auch den Umwürbigen sum Empfange mitgetheilt (kraft der Einſetzungs⸗ 
worte), und zwar zum Gerichte, weil fie es ohne Buße und ohne Glauben enbfane 
gen. Luther war mit biefem Belenntniffe zufrieben. Daſſelbe warb von ben Des 
putirten unterfchrieben und fo bie Vergleichung (bie fogenannte Wittenberger Con⸗ 
cordie) vollzogen (zu Ende bes Maimonats). Allein bie Züricher, behauptenb, 
daß nicht die wefentliche Bereinigung bes Leibes und Blutes Chriſti mit ben 
äußeren Zeichen, fonbern nur bie Begenwart des Leibes u. Blutes Ehrifti durch 
den Glauben und den Heil. Geiſt zuzugeben fei, flimmten in biefen Bergleich nicht 
ein, ſondern entwarfen ein eigenes Bekenntniß und Bucer bemühte a en 
Unterrebungen u. Verhandlungen mit iänen (bie ex zur game Solkte \noae Rad 


704 Reformirte, 


vergeblich, fie dazu zu bereden. So wandten ſich benn bie Straßburger auf ik 
Seite der Lutheraner, aber die Schweizer blieben abgefondert GH R 
ärgerte fich der Bibelüberfeger Luther noch im Jahre 1543, als die Züricher Ike 
eine neue Bibelüberfegung, nerfertigt von bem zu ihrer Partei übergetreienn 
Juden Leo von Juda, nebft ben Werfen Zwingli's zufchidten! Gr verbat ſi 
alle dergleichen Geſchenke, und ſchrieb an ben Buchhändler, burdh ben ihm jem 
Werke zugefchidt worden waren: „Das find verdammte Leute, welche bie anden 
in die Holle ziehen; die Kirchen fönnen mit ihnen feine Gemeinſchaft mehr Fig 
noch in ihre Gottesläfterungen einftimmen und ich habe mich entfchloffen, fe mi 
Schriften und Gebet bis auf ben legten Athemzug zu beſtreiten“ — Wirlllq 
ihmäßte er auf fie in neuen Schriften und bie Zwinglianer nannten ihn Va 
Antichrift. Luther betrachtete die Zwinglianer als gottlofe Ketzer bis an fer 
Ende. — b) Ealviniften (Calvinianer). Johann Calvin (Cauvin, gebera 
im Jahre 1509 zu Noyon in Frankreich) Hatte fidh im Jahre 1534 als 

der reformirten Bartei, wie feine 1534 herausgegebenen Inſtitutionen zeigten, am 
Kranfreich geflüchtet und nad Bafel begeben. Bald nad der Ruͤckkehr nad 
Frankreich mußte er dort ſich wieder flüchten (1536) und begab ſich nad 
Genf, wo 1535 die Zwinglifde Lehre u. Cultusreform eingeführt worben war. 
Er warb ald Mitgehülfe des dort fungirenden Geiſtlichen Karel für bie Be: 
breitung des neu angebrochenen Lichtes thätig, Ine aber {don 1538 von Nie 
weg nach Straßburg, wo Bucer waltete, gab 1540 eine Schrift vom Abendmah 
heraus, worin er ſich, obgleich er ein Feind ber fatholifchen Transfubſtantions⸗ 
Iehre war, doch auch ſowohl gegen Luthers, als gegen Zwingli's Anſicht erflärte 
1541 wandte er ſich wieder nad Genf u. machte ſich durch feine Decrete übe 
bie Glaubenspunkte vom Abendmahle u. von der Präbeflination zum Haupte eine 
Einzelpartei unter den R.n. Gr behauptete die reale — aber geiflige — Gegenwart 
EHriftt im Abendmahle für den Genießenden, ber ſich mit Glauben und Mndadı 
geiftig zu dem erhößten Erxlöfer erhebt; ſodann ben unbedingten Rathſchluß, wonad 
Bott Einige zum Boraus zur Seligfeit, Andere zur nieht beftimmt habe. 
— Die Kindertaufe erklärte er für nicht notwendig zur Seligfeit, ſondern für 
das Siegel und Zeichen ber (bereits mittelft ber Geburt von cqhriſtlichen Aeltern, 
wenn diefe Öläubige waren, empfangenen Berficherung ber (unverlierbaren) Gnake, 
falls diefe Kinder zur Seligfeit präbeftinert find. — Galvin leitete das Factun, 
daß einige Menfchen gut find oder ſich befiern, andere aber böfe find u. verfiodt 
bleiben, von göttlidher Vorberbeftimmung ad. Kr fchien bie Freiheit aufzuheben; 
daher der Streit gegen in, obgleich ‘Diejenigen, welche dem Menfchen Freihen 
vindicirten, auch nicht erfiären konnten, wie neben ber abfoluten Macht Gottes 
u. bei der Präfetenz Gottes menfchliche Freiheit möglich fei und, wo auf bie 
Frage, warum denn Gott einige Menfchen in das Verderben fallen laffe, zu ant 
worten war, ſich auf bie Unbegreiflichfeit des göttlichen Rathſchluſſes auch im 
Mysterium voluntatis dei inperscrutabile beziehen. Die Pi groͤbſte Dos 
lemik über biefen ‘Bunft war meiftens Wortftreit u. Conſequenzmacherei. — In 
Betreff des Altarsfacrraments urgirte er, daß eine wirkliche und weſentliche Ber 
einigung Chriftt mit denen, die das Sacrament mit wahrem Blauben empfangen, 
Statt finde. (Er vermittelte fo zwifchen Zwingli u. Luther, wie e8 Bucer auch 
gethan hatte; gegen Luther beftritt er die Gonfubftantiation, wie bie Impanation, 
gegen Zwingli die blog Rairlicpe Bedeutung.) Er fonnte aber, wie es fchien, den 
myſtiſchen Gedanken von der geifligen Bereinigung bes real gegenwärtigen Chri⸗ 
ftus mit dem Geiſte des Bläubigen nicht klar machen, zumal, da er noch Pin 
feßte, daß ber Leib u. das Blut Ehrifti den Unmürdigen zwar auch gegeben, 
aber nicht von ihnen aufgenommen werden; daß Chriſtus real anweſend, aber 
nur geiftig zu empfangen ſei von dem Gläubigen. Den Gottesbien® wollte er fo 
ſehr als möglich vereinfacht u. gleichfam vergeiftigt willen, er eiferte daher auch 
egen folche Beremonien, woeldye vie Turheramer no Yulteien. ir Kileee ' 
bar die Arengfte Kirchenzucht ein, Ex \egte din Evaiterium, ap Nr oma 


Reformirte. 205 


tionen eines Gittengerichts übte und deſſen Sprüche ber — von Calvin unter 
tyrannifcher Gewalt gehaltene — Rath zu vollziehen Hatte und wirklich volls 
309 — Wer gegen Calvin fi nur irgendwie vergangen Hatte, ober dem 
Conſiſtorium nicht fittlih genug zu leben ſchien, ober iberjpenfigtei zeigte, 
wurde eingeferkert, mit Strafen belegt. (Ein Jakob Gruet wurde, weil er frivole 
ale gemadıt u. Galvin beleidigt Hatte, hingerichtet. Calvin, der gefühllofe, uns 
menſchliche Tyrann, ließ 1553 den in Genf eingefehrten Michael Servetus, wes 
Ye deſſen Tegerifher Meinung von ber Dreieinigfeit, öffentlich mit langſamem 
euer — damit er im euer noch Friſt erhalten möchte zur Belehrung — ver: 
brennen.) 1554 faßte er eine Bertragsformel ab, um die zwiſchen den Zürich- 
ern und Genfern feit Galvins Auftreten entftandenen Glaubenszwiftigfeiten beizu- 
legen (consensus nigurinus) wiewohl die Zminglianer bei der Abendsmahlslehre 
Zwingli's ftehen blie Dann feste er ein Glaubensbekenntniß auf für die R.n 
in Frankreich, endlich eines, das die franzöflfchen Rn an bie Verſammlung ber 
lutheriſchen Reiheflände, (in Worms) ſchicken follten, um fie zu einer Fürbitte 
für fi bei König Heinrich II, (der die R. in Frankreich ausrotten wollte), y 
bewegen, welches Blaubensbefenntniß auch durch Theodor Beza (Calvin's Schuͤ⸗ 
lee) u. Karel, als Abgeordnete der Genfer und ber franzoͤſiſchen R.n, 1557 nad 
Worms zu ben dort verfammelten beutfchen Kürften und Etänben gebranht ward. 
(Es wurde in dieſem Befenntniffe die Gegenwart bes Leibes u. Blutes Ehrifti 
im Altarsſacramente, deren Empfang geiftig durch bie wunderbar wirfende 
Kraft des Heiligen Geiſtes vermittelt werbe, in Calvin's Sinne behauptet). — Dieß 
find denn bie Hauptfe ten der R.n, ober, wie wir auch fagen können, die R.n find 
entweber Zwinglianer ober Balvinianer, fo daß unter den Zwinglianern auch 
Calviniſchgeſtunte u. unter diefen auch Zwinglianer find. Ueberhaupt Haben fie 
fein allgemein einigendes Glaubensbefenntnig. Ste bilden nicht zuſammen eine 
Kiche, fondern Gemeinden, von einander abgefonderte, zum Theile biffentir- 
ende Barticularitäten. Daher ift auch unter ihnen eine Menge befonderer Glau⸗ 
bensbelenntniffe von Einzelgemeinden zum Borfcheine gefommen u. fie haben fi) 
nie fo durch das Band einer gemeinfchaftlicden Eonfeflion vereinigen können, wie 
bie Altiutheraner. (Heut zu Tage find die fo zu nennenden NReuproteftanten, mögen 
fie ben Namen der Lutheraner oder der R.n ererbt Haben, gegen alle Glaubens⸗ 
befenniniffe inbifferent; fie haben ger feines, weshalb man bei ihnen in Deutfch- 
land auch anfängt, Juden u. Ehriften mit einander zu verſchmelzen) 2) Bers 
breitung ber reformirten Lehre. a) In Kranfreich Hatte fih die refors 
mirte Lehre bald nach Zwingli’s Auftreten eingefchlihen. Man nannte ihre Ans 
haͤnger Hugenotten (ſ. b.). Koͤnig Franz I. befchloß, fie auszurotten. Sie wurben 
engere kat, gemißbanbeit, vertrieben. Franz's Nachfolger, fein Sohn Heinrich II., 
(geboren 1544, geftorben 1560 nadh einer Regierung von 17 Monaten), wollte 
ebenfalls fie verdrängen. Unter dieſem Könige Hatten die beiden Oheime feiner 
Gemahlin Marta Stuart aus Echotiland, der Herzog Franz von Buife u. befien 
Bruder, der Cardinal von Lothringen, Erzbiichof zu Rheims, das Regiment. Der 
Cardinal veranftaltete eine Unterredung mit der reformirten Partei zu Poiſſy, 
um zu erfahren, in wie weit fie e8 mit ben Augsburger Confeſſionsverwandien 
oder den Lutherifchen Hielten. Calvin ſchickte aus Gen babin feinen Beza. Auch 
fam dazu ber reformirte Petrus Martyr, ein Blorentiner, der fpäter in England 
ben Zwinglianismus gefördert hat. Die dabei verfammelten Bifchöfe erklärten 
aber bie ofitionen der R.n über bie Abendmahlslehre — denn hauptfächlidh 
von biefer war bei dem Geſpraͤche bie Rebe, — für ketzeriſch. Es konnte alfo 
fatholifcherfeits feine Uebereinkunft mit ihnen zu Stande gebradht werben. Allein 
Anton von Bourbon, König von Ravarra u. fein Bruder, Ludwig, Prinz von 
Gonde, verbanden ſich mit den Ealviniften, um die Macht der Guiſen zu brechen. 
Der Prinz von Condé machte eine Verſchwoͤrung, die aber entbedt ward. Die 
Guiſen ſtegten, und ber Galvinismus wurde nun unterdrüdt, (niter uher nUa 
Heinrich UL wieder gefchüpt u. Heinrich IV. (nor Bekeiaung dee 8 
Messencyclopäble: VL AD 


706 Reformirte. 


ſelbſt Hugenot) ficherte ihnen die Religionsfreiheit durch das Ebict von Ran 
1598. b) In Holland u. den Niederlanden, wo jeboch 1551 das Bekem 
manchfach abgeändert wurbe unter bem Prinzen Morig von Oranien. 
zerfielen unter den Balvinianern miteinander Arminius (geboren 1560, 
ein Schüler Beza's zu Genf, dann 1588 Prediger zu Amfterbam, 1603 Profeie 
zu Leyden, er ſtarb 1609, u. der gleichzeitige Profeſſor zu Leyden, Sranciscn 
Gomarus u, beren beiderfeitige Anhänger, bie Arminianer u. die G 
Die von den ftrengen Calvinianern ber Keperei befchuldigten Arminianer, ix 
zugleich die republitanifch gefinnte Partei waren, fuchte ber, nach der Oberen 
haft firebende, Feldherr der Republik, Prinz von Oranien, zu unterbrüdn. & 
hielt e8 daher mit den Calvinianern. — Die Arminianer legten baher in das 
remonstrantia (woher ihr Rame NRemonftranten) ihren Blauben bar, 16M. 
— Sie behaupteten (ganz baffelbe, was bie Augsburger Eonfeflion wi 
ihre Apologie) : Gott Hat ale Menſchen zur Seligfeit beftimmt , ice 
(bedingter Rathſchluß) unter Bedingung des Glaubens an Gärifium. — 
Calvin dagegen Hatte nicht einen bebingten, fondern einen unbebingten Rathſchiß 
decretum absolutum, gelehrt. 2) Chriftus fei ‚für Alle geftorben (Calvin: Ne 
für die Präbeftinirten). 3) Der Glaube muß buch bie Gnabe gewirkt werka. 
A) Der Menſch kann der Gnade widerfichen (gratia resistibilis. Calvin: im- 
sistibilis). 5) Die Gläubigen können den Satan durch eigene Kraft überwinde. 
— Diefe Lchre des Arminianismus warb nach befien Tobe von feinem Schäle u. 
Nachfoiger Simon Epiffopius behauptet. Gegen bie vorerwähnte Remonfirag 
reichten die Gomariften (die ſtrengen Calviniſten) eine Eontraremonftrang ein, daher 
nannte man fie Eontraremonflranten. Die Partei der Remonftranten unterflüßte ke 
berüßmte Advofat Oldenbarneveld u. der Syndicus von Rotterdam, der als Zur 
und Theolog und als Bibelereget unter ben Proteftanten fo berühmt geworben) 
Hugo Grotius (Groote). Die Generalftaaten gaben 1614 eine Verordnung, ik 
den Arminianern Toleranz zuficherte. Da aber der Streit heftiger wurde, fo riefen 
fie 1618 eine Synode zu Dortrecht zufammen. Auf biefer (1618 vom fd. 
November angefangen u. bis 1619 fortgefehte) Dortrediter Synode wurden ie 
(vom Prinzen angefeindeten) Arminianer verdammt (in der 57. Gibung am nk 
der Synode. S. Walch's Hiftorifch theologifche Einleitung in bie —A 
keiten, welche außer der evangeliſchlutheriſchen Kirche entſtanden . 3 
Jena 1737). Zweihundert arminianiſche Prediger wurden abgeſetzt, AO ander 
gingen theils zu ben Contraremonftranten , theils zur römifchfatholifchen Kirde 
ber. — 1625 ftarb der Prinz. Heinrich buldete Die Arminianer in Amſterdan 
und im ganzen Holland ; 1631 ward ihnen ihr öffentlicher Gottesdienft erlaubt, 
Die Arminianer nahmen fpäter theilmeife auch die Lehrfäge der Sochnianer an; 
fie wurden Ratitudinarier (in England). Heute find die Abkoͤmmlinge, als Br 
der Rationaliften, Nichts, als Indifferentiften, die jedes Glaubensbekenntniß aus 
edel. 6) In England. Hier fing ſchon König Heinri ‚ Luthers 
Schrift: de captivitate babylonica, widerlegte u. gegen ben Luther wieder ſchrich, 
an, zu reformiren, fofern er fih, um fih an bem Papſte Elemens VIL zu raͤchen, 
vom päpftliden Stuhle u. dem Oberhaupte der Kirche losfagte u. fich —* 
Oberhaupte der anglicaniſchen Kirche erklaͤrte. Der Koͤnig wollte ſich von 
Gemahlin, Katharina von Aragonien, der Wittwe feines Bruders Arthur, trennen 
und die ſchoͤne Anna Boleyn heirathen. Der Papft weigerte ſich, dieſe Eheſcheib⸗ 
ung zu genehmigen. Schon gab es damals in England mehre, theils lutheriſch, 
theils zwingliſch gefinnte Geiſtliche. Unter dieſen Neformationsfreunden war 
auch Thomas Cranmer, (lutheriſch gefinnt) ber aber, wie bie anderen, feine 
Grundſaͤtze vor dem, ben katholiſchen Kehrbegriff feftgaltenden, Könige verheflte 
Der König gab ihn, weil er das Projekt feiner Eheicheibung u. neuen Heirath 
billigte u. öffentlich verteidigte, 1533 das erledigte Erzbistkum Canterbury, und 
ber Papft ertheilte Cranmern dazu die Bulle, Erstkist u., vwermöge bed 
mit dem Erzbisthume Eanterbury verbundenen Nrebrogattss, inkl: Lrası, v 







x 


Neformirte, 207 

Granmer die Ehefcheidung u. die neue für die ber 
verdammte. 1536 macht Ad der ee —— — 
Crommwell, ein geheimer Zwinglianer, wird zum Generalvicar in geiſilihen Dingen 
d zum Bifitator aller öfter ernannt. Anna Boleyn war der in der Schweh, 
in Deutſchland entftandenen neuen Lehre ebenfalls günftig. föniglicher 
Semahl ließ fie aber ſchon im dritten Fahre nach feiner mit ie geſchloſſenen Ehe, 
weil et fi ein neues Opfer feiner Wolluft auserfehen hatte, hinrichten, Der 
; König, ein fefter Anhänger ber katholiſchen Lehre, mit Ausnahme beffen, daß er 
fih das Kirchenregiment felbft: anmaßte, pri irte 1539 6 Artikel, die bei 
Baer nicht beftritten werben bitrften; fie ftabilivten bie Transfubftanttatton, 


NUDILL 
EugEr 


der Gelübde, bie ftille Meſſe, die Ofrenbeichte, Dieſe Artikel Hätte Gromwell 
—* abgeſchafft geſehen, fo gut wie fein Freund Cranmer. Cromwell mußte aber 
büßen, als er bes Verbrechens bezüchtigt ward, bie neuerungsfüchtigen Vre⸗ 
Diger, bie den 6 Artifeln abhold waren, befdyügt zu haben. Er warb vom Bars 
Tamente als Staatöverbredier eingeferfert Tode verurtheilt, Die Luft 
ſich aber nad 88 Tode. Weil Heinrichs Sohn, Eduard VI., erſi 
10 Jahre alt ift, wird ber Vetter des Amgen Könige, Eduard: Seymour, der 
30g von Somerfet, als Brotector bes Königreichs eingefept, ber ein Zwing- 
iſt. Nun wirb das Reformationswerk begonnen: — die 6 Artikel werben 
bgeſchafft. Lehre u. Eultus werben reformirt bıredy bie ———— 
llaner, Petrus Martyr (ein Florentiner), und Bernardinus Ochin und neue 
Eehrartitel feſtgeſtellt 1549 ; die 7 Saframente wurben auf 3, nicht Saframente, 
fondern Heilige Ceremonien reducirt (Taufe, Abendmahl, Katechumenenconfirmation), 
aber bie Tathoifge Faften (die AOtägige, an Duatember und anderen Tagen) ıt. 
ii Betoge der Heiligen werben beil je. Die Kloͤſter werden verfauft, das 
der Satrifteien, bie Einkünfte von den Bisthümern u. Domcapiteln 
befommt ber Proteftor, er erbaut von ben minder ER Kirchen und 
bifchöflichen Häufern für fi Paläfte. Solches Wirthſch hieß Reformiren, 
Drei Biertfeile von ben 16,000 Weltgeiftlichen, aus denen in England die Priefter- 
ſaft beftand, folen ſich (mach Burnets Verfiherung) verheirathet Haben. — Nah 
Edwards VI. Tode führt Maria bie katholiſche Religion wieder ein, fie regiert von 
1555 big zu ihrer Hintitung 1558, _ Eranmer wirb verhaftet u, als Staates 
Verbrecher zum Tode verurtheilt. Unter der Königin Eliſabeth (Heinrichs VIII. 
Tochter von Anna Boleyn) wird der Ealvinismus hergeftellt u. bie Kirche unter 
das Regiment von protefantifchen Bifchöfen gefett und fo bie Epiffopalticche 
gegränbet. Die früher beftandenen 42 Artifel des Glaubensbekenntniſſes werben 
auf einer Synode zu London auf 39 reducirt. Eine Partei aber wollte nicht die 
Epiffopals, fondern, (nach Genfer Art) die Presbyterials Berfaffung ber Kirche, 
Diefe Presbyterialen ober Presbyterianer oder Roncoriformiften fuchte Eliſabeth 
zu unterbrüden. Auch Mariens Sohn, König Jakob L, verfolgte fie (1620). 
Iatob I. Jakob's I, Sohn führte eine Reife von Jahren Krieg gegen fie unl 
bie ihrer Geſellſchaft angehörigen, noch freier gefinnten Lichtfreunde, die Puritaner 
genannt wurden und weiten von Zwingli's Secte waren; allein 1643 warb 
neben ber Epiffopaltiche auch die PBresbyteriallicche etablirt. Unter Cromwell 
(Dietator von 1653—1658) wurden die Preöbyterianer, weil fle nicht mit für 
Karls I. Tod (1539) geſtimmt Hatten, aus dem Parlamente gejagt, doch nahmen 
fle, nach Cromwells Sturze, ihre Sihe wieder ein. Unter Karl I. erhebt ſich bie 
Epifkopalkicche zur herrſchenden. In ber fpätern Zeit gebar Hier bie veformirte 
Kirche als eine fruchtbare Mutter allerhand Serten aus. Reuerdings ſind 
ganze Geſellſchaften wieder katholiſch geworben. 1833 gab Pufey, Kano- 
nicus an ber Geiſtchurch und Profeſſor ber hebräifchen Sprache zu Orforb 
mit anderen Gleichgeſinnien eine Reife Tractate Heraus, worin Ver yes 
tifchen Behre wahrlich feine Elogen gemacht wurben ((. Bulen\awus), W 
Schottland fegte fi) bie presbyteranifche Kroe ſch on NR. 


aige 


Bu Erz m a m p on) 
* 


ommunion unter einer Geſtalt, ben Colibat ber ——— Verblndlichte 
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LER 


708 Refraction. 


d) in Deutfchland befannten fi) (abfällig geworden vom £utheranismus) zum 
reformirten Lehrbegriffe die Pfalz u. Baden — der Pfalzgraf vom Rheine, Fries 
drich II. ließ 1562 einen Katechismus (den Heidelberger Katechismus) ans 
Licht fielen, welcher von mehren Gemeinden ala Schulbuch angenommen wurde 
Friedrichs Sohn entfernte nach des Vaters Tode 1576 bie reformirten Prediger 
u, erneuerte ben lutheriſchen Kultus. Sein Nachfolger Friedrich IV. (1583) rief 
bie Reformirten wieder zurüd. Aber Johann fiellte 1644 den Putheranismus 
wieder her. — Außerdem wandten ſich zur reformirten Lehre Hefien u. Bremen, 
bie Mark Brandenburg (zwar befennen die Brandenburger fi zur Augsburger 
Gonfeflion, geben aber Zwingli’8 Abendmahllehre nicht auf), ber Für von Au 
halt» Deffau. Durch den weitphälifchen Friedensſchluß 1648, bem auch 1815 der 
Wiener Bundesacte zum Grunde gelegt if, obwohl gegen dieſe Acte der paͤpftliche 
Stuhl proteftirt pat , erhielten die Reformirten rechtliche Anerkennung (db. h. fe 
erhielten in ben Tatholifchen und Iutherifchen Ländern Anſpruch auf Duldung und 
eie Religionsübung , oßne jedoch gleiche Staatsbürgerrechte beanipruchen zu 
önnen). — In Sachſen hatten unter den Surfürften Auguft u. Ehriftian einige 
lutherifche Prediger (in Dresden die Hofprediger Schüp u. Salmuth) und einige 
Superintendenten unter Borfchub des Kanzlers Nikolaus Crell den Calvinismus 
u. die Abichaffung des Erorcismus bei der Taufe erzielt (Kryptocalviniſten). 
Diefe wurden unter Ehriftian IL (er regierte von 1596 — 1611) ihrer Aemter 
entfett, verhaftet u. des Landes verwielen, der Kanzler Erell wurde nach 10jä% 
riger Haft (wovon er geſchwollene Fuͤſſe erhalten), ob er wohl feine Unſchuld 
dargethan Hatte, nach dem, in Prag über ihn gefältten, Urtelsſpruche zu Dresden 
enthauptet. (1601 den 9. Oktober.) In den preußijchen Staaten wurde 1815 
eine Union zwifchen lutherifchen u. reformirten Gemeinden zu Stande gebradt; 
gewiſſe altlutherifch gefinnte Geiftliche und Gemeinden (3. B. in Schleſten) weis 
erten fich diefer Union u. beftehen jebt, nachdem in Preußen Glaubensfreiheit 
taatsgeſez geworben if, um fo feſter. — Symboliſche Schriften ber R.r 
(welche Schriften jedoch nur bei Sondergemeinden Geltung haben): 1) Confessio 
tetrepolitana (d. i. das Belenntniß ber 4 Städte: Straßburg, Memmingen, 
Konftanz u. Lindau) 1530. 2) Die Wittenberger Boncorbia (1536). 3) Die 
drei helvetiſchen onfeflionen 1536 (von Bullinger, Leo Juda, Juſt. Myconius 
oder Mecum u. Simon Grynaeus) umgeändert im I. 1566 u. im Namen ber 
elvetifchen Kirchen, Yafel ausgenemmen, edirt, — die Bafeler (die Muͤhlhaͤnſer, 
532). 4) Die 39 Art., das Symbolum der anglitanifhen Kirche (unter Eliſa⸗ 
beth) 1562. 5) Ein Symbol der franzöfiichen Reformirten von 1559, auf einer 
Barifer Eynode (verfaßt von Antoin Ehanlien reformirten Prediger zu Paris). 
6) Acta synodi Dortracenae 1618 (u. 1619) auf welcher Eynode die Arminia 
ner (Remonftranten) unterbrüdt wurden. 7) Catechismus Heidelbergensis 1562. 
8) Die Marchiſche Eonfeffion 1540 (vom Markgrafen zu Brandenburg, Johann 
Sigismund), calviniſch u. auch abweichend von Calvin. Wilke, 
Refraction. Wie die Lichtſtrahlen, fobalb fie andere Körper treffen ‚om 
ihrer frühern Richtung abgelenkt, d. 5. gebrochen werden (Bergl, den Art. Bre 
Kung), fo ik dieß auch bei ben, von ben Geftirnen des Himmels in unfer Auge 
kommenden, Lichtſtrahlen der Fall, die durch die Atmofphäre der Erbe gehen, von 
welcher fie ebenfalls in ihrer Richtung abgelenkt werden. Daher fieht man biee 
Geftirne nicht mehr an denjenigen Stellen des Himmels, wo fie wirflich find, d. 
h., wo man file fehen würde, wenn unſere Erde von feiner bas Licht brechenden 
Atmofphäre umgeben wäre. Diefe Beränderung bes fcheinbaren Orts ber Geſtirne 
Heißt die aſtronom iſche Strahlenbrechung oder die R., u. weil ber Aftronom 
vorzüglich den wahren Ort der Geflirne, den fie am Himmel wirklich einnehmen, 
genen fennen u. fi von allen Iüuflonen, welche diefen Ort ſcheinbar verändern, 
efreien muß, fo fieht man ſogleich ein, daß es für ihn fehr wichtig if, bie Groͤße 
biefer R. bei allen feinen Beobadtungen auf has Gerrauekte zu kennen. — Wem 
man 5108 irdiſche Gegenftänbe, 1. B. die Kine ind Beraniiär , ataiieet, 


Nefraetor — Regel. 209 


liegt biefer felbft in ber Atmofphäre und das von ihm kommende Licht geht nur 
durch einen Theil der Atmofphäre, der aber in feinen verfchiedenen Punkten eitte 
verſchiedene Entfernung u. daher auch eine verjhiebene Dichte hat, fo daß alfo 
der von bem Berggipfel ausgehende Lichtſtrahl, von jedem Theile ber Atmofphäre, 
durch welchen ex geht, ungleich angezogen, eine frumme Linie beſchreibt, In deren 
legter Tangente man die Spige bes es erblict, Der Mintel, weichen biefe 
Tangente mit derjenigen geraben Linie bilbet, 'die das Auge des Beobachters mit 
dem tedifchen Gala (hier mit der Spipe bes Berges) verbindet, heißt bie 
terreſtriſche R. 

Nefractor, ſFernrohr. 

Refrain, (franz) Schlußreim, Wieberholungsfag , beſtehend in ge fen 
Verszeilen einer Strophe bei Geſellſchaftsliedern, ober anderen Heinen hhriſchen 
Gedichten , welche am Ende jeder Strophe, hauptſaͤchlich vom Chor, wiederholt 
werben; bann auch bie dazu gehöri, e Melobie. Das Wort iſt wohl vom lateiniſchen 
frenum, in ber Bebeutung von Zufamınenfag ı Verbindung (hier im Chorge⸗ 
Er —J wovon refrenare, ee Wiederhofumg der frühern 

en). 


Rena, iſt der Gefammtname mehrer Feiner Orgel-Ropriverke ; insbeſondere 
führt diejen Namen ein Schnarriwert bei alten Orgeln, von 8 u. 16 Fußton, zus 
weilen die Orgelſtimme vox humana genannt; dann auch ein altes mit 2 Bälgen 
verfehenes Elavierinftrument, worin ein Schnarrwerk enthalten war ı. deſſen man 
fich bei muſikaliſchen Aufführungen, hauptfſächlich zur Begleitung ber Singftimmen, 
bediente. Die Benennung flammt vielleicht vom mittelalterlihen rega, Reihe, 
(nämlich Feiner Schalllöcher u. dgl.) 

Regalien oder Hoheitsrechte Heißen theils bie, aus bem Wefen u. Zwecke 
ber oberften Gewalt im Staate fließenden, durch bie — Erreichung bes 
Staatszwedes unmittelbar bedingten, Rechte bes Regenten (imefenilihe Hohelts— 
rechte, regalin essentialia, höhere Hoheitsrechte, mejora), theils bie Eigen- 
thumdrechte des Staates an geniten Gegenftänden, ober zum Vortheile des Stan- 
tes vorbehaltene Nechte, welche in ber Befchränkung bes freien Gebrauches bes 
Eigenthumes beftehen (vorzugsweife R. genannt), (zufälige Hoheitsrechte, regalia 
accidentalia, niedere Hoheitsredite regalia minora). Jene find fo vielfah, als 
die Zmede u. Mittel, welche in ber Staatsgewalt ihrer Natur nad enthalten 
ſeyn müffen u. man theilt fie ein: a) in innere, welde bad Berhältniß des 
Staates zu feinen Bürgern betreffen, u. äußere, in Beziehung ber Berhäftniffe 
bes Staates zu anderen Staaten; b) in Nüdficht der Wirkfamfeit des Staates 
zu jenen Zwecken: in das Recht ber Gefeggebung, ber Oberaufficht und Voll⸗ 
siehung. Die wefentlihen Hoheitsrechte find: die Kriegs⸗, Juſtiz⸗, Polizei r, 
Kirchen «, und Finanzhoheitsrechte. 

Regatta, ift eine öffentliche Luſtbarkeit in Venedig, bie barin befteht, daß 
eine Anzahl Bote vom Marfusplage aus einen Wettlauf auf ben, die Stadt durch⸗ 
freugenden, Kanaͤlen Halten. In jedem Boote ift nur eine Perfon und diejenigen, 
welche zuerft das gefehte Ziel erreichen, erhalten Kleine Prämien an Geld. Die 
Benge ber Zuſchauer, bie in prächtig geſchmückten Gondeln ſich einfinden, biefen 
Wettlauf anzufehen, und die zahlreich zu biefem Volksfeſte fich einftellenden Frem⸗ 
den a den benachbarten Staͤdten ch bei ber ganzen Sache das Sehens⸗ 
wuͤrdigſte. 

Regel (lat. regula), iſt die Annahme gewiſſer Grundſaͤtze als Normen für 
das Wiſſen u. Leben. Man ſchoͤpft dieſe Normen gewoͤhnlich aus ber praltiſchen 
Seite der Wiffenfchaft u. des Lebens. Diele find fobann als bereits praftiiche 
Regeln bie befjeren, während bie bloß theoretifch autgefellten ihre Bewährung 
finden muͤſſen. Es gibt folhe Regeln in allen 3: am des Wiflens, auf allen 
Seiten des menſchlichen Lebens, fo Sprache, Sittm- Lebensregeln. Die Mobifis 
kationen, bie Im Wiffen, wie im Leben vorkommen können, gm Voro do xg· 
baß bie meiften Regeln auch Ausnahmen erleiden wühen u, Naher ht Aa hr 


110 Regen. 


ſolut feſtſtehende Normen betrachtet werben konnen. Sie bilden daher nur bas 
a ei Angenommene, in jenen Fällen, wo überhaupt Regeln gut 
geſtellt werden. . 
Negen ift ber Nieberſchlag atmofphärifcher Waflerbünfte in Form von grös 
Beren oder Kleineren Tropfen, Waſſerſtrahlen und ganzen Maflen. Durch bie 
Sonnen» u, Erdwärme, fowie durch die animaliſche Wärme wird fortwährent, 
vorzügli aber an heißen Sommertagen, eine große Menge Wafler, bas auf ber 
Erbe, in Gewäflern, Pflanzen und lebenden Geſchoͤpfen ſich befindet, in Dämpfe 
verwandelt, welche, meift unſichtbar, in Form kleiner Dunftbläschen in bie At: 
mofphäre auffleigen und zwar jedesmal bis zu einer ſolchen Höhe, wo fie eine 
Lufifchichte antzeffen, bie mit ihnen gleiches fpecififhes Gewicht hat. In Folge 
gegenlekiger Anziehungskraft, Entziefung des Wärmeftoffes durch die Tältere Luft, 
jhütterung durch Luftſtrömungen u. eleftrifhe Schläge und bei Eleftricitäts; 
veränderungen , vielleicht auch wegen gewiſſer chemifcher Verwandtſchaft, verdich⸗ 
ten fich jene Dünfte, fließen zufammen und fallen, weil fie nun zu ſchwer gewor⸗ 
ben find, um noch von ber Luft getragen werben zu können, von größerer ober 
ge gerer Höhe Kerab, theils als Dunft- u. Staub⸗R., theild als Gtrid: 
‚ber, aus einer einzelnen vorüberziehenden Wolfe fallend, nur Turze Zeit 
dauert u. nur einen Fleinen Landſtrich berührt; theils als Land R., von längerer 
Dauer u. weit fich verbreitend; theils als Platz⸗R., ber, meift bei Gewitter, 
in großen Tropfen fällt, aber nicht lange anhält; theils als Woltenbruch, wo 
das Wafler in ganzen Maflen niederfällt u. große Berheerungen anrichtet. SIR 
bie niebere Atmojphäre fehr feucht u. warn, fo werben bie R.⸗Tropfen währen 
bes Fallens immer —5 — ba fie, zufolge ihres geringeren Waͤrmegrades, immer 
mehr der waͤrmeren Duͤnſte aus ber niedrigern Atmofphäre ausſcheiden u. in ſich 
aufnehmen, u. zwar um fo mehr, aus je größerer Höhe fie herabfallen, wie bie 
bedeutende Größe der R.sTropfen in tropifchen Gegenden beweist, Auch Haben 
Seberben’e Berfuche engen) gezeigt, daß unter ben erwähnten Bedingungen bie 
affe bes gefallenen R.:Waffers auf dem Dache eines Haufes ober Thurmes ge 
tinger ift, als am Fuße defielben. Treffen dagegen bie herabfallenden —* 
aut fehr trodene Luftſchichten, fo verbunften fie auf ihrer Oberfläche entwe 
anz, oder zum Theil, fo daß fle entweder gar nicht, ober boch Immer Fleiner zur 
de fommen, wie Copland u. A, bemerkt Haben. — Die Menge bes fallenden 
R.s iſt nicht überall u. immer biefelbe; fie Hängt im Allgemeinen von Jahreszeit 
u. geographifcher Breite, im Beſondern aber von örtlichen Berhältniffen u. ans 
deren Einflüffen, 3. B. von ber Höhe u, Richtung ber Gebirgszuͤge, von ben Win- 
den, von ber Rähe großer Gewäfler ıc. ab. Daher ift nicht allein die vorher; 
chende Richtung ber R.- Wolken von Süden und Welten, ſondern audh die ver- 
chiedene Menge bes fallenden R.s in verfchiebenen Breiten und Gegenden. Sn 
Gebirgen 3. B. fällt mehr R., als in Ebenen, in ber heißen Zone mehr, als in 
ber gemäßigten u, falten. Die Höhe bes jährlich fallenden R.⸗Waſſers t 
unterm Aequator durchſchnittlich 75 Zoll, unter den Polen würbe fie nur 5 30 
betragen; (in Deutfchland etwa 24 Zoll, in St. Domingo 115 Zoll, in Mala 
bar 116 Zoll 26). Die mittlere Menge des jährlid auf der ganzen Erbobers 
fläche fallenden R.s ſetzt man, der Berbunftung gleih, auf etwa 30 Zoll. Zur 
Meffung des aus ber Atmofphäre fallenden Waſſers dient ber R.Mefjer (Om 
brometer, Hyetometer, Ubometer), cin oben trichterförmiges Gefäß von 
Metall, mit einer Borrichtung zum Meffen, von Rariotte, Horner u. 9. erfun⸗ 
ben. Der Rupen bes R.s für ben Haushalt der Ratur, befonders für das Thier⸗ 
u. Pflangenleben , für Reinigung ber Luft, Speifung ber Quellen, Flüffe und 
Deere ꝛc. ift unenblich. 
Regen, ber — Hauptfluß bed bayerifchen Waldes, bilbet ſich aus 3 Quel⸗ 
Ien, dem großen u. Kleinen Regen, und dem aus bem * herabkommenden 
weißen Regen. Nachdem er unfern Cham den Chambfluß aufgenommen, age 
er fich nad einem Laufe von 22 Meilen be Regensburg in die Dana. IR 


Regenbogen. 1" a 


u. wird auch zur Holy benuͤtzt. Sein Wi iſt von brauner 
en fehr far u. Gratin In dem fanbigen Grunde bes. Flufies_finbet 
man in. großer Menge bie en ſperlmuſchel (Unio margaritifer). Das Filchen 
derfelben ift Regale. Franz Zaler, ein Bayer, entbedte 1437 die erften 
im Regen u. erhielt von den Her; Ernft u. Albrecht für 6 Jahre Erlaubniß, 
ea eh enbogen, Heiße Rap prachtoe 

egenbogen, a8 pri je fiebenfarbige Meteor, das IE, 
mig an Regenwolfen oder anderen, vom Regen: berührten,, dunklen Gegenhänden 
van wenn jene von ber..Sonne: beſchienen werden u. der Beobachter fich zwi⸗ 
hen biefer u. ben Wolfen befindet. Diefelbe — rat man auch bei 
Bafferfällen ober auf dem Meere, wenn: es hoch geht u. Die Wellen in Dünfte 
zerftieben, an Wehren, Mühlen ıc, u. nicht bas Sonnen, fondern aud) das 
Mondlicht bewirlt R., obwohl wegen feiner geringeren Intenfität in bleicheren 
ee ” ———— un ei fallenden 

egentropfen nach den en ber ung en Farben 
wird, bie unter gewiffen Winkeln in das Auge bes Beobachters a 
Ordnung der Farben. eined R.s von innen nach ift folgende: Violett, pur⸗ 
purblau ‚ Hellblau, grün, gelb, orange, x: jaſt immer erfcheint über. bem 
—— noch ein, mit iefim eoneentrifch Taufender, etwa g ° entfernter Neben» 
— a ee folgen und ber das an bee Wolfen, 
wand abgefpiegelte Bild teR.s iſt. Die Breite des farbigen Ringes am 
—— eträgt 2°. 16°. Der Halbmeſſer bed ganzen von ihm gebildeten Krei⸗ 
ſes 40°, daher auch fein R. fichtbar ſeyn fan, wenn bie Sonne höher ald 42° 
16‘ über dem Horizonte fteht. Beim Auf u. Untergange derſelben 36 dem 
Beobachter * die Haͤlfte des ganzen Kreiſes und von hohen dpunlten 
die Hälfte des R.o. ent fi) Die Regenwand nicht weit genug 
am Himmel Hin, um: ben aanıen Gefichtöfreis auszufüllen, unter welchem ber 
Theil des R.s in das Auge des Beobachter fallen muß (was fi übrigens mit 
ber Veränderung bes Etandpunftes des Beobachters ändert, indem man von ver⸗ 
ſchiedenen Punkien aus immer einen andern R. fieht), fo erſcheint derfelbe als 
unvollftändig (Waffer- oder Regengalle). Der Exfte, der die Entftehung bes 
R.s richtig erflärte, war Anton de Dominis, Bifhof von Spalatro; mathemas 
tifch wies e8 fpäter Newton nad. — Hängt man eine bünne, hohle, mit Waffer 
gefülte Glaskugel an einer Schnur fo auf, daß fie beliebig auf u. nieder geooen 
werben kann u. bildet die @efichtslinie des Beobachter mit ben auf die Kugel 
fallenden Sonnenfttahlen einen Winkel von 42°, fo erblidt man an ber untern, 
von der Sonne abgefehrten, Seite ber Kugel zuerft bie rothe und, je mehr man 
die Kugel nad) u. nach bis zu 2° 16° tier herabläßt, nad u. nad) bie range, 
elbe, grüne, hellblaue, purpurblaue u, violette Farbe. Zieht man dagegen bie 
ugel bis zu einem Winkel von 51° in die Höhe, fo erſcheint das Roth auf 
der obern, ber Sonne entgegen gefehrten, Seite und bie übrigen Farben folgen, 
je höher man bie Kugel emporzieht. Diefelbe Erſcheinung erfolgt, wenn bie Ku⸗ 
gel zusig bleibt, aber das Auge des Beobachters feine Stellung allmählig vers 
rüdt. Auf diefe Weife ficht man genau, daß die Karben bes Haupt - R.s unter 
einem Winkel von 40 — 42°, die dee Reben⸗R.s in umgekehrter Folge unter eis 
nem Winfel von 51 — 54° in bas Auge des Beobachters fallen. 

Regenbogen, Barthel, einer ber zwölf alten Meifter, war Anfangs ein 
Schmied, verließ dann dieſes Gewerbe und ergriff aus einen unwiberftehlichen 
Triebe die Dichtfunft. Er begab fi an ben Rhein, die beften Sänger zu ſuchen 
und fi mit ihnen zu üben. In Mainz, wo er fich niebergelaffen, ober doch 
lange aufgehalten zu Haben fcheint, fand er ben damals vor allen berüßmten u. 
btühenden Srauenlob (ſ. d.), mit bem er in beftändigem Wetteifer lebte, ber 
öfter in gelistet und Bitterfelt ausbrach. Er trug viel zur Vorbereitung ber 

jäteren Meifterfänger bei. Seine Gebichte, in denen ex Frauenlob weit nachfteht, 
id meift muͤhſam zufommengereimt aus ber Religion, Morok un ven Bee 


712 Regeneration — Regenöburg. 


ſchaften. Bei dieſem Allem aber blidt ein inniges redliches Gemüth, ein wadern 
Sinn und eine fefte Meifterfchaft dur. Er flarb nad 1318, denn cr fein 
Frauenlobs Gedaͤchtniß durch ein Lieb an bie heil. Jungfrau. Seine Gedichte 
flehen jebt in H. v. d. Hagen’s Sammlung ber Minnelänger. x. 

Regeneration, ſ. Reproduction. 

Regensburg, die Hauptſtadt bes bayriſchen Kreiſes Oberpfalz und Regent 
burg, legt an der Donau, welche in ber Rähe ben Regen, bie Raab und bie 
Laber aufnimmt, u. im Bereinigungsfnoten zahlreicher Verkehrwege. Als Schluͤſſel⸗ 
punft der bayrifchen Donau führt es mit Recht bie gefreuzten Schlüffel im Wappen. 
Die Gegend iſt eine der fchönften u. fruchtbarften Deutfchlande. Bon brei Seiten 
umgibt offenes, ebenes Land die Stadt und erft in einiger Entfermung reigt ſuͤd⸗ 
waͤrts eine theils angebaute, theils bewaldete Huͤgelkette empor. Im Norden, 
jenſeits der Donau, ziehen die maleriſchen Vorberge des bayriſchen u. oberpfälg: 
fhen Waldes Hin. Einen großartigen Eindrud wird das Oval bes R.er Donau: 
thales felbft bei Dem Hervorbringen, ber bie Herrlichfeiten ber Welt näher ke 
[chen hat. Die Luft iſt gefund, das Klima mild und felbft dem Weinftode ge 
deihlich. — R. zählt einfchließlich ber für fich unbebeutenben Bororte Prebrunn, 
Kumpfmühl, am Balgenberg, St. Nikolaus und Einhaufen 23,948 
Einwohner, worunter gegen 8000 Proteftanten und 130 Juden. Es ift gegen 
wärtig ber Gig der Kreisregierung für bie Oberpfalz und R., eines Bis ‚ 
deffen Sprengel 625,000 Seelen umfaßt, eines Domfapiteld, bes Kreisfommando’s 
ber oberpfälzifchen Landwehr, einer Stabt: und Regiments: Eommandantfchaft u. 
das Standquartier eines Infanterieregiments. Weiter finden fi Hier: ein Ober 
poftamt, Oberauffchlagamt, eine Schulbentilgungs-Spezialfaffe, ein Hauptzollamt, 
Salzamt, Kottooberamt, Kreisfcholarchat, eine Stadtecommiffion, ein Kreis⸗ unb 
Stadtgericht, ein Wechfel- u. Merkantilgericht, bie Hanbelsfammer für ben Kreis 
Oberpfalz, zwei Rentämter, eine Bauinipektion, bie fönigl. Donau» Dampfichiff- 
fahrts- Verwaltung, bie Berwaltunge » Oberbehörden des Fürften von Thurn und 
Taris, ein Fatholiiches Dekanat und A Pfarreien, ein proftantifches Dekanat und 
2 Bfarreien, ein Rabbinat, ein Magiftrat I. Klaffe. Bon geiſtlichen Stiftern u. 
Kommunttäten beftehen in R.: Die Kollegiatftifter zur alten Kapelle und zu St. 
Sohann, das Schottenklofter Benebiktiner-Ordens zu St. Jakob, ein Kloſter ber 
Rarmeliter, die Frauenflöfter zu St. Klara (Klariſfinen) und zum heiligen Kreuz 
(Dominitanerinen), endlich ein Kilialinftitut der barmberzigen Schweſtern, welde 
bas fatholifche Krankenhaus bedienen. Für bie Zwecke der Menfchenliebe und 
Wohlthaͤtigkeit ſorgen: Das Armeninfitut, das Ct. Katharinenfpital, das Et. 
Dswaldsfpital, zwei Waiſenhaͤuſer, zwei Bruderhäufer, zwei Krankenhaͤuſer, eine 
Raͤhr⸗ u. Beiehäftigungsanftalt, Die Lubwigsanftalt zur (erziehung armer, verwahrs 
(oster Kinder, ein Blinbeninftitut, ein Taubftummeninflitut, eine Kreishilfstaffe, 
der Kreisausfhuß des Vereines zur Beförderung ber fittlihen und bürgerlichen 
Wohlfahrt entlaffener Züchtlinge, eine Leihanftalt, eine Sparkaſſe, eine Kleinkinder⸗ 
bewahranftalt , ein Damenverein zur Unterflügung armer Wöchnerinen, ein 
FrankensÜnterflügungsverein u. a. m. nicht zu vergeflen ber Stiftungen bes Ge⸗ 
heimrathes v. Müller au Stubienftipendien, zur jährlichen Bertheilung von Brenn; 
holy u. Hausmiethe s Beiträgen unb zur Unterflübung herabgekommener gewerb⸗ 
treibender Bürger. Anſtalten u. Bereine für Wiffenfhaft, Kunft und Unterricht 
find: Das bifchöflicde Klerikalfeminar, das Lyceum, das Gynmaſium mit ber la; 
teinifchen Schule, die Aula scholastica bei der alten Kapelle, bie Kreislandwirth⸗ 
fhafts und Gewerbichule, die f. Seminarien zu St. Emmeran und Et. Baul, bas 
Mufif: u. Studienfeminar der alten Kapelle, bie Dompräbende, das k. proteſtan⸗ 
tiſchen Alumneum, bie Tatholifchen unb proteftantifdhen Elementarfchulen, eine 
Schwimmſchule, eine Turnanftalt, bie Sternwarte, bie k. Bibliotkef, an 60,000 
Bände zählend, bie Studienbibliothef, der Hiftorifche Berein mit reichhaltigen 
Sammlungen von römifchen und beutichen Alterthümern, bie botanifche Geſell⸗ 
Schaft, ber Kreislandwirthſchafts⸗Verein, der zoologiſch⸗ mineralogiiche Verein, ber 


Regensburg. 713 

Kunftverein , ber Li Unter den iellen Anftalten macht ſich ein 
Actienverein  bemerflich, bie Geſellſchaft zur Beförderung der Seibenzucht in Bayern. 
Bon ben fonftigen Unternehmungen der Gewerbthätigfeit find. vorzüglich erwäß- 
nenswerth: ‚Die Schwerdtner ſche Porzelanfabrit, bie Tabaffabrif ber Gebrüder 
Bernard, die Kraͤnuer ſche Wachsbieiche Wachelichterfabrik, die Rehbach'ſche 
Bleiſtiftfabtik und Steinroͤhrenbohrerei, bie Zenbefche Tuchfabrik, eine Runtel⸗ 
rübenzuderfabrif; Das Bierbrauen und bie Gerberei werben lebhaft betrieben; 
die Gold-, Silber, Stahl u Pofamentierwaaren R.s find beliebt, eben fo M 
u. Würfte; der von den Karmelitern gebrannte Meliffengeift Hat ftarfen Abgang ; 
einer europäifchen Berühmtheit erfreuen fich die Kuchenreuter’fchen Beuerwaffen. 
Landwirthſchaft u. Gärtnerei, begünftiget von dem fruchtbaren Boden des Stadt: 
begirkes, finb in trefflichem Zuftande. Die — Lage macht R. zum Haupt⸗ 
ftapelplag der Schifffahrt und des Handeis Saye ‚auf ber Donau bis Nm 
und Wien, Der Berfehr mit Ir Du u. Getreide auf biefem Strome u. dem 
Zubwigfanale ift beträchtlich. R. ift der Hafen u. Gtationsplag der baytiſchen 
Donau » Dampffchiffe, und in meuefter'Zeit Hat es auch einen & jen befommen, 
ber. indeß feine wohlthätigen Folgen erft dann wird zeigen fönnen, wenn bie Ver⸗ 
hältniffe für den Handel ſich wieder günftiger geftalten, als ‘dies bei den ſchwan⸗ 
kenden politifchen umb fozialen Zuftänden ber Gegenwart der Fall if. — R., 
dem Plane beſchaut, gleicht einem Bogen, deſſen Sehne die Donau bildet. 

ben Bitusbadp wird es in zwei ziemlt ale e Hälften getheilt, welche bie obere 
und untere Stabt Heißen. Als Ueberrefte einer em viel feren Ber 
fefligung umgeben bie Stadt auf der Landfeite doppelte Ningmauern, 2 
Barteien und ein tiefer Graben, Fünf Haupt: und mehre Nebenthore führen in 
das Innere, weldes in der’ Unregelmäßigkeit feiner Gafen und durch bie Bauart 
eines großen Theiles der Kirchen und Wohnhäufer ein Hohes Altertfum beurs 
fundet. Eine befonders auffallende Eigenheit R.s find bie maffiven Streit- und 
Ritterthuͤrme, die neben vielen‘ ber Altern Häufer auffteigen und felben ein burge 
ähnliches Anfehen geben, Eines diefer in ber Art markirten Gebäude, das „Haus 
zum Goliath“, zeichnet ſich noch überbieß Durch ein im Foloffalften Maßſtabe an- 
gelegtes Fresfobild aus, darftellend den Kampf bes Hirtenfnaben David mit dem 
Rieſen Goliath. Zum Erfage für feine großentheild engen und finftern Gaffen 
hat R. viele, mitunter fehr geräumige Plage. Das Pflafter ift gut und wirb 
reinli gehalten. — Unter den Sehenswuͤrdigkeiten ber Stadt behauptet bie erſte 
Stelle der Dom zu St. Peter, ein Meifterwert deutſcher Baufunft, defien An- 
blick Ehrfurcht und Bewunderung einflößt. Den Grundflein zu biefem majeftätis 
ſchen Tempel legte ber Biſchof Leo Thumborfer am 23. April 1275, umb ber 
erſte Werk» ober Dombaumeifter hieß nach Schuegraf's Ermittelungen Subwig, 
ein geborner R.er. Bis zu Anfang des 16. Jahrhunderts dauerte der Bau, 
leihwohl blieben die beiben Glodenthürme, welche eine Höhe von 400° erreichen 
ſollten, unvollendet. König Ludwig von Bayern unterzog in umfern Tagen bie 
Kirche einer durdhgreifenden Reflauration und gab, indem er allen Tand ent 
fernen ließ, ben Ungeſchmack und Afterkunft n Jahren in ben weiten Hallen 
angehäuft hatten, dem Baue feine alte Reinheit u. Würde wieder. Auch erfepte 
er bie in einigen Senfaödgen fehlenden Blasgemälde buch neue, von Münchener 
Künftlern gefertigte. Der R.er Dom Hat 333° Länge, 156’ Breite und im Mittels 
ſchiffe 120° Höhe. Zum Chore fleigt man auf einer breiten Marmortreppe empor, 
und im Hintergrunbde befielben fteht ber gan ſilberne Hauptaltar. Sn den beiden 
Seitenfchiffen fallen befonders die kunſtreich aus Stein genen Rebenaltäre u. 
der zierliche Schöpfbrunnen in’8 Auge, Bon ben zahlreichen Grabbenktmalen ver 
dienen nähere Befichtigung: das der Margaretha Tucherin von Nürnberg, ein 
Bat Peter Vifcher’s, jenes des Würftbiichof6 Graf Herberfein, auf einer Stein- 
platte Die Spaifung der 5000 Mann darſtellend, das prächtige Monument bes 
Kardinals u. Biſchofs Philipp Wilhelm, eines gebornen Herzogs von Bauanı 
das Grabdentmal des Fuͤrſten Primas Eqrl Dalberg , entihäg ie Eykaytien Ver 


714 Regenöburg. 


letztverſtorbenen Bifchöfe v. Sailer, Wittmann u. v. Schwaͤbel. In der Sch 
fammer verwahrt man koſtbare Altertfümer u. Kirchen erätbe. Wie durch 
edle und großartige Anordnung feines Innern zeichnet Hs er R.er Dom aud 
buch bie treffliche Maffirung des Aeußern aus. Das Brptportal an ber Bor; 
berfeite übertrifft an Schönhelt u. Ausführung vielleicht Alles, was in biefer Art 
efhaffen wurde. Die oͤſtliche Seite (Choranſicht) ber Kirche zeigt bie deutſche 
aufunft in ihrer vollſten Reinheit. Eines Beſuches werth find auch bie zum 
Dome gehörenden Kreuzgaͤnge, welche bie „Allerheiligenkapelle“ und ben foge 
nannten „alten Dome * umfihließen. — Bon den übrigen katholiſchen Gottes⸗ 
häufern der untern Stadt führen wir an: Die im Geſchmacke ber Hebergangs 
periobe vom byzantifchen zum altdeutfchen Style erbaute Kirche St. Ulrich, 
Kirche des ehemaligen gefürfteten Kräuleinftiftes Niedermünfter, jept Pfarr 
firde der untern Stadt, mit ben Grabmälern Kaiſers Otto IL und feine 
Mutter Adelheid, bie freundliche Kirche ber Karmeliter, bie Stiftskirche 
zur alten Kapelle, auf ben Grundveften eines Heibentempels erbaut, welchen 
ber heilige Rupert 616 bem chriftlicden Gottesbienfte weihte, enblih bie Kirche 
bes vormaligen gefürfteten Sräuleinfliftes Obermünfter. Die Haupt- und 
farrkirche der obern Stadt iſt St. Emmeran, welche in ihren Gräbern einen 
Haß gefchichtlicher Denkmäler enthält, wie wenige andere Gotteshäufer Deutſch⸗ 
lands; denn hier ruhen ber Heilige Emmeran, 18 der älteften Bilchöfe Regen 
burgs, Kaiſer Arnulf, fein Sohn Lubwig das Sind, Herzog Heinrich ber Zanker, 
Herzog Arnold, ber berühmte bayrifche Gefchichtfchreiber Aventin, u. viele Ritter 
u. Edle. Die ehemalige gefürftete Reichsabtei St. Emmeran, Benebiktinerorbens, 
wurde im 7. Jahrhunderte von Deriog Theodo von Bayern geftiftet, und ihre 
Konventualen erfreuten ſich bis in bie leuten Zeiten bes Rufes vorzüglicher Ge⸗ 
lehrſamkeit. Die St. Blafiens, vormals Dominiktanerfirdhe, 1229 erbaut, 
ift ein großes, hohes, helles, gothiſches Gebäude, und bewahrt in einer Neben 
fapele das Bilbniß u. den GehrAuhl bes Albertus Magnus. Die Kirche des 
ſchottiſchen Benediktinerkloſters St. Jakob, dem 12. Jahrhunderte entflanımend, 
ift eined ber merhwirbigften Baudenfmäler bes Mittelalters. Vorzuglich erregt 
bie Bewunderung ber Altertfumsfreunde ihr ganz im Charakter bes byzantinifchen 
Styles mit räthielhaften Menfchen» u. Thiergeftalten verziertes Portal. — Unter 
ben gottesdienftlichen Gebäuden ber Proteſtanten ift das größte u. ſchoͤnſte bie 
Dreieinigfeitsfirdhe, von 1627—31 erbaut. Auf dem Friedhofe derfelben 
ruht der unglüdliche Graf Ulrich Schaffgotſch, welcher 1635 in R. enthaupte 
wurde. Die Reupfarre nimmt bie Stelle der bei ber Bertreibung ber Juden 
im Jahre 1519 zerflörten Synagoge ein. Die Kirchhöfe R.s find mit Leichen 
haͤuſern verfehen u. zeichnen ſich durch ihre fihöne Anlage aus. — Unter ben 
weltlichen Gebäuden ber Stabt nimmt das fürflid Thurn» u. Tarife 
Palais die erſte Stelle ein. Es umfaßt die weitläufigen, in ber Anlage großar⸗ 
tigen, aber zu fehr ben kloͤſterlichen Charakter an ſich tragenden @ebäube ber 
oben erwähnten Reichsabtei St. Emmeran. Den fchönften Theil bes Schloſſes 
bilden bie von dem jetzigen Fuͤrſten ausgeführten Reubauten, insbefondere bie 
Gruftkapelle, bie Stallungen u, bie Reitbahn. Die Gruftfapelle, 1835 —41 nad 
dem Plane bes fürſtlichen Domänenrathes Keim erbaut, liegt in bem fogenannten 
Kreuzgarten, ber von drei Seiten durch den ehemaligen Kloſterkreuzgang einge: 
ſchloſſen wird. Diefer, im romaniſchen Style auf, eführt, if ein koſtbarer Ueber 
reſt des Alterthums, wahrfcheinlih aus dem 11. Jahrhunderte, dem Umfange nad 
das größte Bauwerk der Art in Deutichland, in ben Berhältniffen das ſchoͤnſte. 
An ihn fchließt ſich die im mittelalterlicden Style gehaltene Gruftkapelle gegen 
Dften an. In ihrem Ehore ſteht Danneders berühmte Chriſtusſtatue, bie Fenſter 
find mit Glasmalereien von Sauterleute geziert. Eine weitere Sehenswürbigfeit 
bes fürftlichen Schloffes if die Bildergalerie, Werke neuerer Meifter, zumeiſt der 
Muͤnchner Schule, umfafiend. An der Oftfeite breitet ſich ein fchöner Luſtgarten 
aus, ber fogenannte „Hürftengarten! , weiter tem allgemeinen Befuche geöffnet 


Regensburg. 15 


N iR. Im dem ehrwürbigen Nathhaufe Hatte von 1663 bis-1806 der deutſche 

RKeichstag feinen Sig. Roc zeigt man den großen „Reichefaal“, in welchem bie 

! Berfammlungen der Reich glieder flattfanden. Schauberhaft find die Amters 
irdiſchen Gefaͤngniſſe u. die Folterkammer mit ihren Marterwerkjegen, eine Abs 
ſcheu erregende Peliquie ber barbarifchen Rechtspflege der Vor; Dem Naths 
haufe. gegemüber feht man an der Außenwand eines Privathaufes den in ben 
Ehroniken u. in Voilsliedern gerühmten Kampf bes R.s Hanns Dollinger mit 
dem riefigen Heiden Krafo angemalt. Richt unbeadhtet ber —— 
auf dem Kornmarkte bleiben, wo in den älteften Zeiten bie joge von 
wohnten, Mit ihm hängt durch einen, Schwibbogen: ber ve Römertgurm 
ufammen, deſſen Unterbau nach allen Anzeichen x: en — _ 
GEHTS 
unter ben jelegenen neue 
Geſellſchaftshaus, insgemein das Neuhaus genannt, welches in einem und 


bemfelben Gebäude das Theater, ben großen Ballſaal u. eine Traiteurie umfaßt. 
Die Hauptzierde R.s find feine, herrlichen SBromenaben, vor allen bie fi 
Allee, eine parfäßnliche Anlage, deren fchattige Baumgaͤnge u. Ge die 


Stadt von ber Landſeite Vatenpen! Unter ben vielen bier aufgeftellten Dentmaͤ⸗ 
lern ift das intereffantefte die Notunde mit Kepplers Buͤſte. Der große Aftronom 
farb am. 15. November 1630: zu R., aber die je übertreibt, wenn (fie ihn dem 
Hungertobe erliegen laͤßt. Das noch vorhandene rium feiner Hinterlaffens 
ſchaft weift vielmehr. ein für-die damaligen Zeiten nicht unbedeutenbes 

aus. — Ueber die Donau, nad ‚dem jenfeits liegenden Stadtamhof, 
altberügmte fleinerne Brüde, ein ehrwürdiges Denkmal deutſcher Baufunft u. fe 
das Zeitalter, in welchem fie ausgefüßet wurde (1135—1146) ein wahres Mei⸗ 
ſterſtůd. „Sie mißt 1069 bayrifche Werlſchuh in der Länge, 25, Schuh in der 
Breite u, ruht auf 15 ziefelrunden Schwibb: Links u. rechts ber Brücke 
ziehen fi) mitten in der Donau zwei. langgebehnte Inſeln Hin, der obere und un⸗ 
tere Wörth, Auf lehterem, ber für fich mit der Stadt durch eine eng Brüde 
verbunden ift, findet man den mit einem ſchönen Kai u. einem eijernen Krahne 
ausgeftatteten Landungsplag, dann die Militär» u. Civilſchwimmſchule, den Hafen 
u. das Werft der k. Dampfihifffahrt u. den Turnplaß. — Die Umgebungen 
R.s find fo ausnehmend fhön u, intereffant, daß im biefer Beziehung wenige 
Provinzialftädte Deutſchlands, ja Europa’s, mit ber alten Donauftadt fid) werden 
meffen koͤnnen. Natur m. Kunft haben ſich vereinigt, um bie Landſchaft mit ben 
anlodendfien Reizen zu ſchmuͤden. Man braucht nur bie berühmten Ramen 
BWeltenburg u. Waldalla zu nennen, u. das Wahre diefer Angabe if damit 
hinlaͤnglich dargethan. Den erwähnten Bartien find in biefem Werke eigene Ars 
tifel geroidmet. Bon ben übrigen Umgebungen nennen wir: Abbacd mit einem 
befuchten Mineralbade u. den Ruinen ber einzihebug, ohengebrading, 
Prüfening (ſ. d.), bie ehemalige Karthauſe Pruel, Sinzing im romantis 
ſchen Laberthale, Etterzäaufen mit ber nahen Räuberhößle, Winzer, Zeit 
larn, Regenbdorf, ben elfenkeler von Tegernheim, wo eine umfafiende 
Zernficht über bie geisgnete bene Riederbayerns bis Straubing hinab fich dem 
Blicke aufſchließt. — Geſchichte: R. if nad Augsburg bie zweitältefte Stadt 
des Königreiches Bayern, u. bereit 14 Jahre vor EHriftus Hatten die Römer 
hier ein verfhanztes Lager, Eaftrum Reginum genannt, u, im Mittelpunfte 
besfelben erhob fich, als Hauptwaffenplatz gegen die Germanen, die mit Thuͤrmen 
u. ſtarken Mauern umgebene Stadt Reginum oder Regino. Im Möonchsla⸗ 
tein bes 8. Jahrhunderts befam felbe die Benennung Rabasbonna, woraus 
fpäter das üblich gebliebene Ratishona. Der deutihe Rame Reganes⸗ 
bourg& erfheint zur Zeit der Karolinger. Bom 6. bis 8. Jahrhunderte hatten 
bie Herzoge_Bojoariens aus agilolſingiſchen Stamme ihren Sig zu R. Nah 
dem Zeugniffe Aribo’s, eines Biſchofs u. Schriftſtellers jener Zeit, war bie Staht 
damals feft u. Herrlich aus Quadern erbaut u. prangte wit von Akıuen 


Al) 


716 Regent. 


Sabre 740 gründete ber Heilige Bonifacius das Bisthum R. Rach der Entfeb: 
ung Thaſſils's, des leuten Agilolfingers, wurde R. duch Karl den Großen zu 
königlichen Freiſtadt erhoben u. mit ben größten Privilegien ausgeflattet. “Diefe 
Kaiſer ſetzte der Stadt in ber Perfon Andulfs ben erften Burggrafen vor u. er⸗ 
baute Hier auch eine Schiffbrüde über die Donau u. den Koͤnigshof, in welchem 
fpäter mehre feiner Nachfolger ihre Nefidenz aufichlugen. 1180 wurde R. vollends 
beutfche Reichsftabt u. fand um dieſe Zeit in großem Klore, indem der Handel 
zug von Stalten nach Deutfchland Hier durchging u. bie Stabt einer ber Haupt 
ſtapelplaͤtze bes indifchen u. Ievantifchen Handels für Südbeutfchland war. Aus 
ber Biographie des Heiligen Eberhard, Erzbiſchofs von Salzburg, ift befannt, daß 
fie Damals bie bevoͤlkertſte Gemeinde in ganz Deutfchland u. einer der blühenbfien 
Handelspläge in Europa geweien. Der Berfehr, welcher fi in ben folgenden 
Jahrhunderten nah Augsburg und Nürnberg gegogen hat, war in jenem Zeitab 
ſchnitte ausfchließlich in den Händen der Regensburger Kaufleute. Diele trieben bis 
in bie entfernteften Oegenben bes Nordens einen bebeutenden Handel u, erfchienn 
in Perſon auf den Märkten von Kiew u. Moskau. In die wichtigen Begeben⸗ 
heiten ber deutſchen Geſchichte, bie Kreuzzüge, bie flreitigen Kaiſerwahlen, bie 
räßlichen Huffitenfriege, bie Reformation endlich, wurbe bie Stadt vielfach ver 
Ho ten. 1519 echap bie in R.s Annalen berüchtigte Vertreibung ber Inden. 
1542 nahmen Magiftrat u. Bürgerfchaft das Augsburgifche Glaubensbekenntniß 
an. Geraume Zeit früher ſchon Hatte der alte Glanz der Stadt merklich u er 
bleihen angefangen, u. zwar bald nach Entdedung der neuen Straße nach OR 
inbien, welche dem Handel eine andere Richtung gab; er erlofch günstig ben 
Tagen bes breißigjäßrigen Krieges, ber unfäglidde Bebrängniße über R. brachte. 
Ueberhaupt waren der Stadt harte Schidfale befchieben; fo wurbe fie vom Jahre 
908 angefangen nicht weniger als flebenzehnmal beingert ‚u. mebrmal Haben 
geoße Feuersbrünfte fie faft gänzlich verwäfte. Noch find nicht vergeflen bie un 
heilvollen Ereignifie des 23. Aprils 1809, an welddem Tage die von ben Deſter⸗ 
reichern hartnädig vertheidigte Stadt durch bie Franzoſen erſtuͤrmt wurde; nahe 
an 200 Gebäude gingen dabei in Flammen auf, u. was von Hab u. But ber 
Brand nicht vergehrte, wurde bie Beute der plünbernden Sieger. Der Schaben, 
den bie Einwohnerſchaft erlitt, überflieg eine Million Gulden. Zmweiunbfechzig 
Reihsverfammlungen wurden im Laufe der Zeiten zu R. gehalten, aber fle ver 
breiteten nur momentan Leben u. Schimmer, u. Eonnten bie immer wieberlehren 
den Unfälle nicht ausgleichen. Selbft da erhob ſich die Stabt nicht mehr zu ber 
früßeren Bedeutung u. Wohlhabenheit, als fie 1663 ber fländige Sitz bes Reiche; 
tages wurde u. bis 1806 blieb. Durch ben Küneviller Frieden kam R. an den 
ften Primas, Karl Dalderg, 1810 endlich wurbe es wieber mit dem Butter 
lande Bayern vereiniget. — Ratisbona Politica, 1729. Ratisbona Monastica (mit 
einem Urkundenbuche) 1752. Gemeiner, Reichsſtadt Regengburgtiide Chronik, 
1800 und 1816. Gumpelzheimer, Geſchichte ber Stadt R., 1830. Schu e⸗ 
graf, Gefchichte des Domes von R., 1847. Adalbert Müller, R.r Vergiß⸗ 
meinnicht (mit 32 Stahlftichen), 2te Aufl., 1848. mD. 
Negent heißt 1) der, welcher einen Staat zu regieren befugt ifl; dann aber 2) 
im engeren Sinne der Stellvertreter bes Monarchen, weldher bis zu befien regier⸗ 
ungsfaͤhigem Alter, oder, wenn buch einen Törperlicden ober geiftigen Fehler, 
durch Abweſenheit, Sufpenfion ober Entfepung bes Monarchen Regierungsun: 
nalen erfolgt, ober bei erlefchener Thronfolge, an ber Spitze der Regierung 
fließt. Die Regentfchaft Heißt auch vormundſchaftliche ober Interimsregierung, 
Reiche » oder Regierungsverwefung, Bicariat, Staatsvormundſchaft. Ihr Zweck 
it, zu verhüten, baß die Staatsregierung zwedwibrig geführt ober unterbrochen 
werbe und ber Staat in Regierungslofigfeit ober Anarchie falle. Der R. ober 
Regierungsverwefer führt bie Staatsregierung allein, ober mit Zuzichung eines 
Kegenticaftsrathee. Auch kann gedacht werben (u. fanb in neuerer in 


Spanien Statt), da Mehre Die Regmiigent glehteitig und gleichberechtigt 


Regenwurm Regie. 77 


\ 

ren, eine Einrichtung, welche die vollziehende Gewalt ſchwaͤcht u. doch, infos 
t mi fie gegen —— eines Einzelnen Garantie ſoll, mit der Zeit iur 
! forifd) wird. Ghedem empfing ber vormumdfeaftlihe N. die Neichelchen und 
ſchwur den Reichslcheneid in eigenem Namen, x Sig u. Stimme in allen 

eich > u. Kreiöverfammlungen, Eolegial= u. Familien» Eonventen u, dergl. m. 
Noch I nimmt er, nach befanntem —— in deutſchen Staaten, anftatt 
ſeines — die Landeshuldigung an, beſtaͤtigt die Landesfreiheiten, 
verwaltet die Landesregierung u. verkündet Die Geſe Der R. ober Ri 
verweſer führt die Staatsregierung auf das MWenigfte mit benfelben Beichränfune 
gen, wie der Staatsoberhert, Er übt alle, nicht poſitiv ganz unzweifelhaft aus⸗ 
genommene, Rechte der Regierungsgewalt, gleich dem wirklichen —— 
nad Erforderniß der Landeswohlfahrt aus. Er erhält in dieſer Hinſicht beſon⸗ 
dere Ehrenbezeugungen u. Einkünfte, — Die Regentſchaft Hört auf, wenn bie fie 
bebingende Beranlarlung nicht mehr vorhanden iſt. Es Liegt in ber Ratur ber 
Sache, daß Art u. Entftehung der Negentfchaft u. insbefondere bie Einwirkung 
bes Volkes durch feine gewählten Vertreter Dabei ſich vollftändig nad) ben Grund⸗ 
fägen Demelen; worauf das ganze Degieramgeneincie bes betreffenden Staates 
berußt. Dieſes tritt fogar fehr deutlich in den — —— unſerer con⸗ 
ſtitutionellen deutſchen Staaten hervor, inſoferne fie über dieſen Gegenſtand eini⸗ 
germahen umfaſſende Beftimmungen enthalten. 

Regenwurm (Lumbricus terrestris), ein befannter Ringelwurm, mit Zähnen 
im Bunde; er iſt Zwitter u. feine Eier kriechen im ber Nähe des Maftdarmes 
aus. Aus Gärten entfernt man biefen läftigen Wurm durch Auflefen beim Un: 
— bes Morgens, beſonders nach Regen, dadurch, daß man ihn durch ben 

fud von grünen Wallnußſchalen u. lättern ober fiamen hervorlockt 
ober gelbe Rüben (Möhren) in bie nach welchen er gerne geht, 
Dem Maulwurf, der Kröte u. Ente ift‘er jeblingı ⸗ 

Reggio, 1) das alte Regium Lepidi, gut gebaute, fi ‚gelegene: ts 
ftabt eines zu Modena gehörigen Herzogtfums, am Groftolo, auf der Straße von 
Parma nah Modena, mit Mauern u. Wällen, einer ſchlechten Eitadelle, breiten, 
zum Theile mit Arkaden verfehenen Straßen. Die Stadt ift Sig eines Biſchofſs 
u, hat einen fehenewerthen, der Peterslirche in Nom nachgebildeten Dom, ein Ly— 
ceum mit 2 Facultäten u. der Naturalienfammlung bes berühmten, hier geborenen 
Spalanzani; auch als Geburtsort Arioſto's (1. d.) iſt R. berühmt geworben. 
Die Zahl der Einwohner beträgt etwa 19,000, welche ziemlich lebhaften Handel 
mit Wein, Ceide, Hanf, Hornvieh u. Käfe treiben. Alljährlich im März wird 
hier eine bedeutende Meſſe gehalten. — 2) R. di Ealabria (das alte Rhegium), 
Hauptftabt ber nenpofitanifehen Provinz Calabria ulteriore I., auf ber Via Aqui- 
lia, an ber Meerenge von Meffina, in einer fchönen u. fruchtbaren Ebene gelegen, 
durch das Erdbeben von 1783 faft ganz gerflört, neuerdings wieder aufgebaut, 
mit 17,000 Einwohnern und flarfem Handel von Del u. Wein. — Auguſtus 
brachte es nad früheren Erdbeben in Blütheftand; feine Tochter Julia flarb 
bier. Don Altertbümern findet man Ruinen eines Ifistempels, fowie bebeutende 
Bautın aus ber Normannenzeit. 

Regie bebeutet im weiteren Sinne bie Verwaltung von Gütern, ober. bie 
Führung eines Geſchaͤfts für Rechnung eines Dritten, weldhem das Vermögen 
ober Geſchaͤft gehört u. welchem Rechenſchaft gegeben werben muß. eiöhängig- 
keit von einem Oberen (Butsheren, Eigenthümer) und Rechenfchaftsablage find 
wefentliche Merfmale des Begriffes von R.; dieſe unterfcheibet fich dadurch von Ad⸗ 
miniftration, welder man eine gewiſſe feisARänbige Verfügungsgewalt u. einen 
bebeutenben Gegenſtand unterlegt ; ferner von Eonbuite (im Sinne von Leitung), 
die einen Rebenbegriff von Geſchidlichkeit u. Umficht Hat, während die R. nur 
nad Inftructionen handelt; enblih von Gouvernement, Regierung , politifche 
Leitung des Staates. In ber franzoͤſiſchen Regierungswirihſchaft find bie r&gies 
Behörden ber Finanzverwaltung, fammt ihren Bureaur u. Barmen, wärme am 


718 Regierung — Regiment. 


wiffe Zweige ber Staatseinfünfte erheben und abliefern. Sie flehen unter be 
Controle des Staates, find für ihre Gefchäftsführung verantwortlich u. müfle 
Rechnung ablegen. — Im Theaterweſen iſt R. die Berwaltung ber Angelegen 
heiten ber Bühne, infofern fie bie Aufführung ber Stüde betreffen, u. Regiſſent 
heißt diejenige Perfon, welche, dem Intendanten oder Director untergeordnet, die 
Berwaltung ber Bühne in fünftlerifcher Hinficht führt. Bei jeder get eingerich⸗ 
teten Theateranſtalt beſteht ein Regiſſeur des Schauſpiels und ein Regiſſeur ber 
Oper, zuweilen auch noch ein Oberregiſſeur, welche dann mit dem Kapellmeiſte 
die R. ausmachen. Ihr Wirkungsfreis ift mehr ober minder ausgebehnt ımb 
hängt in biefer Hinficht hauptſaͤchlich von den Beftimmungen ber Direktion ab. 
Bon ber Einfiht u. Thätigfeit der letztern iſt das Geb einer Bühne fal 
ausfchließlich bebingt u. fie muß unfehldar finfen, fobalb bie Leitung unmittelbar 
der R., welche von bem Einfluffe der Rebenrüdfichten ſich niemals wirb befreien 
fönnen ober wollen, überlafien bleibt. Nach der gewöhnlichen Einrichtung wirb bem 
zegifieur bes Schaufpield jedes neu einzuflubirende Stüd zum Behufe eine 
Rollenvertheilungs⸗Vorſchlages eingehändigt, u. wenn diefer von ber Direktion geneh⸗ 
migt ift, hält jener die Broben unmittelbar, ober unter höherer Leitung, u. forgt, 
baß jede Wiederholung genau wie bie erfle Darftellung gesehen wird, um Die 
nothwendige Sicherheit u. leichförmigfeit zu erwirfen. Das Nämliche gefchicht 
bei u. von dem Regiſſeur der Oper, welcher außerbem noch ben Kapellmeiſter in 
feinen Anorbmungen unterftügt. 

Regierung if die Ausübung ber höchften Gewalt im Staate. Der Form 
nad) kann die R. feyn entweder monarchiſch, u. zwar unumfchränft ober conftitu- 
tionell, ober republifanifch ; im letzteren Kalle wird die R. von einzelnen Perfos 
nen, Geſchlechtern oder Ständen geleitet (ariftofratifch), ober bem ge en Bolf 
fommt ein gleicher Antheil zu (demokratiſch). Allgemeine Rechte ber t. And: die 
auflehenbe, geiebgebenbe u. vollgiehende Gewalt; befondere: das Repräfentations 
recht, die Militatrgewalt, das Recht, die Staatsämter zu befeben, bie Finanz⸗, 
Juſtiz- u. Bolizeigewalt, das Recht Bünbniffe zu ſchließen, Krieg zu erflären, 
Frieden zu fchließen. — Im engeren Sinne heißt R. in einigen Staaten das 
Collegium, welches bie oberfte Behörde für die Verwaltung bildet. 

Regierwerk nennt man bei einer Orgel die Vorrichtung, vermöge welde 
bei dem Nieberdrüden der Taften ber Wind in bie Pfeifen geleitet wird. 

Regillo da Pordenone, eigentih Btovanni Antonio Regillo Li 
cinio, geboren zu Porbenone in Friaul 1484, ein Maler aus ber venetianifchen 
Schule u. wahrfcheinlih Titians Mitfchüler bei Giovanni Bellini, fpäter fein 
eifrigfter Nebenbuhler, gehört zu ben größten Coloriften biefer Schule u. war ein fehr 
tüchtiger Zeichner. Karl V. erhob ihn in ben Ritterſtand unb Herkules IL von 
Serrara berief ihn an feinen Hof, wo er 1539 (1540) an Gift Hard. Haupt 
werfe: in bee Galerie zu Benedig u. in St. Rocco bafelbft. 

Regillus (Regilli lacus), ein Heiner See in Latium, oberhalb Tusculum, 
an der Via lavicana, berühmt durch eine Schlacht, welche dafelb bie Römer un 
ter bem Dictator A, Boftumius 496 v. Chr. gegen bie Latiner gewannen unb 
welche die Abhängigkeit letterer von den Römern zur Folge Hatte. 

Regiment, 1) fo viel als Regierung (f. d.). 2) Im Militairwefen ein 
aus einer gewifien Anzahl von Compagnien, oder Escadronen ober Bataillenn 
zufammengefebter, taktifcher Körper, welcher gewöhnlich von einem Oberſten befch- 
ligt wird. Die Benennung eines taftifchen Körpers ale R. taucht in ber Ge⸗ 
ſchichte Deutfchlande mit den Landsknechten di. d.) auf, erfcheint aber auch 
gleichzeitig in Sranfreidh, denn auch dort wurde 1563 die Benennung Banben 
oder Legionen in jene von Regiment umgeſchaffen (j. Infanterie) u. fo blieb 
diefer Name bis auf die Heutige Zeit, nur mit ber einzigen Ausnahme unverän- 
dert, daß die Franzoſen zur Zeit ber Nevolution von 1789 ihre R,er eine Fi 
lange Halbbrigaden nannten. Wie aus der Einrichtung ber Lanbefnedhte » R.er 
hervorgeht, zu weldyer Zeit man die Batailiene od wicht kannte, wuche ein R. 


Regine — Regiomontanns, 219 


ı von einem Oberften oder beffen Stellvertreter, dem Oberfilieutenant, commandirt 

v und, da bie er e des Majors oder Oberfitwachtmeifterd erft im i7. Jahrhun⸗ 

derte auffam, fo befanden ſich in einem folchen R,e nur 2 Stabsoffiziere, bageen 
eine große Menge Offiziere anderer Grade u, fogenannte Aemter, welche entiwi 
im Laufe der Zeit untergegangen find, oder unter ſehr bedeutenden Modifikationen 
noch beftehen. Ge befteht ein NR. zu Fuß aus 2 oder 3 Bataillonen, 
deren Anzahl im Kriege * 4 vermehrt werben kann, wird von einem: Oberſten 
befehligt u. Kat (beſondere Verhältnifie , welche mehre Oberfilieutenante zul 
machen, unberüdfichtigt gelaffen), nur einen einigen Oberfilieutenant u. jo 
Majore, als es Bataillone‘ zählt. Die Anzahl der Eompagnien (vier, fünf, ſechs 
in.einem Bataillon) beftimmt bie l ber Hauptleute, von benen jebem wieber 
ein Oberlieutenant und. ein ober zwei Unterlieutenante beigegeben find. Allein es 
gibt Artilerien , in. welchen eine Compagnie (Batterie) zwei: Hauptleute zählt; 
auch befinden fih in einigen Armeen bei jeder Schwadron ein erfter und zweiter 
Nittmeifter, Die R.er als ſolche erſcheinen in ber neuern Zeit nur mehr als abmir 
niftrative Körper u, biefe wichtige Rückſicht fcheint den R.6-Berband erhalten 
zu haben; in rein taftifcher Hinficht gliedern fie ſich in eben ſo viele Bataillone 
unter eigenen Commandanten, als ſie flark find, Deßhalb Hat mar in 
Armeen angefangen, bie R.er eingehen zu laſſen u, nur die Bataillone beizul 
ten. Die ave jerieregimenter beftchen aus 6 oder 8 Eocadronen, beren St 
150 Pferde felten überfteigt, u, werden in 3 — 4 Divifionen 'unterabgetheilt, von 
denen. jebe durch einen Stabsoffigier commanbirt wird. Im Hebrigen find fie 
analog den Infanterie R.ern eingerichtet, 

Negino oder Rhegino, ein trefflicher Ehronift bes Mittelalters, angeblich A 
Altrepium am Rheine geboren, trat in das Kloſter Pruͤm bei Trier, beffen 
er 892 wurde. ‚Bon Diefer Stelle von neidiſchen Nebenbuplern 899 vertrieben, 
begab er fih in. das Klofter des hl. Mauritius zu Trier u. farb als Abt 
945. Er ſchrieb in lateiniſcher Sprache eine Chronik , bie für. die Gefchichte bes 
9. u. 10. Jahrhunderts von Wichtigkeit ift. Im 2. Buche biefes Werkes fagt 
er ausbrüdlich, er habe blos die Worte anderer Geſchichtſchreiber in beſſeres La- 
tein gebracht, u. ſchreibt erft in ber Gefchichte feiner Zeit frei u. ausführlich won 
den Begebenheiten ber Branfen und Alemannen. Gin Mönd in Trier hat R.s 
„Chronicon“ bis 967 fortgefegt u. es enthält biefe Fortſegung von 909 an viel 
Eigentgümliches. Die erfte Ausgabe bes „Chronicon“ erſchien zu Mainz (1521, 
50); die neuefte u. befte ift bie von Per in ben „Monumenta Germaniae histo- 
rica“ (8b. I., Hannov. 1826, Fol). Auch if R. Bearbeiter einer Kanonen- 
fammlung , deren Abfaffung in den Anfang bes 10. Jahrhunderts fält. Dies 
felbe entBält in zwei Büchern Stellen aus ben Hl. Bätern, verfchiedene Befchlüffe 
von Eoncilien, Dekretalen, Auszüge aus den Eapitularien ber fränfifchen Könige 
u. andere Civil-Geſetze. Sie erſchien unter bem Titel: De disciplinis ecelesiasti- 
cis etc. u. wurde aus Aufıag bes Erzbiſchofs Ratbob von Trier bearbeitet. 
Ausführlich if beſonders das bifchöfliche Vifitationswefen darin behandelt, wors 
über R. auch noch zwei befonbere Abhandlungen lieferte. Das erfte Buch biefer 
Se Dei den Klerus, daB zweite bie Laien. Ausgabe von Baluzzi, 

8 1671. 

Negiomontanus, Johann, berügmter Mathematiker, geb. ben 6. Juni 1436 
zu Königsberg in Franken, woher er auch, ber bamaligen Sitte gemäß, feinen 
Namen wählte, da er feinem Bater nah Johann Müller hieß, in Italien aber 
fih Joh. Germanus oder Francus nannte, Er erhielt guten Unterricht u. kam 
bereits 1448 nad) Leipzig, wo er ſich mit regem Eifer ben philofophifchen, befons 
ders aber ben mathematiichen Studien widmete; 1451 zog er nach Wien, um 
unter Purbach's Leitung fich noch weiter in Mathematif u. Aftronomie auszubil- 
den: bald arbeiteten beide als Freunde zufammen. 1461, nach Purbachs Tode, 
ging R. mit dem Cardinal Befjarion nad Rom, wo er mit kuͤrzen Unterbrechun⸗ 
gen 7 Jahre lange blieb; 1468 Fehrte er nach Wien zuräd, da kein Koran Vode 


720 Regis. 


enthalt in Rom nicht geſichert ſchien wegen einer Literarifchen Fehbde ah Den 
von Trapezunt, dem er wichtige e Sehler in feiner Meberfegung 

nachgewieſen hatte, Bald wurde ee nad Raab an ben Hof bes Un ee niet 
Matthias berufen; vom Kriege verfcheucht, ließ HR. 1471 in Nürnberg nieber, 
wo er mit dem Aftronomen Bernharbt Walther eine Buchbruderei anlegte. 1474 
wurde er von Bapft Sirtus IV. zum Bifchof von Regensburg ernannt u. zug 
nad Rom berufen, um für bie Kalenberverbefierung thätig aufenn; 1475 begab er 
ſich nad Rom aber fchon im folgenden Jahre den 6. Juli farb er an ber Beh, 
oder, nad) anderer Angabe, an Gift. — R. war einer ber erften Pfleger ber Aſtro⸗ 
nomie in Deutfchland u. erwarb ihr viele Freunde; aber auch Um die Mathema⸗ 
tif, eh um bie Algebra, machte er ſich verdient, fowie in ber Medhanif 
buch Erfindung u. Berbefierung von mancherlei Inſtrumenten. Bon feinen bin 
terlafienen Schriften find zu erwähnen „Ephemerides 1475 — 1506*. Rümtk. 
1474. — Sein —— —— lateiniſch u. deutſch Nurnb. um 1473. — „Tahub 
magna primi mobilig“ Rürnberg 1474. Mehre von feinen Ointertaffenen ı Seiten 
wurben nad) feinem Tode gebrudt. 

Negis, Johannes Franciscus, der Heilige, in Dem —— — 
Dorfe Fonconverte des Bisthums Narbonne am 31. Januar 1597 geboren, zeigte 
ſchon als Kind feine größte Freude am Gebete, am Kirchenbefuche, am Lernen 
und am Leſen geiftlicher Vucher. An Sonn⸗ u. re agen - sefhäfige er #6 
nur mit Hebungen ber Andacht, theild in ber Pe in feine Wohnung; 
oft verfchloß er fi in eine Kapelle, wo er fein Herz vor Gott ausfchüttete und 
babei gewöhnli in Thraͤnen jerfloß. Anfangs fpotteten ‚ar feine —— 
noſſen uͤber dieſe Lebensweiſe, in der Folge winde fie aber 
Bewunderung. — Als er unter ber Aufficht Prieſter de Aider Se 
noch die unteren Schulen befuchte, ſchloß er ai 6 eher a tſchuͤler, b 
Andacht geneigter, als die anderen fand, einen Zugen endbund. Es — "bie det 
beſtimmt, in welcher fie beteten u. fiudirten; über iſg wirde ein eiſtliches Buch 
gelelen u nur Erbe u. Hellfames gelpoden; Mb chte jeber fein 

eroiffen, Sie empfingen öfter die Heiligen Safzamente, — an Somn⸗n. 
Feiertagen das Wort Gottes u, gingen nie ohne Roth aus dem Haufe, um Fr 
feiner Gefahr auszuſetzen. 19 Jahre alt, trat R. zu Tolofa 1616 In den Orden 
der Geſellſchaft Jeſu, wozu er von Gott berufen An —A Dieſer Be 
ruf offenbarte ſich naher wirklich in feinen — ehrer ber unteren 
Schulen, weil feine Schüler fi durch Frömmigkeit md. Eingengen enheit aus zeichne⸗ 
ten und in noch höherem Grade, als zu Tolo Iofa 1630 u, zu Monte Falco 1640, 
eine Art Peft ausbrach. Er verlangte von feinem Orden, den bamit —— 
beiſtehen zu duͤrfen und that es mit umbeſchreiblicher siehe. —— 
feinen lange genäßrten Wunſch, über bas Meer zu fegeln laͤubigen 

n Amerika das Evangelium zu prebigen, allein der Herr Dielen 

Beruf in Europa auserfehen. Ex verfünbigte bie folgenden a Sabre in Lau 
guedoc, in ganz Virarez und Baley Buße und Bergebung ber Sünben mit dem 
gefegnetften Erfolge und mit aller Aufopferung. Schon vor Tag begab er fd 
täglich in bie Kirche, hielt nad verrichtetem Morgengebete eine —— 
Unterweifung an das Bolf, dann las er mit rührender Andacht bie heilige Mefien. 
prebigte Kae wei oder gar dreimal, Außer biefer Zeit Hörte er Beichte, ges 
wöhnlich bis in bie fpäte Nacht. Der Leibesruhe gönnte er bed Tages kaum zwei 
—— dabei genoß er in ber el nur Brod und Wafler oder Milch 
oft erft am Abende, wenn viele —E ihn in Anſpruch nahmen. Er 
nur 2 oder 3 Stunden, gewöhnt her auf bloßem Boden, ober auf einen Stuhl 
lehnt. Nicht felten wurbe er feine Bemühungen fo entfräftet, daß an 
von ber Kanzel oder aus dem Beichtſtuhle auf nben nach Haufe tragen 
wußte. Obgleich ber Dellige e den Reichen feinen B amd ke 8 nerinate. I fo 
get er dennoch eine orliebe gegen die Armen, ad) immer 

eichtſtuhl von bieſen umlagert war. x alauiıte wur —3 fe leben zu af, 


Regifter: mo 


denn Morgens prebigte er und 2 die Beichten, Nachmittags aber befuchte er 
die Gefängniffe und Spitäler. Oft vergaß er feiner eigenen Bebilrfniffe, u. als 
man ihn eined Tages fragte, warm er ben ganzen- Tag feine Rai zu ſich 
genommen: habe, antwortete er mit feiner getwoßnten Einfalt, er habe nit 
gedacht. Man fah ihn von Thüre zu Thüre gehen, um Almofen für die Armen 
zu heifchenz er verjchaffte ihnen Arzneimittel in ihren Krankheiten und lciftete 
ihnen ‚auf jede, in feinen Kräften fiehende, Art Beiftand. Eines Tages fehritt er, 
mit Steohgebünden belaben, die er zur Zagerftätte eines, von aller Hilfe ent- 
blösten, Kranken gebettelt hatte, über die Straße; wie die muthwillige Jugend 
feiner anpehtig wurde, fammelten ſie ſich ſchaarenweiſe um ihn, und trieben ihren 
[> Als ihm daher Jemand. vorftellte, er mache ſich durch eine folde Hand- 
lungsweiſe läderlih, gab er zur Antwort: „Um fo befier, man gewinnt doppelt, 
wenn man feinen Brüdern auf Koften eigener Demüthigung Linderung verfchafft.“ 
— Exr gründete, eine Gefellihaft von 30 ber angeſe Frauen in ber Stadt 
für den Zweck, den Gefangenen beizuftehen und fie in ihren Leiden teöften;, 
auch 'befehrte er mehre Irrgläubige und: rettete eine große Anzahl Weiber von 
ſchimpflichen Ausfhtweifungen ; — fagte man ihm aber, es ſel ſehr felten, daß ſich 
dergleichen Perfonen aufrichtig 'befehren, fo pflegte er zu antworten , er glaube 
fchon feine Arbeiten belohnt, wenn er auch nur eine einzige Todfünde verhindern 
idnne. Das Ziel feiner apoſtoliſchen Bemühungen war deſonders auf die Er— 
haltung der Unſchuld u. Reinigkeit in der aufpläßender Jugend gerichtet und 
ſchon entartete weibliche Perſonen vom ewigen Berberben zu retten. Als nothe 
wenbige Bedingung zur Beſſerung Heifchte er Aufgebung der vertraulichen Bes 
Tanntichaften u. Bermeib: aller gefährlichen Ergöglichkeiten u. Derter, Dadurch 
zog er fich aber große Berfolgungen, Verläumbungen und Läfterungen von Seite 
der ter u, anderer, bem Lafler der Ungucht ergebenen, Menjchen zu. Als 
ihn einmal ein folder Sklave der Sünde in’ Ingeldt ſchlug, reichte er ihm 
auch die andere Wange dar, indem er ſagte: er fei bereit, auch ben Tod zu 
dulden, um bie Beleidigung Gottes zu verhindern. Ein Anderer fließ ihm zur 
Nachtzeit in eine Kothgrube und trat mit Füßen auf ihn; einmal ſchiugen ihn 
Einige faft tobt und Andere fegten einen Dold auf feine Bruft mit der Drohung, 
ihn niebderzuftoßen, wenn er nicht von feinen Bemühungen abftehen werde. Alle 
diefe Mishandlungen ertrug der Heilige mit einer Sanftmuth, daß er ſich darüber 
bei Riemanden beflagte, unb mit einem Bertrauen auf Bott, daß er ſich dadurch 
nicht abhalten Mh veritrte Schafe aufzufuchen und zur Heerbe bes guten Hirten 
zurüdzuführen. piegte lächeln zu fagen: „Ich habe es nur gar zu oft ers 
fahren, daß Bott für mi) Sorge trägt, e8 wäre eine Beleidigung für ihn, wenn 
ich Etwas befürchtete.“ — Ein ſolches Bertrauen auf Bott kann aber nur Jener 
haben, der fo Inmip mit ihm durch bie Liebe pereiigt iR; im füßen Gefühle der⸗ 
felben hörte man ihn öfter ausıufın: „DO Gott! Breude meines Herzens I 
D, daß ich dich lieben fönnte, wie du es verdient und wie ich verlange dich zu 
lieben.“ Er ſtarb ſchon im 43 Jahre feines Lebens, am legten Abende, gegen 
Mitternacht im Dezember 1640, u. fagte nach dem Gmpfange ber Heil. Sakta⸗ 
mente zu feinen Gefährten auf den Miflionen: „Ad, meine Brüber, wie gerne 
fterbe ich! Ich fehe Jeſus u. Maria, welche fidy Kerablafien, mich in das Baters 
land der Auserwählten zu führen!“ Bald darauf faltete er die Hände zufammen, 
fah mit ftarrem Blide auf das Bild des Gekreuzigten und rief aus: „Jeſu, mein 
Heiland ! Dir empfehle ich meine Scele, ich gebe fie in beine Hände.“ Mit diefen 
Worten entfchlief er fanft. Der Schmerz, dem fein Tob_verurfacht hatte, ver⸗ 
wandelte fih bald in Verehrung; man flrömte von allen Seiten herbei, um fein 
Grab zu befuchen. So gefiel es Bott, einen armen Ordensmann, der Nichts, ald 
die Beratung und Erni ebeigung gefucht Hatte, mit Herrlichkeit zu krönen und 
viele Wunder feiner Allmacht bei defien ſterblicher Hülle zu wirlen. Die Kirche 
feiert fein Andenfen am 16. Juni. 

Regiſter. 1) Ein Berzeihniß mehrer Dinge einer Art, in er 


Realencyclopäble. VI. 


122 | Reglement — Regnier. 


Orte befindlich find, 3. B. Waaren-, Geſchlechts⸗, Schul R. u. f. w.; dam 
ein Verzeichniß der Dinge, welche bei einer Behörde angebracht ober von derſel⸗ 
ben verhandelt worden find. — 2) Ein alphabetifch georbnetes Inhaltsverzeichniß 
bei Büchern; es ift meiſtens Sach⸗R., bisweilen auch Wort⸗R. — R. halten, 
ben zu drudenden Columnen in ber Form bie gehörige Stellung gegen einander 
eben und befonders barauf fehen, daß die Golummen bes Schöns und Wider 
rudes genau auf einander paflen. — Regiftrande heißt bei Behörden ein 
Berzeichniß, in welches alle fchriftlihen Eingaben, fo wie fie eingehen, nebſt den 
darauf erfolgten Beſcheiden eingetragen werden. Der Beamte, welcher bie R. be 
forgt, Bei egiftrator. — Regiftratur, Niederfchrift über einen gericht 
* Vorgang, ein Anbringen ıc, auch ber Ort, wo bie Schriften ıc. aufbe⸗ 
wahrt werden, 

Reglement bebeutet beim Militaͤrweſen den Inhalt ber von einem Krieg 
je gegebenen Berordnungen und Borfchriften, nach welchen bie verfchiebenmn 

errichtungen bei ben verfchtebenen Truppen ausgeführt werben. Daffelbe zerfällt nad 
der Art ber verfchiebenen Dienftleiftungen : a) in Vorfchriften für ben Dienft (Dienſt⸗R.) 
b) in Borfchriften für die Waffmübungen (Exerzier⸗R.), c) in Borfchriften für 
bie Berwaltung ober die Adminiftration. Ein ale vollemig und gut anmes 
fennendes R. muß alle dieſe verſchiedenen Zweige auf eine 
jeber der Mitkandelnden, feine Stellung fei niedriger, oder Höher, in ihm einen 
genügenden, Unterricht findet, welchen er als Norm für bie ihn treffenden Dienſte 
etrachten Tann. 

Negnard, Jean Krancois, naͤchſt Moliere ber beſte franzöftiche Luſtſpiel⸗ 
Dichter, geboren 1655 zu Paris, bereiste 1676 Italien und fiel nebſt feinen im 
Spiele erworbenen Schaͤtzen auf ber Rüdrelfe in die Hände von algieriſchen Cor 
faren. Wegen Liebeshändeln In bie Außerfte Noth gerathen , rettete ihn die Ber 
mittelung des franzöfiichen Conſuls u. das Löfegeld. Aus Berbruß, daß ber 
todtgeglaubte Batte einer Provencalin, mit ber er fich zu verbinden im Begriffe 
ftand, zurüdfam, reiste er bis Lappland und faufte fi 1683 die Stelle eines 
Lieutenant des lahm & 3 en je la foren 0 de Dourdan. an 

. Seine vorzüglichften e : „Le Joueur, „Le Lögataire“* (Ausg. 
feiner Werke: 4 Bde. Paris 1790). 

Regnier, 1) Mathurin, ein origineller franzöftfcher Satirifer, geboren 
u Chartres 1573, zog fich durch feinen jugendlichen Hang zur Satire vide 

eindichaften zu, erwarb fidy aber auch Gönner und Freunde durch feine poetis 
(den Talente. Der Cardinal Franz von Joyeuſe nahm ihn mit ſich nach Rom 
u. mit dem Geſandten Philipp von Bethune machte er Diefe Reife noch einmal, 
Seine Gönner verfchafften ihm mehre Pfründen u. einen Jahrgefalt von 2000 
Livres auf eine Abtel. Aber Alles warb verfchwenbet, um feinem ausſchweifen⸗ 
ben Hange zum Bergnügen zu frößnen. Ein Greis feit feinem 30. Sabre, Rarb 
er im 40, an Entfräftung. Unter feinen Werken findet man poetiſche Epiſteln, 
Stangen, Oben ꝛc., faft alle von geringem Werthe. Am meiften Aufmerffamfeit 
verdienen feine 16 Satiren, die ihn noch immer einen ehrenvollen Platz unter 
ben Dichtern feiner Nation einnehmen laſſen. Bel feiner alten Sprache gefällt 
er durch Wis, Naivetät u. treffende Einfälle, wird aber oft pöbelhaft, ſchuutzig 
u. geihwägig. Diejenigen Ausgaben feiner Werke, welche noch bei feinen Leb⸗ 
zeiten erfchienen, find ungenau u. voll grober Fehler, weil er auf ihre Rebaction 
nur eine geringe Sorgfalt verwenden mochte Den erften ‚ ihren Iert 
kritiſch zu fichten u. bie ſchwierigen Stellen zu erklären, machte Broffette (Lond. 
1729, neue Auflage 1735); bie befte Ausgabe aber ift die von Biolletsles Duc 
(Paris 18225 neue Auflage, 1828). — 2) R. Erangois Seraphin Des 
marais ober vielmehr Desmarets, geboren zu Paris 1632, wählte den ger 
lichen Stand, wurde 1668 Brior im Klofter Grammont bei Chinon, erhielt 1670 
eine Stelle in der franzöfifchen Akademie, wurde 1684 Sekretär berfelben, machte 
verfchlebene Geſandiſchaftoreiſen wd Korb LTII m Varis als Abt von Gt. Laon 


-T74.BE_ Bun 


DE 2 2.2 7° 2 #7. 


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Regreß — Regulus. 723 


de Thouars, Ein Fenntnißreicher Gelehrter, ber viel in Profa u. Verſen schrieb 
und aus verfchiedenen Sprachen überfegte: Grammaire frangaise, 1676, 2 Bde,, 
befte Ausgabe, 1710; Histoire des demöt&s de la France aveo la cour de Rome, 
au-sujet de Y’affaire des Corses, Baris 1707, mit Ppfen., fehr zuverläßig. Als 
Dichter Hätte er vielleicht mehr gefallen u. eine höhere Stufe poetiichen Berbienfies 
erreicht, wenn er nicht bie Gitelfeit beſeſſen Hätte, fein Talent ſaſt in allen 
Sattungen u. felbft in mei Sprachen zu verſuchen: Po6sies franc.,. Jatines, 
italiennes, et espagnoles, 1768, 2 Bbe., Oeuvres poet,, London 1729, ‚Seine 
italienifhe Meberjegung des Anafreon wird von ben Stalienern felbft noch immer 
geisänt, Auch Sonette, Mabrigale und Rondeaur ſchrieb er viele. — 3) R., 
laube Antoine, Herzog von Maffa, geboren zu Blamont in Lothringen 
1746, warb Advofat u. war bald einer ber Gefhäpteften am Barlement zu Nancy, 
1789 zum Deputirten bei ben Generalftaaten ernannt, zeigte er fi immer F 
mäßigt u. wat ſtets bei ben Commiſſionen zur Umformung der Jufiz. Der E 
führung ber Gefchworenengerichte in Civilſachen widerfprah er. Nach dem Schluffe 
der erfien Nationalverfammlung, zog er ſich auf feine Güter zuruck und 
bort in ſtiller Ruhe den Berfolgungen der Schredensregierung. 1795 vom jez 
Departement zum: Vertreter deſſelben im Rathe der Alten gewählt, bekannte er fidh 
auch Hier zu. einem gemäßigten Syſteme. 1798 warb er Präfibent des Rathes 
der Alten. 1799 von Neuem zum Mitgliebe bes Rathes ber: Alten gewählt, ſchioß 
er fih Bonaparte nach befien Rückkeht aus Aegypten an, und. trug. weientlich 
mit; au ber. Revolution vom 48. Brumaire bei, indem er bie Berlegung bes Rathes 
ber Alten und des gefeßgebenden Cotps nad St. Eloub vorjhlug. In den 
Staatsrath, berufen, arbeitete er num bei ben Finanzen, vereinte 1802 als Großs 
richter die Minifterien der Juſtiz u, Polizei; lehteres gab er bald an Fouchs ab, 
behielt aber das erftere u. ward zum Zuge von Mafia ernannt, 1813 ernannte 
Napoleon ben. ihm Ergebenen zum inifter und Praͤſidenten bes Corps 
legislatif. Er fonnte aber ber Oppofitiom nicht wehren, bie ſich zuerſt in dieſem 
Eorps zeigte. Raynouard trat gegen Napoleon u. ihm auf; vergebens rief R.: 
„Rebner, was Sie fagen, ift inconftutionell ;“ „Hier if Nichts inconftutionell als Ihre 
Gegenwart,“ entgegnete Raynouard u, fuhr fort. Der Drud der Rede ward bes 
ſchloſſen, aber Nipofeon verhinderte ihn und ließ das Corps legislatif ſchließen. 
Der Kall Napoleons erſchuͤtterte N. fo fehr, daß er bald darauf 1814 ſtarb. 

Regreß, überhaupt Schabloshaltung oder Entjhäbigung; daher N, an 
Jemand nehmen, in wegen Schabloshaltung in Anſpruch nehmen. Weber 
den R. bei Wechſeln, |. Wechſel. 

Regreffive Methode, |. Analyſis. 

Negulared (Regulirte), heißen bie Mitglieber geiftliher Orben 
dd). — Regulirte Ehorherrn (canonici regulares) entflanden, nachdem 
die Domfanoniter das gemeinfchaftliche Leben aufgehoben hatten. Diele berfelben 
teaten nämlich zum Ordensleben über, bilbeten eigene Eongregationen u. befolg« 
tem bie Regel des heil. Auguftinus. Die berühmtefte u. ältefte biefer Bongrega 
tionen iſt jene, welche Arnolf 1056 zu Ierufalem gründete. — Auch gibt es eine 
Eongregation des Heiligen Markus, deren Mitglieder den Namen Regulär-Ras 
nonifer bes heiligen Markus, weil fie ihren Urſprung von biefem Heiligen 
herleiten, führen. 

Regulus, Marcus Atilius, ein römifcher Feldherr, ber im erften punifchen 
Kriege durch feine Tapferfeit u. fein Unglüd berüßmt wurbe. Er befehligte als 
Conful die römifche Flotte, ſchlug die Karthaginenfer bei Tyndaris, war in Afrifa 
felbft eine Zeit lange glücklich, wurde aber nachher von ben einden geſchlagen 
und gefangen genommen. Sein ferneres Schidjal if nicht zuverläßig befannt. 
Man erzählt von ihm, er fei als karthaginenfiſcher Gefanbter nah Rom geſchickt 
worden, habe bafelbft die Auswechſe ber Gefangenen wiberrathen u. fi beß⸗ 
wegen graufam hingerichtet worden. Gegen dieſe Qinrichtung befindet fi aber 
eine Abhandlung in I. J. Roos Beiträgen zur hiſorhehen Kur, Ar Sa. 


724 Beh — Rehburg. 


Reh, Gattung der geweihtragenden Wieberfäuer; Geweih theild ganz ein, 
19 theil8 mit höchftens 2—3 Zinfen. Zu cerfteren gehören: 1) das Eatingas 
. (Cervus simplicicornis), nur 3 Fuß lang, Geweih 3 Zoll lang, in S 
Amerifa; 2) das rothe R. (cervus rufas), 44 Fuß lang, ebendaſelbſt; beide 
mit behaartem Schwanze. Zu letzteren gehören: 1) das gemeine R. (C. capreo- 
lus), in ganz Europa (außer Rußland) u. Mittelaften, ift 4 Fuß lang, 24 Fuß 
hoch, im Sommer rotäbraun oder Gpus, im Winter grau, in der Jugend weiß 
efledt, mit weißem Spiegel am After. Varietaͤten find: das weiße, ſchwarze, 
hwarzbraune u, gefledte R. Das mit zweizadigem Geweih verfehene Maͤnnchen 
(R.⸗Bock) Heißt fung Bodkalb, einjährig Schmals oder Epießbod, zweijaͤhrig 
Babelbod ; das geweihlofe Weibchen (Reh, Ride, Geis) Heißt jung R.- Kalb, 
dann SchmalsR. Es brunftet jährlich zweimal, zuerft im Juli u. Auguſt (falſche 
Brunftzeit, wo es nicht befchlagen wird), dann im Rovember u. “December, ımb 
fegt im Mai ober Juni 1—2 Junge, die A— 5 Monate fangen. Es lebt in 
Sefellichaften (Sprung) von höchſtens 3— 5 Stüden und näfrt fi von ae 
Erbien, Klee, Waldbeeren (befonder8 Brombeeren), auch von Knospen, Bluͤthen, 
Blättern, junger Baumrinde u. Zweigen u. wird daher befonbers im Winter den 
jungen Laubhofzichlägen u. Obftbaumpflanzungen ſchaͤdlich. Keine Stimme MR 

ein fchwacher Laut (ſhmaͤlen), in Gefahr ein bellender Ton (Echred). 
Nachahmen jenes Lautes auf dem fogenannten R.⸗Blatte lodt der Jäger währmd 
ber faljchen Brunftzeit ben R.s Bod in Schußweite. — Außerdem wird das R., 
das zur Mitteljagd, hier u. da auch zur Hohen Jagb gehört, auf bem Anſtande, 
beim Pürfchgehen oder im Treibjugen mit ber Kugel oder mit R.⸗Poſten erlegt. 
Auch Füchſe, Luchſe, wilde Katzen ıc. flellen ihm nach u. daneben iſt e8 manchen 
Krankheiten unterworfen. Sein Fleiſch, befonders der Rüden (R.⸗Ziemer) und 
bie Hinterkiufen (R. « Schlägel), ift zart, wohlfchmedend u. gefundb und wirb auf 
verſchiedene Weile zubereitet. 2) Das tatarifhe R. (C. pygargus), mit breis 
zadigem, firuppigem Geweih. 3) Das weiße R. (C. campestris), in Eid» 
Amerika, dreizadig, gekhmängt, rotäbraun, unten weiß. 4) Das indiſche R. 
(C. muntjac), in Oftindien, zweizadig, geſchwaͤnzt, mit Thränenböhlen. 5) Das 
bengalifche oder Ganges⸗R. (C. axis), in Oftindien, gleicht an Groͤße u. 
Färbung dem Damhirſche. 

Rehabilitation, |. Reftitution. 

Rehberg, Auguft Wilhelm, ein geadhteter Public, geboren 1757 zu 
Hannover, hudirte zu Göttingen, warb Sıkretär zu Osnabrüd u. Hannover, Hof 
rath, weftphälifcker Steuerdireftor u. zuletzt geheimer Cabinetsrath. Nach Nieder: 
legung dieſer Etelle, 1821, Ichte er zu Linden bei Hannover, in Dresben, Rom, 
Göttingen u. flarb hier 1836. Als geiftreichen Gegner des Franzofenthums zeigte 
er fih in dee Schrift: „Unterfuhungen über die framöftiche Revolution“ 
(2 Thle.), u. „Ueber den Code Napoleon“, u. als fcharffinnigen unpartetifchen 
Förderer des geiftigen Fortſchritts in „Prüfung der Erziehungsfunft“ ; auch feine 
Schriften „Ueber den deutſchen Abel, üver die Staatsverwaltung beutfcher Länder“ 
u. a, zeugen von einer höchft ehrenmwerthen Gefinnung. Eine Gefammtausgabe 
feiner Werke erfcbien zu Hannover 1827— 30 in 4 Bänden. 

Nehburg, Mineralbad im Fürftentfume Kalenberg im Koͤnigreiche Han- 
nover. Dieſes Bad in einer freundlichen, bie herrlichſte Ausfiht auf das 
Steinhuber Meer bietenden Gegend gelegen, gehört zu ben erdigsfalinifchen 
Gifenquellen. Die Temperatur inc Mineralwaflers beträgt 10° R., bas 
ſpecifiſche Gewicht 1,00240. In Hinficht der chemifchen Gonftitution gleicht das⸗ 
jeite jenem ber übrigen Staßlwäfler u. fleht bezüglich feiner Wirkiamfelt, Hell 

aft, Nutzanwendung u, Gebrauchsweiſe den erbig -falinifchen Eifenquellen von 
Pyrmont (f. d.) ganz nahe, Der Nutzen des Babes zu R. wird namentlich 
noch durch die im benachbarten Dorfe Winslor befindlichen Talten, fehr Träftigen, 
erbig ⸗ ſaliniſchen Schwefelquellen, ſowie durch eine in feiner Nähe befinbilche 
Galguelle mit Saline ſehr erhöht. rs 


Rehfues — Reibung. 725 


Rehfues, Philipp Joſeph von, geboren zu Tübingen 1779, flubirte 
auf ber Univerfität feiner Waterftadt Theologie, nahm aber aus Abneigun; gegen 
den geiftlichen Stand eine Hauslehrerſtelle in Livorno an, wurde era f Bi 
thefar in Stuttgart, trat dann als Hofrath u. Kreisbireftor in Bonn in preus 
gifse Dienfte u, wurbe 1818 Re, —————— an der neu ‚gefifteten 

Iniverfität dafelbft, in welcher Stellung er ſich als brauchbares Werkzeug ber 
Polizei bei den damaligen demagogifchen Unterfuchungen bewährte. 1829 wurde 
er in den erblichen Adelsſtand erhoben u, ftarb 1843. Er hat viel gefchrieben, 
doch find feine literarifchen: — von ungleichem Werthe. — ie nennen 
davon: „Briefe über Italien“ (4 Bde.) und „Spanien“ (4 Bde); „Reben an 
das deutſche Bolt“; feine hiftorifchen Romane zeichnen fih durch Füle, Eharat- 
teriftif und Sprache aus, befonders „Seipio Eicala“ (4 Bde, 2. Aufl. 184%); 
wDie neue Medea“ (3:Bbe., 2. Aufl, 1842)5 „Die Belagerung des Caſielis 
von Gozzo“ (2 Bde); „Denfwürbigkeiten des Hauptmanns Bernal Diaz del 
Gaftillo“ (4 Bde) u. m: a; 

Rehm, Friedrich, ein tüchtiger Gefchichtsfchreiber, geboren 1792 zu Im- 
michenhain in Kurheſſen, fubirte in Marburg Theologie und in ale Ge⸗ 
ſchichte/ die er, mit einem Preiſe für feine „Historia precum bibliea“ (Göttingen 
1819 gefhmüdt, feit 1815 in Marburg lehrt. Bon ihm: „Handhuch der Ges 
ſchichie des Mittelalters“ (4 Bde. 1820 — 39); „Abriß der Gefchichte des Mit 
telalters“ ( Kaſſel 1840); „Handbuch der Gefchichte beider Hefien‘, 2 Bände, 
— 1842 —46, 

Reibung oder Friction Heißt der MWiberftand, welcher fih ber Bewegung 
der Körper entgegenfept, wenn ihre Oberflächen in Berüßrung kommen. Gie 
wird aljo ftattfinden, wenn ein Körper über den andern Sinurageiogen ober ger 
rollt wird, alfo bei allen Mafchinenbewegungen; ferner bei ber Bewegung flüffis 
ger Körper in Roͤhren ober Kanälen u. a. Gewöhnlich betrachtet man jedoch 
nur bie Ren bei feften Körpern , da fie bei dem Maſchinenbau ungleich mehr in 
Betracht fommt u. viel größer if, als die R., welche bei der Bervegung flüffiger 
Körper erzeugt wird. — Je nachdem ber eine Körper über den andern hinweg: 
gezogen ober Binweggerollt wird, unterfcheidet man gleitende R. u. wälgende 
R.; jede von beiden wird um fo geringer ſeyn, je polirter bie Oberflächen ber 
Körper find, bie miteinander in Berührung fommen. Im Allgemeinen wich zur 
Ueberwältigung der R. eine um fo größere Kraft nöthig fenn, je größer ber 
Drud if; der Bauch, welcher angeigt, ber wie vielfte Thell der Laſt des Körpers 
zur Weberwältigung ber R. nöthig iſt, heißt ber R.8-Eoöfficient. Man kann 
diefen R.8>Eoöfficienten burch verfchiebene Methoden ausmitteln; entweder da⸗ 
duch, daß man bie zu unterfuchenden Körper auf eine horizontale Flaͤche bringt 
u. bann beobachtet, welche Kraft zu ihrer Fortbewegung nöthig iſt; ober dadurch, 
daß man dieſe horizontale Fläche neigt u. die Neigung beftimmt. Um die R. ber 
Zapfen in ihren Lagern zu beftimmen, wandte Muffchenbroed eine in Zapfen geh⸗ 
ende Rolle an, über bie er mittelft eines Fadens zwei gleiche Gewichte King; 
durch das Mebergewiht auf ber einen Eeite, das bie Rolle zur Bewegung 
brachte, wurde ber R.8-Eoeffident gemeffen; er nannte biefe Borribtung Tri⸗ 
bometer. Fuͤr die gleitende R. hat man auf dieſe Weife folgende Geſehe aus: 
gemittelt: 1) Sie ift unter übrigens gleichen Umftänden bei Körpern aus einerlei 
Materie größer, ald bei Körpern aus verſchiedenen Materien; 2) bleiben bie reis 
benden Oberflächen diefelben, fo vermehrt oder vermindert fie fi in einem dem 
Drude gleichen Berhältniß; man findet demnach ben R.8sEoöfficenten unabhängi; 
vom Gewichte des Körpers ben man ber interfuchung unterwirft; 3) wenn 
das Gewicht nicht ändert, fo hat bie Ausbehmn er reibenden Kläche feinen 
Einflug auf die R.; es ift alfo z. B. für ein Wolyeder, befien Seitenfläden 
gleich gut polirt find, ber R.s-Eoöfficent für jede Seite von gleicher Größe. — 
Bei ber R. der Zapfen muß das Moment ber R. mitberüdfichtigt werben ; denn 
offenbar muß die N. um fo fehwieriger zu Überwältigen (eyn, ie emikeruier wun 


726 Rei — Reichardt. 


der Drehungsare fie ſich befindet. Deßhalb find dünne Zapfen immer vortheil⸗ 

hafter. — Die wälgende R., bie bauptfächlich bei unferen Fuhrwerken in ie 
e 

vor 

aus bem 





fommt, ift im Allgemeinen viel geringer, ald die gleitende; fie fteht im 
ten Berhältniß der Halbmefler der fich wälzenden Cylinder. Es ift b 
theilhafter, Wagen mit größeren Räbern zu gebrauchen, auch noch 
Grunde, weil dann bie, bei ber Are flattfindenbe, gleitende R. leichter uͤberwunden 
werden kann. — Roc einige Zahlenangaben, durch Erperimente ausgemittelt, 
wollen wir hinzufügen. Kür Eichenholz auf Eichenholz iſt der R.o⸗Gosfficient 
== (0,43; für Eichenholz auf Tannenholz == 0,66; für Tannenholz auf Tannen⸗ 
holy == 0,56 (ſaͤmmtlich nach der Richtung ber Faſern); für Eifen auf Eifen = 

‚29; Eifen auf Mefling = 0,26, und wenn beide Flaͤchen nad) eren 
Gebrauche ſich ſehr politt Hatten, nur 0,17; bei ſtaͤhlernen Axen in kup 
Pfannen = 0,15 bis 0,19 u. durch Beſtreichen mit Fett nur noch == 0,09. Bei 
der wälzgenden R. hat man folgende Refultate gefunden: für gut gepflaſterte 
Straßen ift ber R.-Eoöfficient = 0,014; für Chauffeen = 0,028 u. wenn fle mit 
neuen Kieſeln überfchüttet find — 0,075; für Eifenbahnen höchſtens — 0,006. — 
Bebeutend ift die R., wenn Geile um Rollen gefchlungen find. Rimmt man hie 
ben R.sEoöfficienten = an, fo findet fi, baß, wenn das Geil nur ben vierten 
Theil des Umfangs berührt, 148 Pfund, wenn es ben halben Umfang berührt, 
206 Bfd., wenn es ben ganzen Umfang berührt, 481 Pfd., wenn es anderthalb⸗ 
mal Herumgefchlungen ift, 1055 Pfb., wenn es zweimal herumgefchlungen if, 
2314 Pfd. nötkig find, um 100 °Pfd. zu haben. Diefe große R. zeigt fidy unter 
anderen bei Drehbänfen, wo die Spindel durch ein über fle geſchlungenes ı. eben 
nicht ſehr angeipanntes Seil doch mit grober Kraft gebreht wird, 

Heid (Regnum), bedeutet urfprünglich ben Inbegriff einer großen Mehr⸗ 
zahl von Dingen ober Begenftänben, bie zu einem allg en Vrincipe im Ber 
haͤltniſſe ſtehen u. bie man fi) al& reichhaltig denkt. In biefem Sinne ſpricht 
man 3. B. von Natur⸗, Minerals, Thier⸗R.; in religiöfer Hinficht felb von ei⸗ 
nem R. ber Gnade. Chriſtus nannte in biefer Bedeutung feine Heilsankalt 
ein R. Gottes. — Daher nennt man auch größere Staaten, an beren Spige ein 
monardhifches Oberhaupt fteht, R., baher Kaifer-R., KönigR. — Auch das frühere 
deutſche R. cf. d.), wurbe ſchlechtweg R. genannt, fowie bie zu bemfelben ges 
hörigen oberbeutfchen Reichslänber, mit Ausnahme ber öfterreichiichen Erbſtaaten. 

Reichard, Ehriftian Gottlieb, ein um bas Stubium ber alten Geo⸗ 

raphie u. durch feine Kartenwerke verbienter Gelehrter, geboren zu Schleig 1758, 
Aubirte 1777 — 81 zu Leipzig die Rechte, trieb aber nebenbei die philologiichen u. 
archäologifchen Stubien, ward 1783 Stabtfchreiber, 1805 Stabtfundifus zu Loben⸗ 
fein und 1815 ſachſen⸗ gothaiſcher Hofrath u. farb 1837. Man Hat von ihm: 
Orbis terrarum antiquus, Rürnberg 1818 — 30, Bb. 1 — 15, Fol.; Orbis ter- 
rarum veteribus cognitus in usum juventutis exaratus, Rürnb. 1830 (24 Kar⸗ 
ten); Germanien unter ben Römern, ebend. 18265 außerdem gab er 110 Karten 
bei Bertuch, Hofmanns Erben u. Perthes Heraus; 1803—6 war er Mitrebadean 
der geographiſchen Ephemeriben, | 

Reichardt, Johann Friedrich, ein trefflicher muſikaliſcher Kritiker und 
namhafter Gomponift, geboren 1751 zu Königsberg , 1775 Kapellmeifter in Ber: 
in, wo er fih um die Oper u, Goncertmunf (duch Errichtung eines Concert 
spirituel) verbient machte. Wegen feiner „Bertrauten Briefe Frankreich⸗ 
(2 Bde. 1792) verabſchiedet, ſpaͤter zum Salzinſpector in Halle ernannt, kam er 
nach abwechſelnden Schickſalen in den Jahren 1802 — 1807, wo er ſich bald in 
Paris (hier wurbe er Mitglieb bes Nationalinſtituts), bald in Danzig, Königs⸗ 
berg u. Memel aufhielt, 1808 als Hofcapellmeifter nach 2 u. ftarb 1814 
Giebichenſtein. Unter feinen fehr zahlreichen Werten (er ſchtbeb über 177) 
ben verſchiedenſten Gattungen, verdienen beionbere Auszeichnung: feine Lieber mit 
Plavier (76 Hefte), größtentheils Gedichte von Goͤthe, Schiller ‚ Klopftod und 
Derber; feine Opern „Macbeth, tie Sciheriniel, Breunus, Olympiade, Rofas 









Reihenau— Reichenbach. var 
munde, Protefllao“ u. ſa w. J eine Anzahl Eompofitionen: für das: Piano, forwie 
mehre, von ſchoͤner Siena u. geläutertem Gefchmade zeugende, ee 
kritiſche Schriften, 4. B..„Kunftmagazin“ (1782) ; —— Wochenblatt” 

1791 — 1793) u. ſ. w. Als — noͤthigte er ſelbſi ſeinen © 

chtung u; Anerlennung ab. — e Gattin Julie, Tochter des berühmten 
Franz Benba, geboren 1752 zu Berlin, war eine ber ausgezeichnetften —— 
innen ihrer Zeit. Sie ſtarb ſchon im Jahre 1783. — Seine Tochter Louiſe, 
durch des Vaters hoͤchſt forgfältige Leitung zu einer —— Sängerin ge⸗ 
bildet, lebte feit 1008 in Hamburg als Geſangolehrerin. ſtarb 1826, aus⸗ 
gezeichnet dutch Liedereompofitionen. 

Reichenau, 1) eine Meilen lange u. 4 Meile breite, zum Großherzog⸗ 
thume Baden geferir, Infel im Bodenee (Unterfee). . Ihre Oberfläche bededen 
größtentheils Weinberge, deren Erzeugniß — berühmt iſt. Auf ihr befindet fich 
eine 724 geftiftete, ehemals ſehr reiche Benebiltinerabtei u. drei Dörfer mit etwa 
1800 Einwohnern. Im Jahre 838 ſtarb Hier Kaiſer Karl der Dide in der-größr 
ten Dürftigfeit u. wurde in der Stiftöficche beigefegt. Auf dem höchften heile 
ber Imfel, bei dem Kreuze, bietet fi) dem Auge eine Herrliche Aus ſicht dar, Im 
Herbfte wird das Waffer des See's gewöhnlich fo niedrig, daß man zu Fuß von 
dem auf ber Infel liegenden Weiler Schopflen nach Wollmatingen gehen Fan. 
— 29%, Schloß. u. Kleines Dorf bei Tamins, am Zufammenfluffe des Hinter 
u. Vorderrheins, 14. Stunden weftlih von Ehur, im Canton bündten. Im 
ſchoͤnen a re überfieht man bie herrliche Umgegend u. die Bereinig 
des Hinter» u. Vorberrheind, Diefer enthält mehr Waffer u.; die Farbe beffelben ij 
gie u. rein,-da hingegen ber erftere aſchgraue u. ſchwarzblaue —— 

en das Ende des 18. na hatte Bürgermeifter von Tfharner 
Schloſſe eine —8 Erzlehungsanſtalt errichtet, Die aber nur von kurzer 
Dauer war. din diefer Anftalt war während feines Erils der Exfönig ber Frans 
ae Ludwig Philipp (f. d.), unter angenommenem Namen Xehrer ber frans 
fh) fchen Sprache u, Mathematit. Im Mai 1799 fand hier ein heſtiges Gefecht 
zwoilcden den Buͤndtnern u. Franzoſen Statt. 

Reichenbach, 1) Kreisftadt im Negierungsbezirfe Breslau des preußiſchen 
Schleſiens, in maleriſcher e am Eulengebirge u. am Peilbache, mit 6000 theils 
Tatholifchen, theils proteftantiihen Einwohnern, welche lebhaften Gewerbfleiß und 
Sand, beſonders mit ſchleſiſcher Leinwand, treiben. Hier am 16. Auguft 1762 

ieg Briebriche I. über die Defterreicher unter Loudon; am 27. Juli 1790 Eons 
greß u. Gonvention zwiſchen Preußen, England, Holland u. Rußland, woburd 
der Friede Oeſterreichs mit der Pi u, die Erhaltung der legteren Macht vers 
mittelt wurde ; am 14. Juni 1813 Bertrag zwifchen England, Preußen u. Ruß⸗ 
land, in weldem England an Preußen für 80,000 Mann auf bie legten Monate 
des Jahres 666,666 Pfund Sterling u. an Rußland für 160,000 Wann auf 
diefelbe Zeit 1,333,334 Pfund Sterling zu bezahlen verſprach, Preußen eine Ver⸗ 

eößerung und Hannover, außer dem Bisthum Hildesheim, ein Theil ber preußts 
Phen Provinzen in Niederfachfen u. Weftphalen zugefagt wurde. — 2) R., ches 
malige Benebdiftinerabtei im Kreiſe Oberpfag u. Segentung des Königreiches 
Bayern, Landgericht Nittenau, gewährt, auf einem Hügel am Regenfluffe ftehenb 
u. von altertHümlichen Ringmauern u. Thürmen umgeben, einen ungemein maleri- 
ſchen Anblid. Die ftattliche, zweithürmige Kirche hat in ihrem Aeußern getreu 
ben Typus der Borzeit bewahrt; bie übrigen Gebäude find jeht im Befitze eines 
Brauers, u. zum Theil eines Steingutfabrifanten. Das Klofter wurde im Jahre 
1118 von dem Markgrafen Diepold IL von Cham gegründet, welcher mit feiner 
damilie in ber Kirche unter einem ſchoͤnen —X Grabſteine ruht. 1556 
ging der Abt Michael Katzberger zum Lutherthume über u. ließ ſich in Regens⸗ 
burg mit ber Tochter eines bafigen Bürgers trauen. Das Kofler kam unter 
weltliche Adminiftration u. erhielt erſt 1695, nachdem in ber Oberpfalz laͤngſt bie 





728 Reichenbach. 


alte Religion wieder eingeführt war, feine Selbfiftänbigfeit zurüd. 1803 wurde 
es aufgelöft. mD. 
Reichenbach, 1) Beorg von, einer ber größten Mechanifer der Reuzeit, 
wurde am 24. Auguft 1772 zu Durlach im Großherzogthume Baden geboren, 
u. fam mit feinem bei der Stüdgießerei angeftellten Bater in früher Jugenb nad 
Manheim, wo er in ber Milttärfchule feine Bildung erhielt. Sein Talent ver 
rieth fich dort fo —AäA daß ihn ber Kurfuͤrſt Karl Theodor auf Staats 
koſten nach England reiten ließ u. 1793 bei feiner Ruͤckkehr zum Artillerielieute⸗ 
nant ernannte. Im Sabre 1805 begründete R. mit v. Utzſchneider u. Frauen⸗ 
hofer das mechanifch »optifhe Inftitut zu Münden u. Benebiftbeuern, wo alle 
zu ben größten aftronomifchen u. geobätifchen Operationen erforberlichen Inſtru⸗ 
mente in einer Vollkommenheit ausgeführt wurben, gegen bie nach bem Artheile 
ber erften Kenner alles Andere in biefer Art bisher Geleiftete weit zurüdbleibt. 
R. war ausgeftattet mit einem Erfindungsgeifte, ber in bem weiten Umfange ber 
Raturforfhung die Hülfsmittel zur Auffaffung großer Erſcheinungen fchnell zu 
fhaffen wußte, u, mit einem Umblide, welcher das Mangelhafte ſchon vorhandener 
Kunſtwerkzeuge zu Beobachtungen u. Berfuchen leicht zu bunpbringen vermochte. 
Die großen breifüßigen Meridiankreife, die zmölfzölligen Re ondfreife, Die 
Theodoliten u. bgl., welche aus feiner Anftalt Hervorgingen, find in Einfachheit 
u. Zwedmäßigfeit der innern Einrichtung, in Schärfe u. Feinheit der Theilung, 
überhaupt in ber ganzen Anordnung, wmübertreffbar u. Tiefen alsbalb ben eng 
fhen Inftrumenten ber Art den Rang ab. Die großen Aequatoriale R.s befrie⸗ 
digten buch ihre finnreiche Konftruftion bie Höchften Erwartungen ber Aftronomen. 
Ein ganz eigenthümliches Inftrument verfertigte ex 1812 für ben Freiherrn von 
ach, welches eine tragbare Sternwarte genannt werben fünnte, ba es bie beiden 
auptinftrumente einer Sternwarte, ein vollfommenes Mittagefernrohr nebſt einem 
Repetitionskreife, noch mit einem repeticenben Theoboliten zur Mefiung ber ls 
muthe vereiniget. Im Jahre 1811 wurde R. f. Oberfiberg » u. Salinenrath, 
bas Jahr darauf Direktor des Minifterialbaubureaus , 1826 Kommandeur bes 
Eivilverdienftordens der bayerifhen Krone u. Witglicd der Akademie ber Wiſſen⸗ 
haften. Im diefen Wirkungsfreifen bat fih R. durch feine vortreffliden Ein- 
richtungen in ben bayerifchen Salinen, die Berbefferung ber Gewehrfabrif in Am⸗ 
berg u. ber k. Stüdboßrerei, fo wie durch feine Erfindungen von eifernen Brüden 
nad) einer neuen Konftruftion ausgezeichnet. Allen feinen Unternefmumgen abe 
hat er durch die berühmten Waflerfäulenmafchinen bei Berchtesgaden u. Reichen» 
hal die Krone aufgefegt. Er endigte fein thätiges u. verbienftvolled Leben zu 
Münden den 21. Mai 1826 an ben Folgen eines Nervenfchlages. Im “Drude 
ließ er erfcheinen: Theorie der Brüdenbogen u. Borfchläge zu eifernen Brüden, 
Münden 1811.mD. — 2) Karl, Freiherr von, geboren zu Stuttgart 15. Febr. 
1788, Sohn des Hofbibliothelars, befuchte das Gymnaſium feiner Baterftadt, 
dann bie Univerfität Tübingen, wofelbft er Behufs eines fchon früher gefaßten 
Plans der Auswanderung nach den Sübfeeinfeln eine geheime Geſellſchaft grüns 
dete, von der Rapoleonifhen Polizei aber aufgegriffen u. einige Monate als 
Staatsgefangener auf ber Befte Hohenafperg feftgehalten wurde. Er widmete ſich 
nun ausfchließlich den Raturwiflenfchaften u. ihrer praftifchen Anwendung auf bie 
Induſtrie. Um der Eonfeription zu entgehen, trat er in württembergifche Dienſte 
bei der Rameralverwaltung in Freudenthal, nahm aber fpäter feinen Abichieb und 
bereifete Deutichland, Frankreich u. bie Niederlande, allenthalben bie größeren Ge⸗ 
werfe befuchend; zuruͤckgekehrt verbefierte er in Hauſach in Baden ben Betrieb 
mehrer Eifenwerfe; 1821 trat er in Berbindung mit dem Altgrafen Hugo von 
Salm, befien weitläufige Güter in Mähren er in Berwaltung nahm, wo er beſonders 
in ben Eifenwerfen große Berbeflerungen anbracdhte u. fie zum Theil in Maſchi⸗ 
nenwerfflätten erweiterte Bei ber Herſtellung mehrer großer Berfohlungsöfen 
verband er mit ber Kohlenerzeugung die Gewinnung von Holgeflig, Theer und 
reiner concentrirter Eſſigſaͤure; \eine Unterladgungen Hlebei filärien ihn zur Ent⸗ 


Reichenberg —NReichenberger, 729 


deckung mehrerer empyreumatiſcher Stoffe, befonbers bes in pharmazeutifcher Be⸗ 
ziehung wichtigen Kreofots. Er ſchrieb darüber: „das Kreoſot“, Halle 1833, 
2te Aufl. 1835, Später gründete R. in Blansfo eine bedeutende Runfelrüben- 
Zuderfabrit. Sein auf folden Wege erworbenes Vermögen verwendete er auf 
ber 1835 erfauften Beſizung Reifenberg bei Wien, fo wie auf ben fpäter erfaufs 
ten ausgebehnten Gütern in Niederöfterreich u. Galizien zu weitgreifenden Eins 
eichtungen u. gemeinnügigen Berbefferungen, 1836 wurde ihm von feiner Vaters 
Radt das Ehrenbürgerrecht, 1839 aber vom Könige von Württemberg der Frei⸗ 
herrntitel ertheilt, — 3) R., Heinrich Gottlob Ludwig, k. rn er Hofs 
eath u. Profeffor der Naturgefchichte am der mediiniſch⸗chirurgiſchen Afademie 
In Dresden, geboren zu Leipzig ben 8. Januar 1793, Sohn des Conreltors an 
ber Thomas ſchule, befuchte Mel Säule u. fam 1810 auf die Univerfität, wo er 
fi dem Studium ber Heiltunde widmete, 1815 wurde er zum Philos. Dr., 1817 
nber zum Med. Dr. promovict, nachdem er bereits 1816 als Privatdocent aufger 
teeten war; 1819 wurde er jum außerorbentlichen Profeffor ernannt, 1820 
als Profeffor der Naturgefchichte nach Dresden berufen, woſelbſt er 1827 
Hofcathe ernannt wurde, — R, hat ein eigenes natürliches Pilanzenfyftem Kae 
ftellt, das er in feinem „Conspeotus regni vegelabilis“, &pıg. 1823 u. in feinem 
„Handbuch des natürlichen Pflangenfyftems", Dresden u, Leipzig 1837, befannt 
machte. Unter feinen zahlreichen übrigen Schriften ift bie wichtigfte: „Flora ger- 
manica“, —J 1830. Im neuerer Zeit wendete er ſich mehr der Zoolo je zu 
und fehrieb : „Deutfchlands Fauna“, 2Bbe,, Leipzig 1842; „Bollftändige Raturs 
geſchichte,“ Leipzig 1845 ıc E. Buchner, 
Neichenberg (Liberfa), der, Hauptort der ee Serigaft des 
Grafen Elam + Gallas, die gröfte Provinzialftabt des Königreiches Böhmen, liegt 
im Bunzlauer Preife, an der Neife, die hier ein romantiſches Thal bur: dr 
Es befteht aus ber Alt- u. Neuftadt, u. der Votſtadt Ehriftiansftadt, alten 
diefen Theilen zufammen wohnen 11,500 Seelen. Die Gaffen find großentheils 
eng u. winfelig, aber bie Bauart ift gut u. es gibt viele Yalaftäfntihe Häufi 
Kirchen ündet man nur zwei, die Dechantkirche, 1579 erbaut, u die jhöne Kreuz- 
firhe mit einem Altarblatte von Albreht Dürer. R. hat den Ruhm, daß das be- 
deutenbfte Gebäude der Stadt die Schule ift. Es beftchen hier eine Realſchule, eine 
Haupiſchule, eine Muſikſchule, zwei Spitäler, eine -Zolllegftätte, ein ſchönes Thea⸗ 
ter. Die Vorftabt Ehriftiansftabt, 1787 angelegt, Hat ſchoͤne breite Straßen u. 
hübſche Haͤuſer, meiftens durch Gärtchen getrennt. Stattliches herrſchaftliches 
Schloß mit Part. — R. iſt der Mittelpunft einer ber gewerbfleißigften u. volk⸗ 
reihften Gegenden ber öflerreihifchen Monarchie. Die Tuchweberei allein bes 
fchäftiget über 3000 Menſchen. Außerdem find Hier u. in den umliegenden Dörs 
fern bedeutende Schaf - u. Baummollenfpinnereien, Strumpfiirfereien u. Kattun⸗ 
fabrifen im Betriebe. Auch Hat R. das größte Brauhaus in Böhmen u. erzeugt 
viele Leinwand. In Altharzdorf die berühmte Mafchinenfabrit des Engländers 
Thomas. — Südweſtlich von R. erhebt fih ber 2904 Hohe Jeſchkenderg mit 
ſchoͤner Ausfiht. — R. hatte ſchon 1384 eine Pfarrkirche, 1579 wanberte ber 
erſte Tuchmacher ein, u. 1630 erbaute Wallenftein der Tuchmacherzunft Meifters 
haus u. Knappenherberge. Um 1719 blüßte bie Leinweberei empor. Im Bers 
laufe des fiebenjäßrigen Krieges, am 21. Juli 1757, fiel bei R. ein Gefecht zwi⸗ 
fchen den Defterreichern u. Preußen vor, in welchem letztere Sieger waren. K. 
Joſ. v. Ezörnig, Topogr. « Hiftor.-Ratift. Beſchrelbung von Reichenberg, 
Wien 1829. mD. 
Neichenberger, Andreas, Domcapitular u. theologiſcher Schriftfteller, war ben 
24. Rovember 1770 in Wien geboren. Seine Gymnafialſtudien machte er bei 
den Biariften, hörte an ber Univerfität Philoſophie u. trat 1788 in das damalige 
Gencralfeminar. Nach deſſen Aufhebung 1790 kam er in das erzbiſchoͤfliche 
Alumnat in Wien, wo er 1791 ben theologifhen Kurs vollendete u. ein Jahr 
lange das Amt eines Katecheten an einer —E vorab. I ai 


1} 


7% Reichenhall. 


geweiht, übte er drei Jahre lange die Seelſorge auf dem Lande, bis er 1796 bie 
Lehrkanzel ber Paftoraltheologie an ber Wiener Univerfität erhielt, 1799 ſich bie 
theologifche Doktorwürbe erwarb u. 1806 zum Defan ber theologifchen 
gewählt ward. 1812 riet er als Anerkennung feiner Berbt den eb 
nes k. k. Rathes u. zwei Jahre barauf, nach 18jährigem Lehramte, geben ihn 
bie Univerfität zu dem erlebigtn Kanonikate an ber Kathedrale zu Linz. Bei fe 
nem Austritte aus bem Lehramte ertheilte ihm ber Kaifer aus eigenem Antriebe 
ben Titel u, Rang eines nieberöfterreichifchen Regierungsrathes. 1815 übernafe 
er bie Direktion ber theologifchen Studien an bem Linzer ‚warb 
im biſchoͤflichen Seminar u. wirklicher Konfiſtorialrath. Geine Schriften : 
ungebuch für Kranke u. Sterbende, Wim 1795, 12. U, 18285 Erziefungsbäd- 
lein für Lanbleute, 1793. Sein Hauptwerf: SPaftoralanweifung nad ben Be 
bürfnifien unferes Zeitalter, 5 Thle., 1805 — 8, 2te Aufl. 1818 u. aud in 
Württemberg mehrmals nacdhgebrudt. Kürzere —— nùſ— Wertes zum ala⸗ 
demifchen Gebrauche, 2 DBbe., 1813 u. 1823. In's Lat. . 1818. 6 vater 
laͤndiſche Predigten, nady dem Bebürfniffe unferes Zeitalters, 1797. CEhriſtkathol. 
Religionsunterriht, 2 Bde, Wien 1795, 3te Aufl, 1825. Ca. 
Reichenhall, Stadt in Oberbayern und Gig eined Landgerichtes, Salzober⸗ 
amtes und Forftamtes, liegt an ber Sala) , in einem engen Bergkeſſel am Fuß 
bes Hohenftaufen u. Unteröberges. Dem Boben entfpringen Hier mehr als dreißig 
Salzquellen, unter denen bie fogenannte „ Snabenquelle * hinſichtlich innerer Güte 
eine ber erfien Deutſchlands if. Sie Tiefert jährlich gegen 1,500,000 Gubilfuß 
Salzwaſſer mit einem Gehalt von 254 pCt. Gehens find ber Geabendad 
ein unterirdifcher Kanal, durch welchen bie „armen Quellen“ in bie Salach ab: 
geleitet werben, bie Brunn⸗ u. Subhäufer, bie Gradichäufer, bie Baaber’iche 
bolenförberungs » Mafchine , die große Schneidemühle, auf ber bie Salzfaͤßchen 
finnreich bereitet werben. ligem bewundert werben bie Leitungen u, Drud 
werfe, vermittelft welcher ein Theil der Soole von R. nad Traunflein, 7 Stun⸗ 
ben weit über Berg und Thal geführt wird. Der Schöpfer dieſes kunſtreichen 
Werkes, welches unter bem Burkkefen Marimilian L angelegt wurde, war ein 
bayriſcher Zimmermann, Hans Reifenftuhl bes Namens. Noch großaFtiger find 
die Waflerfäulen-Mafchinen des berühmten Reichenbach, welche bie Soole über 
grofe pölem nad dem 17 Stunden entfernten Rofenheim haften. — R. zählt 
inwohner und Hat außer ber Saline auch Hammers u. Blechichmieben. 
In der Naͤhe liegt das aufg obene Auguftiner Ehorherrnfift St. Zeno, mit 
einem herrlichen altdeutfchen Gotteshaufe, 300° lang u. 90’ breit, welches feine 
Gründung Karl dem Großen verdankt. Viele ber Alteften bayrifchen Familien 
haben in biefer Kirche ihre Ruheftätte, als bie Taufkirchen, Haslang, Zörring, 
Nußdorf, Amerang, Truchtlaching, Schoͤnbeck, Tettenheim, Mermofer, Frauenberg 
u. am Auf dem Karliſtein, weſtlich von R., ragen bie Trümmer ber ur⸗ 
alten Burg gleichen Ramens. — Die Quellen von waren ſchon zu Zeiten 
der Roͤmer unter der Bezeichnung ad Salinas bekannt und bildeten ein Regale der 
Kaiſer, welches ber comes salinarum verwaltete Im Sturme ber Böllerwans 
berung zerflört und vergeflen, treten fie zu Ende bes 6. Jahrhunderts in ben Mrs 
kunden neu hervor. Die Sage fchreibt ihre Wieberentbedung bem heil. Rupert, 
Biſchof von Salzburg, zu. Es iſt aber erwieſen, daß bie Gewerke an ber Saline 
zur Zeit, als jener Gottesmann nach Juvavia kam, ſchon im Betriebe waren, denn 
gerog Theodo U. fohentte ihm 20 Salpfannen und eben fo viele Defen. Unter 
arl Großen waren bie Salzwerke ein Borbehalt ber kaiſerlichen Sammer, ' 
wie unter ben Römern. Den Dynaften von QeifRein u. Blain wurde der Schuf 
bes Hallgebietes übertragen; fie Batten ihren Sig auf ben Burgen Karlſtein und 
Blain bis zu ihrem Ausfterben im 13. Jahrhunderte. Im weitern Berlaufe be 
Zeiten wurde R. oft ber Gegenſtand blutiger Zwifte ber Herzoge von Bayern 
mit ben DBifchöfen von Salghurg. Ueberhaupt Hat bie Stadt burch Krieg und 
Brand ſchwere Unfälle erlitten, yet am &. Revember 1834, ba eine große 


E 


Reichlin · Meldegg. 731 


Feuersbrunſt 286 Gebaͤude u. einen beträchtlichen Theil ber Saline in Aſche legte. — 
Flurl; Vorlefung über bie Saline R. in einer öffentlichen Sigung ber Afabemie 
der Wiſſenſchaften, 18095 v. — —— Die deutfchen, — die 
—— u. ‚öfterreichifchen Se 
Neichlin- Meldegg, — — — 5* von, prof, der 

guiclohe in ‚Heidelberg, am 21. 1801 zu Gravenau in Obers 
‚ayern, der Sohn eines — Regierungsrathes ir Freiburg, wo er das Gym: 
naftum u. feit 1815. bie ——8 eſuchte. Er ig geiftlichen — 
und als feine Lehrer in der I ie find re u. Ruef zu 
von denen bekanntlich die beiden lehteren ſich Ar be It Je ddr 
richtung anbequemten. 1822 im Meeröburger Prieftechaufe 
bereitet, —— ex dieſelbe im März 1823 in Rottenburg von De Silo — 
Während er eine Gymnafial-Profefjur begleitete, Kan —* in Privaiſtudien ſich 
für das theologifche Lehramt an der Univerfität zu befi Bereitö erwarb er 

ch 1823 die 94 Doltorwuͤrde, er wurde in di, fi ae Schrift „über die 
Theologie des Magiers Manes“, Frankfurt a, 1825, als Privatdocentian 
Br theol, Bacultät in Freiburg — Hier beſchaͤftigte er votzugsweiſe 

mit Kirchengeſchichte; 1828 ward er zum auherordentlichen —— —— a 

bie Schrift: — Abhandlungen", Leipzig 1829, veranlaßie eine 
volle Berufung an bie meuerrichtete „Fatholifch »theologiihe Fakultät in Siehe. 
Um ihm für Freiburg zu erhalten, wurde ihm — die — rofeſſur 
der Kirchengeſchichte übertragen , obgleich ber ge Hu er of 
feine nie wünfchten, denn ſchon feit 1826 gefiel er eben, 
ehrwuͤrdige tionen der katholiſchen Kirche —— —* —— 
Kritik’ zu beſpoͤtteln. Indeß beſchraͤnlten IR eo ee feeifinnig — 
ungen vorläufig nur auf’ Kirchendiſciplin und daher‘ dem bi ſchen 
Lehrbegriff unangetaftet, Allein umüberlegte 3 gaben: der Vermut 
Raum, als ob er auch die Gottheit Chr zu läugnen wage und befhalb 
fi die damals hoͤchſt freifinnige Regierung bewogen, R. in Gegenwart des Erz⸗ 
biſchofs u. des Curators der Univerfität, Staatsrathes von Türfheim, zur Vorficht 
zu ermahnen und ihm von Seite des Großherzogs das Mipfallen auszubrüden. 
Unter hoͤchſt unzureihenden VBorwänden u. Ausflüchten, — den Katholicismus in 
einen römifchen u. joſephiniſchen unterfcheidend, eben fo dem theologiſchen Doctoreid 
und kirchlichen Lehrbegriff trennend — ſchien N. in feiner Argerlihen Widerſetz⸗ 
Lichfeit beharren zu wollen, da mehre feiner Kollegen ihm Beifall zollten und die 
von Amann u. Zell angeregte Denkfchrift um he bebung bes Gölibats in gleichen 
Zeitpunft fiel. 1830 eröffentlchte R. den erften Band „Allgemeine Gedichte 
des Chriſtenthumes“, worin eben fo Hiftorifch-falfche als antifatbolifche Tendenzen 
unverhohlen fi auszufprechen wagten. Der Exzbifhof wandte fi jept in einem 
unmittelbaren Schreiben an ben Großteriog, 31. März 1831, mit der Bitte um 
R.s Entfernung vom theologiſchen Lehramt. Diefes Schreiben war aud von allen 
Domtapitularen unterzeichnei. Zugleich richtete ber Exzbiihof am 28. Juni 1831 
eine Anfrage an R., ob er, als Verfaſſer der allgemeinen Geſchichte des Ehriften- 
thumes, noch Alles "mit aufrichtigem Herzen glaube, was er bei feiner Priefters 
weihe beſchworen? Statt eines Widerrufes ober eh einer beftimmten Exflärs 
ung erbat ih R. vom Miniſterium die Berfehung I I bptuc Facultaͤt 
und antwortete erſt nad) ein paar Monaten in chreiben vom 31. Dezbr. 
1831: „baß er das bei ber Prieſterweihe ab; —* —eS— im Wiher⸗ 
ſpruche finde mit Vernunft, Geſchichte u. Chriſtenthum.“ Das Erzbiſchöͤfliche Or⸗ 
dinariat befahl ihm am 12. Januar 1832, die bei ber Prieſterweihe empfangenen 
Urkunden herauszugeben, fufpenbirte ihn von allen geiftlichen Amtsverrichtungen 
und erließ über befien bevorflehenden Austritt aus der katholiſchen Kirche an 
alle Defanate ein biſchoͤfliches Circular. Am 19. Februar murbe er von Defan 
Eiſenlohr in Freiburg in bie proteftantifche — —&e —E jenommen, & 
übernahm nun bie Rebaktion ber von Rote, Durtlinger 1. Kate yaıte 


132 Reichbabfihied — Reichsdeputation. 


gebenen Zeitſchrift: „ber Freiſtnnige“, lieh aber nur dem Blatte proviſoriſch feinen 
Namen, indem ex auch nicht einen einzigen Aufſatz für daſſelbe geſchrieben Hat. 
Im Juni 1832 gelang ihm endlich die Berfegung nach Heidelberg, mit dem Auf⸗ 
trage, über Philofopie u. Philologie Vorlefungen zu halten. Fernere Schriften 
von ihm: Ermwiberung auf die Rec. ſ. Gefchichte bes Chriſtenthums in ber Tub. 
dent. Duartalfchrift, 1831, als Beitrag der gegen mich in Anregung gebrachten 
seieherun en, $reiburg 18315 Grundſaͤtze ber hebrätfchen Formbilbung, 18315 
Moſaiſche Geſchichte vom brennenden Dornbuſche, Weberf. u. Commentar; Ber 
ſchiedene Erklärungsarten und eigener Erllärungsverſuch, 1831; Sendſchreiben 
an ben Herrn Erzbifhof Bernhard Bol über das bei ber Prieſterweihe zu bes 
Ihwörende Blaubensbefenntniß, 1832; Pindotogie bes Menfchen mit Einfchtuß 
dee Somatologie und die Lehre von ben Geiftesfrankheiten, 2 Thle., Hamburg 
1837 — 383; Das Leben bes außerorbentl. Prof. der Philoſ. in H 
Heinrich Schmid, 18365 Die Autolatrie ober mn, ein G 
* ng — cher Philoſophie, Sendſchreiben an Ludw. Feuerbach, ao 
m 


Heihsabfchied (Recessus imperialis) , hießen bie fämmtlichen Schläffe ber 
ehemaligen NReichsftände, welche beim Schluffe des Reichötages veröffentlicht wur⸗ 
ben. Der lebte (jüngfte) ift von 1654, da ber folgende Reichſstag von 1663 
durch Deputation bis zur Auflöfung bes beutfchen Reiches beftand. 

ir Hug f. Act. 

Reichsämter, ſ. Erzämter. 

Neichsapfel, eine Kugel, bie in der Mitte einen rund herumgehenden Ref 
hat u. auf ber ein Kreuz fleht, welches burch einen, von oben bis zur Mitte herab⸗ 

ehenden, Reif befeftiget if. Er fol die Welt bedeuten und das Kran of bems 
eiben, daß Ghriftus über bie ganze Welt und ihm Alles unterworfen fei. Er 
erſcheint zuerft in diefee Form, während Kugeln bereits früher gefunden wurben, 
auf den Siegeln Kaiſers Dtto J., alfo früher, als bie gewöhnliche Angabe ſagt, 
welche behauptet, daß Papſt Benedikt VIII. ihn zuerſt dem Kaiſer Heinrid 1. 
1014 zum Geſchenk gegeben, ber ihn jeboch auch auf feinem Siegel, nicht In ben 
den trägt. Der fonft bei ber Katferfrönung gebrauchte R. iR vom feinften 
old, 3 Marf 3 Loth ſchwer, unb von folder Größe, daß eine Mannshand die 
Kugel faflen konnte Das Innere ift mit Pech ausgefüllt. Bei ber Krönung 
ber beutichen Kaifer trug foldhen Bayern dem Kaiſer vor. 

Reihsarmee, heißt das Heer, welches bie deutichen Reichsſtaͤnde bei Reiche: 
friegen in's Feld flelten. Das Contingent an Truppen unb Geld — die 
Reichs matrikel vor, welche zuerſt 1521 zu Worms feſtgeſetzt und ſpaͤter vers 
doppelt, 1793 ſelbſt verfuͤnffacht wurde, ſo daß bie R. 200,000 Mann zählte, 

Neichsdeputation hieß jeder, von dem deutſchen Kaiſer u. ben Ständen bes 
Reihe erwählte, Ausſchuß zur Vollzieh eines Geſchaͤftes. Man theilte bie 
Ren in ordentlihe u außerordentliche. Die ordentlichen befanden 
aus fämmtlihen Kurfürften, einigen NReichsfürften, 1 Prälaten, 2 Grafen, ſechs 
Reichsſtaͤhten. Die außerorbentlihen R.en aus Gliebern ber drei Reichs: 
follegien Sie arbeiteten, ohne Abtheilung in Collegien, unter Borfig bes 
Rurfürften von Mainz u. faßten ihre Schlüffe (Deputationsabfchieb) nad 
Mehrheit der Stimmen, wenn feine Religionsfpaltung (itio in partes) eintrat. 
Eines ber wichtigften Deputationdgeihäfte war bie Bifttation bes Reichsk am⸗ 
mergerichts (ſ. d.); die letzte Dazu beftellte Deputation ging 1775 umverrich⸗ 
tetere Sache auseinander. Die erfle ordentliche R. war 1555, Die letzte 1655 — 
62 beifammen. Die lebte u. jeber Beziehung merfoürbigke außerorbentlihe R. 
war jene vom 26. Rovember 1802, ratificirt ben 25. Februar 1803. Im Fries 
densſchluße von Luneville — war feſtgeſezt, daß das linke Rheinufer an 
Frankreich abgetreten, jene deutſchen Reichsſtaͤnden aber, welche hiedurch Verluſt 
erlitten, mittelſt Saͤculariſation ber auf dem rechten en gelegenen geiſtli⸗ 

den Hochſtifto⸗ Stiftes u. Kloſtergoöter niit wer Uten. Die zu Lune⸗ 


Neichsdeputation. 738 


ville angekündigte Säcularifation wurbe durch den R.s⸗Hauptſchluß für Deutſch⸗ 
Land wirklich in Ausführung gebracht, Nach ihr wurden alle Güter der Dom- 
Fapitel und ihrer Dignitäre ben Domainen ber Bifchöfe einverleibt und 
mit den Bisthümern auf die Fürften über, denen biefe angewiefen waren, 
ben, zroifchen mehren veriheilten, Bisthimern wurden bie in ben einzelnen Theilen 
befindlichen Güter biefer Art mit benfelben vereinigt. Ale Güter der funbirten 
Stifter, Abteien u. Mlöfter in den alten fowohl, als in den neuen Befigungen, fa- 
tholiſcher ſowohl, als proteftantifcher, mittelbarer fowohl, als ummittelbarer, deren 
Berwendung in ben vorhergehenden Anorbnumgen nicht förmlich feftgefegt worden 
war, wurden ber freien u. vollen Dispofition der refpeftiven Landes herrn, fowo! 
zum Behufe des Aufwandes für Gottesbienft, Unterricht und andere gemei 
Bige Anftalten, als zur Erleichterung ihrer Finanzen überlaffen, unter bem bes 
flimmten Borbehalte der feften und bleibenden Ausftattung ber Domfirchen 
und der Benfionen für die aufgehobene @eiftlichkeit. Die namentlich und form⸗ 
Lich zur Entſchaͤdigung ——— Stifter u. Kloͤſter, ſowie die der Dispofition 
ber Landesherrn überlaffenen, gingen überhaupt an ihre neuen Befiger mit allen 
Gütern, Rechten, Kapitalien u. Einkünften, wo biefe aud immer gelegen waren, 
über, jofern nicht ausbrüdliche Trennungen jefegt worden waren. Die auf 
ber einen Rheinfeite befindlichen Güter u. Eis welche Spitälern, Univerfl- 
täten, Collegien u. anderen frommen Stiftungen, fowie auch Gemeinden ber ans 
bern Aheinfeite gehörten, blieben davon ‘getrennt u. ber Difpofition ber refpectiven 
Regierungen überlaffen, d. h., fo viel bie rechte Rheinſeite betrifft, der Regierung 
verlangen Drte, wo fie lagen oder erhoben wurden. Jedoch follten die u 
Einfünfte folder literariſchen Anftalten, bie ehemals beiden Rheinſeiten gemein⸗ 
ſchaftlich waren u. dermal auf dem rechten Rheinufer fortgefegt wurden ‚ Diefen 
auf der rechten Rheinfeite fortauernden Anftalten verbleiben, infofern fie nicht in 
Gebieten entſchaͤdigter Hirten Es Die Säaularifation ber gefchloffenen Frauen» 
öfter konnte nur im Einverftänbniffe mit dem Diöcefanbifchofe gefchehen. Die 
Mannsflöfter hingegen waren ber erfügumg der 2andesherrn ober neuen Befl- 
ger unterworfen, welche fie nach freiem Belieben aufheben oder beibehalten konn⸗ 
ten. Beiderlei Gattungen fonnten nur mit Einwilligung bes Landesherrn ober 
neuen Befitzers Novizen aufnehmen. Die Weihbiſchöfe, infofern fie Präbenden 
Hatten, bie Domcapitularen, Dignitäre, auch Kanoniker ber Ritterflifte, fowie ade 
ige Stiftsbamen behielten ben lebenslänglichen Genuß ihrer Kapitelmohnungen ; 
ihnen oder ihren Exben waren bie auf den Ankauf ober Optirung ihrer Häufer 
gemachten Auslagen, fals der Landesherr ſolche nn ihrem Tode an ſich ziehen 
wollte, zu vergüten, au) außerdem an Orten, wo ein Privateigentfum ihrer 
Wohnung hergebracht haben, ward ihnen biefe vorbehalten. Auf biefe Beftim- 
mungen Pin aben bie beputirten Mitglieder ber fäcularifirten Erz-,, Doms und 
anderen geiftlichen Etifter in Deutfchland, auf beiden Seiten bes Rheins, bem 1815 
zu Wien verfammelten Congreß nachſtehende Denkſchrift ein. Der Laͤnderverluſt, 
"den das deutſche Reich durch ben frangöffchen Revolutionsktieg gemacht hat, war 
belanntlich im Jahre 1803 bie Zeranfafiung zur Saͤculariſtrung der beutfchen Bis⸗ 
thrimer, Dom⸗ und anderer Stifter, mit deren Befigungen diejenigen Für⸗ 
fien entſchaͤdigt wurden, welche bie ihrigen auf bem linken Rheinufer eingebüßt dat⸗ 
ten. Für den Unterhalt der Individuen, welchen die Särularifirung ben Beip u, 
Genuß des feit fo vielen Jahrhunderten unverfehrt bewahrten Erbtheiles ber Kirche 
entzog, wurde in dem Haupiſchluſſe der R. vom 25. März 1803, buch Beftim- 
mung ihrer Suftentationen in den $. $. 48 — 58 Fürforge getrı Diefe 
Bermmngen des R.s⸗Hauptſchluſſes erhielten in ber Folge, nad völliger Aufs 
loͤſung des Reichsverbandes, im zweiten Art. bes rheiniichen Bundes— age 
vom 12. Juli 1806, durch welchen fonft alle Reihogeiche für nichtig erflärt 
wurden, bie ausbrüdliche u. völlige Beftätigung. Obgleich dermal ein glüdlicher 
Umſchwung ber politifhen Berhältniffe der deutfchen Ration ben Befig ber ihr 
durch den Revolutionskrieg entriffenen Länder auf bem linten Rück . 






134 Neichſdeputation. 


ſtellt Hat, fo finden fich doch bisher die ſammtlichen Individuen, welche im Jahr 
1803 ihre politiſche Exiſtenz zum Opfer bringen mußten, noch in dem nämlice 
Berhältniffe, wie in jener Epoche, wo ihre perfönliche Sufentation von ber 8 
feftgefegt wurbe. Die Auflöfung bes rheinifchen Bundes, befien Alte bie neuck 
Garantie der Suftentationsrechte deutfcher Bifchöfe, Präfaten u. Mitglieder be 
Doms u, anderer Stifter, enthielt, macht e8 nunmehr zur Sicherftellung ber Rede 
biefer Individuen dringend .nothiwendig , daß alle beffalfigen Beftimmungen be 
R.⸗Schlußes von 1803 in der neuen Bundesakte ber beutichen Staaten alß ver 
bindenbes Geſetz ausbrüdlich bekräftigt werben. Da mehre Länder u. Befitu 
gen, auf denen biefe Suftentationen Baften, jept neuerdings ganz oder zum Theil 
neuen Herren zufallen, fo tritt das Bebürfniß ein, durch Beſtimmungen fürzufe 
en, daß hiedurch bie GSuftentationen feine Stodung noch Schmälerung erleiden, 
ch die Wicdervereinigung bes linken Rheinufers mit ben Ländern beutide 
Nation gelangt biefe auch wieber zu bem Beflge derjenigen Länder u. Güter, bie 
ben bafelbft beftandenen Erz» u. Bistküimern, Domcaptteln u. anderen Stiften an 
gehörten. Mithin fällt nunmehr ber Grund u. bas Bebürfniß jener Suftents 
tions-@affe hinweg, bie in Gemaͤßheit des $. 75 bes R.s⸗Hauptſchluſſes für ben 
nöthigen Unterhalt ber geiftlichen Mitglieder u. der Dienerfchaft bee auf bes 
linken Rheinufer beftandenen Stifter aus den Beiträgen ber Doppelt» Prabenbirten 
bes rechten Rheinufers war gebildet u. bisher von den Yürften Prim as vers 
waltet worben. In einigen Staaten Deutſchlands iſt feit geraumer Zeit von be 
Mitgliedern ber Säcularifrten Stifter eine willfürlich beftimmte fogenannte Staat⸗ 
Refidenz, ganz gegen den Sinn bed R.s⸗Schluſſes, unter ber Karten Bebingumy 
geforbert worden: daß im Falle der Nichterfüllung biefer Forderung ein namfafs 
tee Theil ber Suftentation werde zurüdgehalten werden. Manches Inbivibum, 
welchen bie Erfüllung biefer Forderung durch die Verhältniffe unmöglich wer, 
mußte fonach eine beträchtliche Schmälerung der Suftentation,, welche ihm das 
Geſetz zuficherte, erleiden, weil e6 zu Handhabung feines Rechtes bes Hafen 
Schutzes entbehrte. Auch find hie u. da die Suftentationen nicht nur wit außer 
bentlichen, ſondern auch mit jährlich wieberfehrenden Steuern u. Abgaben belegt 
worben, obgleich fie nach bem Sinne bes R.s⸗Hauptſchluſſes bavon frei bleiben 
ſollten, indem die Steuern u. Abgaben ſchon in demjenigen Zehntel bes eheveri⸗ 
gen ganıen Cinfommens begriffen find, welches ber neue Befiger gemäß 8. 53 
egulirung der Suftentationen zurüdbehalten hat, u. weil überbieß bei ber 
Berechnung des reinen Einfommens alle Laſten u. Beichwerben in Anſchlag ge 
bracht worden find. Ueberhaupt befanden ſich bie Mitglieder der fä 
Stifter, feit der Auflöfung bes Reichsverbandes, in ber unangenehmen Lage, baf 
fie den willfürlichen Beeinträchtigungen ihrer geſetzlich beftimmten Guftentation® 
rechte Nichts als ben todten Buchftaben bes Geſetzes entgegenftellen konnten, Bin 
egen zur wirklichen Abwendung folder Beeinträchtigung einzig die Gnade bei 
Dabei intereffirten Eouverains anflehen, nicht aber an ben Richterftußl eines m; 
partelifchen Schußheren ſich wenden burften. “Die hier angekellten wahren Ber 
hältniffe der Mitglieder fäcularifirter Stifter in Deutfchland werben Hinreichend 
ihren Wunſch u. Antrag rechtfertigen, daß in bie Urkunde bes neuen Bundes⸗ 
ertrage8 ber beutfchen Ration nachftehende Beftimmungen möchten aufgenommen 
werben. 1) Die in bem Reih8-Deputations-Hauptfchluffe vom 25. Feb. 
1803 ausgefprochenen Grundſaͤtze, in Betreff ber ehemaligen geiftlihen Reichs⸗ 
ftänbe u. fämmtlicher Mitglieder der fäcularifitten Erz⸗, Doms u. anderer Stifter 
im beutfchen Reiche werden ihres vollen Inhaltes als allgemein verbinbenbes 
Geſetz beftätigt. Das Oberhaupt des deutſchen Bundes⸗Vereins wirb ers 
mächtiget, Allen u. Jeden in biefer Hinſicht den wirkfamften Schutz zu verleißen. 
2) Wo die Befigungen eines fäcularifirten Erz s ober Bisthums, Domcapitels 
ober auch andern Stift unter verfchledene Herren vertheilt wurden, foll berjenige 
Souverain, ber bisher die Suſtentation zu leiften Hatte, biefelbe auch noch 
fo lange zu leiten verbunden feyn, bis zwiſchen ben neueren Theilnehmern 


a Aa er u an en Pr Ed rl ren 48 


Reichsdeputation. 135 


Mebereinfunft über ben, von: jedem Tünftig zu uͤbernehmenden, Antheil-an der un⸗ 
‚efchmälerten Suftentatton ber —— Individuen sbgekhtofen u. zur. Aus 
Mira — ſeyn wird. 9 Wann u. wo immer die igen ber ſaͤcula⸗ 
riſirten Bisthuͤmer u, Stifter in andere Hände kommen, ſollen dadürch bie reichs⸗ 
ſchluß⸗ oder rg rn Suftentationen niemals einen Stillſtand, noch 2 
minbeften Abbruch leiden dürfen. 4) In Zukunft foll keine Stants-Refibenz 
ben Perfonen, bie eine ſolche Suftentation genießen, mehr geforbert werben duͤr⸗ 
fen, ſondern es fol einem jeben feine Suflentation, ungeſchmaͤlert verabfolgt wer⸗ 
ben, fofern er ſich nicht in einem Staate aufhält, der, mit bem deutſchen ‚Staaten- 
Bunde fih im Friegs-Zuftande befindet. 5) Steuern und Abgaben follen von 
den Suftentationen feine mehr erhoben u. abgezogen werben. 6) Die Suftenta- 
tionen ſaͤmmtlicher Mitglieder der fäcularifirten Stifter auf. bem linken. Rheinufer 
follen —— den neuen Beſihern ber betreffenden Länder, Güter u. Gefälle 
nah Berhältnig übernommen werden , u. fomit hat die Suft entationskaife, 
wozu bie bießfeits —— bi mußten, ſo wie diefe 
Beiträge, gänzlich aufzuhören. Die Mi — der fä ſitten Stifter find Deuts 
ſche, find Mitbürger des jet mit —— Beiſtande befteiten Valerlandes. 
Schon dieß gibt ihnen hinreichenden Anſpruch, an den Früchten des Sieges deut⸗ 
ſcher Nation Theil zu nehmen, wenn auch gang davon abgeſehen würde, baß fie 
als Opfer ber vieljährigen, —— Unterdrüdung Deutſchlands durch fremde 
Gewalt nach der Befreiung deſſelben befondere Rüdficht verdienen; daß endlich 
die Nachkommen ber edelften u. werbienteften Geſchlechter bes Vaterlandes, daß 
bie nächften Verwandten derjenigen ſich unter ihnen befinden ‚bie mit rühmficher 
Anftrengung zur Herftellung der Unabhängigkeit , der deutſchen Nation. und ihrer 
Fürften mitgewwirkt Haben“. Betrachtet man die Momente der befagten Saͤculari⸗ 
fation mit ihren Unterftelungen, fo erfcheint jener Deputations-Abfpluß von allen 
Seiten fundamentlos u. null, Als Urſache jener Säcularifation wird naͤm⸗ 
Lich angegeben: der Berluft der linten RHeinfeite Deutfhlands: u, bie 
Rotäwendigkeit, die verlierenden deutſchen Fürften u, Stände mit dem Eis 
genthum ber Fatholifhen deutſchen Kirche zu entſchaͤdigen. Die Exfenntniß diefer 
Nothwendigfeit beruht aber auf gar feinem Fundamente, denn ber Verluft bes 
linfen Rheinufers fann am wenigften zugefchrieben werben der Reich s⸗Pflich ts 
Bergeffenheit der geiftlihen Stände, fondern, wie bereit3 die Annas 
len das allgemeine Urtheil der Nachkommenſchaft überliefert Haben, lediglich allein 
dem Mangel an Einheitsfinn von Seiten weltlicher Staats⸗Regenten. Gos 
mit wäre, nach ber firengen Gerechtigkeit, bie Entfhädigungsleiftung nur auf die 
ſchuldigen Theile zu legen. Geſetzt aber auch, bie Gerechtigkeit wolle bie Sache 
nicht nn jenau nehmen, fo hätte fie doch wenigftens nicht wohl ausſprechen duͤr⸗ 
fen, daß ber unfhuldigfte Theil zum Opfer ber Entfhäbigung bes 
f&uldigen Theiles allein verdammt werbe, fondern höchſtens, daß je— 
der Reiheftand zur Entſchaͤdigung ber verlierenden Mitftände, nach fiatiſtiſchem 
Berhältniffe, zur Mitleidenſchaft angezogen werde. Allein, daß bie unfchuldigften 
geiſtiichen Reich6-Mitftände allein das Opfer ber Entfäbigung ſeyn folten, — 
daß fie fogar nicht nur ihre weltlichen Staaten verlieren folten, fonbern daß das 
unveräußerliche Eigenthum ber ganzen Eatholifchen Kirche Deutfchlands zur Ent 
ſchaͤdigungs⸗ Maſſe, u. zwar weit über ben Betrag bes Verluftes, genommen wors 
dem ift: diefes Factum gehört wenigſtens, im beſcheidenſten Sinne, unter ben Titel 
einer willführlichen Dispofition über das Eigenthum eines Andern — wenn 
man nicht einmal fagen will: über das Heil. Eigenthum ber wohlthätigen Kirche 
Gottes. Der öffentlich) angegebene Särularifations-@rund, fo fehr er auch in ber 
Anwendung ben unbeutfhen Geiſt feines Princips mur zu laut verras 
then hat, übertrifft fich noch weit durch bie Handlungen, bie er darauf Hat folgen 
laffen. Denn bie deutſchen Reichöftände, buch eine Gntihäbigung von ber Art 
weit größer u, reicher, als zuvor, — nicht nur bald des Mitleids, welches 
fie über das nothgedrungen gewählte Dpfer vor ben Augen ber Bäller " " 


134 Neichödeputation, 


ſtellt Hat, fo finden fich doch bisher bie ſaͤmmtlichen Individuen, welche im Jahre 
1803 ihre politifche Exiftenz zum Opfer bringen mußten, noch in dem nämlichen 
Verhältniffe, wie in jener Epoche, wo ihre perfönliche Suftentation von der R. 
feftgefeßgt wurde. Die Auflöfung des rheinifchen Bunbes, befien Alte bie neueſte 
Barantie ber Suftentationsrechte beutfcher Bifchöfe, Prälaten u. Mitglieder ber 
Doms u. anderer Stifter, enthielt, macht e8 nunmehr zur Sicherftellung ber Rechte 
biefer Individuen beingenb .nothmenbig „ daß alle deßfallſigen Beſtiumungen bes 
R.⸗Schlußes von 1803 in ber neuen Bundesakte ber deutſchen Staaten als ver 
bindenbes Geſetz ausbrüdlich befräftigt werden. Da mehre Länder u. Beflgun 
gen, auf denen biefe Suftentationen haften, jebt neuerbings ganz oder zum Theile 
neuen Herren zufallen, fo tritt das Bebürfniß ein, durch Beſtimmungen fürzufer 
en, baß hiedurch bie Suftentationen feine Stodung noch Schmälerung erleiden, 
ch die Wiebervereinigung bes linfen Rheinufers mit ben Ländern beuticher 
Nation gelangt diefe audy wieder zu bem Beflge derjenigen Länder u. Güter, bie 
ben daſelbſt beftandenen Erz⸗ u. Bistkümern, Domcaptteln u. anderen Stiften an⸗ 
gehörten, Mithin fällt nunmehr der Grund u. das Bebürfnig jener Suftents 
tions-Gaffe hinweg, bie in Gemaͤßheit bes 8. 75 bes R.s⸗Hauptſchluſſes für ben 
nöthigen Unterhalt ber geiftlihen Mitglieder u. der Dienerfchaft der auf bem 
linken Rheinufer beftandenen Stifter aus den Beiträgen ber “Doppelt-Prabenbirten 
bes rechten Rheinufer war gebildet u. bisher von ben Yürften Brimas ver 
waltet worden. In einigen Staaten Deutfchlande ift feit geraumer Zeit von ben 
Mitgliedern ber fäcularifirten Stifter eine willkürlich beftimmte fogenannte Staats⸗ 
Re ‚ ganz gegen den Sinn bes R.s⸗Schluſſes, unter ber harten 
gefordert worden: baß im Kalle der Nichterfüllung biefer Forderung ein namhafs 
tee Theil der Suftentation werbe zurüdgehalten werden. Manches Inbivibuum, 
welchem die Erfüllung dieſer Forderung durch bie Verhältniffe unmöglich war, 
mußte ſonach eine beträchtliche Schmälerung ber Suftentation, welche ihm bas 
Geſetz zuficherte, erleiden, weil e6 zu Handhabung feines Rechtes bes Hohen 
Schutzes entbehrte. Auch find hie u. ba die Suftentationen nicht nur mit außeror⸗ 
bentlichen, ſondern auch mit jährlich wieberfehrenden Steuern u. Abgaben belegt 
worden, obgleich fie nach dem Sirme des R.s⸗Hauptſchluſſes davon frei bleiben 
follten, indem die Steuern u. Abgaben ſchon in bemienigen Zehntel des ehevori⸗ 
gen gamıen Einkommens begriffen find, welches ber neue Befiger gemäß $. 53 
egulirung der Suftentationen zurüdbehalten dat, u. weil überbieß bei ber 
Berechnung des reinen Einkommens alle Laften u. Beſchwerden in Anfchlag ges 
bracht worden find. Ueberhaupt befanden fi) die Mitglieder ber fäcularifirten 
Stifter, feit der Auflöfung bes Reichsverbanbes, in der unangenehmen Lage, baf 
fie den willfürlichen Beeinträdhtigungen ihrer gefeglich beſtimmten Suftentationds 
rechte Nichts als den tobten Buchflaben bes Geſetzes entgegenftellen konnten, Bins 
gegen zur wirklichen Abwendung folder Beeinträchtigung einzig bie Gnade bes 
dabei intereffirtten Souverains anflehen, nicht aber an ben Richterftußl eines um: 
partetifchen Schutzherrn fidh wenden durften. Die bier angeRellten waßren Ber 
hältniffe der Mitglieder fäcularifirter Stifter in Deutichland werben hinreichend 
ihren Wunſch u. Antrag rechtfertigen, baß in bie Urkunde bes neuen Bundes⸗ 
Bertrages der deutſchen Nation nachftehende Beflimmungen möchten aufgenommen 
werden. 1) Die in dem Reih6-Deputations-Hauptfchluffe vom 25. Feb. 
1803 ausgefprochenen Grundſaͤtze, in Betreff ber ehemaligen geiftlichen Reichs⸗ 
ftänbe u. fämmtlicher Mitglieder ber ſaͤculariſtrten Exzs, Doms u. anderer Stifter 
im beutfchen Reiche werben ihres vollen Inhaltes als allgemein verbinbenbes 
Geſetz beftätigt. Das Oberhaupt bes beutichen Bundes sBereins wirb ers 
mächtiget, Allen u. Jeden in dieſer Hinficht den wirkfamften Schutz zu verleißen. 
2) Wo die Befigungen eines fäcularifirten Erz» oder Bisthums, Domcapiteld 
oder auch andern Stifts unter verfchiebene Herren vertheilt wurden, ſoll berjenige 
Souverain, ber biöher die Suftentation zu leiften Hatte, diefelbe auch noch forth 
fo lange zu leiften verbunden \egn , v8 wolihen ben neueren Theilnehmern eine 


Reichshofrath — Neihäftädte, 237 
Neichspofrats. Urſpruͤnglich befaßten ſich bie. deutſchen KMaifer ſelbſt mit 
ber Schlichtung von Rentefucen, Als ſich ſedoch fpäter bie Verhaͤltniſſe Anders 
ten u. es den Kaiſern bei ber Maſſe von Regierungsangelegenheiten nicht mehr 
ich war, ſich ſpeziell damit zw befaffen, nahmen fie vehtshundige Männer zur 
d, welche diejenigen Angelegenheiten ; die bei dem Kulfer zut Entſcheidung 
liefen, aburtheilen mußten. Dadurch bildete ſich an der Seite des Kaifers ein 
Collegium aus, das fpäter ben Namen R; erhielt und, neben dem Reichöfams 
mergeridt (f. d.), das Höchfte Gericht, im Reiche bildete, ı Man wandte 
an: biefes Collegium nicht nur aus den Erblanden bed Kuifers, fondern aud a: 
bemigangen Reichögebiete, und nicht nur in Regierungsangelegenheiten, fondern 
auch in Juſtizſachen. Wie aber dieſe Hofiuftig den — mißliebig ward, bes 
Fchwerten fie ſich vielfach darüber, bis endlich dieſer Gerichtohof Durch die Reiches 
frathsorbmungen von 1559 und 1654 auf — das Reich günftigere, 
deife -inftituirt wurde, Der R. zählte 18 Räthe wilt einem Präfidenten und 
Bicepräfibenten. Nach wie vor wurden zwar alle von bem Kaifer ernanntz body 
mußte ein’ Theil; ber Näthe aus dem Reiche genommen: werben, worunter 6 pros 
teftantifche, Eine Befonderheit war es, daß um der Religionsphrität- willen die 
6'proteftantifchen Räthe, wenn ſie alle einftimmig waren, von den übrigen nicht 
Überftimmt werben lonnien. Da ber R, ſich sam kaſſerlichen Sr gebildet hatte, 
befand er fi immer ba, wo ber Kaiſer refibirte, Er bildete das oͤberſte Regie⸗ 


zungscollegium des Neiches und jeder neue Kalfer ſehte ihn vom Neuem zus 
ſammen. 


N. 

Reichskammergericht. Un Recht u. Geredhtigkeit in Deutfchland feſt zu 
begeänden 
worden war, zu unterbrüden, errichtete Marimilian I. 1495 das R. Es entſpräch 
dieſem Zwecke u, hatte einen wefentlichen Einfluß auf bie Sicherung bes Rechtes 
u. auf die Ausbildung bes Givilprogeffes in Deutihland, Zu lepterem bilden 
bie Sammergerichtsorbnungen von 1495, 1548 u. 1613) witige Grundlagen, 
Als Gerichtshof fand das N, in gleihem Runge mit dem Reichehofratde 
4. d.), war jedoch rüdfichtlich feiner Zufammenfegung mehr von ben Reidsfäns 
den abhängig. Der Kaiſer ernannte blos den Kammerrichter, während die zwei 
Präfidenten u. fämmtliche Beifiger, deren Zahl unbeftimmt war, von den Reichs⸗ 
fländen gewählt wurden. Es bildete die Entſcheidungsbeboöͤrde für bie Reidsuns 
mittelbaren in Eivils u. Criminalſachen, für die Reichsmittelbaren bie oberfle Ins 
ftanz in Civilſachen, jedoch fonnten legtere auch in Eriminalfahen Nullitätsbes 
ſchwerden u. Klagen wegen Juftizverzögerung bort anbringen. Somie überhaupt, 
wirkte auch auf biefen gemeinfamen beutfchen Gerichtshof bie Entwidelung der 
einzelnen beutfchen Randesoberherrlichfeiten ſehr nachteilig ein. Die einzelnen 
Reichs fuͤrſten errichteten als höchfte Inftanzen eigene Gerichte in ihren Ländern, 
wodurch der Bang an das R. immer ſchwieriger wurde. Es Hatte feinen Sig 
in Fri deutfchen Städten, ſeit 1689, bis zu feiner Auſiſung in 

ar. . 

Neichökleinodien, ſ. Infignien. 

Reichsritterſchaft hieß der, mit feinen Beflgungen ummittelbar vom Kaiſer 
u. Rei abhängige, deutſche Reichsadel, auch Reihsfaffen genannt. Die R. 
theilte fih in einen fraͤntiſchen, ſchwaͤbiſchen u. rheiniſchen Ritterkreis. Die Reiche» 
ritter wurden 1806 mebiatifirt. 

Reichsſtaͤdte waren diejenigen Staͤdte des deutſchen Reiches, welche unmits 
telbar unter dem Kaifer u. Reiche ftanden, eigene Regierimgöform hatten u. auf 
dem Reichstage nach der nefeglichen Beftimmung von 1648 bas bitte Collegium 
bildeten. Ste gehörten entweder an u. für fi dem Kaiſer, oder hatten fi) bie 
Reichofreih it dürch Kauf ober Waffengewalt erworben, wie bagsgen mehre fie 
wieber im Kampfe mit den Kürften einbüften. Die Bermaltung übten thells ein 
aus der Befammtheit ber Birger gewählte Magiſtrate, theils blos einielne &e- 
ſchlechtet (Patrizier) aus, Die leptere —z Turm tor unter dem Sins 

Weaisncpciopäle viu an 


138 Neiäftände— Neihbtage. - 


fluße der Katfer Marimilian I, u. Karl V. immer entichiebener hervor. Im Jahre 
1803 blieben von 51 R.n nur Hamburg, Lübed, Bremen, Augsburg, Frankfurt 
am Main u. Nürnberg reichöfrei; Nürnberg, Augsburg u. verloren 
1806, Hamburg, übel u. Bremen 1810 durch Rapoleon ihre Gelbfifländigfeit. 
Die 3 letzteren indeß, fo wie Frankfurt (1815), wurden als freie Stäbte in ben 
beutfhen Bund aufgenommen. 

Reichsſtaͤnde find im Allgemeinen die lieber bes Staates, bie in 23 
die der Regent allein nicht eniſcheiden darf, zu Rathe gezogen werben müſſen. 
Sie beftanden früher aus dem hohen u. bem nieberen bel, ber Geiftlichfeit und 
uweilen aus Abgeorbneten bes Bürger» u. Bauernflandes, Durch bie neueren 
—* ungen find die R. in den meiſten Staaten beftimmter fehneieht worben. — 
Zur Zeit der Reichsverfaſſung nannte man fo in Deutidhland die Mitglieder bes 
Reichs, welche das Recht Hatten, auf dem Reichstage zu erfcheinen. Jeder R. 
un unmittelbares Glied bes beutfchen Reiches, mit Sig u. Stimme auf den 

8tage. 

Reichſtadt, eine Herrfchaft im Bunzlauer Kreife bes Königreiches Böhm, 
war früher nach einander im Befite ber Häufer Sachen» Lauenburg, Bayer, 
Zweybrüden, Waldeck u. Toscana, wurde 1818 zum Herzogthume erhoben, bie 
tostanifhen Beflgungen in Böhmen bamit einverleibt u. Rapoleons Sohne, als 
Derzon von R. (f. d.), überlaflen. 

eihftadt, Napoleon Franz Joſeph Karl, Deziog von, Sohn bes 
vormaligen Kaiſers Napoleon Bonaparte (f. db.) u. ber Marie Louiſe, älte 
ſten Tochter bes Kaiſers Kranz von Oeſterreich, geboren zu Paris den 20, Mär 
1811, wurde bei feiner Geburt von feinem Bater zum Könige von Rom ernannt, 
Rah der Abdankung Rapoleons fam er mit feiner Mutter nach dem Luffchloffe 
Schönbrunn bei Win u. blieb, als Marie Louiſe 1815 die Regierung bes ihr 
zugefallenen Herzogthums Parma antrat, in Wien zurüd, wo er unter ber Ob⸗ 
hut feines kaiſerlichen Großvaters den Matthäus von Colin zum Erzieher u. ben 
Grafen Morig von Dietrichftein zum Oberfthofmeifter erhielt. Da ber Bertrag 
von Paris von 1817 ihm die Erbfolge von Parma nahm, erhielt er bie, zum 
Herzogthume erhobene, Herrſchaft R. (f. d.) in Böhmen mit dem Derrngetiie u 
dem Prädifate Durchlaucht, fo wie den Rang Ummitelbe nach den Bringen bes 
öfterreichifchen Haufes, nebft einem eigenen Wappen. An feinem 12. Geburts⸗ 
tage ertheilte ihm ber Kaifer von Defterreich das Faͤhndrichpatent, 1828 warb er 
Hauptmann im 1. Jägerregimente Kaifer Franz u. Anfangs 1830 als Major 
nad Prog verfegt, wohin er jedoch nicht abging, fondern ein Bataillon im Re 
giment Glulay erhielt. Er nahm ſich bes Dienftes, fowie aller förperlichen Ueb⸗ 
ungen mit zu großem Eifer an u. zog ſich dadurch die Gchwindfucht zu, an ber 
er am 22. Juli 1832 zu Schönbrunn flarb u. in ber kaiſerlichen ruft bei ben 
Kapuzinern zu Wien beigefegt wurde. Man hat viel von ber Unkenntniß ber 
früheren Berkältnifie, in denen er erzogen worben fet, über bie Beldränfung, in 
ber ihn der öſterreichiſche Hof hielt, gefabelt. Die Aufnahme des Dichters Bars 
thelemy im Januar 1829, dem bei feiner eigens zu diefem Zwede nad Wien un 
ternommenen Reife von dem Oberfihofmeifter Graf Dietrichftein die Annahme und 
perfönliche Ueberreichung des Gedichts: Napoldon en Egypte, verweigert wurde, 
bat Hierzu Anlaß gegeben. Indeß war er von ber ganzen Gefchichte, namentlid 
feines Baters, volftändig unterrichtet, ehrte und liebte ifn ungemein und A ein 
bafür, fi Ruhm und Auszeichnung zu erwerben. WBergleiche übrigens Mont⸗ 
" ; — 1, de R.“, Paris 1833, und bie briefli Mitteilungen von 

roke V. D.). 

Keichötage hießen die Verſammlungen des Kaiſers u. der deutſchen Reichs⸗ 

ſtaͤnde in ober durch Abgeordnete, zur Berathung ber fie gemeinfam 
betreffenden Sachen. Sie ſollten innerhalb des deutſchen Reiches gehalten werben; 
gewöhnlidy Ite man hiezu eine Stadt u. ber Kaiſer berieth ih zuvor über ben 
au wählenden Drt u. über die Zeit wit ten Rurtixken, Rur ber Kaiſer konnte 


Reihbvicarien— Reiffenberg. 8 


R.e ausfchreiben. Kurfürften durften jedoch, wenn fie einen R, fir nöthig hlelten, 
ben Kaijer Hieran mahnen. Een — fein neuer R. — 5 in⸗ 
dem ber damalige R. in Regensburg permanent ward, Der Kaiſer erſchien ent 
weber, wie früher, perfönlich auf dem Re, oder ward, wie fpäter, immer bı 
einen Principalcommifjarlus vertreten, was feit 1663 ſtets ein weltlicher ober 
geiftlicher Fürft war. Diefem war ein Commiſſarius beigeordnet. Beide erhiel⸗ 
ten ihre Vollmacht buch Commiffionsbefrete, Auch die Reichs fuͤrſten fonnten 
perfönlich, oder, wie faft immer geſchah, durch Gefandte erfeheinen. Die Berath⸗ 
ſchlagungen erfolgten in brei von einander getrennten Reichskollegien 

Neichsvicarien biegen während ber Erledigung des Faiferlichen Thrones, 
ober auch bei Minderjährigfeit, ober langer Abıvelen it des Kaiſers aus dem 
Reiche, bie Verweſer ber kaiſerlichen Würden, DieR. führten bie oberrichterliche 
Gewalt, verliehen Lehen, doch mit Ausnafme derer, die vor dem Faiferlichen 
Throne empfangen werben mußten, ertheiften Privilegien u. Würden, machten 
mit Zuftimmung ber anderen Stände Reichsgeſehe, ober Iegten fie aus u. fonns 
ten Krieg u. Frieden ſchließen. Sie festen nad jedes Katjers Tode bie Reiches 
vicariatögerichte fat des Reichshofrathes ein. In der MWaflkapitulation ober in 
einer befonbern Urkunde des neuen Kalfers wurden die vorgenommenen "Hands 
lungen ber R. beftätigt. 

Neichtpum , ift ein höherer Grab ber Wohlhabenheit, ober bes Zuſtandes, 
wo man die mit einem gewiffen Stande im Berhättniffe ehenden Bedürfniſſe völlig 
befriedigen Tann, indem ber R. noch mehr gewähren Tann , als zw biefer Des 
feienigung nöthig iſt. Daher entfteht R. nicht blos durch Vermehrung Der zeit 
lichen Güter, fondern auch durch Verminderung ber Bedürfniſſe. Wie dem Men- 
ſchen ein Trieb nach finnlibem Vergnügen angeboren ift, fo * auch das Stre⸗ 
ben nach R., dem Mittel, fi Annieähe Wergmt en zw bereiten, in feiner Natur ; 
die Moral —— dahet auch das Streben nach R, nur in fo weit, als fie ben 
Genuß finnlicher Bergnügungen geftattet, DerR,tann aber auch Mittel zu eblem 
Zwede werben, bie eigene geiſtige Bildung erleichtern, die Fünfte u. Wiſſenſchaf⸗ 
ten heben, da8 Gemeinwohl fördern, die Noth ber Nebenmenfchen lindern, und in 
fo ferne kann bie Moral noch weniger das Streben nad R. verbieten, ı Wohl 
aber muß die Moral behaupten, daß R. immer nur Mittel bleibe, daß alfo das 
Streben nad) ihm nie das Streben nad; höheren Zweden beeinträchtigen dürfe, 
daß der Menſch, welcher R. zum hoͤchfien Ziele feines Strebens madt, unter 
feiner Würde Handele, u. warnen muß fie vor bem Mißbrauche bed R.s, in fo 
Im f em Verweichlichung und unfttlichen Handlungen Gelegenheit und 

el gibt. 

Reif, [. Than. 

Neifenftein, Johann Friedrich, ein gefhäpter Kunfifenmer, geboren 
1719 zu Bönigeberg, vervollfommmnete die enfauftiiche Manier und verfertigte 
zuerſt wieder @laspaften von Cameen mit verfdhiedenfarbigen Lagen. Er I 
in Rom als Sunftagent für Oeſterreich, Rußland, Gotha u. ftarb 1793. 

Neiffenberg, Friedrich, Breißere von, berüßmter Literaturhiftorifer und 
Oberbibliothefar in Brüffel, geboren den 14. November 1795 zu Mons. Anfangs 
widmete er ſich der militäriichen Laufbahn, welche er nach — des Friedens 
verließ, um fich ausſchließlich mit der Literatur zu beſchaͤftigen. 1818, bei ber 
Reorganifation der Höheren Bildungsanſtalten im Königreiche ber Niederlande, 
warb er Profeffor der Literaturgefchichte in Löwen umb zeichnete fich durch viel 
feittge Bekanntſchaſt mit den verfhtedenartigften Fächern bes Wifiens aus. In 
feinen fchriftftellerifchen Arbeiten tritt er bald als Dichter u. Krititer, bald als 
Philoſoph u. Geſchichtſchreiber u. mit befonderem Gluͤcke als geſchmacvoller und 
gründlich pebitneter Bibliograph auf. 1835 erhielt R. ben ehrenvolen Ruf nah 
Lattich, blieb aber dafelbf nur kurze Zeit, weil der Antrag, an ber neugegrünbeten 
föniglichen Bibliothek in Brüffel die Oberlı als Chef ber Anfalt zu über 


nehmen, feiner inbivibuellen Neigung ganz befo aufagte, Sn 









740 Reige. 


es, an literariſchen Schaͤtzen aller Art fo reichhaltige, Inflitut feine —* 
8 aniſation. Seine Gelehrſamkeit u. Fe iſche —* in ben vaterländiige 
Geſchichtsquellen bewirkten von vielen geleßrten Gefellichaften feine 
zum forreipondirenden Ehrenmitgliebe ; bei bem franzöflfchen Inftitute, bei ie 
Brüffeler u. Turiner Akademie ift er orbentliches Mitglied. Außer mehren % 
fuchen in der Poefle u, einem einleitenden philoſophiſchen Lehrbuche: Ecleclicium 
ou premiers priacipes de philosophie genörale, Brüflel 1827; fowie: Gyfk 
ber Logik, Brüffel 1833 — betreffen feine Hauptleifungen das Gebiet ber & 
ſchichte. Histoire de l’ordre de la toison d’or, Brüffel 1830. Histoire & 
commerce et de l’industrie des Pays-bas au XV et XVI siöcle 1822. Une 
Ahnen über die Geſchichte ber Univerfität zu Löwen während ber zwei ern 
abrhunderte ihres Beftehens; De vita et scriplis Justi Lipsi, 1823. Rosi 
de l’histoire des Pays-bas, 1827. Fuͤr die nieberländifche Geſchichte, name 
ich im Mittelalter, bat er ſchaͤzbare Abhandlungen geliefert und in 6 Be 
eines philologifchen u. hiſtoriſchen Archivs eine anjehnlide Sam von M 
moiren niedergelegt. Berdienftvolle Werke führte er theils durch feine fehl 
ins Publikum ein, theils bereicherte er fie mit Einleitungen u. Anmerfungen; balı 
gehören: bie frangöfifche Ueberſezung von Heerens Handbuch der Geſchichte da 
europäifchen Staatenſyſtems, Brüffel 1834, 3 Bde. Barante histoire des das 
de Bourgogae, von ihm mit Anhängen u. wichtigen Roten verfehen; vam de 
Yynkt bistoire des troubles des Pays-bas. Du Clercq. Memoires u. Petr. ı 
Thymo historia Brabantiae diplomstica, Brüffel 1830. Souvenirs d’un pelei 
nage en I'honneur de Schiller 1839 aus Anlaß feiner Reife nach Stuttgart m 
Schillerfeſte. Annuaire de la bibliotheque royale de Belgique, feit 1840 erſche- 
nend. 1844 begründete er eine bibliographifche Zitichrift unter Mitwirkung ven 
Ehalon, de Jonghe, Schayes, Serrure, van der Merfch mit bem Titel: Bulletn 
du bibliophile beige. Regen Antheil ſchenkte er dem wichtigen vaterlänbifchen Un 
ternehmen, die noch ungedrudten Duellenfchriften zur Bearbeitung einer in 
lichen Geſchichte von Belgien zu fammeln u. kritiſch herzuſtellen. Zu 
Behufe wurde das geſchichtliche Sammelwerf begonnen: „Collection des chrosi- 
ques beiges inedites.“ > u 
Reide ift in der Mathematik jebe Bolge von Größen, weldye nach einer 
Geſetz gebildet find u. deren Glieber Termini heißen. Die R.n zerfallen in poe 
Glafien, in niedere oder einfache, auch Brogreffion genannt, wo jebes Glied für 
ſich al8 eine Größe betrachtet werben kann, u. in höhere oder analytifche, wo fer 
des Glied als Theil des Ganzen erfcheint. In den R.n ber erſten Ordnung if 
ber Unterfchied zweier auf einander folgenden Glieder immer gleich groß, ober «6 
bilden drei auf einander folgende Glieder eine fletige arithmetifche Proportion, 
z. 2. 1, 3, 5, 7, 9, 11, 13 u. ſ. w. Zu dieſen Rn gehört auch bie R. ber 
natürlichen Zahlen. Eine R., deren Differenzen, wobei immer ein Glied von bem 
folgenden abgezogen wird, eine aritgmetiiche R. ber erſten Orbnung bilben, heit 
eine arithmetifche R. der zweiten DOrbnung u. f. w. Hieraus ergibt ſich ber Be 
pi der arithmetifhen Rn höherer Orbnung. Bilde man von jebe 
ifferengenreihe wieder bie Differenzen , fo if 3. B. eine arithmetiſche R. ber 
echten Ordnung eine foldye, bei welcher bie fechsten Differenzen einander gleich 
d. Eine geometrifche R. ift eine ſolche, deren lieber, ſobald jebes ent⸗ 
weder durch das vorhergehende, oder buch das nachfolgende dividirt wird, Immer 
gleiche Duotienten geben, ober von welcher je drei auf einander folgende Glieder 
eine ftetige geometriiche Proportion bilden, 3. B. 2, 6, 18, 54, 162 m. ſ. w. 
Eine ganz andere Gattung von R.n find ſolche, weldhe bie Entwidelung dm 
einer Yunction einer veränberlichen Größe bilden, nad) deren Potenzen bie 
bee R. fortfchreiten u. georbnet werben. Je nachdem bie Erponenten biefer Pe 
tenzen zus ober abnehmen, heißt bie R. eine fleigenbe ober fallende. SIR bie 
Summe einer Anzahl von Gliedern einer unendlichen R., von Anfang an genow 
sen, von dem vollftändigen Werthe her ganıen R. het weniger —242 je 





.. 4MMBRAMAD 


Neisec— Neil, 74 


mehr Glieder genommen werben, fo Heißt die R. eine convergirende, bie num 
entweder fehnell oder langfam convergiren Kann; entfernt fi aber bie Summe 
mehrer Glieder, vom erften ar, von dem Totalwerthe deſto mehr, je mehr Glieder 
genommen werden, fo heißt bie R.divergirend. Cs gibt Rn, bie weder cons 
vergiren, noch bivergiren. Iſt eine Größe y als Function von einer veränderlichen 
Größe x durch eine nach Potenzen von x geordnete R. gegeben u. foll umge 
ehrt x durch eine nach Potenzen von y —— N. ausgedrückt werben, fo 
nennt man dieß bie Umfehrung einer Eine rüdlaufende oder wiebers 
tehrenbe (reeurrirende) R. ift eine ſolche, in ber jedes Glied durch die alges 
braiſche Summe ber Probufte aus einigen vorhergehenden Gliedern u. beftimmten 
Zahlen gebildet wird. Diefe beftimmten Zahlen, mit ihren Vorzeichen verbunden, 
bilden bie fogenannte Scala der Relation. Die Lehre von den R,n bildet ein 
eben fo wichtiges, als umfaſſendes u. fehwieriges Gebiet ber Analyſis. 

Neiher (Ardea), Gattung aus der — Sumpfvoͤgel, Familie Stoͤrche 
ober Stelzenfüßler, mit gerabem, Fe sufammengebrüdtem Schnabel, 
nebft fehr langem Halfe u. Füßen, ftarten Zehen u, einer gezahnten Mittelfinue ; 
niften nicht Hoch u. ziehen ihre Nahrung aus dem Waſſer. Arten: 1) Der ges 
meine R. (A. major 8. cinerea), über 3 Fuß lang, graublau, unten weiß, an 
Hals u. Bruft ſchwarze Fleden, am dünnen Halfe und am Kopfe Feberbüjchel, 
lebt in ganz opa und Norbaften, niftet auf hohen Bäumen (3 — 4 grünlich 
blaue Eier), nährt fi von diſchen, Fröfchen, Schneden u. Waſſerinſeiten und 
wurde fonft Häufig mit gezäßmten Falken gejagt (R.Beize), 2) Der Purpurs 
R. (A. purpurea), oben grunlich⸗ 1, unten purpurs rothbraun, Scheitel 
fchwarz ; — Das Fre u. falpifche Meer, von wo er zuweilen zu un 
Tommt, 3) Der europäifhe große Silber: R: (A. alba), in Weftaften, 
Dfteuropa u, Norbaftifa, ſilberweiß, mit langen, gaferigen Rüdenfebern, die als 
Kopfpug dienen. 4) Der europäifche Eleine Silber-R, (A- garzetta), in 
Mittelafien u. Südeuropa, gleicht dem vorigen, iſt aber viel Heiner, Rüdenfebert 
ſchoͤner u, theuerer. 5) Der amerifanifhe große Silber-R. (A. egretta), 
in Nord- u. Südamerika, gleicht dem europäiſchen großen Silber-R., hat aber 
längere Rüdenfebern u. feinen Federbuſch am Kopfe. 6) Der Heine ameri- 
kaniſche Silber-R. (A. nivea 8. candidissima), ebendafelbft, jedoch viel Heiner 
u. mit langem Federbuſche. 7) Der Nacht⸗R. (A. nycticorax), 13 Buß lang, 
im fübliyen Rußland u. Ungarn, zuweilen in Deutſchland, audy in den wärmes 
ren Gegenden Amerika's, hat einen Federbuſch u. iſt fehr ſcheu. 8) Die ge 
meine Rohrdommel (A. stellaris), 3 Fuß lang, ohne Federbuſch, aber mit 
ſtark befiebertem Halfe, in Europa u. Aflen. Ihre Stimme, die fie des Nachts 
ertönen läßt, ift ein dumpfes fchauerliched Gebrülle. Ete ift dem Fiſchteichen fehr 
ſchaͤdlich, eßbar u. wird gezaͤhmi. 9) Die Feine Rohrdommel (A. minute), 
14 Zoll lang, in Südeuropa. 

Reil, Johann Ehrifian, berüfmter Arzt, geboren ben 28. ehr. 1759 
in Rhaude in Oftfrieslant, Sohn eines Predigers, befuchte bie Schule in Rors 
ben, bezog 1779 die Univerfität Göttingen, bann Halle, wo er 1782 zum Med, 
Dr. promovirt ward. Er prafticte nun in Oſtfriesland, wurde 1787 als aus 
Berordentlicher Profeffor nach Halle berufen, wurde 1788 ordentlicher Profeſſor 
u. 1789 Stadtphyfikus in Halle. 1810 wurde er an bie neuerrichtete Univerfl- 
tät Berlin berufen, 1813 übernahm er nach ber Leipziger Schlacht die Leitung 
ber Militärfpitäler in Leipzig u. Halle; bie damit verbundene Anftrengung zog 
ihm ben hertſchenden Typhus zu, an welchem er den 12. November 1813 farb. 
— R. Hat fich große Verdienfte um bie wiſſenſchaftliche Bedeu der ‚Heilkunde 
erworben; durch feine ſchriftſtelleriſchen Arbeiten bereicherte er faft alle Theile 
ber Heilkunde, befonders die Anatomie, Phyſiologie, Pathologie u. Pſychologie, 
aubem war er ein tüdhtiger Chirurg u. Augenarzt. — Seine wictigften Schrif- 
ten find: „Ueber die Erfenntniß u. Kur ber Fieber“, 5 Bde, je u. Berlin 
1799 — 1815, 3. Aufl, 1820 — 1828, — Rhapfobien über bie ww 


142 Reim, 


pſychiſchen Kurmethode auf Geiſteszerrüttungen“, Halle 1803 ꝛc. De Joh. €. 
R. von H. Steffens, Halle 1815. E. Buchner. 
Reim ift in ber Poeſie ber völlige Gleichklang einer ober mehrer Syl⸗ 
ben am Ende eines Berfes. Dadurch unterfcheidet er ſich von ber Alliteration 
und der Eonfonanz (f. dd.). Wird ber R. durch den Gleichklang eines ein- 
ſylbigen Endwort® gebildet, fo Heißt er männlich; if das gleichklingende Wort 
zweiiylbig, fo nennt man ihn weiblidh, u. erfcheint ex dreiſylbig, jo heißt er glei⸗ 
tend. Die Art u. Weile, ober bie Stellung bes R.s iſt fehr verſchieden u. bier 
nach auch feine Benennung. So find unmittelbare ober gepaante R.e bie, wenn 
fih immer zwei Berfe unmittelbar reimen (mitunter auch drei); wechfelnd, wen 
der erfte u, dritte, ber zweite u, vierte reimen; eingefchlofien, wenn zwiſchen zwei 
Rm gie anbere aufeinander folgende eingereift find; verfchränft, wenn ber 
erfte, dritte u. fechste, dann der zweite, vierte u. fünfte Vers reimenz Ketten 
Re, wenn ber zweite R. niit an das Ende, fondern in die Mitte bes folgenden 
Berfes gerüdt wird; Gebanfen-R.e, bie Ähnliche Begriffe enthalten (Hülle, 
Fülle, Saufen, Braufen) u. a. m. Den eigentlichen Zwed bes R.s fand Hille 
brand in ber Klangverfinnlihung verfchiebener Borftellungen u. ihrer Bergegen: 
wärtigung gleichfam in Einer Anfhauung. Seine Bebeutung aber iſt ihm eine 
Doppelte: äußerlich nämlich die Beförderung bes —— und innerlich bie 
Ankflänge des Gemüthes wiebertönen zu (affen. Daher wird wohl mit Grund 
behauptet, daß der R. urfprünglich aus dem bunfeln, überall (alſo auch im 
Klange) nad Ebenmaß u. Hebereinftimmung ftrebenden, Gefühle entftanden fe. — 
Ueber ben Gebrauch ber männlichen u. weiblichen R.e, wie über deren Abwech⸗ 
jelum „ entfcheidet vorzugsweife bee Bau einer Sprache. Poggel gibt als Quelle 
er Bleichklänge u. des R.s das Streben an, verwandte Borftellungen durch das 
Hören verwandter Wortlaute zu verbinden u, zu firiren, damit ber äußere Sim 
mit dem innern In harmoniſche Verbindung gebracht wird (wie Lug und Trug, 
Stehlen u. Hchlen, Saus u. Braus). Ihm dient der R. als finnliche Ueber 
einftimmung der Begriffszeichen, zugleich als ein Beweis ber logiſchen Ueberein⸗ 
fimmung der Begriffe, womit denn auch bie poctiſche Bedeutung des R.s aufge 
funden if. An's Ende der Vergzeile gelegt, wo der Gedanke zum Abfchlufle ges 
fommen ift, fol er durch bie Wiederkehr defielben Klanges die herrſchende oder 
Hauptvorftellung verflärfen, verlängern, firiren u. durch Die Gleichflänge ber bes 
beutendften Worte einen harmoniſch verftärkten Eindruck, eine Außere und inner 
Symmetrie Hervorbringen, neben dem, baß in ihm Die Olieberung der Rebe ge 
wonnen wird. Die Regeln, welche Poggel für den R. gibt, beziehen fich theils 
auf die von ihm ermittelte Duelle des R.s, theils überfchreiten biefelbe. Un 
ſich Haben fie einen eigenthümlidhen Werth, u. als bie vorzüglichften Tönnen an- 
eführt werben: 1) die Vorftellungen der R.⸗Worte müffen für ben finnlichen In⸗ 
Balt bes Gedanfens die relativ größte Bedeutung haben; 2) bie R.-Worte müllen 
finnlih nachahmende Fälle haben; 3) bie R. länge dürfen nicht in Worten 
abftrafter Bedeutung, ober gar in Eigennamen u, dgl. liegen; 4) das Bersmaß 
gereimter Dichtungen muß einfach feyn u. nicht durch fich ſelbſt gelten wollen; 
5) der Vers darf nicht zu lang feyn, wenn die R., Silben wirken follen. ‚ 
höchftens fünf, Bersfüße erfireben noch bie muſikaliſche Wirkung; 6) die R.⸗ 
Worte müflen fo gefelt feyn, daß ber natürliche Sprachton ſich ihnen zubrängt; 
7) bie R.⸗Verſchlingungen ber Berfe dürfen nicht zu verwidelt feyn, worin je 
doch das klangvolle italienifche u. fpanifche Idiom weiter gehen konnte, als bas 
inniger u. dumpfer tönende deutſche; 8) ein Gedicht paßt für den R., oder wir 
berftrebt ihm, nad Maßgabe der barin herrſchenden Empfindung; denn ber R. 
muß in feinem Gebrauche fi) nach dem Maße ber Muſik richten, das ber Ges 
banfe darbietet. Er iſt nur an feiner Stelle, wo bas Gefühl fidh ſelbſt Odjekt 
wird, daher ausgefchloffen vom reinen Begriffe, vom Epos u. vom Drama, in fo 
fen e8 ©eftalten u. Bilder gibt, entbehrlich in der Ode, bie das Gefühl nicht 
ruhig genießend, ſondern gegenkintih u. in Bewegung ausſpricht. Die Gries 


Relmarus. 743 


— hiten Tl eRB DR Be AR Sul BB findet, 
gen — ‚Seltenheit , wohl bloßer 1 Beate sa kam 
' ien Berskünftlern darf man einen: —— lichen R. rer wo e8 aber mehr 

erei ift, wie bet Ovidius. In der Kirchenpoefte bes 4. Jahrhunderts aber 

an der R. ſchon leführt; fo. ſchrieb Ambrofius eine gereimte Hymne 
—— novae Jerusalem || Novam meli dulcedinem || Promat colens cum so- 
an Paschale festum gaudiis ete.), Auguftinus, Prudentius, Sebulius u. A, — 
Gewöhnlich. wurde er in dem politifhen Berfen angewendet. In fpäterer Zeit 
wurden auch Diftichen Mode, bie fi — — Berfe Die aus 
ber lateinifchen entftandenen romanifhen Sprachen haben ben R. ebenfalls. Die 
Italiener bedienten ſich aber auch oft blos Anti) ingender R.e, poi cui, ober 
Teimten. bei weiblichen N,en blos die Tehte Sylbe, coloro, azzurro; hier Bildete 
fi (begonnen duch die Troubabours) durch bie a Re * — 
— Canzone, Sonett (. dd.) ꝛc. aus, in ihren 
Romanzen, Dramen ꝛc. mehr ben halben R. (U Ha "eher bem 
gen n a — wo blos die Natur der Betracht —— 

———— ich Hat ſich der R; erhalten, ungenttet — den Verſuch 
denſelben — verbannen. Die erſten franzöſiſchen gereimten Gedichte find aus 
11. Jahrhunderte. In — war ber NR. früher ſeht einförmig (die äfteften 
rn Gedichte — aus dem 6. en bſt noch in ven Gedichten des 

Jahrhunderts. Auch Hier verfuchte Lord — im 16. Jahrhunderte reim⸗ 
loſe Verſe zu. ſchreiben (Meberfegung bes 2. und A. Buchs ber Aeneis). Die 
alten germanifcden Sprachen hatten en, wie aus ben altnorbifchen 
Liedern der Ebda Hervorgeht, doch findet fich ſhon baneben eine Art R. (Zeil- 
R.), indem in, einem: Berfe 2 betonte Sylben ‚ bie eine gewöhnlich zum Ans 
fange, bie andere am Ende, welche entweder nur die Bofale reimen (Halb-R.), 
ober Volal u. ————— — Wo: der eigentliche R. Be aan) 
vorkommt, ift ich · — Im Deutfchen erſcheint ber R. get Otfrieb 
und erhielt ſich durch die Meifterfänger auch bewährt bie in di ns Zeit. — 
Klopftod u. Boß machten mit Glüd Verſuche, ai Silbenmaße neben dem R. 
auf bie beutfche Sprache anzuwenden. Einige fi fingen an, ben R. ganz zu verbammen u, 
als ein, ben Dichter bindendes u. Hindernbes, Mittel zu verwerfen; boch hat dieſe 
Meinung nie durchgehen können. Die Ehinefen, Manbfchu und Malaien haben 
ben R. benfalb; hon der Schiking (ſ. hinefifge Literatur) iſt gereimt, 
Bergleihe I. M. Barbieri, Dell’ origine della poesia rimata, herausgegeben 
von Tiraboschi, Modena 1790, 4; ®. ©. Morhof, Unterricht von ber beutichen 
Sprache, Lübel 1718, 7—12 Eap.; I. ©. Meier, Bom Werthe des R.s, in 
ber Borrede zu S. ©. Lan ar Gorasfigen Oden, Halle 1747; Mic. Denis, 
Geſpraͤch vom Werthe bes Re, vor dem 5, Buch feiner lyriſchen Bebichte, —V 
Morig, Verſuche einer deutſchen Proſodie, Berlin 1786, Seite 94 ff.; 
Schlegel, Abhandlung vom R., bei feinem Batteur, Bd. 2, Seite 515 (3 an 
Rülner, Bers u. R. auf der Büßne, Zur Aufſuchung ber R.e dienen bie R.⸗ 
Seita: fie enthalten eine Sufgmmenfelung aller in einer Sprache vorfommenben 

Pa ein ſolches z. B. von Berorinus Syntar (Ferd. Hempel), Leipzig 


"Reimarud, Hermann Samuel, ein fharffinniger Denker u. philofophifcher 
Scriftfteler, geboren 1694 zu Hamburg, wo fein Bater She m am Johanneum 
war. Im biefer wiffenfhaftlicen Anftalt befam er ben erften Unterricht; Chris 
ſtoph Wolf u. Alb. Fabricius waren feine Profefioren. Seit 1714 ſtudirte er 
in Jena u. erhielt in Wittenberg als Magifter und Abjunft der philoſophiſchen 
Fakultät die Erlaubniß, Darlefungen zu halten. Zuvor machte er 1720 eine ges 
Tehrte Reife nah Holland u. England, Seine Borträge umfaßten auch Mathe 
matif u. Naturkunde, wie er gewöhnlich fich zum ® a made, Philoſophie und 
Phlogie ſtets in genaue Seifeiberehun, Im Zeitraume von 

1723 — 27 wirkte er als Rektor an ber Fr u Bihmar; von 1727 an lehrte 


744 Kein. 


er in Hamburg als Profefloe der Kebrätfchen Sprache u. ber Matkematif m. ſtarb 
bafelhft 1. März 1767. Nachſtehende Schriften beurkunden feinen Ruf als eines 
der süchtigften Gelehrten: „Die vornehmften Wahrheiten der natürlichen Religion, 
in 10 Abhandlungen auf eine begreiflihe Art erklärt und gerettet, Hamburg 
1754, enthalten einen koſtbaren Sckat naturhiftoriicher Kenntniſſe u. die Schrift 
fand fo großen Beifall, daß His 1798 7 Auflagen nöthig wurden. „Die Ber 
nunftiefte, al8 eine Anweifung zum richtigen Gebrauche der Vernunſt in ber Er⸗ 
kenntniß der Wahrheit aus 2 ganz unträglidın Regeln der Ginftimmung u. be 
Widerfpruche bergeleitit“ Hamburg 1755, noch jetzt —* brauchbar u. fuͤr die da⸗ 
malige Zeit eincs ber biſten Lehrbücher der Logik. „Allgemeine Betrachtungen 
über die Triebe der Tiere, Hauptfächlich über ihre Kunfitiiebe; zur Erfennmiß 
des Zufammenbanges des Schöpfere u. unferer ſelbſt;“ Hamb. 1760 in der, in ber 
Leibmit u. Wolſiſchen Schule herrſchenden Manier gefchrieben. Tas größte Aufichen 
erregte aber die Echrift, welche er, nach ber Berfiherung feines Freundes u. Col 
legen, Profeſſor Ebeling, nidt füc des Publikum befiimmt, fondern nur zu feiner 
eizenın Belehrung aufgefegt Kette Da er bielelbe feinen veıtcauten Freunden 
ndfchri tlich zur Leltüre mitgetheilt Hatte, fiel eine Abſchrift davon in bie Hände 
eflings, welcher fie, angeblidy als einen Fund aus ber feiner Auffiht amweatrau 
ten Biblictyek zu Wolfenbüttel, unter dem Titel bekannt machte: „Wolfenbüttel 
ſche Fragmente eines Ungenannten“. Das erſte Fragment erſchien im 3. Bande 
von Lefiingd Beiträgen zur Geſchichte u. Literatur 1794. ©. 195 — 226 md 
handelte von der Duldung der Deiften. 5 andere Fragmente folgten im 4. Sbe. 
u. veriheidigten die Rechte der Beanunft in Glaubensfachen, fo wie ben Zweifel 
an der Geͤttlichkeit der Off ung überhaupt, wie insbefondere an ber W 
mancher aa ungen des A u. N. T. Das 7. Kragment führte bin Lied: 
Vom Zwede Jeſu u, feiner Jünger, 1778, und ein Anhang dazu 1784. End 
lich nach Leſſings Tode: Uebrige noch ungebrudte Fragmente dis Wolfinbürtler 
Fragma niiſten; ein Nachlaß von Liſſing, herausgegeben von Echmidt, Brams 
ſchweig 1787. Unter ber Unzahl von Gegenſchriften verdiente fich die von Dis 
dal.in „Autofragmente 1788" durch würbdige Widerlegung Die gerechtefte Anerten⸗ 
nung. Durd wiederholte Nachforſchungen iſt es jet Höchk wahrfcheinlidy ges 
madt, daß R. wirklicy der Verfoffer, u. die hiefür angeführten G.ünde von Pros 
feſſor Hartmann in Roftod (Inteuigenzblatt der Leipziger 2. Zeitung 1825. Wr. 
231 — 232) u. von Wrofeffor Gurlitt in Hamburg (ebd. 1827 Ar. 55) finb 
kaum zu widerlegen, &8 wird näher berichtet, daß dus Original jener Fragmente, 
von des Verfaſſers eigener Hand gefchrieben u. aus 2 Bänden beftehend, auf ber 
Etudtdibliorhef zu Hamburg, u. eine Adſchrift beffelben, vom Verfaſſer ſelbſt durch 
fremde Hand beſorgt, auf ber Univerfitätsbibliorhek in G.ıtingen ſich befindit. 
Das Gunze IR noch nicht gebrudt, weil der Brfuffer Bedenken trug, es bei ſei⸗ 
nen Lebzeiten befannt zu machen. Es folte den Titel führen: „Apologie ober 
Schutz chrift für Die vernünftigen Beh Gottes." — Sein Sohn, Johann Al 
bert Heinrich, geboren 1729 zu Hamburg, am Gymnaſium bafelbft ſtudirend, 
widmete ſich ſeit 1751 in Göttingen ber A zneitunft, machte 1753 eine Reife 
nıd Holland, England u, Schoitiand, promovirte 1757 in Leyden, praftifcher 
A zt in Hamburg, 1796 Profeffor der Naturlehre und Raturgefchidhte am Gym⸗ 
naftum, 1314 gıftorben zu Ranzau, wohin er fi aus Anlaß der kriegeriſchen 
Unruhen zurüd gezogen hatte, Ec empfahl zuerſt bie Bellabonna bei ber Operation 
des grauen Staares, erklärte fich als einen Eiferer für Conkurrenz in materiellen 
u. geiftigen Gebieten und theilte biefelben philoſophiſchen Principien mit feinem 
Vater. Handſchriftlich hinterließ er: „Entwurf über bie zwedmäßige Einrichtung 
in allen Reichen der Ratur, Teleologie genannt”. Cm. 
Nein, heißt in der Schreibart frei von feemden Wörtern u. Bortfügungen, 
grammatiich richtig; in bee Muſik ber rechte Ton (nicht zu hoch u. nicht zu tief) 
eines Inftruments, ober einer Stimme, auch ein volllommenes Intervall (reine 
Quatte, reine Quinte); in der Eomp ofittonrictig, fehlerfrei. In der Malerei 


2‘ 


Reinbot — Reinede Fuchs, 745 


0} 
be Reinheit Bi d Hat größeren Werth, als bie 
’ Site — ur nem Behlertofgte, jene aber Eleganz und 


v Neinbot von Dorn oder Doren, nah einer Vermuthung Heinrichs von 
der Hagen, bie von mehren neuen Literarhiftoriern nachgeſprochen, von Hein⸗ 
i rich von der Hagen felbft aber (Minnefinger IV. ©. 647) als „in allee Hins 
„ fiht zu fern liegend“ verworfen wird, aus Dorum bei Bremen, Wir finden ihm 
; als Hofdichter Otto's des Erlauchten von Bayern 1231 — 1253, für den er dem 
y nhäl. Georg“ dictete,, eine ſchöne Legende, —— in Heinrich von der 
BSagens w Buſchings „deutſchen Gedichten des Mittelalters“, 4. Theil, mi 
N Reineccius, Ehriki an, geboren 1668 zu Großmühlingen im Fürftenthume 
‚ Anhalt erbft, ſtudirte zu Heimfäbt, Roftod u. Leipzig , las daſelbſt Collegien, 
kam 1707 als Reltor nach Weißenfels und ſtarb hier 1752. Befor 
des Bibelſtudiums, u, der hebraͤiſchen Eprache inabefondere, fi er viel Kügli 
| es: Janua hebr. ling. V.;' T. acc. una cum grammatica lexicon hebr. chal. 
293. 1733, ebd. 1741, 8. Aufl. von Rehtopf, ebd. 17885 Index memorialis, quo 
voces hebr. et chold. V. T. omnes cum significationibus lat, continentar, ‚ebd. 
1730, ebd. 17553 Bibelausgaben, daf. 1736 ff. u. m. a. Er ſelbſt ließ 1748: 
ein Berzeichniß feiner Schriften auf 2 Duartbogen abdruden. 

Neinede, Iohann Friedrich, einer der verdienteſten beutfchen Schaus 
fpieler, geboren 1747, flanb mehre Jahre bei dem Adermann'ſchen, dann bei bem 
Seyler ſchen, dann ‚bei dem Brandes ſchen Theater, wurde endlich Regiffeur bei der 
Bondiniſchen Geſeliſchaft in Dresden u. farb 1787. Mit großen Salenten bes 
Geiſtes u. der Mimik war in ihm ein empfehlendes Aeußere, eine große, majeftäs 
tiſche Figur, ein ſtark u. wehltönendes Spradotgan verbunden. Seine Stärfe 
beftand vornämlich in großen fürftlihen Rolen und in Rollen edler Väter, 

Reinecke Fuchs ift der Name: eines Thiercpos, das ung in —— 
Sprache Goihe zugänglich gemacht hat. Es iſt in feinem Urſprunge rein deutſch, 
wofür ſchon die Namen ber Träger deſſelben, des Wolfs Üsangrimm — eiſen⸗ 

rimmig), des Fuchſes (Reginhart — der kluge Rathgeber) und des Bären (ber 
raune, Brüno) ſprechen. Aus älteſter Zeit find ung keine deutſchen Bearbeis 
tungen der Thierfage, ſondern nur Zeugniffe füc ihr Vorhandenfeyn erhalten, Die 
frünefte Abfaffung eines Stückes der Thierfage iR lateinijch (Isengrimus) von eis 
nem gewiſſen Rivardus in Sütflindern am Ende des 11. oder Anfang bes 12. 
Jahrhunderts (eine zweite, etwa 50 Jahre fpätere, Aufzeichnung if gleichfalls 
lateinif (Reinardus), in Norbflandern verfaßt. Um bie Mitte des 12. Jahr⸗ 
Hundert wanderte bie urfprüngtich deutſche Sage aus Frankreich nach Deutſch⸗ 
Iand zuück und wurde Hier von Heinrich Gliche ſaͤre bearbeitet. Im Anfange 
des 13. Zahıhunderts wurde diefes Gedicht (Reinhart der Bud) von einem Uns 
genannten in eine teinere Form umgeſchmolzen. (Beide find erſt feit 1810 wie 
der befannt geworden.) @egen Ende des 12. Jahrhunderts, im 13. u. 14. fol- 
en eine Reide franzöfticher Bearbeitungen bes Thierepos in verſchiedenen Abftus 
gen; um 1250 auch eine niederländifche von Willem de Matoc. Aus biefer 
niederlandiſchen Abfafjung kehrte das Thierepos zum zweiten Male zu uns zurüd, 
Am Ende des 15. Jahrhunderts überfegte nämlih Nikolaus Baumann in Lüs 
bed das Gedicht Matocs ins Blattdeutihe (Reinede Bos), gebrudt 1498. In 
biefer Abfaſſung find die ſatiriſchen Rebendeziehungen etwas ftärfer aufgetragen, 
als der Thierfage dienlich iſt, u. daher bilbete fi) in bem ber Satire vorzugss 
weife zugeneigten 16. en die Anfidt, als ſei das Ganze eine Satire 
u. zwar nach einer, freilich nicht allein völlig unzuverläßigen, fondern laͤcherlichen 
Kunde, noch dazu eine beflimmt gegen ben Jülichfchen Hof gerichtete Satire. Der 
Originaldruck iR wiederholt von Hadmann (1711), von Hoffmann von 
Fallersieben, (Breslau 1834, mit einem fehr guten Wörterbuder, und von I. 
Grimm, Berlin 1834, mit einer vorzüglichen Einleitung. Hochdeutſch von Gotien. 


746 Reinerz — Reinhard, 


ſched 1752, von Soltau 1823 u. von Goͤthe. Die Heberfebung Goͤthes wi ben 
genialen Zeichnungen von Kaulbach erfchien zu Stuttgart 1847. 

Reinerz, Heine Stadt im reife Glatz Des preufifchen Regierungsbegirfet 
Breslau, von Hohen Bergen umgeben, 1719' über ber Oftfee, an der glatzer 
MWeiftrig, unweit ber boͤhmiſchen Gränze, hat ein Holpital, Tuch⸗ u. Leinweberei, 
Bleihen, große Bapiermühle, bie fchönes Papier Itefert, eine befuchte Brunnen» 
u. Babdeanftalt mit 5 Heilquellen u. einer damit verbundenen Molken⸗Kuranſtali 
u. 2500 Einwohner. 

Keinefius, Thomas, Arzt u. Altertfumsforfcher, geboren ben 13. De. 
1587 zu Gotha, übte bie Arzneikunde an verfchiedenen Orten, unten anderen 
mehre Jahre in Altenburg , wurde nachmals als Leibarzt zum Kurfürften von 
Sachen berufen und ließ N in Leipzig nieder, wo cr ben 17. Sanuar 1667 
ftarb, — Er war fehr belefen in ben Schriften der Alten u. ein ausgegeichneter 
Kritiker, der die Alterthumskunde in hohem Maße förderte. Zeugniß bavon ge 
ben feine zahlreichen, im @ebicte ber Philologie u. Alterthumskunde fich Bade 
den Schriften. Die wichtigften berfelben find: „Variarum lectionum libri UL“ 


Altenburg 1640, 4. — „Defensio variarum leotionum, Roſtock 1653, & — 
„Historumens linguse punicae“, Altenburg 1637, - „Syniagma ‚Inseripto- 
num antiquarum“, 2p3. 1682. 5 ol. 


Reinhard, I)&ran Boltmar, geboren den 12. März 1758 mu Bohn 
firauß in der Oberpfalz, Sohn eines gie ers, fludirte auf dem Gymmaſtum zu 
Regensburg, 1773 auf der Univerfit ittenberg , las 1777 daſelbſt —* 
ſophiſche u. olzeiſhe, —* auch a eologifie Eollegien, warb nach und * 
außerordentlicher, dann ordentlicher Profeſſor ber Philoſophie, 1782 ber Theo 
fo wie (1784) Probſt an der Schloß, u. Uninerfiätöficche u. Beifiger des g 
lichen Eonfiftoriums, fam 1792 als naar ia ebiger Sk enza u. Oberconſi⸗ 
Recialaf ſſor nach Dresden, wo er am 6. 1812 R., ie 
fhöne fittlide Natur, feingebilbeter Geiſt, redliches Wollen u. —8 che Ein 
in das, was zu wuͤnſchen u. zu erſtreben ſei, überall in ehrwuͤrdiger Liebenswuͤr⸗ 
digkeit Hervortraten, erſchwang bie proteftantifche Kungelberebfamteit bie „pöhe 
clafſiſcher Vollendung. Seine gantreichen Predigten zeichnen fi) aus durch Reichs 
tum in der Erfindung, durch Leichtigkeit und Ratärlicfeit in ber Entwidelung 
bes Tertö u. duch eine auf Heberzeugung hinwirkende Anordnung. Klarheit u. 
Eindringlichkeit der Ueberzeugung, religiöfe Würde, bei Wärme u. Le feit, 
Kraft u. rednerifche Gefammtwirfung, Abel u. «laffifhe Haltung des fprachlichen 
Vortrags machen feine Predigten zu nachahmungswuͤrdigen Muſtern. Bortreffs 
lich find befonders feine an gewiffen Feſttagen im Jahre Aare —— 
Die, welche er bei ber Eröffnung u. am Schluſſe bes La 
außer ber kirchlichen auch eine politifche elle An den Bub. Ab — 
glaubte er eine außerordentliche Aufforderung an alle Buͤrger des Vaterlandes 
Gemeinwohle, das nur durch Religion begruͤndet werden Femme, “8 
zu müflen. Seine Predigten am Michaelistage ſtanden faft 1 Beh 
mit dem unfichtbaren Reiche Gottes in ber Geifterwelt u. bie —ã 
Feſte der Reinigung Mariaͤ waren oft Anweifungen zur chriſtlichen Cinberucht“ Bor 
allen aber waren Feine abentmahlöpeebigten am grünen Donnerflage voll lebens 
diger Kraft u. zeitgemäßer Belehrung über jene erhabene Heilsanflalt. Schade, 
daß fein „Syftem der chriftlihen Moral“ (1788, 5. A. 1815, 4 THle.) nicht 
vollendet ward! Die volftändige Sammlung feiner u Dreaben ehaltenen Prebi ion 
erfchien zu Sulzba 1793 — 1813, 35 Theile. R. A. dal. 1831 f. 40 
Nachgelaſſene Predigten von ihm aben heraus: Hader, Sulbad 1815, 4 Fr 3 
Berthold, u. Engelhardt, Sulad —* 1825, 3 Bde.; Kenzelmann, Meißen 
1825; L van &s, Su lzbach 1823; Dietzſch, Stuttg. 1823; Haas, Zwickau 
1831. Betr — ——— fammung en Re er erausgegeben von 
gif Sußb. 2. Aufl. 1828. Sammlungen —* aller Grundſaͤze, welche vor 

R, in feinen Brebigten abgehanbelt * in, von Ritter, Lpz. 1830. Bgl. 


Reinhart — Reinhold, 7ar 


beſonders: ©. Döring : bie deutſchen Kanzeltedner (Neuftabt 1830), ber 98 Pres 
Biptfammlung R.s anführtz Beyer’s allgemeines Magazin für Predigten, 4. S. 
651 f.5 Joͤrbens, 2er. 4. S. 326 f. Pölig: N, nac Es Reben und Wirken, 
25. 1813, fi 2 Bde Leng 2, ©. 242 fi RN, Geſtaͤndniſſe, 2.9. Sub, 1811. 
Tuchirner: Briefe, veranlaßt dutch NE Geftändniffe, Lyz. 1811. Börtigers R,, 
literatiſch gezeichnet, Dresden 1813. Linde: N. und Ammon, Königeb, 1800. 
Koͤthe: Leben Rs, Jena 181%. m — 2) R. Karl Friedrich, Graf von, 
jeboren zu Schorndorf im Frege 4761, wo fein Bater, der ald Des 
Fin in ‚Balingen farb , damals: bie Stelle eines zweiten proteftantifchen Stadt⸗ 
geiftlichen  befleidete, ftubirte in dem hoͤhern Seminar zu Tübingen ſie u. 
wurde nach vollendeten Stubien von dem damaligen Ephorus © dem 
Prognoftiton entlaflen: „Herr ifter,.aus Ihnen wird in Ihrem Leben Nichts 1” 
Er übernahm um 1787 eine Hofmeifterftelle in Bordeaur, wurde 1791 von Siöyes 
als Sekretär im Minifterium bes Auswärtigen angeftellt, ging unter Dumourleys 
Minifterium 1792 als erfter Gefandtichaftsjefretär nach London, und 1793 nad) 
Neapel. Nach dem Abſchluſſe des: Friedens mit Preußen fam er als Gefandter 
1795 nah Hamburg, 1798 nach Florenz; und 1799 nad der Schweiz, von wo 
er. zum. Minifter des Auswärtigen berufen ward, ging aber bald nad dem 15. 
Brumaire wieder als Gefandter in die Schweiz, 1 zum zweiten Male nach 

amburg u., 1808 von Napoleon in den Grafenftand erhoben, an den weftphäs 
ifchen Hof nad * Rach der Reſtauratlon war er kurze Zeit: Direltor der 
Kanzlei der auswärtigen Angelegenheiten, nach dem 2. Pariſer-Frieden Gefandter 
beim —— Frantfurt am M., ward 1829 in Ruheſtand verſeht, nad 
der Julitevolutlon aber zum Geſandten in Dresden ernannt, von wo er 1832 
nach Frankreich ‚abberufen u. zum Pait erhoben wurde, Er A 1837. Berg, 
—— R. von Guhrauet, in Raumers hiſt. Taſchenbuch“ (7. 
En einhärt, Johann Ehriftian, ein trefflicher Zeichner, Landfhaftsmaler 
u, Radirer, geboren 1761 bei Hof, wandte fich, ſchon Student ber Theologie zu 
Leipzig, ber Feiesnentunft und Malerei unter Dejer zu, fegte feine Studien in 
Dresden u. 1789, auf Koften des Markgrafen von Ansbach - Bayreuth, in Rom 
fort, wo er kuͤrzlich ſtarb. In Eompofttion großartig, in Auffaffung ber Natur bei 
aller Treue ideal, im ber Kärbung fräftig, correft in der Zeichnung, gehörte 
MR ben trefflichften Landſchafts malern. Seine Radirungen (gegen 200) find 
vollendet. 

Reinhold, 1) Karl Leonh arh, ein Icharffinniger Philoſoph u. begeifterter Ans 
Hänger ber Kanr’ihen Kritik der reinen Vernunft, geboren am 26. Oftober 1758 
zu Wien, fludirte an dem Gymnaflum daſelbſt, welches bie Jefuiten leiteten, und 
warb auf deren Ermunterung 1772 als Roviz in das Probehaus des Jefuitencolegiums 
u St. Anna in Wien aufgenommen. Die Aufhebung des Ordens 1773 veranlaßte 
eine Nüdkehr in das elterliche Haus. Doch ſchon im naͤchſten Jahre trat er in das 
Barnabitencollegium (congregat. oleric. regul. S. Pauli Ap.) u. erhielt, nachdem 
ex feine philofophifchen u. theologifchen Sıudien Hier beendet, 1780 im Kloſter bie 
Stele eines Rektors ber Philofophie u. eines Rovizenmeiſters. Mit vielen ges 
lehtten Männern, bie zu jener Zeit in Wien lebten, pflog er wiſſenſchaftlichen 
Umgang und duch Gefpräche mit Pepermann, Denis, Born, Maftalier, Sonnens 
feld, Alringer, Blumauer, Haſchta, Ratfcpfy bildete fich fein Geiſt mit ungemels 
nee Schneligfeit aus, fo daß er an ber, ſeit 1781 von Blumauer rebigirten 
Wiener Realzeitung, welche auch kritiſche Aufiäge über neue Gchriften lieferte, 
ein ſehr fleißiger Mitarbeiter wurde. Im diefe Periode fallen die erftien Spuren 
feines Abfalles von der katholiſchen Kirche und dem ehrwürbigen Glauben feiner 
Bäter; nicht bie Dogmen, fondern bie Kloftergelübbe und befonders ber kirchliche 
Coͤlibat feinen, wie die Folge tHatfächlich beurfundete, in ihm bie Entfremdung von 
der bisherigen retiglon angebahnt zu Haben. Die nähere Außere Beranlaffung aber 
zum beabfitigten Religionswechſel gab 1733 der Beſuch EISEN 


748 Neinhold. 


on Leipzig in Wien. Mit biefem verließ R. Wien , sog nach Leip „Miete be 
later öhlefeple, begab fi ann, mit Empiehlungabriefen an 
fehen, 1784 nach Weimar, wurde defien Freund u. Hausgenoffe, bis er ke —* 
Bermähtung 1m mit diſſen Altefter Tochter Sophia auch zum Schwiegerfohn und 
leih zum Mitarbeiter am beutfchen Merkur auf das Innigfte verband. Um u 
Üebensneränberung volführen zu können, mußte er begreiflicher Welfe zuvor feinen 
Austritt aus ber katholiſchen Kirche faktifch erklären u. that dies auch, indem a 
geräufchlos in den Schooß bes Proteſtantismus fich flüchtete. Glelchfem "= 
ur indireften Rechtfertigung dieſes Schrittes ſchrieb R. die Ehrenrettun 
eformation gegen 2 Kupitel in Schmidts Gefchichte der Deutſchen und —2 
hie Nothwendigkeit — als die Heilſamkeit der Reformation plauſibel zu machen. 
Diefer Aufſatz erfchien anfänglich anonym im deutſchen Merkur 17865 nad bee 
Jahren ein Wieberabbrud, mit feinem Ramen bezeichnet, Jena 1789. Geine exe 
philofophliche Schrift war: „Briefe Über die Kantiſche Philoſophie“ . 1786 
im deutichen Merkur, befonders gebrudt u. vermehrt, 2 Bde, Leipzig 1 ); 
fie gab, unterftügt durch bie angelegentliche Smpfehlung I feines Schwiegerva⸗ 
tere, die Beranlafjung zu feiner Berufung nad) Jena. ben Jahre lange e Ihe 
R. die Kantiſche Philoſophie mit dem größten Beifalle un biefer kurze 
von 1787—1794 darf als der Culminationspunkt feines wiſſenſchaftlichen * 
angeſehen werden; denn mit ſeiner Berufung nach Kiel 1795, als Profeſſor 
hiloſophie mit dem Titel eines —* u. ſpaͤter Ritter des Dan 
ens, nahm fein Ruf ſichtbar ab, theils weil andere mit ihren Doktrinen — 
Fichte, Bardili, Schelling, Fries — mehr Aufſehen erregten, theils weil ex feibk 
jeine Anfichten fo oft umgeftaltete u. wechfelte, fo baß man am Ende faum mehr 
jeine wahre Anftchten zu unterfcheiden vermochte. Er farb am 10. April 1828. 
Sein gelungenftes Werk ift feine „neue Theorie des menfchlichen Vorftellungever 
mögens,“ Senn 1789, 2. fe 1795, worin er die Kantiſche Kritit der Bernumft 
zu mobificiren u. zu ergängen ſug chte. Er nannte fie auch Elementarphiloſophie 
weil fie dazu dienen follte, ber Kantiſchen Philoſophie in dem Satze des Beaunfis 
ſeyns ein neues Yundament, ober ein ſolches Princip zu 5 aus welchem fi 
die bie gange Philoſophie — theoretiſche u. praftifche — glei beduciren 
uch) ihre allgemeine Gültigkeit ben Frieden unter en Sbllofep —— 
„einige zur Berichtigung bisheriger Mißverfländniffe in ber Philoſophie,“ 2 * 
Jena 1790—4, worin beſonders Schulze An grife gewürdigt find; eine P 
ſchrift: „welche Kortfchritte Hat bie Weitaptyft feit Beibnib” u. ll sen 
Berlin 1796; Begriff einer Erkenntniß der Wahrheit, 18175 W — 
1820 u. mehre andere. Ueber ſein Syſtem urtheilte am (nf Wein, 
in Göttingen in feinem berühmten „Aenefldämus;* dann Fries m. R 
Fichte und Schelling, Lpzg. 1804. Den Briefmechfel R.s mit Barbil gab der 
Berfaffer noch bei Kebzeiten heraus, München 1804. Ausfuͤhrliche KERT 
Darftellung lieferte fein Sohn Ecnſt Reinhold, Profeſſor in —— 
Leben u. literariſches Wirken, Jena 1825, mit einer intereſſanten 
Briefwechſels mit Kant, Fichte, Sakobi, Barbili u. a. m. — 2) —— genannte 
Sohn, Ernft, ordentlicher Profeffor der Philofophie in Jena, geboren tm October 
1793, kurz vor des Vaters Abgange nach Piel; enge Jahre Privatdorent ber 
Philoſophie in Kiel und Profeſſor am bortigen Gymnaſtum, erhielt 1822 ben 
Nuf als Profeſſor der Logif u. Metaphyfik in Jena. Außer vielen kleineren Abs 
Handlungen u. dgl, in Zeitfihriften: Verſuch einer Begründung u. neuen 
der logiichen Formen, 18195 Grundzüge eines Syſtems ber Denklehre, 
(umgearbeitet unter dem Titel Logik, 1827); X der Geſchichte der hile⸗ 
ſophie, 3 Bde. 1828—29 5 Daffelbe in einem Lehrbuche abgekürzt, 1836 u. 1839; 
Metaphyſik, 2 ‚Bbe., 1832— 34; Lehrbuch der philoſophiſch⸗pro deutifehen Diyches 
logie, 1839; Die Wiſſenſchaften ber praftifchen Philoſophie, Rechts, Sitten⸗ m. 
Religionslehre, 1837. Seine philofophifche Anficht iR von Kant ausgegangen =. 
neigt fi nun durch die Aufnahme der verfchiebenen neueren Forſchungen gu einem 














Reinmar — Reis, 749 


plaufiblen Effefticismus, Am gefhäpteften unter feinen Lehrbüchern ift bie Ges 
ſchichte ber Philoſophie Cm; 
Neinmar (aus althochdeutih Neginmar) ift ber Name verfchiebener mittels 
deutfcher Dichter. 1) R. der Alte, gehört zu den älteften, wie vortrefflichſten 
Minnefängern u, iſt unter ihnen ber reichfte, naͤchſt bem etwas jüngern 
von. der Vogelweibe, mit: welchen er in vielfahher naher Beziehung erſcheint. Er 
brachte in oberbeutfcher Zunge den von Heinrich von Beldef vorgebilbeten Minne⸗ 
gefang zuerft zur völligen, reinen Ausbildung. Wenn nicht in Defterreich hei⸗ 
mil, fo war R. doc dort fehr befreundet an dem Hofe ber gefangliebenden ba⸗ 
benbergifchen Fürften. Später mag er am den thüringer Hof gekommen feyn, wo 
ebenfalls ein glüdlicher Vereinigungspunlt deutſchen Gefanges war, Aus mehren 
Liedern ergibt fich, daß R, wie mehre Dichter diefer heroiſchen Zeit, einen Kreuz⸗ 
zug mitgemacht, Aus feinen —— Liebesliedern ſpricht —— frommes, 
biederes Gemüth, eine ſinnvoile Treuherzigkeit. Hohe Frau jung iſt ihm 
eigen; im innern Streite der irdiſchen u. —E—— Minne ruft er die heilige 
frau Maria an. — 2) R, von Zwetel, wahrſcheinlich ein Sohn Ro 
d. A, ſtammte aus der Rheingegend, ift aber in Oeſterreich aufgewachien, und 
wohl nad) dem Städtchen Zwetel (Zwetl) in Defterreich genannt. Gr ſcheint 
fpäter in fein rheinifches Geburtöland heimgekommen zu feyn. Diefer ritterlich 
umberziehenbe Dichter fehildert mannigfach den Lauf der Welt und ertheilt gute 
Lehren und Sprüche, welche ſich darauf beziehen, Seiner Minnefchule u. Frauen⸗ 
lehre folgt aud eine Männerlehre. Seine Sprache ift rein u. gebildet. — I) R. 
ber Fiedler, gehört nach H. v. d. Hagen zu den öfterreichifchen Sängern, 
unterfcheidet ihn fein Wappen in ber maneffiihen Sammlung von ben beiden 
nachher genannten Dichten. Seine wenigen Gedichte find rein in Sprache und 
Reim. — 4) R. ber Junge (zum Unterfchiede von R. d. A. fo genannt) iſt nur 
aus zwei hüpfenden Stangen ber Heidelberger Liederfammlung }, worin er 
tagt, daß einer ihn beim Nodyipfel Hinausweifet von Freude und Frauen, Er 
ſcheint zu ben Alteren öfterreichifhen Sängern zu gehören. Die erhaltenen Erz 
Kari un Dichter finden fih jept in der Sammlung ber Minnefänger von 
2. d. Hagen. x. 
Heid ud die von ber Hülfe befreiten Samenförner der RP flanze oder 
des SumpfeR.es, Oryza sativa L., einer aus Aegypten ſtammenden Getreidart, 
welche jet auch in mehren Ländern bes fühlichen Europa, namentlich in Italien, 
Frankreich, Spanien, Ungarn, Dalmatien zc., ferner in der Levante, dem nörbs 
lichen Afrika, in Nord» und Eüdamerifa ıc. angebaut wird. Die Pflanze vers 
Iangt einen naffen, fumpfigen Boden, der fogar nad) der Ausfaat 4 bis 1 Fuß 
unter Waſſer gefegt werben mufi, das man jo lange barüber flehen läßt, bis fih 
bie Blätter ber aufgegangenen Pflanze über dem Waffer zeigen. Sie treibt einen 
2—5 Buß hohen 2 m mit einer Blüthenrispe, welche Anfangs traubens ober 
ährenförmig iſt, fpäter aber fi mehr ausbreitet. Die bräunlichgelben, ziemlich 
fett an ben Körnern figenden, Hülfen werben durch Mafchinen bavon getrennt, 
worauf der R. getrodnet oder gebörrt wird, indem er ſich fonft niht zur Ber 
fendung eignen würbe. Die Gegenden, in benen ber R.-Bau getrieben wird, 
find durch bie, aus dem naflen Boben auffleigenden, Dünfte für Menſchen fehr 
ungefund, befonber& in Italien, wo fein fo ſchneller Wafferwechfel, wie in Indien, 
ftattfindet, weßhalb auch bort der R.⸗Vau in ber Nähe bewohnter Orte verboten 
ifl. Im vielen Ländern, namentlich in Oftindien, China, Japan, if der R. das 
auptnahrungsmittel der Menſchen; aber auch in ber Levante, ber Türke, 
jechenland 2c. wird fehr viel bavon gegeffen. Auch iR er eine der nahrhaftes 
ften Getreidearten, indem er 855 Stärkmehl enthält. In Oftindien nennt man 
ben R. im Allgemeinen Takal, ben mit Hülfen aber Babby oder Paddee, 
ben enthülsten Braß ober Brayz auf Sumatra und ben malayiichen Infeln 
wirb der Paddy in Lad ang, hochlaͤndiſchen, u. Sawoor, niederländifchen, unters 
ſchieden u. dem erfteren ber Vorzug gegeben. Auch in Chino exhomı ' ” 


790 Neid — Reiske. 


mehren Gegenden eine Abart, den auf Anhöhen, theils mit, theils sine Bewäflers 
ung gedeißenden Berg⸗R., weldher mehre Borzüge vor dem fonft in ber Regel 
angebauten Sumpf⸗R. hat u. mit defien Acclimatifirung man auch in Deutfch- 
land u. anderen Xändern bes mittlern Europa Berfuche, jedoch noch ohne ben ges 
wünfchten Erfolg, gemacht hat. Andere Abarten, welche in ihren Ländern Häufig 
angebaut werben, find: dee ſchleimige R., Oryza glutinosa, von vortrefflidyer 
Dualität, in Japan, u. ber breitblättrige, O. latifolia, befonderd in Neu⸗ 
granada. In Italien nennt man ben R. in Hülien Risone, den ausgehülsten 
Riso pilato, ben Abfall oder Bruch, mit dem die Hühner gefüttert werben, Risino 
oder Resina. Im Handel werben bie verſchiedenen, mehr oder weniger von eins 
ander abweichenden, Sorten bes R.s nad) ben Ergeugungsländern benannt. Der 
befte if der Garoliner, aus Sübrarolina in Nordamerika. Die Denipung des 
R.s in Europa zu verfchiedenen Speifen ift befanntz außerdem wirb ee zu Mehl 
gemahlen (R.: Mehl) u. in manchen Ländern wird Brob baraus gebaden, das 
aber, da er nur fehr wenig Kleber enthält, bald austrodnet u. hart wird. Beſſer 
wirb e8 durch Zufag von Walzenmehl. Die Ehineien füttern auch Die Seiben⸗ 
würmer mit R.: Mehl. Kerner wirb der R. zur Bereitung bes Araks gebraucht; 
bie Türken bereiten eine Art Bier, Boza genannt, die Chineſen u. —* 
eine Art Wein, Sacki, u. in Oſtindien bereitet man ein Getraͤnk, Cange, ſo 
‚wie Branntwein daraus. Waſſer, in welchem man R. aufweicht, wird ſchleimig u. 
dient in Oſtindien als Schlichte bei der Muſſelin⸗ u. Seidenweberei, in Itallen 
bei der Gaze⸗- u. Florweberei. Mit den Spelzen wird das Rindvieh gefüttert u. 
in Oſtindien verſtaͤrkt man bamit das Feuer In ben Eifenhütten. Aus dem Stroh, 
befonders aus bem obern bünnen Theile bee Halme, werden Strohhuͤte u. anderes 
feineres Flechtwerk verfertigt. Aus R»Mehl verfertigt man in Japan ben foge 
nannten japaniſchen Kitt oder R.⸗Teig u. baraus verfchiebene zierliche 
Gegenflände, R.sTeigfabrifate genannt. 

Heid (Rees), eine portugieflfche Rechnungsmünze, nach weldher zu 1000 
oder Mile R. (f. d.) in Portugal allein gerechnet wird; feit 1500 werben fle in 
Kupfer einzeln nicht mehr ausgeprägt, fondern früher mur zu 14, 3, 5, 10, ges 
genwärtig nur noch 5, 10 und 20 R., 8615,,, R. = 1 Mark fein Silber. 

Neis-Efendi, ſ. Efenbi. 

Reifig, Karl, ein ausgezeichneter Philolog u. Kritiker, geboren 1792 zu 
Weiſſenſee in Thüringen, machte feine Borftudien auf der Kloſterſchule zu Roß⸗ 
leben, bezog 1809 die Univerfität Leipzig, wo er fi) vorzüglid an Hermann 
(\. d.) anſchloß und ging von da 1812 nad) Oöttingen. Nachdem er ben beutfchen 
Freiheitsfampf als Freiwilliger mitgemacht hatte, wurde er 1818 Profeffor ber 
claſſiſchen Literatur in Jena, 1820 in Halle und flarb 1829 auf einer Reife nad) 
Italien in Venedig. Seine Conjectanea in Aristophanem, 2pjg. 1816, beurfuns 
den feltenen Scharffinn u. feine Bearbeitung bes Oedipus Coloneus von Sophofles, 
Iena 1820—23, genügt, neben den Eritifchen, auch ben Afthetifchen Anforderungen. 
Bent Inn Tode erfchienen feine Borlefungen über lateinifche Sprachwiffenfchaft, 

zig 

Reifige werden im Mittelalter jene genannt, welche zu Pferde dienten, jedoch 
feine Ritter waren. So lange noch bie Ritter in Folge des Lehensverbandes bem 
Landesheren zur Heeresfolge verbunden waren, wurbe Veder Nichtabelige, welcher 
auf keinem fogenannten Etreitrofje, fondern einem Klepper oder geringern Pferde 
unter dem Fähnlein eines Ritters fämpfte, R.r genannt, fpäter aber, als bie 
Ritter um Sold bienten, führten fie dieſe R.n mit fi zu bem Werboberften, und 
zu biefen Zeiten bildeten die R.n, welche geringere oder fchwächere Pferde ritten, 
die leichtere Reitereiz daher man auch in den Alteren Schriften ben Ausbrud 
ringe Pferde liest. 

Heike, DIohann Jakob, berühmter u. gunlige iilalog, Sohn eines 
Lohgerbers, wurde den 25. Dezember 1716 zu Zörbig, einem Städtchen Sach⸗ 

fens, geboren, ſtudirte bafelbi dis we 10, Sole, tom (näter nach Zöfchen und 


Reiten 751 


yulept 2 Halle auf s Waifenhaus, wo er von 1728 — 32 verweilte: 1733 
begab er ſich auf die Univer zu Reipzig, hörte. aber- Feine Collegien, fondern 
irte ohne Orbnung u. Zwed blos das, was ihm behagte, vorzüglich aber das 
Rabbinifche u. Griechiſche. Bald aber übertäubte die Begierde, das Arabiſche au 

erlernen, alle anderen Neigungen u: Gebanfen. Was mur immer in dem ohnehi 
überfargen Haushalte erfpart werden tonnte, wurbe auf arabifche Bücher verwandt, 
One Seh und Ausfichten begab er fih 4738 nad Leyden in Holland, nachdem 
er feine erfie Schrift: - Abu Mohammed el Kasem  Bascensis er Harirü 
eonsessus XXVI. etc. zu Leipzig 1737 in 4. Hatte druden laffen, cht Jahre 
verweilte er in Holland, befuchte bie, arı Borlefungen bei Schultens und 
benügte vorzüglich dem reichen Hanbfchriften] ber Bibliothek zu Leyden, den 
er auch ‘ordnete, Auf dad Zureben Schultens begann. er das Studium der Mes 
dizin und betrieb es in den letzten vier Jahren feines Aufenthaltes in Holland 
fehr fleißig, aber ohne praftiiche Anwendung ,  promovirte im Mai 1746 und 
——— VO a au 
ungen en en. 3 ' 
lebte sb Außerfter- Dürftigfeit von bem Ertrage feines 2 von 
Correcturen, Meberjegen u. ımaldarbeiten , — aber dabel immer raſtlos 
im Gebiete der orientalifchen u. claſſiſchen Philologie und ließ feine Werke wer 

auf eigene Koſten verlegen, ba er. felten einen Berleger bafür fand. Durch 

bes Bicefanzlers Born und bes Grafen Waderbart erhielt er na 

ſo vielen Entbehrungen 1758 die Rectorsſtelle zu St. Nicolai und werehlichte fü 
1764 mit Erneftine Müller: Ganz feinem Berufe, feinen Lieblingsftubien — bem 
Griechiſchen u, Arabiſchen — lebend, erlag er den 14. Auguft 1774 einem: langs 
wierigen Bruftleiden. Der Gruͤndlichleit und Gelehrfamteit R.'E — eine 
eben fo. große Geſchmadsloſigleit. Seine Schriften jen in zwel Claſſen, 
nämlich in die zur otientaliſchen und in die zur claſſiſchen Literatur. gehörigen, 
Bon ben erften führen wir folgende an: Taraphae Moallakah c. scholiis Nahas 
et vers. lat, Lugd. Bat. 1742, 4.; De principibus Muhammedanis, gni aut ab 
eruditione aut ab amore literarum claruerunt, Leipzig 1747, A.; De Arab. 
epocha vetustissima Sail ol Arem etc., Leipzig 1748, 4.; Abulfedae annales 
Moslemici. Lat. ex arab. fecit, Leipzig 1754, 4. Die Herausgabe von Abuls 
feda's Annalen ließ Suhm nad) ben zum Drude bereitliegenden R. ſchen Manus 
feripten veranftalten: Abulfedae annales Moslemici arab. et lat, opera et studiis J.J. 
Reiskii, sumptibus atque auspiciis P. J. Suhmii nunc primum edidit J. G. Ch. 
Adler, 5 Voll., Kopenh. 1789— 94, 4. Die Meberfegung von Abulfeda's Geo⸗ 
graphie erfchien mit der von Marai's Regentengefchichte Negyptens in Büfching’s 
BiRorifegeograpbifihem Magazine von 1770 u. 1771. — Thograis fogenanntes 
Lammifches Gedicht, aus bem Arab. nebft einem Entwurfe der arab. Dichterei, 
Fricderihsftabt 1756, 4.5 Sammlung einiger arabiſch. Spruͤchwoͤrter, bie von 
Stöden oder Stäben hergenommen find, Leipzig 1758, 4.; Proben ber arab. 
Dichtkunſt in verliebten u. geurigen Gedichten aus d. Motanabbi, arab. und 
beutfch, Leipzig 1765, 4. Bon R.s Schriften zur claff. Literatur nennen wir: 
Constantini Porphyrogenneti libri duo de ceremoniis aulae Byzantinae. Gr. et 
Lat. Tom. II fol., Zeipzig 1751—1754; Animadversiones ad Sophoclem, 2pz 
1753, 8.; A. ad Euripidem et Aristophanem, 23. 1754, 8.5 Anthologiae 
graecae, a Constantino Cephala editae, libri tres etc., 2p3. 1754, 8.; Animad- 
versiones ad graecos auctores. 5 Voll., ꝰpʒ. 175466, 8.; Theocriti reliquiae 
c. schol. graec. etc., %p3. 1766, 2 Voll, 4.; Oratores Graec., 12 Voll., Zeipz. 
1770—75, 8.; Apparatus critici ad Demosthenem, 3 Voll, &p3. 1774—75, 8.5 
Plutarchi opera omnia. gr. et lat, 12 Voll., 23. 1774—82, 8.; Dionysii Ha- 
licarnassensis opera omnia, gr. et lat, 6 Voll., 2pz. 1774—77, 8.5 Maximi 
üi dissertationes etc., 23. 1774— 75, 2 Voll.; Libanii orationes, Vol. L, 
Itenb. 1783, 4. — 2%) R., Ernefine Ehriftiine, Gemahlin bes Borigen, 
war zu Kemberg bei Wittenberg geboren. Ihr Vater, Ang, Möller, . 


752 Reißblei — Reiffiger. 


Superintendent bafelbft, gab ihr eine fehr gute Erziehung und näßrte früh ihren 
für Wiſſenſchaft empfänglicden Geil. Als fie 1755 mit ihrem Bruber, dem 
Propften u. Superintendenten Müller au Kemberg, nach Leipzig kam, lernte fe 
bier R. kennen, mit bem fie einige Zeit darauf in Briefwechſel land. 1764 
ward fie feine rau. Um ihrem ohnehin Fränflichen Wanne das mühfame Ge⸗ 
ſchaͤft der Qunbfihriftenveraleihung zu erleichtern, lernte bie feltfame Yrau grie 
chiſch und beforgte nach ihres Mannes Tode die Herausgabe feiner Oratorum 
graecorum vom 10. Rande an, fowie die des Plutarch, Dionye, Mirimius 
Tyrius u, Libanius, Auch R.'s Autobiographie, nebfl einer ausgewählten Cor⸗ 
reipondenz, gab fie (Leipzig 1783, 8.) beraus. Leffing beforgte den Verkauf 
bes R.'ſchen Nachlaſſes, den ber daͤniſche Hiſtoriograhh P. v. Suhbm an 
ſich brachte. | ae W. W. 

Reißblei oder Graphit, bei Leonhard Gattung aus ber Gruppe Eiſen 
bei Mohs rhomboidaliſcher &.-glimmer aus der Ordnung Glinmer, bei 
Dfen aus den Erds(Erz)Brenzen. Das R. Hat zum Chryſtallkern die ſechsſeitige 
Säule, bie Härte bes Talfs oder Gypſes, einen metalligen Glanz , ſchwarzea 
Strich, kleinkoͤrnigen, ſlachmuſcheligen Bruch, Undurchfictigkeit, verbrennt langfam 
u. ſchwer, läßt Eifeneryd zurüd, wiegt 23, enthält viel Kohlenſtoff mit Eiſen, 
iſt ſchwärzlichgrau, färbt ab, fommt in Urgebirgen auf Lagern vor, audh einge 
fprengt in England (bei Keswid u. Barromdale), Bayern, Böhmen u. a. D. 
und ift in Rordamerifa mit gediegenen Eifenförnern vermengt. Seine Anwendung 
findet das R. befonders zu Berfertigung von Bleififten, Schmelztiegeln (als 
Spiers Schmelztiegeln), zum Anftreihen u. Echmieren, if, ald eine Berbindung von 
Kohlenfteff u. Eifen, auch fünftlich durch Weißglühen eines Gemenges von vieler 
Kohle und Eiſen barzuftellen und Hat fidh Außerlich und innerlich, Bier entweber 
einfach in Pulver⸗ oder Tillenform, ober in Berbindung mit Schwefel (ald Ao- 
thiops graphiticus), gegen Klechten ober andere chroniſche Hautausfchläge, ver- 
altete Rräge und bergl. heilſam bewiefen. 

Neißfedern, find Inftrumente, welche in eine Art Schnabel ausgehen, ber 
durch ein Schräubchen erweitert oder verengt werben kann und die zum Linien 
ziehen mit Tinte oder Tufch dienen. Eie find von Meffing u, der Schnabel mei 
von Stahl, jedoch zuweilen au von Meifing. Dan hat fie einfady ober boys 
pelt, die an jedem Ende einen Schnabel Haben, auch zum Befiftigen an 
bem einen Echenfel eines Zirkels, welche mit einem Kniegelenk verfehen find. 

RNeißzeuge find Beftede mit allerhand mathematifhen Anftrumenten., naments 
lich mehren Zirkeln, Reißfedern, Bleiftifehülfen, Tranapoıteur, Winlelmaß, Lineal 
mit Maßſtab, Parallellineal, Winkel, auch zuweilen mit einem Eleinen Compaß, 
Setzwage, einigen Farbennaͤpfchen ꝛc. Dieß Alles ift in einem laͤnglich vieredigen, 
außen mit Leber, Safftan oder Murofinpapier, inwendig mit Sammt ober Zu 
überzogenen, Kaͤſtchen eingefchlofien. Man verfertigt fie in verfehiebenen Größen, 
mit mehr oder weniger Inftrumenten und in verſchiedenen Qualitäten, beſonders 
in Nürnberg, Berlin, Wien, München, Leipzig, Dresden, Braunfchweig, Baıis, 
London, Birmingbam ıc. 

Keiffiger, Karl Gottlieb, Kapellmeifter in Dresden, geboren 1798 zu 
Belzig bei Wittenberg, bildete ſich in Leipzig unter Shit, 1821 in Wien und 
1822 in Münden unter Winter. Bereits durch mehre Duvertüren und Opern 
befannt, fam er bald darauf nad Berlin, von wo aus er im Auftrage bed Koͤ⸗ 
nige von Preußen eine Stubienreife nad Frankreich und Italien machte. Im 
Jahre 1826 ward er Mufikdireftor u. 1827 Kapellmeiſter in Dresden, wo er fi 
durch umſichtsvolle u. energifche Leitung ber Oper u. Kirchenmufif bie ungetheils 
tefte Anerkennung erworben hat. Als Componiſt zeichnet. er ſich burch bie viel 
feitigfte Bildung, edlen Geſchmack, beſonders aber durch große Leichtigkeit u. Cor⸗ 
reftheit der In entirung aus, wenn ibn auch fonft fein eigenthuͤmlicher Styl 
&arafterifirt. In feinen Open: „Der Ahnenſchatz“, „Dilva“ (Melodram), „Li⸗ 

bela*, „Zuranbot", beſonders „die Tellenmdhle oh „Adele de Foix“ Hersfcht 


Neiterei, 758 


‚ Mlareit und Anmuth ber Melodien, obwohl fie nicht felten ber bramatifchen Ein- 

; heit entbehren. Dagegen ift er als Kirchencomponiſt claſſiſch; feine Mefien und 

Pſalmen gehören zu dem vorzüglichften ihrer Art; feine Duartetten u. Trio’s dep 

| Beiden, und außerbem haben ihn feine zahlreichen, feelenvollen „Lieber für eine 

, Singftimme mit Pianoforte* (gegen 40 — — in den welteſten Kreiſen 
zum Lieblinge gemacht. 

Reiterei ober Eavalerie nennt man im Militär jene —— 
welche, in ber — Verbindung eines Streiters mit feinem Pferde beftehend, 
durch ihre Gejchwindigfeit jede Bewegung mit. ber größten Schnelligkeit aus- 
Br fann und deren eigentliche Zwed darin befleht, mit möglichfter Benügung 

es entſcheidenden Moments, wo ber Gegner Blößen gibt, wo Lücken bei ihm 
entftehen, Verwirrung ober Unorbnung bei einteißt, ch bie ihr eigenthiim- 
liche Beweglichkeit in die feindlichen Reihen einzubrechen und. bie Streitkräfte des 
ee durch einen gewaltigen Stoß über den Haufen zu werfen. Die R. an 

ch iſt keine jelbfiftändige Waffe; fie bedarf bes in der Infanterie 
oder Artillerie, auch if fie binfichtlich ihrer Bewegungen mehr von bem Terrain 
abhängig, als eine andere Waffengattung; indeß gelangt fie, im einer ziemlichen 
Anzahl vorhanden, zur Selbfiftänbigfeit und: wird, tie weiter unten näher erörtert 
werden wird, mit Artillerie verbunden, ober gleichmäßig von. Infanterie unters 
ftügt, eine furchtbare Waffe. So weit bie Geſchichte reicht, finden wir ber R. 
erwähnt u. Aften ſcheint deren Wiege zu fepn, von wo aus fie in Afrika befannt 
wurde. &o finden wir, daß bie Aegypter unter König Ofymandias (19, Jahr⸗ 
Hundert v, Chr.) ein Heer von 400,000 Mann u. 20,000 Reiter hatten; 
im 15. Jahrhundert v. Chr. gefchieht unter Eelohris 24,000 Mann Reiter und 
2, Mofis (14, 6. 9. 23. 28.) vieler Reiter und Wagen bei den Aegypten Er 
wähnung. Bei ben Juben war bie R. durch das Gefeß verboten; fie hatten 
baher bis Salomo diefe Waffe nicht. Diefer König jebod führte bie R. gegen 
das Gefeh ein; fie betrug 12,000 Mann. Bei ber Weg ig ber Hebräer in 
bie babylonifhe Gefangenfchaft ging biefe R. unter, wurde auch von den Mat» 
tabäern nach der Nüdfehr in das Vaterland, als bem Gefege zumwiberlaufend, 
nicht mehr eingeführt. Die Kanaaniter in Paläftina tatten zu ben Zeiten des 
Zofua ebenfalls R, u. Streitwagen. Cyrus, ber Aeltere oder Große, König 
der Berfer, erkannte bald ben Werth ber R., deren er entbehrte; er war baher 
bedacht, bie perfiichen Juͤnglinge im Reiten üben zu laffenz er errichtete Anfangs 
nur 10,000 Reiter, brachte bieſe fpäter auf 40,000 und endlich auf 120,000 
Mann, fo, daß feine R. den fünften Theil des Fußvolles betrug. Die perfiſche 
R. war das Vorbild für jene der anderen Völker, befand theild aus ſchwerer, 
d. h. vollſtaͤndig geharniſchter, welche ſich des langen Reiterfpießes und bes 
Schwertes bebiente, theils aus leichter, welche bie leichten Wurfſpieße und ben 
Bogen führte. Daß die fpäteren Könige von ‘Berfien fortwährend eine zahlreiche 
N. unterhielten, beweiſen die werfchiebenen Einfälle der Perfer in Griechenland. 
Die R. der Griechen war in den älteften Zeiten nicht zahlreich. Griechenland, 
Thefſalien auögenommen, hatte wenige Pferde; deßhaib konnten auch nur Vers 
mögliche, weldye im Stande waren, ein Pferd auf eigene Koften zu unterhalten, 
zu Pferde dienen und daraus erhellet, warum bie — in Griechenland vor⸗ 
nehmer, als ba6 gemeine Volk, waren u. ben zweiten Stanb im Staate aus- 
machten. Diefe Auszeichnung ging verloren, als unter Agefllaus (König von 
Sparta 395 v. Ehr.) bie Begüterten anfingen, fi) bem Kriegsdienſte zu ent» 
ziehen umb Andere für fich flelten und unterhielten. Die Thefjalier waren bie 
beflen Reiter und ihre R. bie befte in Griechenland. Die Spartaner u. übrigen 
Peloponnefer, deren gebirgiges Land ber R. wenig zufagte, befümmerten ſich wenig 
um diefelbe, und erft nad) Beendigung bes zweiten meffenihen Krieges (680 
v. Chr.) fingen dieſe an, der R. einigen Geſchmac abzugewinnen unb ließen deß⸗ 
Halb ihre Jünglinge in ber Reit! üben. Die athenienfiſche R. weder 
jebe ber 48 Raufcarien zwei Pferbe ſtellen mußte, beitanh RIESE 


Wealencpclopäble. VIIL 


754 Reiterei. 


Pferden. Dieſes Verhaͤltniß dauerte ange fort; daher wurbe bie Schlacht wm 
Marathon griechifcher Seits ohne R. geführtz daher bie Berlegenheit der Gue 
chen in der Schlacht bei Platäa. Als aber bie Griechen ben Werth ber. da 
germapen erfennen gelernt hatten, errichteten fie ebenfalls R., welche 

00 Pferde betrug, Später jedoch auf 1200 gebracht wurbe, Da aber 

nur ſchwere war, fo fühlten fie bald bie Nothwendigkeit einer Leitern 
u. ber lange andauernde peloponnefijche gab die nächke Beranlaffung hien 
Die Römer kanntm ben Werth ber t fo, wie man dieſes von eines 
Volke erwarten follte, befien fiegreiche Adler ve ganze befannte Welt eroberte, 
Die R. der Römer blieb baher immer mittelmäßig, u. wurbe von ihr an 
manchmal Etwas ausgeführt, was einer befondern Erwähnung würdig iR, — 
dieſes auf die —— ber er roͤmiſchen Bundesgenoſſen. Als Romulus d 
Volk in drei Tribus eintheilte, wählte er aus jedem derſelben ander dt 
Bermögen u, andere Wigenichaften ausgezeichnete Jünglinge, weiche, A —*8 
dienend, die Leibwache des Koͤnigs bildeten. Diele 300 
der wegen ihren ſchnellen Beweglichkeit, oder von ihrem —XX — nr Fee ie 
Geſchwinden oder Celeres genannt, bildeten brei Genturien, die Ramsnenfer, ie 
Tatienfer und die Luceren u. verhielten fich zu bem Fußvolfe wie 1 zu 10. —* 
Hoſtilius vermehrte Die 3 Centurien mit 300 Albanern; Tarquinius Prise va⸗ 
Doppelte ober verdreifachte dieſe R, welche nun 1200 Pferde ſtark war, mi 
Servius machte aus den drei Stammeenturien des Romulus ſechs, zu welchen « 
noch zwölf neue Eenturien errichtete, fo daß es damals achtzehn Centurien Ru 
ter gab. Diefe Reiter befamen von dem Staate ein öffentliches Pferd on 
10,000 Pfund Erz zur Anfchaffung befielbenz; inbefien bienten fie — 
eig enen Pferden. Sie waren bie Pte: fogenannten — 
den gelten Stand in Rom ausmadhten u. aus wehen url engl De bie 3* 
ariſche R. beſtand. Unter den Kaiſern beſtand die R ——— 
laͤndern. In ben früheften Zeiten war bie roͤmiſche R, nit Schuß —* 
nicht verfehen; fie trug, um bie Pferde bei dem Mangel an Steigbnarn 
mit größerer Behendigfeit u. LXeichtigfeit beſteigen zu Tönnen, ne 5* 
Kleidung; in der Folge wurde ſte wie das Fußvolk bewaffnet. Die 8 
beftand zum Theil in Spießen (contus) und der Angriff ber ge 
jener der Alanen u. Sauromaten, ober die R. führte Lanzen 138 *5— 
Ihre Schutzwaffen beſtanden in einem Schilde, einem eiſernen H 
Bruſtharniſche, welcher jedoch nicht immer aus gleichen Materien er und * 
Beinſchienen. Die R. der Römer bediente ſich der Lanzen 8 —* 
Laͤnge u. Schwere, ſowohl zum Fernegefechte, als auch zum — 

mit 










ihre eigentliche Waffe war das Schwert, beſonders zum Angriffe in der 

e R. der Germanen war nach Tacitus nicht zahlreich und guter 
Pferden nicht verfehen. Sie bildete ſich nicht durch gefälliges Zufamman 
rotten in Reiterhaufen, fondern biefe beftanden aus ganıen Samilien, fowk 
die einzelnen Haufen ihres Fußvolks aus einzelnen Voͤlkerſtaͤmmen gebilbet wurden 
Die germaniſchen Reiter waren, wie die römifchen, abgerichtet, von Pferde 
zu fpringen und zu Fuß zu kaͤmpfen, Pete war beren Bewa von jene 
Ihres Fußvolfs nicht viel verfchieden. (8 bei der Bölferwan eng robe zohe De 
den über bas roͤmiſche Weltreich hereinftürzten u. jeden Reft von Civiliſation 
tifgten, da brachen auch bie Avaren u. Hunnen mit ihren un edeueren Se 


terfhaaren in Deutfchland ein, und ihre reißenden Sortjehritt en bi 
Deutfchen, ihren Feinden gleiche Waffen entge Is zu ſtellen. erwa * 
Liebe zum Reiterdienſte in Deutſchlan lles, was durch ne B 


Geburt zunaͤchſt zur Vertheidigung des —E berufen ſchien, kaͤmp 
u Bferhe. Diefer Dienſt bildete fi) immer mehr aus, die Kraft at m 
der R., in welcher nur die Edlen fämpften, u. ba dieſe mit —— 
8. Fußvolf nieberblidtten, fo wurde der Reiterdienſt an no eine Auszeichnung 

Die Reiter wurden Ritter G. d.) genannt und biefes war bie 





Reiterei. 755° 


daß fih in Deutſchland bas Rittertvefen amsbildete, die ſchönſte u. ſcharf ge 
mund Eigenfpaft des Mittelalters. Diefe Ritter, durch das Lehenft 
folge verbunden, bildeten von nun an den Kern ber europaͤiſchen 
Ates, was Muth u. Tapferkeit Großes verrichtete, geſchah fortan durch die Ri 
terfchaft. Diefes Berhältnig dauerte in Deutfchland, von der forgfamen Hand 
der Fürften gepflegt, mehre Jahrhunderte; in Frankreich dagegen änderte ſich 
daffılbe bei dem Fortgeiepten Beftreben ber Könige, die Lehen der Prone einzus 
verleiben, fehr bald. Mit der Erfindung des © ehpulvers Seien die Ritter 
Diel von ihrem Anfehenz gleichwohl legten fie die Rüf ab, aber man 
fuchte jegt die Staͤrle der R. in der regulären Formation ee en. So wurben 
zu Anfang des 15. Jahrhunderts in Frankreich bie —— DOrbonnanzcoms 
Bohn Gebilde, die aus ‚tıem Hauptmann, einem Lieutenant, einem Guide und 
4100 Zangen beftanden. Jede Lanze beftanb wieder aus einem völlig gepanzerten 
Mann (Gendarme), 3 Bogenſchuͤhen, die fpäter Feuerwaffen erhielten, 1 Snappen 
und 1 Bagen. Faſt gleich eitig entftanden unter den Deutfchen bie deut ſchen 
Reiter. Sie waren in Gompagnien (Eornetten) formirt u. der Reiter mußte 
beim Entftehen berfelben von A, janz gehend | ae — 1a dal, 
umd Fourage felbft ſchaffen, doch erhielt er, Sold einen etwas lei 
jerwaffneten Knecht. Indeß hörte nach u. nach das 1 Aldor ber Bafallen: u. Die 
— g, daß die R. von Abel ſeyn müße, ganz auf. Im 15. u. 16. Jahr⸗ 
hunderte nöthigte die Vervolfommnung ber Gereraffe Die Ritter, bie fi 
zen Rüftungen nad u. nach abzulegen u. in — — ichtern Kuͤraß * * 
ue in den Kampf zu ziehen; doch beſtanden bie ganz geharnifchten 
fchen Reiter u. Orbonnanzeompagnien noch bis angen Cr des 16. es 
Be gingen erft Hier, in den nieberländifchen Stiegen, in die etwas leichtere 
nung über, wodurch die Küraſſiere entflanden. on früher Hatte 
man Compagnien berittenee Hadenfhügen (bei dem Franzofen Carabiniers), 
Karl V. warb zu feinen Kriegen aus den Völkern an ber türfifchen Gränze al 
banefifhe Reiter und Stratioten umb alle biefe wurben ber Stamm zur 
nadmaligen leiten R. Doch am beften bewaßrten die Ungarn und Polen, 
durch ihre Kriege mit den Türken, den Sinn hlefür. Männlid) widerflanden fie, 
jene mit dem Sabel, diefe mit ber Lanze, beide ohne Rüftungen, ober body mit 
ſehr leichten, ben Einfällen der türliſchen R., und aus erfleren entſtanden durch 
ein Aufgebot des je 20. Mannes die Hufaren. Im ben nieberländiichen Fries 
gen errichtete Morig von Dranien zuerft Dragoner, eigentlih Infanterie, die 
nur bie Pferde zum ſchnellen Fortfommen haben follten, bald aber als R. vers 
wendet wurben. Derfelbe Ichrte auch feine leichter geworbene R. das Abbrechen, 
Aufmarfchiren und Ab- u. Einfchwenfen, rd früher die R. nur in einer 
Linie gefochten hatte. Herzog Alba brauchte jeine leicht R. zuerft zum echten 
in gefchloffener Ordnung. Um bie Zeit bes ZOjährigen Krieges entledigte Gu—⸗ 
ſtav Adolph, aus ben früheren Kriegen mit ben Polen belehrt, feine ſchwere 
R. aller überflüffigen Waffenftüde und führte mım Dragoner, bie ohne Panzer 
meift zu Pferd fochten, ein und ſchaffte feiner R. ein auffallenbes Uebergewicht 
über die ſchwere kaiſerliche, ſehte die Tiefe ber Schwadron von mehr Bliedern 
auf 3 und unternahm felb einige Eavaleriechargen. Um biefe Zeit wurde auch 
Speer und Lanze (außer bei den Polen u. Ruflen) faft allenthalben durch den 
Pallaſch erfegt, fo daß man im Echritte ober Trabe 30—50 Schritte vor bie feinds 
liche Fronte ritt, dann eine Salve mit dem Carabiner ober mit den Piſtolen gab 
und hierauf mit dem Pallaſch einzubrechen fuchte. Nach dem 30jährigen Krie 
waren bie Türfentriege u. bie wei 0 — — XV., in ver 2. Hälfe 
bes 17. Jahrhunderts, die Schule ber alle Armeen waren in Küraifiere, 
Carabiniers u. Dragoner formirt, bie ae hatten auch Grenabiere u Pferde. 
Huſaren Hatten nur bie Kaiſerlichen und nach ihnen bie Franzoſen. Während 
des fpanifchen Exbfolgefrieges u. fpäter wurde bie ſchwere R. immer mehr orten 
alten Panzer erleichtert; dennoch erwartete fie ben Angcık ied —X v¶ 


756 .  Neitkunfl, 


ſchloſſen im Anfchlage und zog daher meift gegen bie Tühneren — aber auch mır 
im Trabe, mit weiten Zwiſchenraͤumen, fo daB fie ungehindert aufs u. abſthen 
fonnte — angreifenden ®egner, wie die Franzoſen und beſonders bie 
unter Karl XI, den Süzeren. Vortreffliche Reiter waren in biefer Zeit bie 
Türken, die, in ſtarken Maſſen, leicht u. gewandt baherfprengend, den Feind 
umzingelten und fo die fohwerfälligen Reiterfchaaren ber Deutichen faft immer bes 
fiegten. Beim Ausbruche des Öfterreichifchen Erbfolgekrieges 1740 war bie öfter 
reichiſche R. der preußifchen in Allem überlegen, beſonders fehlte Leigterer bie 
leichte R., die Huſaren. Friedrich IL befahl daher feinen Reitern, fo fchnel 
als möglich, den Degen in ber Kauft, in den Feind einzubrechen. Dieb und bie 
Bermehrung ber Sufaren und ihre Ausbildung durch öfterreichifehe Offiziere und 
Unteroffiziere, befonders aber buch Seidlitz u. Ziet hen, gab ihr im Tjäktls 
gen Kriege Ueberlegenheit über ben Feind. Diefe ftellten fie in 2 Glieder, führten 
en Choc ein, lehrten ſchneller u. Leichter fehwenfen, beployiren und Colonne de 
miren u. brachten bie R.s Taktik auf den Punkt, wo fie jept Reht. Die Oeſter⸗ 
reicher widerftanden zwar biefen Neuerungen u. gewannen ben eg mit ihren 
befieren Pferden u, gewandteren Reitern, indem fie dem Choc durch Theilen der 
Linie auswichen u. ben Angreifenden feuernd in bie Flanke fielen, mehrmals Bor 
eile ab; endlich mußten fie aber nach dem Dresbener Frieden bie uenen Ein 
htungen doch nachahmen. Beſonders vernollfommneten fie ihre leichte R. Bis 
ber Hatte man es nicht für nöthig ade, die Pferde der Gemeinen zuzureiten 
fondern fie nur an den Zaum u. Schuß gewöhnt; nun ward es aber doch net 
wendig, auch bie Pferde ber Gemeinen eigentlich zuzureiten. Schon nach bem 
erften ſchleſtſchen Kriege wurden in ber preußiſchen Armee bei den Regimenten 
Reitbahnen errichtet, andere Armeen folgten und bie R. erhielt einen bisher noch 
nit gefannten Brad von Bollommeneit Nur die Franzoſen blieben in ber 
Reitkunft zurüd u. fuchten bie Fertigkeit durch enges Schließen zu erſetzen. Auch 
die englifche Eavalerie eiferte nad. Im Anfange bes franzoͤſtſchen Revolution 
frieges bewies die preußifche, fächfifche, englifche und befonders bie öfterrei HE 
R. heoße Deberlegenheit über die franzöftfche, nur 1796— 1800 hatte die öfterreichiiche 
R. durch die Strapazen zu viel gelitten u. der Geift ſich in ber franzoͤfiſchen Ir 
gehaben u. letztere erlangte daher oft Vortheile. Koch mehr fleigerte ſich bi 
eift 1805—12 durch die Anführer, befonders Murat, und die franzöftfche R. 
war, obſchon fchlecht beritten und ohne Talent zum Reiten, doch durch Geift, 
Fechtart in geichlofienen Colonnen und Chocs in großen Mafien, fat immer über 
legen. 1807 warb durch bie polniſche Infurreftion in Sübpreußen die Kanye 
bei ber R. wieder gewöhnlicher. Zwar hatte fchon der Marſchall von Sachſen 
bei den Franzoſen Uh lanen errichtet u. auch bie Preußen, Oeſterreicher zc. Kat 
ten dergleichen, jedoch nur einige. 1807 u. 1809, ferner in Spanien u. 1812 
in Rußland erwiefen aber die polnifchen Lanziers ſich vortrefflih. Als überbieh 
bei. bem Rüdzuge der Franzoſen aus Rußland ſich die Kofaden Ruf erwarben, 
fam die Lanze als R.s Waffe vollends wieder zu Ehren; die Ruffen gaben ben 
erften Gliedern einiger Küraffier s und HufarensRegimenter Lanzen, bie Preußen 
bewaffneten ihre Landwehr⸗Cavalerie bamit und auch bie Franzoſen Hatten einige 
Lanciers⸗Regimenter errichtet. Seitdem ift in ber Organifation u. Taktik der R. 
feine Aenderung vorgefommen, obfchon der württembergifhe General v. Bismart 
beren verfchiedene vorſchlug. Man firebt nun überall darnach, beide zu verein 
en u bie großen Koften, welche die R. verurfacht, durch Erſparniſſe möglich 
zu mindern. 


Reitkunſt. Schon in ben Alteften Zeiten befannt und namentlich von ben 
Griechen und Römern auch im Intereſſe ber öffentlichen Spiele zu Hoher Boll: 
fommenheit gebracht, lehrt bie R. theils das Pferd fo abrichten (zubereiten), 
daß ed nad) dem Willen bes Reiters die verlangten Bangarten, Wendungen ıc. 
ausführt; theils auf dem Pferde ale Koͤrvertheile in eine ſolche age und Gted: 
Iung gu bringen, daß ber Reiter ven nelchen Berrmun (ine Kräfte machen 


Reiz — Relativ, 757 


fan, um fih fowoßl anf dem Pferde zu erhalten, als es zu leiten. Die R. abs 
efehen von bes eigentlichen Kunſtreiterei, ift nicht ohne Schwierigkeit und fegt 
Körperfrafi und befonnenen Muth voraus. Das Reiten felbft IR eine ber em⸗ 
pfehlenswertheften Leibeaübungen und Kat fi) auch in vielen, befonders Lungen» 
krankh eiten, bewaͤhrt. Baucher, „Methode der R. nach neuen Brunbfähen“ (3. 
Ausg., beutfch, Berlin 1845); berfelbe, „Wörterbuch ber R.“ (Leipz. 1844); 
Gordon und Cheſterfould, „Englifche bedrefiur im Ritt u. Zug“ (2. Ausg., 
be, Anl 1845); Hünersborf, „Anleitung, Pferde abzurichten" (6. Ausg., 
a 


840). 
Reiz, Sriebrich molfoang, eboren zu Windsheim in Franken 1733, 
Aubdirte in Leipzig unter Chrift u. ei alte Literatur, wurbe 1757 Dragifer, 
1767 außerordentlicher PBrofefior der Philoſophie, dann Brofefior ber griechifchen 
u. lateiniſchen Sprache, enblih 1785 ber Poeſte u. farb 17%. Er befaß einen 
roßen Umfang von Kenntniſſen aus ber alten und neuen Literatur, beſonders 
Öatte er die lateiniſche und griechifche Sprache philofophifch ſtudirt, war in ihre 
tiefſten Subtilttäten eingebrungen, galt ugleid für den größten u. grünblichften 
etrifer feiner Zeit u. war überbieß ber Begründer einer trefflichen grammatifch 
phtlologifchen Schule. Bei feiner langfamen, fih nie genugtfuenden Art zu ars 
beiten, bei ben vielen Eleinlichen Mebengeiihäften. bie er lange bes Brobes wegen 
verrichten mußte u. bei feiner uneigennügigen Dienflfertigfeit Eonnte er nur We⸗ 
niges fchreiben, was aber Alles gehaltreik iſt. Seine vortrefflich angelegte Hand» 
ausgabe bes Herodot (Leipzig 1778), welche er bei feinem Tode unvollendet hin⸗ 
terließ, wurbe fpäter von Schäfer, Lpz. 1800 — 1822 in 2 Ben. vollendet. Bon 
feinen tiefen grammatifchen Kenntniſſen zeugen befonders feine Abhandlungen De 
Prosodiae gr. accentus inclinatione , herausgegeben von Wolf, Leipzig 1791. 
Seina hellen Blide in die bunfele Materie von den Silbenmaßen ber alten Ko⸗ 
mifer beurkundete er in feinen lebten Schriften: Burmannum de Bentleji doctrina 
metrorum Terentianorum judicare non potuisse 1787, u. in feiner Tritifch «mes 
trifchen Ausgabe von Plautus Rudens 1789. Die Tleinen Ausgaben einzelner 
Schriften ber Alten, bie er zum Behufe feiner Vorlefungen herausgab, wie: Ariſto⸗ 
teles Rhetorif 1772, Poetit 1786, Perfius 1789, Haben alle kritiſchen Werth. 
Bon feinem Innern Berufe zur Dichtkunſt zeugt fein meifterhaftes Gedicht: Se- 
culum ab inventis clarum. 

Neizbarkeit, |. Irritabilität. 

Aeland, Adrian, geboren in bem Dorfe Ryp in Rorbholland 1676, ſtu⸗ 
dirte zu Amſterdam, Utrecht u. Leyden Theologie u. orientalifche Sprachen, wurbe 
1699 Profeffor der Philoſophie zu Harderwyk, kam 1701 nach Utrecht und ſtarb 
bafelbft 1718, ald Orientalift u. Archaͤolog durch mehre gehaltvolle Werke rühms 
lich befannt. Schriften: Antiq. sacrae vet. Hebraeorum breviter delineatae, Ut- 
recht 1708 u, öfter Herausgegeben von Bogel, Halle 1769. Palaestina ex mo- 
numentis veteribus illustrata, Utrecht 1714, 2 Bde. m. Karten; Nürnberg 1716 
u. in Ugolini Thes. antiq. sacr. T. VL, fein Hauptwerk u. in feiner Art claſſiſch. 
Analecta rabbinica, Utredit 1702 und 1722 von Bogel, Halle 1760. verner 
grammatifaltfchsphilologifche m gemblungen um. a. 

Kelation, Erzählung, Bericht; ein Vortrag aus gerichtlichen Akten, wobel 
ein ober zwei Mitglieder eines Eollegtums ben Auftrag erhalten, anftatt bes gans 
zen Gollegiums bie Akten durchzuleſen und beren Inhalt dann dem verfammelten 
Gollegium fo vorzutragen, daß biefes in den Stand gefeht wird, die Sache fo zu 
überfehen, als wenn jedes Mitglied die Akten felbft gelefen Hätte, wobei das Bors 
trag baltende Mitglied (Referent) feine Meinung (votum) über ben zu faffenben 
Beſchluß am Ende ber Hiforifihen Darfellung mit abgibt. — Ueber bie philofos 
phifche ebrutung von R. f. d. Art, Kategorien. 

Relativ Heißt, im Gegenſatze zu abfolut (ſ. d.), alles das, was ſich auf 
Etwas bezieht, in Berhältniß zu Etwas ſteht, was daher blos bedingewos + Kur. 
beziehungswelfe wahr if. 


758 Relegation — Religion, 


Relegation, 1) eine im roͤmiſchen Staate feit Auguflus übliche Strafe, 
welche in der Wegweiſung eines Berbächtigen aus einem Orte befand. Bon bem 
Eril u. dee Deportation (f. d.) war die R. dadurch unterfchieben, baß fie 
ſich bloß auf einen Ort erfiredte u. nur eine beftimmte Zeit dauerte, demmach 
auch nie ben Verluſt der Givität mit fich führen fonnte — 2) Gegenwärtig ik 
R. eine Univerfitätäftrafe u. zwar bie fohwerfte, die über einen Studirenben ver 
hängt wird, indem fie entweder auf mehre Jahre ſich erſtreckt, ober bie Univerfis 
taͤtsſtadt überhaupt je & betreten verbietet (R. in perpetuum). Die R. cum infamia er 
folgt ! Pie ein Student ſich etwas Entehrendes Hat zu Schulden Toms 
men laflen. 

Relevanz Heißt die Erheblichkeit einer gerichtlichen Handlung u. R.⸗Beſcheid 
herjentae Beſcheid, wodurch ein höheres Bericht entweber wegen anſcheimender 
Srheblichkeit ein Verfahren einleitet, oder wegen Nichterheblichteit ber Beſchwerden 
die Appellation abfchlägt. Bol. d. U. Appellation. 

Relief Heißt eine aus der Fläche Hervorgehobene, mit ihr zuſammenhaͤngende 
Arbeit, mag fie durch Eingraben, Schnigen ober Gießen entflanden, in Metall, 
Stein, Thon u. f. w. ausgeführt fen, Im R, verfchwindet bereit bie raum 
liche Totalität der Beftalt, welche die Sculptur zum Vorwurf hat, indem es bie 
Fläche zur Bedingung nimmt, fo baß die Figuren auf einem u. bemfelben Blanc 
ftiehen u. zwar, im alten R., neben einander hauptfäcdhlich im Profil, ohne per⸗ 
ſpectiviſche Unterſchiede von Bors u. Hintergründen. Daher Tönnen in folchem 
Halle au nur Handlungen dargeftellt werden, welche in Wirklichkeit ebenfalls 
mehr in einer u, derfelben Linie vorgehen, wie Aufzüge u. dgl, wogegen bie An- 
wendung des R.s auf Verzierungen von ©efäffen, der Frieſe u. |. w. den größten 
Spielraum gewinnt. Außer ber befannten Eintheilung bes RE in Hautsre 
lief u. Bas⸗relief findet fih zumeilen noch eine dritte Stufe eingeſchoben, bas 
Demisrtelief, u. alddann bezeichnet erfied, baß die Figuren mehr ale mit ber 
Hälfte hervortreten; das zweite, daß ſolches weniger, als mit ber Hälfte, u. bas 
legte, wenn das Hervortreten aus ber Fläche genau mit ber fte gefchieht. 
Bei den fpäteren Römern ıc. findet man noch ein Relievo altissimo, mit beinahe 
ganz freiftehenden Figuren u. bie intergeäinde ebenfalls mit Figuren verfehen, 
was offenbar eine Ausartung iſt, wenn gleich ganz freiftehende Theile, wie Arme 
u. Köpfe von Figuren, im H autsreliet von guter Wirkung ſeyn können. Das 
griechiſche R. erhielt feine Vollendung durch Phibias (f. d.)5 bei ben Römern 
trat technifche Ausführung an die Stelle des Kunftfinns, und nad Verirrungen 
mancher Art ließ erft im 13. Jahrhunderte ber Staliener Ricolo Pifano, ge 
ftorben 1270, in feinen Basreliefs im Dom von Ovieto, Siena u. Bologna wie 
der ein glüdliche8 Studium ber Antife wahrnehmen. Dann bemerfte Michel An- 
gelo in Beriehung auf die von Lorenzo Ghiberti (geftorben 1455) ausge 
führten berühmten Baßreliefs, daß eine von ben beiden, damit geſchmückten, bron- 
zenen Thüren des Baptifteriums in Florenz verbiene, bie Thüre zum Parabies 
zu ſeyn, u. daher wäre wohl zu wuͤnſchen, baß die geretteten Frieſe u. Metopen 
aus dem Parthenon mit ihr verglichen werden möchten. In neuefter Zeit Hat im 
Basrelief Thorwaldfen (f. d.) das Bollenbetfte geleiftet u. insbeſondere wird 
ber Einzug Alexanders in Babylon ben beften griechiichen Werfen biefer Art 
gleichgeſtellt. Es wurde 1811 während drei Monaten in Thon für den paͤpftli⸗ 
hen Palaſt auf dem Quirinal ausgeführt; in Marmor gearbeitet und angeblid 
eine Million Franken Eoftend, befindet es fich in ber Vila Somariva, na 
Gandenabbia, u. ald Marmorfries im Töniglich daͤniſchen Schlofie Chriſtiansburg, 
erweitert durch Einfchaltung mehrer neuer Figuren. Eine Abbildung erfchien in 
Münden 1835, Zeichnung von DOverbed, Stih von Samuel Amsler, Tert 
von Schorn. — Bei Gemälden bezeichnet der Ausbrud R. bie (ſcheinbare) 
Erhabenheit der Gegenſtaͤnde. 

Religion (lat. religio, — nad) Cicero von relegere, nach Lactantius und 
dem heil, Auguſtinus von religare, weil wir baburdy mit Bott verbunden wer: 


Religion, 759 


| Ben, abzuleiten —ift bie Erkenntniß unferes Verhältniffes zu Gott u. ‚aller unferer 
"Daraus entipringenben Pflichten, als ee Gebote, verbunden mit der entſpre⸗ 
© chenden Berehrung Gottes. — Die R. lann in fubjectiner und obfectiver 
© Beziehung betrachtet werben, ; Im erfterer ift fie die Exfenntniß, bie ſich Jemand von 
= ®ott u. allen unferen Pflichten, als: göttlichen Geboten, erworben hat, verbunden 
® mit dem innigen Streben, den Wandel hienach einzurichten. Ste Heißt Religiö- 
"lfität, wenn bie, den -anerfannten Wahrheiten von unferm Berhältniffe zu Gott 
I entfprechende, Gefinnung u. Handlungsweife bei einem Menfchen vorherrfchend ft. 
Ei Opjectiv betrachtet ift R. Die Summe ber, über umfer Berhältniß zu Gott er- 

Tannten, Wahrheiten und ber hieraus ringenden Pflichten, als göttlicher Ges 
= pote, Die Lehre von den: erfannten I iten über unfer Ver! if zu Gott bils 
"u det den theoretifchen Theil der R.öRehre — die Dogmatik — bie Lehre von 
=! den Pflichten aber ben praftifchen Theil — die Ethit ober Moral, Man 

umterfcheidet auch zwifchen innerer un äußerer R., je nachdem fie blos im Ins 
® nern des Menfchen, in feinem Gemüthe, ober buch Befolgung bes göttlichen 
2 Willens in fihtbaren Handlungen ſich äußert, Beide ſtehen miteinander in abs 
3! foluter Beziehung, denn, wer Gott als das heiligſte, volltommenfte ıc. Wefen ers 

Tannt hat, der muß Ihn auch durch getreue Erfüllung ber. hieraus entfpringenden 
Pflichten verehren. Aeufere R, (ber Eultus — Ne ia — bas Belenntniß 
des Dogmatifhen und: Ethifchen) ift der Ausdruck des religiöfen Gefühle, Die 
GEeremonien bei dem Gottesdienfte find eim außerorbentliches Mittel zur Belebung 
des Glaubens u. Beförderung ber Frömmigkeit, fie erweclen Ehrfurcht — bie 
—— Einrichtungen der Kirche u. zeigen bei ber Ausſpendung ber Heiligen Sa- 

‚amente beren innere Onaben-Wirfung: an. Die R. Heißt eine dffentliche, 
wenn ſich die Verehrung Gottes durch Außerliche Zeichen — Symbole — dur 
einen gleihförmigen Eultus barftelltz oder fie ift eine Brivat-R., wenn bie 
Außere Gottesverehrung auf eine befonbere nur von — begangen wird. 
Man ſpricht auch von einer Staats-R. u. legt dieſen Namen der — 
R. bei, wenn eine gewiſſe Art der Gottesverehrung irgend wo allgemein gebilligt 
und durch beſondere Staatsgeſetze fanktionirt il. So iſt 3. B. in Spanien, 
Portugal ıc. die katholiſche R.als Staats-R. erklaͤrt, in England dagegen 
die feit Elifabeth eingeführte fogenannte reformirte R., oder es beftehen mehre 
Eonfeffionen in einem Staate mit gleichen Rechten neben einander und genießen 
gleiche politifche und religiöfe Freiheit, wie dieß 3. B. jet in allen beutichen 
Staaten und in Frankreich der Fall if. Die R., als ber lehte Grund alles 
Strebens des Menfchen, ift fo alt, als die Menfchen find, ober als es Menfchen 
in der Welt gibt. „Sie tragen das ®efeh im Herzen,“ fagt bie hl. Schrift. Die 
erfien Menſchen, kann man baher fagen, Haben bie R. mit in bie Welt gebracht; 
fie durften nur die Stimme ihres Herzens beobachten u. felbe hören, fo gewahr⸗ 
ten fie da Billigung, dort Mißbilligung. Dieß zeigt ſchon ber Baum ber rtennt. 
niß des Guten u. Böfen. Die R. ift univerfal, b. * die Anlage zur Er⸗ 
kenntniß u. Verehrung Gottes liegt in allen Menſchen. Dieß beweiſei unſer Ge⸗ 
wiſſen ſowohl, als die Geſchichte aller Voͤller. Rur in Anſehung ber Form, in 
welcher fie ſich darſtellt, herrſcht eine Verſchiedenheit. Hier fie ſyſtemaiiſch, 
dort populär. In Anſehung bes Objects iſi bie R. entweder Monotheismus, 
Verehrung bes einzigen Gottes, als Echöpfers u. Erhalters bes Weltalls, oder 
PBolytheismus, d. i. bie Verehrung mehrer Gottheiten, welcher letztere aber 
ſowohl mit der Bernunft, als ber geoffenbarten R. in Wiberfpruch Reht, In 
Anfehung des Erkenntniß ⸗· Grundes Die R. entweder natürliche, in fo fern 
wir nämlich unfer Berhältniß zu Gott durch eigenes Rachbenken aus ber Ratur, 
oder durch Reflerionen über bie vernünftige und moraliſche Natur bes Menfchen 
zu erforſchen und fennen zu lernen uns beſtreben, ober fie if geoffenbarte — 
pofitive —, wiefern Gott buch eine unmittelbare Ber u. auf außers 
ordentliche Weiſe feinen Willen offenbarte u. fo dem natürlichen jen ber 
Menfchen, zur wahren, vollfommenen Erkenntniß und zur teten Weir ver Bcıs 


— — 


760 Religion. 


ehrung Gottes gelangen zu koͤnnen, mittelſt höherer Belehrung zu Huͤlfe Tam. 
Die natuͤrliche R. iſt unzulaͤnglich, denn über das eigentliche Princip u. Funda⸗ 
went aller Wahrheit iſt man vom Standpunkte ber Philoſophie aus bis auf dem 
heutigen Tag noch nicht einig; bie Befchichte ber Philoſophie liefert vielmehr eine 
zaufammenhängende Kette von Streitigkeiten ber Philoſophen unter fi), und fein 
Philoſoph kann ſich rühmen, allgemeiner Repräfentant der menſchlichen Bernunft 
zu ſeyn, weil man über ben legten Grund aller Philoſophie felbf nicht einig iR; 
nebft dem entbehrt bie Philoſophie ber Popularität; denn bie Bründe ber Wahr⸗ 
heit deutlich einzufehen u. ihre Geſetze allzeit unter allen Umftänden zu befolgen, 
hiezu wirb ein hoher Brad geifliger Eultur u, eine große Refignation erfordert, 
wofür die große Menge nicht gerigne‘ ff. Es kann uns ferner Richie 35 
Nichts wichtiger ſeyn, als, unſer Verhaͤltniß zu Gott kennen zu lernen; d 
aber ertheilt uns die Vernunft keinen hinreichenden Aufſchluß, die natürliche R. 
ibt uns feine völlig befriedigende Kenntniß von Gottes Eigenſchaften und kann 
de uns auch nicht geben, weil ber Menfch fonft felbft Bott feyn müßte Sie 
fagt uns Nichts von der Güte, Gnade und Gerechtigkeit Gottes, und wie fle in 
Bott vereint ſeyn können; file Elärt uns nicht auf, woher das Böfe in ber Welt 
fomme, woher die Sraction im menfchlichen Geiſte, fie kann uns Nichts offenbaren 
von einem Sünbdenfalle, noch von der Erlöfung Alle R.s⸗2Erkenntniß, welde 
auf natürlichem Wege durch die Bernumft gewonnen wird, geht nur ſehr langſam 
von Statten u. entbehrt jebes feften Fundaments. Die R. fol ſich auch wirklich 
in einem ethifchen Reiche (Reich Gottes) barftellen, es foll eine Kirche conflituirt 
werden. Dieß vermag aber feiner ber Menſchen; die R. muß auch den ganım 
Menichen erfaſſen — daher ſymboliſch feyn — eine reine Bernunft-R. ohne Sym⸗ 
bolif ift eine bloße Schwärmerei. Die Vernunft lehrt uns auch nicht beutlih u. 
nit alle Pflichten gegen Gott; fie fagt uns zwar, baß wir bas Gute thun u. 
das Böfe meiden follen, verläßt uns aber im praftifchen Leben gar oft, ober un 
terftügt uns nicht mit den gehörigen Motiven, bie uns bei den Lodungen ber 
Sinnenwelt zur Erfüllung des Sittengeſetzes auch mit Eelbflaufopferung anfpor- 
nen. Sie ftellt uns fein Ideal von Pflichterfülung u. Helligkeit auf, nach bem 
wir uns in den verfchiedenen Berhältnifien unſers Lebens richten Tönnen. Bel 
etwaigen Abweichungen vom Sittengeiepe zeigt fie uns nicht, wie wir und wieder 
zu entjündigen u, zu reinigen vermögen. Die Vernunft läßt uns felbft über bie 
Eriftenz Gottes, über bie Unfterblichkeit ber Seele beim Ahnen oder bei Muth» 
maßungen ftehen u. kann uns über diefe Punkte feine Gewißheit geben, fo ad» 
tungswürdig auch immer ihre Schlüffe über den Gang ber Natur, über Die Ans 
lage des Menfchen zur R., über feine Beiftigkeit u. |. w. ſeyn mögen, Auf bie 
Frage: „was Hat der Menich nad) bem Tode zu erwarten?“ vermag fie noch weni, 
ger beftimmte Auffchlüffe zu geben. Eben fo wenig ift fie im Stande, zu erflä 
ren, woher fo viele Leiden u. Uebel in der Welt Tommen. Enblich lehrt uns bie 
Geſchichte, daß der philofophifche Glaube nie flarf genug war, bie Menfchen un 
ter allen Berhältniffen zur Sittlichfeit anzutreiben, u. wenn bie Philofophen ſelbſt 
fo oft im Kampfe unterlagen, wie fol die natürliche R. auf ein ganzes Bolt 
wirken? War doch bei einer geoffenbarten R. die Sittlichkeit noch nicht rein Kerr; 
fhend geworden: wie fol, wie kann e8 bie natürliche bewirken? Sofrates hat 
ewig das erhabenfte Eyfiem davon aufgeftellt u. durch fein eigened Leben ein 
eifpiel davon gegeben, und doch haben ſich weder feine Echüler, noch andere 
Menfchen viel nach feiner Moral gerichtet. Man hat ihn verehrt, geachtet, bes 
wundert, aber mehr als eine beroifihe Erſcheinung auf dem Theater, benn als einen 
Eitten» u. R.8 » Prediger unter den Menfchen. Auch findet man ſowohl In ben 
Lehren, als dem Leben dieſes unb anderer Philofophen nicht unbeutlidhe Spuren, 
baß ihre Heberzeugung ober Blaube an Gott u. Unfterblichfeit, an Tugend unb 
Gerechtigkeit mehr gejucht und erfünftelt, als natürlich und geläufig war. Man 
flieht auch leicht ein, daß fie mehr aus Neuerungsfucht neuen Syftemen , bie fo 
oft wechſeln, anhingen, fie vortrugen u. vertgätiaten, als aus reiner Ueberzeugung 


Religiondedict — Neligiondgefpräche, ' 761 


umd Liebe zur Wahrheit. — Die geoffen barte R. fing mit der Schöpfung des 
Menfhengefhlehts — mit Adam an, ging durch befien Nachkommen, die Pas 
triarchen, Mofes, Propheten u. ſ. wi, unter einer theofratiichen Berfaffung mehr 


oder weniger verhüllt, ober-getrübt, fort, warb zeitlich erneuert, erweitert, exhellet 


u. in u. duch Chriſtus (1. d.) in ber Höchften Vollkommenheit u. Deutlichkeit, 
bann auch durch feine Apoftel mitgetheilt. Das Verhältnig des Menfchen * 
Gott, wie es Chriſtus u, feine Apoſtel bargeftellt haben, iſt die hriftliche Re 
EHriftenthum). Ihe Eharakter iſt Poftivität, indem fie ſich auf die höchfte 
— auf göttliche Autorität gründet, Sie ftellt wohl Säge über, aber nicht ges 
gen die Vernunft auf und ſchließt bie — Prüfung eben fo wenig aus, 
als fie einen blinden Köhlerglauben 1 Die hriftliche R. begreift weſen t⸗ 
liche und zufällige Beftandtheife ſch. Erſtere find vom Stifter derſelben 
unmittelbar felbft ober durch feine Apoftel angeordnet, und es ſteht ruͤdſichtlich 
derfelben uns nicht zu, davon nur im Gerin; en abzugeben. Die —— 
—— —*— Chriſtus feiner Klirche Ci, d) zu beſtimmen 2 
en worl 

Religiondedict, Heißt im weiteften Sinne jedes, von dem Ob: te ber 
Kirche (bei ben Proteftanten vom Lanbeöherrn, ald summus episcopus) in Bes 
aehung auf Religion u. Eultus —— Gefeg. Beſonders iſt unter biefem 
Namen befannt die Erklärung und Verordnung bes Reichstags zu Worms von 
1524, im Folge deren Kinfichtlich ber begonnenen Reformation ( d.) Alles 
wieder auf ben früheren Fuß zurückgeführt werben follte — Aus neuerer Zeit 
iſt am benannteften gervorben das R. riebrich Wilhelms IL. von Preußen von 
1788 , welches jede wefentlihe Abweichung von der proteftantifchen Kirchenlehte 


! mit bürgerlichen Strafen bebrohte und von dem Gultusminifter Wöllner (f. d.) 


auf eine zigorofe Weiſe in Ausführung gebracht wurbe, weßhalb Friedrich Wils 
helm DIL. feiner Thronbeſteigung bie Aufhebung befielben verordnete. 

Religionsfreiheit ift das Recht der Staatsbürger, ohne irgend welche Bes 
einträchtigung ihrer politifhen und bürgerlichen Rechte zu jeder beliebigen Relis 
gionsgemeinfthaft fi) befennen zu dürfen; fie ift fomit bie praftifche Seite ber 
Gewiffensfreiheit (1. d). Die R. fchlieft das Recht der Gemeinde in fich, 
ihren Gottesbienft öffentlich halten, ihre Jugend, ſowie ihre Geiftlihen in eigenen 
Schulen bilden , ihre fämmtlichen kirchlichen Angelegenheiten, unabhängig von 
frembem Einfluffe, felbfifländig ordnen und — wo bieß überhaupt der Fall — 
von dem Staate verhättnigmäßige Unterſtuͤzung hiefuͤr verlangen zu bürfen. In 
ie weit die R. in flaatlichen Vereinen eine unbedingte, oder bloß mehr ober 
minber befehränfte feyn koͤnne und bürfe, fehe man in ben Artikeln Gewiſ⸗ 
fensfreiheit, Staat u. Kirche. 

Neligiondfriede, ſ. Broteftantismus u, Reformation. 

Religionsgefpräche heißen bie zur Beilegung fireitiger Punkte in Glaus 
bensſachen von ber gejeglichen Auctorität angeorbneten und unter beren Leitung 
von ben vorzüglichften Theologen ber verſchiedenen Religionsparteien” gehaltenen 
Unterrebungen. Obgleih bie Eoncilien (ſ. d.) faft fümmtliche dieſen Zwed 
hatten, fo wird biefe Benennung doch vorzugsweiſe auf bie, feit ber Kirchenfpaltung 
‚zwifchen Katholifen u. Proteflanten, oder unter ben einzelnen Parteien ber leh⸗ 
teren flattgefunbenen, Colloquien angewendet. Die bemerfenswertheften R. waren: 
zu Leipzig 1519 zwifchen Luther, Karlſtadt m. Ed; zu Marburg 1529 zwifchen 
Luther, Melanchthon, Zwingli u. Defolampabins; zu Regensburg 1541 zwiſchen 
Johann GE, Johann u. Julius Blug, elanchihon, Bucer; zu Weimar 1560 
zoifhen Flacius und Strigel (Aber die Exbfünde); zu Altenburg 1569 zwiſchen 
ben furfürftlichen und ben herzoglich fächflichen Theologen (über bie Rothwen⸗ 
digkeit ber guten Werfe zur Seligfeit); zu — ard 1586 zwiſchen Refor⸗ 
mirten u. Lutheranern; zu Regensburg 16015 zu eh 16175 zu Leipzig 1631 
Gur Beilegung fireitiger Punkte zwiſchen den Lutheranern und Keformirten); zu 
Thorn 1645, zwiſchen Katholiten, Reformirten und Tutheranen ale 


762 Aeligionsphiloſophie — Religionsunterriägt, 


Rheinfels 1651; zu Hameln 1657; zu Kaſſel 16615 zu Kofel 16615 zu London 
1601; Ban 16 Zpie iR bie miffenfihafttiche Darftckumg und R Gmehfung 
on ofopbie e aftliche a 
der ewig —*** —* Ideen, worauf die Religion —— 
Dieſelbe macht die wiſſenſchaftliche Analyſe des religiöfen Benußleins Im {m —* 
lichen Gemuͤthe zum Inhalte ihrer Darſtellung und zwar, fo weit dieß über 
mit Bewußtſein geſchehen kann, anabgeng von aller — und po 
Religion. Ihre Hauptrefultate find: been von Gott, fittlicher Freißelt u. 
Unſterblichkeit. Die R. bildet einen tion eil oral Der theoretifchen, als 
ve praltiſchen Philoſophie: erfteres, in — Ferne fe Rei onalcheen nicht nur 
begründen , fondern auch zur Höchften —* u. da chkeit im Bewußtſein 
gain bat; letzteres, in fo fern fie ie Meiigionspflichten in ihrem an 
fange I darzuftellen vorfeßt. Trotz ihrer Unabhängigkeit von ber 
barten Religion, ſteht bie R. zu biefer gleichwohl in feinen feindfeligen 
niffes ihre Aufgabe ift vielmehr, dem religiöfen Glauben fefte Stügen zu eben, 
indem fie namentlich die Idee des Chriſtenihums in ihrer innen ewigen 
beit darzulegen und bem flaren Bewußtſein „borgufähren beſtrebt iR. Dabei r 
aber freilich nicht zu laͤugnen, daß fie bei fpeulativen Operationen nidt 
felten auf gefaͤhrliche ——— geraͤth, wenn grübelnden Verſtande einſeitig 
die Alleinherrſchaft einraͤumt, indem ſie ſo den velioiöfen Glauben des Menſchen 
eſchnen u. dieſen von Gott abfuͤhrt. 
eligionsfhwärmerei Heißt jene venaiche dent: und Handlungsweiſe, bie 
yannung bes Gefühle u. fr Great heit ber Böaniafle hervor 
® ihre lebte Duele iſt Mangel an g nie 2 Wiſſenſchaft und Ernft in Er 
8, ber religiöfen Wahrheiten, nicht feit ch Entnervung bes — 
at ſich aͤußernd, wird fie zum —— (ſ. d.). Verwandt mit ihr 
* Ryfciomus und Bietismus cf. dd.). Vergl. auch ben Artikel 
wärmere 
Religionsunterricht ift die, dem Menfchen fchon in früher Jugend mit 
theilende, Erfenntniß der Wahrheiten bes religiöfen Glaubens und Ebene, 
alles Wiſſen zulegt in das Leben ausmünbet und in ber Berebelung und Weiße 
befielben feine höchfte Beſtimmung findet, fo beanfprucht ber * natürlich eine 
der erfien Stellen in ber Bildune u. Erziehung ber end unb muß, wenn er 
feinen Zweck erreichen will, nicht nur ein, der Faflungskraft ber zu Unterrichten 
ben angemeflenes, Kortfchreiten von bem Anfchaulichen zu ji tem Begreiflidden ſich zur 
Aufgabe machen, fondern Lehre u. Erwedung und ärmung bes jugendlichen 
Gewüthes zwedmäßig mit einanber verbinden“ überall aber buch die Macht bes 
voranleuchtenden Beitpiele in Schule u. Haus gefördert werben. Am beften be 
ginnt ber R. mit den bazu geeigneten Erzä hlungen bed Alten Teflaments, auf 
welche dann —— die — — eſu folgen kann, an deſſen Bild u. 
Mueiprüce © am erfolgreichften bie Wahrheiten bes I lichen Glaubens angefnüpft 
werden. — Der R R. In der Kirche befieht aus Predigt, Chriſtenlehre cin | atecheti⸗ 
ſcher Form) u. Homilien. Nur Geiſtliche können von der rechtmäßigen kirchlichen Aucto⸗ 
rität ale Religionslehrer aufgeftellt werben, nachdem fie fih zuvor einer Prüfung 
vor der biſchoͤflichen Behörde unterzogen haben; auch können ſolche erſt bann, 
wenn fie in Binfehung 19 ter — —— ft und Moralitaͤt, dann ber übrigen zun 
geiftlichen Amte —RE— ften, als tauglich befunden worden ſind u. 
zur Ausübung bes Lehramtes in beftimmten Pfarrei bie bifchöflicdhe Bevoll⸗ 
mädhtigung erhalten haben, von ber de ihm en ertheilten Befugnig Gebrauch machen. 
Die Pfarrer u, ftabil een Curat⸗ Geiſtlichen aber follen dafielbe fo Lange 
verwalten, bis fie aus eichenden Urfachen, 3. B. wegen Altersſchwaͤche ober 
fonftiger geiftiger ober tige, Kenn u. dgl., ſolchem nicht mehr vorpu⸗ 
ehen vermögen, wo fie dann auf Anw a ihres Ordinariats das Lehramt, wie 
Die Seeilſorge überhaupt, einem andern Hülfögeiftlichen uͤberlaſſen koͤnnen. Die 
Abpaltung ber Predigten u. Hewitien gehteht arhentlicher Welle an allen Sonn- 


Reliquien, ni 763 


u. Feiertagen, theils vor, theils nach dem Amte der’ heil: Meffe, theils auch 
während. deffelden, nämlich nad abgefungenem Evangelium; außerorbentlicher 
Weiſe aber auch bei befonderen Kirchen - Feierlichfeiten an We en. Die Zeit 
für die Abhaltung des ſonn⸗ u. feiertägigen Gotteöbienftes ift durch bie Did: 
Gottesbienft »Ordnnungen feftgefegt, und nur ausnahmsweije finden’ in 
Städten, meift nach befonderen Stiftungen, Brühprebigten oder Erhortas 
tionen Statt. Nebſt den Predigten haben bie Gurat-Belhligen auch an Sonn- 
u. Feiertagen der Schuls u. erwachfenen Jugend ihres Kirchenfpiels einen voll⸗ 
ftändigen zufammenhängenben.R., im der Regel in nachmittägigen Katecheſen, 
das Jahr hindurch nad dem Diözefan + Katechismus zu ertheilen und benfelben 
innerhalb der, für ihre Diögefe worgefchriebenen, Zeit zu vollenden, Uebrigens 
werben die Kirchen-Katechifationen, nach Beichaffenheit des —— „be 
ſonders in Pfarreien, wo rüdfichtlich bes Gotiesdienſtes eine Alterne Statt 
findet, auch frühe und nach befonderen Anorbnungen felbft an Werktagen für bie 
Schuijugend gehalten. — Die Ertheilung des chriſtlichen R.s in der erften Kirche 
geihah an Jene, welche fi) aus dem Juden» oder Heidenthume zum Ehriftens 
tbume befehren wollten, in dem hiezu angeordneten Katechumenate nach gewifien 
Stufen. Die erfte Stufe bildeten die Zuhörenden (audientes), bie zweite bie 
Knienden (genuflectentes), u. bie dritte die Auserwählten (electi). " Die 
Dauer des Kaͤtechumenats hing von ben guten Sitten, von dem Mohlver! 
und von den Fortfchritten ber Katechumenen in ben Wahrheiten bes chriſtlichen 
——— —* daher kam es, daß oft Einige bie zu ihrem Tode im Katechumenate 
en. mußten. < 
Reliquien heißen in der katholiſchen Kirche die Ueberreſte von Ei und 
ben Leibern der Heiligen, oder auch von Sachen, welche mit benfelben in naher 
Berührung fanden. Schon das ganze Alterthum bezeugt, daß man bie Ueber⸗ 
bleibfel theuerer Verftorbenen oder großer Männer — hochgeachtet u. forgfältig 
aufbewahrt habe. Dieß beweiſen die Mumien ber Aegnptier, bie in erhabenem 
Style erbauten Grabmaͤler ber Griechen u. die Hallen der Römer, Auch bie HI. 
Bücher des alten u. neuen Bundes beftätigen es, daß man bie Meberrefte from- 
mer Menfchen auf befondere Weife geehrt Habe. In einem um fo höheren Grade 
findet man dieß in den älteften Zeiten des Chriftenthums. Bei ben erflen Ehris 
ften bielt man bie Meberbleibfel oder R. der Heiligen, befonders der Blutzeugen 
Jeſu EHrifti, an denen fidh die Gnade Gottes wirkſam bewiefen, in fo hohen 
Ehren, daß man ihre Gebeine und Aſche, nachdem ihre Leichname verbrannt 
worden waren, fowie ihre Kleider fammelte, fie aufbewahrte u. höher, als Gold 
u. Ebelfteine, ſchaͤzte. Der Heil. Hieronymus gibt mehre Fälle an, buch bie er 
zeigt, baß bie R. der Heiligen in befonderen Ehren gehalten worden find. Die 
Fatholifche Kirche, welche die Verehrung ber Heiligen lehrt (f. d. Artikel Heili⸗ 
enverehrung), hat bafer auch immer fid für Die Verehrung ihrer R. ausge⸗ 
ſprochen. So verordnete der Kirchenrath von Trient, daß bie R. ber Heiligen 
von den Gläubigen ftets in Ehren gehalten werben follen. Ex geftattete nicht 
nur die Berehrung ber Bilder ber Heiligen, fondern auch bie Ausfegung ihrer 
R., deren Berehrung fich immer auf die Heiligen und zulegt auf Gott felbft be 
sieht, da fie nur al Werkzeuge ber hrifllichen Tugend u. als wel des Heil. 
Geiſtes, beftimmt zur fünftigen Auferſtehung und Herrlichkeit, verehrungswürbig 
find. Wir follen durch biefelbe zur Nachahmung ber fhönen Beifpiele der Heitis 
gun, wie zur dankbaren Liebe age Gott ermuntert werben. Dabei pet ſedoch 
berglaube fern gehalten, jeder Mißbrauch forgfältigft vermieden u. ber öffent: 
liche Gebrauch der R. erſt dann geftattet werben, werm fie vom Bifchofe, mit Zus 
ziehung einiger Theologen oder OrbinariatssRäthe, unterfucht und mit einer Aus 
thentif, baß ſie wirklich R. kanoniſirter Heiligen find, verfehen worden find. In 
der Huthentit muß ber Bifchof ben Namen des Selligen, ober ben Gegenftand, 
von welchem die R. Herfommt, genau befchreiben u. beftätigen, daß ba6 Gefaͤß 
wirklich von ihm beflegelt worden ſei. Da bie Erklärung dns Bun ie 


764 RNellſtab Rembrandt van Ryn. 


bie Aechtheit einer R. an ſich nur auf einem menfchlichen Zeugniffe berußt, fe 
gehört fie auch nicht zur Glaubenslehre. Die Verehrung der R. it Daher aud) feine 
pofitive, fondern nur eine negative Pflicht, die uns jebe Berunehrung berielben 
verbietet, fo fern ihre Aechtheit anerkannt if. Man unterſcheidet zwifchen anſehn⸗ 
liden R. (reliquiae insignes), wozu der ganze Leichnam eines Heiligen ober 
ber größere Theil defielben, 3. B. das Haupt, die Hände, Fuͤße, u. zwiſchen we 
niger anfehnlichen (minus insignes), zu denen nur Fleinere Theile bes Körpers 
gehören. Die anfehnlidhen R. follen nur in der Kirche, und zwar in ber Regel 
auf einem Nebenaltare, oder in einer Nebentapelle, ober in ber Gacriftei, niemals 
aber auf einem Altare, wo das Sanctiffimum ausgeſetzt ift, in einem eigenen, mi 
an enchenen Berzierungen u. ®lasfcheiben verfehenen, übrigens wohlverſchloſſenen 
Beil ffe aufbewahrt u. zur Verehrung ausgeſetzt werben. Bel ber Ausſetzunz 
derſelben ift gewöhnlich ber betreffende Altar mit zwei brennenden Kerzen beleuch⸗ 
tet; insbefondere findet dieß bei den Kreuzpartifeln Etatt, jedoch werben hiebe 
die Kerzen auf den fogenannten Armleuchtern nicht angezündet. In biefer Hin 
ficht find auch die R. eine Zierbe der Kirche. Alte R., weldhe 3. B. bei bau 
ar gewordenen Kirchen aus dem sepulchrum ber Altäre genommen werben, 

nd, in eigenen Schachteln verwahrt, an bie bifchöfliche Behörde einzufchiden. — 
Die weniger anfehnlichen erhalten eine eigene Faſſung, welche bemebizirt wird, u. 
fönnen entweber in eigens bazu beflimmten Behältniffen in ber Safriftei, ober 
au in den Pfarr» u. felbft in ‘Brivathäufern an ſchicklichen Orten aufbewahrt 
werden. — In jedem neu errichteten Altare müflen R. der Heiligen eingeiälefie 
werden, welche ſich dann bald über, bald unter dem Altare, jedesmal aber inner 
halb defielben befinden. Dieß neichieht nach dem Gebrauche ber erften Cäriften, 
welche meift ihre Kirchen und Altäre über den Grabftätten ber Martyrer gebaut 
haben, Ebenfo müflen bei jedem feierlichen Amte die allbort eingefchlofienen R. 
angeräuchert werben. Auch ift es gebräuchlich, daß bie in Kreuzpartifeln u. au 
deren Behältniffen eingefchloffenen R. ben Gläubigen von den ‘Prieftern, von ber 
unterfien Stufe bes Altars aus, zum Küffen bargereicht, oder damit das Haupt 
oder andere Theile berührt werben. 

Rellſtab, Heinrich Friedrich Ludwig, ein gewandter Erzähler und 
Kritiker im Gebiete der Muſik, geboren 1799 in Berlin, Sohn eines Organiſten 
uw. Muſikalienhaͤndlers, trat in's preußifche Militär, ward Artillerieoffizier, nahn 
feinen Abſchied 1821, war Buchhändler u. Icht jegt ald Schriftfteller in Berlin. 
Seine Angriffe gegen Spontini u. feine Erzählung: „Die fhöne Henriette" (H. 
Sonntag). brachten ihn zweimal in Arreft; überhaupt zog er ſich viele Gegner 
durch fein Betragen zu. Gefällige Darftellung Tann man feinen Schriften nicht 
abfprechen, wohl aber tieferen Gehalt u. großartigere Charaktere u. Situationen. 
Die beften find: „1812”, Hiftorifher Roman (4 Bde., 2te Aufl. 1836) 5 „Sagen 
u. romantifche Erzählungen“ (3 Bde.); „Der Wildſchütz“, Roman (1835) und 
m. a.; „Baris im Frühjahre 1843” (3 Bde., 1844). Auch gibt er feit 18% 
bie mufifalifche Zeitfchrift „Iris“ Heraus, — Gelammelte Schriften 12 Bände, 
Leipzig 1843 u. 1844; Neue Folge, 8 Bde., ebend. 1846 u. ff. 

Hembourd oder Rembourfement nennt man im Allgemeinen die Wiebder⸗ 
erftattung einer Auslage, für in Auftrag u. für Rechnung eines Anbern einge 
faufte Waaren, Wechſel ober Staatspapiere, eingelöste Wechſel ıc., ausgelegte 
Spefen, von einem Fuhrmanne verlangte Rachnahmen u. bgt. Inter R.⸗Ge⸗ 
ſchäft verfteht man insbefondere bie Entnehmung eines Theiles bes Werthes 
ber, an einen Dritten in Commiſſion gefandten, Waare auf einen Zwiſchenſpedi⸗ 
teuer, wobei man dem leßteren aufträgt, die Waare nicht anders, als gegen Er⸗ 
ftattung der auf ihn entnommenen Summe, an den Gommiflionär, für den ſie bes 
flimmt ift, auszuliefern. Wenn ber Spediteur fie dennoch ausliefert, ohne jenen 
Betrag erhalten zu haben, fo hat er dadurch feinen Regreß an ben Abſender vers 
loren u. kann fi nur an den Empfänger der Waare halten. 

Rembrandt van Ryn, Paul, einer ber ausgezeichnetſten hollaͤndiſchen 


Remigius. 


768 
Maler, geboren 1606 in einem Dorfe bei Leyden, wo ſein Vater ein Müller 
war, befuchte die gelehtte Schule feiner Vaterftadt, widmete ſich aber bald‘ 
Amfterdam unter Swanenburg u. Laſtmann der Malerei, flug darauf in 
väterlien Mühle feine Werkflätte auf, wo bie Menſchen und bie Natur feiner 
Umgebungen ihm zu Mobellen und Studien bienten, betrieb feit 1628: auch die 
Aetziunſt eifrig und ließ fi 1630 in Amſterdam nieder, — Obwohl ihm ein 
ferupiger Geiz zum Borwurfe gemacht wird, fo war er doch fo verſchwenderiſch 
Anfaufe ausgezeichneter Kup afliche daß er Schulden halber die Stadt vers 
Laffen mußte; auch warf man ihm feinen Umgang mit. rohen ungebildeten Mens 
ſchen und das Lafter der Trunfenheit vor, Er flarb, man weiß nicht mo, um 
1674. R. it nad) Gorteggio der erſte Meifter im Hellbunfel, mit ber. Eigen, 
thümlichfeit, daß bei ihm das Licht in den Schatten fpielt. Am größten if er 
in Porträts, die in täufchender Naturwahrheit und Rundung aus. dem’ bunfeln , 
Hintergrunde hervortreten u. bei denen die rein naturaliſtiſche Auffaffung durch 
das Eolorit und ben büfern Ernft feiner Geftalten ein eigenthümlich poetifches 
‚Element empfängt: — In feinen hiftoriſchen Gemälden, die bei oft fehlerhafter 
Zeichnung von Leben und Wahrheit find, tritt Häufig ein gen zum Phantaftis 
ſchen hervor; auch feine Lanbſchaften tragen Das volle ige feiner — — 
thümlichkeit. — Meiſterhaft, beſonders in Varſtellung des Helldunkels, find ſeine 
(400) radirten Blätter u. Zeichnungen. — Die vorzüglichften Gemälde von ihm 
befinden fi in Holland (Haag u. lerdam). 

Nemigius, der Heilige, Erzbiſchof von une u. Apoftel ber 
Sranten, verherrlichte Galiens Kirche ſowohl — jeine —— u. Be 
redtfamfeit, als auch durch feinen gottgefälligen el u. die Gabe ber Wun⸗ 
ber. Er ward um das Jahr 439 pe dem — Laon von ausgezeichneten 
Eltern geboren, machte, gemäß feiner vortrefflichen Geiſtes anlagen, ſchnelle Forts 
ſchritte auf der Bahn bes Wiſſens u. verdumkelte durch feine Beredtfamkeit alle 
Redner feiner Zeit, wie bee gelehrte Sidonius Apollinaris ihm das Zeug⸗ 
niß gibt, Alfein ruhmwuͤrdiger, denn alle diefe irdifchen Vorzüge, war feine Ber 
geifterung für bie Religion u, die Neinheit feines Wandels, Nach der Höchften 
Stufe der Vollkommenheit ringend, verließ er das väterlihe Haus und zog an 
einen abgelegenen Drt, wo er allen Abtöbtungen, bie fein Eifer ihm einflößte, 
mit jedem Tage neu ermuthiget fi Singes- Nach Erledigung bes erzbifchöflichen 
Stuhles von Rheims burch Gennagius od, ward R., obgleich Pi 22 Jahre 
alt, gegen feinen Willen zu beffen Rahfolger geweißt, Wegen feiner ungewoͤhn⸗ 
lichen Gaben u. Berdienfte glaubten die Biihöfe ber Provinz, ihn von dem ka⸗ 
noniſchen Alter ausnehmen zu dürfen. Mit unglaublicher Thaͤtigkeit wibmete ſich 
ber junge —X den Verrichtungen feines Hirtenamtes. Gebet und Schrift⸗ 
—— Unterweifung bes ihm anvertrauten Volkes, Belehrung ber Suͤnder, ber 
Irrgläubigen u. Heiden nahmen feinen ganzen Eifer in Anſpruch. In der Ver⸗ 
fündigung bes Evangeliums entroidelte er eine ſolche Kraft, daß man ihn % 
woͤhnlich ben zweiten Paulus nannte. Die Satbung feines Bortrages rührte die 
verftodteften deren und entriß unwiderſtehlich dle Suͤnder ihren eiſernen Ge⸗ 
wohnheiten. er Werth feiner Predigten und ihre eindringende Gewalt mußte 
noch erhöhet werben buch bie Erhabenheit und den Geiſt ber Frömmigkeit, mit 
dem fie ber Heilige vortrug. Allein ihre vorzüglichfte Stärke verlieh ihnen bie 
Heiligkeit des Rebners, der bie Wahrheiten, ehe er fie Anderen berfündigte, ge 
jelbft im Leben barftellte. Der Herr beftätigte durch Die Wunbergabe bie Lehre 
eines Diener u. erfor ihn dadurch zum Apoftel einer großen Nation. Als bie 
Branten Gallien eroberten, verfchmolzen bie Sieger, weit entfernt, bie alten Eins 
wohner zu vertilgen ober zu vertreiben, mit ihnen zu Einem Volle und nahmen 
fogar ihre Sprache u. ihre Sittm an. Chlodwig befleg, erh 15 Jahre alt, den 
Thron biefes Reiches. Er war einer ber berühmteften Eroberer feines Jahrhun⸗ 
derts u. mit Recht nennt man ihm den Gründer ber fraͤnliſchen Monarchie. Obs 
gleich er ſich noch zum Heidenthume befannte, beianheite. m Yalg ws 


766 Remittiren. 


Milde die Chriſten, befonbers bie Bifchöfe Vorzuͤglich ehrte er ben HL R. und 
ließ der Kirche von Rheims die, von einem Soldaten entwendeten, Gefäße wieber 
zurüdgeben. Clotilde, mit welcher Chlodwig 493 ſich vermählt Hatte, war ber 
hriftlicden Religion fehr eifrig zugethan u. bemühete ſich lange vergebens, ihren 
Gemahl dem Chriſtenthume zu geroinnen, Endlich führte der Herr eine Belegen 
heit herbei, wo ber König, über bie Menſchenfurcht, bie ihn fo lange Zeit in 
dem Irrthume gefangen Bielt, fich erheben, zum chriftlichen Glauben fidy wenbete, 
Die Sueven und Alemanen in ®ermanien bildeten ein zahlreiches Heer, ſehten 
über ben Rhein u. überfielen die Franken. Chlodwig zog ihnen entgegen bie an 
bie Graͤnzen feines Reiches u. lieferte ihnen bei Zülp ober Zülpich, unweit Köln 
am Rhein, eine blutige Schlacht. Er wirkte Wunder der Tapferkeit; allein ber 
Angriff der Feinde war fo fürdhterlih, daß feine Soldaten zurüdgeworfen wurs 
ben. In feiner bedrängnißvollen age erinnerte ſich ber König ber Worte, bie 
feine Gemahlin beim Abſchiede zu ihm gefagt „daß er ſich an den Bott ber Chri⸗ 
ſten wenden folle” erhob die Augen gen Himmel u. rief, mit Staub, Blut und 
Thraͤnen bebedt, aus: „DO Chriſtus, den Clotilde als den Sohn bes lebendigen 
Gottes verehrt, ich flehe zu Dir um Deinen Beiſtand! Vergebens hab’ ich an 
meine Götter mich gewendet; ich Babe erfahren, baß feine Wacht ihnen zuftcht. 
Dich alfo rufe ih an! an Dich glaube ich. Befreie mich aus ben Hänben mei⸗ 
ner Feinde u, ich werbe mich taufen lafien in Deinem Namen.“ Saum hatte er 
dieß gefprochen, als feine zerfireute Reiterei fi wieber um ihn verfammelte. — 
Das Treffen entbrannte mit neuer Sraft und die Feinde mußten bem gewaltigen 
Eindrange weichen. Diefer berühmte Sieg warb im Jahre 496 erfämpft. Als 
Elotilde von dem ganzen Vorgange Kenninig erhielt, ließ fie den heil. R. Holen 
u, ein mit ihm bis nach Champagne, bem Könige entgegen. R. bereitete nun 
den König zur Beil. Taufe vor durch Kaften, Gebet und Buße. Auch den Bor 
nehmften des Reiches ertheilte er nebft bem heil. Vedaſt den chriftlichen Unterricht. 
Am Weißnachtsfefte wurde die Feierlichkeit mit aller möglichen Pracht vorgenom- 
men. Der HL R. führte den König an der Hand; ihm folgten die Königin und 
das Boll. — Als Ehlodwig in der Tauffapelle fland, fagte ihm ber Heilige: 
„Beuge bein Haupt, ftolger Sicambrer, entfage dem either von bir Angebeteien 
u. verbrenne, was du als Gott verehrt Haft.“ Alfo redete er zu ihm, um bie. 
Geſinnungen der Sanftmuth u. Demuth, welche das Ehriftentkum vor Allem for- 
bert, in feinem Herzen zu erweden. Auch des Königs Schwefter, Albofleda und 
breitaufend Franken empfingen bie Beil, Taufe. Chlodwig gab dem HL R. mehre 
Orundflüde, die der uneigennügige Bifchof wieder an verſchiedene Kirchen vers 
ſchenkte. Eben fo verfuhr er mit anderen ihm zu Theil gewordenen Gaben. Als 
der König 506 zu einem Keldzuge wider Alarich fich rüftete, ſandte ihm der heil. 
R. ein Schreiben, in welchem er ihm weile Borfchriften rüdfichtlich der Reiches 
verwaltung ertheilte. Der Hl. R. verbreitete unter Chlodwig's Schuge das Reich 
Jeſu u. befehrte einen großen Theil der fränfifchen Ration. — Die damals zu 
Lyon wider die Arianer verfammelten Bifchöfe erklärten, daß ihr Eifer in Ber 
theidigung des Glaubens angefeuert worden durch das Beifpiel bes hi. R., ber 
allumder die Böhenaltäre durch Zeichen u. Wunder zertrümmert Babe Nicht 
nur den Gögenbienft, fondern auch ben Arianiemus beftrebte fi ber HL R. in 
Frankreich u. in Burgund zu vertilgen. — In einem fehr hohen Alter berief er 
noch eine Synode, in welcher er einen arianijchen Bifchof befehrte, ber gefommen 
war, mit ihm in Blaubensftreit ſich einzulafien. Er farb den 13. Januar 533, 
etwa in feinem YAften Lebensjahre, und wurbe in ber Gt. Chriſtophoruskirche gu 
Rheims beigefeht, in welcher “Diözefe fein Keft am 13. Januar, ald am Tage feis 
nes Hintrittes, begangen wird. den anderen Sprengeln aber wird fein Name 
gewöhnlich auf ben 1. Oktober gefeiert. 
Remittiren (zurädfchiden), wirb befonders beim Buchhandel für bie 
Zurüdfendung ber Bücher an den Verleger gebraucht, bie ein Sortiments haͤndler 
im Laufe eines Jahres nicht abgelenkt Hat, wa ewiuiih vor ber Ofermeile 


Remonftranten — Nencontre. 767 


es folgenden Jahres gefdhieht Ch: Buchhandel). — Zu ber Taufmännifchen 
34 verſteht man Be edoch die Einfendung von Geldern 1. befonders 
on Wechfeln, um damit feine Schuld bei einem Andern deden, ober auch 
mr, um die Wechfel einfaffiren zu laſſen, ober, damit der Cinpfänger den Betrag 
erfelben dem Einfender gutfchreiben ſoll. Die vemittirten: Gffeften felbft Heißen: 
Remeffen oder Rimeffen, 

Remonftranten, f. Arminianer. 

Nemonte Heißen diejenigen Pferde, welche bei der Artillerie, dem Fuhrweſen 
ber ber Gavalerie, fowohl bei der Errichtung, als zum Erfage des Abganges zus 
etheilt werden. Auf welche Art immer Ri jerbeifhaffung ber Rın —* die 
Remontirung geſchieht, fo werben fie gewöhnlich durch ſogenannte Remontir- 
mgscommifftonen beforgt, welche Die Herbeiſcha unb bie bei berfelben noth⸗ 
vendige Unterfuchung , fowie die img berfelben zu leiten haben, 

‚emfcheid, ein Dorf im Regierungsbezirte — ber preußiſchen Rheins 
rovinz, im ehemaligen Herjogthume Berg, ift der Mittelpunft ber bedeuten ⸗ 
en Siahl⸗ und fabritation dieſes jogthums. Der Ort ſelbſt Hat etwa 
650, das ‚ganze Kirchſpiel oder bie jermeifterei aber gegen 12,000 Eins 
oohner. An ben zahlreichen Bächen, die bei R. umd in beffen m fließen, 
iegen über 200. Eifen- u. Stahlhämmer, Habrifen in Eifen u. © —— 

ihlen, deren Fabrilate, bie ſogenannten Rer⸗Waaren (mannigfaltige Arti 
‚on Eiſen, Stahl u, Meſſing, wie Senſen, Sägen, Feilen, Spaten, Schaufeln, 
daden, Aerte, Schlöffer, Scheren, Nägel, Zimmer: u. Tiſchlerwertzeuge, Schlitt- 
chuhe, Meffingbeihläge u. a.), eines großen Rufs genießen und fehr weit vers 
übet werben. Auch verfertigt man Bronces 1. Meffingwaaren, namentlid 
Möbelbefchläge, und mehre Käufer zu R. treiben einen bedeutenden Handel mit 
mberen deutſchen u. fremden Fabrilwaaren. u 

Remus, ber Zwillingsbruber des Romulus (f.d.). * 

Remnfat, Jean — Abel, ausgezeichneter Drientaliſt, geboren ben 
). Eeptember 1788 zu Paris, widmete fi nach dem Willen feiner Familie dem 
5tubium ber Heilkunde, trieb aber nebenbei die orientalifchen Sprachen mit fols 
bem Eifer u. Erfolg, daß fi 1808 die Afademie der Infchriften für ihn vers 
endete, um ihn von ber Gonfeription zu befreien. 1813 wurbe er zum Med. 
Ir. promovirt, 1815 erhielt er ben neuerrichteten Lehrſtuhl ber dhinefifchen Sprache 
m College de France, 1816 wurbe er Mitglied ber Akademie der Inſchriften 
. 1824 Eonfernator ber orientalifhen Manuſcripte ber königlichen Bibliothef in 
3aris. 1830 war R. in großer Gefahr, als eifriger Anhänger Karls X. feine 
Stellen zu verlieren, entging jedoch dieſer Gefahr; 1832 den 3. Juni ſtarb er. 
— Unter feinen Schriften find zu erwähnen: „Essai sur la langue et la literature 


hinoise, Paris 1811; „Plan d’un dictionnaire chi “ Baris 1814; „Livre 
e r&compenses et des peines“, überfegt aus bem (hen, Paris 18165 
Melunges asiatiques“, 2 Bbe., Baris 1825, weitere 2 Be. 1829. — Ferner 


chrieb er eine chineſiſche Grammatif, Contes chinois, überfegte einen chineſiſchen 
Roman ıc.; felt 1818 war er Redakteur bes Journal des savans; auch war er 
iner der Gründer der aflatifchen Gefellihaft in Paris. E. Buchner. — 2) R., 
Elaire Jeanne Gravier be Bergennes, Gräfin von, geboren 1780, 
Balaftdame der Kaiferin Joſephine, geftorben 1821, verfaßte einen von ber Ala⸗ 
‚emie gekroͤnten, leider unvollendeten, Verſuch über bie Erziehung ber rauen 
1824), den ihr Sohn, Charles de R., Herausgab. Diefer, ein Eenntnißreicher 
Doftrinär, früher Generalfefretär im Minifterium des Innern, ift als Schrifts 
teller ebenfalls rühmlich befannt. Bon ihm: „Abelard“, 2 Bbe., Par. 1845. 

Renaiffance heißt ber Bauftyl, welcher am Hofe ber Päpfte u. Mebiceer 
n Stalien an die Stelle der Antike trat u. in Branfreich feit Franz I. zur Herr⸗ 
Haft gelangte, Bergl. franzoͤſiſche Kunſt. 

Kencontre, ein Zufammentreffen, baher ein kleines Gefecht, welches 


76 Nendsburg — Reni. 


—— unvermuthet ſich entfpinnt, wenn zwei feindliche Abtheilungen auf ein 
ander 

Rendsburg, ſtark befeftigte Stadt im Herzogthume Holftein, an der Eiber 
u. am Beginne bes fchleswig-holftein’jchen Kanals, welchem .die Stabt hauptſach⸗ 
lich ihren jetzigen Wohlſtand verdankt, befteht aus ber Altſtadt, welche auf ber, 
lange zwifchen Schleswig u. Holftein ftreitigen, Eiderinfel liegt u. dem ſogenann⸗ 
ten Reuwerfe u. Kronwerke. Unter ben öffentlichen Gebäuden finb fehenswerth: 
bie 1287 erbaute gothifche Marienkirche, das Zeughaus, Exerzierhaus u. Provi⸗ 
anthaus, auch Hat bie Stadt ein Bymmaflum. Die Einwohner, deren Zahl 
13,000 beträgt, treiben Bierbrauerei, Branntweinbrennerei, Schiffbau , Rhederei 
u. beträchtlichen Handel Im Jahre 1846 fuhren durch ben ſchleswig⸗ holſtein'⸗ 
(den Kanal 4019 Schiffe, wovon 2290 bäniiche, 674 Hannöver’iche, 144 ſchwe⸗ 
bifhe, 37 preußiiche waren. Unweit die Eifengießerei Earlehütte, mit Betrieb 
ber Leinwand⸗, Baumwoll⸗ u. Kuhhaarzengweberei. 

Rene (Renatus), 1) R. J, Graf von Anjou und Provence, Herzog 
von Lothringen, Erbe ber UAnfprüche bes zweiten Zweiges des Haufes Anjou auf 
den Thron von Neapel, ward zu Angers 1408 geboren. Seine Heirath (1420) 
mit Iſabella von Lothringen, der Erbin Karls II, gab ihm Rechte auf das Her⸗ 
zogthum Lothringen, deren ihn der Graf Anton von Baubemont beraubte, ber 
ihn zugleich — feine Tochter Jolantha deſſen Sohn Ferry I. von Baubemont 
zu geben. Er verfuchte vergebens, ſich Neapels zu bemächtigen u. zog fich im bie 
Provence zurüd, wo er die Künfte pflegte — er war felbft Maler u. Dichter — 
und ſich fo mild zeigte, daB bas Volk noch das Andenken an den „guten Ks 
nig R.“ bewahrt, Er flarb 1480. — 2) R.IL, Herzog von Lothringen, Sohn 
Ferry's Il. von Baudemont u. ber Jolantha von Anjou, geboren 1451, befam von 
feinem Großvater das Herzogthum vochringen abgetreten. 1474 mußte er in eis 
nen Vertrag mit Karl dem Kühnen von Burgund willigen u. ihm ben Durchzug 
buch fein Gebiet zugeftehen, Iehnte ſich aber 1474, als Karl vor Neuß lag, Hier: 

egen auf, weßhalb ihn Karl mit Krieg überzog u. ihm Nancy wegnahm. Als 
arl aber mit den Schweizern in Krieg gerieth, brachte R. in Yranfreich 300 
Pferde zufammen u. wohnte mit ifnen der Schlacht von Murten bei, bie Karl 
1476 verlor. Run rüdte er vor Nancy u, nahm biefe Hauptfiabt wieber ein. 
Die Burgunder rüdten aber wieber vor biefelbe u. belagerten ſie; als aber bie 
Schweizer u. R. felbft mit einer flarken Armee zum Entfage anrüdten,, fam es 
am 8. Januar 1477 zur Schlacht, in ber Karl der Kühne getöbtet warb. R. 
regierte nun ruhig u. ließ fidh felbfl, als fein Großvater, König Rene cf. d.), 
bie Provence Ludwig XL vermacht hatte, beichwichtigen, feine Anfprüche nicht 
buch Waffengewalt zu verfechten. Er farb 1508. 

Renegaten (Religionsverläugner) werben vorzugsweife biefenigen 
hen ‚, weldhe vom Chriſtenthume abfalen und zum Muhamedanienms 

ergehen. 

Renette if eine Claſſe von Aepfeln, ausgezeichnet durch ſchoͤne reine Aepfel⸗ 
form; fie find kenntlich an bem feften, kurz abfnadenden, oder an bem feinen n. 
weichen Fleiſche, an grauer Punktirung oder roſtigem Anfluge u, Meberzuge, eigen 
Iptmlichem Geſchmacke (gewürzhafte Zuderfäure), leichterem Welfen, weßhalb fe 
länger am Baume hängen müflen. Man theilt fie ein in einfarbige N., von 
grüner bis goldgelber, einfacher Farbe, ohne Roftüberzug u. auffallendere Farbe 
auf der Sonnenfeite. Roth⸗R., einfärhig, auf der Sonnenfeite roth ohne Roſt. 
GrausR., von Farbe grün bie ſchmußig gelb, auf ber Sonnenfeite braun 
lich ober ſchmutzig roth mit Roftüberzug Gold⸗R., beim Liegen goldgelb 
ey a bie Sonnenfeite Tarmoifinroth, Jede dieſer Gattungen Hat wieber 
mehre Arten. 

Neni, Guido, einer ber ausgezeichnetfien italienifchen Maler aus ber bolog⸗ 
nefifihen Schule, geboren zu Bologna 1575, war Anfangs Muſiker, wibmete 

fi aber bald unter Calvaert u. dann unter Yukon Gortossi her Malerei und 





Her 


£ 
24 
— 
* 





Aenner, Anton, geboren 1745 zu Zbyby im e 2 

De —— 
nach Prag, wo er, 2 

Somnaflalfubien auf der Alt fich zu wibmen, BES Ben — ophiſchen 


eit 
fh & «mat! 
tiſcher Maſchinen, befonders ber ' 
Prager Mufterhauptfhule das erledigte Lehramt ber ‚ Mechanik und 
Baufunft an, wurde aber, als er das Unglüd Hatte, fein Gehör zu verlieren, in 
biefer Eigenſchaft 1806 in den Penfionsfand R. war ber 
bie Biigableiter in Böhmen auffelltes er war es auch, welcher bie Harmonifa 
einführte u. biefelbe durch Erfindung eines wohl angebrachten Mehanitmus ſehr 
vervoillonunnete. Ununterbrochen arbeitete er auch am der Vervolllomunung ber 
Elektriſtt⸗ u. Zuͤndmaſchinen, worauf er aus ben entfernteſten Ländern Beſtellun⸗ 
gen bis zu feinem Tode, 7. Juni 1828, erhielt. 
Rennes, Bormalige geumitast ber Bretagne, jeht Samipast des franzoͤfi⸗ 
Sen —— —* ri eiche Sheafen "rohe —8*— vie 
les Rances , ine, ien, e, 
anfehnlich ae a en 0 e Dendfiche 
AH im: as Bilde“ Waherhen findet man ee ie 
eri o u. I" 
demie vo ai a A Bänden, eine medi⸗ 
ciniſch⸗ pharmaceniiſche Vorſchule, ein konigliches Eoll öffentliche Malers, Bilb- 
Bauen ———— freie 6 öffentliche Zeichnenfchule für Lünfte u. —X — 
er vils u. 
u. Manufaktur, Geſellſchaft für u Bingen ee Ren 


Reolencptiopäbie. VII. 


we. 


770 Rennie — Renten, 


Die 40,000 Einwohner betreiben Fabriken in Fayence, Handſchuhen, Buntpapier, 
—e guten, Chofolade, Leim, bann Meſſerſchmieden, Gerberei und leb⸗ 
aften Han 

Rennie, J m ein berühmter englifcher Baumeiſter, geboren 1760 bei 
Linton in Eaſt Lothian (Schottland), feit 1783 in London, wo er durch den Bau 
ber Albionmühle fi einen Namen machte. Noch höher, ftieg fein Ruhm durch bie 
Angabe u. Ausführung des Mafchinenwerks in Whitbreads Brauerei, fo daß er 
als die höchſte Autorität im Baufache galt. Deffentlihe Werke von ihm find: 
der Hafen zu Ramsgate, die Waterloo - u. Southwarf - Brüde, ber Meerbau bei 
Piymoutb und der Bells Rook- Leuchtturm nach denfelben Principien, wie ber 
don apnftone, Er ftarb 1821 zu London und warb in der St. Paulslkirche 

geſetzt. 
Rennthier (Corvus tarandus), Art der geweihtragenden Wiederkaͤuer, mit 
ſchaufelartigem Geweih, welches beiden Geſchlechtern gemein iſt. Es gleicht an 
Geſtalt u. Größe dem Hirſche, Hat aber kuͤrzere Beine u. einen kuͤrzern Hals, den es 
wagrecht trägt. Seine Farbe iſt im Sommer braun, im Winter weißlich. Es 
brunftet im September u. wirft im Mai ein Junges, das Anfangs roͤthlich iR, 
um Jakobi fhwärzlich wird. Die männlichen werden meift verfchnitten. Das R. 
findet fi nur in den nörblichfien Gegenden Europa’s, Aftens und in Grönland, 
wo es in großen Heerden zahm gehalten wirb u. den Bewohnern jener Länder 
als einziges sthier die Stelle der Pferde, Rinder u. Schafe vertritt. Man 
benügt dort vom R. Alles: Fleiſch, Milk, Fell, Haare, Knochen, Sehnen, 
Klauen, Geweihe, Blut, Mark u. Gehirn; auch braudt man es als Zugthier, 
Doch ermübet es leicht. Im Sommer nährt es ſich von Gräfern, Blättern und 
Knospen, im Winter, wo bei hohem Schnee oft Taufende verhungern, von ben 
geinen Nadeln der Fichten u. Tannen, die man beghalb fällt, u. von einigen 
908 s u. Klechtenarten, befonders von ber nach ihnen benannten R. + Flechte, die 
es unter dem Schnee hervorſcharrt. Salz u. Harn ledt es begierig auf. Eine 
roße, oft toͤdtliche Plage für bie R.e ift die Daffelmüde u. die R.« Bremfe. 
rftere legt ihre Eier in die Rafenlöcher des R.8, von wo die ausgeſchlüpften 
Maden oft bis in die Stirnhöhlen hinauf kriechen. Letztere febt ihre Eier auf 
bem Rüden des R.s ab, worauf bie ausgefrohmen Maden ſich durch bie Haut 
in's Zellgewebe einfrefien u. ein unerträgliches Juden verurfahen Das R. 
fucht dann oft feinem Schmerze u. feinen unermüblicden Feinden im wüthenben 
Laufe in die befchneiten Gebirge zu entfliehen, wo es nicht felten umkommt. 

Rhenſe, ſ. Königoſtuhl 2). 

Renten werben im Allgemeinen bie reinen Einkuͤnfte genannt, die Jemand 
von ben @apitalien, Srundfüden ꝛc. genießt, welche er befigt (Rentier), u. oft 
wird überhaupt jedes reine Einkommen barımter verftanden. Im engeren Sinne 
verfteht man jedoch nur ſolche Zinfen darunter, bei denen das Kapital, für welches 
fie bezahlt werben, nie zurüdgezahlt wird, im welchem Falle au bie R. mehr 
beträgt, als bie gewöhnlichen Capitalzinſen. Eine Jahres⸗R. (Annuität) 
heißt eine folche, welche in jährlichen Zwifchenräumen, am Ende eines Jahres, 
oder auch nad) einem halben oder Bierteljahre Chalbiährige ober vierteljäßrige) 
bezahlt wird. Sie kann umveränderlich feyn, wenn bie Zahlungen ſtets eine gleiche 
Größe behalten, ober veränberlih, wenn fie nach einem beflimmten WB e 
im Verlaufe der Zeit zus ober abnehmen. Ferner kann fie ſogleich nach Ein 
aahlung bes Capitals, ober erfi von einer gewifien fpätern Zeit an beginnen 
(aufgefhobene R.). Sie wird Lebens⸗R. genannt, wenn ihre Dauer von 
ber Xebensdauer einer oder mehrer Perfonen abhängt; Leib R., wenn fie fo lange 
bezahlt wird, als eine beflimmte Perſon, welche bee Empfänger felbft, ober auf 
ein Dritter fern Tann, wirklich am Leben ifl, oder Berbindungs:R. wenn fe 
fo lange bezahlt wird, als zwei ober mehre PBerfonen zufammen leben; Geſell⸗ 
fhaftssR. oder Tontine wird fle genannt, wenn die Auszahlung berfelben 


zahlung 
fo lange bauert, als von einer Aoet mu einer Serie vereinigter Perſonen 


— — — 


EUNBLUUNTE_UWWAUGLT URN mul 


no Jemand am Leben ift, u. wenn fie file bie: Meberlebenden in dem Verhält⸗ 
niffe ſieigt, als die Anzahl der Mitgli— durch Tobesfälle vermindert wird. 
Stants-R. find ſolche, welche der Staat für bie, in Borm eines Anlehens an 
ihn. gezahlten, Capitalien bezahit 1: fie find entlich Nichts, als bie ginſen 
für eine Staatsanleihe, welche befonders in R. genannt werden; auch 
genießt fie nicht allein ber erfle Darleiher, ern jeber Ynpaber des barüber 
ausgeftellten R,Eertififates und fie koͤnnen daher vererbt oder Dont 
ein Ganita —— —— Kae in Erfind 1 
apital gezahlt wor! it. Belo! ie wichtige en: 
andere Berbienfe; auch werden Bee side ftalten Ai 


BE 


— Da :bei einer, eine beſtimmte R. von Sin hindurch zw zahlenden, R. 
allein die während dieſer Zeit vr jinfen u. Zinfesginfen, fondern auch 
das Capital felbft duch die R⸗ en gt werben ſo müßen 
Be ie gleiten Mechllmifer al Mi —— — ———— 
e, 
einer Iren Zeit durch die Verminderung ber, Zinfen wieder verringert. Bei 
nur 


del denen man bie Dauer der N, nicht genau voraus weiß, kann 

bie wahefcheinliche' Lebensdauer der beftimmten Perſon in Anfchlag gebracht 

den it, Derjenige, welcher eine dergleichen R. gut jafler übernimmt, wird bafer, 

um ſichet ‘zu gehen; bei’ Berechnung: bes von dem R.z Empfänger dafür zu ‚erle- 

genden —— dieſe wahrſcheinliche Leb ensdauer Lieber er mA 
en der 


Ban — ie Sphere er; von den © ur 
ſachlich die Leib+R. und die Gefellfhafts-R. ober Tontinen, als Die am 
häufigften vorlommenden, näher zu b Ay Eelb⸗R. (feanzöfif Rent 
en; Annuities 'upon live) , jährliche Einkünfte, ‘der 
Empfänger eines Capitals dem Geber deſſe ſo lange auszahlt, als ber 
amı Leben ift, und bie mithin, ba nach dem Ableben deffelben das ganze 
dem R.-Geber verbleibt, größer feyn müffen, als die einfachen Airten des Capi⸗ 
tals. Die Größe dee R. beftimmt ſich daher nach ber Anzahl der Fahre, welche 
der R.-Gmpfänger nad ben darüber ‘gemachten (Erfahrungen u. entworfenen 
Sterblichfeit8 Tabellen ber Wahrſcheinlichkeit nach noch zu leben Hat, u, fie wird 
mithin um fo größer ſeyn, je älter berfelbe bei Erlegung bes Eapitals u, Abſchluß 
des Vertrags iſt. Nach dem Tode des R.: Empfängers Hört die Verpflichtung 
zur ferneren Zahlung ber R. auf, boch muß fie in ber Regel für das legte anges 
tretene Lebensjahr noch ganz bezahlt werden, wenn hierüber nichts Anderes ver 
abrebet worben iR, Der Anfang eines jeden Lebensjahres wird, in Mangel ges 
troffener Beftimmungen, von bem Tage an gerechnet, an welchem die erfte Zahlun; 
fähig war. Hat jeboch ber Berfäufee ben Tod bed R.» Empfängers vorfäpli 
veranlaßt, fo muß er das für bie Leib R. erhaltene Capital zuruͤckſahlen, ohne bie 
bis dahin gezahlten R., obgleich dieſe den geſetzlichen Zinsfuß überfleigen, bavon 
abziehen zu dürfen. in Gleiches findet ftatt, wenn ber Contract eine auflöfenbe 
Behingung enipätt u. biefe duch die Schuld bes Verkäufers herbeigeführt wirb; 
hat aber der Käufer fie herbeigeführt, fo wmß er ſich das, was er Durch bie R. 
mehr, als bie Ianbesüblichen Zinfen, ten Bat, von bem ihm zurüdzuzahlenden 
Gapitale abrechnen lafien, u. er Überhaupt ſchon mehr, als bas Eapital nebſt 
Zinfen erhalten, den uß heraus zahlen. Der Leibrentenvertrag barf die 
gefeglichen Erbrechte ber Kinder, felbft der nachgeborenen, nicht benachtheiligen, 
u. er wird baher gewöhnlich nur von ſolchen Perfonen geſchloſſen, bie feine 
Kinder oder auch fonft feine bivecten Erben haben, oder bie ihre etwaigen Vers 
wandten von ber Erbſchaft ausfchließen u. fich für ein Capital, das fie befien, 
bis an ihr Lebensende eine größere Einnahme fihern wollen, als ber bloße Zin- 
fenertrag beffelben ihnen gewähren würde, Bleibt ber Verkäufer der Leib-R. brei 
Jahre Hinter einander mit deren Bezahlung im Ruͤckſtande, fo kann ber M-Gnm- 
pfänger bas Capital nebſt Zinfen von ber Zeit des Rüdftandes am ame! 
one daß der Käufer wegen ber früher gezahlten R. Etwas hasım Fr 





772 Renten. 


der R.⸗Zahler in Concurs und die Glaͤubiger wollen den Leibrentenvertrag nicht 
halten, fo kommt der R.-Empfänger mit feiner Ford in die letzte Claſſe ber 
©läubiger, wenn ihm nicht ein befonderes Pfandrecht beftellt worben if. “Die in 
vorftehendem enthaltenen gefeglichen Beftimmungen gelten namentlich in Preußen 
und Sachſen und Hin u. wieder, nur mit unweſentlichen Abaͤnderungen, auch in 
ben übrigen beutfchen Ländern. Der Empfänger einer Leib-R. kann fie an einen 
Dritten cediren, indem er fie ihm für ein auf einmal zu zahlendes Capital, ober 
für eine fonflige Gegenleiſtung verfauft, ober auch fie ihm fchenft 2c. Die Rechte 
bes erften Empfängers gehen dann auf den Käufer oder Schenfnehmer über und 
er erhält die R. fo lange, als jener am Leben bleibt. Es ift natürlich, daß fi 
die Höhe des für eine Leib⸗R. zu zahlenden Capitals ebenfalls nach der wahr: 
ſcheinlichen Xebensbauer des urjprünglicden R.- Empfängers richtet u. daß man 
um fo weniger dafür zahlt, je Alter biefer iſt u. ie Fürzere Zeit er mithin wahr: 
ſcheinlich noch zu leben hat, jo wie umgekehrt. Die Lebensverfidherungsanftalten 
gehen gewöhnlich ebenfalls Leibrentenverträge ein, fo wie auch ſolche B 6, 
nach weldhen von 2 Verfonen, 5. B. von einem Ehepaare, gegen ein, entw 
mit einem Male gezahltes Kapital, oder gegen Erlegung der gen hnlichen Jahres⸗ 
beitraͤge fuͤr die „ebenöverfiherung, bie überlebende eine jährlihe Leib⸗R. erhält. 
Das legtere ift eine Verbindung des Leibrentenvertrags mit der Lebensverſicher⸗ 
ung, von welcher in bem Artikel Verſicherung die Rede feyn wird. — 29) 
Zontinen, Befellfhafts-R., ober, wie man fle jetzt häufig nennt, R.»Ber- 
fiherungsanftalten, haben den erften Ramen von ihrem Erfinder, einem Staliener, 
Lorenzo Tonti, der fie im Jahre 1653 in Frankreich zuerſt einführt. Sie un⸗ 
terſcheiden fi von den Leibrenten dadurch, daß eine Anzahl zu einer Geſell⸗ 
ſchaft verbundener Perſonen unter gewifien Bedingungen ein Capital zufammen- 
ſchießt u. den Zinfenertrag beflelben, fo lange biefe Theilnehmer am Leben bleiben, 
unter fich vertheilt, fo daB diefer, nah Maßgabe der davon abfterbenden, immer 
größer wird. An die Erben der abflerbenden Mitglieder wird gewöhnlich bas 
von benfelben baar eingezahlte Bapital, nach Abzug ber fchon barauf erhaltenen 
R., zurüdbezahlt u. der dadurch gewonnene Ueberſchuß dient ebenfalls zur Ber 
mehrung der R. der überlebenden Mitglieder , fo daß alfo ein Theilnehmer in 
jedem Falle Nichts weiter verliert, ald bie Zinfen feines Capitals. Die Theil 
nehmer werben nad ihrem Alter in gewiffe Claſſen eingetheilt und in Bezug auf 
bas völlige Abfterben einer ſolchen Claſſe findet in ber Regel bie Einachm 
ftatt, daß das von berfelben übrig bleibende R.-Eapital entweder ganz, ober na 
Abzug eines gewiſſen Antheils für die Unternehmer, an bie übrigen noch eriftiren, 
den Claffen verteilt wird, wodurch dann die R. ber letzteren fich ebenfalls ver 
größert. Eben fo erfolgt gewöhnlich ein ſolches MWeberfirömen des R.⸗Capitals 
auf andere Claſſen in dem Falle, wenn die Jahres⸗R. einer Claſſe ein gewiſſes 
Marimum erreicht, welches 3. B. in ber preußifchen R.⸗Verſicherungsanftalt 150 
Thaler jährlid von 1100 Thalern Einlagcapital beträgt. Zumellen wird jebod 
auch, ehe eine Claſſe ganz ausfticht und wenn von berfelben nur noch einige 
wenige Theilnehmer am Leben find, bas ganze der Claſſe angehel e R.s Capital 
an biefe legten übrig gebliebenen Theilnehmer vertheilt und bie —* iſt dann 
völlig aufgelöst, Zur Erleichterung der Intereſſenten und um auch wenig be 
mittelten Perſonen ben Beitritt möglich zu machen, findet gewöhnlich bie Einrich⸗ 
tung ftatt, daß auch unvollftändige Einlagen, 3. B. nur 10 Thaler, wenn bie 
polle Einlage 100 Thaler beträgt, angenommen werben. Auf diefe werben jedoch 
feine R. bezahlt, fondern fie werden alljährlich dazugefchlagen, bis das volle Ein- 
lagecapital, in dem erwähnten Beifpiele alfo 100 Thaler, erreiht if und dann 
tritt der Intereffent in ben für letzteres fefgeiehten vollen Zinfengenuß. — Bor 
ftehenbes find die Hauptgrundzüge ber jegt in Deutfchland erifticenden R.⸗Anſtal⸗ 
ten, welche jedoch bei ben einzelnen natürlich mancherlei Mobificationen erleiden. 
Es find übrigens in ber neueren Zeit faft in allen beutfchen Ländern bergleichen 


 Renuntletlon — Nerertariun. 
aytite Kokal Anfalten 2 Taee mem nm am Min, en 
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Repeal, |. O’Eonnel, " 
‚ertoire) , ‚wörtlich, N lageb Luffinde 
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0 ferne gibt das R. allerbings: über ben Zuftand einer Bühne 


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orderungen an. 0 — 
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Arion verlangt wir gehe, hab bie Vie ac der deimatifhen Dißtr 
* ich I od im Beben nit im En — * a ne 
eiragen wird, und der der Spar, hau Si ned Item een, Ba 


, den Beifall ni Tann, ald w 
leid; mit der —— Sage vom Belümade der Berrammting rn 
—* A en önnten, en — a pi — 
N elf m m gleich Saeunletunn, A Bat ma Die 
— Paris als 


ler Kane Bergleihung ie Fe denn bie — eine u Be a Ian 
ihren bei ber nahme eines Stüdes, bort ganz von ber unſrigen, und wer 
twa behaupten wollte, daß bei jenem Berfaßren nur bann ein neues Stüd ges 
eben werde, wenn es werth if, in bie Reihe ber alten claſſiſchen Werke einzus 
:eten, ber möge fi am bie in ben Memoiren ber Müe. Claiton aufbewahrten 
hatſachen erinnern, „baß die zur Prüfung neuer Werke beftelte, aus Schaus 
sielern beftehenbe, Commiſſion Gaston et Bayard von Bell, welches gebrudt uns 
eheuern Beifall erhielt, verwarf z daß fie bie Aufführung bes „Polieud” von Eors 
eille verweigerte und bie Handfchrift fo verächtlich —ã daß fie nach 18 
Ronaten blos zufaͤlliger Weiſe aufgefunden und gerettet wurde u. ſ. w. Und 
Heft man einen fchärferen Blick auf jenes Theater, fo verräth befien R. eben fo 
vol eine Armuth an neuen Stüden, als die Bequemlichkeit ber Darfteller, welche 
on feiner Aeußerlichkeit berührt werben. Wohl aber bemerkt Jeder, daß der Ges 
hmad durch diefe fogenannte Rormalbühne Nichts gewonnen hat, ber Beſuch bers 
ben vielmehr nur, wie ber berücdhtigte Streit über das NKlaſſiſche und Romans 
ſche, eigentliche Parteiſache if. — Einen ſolchen Stillſtand dürfen jedoch bie 
eutfchen Theater ſich nicht erlauben. Der vorherefchende Hang des Publikums 
ad dem Neuen, zum Theil eine Kur je näherer Bekanntſchaft mit ber bramati- 
hen Literatur u. beren —E allerdings eine Rebenurfache, aber nicht 
ie alleinige Urſache; benn bei einer Tfeaterdiettion handelt es fi vor Allem 
arum, das Interefie ber Caſſe mit dem ber Kunft zu verbinden. Wollte num 
n Direktor den Verſuch fortiegen, ben Geſchmach bed — zu firiren und 
emfelben eine, von ihm als trefflich erkannte, dramatiſche Gattun, —E 
wuͤrden die Schaufpieler, wie ſolches bei ciaſſiſchen Stüden w Srantecig oft 
eſch ieht, vor leeren Bänten fpielen, das PBublifum feine Unpufzehenbeit aburch 
ffentlich kund geben und das Foribeſtehen der Bun, bes Ds Ausialie ne 
zaffe wegen, gefährbet ſeyn. Wo mehre Theater neben — 


776 Repſold — Republik, 


Nepfold, Johann Georg, geboren 1770 zu Wremen, einem hannoveri⸗ 
ſchen Dorfe, Sohn eines Prebigers, Jollte auch Geiftlicher werben, ping aber aus 
Neigung zur Mechanik zu einem hamburgiſchen Sprigenmacdher in bie Lehre unb 
bildete fich bald zur Verfertigung aftronomifcher Inftrumente aus, deren ex mehre, 
aftronomifche Uhren, Meßapparate u. Wagen, Paſſageinſtrumente 2c, von feltener 
Vollkommenheit fertigte. Beſonders berühmt wurden feine Sprigen, bie bis nad 
Amerifa verlangt wurden. Dabei fertigte er Leuchtapparate für Leuchtthuͤrme. 
Am berühmteften aber war er als Director ber Feuerlöfchanftalten Hamburgs u. 
fo lange ex Bier wirkte, fam es faum vor, baß mehr als ein Haus auf 
abbrannte. Er warb 1830 bei einer Feuersbrunſt in der Naͤhe von Hamburg’s 
Daten von einflürgendem Mauerwerk erfchlagen, fein Amt aber feinem So 

ertragen. 

Reptilien, |. Amphibien. 

Republik (res publica) , Heißt ein Staat, in weldhem bie oberfle Gewalt 
nicht von einem erblicden Oberhaupte vollzogen wird, fondern wo alle Staatsbuͤr⸗ 
ger, mit völlig gleichen Rechten u. Pflichten, auch gleichen Antheil an ber Staats 
verwaltung genießen, indem fle ſowohl zur Wahl in bie re eunaPig wechfelnben 
höchfte Behörde befähigt find, als auch für ihre Perſonen Wähler u. Glieder 
der öffentlichen Berfammlungen auf bie Lenkung und Verwaltung bes Staates 
Einfluß üben fönnen, Dieß ift die Idee n. Definition ber R., welche freilich in 
der Wirklichkeit ſich anders gefaltet. Denn noch nie Hat es reine, wahre R.m 
gegeben u. zwar aus Mrfache des dem Menfchen natürlich inwohnenden Etrebend, 
die allgemeine @leichheit zu eigenen Gunſten zu unterbredyen: Herrichfucht, Ehrgeiz, 
Reichthum, Talente untergraben jebe republifantiche Verfaſſung. Daher waren 
von jeher die meiften R.en ariſtokratiſch u. PBarteifämpfe, mit einem Gefolge von 
Elend jeder Art, firitten zwifchen Recht u. Gewalt. Dagegen ift auf ber anten 
Seite nicht zu läugnen, daß aus dem politifchen Bewußtfenn bes Republifanismus 
treffliche Eigenfchaften, Hohe Borzüge erzeugt werben, bie fidh bem Ideale ber 
Menſchenwuͤrde möglichft nähern, ſowie überhaupt R.en nur bei einem nicht ges 
wöhnlichen Grade moraliſcher Bildung entfiehen fönnen. Wenn man gleichwohl 
die R. das „Ideal der Staatsverfaffung nennen hört, fo mag bieß in fo fern mit 
Recht geichehen, als bie menfchlidde Unvollkommenheit, wie überkaupt fein Seal, 
jo auch die Verwirklichung der Idee bee R. nie zu erzielen im Stande if. Die 
berüßmteften Rn des Alterthums waren Griechenland u. Rom; in ber neuen 
Zeit Venedig, Polen, die Niederlande. Gegenwärtig beftehen Frankreich und bie 
Schweiz u. im großartigften Maßftabe, die vereinigten Staaten von Rordamerifa. 

Nepnblit oder Monarchie? Wenn Napoleon auf dem oͤden Felſen von 
St. Helena den Ausſpruch that: „in 50 Jahren wird Europa republifanifch ober 
koſaliſch ſeyn,“ fo Hatte er, von feinem Standpunkte aus, in fo ferne Recht, 
ald ihm, dem Autofraten, jeder Gedanke an Vermittlung ferne lag u. er, feitbem 
feine eiferne Kauft die Parteien nicht mehr bemältigte, fich bie Grundſaͤtze, welde 
Europa bewegten, nicht anders, als im heftigfen Kampfe aneinander prallend 
benten konnte. Er hatte ſich dagegen in ber Wirklichkeit ſchwer verrechnet, denn 
die Völfer waren vernünftiger, als ber vertriebene Herrfcher, u. firebten in ber 
conftitutionellen Monarchie einen Zuſtand zu verwirklichen, ber bie Rechte 
der Krone mit denen bes Volkes verföhnen follte Die von republilaniichen In- 
ftitutionen umgebene Monarchie der Yulitage war das Refultat biefes Strebens. 
Diefe Monarchie if jebt geſtuͤzt worben, nachdem fie alle Hoffnungen getäufcht 
hat, die fih an fie fnüpften. In Frankreich hat man Bebenfen getragen, fi 
duch Deibehaltung der Monarchie einer gleichen Täufchung, wie 1830, auszuſe⸗ 
sen u. hat aus dieſem Grunde bie R. proflamirt. In Italien find gleiche Ge 
lüfte rege und auch in Deutfchland eriftirt nicht minder eine, keineswegs unbebar- 
tende, republifanifche Partei, bie ſich durch ihre bis daher erlittenen Niederlagen 
keineswegs entmuthigen Tafin wird, Es iſt daher eine Lebensfrage ber Gegen⸗ 
wart, bie in biefem Werke nicht unbeiproäen leiten hart, ob R. ober M. um 


Republik. 


Berhältni ‚beften.ent 26 
mteroehnen, Bor Allem iR dei Beantwortung die age Aoiihen: ber 


ie u. i 1, Ausartung jeiden, Mi 
den Bi Kar mag Anne Ch Bercign, Be sa 


ih, 


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tionelle Monarchie zu verbammen, wir , 

onftitutionelle Monarchie gehabt. Es gab nit einen Staat in Deutfi 

dem: ber Bolfswille reinen —— die Wahlgeſe 

ren mangelhaft, die te 

wurde durch gelehrte Richter verfümmert, über allen öffentli 

ſchwebte Dunkel, unverantwortliche wmit einem baren 

Suhende d BR Io Be Mahl eye han —— 
u der R. — 

conſtitutionelle — 9. um eine * welche jedem 

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zuſtehende Theilnahme an dem; allgemeinen: einräumt u. 
daran a die Eile de — — 
von num an 6) republifanife 4 
noch möglich: das helfen ober fühlen: alle diejenigen, bie den unſerer Ents 


\ 


widelung mit Einfiht u. Beſonnenheit verfolgen, alfo die ungeheuere: 
aller Deutfchen, der gegenüber das N ‚bie 
in ihren Borrechten gelraͤnkt fühlen, nicht 
falls ‚die gleiche Berechtigung aller Buͤrger voraus 
conſtitutionellen —— t 
erblichen Oberhauptes, einen auf Jeit waͤhlbaren Beamten hat. 
— a u, —— freie 
faffungen. Solche in Bayern; Württemberg, ſen, Baden, beiden 
Hefien, Raſſau, Braunſchweig, Luremburg u. den 4 Reich ,. einem Gebiete 
von nicht ganz 12,000,000 Einwohnern ; "aber felbft in Staaten war das 
conftitutionelle Leben keineswegs zur gehörigen Entwidelung. gebiehen. Das Kurs 
fürftentfum Heffen konnte man faum zu ber conftitutionellen Staatengruppe hin 
zurechnen, feine Regierung bildete vielmehr mit Defterreih und Hannover bie 
Außerfte Rechte des alten Bundestages, In Preußen beftand feit einem Jahre 
eine ftändifche Verfaſſung, welche die erſten Früchte zu tragen anfing. en 
Hoifein, die ſaͤchſtſchen erjogthümer (mit Ausihiuß von Gotha), die lippe ſchen 
änder hatten ebenfalls Stände, die aber, außer in Holftein, Hannover u. Weis 
mar, faum zweimal ein Lebenszeichen von ſich gaben. Auf biefe Staaten ef 
eine Bevölferung von umgefäße 16 Millionen Menſchen. Das große Defterreich, 
beide Medienburg, Oldenburg u. bie noch übrigen Heinen Staaten waren abfor 
Inte Monarchien. Diefe Staatens Gruppe umfaßte eine Benölferung von mehr 
als 13 Millionen. Es ergiebt ſich Hieraus, daß bie conflitutionellen Staaten 
das kleinſte Dritttheil von Deutſchiand ausmachten, 12 Millionen Einwohner von 
41 Millionen ber Gefammtbevölferung zählten. Man Tann im Allgemeinen ans 
nehmen, baß ſich die politifche Bildung nach ben flantlichen Ver fen abfufte, 
ürttemberg, Baden, Sachen am meiften vorgefchritten, die nörblichen Luͤſten⸗ 
länder, von Schleswig» Holftein efehen, am weiteften- zurüdgeblieben 
waren, Die jegige Bewegung Hat darin jehr viel geändert, indem fie Fragen, 
melde ber Träge ober Gleichgültige ſich am liebſten fern gehalten hätte, jeber- 
mann bicht vor bie Augen rüdte u. Deutfchland plöplich in einen großen Sprech⸗ 
faal verwanbelte, in welchem bie Intelligenz fi Gehör. verfchaffen mußte und 
wirklich verſchaffte. Alle Aeußerungen bes Volfsgeiftes, fo viel ihrer aus den 
verſchiedenen Theilen des Baterlandes laut geworden find, befunden eine außer» 
orbentliche u. hoͤchſt erfreuliche Mebereinftimmung. Als das. fchönfte Zeichen der 
Bewegung ſteht die Stimmeneinheit ba, mit ber ſich das beutfche Volk für ein 
deutſches Parlament ausgefbrochen hatz es ‘Hat ſich barin bas'allaemene B 


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778 Republik, 


feyn ausgebrüdt, daß wir vor allen Dingen einig feyn en, wenn wir fm 
ſeyn u. bleiben wollen. Befragen wir bie Bewegung felbk, wie fie fih zu k 
Trage, ob Monardjie, ob R., verhalte, Die Stimmen haben ſich aller Ous 
frei ausfprechen fönnen u, hundert Erzeugnifie der Preſſe ge ben Beweis, We 
die Bewegungspartei fich Feine Rüdfihten irgend einer auflegt , daß wii 
aber bie Bemäßigten fih einfhüchtern laſſen, mit ihrer Meinung gerade herau 
zu gehen. Wenn es ſich alfo zeigt, daß bie R. nur von einer Minderheit vw 
fochten wird, fo iſt gewiß, daß fie die Volksmeinung nicht für ih Hat. Undh 
ft 8. Rur allein ber Eüdweften bat eine compalte r. aniſche Partei aufm 
weifen, do nur mit wenigen namhaften Häuptern, unb nennt man ik 
Städte Mannheim, Mainz, Eonftanz und Donauefchingen , 2 hat man anf 
die Haupthaltpunfte ber R.aner umfakt, Was aus Oeſterreich zu Gunſten de 
R. geichrieen wird, ift mehr als kuͤnſtlich. Pr hat zwar eine allgemein ve 
breitete communiftifch = republifanifche Partei, bie aber, mit etwaiger alleinige 
ale von Berlin u. Breslau, nirgends mafjenheft auftritt 5 im Rorben # 
ildes heim allein für Tendenzen aufgeflanden, die dem Anfcheine nach republifunit 
d. In Mitteldeutfchland follte es, Bamberg u, Altenburg vielleicht (aber uk 
nur vielleicht) allein ausgenommen, fchwer feyn, einen Ort zu nennen, wo ik 
R.aner in ber Mehrheit find, Es ift aber anzunehmen, baß bie ak 
N. fi verftärken werden, je mehr übertriebene Hoffnungen unerfült bieike, 
Die meiften Derjenigen, bie von ber jezigen Bewegung die Nealifirung das 
allgemeinen Utopiens oder ſpezieller Wünfche erwarten; nicht minber “Die, weik 
in ihrer Ungebuld die Neugeburt eines Volkes in Wochen, fpäteftens in Monate 
erfüllt fehen wollen, werden zu der Fahne ber R. fohwören. Damit tritt dam, 
was bie provinzielle Bertheilung ber Partei betrifft, bas alte Verhaͤltniß wice 
in feine Rechte; wie ebebem, werben bie Extreme im Suͤdweſten unb im Ofa 
fih ablagern. Geſchieht bieß, gewinnen in Baden, Württemberg, einem Ihe 
von Hefien u. Bayern bie R.aner die Oberhand, während, in Folge bes natıs 
lichen, wie unvermeiblichen Nüdichlages jeder Sonderung, ber Rorben mit Deim 
reih den Fortſchritt mäßigt, fo ift Die alte unheilvolle Spaltung drohender, dem 
je, wieder ba u. bie PD eweguing hat ihr ſchoͤnſtes Ziel verfehlt. Wir wollen ca 
einiges u. freies Bol ſeyn. Laßt bie Einigkeit erſt dahin ſeyn, bie Freihen 
wird dann bald nachfolgen. Es iſt zwifchen ung, die Jahrhunderte lange fein 
lid auseinander gehalten wurden u. einander als Bruderſtaͤmme zu lieben verleme 
follten, ohne dieß Manches zu fchlichten: wir müflen lernen provinziellen Bor 
theilen zu entjagen, in allgemeinen Fragen ber Diajorität und unterzuorbnen. Jt 
rafcher u. vollftändiger bie Cinigfeit zwifchen ben beutfchen Bruderſtaͤmmen fh 
den, um fo raſcher u. volftändiger wirb bie neue Organiſation Deutſchlandt 
ch in das Werk ſetzen lafien. azu ift republifanifder Sinn nothwendit, 
Unterorbnung des Menfchen unter den Bürger, Selbftbeichräntung , mit einem 
Worte das, was man unter dem Ramen ber Bürgertugend zufammenfaßt. E⸗ 
mag unerörtert bleiben, ob biefe Bürgertugend ſchon in uns Allen lebendig if: fe 
viel bleibt gewiß, daß Diejenigen 6 ihrer nicht rühmen können, bie im iger 
Parteiwuth dem Auffchwunge Deutichlande Gewalt anthun und einer ee 
republifanifchen Winderheit das Uebergewicht über eine ungeheure mon 
Mehrheit verfchaffen wollen. Die Kolgen eines foldhen Beginnens laſſen ſich 
leicht überfehen. Es ift ber Bürgerkrieg, den man hervorrufen wil. Die Rs 
archie Hat in Deutfchland zu tiefe Wurzeln gelötägen, als daß fie ohne bie ärg 
fien Zudungen zu befeitigen wäre. Die Beichlüffe Kleiner Volksverſammlungen 
in Offenburg, Mainz, Konftanz reichen nicht aus, die monarchiſchen Ideen m 
befeitigen, wohl aber tönnen fie dazu dienen, die Einmifchung ber Franzoſen m 
befchleunigen, ein euer anzuyzünden, aus beffen Afche eine zweite Infamie, ein 
zweiter Aheinbund hervorgehen würbe. Die äußere Lage Deutſchlands weist eine 
republifanifche Verfaſſung eben ſo gedieteriih wurd, wie hie inneren Zuſtaͤnde. 
Es iſt unfer Schichſal, dab und von alien Sehen Rene warfen , ua vom 


9 
ur bie * 2 ati, dp hr Be Rufland u. Frant- 


ie bannen wirber Che a mar anne Die Kabanfhafien Aid cn 
en irde, 
"fe toben unbequem iſt een wie 


gegen Alles, was ihnen ’ gegen 
die weifeften Staatseinrichtungen. "Mo ift der Zügel, der bie rohen‘ 
hemmte? Die Gefepe werben verachtet, es ift, als 
nt wären, bie Stimme der Klirche findet nirgenbs ©: „gogen das 
prebigt der Communismus einen: re ich U 
ce Anzahlsanfehlteßen werben. Ueber die 
erfüllen, ragt allein noch das empor d 
der Ordnung noch niedergeworfen, fo iſt ber ein; 
ilden Gewaͤſſer zurütdhielt, fo haben wir den alten der erften Menſch⸗ 
da Rain’s d gegen war und Jchermann’s Hand: gegen Kain, 
Jarteiführer täufchen fi) arg, wenn fie das Zauberwort zu befigen wähnen, 
ten Tumult baͤndigen Ber ie Mefeib Die Kahehunbentatie ‚ein neps 
— —— erfen a h da Daß ihre 
ig: verierfen: nnen N 
‚tät von geftern Achtung finden wird ? Ale und de Aut hit “ 
ung 35. bie von Parteiführern am meiften.’ Unter der 
ex fein Name, der bie allgemeine Meinung für ſich ‚ bie befannteften 
x find Milionen von Deutſchen gänzlich unbelannt. Die R. wäre ſelbſt 
kaum ober doch blos unter Strömen von Blut durchzuführen, wenn an ber 
e der Partei ein Mann fände, der nor dem Bampfe fo —— ge⸗ 
wäre, wie Waſhington unter ſeinen Landsleuten nad dem Siege war. 
jolcher Mann fehlt: unferen R.anern fo: ‚daß fie, wenn fie allen Eingels 
ihrer Führer: auf ein Haupt — — toͤnnten, nicht eine Re 
ion, wie die Wafhington’s, herausbeingen würden, Die erſte 
2 ganz andere Namen aufweiſen, als unfere Heer, Struve, Heinzen und 
vagnie, und auch bie Häupter ber jepigen werden es ſich Taum zur Ehre 
:n, mit unferen obengenannten Landsleuten fich. vergleichen zu lafjen, unb 
gelang es weber jenen, noch wird es biefen gelingen, ben teiffenden Strom 
halten: die Anarchie brach von bem Augenblide an herein, als man das 
jthum in den Koth zog; fie verſchlang nad) einander die Männer, welche 
eiter hatten feyn wollen, unb ber Prels ber ungeheuerſten Opfer war ba 
in Sranfreih, daß die Gewalt von den Ränfefchmiden, welche im Director 
ſaſſen, auf den Tyrannen Bonaparte überging , und auch jept if das 
»efommen einer Soldateöfen » Herrfcpaft unter dem entfchloffenen Cavaignac 
wahrſcheinlicher, als das Gegentheil. Diefe Warnung möge an uns nicht 
‚en gehen, denn, drohte bie R. ſchon dem feit Jahrhunderten an Gentralifas 
zewoͤhnten Frankreich mit Zerfall, fo läßt ſich nicht annehmen, daß fie auf 
erriffene Deutſchland anders einwirken werde. Wir ern alfo bie Aufs 
altung des Königtfumes im Intereſſe ber Einheit, wir forbern fie auch im 
effe ber Macht Deutfchlands, an die ohne Einheit nicht zu denken if. Alle 
en Einwürfe gegen die R. bei Seite — gehört eine uͤnbegreifliche Leichts 
igfeit dazu, anzunehmen, daß unfere aan uns bie R. conflituiren 
würden. Wie eine Meute Hunde würden fie über uns herfallen, während 
m Bürgerfriege begriffen wären, Frankreich den „Bepen * bis an ben 
ı (warum nicht bis an ben Main?), Rußland ben „Eepen Land“ bis an 
Iber Cober Elbe) fich nehmen. Käme dann noch, wie nicht zu zweifeln IR, 
Jäne mit feinen Anſpruͤchen auf Norbalbingien, Italien mit feinen Anmafs 
ı an bas italienifche Gebirge, ber Slavismus mit feinen Hundert For⸗ 
gen auf Alles, was er jegt zu a a eg 
t, fo verlohnte das Stüdchen Deutſchland nicht ber. 1 BR. 
M. conftituirt zu werben. Glüdiiä), werm wm Yamıc tum " 
# geflattete, ais neutrales ‚Gebiet: ein eheieiebt Boken:' 


780 Republik. 


pen. Sn ber That, Deutfchlands geographifche Lage follte allein Hinreichen, 
jeden Gedanken an eine R. auszufchließen. Das Land, das in ber Mitte Euros 
pa's hingelagert ift mit ber hohen Miffion, ein Damm ber wahren Ge br 
bildung zu ſeyn gegen ben Barbarismus ber Slaven, wie gegen bie — der 
Romanen, dieſes Land bedarf vor Allem einer ſtarken Regierung. Eine ſolche 
bietet die Monarchie, nicht die R., außer in der Form einer Dictatur. Wie 
aber die Dictatur zu der Freiheit? Die vereinigten Staaten Norbamerifa’s, bie 
ben Republifanern immer als Beifpiel u. Mufter dienen, geben ben Beleg zu be 
Behauptung, daß die republikaniſche Staatsform eine flarfe Regierung nicht bes 
guniigt. m Freiheitskriege wurde Amerika nur dadurch gedı, daß es fo fem 
von England lag u. daß —** ihm Huͤlfe leiſtete. o bie Loyalen (Roya⸗ 
liſten) in einer irgend betraͤchtlichen Anzahl vorhanden waren, wie z. B. in 
Rewyork, da behaupteten ſich auch bie Engländer. Die Eindruͤcke, welche bie 
jungen Republifaner in ihren Freiheitöfrtegen empfangen hatten, waren fo ſtarker 
Natur, daß eine, nahe an bie Mehrheit reichende, Partei bis in biefes hun, 
bert Hinein eine flarfe Regierung verlangte. Der Krieg von 1812 ent die 
Schwäche ber R. abermals. Bon dem einzigen Siege bei Reworleans abgefehen, 
erlitten die Rorbamerifaner nichts als Niederlagen. Ihre reichſten Städte wurden 
ebrandichagt, ihre Hauptftabt in Aſche gelegt umb fie konnten es nk Kindern. 
ir fordern bie Aufrechthaltung bee Monarchie im Intereſſe ber Freiheit. Das 
Bolf ift gut berathen, bas jeben Schritt, den es vorwärts macht, ſich erft ſichert, 
ehe es ben zweiten Schritt thut; bas ſich vor allen Dingen in feiner Stellung 
befeftigt; das Bolt ift fchlecht berathen, Das ungeflüm vorangeht, nur das 3 
im Auge bat und bes Weges vergißt. Schon das alte Rom machte bie Erfahr⸗ 
ung, daß zügellofe Demokratie in hundert Faͤllen zur Tyrannei führt, felten ober 
nie zur Freiheit. Das trımfene Volk flürzte fih in die Agitation ber Griechen, 
es taumelte von Bürgerfricg zu Bürgerkrieg und erwachte in ben Armen eines 
Tiberius. Die franzöfifche R. Hat bie alte Lehre eindringlicher wiederholt, noch 
feifcher find die Erfahrungen der fpanifchen Exaltados. Dort Napoleon, hier 
Rarvaez, in beiden Fällen eine Militächerrfchaft das Ende langer Zudungen. Wir 
fordern ferner die Aufrechthaltung ber Monarchie im Intereffe der Bildung. Alle 
unfere geiftigen Errungenfchaften flehen in Gefahr, wenn mit ber R. bie Herr⸗ 
ſchaft der Maſſen ihren Anfang nimmt. Der rohe Haufe weiß Nichts von ben. 
Segnungen der Wiffenfchaften und Künfte, obgleich fie auch ihm zu gut kommen. 
Die Ariftofratie des Geiſtes Hat unter ihm zahlreichere und erbittertere Feinde, 
al8 die anderen Ariftofratien der Geburt, des Amtes, des Befiges. Höhere Bils 
dung ift dem Rohen unbequem und verhaßt, benn fie ift eine Tage gegen feinen 
eigenen Zuftand, Der Eommunismus hat biefer Bildung offenen eg erklärt, 
bie Demokraten von reinftem Waſſer werben ſich in biefer Beziehung ihm am 
fließen, nicht minder alle Diejenigen, die als einzige ober body hoͤchſte Aufgabe 
ber Zeit erkennen, baß jedem Menichen Brod gegeben, zu diefem Zwede bie Re 
gierung auf das Wohlfeilfte eingerichtet werbe. Was Börne im tiefften Un- 
muthe fagte, daß man die Bibliothefen verbrennen, die Gemaͤldeſammlungen ver- 
faufen, die Muflfanten al8 Soldaten einfleiden folle, wird von bem Troſſe ber 
Bewegung im Ernfte verlangt. „In meine R. paſſen keine Dichter u. Künftfer,” 
ſchrieb Plato vor 2000 Jahren, und die R. ber Jetztzeit würbe ihm Recht geben. 
As ein Zeichen der Zeit kann jene Berfammlung ber „Berliner Demokraten“ 
gelten, in der man hoͤhniſch fragte, wie ein geroifer Alexander v. Humboldt ale 
andibat zum Parlament aufgehellt werden Tönne; wer ber Mann benn fei, was 
er jemals Berbienftliches gethan Habe? So fpottet man eines Mannes, der in 
Wiffenfchaft feines Gleichen nicht Bat, ber durch feine Forfchungen ber wahren 
Freiheit mehr Boden erobert Hat, als alle Volksrebner biefer Zeit. Die ſchlimmſte 
Richtung unferer Zeit, materiellen Erwerb unb materiellen Genuß ale das höchſte 
Ziel anzuerkennen, wird duch die R. unendlich mehr Vorſchub erhalten, als durch 
die Monarchie. In der R. kaum Ad ver Moreaiiäune ungeikeut breit machen, 


e Monarchie bildet ein moraliſches Gegengewi um willen 
e geiftigen Intereffen 5enlnfigen: Man "ie Aatamena u Kane, 
wird man: bie ‚heit bes eben Geſagten enätigt finden: Der jugendliche 
eiftaat hat uns in vielen en überholt, in ben — und 

er klaͤgiich zurucgeblieben. Geſchichte erzaͤhlt von —— 

1, Dampfſchiffen, von merkantilen u. gewerblichen Geſchaͤften koloffaler Art; die 
lätter aber, auf denen feine wiſſenſchaftlichen 1, künſtleriſchen Foriſchritte berich⸗ 
bomardie im Antefie ber Glcidhe, "ie eine Benin — — 

ar⸗ je der e die das 
en Anfcpein ber Wirfli “ 


den, bie natürlichen Berhältniffe. werben wieder. in ihr Recht eintteten; Unter 
sen natelihen Berhlmifen Aeft oben an das Detergemidt des Raplials, Das 
it 


ch Feine Organii ber 
—— Yan fo the 

— der einigen Jutereſſen 

ter feo willen fein Webergreifeı 

em find dem Ehrgeige mehr Schranken geht, ‚als 

äbeen ynifden Dean u. Dar. (Amanln , Daib der eine, Da De 

wilden Ochlokratie u. Oliga ‚bald‘ 
id Herrſchte in aber ; er An 


jern. an 
erst — an un in Rom, ern 
toferiptiond) entwarf? Nordamerika 
lerdings erwehrt, aber nur feit-Surzem u. 
tigen Geldariſtoktaten asiae ‚find, werm auch am Ruber, doch jo maͤch⸗ 
7, daß fie bei jeder neuen Pri tenwahl bie Obmacht erhalteit können, Unter 
adfon’s Praͤfidentſchaft fehlte wenig; daß Biddle u. die Be 
erung ſtũrzten. Verſteht man unter we ein. Riveau (Mini 
en fo richtig 439 werben) ber Bildung, das nichts Hervorrag, 
für eine ſolche Gleichheit die R. —— ber beſte Boden. Verſteht mar 
ver unter Gleichheit, daß Jedem nah Maßgabe feiner innewohnenden Kräfte 
eier Spielraum gegeben werben muß, ohne daß ein. Anderer ihn daran hindern 
uf, fo ift Die Monarchie bie geeignetfte Form, unter der dieſe verninftige Gleichheit 
 fortentwideln fann. Man fagt gewöhnlich, daß die republikaniſche Regierungsform 
ewenigfien Koften verurfache. Auf ben erften Blid exfcheint 
. fi einmal befeftigt, fo wird fie unter übrigens gegen Umftänden wohlfeiler 
m, als eine Monarchie. Diefe größere Wohlfeilh aber nicht fo beträcht« 
9, daß fie über bie Wahl biefer ober jener Regierungsform entſcheiden darf. 
tan trenne nur ben Bearif der Monarchie von ben Mißbraͤuchen derſei⸗ 
n und benfe bei bem Ramen nicht glei, an Maitreffemirtfihaft und 
ofverſchwendung. Als Koften, welche Die Monarchie von ber R. voraus 
ıt, bleiben dann mur bie Eiviliften, das Heißt, wenige Millionen Thaler 
rt ganz Deutſchland, von bemen bie weit größere Hälfte auf Unterflügungen 
üt, die den Theatern, Concertvereinen, den Künften u. Wiſſenſchaften, der Ars 
uth zu Theil werben. Diefe Summen würde bie R. erfparen, aber zum größten 
achtheile ber Bildung, u. es ift fehr die Trage, ob in ihrem Budget nicht ans 
re Summen figuriren würben, bie für minder gute Zwede größeren Aufwand 
forderten. MWeberdieß find bie Eivilliften micht etwa @efchenke, bie das Bolt 
n Fürften gemacht Hat, oder welche biefe ſich vorweg genommen Haben. Sie find 
ntſchaͤbigungen, welche fuͤr bie Abtretung bes fürftlichen DBermögens' an den 
taat — wurden. Es gibt Staaten in Deutſchland, wo dieſe Entſchaͤdig⸗ 
ig, mit den Abtretungen verglichen, unverhaͤltnißmaͤßig gering iſt, u. es wird 
d einen Staat geben, wo das Bolf bei biefem Abkommen mit feinem Fürften 
— Venpomäßih Fhaefeter infommenb shur Crfgabigung bran Delft 
res vertragsmäßig en one gung k 
sie Geſchichte der R. hätte einen haͤßlichen Anfang, wenn fe:uuf ie 


784 Reservatio mentalis — Reservatiories papales. 


r. phyteuma, ber vorigen fehr aͤhnlich, im füblichen Deutfchland, Frankreich ıc. 
heimiſch, ebenfalls als Zierpflange cultivirt; r. alba, mit zierlichen weißen, traus 
benftändigen Blüthen; r. Iuten, mit gelben, in Enbtrauben ftefenden Blüthen; 
r. luteola, mit gelben, in langen dünnen Enbähren ſtehenden Bluͤthen, als Farbe⸗ 
fraut benuͤtzt; —** in Deutſchland heimiſch. 

Reservatio mentalis (Gewiſſens⸗, Gedanken⸗Vorbehalt), if 
bei einem Eide ober fonftigen feierlichen Verſprechen ein Borbehalt in Gebanten, 
indem ber Verfprechenbe bem, was er verfpricht oder verfichert, eine andere, ſtill⸗ 
fchweigende Auslegung gibt, als ber, der die Verficherung erhält, nach dem Ela 
ren Wortlaute und natürlichen Sinne darunter verfiehen muß. Es bedarf Taum 
einee Andeutung, baß die R. m., ba ihr bie Abficht, mit Willen und Willen zu 
täufchen, offenbar zu Grunde liegt, moraliſch unbedingt zu verwerfen iſt. 

Reservationes papales (paͤpſtliche Refervationen), entflanden 
bei ber Ausbildung der Primatial⸗Gewalt durch den, auf das Kirchen, Benefyien- 
Weſen erlangten, Einfluß der Paͤpſte. Aus dem gegen Mitte bes 13. Jabrkum 
bert8 aufgefommenen Gebrauche, daß, wenn ein auswärtiger PBrälat zu Rom 
ftarb, von ber römifchen Curie ein Nachfolger für das in Erledigung gekommene 
Benefizium ernannt wurbe, bildete Clemens IV, eine allgemeine Refervation für 
ben päpftlichden Stuhl, welche Bonifaz VIII u. Elemens V. (1311) noch mehr zu 
Bunften beffelben erweiterten, jo baß jebe, gegen bie päpfliche Verleihung eines 
Benefistums vorgenommene, Handlung als ungültig u. kraftlos erklärt wurbe. — 
Gregor X. dehnte dieſe Reſervationen auf alle Benefijien aus, bern Inhaber in 
ber Nähe von Rom bis auf zwei Tagreifen mit Tode abgingen. Um jedoch bie 
Provifion nicht zu hemmen, fonbern vielmeßr die Befehung erledigter Kirchen⸗ 
Pfruͤnden auf alle mögliche Weife zu befchleunigen, fügte er die B bei, 
daß, wenn von bem päpfllicden Stuhle eine auf ſolche Art erledigte Pfruͤnde nicht 
innerhalb eines Monats befett worden wäre, bie Vergebung berfelben bem or 
bentlichen Berleiher zukomme; ebenfo ſoll bei Erledigung bes päpftlichen Stuhles 
Diefe Refervation nicht Play greifen, fowie auch dann nicht, wenn bie Erledigung 
einer Pfründe diefer Art zwar noch bei Lebzeiten bed Papftes geſchehe, jedoch bie 
von ihm beabfichtigte Verleihung berfelben noch nicht in Vollzug gefeht worben 
fel. Diefe Reformation wird vorzugsweile reservatıo clausa in Ccorpore jaris 
canonici genannt, wiewohl von Manchen auch noch bie anderen hieher gerechnet 
werben. Johann XXU. führte (1317) eine neue Refervation ein, inbem er ver 
ordnete: daß auf alle Benefizien, welche durch bie Erlangung eines zweiten, un 
vereinbarlidhen und von ihm felbft verlichenen Benefiziums in Erledigumg kämen, 
nur dem PBapfte das ‚Bergebungereidt zufomme. Rebſtdem behielt derſelbe jebodh, 
mit Ausnahme der Bisthümer und Abteien, bie Einkinfte bes erſten Jahres (1. 
Annaten) von allen erlebigten Benefizien bem päpftlihen Stuhle vor. Boni 
faz IX. rebuzirte dieß auf die Hälfte der Jahres: Einkünfte, jedoch gleichfalls mit 
Ausihluß der Bisthümer und Abteien. Benedikt XII. führte (1335) eine dritte 
Refervation: „Ad regimen“ genannt, ein, indem er verfügte: daß bie Bergebung 
aller jener Pfründen ein päpftlicher Vorbehalt ſei, beren Beliger entweber abgefegt, 
oder verfegt, ober bie burch eine von ihm ober feinem Borfahrer angenommene 
Entfagung, ungültig erklärte Wahl, Poftulation, ober durch die Beförderung bes 
früheren Beflters zu einem Patriarchate, Erzbisthume oder Bistfume, ober burch 
das Ableben eines Cardinals, oder font eines Praͤlaten an ber römifchen Curie 
in Erledigung kaͤmen. Martin V. referwirte fi acht Monate, nämlidy Januar, 
Gebruar, April, Mat, Juli, Auguſt, September, Oftober u, November zur Ber: 
leihung der Benefizien, während er bem orbentlidhen Eollator nur vier überließ, 
u. erhob diefe Refervation zu einer EanzleisRegel Hielten bie Bifchöfe Reſi—⸗ 
denz (f. d.), fo follten fie zwei Monate mehr, alfo mit dem Papſte abwechſelnd 
ſechs Haben, woher denn biefe Refervation auch Alternation Heißt. Ausgenommen 

ſollten jebody feyn: die DignitärsStellen an ben KathebralsKicchen (dignitates 
„ post pontificales) u. bie digniteles prinäpales an ten Gollegiatfliften, welche bie 





Reservatum eccleslasticum. 785 


ipitel zu vergeben hätten. Die Koftniger Synode beichloß gegen biefe Reſervation 
-[hiedene Mobifilationen, allein Martin V. sing auf felbe nicht ein. Dieß Hatte 
nn, ba bie Unterfanblungen babucch in die Länge gezogen wurben, bie Con⸗ 
date mit den Deutfchen zur Folge. Rach dem Boncordate von 1418 wurbe 
“Ausübung der in den Bullen „Execrabilis“ und „Ad regimen“ feftgeleßten 
fervation zugeftanden. Bel Befehung ber Bistkümer foll der Papft das Recht 
: Betätigung haben. Die Dignitäten an den Sathebrals u, Collegiat-Kicchen 
m ohne paͤpſtliche Beflätigung in Folge kanoniſcher Wahl zu befegen ; bei ben 
rigen Benefizien aber follte bie Alternative ber Befegung zwifchen dem ‘Papfte 
d dem orbentlichen Eollator eintreten. Die Kirchenverfammlung zu Bafel bes 
raͤnkt diefe Referoationen auf jene, welche im corpore juris camonici clauso 
Halten wären, wogegen ſich jedoch Eugen IV. verwahrt. Durch das Wiener, 
ch Alchaffenburger Goncordat (1448) genannt, wurben ald apoſtoliſche Monate 
: Januar, März, Mai, Juli, September u. Rovember ausgezeichnet und zus 
ich feftgefegt, daß von ber Refervation die Dignitäten bei ben Stiften, bie 
arreien u. Batronats s Benefizien ausgenommen feien, übrigens die Proviflon 
n dem PBapfte bei ben betreffenden Pfründen innerhalb breier Monate zu ges 
ehen Habe, Nebſtdem ficherte man bem päpftlichen Stuhle neuerdings bie vier 
auptsRefervationen, als: biereservatio clausa, execrabilis, ad regimen u. jene 
: achten Ganzleiregel zu. Obwohl man zur Zeit ber Kirchenverfammlung von 
dent verfchtebene Anordnungen hierin vorzunehmen gebachte, fo geſchah doch 
ht mehr, als daß, außer den Mandaten und Anwartſchafts⸗Gnaden, blos die 
ntalen NRefervationen, d. t. folche, wodurch eine gefeßmäßige Wahl umgeftoßen 
td, weil ein anderer Bewerber bereits von einem höhern Wahlherrn bebadht 
ſchon in Gebanfen ernannt if, verboten wurden. Auf dem Emfer Eongrefie 
ırde feftgefeht: Die Refervationen in ber Extravagans ad Regimen fönnen in 
für Deutichland nicht Statt Haben. Sie paſſen auf ben Zuftand ber beutfchen 
che gar nicht u. find bewegen die darin angezogenen Faͤlle ber Translation, 
epoſition, Privation u. f. w. auf biefelben nie anwendbar. Nach bem bayer⸗ 
en Goncordate, und nad) ber Umfchreibungs + Bulle für bie Diözefen Bayerns 
t die Ernennung ber Dombechante bem K nipe zu, welcher auch zu ben Ka⸗ 
nifaten in ben ſechs apoftolifchen ober päpftlidden Monaten ernennt. ben 
rigen ſechs Monaten fleht die Vergebung ber erlebigten kapiteliſchen Pfruͤnden 
breien den Erzbifchöfen u. Bifchöfen und in ben anderen dreien ben Kapiteln 
. Die Propflein an ben Metropolitans u. bifchöflichen Kirchen verleiht der 
ıpfl, jedoch unterliegen biefe Verleihungen ſowohl, fowie jene der Erzbiſchoͤfe u. 
fchöfe, als auch biefe Fapitelifchen Wahlen der Genehmigung und Betätigung 
3 Landesherrn. — In der Circumſcripiionsbulle für die Tatholifche Kirche in 
reußen iſt in dieſer Hinſicht feftgefegt, daß an ben Kathebralticchen bie Propft- 
n u. Kapitularftellen in den Monaten Januar, März, Mat, Juli, September 
Rovember vom päpfllichen Stuhle, die Defanate dagegen, fowie in ben ſechs 
deren Monaten die Kanonifate, von ben betreffenden Exzbifchöfen und Bifchöfen 
rgeben werben follen. In ber Umfchreibungsbulle für das Königreich Hannover 
d feine päpftlichen Refervationen feſtgeſezi, fonbern es ‚findet bei Erledigung 
Dechants⸗ u. Kanonifat:Gtellen die Alternative zwifchen ben betreffenden Bis 
öfen u. Domfapiteln Statt. Diefelbe Beftimmung enthält bie für bie Errichtung 
3 Erzbisthums Freiburg im — u. der oberrheiniſchen Kirchen⸗Provinz er⸗ 
jene paͤpſtliche Bulle „Ad Dominici is custodiam,“ 

Reservatum ecclesiasticum iR der, durch den Religionsfrieden in 
eutſchland eingeführte geiftliche Vorbehalt, wornach die geiſtlichen Reichsſtaͤnde, 
am fie zum Proteſtantismus übergingen, ihre bisherige Wuͤrde verlieren u. auf 
rund einer neuen Wahl durch Tatholliche erſetzt werben follten. Bei allem Wis 
fpruche fehte Ferdinand IT, diefe Clauſel durch, mußte aber zugleich ie Neue 
tion der @egenpartei in den Frieden einrüden lafen. — Baturg were ver 
im zu ben folgenden blutigen Religionstxiegen arlent. 


AÆcalencyclopubſe. VIH. > 


N 


786 Reſerve — Nefidenz. 


Reſerve nennt man eine mehr oder minder flarfe und zufammengefehte, in 
einer beftimmten Entfernung von anderen Truppen fampfbereit aufgeftellte Truppen- 
abteilung, deren Beftimmung es if, die bereits in den Kampf verwidelten zu 
unterftügen und dadurch entweder ben Ausichlag zu geben, oder bie kaͤmp 
Truppe im Rüden zu fhüsen. Die Stärke und Zufammenfegung ber X. 
richtet fich nach der Beflimmung derfelben. Damit fie aber diefe Beftimmung er 
reihen kann, barf fie nicht unbedeutend feyn und wirb fih nach der Stärke jenes 
Corps richten, bei dem fie biefe Beflimmung erreichen fol. Die Zufammenfehung 
berfelben insbejondere wird in der Regel nur aus einer Waffengattung beftchen. 
Die Verwendung der R. und ber Zeitpunft ber richtigen ——— derſelben 
muͤßen dem Auge des Oberbefehlshabers klar vorſchweben und dieſem iſt es vor⸗ 
behalten, hieruͤber zu beſtimmen. Merkt er vor dem Gange des Gefechtes, daß 
ber Widerſtand bes Feindes ſchwankt, daß die Bewegungen besfelben unficher 
werben, feine Kraft erſchlafft, dann laſſe er feine R.n vorrüden, der Sieg hängt 
fi an ihre Ferſen. Findet er dagegen biefe Fritifchen Anzeichen auf Seite fein 
Truppen, bann laffe er feine R.n in das Gefecht führen, fie werben gegen ben 
Geind einen Damm bilden, hinter welchem die eigenen Truppen ſich fammeln und 
zu neuen Anſtrengungen vorbereiten können. Im erften alle befteht bie größte 
Wirkung der R.n demnach darin, baß fie, wo möglich, nicht früher in das Ge 
fecht gezogen werden, bis auf irgend einem Punkte der feindlichen Schladhtlinie 
ein Schwanfen eintritt. Bis zu dieſem Momente muß das Gefecht auf der ganzen 
Linie genäßrt werben, was jedoch größere Anftrengung auf einzelnen 
feineswege ausſchließt. Die taktifhen Mittel Hiezu find anhaltende Tirailleur⸗ 

efechte, mit kurzen, ftoßweifen Angriffen gefchlofiener Eolonnen verbunden. Das 

euer geichloffener Linien kommt dabei nur ausnahmsweiſe in Anwendung, und 
zwar bei der Bertheidigung ftehenben Fußes im freien Felde. Im gleichen Sinne 
wird die Artillerie verwendet, bie bald in Fleinen Batterien auf große Entfer⸗ 
nungen langfam, bald in großen Batterien al Heine Entfernungen —* ſchießt, 
je nachdem das Gefecht nur genaͤhrt, die Ent Berbung versögert oder befchleunigt 
werden fol. Auf gleiche Weife wird die Cavalerie in flarfen Maſſen auftreten, 
fucht fi bis zu dem Momente des Borgehens dem feindlichen Auge und Feuer 
durch eine gededte Aufftelung zu entziehen, wobei fie in gedrängten Maſſen fteht: 
bricht dann mit Bligesfchnelle hervor und führt fie auf dem Fürzeften Wege gegen 
die feindlichen Reihen, die man mit aller Anftrengung zu überwältigen ſucht. 
Aus diefem geht nun hervor, daß die R.n, in deren Hände die Entfcheidung ber 
Gefechte gelegt if, aus ben beften und verläßigften Truppen beſtehen und von 
einem erprobten Befehlshaber geführt, fo lange, als nur möglich, geſchont, dam 
aber in dem rechten Momente in den Kampf geführt werben müßen, und bie neuefle 
Zeit hat Beifpiele geliefert was folche Truppen zu leiften im Stande waren. 

Kefident, ſ. Geſandter. 

Nefidenz, 1) der Ort, wo das Staatsoberhaupt und die höchſten Staats 
behörben ihren feften Aufenthalt Haben, gewöhnlich zugleich die Hauptftabt eines 
Landes, Sonft befaßen die R.ftäbte bedeutende Vorrechte, die aber jebt, wie billig, 
faſt allenthalben aufgehoben find, — 2) R., oder R.: Pflicht if die Pflicht 
der Geiſtlichen, orbentlicher Weife an dem Orte, wo fie ihre Pfründe Haben, zu 
wohnen. Die R. folgt ſchon aus der Ratur bes geiftlichen Amtes; es wurd 
Daher folche denfelben wohl von ben Paͤpſten, wie dieß der ganze Titel im fans: 
nifchen Rechtsbuche: De clericis non residentibus in ecclesia vel praebenda 
zeigt, als auch von ben Eoncilien eingefchärft. Der Kirchenrath von Trient | 
verorbnete hierüber: daß jeder Bifchof wenigftend neun Monate an dem Ort 
feiner Kathedrale wohnen, bie übrige Jahreszeit hindurch aber nur aus gegründeten 
und vom Metropoliten genehmigten Urjachen abwefend feyn dürfe. Erzbiſchofe 
und Bifchöfe follen nur aus chriftlicher Liebe, oder bei dringender Nothwendigkeit, 
ober in Amtögefchäften, 3.8. wegen Kicchenvifitationen oder Ertheilung bes So 
framentes ber heil. Firmung, ober wegen fchulbigen Gehorſams, oder eines eis 


NMeſonanz — Reforption. 187 


benten Nutzens der Kirche und des Staates wegen, 3. B. bei Staͤndeverſamm⸗ 
lungen, abweiend, an ben höheren Kircbenfeften aber an ihren Metropolitan und 
bifhöflichen Kirchen anweſend feyn. Weberhaupt fol ſich ihre Abweienheit bas 
Fahr hindurch nicht über drei Monate erftceden. Im Falle der Biichof ohne bins 
länglihen Grund eine längere Zeit von feinem Bistfume abweiend wäre, foll 
berjelbe nach Berhältniß der Zeit ben Genuß feiner Bezüge verlieren, und zwar, 
wenn bie Abweſenheit 6 Monate dauert, ben 4. Theil der Sahreseinfünfte, und 
bei einer abermaligen 6 monatlichen Abwefenheit nody den andern 4. Theil feiner 
Einkünfte; bei zunehmender Widerfeplichfeit u e8 dem Papfte angezeigt werben, 
damit Diefer die Abwefenden durch die Auto feines höchften Stuhles zur Ahn⸗ 
dung ziehen unb bie betreffenden Kirchen felbft mit nüglicheren Oberhirten ver- 
fehen fünne. Die zur Strafe eingezogenen Einfünfte follen für das Bauamt ber 
Kirche und die Armen bes Orts verwendet werben. Außerdem gibt e8 auch an⸗ 
dere Urfachen, um von feiner Pfründe auf eine beftimmte Zeit abweſend zu feyn, 
3. B. eine Reife zur Herflellung feiner Geſundheit; auch wirb bie Abweſenheit 
Durch erlangte päpftlidde Dispenfation legal. Ebenfo kann Alter, Sranfheit, ber 
Dienſt des Kirchen⸗Obern, weldyer eine Abwefenheit erfordert, und die Erlaubnig 
bes Biichofes zu einer legalen Entfernung, 3. B. der Studien wegen, vom R.⸗Ge⸗ 
bote eine Zeit Lange befreien. Pfarrer und Curat⸗Geiſtliche überhaupt muͤßen 
ohnehin wegen der ihnen obliegenden Seelforge an ihrem Kirchen⸗Orte gegenwärtig 
feyn; jedoch kann ihnen der Biſchof bie Erlaubniß ertheilen, ſich auf zwei Monate 
von ihrer Seelforge-Gtelie zu entfernen, foferne fie nahgewieien haben, daß auf 
bie Dauer ihrer Abweſenheit für die Berfehung ber Seelforge in ihren ‘Pfarreien 
inlänglicy geforgt if. Auch Die Befiger einfacher Benefizien find nad) dem Grund» 
age: „beneficium datur propter oficium“ zur Beobadhtung bes R.s Gebotes vers 
bunden, indem bei einer willfürlichen ober längeren Abweſenheit berfelben bie 
le ihrer Benefizial- „bliegenheiten unmöglich if. Hieraus ergibt ſich, 
Daß ber Beſitz von mehren Benefizien auch ſchon in dieſer Hinſicht unftatthaft ift 
und mit den Kirchenfagungen im Widerfpruche fließt. Jedoch Tann biefen, wie den 
Mitgliedern der Kapitel, wegen gegründeter Urfachen ein dreimonatlicyer Urlaub 

t werden. Endlich befreit auch von der R. ein vom Kirchen⸗Obern übers 
tragenes Gefchäft oder Amt, welches nur auswärts vollzogen werben fann. Dieß 
war ehemals der Kal bei jenen Domfapitularen, welche einen Gelandtichaftspoften 
an einem auswärtigen Hofe verfaßen. Dergleichen Dienfle hießen beneficia a 
latere und durch felbe wurden die Bfründen in Sreipräbenden umgewandelt. 

Refonang (resonantia), ift in der Muſik der Nachhall eines Klanges, ents 
ftanden durch die anhaltende Schwingung einer Saite, oder duch den Rückprall 
des Tones an den Seitenwänben eines Inftrumenis, 

Reionanzboden, Klang⸗, Schals, Sangboden, R.sDede, ift bei Saiten⸗In⸗ 
firumenten das aus Tannens ober Fichtenholz genrbeitete, unter den Saiten be- 
findliche Brett, von befien guter Befchaffenheit die Güte des Tons hauptfächlich 
abhängt, indem folches das Nachhallen der Töne beförbert, oder ben durch das 
Anfchlagen der Saiten erzeugten Ton xefonirt, d. i. verftärfend wibertönt. Beim 
“Bianoforte ift ber R. gewöhnlich doppelt, bei Bogeninftrumenten dagegen iſt er 
etwas gewölbt und heißt dann insbeſondere R.sDede ober Dad. 

Neforption, Abforption, Auffaugung, nennt man ben Vebergang von 
Subftangen, welche außerhalb bes Gefaͤßſy ſich befinden, in bie Gefäße bes 
Organismus. Die R. berußt auf ber Fähigkeit ber organifchen Gewebe, durch 
unftchtbare Poren bampfförmige oder tropfbare Fluͤſſigkeiten in fih aufzunehmen; 
fie bildet einen Haupttheil der Ernährung, indem mittelft derfelben die verflüßigten 
Nahrungsftoffe durch bie Snylnögeläße bem Blute zugeführt werden. Man hat 
dieß auch Abforption im engern Sinne genannt u. davon bie R., Rüdfaugung, 
als Unterart geichieden, infofern u legtere organifche Fluͤſſigkeiten ober vers 
flüfftgte fefte Sud bes Körpers in d ftemahle bes Körper oder das Blut 
wieder zurüdgeführt werben. Die R.6, Fähigkeit ber verfhien Häute unk 


188 Reſpekttage — Restitutio in Integrum. 


Gewebe tft verfchieden, je nach dem größern oder geringern Gefaͤßreichthume umb 
ber oberflächlichern oder tiefen Rage ber Gapiliacgefäßnene. Die äußere Haut, 
bedeckt mit der Oberhaut, rejorbirt F nicht oder nur ſehr langſam, dagegen er⸗ 
folgt die R. nach Entfernung der Oberhaut ſehr ſchnell; ebenſo ſaugen ſeroͤſe 
u. Schleimhäute ſehr ſchnell aufs am ſchnellſten aber erfotgt die R. durch bie 
Lungen, das Bruſtfell u. bie Bindehaut bes Auges. Die R. iR ein ſehr wich⸗ 
tiger Vorgang, nicht bloß im gefunden, fondern auch im Franken Zuftanbe, in 
weldy’ legterem durch die Aufſaugung krankhaft abgelagerter Stoffe die Heilung, 
umgefehrt aber auch Verfchlimmerung, herbeigeführt werden fan. — Vermittelt 
wird die R. durch die Lumphgefäße u. durch die Venen. E. Buchner. 

Refpekttage, Refpittage, Disfretionstage, Ehrentage, Bers 
günftigungstage, Radtage, beißen diejenigen Tage, weldhe, durch Gele 
oder Ufanz eingeführt, zwifchen der Berfallzeit und Zahlungszeit eines Wechſels 

inne liegen und welche der Präfentant vor ber Einziehung ober ber Proteflation 
u Sunfen bes Bezogenen noch abwarten darf ober muß, ohne ſich dadurch an 
feinen Rechten gegen die früheren Wechfelverbundenen Etwas zu vergeben. Die 
R. find daher eine Vergünftigungsfrift, welche unmittelbar nach dem Berfalltage 
ifren Anfang nimmt, in den verfchiebenen Ländern u. Orten aber von ſehr ab 
weichender Dauer, theild auch bereits ganz abgeftellt if. Der lebte R. iſt mr 
glei der Zahlungstag des Wechſels. Es gibt zwei Arten der R., indem es 1) 
an manchen Orten dem ‘Bräfentanten erlaubt if, mit ber Borzeigung u. Prote⸗ 
ftation des Wechfeld noch einige Tage zu warten; 2) an anderen Orten aber 
berfelbe vor Ablauf ber feftgefegten Tage den Proteft ober bie ae gegen ben 
Acceptanten gar nicht erheben darf. Im erſten Balle werden biefe Zage R. zum 
Bortheil des Präfentanten, im zweiten Kalle R. zum Vortheil bes Acceptanten 

enannt. Bei jenen darf der Borzeiger ſich derfelben begeben u. gleich bei Ber 
Fakt Präfentation und im nöthigen Falle PBroteftation bewirken; bei biefer Tann 
nur der Acceptant darauf Verzicht leiften u. vor Ablauf der R. zahlen. — Die 
R. kommen vorzüglich den Dato⸗Wechſeln zu gut, bei Sicht: Wechfeln find fie in 
der Regel nicht geftattet. IR der letzte R. ein gefeglicher Feiertag, fo ſoll die 
Präfentation eigentlich am Tage vorher fchon geichehen. Doch find über bie lehz⸗ 
teren ‘Bunfte die pofitiven Wechfelgefepe ſehr verfchieden u. zum Theil unvolfläns 
big. — Die Anzahl der R. und die beffallfigen weiteren Gebräuche für fämmts 
lie Haupthandels⸗ und Wechfelpläße, fowie die verfchiedenen Wechfelorbnungen 
findet man unter dem Artifel Wechſel (ſ. d.). 

Refpiration, f. Athmung. 

Responsum (Antwort), die Entfcheidung, welche von, einem ridhters 
lichen Collegium oder einer, um ihr Gutachten angegangenen, Bafultät in einem 
Rreitigen oder zweifelhaften Kalle gegeben wird. 

efauration, 1) bie MWiederherftellung einer vertriebenen Regentenfamilie 
und, damit zufammenhängend,, des frühern politiſchen Zuftandes des betreffenden 
Staates. Cemeiniglich bezeichnet man mit diefem Ausbrude die nach Rapoleon’s 
Eturze von den Alltirten bewirkte Zurüdführung ber bourbonifchen Dynaftie in 
Sranfreih. Bergleihe Bantabelle, „Hist. des deux Restaurations“ (6 Bbe., 
Paris 1844 — 1845). — 2) In de Kunftfprade bie De ellung fchabhafter 
Funftgegenftände, als Gemälde, Statuen u. f. w. durch Auffrifchung und Er 
gänzung bes Fehlenden, wozu befondere Kenntniffe und technifche Wertigkeit gehoͤ⸗ 
ven, daher man eigene Reftaurateurs hat, bie fich ausfchließlich biefem wich» 
tigen Gefchäfte widmen. 

Restitutlo in Integram ift im juriftifhden Sinne entweder Wiederein- 
fegung in ben vorigen Stand, ober Wiedereinfegung in die früheren Rechtsver⸗ 
hältnigfe. — Erſtere Bedeutung Kat fie dann, wenn ein Minderjähriger ober ein 
Abmefender durch ein fonft rechtsgültiges Gefchäft einen unverfchuldeten Nachtheil 

erleiden würde. In biefem Galle wirt dos wadkthellige Geſchaͤft aufgelöst u. fo 


Reftitutionsediet — Rethra. 289 


ber frühere Stand wieder eftelft. Daſſelbe geſchieht, wenn 5 
Betrug ober Zwang zur Shngchung eines ines Gefchäftes gebracht wurde. 
Bebeutung dagegen hat bie.R« i. i., wenn durch fie — te Ben 
wieber erhält, oder in Progeffen. verfäumte. Friften, ‚oder nach 

Formalitäten veftituirt werben, Er muß aber in biefem Falle nen. Daß 
Recht unverfejuldet verloren ging, ferner, daß es — war, ‚bie Friſte 

ten und bie $ormalitäten zu beobachten. Als unverſchuldet Bi A A 
Ken IN 4 — Falle auch a wenn — — ai 

es Mitwifien bes Elienten, begangen: ie Geſetze ewiſſe 
een, innerhalb welcher tie Hekihutien mach nedgeiuiht werben muß, 5 

Reftitutionsedict , ſ. — Eh lan: Krieg. 

— — Auferſtehungsmänner, (resurreotion - men) 
nennt man in England die deichenräuber , weh he kurz begrabene Leichen ni 
licher Weile wieder ausgraben und ftehlen, um fie hr bie matomifchen 
un Junge Aerzte zu verfaufen. Va nämlich in England le — 

die — ber Leichen befteßt, leiden bie anatomiſchen An 
el am biefen, da fe nur auf bie Leichen ber — es * 
Dieſem Mangel ſuchte man zwar abzuhelfen, indem mar ben Lebenden für ben 
Fall des Todes ihre Leichen kaufter allein dieſes Gefhäft konnte bei bem — 
ſchenden — nicht fehe ergiebig ausfallen; anherſeits ſtellte fi für: den 
—— jungen Aergte Bebürfniß nach Leichen immer 
Sn u f —— us ber FA einer * bis sr 100—180 ir 

er hohe Preis reizte zur jung jenen Erwerbszmeiges, 16 > 
den R.n ausgeübten Leichenraubes, Dieſer kourl —— zwar mit St man 
6—12 Monaten beftraft; aber biefe, gegen. ben —— — 
hatte nur den Sefolg, daß berfelbe ei größerer Borficht u. 
verftändniß mit den Todtengräbern verübt ward. Ja, —— — fo Burke 
di. d.), war das Leichenausgraben zu langweilig u. fie ariffen zum Morde, um 
fich Reichen zu verfchaffen. Dem ganzen Unwelen ber R. wurde erft ein Bier 
geſetzt, als 1828 eine Parlamentsafte anorbnete, daß bie Leichen der in ben Ar- 
menbäufern und Gefängniffen Geftorbenen den anatomiſchen Anftalten überliefert 
werben follten, wenn biejelben von ben Verwandten ber ®eftorbenen nicht zurüd- 

gefordert würden. E. Buchner. 

Retardat AusRand), heißt überhaupt eine verfpätete Geldabgabe, ruͤd⸗ 
änbige Binfen, Gefälle ıc.; dann eine verzögerte Arbeit ai gen welcher Art. — 


Dann nennt man fo beſonders eine bergrechtliche Br welche ſolche 
Gewerke, bie mehre Quartale die Zubußen nicht A Gaben, von ber Gewerk⸗ 
faft auag eſchloſſen werben, „eh dieß — — müffen aber ſolche Ges 
werle in 


a8 R. gefegt werben, d. h., es muß öffentlich —eS—— — 

daß, wenn fie bis zu dem naͤchſten Quartale nicht bezahlen wi 

eefolgen er Die Yaburc herrenlos geworbenen Kure fallen ber ganzen — 
ewerkſchaft zu. 

Netentionsrecht ober Zurückhaltungsrecht if bie Befugniß bes Inhabers 
einer fremden Sache, fie fo lange in feinem Gewahrfam zu behalten, bis er wer 
gen feiner Segenforberung seit worben ifl. 

— ie ‚Sauptgäiterabt er 4 Ehteitatn ber nen 4 Tagereifen 
von Hamburg. in einem See, rings von einem großen ‚en Haine umgeben ; 
fie hatte 9 Abtheilungen ober Infeln, auf deren Pe vr eigentliche Tempel 
lag, an beffen Innenfeiten bie Gößenbilbfäulen geharnifcht und gepangert (bie 
Bildiäulen der Hauptgottheit Radegaft (f. d.),ı mit bem Beinamen Hlawaraze, 
der Allmaͤchtige, aus Gold auf Purpur) mit den Namensinfchriften ſich befanden, 
Nach den Bermuthungen ber Neueren wurde das auf 9 —— erbaute R. von 
Kaiſer Dtto L im — 955 verbrannt, dann auf 3 Anker soicher ukariitk, 
aber zulet von — dem Löwen im Jahre 1150 — Se 
ein geringes Dorf, Prilwig, bei ReusBrandenbirg am 


790 Retirade — Retract. 


Kame des Hügels R.⸗Berg die Stelle ber alten Götterftabt noch anzeigen. Aber 
Die Dufelbf gefundenen vermeintlichen Götenbilder und Runenfchriften find unter: 
geichobene Machwerke neuerer Zeit, der Name R.-Berg iſt erſt feitdem entflanben 
u R. lag, nad) Dithmar's von Merfeburg ausdrüdlidhen Zeugnifie, am Meere. 

Retirade oder Rückzug nennt man in ber Taktik das Zurüdgehen einer 
der im Gefechte begriffenen ‘Barteien, um in einer, durch bie gleichzeitig wirkenden 
Umftände beftimmten, Entfernung vom Sampfplape eine neue Aufftellung zu ne}: 
men. Die R. wirb notwendig, wenn bie beflegte Partei nicht mehr im Stande 
it, den Raum feflzuhalten, welchen fie bis jebt eingenommen hat, u. dieſes Ber 
hältniß tritt dann ein, wenn alle Anzeigen vorhanden find, daß man durch eine 
längere Fortſetzung des Kampfes Alles verlieren fann, oder, wenn bie Ruͤckzugs⸗ 
linie ober eine Klanfe von dem Feinde wirffam bedroht werden. Die Art, in 
welcher man zurüdgehen fol, muß fib aus ben Berhältniffen beflimmen laſſen. 
Da ein fchneller Rüdzug immer nachtheilig auf das Moralifche ber Truppen 
wirft, fo fol er Anfangs mit aller Ordnung u. ganz planmäßig vor fich gehe, 
und da die Beichaffenheit bes ruͤckwaͤrts gelegenen Terrains von entfchiedenen 
Einfluffe if, fo müffen die ftehen gebliebenen Etreitfräfte das augenblidliche Nach: 
rüden des Yeindes verhindern. Die zurüdgehenden Abtheilungen dagegen müfln 
jede günftige Terrainlage zu einer neuen Aufſtellung benuͤtzen, und in berfelben 
nicht nur allein ben jegt zurüdgehenden, früher flehen gebliebenen, Streitkräften 
aufnahme bienen, fondern ihrerſeits auch ben Feind am weiteren Vorgehen 


ern. 

NRetorfion if eines ber einem Staate zu Gebote fiehenden Mittel, feine 
Rechte gegenüber von anderen Staaten aufrecht zu erhalten, u. befteht barin, daß 
eine unbillige und unfreundliche Handlungsweife bes fremden Staats durch ein 
7 Amanda Berfahren erwiedert wird, um ihn dadurch zur Aufgebung feiner bes 
ſchwerenden Maßregeln zu beivegen. Hauptfächiich wird die R. angeivenbet bei 
der Behandlung der Fremden, deßgleichen im Zollwefen. — Wie der jenfeitige 
Staat unfere Staatsbürger, wenn fie fidh dort aufhalten, behandelt, fo behandeln 
wir die Staatsbürger bes jenfeitigen Staats, wenn fie ſich bei uns aufhalten. — 
Die R. fommt im Strafrechte bei den Injurien vor Wenn nämlich Jemand 
von einem Andern injurirt worden ift und er diefe Injurie fogleich auf ber Etelle 
u nn gleichem Maße zurüdgibt, fo werben dadurch beibe Snjurien gegenfeitig 
aufgehoben. 

Retorte (Retorta), ein gläfernes, irdenes oder eifernes Gefäß von baudi- 
ger Form, weldyes, verfchmälert, in einem ſich bogenförmig umkruͤmmenden Theile 
(Hals) endiget. Indem diefelbe mit ihrem Haupttheile in einen chemifchen Ofen 
eingefegt und dieſem ein verhältnigmäßiger Hitegrab gegeben wird, wird die in 
berfelben aufgenommene, zu behandelnde Subftanz in den Hals und in bie, auf 
beinfelben in Berbindung gebrachte, Borlage übergetrieben u. fo eine Deftillation 
oder auch Sublimation bewirkt. 

Retouchiren (auffriſchen), heißt in bee Malerei: fchabhafte Gemälde 
audbefiern u. ift infofern mit Reſtauriren gleichbedeutend ; dann: fein eigenes Ge⸗ 
mälde jorgfältig, jedoch dem Beſchauer nicht erfennbar, nochmals bearbeiten; 
endlich die Werfe und Arbeiten der Schüler u. 9. mit befonderem Fleiße ver: 
befiern, in welcher Bedeutung das Wort auch wohl von ſchriftliſchen Auffägen 
gebraucht wird. Inder Kupferſtecher kunſt Heift R. eine, bucch vielfältigen Ab⸗ 
drud abgenügte, Platte wieber auffrifhen ober aufftehen, u. in ber Mufif ein 
Tonſtück duch Coloraturen u, dgl, verzieren. " 

Retract oder Näherrecht, Heißt das Recht einer Perſon, in dem zwiſchen 
wei Anderen abgefchloffenen Kauf einzutreten. — Diefes Recht, bad in Altern 

eiten in Deutfchland fehr ausgebreitet ftattfand, (worauf die Menge verfchiebener 
Bezeichnungen deſſelben fprechen, z. B. Einfprache, Einftand, Beifprache, Beiſpruch, 
R.Rauf, R.⸗Geltung, Anſtand, Anfıll, Beihüttung, Beſcheidung, Bernäherung 
u. dgl.) umfaßt verfihiebene Infitute: V 008 Senlirit Gen congrui), ver- 


Rettenpacher — NRettungdanflalten. 791 


möge beffen Derjenige, welcher ſchon einen Theil eines Grunbſtuͤcks befigt, bei 
ben anderen Theilen befielben das Vorkaufs⸗ u. Einflandsrecht hat; 2) das Nach: 
barrecht (jus vicinatus), wo biefes Recht ſchon dem bloßen unmittelbaren An- 
liegen zuftebt; 3) das Erblofungsredht (retractus gentilitius), welches ben Ber; 
wandten, u. 4) das Markloſungsrecht (jus incolatus), weldhes ben Mitgliedern 
einer Gemeinde zukommt. Tas Näherrecht fällt weg, wenn bie Bedingungen ber 
Veräußerung fo find, daß fie nicht von einem Jeden erfüllt werben können, bei 
Adtretungen durch Schenkung, Taufch, ober Vergleich u. ſ. w. Durch den R. teitt 
der Retrahent in ben vorigen Kauf ein; es iſt Teine neue Beräußerung, daher 
kann auch in der Regel feine Abgabe gefordert werden, welche, wie das Lehn- 
eld, fonft bei Beräußerungen zu entrichten if. Der Rift übrigens fowohl vers 
chieden von dem römifchen Vorfaufsrechte, als auch von dem beutfchen Revoca⸗ 
tionsrechte, kraft deſſen der, dem es zufteht, Die opne feine Zuflimmung veräußerte 
Sache ohne Erftattung des Kaufpreifes an fich zieht. 

Rettenpacher, P. Simon, Benebiftiner von Kremsmuͤnſter, geboren 1634, 
geftorben 1706. Bom Abte nah Rom abgefhidt, ftudirte er dort unter Protection 
Des berühmten Leo Allatius oriental. u, neuere Sprachen, lehrte diefe durch einige 
Zeit im Stifte, Hierauf zu Salzburg Ethik u. Geſchichte. Um die Stiftebibliothek 
erwarb er ſich als Bibliothekar große Verdienſte. Aus feinen vielen und gelehrten 
Arbeiten in jebem Fache bes menfchlichen Willens wurden 14. durch die Preſſe 
verbreitet; am befannteften find darunter: Annales monasterii Cremifanensis, 
Salzburg 1677. — Bgl. Mabillon: Annal. Benedict. II, p. 242. Ziegelbaur, 
Hist. lit. Ord. S. Bened. II. 535. IV. 545, 667 u. 685. — Pez, Script. Austr. 
1. 51. — Hist. Univers. Salzburg 116. 424. H.K. 

Reiti (Raphanus), Gattung einfähriger Pflanzen, aus ber natürlichen Fa⸗ 
milie der Arciferen, mit fleifhigen Wurzeln u. Iimienförmigen Blättern; die Bluͤ⸗ 
thentrauben find weiß oder blaßroth, Die Frucht iſt walzenförmig, aufgettieben. 
Der Garten⸗R. (R. sativus), wird 2—A Fuß Hoch, blüht lilafarbig u. wird in 
Europa feit alten Zeiten als Wurzelgewaͤchs gebaut. Abarten deſſelben find: das 
Radieschen oder der Monats: R. u. der gemeine R. (R. sativus communis). Als 
Barictäten bes legteren werben ceultivirt: ber weiße lange Waſſer⸗ oder Glas⸗R., 
befonders in Belgien, ber weiße runde R., der fchwarze lange R. u. der fchwarze 
rundliche R.; dieſer, die gefhähtefte Art, von vorzüglicher Größe u, Güte bei Er⸗ 
furt. Ein gefährlicher Feind bes R.s iſt der Slanzfäfer. Die zur Speife be 
flimmten R.e werden am beften in Gruben aufbewahrt. Speife- und Sommers 
Ren muß man beim Abfchneiden der Blätter das Herzblatt lafien. Die Ehinefen 
u. Sapanefen bauen den R. nur als Oelfrucht u. prefien aus 100 Pfund Samen 
über 50 Pfund Del, Es verbrennt ſchnell mit vielem Rau, den die Chinefen 
zur Berfertigung ihrer Tufche benuͤtzen. Auch in Italien iſt die Delrettigkultur 
er gefunden worden. Der R. befigt auflöfende, reizende u. Barntreibende 

genfchaften. 

Rettungsanflalten werben alle folche öffentlichen Anftalten genannt, durch 
welche Gefahren abgewendet u. Menfchenleben gerettet werben koͤnnen. Sie find 
vorzüglich nöthig bei Feuersgefahr (Vergleiche den Artikel Keuerpolizet), fer 
ner bei Waflergefahr, befonderd an Orten, bie Häufig ben Ueberſchwemmungen 
ausgefegt find, aber auch zum Schutze der zu Schiffe Kafrenben. In biefer Hin⸗ 
fit gehören zu den öffentlichen R., welche der Staat treffen kann, Leuchtthürme, 
Strandwädhter, Rettungsboote ıc. Wegen ber Scheintodten forgt der Staat für 
Anlegung von Leihenhäufern (|. d.). — Auch in moralifcher Hinfiht werden 
jegt überall von den Regierungen R. zur Erziehung verwahrloster Kinder, ſowie 
junger Leute beiderlei Geſchlechts bis zu 18 Jahren eingerichtet. In England 
führte die erfien Robert Young 1788, in Deutfchland Johann Falk 1813 ein. 
Auch Hat man in neuerer Zeit R. für das Unterfommen folcher, die aus Straf: 
anftalten entlaffen werben u. wegen ber Ehrlofigfeit, in die fie verfallen Kuh, u 
neuen Berbrechen getrieben werben, 


792 Reg — Reuchlin. 


Retz, Jean François Paul de Gondi, Cardinal, geboren 1614 zu 
Montmirail, mußte gegen feinen Willen in den geiſtlichen Stand treten u. ward, 
ausgezeichnet durch theologiiche Kenntniffe u. „heebigertalent, 1643 Coadjutor fei- 
nes Oheims, des Erzbifhofs von Paris. Sein Betragen verriet jedoch ben 
Geiftlichen keineswegs: Duelle, Liebesintriguen, vor Allem politifche Umtriebe bes 
(häftigten ihm faft ausfchließlich, fo daß er nach Voltaire ſchon im 23. Jahre bie 
Seele einer Verſchwoͤrung gegen NRichelieu war. Den größten Einfluß übte er 
unter Mazarin, als er fie zum Mittelpunfte aller ber Parteiumtriebe machte, 
welche zu dem Kriege ber Fronde führten. Damals vermochte er die Parifer am 
Tage ber Barriladen die Waffen zu ergreifen, und war einige Zeit der Gatilina 
bes Aufruhrs. Endlich kaufte ihm der Hof einen Carbinalshut (1651), woburd 
er feine Popularität verlor u. zu einer untergeorbneten Rolle herabfanf. Die Ins 
trigue war ihm jedoch Bebürfniß, fo daß ihn Mazarin, der ihn haßte u. fuͤrch⸗ 
tete, nach Bincennes bringen laffen mußte. Er entfam nad) Spanien , bereiste 
Stalin, Holland, England u. ſchloß bei Mazarin's Tode feinen Frieden mit bem 
Hofe (1661), indem er auf das Erzbistum von Paris verzichtete. Bon jegt an 
lebte er fo eingefchräntt, daß es ihm gelang, feine Schulden, 5 Millionen Livres, 
zu bezahlen. Er flarb 1679 zu Paris. Ein fühner, unruhiger Intriguant, def: 
jen Plane eher romantifch, als ſtaatsmaͤnniſch waren u. mit mehr Schlaußeit, als 
Geſchicklichkeit geleitet wurden, paßte er ganz zu feiner Rolle in der tragiſchen 
Komödie der Fronde. Seine Memoiren find leſenswerth, ba fie ziemlich unpars 
teiifch , ohne eigene oder Anderr Schonung und fehr lebendig gefchrieben find. 
Andere Schriften von ihm find vergeflen. 

Retzſſch, Moritz, talentvoller Maler u. Zeichner, geboren 1779 zu Dress 
ben, wo ihn Graſſi bildete, 1824 Profefior an der Kunftafademie daſelbſt. Aus: 

ezeichnet Durch reiche Grfndung, Dhantafe u. anmuthige u, gemüthvolle Auffals 
ung , fanden befonders feine Umrifie zu Goͤthe's Fauft (1812), zu Schiller's 
„Bang nad dem Eifenhammer“, dem Kampf mit dem Drachen“ zu „PBegalus 
im Joche“ u. dem „Lied von ber Glocke“ vielen Beifall, nicht minder feine 
„Shatespeare’s » Galerien,” die „Darftelungen des menfchlichen Lebens“ unb ber 
„Schachſpieler.“ 

Reuchlin, Johann, der berühmte Humaniſt (Capnio fein graͤcifirter Name), 
war zu Pforzheim geboren von wohlhabenden Bürgersleuten 1455. Seine früßs 
zeitige Liebe zur Mufif brachte den Knaben in die Hoffapelle des Markgrafen 
von Baden; ebenfo erhielt er auch Unterricht mit dem jungen Markgrafen und 
durfte demfelben nach Paris folgen, wo er Gelegenheit fand, in den Kuͤnſten u. 
Wiſſenſchaften ſich noch gründlicher zu belehren. Bon einem geborenen Sparta⸗ 
ner, Georg Hieronymus, erlernte er das Griechiſche u. konnte den Ariftoteles in 
der Beim de leſen. 20 Jahre alt, kehrte er in das Barerland zurüd, erwarb ſich 
in Bafel die Magifterwürbe und lehrte Hier die nriechifche u. lateiniſche Sprache, 
Um biefelbe Zeit langte der gelehrte Johann Weſſel aus Groningen in Bajel 
an und ermunterte ihn um jo mehr zur weiteren Erforſchung bes griechifchen 
Spradftudiums,, da Cardinal Nikolaus Eufa eine koſtbare Sammlung —8 
Codices zum Behufe der Kirchenverſammlung hieher gebracht hatte. Von Baſel 
reiste R. nad) Orleans, um bie Rechte, zu ſtudiren, unterrichtete fleißig in ber 
lateiniſchen Sprache und erwarb fich ein forgenfreies Ausfommen. Zu Poitier's 
ließ er ſich zum Licentiaten ber Nechte ernennen, ging nach Deutichland zurüd 
und nahm in Tübingen feinen Wohnfts. Als der Herzog Eberhard im Bart 
von Württemberg eine Reife nad Rom beabfichtigte, Hatte R. die Auszeichnung, 
als Rath die Begleitung dahin zu machen. In Ylorenz lernte er bie Gelehrten 
Marfilius Ficinus u. Angelus Politianus perfönlich kennen und erforfchte die lit. 
Schaͤtze ber Bibliothel. Nach feiner Zurüdkunft warb er 1492 mit ehrenvoller 
Sendung an den Kaiſer Friedrich IL betraut, gnädig aufgenommen u. zum Pfalz 
arafen und kaiſerlichen Rathe ernannt, auch mit feiner ganzen Bamilie in den 
Melftand erhoben. Als tofbared Brihent warth ihm übergeben ein fehr alter, 


Reuchlin. 793 


auf Pergament geſchriebener Coder ber hebraͤiſchen Bibel, deſſen Werth auf mehr 
al8 300 Goldgulden geihägt ward, Noch befinbet ſich derſelbe in ber De 
bliothek zu Karlsruhe, wohin er aus ber ehemaligen fürfllich Durlach'ſchen Biblio: 
thef gelangte. Nach der Flucht Eberhard's des Jüngern aus bem Lande, begab 
R. zu feiner größeren Sicherheit ſich an den Furpfälzifchen Hof u. benügte eifrig 
bie reichhaltige Bücherfammlung des damaligen Bifchofs von Worms, Dalberg, u. 
pflog Höchft fruchtbaren Umgang mit Pleininger, Rudolph Agricola u. Bigilius. 
on Dalberg mit einer vertrauliden Miſſion an ben Bapft beauftragt, blieb er 
in Rom ein ganzes Jahr lange u. nahm bei dem gelehrten Juden Abdias gründlichen 
Unterricht im Hebräifchen, mußte aber für jede einzelne Stunde einen Goldgulben 
Honorar entrichten. Um nach bee Ruͤckkehr in bie beutfche Heimath ungehörter 
ben wiſſenſchaftlichen Forſchungen fich zu widmen, verließ er ben Turpfälziichen 
ge u. zog fich nad Stuttgart zurüd, Aus gleicher Urſache nahm er nur kurze 
eit das Amt eined Bunbdesrichters bei dem ſchwaͤbiſchen Bunde an und vollzog 
nur ungerne eine Sendung zu Kaiſer Maximilian nach Inſpruck. Berbittert 
wurde ihm das Leben durch ben heftigen Kölner Streit mit ben Mönchen, Bers 
borgerufen von Johann Pfefferkorn, einen getauften Juden. Diefer flellte an ben 
Laifer Marimilian das Anfinnen, er möge den Befehl ergehen lafien, außer ber 
hebräifchen Bibel alle anderen jüdifchen Bücher ben Flammen zu übergeben. Mit dies 
ſem Befehle reiste Pfefferlorn im Lande umher, befonderd in der Rheingegend, 
u. forderte die Obrigfeiten zum Bollzuge auf, Die Einladung an R., zu gleis 
chem Zwede mit ihm umberzureifen, warb von biefem abgelehnt unter dem Vor⸗ 
geben, er Babe andere dringlichere Geſchaͤfte zu beforgen und in dem ausgeftellten 
Mandate dürfte Manches noch verfchiebener Deutung unterliegen. Die Juden 
verwahrten fidy indeß hurch ein Bittgefuch an dem kaiſerlichen Hof, «3 möchten 
ihnen ine Bücher nur fo lange noch belafien werben , bis ſachkundige Männer 
nach reiflicher Ueberlegung entfchieben Hätten, ob es ber chriftlichen Religion nüßs 
lich ſeyn Tönne, alle Bücher ber Juden, mit Ausnahme ber hedrätichen Bibel, zu 
verbrennen. R. ertheilte Hierauf ben Beſcheid: es möüfle ein großer Unterfchieb 
unter ben Büchern ber Juben gemacht werden; einige könne man gar wohl bes 
halten, andere dagegen, bie beſonders wieber bie Berfon Chriſti u. feine Religion Laͤ⸗ 
flerungen und Berbächtigungen ſich erlaubten, feien ohne Bebenten bem euer 
preißzugeben. Mit treffender Beweisführung fuchte R. in einer befondern Schrift 
den Kaiſer zu überzeugen, baß viele hebräifche Werke, ftatt bem Chriſtenthume ges 
fährlich zu werben, gar fehr dazu Deiteagen würden, ben wahren Glauben 
zu begründen u, zu verberrlichen; baß alle Angriffe, welche aus biefen Schriften 
gegen bie chriſtliche Religion hergeleitet werben fünnten, leicht zu widerlegen ſeien, 
ja, daß im Gegentheil die P’rbrennung bdiefer Bücher von Feinden bes chriftlichen 
Glaubens zum Vorwand gebraucht werben könne, man fürchte fi vor ifnen u. 
wolle verbrennen, was man nicht - zu widerlegen im Stanbe fe. Zehn Jahre 
dauerte der heftigfte Keberfrieg mit ben Theologen zu Köln, Löwen, Mainz; e8 
fam die Sache vor den NRichterfiuhl nach Rom; Kaifer Warimilian verwendete 
& für R. u. der Biſchof von Speier, vom roͤmiſchen Stuhle als Schiebsrichter 
gewählt, entfchieb zu Rs Gunften. Die Gegner mußten außerdem bie Koften bes 
Streites tragen. Allein der aus biefem Kampfe flegreich Hervorgegangene Mann 
enoß die Ruhe, beren er fo feßr bedurfte, nicht lange. Der Krieg bes ſchwaͤbi⸗ 
—* Bundes wider Ulrich von Württemberg ſetzte ihn großer Gefahr aus. Nur 
noch zur guten Stunde erfhienen bei der Einnafme Stuttgarts Ulrich von Huts 
ten u. Franz von Sidingen als feine Schirmer. Als aber Herzog Uli Stutt⸗ 
gart bald wieder eroberte, mußte er den vom Feinde erhaltenen Schug auf bas 
empfinblichfte büßen u. entzog ſich nur durch bie ſchleunigſte Flucht der Verfolgung. 
erzog Wilhelm von Bayern berief ihn nad Ingolftabt und vor mehr als 300 
ubörern lehrte er griechiſche u. roͤmiſche Sprache. 1522 brach Hier bie P 
aus, R. 308 fich in fein Baterland zuräd, wo die Ruhe ziemlich wicher Es 
war. An der Hochfchule in Tübingen begann ex über Deaakhened %. BriRr& 


794 Reukauf — Neus. 


Vorleſungen zu halten, ſtarb aber noch in demſelben Jahre an der Gelbſucht den 
30. Juli 1522 zu Stuttgart, wohin er ſich kurz vor feinem Ableben Hatte zurüd: 
tragen laffen. Ein Theil feiner koſtbaren Bibliothef kam nad Pforzheim, ein 
anderer nad Karlsruhe, der größte Theil ging leider in ben Kriegsſtürmen zu 
Grunde. Die Zeitgenofien priefen ihn als den Phönir ihres Jahrhunderts, ale 
den Ruhm ihres Baterlandes u. als den Lehrer ihres Bolfed u. bemimbderten an 
ihm als eine feltene Gabe des Glückes, daß er ein eben fo großer Geſchäfts⸗ und 
Etaatsmann, als Gelehrter u. Echriftfteller fe“. Eeine Edhrifen: Dietionarium 
hebr. et in hebr. grammaticam commentarii. Bafel 1737, fol. De arte praedi- 
candi, Bajel 1540. Speculum oculare, eine Vertheidigung gegen Pfefferkorns 
speculum manuale; De verbo mirifico, Venedig 1486. De arte cabbalistica libri 
3, 1517. Progymnasmata 1498. Psalmi poenitentisles ex hebr. vers. et commen- 
tar. 1512. Linguae hebr. rudimenta 1506 u. mehre andere Kleinere Schriften über 
bie hebräifche Sprache. Ueberfehungen aus dem Griechiſchen: 3. ®. Xenoph. 
Apol. pro Socrat. Luciani dialogi. Athanasii liber de variis quaestionibus — 
Constantini vita. Hoͤchſt wahrfcheinlich nahm er auch Theil an den epistol. viror. 
obseur. (f. bd.). Sein Leben:befchrieb in älterer Zeit Mai; die neuere Biographie 
it von Mayerhoff, Joh. R. u. feine Zeit, mit Vorrede von Rennder, mit R.E 
Bildnis u. Wappen, Berlin 1830. Cm. 

Reukauf, Neugeld oder Reuvertrag, nennt man die Bergütung, welde 
der Käufer ober Verkäufer einer Waare bem andern Theile zahlt, wenn er den 
Kauf wegzongig macht, was jedoch nur dann rechtlich verlangt werden kann, 
wenn es beim Abſchluſſe des Kaufes feſtgeſtellt worden iſt, denn außerdem kann 
der verletzte Theil nur auf die Erfuͤllung des Handels klagen. Bei Geſchaͤften 
auf Lieferung wird eine ſolche Verguͤtung haͤufig feſtgeſetzt, Kir den Full, daß ber 
eine oder ber andere Theil ben behandelten Gegenftand zur feftgefeßten Zeit nicht 
licheen ober nicht annehmen follte, u. fie heißt dann Brämie, 

Neum, Johann Adam, geboren 1780 zu Altenbreitungen im AReiningen- 
hen, ftudirte Anfangs Tbeologie und Philoſophie, fpäter Mathematif und Bo- 
tanif, ward Lehrer an ber Eotta’fchen Forftlehranftalt zu Zillbach u. widmete fidh 
feitbem auch dem Forftmefen und der Volkswirthſchaft. 111 ging er mit Gotta 
nad Tharand und wurde 1816 Profeſſor der Mathematif und Botanif, wo a 
fich befonders durch Anlegung und Pflege des botanifchen Gartens verdient machte 
und 1839 ſtarb. Man hat von ihm: Grunbriß der deutſchen Korftbotanif, 
Dresd. 1814—19, 2 Thle. 3. Aufl. als: Korfibotanif, ebd. 1837: Grundlehren 
ber Maihemutif für angehende Korftmänner, ebd. 1823 f., 2 Bde.; Weberficht ber 
Senügung der Walbprobufte, ebd. 1827; Weberficht des Forſtweſens, chd, 1828; 
Defonomifche Botanik, ehd. 1833; Pflanzenphyſiologie, ebd. 1835. 

Reumont, Alfred, geboren 1808 zu Aachen, 1829 Seeretär bes preufi: 
ſchen Befandten von Martens in Florenz, den er 1832 nah Konftantinopel be: 
gleitete , nach einem Beſuche in Deutfchland (1835) abermals der Gelandtichaft 
in Florenz zugetheilt, feit 1842 geheimer Legationsrath, verfaßte mehre Werke 
uͤber italieniſche Geſchichte, Statiſtik und Kunſtgeſchichte. Darunter namentlich: 
Verſuche über das italieniſche Luſtſpiel, Aachen 1830; Reiſeſchilderungen, Stuttg. 
1835 ; Beitrag zum Leben Buonarotti's, ebb. 1834; Andrea del Sarto, Leipzig 
1835 ; Rheinlandsfagen, Aachen 1837; Tavole chronologiche, Flor. 1840. Auch 
joN er Verfaſſer der „Römifchen Briefe,“ Lpz. 1840, feyn. 

Reunion, |. Bourbon, 

Amnionslammern, f. Ludwig XIV. Bdb. IV. ©. 884. 

Reus, Stadt in der Vegeria be Tarragona ber fpanifhen Proviuz Cata- 
Ionien, iſt fchön gebaut, vor 50 Jahren noch ein blofies Dorf, jetzt mit 14 
Klöftern, Hoſpital, Rathhaus, 2 Armenhäufern, Theater, ausgebreiteten Fabriken 
in Seidenband (550 Stühle), Halbzeug (200 Stühle), Flache, Hanf, gemirkten 
Schnüren, Seibenwaaren, Kattun (40 Stähle), Baumwollenwaaren (gegen 400 

Stile), Rarten, Seife, Leder, Dei, Brammiacn, Selhenfächerei u. v. a., treibt 


x 


Reg. _ 795 


ogebreitet idel mit Wein, Branntwein Papier, 
ir Se de Hafen Salou, "die — J 
al 


Neuß, ein fouveräner, aus 4 Heinen beftchenber Staat in 
aan, pwiſchen Bayern, bem fächfifchen Anne und'den ſãchſiſchen 
erzogthuͤmern, größtentheils im A ae Der noͤrdliche Fleinere 
il (Gera) wird von Preußen, Weimar und kenbirg umgeben, Im fübs 
lichen Theile wie. A —* —— Buß, der Kulmberg, 2300 Fuß, 
der Berchenhügel, 2 ee ie bie Saale mit der Sormig und die 
weiße Eifter, Der Bon Si Ohm gebirgig u. unergiebig, im Norben hügelig 
und fruchtbar. Sämmtliche reußifhe Länder umfaſſen einen Flaͤchenraum 
beinahe 28 [JMeilen mit 110,000: Einwohnern, bie, bis auf wenige Herrn 
Ebersborf) u. Auben, Tutherifep find. Das’ Yant ift ftarf bewaldet, mit 
ielen üppigen Wiefen, daher bedeutende en Getreide, Hopfen, Fuge 
werben ntngtich gebaut. Das Mineralreich iefert Salz, Aaun, Bitriol, be 
ſonders Eifen, befien Verarbeitung, neben der Wollen- Baummwollen- und Damaft- 
weberei, ber Haupterwerbözweig iſt. Wichtig find außerdem die Habrifation von 
erge, Tuch, Wolle, Atlas, Strümpfen, Bayence, Färbereien ıc bedeutendſte 
jabrif- und Handeisort iſt Gera. "Baumwo ileñmanufalturen nen be 
| ers Hirfchberg, Eber&dorf, „goreneuben, Sur Gera, —— 9 
Greiz und Zeulenrode aus. Der ſche Staat gerfällt: u —— das Gebiet der 


u. 
m 


— 7 20 u 207 Den 


Altern Linie, (Greiz) ; 2) in das Gebiet der fin; fich wieder theilt 
in R.Schleiz, von ber die zu Köftrig eine Neben⸗ ine AR Hikihahan abe, 
dorf; 3) in. das Fürftenthum Gera, ar um. ber füngern Linie 
männliche Perfonen der Regentenfamilie R mn dem * 


den Ramen Heinrich. Seit‘ 1668 unterſcheiden ſich durch 
im jeder Hauptlinie beſonders; während aber mit jedem 
1 angefangen wurde, ſoll ſeit 1804 in der a 
fortgenäht werben. Die Theilung in die ältere und jüngere Linie —— von 
einem Vertrage 1674. Obgleich jede Linie ihre Befigungen beſonders verwaltet, 
fo find fie doch alle durch Familienverträge verbunden und allgemeine‘ Angelegen- 
heiten werben gemeinfam berathen, wobei der am Jahren ältefte Regievende ben 
Borfig führt mit bem Titel: „des ganzen Stammes älteft Regierender.“ Die Fürften 
haben feine Eivillifte,, fondern beziehen ihre Einkünfte aus ben Domänen, Die 
Landflände waren bisbaher nur berathend u. beftehen aus ben Befigern ber Rittergüter 
und ben beiden erſten Mit, — der Stabträthe zu Gera, Schleiz, Lobenſtein 
Tanna und Saalburg. Jede Linie Hat ihre eigenen Landſtaͤnde und zwar befipt 
die jüngere Linie eine Gefammts Ritters und Landichaft, bie aber außer Gebr: 
gglommen it, und Spedals Ritters und Landſchaften für jeden Lanbestheil. 
ie hoͤchſte Inftanz in Sflyfacgen für GefammtsR. bildet das Oberappellations⸗ 
gericht zu Jena. R. theilte mit Hohenzollern, Lippe, Liechtenſtein und Walde 
Die 16. Stelle im engern Rathe der Bundesverfammlung ; im Plenum hatte jebe 
Linie eine Stimme. Zum 11. Armeecorps ſtellt R. 5 Mann; 223 bie ältere 
Linie, 522 bie jüngere. Die Lanbesfarben find ſchwarz, roth, ER Die feit der 
Münzconvention 1841 übliche Rechnungsmümze find Thaler zu 90 Sithergeofihen, 
a 5 fenning, im 14 Thalerfuß. — Das Fürftentfum N. + @reiz, gegen 
eilen mit 33,100 Einwohnern, nimmt ben Often des füdlichen Shcte an 
36 — aus ben Herrſchaften Greiz u. Burgk. Fürft: Fl intih XX. Eins 
fünfte 58,000 Täler. Das Fürfientfum R.:Schleiz, 6 [J Meilen und 21,000 * 
Einwohner, Eon 36,000 Thlr. Einfünfte. Fürft: Heinrich LXIL Das Fürftenthum 
R.-Loben einEberaborf, 7,95 [J Meiten mit 21,550 Einwohnern ; Einkünfte 
32,000 The. Bürft: Heinrich LXXIL. Das Fürftenthum Gera, * * ale 
Satan, Tas IM. mit 33,500 Einwohnern, hat 45,000 Thir. Gi | 
e R. wurbe ehemals von wendiſchen Stämmen hemaknt Ra 
ra Be durch Heinrich L wurden Taijerliche Grafen 


796 Reutlingen. 


welche allmälig eine eigene Macht ſich gründeten. ch ber Reihe, um 1200, 
führte zuerft den Titel Boigt von Weida, erwarb das ganze Boigtland und bie 
erblide Würde eines Reichsvoigts, auch beftimmte er, daß feine NRachkommen 
ben Namen Heinrich annehmen follten. Seine 3 Söhne gründeten die 3 Linien 
ber Voigte zu Weida, ‘Plauen und Gera, beren Beligungen fehr ausgebehnt 
waren, duch Berfauf aber und unglüdliche Fehden nachmals dedeutend geichmälert 
wurden. Die Linie Weida flarb 1532, die Linie Gera 1550 aus und bas Land 
ber letztern fam an ben reußifchen Burggrafen von Meißen. Heinrich der Fromme, 
aus der Linie Plauen, geflorben 1302, —*— von ſeiner Gemahlin, einer boͤhmiſchen 
Fuͤrſtin, einen Sohn, Heinrich bee Böhme; von feiner zweiten G lin, einer 
ruffiſchen Pringeffin, einen Sohn, Heinrich der Ruſſe oder Reuß, von dem bieler 
Beiname auf Familie und Land übergegangen if. Heinrich ber Böhme wurde 
ber Stifter der Altern plauen’fchen Linie; feine Söhne erwarben das Burggrafen⸗ 
thum au Meißen. Mit Heinrich VIL erloſch diefe Linie, 1572. Die jünger 
plauen’fche Linie wurbe von Heinrich dem Reußen geftiftet ; fie theilte fich 1564 
wieder in 3 Linien, 1) bie ältere Linie R. von Blauen auf Unter⸗Greiz; nad 
bem Anfalle der Beftgungen ber mittlern plauen’fchen Linie nannte fi) R.⸗Greiz, 
und theilte fi 1625 in das Specialhaus Untergrei und Spedalhaus Ober 
1671 nahmen fämmtliche Herren Reußen von Plauen ben Grafentitel an. Rah 
bem Erlöfchen von Untergreiz 1768 wurbe dieß Land mit Obergreiz vereinigt. 
Heinrich XI. wurbe 1778 mit feinem genen aufe in den Reichsfuͤrſtenſtand er- 
hoben. Der jegt regierende Kürft Heinrich XX. folgte feinem Bruder, Heinrich XIX, 
1836. Hinterläßt er feine männliche Erben, fo fällt Greiz an bie jüngere Linie. 
2) Die mittlere Linie R. von Blauen auf Obergreis farb 1616 aus. 3) Die 
jüngere Linie R. von Plauen zu Gera; fie fpaltete ſich 1647 wieder in 3 Linien: 
a) jüngere Linie des gera’fchen Haufes, ausgeftorben mit dem Grafen Heinrich XXX. 
von Gera, 1802; feitbem wird Gera von den folgenden Linien gemeinichaftlich 
regiert. b) Linie R. s Schleiz, 1807 in den fouverainen Yürftenfland erhoben. 
Rah dem Tode des jetzt regierenden kinderloſen Fürſten, Heinrich LXI., fällt bie 
Regierung an feinen Bruder, Heinrich LXVII. NRebenlinie ift R.Schleiz- Köftrik 
in 3 Zweigen, 2 fürftlichen und 1 gräflichen. c) Xobenftein, das fi 1711 im 
Lobenftein und Gbersdorf trennte, 1824 aber durch das Erlöfchen des Specials 
hauſes Kobenftein wieder vereinigt wurde. 1806 wurbe Heinrich LI von Eher 
dorf fouverainer Fuͤrſt. Der jebt regierende, Heinrich LXXIL, if unvermäßlt und 
fo feinen die reußifchen Länder in nicht zu ferner Zeit ſaͤmmtliche unter einem 
Haupte vereinigt zu werben. 

Reutlingen, ehemalige Reichsſtadt, jezt Hauptſtadt des württembergifchen 
Schwarzwaldkreiſes und Sig ber Rreiereglerumg, und Finanzfammer, an dem 
Flüßchen Echatz und dem Fuße ber ſchwäbiſchen Alp, welche Bier in bie fegels 
fürmige Ach alm (ſ. d.) ausläuft, in einer reizenden, obſt⸗ und weinreichen Ges 
gend, ift freundlich gebaut und Hat bei 14,000 Einwohner, welche lebhafte In⸗ 
duftrie in Gerberei, Haubenftiderei, Bleicherei, Türkifchrothfärberei, Spitzenkloͤp⸗ 
pelei, Papier = und Leimfabrifation u. f. w. betreiben. An die Stelle des früßer 
fo berüchtigten, ſeit 1837 aber ganz befeitigten, Nachbrudes iſt jegt ein foliber 
Buchhandel getreten, ber nicht unbedeutende Berlagsgefchäfte macht. Die Stadt 
hat drei proteftantifche u. eine katholiſche Kirche; unter erfleren zeichnet fich bie 
herrliche, im Innern durchaus reflaurirte, gothifhe Marienkirche mit einem mehr 
ale 300 Fuß Hohen Thurme aus. Man findet Hier ferner ein Lyceum, Real 
ſchule, ein befuchtes Schwefelbad, Hofpital, Waiſenhaus u. mehre reiche Stift 
ungen. In der Umgegend bie berühmte Nebelhöhle, die alle Jahre am Pfingſt⸗ 
montane beleuchtet wird; das durch feine fogenannten Spitzenkraͤmer, welche mit 
ihren Waaren ganz Europa durchziehen, befannte Dorf Ehningen mit 6000 Eins 
wohnern, das größte in Württemberg, und Gönningen, befin Samenhänbler 
ebenfalls bis nad; Rußland Geſchaͤfte machen. — R. wurbe 1240 mit Mauern 

umgeben und zur Reichsſtadt enammi, Die Uimwater trltın an ben ſchwaͤbi⸗ 


Renvend — Reval, _ 797 
l 


fen Katfern und fich 15 deren ', befonders 
! Heinrich VIL., ber die Stab it N 1 Alten { 
(376 Beate und Teferten Ihm ar Ina mu Ge agalm. Auch 1999 waren * 


\ 
bei Weil Sieger. R. ſelt bem 9. 1305 ein Aſylrecht eiwil 
—— und ns it, Keine Juden a a s 

/ ter. in den ſchwaͤbiſchen Bund; 1505 begab es ſich unter württembergifchen Schu 

' 4519 nahm Herzog Ulrich von Württemberg R, eim, doch vertrieb ber chwäbi 

| Städtebtmd den Herzog wieder; 1530 unterjcgrieb R. bie — — 

| Matthäus Alber, einer der erften württembergiſchen Reforimatoren, in ®, ein 

! Dentmal projektirt Äft, war in R; Prebiger. 1613 litt es durch Dei Bern- 

—— Armee viel. Durch den Reichsdeputationsteceß von 1803 vers 

\ NR. die Reichsfreiheit u. kam an ettemberg. B. A. 
Neuvend, Kafpar Jakob EHrifian, geboren 1793 im Fade 


Tehrte 1814 nach Amfterdam zurück und praftieirte tr sn ) 
Fan 1887 Su Moda. >> Were: Coletane It, een 16157 Ferien 
plastse van het Forum Hadriani op te Hosstede Ärenturg, Sa 1 

Vorwort zu der Bibliotheca Reuvensiana, Leyden 1838, a u ern 
finniſchen Meerbufen, em 1824 zum für bie Oftfeemarine und 
Ihwebifche, 1 efthnifche, A beutfche Kirchen, darunter die St, Olailirche mit 418 
mit der Refidenz des Gouverneurs, das Gommandantenhaus, das Ritterſchafto⸗ 
Gildehaus, das Haus der ſchwarzen Häupter, die Muße, der Brafhof, die Waage, 
Strafen, Der Hafen (Kriegs⸗ und Hanbelöhafen) if geräumig und ſichet. Die 


in 2eyden u. Paris, wohin er mit feinem Vater 1811 gejogen war, bie Du 
1815 Profeffor der claſſiſchen Literatur und Geſchichte 
wyt 1818 Profeſſor ber Archäologie zu Lenden, leitete fpäter Be Rating 
Koſien foi \ 
leyden 18° I 
animadversionum archaeolog. ad cippos punicos ant., ebd. 1822, 4,5 
Korte beschrijving en plan das rom. len ter n J 
5 
Lettres a M. Letronne sur les papyrus bilingues gro ci. du Munde i 
tiquites de l’universite de je, Leyden 4 
Nenvertrag, |. Reutauf. u 
ee 
zum Anferplage für die feonftäbtifche Kriegsflotte eingerichteten Hafen, dem ſich 
zugleich ein bequemer Hanbelshafen anfchließt, Hat 2000 Häufer, 5 ruffifche, 1 
Fuß hohem Thurme, Die Stadt zerfällt im zwei Theile, den Domberg und bie 
tiefer gelegene eigentliche Stadt, Auf jenem befinden ſich: ber Dom, das Schloß 
Haus, die Dom» und Ritterſchule und noch gegen 100, meift dem Abel angehörige, 
fteinerne Gebäude. Im der untern Stadt zeichnen fi aus: das Rathhaus, 
bie Kafernen, das Bankhaus, das — 0 das Theater ıc, Diejer 
Theil ift noch ziemlich alterthümlich gebaut, mit Gtebelhäufern, engen u. Frummen 
Beftungswerfe ber Stadt verfallen; dagegen wird der Hafen durch Batterien an 
ber Füfte und in der See gefchügt. De 24,000 Einwohner fabrickren Leder⸗ 


Strumpf » und Fayence-Waaren, Stärke, Glas, eig, Branntiwein u. |. w. und 
führen Getreide, Flache, Hanf, Leder, Holz, geiftige Getränfe u. f. w. aus, Der 
Salzhandel, welcher früher den Hauptzweig ber Einfuhr bildete, hat ſich vermin- 
dert durch die oncurreng des benachbarten Hafens von Narva, von wo jeht 
diefer Artikel über ben Peipusſee auf Dampfichiffen nad Dorpat u. Pleskow 
geführt wird, während diefe Orte es früher aus R. u, ben anderen Hälften Eſth⸗ 
lands bezogen. Doc) hat ſich die Einfuhr von Manufalturwaaren gemehrt. Man 
findet Hier auch ein fehr befuchtes Seebad. Das gefellige Leben in R. wird IF 
gertämt; die glänzendfte Periode ift die Badefaifon. In der Nähe das Faiferliche 

uſtſchloß Katharinenthal und zahlreiche elegante Landhäufer (Daten, Hoͤfchen) 
In geringer Entfernung vom Meere zieht fich gleichlaufend der Clint Ku, En AN 
abfallendes Kalffteinplateau, darauf ber Leuchtturm, Wer Nelearayt U Sr 
Zuderfteberei, — R. ift 1218 won dem damiſchen Künige® ı NE 

\ 


k 


798 Reveille — Revers. 


worden, kam fpäter an ben deutſchen Orbden, an Livland, wurde Hanſeſtadt, dann 
ſchwediſch u. zuletzt ſeit 1710 ruſſiſch. 

RNeveille, das Wecken, Aufwecken, gewöhnlich Tag⸗R. genannt, if 
das, bei Tagesanbruch, oder zu einer gewiſſen Stunde herkommliche Signal, wel⸗ 
ches den Tag verkündet und nach welchem der Dienſt bei Tage beginnt. In 
Feſtungen, Lagern und überhaupt in gefchloffenen Orten geht diefem Signale ges 
wöhnlih ein Kanonenſchuß voraus; eben biefes Hat auf Schiffen ftatt. Mit dicke 
Tags R. werden in ben Feſtungen gewöhnlich die Thore geöffnet, wenigftens if 
ber Ausgang aus benfelben erlaubt und in Lagern findet ein Gleiches flatt. Auf 
Märfchen wedt fie gleichfalls die Truppen zu dem, was benfelben bevor: 
Reh, Die R. oder ber Reveil, wie man auch gewöhnlich fagt, ift ber Gegenfag 
zu Retraite. 

Reventlow, ein altes, urfprünglich aus Dithmarfen abflammendes u. in Däne: 
marf, Schleswig u. Holftein weitverzweigtes gräfliches Gefchlecht, von deſſen Ange 
hörigen wir hier anführen: 1) Konrad, geboren 1644, onigu⸗ daͤniſcher Hofrath 
ſeit 1664, koͤniglicher Landrath in Holſtein 1670, wurde 1673 in ben Reichs⸗ 
grafenftand erhoben und wurde Stifter der älteren gräflicden Linie 1675 füßete 
er ſelbſt ein Regiment gegen die Schweden, wurbe 1679 erfler Kammerherr, 1680 
Oberjägermeifter, 1681 wirklicher geheimer Rath, 1699 Großfanzler u. Premier⸗ 
minifter u. farb 1708. — 2R., Graf Ehrifiian Detlev, Sohn des Borigen, 
geboren 1671, errichtete 1694 ein eigenes Infanterieregiment für den Kaifer, bas 
er in dem brabantifchen Kriege befehligte, führte 1702 als General die daͤniſchen 
Truppen in Italien, wurde k. k. Feldmarſchallieutenant und operixte mit eigenem 
Corps am Inn. 1705 commandirte er bie Kaiferlihen in Italien, wurbe aber 
bei Caſſano ſchwer verwundet unb mußte fich vor Bendome zurüdzichen, ber ihn 
bei Calcinara (lu ; 1709 nahm er als @eneralfeldgeugmeifter den Abſchied. 
Spiter wurde er Eöniglich daͤniſcher Premierminifter und leiftete als folcher gute 
Dienſte. Nach dem Tode Friedrichs IV. wurbe er aller feiner Bebienungen ent- 

laſſen und flarb 1738, nachdem er die Grafſchaft Ehriftionsfade und bie Baronie 
Brahetolleburg zu einem Majorate vereinigt Hatte. — 3) R., Bräfin Anna 
Sophie, Schwefter des Borigen, geboren 1693, 1713 zur Herzogin von Schles⸗ 
wig ernannt und Geliebte Friedrichs IV. von Dänemark, der fie 1721 Heirathete 
und al8 Königin von Dänemark frönen ließ. — Chef dieſer Linie if jetzt 4) R., 
Graf Chriſtian Detlev, Lebensgraf und Fideicommißinhaber von R. und 
Ehriftiansfade ꝛc., königlich dänifcher Kammerherr, geboren 1775. Die jüngere 
gräfliche (aber ältere Stamm») Linie fliftete 5) R., Henning von, geboren 
1640, geftorben 1705, defien Enfel Detlev 1757 in ben daͤniſchen Grafenftand 
erhoben wurbe. Chef diefer Linie if 6) Eugenius, Graf von R.sErimis 
nil, geboren 1798, koͤniglich bänifcher Geſandter am preußifchen Hofe. Der 
Zuname Criminil ift durch Adoption ber Grafen diefes Stammes entftanden, 

Aeverbere Heißt ein Metallipiegel, welcher Hinter Lampen angebradht wirb, 
um durch Neflerion der nach hinten gehenden Strahlen das Licht zu verflärfen; 
eine mit einem folchen Metallſpiegel verfehene Lampe R.stampe R.sDfen 
ein ſolcher, wobei die Flamme die Stoffe trifft. 

Reverberirofen ift eine Art Deftillicofen, beffen man ſich namentlich in den 
Hüttenwerfen bedient. Meber dem euer liegen eiferne Stangen, auf dieſen iR 
ein gewöhnlich rundes Behältniß von Kacheln errichtet, auf welches ein Dedel 
paßt; in das Behältniß wird ein Glas mit einem krummen Halfe eingefegt und 
entweder geradezu auf die Zlamme, oder in ein Sandbab geftellt; ber Frumme 
Hals geht durch einen Ausfchnitt, der Kalb in der Seitenwand, Halb im Dede 
angebracht iſt; durch biefe Einrichtung kann man einen Hohen Grad von Hite 
um bad Glas bewirfen. 

NRevers nennt man im Allgemeinen eine fehriftliche Verficherung, durch welche 
Jemand bie Uebernahme einer Berbindlichkeit für die Zufunft entweder unbebingt, 

oder wenn geroiffe Borausfegungn emtreien, ühernkemt, — Im Geſchaäfts⸗ 


}\ 





Neviſion — Rewbell: 790 


leben verfieht man gewöhnlich ein Dokument darunter, durch welches man bes 
kennt, daß man ben Beſitz einer Sache nur zum Scheine, nicht wirklich erworben 
habe, u. verfpricht, fie nach einer gewifien Zeit und unter gewiffen Bedingungen 
zurüdzugeben. Er kommt daher namentlich bei Scheintäufen und ähnlichen fins 
girten Geſchaͤften vor; 3. B. wenn Jemand einem Andern gegen Berpfändung 
einer Waare, ober eined andern Gegenſtandes, Geld auf eine gewiſſe Frift geliehen 
und fih, um nach Ablauf biefer Friſt und nicht gefchehener Ruͤckzahlung ſogleich 
in den Beflg der verpfändeten Sache fommen zu Tönnen, vom Schuldner eine 
Rechnung darüber Hat geben lafien, als ob er fie vom ihm erfauft Hätte, fo gibt 
der Darleiher dem Schulbner einen R., mit welchem er befennt, daß er die Sadhe 
bis zum Berfalltage ber Schuld nur als Unterpfand behalten und fie, wenn bie 
dahin die Rüdzahlung des Darlehens erfolgt, zurüdgeben will. — R., R.-Brief, 
heißt auch bie ſchriftliche Verſicherung, welche ein Yürft beim Regierungsantkitte 
oder bei Entgegennahme ber Huldigung über bie Aufrechtbaltung ber Rechte, 
Freiheiten und Beivilegien feiner Unterthanen ausftellt; fowie auch Die Berfichers 
ungsfcheine von Seiten einer Obrigkeit ge en eine andere, in Betreff ihrer 
Gerichtsbarkeit, Rechte u. |. w. — Endlich nennt man R. auf Münzen bie 
Wappenfeite, zum Unterfchiebe von Avers ober berienigen Seite, auf welche das 
Bildniß vom Muͤnzherrn, oder zuweilen nur eine Infchrift geprägt if. 

Kevifion, die nochmalige Ducchficht einer Sache, baher Reviſor oder Revi⸗ 
PA ein Framie, ber mit ber abermaligen Durchſicht von Alten, Rechnungen ıc. 

eaujtragt if. 

Revolution, Umwälzung, wird von allen größeren, ben gewöhnlichen Lauf 
ber Dinge unterbrecdenden ſrſchunerungen ebraucht, und man bezeichnet damit, 
in der phyſiſchen ſowohl, als in der politiſchen und moraliſchen Welt, ſolche Er⸗ 

einungen, welche auf gewaltſamem Wege durchgreifende Veraͤnderungen im 
thieriſchen Organismus, ſowie im fittlichen, politiſchen und gefellfchaftlichen Leben 
der Voͤlker und im Gebiete des denkenden Geiſtes hervorgerufen. Gewoͤhnlich 
aber — man mit R. — bie gewaltſame Umformung, bie mit maͤch⸗ 
tigen Erfchütterungen aller Verhaͤltniſſe begleitete Umwaͤlzung einer Staatsver⸗ 
faffung. Die R. unterfcheidet fich daher wefentlich von der Retormdi d.), welche 
ſtch als ein allmaͤhliches Umbilden, als ein ſucceſſtves fund gibt, waͤhrend 
erſtere in einer gewaltſamen Erplofion, in einem ſchnellen Umſtuͤrzen ber bioherigen 
Drdnung der Dinge beſteht. Eine R. kann eben fo gut vom Negenten, als vom 
Volke ausgehen, immer aber wird fie mit Nachteilen verbunden ſeyn, welche bie 
Hoffnungen ber Gegenwart und vielleicht bie mehrer Generationen duch Anarchie 
und Bürgerkrieg vereiteln, und die an fich gerechtefle R. verlegt fo viele Rechte, 
dag Moral und Klugheit nicht genug vor R.en warnen können. Laut der Gefchichte 
find indefien bei weiten die meiften R.en von ben Bölfern ausgegangen. — Bildlih 
fpriht man auch von einer fittlihen R., bie fo viel als Durchbruch einer ans 
deren Sinnesart if. — Unter wiſſenſchaftlicher R. verſteht man jene fchnelle 
Umwälzung ber vorhandenen Syſteme unb Begriff duch Männer, welche zu 
neuen, überrafchenden Entmwidelungen, fo wie z. B. Kant's Philoſophie, Gali⸗ 
Lei’8 Sonnenfuftem ıc. führten. 

Revolntionstribunal, hieß das, zur Zeit der franzöſiſchen Revolution vom 
11. März 1793 bis Anfangs Juli 1795 in Paris beftehende, außerordentliche 
Eriminalgericht, mit dem Zwede, Alle, bie als Gegner ber Revolution oder ale 
Anhänger bes Königehaufes galten, zu beftrafen. Mit Verachtung aller Rechtes 
formen, auf bie bloße Anfchuldigung bin, wurden bie Tobesurtfeile nicht blos 
über Einzelne, fondern über ganze aren auf einmal gefprochen und ſogleich 
mittelſt der Guillotine vollſtreckt. Als diefe zu wenig zu fördern fchien, erfann 
man Erſchießungen und Ertränfungen in Maſſe. Gleiche Blutgerichte beftanden 
in anderen Stähten Frankreichs u. endeten mit dem Sturze Robespierre’s u. 
der Bergpartei. 

Rewbel, Johann Baptift, geboren u Kolmar ATAS, wor RN Yneı 


gierungsabvofat, ward Deputirter für Kolmar und Schlettſtadt bei ber National 
verfammlung und 1791 Praͤſtdent berfelben. Nach ber Auflöfung ber Rational 
verfammlung warb er Generalbevollmächtigter bed “Departements Ober, Rhein 
und 1792 wählte ihn fein Departement zum Deputirten. Nach dem 9. Thermibor 
ward er Mitglied des Sicherheitsausichuffes und dann Präfldent des Convents. 
1795 trat er in den Wohlfahrtausſchuß, warb Mitglied des Rathes ber 500 u. 
am 10. Brumaire zum aRitgliede bes Direltoriums ernannt, in weldder Funktion 
ihm 1799 Sieyes folgte. Bon feinem Departement ward R. in den Rath ber 
Alten erwählt, doch erhoben fich vielfache Anklagen gegen ihn und er war im 
Begriffe, geriet zu werden, als ber 18. Brumaire die ganze Lage ber Dinge 
änderte, trat nun in den Privatſtand zurüd, lebte im Departement Ober 

und flarb 1810, oßne je wieder in öffentliche Thätigfeit zu kommen. 

Reynier, 1) Jean Louis Antoine, geboren 1762 zu Laufanne, war 
ſchon vortheilhaft durch Schriften über Agricultur befannt, als ihn Napoleon als 
böhern Berwaltungsbeamten in Aegypten, dann in Italien anfellte. Im Folge 
ber Exeigniffe von 1814 ging er nach Lauſanne zurüd, wo er 1824 flarb. Bon 
ihm bie Tenntnißreichen Werfe: „L’ Egypte sous le domination des Romains“ 
(1807.) „Economie publique et rurale des Egyptiens et des Carthaginois“ 
(1823). „Des Celtes, des Germains“ etc. (1817). „Des Arabes et des Juifs“ 
(1830). — 9 R. Jean Louis Ebenezer, Graf, Bruder bed Borigen, ge 
boren 1771, trat, tüchtig vorgebildet, in das Revolutionsheer, focht 1792 als 
StabBoffizier in Belgien, warb während ber Eroberung Hollande 1794 Brigade 
General, diente als Chef des Stab unter Moreau und zeichnete ſich namentlich 
beim Rüdzuge 1796 aus. Im Jahre 1798 kämpfte er in Aegypten bei ben Pyra⸗ 
miden, in Syrien, wo er einige Zeit vor Acre befehligte, warf bie Janitſcharen 
bei Heliopolis, perieth aber mit Menou in Zwift und mußte nad Frankreich 
zurüdfehren. Hier fam er durch die Schrift: „De 1’ Egypte apres la bataille 
d’ Heliopolis* (1802) mit dem General D’Eftaing in Streit, töbtete ihn im 
Zweifampfe u, warb aus Paris, wo ihn Rapoleon wegen feines Republifanismnd 
nicht gerne fah, verwieſen. Im Jahre 1805 fam er zum Heere in Italien, erlitt 
jeboch 1806 durch ben englifhen General Stewart eine Riederlage bei Maiba. 
Bei Wagram befehligte er mit Glanz die ans wohnte dem ruffifchen Yeld- 
zuge bei und geriet bei Leipzig in Gefangenfchaft. Ausgewechfelt, flach er 1814 
% Paris. Er war Außerft tapfer, durchaus gerad und rechtlich u. eiferte feinem 

ruder buch Schriften, wie: „Conjectures sur les anciens habitans de l’Egypte“ 
(1804), „Sur les Sphynx“ (1805) mit Erfolg nad, Intereffante „Memoires 
sur l’ Egypte‘ erſchienen von ihm in Paris 1827. 

Rhabarber, (Radix Rharbarbari seu Rhei) ein allbefanntes Arzneimittel, ift 
die Wurzel von einigen Pflanzenarten, die in Aften einheimifch find. Im Handel 
fommen von Aften Her verfchiebene Sorten von R. vorz übrigens wird eine 
Rs Pflanze in Europa für ben mebizinifchen Gebrauch kultivirt, Die aber von ge: 
ringerer Güte tft u. im Gegenfage zu der Achten aftatifchen Eorte, falſche o 
europäifhe R. genannt wird. Unter den Achten R.-Sorten find nachbenannte 
wichtig: 1) die weiße ober feinfte gefhälte ruffifhe R., (Radix Rhei 
albi seu imperialis); fie fommt von Rheum leucorrhizon Pallas, welde 
an Reinigen Plägen der Gebirge Dolenfara, Tefingirtan und in ber Rahe ber 
Fluͤſſe Dſcharburgan und Kurtfelunn wächst und eine, ganz gegen bie Art ber 
übrigen Sorte Aftige Wurzel Hat. — Lebebour behauptet, daß biefe Sorte für den 
kaiſerlichen Hof in Petersburg gefammelt werde. 2) Die moscowitifche, ſibi— 
riſche ober feine R. (Rad. Rhei moscovitici) fommt von der handförmigen 
R. (Rheum palmatum L.), fie wächst in ben nörblichen Provinzen von China. 
3) Die bulgarifche R. (Rad. Rhe vulgaris) fommt von ber wellenförmigen 
R. (Rheum undulatum L.). 4) Die dinefifhe R. (Radix Rhei chinensis) 
Rammt von ber füdlichen ober nepal'ſchen R. (Rheum australe) welche in 
der Tatarei, auf dem Himalaya⸗Gebrege ir. wührt. — Ben ben europäͤiſchen 


Rhabdomautie — Rhadamauthys. 801 


rien find jene bemerlenswerth, welche in England, dann in Frankreich und 
Fre gebaut werbertz fie dürfen ‚aber, nicht als Erſahmittel der Achten R;- 
Sorte dienen und werben —— nur noch in ber Thierheillunde und Faͤr⸗ 
berei benügt. Die R 3:4 find von verſchiedenen Ehemifern uns 
terfucht worden; als Refultate die Unterfui en ergab ſich vorzugsweiſe ein 
eigenthümlicher ———— das — Gerbftoff, oxalſaurer Kalt, Staͤrkmehl 
und. Zuder. barin wurde von Brandes u. Geiger aufgefunden; 
nach den neueften — aber von Dull iſt dieſes nicht der ende Ber 
ber R., fondern ein anberer, den er nad) einer ſchon früher —— 
ten Benennung als Rhein bejeichnet.. Beim Ankaufe der R. ift im: Allgemeinen 
darauf zu fehen, daß fie een aufen,gelb, innen — roth und weiß, —— 
artig marmorirt, aber weder wurmſtichig, noch innen braun oder ſchwarz ſel, den 
————— Geruch und Geſchinack habe, zwiſchen den Zähnen gefaut — 
au 
Rhabdomantie, war bei den alten ‚Briechen eine Art — Wahrſc 
mit gewiſſen Zeichen und Merkmalen: verfehene Stäbe, bie man au — 55 
buch einander warf, und aus deren Stellung, Lage er 
die Zufunft weiffagte, Etwas —— "ade von den ‚alten: Gerz 
—— ar ii bee b ernlige — a HE 
orene F jet. ei je ie 
Fe Salzlager , & er —* entweber 


Benni Bu Ban nn — Abel — 


hung von Erzgan; um u. W 

aa ea nennt man auch Metallofi Tepien ke Die 
re a — ſich bei den damit — ibuen in ber Art, 
daß fie Nähe untı Metalle ober Wafferadern in eine‘ zitternde 
Bat er daß ri Blut raſcher geht, bie Pupillen ſich erweitern, ober 
daß man an den von ihnen in ber Hand — los rhabdomantifchen Werkzeugen 
gewiſſe Schwingungen und Bewegungen bemerkt, aus deren Stärke und Nilstung 
man auf die Beſchaffenheit und Tiefe der verborgenen Erze 2c. fchließen fan. 
Obgleich hiebei viel Betrug und Taͤuſchung mit ünterläuft, jo läßt fi doch das 
Borhandenjeyn ber tSabbomantifeen Kraft: bei einzelnen Menſchen nicht abläugnen, 
wiewohl man noch nicht darüber im Klaren ift, ob man fie aus ben Gefegen bes 
Galvanismus, oder des thieriſchen Magnetismus ıc. erflären fol, Schon bei den 
Griechen fommt die Sage von bem Retalloffopen Lynkeus vor und nach ber 
norbifchen Mythologie wußte Obin die Orte ber Erde genau, wo Metalle ders 
borgen lagen. Im neuerer Zeit machten als Rhabdomanten befonber6 Nuffeiem: 
Pennet, Fi Vernet, Eampetti, Carlo Amoretti. Intereflante Rotizen Hi 
finden fi in Biöotes „Selbfiihau" Thl. J. 

Rhachitis, |. Engiiſche Krankheit. 

Ryadamanthpb, Sohn bes Zeus umd ber Europa, Bruder bes Sarpebon 
und des Minos. Alle drei wohnten auf Kreta, welches jedoch zwei verlaffen 
mußten, ba fie miteinander über ben. ſchoͤnen Jüngling Miletos in Streit geriethen , 
und Minos fih ben Befig ber Inſel anmaßte, hoͤchſt gerechter ee - 
ging R. Beſtreben nur dahin, bie Inſeln des mittelländiihen Meeres, melde & er 
zum Aufenthalte gewaͤhlt, Ar beglüden, und biefes Beftreben warb belohnt, indem 
er nad „feinem Tode zum Richter der Unterwelt erwäßlt wurde. Nach Amphitrus's 
Tode gi er nad Böotien und nahm befien Wittwe, Alkmene, zur Gattinz 
feine Pin aber hinterließ ex feinen Freunden u. Berwanbten: fein Son Gentheos 
erhielt Erythraea zʒ Denopion, ein Sohn von ber ſchoͤnen —— erhielt Chios; 
fein Feldherr Thoas erhielt Leumos, Enyeus — Skyros, St epareihos, 
Evanthes — Maronea, Alkmeos — Paroo, Anie — Delos, — Kies x. 
Ale diefe Infeln Hatten ſich bem gerechten Herrchet Trwiiig, nenn, Roy 


Wealencpelopäble. VII. 


802 Khaͤtien — Rhapſoden. 


er hatte ſogar feine Herrſchaft über einen Theil von Afien ausgebehnt. — Rad 
an andern Sage war R. der Sohn eines Hephaeſtos u. ber Enkel bes Tale 
(Sohn des Kres). 

Rhaͤtien, eine noͤrdlich von Italien gelegene Provinz, verbunden mit Binde 
licien G. d.), oßne dieſes Rhatia propria, umfaßt das unter der Donau liegende 
Schwaben u. Bayern, von der Schweiz den öftlihen Thurgau, St. Ballen, Appenzel, 
Sargans, Glarus u. das öftliche Uri, das ganze Bünbnerland außer den italien 
fhen Grafichaften, ein Stüd von Eläven und Beltlin und die nörbliche gut 
von Tyrol. R. wurde eingetheilt in Rhaetia prima, bie feften Pläge u. das Blach⸗ 
felb längs ber Donau u. in Rhaetia secunda, bie Oehrgatheite begreifenb (na& 
Anderen wurde bie ganze Provinz durch ben Lech in zwei Thelle getheilt, worca 
bie prima den öftlidhen Theil, die secunda ben weflichen umfaßte). Im 3. Jake 
hunderte ſchien ſich R. vergrößern zu wollen; wenigſtens wurben viele xömifde 
Orte ziwifchen dem Rheine und der Donau angelegt, bie Straffe bahin gefüht 
u. Garacalla, ber fih lange in R. aufbielt, wußte die angränzenben kriegeriſche 
Alemannen durch Geſchenke von R.s Grängen abzuhalten. ber nadh feinem Tor 
ielten fih die Alemannen nicht mehr, die nachfolgenden Kaifer u. ihre Felbhern 

efümmerten ſich audy nicht mehr um R., und fo vernichteten jene Alles an ie 
Donau, und die Provinz R. ging im 5. Jahrhunderte nebſt Noricum für ie 
Römer ganz verloren und wurde durch die Berwäüftungen bei ber Bölferwanke 
ung eine große Steppe, was es vor der Römerherrfchaft geweien war. — R. wıd 
bewoßnt von ben Rhätiern. Da unter Tarquinius Priscus Regierung ie 
Gelten anfingen, über die Alpen nach Stalien zu gehen, fo zogen bie Tusfer, f 
viele dem Schwerte und der Sklaverei entgangen waren, theils nach 
theild nörblicy nach den Alpen, und zwar, als Bewohner ber weftlicdhen Babes 
gegenben, in das jegige Bündnerland; bie Umbrer, im Oſten von jenen, in ie 
jepigen Tyroler Gebirge, dazu kamen bie nachher verbrängten Euganeer, arch 
eine umbriſche Voͤlkerſchaft. Alle diefe hießen R. Dort verwilberten fie balb ꝛ 
den Gebirge u. wurden Räuber; fpäter erfannte man fie nur an ihrer 
noch als Bölfer ttalifchen Stammes. Ste felbft unterfchieben ih in Winberlicier 
(. d.) und R, im engeren Sinne Doch waren auch bie Lipontii, Rantuaieh, 
Suanitä, Viberni und Andere rhätifche Voͤlkerſchaften. 

Rhapſoden, (griechiih, von Farrw, zufammenfügen, und Jörn, Gefang; 
nicht, wie man fonft wollte, von paßdos, Stab), waren herumwanbernde Eix 
er bei den Griechen, bie theils eigene, theild die Gedichte Anderer vortrugen 

ad) Bode beftand das Geſchaͤft der R. in bem woßlgeorhneten Derfagen be 
Gefänge Homers und anderer Epifer zum Eindrude ciner zufammenhängenben 
Erzählung, wozu dann Mehre nöthig waren, was jedoch von Anderen wieder, 
nicht ohne rund, beftritten if. Nach Athenaäͤus Hießen die R. auch Homerists, 
d. i. Homeriden, und felbft die Erflärer Homerifher Gedichte führten ben Rama 
R. — Es ift eine oft wieberholte Behauptung, bad bie homeriſchen Befänge von 
ben R. weitläufiger ausgeführt find, daher große Einfchaltungen in benfelben aut 
halten u. f. w.; daß weder Die ganze Ilias, noch die ganze Odyſſee Einen Ber 
faſſer Haben, fondern jede urfprünglich eine Reihe von mehren Sängern — 
fester Geſaͤnge, und Homer eine ®efammiftimme ber Geſangsvorwelt unb 
dichterifches Individuum fel, (vgl. Wolf, Prolegomenen g Homer, und %. 
Schlegel, Geſchichte ber Poeſie der Griechen), Diefe Be iR 
neuefter Zeit Bobe (Gefchichte der epifchen Dichtkunft ber Hellenen, Sypsg. 1838) 
wieder aufgenommen, jedoch auf einen ganz verſchiedenen St k au 
verfucht. Er Hält es nämlich zuvörberft für hoͤchſt wichtig, daß ber Name 
meros, nach bem einftimmigen Berichte des Alterthums, rünglicher Fam 
lienname geweſen fenn foll, fondern dem Dichter erſt im männlichen Alter, nad 
bereits erlangter Auszeichnung, beigelegt wurde; fobann aber beſtimmt er bas Gier 
rafteriftiiche ber homeriigen Eomyoktion in her Bereinigung einer großen Sagen⸗ 
















Rhapfoden. 803 


maffe zu einer bichterifähen Einheit, während bie früheren Gpifer ihre Gedichte 
nur in einem * Grade ausfuhrten und einzelne Sagen einfach ausſchwück⸗ 
ten, Jene Bereinigung aber, wozu ber Troifche Myti ben ſten 
darbot, konnte nur von einem großen Dichter ausgehen, welcher durch feine g 
flige Ueberlegenheit le vollfommen beherrſchte, duch Wollen! 
einer Ilias de ‚Höhepunkt der Kunſt erreichte und einen, entſchiedenen CEinflı 
auf alle anderen, fpäter erfolgten, Kengaungen der Poeſte ausübte, Eine 
geoße Erſcheinung im Gebiete der Dichtkunft Tonnte auch, im Sinne des Alters 
thums, nicht unter dem fehlichten Eigennamen bes bichterifcjen Individuums auf 
bie Nachwelt fommen, ſondern mußte (fpäter) durch einen bezeichnenden Bei⸗ 
namen verewigt werden, um fo zugleich ben —— zur Collectlvperſon, ober zum 
Genius: des: Heldengefanges zu erheben. Und biefer bezeichnende Name tft nun, 
nach Bode, wirflih Homeros, ber harmoniſche Zufammenfüger einer Reihe von 
Sagen’ zu einer dichterifchen Einheit. Die hr ie nämlich von duou 
sul) und dpw (anreihen), wie denn ſchon bie Odyſſee das Suepiiv 
in der Bedeutung von gegentetig zuſammentreffen hat, und Heſiod (Theog. 39) 
Bezeichnung: ber, bie Gegenwart, Vergangenheit u. Zufunft — Ge⸗ 
Wange der Mufen fich des Aushruds nepeosm: bedient Ar if wWe 
wurde Homeros erſt ein Kunſtname und nur fo konnte ein Geſe yon Ho⸗ 
meriden entſtehen, welche, als bie äͤlteſten R., bie erlernte Kunſt bes epiſchen a 
tags ‚fortführten und aan Söhne Homer wurden, gerabe, wie 
man im ähnlichen Sinne Eumolpiden , * ebrigens 
ſtellt das ganze Alterthum die Hometiden als ® und Aufberwahrer des 
Iomerifchen Nachlafjes auf, und dephalb Toll, wie Bode will, nicht jeber R,, 
wenn er auch nur en vortrug, ein Homeride zu Nennen A 
jedoch fpäter gefchehen ift, obgleich Plato die igfeit ber R, über n 
auf den homeriſcher und heſiodiſcher Gebichte befehränkte u. die t 
ſchen R. auch Homeriften wurden, um ſie von ‚it unterſcheiden, 
welche die Geſange ber nicht blos epiſchen, ſondern auch jambiſchen Dichter vor⸗ 
trugen; ja, Ariftoteles erwähnt fogar eines mimiſchen R., der Durch Geberden den 
Inhalt des rhapfodirten (deflamirten) Gebichtes ausgebrüdt habe. Das Hefiod 
der erfte R. gewefen, wie Nikokles meint, möchte nicht nachzuweiſen jeyn, unb 
wenn Plato bemerft, daß Homer und Hefiob ihre Gedichte rhapſodirt haben, fo 
ann dieß nur auf deren Vortrag überhaupt oder theilweife bezogen werben. Wenn 
aber Bode behauptet, daß bie Benennung Paywdos zuerft bei Herobot in Ber 
siehung auf Kifihenes, den Beherrfcher von Sieyon, erfheine, fo hat dieß den⸗ 
noch feine Anwendung auf ben Urſprung ber R,, der beftimmt ſich ohnehin nicht 
nachweiſen läßt. Denn Solon, lange vor Herodot, gab ſchon ein Geſetz, in 
welcher Ordnung die R. ſich fortfegen follten; Terpander Hatte ebenfalls ſchon in 
ber 26. Olympiade (502 v. Ehr.) für die Wettkämpfe in Sparta den homeriſchen 
Te in Muſik gi, unb Iſokrates erwähnt eines alten, bem bes Solon, zu 
befien Zeit bie R. ſchon beliebte agoniſtiſche Kämpfer waren, ähnlichen Geſehes. 
Später umfaßte bie Rhapſodik faſt alle zur Deflamation geeigneten Dichter und 
enbli wurde fie ein Theil ber Erziehung. Solchergeſtalt ging fie dann auf bie 
römifche Kaiferzeit über und erfchien wieher öffentlich erft unter ben literarifchen 
Uebungen, b. 1. als Deflamation homeriſcher Gedichte, auf dem Theater. Mit 
vorſtehenden Bemerkungen find jedoch jene Mittgeilungen zu vergleichen, die Et eu⸗ 
fer über die homeriſchen R. (Köln, 1833) bekannt gemacht hat, Ihm zufolge 
ehören fie keineswegs in das graue Altertfum, find vielmehr auf gefdhichtlichem 
Beige tm Bolfsfefte begründet und gehören einer Zeit an, in welcher von Schrift- 
unfumbe nicht mehr die Rede ſeyn fonnte. Homer felbft ift fein R. geweſen und 
feine Gefänge find auch feine Volkslieder. Ste haben fich auch nicht durch Aus- 
wendiglernen der R. erhalten, ſondern forgfam abgefchrieben Ki den Rentner 
Ditfunft, bis ihre kunſtmaͤßige Sammlung unter Hiyyardus rn WTB, 





802 ARpätien — Rhapſoden. 


er hatte fogar feine Herrfchaft über einen Theil von Aſien ausgedehnt. — Rach 
einer andern Sage war R. bee Sohn eines Hephaeflos u. ber Enkel bes Talos 
(Sohn bed Krebs). 

Rhatien, eine nördlich von Stalien gelegene Provinz, verbunden mit Binde 
Iteien (|. d.), ohne dieſes Rhatia propria, umfaßt das unter ber Donau liegende 
Schwaben u. Bayern, von der Schweiz den öftlicden Thurgau, St. Gallen, Appenzell, 
Sargans, Glarus u. das öftliche Urt, das ganze Bünbnerland außer den italieni⸗ 
ſchen ®rafichaften, ein Stüd von Gläven und Beltlin und Die nörbliche fte 
von Tyrol R. wurde eingetheilt in Rbaetia prima, bie feſten Bläge u. das Blach⸗ 
feld länge ber Donau u, in Rhaetia secunda, die Gebirgätheile begreifenb (nad 
Anderen wurbe die ganze Provinz durch ben Lech in zwei Theile getheilt, wovon 
bie prima den öftlichen Theil, die secunda ben weftlidden umfaßte). Im 3. Jahr⸗ 
hunderte ſchien ſich R. vergrößern zu wollen; wenigfiens wurben viele roͤmiſche 
Orte zwifchen dem Rheine und der Donau angelegt, die Straffe dahin geführt 
u. Garacalla, der fi lange in R. aufbielt, wußte die angrängenden Triegerifchen 
Alemannen durch Geſchenke von R.s Gränzen abzuhalten. Aber nach feinem Tobe 
hielten ſich die Alemannen nicht mehr, bie nachfolgenden Kaifer u. ihre Feldherrn 
befümmerten fich auch nicht mehr um R., und fo vernichteten jene Alles an ber 
Donau, und die Provinz R. ging im 5. Jahrhunderte nebſt Noricum für bie 
Römer ganz verloren und wurde durch bie Berwüftungen bei ber Bölferwanbders 
ung eine große Steppe, was es vor der Römerherrfhaft geweien war. — R. ward 
bemoßnt von den Rhätiern. Da unter Tarquinius Priscus Regierung bie 
Gelten anfingen, über die Alpen nach Stalien zu gehen, fo zogen die Tusker, fo 
viele dem Schwerte und der Sklaverei entgangen waren, theil& nach en, 
theils nordlich nach den Alpen, und zwar, ald Bewohner ber weſtlichen Padus⸗ 
gegenben, in das jegige Bünbnerland; bie Umbrer, im Oſten von jenen, in bie 
jegigen Tyroler Gebirge, dazu kamen bie nachher verbrängten Euganeer, aud) 
eine umbrifche Voͤlkerſchaft. Alle diefe Hießen R. Dort verwilberten file balb in 
ben ®ebirgen u. wurden Räuber; fpäter erfannte man fie nur an ihrer Sprache 
noch als Bölfer italifchen Stammes. Sie felbf umterfchieden ſich in Binbelicier 
(ſ. d.) und R. im engeren Sinne Doch waren auch bie Lipontii, Nantuates, 
Suanitä, Biberni und Andere rhätifche Bölkerfchaften. 

Rhapſoden, (griechifch, von Yarrw, zufammenfügen, und 405, Geſang; 
nicht, wie man fonft wollte, von paßdos, Stab), waren herummwandernde Säns 
ger bei den Griechen, bie theils eigene, theils die Gebichte Anderer vortrugen. 
dach Bode beftand das Gefchäft der R. in dem wohlgeorbneten Herfagen ber 
Geſaͤnge Homers und anderer Epifer zum Eindrucke ciner zufammenhängenden 
Erzählung, wozu dann Mehre nöthig waren, was jedoch von Anderen wieber, 
nicht oßne Grund, beftritten if. Nach Athenäus hießen bie R. auch Homeristai, 
db. 1. Homeriden, und felbft die Erklaͤrer homeriſcher Gedichte führten den Namen 
R. — Es iſt eine oft wiederholte Behauptung, daß bie homeriſchen Befänge von 
den R. weitläufiger ausgeführt find, daher große Einfchaltungen in benfelben ent- 
halten u. f. w.; daß weder die ganze Ilias, noch die ganze Odyſſee Einen Ber 
faffer haben, fondern jede urfprünglich eine Reihe von mehren Sängern fortge 
fester Gefänge, und Homer eine Gefammtftimme ber Gefangsvorwelt unb fein 
bichterifches Individuum fei, (vgl. Wolf, Prolegomenen zu Homer, und Fr. 
Schlegel, Geſchichte der Poeſie ber Griechen). Diefe Behauptung hat in 
neuefter Zeit Bode (Geſchichte ber epiſchen Dichtkunſt ber Hellenen, Lpzg. 1839) 
wieder aufgenommen, jedoch auf einen ganz verfchiebenen Stanbpunft zu bringen 
verſucht. Er Hält es nämlich aunörbert für hoöchſt wichtig, dag der Rame Ho 
meros, nach dem einftimmigen Berichte bes Alterthums, urjprünglicher Fami⸗ 
lienname geweſen feyn fol, ſondern dem Dichter erſt im männlichen Alter, nad 
bereit erlangter Auszeichnung, beigelegt wurde; fobann aber beſtimmt er das Cha⸗ 
rakteriſtiſche ber homeriſchen Gompofttion in ber Bereinigung einer großen Sagen» 


Rhegium — Reims. 


Binde und Strömun, —— Schiffen Anferplage dient. Die beſten 
a ind I m aa on 48 Ben, ann gun Aue, 
ew un! en e en, weß \ 
Einerbeitssn — Berben ſolche Sb dene von dem 33 — 
ſen, daß fie volllommenen Schug gegen Wind und Meer gewähren, dann nennt 


fie l di nicht, "und 
im Sieg gel *Hecte?"Sühnbe megeiht, dank efaleh Re Die Bennang 
offene 


Rhegium, das jegige Reggis (1: d in Ealabrien, eine im Altert‘ 
mächtige und blühende Stadt, fol von den Chalfivenfern 672 d. Chr. gegı 
worden ſeyn. Von hier fand die Ueberfahrt nach Sicilien Staat. Zn de 

ab es Sauerwafler, das man im Altertfume als Arzenei und Efiig brauchte, 
tonyfios von Syrafus unterwarf Die freie Stabt nach 11 monatlk Belagers 
Grfsnen yahäce De Siaher —— 
e » Cäfar en it. 
mit Mannfhaft feiner Flotte. ) 


1, eine der Altı u berül i Städte in 
ort — a onbifanens ) t — uhr 
der Veole, in ber Sande Champagne, in einer von Weinbergen umgebenen 
Ebene gelegen, it Sig eines Erzbifchofs, Primas von Frankreich, ein a 


fie 


Julirevol die Krdnungsfiabt der franzoͤſiſchen Könige. Die Siadt ift 
ß, mit vielen breiten und reg: en ‚aßen, Menge großartige 
lebaͤude u. 4,000 Einwohnern. Unter den Sehenswürdigkeiten fteht obenan: 
die Herrliche Kathedrale (ſchon 406 gebaut, im 12. Jahrhunderte abgebrannt, 450 
Tuß Immer 92: Fuß. breit, 110 Buß IE fonft mit vielen Koftbarkeiten (4. B. 
ein mit: Goldblech —— wit —— verziertes, in ſcher Sprache 
ſchriebenes Evangelienbuch, auf das bie Könige den Eid ablegten ; ein mit 
ſoldblech uͤberzogener Hochaltar; bie e Ampulte cf. d.), mit deren Inhalt 
die Könige gefalbt wurden), bie aber die Revolution meiftend verfchlungen Katz 
das Rathhaus mit einer fehr fhönen Facade, das Benediftinerftift des Heiligen 
Remigius, ein roͤmiſcher Triumphbogen, das bronzene Standbild Ludwigs XV. 
auf dem Königsplage u. f. w. Man findet Hier ein großes und ein Feines Ser 
minar, eine medizinifch » pharmaceutifhe Secondaͤrſchule, ein Eollöge royal, ein 
Eivil- u. ein Hanbelstribunal, eine Handelöfammer, einen General + Handelsrath, 
Conseil-de-prud’hommes, mehre Affefuranzen und eine Bank. Dieim Jahre 1547 
‚eftiftete Univerfität wurde in der Revolution 1793 aufgehoben. Die Imbuftrie 
Beichäftigt beträchtliche Tuch, Wollzeug ⸗ und — Wachoebleichen 
und Wachskerzenfabrifation, viele Brauereien, Bisquitfabrifen, Lederbereitung, 
Meſſerſchmieden, Mügenfabrifen, Fabriken chemiſcher Produkte, Faͤrberei, Gerberei. 
Haupthandelsgegenftände find: der Hier und in der Umgegend wachſende Eham- 
pagnerwein, ber zu ben vorzüglichften Sorten gehbrt, dann Weineffig, Brannts 
wein und Pfefferfuchen. — R, hieß zur Römerzeit Remo oder civitas Remorum, 
als Hauptftadt der Remi u. des belgifchen Galliens. Ehlodewig (f. d.) wurde 
von dem jellgm Remigius G. 5} hier getauft und befchenfte daher das daſige 
Eapitel mit großen Gütern. Später fiel % bei ben verichiebenen Theilungen 
ſtets an Aufttaflen und war eine ber beiden Hauptfläbte dieſes Landes, bis fie 
bei der Theilung unter Ludwig des Frommen dern an Karl den Kahlen und 
fo zu Neuftrien am, bei dem fie nun blieb, Die Grafen von Bermanbois - 
Ci. d.) eigneten fich feit dem 9. Jahrhunderte ihren Befip mehrmals zu, theils 
machte ber König fie ihnen aber wieber Pc Endlich gab Ludwig IV. bie 
Stadt und Grafihaft R. dem Erzbifchofe Artaldus. Diefem aber machten wieder 
bie Grafen von Vermandois ben Beſih ſtreitig, bis der Biſchof bem Grafen Re⸗ 
nald das Recht, fie als Graf von R. zu haben, abgefauft haben K. Siem 
waren bie Erzbifchäfe wentgflens unbegweifelt Kerren ver alten Sir, wie ir 


806 Rhein, 


zur Römerzeit geweſen war, body baute ſich allmälig eine weit größere neue 
Stadt an, die im 14. Jahrhunderte von König Johann mit Mauern umgeben 
wurde. Ludwig VIL, der Jüngere, und beffen ohn Philipp Auguft ſchenkten bem 
Erzbifchofe den herzoglichen Titel u, beftätigten das bisher oft beftrittene Recht 
befielben, die Könige von Frankreich zu falben und zu Trönen, was benn feitbem 
bei allen Monarchen Frankreichs, mit Ausnahme Heinrichs IL, ber fi) zu Ebar- 
tres trönen ließ, Rapoleons, bei dem dieß zu P geichah, Ludwigs XVIH. und 
Ludwig Philipps, bei benen legteren Feine Krönung flatt fand, zu NR. ge 
ſchah. oncilien wurden zu R. gehalten: 813 von Karl dem Großen, 1049 von 
Papft Leo 1IX., ber den Remigius Hier Heilig ſprach. Merkwuͤrdig iſt auch noch 
der Streit, den das Erzbisthum N. mit dem von Trier um ben se Pri⸗ 
mat in Auſtrafien hatte. Am 13. Maͤrz 1814 fiel hier ein fuͤr die Franzoſen 
fiegreiches Gefecht gegen bie Ruſſen unter St. Prieſt vor. 

Rhein, der — Diefer in geichichtlicher,, militärifcher, Tommerzieller, probuftis 
ver und natürlicher Hinficht gleich merfwürbige Strom, ber gepriefenfe Deutichs 
land’8 — foll feinen Namen von dem keltiſchen Worte hran haben. Er 
an der Oftfeite des St. Gotthart in Graubundten (welcher Gebirgsſtock als bie 
eigentliche Waſſerſcheide zwifchen ber Rorbfee und bem mittellänbifchen Meere zu 
betrachten iſt; denn jener fchidt er den R., biefem bie Rhone, ben Teflin und 
mittelft dee Donau den Inn zu. Die drei Hauptquellen bes R.s find unter 
dem Ramen Vorder⸗, Mittels und Hinter⸗R. befamt. Der BorbersR. 
entfpringt milden ben @ishöhen des Crispalt u. des hohen Babuz, 7240 über 
dem Meere, fammelt feine Gewaͤſſer aus brei Rebenquellen in bem von himmel⸗ 
hohen Felſen umſtarrten Tomafee, flürzt aus biefem in fteinigem Bette kryſtallhell 
ab, nimmt, anderer Eleinerer Bäche nicht zu erwähnen, bei ber vormals gefürfes 
ten Benediktinerabtei Diffentis, den Mittel-R. auf, u. ſetzt dann mit umveränber 
tem Ramen (Border:R.) feinen Lauf fort, bis bei Reichenau aus ber Bereinigung 
mit ber dritten Hauptquelle, dem HintersR., ber junge R.» Strom hervorgelt, 
welcher nach einer Wegſtrecke von 18 Stunden hier (don 130 — 140’ breit if 
u. Floͤße trägt, Der Mittel⸗R. Tommt burdy bas Mebelfer» ober Liebfrauenthal 
herab. Auch er hat mehrere Quellen, die bei Stinfch zufammenlaufen u. aus klei⸗ 
nen Seen nieberftürzen, unter weldden ber Fim bei St. Marla ber bebeutenbfle. 
Der Hinter-R, endlich quillt aus dem ungeheuren Mantel bes R.⸗Waldgletſchers 
(4548°) hervor, nimmt fogleih 13 Bäche auf, ſchaͤumt über Felſen, verſchwindet 
in Schluchten u. ſchießt rauſchend durch das Schamferthal u. durch Die Via mala 
nach dem Heiteren Domletſcherthale hinab, an befien reizenden Hängen ber erfle 
R.⸗Wein wächst. Reichenau, am Ende des genannten Thales, wo ber Borbers 
u. Hinter⸗R. zufammenfließen, liegt 1830° über dem Meere. Schiffbar wirb ber R. 
bei Chur, nachdem er bie PBleffur aufgenommen, jedoch nur für Nachen u. llei⸗ 
nere Fahrzeuge. — Das Stromgebiet bes R.é beträgt nach Berghaus 4080 

Meilen. Ein großer Theil der Schweiz u, alles am linfen Ufer liegende urs 

eutfche Land erfennt feine Herrſchaft u. fenbet ihm durch Aar, FU, Habe, Mos 
fel u. Maas ben fchuldigen Tribut. Rechts Huldiget dem R.e Schwaben durch 
Kinzig u. Nedar, Oſtfranken buch den Main, Helfen durch bie Lahn und Alt: 
fachfen durch Ruhr u. Lippe Mittel des Main reicht fein Flußgebiet durch 
das oͤſtliche Deutichland bis an bie Gränze Böhmens. Im Ganzen zählt man 
ber mittels ober unmittelbar in ben R. gehenden ®ewäfler an bie 12,000. — 
Die Strombahn bes R.s Hat ihre Hauptrichtung von Süden gegen NRorben. 
Bi R.Eck fi in den Bodenfee flürzend, durchzieht er biefen auf etwa 9 Stun⸗ 
ben, verläßt ihn fodann bei Conſtanz, um von Neuem wieder in einen Theil 
befielben zu fließen, aus welchem er erſt bei Stein wieder hervorfommt. Hat er 
zuerfi von feinem Entftehen bis zum Bobenfee jeine Richtung norbwärte, u. vom 
Bodenfee, Anfangs in manniglahen Zickzack, bis Baſel nad) Wehen genommen, 
fo befchreibt er nun bis zu feiner Theilung unterhalb Emmerich einen gewaltigen 







‚Rhein. 807 


Bogen, der 46 Oſten ur jorfpringt, beſonders in ber Strede von 
Straßburg bis Bingen, — b, ber für das —— von 
Deutiland wichtig ſcheint. Nachdem der Strom von Mainz bis gen ſich 
auf. einmal-weftwärts gefehrt, dreht er ſich nun wieder nordwärtd. Zulept theilt 
er feine Gewaͤſſer in mehre Arme, bie er in vorherrſchend weftlicher Richtun; 
nach der Nordſee entjendet, Die Länder, welche ber R. auf feinem weiten “ur 
berüßet, find bie Schweiz, — Baden, Frankreich, R.⸗Bayern, Heſſen⸗ 
Darmſtadt, Naffau, R.⸗Preußen, endlich bie Niederlande, Wie die Schweiz das 
Duellenland bes R.s ift, fo it Holland das Land feiner 98 — Der 
R. wird Hinfichtlich feiner Länge, im ben Ober⸗R. (von Bafel bis Mainz 43 
Meilen), Mittel-R, (von Mainz bis Köln 21 Meilen) u, Unter-R. (von Köln 
bis Holland 17 Meilen) ein; ee die g Strede aber vom e bis 
zum Ausfluffe in's Meer za 50 Meilen berechnet. Der birefte Abi von 
den Quellen bis zur Mündung beträgt indeß nur 90 Meilen, und es ſo⸗ 
mit auf die Stromentwidelung d. i. bie KCruͤmmungen 60 Meilen, — Breite 
a. Tiefe find natürlich fehr verfchieden, Während Erftere bei Chur nicht wiel 
Fe dr 
y u. janz, wo ber 
NR, in die Niederlande eintritt, 2150. — Bon den Stromengen ift die nam⸗ 
efte die bei Bingen, wo bie Berge, welche den R. einfchliegen, von beiben 
fich fo nähern, daß man: bis‘ in ben Fluß Hinein den ehemaligen Zufam- 
menhang ber gegenftehenben Felfen wahrnehmen kann. — Die Tiefe des Rs 
wechfelt zwifchen 5 und 28. Das Bett ift vom Bobenfee bis Bafel felfenreich, 
weiter abwärts "haben fich im we —— eine Unzahl größerer Ins 
—— die zum Theile aus u Ki ten beftehen. Bon Breiſach 
an trifft man biefe Eilande mehr beftaubet oder auch als Ader- u, Miefengrund, 
zwifchen Straßburg 1. © find fie mit Gebuͤſch bewachſen, und fangen 
dann an, feltener zu werben, da ber R; nunmehr fein Gewäffer ungetheilter zus 
fammenhält: — Wie alle Ströme hat auch ber R. feine Anſchwellungsepochen, 
u. bei ihm tritt das Marimum bes Wafferftandes in ber ztegel am Ende bed 
Februars ein. Auch in den Monaten Juni und Juli, wenn der Schnee in ben 
Shmeigergebiegen ſchmilzt, dee er nicht felten aus feinen Mfern und über 
ſchwennnt die Nieberungen, fomit Saat und Ernte. Durchbricht er aber gar bie 
Dämme, was mandimal auch bei Eisgängen gefchieht, fo ftürzt er In zerflörender 
Eile gewaltfam Alles nieder, was ſich ns tobenden Andrange entgegenfept, eine 
in ihrer Art einzige, HR graufenerregende Naturſcene. Manchmal Man dat ber 
Strom bei folden fien feine Bahn ſtreckenweiſe geändert, und ſich ein neues 
Bett gewuͤhlt. Dabei wurden Dörfer und ganze Gegenden theils verfchlungen, 
theils umgangen, oder in Seen umgefaltet. Daß bie Uferortſchaften, um dem 
tofenden Elemente nicht vollends zum Opfer zu werben, häufig zurüdverfegt wer⸗ 
ben mußten, hat bie ältere u. neuere Zeit Hinlänglich dargeihan. Bevor ber R. 
ben Kalferpalaft und das Kloſter Selz in feinen $luthen begrub, datt ex feine 
Bahn Hart am rechten Hochufer in ber von Raftadt bis unterhalb Darlanden 
fortfchreitenden Vertiefung, daher auch Illingen und anbere Ortichaften bamals 
zum Speiergau gerechnet wurden. Dem — zu befuͤrchtenden und Verder⸗ 
ben mit fi führenden Austreten des Stromes möglihft zu begegnen, laſſen es 
die angränzenden Staaten an foftbaren Dämmen, Schleußen u. Uferbauten nicht 
fehlen, befonder tun Bayern u. Baden in biefer Hinficht viel. Eines ber 
famften Gegenmittel find bie R.⸗Durchſtiche, deren man feit dem Jahre 1817 auf 
der Strede zwiſchen R.Bayern und Baben bereits viele ausgeführt hat, u. zwar 
faft durchgehends mit dem beften Erfolge. — Die Waflermenge, welde ber R. 
an feiner Spaltung zum Delta, unterhalb Emmerich, bei mittierem Pegelkande 
ſchuttet, beträgt in ber Sefunbe 64,160 Pariſer Kubikfuß. — Das Setau ua 
R. it aus nachfiehender Tabelle erfichtlih: 


808 Rhein. 








Ganzet Strecke Gefäll 

Gefin er 
Meilen |1 Meile 

Vom Urfprunge des DVorberrhein bis Diffentis . . . . 3690 2,5 | 1476 
Von Diffentis bis zur Bereinigung mit dem Sinterrhein . 1720 6,3 273 
„ Reichenau bis zum Bobenjee Se Briebrichähafen . . 575 | 14,5 40 
„  PBriedrichshafen 618 unter den Ball bei Laufen . . 175 9 20 
»„ Raufen bis Ball . > 2 en 310 | 13 24 
„ Bafel bis Bingen . > 2 2 2 ern 524 | 45 11 
» Bingen bis Königswinter, im Durchbruche des nie= | 

berrheinifhen Gebirge. - > 2 . 106 | 14 | 7 

„ Königswinter bis Emmerich, Unterlauf bes Rheinſtromes 100 | 25,7 | 4 
” Emmerich 5i8 zum Nusfluße, Stromlauf im Delta . 1 401 19 | 2 


Die ganze Fallhöhe bes R.s beträgt 7240°. Die mittlere Geſchwindigkeit feine® 
Laufes iſt im Durchfchnitte 5° in der Sekunde — Stromfchnellen, wo be 
—— ſeine Normalgeſchwindigkeit anſehnlich uͤberſteigt, ja ſelbſt eigeniline Fälle, 
den fich auf bem R.e mehre, u. fie find ber Schifffahrt gefährlich, unterbrechen 
fie auch wohl ganz, fo insbefondere ber R.⸗Fall dei Laufen, eine Stunde unters 
halb Schaffhaufen, wo ber Strom mit bonneräßnlichem Getöfe, das man Nachts 
2 Meilen weit hört, 70’ Hoch über Kelfen abftürzt. Ein zweiter R.» Kal hr bei 
Zurzach, ein dritter bei Laufenburg, der vierte endlich, der fogenannte Hoͤllen⸗ 
aten oder das Gewild, bei R.⸗Felden. Bedeutende Stromfchnellen find: Das 
—— bei Bingen, welches indeß durch die Sprengungen, die die preußiſche 
Regierung vornehmen ließ, ſehr von feiner früheren Gefaͤhrlichkeit verloren Bat, 
das wilde Gefährt bei Bacharach, bie Bank von Sankt Goar, und ber Heine 
und ‚große Unfelftein bei bem Städtchen Unkel, — Bor feinem Ausflufe 
in’s Meer fpaltet fih der R., und bildet im Flachlande Holland's ein ziemlich 
umfangreifes Delta. Die Arme, welche hier in verfihiebenen Zwifchenräumen von 
ihm ſich abtrennen, Heißen Waal Ifel, Led u. Vecht, während er felbft unter 
dem Namen „der alte R.” bis Leyden weiter geht, wo er nur noch einem Gra⸗ 
ben ähnlich if. Drei Stunden unter Leyden verlor fich biefes unbedeutende Ge⸗ 
waͤſſer noch zu Anfang unferes Jahrhunderts völlig im Sande; 1807 aber hat 
man einen Kanal mit Schleißen angelegt, durch welchen fich ber R. in die Ser 
ergießt. — In den Kluthen bes R. leben mandyerlei Arten von Fiſchen u. ande⸗ 
rer Schwimmthieren. Man trifft da Salme (Lachfe), R.ftöre, Reunaugen, Hechte 
u. Rarpfen. Federwild Hält fich auf den ımzähligen Inſeln und am Ufer in 
Menge auf. In ben Boldwäfchereten bei Germersheim u. andern Orten (gewinnt 
man das feine R.gold, welches ber Fluß aus ben Bebirgen der Schweiz u. des 
Schwarzwaldes mit ſich herabfuͤhrt. Gegenwärtig find bie Golbwäfcher von ben Regiers 
ungen mit Patenten verfehen u. verbunden, dad Gold einzuliefern. — Die R.ufer 
entwideln eine Reihenfolge der herrlichften Landſchaften. Eigentlich gilt dieß aber 
nur vom Mittelr., u. bem letzten Drittel bes Oberr.; denn ber Unterr. firömt 
wifchen fehr profaifchen Umgebungen Hin, u. auch der Oberr., fo weit das Linfe 
fer die Graͤnze Frankreichs bildet, nämlidy von Bafel bis Lauterburg, hat nur 
einförmige Ebenen und Infelabyrinthe aufzuweiſen, weldhe das Auge bes Be 
chauers bald ermüben. Erſt wenn ber Strom an der füböftlichen Spitze von 
bayern anfommt , beginnen jene Reize, welche ihn zu ber beliebteften und am 
Häufigften bereisten Waflerftraffe Europa’ machen. Langfam zieht er durch bas 
meift 9 — 10 Stunden breite R.thal, welches rechts von ber berühmten Berg, 
ſtraſſe länge dem Fuße bes Odenwaldes, links burch das weinreiche u. maleriſche 
Haardtgebirge begränzt iſt. Weiter hinab ſchwinden die Berge, u. fanfte Hügel 
erheben fich, die bei Mainz ein fchönes Amphittheater bilden. Rachdem ber Strom 
rechts ben Main aufgenommen, nahen fich im Welten bie Bage des parabieftfchen 
R.gau’s, des großen beutihen Weingartens, DoW ireten die Berge von beiden 







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ZEB-ULENs ve -ir= 


<SuicEEn 


Rhein, 809 
Seiten sin 1. die Stroͤmung des bie, breiten u. en 
gehe während feines nee Raufee, durch bi ie ——— 
deuiend zu. Von Bingen bis Koͤnigewinter bieten bie Ufer Be — *— 
Anſichten dar. Im Thale lagern freundliche Ortſchaften, an den Felshäng: eng 
= üppige en et u. auf ben Bipfeln re sry 


digen Sinbernah Ant Rd 1 in Cana In dm — 
erna⸗ er eine Enge, e 
Berge in fieben — burggelroͤnten Haͤup — ‚ge ſich endig 
Die, beiberfeitigen Geländer —— nun R — 
—* 8* din io legt in-der ad Zi Tiefebene‘ —— as 
‚om ber! 
chen der R. vor dem übrigen Strömen Deutſchlands, namentlich vor feiner ebene 


bi Rebenbuhlerim, ber Di ‚ behauptet, beruht ind: auf ſeinen 
Rah indem ben fe yeigt.bie Donau fm weit — u. 
An! ungleich großartigerem te — als ee af reihen Rultute ſei⸗ 
ner en dem © te, u. — 

De Renee — 

der 
ne, m BT IR age elehrt die Natur das Beiwerf bes in dem ; 
ee — 
auf enflüffen (Near, fe, 
amd Sinn I Hohe Grabe ig. Cie beginnt he ae unter ar 


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Hein , wird aber durch bie b 
— * ie Shhne, — Be 


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J angewendet 
Fer: ——— — 
B800 Zentn⸗ fach Ga en mr 2 
300 Zentner, theils wegen der able Belt theils auch 
darıtım, weil ber Zug der Schiffe nur durch t werden: fan. 


Fahrzeuge mit (ie Laft gen erft von Straßburg an, Die größeren Straf 
burger Schiffe, weldhe zum 

det werben, tragen 2000 — 2500 Zentner, doch bedient man fich nebenbei, be 
fonders bei der Bergfahrt von Schröd bis Straßburg, ber fogenannten ar 


M den“ zum Lichten, welche fpiggeformte Kähne von Eichenholz u. 300, 


auch 800 u. 1000 Zentner aufnehmen. Im ber Gegend von Ranndeim” Fe 
man „Weidnachen“ zu 10 — 30 Zentner, „Ankernachen“ zu 50 — 90 Zentner, 
„Sprengnachen⸗ zu 150 — 200 Zentner, „Steifs und Holznachen“ zu 300 — 
500 Zentner, wovon bie größten meift ſchon hollaͤndiſche Ruder haben, bann bie 
gewöhnlichen R.ſchiffe zu 1000 — 2000 Zentner Ladung. Zur Deafahıt von 
Mainz bi6 Schröd (Reopoldöhafen), zuweilen auch bi6 Reuburg, bei 

fih auch der Pferde, deren 8 — 9 zu einer Ladung von 2000 — 2400 Zentner 


- exforberli find, Bon Mainz bie trägt ber R. Schiffe von 2500 — 4000, 


son da bis Holland 6000 — 10,000 Zentner. Die Bauart ber gr ößeren R.⸗ 
Schiffe, namentlich ber Holänbilchen , if jener ber Seeſchiffe Ania, nur Haben 
fie platte Boden ohne Kiel. Sie find bauchig, mit 2 Maften, Segeln und 
Seite mit zwei Schwertern zum Laviren verfehen. Die Amfterdamer heißen „ 
moftveffen“ 5 bie übrigen Balingen R.ſchiffe führen nach ihrem Zwede u. dem 
Orte, wo ke gebaut find verfchiebene Ramen, 3. B. Kichter, Ankens, Dorbter ıc. 
Die —2 at —X zur Zeit noch mit manderiei Hinderniffen zu fans 
pfen, mit natürlichen, unter welchen bie ſchon angeführten Fälle u. Stromſchnellen 
oben an ftehen, u. mit ben kuͤnſtlichen, bie ihr vr R. zoͤlle und die Kraͤmerpolitik 
Hollands in den Weg legen. Lange genug Hat biefer lleine Stas Kurt Ser 
puniſche Interpretation des befannten jusque & \a mer daB wahre Dusüissu 
am Rarrenfeile herumgeführt, und erfi die belgtiäge Revotuion rate RR 


810 Rhein. 


Konjuncturen herbei, u. zwang bie Holländer zur Nachgiebigkeit. Die bereits am 
15. Auguf 1816 zu Mainz eingeleiteten Verhandlungen der Gentralcommifiion 
für die R.ſchifffahrt waren bis af ohne Erfolg geweien, indem jene beharrlich 
fih weigerten, von der Sperrung des Stromes bei ber Ausmündung in’6 Meer 
abzufehen. Endlih am 17. Mai 1831 kam das R.ichifffahrtsreglement zu , 
beffen wihtigße Beftimmungen folgende find: 1) Aufhebung ber Umfchlagsredhte 
in Köln u. Mainz u. Bagegen chtung von Beeihäfen längs des R.ufers Geis 
tens ber betheiligten R gen; 2) ebung ber ®ilten und Reugfgheten 
3) Freie Schifffahrt ar dem R. bis in die See für alle Uferflaaten bes R., fo 
wie des Main, Neckar u. anderer in den R. fallender Flüffe; 4) Gleichmaͤßige 
Bertheilung bes R.zolls, in Folge befien die Gebühren am Nieberr. vermindert u. 
am Oberr. erhöht wurden ; 5) Einſetzung einer Gentralcommiffion , bie fich alle 
Jahre am 1. Zuli zu Mainz verfammelt, ferner Ernennung von vier 

mit befiimmten Berwaltungsbezirten,, fo wie von Zollgeriähten zur Entſch 
ftreitiger Schifffahrtsangelegenheiten in 2 Inflangen. Die neue Orbnung trat 
bem 17. Juli 1831 in’ Leben und iſt feltbem unverändert feftgehalten worden. 
Neuerli wurde in ber deutfchen Rationalverfammlung ein Antrag geheilt, welcher 
die endliche Befreiung ber beutfchen Ströme von allen Zöllen und Abgaben zum 
Zwede bat. Wenn berfelbe, wie kaum zu zweifeln, zur Annahme gelangt, ſo 
werben bie wohlthätigen Folgen hievon auf bie R.fchifffahrt bald erfichtlih wer 
ben. Sehr günflig Hat auf dieſelbe inzwiſchen ſchon ber beutiche Zollverein ge 
wirkt, — Seit 1825 it auf dem R. auch bie Dampfidifffahrt eingeführt, u. fie geh 
hier lebhafter, als auf irgend einem anberen beutfchen Strome. Aufangs 


dem Berfonenverfehr ſich befchäftigend, Hat fie aber päuer auch ben größten Zell 
bes Wanrentransports an ſich gerifien und damit bie —A * beein⸗ 
weiche 


rahtinet. Died führte bald zu Beſchwerden u. Konflikten, 
anarchifchen Zeiten fo weit ausarteten, baß bie Schiffer förmliche Angriffe bie 
Dampfboote machten u, felbe an mehreren Orten vom Ufer aus mit er 
ven beichoffen. Richt unerwähnt bürfen wir bei Beſprechung ber R.ſchi e 
großen Floͤße laflen, welche auf diefem Strome, — jedoch nicht mehr fo 
ahlreich wie fruͤher, gehen, Maſtbaͤume und Schiffsbauholz nach Holland, be⸗ 
—*8* Dortrecht verfuͤhrend. Dieſe Rieſenfloͤße find 7 —900 Fuß lang, 70 breit 
und beſtehen aus mehren Lagen Baͤumen über einander, fo daß fie 8—I Fuß im 
Waſſer tauchen. Geleitet werben fie unter der Aufficht eines Floßführers, von 
5—900 Mann, die während ber Fahrt in einem Fleinen Dorfe von 12—15 
Hütten auf dem Floſſe wohnen. Der Werth einer ſolchen Fuhre beläuft ſich auf 
‚000 fl. — Ausnehmend beträchtlich ift dee Rheinhandel, ſchwächer 
jedoch zu Berge (in Kolonialwaaren) als zu Thal (in Holz, Getreide, Wein, 
Obſt, Droguerien, Farbfräutern, Pottaſche, Salz, Schiefer, hlſteinen, Biel, 
Eifen, Tuffftein und anderer Mineralien), fo wie in allen Natur» und Fabrikpro⸗ 
buften des innern Landes. Die Mittel zu noch geöherer Ausbehnung bed Ber 
tehre hat der R.⸗Handel in neuefter Zeit durch ben 1834 eröffneten Rhone⸗R.⸗Kanal 
(Kanal Monfieur), insbeſondere aber durch den Ludwigkanal erhalten, welcher 
den Rhein mit der Donau und ſomit die Nordſee mit dem ſchwarzen Meere in 
Verbindung bringt. Auch die Eiſenbahnen, deren mehre vom R. nach dem öR- 
lichen Deutichland, Belgien und Frankreich gehen, tragen ihren Theil zur Belebung 
ber Gefchäfte bei. Die bebeutendftien Handelspläge am R. find Straßburg, 
Mainz, vorzüglih aber Köln. Aſſekuranzen für Schifffahrt auf dem R. find 
an allen dieſen Orten. — In ber Geſchichte fpielt ber R., beffen Ufer und Re 
benthäler die ältefte Heimath ber beutichen Kultur find, ſchon von ben Zeiten ber 
Römer her eine wichtige Rolle, wenn fchon die Anficht, daß er Deutſchlands na 
tuͤrliche Grenze gegen Frankreich bilde, eine durchaus irrige if. Zum Beweiſe 
bed Gegentheiled genügt die einfache Wahrnehmung, daß bie beiden Ufer bes 
Stromes von beutichrevennen Völkern bewohnt find. Der Behauptung ber R. 
fei ein echt beutfcher Strom,, thut teinen Gosrag, de heutichen an 


RHeinbayern — Rheinbund. 811 


¶Ober⸗ und Niederchein” fich von der Maffe der Nation abgefondert und eigene 
S Staaten gebildet haben, Dort feit einem halben Jahriaufend ben Bund ber freien 
* Eidgenoffen in der Schweiz, Hier feit drei Jahrhunderten die fieben vereinigten 
5 niederländifchen Provinzen, aus we das Heutige Königreich der Niederlande 
= entftanden ift. Auch der Frembling, welcher ſich feit dem 17, Jahrhunderte an ben 
bes deutſchen «Stromes: feftgefeßt, ber je ‚ al Eroberer ber 
andgraffchaft Elfaß, if im biefem: langen Zeitraume nicht im Stande gewefen, 
!% Die deutiche Nationalität der Elfaffer zu aerflören. Im der Priegsgefbichte Haben 
insbejondere die Rheinuͤb e einen Namen gemacht. Julius Cäfar hatte 
Ve Bei feinem Zuge gegen: bie Gallier eine Pfahlbrüde über ben Rhein föngen 

| ſen. Im breißig; en Kriege wurde ber Strom wiederholt auf Schiff⸗ 
ſzbruden überjhritten, von Guftav Adolf ſelbſt oberhalb Oppenheim (f. d.). 
ehrere Uebergänge in den: Feldzügen gegen: Ende bes 17. Jahrhunderts 
im 18, 8 19. 5 berüßmt find beſonders ber bes — von Lothringen 
Schröd im Jahre 1744; noch; mehr die während des utiondfrieges und 
achher die Napoleons.‘ Der Mebergang der Verbündeten im Jahre 1814 fand 
geringen Miberftand. — Sein Huf ber Welt ift von ber Kunft und Literatur 
‚häufig zum Gegenſtande ber —— ‚gewählt worden, wie ber R. Reife 
plaſtiſche Darftellungen einzelner Ge⸗ 
A enfammlungen in Berfen und Profa find in 
allen Kunft- und Buchläden * —— — Mi unb 
ein Bauın gefunden wird, ber nicht {on eine Feder 

ober) einen: Grabftichel in Bewegung gefept Hätte, Das genaue Bi 
aller diefer Werke würde den ums für dem vorflehenden Artikel 

Bi Raum weit uͤberſchreiten, und mit fügtenhaften bürfte den adem — 


gedient 6 
—3— —— ab Fir Deutfehland: fo verfängnifvolle, don Napoleons 
[| r olle, 
SH Politik zu Defterreih8 Verderben und Deulands — erſonnene und 
am 12. Juli 1806 zu Paris abgeſchloſſene, Bundniß wiſchen 16 deutſchen Fürften 
und Franfreich, zufolge deſſen jene fi buch bie Rheinbundsacte vom deutſchen 
NReichöverbande Iosfagten, fih in ihren Gebieten für ſouverain erflärten, zum 
Theile neue Titel annahmen und bie innerhalb ihrer Lande befindlichen Reichs⸗ 
ſtaͤdte, Reichögrafen und Reichsritter meblatifirten. Die Mitglieder des Bundes 
waren, außer Frankreich: Bayern, Württemberg, Baden, (fi liche ſchon im 
Presburgerfrieben, 26. Der. 1805, für fouverain erflärt, erftere beide mit dem 
Titel Königreich) ; der Kurerzkanzler (nun Fürft Prima) ; Kleve und Berg; Heſſen⸗ 
Darmftabt (jept nebft Baben und Berg mit bem Titel: Großherzogthum); Raflaus 
fingen, Raflaus Weilburg (nun Erratine); Hohenzollern » Hechingen und 
Sohenpollern-Gigmaringen; Salm⸗Salm und Salms Syrburg; Ifenburg, Ahrem⸗ 
berg, Liechtenſtein, (welches ungefcagt in ben Rheinbund aufgenommen wurbe), 
und ber Graf von Leyen (mun Fürft), — Napoleon nannte ſich Protektor bes 
Rheinbundes und ein Allianztraktat zwiſchen Frankreich und den beutfchen Buns 
beömitgliebern beftimmte, daß erſteres zu jedem Continentaltriege 200,000, letztere 
63,000 Wann (nämlich Bayern 30,000, Württemberg 12,000, Baden 8000, B 
5000, Heflen-Darmftadt 4000, bie übrigen zufammen 4000) ftellen follten, bo 
fo, daß die deutſchen Bunbestruppen nicht ohne befonbere Aufforderung des Pros 
teftor8 bewaffnet werben durften. Der zu Frankfurt niebergefegte Bundestag, 
beſtehend aus 2 Collegien, dem föniglichen unter Borfig bes Shrfen Primas un! 
, bem fürftlihen unter dem Präfidium des Herzogs von Raſſau, follte etwaige 
. Differengen unter ben Bundesgliedern entſcheiden! Kein Mitglied bes Bundes 
ſollie auswärts Dienfte nehmen bürfen und Katholiken und Proteftanten gleiche 
bürgerliche Rechte genießen. Frankreich follte ben jebesmaligen Rosie 2 
Zürften Primas zu ernennen haben. Am 1. Augut 1806 88 Ver tür 
Oefanbte Bader bem Reichstage bie Bunbesade zugleih wit Ver Ro 


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812 Rheinfall — Rheinfelden. 


baß Frankreich fein deutſches Reich ferner anerkenne. Die Folge davon war bi 
Auflöfung des letzteren (6. Auguft 1806). Die Bindesfärhen arrombirten wa 
vergrößerten nun ihre Ränder durch Austaufch ober Zmestebung und Medi 
feung, ber encavirten reichsftänbifchen @ebiete, 3. B. Bayern ch 
und Augsburg und die Reichslaͤndereien ber Grafen Fugger, Lobkowitz, 
lohe, Dettingen, Taris, Eſterhazy, Schwarzenberg; Württemberg 
firung ber ſchwaͤbiſchen Reichsgrafen und ber in feinem Gebiete liegenden Ing 
jeß’fhen, Hohenlohe’fchen u. Taris’fchen Ländereien ; Baden burch eröhchn mi 
bie ®üter ber Leiningen, Kürftenberg, Salm-Reiferfcheib u. Lörwenftein ; ber u) 
mas durch Frankfurt, Grafſchaft Rheineck, Löwenftein- Wertheim; Deifen- 
duch HefiensHomburg, Berg und Dillenburg, Bentheim, Croy, Loogs@orswarex 
— Außer Rußland, England und Schweden erkannten alle europätfchen Mädk 
ben R. an, welchem nady und nach Immer mehre beutfche Fuͤrſten aten, wi 
ben 3. Oct. 1806 der Kurfürft von Würzburg (nun Großherzog) 5 den 11. dx. 
ber Kurfürft von Sachſen (nun König); ben 15. Dec. bie Herz 
ben 18. April 1807 die Kürften von Anhalt (nun Herzöge) ; bie von Sch 
Lippe und Reuß; den 15. Rov. das neu errichtete ömigreie Weſtphalen; im 

e 

& 














18. Febr. 22. März und 14. Oct. 1808 die Herzöge von dAlenburg- Ei, 
Medienburgs Schwerin und Oldenburg, fo daB nun ber Flaͤ alt des Ric 
bunbgebiried 5977 [JMeilen mit 14,320,000 Einwohnern (fpäter 1810 md 
Ber igung der Eid» und MWefermündungen mit Franfreid nur no 538 
Meilen mit 13,475,800 Einwohnern) betrug, Im Jahre 1810 wurbde bei 
undescontingent anf 119,180 Mann feftgefeht, wozu Weſtphalen 25,000, 
Znigeich Sachſen 20,000 (ohne das Herzogthum Warſchau, das indirect nf 
zum gerechnet wurde), bie fächftfchen —* 2800, 2008, 
Mediendburg 2300, Anhalt 800, Kippe 650, Schwarzburg 600, Reuß KA 
Walde A400 Mann ftellen follte, welche Rapoleon lediglich .zu feinen Eroberung 
friegen gegen Oeſterreich, Spanien und Rußland verwendete, von wo bie we 
rigen zuruͤckkehrten. Dieß und feine übrigen Gewaltfireihe, namentlich die am 
10. Dec. 1810 decretirte Losreißung Oldenburgs, Ahrembergs und eine gie 
Theiles von Weftphalen und Berg vom R., welche mit Yranfreich 
wurden, öffneten ben Bundesgliedern bie Augen, fo Daß 1813 zu bie belle 
Medienburg, dann die meiften übrigen R. Fürften und zuletzt auch Bayern mi 
Württemberg ſich gegen Frankreich erklärten und ihre pen mit been be 
verbünbeten Mächte vereinigten. Der König von Sachſen und ber * Drimas, 
welche am längften damit gezögert hatten, verloren, jener bie Hälfte feines Ge 
bietes, dieſer Alles, Dastelbe 2008 traf Weftphalen und Berg. Die Yürken 
von Sfenburg und von Leyen wurden mebiatifirt. Die übrigen (mit Uusnafme 
des Herzogs von Ahremberg) blieben fouverain und traten dem beutfchen Bumke 
bei, Vgl. Luchefini „Hiftorifche Entwidelung ber Nrfachen und Wirkungen 
bes Rheinbundes“ (deutich 3 Bde., Lpz. 1821—25). 

Rheinfall, f. ——— 8— en. 

Rheinfelden, kleine Stadt am linken Rheinufer im fogenannten 
bes eidgenöffifchen Kantons Aargau, liegt in einer fruchtbaren Gegend, an be 
Strafe von Bafel nad Schaffhaufen, Züri u. Aarau, welche, fowie Die SH 
fahrt, ihm belebt. ine Brüde zu R. führt auf eine Infel im Rhein, eine 
an das baden'ſche Ufer, wo der Rhein am wilbeften ſchaͤumt, über ben g 
hen Strudel Hoͤllenhaken. Auf ber Infel im Strome ſtehen bie Trümmer Ib 
Schloſſes Stein von R. genannt, weldhes 1445 von ben Eidsgenofien zerfikt 
wurde und wovon immer mehr gefchleift wird. Die Stadt Hat gut 
Schulen, ein Chorherrnftift, ein Spital und in der Nähe eine O e, 
ſtampfe, eine Papiermuͤhle u. einen Steinbruch. Im Schwedenkriege litt fie vid 
Ihre Feſtungswerke wurden von den Franzoſen im Jahre 1744 —*2 — 1801 
trat Defterreich die Statt an ie Shoc, AI iom fe an ben Fantes 
Hargan. Bei R. erfor an 2. Mir, 1538 ver Seray Deript vun Wutenn m. 






















Ei 


Rheinfels —Rheinprovinz. 813 


fangen gta ‚sfaiferliche Heer unter Johann von Werth, der dabei 
‘= Eee, mag Ant ten einem Selfen über St. Goat, im 
ehemalige e auf einem Felſen über St. at, im 
Kg & Once Is yraskiichen Kegiexen Inge Soden, 1249 an er Giee 
&s bes Klofters Mattenburg — —6 en Hefſen-Kaſſel und 
|® Darmftadt ftreitig, 1692 vor dem lard vergebens belagert , 
= von den Franzofen eingenommen eh Ueber die beiden —S——— des 
a welche hier, De es von 1577 — 1583, * King von 
ihren Sig hatten, welche letztere ſich wieder in bi Seitenlinien 
—— —— 
— ——— ——— 
'ajor Schnigler Ka ließ. 1651 fi — ——— 
En Matt u {he A zus: Schloß u. die Feftung R.“ — 
eingau, er Name ehemals zu 
uch) (eine Ratuefgündeten eben fo, — b a an Wehe bes 


Landftriches am rechten Rheinufer je va 
don Often nach —— Hin vom Dorfe Ne .1g on alle bei ee 
iederwald bei Rübesh Stunden u. 2 Stunden breit pe) de 
bis Lorch) erfiredt Zr or —— mie durch ein ſchmales Thal 
ud — ber Rabentopf, unweit Wintel, 

ftrichen wird. Die Zahl ber johner beträgt über 18,000, die ſich 
der. Heinen Stil ſahrt und vom Weinbaue naͤhren, welcher durch bie; gegen 
und Oft» Winde geficherte, ben Strahlen ber Mittags + Sonne ſeßte, 
e ganz — b igt wird und bie ebelften Nheinweine Tiefer. Der 
% — in 8 iſt —— liche —— —* * 53* 2,100 Einwohnern; 
al em find bemerfens‘ Hattenheim, ach ( ), Deftrich, Winkel, 
=t Geifengeim, Johannisberg, Rüdesheim ıc, Jenſeits des — llegt das 
ar — vorzüglichen Rothwein Ueberaus 

iſt die Ausſicht vom Niederwalde und dem fürſtlich Metternich ram Sl je Jo⸗ 
hannisberg. Bon dem früher vorhandenen fogenannten Gebäd, einer Befeftigung, 
3 aus einem tiefen Graben und einer breiten, undurchbringlichen Hede in einander 
x} verfchlungener u, verwachſener Bäume beſtehend, welche den NR. von der Landſeite 

5 ber umgab und fpäter durch mit Türmen verfehene Vollwerke verfärkt wurde, 
s iſt Pr Spur mehr vorhanden. Sie verlor ihre Bedeutung , feitbem 1631 
# Mi Gämeten unter Bernhard von Weimar fie burhbrangen und ben R. 


exobı 
Wentepen f. HeffensDarmflabt. 
er Bund, war 1) der urfprängliche Rame dee Hanfa (. b.), 
v ud Ai Ger Staͤdtebund genannt. — PA AL fo ein Bund, den bie 3 
I HR Kurfürften von Mainz, Trier u. Köln, fowie ber Biſchof von Bm 
ber König von Schweben, Pfalz Neuburg, der Herzog von Lünebur 
affel u. Andere 1658 den 14. Auguft zu Frankfurt ſchloßen, ai —ãA 
gegen bie Einquartirung frember Kriegsvdller zu fchügen, in der Er ab, I Pl 
— Ludwig XIV. den 15. Auguſt durch einen beſonderen Receß mit aufs 
ne men, um 16 mit biefem gegen Kaiſer Leopold L zu allliren. — 3) Eiche 
eindbun 
Aheinprovinz, bie preußifche, auh Rheinpreußen Ya — A bie 
weftlichfle der 8 ropingen, aus aus benen bie veeuäifhe ‚promansie befeh 
2,700,000 Einwohner auf 480 — Ihre Graͤnzen find: — eh Be 
preußiſche Provinz Wefiphalen, , Heflens Darmftabt, bie bayerifche Ri 
Pfalz, Al das oldenburgifihe Fürftentfum Birtenfeld; gegen ©: den 
gem g Zuremburg, Belgien u. bie Niederlande u. gegen Nor⸗ 
den ed te Niederlande. Ihe ee find: die ehemaligen SE 
thümer Kleve, Geldern u. Berg, bie Mrs u, SEN 
er 1833 erworben wurbe) bas A RICH Ver indiiäge ok 


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814 Rheinprovinz. 


Theil des vormaligen Erzbisthums Köln u. bie Herrſchaften Homburg, Ref 
u. Gimborn, Länder, bie Preußen vor 1806 ſchon größtenteils beſaß; ferner ix 
von dem Yürften von Naſſau eingetaufchten Ländereien, fowie Die Gtanbesken: 
[haften Neuwied, Solms u. Wildenburg, die Gebiete ber Reichsädte Wehler ı 
Aachen, ein Stüd von Limburg u. Theile der vier vormals franzöſtſchen Dam 
tements Rhein» Mofel, Mofel, des Forets und Saar. Alle dieſe Gebieisthel 
welche 1815 durch ben Beſchluß bes Wiener Eongrefies an Preußen Tamm, Hi 
beten Anfangs zwei abgefonderte Provinzen: KlevesBerg, welches bie ek 
Hälfte der hier aufgezählten Lanbeötheile, u. RiebersRhein, welches bie zueix 
umfaßte. 1824 wurden biefelben in eine einzige unter dem Ramen R. zufamen; 
gezogen, welche jegt unter dem Oberpräfldium zu Koblenz in bie Regierumgei 
zirke: Koblenz, Trier, Köln, Aachen und Duͤſſeldorf zerfält. Haupt iſt ie 
Rhein (ſ. d.), ber bie Provinz in einer Länge von 43 Meilen burchfließt m 
auf dem Gebiete derfelben rechts bie Lahn, Sayn, Wied, Sieg, Wupper u. Yin, 
links die Nahe, Mofel, Nette, Ahr und Erft aufnimmt. Außerbem find auch i 
zu dem Stromgebiete der Maas gehörigen Flüffe Ruhr ober Roer, bie Schwan 
und Die Riers ober Neers nicht unbebeutend. Auch fehlt es nicht an Gem mi 
Kanälen. Zu den erfteren gehört ber Laacherfee auf dem Eifelgebirge, fo mie de 
Kelibergerteich und dad Meerfeldermaar, und an der nieberländifchen Gränze tat 
Brevelermeer, ber Bornerfee, die beiden Seen zwiſchen Kaldenkirchen und Bred 
und Die drei Seen bei Leuth im Geldern'ſchen; zu ben leßteren ber umnvollen 
gebliebene Mariengraben (Fossa Eugenia) , welcher ben Rhein mit ber Mac 
verbinden follte, ber Spongraben, durch weichen Kieve mit dem Rheine, und te 
Tuisburgerfanal,, durch ben Duiöburg mit bemfelben Fluße im Zufamm 
Rebt. Der Boden ift, mit Ausnahme des nörblicäften Theils, allentkalben 
oder weniger gebirgig u. von fehr verfdhiebener Fruchtbarkeit. Während bie w 
fruchtbaren Gegenden des Wefterwaldes u. bie aus Weftphalen ſich herüberzichens 
den Ausläufer des Sauerländifchen Gebirges, beionders aber das faft ganz Hak 
Plateau ber Eifel ihre Bewohner nur hödhft dürftig naͤhren, find bie Thaͤler m 
Rhein (Rheingau), an ber Mofel und Nahe fehr fruchtbar unb bie ganze flade 
Noerdbaͤlfte ber Provinz befigt fogar ben ergiebigften Waizenboden. Auch dei 
übrige Sand if reih an Holz, Wieſenwachs, Klee und vorzäglid an Wein wi 
Oft, welche beide letzteren Produkte Hauptgegenftände ber Ausfuhr find, N 
Mineralien finden fi Blei, Kupfer, Galmei, Er Stein u. Braunfoßle, auße⸗ 
dem Marmor, Gyps, Tufftein, Lavamühlfteine, Pfeifen» und Töpfererbe, Kal, 
Salz u. Torf. Mineralquellen zählt die R. 31, von denen die warmen u. falten 
Schwefelquellen zu Aachen u. Burtfcheid europaͤiſchen Ruf haben; ihnen amädl 
fiehen die Sauerbrunnen zu Godesberg, Roisdorf, Königftein, fowie Die bei Dam, 
u Ziſſen, Mendis u. Ehrenbreitftein, der Biresborn bei Prüm u. Die Soolbaͤda 
zu Kreuznach. Die Einwohner find ber Abſtammung nad faſt nur Deutfche, mi 
denen fich Die in einzelne Gegenden der Provinz feüßer eingewanbderten Yranzcie 
rölig verſchmolzen haben; doch wird in einem fchmalen Striche noch ih 
seiprecken. Juden gibt es umgefäht 28,000 u. im Regierungsbezirke Köln ad 
anise Zigeumerfamilien (Waldlepper). Die Mehrzahl der Bewohner bekennt ſich 
u Feeheliihen, etwa 650,000 zur proteflanifchen Kirche; 1300 find Mennoniten 
Mutie und Fabrikation ſtehen auf der höchſten Stufe; namentlich übertreffen 
Ne Bermrellengarn⸗ u. Zeugfabriken im Wupperthale , die Geidenfabrifen in 
DSeerid a. Deren Umgebungen, fowie die Tuch⸗ u. Kaftmirfabrifen im Aachene 
Rue an Auedebnung u. Feinheit der Arbeit die aller übrigen Theile Preußens 
4 um Therle ielbit Deutſchlands. Faſt eben fo berühmt find die Llingen» Eile 
u. Stunraörikn zu Solingen u. an fie fohließen ſich am die Mafchinenwerkkät 
un iu Sirrkade, Ifelburg u. Mühlbelm, die Fleinen Eifen- u. Stablwaarenis 
suren iu Remſcheid. Srenenberg u. Lüttringbaufen, die Leinwandiwebereien in be 
Rudenber Gegend, Die Leterfahriten au Malmeby und St. Bith, bie Rip mb 
Srunudeijadriten zu Ak, Baritet u. Sioheg, Sale erh Aaın, 





Mi Bu. 


Rheinsberg — Rheinweine. 


win Tabak, ellan, Glas u: Wachotuch werben 
5 fe Shan 8 ee Drake Der Handel a id Alenhelden hin) 
* [een u. in neuerer Zeit Durch mehre Eifenbahnen (von Düffeldorf nady 
® berfelb 33 Meilen, von Köln über Düren u. Aachen nah Herbesthal 114 Meir 
# fen, von Köln über Brühl nad Bonn 4 Weile, von Deup bis Düffeldorf ın 
>4 Duisburg 8 Meilen) u. durch den Rhein en zahlreiche Nebenflüffe geförz 
5 dert, an wiffenſchaftlichen u. Snkackalten J die Provinz: eine Mniverfität 
r zu Bonn, eine Malerafabemie zu Düffeldorf, eine — u. Bandelsſe le 
—— ein katholiſches Priefterfeminar zu Trier u. Bonn, 18 Gymna 
Aachen, ve ‚en, Koblenz, Kreumach, Weplar; Bonn, Münftereifel, —— 
Duisburg , Elberfeld, Emmerich, Eſſen, — Ba Trier, Saarbrüden 
= zu Köln, eine Ritterafademie zu Be Gabettenanftalt: zu Beneberg, vr 
U proteftantiiches Schullehrerfeminar zu — zwei: katholiſche zu Koblenz u, bei 
& Trier. Die Provinzialftände b * dem Fürften von Solms + Braunfels, 
ai dem jen von Solms ».Hohenfo Lich, dem Fürften von Wied, dem 
5. von Hapfeld, dem Fürften von Elm Refefgeile Dr a Deputirten der 
Fa terfhaft, 25 Deputirtember Städte, 25 Deputirten ber jemeinden, Lands 
= tagsort ift Düftlbrf Dberfte Gerichtöbehörben für bie % : ber 
kei —— und ——— Berlin, ber — die Beet et 
jen Theile —— —— 
— u. ber Aopefatienshel im Sin in Be nem Compler 


815 
— 


von 8 — 23 pa dem ibt es zu Aachen, 
& Berfet, Robleng, Bil, — —— 
Br befteht dieſe Gerichtsverfaſſung nur in demj⸗ Theilen Provinz, wo bas 


kat feanzöfifche Recht (code N: 1)  Gefegeöfra| Re In den — — Lan⸗ 
—— — des Re, — bezitles Koblenz gilt dagegen das gemeine deutiche Recht 
54. eh ii ——— herr das Be Umbeh 
# 6 Regierung, e e 
u Rorff, —A— —— — RGerl. 1830); 
Billemſen, „die R. unter Preußen“ Re erf. 1842) u. „die R. im Maafftab 
= von 80,000 nach ben "neueften Landesvermeffungen vom topographifchen Bureau 
2 des Generalftahes“ (Berlin 1841 — 45). 
= Nheinsberg, Stadt im Kreife Ruppin des preußifhen Regierungsbezirkes 
2) Potsdam, am der füdlihen Seite des Rheinsberger» ober: Grieneridfees und an 
== bem aus biefem abfiepenben Tlüshen Rhin, Hat etwa 2000 Einwohner, eine 
w Bayence » u. Steingutfabrif u. in ber Nähe eine Glashütte. Im der Stadt bes 
5 finde fid) ein Schloß mit. einem ie (hönen Parke, wo Friedrich I. fi als Kron⸗ 
= prinz eini; nige Jahre aufhielt u. mannigfache Berfhönerungen an beiden vornahm. 
w Fi 1744 war es in bem Befige eines Bruders, bes 1802 verftorbenen Prin⸗ 
einrich von Preußen, befien Grabmal, fowie bie Denlmale verſchiedener 
Fan u —ã ns in dem Schloßgarten befindet. Iept gehört das Schloß 


on Preußen. 

i vn ein Hi un Eh am linken Rheinufer, unweit — im 2 beeufifgen 

—— fe Koblenz, bie alte Boigtsburg, wo einft Ke Rudolph von 
b burg refidirte u. um bie Mitte bes 14, — erts Fi von Baltenftein 
Fi 1825 kaufte Prinz Friedrich von eher hie Die Ruine von dem Freiherrn 
z von & und ließ fie durch ben Architelten Kühn aus Koblenz, mit Berüdfich- 
tigung u. möglichfter Benügung ber noch übrigen Baulichfeiten, wieber gierRelem 
; und im Gefchmade bes Mittelalters woßnlich eintichten. — In ber Ni Eule 
’ alte „Gimensticäe, die ebenfalls auf Anoehnung des Prinzen wieber 


wurde. 
Nheinweine heißen im weiteren Sinne alle, an ben Ufern und in ben &, 
tenthäleen bes Rheins wachſende Bein, wozu alfo früher u bie Die Blüte: uk 
Mofelweine ıc. gerechnet wurben; engeren Sinne biop tie W 
Fr wachfenben Beine, ne be fich befand ie —8 nen 


wu 


812 Rheinfall — Rheinfelden. 


baß Frankreich Fein deutſches Neich ferner anerfenne Die Folge bavon war bie 
Auflöfung des lesteren (6. Auguſt 1806). Die Bundes arrondirten und 
vergrößerten nun ihre Länder durch Austauſch ober 2 eeibung und Mediatis 
feung der encdavirten reichsfländifchen Gebiete, 3 B. Bayern durch Rürn 
und Augsburg und die Reichslänbereien ber Grafen Fugger, Lobkowitz, Hohen 
Iohe, Dettingen, Taris, Eſterhazy, Schwarzenberg; Württemberg buch Mebiati- 
firung ber ſchwaͤbiſchen Reichögrafen und ber in feinem Gebiete liegenben Truch⸗ 
feß’fhen, Hohenlohe’fhen u. Taris’jchen Ländereien ; Baden beim und 
Die Güter ber Leiningen, Fürftenderg, Salm⸗Reiferſcheid u. Loͤwenſtein; ber gr Pri⸗ 
mas durch Frankfurt, Grafſchaft Rheineck, Loͤwenſtein⸗Wertheim; Hefſen⸗Darmſtabi 
Ba — Berg und Dillenburg, Bentheim, Croy, Loo⸗Corswaren x. 
— er Rußland, England und Schweden erkannten alle europaͤiſchen Maͤchte 
den R. an, welchem nady und nad) immer mehre deutſche Kürften beitraten, wie 
ben 3. Oct, 1806 ber Kurfürft von Würzburg (nun —— den 11. Der. 
ber Kurfuͤrſt von Sachſen (nun König); ben 15. Dec, bie pe ge von Sachſen; 
ben 18. April 1807 die Fürften von Anhalt (nun Herzöge) ; die von Schwarzburg, 
Lippe und Reuß; den 15. Rov. das neu errichtete Königreich Weſtphalen; ben 
18. Febr. 22. März und 14. De. 1808 die Herzöge von Medienburg- Steig, 
Mediendburg- Schwerin und Didendurg, fo daß nun ber Flächeninhalt bes Rhein 
bundgebietes 5977 [[_J Meilen mit 14,320,000 Einwohnern (fpäter 1810 nad 
Vereinigung ber ib» und Befermünbungen Sranfreih nur noch 5384 
Meilen mit 13,475,800 Einwohnern) betrug. Im Jahre 1810 wurde das 
undescontingent anf 119,180 Mann feftgeieht, wozu Weſtphalen 25,000, 
vönigeeich Sachſen 20,000 (ohne das Herzogtfum Warſchau, das indirect auch 
zum gerechnet wurde), bie fächflichen Gerogthfmer 2300, Würzburg 2000, 
Medienburg 2300, Anhalt 800, Kippe 650, Schwarzburg 600, Reuß 450, 
Waldeck 400 Mann ftellen follte, welche Napoleon lediglich zu feinen Eroberungs⸗ 
friegen gegen Defterreidh, Spanien und Rußland verwendete, von wo bie we⸗ 
nigfen zurückkehrten. Dieß und feine übrigen Gewaltſtreiche, namentlich die am 
10. Dec. 1810 decretirte Losreißung Oldenburgs, Ahrembergs und eines großen 
Theiles von Weftphalen und Berg vom R., welche mit Frankreich verbunden 
wurden, öffneten ben Bundesgliebern die Augen, fo daß 1813 zuerſt die beiden 
Medienburg, dann bie meiften übrigen R.s Fürften und zulegt auch Bayern unb 
Württemberg fich gegen Frankreich erklärten und ihre pen mit benen ber 
verbündeten Mächte vereinigten. Dee König von Sachfen und ber Yürft , 
welche am längften damit gezögert Hatten, verloren, jener bie Hälfte feines Ge⸗ 
bietes, dieſer Alles. Dastelbe 2008 traf Weftphalen und Berg. Die Yürften 
von Sfenburg und von Leyen wurden mebiatifirt. Die übrigen (mit Ausnahme 
bes Herzogs von Abremberg) blieben fouverain und traten bem beutfchen Bunde 
bei. Bol Luchefini „Hiftorifche Entwidelung ber Urſachen und Wirkungen 
bes Rheinbundes“ (deutfch 3 Bde., Lpz. 1821—25). 

Rheinfall, ſ. Shaffhaufen. 

Rheinfelden, kleine Stadt am linken Rheinufer im ſogenannten Frickthale 
des eidgenoͤſſiſchen Kantons Aargau, liegt in einer fruchtbaren Gegend, an der 
Straſſe von Baſel nach Schaffhauſen, Zuͤrich u. Aarau, welche, ſowie die Schiff⸗ 
fahrt, ihn belebt. Eine Brüde zu R. führt auf eine Inſel im Rhein, eine zweite 
an das baden'ſche Ufer, wo ber Rhein am wilbeften ſchaͤumt, über ben gefäßrli- 
Ken Strudel Höllendafen. Auf der Infel im Strome fliehen bie Trümmer des 
Schloſſes Stein von R. genannt, welches 1445 von ben Eidögenoflen zerftört 
wurde und wovon immer mehr gejchleift wird. Die Stadt Hat gut eingerichtete 
Schulen, ein Chorherrnſtift, ein Spital und in der Nähe eine Delmühle, Tabats 
ftampfe, eine Papiermühle u. einen Steinbruch. Im Schwebenkriege litt fle vie. 
Ihre Feſtungswerke wurben von den Franzoſen im Jahre 1744 geichleift. 1801 
trat Defterreich die Stadt an die Schweiz ab und 1815 fam fie an ben Kanton 

Aargau. Bei R. erfocht am 2. Moxx 10 ter Qermn Bemnkard von Weimar ben 


Die Lehre von ber äußern Schönheit. ber Darftellung aber a Sie: von 
ber, Schönheit des profatfchen Styla, und biefe b te ſich t auf die Bes 
Saffenheit der fhönen Profafprade, deren Er jerniffe Anfchaulichkeit umb 
Eleganz find, theils auf bie allgemeinen Arten biefes Styls (genera di- 
eendi), als bes zerfchnlttenen oder aphoriſtiſchen, des periobifchen und des. ger 
miſchten Style. — I, Die befondere R. ift die Theorie ber möglichen ts 
arten ber Proſalunſt, oder ber weſentlich eigentbümlichen Richtungen der ſchoͤnen 
fa, für deren Claffififatton ein doppelter Gefihtöpunft, ein. materieller u. ein 
eller, fi) barbietet. Der materielle Gefichtöpunft betrifft das Weſen 
das Gegenſtaͤndliche (bie innere Bebeutung) des Vortrags felbft, woraus 
folgende ‚Unterarten ergeben: bie fentimentale, oder die @efühlsprofa ; 
tHeoretifche ober bidaftifche (Erfenntniß-) Profa, ſich theilend in die dogmati- 
ober belehrende, in bie commentirenbe ober erläuternbe, und in bie Eritifche 
‚ober unterfuchende A bie oratorifche Profa, d. i. Die eigentliche Beredi⸗ 
for bie Hiftorifche und die negociatorifche ober Geichäftsprofa. Der 


* 


— 


ormelle Geſ ft de betrifft bie Außerli 8 ‚ber Form 
* — a ——— Hl Profa ae Beier „oder 
dialogiſch, oder epifto —— Vergleiche Maaß, Grundriß der. all 
BRufiE IR OR. Mn She ber Muffwifenfäan” die Kch oemfate sur Ehrung 
u. Anorbnung. der Hauptgedanfen, auf ‚ben Gebrauch) ber verfhiedenen A 
—— — 
‚(Rhei 
k ‚ber in geflörter a at u. Nieren u. in — 


Ra 


& Durch. fie. auszuicheibenden. in.bem Organismus feinen Grund hat, 
= Schmerzen u, Entzündungen ‚in ben u, feröfen 
> u. nad) einer längern Dauer einen bysfcal 3 bes Blutes (fehlerhaft 
erbeiführt, chroniſch wird u, in Gicht übergeht. Der R, Fanıt 
@) feinen Sig in jedem le des menſchlichen — nehmen. Im Allge⸗ 
meinen aber übt die Örtliche Einwirkung ber Kälte auf bie Lofalität ka 
& Einfluß, der übrigens theilweiſe durch manche Umftände, namentlich durch den 
= frühern u. gegenwärtigen gereigten, oder geihwächten, zu Kranfheiten überhaupt 
dieponirten Zuftand modificirt wird. Aus das Lebensalter u. Geſchlecht bedingen 
u theilweife die Lofalität: fo werben bei jüngeren Berfonen beſonders die oberen, bei 
ı älteren bie unteren Theile, bei Bauen vorzugswelfe ber Kopf vom R. befallen. Als 
zi Gelegenheitsurfache zum Ausbruche des % beſteht vorzugsweile Erkältung bei 
<! fchnellem Temperaturwechfel in der Atmofphäre, bei naßfalter Witterung u, in 
# ber Zugluft, darum iſt es das Früß- u. Spätjahr, in welden man rheumatifche 
Affektlonen am häufigiten, fogar epidemiſch u. endemifch, beobachtet. — Am ems 
pfaͤnglichſten für deniben ift der menfchliche Körper im erhigten Zuftande u. eine 
vorherrſchende Dispofition dazu haben Sole, deren Haut ſehr verzärtelt if, ober 
; die eine vorherrſchend arterielle Gonftitution haben u. diefe noch durch eine ers 
hitzende Nahrungsweiſe begüinftigen. Die Pranfheitsäußerungen des R. weichen in 
# Ihrer Form mehfah von einander ab, Die Schmerzen find mehr oder weniger 
heftig, bald ziehend, brennend, ftechend, drüdend, judend, ſchneidend oder Hopfend 
uf. w., bald fir ober wandernd, bald rein örtlich oder allgemein, Sie bauern 
oft nur kurze Zeit an u. verſchwinden unter Fritiihen Abfceidungen duch den 
Schweiß u. Ham; nicht felten werden fie auch fehr Hartnädig, ober gehen in 
Entzündung ober lähmungsartige Schwäche u. wirkliche Lähmung über. Manche 
mal beginnen bie cheumatifchen Prantheitsäußerungen mit Sieber, oder es folgt 
biefes auf fie. Im erften Falle hat bie innere Urfache des R. einen unmittel 
baren Einfluß auf die Gefäß: u. Nerventhätigfeit ausgeübt, im andern Falle hat 
bie ofalaffektion den Gefammtorganismus in Mitleidenſchaft gezogen. Hier ers 
Er die Kriſis den 7. oder 14. Tag unter einem xahüiken, unlietten 
Shweiße u. einem eigenthuͤmlichen, ztegelfarbigen Bodehoh im I au am 
3 


Realencpelopäble. VIII. 


818 Rhianos — Rhinoplaftik. 


nifche Verlauf bes R. hat eine unbeſtimmte, auf Monate u. Jahre ſich hinans 
behnende Zeitdauer, iſt von feinem eigentlichen Kieber begleitet u. entfcheibet fi 
weniger burch Haut⸗ als durch Harnkriſe. Seine Ausgänge find Häufig bee 
tende Schwäche bes Teidenden Theiles u. Organiſatio erungen. Der R. H 
im Allgemeinen eine leicht zu befämpfenbe Krankheit, nur bie chronifche Form 

cheint zuweilen fehr — u. ihre Produkte werden oft unheilbar. 
ſchwierig, ja zuweilen unmöglich iſt bie Anlage zu ihr, ſobald die Säftemifchung fh 
gelitten Hat. Das Kurverfahren beim R. Hat zunächft bie Wieberherftellun 
unterbrüdten IThätigfeiten u. die Tilgung ber obmaltenden fehlerhaften 
mifhung zur Aufgabe, deren Löfung nach ben allgemeinen Geſetzen u. ben fe 
cielen Heilanzeigen gefhicht. Der Mittel gegen bie Kranfheit felbft gibt es m 
zählige, nach deren —** — Wirkſamkeit bie Auswahl des Arztes fi) zu riche 
bat. Unter ben anticheumntifchen Bädern find die Thermen von Ems, Bir 
baden, Baden⸗Baden, Toͤplitz u. das Schwefelbab zu Weilbacdh bie vorzüglid. 


. I 

Rhianos, ein griechiſcher Dichter u. Grammatifer der fpäteren Zeit, em 
um 220 v. Ehr., aus Bena auf Kreta, von Geburt ein Sflave, erhielt an 
nachher feine Freiheit. Er verbankte feinen Dichterruhm zwei bebeutenden Eye 
pöen, einer „Heraklea“ in 14 Büchern u, ben „Wefientafa* in 6 Büchern, fe 
wie mehren geogeapäiiip Bifterifchen Gedichten, unter denen die Alten bie „Ikk 
ſalika“, „Achaika“ u. „Eliaka“ befonders anführen, fowie einer Reihe von Be 
neren Poeſien, bie in der griehiihen Anthologie enthalten find. Huch befchäftigte 
er ſich, ans im Geſchmacke jener Zeit, mit Grammatik u. Kritik u. veranfaltt: 
eine im Alterthume gefchägte Recenſion ber Homerifchen Iliade“. Dex römilke 
Kaiſer Tiberius fand an feinen bdichterifchen Erzeugnifien fo großes Ber 
baß er biefelben, nebft dem Bilbniffe ihres Verfaſſers, in ben tlichen 
thefen aufftellen ließ. — Eine Sammlung und Erflärung der noch vorhandene 
Bruchftüde befiben wir von Saal (Bonn 1831). Bergleihe Stiebelis „De 
Rhiano“ (Baugen 1829); A. Meinecke in den „Abhandlungen ber 
Akademie der Wiffenfchaften” (Bd. 1., Berlin 1834) u. Jacobs „ber Diäte 
R." in den „Bermifchten Schriften“ (Bd. 8, Leipzig 1844). 

Rhinoceros, f. Nashorn. 

Nhinoplaftit, Nafenbildung, nennt man jenes dhirurgifche Verfahren, 
durch welches der verloren gegangene fleifchige Theil der Naſe mittelft Anheilmg 
eined anderwärts entnommenen Sautlappens erfeßt werden fol, u. fie 
nad ein Zweig, u. zwar ber bebeutenbdfte, ber plaſtiſchen Chirurgie, 
Pa Theils der Wundarzneifunft, der fich mit der möglichft ‚San 


E 


iz 


5 
1? 


berherfiellung gerflörter Theile, vermöge ber Meberpflanzung von Haut an 
Stelle bes verloren Gegangenen, beichäftigt. Die R. tft fehr hohen ers, 
fie ſchon im alten Indien von ben Braminen geübt ward und auch heute 
dort vielfach zu Haufe ift, aber ziemlich roh u. unvollfommen geübt werben 
In Europa finden ſich die älteſten Spuren bei Eelfus, beren eigentliche 
ung aber nicht ganz klar if; nach ihm tritt erfl gegen bas Ende bes 14. Iaio 
hunderts ein ſicilianiſcher Wundarzt Branca zur ‚ ber die R. verſtand u. übte, 
wie es fcheint, ohne von ber R, der Indier Senntniß zu haben, ba feine Opera⸗ 
tionsweife von biefer bedeutend abweicht. Im folgten fein Sohn u. feine Shi 
ler, die aber ihre Kunft geheim hielten; dagegen bildete fie Tagliacozzi, 

feffor der Chirurgie u. Anatomie in Bologna, gegen das Ende bes 16. 
hunderts weiter aus u. nach vielfachen Operationen an Lebenden ver 

er Darüber ein großes Werk: „De curtorum chirurgia per insitionem libri duo“, 
Benedig 1597, das fehr großes Auffehen erregte u. im folgenden Jahre in 
Frankfurt nachgedruckt ward. Deſſenungeachtet fam bie R. bald wieber in Ber 
gefienheit und man hielt das von Tagliacozzi begüglich feiner pünigen Erfolge 
Erzädlte für Erdichtung. Ext IRIT übte Caryue in England die MR. wieder aus, 
inbem er bem indiſchen Berfatren Tolake u. To 8 Keter Ye ui SBLUhn UN, 


er 


? 





Rhode· Island — Rhodoman. 


in Berlin bie N, nad Ki Vorſchriften vor, Seitdem 
Anzapl — ſowohl in Deutſchland, als auch in Frantrelch cm 
Bash 5 in — rn — hin et, 
haupt in ber pl en e, effenbach (. dd, Ve 
Das Weſen der R. befteht darin, daß ein am eigenen Körper des zu — 
ober an einem andern Individuum ausgewählter tauglicher Hautlappen, bis auf eine 
fleine Stelle, bie zur Ernährung bes Lappens bient, —8 elost u. an die wund 
ze Ränder des — eg et id: ih nad einigen Tagen 
er Hautlappen‘ durch den eintr: lichen Vorgang am Nafenftumpfe 
feftgeheift, jo wirb er von feiner — en Stelle ge ie u —— nun 
duch mehre nachfolgende ——— ie Form der Rate 
terſcheidet zwei Hauptmethoben ber R.: die indifhe, Veh * —— 
von ber Stirne entnommen wird u. bie ee e welcher der Oberarm 
den Hautlappen bietet, welcher aber erft, to Erle kn — if, 
an ben — wird. Das ——— vig v ge 
| mannte deutſche entnimmt ben Lappen auch dem 
WE ihn ſogleich an ee Rıfenfuumpf, — Bergleihe Gräfe 8 9 ER Bers 


% ode: Jelan, ein Staat der nordamerifanifchen — mn 3 größeren 
ma en fleineren Infeln in und vor ber — an 
che zu beiden Geiten ber Teßtern beſtehend, eilen, * 00 
| re iſt eben, nur im Norbiveften Hügelig, vom idence (Pawtutat 
und Patuvet), Taunton und Charles —— * 
— — ſtartet — a — — alt, Stein⸗ 
ar aufblüßender Induftrie und —— Es beſtehen 2 "Univer- 
fein (eine GR. * nl — — hufetts —— ann 
e hung ber famfeit a 
mus, bie ben Geiftlichen Roger Williams mit feinem Anhange 1635 zur Aus- 
wanberung nöthigte, Die Staatseinnahmen te 1842: 65,380, bie Auegaben 
48,982 Dollar. Stimmfähig ift jeder Bürger mit liegendem Eigentgume zum 
Werthe von 134 Dollars. Die bedeutendften Städte find: Brovidence, Newport, 
Eharlestown, Warwid, Smithfield, Scitualen, Eumberland, Coventry. 

Nhodiferritter, |. Johanniterritter. 

Rhodium, iſt ber Name eines, mit bem Palladium und FJridium im rohen 
Platin entbedten Metalle, welches, aus lehterem gefchieben, ſich als eine weiße, 
fpröde Maffe mit außerorbenttich Rartem etaigtamge u. 10,64 — 11 fpegififchem 
Gewichte barftellt, die in ihren Eigenfchaften viel Aehnlichkeit mit bem Platin Hat. 
Es 1ö6t ſich in feiner Säure auf, auch hat man es noch nicht zum vollfommenen 
Fluſſe bringen koͤnnen, boch verbindet es ſich mit anderen Metallen u. gibt dann 
fehmelzbare und zum Theile dehnbare Legirungen. Im ber Technik hat man noch 
keine eigentliche Anwendung davon gem acht, doch Hat man es ald Zufag zum 
Stahl empfohlen, auf ven Härte, Dichtigkeit und Beioteh es einen günfli 
Einfluß üben fol, und von bem R.-Orybul würbe in der Porzellanmalerei ofne 
Zweifel Gebrauch gemacht werden können. 

Rhododendrou (Rhododendron), Pflanzengattung aus ber natürlichen Fa⸗ 
milte der Haiden (Ericaceen), Arten: R. ferrugineum (Alpentofe), ein i —— * 
Strauch mit unten roſtfarbigen, ſchuppigen Blättern und roſarothen Bluͤthen, 
— große Strecken der Hochalpen. R. maximum, in Nordamerika, groß⸗ 

— rofaroth. R. ponticum, in der Levante, purpurviolet. H. arboreum, in 

— baumartig, carmoifinroth, wohlriechend. R. chrysanthum, in Sibirien, 
— Alle dieſe Arten werden kultivirt. 

Rhodoman, Lorenz, geboren zu Niederſachswerfen bei Nordhauſen 1546, 
ſtudirte zu Ilefeld und Iena, wurde Rektor zu Stralfund , dam Merkur ver 
—S— Sprache zu. Jena, endlich der Geſchichte mu ENTERWERG N AS 
Dafeloft 1606. Seine Hauptfächer waren griehiicge Utecatur —* —8 Sam 


Rhumb — Rhythmik. 821 


Fuße ber Furka und in dem R.⸗Gletſcher, 5130 Fuß über dem Meere bie letzte 
Duelle. Bis Brieg im Laufe von 40 Stunden — ber Fall 3000 
raſchen Laufe. Bon hier fließt fie ruhiger im Thale und bildet, befonders im un- 
tern Wallis, durchs ganze, Thal Sümpfe, wodurch die verderblichſten Dünfte er- 
zeugt werben und viele taufend Morgen Land öde Itegen. Bis zum Einfluſſe ber 
Durance, nörblih von Martingy, ift ber Lauf gegen Suͤdweſten, und der Fall 
bier noch 1430 Fuß über dem Meere. Bon Hier wendet fi bie R. pld— er 
nordweſtlich, biß zum Einfluſſe in den Genferfee, wo fie. 2 Stunden ‚oberhal 
ſchiffbar wird, Bel dem te aus dem See, bei Genf, nimmt ſie die Rice 
tung ſüdweſtlich, die Gränge bildend zwiſchen Sardinien und dem feanzöftfchen 
Departement Ain, dringt bei Et. Genie in — ein, fließt. nordweſtlich 
biß gegen Lagnieu, dann wieber ſuͤdweſtlich bis oberhalb ber Einmündung bes 
Ain, dann bis gegen Lyon hin wefli und von wo bie Saone — 
egen Südweften bis “zum Einfluß in den Meerbußen von Lyon durch 
a en, en beiten bie —— — a — Delta, 
nam) Eamargue, em je Betit⸗ er w 
die R⸗Mort. Ihre ganje Länge beträgt find 136 Shnten 
Frankreich und 120 Stunden IM bar, — Inder Schweiz nimmt fie den Abfluß von 
137 Gletſchern und aegen 100 'Zuflüffe auf, Die bedeutenderen find links im der 
Schweiz: bie Viſp, Touetemagne, Ufenr, Borgne, Drance, Trient, Salance, 
Bieze, Arve; in Sardinien: Bier, Guiers ; in Frankreich: Bourbe, Gere, Gas 
laure, Iſoͤre, Dröme, Roubion, Migues, Sorhue, Durance, woraus ber Gras 
ponne⸗Kanal in die R. führt, mo ber Arles ⸗ Kanal beginnt, Die Nebenflüffe 
rechts find, in der Schweiz: die Lonza, Dalla, Liferne, Sionne, Morge, Lizerne, 
Saline, Grande-Eau; in Frankreich : die Valſerine Ain, Saone, + Dour, 
Erieur, Ardeche, Ceze, Card ober Gardon, — Der Arles⸗Kanal, auf ber 
bes öftlichen Mündungsarms, führt in den Hafen von Bouc; auf der eite 
des weſtlichen Mündungsarms ift ber BeaucaireRanal mit dem Bottrgidous 
Kanal und dem Etangs-Kanal, durch diefen mit dem Languedoc anal und duch 
diefen mit der Garonne in Verbindung. Durch den R.⸗Rhein⸗Kanal wird durch 
die Saöne die R. mit dem Nheine und durch den Centre⸗Kanal die Saöne mit 
ber Loire verbunden. — Der Lauf des Flufjes if fehr reißend und Hat viele 
Stromſchnellen und Infeln, wodurch bie Schifffahrt darauf gefährlich if. Er 
führt viel Sand mit fih. — 2) Ein darnach bemanntes franzöfifches Departe⸗ 
ment, 49,,, [J Meilen, mit 501,000 Einwohnern (Ente 1845), veih an 
und Bergen, die Blei, Kupfer und Steinfoßlen enthalten, mit nicht ausreichenden 
Getreidebau, trefflichem Weinbau (im Süben Cäte-rotie, im Norden Beaujolais), 
Sübfrüchten uud bebeutenber Induftrie in Seide und Wolle; Hauptftadt Lyon. 
— 3) R.-MRündungen (Bouches du Rhöne), ein Departement im füb- 
öftlichen Frankreich, Thell der ehemaligen Provence 109,,, D Meilen mit 380,000 
Einwohnern (Ende 1844), von Bergen ducchfchnitten, im ganzen bürr, doch in 
den Ebenen Eamargue und Erau — fruchtbar. Teiche ei zahlreich und über 
3 des Yandes fumpfig. Das Klima it fehr Heiß, im Sommer und Frühling ehr 
teoden, im Herbft und Winter feucht. Bon Rorboften weht ein austrodnenber 
Wind, der Miſtral. Das gebaute Getreide reicht nicht m Bebarfe Hin, dagegen 
wird viel Wein, Olivenöl und Tabaf erzeugt und die Seidenzucht flarf betrieben. 
Hauptftadt Marfeille * 

Rhumb, ein Schifferausdruck, worunter theils jede Linie aus dem Orte bes 
Schiffes, nah einem von ben 32 Punkten ber gewöhnlichen Eintheilung bes 
Horizontes (f. Windrofe), theils der Bogen bed Horigontes verftanden wird, 
welcher zwifchen zwei zunaͤchſt übereinander liegenden Weitgegenden befindlich if. 
Da die Schiffer den Horizont in 32 Theile teilen, fo ift ein folder Bogen ber 
32. Theil des ganzen Umfanges vom Horizonte. 

Rhythmik, die Zeit- und Tonmaßlehre; die Kunk (Höner Beta 
Sipnelleren und Langfameren, der längeren und türgeren Doner, wAhe WET 


822 Rhythmus. 


und Poefie miteinander gemein haben, weil beide in ber Zeitfolge fich entwickeln. 
Sn der Mufit beruben auf dee R. bie Taftarten mit ben aus ifnen hervor⸗ 
gehenden größeren oder Lleineren Summen von Taften, die dann wieber ſowohl 
unter fidh, al8 zum Ganzen des Muſikſtuͤcks im gehörigen Berhältniffe ftehen; in 
ber Boefie aber beruhen darauf die Versarten, welche durch bie urfprünglichen 
Längen und Kürzen der Syiben in der Sprache dargeftellt werben. 

Rhythmus, die gleihförmige abgemeflene Bewegung, das Klangmaß, ber 
abgemefiene Redeklang, ober die Einheit des Mannigfaltigen in ber Zeitfolge, 
welche in ber glei färmigen Wiederkehr auf einander folgender Klaͤnge und 
dungen erfannt wird, wobei benn das Poh geſaum— ſchon durch die bloße 
Geſetzmaͤßigkeit der Tonbewegungen bedingt if. Man kann auch mit Gößinger 
ſagen, daß ber R. überhaupt beſtehe in dem Wechſel zweier Gegenſaͤte, die fh 
nach den verſchiedenen Auffaſſungsweiſen bezeichnen laſſen in der Malerei als 
der Wechſel zwiſchen Licht und Schatten und in der Tonkunſt als der Wechſel 
zwiſchen Höhe und Tiefe, Länge und Kuͤrze, Staͤrke und Schwaͤche. Im enge: 
ren Sinne aber verfleht man unter R. Die regelmäßige Wiederkehr dieſes Wechſels, 
fo daß alfo Hier doppelte Gegenfäge fattfinden. In der Sprache nämlich beruht 
zuvörderft der R. auf dem Wechſel gewichtiger und leichter Töne und entfpricht 
etwa bem Takte der Muſik. Der zweite Gegenftand ift aber der zwiſchen biefem 
Wechſel und der darin herrſchenden Regel. Der R. der Rede ift mithin immer 
nur ducch eine verfähiedene Dauer der auf einander folgenden Töne ober Syiben 
möglich, und daher Eonnte, in Beziehung auf eine gleiche Dauer bderfelben, Cicero 
mit Recht fagen: „numerus in continuatione nullus est,“ Indeß unterfcheidet ber 
R. in der PBoefie Rh von dem der gewöhnlichen Rede durch die Wiederkehr ber 
beftimmteften Zeittheile, nun biernach der R. der Sprache überhaupt cine re 
gelmäßige oder gleichförmige Wieberfchr auf einander folgender Klänge, fo wird 
zuvörberft zu feiner Afthetitchen Befchaffenheit erfordert, daß jene Wiederkehr fchön, 
mithin kuͤnſtleriſch wohlgefällig fei, fobann aber fondert der R. ſich hinſichtlich 
ber fiyliftifchen Form in den ungebundenen und in ben gebundenen R., benn 
jener ift von feiten Beftimmungen in ber Folge der Zeitbewegung, wie bereits 
angedeutet, unabhängig, d. i. der profaifhe R. oder ber bloße Numerus; 
diejer, der gebundene, wird aber durch die eigentliche genaue Zeitmeffung geregelt 
und ift der poetifhe R. und als folder aus einem doppelten Standpunkte 
zu betrachten, fowohl aus dem ber Technik, wobei es fih um bie Kenntniß 
und gefchidte Anwendung feiner Elemente oder materiellen Debingumgen handelt, 
als aus dem der eigentlichen Poeſie, bei welchem es auf ben möglich ſchoͤpfe⸗ 
rifhen Gebrauch desfelben nad dem Principe des Schönen anfommt. In ber 
Mufit if R. zuvörberft gleichbedeutend mit Taftmäßigfeit, welche in einem ge 
nauen Ebenmaß — 28 der Dauer und des Gewichts der Toͤne beruht. Al⸗ 
lein der R. bringt demnaͤchſt auch zum Zeitmaß und Takt die eigentliche Belebung 
dadurch hervor, daß er die weſentlichen Abſchnitte des Taktes in ſeiner reich⸗ 
haltigen Veraͤnderung als die hauptſaͤchlich bemerkbar zu machende Regel aus⸗ 
zeichnet. Und hier iſt das Erſte allerdings ber Accent, ber mehr ober weniger 
hörbar auf gewifle Theile bes Taltes gelegt wirb, während andere accentlos fort: 
fließen. Durch eine ſolche verſchiedene Hebung und Senkung echätt jede einzelne 
Taktart ihren befonderen R., ber mit ber beſtimmten Eintheilungsweife dieſer Art 
in genauem Infammenhange ſteht. Der muflfalifhe R. wirb daher im engeren 
Sinne das Geſetz genannt, nach welchem In ber Art, wie in gewifien Bersweifen 
mehre Füße oder Glieder zu einem Metrum zufammenhängen, beflimmte Taft- 
theile in einem gewiffen unzertrennlichen Verhältniffe unter fidy fichen, fo gleich⸗ 
fam zu feiner Einheit verfchmelzgen müflen, und nur in biefer Zufammenfaflung 
Ruhepunkte in den mufifalifhen Gedanken gemacht werden bürfen und müflen. 
Die, nach Regeln geordnete, Berfchiebenheit von ber Schnelligkeit und Langſam⸗ 
feit ber Zöne bildet alfo ben R. in der Muſik, der als folcher ein Hauptbeftant: 

theil ber Melodie ift und am wernaten Berinterungen und Ausnahmen in bieler 


\ 


Rhythmus. 823 


Eigenfchaft erleidet, Bon einer unterbrochenen Reihe ala) Bewe⸗ 

gi daher —— niemals bie Rede eh r m 

ober Tonverhalt iſt ja el 

Wechſel von langen und kurzen Tönen Tonlaͤngen) in gewiſſen Zei T 

ober. Taftarten, Di gleiche Schläge im gie en. Zonver! 

allerdings wohl. ben ff ‚von und Gefeg, geben aber feinen 

Hang von Schönheit; fobald jebod in dieſe Bleichmäßig! 1 

größeres und flaͤrkeres Herbor! der der intenfive. Ac- 

— don A — Die vorher —— 
ſad von wi vorher moꝛ 

ei —— Senna Yin (en ge 





läge, ei jonbert, emnach ein 
lines en ni au er, ag eich die ı — 
Ey — — — — = — — 
ſchen der. gänglichen — N dem N r wäde 


eit 
denkbar ift, fo werben unterſchleben 
Be meer Ban ae RA 
er von er Dauer 
a na, Be 
er! . 
— ee 
v— u—;ims Takte gleich dem 
Bacheus, — — u it: a. u. ſ. w. 
Bersarten durch den — 


Bew: jebe periodiſche 
unb An hier Wechſel von Ritardiren und 
kehrenden Tonfiguren, ift von wahrha 
— Beweguug verurſacht ö Töne 
einer Secunde Mar zu unterſcheiden find, und da: leichtes Auffaſſen ber . 
faltigen Theile eines Ganzen eine wefentliche Bedingung ber Schönheit ift, jo 
darf die Schnelligkeit der Bewegung jene Baht nicht einmal ‚erreichen, Uebrigens 
fann ein regelmäßig wieberfehrended Un terbrech en ber Bewegung eben fowohl 
den R, erzeugen, wie eine ununterbrochen fortfließende Bewegung, und baf ein 
N. zu vernehmen und aufzuzeichnen ift, wenn er auch früher nicht aus einer mu⸗ 
fifalifhen Melodie abgefondert wird, beweifen die Trommelmelodien, welde 
als bloße Rhythmen ohne Tonverhältnig dennoch vernommen und unterfchieden 
werden. — Die Alten fannten von den rhythmiſchen VBerhältniffen ber Muſil, unge 
achtet aller dagegen oft vorgebrachten angeblichen Gegenbeweije, wohl kaum Etwas 
mehr, als ben Unterfchieb der Länge und Kürze, Daher war, nach der Anficht 
eines Kunftfenners, ber antife R. ichwanfend und vom Worte abhängig, wo⸗ 
gegen ber moberne feſt, beftimmt und unabhängig iſt, nur das Gefep anerkennend, 
daß beim Gefange der gute Tafttheil (die There) mit der Hauptfilbe zuſammen⸗ 
fallen muß. Auch dulbet der mufifalifhe R. feine Zufammenfegung von gleichen 
und ungleichen Takttheilen, wie ber poetifche, und wenn demzufolge bie Schönheit 
des beflamatorifchen Vortrags durch bie Mannigfaltigfeit der Zeilabſchnitte erhöht 
werben fann, fo hängt im Sriofo die Schönheit bes Gefanges und ber Melodie 
von der Gleichheit ber Theile ab, und Hier fieht das Geſeh der Tonkunſt über 
ber Boetif, Hiernach mobdifizirt ſich dann die Forderung, daß der Tert ben mus 
fifaliihen R. durchaus beflimmen müſſe; es reicht vielmehr hin, wenn in ber 
Vereinigung ber Poeſie mit der Mufit Die Accente des Taftes nicht benen bes 
Metrums unmittelbar widerſtreben und das Nämlihe gilt auch von langen und 
furzen Silben. Das einfrmige, befonders dem italienifhen Ohre frembartige, 
unfteie, Scandiren hemmt bie Bewegung. der Melodie und vernichtet ihren Ems 
porſchwung. (Bol A, Apel, über N, umb Metrum, in ber allgensiuen wo 
taliſchen Itg, 1807—8 ; besfelben Metrit, Wz. BUd) 


824 Nibadeneyra — Riccabone, 


Ribadenepra, Pedro, einer von ben trefflichſten theologiſchen Schriftſtellern 
Spaniens, ward geboren 1517 zu Toledo. Er trat ſchon früher in be 
Orben ber Gefellfchaft Jeſu u. ſchuf in ber flilen Zelle zu Madrid, wo er den 
größten Theil feines Lebens zubrachte, jene geiflvolen Werke, bie unfterblich ſeyn 
werben. Unter benfelben ragen beſonders hervor: 1) „Ueber die Leiden u. Drang 
fale“ (De la Tribulacion), in unzähligen Auflagen u. Ueberfegungen, ein Wet 
vol Bimmlifcher Salbung u. unendlichen Troftes, ein Werk, das ſchon taufenb 
verwundete Herzen geheilt u. ben Tiefgebeugten erhoben. — 2) Weber bie Tu 
genden bes chriſtlichen Fürften (Libro de las virtudes del Principe christiano). 

. befämpft in dieſer Schrift die Orundfäge des Machhiavelli, namentlich in ber 
Schrift „der Fürf“ (MI Principe). Ein wichtiges Werk für bie Fürſten! — 
3) Geſchichte des Schisma in England, von hoher Wichtigkeit für die Kirchen 
geſchichte (Historia ecclesiastica del scisma del Reyno de Inglaterra). — 4) Das 
umfaffende biographifche Werk: „Leben bes Hl. Ignatius v. Loyola, bes HI. Francis 
v. Borgia u, des Drdensgenerald Diego Laynez (La vida del P. Ignacio, del P. 
Diego Laynez, del P. Franc. de Borgia. — 5) Legende der Heiligen (Libro de 
la vıda de los Santos), worin ſich einungemein zarter u. frommer Sinn kundgibt, 
bei dem lieblichften Wohlklang ber Darftellung. Ausgezeichnet find R.s Ueberfe 
dungen: 1) Die Betrachtungen u. Alleingefpräche des Hi. Auguftinus (Libro de 
las meditaciones y soliloquios de S. Augustin... — 2) Dad „Paradies ber 
Seele” von Albertus Magnus (Parayso del alma). — Endlich ift von entidie 
denem Werthe befien ſalbungsvolles Gebetbuch (Manual de oraciones). in 
Geſammtausgabe der Werke R.s erſchien in Mabrid 1605, 2 Bde. Kol. (Obras 
del P. Pedro de Ribadeneyra). — Derfelbe wird von ber fpanifchen Akademie 
wegen An vollendeten Darftelung unter die claffifhen proſaiſchen Schriftae 
er gezählt. 

Nibeanpierre, Aleranbre, Marquis de, ein ruffifcher Diplomat und 
Staatsmann, geboren 1783, 1822 Generalzahlmeifter der Armee, 1824 Gefanbter 
in Konftantinopel, wo er 1826 ben Frieden von Afjerman abſchloß u. Die Berkiit 
niffe Griechenlands feftzuftellen fuchte, was aber erft 1830 gelang. Bon 1831-39 
war er in Berlin Belandter, feit dem wirft er in Peteröburg als geheimer Ruth, 
Mitglied des Reichsraths u. Senator. 

Nibera, Biufeppe, genannt Spagnoletto (der Spanier), ein berüßmte 
Maler, geboren 1593, vermuthlich zu Zativa im Königreiche Valencia, bildete ſich 
in Neapel u. Rom, erwarb ſich einen ganz eigenthümlichen Styl, warb Hofmala 
des Vicefönigs von Neapel, wurbe aber 1649 aus Schwermuth unfichtbar, ohne 
daß man ferner mehr Etwas von ihm erfuhr, nachdem Don Juan b’Auftria (2 
nigs Philipps IV. von Spanien natürlicher Sohn) feine Tochter, eine ber erſten 
E chönheiten Neapeld, entehrt hatte, Nach anderen Angaben foll er 1659 in Wohl⸗ 
habenheit zu Neapel geftorben feyn. Er malte meift ſchauderhafte Gegenftände ans 
der Mythologie u. e8 gelang ihm, durch ein wahres und kraftvolles Colorit ein 
Täaufchung hervorzubringen, die den Beobachter feiner Werke in Erſtaunen fett. 
Seine Ausführung zeugt von der größten Genauigfeit u. beſonders vollendete a 
die kleinen Theile des Körpers ganz unübertreffbar. Man hat auch rabirte Blät 
ter von ihm, unter denen ein hl. Petrus, ber Martyrertod bes hl. Bartholomäus 
u. a. beſonders gut find. 

Niccabona, Karl Joſeph von, Bilchof von Paffau, geboren am 28. Jatı 
1761 zu Cavaleſe im fühlicden Tyrol, ſtammt aus der abeligen Familie von Ric 
cabona auf Reichenfels. Mit Auszeichnung vollendete er das Gymmaſtum in 
Briren u. bezog 1777 die Univerfität Innsſpruck. Da er fi für den geiftlichen 
Stand entſchloß, erhielt er duch Verwendung feines Firmpathen, bes Kardinal 
und Hürftbifhofs von Paffau, Leopold Firmian, die Aufnahme in das deutſche 
Collegium zu Nom. Hier warb ihm vom Hl. Vater ein Kanonikat am Kollegiat⸗ 
ftifte St. Johann zu Regensburg verlichen. Zum Prieſter geweiht 1783, erwarb 
er ſich zugleich die Doktorwuͤrde ber Theologie, In das Baterland zurüdgefcht, 


R Niecabona. 825 
trat er 1784 in die Seelſorge als Kaplan in hessen seien 

P Seien 1790 wurde 3, UI Domlellar des Stiftes &i. Sokanı 1 
von eben —* u Sb die Pi rei —— im —— 

ſentirt. Seesen ba verbient und — 

Fin Be = A. u. Weile ve ee he 

malſchulen einzurichten, 1800 — er bei einer an 

eben ſowohl feine Au eldenmuth Beiftand der —— 


18 feine B eit u Ai di 
NER ende 
chwemmten, "bi 


mehrmals üb: — 
ſchen ein ertraͤglicheres Loos een a — 5* wilden fi: 
ſchen Krieger, in ihrer Mutterſprache —— Ihr von übers 
»triebenen ee abftanden. Bolle 31 ae hate fee Gemehibe 
gelebt u. ihre — ſchlimmen Tage wie ein — Bat mit ihre 
getheilt, ” vief ihn 1821 von feinem ee cher, feife ab. bie ‚Erz 
nennung zum Domfapitular bei dem Metropolitan] Erzbiſchof 
Lothar Aunfem wähle ihn zu feinem Generalvi 0 —— als ber ie 


Dompfarrer, M. 2. Fr. Albert Riegg, zum in Augsburg ernannt 4 

mat 0 an hefen 
biſchöfe von Paſſau, Leopold Leonard aus dem gräflichen fe von I, auf 
' feinem Landgute Eypalfa bei Prag, wohin ſich —2* in Folge des Reichodepu⸗ 

eu —— 25. —* 1803° suridgeg —* um 


a6 Fürftenthum Paſſau 
8 — — eiftliche Fürſtenthümet yes wurde in den Saͤ 
riſationsſtrudel mit hineing Ar die Diöcefe Paſſau — ———— 
ihres Biſchofes beraubt, da —* Leopold Leonard, auch — 
hen Stürme ſchwiegen und sten durch das —— Concordat die — 
—S geregelt u. neu geordnet u. die erledigten Bilchoffühle wieder 
wurden, dennoch, theils wegen Kraͤnklichkeit theils wegen Altersſchwaͤche, in feine 
Diödeſe nicht wieder zurüdfehren fonnte, König Ludwig ernannte am 25. April 
ı 1826 R. zum Bifchofe von Paffau u. am 25. April 1827 gefhah in München 
feine Gonfecration durch Erzbiſchof Lothar Anfelm, umter Affifteny der Bifhöfe von 
ı Streber u. Sailer. Sein erftes u. forgfältiges Bemühen als Oberhirte, den nicht 
unbetraͤchtlichen Kuſtodie- oder Domfichhenfond feiner Kathedrale wieder zuzu⸗ 
I wenden, um die gottesdienftlichen Bedürfniffe wiürbevolf beftreiten zu können, war 
s von erfolgreichem Gelingen begleitet. Nachdem durch die, zwifchen der Krone 
: Bayern u. bem Haufe Defterreich in Wien abgefchloffenen, Verträge bie ehemalis 
B gen Paſſauer Schuldenfachen bereits im Jahre 1829 waren befeitigt worden, ging 
die Grtradition bes Kuftodiefondes an das biſchoöͤfliche Kapitel zur Selbftabmini- 
ftration über. Mit Eifer u. Ausdauer durchreiste R. alle Städte u. Flecken und 
Dörfer feines Sprengels. Man fah ihn, wie in dem freundlichen Auen bes Vils⸗ 
- u. Rotthales, fo in ben tiefften u, ab; * enſten Thaͤlern bes rauhen bayeriſchen 
Waldes feine Gemeinden auffuchen. — eines gleichfoͤrmigen Reli⸗ 
gions⸗Unterrichtes in ſaͤmmtlichen — u. Schulen war eine wohlthätige Folge 
feiner bifhöflichen Vifitationen. Um einen fortlaufenden zuſamm enden Res 
ligions-Unterricht für das Volk auch außer ben gewöhnlichen Katechejen zu bes 
gründen, ward durch Rumbfchreiben vom 28, März 1829 verordnet, daß an ben 
gewöhnlichen Sonntagen in allen Pfarreien und Filtalen nach einer kurzen Erflä- 
rung des treffenden Evangeliums nach der Aufeinanberfolge bes Katechismus 
ausführliche fateipelifhe Vorträge an das verfammelte Volk gehalten werden ſoll⸗ 
ten u. hiebei, um allen Irrungen u. Aengftlichfeiten vorzubeugen, ber fogenannte 
römische Katechismus die Richiſchnur ſeyn ſollte. Eben fo fehärfte er bie Ir 
bigten wieder ein, zu Gunften der’ Belehrung ber Dienftboten. Im Gturme b 
Säfularifation war das frühere, wohl eingerichtete u. reich dotirte —E 
untergegangen; feine Bemühungen um Sieherheriekung wurden theilweife mit 


826 Nicci. 


Erfolg gekroͤnt, indem es vorläufig möglich war, in einem fremben Haufe bie 
Eröffnung des Inftituts am 2. Januar 1829 zu betverffilligen. Erf im Jahre 
1832, durch milde Beiträge bes Diöcefanflerus u. durch ein bebeutenbes Geſchenk 
eines großmüthigen Wohlthäters, konnte ein eigenes Gebäude fammt Garten er 
worben werden, wozu König Ludwig 1834 auch bie Mebergabe des Mlımnalfon- 
bes nody bewilligte. Roch erfannte R. mit tiefer Betrübnig den Mipftanb , baf 
Zünglinge, welche für ben geiſtlichen Stand ſich beftimmt hatten, nad) Bollenbung 
bes Bymnafiums in Paffau zur Kortfegung ihrer höheren Studien auf einige 
Sabre in die Ferne wandern mußten, bis fie in bas Paſſauer Klerikalſemina: 
aufgenommen werben fonnten. Sein raftlofer Eifer ließ ihn num nicht ruhen, bis 
er auch dieſe Lüde ausgefüllt Hatte. Es war ihm gelungen, bie Errichtung einet 
volftändigen Lyceums mit einem 2jährigen pbilofophifchen u. jährigen theologi⸗ 
ſchen Kurſe zu bewirken; am 6. November 1833 wurbe die Anftalt feierlid a 
öffnet. Das Vorhaben, in der Stabt feines bifchöfliden Sihes ein fogenannte 
Knabenfeminar (sem. puerorum) zu errichten, gelangte nicht zur Aus 
wohl aber führte feine großmüthige Schenkung von 8000 fl., welche R. für De 
tation eines englifchen Sräuleininnitut beftimmte u. außerdem noch bie Einrid: 
tung anberweitiger Koften übernahm, zum gewünfchten Ziele. Am 8. Oftobe 
1836 wurden die engliſchen Fraͤulein zu Niebernburg feierlich eingeführt u. ihmen 
der Unterriht in ben Mäbchenfchulen bes Hauptitabtbezirts Pafſau übergeben 
Für fegensreiche Erweiterung in ber praktiſchen Seelforge traf er bie nöthige 
Borfehrungen zur —— bes Wallfahrtsprieſterinſtituts zu Altötting u. auf 
dem Mariahülfberge bei aan. Die oberſte Leitung aller Diöcefan s Anıgelegm- 
heiten gab er nie aus feiner vegierenben Hand, u. ba er allen Orbinariatskem: 
gen präfidirte, blieb von ihm fein Zweig bes Hirtenamies unbeachtet. Er hul 
bigte nicht dem falfchen Grundfage: einen Stein, den man nicht Heben Fön, 
müffe man liegen lafien. Rein, pflegte R. zu Kom, man müfle es wenigſten 
verfuchen, ben Stein zu rüden. Ihm wurde das Glüd zu Theil am 30. Dez 183 
fein 50jähriges Prieftertubiläum zu felern, und König Lubwig konnte feine Ber 
bienfte wohl nicht zarter u. ehrender belohnen, als baß er ihm eben baflelbe Or: 
bensfreuz überfendete, welches bie Bruft des feligen Bifhofs Wittmann zu Re 
ensburg neziert Hatte; auch verlieh er ihm am 1. Januar 1839 das Ritter 
reuz bed Rivilverdienftorbens ber bayerifhen Krone. Eine Hartnädige Unterleibe⸗ 
franfheit verhinderte ihn feitbem, perfönlich den Orbinariatsfigungen beizuwohnen, 
deßhalb ließ er fich bis in die lehteren Tage feines thätigen Lebens Die Sitzunge⸗ 
protofolle an das Kranfenbett bringen u. fügte von bier aus feine Anfichtn 1 
Urtheile bei, um auf diefe Weife, fo lange er es vermochte, für das Wohl feine 
Didcefe thätig zu fern. Er entichlief am 25. Mai 1839. Als Univerfalerhen 
feines Ruͤcklaſſes fehte er die Armen in Wallersdorf und das Fyeue Waiſenhan 
in Paſſau ein. Der Biſchof von Regensburg hielt die Grabrede u. charakterifkt 
ihn mit dem Ausſpruche: „er war in Wahrheit ber Mann ber Liebe”. Cm. 
Ricci, 1) Matthias, geboren 1542 zu Macerata, trat 1571 in bie Geſel⸗ 
ſchaft Sefu, wurde um 1578 mit noch zwei Anderen zur Miſſton nach Ghim 
beftimmt, erhielt aber erft 1583 von der Regierung der Provinz Canton bie Ev 
laubniß, fich mit feinen Gefährten in Tſchao⸗King⸗Fu nieberzulafien. 1595 be⸗ 
gab er ſich nach Peking, fchrieb auf dem Wege dahin eine Abhandlung über das 
fünftlide Gedaͤchtniß u. einen von den Chineſen fehr gefchäpten “Dialog über Be 
Freundichaft in Cicero's Geſchmack, mußte aber, ba man ihn für einen Japans 
jen bielt u. ihm die Borftellung am Hofe aus Mißtrauen verweigerte, wiee 
zurüdgehen. Er überbrachte inbefien, von Neuem nach Peking reifend, 1600 dem 
Kaiſer Geſchenke ber Portugiefen, und wurbe gut aufgenommen, worauf fein 
Miffion von auffallend befjerem Erfolge war, als vorher. Er flarb gi Defing 
1610 u. Hinterließ mehre Werke in chineflicher Sprache — 2) R., Xorenz, 
geboren zu Florenz 1703 aus einer angeledenen Familie, trat in den Jeſuiten 
Orden u. erlangte die Höhen Ehrrnteden in temiälten, W Ale, 1758 Di 


Rietoboni ⸗NRichard· ga 
Würde des Generals: erteilt wurde. Während feiner Leit erfuhr ber Orden 


viele widrige Schiäfale u. R. mußte * —— durch XIV. 1773 
erleben. Er wurbe nun mit vielen anderen Ordensgenoſſen auf bie Engelsburg 
gerade, feine —— ihm — —— erleichtert. Schon war feine 

jefreiung beichlofien, ald er am 24. Nov. 1775 ftarb. Er war bas +18. Ober 
haupt der — Seh — —— * Sage zu Blorenz —— wurde 
im roͤmiſchen Seminar ergogen, war des päpftlichen Nuntius in 
Slorenz, dann Generalvifar bes ——— Sit —— 

1, Brato, Als einer ber eifrigften er u. Beförderer bes im Joſeph 
Seite von dem Er herzoge Leopold in Toscana eingeführten Firchlichen Neuerungs- 
foftems, — er ver Pifloja eine deren Aufſehen machı —— Auen 
1788 in 2Bl kamen, ‚Spftem erregte jedod das Volk: eine 
Meuterei mer * au Prato aus, —— le ben u Seraubte 


feiner Bücher, Nun erſchienen mehre Si eg: 
Schioma in Toscana fuͤrchten, als durch den an Se Il-bas neue Syſtem 
flürzte, 1790 —— eine neue Meuterei gegen R. aus, er mußte flüchten u. gab 
a — 
a e er 6 R 
—— San Marco — 
der — wel unterzeichnete er us um ey Ice, 
eine vollfommene Adi — —5* gegen den Janſeniomus, auch zur 
————— 38 Kerle i ieler und dramatiſcher Dichter, 
coboni, h Ludov * p amatiſcher 
zu Modena um ee ee he 
lichen Bemuhun⸗ hne feiner Nation , — 
3 — alten Gef — bis 1729, wo er als Haus⸗ 
ging, nach Tode er aber 
wieder zu Paris, vom Theater lebte, bis er 1753 R. war nicht 
nur ein beliebter Schaufpieler, fondern auch glüdlih in Bearbeitung mehrerer 
Stüde fürs italienifhe Theater, von denen ih einige bis auf unfere 9eiten eis 
halten haben, In feinem artiftifchen Lehrgebichte: arte representativa, in 
6 Abteilungen oder Capitoli, welches als ein Anhang des erften Bandes feiner 
Histoire du theatre italien, Lond. 1728, gebrudt wurde, hat er bie vornehmften 
Regeln ber Syaufpielfunft, vornämlih in Rüdficht auf eine Nation und die 
komiſche Gattung, zwar nicht Al methodiſch, aber lebhaft und eindringlich vors 
getragen, und manche bem Dichter und Schaufpieler — Binfe, manche 
von nderen ganz überfehene je Bemerkungen, verrathen den ge eübten Kuͤnſtler, 
der fih damals ſchon viel Erfahrung gefammelt und ber fe je Kunſt zeiflich 
nachgedacht Hatte. Ebenſo fehägt man audy feine Gedanken über die Declamation 
u.a. m. — 2)R,, Antonio Francesco, genannt Lelio, Sohn bes Borigen, 
genen zu Mantua 1707, tam mit feinen Eltern nad Frankreich, fpielte von 
726 — 1750 auf dem italienifhen Theater zu Paris, lieferte für asfeibe mehre 

Stüde, ſchrieb ein AB er: FP Art du Theatre, 1730, u. farb zu Baris 
1772. Seine Gattin, Marie Jeanne de la Berzab, 1714 zu Paris 
boren, zeichnete fih ebenfalls —J— mannigfache Werle aus. Aber bald ver! 
fie das Theater wieder, zu bem fie ne Neigung hatte, befchäftigte fich mit 
ſchriftſtelleriſchen Arbeiten, lebte fehr eingezogen. und ftarb zu Paris 1792, Ihre 
Romane, beren eine ziemliche Menge ift, und von welchen Juliette Catesby und 
ber Marquis be Creſſy vorzüglich gefhägt wurden, blieben eine geraume Zeit die 
Lieblingslectüre ihrer Nation und wurden auch in deutſchen Ueberfegungen mit 
Beifall aufgenommen, „Feist, Eleganz und ungemeine deinheit charakterificten 
ihre Werke überhaup: Unter ben verfchiedenen Gefammtausgaben berjelben 
eridien Die neuefte zu Boris 1818 in 6 Bon. 

Richard, 1) R. I. Löwenderz, geboren 1157 a Oxiercd muien Sin 
Heinrichs 1, und ber von König Ludwig M. geldgienenen Lane an 


He 


826 Ricei. 


Erfolg gekrönt, indem es vorläufig möglih war, in einem fremben e bie 
Eröffnung bes Inftituts am 2. Januar 1829 zu beiverffilligen. Erſt im Sabre 
1832, durch milde Beiträge bes Diöcefanklerus u. durch ein bebeutendes Geſchenk 
eines großmüthigen Wohlthaͤters, konnte ein eigenes Gebäude fammt Garten er- 
worben werben, wozu König Ludwig 1834 aud die Uebergabe bes Alunmalfon⸗ 
bes noch bewilligt, Noch erfannte R. mit tiefer Betrübnig ben Mißſtand, daß 
Juͤnglinge, welche für ben geiftlicden Stand ſich beſtimmt Hatten, nach Bollendbung 
bes Bymnaflums in Paffau zur Fortfegung ihrer Höheren Studien auf einige 
Jahre in bie Ferne wandern mußten, bis fie in das Baffauer Llerikalfeminar 
aufgenommen werben fonnten. Sein raftlofer Eifer ließ ihn nun nit ruhen, bis 
er auch biefe Rüde ausgefüllt hatte. Es war ihm gelungen, bie Errichtung eines 
volftändigen Lyceums mit einem 2jährigen pbilofopbifchen u. Zjaͤhrigen theologi⸗ 
fen Kurſe zu bewirfen; am 6. Rovember 1833 wurde bie Anflalt feierlich er- 
öffnet. Das Vorhaben, in der Stadt feines biſchöflichen Siges ein fogenanntes 
Knabenfeminar (sem. puerorum) zu errichten, gelangte nicht zur Ausführung, 
wohl aber führte feine großmüthige Schenfung von 8000 fl., welche R. für Do 
tation eines englifchen Yräuleininftitut beflimmte u. außerdem noch bie Einrich⸗ 
tung anderweitiger Koften übernahm, zum gewünfchten Ziele. Am 8. Oktober 
1836 wurden bie englifden Fräulein zu Niebernburg feierlich eingeführt u. ihnen 
der Unterriht in den Mäbchenfchulen des Hauptſtadtbezirks Paffau übergeben. 
Für ſegensreiche Erweiterung in ber praktiſchen Seelforge traf er bie nöthigen 
Vorkehrungen zur — des Wallfahrtspri tuts gu Altoötting u. auf 
dem Mariahülfberge bei af. Die oberfie Leitung aller Diöcefan s Angelegen 
heiten gab er nie aus feiner regierenden Hand, u. ba er allen Orbinariatefigun- 
gen präfibirte, blieb von ihm fein Zweig bes Hirtenamtes unbeachtet. Er hul⸗ 
Digte nicht dem falfhen Grundſatze: einen Stein, ben man nidht eben koͤnne, 
müffe man liegen lafien. Nein, pflegte R. zu Inge ‚ man müfle es wenigftens 
verfuchen, ben Stein zu rüden. Ihm wurbe das Glüd zu Theilam 30. Dez. 1833 
fein 50jaͤhriges ‘Briefterjubiläum zu feiern, und König Lubwig Fonnte feine Ber: 
bienfte wohl nicht zarter u. ehrender belohnen, als baß er ihm eben baffelbe Or⸗ 
denskreuz überfendete, welches bie Bruft des feligen Biſchofs Wittmann zu Re- 
gendburg neziert Hatte; auch verlieh er ibm am 1. Januar 1839 bas Ritter 
euz bed Givilverdienftordens ber bayerifchen Krone. Eine hartnädige Unterleibe- 
franfheit verhinderte ihn feitbem, perfönlich ben Orbinariatsfigungen beigumohnen, 
deßhalb ließ er ſich bis in Die letzteren Tage feines thätigen Lebens die Sitzungs⸗ 
protofolle an das Kranfenbett bringen u. fügte von hier aus feine Anfichten u. 
Urtheile bei, um auf diefe Weife, fo lange er es vermochte, für das Wohl feiner 
Diöcefe thätig zu ſeyn. Er entichlief am 25. Mai 1839. Als Univerfalerben 
feines Ruͤcklaſſes feste er die Armen in Wallersdorf und das zweite Waiſenhaus 
in Baffau ein. Der Bifchof von Regensburg hielt die Grabrede u. dharafterifirte 
ihn mit dem Ausſpruche: „er war in Wahrheit ber Mann ber Liebe”. Cm. 
Ricci, 1) Matthias, geboren 1542 zu Macerata, trat 1571 in die Gel 
ſchaft Iefu, wurde um 1578 mit noch zwei Anderen zur Miſſton nach China 
beftimmt, erhielt aber erft 1583 von ber Regierung der Provinz Ganton bie Er⸗ 
laubniß, fich mit feinen Gefährten in Tſchao⸗King⸗Fu niederzulafien. 1595 be 
gab er fi) nach Peking, fchrieb auf dem Wege bahin eine Abhandlung über bas 
ftlide Gedaͤchtniß u. einen von ben Chineſen fehr geſchaͤtzten Dialog über bie 
Freundſchaft in Cicero's Geſchmack, mußte aber, da man ihn für einen Japane⸗ 
fen hielt u. ihm die Vorſtellung am Hofe aus Mißtrauen verweigerte, wieder 
zurüdgehen. Er überbrachte indefien, von Neuem nad Peking reifend, 1600 bem 
Kaifer Geſchenke der Portugiefen, und wurbe gut aufgenommen, worauf feine 
Miſſton von auffallend befierem Erfolge war, als vorher. Er ſtarb zu Peling 
1610 u. hinterließ mehre Werke in hinefliher Sprache. — 2) R., Lorenzo, 
neboren gu Florenz 1703 aus einer angelehenen Familie, trat in ben Sefuiten- 
Drben u. erlangte bie Höfen Chem in hemfelben, bis ihm 1758 bie 


Richardſon —Nichelien, 


829 
badnte ſich durch Graufamfeit und’ umerhörte Ftevel, belonders den Mord 
J—— Richards Bon de Yeuäben yums Ehroner Kar 


h 
) 
} 
1} 







durch Brutalität tigfeit und ci befledte. des: eblen 
Se von Buding 5* i — * R.6 II. El “auf den 
on, nicht Hinlänglich belohnt erachtete, ward erfidt und ber Anführer feloft 
enthauptet, 1483; ein anderer, won bem legitimen Sronerben, bem Herzoge von 
—— — — endete mit der —— —— 8 
in welcher R. jen und geti t 3. A unv 
Brandmal hat Am, der Geſch & 18. Genie Shateöpcares Pa 
Rihardfon, Samuel, ‚berühmter engliſcher Romanfchrifte 
—— eboren * En * h — u, erregte Durch 
en oman: am Bde, | ‚gemeinen - 
ben aber „Clarissa“ (8 Bbe, 4748), fi Ye Be 


in beftes Werk, noch mehr ver! 
Ems Ani —— erſchien ehren enthält in der Ele AH 
meifterhafte Eharafterzeichnung ; indeß- werben feine Tugendheiden und 
a —— — — Er rn 
en, tmand Jean Dupleffts, Herzog von, arbinal, gebos 
zen auf hem Sahlafe I: in dee Ahroing bel 1898 ver Den gewanbehen 
Staatsmänner feiner Zeit, der als folder nicht nur auf Frankreich, 
auf bie übrigen enropälfchen. Staaten einen großen Ei ausübte. Nach Innen 
jatte- er den gewaltigfen Kampf zu beftehen mit den Jı die am | 
ben Hofe 
ftrebten; nad) Außen wußte er jeden Moment zu benüßen, um u el⸗ 
ner gewaltigen Macht zu erheben, u. feinen Einfluß auf bie europäit 
Derhliifie au begründen u, auszuüben. Seine Erziehung beftimmte ihn urfprüng« 
lich für eine militärifche Laufbahn, allein ‚der Umftand, daß das Bisifum Lugon 
—5 nr * —— ‚Stande zu widmen, 
u om em e —2 er die Würde, x 
—— und in hohem Grabe ehrgeizig, gewann er ſchnell Einfluß. fi pi x 


& 


\ 


‘ber Geiftlichfeit von Poitou in die Generalverfammlung abgefandt, wußte er ſich 


durch feines und fchlaues Benehmen in bie Gunft Maria’ von Medici, Königin 
Mutter, welche bamals bedeutenden Einfluß auf bie Regierung ausübte, zu fepen; 
er wurde iht Almofenier und bald darauf durch ihre Verwendung Staatsrath, 
als folder die Angelegenheiten des Auswärtigen vertretend. Bon nun an durch 
feine Stellung an der Regierung Theil zu nehmen bereihtigt, begann ber Kampf 
mit den Intriguen des Hofes, denn Maria von Medici wollte herrſchen; ber 
Hof theilte fi) in zwei “Parteim, an bern Spige einerſeits Ludwig XII. mit 
feinem Günfling Luynes, anderſeits die Königin Mutter mit Concini fland, zu 
welch legterer Partei R. Anfangs halten te, weil er berfelben feine Stellung 
zu verbanfen hatte ; er folgte Maria von Medi 1617 nad Blois, übernahm 
zwifchen ben Parteien bie Rolle eined Vermittlers, zog ſich dadurch Entfernung 
vom Hofe und fogar die Verbannung nach Avignon zu, wurde jedoch, weil ihn 
der Hof brauchte, nach zwei Jahren zurüsberufen. Er ſchloß 1619 den Vertrag 
von Angouleme und 1620 den Vergleich von Angers, um bie Parteien zu vers 
föhnen, woburd er fi den Cardinalshut verdiente; ſtets Im Intereffe der Koͤni⸗ 
gin Mutter Handelnd, bis Luynes 1621 ftarb, nach deſſen Tode es berfelben leich⸗ 
ter war, ihm wieder in ben Staatsrath, jedoch unter jehr beichränfenden Beding⸗ 
ungen, zu bringen, von welchen er ſich übrigens durch feine Geiftedgewanbtheit 
bald zu befreien wußte. R. wußte ſich bei dem Könige in Gunft zu ſehen und, 
verließ bie Partei Maria's von Mebic, deren Einfluß er nur fo lange bemügte, als 
es nöthig war, feine ehrgeisigen Plane auszuführen, denn, feines Geiftes fih be- 
wußt und bie ganze Sachlage am Hofe durchſchauend, wollte ex ſelbſt herrſchen, 
zu welchem Zmede er flets bemüht war, vortheilhafte Verbindungen anzufnüpfen 
und fi) feloRftändig einen Anhang zu bilden. Er befegte,nad einmal ganummen 
Ginfluße, die wichtig ſten Stellen mit: feinen Anhängern mt Kühe Nur mu 


830 Richelien. 


gewonnene fefte Stellung immer mehr zu befeftigen, um feine Plane ald Staats; 
mann nach Innen und Außen durchzuführen. Er beherrfchte ben Fönig, oder | 
herrfchte vielmehr in defien Ramen in Sranfreich, hielt Die Begenpartei durch 
jebes Mittel darnicder, das ihm notwendig fchien, um ſich behaupten zu fönnen; | 
er Hatte jedoch, weil er das Uebel nicht von der Wurzel aus Heilen fonnte, wähs 
rend feiner ganzen Verwaltung einen Kampf um den andern mit feinen Gegnern | 
zu beftehen, an beren Spige die Königin Mutter mit bem Bruder des Könige, 
erzog von Orleans, fand. Unaufhoͤrlich bemüht, den Minifter zu flürzen und 
die Herrfchaft zu gewinnen, fchmiebeten feine Feinde Pläne auf Pläne und be 
drohten fein Leben; allein R. wußte feine gefährlidde Stellung ſtets zu feinem 
Bortheile zu benüben. Es gelang ihm, bie Complotte zu zerflören und ihre Abs 
fihten zu feinem eigenen Bortheille umzuwandeln; er machte den König barauf 
aufmerffam, daß alle Machinationen, die feiner Herrſchaft galten, gegen ben 
König ſelbſt gerichtet feien, was fehr wahrfcheinlich dalag: benn Die Gegenpartei 
wollte zur Herrfchaft gelangen u. es mochte wohl im Plane der Königin Mutter 
liegen, den Herzog von Drleans auf den Thron zu erheben. Beide Barteien vers 
fuhren bei ihrem mächtigen Einfluffe, ber ihnen zu Gebote fand, Außerfi gewalt 
thätig gegen einander; Gefängniß und Tod mußten R. von feinen Yeinben und 
ber Gefahr befreien: fo ftarb Chalais 1626 auf dem Schaffote Trotz bem, baf 
ber König felbft die Herrſchſucht R.s verabfcheute und feine furchtbaren Feinde 
biefe Abneigung zu benügen wußten, indem fie ihn zu überreben fuchten, ben von 
ihnen gehaßten Deinifter zu entlaflen, „gang es R. doch immer, ſich dem Könige 
unentbehrlich zu machen und fo die Macht feiner Feinde zu brechen und barnie 
ber zu halten; er beurfundete in dieſem Kampfe die Meberlegenheit feines Geiſtes 
und ſchwang fih in den Bunftbezeugungen des Königs immer höher, wogega 
ber Königin Mutter Fein Mittel gelang, ihrem Widerfacher beizufommen; ſelbſt 
bie günftigfien Momente, in welchen R. am Rande feines Berberbens fland, wie 
jener, ald Maria von Medicis am 9. November 1630 in einer Unterrebung mit 
ihrem Sohne, dem Könige, den Untergang bed Minifters herbeizuführen fuchte, 
ſchlugen zu ihrem Nachtheile aus, wußte er zu feinem Bortheil zu benügen. Er: 
fchredt durch die Größe der Gefahr, durch die Macht feiner Feinde, ſah fih R. 
gezwungen, zu den gewaltthätigften ap abregeln feine Zuflucht zu nchmen; er bes 
wirkte den Tod des Siegelbewahrerse Marillac und feines Bruders auf bem Blut 
erüfte; Biele farben im Kerfer, oder in ber Berbannung, und Manche var 
önmanden ſpurlos; er Hätte fich felbft an ber Königin Mutter und dem Herzog 
von Orleans vergriffen, wenn er es hätte wagen fünnen, um fo die Unruhen von 
Grund aus zu heben, und daß diefe nimmer rafteten, ihn zu verberben und nat 
Feinde gegen ihn aufzureizen, mußte ihn dazu bringen, bie feindliche Partei, fo 
weit er fie erreichen Tonnte, zu vernichten. Go wie er, ging aber auch die Gr | 
enpartei immer weiter, al8 fie fah, daß e8 unmöglich fei, beim Könige durchu⸗ 
ringen, oder R. das Leben zu rauben; es wurden andere Mittel angewendet: 
man trat dem Minifter im offenen Kampfe entgegen. Der Herzog von Orleans 
warb Truppen und floh, als Gegenmaßregeln ergriffen wurden, nach Lothringen 
und nad den fpanifchen Niederlanden; feine Mutter folgte ihm, wodurch R. 
Gelegenheit an die Hand gegeben war, auch diefe &runbpfeiler feiner Keinde 
anzugreifen; fie wurden als Majeftätsverbrecher erflärt und ihre Güter confiscirt. 
Je höher R. aber an Macht flieg, deſto edrgeiziger wurde er. Nachdem er 1629 
Prinzipalminifter geworden war, ernannte ihn ber König zum Pair ımb Herzog; 

. unterdeffen fuchte Der Herzog von Orleans, weil es ihm in Sranfreich nicht ge 
lungen war, von Außen Her feine Plane durchzuſetzen; er drang von ben Niebers 
landen 1632 mit einer Heermaße in Sranfreih ein und fuchte die Franzoſen zu 
bewegen, an dem Sturze bes Miniftere Theil zu nehmen; es fehlte auch nicht 
an Theilnehmern, dem R. mußte ſich bei feiner Herrichfucht und dem Beftreben, 
fie ftets zu üben, mit dem Hohen bel, der Einfluß auf bie Regierung haben 

fonnte, verfeinben. So ſchaffie er va vielem Yorke ie Mücken des Gonnetable u. \ 


Richelien. 831 


Großabmirals ab und wußte biefelben in feiner perfönlichen Stellung zu vereinis 
gen, wodurd viele Große und die Stände von Languedoc auf Seite Seiner Feinde 
traten und feine Stellung aͤußerſt fchwierig wurde. Gunſtige Umftände halfen 
ihm aus biefer Roth; am 1. September 1632, nach dem Siege des Marſchalls 
Schomberg bei Caſtelnaudari, unterwarf fih der Herzog von Orleans, und nun 
ging R. immer weiter, um feine Gegenpartei zu vernichten; felbft ber letzte Mont⸗ 
morency mußte ben Tod erleiden: ein Umſtand, welcher zeigen kaun, wie gewaltig 
er herrſchte. Der Herzog von Orleans nahm nun feine Zuflucht zu dem Herzog 
von Lothringen, feinem Schwager, um bort Hülfe zu fuchen; allein auch biefer 
Schritt brachte ihm feinen Gewinn: er mußte fi von Neuem unterwerfen, faßte 
aber nun 1636 mit dem Grafen von Soiſſons den Entſchluß, R. zu ermorden. Als 
dieſes durch die Schuld des Herzogs von Orleans nicht ausgeführt werben konnte, 
verbreitete R., der Kunde davon Hatte, das Gerücht, daß fie der König verhaften 
lafien wolle, worauf ſich Orleans abermals mit dem Miniſter ausföhnte, Graf 
von Soiffons aber ſich nad Sedan flüchtete, um von da aus, in Verbindung mit 
ben erzogen von Bouillon und Guiſe, den Minifter zu bekämpfen. Selbſt äfters 
reichiſche Truppen unterflügten bie Berfchworenen ; allein ber Tod des Grafen 
von Soiffons, welcher während ber für die Truppen bed Minifters ungünftigen 
Schlacht durch Berrat gefallen war, löste die Verbindung auf, die Berfchiworenen 
unterwarfen fi. Noch einmal erhob die Gegenpartei ihr Haupt, als 1638 Eings 
mars ber Guͤnſtling Ludwigs XII. geworden war. Er gelangte zwar durch R.s 
Gunſt in diefe Ste und, benügte aber gleichwohl bie zunehmende Abneigung bes 
Fönigs gegen den Minifter und rieth dazu, biefen zu ermorden, in welche 
Verſchwoͤrung fi auch bie alten Feinde R.s, Orleans, Bouillon, Guiſe mifchten. 
Sie fchlugen aber den alten Weg ein, ihren gemeinfamen Feind von Spanien her 
zu befämpfen und unterhandelten deßwegen. R. zog fih auch bießmal buch 
Schlauheit aus ber Gefahr, indem er, bamald krank liegend, das Gerücht verbreis 
tete, er ſtehe am Enbe feinee Tage; dadurch wurden bie Berfchworenen nad» 
läßig und er bemütte biefen günfligen Moment, den Fönig von ber Größe ber 
Gefahr in Kenntniß zu fegen, worauf bie Fl Mair derkeiben erfolgten. Or⸗ 
leans entfam; feige, wie er immer gehandelt atte, entbedte er Alles und flellte 
feine Freunde ber Rache des Minifters blos. Cinqmars und be Thou wurben 
am 12. September 1642 hingerichtet ; allein kurz darauf farb auh R. Tro 
Diefer immerwährenden Kämpfe, bie er zu beftehen hatte, um frei in —* 
herrſchen zu koͤnnen, führte er nach Innen und Außen feine Plane durch; na 
Innen waren es bie Hugenotten, deren Unterbrüdung ihm nothwendig ſchien, um 
Frankreich vor einer ähnlichen Spaltung zu bewahren, wie er fie in Deutfchlandb 
vor Augen hatte Er wandte deßhalb ernſtliche Mittel an, dieſe Körperichaft 
aufzulöfen, ihr die Eentralifation zu nehmen, burch welche fie zur feindlichen Bars 
tel, dem katholiſchen Frankreich gegenüber, wurde. Das Hauptbollwerf ihrer 
Macht, Larochelle, wurde unter feiner perfönlicden Leitung belagert und erobert u. 
damit die Macht dee Hugenotten gebrochen. Durch bie Art und Weife, wie er 
herrfchte, hob er das Königthum in Frankreich auf jenen Standpunkt der Selbſt⸗ 
fänbigfeit und Unverantwortlichkeit, wie e8 Ludwig XIV. Shau trug. Seine 
errſchſucht ließ feinen Herrfcher neben ihm zu. vernichtete ben Einfluß ber 
roßen auf die Regierung und fchaffte die Freiheiten bes Volkes vollends ab, 
benn an eine Berufung der Generalſtaaten war während feiner Berwaltung nicht 
zu denken. Ebenſo hielt er die Geiſtlichkeit in Schranken und hemmte ihren 
Einfluß. Das Volk behandelte er Höchft — —— und betrachtete es nur 
als eine Stuͤtze, worauf man Laſten legen koͤnne. Darum verſchlimmerte ſich ber 
Finanzzuſtand ungemein; durch bie ungeheueren Abgaben, bie er auflegte, richtete er 
den Wohlftand Frankreichs zu Grunde und man Tonnte mit Recht fagen, er habe 
das Seinige dazu beigetragen, bie frangäflfche Revolution herzubeſchwoͤren. Seine 
innere Berwaltung fann deßhalb flets als eine fehlerhafte getabelt werben. Das 
bei war er zu prachtliebend, liebte zwar bie WifieniKasten un Knie, wir er 


J 


832 Richelien 


aber nach ſeinem Sinne behandelt wiſſen und beherrſchte ſie, wie alles Uebrige. 
Er ftiftete die Academie frangaise, baute das Palais royal. Daß R., ale ein Mann 
von ungewöhnlicher Geiſteskraft und Thätigfeit, diefe für Frankreich nachtheilige 
Michtung annahm, mag mehr den Berhältnifien und bem Charakter feiner Zeit 
beigemefjen werben, weil man damals das Weſen einer wahren u. guten Staatd- 
funft noch nicht kannte; fie mußte fi erſt aus ihrer Dämmerung emporarbeiten 
durch die furchtbaren Geſchicke der Zukunft; übrigens muß man R.s vielfeitiges 
Fämpfen und Handeln immer mehr anftaunen. Befonders wußte er ben französ 
fiſchen Staat nah Außen gehörig in Anfehen zu ſetzen unb alle Gelegenheiten zu 
benügen, bie Hauptfeinde Frankreichs zu befämpfen, ihre Macht zu ſchwaͤchen 
und Frankreich durch neue Acquifitionen zu vergrößern. So fchonte er fogar ben 
Vapft nicht, als diefer in Verbindung mit Spanien 1624 Beltlin befegt hielt u. 
ftellte e8 dur Waffennewalt den Graubündtnern zurüd, wußte die Schwäche ber 
damaligen ſpaniſchen Regierung gut zu benügen, miſchte fi in die Empörung 
der Gatalonier und unterftügte dieſe durch die franzöftichen Waffen, nachdem a 
{bon früher in Verbindung mit den Holländern die fpanifchen Riederlande zu 
erobern und zu theilen gefucht hatte, was jedoch nicht gelungen war. Lothringen, 
defien Herzog Franz an ben Parteifämpfen gegen ihn Theil genommen hatte, 
ließ er befriegen und als frangöflfches Befisthum behandeln. Da es durchaus in 
feiner Abſicht lag, die Hauptfeinde Frankreichs zu fchwächen und Frankreich ba 
gegen gu erheben, fo ift es leicht erflärlih, warum er, dem Haufe Oeſterreich 
gegenüber, bie PBroteflanten in Deutſchland unterflügtee Es war bieß blos ein 
politiſche Maßregel; bie Religion kam dabei nicht in Rüdficht, fowie R. übers 
haupt mehr Staatsmann, ald Beiftlicher war. Er verband fi) deßhalb mit bem 
Könige von Schweden und dem Herzoge Bernharb von Weimar. Aber fchlau 
bie Plane des erfteren burchfchauend und einfehend, daß Guſtaph Adolph nicht 
geneigt ſeyn werde, Frankreich befondere Bortheile zuzugeftehen, verließ er ihn halb 
wieder. Da Bernhard von Weimar, ebenfo wie Guſtaph Adolph, Miene malte, 
die gewonnenen Bortheile blos für fich zu benügen, verließ er auch ihn, brachte 
jebodh nach beffen Tod feine Eroberungen durch Lift an Frankreich. R. war Ber: 
faſſer von verjchiebenen religiöfen und politifhen Schriften, von denen genannt 
werben fünnen: „Histoire de la mere et du fils;“ „Memoires von 1632 — 35" ; 
„Testament politique du Cardinal de R.“; Journal du Cardinal de R., quil 
a fait durant le grande orage de la ceur.“ — 2) R., Louis Francois 
Armand Dupleffis, Herzog von, geboren 1696, Urneffe des Borigen u. 
Marſchall von Frankreich, zeichnete fih von frühefter Jugend an durch feine 
galanten Abenteuer am franzöflihen Königshofe aus und Fam deßwegen in bie 
Baſtille; eine Strafe, die ihm wegen Tödtung des Brafen Gacs im Duelle fpäter 
nochmals zu Theil wurde. Er war zuerft Adjutant des Marſchall Villars im 
Feldzuge von 1712 und nahm an den Intriguen bes verderbten franzöfiſchen 
Hofes vielen Antheil. Sein Leben ift voll von galanten Abenteuern, Die ihm 
die Zuneigung ber Damen ımb ben Haß feiner Nebenbußler zuzogen; zu ben 
letzteren gehörte auch ber Herzog von Orleans; er hatte bewegen, fowie buch 
feine Theilnahme an Hofintriguen, vielfache Unamiehmlichkeiten, ja Gefangenſchaft 
zu leiden. Rach dem Tode bes Herzogs von Orleans gewann er die Gunſt Lub- 
wige XV., mit dem er nad) ©rundfägen und Charakter vollfommen überein 
fiimmte, Er erhielt die Stelle eines Geſandten in Wien, wo er 1727 die Friedens 
präliminarien unterzeichnete, Tpäter aber ftritt er unter Marſchall Berwick am 
Rheine, wurbe darauf Marechal de Camp und @enerallieutenant in Langueder, 
Kammerherr des Königs, half ben Sieg bei Fontenoi erringen, firltt heldenmuͤthig 
gegen bie Engländer bei Genua u. verdiente fich baburch den Danf ber Genueſcn 
u. die franzöſiſche Marſchallswürde. Er wurde fpäter Gouverneur von Guyenne 
und Gascogne und zeichnete fidh bei ber Belagerung von Port⸗Mehon aus. Durd 
bie Berwendbung ber Pompadour, mit ber er fich in freundfchaftliches Benehmen 


zu fegen gewußt hatte, exhiek er ATST dos Eommando über Die franzöfliche 


Richer. 833 


Armee in Deutſchland. Er war Hier zwar glüdlich und erzang bie Convention 
von Klofter Seven, zog ſich aber durch feine Erpreffungen und die Zügellofigfeit 
feiner Soldaten den allgemeinen Abſcheu zu, worauf er, Bauptfäcdhlid aber, weil 
er bei der Convention von Seven Frankreichs Bortheile nicht genugfam gewahrt 
hatte, den Oberbefehl verlor. Bon nun an lebte er blos nach feinen Neigungen, 
nahm nur fer wenig an Staatsgeichäften Theil und flarb 1788. R. kann ein 
Hauptrepräfentant ber Sittentofig eit feiner Zelt genannt werden: Buhlereien, 
leichtfinnige Handlungen, übermüthiges Benchmen, außerorbentlidhe Prachtliebe 
lagen in einem Charakter. Um dieſen Reigungen zu fröhnen, war er geldgieri 
u. erpreßte Summen, wo fich ibm Ge enbeit u bot, Er war auch Mitglie 
ber Afademie, obwohl er biefe Ehre keineswegs verdiente. — 3) R., Armand 
Dupleffis, Herzog von, geboren 1766, ein Enkel des Borigen, zeichnete 
fi befonders nach der Reftauration als franzoͤſiſcher Staatsminifter aus. Er 
wanderte zur Zelt ber Revolution nad Rußland aus, nahm hier Kriegs» 
bienfle, focht unter Suwarow gegen die Türken mit Auszeichnung, wurbe be» 
wegen Generalmajor und darauf Generallieutenant. Am ruſſiſchen Hofe nicht 
gar wohl gelitten, wirkte er 1792 im Intereſſe der Bourbonen als Agent. Als 
aber hier feine Wünfche nicht in Erfüllung gegangen waren, fehrte er nach Ruß⸗ 
land zurüd, von wo aus er 1801 aus PBrivatrüdfichten nach Frankreich zuruͤck⸗ 
fehrte. Obwohl ihn Rapoleon an fich zu feſſeln fuchte, ging er doch wieber nach 
Rußland und warb hie von Kaifer Alexander zum Generalgouverneut von Obeffa 
emannt, eine Stelle, die er bis zur Reflauration mit Ruhm bekleidete. Ludwig . 
ernannte ihn nach feiner Ruͤckkehr nach Frankreich 1815 zum Pair u. Kammerherrn 
und ftelte ifn an bie Spite eines neuen @abinets. Er entſprach zwar feiner 
—— beſaß jedoch, den Parteikaͤmpfen gegenuͤber, nicht Staͤrke genug. Bei 
Abſchluß ber Acte vom 15. November, wodurch ſich die Heilige Allianz conſtituirte, 
unterzeichnete er im Namen bes franzoͤſiſchen Könige. Vortheilhaft für Frankreich 
war feine Belanntfchaft mit Kaiſer Alexander, denn durch dieſe, ſowie durch 
feine perfönliche Feinheit, vermochte er es, daß ber Bertrag vom 20. November 
1815 mit den eueopäifchen Mächten weniger nachtheilig * Frankreich ausfiel, 
als dieß außerdem wohl geſchehen wäre. Ebenſo vortheilhaft wirkte er auf bem 
Congreſſe zu Aachen, 1818, zur Erleichterung ber Laſten, die man Frankreich aufs 
erlegt Hatte. Als er nun aber im Minifterrathe die Umänberung bed neuen 
Wahlgefehes beantragte und die Preſſe beſchraͤnkt wifien wollte, zog er ſich das 
Mipfallen ber Großmächte zu, und feine Partei unterlag den Anftrengungen ber 
gegnerifchen, welche an ber Charte feſthielt; R. mußte 1818 abtreten. Weil 
er eine Dotation von 50,000 Francs, bie ihm zugefprocdhen worden war Er gt 
angenommen Batte, ernannte ihn ber eönig dm Oberjägermeifter mit 20,000 $r. 
Gehalt, bis er nach der Auflöfung des Minifteriums Decazes im Jahre 1820 
abermals Präfident bes neuen Babinets wurde. Als folcher wirkte er im @eifte feiner 
frühern Befrebungen, bewirkte mehrfache Beichränfungen der Freiheit, die Aufheb⸗ 
ung ber Pa eh eine Umänderung bes Wahlgefebes und benügte überhaupt 
die num für feine royaliftifchen Tendenzen günftigen Momente, um bie Beftrebungen 
nach Freiheit zu unterbrüden u. die Eharte aufzuheben. Daher erfuhr er 1821 
bei Vertheidi ung feiner Zerwalkung ſolche tadelnde Angriffe, daß er abtreten 
mußte, Er Kar 1822 u. fann wohl ein gewanbter Diplomat u. feiner Politiker, 
aber keineswegs ein Keftiger Geiſt genannt werben, abgefehen übrigens von dem 
reblichen und eblen Eharafter, ben er in allen feinen Handlungen zeigte N. 
Nicher ein Höchft ſchaͤzbarer fränkifcher Ehronift bes X. Jahrhunderts, befs 
fen wichtiges Geſchichtswerk, den Zeitraum 888— 995 umfaflend, im Auguft 1833 
durch den genialen Scharfblid des Oberbibliothefarse Dr. G. H. Perh auf ber 
Bamberger Bibliothek in einem Autograph » Goder bes 10. Jahrhunderts entbedt 
—— e Diplom Hi Seht’ Kbru ait Barfmile CT de 
er vo ge diplomatiſch getreue Abdru a e (Tom. IN. ng. — 
657.) R., befien Bater FR ober Rabulf ieh, weÄher hei Fin LIONS 
Reeleacpcleyädte. VIIL ” 


Richmond — Richter, 835 


u, fpfenbide in ben Monum. Germ. hist. ; die’Hleinere, Schulausgabe, Hannover 
4839, mit. einem Facſimile der Handſchrift. Die Societs de 1’ hisloire de France 
ließ in Anbetracht biefer wichtigen Geſchichtsquellen eine herrliche Ausgabe durch 
Gundetbeforgen: Driginaltert nad) Pers, gegenüber eine franzöfifche Meberfepung 
mit kritiſcher Einleitung Bd. L pag. 114 und zum Schluſſe Bd, U. pag. 314— 
434). mit biftorifchen Noten u. Differtationen u. ausführlichem Inder „R.histoire 
de son temps,“ Paris 1845, 2 Bde. ‚Cm. 

Richmond, Herzoge u Grafen von, war ber. Titel mehrer engliſcher 
Peers u, Prinzen, bis ev enblich in ber Familie Lennor erblich wurde, 1453 ers 
Hbielt ihn Edmund von Hadham, ber Sohn Owen Tubor’s und der Königin 
Katharina; 1446 Heinrich von Lancafter, ber, als Heinrich VIL König von 
England wurde; 1525 Heinrich Fiproi, Königs Heinrich VL Sohn und 
1613 Ludwig Stewart, Herzog von Lennox, Graf u. nachmals Herzog don 
R,, in deſſen Samilie er erblich geworden; 1675 erhielt ihn der Sohn Karls Il, 
Charles Lenos, der zum Herzoge von. R, u. Lenos ernannt wurbe; bei deſſen 
Nacjfommen ift er. geblieben, bis fie ausflarben, wo er an bie Lennorx zurüdfiel. 
Ein R. war Minifter Karls I. von England, ber, als demfelden ber Prozeß % 
macht wurde, mit 3anderen Miniftern vergebens fein Haupt für jenes: anbot, 
neuerer Zeit iſt bedeutend: Charles Lennor, Herzog von kennorw R. 
in Großbritannien, Duc dAubigny in Frankreich, Peer von Großbritannien, Grand 
von Spanien, geboren 1791, trat 1809 in die Armee und war während des (pas 
niſchen Feldzugs Wellingtons Abjutant u. wurbe bei Waterloo Oberftlieutenant. 
1819 nadın er, da fein Vater als Gouverneur von Canada geftorben war, feinen 
Sig im Oberhaufez er ftimmte gegen bie Kathofifenemancipation ‚u. nahm 1830 
als Generalpoftmeifter anı Graf Grey’s Verwaltung Theil, doch trat“ er ſchon 
1834 mit Stanley, Ripon u. Graham: aus, als bie Whigs ihre Oppofition gegen 
die proteftantifche Kirche begannen. Seitdem nahm er, feinen thaͤtigen Untheif 
mehr an ben Staatsgefchäften und Hielt im Parlamente ftets bie Mitte zwoife 
den Whigs u. Torys. Cr vertheidigte bie Politit des Minifteriums Melbourne, 
wo dieſelbe mit feinen Anfichten übereinftimmte, trat aber auch oft als beren 
GSegner auf. Ebenſo benahm er ſich feit 1841 gegen Peel. NIS Iepterer zu Ans 
fang 1846 die Freihandelsmaßregeln beantragte, bewies er ſich im Oberhaufe als 
einen _ber heftigften Bertreter der Ariftofratie. 

Nichter, Sufeten, Schofethim, hießen jene Boltshäuptlinge bei ben Jo⸗ 
zaeliten, welche von bem Tobe bes Jofua, bes außerorbentlihen Bevollmächtigten 
Gottes nach Mofes, bis auf ben 1. König, etwa 350 Jahre, von Gott felbft ober 
vom Bolfe berufen, beſonders bei unglüdlichen Kriegen an bie Spige einzelner 
Staͤmme ober bes ganzen übel verbundenen Staats traten u., für ben Gottkönig 
u, fein Geſetz begeiftert, oft lebenslaͤnglich ihre Herefchaft und rihterlihe Gewalt 
ausübten, Being führten u. Frieden ſchloſſen, boch feine gefeßgebende Gewalt be⸗ 
ſaſſen u. auch feine Einkünfte genoffen. Die bl, Schrift nennt ihrer 16, als: 
Dthontel, Aod und Samgar, die Helden Debora und Baraf, Gedeon, 
Abimelech, Thola und Fair, Jephte, Abefan, Ajalon, Abdon, Sams 
fon, ber Hohepriefter Heli, der Prophet Samuel (f. d.). Es iſt glaublich, 
daß es mehre R., oft auch mehre gleichzeitige gegeben habe; aber bie beiden letz⸗ 
ten wenigftiınd waren allgemeine R. — Das Buch ber R., das 7. fanonifhe 
Bud) de alten Teftaments , deſſen göttliches Anfehen durch die Berufungen des 
N, T. beftätigt wird, enthält ein Gemälde des politifch-fittlich / religiöfen Zuftans 
des ber Ifraeliten in dem Zeitraume von Joſue's Tod bis zur Einführung bes 
Koͤnigthums, verbunden mit der Darftelung ber einzelnen Thaten u. Begebenheis 
ten ber R., welche vermuthlich ſolche ſelbſt aufzeichneten, worauf Samuel das 
Ganze ordnete. Ein ſteter Wechſel des Abfall von Gott, ber Unterbrüdung u. 
der Befreiung bei erfolgter Befferung. Das Buch zerfällt in 3 Theile: 1) Der 

Aingang deſſelben: Saumfeligfeit in Austottung der Gühenkiner, iger u 
wörligiöfer Berfall der Zfeaeliten (Rap. 1— 8.3, 8, % wi 


[e 


836 Nichter. 


von Otho niel bis auf Heli, (K. 3, I— K. 16). 3) in Mnhang, Weiher bie 
ſchrecklichften Vergehungen der Ration in biefer Zeit u. die fürchterlichften Kolgen 
derfelben enthält (8, 17— 21. 
Richter, Auguſt Gottlieb, ausgezeichneter Arzt u. Chirurg, geboren ben 
13. Auguft 1742 zu Zörbig in ber preußifchen Provinz Sachſen, widmete fid 
bem Studium ber Heilfunde in Göttingen u. wurde bafelbfi 1764 zum Med. Dr. 
promovirt, Er unternahm nun eine wifienfchaftlichde Reife nach London, Paris, 
Amſterdam u. Leyden u. fehrte erſt 1766 nad) Öttingen urüd, wo er zum auf: 
erordentlichen, 1771 aber zum ordentlichen Profeſſor der Medicin ernannt wurde. 
1779 wurde er koͤnigl. &roßbritannifcher Leibarzt, 1782 Hofrath; 1812 ben 
23. Juli ftarb er in Göttingen, wo er 46 Jahre lange über alle Bücher ber pral⸗ 
tifhen Mebicin und Chirurgie Vorträge gehalten hatte R. iſt unbeftreitbar ber 
geößte beutfche Chirurg bes 18. Jahrhunderts, ein Arzt im vollen Sinne bes 
orts, der gleichmäßig durch Lehre und Schrift den Beilfamften Einfluß auf das 
Gedeihen der Chirurgie übte; auch war er in Deutfchland ber Erſte, weldyer bie 
Augenheiltunde als eigenen Stneig ber Chirurgie lehrte. Seine wichtigften Schrif- 
ten find: „Ehirurgifche Bibliothel*, 15 Bde., Göttingen 1771 — 1797. — „Ub 
handlung von den Bruͤchen“, 2 Bde., Göttingen 1777 — 1779, 2te Aufl, 1785, 
au in's Franzöftfche überfegt. — „Anfangsgründe ber Arzneitunfi“, 7 Bbe,, 
Böttingen 1782 — 1804. Ate Aufl. 1802 — 1826. — Nach feinem Tode erſchien, 
herausgegeben von feinem Sohne: „Spezielle Therapie”, 9 Bde., wozu fein Sohn 
2 Supplementbänbe und Stannius noch einen fchrieb, Berlin 1821 — 1836. 
Sein Sohn, Deorg Auguft R., geboren zu Göttingen ben 9. April 1778, 
wurde Med. Dr. 1799, bereiste nun das Ausland, ließ ſich 1805 in Berlin nie 
ber, wurbe 1813 Oberftabsarzt bei den preußifchen Militärlagaretien, 1814 außer 
ordentlicher Profefior in Berlin, 1821 ordentlicher Profeſſor in Koͤnigsberg, be⸗ 
gab fi 1831 zur Eholerazeit nach Berlin und farb bafelbfi am Schla ben 
18. Juni 1832. — Er fchrieb, außer oben Erwähntem: „Ausführliche eimits 
tellehre”, 6 Bbe,, Berlin 1826 — 1832. 2) R., Jeremias Benjamin, Che 
mifer, geboren ben 10. März 1762 zu Hirſchberg in Schleften, Hatte ſich dem 
Studium der Nalurwiſſenſchaften u. der Heilkunde gewidmet u. war zum Philo- 
soph. u. Med. Dr. promovirt worden, wendete ſich aber nachmals ganz der Che⸗ 
mie und bem Bergwefen zu. Er wurde 1795 Bergfefretär in Breslau, fpäter 
Bergamtsaffeffor u. Arcanift an der Töniglichen Porzellan Manufaktur in Berlin, 
wofelbft er den 4, April 1807 farb. — R. ift der Erfinder bes ftöchiometrifchen 
Geſetzes u. hat auch zuerft den Begriff ber Stöchiometrie (ſ. d.), Meßkumſt 
chemifcher Elemente, wie er fie audy nannte, in bie Chemie eingeführt, nachdem 
bon mehre feiner Vorgänger, namentlih Wenzel (ſ. d.) ſich mit quantitativen 
terfuchungen beſchaͤftigt Hatten. Auch R. wurde die verdiente Anerkennung 
nicht, wohl zumelift, weil feine experimentellen Angaben nicht genau genug waren. 
So Fam es, daß erſt Dalton (ſ. d.) bie Stöchlometrie zu allgemeiner Beachtung 
brachte. — Alle Werte R.s ftehen in Berbindung mit der Anwendung ber Ma 
thematif auf die Chemie; er fchrieb: „Anfangsgründe der Stoͤchiometrie“ 3 Bbe. 
Breslau 1792 — 1794. — „Ueber die neueren Begenftände in ber Chemie”, Ber 
iin 1791— 1802. E. Buchner. — 3) R., Johann Paul Friedrich, gewoͤhn⸗ 
ih Jean Paul, ber erfle deutfche Humorift, vol Hoher Phantafle, tiefer Sen⸗ 
fibilität u. Tindlichen Gemüths, war geboren den 21. März 1763 zu Wunſiedel. 
Seine Jugend war fehr trüb unb verkuͤmmert, bis fein Bater als Prediger von 
Joditz nad Schwarzenbach kam u. der wißbegierige Knabe bie reiche Bibliotef 
eines nahen Geiftlichen benügen durfte, woburd der Grund zu feiner Polyhiſtorie 
gelegt warb, die ihm Die treffendften (bisweilen auch bunfeln) Vergleiche aus al 
len Sünften u. Wiſſenſchaften an die Hand gab» Er bildete ſich gi of u. Leip⸗ 
ig, fand jedoch an ber Theologie fein Behagen, gab auch bald eine Hauslehrer⸗ 
elle wieber auf u. zog nach Hof wu feiner armen, verwitiweten Mutter. Hier 
im engen Stübdyen arbeitete ex v. woxh \ulutah hob ae Qonscar in bie 


Nichtmaſchine. 837 


der ſpinnenden Mutter. Die Formloſigkeit u. bie Wildniß der Gedanken in ben 
„Srönlänbifchen Prozeſſen“, dev „Auswahl aus des Teufels Papieren“ u. ber „uns 
fichtbaren Loge” machten geringes Auffchen; mehr ſprachen „Schulmeifter Bi, 
Duintus Firlein, Doktor Katzenberg u. Blüthen-, Frucht» u. Dornenflüde” an, 
wegen bes füßen, idylliſchen Stilllebens, das er treffend zu malen verftand. Die 
zarteften Seiten bes Gemuͤthes bewegen bie leider zu ähnlich gehaltenen größeren 
Romane „Hesperus“ u. „Titan“, nur haben fie zu viel Weichlichkeit und Ueber⸗ 
NE eit. Charakteriſtik u. en bes Lebens waren überhaupt feine 
ſchwaͤchſte Seite, Fülle des Gefühle u, |prubelnber, oft tolkühn fpringender Hus 
mor feine flärffte. Sein hoher Genius warb zuerft gewürdigt von Herder, Gleim, 
3. H. Jakobi u. 9. ; feine äußere Rage verbefferte fih u. 1801 heirathete er bie 
Tochter des Medizinalraths Mayer in Berlin, wo er fih längere Zeit aufgehal- 
ten hatte, Bayreuth warb endlich fein fefter Wohnort, er wurde Hildburghauferfcher 
Legationsrath, befam vom Kürften Primas, Freiheren von Dalberg, u. fpäter vom 
Könige von Bayern einen Jahrgehalt und num begann feine reifere, gebiegenere 
Periode. Sein Genius erfcheint fchladenreiner in den „Blegeliahren“, des „Keld- 
predigers Schmelzle Reife” , „Kapenberger’s Babereife”, „Fibels Leben“ u. 9, 
Seine Achte deutſche Befinnung bezeugen das „Kreiheltsbüchlein“, bie „Friebens⸗ 
predigt” u. Die „Dämmerungen“. Tiefen Geifles, wenn audh der Einheit mans 
geind, find die „Borfchule zur Aeſthetik“ u. „Levana ober über Erziehung“ u. das 
„Campanerthal“. So ift R. umübertroffen an Schwung u. Bhantafle, Yeuer bes 
Gefühle, Adel und Keufchheit bes Herzens und Innigkeit des Gemüths. Alle 
Rünncen bes Humors, von dem fpielendben Schere bis zum fchneidenbften Sar⸗ 
fasmus, ſtehen ihm zu Gebote. Im gewöhnlichen Leben war der geniale Mann 
unpraktiſch und verlegen, fanft und kindlich. Im Jahre 1824 ergriff ihn, nebſt 
großer Augenſchwaͤche, eine Abnahme ber phyſtſchen Kräfte und er flarb ben 
14. Rovamber 1825. In Wunſtebel ift ihm ein Denkmal gelebt. — Geſammt⸗ 
ausgabe feiner Werke: 60 Bde., Berlin 1826, n. U. 1840. Bergl. au Spa⸗ 
zier, „Wahrheit aus R.s Leben” u. „I. P. 5. R., ein biographiſcher Commen⸗ 
tar zu feinen Werken” (5 Bde.) u. f. w. — I) R. Adrian Ludwig, Lands 
Ihaftsmaler u. Radirer, geboren 1805 zu Dresden, Brofeffor an ber Kunftfchule 
zu Meißen, ausgezeichnet in Darftellung ber großartigften Alpennatur u, in ber 
Fülle ber Scenerie Ftaliens, das er befudte, uch feine Staffage ift von Bebeut- 
ſamkeit. — 5) R. Johann, veraügticher Maler aus Koblenz, beſonders groß 
is Portrait, Er bildete fi in Paris, wohin er im 10. Jahre fam, um Golb- 
ſchmied zu werden, führte in München mehre hiſtoriſche Compofltionen in Cartons 
aus u. malte Hier, forwie 1832 in Italien, dann in den Rieberlanden viele Por⸗ 
traits fürfllicher u. anderer PBerfonen. 

Nichtmaſchine, nennt man bei Kanonen und Haubigen jene Borrichtung, 
welche bazu dient, das Bobenftüd dieſer Geſchuͤtze nach Erforberniß zu erhöhen, 
oder tiefer zu flellen u. ihm auf diefe Art die nothwendige Hößerichtung zu geben. 
Als man den früher eingeführten Richtkeil aufgab, bediente man fich flatt feiner 
einer R. mit einem Schraubenfeile. An einem, die zwei Laffetenbaden mits 
einander verbindenden Bolzen war ber Schemel mit zwei Ringen eingehängt unb 
ruhte wit feinem andern Ende beim Feuern auf einem Bolzen, welchen man nad 
Belieben höher ober tiefer in bie Laffetenwaͤnde einfteden konnte. Auf biefem 
Schemel nun lief zwiſchen zwei Leiſten und, von dem Etelleifen in ber Höhe ges 
halten, ber Keil, deſſen obere Kante, auf welcher der Stoßboben bes Geſchuͤtzes 
auflag, mit Eifen beichlagen war. Der Keil war an feinem unten Theile mit 
einer Schraube verfehen, welche durch eine Kurbel in eine, in dem Schemel bes 
findlicde, Mutter vorwärts und zurüid beivegt werben konnte, woburd ber Keil vors 
waͤrts gebrüdt, ober zurüdgefchoben, dadurch alfo ber Hintere Theil bes — 
rohres erhoͤht oder geſenkt wurde. Damit nun der Ruͤckſtoß bes Geſchuͤ e 
Stellung der Schraube nicht veränderte, befand fi an bem Kelle ein Ener 
riegel, welcher in ein an ber Schraube befinblichr® Sperron NMe u oe 


838 Richtung —Ricorb, 


felbe fehftelltee Man hat diefe R.n aufgegeben und bedient ſich nun beinaße 
ausfchließlich der R.n mittelfi der Richt- oder Stellfhraube “Diele 
R. befteht aus einer flarfen Schraube, an deren Kopfe fi vier Handhaben be: 
finden. Diefe Schraube Iäuft vertikal in einer Schraubenmutter, weldye zwis 
fchen den beiden Laffetenwänden befefligt und um ihre Axe beweglich if. Bei 
einigen Artillerien ruht das Geſchuͤz mit feinem Boden auf einem Ruhebrette 
oder einer hölzernen Richtſohle. Dieſes Ruhebrett hängt an dem Gtirnriegd 
an einen Gewinde und liegt auf dem Schraubenfopfe auf. Wird es nun mittelk 
oe Göraube gefteltt, fo erhält das Gefchüß hierdurch bie beabfichtigte Erhöhung 
oder Senfung. 

Aichtung eines Geſchuͤtzes Heißt: dem Rohre diejenige Lage geben, bie von 
ber Stellung und Entfernung des Zieled, von der Stärke der Ladung und ber 
Art des Projertild erfordert wird, um leßteres in's Ziel zu bringen. Die Sei; 
tenrichtung gibt man, wenn man die Geelenare und ben Mittelpunft bes Zie 
les genau in eine Berticalebene bringt; fie wirb erreicht duch das Wenden des 
Laffetenfhwanzes. Die Höhenrihtung erfolgt durch bas Drehen bes Rohrs 
um die Schallzapfen vorn mittelft der Richtmaſchine (ſ. d.). Der Winkel, dm 
bie Seelenare mit der Horizontale macht, heißt der Richtungswinkel; er iſt ent 
weber oberhalb und Heißt Elevationswintel, oder untahalb, Depreffions 
winfel. Die Ergänzung des Richtungswinkels (Elevationswinfel) zum Richt 
heißt dee Directionswinfel, Der Winkel, welder bie Erhebung ber vers 
längerten Seelenare, Schußlinie, über die Viſirlinie bezeichnet, heißt Bifirwin 
tel; bei Kanonen entfleht er ſchon beim Viſirſchuß, d. h. beim Richten über bie 
höchften Punkte der Kopf» und Bodenfriefen, unb beträgt dann 0,5° bis 1°; 
beim Kernſchuß, d. 5. wo Seelenare und Biftelinie parallel find, fällt er weg. 

Nicimer war von mütterlicher Scite cin Enkel des Weftgothenkönigs Valia, 
von väterlicher ber Sohn eines ſueviſchen Häuptlings u. Diente unter dem Koile 
Avitus gegen die Bandalen, deren Flotte er an ber Forfifchen Küfte vernichtete 
und mit dem Namen eines Befreiers Italiens befchenkt wurde. Daburch muthig 
zemadht , febte er den fihwachen Kaifer ab unb erlaubte ihm, als Bifchof nad 
Slacentia zu gehen. R., welchen feine Geburt von der Thronbefteigung abbielt, 
regierte nichtödeftoweniger ganz Italien, brachte jedoch nach einiger Zeit (457) 
feinen Freund WMajorianus unter Beiftimmung des Volkes zur Regierung; aber 
nad 4 Jahren mußte diefer fdhon wieder dem Eärg.ize R.8 weichen, der nun, 
um felbft die Regierung in die Hände zu befommen, den Eäglichen Severus auf 
ben Thron fißte, Heere zufammenzog, Bündniffe ſchloß und überhaupt unum- 
fhränft neben dem Schattenkaijer herrfchte. Um dem Bündniffe mit dem griedis 
[hen Kaiſer eine fihere G.rantie zu geben, nahm Rom einen von Konftantinoyel 
eingefegten Ober bern an: es war Anthemius, deffen Tochter den R. als Conſul Keira 
thete. Unter feines Echwiegervater8 Regie ung diente er gegen die Bandalen und Weſt⸗ 
gothen, zog aber endlich, des Untergebenfins müde, von Rom nad) Mailand, 
wo er dur burgundiſche und ſueviſche Truppen N in Heer verftärkte und, obgleich 
ber Biſchof Epiphanius R. u. Anthemius zur friedlichen Bereinigung bewogen 
hatte, fo zog R. doch mit feiner Armee vor Rom und nahm es A72 nach 3 mes 
natliher Belagerung ein. Auf feinen Befehl wurde bie Gtabt gepllinbert und 
was von Alarich's und Genſerich's Verwuͤſtungen an Kunſtſchaͤtzen übrig geblieben 
war, vollends zerftört. AO Tage nad der Einnahme endete eine ſchmerzhafte 
Krankheit das Leben R.E. 

Hicord, Philipp, Profefior der operativen Mebicin, ber Klinik und fpe 
zielen Pathologie an der Univerfität zu Baris, Arzt an der Maison de Sante 
und WBundarzt im Spital ber Benerifhen, war Interne im Höp. de la Pitie, 
wurde 1826 zum Mod. Dr. promgvirt und nachmals zum Arzte im Epital ber 
Verneriſchen ernannt. — Er hat fi großen Ruf erworben duch feine Unter 
fudungen über die Ratur ber ſyphilitiſchen Krankheiten, fo wie burch feine Be 

Sandlung berfelben. Er ſchrieb unter onteren. „Memoires et observations sur 


Ried — Nieder, 839. 


divers points de medeoine,“ Paris 1834, die ins Hollänbifche überfeht wur⸗ 
ben, — „Trait& pratique des maladies veneriennes,“ Parid 1838, nachge⸗ 
drudt in Brüffel, zweimal überfeßt ind Deutfche, fowie ins Engliſche unb 
Da ade — „Clinique iconographique de l'hôpital des Veönäriens,* 
aris 1841. E. Buchner. 
Nied, Markifleden mit 2400 Einwohnern und Sik bes Kreisamtes vom 
öflerreichiichen Innviertel, einer ber ſchoͤnſten Landorte des Kaiferftaates, liegt an 
den Bächen Oberach und Breitfach, welche hier in bie Antiefen fallen. Es Hat 
zwei Bormärfte, brei Thore, zwei Plaͤtze, drei Kirchen, ein ftattliches Rathaus, 
Theater, Hauptſchule, Spital Das Schloß, in defin Räumen das Kreisamt unters 
gebracht if, fleht außer dem Markte auf einem Berge, mit tiefem Graben ums 
geben. SHopfenbau, Bierbrauerei, Branntweinbrennerei, Leinwandfabrikation nnd 
Getreidehandel werben ziemlich lebhaft betrieben. ine Stunde füblich lient das 
eilbad St. Thomas; in befien Nähe, bei Rannhofen, iſt die periobifche Duelle 
ungerbrunn und bei Prameb ein Kohlenflöb. Zwei Stunden weftlic an ber 
Ace liegt das uralte Schloß Wildenau, mit einem merkwürdigen Thurme, ber 
im 10. Sahrhunderte gegen die Ungarn erbaut worden feyn fol. Bibliothek, 
Bilderfammlung, fehr intereffantes Archiv. — Bekannt ift die Sage von dem 
tapfern Müller Ditmar von Ried, welcher im Heere Kaiſer Friedrichs des Roth⸗ 
barts nach Baläftina gegen bie Ungläubigen gezogen war, und als im Treffen 
die Bayern ihr Banner verloren Hatten, einen feiner Bundſchuhe abzog und auf 
einen langen Spieß fedte, unter dieſem Zeichen bie Chriſten zum Siege führend. 
Bon daher fol es kommen, daß Ried den Bundſchuh im Wappen führt. In ber 
Geſchichte Hat der Ort einen Ramen befommen durch ben Nieder Vertrag vom 
8. Da, 1813 zwifchen Defterreih und Bayern, nach dem bdiefes ben Alliirten 
beitrat. — Liftle, Beichreibung des Marktes R. m. 8. mD. 
Nieder, Ambros, Chorreg ent in ber Pfarrkirche zu Perchtoldsdorf, 
verdienſtvoller Contrapunktiſt u, Kirchencomponift, ward geboren ben 10. October 
1771 zu Döbling bei Wien, wurde nach erhaltenem Unterricht im Belange, 
auf ber Bioline und dem Glaviere von dem damaligen Ghorregenten im Lidhten« 
thal, Martinidbes, auch im Generalbafie und den Anfangsgründen der Com⸗ 
pofition unterrichtet und machte in kurzer Zeit fo bedeutende Zortichritte, daß er 
bereits in. einem liter von 13 Jahren einige Kleine Motetten und eine Mefie 
fchrieb, deren Aufführung mebre Male mit Beifall Statt Hatte Die Belannts 
Schaft des damaligen Gapelmeifters bei St, Stephan, Leopold Hoffmann, 
hatte auf R.s muſikaliſche Ausbildung den entichiedenften Einfluß; zu berfelben 
Zeit hatte er auch Gelegenheit gehabt, Mozarts großartiges Spiel auf bem 
Rianoforte zu hören, wovon er im höchften Grabe begeiftert wurde, wie benn 
überhaupt befien herrliche Compofitionen ſtets am ti.fften auf R.s Gemuͤth 
wirkten und @egenftand feiner unbedingteſten Bewunderung uud Berehrung waren. 
1795 erwarb fh R. die Bekanntſchaft und Freundſchaft Albrehtsberger’s 
und wurbe don bemfelben nicht nur volftändig in den Srundfägen der Compo⸗ 
fition unterrichtet, fondern auch durch fortgefeßte praktiſche Uebungen auf bas 
erfolgreichfte belehrt. Außerdem beicdhäftigte er fich in feinen reiferen Jahren 
vorzüglich mit ben Schriften bed berüßmten Marpurg, bie er auf das Eifrigſte 
und mit vielem Erfolge ſtudirte. 1802 erhielt er die Ehorregenten: und Schul 
Ichrerielle in Berchtold sborf und erwarb ſich dafelbft durch geſchickte Leitung 
eines zahlreichen Muſikchors, befondbers aber durch bie forgfältigfte, nach ben 
beten Grundſaͤtzen geleitete, Bildung ber Schuljugend durch eine Reihe von Jah⸗ 
ren arehe Verdienſte. Hier fchrieb er auch feine meiſten Kicchencompofitionen, 
deren Mehrzahl noch Heute in vielen Kirchen aufgeführt wird. und die durch 
tiefes Studium, Reinheit des Satzes, wie durch ri tige und glüdliche Fuͤhrung 
ber Harmonie ausgezeichnet find. Ihre Zahl beträgt bis jetzt an 120, worunter 
ſich auch einige Anleitungen für Die Orgel zum Brälubiren und eine ſehr zweckmaͤßige 
Anleitung zur richtigen Begleitung ber vorgeſchriebenen Kiccheageituns, vum Sr 


840 Riedinger — Niegler. 


neralb aß, Prälubiren und Fugiren befindet. Die meiften feiner Werte find ia 
Stiche erfchienen. 
Niedinger, Johann Elias, geboren zu Ulm 1698, lernte bie Yinfange 
ründe ber Malerei bei bem Maler Chriſtoph Röfch bafelbft, ging Hierauf nad 
Mugsburg, wo er für Die dortigen Kunſthandlungen arbeitete, wurde 1759 3 
rector ber Augsburgifchen Malerafademie und flarb in dieſer Stabt 10. Ayi 
1767. Seine Stärte beftand Hauptfächlich in Ihiers und Jagbflüden. Er ie 
den Eharafter der Thiere, befonders der wilden, mit großer Genauigfeit beobadın 
und man kann feine Blätter als eine naturhiſtoriſche Schilderung dieſer Thin, 
ihrer Gehalt und Lebensart, aniehen. Seine Zufammenfebung if ſchon, und ik 
YAustheilung des Lichts ohne Tadel, Seine Landfchaften find malerifch wild, is 
wie fie fich zu den Thieren jchiden. Dagegen hat feine Manier etwas Stubing 
und Gezwungenes. Menſchliche Kiguren entwirft er felten mit Geſchmack; fein 
Pferden fehlt der wahre Charakter und die richtige Zeichnung. Viele fe 
Blätter find Hiftorifch und nach dem Leben geflochen, indem fie Thiere, bie ma 
auf diefer ober jener Jagd gefangen, vorftelen. Er hat auch eine Lanbide 
mit Löwen nach Rubens für bie Dresdener Galerie geflochen. 

Niegler, Beorg, ein fruchtbarer theologiſcher Schriftfleller, geboren a 
Hoͤchſtaͤdt an der Aiſch, ehemals zum Fuͤrſtbisthume Bamberg und zur WBünker 
ger Diözefe gehörig, am 21. April 1778, machte feine Borbereitungsfubie i 
der Bhilippinifchen Schule zu Bamberg, befuchte 1794 — 99 das Gymnaſiun b 
felbft, hörte an der Würzburger Univerfität Philoſophie und verteidigte öffentiä 
mehre Thefen aus ihre, Nachdem er im Herbfte 1801 in das Prickerhaus mm 
guten Hirten aufgenommen worden, widmete er fih 54 Sabre bem theolsgifhe 
Studium an ber Univerfität, wo er nächft bem Hebrätfchen auch bie orientalikia 
Dialekte, ſyriſch, Halbaifh und arabifch betrieb. 1806 zum Prieſter geiveilt, » 
warb er am 20. März 1807 den Doktorgrad der Theologie durch feine Diſſen 
tion Canticum Mosis Exod. XV., überfegt u. erflärt. Die Kaplanei in Aub wu 
feine erſte Seelforgerftelle; er harrte Hier 9 Jahre lange aus, bis er 1816 m 
Stadtfaplanei an die Pfarrfirde St. Burkard in Würzburg befördert wurde,m 
damals bie fogenannte Pöfchelianer Sekte ihr Unweſen trieb. 1821 erhielt er ka 
Ruf ale Profeffor der A. und N. T. Eregefe an das Lyceum zu *2 
wurde nach 25 jaͤhrigem Wirken daſelbſt wider feinen Willen 1846 quiescht, 
er, ungeachtet mehrmaliger Warnung, ganz frembartige Epifoben unb perfönlik 
Anzüglichkeiten in feine Vorträge einzumifchen ‚gewohnt war. Als Erfap für ik 
unterbrochene, muͤndlich lebendige Lehrthätigkeit verlegte ſich fein raſtloſer Su 
nun mit erneuerter Kraftanſtrengung auf fchriftliche Produktion, weiche bi pa 
feinem 1847 erfolgten Tobe wie ein reißender Strom ſich ergoß unb 38 
bie Schmidt'ſche Buchdruderei in Bamberg auf eigene Koſten ganz 
für fi beſchaäͤftigte. Die Maffe feiner Schriften Hat feinen bleibenden Wal 
weßhalb nur das verhältnigmäßig Beflere Hier Platz finden mag. „ Cr 5 
geſchichtlicher und eregetifchs praftifcher Beziehung“, Augsburg 1826; „Kritik 
Gelhichte der Bulgata“, Salzb. 1820. Große Verdienſte erwarb ex fich karl 
feine „Hrifllide Moral nach ber Grundlage der Ethik von M. Schenklz⸗ gi 
fere Ausgabe in 4 Bden. und kürzere Bearbeitung in 2 Bben., eine Zu 
ſehr beliebtes Lehrbuch durch die Vollkäntigfeit bes Stoffes unb bie lei 
Darftellung. Die apafie bes geiftlichen Rathes Stapf lagen hiebel zu Grmk. 

en, bie vr 
u. des Oi 













Mehre Predigten, Gebetbücher, Leitfaden, kurze Perifopen » 







bier übergehen muͤſſen. Die eregetiiche orflärung einzeiner Palmen 
leins Ruth. Bibliſche Hermeneutil 1833. H —— — firchentaau⸗ 
rechtliche Denkwuͤrdigkeiten zum V iß zwiſchen Kirche Staat. Banınn 


1842, 4 Hefte. Geſchichte Jeſu und ber Apoſtel mit Sittenlehren. 1844,2 Te 
Das Leben Jeſu Cbriſti in onie der vier Evangelien, Yikerifch, kritiſch wi 
praktiſch erklärt, 1845, 5 Be. Euchariſtie nah Schrift und Trabitiem, 

Unauflösbarteit des Uhebantes, BAR. Kchiaieiiie Seeeakit uf, Dil, 





Riego y Nunez — Rienzi. Ba 


> * 
patriſtiſch, ſymboliſch, polemiſch, apologetiſch, praltiſch dargeſtellt, 1846 —47, 6° 
Bände: Der zu vielen Bänden ee Selbfiverlag des Verfaſſers, 
wobei derſelbe einen großen Theil feines Vermögens aufopferie und verdrudte, 
3 A Tode zum Theil auf bie Fahreembacher'ſche — in 
urg über, 
= Niego y Nunez, Raphael bei, ein fpanifcher Patriot, geboren 1783 zu 
5 Funa in Aſturien, fmpfte gegen bie frangöftihe Occupation und diente nad) fei« 
„ner Befreiung aus franzöfticher Getangemicheft im Stabe des Generals Abisbal. 
5 Que diefer die Sache der Unabhängigteit verrieth, zog fih N. einige Zeit in's 
ã Privatleben zurüd. Im Jahre 1820 rief er an der Spihe eines Bataillons auf 
„der Jola be Leon bie Gonftitution aus und verbreitete duch einen fühnen Zug 
in das ſtark befepte Land den Geift der Freiheit, fo daß ſich bald ganze Provin⸗ 
‚aen unter fein Banner ſchaarten und bie Nation ihm öffentlich ihren Dank aus⸗ 
ſprach. Seine Popularität erwedte die Eiferſucht bee Gemwaltigen, feine: Armee 
= ward aufgelöst und er geächtet, Aber bes Volkes Zutrauen war nicht erſchüt⸗ 
"tert; es wählte ihn 1822 zum Abgeordneten bei ben Gortes, deren SPBräfident er 
wurde. Als König Ferdinand eidbrüchig warb und die Eonftitution mit fremben 
=! Bajonneten ftürgte, erſchien R. wiebertin ben Waffen, geriet aber in oͤſiſche 
® GSefangenfhaft und ward in Madrid am 7. Stlober 1823 gehängt. ie 1820: 
—* von * gedichtete Hymne warb Nationallied, fein Andenken unter Iſabella U. 
erneu⸗ 
Riemer, Friedrich Wilhelm, Philolog und der beſonderen Freundſchaſt 
Gdoͤthe s gewürdigt, geboren am 19. April 1774 zu Glas; ſuudirte Theologie, 
=) iendete ſich aber vorzugsweife den philologiſchen Studien zu, durch F. A. Wolf 
"tim in das claſſiſche Alterthum äingen het. Wilhelm von Humboldt wählte ihn 
=? 1801 zum Erzieher feiner Kinder u, er bereiste mit biefem 1803 Italien, Auf der‘ 
Ruckceiſe nach Deutfchland machte er bie Bekanntichaft bes Kunftkenners Fernow, 
=t welcher ihm bei Göthe empfahl. 9 Jahre lange lebte er in Göthe’s Familie und 
St unterrichtete deſſen Sohn, wurbe Hierauf Profeffor am Gymnaftum in Weimar u. 
= Unterbibliothefar, privatifirte einige Jahre, bis ihm 1828 bie Oberbibliothefarftelle 
3 übertragen wurbe, Er farb am 19, Dezember 1845. Der langjährige Umgang 
mit Goͤthe wedte feine Neigung zur Poefie, welche er unter dem Namen Sylvie 
© Romano in „Blumen und Blättern“, Lpzg. 1816—19, 2 Bde., an den Bag kat: 
= Driginalität der Gebanfen darf man barin kaum fuchen, wohl aber ift die Meiril 
kunfigerecht und leicht angewendet, Ein Gleiches gilt von den Hleineren Gelegens 
3 heitögedidhten, Lpsg. 1826, 2 Bbe. Größeres Berbienft erwarb er fih für bie 
= gelehrten Schulen durch die Bearbeitung bes fehr brauchbaren: „Griechiſch⸗ deut⸗ 
—*— andwoͤrterbuch,“ 2 Bde. Jena 1802—4, welches bis in bie neuefte Zeit 
a mehre Auflagen erlebte. Zur gründlicheren Kenntniß von Goͤthe's Individualität 
‚ab er höchft banfenswerthe Beiträge. Ex vermittelte bie Herausgabe bes interefs 
: fanten „Briefwechfels zwifchen Böthe und Zelter,“ Berlin 1833, 6 Bde., war 
= bei der legten Ausgabe von Goͤthe's gefammelten Werfen mit Rath und That bes 


. Hütflicp, veröffentlichte Die, wenn aud) ziemlich weitfhweifigen „Mittheilungen 
m über Göthe“, 2 Bde, 1841 u. beendete noch kurz vor feinem Tode bie Rebak⸗ 
tion der „Briefe von u. an Göthe*, Lpzg. 1846. Cm. 

f Rienzi, Ricolo Gabrint, ein Römer, ber bie Größe Roms tm vierzehns 
; ten Jahrhunderte wieder Herzuftellen fuchte. Als Glied ber Deputation, welche 
ben Papft Klemens VI. zu Avignon zur Ruͤdkehr zu bewegen fuchte, benahm er 
fich fo beredt und energifch, daß ihn biefer zum apoftolifhen Notar ernannte. In 
dieſer Stellung erwarb er ſich bie allgemeine Achtung durch Meblichkeit, unters 
Tieß aber zugleich fein Mittel, das Bolf über den Drud ber Adelsherrſchaft und 


die Mängel bes Staates aufzuflären. Als bie Zeit zu feinem Plane. war, 
ließ er im April 1347 die Grundlage einer neuen Staati 5 
Staats") vom Volke beſchwoͤren, das ihn zum Tribun ernannte 


Leben und Tod. Der Gouverneur Eolonna, der Inden wa Ru 


im 


wuweonı 


840 Riedinger — Riegler. 


neralb aß, Präludiren und Fugiren befinde. Die meiften feiner Werte find im 
Stiche erfchienen. 

Riedinger, Johann Elias, geboren zu Ulm 1698, lernte bie Anfangs⸗ 

gelbe der Malerei bei dem Maler Chriſtoph Röfch bafelbft, ging Hierauf nach 

ugsburg, wo er für die dortigen Kunſthandlungen arbeitete, wurde 1759 Dis 
rector der ugeburglichen Malerafademie und ftarb in dieſer Stabt 10. April 
1767. Seine Stärte beftand Hauptfächlich in Thiers und Jagdſtücken. Er hat 
ben Charafter ber Tiere, befonders der wilden, mit großer Genauigfeit beobadhtet 
und man kann feine Blätter als eine naturhiftorifche Schilderung dieſer Thiere, 
iheer Gefalt und Lebensart, anſehen. Seine Zufammenfeßung id ſchoͤn, und bie 

ustheilung des Lichts ohne Tadel. Seine Landfchaften find maleriſch wild, je 
wie fie fich zu den Thieren ſchicken. Dagegen Hat feine Manier etwas Stubirtes 
und Gezwungenes. Menſchliche Figuren entwirft er felten mit Geſchmack; feinen 
Pferben fehlt ber wahre Charakter und bie richtige Zeichnung. Diele feine 
Blätter find Hiftorifch und nach dem Leben geflohen, indem fie Thiere, bie man 
auf biefer ober jener Jagd gefangen, vorftelen. Er hat auch eine Lanbſchaft 
mit Löwen nach Rubens für die Dresdener Galerie geſtochen. 

Niegler, Georg, ein fruchtbarer theologifcher Schriftfieller, geboren zu 
Hoͤchſtaͤdt an der Aiſch, ehemals zum Fuͤrſtbiothume Bamberg und zur Wuͤrzbur⸗ 
ger Diözefe gehörig, am 21. April 1778, machte feine Borbereitungsftubien in 
der PBhilippinifchen Schule zu Bamberg, befuchte 1794 — 99 das Gymnaſium das 
felbft, hörte an der Würzburger Aniverfität Philoſophie und vertheibigte oͤffentlich 
mehre Thefen aus ihre, Nachdem er im Herbfte 1801 in das Priefterhaus zum 

uten Hirten aufgenommen worden, wibmete er ſich 54 Jahre dem theologifchen 
tubium an ber Univerfität, wo er nächt dem Hebräifchen auch die orientalifchen 
Dialekte, forifch, chaldaͤiſch und arabifch betrieb. 1806 zum Prieſter geweiht, er 
warb er am 20. März 1807 den Doltorgrab ber Theologie durch feine “Differtas 
tion Canticum Mosis Exod. XV., überfegt u. erflärt. Die Kaplanei in Aub war 
feine erſte Seelforgerftelle; er harrte Hier 9 Jahre lange aus, bis er 1816 zur 
Stabtfaplanei an die Pfarrkirche St. Burfarb in Würzburg befördert wurde, wo 
damals bie fogenannte PöfchelianersSefte ihr Unweſen trieb. 1821 erhielt ex dem 
Ruf als Profeffor der A. und N. T. Eregefe an das Lyceum zu — 
wurde nach 25 jaͤhrigem Wirken daſelbſt wider feinen Willen 1846 quiesckt, 
er, ungeachtet mehrmaliger Warnung, ganz frembartige Epifoden und perſoͤnliche 
Anzüglichkeiten in feine Vorträge einzumifchen ‚gerodn! war, Als Erfag für bie 
unterbrochene, mündlich lebendige Lehrthätigkeit verlegte ſich fein raftlofer Fleiß 
nun mit erneuerter Sraftanftrengung auf fchriftliche Preobuftion, welche bis zu 
feinem 1847 erfolgten Tode wie ein reißender Strom ſich ergoß und lange Zeit 
bie Schmidt'ſche Buchbruderei in Bamberg auf eigene Loften ganz ausſchließlich 
für fich befchäftigte. Die Maſſe feiner Schriften Hat keinen bleibenden Werth, 
weßhalb nur das verhältnigmäßig Beſſere Hier Platz finden mag. „Der Eib in 
geſchichtlicher und eregetifch » praftifcher Beredung Augsburg 1826; „Kritifche 
Geſchichte der Bulgata“, Salzb. 1820. Große Verdienſte erwarb er fich buch 
feine „chriſtliche Moral nach der Grundlage der Ethik von M. Schenflz5* gröfs 
fere Ausgabe in 4 Bben. und fürzere Bearbeitung in 2 Bben., eine lange Zeit 
ſehr beliebtes Lehrbuch durch die Vollſtaͤndigkeit des Stoffes und die teichtfaßlüche 
Darftellung. Die aafte bes geiftlichden Rathes Stapf lagen hiebei zu Grunde. 
Mehre Predigten, Gebetbücher, Leitfaden, kurze Perifopen » Erflärungen, bie wir 
hier übergehen müflen. Die eregetifche Flarun einzelner Pſalmen u. bes Buͤch⸗ 
leins Ruth. Biblifhe Hermeneutit 1833, SiRorif theotogifi - firchenftaate> 
rechtliche Denkwürbdigfeiten zum Berfländnig zwiſchen Kirche und Staat. Bamberg 
1842, 4 Hefte. Geſchichte Jeſu und der Apoftel mit Sittenlchren. 1844, 2 Thle. 
Das Leben Jeſu Chrifti in Harmonie ber vier goangelien, hiſtoriſch, Eritifch und 
praktiſch erklärt, 1845, 5 Bde. Eucharifiie nach Schrift und Trabition, 1845. 
Unauflösbarkeit bes Chebandes, ABAS, Küriätstknltiche Dogmatik, HiR., bibL, 


F Riffel. '845 
| Sein Hauptfach war u. blieb immer die Kirhengefhichte, deren Peofehir 
N er nach bem Tode Tocherer’s erhielt. Doch Hat er Er Borlefungen über bie mel- 
ſten tHeologifchen Disciplinen, namentlich über Dogmatik, Kirchenrecht 1, ie 
ı bolif gehalten, Durch feine Baden u Abergeugungseifsigen Vorträge, wie nicht 
t minder durch feinen perfönlichen Umgang, wußte er den Studirenden ber Theologie, 
I benen er ein ſtets bereiter Freund u, Helfer war, Begeifterung für ihre Rilke 
ı m ihren Beruf einzuflößen, Rach einer Anzahl von Aufäpen u. Abhandlungen, 
die in dem „Katholiken“ u. ben damals von der Gießener Tatholifch = theologiſchen 
rin herausgegebenen Jahrbücher für Theologie und Philoſophie abgebrudt 
d, ließ R. fein erſtes größeres Wert „Befhichtlihe Darftellung bes 
\ BVerhältniffes zwiſchen Kirchen. Staat", erſcheinen. Obwohl nur der erfle 
Dp., die Zeit von ber Gründung bes Chriftentfums bis — umfaſſend, 
erſchienen iſt, fo bildet doch dieſer Band, das Verhältniß ber Kirche im altroͤmi⸗ 
gear gründlich entroidelnd, ein Ganzes für fi. Die Fortſetzung biefes Wer- 
es wurde ducch ein anderes verhindert, das R. fortan mit ganzer Seele als 
feine Hauptfächliche wiſſentſchaftliche Lebensaufgabe umfaßte, Er unternahm näm- 
lich eine ausführliche u. durchaus aus den Quellen gefchöpfte „Ehriftlihe Kir- 
chengeſchichte ber neueften Zeit, vom Anfange ber Glaubens und 
Kirhenfpaltung des 16. Jahrhunderts bis auf unfere Tage,“ we 
durch die fo ſehr entftellte Geſchichte diefer Zeit einer gemauen Reviſion unterwor- 
fen, namentli aber die vielfach vernachlaͤſſigte, aber eben fo wichtige als glor⸗ 
reihe Gefhichte der Fatholifchen Kirche in Safer Periode in dem gebührenden 
Lichte dargeftellt werden ſolite. Der erſte Band biefes Werkes, das Wirken Puls 
thers bis zum Ende des Bauernfrieges ſchildernd, kam 1841 heraus u, erregte 
— ein Zeichen, wie tief es eingefehnitten — gegen R. einen wahren Berfolgungs- 
ſturm von proteftantifcher Seite, Aber, anftatt ihn wiffenfchaftlich zu widerlegen, was 
freilich feine Schwierigkeiten hatte, wußte man bei ber ——— bemieen 
Regierung bie Penfionirung Ris zu erwirfen — eine Probe, wie man Ras 
tholifen gegenüber die Freiheit ber Wiffenfchaft u. der Meberzeugung verfteht. Auf 
diefe Weife aus ber Bluͤthe feines Wirkens herausgeriffen, fiedelte R. nad 
Mainz über, wo er, von biefer Zeit an privatifirend,, bald wieder einen großen 
Wirfungskreis gefunden Hat: durch feinen Eifer in ber Seelforge, befonders 
duch feine Predigten, dann buch feine, feit bem Jahre 1 vor eis 
nem Außerft zahlreichen Publitum gehaltenen hiſtoriſchen Vorträge, in denen er 
dur Verbreitung wahrer Bildung u. katholiſcher @e mung in kurzer Zeit Vieles 
geleitet u. zugleich ein Beifpiel gegeben Hat, in welcher Welfe in unferer Zeit 
auf bie, in religiöfer Beziehung o| ehe vernachtäsigten, höheren Stände eingewirkt 
werben fann u. muß. Seine literarifche Thaͤtigkeit nahm ihren Fortgang. 1842 
erfhien ber zweite Band feiner Kircyengefchichte, bie Verbreitung der Reformation 
in Deutfhland bis 1555 enthaltend u. 1847 der die Reformation in ber Schweiz 
barfiellende britte Banb. iſchen waren eine neue Auflage bes erften Ban: 
bes u. eine Reihe anberer Schriften von R. Herausgefommen , insbefondere zwei 
Bände Predigten auf alle Sonn» und Feiertage des Kirchenjahres, auch bereits 
in zweiter Auflage; eine Reife von Burträgen ber dem Primat — u. ſeiner 
—8X feine populäre Geſchichte der Aufhebung des Jefultenordeng, 
eine Beleuchtung der alten u, neuen Anflagen wider biefen Orben. In der al- 
lerlegten Zeit hat er eine neue, durchaus umgearbeitett, ‚Hrrmuögabe von Stapfs 
Paforalunterriht über die Ehe beforgt, Möge er fein großes Ges 
ſchichta⸗Werk vollenden, wie bisher in ſtets zunehmender Meiſterſchaft. R. if 
ein Mann von ausgezeichneten Talenten, von ausdauerndem Fleiße, einer uner⸗ 
ſchuͤtterlichen —ã Mebergeugung, einem unermüblichen Eifer für die Sache 
ber fatholifchen Kirche, untabelhaften Sitten u. einer glüdlichen u. fräftigen Bes 
vebfamfeit, wobei er durch eine große Rüftigfeit des Leibes u. ein treffilches Or⸗ 
gan unterftügt wird. Seine Gefinnung u. bie Enticiehenkett NY raus, 
mitunter aud bie ‚Heftigfeit feines Temperammts, haben Nora era Wärt 


844 Rietberg — Riffel. 


Gipfel der fogenannte Rieſen⸗ oder Teufelsgrund. — Die mulbenförnigen Thal⸗ 
flächen bes R.s verſchließen in ihrem Schooße große Waſſerbehaͤlter, bie mehren 
Fluͤſſen, z. B. ber Elbe, Ifer, Aupe, dem Zaden, Bober u. Dueis, den Urſprung 
geben. In geographifcher Beziehung treten die Felsarten bes Urgebirges in fehr 
anfehnliden Maflen auf. Der Haupirüden bes Gebirges belebt aus Granit. 
Beinahe ben ganzen fübliden Abhang bildet Glimmerfchiefer, in ber Nachbar 
{haft des Granits von Gneisgängen Nurdhfest, fonft aber jeher wechfelnd in ſei⸗ 
ner Beichaffenheit, ſteis aber jehr arm an Erzen, von denen fich nur etwas Ars 
fenit u. Kupferkies im Riefengrunde, nebſt Pfilomelan, fowie auch Spuren von 
Bleierzen bei Harrachsdorf finden. Der Glimmerſchiefer geht weiter fübwärts 
in talfs u, gloritartigen Thonfchiefer über, ber fowie ber Glimmerfchiefer zahl 
reiche sager von Förnigem Sandftein umfhließt. — Gegenftand ber Bolksfagen 
ift ber fabelhafte Bewohner des R.s, der Berggeift Rübezahl, welcher die Poeſie 
unferer Kindheit fo oft fchauerlich erheitert u. ben Mufäus in feinen Mäßrchen 
jo unvergleichlich bichterifch ausgebeutet Hat. — Hofer, das R. in fiatififcher, 
topographifcher u. pittoresfer Beziehung, Wien 1804, 2. Auflage, Prag 1841; 
artini, Handbuch für Reiſende nach dem R., Breslau [18125 Eritie, 
Taſchenbuch für Reifende in das R., Leipzig 18165 Schmidt, Wegwelfer für 
Reiſende durch das R., Wien 1825; Zippe, Ueberſicht ber Gehirgöformationen 
in Böhmen; Herlosfohn, Wanderungen durch das R. u. bie Grafichaft Glat, 
Leipzig (IX. Seftion des malerifchen u. romantifchen Deutfchlande). mD. 

Nietberg oder Rittberg, eine vormalige Grafſchaft im weſtphaͤliſchen 
Kreiſe, von Paderborn, Lippe, Osnabruͤck u, Ravensberg begränzt, beren Befiher 
Si u. Stimme auf den weftphäliichen Sreistagen u. im wetphällfchen Reiches 
grafencollegium Hatte, jetzt eine Stanbesherrfchaft bes Fuͤrſten Kaunit »R. im 
Kreiſe Wiedenbrüd des preußifchen Regierungsbezirtes Minden, von ber Ems 
bewäfiert, wohlangebaut u. mit einer fehr verbreiteten Leingarnipinnerei u. We 
berei; Sat 34 [[J Meilen u. 15,000 Einwohner, welche die Feingarnſpinnerei 
aufs Höchfte treiben, 

Riff ober Felſen⸗R. ift ein, vom Lanbe in das Meer Kineinziehender, ent 
weber feicht unter dem Waſſer liegender, oder wenig fihtbar hervorragender Fel⸗ 

are, mit feinen Zaden und Spigen, und gewöhnlich bie Fortſetzung ber 
orgebirge. 

Riffel, Kaspar, Doktor der Theologie, nimmt unter ben um bie Tatholi- 
ſche Winenfchaft und die Erneuerung des Firchlichen Lebens in “Deutfchlanb ver: 
dienten Männern der Gegenwart eine ehrenvolle Stelle ein. Er if zu Büdes⸗ 
heim, einem Dorfe nahe bei Bingen am Rheine den 19. Januar 1807 geboren, 
bee Sohn braver Landleute von alt Tatholifcher Frömmigkeit. Seine Gymmaftals 
und erflen phbilofophifchen u. theologifchen Studien machte er in dem damals 
noch in feiner Integrität beftebenden Mainzer Seminare, in welchem noch ber 
firchliche und fromme Geiſt feiner Stifter, des Biſchofs Colmar umb Lieber- 
mann’s (ſ. d.) Herrfhte. Im Sabre 1829 emnfng, — bie Weiße bes Dies 
fonats u. bezog dann um Oftern deſſelben Jahres bie Univerfität Tübingen, wo 
damals Möhler (ſ. d.) lehrte. — Im Sabre 1830 fehte er feine Stubim 
in Bonn fort, wo er bes nähern Umganges mit Klee (ſ. d.) u. anderen aus 
gezeichneten katholiſchen Männern, 5. B. Windiſchmann, genof. Im Nov. 1830 
wurde er im Seminar zu Mainz als Repetent angeftellt u. empfing am 18. De. 
bie Priefterweihe. Im darauffolgenden Jahre kam er als Kaplan an bie große 
und wichtige Pfarrei Bingen, bie er nah dem Tobe bes ‘Pfarrers eine Zeit 
lange allein verwaltete; zugleich war er Lehrer an ber bortigen Tateinifchen 
Schule. Als im Jahre 1834 durch den Abgang Lüfte (ſ. d.) nah Darm 
ſtadt die katholiſche Pfarrei u. eine Brofeffur zu Gießen erledigt wurde, erhielt er 
bie ehrenvolle Bocation dorthin. Vorher Hatte er 1834 eine größere Reife, naments 
lich in Frankreich, gemacht. In Gießen wirkte er von 1835 mit unermüblicher 

Thatigkeit u, mit großem Erfolge, \omahl in ter Serlfarge, als auf dem Katheder. 


Rigaltius Rigi. er; 


hezeit, ganz das Anfehen einer deutſchen mächtigen Relchoſtadt. Als Lievland 
olniſch, ve ſchwediſch wurde, wußle R. ſeine — zu behaupten, 1710 
jing es, nach Belagerung und durch Eäpitulation, an Rußland über, 1812 hielt 
Beine Blokade der Frangofen u. Preußen aus, 

Nigaltins, Nikolaus (eigentlih Nigault), geboren zu Paris 1577, 
vurde Advofat, dann Föniglicher Bibliothekar, zuleht Intendant ber Provinz Mey 
amd ftarb zu Toul 1654. Er Hatte ſich als gelehrter gen und Hiftorifer 
rühmlich befannt gemacht durch Ausgaben ber Werke Eyprians , Tertullian’s, 
xes Minutius Felir, Phädrus, Martial, Iateinifche Weberfegungen des Onofander, 
Artemidorus eine Fortſe — Thuanus, bie aber dem lehteren weit nachſieht, 
intiquarifcher u. juriſtiſche Abhandlungen ze, 

Rigas, Konftantinos, geboren 1753 zu Veleſtini in Thefalien, etablirte 
ih als Kaufmann in Bufareft, war auch Sefretär eines bortigen Bojaren, wid⸗ 
nete aber feine ganze: Mufe dem Studium der alten u. neuern Literatur u. ent⸗ 
warf zuerft den Aa, Griechenland von der türfifchen Herrſchaft zu befreien, weß⸗ 
halb er fi) einige Zeit Tange in Wien aufhielt u. felbft damals mit Bonaparte 
anterhanbelt haben foll, Dabei überfeßte ‘er Marmontel’s A irtin, Barth; 
emy’s Reife des Anacharfis, redigirte eine griechifche Zeitfchrift, ſchrieb ein Sy⸗ 
tem ber Tattik u. Phyſik u. bichtete viele Acht Tyrtäifche Baterlanbelicher, ü je 
Mehres ins Griechiſche u. geb auch einen Atlas von Griechenland in 12 Blaͤt⸗ 
ern zu Wie heraus. Später mußte er Wien verlafjen, fuchte nad) ‚Griechen: 
and zurüczufehren, wurde aber verhaftet, nah Belgrad gebracht und bort 1798 
mtsauptet. Nach anderen Nachrichten foll er zwiſchen Brettern lebendig zerfägt 
vorden feyn, Mehre feiner Lieder find geiedif und deutſch in Schott’s und 
Mebold’s Taſchenbuch für Freunde der Geſchichte des griechifchen Volles, 
SHeibeiberg a abgebrudt. Bol Schott, „über R.s Leben und Schriften” 
Heidelberg 1825). \ L 
2 Nigaud, Hyacinthe, Direktor der Maleratademie zu Paris, "geboren zu 
Berpignan 1663, einer ber größten Portraitmaler , ber van Dyd ber Frangofen 
jenannt. Man bewundert Pine Zeichnung, befonders an den Händen, ben Fal⸗ 
;enwurf feiner Gewänder, den guten Augdiud feiner Stoffe, feine reinlihen und 
'ebhaften Barben, feine fleifige u. ungezwungene Ausarbeitung. Wan zählt uns 
en 250, Fupferfiche von ben ‚berühmteften Meiftern nach ihm. Er farb zu 

aris 1743. 

Nighini, Vincenzo, berühmter Eomponift u. Sefangmeißer, geboren 1760 
m Boloyaa, Schüler des Pater Martini dafelbft, kam, burch feine vortreffliche 
Beſangsmethode u. einige komiſche Opern bereits bekannt, 1788 als Kapellmeifter 
1ah Mainz, 1793 nad Berlin und ftarb auf einer Reife in feiner Vaterftadt, 
1812. R.s Werke (ernfte Opern: Il Demorgone, Alcide, Armida, beſonders 
Figrane und Gerusalemme liberata, die Meſſe zur Kaiferfrönung 1790, Te 
Yeum 1816), tragen ſaͤmmtliche das Geprägs eined edlen gebiegenen Exnftes, ber 
‚war die Anmuth u. Leichtigkeit italieniiber Melodie nicht verfhmäßt, aber die Har⸗ 
noniefülle und Tiefe ber deutſchen Scule bamit vereinigt. Ungemein anziehen 
md qusdrudsvol find feine deutſchen und italieniichen Lieder, Ganzonetten, 
Ducite x. und von Hafiihem Wertde bie grünblicgen und gefhmadvolln Sok 
’e en ( ). 

in, der, ein größtentheils in bem eibgenöffifchen Kanton Schwyz, zum Theil 
ber aud im Canton Luzern gelegener Berg, einer ber merfwürdigften und bes 
:ühmteften der Schweiz. Er fleht von allen Seiten frei, wird wefilich vom Vier⸗ 
valdftätter>, öflih vom guge- und Lauerzer⸗ See befpültz nördlich trennt an 
einem Fuße ein kleiner Strich Landes bie erfteren Seen von einander; füblich 
deigt der R. in das Thal hinab, das, von der Muotta durchftrömt, fi von 
Brunnen nad Schwyz Binaufzieht, und an feinem öftlichen Fuſſe, zwifchen ben 
Seen von Zug u, Lauerz, Kom die Selöträmmer, welche das ungut Sum. 
serjgüstet Haben. Am nördlichfien erhebt ſich ver Eunim, her Home Sul, 


848 Risk. 


beinahe fenfrecht vom Zugerfee, nach Benzenberg 4250 Fuß über bemfelben, nad) 
Wahlenberg 5555 Fuß über dem Meer. Die geographifche e bes Gulms if 
26° 8° 43, und die Breite 47° 3° 28”. Bon Hier gi ber Berg in ber Rich⸗ 
tung von Rord s Weften nad Süb-Often gegen drei Stunden weit, Sat im ms 
feeife 8— 10 Stunden und über zehn Dörfer an feinem Fuſſe. Rirgends bleibt 
auf ihm der Schnee liegen; Weiden bebeden die Höhen; tiefer folgen WBalbungen, 
dann Wiefen, bie in Getreibefelder, in prächtige Obſt⸗ und Gemüfegärten über 
eben. Bicle Bäche finden auf bemfelben ihre Quellen. Dan rechnet, daß den 
ommer über auf den Alpen bes Berges drei taufenb Kühe Nahrung finden. — 
Der R. befteht aus abwechfelnden Nagelfluh⸗ und Sandfeinfhichten umb enthält 
nur fübwelih Kalkſtein. Er ſieht fehr freunbli aus. Hoch und beinahe in ber 
Mitte der Schweiz gelegen, ift er eine fhöne Warte, um das Land zu überfchauen, 
und zu Diefem Zwecke befuchen ihn jährlich wehrere taufend Neifende. Zwei 
Wahlfahrtsorte ziehen zahlreiche ilgeime herbei. Die reine, gefunde Luft md 
die Bequemlichkeit, Ziegenmilh und Molken von befter Eigenfchaft zu Haben, be 
ivegen viele kranke und ſchwaͤchliche Perfonen, die Herſtellung der verlorenen Gr 
fundheit Hier zu fuchen, oder den Körper zu ſtaͤrken. Der R. if als Surort de 
merfenswerid. Sehr angegriffene Brufifranfe können fi) zwar hinbringen laflen, 
haben aber auf dem Etaffel zu Heftige Winde, an anderen Stellen zu fleile Wege 
zur Bewegung. Yür weniger Leidende oder Geneſende kann, befonders im heißen 
Sommer, der R. empfohlen werden. — Unter ben @ipfeln des R. wirb, feiner 
herrlichen Yernficht wegen, ber Eulm, ber Höchfte, am meiften befucht. Auf dem⸗ 
elben wurde den 6. Auguft 1816 der Bau eines te zu welchem vide 
eunde ber fchönen Ratur beigetragen, vollendet. Sowohl bes Abends bei Son⸗ 
nenuntergang, als in ber Frühe vor und nach dem Aufgang ber Sonne, ik bie 
Ausfiht außerorbentlih und einzig. Während das Auge nördlich und öflid 
gieel und Thäler erblidt u. an den Jura, den Schwarzwald u. in die Ebenen 
chwabens ſchweifen kann, ſtellt fich ihm füdlich und weftlich die Gebirgowelt in 
ihrer Pracht u. Größe dar u. zu den Füflen liegen die Seen von Zug, Lauer; 
und von ben vier Waldſtaͤtten mit ihren lieblihen Umgebungen. Die Spigen 
ohrüd (gegen Art), Rothſtock (4 Stunde vom Staffelwirthshauſe), Staf- 
eled (gegen Luzern), Firſt, Schild u. Doffen (gegen Unterwalden), Schnee 
(pli und Hochfluh (gegen Schwyz) gewähren nicht Kernfichten von gleichem 
Umfange, doch find fie den Dochgehirgen und den Thälern von Uri, Schwyz u. 
Unterwalden näher und werden daher auch befucht. — Die R.⸗Staffel, eine 
Bergeinbeugung, liegt einige hundert Fuß niedriger, ald der Culm, beim Zuſam⸗ 
mentreffen aller auf benfelben führenden Wege. Dafelbfi fteht ein neues, 1816 
ebautes, treffliches Wirtshaus und ein Kreuz, an ber Stelle, wo den von ber 
orgenfeite Kommenden zum erftenmale die herrliche Kernficht überrafcht. Von 
hier aus erreicht man ben Culm in einer Halben Stunde. Sn gleich viel Zeit 
führt fühmweftlich ein Weg nad dem tiefer liegenden Falten Babe. Es it 
feinen Namen von einer fehr falten Duelle, die aus niedrigen, wunderſam geſtal⸗ 
teten, Felſen mit ſtarkem Getoͤſe Hervorfprudelt und von den Landleuten, unge 
achtet der elenden Anftalt, ale Bad gebraucht wird. Eine geräumige Kapelle zieht 
zahlreiche Pilgrime Herbei und in ber Nähe ficht ein gutes Wirtshaus mit einer 
herrlichen Fernſicht. Leptere findet ſich noch reizender auf einem nahen Bergvor⸗ 
fprunge, das Kaͤnzeli genannt. Bon ber R.Staffel fleigt man in einer halben 
Stumde füböflih zum Hofpizium hinab. Die Gegend, ein rauhes, einfames 
aldden, Heißt au im Sand umb liegt nach Benzenberg 2810 Fuß über dem 
Zugers See. An die Stelle der erften, im Jahre 1689 bafelbft errichteten Capelle 
wurde 1719 eine größere gebaut. Sie ift der Heiligen Maria zum Schnee ge 
weißt. In dem daneben gelegenen Kleinen Klofter wohnen Eommer und Winter 
drei bis vier Kapuziner. — 8 oberhalb des Hofpiziums ſteht ein Denkmal 
auf Herzog Ernft I. von Sachſen⸗Gotha, welches ber Kriegstath Reichard im 
Sabre 1805 Hat errichten \aflm, Die geyreliber Wheode Hähle Bruderbalm 


Riguy — Rimini, 849 


uthaͤlt Tufſteine. Unter dem Culm, am Wege von ber R.Staffel, fieht man bas 
ergloch Keſſisbodenloch. Steine, bie man in dasfelbe wirft, Tommen aus 
= tiefeen Deffnung wieder an's Tageslicht. Den 22. Juli wird beim Hofpizium 
ad den 10. Auguſt beim kalten Babe ein Hirtenfeft gefeiertz den 5. Auguft, als 
n Feſte ber en Maria zum Schnee, ift beim Hofpizlum bie Menge ber 
Ballfahrer am größten, 
. Remy, DD Henry, Graf von, frangöfifher Vice-Abmiral, geboren zu 
ul im Departement ber Meurthe 1782, trat 1798 in bie Marine und nahm 
n verſchiedenen Expeditionen Antheil. 1822 führte er als Schiffsfapitain die Fte⸗ 
ıtte Medea, flationirte während dieſer Zeit bei Eypern und fpäter vor Barce- 
na. 1823 war er als Flottencapitain im griechifchen Archipelagus und 1825 
8 Eontre- Admiral in ber Levante. 1826 wurde er Bice-Abmiral, 1827 Oberbefehlss 
iber ber franzoͤſiſchen Seemacht im Mittelmeere und flegte bei Ravarin; 1829 
urde er zurädberufen und Seepräfert in Toulon, warb wieder nach der Levante 
:ordert und 1832 zum Marineminifter ernannt. Er ift bekannt durch feine viel- 
Itigen Bermittlungsverfuche während ber Zeit bes griechifchen Freiheitskampfes; 
wurde er Minifter bes Seeweſens, 1835 der auswärtigen Angelegenheiten, 
arb aber noch in demfelben Jahre. — 2) R. Alexander von, Bruber bes 
origen, machte feit 1807 bie Feldzüge Rapoleons mit, wurde 1813 Escabrondjef 
ıd bet Leipzig verwundet und gefangen, rettete 1823 im fpanifchen Feldzuge als 
berſt die politifchen Befangenen in Tubela, ftand 1830 mit vor Antwerpen u. 
mmanbirte 1836 als Marechal de camp im Departement du Rord, als er Be⸗ 
hl erhielt, ſich nach Algier zu begeben. Marſchall Elauzel ſchob auf ihn, als 
üßrer ber Avantgarde das Mißlingen ber Erpebition gegen Eonftantine R. 
urde vor ein Kriegsgericht zu Marfeille geftellt, aber völlig freigefprocdhen. Bald 
wauf hat er wieder das Kommando eines Departements erhalten. Bol. Ex- 
— —5 Clauzel, Paris 1837. Auch Dupins Vertheidigungsrede 
we ihn iſt ge 

Nigorismus, Sittenſtrenge, ſtrenge Sittenlehre; daher Rigoriſt, Einer, 
er in Bezug auf die Sittenlehre ſtrenge Grundſaͤtze befolgt und gleichguͤltige 
Yinge ſchlechterdings nicht zulaͤßt. 

Nimini (Ariminum). Stadt im Kirchenſtaate, an ber Straße von Bologna 
ach Ancona, reizend zwifchen fruchtbaren Hügeln und dem abriatifhen Meere, 
a Ausfluffe der Marechia und Auſa gelegen, freundlich und gut gebaut, wit 
nem Hafen, ift Sig eines Bifchofs und Hat 15,000 Einwohner. Auf dem 
muptplage bie Statue Pauls V.; ber Fiſchmarkt mit Arkaden, Unter den Bes 
iuben find merfwürbig : die Kirche St. Francesco u. ber Palazzo publico, mit 
nem ſchoͤnen Brunnen. Die fchöne Sehung von Pantolfo Malaleſta erbaut. 
Ran findet Hier eine Bibliothel mit 30,000 Bänden, mehre Archive, einen Leucht⸗ 
urm mit herrlicher Ausficht und in ber Nähe ber Stadt das Eaftell St. Leo, 
o Caglioſtro als Gefangener ſtarb. — Unter ben zahlreichen Alterthuͤmern, 
elche R. aufzumweifen hat, nennen wie: Arco triomfale (porta Romana), 
richtet zu Ehren des Auguftus, ein einfaches maffives Thor 2 korintiſchen 
‚albfäulen zu beiben Seiten, die den Giebel tragen. Zwiſchen ben Bogen und 
n Halbfäulen Medaillons mit Köpfen Reptuns und ber Benus, außen Jupiters 
id der Juno. — Il ponted’Augusto, von biefem begonnen, von Tiber bes 
idigt, aus weißen, foloffalen, iſtriſ Marmorquabern, führt bie Via Aemilia 
yer ben Ariminus (Marecchia) 5 Bogen, 15° breit, 200° lang. Un ber Brü- 
ng die Urkunden bed Baues. — Piodestallo di Cesare, auf dem Markt⸗ 
age, der Stein, von welchem Gäfar feine Soldaten nach bem Mebergange über 
n Rubicon angerebet haben fol. — Das Amphitheater bed Brutus 
ehr zweifelhaft), — NUrfprünglich eine umbrifche Stabt, ſodann von fennonis 
ven Balliern bewohnt, wurde R., nach ber Vertreibung von biefen, römifche Co⸗ 
nie und Gäfer, ber großen Werth auf biefen Plab legte, fandte eine amelte 
olonte dahin. Auguftus verfchönerte es weſentlich. Rau ter Ta W 


Realencyclopädie. VII. 


850 Rind u, Rindviehzucht. 


chiſcher Exarchen und der Longobarben fiel es dem beutfchen Kaiſer zu. Dttolll 
fegte im Jahre 1200 Malatefta als Reichsvicar ein, ber fein Anſehen erblid 
zu machen wußte. Bon feinen Nachkommen wurde Einer 1348 Gignore von 
Ancona, deſſen Sohn Galeotto auch die Signorie von Eefena, Gervia und Fell 
erwarb und von Clemens VL ald Herr von Rimini anerkannt wurbe. Seine 
Söhne, Carlo nnd Pandolfo, wurben Felbherren, der eine ber Benetianer, ber 
andere der Mailänder. Des Iehtern Sohn, Sigismondo, wurde Herr von Rimini 
und fein thatenreiches Leben hat Enea Silvio PBiccolomini, nachmaliger Bapft 
Pius I, ausführlich befchrieben. Ihm folgten Roberto Magnifico, und !Banbolfe, 
der R. an bie Benetinner verkaufte, die es in der Schlacht bei Gera b’Adba an 
ben Bapft verloren. Mehre Berfuche ber Malateſta's im 16. Jahrhundert, R. 
wieder zu gewinnen, hatten immer nur geringen Erfolg und es blieb bis auf be 
Krieben von Tolenting und nad) dem Wiener Eongrefte beim Kirchenſtaate. 
Rind und Rindviehzucht. Das Rind, (bog) eine Gattung ber wieder⸗ 
fänenden Säugethiere, mit hohlen (glatten ober gerippten) Hörnern, iſt in fämmts 
lichen Arten groß, bil und plump, mit flarfem Kopfe und Raden, verſchieden⸗ 
artig gebogenen hohlen Hörnern, dider, nadter Schnauze, abftehenden Ohren, 
furzem Halfe und Füßen und längerem, in einen Haarbuͤſchel endenden Schwanz. 
Das Weibchen (Kuh) Hat vier Striche am Euter, wirft aber felten mehr ald 
ein Junges (Kalb). Die Männdyen (Stiere) find unbänbig, tuckiſch und gefaͤhr⸗ 
lich, gerathen, ſelbſt gezaͤhmt, leicht in Wuth, beſonders beim Anblicke ber rothen 
arbe, und kaͤmpfen unter ſich oft bis zum Tode um bie Weibchen, Sie finden 
& unter allen Himmelsfirichen, fo weit fich ihre in ben verfchiedenften Gräfern 
und Kräutern, feltener in Baumblättern, beftehende Rahrung vorfindet und fichen 
fih im Körperbau, Lebensart und Fortpflanzung fo nahe, Daß man faſt verfußt 
wird, fie ſaͤmmtliche für Abkömmlinge und Spielarten einer einzigen Art zu Halten, 
befonders, da fie miteinander fruchtbare Junge zeugen. Die meiften Arten find 
gezähmt und die nüglichften Hausthiere, indem man nicht allein ihre Kräfte zum 
Tragen, Ziehen und anderen ſchweren Arbeiten, fondern auch ihre Milch, ihren 
Dünger, ihr Zleifch und Talg, ifre Haut, Haare und Hörner auf mannigfacdhe 
Bir benügt, Dem verſchiedenen Baue ihrer Hörner nach theilt man fie 1) in 
N. mit breiten Hörnern mitten auf der Stirn, wozu der Biſamochſe (B. mo- 
schatus) im nördlichen Theile Nordamerika's und der Capiſche Büffel (B. 
caffer) im Caplande gehören; 2) in R. mit runden Hörnern am Stirnranbe, 
3 B. der oſtindiſche Büffel (ſ. d.) und eine größere Abart davon, bie 
Arni; der Gayal (B. frontalis), der dem gemeinen R. gleicht und wie dieſes 
genäht wird. Der Zebu G. taurus indicus), mit 1 oder 2 Fetthoͤckern auf 
en Schultern, mit und oßne Hörner, oder mit Hörnern ohne Hornzapfen, fo 
daß fie nur an ber Haut kängen, babei von der verſchiedenſten Kärbung und 
Größe. Er findet fi) in dicſen verfchtebenen Gpielarten in ganz Südafien um) 
Afrifa als Hausthier. Man lenkt ihn mit einem Scil durch bie Naſe, wie ben 
oftindifhen Büffel, und benügt ihn, wie unſer gemeines R. beffen Fleiſch jedoch 
befier ſchmeckt. — Der amerifanifhe Büffel; der Auer⸗ ober Urochs 
(fe d.)5 der grungende Ochſe (B. grunniens), in Süb- und Mittelafien, mit lan 
gem, feidenartigem Haar, Mähne und Roßſchweif, verfehiebenartiger Färbung und 
roͤße und grungender Stiname, theils wild, theils gezaͤhmt. — Am weiteften ver 
ift unfer gemeines R. (B. taurus), mit Wamme, langer platter Stirn, mit aus 
einanderftehenden, runden, mäßig langen, nad) vorn gefrümmten Hörmern. Maͤhne mb 
Setthöder fehlen. Abftammung und urfprüngliche Heimath find ungewiß. Bes 
wilbert finden fie fi in großer Menge in den fübamerifanifken Bampa’s und 
Savanna'hs. — So weit nur Sagen und ſchriftliche Rachrichten zurüdreichen, 
finden wir dag R. als Hausthier, unter benen es, hinſichtlich feines vielfachen 
und großen Nutzens, unbedingt bie erſte Etelle einnimmt. Schon bie alten 
—2 Griechen ꝛc. benuͤtzten es zum Ziehen, Laſttragen und anderen laͤndlichen 
Arbeiten; letztere auch zum Tav Gbondel vnd bei den wichtigſten Opfern und in 


Rind u, Rindviehzucht. 851 


en Kosmogonien und Mythologien mancher alter Voͤlker (Juden, Aegypter, 
Berfer, Skandinavier ıc.) fpielt e8 eine wichtige Rolle, ja, die Hindus verehren 
8 noch jetzt al8 eine der Incarnationen der Gottheit ſehr hoch und Halten es 
ür fündhaft, R.Fleiſch zu eſſen. — Unter den vielen, durch Einfluß bes verfchies 
enen Klima’s, Bodens, Yutters, der Nflege, Zucht und Lebensweiſe entflanbenen, 
Barietäten ded zahmen R. in Größe, Körperbau, Farbe, Bezeichnung, Hörners 
ildung, Milchreihihum zc., die man Racen nennt, find befonders zwei, am aufs 
allendften von einander abweichende, zu bemerken, bie man als Hauptracen an« 
chmen kann: 1) die Bergracenauf den Schweizers, Tiroler, Sulyburgers ıc. 
Upen, mit kurzem Kopfe, breiter Stirn, feitwärtöftehenden, mit ber Spige hinter⸗ 
vaͤrts gerichteten Hörnern , langgeftredtem Leibe, vorherrfchend ſtarkgebautem 
Hintertheile und Hochfigendem Schweife. Sie get gute fette Milch, taugt aber 
veniger zur Maft und zur A:beit. 2) Die Kiederungsrace, in Friesland, 
Ildenburg, Holftein 2c., mit längerem Kopfe, kurzen, nach vorn geftümmten Hör- 
ern, ftarfem Borbertheile, längeren Beinen, glatterem Haare, großem Körperbau 
mb tieffigenbem Schweife. Sie gibt mehr Mil, doch weniger Fett, taugt gut 
ur Maft, aber weniger zur Arbeit. Bon beiden Racen flammen eine Menge 
verebelter Racen ab, welche mehr oder weniger von ihnen abweichen Als bie 
yorzüglichften gelten : bie voigtlänbifche, thüringifche, böhmifche, ungarifche, pol⸗ 
niſche, jütländifhe, fräntifhe und. mehre engliihe Racen. Durch zwedmäßige 
trayung und forgfältige Inzucht koͤnnen nicht allein neue Racen erzielt, fondern 
mch bie bereit vorhandenen verıbelt werden. Dagegen arten aud bie beften 
Racen, wenn fie in ungewohnte, ihrer Natur nicht zufagende Berhältniffe ver⸗ 
et werben, leiht aus und bie Veredelung‘ bes R.⸗Viehſtandes durch zwedimäßige 
Ras und Inzucht iR daher, wenn auch langfamer, doch ſtets ficherer für ben 
tandwirth, ald ber zwar fchnellere, aber auch weit Eoftfpieligere und risfantere 
Bechfel ber Race duch Einführung ganz neuer. Bei Beredbelung der Race durch 
ſtachzucht kommt es hauptiächlich auf die Auswahl des Zuchtfiiere®, aber auch 
nf Berüdfichtigung der Eigenfchaften der Zuchtkuh an, je nachdem man bei der 
u erztelenben Generation mehr den Milchreichthum, oder die Maſtungs⸗ oder bie 
Irbeits faͤhigkeit im Auge Hat. Auch auf das Alter der zu kreuzenden Thiere 
ommt viel an; der Stier darf nicht unter 2 und über 5—6, die Kuh nicht unter 
—3 und nicht über 6—7 Jahre alt ſeyn, um Fräftige Rachfommen au liefern, 
zu Zuchts (Abſetze) Kälbern nimmt man aber nicht gern das erfle Kalb einer 
euh, fondern das zweite, dritte und vierte Man läßt ſie 4 Wochen lange faugen, 
vorauf man fie nach und nach entwöhnt, was am beften- zu Anfang des Krühs 
ings gefcbieft. Ober man entfernt fie gleich nad ber Geburt von ber Mutter 
nd zieht fie mit frifchgemolfener Milch, bee man nad) umb nach immer grös 
jere Quantitäten lauwarmen Heuthees zufeßt, auf, bis fie mit zur Weide gehen 
ind feflere Nahrung ertragen fönnen. Zum Zuge beftimmte Ochſenkaͤlber verfchneibet 
kan, wenn fie noch fäugen und ungefähr A Wochen alt find. Schlachtkälber läßt 
san nur höchftens 14 Tage bei der Mutter, worauf man fie noch mit frifcher 
Milch, Semmel und rohen Eiern mäften kann. Ausgediente Zuchtfliere werben 
yerfchnitten und zum Zuge gebraucht, dann gemaͤſtet; das letztere thut man auch 
nit ben Füßen, fobald ihre Milchergiebigfeit nachläßt ober ge aufhört ; erfteres 
ritt mit bem 8. ober 9., letzteres mit dem 12. höchftens 14. Jahre ein, weßhalb 
8 gut if, fie etwa im 10, Jahre auszumerzen. Das natürliche Alter des R. 
ft ih auf 30 Jahre, welche es aber felten im gezähmten Zuftande erreicht, 
vo es faum die Hälfte biefer Zeit feine volle Kraft behält. Das Alter bes R. 
rkennt man theild an den Zähnen, theils (jedoch nur bei der Kuh) an ben Hörs 
ern. An ber Wurzel ber letzteren tritt nämlich nach jedem Wurfe ein Ring her⸗ 
vor, deren Anzahl, abbirt zu ber Zahl bee Jahre, wo bie Kuh das erſte Kalb 
rachte, ihr Alter angibt ; jeboch ift dieß Kennzeichen nicht immer ſicher. Nach 
vom 8. Jahre werben bie Hörner an ber Wurzel dünner, die Zähne ui, 
hımpf und abgenuͤzt; nad ben 10. Jahre werben vie —RX Na > 


852 Rinde. 


locker. Bon ben 8 Schneibegähnen, bie das R. im Unterkiefer außer ben 24 
Badenzähnen hat, bringt es A mit zur Welt, 2 andere fommen nach 1A Tagen 
und bie legten nad) 3 Monaten nach. Nach 12—16 Monaten wechfelt es bie bei- 
ben mittleren, nach 2 Jahren bie zumnächft ſtehenden, nach 3 Jahren bie folgenden 
u. nach A Jahren bie beiden Außerften. — Zur Beurtheilung der Milchergibigfeit 
ber Kühe bient ber fogenannte Milchipiegel am Euter, wornach Guoͤnon fie 
in acht Claſſen theilt. Ste fteigt, nach dem Körpergewichte u. Yutterverbraude 
der Kuh, von 600 — 3500 Kannen Mil jährlih. Bei 5— 600 Pfh. Gewicht 
u. 20 Pfd. Heu, oder biefem an Werth gleichftehenbem Futter, täglicher Gonfums 
tion fann eine Kuh jährlich wenigftens 1100 — 1200 Kannen Mild —— _ 
Zum Gebeihen ber R.⸗Zucht gehört: eine zweckmaͤßig eingerichtete Stallung, gi 
Pflege u. Abwartung , namentlich Reinlichkeit, gutes Einſtreuen, bäufiges 
miſten, fleißiges Pugen u. eine angemefiene u. regelmäßige Bernd welde 
letztere während der Sommermonate entweber Weidegang (wo das R. Tag u. 
Nacht im Freien bleibt), oder Stallfütterung, ober halbe Stallfütterung (wo das 
Vieh des Nachts eingetrieben wird) ſeyn kann u. von Lokalverhaͤltniſſen abhängt. 
Die Winterfütterung iſt ſtets Stallfütterung, Zum Futter dienen, außer bem 
rünen u. getrodneten (Grao, Klee, Kohlblätter, Heu, Stroh), auch zerfchnittene 
urzels u. Rnollengewächle (Rüben, Kartoffeln), Getreide, Kleien u. a. Ge⸗ 

treibeabfälle, theils Talt, theils warm (Brühfutter) u. öfters mit Zufag von 
Schrot, Mehl, Delkuchen ꝛc. Neichliches Tränten, theils kalt, theils erwärmt u. 
durch obige Zufäge verfüßt, barf nicht fehlen; Trebern u. Branntweinfpäliät 
find nachhaltig nur zur Maft zu empfehlen. — Das zahme R. ift vielen Krank 
heiten ausgeſetzt, theils inneren, theils enbemifchen, theils epidemiſchen, welde 
letztere oft große Berheerungen anrichten (Rinderpeſt, Milzbrand, Löferbärre ıc.). 
Außerdem leiden fie im Sommer viel durch Inſektenſtiche, namentlich der Ochſen⸗ 
bremfe (Tabanus bovinus) u. a., fowie durch die R.is⸗Vreme (Oestrus bovis), 
bie ihre Eier in die Haut bes R.s legt u. baffelbe oft fo aͤngſtet, baß es wie 
rafend wird, — Der Nutzen des R.s übertrifft ben ber übrigen ere be 
beutend; es ift faft fein Theil von ihm, ber nicht auf irgend eine Weiſe bemügt 
voürde (Milch, Fleiſch, Fett ober Talg, Mark, Knorpel u. Sehnen, Haut, Haare, 
Knochen, Blut, Harn, Klauen, Eingeweibe, Galle, Dünger, Hörner zc., ja felhk 
bie Lymphe der Kuhpocken). Lebend benüst man es zum Ziehen, Laſttragen, 
Betreibung von Maſchinen, Trets u. Roßmühlen, Audtreten bes @etreides ıc., 
in Spanien auch zu Stiergefechten u. in Indien zum Reiten. Zum Ziehen be 
bient man fich ſowohl ber verſchnittenen Stiere (Ochſen), als auch der Kuͤhe, 
welche ebenfalls verfchnitten werben können u. dann Ronnen heißen. — Barl. 
bie Werke über R. u. beren Berebelung von Franz, Papft, Schweiger, vn 
Hazzi, chwinghammer, von Weckherlin, Schmalz, Kreyfſig, Martens, Gue 
non u. A. 

Ninde (cortex), iſt die aͤußerſte Schicht ber Bäume, Sträucher u, umvol: 
fommen ausgebildet, der Kräuter, Sie ift von einer dünnen, meift ablöshare 
Haut, der Oberhaut (Epidermis), überzogen, bie aus einer einzigen age ellen 
beſteht, welche Luft zu enthalten ſcheinen. An den grünen Theilen iſt die Ober 
Haut mit zahlreichen, laͤnglichen Löchern, Spaltöffnungen (Stomata) burdhbekt, 
welche Dadurch gebilbet werben, baß 2 Zellen meift dicht aneinander ; 
führen in bie Zwifchengänge. Im Alter flirbt die Oberhaut allmählig ab, färk 
fih weißbraun, grau, gelb, verbidt fich, ober unregelmäßig. e Zellen 
aus denen bie eigentliche R. belebt, find im Umfange, oft auch gegen ben Bat 
bin, enger u. geftredter, in ber Mitte am weiteſten. Zwifchen ihnen befinden fd 
bei vielen Pflanzen noch Saftgänge u. Saftbehälter. Der Inhalt der R.Zche 
ift verfchieden. Bei den grünen Stengeln u. Trieben find bie im Umfange Legen 
ben Zellen mit grünen Chlorophyllkoͤrnern gefült, bei anderen enthalten 
—2 Stoffe, welche weiſt die Urſache ber Farbe des Stengels find, ba mi 
eltener die Oberhaut \elbit wir Tarkigen Shren iültt it; die übrigen R.,Zche 


I 


Ring — Ringwaldt. 853 


enthalten, namentlih in vielen krautigen Stämmen, theils Chlorophyll, theils 
Stärfemehl, auch Kryftalle kommen im Zellgewebe ber R. vor. In den holzigen 
Stämmen, wo die R. nicht mehr von ber Oberhaut befleidet wird, ift bie Außere 
R,: Schicht abgeftorben u. nur bie innere noch lebendig u. Häufig mit gefärbten 
Säften ober enigen Stoffen erfüllt. Das Abfchälen der R. ift, wenn nur ber 
darunter Tiegende Baft nicht verlegt wird, dem Wachsthume ber Bäume nicht 
nachtheilig; kraͤnkelnde Pflanzen werden oft dadurch gerettet. — Die R. ber 
Ciipen , en, Eipen, wird zur Lohe, bie der Eichen und Erlen zum Färben 
ebraucht. 
g g oder Reif nennt man im Allgemeinen jeden kreisfoͤrmigen Koͤrper, 
insbefonbere aber ein ringförmiges Band, welches irgendwo angebracht, entweder 
Etwas zufammenhält, oder Etwas verbindet, oder dazu bient, um Etwas barein zu 
ſtecken, oder daran zu befefligen. Die Gewohnheit, Fingers, Ohr⸗ u. Fuß⸗R.e 
zu tragen, findet man ſchon frühe bei verfchiedenen Voͤlkerſchaften; in Indien ift 
fie uralt. — In Rom durften in den Alteften Zeiten nur Gefandte golbene R.e 
tragen, Ritter u. Senatoren nur eiferne, doch wurde biefes Geſet Tpäter nich 
mehr beachtet. Bei ben alten Deutichen wurden ben Todten Häufig R.e mit in’s 
Grab gegeben. Im Mittelalter trugen bie Ritter Häufig große R.e um Arm 
ober Hals ale Gelübde. Huch wurbe ben Schuldnern zur Erinnerung ihrer 
Berbinblichkeit guiweilen ein eiferner R. um den Arm gelegt. Trau⸗R.e hatten 
ſchon die Hebräer, Griechen, Römer. Yrühzeitig gebrauchte man bie R.e auch 
Am Siegein von Urkunden (als SiegelsR.e) Dieß gefchah befonders in 
gypten u. Diodor erzählt, daB dem, welcher den Siegel-R. eines Fürften nach⸗ 
machte, beide Hände abgehauen wurden. Pharao übergab dem Joſeph feinen 
Siegel⸗R. u. mit demſelben alle Gewalt in Aegypten. Große Kraft fchrieb die 
fpätere Sage dem Siege, Re Salomo’s zu. 

Ringelgedicht, — Rondeau. 

Ningelvemmen, |. Carrouſel. | 

Ringkragen, der, an den alten Ritterrüflungen, war eine Platte von Eifen 
ober Eifenbledy, weldye den obern Rand des Panzers, gi gleicher Zeit auch das 
Halss oder Kehlſtuͤk des Helmes bedeckte. In dieſer Beichaffenheit war der R. 
eine weſentliche Schutzwehr für ben pet gegen Hiebe, daher ein wefentlicher 
Theil dee Rüfßung. Heut zu Tage ift er in ganz verfleinerter Form die Dien⸗ 
ftesauszeichnung der Offiziere. wirb über die Bruft an zwei bicht unter dem 
Kragen angebrachten Knöpfchen oder Haden an dem Kragen getragen , befteht 
gewohnlich aus einem Kalbmondförmigen, ſchmalen Schilbchen von Silber, oder 
fonft einem werfilberten Metall, in deſſen Mitte ein anderer Fleiner, vergoldeter 
ober verfilberter Schild, welcher entweber bas Landeswappen, ober ben Ramenss 
zug des Landesherrn enihält, angebracht if. Der R. ift ein fehr einfaches, nicht 
unbequemes und weniger Eoftfpieliges Dienſtzeichen, als die Schärpen, welche ba, 
wo R, von der Infanterie getragen werden, von ©eneralen, deren Abjutanten, 
ben Offizieren bes Generalftabes u. |. w. getragen werben. 

NRingwalbt, Bartholomäus, geboren zu Frankfurt an ber Ober 1530 
(1531?), war um das J. 1550 Pfarrer zu Langfeld in dee Mark u. lebte noch 
1595, in welchem J. er ein Godeitegebiät verfertigte; boch fagt er dabei von ſich, 
„daß ex nunmehr als ein Greis mit weißen Haaren ſich zum Himmelreiche ans 
ſchicke“. Wir Haben von ihm: 120 geiflliche Kicchenlieber, von denen mehrere 
in bie Sefangbücher aufgenommen find; bie „Evangelia,“ reimweiſe; die „Iautere 
Wahrheit,” ein ke -eargeict (Frkfr. 1585 und o.); chriſtliche Warnung 
bes treuen Eckharts (Erkft. 1490 u. O.), eine Schilderung vom Zuſtande bes 
Himmels und der Hölle, mit vielen Ermahnungen und Warnungen; Speculum 
mundi, eine feine Gomebia, darin abgebifbet, wie übel an etlichen Orten getreue 
sBrediger, welche die Wahrheit veben, verhalten werden (Frft. 1590, Königsberg 
1645); Epithalamium, vom Zuflande eines beirübten Wittwer’d Ark. ISIS, 
%p3. 1797); Plegium, oder Entführung ber jungen Kürten Een Set 


% 


aus dem Lateinifchen des Dr. Eramer überfept (Magdeb. 1595, Königeb. 1646). 
Bol. weiter Joͤrdens IV., 358 f. R.s Leben v. Wippel. Berlin 1751. 9. 
Hoffmann: R. u. Schmolde Breslau 1833, n, 
Rint, Johann Ehriftian Heinrich, ein ausgezeichneter Drgelfpicer, 
geborun 1770 zu Elgersburg im Gothaiſchen. wurde 170 Organiſt in Gießen, 
805 Stadtorganifkt in Darmftabt, 1813 Hoforganift daſelbſt u. ftarb 1846. Er 
war der Hauptrepräfentant ber alten guten Orgelfchule, machte ſich auch Hack 
verdient durch Herausgabe feiner vortreff.icdhen Orgelcompofitionen u. vieler Cie 
mentarwerfe für bie Orgel, wohin feine „Dcgelichule” gehört, welche en 
Gutes gewnn hat. Zuglich war er in Behandiung bes Ghorald Auß füd 
lich und gewandt. Bon ihm: „Drgelfpide* (Gießen 1806)5 „& 
(Darmftadt 1815). Der „Ehoralfreund“ (ebd, 1833— 37); „ ſch pralu⸗ 
ſche Anleitung zum Orgelſpielen“ (2. Aufl., 3 Bde., ebd. 1844)3; „Dreißig Che⸗ 
zäle“ en 1837); —— ( —* Provin Sqchauenb ber 
iuteln, Hauptſtadt ber Fur en Provinz auenb ober Schaum 
burg, welche einen Theil der Provinz Rieberheffen bildet, am —2 — ber Erter 
in die Wefer, bat ein Hofpital, Armenbaus, ein Bmmnaflum mit ® und 
anderen Sammlungen u. 3000 Einwohner, welche Schifffahrt, Gerberel und be 
trächtlichen Handel treiben. Auch iſt hier ber Sie bes Obergerichts für Schaum; 
burg; die 1021 hier gefliftete Univerfität wurbe. 1809 aufgehoben. 
io Grande do Cal, eine ber wictigfen Provingen des Baffertfums Bw 
rande do ‚ eine ber en Proyin 
filien, zwifchen dem atlantifchen Meere, Uruguay ‚Ita Sata und ben Drovinzen 
St. Paulo u. St. Catharina. Sie Heißt die fübliche (do Sal), um fie von ber 
noͤrdlichen Provinz gleihen Namens zu unterfcheiden. Ihe Gebiet wirb auf 
15,000 [J Lieues oder 2900 Meilen gefhäst. Es zerfällt in fünf Gomarens, 
deren — Porto⸗Alegre, Rio Parde, Rio Grande, Piratinim und Sao 
Borja find. Die Geſammtbevoͤlkerung beträgt ungefähr 180,000 Geden, wovon 
ein Zehntheil Deutfche find, deren bie neue Kolonie Keopoldo allein 8000 
ro Wenige Länder der Welt find fo gut bewäflert u. fo fruchtbar, wie biefe 
covinz. Das Klima if gefund u. gemäßigt, und bie tragifhen Erzengnifie ge 
deihen fo gut, wie bie ber gemäßigten Zone. Wan gewinnt in ber Dentichen 
Ionie, neben der Fofusnuß u. der Banane, die Qultton, Aepfel, Birnen, Dean 
gen u, Pfirfiche des alten Kontinents. Dort Hat auch die Wein, u. Theepflm⸗ 
zung ben glüdlichfien Erfolg gehabt. Im Norden ber Provinz findet man wmedi⸗ 
ziniſche Kraͤuter von erprobter Wirkſamkeit. Außerdem liefert R. G. Golbkaub, 
Farinha (Maniocmehl), Cachaqa (Rum), Frijoes (ſchwarze Bohnen), gegerbtes 
Leder, Holz zum Schiffbau und für. die Kunſtſchreinerei. Für das Befammtlant 
Brafilien ift diefe Provinz unentbehrlih , denn fie allein iR im Stande, es mit | 
Fleiſch, Seife, Leber, Pferden, Maulthieren, Mais u. felb mit Getreide zu verfor 
en, während R. ©. nöthigenfalls die andern Provinzen entbeiren fann, ba fein 
bau von Reif, Manios, Baumwolle Zuder u. dgl. zu feinem Berbrauche Hin 
reiht. — Arſene Sfabelle: Reife nach Buenos⸗Ayres u. Porto mD. 
Nio Janeiro, die Hauptſtadt des Katferth. Brafilien u. zugleich Ganbels 
emporium biefe® Landes, liegt in ber Provinz u. an bem Fluſſe gleichen ‚ 
welcher bier in bie weite, burch Hohe Berge umfchloffene Bat von Ritherohy, d. 
h. des verborgenen Waſſers ausfrömt. Der Hafen öffnet fidh im einer ſchmalen 
Durchfahrt zwifchen zwei Granitbergen nach dem atlantiſchen Deere Hin, ber eim 
diefer beiden Felsriefen zeichnet ſich durch feine komiſche Form aus u. Heißt deß⸗ 
Halb Pas d'Aſſucar (Zuderfut). An feinem Zuße liegt die Feſtung Praia ver 
melha u. ihr gegenüber das Kaftell Santa Cruz. Auch im Innern if ber Hu 
fen durch bie verfchiedenen Forts, auf den Infeln u. Höhen fo befefliget, daß der 
Rärkften Blotte der Eingang verwehrt werden kann. Uuf dem vorragendflen Gi⸗ 
pfel, dem Morro de Euftello, Keht ein fchlanfer Signalthurm wit einem Telegra⸗ 
phen, welche bie Flagge, Orohe u, Stein rd SURE anzeigt, bad an ber 


Nio Janeiro. 855 


Hafenmünbung erſcheint. Der Ankerplatz ift bei ber gleichfalls befeftigten Ilha 
das Cobras (Schlangeninfel). Die Stadt, zum Theile amphiteatraliſch am "bie 
von lieblichen Tälern u. Pomeranzenhainen burchfchnittenen Abhänge Bingelagert 
u. mit vielen großartigen u. fhönen Gebäuden geihmüdt, gewährt einen herrli⸗ 
hen Anblid. Sie beſteht aus der Altſtadt, der und ber, nach Berlegung ber kö⸗ 
niglichen Refidenz von Liffabon Hierher, erſt in biefem Sahrhunderte angelegten 
Neuſtadt u. 6 Vorftäbten, die von dem Mittelpunfte der Stadt nach ben 3 Haupt 
rihtungen ſich faft 2 Stunden weit ausbreiten. Die Zahl ber Einwohner beträgt 
210,000, darımter neben den eingebornen Brafllianern gegen 100,000 Neger u. 
viele Fremde. R. 3. hat zwei große und eilf Hleinere freie Plaͤtze. Die Straßen 
durchſchneiden ſich in rechten Winkeln u. find mit großen Steinen geplaftert, wit 
Ausnahme der Rua Direita und der Rua dos Eiganos aber faſt alle ſehr eng. 
Die Häufer, felten über drei Stodwerke hoch, find aus Bruchfleinen von Granit 
ebaut, u. das Erdgeſchoß bient in ber Regel zur Aufbewahrung u. Schauftellung 
er Waaren. Brunnen flieht man in allen Richtungen und darunter, mehre, bie 
mit Oranitfagaben geſchmuͤckt find, Das fließende er wird durch einen präch- 
tigen Aquäbuft von ben benachbarten Bergen herbeigeführt. Die Erleuchtung if, 
obgleich noch das Gaslicht nicht gebraucht wird, ausgezeichnet gut. In einem | 
Iuftigen Theile der Stadt, völlig ben regelmäßigen Seewinden offen , liegt ber 
Passeio publioo, ber öffentliche Spaziergang, ein gemäß feiner Wichtigkeit als all- 
emeiner Bergnügungsort geiymidier Platz. — Von gottesdienflichen Gebäuden 
nden fich eine kaiſerliche Kapelle, eine Kathebrale, etwa fünfzig Kirchen und Ka⸗ 
pellen von verfchiebenen Namen u. Größen, zwei Mönche» u. zwei Ronnentlöfter 
u. zwei Kirchhoͤſe. ine der größten Kirchen ift die Igreja da Gandellaria, mit 
zwei — — Thuͤrmen an ben Seiten des Hauptportales. Die Kirche ber Bene⸗ 
diftiner t im Innern von vergoldetem Schnigwerke. Der Benebiktinerorben 
ift der reichfte im Lande u. befigt viele Käufer u. Ländereien. Seit 1829 befteht 
in R. 3. aud eine evangelifche Kirchengemeinde, die insbeſonders von Preußen 
auf das thaͤtigſte unterflügt wird. — Der Kaifer Bat. zwei Refidenzfchlöffer, das 
eine, font Wohnftg der Vicelönige von Brafllien, ummittelbar dem allgemeinen 
Landungsplage gegenüber, ein großes aber unfchönes Gebäude im altportugieft- 
ſchen Style, bas andere, weit glänzendere, etwa 2 Stunden davon in ber St. 
Chriſtophsvorſtadt. Bon den übrigen öffentlichen Gebäuden finb zu erwähnen: 
Der Balaft der Rutionalberfammlung, der Palaft des Senats, der Kleine Palaſt 
(palacete), ded Campo da Honra, der Balaft der Mimicipalität u. bes Blſchofes, 
das Lands u. Seearſenal, die Kafernen, das Zollhaus, die Börfe, das Eonfulabo, 
bie Gebäude mit den Bureau’s ber Regierung und ber Polizei, die Gerichtshöfe, 
das Theater. Das Korreltionshaus Legt auf einem hohen Hügel: zwifchen ben 
Borfädten Catumby u. Mata Porcos, u. r mit dem dazu gehörigen Gebiete von 
einem hohen Steinwalle umgeben. — R. 3. ift die Refidenz bes Kaiſers von 
Brafilien und der Sitz ber oberſten Landeöbehörben, der Staͤndeverſammlung und 
eines Biſchofes. Bon Anftalten für Wiſſenſchaft, Kunft u. Unterricht befit bie 
Stadt ein Nationalmuſeum, die Eatferliche Akademie der fchönen Künfte, 1824 
buch Dekret ber Rationalverfammlung gegründet, eine Untverfität, die Taiferliche 
Afademie ber Arzneikunde im ehemaligen Sefuitenfollegium , eine Militair⸗ und 
Seeafademie, das feit 1837 beftehende Gollegio be Don Pedro II., wo nad Art 
ber in den Provinzen eingeführten Liceen eine vollſtaͤndige ſcholaſtiſche Erziehung 
ertheilt wird, ein bifchöfliches Seminar, das 1838 begründete hiftorifche und geo- 
graphifche Inſtitut mit reihen Sammlungen, die Rationalbibliothet, ungefähr 
70,000 Bände ſtark, eine Sternwarte, einen botantifchen arten, 28 öffentliche 
Elementarfchulen und eine Menge Privatſchulen. e Zeitungspreſſe in Rio If 
in großer Thaͤtigkeit und Liefert ſechszehn verfchiebene Blätter, Für bie Zwede 
ber Wohlthaͤtigkeit forgen ein Waiſenhaus, zwei öffentliche und 3 Privatfpitäler. 
Die großartigke Anftalt der Art IR die Santa Casa de Misericardin, wi 
jaͤhrlich 5000 Kranke aufnimmt und für deren Helung wh Sear —X 


⁊ 
X 


856 Rio Janeirs. 


Ganzen 80 — 100,000 Dollars verausgabt. Einige Meilen von ber Stabt lieg: 
das Hofpital Dos Lazaros, ausſchließlich für ſolche beſtimmt, die an ber Elephan: 
tiafts, dem Ausfage u. andern bösartigen Hautkrankheiten leiden, welche leider in 
R. 3. ſehr gewöhnlich find. Die Induſtrie Kat fi zu R. 3. in neuerer Zei 
fehr gehoben. Die Einwohner fertigen Zuder, irdene GBefäfle, Seidenwaaren, 
Shmud, Rum, Segeltuh, Schiffe und bazu gehörige Geräthichaften. In den 
Thranftebereien werben jährlich bei 150,000 Tonnen gefotten. Die Stabt iR ber 
gauptfiapelpiag für Sübamerifa, u. ihr Hafen einer ber beflgelsgenen ber Erde. 

8 laufen jährlich an 2000 Schiffe aus und ein. Den Handel betreiben größ- 
tentheils engliiche, beutfche u. franzöftfche Häufer, bie fich hier niebergelaffen ha⸗ 
ben. — Die Umgegend ift jehr fchön, u. es gt wol überhaupt wenige Stätte 
in ber Weit, welche in biefer Beziehung mit J. ben Vergleich en Be⸗ 
ſonders romantiſch find die Spaziergaͤnge auf dem Gloriaberge, ber | Gipfel 
trägt Die achteckige Kirche von NRoſſa Senhora da Gloria, wo ſich ein unbe 
ſchreiblich großartiges Panorama über Stadt u. Bai entfaltet. Die Abhänge bes 
Berges find mit ben reigendften Billas, Gärten und Anlagen bedeckt. Rod mm: 
faſſender ift bie Ausfiht vom Berge Eorcovado Herab. In ber Räfe von 
R. 3. liegen die kaiſerlichen Luſtſchloͤſſer Boa Viſta u. Bota 608 o. — Dig 
de Solis lief 1515 zuerf in der Bai von R. 3. ein, ihm folgte 1519 Magel⸗ 
barus. Die erfte Niederlaffung wurde Bier im J. 1555 von den Franzoſen ge 
wacht, unter Rich. Durand de Billegagnon, Die Portugiefen, eiferfüchtig auf 
den Brafilianifchen Handel, ertheilten dem Gouverneur von San Salvabor, Men 
de Sa Baretto, den Befehl, Die franzöfifchen Coloniſten anzugreifen u. zu vera 
gen. Er felber rüftete eine Expedition aus, und erſchien im jahre 1560 an 
der Einfahrt der Bat. ber die Franzoſen, unterflübt von ben gegen bie Bortu- 
giefen feinblich gefinnten einheimifchen Stämmen, hielten ſich mehr: Jahre gegen 
ihre Feinde, und erft am 20, September 1567 gelang es dem Gouverneur, he 

efle zu erflürmen. Damit in den Befig bes Hafens gefommen, entwarf en 
de Sa glei den Plan zu einer neuen Stadt, welche zu Ehren des esta: 
es den Kamen San Sebaftian führen ſollte. 140 Jahre genof die Kolonie ber 
ungeftörteften Ruhe bis zu Anfang bes 18. Jahrhunderts bie reichen Goldminen 
von Minas Geraes entdeckt wurden, Der Ruf hievon wedte bie Habfucht ber 
Sranzofen, welche unter Du Clerc ein Geſchwader ausfandten um R. J. und be; 
mit den Schlüffel zu jenen Schägen wegzunehmen. Der feige Gouverneur lief 
den Feind one bedeutenden Widerſtand in die Stabt einbringen. Gleichwohl 
wurden bie Sranzofen von ben Einwoßnern überwältiget u. theils niebergemadtt, 
theild gefangen. Im Jahre 1711 erſchien DuguayTrouin, um biefe Schmach zu 
rächen, drang in den Hafen ein u. machte Anflalt, die Stabt zu flürmen, als ber 
elende de Caſtro biefelbe räumte, Sie wurbe am andern Morgen von ben Fran⸗ 
zofen befegt u. ausgeplündert. Duguay Trouin erfannte indeß bie Unhaltbarkeit 
jeiner Eroberung, da aus den Minenpiftriften eine flarfe Heeresmacht herbeieilte, 
u. verließ am 4. Rov. R. I. wieder, nachdem er es um 600,000 @rufaben ge 
brandſchatzt Hatte, Die Einwohner waren mit dem Benehmen bes Gouverneurs fo 
unzufrieden, daß fie zu Liffabon auf feine Abfegung u. Beflrafung drangen. De 
Caſtro büßte feine Feigheit mit ewigen Gefängniß. eit Duguay Trouni 
bie Anker lichtete, Hat Teine feindliche Flotte mehr den Hafen von 3. befucht. 
41763 wurde bie Stadt für Bahia die Refidenz ber Bicefönige von Portugal. Zu 
ihrer jetzigen Bebeutung aber erhob fie ſich erſt, ale im Jahre 1808 ber Hof 
von Liffabon hieher überfiebelte. Bei biefer Gelegenheit wanberten allein 24,000 
Bortugiefen ein, und eine Menge Leute anderer europälfcher Nationen zog bald 
nad. Die fpäter erfolgte Unabhängigfeitserflärung Brafiliens , und bie Regie 
rungöveränderungen u. Umwaͤlzungen ber neueren Zeit überfchreiten bie Graͤnzen 
der ne Akne, fie gehören der Landesgefchichte an. — K. Seibler: Brafl 
lianiſche Zuftände, Ausland 18365 2. de Chavagnes. Die Lage Brafiliens 


Ripienftimmen — Ripperda. 857 


im Sabre 1844, in ber Revüe bes Deur Mondes. — D. P. Kibber: Sketsches 
of residence and iravels in Brazil. | mD. 

Nipienſtimmen heißen bie Fuͤllſtimmen, weldhe eine Soloftimme bes Ins 
firument8 oder Geſanges begleiten und verflärfen, ober auch blos im Tutti wits 
wirfen. | Die Zahl berfelben fommt es nicht an. 

Aipienift, dee Stimmausfüller, der Spieler ober Sänger, weldher 
im Orchefter oder Chor bie Stimme nur verftärkt, alfo nicht Solo [piet oder 
fingt. Er if dem Borfpieler oder Borfänger ganz untergeorbnet, muß indeß, um 
nie Bee nicht zu flören, takifeft feyn, im Bortrage Praͤcifion, Gefühl und 

mitcht befigen. 

Rippen nennt man bie, den größten Theil der knoͤchernen Wänbe der Bruft- 
hößle bildenden, langen, bünnen, mehr hohen als breiten, nad) außen gewölbten, 
nach innen ausgehößlten Knochen, welche panrweife, auf jeder Seite zwölf, felten 
ein Baar mehr und noch feltener eins weniger, von oben nach unten über einan- 
ber liegen, fo daß ihr Hinteres Ende immer höher fteht, als ihr vorderes. Cie 
beftehen aus loderer Subftanz, bie nach außen mit einer dichten Rinde eben 
ft. Mit ihrem Hintern Enbe fiten fie an den Wirbeln feft, das vorbere geht in 
einen Knorpel über, ben R.⸗Knorpel; biefee berührt bei ben fieben oberen R., ben 
fogenannten wahren R., das Bruftbein unmittelbar; bei den fünf unteren R. be 
feftigt fi aber ber R.⸗Knorpel an ben Knorpel ber fiebenten R. und gelangt 
erſt durch diefen zum Bruftbein, daher biefe fünf unteren R. falſche R. genamnt 
werden. Die Berfnöcherung ber R. beginnt ſchon fehr frühzeitig während bes 
Bötallebens, fie ift beim Neugeborenen vollendet bis auf das Hintere Ende, Die 
Berfnöcherung der R.⸗Knorpel tritt felten ein und dann nur im hoͤhern Alter. 
Die R. geben ber Bruft (ſ. d.) Hauptfächlich ihre Geftalt und Haben bewegen 
eine bewegliche Berbindung nah inten unb vorn, bamit ſich die Brufthöhle beim 
Einathmen erweitern Tann, Im Thierreiche finden ſich nur bei den Wirbelthieren R.: 
die Säugethiere haben meift mehr R., als ber Menſch, nur einige Fledermaus: 
arten haben ein Baar weniger 5 dagegen haben bie Bögel nicht über 10 Paar ; 
am meiften R. haben die Schlangen, und zwar manche gegen 250 Paar; auch 
bie Fiſche haben fehr zahlreiche R. — In weiterm Sinne bezeichnet man ale R. 
auch andere, ben R. des thierifchen Körpers ähnliche Gegenftände, fo die Seiten- 
balfen eines Schiffes. — Gerippe bebeutet fo viel als Stelet (ſ. d.) E. Buchner. 

Binpenfeil (pleura costalis) ift jener Theil des aus zwei getrennten Säden 
beftehenden Bruſtfelles, welcher mit einem Theile feines Umfanges bie innere 
Flaͤche des Bruftforbes nberzieht, 8 auf deſſen Mittellinie — vorn am Bruſt⸗ 
beine, hinten an den Koͤrpern der Wirbelbeine — dem andern, die Lunge übers 
ziehenden Theile des Brufifelles, dem Lungenfelle, nähert und an einigen Stellen 
jich an daffelbe anlegt, wodurch es, bie mittlere fenfrechte, von vorn nach Hinten 

erichtete Scheibewand , bag Mittelfelt, bilden helfend, auch feinerfeits ben 

ruftfaften in eine rechte und in eine linfe Hälfte theilt und in ben, von bem 
Mittelfelle eingefchloffenen, vordern ‚Raum ber emgbeutel mit Dem Herzen, die 
obere Hohlvene, Fett und in den füngeren len die Thymusdruͤſe einge chloſſen 
find; das Hintere Mittelfell dagegen isgt zwiſchen feinen Platten bie Luftroͤhre, 
die Speiſeroͤhre, bie ne ene, den Milchbruftgang , die Aorta u. f. w. 
Das R. befigt viele Blutgefäße, aber Feine Venen. Dasielbe iſt verfchiedenen 
Srankheitszuftänden unterworfen, beren gewöhnlichfte Entzündung, Waſſer⸗ und 
Eiteranfammlung find. u. 

RNipperda, Johann Wilhelm, Baron von, ein politiſcher Abenteurer, 
geboren zu Groningen 1680, wurbe zu Köln bei den Sefuiten erzogen, trat aber 
in Zolge einer Heirath mit einer Proteſtantin zum Proteflantismus über. 1715 
von ben Generalfanten zum Oberſten ernannt, wurbe er in diplomatiichen Auf- 
trägen an ben fpanifchen Hof gefchidt und erwarb ſich hier die Gunft Philipps V., 
ber ihn nach einander zum Herzog, Sranden von Spanien und :Rreulerminiter 
erhob. Aber ſchon 1726 verlor ex feine Würben wwieter weh wurte a Susi 








858 RNipuarier — Ritſchl. 


tz indeſſen entkam er 1730 über England nach Holland, 
Fear hi * Marocco, wo er den Befehl der Marroccaner vr & 
Da er gefchlagen wurbe, fiel er in Ungnade und bildete nım einen 
bifche und muhamebaniihe Religion zu vereinen. Er flarb 1737 
nachdem er vorher dem Baron Neuhof (f. d.) ziemliche Summen zur 
Corſica's vorgefchoffen hatte. Seine Religion wedhfelte er ſtets nad) 
Bol. „Vie du duc de R.“ (2 Bde., Amfterd. 1739.) 

Ripuarier, ſ. Franken. 

Riſalit (vom lat. salio, ſpringen), heißt In ber Baukunſt ein 


TAI 
HIER 


i 


tender Theil an der Außenfeite eines Gebäudes, eine Borlage, Borfprung. & 
fann durch alle Stockwerke gehen u. ſich fowohl in ber Mitte, als an den Eh 
bes Gebäudes befinden, und iſt gewöhnlich mit einem Yronton, ober mit cam 


niedrigen italtenifhen Dache verfehen. . 

Riß, f. Aufriß, Grundriß u. Brojection. 

Ritt, Johann, ein gefhäster geiftlicher Lieberbichter, geboren 
Pinneberg, fiudirte zu Rinteln, Roftod, Leipzig, Utrecht und Leyden 
befchäftigte ſich aber auch mit mathematifchen und mebizinifchen Studien. 
warb Hierauf Prediger zu Webel an ber Elbe und herzoglich 
Kirchenrath, ftiftete 1660 den Schwanenorben und flarb 1667. Aus ben cn 
nen Sammlungen feiner poetifchen Schriften (Himmlifche Lieder, Lüneburg 16% 
muſikaliſche Feſtandachten, ebb. 16555 muflfaliiches Geelenparabies, ebd. 168; 
ge Paſſionsandachten, Hamb. 1664 u. a.) find mehre Lieder im. bie 
angbücher aufgenommen worden. Durch eine ziemlich correfte umb 
Screibart wußte R. auch alltäglichen und platten Gedanken, an benen es 
Gedichten nicht fehlt, einen Anftrih von Poeſte zu geben. “Die Hollänbiige 
Dichter feiner Zeit fcheinen ihm als fter gegolten zu Haben. \ 

Ritornell Heißt in der Vokal⸗ u. Inſtrümentalmuſik ſowohl ein Borſpiel 
als Zwifchens und Nachſpiel. Im erften Kalle macht es ben Eingang 
einem Tonftüde, deſſen Hauptgebanfen ober Säge es enthält unb wirb vom ka 
begleitenden Inftrumenten vorgetragen, bevor noch bie concertirenbe ober ii 
Hauptfiimme einfällt, im letzten Falle wirb es wieberholt, wenn die Daupikim 

eendet hat. Als Zwiſchenſpiel aber befteht e8 aus demjenigen Theile bes Im 

ds, der von ben Inſtrumenten gefpielt wird, während die Haupts ober Ede 
flimme paufitt. In der italienifchen Poſie find R.i Heine Voltslicher ber 
bewohner von einfacher Melodie, willfürlich in Maß u. Sylbenzahl; a 
erfte Bers gewöhnlich der fürzefte und bie beiden folgenden (die Lieder ſind w 
Dreizeilig) Ei felten weniger ald fünf Fuͤße. Em Deutſchen ai te gel 
Ruͤckert na geahmt, Verſchieden von biefen find jene Ri, die Göthe in ka 
Fragmenten über Stalien als einen Gefang bes Poͤbels in Rom fchilbdert, weide 
jedes Ohr, nur nicht fein eigenes, beleidigt; eine Art von canto fermo, Red 
tion ober Deflamation, one melodiſche Bewegung, bie Smtervalle ber Zn | 
ber größten Gewalt der Stimme vorgetragen, Ton und Manier ber Singena 
überall fich gleichbleibend, gewöhnlich mur in der Dämmerung unb zur 
im unmittelbaren Ausbruche fich aller Worte bebienend, bie in gerabe einfalen 
metrifch oder profaifch. 

Ritſchl, Friedrich Wilhelm, ein namhafter Philolog, geboren 1806 a 
Großvargula in Thüringen, Schüler Spignere, Hermanns und Reifige, Icdkk 
als “Privatdocent 1829 in Halle, wurbe 1833 außerorbentlidher Profeſſor i 
Breslau und zugleich Mitglied ber Prüfungscommifjion für Schleflen umb echt 
1839, nad einer Reife in Stalien (1836—37), die Profeffur der chen Bi 
lologie und Leitung bes philologifchen Seminars in Bonn. Seine ſchriftſtelleriſche 
Thaͤtigkeit erfiredte ſich bis jezt namentlich auf bie Bearbeitung ber griechiſche 
Grammatiker, wohin feine treffliche Ausgabe bes Thomas Magiher ( Halle 1832) 
und bie Schrift „De Oro et Orione“ (Breslau 1834) gehören, und auf bie 
tif der Komiker, vorgdalikh ed Rain | teren Relinie er io «car Nggeltet 


3 
| 


4 


T 


Nitter u, Nitterwefen, £ 859 


Bearbeitung der „Baochides“ (Halle 1835), in der „Disputatio de Plauti Bac- 
chidibus“ (Berlin 1836), in mehren Auffüpen im „Rheinifchen — 
Philologie" und zuleht in ben — „Parerga Plautina“ (Berlin ) 
nieberlegte. Doc hat er auch feine Bertrautheit mit einem weitern Kreiſe ber 
Altertfumssiffenfchaften, mit ber antifen Kunft und dem antifen Leben, durch ei» 
nige gediegene Adhandlungen bewährt, zunächft durch eine Vafenerflärung in den 
,„Annali dell’ instituto di corrispondenza accheologica“ (Heft 2, Rom 1837); 
ferner durch das „Specimen epigraphicum“ (Bredlau. 1838) u. durch die Schrift 
„bie alerandeinifhen Bibtitheen und die der — Gedichie 
Durch Pififtratus” (Berlin 1838). In den lehteren Jahren hat er für ben Fort⸗ 
beftand des „Rheimſchen Mufeum für Ppilot deſſen Redaltion gegenwärtig 
ihm und F. G. Welder übertragen if, mitgewirkt, 

Ritter und Nitterwefen. R. wurben in dem Mittelalter jene —— 
nen genannt, welche die, nach ber Lehenspflicht dem Lehensherrn ſchuldigen, oo. 
dienfte auf eigene Koften u. in Perfon zu leiften verbunden waren, und welde 
unter ihren Faͤhnlein ihe Gefolge, welches wieder aus Knappen, Reifigen, Edel 
Tnaben und Trobuben beftand, verfammelten. Die R.+ Würde gehörte zu ben 
Vorrechten bes Adels und wurde mittelft des R.-Schlages erteilt, welchen vor 

kgelegtem 21. Jahre Niemand erhalten konnte, Zuerft diente ein Evelfnabe 

rauen, bann den ‚Heren, von welchen er au allen Dienflen ber Rüflfammer, 

bes: Stalled und ber Jagd verwendet ward, So rüdte er nach und nad) zum 
Zeibfnappen vor, in welcher Eigenſchaft er feinen Herrn wappnete, ihn 
Hin begleitete umd ihn im Streite mit Schwert und Lanze bedte. Hatte er nun 
durch treue Pflichterfülung und ritterliche Tugend ſich ansgezeichnet, dann erhielt 
er mittelft des R⸗Schlages, welcher in brei ‚en mit dem flachen Schwerte 
auf den Rüden des fnienden Kandidaten beftand, ‚unter vielen feierlichen Ceremo⸗ 
in a a * A id — —— — 
jegte. er enthielt die Verpflichtung, zur Ki ge un 
bes Baterlandes gewappnet zu ad Die ahrheit zu die Unſchuld zu 
fügen und die Religion zu vertheidigen. ' Hierauf erhielt er die R.»Sporen, 
Helm, Schild, Schwert und Lanze und war Ritter, Im Felde waren bie Cere⸗ 
monien einfacher; hier genügten die drei Schläne. Die —— beſtand an 
Schutzwaffen in dem Helme, auf welchem der Helmbuſch wehte, in dem Har⸗ 
nich (f. Harniſch und Banzer) und in bem Schilde, auf welchem entweber 
bas Wappen des R.s, ober eine Devife angebraht war. Die Trußwaffen 
beftanden in ber efchenen Streitlanze mit breitem Blatte, einem großen Schlacht⸗ 
ſchwerte, welches mit zwei Händen geführt wurde, fonft aber an der linfen Seite 
bes Sattels hing, einer Streitart, deren Plah an der rechten Seite des Sattels 
war, und einem Dolche (Mifericorde) im Gürtel. Auch das Streitroß bes R.s 
war gepanzert, Eine Feldbinde oder Schärpe, welche über bie Schulter King, 
gewöhnlich ein Preis der Tapferkeit oder ein Gefhent der Minne, gehörte zu 
dem Schmude des RE. Die R.- Zeit oder die Blüthe bes Ritterthums war Die 
‚Heldenzeit_ der germanifchen Völferftäntme; nur wo germanijces Leben vorherrfhte, 
entfaltete fi das Rittertfum zur VBolfommenheit, Schwärmerifche Verehrung des 
Tönen Geſchlechts, Vertheidigung des Bedrängten und Wehrlofen, Hang zu 
MWaffengetümmel, Fehden und Abenteuern, Durft nah Ruhm und teisgeriläer 
Auszeihnung, Liebe zur vollften perfönlichen Unabhängigkeit und Verachtung ber 
Geſchaͤfte des gemeinen Lebens, fo wie aller Derjenigen, welche ſich damit befaßs 
ten, Gleihgültigfeit gegen alles Gemeinnügige, welches ſich nicht auf ben Krieg 
bezog, grafje Unwiſſenheit, Mebermuth und Bebrüdung gegen Andere, als Bolge 
einer anerkannten Meberlegenheit im Gtreite, in den fpäteren Zeiten Raub und 
Wegelagerung — dieſes find die Licht» und Schattenfeiten eines Inftituts, wel⸗ 
ches Jahrhunderte lange das geſellſchaftliche Leben von Europa umſchlang. Mit 
dem Feudalweſen —— entfaltete es ſich und ging mit ihm amier, ed 
als die Feuerwaffen In ben Heeren aufgefommen waren, da tun Wär! 


860 Ritter. 


männer nicht länger das Loos ber Kämpfe entfcheidenz fie verſchwanden aus ben 
nt Streitenden und andere — und andere Mittel ſchlugen fortan 
die achten. 

Ritter, 1) Johann Wilhelm, ausgezeichneter Phyfiker, geb. ben 16. Dez. 
1776 zu Samitz in Schleften, widmete fi dem Studium ber Heilfunde in Jena, 
betrieb aber von Beginn feines afademifchen Stubiums an befonbers die Phyſil, 
der er fich ſpaͤter og zuwenbdete, Unterflübt vom Herzoge von Sachſen⸗Gotha 
machte er ſich 1798 zuerft befannt durch feine Schrift: „Beweis, baß ein beftän- 
Diger Galvanismus den Lebensprogeß in dem Thierreiche begleite,” Weimar 1798. 
— 1805 wurde R. als Mitglied der Akademie der Wiffenichaften nach München 
berufen; leider aber führte g häufiger Genuß geiftiger Getraͤnke, bem er ſich er 
gab, theils um Häuslichen Kummer zu vergeffen, theils um zu sehigen Anſtreng⸗ 
ungen fähig zu ſeyn, feinen frühen Tod herbei am 23. Jan. 1810, — R. Hat 
fih namentlih um die Lehre des Galvanismus verdient gemacht, und Niemand 
ſoll fo viele galvaniſche Säulen gebaut u. fo viele Froͤſche galvaniſchen Verſuchen 
geopfert Haben, als er. Er ift auch der Schöpfer des von ihm fogenannten Si⸗ 
derismus (f. d.). Er fchrieb, außer oben Erwähnten: „Beiträge zur nähern 
Kenntniß des Galvanismus“ 2 Bde. Jena 1800 — 1805. — „Der Siberismus*" 
Zübingen 1808. — „Phyſikaliſch⸗chemiſche Abhandlungen“ Lpz. 1806. — „Frag⸗ 
mente aus dem Nachlaffe eines jungen Phyfifers“ beiberg 1809. E, Buchner. 
— 2) R. Karl, ein ausgezeichneter Geograph, geboren zu Duchlinburg 1779, 
fiudirte zu Halle, war eine Zeit lange Lehrer zu Gchnepfenthal, wurbe 1809 Abs 
iunft am Gymnafium zu Sranffurt a. M., dann PBrofeffor der Geſchichte daſelbſt 
und 1820 :Brofeffor der Geographie und Studiendireftor an dem Gabettencorpe 
zu Berlin. Er ift der Schöpfer der vergleichenden Erbfunde, eines vor ihm noch 
unbefannten, Zweiges biefer Wiſſenſchaft. Seine Hauptwerfe find: „Die 
Erdkunde im Berhältnig zur Natur“ und „Gefchichte des Menſchen“, 3. Aufl 
Berlin 1832 — 46, 12 Bde; „Europa, ein geographiſch⸗hiſtoriſch⸗ ſtatiſtiſches 
Gemaͤlde“, neue Aufl. Frankfurt 1811, 2 Bde; „Vorhalle europäifcher Bölfer- 
geichichten vor Herodot” Berlin 1820. — 3) R. Joſeph I gnas, ein geigt ter 
fatholifher Kirchenhiftorifer, geboren zu Schweinip bei Grünberg in en, 
1790, ſtudirte auf dem Gymnafium zu Großglogau und auf ber Univer zu 
Breslau, empfing 1811 die Heilige sBriefterweiße, wurde 1813 Kaplan in Grott 
fau und fam 1818 in gleicher Eigenfchaft an die St. Hedwigsficdhe nach Berlin. 
1821 zum Doktor ber Theologie promovirt, wurbe ihm 2 Jahre nachher die or⸗ 
dentliche Profeſſur der Kirchengeſchichte an ber Univerfität Bonn übertragen. 
Wenn er fich auch Hier den Hermeflanern nicht unbebingt anſchloß, —8 doch 
nicht in Abrede geſtellt werden, daß dieſelben in mehr als einem kte einen 
warmen Fürfpreder an ihm fanden; wenigftens liegen Aeußerungen vor, welche 
biefe Annahme vielfach zu begründen fcheinen. 1830 wurde er Domfapitular u. 
FAR der Aipengelhichte in Breslau, 1831 Mitglied der wiffenfchaftlichen 

Fa fungecommiffon, 836 Direktor derfelben und 1837 Mitglied des fürftbifchöf- 
lichen Confiſtoriums. Als im Jahre 1840 der Kürftbifchof von Breslau, Graf 
Sedlnitzky, refignirte, übernahm R. die Bisthumsverweferei und bewirkte in biefer 
Stellung 1843 die Sufpenfion Ronge’s (ſ. d.). 1845 trat er wieder als orbent: 
licher Mrofeffor in die theologifche Yakultät ein und erhielt zugleich die Wuͤrde 

eines Dombechanten, Die an ihn ergangene Bitte der Redaction ber Realency⸗ 
clopädie für das Fatholifche Deutichland, durch feine Theilnahme dem Werke eine 
weitere Zierde zu verleihen, wies er zurüd und zwar, wie er ſich In einem Schrei⸗ 
ben an ben Redacteur ausdrüdte, aus dem Grunde, weil ber Redacteur, Doktor 
Wilhelm Binder, in feinem Werfe: „Geſchichte des philofophifchen und revolutio⸗ 
nären te * allzuart und ungerecht gegen die Hermeſtaner aufgetreten 
fi. Bon feinen Werfen, die unwiderſprochenen wiffenfchaftlichen Ruf haben, 
empfiehlt I feine Kirchengeſchichte, 2 Bhbe., 3. Aufl. 1847, duch angenehme Dars 
ſtellung. Mit Recht geigägt It au Keine Urheriegung und Erläuterung ber 


Rittergut — Ritterpoeſie. 861 


Schrift des Chryſoſtomus de Sacerdotio, Berlin 1821. — 9 NR, Auguft 
Heincich, geboren zu Zerbft 1791, flubirte auf dem Gymnaflum feiner Bater- 
ftabt und Hierauf auf ben Univerfitäten zu Halle, Göttingen u. Berlin Theologie 
und vorzüglih Philoſophie; 1813 nahm er an dem Befreiungsteiege — 
1817 Vriv atdocent, 1824 außerordentlicher Profeſſor ber Philoſophie in 
und 1832 Mitglied der Afademie der Wiſſenſchaften bafel 1833 erh 
einen Ruf als ordentlicher Profeffor der Philoſophie nady Kiel umb 1 
gliger Eigenfhaft nad Göttingen, wo er noch gegen Fi wirft, 

chen Einfluß hat die fophie des Cartefius auf bie Ausbildung der 
Spinoza gehabt ıc., Lpz. 18175 Geſchichte der jonifchen Philoſophie, Bert, 18215 
Gefhichte der 6 Philoſophie, Hamb. Geſchichte ber Philos 
ſophie, 8 Bbe., ebd. 1829 u.f.; Abriß ber philofophifchen Logit, Berl. (2. ) 
1829; die Halbkantianer und ber. Pantheismus, ebd, 18275 Ueber das Ri 2 
niß der PHilofophie zum wiſſenſchaftlichen Leben, ebd. 18355 Ueber die Erkenntniß 
Gottes in der Welt, Hamb. 18365 Ueber das Böfe, Kiel 1839; Kleine philo⸗ 
ſophiſche Schriften, ebd. 1839—40. 

Nittergut Heißt ein Gut, deſſen Beſiher bem Lehensherrn Ritterbienfte zit 
feiften verbunden, außerbem aber von allen öffentlichen u, Gemeindelaften befreit 
Be ——— Ritterdienſte x — —— LER * ein 

ſer Befreiungen weg u, ber neuefle conftitutio wung Hat fie, 
als durchaus nicht mehr zeitgemäß, völlig aufgehoben, ar 

Ritterorden, ſ. Orden. . J 

Nitterpoefie, die, iſt ihrem Grundcharalter nach groͤßtentheils rege u 
gehirt eben befhalb weber bem rein nationalen, noch dem rein religiöfen Gebiete 

‚er epifchen Dichtfunft an, bildet vielmehr im Mittelalter ein neues Gebiet, nad 
welchem fie theils Liebesnbenteuer u. Ehrenfämpfe zu ihrem weltlich - vomanti| 
Inhalte Hat, theils, mit religiöfen Zweden verknüpft, als eine Myſtik der ⸗ 
ũchen Riiterlichkeit erſcheint. An bie Stelle jener Handlungen u. ebenheiten, 
die das nationale Intereffe betreffen, treten Handlungen u, Thaten der Indivi⸗ 
duen, welche nur infofern zur allgemeinen Grundlage eines Epos dienen, als fie 
an große fagenhafte Mittelpunkte, hervorragende — Perſonen u. durch⸗ 
greifende Kämpfe, buch die Phantaſie, geknüpft werben, wobel jedoch das Phan- 
taftifche überwiegend bleibt u. eben dadurch das Ganze nicht zur Haren Anjchaus 
lichkeli gelangen läßt. Man hat nun zwar ben Babelfteid der Nibelungen (1.b.) 
u. was bemfelben aus ber Zeit ber großen Völkerwanderung fi anfchließt (bie 
Gedichte des fogenannten Helbenbuchs), für ben erſten u. Acht beutfchen 
unter den Babelfreifen des romantiſchen Mittelalter, in welchem Die Epoche der 
deutſchen R. von etwa 1140 — 1300 beftimmt wird, gehalten u. hiernach 
bdemfelben auch ein rein nationales Intereſſe zugeſchrieben. Allein abgefehen, 
daß im Nibelungenliede noch Erinnerungen aus ber heidniſchen Vorwelt ſich dar- 
bieten, herrſcht in _bemfelben fein Zufammenbang des fpätern u. frühern geiftigen 
Bewußtſeyns u. Lebens u. fo find bie Begebenheiten ber Ri en für das 
nationale Bewußtſeyn eine durchaus verwifchte oder ausgetöfähte — Die 
groͤßeren Kreife, in welchen dem Stoffe nach die wichtigften jener Ritterepopoͤen 
ſich bewegen, find: ber fränfifche Sagenfreis, ber ini „nern und ber 
Sagentrels ber auf Portugal ober Spanien hinwelſenden Amabiffe. Obgleich 
jeder derfelben einem andern Bolfe angehört, möchten fie vieleicht doch ziemlich 
greißeitig fen, in Rüdficht der hiſtorifchen Unterlage aber der Borzug Ar 
ter8 der Dichtung vom Könige Artus Ci. b.) zufichen, welche letztere, ber er- 
wähnten Unterlage wegen, fih bann wieber unmittelbar bem Haupthelden bes 
Nibelungenlicbes, dem gurmentönige Attila ( Etzel) u. dem Gothenfönige Theodo- 
rich (Dietrich von Bern) cf. d.) anfchließen würde — Im fränfiihen 
Sagenfreife erſcheint Karl der Große mit feinen Palrs oder Baladinen im 
Kampfe gegen bie Sarazenen u. Heiden. Die Hauptgrumblage ift hier das feu- 
dale Nittertfum, mannigfaltig veranfehauligt in Gerichten, tern uibluiten 


862 Ritterfpiele — Rivinus, 


Stoff die Thaten irgend eines ber zwölf Helden ausmachen. — Als die ältefe 
Duelle gilt die fabelhafte Ehronif von Turpin, die jedoch offenbar einem fpätern, 
ale dem 8. Jahrhunderte angehört. Der Schauplag des Krieges ift die Pros 
vence u, bie Schlacht von Ronceval (778), in weldyer Roland fiel, ein hiſtoriſcher 
Lichtpunkt in demfelben. Mehre dergleichen Epopden wurben in Frankreich zur Zeit 
Philipp Auguf 6, 1180 — 1223, gedichte. — Der enalifhsnormännifde 
Sagenfreis hat die Thaten des Königs Arthur oder Artus u. der Tafelrunde 
zum Gegenftande, gemifcht mit allegorifcher chriſtlicher Myſtik, indem ein Haupt: 
zwed aller Ritterifaten in ber Aufluchung des heiligen Graal (sanguis realis, 
saing roal) befteht, einem Gefäße ober Kelche, deſſen Jeſus fich zur Einfegung 
bes Abendmahls bediente u. in welchem Joſcph von Arimathia das Blut aus 
der Seite Jeſu bei der Preuzigung aufgefangen hatte, bis endlich Die ganze 
Genofienfchaft zu dem Prieſter Johannes nach Abyffinien flüchtete. Die ältee 
Chronik davon if 1150, Eine Monographie vom Zauberer ober Scher Merlin, 
bem Erzieher des Artus, Hat Francisque Michel, welcher 1833 bie Biblios 
thefen England’8 unterfuchte, mit Merlin’8 Lebensbefchreibung in lateiniſchen 
Berfen von Geoffrey de Monmouth, aus bem 12, Jahrkunberte, zu Paris 1838 
herausgegeben, außerdem aber noch Kolgendes aufgefunden: ein @ebicht über 
einen angebligen Zug Karls des Großen nach Ierufalem u. Konflantinopel in 
800 Verſen; ein anderes über die Abenteuer einiger Palabine von Karl’ Hofe, 
die nach dem gelobten Sande geſendet wurden; eine Handfchrift des Romans da 
Roncevaux, den Roman de tute chevalerie von Thonal von mt, u. le Ro- 
manz du reis Yder, welcher bem Sagenfreife ber Tafelrunde angehört. Der 
dritte Kreis von ittergebichten Hat bie Familie ber Amapts zu Haupthel 
den, u. zwar den von Gallien (der Löwenritter), den von Griechenland, ben vom 
Geſtirne u. den von Trapezunt, beren Gefchichte durch neun Geſchlechter ſich 
binzieht, willkuͤrlicher u. von geringerem Gehalte ift u. ſich weniger auf 
Begebenheiten, als auf die Abenteuer einzelner Ritter, auf Feerei u. fabelhafte 
Borftellungen vom Oriente bezieht u. durch biefe Befchränfung ſich fchon ganz 
dem Roman annäfert. Seine erſte Entftehung deutet auf Portugal ober Spar 
nien bin, doch Hat man ben Urfprung auch in Frankreich gefucht u, hiernach den 
Bortugiefen Pasco Lobeira, zu Anfang des 14. Jahrhunderts, den Infanten Don 
Pedro von Portugal, Sohn Johannes I., in der Mitte des 14. Jahrhunderts, 
u. einen franzöſiſchen Troubadour von 1180 — 1223 als Berfaffer genannt, ofne 
darüber zu einiger Gewißheit zu gelangen. Im Epanifchen enthält das Werk 
dreizehn Bücher, deren vier erflere, Amadis von Gallien, von Cervantes als das 
befte Buch diefer Art anerkannt find. — Eine. Hiftorifche Unterlage iſt in biefer 
Sagengefhichte nicht zu ermitteln. Epäter nahm die R. eine bidaftifche Richtung, 
u. indem fie fo auch Die romanzenartige Behandlung u. das Gebiet des Romans 
verließ, erfolgte ber Hebergang zum Meiftergefange (ſ. d.), in welche Beriobe ber 
Renner bes Hugo von Trynberg, genen 1300, u. bie Fabeln des Boner, ber 
Edelftein, um 1324, fallen. (Bergl. Büfhing, Vorlefungen über Nitterzeit u. 
Ritterweſen; Leipzig, 2 Bde., 1823). 

Ritterſpiele, ſ. Turniere, 

Nitual, ſ. Agende. 

Hival, Nebenbuhler, Mitbewerber; daher rivaliſiren, mitbewerben, wett⸗ 
eifern. Rivalität, Rebenbuhlerei, Eiferſucht, Wetteifer. 

Nivarol, Antoine, Graf von, ein witgiger ſatiriſcher Schrififteller, 

eboren 1757 zu Bagnols (Gard), kam 1779 nad Paris und machte ſich bald 

erklich. Sein „Discours sur l’ universalitéâ dela langue fr.“, feine Ueberſetzung 
von Dante’8 Hölle und fein „Petit Almanac des grands hommes“ machten ihn 
F Mobeih fifteller feiner Zeit. Er wanderte 1792 aus und flarb 1801 
zu Ber 

Hivas, f. Saavebra, 

Aivinus, 1) Andreas, ag Bahmanı, geboren 1600 zu Halle, 


Rivoli — Rizos-Rerulos, 863 


audirte Bier und zu Jena, bereiste Frankreich, Holland und England, war brei 
Jahre Rektor am Gynmaſium zu Rorbhaufen und wurde zu Leipzig 1635 Pros 
'eflor der Dichtkunſt, 1655 ber Mebicin und flarb 1656. R. war ein ebenfo 
Iejchrter — und Kritiker, als Arzt. Er ſchaͤtzte und fludirte die alten 
Bäter und chriſtlichen Dichter vorzüglich, Seine Schriften find größtenteils 
elten, weil er nur wenige Abdrüde von ihnen auf eigene Koften machen ließ: 
Veterum bonorum scriptorum de medicina collectanea, %p3. 1654. Rei hortensis 
*% botanicae scriptores metrici. — Florilegium diversorum epigrammatum ve- 
erum graecorum., 2p3. 1657. Ausgaben verfchiedener lateiniſcher Gedichte, Dies 
ertationen ıc. — 2) R. Auguft Quirin, Sohn bed Borigen, geboren 1652 
m Leipzig, wo er auch ſtudirie, 16914 Profeſſor ber Phnfiologie und Botanik, 
[719 der Therapeutik wurde und 1723 ftarb, Er war einer ber erften Botas 
ılfer feines Jahrhunderts. Sein Eyflem zeigt, daß er ein fehr guter und ſchar⸗ 
er Beobachter der Ratur war : Introductio generalis in rem herbarism, 2p3. 
1690, Fol., ein feltenes Werk mit fchönen Kupfern. Auch feine mebizinifchen 
Anterfuchungen , bie er vorzüglih in einzelnen alabemifchen Streitfchriften dem 
er vorlegte, blieben nicht oßne Aufmerkiamfeit, und vorzüglid machte er 

durch eine Kritif der damals in ben Apothelen gewöhnlich aufbewahrten 
Arzneimittel (Censura medicamentorum oficinalium, 2p3. 1701) befannt. Auch 
ür die Aftronomie fühlte er ein fo lebhaftes Interefie, daß man die Nugenfchwäche, 
m ber er in ben lebten 10 Jahren litt, von feinen fleißigen Beobachtungen der 
Sonnenfleden ableitet. Bon feiner Bibliothek, die fid auf 7968 Werke belief, 
am Bo Verzeichniß nebft feinem Leben Heraus: Bibliotheca Riviniana, 


0 z. “ 
Nivoli, kleines Dorf in der Delegation Berona des lombarbifch  venetianis 
ben Königreichs, am füböftlichen Fuße des Monte Baldo, Hoch über dem fchroffen 
Kbhange ber weſtlichen Seite bes Etſchthales gelegen, ift gefchichtlich merkwürdig 
nrch die, am 14. u. 15. San, 1797 zwiſchen ben Deflerreichern unter General 
Ilvinczy und ben Yranzofen unter Bonaparte gelieferte Schlacht, weldye zum 
Bortheile ber letzteren ausfiel und vollftändig über das Schidfal Italiens ents 
chied. Alvinczy drang aus Tyrol, wo er bedeutende Streitfräfte an ſich gezogen 
yatte, um bie franzöfliche Stellung zu durchbrechen und bie, von ben Franzoſen 
ng eingefchloffene, Setung Mantua zu befreien, da an dem Beflg biefer Bekung 
[des gelegen war. Bonaparte kam jedoch dieſem Plane zuvor und eilte ſchne 
m ber Epige einer großen Macht nah R., während Yugereau bei Ronco, 
Serrurier vor Mantua und ein anderes Kleines Corps ebenfalls vor Mans 
wa die Defterreicher beobachteten und beichäftigten. Nach einem heftigen und 
lutigen Gefechte begann ſchon ber linke Ylügel der franzöſiſchen Armee zu 
chwanken, bie Geifleögegenwart Maffena’s aber flellte auf das fchnelifte bie 
Irdnung wieber her, neue feindliche Truppen unter Rey erfchienen auf dem 
Schlachtfelde, und troß der eibenmäthigften Tapferkeit der Oefterreicher, auf 
velche freilich auch ein Höchft ſchwieriges ain ungünſtn wirkte, wurden letztere 
on allen Seiten geworfen, bis in die Stellung von Corona zurüͤckgedraͤngt 
nd gänzlich auf die Defenfive beſchraͤnkt. Die Refultate diefer Schlaht waren, 
ußer vielen Gefangenen und Geichüs, welche in bie de der Franzoſen fielen, 
er Fall von Mantua (2. Febr. 1797) und das weitere Bordringen der Fran⸗ 
ofen bis nach Steyermark, wo (17. April 1797) zu Leoben bie Präliminarien 
es Friedens abgeichlofien worden find, weldyer fobann ben 17. Oct. besfelben 
Sabres zu Campo Formio wirklidh zu Stande gut wurbe. 
Rigob-Reruioh, Jako wakigsg, griechiſcher Staaterath u. Dichter, geboren 
m 1779, war ſchon als Staatefefretär des Innern in ber Moldau für Die Bes 
:edung Griechenlands thätig, nahm 1816 an ber Hetärte Theil, förderte das 
Internehmen feines Berwandten Alerander Dpfilanti u. flüchtete vor ben Türken 
ach Genf, wo er Borträge über griechiiche Literatur und Befchichte hielt. Im 
iahre 1827 über Paris u, London zurüdgelehrt, warb er unter Eoystiiktun Ir 


864 Riäfen — Roberjot. 


fler bes Aeußern u. der Marine, 308 fi) zwar 1830 mußte aber © (don 
1 das Minifterium bes Cultus und bes Ünterric to —— — 
kurzer Unterbrechung, bis 1837 vorſtand. 1841 * er wieder auf 53 FA: in 
das Minifterium als Staatsfefretär des Auswärtigen u. Cultus. Die archaͤolo⸗ 
giſche Geſellſchaft no durch ihn gegründet. Er ſchrieb: „Cours de la littöret. 
e“* (deutſch 1827), „Hist. moderne de la Grôoe“ Cbeutfe 1830) u. mehr 
2** u. Gedichte. 
iſch eee in Rußland, noͤrdlich an das Gouvernement 
en ik u. üblich an Tambow, welih an Tula u. Moskan graͤnzend, 
mit 734 [[] Meilen und 1,240,000 Einwohnern; Hat viel Wald, Süsapfe und 
fe — en om ir de nebft einig en a a ans Rußb * 
en en Oſetr, Pronia, 0, * ewaͤſſert u. 
Produkte ſind: Getreide, G er, Hanf, Flachs, be, Rindvich, 
Eine, afen; die gewerbliche har fe N aber auf bie Weberei von 
and, Glas, Brantwein, Leber befchränft. ingetheiis iſt das 
— y 12 reife. — 2) Die gleichnamige Hauptftabt, am Einfluffe ber * 
in den Trubeſch, IR der Sitz ber Gouvernementsbehörden und eines 
hat ein Priefterfeminar, eine adelige Schule, mehre Armen», —2 
Haͤuſer, Leinwand⸗, Leber⸗ Tuchmanufaktur, Nadelfabriken u: 9000 
Robben, (phocina) eine Orbnung ber Säugethiere, bie theils auf dem 
Lande, theils mit Waſſer oder auf Eisbaͤnken leben. Die Borberfüfle And — 
mit Naͤgeln vegeren bie Hinterfuͤſſe, meiſt mit dem Schwanze verwachſen, bienen 
Steuerruder. Sie finden ſich in allen Meeren, näßren ſich von Fiſhen, ‚lan u 
en 2c., gebären nur ein Junges und leben zum Theile g. Sie 
werben, ulondere ihres Thranes, Änige auch ihres Felles ober er 
wegen, Gegenftand ber Jagd. Man unterfcheibet eigentliche R. und 
manche rechnen auch noch als dritte — die Seefühe hieher. Zu ben 
Aden R. gehören: 1) die gemeine R. oder ber Seehund (Phoca ) 
4 Fuß lang, Kr mit bräunlichen Flecken, in ben fälteren Meeren fchr Häufig. 
Man fchießt, erfchlänt oder harpunirt fie und bemügt Zell u. Thran, im Norden 
auch das Fleiſch. Sie leben familienweife unter einem Maͤnnchen, das ſtrenge 
Juch hält, find ſchlau und poſſirlich und lieben ihre Jungen ſehr zaͤrtlich. — 
2) Die grönländiſchen R. (Ph. groenlandica), 5— 8 Fuß lang, mit 
braunen Flecken, in den arktifchen Meeren, bie Sauptnabeung ber ber u. 
Sertmoe, die zugleich Fell und Thran, Knochen und Maulborſten ıc. bemüpen. — 
3) Die Bart-R. (Ph. barbata), 10 Fuß lang, grau, mit ſchwaͤrzlichem 
auf der Nafe und fehr Tangen Bartborften, im Rorben. — 9 Die Möoͤnchs⸗ 
(Ph. monachus), 10—12 $uß lang, bunfelbraun, unten weiß, im Bittelmeere. — 
5) Die Müpen-R. (Ph. christata), 8 Fuß lang, ſchwarz mit grauen Fleden, 
mit blafenartig ausdehnbarer Stirn und Naſenhaut beim Männchen, im erethien 
Meere. — 6) Die RüffelsR., der —— u —— 
20 Fuß lang, braun mit kurzem Ruͤſſel beim Maͤnnchen, im zwiſchen 
38 land u an * 7) * B Be R., der Se —— — ), 
uß lang, das Männchen ſchwarz, das en grau, m en, en 
Haaren, um bie Behringoſtraße. Das Fleiſch ber Jungen wird gegeffen, fe 
leben geſellig. — 8) Die Loͤwen⸗R., der Seelöwe (Ph. jubata s. leonine) 
— 50 Buß lang, fucheroth mit feaufer Halsmähne beim Männchen; im il 
en 
—* — franzöftfcher Geſandter bei dem Friebenscon refle Raſtadt, ge 
boren zu Macon 1753 ober 54, ward Anfan 
allein Die Revolution wies ihm eine andere —X an, * er mit jener bereit 
willig vertaufchte. Er ward Mitglied des Nationalconvents unb barauf 
Zeit lange Minifter in Hamburg. Hier verwendete er einen Theil feiner : Su 
auf einen ausführlichen Bericht ber die bafigen muftechaften Armenanftalten, ber 
In bem Recueil de m&moires sur \ea &iaklinsemens d’humanitö, trad. de !’ Allem. 





Robert, 865 


Angl, eto. 1799 abgedrudt if. Seine lebte Beflimmung war bie Unterhanb- 
bed Friedens zu Raftadt. Als dieſe Sendung geenbigt ar, wurde er, fur 
feiner Abreife von Raſtadt, in der Nähe diefer Stabt ben 28. Mai 17 

Det. Im Uebrigen war er ein ſtiller, friebliebender Mann u. gegen Deutſch⸗ 


gefinnt, 

— der Heilige, Stifter des Ciſterzienſerordens, wurde 1024 
e Champagne von edlen u. tugendhaften Eltern geboren, bie ihn zur Wiſſen⸗ 
unb chriſtlichen Froͤmmigkeit führten und ihm ben Wunſch einpflanzten, ſich 
Gott zu weißen. In feinem 15. Jahre verließ er das feiner Eltern 
begab fich in bie Benediktiners Abtei Montierslas elle bei Troyes, wo er 
Bollftommenheit nachfirebte umb durch fchnelle Kortfchritte den Mönchen bald 
Mufter vorleuchtete. Einige Jahre fpäter wählte man ihn zum Abte von 
Michel be Tonerre, welche Gemeinfchaft eines Hauptes beburfte, das ſich 
af verftand, die Zucht wieder Kerzuftellen. Leider machte R. die fchmerzliche 
hrung, nicht bueihgreifen zu koͤnnen und verzweifelte, bie Brüder je zur Ber 
Hung ber Regel bringen zu fönnen. Er verließ das Kloſter und folgte bem 
fieben frommer Einkehle, Die in der Wüftenel Eolan ber Beichaulichleit und 
: lebten, aber ohne Oberhaupt waren. Der Ruf feiner Hohen Tugenden 
te fie, ihm zum Borfteher zu wählen u. es gelang ihnen nach Beſtegung 
: Hinderniffe, ben Heiligen zu gewinnen, ben fie wie einen andern Moſes 
ihmen, ber fie duch Die Wüfte dieſes Lebens in das gelobte Land führen 
. Die Einöde Colan war ungefund, was R. u. feine Gemeinde veranlaßte, 
beſſern Ort zu fuchen. Gie blieben im Walde von Molesme, im Sprengel 
Langres, mo fie Hütten von Zweigen und 1075 ein Bethaus unter Anrufe 
der heil. Dreieinigteit bauten. Bald verbreitete ſich der Ruf ihrer firengen 
: unb heldengleichen Zugenb in der ganzen Gegend und überall ſprach man 
von ihren rührenden Religionsübungen. “Die Herzen wurben beim Anfchauen 
Armuth, bie fo groß war, daß ihnen bie nothwendigſten Lebensbebürfnifie 
n, innig bewegt und viele Leute aus ber Rabbarkhaft ölgten dem ſchoͤnen 
Hele des Biſchofs von Troyes u. wetteiferten im Darreichen von Nahrungs⸗ 
m. Die Almofen floffen bald zu reichlich und es wäre zu wünfchen geweſen, 
Die Mönche im frühern Stande ber Armuth geblieben wären, denn dann 
en fie wohl nie in die Erfchlaffung verfallen feyn, bie den Heil. Abt avanı 
Klofer zu verlaffen. In der Wüftenei von Hanz traf R. auf andere Mönche, 
öchf Inbrünfig und einfach lebten; bei biefen blieb er, lebte von Handarbeit 
weihte den größten Theil feiner Zeit dem Gebete und ber Betrachtung. Die 
ı Mönche Hatten bald mit Bewunderung wahrgenommen, weld Heilig erbaus 
Moͤnch er war und wählten ihn zum Obern, worüber bie Mönche von 
Bme, als fie es erfuhren, außer fidh waren, ſich fchämten, ihn zum Abgange 
ungen zu haben und burch ben ont und ben Bifchof von Langres ben Bes 
an R. auswirkten, wieder nach Molesme zurüdzufehren, wobei fie verfprachen, 
jiger, als früßer, u. feinen Belehrungen sugängiger zu ſeyn. Er folgte, Hatte 
ber bald zu bereuen, benn man hatte ihn bios aus zeitlichen Rüdfichten ges 
ht und mit bee verfprochenen Reform war's Nichts, ba die meiften Mönche 
ner traͤgen Schlaffheit lebten, wenn auch Einzelne ben Heil. Sinn bewahrten. 
50 beflagten ſich Einige darüber baß fie nicht nach ber Regel des Heiligen 
bit lebten, bie doch täglich im Kapitel vorgelefen warb, und forderten laut 
teform, für welche außer ihnen Fein Mönd Sinn hatte. Sie wandten fi) 
thig an Bott und flehten inbrünftig , daß er ihnen feinen Willen fund thun 
te, erbaten fich dann vom Abte die Erlaubniß, Iegend einen einfamen Drt 
nen zu dürfen, wo fle ihren Zweck verfolgen, das Chriſto geweihte Gelübbe 
en und ihre heiligen Regel befolgen könnten. Der Heilige geb nicht nur bie 
abniß, fonbern ſchloß fih fogar an fie an, fuchte mit fee rübern ben Ex 
If Hugo von Lyon, Legaten bes päpftlicden Stukte®, anf, a6 Wem u 
ıbe an, welche ihn bewogen hatten, ba8 Siofter zu verioen tn ii 

iencpclopädie. VIIL W 

















866 Robert, 


Erlaubniß, Moleswme en alte Yufmamnterung zum eblen Were, fı 
J d N Smeit R ibere 
Ba IE Ir Ba STE. De 


von ee an ein Städ Landes urbar machten m 
mit Erlaubniß bes Safe von ke ee Walter, und bes Bir 
von —— len bauten. Dieſe neue Einrichtung geſchah am 
Ri dem 5 je des Heil. Benebitt, u. von biefem Tage batirt ale it 
in! fee s Ordens, — Der artist von Son, ber bem 


= 
L einjah, 
m Mönche shne —E lien Siehe —— Dehehen ri, 
Se 349 ab 2 die ie Ei: we —— une an Bedpe sı br 
niſſe und — ihnen Einkünfte an. er, of von Ghalons erhob bad um 
Klofter zur Abtei u. —— R. als Vorſteher ein. Es konnie nichts Erbaulihut 
geben, als das Leben , wo ſtrenge, faſt nie — Faſten, mm 


538 Schweigen, Handarbeit für mehre Stunden des Tages, vollfummm 
—— genheit, Enti des nothwendigſten lets, jebete, 
Bun ii Bad Körpers zur Unterbrüdung ber Sinne, 
von Gräben Brode ern und — Fre ur 


aeln, für 
eingerichtet war. R. genoß in langen ii en bie Süßigfeit ber Geidet, 
Gottes uns feine reine Seele s in Se g feiner und 
lichen Liebe für und. Dieß töftliche ine nah bem er Hungerte umb bürkk 
——— mem and nic Sa 


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je Ordnung wieder herſtellen und zu ihrem — frommen ieh. 
fe ungeneben, be Dub fie Saut auf En geladen, aber verfprochen, baß ber 
nie Urfache wiel —ã lagen Haben ſoilte. Urban IL trug bie Beilegung 
dinge [egenheit dem — von ae m uf und befahl bemfelben , wenn Bi 

geihan feyn follte, N. nach Molesme zurüdzujenden. Nachbem ber dd 
be jeorbnet, befahl er R. bie — u. dieſer folgte ibn übergab jdn 
Hirtenftab dem Viſchofe von Ehalons, ber ihn ber Verbin 
entband, warb durch ben Bifchof von Langres von Reuem alı 
leitete. bie Gemeinſchaft bis an fein felige® Ende, bas im Fe 10 cu 
Blele Wunder beftätigten feine Heiligkeit, die Honorlus U, öffentlich amerkamk 
Die Kirche feiert fein Andenken am 29. April. 

Robert, Fuͤrſtliche Perſonen biefes Namens. — 1) R.Lr 
von Schottland, aus dem berüßuten Geſchlechte Bruce, vor feiner Sb 
ung ®raf von Cartick, befand fi nach ber völligen Unterwerfung Si 
duch Gouare Lam sofe bes Ufurpators, ber bie a feiner Heinilich 


Krone ve ſprach. Diele verſchworen fih aber und Cumm 
eben ben Abfall in Schottland br als er —X Fe el 
von dem Baräaben Nachricht gab. R., gewarnt, entfloh u. fuchte 
friſchen Schnee dadurch zu verbergen, dag er feinen — j 
vera auffchlug. hr fanmeite nun feine Sreunde zu lief: 
ermorden u. entiwidelte einen volänbigen Aufftand. Zweimal uch en 
fe Aembroite ER u löste er Die Armee auf u. verbarg ſich auf bafe 
den. efen warb feine Gemahlin gefangen, feine 3 Br 
richtet. “ ee in erz zerriſſen, kehrte aber mur um deſo ri 
uud bed ige MG Ar es u. Inverneß u. zwang nach € 1 
duard I. zu — —X— 
obert. Fa: her Sngliter werher er Yurty Nuiisiiar 


Robert -Nobertfon, 867 
au 


Bannodburn 1314 ab 1, die dantbaren Staͤnde trugen mm bie Krone 

e Zeiten auf fein Haus uͤber. Sein Brüder Eduard ward zum Könige von 

mb geſeht u. würde fich bort behauptet haben, hätte er bie feines 

ders befeffen. Während einer" Abweſenheit Rs in Irland, ten die 

länder einen neuen Einfall, wurden aber zurückgewieſen. @erecht, wollte N, 

Anmaßungen ber Großen Schranfen fegen u. erregte: baburch eine 

& ein zufammengerufenes ließ ver die Schuldigen zum Tode vers 

ilen. Eduard I. wollte ſich die hierdurch ——— u 

ven u. brach 1323 in Scpottland ein. R. 409 ih Anfangs fepeinbar. 

g aber dann bie Engländer in ben Ebenen von Byland, Eduard 

1 Waffenftillftand von 13 Jahren. 1329, 100 Eduard IM, auf den Thron 

Amen war, krönte R. fein Werk; er brach in ein —— 

ig / ihn anzuetlennen u. feine Schweſter Sohne D gie 

3 geben. Er ſtarb noch in bemfelben —'2) RI, Herzog von 
ormandie, auh R. der Teufel genannt, jerer Sohn Herzo 

YIL an der Gräfin ih von Br ie, folgte 1027 ſeinem 

dem. berfelbe bie nur wenige hatte, 

ebelliſchen Adel u. vertheidigte Balduin IV; fen u. 

Br —— gegen deſſen Mutter € 


©. Alfteb u. 
Vetter Kanud, befriegte' Ir \ * 
* Lehen ar ade H ———— a kann 
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e BWallfas 





'ahrtete mit ei gen Ge "Rom," dann nad " " 
Au Nitän 1095. Sein rt nach) Rom en h 


hen 
ah Reue ns ———— 

‚nad Rom gep u dort unerlannt gethan Dieſe 
ve 1 sesandelt das Sagenbud) “über MR. bem "Teufel, Lyon = 
6 1497, das Vaudeville N. ber Teufel 1831 11. die neue "Meyerbeer‘ 
gleichem Titel, RE Sohn u. Nachfolger war ber, außer der Ehe mit einer 
jerin von Rouen erzeugte, Wilhelm der Eroberer, 

Robert, Leopold, ausgezeichneter Genremaler, ‘geboren 1797 zu Lachaur 
onds, früher Kupferftecher, widmete fi unter David der Malerei u. lebte 
r in Dürftigfeit zu Nom, wo er ſich mit Vorliebe dem italienifchen Volks⸗ 
zuwandte. Schon die durch poetifche u, erhabene Auffaflung meifterhaften 
älbe, die er 1827, noch mehr aber, die er 1831 zur Pariſer Kunftausftellung 
te, erwarben ihm großen Ruhm u. darunter „die Schnitter in den. pontinifchen 
ipfen“ ben erften Üirei, In Schwermuth nahm er fi) 1835 ſeibſt zu Ber 
tas Leben. Ausgezeichnetes von ihm enthält bie Galerie Lurembourg. 
Nobertfon, William, berühmter englifcher Geſchichtsſchreiber, geboren 
! zu Borthwick, in Edinburgh gebildet, zeichnete ſich bald als Prediger durch 
dtfamfeit u. große Gefchäftsfenntnig fo aus, daß er lange die firchlihe Pos 
Schottland's leitete, Seine „Hist, of Scotland during the Reigns of Queen 
and King James VI.“ (2 Bde, 1759) gewann allgemeinen Beifal und 
baffte ibm bie Stelle eines Töniglichen Kapians (1759), Principals der Unis 
tät Edinburgh (1762) u. eines Töniglichen Hiftoriographen von Schottland 
4). Während er ber Univerfität volle Aufnierkfamfeit ſchenkte u. ber Eng- 
gfeit gegenüber, Berbefferungen einführte, fand er Zeit zur „Hist: of the 
n of the Emperor Charles V.* (3 Bbe., 1769), bie feinen Ruhm im Aus⸗ 
® verbreitete u, zur „Hist, of America* (2: Bbe,, 1772), worin er bie Grau⸗ 
zit der erften fpanifhen Eroberer zu mild beurtheilt haben fol, Sein letztes 
E: „An historical Disquisition concerning Ihe Knowledge which the An- 
ts had of India eto.“ (1790), konnte wegen ber Fritifchen Natur des Gegens 
red u, ber befehränften Hülfsmittel nicht KR gleichem Maaße befriedigen. Er 

1793, Sein Styl ift vein, würbevoll u. Außerft Mar 1. überall ſpricht fh 
seffinn, Quellenftubium ı. umfichtige Benetgeitung aus, Werte, net Au 
Dugald Stewart, m, A, 8-Bde,, Bendon 41840: 


868 Kobeigierre. 


RNobespierre, François Joſeph Marimilien Ifibor, das Haupt 
bes Terrorismus in jener Periode ber franzöfifchen R ion, wo 

feit und Morb bie vorzüglichien Mittel waren, zu regieren, war 1759 zu Arras 
geboren. Da bie Bermögensverhältnifie feiner Familie fehr ſchlimm befchaffen 
waren, erhielt er nur eine aͤrmliche Erziehung unb kam fpäter durch Berwenbung 
bes Bifchofs feiner Vaterſtadt nah Paris in bas College Louis le Brand, 
fudirte die Rechte und warb Advokat, Mitglich und fogar Präfident ber Aladenie 
Arras, wozu ihm einige, als gut anerlannte, literariihe Arbeiter verhalfen. 
ſichtlich feines Eharakter zeigte er fchon fehr frühzeitig einem ungemeinen 
Ehrgeiz, verbunden mit einem arroganten Benehmen. Unangenehme —— 
haͤltniſſe u, bie fruͤhere Bebrängtheit feiner Jugend, gaben feinem re Cha⸗ 
ralter eine gewiſſe Gereiztheit, bie ſpaͤter, als fie ra ungeförter Tonnte, 
in Ueberreizheit überging. An biefen Zügen läßt fich erfennen, warum er bie 
Stellung einnahm, bie ibm ben Ramen bed Hauptes bed Terrorismus ber fram 
zoͤſtſchen Revolution erwarb. Sein Ehrgeiz ftachelte ihn an, vorwärts zu fireben 
unb jebe Gelegenheit zu benügen, um Anſehen zu gewinnen. Darum bot er auf 
Alles auf, um 1789 vom britten Stande als Abgeordneter gewählt zu werben. 
Als ihm Dieb gelungen war, trat er in ber Rationalverfammlung gleich Anfangs 
als einer der Bert Oppofltionsmänner gegen bie Regi auf. Da abe 
feine Zelt noch nicht gefommen war, indem noch fehr viele, Damals anerfannt 
glänzende, Talente in ber Berfammlung fich befanden, fp machte er ſich faum 
rkbar. Er wandte ſich daher in feinem Streben nad einer a 

wo pafeibe Anklang finden mußte. Seine bemagogifchen. Umtriebe im | 
royal, in ben Laffı fern; feine literarifche Thätigfeit für biefen Zweck machten 
ihn bald allgemein befannt, ımd fehten ihn bei Bolföpartei in Achtung. Ju 
ber NRationalverfammlung trug er die Prinzipim zur Schau, die er in feinem 
Berichte mit dem Volle gewonnen hatte. Er machte fede Einwürfe und ſtellte 
bereitö 1791 nad) ber Flucht des Königs ben —I daß derſelbe als Verbre⸗ 
cher an der Nation beſtraft werden mühe Diefer fand zeigt, welche Kluft 
bereits zwiſchen den Wünfchen der Bolfspartei und feinen Bertretern und den 
Gemaͤßigten, bei benen diefer Antrag feinen Anklang fand, vorhanden war. Immer 
auf Seite der Bolfspartci wirkend, fuchte er in allen feinen Bemühungen bas 
Königthum und deſſen gewaltigen Ginflus von Grund aus zu zerflören. Im 
demfelben Maße, als ihm dahin führende Schritte gelangen, ſtieg er auch an An⸗ 
fehen bei der Volkspartei. Darum überhäuften ihn auch feine Anhänger am 13. 
September 1792 mit Lobeserhebungen, als der König bie Verfaſſung befchworen 
hatte, wodurch bie renigliide Gewalt vernichtet war. Diele Momente, wo er bie 
Volksgunſt fo recht erhielt, wußte R. fehr weile u. Flug zu benügen, um feine 
gewaltthätigen Schritte vorzubereiten. Er fchmeichelte deßhalb dem Volke, ſprach 
von Bolftsfouveränetät u. machte aufmerkfam auf Die Gefahren, welche von Geite 
der höheren Stände ber Revolution. drohten und flimmte, um das Anſehen ber 
wichtigften Stimmen zu ſchwaͤchen, für Die Mafregel, daß Witglieber ber conſti⸗ 
tuirenden Berfammlung nicht an der gefeßgebenden sa haben follten. Er ging 
nun auf diefem Wege immer weiter und griff hauptſaͤchlich biejenige Partei an, 
bie feinem Beftreben am meißen im Wege ftand. Diefe war bie Gironde, bie 
damals die Leitung ber öffentlichen Angelegenheiten beherrſchte. Er arbeitete fo- 
wohl in der Rationalverfammlung, als au außerhalb mit Hülfe ber Jakobiner 
und der Tagsliteratur ihren Planen und Befchlüfien entgegen. Go lange er ein 
ad, daß er nicht durchdringen fönne, verhielt er fich klugerweiſe fcheinbar gemäi- 
gt und inbifferent, nur den günfligen Augenblick erwartend, bis er burchareifen 
fonnte. So verhielt er ſich bei den Vorgängen am 20. Suni u. am 12. Auguf 
1792 sang ruhig, bis er einfah, daß die Anacchiften den Gieg bavon getragen 
Batten. fiellte er fih am bie Spige berfelben, fehte bie Errichtung eines 
Gerichtshofes durch, der zunähtt die Rovaliken richten follte u. aus bem fpäte 

Das Revolutionsteibumal vwouche, unh wurke ha Aulnweeruieuna Mes Rational 


Robespierre. 


sonventes don ihnen als Einer ber Erſten gewaͤhlt. Im Convent verhielt et 
omas, ſelbſt bei —* der Repub Bere weil Poͤtion ihm ben — 
Bolfsgunft ſtreitig machte und’ er nur dem Augenblick abwarten 
wich geltend malen fonnte. Dieſer Augenblick trat ein, als Murat u, w 
we öffentlichen Blättern ‘den —— ten, eine Dictatur | einzuführen, und‘ 
2 als den einzigen Mann — der Stelle einnehmen Forinte. Denn 
kam geiff man Pr — — einen ber Freiheit gertgeticen 


ing, ereit er bie Geleg 
Fr a Deine 5 — Emirate un dee 
Ehpeuerung ber ‚Lebensmittel Beſchwerde Polen ae XV. auf's Schaffot 


ee 8 


Ben, indem ex dieſen di bem« ——— ‚en zur ® 
egte. Umſtand, daß er ttof Aa "imgeheuenn Ant ne 
yJab, ben König zu retten, ı deuiet das Sana — 
nit feiner Bastel bereits‘ Der e. Die © — als dB, he) 
nun unterliegen und er arbeitete anf alle un 

ald wie möglich zwi bewirken. Er: ‚te ‚alle, = 

das Ei küd nach Außen, fein eigenes en bei’ dei Ne ne 

onbe bei dem Volke herunter zu — Te ade gl au 
Schilde führte, vorzubereiten, Als er ben! Meran 

er fie in Verbindung mit Marat 9 n.3 at 


: Sectionen die Ausftopung "ber 350 aus dem Convente. 
Beeren derfelben * entfernen; bie übrigen. mußten — 
ber een mi R. ae der — ft. 
— dem Puntte, tra: er bisher geſtrebt Hatte: "Dr Ihm war De 
Iföpartei * Et — enge un —— fie geftü Sei m — F ium nen ‚bie 
au fichern, © dar erhalten, 
bie Opfer: El Die nun a le ——— 
bier als ber Republik — an an fen Ivo) © 
Be gen. Daher die Würgfeenen, bie aller Orten zum Vorſcheine kamen. Er, 
K idee der größten Feinde des Pönigtfums war, mußte nun auch ſtreben, bie 
Anhänger des Koͤnigthums zu vertilgen umd überhaupt alle feine Gegner zu ent 
fernen. Daher wagte er ſich fogar, als bie inneren Feinde der Revolution gefals 
len waren, an bie vorzüglichften Revolutionsmänner: fo an bie Hebertiiten, ja, art 
Danton felber und Andere, mit denen er früher. gemeinfam gewirkt hatte u, bie 
—* nun als Nebenbuhler ſeiner Macht gefähtlid, chienen. ice unberte fols 
‚ec Unglüdtichen mußten ihe Haupt unter die Builfotine legen, damit R. frei u. 
feisftftändig herrſchen konnte. Deffentlich geſchah es aber darum, ‘damit bie Res 
publif von ihren gefährlichften Feinden befreit und von ihren unreinen Elementen 
eſaubert werde. Er heuchelte, ein Werehrer der Tugend zu feyn, das hoͤchſte 
Sorten zu glauben ımd wollte eine theofratifche Verfaſſung einführen und felbft 
ber Berfünder, der Meſſias berfelben werben, ‘Denn er: betrachtete fich als einen 
Erretter ber Menſchen und. ber Religion, dem Atheismus "der Hebertiften gegen⸗ 
über. Zu dieſem Zwede defretirte er im Mat 1794 den Glauben an das Dafeyn 
eines Gottes für nothtwendig und feierte dieſen At im Juni durch ein großes 
Feſt, wobei er felbft feine Rolle ſpielte. Er zeigte Bier feinen Triumph übe feine 
Gegner umd, feftlich Sn Kiel er eine Anrede an bie Franzofen zur Ehre 
bes Höchften Weſens. Allein diefer Triumph, “der ihn Im feinem hoͤchſten Glanze 
zeigte, war auch ber Wendepunkt feiner, Gewaltherrfhaft. In ber Rede, die er 
ielt, ließ er furchtbare Drohungen gegen: feine Feinde fallen; denn ſchon hielt er 
ch für ben Unüberwinblichen und warb übermüthig geworden Als nun am 10. 
Juni zur Durchführung der Drohungen Couthon die Reorgantfation des Revo⸗ 
kutionstribunals tm ‚Eonvente beantragte, fo ging dieſer Antrag. zwar durch, weil 
die Mitglieder eingeſchuchtert waren, allein es zeigte ſich fchon W lichleit, 
Als ſich nun die Blitfeenen in seiner Weife erneuerien, daß alle Mit, 
Eonvents und auch fonft Jedermann füt ſein Leben befort Ken, 


870 Kobinfon. 


R. alle Achtung. Seine Gehülfen waren bie gemeinften Creaturen; Re bil 
feine Leibtrabanten und ſchuͤtzten ihn, indem fie ihn überall Hin begleiteten. Tai 
fonnte andeuten, daß fein Hall nahe war. Die Furcht gab ben Mitglieden w! 
Eonvents den Muth, ſich zu feinem Gturze zu vereinign. Man untergrub ſa 
Anfehen beim Volke, indem man fein edrgeiziges Streben, fein graufames Be, 
fahren in das gehörige Licht fehte und bie Täufchungen und Echäntlidien 
feines Lebens überhaupt aufbedte. R. fuchte dieſen Sturm zu beſchwichtig 
war Anfangs nach feiner Weife rubig, um burch biefe Haltung ben Sturn ie 
toben zu laffen unb unterbefien Mittel zu finden, fein altes ehen wide; 
getoinnen. Als es ihm Zeit fchien, rief er Saint⸗Juſt von einer © k 
der Nordarmee zurüd und wollte nun mit feiner Hülfe den Gonvent von 
Feinden faubern. Er gab vor, es herrſche Parteifucht im Eonvent, Die gehe 
werben muͤſſe, und verlangte barum bie Entfernung verfchiebener WRitglieber, k 
deren Urheber fein, Schon ſchien es, als ob er burchbringen e, we 
Mäßigung Heuchelte. Allein es war ihm nicht gegeben, biefe —— Im 
zu behalten, denn das Lob, das er der Ihätigkeit des Revolutionstri ha 
bete, deutete feine verhaltenen Abſichten an; barum wiberfeßte man ſich fa 
Antrage. Wüthend darüber, wollte er nun durch Aufreizung ber Jakobiner m 
der revolutionären Gemeinde mit Gewalt durchdringen; allein ber Konvent ak 
tete auf ber andern Seite feinem Plane entgegen, ließ Saint⸗Juſt, aldan 
27. Zuni die Rebnerbühne beftieg, nicht mehr zu Worte fommen unb NR. fü 
wurbe, als er reden wollte, mit dem Rufe empfangen: „Nieber mit bem Tun 
nen!” Seine Gewalt war nicht mehr und fogar ein Leben ſchon gefährbe. % 
allgemeinen Tumulte, der in biefer Sigung fatt fand, beantragte man bie Anfig 
gegen ihn. Der Antrag wurbe mit allgemeinem Jubel aufgenommen und tg 
der Ainftvengungen, die R. machte, um ſich zu retten, wurbe feine, Goutbons u 
Saint Jufts Berhaftung befretirt, Der raſche Wechfel der Dinge war m üe 
rafchend, als daß man ihn fogleich Hatte fafien fünnen. Darum wagten dk 

uiffiers nicht, den Verhaftsbefehl zu exefutiren, bis enblich Die Deputirten ſch 

and anlegten. Er wurde in bas Lurembourg gebracht, aber, befreit, im Trinch 
von bem Volke nad) dem Stabthaufe begleitet, denn feine Bartei war noch imm 
mächtig ‚gen ‚ihn zu ſchuͤzen. Darum mußte ber Convent zu gewaltigen Ri 
regeln feine au ht nehmen, um. diefen furchtbaren Feind zu vernichten mi & 

affen gegen ihn anwenden. In biefem Eritifchen Momente ſaß R. auf ka 
Stabthaufe, Plane fchmiebend und PBrofrriptiongliften verfertigend, als Barras = 
Truppen heranrüdte. Die Haufen, bie fidh zu feinem Echuge gefammelt Bala, 
wurben zerfireut und R. verlor, als er fi auch vom Bolfe verlafſen ſah, ie 
Muth. Ein Piftolenfchuß follte feinem Leben ein Ende machen, allein es gdax 
ihm nicht. In feinem Blute fchwimmend wurde er mit feinen Gefährten verheke 
und in den Wohlfahrtönusfchuß gebracht. Am 28. Zuli brachte man ihn in k 
Eonciergerie und führte ihn Abends 6 Uhr von da auf das Schaffot. Wit ie 
endete der Terrorismus u. eine beſſere Wendung der Dinge begann. Mt 
gleich endete auch fein Bruder unter der Guillotine: Hugu in Bon Joſeph 
der Jüngere genannt, ber, weniger ausgezeichnet, blos Durch bem Einup 
tern von ber Stadt Paris in den Convent gewählt worden war. w 
Advofat zu Arras. Die Schwefter beider Brüder, Charlotte R., war 
übereinftimmend mit den PBrincipien ihrer Brüder, erhielt von Napoleon 
fion von 2000 Francs und ift die Verfafferin von Memoiren über 
„Memoires de tous“; fie ftarb 1834 zu Paris. 

Nobinfon, 1) Edward, ein gelehrter amerikaniſcher Theolog 
1794 zu Southington (Connecticut), erft zum Kaufmann befimmet, Au 
und ward 1816 Lehrer am Hamilton » Collöge (Rewyork). Nachdem 
—21 als Landwirth gelebt hatte, ſetzte er feine theologiſchen Gtubien 
fort, lehrte Hier 1823 und überfebte Wahl's „Reuteflamentliche Elavis 
Stuart Wiener’! „Grammatik bes neuteftamentlichen Sprachibioms“, 


823 
MR 


f 


2 # 
5 
art 


1: 


Kobinfonaden — Rocdambean. 87 


Aubirte ex in Paris, gel und Berlin biblifch > orientaliſche Sprachen und Lite 
ratur, gab 1830, zu Andower Profeſſor und Bibliothefar geworden, Buttmanns 
mittlere griechifche rammatit engiiid heraus und gründete die Zeitfchrift: „The 
Biblical Repository.“ In liter Icper Muße beihäftigte ihn 1833-36 in Bor 
Kon die Bearbeitung u neuen griechifch - ‚englifhen örterbuches u. bie Ueber⸗ 
feßung von Geſenius hebräifchem Lexikon; er bereiste 1837—38 Palaͤſtina, ver 
weilte bis 1840 in Berlin und trat feine Stelle als Profeſſor ber biblifchen Li⸗ 
teratur in Rewyork an. Die wichtigen le ber lebten Reife erfchienen als 
„Biblical Researches“ (3 Bde., London 1 Halle 1841). — 2) R., 
Sherefe Adolphine Louiſe, geborene von Salat, gern 1797 zu Halle, 
Gattin des Borigen feit 1828, eine begabte Schriftſtell verfaßte unter bem 
Namen Talvi „Erzählungen“ (Halle 825), vleberfehung ferbifcher Volkslieder“ 
(2te —— Leipzig 1835) 5 „Historical view of the languages“ (1834, 
erlin 1837), den trefflichen, —— —* einer ide 
——e der Stel germanifcher R er Meberf 
ber außereuropaͤiſcher ee eine 1 1840); 3 5" Ynterfufgunnen über bie 
Authentichtät bes Offian“ (ebd. 1840). 

Kobinfonaden nennt man in das Gebiet bes Romans 0) ehörige Eräflungn 
feltfamer Abenteuer zu Lande u. zu Wafler. Den Ramen Robinfon nämlich gab 
ber englifche Schriftftellee Daniel be Foe cf. b.) feiner Erzählung unter dem 
Zitel „das Leben und bie Be en an —88 Erufoe'8” (Dollendet 1719), 
worin bie, während eines vierjährigen Aufenthalts erlebten, Abenteuer bes auf eine 
wuͤſte Inſel ausgeſetzt —* (1705) ſchottiſchen Bootsmannes Aleranber 
Selkirk, in freilich ganz beliebig veränderter Geftalt, gefchiidert wurden. Der 
um eheuere Beifall, den diefe Gattung bes Romans erhielt, veranlaßte nicht nur 

en Meberfegung in alle europälfchen Sprachen, ſondern auch neue Bearbeitim- 
Ph worunter bie von 3. H. Campe für Kinder bie vorzüglichfte it und Rach⸗ 
ahmungen aller Art (für die Tatholifche Jugend bearbeitet von Dr. Ferdinand 
Herbft) gefunden Hat. Eigentlich Hatte Selfirt, über welchen 3. Howel (Theo life 
and adventures of Alex. Selkirk, 2onbon 1828) das Geſchichtliche mittheilt, 
felbft ein Sagebug verfaßt, welches aber von be Zoe unreblicher Weile bes 
nüugt wurde. 

Robot (ein ſlaviſches Wort, ah 9 mit Frohnden) nennt man 

ewiſſe Fa welche herefchaftliche ae ihrer — — in Folge ihres 
—* eitöverhältniffes, in welchem fie v ermöge ihres Grundbefitzes zu der- 
—* ‚zu leiſten haben, wie z. B. die Verrichtung von Botengaͤngen, Don 

ten oder * Fuhren. Nach der Groͤße bes untert nigen A 
HN bie Marliche Zahl der Tage, an 2 welpen der Unterthan ” 
fl, und Ddergeftalt von ben @efegen — 5— hop bie —3 nicht 
mehr, als die Die gef beftimmte, Zahl von R.⸗Tagen fordern b 

Nochambeaun, Jean Baptifte Donabdieu de Bimeur, Graf von, 
boren 1725 zu Bendöme, w oldat und focht unter Broglio enb es 
een 55* in Böhmen, Bayern u. am Rheine, wurbe Hierauf 

utant bes Herzogs von Orleans und bes Grafen Clermont, war bei ben Bes 
(agerungen von Antwerpen und Namur, erhielt nach ber Einnahme bes Iehtern 
Platzes, wo er ſich ir verdient machte, ein SInfanterieregiment als Oberſt und 
wohnte mit ihm ber —2 3. hg und vor Lawfeld bei. 1748 berannte 


er unter Loͤwendal bie ang t, nahm an der Belagerung von ort 
Mahon auf Minorca jeil, © —* Brigadier und Ritter des heiligen 
wig, wohnte ben © bei Minden, Krefeld, Korbach und Kloſter⸗ Sampen 


bei, warb in letzterem fee verwundet u. 1761 Maredel be Camp u. focht 
mit gleichen Dinde in den Shen 1760 — 62. Rad dem Frieden warb er 
Majorgeneral be Infanterie a und 1769 Inſpecteur ber Infanterie. 
Gr eil Hatte ee an * damaligen Umformungen bes Heeres und an ben 
taktiichen Berfuchen. 1780 Generallieutenant geworben, ward ex Is Weniuiun 


872 Rochdale — Rochefort. 


Jahre mit einem frangöfifchen Corps von 6000 Mann nad Amerika gefenbe, 
landete zu Rhodes Island umd bewirkte Hier großentheild die Kapitulation von 
New⸗NYork und bie Entwaffnung ber engliihen Armee u, erhielt vom gongvefie 
zwei eroberte Kanonen mit pafiender Infchrift zum Befchenfe. Nach feiner 
fehr nach. Frankreich warb er zum Ritter aller franzöflfhen Orden und zum 
Gouverneur von Artois, fpäter auch der Picardie ernannt. 1789 Rillte ex einiger: 
maßen bie Unruhen im Elfaß, ließ 1790 ald Kommandeur ber Rorbarmee bie 
Gränzfeftungen in Bertheibigungsftand fegen und ftellte bie drei befefligten Lager 
von Duͤnkirchen, Maubeuge und Sedan auf. Er warb 1791 zum Marſchall von 
ankreich ernannt, nahm aber 1792, ba er mit dem Kriegsminiſter in Streit 
ber ben Operationsplan gefommen war, furz vor Ausbruch ber Beindfeligfeiten, 
feine Entlaff und 309 fich auf feine Güter zurüd, wo er 1804 farb, nad 
dem ihm Napoleon noch zuvor das Kreuz ber Ehrenlegion ertheilt Hatte. 
Nochdale, Stadt in ber englifchen Grafichaft Lancafter, norböflicy bei Man⸗ 
hefter, am Roc, am Fuße ber Bladftone-Edge, Hat über 60,000 Einwohner, 
welche beträchtliche Wolls und Baumwollgeugfabrifation betreiben. Ihren Ber 
fehr förbert ber gleichnamige Kanal, ber im Weſt⸗Riding der Grafſchaft York, 
füblich bei Halifar, im Ealder beginnt und in Manchefter in ben Bridgewater 
Kanal mündet. | 
Roche, (Raja) ein Geſchlecht aus der Gattung der Knorpelſfiſche, mit plattem, 
rautenförmigem Körper, welche im Meere leben und meift eßbar find. Die be 
merfenöwerthen Arten find folgende: 1) Der Nagel⸗R. oder Stein⸗R. (R 
clavata), wird oßne ben 16— 18 Fuß langen Schwanz bis 12 Fuß lang, der 
gense Körper iſt mit Kleinen Stacheln bebedt und auf dem Rüdgrate Hat er eine 
eide nagelförmiger Stacheln; er lebt im atlantifchen Meere und in ber Rorbdier, 
hat in der Jugend ein brauchbares, geichättes Fleiſch und feine Leber gibt vid 
Thran. 2) Der Glatt⸗R., Baum: R. oder Tepel, (R. Batis), wird ofme 
ben Schwanz 4-8 Fuß lang und breit, iſt oben rauf und oßne Dornen, bräun- 
lich mit dumfelgrauen und roͤthlichen Flecken, lebt in den nörblicden europälfchen 
Meeren u. Bat ein fchmadhaftes Fleiſch; die Leber gibt einen weißen Thran und 
bie Haut wird zu Schuhleder benügt. — Im mitteländifhen Meere finden ſich 
no einige R.n-Arten, Zitter-R. genannt, welche eine eleftrifche Kraft befigen. 
Roche⸗Aymon, Antoine Eharles Etienne Paul, Graf von, geboren 
1775, emigrirte zu Anfang ber Revolution, diente Im Condé'ſchen Corps, trat 
fpäter in preußifche Dienfle, warb Hauptmann u. Adjutant bes Bringen Heumich 
von Preußen, machte bie Keldzüge 1806 und 1807 ale Major mit, warb 1809 
Oberſt und bearbeitete das Grerzierreglement für die Reiterei. 1810 wurde er 
SInfpecteur ber leichten Truppen, machte die Keldzüge von 1813 und 1814 unter 
den Preußen mit und avancirte 1814 zum Generalmajor. Nach ber erfien Ro 
ftauration kehrte er wieder nad) Frankreich zurüd und erhielt eine Anftellung als 
Brigadegeneral. 1815 folgte er Ludwig XVIIL nach Gent, befehligte 1823 in bem 
cataloniſchen 2 eine Brigade NReiterei, warb Generallieutenant u. 1832 Pair 
von Frankreich. Man bat von ihm: Introduction ä l’etude de l’art de guerre, 
Weimar 1802—4, A Bde., beutfch, ebd. 1803—5, 4 Bbe.; Des troupes legeres, 
Par. 1817; Manuel du service de la cavalerie legere en campagne, ebb. 1821; 
De la cavalerie, ebb. 1828, 3 Bde. u. m. a. 
Rochefort, befefligte Seeftabt im franzöflfchen Departement Nieder⸗Charente, 
am rechten Ufer ber Eharente, zwei Stunden von bern Mündung, mit 16,000 
Einwohnern, ift einer der brei großen Kriegshaͤfen Frankreichs, welcher, durch fünf 
Forts geſchuͤtzt, zugleich Banbelahafen iſt und befigt alle zur Ausrüflung u. zum 
Unterhalte einer Flotte nöthigen Anftalten, als: große Seemagazine, Schiffewerfte, 
Fabriken in Segeltuch, Tauen, eine Stüdgießerei u. |. w. Die Stabt if Gig 
einer Seepräfectur, hat eine Colloͤge, öffentliche Bibliothek, Geſellſchaft für Literatur, 
Kunſt und Wiſſenſchaft, naturhiftorifches Gabinet und botanifchen Barten, eine 
cirutgiſche Schule, eine mathematiihe Schule u. eine Schule des wechfelfeitigen 


EN | 


- Rochefoncauld — Rochow. " 873 


Unterrichts im Zeichnen, im Sefange und in der Inftrumentalmufit, forwie ein 
Atelier ber Saulptur u. Heinen Modelle, eine Sammlung feltener Art, die Alles 
in fich vereinigt, was auf ben Seebienft Bezug hat. Die Einwohner nähren ſich 
von Fayence- und Zuderfabrifation, Fiſchfang und Handel mit Getreide, Wein, 
Branntwein, Salz, Schiffsproviant und Colonialwaaren. — R. warb 1664 von 
Louis XIV. erbaut. Wegen der nahen Eümpfe ift der Aufenthalt fehr ungefunb. 

Nochefoncauld, |. Larochefoucauld. 

Aochelle, la, große und ſchoͤne, befeſtigte Seeſtadt im franzöſiſchen Departe⸗ 
ment Nieder⸗Charente, an einer kleinen Bucht bes atlantiſchen Oceans, von Salz⸗ 
fümpfen umgeben, welche den Aufenthalt Bier fehr ungefund machen, ift Sit eines 
Biſchofs, Hat ein Colloͤge, eine Schiffahrtsfchule, ein Civil⸗ u. Handelstribunal, 
einen Generalhandelsrath, Handelskammer, Geſellſchaft für Aderbau und Wiſſen⸗ 
ſchaften, ſchoͤn eingerichtete Seebäber, ein Arfenal, öffentliche Bibliothek, botantichen 
Garten, einen buch einen langen Molo geftcherten Hafen u. großartige Schiffe: 
werfte. Die 7000 Einwohner betreiben Fabriken in Glas, Zuder, Fayence, 
Thranſtederei, Salzggewinnung u. unterhalten mehre Mafchinenbaumwerfflätten, neh⸗ 
men lebhaften Antheil am franzöfifchen Kabeljaufange unb treiben Handel mit 
Landesprodukten, Eolonialwaaren und Bauholz aus der Oſtſee. 

Kocefter, John Wilmot, Graf von, einer ber witzigſten englifchen 
Satirendichter, geboren zu Ditchley in Orfordfhire 1647, fam 1654 in das Wadham 
Gollege und ward 1661 Magifter der Künfte. Nachdem er Franfreih u. Italien 
bereist Hatte, sing er an ben Hof Karl's II, warb einer ber zügellofeften und 
ausfchweifendftien Wüftlinge umb farb an ben Folgen feiner Unregelmäßigfeiten 
1680. Er beſaß feltene poetifche Talente und feine Gedichte verrathen viel eigents 

he Energie und Kraft, wobei er aber nur allzuoft ſich und alle Rüdfichten 
des Wohlfandes vergißt. Seine Satire, bie originell Hätte werben Tonnen, 
artete oft im förmliches Pasquill aus, Seine Werke erfchienen zu London 
1732 in vier Auflagen. 

Nochette iR eigentlich eine abgefürzte Albe (ſ. d.), jegt aber ein Ehorrod 
mit Aermeln, und an ben Saumenden mit Spiten verbrämt. Ueber dem R. 
tragen bie Erzbifchöfe, Bifchöfe und die Domherrn auch noch eine Cappa, einfl 
ber Rame einer gemeinen Kleidung, wovon Dufresne fehreibt: Vestis cilicina de 
caprarum pilis, quae in modum carcallae, quam nunc cappam vocamus, perse- 
verat usque in hodie, apud nos est.“ Die Farbe der Cappa ift bie violette ober 
rothe. Sie unterfcheidet fich in die große u. Feine. Erſtere — bie cappa a 
— wird an hohen Feſttagen und bei befonderen Kirchenfeterlichleiten, außerdem 
aber bie leckere getragen. 

Nochlitz, zageh, ein gemuͤthlicher Erzähler und trefflicher Kritiker in 
der Muſik, geboren 1770 zu Leipzig, ſtudirte daſelbſt Theologie, widmete ſich aber 
fpäter gang ber Dichtkunft u. der Muſik. Ex behielt feinen Aufenthalt in Leipzig, 
ward 1809 weimarifcher Hofrath und ftarb, allgemein geachtet, 1842. Seine 
Schriften find anziehend durch Innigkeit des Gemuͤths, gute Charakterzeichnung, 
Menſchenkenntniß und biedere Geſinnung; feine muſikaliſchen Arbeiten find gruͤnd⸗ 
lich und geſchmackvoll. Außer mehren Opern, Luſtſpielen u. dgl. und der Her⸗ 
ausgabe der „Muſikaliſchen Zeitung“ (1798— 1818), „Journal für deutſche Frauen⸗ 
(1805-8), „Selene“ (1807 — 8) u. f. w. ſchrieb er: „Charaktere interefianter 
Menſchen“ (A Thle.); „Kleine Romane uub Erzählungen“ (3 Bde.); „Reue Er⸗ 
zählungen“ (2 Bbe.); „Erzählungen“ (2 Bde); „Yür Zreunde ber Tonfunf“ 
(3 Thle.); „Für ruhige Stunden“ (2 Thle.); „Glycine“ (2 Thle) u. |. w. 

Rochow, Friedrich Eberhard von, Erbherr auf Rekahn, geboren 1734 
zu Berlin, entwidelte fchon frühe die Herrlichfien Geiftesanlagen, und ſchon ale 
Knabe zeigte ex außerordentliche Wißbegierde und Neigung zum Leſen. Rachbem 
er bis ins 13. Jahr von Hofmeiftern erzogen worben war, ftubirte er auf ber 
Ritterafabemie zu Brandenburg und trat im 17. Jahre in Milttairbienfle. Cr 
folgte 1756 ben Fahnen bes Königs in ben 7jährigen Krieg weh Yawaır VA 


\ 


874 Nocky⸗Monntainßs — Rocoen, 


benfelben in ben Schlachten von Lowofls und Prag. Mit einem durch einen 
Schuß gelähmten Arme fam er 1757 in die Winterquatiere zu Leipzig, lernte hier 
Gellert Tennen und ſchloß mit dieſem eine Freundſchaft, die nur ber Tod trennte 
Bald darauf auch an der rechten Hand gelähmt, verließ er die Kriegsbienfte und 
übernahm 1760 bie Berwaltung ber väterlichen Güter. 1772 erhielt er bie halber⸗ 
Rädtifhe Maforpräbende nebſt Prälatur, und 1777 emannte ihn Friedrich IL 
zum Direktor der mittelmärkifchen abeligen Krebitdirection, welches mt ex aber 
nah 2 Jahren nieberlegte. Bon bier an war feine Zeit zwiſchen ben Beſchaͤftig⸗ 
ungen des Landlebens und ben Wifienfchaften getheilt, benen er fich mit bem 
größten Eifer widmete. Bornehmlich aber war er ber Beförberer bes leiblichen 
und geifligen Wohls feiner Unterthanen, bie er als Vater liebte, und bie mora⸗ 
lifche Veredelung bes Landvolfes überhaupt, burch Berbefierung bes Schulunter⸗ 
richte, war das Ziel feiner eifrigften Bemühungen. Er brach in Deutichland ba 
durch die Bahn zum nüglichen Unterrichte ber Lanbleute, daß er beſtimmt anbentete, 
wie und wozu dieſe in ben Lanbfchulen Delehrungen und Unterricht erhalten fol, 
ten und ſuchte vorzüglich auch den Grundſatz geltend zu machen, daß bie Lanb- 
Schullehrer beſſer beloknt und vor Häuslichem Summer und Sorgen ficher gefellt 
werben müßten. Durch die mufterhaften Schulanftalten, bie er feit 1772 auf 
feinen Gütern errichtete und bie von Zeit zu Zelt nach feinen Ideen verbefiert 
wurden, zeigte er praftifch, wie ber Landmann ber Untoifienkeit, ben Ab 

und ber Rohheit entriffen umb zur Achten Humanität geführt werben e. E 
ſelbſt ſchrieb zweckmaͤßige Anmeihungen für Lehrer und vernünftige Lehrbuͤcher für 
Volksichulen, unter denen fein „Kinderfreund“ obenan ſteht, dieß von vielen 100 
äßnlichen Kinberbüchern noch nicht erreichte, viel weniger übertroffene, einzige 
Schulbuch in feiner Art, das in 100,000 Exemplaren überall verbreitet, ins 
Franzoͤſtſche, Holländifche, Dänifche u. andere Sprachen überfebt wurde. —5 
reich wirkten auch ſeine anderen gehaltvollen Schriften: ch eines S 6 
für Finder der Landleute, Berl. 1772, fehr oft aufgelegt und 8 bis 10 mal nad» 
gebrudt, Stoff zum Denken über wichtige Angelegenheiten bed Menfchen, Vraunſch. 
17755 Handbuch in Fatechetifcher Form, Halle 1783, 17895 Katechismus ber 
gefunden Vernunft, Berl, 1786, 3. Aufl. 1806; Berfuch über Armenanfalten, 
ebd. 1789; Berichtigungen, Braunfchw., 2 Berfuche, 17935 Geſchichte meiner 
Säulen, Schleswig 17955 Summarlum ober Menfchenfatehismus, ebb. 1 
u.a. m, Deutfchlanb verfannte überhaupt die Thaͤtigkeit des edlen Mannes u. 
ben Erfolg berfelben nicht. Seine Schriften wurden nicht nur überall gelefen 
und benüßt, fondern man fchidte auch aus fernen a Wr Junge Leute nad) 
Rekahn, um fie dort zum Schulamte vorzubereiten; allenthalben die R.ſche 
abe Zogeahnt ober verbeſſert. Er ſtarb an einer Bruſtwaſſerfucht 1805, 

. re. 


Nody-Monntains, d. h. Felfengebirge, |. Anden. 

Rococo, ein Wort von fehr ungewifier Abflammung, worüber eine Unzahl 
von Hypotheſen vorliegt. Einige leiten e8 von einem Baumeiſter Rocco, ‚Andere 
von Rocaile, womit man altmobifches Muſchelwerk und Gteinverzierungen be 
zeichnete, wieder Andere von einem, von ber neuerungsfüchtigen franzöflfden Ju⸗ 

end wilführlich erfundenen und in die Umgangsiprache eingeſchobenen Worte 
ie das auf Alles angewendet wurde, was ben Stempel bes Geſchmads, ber 

runbfäge u. Gefühle vergangener Zeit an ſich trägt, Dan bezeichnet im e⸗ 
meinen damit Moͤbei⸗ Puh⸗z und Schmuckgegenſtaͤnde aus der Zeit Ludwigs XIV. 
bie neuerlich in Frankreich und Deutfchland wieder Mode wurden. Gebt au 
bie Baufunft Hat man den Ausdrnck angewandt. Man wollte zwar dem R.⸗Bau⸗ 
ſtyl den Renaiffance-Styl aus ber Zeit Fönige Franz I. entgegenflellen, biefem 
einen mehr ernften und regelmäßigen Eharafter beilegen und dadurch eine 
Herrſchafi, befonders im Meublement, über bas bizarre, verzerrte R. 
allein has franzöflfche renaltre und renaissance bezeichnet ein Wiederentſtehen, 
ein WBieberlebendigwerben von einem berrits Dageweſenen, gleichſam Bergefienen 







Rode — Römermonate, 875 


ober Verſchwundenen, und ber style de renaissance wird baher richtiger mit dem 
R.⸗EStyl gleichbedeutend genommen. 

Rode, Ehrifian Bernhard, Director ber koͤnigl. Atabemie ber Fünfte 
zu Berlin, geboren bafelbft 1725, lernte bei Müller von Hermannfladt u. hann 
bei 9. Pesne. Zu Paris befuchte er Banloo und Reſtout, ſtudirte in Rom 
und Benedig, wählte um 1753 Berlin zu feinem beftänbigen Aufenthalt u. farb 
bafelbfd 1797. Er malte in einem großen, edlen und ernfthaften Geſchmacke, und 
feine Sunft war der Tugenb und ber religiöfen Frömmigkeit geweiht, wovon fein 
eigenes Herz vol war. Auch aus ber weltlichen Geſchichte wählte er immer 
nur nr u. fchöne Begebenheiten zu feinem Gegenſtande. Seine Compoſitionen 
find einfach und groP, eine Zeichnung richtig und fein Colorit kraͤftig. Beweiſe 
feiner Talente find z. B. die Dedenftüde ber groben Galerie zu Sanſouci. Er 
radirte auch viele Blätter nach feinen eigenen älben und Kine Hauptvorzüge 
als Supferftecher beftehen in ber Außerften Leichtigkeit, maleriich zu gruppiren u. 
zu beleuchten und die Rabel mit Geil zu führen. 

Rodney, George Brydges, Baron, berühmter englifcher Admiral, ge- 
born 1717, Sohn eines Marineoffiziers, erhielt 1742 ein Schiff u. warb 1749 
Bouvernam von Neufoundland. Im Jahre 1759 bombarbirte er mit Erfolg ale 
Admiral Havre de Grace u. eroberte 1762 mit einer Flotte Martinique Bei 
einer Parlamentswahl ſehte er 1768 fein Bermögen zum großen Theile zum. zog 
fih deßhalb nach Frankreich zurüd, wo ihm bie Trampöfifd) Regierung vergebens 
große Summen zum Eintritte in ihre Dienfte bot. Diefe Weigerung ward bem 
englifchen erften Lorb der Admiralität befannt, ber ihm einen Befehl im Mittels 
meere übertrug. Rachbem er eine bebeutende Zahl fpanifcher Proviantichiffe ges 
nommen, ſchlug er den Admiral Langara 1780 beim Cap Gt. Bincent u. nah 
ihm 5 Linienfhiffe Im Jahre 1781 entriß er ben Holländern bie weſtindiſche 
Inſel St. Euſtachius; aber fein größter Sieg wat am 12. April 1782 über bie 
franzöftfche Flotte unter be Graſſe, indem er 5 alte nahm u, eines verſenkte. 
Die Baronetwürde u. eine Penfion von 2000 Pfb. Sterl. lohnte ihn. Er flarb 
1792. 2eben von Mundy, n. A., London 1836. 

Aöderer, Bierre Louis, geboren 1754 zu Meb, Parlamentsrath bafelbft, 
Mitglied der Rationalverfammlung, mußte fi, als er dem Könige am 10. Auguf 
rieth, bei biefer Berfammlung Zuflucht zu fucdhen, Der ber gen redigirte zu Bunften 
Zubwig’8 XVI. das „Journal de Paris“, warb 1796 Mitglied des Inftituts u. 
Profefior der Rationalölonomie, nad) dem 18. Brumaire durch Napoleon Sena⸗ 
tor, Graf, Finanzminiſter in Neapel unter König Joſeph, 1810 Minifter im 
Herzogthume Berg, von Ludwig XVII. 1822 wieder in bie Pairskammer aufge 
nommen u. von Lubwig Philipp Haug zu Rath gezogen. Er flarb 1835, ald Freund 
eines aufgeflärten Abſolutismus. Als Rationalöfonom fchrieb er unter anderen: 
„De la propriete“, (1830); „L’Esprit de la revolution de 1789“, (1831); 
„Consequences du systöme de cour 6tabli sous Francois 1.“ (1833); «als Hl 
ftorifer die werthvolle Arbeit „Louis XI. et Francois 1.“ (2. Auflage, 2 Bbe., 
Bari Re als Dramatifer die geiftreiihen „Comädies historiques“ (Pas 

8 ‘ 

ARömermonate nannte man im ehemaligen beutfchen Reiche eine Abgabe ber 
Stände an den Kaiſer; fie ſtammte noch aus bem Mittelalter, aus ben damals ges 
woͤhnlichen Römerzügen (f. b.), Behufs ber Krönung zum Kaiſer. 
Reichsſtand war verbunden, den Kaifer Hiebei zu begleiten, ober Mannſchaft zu 
fielen, die diefes that. Später wurde dieſe Begleitung zu Gelb angefhlagn u. 
für jeden Reiter, den ein Reichsſtand zu ſtellen Hatte, monatlich 12 fi., für jeben 
Fußgänger 4 fl. angefebt. Rach der Reichömatrifel von 1521 follte fie 101,996 fl. 
betragen, allein nach Abzug verfähiedener Moderationen und Minderungen, for 
wie Gerisümer, auch des Beitrags ber von Ludwig XIV. Iosgerifienen Länder, 
betrug ein R. nur 88,464 u. fo blieb es bis zum Revolutionstriege. Es 
wurden mn aber in außeror en Fällen mehre R. oT Crank AEAKRTR. 





876 Römerzinszahl— Aömifge Curie, 


Aömerzinszapl, |. Inbiction.: -- 

Nömerzüge heißen bie Reifen, welche die neu gewählten Kaiſer nad) Ita⸗ 
lien machten, um bafelbft als römifche Kalfer vom Papfte anerfannt u. gekrönt 
zu werden, u. zugleich von ben italienifchen Vafallen bie ulbigung zu empfans 
gen. ‚Die Loften, weldhe zur Beftreitung eines ſolchen Zuges 
mußte das beutfche Reich aufammenbringen u. baneben bem Kalfer auch noch 
eine Begleitung ftellen, welche aus den Berwandten bed Kaiſers, Reichögrafen, 
Rittern, Bifchöfen, ferner aus ben von ben Städten gefchidten u. beioldeten 
Refigen, Snappen u. Knechten beftand, wozu ein Aufgebot in bem einzelnen 
Reihsländern erging. Da es Hier die Ehre galt, ben neuen Katfer fo glänzend 
als möglih auftreten zu laſſen, fo wettelferten bie Städte befonders in ber 
Stellung einer großen Begleitung; deshalb fchloffen ſich den Zügen oft auf 
ſolche an, die nicht zum beutichen Reiche gehörten, die aber dem — 
auf irgend eine Weiſe verbindlich waren (ſo die Schweizer an den Roͤmerzug 
Heinrich's VI). Um den Kaiſer ſelbſt war ein Hofſtaat verſammelt, ber aus 
Praͤlaten, Rechtsgelehrten, Hofleuten ıc. gebildet war. Wer aber als Bafall 
nicht Theil nahm am Zuge, warb baburdh feines Lehens verluftig; daſſelbe ges 
ſchah auch mit denen, die in ben italifhen Staaten lehenspflichtig waren u. nicht 
ber Aufforderung folgten, fi vor dem Kaifer zu: ftellen, wenn er über bie 

efommen war u. fein erſtes Hoflager in ben roncalifchen Yelbern auf eihlaga 
alte, Die Sitte, ſolche Züge nah Rom zu unternehmen, fehreibt FH aus 
Mitte des 10. Jahrhunderts her, wo (962) fih Otto IL vom Papſte Johann XI. 
zum römifchen Kaiſer frönen ließ, welche Würde von ba an mit ber beutichen 
Kalferwürde vereinigt blieb u. die Weihe von: ber db des Bapftes nöthig 
machte. Faſt 300 Jahre hatten bie deutſchen Kaiſer folge Züge unternommen; 
alletn ber vielfältige Zwielpalt mit ben Bäpften, bie häufigen Unrußen im Reiche, 
bie großen Koften Hatten allmälig die Sitte einfchlafen laſſen; erſt 1311 unter 
nahm Heinrich VII. wieder einen ſolchen Römerzug, ber allgemeine Theilnahme 
fand, nachdem er von dem Reichstage zu Speyer belondere gebilligt worben war. 
Diefer war vieNeicht ber glänzenbfle, aber auch der letzte. 

Römifche Curie (Curia romana), ift der Titel für ben Inbegriff aller 
Stellen u. Behörden, welche die unmittelbare Umgebung bed PBapftes bilden und 
bie theils Verwaltungs, theils Nechtsfachen zum Gegenſtande ihrer amtlichen This 
tigfeit haben. Auch kann ber Hofftaat des Papftes dazu gerechnet werben, indem 
viele dabei angeftellte Perſonen auch bet den erfteren beſchaͤftigt find. a) Auf bie 
Regierungsgefchäfte beziehen fich folgende Behörden: 1) Die apoftolifche Kanzlei 
zur Nusfertigung ber päpftlichen Bullen u. Erlaſſe über wichtige Angelegenheiten. 
2) Die Datarie (ſ. d.). 3) Die Sefretarie der Breven unter dem Garbinal 

a secretis brevium. Diefe Behörde Hat bie Entwerfung und Ausfertigung ber 
Breven über gewiffe päpftliche Verleihungen, bald ausichließfich , bald mit ber 
Datarie concurirend. Der Garbinal Kat den Ponente oder ben Referenten zu er⸗ 
nennen. Nach gnefaßtem Beſchluſſe wird das Concept von einem ber Sefretaire 
angefertigt, die Reinfchrift vom Cardinale unterfchrieben und mit dem Fifch 
beftegelt. A) Das Staatsfekreteriat, unter dem Earbinalftaatsfefretär. ⸗ 
fen Hand geben erſtlich alle Verhandlungen mit ben fremden Maͤchten, welche ſich 
auf die kirchlichen Angelegenheiten beziehen, zweitens alle Staatsſachen, ſowohl 
auswaͤrtige, als inlaͤndiſche, welche den Kirchenſtaat angehen. Dieſe Stelle iſt 
daher jetzt unbeſtreitbar von der erſten Bedeutung. Unter ihr ſtehen die Nuntien 
u. anderen diplomatiſchen Agenten des Papſtes, ferner bie Legaten in ben Pro⸗ 
vinzen des Kirchenftaats und, zur Erledigung ber Beichäfte, eine angemeflene Uns 
zahl von Gefretairen, auch wirb zumellen ein Biceflantsfetretär, oder für das 
Snnere ein befonderer Carbinalftaatfefretär ernannt. 5) Die päpfllidde Kam⸗ 
mer (Camera Romana) zur Berwaltung der bem paͤpſtlichen Stuhle zuftchenden 
Einfünfte. 6) Eine —E u., nach dem geiftigen Maßſtabe gemeſſen, eis 
gentlich bie wichtigſte Behörbe iR he Wünkientiarie ,. welche die fchiveren, bem 


Momiſche Eurienloatnd Ninahe 877 


te felbf voxbe (tenen, Gewiſſensfaͤlle zu behandeln hat. b) Rech ts 
— a 9 —** er pn Kit ul Di gr s ne 
Se * auf —— Reeurs uͤber dih 
teitsbeſchwerden, — —— u. Aber: bie darauf zu) er 
‚gationen ertennen, ht jept aus einem Garbinalpräfekten, zn 
1, nicht mehr, wie KR fivotirenden Prälaten.an mehren R 
je. über. bie Sache Vortrag polen und dann barüber auch eine 
abgeben, Ein Praͤlat ‚bei: dieſer iſt Auditor, welcher die beim 
bunale eigenen M, — ben oft ſich durchkteuzenden Juris: 
bictionen große — erfordert. Er: Hat aber. auch manche wichtige Vor⸗ 
Bag zu — en, wobon na an bie — apellirt werden kann. 
en; guch der Deten der Rota, der Kanzlei und bie 2 
en * Kammer erfcheinen. Die — der Entſcheidung 
entweder vom Papfte, eigenhändig mit fiat, odet von eine Cardinale, fur Beiſevn 


& hy rd bes — f mit — in praesentia — nen — 
es — worin nam an 
Die Gurke 6 vr de Bern "nahe bes Nase tn. -@9. tan bafer 


ar gi — eine, bei der signature line, verhanbeite, Sache in der 
— racht wird. — ——7—7— 
der Bapft ei — ſeine F — (dazu geben. Dieſe Signatur 
unter ben: unmittelbaren Vorſihe des 
dinaͤlen, worunter kraft ihres Amtes der ber Selretar 
ber: Breven u. der Vorſteher ber. — a, Ya Al de fh aa ae 


bi ‚hält 
Umfrage, entſcheidet aber allein, ‚und: unterfe —— 
dieſe, wie die vorige Signatur Ta pn einen —— —— EIS 
lichen Hofftaate ober ber E, im-weiteren Sinne" gehören 1) Die Cardinales Pa 
latini, namlich : ber, Garbinalftantsfekretär, der Cardinaljefretär ber. Breven u. bev 
Eardinalvorfteher ber Datarie, 2) Die praelati Palatini. Unter dieſen find: ber 
— iordomo, Oberhofmeiſter, der a die Aufficht ‚über die päpftliche Dieners 
a u. Gebäude Hat; der maestro di Camera, Oberft-ammerherr , welcher die 
Ban zur Aubienz einführt; der Sekretär der Memorialien für die dem Papfte 
eingereichten Bittfehriften; ber Aubitor, zur befonderen -Berathung bes Papftes 
über die an ihn gehenden Rechtsſachen ;; der sagrista ‚zur Affifteng bes Papftes, 
wenn er Privatfapelle hält; der magister S, Palatii, » als paͤpftlicher Theologus, 
namentlich. auch für, Die Vüchercenfur, welche Stelle immer aus dem Dominikaner⸗ 
orden befegt wird, Die camerieri segreti, geheimen Kammerherrn, worunter der 
‚eheime Almofenier des Papftes, der Sekretär für) die Correſpondenz mit: ben 
ürften, der Zifferfefretär für die in geheimer. Schrift: abgefaßten Schreiben; der 
Gefandtichaftsfekretär für die Vorftellung der fremden Botſchafter; der Oberſchenk, 
der Oberftallmeifter und. ber Leibmebicus. Die päpftlichen, Hausprälaten; 6.ger 
— — Capellane. 3) Endlich gehoͤren noch bazu eine Reihe untergeordneier Per⸗ 
onen: der Oberfourier, der Oberſtallmeiſter, die 10 Cavaliere der Garde, gemeine‘ 
Sorlane mit dem bloßen Titel Abbati, die Rammerabjutantem, einige Huiſſiers 
.ſ. w. — Was die Gefhichte ber r. C. und beren Berfafiung b Jo findet 
fs fon frühe, dem Umfange der Gefchäfte entſprechend, bei, ber zömifchen Fire 
ein großes Perſonal, worunter der Archidintonus u, der primicerius  notariorum 
hervorragte, Im Mittelalter, wo die Thaͤtigkeit u. bie weit verbreiteten ;Relatio- 
nen bes römiſchen Stuhles ein ungeheueres Geſchaͤfts u. Schreibereiwelen nach 
fih gezogen Hatten, wurden vielfach bie Formen bes Faiferlichen Hofes‘ zum Mu⸗ 
fler genommen. Dabei liefen nun auch mancherlei Mißbraͤuche mit unter u. es 
us über die Habfucht der. Anterbeamten.bei der Anfepung von. Zaren u. Ere⸗ 
Futionsgebühcen . vielfach und mit Recht ngellagt: Dabei dm eh er lie 


878 Noͤmiſch⸗ katholiſche Kirche — Roͤmiſches Hecht. 


Beurtheiler nicht uͤberſehen, daß dieſe Erhebung von Sporteln und Taxen über⸗ 
haupt im bamaligen Verwaltungsſyſtem an bee Tagesor wars; baß es in 
diefer Hinfiht an dem Hofe des Kaiſers u. ber Fürften nicht beffer ausſah; baf 
eine lange Erfahrung bazu ehörte, die Orbnung ber Geſchaͤ durch 
gehirige Gontroie er zu Rellen und daß cs en P ‚, bei der Höße ihrer 

tellung, unmöglid war, in alle Details einzugehen. Uebrigens waren fle, «is 
ande ſichibar wurden, auf bie nöthigen Reformationen in verfchiebenen 
Richtungen bedacht. Diele beginnen ſchon bei Leo X., wurben aber recht Träftig 
erſt von Pins IV. abgefaßt u., wie bie Bullarien zeigen, von Pius V., Sixtus V., 
Paul V., Alexander VIL, Innocenz XI. u. Innocen fortgefeht. Keiner drang 
aber tiefer ein, als Benebift XIV. (t 1758), befien Grunblage feine Rad; 
folger, namentlich auch Leo XIL, Gregor XVL u. der jegt regierende Dep Pius IX 


fortgebaut Haben. 
Admiſch⸗katholiſche Kirche, |. Kirche, katholiſche. 
Römtihe Kunf, |. Italienifhe Kun 
Nomiſ Recht iſt der zubege jener Rechtsnormen, nach welchen 
im roͤmiſchen Staate im Verlaufe feines Beſtehens bie perſoͤnlichen Rechts⸗ 
verhaͤltniſſe geordnet wurden. Sowie Rom anfing, Bedeutung zu gewinnen 
u. fich zu einem Staatscomplexe zu entwickeln, beburfte es G nach bemen 
die perfönlichen Berkältniffe geordnet werben fonnten, Es fuchte fie den griechi⸗ 
—* nachzubilden; bie Grundelemente bes x. R.s find deßhalb griechiſchen Urs 
prungs. Zu dieſen uefpein lichen Fragmenten gehören jene Saͤtze, die im Zwölf 
tafelgefeße enthalten find. Beiträge zu ben Anfange fpärlih gegebenen Grund⸗ 
fügen lieferten die Volks⸗ und Genatsbefchlüffe, um ben weiteren Bebärfniffen 
abzuhelfen. Naͤher entwidelte ſich aber das r. R. durch bie Gerichte ſelbſt. Da ber 
Rormen, nach denen gefprochen werben mußte, nur fehe wenige waren, fo blieb 
e8 den Richtern überlafien, das Necht nach biefen gegebenen, bereitd vorhandenen 
Sägen, in den vorfommenden Fällen weiter zu mobifljiren. Es mußte natärlid) 
Daraus eine Reihe von Anwendungen zum Borfcheine kommen, bie, als eigene 
Entfheidungen, wieder Normen für Anliche Fälle werben fonnten. “Da bie rich⸗ 
tenden Berfonen unter biefen Verhaͤltniſſen felbft das Recht machen mußten, fo 
mußten fie J ihrer moraliſchen Ueberzeugung ſprechen. Sie entwickelten ſo das 
r. R., indem fie von dieſem Standpunkte aus für Recht erflärten, was me 
recht und billig (aequum et justum) ſchien. Eben darin, daß es ſich auf dieſe 
Weife ausbildete, Hat es feinen hohen Wert. Die Stifter heflelben können als 
ausgezeichnete Männer betrachtet werben; fie waren wahre Ph —3 — die das 
Recht fanden, wie es in ſie hinemgelegt war. So entſtand, indem jeder Praͤtor 
bei ſeinem Amtsantritte weitere Entwickelungen aufſtellte, das jus bonorarium. Je 
mehr im Laufe der Zeit der Staat an Bildung erbluͤhte, deſto mehr entwickelte 
fich auch das Recht. Die Rechtsgelehrten dachten tiefer, umfaſſender. Die zu 
ordnenden Beduͤrfniſſe wurden immer mehr; die Fälle, die entſchieden werben 
mußten, nahmen an Zahl zu, die urſpruͤnglichen Saͤtze mußten immer feiner, ge⸗ 
nauer angewendet u. entwickelt werden. Daher jene Maſſe von Saͤtzen, welche 
für Die verſchiedenartigſten Faͤlle bie Regeln ber Entſcheidung gaben. Bei ihrer 
fortwährenden praftifchen Anwendung wurben fie zum eigentlichen Rechtögefeke. 
Da jedoch die wifienichaftliche Bildung noch nicht fo weit gebiehen war, um über 
das ganze Rechtsgebiet die gehörige Meberficht zu gewinnen, fo fTonnten dieſe 
Säge defhalb auch nicht in ein Ganzes verflochten, noch nicht ald Syſtem auf- 
eftellt werben. Den bebeutendften Berfuch machte Juftinlan in der Pandekten⸗ 
ammlung (ſ. b.). Aber von einer fuftematifchen Zufammenflellung kann auch Bier 
nicht bie Rede fen, fo wenig, als in den noch unvollftändigeren Sammlungen ber Ins 
flitutionen, bes Eoderu.ber Rovellen (ſ. dd.). Da fi dieſe Rechtsſaͤtze fo 
natürlich ausgebildet Hatten, fo mußten fie auch gut feyn, weil fie mit bem Leben 
ber Römer auf’8 Genaueſte im Aulammenhang ftanden, aus ihm felber genommen 
waren, In fo ferne mun dieie Werilknife wit \unen ieh Tehens ber Gegenwart 


Römifched Religiondwelen, 879 


übereinftimmen, muͤſſen fie auch jetzt noch für gut erflärt werben. Zu benen, bie 
noch am meiften Anwendung finden können, gehören die bes Privatrechts. Die 
bes Familienrechts können weniger Anwendung finden, weil die Einwirkung bes 
Chriſtenthums umb ber Humanität bie Stellung ber Yamilienglieder zu einander 
geändert hat, Rüdfichtliy der Staatsrechtögrundfäge ift bie Ausbeute gering, 
weil Bier wenig gegeben ift u. die Verhältnifie noch weniger übereinflimmen. Die 
Ausbreitung des r. R.s geichah, fo lange dieſer Staat beftand, durch feine Herr 
ſchaft über alle feine Provinzen, Nachdem aber berfelbe durch auswärtige Voͤlker 
aufgelöst worben war, verſchwand das r. R., weil bie fremden Völfer ihr eigenes 
Recht übten. Erf, als ſich diefe Bölfer in einer ruhlgeren Lage befanden und 
ihre inneren Berhältniffe befier zu ordnen anfingenzs als die Wifienfchaft fich 
wieder zu deigen negamn, warb das Bebürfuiß nach feineren, beſſeren Rechtsregeln 
aut, “Denfelben ‚ wie das Aufleimen und die Ausbilbung, nahm auch bie 
Kecipirung bes r. R.8. Zuerſt fand dieß in Italien, im füblichen Frankreich u., 
da die römifche Kaiſerwuͤrde an bie beutfche Ration fam, auch in Deutfchland 
ftatt. Je weniger Die Bölfer gebilbet waren, befto weniger fand auch das r. R. 
bei ihnen Eingang, fo bei ben nördlichen u. nordoͤſtlichen Voͤlkern Europa’s, wo 
fi dagegen das einheimifche Necht eben deßwegen mehr ausbildet. Das r. R. 
fand von Seite bes Eäriftenthums feinen Widerſtand, weil das roͤmiſche Boll 
ſelbſt damals zu ben chriftlichen Bölfern gehörte. In der fortwährenden Anwen 
dung bei den fremden Bölfern, die es gerne recipirten, weil es fchon entwidelt 
war u, fich fein befieres vorfand, wurde es allmählig ein eingebürgertes, gewiſſer⸗ 
maßen einheimifches Recht. Es findet aber allmälig immer weniger Anwendung, 
je weniger bie perfönlichen Berhältnifie mehr dazu pafien. Daher bas Arlangen 
nach befier pafienden Geſetzbüchern, ein Berlangen, das feinen Grund in bem 
ſchwunge ber mitte bat, N, 
— Religiondwefen. Um ben Urſprung ber Religion ber 
Nömer aufzufinden, muß man auf ihren RationalsUrfprung zurüdgehen. Ohne 
Zweifel waren in Latium fchon lange von Roms Erbauung manche Religions- 
ebräuche u. die Verehrung mancher Gottheiten einheimifch, Deren allmäliger Ent⸗ 
Behung nicht leicht nadauıfpären iſt. Durch bie nachherigen Colonien aus Grie⸗ 
chenland erhielt jene einheimiſche Religion ſehr viel Erweiterung u. Zuſatz; daher 
Die große Verwandtſchaft bes griechiſchen und roͤmiſchen Syſtems ber Goͤtter ſo⸗ 
wohl, als der ihnen gewidmeten Verehrung. In einzelnen Umſtaͤnden ber Reli⸗ 
gionsgefchichte wich zwar bie römifche Sage von der griechiſchen ab, felbft ba, 
wo bie Gottheiten u. ihre Hauptbegebenheiten bie nämlichen waren. Auch nah⸗ 
men bie Römer manche, nicht griechifche, gottesbienftliche Gebräuche, 3. B. bie 
Augurien u. NAufpiden, von ben ihnen benachbarten Etruriern auf u. in bie 
Tem legten Umſtande iſt vornehmlich die Quelle bes in den erfien Jahrhunderten 
Roms fo mächtig herrſchenden MDerglaubend zu fuchen. Die Religion der Römer 
war, gleich der griechiſchen, mit Ihrer Politik innigft verflochten. Manche 
roße Triegerifche Unternefmungen hatten pergleichen Religionshegriffe zur wirt, 
amften Triebfeder u. nicht felten wurben fie ber dDringendfie Antrieb paiclotiiher 
Begeifterung ; benn auch bie Vaterlandsliebe hielt man für Religionspfli azu 
kam das Gepraͤnge ber meiſten Religionsfeierlichfeiten, wodurch die Scheu vor 
den Goͤttern immerfort unterhalten u. die Eindruͤcke dieſer Art immer tiefer und 
wirkſamer wurden. Bei allen irgend wichtigen Handlungen u. Vorfaͤllen glaubte 
man Einfluß u. Verhaͤngniß der Goͤtter. Schon bei der erfien Bründung Roms 
war bie Gründung ber Bolföreligion ein Augenmerk ihres Stiftere, Romulus, 
u. ein Mittel, umter fo verfchlebenen u. zum Sei mißhelligen Voͤlkerſchaften, aus 
welchen er die erften Bewohner feiner Stabt fammelte, Sue u. Eintracht zu bes 
wirken. Noch mehr aber war fie ein Gegenftand ber —— — ſeines Nach⸗ 
folgers Ruma, der als einer ber vornehmſten Stifter vieler roͤmiſchen, zum Theil 
von ben Griechen u. Etruriern entiehnten, Religionsgebräuche anısleken N. Sxae. 
vorgebliche Rüdfprache wit einem hen Wein, ter Air Uri 


Romiſches Religionsweſen. 831 


Bottheiten Hinter ihnen au Servorragten. Dant Fam’ noch ein dritter Altar, 
wmelabris, eine Art von Tiſch, worauf die Opfergabe — und die Eingeweide 
ter Opferthiere bei den ‚picien gelegt wurben. Verſchieden bavon war noch 
ie miensa sacra, worauf zuweilen ben bittern Weihrauch, nicht zu verbrennende 
Dpfer, oder mandherlei Speifen und Früchte geopfert wurden. Mebrigens waren 
lie Altäre zuweilen von Metall, felbt von Golb ober übergolbet , öfter aber aus 
Marmor u. anderen Steinen Kr von weißer Farbe. Sehr zahlreich was 
en bie Prieſter, die größtentheils gewiſſe Colleglen oder gemeinfhaftlihe Orden 
(ülbeten. Diefe wurben meift fchon von den erften Königen are So waren 
ie Luperci, Gurionen, Hatul u. 0, ſchon von Romulus, die Flamines, Veſta⸗ 
innen, Salier, Augurn und Setialen von Numa angeorbnet (f, ‚dd. alle). Waͤh⸗ 
‚end ber Republik entftanden ber Rex’ sacrorum u. die Epulonen, und unter ben 
Baifern kamen noch je andere dazu. Man kann fie über! in 2 Haupt 
laſſen bringen, been erfte bie Priefter aller oberrmehrer Gottheiten, bie zweite 
ie einzelner. Gottheiten in ſich begreift. Den erften Rang hatten bie Oberpries 
ter, pontifices’(f. d.). Die Aug urn (f d.) wurden fon von Romulus in 
iweifelhaften Fällen "aus Etrurien — von Numa aber einem förmlis 
He 
aan. diejenigen SBriefter; deren g e ig ber Eingeweibe ber 
eſchlachteten Opferthiere zur Deutung des Künftigen war, und fie Behen daher 
aich extispices, Epulonen waren Prieſter, bie bei den Odttermahlen, 
dienten u. beren zuerft im Jahre Roms 557 (197 v. Chr. Geburt drei, Herma 
fon Sulla fieben angeorbnet wurden, bie damals septemviri epulones hießen, 
is zulegt Caͤ ſar ihre Anzahl bis auf zehm vermehrte. Bon ih; 
‚ectisternia, d. i. bie Hinftellung, Vefegung und Bedienung ber Tiſche bei den 
Bõttermahlen beforgt, unter denen bas jährliche Mahl 
u Ehren im Capitol anftelfte, das feierlichfte war. Aug bei den feftlichen 
en mußten fie als Auffeher guter Ordnung zugegen feyn. Man nahm gan 
unge Leute, unter 16 Jahren, zu biefem Änite, und boch war es fo anjehnlich, 
aß felbft Lentulus, Caͤſar und Tiber ius es befleideten. Auch fie Hatten, 
leich ben Pontifices, das Vorrecht, eine Praetexta zu image Man muß aber 
on ihnen bie viri epulares unterſcheiden, denn fo hießen nicht die Priefter, ſon⸗ 
een die Gäfte bei ben Göttermahlen. Die Fetialen (f. d.) waren ſchon lange 
or Roms Erbauung bei ben Rutulern und anderen italifhen Völkern üblich. 
Der Opferfönig (rex sacrorum, rex sacriliculus) befleidete eine Wuͤrde, bie 
eft nach der Föniglichen Reglerun aufkam u. eben daher —— ihre Be⸗ 
sennung hatte, weil vorher Die öffentlichen Opferungen, welche er verrichtete, von 
ven Königen felbft, ober doch unter ihrer Aufficht gelgagen, Auch wollte man 
adurch, wie Livius fagt, bewirken, baß bie Würbe eines Königs nicht ganz 
sermißt werben möchte. Diefer Priefter hatte einen ausgejeichneten Rang u. bei 
ven Opfermahlen bie oberfle Stelle, wiewohl feine Gefchäfte micht zahlreich waren, 
onbern vornehmlich nur in ber Oberaufftcht bei öffentlichen und jehr feierlichen 
Dpfern beftanden. Auch mußte er beim Eintritte jedes Monats zugleich mit bem 
?ontifex maximus opfern, das Bolf berufen (populum calare) u. ihm ben Abs 
tand ber Ronen von ben Calenden bes eintretenden Monats befannt machen, 
Bei ben Comitien verrichtete er das große feierliche Opfer, nach welchem er aber 
ogleich vom Forum Hinwegfliehen und verbergen mußte. Seine Frau hieß 
‚egina sacrorum, fie war gleichfalls Priefterin und opferte ber Juno. Die ihm 
rei angewiefene ohmmng hieß ia. Bis auf Theobofius ben Großen wurde 
Hefe Würde in Rom ehalten. Blamines (. d.) hießen allemal ſolche Prie⸗ 
ter, beren Dienft irgend einer einzelnen Gottheit gewibmet war. Die Salier 
|. d.) waren Priefter des Mars Grabivus, Ex alt waren bie Lupe: 
1. d.), Prieſter Ban’s, arfabifchen Urfprungs u. [don von Romulus 
uͤhrt. Galli hießen zu Rom bie Vriefter der Eybele,. ober ber aroßen 
nutter, von bem Fluße Gallus in Phrygien, deſſen Woſſet u 

Bealencpciopäble. VILL 





Romiſches Neligionsivefen. 


Bu Sem Ten iseo Dates aufuhängen. Unter De Ze 
end eine au 
ie wota Hataliia, die man bem Sehne Ber ber —* en. 
—7——— en: Be echt mrdesoie Beibr dar Beam — 
al m e 
— * Sem digen late 
au Lande; ber — * "das Wohl der Kater; die — ae 
mn aehnjährigen ober: Amanaigjährigen: it wi⸗ 
daher vota quinquennalia,decennalia w.'vicennalia 
— —— —— —— auch die —— 
— 


eordneten obrigfeitlichen Perſonen, die dann duumviri templis jeßen. 
Beine —— fie —— bewilligen u. der mu ———— den 

en 0 Weihungsformel dann 
Br dem Taten Sucnle 1 ae, von Opfern, Epielen. u. j + 


t wurde.) Bon nämlicher Art war bie Sonfeatieng me — 
eſen Ausdrud vor der Welhung mehrer 
Statuen, der — der den $ ine wtf. due Die, Selten Hin 
egen war eine andiung ; wenn das Perſonen 
rer Gelübde ——— wieber enlledi nannte man 
ach religiono solvere, Die Ex ſecrat ion war a eines öffent! ge 
der befonbdern Feindes,. "Die Erpiation war eine, — 
hötter angeſtellte, Feierlichteit und das —— iR 
ine en —— 
als beſondere. Von den erſteren waren einige mit 
nz dieſe wurden Jährlich im Februar wiederholt‘ uch 
zuge, oder vor der Abſe einer tte, eine anzuftellen,> 
elche nicht Mufterung, fondern Suͤhnung des er durch Opfer war, D ed or 
von hieß das Verfahren, wenn auf, eine feierliche Meife eine Berfon oder Sache 
er Vernichtung geweiht wurde, Zunaͤchſt wurde fie⸗ angewen det bei belagerten 
stäbten, deren Einnahme nahe bevorftand, Um aber die Schupgötter: einer fols 
ven Stadt nicht gegen die Sieger zu reizen, gefchah zuerſt eine evocatio derſel⸗ 
a, welche darin beftand, daß ein Briefter fie (si deus, si dea est, cui populus 
vitasque est in tutela) mit einer: feit alter Zeit Herfömmlichen Formel, die un 
Barrobius in den Saturnalien (Buch 3, Kap. 9) aufbewahrt Hat, aufforberte, 
nen Ort zu verlaffen und nad) Rom zu fommen, wo fte Tempel und Spiele ers 
alten follten. Bei dieſer Gelegenheit wurden große Opfer u. icien anges 
ellt u. hierauf die Stadt bemBerderben preisgegeben. Diefes Verfahren wurbe 
amentlich bei den Zerftörungen von Karthago u. a eobadhtet. Außerdem 
ab es aber auch eine devotio, welche bei einzelnen Römern felber angewenbet 
urde, indem fich ein Feldherr ober eine andere ‚bedeutende Perſon zur Abivendung 
ner großen, das ganze Land betreffenden, Gefahr freiwillig dem Verderben weihte 
‚ auf eine höchft feierliche Weife für das Ganze den Tod erlitt, wie uns bieß 
e Beifpiele des Curtius im Jahre 398 der Stadt und ber beiden Decier, 
ater u. Sohn, in den Jahren 415 u, 459 darthun; Teßtere geſchahen beſonders 
it ben größten religiöfen Feierlichkeiten, die Livius (8, 9 u. 10, 16) beſchreibt, 
‚ madjten baburch einen gewaltigen Eindrud auf das Volf, Zumeilen war bie) 
evotio aud) eine Strafe einzelner Leute. Die Eidfhwüre der Römer, bie fie für 
Br heilig u. unverbrüchlich ‚hielten, laſſen fich gleichfalls in öffentliche u. ber 
ymbere unterſcheiden. Jene leifteten die obrigfeitlichen Perfonen vor dem Tri⸗ 
mal, oft auch ber ganze Senat, die Feldherrn, die ganze Armee, alle ® » 
ei ber Schagung und jeber einzelne Krieger. Zu dieſen —— vornaͤmlich 
erichtlichen und bie ehelichen Eide. Sie geſchahen gemeinlglich vor den Kenn 
er Götter, die dazu als Zeugen angerufen wurden „um, * K 







894 Roͤmiſche Sprache u. Literatur, 


geopfert. War die Formel dazu vorgefchrieben,, fo Hieß das conceptis verbis 
jurare. Eigentlide Orakel waren zu Rom zwar nicht einheimifch, fondern man 
nahm in wichtigen Borfällen zu den griechiichen, beſonders bem beiphifchen, feine 
Zuflucht; indeß hatte doch ber Aberglaube der Römer auch einige nähere Quellen, 
fih von dem Ausfpruche u. dem Willen ber Götter zu unterrichten. Dahin ges 
hören, außer ben ſchon angeführten Augurien u. Ertifpicten, bie fibyllis 
nifhen Bücher, ober bie vorgeblichen Weiffagungen ber cumaniſchen Si- 
bylle (f. d.). Sehr gewöhnlich waren auch die Looſe (sortes) bei ben Röo⸗ 
mern, um ben Erfolg einer Sache oder einer Unternehmung zu erforfchen. Es 
waren Heine hölzerne Tafeln, worauf gewifle Worte gefchrieben waren, und fie 
wurden in einem Behältniffe im Tempel de Glüdsgättin aufbewahrt. Am 
berüßmteften waren bie Looſe, welche in ben Tempeln Diefer Göttin zu Bränefte 
u, zu Antium befinblidh waren; die zu Caͤre u. Falerii hingegen verſchwan⸗ 
den durch ein vermeintes Wunder. Zuweilen verfertigten ſich au Sirtatperfonen 
dergleichen Looſe zum häuslichen Gebrauche. Die Borfteher und leger dieſer 


Wahrfagungen Hießen sortilegi. 
5 — Sprache und Literatur. — Eigentlich find bie lateiniſche 
und römifche Sprache von einander verfchieben. Jene wurbe in Latium, zwi⸗ 


ſchen der Tiber und dem Liris, bis nach Aufhebung ber Füniglihen Regierun 
in Rom geredet, biefe wurde daſelbſt nach ber gedachten Periode eingeführt un 
man unterfchieb darin, in Anfehung dee Mundarten, ben sermo rusticus, urbanus 
und peregrinus. Die erſte biefer ndarten war auf bem Lande, bie zweite in 
ber Stadt, bie dritte in ben eroberten Provinzen gangbar. — Der Urfprung 
der lateinifhen Sprache laͤßt fih nicht wohl aus irgend einer eins 
zelnen Stammſprache ableiten, weil Italien in ben früheren Zeiten durch fo 
mande Colonien benölfert war. Doch gehört fie, wie bie griechtfche, zu dem gros 
Ben Stamme ber indo⸗germaniſchen Sprachen, deren innige Berwandtfchaft unter 
einander erft feit der genaueren Bekanntſchaft mit dem Sanferit, namentlich durch 
die Bemühnngen Fr. Bopp’s, recht Far geworden if. Der eine Grundbeſtand⸗ 
theil der —8 Sprache war unſteeu die Auſoniſche, als die aͤlteſte Landes⸗ 
ſprache Italiens (die lingua Osca). Mit dieſer vermiſchte ſich die Sprache der, 
theils mit den Griechen von Hauſe aus ſtammverwandten Voͤlker, die nach Ita⸗ 
lien zogen, tpeite der fpäterhin aus Griechenland felbft einwandernden Stämme, 
fo daß die lateiniſche Sprache, namentlich in ihren lerikalifchen Beftanbtheilen, 
eine Mifchfprache zweier urfprünglich ganz getrennten Elemente iſt; baher man 
neben ganz ungriechiſchen Wörtern, 3. B. den Waffennamen telum, arma, hasta, 
gladius, ensis u. v. a. fehr viele, mit griechifchen ganz übereinftimmende, Wörter 
und Flerionsformen findet ; ber Aolifche Dialekt bietet unter ben griechifchen bie 
meiften Dergieichungspunfie mit ber Iateinifchen Sprache dar. ch die Achns 
lichkeit der Schriftzüge beider Voͤlker iſt befannt. Ueber bie eipentüihe Beſchaffen⸗ 
eit und Anzahı ber erſten lateiniſchen Buchſtaben find die Angaben ber älteren 
prachlehre nicht ganz einfimmig, Marius Victorinus nennt folgende: 
A,B,C,D,E,I,K, L,M, N, 0,P, Q0,R, S, T. Unter biefen Schriftzügen ift 
zwar das Q nicht in dem gewöhnlichen griechifchen Alphabet vorhanden, body ents 
ſpricht es dem xonra. Das V, als Vokal und Eonfonant, fam erft fpäter hinzu; 
in jenem Falle brauchte man in älteren Zeiten I und O, in biefem bas aͤoliſche 
Digamma F, woraus hernach ein eigener Buchflabe wurde. Go gehören audh 
H, G, Y und Z unter bie fpäteren lateiniſchen Schriftzüge. — Auch war bie Al 
tere Rechtſchreibung von ber fpäteren fehr verfchieben, um fo mehr, da fie 
von der fo fehr abgeänderten Ausſprache größtentheils abbing. Nicht nur in den 
älteren, fondern auch in ben fpäteren, blühenden Zeiten ihrer Literatur fehrieben bie 
Römer blos mit größeren Buch ita benz benn die Fleineren lateiniſchen Schrifts 
züge find, ebenfo wie die griechifchen, erft feit dem Anfange des mittlern Zeitalters 
bertſchend geworben. Wenn früher Tleinere Schriftzüge (literae minutae) erwähnt 
verben, fo betrifft biefes nur bie kleinere Geſtalt ber großen Buchflaben. Bei 


mn DEEO3 ER u A 3 FD 3 a un 5— — — 


Roömiſche Sprache un, Literatur, 885 


Roͤmern ſelbſt halfen fich bie Schreiber, die Etwas gefchwind auffaffen, ober 
furz am Rande bemerken wollten, durch Abfürzungen (notae), weldye entwe⸗ 
in den Anfangs» oder mehren Hauptbuchftaben der Wörter beflanden und zus 
eilen ganze, oft wiederkehrende Sylben burdy gewifie Zeichen anbeuteten, oder 
auch bucch einzelne , von den Buchſtaben verichiedene, Züge ganze Wörter aus» 
drüdten. Die merfwürbigften Zeichen biefer Art, die auch noch in manchen latei⸗ 
niſchen chriften vorkommen, find bie, deren Erfindung man theils dem Tiro, 
Cicero's Freigelaſſenem, theils dem Annäus Seneca zuichrieb, und deren Benennung 
(notae Tironianae f. d.) daher auch von jenem herruͤhren fol. Schon Bruter 
und Garpentier haben fie gefammelt und zu erklären verfucht. Beide jeboch 
übertrifft an Bollftändigkeit und Gründlichkeit Kopp in feiner Palaeographia 
eritica (Mannheim 1817) deren erſter und zweiter Band bie Tachygraphie ber 
Alten — Gemeiniglich gibt man ber lateinifchen Sprache vier Zeits 
alter, bie auch zugleich fo viele Perioden der römifchen Literatur find (I. u.). 
Die älteſten Denkmäler dieſer Sprache haben wir in ben Ueberreſten 
der fogenannten Befege ber zwölf Tafeln und auf der Inſchrift ber, dem 
C. Dutlius errichteten Columna rostrata. Die lehtere gehört auge zu 
den bisher entdedten aͤlteſten Dentmälern lateiniſcher Schriftzüge, deren Abänderung 
man Überfaupt aus römifchen Infchriften und Münzen am beften kennen lernt. 
Zur Erlernung ber grammatifcyen Regeln der römifchen Sprache, bienen: ber 
Ariſtarchus“ von Gerhard Voſſtus, die „Minerva“ bes Sancius, die Grammatifen 
von Bröber, Wenck, Grotefend, Zumpt, Schneider, Ramshorn, Schu, Bil 
rot u. A., ſodann die Anleitungen zur Bildung bes Styls von Scheller, Bed, 
Srebs, Hand x. Bon den größeren Wörterbüchern machen wir namhaft: bie 
Telauren von Gesner, Forcellini; bie Wörterbücher von Scheller, Freund, Georges 
u. A., die fononymifchen Werke von Döbderlein und Ramehorn und verweifen bes 
u ber weiteren literarifchen Angaben auf das Handbuch ber philologifchen 
cherkunde von Krebs. — Literatur. Naͤchſt den Griechen gebührt den R ös 
mern in ber gelehrten Geſchichte des Altertfums ein ehrenvoller Rang und fic 
nd durch ihre wifjenfchaftlihen Bemühungen und Berdienfte nicht minder merk⸗ 
würdig, als durch die Vorfälle und Veränderungen ihres Staats. Die erften 
Jeiten besfelben waren noch zu Friegerifch und ihr herrfchender Zweck war Damals 
u fehr Eroberung und Berbreitung ihrer Macht, als daß fie den Künften bes 
friedens vorzüglide Mufe und Aufnahme hätten gewähren follen. In der Yolge 
aber gewannen auch fie die Wiſſenſchaften lieb, bildeten ihre Sprache immer mehr 
aus, ahmten bie Schrififteler ter riechen mit glüdlihem Erfolge und eigenen 
Talenten nach und lieferten nun Meifterftüde in der Beredfamteit, Dichtkunſt, 
Geſchichte und Philoſophie. Die lebten Zeiten des Freiſtaats und die Regie: 
rungszeit ber erften Kaifer, befonders Auguft’s, waren die blühendfte ‘Periode 
der römifchen Literatur und Kunſt, die hernach durch Uebermacht der Herrfcher- 
eawalt, des Lurus und ber Sittenverderbniß allmälig in Verfall geriethen. Der 
nfang ber römischen Literatur fällt in den Zeitpunft, wo die Römer, nachdem 
he ihre Eroberungen über Unteritalien und Sicilien ausgebreitet hatten, in nähere 
Bekanntſchaft mit den Griechen kamen. Ein griechiſcher Sklave, Livius Androni- 
us, gab zuerfi im Jahre 240 v. Chr. lateiniiche, aus dem Griechifchen überfegte 
und nachgebildete Trauerfpiele ; feinem Beifpiele folgte C. Naͤvius, der auch ein 
biftorifches Gedicht über den erflen punifchen Krieg fchrieb. Etwas fpäter traten 
tie erften Annaliften auf. Am erften hob fi die Dichtfunft buch Q. Ennius, 
ten Bater der römifchen Poeſte, 239—168 v. Ehr.; er fchrieb Trauerfpiele, Luft: 
ipiele und epifche Gedichte. Seine Zeitgenoffen waren die Komödiendichter Plau⸗ 
tus und Cäcilius Statius. Dieß waren die Früchte eines gelehrten Studiums ber 
griechifchen Literatur, das fi nur auf wenige Römer beihränkte, denn im Al: 
gemeinen erſchien bie Beichäftigung mit den ſchoͤnen Wiſſenſchaften den ernften 
Römern als eine unnüge Tändelei, Mehr Nahrung erhielt das Studium der gries 
Shen Literatur, als Macedonien römifche Provinz wurde und zahlreiche Gries 


ben 
nur 
ber 

w 


886 ARömifhe Sprache u, Literatur, 


chen nach Italien wanderten, Zwar wurden durch einen Senatsbeſchluß, 161 
v. Ghr., die griechiſchen Philofophen und Rhetoren aus der Stabt verwielen, allein 
ber Geſchmack an dem griechtfchen Geiſte war ſchon zu fehr verbreitet, um durch 
folhe Maßregeln verdrängt zu werden. Luclius wurde der Schöpfer der römis 
fyen Satire, Terentius bearbeitete griechiſche Komödien in einer fehr gebildeten 
Sprache und durch Pacuvius und Attius wurde die Tragödie zur Vollendung ges 
bracht. Die Beredſamkeit gebich ohne Widerſtand und kam den fchönen Künften 
bald zuvor. Die Gefchichte wurde zwar bearbeitet, aber nüchtern und troden. — 
Goldenes Zeitalter ber Literatur. Alle früheren u. fpäteren Redner übertraf Cicero, 
der auch in anderen Bädern die Literatur vervollfommte. Er ftellte in feinen 
rhetoriſchen und philoſophiſchen Schriften Funftvolle Mufter des Lehrvortrages auf 
und feine Briefe find das Vollkommenſte, was bie römifche Literatur aufzuwei⸗ 
fen hat. Nächſt ihm verdankt Die Literatur am meiften dem Julius Caͤſar, ber 
nicht nur die Sprache verbefierte und reinigte, fondern ihr auch in feinen 
Schriften über den galliſchen und ben Bürgerkrieg bie höchſte Anmuth und Leich- 
tigfeit gab. Am nächften kommt ihm in dieſer Rüdficht Cornelius Nepos. Ein 
Geſchichtsſchreiber des erflen Ranges war Salluftius. Wenige Früchte dagegen 
trug die Dichtkunſt. Das Lehrgebicht des Lucretius enthält geringe Poeſie und 
gehört mehr der Philofophie an. Nur bie erotifchen Gedichte bes Catullus fefieln 
buch Gefühl und eine gefällige naive Darftellung. Statt der Komödie wurde 
eine neue Gattung bes Drama, die Mimen, vorzüglich durch Publius Syrus 
ausgebildet. Während biefer Zeit hatte in Rom die Zahl der Grammatifer oder 
Gelehrten, größtentHeild Griechen, immer mehr zugenommen, fo daß über 20 ftarf 
befuchte Schulen in ber Stabt waren. ie unterrichteten bie Söhne ber anges 
fehenften Römer und verbreiteten immer mehr das Studium ber griechifchen Lite: 
ratur, Philoſophie und Gelehrſamkeit. Der gelehrtefte Römer war M. Terentius 
Barro, ein Freund des Gicero; ein geſchaͤtzter Alterthumsforſcher Pomponius Ats 
ticus. Anders geftaltete fich die Literatur, feitbem Octavianus Auguſtus ſich ber 

errfhaft bemächtigt Hatte. Die Berebfamkeit wurde aus bem öffentlichen Leben in bie 

chule der Rebefünftler zurüdgebrängt und an ihrer Stelle erhob fich die Dichtkunft. 
Sept gab Virgilius der epifchen und didaktiſchen Poeſte bie Höchfle Vollendung ; Horas 
tius trug in feinen Satiren und Epiſteln heitere Lebensweisheit vor u. führte in 
feinen Oben die Iyrifche Poeſie einz Tibullus ragte in ber Elegie hervor. Propertius 
entfaltetein berfelben Gattung ein vorzügliches Talent zum Würdevollen u. Erhabenen, 
Ovidius glänzte durch außerordentliche Leichtigkeit der Berfification u. blendenden 
fpielenden Wis, obſchon nicht zu verfennen tft, daß bie beiden lebteren Dichter 
an die Stelle wahrer dichteriſcher Empfindung oft rhetoriſche Kunſt fegen. Diefer 
thetorifche Geſchmack wurde nach u. nah auch in ber Gefchichtsfchreibung herr: 
ſchend. Das Beifpiel dazu gab Trogus Pompejus. Dagegen tft Livius ein in Anſeh⸗ 
ung ber Darftellung vollendeter Schhihtefhreider. — a8 filberne Zeitalter, 
bis 138 n. Chr. Mit Auguftus verſchwand ber lebte Schatten der Freiheit u., 
ihres wohlthätigen Einflufies beraubt, ſank die Literatur. Unter ben folgenden 
graufarnen Paitern war es gefährlih, das Talent anders, als zu kriechender 

hmeichelei anzuwenden. Die Liebhaberei an ber Nhetorif wuchs, man haſchte 
nah Wig u. beftrebte fi, in Allem finneeih u. neu zu fern. Die Sprache 
wurde zwar mit vielen neuen Ausbrüden bereichert, aber zu biefem Zwede plüns 
berte man bie Sprache ber Dichter und vermifchte die Gränzen ber Profa und 
Poeſie. Bor allen Anderen trug Seneca dazu bei, den Geſchmack zu verderben; 
mit großen Talenten verband er die Sucht, buch Witz, Antithefen u. geſpitzte 
kurze Säge zu glänzen. Bon biefer rhetorifchen Wuth wurden alle Gattungen 
der Literatur angefledt. Lucanus, ber befte Epifer biefer Zeit, gehört mehr zu 
ben Rednern; daſſelbe gilt von Balerius Flaccus u. Silius Italicus. Die Tras 
gödien des Seneca find deflamatorifche Nebungsftüde, die Satyren bes Perſtus 
raue Zone des firmgfien Stoicismus. Der einzige Gefchichtsfchreiber, ber aus 
diefer Pertobe auf und gelommen iR, Belleius Paterculus, Hat das Verdienſt 


Romiſche Sprache m. Riteratur, 887 


— eines. ide © rg eo tee fammelte 

en fand da— am meiften 
durch fi R — ——— Sentengen FR vorzügliches 
— der halter Beten ed FB 
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In Yatem des 


te Die Bereblſamieit zur. Di 

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Shnuf. Di te. befhr 


Br iſches 
wiſchen u. lyriſchen Poeſie ſeine aͤn — —— 
ken (won nun Eat teodene Lebenobe⸗ 
ber Kalſer, wie bei Suetontus, ober artete in Robrednerei aus, wie bei 
— Das —— Zeitalter, bie — ‚ange des roͤmiſchen Reiche, 
Tin. Chr. Als bie Römer immer * in Verbindung mit ben Barbaren 
n waren, u. ſeitdem bie Provinzialichulen in Kartdago, — — 


u irorum Rom ar mehr ben Mi 
Seen 

um‘ 
— weil die 


Devi 

zeit das —— auch in der Fl Immer 
u. diefe ynitede mit unlateiniſchen Wörtern, Wortformeln u. Con— 
„überlaben. mehr bie —— ſank, deſto mehr wuchs die Zahl 
Schriftſteller immer mehr nöthig hatten, ihre Mutters 
ee aus —— — zu ſtubiren. Durch das Siu⸗ 
hg N en ſich Einige felbft Über ihr Zeitalter, wie befonders 
— der Dichter Claudianus, in geringerem Maße Gellius, ber Ver⸗ 
faffer der attifäpen Nächte u. der Satirifer Apulejus, Die Geſchichtoſchreiber 
dieſes Zeitraumes find: Juſtinus, Aurelius Victor, Eutropius, Ammianus Mar: 
ellinus. Geſchaͤhte Rhetoren, Philoſophen u, Grammatifer, unter denen ſich 
mehte Chriſten befinden, waren: Nonius Marcellus, Munucius Felix, Genforinus, 
Aquila Romanıs, Mamertinus, Arnobius, — Rufinlanus Bictorinus, 
Aelius Donatus, Auſonius, Ronpe us Feftus, Marcianus Capella. In Berfen 
ſchrieben über derfchiebene Gegenftände, meift ohne alles poetifche Talent: Avianus, 
Dlympius Nemefianus, Ealpurnius, Prudentius Clemens, Feflus, Avienus, Rus 
films Numantianus, Petronius Arbiter verfaßte einer Band Satiren, Serenus 
Sammonicus und Plinius Balerianus mebicinifhe Werke, Vibius Sequefter, 
Falins Solinud, Firmicus Maternus, Ampelius ſchrieben über naturgefchichtliche 
enſtaͤnde. Aurelius —e— dat eine Briefſammlung hinterlaſſen u. un- 
ter bem Namen bes —— hlemmers Apicius exiſtirt ein Werk über die 
Kochtung. Nach dieſer Periode m noch bemerfenswerth: Boethius, ein platos 
niſcher Phlloſoyh, um bus Jahr 500; Eafitoborus, Philoſoph, Röctor u. Gram⸗ 
matifer. u. ber Grammatiler Priscianus. ie Sprade wurde nun allmählig vers 
feingt von ben einbrechenden Barbaeifchen Bölfern u. erhielt fich, freilich oft in ents 
axteber GeRalt nur noch in ben Möndelatein). In denjenigen Ländern, wo 
VieRimer geheezfüt ten, iſchte fie ſich mit ben Sprachen der germaniſchen 
aus bieler Verbindung entftanden nad) u. nach bie romaniſchen Spra- 
ber x. ©. wurde für die Wiſſenſchaft durch Gelehrte wieder 
De. ‚feitbem. bie Gelehrten bes Mittelalters bie verfchütteten Quellen ber 

those "latina‘ 


HET 
yr 


Mteratür einigten u. zu Tage förberten. Bol. Fabricius „Biblio- 

“ (1773); Harlep, „Introductio in historiam linguse latinae“ 
—— Derfelbe, „Introductio in notitiam literaturae romanae“; Manſo, 
ehesiihe Gepräge ber roͤmiſchen Literatur“ (1821); Bernhardy, 


888 Roͤſchlanb — Roͤſſelſprung. 


„Beundeiß ne römifchen Literatur”; Bähr, „Geſchichte ber römifchen Literatur“ 
( u. ). 

Roͤſchlaub, Andreas, geboren 1768 zu Lichtenfels bei Bamberg, warb 1797 
Profeſſor ber Medizin zu Bamberg und 2. Arıt am dortigen Krankenhauſe, kam 
von da als Profeſſor nach Landshut u. warb 1824 in ben Ruheſtand verfest. Nach 
Verlegung ber Univerfität von Landshut nad München warb berfelbe als Pros 
fefior der Mebizin an ber dortigen Univerfität reactivirt und ftarb 1835. Ein 
Schüler von Sheling u. Anhänger deſſen naturphilofophifchen Syſtems, fuchte er 
dieſes auf die Mopififation der Brown'ſchen Erregungstheorie (ſ. db. A. Arznei 
funde ©. 731) anzuwenden u. begründete demzufolge fein „Erregungs-Syftem”, 
indem er die qualitative unb materielle Seite des Lebens ber dynamiſchen bes 
Brownianismus beiorbnnete u., ben qualitativen Unterfchied ber en regun als Sen- 
fibilität, SIrritabilität u. Reproduction hervorhebend, Hierauf den Begriff von Ge⸗ 
fundheit u. Krankheit bafirte. Wagner, Trorler, Steffens, Ofen und A. vervoll- 
fommneten fein Syftem noch weiter und ihm gehört ſonach das Urverdienſt an, 
durch die Raturphilofophie den Grund zu einer neuen u. an erfolgreichen Reful- 
taten hoͤchſt fruchtbaren Bearbeitung der Medizin überhaupt und der Krankheits⸗ 
Iehre insbefondere gelegt zu Haben, Seine Schriften find: Ynterfuchungen über 
Bathogenie, Kranff. a. M. 1798 — 1800, 3 Thle., 2. Aufl. 1002 ff.; von den 
Einflüffen der Brown'ſchen Theorie in der praftifchen Heilfunde, Würzb, 1798; 
Magazin zur Bervollfommnung ber theoretiichen und praftifchen Heilkunde, Heft. 
a. M. 1799 — 1808, 10 Bde; Reues Magazin für die kliniſche Medizin, Nürnb. 
1816, 1 Bd.; Lehrbuch der Nofologie, Domberg 1801; erfter Entwurf eines 
Lehrbuchs ber allgemeinen Jatrie u. ihrer Propaͤdeutit, Frankf. a. M. 1804; 
Lehrbuch der befondern Rofologie, SJatreuflologie u. Jatrie ebd. 1807 — 10, 1Bd.; 
Würde u. Wachsthum ber Witienfchaften, Salzburg 1827; John Brown’s Leben, 
überfeht von ihm, ebd. 1807 u, eine Ausgabe von Brown’s fi lien Werfen, 
ebd. 1806 —7, 3 Thle. A. 

Roeskilde, Stadt im bänifchen Stifte Seeland, weftfübweftlih von Kopen⸗ 
Hagen, am füböftlichen Ende des R.-Fiord, ein langer, gegen Süboften gerich- 
teter Bufen, der ſich an ber Oftfeite bes Iſe⸗Fjord von diefem abzweigt, von bem- 
felben durch eine lange Erdzunge geſchieden wirb und auch einige Infeln enthält. 
Die Küften desfelben find buchtenreich und auf der fühlichen ragt eine Halbinfel 
hinein, Die Stadt Hat ein Fönigliches Schloß, bis 1443 Refidenz der Könige 
von Dänemarf, gegenwärtig Sid der Stände für bie Infel, einen prachtvollen 
alten Dom mit 20 Königsgräbern, ein Gymnaſtum, Kräuleinftift und 3000 Ein, 
wohner, welche Induſtrie in Tuch, Baumwolle und Paͤpier treiben. 1658, 
28. Febr., dir Friedensſchluß mit Schweden. 

Aöffeliprung, Heißt im Schachfpiele die Art und Weiſe, ben Röflel ober 
Springer fo zu führen, baß er der Reihe nach alle 64 Felder berührt, ohne auf 
ein und basfelbe Feld zweimal zu kommen. Dieb läßt fich auf verfchiedene Weife, 
am einfachften fo bewerfftelligen. Man benfe ſich zwei Reihen der äußeren Felder von 
dem Quadrate ber 16 inneren abgefondert. Beginnt man nun von einer beliebi- 
gen Außern Ede, fo theilt fi) das ganze Verfahren in zwei gleiche Theile unb 
jeder wieder in A Abfchnitte, indem man abwechſelnd den Springer 12 äußere 
und darauf 4 innere Felder berühren läßt, von dem 33. Sprunge aber an in 
entgegen enter Richtung verfährt, doch die Springfiguren in berfelben Reihen⸗ 
folge befähr bt. So fpringt der Springer in feiner regelmäßigen Bewegung in 
ben beiben äußeren Reihen ringsum in 12 Sprüngen, geht dann auf das erreich- 
bar naͤchſte ber A mittelften Selber bes Innern Vierecks, von ba nach defien Ede 
und von hier in 2 Serüngen nach der enigegengeiehten fo daß er hier ein vers 
ſchobenes Viereck befchreibt, tritt alsbann ie äußerften Felder und bewegt 
fi) wieder in 12 Sprüngen herum, worauf er auf’8 Neue in das innere Ouas 
Drat tritt und um defien Rand ein Quadrat befchreibt. Beim Heraustreten wens 
bet er fi) nun nach ber enigegengefegten Richtung und verfolgt bie Bahn aufs 


MNuothel — Roger. 889 
Neue obigen Weiſe.  gele Abhandlung darüber‘ Hat Euler 
bios “ oa an 
Rothſt ein ober rothe Kreide, Rubrica fabrilis, ein. ‚oder 
—— fettig und abfaͤtbendet 
im Beuer eine huenflere Farbe und größere b 
Eee 
— meiſte in den Handel ; 
J nnd in mehren anderen Deutſch⸗ 














atte, eide einander überein, Land 

eilen. Aber, che es dazu kam, wurde R. eingeladen, bie Eroberun 

Siciliend zu verfuchen, das die Sarazenen feit 200 Jahren befeffen, u. es 

ihm, ſich einen großen Theil diefer Inſel zu unterwerfen. 1070 unterbrach er 
feine Exoberungen dafelbft it. eilte feinem Bruder, welcher Bari in Italien bela- 
jerte, zu Hülfe, nach befien Mebergabe fie ihr fiegreiches Heer vor Palermo 
üheten, welches ſich nach viermonatlicher Belagerung ebenfalls ergab. R. 'erhielt 
hierauf von feinem "Bruder die Inveftitur mit dem Titel eines: Grafen von Si⸗ 
alien w. ſchritt num langfam zur Eroberung des noch übrigen Theils der Inſel 
fort. Rach dem Tode feines Bruders (1085) wurde er Haupt der Normannen 
in Stalien, erweiterte feine Macht bafelbft u. ftarb 1101. — DM R. IL, erfter 
König von Sicilien, Soft des Vorigen, war 8 Jahre alt, als fein Bater 
farb u. fand während feiner Minderjährigkeit unter Vormundſchaft feiner Mutter 
Adelgaid. Kaum mündig, entwidelte er einen feltenen Muth 1. zeigte gläihen 
Ergeiz, wie feine Berwandten. 1120 begann er feine Eroberungen in Galabrien, 
welches während der Unruhen in Sieilien fein Vetter, der Herzog Wilhelm von 
Apufien, fich unterworfen Hatte u, behauptete nach deſſen Tode basfelbe, obſchon 
dee Bapft mit aller Macht fich diefer Anmaſſung entgegen fegte. Bald darauf 
nahm er ben Titel’eines Königs von Sicilien an u. der. Gegenpapft Anakletus, 
befien Bartei er träftig zu unterftügen verfprach, belehnte ihm feierlich mit biefem 
neuen Sönigreiche, indem er ihn 1130 zu Palermo kroͤnte. Durch bie Unters 
werfung von Capua, Amalfi u. Neapel vollendete R. 1131 die Eroberung von 
ganz eritälien und vereinigte fo alle Länder dieſſeits u. jenfeits des Pharus 
unter dem Namen „Königreich beider Sicilien“. Die benachbarten Fürften riefen 
den Kaifer Lothar herbei, ber 1137. mit einem Heere in Neapel einrüdte u. R. 
nach einer en Sqlacht nach Sicllien vertrieb. Aber Faum war Lothar nad) 
Deutſchland SH u. geflorben, als R. eben fo ſchnell feine Staaten wie⸗ 
der eroberte, "wie ex fie verloren Hatte. Der Bapft fah ſich genöthigt, mit ihm 
m untechaubeln u. u. feinen Nachkommen das ee 6 Sicilien, das 

ta pie uns Fuͤrſtenthum Capua als papſtliches Lehen“ zu 


“ 


890 Roggen  Rogniat. 


1146 wandte er feine Waffen gegen ben griechifchen Kaiſer Manuel, bemächtigte 
fh Korfu's, plünderte Kephalonia, nahm Korinth, Athen, Negroponte ıc. ein u. 
fehrte mit reicher Beute nach Sicilien zurüd, wohin er bie Eultur des Maul⸗ 
beerbaumes u. den Seidenbau durch griechiiche Coloniften verpflanzte. Ebenſo 
machte er ſich mehre Städte auf ber Rorbküfte Afrifa’s zinsbar. Er flarb ben 
26. Februar 1154. | 

Roggen, (secale cereale), eine befannte, in und außer Europa, befonbers 
in ben Tälteren nördlichen Ländern Häufig angebaute Getreideart, welche bafelbft 
bie wichtigfte und allgemeinfte Brodfrucht gibt. Das daraus gebadene Brob if, 
wenn auch weniger naͤhrend und etwas ſchwerer zu verbauen, doch fchmadhafter, 
ea fger und fich viel länger frifc erhaltend, als das Weizenbrod. Dabei 1 
der R. im Preiſe beträchtlich wohlfeller, als der Weizen, verlangt feinen fo kraͤf⸗ 
tigen Boden, kommt überhaupt in ben meiften Bobenarten, ſowie in einem fältern 
Klima fort und liefert von allen Getreidearten das meifte und befte Stroh. Man 
unterfcheibet befonders 2 Arten, welche jeboch urfprünglich bie nämliche Pflanze 
find und fi) nur bucch die Gewoͤhnung gebildet haben, nämlich den Winter- 
roggen und Sommerroggen. Der erftere, welcher im Herbſte gefäet und 
im folgenden Sommer geärntet wird, hat größere und bidhülfigere und daher et- 
was weniger mehlreiche Körner, als ber legtere, der im Yrühjahre geſaͤet wirb 
und noch in dem nämlichen Jahre, aber etwas fpäter, als ber Winterroggen, reift. 
Bon beiden Arten gibt e8 mehre Barietäten, bie ſich mehr ober weniger von ein: 
ander unterfcheiden, unter anberen auch ber fogenannte Wechfel- oder Wans 
delroggen, ber ald Winters und als Sommerfrucht gefät werben Tann, Der 
R. ift für viele Länder ein wichtiger Handels⸗ und Ausfuhrartifel, befonders für 
Polen, Rußland, Oſt⸗ und Weftpreußen und bas ganze nörbliche Deutfchland, 
mit Ausnahme ber ‚Halbegegenben, Am meiften wird der gefchäht, den man aus 
einigen Gegenden Rußlands erhält; etwas geringer iſt ber polniſche. “Die ruſ⸗ 
ſtſchen und preußifchen Oftfeehäfen, namentlich Danzig, Königsberg, Memel, Riga, 
Petersburg, fowie auch Archangel, machen davon bedeutende Verfendungen nad) 
Holland, Frankreich, England, Schweden ıc. und auch in Hamburg und Amfters 
dam iſt er Gegenfland eines bebeutenben Handels. 

Iggier harles, ein verdienter belgiſcher Staatsmann, geboren zu Luüͤt⸗ 
tich 1790, wurde nach vollendeten Rechtsſtudien Advokat in feiner Vaterſtadt, 
prakticirte aber nicht, ſondern gruͤndete ein Erziehungsinſtitut. Dabei nahm er 
an mehren politiſchen Vereinen Theil und wußte ſich allmaͤlig großen Einfluß 
zu erwerben. Beim Ausbruche der Septemberrevolution 1820 zog er, wider ſei⸗ 
nen Willen, an bee Spitze eines Haufens von 300 Menſchen und mit 7 Kano⸗ 
nen gegen Brüffel, war aber nicht im Stande, diefe Horde von manderlei Unfug 
zurüchubalten. Am 20. besfelden Monats wurde er Mitglied des Centralvereins 
für die Errichtung einer Volksregierung und noch im gleichen Jahre warb er 
Gouverneur von Antwerpen. Im September 1832 ernannte ihn König Leopold 
sum Minifter des Innern und er erwarb fich in biefer Stellung um ben Staat 

roße Berbienfte, namentlich dadurch, daß er die Anlage von Eiſenbahnen fehr 

Begünftigte, Als er 1834 fein PBortfeuille an Theux de Meylandt abtrat, Fehrte 
er wieder nad Antwerpen auf feinen Poften als Gouverneur zurüd. 1840 
ward er Miniftee ber öffentlichen Arbeiten, trat jeboch 1841 wieder aus 
dem Gabinete. 

Nogniat, Joſeph, Vicomte de, geboren zu Vienne 1776, trat 1794 in 
die Schule bes Geniecorps zu Meb, kam fobann als Offizier in die Armee, zeich- 
nete fi) bei Mößfich aus und wurbe 1800 Bataillonschef. Bon 1805—1807 
wohnte er unter Moreau den Feldzügen am Rheine und ber Belagerung von 
Danzig bei u. wurde als Oberfi nach Spanien geſchickt, wo er ſich bei Saragofia 
auszeichnete. Rachdem er 1809 zum Brigadegeneral avancirt war, wurde er von 
Kapoleon an ber Donau zu Recognoscirungen verwendet, nach bem Wiener Fries 
Den aber wieber nach Spanien gelandt, wo ex 1810 Antheil an der Belngerung 


eo 


Mohan ⸗ Rolaud. 
— md“ 1813 An 
ee und. Valencia — übernahm * Gene⸗ 


sin 





sE® 


deſſen Haupt, © Vietor, Herzog von und‘ 
J ‚Feldmarfpalientenant, geboren’ 1766, in Böhmen 
ar —— reſiditt — 2) R.⸗Roche fort md Mon- 
tauban, deſſen männliche Sproſſen, die Vrinzen EamtIle (geboren 1801) und 
Benjamin (geboren 1804), 1833 von R.⸗Gusmense zu Adoptiverben erklärt 
wurden. — Befonders führen wir noch an: Henri, Herzog von Ri, Prinz von 
Loon, Haupt ber proteftantifchen Partei umter Ludwig XIIL, war 1579 zu Blein 
in der Bretagne geboren, werrichtete feine erften Waffenthaten unter Heinrich II., 
der ihn aboptirt Hatte und dem er, ohne die Geburt Lubwigs XI, nachgefolgt 
wäre. Nach dem Tode Heinrichs IV, unternahm er den Kampf mit bem Sek 
und beſtand drei Kriege mit Ludwig XII. Der erfte endete 1622 durch einen 
Friedensſchluß, welcher das Edift von Nantes beftätigte, aber bald verlegt wurde; 
den zweiten enbigte ber Friebe von 1626; tm dritten zwang er ben Hof 1629, 
das Editt von Nantes wieder Herzuftellen. Später unterhandelte er mit ber 
Pforte um den Kauf der Inſel Eypern, Sefehtipte die Benetianer gegen die Kai⸗ 
ferlichen, die Franzoſen in Graubündten und ging, als er bieß, um feine Freiheit 
von den Graubindinern zu erhalten, zu raͤumen verfprach und fich fo Richelieu's 
Untoiffen zuzog, zu Bernhard von Weimar 1638, Noch in demfelben Jahre farb 
win — von Wunden, die er bei Rheinfelden empfangen Hatte. Seine Mes 
moiren CPBar; 1630) und Schriften über Kriegsfunft „Le parfait capitaine“ 
(1636); „Mömoires et leitres sur la guerre de la Valteline“ (3 Bbe., 1758) 
find wichtig. — Ueber den, durch feine fatalle Stellung in der berüchtigten Hals⸗ 
bandgeſchichte befannten, Cardinal Louis Rens Ghuard, Prinzen von R;, 
geboren Aue Pr 1803, ſ. d. A. La mot he. 
Zu R 
Roland (Ruland, ital. Orlando), war nach den Ritterfagen bes Mittels 
alter u, hauptſachlich nach Turpin's fabelhaften Erzählungen einer der Palabine 
Karls des Großen, angeblih Graf von Maine u. Sohn von Karls des Großen 
Schwefter Bertha in von Milo de Angleris. Bon feinen Kämpfen mit den Sas 
ragenen, von 1 riefigen Größe, von feinem Schwerte Durenda, das einen 
Rarmorftein durchhleb, ohne ſchartig zu werben, von feinem Horne Dlivant, von 





892 Roland — Rolaudslied. 


ſeinem Kampfe mit dem ſyriſchen Rieſen Ferracutus, aus Goliaths Geſchlechte, 
den er, obſchon er nur an einer Stelle (dem Nabel) verwundbar war, nachdem 
er Vieles gegen ihn über die chriftliche Religion gefprochen Hatte, doch töbtete u. 
ſ. w., ift in den Ritterbüchern viel die Rebe. Endlich foll er 809 bei Kührung 
des Rachtruppes durch das Thal Ronceval in den pyrenaͤiſchen Gebirgen von ben 
Gebirgsbewohnern erſchlagen worben ſeyn. R. ift der Held zahlreicher Dichtungen 
u. ſchon bie älteften, beſonders franzoͤſiſchen, Dichter laſſen ihn auf mannigfahe 
Weiſe ftecben. Am berühmteften if ber Orlando furioso des Arioft (1. d.). Wahr 
ſcheint an der Sage Nichts zu ſeyn, ald daß Karl ber Große wirklich einen Heer⸗ 
führer Rutland Hatte, deſſen ſchon Eginharb erwähnt. 

Aolaud de Ia PBlatiere, 1) Jean Marie, franzöflfcher Staatsmann, ges 
boren 1732 zu .Billefrandhe, warb von ber Stadt Lyon, wo er Generalinfpeftor 
bee Manufakturen war, zu der conftituirenden Verſammlung gefendet, um ihr die 
nebrüdte Lage der Lyoner Inbuftrie zu ſchildern (1791). Durch Briſſot's Ein- 
fluß zum Minifter des Innern ernannt, ſchied er fhon nach wenigen Monaten aus, 
erhielt es jedoch nach Abichaffung ber Königsmörber wieder, bis er, nebft den 
ubrigen Girondiſten, geächtet wurde. Er flüchtete u. töbtete ſich auf der Landfirafie 
bei Rouen, als er die Hinrichtung feines Weibes erfuhr, 1793. R. war fireng 
rechtlich und voll Befähigung; er felbft verfaßte ein „Dictionnaire des Arts et 
Manufactures“ u, „Lettres öcrites de Suisse, d’Italie, de Sicile et de Malte, en 
1776— 77", (6 Bde.) ; an feinen politifchen Schriften Hatte feine Gattin (f. d. 
folgenden Artikel) weſentlichen Antheil. — 2) R. Manon Jeanne Philip; 
pon, Gattin des Borigen, geboren 1754 in Paris, genoß eine ausgezeichnete 
Erziehung, wodurch ihre Talente für Künfte u. Wiſſenſchaften fich glänzend ent- 
widelten, zugleich war fie mit einem reigenden Aeußeren begabt. Das Stubium 
ber Alten, die Lectüre Rouſſeaus u. a, machten fie bem Republifanismus geneigt. 
Nachdem fie mehre Anträge zurüdgewielen , verheirathete fie fih 1770 mit R. 
Sie machte mit ihm Reifen in die Schweiz, nach England u. f. w. und wurbe 
dadurch immer mehr zur Politik Hingezogen. Als ihr Gemahl 1791 Minifter des 
Innern wurde, unterflügte fie ihn auf's Eifrigfte in feinen Arbeiten. In ihrem 
Haufe fanden wöchentlih Zufammenfünfte von Gelehrten u. Staatsmännern, bes 
fonders der Gtrondiften, ſtatt. Als der Berg triumpäirte, floh ihre Batte nach 
Rouen, Ihr Zurüdbleiben brachte fie zuerft um bie Freiheit und endlich auf Die 
Guillotine, wo fle, muthig bis zum lebten Augenblid, am 9. Nov. 1793 ihr Les 
ben aushauchte. Ihre 1795 einzeln, 1799 gefammelt erfchienenen Schriften find 
volftändiger Herausgegeben worden, als: Meömoires de Madame Roland, avec 
une nolice sur sa vie, par Berville et Barriäre, Paris 1820. 

Rolandslied ift der Rame eines vom „Bfaffen Konrad“ zwiſchen 1173 
— 77 verfaßten altbeutfchen Gedichtes, das den Sugenfreis Karls des Großen in 
ber beutfchen Poeſie vertritt. Der Urfprung ber Rolandsfage, die auf franzöfl- 
ſchem Boden entfprofien iſt, dann als fruchtbarer poetifcher Stoff in Italien, 
England, Spanien u. Island bearbeitet wurde, beruft auf einem Hiftorifchen Ers 
eigniffe der I. 777 — 778, das Eginhard erzählt: es fei im Jahre 777 eine Ge⸗ 
ſandtſchaft des Statthalter von Caesaris Augusta Liegt Saragoffa) nach Pader⸗ 
born zu König Karl dem Großen gefommen, ihn um Hilfe gegen den Emir Abs 
derrahman zu bitten; Karl fei im folgenden Jahre nad) Spanten gezogen, aber 
alsbald nad) ber Eroberung von Saragoffa duch einen neuen Aufftand ber Sachs 
fen zurüdgerufen worden; auf biefem Rüdwege Habe das Heer bei Ronceval 
durch den Weberfall eines Bergvolkes einen nicht ganz umbebeutenden Berluft er⸗ 
litten u. babei fei denn Karls Liebling, der Held Roland, gefallen. — Karl er: 
ſcheint in dem Gedichte als ber mächtige Schüber der Chriſtenheit, fein Kampf 
mit den Mauren in Spanien als ein Kampf bes Chriſtenthums mit bem Heiden, 
thum, fein Sieg als ber Steg ber chriftlichen Kirche über den Unglauben u. fo 
iR (jagt Billmar) ber Tod Roland’s im Thale zu Ronceval ein Abbild ber zeitlich 

unterliegenben unb Dennoch in ewiger Herrlichkeit triumphirenden Gemeinde ber 





af ihn I cn he ee ſo wird ſie eine ber - 
e, auch Kloben-R. genannt. Eine ſolche Rift ein einarmiger Hebel, 
been Drehpunft ein Punkt der Peripherie Me fie auch bei ſtaitfindender 
—— ihren Ort im Raume veraͤndert. Die Laft iſt um ben Radius, die 
Kraft aber um dem Durchmeffer vom Drehpunlte entfernt; das Gleichgewicht er⸗ 
— mithin eine Kraft, welche bie Hälfte bee Laſt/ wozu das Gewicht der N. 
nit, gehürt, beträgt u. man fagt: durch die bewegliche R. erfpart man die Hälfte 
aft. Die Verbindungen von beweglichen u. umbeweglichen R.n werden 
Hafgenüge €. d) genannt, — 2) Im Schaufpielwefen ein beftimmter 
Zeil der dramatiſchen blu welchen ein Schaufpieler auf der Bühne aus⸗ 
führen hat, oder auch der’ fchriftliche Auszug dieſes Theils aus dem Werke bes 
tramatif Dichters, welchen ber SHaufpieler überdenfen u. memoriren muß, 
damit ſolcher dem Charakter u. der Handlung gemäß mit Sicherheit u. ohne 
Störung. vorgetragen werden kann. Die Belornung diefes fehriftlichen Auszuges, 
das fogenannte Ru⸗Schreiben, ift die erfte Einleitung. zur theatraliſchen Dar- 
—— u. fo viele Perſonen in einem Drama erſcheinen, eben fo viele R.n find 
vorhanden. — Im der. ausgefchriebenen N. werden num nicht allein die legten 

Worte (Stihworte genannt) verzeichnet, welche. ber vorhergehende Schaufpieler 
zu fprechen,, fon! genau auch alle: jene Bemerkungen aufgenommen, die ber 
Dichter in Beziehung auf mimiſches Spiel und was ihm fonf zur aͤußern Cha⸗ 
ratteriſtrung ziwecdienlih geſchienen, vorgeſchrieben hat. Der Rin⸗Ausſchreibung 
folgt fobann bie RnsBertheilun u. nad) berfelben beginnen die Proben, 
unter welchen bie Lefeprobe bie erfe u. vielleicht bie wichtige tft. Zur fer⸗ 
neren Vorbereitung einer guten, ber Dichtung entfprechenden, Aufführung kann 
neiie an —* Uinfland beitragen, ‘wenn nad beendigter Lefeprobe eine 
9 über das dramatische Werk felbft und über bad Berhältniß 

w he Sande erfolgt. 

—— Georg, geboren zu Bernau in der Mittelmark 1542, ward, 

1573 Rektor der Domſchule zu Magdeburg, neben: welchem 


394 Rollin Rom. 


Amte er auch eine Stiftöpredigerftelle, Anfangs zu St. Sebaflian, nachher zu 
St. Nicolai verwaltete; er flarb 1609. R. war für feine Zeit ein wahrer Poly⸗ 
hiſtor u. ſchrieb, außer verfchiebenen Luftfpielen, fatirifchen u. anderen Gedichten, 
bie berühmte Kabelepopoe: Der Srofchmeufeler, in 3 Büchern, Magdeburg 1595, 
1596, 1600, 1608, Sranffurt 1633; neuefte Ausgabe von Schwab, Tübingen 
18175 eine Nachbilhdung von Stengel unter dem Titel: der neue Srofchmeufeler 
u. ein Auszug von Lappe, Stralfund 1816, Es herrſcht in diefem Werfe, worin 
R. alle feine theologifche, moraliſche u. politifche Weisheit zufammengetragen, u. 
worin er unter bem Bilde ber Thiere die Handlungen ber Menfchen befungen 
hat, ungemeiner Reichthum, fowohl an moralifchen Eharafteren u. Sprüchen, als 
auch an Bildern, Gemaͤlden u. Dichtungen, 

RNollin, EHarles, Rector ber Univerfität zu Paris, geboren bafelbft 
30. Januar 1661, fiudirte im Coll&ge du Plessis mit ausgezeichnetem Erfolge 
Philoſophie u. Humaniora, legte fih dann einige Jahre auf bie Theologie, 
wurde 1683 Profefior der Rhetorit an dem Collegium, dem er feine Bildung 
verbantte, 1694 Rektor ber Univerfität Paris, in ber Solge Coadjutor des 
Collöge de Beauvais, legte 1712 biefes Amt nieder, wurbe 1720 noch einmal 
sum Rektor ber Univerfität erwählt, lebte dann in Muße ben Wiſſenſchaften u. 
ſtarb 1741. Seine Verdienſte, namentlich als Gefchichtsfchreiber, beftehen in einem 
correften Styl, in einer fließenden Erzählung u. in einer philofophifchen Behand⸗ 

lung bee Geſchichte. Nur tadelt man, daß er feine, an fich vortrefflidhen, moras 
lifdjen Betrachtungen zu fehr gehäuf u, ihnen nicht die Rundung u, Würze zu 

eben un habe, wodurch ſolche Digreffionen bei den griechiſchen u. römifchen 
Sikorifern o ſehr gefallen, Kritifcher Gefchichtsforfcher iſt R. nicht, Er beob⸗ 
achtet bie Chronologie nicht genau u. erlaubt ſich manche Unrichtigkeiten in ben 
hiſtoriſchen Details, befonders in der römifchen Gefchichte. Unter "einen Schrif⸗ 
ten ſchaͤgt man vornaͤmlich: Histoire ancienne des Aegyptiens etc., Amſterdam 
1730—1739, 3 Bde. (deutfch, Dresd. 1783, 13 Thle, Berlin 1763, 13 Thle.); 
Histoire romaine, Amſterdam 1739 — 1749, 16 Bde., von Crenier u. A. fort- 
geſetzt u. 1746 deutſch; Traitö de la maniere d’enseigner et d’etudier les 
beiles leitres par rapport & l’esprit et au coeur, Paris 1728— 1740, 4 Bde., 
beutfch von Schwabe, Leipzig 1750, 4 Thle., neue Aufl., ebd. 17705 Oeuvres, 
Paris 1740, 16 Bde; 30 Bde., Paris 1828. 

Rollſchuß nennt man einen Schuß mit voller Felblabung , bei welchem das 
Ziel erſt nach mehren flachen Sprüngen erreicht wird. Damit nun diefe Schüffe 
ihre raſiren de Denreigung erreihen u. auch treffen, fo muß das Terrain 
ziemlich eben, ober, wäre ed wellenförmig,, fo müßten bie verfchiedenen Wellen 
flach ſeyn. Die Entfernungen follen nicht zu bedeutend, indeß auch nicht zu ge- 
ring feyn, u. die Erfahrung Hat gezeigt, daß bie ſchicklichſten Entfernungen für 
bie Anwendung des R.s, wenn man mit 4 Tugelfchwerer Ladung feuert, —* den 
6 Pfuͤnder von 1100 — 2000, für ben 12 Pfuͤnder 1300 — 2500 Schritte 
jeien. Die Bifiewinkel werben hHiebei 1° oder 12° nicht überfleigen. Bei dem 
R.e fliegt die Kugel zuerft auf die Kerns ober Viſirſchußweite, auf welche das 
Rohr gerichtet wird, fehlägt dann das erfle Mal auf u. macht, nach ber Bes 
chaffenheit des Bodens, 3, 4 — 6 oder noch mehre Sprünge u, erreicht endlich 
be Ziel Es iſt natürlih, daß die folgenden Sprünge mit ben vorhergehenden 
nicht gleiche Weite haben u. c8 wird im Allgemeinen angenommen, baß bie fol- 
gen bie Hälfte der vorhergehenden betragen. Die Entfernungen der Aufichläge 
site ben verſchiedenen Kalibern, Ladungen und Erhöhungen bes Rohres 
verfchieben. 

Rom (Roma), ift unftreitig die merfwürbigfte Stabt ber ganzen Welt. Sie 
war von der Borfehung dazu beſtimmt, Morgens u. Abendland unter ihre Herr⸗ 
haft zu bringen, bamit fie ber Mittelpumft des Chriftenthums werde u. von 
dr aus, an deren Regiment bie ganze Welt gewöhnt war, nun auch der Glaube 

an ben wahren Bott ausgehen u, ſie bie Hauptſtadt ber Welt dem Geiſte nad 


 öflers bie Stabt mit feinem träben, | 


Nom. 


werben: | ö — durch das Schwert Sie in 
Brief a oa ar ee 
R. in eine u. weftl er ns mr 
auf ber Oftfeite des Blufes, auf zehn — ſieben 


Berge, der Janiculus üblich) am kuffe, U nieht der — ——— 
Strome entfeint. Auf der te, unte des Janiculus, erhob ſich ber 
a inte , von biefem der Palatinıs. — 
— — ergen das Thal das Forum Romanum. Gegen 
— dem Eapitolinus lag der Martius, ° DOeftlich vom Palatis 
nus 309 ſich ber Colius, u. Quirinalis bin, am * 
Free ber Collis Hortulorum, weldyer, 
Bar Ban et Beet Mn ei 
King Rs tom, mie bei len n 
Be 
n En ar wurde, läßt 
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1 1, ſondern auch. mit 
er, welche wohl bie 





eng angefchlofien waren u. aus angenommenen" Fremden, reis 

nen u. dgl. Glauben. Durch) bie —— mit einer ſabiniſchen Nies 
derfaffung unter dem Könige Titus Tatius wurde R, aus zwei Völfern zuſam⸗ 
mengefegt, ben Römern u. Duiriten, zu benen noch ganz bald eine etrusciſche 
Anl — fließ, die nun zuſammen die Tribus der Ramnes, ber alte latiniſche 
Stamm, die Tribus der Tities, bie ſabiniſche Niederlaffung u. Tribus der Luͤ— 
teres, bie etrusciiche Eolonie, ausmachen u. Theil an der Regierung erhielten, 
obſchen bie Ramnes, ald die Alteften Einwohner, bevorzugt waren. Durch die 
Zerftörung von Alba unter Tullus Hoftilius wurden wohl: edle Gefchlechter unter 
die Patricier, das herrſchende Volk, aufgenommen u, dadurch unter ihm u. Ans 
as Martins ber, cölifhe u, aventiniſche Hügel angebaut u. auf dem Janiculus 
ane Art Feſtung errichtet, Tarquinius Priscus begann ftatt des Erdwalles, 
dee. ſchon von: Romulus errichtet worden war, bie Stabt mit einer Mauer zu 
umgeben , welche: fein. Nachfolger Servius Tulius vollendete und den Berg 
Biminalis, Duirinalis und Eſquilinis mit einfchloß. Diefe Mauer wurde 
aft im dritten Jahrhunderte n. Chr. unter Kaiſer Aurelian durch eine neue 
erjegt u. der Berg Vaticanus, Janiculus u. Pincius eingeſchloſſen. Diefe etru⸗ 
tiichen Könige legten) überhaupt große Bauten in R. an: fo ber ältere Tarquin 
bie ungeheweren Kloalen, Tarquinius Superbus begann den Bau eines Tempels 
zu Ehren des Jupiter, der Juno und Minerva, welcher: fobann, weil daſelbſt 
ein. blutiges Menfchenhaupt bei der Grundfteinlegung gefunden wurde, fammt 
dem Berge den Namen. bes capitolinifchen erhielt. Die Erbauung R.s wird 
von Gato Genforinus in’s Jahr 752, von Varro aber in das britte Jahr 
der fechöten Olympiade, 754 vor Chr. gefept und bie Iegtere Angabe allge 
mein jenommen. Nach dem Brande ber Stadt durch die Gallier (365) wurde 
fie auf eiben des Gamillus u, des Senats bald wieber aufgebaut, aber uns 
RL u, elend, meiftens aus Lehmhütten ober Häufern von ‚giegeineinen 
end. Doch baute Camillus den Eintrachtstempel; Appius Claudius bie 


896 Aom. 


erſte Waflerleitung u. die nad ihm genannte erſte Heerſtraße bis Brunduflum, 
u. Bapirius Eurfor den Quirinustempel u. ben erften Sonnenzeiger. Das Ca⸗ 
pitol unge man mit großen u. feflen Mauern, Je mehr nun in Unterita> 
lien, Sidlien, Karthago, Aften u. Griechenland feine Herrſchaft ausbreitete und 
roßen Reichtum in ſich fammelte, viele Schäge der Kunſt in jenen Ländern 
I u. vielfach in ſich vereinigte, beflo mehr wurde der Sinn wach für Ber- 
choͤnerung ber Stabt u, befto mehr aber auch bei ben einzelnen reichen Römern 
die Sreude u. Luſt an Pracht u. Schönheit hervorgerufen. Marcellus, ber Meber: 
winder, von Sicilien, erbaute ben Tempel der Ehre u. der Tapferfeit (honoris et 
virtutis), u. ein Theater; Lucullus legte auf dem Collis Hortulorum prachtvolle 
Gaͤrten an; Marius errichtete einen ſehr ſchoͤnen, felbft von Vitruv beivunberten, 
Tempel der Ehre. Bemerkenswerih waren auch: das afeater des Balbus, das 
Amphitheater des Statilius Taurus u. der Circus Flamininus. Pompejus erbaute 
auf dem Campus Martius ein Theater, einen PBorticus u. eine Euria, in welcher 
Gäfar ermordet wurde. Auch Caͤſar errichtete ein Forum mit Herrlichen Meiſter⸗ 
werfen. Nachdem unter Auguftus bie Ruhe in das weite römiiche Reich zuruͤck⸗ 
efehrt war u. man num ber Reichthuͤmer, des Stolzes u. der Pracht ber ganzen 
elt genoß, wollte man nicht blos R. felbft, als bie Beherrfcherin bes ungeheuern 
Reiches, glänzend Hinftellen, fonbern bie reichen Römer fuchten auch ben Glanz 
ihrer Familien durch prachtvolle Privatbauten darzulegen. — Seht beginnt bie 
Zeit, wo in R. in genifier Eigenthuͤmlichkeit die griechifche Baufunft, ber aflati- 
fe Luxus, anfänglich in reinerem Style, bald aber in bizarrer Ausartung fid) 
eltend machen. guftus konnte mit Recht fagen: er Habe eine Stadt von 
tein angetroffen, aber eine von Marmor Hinterlafien. Die Günftlinge des Kai⸗ 
ſers, beſonders Mäcenas u. Agrippa, zeichneten fich Hierin aus — Pantheon bes 
Agrippa. Auguflus u. Claudius vergrößerten R. Unter Nero (65 n. Chr.) 
ing in dem Theile bes Circus, welcher an ben Palatinifchen u. Coͤliſchen Hügel 
und wo viele Buben fanden, Yeuer aus, welches bei ber großen Hitze 

(19. Juli) furchtbar um fi griff, 6 Tage lange währte u. von ben 14 Stadt» 
Duartieren drei gan in Aſche legte u. in fieben anderen nur wenige Häufer ver- 
(Sonte. Auch ber Kaiferpalaft u. das Haus bes Nero gingen zu Grunde. — 
eſer ließ aber durch bie Baumeiſter Severus u. Celer ein von Gold u. Edel⸗ 
feinen ſtrahlendes, mit Waflerkünften, Teichen, Gaͤrten, ER Brüden u, allem 
Lurus verſchwenderiſch ausgeftattetes Schloß erbauen. Zugleich wurde, nachdem 
man das obbachlofe Volk in eigens erbauten Hütten, dem Marsfelde u. in ben 
Denfmälern des Agrippa matergebracht u. auch für feine Nahrung geſorgt Hatte, 
mit ber Wieberherfiellung ber Stabt begonnen, Sie wurbe regelmäßiger errich⸗ 
tet, breite Straßen und freie Plaͤtze wurben angelegt, die hohen fer vers 
boten und biefelben nach ber Straße mit Einfahrtsthoren und Porticus ver 
ſehen. So erhien R. groß und prächtig aus feinem Schutte; denn gerade 
zur damaligen Zeit firömte ber Reichthum ber ganzen Welt dahin zufams 
men. — Über, leider, waren boch in biefem Brande viele u. koſtbare Denkmäler 
bes Alterthums untergegangen: Tempel von Servius Tulius, Romulus und 
Numa Pompilius, ſowie viele koſtbare, aus Griechenland Kerbeigeführte Kunſt⸗ 
ſchaͤtze. Auch verlor R. buch dieſen Neubau feine alte Eigenthimlichkeit und 
vieles für bie Geſundheit Zuträgliche, indem Tacitus fagt, daß die höheren Häus 
fer ımb bie etwas weniger breiten Straßen in ber brüdenden Hitze weit fühler 
u. fo ber Gefundheit angemeflener getnejem wären. Was noch von den Ruinen 
bes alten R. übrig iſt, rüßrt aus biefer und ber fpäteren Zeit her. Die Kaiſer 
ſuchten durch grobe und reiche, wenn auch nicht mehr burch wahrhaft ſchoͤne, 
Gebäude die Etadt zu verherrlihen. So baute Titus ben prächtigen Friedens» 
tempel, ben Triumphbogen, ein Amphitheater, Bäder und ein Haus für fi; Dos 
mitian einen Toflbaren Speifefaal (mica aurea); Trajan Bäder, ein Forum mit 
der berühmten Säule, einer Bafllifa und Bibliothek, eben ſolches errichtete An⸗ 
sontnue, nebſt ben ſchoͤnſten unter allen Bädern; Habrian erbaute ben Pong Aelius 


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Sihule, das Athenäum ; 
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einen wiedie von St. Peter, Paul und 


b zur. Kunft in 
nerei, in welchen allen R. wieder das Herrlichfte vi jen und Mufter werben 
follte für die gange Welt, fo daß es auch in fünftlerifher Beziehung eine weit 
Söfere Stufe erreichen follte, als es fie im Heidenthume eingenommen hatte, — 
Nach ber legten Erweiterung durch Aurelian hatte R. einen Umfang von 4-5 
Stunden und 300,000 Bürger, welche mit ihren Yamilien, den. vielen Sklaven, 
Fremben, Soldaten u. |. w. eine Bevölferung von gewiß 3—A Millionen aus⸗ 
machten. Bon Romulus hatte die Stabt 4 Thore erhalten: das carmentalifche, 
pandaniſche oder faturnifche, romaniſche und mugonifche, von benen nur das cars 
mentanifche übrig blieb. Später Hatte bie Stadt weit mehr Thore, von denen 
Plinius 37 zält und folgende die vornehmften waren: gegen Norden Blumentana, 
Eollatina, Agonenfisz gegen Often Tiburtina, Cfquilina, Latina; gegen Süden 
Gapena, Tergeminaz gegen Weften, jenſeits ber Ziber, Navalis, mphalis, 
Ianieulenfis, R. Hatte eine ungeheuere Menge von Strafen , bie größtentheils 
micht gerabe, oft auch noch enge waren und ihre Namen von Berfonen, Tempeln, 
Rapellen u. dal, führten; die berühmteften waren: die Bia facra, die vom Berge 
Biminalis und Efauilinus unter dem Palatinus hinweg zum Marfte zog und 
mit ben hertlichſten Gebäuden geſchmuͤckt war; von ba führten bie Durch bes Ser⸗ 
Zullius Tochter berühmten Vicus Eyprius u. Sceleratus zum Berge Eſqui⸗ 
+ bedeutende Straßen waren auch bie Suburra und Carina; Via rerta längs 
Ziber; Bia nova, berühmt wegen ihrer Handlungen. freie Plaͤze gab «6 
Tempeln und Paläften (Arend); dann große, mit Gras bewachſene, zu Ver⸗ 
jammfungen, Srtiegsübungen beftimmte Ebenen, (Campus), endlich gepflafterte 
Pläge zu Märkten, auch zu Verfammlungen bienend, (Forum), wie Forum Nomas 
zum, \ber geile Markt, Forum Nervä, F. Suarium, Boarium, Pifcarium, 
— —— Ochſen⸗ ee * ie u ee 

en ummanerte, von Sithen umgebene e, (Circus), 3. B. der Cir⸗ 
Re, Blamininus, der Flora, Agonalis ıc. Der König rt Tullius 

* püble. VII. 7 


asp 


898 Rom, 


theilte R. in A Theile, die 4 Tribus urband, in bie Suburrana, Golling, Efquis 
ling und Palatina, welche die entfprechenden Berge und von ihnen eingefchloffenen 
Ebenen umfaßten. Kaifer Auguftus theilte die Stabt wieder in 14 Regionen, 
bei welcher Eintheilung e8 auch blieb. Sie heißen: Porta Capena, Cölimontium, 
Sfis und Serapis, Via farra, Efauilina, Alta Semita, Bia Lata, Forum Ro⸗ 
manum, Circus Klamininus, PBalatium, Circus Marimus, Piſcina Publica, Aven- 
tinus, Trans Tiberim. Nach biefen Stabtvierteln waren auch bie Bolizeianftalten 
getroffen. Die Brüden über die Tiber waren: Pons Milvius, von Scaurus 
erbaut, doch außerhalb ber Stadt; Aelius (jetzt St. Angelo) von Kaiſer Hahrian; 
Baticanus oder Triumphalis; SJaniculenfis oder Aurelius (jet Ponte Eirti); 
Fabricius; Caͤſtius oder Kfquilinus (jetzt St. Bartholomaͤi); Palatinus ober 
Smatorius (jebt St. Mariaͤ Meguptiach) ; Sublicus, bie ältefte unter allen. Unter 
den 14 Wafferleitungen war Aqua Appia bie Altefte, Marcia Hatte das befte, 
Birgo das Tältehe, Alfintina das fchlechtefte, aber ſtaͤrkfte Waſſer, Aqua Claudia 
ben prächtigen Gang und Anio Novus ließ filh am höchften treiben. Auch viele 
ausgezeichnete Heerfiraßen beſaß bas alte R. Die ältefte war die Bia Appia, 
weldye von Porta Capena bis Brunbufium lief; neben ihr ging Bia Latina aus 
ber Porta Latina nach ben Iateinifchen Stäbten ; bie vortreffliche Via Flaminia 
bis Artminium; dann V. Valeria ins Land ber Sabiner, Aequer, Marfer bis 
nad Corſtinium; V. Präneftina ober Babla nad Gabil und Pränefle; V. Tis 
burtina nad Tibur; Romentana nad) NRomentum; ®. Aemilia bis Plarentia 
und Aquileja; V. Aurelia nah Pifaz Caſſia nah Etrurien u. ſ. w. Alle Heer- 
firaßen liefen auf dem Markte zufammen, wo ber goldene Deilengeiger ftand, von 
dem an bie Meilen gezählt wurben. Auf dem Balatinifchen Hügel befanden fidy, 
ber kaiſerliche Palaft, Die Domus Neronis, Batilind und Tiberil, auf dem Eſqui⸗ 
liniſchen bie Kafernen für die Faiferlichen Leibwachen (castrum Praetorium), der 
Richtplag für gemeine Berbrecher (sestertium). Die Regierung der Stadt lag 
im alten R. denjenigen Obrigfeiten ob, welche auch das ganze Reich leiteten, 
denn nie hatte eine einzelne Stabt eine ſolche Gewalt in Händen gehabt. Die 
Rechtshaͤndel in der Stabt fchlichtete der Prätor Urbanus, der eigentlich für bie 
Streitfachen zwifchen römiichen Bürger beflimmt war und, ba lange Zeit nur bie 
Bewohner von R. felbft römifche Bürger waren, fo war biefer Stabtrihter auch 
ber für bie eigentlichen roͤmiſchen Bürger, Prozeſſe zwiſchen römifchen Bürgern 
und Fremden, oder zwiſchen Fremden unter ſich lichtete ber Praͤtor Peregrinus. 
Da unter Caracalla alle Unterthanen des Reiches auch das römijche Bürgerrecht 
erhielten, fo Hatte jegt R. feinen Brätor, wie jeber andere Ort auch. Yür Ruhe 
und Orbnung, Reinhaltung ber Straßen u. ſ. w. war burdh befondere Geſetze ges 
forgt, aber auch Ohrigfeiten, bie Hebilen, aufgeftellt, welche bie öffentliche Sicher⸗ 
heit zu bewahren, Handel und Gewerbe, ben Markt, ben Straßenverkehr, Staats⸗ 
ebäube, Waflerleitungen, öffentliche Pläße zu beauffichtigen u. Alles zu entfernen 
en, was ber öffentlichen Sittlichkeit, dem alpemeinen Wohle u. Anftande entgegen 
war, Auguſtus geftaltete die inneren Berhältniffe von R. ganz um, da basfelbe jetzt 
eine große Haupt» u. NRefidenzfladt geworben, keine regierende Bürgerflabt mehr war 
und ebenfo dem Einen Herrn gehorchte, wie das übrige Reich. Daher wurden 
jetzt alle Angelegenheiten der Stadt von Taiferlichen Beamten geleitet. Auguſtus 
ernannte ben Präfertus Urbis, ber, mit großen Bollmadhten verſehen, alle zur 
Aufrechthaltung ber Ruhe und Sicherheit nothwendige Macht und Gewalt beiaß 
und auch über die Urtheilsiprücdhe ber Richter in ber Stabt nochmals Recht ſprach 
und fpäter in Criminalſachen allein aburtheilte Ebenſo beftellte Augufus ben 
Präfertus Annonä, der, was in einer fo außerorbentlidh großen Stabt ungemeine 
Umficht erforderte, für den regelmäßigen Zufluß der Lebensmittel zu forgen und 
alle, diefe Angelegenheit betreffenden Gefchäfte, Streitigkeiten zu orbnen und Ber- 
he zu beftrafen Hatte. Zur Sicherheit der Stadt gegen Yeueröbrünfte, Dieb- 
le u. f. w. Hatte Auguftus 7 Eohorten eigener Wachſoldaten, eine für je 2 
Regionen, unter einem Praͤfectus Bigilium errichtet; jede Region war in Bic ge 


Rom. 899 


theilt, die unter Viertelsmeiſtern ſtanden. Kür befondere Geſchaͤfte wurben ein⸗ 
zelne Beamten eingelegt, 3 B. die Guratoren der Getreideſpenden, bes Flußbettes 
und bes Uferbaues ber Tiber, ber Kloaken, öffentlichen Gebäude und Plaͤtze. Die 
Stadt Hatte verjchiebene anerkannte Vereine mit befonderem Bermögen und eigener 
Einrichtung, wie Gilden und Zünfte ber Gewerbe u. dgl. Kür ben Unterricht 
war von der Stadt nicht geforgt; Privatfchulen wurden gebulbet, die Philoſophen 
und Rhetoren aber im 6. Jahrhunderte aus der Stabt verwielen; auch gab es 
feine. öffentlich angeRelle Aerzte; feit Caͤſar fah man aber biefe, wie bie Lehrer 
der Grammatik, Rhetorik, Philofophie und des Rechtes, gern und fpäter erhielten 
fie auch Gehalt und mancherlei Begünftigungen. R. Hatte als Stadt verfchiebene 
eigene. Einfünfte, namentlich einen —* chen Zoll, es gab alſo eine von der des 
Staates getrennte Gemeindecaſſe. Anſtalten Arme, Kranke, Waiſen u. ſ. w. 
waren nicht dba; unentgeltliche Korn⸗, zuweilen auch Geldſpenden, fpäter auch 
ordentliche Vertheilungen von Oel und Fleiſch durch die Kaiſer fanden ſtatt. 
Manche machten auch Stiftungen zur Erziehung armer Knaben und Mädchen. 
— Nachdem, wie ſchon bemerft, die Katfer nicht mehr in R. reftdirten, fing es 
an, immer mehr herabzufommen. Der Kampf bed Chriſtenthums mit dem Hei⸗ 
denthume, welches in R. unb befonders im Genate feine hartnädigften 

Hänger fand; bie Einfälle der Barbaren, ber Untergang bes roͤmiſchen Reis 
des und ber folgende ange Zuſtand der Berwirrung, in bem ein Bolt 
das anbere drängte: dieß Alles wirkte zufammen, um R. feine innere Madıt 
und feine äußeren Hülfsquellen zu entziehen. Allein gerade aus biefen Zuftänden 
erhob es fi wieder, um in ber Geftaltung ber neuen Zeit unter ben neueren 
Bölfern die Hauptrolle zu fpielen unb wieber ber Mittelpunkt zu feyn, um ben 
fh die Geſchichte der Nationen bewegen follte. Selbft in ben drangvollſten Jahr⸗ 
hunderten, in welchen R. Leine äußere Macht befaß, weil es keinem Träftigen Staate 
mehr angehörte, hatte es dennoch unter allen Drten in ber ganzen Welt, felbft bei denen, 
welche feine Feinde waren, das höchfte Anſehen, weil bas Oberhaupt ber chriſt⸗ 
ihen Kirche dort feinen Sig hatte, dem die Völfer im Glauben untergeben 
waren. Yür die Außere Blüche der Stadt war die Zeit Konſtantins bes Großen 
ter Wendepunft. Außer dem allmälichen Verfalle, Hatte fie auch das Unglüd, 
vom Sothenkönige Alarich zuerft gebrandfchast, dann (410, 24. Augufl) erobert 
wm werden. Sechs Tage plünderten und wütheten die Barbaren; viele Häufer 
wurben zerflört, Tempel niebergebrannt; nur Chriften u. zum chriſtlichen Gottes⸗ 
dienfte beflimmte Gegenflände wurden verfchont. Das durch Attila drohende Un⸗ 
glück wurde buch Papft Leo I. von Rom abgewendet, welcher auch den Bandalens 
König Genferih durch feine Bitten dahin brachte, daß er nach feinem Kinzuge 
in R. fein Haus verbrannte. Dagegen wurde e8 40 Tage lange geplündert 
(5. Sunt, 455) und Alles, was die Gothen noch übrig gelaffen Hatten, nad 
Afrika hinuͤbergebracht. Hierauf fam die Stadt in die Hände des Herulifchen 
Anführers Odoaker und Dann in die Gewalt des oftgothiichen Königes Theo⸗ 
derich, nach beffen Tode der oftrömifche Raifer Zuftinian den Belilar nach Italien 
fandte, ber fih R.s bemeifterte, welches ber Gothenkönig Totila in der Nacht 
vom 16. auf 17. Dezember 546 eroberte und feinen Soldaten zur PBlünderung 
überließ, fo daß Senatoren, in Pumpen gehült, von den Gothen Brod bettelten. 
Totila ließ die Mauern R.s nicderreißen u. wollte es felbft ganz zerflören, wenn 
ee nicht durch bie Begenvorftelungen bes Belifar und des heil. Benedikt davon 
abgehalten worden wäre; doch licß er vor feinem Abzuge alle Einwohner aus 
der Stabt vertreiben, die nun einer Cinöde gleih war. R. fiel Hierauf in bie 
Gewalt der griechifchen Kaifer und gehörte zu ben italifchen Befigungen der⸗ 
ilben. Wie nun in diefen drangvollen Zeiten bie Bäpfle (3.8. Leo, Gregor ber 
Große) es waren, weldhe die Etabt vor der Zerftörung fehügten, weil bie Bar- 
baren bie größte Ehrfurcht vor ihnen hegten, fo waren fie e8 auch, welche im 
Innern bie Sorge für diefelbe übernahmen, fie mit Gebäuden ſchmuͤckten, durch 
isee kirchliche Stellung viele Fremde herbeisogen und fo ber Mittelpunkt waren, 

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900 Kom. 


um ben fi bie ganze Gtabt drehte. Befonbers aber nahmen ſich bie Paͤpſte 
R.s an gegen bie Uebergriffe ber Longobarben, fo daß fle ſchon lange bie eigent⸗ 
lichen Heren der Stadt, d. h. ihre Beichüger, die Aufrechthalter der Ordnung u. 
des Nechtes waren. Durch bie fränfifchen Könige Pipin und Karl den Großen 
erhielten fie nun bie volle Hohelt über biefelbe, welche fie dann von ba an auch 
fortwährenb befaßen. In dem Mittelalter Hatte R. manniofad durch bie verſchie⸗ 
denen Parteien, auch durch bie deutſchen Kaiſer zu leiden, aber es fing doch 
jetzt an, auch aͤußerlich wieder mehr zu zeigen, daß es die neue, geiſtige pt⸗ 

adt ber Welt ſei. Doch gerade damals vergaß R., daß ed nur dem Papſte 
eine Stellung verdanke u. wollte einigemale feine alte republikaniſche, ober kaiſer⸗ 
liche Würde geltend machen und bie Beherrfcherin ber Welt wiederum feyn: eine 
Thorheit unter biefen ganz veränderten Zufländen u. Zeiten. Solche Träumereien 
fachte inshefondere Arnold v. Bresca an, fo daß man unter Immocenz II. ben 
alten Senat herfiellte, unter Lucius II. einen Patricius, den alten Conſul, wählte, 
die Republif errichtete, die feften Häufer bes Adels fchleifte u. endlich den Papft 
Eugen 11, nöthigte, feinen Sitz in BViterbo zu nehmen. Bon Hadrian IV. wurbe 
über R. 1154 ber Bann gefprochen und durch Zufammenwirfen mit Katfer Frie⸗ 
drich 1. dieſes republikaniſche Unweſen unterdrüdt, Kaiſer Heinrich VII. brang 
mit den Waffen in der Hand (1312) in R. ein u. erflürmte das Capitol. Durch 
Berlegen bes päpftlichen Siges von R. nach Avignon (1309) wurbe das Partei⸗ 
weſen fehr befördert und bie Unordnung in R. fo groß, daß ein gewöhnlicher 
Mann, Eola di Rienzo, fi) zum Volkstribunen aufwerfen und durch Herftellung 
bes Friedens und ber Ruhe fich verdient machen konnte, bis er in feinem Hoch⸗ 
muthe jo weit ging, bie alte röm. Republik Herzuftellen, ſich als Haupt berjelben 
und Beherrfcher der Welt zu betrachten und PBapft, Kaifer und Könige vor fidh 
zu laden, Enblich fandte Innocenz VI. ben Cardinal Albornoz (1353), welcher 
biefen Freiheitsſchwindel unterdrüdte. Seit der Ruͤckkehr der Päpfte nah R. 
(1377) Hatte die Stadt Ruhe und Frieden und fchritt in ihrer Entwidelung fort, 
nur daß fie, 1527 von bem kaiſerlichen Here unter dem Herzoge von Bourbon, 
der beim Sturme fiel, eingenommen, den Gräueln einer wilden Sölbnerhorbe übers 
laſſen u. Monate lange allen Plünberungen ausgefegt war, Durch den Frieden 
von Tolentino (19. Kebr. 1797) mußte Pius VI. eine große Zahl von Manuſcripten 
und Kunftwerfen nad Paris abliefern und 1798 wurde durch Bertbier aus Ber; 
anlaffung ber Tödtung bes franz. Generald Duphot R. als Republik ausgerufen 
und Pins VI. in bie Gefangenföpaft abgefißrt, Die Republif fand unter dem 
römiichen Volke fehr wenige hänger und darum wurbe Pius VI. am 3. Juli 
1800 in R. mit dem größten Jubel empfangen. Dur Dekret vom 17. Mat 
1809 vereinigte Rapoleon den ganzen Kirchenftant mit dem franzoͤſtſchem Reiche, 
der Bapft follte eine Rente von 2 Mil. Francs, fein Eigenthum u. feine Palaͤſte 
haben und R. eine Faiferliche und freie Stadt feyn, was am 10. Juni vollzogen, 
Dagegen Pius VII. in der Nacht vom 5. bis 6. Juli weggebracht wurde. R. 
war franz. Provinzialftabt geworben und außerordentlich getinfen, bis Pius VI. 
24, Mai 1814 unter dem lauteften Jubel in R. einzog unb biefes wieber bie 
Reſidenz des Papftes und fomit bie Hauptftabt ber Tatholifchen Welt geworben 
iſt. Auch bie Iedigen italienifchen Freiheitögelüfte, welche nach einem einzigen 
Stalien fireben, werben am gefunden u. klaren Sinne der Bewohner R.s fcheitern, 
da biete einfehen, daß ihre Stadt nur groß If, wenn fie bem Oberhaupte ber 
kath. Welt angehört, dagegen Nichts mehr ift, ſobald fle aufhört, biefes zu ſeyn; 
denn die weltliche Macht, weldye fie früher befaß, Hat fle nicht mehr u. befommt 
fie audy nicht mehr wieder. — Trop aller biefer Schickſale befigt Rom doch fo 
viele Erinnerungen und Kımftdenfmale aus der frühern Zeit, wie fein Ort ber 
Erde, Auch hier waren e8 wieder die Päpfte, welche für Erhaltung der alten 
Bauwerfe und anderer —— eifrigſt ſorgten, weil fie von jeher bie 
Defhüger und Pfleger der W —8 und Kuͤnſie waren und alle Werke bes 
Geiftee Hochſchaͤhten. Aber nicht blos kat man bas Alte erhalten u, mit großen 


‚Rom, 9oi 





‚4564 — nola unter Pius: V. und Gregor XIII. 
Br Bad Ti a tl — —— die eh und 
—— jaul V. 1614 mit dem Baue im Ganzen fertig, obwohl 
Gei verändert wurde. Die Koſten berechnet man auf | 
ar dieſer Kirche führt ein Porticus, mit 4 Reihen von Säulen verziert, 
Be bis zur Hacabe der Kirche Hinlaufen, Alexander VII legte 25. 
1 ben Stein zu biefem Porticus, ber nach bem Plane bes Ritters 
vefühet wurde Mitten auf dem Plage fieht der berühmte Obelisk 
tüde Granit, 72 Buß Hoch, von Caligula aus Alerandrien nah R. 


Eircus des Nero war ex aufgeftellt u. Paul II. wollte ihn durch Michel 
feinen jegigen Platz bringen laffen, der es aber nicht wagte, bis Sir 
MR 


erregt 
ae, & 


‚ch eine Commiflion, unter Borfig des Architeften Dominico Fontana, biefe 
afle von 163,537 röm. Pfund am 10. Sept. 1586 aufrichten ließ. 
chen, Daß aud das Heibnijche dem wahren Gotte dienen folle, ziert ein 
feine ‚Spige, St. Peter ift in Kreuzform gebaut, über der Duchichneidun; 
öl ſich die Kuppel, die Länge ift 665, ohne die Vorhalle 575, die Breite 2 
dii. Ein ungeheueres, mächtiges Gebäude, bei dem die Größe ber einzelnen 
nicht in das Auge tritt, weil die Gefammtmafje Alles überwältigt, Zum 
ſange fteigt man eine Marmortreppe hinauf und befindet. fih am ber 
Bagabe, 251 Balmen Hod u. 532 breit. In bie Vorhalle tritt man duch fünf 
Eingänge; darin fiehen die Bildfäulen von Konftantin u. Karl dem Großen. 
ch Fünf große Thüren geht man in das Innere, welches durch feine unge 
euere Berhältniffe u. Reihthum an Verzierungen u. Kunſtwerken einen auferors 
imtlichen Cindrud Hervorbringt. Freilich hat diefer Styl nicht mehr die Einfach» 
kit ber Hriftlichen Bauart u. nicht mehr jene Einheit, welche aus Einem Grunds 
sdanten hervorgeht, fonbern er hat ſchon die Verſchiebenheit, welche daher kommt, 
tab man aus ben mannigfachen Bauweiſen wähle, was am fchönften u. geeig- 
niflen ſeyn fönnte, was in eine gewiſſe Aeuferlichkeit, Schnörfelei u, Kälte aus- 
artet, Dennoch aber ift dieſe Kirche, freilich weniger durch Schönheit in der 
arciteftonifchen Anlage, dagegen durch bie ungeheuere Kühnheit bes Baues, durch 
mußerorbentlichen Reichihum und herrliche Einzelheiten ein Wunderwerk deri Welt, 


FE 
Bi 


——— 


902 Rom. 


Am Ende des großen Schiffes befindet ſich eine alte Bilbfäule des HI. Petrus, 
der, auf einem marmornen Seffel figend, mit ber einen Hand das Volk fegnet, mit 
der andern bie Schlüffel Hält. Bon vielem Küffen der Pilger find bie Küffe ab- 
gelhliien. Die Bildfäule fol von Leo 1. Herrühren u. fand im Klofter zum Hi. 
artin, von wo fie Paul I. Hieher bringen ließ. Am Ende bes Hauptichiffes, 
unter ber Kuppel, fteht ber Hauptaltar, an weldyem nur breimal bes Jahres, 
Weihnachten, Oftern u. Peter u. Paul, ber Dapfı u. nur durch befonberes Breve 
ftatt feiner ein Kardinal die hl. Meſſe feiert. f dieſem Altar ſteht ein Eoloffal- 
ler, Toftbarer Tabernafel, über dem fich ein Balbadyin von vergoldetem Mefling 
befindet, getragen von fptralförmigen Säulen; an jeder Seite der Rotunde befin- 
ben fih Engel mit ben Zeichen ber päpftlichen Würbe. Diefes Kunftwerf wurde 
unter Urban VI. durch Bernini entworfen (1633). Der Guß koſtete 60,000 rö- 
miſche Thaler, die Dergebung 40,000, das Metall beträgt 186,000 römiiche Pfund. 
Rah ben Zeichnungen deſſelben Bernini wurde auf Befehl Aleranders VIL (1648) 
im Dintergrunde bee Kirche, in der Chorrundung, das pradhtvolle Denkmal er- 
richtet, befannt unter dem Namen Petri Stuhl. Unter dem Hochaltare ift eine 
unterirbifche Kapelle, von den erften Ehriften benüst, das Grab bes heil, Apoſtel 
Petrus mit feinen Reliquien (confessio), Man fteigt auf einer doppelten Treppe 
von weißem Marmor in bie Gruft hinab, ber Weg wirb durch 89 meflingene, ver- 
goldete Lampen erhellt, bie filbernen nahmen bie franzoͤſiſchen Republitaner Hin- 
weg. Die Wände bes Innern finb mit Edelfteinen belegt. Der bewunberns- 
wertheſte Theil dieſes Riefengebäubes it aber die Kuppel und bei ihrem Anblide 
laͤßt fi Die Kuͤhnheit der Worte des Michel Angelo begreifen, wenn er benen, 
welche das Pantheon bewunderten, fagt: ich will ein ſolches nicht auf der Erde, 
onbern in ben Lüften aufführen. Die Kuppel ruhet auf Bogen, geſtuͤtzt auf vier 
feiler, von 320 Spannen im Umfange. Am Fuße der Pfeiler And 4 Rapellen 
mit ben koloſſalen Statuen bes hl. Andreas, Longinus, der 51. Helena und Beros 
nica u, fobaren Reliquien, Die Höhe ber Kuppel im Innern ift 242 Palmen, 
ihr Umfreis 304, der Durchmefler 192. Sie ift umgeben von ber Außern, zwi⸗ 
ſchen welcher und ber Innern eine bequeme Stiege hinführt bis zum Buße des 
Kreuzes. Ihre Diameter hat 266 Palmen. Auf ber Kuppel fteht eine Laterne, 
auf ihr befindet fich eine Kugel von vergolbetem Mefling, 8 Buß im Durchmefier, 
worin 15 Berfonen bequem ftehen Tönnen. Weber ihr ragt das Kreuz 13 Buß 
hoch empor und von ber Spike beffelben bis zum Fußboden hat man eine Höhe 
von 617 Palmen. Die kolofialen Pfeiler, welche die Kuppel tragen, wurben ſchon 
unter Julius IL aufgeführt, aber etwas zu eilfertig, fo daß fle unter Leo X. vers 
ftärft werben mußten. Sm 17. Jahrhunderte zeigten fich wieder einige Riffe, 
weßhalb man Reife darum legte Das Innere der Kuppel flrahlt wider von 
Gold, dazwifchen leuchten bie hl. Sungfrau, Apoftel, Engel u. andere Heilige in 
ungeheueren Berhältnifien, doch von unten gefehen in natürlicher Größe, aus ber 
höchften Höhe fchaut Gott Vater Hernieber, g chſam vom Throne der Ewigkeit. 
Diefe Kuppel iſt, auch kuͤnſtleriſch betrachtet, Das Ausgezeichnetſte am ganzen Ge⸗ 
bäude; denn im Mebrigen fehlt bie eble Einfachheit u. bie Ausführung nad) Einem 
Gedanken, weßhalb, wegen ber großen Mannigfaltigfeit der Anorbnung, eine ge: 
wiſſe Unruhe u. Schnörfelei Einem entgegentritt. Beſonders iſt dieß auch an den 
Altären u. zahlreihen Dentmalen der Fall, welche Paͤpſten u. anderen bebeutenben 
ron errichtet find, die in den ungeheuern Brüften unter ber Kirche beigeſetzt 
d. Eine ſehr merkwürdige Kirche ift die vom Lateran. Konſtantin erbaute 
fie (323) an feinem lateraniichen Palaſte auf dem Berge Coͤlius und ſchenkte fie 
dem Bapfte Syivefler, der fie 9. Rov. 324 bem Erxlöfer einweihte, weßhalb fie 
Baſilika des Erlöfers genannt wurde; fie hieß auch die goldene (aurea) 
wegen bes glänzenden Schmudes; im 7. Jahrhunderte wurbe fie dem HL Johan⸗ 
ned dem Täufer gewidmet u. Baſilika des HH. Sohannes vom Lateran ge— 
nannt. Diefen lateran. Palaſt ſchenkte Konftantin dem Papfte und fo war biefe 
Sirche bie erſte, in welcher ber Papſt öffentlich Gottesdienſt hielt, daher fie au 


Rom. ‚903 


die Hauptfiche bes Papfles u. der riſtenheit (ecclesiarum urbis et orbis 
mater gr von a Boot mit großer Belerlifet 
—— Ihr Kapitel hat den Vortritt vor dem von St. Peter und viele 
„mie mod Bud Y. and is VL, Han def Borg heit, Unter 

; von 


ihrem herrlichen, von 4 Säulen mückten Portifus fteht die Statue Konſtan⸗ 
tins, —* damaligen Zeit verferti, Bi in ben Bäbern —— au — 
Fünf Pforten: © in das geräumige Innere, das an Umfang und Reichtäum 
nur dem von 


u 
a ’ un 
vorftellend. Die Dede Hat ehe ——— sroifchen Feldern Pa 


nen Farben, Unter bem Hodaltare werben die Häupter bes HI. Petrus u, Ans 

read aufbewahrt. Die Kirche hat (höme Kapellen. Im Anfange des 14. Jahr⸗ 
wurde. bie alte je ein Raub ber Klammern, einige Jahre vorher Hatte - 

Dante noch befüngen und ummittelbar nachher verfaßte Petrarca über fie eine 


—— Clemens V. Gegenüber dieſer Baſilila Liegt eine Kirche, welche einen 
———— 
beftehenb, von den Pilgern verehrt wird, weil auf ihr der Heiland Hin« 


u. herunterftieg. Um fie jat XI. fie mit Brettern bel 
= *— Auf dem —— {»] om —* Granit, mit Sie 
oakıp ‚bebedt, von Konftantin und dann von Konftanz von Aerandrien nach 


ht, im Eircus aufgeftellt, von ben Gothen umgeftürzt u. von Sirtus V. 
am 1 1583 25 Fuß aus der Erbe aufgegraben u. aufgerichtet. Nicht 
weit aber mehr nördlich, wo jer ber Tempel ber Juno Lucina Ka 
ber ) fieht St, Maria Maggiore, duch 2 Kuppeln u. 

Thurm ausgezeichnet, Sie foll im Jahre 353 unter Liberius erbaut 
worben Im; Sirtus IL Tieß fie 442 wieder aufbauen u. bie Krippe bes Erlöfers 

gen, fo daß fie, früher von ber Urfache ihrer Entftehung Maria vom 
Schnee genannt, nun den Namen Maria von der Krippe unb dann, weil 
bie größere ber Mutter» Gottes Kirchen, Maria Maggiore erhielt. Sie befteht 
aus. 3 Schiffen, von denen das mittlere höher ift u. hat 36 jonifche Säulen von 
weißem Marmor. Alte Mofaifarbeiten aus dem 5. Jahrhunderte befinden fih an 
dem , bee das Chor vom Schiffe trennt. Das rei iR reich vergol⸗ 
det mit dem erſten Golbe, das Iſabelia u. Ferdinand aus Amerika bezogen und 
Alexranber VI. ſchentten. In dieſer Kirche befindet fi bie von Shine V. 
gegründete prächtige, firtiniſche Kapelle mit feinem Grabmale, an dem 4 grüne, 
antife Säulen u. eine andere, bie borghefifche, von Paul V. Bor ber einen Fronte 
der freiftehenden Kirche hat Sirtus V. einen Obelisten aufgerichtet, vor ber an- 
eine korinthiſche Marmorfäule aus dem Tempel bes Friedens mit 
einer Statue ber Hl. Jungfrau. Nicht weit davon Gt. Pietro in Bincoli, 
wegen ber Ketten, womit ber hl. Petrus gefeſſelt war, mit 22 alten, 
borifchen ‚Marmorfäulen, dem Grabmale Julius I, und dem berühmten 
Mofes von Michel Angelo. Ganz nahe babei St. Martino, uralt, wahrs 
ſcheinlich ein Theil der Bäder bes Titus, mit Landſchaften von Pouffin. Sehr 
bebeutend war bie Baſilika des Hl. Paulus. Bon Konftantin mit zu großer 
Eitfertigfeit bem Grabe bes Hl. Paulus gebaut, wurde fie von Balentinian IL, 
Theol a. Honorius nad) größerem Plane wieder errichtet. St. Baolo four 
della Mura, liegt 4 Stunde von ber Stadt, an ber Straffe nach Dftia, zu ihr 
fol fräßer ein prächtiger Sänfengang geführt haben. Sie hatte 5 Schiffe, 80 
antite Herrliche Säulen trugen auf Arkaden das hölzerne Gebälfe, fie befaß_ auch 
2 Queiſchiffe, koſtbare Mofaiten, Denkmaͤler u, Bilder der Päpfte aus ben frühe- 
Ken ‚ ben Papft Symmachus ließ fie am Ende des 5. Jahrhunderis mit 
Oemälden fhmüden. Diefe, noch ganz allein erhaltene, alte Kirche wurde einige 
Tage vor dem Tode Pius VII. (21. uf 1823) durch die Nachläffigfeit eines 
Handiwerters mit allen ihren herrlichen Eigen ein Raub ber Slammen, Leo XI. 


= 


SH 


904 Nom. 


forderte durch eine begeiſterte Bulle zur Beiſteuer auf fuͤr getreue Wiedererrichtung 
der ſo herrlichen Kirche. Die Beitehge Rofen auch aus ber ganzen Ehriftenheit 
reichlich zufammen: der König ber Riederlande gab 10,000 Scudi; aus den Mar- 
morbrüchen von Montorfano am Lago Maggiore im Sardinifhen wurben koloſſale 
Säulen u. aus den Wäldern von Camalboli herrliche Fichten Kerbeigeführt ; jelbft 
Aegypten hat hierzu Säulen geliefert und ber Bicefönig ſchickt audy noch einen 
Dbeiisfen, ber vor dem Thore aufgeftelt wird. Das untere Ende ber Kirche 
zeigt noch Spuren bed Brandes, im mittlern Theile ſtehen ſchon neue, jonifche 
len, doch gi Dach, das Sanctuarium aber, bas Querſchiff u. ber Seiten: 
chor find ganz hergeftellt, von Gregor XVI. eingeweiht u. bem Gottesbienfte übers 
neben worden. Die andere Kirche außer ber Stadt, St. Sebaftiano alle 
Gatacombe, liegt ebenfoweit von der Stadt entfernt an ber appiichen Straffe 
nach Neapel, von Map Damafus 367 auf dem Begräbnißplahe bes Hi. Calixtus 
über dem Grabe bes Hl. Sebaftian errichtet, vom Cardinal Scipio Borghefe 1612 
ganz neu aufgebaut, mit einer Bilbfäule des Heiligen von einem Schüler Berni⸗ 
ni’ aus Diarmor. Der befts erhaltene Tempel aus bem Alterthume ift das Ban- 
tdeon, wahrfcheinlih von Agrippa zu Ehren bes Jupiter Binder für den Gieg 
von Actium erbaut; ſpaͤter wurde bie Eybele u. andere Bottheiten darin verehrt, 
daher auch wohl ber Rame (allen Göttern geweiht). Man geht in diefen Tem- 
pel durch eine Halle von 16 Granitfäulen, jede aus Einem Stüde, welche ein 
herrliches Giebelfelb tragen. Fruͤher hiea man auf 7 aufen Die Dale Binauf, 
jeßt nur noch auf zwei, 5 ift Alles mit Erbe bebedt. Das Innere ift Freisförmig, 
daher audy bie Kirche gewöhnlid nur Rotunde genannt, ihr Durchmeſſer Hat 154 
Fuß, die Höhe eben fo viel. Das Licht pa ein durch eine Oeffnung oben, 
welche 28 Buß hat. Bonifacius IV. Tieß fi von Kaiſer Phokas die Erlaubniß 
geben, biefen Tempel, um ben fchon fehr verfallenen zu erhalten, in eine Kirche 
zu verwanbeln, bie er 607 der HI. Jungfrau u. allen Martyrern weihten, baber 
St. Maria ad Martyres; Gregor IV. widmete fie 380 allen Heiligen, Urban VIIL 
ließ 1640 zwifchen dem Säulengange und ber Kuppel, 2 Thürme anbringen, die 
freilich zum Ganzen gar nicht paflen u. Benebift XIV, ließ fie ausbeffern u, wei⸗ 
fen, was noch übler ſteht. Die Aſche Raphael's ruhet in biefem empel In 
ifm waren bie Bilder berühmter Männer aufgeftelltz Pius VIL hielt dieß nicht 
pafiend für eine chriftlicde Kirche, fonbern für eine große Berweltlihung und ließ 
ſaͤmmtliche Büften in einen ber Säle des Balaftes ber Eonfervatoren von Rom 
bringen. R. bat eine große Anzahl von prächtigen Paläften, die aber in baulicyer 
Schönheit Doch wenig ausgezeichnet find. Die 3 päpftlichen find bie größten, 
Unter ihnen beionders der Baticanifche, bei ber Betersfirche. Bon Konſtantin 
den Päpften geichenft, wurde er von Eugen IL in der Mitte des 12 Jahrhun⸗ 
derts von Grund aus neu aufgebaut. Sirtus ließ 1588 neue Gemaͤcher anbauen 
u. ftellte darin eine Bibliothek auf, die reichfte in ganz Europa. Seine Nachfol⸗ 
ger vollendeten nach u. nach ben Bau, bis Urban VII. 1625 noch das Zeughaus 
hinzufuͤgte. Weil fo lange u. von fo vielen Meiftern gearbeitet wurbe, ift feine 
Einheit in diefem ungeheuern SPalafte, der 1080 Fuß Länge, 720 Fuß Breite und 
11,000 Zimmer Haben ſoll. Wegen ber ungefunden Luft wird berfelbe von ben Paͤpften 
feit langem nicht mehr bewohnt u. nur zu Feierlichkeiten u. Aufftelung von Kunft- 
werfen benütt, an denen er aber auch den größten Reichthum beſitzt. Die aus- 
gezeichnetfien Kunſtſchaͤtze der Welt find Hier vereinigt. Die Loggien, große, an 
der Seite offene Galerien, Haben an Wänden und Deden Fresko's von Raphael 
u. feinen Schülern ; nach diefen Tommen die Stangen (4 große Zimmer), ganz 
von Raphael ausgemalt, nachdem Julius IL die Gemälde früherer Meifter 
hatte von der Wand abfchlagen laſſen, ala er eine Wand von Raphael 
emalt ſah, ber Alles neu ausführte, nur ein Schlachtbild von feinem Meifter 
ietro Perugino im erften Zimmer erhielt fih. Aus biefen Räumen tritt man in 
bie Zimmer, in welchen 22 nad) Raphael’ Zeichnungen gewirkte Tapeten aufs 
gefelt find; dann in die Säle des Mufeum PBios&lementinum, von Elemens XIV. 


| 


Rom, 905 

u. Bis Vl., deren Fußböden, mit antiten Mofaiten u. deren Wände mit: Bas- 
relief6 u. ‚ach, "einen — Reit X Siam, Seien, 
Bronzen, u . er jen: ber ol on [vedere, Laos 
* bie jefommenen bebeus 


— u. ſ. w. Die unter VI. hinzug 
tenden man das Muſeum Chiaramonti, nach feinem Familienna⸗ 
hiezu dient das Muſeum delle Inserizione, eine nicht ihres 
Infbeiim, weide Bus VI. vu One, Marin aufeden eh; 
(ihe Bapf Bere "ud, dm Matkan wurd 3 


3 ‚fügte zu dieſen —— 3 en noch eine 
De eh ne 
I H ae b Benügung. der ehe 


Der. ausgejeichn 
Mai. Am. Batican befindet ſich auch noch die gegen Ende 
———— von Sixtus IV. erbaute, ſirtiniſche Kapelle, deren Wände 
von verfcpiedenen alten Meiftern ausgemalt find, welche aber insbefondere das 
berühmte, 60 Fuß hohe u. 40 Fuß breite, jüngfte Gericht von Michael Angelo 
noch andere Dedengemälde (Propheten, Sibylien u. f. w.) von ihm enthält, 
werben ‚beim Gottesdienfte in der Charwoche von ber paͤpſtlichen Kapelle 
herrlichen Gefänge vorgetragen, welche, die Blüthen der Mufit, dem ‚alten, 
PBapft Gregor d. Großen geregelten , lateiniſchen Kicchengefange entftammen, 
von R. ausgegangen, hauptſachlich von ber päpftlihen Kapelle rein u. un 
verfäljcht erhalten wird. Die paulinifhe Kapelle, errichtet von Paul TIL, nahe 
am Batifan, ließ Gregor XVI. wieder herrichten; fie hat 2 Herrliche Gemälde von 
Michael Angelo, die Befehrung bes heil. Paulus u. ben Tod des heil, Petrus, 
—— die legten Werke des Kuͤnſtlers, welcher 75 Jahre alt war, ale 
ex fie verfertigte. Hinter dem Batican liegt ein ftiller, wenig befuchter Garten. 
Der zweite päpftliche Palaft ift der Quir inal, von dem Hügel, auf dem er fteht, 
der auch Monte Eavallo (Pferdeberg) Heißt, fo genannt, von Paul I, 1540 be 
gennen u. von mehren folgenden *Bäpften ausgebaut, daher groß u. bedeutend, 
aber gar verſchieden im feinen Theilen. Wegen feiner gefunden Lage auf einer 
Bi u, doch beinahe in ber Mitte der Stadt ift er bie gewönliche Refidenz ber 
er Gregor wohnte aber wieder auf dem Batican, dem der Quirinai an 
Pracht u, Kunftwerken bedeutend nachſteht. Bor dem Palaſte ftehen bie beiden 
berüßmten folofjalen Statuen mit den fpringenden Roſſen, baher auch die Pferde⸗ 
bändiger genannt, Man hielt fonft beide für Alerander, der den Bucephalus 
* allein die allgemeine Meinung nimmt jetzt an, daß fie die Dioskuren u. 
war. biejenige ‘von ben Statuen, welche nach ber Infchrift ein Werk des Phidias 
it, Gaftor, bie andere, welche die Inſchrift dem SPrariteles zufchreibt, Poltur 
vorftellen. - Zwiſchen beiden Gruppen fteht ein Obelisl. Der Kateran, ber britte, 
ehemalige päpftliche Palaſt, neben ber Kirche vom heil. Johannes vom Pateran, 
von Kaiſer Konftantin den Paͤpſten gefchenft u. von Sirtus V, neu-erbaut, ift 


sor 
u78 


3 


906 Rom, 


jest in ein Walfenhaus für 300 Mädchen umgewandelt. Außer diefen PBaläften 
enthalten bie der großen abeligen römtichen Familien ungemeine Schäge ber 
Kunſt, für welche diefe Häufer,, obwohl größtentheils nicht mehr in der früheren 
Bluͤthe, dennoch ihre alte Begeifterung gewahrt haben, wie fie fi} auch durch 
ihre Wohlthätigkfeit, Unbefcholtenheit u. Redlichkeit fehr auszeichnen. Der Yarne- 
ſtſche Palaft, von ben berühmtehen Meiftern, San Gallo, Michael Angelo und 
bella Borta, leider zwar mit den Steinen bes Golofieums aufgeführt, ift in bau- 
licher Hinficht der ſchoͤnſte, beſonders gilt dies vom innerſten Hofraume, in wel 
chem ehemals ber farnefiiche Herkules, die Klora, bie Grube der Dirce (Toro 
Farneſe); die Galerie ber Fresken ber Caracci ift im erſten Stode. Der Palaft 
Colonna, mit vielen Gemaͤlden von Claude Lorrain, Bouffin u. Raphael u. einem 
herrlichen Garten; ber ungeheuere Palaft Doria, bie Palaͤſte Albini, Borahefe, 
Ehigi, Barberini, Spaba, mit der Bildfäule bes Pompejus, an deren Buße Eäfar 
fill. Diefe Familien Haben auch in der Umgegend von R. reizende u. oft Durch 
herrliche Kunftwerfe ausgezeichnete Landhäufer (Villen); ebenfo befigen fie vor: 
trefflide Galerien, Sammlungen von Gemälden, Statuen u. f. w. Die ausge⸗ 
zeichnetfle ift Die Galerie Doria, bie vortrefflichfte die Galerie Dorabele Bedeu: 
tend find auch bie Galerien Mattei, Giuftiniant, Ehe), Searra, orfini, Bona⸗ 
parte, Feſch. Das Capitol Getzt Campiboglio), bie. g be alten R., unweit 
der Tiber lag bem PBalatium gerade gegenüber. Es find davon nur noch wenige 
Truͤmmer übrig, da ed jetzt ganz beionders durch Michael Angelo verändert if. 
Bon der Rordieite A wii nur eine, unten mit 2Waffer ſpeienden Löwen, oben mit 
2 koloſſalen Roſſebaͤndigern gefchmüdte, Treppe zu einem unregelmäßigen, viers 
edigen Plage. “Die nördliche Seite ift mit den Trophäen zu Ehren des Marius 
geziert, links u. rechts fliehen Paläfte nady Planen von Michael Angelo, von ber 
nen ber Iinfe jegt eine Antifen, u, Bemäldefammlung (Muſeum Capitolinum) 
enthält, ber rechte aber ber Sit ber Gonfervatoren ober bes Stabtmagiftrats iſt; 
bie füdliche Seite nimmt den Palaſt der Senatoren, ber oberften PBolizeibehörbe 
in R. einz im unterſten Stocke find bie Gefangniffe, Sn der Mitte des Platzes 
erhebt fich die ausgezeichnete, eherne Statue Marc Aurel’8 zu Pferde. Oeſtlich 
liegt die Kirche St. Marla in Ara Cöli u. weftlich ber Palaft Gafarelli an ber 
Stelle der alten Burg, Durch eine Treppe an der Sübfeite Tommt man auf 
bas durch Schutt u. Trümmer um 40 — 50 Fuß erhöhte alte Forum Romanım, 
nun Campo Vaccino, welches jebt mit einer Allee befeht, ganz veröbet und nur 
von Vieh u. Bettlern beſucht if. Es ift von vielen Kirchen umgeben; links an 
ber Treppe vom Capitol liegt die Kirche St. Giuſeppe u. barımter tiefe Gewölbe, 
wahrfcheinlich der von Tullus Hoſtilius erbaute Kerker, in dem auch ‘Petrus ge- 
feffen Saben fol, daher der Ort eine Kirche hat, St. Bietro in Carcere. Dies 
jelbe Treppe führt auf ben Triumphbogen des Geptimius Severus, von bem 
rechts noch einige Säulen von Tempeln bes Jupiter, des Donnerers unb ber 
Eintracht fliehen. Weiter füblich befindet fih eine Säule zu Ehren bed Kaiſers 
Phokas u. noch weiter erheben ſich noch mehre, herrliche Säulen. Die Allee 
führt auf den am Ende bes Campo Bacrino befindlichen Triumphbogen des Ti- 
tus, an welchem noch Hindentungen auf die Eroberung Jeruſalems. Bon hier 
— ſuͤdlich eine Straße nach dem Coliſeo. Kaiſer Beipafian erbaute dieſes uns 
geheuere Werk, 71 nad Chr., beſchaͤftigte daran 12,000 Juden u. verwendete 
darauf 10 Mill. Thaler. Sein Sohn Titus weihete das Theater ein durch ein 
Schaufpiel, den Circus durch ein Wettrennen u. das Amphitheater durch Spiele 
der Glabiatoren und durch die Jagd wilder Thiere, auf beren einer 5000 ſich 
befanden. Die Spiele bauerten 100 e Das Goloffeum iſt ovalfürmig, 
580 Fuß lang, 181‘ breit u. 680° im Umfange und konnte 87,000 figende und 
20,000 ftehende Zufchauer faſſen. In feiner ganzen Schönheit beftanb dieſes 
Denkmal noch im Anfange bes 6. Jahrhunderts, 546 lösten bie Barbaren bie 
eifernen Klammern ab, zur Zeit bes Avignon'ſchen Erils brachen Bornehme 

teine ab- a. ließen fi Baläfte bauen, wie ben farneftfhen u. barberinifchen. 


das Gehäube ver Zerflörung,, baute ringsum 14 unbebedte 
Mittereine Heine Kapelle zut Ehre der ſchmerzhaften Mutter 

Gottes, Benedikt XIV. fügte einige Vergierungen bei u, bewilligte denen, welche 
Kreupiveg einen Ablaß. "Seit diefer Zeit ift das Werf el 


Rot, 
PEEBERRRR EN: das Material zum Baue des Palaſtes von 
und 


den 

dient zur Andacht, in ber Erinnerung am bie zahllofen Gia— 

weiche Hier unter den Beftien für den Glauben an ihren Heiland ihr Leben 

* haben (Ignatlus von Antiochien). Pius VII. ließ den Schutt wegräumen 
‚die Äußeren Theile wieder Hetftellen, Ein Franciscaner Hält jeden Freitag 

auf biefem Kampfe und Stegesplage des chriſftlichen Glaubens die herzergreifenden 

Neben dem oloffeum fleht ein Triumphbogen Konftantins. Das 
Forum bes Trajan, nördlich ‚vom Capitol, 'hat man jept vom Schutte — fo 


man das roͤmiſche Pflafter fteigt, auf welchem bie Herrliche Trajangfi 
"ect em Marmor, geziert mit_fhraubenförmii fwindendi 
Basrehiefs, Vorftellungen der er des eine — 39 Ho, in 


wenbig hohl, fo daß man auf den mit'einem Geländer verfehenen Gipfel fteigen 
25 über R. genießen kann. Oben fteht die von Euer. 
errichtete eherne Statue des heiligen Petrus, 31 Fuß Hoch. Die ganye Säule 
— Marmorblöden zuſammengeſeht. — Keine Stadt ber mit 
der alten Zeit 'bebedt, die Refte der alten Kaiferpaläfte liegen in ben 
‚Bärten der hen Billa, überall ftößt man auf Ueberbleibſel von Tempeln, 
Brüden; Säulen, Reliefs, Schaften u. f. w. Bon ben alten Gebäuden ift noch 
erhalten: ‚das Maufoleum des Hadrian, die Engelsburg (Eaftello St, Angelo), 


feit Alexander VI. eine j, am ber gleichnamigen Brüde, zum Staatsg je 
Zeughaus, Auf! 'g der päpftlichen Kleinodien und wichtiger Ar- 
dienend. erbaute fie fi zum Grabmale, ben Namen erhielt fie 


von einem Engel, ben Gregor der Gtofe auf der Spige aufftellen ließ. St. 
Veters⸗ tage des Papftes wird vom Thurme ein herrliches Feuer⸗ 
werk abgebrannt und die Kuppel umd bie Fronte ber SPetersficche erleuchtet, — 
Unter ben Ruinen der Bäder find die bes Caracalla am beften erhalten, bie des 
Titus ſehr zerftört und die des Diocletian zum Theile in Kirchen, Wohnungen, 
Ställe u. f. w. umgewandelt. Bon dem vielen Theatern find noch Spuren von 
dem des Pompejus und des Marcellus vorhanden. Grabmäler find in der Stadt 
nur noch wenige: der Engelsburg gegenüber fteht da Maufoleum des Auguftus, 
außerhalb der Stadt aber, auf beiden Seiten ber Straße Appia, ftehen noch viele, 
vom denen bemerfenswerth find: das runde, fefte Denkmal der Eäciiia Metella, 
der Gemahlin des Erafjus, das der ferviliihen Bamilie, und am St, Sebaſtians⸗ 
thore das der Scipionen. Auch die ganze Umgegend von R. (Campagna bi 
Roma) ift bededt mit Trümmern, beſonders von Waſſerleitungen. An großen 
und Straßen hat R. Mangel, Reben der Piazza Ravona, dem von St. 

', or bem Ouirinal, dem fpanifchen Plage, am fülichen Ende bes Corſo, 
bee bebeutenbfte bie Piazza bel Popolo, am Thore biefes Namens, dem ſchoͤn⸗ 
in R., von welchem, mit einem 81 Buß Hoden aͤgyptiſchen Obelisfen und 
einem Brunnen gezierten, Plage 3 Straßen auslaufen, deren mittelfte, gerade nach 
Saden, mehre taufend Schritte in ber Länge laufende, mit herrlichen Gebäuben 
befeßgte, ber berühmte Eorfo ift, auf welchem jeden Abend bie vornehme Welt ſpa⸗ 
fährt. Außerdem find noch zu nennen: bie Straba Felice, fübörlih auf 

- Mia Maggiore Hinführend. Die Strada Pia, die vorige burchſchneidend, 
von ber Boca Si zum Quirinal gehend, La Lungara, in dem Quartire Tras 
tivere, vom eigentlichen Bürger» und Handwerferftande bewohnt, aber doch 
Bilden und Paläfte enthaltend. R. aut jetzt 7 Theater, von benen 

und Argentina bie vornehmften. Die meiften find nur in drei Winters 
—— ige ‚Die Besilterung as Mr im Fe — gan J 
wohlthaͤti was bie eigentlichen Römer betrifft, fehr , unels 
gennägig and R. hat über le 3 bie Iefuiten haben im Sommer 


& 


su 


1848 die Stabt verlaffen. Unter ben Einwohnern befinden ſich etwa 30 Bifchöfe, 
1455 Geiftliche, 1986 Mönche, 1385 Kloſterfrauen, 500 Seminariften, 400 Andere⸗ 
läubige und 5000 Juden, welche jeßt von verfchiebenen Befchränktungen befreit 
An. Der Geiſt bes Bolfes ift ein Harnılofer, wie er fich in vielen Heften aus⸗ 
pricht. Der Unterricht ift zwar verwahrlost, was aber von ben füblidhen Zus 
Anden und befonberd auch bavon Herfommt, baß man von Oben herab nicht 
e8 commanbirt, fonbern mehr der freien, felbfithätigen Entwickelung tberläßt, 
daher bie Römer auch lebenserfahrener, gewanbter und tüchtiger find, als ambere 
Bölfer. Herrliche Anlagen trifft man unter den gemeinen Leuten fehr häufig an. 
Die vielen Bettler ziehen fich der Fremden, der großen Zahl ber Geiſtlichen, Kloͤ⸗ 
fer u. |. w. wegen, aus allen Thellen bes Landes nah R., ohne daß dieſes felbft 
eigentlich ungewöhnlich viele Arme enthält, fondern, wie ganz Italien, auch in 
dieſer Hinftcht fich leicht mit anderen Ländern mefien kann, aus benen fo manche 
Reifende in nationalem Webermuthe u. blinder Befangenheit genen alles Katholi⸗ 
ſche die duͤſterſten und unwahrſten Schilderungen über R. und feine Bewohner 
verbreiten, um — bes eigenen Balfens uneingedenk — an bem riefengroßen Ge⸗ 
bäude abgefchmadter und lächerlicher Meberlieferungen doch auch mitarbeiten zu 
fin. Fuͤr den Unterricht felbft, ſowohl ben gewöhnlichen, als ben gelehrten, 
den fich Anftalten, auch Kreifchulen enng und Leute, welche ihn aus Liebe 
übernehmen ; allein bei der großen Seiönkt bigfeit, weldhe dem Römer angeboren 
if, wird Niemand zum Unterrichte gezwungen. Fuͤr wifienfchaftliche Ausbildung 
(namentlich fprachliche, wegen ber Handfchriften, der Gelegenheit bes Umganges 
mit Leuten aus allen Ländern, wie in ber Propaganda), und auch für kuͤnſtleri⸗ 
ſche iR R. die erſte Stadt ber Welt. — R. Hat eine Univerfität, Sapienza, im 
13. Jahrhunderte entftanden, an ber theils peikliche, theils weltliche Profefjoren 
lehren und bie einzelnen Wiffenfchaften, wie in befonderen Schulen, getrieben wer» 
ben. Das römifche Collegium, von Leo XI. mit allen feinen Privilegien ben Je⸗ 
* zuruͤckgegeben, jetzt wieder von ihnen verlaſſen; an ihm werden alle Wiſſen⸗ 
chaften, mit Ausnahme der Mebizin und bes Rechtes, gelehrt; es beſttzt eine ſehr 
große Bibliothek, ein Muſeum von Alterthuͤmern (Museum Kircherianum) und 
eine gute Sternwarte; ein beutfches u. griechifches Collegium, Akademie ber orien- 
talifdem Sprachen, Ingenieur,s Muſikſchule, Akademie der Archäologie, ber fchönen 
Wiſſenſchaften u. Fünfte von S. Luca, Collegium de propaganda fide (ſ. b. 
Art); ein foldyes zur Bildung englifcher @eifllichen, ir 15 Zöglinge u. f. w. 
Der ungemeine Wohlthätigkeitsfinn fpricht ſich beſonders aus in den vielen, nirs 
gends fo großartig ausgeftatteten, Anftalten zur Linderung alles menfchlichen Elen⸗ 
des. Das große Spital zum heiligen Geifte, gegründet von Innocenz III. u. von 
den folgenden Päpften außerordentlich erweitert und bereichert, für mehr ala 1000 
Kranke, auch für Findelkinder; Spital zum heiligen Erlöfer, durch bie 
Doria Pamphili, von Leo AU. barmherzigen Schweftern übergeben; das Hofpitium 
gu heiligen Michael, geftiftet von Sirtus V,, erweitert von Innocenz XIL unb 
ereihert von ben Fuͤrſten Odescalchi, für arme Leute, Unheilbare, Schwachfinnige, 
Beflerungsanftalt, ein ungeheure Gebäude; Arbeitsanftalt von Santo Giovanni 
für Ballen; eine Zufluchtsftätte für Obbachlofe zu St. Gallus, gegründet von 
einem Prieſter aus der Familie Odescalchi 5 ie St. Ludwig, ein Aufenthaltsort 
für obdachlofe Frauen; Heilige Maria in Aquiro, für Waifen aus beſſern Häufern, 
in der Regel zu Wiffenichaften Herangebilbet; Eonfervatorium zur Aufnahme derer, 
weldye ſich zum fatholifchen Glauben befehren wollen; Spital zur heiligen Dreis 
einigfeit, zur Zeit bed Jubiläums für die Pilger, von denen 1825 mehr als 
200,000 Aufnahme und Pflege durch die Religiofen und vornehmen Perſonen 
fanden. — Für Bebrängte befteht das Pfandhaus, vorgefchlagen von dem Minoriten 
Barnabas von Terni, errichtet von Leo X., Paul IL u. Gregor XII., belebt durch 
Pius VI; eine Kaffe für öffentliche Arbeiten zur Unterflügung u. Beichäftigung 
für arme Handwerker, gegründet von Pius V. und Innocenz XL, fehr gehoben 
von Leo All, und Gregor XVL; das geiftlihe Subfibium, eine von Peter Mire 





unter Dam Sihupe der HL Dad 
Ben ne I Lee 
tes die Gr; en f 
den Rarhinat Sorreernmnta, zur Einfommlung von aber 






ung braver Bürgerstöchter; bie Brudi den heiligen Mpofteln, 
zur Unt ung © * Armen) bie ber — — 
1678 dur! Johannes Standi bi Caſtei Nuovo und beſchuͤht vom 
Cardinal zut ganz geheimen: gun, e 
Familien; der. Frauen R.6 (lange ftand. ihm die Fürftin 

ale —* ieiften — ——— ec Recht der Armen, 

. J echte 

nicht dazu gelangen könnten; bie Geſellſchaft zur Bi er Ges 

en) Mi (Gebruberigaft ur Bnipatprung ee. Mi. Sohamesuaue den 

Seiftigen m Weitlichen beftehend, zum Beiftande der. zur Hinri 


'r 
Verbrecher, um für ihre Seele zu forgen; die Bruderſchaft des Gebetes 
— Bor Ekahı und -Ranbr de ohne Beprähmiß 
— Bog wehe iine sonen Te gab Die Mälfanihe un ber eh 
2 e jen; toß bie uni 
er Römer ft, Fabeifen u dgl. finden: ſich in Rom wenige, 
fie den Bebarf felbft. Meber bie inneren, fläbtiichen Anftalten und 
a aka nichts Beftimmtes angegeben werben, da dieſe Vers 
ſiniſſe zu unbeftimmt, theils erft tun Werden: begriffen find. bh 
“ u Berfaffung und Geſchihte bes alten römifhen Staates, 
— rdmiſche Bolt war lich aus verſchiedenen Stämmen gemiſcht, 
Sateiner, Sabiner und Etruster find die Hauptbeftandtheile, die allmälig in ein 
F ſchmolzen, obſchon fie eine geraume Zeit jeder feinen vorherrſchenden Cha⸗ 
er geltend machten. Abgetheilt war dasſelbe nah dieſen Stämmen in 3 Tri⸗ 
‚ von denen jede in id Curien zerfiel, jede Curie wieder in 10 Decurien. 
Alle waren freie Männer, nur aus den Kriegsgefangenen wurden die Sklaven 
Ein eigentHümliches Verhältniß beftand zwiſchen Patronen u. Eltenten; 
ke erfteren übten auf ihre Schülinge patriarchaliſchen Einfluß aus, vertraten fie 
vor Gericht, wogegen bie Elienten gewiſſe Pflichten, meift in Gelbbeiträgen be⸗ 
‚zu leiften Hatten. Das römifche Bürgerrecht war erblich, konnie aber 
au vom Staate verliehen werben. Es gewährte das Recht, in den Vollaver⸗ 
fanmfungen zu ftimmen, um Staatsämter ſich zu bewerben, ſchuͤtte gegen Leibess 
und Lebensfteafen und machte außerdem aller römifchen PBrivatrechte theilhaftig. 
Verpflichtet war der römifche Bürger zum Sriegevienfte und ge Steuerleiftung. 
An der Toga und dem Ealceus wurde der römiſche Bürger erfannt. Die Frem- 
den durften eine römifche Kleidung tragen, nicht in römifche Familien heirathen, 
beſaffen fein Eigenthumsrecht u. genoffen überhaupt feine der Wohlthaten, welche 
dem —— verbunden waren, Der Staͤndeunterſchied in Patrizier u. 
jedejer, in römifchen Geſchichte von ausgezeichneter Wichtigkeit, entftand 
babwech, daß in bie urfprüngliche Bewölferung die Albaner und andere Bölfer 
mifgenommen wurden; fie hatten feinen Antheil weder an ben Staatöge: 
; noch an dem Staatseigenthum, Fonnten ſich chelich mit den Patrigiern 
nicht verbinden'unb wurben in jeder Weife niedergehalten, bis fie, ihrer Macht 
fi bewußt, auf gleiche Rechte wit ben ‘Batriziern Anfpruch machten und nad 
7 wierigen Kämpfen vollfommene Gleichftellung erwarben. Als fo ber 
Erbabel feine —— verloren hatte, bildete fi ein Amtsadel dadurch, daß 
diejenigen, weiche ein öffentliches Amt geführt hatten, bie Auszeichnungen des⸗ 


i 


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— 


910: Rom. 


felben erblich fortpflanzten. Sie Hießen Mobiles, Später findet man 3 Stände, 
den Senat, die Ritter (equites) und bie Plebs. In den Ritterſtand wurben bies 
jenigen aufgenommen, weldye als ſolche im Heere gedient Hatten und bas bazu 
erforderliche Steuergquantum aufbringen konnten. Die eigentliche Berfaffung hat 
wiederholt gewechfelt. In ber Zeit bes Koͤnigthums ſtand ber vom Bolfe auf 
Lebenszeit erwählte König, mit ziemlich unbefchränfter Gewalt, an der Spitze bes 
Staates; zur Beratfung war ibm beigegeben ber Senat, bie Theilnahme ber 
olfeverjemmlungen an ben Staatsgefhhäften war unbedeutend, Die Zeichen 
ber föniglichen Macht waren: bie von 12 Lictoren getragenen Ruthenbündel mit 
ben Bellen, ber elfenbeinerne Stab, ber elfenbeinerne Seſſel (sella curulis), die 
Lopfbinde u. die geftidte purpurme Toga mit goldenen Streifen. Die föniglichen 
Einfünfte wurden aus ben Staatsländereien arogen. Es fand eine Claſſenabthei⸗ 
ung ftatt nach Maßgabe bes Vermögens. Alle diejenigen, welche ohne unbeweg: 
liches Eigentfum waren , bildeten zufammen eine @lafie, bie Capite censi, bie 
übrigen waren nach fteigenden Anfägen in 5 Claſſen vertheilt. Bon Wichtigkeit 
wurde dieſe Claſſiſicirung, als R. zur Republik fi umbildete. An die Spitze 
bes Staates traten nun 2 gewählte, jährlich wechſelnde Eonfuln (f. Eonful). 
In kritiſchen Faͤllen legte man bie vereinigte Staatsgewalt in die Hände eines 
Dictators ci. d.). Eine Zeit lange wurde bie Reihe der Conſuln unterbrochen durch 
Einführung der Tribunen mit confulariicher Gewalt. Reben ben Gonfuln entftans 
den nach und nach, wie das Bebürfniß es erforderte, andere höhere und niebere 
Magiftratsperfonen, wie die Cenſoren, Prätoren, Quaͤſtoren, Mebilen u. f. w. 
Zur Vertretung der Plebejer, den Patriziern gegenüber, fo lange jene politifch 
noch nicht ebenbürtig waren, wurden bie Bolfötribumen eingeführt. Diefe obrigs 
keitlichen Würden befanden fort, ohne jeboch länger eine politifche Bedeutung zu 
Haben, als die Republik in bag Kaiferreich uͤberging. Die Kaifer, theils erblich, 
theils ‚gewann, herrſchten unumfchränft, ein vollftändiger Defpotismus folgte ber 
zepublifanifchen Freiheit. Die Attribute berfelben waren: Kranz, Triumphkleid, 
Bortragen bes Feuers, Bewachung durch eine Leibwache u. ſ. w. Der Hoffftaat 
war außerordentlih zahleeih. Aus ben Faiferlichen Provinzen flofien die Ein- 
fünfte des kaiſerlichen Schabes (fiscus). Die Staatseinnahmen zur Zeit ber Re⸗ 
publif beftanden in Steuern, Zöllen, Tributen der eroberten Provinzen u. ſ. w. 
Später wurbe der Staatsfchag mit dem kaiſerlichen verſchmolzen. Die Rechtöpflege 
wurde Anfangs von den Conſuln, fpäter durch eigens dazu beftellte Magiftrate, 
bie Prätoren, geübt, Die dem Collegium ber Richter präfidirten. In außerordents 
lichen Faͤllen führte der Conſul den Borfis. Das hoͤchſte Eriminalgericht fand 
bei dem Bolfe Auch in Eivilprogefien Tonnte an das Volk appellirt werben. 
Das Gerichtsverfahren war mündlich und öffentlih. Die Parteien bebienten fich 
der Unterflügung von Rechtögelehrten, aus denen fich fpäter ber Stand der Rebner 
bildete. Der Gerichtsplatz war das Forum ober ber Compus Martius. Der Be 
flagte durfte nicht in Haft genommen werben, wenn er Fr fein Erfcheinen vor 
Bericht Bürgen ſtellte. Die Abftimmung in Volksgerichten geſchah durch Täfels 
den. Die Strafen befanden in Gelb, Gefängniß, Schlägen, Ehrlofigkeit, Vers 
bannung, Sklaverei, Tod. Die Hauptquelle bes römifhen Rechts waren bie 
Geſetze der 12 Tafeln. Geſetzeskraft erhielten die vom Volke getroffenen Anorbs 
nungen (leges), Senatsbefchlüße (senatus cousulta) und die Berfügungen der 
Kaiſer (constitutiones principales). Das Kriegsweſen war vortrefflich georbnet. Vom 
Kriegsdienſte ausgenommen waren nur bie Senatoren, Augum, Proletarier u. bie 
förperlich Unfähigen. Aus den Plebejern wurde bas Yußvolf gebildet, die Patri⸗ 
zier flellten die Reiter. Den Kern des Heeres machten bie torianer. Aus⸗ 
bebungen, fo oft fie den Eonfuln erforderlich fchienen, ergänzten das Heer. Die 
Abt en desjelben waren: Regionen, Cohorten, Manipeln u. Eenturien, Unter 
dem Gonfal, bem Oberbefehlshaber, ftanden die Legaten, die Sriegstribunen, Quaͤ⸗ 

en, Centurionen u. |. w. Die Waffen waren: Schild, ‚ er, Bein 
Gienen, Schwert, Wurffpieß, Lanze. Die Legionen führten als Yelbzeichen 


Nom: Ar 
‚bie mit mit dem Adler et waren, bie Reiterei 
Gahmaaı' De wurhen fie die Zeit bes Are verſehen, 
der wurde üblich. — Das Privatleben der Ri seichnete ſich 
während. ber. durch Einfachheit, Maͤßigleit und a aus. 
Die Stellung, I "war — —— fie ſowohl, wie Die Kinder, — 
des unbedingt sen gegeben, Die Erziehung: bes 
fepräntte. ih mei nur auf die Ausbiltung des Ri ers unb wurde, als bie Zeit 
be machte, in. bie be gebildeter Sklaven 
it Die vorne mer ten Ki fie, in Griedienland,  Fünfe 
—— — von —— eübt Ba * * ee befien 
nur — en 308 
winlige Sehebın war. bie To; — die Tunica jen wurde, 
he fit: üblich. " Der —— blieb Geht unbededt. An 
en ober Schuhe n we * — — 
Todlen wurden. beerbi verbrannt, erfien 
"Könige — Auliug g in ya, die gebräucplichfte war — 


ee —— fußes, zwiſchen 11 und 
—— waren "ie ertien und ber  Denarius. 
a ee l. Grävius, „Thesaurus antiquitatum“ 
(2 Rom 1 99), 8 Sallenger, —— Thesaurus antiq.“ (3 
Be. Rom 171619), Ruperti, „Handbuch ömifchen Alterthümer‘ (3 
—— SBetter, daſſelbe (12 Bde. 1843—45), Huſhke, ———— 

des Servius Tullius“ (1838), Göttling, „Geſchichte ber ——— 
(1840). — Gefſchichte. Die Altefte — Roms liegt tief in 
und Poeſie —— Rom, wahrſcheinlich aus einem etrurife Drte 
einem fabinift —— auf dem Quirinalis — gewach · 
Im galt I fir eine — 1; da6 wieder Lavinlum — 
verbanfen ſollte. Nach der Sage wurde ber an ige 

Ada, Numitor, von feinem Bruder Amulius vom Throne geftürzt und feine Tochter 
zut Beftalin beftimmt. Sie gebar aber von Mars Zwillinge, Romulus und Re 
Belannt find die Sagen, womit bie Sugenbget berfelben verherrlicht wird. 
Zu Friegerifchen Yünglingen Berangewachfen, ftürgten fie den Amulius und fepten 
den Numitor wieder ein. Hierauf gründeten fie 754 v. Chr. die Stadt Rom, 
welche aus einem Umfange von kaum 2 [J Meilen und 4000 Menfchen zu ber 
ungeheuern Größe von 130,000 [J Meilen und faft 100 Millionen Menfchen in 
3 Erbibeilen fih erhob. In Folge des befannten Naubes ber Sabinerinnen vers 
* ſich ein Theil der Sabiner mit ben Römern. Ihr König Statius, ber 
— jeworbden war, wurde bald ein Opfer ber Herrſchſucht bes Romulus, 
der bon feinen Bruder erſchlagen hatte. Nachdem Romulus dem neuen 
Pe eine fefte politifche —— gegeben hatte, wurde er ber Sage nad) 
von. den Göttern entrüdt, Sein Nachfolger, der fromme und weife Numa Poms 
pilius, war der Urheber * religiöfen Einrichtungen. Er baute den Janustem- 
pe. Auf ihn folgte der kriegeriſche Tullus Hoftilius, der Alba longa zerftörte 
und die Einwohner nach Rom verpflanzte. Ancus Martius legte den Seehafen 
Dftia an ber Mündung des Tiber an, Tarquinius Priscus verfhönerte bie Stabt 
und baute die Ploafen. Er wurde von den Söhnen bes Ancus Martins ermordet. 
An feine Stelle trat Servius Tullius; biefer theilte nach Verhältniß des Eigen- 
— das ganze Bolf in 6 Claſſen und dieſe wiederum in 193 Centurien und 
auf dieſe Weife die große Kluft theilweife aus, welche zwifchen ben Patri⸗ 
—* und ben Plebejern fh befand. Nachdem er das Opfer einer Adelsverſchwoͤ⸗ 
Ka jeworden war, beftieg fein Schwiegerfohn Tarquinius ben Thron, Durch 
and  Defpotismus erwarb er fi den Beinamen Superbus und zog fi 
2 der Batrigier zu. As fein Sohn Sertus die feufche Lucretia entehrt 
je ſich ſelbſt entleibt hatte, wurde er mit feinem ganzen Geſchlechte ver- 
das Königthumabgelchafft und eine ariftofratifcherepublifaniiche Verfaſſung 


mn 


Ian 


912 Nom. 


unter 2 Conſuln eingeführt, 510 v. Chr. Die erſten Conſfuln waren Lucius 
Junius Brutus und Cajus Tarquinius Collatinus. Die Tarquinier machten 
vergebens mehre Verſuche, die Ruͤckkehr nach Rom mit Hülfe benachbarter Voͤlker 
zu erzwingen. Selbft Borfenna, der mächtige König von Cluſtum, Eonnte bie 
Stadt nit bezwingen und ftand voll Bewunderung über bie Heldenthaten eines 
oratius Eocles und Mucius Scävola (f. dd.) von der Belagerung ab. 
8 folgten hierauf mehre Kriege, meift gegen latiniſche Städte, die ben damaligen 
Zuftand R.s zur Wiebererlangung ihrer Macht benügen wollten. Sie wur 
indeß, in Folge der entfcheidenden Schlacht am See Regillus 496, von dem Dies 
tator Aulus Pofthumius zum römifchen Buͤndniß zurüdgebracht. Der größte 
Theil der folgenden Jahrhunderte ift ausgefüllt mit ben Kämpfen der Plebejer 
gegen die Patrizier. Während ber befländigen auswärtigen Kriege Hatten bie 
eren wenig Zeit, das Feld zu bebauen und wurben daher meift den Patriziern 
tief verſchuldet, von dieſen Hart behandelt und nicht felten zu Leibeigenen gemacht. 
Darum weigerten fie ſich oft, Kriegsbienfte zu thun und während eines Krieges 
mit den Bolsfern zog das Bolf von Rom aus auf den Heiligen Berg, entſchloſ⸗ 
fen, Die Stadt ganz zu verlafin. Zwar erlangte ber e Menenius Agrippa 
die Rüdfehr, dagegen mußten aber ben Plebejern erft zwei und dann mehre uns 
verlegliche Vertreter im Senate, die Bolfstribunen, als ein verfaffungsmäßiges 
Gegengewicht gegen bie PBatrizier, zugeftanden werben. Bei einer bald barauf 
entftandenen Hungersnoth rieth Coriolanus, dieſelbe zur Wieberauffebung ber tris 
buniſchen Gewalt zu he ‚ allein nur bie Flucht rettete ihn vor ber Wuth 
bes Volkes. Zwei Jahre fpäter brachte der Conſul Viscellinus das Ackergeſet 
(lex agraria) in Vorſchlag, demzufolge ben Plebejern ein Antheil am Grundeigen⸗ 
thum des Staates gegeben werben follte. Er wurbe jedoch als Berräther be 
firaft und das Gele Fam nicht zur Ausführung. Dieſes Adergefeh war fortan 
Beranlaffung zu vielfachen Unruhen und das Volt wiederholte beftändig bie For⸗ 
derung nad) einer billigen Geſetzgebung, wodurch feine Rechte geflchert würben, 
Nachdem in Folge diefer unzufriedenen Etimmung mehre Kriege gegen Veit, bie 
Bolsfer und Nequer unglüdlih geführt worden waren, kam endlich 447 burch 
bie Decemvirn eine neue Befebgebung, bie fogenannten 12 Tafelgefege, zu Stande, 
bie zwar noch immer ſehr ariftofratifch waren, jeboch bie beiden Stände um ein 
Bebeutendes näherten. Die Gewaltthat bes Decemvir Appius Glaubius gegen. 
bie Birginia, eine Plebejerin, gab die naͤchſte Beranlaffung zum Sturze der Des 
cempirn. Es wurden wieder Gonfuln erwählt. Von nun an firebten bie Plebejer 
auch nach der confularifchen Würde. Nach langen, hartnädig wiederholten Zwi⸗ 
figfelten erlangte das Volk, daB alle hohen Staatswürben: das Gonfulat 366, 
bie Dietatur 356, die Genfur 351, bie Brätur 337 und das Prieftertfum 300 
auch von Plebefern verwaltet werben konnten. Die gemifchten Chen zwifchen 
Patriziern und Plebejern waren ſchon 544 erftritten worden. Während bem 
dauerten bie Kriege nach Außen jährlich fort. Die etruskiſche Stadt Beil wurbe 
395 nad 10 Jahren erft vom Dictator Camillus erobert, wobei zuerft bie Höhere 
Belagerungstunft ben Römern befannter wurbe, bie erſten Seinterfelbyäge und 
bee Gold der Krieger vorfamen, Doc drohte bald R. felbf eine große Gefahr 
von ben norbitaliihen Gallien, die unter Brennus, nachdem fie ein römifches 
Heer am Fluße Allia vernichtet Hatten, 389 gegen R. anrüdten, basfelbe erober- 
ten und verbranntn. Nur das Bapitolium wurde von Manlius Torquatus ver- 
theidigt. In diefer Noth nahte ber durch Volkshaß vertriebene Camillus mit eis 
nem Deere und fchlug bie Gallier, daß fle eilends ben Rüdzug antraten. Die 
Stadt wide fohnell, jedoch planlos und unregelmäßig, wieder aufgebaut, Mit 
der Stadt entflanden auch die alten Zänfereien zwiſchen Bolt und Adel wieder, 
bis fie zuletzt mit völliger Gleichheit der Stände endigten. Damals wurden zus 
erft Geſetze über bie Bertheilung ber öffentlichen Aecker und über das Schulden, 
wefen in Boeflag gebracht. Die Berfaffung verwandelte fi allmälig aus eis 
ner brüdenden Ariſtokratie in eine gemäßigte Demokratie. Durch unaufhörliche 


Rom, 913 


Kriege Hatten die Römer bis jet einen großen Theil von Mittelitalien an fich 
gebracht und des Seehandels wegen bereits 343 einen Vertrag mit Karthago abs 
gelhtoffen. Durch die Kriege wit den Samnitern, 343—290, in benen R. An» 
fange in großer Gefahr ſchwebte, bahnte es fi den Weg zur Unterfochung von 
Unteritalin. Dieß war die Helbenperiobe R.s, wo Balerius Corvus, Curius 
Dentatus, Deeius Mus, Bapirius Eurfor, Fabius Marimus glänzten. Die Un- 
terw von Latium erfolgte 338. Eine Menge anderer Feinde, bie Etrusfer, 
Umbrer, Marfer, Ballier u, f. w. wurben befiegt. 280 entftand ein Krieg gegen 
bie Sarentiner. Diele erfochten mit Hülfe bes Königs Pyrchus von Epirus zwei 


Siege Roͤmer; bie Niederlage bei Beneventum aber nöthigten ihn zu 
eiligem Radpge Tarent ergab fih 272 und damit fiel ganz IUnteritalien ben 
| au. So geübt und vorbereitet bucch ſchwere und biutige Kriege, wagte 


Kom an feine gefäßrlichfte Rebenbuhlerin, bie Ir: ala Republik. Karthago 
hatte Bekpungen In Sidlien. ine geringe Beranlaffung, welche bei der Nach⸗ 
barichaft der eiferfüchtigen Staaten ſehr leicht ſich ergab, entzünbete ben 
puniſchen Krieg 264— 41. Der Conſul Duilius erfocht 260 den erften 
über die Karthager; diefe wurben aus Giclien verbrängt, bald war auch 
Gorfica, Malta und Sardinien erobert und ber Conſul Regulus wagte es, ben 
Lampf nach Afrika ſelbſt zu verfeßen. Hier aber wurbe er von den fpartanifchen 
Palfoteuppen eichlagen und gefangen. Der entfcheidende Seefleg des Lutatius 
über Icar Barcas bei den Agabifchen Inſeln zwang bie Karthager 
241 zum $rieben, in welchem fie Sicilien und einige Kleinere Inſeln abtreten u. 
ar brei Millionen Thaler zahlen mußten. Im Sahıe 236 wurbe der während 
Kriege immer offene Ianustempel feit 438 Jahren zum erftenmale gefchloffen. 
Sur; barauf aber bemüthigten die Römer ben illyriſchen Seeräuberflaat, beftanben 
einen neuen Krieg wit ben nörblichen Galliern u. gründeten in dem Lande ber- 
Kolonin. Mit der Eroberung von Iſtrien 221 war bie Römerberrfchaft 
im nörblichen Italien befeftigt. Unterbefien Hatten die Karthager für ihre Ver⸗ 
luſte durch Eroberungen in Spanien ſich entfchädigt u. Hannibal faßte den füh- 
nen Entſchluß, von bier aus den Krieg zu erneuern u. bie Römer in ihrem eige- 
nen Lande anzugreifen. So entftand der zweite punifche Krieg, 218—201. Nach⸗ 
Hannibal mit unfägliher Mühe die Pyrenaͤen u. die Alpen überfchritten 
hatte, vernichtete er in ben 3 Schlachten am Ticinus, Trebia u. am Eee Trafl- 
eben fo viele confularifche Heere. In ber Höchftien Noth ernannten bie 
Römer den Duintus Fabius zum Dietator, der dur Zaudern u. Hin- u. Her 
eben den Hannibal zu ſchwaͤchen u. zu ermüden ſuchte. Ohne auf R. loszu⸗ 
gehen, zog fih Hannibal nach Unteritalienz; das römische Heer wurde hierauf 
wieder unter Eonfuln, Aemilius Paulus und Terentius Varro, geftelt. Durch 
eine entfcheidende Schlacht gedachten dieſe ben Krieg zu beendigen, erlitten aber 
216 die furchtbare Niederlage bei Cannaͤ. Auch jetzt ging Hannibal nicht nach 
R., fondern verflärkte fi in Capua in Unteritalien und brachte den König von 
Syrafus auf feine Seite, weßwegen ein römifches Heer unter Marcellus nach 
Sicilien ging, nad Dreijähriger Belagerung Syrafus eroberte und die ganze 
Inſel nebſt Sardinien zur Mrovinz machte. Bon Capua aus drang Han- 
nibal zwar bis in die Nähe von R. vor, unterdefien aber ging Capua ver- 
Ioren und das Hülfsheer, welches von feinem Bruder Hasdrubal ihm zugeführt 
wurde, erlitt bei Sena eine gänzliche Niederlage. In Spanien war der Krie 
unter Publius Cornelius Scipio glänzend geführt worden u., als dieſer felb 
nach Afrika überfchiffte, wurde Hannibal ſchleunigſt zurückberufen. Die Schlacht 
bi Zama entſchied das Schidfal Karthago's. Es erfaufte den Frieden durch 
den Berluft aller feiner auswärtigen Befigungen u. ungeheuere Geldfummen. Zur 
Zächtigung bed Königs Philipp von Macedonien, der fich mit Hannibal in ein 
Bündnis eingelafien Hatte, ging ein römifches Heer nach Epirus. Der Sieg 
bei Kynoskephalaͤ 197 brachte einen folgereihen Frieden. Kurz darauf begann 
der Krieg gegen Antiochus von Syrien, ber fi) gleichfalls mit Karthago ver- 
Healencyclopädie. VIIL 8 





3 


Bi 


— 


914 AHom, 


bünbdet Hatte. Er wurde 190 bei Magnefia gefchlagen u. unſchaͤdlich gemacht, 
Der 2. macebonifche Beieg ge en Perſeus enbigte mit der Schlacht bei Pybna 
u. der Verwandlung bes ide in eine ömilhe Provinz 168. Das Gleiche 
gelben mit Illyrien u. Epirus. Ein noch traurigeres Schidfal betraf Karthago. 
reulofer Weiſe der Bundbruͤchigkeit angellagt, wurde die Stadt belagert u. nad 
einer heldenmüthigen Bertheidigung von 2 Jahren durch Publius Cornelius 
Scipio erobert u, verbrannt, Afrika aber römifche Provinz 146. In bemfelben 
Jahre fiel auch Korinth, ber Sig bes achäifchen Bundes, u. Griechenland hieß 
nun als roͤmiſche Provinz Achaja. Bald barauf —* die Römer gegen bie 
unmäßig bebrüdten, aufrüßrerifhen Spanier einen hartnädigen Sjährigen Kampf 
zu beſtehen. Der eble Lufitanier Viriathus wurde durch Meuchelmorb aus bem 
Wege geräumt, 140, u. bie Stadt Rumantia nach 14jähriger Vertheidigung ver 
tigt, indem bie vom Hungertode verfchonten Einwohner ihre Stadt anzünbeten u. 
fi felbft ermordeten, 133. Ein blutiger Aufftand von 70,000 Sklaven in Si⸗ 
cilien unter Eunus Tonnte erft nad A Jahren mit der Ermordung von 20,000 
berfelben ganz gedämpft werben. So befaß nun das 200 Jahre früher noch fo 
fleine R. jetzt, außerhalb Stalten, die Provinzen Sicilien, Sardinien, Gorfica, 
Spanien, Afrika, Ligurien, das cisalpiniſche Gallien, Macebonien, Adhaja und 
Kleinafien. Berwaltet, aber auch ſchrecklich ausgefaugt wurden biefe Provinzen 
durch gewefene Confuln u. Prätoren. Römifche pen blieben in allen exobers 
ten Ländern. Als nun nach u. nach Die Kriege feltener wurden, zeigten fidh in 
ber Stadt bald fehr gefährliche Unruhen, ba bei ungeheuerer Bereicherung Einzel 
ner ein zahlreicher Pöbel ohne Eigenthum lebte, Gegen die Bamilienariftofratie 
traten Bolfstribunen auf, die auf eine befiere Bertheilung der Staatsländereien 
drangen. So ber Tribun Sempronius Gracchus u. feine Söhne, Tiberius und 
Cajus Sempronius Grachus 134. Allein auch bie billigften Borfchläge fanden 
ben deftigften Widerſpruch und in einem von ben Batriziern erregten Tumulte 
wurden beide Brüder nebft mehren Taufenden ihrer Anhänger erfchlagn. Go 
fam zu der Berfchlechterung der Sitten überhaupt noch Bürgermord, Beſtechlich⸗ 
feit, Exrprefiung in den Provinzen. Niemand wollte arbeiten, jeder nur genießen. 
Taufende von Fremden u, Einheimifchen buhlten um bie Stimmen ber niebrigften 
Bürger. Gelbft der fonft fo achtbare Senat gab fi elender Käuflichkeit Hin, 
weil nur Factionsgeift u, Egoismus ihn leitete. “Der Frieg gegen ben König 
Jugurtha von Rumidien gab ben traurigen Beleg dazu. Erſt nach den ſchaͤnd⸗ 
lichften Berbrechen, und nachdem Jugurtha wiederholt durch Gelb u. Gefchenfe 
von der Zuͤchtigung fi) losgekauft Hatte, befchloß ber Senat ben Krieg, ber 
durch Marius u. Sulla ſtegreich beendigt wurde 106. Jetzt erhielt R. einen 
neuen Feind. Ein bisher unbekanntes Bolf, bie Eimbern u, Teutonen, Hatten 
fih den nördlichen Graͤnzen Italiens genähert u. mehre confularifcye Heere ges 
(Klagen. Marius erhielt in dieſer drängenden Gefahr das Conſulat auf 3 Jahre 
und vernichtete die Teutonen bei Aqua Sertiä, bie Bimbern bei Verona 101. 
Gleichzeitig Hatte ein neuer Sklavenkrieg in Sicilien 4 Jahre hindurch gemüthel, 
Eine bedenkliche Gefahr erwuchs R. duch den großen Bunbesgenofienfrieg, 90 
bis 88, erregt von einem großen Theile der italienifchen Völker, weil fie zwar 
alle Laften zu tragen, aber nicht gleiche bürgerliche Rechte mit den Römern zu 
genießen hatten. Sulla führte den Krieg, er wurde aber nur dadurch beendigt, 
daß die Römer freiwillig ben Bundesgenofien die geforberten Rechte zuerfannten. 
Während diefer Borgänge hatten Sulla u. Marius ſich entzweit, benn fchon 
war es fo weit gefommen, baß Einzelne um bie Herrfhaft in bem Staate zu 
buhlen wagten, Als daher Sulla gegen ben König von Pontus, Mithridates, ber 
in Borberaften 80,000 Römer plößlich ermorbet u. Macebonien u. Griechenland 
| yum Aufftanbe gebracht hatte, 88 geſchickt worben war, ließ Marius nad) le 
reife Durch bewaffnete fen 7 zum Feldherrn erwählen. Sulla kehrte 
Pr zurüd, verjagte die Anhänger des Marius u. ließ ihn ſelbſt Achten. Kaum 

e Sulla Italien wieber verlafien, fo rüdte Marius mit einem gegen 


. — —— — — 


Nom. 915 


X. u. richtete in ber Stadt ein ungeheueres Blutbad unter ber Partei des Sulla, 
wozu ber Adel geheke, an. Das gleiche Schaufpiel wieberholte fidh nad) ber 
Kückkehr des Sulla. Der Bürgerkrieg endigte mit der Bertilgung ber marianiſch⸗ 
demofratiichen Partei u. ber enmung bes Sulla zum Dictator auf Lebenszeit 
81. Sulla feierte feine Siege durch blutige Mebeleien, legte aber ſchon nad 
2 Jahren bie Dictatur nieder. Auch in den Provinzen, befonders in Afrika, war 
bie Partei bes Marius von dem kungen Pompejus unterdrüdt worden, in Spa- 
nien nad Gjährigem Kriege durch Ermordung bes Sertorius 72. In Italien 
empörten fich 70,000 Sklaven u. ®labiatoren unter Anführung bes Spartacus, 
wurden aber von Graffus u. Pompejus vernichtet. Dem letzteren war es aud) 
aufbehalten, den Krieg gegen Mithridates zu beendigen 64, nachdem er bereits 
den Krieg gegen bie Auber in Sfaurien u. Sicilien glüdlich befeitigt Hatte. 
Sekt, nach Falle des Mitäridates, war R. auf dem Gipfel feines Glüuͤcks. 
Aber es gab Feinde im Innern, tie gegen jede Orbnung ber Dinge fi empör- 
tn. Daher bie 3 Verſchwoͤrungen bes Batilina, bie durch Eicero 63 entbedt u. 
unterdrüdt wurben. Ueberhaupt zeigt fich jetzt in dem koloſſalen R. auch Alles 
in größeren Berhältnifien: Lafter u. Tugenden, Leidenfchaften, Armuth u, Reich⸗ 
tum. Bor allen macht fich die Annäherung zur Oligarchie bemerkbar, von ber 
mr wenige Schritte bis zur Monarchie waren. Drei Männer ragten hervor, 
bie fich zu einem Triumnwirat vereinigten: ber reiche Craſſus, ber glüdliche Pom- 
pejus u. der ehrgeizige u. tapfere Cajus Julius Caͤſar 60. Ste theilten unter 
Ah die Provinzen, Pompejus erhielt Spanien u. Afrika, Erafius Aſten, wo er 
umfam 53, Gäfar das jenfeitige u. biefleitige Gallien; jenes mußte er fih aber 
eat durch jahrelange Kämpfe gegen bie unruhigen Einwohner erobern, Zwiſchen 
Dompeius u. Caͤſar kam es, dba beide nach der Herrfchaft firebten, zu Reibungen, 
endlich zu offenem Kampfe. Caͤſar drang nah R. vor, Pompejus u. bie Arifto- 
traten flüchteten nach Griechenland. In 60 Tagen hatte Caſar R. und ganz 
Italien inne, vernichtete hierauf bie Heere bes Pompejus in Spanien, eilte nun 
ak nach Griechenland u, beflegte feinen Gegner in der Schladt bei Pharſalus. 
Pompejus entflod nach Aegypten u. fand hier den Tod durch Verräther. Nach— 
dem Gäfar durch die blutige Schlacht bei Munda, 45, die Söhne bes Pompejus 
wehrlos gemacht hatte, hielt er feinen glänzenden Triumphzug in R. Er wurbe 
lebenslaͤnglicher Diktator u. Imperator, ließ aber die republifanifchen Formen 
beſtehen. Allein fchon das Jahr darauf wurde er von den Republifanern, an 
deren Spitze Brutus u. Caſſius flanden, den 15. Mai 44 ermordet, Die Pro- 
vinzen wurben unter feine Mörder vertheilt. Aber nicht lange war die republi- 
tanifche Partei vom Gluͤcke begünftigt. Antonius, ein Anhänger bes Caͤſar, ver- 
band fich mit Lepidus, dem Erben u. Adoptivfohn Bäfar’s, Cajus Julius Cäfar 
Octavianus, zu einem Triumvirat; 32 Broferiptionen gegen bie republifanifche 
Bartei wurden eröffnet, unter zahllofen Opfern fiel auch Cicero, — Brutus 
und Gaflius wurden in ber blutigen Schlacht bei Philippi 42 überwunden 
und brachten fich felbft um. — So endeten bie letzten Republifaner und mit 
ifnen die Zreiheit Rs. Die Triumphirn kehrten jegt die Waffen gegen fid 
ſelbſt. Lepidus, als der Schwächfte, wurde ausgeftoffen. Gegen Antonius, der, 


: zon den Reizen der Agyptifchen Königin Kleopatra verführt, feine Gemahlin, bie 


Schwefter bes Oftavianus, verftoßen hatte, wurde durch den Senat ber Krieg er- 


klaͤrt. Die Seefchlacht bei Actium, 31, entfchied den Frieg mit einem Schlage: 


Antonius gab ſich ſelbſt den Tod, Kleopatra nahm Gift, Aegypten wurde in eine 
römiſche Provinz, Octavianus alleiniges Oberhaupt des Staates, mit dem Titel 
Imperator, und ber Sanustempel wurde zum zweiten Male gefchlofien. Bon bem 
Semate erhielt er den Ehrentitel Auguftus, ber Unverlepliche oder Ehrfurchtswuͤr⸗ 
dige. Die Kormen der Republif behielt er möglichft bei; daher ließ er fih alle 
10 eder 5 Jahre von dem Senate bitten, bie höchfte Gewalt wieder zu überneh- 
wen. Der Senat blieb Staatsrath, obgleich Maͤcenas, Agrippa, Meffala eigent- 
lich bie geheimen Räthe u. Minifter waren. Stehende Heere u Leibwachen ka⸗ 
AR 


916 Aom. 


men auf, die Legionen befanden fich in den Provinzen in ftehenden Lagern. So 
traf er eine Menge anderer wichtiger Einrichtungen, bie Die Römer vergeflen 
ließen, wie er zur Herrſchaft gefommen war, Nur an ben Gränzen u. in entles 
genen Ländern wurden Kriege geführt. Die aufruͤhreriſchen Cantabrier, Pannonter 
u. Illyrier wurden unterjocht, gegen bie Parther glüdlih gekämpft. Ynglüdlicher 
waren bie Kriege mit ben Deutſchen. Hart an der Donau hatten bie Römer be 
reits feften Zuß gefaßt, aber in den norbiweftlicden Gegenden waren ihre Unter 
nehmungen fruchtlos. Drufus war zwar bis zur Elbe vorgedrungen unb fein 
Bruder Tiberius hatte durch Anlegung von Eaftellen fich feftzufegen gefucht, aber 
alle diefe errungenen Bortheile gingen durch bie Aiberlage bes roͤmiſchen Felbdh errn 
Barus im Teutoburger Walde verloren. Die Zeiten des Auguſtus pflegt man 
das goldene Zeitalter R.S zu nennen. Künfte u, Wiffenfchaften blühten, befon- 
bers unter dem Schutze bes trefflihen Maͤcenas. R. felbft wurde immer Träftiger 
u. glänzende, Nur als Gatte und Bater war Auguſtus unglücklich. Ra —* 
nem Tode, 14 n. Chr., kam durch Livia's, feiner dritten Gemahlin, Schanbthaten, 
ſtatt Caͤſar's Haus das ſchaͤndliche Geſchlecht der Claudier mit Tiberius auf ben 
Thron. Tiberius, 14 — 37, war ein tückiſcher, grauſamer u. wollüfiger Tyrann. 
Dem Volke nahm er die Eomitien u. ſetzte die fchredlichen Berichte über Maje⸗ 
Atöverbrechen ein. Nachdem er die meiften der Seinigen ermorbet Hatte, zog er 
ch auf die Infel Capreaͤ zurüd u. ließ feinen Guͤnſtling Sejanus regiern. Er 
wurde endlich ermordet. Sein ihm nachfolgender Mboptivfohn, der 25jährige 
Cajus Caͤſar Caligula, 37— Al, wurde bald zu einem wahnfinnigen Ungeheuer, 
ergögte ſich an tigerartiger Grauſamkeit, verfchwenbete in einem Jahre 132 Mil 
lionen Thaler u. wurbe von ben Anführern ber Leibwache erftochen. Die Praͤ⸗ 
torianer (Leibwache) erhoben feinen Oheim, Tiberius Claudius, 4f — 54, gegen 
ein Geſchenk auf ben Thron. Weiber und Bünftlinge regierten an feiner Stelle. 
Er wurde auf Anftiften feiner Gemahlin Agrippina duch Pilze vergiftet u. biefe 
machte mit Hülfe ber Soldaten ihren Sohn aus erfter Ehe, den Rero, zum Kai⸗ 
fer, 54— 68. Diefer, von Seneca erzogen, erwedte Anfangs die ſchoͤnſten Hoff: 
nungen, verwandelte fidh aber bald in ein furditbares Scheuſal. Er ermordete 
Mutter und Gemahlin, verfolgte die Chriſten, fledte R. in Brand, trat als 
Schaufpieler, Sänger u. Gladiator öffentlich in R. u. in Griechenland auf, und 
als die Prätorianer ſich gegen ihn empörten, ließ er fich von einem Freigelaffenen 
umbringen. Im zwei Jahren bemächtigten ſich mit Hülfe ihrer Legionen in ben 
Provinzen der 72jährigen alba, der pupfüchtige Otho u. ber erräßige Vitellius 
bes Thrones. Allein die ſyriſchen Legionen riefen ihren Feldherrn Veſpafſianus 
zum Kaiſer aus, der ſich auch behauptete, 69 — 79. Er verbeſſerte die Finanzen, 
ſtellte die Kriegsdisciplin wieder Her, betrieb die Anlage öffentlicher Gebaͤude, hob 
die Majeftätsgerichte auf, eroberte durch Agricola England, unterdrüdte bie ges 
fährliden Empörungen der Gallier u. Bataver, u. beendigte durch feinen Sohn 
Titus den jübifchen Krieg mit der Zerflörung Jeruſalems. In die kurze Regiers 
ung bes Titus, 79— 81, fielen große Unglüdsfälle: bie Verſchuttung von Pom⸗ 
peji u. Herfulanum, ein furcdhtbarer Brand und eine Peſt in Rom. Er erwarb 
fih den Beinamen, „bie Liebe u. Wonne bes menfchlichen Geſchlechts.“ D a | 
fam mit feinem Bruder Domitianus, 81— 96, ein vollendeter Tyrann auf en 
Thron. Obſchon er alle Kriege gegen bie Ehatten, Dacier, Marfomannen u. ſ. w. I 
unglüdlich führte, Hielt er dennoch pomphafte Triumphe. Er wurbe ermorbet. ! 
Mit feinem Nachfolger Neroa, 96 — 98, begann für das Reich eine befiere Zeit. ı 
Mild und gerecht, Hinderte ihn nur fein hohes Alter, die Unterthanen glüdlich zu : 
machen. Er erwarb fih aber dadurch ein großes Verdienſt, Daß er ben S x 
Trajanus, ber ihm in der Regierung folgte, aboptirte. Trajanıs, 98 — 117, war ı 
ge groß ald Regent, Feldherr u. Menſch, die freie Berfaffung wurbe wieder x 
geſtellt, der edle Kaiſer erfannte über fi) das Geſetz. Er beswang bie Dacier, ı 
erweiterte im Orient bie Gränzen bes Reihe bis an ben Tigris u, eroberte einen ı 
dell von Arabien. Unter feinem Nachfolger Habrianus, 11738, wurbes i 


Kom, 917 


biefe Ero en zwar wieber aufgegeben, bagegen traf dieſer in allen Provins 
zen, bie er felbit meift zu Fuße bereiste, bie zwedmäßigften Einrichtungen. “Die 
luͤcklichſte 2 g das Reich war bie bes Antoninus Pius, 138 — 161. 

war ein Gegen feines Volkes. Die Regierung bes Marcus Aurelius Antos 
ninus Philoſophus, 161—180, fülten blutige Kriege gegen bie Chatten, Parther, 

artomannen und viele vom ſchwarzen Meere nad Deutfchland wohnenbe 
Bölfer, denn ſchon jeht begannen bie germanifchen Stämme bie Gränze zu beun⸗ 
ruhigen. Zu biefer äußern Gefahr kamen von nun an Häufige u. blutige Regent» 
enwechſel, die das Reich innerlich zerrütteten u. feiner —2 — entgegenfuͤhrten. 
der Ermordung bes ſchrecklichen Gommobus, 180 — 192, der von den Fein⸗ 
ben ben Frieden mit Geld erkaufte, Dagegen 735 Mal vor dem Volke als Gla⸗ 
‚ jedes Mal für eine Million Sefterzien, aufgetreten war, folgte Bertinar 
brei Monate lange, dann Dibius Julianus, der den Thron von den Prätorianern 
für 6 Millionen Thaler im öffentlichen Aufſtreiche erſtand. Hierauf wählten bie 
eifexfüchtigen Heere in ben Erovingen 3 Imperatoren auf ein Mal, von benen 
ber tapfere Geptimius Severus, 193 — 211, behauptete ein fchändlicher 
Sohn Garacalla, 211— 217, befledte fich mit Bruderblut, Nach ihm wählten 
die Soldaten ben 14jährigen Heliogabalus, 218—222, den elendeften u, abſcheu⸗ 
lichſten aller roͤmiſchen Kaiſer. Er ging in Weiberkleidern, bildete fih einen Ges 
nat aus Weibern, ernannte , Kutfcher, Barbiere zu den hoͤchſien Staates 
ämtern, nannte ſich felb Frau u. Königin, ging auf Bold» u. Silberflaub par 
zieren und wurbe enblidy mitten in feinen ulehifigen Lüften erſchlagen. Daffelbe, 
aber unverbiente, Ende traf den Alexander Severus 222 — 35. Ein Gothe, ber 
tiefenhafte Maximinus, beftieg ben Thron 235 — 38; feine Strenge und Härte 
e Soldaten — ihm ein frühes Ende zu. Auf die unbedeutenden Kai⸗ 

N: 


—* 


& 


Gorbianus und us folgte Dectus, 249 — 59, unter dem bie Gothen 
um erſten IR eich fielen und ihn erfchlugen. Anch die Franken und 
Alemannen wurben ben römifchen Graͤnzen immer gefäetiger während ber Pers 
ferfönig Sapor ſich rüftete, die römifchen Provinzen in Aften zu erobern. Unter 
der forglofen Regierung des Gallienus, 259 — 68, machten fih 19 Staathalter 
in ben Brovinzen unabhängig (hie fogenannten 30 Iyrannen), bis Claudius IL, 
268 — 70, die Gothen aus Möften zurüdwarf und Yurelianus, 270— 75, auch 
die beutfchen Bölfer ſchlug und als Wiederherfteller des römiſchen Reichs galt. 
Er vernidhtete das Reich der Zenobia, Königin von Palmyra. Auf den würdigen, 
aber zu alten Zacitus, deffen Regierung nur 6 Monate währte, folgte ber treff- 
liche Aurelius Probus, 276— 82, der gegen die Deutfchen von Regensburg aus 
die große Befeftigung bis gegen ben Kenn (Teufeldmauer) erbaute u. bie —* 

Frieden brachte. Es folgen die Kaiſer Carus, Numerianus und Carinus. 

f dieſe Zeit bes wildeſten Soldatendefpotismus kam mit Diocletianus, 284 — 
305, die Periode der Theilungen. Er ernannte unter dem Titel: „Auguſtus u. 
Caãſar“ foͤrmliche aniteegenten. Die Folge diefer Einrichtung waren beftändige Un⸗ 
einigkeiten. Nachdem Diocletian und der Mitregent Marentius ihre Würden nie 
bergelegt hatten, traten ſechs Kronprätendenten auf. Nach heftigen Unruhen und 
Kaͤmpfen bis 313 waren nur noch zwei derfelben, Fonftantinus u. Licinius, übrig. 





: Der Erftere erlangte 324 durch zahlloſe Sreutofigfeiten, Berbrechen u. Kriege 324 


die Alleinherrſchaft. Konftantin des Großen Regierung, 334— 37, iſt Epoche 


aachend durch die Erhebung der chriftliden Religion zur Staatsreligion. Er 


verlegte ben Kaiferfig nach Byzanz, theilte das Reich in A Präfeeturen, 13 Diö⸗ 
eefen u. 120 Provinzen. Bon feinen drei Söhnen behielt nach langem Kampfe 
der üppige, von feiner Umgebung beberrichte Konftantius, 337—61, die Oberhand. 
Jullanıs, 361 —63, ber letzte aus Konſtantins Haufe, ein fonft fehr kraͤfti⸗ 
ger Regent, farb nach vergeblichem Berfuche, das Heidenthum wieder einzuführen, 
auf einem auge pegen bie Perfer. Unter den folgenden Kaifern, Iovianus, Ba- 
imtinianus I, alens, 363 — 78, dauerten nicht nur die Kämpfe gegen bie 
Deutſchen fort, fondern begann auch die große Voͤlkerwanderung, welche —* 


918 Roman. 


Jahre ſpaͤter dem weſtroͤmiſchen Reiche ein Ende machte. Die Gothen, denen Va⸗ 
lens in der Schlacht bei Adrianopel erlegen war, wurden durch den Spanier 
Theodofius, 379 — 95, vor der Hand beruhigt. Theodoſtus entledigte ſich feiner 
Reichsgehilfen, ſuchte das Heidenthum ganz zu unterbrüden u. mit ſirenger Kraft 
das Reich im Innern zu beruhigen und nach Außen zu beſchuͤtzen. Allein durch 
bie Theilung des Reiche unter feine beiden Söhne Arcadius u. Honorius, 395, 
legte er den Grund zu einer bleibenden Trennung. Bon nun an gab es ein 
orientalifhes u. occidentalifhes Kaiſerreich (f. d.). 

Roman iſt im Allgemeinen ein Charakters oder Situationsgemälbe, ein Bild 
bes Gewordenen, mit ben Urfachen feiner Entwidelung; im engeren Sinne bie 
poetifche Verſchaulichung eines individuellen Lebens, in ber Form einer gefchicht- 
lichen Ericheinung, nichts blos gedöri gezeichnet, fondern auch dem eigenen Ziele 
zugeführt. Hiernach hat es der R. nicht ausfchließlich mit Begebenheiten zu thun, 
fondern mit dem Ganzen eines abgefhlofienen Lebens und mit allen Beziehungen 
und lid bie einen Beſtandtheil biefer Lebensgefammtheit ausmachen. 
Die ausführlidde Individualifirung dee SBerfönlichfeit muß daher mit ber Anfchau- 
lichkeit der Berhältniffe verknüpft feyn, ae ber R. auch die Einmifchung von’ 
Epifoden (f. d.) geftattet, und zugleich den Charakter einer beflimmten Zeit⸗ 
periode u, bet. zeichnen kann. Dadurch nimmt er einen größeren Umfang und 
eine größere Ruhe in Anfpruch, denn in ihm, der das Gewordene barftellt, nicht, 
wie das Drama, das Werdende, überragt ber Berftand die Phantaſie. Eben fo 
wenig, «als mit dem Werdenden, befchäftigt ber R. fich mit ber Erzählung eins 
zeiner Vorfälle des menfchlichen Lebens, wie bie Novelle (ſ. d.), welche fogar 
gleihfam als Epiſode von ihm aufgenommen werben Tann, in fo ferne fie, vers 
möge ihrer Einfachheit, ein genau bezeichnendes Bild der Berhältnifie zu geben 
vermag. Durch diefe Eigentbümlichkeiten wird benn auch die Sprache ber Brofa 
bedingt, in welcher jeder R. abgefaft feyn muß. Das Wunderbare, bem Epos 
faft unentbehrlich, ift bemfelbem fremd u. felbft ber einwirkende Zufall muß ges 
fam nur fcheinbar eintreten, weil, einer richtigen Bemerkung zufolge, das Ganze 
aus dem Standpunfte ber beftimmten Handlung felbft, objertiv, auszuführen ift, 
bie Motivirung aber mehr ſubjectiv und innerlich, d. i. mehr von Berfonen und 
ihrem Thun abhängen muß. Damit jedoch der R. zu einem aͤſthetiſchen Kunſt⸗ 
werfe ſich geftalte, muß berfelbe zuvorderſt zu feiner Grundlage eine beſtimmte 
Handlung (ufammenhängende Begebenheiten, eine Gefchichtstabel) Haben, welche 
buch mehrladie Beziehungen ein eigenthümliched, zur Darftelung gelangendes 
Sefammtleben bildet. Ein hiſtor iſcher Hintergrund bringt zwar ben R. näher 
dem Epos und verleißt ibm in fo ferne Höheren Werth, indeß kann in bemfelben 
auch durchaus Dichtung Herrfhhen, wenn nur Erfindung, Anordnung und Aus⸗ 
füßrung poetifh find, oder, wenn das poetiſch geftaltete Leben in irgend einer 
vergangenen oder gegenwärtigen Wirklichkeit fid abfpiegelt. Daher fordert man, 
daß bie Begebenheiten mit dem Laufe der Welt übereinflimmen und die barein 
verwebten Menfchen nicht Geſchoͤpfe der dichteriichen Wilfür feyn, fondern, bei 
aller Unwahrfcheinlichfeit der Berhältniffe, die ohnehin auch in ber Wirktichkeit 
feine Begrängung kennt, gleidhfam dem Leben angehören folen. Dem R. als 
Kunſtwerk kann foldhergeftalt fein äußerer Zweck untergefchoben werben, vielmehr 
ift fein eigentlicher Selbftzwed die poetifche Schöpfung eines individuell beftimms 
ten Lebens, Am weiteften entfernt liegt ihm in dieſer Beziehung bie bibaftifche 
Richtung und, wo biefelbe fi etwa vorfindet, muß fle mit dem bargeftellten 
Leben urfprünglich nothwendig und organifch verknüpft feyn, weil im entgegen» 
geienien Galle der R. eine bloße Form ber bibaktifchen Poeſie fen würde In 

er Auffaffung und Ausführung Tann jedoch dem R.-Dichter eine enge Graͤnze 
—5 — ‚werden, weil er nicht vermeiden kann, auch die Proſa des wirklichen 
ebens in ſeine Schilderungen aufzunehmen, ohne darum ſelber im Proſaiſchen u. 
Alltaͤglichen ſtehen zu bleiben. — Die Benennung R., ſahula romanensis, wirb 
Davon abgeleitet, daß bie erſten Werke dieſer Art von den alten Trouveres (ſ. b.) 


Noman. 919 


in ber roman iſchen Sprache geſchrieben waren. Sein eigentlicher Urſprung 
fällt diernach in das 14. Jahrhundert, denn frühere Kabeln und Maͤhrchen ber 
Troubadours ſind nicht als R.e zu betrachten. Seine Ausbildung u. Vollendung 
gebe ber nern Zeit an. Bon dem beutfchen R.e kann man nicht behaupten, 
aß die proſaiſche Erzählung aus dem Berfall und ber Ausartung der Verskunſt 
bervorgegangen ſei. Eher wäre zu fagen, man habe fi) von dem alten Meifler: 
efange, eben, weil er zu wenig befziedigenb geweien, zum Volksbuch jener 
eit gewendet, in welchem unfer frühefter R. wurzelt. Die Anfänge liegen noch 
im Gebiete des Wunderbaren und bes Zauberhaften. Die Erzählung Mmüpft an 
alte Hiftorien, z. B. vom trojaniſchen Priege, und an Reifebefchreibungen aus 
fernen wundervollen Laͤndern an, ober fie verfpinnt Bolksfagen, 3. B. von Kauft, 
Ahasver und Anderen. Sie Mh ben Wünfchen u, Launen einen freien Spiels 
raum im „Kortunat” u. „Eulenfpiegel®, ober bringt Menfchen mit untergeorbneten 
Geiſtern in Berfehr, mit Waflerweibchen und Bergmännlein. Aus dieſer Mährs 
chen⸗ und Wunderwelt rettet fi dann ber R. auf ſatiriſchen Fußſteigen, 3. ©. 
an der Hand Fiſchart's. Im toller, ungebundener, gefchmadlofer Erfindung 
er ſich des neuen Gebiets und feiner frifchen Unabhängigkeit. Bald aber 
t der R. einen tüchtigen Anlauf zum WBolfsleben in dem „Simplicfiimus”, 
und in ber „Inſel Felſenburg“. Doch im Bereiche des Volkslebens ſcheint dem 
Deutichden fobald Feine Gunſt befchieden zu feyn, benn im lebteren Buche, von 
der Infel Selfenburg, treffen wir ſchon europamübe Deutfche, bie ber vers 
derbenden alten Welt entfliehen wollen. Da der R. aber mit feinen unbehaglichen 
Helden bie glüdliche Intel im Weltmeere, wo eine Tugenbrepublif fi) gründen 
ließe, nicht et, verfällt er in Sentimentalität und fleuert eine Strede 
zwiſchen bem franzoͤſiſchen unb englifhen R. Dort landet Wieland, hier 
Llinger mit vielen Anderen. Gern möchte ſich das politifche Element ebenfalls 
eltend machen. Rur haben folche Magifergerippe, welche, wie Hallers Ufong, 
fred und Gato, über politifhe Fragen dociren, nichts Cinnehmendes für die 
iunge beutfche Poefie, die fchon anfängt, mit ber Lyra und der Maske eine neue 
Welt zu erobern. Ein öffentliches Leben gab es bis daher in Deutfchland nicht; 
die Politik Tag als Raͤthſel und Geheimnis auf den Pulten und Nachttifchen der 
größeren und ber Fleineren Cabinete. Was dem guten deutſchen Träumer übrig 
blieb, war die Familie, an deren Leiden und Freuden er fein Herz prüfen, wie 
jeine Erfindung üben Tonnte. Run ift die beutfche Familie gewöhnlich fehr fruchtbar, 
eine Eigenſchaft, die auch auf den Familien-R. überging. Die deutſche Familie 
ruht ferner auf Ehrbarkeit und Sitte. Darnach bildet der Sitten-R. feine 
enge Weltanficht, erbaut feine Herrlichkeit auf vier einfachen ‘Bfählen, feinen Jam⸗ 
mer auf einer faulen Schwelle u. nimmt zu beiden das Holz aus dem Gemeinde- 
walde. Diefe Richtung entwidelt fih bis zu Sean Paul, der zwar noch zwi- 
ſchen benfelben ftillen Furchen niftet, beim Morgenthau jedoch und unter dem 
Abendrothe auf Flügeln ber Ironie und des Humors emporfteigt u. den weiteften 
Blick über eine freie Welt gewinnt. Mit Lärm und Liebe, mit Fäuften u. Fin- 
ſterniſſen bredyen die Ritter-R.e herein, ohne daß fie eben Deutichland befreiten. 
Wo fo viele Höhlen u. unterirdifche Gänge vorkommen, bleibt auch der Geifter- 
fpud nicht lange aus, Zu weldden Schauern ift uns nicht Amadeus Hoff- 
mann mit feiner diaboliſchen Feder über den Rüden gefahren! Heute aber, wenn 
wir feinen „Kater Murr“ — vielleicht auf dem getäfelten Fußboden eines frommen 
Lraͤnzchens — mit Fouquo's Zauberring fpielen fähen, lachten wir über ben 
einen, wie über den andern. Denn in foldden wechfelnden Stimmungen und 
gen überrafhte unfern, in ber Fremde fechtenden, R. die — 

Befreiun eutſchlands. Ein Herrliches und weites Feld öffnete ſich da unter 
freiem Himmel, wo bie Thaten der Vorzeit, das große Volksleben des Mittelalters, 
die vielfältigen Hütten der Familie, die Werfftätten der Künftler und was Alles 
vereint war. Der biftorifche R. machte von jebt an befonderes Gluͤck u. 
verſchlang alle Gunſt. Wenn unfer Roman nach biefer Richtung hin den Anftoß 


ii 


920 Romana — Romano. 


vom englifhen R. erhielt, fo blieb ex doch fpäter auch nicht vom Einf e und 
felbft von ber Anftedung bes franzöftfchen frei, ber fich weniger mit der Geſchichte, 
als mit der Geſellſchaft befaßte. Diefe war auf ihrem Boden von ben Aus⸗ 
bünftungen einer fo langen Revolution tief erfrankt. Und wir, wenn auch nicht 
von demfelben Unglüd getroffen, Hatten doch auch unfere Entwidelungsleiben zu 
beftehen und zu verwinden. So nahm ber R. auch biefen Ausdruck unfers 
Lebens an u. der hiſtoriſche und ſociale R. bilden dermalen bie beiden 
Hauptgipfel bes alten Stammes, der heute fo blätterreich bafteht. 

Nomana, Pedro Caro y Sureba, Marquis von, fpanifcher General, 
geboren 1761 zu Palma auf Mallorca, erhielt feine Bildung in Lyon, Salamanca 
und im Adelsinftitute zu Madrid, warb 1779 Adjutant bes General Bentura 
Moreno, 1790 Fregattencapitain und diente fodann im Landheere unter feinem 
Dheim Bentura Caro, unter bem Grafen ber Union, fiel 1795 in's franzoͤſtſche 
Gerbagne ein und erwarb fi baburch ben Grab eines Generallieutenante. Im 
Jahre 1800 ©eneralcommandant von Gatalonien, dann Mitglied bes Köchften 
Krie ech befeßligte er die 15,000 Mann, welche Karl IV. 1807 Rapoleon 
zur Ünter ügung gab. Als er dem Könige Joſeph ben Eid leiften follte, Iiffte 
er fiy von der — Fuͤhnen mit ſeinen Truppen auf einer engliſchen Flotte ein, 
ſtieß zu den ſpaniſchen Inſurgenten und ward durch die g zum Com⸗ 
mandanten ber Rorbprovinzen ernannt. Er ſtarb 1811 in Portugal, wo er das 
engliſch⸗portugieſtſche Heer verftärkt Hatte, 

Romancero, |. Romanze, 

Romanische Sprachen, allgemeiner Name ber Sprachen, welche fi aus 
dem Lateinifchen und ber, neben ber clafiifhen Latinität beftehenden, Bolfsfprache 
befonders dann zu bilden engen, ale mit der politifchen Öteißpfellung der 
eömifchen Unterthanen das literarifche Uebergewicht Latiums nicht mehr anerkannt 
wurde. Einen großen Vorſchub der Bildung der r. S. leiftete die Bölferwans 
berung ; mit ber eintretenden bung ward die neutrale Form verbunfelt 
u, zulegt maͤnnlich aufgefaßtz der Gebrauch der Eafus verwirrte fich immer mehr, 
bis die Caſuszeichen ganz verloren gingen u. durch PBräpofitionen erfegt wurben ; 
bie Artifel traten ſchon mit dem 6. Jahrhunderte auf, die Zahl der Declinationen 
wird befchränft, die Formen ber Pronomina u. Konjugation erleiden toeentliie 
Beränderungen, die ganze Sprache wirb analytifh. “Der Wortſchatz warb durch 
die Sprache der germaniichen Eroberer, durch bie von den Römern zurüdgebrängten 
Urſprachen der Länder und durch fremde Einflüße bereichert. Die einzelnen r. ©. 
ſelbſt find: Italieniſch (von den Gebildeten bes Landes feit dem 10. Jahr⸗ 
Hunderte gebraucht); Walachiſch, welches dem Stalienifchen zunaͤchſt ſteht und 
in den daco⸗ und maceboromanifchen Hauptbialeft zerfällt; Spaniſch mit drei 
Hauptdialeften: caſtilianiſch, galieifch u. cataloniſch⸗valencianiſch; Portugieſiſch 
(Sprachproben Ende des 12. Jahrhunderts); Pr ovencalif ch, fehr früh als 
molleipraße im Gebraudde, Franzoͤſiſch. Vergl. Diez, „Grammatik der r. S.“ 
(3 Bde, Bonn 1836 — 44). 

Romanow, ein altes, berühmtes, ruſſiſches Bojarengefchlecht, von welchem 
die jetzige ruffifche Kaiferfamilie herſtammt. Es erhielt erſt 1547, als der Czar 
Swan IV., ber Gchredliche, bie Tochter des Bojaren Roman Jurgewiticdh, 
Anaftafia, zu feiner erfien Gemahlin nahm, Hiftorifche Bedeutung, während ſich 
vorher nur ber Bater diefes Georg u. der Großvater Zacharias, ein vornehmer 
Krieger am Hofe des Gzaren, beftimmt nachweiſen laͤßt. Erſt nach bem Vornamen 
Roman des Erfteren nahm das Geſchlecht den Namen R. an, während er früher 
den Namen Sach arii (nach dem Vornamen bes Stammvaters Zacharias) führte. 
Der Sohn Roman Jurgewitſchs u. Bruder Anaftafia’s, Nikita Romanowitfcd 
Jurgew, wurde, als Iwan ber Schredliche 1585 flarb, von ihm mit anderen 
Raͤthen feinem ſchwachfinnigen Sohne Fedor, als beffen Oheim von feiner Mutter 
Anaſtafia Her, zum Reichsgehuͤlfen gegeben, allein bald werben der Schwager 
bes neuen Monarchen, Boris Godunow, biefe Rathgeber und Kikita farb 1586, 


Romanticiimnd — Romantifch. 921 


nicht ohne den Verdacht, daß ihn Boris aus dem Wege geräumt habe. Run 
im wahren Befige der Gewalt, verfußr Boris graufam geam Nikita's Kinder, 
denn von defien 7 Söhnen fanden A, Alexander, Leo, Waſili und Michael 
burch ihn den Tod. Nur 3 Brüder Rs blieben am Leben, beren einer bem 
Boris Godunow nad dem Leben trachtete und ihn felbft durch einen Dolchftoß, 
der aber nicht töbtlidh war, verwundete u. Hierauf nach SBolen floh, dann Iwan 
Nikita Bojar und ber ältere Fedor R. Lebterer war ein tapferer Krieger, 
z0g aber eben dadurch ben Argwohn Boris Godunow's auf ſich, der ihn zwang, 
in ein Kloſter zu gehen. Dur den falfchen Demetriuß befreit, wurde er unter 
ben Ramen PBhilaret Metropolit zu Roſtow, gr aber in polniſche Gefan⸗ 
genſchaft. Er Hatte die Tochter Iwan's des Schredlichen und Schweſter bes 
Garen Febor zur Gemahlin, u. beider Sohn, folglich ein Abkömmling der Ezaren 
aus weiblicher Linie, war Michael Fedorowitſch R. Mit diefem kam bas 
Haus R. 1613 zur Regierung. Auf Y folgte 1645 fein Sohn Alerej, diefem 
1676 Fedor II., biefem fein Bruder Iwan Il. und fein Halbbruder Beter 1. 
und, ale Iwan II. entfagte, Peter der Große allein, und diefem, nach mehren 
Zwifchenregenten, (Satharina J., Beter IL, Anna, Iwan), Eliſabeth, 
Beter des Großen Tochter. Diefe ernannte den Sohn ihrer Schwefter Anna, 
ben Prinzen Peter von Holflein s Didenburg, zu ihrem Nachfolger. Er folgte ihr 
als Peter III. u. mit ihm beſtieg das Haus Holſtein⸗R. den «„ifhen Thron. 
Aus ihm ſtammt der jehige Kaiſer Nikolas. 

Romanticismus, |. Romantif g. 

Nomantiſch, ein in mandherlei Beziehungen gebrauchtes Wort, bezeichnet 
das, burdy Abweichung von dem Bekannten durch üppige Külle u. liebliche Bars 
benpradht die Einbildung fanft Exrfchütternde, Wunderbare in Erfcheinungen und 
Begebenheiten, entfprofien den lieblichen u. reigenden Gegenden des Südens von 
Stalien, Spanien u. Franfreidh, von da ſich verbreitend nach England u. zum 
Theil nach Deutfchland, vom orientalifchen Einfluffe aber nur in egiehung auf 
eine beftimmtere Form berührt. Den Hauptton des R.en bildet tiefe Empfindfam- 
feit, ein in ſich zurüdgezogened Gemüth, über welchem noch die hoͤhere Welt bes 
Glaubens fteht, vereinigt mit dem Wunderbaren, wohl auch mit dem Yurchtbaren, 
als einem fügfamen Mittel zur Darftelung ausgezeichneter Tapferkeit u. entichies 
denen Heldenmuths. Vom hiftorifchen Standpunkte aus betrachtet, ift mithin Die 
r.e Kunſt die urfprüngliche Darftellung des ritterlichen Lebens im Mittelalter nad 
ieiner freien Mannigfaltigkeit, beherriht u. geleitet durch die Macht des Glau— 
beng, der Liche, Ehre und Treue. Diefe Romantik bes Mittelalters ſetzt 
freilich eine andere Meltgefhichte voraus, als die wirkliche, indeß müßen darin 
doch auch die Keime des wahrhaft gefchichtlichen Lebens erfannt u. durch ein 
Herausheben und Entwideln berfelben der Stoff ſelbſt wieder zur weltgeſchichtli— 
hen Bedeutung zurüdgeführt werden. Außer den religiöfen Beziehungen, welche 
im Ritterthume von Seite des Ren in die Erjcheinung treten, find es hauptiädh- 
ih die Ehre, die Liebe und Die Treue, weldhe hier den Hauptinhalt aus» 
machen und in dem Innern ber Perſon fich bis zur Unendlichkeit fleigern koͤnnen, 
an ſich aber weniger als fittliche Kigenfchaften, als aus dem fubjectiven Stand» 
punfte, oder aus der Innerlichfeit des Subjekts zu betrachten find. Der Name r. 
entftand jedoch nicht mit der Sache felbft, er gehört vielmehr der neuern Zeit an, 
wenn gleich fi) fchon in der Poefie der Griechen r.e Elemente vorfinden. “Die 
Benennung r., welche ſich auf Die Eigenthümlichfeit der Dichtungen in romanifcher 
Sprache bezieht, wurde nämlich, als Gegenſatz des Elaflifchen, oder ber Poeſie u. 
Kunſt der Alten, von einer neuen Dichterfchule, Tied und den beiden Schlegel 
(1. dd.) eingeführt, und es konnte wohl viel Gerede und Streit Darüber entftehen, 
da man genau nicht zu beflimmen wußte, worin der wefentliche Unterfchicd der 
einen und der andern Art zu fuchen fei. Jene, mit dem Edlen und Großen ver: 
einigte, ſchöne Mannigfaltigfeit des chriftlichen Ritterthums, Die in allen Lebens⸗ 
freifen Gefühl und Sehnſucht nach dem Unendlichen erregt hatte und das Pla⸗ 


922 Romantifch. 


ifche des Epos gegen die Lyrik verſchwinden ließ, wurde nun auf alles Rene, 
Unerwartete und Abenteuerliche mit Höchfter Willfür übergetragen, Phantafie und 
Regellofigkeit in Erzeugniflen ber Poeſie und Kunſt faft allgemein für das haupt: 
ſaͤchlichſte Kennzeichen des R.en gehalten, das Furchtbare nicht als Hülfsmittel zur 
Erregung eines hoͤhern Interefie benübt, fonbern zum Begenfande felbft genoms 
men und fogar in bag Bräßliche verwandelt, oder es wurde auch das R.e durch 
eine dunfle Myftif bis auf ein kaum Erfennbares entflellt. Unb doch kann, abs 
geleiteten Weiſe, jebt das R.e nichts Anderes ſeyn, als die Darftelung des Schör 
nen vom Stanbpunfte der fich erweiternden innern Welt, rungen aus dem 
Streben nach Bermittelung bes Enblichen und Unendlichen im Berwußtfeyn, mit: 
bin auf Kampf und thätigen Gegenſatz gegründet, um die Berfühnung zu gewin⸗ 
nen. Die in Deutfchland entflandene Spaltung und Berwirrung verpflanzte fidh 
nach Frankreich, wo Madame Stasi das Wort romantisme (Romantif) einführte, 
und nad Italien und erregte jenen befannten Kampf zwifchen Romantifern und 
Elaffifern, der befonders mit großer Exbitterung in Paris geführt wurde, Daher 
hieß und Heißt zum Theil —* bei der dortigen Gegenpartei r.e Schule fo viel, 
als: Die barbariiche, unfinnige Schule, im Gegenſatze ber clafiifchen, beren Aufgabe 
von jeher Korrektheit der Sprache und firenge Abgemefienheit des Gefühle war. 
Sp flogen die franzöfifchen Romantifer eigentlich ſich nur ber beutfchen Dichter: 
ſchule an unb da fie Bilder und Mufter zu ihren verfchrobenen, verwerflichen u. 
unfittlihen Charakteren in ben Schöpfungen ber Schuld, in ben Gräuelfcenen 
bes 24. Februar u. f. w. vor Augen hatten, fo konnten fle nicht ftilfichen, muß⸗ 
ten fih vielmehr, nach Maßgabe ihrer Individualität und der Zeit» und Sitten⸗ 
verhältnifle, zu überbieten fuchen, was dann wieber auf die deutfche Poefle zurüd 
wirkte. Kaum anbers geftaltete das Verhaͤltniß ſich in Italien ; allein ſolche Pe⸗ 
rioden find nicht bleibend, fondern verfallen ebenfo wieder ber Zeit, als fie ent⸗ 
finden find. Beginnt boch ſchon feit einiger Zeit bie wilde franzoͤſtſche Poeſie 
in milderer, ſchoͤnerer Form zu erfcheinen durch Gay, Abrantes, Tafta, Eubieres, 
und befonders durch Alfred de Bigny und Edgar Duinet. Die Elemente des 
R.en hätten Übrigens die Franzoſen in ihrer eigenen Vergangenheit finden können, 
denn die Epoche Lubwigs XV. gibt gleichfam bie Anfänge ber neueren Ros 
mantif, deren Mufterbilder Tancred, Adelaide von Guesclin und Olympia find. 
Doch iſt die nähere Beranlafiung von Deutfchland ausgegangen. Die naͤmliche 
Ericheinung zeigte ſich in ber fpanifchen Literatur, welche eigentlich erft feit dem 
Jahre 1834 zur neuen Thätigfeit erwachte, indem fie fi) von dem franzoͤſiſchen 
Buͤcherwuſte gleichfam überflutgen ließ. Denn von jenem Zeitpunfte an verlegte 
Alles ſich aufs eberfegen ber Dumas, Bictor Hugo, George Sand u. 
Anderer und wer ſich etwas mchr zutraute aufs fervile Nachahmen biefer Kory- 
phaͤen. In ben Theatern Mabrid’8 erfchienen nur bie Dramen von ber Porte 
Saint -Diartin und die fogenannten Originalflüde waren auch nur Nachbildun⸗ 
gen franzöftfcher Mufter, vol von Berrätherei, Meuchelmord, Vergiftungen, Ehe⸗ 
ru, Blutfhande und allen Laftern im Triumphe ihrer wibderlichften Nacktheit. 
Diefer Romanticismus verbreitete ſich burch bie ganze fpanifche Literatur und 
berührte felbft (wie in Frankreich) die Sitten, die bildenden Fünfte und die Klei- 
dertracht. Man wetteiferte, wer durch Erfindung und Ausmalung unerhörter 
Graͤuelthaten die Hanrflräubenbfte Afthetifche Wirkung HPA I vermöge. 
Gierig wurden alte Geſchichtsbuͤcher und Chroniken durchflöbert, auf bie barbars 
ifcheften Gräuel des Mittelalters Jagd zu machen, fie in einem Styl gu befchreis 
ben, für den man den treffenden Ramen „Galgenſtyl“ (estilo patibulario) auf» 
brachte. Auch die Maler warfen nur Gräuelfcenen auf bie Leinwand und felbft 
bie Jornaliſtik bebedte fi mit bunfeln Tinten und Schlagſchatten. — Ohne 
Glauben an die Gegenwart, oßne Hoffnung auf die Zufunft, ohne Ziel u. ohne 
wed redeten bie afrancefirten Autoren des jungen Spaniens nicht felten auf 
em und bemfelben Blatte ihrer Werke vom Himmel und von ber Unfterblichfeit 
und riefen Gott und alle Heiligen an, unmittelbar darauf aber Täugneten fie das 


Romanıd — Romanze. 923 


Daſeyn Gotted und verwünfchten ihre eigene Exiſtenz. Wer erkannte wohl in 
diefen gallifchen Zerrbilbern , bie fidh für Romantif ausgaben, jene füße Blüthe 
bes ritterlich schriftlichen Geiſtes, die voreinft aus dem beutfchen Norden nad) 
Spanien verpflanzt Hier in Gervantes, Lope de Bega, Calderon und 
Duevedo zu fo Herrlicher Entfaltung gedichen, und dann von Spanien aus 
wedenb und erwärmenb auf bie Dichtkunft des Nordens zurüdwirkte? — Diefe 
Berirrumng ber ſpaniſchen Literatur dauerte indeß nur bis zum Ende des Jahres 
1838 und felbft in jener Fieberperiode erfchienen einige von der allgemeinen Ans 
ſteckung freigebliebene Werte, Ungeadhtet aber die Tendenz der erwähnten übers 
triebenen Romantifer befämpft und verdammt werben muß, ift man doch mehren 
berfelben (gerade wie jenen in Deutfchland und Frankreich) die gerechte Anerkenn⸗ 
ung fi 9, daß fie fein geringes Maß von Talent, Einbildungsfraft und zum 
Theil auch von Kenntnigen befaßen. Die Lieder von Esproncada und Zorrilla, 
die fließend fchöne Diction eines Gil, Donofo u. A. find alles Lobes werth. In 
jene Periode fallen endlich noch die Anfänge zur Entwidelung ber kritiſch⸗ſati⸗ 
riſchen Gattung, welche zunächft an die Stelle des Romantictsmus trat, Sie 
begann mit bem berühmten Larra, unter dem Pfeudonym Figaro, welchem fich bie 
weiteren Ramenmasten EI Eftubiante, Abenamar, ray Gerundio u, a. anreihes 
ten, bie fämmtlich mit Feinheit u. Talent das fatirifche Zach bearbeiteten. Gluͤck⸗ 
licherweiſe folgte dem geflürzten Romanticismus fo wenig, wie in Branfreidy, bie 
Rückkehr zur hriftotelifiben Strenge, vielmehr fcheint die fpanifche Literatur beide 
Extreme in der Urt zu vermitteln, daß fie jene r.e Zügellofigfeit vermeidet, ohne 
in bie Barte Unduldfamfeit des fogenannten Claſſicismus zu verfallen. — Wars 
tinez de la Rofa, Breton, Liſta u. A. gaben das Beifptel biefer literariſchen Fu⸗ 
fion und jüngere Schriftfiellee wandeln auf dem von ihnen angebaßnten Wege, 
Es iſt einleuchtend, daß die gegenwärtige Epoche in Spanien offenbare — * e 
vor der unmittelbar vorhergegangenen hat, denn während in derſelben bie tobe 
Mehrzahl der fchriftfiellerifchen Ericheinungen aus Gedichten, Novellen, Hiftories 
tas und Satiren beftand, bemerft man jept eine größere Hinnelgung zu den Wiſ⸗ 
ſenſchaften, namentlich zur Gefchichte, zu den Verwaltungsfenntnifien, der Staatds 
öfonomie und den verfchiebenen Tragen der Volfserziehung, ohne daß darum bie 
Liebe zur fchönen Literatur und Dramaturgie erfaltet wäre; eine Erſcheinung, die 
wir bei Deutfchen, wie bei Zranzofen gleichfalls zu bemerken Gelegenheit haben. 
Mit dem Ren ift Übrigens das Romanhafte niemals, felbft in der Malerei nicht, 
zu verwechleln, wenn gleich in derſelben beides ziemlich aͤhnlich genommen wird. 
Der Sprachgebrauch unterfcheidet Hier jedoch romanesk u, r. Jenes ift das 
Romanhafte, dem Roman Nehnliche, demfelben Angehörige, aus ihm Entlehnte; 
biefes, das R.e, bezeichnet das Maleriſche, oder, wie Levesque ſich ausdrüdt, was 
weder zur Geſchichte, noch zum täglichen Leben gehört u, in einem Romane wohl 
Play finden fönnte, wie angenehme Bizarrerien in ber Kleidung, phantaftifcher 
Pug, geiftreih erfundene Seltfamfeiten in der Lage u. Difpofition der Scenen 
u. dgl. In der Muſik fann von dem Ren nur uneigentlich die Rede jeyn, ins 
dem ſolches blos auf die entfprechende Behandlung eines r.en Stoffes, oder auf 
ein Ideales überhaupt zu beziehen ift. 

Romanus, römischer Papft, nach Einigen zu Gallefe, nach Anderen zu Monte 
Kiascone geboren, beftieg im Jahre 897 den Stuhl Petri, ftarb aber ſchon nad 
4 Monaten. Er foll das Verfahren Papfts Stephan VIL (f. d.) gegen feinen 
Borgänger Formoſus für rechtswidrig erflärt haben. 

Aomanze, die, ein Erzeugniß der romantifchen (ſpaniſchen) Ritterpoefie, ift 
ein kurzes erzählendes Lied u. wird gewöhnlich der Ballade (f. d.) zur Seite gefebt, 
oder auch mit ihr gleichbedeutend genommen , weil ber Unterfchieb nur mehr oder 
minder zufällig erfcheint. Im Allgemeinen wird R. für die Erzählung einer Be⸗ 

den erklärt, in fo fern Inhalt und Form romantifch (ſ. d.) find; in näherer 
eziehung aber ſchildert fie eine Sage oder Begebenheit, oder Das Schidjal einer 
Perſon in möglicher Einfachheit, Kürze und Rafchheit, weßhnlb auch der in ihr 


. 924 Homberg. 


herrfchende Ton mäßiger und verftänblicher, als in ber höhern Lyrik, feun und dem 
Bolkston ſich annäfern fol. Dann pflegt man auch alle jene Lieder R.n zu 
nennen, in welchen das Gemüth fich unter einer beflimmten angenommenen Ber: 
Hrueten ausſpricht. Die R. gehört, wie die Ballade, thatſaͤchlich zur epiſchen 
vefte, denn die Hauptſache in beiden ift die Handlung ober Begebenheit, Das 
Auffafien eines interefianten ober bedeutenden Ereigniffes, nicht eine blos gelegent» 
liche defultortfche Behandlung des Faktifchen, und nur ein Wiedergeben des vom 
Stoffe empfangenen Eindrude, Dabei bleibt es —— ob die handelnden 
Perſonen redend eingeführt werben, ober nicht, erer Seite iſt es ihr eben 
fo wenig wefentlich, daß fie durchaus volfsthümlich und populär gehalten, als 
daß das Myſtiſche und Außerorbentliche, das Halbwunderbare und Grauenvolle 
in ihr vorherrfchend ſei. Es genügt vielmehr, wenn ihr ein Sagenhaftes zu 
Grunde liegt und ber Ton der Sage von ihr nachgeahmt wird, Hieraus erhellet 
die große Achnlichkeit dee R.n und Balladen als erzählender Lieder und ber Uns 
terſchied beider wird kaum anderswo aufzufinden feyn, als darin, daß bie R. 
meher lyriſch, als epifch if, urfprünglich in Stoff und Form leichter und, ihrem 
füdlichen Charakter gemäß, bie Empfindung mithin Träftiger als die Handlun 
ſchildert. So iſt die R. (wie die Ballade, ſ. d.) ein epiſch⸗lyriſches Gedicht, d. i. 
welches in lyriſcher Form eine Sage und Begebenheit als ihren Inhalt darflellt, 
wobei bie eigenthümliche poetifche Auffaffungsweife allerdings ſich in ber Unbes 
fangenheit eines vegen und tiefen Gefühls, ben empfangenen Eindrud möglich ges 
nau wieber zu geben, befunden kann. Borzügli rei an R.n ift bie ſpaniſche 
vefle. Sammlungen fpantfcher R.n find: Cancionero de romances, von Auguftin 
uran, Madrid 1828, verbunden mit Romancero de romances und Cancionero 
Bomancero, beide Madrid 1829. Sammlungen engliicher R.n haben. wir von 
Deren und Ellis und unter ben beutfchen Dichtern find darin ausgezeichnet 
oͤthe und Schiller cat zu epifh und redneriſch gemalt) , Tied, 
Uhland wu A. — In ber Rufit nennt man R. eine fleiner Arien ges 
fühlvollen Inhalts, oder ein Lieb, bem eine Thatfache zu Grunde liegt, und bei 
dem ber Ausbrud der Empfindung vorwalte., Der muſikaliſche Ausdruck ift in 
Beziehun auf das Gedicht dramatifch oder lyriſch, überhaupt angemeflen unb 
einfach charakteriſtiſch. In der Oper haben bie R.n den Bortheil, daß fie nicht, 
wie oft Die Arten, die Handlung in bie Länge ziehen; im Mebrigen gehören fie, 
wie bie Gouplets, vorzugsweiſe ber franzöflfchen Bühne an, wenn gleich bie Ita⸗ 
tiener u. 9. ihrer fi auch mit Vortheil bedient haben. Enblih nennt man R. 
noch ein Inflrumenta Mufifftüd, einem Rondeau aͤhnlich, im romanzenartigen 
Gharafter und mäßigen Zeltmaße, 

Romberg, 1) Bernhard, berühmter Birtuos auf dem Bioloncell, geboren 
1776 zu Dinftage im Münfterfchen, Mitglied der Kapelle in Bonn, fpäter am 
Theater in Hamburg, machte von 1795— 1801 eine Kunftreife durch Deutfchland, 
Stalien, England, Spanien und Portugal, warb 1801 Profefleur des Violoncells 
am Gonfervatorium zu Paris, dann, nach furzem Aufenthalte in Hamburg, 1805 
Mitglied der Kapelle in Berlin. Als Spontini nad) Berlin berufen ward, gab 
er feine Stelle auf, bereiste abermals faft ganz Europa , privatifirte dann einige 
Zeit in Hamburg, 1827 wieder in Berlin, dann in Hamburg, wo er 1841 flarb. 
Als Birtuos entzüdte er ebenfo fehr durch Benialität, als gefühlvollen Ausbrud 
und außerordentliche Vielſeitigkeit. Außer ben minder bedeutenden Opern, „Ulufies 
und Circe“ u. ſ. w., ſchrieb er viele gebiegene und beliebte Violoncellconzerte, Vio⸗ 
Iinquartette, Duette und Duvertüren. — 2) R. Andreas, bes Borigen Better, 

leich ausgezeichnet als Componift, wie Biolinfpieler, geboren 1769 zu Vechte im 
iederſtifte Muͤnſter, mit Bernhard R. im Haufe feines Baters, Gebpaxh Hein- 
rih R., Mufifdireftor in Münfter und Birtuofe auf dem Clarinett gebildet, reiste 
mit feinem Bater und Bernhard R. nach Amſterdam und Paris, kam 1790 an bie 
Kapelle zu Bonn, ging 1795 mit Bernhard R. auf Reifen, blieb dann in Ham 
burg, bis er 1815 Muflkdireftor in Gotha warb, wo er 1821 ſtarb. Man Hat 


Nomilly — Rommalb, 925 


von ihm Symphonien, Quatuors, Quintetten, an benen man eine fehr gebiegene 
Harmonie ruͤhmt, bei leichtem, gefälligem Fluſſe ber Melodie. Entfchiebenen Beis 
fall fand auch feine Bompofition der „Glocke“ von Schiller. 

Romily, Sir Samuel, geboren 1757 zu London, warb 1783 Advofat 
und als ide bald dur Kenntniffe und Beredtfamfeit ausgezeichnet. Unter 
dem funzen Whigminifterium von Kor und Lord Gronvile war er Generalprocus 
rator und gewann dann im Parlament durch fein Talent für die Debatte und 
feine einbringliipe Beredtſamkeit, womit er auf die Nothwendigkeit einer Revifion 
des Griminalcoder mit Hinficht auf Beſchraͤnkung der Todesſtrafe und ber befferen 
Abſtufung ber Strafen Hinwies, eine hervorragende Stelle. Seine Verbeſſerungs⸗ 
vorſchlaͤge erhielten fpäter durch Paul ihre führung. Auf der Höhe feines 
Rufes flürzte ihn der Tob feiner Gattin in Wahnflnn, in welchem er fich felbft 
töbdtete 1818. „Reben und Leben” (Lond. 1820). „Memoirs“ (3. A. 2 Bbe. 
Lonb. 1842). 

Hommel, Dietrih Chriſtoph von, ein verbienter Hiftorifer, geboren 1781 
zu Kaſſel, wurde ruſſiſcher Hofrath und Profeſſor der alten Sprachen zu Charkow, 
1815 Profeffor der Gefchichte zu Marburg, dann zu Kaffel Director des Hofs 
archivs, geadelt und Director der Bibliothek und des Mufeums, nahm aber 1831 
feinen Abſchied. Seine „Geſchichte von Hefin“ (3 Bde), die Biographien bes 
" Wilhelm J.“ und des „Landgrafen Philipp bes Großmüthigen“ 
(3 Bde.), die „Geſchichte der eigen Kirchenreformation” u. |. w. find mit 
Talent und Brünblichkeit bearbeitet. tereffant tft auch feine „Correspondence 
inedite de Henri IV. avec Maurice le savant“ (Par. 1840). 

Komnald, der Heilige, Stifter bes Ordens der Bamaldulenfer, aus dem 
berzoglichen Geſchlechte Honefti ſtammend und in Ravenna 956 geboren, war eis 
nee der Menfchen, in welchen Ratur u. Gnade aus dem Kampfe mit den Fehlern 
ber Jugenderziehung flegreich Hervorgingen. Seine Vaterſtadt, fonft ein Exarchat, 
bewahrte noch einen Theil des Ihr von ben heidniſchen Koͤnigen verliehenen 
Glanzes u. bie vornehme Jugend trank in vollen Zügen ben Becher ber Lebens- 
freuden u. Bergnügungen. R. aber fühlte in den Tiefen feines Herzens, ‚wie eitel 
bie falfchen Freuden der Welt find, wie wenig fie Demfelben genügen u. wie leer 
u, verzweiflungsvoll die Seele nach der kurzen Luft bleibt, die fie gewähren. Aus 
biefem Grunde tradhtete er nach dem hohen Ziele der Buße und Abtödtung ; doch 
fehlte ihm noch die Kraft, fi ganz der Welt zu entfremden, die er verachtete u. 
die ihn anedelte: e8 beburfte einer jener befonderen Beranlafiungen, deren Eindrud 
den Weg vorzeichnet, ben ein Menfch für feine künftige Lebenszeit betreten fol. 
Eergius, fein bie Religion gering adhtender Vater, gerieth mit einem Verwand⸗ 
ten in Streit, forderte denfelben zum Zweikampfe u. feinen Sohn, unter Androhung 
der Enterbung, zum Zeugen, was biefer annehmen mußte. Der Ausgang bes 
Gefechts war blutig. Eergius tödtete feinen Gegner u. R., ergriffen vom Schau⸗ 
der über das um elendes Geldinterejie vergoffene Blut, in das er feine Hände 
gewiffermaflen mit getaucht Hatte, floh feine Yamilie und Freunde, um im Klofter 

laſſe bei Ravenna die Mitfehuld am Morde durch AOtägige Buße zu fühnen. Nach 
vielen Schwierigkeiten, (denn die Obern fürdhteten die Wuth des Herzogs) erhielt 
er bas Hl. Gewand u. lernte bald den wahren Werth des anfcheinend erbaulicyen 
Lebens der Mönche erfennen, die in einen Schlendrian verfallen waren. Da er: 
griff ihn ein Heiliger Eifer und, Alles bei Seite fegend, machte er ihnen Vorwürfe 
über Die eingeriffene egelofigkeit, feine Brüder ſich aber fo zu Feinden, daß fie 
dem jungen, faum eingefleideten Cenſor furdhtbare Rache ſchwuren und ihm nad 
dem Leben trachteten. Er wurde aber früh genug gewarnt, entflob heimlich und 
lebte unter ber 2eitung bes frommen Einfledblers Marin bei Venedig. Kinige 
Zeit nachher entiagte Meter Urfeolo, Doge der Republif Venedig, mit Io: 
bann Gradenigo u. Johann Morofint der Welt u, ihren Würden und 
trat zu Cuſan, in Eatalonien, in das Klofter zum hl. Michael, dem der heil. Abt 
Guerin vorſtand. Marin u. R. bezogen nun eine nicht fern von Diefem Klo⸗ 


— 


926 Homnald, 


ſter gelegene Einöde. Durch den Glanz ihrer Tugenden wurde biefe Einſamkeit 
bald von mehren Perfonen befucdht, die unter ihrer Leitung zu höherer Vollkom⸗ 
menheit fich zu bilden verlangten. So geftaltete fi} nad u. nach eine Genoſſen⸗ 
ſchaft, zu deren Vorſteher der HL. R. erwählt ward. Die Brüber verbanden mit 
ſchwerer Handarbeit Rrenges Saften, eine vollfommene Geiftesfammlung und un: 
unterbrochenes Gebet. Die Strenge aber, mit weldyer R. feinen eigenen 2eib 
behandelte, hinderte ihn nicht, fehr nachfichtig gegen bie Anderen zu feyn, befonbers 
i en Urfeolo, ber das Klofter Cuſan verlaffen Hatte, um fih mit Morofini 

en Schülerzagl anzufchließen. R. hatte nach feinem Austritte aus ber Welt 
harte Berfuchungen zu beftehen, indem er bald zum Lafter fich gereizt fühlte, bald 
ihm die Befchwerlichkeiten der Lebensweife als unüberfteiglich erſchienen. Seine 
Beharrlichkeit aber, feine —A u. unablaͤßigen Gebete befreiten ihn endlich 
von allen Nachſtellungen des Feindes und errangen ihm den fo koͤſtlichen Frieden 
ber Seele. Sergius überbadhte endlich, gerührt durch das Beifpiel feines Soh⸗ 
nes, feine bisherigen Unorbnungen u. befyloß, fie im Kloſter zum HL. Severus 
bei Ravenna abzubüßen. Allein der Satan verfuchte ihn Hernach mit ſolcher Heftigfeit, 
daß er wieder feine Zelle verlaffen wollte, um in das Weltgetümmel zurüdzufch- 
ren. Als R. Hievon Nachricht erhielt, war fein erfter Entſchluß, nach Italien zu 
gehen und feinen Bater in dem angefangenen Belchrungswerfe zu beſtaͤrken. 

ergius ward auch wirklich dur RB Ermahnungen u, Bitten von dem nahen 
Berderben zurüdgebalten, führte dann einen ausgegeihnet frommen Wandel im 
Kloſter u. ftarb dafelbft im Rufe der Heiligkeit. Nachdem unfer Heiliger an fei- 
nem Bater die Pflichten Tindlicher Liebe erfüllt Hatte, zog er fich in bie Suͤmpfe 
von Claſſe zurüd u. verfchloß ſich in eine abgefonderte Zelle. Die verfchiedenen 
Berfuchungen, welche ihn ba auf beunruhigten, überwanb er burch fein uner- 
fhütterliches Bertrauen auf Jeſus den Gelreuzigten und durch Beten u. Wachen. 
©päter wurde er dann wider feinen Willen zum Abte von Clafſſe erwäßlt. Da 
er aber bei feinen Ordensbrübern jenen Heil. Eifer nach Vollkommenheit, ber fie 
befeelen follte, nicht fand u. auch nicht Hoffen konnte, den eingewurzelten Mebeln 
abzuhelfen, wollte er fein Amt nieberlegen , worein jedoch der Kaiſer Otto II. 
nicht einwilligte. Bei diefer Gelegenheit erflehte R. von dem Kaifer die Begna⸗ 
bigung der Stadt Tivoli, welche wegen Ermordung ihres Staathalters zur Plün- 
derung verurtheilt war. Es verfammelten fih um biefe Zeit immer mehr Schuͤ⸗ 
lee um ben Heiligen u. er baute mehre Klöfter, worin er die vollkommenſte Zucht 
einführte, Eine diefer Zufluchtsflätten für Heilsbegierige lag im Thale Caſtro, 
wohin bie Sünder fchanrenweife firömten, um burch feinen Rath unb feine Hülfe 
wieder zu Gnade zu gelangen. Mehre fah man, durch R.s Ermahnung gerüßtt, 
den größten Theil ihrer Güter den Armen ſchenken und ihre übrigen Tage in 
ſchweren Bußübungen verleben. Unſer Heiliger Hatte immer fidh nad dem Mar: 
tyrertode gefchnt, er bat daher ben Bapft um Die Erlaubniß, in Ungarn den Glauben 
verfündigen zu dürfen, Als er mit einigen feiner Schüler Ungarn betreten wollte, 
wurde er von einer heftigen Krankheit befallen, welche fich jedesmal, fo oft ex 
feine Reife fortfegen wollte, von Reuem einftellte Ex ſchloß Hieraus, biefes Un- 
ternchmen fei nit nad Gottes Willen u. kehrte wieder in fein Klofter zurüd. 
Nach feiner Rüdkumft fliftete R. auch mehre Klöfter in Deutfchland u. fuchte in 
einigen anderen Berbefierungen einzuführen. Die Berfolgungen, die ihm fein Eifer für 
Gottes Ehre und das Heil des Nächften zuzog, ertrug er mit froher Ergebung, 
denn er lebte nicht fi, fondern einzig feinem Bott. Bon allen von dem Heiligen 
geftifteten Ktöftern war aber feines fo berühmt, ald das, durch die Wifienfchaft 
und Tugend feiner Bewohner fo ausgezeichnete Klofter der Benebiktiner, bas 
er 1009 im Thale Campo Maldoli gründete (Maladoli, ein Edelmann, Hatte 
ihm das Grundeigentum abgetreten). Nahe dabei baute er eine prachtvolle 
Kirche, deren Bloden die Wüftenel durchhalten u. um welche ſich Einfiebler Zel⸗ 
len gebaut hatten. Dieſe mußten während ber Kaftenzeit das vollfommenfte Still, 
ſchweigen beobachten u. durften überhaupt nur in ben Erholungskumden fprechen. 


Nomulus un. Remus, 927 


Ihre ganze Zeit war von verfchiebenen Uebungen erfüllt, unter welchen Gebete 
u, das HL Opfer ben erften Rang einnahmen. Die Einfiebeleien wurden nach⸗ 
mals von einer Mauer umgeben u. die Einfiedler befamen bie Erlaubniß, im flei- 
nen Gaͤrtchen u. einem babei eingefchlofienen Hölzchen fpazieren zu gehen. Eins 
zelne bevorzugte hl. Gemüther diefer Gemeinſchaft befleißigten ſich aber noch grö- 
ferer Abtöbtung u. Weltentfagung, waren Mönche, deren Elaufur freiwillig war, 
bie i aber erſt nach Tanger Prüfung in der Einfieblergemeinfchaft als Ber- 
gung gewäßrt warb, wenn fein Zweifel mehr über ihren Eifer u. die Fe⸗ 
ihrer Entſchluͤſſe obwaltete. Dann fchlofien fie ſich in ihre Zellen ein, um 
nie wieder zu verlaflen, ſprachen nur mit bem Superior, wenn er fie befuchte 
u. verboppelten Faſten u. Kafteiungen. Der HL R. lebte mehre Jahre lange auf 
diefe Weiſe. Ale NReligiofen waren unter einem Superior, ber ben Titel il 
Major, ber Aeltere, führte u. Alle befolgten die Regel bes Heil, Benedikt, mit ei- 
nigen befonderen Obfervanzen. Der Heilige farb, mitten in ſolchen HI. Geſchaͤften 
u, Hebungen, im Klofter Val⸗del⸗Caſtro in der Mark Ancona, im 70. Jahre feines 
Lebens, 1027 am 19. Zunt, freubenvoll und getröftet, wie Alle, bie fo löblich 
Iebten, zum Grabe eilend. Seine heiligen Reliquien waren flet, bis zum Jahre 
1480, eine reihe Quelle von Wunbern, zu welcher ze fie von gottesſchaͤnderi⸗ 
hen Händen der Berehrung ber Gläubigen und ber Liebe feiner Kinder entzogen 
wurben. Glemens VII. befimmte ben 7. Feb. zu feinem Feſttage. 

Aomulns u. Remus, die Gründer des römifchen Staates, ber Sage nach 
Zwillingeföhne der Rhea Sylvia (f. d.) u. bes Mars, wurben auf Befehl 
ihres Oheims Amulius, ber ihren Broßvater Rumitor von der Herrfchaft über 
Alba longa verdrängt Hatte, an der Tiber ausgeſetzt. Bon einer Wölfin gefäugt, 
fand fie Bier der Hirte Fauftulus u. brachte fie feinem Weide Acca Larentia, bie 
ihre Pflegemutter wurbe. Als Sünglinge geriethen fie einft in Streit mit ben 
Hirten des Numitor, bie auf bem Avenlinus weibeten. Remus wurbe von biefen 
gefangen u. ald Räuber zu Rumitor gefchleppt. Da eilte Kauftulus mit R. her⸗ 

ei u. bei diefer Gelegenheit offenbarte fich die Abkunft der beiden Brüder. Diefe 
erfhlugen nun mit Hülfe ihrer Gefährten den Amulius u. fehten Rumitor wie: 
der in feine rechtmäßige hirtſgaft ein, von welchem ſie einen Landſtrich an der 
Tiber erhielten, wohin ſie mit einer albaniſchen Colonie auswanderten. Die 
Brüder aber konnten ſich nicht uͤber den Platz einer zu erbauenden Stadt einigen 
u. R. erſchlug den Remus. Eine andere Sage gibt als Grund dieſes Bruder⸗ 
mordes an, daß Remus, weil er über die Mauern der neugegrüünbeten Stadt ge⸗ 
ſprungen, dadurch den Grimm feines Bruders erregt habe. R. Hatte zu der 
nen Stadt ben palatinifchen Hügel gewählt u. befchrieb, nach Landesfitte, die 
Graͤnze derfelben dur einen Pflug im Vierede, daher Roma quadrata. Als 
Etiftungstag feierten die Römer die Palilia, den 21. April (754 v. Ehr.), ei: 
gentlich ein Feſt der Hirtengöttin Pales. Die Bewohner der neuen Stadt waͤhl⸗ 
tn ben R. zu ihrem Könige u. er gab mehre Verordnungen über bie Religion, 
auch über die bürgerliche Verfaſſung. Infonderheit fehränfte er Die Tonigliche 
Gewalt dur die Errichtung eines Senats u. durch gewiſſe Rechte, Die er dem 
Bolfe ertheilte, ziemlich ein. Dem Mangel an Einwohnern abzuhelfen, eröffnete 
er eine Freiftätte für Zlüchtlinge u. Verbrecher aller Art, die aber bald zu nuͤtz⸗ 
lichen Bürgern gemacht wurden. Die fehlenden Frauensperfonen beifamen feine 
Untertanen durdy den Raub der Eabinerinnen u. der darüber entftandene Krieg 
endigte ſich mit einem Vergleiche, nach welchem Tatius, der König der Cabiner, 
auf kurze Zeit ein Mitregent des R. u. beide Völker eines wurden. R. über: 
wand verfhiedene angrängende Völfer, erweiterte die Graͤnzen feines Staates u. 
die Anzahl feiner Einwohner fehr beträchtlich u. bildete Die letzteren zu tapferen 
Eoldaten. Er war aber zu eiferfüchtig u. herrſchſuchtig, als daß er gern mit 
dem Tatius feine Macht getheilt hätte Der letztere warb ermordet, und bie 
Mörber blieben unbeflraft.e Der Senat indeß trug des R. wachfende Herrichaft 
nit. Einf, in voller Verſammlung, während eines Bewitters verfchwand R. 


928 RNoncesvalles — Ronge. 


Obgleich nun Proculus Julius ai und vorgab, daß R., als unfterblicyer 
Sohn bes Mars, lebendig in ben Himmel erhoben worden fei u, von nun an 
als Gott Quirinus über fein Volk regieren werde, vermuthete man boch mit 
allem Grunde, daß die Senatoren ihn heimlich aus dem Wege geräumt hatten. 
R. ift noch als Geſetzgeber merkwürdig, ba er viele fehr weife u. ganz bem rohen 
Zuftande feiner Bürger angemeflene Geſetze über Religion, Mord, Ehen, väter 
lide Gewalt, Erziehung u. f. w. gab, die zum Theil in die zwölf Tafeln auf: 
genommen wurden u. ſich fehr lange erhielten. Er zählte zur Zeit feines Todes 
über 50 Jahre u. warb unter bie römifchen Bötter geſetzt (ſ. Duirinus), 

Roncesvalles, eine Ebene im Königreiche Navarra (Spanien), bie zwifchen 
dem pyrenäifchen Gebirge liegt u. einen Flecken gleiches Namens hat. An dem 
Ende berfelben fommt man an ben Sup bes Berges Ronceval, der für ben höch⸗ 
ſten unter den pyrenäifchen geiaten wird, Hier wurde Karl ber Große 809, ba 
er einen Feldzug wider die Sarazenen in Spanien unternommen hatte, auf feinem 
Rudige von den Gascons überfallen u. mit großem Berlufte zurüdgelchlagen, 
wobei der tapfere franzöflfche Ritter Roland (f.d.) mit 12 Pairs gefallen feyn ſoll. 

Ronde, eine nächtliche Vifitirpatrouille, welche entweder höhere, ober niebere 
Dffistere, von wenigen Soldaten begleitet, in ber Abficht machen, um fich von 
der Wachſamkeit der Wachen zu überzeugen, Als R.n kommen fie nur in Feſtun⸗ 
gen, Lagern u. Sarnifonsorten vor u. werben während einer Nacht beren ge- 
woͤhnlich mehre gemacht. Die Zeit, um welche biefe Rn von ber Haupts, oder 
ahnen», ober einer andern Wache abgehen, hängt von ben Beflimmungen bes 
Zagercommanbanten, ober des Platzbefehlshabers, oder Stadteommanbanten ab 
u, wird der Sicherheitäbienft fireng gehandhabt, jo werben währenb einer Nadh 
drei Rn gemacht. Die erſte derfelben, oder bie HauptsR., gewöhnlich von 
einem Stabes - Offizier gemacht, geit zwifchen dem Zapfenftreih w. ber Mitters 
nachtsſtunde. Nach dieſer geht die Nach⸗ ober Bifitir-R., von einem Stabs⸗ 
offizier ober General vorgenommen. Sie wirb einige Zeit nach der Haupt-R. 
gemadt u. ihr Zwed if, von ber fortgefetten Aufmerkſamkeit der Wachen und 

eren richtiger Dienftleiftung Kunde einzuziehen. Die Tag⸗R. endlich, welche 
von einem figier ber Hauptwache, auch von einem andern hiezu beorberten ge 
macht werden Tann, geht kurz vor Anbruch bes Tages. Außer biefen gemöhn. 
lihen Rn kann der Commandant eines Plabes u. |. w. auch in eigener Perſon 
außerordentlihde R.n unternehmen. 

Rondeau, Ringelgedicht, Rundgefang, au ein Tonftüd mit einem 
wieberfehrenden gefälligen Charakterthema. Als Gedicht beftcht es in ber Regel 
aus 13 zehn s oder eilfſylbigen jambifchen Zeilen, beren neunte u. dreizehnte bas 
erfie Wort oder bie Hälfte des erften Verſes (den Refrain, versus intercalaris, 
Beieberfelungeverd , Infealtungdbere) wiederholen; übrigens aber enthält bass 
felbe fünf männliche u. acht weibliche Reime, oder, umgefehrt, acht männliche u. 
fünf weibliche. Es iſt franzöftichen Urſprungs u. dem Sonett nachgebildet. — In 
dee Muſik Heißt R. ein Tonftüd, in welchem das Hauptthema nach mehren Ab- 
wechfelungen ber Modulation als Refrain wiederholt wird (gleichfam bie Ronde 
macht) u. fo kann ein R. der Satz eines Eoncertd, Duartetis, einer Symphonie 
oder Sonate, ober ein brillanter Concert Schlußfah ſeyn. Fuͤr ſich allein aber 
bildet e8 auch ein Kleines Eoncert, ein felbfiftändiges Ganze, deſſen Grundcha⸗ 
rafter Laune u. Humor, Schalfhaftigkeit u. Naivität, verbunden mit dem Stre 
ben nad) Außerem Glanze ſeyn fol. Ms Erfinder des muflfalifchen R. wird 
Piccini in der Mitte bes 18. Jahrhunderts genannt, nach Anderen war es Leo: 
narbo Leo, ber Lehrer Piccini's, oder ber Italiener Buononcini. 

Rondebofle, |. Boffe. 

Ronge, Johannes, von ben Einen ber „Reformator des 19. Jahrhun⸗ 
derts“ genannt, während Andere ihn, mit mehr Recht, als ben „falfchen Prophe⸗ 
ten” bezeichnen, geboren den 16. Oft. 1813 zu Biſchofswalde Im Kreife Reiffe 
ber preußiſchen Provinz Schlefin, war ber Sohn armer Bauersleute und kam 





Neue 


1827 auf die Selehetenſchule zu Neiſſe, die ex; ohne ſich dur: jondere 
feiten au A a ‚um on ne nn Gras 
dem Studium ber Tathol Theologie zu widmen, 
nicht im Entfernteften den Anforderungen, welche 
 Eandibaten: det; —— Theologie zu machen 


——— sun Mn. Da Be i ae 
und ber Wunſch 


6 
= 8 


! 
8 







a8 
*—— 


83 





Kun; eölauer 
einzufinden. R. Ieif biefer Aufforberung feine D lei 
feine eigenen Gefchwifter ihn nähe — der geiſtlichen he den Li 
nicht zu verweigern. Inzwiſchen war der Hochbejahtte, an Gebls 
Ba engeren en hickn weiber 15 R.- mann KA ie Befafe eb fange 
Fand Sat eilung. Der Süchbifchof im anfänglich 


*8 m um Wieder . 
das bes treulofen Prieſters eingehen zu wollen, wanbte fi) aber nach⸗ 
von erer den Geiſtlich 


derwanbien, durch feine communiſtiſchen und revolutionären Wuͤhlereien 

bekannt geworbenen Grafen Reichenbach, welcher dem Freunde ein 

A angeboten Hatte. Von bort ging er ſpaͤter nach Laurahutte, einem Huͤtten⸗ 

ia Oberfchlefien, u. übernahm ben Unterricht von Kindern bortiger Beamten. 
Mußekumden verwendete er dazu, mehre, vom glühenbften Ha} 

Eirche und beren Diener befeelte, Schriften auszuarbeiten, bie 

fo 9 — ie Beute —& ae ee durch 

* erwachte katholiſche ſeyn feine Siegesfeier 

de faßet nach Trier, ein Ereigniß, wie bie Vergangenheit kaum eines ges 

ge hatte, das von ben Einen mit Inuter Feſtesfreude begrüßt wurbe, während 

Unberen ihren Ingrimm darüber faum verbergen konnten. „Es if freilich 

daß fein Blatt es wagt, gegen biefe Fanatiſitung des Boltes, ber 

—22 ein Opfer werden idnnten, ein feſtes und mmthiges Wort zu 

von 


— 


930 Ronſard. 


reden“ klagte damals in ſeiner taͤppiſchen Herzenseinfalt ein Organ des deutſchen 
Philiſterthums. Da fand ſich ploͤtzlich ein „Schleſinger Johannes”, ba 
Mann, welcher dieſes „feſte u. muthige“ Wort redete, indem er in ben fächflfchen 
Baterlandehlättern einen (von dem Grafen Reichenbach urfprünglich verfaßten u. 
hinlaͤnglich von ben vernünftigen Zeitgenofien gerichteten) Schmaͤhbrief gegen ben 
hochwurdigſten Bifchof Arnoldi von Trier veröffentlichte. Das Domkapitel zu 
Breslau ſprach jeht die Excommunikation über R. aus, aber die proteftantifchen 
Blätter aller Karben jauchzten ihm, als dem angeblichen Berfafler des Briefes, 
Beifall zus Dankaddreſſen aus allen Thellen des abgeflärten Deutfchland’s übers 
ſchuͤtteten ihn, die Judenſchaft von Goͤrlitz überreichte ihm 50 Rthlr., die er fo 
ut brauchen Eonnte, während die Männer von Thorn ihm einen großen Pfeffer 
uchen überreichten, gleichfam als Sinnbild des Schildes, welchen ber nun gefun- 
dene Führer aller Lichtfreundlichen tragen follte — Run begann bie deutſch⸗ 
fatholifhe Bewegung, geführt von R. und deſſen Gollegen Ezersfi, dem apo⸗ 
flafirten Prieſter von Schneidemühl, Die Ausgeftoffenen und Gölibatemüben des 
kathol. Priefterfiandes fammelten fi von allen Seiten her um RE Fahne; in 
Leipzig kam, mehrer unbebeutender Berfammlungen nicht zu gebenfen, ein allges 
meines beutfch »Fathofifches Concilium zufammen, wo zwifchen Yefllichkeiten aller 
Art, unter befonders thätiger Mitwirfung Robert Blum’s, ein Glaubensbekenntniß 
für die neue Sefte zubereitet wurde, das an Mangel alles poftio-(eiflichen In: 
haltes [eines Gleichen ſuchte. R. begann num feinen mpg durch eutſch⸗ 
land; die freie Stadt Frankfurt nahm vor allen anderen den Tageshelden mit 
dem glaͤnzendſten Gmpfange aufz ebenfo Mannheim, während der Heidelberger 
ofratd Gervinus in gefälligfter Weife ben Deutſchkatholiciosmus bevorwortete. 
m GSiegesraufche ging ber Beftaug durch das in politifcher, wie religiöfer Bezieh⸗ 
ung durchwuͤhlte Baden, bis endlich bei Eonflanz, wo R.s Borläufer fein 
Ende gefimden hatte, die Siegesfahrt bes ſchleſiſchen Propheten in tragitomifcher 
Weife endigte, indem das „Rarro, Narro fieben gefl “ — Knaben und 
eranfliegenbe Steine und Rafenflüde den großen Neformator zur unfreiwilligen 
uͤckkehr nöihh ten. Geit 1846 zog R., der als Pfarrer der Breslauer deutſch⸗ 
fathol. Gemeinde, wie als reifender u. reichlichsgenießenber Prediger thätig 
war, mehrfach den Tabel feiner eigenen Anhänger auf fi, namentlich baburch, 
daß er den Anfchluß der Lichtfreunde eifrig betrieb und mit feiner wahren, alles 
chriſtlichen Elementes baaren, Geſtnnung immer offener hervortrat. Seiner Thaͤtig⸗ 
feit als reifender Prediger hat er, in Kolge eines allgemeinen Berbotes ber prenf 
R ung die anfaͤnglich R's Treiben mit Wohlgefallen geſehen Hatte, entſagen 
* paͤter wurde er wegen ſeiner literariſchen Aeußerungen gegen die kathol. 
Kirche in eine Griminafuntertachun gezogen unb mußte eine Geldſtrafe von 50 
Rthlr. bezahlen. Im Hrühlinge 1 erichien R. im deutſchen Borparlamente 
zu Srankfurt, vwahrfcheinlich mit ber eiteln Hoffnung, baß fein Exfcheinen nicht 
oßne Erfolg feyn würde, worin er fich jedoch täufchte. Seine Anhänger wurben 
in allerneuefter Zeit völlig über ihn enttäufcht, als er, während die deutſche Ras 

tionalverfammlung beifammen war, wiederum in Frankfurt erfchien, Hier bie nies 
deren Claſſen durch aufreizende, meift in Bierhäufern und in halbtrunfenem Zus 
ftande gehaltene, Reden zum Umflurze alles Beftehenden aufforderte und mit feinen 
fauberen Genoſſen Bayrhoffer aus Marburg und Metternicy aus Mainz das bes 
ruͤchtigte, gegen bie Majorität ber Rationalverfammlung gerichtete, bemokratifche 
Manifeft unterzeichnete. Sein franbalvolles Treiben machte, baß feine früheren 
Anhänger und Verehrer fich feiner fehämten und ben Luther bes 19. Jahrhun⸗ 
6, befien Role ein fo Fiagties Ende zu nehmen beginnt, endlich bewogen, 

in aller Stille aus ber freien Reichsſtadt auszuziehen. C. P. 
Ronfard, eigentlich Rouffard, Pierre, berühmter Dichter, aus einer abes 
ligen Samilie, wurde 1525 auf dem Schloße Boiffonniere in Vendomois geboren. 
In feiner Jugend war er dag beim Herzog von Orleans, einem Sohne Franz J., 
nachher trat er in Dienfle Jatobs V., Könige von Schottland, als ſich derſelbe 


XXRRX m 

mit der Naı 

Ba A Baba ve au ma Auen = Bi 
36 55, Jahre, wo er das ar: verlor, eh 

35 Fatih tn — b 1585. R. war 


feines Vaterlandes der 
— Alben feines En 


allen —— che ausg 
Sa Fe ne ort er) Zeitalterd‘, aber doch 
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n u Me Be 1 ade ar, RN ER e * idın ſeibſt beforgtz 
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*8 5 ) ir itipu Det IR: auch Senat — 
‚geb au 


T 0 
Tot und ſtarb, durch feinen — lem er —— zu Rom. — 
R. Johann Melhior, geboren er zu cantfurt, wo er nach einem 
alte in Italien lebte und 1731 farb. — 5) R, Jofeph, ein Enfel von 
33 ud Sanbfehaftömialer, geb, 1728 zu Wien, ge. daſeidſt 1805 ale 


5 86, Richard, f. Engelhardt. 

en, BP. Johannes, General des Jeſuitenordens, ber Abkömmling 

as, in 2, ide Bam a I Ein m Fam, war Im A 
u, machte feine berüßmten At 

a. been Herden Damals Wekmer te Lennep, Gravenweri u. — 

Seine —— a — und ee gen in ‚alm Biocigen der —S 
Ah — Bm, emo 

— Aller, die je ihm in Berüßrung kamen, oh A er 

ei jeiner Stubien nach —X Gouvernem an, ir 

igen Lande im nördlichen Europa, wo — een 

in 7 beftandenem Roviztate wurbe er 1800 am als 

Aloyſtus Pong aufgenommen und am 27. er 1812 zu 

geweiht. Als ‚are 1820 alle Jefuiten aus dem gangen 

f vertrieben wurden, ging R. mit Anderen nach ber Schweiz, bes 

von da aus mit P. Cobinot feine Anverwandten in Amfterbam 
m degeb Ah hieran nad Turin, wo er zum ® bes Gollegtums 


ve (Col — zn ven u ſtend das befonbere 
Fee he Aue un Ah 


Be et En En Ba — 


ſtudien auf 







allein fein Auftreten zeichnet ihn vor Allen aus. Beſcheidenheit u. Demuth ath⸗ 
met fein ganzes Benehmen, während feine ausgezeichneten DeRedgaben aus allen 
Biden hervorleuchten u. bie leichenähnliche Bläße u. die Magerfeit feines ſchlan⸗ 
fen Leibes das nroße Waaß von Selbfiverläugnung u. Abtödtung andeuten, wos 
durch der vortrefflihe Mann das Lob von Freund und Feind einerntet. P. R. 
brüdt fich in ben meiften europälfchen Hofſprachen gewandt u. zierlih aus, das 
Holändifche jedoch fpricht er faft nicht. Seine Liebe zu Vaterland u. Baterfladt 
bagegen if immer gleich groß und feurig, wenn gleich er, aus Mangel an 
Zeit, wenig Briefmechfel mit Holland unterhält, Neuere Nachrichten über ihn 
fehlen uns. Kath, Stimmen. 

Roquelaure, ein altes, von dem Haufe Armagnac (ſ. d.) abflammendes 
Adelsgefchleht. Aus ihm: 1) Gaſton Jean Baptifte, Marquis und Herzog 
von R., geboren 1616, trat frühe in Kriegsdienſte u. zeichnete ſich bei verſchiede⸗ 
nen Beranlafiungen aus. In dem Treffen von Marfse 1641, fowie bei ber 
Schlacht von Honnecourt 1642 ward er verwundet u. gerieth in Gefangenfchaft. 
Später wurde er zum Generallieutenant, 1652 zum Herzoge u. Pair und 1676 
zum Gouverneur von Guienne ernannt." Er flarb 1683 zu Paris. R. war fehr 
witzig u. geiſtreich, doch fehreibt man ihm außer ben Scherzen, bie wirklich von 
ihm —* mögen, eine Menge Plattheiten u. grobe Spaͤße zu, die, ob fie gleich 
unter dem Titel: „Momus francais ou les aventures du Duc de Roquelaure” er- 
ſchienen, wohl mehr den Hofnarren Franz L u. Heinrich's IL, Triboulet u, Brus- 
quaz, zuzufchreiben find. — 2) (Jean Armand be Beifuejols de), Erzbifchof 
von Mecheln, Mitglied ber franzöftfchen Akademie, geboren zu Roquelaure in ber 
Didzefe von Rhodez 1721, wurde erfter Almofenier des Königs u. Mitglied der 
Commiſſion zur Reformirung ber religiöfen Orden. Bei der Revolution weigerte 
er fih, ben geforberten Eid zu leiften, blieb aber dennoch in Frankreich, wo er 
ben größten ®efahren ausgefebt war und, ſchon gefangen genommen, nur durch 
Robespierre's Fall einem gewiſſen Tode entging. Er lebte Hierauf in tieffter 
Eingezogenheit mit einer Nichte, beren Sohn er felbft unterrichtete, wurde 1802 
um Erzbifhofe von Mecheln und 1808 zum Kanonifus von St. Denis ernannt. 

r ftarb 1818 in einem Alter von vollen 97 Jahren. 

Roratemeſſe heißt diejenige Mefie, oder jened Engelamt, weldjes während 
ber Adventszeit früh Morgens an vielen Orten gehalten wird. Den Namen führt 
fie von „Rorate“, womit diefe Meffe anfängt s Engelamt heißt fie, weil ber 
Gruß des Engeld Gabriel an Maria im Evangelium berfelben abgefungen 
wird. Es wird in derfelben die Menfchwerbung und Ankunft Jeſu Chriſti ge 
Dell, wie Er nämlih vom Engel Gabriel verfündigt, von Maria von bem 

er Feine empfangen wurde u. dieſe deßhalb als die Mutter des Herrn ge⸗ 
grüßt wird, 

Roſa, die heilige Jungfrau, war fpanifcher Abkunft u. wurbe zu Lima in 
Peru im Jahre 1586 geboren. In der Taufe erhielt fie den Namen Ifabella, 
—* aber nannte man fie ihrer Schönheit wegen R. Schon von ihren erſten 

ahren bewies fie außerordentliche Geduld in Leiden und nlühenbe Liebe au Ab⸗ 
tödtungen ; bie bl. Katharina von Siena (f.d.) war dag Mufter, das fie fich zur 
Nacha ung gewählt hatte. Sie verabfcheuete Stolz; nnd Sinnlichfeit und wan⸗ 
beite Alles in Werkzeuge der Buße um, was in ihrer Seele das Gift bes Laftere 
hätte ausfireuen können. Die Lobſpruͤche, welche man beftändig ihrer Schönheit 
ertheilte, erweckten in ihr bie Furcht, für Andere ein Anlaß bes Sales zu werden; 
fie rieb fich daher, wenn fie öffentlich erfcheinen mußte, ihr Geſicht und Hände 
mit der Rinde und bem Staube des indiſchen Pfeffers, ber durch feine Schärfe 
ihr die Friſche der Farbe benahm. Sie befchränfte ſich aber nicht blos auf 
Diefe Mittel gegen bie Feinde von Außen und gegen bie Empörungen ihrer Sinne, 
ſondern fuchte ſich gänzlich abzufterben, indem ſie in ihrem Kerzen bie Eigenliebe, 
jene Quelle aller anderen Leidenfchaften, vollkommen vernichtete. Sie gehorchte 
aren Eltern in den unbebeutendfien Dingen und Jebermann ftaunte über bie 


Neſa — Nefelle. 
feit unb. Gebup, bie fie bei jeber © benles · Da ihee 
buchen, N - &arh 
waren, arbeitete 1 fm ac un m Ruh u ni a: — 
—— fie As jaltung ie bet wos ke —— 
nie an eine ———— et n nicht ir 
—— ihr legtes @elübbe ber Zur ler 


leß fie ſich > bie des — es dl. Dot: 
nicus Aus Liebe zur Einfamfeit zn fie eine. Heine ie 
e firengfien Bußwerfe übte. Auf ihrem 


1 — "hat 
inwe mit Stacheln it bie bp: 
Arena dee Ann Babe einmet” und ben Atmngehäuten 


‚au weten, Des HL, Bande unge, ae 5 


———— as — * * Ehen bau! 
* * mit dem ar ee 


— 





ihre 
—— bes apoſtoliſchen Stußles und bur als Hundert 
n. Glemens X ae Dh uns Jahr Me bie zahl ber 

amd ji De Beh auf den 30, Mg 
ae —— Salvato ed einer ber genialften 

615 15 u Renella im N tanifihen, wit a Tr 
der Duft wm 2 Dec un der Malerei, 
— — agn Lehret, auch in den Hrn hen Eompofls 
78 ſeiner ir ſchwoͤrung bes — Gal. Pitti zu Floren) verwandt 
Ruhm erwarb er ſich als Landſchafts⸗ und Genremaler. 


ſcenen in gewitterhafter Beleuchtung, vom Sturmwinde bewegt, 
wb als — je Soldaten⸗ ober Raͤubergruppen, ober einſame Eremiten find 
E bie ftifch » originellen Gegenftänbe feiner Gemälde. Der Sage nach 
„er auf einer feiner einfamen Bang HH die e ‚Bände von Räubern u. vers 
ante: Ihnen cin Zeit lange. er meiſt zu Rom, wurbe 
— = (lem Suche, er ha Kt Ki 2 ei ” vers 
aus der bottigen 1673. 
Seine 86 rabirten Blätter find von hohem wu ee Ba — Epi⸗ 
grammen Be 4770) erivarben ihm den Ramen bes italienischen Suvenal. 
Rofalie, u in der Muftf eine tadelnde Benennung ber Wiederholung eines 
Sapes don wenigen Taktın auf verfdhiebenen Stufen der Tonleiter, bald höher, 
bald Kt gew —— ein Zeichen bes geiſtesarmen Componiſten, es wäre benn, 
daß in Weile etwas Gone, ober ein ſcharfer Contra u. dgl ausge⸗ 


HH 


® 
ii 


934 Roſamel — Roscoe, 


druͤckt werden ſollte. Die Wieberholmgen in ber Octave aber und bie contra⸗ 
punktiſchen Nachahmungen gehören nicht hieher. Man nennt die R.n im Deuts 
ſchen „Schufterfleite* u. „DVettermicheln“ u. fie find um fo übelflingenber, je uners 
warteter fie auf einander folgen. Man leitet Die Benennung R. vom italienifchen 
roselia, rosolia, die Mafern, her, bie fich fo nahe an einander drängen, wie ber 
Schufter die Flecke zufammenfügt, einen auf den andern. 

Rofamel, Elaude Eharles Marie du Campe be, franzöffcher Bices 
abmiral, geboren 1774 zu R., ging ſchon 1787 zur See u. trat 1792 in bie 
franzöflfche Kriegsmarine, zeichnete ſich 1794 unter Villaret⸗Joyeuſe aus, machte 
die Expedition nach Island unter Hoche mit, wurde 1801 Gapitän, 1803 Ad⸗ 
jutant des Admiral Brueix, blieb bis 1805 in deffen &eneralftabe, wurde 1809 

regattencapitän, flegte am 29. November 1811 bei Palagafa im abriatifchen 
eere über eine englifche Blottille unter Sir Robert Gordon, mußte ſich aber in 
Soipe bes erlittenen Schadens ergeben u. blieb gefangen bis 1814, wurde 1815 
inienfchiffäfapitän, 1818 Eontreabmiral u. Mitglied des Admiralitätsratks, 1827 
Birendmiral, 1830 WMarinepräfett zu Toulon, 1839 Mitglied des Eabinets Mole 
u. Minifterftaatsfefretär für das Seeweſen u. die Colonien u. ſchied, als dieſes 
Minifterium 1840 von Thiers verbrängt wurbe, aus. 

Roscelinus ober Rouffelin, Johann, war Domherr zu Compiegne in 
der Didzefe Soiſſons, wo er öffentliche Borlefungen gegen das Ende bes eilften 
Sahrhunderts (1092) hielt. Mehr Dialektifer, als Theolog, wollte er das Ges 
heimniß der Dreieinigfeit erklären u. verfiel in Irrthum. Er behauptete: Daß 
bie brei göttlichen Perſonen, wie drei Engel, drei von einander verfähiedene Dinge 
wären, denn fonft fönnte man fagen: daß auch ber Bater u. ber Sf G 





Menſch geworben ſeien; jedoch machten ber Vater, Sohn u. Heilige Geiſt einen 
Gott aus, weil ſte nur einerlei Macht u. einen Willen haͤtten; doch koͤnnte 
man fie auch drei Götter nennen, wenn der Sprachgebrauch dieſem Ausdrucke 
nicht entgegen wäre. Dieß ift ber Irrthum ber Sritbeife n. — Seine Lehre 
wurde auf einer Synode zu Eompiegne gegen das Jahr 1092 verdammt. — R. 
fhwur feinen Irrthum ab, fagte aber kurze Zeit darauf, daß er biefes mur aus 
Furcht, von dem Volke ermordet zu werben, gethan Habe. Der Heilige Anfelm 
wiberlegte ihn in einer Abhandlung unter dem Titel: „Bon dem Glauben, der 
Dreieinigfeit u. der Menſchwerdung“ vom Jahre 1093 oder 1094. — Die ganze 
Widerlegung bes Heiligen Anfelm ift auf die ganz einfachen u. wahren Grund⸗ 
fäbe gebaut: man aus nicht vernünfteln gegen das, was der Glaube ung lehrt, 
noch gegen das, was bie Kirche glaubt; man muß nicht verwerfen, was man 
nicht begreifen kann, im Gegentheile eingeflehen, daß e8 gar viele Dinge gibt, bie 
über untere Kaffungsfraft find. Schriften von R. find nicht vorhanden. 

Notszeins, Duintus, ber berühmtefte Schaufpieler des alten Roms, aus 
Gallien gebürtig, war ſowohl im tragifhhen, als im komiſchen Fache groß. Da 
er fchielte, fo fpielte er Anfangs flets mit ber Maske, aber die Römer nöthigten 
ihn, fie abzulegen, um Nichts von feiner fchönen Ausfprache zu verlieren. Die 
Republik belohnte ihn durch einen flarfen Jahrgehalt. R. fand überhaupt in fo 
großem Anfehen, daB man von Jebem, der ſich in einer Kunft oder Wiſſenſchaft 
auszeichnete, zu fagen pflegte, er fel ein R. in feinem Bade. Sein Haus war 
eine Art Afademie, wo ſich unter feiner Anführung gute Schaufpieler bildeten, 
Freund Piſo's u. Sulla’s, war er es auch von Eicero, der feiner oft mit Xob ers 
wähnt u. ihn gegen Cajus Fannius Eheria bei einem Zwift über einen Sklaven 
vertheibigte. Diefe Rebe ift noch übrig. R. flarb 61 v. Ehr. 

Nodeoe, William, ein treffliher englifcher Gefchichtsfchreiber, geboren 
1753 zu Liverpool, erwarb ſich als Schreiber bei einem Advofaten durch eigenen 
Fleiß die Kenntniß der Iateinifchen, franzoͤſtſchen u. ttalienifchen, fpäter ber gries 
chiſchen Sprache, warb ſelbſt Advokat u. trat, ſchon burdh mehre Gebichte und 
fein Wirken Beam Sflavenhanbel befannt, bebeutenb als Dichter auf durch The 
Wrongs in Africa, Die franzoͤſtſche Revolution begeifterte ihn zu mehren treff⸗ 


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lumen; R. cinnamomea, - 
halbg toſarothe, in's Nelfenbraune ſich neigende Blumen 
jem Geru —— Stahel-R,, Aeſte u. 3 find 
mit ten Dome en weißen Samen woßteiechenb, bie Krüchte 
—* Gärten lei m En: FR centifolia, die gemeine Garten-R. mit 
jetäten; R. muscosa, Moos-R., u. R. provincialis, ProvencersR. ; 
* — En, +R,, dunkelroth; R. turbinata, Tapeten⸗ ober —— 5 
en die ie gelbe gefüte R.z R. Iuten, bie gelbe u. 
—S— — * — vor: R. damasoena, 
De “ r sem) Feld "hie immerbi 
* Krieg ber weißen u. rothen, f. a enien, 
‚ 2 nennt man im iin Allgemeinen eine oberflaͤchliche Entzündung 
„ welche fich durch ausgebreitete, nicht ſcharf begrängte, zofenfarben, 
gerdrude vorüber; —X weichende Röthe, geringe Ant ch welun; 
vermehrte hie a aut ans jeidhnet. — Bei ſehr heftigem Grade "der ER 
fh au —5— von Blaſen, die mit ferdfer Flüſſigkeit gefünt 
u. IE Be am bla R. Die Entzündung figt bei der R. eigentlich 
in bem unter de Dberfaut tn Be Gefaͤßnehe, fie kann aber 
eindringen unb bi fer gelegen Gesine geren fen; je mehr bieß 
jet, befto mehr u 1 en eharaft er ber R., der rofenartigen 
g. Die R. entſteht entwweber aus innerer, nicht nacmneiebarer rer Urſache, 
ch unter voraus; Keen —— hie, u man 





52 


—— 


za te hart ober fie ent! — im gel (ge Auberer oͤrtlich er Relge, ® eines Infels 
uud, be Sur 7 ber San gi gem rem en € x Sen he — 

von 

Fallen bei 18 fal jahre R. Hat umei 

—— and Ir —X erſchenteln; ve —* er t —— bım a 


Rei von einer Ste hen fih —F verfegen, ns beſonders durch Ein» 
wiehng, vn — hervorgebracht wird, waͤhrend dieſe beide 
ia gm angewendet werden. — Mats 


936 Rofe— Hofer. 


laändiſche R. nennt man das Pellagra (f. d.). Die Aſturiſche R. if ein 
dem Pellagra nahe verwanbtes Leiden, bas in Afturien enbemifch vorkommt und 
beſonders in ber Umgegend von Oviebo herrfcht. E. Buchner. 
Rofe, 1) Heinrich, Profeffor der Chemie in Berlin, geb. ben 18. Mär; 
1795 zu Berlin, Sohn von Valentin R. dem jüngern und Enkel von Valentin 
R. dem ältern, weldye beide als Apotheker u. tüchtige Beobachter im pharmacen- 
tiſchen @ebiete ſich befannt gemacht haben. R. erlernte bie Apotheferfunft in 
Danzig, fam dann auf die Univerfität nach Berlin, ging 1819 nach Stodholm zu 
Derzelius, unter deſſen tüchtigfle Schüler er gerechnet werden muß, begab ſich 
1820 nad Kiel und wurbe bafelbft zum Phil. Dr. promovirt. 1822 Habilitirte 
er fih an der Univerfität in Berlin, wurbe 1823 außerorbentlicher u. 1835 or⸗ 
dentlicher Brofeffor der Chemie. NR. iſt einer der ausgezeichnetfien Ehemifer ber 
neuern Zeit. Den größten Ruhm erwarb er fich durch fein „Handbuch ber ana 
lytiſchen Chemie", Berlin 1829, 4. Auflage, 2 Bbe., 1838, welches auch in’s 
Sranzöflfche Cin wiederholten Ausgaben), in’s Hollänbifche, Stalienifche u. Enge 
liſche überfegt wurbe. Außerdem jchrieb er mehre Abhandlungen, bie in Pogs 
gendorfs Annalen enthalten find u. denen großer Werth in Beziehung auf ana- 
lytiſche Genauigkeit zuerfannt wird. — 2) Oufas, Bruder des Borigen, Pro⸗ 
feſſor ber Mineralogie in Berlin, geboren zu Berlin ben 6. Auguft 1796, „wibmete 
fi in Schleften bergmännifchen Studien, wurde 1820 in Berlin promovirt , be- 
ab ſich 1821 zu Berzelius nach Stodholm, wurde im felben Jahre Cuſtos ber 
ineralienfammlung der Univerfität Berlin, 1826 aber außerordentlicher Profefjor 
ber Mineralogie; 1828 begleitete er A. von Humboldt auf einer wiſſenſchaftlichen 
Reife in den Ural; 1839 wurde er ordentlicher PBrofefior der Mineralogie. — 
Er schrieb „Elemente der Kryftallographie" , Berlin 1828, 2. Auflage, 
18383 ꝛc. E. Buchner. 

Nofen, 1) Gregor, Baron von, ruffifch Faiferlicher General der Infanterie 

und Generalabjutant, der Abkoͤmmling einer nach Liefland übergeflebelten ſchwedi⸗ 
{hen Yamilie, geboren 1772, trat 1789 in ruſſiſche Dienfle, wurde 1803 Gapi- 
tan, 1806 Oberfl und Commandeur des erften Jaͤgerregiments. Als folder focht 
er 1806 und 1807 gegen die Franzoſen, 1808 gegen die Schweben in Finnland, 
wurde Generalmajor, 1815 Commandeur einer Brigade und 1812 ber eriten 
©arbebrigade, mit der er fich befonders bei Mofaist und bei der Berfolgung ber 
Franzoſen auszeichnete. 1813 erhielt er bie erfte Gardediviſion, Fam jedoch mit 
ihr bei Lügen und Bautzen nicht in's Gefecht, dagegen bildete diefelbe einen bes 
beutenden Theil des Oſtermann'ſchen Corps bei Kulm. Die Schlacht bei Leipzig 
machte er als Generallieutenant mit und Tämpfte 1814 bei Arcis fur Aube und 
bei Paris. Nach dem zweiten ‘Barifer Frieden befehligte er das erſte Infanteries 
corps, wurbe Generalabjutant und General der Infanterie. 1831 führte R. das 
ſechste Infanteriecorps gegen bie polnifche Infurrection und bildete ben rechten 
Zlügel des xuflifchen Eentrums, focht im Februar bei Wawre, entſchied bei Gro⸗ 
How, wurbe darauf bei Dembe Wielfi den 30. März angegriffen und wich erſt 
ber Hebermacht, als fein Corps faft bie Hälfte verloren Hatte, hatte am 10. April 
nechmals das nachtfeilige Gefecht von Iganie zu beftehen und wurbe zu feiner 
Reotgariñrung an bie ruffifhe Graͤnze zurüdgefbidt, rüdte erft im Auguſt wies 
de = Me Lime, ſchloß Praga ein, wurbe aber Ende Auguſt von dem polnifchen 
Gere Romorins nad Lukow, Miendryrzez und Brzask zurüdgebrängt. Hier 
6 na aber NRamorino zu weit von Warfchau abgezogen, um biefem zu 
> mr w Iommm, und dieſes fiel am 7. September. Sogleich ging R., 
-m Hu Ben Roth und Kraſſinsky, in bie Offenſive über und draͤng⸗ 

- mr u 32 Meracifhhe Gränze, welche berfelbe am 16. September 
Au — 2 Betın freie Nach dem Kriege erhielt R. das Com⸗ 

2 —_— sem —Ü laukafiſchen Corps, weldyes er jedoch wicder 

see m "zer ae = viſſenſchaftlicher Beziehung, durch feine amt⸗ 

* — 7öe Mittel beguͤnſtiat, Groͤßeres, als je einer 


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— u. es Snhtt — 


— bei der N, iR u Es find di 
I ar und Settung vom — * 


ee Fuge 16. * — 
u Hannover, ſette 
ft u. lehrte bie ori iaucijam 


ER ee nach — — En Ei 1837 
1.0, 


fleißigen 
d englifc, London 1881); „A Dieti 
nee! 1833) und —** te 


aljähelich am 8, er Benin 
en Departement Oil Er öfeft, che Die IR 
Zuge ei len wi, tdi — — 


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Se Eh f von Roi Kt 83 Bor 


beim, fner und freinbiiäger Martifleden in Okay, am Ein 
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ber Mangfall in ben Inn. Oeffentliche Plaͤße und bie vielen hübſchen 
fer, ar Theil mit flachen Dächern und Arkaden, zeichnen ben Ort ſehr zu 
em Boriheile aus und verleihen ihm ein ftadtmäßiges Anfehen. Er ift der 
—— Landgerichtes, eines Salzoberamtes u. Forfiamtes. In der k. Saline 
u 200000 Sa Be 1811 von Reichenhall hieher geleitet wird, erzeugt man jährlich 
jentner Salzes. In neuerer Zeit ift zu R. auch ein Salzfoolenbab 

orden. 3200 akt Hofpital u. andere Wohlthätigkeitsanftalten, 
—— Meſſingfabrik, ſtarker Salz-, Wein- u. Getreidhandel auf dem 
Eine Stunde von R. entfpeingt, die Mineralquelle Küpferling. In ber 
hen, fo wie bei Pfürzen, Wefterndorf u. — fand man ſchon 
Ummen u. andere Altertfümer römifchen Urfprunges. Das R.er Moos iſi 
Kanäle ausgetrodnet. — Auf dem hohen Innufer diefer Gegend erhob ſich 
Schloß, weiches einft „der Tyroler Paß“ dieß, ohne Aweilt derfelbe_fefte 
‚welcher die nahe Immbrüde (pons Oeni) der Römer vertheibigte, Der 
R. kommt 1160 in Urkunden vor. Im 14. Jahrhunderte befchidte ber 
die bayrifchen Landtage, und 1641 erlitt er durch Brand Kill 


 Rofenholz oder Rhodiſerholz Clignum Rhodii) ift das fnotige, fef 8, 
Rothe raue, innen ſchön Beanhgeihe oder röthlich geäderte Wurketholg der 

auf den Tarifen ‚ufen einheimifhen ftraudartigen oder Be enwinde 

(eomvolvulus scoparius L.), 1— 4 im Durchmefier ftark, von bitterlichem, bal- 

ſamiſchem Beichmade und, beſonders wenn es gerafpelt wird, ſtark ro enartigem 

Dieſer rührt von bem barin enthaltenen arten hen Dele (Rofenöl). 

der, welches buch — ausgezogen werben kann; auch theilt er ſich einem 

je don Heißem Waffer mit. Man verwendet das R. gerafpelt beſonders zu 

3 "u, Raucherwerk u. ſchaͤzt es um fo mehr, je ſchwerer, bunfeler von 





“ — 


938 Rofentranz. 


Sarbe es u. je flärfer fein Rofengeruch iſt. ine andere Gattung ik das aus ber 
Levante u. befonders von ben Infeln Cypern u. Rhobus kommende u. nach ber 
legtern Infel Rhodiſerholz (welcher Name dann auch dem canarifchen beiges 
legt worden ift) benannte, welches das Wurzelholz einer Ginfterart, (Genista Ca- 
nariensis) ift, die übrigens auch auf den canariſchen Infeln wächst. Es ähnelt 
in ber Farbe dem canarifchen u. hat auch einen Rofengerudy, den e8 einem heis 
fen Waſſerauf ufe mittheilt, der aber nicht fo flark ift, als bei jenem. — Unter 
dem Ramen R. Tommen übrigens noch mehre andere Holzarten vor, namentlich 
das brafilianifche oder weſtindiſche R., von einem Balfambaume, (Amyris 
balsamifera) ; ferner das oſtindiſche R., ein gelbrothes, zuweilen flarf ins 
Rothe oder Brämliche ziehendes Holz mit braunen Längsflreifen und angeneh⸗ 
nem Rofengeruche. Es wird zu Heinen Drechsler», Galantries und eingelegten 
Arbeiten u. u Oeigenbögen verarbeitet, Hat aber ben Fehler, daß es gern fpringt 
u. mit bem Alter Die Farbe verliert. Das levantiſche R. oder Tulpenholz, 
von ſchoͤner rother Farbe, fommt in dünnen, 3—5 Zoll flarfen, unregelmäßigen 
Stämmen, welche faft ohne Splint, aber oft im Kerne Hohl find vor. Es wird 
zu Salaniries, Drechsler» u. Tifchlerarbeiten bemüht. 
Aofenkranz Heißt eine Fatholifche Gebetsform, welche vom heil. Dominicus 
(f. d.) im 13. Jahrhundert zur Bekämpfung der ketzeriſchen Irrthümer ber Albis 
genfer und Ausrottung berfelben in Frankreich durch göttliche Vermittlung unter 
em gemeinen Volke verbreitet wurbe und feitbem außerorbentlich fegensreich für 
bie katholiſche Kirche gewirkt Hat, beffen großen Ruten man auch in unferen Tas 
gen wahrnehmen kann, Der R. ift eine Wiederholung des Ave Marias &ebets, 
mit — ein Baterunfer und einigen frommen Betrachtungen über bie 
vorzüglichtten Geheimniſſe des Fatholifchen Glaubens; er wirb von Einigen auch 
ber Pfalter Maria genannt, weil er aus 150 Ave Maria, wie ber ir ter Das 
vids aus 150 Palmen, befteht. Diefe an ſich einfache Gebetsweiſe follte beim 
emeinen Volke, das nicht fo leicht, wie ber Gelehrte, zum Innern Gebete ober zur 
Älllen Betrachtung ber erhabenen Religionsgeheimniffe anhaltend mit großem Er⸗ 
folge vermocht werben kann, das betradhtende Gebet exfehen, Herz und Geiſt bes 
frommen Beters zugleich befchäftigen, vor Zerftreuung ihm ſichern u. durch Furze, 
wie Mare, Einprägung ber Glaubensgeheimniffe vor Irrthum und Aberwitz bes 
wahren. Der HL Dominicus wählte, um von Zerftreuung ben Beter abzuhalten, 
eine beftimmte Anzahl Körner, welche Anfangs in ihrer Formation den Rofen 
ähnlich fahen, (daher der Name der Gebetsweife R.) und an einer Schnur bes 
feftigt, der ein Mal feftgefehten Anzahl von Baterunfer und Ave Marias@ebeten 
enau entfpradhen. Eine ähnliche Art, das Baterunfer und Ave Marla zu wies 
erholen, war unter Ehriften ſchon lange im Gebrauche, nur nicht in ber vom Hl. 
Dominicus erſt allgemein eingeführten Form, welche kirchliche Gutheißung erhielt, 
Die Gebetsform ift folgende: Man bezeichnet fich mit dem Zeichen bes HL Kreus 
zes u. fpricht: Im Namen des Vaters und des Sohnes und bes Heil, Geiſtes, 
Amen. Hierauf betet man das apoſtoliſche Glaubensbekenntniß, zu befien Schluße 
folgt: Ehre fei dem Bater u. dem Sohne und dem Hl. Geifte, wie fie war im 
Anfange, jegt u. Immer u. zu ewigen Zeiten. Amen. Run folgen 5 Gefeke: 
I. mit den freubdenreichen Geheimnifien. Jedes Gele beftcht aus einem Vater⸗ 
unfer und aus 10 Ave Maria; am Schluße fteht der Lobſpruch: Ehre fei dem 
Bater u. f. w.; jedesmal nach dem Worte Jeſus im Ave Maria fagt man im 
erften Zehner u. |. w.: 1) ben du, o Jungfrau, empfangen Haft; 2) den bu, o 
Jungfrau, zu Elifabeth getragen haft; 3) den bu, o Jungfrau, zu Bethlehem ges 
boren Haft; A) den tu, o Jungfrau, im Tempel aufgeopfert haſt; 5) den du, o 
Jungfrau, im Tempel wieder gefunden Haft. IL Zu den zweiten 5 Geſetzen ober 
Reihen werben bie fchmerzhaften Geheimniffe gebetet: 1) Der für uns Blut 
geſchwitzet hat; 2) der für uns iſt gegeißelt worden; 3) der für uns if mit Dors 
nen Be önet worden; A) der für uns das ſchwere Kreuz getragen hat; 5) der für 
ums Ift gefreuzigt worben. III Zu ben britten 5 Geſetzen werben bie glorreichen 


„Min. 


En) 17 WARME ET. f 
trlum⸗ 


Geheimnife gebetet: den Todten auferſtanden ft} 2) ber tehums 

phirend. — uns den e hat; 
ET 

Arofaitge Glnubenebefenntni6, 1 Water unfer und 3 Mve 


Maria; nad dem Worte : 9) ber in uns den Olauben 
2) er In un He Song te a) ve ud —— nr 









"alle Gefemniffe unferer 
ee 
Be 1 en br — Bee se 
in Pr Saat te « Under 


* die in ber Wenſchwerdung fl —S 
Ei ganz orte bes Ta Gabi an x aria, bie “fg * 
hen Ne Monte * BL abet, — 1 N e, 
ift eine Anrufing: ber ae —— 
— Eirchenverſammlung von Epheſus, die % "Seforius RE en * 
dammte, Gottesmutter genannt. Viele wollen bie öftere Wiederholung des. Ave 
Marla tadeln, weil das Gebet dadurch an Kraft u. Gehalt verliere, was aber 
nie der dan iſt, werm der Beier fiets fi) bewußt bleibt, maß * ht u. mit 
—ã Seiſte betetz Hat doch ber Heiland Den 
drei dieſelben Worie deſſelben Gebetes zum w —* u. gm 
wer ber Baier zafalmift David in feinen ruhrenden Pfalmen eftmalige eber⸗ 
—* en u. Worte, man Ir bie aim. 135, 113, 38 nam 
Inbefien Chriſten, bie, fremd bem wahren Anbachtsfinne, jede @ebetöformel 
, welche nicht Dura hochtrabende Worte fi emempfichk, Ku wenn nicht 
Gebet dem Herrn am wohlgefälligften wäre, das dem bemüthigen @eifle 
[3 zei Mi — De entfirömt und mit kindlich frommer Einfalt — 
u * eine unwiderſtehliche, faſt teufliſche Verachtuug; 
aber ei — Kg ei et nie Im Leben recht bemüthig gebetet, nie jene —— 
weil es ihnen am wahren Glauben, an der Gnade Gottes und 
, bie erft dem Gebete feine Salbung gibt und in ber einfachften 
el 1% Sara fer, Ober, gibt «8 wohl ein Setichenss Gebet, 
[ ’ FRy En —5— Meifter, uns lehrte Gibt es ein Gebet, 
das mehr Ba Gott in ums erweden könnte, —— und um eds 
lere Güter — An ir ht die Fülle der Erbarmungen und ®üte Gottes 
a. unfere Abhän, Ngtet I hu u. unfere D arfigteh uns anſchau⸗ 
— es ein Gebet, das ben fittlichen Wandel ber Chriſten inniger 
win at wenn $ a Raipenten area wird? — wer 


ang beten und R pen eb 
ER en Bot nicht nt un es ben "wahren ig nicht 
benfelben Worten zu Deren, mit benen ber Enge fie bes 
X fe empfieng? Sollie ex nicht um ben Schuß berjeni- 


Is an 


He 


940 Rofenfranz — Rofenmäller. 


gen flehben, welche, gefegnet vor Allen, bie Mutter des göttlichen Gnadengebers 
ward? Ja, wahrlich ſehr Viele, Die Maria nicht verehren und anrufen mögen als 
bie Helferin der Ehriften, als bie Zuflucht der Sünder u. Mutter der Gnade u, 
Barmherzigkeit, kennen ihre Verdienſte u. Würde nicht, Haben darum an ihr feine 
Mutter und Zürfprecdherin, weil fie Bott nicht zum Bater Haben; benn der fann 
nicht Bott zum Bater haben, der nicht Maria hat zur Mutter, ſegt ein h. Kir⸗ 
chenlehrer. Und der fromme Thomas von Kempis erlaͤutert den ß des En⸗ 
ge alfo: „Mit Ehrfurcht, Andacht u. demuthsvollem Vertrauen werbe ich vor 
ich treten, wenn ich bir, Marin, ben Gruß des Engeld barbringen fol. Ich 
lege ihn Hin mit gebeugtem Haupte, mit ausgefpannten Armen, im zaͤrtlichſten 
Sefühle der Andacht, und ich wuͤnſche, daß alle himmliſchen Geifter denſel⸗ 
ben Hundert taufend Mal und noch mehr für mich wiederholen möchten. Ich 
kenne nichts Slorreicheres für dich u. nichts Zröftlicheres für uns. Alle, fo beis 
nen hl. Namen lieben, hören mich an u. merken auf meine Worte. Die Himmel 
erfreuen fly und bie ganze Erbe werde vor Staunen durchbebt, wenn ich fage: 
©egrüßet ſeyſt du Maria! Der Teufel in der Hölle zittere, wenn ich wieberhole: 
Gegruͤßet feyft du Maria! Die Traurigkeit ſchwindet u. neue Freude ergießt ſich 
in meine Seele, wenn ich ſpreche: ©egrüßet fenft du Maria! Meine ſinkende 
Liebe richtet fi auf und meine Seele erneuert fi, wenn ich bete: Begripet 
ſeyſt du Maria! So groß iſt bie Süßigkeit biefes Brußes , daß es feine Worte 
gibt um ihn gehörig auszubrüden; er ift zu tiefins Herz gegraben, als baß ber 
und ihn auszuſprechen vermöchte. Bon Neuem alfo werfe ich mich vor bir 
nieder, o bu Heiligſte aller Jungfrauen! um bie zu fagen: Gegruͤßet ſeyſt bu 
Maria! voll der Gnade, der Herr ift mit dir u. f. w.“ A.K. 

Rofenkranz, Johann Karl Friedrich, ein Philoſoph aus ber Hegel’, 
{hen Schule, geboren 1805 zu Magbeburg , fludirte zu Berlin, dann zu Halle 
und Heidelberg, ward Dorent und Profefior zu Halle und 1833 zu Kös 
nigsberg. Unter feinen zahlreichen Schriften, bie zum a euu⸗ nei⸗ 

en, von dem er jedoch ſpaͤter wieder abgekommen iſt, d die wichtig⸗ 
en: „Naturreligion“ (1831), „Encyklopaͤdie der theologiſchen Wiſſenſchaften“ 
(1831), „Kritik der Schleiermacher'ſchen Glaubenslehre“ (1836) , „Stubien“ 
(2 Thle. 1839 — 44), „Kritiſche Erklärung des Hegel'ſchen Syſtems“ (1840), 
„Pſychologie“ (2te Aufl, 1843), „Ueber Schelling und Hegel" (1843), „Hegel's 
Leben” (1844), „Die freie Wiſſenſchaft“ (1844). rüber befchäftigte er fich viel 
mit altdeutfcher Poeſie u. werthvoll find in diefer Beziehung von ihm: „Handbuch 
der allgemeinen Geſchichte der Poeſte“ (3 Bde), „Geſchichte der beutfchen 
noch ealen,‘ ferner, was er über das Heldenbuch, die Nibelungen 
u, ſ. w. fohrieb. 

Roſenkranzfeſt. Diefes Feſt ift durch die ganze fatholifche Kirche ein befonberes 
Feſt zu Ehren bes Heiligen Rofenkranges, unter dem Namen „Maria vom Siege“ 
vom Papſfte Clemens Al. angeordnet und für die ganze Kirche am 1. Sonntage 
im Oftober zu feiern befohlen worden, wegen bes zweifachen Sieges, welchen bie 
Chriſten unter Papft Pius V. 1571 bei Lepanto und unter Clemens XI. 1716 
bei Belgrab über die Türken durch die Yürbitte der allerfeligfien Jungfrau Maria 
und durch das. Gebet des heiligen Roſenkranzes erfochten haben. 

Mofenfreuger hießen bie Mitglieder einer geheimen Gefelfchaft, deren Zweck 
auf Verbeilerung der chriftlicden Kirche, Begründung einer dauerhaften Wohlfahrt 
der Staaten und auf vollfommenen Lebensgenuß gerichtet geweſen ſcyn fol. Als 
Stifter wird ChriſtianKRoſenkreuz 1388 genannt, der der Gefellichaft ben Namen 

ab; indeffen fchreibt man den Plan gemeiniglich, mit wie viel ober wenig Wahr⸗ 
—2* muß dahin geſtellt bleiben, dem proteſtantiſchen Theologen Valentin 
Anbreä (ci. d.) zu. Es knüpften fih an bie R. eine enge abenteuerlidher u. 
muftifcher Phantaften. Im 18. Jahrhunderte wurbe die Geſelſſchaft völlig aufge: 
löst. Bgl. au den Art. Freimaurerei. 

Ä Rofenmäher, 1) Johann Georg, geachteter Schriftausleger u, Profeſſor 


nee u 









fen, wurde nach. feinen 
ghauſen — 768 als — 


175 Dollor ber. Theologie, 
1783 zog er 
u nn ar Denn 





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AR bibliſher ——— * ——— 

Predigen ir Indee Ipäler ES in Shane u Einer 
geworben ifl. Er —— en und 


Gießen, hörte 
Vorl⸗ lan, 
De Kat Ba Ro 


— — 

fe Ai Siweil Yo chem 4% ‚der 

a —— Wertheiigung feiner geeheten 
i carmen templi Meccani foribus, appensum,«nune 

i Arabice , lat. convers. et nolis illustratum, | 


Kenner der, morgenlänbifchen ) Spradhen? 
vard 5 mit Kuihnöl, zum Aniverfitäte-Bibliothefar: ernannt 

— feine rlefungen über. die.h. Schriften, des alten Feftaments und diber 
iſche Sprachen: fort. 1796: ward ihm ‚bie (außerordentliche Proſeſſur det 
(dem Sprache noch. übertragen, bei. welcher. Gelegenheit er als Einlabungs- 
= ‚verfaßte: Selecta quaedam adagia ‚arab; et lat, — Die verein! nigte driedrich⸗ 
sUniverfität in le ertheilte ihn ‚in Anbetracht feiner Verdenſte um 
he) orientaliſche Sprachſtudium 1817 die theol. Doftorwürbe,. Bis zu feinem 
Tobe, ber am 17. Sept. 1835. erfolgte, arbeitete er mit bewunderungswurdiger 
Ausbauer, an der Vollendung ber „Scholia in V. T.“, wovon erimit ie * 

— M. Lechner, Lehrer an der Bürgerfchule, einen Auszug, beforgte. 


weitverbreiteten erfteute 
unter 





ielen Schriften ſeien nur die wichtigeren angeführt: Lucians Para 8* 
kungen, 1786. Brief Jalobi erläutert, 1787. Sein Hauptwerk „Seholis 
2 Vetus Testamenium 16 Voll, 2p3. 1788-1817, wovon einzelne Shelle mehrer 
erlebten. Bocharti hierozoicon, suis not. adject. 3 Tom. 1793-96. 
* a em bie Neberfehung von Herbert Marſh Zufägen zu Michaelis Einleitung 
. 1795 — 1803. Dathii opuscul. ad orisin et inten- 
x —— ar "1796, Eregetifihes — für Die bibL. Beweis- 
in ber ‚Doguati t, 1795. Handbuch für die Literatur ber bibl, Kritif und 
, 4 Bde. Söttingen 1797—1800. Brabifges Elanentars u. Leiebuch, 1799. 
* von ten von —— ‚ober bem Heil, Lande nah Mayers Original; 
en mer 
en ber rift aus ber na: en der 
Einen De iten und Gebraͤuche bes Morgenlandes, 6. Bde. — 


fundament, linguae arabic. 1818. Bibl. hebr. manuelig 
—* Tail 1 1822. — der bibliſchen — 4 55 
ee unpolftändig und nur Geographie 3 Bde. Erd 





? erſchiedene Beiträge zu —X —S irir ſar 


942 Rofendt — Rofenftein. 


Kirchengeſchichte, Keils Analekten, — Yunbgruben bes Orients; Gablers neuem 
theol. Journal; Lpz. Literatur Zeitung; endlich war er Mitredaklteur mit feinem 
Bruder Georg Hieron. von dem bibl. eregetifhen Repertorium u., in Berbindung 
mit Tafchirner, an ben Analeften für das Studium ber ereget. und fuftem. Theo⸗ 
logie. Cm. — 3) R. Johann Ehriftian, berüßmter Anatom, geb. 1771 zu Heß⸗ 
berg bei Hilbburghaufen, Sohn bes proteftantifchen Theologen Johann Georg 
R., machte feine philofopkifchen Studien in Leipzig und widmete fi) dann ber 
Heilkunde in Erlangen, von wo aus er Die Muggenborfer Höhlen unterſuchte, 
deren eine, von ihm entbedte, noch feinen Ramen Führt. 1794 kam er als Bro: 
fettor an die anatomifche Anftalt in Leipzig, wurde 1797 dafelbft zum Med. Doktor 
promovirt u. 1800 zum außerorbentlichen, 1804 aber zum ordentlichen Profeſſor 
ber Anatomie und Ehirurgie ernannt. Ex flarb zu Leipzig den 29. Februar 1820. 
— R. gehört zu den ausgezeichneteften Anatomen ber neuern Zeit unb Hat fid 
auch durch mere Schriften verbient gemacht. Seine wichtigfte, weit verbreitde : 
it das: „ buch ber Anatomie bes menfchlichen Körpers“, Leipzig 1808. Die 6. : 
Aufl. erſchien 1840, Herausgegeben buch E. H. Weber. — Zuerft befannt machte 
ſich R. durch feine: „Chirurgiſch⸗anatomiſche Abbildungen“, 3 Thle., Weimar 
1805 — 1811. E. Buchner. 
Rofendl, im Driente Attar genannt, kommt im Handel in zwei verfchiebenen 
Sorten vor. Die eine bereitet man in Oflindien aus den Blüthenblättern ber 
Rosa moschata, bie anbere in ber Levante und Tunis, aus benen ber Rosa 
sempervirens. Die Bereitung iſt verfähieden. In Oftindien übergießt man bie 
abgepflüdten Rofenblätter mit Duellwafler und fest fie dann der Sonne aus. 
Nach wenigen Tagen ſchwimmen oben auf gelbe, ölartige Tropfen, bie man durch 
etwas, an einen Stod gebundene, Baumwolle abnimmt. Wenn man hernadh bie 
Baumwolle ausbrüdt, fo erhält man das Del abgefondert vom Waſſer. An 
manchen Orten legt man bie frifchgepflüdten Blätter mit ölreichen Samen einer 
Art Fingerhut (Digitalis) ſchichtenweiſe in ein Gefäß, nach 10—12 Tagen nimmt 
man die Samen heraus, bringt fie mit frifchen Rofenblättern zufammen nmb wies 
berholt dieß Verfahren 8-10 mal, bis die Samen genug Del aufgenommen haben. 
Dann preßt man fie aus und nach einiger Ruhe bilden Di dem I 
Del mehre Schichten, von benen bie oberfte die feinfte iſt. Aegypten beftillirt 
man zu Fajoum R. auf gewöhnliche Art in Tupfernen Blaſen mit Wafler unb 
fammelt bas, in der Borlage oben auf ſchwimmende Del. Die Farbe des R.E 
ik mehr oder weniger gelblich weiß. Der Geruch ift jehr durchdringend u. flarf nad 
Roſen. Geſchmack mild, beinahe ſuͤßlich. Es Hat eine dicke, butterartige Con⸗ 
ſiſtenz; in der Kälte durchzieht es ſich mit weißen, blättrigen, nabelartigen Kry⸗ 
galten. Das in unferen Gegenden gewonnene R. Hat bei weitem nicht ben flars 
en und angenehmen Geruch bes orientalifchen. Das Achte R. wirb in Aflen in 
kupfernen Flaſchen verfandt, die mit Wache überzogen find, in Europa in Kleinen 
gläfernen Flaſchen. Der Hauptfächlichfte Gebrauch bes R.s iſt ber als Parfüme. 
Roſenplnet, Hans, genannt der Schnepperer, ſ. v. a. Schwäßer, 
eboren um 1400, Meiferfänger und Wappenmaler zu Nürnberg, war nebft 
Folz, Barbier zu Worms, ber erfle Dichter von Faſtnachtsſpielen. Es 
b dieß bie, aus ben geiftlichen Feſtſpielen der Kloͤſter entflanbenen, erften Ver⸗ 
fuche, das Drama fortzubilben, rohe Bolfsfcenen mit fchalen Wien und Gemein, 
heiten, aber doch immer beachtungswerth. Gottſched Hat einige („ber Bauer und 
ber Bo“, „bie Türken“ u, |, w.) abdruden lafien in: „Borrath zur Gefchichte 
bee dramatiſchen Dichtkunſt“ (2 Bde. 1757). 
Rofenfein, DRiEol aus Rofen, von, ein berühmter ſchwediſcher Arzt, 
eboren 1706 zu Gothenburg, Hörte in Deutfchland Hoffmann, in Holland Mus» 
—*z und Boerhaave und ſtarb 1773 als Profeſſor zu Upfala, Er ſchrieb 
u, a. Aber die Rinderfranfheiten Cbeutich, 6. A. Bött. 1798. — 2) R. Nils 
Rofen, von, Sohn bed Borigen, geboren 1752, Sekretär ber ſchwediſchen Ge⸗ 
ſandiſchaft in Paris, 1784 Lehrer bes ſchwediſchen Sronprinzen, ger Se⸗ 


Er | = 


Wilenmaffer -Rofam: 


1786 eitigeridpteten fohrwebife 1909-22. Etaste 
ee — „machte 
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freien * in en & und = 


— der übeiriechende 
se Ge nid tl die ensittel, theite, mit Honig 
als Rofen! ber auch zu Parfümerien g ni 
(Bolbitino Me Baschi), ne Endten be Hat Es We 
benannten weſtlichen Nilarmes, in ten, unter 48° 5 8. 
Be BER our in el. Sie eine ber Ren des 
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den vielen Moſcheen — En, die Dede —E— 
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R., auch Raute, ein immer platter, oben in Gr eines 
Pr: jener Djamant, hd.) 3 dieſe Battung * ge er, als die 
aber toftbarer, als bie fogemamnten ZTafelftein 
Korallen, welche den Roſen aͤhnliche Figuren ee man benügt fe 
hulich nachdem fie in Geſtalt von apatartl en Steine inen gefchliffen worben 
Baflen in Fingers u. Ohrringe, — En! ennt man 3) auch R. 
en alt einer Rofe in Gold», Sins ober Meſſingblech ausges 
— 


—2 ibeben, auch, zum Unterſchiede von ben lleinen R. oder Kos 
roße R. Bu find — en aus verſchiedenen fübs 
m, weldye, nach —X Erzeugungsorten, von abweichender Duos 
find. Das Trodnen der Trauben gefhieht auf fehr verfeiehene Art, ents 
am Stode, ober abgepflüdt, in ber Sonne, ober in Defen. An ber Sonne 
man fie befonberd im fühlichen Frankreich, hen man bie Trauben 
Pur eine Spratauge etaucht Hat, Das Trodnen in Defen gefchieht in 
Regel nur bei naffer und vegnerifcher Witterung, wo es im Freien nicht FR 
M. An Stode gefchieht es —D— in Spanien, indem man vn 
ſſchneidet und aan N fo fo lange am Stode läßt bie 
te —ãe Sem en 
in bel kommenben Ei nd En ben Sraeugungetänbern folgen : 
anifche, befonbers aus den Provinzen Granada und Valencia, mo Malaga 
Alicante bie Hauptausfußchäfen — —R dieſe find von 
Dualtät, als bie fpaniichen, werben aber nur wenig ausgefuͤhrt, de 


8 


Hrn 


— 


944 Roskolniten — Robmint. 


nicht viel über ben inlänbifchen Bedarf erzeugt wird. Sie kommen meift aus 
Efremabura und Algarbien über Liffabon in den Handel. Franzoͤſiſche R. 
kommen befonders aus Languedoc und der Provence und werben über Toulon, 
Marfeille, Cette, 2c. ausgeführt. Die Raisins oder Panses de Roquevaire find 
die beften. Aus Italien kommen nur wenige R.; die beften find bie calabres 
fiſchen. Auch bei Narni und Terni im SKirchenftaate wirb eine fehr gute Sorte 
R. unter bem Namen Passerine gewonnen. Die levantifchen R. werben alls 
gemein unter bem Ramen fmyrnifche in ben Handel gebracht, weil fie meift 
yon Smyrna aus verfandt werden, obgleih man bei biefer Stadt felbft faft gar 
feine erbaut. Die meiften lommen von der weftlic won Smyrna liegenden Halb- 
infel, namentlich von Tſchesme oder Eisme und den umliegenden Orten, von denen 
Uvazik und Reis⸗Derreh bie fchönften liefern. Eine befonbere Art ber levantifchen 
R. find die Damascener, die man jedoch auch an einigen Orten bes füblichen 
Europa’s erbaut. Die griehifchen R. find von geringerer Dualität und ge 
wöhnlih fehr unrein. Beſonders auf den griechifchen Snfeln „ fowie auch auf 
Candia werben fehr viele erbaut; fie fommen aber felten nad Europa, ausges 
nommen, befonbers wenn bie imyrnifchen In Hohen Preiſen ftehen, Die Samo 8er 
R., von denen man fowohl braune, al8 auch blaue hat, Sie find aber viel Kleiner 
und dickſchaͤliger, als jene, und find deßhalb auch bedeutend billiger. 

Roskolniken, ſ. Raskolniken. 

Rosmarin, ein bis 8 Fuß hoher Strauch im ſuͤdlichen Europa, ber aber 

auch im mittlern cultivirt wird. Im Gebraucdhe find: a) Die Blätter bes 
wildgewachſenen fpanifchen R.8; fie find immergrün und, bei einer Länge von 15 
Linien, faum 1 Linie breit, am Grunde verfchmälert, Spibe ſtumpf, ganz ranbig, 
Ränder ſtark umgerollt, ſich faft berüßrend; oben wit einer Längsfurdhe und 
elbgrün, unten weißgrau. Sie haben friſch einen durchdringend gewürzhaften, 
ampherartigen Geruch, einen fcharfen, etwas bitteren Geſchmack und enthalten 
viel ätherifches Del. In ber Medizin wird dasſelbe gewöhnlich nur Außerlich als 
zertheilendes Mittel angewendet. b) Die Blätter des gebauten Garten-R.s 
gleichen in Geruch, Geſchmack und Heilfräften dem wildwachfenden, find aber bops 
pelt fo breit und die Ränder weniger umgerollt, fo daß man bie filzige Unterſeite 
beutlich fehen Fanınz Oberfeite mehr runzlich und Die Farbe fehr dunkelgrün , oft 
bräunlidgrün. c) Die Blüthen bes wilden oder gebauten R.s; ſte find 
Hein, blab blau, getrodnet bräunlich, den Zavendelblumen aͤhnlich. d) Das R.s 
Del, welches aus den Blättern und Blüthen beftillirt wird, waflerhell, bünns 
flüffig, fräftig von Geruch und Geſchmack und durchdringend kampherartig. Es 
wird zur Aufloͤſung des Copals, ferner zu Einreibungen, Augenwaſſern und als 
Zuſatz zu Salben benuͤtzt. Mit Alkohol verduͤnnt iſt es unter dem Namen 
ungarifh Waffer bekannt. 

Rosmini, Carlo de, einer ber vorzüglichfien italienifchen Gelehrten, wurde 
aus altabeligem Geſchlechte 1763 zu Roveredo in Tyrol geboren. Seine frühefte 
Jugend verlebte er in der geiftreihen Familie Vanetti, wodurch feine Talente 

ewedt u. burch Lehre u. Beiſpiel aufgemuntert wurben. Lyriſche Gedichte und 
leinere Epopden waren bie erften Früchte feiner Muſe; fpäter wandte er fich mit 
vielem Glüde dem biographifchen u. biftorifchen Sache zu u. feine Werke wurden 
nit nur in Stalien, fonbern vorzüglich auch im Auslande auf das Günftigfte 
aufgenommen u. für erwünfchte Bereicherungen ber Wiffenichaft angefehen. Seit 
1803 lebte er in Mailant, wurde mit dem Orden der eifernen Krone belohnt u. 
zum Mitgliede der Erusca u. anderer Afabemien aufgenommen. Ec flarb dafelbft 
den 9. Juni 1827. Seine vorzüglichfien im Drude erfchienenen Werke find: 
Vita d’Ovidio, 2 Bde, Ferrara 1782. — Idea dell’ ottimo precettore nella vita 
e disciplina di Vittorino da Feltre e di suoi discipoli, 2 Bde., Baffano 1804. 
— Vita e disciplina di Guarino Veronese, 3 Bde., Brescia 1805. — Vita di 
Fefilolfo da Tolentino, 3 Bbe., Mailand 1808. — Dall’ istoria intorno alle 
militari imprese ed alla vita di die Gian Jacopo Trivulzio, detto il Magno, 


id, deren Refultate t näger befannt find. — 2)R. Ludwig, geboren 
1806 auf dem Gute in Holfein, in Siel u. dann in Leipzig unter 
‚mann Babe. a: Bo m dass Genfer Dr 

Veloponnes jor ber Archa— Auen Mach, — 
in. ber 128 { 
ie fer 4944 f joe erg Sale, = Ci Back 


Hauptwerke 
find: bas in ſcher Sprache verfaßte buch ber dee 
Kun” (Band 1, hen 1841); bie iptiones graecae ineditae“ (Heft 1, 
Rauplia 1834; Heft 2, Athen 18425 Heft 3, Berlin 1845, 4.)5 bie mit Schau⸗ 
bert u. Hanfen ——— Belchreibung u. Abbildung ber Akropolis von Athen“ 
Berlin 1839 f9.)5 ferner bie Reifen auf ben griehiſchen Infeln bes Yegeihen 
Meeres" (2 Bbe., Stuttgart 1840—1843) u. die „Reifen u. Reiferouten in Griechen⸗ 
(Ob. 1, Berlin 1841). In feinem Werte „Hellenika ober Archiv archaͤologi⸗ 
ſcher, pätlologifcher, hiſtoriſcher u. epigraphifcher Aufläge u. Abhandlungen“ (2 Bde, 
1846) Hat R. einen orthodoxen Standpunkt in ber hiſtoriſchen Kritik genoms 
men, indem er fidh, gegen bie Grunbfäge eines F. A. Wolf, B.Riebuhr, Otfe. Müls 
teen. A. ſcharf u. entichteben erflärt u. bie, über bie früheflen Zeiten ber alten Voͤl⸗ 
ter u. ihrer Begebenheiten uns überlieferten, Nachrichten mit geringer Beichränts 
für umbeftrittene Wahrheit u. Thatſache Hält. — Sein neueftes Werk iſt: Reifen bes 
—E u. ber Königin Amalia in Griechenland, 2Bde. Mit 1 Karte, Halle 1848. 
Rofbad, Hreußifihes Dorf zwifchen Merfeburg u. Weißenfeld, berühmt 
durch bie Niederlage, welche Sriebrih II, am 5. November 1757 ber Reichsarmee 
unter bem Herzoge von Sachien-Hilbburghaufen u. bem franzöflihen Corps unter 
Geubte te. Selbli mit feiner Keiterel unb ber Bring Heinrich glänzten 
befonders an biefem Tage. Bergl. Siebenjähriger Krieg. 
Hirt, 1) Johann, Eugen, Konrahd, Franz, fharffinniger Juriſt u. 
das Eivils, ald für das Criminal» Recht ein ehr fruchtbarer Forſcher, 
wurhe geboren am 26. Auguft 1793 in Oberfcheinfeld, einem Lanbftäbtchen bes 
damaligen Bückbia hin Bamberg, u. iſt ber Sohn eines fürfbifchöflichen Spital · 
. Er ſtüdirte in Bamberg, fpäter in Erlangen u. erwarb ſich Hier, 
nachdem er bie Abhandlung: „bie Tendenz bes prätorianifchen Rechts unb fein 
Berhältniß zum Clvilrecht,“ Erlangen 1812, gefchrieben, bie Doftorwürbe ber beis 
ben Reihte am 15. September 1813. Mit großem Beifalle Ichrte er 1817— 18 
als Brofefior der Juriopruden; in Erlangen u. erhielt bann 1819 einen ehren» 
Neaienpelopäbir. VII. ð 


Er 


946 Roſſi. 


vollen Ruf an bie Hochſchule zu Heidelberg. Seine Gelehrſamkeit u. Verdienfte 
erhoben ihn zum geheimen Hofrathe; er wurbe Ritter bes Zaͤhringer Orbens, 
als Rektor ber Univerfität auch zum Landtags» Abgeorbneten gewählt. Seine 
Hrift ſtelleriſche Thaͤtigkeit zeigte ſich ebenfo fruchtbar in größeren felbfiftändigen 
Werken, als in zahllofen einzelnen Abhandlungen, weldhe in juriſtiſchen Zeitz 
ſchriften zerfieut find. „Ueber den Begriff der Staatspolizei“, Bamberg 1817; 
„De legitimo condictionis indebiti fundamento“, Erlangen 1818; „Beiträge zum 
zämifchen Rechte, 2 Thle. Heidelberg 1820 — 1824; „Lehrbuch des Griminals 
Reigtes“, Heidelberg 1822; „Grunblinien bes römifhen Rechtes", Heidelberg 
1824; „Entwidelung der Grundfäge des Strafrechtes“ Heidelberg 1828; „Eins 
leitung in das Erbrecht“, Landehut 18315 „bie Lchre von ben Vermaͤchiniſſen 
nach römifchen Rechte", 2 Thle., Heidelberg 1835; „Geſchichte u. Syſtem des 
deuiſchen Strafrechtes“, 3 Theile in 2 Bänden, Stuttgart 1838 — 1840; „über 
das Syſtem ber — eidelberg 1839;3 „Gemeines deutſches Civilrecht“, 
3 Thle., Heidelberg 1840 — 42; „das teſtamentariſche Erbrecht bei den Römern 
u. in Anwendung auf unfere Zeit“, 2 Abth., Heidelberg 1840, Als Redakteur, 
in Verbindung mit Warnkönig, beforgte er bie „Zeitfchrift für Eivil- u. Crimis 
nalrecht·, Heibelberg 1839 — 1842, A Bde. u. lieferte viele Beiträge für das 
„Reue Criminal: Archiv". Madeldey’S „Lehrbuch des römifchen Rechts“ gab er in 
ber neueflen Ausgabe heraus. Große Senfation bewirkten: erſt kuͤrzlich er⸗ 
ſchienene „Geſchichte des Rechts im Mittelalter, I. Thl.; Kanonifches Recht“, 
Mainz 1846, worin er mit entichiebener Charaktertüchtigkeit, im Gegenfage einer 
fih fpreigenden Joſephiniſchen Aufklärungsperiode, das gleich einem granbiofen 
Dombaue confequent fich abftufende, kathoiiſche Eirchenweſen in feiner Schönheit 
u. Erhabenheit gefhichtlih zu entwideln verfuchte. Möchte diefes, für Staats: 
männer u. Theologen gleich wichtige, Werk bald ben vollendeten Abihluß erhals 
ten. — Sein füngerer Bruder 2) Johann Eugen, ein gewandter Geburtshelfer, 
iſt gleichfalls zu Oberfcheinfeld geboren, fludirte in Bamberg u. Würzburg, wurde 
am 16. guß 1817 Doktor ber Medizin u. erhielt, nachdem er einige Jahre im 
Bamberg praftifcher Arzt gewefen u. fih beſonders als Proſeltor an ber landaͤrzt⸗ 
lichen Schule ausgezeichnet hatte, den Ruf als Profeſſor der Geburtshülfe an die 
Univerfität Erlangen. Seine Schriften: „Deuteri sub graviditate metamorphosi,“ 
Würzburg 18185 „Wie erfennt man bie orientalifhe EHolera in ihrem erflen Ber 
ginnen,“ Bamberg 1831; „De perforatione foetu licet vivo instituenda,* 1833; 
„De aphyzia infantum recens natorum,““ Erlangen 1834; „Anzeigen zu ben ges 
burtshütflichen Operationen,“ Erlangen 1840—1842 ; „Quaedam ad artis obstetri- 
ciae statum pert.“ Erlangen 1843, Cm. 
Noffi, 1) PBellegrino, Graf von, Pair von Frankreich, wurde 1787 
zu Carrara von bürgerlichen Eltern geboren. Er widmete fi ben Studien u. 
machte in kurzer Zeit fo bedeutende Fortſchritte, daß er ſchon im 19. Jahre bie 
Stelle eines Sefretärs des Generalprocurators am Gerichtöhofe von Bologna bes 
Heiden konnte. Bon diefer Stelle ging er zur Advofatur über u. lehrte feit 1812 
an ber Hochſchule zu Bologna als Profeſſor die Rechtswiſſenſchaft. Der abens 
teuerlihe Zug Murar’s nach dem Kirchenſtaate im Jahre 1815 wurde bie Vers 
anlafjung, daß R. feinen Beruf und fein Baterland verlaffen mußte. Ex hatte 
einen Ramen, war volföbeliebt, und Murat gab ihm deßhalb eine wichtige Stelle, 
die R. annahm und ganz im Sinne feines Gönners verwaltete. Belanntlich 
machten bie öfterreichifchen Waffen den Entwürfen Murat’s ein ſchnelles Ende u. 
R. mußte nım fein Vaterland meiden. Er ging nad) dem gewößnlichen Zufluchts⸗ 
ort politifcher Geächteter, der Schweiz, u. wählte Genf zu feinem künftigen Auf⸗ 
enthaltsorte. Er las dort über Staatswifienfhaften und gewann vielen Def, 
Es war dieß die Zeit, in der bie Doftrinairs des benachbarten Frankreichs ihren 
Kampf gegen bie Mitra’s burchführten. Die genannte Ariſtokratie Genfs fühlte 
für bie Hart, die von Royer Collard und Guizot fo tüdhtig vertreten wurbe, 
bie Iebhaftefte Sympathie und biefe Borliche Fam auch R. zu Ratten. Er lehrte 


Noſſi. 
Dofkrinaine und da de auch ber herrſchenden Religion 

eat mit einer angedenm. amilie in are 
va in Mn Die günflige BReinung feinee Mitbürger ver 
open einst Gelondten bei der Tagfapung, und Bier war «6, 
* Dann ka einen größern —— zu u berfipaffen wußte; 
ds da yet en Führer ber ganzen öftichen Sand, bur 
achten, Ramentlid orchten Waadt und Genf fi 


fein Wert betrachten. Auch auf einer andern Sa 

Fee bon Broglie, durch Yamilienverbindungen mit Genf 
oftrinaie kennen u. ſchaͤzen. Diefe Bekanntſchaft ex 

als bie franzoͤſtſchen Doktrinais nach ber a aehıheit au: 






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um dieſe Zeit eine Miffion nach Fraͤnkrei ernommen, 
der nach der Schw epenen Polen zu vermitteln. 
n narogiie und Guizot am Ruder, und auf Beiber Betrieb 
kreich über, wo er anfänglich bei ber Revue de deux Mondes 
Ur Send | f men wußte er fich feflgufeßen er von Stufe zu u 

felgen. Di ation, bie Ernennung zum Profeſſor, zum Bea 
Bair von —** folgten ſchnell aufeinander. Noch merkwuͤrdiger, 
raſ ommen, iſt Die Volksbeliebtheit, bie ſich R. dabei * 

— —* man Auslaͤndern eine glaͤnzende 
Bir kam noch Hinzu, baß er, als Dokkeinak, einer wegen —* 
—3 verhaßten Partei angehörte, und doch wurde —8 bei den 
— — eien beliebt, Er verbanfte dieß ent italienif nl aikins 
we Partei genommen werben mußte, ſteis verf 

* —* ließ, daß er die Anfichten bes eg ohade, ven 
er die Bartelen bis zu dem Bra, bag in ihm einen 
Sat Anhänger erblidtn. R. wirb in Frankreich wohl ber einzige Mann 
ee aupleic) vom Univerd und vom Rational gelobt warb, in der Gunft bes 
And u. den Beifall der Radikalen hatte, und zwar Lebteres darum, weil 
** —8 Ir den Sturz Guizot's hofften, wobel fie fih vornehmlich auf den Um⸗ 
Rand flüsten, daß er, gegen ben Willen des Minifters, der bereits einen andern 
ernannt Hatte, nach Rom geichidt wurde. Seine dortige Wirkſamkeit 
bat bedeutende Erfolge aufzuweilen. Daß er bann fpäter ſich ben Anfchein zu 
* wußte, als ſei er es, ber auf die Erwaͤhlung von Pius IX, entfcheidend 
ewirkt Habe, beweist abermals feine große Gefchidlichkeit. Ihm fcheint noch 
eine bedeutende Zukunft bevorzuftehen. — 2) R. Giovanni Bernarbo de, bes 
ruͤhnter Orientalift und Bibliograph, unter ben neueren Gelehrten ficher einer ber 
erſten Senner und Forſcher der Hebräifchen Sprache und Literatur, war geboren 
ben 25. Oftober 12 zu Caſtelnuovo in Oberitalien. In feiner früßeften 
enb ſchon zeigte er außerordentliche Vorliebe für Literatur ; er wibmete ſich 
ur in ben — Studien und ließ fich auch beſonders das Studium 
ber orientalifchen Sprachen, vorzüglich der unpunftirten Hebräifchen, der chaldaͤi⸗ 
(dem, rail und forifchen ſehr angelegen jeyn, in welcher er es bald zu bes 
ſ Vollkommenheit brachte, 1769 berief ihn ber damalige Herzog von Parma 
zur Lehrkanzel der orientalifhen Sprachen nad [ner Hauptftadt, welche Stelle 
er durch 40 Jahre mit aller Auszeichnung verſah. 1778 unternahm R. eine 
Reife Rom, wo er fih durch 3 Monate mit bem Befuche der vorzüglichften 
— en  efiäfn te und eine unermeßliche enge ber wichtigften Bartanten 
Duch anhaltende Bemühungen brachte er einen ſolchen Reichthum an 
alten —— ſeltenen Ausgaben, koſtbaren Manuffripten ꝛc. zuſammen, daß ihm von 
verfchiebenen Seiten, namentlich von Kaifer Joſeph IL, dem —— ius VI., 
bem Könige von Spanien und dem Herzog Karl von emberg dafür 
De — Antraͤge gemacht wurden, die er jedoch alle ablehnte achdem 
er Vwertheilhafte Lehrſielle der orientaliſchen Sprachen zu Panic, ſowie bie 


948 Roffini, 
Stelle eined Bibliothefars zu Madrid ausgefchlagen Hatte, nahm er 1809 feine 
ehrenvolle enttaßung- 1814 wurde ihm neuerbinge die Stelle eines Eonfervators 
ber königlichen Bibliotet zu Turin angeboten, die er auch annahm; feine reiche 
Bibliothek verkaufte er jeboch an die Erzherzogin Marie Louiſe, Herzogin von 
Parma. Seine vorzüglichften im Drude erfchienenen Werfe find: Della lingua 
ropria di Cristo e degli Ebrei nazionali della Palestina, ‘Barma 1722.. — 
De hebraicae typographiae origine ac primitiis etc. ebd. 1776. — Variae lec- 
ones veteris testamenti, 5 Bde., ebd. 1784. — Annales hebraeo-typographici, 
ebd. 1795. — Bibliotheca judaica antechristiana etc. ebd. 1800. — Dizionario 
storico degli autori ebrei e delle loro opere etc, ebd. 1812. — Dizionario 
storico degli autori arabi piü celebri etc. ebd. 1807. — I salmi di Davide 
etc. ebd. 1808. — L’ Ecclesiaste di Salomone etc. ebd. 1809. — Della origine 
della stampa in tavole incise, ebb. 1811. Im Manuffripte hinterließ R. noch 
viele fehr wertvolle Schriften über hebraͤiſche u. überhaupt orientalifche Literatur. 
Roffini, Giacomo, ber genialfte u. fruchtbarfte dramatifche Componiſt ber 
neuern italientfhen Schule, wurbe zu Peſaro, einem Fleinen Staͤdtchen in ber 
Romagna, 1792 geboren, Daher au dr „Schwan von Befaro“ genannt. Sein 
Bater war ein herumziehender Muflfer u. feine Mutter eine untergeorbnete Sän- 
gen bei mehren Kleinen Theatern, mit ber er als Knabe auf dem Theater zu 
ologna ebenfalls fang. Zu feiner muſikaliſchen Ausbildung trug vorzüglich ber 
Pater Mattei bafelbft bei; doch machte R. Feine eigentliche Schule bei demſelben 
und erft im 17. Jahre erwachte in ihm entfchiedene Liebe zur Muſik, bie fidh 
jetzt fo ſchnell entfaltetete, daß ihm kaum Zeit blieb, durch gründliddes Stubium 
fih die Mittel zum Selbftichaffen zu erwerben, fondern ein unvoiderftehlicher Trieb 
rte ihm fogleich zu Diefem. Seine Bekanntſchaft mit Haybn’s, Mozart’s, Ches 
in’s, Spontini’s u. anderen 'claffifchen Werfen rührt aus einer weit fpätern 
Zeit her, als die Duverture und die Cantate „il pianto d’armonia,“ welche wir 
aus dem Jahre 1808 von ihm befigen. Er war damals übrigens noch immer 
in Bologna u, gründete bafelbft fogar einen mufltalifchen Verein. 1812 wurbe 
feine erfte Oper „Demetrio e Politio“ im Teatro della valle zu Rom aufgeführt 
und damit begann er denn auch eigentlich erft feine wahre Fünftlerifche Laufbahn 
al8 dramatifcher Eomponift, al8 welcher fein Rame in ber That einen welterfüllen- 
den Klang hat, denn feine Werke nahm nicht blos Europa auf, fonbern fie dran, 
gen felbft über den Ocean auf bie andere Halbfugel. Die muſikaliſchen Annalen 
zählen -faft Fein ähnliches Beiſpiel auf von der ſchnell verbreiteten Gelebrität eines 
Tonſetzers. 1815 — 22 war er unter Barbaja’s Direction In Neapel angeftellt. 
Nachdem feine Sefänge in ganz Stalien mit fchallendem Beifall aufgenommen 
worden waren, erndtete er 1822 noch größern Triumph in Wien, wohin er mit ber 
ausgezeichneten Oper Barbaja’8 und der Eängerin Madame Colbran, mit ber er 
ſich damals verheirathet Hatte, kam, und wo er feine „Zelmira“ nebſt anderen 
Opern mit dem glänzendften Erfolge ſelbſt aufführte u. durch feine Perfönlichkeit 
und feinen angenehmen Gefang entzüdte. Im Jahre 1823 befuchte er Frankreich 
und England und wurde hierauf 1824 In Paris angeftellt. Seit 1829, wo er 
feine Stelle aufgab, lebte er abwechfelnd in Italien und auf feinem Landgute bei 
Paris u. gegenwärtig zu Bologna. Außer einigen anderen Tonflüden (Symphos 
nien, Cantaten u. in neuefter Zeit ein Stabat mater), fchrieb R. eine fehr große 
Zahl Opern, welche zwar zum Theile das Gepräge ber Flüchtigfeit u. bed maniers 
irten Geſchmackes feiner Schule an ſich tragen u., mit wenigen Ausnahmen, eine 
tiefere dramatiſche Charakteriſtik find, aber überall den originellen Genius beur- 
funden, durch leichte, Liebliche Melodie nicht minder, als durch einfache, oft groß 
artige, felten nur leere u. laͤrmende Inſtrumentation en und ber menfchlicden 
Stimme zu gglängenber Entfaltung Gelegenheit geben: Borzüge, welche ihn weit 
über feine Nachahmer, Mercabante, Caraſſa, Bellini, Donizetti u. ſ. w. erheben. 
Seine vorzüglichften Opern find : „Tancredi“ (1813) ; „L’Italiana in Algeri“ (1815) 5 
„Aureliano in Palmirs“ (1815); „Elisebotte“, „I barbiere di Seviglia“ und 


Rofiäweif Roſt. 


—— (1816); „Cenerentola, ladra* umb da een; 
"eine und „Hlseardo e Zorsids“ (1816); „Odonrdo 6 gie deum 
el Yagot ulb Binnen © Fallero“ (181075 „Maomeito e mende 538 
di Chabran“ (1821); „Zelmira“ (1822); 1022), emiramide“ (182 
Siöge. de Corinthe“, eine Umarbeilung des „Maometto? (1825); „, —RXR 
(1828) und „Guillaume Tell“ (1829). 
Hoffehweif, ein Feld- u. Ehrenzeichen —* Zen, in In In: Epri 

Tugg ‚ befteht aus einer, oben mit einem ober 

Fond jonbe geihmücten Stange, welche Alem — eh an welcher 
ober mehre, gewöhnlich weiße, R.e u., nebft biefen, allerlei aus Pferbehaaren ges 
flochtene Zierrathen Herabhängen, Die Re, als chen ober Gtanbarten, 
waren zuerft im Gebrauche u. nach * emeinen 
Entftefüng derſelben fo viel, baf ein türfijcher Weib! noH ham Berlufte feiner 

\ —S > 


ver ehe. Den Großtherrn u. Majerät men Sehen 
Re aus. 19 des Großvezirs Sefehl in nf Kan ie lang» 

In bad, gel m. einem Dun Ein, unter Begleitung . 
dae en Mufit aufgeſtecter, R, gilt für bie Unkünbii eines ed 
und bie ‚ia ex fonft aufgefledt wurde, jene 


H aufMetallen, ein natärlicher,.Ioderer, nr welcher 
Fr wird, die Metalle fc} mit 
—— verbinden. & tieren fie 


anfieft, find fie wieder ran nl An belamueſten 
mus oder ie ed ide a. Stahlroſt, wo möglich zu 
ver! unb da, wo er an Eifen und Stahlwaaren ausgebrochen if, zu 
ſucht. Win an, ſolche Waaren vor R. fihern, fo Tann dieß durch Ueberzüge 
— ee Re ehen, welche Luft und dagugten davon abhalten, ober dur: 
Äafekrde Bräfigfeiten, die das Eiſen nicht angreifen, ſowie bur« 
eg he ben Zugang Luftfeuchtigkeit oder ber Kohlenfäure ber Luft 
verhindern u. durch Berbindung bes Eins mit eleftrospofitiven Stoffen. Wenn 
man Eifenftüde rothgluͤhend erhigt und dann mit Wachs (allenfalls u ‚ait 
anderm fette) abreibt, fo erhält e8 einen bünnen, roftjhügenben Ueberzug. 
ober barf man aber das Sifm nicht erhigen, fo muß man einen trodnenden Sr 
firniß kalt auftragen. Im Allgemeinen wird gegen das Roften fol; Igenber Firniß 
fegr empfohlen. Zu dem feinften Pulver von geſtoffenem Reißblel miſcht mar 
eben fo viel Zinfoitriol und viermal fo viel ſchwefelſaures Blei u. zu dieſer Mir 
[hung fegt man etwa dreimal fo viel ſiedendes Leinöl, Alles dem Gewichte nach. 
ald ont dieſer Firniß. Kür — Eiſenwaaren iſt ein mit 4 Mennige ver⸗ 
ter —— * Mi politten Stahl vor R. zu ſchuͤtzen, reiben bie 
enaiff Re ſchmiede ihre Pers vor der Verſendung mit pulverifirtem 
umgeit ſchtem Kalte ab, ober fie tauchen ſie in Kalkmilch — berühmt if 
a fogenannte R.papier, womit man roftige Eifen- und —— 
au 


3 


—E— —e Bimoſtein Teich mit Leinölfirniß 
pie 9 getragen u. darauf getrodnet. Dieß Alles geſchieht hintere —* 
Unter einer Walze gepreßt, iſt das Papier zum Abreiben ber 
—— fig. Geöltes, mit etwas Kampher, auch wohl Gerürznelten und ans 
je verfeptes Papier zum Einwideln ber Eifens und Stahl 
Pre wirkt roſtſchuhend. Der berühmte englifche Ehemifer Davy entbedte 
weh — u, Kupfer durch einen Zinkuͤberzug vor bee Oxydation gersäht 

ſolchen galvanifchen, roffgügenben Meberzug wenbet man Zinf 


Dat 


950 Roſt — Roſtock. 


entweder im feſten Zuſtande, oder als Pulver an. — 2) R., eine Krankheit bes 
Getreides und der Grasarten, entſteht meift nach anhaltendem Regen, dem alsbald 
ftarfer Sonnenſchein folgt. Zuerft zeigen fi an den Halmen u. Blättern röth- 
(ich gelbe Pünktchen, die, nach ber parallelen Lage ber Zellen u, der in fie mün- 
denden Poren, fpäter ein geftreiftes Anfehen erhalten; gegen die Reife des Korns 
werben dann diefe rothbraunen Streifen fchwärzlih und das Oberhäutchen bes 

alms läßt fih dann als abgelöste Kaferhaut leicht abſtreifen. Die damit bes 
allenen Achren enthalten wenig Körner und auch diefe ſchrumpfen noch oft vor 
ihrer Reife zufammen. Die Urfachen des R.s find mehre, nur mitroffopifch zu 
erfennende PBilzarten. — 3) In der Baufunft nennt man R. den Grund zu ei- 
nem Gebäude oder Brüdenpfeiler u. f. w., welcher in einem lodern und unhalt: 
baren Boden angebracht wird u. dem Mauerwerfe ober Gebäude als Unterlage 
dient. Diefer Grundbau, weldyer das Einfinfen des auf demfelben aufgeführten 
Mauerwerks befeitigen fol, befteht entweder aus ftarfen, neben einander in bie 
Erde eingerammten, Piloten u, wird deßwegen Pfahlroſt genannt, ober er be- 
fieht aus einer Verbindung von flarfen Balken, welche auf den Grund gelegt, 
mit Steinen ausgefüllt u. mit diefen oder flarfen Planfen überbedt werben, was 
man Schwellr. nennt. Solcher R.e bedient man ſich bei allen Gebaͤuden, bes 
ren Grund nicht feft genug ift, um bemfelben jene Feſtigkeit zu verfchaffen, welche 
ee haben muß, um eine ſolche Lafl zu tragen. Manchmal bedient man ficy ober: 
halb eines Pfahlr.es auch noch eines Schwellr.es, was bie Dauerhaftigfeit der 
Unterlage vermehrt. 

Roſt, Johann Chriſtoph, ein deutſcher Idyllen⸗ u. Satirendichter, gebo- 
ren zu Leipzig 1717, ſtudirte dafelbft die Rechte, wurde 1743 Sefretär u. Biblio⸗ 
thefar bei bem Grafen von Brühl, 1760 Oberfleuerfefretär in Dresden u. flarb 
1765. Seine Schäfererzählungen, 1742, waren für ihre Zeit eine feltene u. ein> 
F Erſcheinung; es herrſcht in ihnen ein Ton naiver Corruption u. freien Muth⸗ 
willens, wodurch ſich auch feine übrigen PBoeften (verm. Gedichte, "rg. 1769) 
auszeichnen. Sein Vorfpiel, ein Gedicht von ber komiſchen Gattung, voll feinem, 
beißendem Wie, könnte das Meifterrwerf des Dichters ſeyn, wenn bie Satire nicht 
fo ganz perſoͤnlich und weniger boshaft wäre Go leichtſinnig biefer Dichter 
Ankın 8 von ber Religion dachte, fo eifrig verehrte und liebte er fie gegen bas 
Ende Feines Lebens. Davon zeugen 2 Lieder, die einzeln gebrudt wurden u. in 
bee Schelhorn'ſchen Sammlung fih befinden. — 2) R. Balentin Chriſtian 
Friedrich, trefflicher Philoſlog und Hochverdienter Schulmann , namentlid) um 
griechifche Grammatik und Lexikographie, geboren zu Fridrichsroda im Gothaifchen 
1790, machte feine Studien in Jena, wurde 1814 Collaborator und fpäter Pro⸗ 
feier am Gymnaftum zu Gotha, 1842 Direktor biefer Anftalt u, Oberfchulrath. 

erfe: „Griechiſche Grammatik" (6 A. Göttingen 1841), „Schulgrammatif ber 

riechifchen Sprache” (ebd. 1844), „Anleitung zum Weberfegen aus dem Deuts 
hen in das Griechiſche“ (mit Wüftemann, 2 Bde., 3. 9), „Deutich-griechifches 
MWörterbuh" (5. A. 1837), „Volftändiges Wörterbuch der claſſiſchen Gräcität“ 
(Bd. 1, %pz. 1840), „Briechifch - deutiches Wörterbuch” (2 Be, 3. N. 1829). 
Außerbem beforgte er eine neue Ausgabe von Duncan’8 ‚Novum lexicon grae- 
cum“ (Lpz. 1836), und nimmt noch gegenwärtig fowohl an bee Rebaction ber 
im Iahre 1825 begründeten gothaifchen „Bibliotheca graeca“, als auch an ber 
neuen Bearbeitung von Baftow’s „Griechiſch⸗deutſchem Woͤrterbuche“ (Leipzig 
1840 fg.) Antheil. 

Roſtock, Stadt im Großherzogthum Mecklenburg⸗Schwerin, links an ber 
ſchiffbaren, Hier 2400 Fuß breiten Warnow, zwei Meilen von deren Mündung in 
bie Oftfee, mit 20,000 Einwohnern, hat mehre öffentliche Plaͤtze, darunter ber 
Blüchersplag mit der Statue biefes Zeldheren von Schadow; nnter den Kirchen 
zeichnen fi aus: die Marienkirche, aus dem Anfange bes 13. Jahrhunderts, mit 
einer aftronomifchen une u. mehren Den eigen Srabmälern, darunter das des 
Hugo ©rotius, geftorben 16455 bie Iakobsficche, aus berfelben Zeit; die Pe⸗ 


Moſtopſchin. u 
‚ . 


trifiedhe, aus bem 12, Jahrhundert, mit b in Medienburg; die 
—— von Pr Rathhaus ——— Sabebunberte Di Un 






419 geßifiet, 1737 ns Greifswald, 1760 nad Buͤgow v ‚fett 

1789 wieder Hier, —— a he Hat eine Bibliothek von 00,000 

Bänden, ein anatomi ‚ ein theologifch- padagogifches u. ein philo⸗ 

Iaties Semi Seminar, fon A em, Tonf mit einer Untverfität verbundenen 
man hier 


ee it Schauſpielhaus, 
— * —55 Geſell en E iſt Sig einer Juſtizkanzlei, 
—— —— em Susldı uffes ber Ritter » —* Landſchaft⸗ u, 8 
andes, ber einen ausgebreiteten Seehandel treibt, 
— in Kur von Landes ‚obukten, namentlidy von Getreide u. Raps, x. 
von Mi Sean er vg bie Thaͤti * ve ‚ 
— haben e e des es neuern gehoben; 
in Warnemuͤnde, dem Außenhafen von R., 645 Schiffe en u. 671 
*6 — im ne bes Jahıce 1846 231 Safe von 20,249 1; 
Sandiransport wird burdh eine im Bau begriffene und 
er ee Bahn einmündende Eifenbahn künftig erleichtert werben. Res 
ben bem und ber Salftehe werben in R. auch anche Gewerbe lebhaft 
betrieben, Wobon vw Wein —* Seife, Tabad; N Wagens, Matten 8, Cichorien⸗ 
u. ——— — die — en Gerbereien, bie Leimfiedereien, Die Wollwebereien, 
—* Salmiakfabrik und bie vielen Vranntweinbren⸗ 
* —— an —— (die vaterländifche I Eat La Sl ums * 
ation Haben Hier ihren Sitz. Die „Woll⸗Niederla 
ateig 1m egen oe Juni einen Wollmarkt, welcher 2 Tage dauert. — nr 
ck, Roteſtock, Urbs Rosarum, Banitium bei tofemäus, — 
Sboritentonig Sonſchau Stadtrecht und 1160 durch Prebislaw * | 
Kor son 1237 — 1301 eigene Dynaftn, kam dann Far ie P 

noch zeigt man bie 7 ſchoͤnen Linden, unter benen ſich Eri —* 
Heß — u. 1323 unter Mecklenburg, mit bem es, als — anbetefabt, i 
fige Fehde verwickelt ward. 1432 in die Reihe» und 1434 in bie — — 
erflaͤrt, leiſtete es tapfern Widerſtand; 1712 warb es von den Schweben, 1715 
von ben Dänen, 1716 von ben Ruſſen erobert, 1719 aber durch den Kaiſer wie⸗ 
der in ben Borg Stand gefeht. Die Beſetzung durch die Preußen, 1758, währte 
nur furze Zeit. R. ift die Geburtsſtadt Blüchers. 

Noſtopſchin, gFebor, Graf von, der Abkoͤnmling einer alten ruſſiſchen 
Familie, geboren 1760, trat 1781 als Lieutenant in die kaiſerlich ruffifche Garde, 
reiste im Auslande, wurde nach feiner Ruͤckkehr von Paul J. beguͤnftigt u. ſammt 
ſeinem Vater in den Grafenſtand erhoben, auch Miniſter des Auswaͤrtigen. Spaͤ⸗ 
tex fiel er in Ungnade. Alexander berief ihn wieder an den Hof und gab ihm 
das Gouvernement Moskau. Er befleibete diefen wichtigen Poſten während ber 
franzoͤſtſchen Invafion. Er veranlaßte wirklich planmäßig den Brand von Mos- 
fau, indem er Proflamationen im Geifte des Volks erließ, das Volk dadurch 
enthufindmirte, die Gefängnifie öffnete u. die Sprigen, welche indefien fo ſchon, 
als mit militärifch organifirten Leuten bemannt, dem Heere 5 folgen müffen, 
wegführte, auch feinen, außerhalb Moskau gelegenen, Palaft felbft anzuͤndete. Die 
Regierung hielt es indefien damals für politiih, ben Brand ben Franzoſen zuzu⸗ 
fohreiben. Als General der Infanterie u. Mitglied des Reichsrathes begleitete er 
Alexander 1814 nah Wien. Weil er indefien in blinder Wuth einen jungen 
ehemaligen Hauptmann, der eine Proflamation Napoleons den Ruffen in's Ruf- 
Ar y est hatte, der Wuth bes Volkes, Das ihn zeriiß, Preis gegeben Hatte, 

&ter, als befien Vater klagte, bei Kaifer. Alcrander in Ungnade und 

on Deutſchland u. Frankreich, lebte einige Jahre in Paris u, eigte ſich 
ar ewanbt u. witzig, aber oft auch launenhaft u. boshaft, Hatte aber immer 
Müßeres im Hintergrunde, das nur feine Wohlredenheit milderte. Oft fol 

er ee Bier krankhafte Bifionen gehabt Haben, bie inbefien eine Arztliche Behandlung 






0. 


952 Rostra — Rotenburg. 


hob. Da er nah Rußland zurüdzufehren wünfchte, ſchrieb er Verite sur l'in- 
condie de Moscou, worin er gerabezu feine Mitwirkung bei dem Brande in Ab⸗ 
rede ftellte, ber er aber zu berjelben Zeit unverbolen in Privatkreiſen ſich rühmte. 
Wirklich erhielt cr die Erlaubniß zur Ruͤckkehr und lebte, Hoch gefeiert und 
Ay Moskau. Seit 1824 entjagte er allen Amtsgelchäften und ſtarb da⸗ 
€ 

Rostra, hieß im alten Rom die Rebnerbühne, welche mit den Schnäbeln 
(Rostrum) ber, von ben Antiaten erbeuteten, Schiffe geſchmuͤckt war. Diefelbe, 
Rostra vetera genannt, fland auf dem Forum romanum und von ihr wurden 
die verfchiedenen Reben vor dem Bolfe gehalten ; bier pflegte man auch bie Häupter 

ingerichteter aufzuhaͤngen. Bon ihr zu unterjcheiben find bie Rostra nova (R. 
ulia), jeit Julius Gäfar nahe an deflen Palaſte erbaut, ganz nah bem Mu- 
fter der alten u, auch zu bemfelben Zwede. 

Roswitha, |. Hrosmwitha, 

Rota romana if das höoͤchſte päpftliche Gericht zu Rom, weldyed über 
Rechtsſtreite ber Geiftlichen, vorzüglich Hinfichtlich der Präbenden im römifchen 
Gebiete, unb in auswärtigen Tatholifchen Ländern über jene Prozeſſe diefer Art 
als Appellationsgericht entjcheidet, welche nicht die Summe von 500 Scudi übers 
ſchreiten. Heutiges Tages iſt jedoch bieß außerhalb des römiſchen Gebietes außer 
Uebung gefommen. Seit Sixtus IV. befteht dasſelbe aus zwölf Praͤlaten, welche 
Auditores Rotae (Uditori di Rota) heißen, bie aus verfchiedenen Nationen 
genommen, vom Papſte aber allein befoldet werden. Gewöhnlich find die Mit- 
glieder beöfelben drei Römer, ein Malländer, ein Tosfaner, ein Bolognefer und 
ein Geiftlicher aus Venedig; dann einer aus Ferrara, ein Sranzofe, zwei Spanier 
und ein Deutſcher. Die Auditores Rotae haben ben Rang über dem Magister 
Palatii u. aus ihnen werden gewöhnlich die Bardinäle ernannt. Der Erfte unter 
den Auditores Heißt Defan. Den Namen Rota Hat diefes Gericht von dem 
Saale, in welchem folches feine Sipungen hält, defien Fußboden mit Marmor: 
platten räderförmig belegt if. Jeder Uditore fipt mit feinen Notaren u, Schrei: 
bern an einem befondern Tiſche. Die Unterfuchungen pflegen von ben Auditores 
Rotae ohne befondere Kommiffäre vorgenommen zu werden, bei ber Beſchluß⸗ 
faffung aber müßen bie Raͤthe täre Stimmen zugleich abgeben. Die R. r. theilt 
ſich übrigens in drei Senate, wovon jeder einen Referenten (ponens) und drei 
Botanten (correspondentes) hat. Auch find für dieſes Gericht gewiße Prokura⸗ 
toren u. Advofaten aufgeftellt. Streitigfeiten, welche die Mitglieder dieſes Gerichte 
felbft betreffen, darf es nicht annehmen. Die R. wurde von Johann XIL errichtet, 
Clemens VIL erweiterte dieſes Geriht und Alerander VII verorbnete, daß 
die Mitglieder beöfelben nenigkend Subdiafonen feyn follen. Die Stelle eines 
Uditore di Rota wird gewöhnlich nur foldden Männern verliehen, welche ausge: 
zeichnete Rechtskenntniſſe befigen und wenigftens 3 Jahre lange Borlefungen über 
das kanoniſche Recht gehalten haben. 

Rotenburg. 1) R. an der Tauber, ehemalige freie Reichsſtadt, jetzt 
föniglich bayeriiche Stadt, im Kreiſe Mittelfranken, eine ber Alteften Stäbte Frans 
tens, iſt alterthümlich gebaut, mit vielen Thürmen, Hat 10 Kirchen, unter denen 
namentlich bie St, Wolfgangskirche durch ihre Bauart, Glasmalereien, kunſtreichen 
‚Sodaltar und Altertfümer, die Franciscanerkirche mit vielen Grabmälern und 
die, der ehemaligen Schäfergilte gehörige, Schaͤferkirche bemerfenswerth find, ein 
Oymnafium und 7000 Einwohner, bie ſich Hauptfächli mit Weinbau, Viehzucht 
und Tuchfabrifatton befchäftigen. In der Nähe befindet fi ein Wildbad. — 
R. fol im 6. Jahrhunderte gegründet und das Schloß fchon im 5. Jahrhunderte 
von bem fränkifhen Herzoge Pharamund erbaut worden ſeyn; es war früher 
der Eis ber Grafen von R. (Rotenburger), welche Immer mit den Baben⸗ 
becgern in Ba lagen. Unter Kaiſer Heinrich IV. farben bie R.er aus und 
Kalſer Heinrich V. ſchenkte R., — Ben, feinem Neffen Conrad II von 
Schwaben, deſſen Sohn Friedrich fi erzog von R. nannte. Nach deſſen 


——— — 


Nothes — Retsiäite. 953 


Zobe, 1165, fügenkte Katfer Friedrich J. Franken dem Bifchofe von Würzburg, * 

aber machte ex’ 1172 a In rede en Reichs ſtabt unb orbnete 

Burggrafen son Rürnber 2 wurde R. von ihnen befreit, 1406 aber be yon 
edrich, — * eine Landwehr errichtete, belagert und 1408 


in bie Reich cht er 52 von dem Markgrafen Albrecht pr * —— 
e bald von ven hen, bald von dem Kaif my ge 


Franzoſen genommen; 1688 vergebens von en en sage; us wusde 
e8 von ben Reichetruppen unter Janus belagert un 
R. hatte als freie Reicheflabt ein Gebiet "on 64-CJ Weile 
— 7 R., Stadt in ber kurheſſiſchen P Rieberh 
500 llen Leinwan 


welchem die wohn im Manneöflamme erlofchene = ne 












, u 
en = Buß X fleht, durch eine 15 
und niedrige Felſenreihen geirenmi, Hier im Norden 
bilbet es die Bufen von Sue, Aloba und Loheln, ⸗ 


ſ. ——ã—ã— 24, durch fein kartig Unternehmungen, bei 
es, e gro en 
PER ri su u. ge —ã* Rechtlichkeit, in ganz Europa, ja 58 
7 mn Got ale befannten anbelöhaufes, welches feit 1812 * 
— — Ber Gelb» u. Erebit-O en ben meiften 
—— a Bra va ion bie K midtinken —— Tee Jeißete, R — —* 
So es gew 
delſsjuden. —* zum —ã Geht befuchte er bie Schule zu Fürth, 
fehrte jedoch nach einigen Jahren nad Frankfurt zurüd, befchäftigte fich Hier, 
nächſt den praftifchen Gomptoirwiffenfchaften vorzügli mit Münztunde u. knuͤpfte 
durch Diefe verfchiebene Bekanntichaften an. Er ſtand hierauf mehre Jahre den Ges 
ihäften eines Wechſelhauſes zu Hannover vor, heirathete, nach Frankfurt zuruͤck⸗ 
efehrt, und begründete mit einem erfparten unbebeutenden Capital ein eigenes 
Bechieigeichäft. Rechtlichkeit u. — erwarben ihm Vertrauen, bedeutende 
Auftraͤge und wachſenden Credit. 1801 ernannte ihn der Landgraf von Heſſen⸗ 
Kaſſel, der ihn bei früheren Einkaͤufen alter Münzen und ſonſt als rechtlichen, zus 
verläßigen Gefchäfsmann Eennen gelernt Hatte, zum Hofagenten. 1802, 1803 u. 
1804 contrahirte R. bie erfle Staatsanleihe von 10 Millionen Gulden mit Dänes 
mart. Dem Kurfürften von Heffen rettete er, als biefer 1806 wegen ber franzöfis 
ſchen Invaflen fein Land verlaffen mußte, einen beträchtlichen Theil Feines Privatvers 
mögen®, nicht ohne eigene Gefahr, und verwaltete dasſelbe gewi enhaft. Als der 
Fürſt in Frankfurt den Israeliten gleiche Rechte als Staatsbürger bes 
willigte, warb R. Mitglied des Wahlcollegiums in Frankfurt u. ſtarb 1812 ebens 
ſelbſt. — Nach feinem Tode vereinigten fich feine 5 Söhne, Anfelm, geboren 
1772, (zu Srankfurt), Salomon, geboren 1774, (zu Wien und Berlin), Nas 
than, geboren 1777, (zu London), Karl, geboren 1778, (zu Reapel), James, 
geboren 1792, (zu Paris) zur fernern Leitung des Wechfelgefhäftes in ununter⸗ 
brochener Gemeinſchaft. Obgleich feit mehreren Jahren ihre Wohnfige weit von 
einander entfernt-find, fo Fonnte doch dieſer Umſtand ihr reges Einverfländniß nie 
ſtoͤren, vielmehr ſtiftete er den Vortheil, daß fie, von ber Lage der Dinge auf 
jebem jedem Baupipinpe vollfommen unterrichtet, um fo ficherer und zwedmäßiger zu 
tanbe waren. Ihr fefter Grundfag ift, bei feiner Operation nad 
übertriebenem Gewinne zu trachten, jeder ihrer Unternehmungen beftimmte Schrans 
fm anzumeilen und ſich, fo viel als menſchliche Borficht ii. Klugheit ed vermag, 







hob. Da er nach Rußland zurüdzufehren wünfchte, ſchrieb er Verite sur l’in- 
cendie de Moscou, worin er gerabezu feine Mitwirkung bei dem Brande in Ab; 
rede ftellte, ber er aber zu berielben Zeit unverbolen in Privatkreiſen fidy rühmte. 
Wirklich erhielt er bie Erlaubniß zur Ruͤckkehr und lebte, Hoch gefeiert und 
ya Moskau. Seit 1824 entjagte er allen Amtsgeichäften und flarb da⸗ 
e 

Rostra, hieß im alten Rom die Rebnerbühne, welche mit den Schnäbeln 
(Rostrum) ber, von ben Antiaten erbeuteten, Schiffe gefhmüdt war. Diefelbe, 
Rostra vetera genannt, ſtand auf bem Forum romanum und von ihr wurben 
bie verjchiedenen Neben vor dem Volke gehalten ; hier pflegte man auch die Häupter 
Pingerichteter aufzuhängen. Bon ihr zu unterjcheiden find Die Rostra nova (R. 
ulia), feit Julius Gäfar nahe an beflen Palaſte erbaut, ganz nad dem Mu: 
fler der alten u. auch zu bemfelben Zwede, 

Roswitha, |. Hrosmitha. 

Rota romana ift das hHöchfte päpftliche Gericht zu Rom, welches über 
Rechtöftreite ber Geiſtlichen, vorzüglich hinſichtlich der Präbenden im roͤmiſchen 
Gebiete, und in auswärtigen katholiſchen Ländern über jene Prozeſſe dieſer Art 
als Appellationsgericht entfcheidet, welche nicht die Summe von 500 Scubdi übers 
ſchreiten. Heutiges Tages iſt jedoch bieß außerhalb des römifchen Gebietes außer 
Uebung gefommen. Seit Sirtus IV. befteht dasfelbe aus zwölf Prälaten, welche 
Auditores Rotae (Uditori di Rota) heißen, die aus verfchiedenen Nationen 
genommen, vom Papſte aber allein befoldet werden. Gewöhnlich find die Mit- 
glieder desfelben brei Römer, ein Mailänder, ein Tosfaner, ein Bolognefer und 
ein Geiftliyer aus Venedig; dann einer aus Ferrara, ein Franzoſe, zwei Spanier 
und ein Deutfcher. Die Auditores Rotae haben den Rang über dem Magister 
Palatii u. aus ihnen werben gewöhnlich die Eardinäle ernannt. Der Erſte unter 
den Auditores heißt Defan. Den Ramen Rota hat diefes Gericht von dem 
Saale, in welchem folches feine Sipungen hält, deſſen Fußboden mit Marmor- 
platten räberförmig belegt ifl. Jeder Uditore figt mit feinen Notaren u. Schrei- 
bern an einem befondern Tiſche. Die Unterfuchungen pflegen von ben Auditores 
Rotae ohne befondere Commifläre vorgenommen zu werben, bei ber Beichluß- 
faffung aber müßen die Raͤthe ihre Stimmen zugleih abgeben. Die R. r. theilt 
ſich übrigens in drei Senate, wovon jeder einen Referenten (ponens) und drei 
Botanten (correspondentes) hat. Auch find für dieſes Gericht gewiße Prokura⸗ 
toren u, Advofaten aufgeftelt. Streitigkeiten, welche die Mitglieder dieſes Gerichte 
felbft betreffen, darf es nicht annehmen. Die R. wurde von Johann XII. errichtet, 
Clemens VIL erweiterte diefes Geriht und Alexander VII. verorbnete, baß 
die Mitglieder desſelben nenigfene Subbdiafonen feyn follen. Die Stelle eines 
Uditore di Rota wird gewöhnlich nur foldden Männern verliehen, welche aucges 
zeichnete Rechtskenntniſſe befigen und wenigftens 3 Jahre lange Borlefungen über 
das kanoniſche Recht gehalten Haben. 

Rotenburg. 1) R. an der Tauber, ehemalige freie Reichsſtadt, jetzt 
koͤniglich bayerliche Stadt, im Kreiſe Mittelfranken, eine der Alteflen Städte Frans 
tens, ift alterthümlich gebaut, mit vielen Thürmen, hat 10 Kirchen, unter denen 
namentlich die St. Wolfgangskirche ducch ihre Bauart, Glasmalereien, Funftreichen 
Hochaltar und Wlterthümer, bie Franciscanerficche mit vielen Grabmälern und 
bie, ber ehemaligen Schäfergilte gehörige, Schaͤferkirche bemerfenswerth find, ein 
Oymnafium und 7000 Einwohner, bie ſich hauptfächlich mit Weinbau, Biehzucht 
und Tuchfabrifation befchäftigen. In ber Nähe befindet ſich ein Wildbad. — 
R. fol im 6. Jahrhunderte gegründet und das Schloß ſchon im 5. Jahrhunderte 
von dem fraͤnkiſchen Herzoge saramınd erbaut worden feyn; es war früher 
der Sitz der Grafen von R. (Rotenburger), welche immer mit ben Baben⸗ 
bergern in Ban lagen. Unter Kaiſer Heinrich IV. flarben bie R.er aus und 
Kalſer Heinrich V. ſchenkte R., 7 — feinem Neffen Konrad IL von 
Shmwaben, befien Sohn Friedrich fi erzog von R. nannte Rach heſſen 


Aruerd 


WG 953 


1465, ſchentte Kaifer dem Bifchofe von Wir; R. 
«* 1172 ra — en ns und orbnete bie 
4 m. Ybs2 2 wurde R. befreit, 1406 aber von 
Briedrich, weil es eine Sandioche —— belagert und 1406 
— — 
Branzofen genommen; 1688 vergebens von ben b 5 1703 wurde 
x. bie erger aa et Sm DO Men ans 
48, K Stadi in ber kurheſſiſchen Pı Nieberhefien, 


3 
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3 u. 5 er in en Guropa, ja ER var 
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55 — —* Fr Grebit- Operationen ben meiften euros 
Sie jöf Eli lien bie ——— Re Jeiflete, IR Mayer An⸗ 
der Spin eines gewöhnlichen Han 
—— zum Rabbiner befimmt , befuchte er die Schule zu Fürth, 
—*** nach einigen Jahren nach Frankfurt zurüd, beſchaͤftigte ſich hier, 
Her ben praktiſchen Genptoinmifnfehaften, —A— mit Münzkunde u. fnüpfte 
Yu biefe verſchiedene Bekanntſchaften an. Gr ftand hierauf mehre Jahre den Ges 
ſchaͤften eines Wechſelhauſes zu Hannover vor, heirathete, nad Frankfurt auräd- 
}, und begründete mit einem erfparten unbebeutenden Capital ein eigenes 
elgefchäft. Rechtlichfeit u. Pünttlichkeit erwarben ihm Vertrauen, bebeutende 
je und wachſenden Credit. 1804 ermannte ihn ber Landgraf von Hefiens 
Kaſſel, der ihn 9— fruͤheren Einkaͤufen alter Münzen und fonft als rechtlichen, zus 
—2 Geſchaͤfsmann kennen gelernt Hatte, zum Hofagenien. 1802, 1803 u 
1804 contrahirte R. bie erfle Staatsanleihe von 10 Millionen Gulden mit Diner 
Pre] Dem Kurfürften von Heffen rettete er, als biefer 1806 wegen ber franzöfis 
I en Invaſien fein Land verlaffen mußte, einen beträchtlichen Theil Pins Privatvers 
ens, nicht ohne eigene Gefahr, und verwaltete basfelbe gewiſſenhaft. Als der 
anffurt ben Joraeliten gleiche Rechte als Staatsbürger bes 
wißligte, ward R. Mitglied des Wahlcollegiums in Frankfurt u. farb 1812 ebens 
felbR. — Nach feinem Tode vereinigten fich feine 5 Söhne, Anfelm, geboren 
1772, Gu Srankfurt), Salomon, geboren 1774, (zu Wien und Berlin), Ras 
than, geboren 1777, Qu London), Karl, geboren 1778, (zu Neapel), James, 
gehosen 1792, (zu Paris) zur fernen Leitung des Wechfelgefhäftes in ununters 
—— Geineinſchaft. Obgleich ſeit mehreren Jahren ihre Wohnſitze weit von 
einanber entfernt-find, fo konnte body biefer Umftand ihr reges Einverftändniß nie 
r —** füftete er ben Bortheil, daß fie, von ber Lage der Dinge auf 
vollkommen ‚unterrichtet, um fo ficherer und zwedimäßiger zu 
R R waren. Ihr fefter Srundfag iſt, bei feiner Operation nach 
den! m 1, jeder ifheer Unternefmungen befimmte Schrar- 
als menſchliche Borfiht u. Klugheit es verma 


956 Rottenburg — Rotterdam. 


fchichte mit dem des Naturrechts u. der Staatswifienfchaften, in welchem er noch 
unmittelbarer für feine politiſchen Ideen wirken konnte, und erfreute fi auch in 
biefem Lehramte eines bebeutenden Wirfungskreifes, bis er in ber Reactionszeit 
1832, in Folge eines Bunbesbeichlufies, ohne Angabe irgend eines Grundes in 
unfreiwilligem Ruheſtand verfegt wurde. Seine Mitbürger wählten ihn jetzt 
wiederholt zu ihrem Bürgermeifter, die Regierung aber verfagte die Beftätigung. 
Gleichzeitig mit der Penfionirung wurden auch bie Bolitifhden Annalen u. 
ber Freiſinni gi duch die Bundesverfammlung unterbrüdt und ihm auf fünf 
Jahre die Redaktion jeber Zeitfchrift unterfagt. Seine landftänbifche Wirkſamkeit 
hatte‘ R. 1819, 20 u. 22 al8 Univerfitätsabgeorbneter in ber erften Kammer ber 
badiſchen Landſtaͤnde begonnen. 1825 Hatte die Reacion feine Wiebererwählung 
verhindert. Bon 1830 — 1840 aber wirkte er in der zweiten, ober Volkskammer, 
welche für R. einen erfreulicheren Standpunft u. Wirkungskreis darbot, als die 
erſte. 1840 —* die Regierung durch Reactibirung bes ſchon 65jaͤhrigen, doch 
jugendlich kraͤftigen, thaͤtigen Mannes das, jetzt ſelbſt von ihr als bedauernswerth 
anerkannte, — 3— e Interdict gegen feine Lehrvortraͤge wieder auf: doch zu fpät, 
als daß R., die Univerfität u. die ſtudirende Jugend ber Erfolge dieſer Maaf- 
regel hätten froh werben fünnen. R. hatte während bes lebten Landtages feinen 
allzu vielen Arbeiten zu gewifienhaft faſt jebe nörbige Erholung u. feine Gefundheit 
eopfert. Ein Gichtleiden überfiel ihn faft zu berfelben Zeit, wo er mit Luſt 
Feine Borlefungen wieber zu eröffnen gedachte. Das Hebel nahm mur allzubald 
eine gefährliche Wendung u. endigte nach mehrmöchentlichens fchmerzlichen Kran⸗ 
—A am 26. November 1840 dieſes ehrenhaften Mannes unermuͤdlich thaͤ⸗ 
tiges Leben. 

Rottenburg, Stadt und Biſchofsſitz im Schwarzwaldfreife des Koͤnigreichs 
Württemberg, in einer reizenden Gegend am linfen Ufer bes Redars, if gut und 
freundlich gebaut und zählt mit ber gegemüberliegenben Vorſtadt Ehingen 
6800 Einwohner, woruntee nurd—500 Proteftanten. Die Stadt iſt Sig ber 
Bezirfsbehörben, auch befindet fich daſelbſt das katholiſche Priefterfeminar, eine las 
teiniſche u. Realfchule, reicher Spital, Freiogefän niß für den Schwarzwalbfreis. 
Unter den Gebäuden zeichnen fi) aus: die Domlirche zu St. Martin, mit ſchoͤ⸗ 
nem gothiſchem Thurme; bie ehemalige Stifts⸗ jegt Pfarrfirche zu St. Moritz in 
Ehingen ; das vormalige Jefuitencollegium, jetzt biſchoͤfliche Nefidenz ; das Gebäube 
bes Prieſterſeminars im ehemaligen Garmeliterflofter ; das neue Gefängnißgebäube ; 
bie, eine Biertelftunde nörblid von ber Stadt gelegene Wallfahrtskirche Marien» 
Weggenthal ıc, Getreide- beſonders Gerſten⸗ und Hopfenbau, Gerberei, eine Pa- 
piermüßle, ein Eifenhammer, Bierbrauerei und bürgerliche Gewerbe bilden bie 
Hauptnabrungsquelle der Einwohnerſchaft. — R., früher bie guuptfiat der 
niedern Grafſchaft Hohenberg, Fam 1805 an Württemberg, wurde Sig der Land» 
vogtei am mittlern Nedar und nach beren Aufhebung Oberamtsflg; 1817 wurbe 
bas bifchöflichde Generalvifartat von Ellwangen Hieher verlegt und 1828 dasſelbe, 
in Folge der Gonftituirung ber oberrheinit.hen Kirchenprovinz (j. d.), zum Bis⸗ 
thum erhoben. 

Rotterdam, in der Provinz Sübholland, an ber Merve, einem Arme ber 
Maas, ift nach Amflerdam die wichtigfte Hanbelsftabt der Niederlande und Sig 
von vier Beiebenegerichten ‚ eines Hanbelsgerichtes und des Marinedepartements 
von der Mans. Der Fleine Fluß Rotte, welcher hier in bie Merve fällt, erweitert 
fih vor feiner Mündung zu einem fehr guten Baffin, auf welchem tief in bie 
Stadt hinein große Seeſchiffe fahren können. Durch Sandle ficht basfelbe mit 
mehren Nebenhäfen in Verbindung , wodurd das Hins und Herbringen ber 
Den ungemein erleichtert wird. Ein großer Kanal, 1827—1830 erbaut, 

et die Verbindung mit Helvortfluis Her. NR. ift in Geſtalt eines Dreicds an- 
FR befien Grundlinie fi an die Merve lehnt. Es hat 6 Thore nach der 
feite und wird buch bie fogenannte „hohe Straße” in bie innere Stabt 
(Binnenflab) und äußere Stadt (Buitenftab) geſchieden. Jene Hat viele enge 


„5. 


Rum 997 


mb: ben bewohnt wird 
von —* Re Ant biefe m Ken von 
Häufer, * Meine Theil der *8* ift ee mit Allen Lat länge 
Aue Se Midaderkela unb Des gun Osfömadis In 
N v bes berühmten Deſiberius Er— 


—— Die — Ei ae den, I ham, na ben —A 
niedert framd formt, 
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a a. Bon den —— Gsäuben find zu das EV 
—— CBelandose) Im Biete u Begaıım, bie Bant, 


Be a a 
Direktion ſerbauweſens g werben, ber Palaſt = = 
inbiſchen — on wiſſenſchaftlichen und Unter⸗ 
ſich in R. —* Mtabemie ber — ſenſchaften, eine gelehrte 

Sean m amler ber Benemung Serſchiedenheit unb Uebereinftiimmung,“ eine 
—ã eine Sifkonopefätfga, ein Zweig 

—— — freien Eunſte, ein höheres Oymnafium, eine 

Bau mb En — ——— — E — ein — 
tzaugkeitsantalen: Ein aiſenl aus ed Hofpital), 
zei Sualen uuh — — IE, defen Emmofnestafl Na) mr 80,000 
hs lie a Die Bien Merten va 

an. eigen er) en um 
— ——— 


„Ro farben , Slei 

Blende, Cheese, Yin, , Zud, Papier, Baumwolle 
es Seife, — e, Krapp, Wollenzeuge, Bier, Genever, Pattun, Zuder, 
jefärbte Waaren ıc. Roc wichtiger, als bie Sewerbörhätigkeit, 
Hey ber rn ae jet in mehren Zweigen den von Amſterdam übertrifft. R. 
fig des holiandiſchen Verkehrs mit England und Schottland; biefer 
And ande Bertehrözweige, insbeſondere mit dem Rhein, Haben bucch regelmäßige 
—— und del, und Schifffaärtöverträge eine große Bes 
Deatumg erlangt. In Krapp, Branntwein, Karotten, Bordeauriweinen, Flachs und 
— mit Getreide aller Art, Tabak, Zuder, Leinſamen, indiſchen 
Waaren und and. on Artikeln werben coße Geſchaͤfte gemadıt. Jährlich laufen 
ewa 2000 Schiffe ein und aus. — Promenaden und Umgebungen: das Nieuwe 
Berk und bie Pi bje (Anpflanzung) an der Merve gewähren ſchoͤne Spas 
dergiin e; gebe: Luſtorte find Portegat, Pax in frontibus, Eroowyf, bie Yfiel- 
mond’fde Beer u. f. m. — R., welches feinen Ramen von bem Fluſſe Rotte 
dat, ae 1272 Mauern und Stadtrechte, und feine Bevölferung nahm balb 
fo zu, baß es fchon tm 14. Jahrhundert breimal_vergrößert werben mußte. 1480 
munbe bie Stabt buch ben — der Inſel Hoelſche Waard, Franz von Bres 
bexobe, eingenommen, ber ſich hi ine Zeitlang gegen den — aximillan 
Kr Fi fiel ſie durch Verrat indie Hände der Spanier, u, nachdem fie 1572 
jeworden, nahm fie bie Reformation an, Wilhelm von Oranien vers 
ine —— als ber erſien unter ben ſogenannten kleinen Staͤdten, Sig und 
in ben hollaͤndiſchen Staaten, Im 16. Jahrhundert wurde fie wieder 
dreimal vergrößert, und ihr Wohlftand nahm immer mehr zu. Diefen erfchütters 
ten ſelbſt bie kritiſchen Zeiten von 1795—1813 nicht, u. feitbem Hat der Handel bie 
E:] erreicht, Alles in Folge der günftigen Lage R.s, welches ber nas 

tärliche Hafen und Stapelplap bes ganzen Rhein- u. Maasgebietes if, —F 

Rottmann, Karl, ein ausge chneter «Landihaftsmaler , „gem 1798 3 

bei ‚Heidelberg, bildete fich, unter Anregung feines Vaters, fe 


958 Rottweil— Notzkrankheit. 


nach ber Ratur, (bie er auch nad feiner Abreife nach München, wohin er ſchon 
ein großes Delgemälbe „die Burg Elz an ber Mofel* mitbrachte, fat allein ſtu⸗ 
birte) erft, feiner elegifchen Stimmung gemäß, in bem bayeriſchen Hochlande 
(1823), dann, um für König Ludwig eine Anficht von Palermo zu malen, 1826 
in Stalien und 1834—35 in Griechenland, wo er ebenfalls Landfchaften fammelte. 
Seit 1841 if er k. bayeriſcher Hofmaler. Bon 1830—33 führte er in den Arkaden 
bes Hofgartens zu Münden 28 italienifche sanıjhaften al fresco aus, bie 
Schwierigkeiten diefer Malerei immer glüdlicher ül dend ; die griecdhiichen 
führte er zum Theile in Del, dann auf Gementtafeln aus. Er verſteht Naturs 
treue mit ben glängendften und treffendfien Lichtwirfungen in originelle Weife zu 
verbinden. Auch feine Brüder: Anton, geftorben 1841 und Leopold R. (ges 
boren 1813) haben einen Künftlernamen, ber lebtere als Landſchaftsmaler. 

Rottweilg ehemalige Reichsſtadt, jetzt Oberamtsftabt im Schwarzwaldkreiſe 
des Koͤnigreichs Württemberg, am Redar, mit 4000 Einwohnern, welche ziemliche 
Induftrie und anfehnlichden Handel, namentlich Getreidehandel nach ber Schweiz 
treiben, ift altmodiſch gebaut, doch in neuerer Zeit fehr verfchönert und erweitert, 
hat mehre ſchoͤne Kirchen, unter denen namentlid die gothifche Stabtpfarrfirche, 
neuerdings von Heideloff reftaurirt, und bie Convictskirche fehenswerth find, ein 
Gymnaſium mit Realfchule, ein niederes Fatholifches Convict, ein fchönes Kauf: 
haus, früher Zeughaus, reiches Hofpital, Erziehungsanftalt für verwahrloste 
Kinder 1. In ber Umgegend werden viele römifche Alterthuͤmer gefunden. Bel 
der, 4 Stunde von der Stadt gelegenen, ehemals reichöfreien Abtei Rottens 
mänfter vie eichhattige Saline Wilhelmshall. — R. fol nach Einigen von feinem 
Erbauer, einem Rudolf, oder weil fich hier die, von den Römern gefchlagenen, 
Eimbern wieder zufammengerottet hatten, benannt fern. Es lag früher auf dem 
andern Neckarufer. R. war freie Reihsftadt und fehdete oft mit den Würts 
tembergern, befonder8 mit Herzog Eberhard u. trat deßhalb 1463 in ben Schweizerbumd. 
1477 ſchlug es eine große Schlacht gegen Eberhard, 1507 ward e8 von Herzog 
Ulrich belagert; 1519 erneuerte e8 den Bund mit ben Schweizern, wurde aber 
ausgeftoßen, als es 1632 fchwebiiche Befayung einnahm u, warb 1463 von dem 
franzöffch » weimarifchen Corps Guebriant’8 erobert, wobei biefer blieb, aber bald 
darauf wieder von ben Kaiferlichen genommen. 1710 war ein Bürgeraufftand, in 
befien Folge der Rath abgefeht wurde. Als NR. 1802 feine Reichsfreiheit vers 
lor, hatte es A [ J Meilen Gebiet u. eine Bevölkerung von 11,000 Seelen, war 
auch Sitz eines Faiferlihen pofassiöte, befien Borfiger (Erbhofrichter) 
ein Fürft von Schwarzenberg, die 7 Beifiter aber aus R. (Mdelige und Raths⸗ 
perfonen) waren ; von hier appellirte man an ben Reichshofrath. In Folge des 
Reihöbeputationshauptfchluffes von 1802 kam R. an Württemberg, wurde Haupts 
ſtadt einer Landvogtei u., nach ber Aufhebung biefer, Sit eines Oberamts. Bol. 
Lang er, Beiträge zur Geſchichte der Stadt R. 1821. 

Rotunde, heißt in der Baukunſt jedes Rundgebäude, insbefondere ein Fleiner, 
aus vollen Mauern, oder nur aus Säulen beftehender, Saal oder Tempel in 
Gärten. Aehnliche R.n werben ber Ausficht wegen zuweilen auch über dem Dache 


angebracht. 

Rotzkrankheit, Ro%, (Malleus humidus, la morve) ift ein, dem Pferdege⸗ 
ſchlechte eigenthümliches, lymphatiſch⸗cachctiſches, anfteddendes, auch auf Menfchen 
übertragbares, bet diefen mehr vafch, bei den Thieren mehr langwierig verlaufens 
des Hebel, das Anfangs vom Fieber begleitet wird, im weitern Verlaufe Durch einen 
eiteräßnlichen Ausfluß aus den Rafenlöchern, durch bösartige Gefchwüre auf ber 
Rafenihleimhaut und durch bedeutende, unzertheilbare Anfchwellungen ber lym⸗ 
phatiſchen Drüfen im Kehlgange ber Pferde dharafterifirt il. Man unterfcheibet 
einen fpontanen, aus anderen Krankheiten oder Schäblichfeiten urfprünglich u. 
einen durch unmittelbare Hebertragung mitgetheilten Rob. Der fpontane 
Rop folgt vorangegangenen Tatarrhalifch = Inmphatifhen Krankheiten, wie Drufe, 
Burm, gel, Influenza n. ſ. w., wenn biele ihre gehörige Kriſis nicht mas 


! 
Bi 
4 


ſobald ören fieber! u ſeyn. Zunächſt verandert ſich dabei ber 
—9 Sy Ba eslinig un - N oladfin Mae Ar m % — 
—— wird, 0 werben. bie 55 
D —— en im Kehlgan 
Ft — EN — Send 
fen und 
genannten Krankheiten vorangegangen "iR Ar —2 man Yen ben 
— in den Kehlgang Sbrüfen und der Roafenfe 
en Me * u. mpg werdenden Rai ß. 
ennt man bie „bebentlihe Druſe,“ nix 
— — und klebrig wird, KR dem Räns 
chorfen —— [0 wie, wem bie Drüfen- 
—— und bie Nafen ae —— fe gi 
eflect wird, vn ——— genannt wird, Lodert fi 
ch! fie welt und er erheben hr, Mine md — 


— der Rafenausflu 
und — ; plagen und ——— —— er Bil 08: in e 


wire fo in ber Bde Der —— in ben Roh — und das 
en, woran bas äufere a ee 
7 Beh se il Sack en und bie Beſchwerniß 


Ha kteriftifche Keı en bes wirklichen Rı jeben bie 
kıb hohl — ſelten erhaben, kie Ki, gie Her di 

—— *3 — rund, langlich, viereclig 
— Rändern, fo wie mit einem Bi en, 
—— Eee u gleichen nad ihrer allmäligen Entwickelung ſehr 
e. Einige von an vorzüglich) bie unteren, Heilen 
— — Bar mit bräunl nee und Sinterlaffen am 

:ablen- und ——— Für bie ai 

Geſch würe ee Br ihm im Se 95 peile ber Raſe. Darauf nimmt 
* — uß eine immer uͤblere Beſchaffenhelt an, wird flintend, blutig und 
ägenb, daher HERNE. er x Weichtheile u. sareift die Knochen ber Rafen- und 
ſch dann einzelne Stuͤdchen Iostrennen. In sr je deſſen 
Ange m Haan und das Athmen ſehr le maufend 
— ber Kraͤfiezuſtand der Art, alsbald, uns 
Abgehrung, A br —— Der mitgetheilte R. if be⸗ 
— ——— buch 6 Tage auf. bie geichehene Anftedung ein⸗ 
Keambe Bieberbenegn egungen u. de Kings —2 der Kehlgangsbruſen 
auf 40 bie  Eofeung pi hatte. Im Mebrigen gleicht biefe 
Der Berlaui ie Tau ber Ropfrankheit f; fehr lang» 
Witterung und — üben großen Einfluß auf ihren Verlauf. 
Rrivats u. im Stanteinterefie ein Gegenftand von fe Wichtigkeit 
he Thierheiltunde, weßhalb bie Nechtdeit der — en berfels 
in Frage kommt, deren Löfung nur bem geübten Blide eines — kundi⸗ 
möglich iR, Anlage zur R. Haben alle —— gehörigen Thiere. 
ch Thiere gi Rage befonders, zum mitgetheils 
af nur im erfien Entftehen u. bei kraͤf⸗ 


hingegen kaum denkbar. Letterer Ausſpruch I: in ben verfchiebenen, 
me entgegen gefehten, Heilmethoben feine hinreichende Beftätigung. 
zeitih aßregeln zur Verhütung der Srankdeit ges 
Abfonderung ber rotzkranken Thiere von ben efunden und bie fs 
igung aller von benfelben in Gebrauch getvejenen Utenfllien. Das 
jungömittel iſt der Kalk. Die R. ee nad "allen Geſeten a den 


chemalige Hauptſtadt ber Rormandie, jeht Hauptftabt des frangde 


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960 Roned — Rouſſeau. 


fiichen Departements ber Rieber-Seine, —3 an der Seine, 12 Meilen von deren 
Mündung in die Nordſee, u. zählt 96, Einwohner. Die Stadt it Sig ber 
————— eines Erzbifchofs, einer theologiſchen Fakultaͤt, einer Uni⸗ 
verfitätsafademie, eines Appellationsgerichtshofs u. eines Priefterfeminare. Au⸗ 
Berdem findet man hier ein Eollöge , eine mebizinifche, Zeichnungs⸗ u. Schiff: 
fahrtsfchule, ein Dandeldtribunal, einen Gewerfrath, eine Börfe, botanifchen 
Garten, Theater, Muſeum u, reichhaltige Bibliothek, fowie mehre Verſicherungs⸗ 


Anftalten. Die Stadt ift reich an Baudenkmalen, darunter bie prächtige, gothi⸗ 


ſche Kathebrale, die Kirchen St. Duen, St. Macloud u. WMabelaine, das Hoͤtel⸗ 
Din, Stadthaus, bie alte Abtei St. Quen aus, der Juftigpalaft, die Leinwandhalle, 
das Herrliche Zollgebäude liegt an ben fchönen Kaien. Die Umgebungen find 
reizend. — R. ift einer der induftriellftien Orte Frankreichs, namentlich Gentralpunft 
ber franzöflfchen Baumwollfubrifation, welche Inbuftrie ihren Einfluß auf bie 
gange Umgegenb äußert, benn die darin gelegenen Ortſchaften finb voll von Fa⸗ 
rifen in Rattun, Indienne, farbigen Tuͤchern, Strumpfiwaaren u. anderen Arti⸗ 
fein, die unter dem Namen Rouenneries befannt find. Außerbem befist R. 
Fabriken in feidenen u. wollenen Stoffen, in Spigen, Leinwand, Leder, Papier, 
Zuder, Tabad, chemiſchen Eneuanifien, Leim, Seife, Färbereien (80), Bleichan⸗ 
ftalten, viele Baumwoll⸗ u, Wollipinnereien. Auch bie Eifen- u. Meffinggießer- 
eien, Säges u. Oelmühlen u. Mafdyinenfabrifen find von Bedeutung. Die Lage 
an ber Seine begünftigt fehr ben. Handel, indem die Fluth des Meeres bis zur 
Stadt herauffteigt, fo daß dann Seefchiffe von Havre bis De ohne Schwierig- 
feit gelangen koͤnnen. So führt denn R. nicht allein feine eigenen Fabrikaie, 
fowie Wein, Branntwein, Effig, Eyder, Getreide, Mehl u. andere Lanbespros 
dufte, befonders auch Obſt u. eingemadhte Früchte, zur See über Havre auß, 
fondern empfängt über dieſen Platz auch Eolonialwaaren, Baumwolle, Farbfoffe 
u. anderes Material für feine Fabrifen. Mit Paris u. Havre befikt R. Dampf- 
ſchiff-⸗ u. Eifenbafnverbindung. — R., das alte Rothomagus, war Hauptflabt ber 
Belocaffier, dann ber Provincia Lugdunensis, 910 der Rormannen u. bes Her- 
zogthums ber Normandie. Die Engländer, welche e8 1418 eroberten, verbrammten 
bier 1431 auf dem Marche aux Veaux die Jeanne d'Arc (ſ. d.). Eine Fontaine 
erinnert an den Tod der Heldin. Bergleihe Guilhermy, „R. in Revue ge- 
nörale de l’archit“ (1842 Mai); „Guide du voyageur etc.“ (Paris 1841). 

Noués (Geräderte, Galgenvögeh, nannte ber Regent von Kranfreich, 

—5 Philipp von Orleans (ſ. d.), die Genoſſen feiner Ausſchweifungen. 

aͤhrend er ſelbſt damit ihren nichtsnutzigen Charakter bezeichnen wollte, wollten 
dieſe den Namen deßhalb erhalten Haben, weil fie jeden Augenblick bereit wäs 
ren, fich für ifren Herrn u. Gönner rädern zu laſſen. Die berüchtigften biefer 
N, waren: ber Graf von Nocé, der Marquis de Lafare, ber Chevalier de Eis 
miane, ber Herzog von Brancas u. der Marquis von Broglio. Auch die Das 
men von Sabran u. von Mouchy, die Herzogin von Gevres u. felbft Die Her 
zogin von Berry, des Regenten eigene Tochter, wohnten oft den fauberen Zujams 
menfünften im Palais royal bei, 

Konget de 1’ I8le, ſ. Marfeillaife, 

Nonlade (Gerolltes), Heißt in der Tonkunſt ein Lauf, Tonlauf, bie im 
Geſange auf einer langen Sylbe angebrachte u, aus einer Reihe gleich gefchwinber 
Noten beftehende Verzierung, Paflagen u. dergl; dann auch gewifle Tünftliche 
Saltge wit den Klöppeln auf ber Pauke. 

onlage nennt man in ber Baukunſt die Brüftung, Bruftmauer, Bruf- 
lehne, die Mauer vom Boden des Zimmers bis zur Benfteröffnung, beren 
pafiendfte Höhe drei Schuhe iſt. Balconfenfter erhalten aber von Außen, ſtatt ber 
Brüftung, eiferne Geländer. 

Rouſſean, 1) Jean Baptifte, ein gewandter frangöflfcher Dichter, geboren 
zu Paris 1671, befuchte bafelbft verfchiedene Schulen, wurde 1688 Page bei 
einem franzöfifchen Geſandten in Dänemarf, ging. dann mit dem Marfchall 


— 


Rouſſeau. 961 


Tallard als Sekretär nach England, arbeitete unter Rouillos im Finanzfache und 
fultivirte dabei mit brennendem Eifer fein bichterifches Talent. Unglüdlicher 
Weiſe kam er um 1708 in Verdacht, Verfaſſer einiger ſcheußlichen Couplets zu 
feun, was nach einem langwierigen Prozeſſe, 1712 feine lebenslängliche Verbannung 
aus Sranfreich zur Folge Hatte, obgleich e8 unter die Hiftorifchen Probleme ge⸗ 
hörte, ob er das angeſchuldigte Verbrechen begangen habe, das er felbft dem Jo⸗ 
ſeph Saurin zur Laft legte Auch Wien, wohin er 1714 in Begleitung des 
Prinzen Eugen kam, mußte er wegen Theilnahme an fatirifhen Berfen auf deſſen 
Maitrefie bald wieder verlafien, worauf er ſich längere Zeit in Bruͤſſel aufbielt. 
Als der — von Orleans ihn zurüuͤckberief, die verlangte Caſſation des frühe- 
ren Urtheils ihm aber verweigert wurde, begab er fih 1721 nady England, von 
wo er, nachdem er durch einen fremden Bankerott fein Vermögen verloren hatte, 
nach Paris 1740 zurückkehrte u. 1741 flarb. In ber Inrifchen Poeſie behauptet 
R. eine der erfien Stellen unter den Dichtern Franfreihs u. befonders erwarb 
er ſich um feine Nation das Verdienſt, die Ode zu einer, vor ihm noch nie er- 
reichten Höhe, Fülle u. Stärke zu erheben. Am glüdlichften war er in ber phi- 
loſophiſchen Ode. Auch die allegorifche Poefie bearbeitete er zuerſt, nicht zwar 
mit großem Aufwande von Ginbildungsfraft, aber doch in einer angenehmen, 
leichten Manier, Aus feinen poetifchen Epifteln, bie er größtentheild im ber Ver⸗ 
bannung ſchrieb, leuchtete faft durchaus Mißmuth über fein Schickſal u. Haß 
gegen feine Feinde Hervor. — Ungleich mehr Ehre machen ihm feine Cantaten, 
welche die vorzüglichften find, die die franzöflfche Literatur aufzumweifen hat, und 
als deren Schöpfer er geighen angeſehen werben kann. Einige Luſtſpiele, bie 
ex ſchrieb, machten wenig Gluͤck auf dem Theater u. feine Epigramme beleidigen 
um Theile die guten Sitten. Ausgaben feiner Werke erfchienen: zu Solothurn 
1712; zu Paris 1743 in 3 Bänden u. die vollflänbigfte von Amar »Durivier 
(5Bde., Bari 1820). — R. Jean Jacques, war geboren zu Genf 1712 
u, ber Sohn eines armen Uhrmachers, welche Brofeffion er in feiner Jugend 
' ebenfalls erlernte. Allein ſchon frühe hatte er fih den Kopf durch allerlei Lek⸗ 
rüre verdreht u., wie er felbft gefteht, Hatte „befonders das Romanenlefen ihm 
ron dem menjchlichen Leben wunderliche u. feltfame Begriffe gegeben, von denen 
weder Erfahrung, noch Nachdenken ihn jemals in der Folge gänzlich) Beilen konn⸗ 
tin". Dadurch hatte wahrfcheinlich auch fein Charakter eine ſtolze Mifanthropie 
u. Erbitterung gegen alle Reihen u. Glüdlichen angenommen, die ihm, nad) fei: 
nem eigenen Geftändnijje, eigenthümlich war. Unzufrieden mit feinem Stande, 

verließ er, noch ſehr jung, feine Vaterftadt u. Profeſſion u. ging auf Abenteuer 
- aus, um fidh eine beijere u. chrenvollere (2) Laufbahn zu eröffnen, als bie eines 
Brofeffioniften war, wozu ihn feine Abkunft beftimmt zu haben ſchien. Da er fid) 
einbildete , durch feine Vielleſerei fchon zu den Gelehrten zu gehören, fo wollte er 
such vornämlih unter den Gelehrten u. Bhilofophen eine Stelle einnehmen. R. 
war nicht ohne Talentes befonders wußte er, bei einer lebhaften Einbildungsfraft, 
ieinem Ausdrucke viele Anmuth zu geben. Allein, da es ihm gänzlid an allen 
Borfenntnifien fehlte und er das Gelefene nicht gehörig zu ordnen verfland, fo 
mußte er natürlich auf mancherlei Ungereimtheiten u. Widerſpruͤche verfallen, Die 
man benn auch in feinen nachher herausgegebenen Schriften in Menge findet. 
Er wurde baher, was ſich unter biefen Umfländen leicht begreifen läßt, ein 
: Schwärmer im höchſten Grabe, u. fo fehr ihn feine Anhänger als tugendhaften 
Mann u, großen moralifchen Philoſophen lobpreiſen, fo entdedt man doch, wenn 
: man mit feiner Lebensgeſchichte befannt if, gar bald das Gegentheil u. findet in 
ihm einen Menfchen von verderbtem Herzen u. böfen Sitten. Aus diefer Quelle 
ihreiben ſich auch die meiften Unfälle feines an Abenteuern fo reichen Lebens 
ber’, vornämlich in feinen früheren Jahren. — Bei feiner Entlaufung aus Genf 
hatte er ſich nach Frankreich gewendet 1. daſelbſt Die Fatholifche Religion, bie er 
aber wieder verließ, angenoinmen. — Er fand mehre Wohlthäter, die fein Gluͤck 
Hätten machen können; aber er lohnte ihnen insgeſammt mit dem fchändlichften 

Realmepclopädie. VII. 61 


962 Rouflean. 


Undanfe. Der Graf von Gouvon Hatte ihn aus bem Staube hervorgezogen u. 
nicht nur mit vielem Edelmuthe, fondern auch mit wirklicher Baterliebe behandelt. 
Dielen aber verließ er trogend, ohne ihm einmal für feine Wohlthaten zu danken 
u, lief einem Landftreicher nad). dem Haufe der Gräfin von Bercellis, bie 
ihn gleichfalls aufgenommen, ſchob er die Schuld eines Diebſtahls, den er ſelbſt 
begangen hatte, auf die Köchin, was, wenn audy der Gegenftand geringfügt 
war, doch um fo fihändlicher war, weil nirgends Hausdiebe fo Runge hate 
wurden, als in Frankreich. Ein Herr von Mably Hatte ihn zum Erzieher feiner 
- Kinder angenommen; biefem lohnte er damit, daß er ihm feine Frau . 
Das Beſte war noch, daß er nach einem Jahre geftand, es fehlen ihm alle Ei⸗ 
genfchaften eines Erzieher u. davonging. Die berüchtigte Mabame Warens, mit 
welcher er verfchiedene Jahre hindurch in unerlaubten Berhäliniffen lebte, bie ihn 
näfrte u. mit allen Gemächlichkeiten des Lebens verfah, belohnte er am Ende 
damit, daß er ihre geheimen Schwächen öffentlich befannt machte. — Nicht 
banfbarer war er gegen den befannten Hume, der ihn mit nach England ges 
nommen batte, aber hernach von einer ſolchen Seite kennen lernte, daß er von 
ihm fagte: „R. fei eine im Bufen der Freundfchaft erwärmte Schlange!” Her 
v. Montaigu, Geſandter zu Benedig, Hatte ihn zu feinem Sefretär angenommen 
u. er hätte da fein Gluͤck machen fönnen, aber biefe fubalterne Rolle war nicht 
für ihn; er verlor biefen Poſten u. lohnte feinem Wohlthäter mit Undank. Le 
Maitre, fein Freund u, Lehrer, Hatte ihn zu feinem Begleiter auf feiner Reife 
nad Lyon mitgenommen, um, weil er mit ber Epilepfie behaftet war, an ihm 
einen Menfchen zu haben, auf den er fich verlafien könnte. R. ließ ihn, als er 
auf der Straße einen Anfall befaw, Hülflos Liegen u. benüßte diefe Gelegenheit, 
ihn gänzlich zu verlaſſen. Aehnliche Züge könnten noch mehre aus feinem Lehen 
angeführt werden, aber das Bißherige gentigt, Um biefen, von feinen Anhängern 
fo —e tugendhaften Philoſophen en zu lernen. Seine beſtaͤndigen 
Widerſpruͤche ſchildert Barruel ſehr ſchoͤn u. richtig, wenn er ſagt: „R. liebte 
die Wiſſenſchaften u. ſeine Herabwuͤrdigung derſelben war eine gekroͤnte Preis⸗ 
ſchrift; er ſchrieb wider die Schauſpiele u. machte Opern; er ſuchte Freunde u. 
war beruͤchtigt wegen ſeiner Freundſchaftsbruͤche; er pries Zucht u. Sitten und 
vergötterte bie famoſe Buhlſchweſter Warens; er hielt fich für den tugendhafteſten 
Menfchen!u. unter dem befcheidenen Titel von „Belenntniffen” gefiel er ſich noch in 
feinem Alter in der Erinnerung feiner früheren Eroberungen; er gab ben Müttern 
bie rührendften Borfchriften zur Selbflerziehung ihrer Kinder u. er felbft vergaß ed, 
daß er Bater mar, fehidte feine eigenen Kinder in das Findelhaus u. wollte, aus 
Belorgniß, fie jehen zu muͤſſen, auch nicht-zugeben, daß andere gutmüthige Leute 
ihrer Erziehung annahmen; er ſchrieb wider den Selbfimorb u. man erweist 
ihm noch Gnade, wenn man daran zweifelt, daß er ſich felbft vergiftet habe“. — 
Es waͤhrte lange, bis R. fih duch Schriften befannt machte; aber zwei Preis⸗ 
fragen der Akademie zu Dijon: „Ueber den Einfluß der Wifienfchaften und 
Fünfte" und: „Weber den Urfprung ber Ungleichheit unter ben Menſchen“ veran- 
lagten ihn, als Schriftſteller aufzutreten u. er that es mit einer Menge von 
Daraboren u. falfhen Grundfägen. — Dieſe Hinderten jedoch nicht, daß feine 
chrift über bie erfte Preisfrage gefrönt wurde, fowie bie andere sur les causes 
de Vinegalite ſchon bie erften Keime zu den Freiheits⸗ u. Bleichheits - Brinzipien 
enthielt, die nachmals fo Hoch emporwachfende u. fo fchredliche Krüchte trugen. 
Zwei Romane, bie er nach der Hand fchrieb, fein „Emil“ u, feine „Neue He 
loiſe“, in welchen er bie fonberbarften u. ungereimteften Exziehungsmarimen vors 
trug, fähig, Walbbewohner, aber nicht Glieder der bürgerlichen Gefellichaft zu 
bilden, u. noch einige andere Schriften: als feine „Leitres de la montagne” 
feine „Profession de foi du vicaire Savoyard“; fein „Brief an ben Erzbiſchof 
zu Paris“; feine „Confessions eto.“ legen feine Grundſaͤtze in Anſehung ber 
Religion, die nicht weniger parabor find, hinreichend an den Tag. Seine Reli 
gionsprincipien fo wenig, als bie in feinem „Contract social“ ausgeſtreuten poli- 


Ronffean. 983 


tiſchen Paradoren,, fanden bamals in Frankreich fonderliden Beifall, wo man 
zwar wegen ber witigen Berfpottungen ber Religion gerne durch die Finger fah, 
aber nicht gleiche Nachſicht gegen die dogmatiſchen Predigten des Deismus hatte. 
Da num das Parlament feine Schriften verdammte u. im Begriffe ftand, fich feiner 
Perfon zu bemädhtigen, floh er in die Schweiz, u. lebte auf der Betersinfel in Bie- 
lerſee. Aber auch ba war fein Aufenthalt nicht von langer Dauer, Die refor- 
mirten Geiſtlichen fahen bald, daß fle fich eben nicht fehr bazu Glüd zu wünfchen 
hätten, daß R. vom Katholizismus wicber zum Calvinismus zurüdgefehrt war, 
indem feine Religionsgrundfäge mit diefem ebenfowenig, als mit jenem verträglich 
waren. Er ſah ſich alfo genöthigt, ungeachtet ber Protection, welche ihm ber 
oͤnig von Preußen, als Yürft von Reufchatel, angebeihen ließ, von Moutiers- 
Traversd, wo er ſich biöher aufgehalten Hatte, wegzugehen, worauf er ſich nad) 
land wandte u. von Hume alle Unterftügung genoß. Nachdem er ſich aber 

aud) mit Diefem uͤberworfen u. ihm, feiner Gewohnheit nach, mit Undanf gelohnt 
hatte, kehrte er nach Frankreich zurüd, wozu feine Goͤnner ihm die ſtillſchwetgende 
Degünftigung ausgewirkt Hatten, unter ber Bedingung, daß er Nichts mehr 
ſchreibe. Er lebte nun einige Zeit in Paris u. nährte ſich von Rotenfchreiben, 
bis ihn endlich der Marquis von Girardin au fih nahm, auf deſſen Landgute 
Ermenonville er am 2. Juli 1778 in einem Alter von 66 Jahren ftarb u. zwar, 
wie hoͤchſt wahrfcheinlich if, an Gift, bas er aus Lebensüberbruß fich felbft im 
Laffee beigebracht Hatte. — Aus R.s Antwort auf den Hirtenbrief, den der Erz⸗ 
biihof von Parts wider feinen Emil hatte ergehen laffen, fieht man, daß er für 
Nichts weniger, ald für einen Ungläubigen u. Gegner des Chriftenthums wollte 
angeſehen ſeyn, obgleich mehre tefprmicte Theologen, die wider ihn gefchrieben, 
als Ronnotte, Kormey, Bernet u. Andere ihn dafür nicht weniger, als der Erz⸗ 
biſchof von Paris, Bergier, François u. andere katholifche Theologen, von denen 
er — iſt, angeſehen haben. Wirklich war er auch von dem Antichriſtenthume 
ber Voltaire'ſchen Clique weit entfernt. Ob er gleich anfänglich mit Voltaire, 
bAlembert u. Diberot in genauen Berhältniffen geftanden, fo fonnten fie e8 doch 
nicht dahin bringen, ihn ganz In ihre Projekte hineinzuziehen, fondern es war 
noch immer der Glaube an Gott und auch wohl ein gewiſſes Gefühl von ber 
Hoheit u. Würde des Chriſtenthums u. feines Stifter bei ihm übrig geblieben. 
— Allein, darum war R.nicht weniger, als Voltaire, ein Widerfacher des Ehri- 
ſtenthums u. hat demfelben nicht geringeren Schaden zugefügt, als diefer. Jeder 
von ihnen Handelte nur nach dem ihm befonders eigenen Charakter u. zu ver: 
ſchiedenen Zweden; wenn Boltaire den Atheismus an die Stelle des Chriſten⸗ 
thums ſetzen wollte, fo wollte R. dafür den Deismus aufftellen. Bei allen Lob⸗ 
fprüchen, die er dem Evangelium beilegt, hält er doch nur für wahr, was feiner 
individuellen Vernunft einleuchtet, der er die göttliche Offenbarung unterorbnet. 
Die nachmals fo fehr in Umlauf gefommene Idee vom Ehriftentfume als reinem 
Raturalismus, dieſes lächerliche Siderorylon der neueren Theologie u. Philoſo⸗ 
phie, Das vornämlich unter den Proteftanten fo viele Anhänger gefunden, ihr. 
Slaubensfuftem in chriftlihen Naturalismus verwandelt u. felbft dem Proteftan- 
tismus eine nagelneue, der Geſchichte u. feinen Glaubensbuͤchern ganz zumibder: 
laufende, ſowie mit dem Grunde, worauf feine legitime u. gefchichtliche Eriftenz 
beruft, ganz unverträgliche Definition gegeben, Tft, genau unterfucht, in nichts 
Anderem, als in R.s Aeußerungen gegründet, ber fie eigentlih von Bayle ent: 
lehnt Hat. — Hauptwerfe: La nouvelle Heloise, ou lettres de deux amans, 
Amſterdam 1761, 6 Bde., Paris 1799 (deutfh von C. F. Eramer, Berl. 1785, 
von la Pique, Mannheim 1800, 4 Bde. u. a.); Contract social, Amfterd. 1762, 
deutſch, Düffeldorf 1800; Emile, ou de l’education, Amfterdam 1762, 4 Bbe,, 
Baris 1794, 6 Bde, deutſch von E. F. Eramer, Braunfchweig 1789, 4 Bde. 
u. v. 9.; Oeuvres, Genf 1783, 40 Bbe., 4., Paris 1791, 32 Bde., 12., ebend. 
1795, 45 Bde., 12., ebd. 1802, deutfch von C. F. Eramer, Berlin 1785 — 91, 
10 Bde; auserlefene Werke, von Er. Gleich, Th. Heu u. A., Sein 1826 — 30, 

61 


964 Rouffilon — Ronvroy. 


20 Bändchen, n. A. 1830; über ihn feine Confessions, Genf 1781 — 90, A Bde., 
ebendaf. 1789, 2 Bde., deutſch, Berlin 1782, 2 Bde.; Leitres originales, Genf 
1798, deutſch, Königsberg 17995 Correspond. originale et inddite, Paris 1803, 
deutfh von Stampeel, Leipzig 1808, 3 Bde; Frau von Staöl, Lettres sur les 
ouvrages et le charactere de J. J. R., Paris 1790; Girtanner's Fragmente 
über R.s Leben, Charakter u. Schriften, Wien 17825 Lobrede auf 3. 3. NR. 
von 8. ©. Schelle, Leipzig 1799. — 3) R. Johann Baptift, lyriſcher Dich- 
ter u, Erzähler, geboren 1802 zu Bonn, Mitrebakteur der Frankfurter Oberpoft: 
amtszeitung u. dann in verfchiebenen Städten am Rhein privatifirend, Redakteur 
bee Münchener Zeitung, k. k. Hofrath in Wien, feit 4843 Feuilletonifi der All; 
gemeinen Preuß. Zeitung in Berlin. Wärme des Gemuͤths, Phantafle u. ſchoͤne 
Sprache haben feine Schriften: „Gedichte“; „Poeſte für Liebe u. Freundſchaft“; 
„Michel Angelo”, eine rragöbie; „Böthe’8 Ehrenwort” (2 Bde.); „Spiele ber 
Muße“ (2 Abth., 1829): „Bernfteine” ; „Kunftfiudien” ; „Legenden“ ; „Purpur⸗ 
violen der Heiligen“ (6 Bde); „Poetifche Reifetabletten aus Italien” u. |. w. 
Rouffillon, eine ehemalige Provinz Frankreichs, zwifchen Languedoc, ben 
Pyrenaͤen, Cerdagne u. dem telmeere, jetzt das Departement ber Oſt pyre⸗ 
naen (ſ. d.) bildend, mit Perpignan zur Hauptſtadt. Ein Theil dieſer Provinz 
bildete die um 800 entſtandene Grafſchaft R., welche 1172 an das Haus Ara⸗ 
gonten kam. Ludwig XI erfaufte biefe, ſowie die Grafſchaft Cerdagne, 1462 um 
200,000 Thaler, doch warb fie 1659 im Byrenäenfrieden für immer mit ber 
Krone vereinigt. — R.» Weine nennt man bie in der Grafſchaft R., überhaupt 
im füblichften Theile Frankreichs wachienden Weine, namentlich die rothen biden 
Sorten berfelben. Sie haben zwar einen reinen u. angenehmen Geſchmack, und 
find deßhalb vornehmlich zum Verbeſſern anderer Weine geeignet, indem Damit 
bem die und da fehr fcharfen Weine der Garonne mehr Stärfe gegeben wer- 


ben Tann. 

Nonffin, Albin Reine, Baron von, franzöfifher Admiral u. Pair, 
trat früh in franzöftfche Seebienfte, leitete als Fregattencapitän unter ber Res 
ftauration mehre Expeditionen an der Weſtluͤſte Afrika's u. in Brafilien, um bie 
Hydrographie zu berichtigen, wurde 1830 Viceadmiral, nahm 1831 die migueli- 
fitichen Fahrzeuge im Hafen von Liffabon, war dann von 1831—39 Botfchafter 
in Ponftantinopel u. erfuchte gleich nach feinet Ankunft den Sultan, bie ruffi- 
ſche gu tefotie gegen Aegypten zurüdzufenden; aber es geſchah nicht, als Mehe⸗ 
med Ali die franzoͤſiſchen Vergleichsvorſchlaͤge verwarf. Doch wurde auf feinen 
Betrieb der Vergleich von Kiutahia geſchloſſen; R. wurde aber von der ruſſtſchen 

olitif überliftet u. die Pforte ſchloß, trog feiner Broteftationen, den Vertrag von 
unkear Göfelefit, welcher die Dardanellen in Rußlands Hände gab, Er konnte 
von nım an faft Nichts mehr ausrichten, unterzeichnete die Collektivacte vom 28. Juli 
1839, welche die Türkei unter die Bormunbfchaft der großen Mächte ftellte, und 
wurbe im September biefes Jahres durch ben Braten Pontois erſetzt. Bald 
nach feiner Ruͤckkehr, am 1. März 1840, wurde er Marineminifter; 1843 trat er 
aus dem Minifterium u. wurde Pair von Frankreich, 
Noutine, va a aA feitz dader Routinier, ein Bann von Er- 
fahrung, mehr buch Praris, als durch Theorie gebilbet. 

Ronvroy, Speobor, Freiherr von, ein berüßmter Taiferlicher General, 
geboren ben 15. März 1728 zu Luremburg, biente von feinem 18. Jahre an 
al8 Lieutenant bei ber fächflfchen Artillerie u. trat 1753 als Artilleriefauptmann 
in k. k. öfterreichifche Dienfle. In dem fiebenjäßrigen Kriege jeigten fih feine 
großen militaͤriſchen Kenntniffe in ihrem vollen Glanze. Bei ber Gefangennehm⸗ 
ung des Fouquet'ſchen Corps, den 28. Juni 1760, war er Oberftlieutenant und 
traf dabei fo gute Anftalten, daß ihm Loubon in ben offiziellen Berichten das 
Zeugniß gab, baf one [ine Hülfe wohl ſchwerlich ein fo vollfommener Sieg 
erfochten worden wäre, ber Belagerung vom Glap im Juli 1760 war er 
bereitö Dberfi u. bewirkte es, baß ber Feind zweimal aus ber Fleſche zuruͤckge⸗ 


Aoveredo, 965 


trieben u. bis in den bebedien Weg u. den äußern Eingang ber Hauptwerke 
verfolgt wurde, Bei ber Belagerung von Breslau ließ Loudon durch ihn biefe 
Feſtung aufforbern u., nachdem fie der General Tauenzien nicht übergeben wollte, 
ließ R. ein entfepliches Bomben- u. Haubitenfeuer auf biefelbe machen, worauf 
er fie zum zweiten Male aufforberte. Bei der Belagerung von Schweibnit 1761 
führte er abermals das Commando über die Artillerie u. nach Heberfleigung des 
bededten Weges begab er ſich fogleih Hinein u. ließ dort das feindliche Geſchütz 
umfehren u. gegen die Stadt felbft wenden, wodurch die gefchwinde Eroberung 
ber Feſtung fehr befördert wurde. Er war ber beftändige Gefährte Loudon's in 
dem — *8B8 en Kriege u. dieſer nannte ihn daher ſeine rechte Hand. 1772 
wurde er Inhaber des neu errichteten zweiten Artillerieregiments u. 1775 Feld⸗ 
marſchall⸗ Lieutenant. In dem bayeriſchen Erbfolgefriene 1778, wo er die Ar- 
tilerte commanbirte, wurben bie von ihm -erfundenen Gavallerieftüde zum erften 
Male gebraucht. Im Türkenfriege 1788 führte er als Feldzeugmeiſter ber Ar⸗ 
tillerie die Belagerung von Sabarz, befam beim Sturme diefer Feſtung mehre 
Alintenfchüffe, führte im folgenden Jahre mit gefchwächter Befundheit die Belag- 
erung von Berbir, zog nad) Einnahme dieſer Feſtung mit Loudon gegen Belgrab 
u. ſtarb am Tage des Sturmes gegen bie befeftigten Borftäbte, ben 30. Septem- 
ber 1789, in Semlin. Nicht nur wegen feiner großen Kenntniffe u. Geſchicklich⸗ 
feit im Kriegsweſen, fondern auch wegen feines wohlthätigen u. menſchenſreund⸗ 
lien Charakters wurbe fein Tod allgemein beflagt. 

Noveredo ober Rovereit, wohlgebaute Hauptflabt bes gleichnamigen Kreifes 
in Tyrol, liegt in der Mitte des reizenden Lagarinathales, zu beiden Seiten bes 
Fluſſes Leno und eine Biertelftunde vom linken Ufer der Etſch. Die Straffen find 
eng, mit Ausnahme bes Corso nuovo, die Häufer ſtattlich erbaut, viele aus 
Marmor. Der Platz San Marco mit der Statue ber Aurora und einem Kunft- 
drunnen, bie beiden Pfarrfichen San Marco und Sta. Maria del Carmine mit 
ihönen Façaden und treffliden Gemälden, Bridi's Gartenhaus mit Fresken von 
Graffonara, die Baläfte Albertt und Feberigotti nehmen unfere Aufmerffamfeit zu- 
et in Anſpruch. Auf einem Felſen liegt Das alte, feltfam gebaute Kaftell, jebt 
als Arbeitshaus verwendet. In R. ift ein Kreisamt, ein Civil-, Criminals und 
Wedhfelgericht, ein Gymnafium, die Sodalitas Lentorum (Academia degli Agiali), 
1752 von der gelehrten Laura Saibanti gegründet. Klöfter der Franziskaner, 
Kapuziner und englifhen Fräulein. Eine Congregazione di carita, beftehend aus 
Kranken⸗, Waiſen⸗, Leich- und Armeninftitute. 7600 Einwohner. Große Betrieb; 
famfeit namentlich in der Seidenzucht; man findet Klier bei 50 Filanden u. Fila: 
torien. Faͤrbereien, Lederfabrif, Papiermühlen, erheblicher Handel mit: Eeide, 
Bein u. Eüdfrüchten. — Der Stadt gegenüber, am rechten Etſchufer, liegt das 
Gebirg Iſera mit feinen berühmten Weingeländern, bie den dunfelrotben, fchon 
von Birgil befungenen Rhätier Wein liefern, u. bei St. Marco, eine Halbe Stunde 
von R., fieht man die grauenvollen, über 600,000 [J Ruten bededenden Trüm: 
mer eines Bergſturzes, die fogenannten Elavini, von welchen ber Sänger ber 
gertichen Komedie das Bild für das Zerwürfniß im Höllenreicke entlehnte. —- 

. fol feinen Ramen von einem Gichenwalde (roboretum) haben, auf deſſen 
Grunde Wilhelm von Lizzana, der mächtigfte der fünf Caftelbarfer, im 14. Jahr: 
bunberte ein Schloß baute und die ſchon beftehende Häufergruppe, den Keim ber 
fünftigen Stadt, mit Mauern umgab. 1488 wurde die Stadt von ben Benetia- 
nern genommen, aber 1516 durch ben Bergleih von Noyon dem Kaifer Mari: 
milian wieder eingeräumt. Der Urfprung der jett fo bedeutenden Eeidenbereitung 
in R. fchreibt fi) aus dem 16. Jahrhunderte her, wo Hieronymus Savioli aus 
Benedig (im Jahre 1548) die erfte Seidenfpinnmafchine daſelbſt errichtete. In 
der Geſchichte der neueren Zeit wurde die Etabt denkwürdig durch das am 3. u. 
4. September 1796 vor ihren Mauern gefchehene Treffen zwifchen Maſſena und 
einem Theile des Wurmfer’fchen Corps, in melchem bie Defterreicdher unterlagen 
und 5000 Mann nebft 25 Kanonen verloren. mD, 


Rovigo Hauptftadt der gleichnamigen Delegation im Iombarbifchsvenetianifchen 
Königreiche, am Fluſſe Adigetto und an ber Straße von Padua nad Ferrara, if 
zwar ſchlecht gebaut und ungefund ‚gelegen, Doch ziemlich groß, mit Mauern, Ba⸗ 
ftionen, Gräben und einem Caſtelle verfehen und Hat 9000 Einwohner. Außer. 
ber ‘Provinzial-Eongregation iR in R. ein Eivil-, Griminals und Handelsgericht, 
ein Oymnaffum mit philofophifchen Studien u. einer Bibliothek, eine wiſſenſchaft⸗ 
liche Geſellſchaſt di Concordi mit Bibliothek, eine Hauptfchule, ein Krankenhaus, 
ein Snabens und Mädchenwaifendaus, ein Berforgumgshaus, Lederfabriken, ge 
Salpeterfieberei. Der Handel if zwar jegt von geringer Erheblichkeit, body Hat 
bier einer ber berühmteften Jahrmärkte Italiens ftatt. R. ift bie gewöhnliche Refibem 
des Biſchofs von Adria mit dem Gollegiatcapitel und Seminar. Die Kathebrale 
N ſehenswuͤrdig. In der Kirche ©. Francesco das Grab bes berühmten Coͤl. 
Rhodiginus, welcher der Barro feiner Zeit genannt wurbe. Ein beutfcher zier, 
erzuͤrnt, das Grab ohne Grabſchrift zu finden, Hat mit feinem Degen bie Worte 
Darauf geföhrieben: „Hic jacet tantus vir.“ Großartig ift das mit 5 Reihen Logen 
verfehene Thenter, welches auch von Innen zwedimäßig eingerichtet if. Nach ihr 
erhielt der franzöfifhe General Savary (ſ. d.) den Titel eines Herzog von Rovigo. 

Rowe, 1) (GKicholas) ein nahmhafter tragifcher Dichter aplande, geboren 
1673 zu Little Berfforb (Bebfordihire), entiagte in Folge des Beifalls, ben feine 
erfte Tragödie: „The ambitions Stepmother“ (1697) fand, dem Advokatenſtande 
imd fohrieb, wenn auch mit mehr Berebfamfeit u. Gefühl, ale Charakterzeichnung, 
bie interefianten Dramen: „Tamerlane,* „Fair Penitent,“ „Ulysses,“ Royal Con- 
vert,“ Jahne Shore“ und Lady Jane Grey,“ wovon fi Jane Shore noch auf 
ber Bühne erhalten hat. Seine Heberfegung von Lucan's Pharfalia wirb hoch 
geſtellt. Er farb 1718, nachdem er unter dem Minifterium des Herzogs von 
Dueensbury Unterfefretäft, durch Georg 1. gefrönter Dichter und Sefretär bes 
Prinzen von Wales gie war. Werke, 3 Bde., London 1719. — 2) R. (Elis 
fabet) geborene Singer, Gattin des Borigen, ausgezeichnet durch Froͤmmig- 
feit und poetifches Talent, geboren 1674 zu Ilcheſter, geftorben zu Frome 1738, 
wo fie feit dem Tode ihres Batten (1718) lebte. Schon 1796 Hatte fie „Poems 
un several Occasions“ Herausgegeben, welche, fpwie bie Liederreichen und tiefreli- 
giöfen Schriften: „Friendship in Death“ (1728); „Cetters moral and enter- 
taining“ (1729); „Hist. of Joseph“ (1736); „Devout Exercises of the Heart“ 
(1737) ihren Ruhm verbreiteteten. Miscellaneous Works, 2 ®be, 1739. 

Rorane, die Gemahlin Aleranders des Großen (f. d.) 

Rorburgh-Elub, ſ. Bibliomanie. 

Rorelane, Sultanin, ſ. Soliman II Ä 

Roy (Antoine), Pair von Frankreich, königlich franzöftfcher Finanzminiſter 
in ben Jahren 1818, 1819 und 1820, ward zu Savigny in der Champagne am 
5, März 1764 geboren. Er erhielt feine erſte Erziehung in Paris, flubirte bie 
Rechte und zeichnete ſich, nachdem er 1785 bein Pariſer Parlamente den Zutritt 
erhalten Hatte, als einer der erften Advofaten der Hauptflabt burch feine Beredt⸗ 
famfeit und Gewandtheit aus. Während der Revolution übernahm er mehrmalen 
bie Bertheidigung der wegen politifcher Verbrechen angeklagten Perſonen. So 
eifrig er war, als Rechtsanwalt die Unglüdlichen zu vertheidigen, fo ruhig verhielt 
er fih in den Stürmen ber Revolution, in der er feine Rolle übernahm. Bei 
der Zufammenberufung der Wahlcollegien im April 1815 widerſetzte fih R., als 
er zum Sekretär des Pariſer Wahlcollegiums erwählt wurde, förmlich der Leiftung 
des Eides ber Treue für Napoleon, ſtrich Lucian Bonapart's Ramen, weil er 
nicht franzöftfcher Bürger fei, aus dem Berzeichnifie ber Mitglieder und verließ 
dann die Verſammlung, ohne ein Wort an Bonaparte gerichtet zu haben. R. 
war ber erfle vom Collegium erwählte Repräfentant, Als die Kammer gebildet 
ward, erhielt er einige Stimmen für die Praͤſidentſchaft. Am 6. Juni wiber- 
febte er fi den Folgerungen, bie man aus’ dem 56. Artifel des Senatusconfults 
Jahr AU, der Republid machen wollte, um bie Berfammlung verbindlich zu machen, 


NRaopaliſten — Royer-Eoflard. 967 


daß fie Bonaparten ben Eid leiſte. Diefer Widerſtand erregte bei Bonapartc 
Beſorgniſſe u. durch einen faft drohenden Artikel, ben er über Die Repräfentanten- 
Kammer abfaßte und in's Journal du Commerce vom 8. Juni einrüden ließ, 
wollte er ben Widerfpenftigen einfchüchtern. Nach ber Reflauration warb R. 
ben 26. Juli vom Könige zum Bräfidenten des Wahlcollegiums vom Arrondiſſe⸗ 
ment Sceaur ernannt. Vieles wählte ihn zum Deputirten in der Kammer, wo 
er mit der Minorität flimmte, und biefelbe koͤrnige Beredtſamkeit, die feine Reden 
auszeichnete, als er gegen bie Bonapartiften gefprodyen Hatte, nun gegen bic 
Ultraroyaliſten wandte. Nach der Orbonnanz vom 5. September 1816 ward er 
in bie neue Sammer berufen, in welcher er mit ber Majorität flimmte. Er warb 
ferner Ar Mitgliede der Commiſſion bes Budgets, dann zu ihrem Berichterftatter 
über die Ausgaben erwählt. In bem Berichte, ben er ber Situng am 27. Jänner 
1817 vorlas, x er bie Rechte der Bolförepräfentation im Punkte der Auflagen mit 
Slarheit und Schärfe auseinander. Als darauf im September 1817 bie Wahl 
collegien ee wurden, ernannte ihn ber König zum Bicepräfidenten 
ber 13. Section des Geinecollegiums. Das vierte Mal zum Deputirten erwählt, 
fam er im November 1817 in bie Wahllifte als PBräfident der Kammer. 
23. Dezember 1817 erftattete er ald Drgan ber Kommiffion, welche mit der Ober⸗ 
aufficht über die Amortiffements-Eafle eouftzagt war, ber Kammer einen durch 
Klarheit ausgezeichneten Bericht über bie zage erfelben, welcher an die Commiſ⸗ 
fon bed Budgets abgegeben wurde. Aufs Neue ward er in biefen Jahre zum 
Mitgliede ber ehtgenannten Commiſſion u. zu ihrem Berichterflatter über die Aus 
gaben ernannt. Der Bericht, welchen er am 21. März 1818 vorlag, befchäftigte 
fih mit den allerwichtigften Kragen, wofür man eben bie Antwort fuchte. 
hatte einen fo energifchen Schluß, daß bie minifteriellen Rebner umfonft den Ein: 
drud, ben er gemacht Hatte, zu fchwächen fuchten. Als Graf Eorvetto im Dezember 
1818 das Finanzminifterium verließ, wurde R. zu feinem Nachfolger ernannt. 
Er brachte die für die Staatsbebürfniffe u, zur Bezahlung der Tiquidirten Schul- 
den an bie fremden Staaten eröffnete beträchtliche Anleihe ſchnell zu Stande. 
Allein er behielt das Portefeuille nur wenige Wochen und verließ das Gonfell 
den 29. Dezember mit Lainée, Mole, Pasquier und Richelieu; doch wurde er, fo 
wie Luaine und Mole, zum Staatsminifter und Mitgliede des geheimen Rathes 
ernannt. Am 17. November 1819 ernannte ihn der König zum zweiten Malc 
zum Sianzminifter. Als folcher legte er am Ende des Jaͤnners 1820 der Depu- 
tirtenfammer das Budget für 1820 vor, nach weldhem die Staatsausgaben 730 
Millionen 712,750 Franken betrugen. Damit ftand ein Gefeg über die Abrech- 
nung ber Nationalgüter und bie endliche Befreiung der Berfäufer, Vertauſcher u. 
Ueberlaſſer derfelben in Berbindung, welches im Februar nebft einigen Zufägen 
angenommen wurde. Als zu Ende des Jahres 1821 das Minifterium Richelieu's 
fi) veranlaßt fand, abzutreten, nahm auch der Minifter R. feine Entlaffung und 
wurde vom Könige, zum Zeichen feiner Zufriedenheit mit feinen geleifteten Dien- 
Ren, zum Pair von Frankreich ernannt. 

Royaliften heißen in Frankreich, im Gegenſatze zu ben Eonftitutionellen und 
Republifanern, die Anhänger des abfoluten Koͤnigthums. 

Royer⸗Collard, (Pierre Paul), als Philofoph nnd Staatsmann gleich 

ezeichnet, ein Mann von Geift und Charakter, geboren 1763 zu Sonpuie 
bei Bitry le Français, Parlamentsadvofat, durchlebte die Revolution ruhig und 
war nur furze Zeit (1797) Mitglied des Raths ber Yünfhundert.e Im Jahre 
1811 ward er Profefior der Philoſophie und befämpfte, fich der Reid'ſchen Lehre 
anjchließend, berebt und erfolgreich den Senfualismus. Unter den Bourbons 
übernahm er bedeutende Staatsämter, die er bei Napoleon’d Ruͤckkehr niederlegte, 
trat nach der zweiten Reflauration wieder in ben Staatsrath und ward Präfident 
des Unterrichtsweiend, bis er diefe Stelle al8 Haupt der Doctrinaird in bei 
Kammer verlor. Seit 1815 fämpfte er, ohne je feinen Grundſätzen untreu zu 
werten, dafür, daß die Dynaftie fi nicht von der Nation, diefe Ach nicht von 


968 Royko — Rubel, 


der Legitimitaͤt trenne. Seine Popularität flieg fo, daß er an Einem Tage von 

7 Gollegien zum Deputirten erwählt tonebe. eine Reis hochſt gründlichen Res | 

den erhoben fich zumellen zu wahrhafter Berebtfamfeit gegen das Sacrilegien; 

geleh 1825, über den fpantfchen Krieg). Als Bräfibent der Kammer (182830) 
berreichte er die Addreſſe ber 221., die er felbft verfaßt Hatte. Seit der Julire⸗ 
volution fand er faft allein u. wendete fi} von den Doctrinaits ab. Er farb 1845. 

Royko, Kaspar, Kirchenhiftoriker, geboren am 1. Januar 1744 zu Mar: 
burg in Steiermark, ſtudirte in Leoben u. Graͤtz bei Iefuiten, bezog 1764 die Wie⸗ 
ner Univerfität, wo befonders bie Borlefingen von Riegger über Kirchenrecht für 
feine theologifche Richtung entſcheidend waren. Er trat in ben WBeltpriefterftand 
und befuchte in Graͤtz ſowohl die moliniftifchen Borträge der Jeſuiten, als aud 
die themiftifchen ber Auguftiner u. Dominikaner. Hier erwarb er fich durch oͤf⸗ 
fentliche Disputation die theologiſche Doktorwürbe. Nachdem er 1766 bie Prie⸗ 
fteeweihe empfangen, übte er bei den Pfarrgemeinden Zelinig und Witſchin die 
Seelſorge. Rad Tufgeung des Sefuitenordbens 1773 warb ihm bie Lehrkanzel 
ber PBhilofophie in Graͤtz u. 1774 die ber Kirchengefchichte Übertragen, ein Fach, 

ee fich mit eben fo großer Vorliebe, ald ausdauerndem Bleiße widmete. 1777 
erhielt er als Direktor des Studentenfeminars die Aufficht über mehr als 200 
Studirende, deren wifienfchaftliche u. fittliche Bildung er von ben Grammatilals 
claffen bis zum theologlichen u. juriftifchen Berufsftudium zu leiten Hatte. 1782 _ 
ward bie Univerfität in ein Lyceum umgeRaltet, die Kanzel ber —— — E 
mit ber bes Kirchenrechts vereinigt u. R. nach Prag an bie Univerfität v h | 
Der Ruf von feiner begonnenen „Selchichte der großen allgemeinen Kirchenverfammlung - 
zu Koſtnitz“, A Thle. Graͤtz 1781—85, war ihm vorangegangen u. empfahl ie " 
ben Böhmen, da er die Charakteriſtik ihres Landemannes Joh. Huß eben fo frei⸗ 
müthig, ald der Wahrheig getreu gefchrieben hatte. 1790 zum Dekan, 1791 zum 
Beifiger bei der Studiencommiſſion gewählt, ward er zu gleicher Zeit 3. März 
1791 in ehrender Anerkennung feiner Berbienfte von Kaifer Leopold IL an bie 
politifche Zanbesftelle in Prag als Referent in geiftlichen Angelegenheiten berufen. 
Durch Dekret vom 5. ÖOftober 1793 erhob ihn Kaifer Franz zum wirklichen Gu⸗ 
bernialrath bei ber böhmifchen Landesſtelle. Seiner eifrigen Berwenbung ver: 
danften viele Gemeinden bie Errichtung eigener Pfarreien, viele arme Studirende, 
befonders, wenn fie fih der Theologie wibmeten, namhafte Stipendien unb gering 
botirte Pfründen die nothwendige Aufbeſſerung. Die Prager Univerfität er 
wählte ihn für das Jahr 1797 zu ihrem Rektor Magnificus, in welcher Eigen- 
[haft er nicht nur im afabemiichen Senate den Borfig führte, fondern, als gleich⸗ 
zeitiger Praͤſes der Studiencommiſſion, alle literarifchen Anftalten des ganzen Koͤ⸗ 
nigreich8 leitete u. überwachte. Durch Empfehlung bes Grafen von Wallis ers 
hielt R. 1807 eine Kanonikatſtelle bei ber Collegiatkirche zu allen Helligen in 
Prag u. verblieb zugleih Iandesfürftlicher Prüfungs» Eommiffär an der Univerfls 
tät, Er flarb am 20. Mai 1819. Seine Eihriften befchränten fich fämmtliche: 
auf kirchenhiſtoriſche Studien: Oratio inauguralis de studio hist. ecc. Grij. 
1777. Die ſchon oben bemerkte Geſchichte des Concils von Koftnig, die 2 erſten 
Bande, Graͤtz 1781—82, bie beiden jegten Prag 1784—85. Synopsis hist. 
rel. et eccles, christ. methodo systematica ad umbrate, Prag 1785. Eines 
tung zur dhriftlichen Religion u. Kirchengeſchichte. Prag 1788. 2te A, 1790: 
Chriſtliche Religions⸗ u. Kirchengeſchichte. A Bde. Prag 178992. Außerdem 
viele anonyme Beiträge zur „allgemeinen beutichen Bibliothek“, zur „Helmſtaͤdter 
Lit. Zeitg.“ Im feinem Nachlaſſe fand ſich vollſtaͤndig ausgearbeitet „Kirchenges 
[dichte von Böhmen.” Cm. 

Rozier, |. Bilatre de Rozier. 

Rubel (abgeleitet von rubenoe, abgehauen, weil bie erſten R. blos aus von 
ben Silberbarren abgehauenen Stüden, weldhe gewogen wurben, beftanben) if eine 
ruſſiſche Silber- u. Rechnungsinunze zu 100 Kopefen (f. d.). Der Silber-R., 
feit 1840 bie einzige Münze, nach der Buch und Rechnung geführt werben fol, 








—R 


Rubens — Rubin. 969 


it nach jegiger Ausprägung 1 Thlr. 2 Sgr. 3 Pf. preußiich werth; früher 
wurde er etwas befier, in einzelnen Perioden auch geringer anogenrigt, Bis 
1840 war die Rechnung in R.» Affignaten allgemein zu 3 R. 60 Kopefen Affig. 
—= AN. Silber, jeßt iR der Werth der R. Aflig. (Banfr.) feftgefest u. 3 R. 50 
Kopeken Alfig. find 1 Silber⸗R.; 1. R. ai: alfo 9 Egr. 24 ar, Dem Bank⸗R. 
ftand im Allgemeinen der R. Kupfergeld, die dritte ruffifche Rechnungsart, gleich, 
gewann aber gegen jenen noch etwas Agio. 

Aubens, Meter Paul, einer der derühmteften Maler u. der vielfeitigft ge⸗ 
bildeten Künfller, der Gründer ber Brabanter Schule, geboren 1577 zu Köln, 
wohin fein Bater, ein abeliger Schöppe zu Antwerpen, fih in den nieberländifchen 
Unrußen geflüchtet Hatte, wurbe nach befien Tode Page bei der Bräfin von Ca⸗ 
laing su Antwerpen, bie ex aber wegen ihrer Ausfchweifungen verließ, u. widmete 
ſich nun der Malerei, worin Ocavius van Veen fein Lehrer wurbe, In Stalin 
war er Bage bei dem Dersog Bincenz Gonzaga von Mantua, 1600, und befuchte 
von da Rom u. Venedig, um fih nah Tizian u. namentli nach Paul Beronefe 
zu bilden, fo wie auch Spanien, wohin ifn fein Gebieter an Philipp IV. ſandte. 
Auf die Nachricht von ber töbtlichen Erkrankung feiner Mutter eilte er 1608 
nach Antwerpen zurüd, wo er, feftgehalten durch die hohe Gunft ber Erzherzöge 
u. durch bie Liebe zu Iſabella Brant, fi ein prächtiges Haus baute und es zu 

Tempel ber Kunft ausfchmüdte. Der hochgebilbete, geniale und auch mit 
Ben gefelligen Tugenden gefchmücdte Künftler gelangte auch zu großem politifchem 
nfluß, wurde der Rathgeber der Infantin Iſabella u. ſchloß 1630 den Frieden 
hen Spanien u. England. In demfelben Jahre vermäßlte er fich in zweiter 
mit ber fchönen Helena Forman u. flarb, al8 der Zürft ber nieberländifchen 
Schule geprieſen, 1640 zu Antwerpen, wo ihm 1840 ein Sfanbbild errichtet 
wurde, Sein genialer Geiſt ließ ihn In ber Geſchichtsmalerei, wie im ‘Portrait, 
ber Landſchaft u. bem Genre, in Jagd- und Schlachtenftüden bie Meiſterſchaft 
erringen. Eine großartige Energie, bewegtes he eine belebte dramatiſche 
Durchbildung ift der hervortretende Charakter, feiner Compofttionen , denen, uns 
geachtet des oft Maffenhaften berfelben u. bes überwiegenden Naturalismus, bie 
Pracht u. der Glanz feines Eolorits eine zauberhafte Wirkung verleift. Seine 
rorzäglichften Werke find: Die Rreuzahnahme in ber Kathedrale zu Antwerpen u. 
bie erensigung bes Heil. Petrus in der Peterskirche zu Köln. Gr war Meifter 
in der Darftellung der menichlichen Leidenichaften , überfchritt aber fpäter Hierin 
nur zu oft die von der Kunft gezogenen Schranken und geftattete feinen Schülern 
eine zu euögebehnte Mitwirkung, fo daß er oft nur die Skizzen entwarf, Seine 
Gemälde find daher auch außer feiner Heimath fehr zahlreih u. allein die Pina⸗ 
kothek zu München befigt deren über 100. Aus feiner zahlreichen Schule gingen 
hervor : van Dyk, Jakob Jordaens, Albert van Diepenbeef, Theodor van Thulden ꝛc. 
Auch die Holzfchneide - u. Kupferftecherfunft wurde Durch ihn mächtig gefördert u. eu 
errichtete für lebtere eine eigene Schule, in der ſich A, Voftermann, Soutman und 
genbius bildeten. Endlich ftcht er auch als Menſch edel und liebenswürdig ba. 
et Re aagen, „Ueber den Maler B. PB. R.“ (Raumer's hiſtoriſches Taſchen⸗ 
). 

Anbicon ein Fluß in Oberitalien, zur Zelt der römifchen Republif Die 
Graͤnze zwifchen Stalien u. Gallien, welcher von feinem Feldderrn mit den Waf— 
fen paflirt werben durfte, wenn er nicht als Feind der römiichen Republik ange: 
iehen ſeyn wollte Julius Caͤſar überfchritt ihn dennoch und fing Damit gegen 
den Pompejus Krieg an. Diefer Fluß Heißt jetzt Lufo. 

Rubin ift ein Sdelftein von karmin-, farmoifin= ober auch roſenrother Farbe, 
ber ſehr Hoch gefchägt wird u. oft fogar mit dem Diamant (f. d.) um den Rang 
ftreitet. Er gehört zur Gattung Korund, und befteht nad) Chevenir aus 
%0,0 Thonerbe, 7,0 Kiefelerde u. 1,2 Eiſenoryd. R.e von blauer Zarbe werben 
Sapphire (ſ. d.) genannt. Der R. wird gefchliffen mit Diamantbord auf eifernen 
Scheiben, nach Art der Diamanten, zu Brillanten, Rofetten u. Tafelftein. Ein 








& . 

972 Ä NAudhart. 

R. nun Acceß, erhielt aber ſchon am 8. März 1811 vom Großherzog Ferdinand 
von Würzburg den Ruf als Profeſſor an bie dortige Hochichule für die Lehrfaͤcher: 
Geſchichte der Gefepgebungen, deutſche Geſchichte, Völkerrecht. Privatim lehrte er 
auch noch das römiiche Recht. Er wurde Mitglied des Spruchcollegiums ber 
Juriſtenfakultaͤt und war als Eonfulent mehrer abelichen Familien für die mannig- 
faltigften Geſchaͤfte fehr gefucht. Sein herrlicher afademifcher Bortrag, ber ſich 
ipäter in ber Staͤndeverſammlung als das größte parlamentarifche Talent Bayerns 
entfaltete, geſchah ſchon damals in ganz freier Rebeubung, blos unter Grundlage 
furzer Roten. 1815 machte er Belanntichaft mit dem Minifter von L2erchenfeld, 
beſonders dadurch, daß er damals ſchon die Nothwendigkeit einer fländifchen Ber: 
foffung in Deutfchland und Bayern anerfannte und zu biefem Behufe feine „Bes 
dichte ber Landflände in Bayern“ fchrieb. 1817 verließ R. in Folge einer Krank⸗ 
heit, die ihn dem Tode nahe gebracht, das Lehramt und wurde Als Generalfis- 
calatös und 1819 als Minifterialratd in das Minifterium der Yinanzen berufen. 
Damals war das Chaos zu ordnen und bie Berfaffungsurfunde zu entwerfen. 
Das Bertrauen der Minifler von Lerchenfeld und von Zentner beriefen ihn zu 
ben wichtigften Arbeiten. Auch auf die für Die Zerſaſungerrtnde felbft war 
er durch Bearbeitung ber Hiftorifchen Vorkallen nicht ohne Einfluß, fo wie er an 
den Borarbeiten zu der Wiener Schlußafte, welche die Karlsbader Befchlüffe von 
1819 Heilen follten, und an ben Arbeiten ber Regierung in der erften Stände 
verfammlung 1819 lebhaften Antheil nahm. 1820 war R. f. Kommiffär bei der 
Ständeverfammlung, wurde 1823 zum Regierungsdireftor nach Bayreuth u. 1826 
in gleicher Eigenſchaſt nach Regensburg berufen. Bon den Städten bes Ober- 
mainkreifes 1825 zum Abgeordneten der Ständeverfammlung erwählt, wohnte er 
ben Sigungen von 1825, 1828, 1831 und 1834 bei und bewährte fi} Hier als 
Bayerns glänzenbftes Rebnertalent. Seine Borträge waren niemals memorirt, ex 
hielt fie meift ohne alleRoten, ge frei. Seinen Wahlſpruch: „Wahr — treu — 
fe!" — bat ee auch ale 

Bolfes, fein Wohl und Wehe und die Mittel zu feiner Beglüdung waren von 
ihm mit Geift und Herz gleich fräftig erfaßt voorben. Die vorzüglichften feiner 
Landtagsreden waren: 1825 über die Gewerbe; 1828 über den Landratä; 1831 
über die Civilliſte, worin fich ber Geiſt treuer Liebe und Anhänglichkeit an feinen 
König bewährte. Diefe legte Rebe, welche nach vielen vorausgegangenen urplöß- 
lich ohne bie mindeſte Vorbereitung aus dem Stegreife gehalten warb, riß bie ganze 
hohe Berfammlung und alle Zuhörer zur höchften Begeifterung Hin und es war 
weniger biefer Erfolg, als das Talent und die Kunft des Redners zu bewundern, 
der 2 volle Stunden lange von dem Feuer der Rebe überftrömte. 1831 erfolgte 


bgeorbneter ſtets beurkundet. Die Interefien bes - 


z 


> 


jeine Ernennung ale Regierungspräfident nah Paſſau und gegen Ende des Jahres 


1836 war ihm die Auszeichnung zugebadht, an die Etelle des Grafen von Ars 
mansperg zum Minifter des Innern u. Bräfidenten bes Eonfeils des Königs von Grie⸗ 
chenland erhoben zu werden. Er folgte dem jungen Könige zur Bermählung nad 
Oldenburg und, inzwifchen zum f. b. Staatsrath und Minifter ernannt, auch nach 
Griechenland, Mit fräftiger Hand das Staatsruber erfaffend, gelang es ihm, viel 
Kügliches zur Begründung, viel Begonnenes zur befiern Entwidelung zu bringen, 
und wenigftend gelang ihm, ungeachtet vielfacher auswärtiger Intriguen, bejon- 
ders von Seite Englands — bei Freund und Feind burd woraliichen Werth 
und durch ein Achtung gebietendes Familienleben ben beutfchen Ramen hochzuftellen 
im fremden 2ande, wo patriarchalifche Sitte vorherrfcht. Jedoch der ſchwere 
forgenvolle Beruf, bie viele Anftrengung u. ungewöhnliche Gefchäftsthätigfeit im 
üblicher Sonnenhige Hatten feine Kräfte angegriffen, feine Geſundheit untergraben. 
Zwar erholte er fi bald wieder und fchien von der, nach bem Orient unter 
nommenen, Erholungsreife fcheinbar ganz hergeftellt zurüdgefehtt zu fenn: allein 
eine wiederholte Erkältung zog ihm Kolik und Wechfelfieber zu umb bildete ſich 
zu einer Entzündungsfranfheit aus. Auf der Seereife nach Trieft nahm bie Uns 
päßlichkeit merklich zu; bei der Ankunft in dee Quarantaine war ber gefährliche 


— 


Rudhart. 973 


Charakter nicht mehr zu verfennen; er bucchlief, erzeugt durch die Verhärtung und 
allmälige Zerflörung ber ebelften Kebensorgane, alle Stadien eines bösartigen Zehr⸗ 
fiebers. Rur buch die milde “Pflege feiner fich felbft aufopfernden zärtlichen 
Gattin und Familie, durch große Sorgfalt der Nerzte konnte bes GSterbenden Le⸗ 
ben vom 3, April, als dem Tage der Ankunft in Trieft, bis zum 11. Mai, feinem 
Todestage, noch gefriftet werben. Gleich ausgezeichnet, wie als Staatsmann, 
was mehre Orben, 3.8. Großkreuz des griechiſchen Erlöfungsorbens, Kommandeur 
des f. f. öfterreihtichen St. Stephansordens, Ritter des Civilverdienſtordens ber 
bayerifchen Krone u. — w. bezeugen, zeigte R. fih auch als Schriftſteller, feiner: 
Gegenſtand immer tief erfafſend, gruͤndlich und allſeitig erſchöpfend. Die Reihe 
feiner Schriften iſt: Abhandlungen in Goͤnners Archiv 1810—11. Eyſtem bir 
Berträge, Preisichrift 1811. Weber das Studium ber Rechtsnefchichte 1811. 
Encyflopäbie und MetHobologie der Rechtswiſſenſchaft 1812. Kontroverfen im 
Code Rapoleon 1813; Geſchichte der Landftände 2 Bde. 1816; Ueber bie Ver⸗ 
waltung ber Juſtiz durch bie Abdminiftrativbehörden 1817; Serahtung über das 
bayerifhe Coneordat (in Zfchoffe’8 Meberlieferungen) 1818; Heberficht der Staats⸗ 
verfafjiung 1818; Reformation in the Catholic Church of Germany the intro- 
duction for thisbook, London 1819; Das bayeriſche Budget und feine Tadler 
18195 Geſchichte der bayerifchen Geſeggebung 1820; Das Recht bes beutfchen 
Bundes 18225 Weber den Zuftand des Königreihe Bayern 3 Bde. 1825—27 ; 
Ueber die Eenfur der Zeitungen 1826; Ueber ben Entwurf zur Prozeßordnung 
in —— Rechtsſtreitigkeiten 1828; Hiſtoriſche Karte fuͤr den Regenkreis 
1830. Von den Abhandlungen des hiſtoriſchen Vereins des Unterdonaukreiſes find 
die ſeinigen mit der Ziffer R. bezeichnet und alle, die keine beſtimmte Namens⸗ 
umterſchrift führen, find gleichfalls von ihm als anonym. Aus den mehren Re⸗ 
den unb Berichten erfchienen einzeln gedrudt: über Heimath, Anſäſſigmachung, 
Bereheliäung und Gewerbweien 1825; Ueber bie Finanzverwaltung Bayerns 
1828; Gefeßentwurf ber Zollorbnung 1828; Entwurf des Zolltarif 1828; 
Bewerbswefen in Bayern 1831 ; Ueber Militärbudget 1831; Ueber die Eivillifte 1831 
und 1834; Die Induftrie im Unterdonaufteife 1835. — Aus feinem handſchrift 
lichen Nachlaffe veröffentlichte bereits fein Echwiegerfohn, Regierungsdireftor Hohe 
in Regensburg: „Pro Memoria für einen deutſchen Prinzen“; und „politifche 
Eielung von Bayern im Jahre 1833, Regensburg bei Manz 1848. Indeß 
findet — in feinen Papieren noch manches Vortreffliche und verdient noch bes 
fannt zu werden, was zeitgemäß, 3. B. über den Bauernkrieg; über bayerliche 
Landftände; allgemeine nehtaneihiäte; Geſchichte der Geſetzgebungen ber vor: 
züglichften Staaten; Geſchichte der öffentlichen Rechtspflege in Deutfchland u. a. 
— Die Grundzüge ber vorftehenden Lebensverhältniffe find aus dem „Lebensab⸗ 
riß von ihm felbft verfaßt” entnommen, herausgegeben von Holzichuher, Nürnb. 
1837. R.s Ehrengedächtniß für die bayerifche Afademie der Wiffenfchaften, deren 
Mitglied er war, hielt Oberconfiftorialpräftdent v. Roth in ber öffentlichen Sigung 
am 27. März 1839. Eine Zufammenftellung feiner einzelnen Anftchten, entnom- 
men aus ben amtlichen ‘Brotofollen der Stänbeverfammlungen in chronolo- 
gifcher Ordnung von 1825 — 34, verfuchte Brudbräu unter dem Titel: 
R.s politifches Blaubensbefenntnis, Paſſau 1840. Eine Charafteriftif feines 
Lebens und Wirkens findet fi in Hormayr's Hiftorifchem Taſchenbuch vom 
Jahre 1844. Zur dankbaren Erinnerung feines verbienftvollen Wirkens ale 
Praͤfident von Niederbayern wurde ihm in Paffau ein Ehrendenfmal geſetzt. — 
Erin um 2 Jahre jüngerer Bruder, 2) Georg Thomas, ift der ruͤhmlichſt bes 
kannte Forſcher der bayerifchen Urgefchichte, ordentlicher Profeſſor der Geſchichte 
an ber Univerfität München. Zu Weißmain, einem 6 Stunden von Bamberg 
entfernten Zandftädtchen am 23. März 1792 geboren, erhielt er, nachdem fein 
Bater als Polizeicommifjär nach Bamberg verjegt worden, auf dem dortigen, mit 
vortrefflichen Lehrern befegten, Gymnafium eine gründliche wifienfchaftliche Vorbil- 
dung, bezog Hierauf die Hochfchulen Erlangen und Landshut, um bie Rechte zu 


Tue 


7a Aubhart. 


ftudiren. Im Jahre 1814 wendete er fich indeffen der militärifchen Laufbahn zu, 
warb bayerifcher Offizier in dem Infanterie-Regimente zu Landau und begleitete 
das Occupationsheer mit nad) Frankreich. 1822 nahm er feinen Abfchieb, bereiste 
Belgien, Frankreich, Spanien u, nahm in ber Hauptflabt Mabrid einen halbjäh- 
rigen Aufenthalt... Nachdem er auf dieſer großen Reife mannigfaltige Erfahrun⸗ 
gen fi) gefammelt, und „vieler Menſchen Städte u. Gitten geſehen“, trat er über 
bfranfreich u. durch bie Schweizer Kantone die Heimfehr ins Baterland an. 
Hier nun erwachte in ihm mit neuverjüngter Liebe der Eifer für bie Wiſſen⸗ 
ſchaften, befonders eine. Vorliebe für die vaterländifche Geſchichte. Als im Jahre 
1824 der bisherige Profeſſor der Geſchichte am Lyceum zu Bamberg, I. B. Du⸗ 
rach, in gleicher Eigenſchaft nach Regensburg verfebt ward, übernahm R. als 
Privatdocent deſſen Lehrfaͤcher. Die Abhandlung über ben Unterfchieb zwiſchen 
Eelten und Germanen, mit befonderer Rüdficht auf die bayerifche Urgeſchichte, 
Erlangen 1826, bezeugte fein unverfennbares Talent für Quellenforſchung und 
efhichtlicher Kritik u. erwarb ihm zugleich von ber philoſophiſchen Fakultät in 
elangen die Doftorwürbe. König Marimilian I gewährte ihm am 30. Oftober 
1826 die huldvolle Genehmigung, auf fönigliche Koften zu feiner ferneren hiſtori⸗ 
ſchen —— die Univ Böttingen au befuchen. Hier verweilte er das 
hanze Jahre 1827; Heeren warb ihm Lehrer u. Freund und die berühmte Bib- 
iothef in Göttingen, Damals unter ber liberalen Leitung bes berühmten Oberbib⸗ 
liothekars Reuß, mit dien reichhaltigen Schäben, gab ihm bie naͤchſte Beranlafs 
fung , eine fpegielle Aufgabe aus der engliſchen Gefchichte fich zur Bearbeitung 
auszuwählen, denn auf dem ganzen Fefllande von Europa Hat feine Bibliothek in 
Dean auf englifche Geſchichte einen gleichen Reichthum von Quellenfchriften aufs 
zuweiſen, wie Göttingen. Die meifterhafte Monographie: „Thomas Morus, aus 
den Quellen bearbeitet,” Rürnberg 1829, war Die gereifte Frucht feiner Studien. 
Nach feiner Rüdkehr wurde R. am 9. November 1827 zum Brofefior der Ge⸗ 
{dichte am Lyceum ernannt u, hielt Hier nicht nur bie gefehlich vorgefchriebenen 
Borlefungen über allgemeine u. bayerifche Geſchichte, fondern wählte aus freiem 
Antriebe einzelne Hiftorifche Hauptmomente, um biefe für feine Zuhörer quellen 
mäßig unb ganz ausführlich zu behandeln. Es ergab ſich Hieraus ein doppelter 
Gewinn, einmal lernten die Stubirenden bie Quellenfchriften befonberer Geſchichts⸗ 
epochen genau kennen, anbererfeits erhielten fie dadurch eine höchſt inftruftive Ans 
leitung, wie man gefchichtliche Materien ſelbſtſtaͤndig und kritiſch genau’ zu bear, 
beiten habe. In reicher Mannigfaltigfeit wurden zu biefem Behufe in einzelnen 
em vorgenommen: die Kreuzzuͤge und bas Ritterweſen; Karls VOL Zug 
nah Italien; Liga von Cambrai; bie Kriege Karls V. und Franz L; die Ges 
ſchichte der Reformation u. der Bauernfrieg ; die franzoöfiſche Revolution u. |. w. 
Auch für die bayerifche Geſchichte hob er einzelne wichtige Abichnitte beſonders 
hervor u. verfolgte die Quellenforſchung bis in das genauefle Detail, 3. B. aus 
dem Zeitraume der Aupeheilngen bie ®Beriode von 1255— 1322. Die gefammte 
Literatur ber bayeriichen Geſchlchte, fo wie ihrer flatiftifchen Verhaͤltniſſe wurben 
eben fo volländig, als Eritifh genau gewürdigt. “Der Umfang und die Vielſei⸗ 
feit feiner gebiegenen Kenniniſſe zeigte fi) noch. beſonders in den eben fo bes 
lehrend, als interefiant gehaltenen Vorträgen „über bie hiſtoriſchen Hülfswifien- 
haften“. Die einzelnen Disciplinen: Chronalogie, Geographie, Genealogie, Rus 
mismatif, Epigraphif, Diplomatif wurden nicht nur hoͤchſt anfchaulich in ihrer 
eſchichtlichen ickelung, [ondern auch ihre praftifche Rupanwendung in Bel 
pielen, im Vorzeigen aller möglichen Hülfsmittel und Dokumente hoͤchſt anziehenb 
dargelegt. In ber Entzifferung alter Handſchriften u. in kritiſcher Beurtheilung 
ihres Alters beurkunbete er eine feltene Fertigkeit. Seine ausgezeichnete Lehrthäs 
tigfeit wurbe auch hoͤhern Orts beifällig anerfannt u. ihm am 31. De. 1839 
auch noch die Brofefiur dee Philologie u. der Altertfumstunde übertragen. Mit 
ben Vorträgen der griechiſchen, römiichen u, beutfchen 2 ie verband er die 
Auslegung von Ptolomaͤus u, Tacitus und zog in manchen eflern auch bie 


Audbart. 975 


neuere Laͤnder⸗ und Bölferfunde in das Bereich feiner beliebten Worlefungen. 
Gegen Ende bes Jahres 1847 erhielt R. den ehrenvollen Ruf als orbent- 
licher Profeſſor der Geſchichte an die Univerfität München, nachdem er bereits 
feit mehren Jahren zum correfpondirenden Mitgliede ber königlichen Afabemie ber 
Wiflenfhaften war gewählt worben. Vor feinem Abgange dahin bezeugte ihm 
das Lyceum In Bamberg in einer eigenen Danfabbreffe bie warmen Gefühle der 
Liebe und Dankbarkeit für feine 22jährige Wirkſamkeit. Ungeachtet feiner ange: 
firengten Lehrthaͤtigkcit — denn er Hatte in lebterer Zeit täglich 3—A Vorlefungen 
zu halten — entfaltete er auch als gründliche Geſchichtsforſcher eine rege fehrift: 
ſtelleriſche Thaͤtigkeit, welche fich mit befonderer Vorliebe auf die bayeriſche Urge- 
ſchichte concentrirte Schon im Anfange feines Lehramtes Hatte er in der obigen 
Abhandlung „über den Unterſchied der Gelten und Germanen“ dieſe fchwierige 
Streitfrage ihrer Löfung näher zu führen verfucht, indem er ausſchließlich — mit 
Uchergehung der verirrenben Hypotheſen ber Neueren — an bie griechifchen und 
römischen Berichte als verläffige Quellen fi) anlehnend, als dreifäches Ergebniß 
feiner Unterſuchung ausſprach: daß vor Julius Caͤſar fein Unterfchieb zwifchen 
Gelten und Germanen erweislih; daß Julius Bäfar die Bojer nicht als 
celtiſches Volk kennt und dag Tacitus nach Caͤſars Berichten nur feine Mei- 
nung und Conjektur gegeben; enblich, daß die Bojer die Stammväter ber Bafu- 
varier, ſomit der heutigen Bayern, nicht fenn koͤnnen. Eeine Biographie des 
„Thomas Morus" gehört in bie Reihe der’ beflen Monographien, die wir Deut- 
den aufzuweifen Haben. Der geiftreihe Möhler konnte das Werk nicht genug 
loben und rechnete e8 zu feinen Lieblingsbüchern. Nicht nur die formelle Dar: 
ſtellung zeichnet fich durch gefälligen unb anzichenden Syl aus, fondern die jedem 
einzelnen Hauptflüde beigegebenen Belege aus feltenen Urkunden, Brieffammlungen 
und anderen ſchwer zugänglichen Quellen enthalten einen wahren Schazt für bie 
Bereicherung ber englifen Reformations⸗Geſchichte. — Das Hauptwerk feiner 
20jährigen orſchung erſchien 1841 unter dem Titel: „Weltefte Geichichte Bayerns 
u. der in neuefter Zeit zum Königreiche Bayern gehörigen Provinzen Schwaben, 
Rheinland und Franken, Ein Beitrag zur Spezialgeſchichte Suͤd- und Mittel: 
Deutfhlande." Wer uur einigermafien die Schwierigfeiten zu ermeffen weiß, 
welche bei ber Erforfchung der älteften Gefchichte Deutichlands u. Bayerns zu über- 
winden find ; wer die Mafle des weitläufigen Materials und deſſenungeachtet bie 
höchft unficheren und theilweife fich twideripreihenben Nachrichten kennt; ferner, 
wie viel Scharffinn und Mühe auf Ribtung u. Prüfung und welch ausdauern: 
der Fleiß auf die organifche Verarbeitung bes in vielen zerftreuten Notizen ger: 
fplitterten Stoffes aufgewendet werden muß: nur ein Soldher vermag das He 
Berbienft diefer Arbeit gehörig zu fhäben. ine, auch nur oberflädhliche, Durch- 
fiht muß beim Anblide dieſes reichhaltig und vollftändig zufammengeftellten Ouel- 
lenftudiums mit ehrfurchtsvoller Bewunderung erfüllen, fo daß auch bereits 
ale Sachkundigen in dem ungetheilten Beifalle dieſes großartigen Werkes einflim- 
mig fich vernehmen ließen. ine gleich fchrwierige Aufgabe war es, die fpäteren 
Gebietsantheile, als Franken, Schwaben, Rheinpfalz, mit der urfprünglich-altbaye- 
riſchen Geſchichte zu einer organifch zufammenhängenden Darftellung zu vereinba- 
ren, weßhalb der Berfafier die verfchiedenen Hiebei möglichen Methoden ei: 
nem reiflichen Rachdenken unterzog und fih endlich für bie innchroniftifche 
Behandlung entſchloß. Kine eigene Schrift: „Behanblungsweife der bayerifchen 
Geſchichte“ Hamburg 1835, prüft mit ebenfoviel Umficht, ald Scharffinn, bie 
einzelnen ſich ergebenden Schwierigkeiten und legt barin bie Ergebniffe jahre: 
langen Nachdenkens demPublikum vor. Was er in diefem Prodromos nur theore: 
tiſch entwidelte, verfuchte er 6 Jahre fpäter in praftifher Ausführbarkeit zu 
vollziehen und zwar gerade an der ſchwerſten Periode: die Geſchichte Bayerns 
von ben früheften Zeiten an bis zur Mitte des achten Jahrhunderts, mit Gin- 
ſchuuß der inneren Geſchichte. Diefe höchſt wichtigen Momente nad: 
Staatsverfafiung, kirchlichen Zuftänden, nach Gultur und Gefittung wurden Bier 


976 Rudnay de Rudna. 


zum Erſtenmale in einer zuſammenhaͤngenden, ausführlichen und gedankenreichen 
Darſtellung unternommen. Gewiß wohl nur wenige Männer duͤrften ſich rüß- 
men können, bie Literatur ber altbayerifchen Gefchichte in fo umfaffenbem Um⸗ 
fange und mit folcher kritiſchen Schärfe erforfcht und verarbeitet zu haben, und 
weil dieſe Urgefchichte die gewonnenen Refultate mit flarfer Angabe ber Bes 
weisftelen zuiammengeftellt hat, wird fie eine bleibende Zierbe ber bayerifchen 
Geſchichtsforſchung feyn, denn nur in ihr kann ber Schlüffel_ zum Verſtaͤndniſſe 
der Folgezeit gefucht und gefunden werben. Der damalige Kronprinz Marimi- 
million — ber jehige König von Bayern — erkannte fogleich bei dem Erſcheinen 
biefes gelehrten Werkes die einflußreiche Wichtigkeit diefer hiſtoriſchen Arbeit und 
beehrte den Berfaffer durch Meberfendung einer werthvollen goldenen Medaille 
mit dem Brufibilde des erhabenen Gönners. Eine große Anzahl einzelner Ab⸗ 
handlungen und Necenfionen von ihm findet ſich zerſtreut in wiflenfchaftlichen 
Zeitfhriften: 3. B. Bayerifchen Annalen, Bayreuther Archiv, gelehrten Anzeigen. 
In den legteren übernahm er befonbers bie verdienfivolle Mühe, bie in ben 
einzelnen hiſtoriſchen Vereinen Bayerns erforfchten Reſultate überfichtlich zu⸗ 
fammen zu flellen und Tritifch zu würdigen. Das Programm: Iſt die Alten: 
burg bei Bamberg wirklich das Gaflrum Babenbergs Regino's in den Jahren 
902, 906 und bie civitas Papinberg ber Urkunde vom I. 973? Bamberg 1835, 
hat ein langverjäßrtes Borurtheil mit einer fiegreichen Kritif für immer wiber- 
legt und unhaltbar gemacht. Bei allen feinen Hiftoriichen Unterſuchungen flets 
nur die Sache im Auge, erfuhr er dennoch zuweilen ungerechte perfönliche Angriffe, 
wie 3. B. von Archivar Oeſterreicher und Bibliothefar Jaͤck. Solche geiftlofe 
Repliten veranlafiten zu ein paar polemifcher Epifoden, weldye er nicht nur mit 
attiſchem, ſondern auch mit ſcharfkantigem, Achtsgermanifchem Salze reichlich zu 
würzen verfland. Seine wifienfchaftlichen Verdienſte und feine unermübliche 
akabemiſche Wirkſamkeit, wodurch er fich die Liebe der Stubirenden in hohem 
Grabe bereits erworben hat, erhalten nody durch ben Tiebenswürbigen GSeelenabei 
eines edlen, gerabfinnigen und anfpruchlofen @harafters eine höhere Weihe. Un: 
abhängig von literarifher Kamerabichaft, ferneftehend jedem en herugen politifchen 
Barteigetriebe, lebt ex ungetheilt feinem wiſſenſchaftlichen Berut und erwirbt ſich 
bie Anerkennung unb Berehrung aller Edelgefinnten, die das Glück Haben, ihn 
näher kennen zu lernen und Zeugen zu feyn von feiner ſtets bereitwilligen Ge⸗ 
fälligfeit, Seine Gemahlin TH erefe, geborene Shumm aus Bamberg, Kat durch 
viele gelungene Zeichnungen, Porträts und Malereien im hiſtoriſchen Genre eine 
reichtegor Kunſtfertigkeit bewaͤhrt. Cm. 
nay de Rudna und Divék⸗Ujfalu, Alerander, Cardinal, Fürft- 
Erzbifchof von Gran, Legat des römifchen Stuhles, Primas, dann oberfter u. 
eheimer Kanzler des Königreichs Ungarn, Obergefpan des Graner Comitats, 
. £ wirklicher geheimer Rath, Großlreuz u. PBrälat des Et. Stephan - Ordens, 
eönig)- ungarifcher Statthaltereirath, Dr. der Theologie, wurde zu Hetligenfreus 
im Neutraer Eomitat den A. Oktober 1760 aus uralten abeligem Geſchlechte ges 
boren. Sein Bater, Andreas von R. war Oberftuflrichter u. Gerichts⸗Aſſeſſor 
dieſes Comitats. Die Grammatikalclaſſen u. Humaniora abfolvirte R. in ber 
Piariſtenſchule zu Neutra, die Philoſophie u. Theologie zu Preßburg, Tyrnau u. 
Ofen; 1783 erhielt er bie Priefterweihe u. 1784 die theologifche Doktorwürbe, 
As Kaplan war er in der Seelforge zu Cſäſztha u. zu St. Benebikt, worauf er 
die Erziehung der Söhne des Grafen Franz von Berenyi zu Laſzkar übernahm; 
1788 wurde er bei bem Gardinal u. Fürft Primas, Joſeph Grafen v. Batthyany, 
Aktuar u. bei dem Graner erzbiichöflichen Generalvifariat zu Tyrnau Sekretär. 
1789 erhielt R. auf den zonihtag bed Grafen Berenyi die Pfarre zu Koros, 
1790 das Vice⸗Archidiakonat des Groß⸗Talpolcſänar Difrikts u. 1805 das Ras 
nonifat bei der Graner Metropolitankicche zu Tyrnau, wurde dann Rektor bed 
groben Seminartums dafelbft u. Abt zu Kolos. 1808 wurde er zum General: 
ifar des Graner Bezirkes u. zum Titular⸗Biſchof von Anſarien, zum Gtatt: 


Rudolph. 977 


haltereirath u. Referenten in geiſtlichen Angelegenheiten ernannt. 1809 wurbe 
ihm bie Propftei von St. Thomas am Granerberge u. 1810 die Hofrathgftelle 
bei der ungariſchen Hofkanzlei verliehen. 1816 erhielt R. mit der geheimen 
Rathewürde das Bistum in Siebenbürgen, bem er durch 3 Jahre vorftand u. 


Ah während biefer kurzen Epoche namhafte Verdienſte erwarb. Als die große 


Hungerönoth ber lehteren Jahre auch in Siebenbürgen überhand nahm, bes 
ſchraͤnkte er feine häuslichen Ausgaben bebeutend, theilte feine Früchtenvorräthe 
unter Die Armen aus u. gab bem Krankenhauſe zu Maros-Bafarhely 1000 fi. 
Das Karlöburger Seminarium botirte er mit einem jährlichen Beitrage von 
16,000 fl., außerdem mit Früchten u. Wein, u. erhöhte die Anzahl ber Alumnen 
von 25 auf 50. Zum Baue von Kirchen in Siebenbürgen trug er Taufende 
bei u. vertheilte 3000 fl. umter bie Armen feiner Diözefe, welche, ungenchtet 
ſolche in 15 Archidiakonal⸗Diſtrikte vertgeilt if, binnen 2 Jahren von ihm kano⸗ 
niſch bereist wurde, Unter feiner biichöflichen Regierung wurde auf dem Gym⸗ 
naflum zu Rarlsburg das philofophifche Studium eingeführt, deſſen Profeſſoren 
R. aus eigener Caſſe bezahlte, auch ftiftete er ein Franciscanerklofter. Kurz vor 
feiner Erhebung zur Primatialwürde von Ungarn, 1819, ermannte ihn Kaifer 
Franz zum Generaldirektor ber Schulen von Siebenbürgen u. ber Töniglichen 
Akademie ber Wiffenfchaften zu Klauſenburg; als Fürft Primas nahm er feine 
erzbifchöfliche Nefidenz zu Gran, wohin fih auch bas Domkapitel begab. 1820 
erhielt R. die Decoration u. die Brälatenwürbe des ungariſchen St, Stephan 
Ordens. Am 15. Dezember 1828 ernannte ihn Papf Leo XII. zum Gardinals 
priefter ber römiichen Kirche. Er ftarb zu Gran am 13. September 1831 unb 
Binterließ den Ruhm großartigen Wirkens. Als Primas errichtete R. in Gran 
eine ungarifchsdeutfche Rormalfchule u. auf mehren feiner Befipungen Rational: 
ſchulen. Die Primatial-Bibliothef ließ er von Preßburg nad Gran übertragen, 
ſtattete fie noch anfehnlicher aus u. ftellte noch einen zweiten Bibliothefar an; 
er übte fortan unzählige reichliche Wohlthaten, unterflügte öffentliche Anftalten u. 
baute Kirchen mit beträchtlichen Summen; auf ben Riefenbau der Graner Me 
tropolitanfirche verwendete R. im Berlaufe von 10 Jahren allein über 2 Millio⸗ 
nen Die bobenlofe Tiefe feiner ſtillen Wohlthaten Täßt ſich nicht berechnen. 
Feßler nennt Ihn (Ungariſche Geſchichte, 10 Thle,, S. 186), einen Oberhirten 
von Hoher Geiſtesabkunft, der es für Heilige Pflicht Halt, feine ganze Kraft und 
Zeit feinem erhabenen Berufe im Reiche Gottes zu wibmen u. Die Lehre zu bes 
wahren, baß man aus feinem Munde das Geſetz ſuche. — R.s in Hanbfchrift 
gurüdgelafiene 82 Predigten u. Katechifationsreden, bie er in früheren Jahren 

Seelforge in flowafifcher Sprache Hielt, find zu Tyrnau 1834 zum Drude 
beförbert worden. 

Rudolph. Deutſche Kaifer. 1) R. I, geboren 1. Mai 1218, war ber 
Sohn Albrechts von Habsburg, ber 1240 farb, Durch die Gräfin Gertrub von 
Hohenberg, die er 1245 ehlichte, vermehrten fich feine ohnedieß anjehnlichen Beſitz⸗ 
‚ungen in der Schweiz u. im Elſaß bebeutend. Bon 1240— 1273 war er in 
mancherlei Kriegesunternehmungen verwidelt; fo war er 3. B. auch mit Ottokar 
‚von Böhmen (ſ. db.) im ‚ereugguge gegen bie Preußen. Er belagerte eben ben 
Siſchof von Bafel, als er die Kunde erhielt, daß er zum beutfchen Kaifer gewählt 
Sofort verföhnte er ſich mit bem Biſchofe. In Deutſchland faßte er feften 
Fuß, indem er feine zahlreichen Töchter mit den mädhtigfien beutichen Fuͤrſten ver- 
‚mäßlte. Hierauf erklärte ex alle Lehensverleihungen, bie feit bem Tode Friedrichs IL. 
‚Statt gehabt Hatten, für ungültig; die Lchensbefiper follten ihre Rechtstitel nach⸗ 
weiſen und um neue Berleifung anfuchen. Ditofar, ber feit Friedrichs Tode 
Deſterreich, Steyermark, Kärnten, Krain u. |. w. gewonnen, wollte die Lehens⸗ 
‚verleifung nicht nachfuchen und fo fam es zwifchen R. u. ihm zum Kriege, 1273. 
Ottokar, buch R. überrafht, von Labislaus IV. König von Ungarn mit großer 
Macht in ber Flanke bedroßt, ſah fich zum Frieden genöthigt. Er gab Defterreich, 
Steyermark, Kärnten, Krain u. ſ. w. in R.s Hände zuruͤck vad walkn Bimaı 

Kealencycelopädie. VIII. 


978 Nubdolph. 


Maͤhren zu Lehen. Aber unfähig, fo großen Verluſt zu tragen, brach er wiede 
108. Auf dem Marchfelde wurde die entfcheibende Schlacht geichlagen, (26. Auguf 
1278) in weldder Ottokar blieb. Dadurch fielen die erwähnten Provinzen av 
das Reich zurüd. R. beiehnte feinen Sohn Albrecht (ſ. d.) mit Deſtereich u 
Steyermarf und gründete fo bie Hausmacht des Haufes Habsburg, aus ber fid 
im Laufe ber Zeiten die öfterreichifche Monarchie entwidelte. Den Reſt feine 
Lebens verwendete R. zur Herftellung ber Ordnung in Deutfchland; in Eines 
Sahet (1290) brach er 70 Raubichlöfler. Den Herzog von Savoyen zwang er, 
zurüdgugeben, was berfelbe unrechtmäßig in bee Schweiz ſich zugeeignet (1283). 
Die Rechte der deutſchen Kaiſer auf Italien verfocht er nicht; er verglich Italien 
mit der Löwenhöhle, in bie man zwar hinein, aber aus der man nicht heraus— 
fomme. 64 Jahre alt, vermählte er fich abermals mit ber 1Ajährigen Mi 
Prinzeſſin von Burgund. Die Wahl feines Sohnes Albrecht zu feinem Nachfo 
fonnte er nicht durchſetzen. Er ftarb zu Germersheim am 15. Julius 1 
76 Jahre alt. — R. war tapfer, gerecht, mäßig, geiſtreich. Die vielen Anekdoten, 
bie im Munde des Volkes zu feiner Zeit über ihn umliefen und bie ihn alle in 
ſchoͤnem u, freundlichem Lichte zeigen, beweifen ben Einbrud, ben er Hervorgebradit, 
Er Hat in Deutfchland das Yauftrecht gebrochen, Ordnung Hergeftellt, mit ihn 
beginnt bie feit dem Untergange ber Hohenflaufen unterbrochene Kaiferreihe wieber; 
er ift ber Gruͤnder bes Hauſes Defterreih, der Stammhalter fo vieler Kaiſer. 
Sein Rame ift mit Ehre u. Ruhm befränzt und unfterblid. — 2) R. IL Sohn 
Kaiſers Marimilian II, geb. 1552, wurde in Spanien erzogen. In Ungarn 1572, 
in Böhmen 1575 gewählt u. gekrönt, trat er die Regierung biefer u, ber übrigen 
öfterreihifchen Staaten nah Marimilians Tode 12. Dftober 1576 an. Er lebte 
zu Prag, zurüdgezogen, ben Künften u. Wijienfchaften, ber Alchymie u. Aftrologie 
und fümmerte fich wenig um bie Regierungsgeichäfte. Die wichtigften Angelegen⸗ 
heiten blieben Jahre Lange unerledigt. R. war ein Gegner ber Not en, ſo⸗ 
wohl in Deutfchland, als in feinen eigenen Ländern. In Ungaru brady ein Auf 
ftand deßhalb aus; der Groß-Fürft von Siebenbürgen, Borsfay, ftellte ſich an bie 
Spige, bie Türken zogen ins Feld und es begann ein 15 Jahre währenber, wi 
abwechſelnden &lüde geführter Srieg, ber mit ben Türfen durch ben Frieden von 
Zeitva-Torof 1604, mit Bocskay durch den Frieden von Wien 1606 geenbei 
wurde, R's treulofer Bruder Matthias, (ſ. d.) der für ihn bie Reihegeichäfte 
zu Wien beforgte, befchloß nun, ſich ber Krone feines Bruders zu bemächtigen, 
Er verbündete fi mit den Ungarn 1607 und zwang R., der ungarifchen Krone 
zu entfagen 1608. Drei Jahre fpäter zwang ihn Matthias, die böhmifche Krone 
aufzugeben 1611. Ein Jahr darauf, 26. Sinner 1612, ſtarb R., 60 Jahre alt, 
nach 3Ojähriger trauriger Regierung. Mailath. 
Rudolph. Andere Fuͤrſten dieſes Namens. 1) R. von Schwaben, 
Sohn Graf Kuno's von Rheinfelden, erhielt 1058 von Agnes, Heinrich's IV. 
Mutter, das durch den Tod Otto's von Schweinfurt erledigte Herzogthum Schwa⸗ 
ben (Alemannien) , nachbem er fi 1057 mit Mathilde, Heinrichs IV. Schwefter 
(farb 1058), vermäßlt hatte. Anfangs auf der Seite feines Schwagers ftehend, 
zu deſſen Siege über bie Sachfen bei Hohenburg an ber Unftrut 1075 13. 
er wefentlich beitrug, verließ er ihn fpäter im Unglüd, fuchte ihm 1076, als biefer 
zur Ausföhnung mit Papft Gregor VII. nach Italien reiste, die Alpenpäße zu 
verfperren und nahm 1077 bie ihm auf dem Wahltage zu Forchheim von ben 
deutfchen Yürften angebotene beutfche Königsfrone an. Nach zwei unentjchiebenen 
Treffen flegte zwar R.s Heer 1080 bei Mölfen unweit der Eifter, ex felbfi aber 
verlor im Gefechte die rechte Hand u. erhielt eine töbtlidhe Wunde in ben 
leib, an weldher er Tags darauf in Merfeburg farb. R's Grabmal und abges 
hauene Hand zeigt man noch jet im Dome daſelbſt. Bon feiner zweiten 
mahlin, Adelheid, Markgraf Otto’8 von Jvrea Tochter u. Graf Amadeus I, von 
Savoyen Wittwe, Hinterließ R. eine Tochter, Agnes, die Erbin ber Graffchaft 
Rheinfelden. Das Herzogtum Schwaben war (don 1079 von Heinrich IV. an 


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Nudolph — Audolftadt. 979 


feinen Schwiegerfohn, Friedrich, Grafen von ES erblich verliehen worben. 
— I, Herzog von Schwaben, Sohn Kaiſers Rudolph von Qabe- 
burg, war 1258 geboren, vermäßlte fi 1278 mit Agnes, bee Tochter Koͤnigs 
Dttofar I. von Böhmen, wurde 1282 von feinem Bater mit dem Herzogthum 
Schwaben belohnt, Eriegte mit den Schweizern und flarb den 12. April 1289 zu 
Drag, wohin er ſich mit feiner Gemahlin begeben Hatte, um feinen Schwager, 
den Lönig Wenzel, zu befuchen. Sein einziger Sohn war Johann von Schwa- 
ben (ſ. d.), dee Mörber des Kaifers Albrecht. 
ob von Emb, ein beutfcher Dichter, ein geborener Schweizer u. Dienfts 
marın bes Grafen von Montfort, farb um 1254. Man bat von ihm: Wilhelm 
von Brabant, Welthronif (fortgefegt von Heinrih von Münden, herausgegeben 
von G. Schuß, Hamb. 1779—81, 2 Thle. 4.); Alexander der Große (ungebrudt, 
Sanbichrift in München) ; Barlaam umd Sofaphat (Legende von einer Chriſten⸗ 
befehrung, herausgegeben von Köpfe, Königsberg 1818, 2. Aufl, Leipzig 1838); 
Der gi —*5— ‚ herausgegeben von M. Haupt, Leipzig 1840. 
udolphi, Karl Asmund, berühmter Naturforfcher u. Phyfiolog, geboren 
den 14. Juni 1771 zu Stodholm, Sohn des Conrectors an ber deutſchen Schule 
daſelbſt, kam nach dem Tode feines Vaters 1779 mit feiner Mutter nad Stral⸗ 
fund umb befuchte das bortige Gymnaſium; 1790 bezog er bie Univerfität Greifs⸗ 
wald, wurbe 1793 zum Doftor der Philoſophie promovirt, brachte 1794 ein Ses 
meer in Iena zu u. wurde 1795 in Greifswald zum Doktor der Medizin pros 
movirt. 1796 Habilitirte fih NR. als Privatdocent in Greifswald, brachte den 
Ioigenben Winter in Berlin zu, wurde 1797 Proſektor in Greifswald, hielt fidh 
1801 wieder in Berlin auf, um fich als Lehrer der Thierarzneitunde anszubilden, 
befuchte dann auf einer wiſſenſchaftlichen Reife Holland, Frankreich, die Schweiz 
und Defterreich und erhielt 1808 bie ordentliche Profeſſur der Medizin in Greifs⸗ 
wald. 1810 wurde er als Mitglied der Akademie und ordentlicher Profeſſor der 
Anatomie an bie neu errichtete Univerfität Berlin berufen; 1817 unternahm er 
eine wiffenfchaftliche Reife nach Italien u. wurde im felben Jahre zum Geheimen- 
Medizinalrathe ernannt. Er ftarb den 29. November 1832. — R. hat ſich blei⸗ 
bende Verdienſte erworben um die Belebung des wiffenfchaftlihen Studiums ber 
Phyſtologie; er hat, naͤchſt Blumenbach, das Meifte beigetragen, diefe Wiflen- 
(daft aus ihrem früheren fchlimmen Zuftande auf eine bis da nicht geahnte Höhe 
erheben. Berühmt ift in diefer Beziehung fein unvollendeter „Grundriß ber 
— 2 Berlin 1821 - 1828, der nachgedruckt u. auch ins Engliſche überſetzt 
wurde 1. ſich durch kritiſche Strenge, beſonders auch gegen die Naturphiloſophie 
u. den Magnetismus, fowie durch den Tadel der Viviſectionen auszeichnet. R. iſt 
auch der Gründer ber neuern Lehre von den Eingeweiderwürmern , welchen ſchon 
feine erfie Inauguralabhandlung gewidmet war, und beren er eine weit größere 
Menge entdedte, als man früher geahnt hatte. „Entozoorum sive vermium in- 
testinalium historia naturalis,* Amfterd. 1808— 1810, 3 Bde. — Außerdem ſchrieb 
er „Beiträge für bie Anthropologie u. allgemeine Naturgeſchichte“ Berlin 1812. 
— „Bemerkungen aus dem Gebiete der Naturgefchichte.... . auf einer Reife... 
gefammelt.“ 2 Bde. Berlin 1804, — „Anatomie ber Pflanzen” Berlin 1807, 
eine von ber Göttinger Sorietät gekrönte Preisichrift ꝛc. — Wildenow hat R. 
zu Ehren eine Gattung aus ber Pflanzen- Zamilie ber Leguminofen Rudol⸗ 
phia aan, E. Buchner. 
udolphinifche Tafeln heißen Tabellen zur Berechnung bes Laufes ber 
Simmlifchen Körper, welche Tycho de Brahe anfing u. zu Ehren bes Kaiſers 
Rudolph IL, ber ihn deßhalb nah Brag berufen hatte, fo benannte, Die aber 
Kepler nah Tyco de Brahe's Beobachtungen, jedoch nach eigener Theorie, 
entwarf unb wodurch zuerft in bie aſtronomiſche Berechnung einige mehre Be 
Kimmtbeit fam. Ste erſchienen zuerft lateinifch, Ulm 1627, Folio. 
Rudolſtadt, Haupt» und Refidenzſtadt des Fuͤrftenthums Schwarzburg-., 
an der Bier in zwei Arme fich theilenden Saale, mit 6000 Einwohnern, ft Sie 
82 


— 





980 \ Rübe — Rüdenmart, 


der höchften Landesbehörden, Hat ein Gymnaſtum, Schul 
und Irrenhaus, eine Bibliothek, Porzellanfabrif und in | 
burg eine Gemäldegalerie, Antiken⸗ u. Raturaliencabine 
fienz des Fürften iR in dem, nörblich vor ber Stabt auf t 
Schloffe Heibechs burg. 1306 kam bie Stadt von ben 
denen fie feit dem 12. Jahrhunderte gehörte, an das Ha 
übe, die, ober Felbrübe, iſt eine Warietät der B 
türlichen Familie der Eruciferen, zu welcher verfchiebene 
Möhre, RotHeR.., Kohl-R., Runkel⸗R. u. a, gel 
did, fleiſchig, aber waͤſſerig. Man unterfheibet: B. depre 
Mais. 5 davon gibt es runde, lange, weiße, gelbe unb 
sims, Teltower R., Iellinger R., Märkifche R., Klein, ſp 
braun, von feinem Geſchmade, artetet aber überall aus, 
Adertrume von Teltow ähnlich iſt. Die R. verlangt leid 
NR. ganz befonders fandreiches Land. Beide Arten werde 
eultivirt, Man fäet bie R. und Beräpt dazu entweber bie 
foppel. Als Brachfrucht läßt man eine vollſtaͤndige Ben 
angehen u. fäet im Juni. MatsR.n geben keinen Same 
muß man im Spätfommer fen und bie R.n für den Ei: 
wintern, Mit dem Sanbgehalte des Bodens mehrt fic 
R. u. wird im feifhen Dünger, nicht fo angenehm als i 
Auch arten die Rn im Thonboden fehr leicht aus. 
Nübezapl iR der Name eines Berggeiſtes im R 
nad Grimm (d. Myth. 2, A. ©. 448) flavifchen Urſp 
Rybrcol, Er erſcheint ben Reifenben balb als woßltf 
nedender Alter. Zeigen ſich bie Reiſenden falſch ober Hi 
ihn R. (er will „Here Johannes“ oder „Herr des Gebirge 
folgt er fle mit Sturm, Regen und Ungewitter. Weber 
eiſt folgende Sage: R. liebte einft eine Edle bed Lanb 
Gesicgehögten und gab ihr Gefpielinnen, bie er aus 9 
wanbelt hatte. Sie wurbe emblich dieſes Lebens überbı 
Gefpielinnen alt wurden, neue, veranlaßte fo ben R. ı 
entfloh, während berfelbe ausgegangen war, um Radıriı 
derfelben einzuziehen. Vgl. weiter ben „R.” von W. I 
und befonders bie Vollsmaͤhrchen ber Deutfchen“ von ! 
Rübſen, f. Raps. 
Rückenmark (Medulla spinali) bezeichnet bie unter 
gerten Gehirnmarkes und if das, im Wirbelfanale liegen 
harten R.shaut, der R.sfpinnwebenhaut und ber we 
beochenen Gertiegungen der Gehirnhaͤute, eingefchloffene 
Bauptloch mit bem Gehirne in unterbrochener Verbindu 
bes willkuͤrlichen Nervenfoftems. Es ftellt einen langer 
nad) Hinten etwas zufammengebrüdten Strang bar , bei 
ganz ausfült und darin buch ein grsähntes Band ſchw 
ner iſt, ais das verlängerte Mark bes Gehirns, und an t 
len ber Halögegenb, wo bie Nerven bed Armgeflechtes 
untern Theile der Rüdengegenb, wo bie Rerven des Le— 
entftehen, dider wird, nur bis zum erften ober zweiten 
mit feinem fpigen Ende in einen Yaben ausläuft, ber | 
bes R.slanals andeftet und ſeitlich mit den Lendens ı 
(ogenznnten Pferdeſchweif biidet. Das R. beſteht mc 
'arkfub| u. in feinem Innern aus einer compaften grı 
felben entipringen 31 — 32 Rervenpaare, wovon 8 ber 
5 ber Lendens und 2 ber SteigbeinParthie angehören. 
.2 Hauptflagabern , wehren Ucten benaarir Shla 


Rückert. 981 


biutabern, — Das R, fleht, wie alle übrigen Rerven, mit bem Gehirne in flän- 
biger Reciprocktät: es leitet, als gemeinfomer Stamm aller Rumpfnerven, biefen 
die von außen emp imgenen Einbrüde, fo wie die inneren Empfindungen zu, wäh, 
rend biefes feine willfürlichen Actionen beftimmt. Eine Unterbrechung ihrer Bers 
bindung verniöfte: en gegenfeitigen Einfluß, wie bie Faͤhigkeit, Reize zu em⸗ 
pfangen unb Thättgkeit des Berwegungsapparates zu vermitteln, Kerner ficht 
bas allen willfürlichen animaliſchen Acionen bes thierifchen Organismus vor; 
es beherricht fammtliche Organe und ſteht eben auch giecin in fo weit unter bem 

fie bes Gehirns, als deren Thätigkeit durch Verlegung bes letztern theils 
weite beeinträchtigt, oder aufgehoben werden kann. — Das R., als ein fo wich⸗ 
ie Drgan, kann fowohl manchen felbfiftändigen Krankheiten unterliegen, als 
ſich auch , ob feiner innigen Rerven » Gefäß» und Funftionsverbindung mit bem 
—— — in ihm viele Krankheitszuſtaͤnde anderer Syſteme reflektiren 
fonnen. e Krankheiten, weldye in ihm ihren Gib Haben, bezeichnet man als 

zen, Entzündungen, Anhäufungen von Blut, Wafler, Luft, organiſche 
Fehler und Schwindfucht. Ihre Erkenntniß und ber innere Zufammenhang wird 
dem Arzte ot ehr Ihwierig und nur bei genauer Kenntniß ber — 2— 
Function edeutung dieſes Organs, unter Sichtung ber Krankheitserſcheinun⸗ 
gen, dem Arzte Sie gehören immer zu ben bebeutenbfien, welchen ber 


enſch zageieh! u, 
Rüdert, Friedrich (pseudon. Freimund Raimar), geboren ben 
16. Mai 1789 zu Schweinfurt, fludirte daſelbſt, dann zu Jena Philologie und 
ſchoͤne Wifienfchaften, warb 1811 Privatbocent daſelbſt, ‚begab fih 1814 nad 
Stuttgart und uͤbernahm 1816 die Rebaktion bed Morgenblattes, reiste 1817 
nach Stalien, lebte dann als Brivatgelchrter in Koburg, warb 1826 Profeſſor 
ber orientalifchen Sprachen in Erlangen, 1840 Brofeffor und geheimer Regierungs⸗ 
rath in Berlin, wo er die Winter zubringt und @ollegien liest, während er bie 
Sommer auf einem Gute bei Koburg verliebt. R. ift ein fruchtbarer Iyrifcher u. 
dramatiſcher Dichter, bei dem bie ganze Wirklichkeit (Xeben und Natur, Geſchichte 
und Politik, Religion und Wiſſenſchaft) in ber Dichtung aufgebt, In ber 
Poefie will er die ganze Welt verfühnen und zwar durch feelenjchöne Liebes⸗ 
einfalt. Seine Weltanfhauung ift ein chriftlicher, oft myſtiſcher Pantheismus. 
Neben viel wahrhaft Elaffiichem nach Inhalt und Form findet fih bei R. gar zu 
oft reflerive Spielerei, Ieere8 Reimgeklingel, nie ermattende Rebfeligfeit und ges 
fuchtes, oft grammatifch fehlechaftes Phraſenweſen. Er verfenkt fich, feiner Welts 
anfhauung zufolge, gerne in die Natur im Großen wie im Sleinen, und in 
dieſer, freilich oft zu jubiectiven, Naturlyrik fleht an Reichthum und Tiefe ihm 
ein neuer Lyriker glei. Eine andere, vielbefungene Seite ift die Liebe, von 
der flillen Sehnſucht an bis zur Ehe, bie den Mebergang in's Bamilienleben, 
in die bürgerliche Geſellſchaft bildet. Als Dramatiker ift R. nicht glüdlich, höher 
fieht er als Ueberſetzer und Bearbeiter orientalifcher Dichtungen, obgleich er auch 
hier von mancherlei Spielereien nicht frei if. Vgl., außer Hilebrand (Literatur> 
geibihı 3, 494 f.), befondere ©. Pfizer: R. und Uhland, Stuttgart 1837, ©. 
einhold in ben Hallenfer Jahrbüchern für beutfche Wiffenfchaft und Kunft, 1838, 
Ro. 183 f. 267 f.; A. Nobnagel: Deutfche Dichter der Gegenwart, Darm: 
ſtadt 1842, 2. H. und Henfe: Deutfche Dichter der Gegenwart; Kehrein, 
Orammatil, Bemerkungen über Rs. Sprache, in den von K. und Baur heraus: 
— „Gymnafialblaͤttern“ 1. S. 100 f.; Rs. zahlreiche Werke find: Deutſche 
edichte, Stuttgart 1814; Napoleon, politiſche Komödie; daſelbſt 1816 — 18, 
2 Stücke; Kranz ber Zeit, daſelbſt 1817, 2 Bde.;: Oeſtliche Roſen, Leipzig 1821; 
Amaryllis, laͤndliche Gedichte, Frankfurt 1825. Die Verwandlung des Abu Said 
von Serug, ober bie Mafamen des Hariri, Stuttgart 1826, 2 Bde., 2. Aus⸗ 
abe 1838, 3. Ausgabe 1844; Nal und Damajanti, indiſche Geſchichte, Frank⸗ 
—* 1828, 2. Ausgabe 1838, 3. Ausgabe 1845. Der Dienſt der Athene, Hild⸗ 
burghauſen 1829; Schi⸗King, chinefiſches Liederbuch, Altona 1833; Geſammelte 


982 Rüdfal — Rücklauf. 


Gebichte, Erlangen 1834—38, 6 Bde; (1. Bb., 5. Ausgabe, 1840, 2. DB, 
3. Ausgabe 1839, A. B. 1837, 5-6. Bd. 1838.) Sieben Bücher morgen; 
Iändifcher Sagen und Geſchichten, Stuttgart 1837, 2 Bde.; Erbaulidhes und 
Befchauliches aus dem Morgenlande, Berlin 1837, 2 Bde, 2. Ausgabe 1840. 
Die Weisheit des Brahman, Leipzig 1836—39, 6 Bde. 2. Ausgabe, 1840-42 
(in 1 Bd. daſelbſt 1843); Roftem und Suhrab, Erlangen 1838, 2. Ausgabe, 
Stuttgart 18455 Erlanger Muſenalmanach, dafelbfi 18385 Brahmaniſche Er⸗ 
zählungen, Leipzig 1839; Leben’ Iefu (verſtficirtes Evangelium), Stuttgart 1839; 
Gedichte (Auswahl), Frankfurt 1841, 2, Ausgabe, bafelbfi 1842, 3. Ausgabe 
1847; Saul und David, Drama, Erlangen 1843, 2. Ausgabe, Stuttgart 1844; 
Geſammelte Gedichte, bafelbft 1843, 3 Thle.; Liebesfrühling, bafelbfi 1844; He 
rodes db. Gr., in zwei Städen, Stuttgart 1844; K. Heinrich IV., Drama, 
Frankfurt 1844, 2 Thle; Christoforo Colombo, Geſchichisdrama in 3 Theilen, 
Frankfurt 1845, 2 Bde; Das Leben der Habumod, Aebtiffin des Klofters Gans 
dersheim, aus dem Lateinifchen, Stuttgart 1845. x. 

Rückfall, ſ. Recidive. 

Me ſ. Wirbelſaͤule. 

Rück auf oder Rüdftoß nennt man jene Bewegung rüdwärts, welche Ge⸗ 
ſchütze beim Schießen erleiden. Man erklärt denfelben auf verfchiebene Art. Im 
Allgemeinen hält man ihn für bie Sotekung ber Entzündung bes Pulvers, 
welches, nach allen — hin wirkend, die Ladung vorwärts, Me Waffe 
rüdwärts treibt, fi) das © eihgewict Alt und dadurch bie Kraftäußerungen an 
ben Seiten aufhebt, Andere halten bafür, daß der R, dadurch erzeugt werbe, 
daß bie Luft in jenen leeren Raum der Seele zurüdtritt, welcher buch bie Ents 
Aindung bes Bulvers in ihr enflanden iſt; wieder Andere hielten ihn für bas 
Produft des Entzundungsſektors. Der R. der Gefchüge ſteht mit ben Labungen 
im Verhältniß und er nimmt in dem Verhältniffe zu, welches geringer, als bie 
Länge bes Geſchuͤtzes iſt. Nach den gemachten Erfahrumgen iſt der R. ber Ges 
fhüße um fo größer, je leichter und beweglicher biefelben, fe ſchwerer die Geſchoſſe, 
je ſtaͤrker die Juperadung und je weiter das Zuͤndloch von dem hintern Ende 
der letztern entfernt iſt. Bei Geſchuͤtzen, welche auf Bettungen ſtehen, kann man 
den R. dadurch vermindern, daß man dieſen Bettungen eine Neigung nach vorne 
gibt, — Bei den Schießgewehren nennt man Ruͤckſt oß jene ruͤckwirkende Kraft, 
welche fih bei dem Schuße mit denfelben gegen die Schulter und ben Baden bes 
Schießenden äußert. Diefe Erfcheinung erklärt ſich bei Steinfeuergewehren nicht 
allein aus dem DBeftreben bes entwidelten Pulvergafes, nad allen Richtungen 
mit gleicher Stärke auszuflrömen, fondern auch durch das auf ber einen Seite 
des Laufes angebrachte Zündloch, wohurdh das entbundene Pulvergas ausflrömen 
will, allein unvermögend, ganz ausftrömen zu Tönnen, mit beflo größerer Kraft 
gegen bie dem Zuͤndloche gegenüberliegende Wand drüdt. Die Heftofeit des Ne, 
oder bes Schlages, wie man diefe Wirkung auch nennt, ſteht mit ber Staͤrke 
ber Pulverladung und dere Schwere des Geſchoſſes im Verhältnifie, daher muß 
der R. um fo bedeutender feyn, je ftärfer die Ladung if, wobel auch nebenbei 
bie Länge bes Laufes in Betracht zu ziehen if. ine richtige —— —— 
Eiſenſtaͤrke im Verhaͤltniſſe des Bohrungsburchmeſſers, alſo auch im Berhältniffe 
zur Staͤrke der Ladung, kann viel zur Verminderung des Rs. beitragen. Da 
aber dieſe auf die erſt angegebene Art nicht immer erreicht werden kann, ſo fand 
man durch fortgeſetzte Beobachtungen, daß dieſer R. beſonders durch die Lage 
des Kolbens zum Mittel⸗ und Vorderſchafte bedeutend vermindert werden kann. 
Bei Percuſſtonsgewehren liegen die Urſachen des ſtarken Rs. in dem Zuͤndloche, 
welches ſich eben an jener Stelle befindet, an welcher es bei dem Steinfeuer⸗ 
—5 — angebracht war; in ber zu geraden Schäftung, d. h. ber zu geraden 

telung bes Kolbens, wozu Kinige auch das Gewicht des Schaftes rechnen 
wollen; in der zu flarfen Pulverladung; in bee Schwanzichraube, deren Con⸗ 
Rruftion bie regelmäßige Entzündung hemmt ober fördert, Daher mehr ober weni 


M 


Rüdzug— Rügen. 983 


ger R. erzeugt; durch ſchlechten Anfchlag beim Schießen ıc. ı. Einem Theile 
Diefer Gebrechen kann durch Ueberwachung ber Soldaten beim Feuern u. Scheiben 
ſchießen wohl abgeholfen werben. “Der andere Theil, welcher in ber Eonftruftion 
der Feuergewehre liegt, kann nur durch eine Verbeſſerung berfelben erzielt werben. 

Nückzug nennt man in ber Taktik das Zurüdgehen einer ber im Gefechte 
begriffenen Parteien, um in einer, durch bie gleichzeitig wirkenden Umftände bes 
fimmten, Entfernung vom Kampfplabe eine neue NAufftellung zu nehmen. Der R. 
wird nothwendig, wenn bie beflegte Partei nicht mehr im Stande if, den Raum 
feſtzuhalten, welchen fie bis jebt eingenommen hat, und biefes Berbältniß tritt 
dann ein, wenn alle Anzeigen vorhanden find, bag man durch eine längere Fort⸗ 
fehung bes Rampfes Alles verlieren Tann, ober wenn die Rs.⸗Linie oder eine 
Slanfe von bem Feinde wirfam bedroht werben, Die Art, in welcher wan 
— ſoll, muß fich aus den Verhaͤltniſſen beſtimmen laſſen. Da ein 
kön er R. immer nachtheilig auf das Moralifche ber Truppen wirft, fo fol er 
Anfangs mit aller Ordnung und ganz planmäßig vor fidh gehen, und ba bie 
Beichaffenheit des rüdwärtögelegenen Terrains von entſchiedenem Einfluße iſt, fo 
müßen bie flehengebliebenen Streitkräfte das augenblidliche Rachrüden des Fein: 
bes verhindern; bie zuruͤckgehenden Abtheilungen dagegen müßen jede günflige 
Terrainlage zu einer neuen Aufftelung bemügen und in berfelben nicht blos all 
ben jetzt zuruͤckgehenden, früher flehengebliebenen Streitfräften zur Aufnahme dienen, 
ſondern ihrerfeitö auch den Feind am weitern Borgehen hindern, 

Hüdesheimer, |. Rheinwein. 

Hüge, die gerichtliche Anzeige eines geringern, nicht zu ben Criminalfällen 
ehörigen Vergehens, zum Zwede ber Beſtrafung deſſelben. Hiefuͤr beftanden 

er in mehren beutichen Ländern, wie z. B. in Sachen, Würtemberg, Ban 
nover 2c. ıc. unter dem Ramen R.⸗Gerichte ober Ruggerichte, eigene Ges 
richte, als Weberbleibfel der alten Gemeindegerichte, welche zu geroiffen Zeiten und 
unter befonberen Foͤrmlichkeiten abgehalten wurden. Gegenwärtig beftehen foldhe 
Kügegerichte nur noch zur Abwandelung von Forſtfreveln. Auch verfteht man 
unter Rügeſachen meift nur Injurienflagen. 

Hügen, die größte unter ben zu Deutfchland gehörenden Inſeln, liegt in 
der Oſtſee, von bem Feſtlande der preußifchen ‘Brovinz Pommern nur durch die 
etwas über 4 Meile breite Meerenge Göllen getrennt. Es zählt auf 18 M. 
36,000 Einwohner, u. bildet mit einigen nebenliegenden kleinern Infeln ben Preis 
Bergen im Regierungebezirfe Stralfund. Seine Füften find ſehr zerriffen, benn 
das allenthalben in das Land eindringende Meer gefaltet eine Menge tiefer Bu⸗ 
jen, bier Bobden ober Binnenwaffer genannt, wodurch zahlreiche Halbinfeln ent: 
Reden, unter welchen Rittow u. Jasmund vorzüglich bemerft zu werden verbie- 
nen. Die Infel ift im Werften eben, erhebt fich im Innern, u. ihre norböftlichen 
Lüften fallen als hohe, fchroffe Kreidewaͤnde ab. Flüſſe Hat R. nicht, kaum 
einen beträchtlichen Bachs der Boden ift, einige Sandſtriche u. Torfmoore abge- 
rechnet, gut, u. erzeugt Getreide, Raps, Hanf, Flache u. Kartoffeln im Ueber⸗ 
fluſſe. Hot findet fich nicht hinreichend, auch die Obftkultur iſt gering, bie 
Biehzucht hingegen fehr ergibig no mehr aber der Fifchfang, befonbers bie 

ringsfiſcherei. — R. wird von den Rordbeutfchen haufig beſucht wegen ſeiner 
—— die übrigens, bie Felspartieen an der See abgerechnet, mehr 
idylliſcher als erhabener Art find. Die Reize der Mark Brandenburg übertreffen 
fie freilich bei Weitem, u. dem Umftande, baß ber benachbarte Theil Norddeutich- 
land's überhaupt nicht fehr reich ift an malerifchen Landfchaften, dürfte die Ins 
fel wohl KHauptiächlich Ihren großen Ruf zu verdanken haben. Wer feinen Maß⸗ 
Rab für das Schöne u. Romantifche vom Rhein, der Donau, oder gar aus ben 
füddeutfchen Alpenländern mitbringt, dem wird R., den Anblid bes Meeres aus- 
genommen, wenig Meberraichendes bieten koͤnnen. Wir wollen nunmehr bie in- 
tereffanteren Punkte anführen u. furz befchreiben. Auf der Halbinfel Wittow ift 
befonders das Borgebirge Arkona merfwürbig, ein ſteiler Kreibefelfen, ber fi) 


——— 


— * 
[9 


984 Rügen — Rüfle. 


200 Fuß über die Meeresfläche erhebt. Hier fand ehemals bie wenbdiſche Bu 
Arkon u. ber ttempel Swantevits, welcher 1168 von ben Dänen 
wurde. In früheren Zeiten ſtrandeten bei Arkona viele Schiffe, deren Labın 
dann von ben Einwohnern als gute Beute betrachtet wurbe. och vor wen 
Jahren hieß es im Kirchengebete auf Wittow: „Gott fegne ben Strand!" D 
prelißifche Regierung Hat biefen Unfug abgefhafftt u. erbaute Hier aud ein: 
fhönen Leuchtthurm, von welchem man eine weite Ausficht über Infel u. Ma 
hat. In dem nördlichen Theile von Wittow legt ber Flecken Altenkirchen 
wo ber Dichter Kofegarten als Prediger lebte u. flarb. ‘Die befuchtefte Bari 
R.s iſt die Stubbenfammer auf ber Halbinfel Jasmund. Der Weg b 
führt über bie Tobtenfelder bei Quoltitz. Ganz R. iſt zwar mit ſolchen Heide 
u. Heldengräbern faſt wie überfäet, doch findet man ke in andern de 
Inſel meift nur einzeln, waͤhrend hier Tauſende unter ungeheuren Yelsblöden be 
einander de Die Stubbenfammer if ein zufammenhängendes Kreibegebir 
haufig in Icharfen Spiten gegen das Meer vorfpringnd, ‘Den er 
Punkt dieſer Partie u. zugleich ber ganzen Infel bildet ber Koͤnigsſtuhl, eis 
540° hohe, fteile Kreidewand. Sie ift burch Stufen zugängig u. oben mit eine 
Barriere gefriebiget. Im Rüden ber großen Stubbenfammer breitet ſich zwe 
Meilen lang ein herrlicher Buchenwald aus, die Stubbenih genannt, welcher ü 
feinem Schatten bie Herthaburg u. ben Herthaſee umfchließt. Jene ift ein Kal 
tingförmiger, etwa 100 Zuß Hoher, außen u. innen dicht mit Buchen beftanbene 
Erdwall, unftreitig eine alte Tempelwehr. An die offene Seite fkößt der Er 
mit feinem beivegungslofen, ſchwarzen u, ungemein tiefen Gewäfler. Putbus u 
der Rugarb bei Bergen find ebenfalls das Ziel vieler Reifnden. Putbus 
ein königl. Paͤdagogium, welches als eine vorzuguche Bildungs⸗Anſtalt 33 
wird und wohl eingerichtete Seebaͤder. er Fuͤrſt bus t hie 
ein Schloß mit Herrlihem Parke, einem ber fchönften in Deutſchland. in 
obwohl der Hauptort Rs., iſt nur ein kleines Landflädichen mit 3000 En 
an Eine Allee IR von dort auf den Rugard Binan, wo, ber Sag— 
nach, einft das Nefidenzfchloß der Fürften von R. ſtand. Die Höhe gewährt ein 
umfaſſende Heberficht der ganzen Inſel. — Die älteftien Bewohner NE. ware 
Sermanen, wie man aus bem freilich ſehr unfichern Herthabienfte daſelbſt ſchließe 
wid. Ihnen folgten Slaven, unter der Herrichaft eigener Fürften, welche Kauf; 
mit Lübel, ja fogar gegen die Dänen im Kriege lagen. König Waldemar vo 
Daͤnemark eroberte 1168 die Infel und zwang bie heibnifhen Einwohner mm 
Annahme bes Chriſtenthums. Die Fürften Rs. waren fortan den Dänen tribu 
tär, bis bie Inſel 1325 an Pommern fiel. Als die Herzoge dieſes Landes auf 
ftarben, kam R. durch den weftphälifchen Frieden 1648 an Schweben. 171: 
wurbe e8 von ben Preußen u. Dänen befebt, 1720 aber den Schweden wieder ein 
geräumt, als ein Beſtandtheil von SchwebifchsBommern, 1815 endlich an Preußen 
abgetreten. — Knoblauch: bie Infel Rügen, Stettin 18365 v. Kobbe m 
Eornelius: Die Oft» und Norbfee (X. Sektion bes malerifhen und romas 
tifhen Deutſchlands). mD. 
Rügen, Witzl aw V., Kürft von, erhielt 1302 bei ber Theilung mit feinen 
Bruder Zambor die Infel und, als dieſer 1304 ftarb, auch das dazu gehörige 
Seflland und nahm das ganze wieber als bänifches Lchen, was e6 Teit ber E⸗ 
oberung des Keibnifchen Arkona 1168 war. Er bewohnte bie nur noch als El. 
wall vorhandene Burg Rugard. Noch 21 Jahre Kerrichte er allein, in fee 
Fehde mit einzelnen Adelögefchlechtern und ben durch bie Hanfa mächtigen Gtäbten 
vornehmlich mit dem von feinem Ahnherrn Jaromir 1203 erbauten Stralfunt 
Er ftarb 8. Rov. 1325 und wurbe im Klofter Reuencamp begraben. Seine & 
dichte feiern die Minne, preifen Gott und geben manmigfaltige Lehren; fie finl 
gefammelt in H. v. d. Hagen’s Minmefängern. x 
Rüple von Lilienftern, Johann, Jakob, Otto, Auguft, Föniglid 
preußifcher Seneraliteutenant , Chef des großen Generalſtabs und Direktor de 


beutende literarifche 
At mochte 0, 0 14 R 
um af 
General York fragte: : „haben fie jenes ben 
mög ohenlohes al Dart ka Ba; — an mb 
fo über. ihre a chen?! „Damals waren es alte 
würde ich anders fepreiben.“ om. 1817 nahen Dt. al Gecamblrntenant 
Abjcieb- aus preußifchen Dienſten und trat als Major 
ein. Damals wurbe er, © 


man 16 einen, weite Gehe: 1 Jar Set on Gef —— 

b feines Lebens Ein⸗ 

3 
jere 


Sa Sat 1508 va a Bemar u. 
te verließ ex mi Beling — 


mo er aldbald unter bem Titel allas politiſch⸗ er⸗ 
ee 

punft in Deuiſchland. am Müller, ber von 
Kleift, Int Al Br, der Fr ii —* General, ð. von u 
bort ſcheint weft an sun näßer ang en zu 

und fuel — alsbald —* at Se Mit Sp ex ohne Zweifel 

ſchon früßerin — Berbindung und der Briefwechſel zwiſchen beiden Männern 

aus ben Jahren 1808—11 dür n ‚ne Di —ã— — eines —8 

—— Verlehrs —2 er Prinz d mit dem 

—— F ae —— fangen u 

er. Die au erfahrt gelammelten en Hat 

iin 1 ben E Hemes im Jahre 1809“ 


I Reife ein⸗ 
niedergelegt. Das Werl if bem — chten in vieler Hinſicht Ahnlich und wird 
den wertheſten gerechnet, welche über ben hoͤchſt —— en den e 
—5 rg . Beh beiden genannten Eich mi Hi ** — 
waren, hatte R. bereits in mentlich ir 
bem an sollen oder Blide aus Fan di der ya in die 


bes 8 en w ee fh ditehin di in anderes : ehe ber 
während der delle legten Jah, 
—— — Sie ber — *. pl sn betreten. @leichzeitig mit 
lerterer Schrii ft erfihien : „Carnot von ber Bertheidigung fefter Pläpe, aus dem 
en Aberſeht, mit einem Anhange vermehrt.“ 1811 wurde R. von feinem 
zum Bringen Bernhard von Weimar entbunben und erhielt als 
Ober m die. — November dieſes Jahres reiste er auf eine Einla⸗ 
bung von Gens nad Wien, wo er Gelegenheit — Bir Belanntſchaft der Ger 
nerale Gemterheim und Radehly zu made, Iepete 1 indeß ſchon nad Delauf 
einiger Wo — en Dieter u Exiyen — 1813 trat er als Major wieder in 
bie preußifche bir auf war = a dm Sl eher von 
Fr A de Schlachi arf er den Plan zu dem Ueber⸗ 
von — und der —XX Erfolg — iß mei ein —*— 
on berüßmt gewordenen Webergange 
@. Dit. 1813) gebuͤhrt ihm ohne Zweifel ve — re der —X 1814 pr 


986 Aüppel, 
langte bee Miniſter v. Stein einen abtigen Offizier zur Organifirung bee deut⸗ 
ſchen Volksbewaffnung und erhielt in Folge deſſen R. zugewieſen, ber zum Ge⸗ 
neralcommiſſaͤr ernannt wurde. Man kann nicht laͤugnen, daß durch die Art 
und Weiſe, wie R. während der beiden letzten Kriegsſahre verwendet wurde, ihm 
die Gelegenheit entzogen ward, ſein reiches Talent in der ihm entſprechenden 
Sphaͤre Aue Anwendung zu bringen. Der Pla, zu welchem er berufen war — 
eine Stelle im großen Generalftabe — wurbe ihm, nachdem er biefelbe 1813 furze 
Zeit inne gehabt, erft einige Zeit nach gefchlofienem Frieden zu Theile (1816). 
Darauf arbeitete er im "zweiten Departement des Kriegeminifteriums und wurbe 
Mitglied der Militär» Stubiendireftion. In Sricbensgeiten war dies allerdings 
ber feinen Talenten am meiſten angemefiene Wirfungsfreis, und er hat von 
ab Bis zu feinem Ende nicht aufgehört, innerhalb besfelben thätig zu feyn. Leb⸗ 
hafteſten Antheil nahm er vor Allem an ber neuen Formation des Generalftabes 
und ber Militärbildungsanftalten; auch wurde das Militärwochenblatt in Berlin 
alsbald unter feine fpezielle Leitung geftellt und durch ihn zu einem ber Haupt⸗ 
organe für den wifienfchaftlichen Geift ber Armee und zu einem Mittelpunft friegs- 
g natider Forſchung erhoben. Nachdem R. 1820 zum Generalmajor ernannt 
worden war, wurbe ex bereits im Jahre darauf Chef bes großen Generalftabes 
und Direktor des zweiten Departements bes Kriegsminifteriums, 1824 aber Prä- 
ſes ber Militär-Stubiencommiffion und 2 Jahre darauf (1826) Direktor der⸗ 
ſelben. Der immer wachfende Umfang feines Wirkungsfreifes erhielt 1827 durch 
feine Ernennung zum Präfes ber Stubiencommiffion der allgemeinen Kriegsſchule 
eine nene Erweiterung. Die raftlos vorwärts ftrebende Thätigfeit R.s verbreitete 
fich damals über ein weites Feld, viel weiter noch, als es bie dienftlichen Beſtim⸗ 
mungen abgeängten. Wohin die b bes geſchickten Adminiftrators nicht mehr 
reichte, wirkte noch mächtig das Wort des eminenten Schriftftellers und ſchloß 

em Pinfuffe reife uf, deren Peripherie fonft der Blick eines Soldaten nur 
felten zu überfliegen pflegt. 1817 erſchien in Berlin bas Hanobuo fuͤr den 
Offizier zur Belehrung im Frieden und zum Gebrauche im Felbe,“ ein in ſeiner 
Art einzig daſtehendes, vielfach nachgeahmtes, nirgends erreichtes Werk. Drei 
Sabre nach Beröffentliung biefes, ben Krieg in allen feinen Elementen betrachten: 
ben, Buches ließ er einen Band: „Stubien zur Drientirung über die Angelegen- 
heiten der Preſſe“ veröffentlichen, Hamburg 1820, welcher daß erfte einer ganzen 
Reihe von Werken ift, bie ſich abwechfelnd auf hiſtoriſchem und politifchem Boden 
bewegen und von zahlreichen und Höchft ansgedehnten und wertvollen geogras 
phiichen Arbeiten begleitet werben. 1824 erſchien das erfte Heft eines großartig 
angelegten, indeß unvollendet geblieben Werkes: „Univerfal-Hiftorifcher Atlas, oder 
anichauliche Darftelung ber gefammten Weltgefchichte nach wiſſenſchaftlicher Ent- 
widelung,” nachdem bereits 1809 bie „Orohydrographiſche Karte von Sachen“ 
N. einen Kamen unter den bamaligen Geographen erworben Hatte Ein Jahr 
darauf kam ber „Allgemeine Schulatlas“ Heraus, Der, namentlich Durch eine neue 
Manier der Terraindarftelung, die Aufmerkſamkeit auf fi zog. Im ben nach⸗ 
[eipenben Jahren fcheint ſich R. viel mit alter Gefchichte, namentlich mit griechis 
chiſcher, befhäftigt zu Haben. Die Frucht dieſer Studien war zunächſt ber 
„Synchronismus ber griechifchen Kolonifation,“ welches Buch 1830 erfchien, und 
ein anderes: „Zur —— ber Pelasger und Etrurier,“ welches im nachfol⸗ 
genden Jahre bie Preſſe verließ. Das „Hiſtoriogramm bes preußiſchen Staates,“ 
eine mit‘ ganz befonberem Fleiße ausgeführte Arbeit, war bie legte von Bebeutung, 
bie er unlernahm, und legt Zeugniß bafür ab, daß er auch ber neuern Geſchichte 
nicht fremd geblieben if, wiewohl feine Hauptfächlichften hiſtoriſchen Stubien dem 
Alterthum angehörten. Er ſtarb am 1. Juli 1847 zu Salzburg an einem 
en ande, als er eben auf ber Rüdreife von Gaſtein nad Berlin ber 
g war, 

pel, Eduard, ein verbienter Raturforfcher und Reifender, geboren 1794 

zu Frankfurt am Main, hielt fih als Kaufmann in England, dann in Italien 


Rüffel— Auffo. 987 


auf und wandte ſich 1818, von einer Reife nach Aegypten zurüdgefehrt, ganz ber 
Wiſſenſchaft zu, indem er unter dem Baron von Zach zu Genua Aftronomie, in 
Pavia Raturwifienfhaft ſtudirte. Das nordoͤſtliche Afrika bereiste er dann 1822 
bis 1827 und 1831 bis 1834. Seine gelemmelten Alterthuͤmer ſchenkte er ber 
Frankfurter Stadtbibliothek. Bon ihm: Neife in Nubien, Korbofan und dem pe- 
träifchen Arabien” (Frankfurt 1829) ; „Reife in Abyfiinien“ (2 Bde. 1838—40) ; 
„Atlas zur Reife im nördlichen Afrika“ (1826—38) ır. 

Hüffel Heißt das verlängerte, fpig zulaufende Maul verſchiedener Thiere, 
womit fie ihre Nahrung an ſich reißen ; fo beim Elephanten die verlängerte, durch⸗ 
aus mustulöfe und nervige Rafe, welche er als Hand braucht u. bie über dem 
Maul hervorragt. Much das Schwein bebient fich feines Rüffels zum Aufwählen 
ber Erbe, um fi Rahrung zu verfchaffen. ' 

Rüſter, f. Ulme. 

(Don Fabricio), ſ. Caſtelcicala. 

Auto, 1) Fabricio, Cardinaldiakon der römifchen Kirche, geboren zu 
Neapel aus einer. römifchen Kürftenfamilie 1744, war ein jüngerer Sohn bes 
Herzogs von Baronello u. deßhalb zum geiftlichen Stande beflimmt. Pius VI., 
defien Bertrauen er ſich zu gewinnen wußte, machte ihn zum Oberfchagmeifter, 
ernannte ihn am 26. September 1791 in petto zum Garbinal u. proclamirte ihn, 
mit dem Titel von $. Maria in via lata, 21. Februar 1794. R. war ein Mann 
von heftigem Charakter, aber wegen feiner Energie ale Staatsmann geſchäͤtzt. — 
In neapolitanifche Dienfte getreten, wiberrieth er, was dem Minifter Acton (f. b.) 
mißfiel, den Krieg gegen Frankreich, deßwegen fanbte ihn Acton, um ihn ben 
Augen des Hofes zu entrüden, nach @alabrien, um bort einen Bolfsaufftand 
einzuleiten. Im März 1799 bei Bagnara gelandet, pflanzte R. das Banner des 
Kreuzes auf u. führte die von allen Seiten herbeiftrömenden @alabreien nad 
Neapel, wobei ihn bie Ankunft eines ruflifchen Eorps u. die ſchlechten Maßregeln 
ber Republitaner unterflügten. Zugleich rieth er dem Hofe, mit Milde den Sieg 
bes Augenblides zu bemügen u. verhütete unter den Calabreſen Graufamfeiten, 
foviel er vermochte. Allein aus Eiferfucht auf feinen Ruhm verbot ihm Acton, 
Neapel früher zu befeen, als unter Mitwirken des Admirals Nelfon u. der 2i- 
niemeeglmenter, weldye der Bruder des Minifters anführtee Doch um fo fhneller 
eilte R. nach der Hauptftabt, die ihre Thore öffnete. Es gelang ihm, den Ruffen 
—— den in den Forts eingeſchloſſenen Republikanern einen capitulations⸗ 

ßigen Abzug zuzuſichern; doch Nelſon brach das gegebene Ehrenwort. R. ſelbſt 
war in —2 auf Acton's Beſchuldigung, daß er die Jakobiner beguͤnſtige, 
verhaftet zu werden, als ihn das Conclave nach Venedig berief, wo er Pius VII. 
wählen half, dem er nach Rom folgte u. daſelbſt 1801 eine Verwaltungsſtelle 
erhielt. Bald kehrte er nach Neapel in den Staatsrath zurüd, vermochte aber 
1805 ebenfalls niit, den Krieg gegen Frankreich zu verhindern u. lebte bis 
1809 zurüdgezogen in Rom. Nach ber Serfteeuung bes Gardinalcollegiums ging 
er nad Paris, näherte fi Napoleon und war bei beffen zweiter Vermählung. 
Nach des Papftes NReftauration ging er wieder nach Nom, galt aber bei feinen 
Eollegen für einen Bonapartiften. Cpäter ging er nach Neapel, wo er 1821 
von Ferdinand I. in den Staatsrath berufen wurde. Zur Wahl Leo's XI. reiste er 
1823 wieder nah Rom, Er ftarb 1827 in Neapel. — 2 R.Scilla (Ludo— 
vico), ein naher Verwandter des Vorigen, geboren 1750 zu ©. Onofrio in 
Galabrien, Carbinalpriefter vom Titel des heiligen Martin in montibus (ai monti), 
erwählt von Pius VII den 23. Februar 1801 u. Erzbifchof zu Neapel feit dem 
9. Auguft 1802, wurde vom Könige Joſeph aus feinen Staaten verwiefen, weil 
er ihm nur bedingt den Eid der Treue leiften wollte, 1815 aber von König 
Ferdinand zurüdberufen. Allein bald zerfiel er auch mit biefem Hofe, weil er 
die bifhöfliche Gewalt zu weit ausbehnte Er erklärte ſich 1820 für bie Cortes, 
bis biefe ben Afatholifchen freien Gottesdienft bewilligten. Der König ftellte ihn 
nad) ber Reftauration eine Zeit lange an bie Spige des öffentlichen Unterrichts u. 


n_ 


der Univerfität, weldhes Amt er jeboch bald aufgab. Er farb zu Renpel ben 
16. Rovember 1832. 

Rufinns, 1) R. von Elufa (jet Eauez), ber ehemaligen Hauptſtadt von 
Armagnac in Gascogne, von niederer Herkunft, wußte fih am Hofe des Kaiſers 
Theodofius (. d.) fo beliebt zu machen, daß ber Kaifer ihn zu den Höchften 
Aemtern erhob, ihn zum Großmeifter feines Palaftes u. felbft zum Bormunde 
feines Sohnes Arcadius ernannte. Nach dem Tobe bes Theoboflus firebte R., 
aus Eiferfucht über Stilico's Einfluß, den Thron an fih zu reißen, fliftete bie 
Gothen u. andere Barbaren zu Einfällen in das Reich an, um bie dadurch ent- 
ftandene a toirrumg zu benügen, wurde aber von dem gotbifchen Felbherrn 
Gaynas 395 ermordet. — YR., Tyrannius, Aelteſter von Aquileia, geboren 
8 Concordia in Italien, widmete ſich ben ſchoͤnen Wiſſenſchaften, vorzüglich der 

eredtſamkeit, u. begab ſich nachher in ein Kloſter zu Aquileja, wo er ein Freund⸗ 
ſchaftsbuͤndniß mit dem heiligen Hieronymus ſchloß u. hierauf eine Reiſe in den 
Orient machte. Bon den Arianern (ſ. d.) verfolgt u, eingekerkert, begab er 
fih nach Palaͤſtina, wo er ein Kloſter auf dan Oelberge gründete u. mehre 
Arianer zur Wiederkehr in den Schoos ber Fatholifchen Kirche bewog. Er flarb 
410, befannt als Ueberſetzer verſchiedener griechifcher Schriften in's Lateinifche, 
befonders der Werke des Origenes, fowie durch bie Heberfehung u. Fortſeßzung 
ber Kirchengefchichte des Eufebius: Historia eccl. lib. IX. Eusebii, et contin. 
ib. IL, Batel 1544. Opuscula quaedam cum ind. ampl., Paris 1580 u. a. 

Auge, Arnold, ift ein a bes Eritifchen Rorbbeutfchland’8 u. geboren 
ben 15. September 1802 auf der Inſel Rügen, wo feine Eltern Landwirtäichaft 
trieben. Dem Symnaflum zu Stralfunb verbanft er feine Schulbildung, während 
er auf ben Univerfitäten Halle u. Sena fein Berufsflubium — altclafl fe Phi⸗ 
Iologie — betrieb. R. war während feines Aufenthaltes auf beiden Univerfitäten 
eines ber eifrigften Mitglieder der Burfchenfchaft u. ſchwang ſich bald zu einem 
der Häupter u, Stimmführer jenes Singlingebundes empor. Er nahm an bem 
Burfchentage zu Würzburg Theil, u, obgleich er auf demfelben den Borfchlag 
gemacht hatte, ben Bund aufzulöfen, wurde er doch bald darauf in Heidelberg 
verhaftet, erſt nah Mainz, dann nad Köpenif bei Berlin abgeführt u. nad) 
einjähriger, qualvoller Unterfuchungshaft zu 15jährigem Befungegefän niß verur⸗ 
theilt. Indeſſen beugte ihn dieſes harte Geſchick nicht u. in der Einſamkeit fei- 
nes Befängnifies auf bem Lauenburger Thore ber alten Pommer'ſchen Feſtung 
Golberg war er bemüht, manches Berfäumniß feiner afabemifchen Studien nach⸗ 
zubolen. Mit eiferner Eonfequenz las er alltäglich, zu feftgefehten Stunden, die 
Dichter u. Denker bes claffifchen Altertfums u. überfeßte ben Theokrit, Aeſchylus 
u. Sophokles metriſch, von welcher Heberfegung aber nur ber „Sophokleiſche 
Dedipus auf Kolonos“ im Drude erfhienen iſt (Jena 1830 bei A. Schmid). — 
Eine andere Frucht feiner poetifchen, durch bie Lektüre griechifcher Tragiker an- 

eregten, Stimmung war das Trauerfpiel „Schi und bie Seinen“ (Stralfund 

), das er gleichfalls auf der Feſtung vollendete. — 1830 erfolgte R.s Bes 

nadigung, ein Jahr fpäter die völlige Purifikation, 1831 erwarb er fi in 

ena ben Grad eine Dr. philos. u. ging dann nach Halle, wo ihm H. A, Nies 
meyer eine Stelle als Lehrer an dem Paͤdagogium verfchaffte, u. er auch literarifch 
fehr thätig war, für bie bei Brodhaus in Leipzig erfcheinenden „Blätter für li⸗ 
terarifche Unterhaltung“ fchrieb u. 1832 feine „Platonifche Aeſthetik“ herausgab. 
Bald darauf Habilitirte er fi an ber Univerfität u. las über Aeſthetit. Durch 
eine glüdliche Heirath in eine äußerlich völlig unabhängige Lage verfegt, trat R. 
mit Piner Frau eine 2jährige Reife nach Italien an, von der er in Herbft 1832 
nah Halle zurüdfehrte und Hier bald den Mittelpunkt eines gefellig u. geiftig 
regſamen Kreifes bildete, während er an ber Univerfität feine Borlefungen über 
Logif u. Aeſthetik fortfebte, Halle begann R. ſich mit der Philoſophie He⸗ 
gel's zu befchäftigen u. wurde balb ein Hegelianer ber ſtrikt eften Obfervanz, 
welder an Regationsgeift ben Meiſter noch übertreffen folte. Um den allmaͤlig 


Nugendas, 989 


ftare gervorbenen Hegelianismus in Fluß zu bringen u. zugleich ein Oegengewiht 
egen andere damals beftehende Literaturzeitungen zu bilden, gründete R. mit 
einem Freunde Echtermeyer die „Halle'ſchen Jahrbücher“, welche eine fo große 
Bebeutung auf bem Felde literarifcher Kritit erlangten. Die Richtung Diefer 
Blätter ſchien dem Staate gefährlich zu werden u. 1840 wurde R. durch Gabis 
netöbefehl aufgefordert, den Drud ber Zeitichrift aus Sachſen nad Preußen zu 
verlegen. R. verließ Preußen u. fiebelte nach Sachſen über, wo er ben Titel 
feines Journals in „beutiche Jahrbücher” umänderte, es im alten Geiſte fort» 
redigirte und zu einem wahren Tummelplape für die Anhänger Bruno Bauer’s 
u. Feuerbach's, die ein neues Heidenthum verfünbigten, machte. Die fächfiiche 
Regierung ſah fich genöthigt, im Januar 1843 das fo verberblich wirkende Jour- 
nal zu unterbrüden u. R. wanderte nun nad Paris, nachdem er vorher noch 
in 2 Bänden (Aneocdota) bie aufgefpeicherten Borräthe ber von ber Cenſur ganz 
ober theilweiſe geſtrichenen Artifel ber Jahrbücher veröffentlicht Hatte. In Paris 
verband er ſich mit Marx zur Herausgabe ber beutfchsfeanzöftfchen Sahrbücher, in» 
befien ſcheiterte dieſes Literarifche Unternehmen ſchon nach ben 2 erften Heften, well ber 
Inhalt diefer Zeitfchrift das deutſche Nationalgefühl beleidigte u. wegen feiner 
communiftifchen Tendenz nirgends Anklang fand. Auch fchadete es R. ſehr, daß 
er in Paris mit feinem frivolen Landemanne Heine Kamerabfchaft machte, an- 
derer fauberer Umgangsgenofien, wie Bernays u. ſ. w., nicht zu gebenfen. Pri⸗ 
vatverhältniffe nöthigten N., Paris zu verlafien u. nach Zürich überzufiedeln. Als 
hier Unternehmen einer preßfreien, biftorifchen Encyelopädie im großen Style 
fehlichlug, wandte er feine Muße zur Sammlung u. Richtung jeiner ſchriftſtelleri⸗ 
ſchen Arbeiten an u. nachdem man ſeit 2 Jahren wenig von ihm in Deutſchland 
vernommen hatte, erſchienen 1846 feine „Zwei Jahre in Paris (Leipzig bei Ju: 
any), ein Buch worin fih ein Aufgeben aller chriftlichen Geſinnung, ja ges 
radezu Feindſchaft gegen das Chriſtenthum u. die beftehenden forialen Berhältnifie 
ausſpricht, das aber ein merfwürbiger Beitrag zur Entwidelungsgefchichte 
ber Bebruarrevolution d. 3. 1848 if. Im Herbfte 1846 fehrte R. nach Deutfchs 
land zurüd; Preußen verbot ihm den Aufenthalt, den ihm Sachſen gewährte, wo 
er ſich an einer neuen Leipziger Revue betheiligte, welche Zeitfchrift auf höhern Wink 
zu erfcheinen aufgehört hat. R. etablirte nun in Leipzig eine Buchhandlung (Ver⸗ 
lagecomptoir), worin feine u. der mit Deutſchland's politifchen u, ſoeialen Zu⸗ 
Ränden Unzufriedenen Schriften erfchienen; in neuefter Zeit begründete er mit 
Oppenheim das Journal „die Reform”. Gegenwärtig ift R. Mitglied der deut: 
ſchen Rationalverfammlung u. einer ber: eig bebeutendften, aber auch fanatifch- 
ſten Führer ber Außerften Linfen, deſſen Panier die „demofratifche Republik“ ift, 
für den es feine Vergangenheit, Feine einftige Größe Deutichland’8 gibt u. der 
von einer ruhigen u. gefeplichen Entwidelung der Freiheit Nichts wiſſen will, — 
de Schwegler’s Jahrbücher ber Gegenwart. Jahrgang 1847, Mal 
t.) 


Augendas, 1) Georg Philipp, einer der berühmteften Schlachtenmaler ber 
Deutichen, wurde zu Augsburg am 27. November 1666 geboren, Er war ber 
Sohn eines Uhrmachers u. zeigte ſchon in frühern Jahren eine befondere Neigung 
und Anlage zur Zeichenfunft. Sein Bater übergab ihn dem Hiftorienmaler Je- 
ſaias Fiſcher zu weiterem Unterrichte, um das fo heil leuchtende Talent vollkom⸗ 
men auszubilden. R. wendete fein Stubium vorzüglich Friegerifchen Darftellungen 
zu, weshalb er nad ben Meiftern Bourgoignon, Lembke, Tempefta n. A, mit 
unermübdetem Fleiße arbeitete. Nach fechsjähriger Anftrengung war feine rechte 

durch eine Fiſtelkrankheit völlig unbrauchbar geworben; er Hatte fich aber 
nebenher mit der linfen eine ſolche Sertigfeit erworben, daß ihn bieß in feinen 
Arbeiten durchaus nicht hinderte — Er unternahm nun eine Reife nach Wien, 
u. bier war es, wo bie bloße Heilfraft der Natur durch bie Abftoffung eines 
Knochens feine rechte Hand wieder vollig brauchbar machte. Nach längerem 
Aufenthalte zu Wien, wo er bei Hofmann arbeitete, begab fih R. nach Benedig 


990 Nugier — Nugievit. 


und Rom u. kehrte 1695 endlich in ſeine Heimath zuruͤck. Waͤhrend ſeiner fuͤnf⸗ 
jaͤhrigen Wanderung gewann er in feiner Kunſt vorzüglich durch den Hiſtorien⸗ 
maler Molinaro in Benedig, der ihm Lehrer und Fr ward. R. malte, zeichs 
nete und radirte fehr viel Seine Zeichnung iſt richtig, feine Kompofition — 
und geiſtreich, u. ſeine Faͤrbung zuweilen ausgezeichnet. Es herrſcht in ſeinen 
Zuſammenſetzungen eine gute Ordnung, ein Dunſt, der die Lagen wohl ausein⸗ 
ander ſetzt. In ben Stellungen ber Pferde war er unerſchoͤpflich. Im Jahre 
1703 wurde Augsburg belagert, Was R. zuvor nur in feiner Idee gefehen 
hatte, konnte er bei Diefer Gelegenheit nach der Ratur zeichnen, und er lieferte 
auf den Grund diefer Anſchauung Hin 6 Blätter, die er —* radirte. 1710 ward 
er Direktor der Zeichenafabemie in Augsburg Nebft feinen vielen Gemälden, 
die man größtentheild an fürftlichen Höfen nnd bei reichen Privaten in Deutſch⸗ 
land findet, fieht man auch eine Menge von gm ſelbſt radirte und in Schwarz: 
funft gearbeitete Blätter, welche Reitſchulen, Jagdftüde, Angriffe, Belagerungen 
u. dgl. darftellen. R. ſchloß fein fünftlerifches Wirken am 10. Mai 1742. Der 
der Welten forderte ihn zu fich in einem Alter von 76 Jahren. — Seine 

öhne Georg Philipp, Ehriftian und Jeremias Gottlieb find eben» 
falls ale Supferficcher, befonders in Aquatinta oder getufchter Manier, befannt. 
2) Johann Xorenz R., der Urenkel Georg Philipp's des Aeltern, geboren 1775, 
eftorben als Profeſſor der Kunftfchule u. Direktor ber Zeihnumgefchule in Augs⸗ 
ro am 19. Dezember 1826 , iſt durch feine in Tufchmanier ausgeführten Bas 
taillenſtuͤcke befannt, meiſt Scenen ber neueren Kriegsgefchichte barftellend. Seine 
Arheiten zeichnen Mech durch hiftorifche Treue u. lebhafte Phantafle aus. — 3) For 
hann Moritz R., der Sohn des Borigen, geboren 1802 zu Augsburg, zeigte 
von Jugend auf bie entſchiedenſte Neigung und Anlage für Zeichnung nach ber 
Ratur, insbefondere von Tieren, namentlich ‘Pferden. Unter Quaglio's und des 
Thiermalers Albrecht Adam Leitung bildete er fich entfchieben für bie Genrema- 
lerei aus. 1821 begleitete er Langsdorf als Zeichner und Maler auf befien Reis 
je in das Innere von Brafllien, wo er, nachdem er ſich von Langsborf getrennt, 
is 1825 blieb. Wie er feine Zeit in kuͤnſtleriſcher Hinficht benüst, bewies er 
nach der Rückkehr durch feine „Malerifchen Reifen in Braſilien“. Er ließ biefes 
Wer in Paris erfcheinen und begab fih 1826 ſelbſt dahin, um durch feine per⸗ 
Kanne Sega u. Beauffichtigung die Herausgabe zu fördern, Während ber 
abre 1827 —29 Hielt er fich theils in Rom, theild in Neapel auf, durchzog Ka⸗ 
labrien u, Sicilien u, fuchte Hierauf bei mehreren Regierungen Unterflügung für 
eine größere Reife. Als ihm dieſes nicht gelang, unternahm er 1831 auf eigene 
Kauft eine zweite Reife nad Südamerifa. 1830 — 40 hielt er ſich befonders in 
San Jago de Chili auf u, flreifte von da in die @orbilleren, die Pampas u. in 
das Gebiet der Araufaner u, anderer wilder Bölfer. In den Pampas flürzte er 
mit feinem fcheu gewordenen Pferde, erholte fih jedoch bald wieder zu neuen 
Wanderungen. Bor Kurzem ift er nach Europa zurüdgefehrt, mit reicher kuͤnſt⸗ 
lerifcher Ausbeute, deren Ordnung und Herausgabe ihn gegenwärtig befchäftigt. 

Nugier, ein germanifcher Stamm, der am Ausfluffe der Oder und auf ber 
Inſel Rügen (daher vielleicht der Name), fpäter an der Donau feßhaft war und 
mit den Herulern unter Oboafer 476 in Italien einbrach. 

Angievit oder Rugewit, hieß ber Kriegögott der alten Rugier (f. b.) 
wahrfcheinlich mit dem Starewit eine Perfon, welcher lebtere auch der Kriegsgott 
der Augier (in der Stadt Karenz auf Rügen) war. Er ſtand Häufig mitten in 
den Städten als Folofjales Stein= oder Holzbild, hatte fieben Angefichter in einem 
Kopfe und auf einem Halfe vereint, trug an einem Wehrgehänge fieben Schwer- 
ter und ein achtes entblößt in feiner Hand. Es fcheint, als wäre ihm bie 
Schwalbe Heilig geiwefen, denn, obwohl man ihn fonft mit einem Gehege von ro⸗ 
then Tuͤchern umgab u. Niemand zu ihm ließ, fo war doch dieſen Kleinen Thieren 
erlaubt, fih in den Falten feines Bewandes und in den Bertiefungen feines Ges 
ſtichtes, den Augen, dem Munde, ihre Nefter zu bauen. Zu Rhetra fand man 


— 


Ruhl — Ruhnken. 991 


ein Bild biefes Gottes mit 6 Köpfen, A männlichen und 2 weiblichen, beinahe 

anz nadt, mit einem fogenannten Löwenfopfe auf ber Bruſt. Man glaubt, dieſes 
Pi eine boppelte Gottheit, ber R. und der Karewit zugleich. Beide jedoch find 
ein u, berfelbe Kriegsgott. 

Ruhl, 1) Johann Ehriftian, Bildhauer, geboren 1764 zu Kaflel; unter 
Nahl, dann in Paris unter Pafou und in Italien gebildet, geftorben 1842 als 
Lehrer an der Akademie zu Kaffe. Außer mehren Büften, Statuen, dem Heſſen⸗ 
denfmal bei Frankfurt, Ausfchmüdungen von Bauten in und bei Kaffel, lieferte 
er mehre geiftreiche Radirungen (zu Offten, Lenore, Luther's Leben ıc). — D R., 
Sigmund Ludwig, Sohn des Vorigen, geboren 1794, befuchte Rom u. malte 
in Kaſſel, wo er jegt Galerie⸗ und Bibliothekdirektor if. Bon ihm u. a, Ca⸗ 
ritas, wilde Jäger, Rubens, Offiziere Guſtav Adolphs, erſter Zug auf ben Bro, 
den, Venezia ıc. viele Scnen aus Dichtern , befonderd Shakespeare. — 3) R., 
Zulius Eugen, Bruder des Borigen, geboren 1796, Hofbaudireftor in Kaffel, 
das er, fo wie mehre Städte und Orte Heffens, mit Bauwerken ſchmuͤckte (Staͤn⸗ 
dehaus, Kirche in Hanau, PBalais der Gräfin Schaumburg in Kaffel ıc.). Seinen 
wiederholten Reifen nach Stalien verdanken wir: „Denkmäler der Baufunft in 
Italien“ (Kafiel 1821 ff). Außerdem gab er Heraus: „Gebäude des Mits 
telalter8 in Gelnhauſen“, (Frankfuri 1841); „Architektoniſche Entwürfe“ 
(Kaflel 1839). 

RNuhnken David, ausgezeichneter Holländifcher Humanift bes XVII. Jahr⸗ 
hunderts, geboren 1723 zu Stolpe in Hinterpommern. Auf dem Yriebriches@ols 
legium in Koͤnigsberg wurbe er in bie altclaffifche Literatur eingeführt und ver 
band mit dem ernfien Studium des Alterthums die Beichäftigung in ben fchönen 
Künſten, befonders in ber Muflf, 18 Jahre alt, bezog er die dortige Univer⸗ 
fität, um fi nad dem Willen feiner Eltern ber Theologie zu widmen; allein 
bie iRifchen Studien zogen ihn vorzugsweife an, ihnen widmete er ganz 
ausſchließlich feine Keigung und erwählte fe zu feinem fünftigen Lebensberufe. 
Auf einer Reife nach Göttingen lernte er den berühmten LKiterator Berger u. den 
Heraudgeber des Koder Theodoflanus, Namens Ritter, kennen; um beren beiden Uns 
terricht benügen zu können, blieb er 2 Jahre in Wittenberg. Der weitverbreitete Ruf 
des großen Philologen R. Hemflerhuis zog auch ihn nach Leyden, um von dem⸗ 
felben tiefer in das Etudium der altgriehifchen Philoſophen fich einführen zu 
lafien. Bor feinem Abgange erwarb er fi 1743 in Wittenberg die Magifter- 
würbe und fohrieb zu diefem Behufe Die Inauguralabhandlung „de Galla placidia“. 
6 volle Jahre lebte er in dem freubfchaftlichen belehrenden YImgange bes weltbe- 
rüßmten Hemfterhuis und burchforfchte die Alteften Denkmale der hellenifchen Li⸗ 
teratur. Als Refultate feines Scharffinnes und gründlichen Kritik erfchienen 
1749 — 51 zwei „epistolae criticae“, in denen die homerifchen Hymnen, Heſiod 
u. die griechifche Anthologie nicht nur, fondern auch die Damals noch nicht gehörig 
erflärten Dichter Kallimachus und Orpheus in manchen fchwierigen Stellen in 
helleres Licht geftellt werden. Der fehnfüchtige Wunſch R.s, an einer Univerfität 
Das Lehramt der Philologie zu erhalten, wollte lange Zeit nicht in Erfüllung 
gehen und deßhalb wandte er fich wieder dem römifchen Rechte zu, Das er bereits 
in Wittenberg unter dem berühmten Ritter betrieben hatte, in ber Hoffnung, in 
biefem pofitiven Studium leichter eine Lehrftelle zu erhalten. Das Studium hes 
Plato, dem er bereits mehre Jahre mit angeftrengtem Fleiße fich hingegeben Hatte, 
erhielt für ihn einen neuen Reiz, ald Gally, deſſen Bekanntichaft er in Spaa ge- 
macht Hatte, ihm eine Abfchrift des einzigen noch vorhandenen Coder von Timäus 
Wörterbuch über Plato aus der Bibliothek St. Germain des Pres zu verfhaffen 
gewußt Hatte. 1754 gab er daß 2erifon, mit einem Commentar begleitet, heraus 
unb beurfundete barin einen feltenen Reichtum grammatifalifcher und kritiſcher 
Gelehrſamkeit. Bon nun an war fein Beftreben auch dahin gerichtet, in ben 
Bibliotheken nach alten Handfchriften zu forfchen und ungedrudte Dofumente zum 
Gemeingute des gelehrten Publitums zu machen. Zu biefem Behufe unternahm 


— 


982 Ruhr. 


er 1755 die Reife nach Paris, unterſuchte, verglich und excerpirte mit raſtloſer Em- 
gel werthvolle philologiſche Mfpte. 5 war bereit Willens, auch in gleicher Abficht 
ibliothefen in Spanien zu erforfchen,, als ihn ein Brief feines treuen Lehrers 
Hemfterhuls nach Leyden berief, um ihn als Hülfslchrer bei feinen Borlefungen 
zu unterftügen. Mit Freuden trat er das Lektorat 1757 an u. dieſes bahnte ihm 
nach vier Jahren, al8 ber bekannte Commentator von Caͤſars Jahrbüchern, Ouden⸗ 
borp, 1761 geftorben war, ben Hebergang zur ordentlichen Profeſſur der Gefchichte 
und Berebfamfeit. Als wahre Mufterarbeit, ſowohl in Betreff der Kritif eines 
hoͤchſt verwahrlosten Tertes, als geichmadvoller Erklärung, wird für alle Zeiten 
feine Ausgabe des Bellefus Paterculus, Leyden 1779, Geltung erhalten. In eis 
ner Bibliothef zu Moskau Hatte Matthäi einen Homerifchen —** auf Ceres 
enideckt und eine Abſchrift davon unſerm R. mitgetheilt, der alſogleich 1780 
eine treffliche Ausgabe davon veranſtaltete. Die edelſten Gefühle liebevoller Dank⸗ 
barkeit ſprechen ſich ruͤhrend aus in dem claſſiſchen Elogium auf feinen unvergeßli⸗ 
chen Lehrer und Freund Hemſterhuis. Die vollumniöfe, mit Scholien bereicherte 
Ausgabe des Plato konnte nicht ganz zur Vollendung gebracht werben, indem ber 
Tod ihn in Mitte feiner philologiichen Forſchungen plöplic” abrief am 14. Mai 
1798. Das Lexicon vocum Platonicarum, zuerft Leyden 1754, verbefierte Aus- 
gabe, Leipzig 1833 duch Koch. Hymnus in Cererem, n. Auflage, Lpz. 1827. 
Rutilius Lupus de figuris sententiarum et elucutionis, n. Ausgabe von Frot⸗ 
[der 1830. Mureti opera, A Tom. 1789. Aus verſchiedenen GCollegienheften 
wurden herausgegeben: Lect. aced. in antiquitates durch Profeſſor Eichftäbt, Jena 
1818—35, 22 Hefte; Dictata in Terentii Comoed. durch Schopen, Bonn 1825, 
in Suetonium durch Geel, Leyden 1828, in Ovidii Heroides buch Friedemann, 
Lpz. 1831. Ein großer Theil feiner Eorrefpondenz durch Tittmann 1812 u. durch 
Mahne 1832 — 3A Herausgegeben. Opuscula orat. philol. et critica, Leyden 
1797, vervollſtaͤndigt durch Friedemann 1828. 2 Bde. Sein Leben befchrieb 
claſſiſch Wyttenbach, Leyden 1799, neue Ausg. von Frotſcher 1846. Cm, 
Nuhr (Dysenteria), if eine fporabiich, endemifch und epidemifch vorfom- 
menbde, bucch den häufigen Abgang wenig kothiger, blutiger, eiterartiger, jauchig⸗ 
er, eigenthümlich riechender Stoffe aus dem After, durch Leibfchneiden, Stuhlzwang 
und Fieber ausgezeichnete Krankheit. Man unterfheibet 3 Kormen von R., 
naͤmlich: bie fporabifche, enbemifche und epidemiſche Sporadifhe R. Nah 
8—14 tägigem Mebelbefinden, ausgebrüdt durch Ergriffenfeyn ber Schleimhäute 
bes Darmes ober der Bruft, belegte Zunge, Appetitlofigkeit und Uebelkeit, manchmal 
unter Hinzutritt von Trägheit und Schwere in ben Gliedern, Eingenommenheit 
bes Kopfes, Fieberfchauer, oder ohne alle Vorboten, treten Tothige, flüfflge Stühle 
ein, die entweber fehr fchleimig (weiße R.), ober mit Blut vermifcht (rothe 
R.), auf Leibſchneiden erfolgen, mit kolikartigern Schmerzen abgehen und mit 
ſtarkem Stuhlzwange verbunden find. Dabei ift der Durft groß ‚, ber Appetit 
ering, bie Zunge belegt ober Hochroth und troden. Die Zeitdauer biefer Krank⸗ 
—*22X beträgt 7—8 Tage und ihr Ausgang iſt, unter entſprechendem Ver⸗ 
halten in der Kegel Benefung. Die fporabiihe R. iſt ald die Elementar Form 
au betrachten, während bie endemifche R. dagegen in ihren hoher potenzirten 
Aeußerungen als eine entwickeltere ſich darſtellt. Bei der epidemiſchen R. 
find bie Leibſchmerzen ſcheidender und reißender; bei ihr geht der Stuhlzwang den 
Ausleerungen voraus, mindert ſich aber ober Hört nad ifnen ganz auf. m 
Höbegrabe ber Krankheit Dagegen wird berfelbe conftant und, nebſt frampfhaftem 
Harnzwange, zur Barafteriflifchen N. — Symtome — weil dann bie Anzahl ber 
Entleerungen in gleihem Maaße ſich mindert und das Drängen als ein durch⸗ 
aus unbefriebigtes ihn fortwährend unterhält. Die Entleerungen haben bann 
eine fehr variable Beſchaffenheit und bieten gegen Ende ein gallertartiges, häutigee 
Ausſehen. Sobald fie fehr blutig werben, Beigt die Krankheit von ihrer Höhe 
herab. Alle übrigen Kranfheitserfcheinungen und das Fieber find Hier ebenfalls 
weit intenfiver, als bei der ſporadiſchen R. Der Schlaf fehlt in der Regel gänzlich, 


Ruisdael. 993 


Die Dauer derſelben variirt zwiſchen einigen Tagen und Wochen und es tritt 
im günftigen Falle die Genefung unter allmäligem Rachlaffe ber Krankheits⸗ 
erſcheinungen und Normalifirung ber Darmentleerungen, fowie unter Fritifchen 
Beftrebungen nady der Haut durch Schweiß oder Ausfchläge nur langfam ein. 
Im ſchlimmſten Halle wird die Krankheit immer Beftiger und enbet mit allge- 
meiner Erſchöpfung und Darmibrand in den Tod, Die genannten drei Haupt: 
formen zerfallen, je nach ihren hervorſtehenden Erſcheinungen, ihrem Ghnrafter 
und Grundweſen, veranlaffenden Urſachen und ihrer re in verſchiedene, 
darnach benannte Unterabtheilumgen. Als Gelegenheitsurfadhen zur Ents 
Rehung der R. ftellen fi bar: atmofphärifche, hervorgerufen durch anhaltende 
Sonnenbige und feuchte Witterung zur Sommers und Herbfizcit ; Anterdrüdung 
ber Hautthätigfeit buch Erkältung; der Genug fchäblicher Nahrungsmittel, uns 
reifer Begetabilien, fauerer, gäßrenber Getränke, ſowie Heberladung des Magens ; 
endlich Hat man auch bie Anflelungsfähigfeit ber R. als Gelegenheitsurfache 
aufgeftellt und burch die Erfahrung beflätigt gefunden. Borzugsweife find es bie 
ercernirten Stoffe und der Dunftfreis bes Kranken, weldden das Gontagium ans 
hängt. Auch das Eontagium ber acuten Hautausfchläge vermag nad) unferer 
Erfahrung bie R. hervorzurufen; Individuen, welche von diefen bereits ergriffen 
find, Haben feine momentane Anlage für die R. Schwädlihe, fehr junge ober 
alte Menſchen er⸗ und ımterliegen ihr leichter, als kraͤftige; bei biefen aber 
nimmt fie gewöhnlich einen vorwaltend entzündlichen Charakter an. — ine 
fpezielle Behandlung der R. aufzuftellen, ift wegen des mannigfacdhen Charakters 
ber Krankheit unmöglih. Die ‚pauptmomente der Behandlung gen auf: 
1. Befeitigung obwaltender gaftriicher Zuftände; 2. Bekämpfung der Entzündung 
oder Reizung des Darmkanals; 3. Heilung ber durch die Krankheit eraeugten 
Beränderungen befielben; 4. Beruͤckſichtigung befonderer Symptome. Zu 1. Dies 
nen Brech-» und Abführungsmittel. Erſtere — bie Brechwurzel — erweifen ſich 
faſt durchweg nüblich und leßtere erfüllen zugleich den buch 2 u. 3 zu erreichen, 
den Zweck, infofern man zu dem verfüßten Quedfilber (Balomel) — dem hero⸗ 
iſcheſten aber Garbinalmittel bei der R. greift. Zur directen Förderung ber letzteren 
Abfichten empfehlen fſich vorzugsweife Bfutegel an ben After. Bei vormwaltender 
und, nad) gebrochener Intenfltät der Entzündung, zurüdbleibender SIrritation Dies 
nen vorzugsweife fohleimige und ölige Mittel, fowie das Opium in großen und 
die Brechwurzel in gebrochenen Fleinen Gaben, daher ihr Beiname „Ruhrwurzel.“ 
Zur Erfüllung ber 4. Heilaufgabe hat man vorzugsweife den Stuhlzwang in 
Berüdfichtigung zu ziehen, zu deren Löfung fih Kaltwafler- und fchleimige 
Kinftiere mit oder ohne Zuſatz von Opium, örtlidde Dumpfbäder aus einem Auf: 
guſſe von Kamillen, Hollunderhlüthen, Mohnköpfen u. dgl. und Blutegel, an den 
Darm oder After gelebt, vorzugsweife zur Anwendnug empfehlen. Bezüglich 
der einzuhaltenden Diät find beionders leicht verbaufiche, flüfige und fchleimige 
Rakrungsmittel empfehlenswert und Getränke von Limonade, Mandelmilch und 
faltem Waſſer, vorfihtig genofien, nützlich. Das Verhalten bei der R. hat ein 
warmes, die Hautthätigkeit qelind erregendes zu ſeyn. Der fpezielle Charakter 
ber R.⸗ formen oder die Complication mit anderen Kranfheiten geftaltet die 
Behandlung mehr oder weniger verfchieben. — Auch bei den Thieren fommt bie 
R. und zwar ſporadiſch und feuchenartig, als R.⸗ oder Magenfeuche vor. Ihre 
Erfcheinungen und Berlauf find objektiv biefelben, wie bei dem Menfchen, jedoch 
enbet fie weit häufiger mit dem Tode. Die Behandlung berfelben befteht in ber 
Darreichung fchleimiger und fett- oder ölhaltiger Mittel, mit Zufag von Fleinen 
Gaben Salzfäure, oder auch von Opium, nebft feharfen Einreibungen im Um⸗ 
fange bes Bauches. u. 
Auisdael, Jakob, einer der größten niederländifchen Landfchaftsmaler, ge: 
boren zu Haarlem 1635, fühlte ſchon frühe den Beruf zur Kunſt in fih und 
wurde zu Amſterdam Berghem's Schuͤler. In ergreifender Wahrheit und mit 
tiefer Poeſie malte er Die ernfle Hoheit der Ratur in ſchweigender Waldeinfam- 
Realencyclopädie. VII. 63 


994 Rulhiere — Numeland. 


keit, ſchaͤumenden Waſſerfaͤllen, Meeresſtille und Sturm. Er flarb 1681 zu 
Haarlem. — Auch fein älterer Bruder, Salomo, (geboren 1613, geſtorben 1676 
zu Haarlem) arbeitete mit Glück, boch in einfacherer Auffaffung, in demfelben Fache. 

Aulhiere, ein geihäster franzoͤſtſcher Befchichtsfchreiber, geb. zu Ber im 
Departement der Seine, 1735, warb Sekretär des Baron von Breteuil, fran 
zöftichen Befandten am ruffifhen Hofe, 1787 Mitglied ber Akademie von Frank⸗ 
reich und flarb 1791. Als Augenzeuge der Revolution in Petersburg, durch 
welche Katharina IL ben Thron beftieg, fchrieb er: „Anecdotes sur la revolution 
de Russie,* Paris 1797, und flellte mit Scharffinn und großer Sachfentniß bie 
Duelle von Polens Untergang in feiner Histoire de l’anarchie de Pologne (nad) 
feinem Tode von Daunou, A Bbe, Paris 1807 Herausgegeben) zufammen, wofür 
er einen Jahrgehalt von 6000 Franken erhielt. Seine gefammelten Werke er⸗ 
ſchienen, Paris 1819, 6 Bde; n. A. 1843, 4 Bde. 

Aum oder Tafta iſt eine Art Branntwein, die unfprünglid nur in Oft. 
und Weftindien aus Zuderroßrfaft, Zuckerſchaum und aus ben Abfällen bei ber 
Berfertigung des Zuders durch Deftillation bereitet wird. Er iſt fehr flarf 
dunfelgelb von Farbe und Kat einen eigenthümlichen, aromatiſchen Geruch und 
Geſchmack. Der aus Zuderfaft und Melafle gebrannte ift der beſte; geringer ift 
der, welcher aus dem Zuderfhaum und ben Abfällen bereitet wird und lebtern 
nennt man vorzugsweife Tafia. Der feinfte, welcher das eigentlihe Aroma 
enthält, ift das, was bei der Deftillation zuerfl übergeht, etwa 155 ber gegohr- 
enen Flüffigfeit; das fpäter Mebergegangene, etwa 305, befigt jened Aroma 
nur in geringerem Grabe, weßhalb man es in Weflindien nody einmal beftillirt 
oder rectifictt. In England wird ebenfalls aus dem verbünnten Sirup ber 
Zuderfiebereien viel orbinärer R. unter dem Namen Melasses Sprit oder com- 
mon Rum bereitet, Der meifle und zugleich ber befte R. Tommt aus Jamaica, 
außerdem aber auch von ben meiften übrigen weſtindiſchen Infeln, welcher jedoch 
in der Regel geringer it und dann unter dem gemeinſchaftlichen Ramen weft 
indiſcher R. verkauft wird. — Die hohen Zölle, welche der deutſche Zollverein 
auf den auslänbifchen Zuder u. R. legte, Hatten zur Folge, daß man ſich bemühte, 
beide Erzeugnifle aus inländifchen Pflanzen zu gewinnen und feitbem Sat man 
auch, namentlich aus Runfelrüben, viel R. verfertigt. 

Aumann (Rudolph Wilhelm Philipp), Sohn bes 1827 verftorbenen Ju⸗ 
ſtiz⸗ und Cabinetöminifters, Ernft Auguft R., geb. 1784 zu Eelle, trat non 
früß in den Staatsdienft, warb 1824 Stabtdireftor zu Hannover, hob als Präfident 
der zweiten Kammer, als biefe die Rechmäßigfeit ber Bertagung durch den neuen 
König 1837 erörterte, die Sigung auf, ging aber bald zur Oppfltion über unb 
FEN bie Befchwerbefchrrift über Berlebung der Conflitution, welche ber 
Magiftrat von Hannover 1839 an den Bundestag fohidte. Sie ward abge 
wiefen und R. wegen Majeftätsbeleidigung in Unterfuchung gebracht. Endlich 
freigefprochen, rebigirte ex eine zweite Eingabe an den deutſchen Bund. Mit 
vollem Gehalte trat er 1843 in den Ruheſtand. 

Aumeland ift der Rame zweier mittelhochdeutfcher Dichter. — Bon R. von 
Schwaben, wohl aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, Haben wir zwei 
Lobgedichte, Berühmter ift Meifter R., nach H. v. d. Hagen ohne Zweifel ein 
Sachſe, aus ber zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, in Rorbs u, Sübbeutich- 
land befreundet, wie aus mehren feiner Gedichte hervorgeht, Er betrachtet bie 
Dichtkunſt als ein Geſchenk Bottes und wendet fie auch wardig an zum Lobe 
Gottes, ie frommen Betrachtungen und lehrreichen Sprüchen. R. ſtellt uns in 
feinen verichiebenen Gedichten das fehr vollſtaͤndige Bild eines viel- und weiter- 
fahrnen Meifterfingers in allen Berhältnifien, zu ben Höfen und anderen Leuten, 
wie zu feinen Genoſſen bar und zeigt eine unbeflreitbare Meifterfchaft, obwohl er 
nicht überall fo klar und deutlich if, wie andere alte Meifter, was zum Theil das 
her rühren mad daß er, ein gedorener Sachſe, in ber hochdeutſchen Hof» und 
Schriftſprache bichtete, Seine Gedichte, zum. Theile von Bleim, Schlegel, Tieck 


Aumford — Rum⸗Ili. 995 


erneuert ober bearbeitet und erläutert, find nun gefammelt in ben Minmefingern 
von H. v. d. Hagen. x. 
ford, Benjamin Graf von, Phuflfer und PBhilantrop, wurde 1752 
zu R., jeßt Concord, einem Eleinen Fleden in den vereinigten Staaten unter dem 
Ramen Benjamin Thompfon geboren. Seine Neltern waren in bürftiger Lage, 
aber ein Beiftlicher nahm fih des talentvollen Knaben an, und ertheilte ihm den 
erften Unterricht. Die Bamtlienverhältniffe der Frau R.s, mit welcher diefer ſich im 
19. Jahre verbunden Hatte, ftellten ihn beim Ausbruche des amerifanifchen Frei⸗ 
heitsfampfes auf die Seite der Engländer, Er errichtete ein leichtes Reitercorps, 
welches er als Oberſt befehligte. Als er nach beendigtem Kriege nach London 
fam, ernannte ihn der König wegen bewiefener Tapferkeit zum Ritter. Die Muße 
des Friedens benügte num ber junge Mann zum Studium der Wiſſenſchaften, ins» 
befonder6 der Raturkunde. Später machte er bie Bekanntichaft bes damaligen 
pfalzbayeriſchen Geſandten am großbritannifchen Hofe, Grafen Sigmund von Has- 
lang, weldyer ihn bem Purfärfen Karl Theodor empfahl. Es war im Jahr 
785, als R. nah München kam. Anfangs Gefellfchaftsfavalier des jungen 
Fürften Vrezenheim, eines natürlichen Sohnes des Kurfürſten, erwarb er —* 
bald in hohem Grade die Zuneigung Karl Theodor's, welcher ihn nach u. nach 
zum Kaͤmmerer, geheimen Rathe, Generalmajor und zweiten Generalleibadjutan⸗ 
ten erhob, endlich ihm die Leitung bes ganzen Kriegsweſens übertrug. In biefer 
Stellung Icißet R. in der That Ausgezeichnetes, und von ben neuen Einrichtun- 
gen, bie er ber Armee traf, bewährten fich die meiften als volfommen praf- 
tiſch. Seine Thätigkeit befchränfte ſich übrigens nicht blos auf das Militärifche, 
fondern reichte auch in viele andere Zweige der Staatsverwaltung hinüber, Wenn 
auch ſchon manche feiner philantropiichen Bemühungen fcheiterten, bewirkte er 
doch viel bleibend Butes, und namentlich Ieiftete er Danfenswerthes durch bie 
von ihm ausgehende Abftellung des Bettels und Einführung einer geregelten Ar- 
menpflege, fo wie durch bie Erfindung jener allbefannten Armenſuppe, bie nach 
ihm Die Rumford’fche heißt. Seine vorzüglichfte Schöpfung in Bayern aber ift 
der großartige englifche Garten bei Münden; ein Denkmal verewiget dort fein 
chtniß. Dieſe vielfachen Verdienſte zu belohnen erhob ihn Karl Theodor im 
Jahre 1790 während des damaligen Reichevifariats zum Reichsgrafen von Rum⸗ 
forb und beförberte ihn zum Oenerallieutenant und Oberfiproprietär des Artille- 
rieregiments. Einer einflußreichen Hofpartei waren dieſe Bunftbezeugungen indeß 
längn ein Dorn im Auge, und ihren Intriguen gelang es, R. von München zu 
entfernen, indem man ibm 1798 den Gefandtfchaftspoften in London übertrug. 
Dort wurde aber R. aus Gründen, welche in ber englifchen Berfafiung liegen, nicht 
angenommen, und er lebte nun eine Zeitlang zurüdgezogen in feinem Vaterlande 
fiy felbft und der von ihm fo fehr geliebten Naturwiſſenſchaft. Der Töniglichen 
Societät ber Wiſſenſchaften, deren Virepräfident er war, ſetzte er bedeutende Preiſe 
zur Belohnung nüplicher Erfindungen aus, und im Jahr 1800 gründete er unter 
dem Ramen Royal Inftitution zu London eine Lehranftalt für technifche Gewerbe. 
1802 verlegte er feinen Wohnſitz nach Frankreich, wo ihn der nachherige Kaiſer 
Napoleon, Damals erfter Konful, fehr ehrenvoll aufnahm, und befuchte dann von 
dort aus zweimal noch das ihm liebgewordene Bayern. Gr farb am 22, Auguft 
1814 auf feiner Beflgung zu Auteil in der Nähe von Paris. R. war zweimal 
verheirathet, erſt an eine reiche amerifanifche Güterbefigerin, von welcher er eine 
Tochter, Namens Sara hatte, dann an bie Wittwe des unter der Quillotine ge- 
forbenen berühmten Chemikers Lavoifier. Mit dieſer lebte er jedoch nicht in 
glädlichfter Ehe, fo daß er fich alsbald wieder von ihr trennte. Außer vielen 
in Zeitfchriften zerftreuten Abhandlungen hinterließ er: Memoires sur la chaleur 
Paris 1804 — Recherches sur la chaleur, 1804— 13, und Essais politiques, 
6conomiques et philosophiques, 4 Bde, Genf 1799 — 1806. mD. 
Num⸗Ili oder Aumelien, (b. h. Römerland) ein türfifches Ejalet, das 
Flußgebiet der Marika und die Küfte des ſchwarzen Meeres, NEE vom Balkan 


996 Numohr. 


umfaſſend, durch die Straſſe von Konſtantinopel und die Dardanellen von Afien 
eſchieden. Eine Yortfegung des Despotogebirgs bildet bie ng Gallipoli. 
Der fruchtbare, aber felbft in der Nähe ber geuptfiont in großen Gtreden unbe⸗ 
baute Boden liefert Betreide Hanf u. Tabak in Menge; auch Reis und Krapp 
wird gebaut. ttfiere find auch das Kameel und Das Schaf mit bem %ett: 
ſchwanze. Hauptſtadt: Konftantinopel (f. d.) 

Aumohr, Karl Kriedrih Ludwig Felir von, ein ausgezeichneter 
Kunftfritifer, geboren 1785 zu Reinharbsgrimma bei Dresden, befucdhte das Gym⸗ 
naftum zu Holzminden im Braunfchweigiichen und bezog, 16 Jahre alt, die Uni- 
verfität Göttingen. Als er zum erftenmale auf dem Schloffe bes Brafen Brabed 
zu Söber bei Hißssteim eine größere Anzahl guter u. vortrefflidher Gemälde ſah, 
trat der entfcheidende Wendepunkt in feiner künftigen Lebensflellung ein; ber Innern 
Stimme geborchend, lernte er mit jedem Tage bie ſchoͤnen Fünfte mehr lieben und 
fah fich unwiderſtehlich zu ihrem tieferen Studium Hingezogen. Bel Profeflor 
Fiorillo nahm er Zeichnungsſtunden, der in dem Sünglinge durch bie Erzählung von 
ſtalieniſchen Dingen bie 38* — Sehnſucht nach **— Wunderlande weckte. Die 
Riepenhauſen'ſchen Kupferſtichſammlungen und Radirungen in Göttingen machten 
ihn zuerſt mit dieſem wichtigen Zweige der modernen Kunſt bekannt. Schon jet 
begann er, blattweife fammelnd, die erfte Hand an feine ähnlichen Sammlungen 
zu legen, die über die Graͤnzen Deutfchlands Hinaus berühmt geworben find. 
Nachdem R. die Balerien zu Kaſſel, Dresden und München fludirt, und befon- 
ber an legterem Orte die flaͤmmiſche Malecſchule näher kennen gelernt, trat er 
im Sommer 1804 feine erſte Reife nach Italien an. In Rom pflegte er ben 
anregenbften Umgang mit Thorwaldien, Schid, Friedrich Tie u. dem Landſchafts⸗ 
maler Koch, ben er befonders ſchäaͤtzte. Die werthvollfte Begegnung aber war bie 
bes preußifchen Gefandten Wilgelm von Humboldt, in defien Haufe er auch befien 
Bruder Alerander kennen lernte, welcher jo eben aus Amerifa zurüdgefehrt war. 
Bon Rom benet fh R. nach Neapel, aber zu feinem Leidweſen war, in Folge 
friegerifcher fihten, ein Theil der dortigen Kunftfchäge nach Palermo in Si⸗ 
cherheit gebracht. Er fah ſich daher auf das Pompejanifche Mufeum in Portici 
beſchraͤnkt, machte Ausflüge nah Päftum, Iſchia, Capri u. kehrte in Begleitung 
des Dichters Ludwig Tieck nah Rom und von ba in die Heimath zurüd. Im 
Bafel fammelte er Materialien zu feinen Schriften über Hans Holbein und 
befien Zeit. R. war erſt 20 Jahre alt, als er feine erſte italienifche Reife been- 
det Hatte Während bes Zeitraumes 1805— 15, wo die Franzoſenherrſchaft das 
deutſche Vaterland mit eijerner Kauft brüdte, lebte er zurüdgezogen theild in 
Bayern, theils auf feinen Holfteinifchen Befigungen, und bereitete fi für eine 
fruchtbare literariſche Thätigkeit gehörig vor. 1811 erfchienen Erläuterungen ei⸗ 
niger artiftifchen Bemerkungen in der Abhandlung des Hofraths Jacob's über 
den Reichthum ber Griechen an plaftifchen Sunftwerfen; 1812: Ueber die antife 
Gruppe Kaftor und Pollur, ober von dem Begriffe der Idealitaͤt in Kunſtwerken; 
1814: Denkwuͤrdigkeiten der Kunftausftellungen bes Jahres 1814. Sammlungen 
für Kunft und Hiftorie, 2 Bde., 1816. Als Napoleons Herrſchaft geftürzt war, 
machte R. feine zweite Reife nach Stalien, verlebte einen traurigen Winter in 
&lorenz, wo Humgersnoth und Epidemie herrſchten, weilte ben Sommer über in 
Rom und fehrte im Herbfte nach Florenz zurüd, um bier dad gefammelte Mate: 
trial zu verarbeiten. Das Refultat waren: „Stalienifche Forſchungen,“ Berlin 1826 
— 31 und die rechtögefchichtliche Abhandlung: über die Befiglofigfeit der Kolonen 
im neueren Toskana, aus ben Urkunden, Hamburg 1830. Diefes Werk wurde 
buch den Wunfch Niebuhrs Hervorgerufen. In Zlorenz lernte R. den Prinzen 
Ehriftian Friedrid von Dänemark kennen und lebte auf beffen wiederholte Ein- 
ladungen Monate lange als Gaftfreumd in Kopenhagen. Seine britte italienifche 
Reife wurde veranlaßt durch die Sehnfucht des jungen hoffnungsvollen Malers 
Srederigo Nerly, um deſſen Fünferiihe Ausbildung R. fih großmüthig u. auf- 
opfernd annakm. In Florenz erhielt er von Bunſen, dem damaligen preußifchen 


Rukowälg, © 997; 


Sejanbien, ben Auftrag, für deſſen Maren bie Di etnsahl der anıfaufenben 
zu befimmen, welche Nuſeum eriworben wurden. Dem 
—— an er — als Cicerone, ging auf feinen Wunſch 
—— erliner Muſeum unter anderen Koſtbarkeiten 

Gefä bearbeitet von Balerio Bicentino, mit reicher Faffung 
om Baanıı 04 ‚ umb weil er fürdhtete, es könnte au auf, Dem, Srandpoeie 
werben, eutihloß * #8, 5,8 fe DR mag De Berlin zu überbringen: "Zur 

warb R. der ernannten 


—— —— Ci ‚ ben er auf das Arrange⸗ 
y —— — Angcit bes — * gegen ben er 
egalerie, an 1 reich verthei urde. Unge⸗ 


er Unterb 
See Te Fan ll a air 










enen Billa auf und erhielt den Befuch der fächftichen 
ringen von Preußen, welcher ihn su ſich nad 
jr 8 hen Beifammenfein mehre Wochen 1833 mit 
zu verlieben. Ra 836 brei Seiten über bie Formſchneidekunſt von 
ſ a ce une Geld Bere * und ip: a efhlehte 
e gung a „Zur 
und ber Formſch ein nn 1837 zum viertenmale na 
bie an der 2 kart —E —32 zuf feinen 
ang ommen, bearbeitete er das werthvolle eife durch d 
lien Ihe em esftanten in die Lombardei und zurüd über die ein * und den ben 
, in befonberer Beziehung auf Völkerkunde, Landbau a Staatswirthichaft, 
gäbe 1836 5 als Ergänzung fo gie "Diforif e Belege”, worin feine in ber Lom⸗ 
bardei gefammelten ſtaats⸗ und landwirthſchaftlichen Erfahrung en und Beos 


a nieber elegt find. "Stine legte Arbeit im Gebiete der Kunftgefchichte 
befaßte fi hen Sen h ber Gründe für bie Annahme, dab Mafo 
an 





Fi 


bi —5— —— d y fei, geftochene Metallplatten auf genetztes 
apier abzudruden“ Lp fünfte und legte Reife nad Italien ge- 
chah im —* 1800 und ſchon nah ein paar Monaten in Benedig fehnte er 
ch nad) chland zurüd, denn er fei zu alt geworben, pflegte er zu fagen 
I das italienifche Sehen. Die Iehten Jahre feines Lebens —** — er in Luͤ⸗ 
en — ſeines Beſuches in Berlin an Weihnachten 1842 zeigten ſich die 
— — tome der Bf ucht; bie Krankheit machte fchnelle Fortſchritte und 
auf der in bie b H: mif en Bäder, bie er nicht mehr erreichen konnte, ver- 
ſchlimmerte ſein Zu in Dresden ſo ſehr, daß er am Morgen bes 25. Juli 
—* ne Schlage getroffen wurde, welcher in wenigen Augenbliden Ieinen © Tod 
Aumowöly, Stephan, Mathematiter und Geograph, geboren en 29, 
DOftober 1734 in einem Dorfe bes ruffifchen Bouvernements Wladimir, fam 1745 
auf bie Akademie nach St. Petersburg, wo ex ſich befonders dem Studium ber Mas 
widmete und 1753 felbft aushülfsweife lehrte; 1755 wurde er nad) Ber- 
in gefchiet, um dem Unterrichte bes berühmten Euler zu folgen; 1757 zuruͤck⸗ 
ge ‚ wurde er PBrofefior der Mathematif am Gynma in St. Betersburg ; 
veröffentlichte er fein Lehrbuch der Mathematit, welches das erfte in ruf- 
ſtiſcher Sprae edrudte ift und viel beitrug, bie mathematiſchen Wiffenfchaften in 
Rußland Aufnakne zu bringen. Noch im felben Jahre wurde R. Adjunft des 
falferlichen —ãæ Griſchow; 1761 beobachtete er zu Nertſchinsk in Sibirien 


53 


ln 


998 Nundſchit Singh — Aunfelräbenzuder, 


ben Durchgang ber Benus duch die Sonne; 1763 wurde er Taiferlicher Aſtro⸗ 
nom und bei der Neugeflaltung der Afabemie der Wiffenichaften zu St. Peters⸗ 
burg bildete er mit dem ebenfalls berufenen Euler die geographiſche Sektion, 
in welcher Stellung er fi durch Anfertigung genauer Epezialfarten von Ruß⸗ 
land auszeichnete. 1769 beobachtete er in Kola am Ufer bes Eismeers ben 
zweiten Durchgang ber Benus; 1777 legte er feine Aemter nieder, um ganz ben 
mathematifchen und aftronomifchen Wiſſenſchaften zu leben; doch übernahm er 
1804 das Puratorium der neugeflifteten Univerfität Kaſan. Er flarb ben 25. 
September 1815. — Außer obigem Werke fchrieb R. verfchiedene Abhandlungen über 
Geographie, Afteonomie und Mathematik; auch beforgte er 30 Jahre lange bie 
Revifton bes ruſſiſchen Kalenders. E. Buchner. 

Nundſchit Singh, eigentlih Ranadſchitſihma, d. 1. der Siegeslöwe, 
geboren 1780, Son von Maha Singh, folgte demfelben als Mahrattens Für 
1792 unb eroberte 1804 Lahore, oder erhielt e8 der Form wegen von dem Schaf 
von Afghaniftan verliehen. “Der mächtigfte der Shifshäuptlinge, ward er 1811 als 
Chef der Eonföderirten anerkannt, Hielt mit den Englänbern immer Frieden, bes 
friegte aber 1818 und 19 Kafchmir und Afghaniſtan, verband fi 1838 mit ben 
Dritten, um den Schah Schubfhah von Afghaniſtan auf dem Throne zu Halten, 
ftarb aber während des Yeldzuges 1839. 

Aunen (gothiſch u. an 9 — runa, Geheimniß), waren urſpruͤnglich 
finniſche Lieder geheimnißvollen Inhalts, dann poetiſche Verſuche, das geheimmiß⸗ 
volle Entſtehen der Welt zu erklaͤren. Die jedesmal aus acht Sylben beſtehenden 
Verſe Haben das trochaͤiſche Versmaß u. nur ſelten miſcht ſich ein Daktylus ein. 
Der Reim iſt Alliteration (ſ. d.), oder Parallelismus, oder Silbenreim, d. i. 
bie Wiederholung der naͤmlichen Silben in einzelnen Wörtern bes vr (vergl. 
finnifhe Lieder, v. H. R. von Schröter, Upfala 1819). An fi find R., 
R.⸗Buchſtaben das, ben norbifchen Bölfern, Germanen u. Skandinavien, eis 

ene, vielleicht von ben handeltreibendben Phöniziern entlehnte, nur in 16 Buch⸗ 
aben beftehende Alphabet, welches mancherlei Abänderungen erhalten haben mag 
u. über defien Alter, ob vor oder nach Chriſtus, die Gelehrten fich nicht geeinigt 
haben. Die mit R.- Schrift bezeichneten Steine heißen R.⸗Steine, bie nicht 
blos in Gotäland u. Schweben, fondern auch in Spanien u. in anderen fübweft- 
lichen Ländern Europa’ als Grabdenfmäler u. dgl. aufgefunden find. Die neue- 
fin u. wichtigften Bemerfungen u. Unterfuchungen über die R.Wiſſenſchaft 
u, ihre Einzelheiten bat der Etatsrath PBrofefior Finn no en im ſechsten 
Theile der Hiftortichen u. philoſophiſchen, von ber dänifchen Gefellfchaft ber Wiſſen⸗ 
fbaften (1841) Herausgegebenen Abhandlungen niedergelegt, zugleich auch viele 
Monumente im Norden beſchrieben, erklärt u. mit R.- Monumenten in anberen 
Ländern verglihen. — Bon befonderem Intereffe möchte der Berfuch feyn zur 
palaͤographiſchen Entwidelung u. —— J der R.⸗Inſchriften mit beigefuͤgter 
—* über die aͤlteſten Hauptarten der ſtandinaviſchen R. u. den Gebrauch 
der R. unter mehren Voͤlkern. 

Nunfelrübenzuder. — Die Auffindung des Zuckerſtoffes in ber Runkelruͤbe, 
wie die Gewinnung u. Darftellung deſſelben ald kryſtalliſtrter Zuder ift urſpruͤng⸗ 
ih eine rein beutfche Erfindung, welche bereits im Jahre 1747 der Berliner 
Chemiker Marggraf machte. Er gab gleichzeitig ein Verfahren an, wie man 
benfelben im Großen gewinnen u. aus ben Rüdftänden Branntwein erzeugen 
fönnte; auch machte er auf den Gewinn an Melaſſe aufmerffam. Damals war 
indefien in Deutfchland am Wenigften die Zeit, wo ſich ſolche Erfindungen gels 
tend machen konnten. Die gewerblichen Interefien waren nicht eben fehr anges 
fehen u. die Regierungen thaten Nichts dafür. “Daher darf es nicht befremben, 
dag Marggraf’s Erfindung, wie feine Borjchläge, fpurlos u. unbeadhtet vorüber: 
gingen. Beſſern Anklang fand 50 Jahre fpäter Achard in Berlin, der 1798 
damit, als mit feiner eigenen Erfindung, wieder auftrat, Theils Hatten die ges 
werblichen Interefien in ber Zwilchenzeit große Beachtung gefunden, theils wohl 


—— Verhehen, große en von feiner Erfindung anzuregen 
— tur, bie ſche Regierung beſchloß, feine prüfen zu_laflen u. 
68 Die Medfung at nur bacthım (te, ba Baringuder u. Budefcnp 
wenn nur ollte, ucker u. 

— — — werden koͤnnte. Es wurben ſierauf, unter 
den Augen einer Pruͤfung ſfion, 714 Centner Runkelrüben in fünf ver 
fdiebenen Abteilungen zu Zucker verarbeite. Der Berfuch gelang vollfländig. 
Die Achard zugeficherte Schenfung wurbe inmittelft — u. alle, von ats 
deren deutſchen —— inzwiſchen ausg en, Verſuche beſtaͤtigten die Wich⸗ 
yſchen Vorſchlaͤge. ber Achard'ſchen Methode gewann 
man inbefien nicht mehr als Ad Mrocent des Gewichtes der rohen Rüben ai 
Roßzuder u. es Fa fomit, ba der Zudergehalt ber Rüben auf 12— 13 Bros 


: cent zu ſchaͤten iR, 4 bes leeren verloren; body erhielt man bavon nöch 
3—4 Melafie; die Koflen der V wurben bei ber Achard’ 
SBrobe auf 8} Cllbernrofchen fir ben ber nd naher, vom 


Centner Rü 
der Achard'ſchen Methode te, Berfuche lieferten 
ung Diefelben Ergebnifle. Unteedeffen teat das Eontinentals 
fländen entſtanden in Preußen u. Deutichland fowohl, 

auch befonbers in Frankreich, wo fie von Napoleon fehr ben et wurben, 
Kübenzuderfabriten, welche mit ziemlichem Vortheile arbeiten 

jene Berhälinifie dauerten. — Mit dem Kalle des Continental⸗ 

oh au e wieber in 


bi in 
trat, nachbem ein 


Ä 
fi 





H 


feiner en weftinbifchen Golonien dem 
sanaeben war, ber Golonialzuder mit dem Rübenzucker in Concurren; 
Sranbyunt, a Dauihland taz bafer die Aühennuderfehriftion gan, pum Stil 
Raube u, 9 108 20 nbrifen 






In Frankreich gab es um bas Jahr 1819 nur etwa 
etirten. — Inbeſſen bienten leytere dennoch, der Rübenzuderfabri- 
fatton einen neuen Aufſchwung zu geben; es geſchah bieß ungefähr feit bem 
Jahre 1830. Dan war nämlid in Frankreich durch fortwährendes Arbeiten in 
den wenigen noch beftehenden Fabriken dennoch zu manchen Berbefferungen in 
der Babrifationsmethode gelangt, die, troß der veränderten Berhältnifie, das Wie: 
deraufleben dieſes Gewerbszweiges in Frankreich veranlaßten. Die Zahl der 
Fabriken nahm feit 1830 reißend zu und es beflanden beren 1838 nicht weniger 
als 582, welche gegen 49 Millionen Kilogramme Zuder lieferten; 536 davon 
ch in den 28 nörblicdhen Departements von Frankreich, in einem Klima, 
welches dem Deutichlands durchgängig gleichkommt. — Deutichland befand ſich 
nach ben langen Sriegen in einem —28— völliger Buföfung feiner induſtriellen 
u. commerziellen Berhältniffe, ber fi) erfi nach u. nach all ie wieder zu · con⸗ 
ſolidiren anfing. — Den Anfang machte Preußen 1818 durch Einführung eines 
ummfafienden u. rationellen Zollſyſtems, dem fi nad u. nach die überwiegende 
Mehrheit der kleineren deutſchen Staaten angefchloffen hat. Als daher in den 
en 1831, 1832, 1833 u. 1834 die —5 der Ruͤbenzuckerfabriken in Frank⸗ 
reich bedeutend zunahm, da erwachte auch in Deutſchland das Intereſſe für dieſen 
Gewerbszweig auf das Neue u. es waren im deutſchen Zollverbande gegen das 
Ende bes Jahres 1836 bereits 21 Fabriken in Thaͤtigkeit, wovon 17 auf Preu⸗ 
ben kamen. — Noch mehr wurde der Eifer erhöhet, als ber Tarif von 1837 den 
Zoll auf Schmelzlumpen, ber zum Beften der iInlänbifchen Zuderfiebereien bis 
dahin auf 5 Thlr. für den Centner beftimmt war, auf 11 Thlr. für den Eentner 
hete. — Unter biefem Zolltarife nahmen bie Rübenzuderfabrifen in Deutſch⸗ 
(and in ſehr fchneller Progreffion zus es befanden ſich 1839 nicht weniger als 
159 berfelben in Tätigkeit, deren Production auf 190,000 Centner Rohzucker 
chaͤgt wurbe. Bon da aber wurden die Umftände für diefen noch in der Kind» 
befindlichen Gewerbszweig in Deutichland ungünftiger u. auch in Frankrei 
begaun .ein Krieg ber Regierung gegen benfelben. Gemüther erhigten fi 







en... 


.. 1000 Rupie. 


von beiden Seiten u. es wurden, wie e8 bann au geichehen pflegt, die craltitte: 
fien u, übertriebenften Anſichten von beiden Theilen aufgeftellt u. geltend gemacht. 
— Sn beiden Ländern war feither die Rübenzuderfabrifation noch nicht befteuert 
worden; in beiden Ländern —* fie angefangen, den Verbrauch des auslandiſchen 
Zuders zu befchränfen u. ſonach einen Ausfall an dem Ertrage der Zollgefälle, 
welcher für Frankreich auf 168 Millionen Franken, für Deutfchland auf 
1,140,000 Thlr. für das Jahr 1839 berechnet wurbe, Herbeigeführt; in beiden 
Ländern mochte man immer mehr eine allgemeine Berbrängung bes Rohzuckers 
durch den inlänbifchen Rübenzuder befürchten, die natürlich einen immer größern 
Ausfall in den Zollerträgen Herbeiführen mußte; in Frankreich Famen dazu noch 
die gefährdeten Interefien ber franzöfiichen Eolonieen, denen eine altüberfommene 
unrichtige, aber dennoch beibehaltene Handelspolitik verbot, ihre Erzeugnifle an- 
bers wohin, als nach Frankreich, auszuführen; dort aber rivalifirte der Derzeit 
unbefteuerte Rübenzuder u, fing nachgerade an, den Eolonialzuder mehr u. mehr 

verdrängen, fo, daß die Eolonien ihr wengnip nicht volftändig mehr abzu⸗ 
eben vermochten u. die Pflanzer in große Bedraͤngniß Tamen. — Bor der Hand 
ift der Streit Hier, wie bort, obwohl mit verfchiedenem Erfolge u. auf verſchiedene 
Weile, zum Nachteile der R.⸗Fabrikation entichieben worden, In Frankreich bat 
man ben Eolonialzuder mit 494 Fr., für 100 Kilogramme Rohzuder, die 100 
Rilogramme Ruͤbenrohzucker aber mit 274 Br. befteuert u. die Folge davon iſt 
fürs Erſte geweien, daß 193 Fabriken ihre Thaͤtigkeit ganz eingeſtellt, bie übri- 
gen 389 Fabriken aber ihre Probuctionen fortgefegt u. in der Campagne von 
1840—41 noch die Summe von 26,174,547 Kllogrammen Rohzuder erzeugt has 
ben; auch glauben fie vor der Hand ihre Productionen, der Befteuerung ungeach⸗ 
tet, noch mit Erfolge fortfegen zu fünnen, die, nach dem Zollcentner berechnet, für 
biefen 6 Thlen. 254 Sgr. u. beziehentlich 3 Thalern 24, Egr. gleichkommt, io, 
daß der Unterfchied zu Gunſten des Rübenzuders dort 3 Thlr. 1 Ser. für unſe⸗ 
ven Zolleentner beträgt, — In dem beutfchen Zollverbande hat man Anfangs in 
bem befannten Hanbelstraftate mit Holland vom 21. Januar 1839 ausnahms⸗ 
weife für biefes Land, ſodann im Allgemeinen, im Tarife von 1840 den Ein- 
gangszol für Schmelzlumpen auf 54 Thlr. per Ctr. herabgefeht u. die Rüben- 
zuderfabrifation vor der Hand mit 10 Sgr. per Eentner, jedoch vorbehaltlich 
einer angemefienen Erhößung der Steuer, falls die Production fi) vermehren follte, 
befteuert. Dieß Hat zur Folge gehabt, daß bie Rübenzuderfabrifen eine nach ber 
andern eingehen. Die Steuer allein, die ſehr mäßig ift, würde vieleicht weniger 
geſchadet Haben, als die Herabfegung ber —8 auf Lumpen, bei welcher 
offenbar fiskaliſche Rüdkfichten die Häuptrolle geſpielt zu Haben ſcheinen. Wir 
haben oben h eben, daß im Jahre 1836 bie Furcht, die Einfuhr der Schmelz 
lumpen für Die Siebereien immer Höher fieigen zu jehen u. dadurch in den Zoll- 
erträgen flärfer u. ſtaͤrker beeinträchtigt zu werben, Anlaß zu einer, einem Ein- 
fuhrverbote gleichfommenden, rböhung des Eingangszolles auf Schmelzlumpen 
wurde. Im Jahre 1839 erregte bie reißend fchnelle Zunahme der R.- Production 
noch ftärfere Bejorgniffe wegen fünftiger Berminderung der Zolleinnahmen und 
führte dazu, bem Fleinern Hebel der Begünftigung der Zuderficdereien, durch 
Qerabfegung bes Zolles auf Schmelzlumpen, den Vorzug zu geben. Alle biefe 
Schwankungen find Nichts mehr noch weniger, als die Folgen ber erflaunlichen 
Höfe, zu welcher unfere Staatsausgaben erwachfen find u. ber Tünftlichen $i- 
nanzſyſteme, zu denen wir unfere Zuflucht nehmen müflen, obfchon fle immer nur 
Palliative find u. zu Alain zunehmenden u. wieberfehrenden Berwidelungen führen. 
Bergl. übrigens ben Artikel Zu der, 

Rupie, eine in Perfien u. Indien gewöhnliche Gold⸗, Silber- u. Rech⸗ 
nungsmünze. Die Gold⸗R. (Mohur), im Allgemeinen im Werthe von 85 — 
4104 Thlr., iſt getheilt in 3 Pundhen (Fanum) oder 15 R. Silber. Die Silber: 
Rn (auch Sicca-R.), getheilt in 16 Annas a 12 Pices, wurden früher fehr 
fein (15 Loth, 9 Gran) ausgeprägt u. hatten einen Werth von 10 — 22 Sgr., 


1 


arte Nugrecht Mil © — 1001 


1835 Sat aber die engliſch⸗vſtindiſche nie, deren Münzeinheit mit ber 
en Gintkeilung bie Silber» ober Sicca⸗R. 4 den Werth —— normirt; 
zu 14 Loth 12 Gran, 21,81 auf die koͤlniſche Mark fein Silber, alfo 
20 Sgr. 35 Pf. ausgeprägt. Die Courant⸗R., bloße Rechnungsmuͤnze, 
er. j j 
Pfalzgraf, dritter Sohn Kurfürfts Friebrih V. u. ber Eliſabeth, 
tob6 1 von England. Gr war 1619 geboren, erhielt eine militä- 
und Tam in Folge bes Unglüds feines Vaters im Anfange bes 


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England. feinen O Karl I. führte er ein Cavalerie⸗ 

Corps, womit er bei Edgehi (1642) u. Ehalgrave » Field (1643) auszeichnete. 
Bald darauf nahm er Briftol, Bob die Belag von Newark und York auf, 
t aber mehr wit ung Muthe als —*2 bei Marſton⸗Moor und 
.VBom Könige, weil er nach kurzer — Briſtol an Fairfar über 

ab, entlaſſen, erhielt er erſt nad Karls J. Tode ben l über einen Theil der 
, weiche Karl IL treu blieb, führte einen Raubkrieg gegen bie Engländer 


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er kaum dem Admiral Blake an der portugieſtſchen Kuͤſte 
Frankreich, wo er die are verkaufte und fich zu Kari II. 
es begab. Wifienfchaftliche Studien befchäftigten ihn Hier, 
ation nad) England zurüdfehrte. Im April 1662 ward er 
Raths u. ber nengeflifteten königlichen Sorietätz im Jahre 
mit Mont, 1673 als Admiral die Flotte gegen Holland, Später 
eure von Windſor den Wiffenichaften und viele mügliche Ers 
von ihm aus; fo das fogenannte ha eg das Radiren in 
die Hubfone ompagnie kam durch ihn zu Stande. Er flarb 


tling ber Waraͤger, eines normännifchen Stammes in Scans 
860 nad dem nördlichen Rußland, unterwarf fich bafielbe 
ftee bes ruffiichen Reichs u. der Ahnherr eines ——— deſſen 
ſtamm 1598 mit Feodor erloſch. 

Ruscſuk, ſ. Ruſtſchuk. 

Aufel Heißt der Waſſerſcheidepunkt an der von Deggendorf in ben bayeriſchen 
Wald führenden Landſtraſſe, eine ber merkohebigten ochwarten Deutfchlande. 
Tritt man einige hundert Schritte abfeits der Straffe auf den 1800 Fuß über 
den Stromfpiegel der Donau erhabenen Felsblock Hausftein hinaus, fo übers 
Ihamt das Auge bier alles Land von der Umgegend ‚Regendbur 8 bis zu ben 

er Tiefe ausgelpannt, 

bunchaogen von ben breiten Silberftreifen der Donau nnd der Ifar. Die hohe 
ausnig bei Landshut, Landau auf den Uferhügeln der Ifar lagernd, das 
vielgetfürmte Straubing, hunderte von Städtchen, Märkten, Dörfern u. Schlöffern 
find vor: dem ſtaunenden Blicke zwifchen ben unermeßlichen Getreidfluren u. Wiefen- 
ausgefäet. Durch die pittoresf geftalteten Ausläufer des asalbgebirgee 

evoimnt das reiche Bild einen Vordergrund, ben bie glänzenden Gewaͤſſer der 
Ströme in unbefchreiblidher Wirkung Heben, Gegen bie Berne zu fchwillt das 
Land zu fanften Hügeln an, und darüber hin zieht fich die blaue Alpenkette als 
impofanter Hintergrund, Die Salzburger Berge flieht man bei klarer Luft fo 
enau, daß man die Veſte Hohenfalzburg mit freiem Auge unterfcheiden Tann. 
Beränbert man den Standpunkt und kehrt fi gegen Norden, fo hat man eine 
umfüaffenbe Meberficht des großartigen Bergreliefes des Bayerwaldes, vom Arber 
bis ine, DR Dreifeffelberge. — Schuegraf: Meine Wanderung über bie 


, mD. 
Ruſſel, eine uralte, aus der Normandie ſtammende Familie, welche mit Wil⸗ 
helm dem Eroberer nach England kam. Wir führen daraus an: 1) William, 
dritter Sohn bes Brafen William R. und Herzogs von Bedford, geb. 1641, eine 
zeichnete Stüße der Freiheit feines Vaterlandes. Er warb durch bie Vers 
mäßlung. mit ber treffichen Witwe bes Lord Baughan ber Gefahr eines aus⸗ 


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1002 Auffifcde Baͤder — Ruſſiſche Sprache u. Literatur, 


ſchweifenden Lebens entriffen, vertrat die Grafſchaft Bebford viermal im Parlament 
und galt bald als das Haupt der Whigs. Den Krieg mit Frankreich hintertrieb 
er nicht, wie mehre feiner Partei, welche ſfich von dem franzoͤſiſchen Geſandten 
hatten beftechen lafien, fondern weil er für die Freiheit beforgt war. Als Karl IL 
der Gunſt ber dige bedurfte, ernannte er R. zum Geheimen Rathe. ALS folcher 
trug er 1680 auf Ausſchließung des Herzogs von York, als Katholifen, von ber 
Thronfolge an; aber der König löste das Barlament auf u. beſchloß, ganz ohne 
dasjelbe zu regieren. Da verfielen bie Whigs auf Erregung eines Au es zu 
Gunften der bedrohten Freiheit; zugleich aber bildete fich eine benfelben fremde 
Verſchwoͤrung gegen das Leben bes Könige. Obgleih R. dabei nicht betheiligt 
war, wurbe er dennoch 1683 feflgenommen u. am 21. Juli enthauptet. — 2) R., 
Francis, zog von Bedford, geboren 1765, flimmte als Mitglied des Ober 
Baufes, zur Oppofitionspartei gehörend, bei der Sitzung am 3. Mai 1794 gegen 
die BIN Hinfichtlich des Anwerbens für das Omigeamtencorpe, that fpäter Friedens⸗ 
vorfchläge, die von Bielen unterflügt wurben, aber dennoch nicht durchgingen, fo- 
wie er ſich auch fehr entſchieden gegen die Thellung Polens und bie gewaltige 
Herrfhaft der Engländer in Indien ausſprach. Seine politifchen Ideen fanden 
jedoch tweniger Eingang, mehr feine ökonomifchen, u. feine Berfuche trugen Vieles 
zur Bervolllommung des Aderbaues bei. Die öfonomifche Geſellſchaft zu Lough 
ftete ihm zu Ehren einen jährlichen Preis für bie Verbefferung irgend eines 
heiles der ländlichen Defonomie, der In einer Münze mit feinem Bilbnifje bes 
ſteht. Er flarb 1802. — 3) R. John, Lord, Herzog von Bedford, ein aus: 
gereichneter englifder Staatsmann, geboren 1792 zu Edinburgh, u. machte feine 
tudien auf ber Univerfität zu Cambridge. 1814 in's Unterhaus geweiht glaͤnzte 
er bier ſteis als Vorkaͤmpfer der Reformen, ſprach beredt für die Sache ber Gries 
den, für die Emancipation ber Katholiken u. fehte ald Mitglied des Minifteriums 
Grey bie Parlamentsreform 1831 dur. Nach feinem Austritte 1834 leitete er 
die Oppofition ae Unterhaufe unb bewirkte namentlich, daß der Meberfchuß der 
Einfünfte der biſchöflichen Kirche In Irland zum Bolfsunterrichte verwendet wurde, 
1839 in den Colonialrath berufen, vereinfachte er die Verwaltung, begünftigte 
die Auswanderung und nahm großen Theil an den Angelegenheiten von Canada 
und Jamaica, Bon ber gegen bie Korngefehe gerichteten Oppofltion gedrängt, 
wollte er im Jahre 1840 einen feften Zoll von 8 Schilling für das Quarter Ges 
treide gewähren; allein die inneren, wie bie äußeren Vorgänge hatten ſchon das 
Beftehen das Cabinets unmöglich gemacht, fo daß er im Auguft 1841 mit feinen 
Collegen abdanfte und bie Löfung biefer wichtigen Frage dem Minifterium Peel 
überlaffen mußte. Als Abgeordneter der Eity von London trat er jeht in's Par⸗ 
lament, wo er das neue Babinet in den Fragen, welche die Freiheit des Handels, 
die Verbe ung bes Loofes der arbeitenden Claſſen und bie Aufrechthaltung ber 
Ruhe in Irland betrafen, unterftübte. Dagegen erklärte er fich im Februar 1844 
entfhieben gegen bie Politik, beren ſich die Regierung rüdfihtlih Irlands bes 
diente. Als Peel cf. d.) im November 1845 wegen Durchführung einer feeiern 
andelöpolitif im Winifterratfe auf Widerftand ftieß, wurde R. mit Bildung 
e8 neuen Gabinets beauftragt; es gelang ihm aber erſt im Juli 1846 ein 
Minifterium zu Stande zu bringen, in welchem er die Stelle eines Premierminifters 
und erſten Lords bes Schabes übernahm. — Er ſchrieb unter anderen: „‚Hist. of 
the Engl. Government and Constitution“ (2. Aufl., London 1828); ‚ Memoirs 
‘of the Affairs of Europe from the Peace of Utrecht“ (3 Bde. 1824 — 32); 
„Ihe Causes of the French Revolution“ (1832). 
Auffifche Bäder, ſ. Bab. 
Ruffiihe Kirche, ſ. Griechiſche Kirche 
Ruſſiſche Sprache und Literatur. Die ruffiihe Sprache iſt ein Zweig bes 
flavifchen Sprachftammes und von ihrer Ausbildung noch weit entfernt; fie if 
ein Gemiſch aus’ flavifchen, ruffifchen und fremden Wörtern ; bie Regeln der Gram⸗ 
matiE find fehr wenig beftimmt, bie Orthographie hoͤchſt willfürlih, Der Reich 


— 


Sutlifide Sprache u. Literatur, 1008 
thum aut derſelben iM ziemlich zweifelhaft. Dagegen iſt fie gewandt, 
brüdt aus und befibt in ber — des Gases A en 
Ste bat ifee Mundart, nach ben Altefien Denimälern vom Jahre 912 an, etwas 

. on bie Einführung ber chriſtlichen Religion in Rußland gab ber 
ſlaviſchen und ruſſiſchen Sprache eine Menge ihnen früher fremder Bezeichnungen. 

Beränderung erfuhr bie ruſſtſche Sprache, als bie Rongelen und Ta 
tarem nach dem Siege bei Kalka von 1225—1477 einem großen Theil Rußlands 
beherrſchten unb eine britte, feltbem bas Haus von Romanow 1613 den Thron 
befleg und eine Menge von Ausländern ins Reich zog. So entfland in Ruß⸗ 
land eine Doppelfprache, nämlich bie ſlavoniſche (die Kirchen⸗ ober Gelehrten, 


d bie bes ee D i S 
2 Perg nt Abe mehr üblich. "ein 63 en 
die kyrilli am 7 und in neuerer 


e Jahrhunderts 

Sense’ ide Schriftgießerei. Die ruffifche Akademie lieferte bereits ein 
ch der ruſſtſchen Converſationsſprache. — Die aͤlteſte bekannte Literatur 
ber Rufen beſteht aus Sagen und Liedern von 10151024. Die Geiſtlichen 
in biefer Nation die erfien Schriftſteller. Das aͤlteſte Geſchichtswerk 
ber Gen Sprache find bes Kiewer chs Neſtor Annalen, von 862 bie 
von Anderen bis 1203. Da bie Vorſteher ber Schulen zu 
, t und Halitſch für das griechifche Altertum keine Vorliebe 
fo blieb ber wiſſenſchaftliche Kreis jener Schulen enge. Vermuthlich war 
Das ſche Alterthum zu heidniſch. Bis zur Zeit Beter’s des Großen 
bie Ruſſen ſehr wenige Handels» und geiflige Verbindung mit bem weſt⸗ 
Europa und Seiklicen trugen durch ben Separatismus ihrer Religion 

bed weſtlichen Europa fehe zur langen Dauer bieler 
biente ſehr ange blos ber Kirche, und Kiew war ber 
der Aufflärung. Die ruffifche Poeſte if ein ungebunbener Raturgefang, 
Silben, Aſſonanz ober Reime und hat nur die Betsllung zum Ge⸗ 
Beter der Große wollte feinem Bolfe eine höhere Bildung durch Technik 
mb europäifche Gefelligfeit geben. 1704 gab er feinem Reiche eine neue Buch, 
chrift und beförberte die Buchbrudereien; 1705 wurde in Mosfau, 1714 in 
St. Petersburg bie erfie Zeitung gebrudt. Der Kaiſer ſchuͤtzte befonders beutfche 
und niederländische Werke und ſchickte junge Ruſſen auf Reifen. Aber die Schnels 
keit, womit der Czar eine Literatur eingeführt fehen wollte, ließ nicht Zeit, 
eine nationale zu bilden, fondern fie wurbe nach der Literatur ber Länder, die er 
7 beſonders nach der deutſchen, hollaͤndiſchen und franzoͤſiſchen ſogleich ge⸗ 
Unter jenen Schriftftellern war ber fruͤheſten einer Kantemir, ber thaͤ⸗ 
tigfte aber und einflußreichite jedenfalls Lomonoffoff. Das Slavifche wurde 
freilich immer noch als eine reichhaltige Quelle betrachtet, bee man befonders 
Wörter und Formen für bie ernfte und pathetifche Schreibart entiehnen mäfle; 
allein gegen das Enbe biefes Zeitraums nahm die Geſchmacksmengerei und uns 
bebadhtfame, unkritiſche Nachahmung alles Fremden, vorzüglich des Franzoͤfiſchen, 
auf eine hoͤchſt unwürdige Weiſe überhand. In ber Proſa galt als höoͤchſtes 
Ziel die Kunft eines verwidelten, lang ausgefponnen Periodenbaues, während 
die Dichter fi die Fertigkeit in der Nachbildung aller möglichen Metra ans 
eignen zu muͤſſen glaubten. So entfernte fich bie eure Sprache im Geifte, wie 
m ber dor, immer weiter von ber Nationalität und dieſer aufzuhelfen war aud) 
die von Ratharinall. am 21. Oktober 1783 errichtete Akademie weder im 
Stande, noch auch wohl Willens, ba biefelbe größtentHeils aus Ausländern und 
folgen Einheimifchen beſtand, welche nur ben Fremden Beifall zollten. Eine 
typographifche Geſellſchaft wurde unter derfelben Regierung von No⸗ 
witoff gegründet. In biefer Zeit waren die Erzeugniffe der Literatur Nichts 


in Blake national; welche fremde Einflüffe auf bie Bildung der Sprache wirk⸗ 
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ſche Schrift am Ende bes 17. 
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elben wirkten auf bie Literatur, im Epos und Drama herrſchte ber 
(claſſiſche) Gefchmad, in bem Iyrifchen Gedichte bedte bie Armuth 


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1008 . Auffife Sprache m, Literatur. 


an Gedanken der Reichthum an mytdolo iſchen Ramen, befonders bie Ode wurde 
kultivitt. Doch begann jchon jet erihamin als nationaler Dichter und bie 
entfiehende Sournalliteratur auf bie Maſſe bes Volks einzumirfen. — Eine 
neue Periode der ruſſiſchen Literatur begann mit Alexander I. und an ber Spige 
berfelben ſteht ber zu feiner Zeit ellgemein gefeierte Held ber ruſſiſchen Proſa, 
Raramfin, welder durch bie Natürlichkeit, den Fluß u. die Durchfichtigkeit feines 
Style, begkalit in den Briefen eines ruffifchen Reifenden und in feiner ruſſi⸗ 
fchen Geſchichte, das höchſte Erflaunen erregte und bie feltfamfle Nachahmung ex; 
wedte. Auch in ber Poeſie Hatte er grobe Berbienft, weniger als “Dichter, fon 
dern mehr, indem er von dem falfchen Schimmer , bem fremdmythologiſchen 
Reichthum und der Aufgeblafenheit befreite. Er führte die Literatur in das es 
ben ein, war aber nicht frei von Gentimentalität. Mebrigens Hatte er das 
Geheimniß feines Styls ben Deutſchen, namentli Wieland, abgelernt und 
feine Brofa war Nichts weniger, als national, ja, er that der ruſſiſchen 
Sprache zuweilen geradezu Gewalt an, indem er fie zur Aufnahme aus 
laͤndiſcher fprichwörtlicher Redensarten zwang, Wenn demnach durch ihn 
bie ruſſiſche Sprache an Gefchmeidigkeit, Eleganz und Bielfeitigfeit ungemein vie 
gewann, jo war fie dagegen, — durch die Schuld ſeiner unmaͤßigen Nach⸗ 
treter, in Gefahr, völlig germanifirt zu werben, zumal, da man nun auch aufge⸗ 
hört Hatte, aus dem Altflavifchen Nuten zu ziehen. Diefem Unweſen zu fleuern 
u. ber tuſſiſchen Sprache ihre Rationalelemente zu fihern, trat ber Miniſter ber 
Bolkdaufflärung, Schifchkoff, mit einem nicht unbedeutenden Anhange auf u. dies 
fer Schritt Hat gewiß jene Reaktion perbeiküßeen helfen, welche in der neueſten 

eit von ber Acht nationalen moskowitiſchen Schule gegen die, fremden Einfläfien 

ch ſurgeende Journaliſten und Schriftftelleen in Petersburg (Petersburger 
Schule), wie Bulgarin, Gretſch u. 9. mmagegangen ift und als Deren Borfäufer, 
neben Dmitrieff, Schufoffefi, Goibojaͤdoff und namentlich Puſchkin zu betrachten 
find, obſchon auch in ber vorhergehenden Periode es nicht ganz an volksthuͤmlichen, 
wenigftend Dichtern, gefehlt Bat, bie die Sprade aus dem Munde bes Volks 
nahmen unb für bafjelbe veredelten, fo u. a. der Acht populäre Krüloff, in deſ⸗ 
fen Fabeln der nationale Geiſt mit den ſprachlichen Formen im fchönften Einklange 
fteht. Unter den nationalen Dichtern ſtand Schufoffsfi oben an; er führte ben 
Geſchmack aus der faramfinifchen Sentimentalität zum wahren ®efühle Energie 
hatte das ruffifche Volk in den Jahren bes Kriege mit Frankreich gelernt, eine 
höhere Stufe der Bildung auch die mittlere und niedere Claſſe auf ihren Zügen 
durch Deutichland erftiegen. An die Stelle der vorhin befonders gefungenen Ode 
traten jebt freiere Formen ber Boefle, befonbers die Epiftel, Romanze, Ballade, 
Die Surhebilbung bet ruffifchen Sprache zur Rationalität aber immer auf dem 
Grunde ber von Außen Her erworbenen Bollfommenheiten zu befördern, läßt bie 
Regierung allermeift feit Nikolaus fidh eifrig angelegen feyn, und nicht mur, daß 
bie Erlernung der ruſſiſchen Sprache in ben Schulen, ſelbſt der deutfchen Provin⸗ 
zen, auf Eaiferlichen Befehl auf das forgfältigfte betrieben wirb, fo gewinnt dies 
felbe von Jahr zu Jahr als Konverfationsfprache auch in den höchfien Stänben 
an Anfehen und Ausdehnung Schon ift die vollfommene Kenntniß berfelben 
unumgänglich nöthig für Jeden, der ein öffentliches Amt befleiden will, und bie 
Zeit heit nicht fern zu feyn, wo fle auch in ben beutfchen und polniſchen Pros 
vinzen als offizielle Sprache fidh geltend machen wird. In der neueften Zeit hat 
fi beſonders die Literatur buch Novellen und felbfiftänbige Erzeugniffe ber dra⸗ 
matifchen Poeſie bereichert; die profaifche Literatur, deren Erzeugniffe jeßt bei weis 
tem an Zahl bie ber poetifchen übertrifft, ift am reichflen ausgeftattet durch Werke 
bee Geſchichte, vorzüglich ber ruffifchen, dann mit Werfen ber militärifchen Rich⸗ 
tung, als Lehrbücher, Encyclopädien, Realſchulen ꝛc. Das Ueberfegen ber Bücher 
fremder Literaturen wird noch fortgetrieben, allein die Neberfegungen machen höch⸗ 
ſtens 3 der Originalferiften aus. Mehre gute Erzähler haben auch in neuefter 
Zeit angefangen, Erzählungen in Eleinruffifchem Dialekte zu fchreiben u. fo biefen 


Ruſſiſche Sprache u. Literatur, 1005 


au eh erheben. — Einzelne Fächer der Literaturu. A) Boefie. 
er ruſſiſche Raturgefang kennt weder Reime, noch Affonanzen, noch eine beftimmte 
Silbenzahl der einzelnen Berfe, fonbern richtet fich blos nach dem Gefehe der Be⸗ 
—— Die Proſodie fuͤr die hoͤhere Poeſie hat Kantemir feſtgeſtellt, der us 
—A* gereimte Gedichte machte. Von allen antiken Versmaßen hat am meiſten 
durch Gnaͤditſch in ir Heberfegung des Homer eingeführte Herameter Bil- 
ligung und Dan gefun efunden. a) Epos. Die Gebidhte der Heldenfage 
a. enommen, fi 20 das Epos erft durch Lomonofjoff an bearbeitet zu werben, die⸗ 
eſchrieb die Thaten Peters bes Großen; für Rußlande Homer galt lange 
la ber Verfaſſer der Ruffiade und Wlademirs ; den Ruhm machte ihm 
Derſchawin (1743 — 1816) flreitig in der Erzählung der Thaten Rußlands uns 
ter Katharina; Petroff beſang bie Thaten ber Ruſſen gegen bie Tuͤrken, ein Un⸗ 
genannter die Befreiung ber Ukraine von der polniſchen 5 durch aAhne 
nizki, Petersburg 18305 Poleſchejeff beſchrieb in einem erzaͤhlenden Gedichte (Er- 
peli und Tſchirjurt) bie Thaten ber Rufien im Kaufafus, — 1832; Fuͤrſt 
Schakoffskoi ſchrieb das ſauiriſche Epos „bie geſaͤuberten Pelze“ u. bearbeitete bie 
Epiſode des Mahabharata, Ral und D amalanti; $B Puſchklin das Rationalepus 
Rußland und Ljudmilla; Baron Roſen ſchrieb 1830 das epifche Gedicht „bie Ges 
burt Yohanns des Gewaltigen.“ Eines der beften Gedichte der erzählenden Gat⸗ 
eng ift die Schöpfung ber Welt von Sokoloffski Mosfau 1832. Neicher, ald an 
Epopden, iſt die ruffiiche Kiteratur an b) lyriſchen Gedichten, in denen jeboch 
ſelten bichterifcher Geiſt erkennen iſt. Auch hier eröffnet Lomonoſſoff die Reihe, ex 
ber ei fer der lyriſchen Versmaaße, er dichtete Oben und ahmte Davibiiche 
falmen nad. Oben bichtete noch eoheraekctt, » Bobroff, Betroff (auf bie Siege Kathas 
ens); Lieber Sumarakoff, Derfhawin, Kapnift (farb 1813). Seit Dmitrieff zählt 
bie lyriſche Poefle ausgezeichnete Dichter; er felbft u. Glinka ſchrieben in clafjifcher 
Sprache vol Leben und bichterifchen Schmwunges mehere Oden und Lieber, bie 
Bin: 7 Bolfstiedern wurden, ebenfo, wie ein großer Theil der von Reledinsfis 
— — Batjuſchkoff (Werke, aneterabur 1817, 2 Bbe.) berechtigte zu fchönen 
ffnungen, allein er ift bei den Berfuchen ſtehen geblieben; berühmt find die Oben 
D Gabriel Dertſchawine ( — 1743, ſtarb 1816); Waſſ. Kopineſti (geboren 
1756, ftarb 1823) lyriſche Gedichte, Petersburg 1806; Karamfin, der Geſchicht⸗ 
ſchreiber; Schukoffski beſonders ausgezeichnet durch feine „Sänger im Lager rufs 
ſtſcher Krieger” ; Koslaff, Puſchkin, Baron Delwig (farb 1831), der befonbere 
reffliche —*— ged dt; Peleihaief, Gedihte (Moskau 1832); N. Jaſykoff 
(@ebihte, Petersburg 1833); Schukoffski, Fuͤrſt Wiafemsft (geboren 1792); 
Barantiinsfi, aurfötor ee Ehwofloff, Podolinski, (Gedichte, Peters⸗ 
zurg 1837, 2 Bde); Benediktoff, A erander Cl mofejeff, Luc. Jakubowitſch. Ges 
——— heißen —— a. Ruſſiſche alurbichter find die Bau⸗ 
zen Slepuſchkin, Michael Subanof, 3 eg. nal Kolzoff (Gedichte, Moskau 
82 FÜR die Elegie ö. wenige Bearbeiter gefu en, außer Sumarokoffs Ber- 
find befonders Fr an erotifche Klegien, Polduſchtoff⸗ Elegie an 
be Baratinsti und A zu nennen. Die d) Satire erſcheint fos 
eich nach dem ei gegen E Wh ber ruſſiſchen Literatur; Zürft Kantemir vers 
he fi fi zuerſt * u ſchilderte (zuerſt in gereimten Verſen) die Sitten u, 
Berwirrungen feiner Zeit in —— en des oeatiug und Boileau ihm 
— ohne Glück Sumarokoff; ell ſind die 2 Satiren von Wi 
ern bie ai 5 Sirke jafemsfy. Außerdem gibt es Satiren 
on ie ar anni Wojajkoff. Kantemir ahmte den Ho- 
atius und Bleu ak Zu e) Epiſteln nad; Sumarokoff ſchrieb auch einige 
ee guter Sprache find bie von —** ‚ geiftreich bie a —— 
BR "apa | Kir Fuͤrſt Dolgorudi; in neuefter Zeit Wialensfy. Im 
bicht Haben fich die Rufen en nicht viel verfucht und Lomonofjoffs Rus 
* e umb Cheraskoffs Fruͤchte ber Far le find die einzigen ber 
an bie auf af Bod.: entfprungen find; do Kat fh uk BU 


x 


1006 Nuſſiſche Sprache n. Literatur. 


darin verfucht. Die g) Afopifche Kabel wurde mehr bearbeitet; e8 gibt beren 
von Lomonofloff, Sumarofoff, Dmitrjeff, Ehemnifter, befonbers von Krüloff (ruſſtſch 
und franzöflich herausgegeben vom Grafen Orloff, Paris 1825), auch von dem 
Raturbichter Alipanoff. Die bh) romantifhe Poefte Hat in Rußland wenig 
Früchte getragen das Studium frember Poeſten diefer Gattung veranlaßte 
Schukoffski zu einigen Berfuhen in Balladen, In denen er Bürger und Schiller 
nachahmte. Auch Muramjeff bichtete beven; das berühmtefte romantifche Gedicht 
iſt Dufchenfa von Bogbanowitih (1778), welches fchnell nach einander mehre 
Auflagen erlebte und völlig Eigenthum des Volkes wurde. Rom anzen ſchrieb 
Reledinslis Melepli. In ber i) Ihylle verfuchten fi) Merslaͤkoff, Panajeff, 
Meſchtſchefoki, befonders Nikolaus Gnjeditſch (ſtarb 1833). Dafür ift bie rufs 
ſiſche Literatur reih an k) Volksliedern und Sagen. Die ruffifchen Boll; 
lieder ſprechen Adht national Freude und Kummer, jugendliche Kedheit umd jung: 
fraͤuliche Mumterfeit aus. Die Sagen fcheinen auf eine zufammenhängende Bolköfage 
hinzuweiſen, die urſpruͤnglich vieleicht in einem neopen Epos vorhanden war, ı. 
gehören den Jahren 1015—1224 an; von altſlaviſcher Mythologie finden ſich 
e reinften unflänge Der Mittelpunft dieſes Sagenfreifes (Heldenfage) iſt 

Wladimir (der Stifter des ruffiichen Reichs durch die Bereinigung der Provinzen 
Kiew und Rowgorod, erſter chriftlicher Kürft und Kriegsheld) mit feinen Rittern, 
ahnlich dem fränfifchen Karl und englifhen Arthur. Der Inhalt der Helbenfage 
if folgender: Tugarin fordert Rache von Wladimir, weil biefer feine Tochter 
ohne Erlaubniß geheirathet; Tugarin wird von Rogdai (der ungeboren u. feiner 
Mutter aus dem Leibe gefchnitten iſt) getöbet. Der zweite Held iſt Ilga, welcher 
ben Räuber Nachtigall, der die Wege unficher machte, erlegte (Rußlands Herkules) ; 
Tſchurilo, eines Sattlers Sohn, ift der Dradhdenbefämpfer; Dobrina wird von 
der Zauberin Marina in einen Stier verwanbelt, und Tann nicht eher von ihr 
erlöst werben, als bis fie Ehriflin geworben if. Unter die, ben Helden feind- 
lichen, Weien gehört Kaſchtſchei, ein mißgeftaltetes, wunberlidhes und ſtarkes 
Weſen, befonders in Zaubereien ſtark; er entführte die fihöne Milolita und 
halt fie auf feiner Burg gefangen fie wirb erlöst von Thurilo, ber, unterflügt 
dur die Here Jaga Baba, in die Burg des Kaſchtſchei dringt und das 
Mädchen entführt; da Kafchtfchel den Tſchurilo verfolgte, wurbe ein Hügel auf 
ihn geflürzt, und feitbem wanbelt nur fein Geiſt umher. Ernfteren Inhalts if 
das Lieb der Helbenfage, in welchem bie Liebe Wladimir und feines Sohnes 
Mftislaff zu Swetlana dargeftellt wird, bie endlich der Sohn noch heirathet; 
und feine Berhältniffe zur Rogneda, bie er bald nad ber Bermählung verftich 
und nachher in Gefahr kam, von ihr ermordet zu werden; Iſtaslaff, Rogneba’s 
und Wladimird Sohn, rettete die Mutter vor bem Zorn des barüber entrüfteten 
Baterd. Außerdem werden in ben ruffifchen Bolfsliedern bie Helden Filipat 
und Tſchinagrip genannt, die Entführung ber Stratigoffna umb bie 
Hochzeit bee Deffginiwa erwähnt. Das deutfche Gedicht: „Fürft Wladimir 
und feine Tafelrunde,” Lpz. 1819, ift eine Nachbildung der Wladimirsſage, ent 
flanden aus Rumaͤnzoff's Sammlung altruffifcher Lieber. Eine gleiche Samm⸗ 
hung veranftaltete Fuͤrſt Zerteloff, Peters, 1822, 2 Bde; und viele der neueren 
nationalen LXieber, die Liebe und Krieg, Zeft und Spiel befingen und von benm 
viele ben gefelertfien Dichtern Rußlands angehören und noch jept in Anſehen 
ftehen, finden fh in Oftolopoffs Wörterbuch der alten und neuen Dichtkunft, 
Petersb. 1811. Das ältefte Rittergebicht ber ruffifchen Literatur ift 39019 
Zug gegen bie Poloffzer und Rebe an Igors Heer, aus bem zw Iften 
Jahrhundert von unbefanntem Berfafler; das Gedicht wurde 1796 von dem 
Grafen Muffin-PBufhkin aufgefunden und Mostau 1800 u. d. herausgegeben, 
deutih von Seberholm, Moskau 1825, neuruffifh von A. Weltmann. Die 
I poetifhe Erzählung, zu ber reicher Stoff in ben alten Sagen vorhanben 
iſt, R bearbeitet worden von Sumarofoff, Krhloff, Batjuſchkoff, Dmitrieff, 
Schukoffsli, Pufchkin (der Gefangene im Kaukafus) Baron Rofen (Marina, ber 


Auffifhe Sprache u. Literatur, 1007 


Berurtheilte, die Tochter Gobunoffs, Moskau 1828), Radiwanowski (bee Ges 
fangene, 1832), W. Bathurin (Fſtuplenie 1833) Podolinsfi. m) Roman u. No⸗ 
velle. Eigentlich fehlt der Roman in der ruffifchen Literatur ganz u. nur Novellen 
kann man etwa annehmen. Sie zeichnen ſich beſonders durch Kürze aus, ba 
ein fogenannter Roman 20—30 Seiten lang ift und foldye von 100 und drüber 
in 3—4 Theile zerlegt werben. Zuerft wurde der Roman von Ruſſen im 
16. Jahrhundert unter dem Namen von Maͤhrchen bearbeitet. Die Mähren 
waren eine Art Sagen, mit hiſtoriſchem Hintergrunde, und fie find entiweber 
dem Sagenkreiſe von Wlabemir und feiner Zofelrunde ‚ ober dem Kreife ber 
tatarifchen Zeit, ober auch dem weſtlichen Sagenkreife entnommen, unter wels 
chem lettern die duch Polen eingefilheten franzoͤſiſch⸗ deutſchen Sagen zu vers 
fiehen find (3. B. die 7 Simeone, d. h. die Haimonskinder). Solche Mährchen 
find gefammelt, Betersburg 1832 und fortgefeßgt 1833 von dem pfeubonymen 
Koſaken Wlad. Luganski (DabD. Driginalromane ſchrieben: Beſtju⸗ 
ſcheff, vor allen aber Bulgarin, der zu SR aus dem Leben fihöpfte, bie 
Sitten ber höhern Geſellſchaft ſchilderte, vorzügli aber die Mißbraͤuche und 
Gebrechen ber niedern Berwaltung aufbedte (Iwan Wilschigin, überfeht von 
Oldelop, —— 1830, 2 Bde.); W. Uſchakoff, Kirgis Kaiſchak, ein kirgiſiſcher 
Roman, Moskau 1830, 2 Thle; M. Sagoskin, Juri Miloſlaffski und Roſt⸗ 
laffleff (letzteres überfeht von E. Gohring, Leipzig 1832). Fruͤher ſchon Karam⸗ 
ſin: Die arme Eliſe; Die Inſel Bornholm; Briefe eines ruſſiſchen Reiſenden, 
Mostau 1797, A Thle. (deutſch von I. Richter, Leipzig 1800)5 Schufoffefi 
Benizki, Glinka, Nikolaus Gretſch (Ausflug eines Ruſſen nad Deutfchland, in 
Briefen) ; die neueſten: Puſchkin (Eugen Onegin in Berfen); Ex Atreſchkoff (Byli, 
d. i. wahre Geſchichte, Petersburg 1831; Kalaſchnikoff (Dotſch Kupza, die 
Tochter eines Kaufmanns, ebendaſelbſt 1832, A Bde; P. Swinjin (Schemaͤa⸗ 
tins Gericht, hiſtoriſcher Rman); Iwan Kosloff (die Wahnfimnnige, ebendaſelbſt 
1830); Konſtantin Maſſalski (die Schuͤtzen, ebendaſelbſt 1832, A. Bde., ber 
ſchwarze Kaſten, 1833); Al. Orloff (die lebendigen Todten, Moskau 1832); 
Flucht des Peter Wiischigin (ein ſatiriſcher Roman, ebendaſelbſt 1832); Iwan 
Ren (die Eroberung Livlande, ebendafelbft 1832, A Bde); A. Schiſch⸗ 
koff d. 3., ſtarb 1833, ſchrieb Oruflen im Jahre 1812, 18325 Iwan Kulſchinski 
(Fritzchen Motolowilsti 1833, ein ukrainiſcher Roman; A. Weltmann, (der unfterbliche 
Kaſchtſchei, 1833); W. Karlhof hluugen u. Novellen, Petersburg 1832, 
2 Bde); M. Markoff (die Inſurgenten 1832); Befſtjufcheff (pſeud. Marlinski, 
Novellen u. Erzählungen, Petersburg 1832 f., 5 Thle.); Dahl, Korf, Fuͤrſt 
Odoj.ffoki, Schtſchukin u. bie Verfaſſer von Erzählungen in kleinruſſiſcher Sprache, 
wie Gogol, Grebenko, Kwitka, der pſeud. Osnowianenko. Kukolnik machte 
(1844) in „Bernſoffski· den Anfang mit dem Kunſtroman u. Charmadabanoff 
De in demfelben Jahre ben fatirifhen Roman: Durchbruch auf dem Kauka⸗ 
. Humoriſtiſche Skizzen aus dem Leben Moskau's ſchrieb Sagoskin, Welts 
u. Lebensikizgen Wlad. Woit (1844). — n) Als der Anfang der Literatur im 
Fache des Drama können bie rungen bibliſcher Geſchichten von kiew'ſchen 
Studenten unter dem Metropoliten P. Mogila im 16. Jahrhunderte angeſehen 
werden; dieſe zogen waͤhrend der Ferien in den Staͤdten umher u. ergoͤtzten das 
Publikum mit Darſtellung der Eſther, des Holofernes, der 3 Männer im feurigen 
Dfen. Die exften ſlawiſch⸗ ruſſiſchen Dramen waren von bem Mönche Simeon 
Polozki (1623 — 80), welche erſt in ber flawifch-griechifchslateinifchen Akademie, 
Dann auch am Hofe gegeben wurben, 3.8. von dem verlorenen Sohne, von bem 
Könige Nebufabnegar und eine Menge anderer. 1676 gab eine nad) Mos⸗ 
kau gefommene beutfche Truppe vor dem Czar Alerei Michailowitſch einige 
Vorftellungen. Unter biefem Czar wurde auch die erfte weltliche Komoͤdie, 
eine Meberfegung von Moliere's Arzt wider Willen in's Slawiſche überfept 
unb am Hofe von der Prinzeffin Sophia und adeligen Damen —8 — 
Meter ber Große that für die Verbeſſerung des Theokeed Riara, Tr REN 


feinem zur Auf Bolloff ſelbſt, ein ufpieler, fpit 
a ber fi fo — Bee ale Ba — 

vor fielen 0; er anna 
nie HE Ale, Ein un) Sensors ken Ylien Dame, 

num or, den en D 

Fe © Bene, nd Era a (bie im Bd 
durch Bapadopulos fifche Meberfehung befanmt wurben). Unter Satharina 
wurde ruffifche ein Die vornehme ruffifche Welt pi 
bas nationale Thenter nicht vi befucien, vieleicht, weil narı das Nation 
aus Re ws bem vorherrfi ide — Tran 
fpiele : ( „ d), Ch — 

Nonne, mb b 4 
befreite Moskau ıc), Sapnik ( I), Gchatofetoi, — 


Ba a a Sb We 

, m no au 

erhalten. — Tragoͤdien find auch En Geſchmack; feine Hat 
find: Donstoi (beutfh von Wibeburg, eg re Dat 

Holen eutfpiter Gribejof, 

— — wälle Sujets aus de afıtam — und gt ciß Bepränder 

en hr 


'64 buch i 
Bearbeiter Koni 
NT 
toff und Pe an Birk Wlafemstl (mr ben Ramar — — 


gefunden. tl. Bowring 8 of the russisn London 10 
(de Ball) Dapıs ee &t —— rum, Bass 1803. Da | 
iſchen ch, der Polarſtern, gab B: eff und Rülkjeff 1823 Sem 
Baron Delwig, „Säwernye Zwetü“ (Nor! Blumen) feit 18255 fie 
erſchienen bie Mufe inthija zu Moslau; Ukreinskol Almamach d 
Ukraine) zu Charkow; zu Petersburg: von Darm | 

Rofen; Neffski Almı von ber Rewa, von E. 1); für fl 
Kometa Bely Ruski Alm. von Dertel u. Gleboff. —B. Brofa, a) DE Bir 
(ante Sibete Ach querR in der Bleche, erhielt aber Hier ie Kömdifige m. 


E 
N 


Nuſſiſche Sprache u, Literatur, 1009 


* mußte. Unter ben. weltlichen Neben zeichnen A ſonders bie von Lomo⸗ 
Eule ber den chetorifhen Styl zuexft ausbilbete, und Karamfin aus. Berg dl 
ihenoffsti, Blid auf die Beige ber ——— in der erfi⸗ 

ſte des 18. Jahrhunderts, im europalſchen iger 1813. ——— nu an u 
Nr Kür * Gebeihen ber Philoſophie —X 


aus ungeeignet. Selbſt das Weſen derſelben 

überhaupt mentariſche Neflerionen über allerlei wife hen Fr — 

Blonde belegt. Daß Einzelne die Syfteme en Ale dum Stublum 
ri richt nicht Bekannt iR 


Ai haben, Eidons — 
B I Bi der Bnlanli —— FR —e * —— fh 
2 ie 
gr — 662 — a A 7 * Fa c) Beliee 
Ihreibungen, wozu bie Ruffen durch ee ſchon feit 7. Sahrhunderte 
ar — —— 
Bafiljef, Wrangel und 36 alle "u erden verdienen Men - 


Reifeliteratur iſt aus neuefter u bemerken: Murawije „yo 
(Reife nach Syrien ıc 1832; nach ben Heiligen Orten 
lande 1837), ‚Gretfe ——— * a, ich und Deutſchland 
39, Bulgarin ſchreibun⸗ unb 


Finnland 
Schwehen BR " — ale im das gelobte Land ), Danbof, (Reife 
leinaſien 1839) , jobin_ (ein Ahlen der Fremde 
** ie Deutfchland, Italien, Schweiz] 1: D, Bürf en | —8 in 
ben Rhein! andern ob 3—8 ee mac) Sekute ſchi⸗ 
hatſcheff (Ritt uͤber die Pampas von Fun Ayres 1844), dann bie Eu ano⸗ 
nym aſchlenenen Briefe eines Reifenden aus und der Wanderer zu Sand 
—8* See (Reife in Mittelafien). Yeltere Keiſebeſchreibungen fammelte —A 
1837. Auch Reifen in naturhiftorifchem Intereffe, befonbers tm ruffljchen ie 
[elbft unternommen, begünftigt und unterftügt bie Regierung ıc. Reidher aber, 
je ber r. 2., ift Das Gebiet ber d) Geſchichtez Hier gibt es Rise, 
‚bücher, "Shroniten (Xätopiffe), bie man befonders in Klöften, Ars 
chwen, för in Privatbibliothefen, vornämlih in Rowgorob, Kiew, Moskau, Per 
tersbutg, Wladimir, Archangel u. anderen Orten finbet; aber zum großen Theile 
find —8 im Ranuftript vorhanden und im Kriege i812 finb deren viele uns 
Der Bater der ruſſiſchen Gefchichte it Neftor; nach dem Mufter 
ifchen Gefchichtfehreiber erzaͤhlte er theils nach ber Tradition, theils 
was er felb erlebt Hatte; feine Geſchichie ſetzte Sylveſter fort. Die vom Anfange 
des 13. — bis 1630 Spedatchromiten ſchrieben, nahmen in ihnen 3 
alen auf u. reihten bann bie Geſchichie ihrer Zeit an, daher man fie 
fen nennt, wahrfcheinlih find fie von Mönchen gefchrieben. Unter 
ljewitſch im 16. Jahrhundert wurben bie Ehronographen fehr beengt 
und unter Michailowitſch im 17. Jahrhundert verſtummten fie ganz. Dir 
jücher alle find in altflawifcher Sprache geſchrieben. An fee —E 
fenbücher, das if, Auszüge aus Sa üchern, georbnet nad) ben Stufen, 
% Berwandifhaftsgraben der Fürften, fie find größtentheils unter Iwan Wafr 
Mewitſch gefchrieben, und Herausgegeben von Diller Moskau 1775, 2 Bbe. 4. 
Unßerbem gibt es eine Menge Gefdichtöbücher, bie aus Büchern über Weltge- 
ſchichte überfegt find und wo dann bie ruſſiſche Geſchichte dem Verfaſſer eigen 
macht, befonbers werben fie nad) bem 17. Jahrhunderte —E 
n dieſen if, faft noch keines gedruckt. Auch bie Lebensgefchii hen 
2 Biene Galerikon, feit 1661 oft in Kiew und Moskau gebrudt) 
(gefammelt von Mafarlus, feit 1689 fehr oft „ee umfaßt vier 
| en Pr » 38 en gie Ext feit Elifabethe Zeit fig ie wahre Geihichts- 
eſonders, jeit Müller die Quellen ber rufflichen Gedichte bag 
— Katharina I. ſelbſt beſchaͤftigte fich eifrig at Sic u. unter 


kE 


nn 


ih —J la 


Roakmcyclopänte. van. 


1010 Nuſſiſche Sprache n. Literatur. 


wurden durch Müller, Schlöger, Tatifchticheff ugus aus den haͤufigen u. noch 
unbenuͤtzten Chroniken, Moskau 1764 und 68, 4 Bde., Fol.) ꝛc. viele rufſſiſche 
Geſchichtswerke herausgegeben. Ferner Schtfcherbatoffs Geſchichte (reicht bis 
1610), Petersburg 1770 — 91, 7 Bde. (die 2 erften Bände deutſch von Haſe, 
Danz. 1774) ; Lomonofjoffs, Furzgefaßtes Jahrbuch ber ruflifchen Gefchichte (deutſch 
von Stählin, Riga 1771) und Rußlands alte Geſchichte bis 1054. Nowikoff 
geb bie alte ruſſiſche Bibliothek heraus, Golikoff fchrieb über die Thaten Peters 
es Großen, bie Raiferin Katharina felbft ſchrieb Denfwürbigfeiten der ruſſiſchen 
Geſchichte; Fürft Andrei Jakofflewitſch Chilkoff farb 1718 zu Wefteräs in ſchwe⸗ 
diſcher Gefangenfhaft) fchrieb: Jadro Rossijiskoj istoriju, das ift: Kern ber ruflis 
ſchen Geſchichte Cin feiner Gefangenſchaft gefchrieben u. herausgegeben von Mül 
ler, Moskau 1770)5 zum SJugendunterrichte beſtimmt war Sergei von Glinka, 
zuerft in 10 Thln. 1818 herausgegebene, ruſſiſche Gefchichte, die fich dam auf 14 
Bände vermehrt Hat. Der Hauptbiftorifer aber war Karamfin, deſſen Wahrhafs 
tigfeit jeboch in neuerer Zeit von R. Polewoi u. A. fehr angefochten worden ift. 
In neuefter Zeit fchrieben: P. Sumarafoff bie Geſchichte der Zeit Katharinens 
ber Großen, ebd. 1832, 2 Bde., Kaidanoff, Berhanblungen des ruffifchen Hofes 
feit ber Thronbefteigung ber Romanow, Met. 1833, 2 Bde; Dem. Bantifch- 
Kamenski, Geſchichte Kleinrußlands, Moskau 1830, 3 Bde.; Uftrjaloff, Geſchichte 
Rußlands (deutſch, Stuttg. 1840), Denkfchriften zur ruſſiſchen Geſchichte (Pet. 
1834, 5 Hefte), gab heraus bie Berichte des Fuͤrften Kurböfi unter Iwan, Bet. 
1833, 2 Bde.; Bulgarin, Rußland in geſchichtlicher ꝛc. Hinficht, Bet. 1837, A 
Bde, (deutſch von Brafel, Riga 1839); Rikolaus Polewoi, Geſchichte bes ruffis 
ſchen Volks, Moskau 1830 5 Pogodin, Annalen: von Pfkow; Szreznewski, bie 
Borzeit der Zaporoger, 1838; Stoffzoff, Geſchichte Sibiriens 18365 Semallow, 
Geſchichte von Kiew 1834; Puſchkin, Geſchichte bes Pugatfchewer Aufruhrs 
(eutſch von Brandeis, Stuttgart 1840); Oberſt Berg (ſtarb 1824), Regierungs⸗ 
gedichte des Gzaren Michael Feodorowitſch (Pet. 1832), bes Czaren Alexander 

chailowitſch (ebd. 1833), des Ezaren Fedor Alexjewitſch, ebb. 18355 Lefort, 
Geſchichte der Kaiferin Katharina 1838, 5 Bde.; Arßenjeff, über die Regierung 
Peters 11. 1839 5 Bronefföfi, die Biographien der ausgezeichnetſten ruſſiſchen Ad⸗ 
mirale, Pet. 1834, 3 Bde; von großem Interefie find die Memoiren (Sapiski), 
über die Jahre 1813 — 15, 3. B. von Alerander Schiſchkoff (Kratkija sapiski, 
Bet. 1831), A. Michaileffsty-Danileffsty (Geſchichte des Kriegs im Jahre 1812, 
1838, deutih von Goldhammer, Riga 1840; Gefchichte des Feldzugs in Frank⸗ 
reich 1814, deutſch Riga 1834, 2 Bde. von Logebue); Fräulein von Duroff, Die 
Feldzüge von 1812—14 (die fie felbft mitgemacht); W. Swanoff (ebd. 1833, 2 
Bde.) ; die Gefchichte bes Beibaugs 1805 ſchrieb Danileffsty 1844; fo gibt «6 
auch deren über ben ruſſiſch⸗polniſchen Krieg im Jahre 1831, wie die Pochodnüja 
i putewüja sapiski (Kriegs⸗- und Reiſememoiren), Bet. 18315 unter Einwirkung 
bes Fürften Paskewitſch wurde geſchrieben: bie Gefchichte ber Kriegsbegebenheiten 
in der aflatifchen Türkei 18283—29, Pet. 1836, 2 Bde; bie türfifchen Feldzuͤge 
von 1828—29 befchrieb auch Lufjanowitfch 1844, 2 Bde.; 1844 famen auch bie 
Memoiren des Majors Sticheglofsfi in Irfutsf heraus. Außerdem werben %or- 
fhungen über vaterlänbifche —8 Quellenſtudien, neue Abdrüde älterer Ge⸗ 
ſchichtswerke von einzelnen Gelehrten und gelehrten Geſellſchaften mit Eifer bes 
trieben und fowohl durch die Regierung als durch Privatperfonen unterftügt. So 
befteht in Petersburg bie archäologifhe Commiſſion, welche Neftors Annalen Ir 
ausgibt; die ruſſiſche Akademie in ‚Petereburn läßt die Reichsverträge und Dis 
plome aus ben Staatsardhiven bruden, die Gefellihaft für Rußlands Gefchichte 
in Moskau läßt Arzibafcheffs Nachrichten über Rußland bruden; Swinjin (farb 
1839) ließ vaterlänbifche Denfwürdigfeiten druden; von ber Regierung unterftügt 
reisten Strojeff (ftarb 1840) in Frankreich und Deutfchland, Goloffjeff in Schwe- 
ben und Dänemark, um bie Archive nah Nachrichten zur ruſſiſchen Geſchichte 
auszubeuten und im Reiche felbft burchfireifte eine archäologifche Commiſſion 


Nuffifde Sprache u. Literatur, go11 


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Herausgabe eines Univ 
ge 1, das ehe apple Tan ver 10 hen begonn: 
über HM. — Das Feld —— — 
arbeitet worben. Es ar nice bie Rebe van Bet en pm rlermung ber 19 ber vor 
zum Berfänbniß ber auftawifgen,. wie von Aland, Bilna 15! 
Bier; vn Bank Beabe adan aa —— EL Bir 
zT: von n slaveno-ı jew 1627, 
100 — Eirchenlexikon (Erklärung ber in ber Kir ache vor» 
ad) —E——— 1773. Das Woͤrterbuch ber jemie (wel⸗ 
rt: Ho, De 1789—94, 4. 6 Bde. (2 Aufl. von 
I et, 1. Nußer mit ber vaterländifchen en Sprade 
* —* beſonders mit ben orientalifchen , weiches Stus 
TE — — —— 
en fon! en 
& und Kafan allerlei Sale m eh 


‚ab 
(he Wörterbuch von 8, Lehrbuch der en Sprache, 
Bora 1624 un) eine yerffhe Gprehomatfe, Dsstan 1626, 2 Shee. Date 
Hyacinth fchrieb eine Sieht e Grammatif, Shmibt und Koroatefi bei befi Ir 
tem et bejonders mit dem Mongolifchen, Ehubobafe st mit dem 
te claffifche Literatur wird Hit vermag hat, g ew 
— immer die Lehrer ber Ruſſen find. 3 befteht auch in Peters⸗ 
eine 1 albeigelt haft, davon tn ter ein enter iſt. Auch in 


effirt, 

— fh fait einiger Zeit ſehr mit ber orientafifchen Literatur, 
ſche, die bort angeftelt find, großes DVerbienft erwarben; 

außer ar I um ſch wird noch das Tatarifche viel gelernt, wozu A Its 
y u ammatit in ruſſiſcher Sprache fehrieb, 2. Aufl, Kaſan 1825; auch 
on bemfelben verfaßte tatariſch- ruſſiſche Lexikon Herausgegeben u Rids 
—ã— der tatariſchen Khane der Krim; fine das Mongolifche, wofür 

jene Profeffur errichtet werben iſt. Vorzüglich Tann das Stus 

dium der a en, Sprache in Rußland b us ch die age erleichtert und be⸗ 
ee ie in ben vorigen — großer Maſſe aus ben Klöftern 

18 ꝛc. in die Hauptfläbte Rußlande — worden find. Ueber⸗ 

f "de derte Hauptfächlich SBeter der Große; er ſchickte mehre junge Ges 
in frembe Länder, um fich mit dem Auslandiſchen befannt zu machen unb 

F 358. ruſſiſchen Boden zu veipflanzen. Schon Simeon hatte die Palmen Da- 
(MRostau 1680); — überfepte 1796 bie Ilias in Merandri- 

en Oſſian in Profaz beſſer if bie Ilias in neuerer Zeit von Nikolaus 
—— Aberjent —ã Baese abe An Shaleſpeare s König Lear und Bols 
en Aeneis in Alerandeinern, Merslätoff 

Ye en et ER von Byron, Goͤthe, Wieland (Abderi⸗ 
ten), Schiller. u Ertl Sarifem iu man ins Ruf nie über, fo ſchon 
Santemis Sontenelle's Gefpräche über bie Mehrheit ber Me ; Bin mehre 


1012 Rußland, 


Stüde aus Montaigne und Terrafion. Um bie Kenntniß ber r. 2, auch Deutich- 
land befannt zu machen, begann K. v. Knorring 1831 zu Reval in ber eufjljchen 
Bibliothek beutfche Meberfegungen ber wornehmften Werke zu geben. Vergleiche: 
Gretſch, Handbuch der r. L., Met. 1821, A Bde; Borg, Poetiſche Erzeugnifie 
ber Ruffen, Riga 1823, 2 Bde. ; Wiaſemski, das Leben Wiflns, (Schilderung 
der Literaturperiobe unter Katharina I), Polewoi, Skizzen über r. L., Eigenii 
Lexikon der ruſſiſchen Schriftfteller weltlichen Standes, Herausgegeben u. vervolls 
Ränbigt. son Sujagireff; Otto, Lehrbuch der r. L., Lpz. 1837; König, über bie 
r. 


Rußland. — J. Geographie und Statiſtik. Das ruſſiſche Reich er⸗ 
firedtt fiy über das ganze Oſteuropa, ganz Nordaſien und über einen Theil der 
amerifanifchen Rorbweftküfte, gränzt im Norden an Rorwegen, das weiße Meer 
und @ismeer, im Ofen an bie Beringsftraße und den Ozean, im Weſten an Oft- 
und Weftpreußen, Schweben und ben finnifchen und botnifchen DMeerbufen, Ga⸗ 
lizien, bie ſirgſchelaitaſtſche Steppe, im Süden an bie Tuͤrkei, das ſchwarze Meer, 
Berfien und China. Der Flächeninhalt kann annähernd auf 401,536 [J Meilen 
angegeben werden , wovon auf das europäifche R. 98,587 D Meilen , auf das 
aftatiiche NR. 284,444 D NMeilen, auf das amerifanifhe R. 17,500 [J Meilen 
fommen. Die Beftandtheile find: 1) das eigentliche R., 2) das Königreich Polen, 
2341 [JMeilen, 3) das Großfürftentfum Finnland, 6837 4 Meilen, 4) Kauka⸗ 
fin 1803 [JMeilen, 5) Transkaukafien 163,565 [J Meilen, 6) Sibirien, ruſſi⸗ 
fches Aften, 250,018 Meilen, ) die ruffifhen Befigungen in Amerika mit 
Einfchluß der Aleuten u. f. w 17,500 [JMeilen. In politifhsabminiftra- 
tiver Hinficht if das Reich in Gouvernements , Statthalterfchaften und Pro⸗ 
vinzen eingetheilt. In Europa Hat es 58 Provinzen und Gouvernements, wozu 
dann noch Finnland mit 8 Laͤns kommt; in Aflen A Provinzen und Statthalter: 
Ioaften. Was die phyſiſche Beſchaffenheit anlangt, fo iſt das europälfche 
R. im Ganzen Tiefland, mit ſehr wenigen, aber erzreichen Gebirgen, im Wellen 
das rufftfche » Tappifche und finnifche, als niebrigfen Theil der fcandinavifchen 
Debirgefette ‚ das ruſſiſche Lappland bdurcchflreifend und am weißen Meer mit 
dem Vorgebirge Sſwjaätoc endigend; ein Arm besfelben bilbet theils die ruffifch- 
finniſche Gränge, theils durchzieht er Finnland, an ben Gouvernements Peters- 
burg, Dloney und MWologba verlaufend. Der Hauptarm biefer finntfchen 
Gebirge Heißt Maanſelka (Landruͤcken); es beſteht aus niedrigen Granitfelfen, 
welche Steinart fih überhaupt in Finnland in Blöden fehr Häufig vorfindet. 
Im Sübweften flreichen die Vorberge dee Karpathen in öfllidher Richtung 
vom Dnepr nach dem ſchwarzen Meer. Das Walbai- Blateau, von welchem 
ih Wolga, Dnepr und Düna ergießen, ift der höchſte Punkt bee rufflichen 
Ebene; es erhebt ſich bis zu 1000° über ber Oftfee, ift 55 Meilen lang und 7 
Meilen breit, Im Oſten zieht fich der erzreihe Ural nach Norden, füblich 
zu beiden Seiten bes 75 Meridians. Diefer breite Gebirgsguͤrtel ift von vers 
ſchiedener Höhe und Formation, erreicht übrigens niemals Alpenhoͤhe, da er nur 
etwas über 6000° anfleigt. Im füblichen Ural find ber Kalgad, Irentif, 
Karataſch, Iremel, Teganai und Tautoffigali mit ewigem Schnee bes 
deckt. Im Süben liegt nad Eüden und Weſten am ſchwarzen Meere das taus 
rifhe Gebirge. Der hoͤchſte Berg, Tſchatür⸗Dagh, ift 4000 hoch. Die 
bedeutendfien Ebenen find: Die wolgaiſch-kalmückiſche, vom Ural bis zur 
unten Wolga und vom Fafpifhen Meere Die Bu Shamara; bie Steppen 
von der untern Wolga bis zum Don, bann bie Ebenen Tauriens; die mo⸗ 

ayifh-taurifche Steppe und die woffneffenfifchen und otſchakowi⸗ 
hen Ebenen. Das europaͤiſche R. iſt ſehr wafferreich. In fein Waſſer⸗ 
gebiet gehört: 1) das Nordmeer, mit dev Meerenge Waigatfcy nnter dem 70 Grade 
er Breite und dem größten Bufen. 2) das weiße Meer, 50-100 Werft breit, 
welches bie Dwina’iche, onega’fche und kandalaskaj ide Bai bildet und 
ia Dften bie Halbiniel Sanin Hat; 3) das Eismeer, ben Sflidden Theil bes 


— — — 


Nuflland. 1018 
eh, it © F der ſibiriſchen Deren F Waigatſch bis 


Keane 
8 eRre e, Aften's die kariſche Bay, neben 
* tert e —8 8 —X Oſtſe e ober das baltiſche Meer, wel⸗ 
bottniſchen, Tanniigen, zes — en und riga'ſchen Buſen 
5) base ſchwarze Meer em aſow'ſchen und faulen 


ba! kaſpiſche Den, zum Theil zu ale ehörend, Hat feine Ebbe 
"gegen 1000 Werft lang und 200-450 3 breit. Von den Star 
a) zum boebiete des nord» a. —AãA da ch 
24 ereinig s Jug und der Sſuchona, 
unb Xã 5 Arm Arme umoeit von change. 2) Der Onega 
Wid aus dem w aid Ser get dann dur den Latſcha⸗See und 
in das Meer. * ſtliche —— bes weißen 
6. 4) Die eh ora, „are m weftlichen Ural und fließt, 1000 
lang, ins Cioineer. ete ber Dffee: 1) bee Torneä, zum 
Me Bring nern € a hab und in ben bottniſchen Meerbufen 
emi, eben dahin muͤndend. 3) Der Kymmene mündet in 
ben en Meer — 6 Die große und breite Rewa, als Abſfluß de Las 
boguafee® in ben finnifhen Meerbufn. 5) Die Rarwa, aus Fr 
e 7* mündet, bei der gleimamigen Eiabt., 6) Die Lie — he 
den riga’fchen Buſen. 7) Die Düna, entf 
* Se —* dürchflleßt den Ochwatſee und fließt —* — in den 
Buſen, —1*— bedeutende darunter die Toropa. 88 
t, unweit e Offer, größte Seefchiffe, 














| Wine a "Gonverremmne insf u. 2 ai, 16 
nach Tri Banfe, in bie rg ee, iyengt In — edeutende Reben je 10) Der 
weſtliche Bug) entfpringt in Galizien, bildet eine Strede die Gr 
gen unb mündet in die Weichiel. 0) Zum Oediete If gwgrzer 


zes: 1) Der Dnieſtr; auf den Karpathen entſprin gend, er durch * 

ar. 2) Der —28 entſpringt im —æe— Minsk, 

einen Lauf von 2000 Werſt Km er di fih durch eine breite infels 

e ränbung, Bat wichtige bee e, wie die Berefina 3) Der Bug, 

ber Karpathen in Bodolien u. wird 150 Werft von feiner 

nit egsſchiffen —— In das aſow'ſche Meer mündet der Don, 

See Iwanow fließend und viele Zlüße aufnehmend. d) Zum Gebiet bes 

kaſpiſchen Meeres: 1) Die Wolga, einer ber gedpten Flüffe Europa’s ; fie 

t im Gouvernement Twer, erreicht eine Breite von 400 Faden und ers 

ſi hc mehr ale 70 Arme, deren größter die Achtuba if, bei Aſtra⸗ 

Sen, nach einem Laufe von über 3000 Beh a Diefer wichtige Fluß R.s nimmt 

viele fi e Flüffe auf, 2) Der Ural fommt aus dem öftlichen Theil des bas⸗ 

en Urals. fer bem Taspifhen Meer Hat R. ferner an Binnenfeen: 

1) den abge, Set gegen 292 DI Beim Flaͤchenraum, über 70 Zuflü e 
zwiſchen den Bouvernements Finnland, St. Petersburg und Olonez. 2) 

DnegasSee, liegt öftlih vom erftern, im Gouvernement Olonez, 200 Wert 

e und 60-80 Werft Breite. 3) Peipus⸗See, befteht aus Dem nörblichen 

oder tihubifchen und aus dem füblichen oder pffowifchen See. 4) Der Beloje> 

Defero (der weiße See) im Gouvernement Nowgorod. Cbendafelbfi 5) der 

Iimenjee 6) Der Eubin’fche See im Gouvernement Wologba und außerdem 

noch viele Kleinere Seen, von benen mehre ihres Salzwaflers, andere ihrer 

ſchwimmenden Inßen wegen merkwuͤrdig find. Fuͤr den Kanalbau geſchieht 

noch —* viel. Es —2— 1) Verbindungen zwiſchen dem 

chen Meer und der Oſtſee: vermittelfi der Wolga duch den Marienkanal 

Ladogaſee; durch den tichwin’fchen u. ben Labogafanal, 2) Zwifchen bem 

en und dem weißen Meere: durch die Wolga, Kama, ben Nord⸗Ka⸗ 

tfarinenfanal und die Divina, 3) FA bem weißen Meer und der Oft 

fee: durch bie Divina, den Kanal des 3098 Alerander von Württemberg und 


& 


1014 Rußland, 


ben Zadogafanal H Zwifchen bem fchwarzen Meere und der Oſtſee: durch ben 
Dnepr, ben Berefinafanal und der Düna, burch den Dunjepr, den Koͤnigskanal in 
die Weichfel; durch den Dnepr, den Oginskylanal und ben Riemen unb durch 
den Dnepr, bie Weichfel, ben Niemen ben Windaufanal. — Im Allgemeinen 
iſt R. ein Ealtes Land und das Klima, je nach der Nähe bes Meeres, nach ber 
Bewäflerung, dem Umfang der Walbungen, ber Richtung ber Berge und Thaäler, 
der Höhe über ber Meeresflaͤche u. bgl. ſehr verfchieben, im Ganzen indeß ſehr 
gefund. — Produfte. Der Reichthum an uneblen und edlen Metallen ift ſehr 
groß; am Häufigften wird Eifen gefunden; Kupfer liefert hauptſaͤchlich das Ural⸗ 
und Altaigebirge. Gold und Eilder werden aus bem Altai und Ural gewonnen. 
Auch Go — *8 und Goldſandlager gibt es, letztere beſonders in Sibirien. Fer⸗ 
ner werben gewonnen: Queckſilber, Alaun, Schwefel, Vitriol, Salpeter, Raphta, 
Torf, Steinkohlen, Salz; gute Bauſteine, Schiefer, Porphyr, Sandſtein, Ala⸗ 
baſter, Gyps, Marmor, edle Steine in Ueberfluß. R.s Mineralquellen, die ſehr heilfam 
u, beſucht, find Hier zu nennen. Der Pflanzenreichthum iſt gleichfalls groß. Mit 
Ausnabme bes mittleren und füdlichen Theils, wo Holzmangel herrſcht, finden ſich 
große Waldungen. Die Obſtkultur wird in man Gegenden fehr eifrig be- 
betrieben, au bie Kultur des Weinſtocks; in Teandfaufaflen gebeiht bie 
Rebe ohne Pflege Im Lande ber Doniſchen Kofafen wird viel Ghaupag- 
ner fabrizirt. Die befannteften Kärbefloffe, darunter auch Indigo und Dels 
pflanzen, werden gezogen. Gerealien gedeihen trefflih. Finnland na⸗ 
mentlich iſt fehr fruchtbar. Der Kartoffelbau Hat befonders in den Oftfeeprovinzen 
fehr zugenommen. Yür die Kabrifinbuftrie wird erzeugt: f, Flachs, Baum- 
wolle, beionders in Transkaukafien, Tabak, vorzüglih am Dnepr u. au in Si- 
birien, Hopfen u. Zuckerrohr gebeiht in der talofehinstifigen Chanſchaft. Für bie 
Hebung des Aderbau’s wirken viele landwirthſchaftliche Vereine und Inſtitute. 
— Das Thierreich iſt fehr reichhaltig. R. befigt viele wilbe Thiere, worunter 
ber Zobel, der Silberfuchs, der Hermelin, der Seehund, die Robbe am nuͤtzlich⸗ 
fien, der zahlreiche Wolf dagegen Io ſchaͤdlich. Der Haufenfang im kaspiſchen 
Meere u, der Wolga, ber Häringfang an den Küflen der Krim, find fehr eins 
traͤglich. Die Zucht des Seidenwurms iſt fehr verbreitet. Die fohönen u. gros 
Ben Weiden tragen zum Gebeihen der Biehzucht bei. Die Pferde find meiſtens 
gut, wenn auch weniger ſchoͤn. Das beſte Rindvieh if in der Ukraine. Unter 
den Schafracen findet ſich die Firgififche mit dem Fettſchwanz; überhaupt ſteht bie 
Schafzucht in hoher Blüthe. Rennthiere ziehen die nörblidden Völker u. Kamele 
die Kalmüden, Tataren u. laukaſiſchen Voͤller. — Die Bevölkerung iſt im 
Ganzen noch unverhältnifmäßig gering zur Bröße des Landes; doch beträgt fie 
jegt über 60 Millionen. Die bevölferteften Städte find (Zählung von 1839): 
St. Petersburg mit 476,386 E., Mosfau 348,562 &., (Warſchau, |. Polen), 
Obefla 73,000 E., Riga 71,000 E., Kafan 45,500 E., Tula 51,000 E., Klew 
45,000 E., Kronftadt 53,000 E., Aſtrachan 46,000 E., Sfaratow 42,000 E., 
Abo 13,500 ® u, Helfingfors 11,000 €. (Finnland). Rah den Stämmen 
zerfällt die Bevölferung in: a) Slaven (46 Mil), welche wieber zerfallen in 
Groß⸗ und Lleinruffen mit Kofaten, in Polen mit Litthauen, in Serben, Bulga⸗ 
ren und andere Slaver Die Kofafen zerfallen in bonifdhe, uraliſche o 
orenburgifche, aftrachanifche, fibirifche und Koſaken am Bug, am ſchwarzen Meer. 
b) Der lettiide Stamm, rein in den Oſtſeeprovinzen (2 Mill.); er zerfällt in 
Litthauer, Leiten, Kuren. c) Finnen (3 Mill.), au welchen bie Lappen, Eſthen, 
Lieven, Tſchuwaſchen, Tſcheremiſſen, Morbwinen, Oftjäfen u. einige Kleinere Böls 
ferichaften gehören. d) Deutiche, in ben Oftfeeprovinzen u. meiftens in ben 
peoßen Städten (etwa 600,000). e) Tataren (etwa 2 Mil.) Sie zerfallen 
die Erimifchen, die kafan’fchen Tataren, die Rogaier am Kuban und Don, 
die Meſchtſcheraͤken, die Bafchkiren, beide Hauptfächlich im Bouvernement Oren⸗ 
burg, bie Kumüfen, Kirgifen und noch viele Eleinere Voͤlkerſchaften. 7) Die 
Kaukaſier (etwa 2 MN.) Dazu gehören die Armenier (gegen 400,000 


Aufliand. 1015 
GSeden), Gruſier ober Georgier, s[Qerteffen, weiche wieder in viele 
Bölterichaften ier, 


m — ) Juden, bürfen in 17 
‚wohnen, 1,166,570 ihm ee ee bilden fie ben 


15. Zell ber Be Bevölferum —ã h) Der mongoli de Stamm (dus 





—— ven Mongolen, Kalmälen ( 
eiokaukaſiſchen ——IJ —— (am Bai⸗ 
ee), le, Buben i) Der Mandſchu⸗Stamm (eiwa 000 Individuen), 
in Kleinere an „® De ee ae 
(etwa 70,000 vihuen), ein Rebenyinel er Finnen, Die eigentlichen Sſa⸗ 
moi im Gouvernement Archang Be u. in Sibirien; dazu gehören 
mehre andere —ã— 7 D Rorböflide Bölker: Kamt⸗ 
en, en; en, nen, ten (50,000 Inbivib.). 





Sſarts erſer, 
(14,000 es Franzoſeñ, En lander, Italiener u. Schweben. 


che in 3 Mundarten: D bie g S ru era 


Sprache iR 
bie eigentliche —* im mittlern R. Deren} 30 die ie, 
in ganz GAdR. herrſchend; 3) bie —— in Litthauen u 
fleinen Theile von Weiß⸗R. In Finnland Herricht die‘ famie u u. —** 
in ben Ofiſeeprovinzen bie deutſche, lettiſche u. en Die Ruflen F 
Allgemeinen ein ſchoͤner, kraͤftiger, gaſtfreier, heiterer an / 
find in ucht verfommen, die Niederen der: 
—— bie 45 Millionen Leibeigenen durch bie Lei —— u. *2 
verthiert. Betrachten wir die Zuſſen — ihren Religionen, 10 
ſich folgende neueſte ſtatiſtiſche Verhaͤltniſſe. Totalitaͤt der * 
Die nicht zur herrſchenden orthodorsg —5 Kirche bekennen, 
* ſich auf 8 , 3 "ram 1) roͤmiſche Satdolifen 2. 2) 8a 
Armenier 2 3) Gregorianiſche (ſchiomatiſche) Armenier 346,000, 
4) Lutheraner —88 5) Reformirte 40,893. 6) Muhamebaner : 2,320,580. 
D De, wie oben angegeben. 8) Bubhiflen 2,023,634. 9) Göpendiener. 
Alle dieſe Religionen befiten (die Klöfter nicht inbegriffen) 11,542 Kichen, 
Tempel, Synagogen, Mofcheen ꝛc.; bie römifchen Patbotiten 2378, die armenis 
ſchen Katholiten 52, die fchismatiichen Armenier 225, bie Lutheraner 220, bie 
Neformirten 32, bie Juden 643, die Muhamebaner 6163, die Bubhiften 156 u. 
die Götzendiener 273. Die An zahl der Prieſter u. Geiftlichen beläuft fi auf 
28,737, wovon auf bie römischen Katholiten 2037, die katholiſchen Armenier 52, 
bie Sutheraner 444, die Reformirten 32 kommen. Die ga rufe Welts 
u. Mofergeiftlichkeit zahlt 254,057 männlide u. 249,748 weibliche Individuen. 
ſichtlich der Ständeeintheilung hat man in R. gar viele Rangabftufungen, 
e alle militärifch georbnet find; vom höchften Range, dem bes —— 
u. Reichskanzlers, bis zum Range eines Fähndrichs oder Collegien⸗Regiſtrators 
a iſt mit dieſen Stellen der perfönlicde Adel verbunden; die 8 erſten von ben 
14 Rangftufen verleihen auch erblichen Adel, welcher große Vorrechte genießt, 
u. a. nur wegen Hochverraths am Leben geftraft werben kann. Der im europäts 
ſchen R. befindliche Adel beträgt gegen 400,000 Individuen. “Der beutfche Abel 
in den Dfteeprovingen befteht aus etwa 13,000 Perſonen. Im aflatifhen R., 
namentlich in ber kaukaftſchen Provinz, betragen bie Adeligen etwa ao Fndivi⸗ 
buen. Die nicht ea Adel gehtrigen Beamten belaufen fih auf 200 Der 
—— de tädte zerfällt in 6 Claſſen. Der Kaufmannsſtand, ie nad) dem 
Beſthe, in ilden, von benen bie erſte perfönlichen Adel verleiht. Nicht ruffs 
iſche Unterthanen müffen zwar als Gewerbtreibende einen Kaufmannsfchein erfter 
Gilde löfen, können aber nicht in dieſe Gorporationen aufgenommen werben. Der 
Bürgerfand zählt 1,267,342 Perfonen. Der Bauernftan geefank ind freie 
Bauern, wozu auch bie Koloniften u. tributpflichtigen Bauern gehören; 2 





1016 Rußland. 


Bauern, unter befonderer Verw ber Krone. Dazu gehören a) die Eins 
höfner (meiftens Ablömmlinge alter Soldaten, worunter auch Abelige); b) bie 
Milttärcoloniften, ein ſehr unglüdlicher Menfchenichlag; c) die Kreis 
bauern; d) die Manufakturs u. Fabrikbauern; e) die Berwiefenen 
in Sibirien, welche in Verwieſene auf Zwangsarbeiten u. in Berwiefene zur Ur⸗ 
barmachung wüfter Landſtrecken (etwa 60,000 Deportirte in Sibirien); 3) 
Leibeigene, bie entweber ber kaiſerlichen Familie, ober den Gutsherrn ange⸗ 
hören. Die Bauern der kaiſerlichen Familie bilden das Brivatvermögen bes kai⸗ 
ſerlichen Haufes. Die Leibeigenen bürfen nie gegen ihren Herrn klagen, am wes 
nigften beim Kaiſer; im Mebertretungsfalle werden fie gefnutet u. nach Sibirien 
chickt. In den Öftfeeprovingen ift bie geibeigenfchatt aufgehoben. Bon ber 
ttlichen Bildung des ruſſiſchen Bolfes gibt das einen Begriff, daß die Unzahl 
der Findelkinder nach Liſten von 1835 in Petersburg 39,114, in Moskau 52,549 
betrug; bie Durchſchnittsſumme ift 4 u. 5000 Kinder jährlich. Auf die leibeigene 
Menſchenclaſſe kann die Kirche bei ihrer Der lichen Rechtlofigkeit gar Feinen 
Einfluß ausüben u. die Verbrechen, die von ihnen felbft, oder an ihnen nur gar 
zu häufig begangen werben, vor ihren Richterftuhl ziehen. — Die von Peter dem 
Großen gefhaffene Induftrie u. Manufaktur hat fich fehr gehoben, bejon- 
ders die Woll⸗ u. Baumwollen » Manufaktur, mit bebeutendbem Abſatze nach Allen. 
Geidenmanufafturen gibt e8 bedeutende in PBeteröburg u. Moskau. Die Leberma- 
nufaftur ift ein fehr wichtiger Zweig ber ruſſiſchen Induſtrie; bie Bapierfabrif 
zu ‚Peterhf concurrirt mit ben beften englifchen u. franzöftfchen Fabriken. “Die 
Seilerfabrifen führen viel aus. Biel Tabak wird gebaut u. fabrizirt, doch auch 
noch viel eingeführt, Die theilweife ber Krone gehörenden Branntweinbrennereien 
find fehr bedeutend. Die Kryftall- u. Glasfabriken wetteifern mit ben franzöfis 
ſchen u. engliſchen. Auch der Erzeugniffe der Metallwaarenfabriken muß, nad) 
Dualität u. Quantität, rühmend Erwähnung gefchehen. Zur Förderung der In- 
duſtrie exiſtiren Kunftausftellungen, ein technologifchspraktifches Inſtitut, ein Ma- 
nufaktueconfeil, Vereine für Gewerbe: u. Handwerksinduſtrie u. bergl, m. Auch 
erfcheint in Petersburg ein Manufaktur» u. Hanbels-Iournal, Baumwolle und 
Rohzuder find die hauptſaͤchlichſten auslaͤndiſchen Einfuhrartifel. (Weber polnifche 
Induſtrie f. Bolen). Peter der Große ift der Schöpfer des ruſſiſchen Hanbels 
u. 1733 begann die regelmäßige Schifffahrt nach St. Petersburg. 1839 belief 
fi die Einfuhr auf einen Wertb von 198,961,386 Rubel, die Ausfuhr auf 
132,018,290 Rubel. Der innere Berfehr, namentli auf ben vielen Ylüffen u. 
Kanaͤlen, it fehr bebeutend. Hiefür find die Hauptorte: Petersburg, Moskau, 
Nubinst, Morſchansk, Kaluga, Tula, Kurst, Rifhegorod, Rafan u. Aſtrachan; 
für den auswärtigen Verkehr find Hauptorte, naͤchſt Petersburg, Riga, Odeſſa, 
Taganrog, Archangelsk, Orenburg. z ber Ausfuhr geichieht zur Eee. Durch⸗ 
ſchnittlich verlaffen 4560 Schiffe jährlich die ruſſiſchen Häfen u. laufen ein 4524 
Schiffe Außer mit Amerifa ift der Handel mit Aſten (China u. Berfien) be 
beutend, im Werthe von etwa 19 Millionen Rubel Ausfuhrz Einfuhr 25 Mil. 
Rubel, Petersburg, von ben wichtigſten Oftfeehäfen wieder ber bebeutenbfle, 
zahlt 160 Großhandiungshäufer; die Zolleinnahme betrug 1837 55,175,642 Rbl. 
Unter ben Häfen bes ſchwarzen Meeres ift Odeſſa der bebeutendfte, wo Ein⸗ u. 
Ausfuhr (1839) einen Werth von reſp. 21,865,346 u. 48,636,350 Rubel repräfen- 
tirten. Am afow’fchen Meere nimmt Taganrog an Bedeutung zu. Haupts und 
Eentralpunft für den innern Handel ift die Mefle von Riſdegored. Man rech⸗ 
net in Rubeln u. Kopeken. Der ganze Silberrubel von 100 K. u. der halbe 
Silberrubel bilden die Grundlage bes ruſſiſchen Muͤnzſyſtems u. heißen Bank⸗ 
münze. Poltine Heißt der Halbe Rubel, die Triwna ein 10 Kopefenftüd, bie 
Demeſchka ift die Hälfte, bie Polufchfa das Viertel eines Kopeken. Goldene 
Münzen find der Imperial u. ber halbe Imperial, oder 5rubelige Dukaten; filberne, 
ganze, Kalbe, viertel Rubel, 20, 10 u. 5 Kopekenſtuͤcke. Der Silberrubel ift die 
allein gültige Landesvaluta. Papier für 100 Kop. Silber, ſowohl in ganzen Rubeln, als 


Ruplanh, . 1017 
Buß gem bem englifjenz- bie 
2 


% 7 Ber * sogen ige Meike 1 
Hung, Bar all jr 
10 nesigaiies, 31 abaige Damrapıne 
fionen,; ee 15 Schulen für me von Subalternbeamten. Die 


Förderung ber 
den Sata Beihnipens von Seter dem Otoßen pop u. am 
eie kaiſerliche Atademie ber Wiſſenſchaften. 
Die taiſerlich ruffiſche Akademie, von Katharina IL am 21. Oktober 
ae aa ihr Bived Gulisirung der Landesfprache. 3) ie De 
feüfe 8 St. Patersburg. 4) Geſellſchaft, der Raturforicher. 5) a 
für und ruffifche Mitertfümer, 6) Geſellſchaft von Senden ber 
m Mostan, 7) GOefellihaft der Freunde der ‚Literatur. 
für Literatur und Praris, 9 Lettiſche Hm — 
10) haft für Gefchichte und MAlterthümer ber Di und e 
andere. nam ber Ian Menuchen Bibtlordet befipen FE bie din 
demie Univerfität jetere] jeftattete thefen. 
bie Univerfitäte Bibtintheten —— ——— Chartow, find 
rd und gut. Mußerbem gibt e6 noch Gouvernementsbibliothelen; ſche u. 
und Gabinete beſiden bie Univerfitäten u. befichen zu Petersburg 
in ber u. 0. In ben Wiſſen ſchaften gibt es zeit gr Ars 
beiten. Die Ge ante has er an ‚2 kin, Ufras 
liew, Nurawiow, Polewol, Swinin, Saidanow, Bulgarin u. d. a. Beographen, 
en u Statiſtiker find: Subow, Lewſchin, in, Blaffow, 
R owiiſch, Weidemeier, Bruſſilow, Debu, Bergfträffer, Chopin, Fuchs, 
“0m In be orientalifhen Philologie leifteten viel: Fraͤhn, 
Schwibt, Erdmann, Hiakint, Kowalewskij, Rhaſis u. a. Im Gebiete der Mas 
thematit und Raturwiffenfchaften find die Arbeiten von Rune, Gurjew, o⸗ 
taſſow, Kutarga, Parrot u. Gorjaniow bekannt. Berühmte Maler find: Brüs 
tom, Reff, Bruni, Loffenfow, Ignatius, Mafoizi, Iwanow, Egginf u, v. A.; 
Architekten: Kakurinow, Cftarow, Woronihin, Michailow, Woilow; Skulp⸗ 
toren: Koslowsti, Martos, Shtſchedrin u. Schubin. Mufiker: Glinka, Kos⸗ 
low, Grigorjew, Alabiow, Anton Rubinftein u. A. Die Menge ber jägrlich 
erſcheinenben Bücher ift nicht im Verhältnifie zur Größe bes Reiche, boc vers 
ſich jaͤhrlich deren Zahl. Die ſchon von Schweben — — geiftige Kultur 
Binnlands entwidelte ſich unter der ruffiichen Herrſchaft. Alle niederen Schulen 
Reben unter ber Berwaltung ber Bifhöfe und Domfapitel zu Abo und Borga; 
3 Symmaſien u. 1 Univerfität zu Helfingsfors. Die am 16. März 1831 ge tete 
finniſche Literaturgefellfchaft, die 1838 gefliftete finnifche Socletät 
der Siſſenſchaften, die Gefeltichaft pro Fauna et Flora Fennica. Zeit» 
ſchriften u. Zeitungen erfcheinen 10. (Geiftige Pultur in Polen f. Polen.) Das 
& um Finnland Hat 6873 ) Meilen mit 1,397,149 Einwohnern. Ueber 
die m Dauptfähte St Pe und a on I —ES Begichs 
ung zu bemerken: ©t. Petersburg, erſte Hauptftabt um! ‚an 
ber A Rahe in den Bufen-von Rronfeht mündenden Rewa, unter 58% 23° 
Breite und 47° 59° Länge, im Jahre 1703 von Peter dem Großen gegründet; 
faR ganz von Waffer umgeben, 12 Stabtbegixfe, 8661 Gebäude, worunter 10 
ee Es 


8 
* 
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C 
2 
® 
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, 487 herrſchaftliche Gebaͤude, über 200 Kirchen u. Kapellen, ber praͤch⸗ 
palaft, bie Eremitage, der tauriſche Palaſt, ber anitichkow’fche u. ber 
3 Brachtgebaͤude find: die Admiralität, das Generalfinbs » Gebaͤude, 


1018 Rußland, 


Boͤrſe, Bergcadetten⸗ u. Seecabettenhäufer, Senatsgebänbe ; 133, barunter pracht⸗ 
volle, Brüden ; fhöne Öffentliche Gärten und Promenaben ; ber Admiralitätsplas, 
das Marsfeld, der Iſaaksplatz, Preobraſhens kuͤptet bie größten öffentlichen 
Plaͤtze. Wohlthaͤtigkeito⸗ u. öffentliche Hellanftalten, zahlreicher, wie reicher und 
glängender, al8 irgendwo in ber Welt; an 70 ae von denen 2 über 
1000 und einige 20 mehr als 100 Betten zählen; gleichwohl find biefe Anftalten 
noch nicht Hinreichend für das Bebürfniß; bei aller Großartigkeit und trefflicher 
Einrichtung derſelben wird in ber Behandlung ber Kranken und Armen gefehlt, 
ba Alles der Außern glänzenden Erſcheinung u. Eleganz aufgeopfert wirb; Allee 
iR nach einer fehr fcharfen folbatifhen Regel georbnet. Die Sterhlichketit ift ba- 
sum in den SHofpitälern ſehr groß. St. Petersburg zählt bei einer Benölferung 
von fünfthalbhunderttaufend Menſchen (292,000 Männer u. nur 148,000 Weiber) 
faum 100,000, die nicht dem Proletariat angehören. Der Befunbheitszuftand iſt 
viel ungünftiger, als der irgend einer europäifchen Hauptftabt, wegen ber moraftigen 
Lage, des firengen Klima's mit häufigen Temperaturwechfeln, dann auch wegen 
ber ungezügelten Genußfucht der Höheren, der fchlechten Lebensweiſe ber nieberen 
Stände 1 wurden 9110 Kinder geboren u. 14,501 Perfonen farben, wobei 
bie Soldaten nicht einbegriffen find. Die Zahl der Ehen iſt auffallend klein und 
iR noch im Abnehmen (2463 Ehen im Jahre 1843). Moskau, Gouvernements- 
u. zweite Refibenzflabt, in fehr malerifcher Gegend, an ber Moskwa, in 55° 45‘ 
Breite, 55° 17° Laͤnge, gegen 350,000 Einwohner, 12,653 Kron⸗ und Privat» 
Bäufer, 400 Kirchen, worunter 381 griechtfchsrufftfche, 14 Moͤnchs⸗ u. 7 Frau⸗ 
enkloͤſter, 53 Brüden, 562 Fabrifen. Die Kathebrale dee Himmelfahrt mit 
bem koſtbaren Bilde der Jungfrau von Wladimir, bie Kathebrale des Erzengels 
Michael mit 5 prächtigen Kuppeln und vielen Ezarengrabmalen, die Kathebrale 
ber Berfünbigung, mit 9 reichvergolbeten Kuppeln und vielen Fresko⸗Gemal⸗ 
ben; bie Kirche bes heiligen Nikolaus, mit den berüßmten Iwan Welifis- 
Thürmen u. a. m.; bie Kathedrale Ehrifti des Erlöfers wird nach ihrer 
Bollendung eine ber größten Kirchen ber Welt fern. Die bebeutendften Ueber⸗ 
tefte des alten Czarenpalaſtes im KremI find: der Terem u. bie Öranonitajas 
Palata, die beide zum Theil 1812 von den Franzoſen zerflört wurden. Außer: 
dem find noch der große Schloß= ober der ber Alexander⸗Palaſt und bie 
Drufhelnaja-Balota oder ber Waffenpalaft merkwürdig ; letzterer iſt die Ruͤſt⸗ 
fammer des Kreml; außerbem befindet ſich in felbem noch das reich ausgeftattete 
Arfenal. Der Patriarchenpalaft enthält die große Synodalbibliothek mit 
vielen feltenen flavifchen Codices. Außer der Univerfität hat Moskau die mebizinifch- 
hirurgifche Akademie, die Commerz⸗Akademie, das adelige Inſtitut bei ber Unis 
verfität, 2 Gymnafien, Seminar, Kommerzs, Architektur⸗, Theater-, Aderbaus, 
Oartenbaus, Poſtamts⸗, armeniſche Schulen. v. a. ; phyſiſch⸗mediziniſche u. naturs 
forfchende Geſellſchaft; viele gofpitäter , Börfe, 96 Handelsreihen mit 3640 
Buben. — IL Berfaffung, Berwaltung, finanzielle, ſociale u. relis 
gidfe VerHältniffe R. iſt (mit Ausnahme Polen's) eine erbliche, völlig 
uneingefchränfte Monarchie, beren Beherrfcher Kaifer oder Selbſtherrſcher Heißt. 
Die Thronfolge iſt ſowohl in männlicher, als weiblicher Linie erblich u, es folgt 
bei Thronerledigung, nach dem Rechte ber Erſtgeburt, ber aͤlteſte Prinz und nach 
biefem deſſen ganzer männlicher Stamm in abfteigender Linie. Nach deren Ers 
loͤſchung folgt der zweite Prinz u. deſſen Descenbenz, find feine männlichen Rachfommen 
mehr vorhanden, bie weibliche Nachkommenſchaft. Nur Kinder aus einer Ehe 
mit Töchtern regierenber Häufer find thronfählg. Die Prinzen und Prinzeflinen 
von Beblüt Heißen Großfürften u. Großfürftinnen. Der Thronerbe heißt Ceſare⸗ 
witih. Der Kaiſer bezeichnet, iſt der Thronfolger minderjährig, bie Bormünber 
u, den Regierungsverivefer. Krönung u. Satbung finden zu Moskau Statt. Der 
Kaiſer von Rußland if zwar Großfuͤrſt von Finnland und König von Polen, 
boch find beide Länder abgelonberte Provinzen unter eigenthümlicher Berwaltung ; 
Polen's Ruſſificirung iſt übrigens im Gange, Der Gentralpimft ber Staatsvers 


Auflend, 4019 
ber Kaiſer, befien Entfcheibun aa enheiten unters 
aa u ie bie bildet. Die. —— der ne 
‚ be dieist a neu —* heilige re ie Dem 
1810) unter — jo Jofern fie nicht bie — 
ide ab Ka Dee Meellegen au mus, e allgemeinen, abminifirativen, richter⸗ 
Anoebmungen; z er fleht unter einem. PBäftdenten mit "Subpräs 
etaͤren für 3 ben Mo der Geſetze, Kriege» u. Marinean⸗ 
‚ber — und hen Angelegenheiten, ber Staatsoͤlonomie u. 
* ange an ten bes de Binigrite Polen. Der von Beier bem 
Bat eine ſehr aubgebehnte Macht; er 
— —e— in —* — — F oͤffentlicht * 
Be Geiche u. a Atale) Hat die Mitaufſicht uͤ 
und Husgaben, beſeht bie meiften Aemter. Bon fein 12 Darm 
befinden ſich 8 zu —8* 4 zu Moskau, Der Kaiſer präfibirt 4 iüen, ber ſich 
Juſtizininiſter, in ben Departements durch einen Oberpro⸗ 
——ã Ueber die geil, Synode weiter unten. Die eigentliche exes 
—— Bau — vom Kaiſer und if den Miniſtern u. Staatsſekretaͤren an, 
des Talfı on —* —ã—— a an: e —e das 
er e 
Gabinet und die davon abhängigen — — 8 Hof⸗Comp —* das 
Gomptoie bes Intendanten, bes moslowitiſchen Hofes, bie Direltion des tollen 
Uchen * bie Alademie ber ſchoͤnen Kuͤnſte und aͤhnliche. 2) Das 
Reiche» Domänen. Die kaiſerlichen Bauern, bie Golonipen ‚Romas 
degree, da ie, — 3) Das Miniflerium ber auswärtigen 
— 1 hy tet ben u —* 


en, die 

* ——— Hr DRehnunge elegenheiten, bie inneren 
oeigen zwei Bureaur * Ar befinden ſich in ben 

—— dz AN egsminifterium verwaltet das Kriegsweſen zu Lande, 
umfaßt ben k. Beneralftab, das k. Generalauditoriat u. den Kriegsrath, zerfällt in 
10 Departements. 5) Das Marineminifterium leitet das Seeweſen u, die Flotte; 
bie Direktionen ber Häfen u. Flotten des baltifchen Meeres und die des ſchwarzen 
Meeres bilden befondere Abtheilungen. 6) Das Minifterium des Innern befteht 
aus ben Departements der exefutiven Polizei, der fremden Religionen, ber Oeko⸗ 
nomie umb öffentlichen Anftalten, ber Medizin. D Da Minifter des öffentlichen 
Unterrichts und der Bolfsaufflärung beauffichtigt alle Schulen und Erziehungs⸗ 
anftalten (mit Ausnahme ber vom katholiſchen Klerus geleiteten), niebere unb 
Köder, Bibliotheken, Budıbanke, Drudereien und Genfur. 8) Das Minifterum 
ber Finanzen serfält in fünf Departements: für das Bergweſen und die Salinen, 
anbel, bie verfchiedenen Abgaben, ben — aifertichen Schap, die 

Direktionen Ya anufafturen und des Innern Handels mit dem Manufafturies 
confeil. 9) Das Minifterium ber Juſtiz beſteht aus ben Departements ber Juſtiz, 
ber Taiferlichen Archive, ber Güter mit ber Landmeſſerkanzlei. Außer den Minis 
ferien find zu erwähnen: 1) Die Reichscontrole, weldhe bie Reviflon fämmtlicdher 
Einnahmen und Ausgaben aller Stantsbehörden führt unter einem ſelbtandigen Chef, 
dem Reichscontroleur. 2) Die Oberverwaltung bes Poſtweſens, mit 11 Arron⸗ 
diſſenents unter Direktoren, einem Direktor en Chef und Generaldirektoren für 
2 fen u. Moskau. 3) Die Aderbauverwaltung, die Wege Communikationen 


— 















Hin 


Hl 


HERR 


ihen Bauten. Dazu gehören 3 Unterrichts-Anftalten: das Inftttut ber 
ommunifation, ber Givilingenieure, ber Gonbufteure. (Verwaltung von 
Ban, 63) Sinnlande a werden von einem Miniftr und Staates 
ei für Finnland beforgt, Die Lofalverwaltung 

iſt den Hand en bes Öcmeral: wie ivilgeunerneur. Der erftere hat bebeus 
tenbe gt und toße Macht; er beftätigt die von den —— ge 
füliten Urtheil t fie vollziehen, Civilbeamten fiehen unter ihm, Die 


1020 Ä Rußland, 


an ihn berichten. Der Civilgouverneur leitet die Civilverwaltung, beftätigt bie 
Urtheile der unteren Gerichte, übt controlirende Aufficht über die Schulen. Ein 
Bicegouverneur, ber ben Kameralhoͤfen präfidirt, und ein Gonfeil von 2 bis 3 
KRäthen und einem Sekretär, ſtehen ihnen zur Seite. 1 Gouvernements⸗Prokurent, 
2 Geldanwälte, 1 G.⸗Landmeſſer, 1 G.⸗Baumeiſter, 1 OPeftus, Ehirurgus, 
Geburtöhelfer u. 2 Hebammen find in jedem Gouvernement. e Gouvernements 
(früher hatten die Oftfees und bie polnifchen Provinzen eine etwas veränderte Ber: 
waltung) haben gleich förnge Verwaltung. Gie zerfallen in 8-15 Kreiſe, nur 
Eſth- und Liefland zählen 4 und Kurland 5 Kreife oder Oberhauptmann- 
fhaften. Die Kreisgerichte behandeln Civil- und Criminalſachen in erfter In: 
ftanz, das Bormundichaftsamt, die Adminiftration ber Güter adeliger Witten 
und Waiſen; die niederen Segen verwalten die SPBolizeiangelegenheiten des 
betreffenden Kreifes und die Kreisrentämter ziehen die Kronrevenuen und Steuern 
ein. In ben Städten leiten die Buͤrgervorſteher die innere und finanzielle Ge⸗ 
meindeverwaltung, die Pollzei indeſſen fteht in größeren Städten unter eigenen 

olizeimeiftern. Die Koſaken haben eigenthümliche Civil» und Militärverfaffung. 

ie bon’ichen Koſaken ftehen unter einem Attaman , bie ural’fchen Kofafen unter 
einer Heeresfanzlei. Die unkultivirten aftatifchen Bölfer flehen unter ihren Ober- 
häuptern. An der Spige der Berwaltung in Finnland fteht der Generalgouver- 
neur, zugleich Praͤfident des kaiſerl. Senats für Finnland, Dem Senate find 
mehrere Gentralbehörben untergeorbnet. Die 8 „Käne* Finnland’s ftehen unter 
einem Landesſs höfding, dem ein Ranbesfefretär mit einer Kanzlei, Landeskaͤm⸗ 
merei mit einem Kommiſſaͤr und einem Landrentmeifter beigegeben find. Die Gou⸗ 
vernements zerfallen in Bogteien, (Härader) unter einem Sronvogte; er fleht ber 
Boltzei, Oekonomie, exekutiven Gewalt, Zollwefen ꝛc. vor. Unter ihm ftehen die LA ng 
männer (Bürgermeifter, Schulzen), bie in Fleineren Städten auch die Rechtspflege 
haben. (Innere Berwaltung von Polen, ſ. PB.) — Die Rechtspflege iſt dr 
Rußland, Finnland und Polen verſchieden, doch wird in letzterm Lande, zu feiner 
Wohlthat, gegenwärtig das ruffifche Eriminalrecht eingeführt. Der Monarch, als 
Quelle der Geſetze, hat allein Die geiengebenbe Gewalt. Das Altefte ruffifche Geſetz⸗ 
buch ift die den Rowgorodern von Jaroslaw Wladimirowitfch agegebene 
Prawda Raffkaja oder Sflamwian. Dann folgten unter Iwan Waffils 
jewitfch die geiftlichen und weltlichen Geſetze; 100 Jahre fpäter das Geſetzbuch 
Ulofhenije; ber berühmte Goder aller Geſetze, 1649 unter Alexej Mi 
chailowitſch promulgirt. Ein neues, von Katharina II. profektirtes, Geſetzbuch 
warb 1835 beendet. Aus allen dieſen Geſetzen entfland ber Sſwod, welcher 
als alleiniges Geſetzbuch im ruſſiſchen Staate gilt. Die erſte Inſtanz wird in den 
eigentlichen vuffifchen Städten duch die Magiftrate und Bürgervorficher, für das 
platte Land durch die Kreis: und sanbgerichte und in betreffenden Fällen durch das 
abelige Vormundſchaftsgericht in Eivilfahen gegeben. In ben Oftfeeprovinzen 
haben bie freien Bauern in jedem Kirchſpiele ein Gemeindegericht. In Kurland 
gibt es flatt dee Landsgerichte Oberhauptmannsgerichte und in Eſthlan d Mann⸗ 
erichte. Die zweite anz find in bürgerlichen und peinlichen Sachen bie 

berlandögerichte in den Kreisorten, von benen an ben —— des Gou⸗ 
vernements appellirt werden kann. Statt dieſer Tribunale beſtehen in den beiden 
Hauptftäbten 2 beſondere Hofgerichte. Die Koſaken Haben gleichfalls beſondere Tri⸗ 
bunale zweiter Inſtanz. Die deutſchen Oſtſeeprovinzen haben fuͤr die zweite In⸗ 
ſtanz ein Juſtizcollegium zu Petersburg, einen beſondern Gerichtshof. Letzte Ins 
ſtanz find die Departements des dirigirenden Senats in Petersburg und Moskau. 
Ein agenthümtichee Snftitut find die Gewiſſens gerichte, ale Schiedsgerichte. 
Die Strafen find Hartz die Knute und Berbannung nah Sibirien gelten ftatt 
ber Tobesftrafe, die nur bei Hochverrath eintritt. Die criminalftatifitichen Vers 
haͤltniſſe ſtellen fi nicht günftig, indem 1842 171,073 Bergehen im Bereiche 
von 38 Bouvernements vorkamen. Diebſtahl und Betrug kommen unter allen 


Nufland. 1084 


4 4 

vor, in vielen Fällen be Betr: ekragene lieber nicht —— ats 

ex mit der 38 kommt bie um are Anzahl ber 
jenen reihtio® ift; been a be e Men fie ber Sufla 
Saba ar jen einen Gefangenen Eriminalunt ag eingeleitet iR, 


r efängnig ir aus 
Unterfuchungsarr: dr enbliche Berl Leib⸗ 

jene, bie von *8 a — — von —E — werben 

(3 blung ber —A jenen in den Feſtüngen iſt tiefes 

Dunkel, überhaupt find bie Befängn! ie, (fe eben Uneingewweihten unzugänglich. 
Du Sranland gibt e& 3 Hofgeriäte: zu Abo —A or g; bie ſanmi⸗ 
Kan une like te unter benfelben. Huf dem Sande find %ag agor, 
Se une einem ‚Dbeslanbriäter. Das Lagmanndges 

—X und fol feige im Range dem Hofgerichte. Die ums 

* * Sande Ar des zabögeciät, Cine Anzahl Gemeinden 

bilbet: eine Danfe jemeinbe wird gewöhnlich 53 ahruh 
—& —*8 em. — — größeren Städten gibt es zus Unterftabtgerichte, 

en on das Ratähaus appellirt werben ann. Belonbere Gerichtehöfe 
find: das Lan wien th ellungögeriht im Wibor ah und bas Berg: 
gericht. Er fepbuch beficht das 1634 unter ber Regierung Friebrichs 1. 
bem Reli je angenommene farnebiiti Beresbuß. (Recht e — — 

£2) Mm der Fin anzverwalt —F ar ba} 


N Gone ie 8 fait, 6 — Bi Di Een u 
aufleute, die nk er 
Dis Mimi u bt 
temp 0 7 »u bel. 
Ertrag. ber Poften, Eetri und Fifhereien, der Sron- 
werke bes Sale , mögen von ben Kenmälin, 
en in ben Kaufläden, andere Fleine Einnahmen. Die kalferl. 
jerbem bie Einkünfte aus ben Ber; engmerten von Kolüwan 
unb —— net „Aus ben Tapeten, Glass und Spiegel⸗Kronfabriken, bie 
iz DL. Paplerrubel abwerfen. Ueber Die Stantsausgaben herrfht 
a bem Budget von 1837 berechnete man bie Simagmen ber Staats⸗ 
FR Finnland auf 3,505,903 Rbl. 38 Kop. B. A, bie Ausgaben auf 
‚978 NHL. 65 Kop. Die Einnahmen ber arte ein Finnland betrugen 
3 IE Batangabgahe, oder Abgabe für bie —— Solbaten zu ſtellen: 
‚604 Rol. 80 8., bie Arende für bie Miliggüter 121,800 Andere Eins 
nie — Hosts R. 70 K., der dem Niligfond —R Antheil 
vom gZehnien 87,239 R. 31 K. B. Einanzen in Bolen, ſ. 9 Die —1 
— zerfällt in Termin⸗ und Rentenſchulden. "Der Stand am 1. 
gender: 1) Terminfcpulden: ber ruffifche Anthell ber auswärti; em 
a hellen © Schulden 40,000,000 Gulden Hol. und 37,725,000 fl. 
—— in Silber 1,878, ‚873 R. 5 K., in Affignationen 142,075,317 R. 
Alan 68% in Golb 14,220 NR; in Sifber 6,921,452 R. 
FF ys u eifn jonen 230,267,871 R.; 55 in Silber 105,594,720R. Ge⸗ 
aller dieſer Schulden: 940, ‚867,257 R. Papier. Der gergunge, 
1837, En Inbegriff ber Refte von früßeren Jahren unb ber zum 
Behuf ber Tilgung genastin ummen: in Gold 5,283,977 R. 9 8. ; in Silber 
8,159,487 R. 214 8; in Affignationen 27,927,887 R. 772 8.; Tilgungsfond 
bes dritten 55 Anlagen: in Silder 325,266R. 22 &.; in Affignationen 26, 632 R. 
2, * jofond bes vierten 55 Anleihens: in Silber 280,590 R. 47 2. 
r2 liche Maſſe von Affignationen blieb 1837 unverändert bier 
— , u. betrug am 1. Jänner 38: 595,776,310 Rb. Zu ben Gtaatögelb- 
anfaft: bie Keiheleisbanr, ebenfo bie Commerzbank, welche beibe reiche 
Bon ber — welche auf den Gewerbtreibenden in R. 
ı man ſich einen Begriff machen nach ber Thatſache, daß die Gewerb⸗ 


En 


HR 


—— 


1022 Rußland, 


feuer in ber unterflen Saufmannsgilde 75 Rb. (150 fl. rhein.) beträgt. 3 
Geſchaͤfte defien, welcher diefe Abgabe zahlt, dürfen ſich nicht über die Bränge ! 
Gouvernements erftreden und fein jaͤhrlicher Umſatz barf bie Summe von 50,0 
Rubel nicht überfleigen. Der Kaufmann ber zweiten und erflen Gilde zahlen 3 
und 700 Rubel Bewerbfteuer. Der fremde Kaufmann gehört ald Yuslänber | 
gechfoefeumten Elaffe an. Die Kopfſteuer des freien Proletariers für fe 
hgtieh feiner Familie beträgt 25 Rubel; daher auch die öfonomifche Wicht 
eit Des Adels, welcher, abgefehen von ber Freiheit ber Militärpflicht, dem exin 
ten Gerichtsftand und dem Rechte des Leibeigenenbefibes, perſoͤnliche Steu 
mit ſich bringt. Der ruffifche Familienadel mit allen feinen Borrechten J t 
gend verloren, wenn er eine gewifie Reihe von Generationen hindurch t be 
en Dienfabel aufgefrifcht wird. Jeder Zweig einer abeligen Familie, weld 
buch A Generationen feinen Brad biefes Dienftabels In der Perfon eines fe 
Mitglieder erworben hat, verliert In ber 5. Generation die lebten feiner bishe 
en Privilegien, er wirb militär» und kopfſteuerpflichtig. Hatürlich werben 
fie Degrabation fehr felten vorkommen, da fi in R. Alles zu Rang u. 
rängt zu biefem Zweck der Adelige, wenn auch nur für pen furze Zeit 
in ganz untergeordneter Stellung, in ben Staatsdienfl tritt, Die ruſſiſche Man 
fafturinduftrie, vorzeitig und überfünftelt entwidelt von Peter L, Hat ben na 
theiligſten Einfluß auf das ruſſiſche Volfsleben und die Bermögensverkältnif 
namentlich in den großen Stäbten, bafelbft Millionen Arme zufammenbränge 
bie bei dem Mangel an Bevölferung dem Landbau nicht ohne den emp findticf 
Schaden entzogen werben. In ber gewerblichen, ebenfo wie in ber focialen ® 
olittfchen, Entfaltung Hat fich das ruſſiſche Rationalleben überflürgt und dem « 
Fertigen Haſchen nady den legten Refultaten die Vorausfegungen u. 2 eingang 
einer naturgemäßen und dauerhaften Blüthe aufgeopfer. Daraus find 
ſtaatswirthſchaftliche und finanzielle Uebelſtaͤnde hervorgegangen, an benen R. | 
langer Zeit Eränfelt. Gleichzeitig mit ber BR bes Aderbaues mm 
bie Theuerung in den Städten zunehmen, welde 3. 8. in Pet eben 
groß iſt, wie in Xondon, ohne daß fie dort, wie Hier, durch einen großen Ration 
reichthum erklärt und gerechtfertigt würde, Die übermäßige Höhe ber Schuß 
macht eine Hauptquelle der Staatseinnahmen faſt verfiegen und wurbe babın 
die Urſache zur Einführung unkluger Ausfuhrzölle, die den Abſatz ber ruſſiſch 
Bodenerzeugniffe unmittelbar erſchweren, abgefehen davon, daß bie Strenge ! 
ruſſiſchen Zollſyſtems Repreffalien ee unter benen die reichften e 
träglichften Zweige der rufiifhen Produktion am meiften zu leiden haben. 9 
ruſſiſchen Ausfuhrgegenftände haben fich überdies in neuerer Zeit fo verfchlechte 
daß von auswärtigen Regierungen darüber offizielle Befchwerden Tamen. 1 
feiner jebigen ®ewerbshanbelspolitif geht R. dem GSchreden des Pauperiem 
eben fo ficher entgegen, wie Sranfrei und England, und werben feine wa 
eiftreichen Mittelclafien — nur bie höheren Stände haben Geltung, daher Rx 
eder nad Rang, Orden u. dgl. und ein bürgerliche Familienleben kann in 
faum auffommen — vollends ausgefogen. — Die regelmäßige Kriegsmacht bel 
aus 612,332 Mann: Garde 41,200 M., Linieninfanterie 435.843 M., reg 
mäßige Bavalerie 84,000 M., Artillerie 40,800 M., Genieweſen 10,500 Ra 
Eine active Operationsarmee befteht aus 6 Infanterie» oder Armeeforps zu b 
Divifionen, zu zwei Brigaben, zu zwei Regimentern, zu ſechs Bataillons F 
Reſerve⸗) a 1000 Mann. Zur Divifion gehören 3 Artilleriebrigaben a 3 
terien, a 6 Biecen, 1 Refervebatterie, 1 reitende Batterie, 1 Parks Eolonne ne 
3 Sappeurbataillonen , Arbeiter: Kompagnien ıc. Berner eine Divifion leid 
Reiterei von 2 Brigaden, 2 Hufaren » und Uhlanenbrigaden von je 2 Regime 
tern à 9 Schwadronen a 160 Pferden im Frieden. Die ganze Eavalerie I 
504 Feldſchwadronen. Zum Heere gehören noch 8 uraffce inienfofetamg 
menter. Das Heer wird hurkt Aushebung einer, jebesmal durch einen Ukas 
Rimmten Anzahl Retruten, bat 28 vo BERN erischert, ergängt; bie Diem 





Rußland, 1023 


zeit in der Garde iſt 20, in der Linie 22 Jahre Die Dreffur des Soldaten 
zu einer Mafchine iſt nirgendwo zu größerer Bollfommenheit gehiehen. Das finni- 
ſche Militär befieht aus dem Scharfſchuͤtzenbataillon ber Leibgarde von A, umb 
ber erften finniſchen See» Equipage von 8 Kompagnien. Im Lande fleht 
ruffifhes Militaͤr. Ein eigentHümliches Inftitut find die Bezirke ber aders 
bauendn Soldaten (Militärkolonnien),, die unter Kaifer Alerander errichtet 
wurden u. Pflanzftätten für das Heer bilden follen. Jeder der Hauptabtheilun; 
gen flieht ein Brigadecommandeur vor. Kür bie wiffenfchaftliche Ausbildung ber 

ffigiere beftehen viele Anftalten, wie bie @abettenfchulen zu St. Petersburg, 
—— Tula, Tambow, Polotzk, Poltawa, Jeliſawetgrod uud Fredrikshammi. 
In einem ſo weſentlich militaͤriſch organiſtrten Staate, wie R., wo alle Rang⸗ 
ſtufungen auf Militaͤrgraden beruhen, ſpielt natuͤrlich das Heer eine weſentliche 
Rolle; wer keine Uniform trägt, wird in der Geſellſchaft kaum geachtet. Die 
ruffliche Seemacht befteht in 7 Linienfchiffen von über 100, 23 von über 80, 30 
von über 70 Kanonen, 25 Fregatten von 36 bis 60 Kanonen, 8 Kriegsdampf- 
ſchiffen. Bildungsfchulen für bie Seeleute find die Steuermannsſchulen zu Krons 
ſtadt, Nikolajew, Archangelsk, Obeffa, die Schiffbaufchule zu St. Petersburg, 
das Sees Babettenforps zu Oranienbaum u, a. Die bebeutendfien Kriegehäfen 
find: Kronſtadt; Ketmenbord, Reval, Baltichesport, Köthichenfulm, Archangelsk, 
Sſewaſſtopol, Ritolajew, herfon, Zaganrog, Aſtrachan, Ochotsf und Petropaw⸗ 
lowsfk. Bedeutende Werfte find zu St. Petersburg, Ochta, Kronſtadt, Archangelst 
u. Woroneſch. — R. zählt 5 Ritterorben. 1) ber des Heiligen Apoftels Andreas, von 
Peter dem Großen 1698 gefliftet; 2) ber Alexander sHewsfy- Orden, gleichfalls 
von Peter dem Großen geftiftet, Doch exft von 1725 an beftehend; 3) ber Orben 
ber Beiligen Anna, von Karl Friedrich, Herzog von Holftein-Gottorp zu Kiel 
1736 gefliftet, mit 4 Claſſen; 4) der Orden bes Heiligen Georg mit 4 Claſſen, 
von Katharina IL 1769 umd 5) dee Orden des Heiligen Wlabimir mit 4 Claſſen, 
von Katharina 1712 geftiftet. Im Jahre 1798 erneuerte Raifer Baul ben Orben 
bes heiligen Johannes von Serufalem. Berner gibt es noch mehre Ehrenzeichen 
und einen Damenorden, den Satharinen- Orden, von Peter dem Großen 1714 
gefliftet. 1829 ftiftete Kaiſer Nikolaus ein Ehrenzeichen für Frauen: das Marien: 
kreuz; Der polniſche Ritterorden St. Stanislaus hat feit 1839 drei Elaffen. — 
Die „orthodore griechiſch-katholiſche Kirche“ iſt die Herrfchende im Staate, 
wozu ſich auch die Fuijerliche Samilie befennen muß; die übrigen Eonfeffionen find 
eduldet. Die Geiftlichfeit der griechiſchen Kirche zerfällt in 2 Claſſen: in Orbens- 

eiftlihe md Weltgeiftliche. Erftere Haben den Vorzug in der Leitung 
der gefammten Eirchlichen Verhältniffe u. dürfen allein die oberften kirchlichen Würs 


: den begleiten. Sie erhalten die Tonfur, tragen den Kopf, felbft beim Gottesdienſte, 


— —— 


beſtaͤndig bedeckt, legen das Gelübde der Keuſchheit und des beſtaͤndigen Faſtens 
ab, ihre Kloͤſter befolgen die Regel des heiligen Bafilius. Sie zerfallen in Erz⸗ 
bifhöfe und Bifchöfe, in Kloſtervorſteher, in Prieſter-Moͤnche und Laienbruͤder. 
Die beiden erften Claſſen heißen Archierei oder Erzprieſter. Bel ben Bi- 
Ihöfen untericheidet man: 1) die Metropoliten, deren es felbft 7 gibt, zu 
Betersburg, Kiew, Rowgorod, Moskau, in Gruſien, Imeretien und Mingrelien. 
Sie tragen als eigenthümliche Auszeichnung eine weiße Mühe. 2) Die Erzbiſchöfe, 
deren es jebt 19 gibt, zu Kaſan, Aſtrachan, Pſtow, Riäfan, Twer, Jaroslawl, 
Jekaterinoslaw, Mohilew, Tchernigow, Minsk, Pobolst, Rowotfcherfafh, Irkutsk, 
Tomsk, in Imeretien und Grufinien. 3) Die Bifchöfe, deren es 20 gibt, zu 
Emolenst, Kaluga, Kurst, Kostroma, Wladimir, Tula, Wjätfa, Polotzk, Perm, 
Drenburg, Archangelst, Nifhegorod, Tambow, Drel, Shitomir, Poltava, Penfa, 
Efaratow, Charkow, Mingrelien. Der Rang unter diefen ‘Prälaten ifl nur Ehren⸗ 
vorzug. Ihre Macht in Ihren Sprengeln und Eparchien iſt unbefchränft. “Die 
Kloͤſter Cerfien Ranges 22, 2. Ranges 54, 3. Ranges 54, nicht — je 
28) ftehen entweder unter dem „heil. dirigir enden Synod“ oder unter der Archierei 
der ien, beren das Reich 43 dat. Die unverhältnißmäßig wenigen Frau⸗ 


—— 


1024 Rußland. 


enflöfter dienen hauptſaͤchlich als Zufluchtsorte der Frömmigkeit und Armuth u. 
als geiftliche Inflitute u. dürfen ihre Rovizinnen erſt nach angetretenem 50. Jahre 
zur Üeofe zulafien. Die Vorſteher der Kloͤſter heißen Arhimanbriten (bei 
Klöftern, die zugleih Bifchofsfts find) uw. Igumen. 1837 lebten in 248 Klöftern 
2827 Mönde, u. 1776 rauen in 90 Klöftern. Die Anzahl ber Möndhs- und 
Trauenflöfter ift feit 1837 fehr gewachfen durch die ben Katholiken genalliom 
entriffenen Klöfter. Der ade Synod führte, ein Jahr bereitö vor ber in Bolopf 
ecfolgten Apoftafle der ſchlechten Bifchöfe der griechifchsunirten Kirche, die biefer 
Kirche angehörenden Klöfter fammt ihren meilgliebern in ihrem Rapport von 1838 
als Eigenſhum der Nationalkirche auf; fo zahlt biefe Kirche nun 225 falarirte u. 
161 unfalarirte Moͤnchs⸗, 100 falarixte u. 13 unfalarirte Frauenkloͤſter. Die Welt 
geiſtlichen muͤſſen heirathen (nach dem Tode ihrer Frau müflen fie ins Klofler 
gehen oder wieber Kirchendienfte verrichten), find frei von Abgaben und förperlis 
- hen Züchtigungen. Ihre hoͤchſte Würde Heißt Oberſſwaͤſchtſchenik. Sie 
aben einen erimirten Gerichtsftand und bilden eine befondere, was bie forialen 
eziehungen anbelangt, fehr verachtete, arme, fehr fchlecht beſoldete Kaſte, die un⸗ 
ter fehr harten eigenen Penalgeſetzen fteht und unter welcher die Eraffefte Unwiſ⸗ 
fenheit, wie bie gröblichfte Entittilichun von jeher heimiſch war. Sie refrutirt fi 
aus fich ſelbſt, indem nur Söhne der Prieſter, wie ber unteren Kirchendiener, fl 
dem Dienfte ihrer Väter widmen; ebenfo gefchieht es auch mit ihren Verheirath⸗ 
ungen. Der heilige Synod, welder it Deter dem Großen an bie Stelle 
des Patriarchats getreten, befleht aus acht Metropoliten und zwei Obergeift- 
lichen. Der Metropolit von Rowgoard und Gt. Petersburg 
iſt Oberprofurator oder Vorfitzender. Die Mitglieder bes Synode ernennt ber 
Raifer nach Belieben, der überhaupt burch biefe Gentralbehörde die Staatskirche 
derart regiert, fogar Heilige ernennt, daß der Synob in feinem Ramen nur feine 
Befehle vollzieht. Die griechifchen Armenier Haben einen oberften Patriarchen im 
Klofter zu Eſchmiadzin; 3) Eparchien: Aſtrachan, Nachitſchewan, Beffarabien u. 
Grufien, 2 Erzbiſchoͤfe, Eonfiftorien in Aſtrachan und Kifchinew u. geiſtliche Dir 
reftorien in Kisljär, Mosdok, Petersburg, Nechitſchewan, Karafiubafar u, Gris 
goriopol. In Finnland befennen ſich 35,396 Seelen zur griechiſchen Kirche. Sek⸗ 
tirer zählt ber offizielle Bericht von 1836: 479,870; deren ehedrung wird mit 
ſolchem Eifer betrieben, baß 1836 — 39 102,204 in den Schoos der Landeskirche 
zurüdgeführt wurben. Diefer Bericht iſt übrigens Höchft wahrfcheinlich ein Tü- 
genhafter. Die hauptſaͤchlichſten Sektirer find die Raskolniken, die fidh fireng an 
die alten Lehrer ber ruſſiſchen Kirche Halten, unter ſich aber wieder in viele Theile 
zerfallen. — Die roͤmiſch⸗kath. Kirche zählt 6 Eparchien (Mohilew, Wilna, Samos 
gitien, Luzk, Kaminiec u. Minsk. Die oberfle Behörde iR das roͤmiſch⸗katholiſche 
geinuine Eollegium, unter dem Vorfig des Erzbifchofs u. Metropoliten von Mohilew. 
erfelbe darf aber ohne Faiferlihe Genehmigung keine päpftlichen Bullen ober 
Breven befannt machen; ihm untergeorbnet ift auch bie Eparchie der katholi⸗ 
fen Armenier. Die —— der roͤmiſch Katholiſchen dürfte in R. 6,500,000 
betragen. In Finnland ift eine Fatholifche Kirche zu Wiborg, deren Pfarrer, ein 
Dominikaner, bei den Gläubigen im Lande Rundreifen macht. Wie fuflematifch 
die katholiſche Kirche in R., namentlich unter der Regierung des Kaiſers Nifos 
(aus, unterdrüdt, beraubt und mißhandelt wird, ift bekannt. Die Katholifen has 
ben nur noch 2378 Kirchen mit 2037 Prieflern, fo daß jeber berfelben 1550 
Seelen zu leiten Hat, bie auf eine große Strede Hin verbreitet wohnen u. denen 
es ſtrengſtens unterjagt if, fich aus ihrem Sprengel zu entfernen, fo daß offen» 
bar die Folge biefer und ähnlicher Maßregeln eine große Menge ruffifcher Katho⸗ 
lifen der Gnadenfpenden ihrer Kirche beraubt find. Im Kaufafus find feit ber 
Berbanmung, der Rapuziner 1844 feine Tatholifchen Miffionäre. Unter dem Bor; 
eben, bie Anzahl ihrer Inſaſſen fei zu Flein, hat man 1845 allein in ber Diözefe 
ilna 20 Klöfter eingezogen, Dagegen hat man anderſeits den Klöftern bie Hals 
nahme von Rovizen —— erſchwert. Die 5 katholiſchen Seminare (de⸗ 


Rußland, 1023 


ren 6 wurben feit 1844 geſchloſſen) enthielten 1845 212 Alumnen, die Eatholifche 
Prieſterakademie zu Petersburg (auf welche Fein Bifchof Einfluß übt u. die unter 
einem akademiſchen Rathe, eigentlich aber unter dem Gultusminifter allein fteht u. 
ausfchließtich, religiöfe Werke druden Lajien darf) fandte 14 Alumnen aus. — 
Die proteftantifche Kirche zählt ihre meiften Anhänger in den Gouvernements Eſth⸗ 
land, Liefland, Kurland, St. Petersburg, Sharatow, Taurien, Cherfon, Finnland, 
in Sibirien und Polen. Die evangelifch-Rutherifchen flehen unter General⸗Su⸗ 
perintendbenten und Suyerintendenten und haben ein Generulconfiftorium in Pe⸗ 
ter&burg, nebft 8 Eonfiftorien. Die EvangeliihReformirten haben ein Collegium 
in Wilna. R. zählt etwa 1,514,670 Proteſtanten. In Yinnland beſteht bie 
vorherrfchende Iutherifche Kirche aus den Erzbisthümern Abo und Borga. Diefe 
werben wieder in PBropfleien oder Kontrafte mit ‚einem Kontcaftspropft an ber 
Spike, und in Haupt» und Filial⸗ oder Kapellgemeinden eingetheilt. Auch gegen 
bie Proteftanten der Oftfeeprovinzen werden bie eiftigften Befehrungsverfuche ans 
gewandt; bee Minifter des Innern rühmt fich in einem offiziellen, an ben Kaifer 
gerichteten Rapport, daß im Jahre 1845 1,500 Tiefländifche Bauern zur orthoboren 
Kirche übergetreten feien. Daß ſolche Bekehrungen durch Drohungen, wie lo⸗ 
ckende Berjprechungen u. Beftechungen, bewerfftelligt werden, ift befannt. — IL. Ge⸗ 
ſchichte. Die Länder des heutigen R. dur cuogm bis zum 6. Jahrhundert Go⸗ 
then, Alanen, Avaren, Hunnen und draͤngten die urſpruͤnglichen Bewohner der⸗ 
ſelben, ſlaviſche Volkerſtaͤmme (Sarmaten, Scythen), nad Weſten und Norden, 
wo fie mit ben Tſchuden (Finnen' und Eſthen) zuſammenſtießen. Bei ben um 
BWeichfel u. Dniepr umberziehenden Bölferftimmen begegnet man zunädhft ber 
Bekanntſchaft mit dem Chriftenthum, der Neigung zum aderbauenden und fläbti- 
ſchen Leben. So entſtanden daſelbſt im. Jahrhundert bie Städte Rowgorob (neue Um⸗ 
jäunung, novus hortus) u. Stiew. Um das Jahr 860 ftifteten die Waräger, bie 
von der Oſtſee Herfamen, unter ber Anführung der drei Brüder, Rurif, Sineus 
und Truwor, um Nowgorod 3 Bürftenthümer, welche Rurif nach dem Tobe feiner 
Brüder vereinigte u. Dadurch zu dem heutigen R. den Grund legte. Bald wandten 
fich die füdlihen, am Dniepr wohnenden Slaven, yon den Ehazaren gebrüdt, an 
Rurik u. verlangten von ihm einen Kürften aus feinen Etamme zum Herrfcher. 
Er ſandte ihnen feinen Stiefiohn Oskold, der die Chazaren überwand und in 
Kiew den zweiten ſlaviſch⸗ruſſiſchen, vom nowgorodiſchen Reiche abhängigen, Staat 
bildete. Rurik's naͤchſter Nachfolger, Oleg, der als Vormund ſeines Neffen Ighor 
regierte, vereinigte Kiew, welches die Oberherrſchaft der nowgorodiſchen Großſuͤrſten 
nicht mehr anerkennen wollte, völlig mit dem nowgorodiſchen Staate und erhob 
Kiew zu feiner Refidenz= u. Hauptftadbt des Landes. Bon nun an entwidelt fich 
die Macht des Reiches ſchnell, es wird ein erobernder, ein handeltreibender Staat. 
Durch Olga, Gattin Ighor's (um 950) u. Die griechiiche Prinzeſſin Anna, Gattin 
Wladimirs des Großen, Großenkels von Rurif, kam das Ehriftenthum u. Die Schrei- 
bekunſt von Keonftantinopel nach R. Ein Stillſtand in der Entwidelung des rufli- 
{den Staats trat ein durch die nad dem Tode Wladimir des Oroßen (1015) 
erfolgende Theilung des Reis unter dejien 12 Soͤhne. Jaroslaw (7 1045) ei- 
ner derfelben, bem Nowgorod zugefalen war, bildete ein Grobfürftentfum u. bie 
übrigen Yürften, feine Brüber, nannten fi Ezaren. In der Kolge wählten Die 
Kiewer von einer entferntern Rinie (1114) Wladimir MH. zum Großfürften, den 
der griechifche Kaifer Alerius Komnenus als Czar anerkannte und der ſich zuerſt 
könen ließ. Sein Sohn Jurje erbaute (1147) Moskau. Bei den beftändig 
herrſchenden Zamilienzwiften fonnten die Ezaren dem Andrange der Mongolen nicht 
widerftehen. Der Hauptfig derfelben (der Mongolen von Riptſchakt) war an ben 
Ufern der Wolga. Die „goldene Horde” hieß ber Hauptflamm. Unter der Herr⸗ 
ſchaft diefee Horde flanden die Ruffen von 1240 — 14162; doch trieb Alerander, 
Orshfürt von Nowgorod (1241) die Schweden an der Newa zurüd, daher hieß 
er Alerander Newsky. Nowgorod bildete fpäter unter dem Schutze der Hanfa 
cme freie Handelsftadt. Iwan Wafiljewitſch I., Ezar von Moskau (8462 1505), 


Realencycelopädie. VIII. _ 65 


1026 Rußland, 


befreite endlich das von ihm ſchlau unter feinem Scepter vereinigte-R. von der 
Herrfchaft dee Mongolen und unterwarf Rowgorod wieder. Sein Sohn Wafile| 
Iwanowitſch (1505 — 20) dehnte die nördlichen Gränzgen des Reiche bis über 
shengel aus; befien Nachfolger, Iwan Waftljewitfh II, (1520—84), war auf 
die Giviliftrung feines Volkes bedacht durch Herbeiziehung bdeutfcher Handwerker, 
Künftler u. Gelehrten; der Rechtszuſtand ward geregelt und mit den Englänbern, 
bie den Weg nad) Archangel gefunden Hatten, ein Handelsvertrag (1553) ge 
ſchloſſen. Derfelbe Czar errichtete ein ftehendes Heer, die Streligen (Schügen) 
und eroberte (1552) Kaſan und (1554) Aſtrachan von ben Heberreften ber 
oldenen Horbe; er drang fogar in den Kaufafus vor und unterwarf fidh bie 
abardei. Im Frieden zu Segoleiga (1582) mußte er indefien fein Recht auf 
Liefland und Polen abtreten., Hingegen begann er die Eroberung von Eis 
birien, Die unter feinen Nachfolgern vollendet wurde. Wit feinem Sohne Feodor, 
ber 1595 Eſthland an Schweden abtrat, endigte fih (1598) Rurifs Mann 
ſtamm. Sein (1591) ermorbeter Bruder Demetrius war bie Beranlafinng ber 
falſchen Demetrit, durch deren Aufftellung man Bolen u. Rußland zu verwirren 
und zu bedrängen fuchte. Endlich jedoch machten diefen Zuftänden die ruſſiſchen 
Großen ein Ende, indem fie Feodoro witſch Romanow, einen Abfümmling 
KR urifs, auf den Thron erhoben (1613—45), ald unumfchhränften erblidden Mo⸗ 
narchen. Unter deſſen Sohne Alerei Michailowitſch (1645—76) warb ber 
legte falſche Demetrius enthauptet und die ruffifche Heeresmacht durch bie Kos 
falten vermehrt. Er teförberte- zugleich ben Aufſchwung des Handels und der 
Gewerbe, namentlich des Bergbaus, und ließ die Nordkuͤfte Aſiens beichiffen. Sein 
ee Feodor II, ließ Die Befchlechtöregifter des Adels verbrennen, um deſſen 
Anfprüde zu Nichte zu machen. Er hinterließ einen leiblichen Bruder Iwan, 
einen Stiefbruder Peter und eine ehrgeizige Schwefter Sophie. Diefe wollte 
für den blöbfinnigen Iwan regieren, wurde aber von dem energifchen Peter (f.d.) 
verdrängt, der fofort Die Streligen, weldhe die Role von Prätorianern fpielten, 
aufhob und mit Hülfe Lefort's ein neues Heer ſchuf; auch gründete er bie 
ruffifche Seemacht, nachdem er, um fi im Schiffsbau zu unterrichten, auf Hol 
laͤndiſchen Werften ald gemeiner Zimmermann gearbeitet hatte, baute (1703) St. 
Peteröburg, das er zur Nefidenz des Reiches erhob, ließ, durch Deutiche zumeiſt, 
viele Fabriken anlegen u. gründete die Akademie der Wiſſenſchaften. Er war der 
Eivilifator, der geiflige Schöpfer des gegenwärtigen Rußlands. Diefes vergrößerte 
er mit Liefland, Efthland, Ingermannland, Wiburg und Kerholn die er Schweden 
abzutreten noͤthigte. Peter der Große, diefer rohe, aber Träftige und fchöpfes 
riſche Mann, flarb im Jahr 1725. Unter ihm wurde bie Eroberung Sbiriens 
vollendet, Kamtſchatka und die Kurilen wurden entdedt und unterworfen. Geinen, 
mit feiner erften, aber verfioßenen Gemahlin Eudoria Feodorowna erzeugten 
Sohn, Alerei, ließ Peter (1718) als Ruheflörer und Empörer hinrichten. Sim 
folgte feine zweite Gemahlin, die aus -niederem Stande entfproffene Ratharinal. 
(1725—27) und diefer Alerei’s Sohn, Beter I. der noch fehr jung (14 Jahre 
alt) und unverebelicht (1730) flarb. Die Thronfolge Hätte nun den Töchtern ber 
Katharina gebührt, von denen die Altefte, Anna, an den Herzog von Holſtein⸗ 
Gottorp vermählt (1728), geftorben war, aber einen Son, ben nachmaligen 
Kaiſer Beter II, hinterlaſſen Hatte; die jüngere, Elifabeth, erſt 1741 auf 
Thron gelangte. Mit Uebergehung biefer Thronerben wurde aber Iw an's (Peters 
bes Großen Bruder) Tochter, Anna, Herzogin von Kurland, Kaiferin (1740). 
Sie übte mit großer Umſicht Einfluß auf die polnifchen Angelegenheiten, verfchaffte 
das Herzogthum Kurland gegen bie polnifchen Lehensanfprüdhe ihrem Günftlinge 
Biron und Hielt dem ſaͤchſiſchen Fuͤrſten Auguft IL. gegen Stanislaus Lesẽc⸗ 
Insky auf dem polnifchen Throne. Durch bie großen Talente ihres Feldherrn 
Münnich, ber fich viele Verdienfte um bie Berbeflerung bes Heerweſens erwarb, 
wurde fie auch den Türken furchtbar, mußte jedoch kurz vor ihrem Tode auf bie 
errungenen Bortheileim Belgraderfrieben wieber (1739) verzichten. Bei ihrem Tode 


Nußland. 1027 


1740 lebte noch bie Tochter ihrer Altern Schwefter, gleichfalls mit Ramen Anna (an 
einen ‘Prinzen von Braunfchweig vermählt), deren Sohn, Iwan IL, Die Nach⸗ 
folge zufiel. W d feiner Minderjährigfeit wollte fi ber Herzog Biron 
von Kurland bie entfchaft, die er zur Bebrüdung des Landes mißbrauchte, 
anmaßen, ließ ſich aber diefelbe von der Mutter des jungen Kaiſers entreißen und 
wurde nad Sibirien verbannt. Doch auch Anna wurde bald (1741) von ber 
jüngften Tochter Pet er's V., der obenerwähnten Elifabeth, verdrängt und nach 
Sibirien geſchickt. Die Unglüdliche ftarb 1745 an den Folgen einer unglüdlichen Nie⸗ 
derfunft. Unter Eliſabeth (geft. 1762) fing Rußland an, durch das diplomatiſche 
Talent des Minifters Beſtuſchew⸗Rjumin eine enticheibende Rolle in ben euro⸗ 
päifchen Berhältnifien zu fpielen. Sie war die treue Verbündete Marta Thes 
reſta's, nahm lebhaften Antheil am flebenjährigen Kriege und entſchied gewiſſer⸗ 
maßen den Aachener Frieden. Sie ftiftete die Univerfität zu Moskau und bie 
Atademie der Künfte und der Minifter bes Innern Schuwalow hob die, bas 
Bolt fchwer bebrüdenden inneren Zölle auf, Schweden, das ſich, angeblid um 
Elifabeth auf den Thron zu bringen, von Franfreih zu einem Kriege gegen 
Rupland Hatte verleiten lafien, verlor im Frieden zu Abo (1743) einen Theil von 

nland bis zum Kymene⸗Fluß. Elifabeth ernannte nach ihrer Thronbefteigung den 

309 von Holftein-@ottorp, ben Enkel Kat har ina's L, zum Nachfolger, der 
als Peter III, kaum ein halbes Jahr regierte, weil ihn feine Vorliebe für Öreufen 
(er 309 fofort bie ruffifchen Heere zurüd und warb ein Verbündeter Friedrich 9 
bes Großen), das Leben koſtete. Sein Sturz warb vollendet durch fein Verfahren 
gegen bie Staatsfirche. Wenige Tage vor feiner Erdroffelung erließ er die bes 

mte kirchliche Bonftitution, auf deren Grund er den Welt: und Kloflerflerus 
aller feiner Güter beraubte und der Geiftlichfeit einen Fürglichen Jahrgehalt an⸗ 
wies. Seine Rachfolgerin rechtfertigte in ihrem Ihronmanifefte feinen Sturz 
vorzugsweiſe durch dieſe verfuchte Beraubung der Kirche; und doch war gerade 
fie es, weldye, wegen ihrer Borliebe zum Unglauben, von B oltaire aufgefordert 
worden war, beim Sultan die Erlaubniß auszuwirken, ben falomonifchen Tempel 
wieder aufzubauen,‘ um ber „Infamen“ ein Dementi zu ſehen. Sie ſchlug ihrer 
Kirche bie tieffien Wunden, Peters Gemahlin, Katharina ll. (1796), eine ge- 
borene PBrinzefiin von Anhalt- Zerbfi, war eine weife NRegentin, die bad Werk 
Peters des Großen vollendete. Sie Hob den Wohlftand ihres Reiches u. vergrö- 
ferte daſſelbe durch mehre glüdliche Kriege, wie erfolgreiche Unterdandlungen, na: 
mentlih auf Koſten ber Türkei. In ihre Regierung fielen aud die Theilungen 
VBolen’s. Unter ihre wurde ber Anfang zur Unterjochung ber faufaftfchen Völker⸗ 
haften u. zur Erwerbung Gruften’s gemacht u. begann die merkwürdige Befitz⸗ 
nahme bes nordweftlichen Amerika durch ruffifhe Handelsfaftoreien längs den 
Lüften. Paul I. (geft. 1801), Katharinen’s einziger Sohn, nahm zuerft 1799 u, 
‚1800 in dem Sriege gegen Frankreich thätigen Antheil, löste aber plöplich fein 
‘ Bünbniß mit Oefterreih u. England auf, eroberte in Verbindung mit der Pforte 
die Infel Korfu, fliftete unter ruſſiſcher Garantie die Republif der fleben Infeln 
u. erneuerte mit ben nordiſchen Staaten das Projekt einer bewaffneten Reutrali- 
tät, welche die Dänen durch die Niederlage gegen die Engländer (2, April 1801) 
bezahlen mußten, nachdem Paul I. fhon am Tage vorher fein Leben verloren hatte. 
Sein aͤlteſter Sohn u. Nachfolger, Alerander I. (— 1825), ſchloß fofort Frieden 
ait England u. unterflügte den Abfchluß des Lüneviller Friedens zwifchen Frank⸗ 
reich u. ben Bontinentalmächten. In den neu ausgebrocdhenen Kriegen zwiſchen 
Frankreich u, Defterreih (1805) u. Zranfreih u. Preußen (1806) ergriff R. 
gegen erfteres bie Waffen; im Tilfiter Frieden (1807) trat jedoch Die treulofe 
—25 — Politik wieder auf die Seite Frankreich's u. unterflügte Rapolcon’8 
Eontinentalfuftem bdergeftalt, daß fie dem England treu gebliebenen Bundesgenoffen, 
Schweden (1809), den Krieg erklärte, ber in dem Frieden zu Friedrichsham bie 
Bergrößerung bes ruflifchen Staates durch die wichtige Provinz Finnland, nebft 
ben Alandeinfeln im bottnifchen Meerbufen, zur Folge hatte. Fugen Jah: 

5 








1028 Rußland. 


ren fam indeß das freundſchaftliche Verhaͤltniß zwiſchen dem ruſſiſchen u. fr 
fifden Kaiſer zum Bruce, Napoleon unternahm feinen berüßmten unglüd 
xuffifchen Feldzug von 1812, fand- aber auf den Trümmern bes brennenden R: 
das Ziel feiner Siege. Mit dem ſich kraftvoll erhebenden ruflifchen Wolfe 
das Klima im Bunde u. R., Preußen u. Oeſterreich nelang es bald, ben & 
ſivkrieg bis in bie frangöftiche Hauptfladt zu tragen. Aleranber, ber nun 
Preußen's u. Oeſterreich's Herrfchern die fogenannte Heilige Allianz ſchloß, 
entfcheidenden Antheil am Abfchlufie des Parifer Friedens von 1814, am © 
Gongreß u. ber furzen Militärrevolution nach Rapoleon’s Ruͤckkehr von Elba. 
ewann die Krone Polen’s u. Hatte ſchon 1812 feine Kriege mit der Türkei u. 
ien vortheilhaft geendigt. Bemerkenswerth iſt roch Alerander’s Anlage der Mi 
folonien zwifchen ber Oftfee und dem fohwarzen Meere. Er war auch ehr ben 
in ber innern Einrichtung des Staates einige längft gefühlte Nebelftände abzuſch 
u. dem ganz jämmerlichen Zuftande ber wiſſenſchaftlichen Bildung fo viel wie md 
abzuhelfen. Um nun ben Kaifer von ben Kortfchritten ber gewuͤnſchten Reforme 
Innern zu unterrichten u. feine Aufmerffamfeit auf andere zu treffenbe Refe 
zu leiten, hielt e8 der Minifter des Innern für gut, von Zeit zu Zeit, ie x 
dem bie Geſchaͤfte es erheifchten, bem Kaifer über das Geleiftete, ſowie Abe 
noch zu Leiftende öffentliche Berichte abzuflatten.: Dem Miniſter bes In 
folgte in biefer großartigen Schmeichelei des Autofraten der Minifter ber | 
Ehrung oder des offenttichen Unterrichts. Nichts war natürlichen, als daß 
ber Oberprofurator der Heil. Synode fi) genöthigt ah, Rapporte über des ' 
narchen, wie über feine eigene Shätigfei für die Kirche zu erlaſſen. Diefe 
Minifter haben fi die Allgewalt über R. zugetheilt u. handhaben foldhe I 
den abfoluten Willen des Autofratn. In neuerer Zeit find fie durch bie 
triebfamfeit Uwaroff's, des Minifters der Aufklärung , gleichſam ſymboliſche 
walten geworden u. bilden die Trias, welde bie neue Zukunft R.s mie 
dreifachen Aegide der Alleinherrichaft, bes Volksthums u. ber Recht 
ſchaffen fol. Jene, nichts weniger ald zuverläfligen, Berichte ber 9. ol 
jagen über biefelbe felbft, welche der leitende Stern u. die Seele der nıfi 
Kirche ift, Nichts u. wir laſſen baher hier das Nothwendigfſte über biefelbe 
fließen. Sie trat unter Peter dem Großen an bie Stelle des moskowitiſchen 
triarchat’8 u. follte ihrer urfprünglichen Beflimmung nad) biefelbe geiſtliche 
famfeit u. Bedeutung Haben u. denfelben Einfluß auf die gefammte ri 
Kirche ausüben, den ber jebesmalige ruſſiſche ‘Patriarch, fo lange dieſe 
beſtand, ausgeht hatte. Das moskowitiſche Patriarchat war in ähnlichen 
tifchen u. religiöfen Berhältnifien an die Stelle des mächtigen Metropolitan 
Moskowien getreten, wie die Synode an bie Stelle des Patriarchats. 1 
Godunow, ber Gründer des Patriarhats u. Beter der Große, ber @ 
der der Synobe, waren bei ihren kirchlichen Schöpfungen ganz von bemf 
Gedanken geleitet, der fein anderer war, al8 bie möglihft große Unterjochum; 
Kirche u. des Klerus. Diefe Kirche gab fi aber auch unflug ber, : 
der Kirche von Konftantinopel ſelbſt, eine dienfibare Sklavin der en m 
ben, wie auch der unkirchliche Geiſt der Kaifer von Byzanz in Ihrer Stellung 
Kirche in allen feinen Phafen auf die Großfuͤrſten R.8 Iberging. So HR 
Die h. Synode nicht Anderes ald eine reine Gtaatsanflalt, elſt welcher 
Kirche nur allerhoͤchſte Befehle u. allerhoͤchſt beſtaͤtigte Entſcheidungen empfl 
bie aber ſelbſt Nichts befehlen kann. Um bie Geiftlichkeit in glich ge 
Abhängigkeit zu erhalten, Hat man ihr in focialer Beziehung eine ganz veri 
liye Stellung angewiefen, fie zu einer Kafle gemacht u. Erb 
zahlt. Die Regierung thut im runde Nichts für biefelbe u. wo fle, wie 
weſtlichen Provinzen, etwas für ihre Staatskirche thut, muß ie bie 
der katholiſchen Kirche dazu die Mittel liefern. Gie gibt zwar en Bid 
bie fi durch Dienfteifer, fei e8 in ber Austilgung ber Sektirerel, ober in 
Schismatifirung der Katkeltten auszeichnen, gewiſſe Hülfsbefolbungen aus 














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Rußland. 1029 


Reichsſchatze, aber, wie gering find diefe! Im Jahre 1837 belief fich diefe Summe 
auf 499,858 Kranken u. mußte unter 1524 Berfonen ber 46 Eparchien vertheilt 
werden; ein Drittheil diefer Summe warb allein unter Geiftliche der ſechs weft- 
lichen Eparchien von Kiew, Mohilew, Minst, Podolien, Polotzk u. Volhynien 
vertheilt, um fie burch dies Beſtechungsmittel recht anzufeuern, die von der Re⸗ 
gierung befohlene Schiömatifirung der Unirten u. Katholifen, die in diefen Pro⸗ 
vinzen die Mehrzahl der Bewohner ausmachen, mit allem Eifer zu betreiben. Im 
Uebrigen ift die Landgeiftlichfeit lediglih auf die Stolgebühren — bei armen 
Sklaven u. Bauern — angewieſen! Kei diefer ſyſtematiſchen Herabwürbdigung ber 
Geiſtli konnte es nicht ausbleiben, daß die niedrigſten Laſter unter denſelben 
einheiniſch find. In den drei Jahren 1837 — 39 wurden von den 102,456 
Geiſtlichen 15,443, alfo ſtets der fechöte Geiftliche, zur Unterfuchung u. Beftraf- 
ung gezogen u. zwar, wie ſich der Eynodalbericht ausbrüdt, wegen fchwerer, 
Schande bringender Bergehungen! — Nehmen wir nach biefer Abfchweifung 
wieder den Baden unfers hiſtoriſchen Abriffes auf, Nach dem Tode Alerander’s, 
unter dem bie fuftemifche Herüberziehung ber Fatholifchen Unterthanen zur ruffifchen 
Kirche begann, wobei fidy beionders fein Unterrichtsminifter Galiczin thätig bes 
zeigte, der auch die Berbannung ber Iefuiten, die Katharina IL nad ber 
Aufhebung bes Ordens in ihre Staaten aufgenommen, in's Werk fehte — 
aeigte fih im Reiche und namentli in ben beiden Hauptftäbten eine Gaͤhrung, 
weiche den Zweck Hatte, ben Großfürften Konſtantin, bee zu Gunſten feines 
Bruders Nikolaus der Krone entfagt Hatte, auf ben Thron zu erheben; felbe 
ward indeß, in Petersburg in offene drung auobrechend, durch ben perſoͤn⸗ 
—* Muth und die Gei egegentwart des Ralfers Nikolaus unterdrüdt. In⸗ 
zwiſchen wurde bie Stellung R.s gegen bie Pforte, welche in der verlangten Ers 
fülung alter Verträge zögerte, immer drohender; und wicwohl bie Pforte durch 
verſchiedene Conceſſtonen auf dem Eongrefie zu Afjermann (1826) den Ausbruch 
des Kriegs noch um einige Jahre aufhielt, fo kam er doch im Jahr 1828 zum 
Ausbruche. In 2 Jahren warb er ruhmvoll u. vortheilhaft für R. beendet. Gene: 
ral Diebitſch überftieg den Balkan (daher Sabaltansti) und befehte die zweite 
Dauptkabt des türfiihen Reichs, Adrianopel, wo ein bemüthigenbder Friede diktirt 
ward, Seitdem ie R. mit der Türkei wie, eine Katze mit der Maus, und 
wird fidh den Beflg Ronftantinopels, ben Schlüffel Europa’ und bes Orients, 
nicht entgehen laſſen. Die Moldau und Walachei blieben bis zur Abtragung 
ber Ktiegscontribution von ben Rufen beſetzt und ftehen fortwährend unter 
ruffifcher Protektion, was ſich die Öfterreichifche Politik gefallen ließ. Den wich⸗ 
tigften Punkt des adrianopeler Bertrand, die freie Durchfaßrt der Darbenellen für 
rufflfche Schiffe, mit Ausſchluß aller übrigen feefahrenden Nationen, mußte indeß 
R. auf die energifchen Borftellungen Frankreichs und Englands Hin fallen laſſen. 
Die Berhältniffe Rußlands zu Perfien hatte der Triebe zu Turkmantſchai (22. 
Gebr. 1828) feftgefebt, ohne daß die Ermordung des ruſſiſchen Geſandten Gri- 
bojedow zu Teheran (12. Febr. 1829) eine wefentliche Beränderung hervor⸗ 
gebracht Hatte; bie große Kirgifenfteppe nahm es unter feinen Schuß; Die Derg- 
völfer jenfeits bes Kuban wurden nur vorübergehend, bie Leögier u. a. in 
Sruften aber dauernd gedemüthigt (1830), überhaupt fo viel an Länderumfang in 
Aflen gewonnen, daß nunmehr blos eine Strede von 280 Stunden bie ruffifchen Be⸗ 
flgungen von den englifchen in Oftindien trennt. — Eine hoͤchſt bedeutungsvolle 
Seite der neueften rüſſiſchen Geſchichte bildet der Krieg im Kaufafus. Peter 
Der Große zog perfönlich nach jenen Gegenden und eroberte das wichtige Der- 
bend am Aufffden Meere, Furcht vor dem perfiihen Schah Nadir bemog ihn, 
Diefe Erwerbungen wieber aufzugeben. 1763 wurde die Feſtung Mosdok angelegt, 
1774 bie große und Kleine Kabardah gewonnen, jedoch unter lautem Widerfpruche der 
Einwohner, die fofort Aufflände erregten und nur zum Theil unterworfen wer: 
ben konnten. Zur Bewältigung ber Gebirgsbewohner legte man jetzt bie ſoge⸗ 
nannte kaukafiſche Linie an, eine lange Reihe von Keftungen nd x 





1030 Rußland, 


Terek und Kuban fihert und mit einander verbindet. Im Güben bes Sa 
faßten die Ruffen fetten Buß im Jahre 1785, als bie Könige Heraklint 
@eorgien u. Sal omo von Imerethi als Bafallen fi) unterwarfen. Rad 
Tode bes Königs Georg, des Sohnes von Heraflius, warb Brufien m 
als geufinifches Gouvernement Bereit. Die Straße von Tiflis über den 
fafus warb angelegt und bie unabhängigen Bölfer immer mehr eingeengt. 
Frieden von Zafly erkannte der Sultan ben Kuban als ruſſiſche Sränze an 
R. dehnte ſich in Folge glüdlicher Kämpfe mit ben Perfern bis Baku am 
piſchen Meere aus. An bie Nordgränge wurden bie fogenannten Koſalen 
{hwarzen Meere verpflanzt, um Die Einfälle der Gebirgövölfer zurädzınm 
biefe legteren erhielten ſich frei und bie deſtung Wledi⸗ (Zwing-) KLaufafı 
währte ihren Namen nicht. Die türfifchen Feflungen an ber Küfte bes fd 
zen Meeres, Anapa und Suchum-SKaleh, fielen in bem Kriege von 1811 i 
Hände der Ruffen, fo baß biefe ben Kaukaſus jetzt bereit von allen Geiten 
ringt hatten. In diefem, wie in bem nädften Sriege von 1829 wara 
Üeerteffen die Verbündeten ber Türken, gaben ihre Unabhängigfelt jeder 
wenig auf, baß fie afle Einflüfterungen ber. benachbarten Paſcha's, ben Eu 
zu befierm Schutze gegen Rußland als ihren Oberkeren anzuerkennen, fort 
rend zurüd wieien. Die Diplomatie ignorirte biefes Verhältniß. Durch 
Frieden von Adrianopel, der R. den ganzen Küſtenſtrich von ber Münl 
Ruban bis zum Fort Nicolai an ber — Graͤnze von Imerethi 

hielt fich dieſes für berechtigt, dem ganzen Kaukaſus als ruſſiſches Gebiet n 
trachten; es hatte ihn von allen Seiten umfchlofien, das Innere aber war 
ſaͤchiich imgthangig daR. nur bie menigen Geftungen an ber Etraße von 
118 befegt Hatte. Gegen diefe Anfprüche R.s auf ben Kaufafus lehnten Ad, 
englifchen Agenten angereist und unterflügt — ein englifhes Schiff, bat 
Tſcherieſſen Waffen und Munition zutrug, ber Birer, ward fogar von R 
nommen — die Bergvölfer entfchieden auf. Seitdem wird im Kar 
beffändig mit wechſelndem Glüde gekämpft; R. verwendet bafelbft fein 
ften Generale und Truppen, ohne faktifh bedeutende Vortheile zu erringen. | 
ben Bergvölfern ftehen immer neue audgezeichnete Führer auf. Unter den T 
feffen wurde früher ber Häuptling Aslan»Bire am meiflen genannt, unte 
Abeſſen Omar mit bem Beinamen Abref, ber Ueberläufer, weil er, als 
in türfifhe Gefangenſchaſt gerathen, nach Negupten an Mehemed Ali 
fauft unb von dieſem zu höheren Stellen erhoben und nad) Paris zw feiner ! 
bildung geſchickt, dort auf feinen Wunſch vom ruffiihen Gefandten losgekauf 
bie — Armee trat und im Kaukaſus diente, jedoch zu feinen Lanbelı 
überging. Unter_ben Anführern bet Tſchetſchenzen haben fi Lafimu 
und befonders beffen Nachfolger in ber Heerführung, ber merkwürdige, unm 
liche Schamyl (Ipr. Echamuif) hervorgethan. Beide waren früher muhas 
niſche Priefter und begründeten ihren Einfluß duch die Religon. Diele 
ſchwiſterung ber Freiheitsliebe mit ber religiöfen Begeifterung eine hoͤchſ 
denkliche Erſcheinung für bie Ruffen. — Im Jahre 1845 wurbe der Beneri 
jutant bes Kalfers, Graf Woronzom, zum Oberbefehlshaber im Kaufafus 
nannt und mit ben ausgebehnteften Bollmachten verfehen. Er verbindet mit 
Militaͤr zugleich bie oberfte Leitung ber Verwaltung und an ihn gelangt 
Meifte zur Entfcheidung, was früher nach Petersbürg berichtet werben m 
— €8 bat allen Anſchein, baß bie Unterwerfung des Kaufafus noch Lange 
ftchen wird, wenn fie überhaupt je gelingt und R. Hat im Grunde nur ben « 
Kugen von den großen Opfern, bie ihm Diefer Krieg koſtet, daß er eine treff 
Schule für fein Heer bildet, wie ber in Algerien für das franzöſiſche. — 
Unterwerfung der Religion unter bie Interefien ber Politif wird in R. durch V 
regeln betrieben, wie ER in ben weftlichen Staaten nicht mehr möglich find. 9 
Unterbrüdung der yolniähm Revolution und bis auf bie zu jeit war es 
eifrigfle Sorge der vullinen Regierung, We tarinlite Sirche möglich ci 


Außland, 1031 


engen und, wo fie fie nicht vernichten Eonnte, doch die Bande mit Rom zu lodern 
und das Fatholifche Kirchenweſen unmittelbar unter die Stantsgewalt zu beugen. 
Man erließ Ufafe gegen Ausbau der katholiſchen Kirchen, übergab viele derfelben, 
fowie auch viele Klöfter, dem ruffifden Ritus, erleichterte dem Mebertritt zur 
griechiſchen Kirche, machte den zur Tatholifchen unmöglich u. belegte den Rüdtritt 
zur felben mit den Härteflen Strafen. Der Bifhof von Podlachien weigerte fich, 
ber einzige von ben 8 Bifchöfen Polens, die Faiferlichen Befehle, weſſen Inhalte 
fie auch feien, in den Kirchen befannt zu machen, warb dafür mit Gewalt auf: 
gehoben und in ein Kloſter im Bouvernement Mohilew in engen Gewahrſam ges 
bracht (1840). Die 1595 in ben, damals Polen unterwvorfenen, jetzt weftruffifchen 
Provinzen und Kleinrußland, freilich auch nicht ohne Gewaltmaßregeln, zu Stande 
gefommene Union der griechifchen mit den römiſchen Katholitn — die unirten 
Griechen in. Sleinrußland waren indeß ſchon 1653, nach der Wiedervereinigung 
mit Großrußland zur ruſſiſchen Kirche zurüdgetreten — ward bereits von Ka⸗ 
tBarina, nachdem jene Provinzen Rußland zugefallen waren, unterminirt und 
von Kaiſer Nikolaus völlig vernichtet. Bei einer Berfammlung zu Polozk am 
12, Febr. 1839 ward die Akte für MWiedervereinigung mit ber ruffifchen Kirche 
von 1305 griechifch-unirten Biichöfen und geiftlichen Vorſtaͤnden unterzeichnet. 
Darüber warb auf Faiferlichen Befehl von der h. Synode ein Etatut erlaffen u. am 
4 Dez. vom Kaiſer mit den eigenhändigen Morten vollzogen: „Sch danke Gott 
und genchmige dies.” Gin Mfas vom 5. Juli 1839 brachte die Aufnahme von 
3—4 Mill. Unirter in die orientalifhe Kirche zu allgemeiner Kunde. Diefes Ers 
eigniß nannte die päpftlicde Allocution, unter Klagen über die abtrünnigen 
Bifchöfe und Geiftlichen, das „Herbfte und Traurigfte, was bie Fatholifche Kirche 
betroffen” während ruſſiſche Blätter fiegesfreudig bemerkten, „daß jetzt in Wahr: 
heit, außer dem eigentlichen Litthauen und Samogitien, bie ganze Orundbevölfe- 
rung der weftlichen Provinzen des Reichs nicht bios ruſſiſch, fondern auch recht: 
gläubig fe“. Später veröffentlichte vine italienifche, wohl unter Autorität des 
HL Stuhls erfchienene Schrift zur Erklärung dieſer bedauerlichen Vorgänge eine 
Meihe dofumentirter Thatfachen, woraus hervorgeht, daß bie in ber Union Behar- 
renden auf alle Weife gebrüdt, verfolgt, mit Gefängniß beftraft wurden. Fran— 
zoͤſiſche Blätter gaben eine Namenglifte von 33 unirten Prieftern, die wegen ihrer 
Anhänglichkeit an die katholiſche Kirche die Etrafen der Entiegung , Befungen- 
shaft, Deportation und förperlide Züchtigung erlittten. — Ein bebeutungsvollce 
Sreigniß hat dieſe trüben Zuftände und Ausfichten ber Fatholifhen Kirche in 
N. etwas aufgehellt, nämlich die denfwürdige Zufammenfunft des ruflifhen Kai: 
ferd mit Gregor XVI. in Rom (1844). Die Vorſtellungen, welche der, dem 
Grabe fo nahe, Vater der Kirche dem Autofraten machte, müfien erfchütternd ge: 
wirft haben, denn, wenn auch zweifelsohne der Kaiſer fein Wirken für die Aus— 
breitung feiner Rationalficche, als innigſt verweben mit feiner Politik und Der 
Ausbreitung ſlaviſchen Einflufies, nicht aufgeben wird, ſo ſchickte er doch ſofort 
einen eigenen Bevollmächtigten, den Grafen Bludoff, nah Rom, um eine Ber: 
einbarung wegen der Verhältniffe der ruſſiſchen Katholiken zu treffen. In Bolge 
berfelben ift den Fatholifchen Bifchöfen in R. der Verfehr mit Rom wieder geftat- 
tet und fol überhaupt bie Autonomie der katholifchen Kirche in ben Ländern des 
Czars befier, als bisher, geachtet werden. Schwierig, fat unmöglich ifl «8, ben 
Dichten Schleier zu lüften, der bie neueſte Politik R.S umküllt. Kaifer Nikolaus iſt ein 
ächter Ruffe und ftrebt darnach, Dem Ruſſenthum Die größtmögliche Geltung in 
Europa zu verfchaffen, darum aber mag doch keineswegs die Lieblingsanſchauung 
vieler beutfcher und franzöfifcher Publiciften gerechtfertigt erfcheinen , welche Die 
Hand R.s in allen politifchen Transaftionen, namentlich in ben jüngflen Wirren, 
in ben übermüthigen ungerechtfertigten Auflehmungen ber Slaven, ja _fogar im 
biutigen Aufftande ber Tichechenpartei in Prag CPfingften 1548) ruſſiſche Auf: 
heßerei und ruffifches Gold wirkfam erbliden. Geradezu lächerlich wurde dieſe fich 
mit Angft vor den ruffifcden Soldaten paarende Ruſſenphobie, bie einmal über 


— 


1032 Aufl. 


Das andere von ben Anfammlımgen ber ruſſiſchen Heere an den preußiichen Graͤn⸗ 
zen, ja dem Ueberſchreiten derſelben, zu erzählen wußte Daß Die ruffifche 
Politik den Untergang bes abfoluten Monarchismus und bie, von folder Krk 
fis ungertrennliche, Verwirrung u. Auflöfung ber Berhältniffe, das fühne Hervor⸗ 
treten der demofratifhen ober vielmehr anarchifchen Tendenzen hoͤchſt ungerne fleht 
und Alles aufbieten wird, gegen beren MWebergreifen feine Graͤnzen hermetiſch zu 
verfchließen ; ift natürlich, aber eben fo wenig, wie zur Zeit der franzöflihen Re _ 
volution von 1830, wird Kaifer Nikolaus an Die Belämpfung jener Tendenzen, 
oder an die Herftellung des Monarchismus zu Gunften feiner alten Verbündeten, 
Preußen u. Oefterreich, außerhalb feines Reiches denken, dagegen ſich gerüftet Halten, 
jebe Berlegung ruſſiſcher Interefien, jeben Angriff entſchieden zurüdgumwellen. Um 
bieß einzujehen, hätte es nicht erſt der in den jüngften Tagen gefchehenen Beröfs 
fentlichung des vom rufjifchen Minifter bes Auswärtigen an alle Gefandten ges 
richteten Rundſchreibens bedurft. Br. 
Auf, Johann Nepomuk, ein Arzt von hohem Berbienfte,- geboren zu 
Jauernig auf dem Schloß Iohannesberg in öfterreichifch « Schleftien 1775, erhielt 
ander Hauptfchule zu Zroppau und dem Gymnaftum zu Weißwafler feine wiſſen⸗ 
Ihaftlihe Ausbildung und wurbe beftimmt, im Militär fein weiteres Fortkommen 
zu fuchen. Wegen feiner großen Senntniffe in der Geometrie, Mathematif, Zels 
chenkunde ıc. warb er im Ingenier⸗Corps angeftelt. Der bald Hierauf gefchloffene 
Triebe zwifchen ber Pforte und Defterreich beraubte ihn der Ausficht auf balbiges 
Avancement im Militär, und dieſer Umſtand, fowie fein Berlangen nach höherer 
wiffenfchaftlicher Ausbildung veranlaßten ihn, jenes zu verlafien u. ſich nach Wien, 
in ber Abficht weiter zu fludiren, zu begeben. — Hier hatte er mit vielen Hinder , 
niffen zu fämpfen, denn, entblößt von der elterlichen Unterflübung, mußte er bei 
Betreibung ber Im oͤſterreichiſchen Staate vor dem Eintritte in bie Höheren Brods 
ftudien, fogenannten philofophifchen Studien, durch Unterricht der Jugend feinen :- 
Unterhalt fich fümmerlich erwerben. Ja, er Eonnte, felbft nachdem er jene Stubien 
abfoloirt Hatte, aus Mangel an Hinlänglicher Unterſtuͤtzung das Studium ber 
Medizin, wozu cr große Neigung hatte, nicht fogleich ergreifen, fondern mußte 
ſich einige Zeit ber Jurisprudenz widmen, bis er fo glüdiih war, durch feine 
Fortſchritte in derfelben ein Stipendium zu erlangen. Kaum war er dadurch in 
eine glüdlichere öfonomifche Lage verfegt, als er auch das Studium der Arzneis 
funde begann und mit großem, durch feine Neigung zu biefem Fache erzeugten, 
Eifer fammtliche theoretiiähe und praftifhe Borlefungen ber Medizin, Chirurgie, 
Geburtshilfe, mediziniſchen Polizeiwiſſenſchaft und Thierheilkunde erſt in Wien u. 
bann in Prag frequentirte, fo daß er feine fämmtlidden mebizinifchen u. dhirurgis 
Ihen Studien 1799 zurüdgelegt hatte. — Nach Beſtehung der landesüͤblichen 
Prüfungen begab er fih als praftifcher Arzt und Wundarzt in feine Baterftabt. 
Bald indefien wurde ihm ber dortige Wirkungokreis zu enge und bie erlebigten 
Lehrämter der Anatomie, Chirurgie und Geburtshülfe am Lyceum zu Olmüg er 
regten in ihm den Wunfch, die Laufbahn eines akademiſchen Lehrers zu betreten. 
1802 wurde er in Folge ber beftandenen Eoncursprüfung als ordentlicher Lehrer 
.der Anatomie in Olmuͤtz angeftellt, von wo er bei ber ſich bald Hierauf ergebenen 
Regulirung ber Univerfität zu Krakau 1803 zum ordentlichen öffentlichen Profeſ⸗ 
for der Hößern, fowohl theoretifchen, als praftifchen Chirurgie dorthin befördert 
wurde. Diefe Lehrftelle befleidete er bis zur Abtretung Weſtgaliziens an das das 
malige Orofpessogthum Warſchau mit ungemeinem Beifall, —* dann aus rei⸗ 
ner Vaterlandsliebe alle Anerbietungen der neuen Regierung aus, ja, verließ nebft 
einer fehr einträglidhen Praris Haus und Hof, begab auf kurze Zeit nad 
Bamberg und fodann nah Wien. Hier übertrug man ihm die Stelle eines ex; 
fin Arztes im allgemeinen Krankenhauſe, die feinem Wirken in der praftifähen u. 
befonder8 operativen Heilkunde ein großes Feld darbot. Bei dem. 1815 eröffnes 
ten Feldzuge trat er al8 General - Divifions - Ehirurgus in koͤniglich preußifche 
Tienfte, Am 10, Juni verließ R. in dieſer Eigenfchaft Wien, eilte zur Armee, 





Br 


⸗4 


Ruftſchuck. 1033 


erhielt daſelbſt die Arztliche Oberleitung des unter bem General. der Infanterie, 
Grafen Bülow von Dennewiz, ftehenden 4. Armeecorps und wirkte in biefer 
neuen Dienſtſphaͤre mit ſolchem Eifer, ſolcher Umſicht und erfolgreicher Tätigkeit, 
bag er bie volle Zufriedenheit der Behörben fowohl, al8 der Armee fih erwarb 
und auch vom König durch Berleihung des eifernen Kreuzes belohnt wurde. — 
Nach Beendigung des für Preußen fo glorreichen Feldzuges wurde er als Genes 
ral⸗Diviſtons⸗Arzt des 3. Armeecorps angeftellt und gleichzeitig zum außerorbent- 
lihen Profeſſor an ber mebizinifch - hirurgifchen Militär - Akademie ernannt, 1816 
aber mit Gehaltözulage von 1,500 Reichsthalern und mit Beibehaltung feines 
militärifchen ‘Boftens zum ordentlichen öffentlichen Profeſſor ber theoretifchen und 
praftifhen Chirurgie an ber vorgenannten Afademie, ferner zum Nachfolger und 
einftweiligen Stellvertreter Murfinna’s, und in diefer Eigenfchaft zum erften diri⸗ 
pirnden Wund⸗ und Geburtsarzt des Eharitös Kranfenhaufes und zum Mitgliede 
er Ober = Examinationg » Commiffion beförbert , fowie auch auf den Antrag ber 
mebizinifchen Fakultät ber Berliner Univerfität zugleich zum ordentlichen Profef- 
for an dieſer Hochfchule ernannt. Dieſem akademiſchen Boften fowohl, ald auch 
dem militärifch s ärztlichen fand er mit unermübetem Eifer vor, und erwarb ſich 
baburch das Zutrauen der Stantöbehörben u. die volle Zufriedenheit feines Mo⸗ 
narchen, ber ihm 1819 den rothen Adler-Orden verlieh. So flieg R. von Brad 
zu Grad, bis er bei der Thronbefteigung des gegenwärtigen Königs, deſſen Leib⸗ 
arzt er ſchon a geweien u. ten er in biefer Eigenfhaft 1828 nad Italien 
und 1834 nad) Petersburg begleitet hatte, königlicher Keibarzt wurde. Doch ſchon 
am 9. Oktober 1840 ftarb er auf feinem Landgute Kleutſch in Schleftien, wohin 
er fih überhandnehmender Augenſchwaͤche wegen ſchon 1838 zurüdgezogen Hatte, 
Obgleich R. auf feine Acmter als Lehrer und Gefkäftsmann viele Zeit verwen, 
te, fo hat er fih doch auch in der literar. Welt einen nicht unbebeutenden 
Kamen durch Herausgabe mehrer Schriften erworben, als: Helfologie, 2 Bbe,, 
Wien 18115 Beobachtungen über die Wunben ber Luft⸗ und Speiferöhre, ebb. 
418155 Magazin für die gefammte Heilkunde, mit bejonderer Benehung auf 
das Militär-Sanitätswefen im föniglichen preußifchen Etaate, 42 Bde, Berlin 
1816 — 34; Anthrofafologie, ober über bie Verrenkungen durch innere Bebins 
gung und über bie Heilfat, MWirfungs- und Anwendungsart bes Glüheiſens 
bei diefer Krankheitsform, mit Kupfern. Wien 1815, und ebd. 1817; Die 
ügpptifche Augenentzündung unter der königlichen preußifchen Beſatzung in Mainz, 
Berlin 1820 5 Ueber den fogenannten Wunderdocor Grabe, ebd. 1824; 
Ueber Behandlung eingeflemmter Brüche, ebd. 1829; Handbuch der Chirurgie 
in alphabetifcher Ordnung, 15 Bde. ebd. 1830 — 35; Winiges über Die Cho⸗ 
Iera, ebd. 1832. Auffäge und Abhandlungen aus dem Behiete der Medizin, Chir: 
urgie u. Staatdarzneilunde, 3 Bde. Berlin 1834—40. 

Ruſtſchuk, Stadt im türfifhen Sandſchak Nikopoli (Bulgarien), auf einen 
vorfpringenden fteilen Hügel bingelagert, unter welchem ber Lom fich mit ber Bier 
über eine Stunde breiten Donau vereiniget. Es war ehedem eine ftarfe Feſtung 
und Bat ein zur Citadelle Dienendes Schloß, fo wie es noch immer ber bebeutenbfte 
Ort an ber türfiihen Donau if. Man findet Bier neue Mofcheen, mehre grie⸗ 
chiſche und armenifche Kirchen, einige Synagogen, 6000 Häufer, viele Bäder, 

ane, ferner Fabriken in Tuch, Leinwand, Leder, Saffian, Muffelin, Seibenzeug, 

abat u. ſ. w. Auch treibt R. einen fehr lebhaften Handel. Beſonders ift Die 
Stadt das Emporium für bie Lebensmittel, welche aus der Walachei nad Kon: 
ftantinopel geliefert werden. Der Einwohner find bei 30,000, Bulgaren, Arme: 
nier, Briechen, Juden und Türken. In ber Rate von R. ſieht man viele ſoge⸗ 
nannte Hunnengraͤber, wahrſcheinlich gothiſchen Urſprunges, deren Anblick einen 
eigenthuͤmlichen Eindruck auf den Beſchauer hervorbringt. R. ſchraͤg gegenüber, 
am linfen Ufer der Donau, liegt die maladhifche Freiftadt Giurgewo (Schurfa), 
welche eine Bevölferung von 18,000 Seelen hat und der Hauptftapelplag für ben 
Donaubandel ber Walachei if. Es beftcht bort eine Duarantäneanftalt. — R. 


1034 | Rutgers — Authenen, 


hat als Uebergangspunkt tiber die Donau in den ruffifchstürfifchen Kriegen mehr: 
mal große Unbiben erlitten. 1773 wurbe e8 von dem ruſſiſchen General Rehbock 
erobert und geplündert. 1810 vertheibigten ſich Hier 10,000 Türfen unter Bob: 
niah Aya-hartnädig gegen die Ruflen und übergaben bie Stadt erft nad) langer 
Belagerung und zwelmaligem bergeblichen Sturme. Am 2. Juli 1811 erfocht 
Kutufow bei R. einen Steg über die Türken ; aber wenige Inge darnach räumten 
RR Ruffen die Stadt, nachdem fle biefe in Brand geftedt und die Werke, geiprengt 
atten. mD. 

Auigers (gewöhnlich Tateinifch Rutgersius), Johann, geb. zu Dortrecht 
1589, fudirte unter Voſſius, Scaliger und Heinftus alte Literatur, verband da⸗ 
mit die Jurisprubeuz, kam in feinem 23. Jahre als Rath in bie Dienfte des Koͤ⸗ 
nigs Guſtav Adolph von Schweden und biefer bediente fich feiner zu mancdherlei 
Geſandſchaften nad) Holland, Böhmen, Dänemark ꝛc. Wie zufrieden der König 
mit feinen Dienften war, beweist, baß er ihn 1619 in ben ſchwediſchen Adelſtand 
erhob, allein R. ſtarb fchon 1625. Bei feinen Staatsverrichtungen fand er im; 
mer Zeit zur Lefung und Verbeſſerung ber Elaffiter und ſchenkte der Welt, außer 
befonderen Anmerkungen über den Martial, Curtis, Apuldgus ıc., einen Band 
Var. lect. Leyden 1618, die fehr geſchaͤtzt werben, u. treffliche lateiniſche Gedichte. : 
Poemata, Leyden 1653. 

Ruth, eine Moabitin, die Wittwe Mahalon’s, war nach bem Tode ihres 
Mannes mit ihrer Schwiegermutter Noemi nach Bethlehem in Chanaan gezogen. 
Dort lernte fie beim Achrenlefen ben Booz, ihren nahen Anverwandten, kennen; fie 
wurde von ihm gütig behandelt und endlich zu feiner Gemahlin erforen. R. ger 
bar den Obed, ben Großvater Könige David; von ihr flammte daher auch ber 
Meſſias. Diefe Geſchichte ereignete fid in den Zeiten ber Richter, etwa kurz 
vor Gedeon, und umfaßt ungefähr 12 Jahre (etwa 1277 — 1265 vor Eher) — 
Das Buch Ruth, das VI. kanoniſche Buch des A. T., enthaltend die anmuthige 
Geſchichte der R., ift wegen bes Gefchlechtsverzeichnifies Davids und folglich bes ; 
Meſſias wichtig; es enthält auch treffliche Berhaltungsregeln und Beifpiele. Rad J 
der allgemeinen Meinung if Samuel deſſen Berfafer um bie Zeit David’s. Def: * 
fen göttliches Anfehen wird durch bie Berufungen anderer Fanonifcher Bücher 
darauf (Matthäus 1, 3—5. Auf. 3, 32, 33) beftätigt. 

Ruthe, ift im Allgemeinen ein Grundmaß größerer Art, das 1) als Laͤn⸗ 
genma 8 dem Ausmeſſen der Seiten großer Raͤume gebraucht wird u. in ver⸗ 
ſchiedenen Laͤndern zu verſchiedenen Zwecken verſchiedentlich lang iſt. Als Längen- 
maß unterſcheidet man a) bie Decimal⸗ oder geometriſche R., wenn die gewoͤhn⸗ 
liche R. in 10 Theile oder geometriſche Fuß a 10300 u. f. w. und b) Die Duos - 
becimal oder gewöhnliche R., wenn fie in 12 Zuß a 12 Zoll u. ſ. w. eingetheilt 
fl. 2 Als Flächenmas, Quadrat⸗R. genannt, if fie eine Quadratflädde von 
{ R. Länge und 1 R. Breite, um darnach die Größe eines Morgen Landes, 
Jaucharts, Aders u. |. w. zu beftimmen und 3) als Körpermaß, Eubif - R., 
Wuͤrfel⸗R. genannt, ein Körper, ber eine R. lang, breit und Hoch ift, oder doch 
einen, dieſem gleichen, körperlichen Raum umfaßt. Die Schadt oder Shit -R. 
wird zu dem Ausmeflen des Inhalte des ausgegrabenen Erdhreichs gebraudit . 
und if 1 R. lang und breit und 1 Fuß hoch. Die Stein-R. if 1 R. lang 
und ner und 3 bi8 A Fuß Hoch und wird beim Ausmeflen der Bruchfleine 
ebraucht. 

g Ruthenen, Ruffinen u. Ruſſniaken, iſt der Name verſchiedener, zu den 
großen ſlaviſchen Stamme gehöriger Voͤlkerſchaften, deren Geſammtzahl von ben | 
neueften Statiftifern zu circa 13 Millionen angegeben wird. Ihre faſt ausſchließ⸗ | 
- liche Befchäftigung ift der Landbau und als Grundzüge ihres Charakters werben 
Unreinlichfeit u. Trunkſucht angegeben. Sie theilen fich in galizifche, litthauiſche, 
nordungarifche, podolifche und volhynifhe R., waren bis zum 17. Jahrhundert 
frei und unabhängig, wurden aber dann theils von ben Kitthauern, theils von 
den Polen überwunden und „gehörten lange zum lehteren Reiche. Ihre Sprache, 





Fa a 


Autilius — Ruttenſtock. 1035 


welche je mehr u. mehr der polnifchen ähnlich wurbe, war früher Schriftfprache 
und ift in verfhiebenen Denfmalen enthalten, namentlich in littfauifchen Statuten 
und einer Bibelüberfegung die 1581 zu Oſtrog im Drucke erfhien. Nachdem 
lange Zeit fein literariſches Erzeugniß mehr in berfelben erfchienen war, hat man 
neueftens wieder ruthenifch zu bruden angefangen. Ihrem religiöfen Befenntniffe 
nach gehören die R. ber griechifchsunirten Kirche an. Ihre, den polnifchen und 
ferbifchen vielfach ähnlichen, Vollsfagen und Volkslieder hat Waclaw, Lemberg 
1833, Herausgegeben und eine Grammatik ber ruthenifchen Sprache für Deutfche 
lieferte Lewidi, Przemisl 1833. — Bergleihe auch Allgemeine Zeitung 
1848 Rr. 244, 

Autilius, 1) R. Rumatianus Claudius, ein römifcher Dichter, aus 
Gallien gebürtig und Statthalter in Rom unter Honorius. Er ging zulegt von 
da nach feinem Baterlande zurüd und dieſe feine Seereife befchreibt er in einem 
nur noch unvollftändig erhaltenen Gedichte in elegifchem Bersmaße u. zwei Büs 
bern, welches nicht ganz ohne innern Berbienft iR Ausgabe mit Erläuterungen 
mehrer Gelehrten von I. %. Gruber, Rürnb. 1804; am beften im 5. Bande 
der Wernsdorf'ſchen Dichterfammlung. Vergl. Zumpt, Observ. in R. N. carmen, 
Berl, 1837. — 2) R. Lupus, ein tömifcher Grammatiker zur Zeit des Kaiſers 
Auguftus. Man Hat von ihm noch ein aus Gorgias überfehtes Compendium 
De figuris sententiarum et elocutionis, beſonders fchaͤtzbar durch die aus griedhi- 
[hen Rednern entichnten Beifpiele, Herausgegeben von R. Stephanus, Paris 
1530, 4., u. d.;5 von Runhkenius, Leyden 1768, neue Ausg. von Frot- 
fer, Leipz. 1831, mit Apendix observ. von Koch, Leipz. 1841. - 

Autfhberge. Auf Schilden, Holzftüden (ſpaͤter auf feinen Schlitten) bie 
mit Eis oder Schnee bedeckten Berge Berabzugleiten, war ſchon frühe eine Win- 
terbelufigung ber nordifchen Bölfer. Auch erzählen die Gefchichtfchreiber, daß bei 
dem Einfalle der Deutſchen in Italien biefelben beim Herabfleigen von ben Alpen 
fi auf ihre Schilder fehten und laut frohlockend bie beſchneiten Abhänge, weldhe 
fie an ihre Heimath erinnerten, herabfuhren. — Noch jetzt ift biefes Hinabgleiten 
in Deutfchland eine Kinderbeluftigung, in Rußland ein Volfsvergnügen, an dem 
Yung und Alt, Vornehm und Gering Theil nimmt. Dort baut man auch ba, 
wo natürliche Berge fehlen, fünftliche fchiefe Ebenen von Holz, die man mit Waf- 
fer begießt, oder auf denen man aud;, wenn bie Kälte nicht hinreicht, Eis zu 
bilden, in fleinen Wagen mit Raͤderſt berabfährt. An Paris wurden dergleichen 
Rutſchbahnen 1823 unter dein Namen Montagnes russes erbaut. Auch in Deutſch⸗ 
Kan Fa in Nürnberg, verfuchte man fe einzuführen (hier 1833), aber 
ohne Erfolg. - 

Auttenftod, Jakob, Dr. der Theologie, Propft der regulirten Chorherrn 
des Heiligen Auguftin zu Siofterneuburg bei Wien, Interanenfiigper Abt, Erbhof- 
faplan im Lande unter der Enns, ward geboren zu Wien 1776. Seine erfte 
Bildung erhielt er am St. Annencollegium zu Wien, von wo er nad) abjolvirten 
Humanitätscaffen in die philofophifchen Lehrkurſe übertrat und fih unter Ham: 
mer's, Mumelters, Ambfhell’s, Metzburg's und Karpe’s Leitung den 
philofophifchen Studien und befondere dem Studium der claſſiſchen, griechiſchen 
und römifchen Literatur widmete, Obgleich dem talentvollen jungen Manne jede 
glänzende Lebensbahn freundlich entgegenlächelte, wählte er ſich dennoch den geiſt⸗ 
lichen, und zwar ben Klofterftand und trat den 6. Oftober 1795 in den Orden 
ber regulirten Chorheren bes Stiftes Klofterneuburg. Nach vollendetem Brobejahre 
legte er feine theologifchen Studien theils an der neuerrichteten Hauslehranftalt 
bes Etiftes, theils an der Wiener Hochfchule mit dem ausgezeichnetften Erfolge 
zurüd, entfchlo8 fidh jedoch, nachdem er im September 1800 zum SPriefter geweiht 
worden war, aus befonderer Neigung zur Seelforge, in welcher er jowohl als 
Bönitentiär zu Hie ping, wie auch als Cooperator und Katechet an der Stifts- 
pfarre zu Klofterneuburg ben herrlicäften Segen feiner Bemühungen erntete. Da 
aber much feine allenthalben hervorſtrahlende literariſche Bildung nicht unbeachtet 


— 


1036 Nutuler — Ruyter. 


bleiben Eonnte, wurde er von bem, Talent und Berbienfte ſtets anerfennenben, 
Propſte Saudenz Dunkler im Oftober 1804 zum PBrofefior der Kirchen⸗ 
geichichte und bes Kirchenrechts an ber theologifchen Lehranftalt des Stiftes und 
zwei Iahre darauf zum Rovizenmeifter ernannt. Bald verbreitete fi der Ruf 
feiner pesiegenen Lenntniffe auch außer den Mauern feines Etiftes und war Urs 
jache, daß er, nachdem die Lehrfanzel der Kirchengefchichte an ber Wiener Hoch⸗ 
ſchule auf Lurge Zeit vacant geworben, im Februar 1809 zur Supplirung Diefer 
Kanzel nach Wien gerufen wurde. Nach vollendeter Supplirung Tehrte er wieber 
zu feiner Brofeffur in das Stift zurüd, nahm aber, da die Neigung zur Seelforge 
noch immer rege in ihm lebte, die Stiftöpfarre und. das damit verbundene Amt 
eines Direktors der Hauptfchule 1. Rovember 1811 an. Allein, da gerade zu 
Diefer Zeit bie ehefange! der Kirchengefhichte an der Univerfität durch Dars 
naut’8 Austreten erledigt und feine erfle Supplirung bei dem Direftorate der 
theologifchen Stubien noch im rühmlichen Andenken war, rief man ihn ſchon am 
24. Rovember 1811 zum zweiten Male zur Supplirung dieſes Gegenſtandes nach 
Wien, welchen er fo lange proviforifh vortrug, bis er vermöge feines Concurſes 
im September 1813 das Decret als k. k. orbentlicher öffentlicher Aniverfitätslehrer 
erhielt. Was er als öffentlicher Mntverfitätsprofefior durch die vollen 19 Jahre 
feines akademiſchen Wirfens geleiftet,, lebt noch im banfbaren Andenken Aller, 
welche mit Recht ſich rühmen, Feine Schüler geweſen zu feyn, und feine literari- 
ſchen Verdienſte find nicht weniger im Auslande als im Baterlande befannt. — 
Nachdem durch bes Propſtes Gaudenz Tob (23. Rovember 1829) das Stift 
Kloſterneuburg feines Oberhauptes beraubt worden war, fiel die freie Wahl feiner 
Ordensbruͤder auf R., der ben 8, Juni 1830 kanoniſch zum. Propfle gewählt und 
Tags darauf mit der Inful geziert wurde. Wie ebel, nf und ſegensreich 
er als Vorſtand eines fo ge en Stifteförpers wirkte, gehört in die Geſchichte des 
Haufes, doch bleibt die Verſchoͤnerung ber Stiftskirche ebenfo ein Zeichen feines 
religiöfen Sinnes, als die den Bebürfniffen gemäße Fortſetzung bes feit 1740 uns 
vollendet gebliebenen Stiftbaues jedem unbefangenen Zeitgenofien ein Beweis der 
treuen Sorge für die Seinen. 1832 wurde R. von alter Franz zum f. k. wirf- 
lichen Regierungsrath, Beifiger der Studien-Hofcommiffion und Referenten über 
bie Gymnaſialſtudien ernannt. (Meber fein Todesjahr Fonnte die Redaktion Teine 
genaue Nachricht erhalten.) Als Schriftfteller Tieferte er feine ausgezeichnete Kir⸗ 
(dengefchichte, welche unter dem Titel: Institutiones historiae ecclesiasticae N. T., 
3 Bde., Wien 1832—34 erfchien u. mit dem 4. Bde vollendet feyn follte, der aber bie 
jegt nicht herauskam. Mebrigens ER. auch als Kanzelvedner rühmlich befannt u. 
mehre feiner Predigten, meiftentheils Gelegenheitsreden, find einzeln im Drude erſchienen. 

Autuler, eine Nation im alten Latium, bie nächfte an den Lateinern. Ihre 
Stadt war Ardea und Turnus war ihre Anführer. Wie Birgit zu verftehen gibt, 
jo fheint er eine Sage vor ſich zu Haben, welche dieſe R. für einen Zweig bes 
großen ineifgen Stammes in Unteritalien erklärt. Nach ben Zeiten’bes Romulus 
fommen bie R. nicht mehr als befondere Nation vor; fie fcheinen vielmehr in bie 
Lateiner übergegangen zu feyn. 

Rupsdael, |. Ruisdael, | 

Ruyter (Michael Adrian), berühmter —— Admiral, den 24. Maͤrz 
1607 zu Zeſſngen geboren, wurde zum Seilerhandwerke beflimmt, entlief aber 
ſchon in feinem eilften Jahre 1618 u. nahm Seedienfte. Die Natur hatte ihn ganz 
zu einem vortrefflicden Seemann gebildet; er war von ber fefteften Gefundheit, 
abgehärtet, unermuͤdet thätig, entfchloffen, ungemein tapfer u, mit allen zum See⸗ 
bienfte gehörigen Wiffenfchaften auf das Genaueſte befannt. Uebrigens charak⸗ 
teriftet ihn fein Privatleben als den Tiebenswürdigften und beſcheidenſten Mann 
und ben aufrichtigften Patrioten, der, ungeachtet feines aufrichtigften Wunfches, 
den Reft feiner Tage in Ruhe zu verleben, und Ivo der unaufbörlichen Bitten 
feiner Gattin, dennoch jedesmal dem Rufe feines Baterlandes folgte und ihm 
neue Bortheile erwarb, Schon in feiner Jugend unternahm er weite Seereiſen 


Ryſſel — Ryswijk. 1037 


in andere Welttheile, ſtand 1641 als Contreadmiral den Portugieſen im Namen 
feiner Nation gegen Spanien bei, und that dann von Zeit zu Zeit mehre gluͤck⸗ 
liche Etreifereien zur Bekämpfung ber Gorfarenftaaten im mittelländifchen Meere. 
Er ſchlug Hierauf in dem, 1652 mit England ausgebrochenen, Kriege bie englifche, 
weit Rärkere, Slotte in einem großen Treffen und erfocht noch als Unteradmiral 
mehre Bortheile gegen fie. Nach dem 1654 gefchlofienen Frieden unternahm er 
wieder verfchiebene Fleine und glüdliche Züge, die Corfaren, Portugal u. Schwe⸗ 
den, erwarb fich aber noch gtößere Berbienfte in dem 1664 mit den Engländer 
auögebrochenen Kriege. Er ſchlug fie, nachdem er ihnen in ben Gewaͤſſern Afrika's 
und Amerika's Abbruch gethan Hatte, im Kanal in drei großen Schlachten, die er 
als —— (welche Stelle er bis an ſeinen Tod behielt) 1666 in dem 
fürzeften Zeitraum, nämlich vom 11. bis 14. Juni, lieferte, mußte fi) aber bald 
nachher (4. Auguf), ba die Unteradmirale wider feine Befehle agirten, mit außer⸗ 
ordentlichen Berlufte zurüdziehen; allein fein Rüdzug ift defienungenchtet eines ber 
größten Meifterftüde, die je im Seekriege ausgeführt worden find. Er landete fos 
gar 1667 an den Ufern der Themfe und nöthigte dadurch das beflürzte England 
zu dem fchleunigft gefchlofienen Krieden von Breda. Einen zweiten Srieg gegen 
England und Frankreich, von 1672— 1074, führte er mit eben fo großem —— 
In dieſem Kriege ſchlug er mit ſeinem trefflichen Unteradmiral Tromp 1673 den 
7. Juni u. 21. Auguſt, bie vereinigten engliſch⸗franzöſtſchen Flotten und behielt 
zur See die Oberhand, ungeachtet die Landtruppen feines Baterlandes gänzlich 
gefchlagen worden waren. In beiden Kriegen führte er das Commando von Klotten, 
bie gewöhnlich weit über 100 Schiffe Hark waren; auch wurde er von ben Fein⸗ 
den fo ſehr gerüchiet, baß fie ihm, ungeachtet ihrer bisweilen noch größeren 
Schiffszahl, dennoch far nie ein Treffen anboten, und feine vortrefflidhen Plane 
machten ihn ebenfo unſterblich, als die Tapferkeit und Schnelligkeit, mit der er 
fie ausfuͤhrte. Endlich beftimmte ihn das Schidfal, feinen Tob anferhalb bes 
Baterlandes zu finden. Er mußte 1675 mit einer Heinen Klotte, der die franz: 
öſtſche an Zahl weit überlegen war, ben Spaniern nach Meſſina gegen Frank⸗ 
reich zu Hülfe fommen und feine Lage war bafeldft fo mißlich, daß jeder andere 
Admiral gänzli verloren geweſen wäre; er rettete aber beffenungeadhtet feine 
Flotte nebft der fpanifchen und verlor endlih, da er im Treffen bei Mongibello 
in Sicilien den 22. April 1676 den linfen Zuß eingebüßt hatte, 29. April in ber 
Bai von Syrafus das Leben im 69. Jahre feines Alters. Ein prächtiges Mo- 
nıment von weißen Marmor in der neuen Kirche zu Amfterbam überliefert in 
einer lateiniſchen Infchrift der Nachwelt die Berdienfte diefes merkwürdigen Man- 
nes um fein Baterland, 

> Apfel, 1. Lille, 

Ryswijk, ein Schloß in ber nieberländifhen Provinz Südholland, eine 
Eiunde vom Dang, hat in Staats» und völferrechtlicder Hinficht einen Namen 
erlangt durch den bekannten Ryswijfer Frieden, ber hier 1697 durch Schwe- 
dens Bermittelung zu Stande kam. Dur biefen Frieden wurde ein Krieg ge: 
endigt, welchen der König von Frankreich, Ludwig XIV., feit 1688 gegen ben 
beutichen Kaifer Leopold I. und den Herzog von Savoyen in Italien, gegen das 
beutfche Reich aber im fhwäbifchen ober - u. niederrheinifchen Kreife u. in Bayern, 
gegen England und bie vereinigten Niederlande in Burgund und in ben Nieder: 
landen ſowohl, als zur See, und endlich gegen Spanien in Catalonien geführt 
hatte. In diefem Frieden gab Frankreich alle feine Eroberungen zurüd u. behielt 
fi blos das auf dem linfen Rheinufer reuinirte Elſaß nebft Straßburg. Uebri⸗ 

ens ift noch bie Ryswijfifche Elaufel im 4. Artikel des gedachten Friedens⸗ 
chluſſes bemerfenswerth , kraft welcher die Fatholiiche Religion in denjenigen Or⸗ 
ten des bdentfchen Reiches, wo fie nach dem weftphälifchen Trieben von Frankreich 
eingeführt worben, in unverändertem Zuftande bleiben ſollte. Trotz ber nacjherigen 
- Häufigen Bemühungen der proteftantifchen Stände, eine Abänderung hierin zu be: 
wirfen, ift e8 dennoch immerfort mit Diefer Clauſel im vorigen Stande geblieben. 


1038 | &- Saal. 


&, 


S., 1) ald Lauts u. Schriftzeichen im beutfchen und romaniſchen Al⸗ 
habet der 19., im griechifchen und Tateinifchen der 18., im Hebrälfchen, wo er 
drei verfchiebene Zeichen Hat, 7 (Sain) der 7, © (Samech) der 15, © (Sin) 
der 21 Buchſtabe, ein Eonfonant u. Zungenlaut, ber über die vor die Zähne tretende 
Zunge gesteht wird u, zwar, je nach Stellung u. Verbindung, gelinder ober Härter, 
— 2) As Abkürzu F a) im lateiniſchen = Semi (halb); sive, sanctus, senatus, 
signum, salus etc. b) in deutfchen Büchern |. = fiehe; c) in philofophiichen Wer⸗ 
fen — Subject; d) auf dem Revers neuerer Münzen: in Frankreich — Troyes, in 
Spanien = Sevilla; e) in der Chemie sulphur (Schwefel). — 3) als Zahlzeis- 
Ken im Hebräifchen ; == 757) = 70005 0 = 60; E = 60,000; © = 300; 
u == 300,000; im Griechifhhen ’c = 200; 0 = 200,000; im *ateinifchen 
S = 90; 5 = 90,000; in ber Rubricdrung = 18. — 4) In dr Rufif = 
segno (Zeichen) ; senza Ce); sinistra (linfe Hand); sordino (Dämpfen) ; sotto 
(gebämpft); subito (plöglih); dann auch Benennung für die wie ein S ges 
frümmte Meſſingroͤhe, die dem Fagott als Mundftüd dient. 

& de Miranda, |. Miranda. 

Saadi, Scheikh Moſteheddin, geboren zu Schiras 1175 (1193), einer 
der gefeiertſten perfiſchen Dichter, deſſen Dichtungen leicht, fließend, überaus 
zart und anmuthig find. Er gerieth als Juͤngling in chriftliche Gefangenſchaft, 
wurde durch einen Kaufmann aus Alepoo losgekauft und verlebte feine fpätere 
Zeit als Einftebler in der Nähe von Schiras; er fiarb 1292, Sein Brab if 
ein Walfahrtsort für bie eblen Geifter aus dem Volke geblieben. Seine Gedichte 
enthalten einen Schat wahrer Lebensweisheit und find in einer reinen, hoͤchſt 
zierlihen und dabei einfachen Schreibart abgefaßt. Wir befiten von ihm einen 
Divan, d. 1. eine Sammlung Inrifcher Gedichte in arabifcher u, perfifcher Sprache, 
beſtehend theils in Xiebesgedichten, theils in Aufforderungen zu edlen Lebensge⸗ 
nüßen, vermifcht mit ernften Betrachtungen, ferner den „Buliftan”, d. 1. Rofen- 
garten, ein moralifches Werk in Profa, mit zahlreichen Berfen gemiſcht; dann 
das „Boftan”, d. i. Baumgarten, ein bem vorigen analoges Werk, aber ganz 
in Verſen verfaßt; außerdem noch viele andere kleine Erzählungen, Fabeln, Ab- 
handlungen, theild in Proſa, tHeils in Verfen. Seine ſaͤmmtlichen Werke erfehienen 
in perfifiher Sprade zu Ralkutta (2 Bbe., 1791 — 95, Fol); den „Buliftan” 
gaben heraus: Gentius mit Inteinifcher Meberfegung (Amft. 1651, Fol); Gladwin 
(2 Bde., Kalk. 1806 und öft.) und Dumoulin mit englifcher Neberfehung (Ralf. 
1807), -Semelet mit: franzöfifcher Heberfegung (Bar. 1828 und 1834); außers 
bem erſchien der Originaltert in Kalkutta, Cawnpore, London, Tauris, Bulaf u. 
mit einem fehr weitläufigen Kommentar von Subi (Konftantinpel 1833, %ol,). 
Ins Deutfche überfepten den „Buliftan“ Olearius (1654) u. Graf (Lzp. 1846). 
Das „Boftan“ erſchien mit perſiſchem Commentar zu Kalkutta (1828, ol.) und 
ber Tert ebendafelbft (1821, 1832 u. öft.) 

Saal nennt man in ber Baufunft ein großes, zu gefellfchaftlichen Berfamm- 
lungen beftimmtes Gemach, befien Größe fich nad bem Gebäude und feinem be: 
fondern Zwede richtet, in ber Regel aber bie eines gewöhnlichen rohen Wohn⸗ 
zimmers uͤbertreffen muß. Seine Geſtalt iſt willkuͤrlich, oder von den Umftänden 
—D— Die Länge kann fih zur Breite wie 2:1, oder wie 3:2 verhalten, 
bie Höhe aber 4 ober 3 ber Breite betragen. Es gibt meift rechtedige, oft aber 
auch runde und ovale S.e. Nach der Veinmung iſt auch die Benennung ſehr 
verſchieden, wie z. B. Speifes, Geſellſchafis⸗, Balls, Concert⸗S. u. |. w. Die 


Saale — Saarbrücken 1039 


Franzoſen nennen einen S., in welchem große und feierliche Verſammlungen ge⸗ 
halten werden, Sa lon. — Aus dem Alterthum verdienen in Beziehung auf den 
Bauſtyl, Erwähnung: der Agyptifche, ber korinthiſche, ber kyzikoniſche S. und 
die Triclinien (f. b.) 

Saale ift ber Rame dreier Klüffe in Deutfchland. 1) Die fränkiſche S., 
im Mittelalter Sal zach genannt, entipringt in Bayern, Landgericht Koͤnigsho⸗ 
fen, bei Alsleben aus dem Saalbrunnen und aus dem Salzloch bei Oberesfeld 
am Haßberge, nimmt die Milz, Streu, Brend, Lauer, Premig, Aſchach, Steinach, 
Thulba, Schondra und Sinn auf und mündet bei Gemünd in den Main. 2) Die 
thüringifche, fichtelgebirgifche ober voigtländifche ©. entfpringt in 
Bayern, unmeit Zelle, am Zuß des großen Walbfteins, aus dem fogenannten 
Saalbrunnen im Münchbergerwalde, Kandgeriht Münchberg, nimmt außer dem 
Zoll⸗, Lösnigs oder Lehſten⸗ und Schweinsbach, dem Muflen und anderen Bä- 
hen, die Hörmis, Lamitz, Pulſchnitz, Pörsnig, Schwesnig mit bem Petersbach, 
die obere, untere und große Regnitz, die Untreu, den Doͤhlabach, Otterbach, 
die Größrabadh , die Selbig in Bayern auf, fließt dann dur das Reußifche, 
Preußiſche (Kr. Ziegenrüd), das fchwarzburgifche Amt Rubolftadt, das Altenburs 
ifche, Welmarifche, das meiningifhe Amt Kamburg, bie preußifche Jroving Sad 
Iem und das enclavirte Bernburg, bis fie unterhalb Saalhorn, eine 4 Stunde, 
fübößtlich von Barby, in die Elbe mündet. Ihre Hauptrichtung, mit mehren 
Krümmungen fowohl gegen Nordoften, als Nordweſten, ift noͤrdlich. Ihre ferne: 
ren bedeutenden Rebenflüfie find: die Schwarza, Drla, Im, Unſtrut, Wipper, 
Bode links; die weiße Eifter und Fuͤhne rechts. Bis gegen Weißenfels durch⸗ 
fließt fie ein enges, meift tief eingelöpnittenes Thal, das ſich aber dann erweitert. 
Aufwärts bis Halle ift fie für Kähne von 1800 Zentner Laft fahrbar, weiter bis 
zur Unftrut nur für Kleinere. Nach diefem Fluß, der für die Verbindung mit ber 
Elbe fehr wichtig, ift der Saalfreis im Regierungsbezirf Merfeburg benannt, deſ⸗ 
jen Sreisort Wettin it. — 3) Sale, Salach, Nebenfluß ber Saladı, entfpringt 
im Salzburgiſchen, im Glemmerthal, nimmt den Mußbach, zwei Weißbäche, ben 
Roͤthelbach, den Wildbach, die Achen u. andere auf u. mündet unweit Salzburg⸗ 
hofen. Er bildet zum Theil die Graͤnze zwifchen ben bayerifchen Landgerichten 
— und Laufen und dem Salzburgiſchen und führt der Stadt Reichenhall 
as Holz zu. 

Saalfeld, Hauptftadt des Sachſen meiningen’fchen Fuͤrſtenthums ‚gleides Na: 
mens, an ber thüringifchen Eaale, über die eine fteinerne Brüde von 5 Bogen führt, 
iR Sip eines Berg- und Münzamtes, hat 2 Schlößer, eine Realfchule mit Pro- 
gymnafium, Cichorien- und Tabakfabrifation, Potaſchfiederei, Tuchfabrik, Efiig- 
brauerei, ©erberei, Tuch- und Wollenzeugweberei, Bon ber Eorbenburg oder 
dem Hohen Schwarm, einem alten Schloſſe in der Etabt, find nur noch zwei fefte 
Thürme übrig. Auf einer Saaliniel eine Kupferfchmelzhütte u. Blaufarbenwerk, 
4490 Einwohner. Der Stadt gegenüber, an der Saale, das Dorf Alt: ©., 250 
Einwohner. Niederlage der Preußen durch die Sranzofen und Tod des Prinzen 
Louis Kerbinand von ‘Preußen 1806, 10 Oktober, und beffen Andenfen ein 26 
Fuß Hohes Gußeiſen⸗Denkmal bei den Dorfe Möhlsdorf errichtet iſt. 

Saar , ein Rebenfluß ber Mofel, auf Deren rechter Seite, entfpringt am 
Weſtabhange der Bogefen, in Frankreich, auf der Graͤnze der Departement Rieder: 
Rhein und Meurthe, am Fuß des Donon, fließt genen Norden, weiter Hin gegen 
Rord Rordweiten und bringt in Rheinpreußen, Regierungsbezirk Trier, ein unb 
münbet, fübweftlich von Trier, bei Conz. Nebenflüfie in Sranfreich find: ber Albe 
und der Oft - Salinenfancl linfs, die Blife reits; in Preußen die Kieb links. 
Ihr Lauf beträgt 50 Lieues, davon 21 fehiffbar find. 

Saarbrüden, Kreisſtadt im Regierungsbezirke Trier ber preußifchen Rhein- 
provinz, an ber ſchiffbaren Saar , über die eine Steinbrüde führt, wodurch Die 
Stadt mit ber gegenüber liegenden St. Johann verbunden wird, Bat ein Bergamt, 
Hauptzollamt, Gymnafium, Hebammenfchule u. 9000 Einwohner, welche Tuch⸗, 


"1040 | Saardam — Sans. 


Wollzeug⸗ und Leineniweberei, fehr ergiebige Eifenbergwerfe, Eifenwerle u. Eifen: 
waaren-, Eiſenblech⸗, Eifendraht- und Alaunfabriten, Steinfoplengruben, Schiff: 
fahrt und Danbel treiben. Die Stabt war früher Hauptſtadt einer eigenen 
Grafſchaft, die 1382 an das Haus Naſſau fiel, 1801—13 zu Frankreich gehörte 
und nachher an P f 

Saardam ober Zaandam, Marktfieden im Bezirke Haarlem, in ber nieder: 
laͤndiſchen Provinz Rorbholland, mit 12,000 Einwohnern, welche Hanbel, Schiff: 
bau, vielfache Fabriken und Mühlen betreiben, ift gefchichtlich merfwürbig durch 
ben Aufenthalt des Czars Peter des Großen von Rußland, der 1697 als Schiffs: 
zimmermann bort arbeitete. Sein Haus, eine geringe Hütte, fleht noch; es 
am De aa in deren einem noch das Bett fleht, in welchem Peter ber 

roße . 

Saarlonis (zur Zeit ber franzoͤſiſchen Republik Sarrelibre), Kreisſtadt und 
ſtarke Graͤnzfeſtung im rheinpreußiſchen Regierungsbezirke Trier, an der Saar, 
iſt ih gebaut, hat einen fchönen Marktplag mit einer Allee, zwei Kirchen, 
ein Collegium, in der Nähe bedeutende Blei⸗, Eiſen⸗ und Steintohlengruben und 
4500 Einwoßner, welche bedeutende Stahl» und Eifenfabrifation, Gerberei und 
Lederhandel betreiben. Angelegt wurbe bie Zeftung unter Ludwig XIV. 1681 — 
85 von Bauban (f. d.), zur Dedun „obeingend, blieb im Ryswijcker Frieden 
bei Frankreich, wurde 1705 im ſpaniſchen Erbfo gefriege vergebene befagert, fam 
aber im Pariſer Bertrage vom 20, November 1815 an Preußen. — ©. if ber 
Geburtsort bes Marſchalls Ney (I. d.), an befien Geburtshaufe ſich eine Marmor: 
tafel mit einer Infchrift befindet. 

: Saavedra, |. Cervantes. 

Saavedra, 1) S. y Faxardo, Diego de, ein fpanifcher Staatsmann 

und Schriftfieller, 1585 zu Algezarez in der Provinz Murcia geboren, flubirte 
Salamanca, wurde Doktor der Rechte und widmete ſich ben öffentlichen Ge⸗ 
—* Er ward ſpaniſcher Agent am roͤmiſchen Hofe und wurde 1643 von 
Koͤnig Philipp V. auf den denotongren nah Münfter peiidt. nachdem er 
ſchon die Würde eines Ritter von San Jago unb Beiſttzers des oberſtern 
Raths von Indien erlangt Hatte. 1646 wurbe er nach Madrid zurüdberufen und 
1648 ftarb er. S. war ein talentvoller und gewandter politifcher Gefchäftsmann 
und einer ber geiftreichften fpanifchen Profaiften. Wir haben von ifm: Corona 
othica castellana y austriaca von 714—1216, unfritifch und flüchtig in ben 
iftorifchen Unterfuchungen, aber claſſiſch gefchrieben. Republica literaria, ein lau- 
niger Aufſatz: Inicio de Artes y Ciencias etc. Mabrid 16553 Rep. lit. Alcala 
1670; Madrid 1730; Locuras de Europa, 1645; deutſch Leipzig 1748; ein 
Fürftenfpiegel in Emblemen: Idea de un Principe Christiano etc., Monaco 
640 2c.; Obras, Antwerpen 1683. — 2) ©. Angelo de, Herzog von 


Rivas, geboren 1791 zu Cordova, trat 1807 in bie ſpaniſche Garbe u. avan⸗ 


eirte bis zum Öberften; 1815 nahm er feinen Abfchieb, um ganz ben Wiffen- 
haften zu leben, wurbe aber, als Bertheidiger der Gonftitution von 1812, fehr 
verdächtig u. mußte 1823 nah England flüchten. Bon 1825 — 30 lebte er in 
Malta, wo er fich befonders mit Malerei befhäftigte, u. ging 1830 nach Mar 
ſeille. 1831 errichtete er zu Orleans eine Zeichnungsfchule, die er erſt 1834 aufgab, 
wo er die Titel und Güter des herzoglichen Haufes von Rivas erbte, Erlaubnif 
zur Ruͤckkehr nach Spanien erhielt u. für die Claſſe der Granden zum Procer 
bed Reichs ernannt wurde. Seitdem gehörte er zu den Häuptern ber gemäßigten 
DOppofition. Die Revolution von la Granja 1837 zwang ihn nochmals 
Flucht; als die Ordnung wieder hergeflellt ward, kehrte er zurüd und 
feitbem feinen Sig in der Kammer ber Proceres behaupte. Man hat von 
ifm: En sayos poeticos, 2. Aufl. Madrid 1820 f. 2 Bde.; Tanto valescuanto 
tierres (Luftjpie, ebd. 18345 Don Alvaro (Tragödie), ebd. 1835. 


Saaz, Hauptftabt des gleichnamigen Kreiſes in Böhmen, (43 [J Meilen mit 


140,000 Ginwohnern) auf einer beträchtlichen Anhöhe am rechten Ufer der Eger, über 





Sabaͤer. 1041 


welche eine Keltenbrüde führt, ift unregelmäßig gebaut, rings mit Mauern vers 
ſehen u. Hat ein Gymnaſium u, 5000 Einwohner, welche ſich mit Hopfen-, Acker⸗ 
u. Gartenbau beihäftigen. Den Hauptplag, ein großes regulaͤres Viereck, ziert 
eine mit vieler Kunſt gearbeitete, ſehr hohe Dreifaltigkeitsfäule. Am obern Ende 
bes Fleinen Ringes ſteht bie große, noch gut erhaltene, mit 3 großen u. einem 
fleineren Thurme, dann zu beiden Seiten mit einem Vorhofe, deſſen niebere 
Ringmauern mit fihönen Statuen verziert find, verfehene Stadtfirche zur Himmel- 
fahrt Mari, mit weldyer eine zu Ehren bes Heiligen Sohann von Repomul 
erbaute Kapelle verbunden if. Der Sage nad joll Johann von Nepomuf am 
Gymnaſtum zu ©. flubirt u. eigenhändig feinen, an ber Hauptmauer der Kirche, 
an welche die Kapelle angebaut ift, mit Der Jahreszahl 1343 noch fichtbaren, Ras 
wen eingegraben haben. Außer der Hauptkirche hat S. noch die Mariafrön- 
ungsticdhe mit einem Kapuzinerflofter, die ehemalige Pfarrkirche bes Heil. Jakob 
bes Großen, die St. Nikolaikirche, die Kirche des Heil. Johann Baptiſt in ber 
Miynarzer s, die St. Wenzelss u. die Prokopskirche in ber untern Borfladt, mit 
einem: Bürgerfpital. Andere bemerkenswerthe Gebäude find: das Rathhaus auf 
dem großen Plage, im geſchmackvollen Style erbaut, mit einem Thurme; bag 

eridhtönebäube u. das Gymnaſialgebaͤude. Sehenswerth ift auch ber 
am ichen Enbe der Stadt auf bem fogenannten Spitalsberge befindliche 
VWafſerthurm. Die Stadt wurde im 8. Jahrhunderte gegründet u. erlangte im 
A aniege 1419 duch ihre tapfere Gegenwehr gegen bie, fie unter bem Gras 

Reuß von Plauen belagernden Deutichen Berühmtheit, fowie durch einen 
gluͤcklichen Ausfall, in welchem fie die Belagerer fchlug. 

Sabäer. 1) Im Alterthume führten biefen Ramen bie Bewohner ber Land» 
(daft Sabaͤa im glüdlichen Arabien, im nörblichften Theile des jegigen Dſchemen. 
Ste trieben Handel, Land» und Bergbau, und von ifrem Reichthume hatte man 
eine fo große Meinung, daß Alexander der Große und fpäter. Auguftus einen 
Ing ihnen machten. Die Hauptftabt des Landes war Saba. Bekannt iſt 
die Königin von Saba buch ihren Beluh am Hofe Salomons zu Jeruſalem. 
Bon ben S. hat wahrfcheinlih ber Sabäaismus ben Namen, ein heidnifcher 
Kultus, welcher in üppinem Raturbienfte die Geftirne, befonders Sonne u. Mond, 
göttlich verehrte und in Aegypten, Arabien u. den Ländern zwifchen dem Euphrat 
und Agris unb dem Mittelmeere in ber vorchriftlichen Zeit herrſchte. — 2) Ge⸗ 
gen g Heißt man S., Sabi ober St. Johanneschriften eine hriftliche 
Sekte, welche ihre Hauptwohnſttze in ber türkiſchen Provinz Irak Arabi und in 
den angrenzenden Theilen Perſiens, namentlich zu Basra und Sufutihuf in ber 
Nähe von Basra, Schußhter und Ahwas am Kuren, Dizful am Fluſſe Diz unb 
Havizah am Kerkhehfluſſe Hat. Diefe S. erkennen bie Gottheit Ehrifti an und 
glauben an die Dreieinigkeit. Nach ihrer Anficht beftcht Gott, den fie Khei⸗reb 
nennen, aus drei Berfonen: Kheireb⸗-Kadmoi, Khei⸗Tenioni oder Naib u, Khei⸗ 
Telithoi. Die S. machen auch das Zeichen bes Kreuzes, indem fie von ber rechten 
nady ber Linken Schulter gehen, bann die Stirne und enblidh Die Herzgrube bes 
rüßeen. Sie ertennen St. Johannes den Täufer als ihren größten Propheten 
an, weßhalb man fie auch Anhänger des Heiligen Johannes nennt. Wie bie 
Moslens an ben Mehdi ober zwölften Iman glauben, fo glauben die ©., daß 
ber Heilige Johannes (Jaghai), obgleich unfldhtbar, noch lebe und in Syrien 
wohne. Sie Hoffen, baß er mit Schithal (Seth), dem Sohne Adams, zurüd- 
kehren und daß nach dem Erfcheinen diefer Beiden das Reich ber ©. beginnen 
werbe. Als Grund ihrer tiefen Verehrung für Et. Johannes führen fie an, daß 
nicht nur bie Jungfrau Maria ihrer Bafe Elifabeth einen Beſuch machte, während 
biefe wit Johannes fchwanger ging, fondern daß auch Jeſus Chriſtus in fpätern 
Jahren von St. Johannes im Jordan getauft worden fe. Zum Andenken an 
dieſes Ereigniß verrichten fie ihr Gebet gewöhnlich am Fluffe, und Haben darum 
auch ihre Wohnungen gerne längs dem Ufer eines Fluſſes. Außer einem Buche 
weiches bie Geihiäte der Schöpfung erzählt und Sidra genannt wird, Haben 

Realencpclopädie. VII. 66 


1042 Sabas. 


die S. noch zwei andere Werke, das Leben bes heil. Johannes (Tarikhi Jagia) 
und ihr Ritual. Die Sidra ſoll 1200 Fragen mit angemeſſenen orten, 
theils über abfirafte Gegenſtaͤnde, theils über den geſtirnten Himmel enthalten, 
Diefes möchte darauf führen, bag ein gewifler Zuſammenhang zwiſchen ben 
Schülen St Johannes und ben alten ©. beſtehe — De Bode: Travels in 
Arabistan and Luristan. mD. 
Sabad, Name zweier Heiligen, D ©. der Gothe, Wartyrer, 
war ſchon in feinen Kindesjahren zum Ghriftenthume befehrt worden. “Diefes 
hatte fein den durchbrungen, feinen Geiſt veredelt und alle Tugenden befielben, 
befonders aber Gehorſam, Demuth und Sanftmuth fchmüdten feine Seele. Er 
war gütig gegen Jedermann, wahrhaft, befcheiden, ein Freund bes Friedens und 
des Schweigens, eifrig aber und fühn, wenn es die Religion zu vertheibigen 
galt. Seine füßefle Freude beftand darin, bie Altäre zu fchmüden, die Pracht 
der gottesbienftlichen Gebräuche zu erhöhen und mit den Gläubigen Gott sobpe 
fänge ertönen zu laſſen. Seine hohe Liebe zur zarteften aller Tugenden ließ ihn 
das andere Geflecht möglicäft vermeiden und nur —— eit konnte ihn 
dazu bringen, mit Frauen zu ſprechen. Jede Minute war ber Buße geweiht, er 
betete den ganzen Tag und oft bie Nächte hindurch, und ber fein Inneres bele 
bende Geift der Religion fluthete in glühenber Beredtfamfeit über in bie Herzen 
anderer Menichen, fo daß ihn Niemand Hören konnte, ohne ben Vorſatz zu faflen, 
beffer zu werben. Auch warb er zum Lohne fo vieler Tugend der Ehre bes Mär 
tyrerthums theilhaftig, denn, wenn auch bie vielen herrlichen, großartigen und zier⸗ 
lichedlen Denfmäler religiöfer Baukunſt den Sinn der Gothen für Religion bes 
urkunden, fo wurde doch dieß Volk nicht wie durch einen Zauberfchlag zum Chri⸗ 
ſtenthum geleitet unb es Eoftete viel edles Blut, ehe es zu der nachm igen Glau⸗ 
benshöhe gelangte. Das Volk öffnete zwar feine Augen dem Lichte, die Großen 
aber und die sBricher liebten bie finnliche bequemere Religion und die lebteren 
verfolgten die Chriſten mit Feuer und Schwert, weil fle ihre Tempel immer mehr 
verlafien ſahen. Erft zwang man die Gläubigen vom Opferfleifche zu efien, vers 
öffentlichte Steafedifte und broßte ben Heiden, die chriſtliche Verwandte Hatten. 
Mit Liſt fuchten Viele die Auficher zu täufchen und genoßen untergefchobenes, ges 
wöhnliches Fleiſch. S. aber verwarf Diefen zug und erflärte, daB alle die Feine 
Ghriften feien, die folder Schwäche huldigten. Die Yolge davon war, daß er 
von den Schwachen verjagt, aber auch bald wieder zurüdgerufen wurbe, denn bie 
Berfol ung ward immer ernftlicher und von Dorf zu Dorf, von Stadt zu Stadt 
eilten bie föniglichen Beamten, um nach Ghriften zu forſchen. Mehre Einwohner 
des Fleckens, wo S. wohnte, wollten ſchwoͤren, daß Fein Chriſt unter ihnen fei, 
ber Heilige aber litt e8 nicht, ſondern fagte laut: „Für mich fol keiner ſchwoͤren, 
denn ih bin ein Chriſt.“ Der Beamte beachtete Damals ben Mann noch nicht, 
der ihm zu unbedeutend erfchien, da er nur bie Kleider, bie ihn bebedten, fonft 
Nichts fein Eigenthum nannte. 372 wollte ©, bie Oftern bei einem Fan in 
der Rachbarfchaft feiern, warb aber auf wunderbare Art dazu gebracht, wieder 
umaufehren, denn fein Triumph war vorbereitet. Er feierte nun bie Oſtern mit 
dem Priefler Sanjala und ward im Haufe deſſelben in ber drittten Nacht ge 
fangen genommen. Der Sriegerhaufen gehörte Atharid, dem Sohne eines Ebel: 
manns in der Gegend, ber fich ein Vergnügen baraus machte, Chriſten aufzus 
fpüren. Sanfala ward gefeffelt auf einen Karren geworfen, Sabas aber nadt 
buch Dornen und Sträuche gefchleift und dabei unbarmberzig gefchlagen. Als 
ber Tag anbrach, fagte er zu feinen Berfolgern: „Ihe Habt mich durch “Dornen 
ges und gefchlagen und doch ift feine Wunde an meinem Körper fidhtbar.* 
em war allerdings fo und die ob des Wunders erfaunten Barbaren fielen nun 
mit nnbefchreiblidyer Wuth über ihn her, fpannten feine Arme über eine Achſe 
aus und fpreizten feine Beine über einander, in welcher ſchrecklichen Lage er bie 
anze Nacht bleiben und dabei noch fchredliche Martern ertragen mußte. Als fie 
Fi müde gearbeitet und dem Schlafe überlafien Hatten, band eine Frau ben. 


Sabas. 1043 


Heiligen 108, der aber nicht entfliehen wollte, fondern im Haufe blieb. Am Mor- 
gen lies ber würbige Anführer biefer Morbgetellichaft dem Heiligen die Hände 
auf den Rüden binden und ihn an benfelben aufhängen, ihm fobann, ebenfo wie 
Sanſala, Opferfleifch anbieten. Beide verwarfen biefe Speile mit Abfcheu und 
Sabas fagte: „Died Fleiſch if unrein wie ber, ber es geſendet.“ Da ftieß ihm 
ein Sklave Atharids den Iagbfpieß tief in die Bruft, Sie glaubten ihn tödtlich 
verwundet und erwarteten ihn Hinfinfen zu feben, er aber ſagte mild laͤchelnd: 
„Ich fühlte fo wenig vom Mordſtoße, als wenn Jemand ein Flödchen Wolle 
pegen meine Bruſt geſchleudert.“ Atharid befahl num, ihn zu töbten. Sie führten 
in an den Fluß Muffäus (Maflaro) in der Walachei, um ihn hinein zu flürzen 
und freudig gieng der Märtyrer feinem ſchoͤnen Ziele entgegen. Die Soldaten 
hatten Mitleid und beſchloſſen, ihn fliehen zu laffen, weil fe ihn für unſchuldig 
erachteten, Sabas aber ermahnte fie, ihren Aufcag zu vollziehen: „Ich ſehe an 
jenem Ufer Etivas, was eueren Augen verborgen bleibt. Ich fehe bie, bie meine 
Seele ins Reich der Glorie führen werben, denn fie wartet nur bes Augenblide, 
wo fie vom Körper fcheiben wird.“ Ungerne gehorchten bie Soldaten, feffelten 
ihn an bie Adhfe u. tauchten ihn umter, bis er den Geift aufgegeben Hatte, Dieß 
— am 12. April 372, unter Valentinian und Valens. Die Chriſten begru⸗ 
en den Leichnam, den bald nachher der fromme Junius Seranus Herzog, von 
Scythien, nah Kappadocien bringen ließ. Die Kirche begeht fein Andenken an 
feinem Todestage. — 2) ©., Abt in Baläftina, einer der berühmteften Patriarchen 
bes dortigen Kloſterlebens, wurde 439 zu Mutalascus bei Eäfaren in Kappa⸗ 
docien geboren. Da feine, durch Geburt und Frömmigkeit ausgezeichneten, Eltern 
nach Mlerandrien in Aegypten reifen mußten, empfahl ihn fein Bater feinem 
Schwager Hermias, dem er auch zugleich bie Obforge über feine Guͤter vers 
traute. Das Weib des Hermias behandelte aber ben jungen ©. mit folder 
Birke, daß er nach Berlauf von 3 Jahren das Haus verließ und fich zu feinem 
m Kamms Gregor, begab, in der Hoffnung ein glüdlicheres Loos zu 
en. Gregor wollte nun, da ihm die Erziehung feines Neffen oblag, auch 
bie Berwaltung bes Vermögens an fich ziehen. Die beiden Oheime geriethen 
daher in Zwift und es entflanden fogar unter ihnen große Rechtöftreitigfeiten. 
S., der Nichts mehr, als ben Frieden liebte, warb durch diefe wegen niedern Eigen- 
nuges entflanbene Uneinigfeit fehr betrübt und, dem Zuge ber Gnade folgend, 
faßte er den Entichluß, den Gütern zu entfagen, die unter den Menſchen fo große 
Hebel ſtifteten. Ex 309g fich deshalb in ein nahe gelegenes Llofter, Flavinia 
genannt, zuruͤckk. Der Abt empfing ihn mit offenen Armen, unterrichtete ihn in 
der Wifienfchaft der Heiligen und in der Beobachtung ber Flöfterlihen Satzungen. 
Die Ohelme bes jungen ©., geblendet von Haß und Geiz, fümmerten fi wenig 
um ihren Neffen, zuletzt jeboch ihres Berfahrens fich fchämend, wollten fie ihm 
jein Bermögen zurüdgeben, um ihn dem Kloſter zu entziehen, und verfpracdhen ihm 
eine vortheilhafte Berforgung in der Welt. S. verwarf aber ihre Anträge, indem 
er mit Freuden das Joch des Herrn trug und bie füßefte Wonne in der Bereini> 
gung mit Gott fand. Er beharrte flandhaft in feinem Vorhaben, in Zukunft 
—*— an die himmliſchen Guͤter zu denken! Als achtzehnjaͤhriger Juͤngling er⸗ 
hielt S. von feinem Abte die Erlaubniß, nach Jeruſalem zu reifen, die heiligen 
Oerter zu befuchen und fich an bem Beifpiele her Einftedler jenes Landes zu er: 
bauen. Den Winter brachte er in dem Klofter Paſſarion zu, dem damals der Hi. 
Ah Elpidius vorftand. Die Brüder, entzüdt über feine Tugenden, wollten ihn 
in ihrer Genoſſenſchaft zuruͤckhalten; allein feine Liebe zum Stillfchweigen und 
zur Übgefchiebenheit bewogen ihn, bie unter dem Hl. Euthymius übliche Lebene- 
weife zu wählen. Euthymius hielt ihn aber für zu jung, um in ben Lauren 
oder zerfireuten Einfiedlechütten zu leben, und rietb ihm, in das am Fuße des 
Berges gelegene Kloſter zu geben, bem Theoktiſt vorftand. Einige Zeit nachher 
befahl ihm dieſer Abt, Einen der Brüder zu begleiten, ber in Geſchaͤften nad 
Alexandrien reiste. Seine Eltern, die in diefer Stadt fich ee erfannten 
8 


Da 


1044 Sabas. 


isn und boten Allem auf, ihn zur Entfagung des gewählten Standes zu vers 
mögen. S. gab ifnen aber zu verfichen, er Tonne ihren Wünfchen nicht entfpres 
den, ohne id eines Abfalles von Bott ſchuldig zu machen. Als fie ihren Zweck 
nicht erreichen konnten, wollten ſte, daß er wenigſtens eine beträchtliche Geldſumme 
für feine Bebürfniffe annaͤhme. Allein er ließ fich nur drei Golbflüde aufdringen, 
die er bei feiner Rüdkunft in das Klofter feinem Abte zuftelte. Dreißig Jahre 
alt, begehrte er die Erlaubniß, fünf Tage in ber Woche in einer abgelcaenen Höhle 
zuzubringen, was ihm nad) dem Gutachten des hl. Euthymius bewilligt wurde, 
In dieſer Abgeſchiedenheit übte er firenges YBaften und theilte feine Zeit zwifchen 
Gebet und Handarbeit. Nach dem Tode des Euthymius zog S. gegen Mor⸗ 
gen in eine Wüfte, wo der Hl. Ger aſin lebte, Der Hölifche Feind juchte ihn 
da auf verſchiedene Weife zu fchreden, allein er trieb ihn jedes Mal durch das 
Gebet in die Flucht. Nachdem er vier Jahre in ber Wüfte zugebracht, wählte er 
zur Wohnung eine Höhle auf einem Hohen Berge, an beflen der Bach Ges 
dron fließt. Da dieſes Waſſer nicht genleßbar war, mußte er fich feinen Tranf 
mit unfäglicher Mühe aus ber Ferne holen, Die wilden Sräuter, die auf dem 
Berge wuchfen, waren feine einzige Nahrung. Zulegt entdedten ihn jeboch Land» 
leute, die ihm dann an gewiffen Tagen Brod, Käfe, Datteln und andere Lebens⸗ 
mittel brachten. So Hatte er fünf Jahre gelebt, als mehrere Diener Gottes fi 
um ihn verfammelten, um ſich unter feiner Leitung zu vervollfommnen. Anfangs 
wollte er fle zwar nicht annehmen, doch zulegt fiegte feine Liebe. Er errichtete 
nun Zellen, die Anfangs von 76 fehr eifrigen Einfiefern bewoßnt wurden. Da 
ed aber an Wafler mangelte, ließ er nad) verrichtetem Gebete am Fuße des Berges 
nadgraben und man fand eine Quelle. Seine Schülerzahl vermehrte ſich bald 
bis auf Hundert und fünfzig, fo daß er ſich genöthigt fah, auch auf der anbern 
Seite des Eedron Zellen zu erbauen. Der würdige Obere wachte über Alle und 
forgte für ihre verfchiedenen Bebürfniffe, deſſen ungeachtet erhoben fich einige feiner 
Schüler gegen ihn und führten fogar Plage bei dem feit Kurzem auf ben bi» 
ſchoͤflichen Stuhl von Zerufalem erhobenen Sallufl. Der Oberhirte fanb die Bes 
ſchwerden ungegrünbet, überzeugte fily aber, daß ber Mangel eines Prieſters in 
ber Genoſſenſchaft zuweilen läftig gefühlt werde Er befchieb daher ben Hl. ©. 
zu fi und ertheilte ihm bie Priefterweihe. Die Unzufriebenen wurden ruhig und 
Cinigteit febrte wieder in die Genofienfchaft zuräd. S. war bamald drei umb 
un g Jahre alte Der Glanz feiner Herrlichkeit 309 aus fernen Gegenden 

hüler in feine Genofſſenſchaft. Und da er unter biefen auch Armenier Hatte, 
gab er ihnen eine befondere Kapelle, wo fie die Tagzeiten in ihrer Sprache bet- 
eten ; dem Meßopfer und ber heiligen Communion wohnten fie aber mit ben ans 
beren Brüdern in der Kirche bei. nbeffen war bes Heiligen Bater geftorben 
und feine Mutter wollte unter feiner Leitung ihre noch übrige Lebenszeit Bott 
dienen. Das von ihr mitgebrachte Gelb verwandte er zur Erbauung mehrer 
Spitäler und Kloͤſter. Bon dem Batriarhen Salluft, der unfern Heiligen ſehr 
verehrte, ward er zum Vorſteher aller Einftebler Baläftina’s ernannt, Jedes Jahr 
ſtellte er 8 Tage nad) dem Kefte der Erfcheinung bes Herrn, wie fein verflorbener 
Lehrer Euthymius, eine Geiftesfammlung an. Während ber ganzen Faſten⸗ 
zeit genoß er Feine andere Speife, als die heilige Communion , bie er Samſtags 
und Sonntage empfing Nach dem Tode des Patriarchen Sallufl (493) 
lehnten fih aufs Reue bie dem S. untergegebenen Einfiebler auf. Der Heilige 
zog fich deßhalb Heimlich zurüd, mit dem Bemerken, man koͤnne ben höllifchen 
Seinden widerftehen, den Menfchen aber müfle man aus Liebe zum Frieden aus 
weichen. Er fchlug den Weg nach der Wüfte Skytopolis ein und kam in eine 
Höhle, wo ein Löwe fich aufzuhalten pflegte Das Thier kehrte um Mitternacht 
zurüd, und da es ben Heiligen fchlafend fand, ergriff es ihn ef mit den Zähnen 
am Saume bes Kleides, um ihn aus ber Höhle meggufhlenpen. ©, erwadhte, 
ohne beim Anblide des Löwen zu erſchrecken; er fing vielmehr laut an zu beten, 
worauf der Löwe fich entfernte und nicht wieberfehrte. Nach verfchiebenen Wan⸗ 


Sabatier — Sabazios. 1045 


derungen kam er zuletzt auf Befehl des Patriarchen zu feinen Zellen zurüd und 
ewann nach und nad) wieder die Liebe der Brüder. In der morgenlänbifchen 

he herrſchte Damals große Verwirrung. Der Kaiſer Anaftafius begünftigte 
die eutychianifche Irrlehre und Hatte mehrere Tatholifche Bifchöfe ernannt. Der 
Patriarch Elias fhidte daher an ihn eine Gefanbtfchaft, aus mehren berühm- 
ten Aebten befiehend, unter benen fih auch der HL S. befand, um wo möglich 
ber Berfolgung Einhalt zu thun, ©. war 70 Jahre alt, als er dieſe Reife nad) 
Konſtantinopel machte. Sein Armlicher Anzug fiel ben Hofbebienten am Thore 
bes Palaftes fo auf, daß fie ihn mit ben anderen Gefandten nicht einlafien woll- 
tn. Er zog fih daher, oßne ein Wort zu fagen, in einen Winfel zurüd, um zu 
beten. Als der Kaiſer den Brief bes Patriarchen gelefen hatte, worin dieſer bem 
hl. ©. große Lobfprüche ertheilte, fragte er: wo biefer Abt fi. Man fuchte ihn 
auf und fand ihn in einem Winkel —5— beten. Anaſtaſius ſagte zu den 
Aebten, ſie möchten fuͤr ſich ſelbft Gnaden begehren. Alle, mit Ausnahme des 
S., überreichten hierauf Bittſchriften. Da der Kaiſer aber in ihn beamg, muͤnd⸗ 
lich ſich auszuſprechen, bat er blos um ben Frieden der Kirche und die Ruhe 
ihrer Diener. Anaſtaſius gab ihn taufend Golbflüde, um fie zu Licheswerfen 
zu verwenden. Juſtin, der Nachfolger des Anaftafius, war den Katholiken 
gewogen und gab ber Kirche ben Frieden wieder. S. bemüßte biefe Gelegenheit, 
um an verfchiebenen Orten bie Genofienfchaften und das Bolf durch geeignete 
Belehrung zur Wahrheit zurüdzuführen. Bei einer fünf Jahre in Palaͤſtina an⸗ 
dauernden Dürre, bie eine allgemeine Hungersnoth verurfacht Hatte, erflchte er 
bucch feine Gebete vom Himmel einen reichlichen Regen, ber über ganz Palaͤſtina 
Leben und Freude ausgoß. Obgleich ein und neunzig Jahre alt, unternahm er 
auf Bitten des Patriarchen Petrus von Serufalem eine zweite Reife nah Kon⸗ 
fantinopel, um bie am Hofe verläumbeten Ehriften Paläflina’8 zu rechtfertigen. 
Juftintan, der bamald auf bem kaiſerlichen Throne faß, empfing ihn ehren⸗ 
voll und gewährte ihm Alles, was er begehrte. S. kehrte nah Palaͤſtina zurüd 
mit den Befehlen bed Kaiſers, bie er den obrigfeitlichen Perſonen in Serufalem, 
Sfytopslis und Räfaren überreichte und Die auch ganz genau vollzogen wur⸗ 
den. Kurz nach feiner Ruͤckkehr zu feinen Zellen ward er frank; mit bewunderns⸗ 
nrbiger Sebuld und Ergebenheit ertrug er bie Heftigfien Schmerzen. Als feine 
letzte Stunde herannahete, beftimmte er den Mellitas von Berntas zu feinem 
Nachfolger, dem er zugleich noch vortrefflide Lehren ertheilte. Die vier letzten 
Tage vor feinem Tode brachte er allein mit Gott zu, worauf er am 5. Dezember 
532, welcher Tag auch fein Jahrestag ift, 94 Jahre alt, in das beffere Leben 


Eabatier, Raphael Benevent, ein ausgezeichneter Chirurg, geboren den 
11. Dftober 1732 zu Paris, Sohn eines verdienten Wundarzts, erhielt eine fehr 
forgfältige Seehung und machte bereits 1752 feine chirurgifhe Prüfung. 1757 
wurbe er Brofefjor der Anatomie am königlichen Eollegium der Chirurgie, 1773 
Mitglied der Akademie der Wiſſenſchaften, fpäter Oberwundargt des Invaliden- 
Hofpitals und unter Napoleon confultirender Wunbarzt des Kaiſers, fowie Mit: 
glied des Inftituts und Profeſſor der operativen Chirurgie an ber neugeftifteten 
ecole de sante. Er flarb den 19. Juli 1811. — ©. hat fidh verdient gemacht 
weniger durch neue bedeutende Bereicherungen ber Chirurgie, als vielmehr durch 
eine gründliche Fortbildung des Vorhandenen. Wahrhaft ausgezeichnet ift in die⸗ 
fe Beziehung fein Handbuch der Operationslehre, welches alle früheren Hand = u. 
Lehrbücher übertrifft: „De la medecine operatoire“, Par, 1796, 3 Bde,, erfchien 
in wiederholten Auflagen, zuletzt Paris 1824, wurbe auch zweimal in’d Deutfche 
überfebt. Außerdem fchrieb er: „Trait& complct d’anatomie“, 3 Bde, Paris 
‚1764, 3. Aufl. 1781 u. mehre Abhandlungen. E. Buchner. 
Sabazios, ein Beiname des Bachus in Thrazien, vieleicht auch in Phry⸗ 
ien, wofelbft auch feine Briefter Saboi hießen; Bacchos Sabos war ber Freuden: 
—* und in ben ſpaͤteren Mythen (die früheren find fo verwickelt und dunkel, 


— 


1046 Sabbath — Sabellicus. 


daß man fie durchaus nicht entwirren kann, ohne in bie gewagteften Hypotheſen 
zu gerathen), ein Sohn des Zeus und ber Perfephone. Als feine Amme wird 
entweder Nyfa oder Hippa genannt, von weldyer er am Twmolos ernährt worden 
feyn fol, daher der Gott zu dem phrygiſch⸗lydiſchen Religionszweige gehört, wels 
her überhaupt fehr Häufig mit dem griechtichen Cultus verſchmolz. Es wurden 
dem Bacchos S. Fefte gehalten, Sabazien, welche faft zu den ausſchweifendſten 
Orgien gehörten, fo daß Männer von Ernft u. Würde nur mit Verachtung von 
benjelben ſprechen konnten. Phrygiſche Tänze führte man unter raufchender Muſik 
auf und an biefe ſchloſſen fi) nächtliche Myſterien, von geheimnißvollen, ſymboli⸗ 
[hen Kehren durchwebt; es wurde unter anderen Perſephone gezeigt, wie fie von 
Jupiter in ber Geſtalt einer Schlange umfangen war. — Auch Jupiter kommt auf 
Inſchriften mit dem Beinamen ©. vor. 

Sabbath Ruhetag), Hat feinen Urfprung vom Anbeginne der Welt, ins 
bem Gott bee Herr den Tiebenten oder den legten Tag einer jeden Woche ale 
Ruhetag geheiligt, d. i. ihn zu feinem Dienfte und zur Ruhe für die Menfchen 
beftimmt hatte. — Das durch Mofes verfündete Gebot enthält die zweifache Ber: 

ichtung, fich der öffentlichen Anbetung u, der gemeinfchaftfichen Anbachtsübung an 
biefem Tage zu wibmen, dann foldyen felbft durch Enthaltung von allen Leibes⸗ 
wie bie Ruhe, den öffentlichen Gottesdi und die Andacht flörenden Arbeiten 
u Heiligen. Diefe Einrichtung des juͤdiſchen Beremontalgefeges wurde im neuen 

unde feineswegs aufgehoben, fonbern nur mittel apoftolifcher Anorbnung dahin 
abgeändert, daß flatt der S.8- eier, zum Andenken an bie glorreiche Auferftehung 
bes Herrn Jeſu Chrifti — das Rärtfle Siegel für die Göttlichkeit feiner Sendung 
u. unferer Erlöfung — die Sonntagsfeier angeordnet wurde, weil am Tage nad) 
dem S.e die Auferfiefung erfolgte. Diefer Tag wird daher auch der Tag bes 
Herrn genannt, Anfangs warb zwar noch eine kurze Zeit über auch die S.s⸗ 
Feier, vorzü wi der Juden » Chriften, beibehalten, bald aber verbrang, befonders 
unier ben 5 en aus bem Heidenthume, die Feier des Sonntags jene des 5.6 
und erftere wurde ausfchließend und allgemein. Der S. ift baher in der chriftli- 
* Finde völlig abgewürbigt u. ber Sonntag (f. d.) ale Tag des Herm zu 
eiern geboten. 

Sabbathat- Sevi, 1625 zu Smyrna von fübifchen Eltern geboren, begab 
fih, rei mit Kenntniſſen ausgeftattet, nad Konftantinopel, Tehrte aber wegen 
vielfacher Streitigfeiten mit den dortigen Rabbinen nah Smyrna zurüd. 1662 
ging er nach Jeruſalem. Er ſchloß in Gaza mit einem reihen Juden, Rattan, 
engere Freundſchaft und, unterftügt durch befien Reichtum, gab er fidh für den 
Meſſias aus. Die Türken, aufmerffam gemacht, ließen die Rabbinen 5000 Thlr. 
für ihn bezahlen, er mußte Jerufalem verlaffen u. ging nach Smyrna. 1666 wollte 
er in Konftantinopel ale Meffias auftreten, warb aber in Ketten gelegt, dahin 
geführt und trat zum Islam über und erhielt Hiefür eine monatliche Denfon und 
den Namen Agi Mehemed Efendi. Als er aber noch Immer juͤdiſchen Reli 
gionsfeften insgeheim beiwohnte, warb er nach dem Schloffe Dulcigno in Moren 
gebracht, wo er 1676 flarb. Seine Anhänger, Sabbathianer, wirften auf Unter 
grabung des rabbiniſchen Judenthums Hin und verloren fich nachher theils unter 
[e a anmebaneın und Chriften, theils bildeten fte fih unter den Ehafidim 
(1. d.) fort. 

Sabellicus, Marcus Antonius Eoccius, ein Römer, geboren 1436 
zu Bicovaro an der Graͤnze des alten Sabinerlandes (daher fein Rame), wurde 
1475 in Udine Profeffor der Berebtfamfeit und dasfelbe 1484 in Venedig. Aus, 

ezeichnet ift er durch feine (nicht immer Fritifch genaue) Geſchichte von Venedig 
n 33 Büdern: „Historia rerum Venetarum, ab urbe condita ad obitum ducis 
Marci Barbadici, 2 Bde., Benedig 1487, Fol., überfeht ins Italieniſche von Mat⸗ 
thias Bisconti de S. Canciano, ebend. 1507, Fol., und von Dolce, ebend. 1534. 
Er fügte fpäter noch A Bücher Hinzu, welche jeboch nicht gebrudt find, ferner 
eine Befipreibung von Venedig, einen Dialog über bie venetianifchen Magiftrate 


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Sabellins, 1047 


(De Venetis magistratibus), Venedig 1488, 4. Außerdem fchrieb er: Rhapfobien 
aus der Geſchichte, von Srihoffung der Erde bis 1503, Venedig 1498—1504, 
Hol. Auch gab er eine Sammlung feiner „Epistolae familiares, orationes et poö- 
mata“ heraus, Benedig 1502, Fol, Ferner hat er noch Bommentare a mehren las 
teinifchen Schriftfiellern, befonders Hiftorifern (Florus, Juſtinus, Livius, Vale⸗ 
rius Marimus und anderen gefchrieben. Er flarb 1508 (nach Anderen 1506). 
Seine Werke find gefammelt in mehren Bänden, Benebig 1560, %ol., fle enthal- 
ten auch noch viele andere moraliſche, philoſophiſche und gefchichtliche Abhand⸗ 
lungen. In ber Ausgabe der Storici Veneliani, beforgt durch Apoftolo Zeno, fin⸗ 
det ſich eine Lebensbeichreibung von ihm. 

Sabellins, Biſchof oder Priefter zu PBtolomais in der Inbifchen Pentapolis, 
auch Eyrenaica genannt, erneuerte zu Anfang ber zweiten Hälfte des 3. Jahr: 
dundge⸗, wenn gleich nicht ganz nach den Worten, ſondern dem Sinne nach, Die 

lehre des Prarend und Noetus. Er behauptete: daß zwifchen ben 3 göttlichen 
Perfonen fein anderer Unterfchied fei, als zwiſchen den verfchiebenen Berrichtun- 
nen eines und befielben Weſens. Betrachtete er Gott, wie er in feinem etwaigen 
Rathe die Menſchen zur Eeligfeit zu berufen befhloß, fo war er ber Vater; 
wenn biefer nämliche Gott fi auf bie Erbe in den Schooß ber Jungfrau nie- 
berließ, wenn er am Kreuze litt u. flarb, nannte er in Sohn unb wenn er bie 
Einwirkung diefes Gottes auf die Seele des Günders zu feiner Heiligumg be 
rüdfichtigte,, nannte er ihn deiligen Geiſt. Rah diefer Hypotheſe gab es 
feinen Unterſchied zwifchen den göttlichen Berfonen, ſondern Gott iſt nur eine 
Berfon, welche in Abſicht auf verfähledene Handlımgen drei Ramen führt. Rah 
dem Berichte des Hi. Athanaflus Haben fich fehr viele Ehriften, ſelbſt Bifchöfe, von 
diefen Irrlehren täuschen laſſen und der hl. Epiphanius fagt: daß die Sabel 
Itaner in großer Anzahl in Mefopotamien und um Rom herum verbreitet 
waren. Aus der Berorbnung des zweiten allgemeinen Goncdliums von Kon⸗ 
ſtantinopel, im Jahre 381, über die Taufe ber Sabellianer, gehet hervor, daß 
biefe Sekte damals einen gemeinfchaftlichen Körper bildete Der Hl. Augufti- 
nus iſt der Meinung , fle fei im Anfang bes 5. Jahrhunderts ganz erlofchen. 
Diele le wurde indejien im A. Sahrhunderte von Bhotinus in einer an- 
bern, noch herbern Geflalt, und dann von ben Antitrinitariern (f. b.) er- 
neuert. AB ©, feinen Irrthum ausftreute, entfland eine Spaltung in ber Ben- 
tapolis, deren Kirchen dem Stuhle von Aleranbrien untergeorbnet waren. 
Beide Parteien wenbeten fih nah Alerandrien an ben N. Biſchof Diony- 
fius, welcher fogleich den Irrtfum des ©. wiberlegte u. die Eache, nebft Mit: 
iheilung feiner Widerlegang, an Papſt Sirtus IL nach Rom berichtete Im 
dieſer Widerlegung wollte man gefunden haben, dag Dionyfius, um den Un- 
terfchteb zwiſchen den Perfonen der Dreieinigfeit ſchaͤrfer zu bezeichnen, fich ſolcher 
Ausdrüde bediene, welche die Wefensgleichheit awifchen Vater und Sohn aufhe- 
ben. Denn er wollte den Unterfchieb zwiichen Bater und Sohn, mit der Ber: 
ſchiedenheit, welche zwifchen dem Nebftod und dem Winzer, zwiſchen dem Schiffe 
md dem Werfmeifter ift, bemerklich machen. Einige aus ber Lanbfchaft Eyre- 
naica brachten Diefe, ihnen als anftößig erfcheinende, Aeußerungen vor den Papft 
Dionyfius, welcher Sirtus auf dem apoftolifchen Stuhle gefolgt war, mit der 
Borftellung: daß hiedurch der Sohn Gottes zu einem Gefchöpfe herabgewuͤrdigt 
werde. In einem zu Rom verfammelten Goncilium wurden bie dem Biſchofe 
Alerandrien’s angefchuldigten Irrthuͤmer fowohl, als auch die entgegenftehende 
Lehre bes S. verdammt, dann in einem, Ramend des Conciliums verfaßten Syno> 
balfehreiben Dionyfius, ber Alerandriner von dem PBapfte eufgeforbert: 
fich über die gegen ihn vorgebrachten Beichuldigungen zn erflären. Sogleich vers 
faßte der Biſ Ri von Alerandrien eine in vier Bücher getheilte Schrift, worin 
er fich rechtfertigte und erklärte: daß Jefus Ehrifius eines Weſens mit dem Va⸗ 
ter fei. Er behauptete: nie gefagt zu Haben, daß es eine Zeit gegeben habe, wo 
Gott nicht Vater war, oder, baß der Eohn das Seyn vom Bater erhalten habe, 


1048 Sabier — Sabinus. 


ſondern, wie es unmoͤglich iſt, daß, wo Licht iſt, nicht auch Glanz ſei, ſo iſt es 
unmöglich, daß ber Sohn, welcher ber Abglanz bes Vaters iſt, nicht ewig fe. 
Endlich beklagt fih Dionyfius: daß feine Gegner, flatt feine vielen Briefe, wo 
er fi} ganz deutlich erklärt Habe, zu Rathe zu ziehen, fich blos an jeme gehalten 
hätten, bie den S. wibderlegten und welche an verſchiedenen Stellen gefüinmet 
fein. Merkwuͤrdig iſt überbieß ber Vorwurf feiner Gegner, baß er Sohn 
Gottes nicht gleiches Weſens mit dem Vater (Guoovoios, consubstantialis) ges 
nannt babe, woraus offenbar hervorgeht, daß dieſer Ausdruck ſchon 60—70 Jahre 
vor dem Concilium von Nicaͤa in ber Kirche üblich und nicht eine Erfindung der 
Väter jenes Conciliums geweſen ſei. Nach dem 4. Jahrhunderte Hörte man Nichts 
mehr von ben Sabellianern. 

Sabier, ſ. Zabier. 

Sabiner, ein’ altitalifches Volk, welches zwifchen dem Rar und Anio in den 
fiuchtbaren und weibereihen @ebirgsfchluchten bes Apennin, bis an bie Tiber 
herab, wohnte. Ihre Hauptflabt war Cures, der Sit des Königs Titus Tatius. 
Dur den Raub der Sabinerinnen zuerſt mit den Römern in Berüßrung gefom- 
men, verloren fie bald, wenn auch nicht ohne harten Kampf, gegen bie roͤmiſche 
Raubſucht ihre politifche Gelbfiftändigfeit. 

Sabinianus, römiicher Papſt, aus bem Toskaneftfchen gebürtig, wurbe 604 
erwählt und verwaltete die Kirche 34 Jahre. Während ihm von Einigen über 
mäßiger Geiz vorgeworfen wurde, wird er dagegen von Anderen gegen dieſen 
Vorwurf —6 und behauptet: er habe zur Zeit einer großen Hungers⸗ 
noth die Vorrathohaͤuſer der Kirche zum Beſten des elenden und hungrigen Bol 
kes geöffnet und das Getreide auf einen fo niedern und geringen ae herab⸗ 
geſetzt, daß die Armen dadurch eine merkliche Hülfe empfanden. zrſpeinno 
lag es nicht in ſeinen Kraͤften, alle Forderungen der Armen zu befriedigen, oder 
die Wucherer Haben feine Sorgfalt, wodurch er ihren Abfichten entgegen arbeitete, 
für Geiz ausgefchrien und fo konnte er, ber ofnehin feinen Borgänger, Gregor 
den Großen, nicht erreichen Tonnte, bei aller Freigebigfeit für einen Geizhals ges 
halten und als folcher fo verhaßt werden, daß man nach feinem Tode es nicht 
wagte, ihn öffentlich zu begraben. | 

Sabinum nannte Horatius cf. d.) fein Landhaus im Sabinerlande, wel 
ches ihm Mäcen geſchenkt Hatte. Es Ice im Gebirge, wenige Meilen über Ti- 
bur an ber Digentin (Nebenfluß des Tidris, beffen Quelle Bandufla Hieß), beim 
Dorfe Mandela, zwifchen den Bergen Lucretilis u. Uſtica. Man glaubt es in ber 
jepigen Valle di Licenza wieder gefunden zu haben. 

Sabinns, 1) Aulus, ein römifcher Dichter, Jugenbfreund bes Ovid, aber 
früher, als dieſer, geftorben, (16 v. Ehr.) verfuchte —* in der von Ovid zuerſt 
bearbeiteten Dichtart der Heroiden, indem er Antworten ber Helbinnen auf bie 
Briefe der Helden verfertigte, die aber an Werth unter den ovibifchen Berfuchen 
fteßen, weßhalb man fie bem Angelus Sabinus, einem gelehrten Poflologen 
um’s Jahre Chr. 1474 und berühmten lateiniſchen Dichter feiner Zeit, zufchreibt. 
Die 3 noch vorhandenen Deroiden find in mehren Ausgaben der Heroiden bes 
Ovid abgedrudt, Die e fritifche Bearbeitung lieferte Lörs in der Ausgabe 
von „Ovidii Heroides et Sabini epistolae“ (2 Bde. Köln 1829— 30). Vergleiche 
Jahn „De Ovidii et Sabini epistolis* (2p3. 1826). — 2) ©. Mafuriuß, rö: 
miſcher Rechtsgelehrter unter Tiberius, Schüler des Eapito, von bem bie fabinia- 
niſche Schule den Ramen erhielt. Hauptwerk: 3 Bücher de jure civili. Anfangs 
zwar nur kurz, befamen fie doch burch bie vielen Kommentare dazu und Die 
nad dem Mufler derfelben verfaßten Schriften eine große Ausdehnung u. wurden 
fo die Fundgrube für das Civilrecht. inige glauben, daß das Werk als Leitfaden 
beim Unterricht, wie die nachherigen Inftitutionen, gebient Habe. In ben Pans 
beiten ift daſſelbe nicht bemüht, obgleich der Name bes Verfaſſers oft erwähnt 
wird, . Außerdem ſchrieb er: De indigitamentis, Libri fastorum, Libri memora- 
bilium, ‚Ad edictum assessorium, Ad Vitellium, Responsa, 


Sabinus, 1049 


Sabinus, ber Heilige, Biſchof von Affifi, u. feine Gefährten, 
Martyrer, Als Diocletion und Marimian Herfuleus im vo 303 ihre blu⸗ 
tigen Beichlüffe wider die Ehriften erließen, wurbe S., Bifchof von Affifi, mit 
mehren feiner @eifllihen eingezugen. Man warf fie in den Kerler und Bielt fie 
verwahrt bis zur Ankunft Benuftian’s, Statthalter von Hetrurien u. Umbrien, 
vor deſſen Richterflufl fie dann erfckeinen mußten. Dem Hi. ©. warb befohlen, 
Jupiters Bilbfäule, welche man auf einen Tifch vor ihn geftellt Hatte, Weih⸗ 
rauch darzubringen. Der Beilige erflärte fich aber mit Unerfchrodenheit gegen 
diefes Anfinnen und flich mit der Hand ben Böhen von fich. Der Statthalter, 
über dieſe vermeinte Bottlofigfeit aufgebracht, befahl, dem Bekenner foglcig beibe 
Hände abzufchneiben. Nach dieſem ließ er die zwei Diakonen bed Oberhirten, 

arcellus und Eruperantius , auf das NRößchen legen, lange mit Ruthen firei- 
hen und dann mit eifernen Krallen zerfleifchen. Beide gaben unter biefen Qua⸗ 
len, Gott preifend, ben Geiſt auf und ihre Leiber wurden in den nädften Bach 
geworfen; ein Heiliger Priefler aber zog fle wieder heraus und beerbigte fie am 
etzten Tage bes Maimonats. Die Verurtheilung des Heil. S. ward auf eine 
andere Zeit verſchoben, indefien ihn ber Statthalter in engem Gewahrſam hielt. 
Eine Wittwe, Namens Serena, welde In ber Stabt wohnte, befuchte ihn öfters 
im Kerker und forgte für feinen Unterhalt, Eie hatte einen Enkel, mit Namen 
Priscian, ber blind geweſen und bem ber Heilige durch bloße Berüßrung das 

ugenlicyt gegeben. Der Ruf dieſes Wunders fell bis zu ben Ohren bed Bes 
nuftian gebrungen ſeyn, der Daburch fehr gerührt wurde. Da ex ſelbſt an hefs 
tigen Augenſchmerzen litt, ließ er den hl. Biſchof zu fi rufen und erzählte ihm 
bie in feinem Herzen vorgegangene Veränderung. Bor dem Heiligen niebergeivor- 
fen, erbat er fih von ihm Arzneimittel für feinen Leib und feine Seele. Sein 
aufrichtiges Flehen warb erhört. S. ertheilte Ihm nach einigen Tagen bes Un 
terricht8 die HL. Taufe u. von jenemAlugenblide an verfpürte er feine Augenſchmer⸗ 
am mehr. Zu gleicher Zeit wurden auch feine Frau und feine Kinder getauft, 
weiche Befehrung noch mehre andere nach fi zog. Als der Kaifer Marimian 
Herfuleus ben Bergang ber Sache vernahm, gericth er fo Ki in Zorn, daß er 
auf der Etelle einen Tribun, Namens Lucius, nah Aſſiſi Ichidte, mit dem Bes 
fehle, dem Statthalter, fowie beffen Frau und Kindern das Haupt abzufhlagen. 
Nachdem Lucius biefen Befehl vollzogen, ging er nach Spoleto, wohin er den Hl. 
S. befchied und ihm unmenſchliche Geißelhiebe geben ließ, unter welchen cr auch 
alsbald farb, Die Wittwe Serena, welche ihm nad) Spoleto gefolgt war, 
beerbigte ifn 1000 Schritte von der Stadt am 7. Dezember bes Jahres 
3045 doch wird fein Heft am 30. eben dieſes Monats begangen. Der Heil. Gres 
gor ber Große redet von einer Kapelle, die unter dem Namen bes Heil. ©, bei 
Yermo erbaut worden und in welcher er einige von deſſen Reliquien beifehte, Die 
ihm der Biſchof Chryfanthus von Spoleto geſchenkt Hatte. 

Sabinus, Georg, eigentlih Schüler (denn Sabinus nannte er ſich nach bem 
roͤmiſchen Dichter S., geboren zu Brandenburg 1508, fludirte zu Wittenberg 
Humaniora und die Rechte, ging nach Italien, wurde 1538 PBrofeflor ber Poefle 
und Beredfamfeit zu Frankfurt an der Ober, 1544 Profeffor und erfter Rektor 
ber neuerrichteten Univerfität zu Königsberg, ging 1560 als Geſandter feines 
Hofes nad Italien, Fam aber wegen Kraͤnklichkeit bald zurüd und ftarb in dem 
genannten Jahre zu Frankfurt a. d. O. Er war ein guter Inteinifcher Dichter, 
am glüdlichften in der ovidifchen Elegie. Außerdem Hat man von ihm einige hi⸗ 
ftoriiche Schriften, Reben, Briefe ꝛc. eine erfte Ehe machte ihn zum Schwic- 
gerfohne Melanchthons, defien Beifall aber feine Lebensart nicht immer hatte. In 
Staatsgefhäften wurde er öfter mit Nutzen verwendet. Seine „Carmina“ cr- 
fbienen Lpz. 1563. Berge. P. Albinus, „Vita Sabini“ (vermehrt Herausgegeben 
von Cruftus, Liegn. 1724); Töppen, „die Gründung der Univerfität zu Kö— 
ninsberg u. das Leben ihres erften Rektors Georg ©." (Königob. 1844) u. Heffter, 
„Erinnerung an Georg ©." (Rp. 1844). 


1050 Sacchini — Sache. 


Sacchini, Antonio Maria Gasparo, Componiſt, ein Schuͤler des Du⸗ 
rante, geboren zu Neapel den 11. Mai 1735. Die Gewandtheit, welche er ſich 
auf der Violine erwarb, war in der Folge in feinen Eompofitionen wahrzunehmen. 
Seine Werke verfchafften ihm 1762 eine Anftellung bei bem Theater zu Rom, wo 
er 7 oder 8 Jahre blieb; er beſuchte von Hier aus einige anbere Städte Italiens; 
1769 ward er als Galuppi's Nachfolger nady Benedig berufen. Abgeſehen von 
ben Kirchencompofitionen, weldye er hier herausgab, bildete er auch treffliche Sän- 
gerinnen: bie Gabrieli, Conti, Pasquali u. 9. London wünfchte ihn als Theater: 
eomponiften zu befigen. Er ging daher über Stuttgart und Münden, wo er mit 
großem Beifalle gehört wurde, und 1771 über Holland nad London. Segen 
1782 Tieß ihm die Berwaltung ber Oper zu Paris den Antrag machen, für das 
Theater zu arbeiten. Man vereinigte ſich über die Bedingungen und 1783 erfchien 
„Renaud“ worauf „Ehimene” und „Dardanus“ folgten. Da ©. zu einer Zeit 
auftrat, wo durch Gluck und Piccini die Franzoſen bereits an fremde Muſik wa- 
ren gewöhnt worden, fo erregte er Anfangs feine befondere Teilnahme, bis fein 

Oedipe a Colone“ erfchien, der in jeder Hinficht großen Beifall erntete, Als er 
eben wieder im Begriffe fland, nach London zurüdzufehren, flarb er zu Paris am 
7. Soft. 1786 an ben Folgen eined zurüdgetretenen Gichtanfalles. Mean zäftt 

egen 50 Opern von ihm. Seine Büfte aus Marmor fteht in der Kapelle bes 
antheons in Rom, neben Raphaels Denkmal. Die Dniedenfnaften dieſes gro: 
pen Komponiften find : Leichtigkeit, Anmuth und einfache Hoheit. 

Sache, wird im rechtlichen Sinne Alles genannt, was von ber Perfon un: 
terfchieden ift und zum Gebrauche der Menfchen bient. Die Sachen werden zu: 
förberfi eingetheilt in Sahen des Staates und in Brivatfahen, je 
nachdem fie dem Stante, oder Privatperfonen angehören. Sn, welche allen Mit: 
gliedern des Staates zur Zuelgnung überlaffen find, heißen freiftehende Sa- 
chen; jene, bie ihnen nur zum Gebrauche verftattet werben, 3. B. Landſtraßen, 
Ströme, Sechäfen ıc. heißen ein allgemeines oder öffentlies Out. Was 
zur Bebedung der Staatsbebürfnifie beftimmt iſt, wie 3. B. Muͤnz⸗, Poft- ober 
andere Regalien, Kammergüter, Steuer, Zölle u. f. w., wird das Staat sver⸗ 
mögen genannt. Auf gleiche Weife machen die Sn, welche nach ber Landes⸗ 
verfaffung zum Gebrauche jedes Mitgliedes der Gemeinde dienen, das Gemeinde: 

t, diejenigen aber, deren Einfünfte zur Beftreitung ber Gemeindeauslagen be- 
—2 find, das Gemeindevermögen aus. Sen, welche der Landesfuͤrſt, je⸗ 
doch nicht als Oberhaupt des Staates, beſitzt, werden nur als Privatſachen be⸗ 
trachtet. Ferner werben die S.n eingetheilt in körperliche und unförper- 
liche, je nachdem fie in die Sinne fallen, oder nicht, wie z. B. das Recht zu 
jagen und uͤberhaupt alle Rechte; in unverbrauchbare und verbrauchbare, 
je nachdem fie ohne ihre Zerſtoͤrung ober Verzehrung ben gewoͤhnlichen Nutzen ge: 
währen, ober nicht; in ſchaäßbare und unigäbbare, je nachdem der Werth 
berfelben durch Bergleihung mit anderen zum Verkehr beftimmt werben Tann, ober 
nicht; — in bewegliche und unbewegliche, je nachdem fie ohne Verlegung 
ihrer Subftanz von einer Stelle zur andern verfegt werben Tönnen, ober nicht. 
S.n, die an Pr beweglich find, werben im rechtlichen Sinne für unbeweglich ge; 
halten, wenn fie vermöge bes Geſetzes ober ber Beflimmung bes Eigenthuͤmers 
das Zugehör einer unbeweglichen Sache ausmachen. Alle brauchbaren Dinge, 
welche die Erbe auf ihrer Oberfläche hervorbringt, bleiben fo lange unbewegliche 
Sachen, als fie nit von Grund und Boben abgelanbert worben find. Selbſt die 
Fiſche in einem Teiche und das Wild in einem Walde werben erft dann ale ein 
bewegliches But betrachtet, wenn ber Teich gefifht, und das Wild gefangen 
ober erlegt worben iſt. Auch das @etreibe, das Holz, das Viehfutter und alle 
übrigen, obgleich ſchon eingebrachten Exrzeugniffe, fo wie alles Vieh und alle zu 
einem liegenden Gute gehörigen Werkzeuge und Geräthfchaften werben in fo ferne 
für ehe inte S.n gehalten, als fie zur Fortſetzung des ordentlichen Wirths 
ſchaftsbetriebes erforderlich find. Ebenſo gehören zu ben unbeweglichen S.n biefenigen, 


die auf Grund und Boden in der Abficht aufgeführt werben, daß fie flets barauf 
bleiben follen, 3. B. Häufer und andere Gebäude mit dem in fenfrechter Linie da⸗ 
rüber befindlichen Luftraum; ferner nicht nur Mlles, was erd⸗, mauer⸗, niet- und 
nagelfeſt if, fordern auch diejenigen Dinge, die zum anhaltenden Gebrauche eines 
Ganzen beftimmt find, 3. B. Brumneneimer, Selle und bergleihen Rechte werben 
ben beweglichen ©. beigezähft, wenn fie nicht mit dem Beſihe einer unbeweglichen 
S, verbunden, oder durch bie Landesverfaffung für eine unbewegliche ©. erflärt 
find. Echuldforberungen werben durch bie Sicherftellung auf ein unbewegliches Gut 
nicht in unbeweglice S.n verwandelt. Unbewegliche Sn find den Geſttzen bes 
Bezirkes unterworfen, in welchem fie liegen; alle übrigen S.n hingegen flehen 
mit der Perſon ihres Eigenthümers unter gleichen Geſetzen. Ein Inbegriff von 
mehren befonderen E.n, bie als eine S. angefehen und mit einem gemein⸗ 
ſchaftlichen Ramen bezeichnet zu werben pflegen, macht eine Geſammtſache aus 
und wird als ein Ganzes betrachtet. 

Sachenrechte, ſ. Realrechte. 

Sachs, 19 Hans, geboren 5. November 1494 zu Nuürnberg, Sohn eines 
Schneiders, befuchte die lateiniſche Schule feiner Baterftabt vom 7—15 Jahre, 
erlernte hierauf das Schuhmacherfandwerf und wurbe nebenbei von dem Leine: 
weber 2, Runnenbed in der Singfunft unterrichtet. Nach Ablauf der Lehrzeit bes 
gab er fih, 17 Jahre alt, auf bie Wanberfchatt und Iebte 5 Jahre zu Regens⸗ 
burg, Münden, Frankfurt, Mainz, Köln, Aachen, Leipzig, Lübel, Dsnabrüd, 
Wien, Erfurt und in anderen Städten, wo er überall die Meifterfängerfchulen 
fleißig befuchte, Zum erftenmale wagte er es im ?iften Jahre, ale Meifter- 
länger in München mit einem geiftlichen Liebe aufzutreten. Das Heimathsgefuͤhl 
tried ihn nach dem geliebten Nürnberg zurüd, wo er fih 1519 mit Kunigunde 
Creutzer verheiratete. ine ziemliche Reihe von Sahren hindurch befand er ſich 
in ganz gutem dußerem Wohlftande, in ber Kolge aber Hatte er mit mancher 
— zu kaͤmpfen. Als ihm ſeine erſte Frau 1560 ſtarb, verheirathete 
er ſich noch Im 6bſten Jahre zum zweitenmale mit Barbara Haſcher, in welcher 
Ehe er, feinen Werfen nach zu urthellen, minder glüdlich lebte. Er fchloß fein 
chrfames Leben 25. Ian. 1576. ©. fteht vorzüglich Hoch als epifcher und bra- 
matifcher Dichter. Er ift durchaus rechtlich, fittlich, bürgerlichehrfam, dabei vol 
gut! er Laune, unfchuldignedendem Muthwillen und offenherziger Raivetät. 

8 epiſcher Dichter fchrieb er moralifche Gedichte, Kabeln und ergögliche Echwaͤnke 
in großer Zahl, die bei aller Auftigfeit immer einen moralifhen Zwed haben. 
ALS dramatifcher Dichter Kat er 63 Faflnachtöfpiele, 29 weltliche und 28 geiftliche 
Tragödien, 50 weltlihe und 26 geiſtliche Komödien gefchrieben. Zwar Hat er 
feine Idee von tragiiher Größe und wahrhaft bramatiichem Sntereffe der Cha- 
raftere und ber Situationen, aber er ift reich an feinen Beobachtungen und 
heiteren Zügen und fteht weit über allen feinen poetifchen Zeitgenofien. Seine 
Perfonen find fämmtlihe Nürnberger und Nürnbergerinnen; der Dichter mag 
nun den türfifcden Sultan, oder ben reichen Salomon, ben Charon ober ben 
burgundiſchen Ritter, die Venus oder irgenb eine fchöne Nürnbergerin auf: 
führen. Der Satan pielt im Allgemeinen eine fehr gutmüthige Rolle; Gott, 
der Herr tritt nicht felten felbft auf, als tüchtiger Nürnberger Hausvater, der 
die Rinder Evi nach Luthers Katechismus prüft. Seine Gtoffe wählt ber 
Dichter bald aus der Bibel, bald aus der weltlichen, vorzüglich der römifchen 
Geſchichte; dabei benügt er Altere Romane und neuere Novellen und Graäßlungen. 
Die Altefte, vom Dichter felbft beforgte, Ausgabe feiner Gedichte erfchien zu Nürn- 
berg 1558—61, 3 Folibaͤnde. Vollſtaͤndiger, aber Hier und da, befonders in ber 
Orthographie, verändert, ift Die zu Kempten gebrudte, zu Augsburg verlegte Aus: 
nabevon 1612—16, 5 Quartbaͤnde. Eine andere fehr vollſtaͤndige Ausgabe erfchien zu 
KRürnb. 1570—79 5 Holiobände. Vgl. befonders: Jörbens, Lerifond. 409 f. Bouters 
wei 9, 381 f. Gervinus 2, 458 f. und Rehrein, Geſch. d. dram. Poeſie 1, 82 f, x. 
— 2) Sachs, LZubwig Wilhelm, Geheimer Mebizinalrath und ordentlicher 


1052 Bacthſa — Sachfen. 


Profefſor an der Univerfität Eönigäberg, „geboren ben 29, Des. 1787 zu Groß⸗ 
glogaı in Schlefien, kam früßzeitig bet einem Kaufmann in Köni eberg in bie 
ehre, wendete ſich dann aber 1804 den Wiſſenſchaften zu und fludirte Die Heil 
funde in Fönigeberg, Berlin und Göttingen, an welch letzterer Univerfität er 
1812 zum Med. Dr. promovirt ward. Im felben Jahre noch wurde er Oberarzt 
an den Lriegsfpitälern in Königsberg, ließ fi) 1814 dafefbft als praftifcher Arzt 
nieder, wurbe 1816 Brivatdocent, 1818 außerordentlidher und 1826 ordentlicher 
Brofefioe in der med. Facultaͤt; 1832 wurbe er Direktor ber Poliklinik u. 1840 
Geheimer Medizinalrati. — Er fehrieb unter anderen: „Weber Willen und Ge⸗ 
wiſſen,“ Berlin 1826. — „Grunblinien zu einem natürlichen bynamifchen Sy⸗ 
flem der praftifchen Medizin.“ 1. Thl. Berlin 1821, — „Handbuch des natürs 
lichen Syftems ber praftifhen Medizin" 2 Thle., Leipzig 1828 —29. — Mit 
Dulf gab er heraus: „Handwoͤrterbuch ber praftifchen Arzneimittellehre“ 3 Bde, 
Köniasberg 1830—33 Aufl. 1835—39. E. Buchner. 
Sachſa mit dem Sachfenftein, Stadt im Kreis Rorbhaufen bes preußtfchen 
Regierungsbezirkes Erfurt, am Harze, Gypsbrennerei. 1300 Einwohner. In ber 
Nähe Eitengruben, Marmorbrüdye und ber Sachfenflein, eine hohe, ausgedehnte 
Gypswand, beren blendend weiße Farbe in ber grünen Landſchaft eine ganz befonbdere 
Wirkung macht. Der Play fcheint zu ben Bolfsverfammlungen der Sachfen woßl 
geeignet geweien zu ſeyn. mD. 
Sachſen. (Geographie) Das Königreich liegt zu beiden Seiten ber Elbe 
und gränzt im Norden an bie preußifche Provinz Sachſen und Brandenburg, im 
Often an Schleflen, im Süden an Böhmen, im Weften an Bayern, Neuß, Alten 
burg und bie Provinz Sadfen. Der Flächeninhalt beträgt 271,56 Meilen, 
bie Bevölferung 1,757,800 Seelen. Die nörblien Theile S,8 find Hügelland 
und Ebene, im Süben Hingegen erheben fich zwei hohe und rauhe Gebirge, bas 
Erzgebirge, zwifchen B aim und S., beffen Höchfter Punkt der Fichtelberg 
bei Oberwieſenthal (3720) iR, und dag Lauſitzerg ebirge oder der Wohl'ſche 
Kamm, zwiſchen der Laufig u. Böhmen, welches die Berbindung bes Gragebizges 
mit bem Riefengebirge Herftelt und fidy mit dem Sandfteingebirge des Meißner 
Hochlands verzweigt. Diefes, gewöhnlich die ſaächſiſche Schweiz genannt u, 
die aus Böhmen einftrömende Elbe empfangend, ift ſehr reich am malerifchen 
Anfichten und wird deßhalb häufig von Naturfreunden befucht. Es zeigt Felſen⸗ 
fetten von ben abenteuerlichfien Geftalten, freiſtehende, oft mehre hundert Ellen 
hohe, zum Theil gar nicht erfleigbare Sanbfteinwände, tiefe und enge Abgründe, 
romantiſche Thäler, die nur hie und da eine einfame Mühle belebt, eine Menge 
von ber Ratur gebildete Höhlen, Spalten u. dgl. Der Höchfte Gipfel bes Laus 
figer Gebirges ift die Lauſche bei Zittau (2469). Die angeführten Gebirge fallen 
ſaͤmmtlich fchroffer nah Süden ab, als nach Norden. Das Erzgebirge namentlich 
dacht ſich in biefer Richtung nur allmählich u. flach ab u. läuft gegen Leipzig zu 
in eine große Ebene aus. Im Hügellande Nord⸗S.s erreicht der Kolmberg bei 
Oſchatz (975) bie größte Höhe. Der niebrigfte Punkt des Landes ift zwiſchen 
Strehla und Mühlberg, wo bie Elbe in das preußiifhe Gebiet Übertritt. — Der 
Hauptfluß des Königreiches, die Elbe, kommt bereits fchiffbar aus Böhmen und 
durchſtrömt das Land in norbmwefllicher Richtung. Einfluß oberhalb Schandau, 
Ausfluß unterhalb Strehla. Alle Flüffe S.s, mit Ausnahme ber einen Fleinen 
Theil der Oberlaufitz berührenden und der Ober zugehenden Neiße, gehören bem 
Stromgebiete der Elbe an. Doc find die Rebenflüffe, welche dieſe innerhalb der 
Gränzen aufnimmt (Müglig, Weißerig, Triebfche, Ketzer, Sahne, große u. fleine 
Röder u. 9.) nur unbedeutend, anjehnlicher aber jene, bie erft außerhalb des 
Koͤnigsreichs mit der Elbe fidh vereinigen, wie die Spree, bie ſchwarze Eifter und 
die Mulde. Landfeen dat ©. nicht, aber befto mehr Teiche und Kanäle cder 
Sloßgräben, welche den Handel mit Holz fehr erleichtern und befördern. Bon den 
30 Heilquellen ift Feine befonders renomirt und von Ausländern beſucht. — Das 
Klima if in den Berggegenden bes Oberlandes ziemlich rauf, am rauheften in 


Sabellins, 1047 


(De Venetis magistratibus), ®enedig 1488, 4. Außerdem fchrieb er: Rhapfodien 
aus der Geſchichte, von Erfchaffung der Erbe bis 1503, Benedig 1498—1504, 
Kol. Auch gab er eine Sammlung feiner „Epistolae familiares, orationes et poö- 
mata“ heraus, Venedig 1502, Fol, Ferner Hat er noch Kommentare zu mehren la⸗ 
teinifchen Schriftftellern, befonders Hiftorifern (Florus, Juflinus, Livius, Vale 
rius Marimus und anderen gefchrieben. Er flarb 1508 (nach Anderen 1506). 
Seine Werke find gefammelt in mehren Bänden, Benedig 1560, Fol., fie enthal- 
ten auch noch viele andere moralifche, philofophifche und gefchichtliche Abhand⸗ 
lungen. In ber Ausgabe der Storici Venetiani, beforgt durch Apoftolo Zeno, fin- 
bet fih eine Lebensbeichreibung von ihm, 
Sabellins, Biſchof oder Priefter zu Ptolomais in der Inbifchen Pentapolis, 
au Cyrenaica genannt, erneuerte zu Anfang ber zweiten Hälfte des 3. Jahr⸗ 
underts, wenn gleich nicht ganz nach den Worten, fondern dem Sinne nadh, Die 
rrlehre des Prareas und Noetus. Er behauptete: daß zwifchen ben 3 göttlichen 
Berfonen fein anderer Unterſchied fei, als zwiſchen den verfchiedenen Berrichtun- 
nen eines und defielben Weſens. Betrachtete er Gott, wie er in feinem etwaigen 
Rathe die Menfchen zur Seligkeit zu berufen beſchloß, fo war er der Vater; 
wenn biefer nämliche Gott fi auf bie Erde in ben Schooß der Jungfrau nie- 
berließ, wenn er am Kreuze litt u. flarb, nannte er in Sohn und wenn er bie 
Einwirkung diefes Gottes auf bie Seele des Sunders zu feiner Heiligung be- 
rüdfichtigte, nannte er ihn Heiligen Geiſt. Nach diefer Hypotheſe gab es 
feinen Unterfchieb zwiſchen ben göttlichen Perfonen, fondern Gott if nur eine 
Perſon, welche in Abſicht auf verfehiedene Handlungen drei Namen führt. Nach 
bem Berichte bes Hi. Athanafius Haben fich fehr viele Ehriften, ſelbſt Biichöfe, von 
diefen Irrlehren täufchen laſſen und ber Hl. Epiphanius fagt: daß die Sabels 
lianer in großer Anzahl in Mefopotamien und um Rom herum verbreitet 
waren. Aus der Berorbnung des zweiten allgemeinen Conciliums von Kon⸗ 
ftantinopel, im Jahre 381, Über die Taufe der Sabellianer, gehet hervor, daß 
diefe Sekte damals einen gemeinſchaftlichen Körper bildete. Der HI. Augufti- 
nus ift der Meinung , fie fei im Anfang bes 5. hotline ganz erlofchen. 
Diele lee wurde indeſſen im A. Sahrhunderte von Bhotinus in einer an- 
bern, noch herbern Geftalt, und dann von ben Antitrinitariern (f, b.) er⸗ 
neuert. AB ©, feinen Irrthum ausftreute, entfland eine Spaltung in der Ben 
tapolis, deren Kirchen bem Stuhle von Alerandrien untergeorbnet waren. 
Beide Parteien wenbeten fih nah Alerandrien an den hi. Biſchof Diony- 
fius, welder togieich den Irrthum des S. widerlegte u. die Sache, nebft Mit: 
iheifung feiner tderlegang, an Papft Sirtus I. nah Rom berichtete. In 
dieſer Widerlegung wollte man gefunden haben, daß Dionyfius, um ben Un⸗ 
terfchteb zwifchen den Perfonen der Dreieinigfeit ſchaͤrfer zu bezeichnen, fich folcher 
Ausdrüde bediene, welche die Wefensgleichheit zwiſchen Vater und Sohn aufhe⸗ 
ben. Denn er wollte ben Unterfchteb zwiſchen Vater und Sohn, mit bee Ber: 
föhiebenheit, welche zwiſchen dem Rebſtock und bem Winzer, zwiſchen dem Schiffe 
und dem Werkmeifter iR, bemerflich machen. Einige aus ber Landfchaft Eyre- 
naica brachten biefe, ihnen als anftößig erfcheinende, Aeußerungen vor den Papft 
Dionyfius, welder Sirtus auf dem apoftolifchen Stuhle gefolgt war, mit der 
Vorſtellung: daß hiedurch der Sohn Gottes zu einem Geſchoͤpfe herabgewuͤrdigt 
werde. In einem zu Rom verfammelten Concilium wurden die dem Bifchofe 
Alerandrien’s angeſchuldigten Irrthuͤmer fowohl, als auch die entgegenftehende 
Lehre bes S. verdammt, dann in einem, Ramens des Eonciliums verfaßten Synos 
dalfchreiben —— ve bee Alerandriner von dem Papfte aufgefordert: 
fih über die gegen ihn vorgebrachten Beſchuldigungen zn erklären. Sogleich ver; 
faßte der Bif Ki von Alerandrien eine in vier Bücher getheilte Schrift, worin 
er nn techtfertigte und erflärte: daß Jefus Ehrifius eines Weſens vedx Une 
ter ſei. Ex behauptete: nie gefagt zu Haben, daß es eine Zeit gegeben Et SS 
Gott nicht Vater war, ober, bag ber Bohn das Seyn vom Bater can PM 


De U UT -— 
vier uud _ HER nudeln u mern I nun 


—A_ [em Ziiz 


1050 Sacchini — Sache. 


Sacchini, Antonio Maria Gasparo, Componiſt, ein Schüler bes Du 
rante, geboren zu Neapel den 11. Mat 1735. Die Gewandtheit, welche ex fd 
auf ber Bioline erwarb, war in ber Folge in feinen Eompoflttonen wahrzunehmen 
eine Werke verfchafften ihm 1762 eine Anftelung bei dem Theater zu Rom, we 
er 7 ober 8 Jahre blieb; er befuchte von Hier aus einige andere Stäbte Stalins; 
1769 warb er ald Galuppi's Nachfolger nady Venedig berufen. eſehen von 
den Rirchencompofitionen, welche er hier herausgab, bilbete er audh iche Sin 
gerinnen: die Gabrieli, Conti, Basquali u. A. London wünfchte ihn als Theater: 
componiften zu befigen. Er ging daher über Stuttgart und Muͤnchen, wo a zü 
großem Beifalle gehört wurde, und 1771 über Holland nach 2onbon. Dan 
1782 ließ ihm die Berwaltung ber Oper zu Paris den Antrag machen, für 
Theater zu arbeiten. Man vereinigte fi über bie Bedingungen und 1783 erſchie 
„Raub“ worauf „Chimene" und „Dardanus“ folgten. Da ©. zu eine Ja 
auftrat, wo durch Gluck und Piccini die Franzoſen bereits an frembe Muſik we 
ren gemößnt worden, fo erregte er Anfangs feine befondere Theilnahme, bis fen 

Oedipe à Colone“ erfchien, ber in joe Hinfiht großen Beifall erntete, Als e 
eben wieder im Begriffe fland, nach London zurüdzufchren, farb er zu Paris am 
7. oft. 1786 an ben Folgen eines zurüdgetretenen Gichtanfalles. Man Hk 

egen 50 Opern von ihm. Seine Büfte aus Marmor fleht in der Kapelle dei 
antheons in Rom, neben Raphaels Denkmal, Die Partasemiaften dieſes gr# 
fen Komponiften find : Leichtigkeit, Anmuth und einfache Hoheit. 

Sache, wird im rechtlichen Sinne Alles genannt, was von der Perſon w 
texfchieben ift und zum Gebrauche der Menfchen dient. Die Sachen werden m 
foͤrderſt eingeteilt in Sachen des Staates und in Brivatfadgen, k 
nachdem file dem Staate, oder Privatperfonen angehören. S.n, welche allen Mh. 
gliedern des Staates zur Zueignung überlaffen find, heißen freiftehenbe 6a: 
Ken; jeme, bie ihnen nur zum Gebrauche verftattet werben, 3. B. Lanbfirafe, 
Ströme, Seehaͤfen ıc, heißen ein allgemeines oder öffentlihes But. Eat 
zur Bedeckung ber Staatsbebürfniffe beftimmt if, wie 3. B. Munz⸗, Poſt⸗ oe 
andere Regalien, Kammergüter, Steuer, Zölle u. f. w., wird das Staat sver: 
mögen genannt. Auf gleiche Weife machen bie S.n, melde nach ber Landes⸗ 
verfaffung zum Gebrauche jedes Mitgliedes der Gemeinde dienen, bas Gemeinde: 

ut, diejenigen aber, deren Einfünfte zur Beflreitung ber Gemeindeauslagen be 

mmt find, das Gemeindevermögen aus. G.n, welde der Lanbesfürf, ie 
doch nicht als Oberhaupt bes _Stantes, befigt, werben nur als Privatfachen ke 
trachtet. Berner werben die S.n eingeteilt in Förperlihde und unförpe: 
liche, je nachdem fie in die Sinne fallen, ober nicht, wie z. B. das Recht m 
jagen unb überhaupt alle Rechte; in unverbraudbare und verbraudbars 
ie nachdem fie ohne ihre Zerflörung oder Berzehrung ben gewöhnlichen Ruben gr: 
währen, ober nit; in ſchaͤßzbare und unihäßbare, je nachdem ber Watl 
berfelben burch Bergleichung mit anderen zum Berfehr beftimmt werben Tann, oder 
nicht; — in bewegliche und unbeweglidhe, je nachdem fle oßne Berlegung 
ihrer Subſtanz von einer Stelle zur andern verfegt werden Tönnen, ober nit. 
S.n, die an fidh beweglich find, werben im rechtlichen Sinne für unbeweglid ge 
halten, wenn fie vermöge bes Geſetzes ober der Beflimmung bes Eigentbünnt 
das Zugehör einer unbeweglichen Sache ausmachen, Alle brauchbaren Dinge: 
welche die Erde auf ihrer Oberfläche Hervorbringt , bleiben fo an inte liche 
Sachen, als fie nicht von Grund und Boden abgelenbert worden find. Eeifhr 
Fiſche in cinem Teiche und das Wild in einem Walde werben erfl dann als en 
bewegliches But betrachtet, wenn ber Teich gefifcht, und das Wild gefangen 
oder erlegt worden if. Auch bas Getreide, das Holz, das Viehfutter und ak 
übrigen, obgleich ſchon eingebrachten Erzeugniffe, fo wie alles Vieh und alle m 
einem liegenden Gute gehörigen Werkzeuge und Geräthfhaften werben in fo fan 
für —— E.n gehalten, als ſte zur Fortſezung des ordentlichen Mid 
ſchaftsbetriebes erforderlich fint. Eoroheo artüren an hen unbeweglichen S.n biefenigen, 





Sachenrechte — Sachs. 1051 


auf Grund und Boden in der Abſicht aufgeführt werben, daß fie ſtets darauf 
iben follen, 3. B. Häufer und andere Gebäude mit dem in ſenkrechter Linie da⸗ 
ber befindlichen Luftraum; ferner nicht nur Alles, was erd-, mauers, niet⸗ und 
gelfeft iſt, ſendern auch diejenigen Dinge, die zum anhaltenden Gebrauche eines 
inzen beftimmt find, 3. B. Brunneneimer, Seile und dergleichen Rechte werben 
ı beweglichen S. beigezählt, wenn fle nicht mit dem Beftge einer unbeweglichen 
verbunden, ober durch die Landesverfaffung für eine unbewegliche ©. erflärt 
d. Schuldforderungen werden durch die Sicherftellung auf ein unbewegliches Gut 
ht in unbeweglide E.n verwandelt. Unbewegliche S.n find den Geſctzen bes 
zirkes unterworfen, in welchem fie liegen; alle übrigen S.n Hingegen flehen 
t der Perfon ihres Eigenthümerd unter gleichen Geſetzen. Ein Inbegriff von 
hren befonderen En, bie ald eine ©. angefehen und mit einem gemein⸗ 
aftliden Namen bezeichnet zu werben pflegen, macht eine Geſammtſache aus 
d wird als ein Ganzes betrachtet. 

Sehe f. Realrechte. 

Sad, 1) Hans, geboren 5. November 1494 zu Nürnberg, Sohn eines 
chneiders, befuchte bie Tateinifche Schule feiner Baterftadt vom 7—15 Jahre, 
ernte hierauf das Schuhmacherhandwerk und wurde nebenbei von bem Leine: 
ber 2, Nunnenbed in ber Singkunſt unterrichtet. Nach Ablauf der Lehrzeit bes 
b er fih, 17 Jahre alt, auf die Wanberfchatt und lebte 5 Jahre zu Regens⸗ 
rg, München, Sranffurt, Mainz, Köln, Aachen, Leipzig, Lübeck, Dsnabrüd, 
ten, Erfurt und in anderen Städten, wo er überall bie Meifterfängerfchulen 
ißig befuchte. Zum erftenmale wagte er es im 2iften Jahre, als Meifter- 
get in Muͤnchen mit einem geiſtlichen Liede aufzutreten. Das Heimathsgefuͤhl 

ihn nach dem geliebten Nurnberg zurück, wo er ſich 1519 mit Kunigunde 
euer verheirathete. Eine ziemliche Reihe von Jahren hindurch befand er ſich 
ganz gutem Außerem Wohlftande, in der Folge aber Hatte er mit mander 
Benstorge zu kaͤmpfen. Als ihm feine erfle Frau 1560 flarb, verheirathete 
ſich noch Im 6öften Jahre zum zweitenmale mit Barbara Hafcher, in welcher 
je er, feinen Werken nach zu urtheilen, minder glüdlich lebte. Er ſchloß fein 
rſames Leben 25. Ian. 1576. ©. fteht vorzüglich Hoch als epifcher und bra- 
niſcher Dichter. Er iſt durchaus rechtlich, firtlich, bürgerlichehtfam, dabei voll 
tmüthiger Laune, unſchuldigneckendem Muthwillen und offenherziger Naivetät. 
8 epifcher Dichter ſchrieb er moralifche Gedichte, Kabeln und ergoͤtzliche Schwaͤnke 
großer Zahl, bie bei aller Luftigfeit immer einen moralifchen Zwed haben. 
s dramatiſcher Dichter Bat er 63 Faſtnachtsſpiele, 29 weltliche und 28 geiftliche 
-agödien, 50 weltliche und 26 geiftlide Komödien gefchrieben. Zwar hat er 
ne Idee von tragiicer Größe und wahrhaft dramatifchem Intereſſe der Cha⸗ 
ftere und der Situationen, aber er ift reich an feinen Beobachtungen unb 
teren gem und ſteht weit über allen feinen poetifchen Zeitgenoffen. Seine 
erſonen find ſaͤmmtliche Nürnberger und Rürnbergerinnen; ber Dichter mag 
n den türfifden Sultan, oder den reichen Salomon, ben Charon oder den 
rgundifchen Ritter , die Benus oder irgend eine fchöne Nürnbergerin aufs 
hren. Der Satan fpielt im Allgemeinen eine fehr gutmüthige Rolle; Gott, 
e Here tritt nicht felten felbft auf, als tüchtiger Nürnberger Hausvater, der 
» Kinder Evi nah Luthers Katechismus pruͤft. Gene Stoffe wählt der 
ichter balb aus ber Bibel, bald aus der weltlichen, vorzüglich der roͤmiſchen 
eſchichte; dabei benügt er Altere Romane und neuere Rovellen und Erzählungen. 
ie Altefte, vom Dichter jelbft beforgte, Ausgabe feiner Gedichte erfchien zu Nürn- 
rg 1558—61, 3 Folibaͤnde. Vollſtaͤndiger, aber Hier und ba, befonderd in der 
rihographie, verändert, iſt bie zu Kempten gebrudte, zu Augsburg verlegte Aus» 
bevon 1612—16, 5 Quartbände, Eine andere fehr vollſtaͤndige Ausgabe erichien u 
irnb. 1570—79 5 Foliobaͤnde. Vgl. befonbers : Jörbens, Lerifon A. SINN Br 
#9, 381_f. eroinus 2, 458 f. umd Kehrein, Gefch. b. dran BoirB 
D Sachs, Ludwig Wilyelm, Geheimer Merigankerty DU W 


1054 Sachſen. 


der Urſtoffe geht in S. die weitere Verarbeitung derſelben nicht allein 
Hand, ſondern letztere —8 haͤufig foger das Mebergewicht über bie 2 
wirthſchaft, u. ganze Bezirke werden zu Yabrifftätten, fo Daß man mit Red 
‚en ann, das Königreich leuchte In Hinficht auf Bakeifation u. techni 
Gewerbe unter ben beutfchen Gtaaten als ein Stern erfler Größe. | 
Berarbeitung bed Flachſes, fagt Berghaus, iſt ber Altefte Induſtriezweig 
u. fieht für Damaft u. Zwillich auf einer ſehr boden Stufe ber Bervollfommm 
Wichtiger noch if die Fabrikation von Tuch u. wollenen Zeugen, am alle 
tigften aber find die Baummollen»« Ranufafturen, benn fie füllen das ganze | 
geiirae, näfren in ben bebdeutenderen Stäbten durch große Fabrikherren 
enge Menichen u. machen ©. vorzüglich zum Fabriklande. Ste den 
erft im Erzgebirge u. dem Heutigen Bezirke Zwidau. Hier war auch bad 8 
peln von Zwirnfpigen ſchon im 16. Jahrhunderte Häufig, Die Baummol 
Manufakturen haben noch Heut ihren Hauptfig in Ehemnip u. Plauen, von 
fie ſich weit über das Land verbreiteten. Es find Spinnereien, Webereien, 
diefen fchließen ſich Kattumbrudereien an, welche in neuefter Zeit ber vorzügliı 
Zweig der Baumwollenfabrikation in ©. getsorben find. Die fächfifchen Katt 
zeichnen fih durch fehöne Mufter aus, u. Fonkurriren auf bem Weltmarkte 
hohem Grabe mit englifcher Waare.“ Auf bas Hier Singeführte befchränft 
übrigens bie Wollen: u. Baummollenfabrifation des Landes nicht, fonbern 
werden auch Bobinetts, fehr viele Pofamentierarbeiten, Strumpfivirferman 
Blanelle, Thibets, Merino's u. bergl. gefertiget. Für das Bleichen der Baı 
wollen u. Linnenzeuge befichen große Appreturanftalten. In Seide arbe 
mehre Seidenmebereien, Seidenband» u. Petinetfabrifen. Die Verarbeitung 
Bergprobufte iſt ebenfalls bebeutend u. näßrt viele taufend Familien. Man th 
in ©. Bitriols, Alaun⸗, Arſenik⸗ u. Schwefelmerke, 22 Hochöfen, Draht⸗ 
Blehhämmer, Biechlöffelfabrifen, ein großartiges Refingboet, chemiſche Fabri 
Blaufarbenwerke, Zinnfoltenhämmer, Der gelammte Geldwerih ber von 
Hüttenwerfen erzeugten Produkte betrug im Jahre 1843 bie Summe ! 
2,100,000 Tpalern. Stoffe aus dem Mineralreihe verarbeiten ferner noch 
vielen Töpfereien u. Steingutfabrifen, mehre @lashütten, eine Spiegelfabril, ı 
die berüßmte Porzelanfabrif zu Meißen, bie Altefle Europa’s. Erhebliche Zw 
ber ſaͤchfiſchen Induſtrie find endlich noch bie Bereiting von Wachstuch u, I 
lertuch Bapier, Raus u. Schnupftabat, Rohr» u. Runfelrübenzuder, But 
hölzernen Spielwaaren, Strohgeflechten, muſikaliſchen u. chirurgiſchen Inſtrus 
ten, u. der Maſchinenbau. — Die reiche Probuftivität bes Königreiches ruft a 
einen lebhaften Han dels verkehr hervor, welcher feinen Mittelpumft in Le 
t. Man berechnet, daß auf ben drei Meſſen bafeloft jährlich) gegen 60 9 
haler umgefeßt werden. Diefe Stadt ift zugleich ber Hauptfig des beutit 
Buchhandel. Der auswärtige Handel wirb durch bie Schifffahrt auf der 4 
u. durch bie in die Nachbarflaaten führenden Eiſenbahnen hen gefördert. 
beflehen zur Erleichterung u. Eicherung ber Geichäfte eine Bank, mehre Aiı 
tanzen u. zahlreiche Aitiengeſellſchaften. Gegenkand ber Ausfuhr E.s | 
hauptſaͤchlich die oben genannten Erzeugniſſe feiner Inbuftele, bann rohe Mim 
lien, Sandfteine, Marmor» u. Serpentinwaaren, Obſt (die Borsdorfer Ach 
beren Baterland S., gehen bis nad) Rußland), Schiffbauholz, Leipziger Lerchen 
Eingeführt werden Getreide, Salz, Wein, Eolonialmaaren, Wolle, Baum 
Seide, Flachs, Hanf, Tabaf, Lurusartifel. — ©. hat nähR den Rieberlan 
die dichtefte Bevölkerung unter ben europäifchen Staaten, i über 6000 € 
len auf ber Ouabratmeile leben. Der Rationalität nad find die Einmoh 
Deutſche, doch Haben fi) unter diefen etwa 50,000 Wenden in gefchloffenen 
meinden mit ihrer Sprache, ihren Sitten, Gebraͤuchen umb Gewohnki 
erhalten. Im einzelnen Srtſchaften findet man auch Juden und einige 1 
nige Griechen. Die Zahl der Städte Ses beträgt 141, die der Fleden u. D 
fee 3691. Was Vie tonieftondken Yollıtıe weft, (0 gehört faſt bie ge 


— —— Ve Gb | du mir — — — — 


"ZZ ty m zu Tr gi nn — 


Sachſen. 1055 


Bevölkerung bes Landes ber Iutherifihen Kirche an. Katholiken findet man in 
S. nur wenige u. ihr Berhältniß zu den Broteflanten ift wie 1: 156. Außer⸗ 
dem gibt es Herrenhuter, Reformirte u. Juden. Im neuefler Zeit Haben fidh 
auch einige beutichkatholifche Gemeinden gebildet. Das regierende Haus befennt 
fih zur fatholifchen Religion. Hinfichtlich der geiftigen Kultur nimmt ©, unter 
ben beutfchen Bunbesftanten einen ausgezeichneten Rang cin. 274 Stadt⸗, 1765 
Landſchulen u. 13 Höhere Unterrichtsanftalten forgen zur Borbildung des Gelehr⸗ 
tenftandes, u. an ber Spike biefer Inſtitute fteht die berühmte Leipziger Mniverfis 
tät. Als Lehranftalten für befondere Bildungszwede find zu erwähnen: Die 
Bergakademie in Freiberg , die chirurgiſch⸗mediziniſche Akademie in Dresden, bie 
Korftafabemie zu Tharand, die Milttärbilbungss u. bie techniiche Lehranflalt in Dres⸗ 
ben, die Afabemie der bildenden Künfte eben daſelbſt. Außerdem unterhält das Land 
Schullehrerſeminarien, Handels⸗ u. Gewerbeſchulen u. Baugewerkſchulen, ber vies 
len Privats@rziehungsanftalten gar nicht zu gebenfen, Unter ben wiffenfchaftlichen 
Bereinen ift der vornehmfte die fächfliche Akademie der Wiffenfchaften zu Leipzig. 


Dieſer reihen ſich mehre andere Gefellfhaften an, zur Pflege ber vaterlänbiicyen 


Sprache u. Geſchichtskunde, der Naturforſchung, der Heilkunde, ber Philologie, 
der Siatiſtik, der Landwirihſchaft u, Induſtrie ꝛc. Vorzugliche Hülfsmittel der 
gelehrten Studien find auch bie Bibliotheken u. wiſſenſchaftlichen Sammlungen 
zu Dresden u. Leipzig. In lebtgenannter Stadt ift ber literarifche Verkehr bes 
fonders rege, ba fle neben ber Univerfität auch ben größten Büchermarft Deutichs 
lands befigt. Miffionsvereine find über das ganze Land verbreitet. Die Kunſt 
fördern, außer ber ſchon genannten Akademie der fchönen Künfte, die Kunftvereine 
in Dresden u. Leipzig, bie in allen größeren Städten beftehenden Singafabemien 
und Mufifvereine, ber Bauverein zu Dresden. Diefe Stadt hat auch eine herr⸗ 
liche Bildergalerie u. reihe Sammlungen von Antiten u. Oypsabgüflen. — Die 
Staatsverfaeffung S.8 IR fonflitutionell » monardhifh. Sie beruht auf ber 
mit ben Ständen vereinbarten Berfaflungsurfunde vom A. September 1831. — 
Die Srone ik nach dem Rechte ber Erfigebint erblich im Mannsſtamme ber 
Aldertinifchen Linie des Haufes S. uub geht erft nach bem Ausfterben bie 
fe6 Mannsftammes und nach Erledigung ber in ber Erbverbruͤderung getroffenen 
Beftimmungen auf die weibliche Linie über, Der Lönig wirb mit dem 18. 
Jahre mündig, leiftet beim Antritte dee Regierung den Berfaffungseid, bezieht eine 
Giviltifte von 500,000 Thaler und übt alle Rechte der Staatsgewalt unter ben 
verfaffungsmäßigen Beftimmungen aus, jedoch, ba bie gegenwärtig regierende Fa⸗ 
milie ber katholiſchen Kirche zugethan ift, mit Ausnahme der Kirchengewalt Aber 
die proteſtantiſchen Blaubensgenofien , welche den in Evangelicis beauftragten 
Staatsminiftern zuſteht. Jetziger König iſt Friedrich Auguft, geboren am 18. 
Mai 1797, der präfumtive bronfelger fein Bruder, dee Prinz Johann Nepomuf, 
eboren ben 12. Dezember 1801. Die Berfaffungsurktunde Sachſens fichert allen 
andeseinwohnern Freiheit der Berfon u. Sicherheit des Eigentums, Gewiſſens⸗ 
freiheit, Rechtsſchuß gegen Alte der Staatsgewalt, gleiche Beiziehung zu ben öfs 
fentlihen Abgaben und zum Waffendienſte, fowie gleichen Anſpruch auf alle 
Staatsaͤmter. Die Staatsbiener find verantwortlich, insbeſondere den Ständen 
gegmüber bie Etaatsminifter, bie Berichte in ber Ausübung ihres Amtes von 
Dem Einflufie dee Regierung unabhängig. Die vollen bürgerlichen und politifchen 
Rechte genießen nur die Mitglieder ber Iutherifchen, reformirten, katholifchen und 
griechiſchen Confeſſion. Die Rechte der Ifraeliten find durch gefeplihe Beſtimm⸗ 
ungen in gewiffen Grabe beichränft, bie ber Katholiken infofern, als zu ben bes 
en Klo weber neue errichtet, noch Jeſuiten ober irgend ein anderer 
geiſtlicher Orden jemals im Lande sugelafien werden dürfen. Die Landesvertret- 
ung gejchieht durch die wenigſtens alle drei Jahre einzuberufende, in öffentlichen 
Sihungen und in zwei ſich völlig gleichlehenden Kammern verhandelnde Stände 
verfaunlung. Di ihre Zuflimmung darf fein Geſetz erlaſſen, abgeändert aber 
authentiſch returt werben. Auch zur Gieuererkebung iR Tore Berduinuen 


1056 Sachſen. 


nothwendig; ingleichen übt fie das Recht der Petition, ber Beſchwerde und der 
Berfegung der Minifter in den Anklageſtand aus. Alle das Landeswohl betref- 
fenden Gegenftände kann fie der Berathung unterziehen. Reben der Ständever- 
ſammlung gibt es noch in ben Erblanden Kreisftände, nach ben vier Kreiſen bes 
Königreiches, und in der Oberlaufig Provincialſtaͤnde. Als Glied des beutfchen 
Bundes Hatte S. im Plenum des nunmehr aufgelösten Bundestages 4 Stimmen 
und ftellte zum 9. Armeeforps des Bundeöheeres, die exfte Diviflon besfelben bil- 
bend, ein Gontingent von 12,000 Hann. Wie diefe Verhältniffe fich ferner ges 
füulten werben, liegt noch Hinter dem Schleier der Zukunft verborgen. Es ift im 
egenwärtigen Augenblide überhaupt nicht recht thunlich, von ber Berfaffung dies 
ed oder jenes beutfchen Bunbesftaates und feinen Beziehungen zum Allgemeinen 
viel zu fagen, ba ſich Hier in nädfler Zukunft Manches ganz anders geftalten 
wird und bie eiatnfe ber deutſchen Nationalverfammlung in den Sonbereinricht: 
ungen der deutſchen Staaten ſowohl als auch in ihren Berhältniffen zum Gefammts 
vaterlande weſeniliche Aenderungen herbeiführen dürften. — Die Staatsverwalts 
ung bes Königreiches leiten ſechs Minifterien, naͤmlich das der Juſtiz, ber Finan- 
zen, des Innern, bes Krieges, des Kultus und öffentlichen Unterrichtes und das 
der auswärtigen Angelegenheiten. Die oberfte Staatsbehörde iſt das Gefammts 
minifterium, befteßenb aus den Borftänben der Minifterlaldepartements, welche ben 
Ständen verantwortlich find, Keine Verfügung bes Königs ift gültig ohne bie 
Gegenzeichnung eines bafür verantwortlichen Miniſters. Bei beſonders wichtigen 
Belengebungsfadhen kann der König den Staatsrath zur Berathung verfammeln, 
welcher aus den Miniftern und andern vom Monarchen ernannten orbentlichen 
und außerorbentlicden Mitgliedern zuſammengeſetzt if. Unter dem Gefammtminis 
fterium ftehen unmittelbar bie Obersechnungsfammer und das Hauptflaatsardhiv, 
unter dem Minifterium ber Juſtiz das Oberappellationsgericht zu Dreöben und 
bie vier Bezirfsappellationsgerichte Als Partikularrecht Hat ſich bas königlich 
fähfifhe Recht bebeutendb ausgebildet, Doch gilt, wo biefes nicht ausreicht, 
auch gemeines beutfches, kanoniſches und römifches Recht. Das Gtrafrecht 
wird nad bem Kriminalgeſetzbuche vom 30. Mär; 1838 ausgeübt, Die 
jest überall in Deutfchland fich geltend machende Oeffentlichkeit und Muͤnd⸗ 
lichkeit des Gerichtöverfaßrens wird übrigens auch die Rechts⸗ und Ges 
richtsverfaſſung Sachſens umzugeftalten nicht verfehlen. Dem Finanzminifterium 
iſt die Steuer «» und Zollverwaltung, das Oberbergamt zu Freiberg, 
die Obervoftbirection unb die Lotteriedirection zu Leipzig, dann bie Landrenten⸗ 
banf in Dresden untergeben. In dem Budiet auf 1846 — 1848 iſt die Staats; 
einnahme jährlich zu 5,798,648 Thlr., die Ausgabe zu 5,786,059 Thlr. veran- 
ſchlagt. Die Staatsfchulden betrugen Ende bes Jahres 1844 die Summe von 
22,710,437 Thlr. Zur Tilgung derfelben befteht eine Staatsſchuldentilgungskaſſe 
unter ber Oberaufficht des Finanzminifteriums und ber Leitung eines fändifchen 
Ausſchuſſes. Das Minifterium bes Innern ift die erfle höchſte Inflanz für in- 
nere Berwaltungsfachen, bie zweite wird gebildet durch bie vier Kreiöbirectionen, 
bie unterfle durch die Außern Aemter. Die Gemeindeverhältniffe berufen in ben 
Städten, welchen ein Stadtrath, kontrollirt von Stabtverorbneten, vorfieht, auf 
der allgemeinen Stäbteorbnung vom 2, Feb. 1832, in den nicht mit Gtabdtredhten 
verfehenen DOrtichaften auf der Randgemeindeorbnung vom 7. Nov. 1838, durch 
welche ein Gemeindevorſtand mit Gemeinderaͤthen zur Seite eingeführt if. Die 
Heimathsverhaͤltniſſe find durch das Gefeh vom 26. Nov, 1834 geregelt, welches 
jedem tantsongehörigen feine Heimathsberechtigung ausweist. Die Bolizei wird 
von den Stadträthen und fonftigen Ortsobrigfeiten gehandhabt, mit Ausnahme 
von Dygeden und Leipzig, wo befondere, indeß ebenfalls rabtifär Bolizeibehörben 
befich Auf dem Lande beforgt bie den Lreisdirectionen und Amtshauptmannd:- 
ſcha ergebene Gendarmerie den Auffichtsdienft. Unter dem Miniſterium des 
Innern n ferner die Generalfommiflion für Ablöfungen und ®emeinheitstheis 
lungen, bimBrundverficherungstommiffton und das Generalcommando ſaͤmmtlicher 






Sachſen. 1057 


Kommmmalgarden. Zum Dienſte bei ben letztern iſt in ben Städten von 3000 
Seelen und darüber jeder felbfifländige Einwohner vom 21. bis zum 45. Lebens- 
jaßre verpflichtet. Das Kriegsminifterium verwaltet die Armee durch die Milis 
Der Militäretat des Königreiches beträgt 13,700 Mann, darunter 

eine Abtheilung Garde, A Linienregimenter, eine Halbbrigade Teichter Infanterie, 
ein Garde⸗ und 2 leichte Reiterregimenter,, ein Regiment Artillerie zu Fuß und 
eine Brigade reitender Artillerie, endlich das Smgenieurco 8. Die Bezahlung 
ber Armee iſt gut, ungefähr fo wie in Preußen. Ütärphictig find alle Staats⸗ 
bürger vom 20. Jahre an, doch fehafft das Kriegsminifterium Stellvertreter ges 
gen —— einer Summe von 200 Thlr. Im Ariege findet Stellvertretung 
durch freie Uebereinkunft ſtatt. Die Dienflzeit beträgt Srieden 6 Jahre und 
und 3 Jahre Kriegsreſerve. Während eines Krieges Hat Niemand wegen vollen- 
beter Dianphei 3*— auf Entlaſſung. Die eiige deftung Sachſens ift ber 
—2* enigef ‚ zugleih Staatsgefängniß; Nationalfarbe und Feldzeichen: 
Weiß nd © Ueber das Bundescontingent fiehe oben. — Dem Miniſterium 
bes Kultus und öffentlichen Unterrichts find das evangelifche Lanbesconfiftorium, 
das apoſtoliſche Vicariat mit dem Fatholifchen Gonflftorium und bie Univerfität 
Leipzig unmittelbar untergeben. Das Minifterium ber auswärtigen Angelegen- 
* leitet die Verhaͤltniſſe des Staates mit andern Staaten. Die auf ben 
den Bund fich beziehenden Angelegenheiten aber ftehen unter dem Geſammt⸗ 
miniſterium. Rachdem vor Kurzem bie neu 1 gebibete deutfche Eentralgewalt, wie 
es ganz in ber Ordnung if, für filh ein Minifterlum bes Auswärtigen errichtet 
I und ſich in Zukunft bei den fremden Mächten durch eigene Geſandten reprä- 
fo 





laſſen wird, fo fallen bie Separatmiffionen ber einzelnen Bundesftaaten, — 
fern jelbe nicht auch noch über außerdeutfche Länder gebieten, wie 3. ©. 
eich — natürlich weg, und die Minifterien des Auswärtigen werden In der 
Staatsmaſchine diefer Ränder fortan ein ziemlich überflüffiger Beſtandtheil feyn. 
Neben ben genannten 6 Minifterien hat Sachfen auch noch ein Minifterium bes 
töniglichen Haufes, deſſen Chef aber nicht zu dem verfafiungsmäffigen Geſammt⸗ 
gehört, indem er nur die Angelegenheiten leitet, welche den sönig u. 
feine Familie und das Bermögen des koͤniglichen Haufed betreffen. — Orden 
befiehen in S. drei, ber koͤnigliche Hausorden ber Rautenfrone, ber nur Kürften 
und Hohen Stantsbeamten zu Theil wird, der Militaͤr⸗St. Heinrichsorden in vier 
Klaſſen, weldyer nur im Felde verdient werben fann, und der Civilverdienſtorden 
in 3 Klafien. Eine 4. Klaſſe des Lebtern bilden bie Inhaber ber ‚goldenen und 
fülbernen Eivilverdienftmebaille. — Eingetheilt wird das Königreich gegenwär- 
tig in 4 Kreisdirectionsbezirke, den Dresbner mit 5 Amtshauptmannsichaften u. 
12 Aemtern, den Leipziger mit 3 Amtshauptmannsfchaften und 13 Aemtern, ben 
Zwidauer mit A Amtshauptmannsfchaften und 14 Acmtern, und ben Baugener 
mit 2 Amtshauptmannsichaften und 10 Aemtern. Haupt- und Refidenzfladt ift 
Dresden. — A. Schuhmann und A. Schiffner Bolftändiges Staatô⸗, Poſt⸗ 
md Zeitungslericon von S., Zwidau 1814 — 1833, 18 Bde; W. Schäffer: 
Saͤchſtſche Rationalencyflopäbie, Lpz. 1835—40; Ch. ©. D. Stein: Statiſtiſch⸗ 
eographiiche Beichreibung des Königreiches S., Zittau 1835; A. Schiffner: 
Befehreibunn des Königreiches S., Stuttgart 1840; K. A. Engelhardt: Bas 
terlanböfunde für Schule und Haus im Königreich S., 8. Aufl, von G. Klemm, 
Lpz. 18425 ©. E. Leo: Beichreibung bes Königreihe S., Dresden 1843; 
Bofe: Handbuch ber Geographie, Statiftif und Topographie des Königreichs 
S., 2. Aufl., Dresden 1846. Hiezu noch die Mittheilungen bes ftatiftifchen Ber- 
eins für bas Königreich ©., fortgeſetzt feit 1832, und das alljährlich erfcheinende 
Stantshanbbuch des Königreiches. mD, 
Sadfen. 2) Die preußiſche Provinz 6. Diefe liegt fübweftlich von 
Brandenburg zu beiden Seiten ber Elbe und Saale, und beheht aus ben alts 
preußifchen Landen Magdeburg, Altmark, preußifh Mansfeld, Halberfladt, 
Dueblindurg, Werningerode, Hohenflein, Rorbhaufen, mann, Eichsfeld 


Stealencyclopäbie. VII. 





m 





1058 | Sachſen. 


(ohne Lindau, Gieboldehauſen und Duderſtadt), Erfurt (ohne Schloßrippach, 
mannsborf und Tonndorf) und dem Amte Wandersleben; aus ben von S 
burg eingetaufchten Aemtern Heringen, Kelbra und Bodungen nebR ben 
ten Hainrode und Alleröberg; aus bem ehemals hannöver’idjen Amte Flöpe; 
(ih aus den 1815 vom Königreihe S. unter bem Titel „Herzogtfum Sad 
abgetrennten Lanbestheilen bed vormaligen Kur⸗ ober Wittenberger, Meißner 
Neuſtaͤdter Kreifes mit beinahe dem genen thüring’fchen Kreiſe, ber „ganzen Mi 
u. einem Theile ber Oberlauftg, den Stiftern Raumburg, Zeig und erlebt, 
Fürftentfum Duerfurth, ber Grafſchaft Barby, der Herrſchaft Dorla, ben 
lm an Mansfeld und Henmeberg, — ausgenommen hievon ber Theil bes 3 
nerfreifes und ber Nieberlaufis, der zu Brandenburg, ber Theil ber Nieder⸗ 
ber Oberlaufig, welcher zu Schlefien gefchlagen worben if, bann ber Theil 
Neuſtaͤdter Kreifes und das Amt Tautenburg bes thüring’fchen, bie an Wei 
und das Amt beleben, welches tauſchweiſe an Sonbershaufen abgetreten w 
Die Bränzen find gegen Norden Hannover und Brandenburg , im £ 
Brandenburg und Schlefien, im Süden das Königreihd S. und bie ſachſt 
erzogthuͤmer, und im Weften Kurhefin, Braunfhweig und Ham 
er Ylächeninhalt der Provinz beiträgt 460,5 [J Welten, bie Bevöoͤlle 
1,700,000 Seelen, faft durchaus deutſchen Stammes und plattbeutfcher Mun 
Sie befennen fi} zur proteftantifchen Kirche, mit Ausnahme von 98,000 &: 
lifen und 4,000 Juden. Die Zahl ber Städte bei 18 bie ber übrigen 
fchaften 3020. Der ganze Rorben und Often bes des it eben und en 
theils große Moräfte und Sandgefilbe, theils aber auch herrliches Ackerland. 
füblichen und weſtlichen Gegenden Kegen an und auf dem IThüringerwalbe 
bem Harze, befien Culminationspunft ber 3508' hohe Broden ober BI: 
berg if. Der rauhefle und unergiebigſte Streich ber Provinz if das Ei 
feld, deren fruchtbarfter die goldene Au. Haupifluß iſt die Elbe, bie ſchi 
aus S. kommt und im Norden bie Provinz von Brandenburg trennt. Ihre 
bebeutendften Nebenflüffe find rechts: bie fchwarze Elfter und die Havd, Hi 
die Mulde und die Saale mit ber Unftrut und ber weißen Eifer. Die % 
berührt weftlich die Graͤnze. Lanbfeen gibt es mehre, aber fie find mit Ausn 
bes füßen und bes falziges Sees unweit Eisleben und bes Arendſee 
Norden bed Regierungsbezirkes SR fammtlih klein. Berühmt iR 
Blauenfhe Kanal, weſtlich der Stadt Brandenburg ; vier Meilen lang, 
bindet er auf einem fürzeren Wege bie Elbe mit ber Save. Das Klima if 
im Gebirge rauh, fonft durchaus mild und gefund. In Hinfidht auf Probu 
tät gehört die Provinz zu ben gefegnetfien Rändern bes preußifchen Staates. 
liefert folgende Den ehr viel Getreide, Tabak, Blade, £ 
Hopfen u. Mohnjaamen, ‚ vorzügliche Gartengewaͤchſe, namentlich bei Er 
ne Menge Fiſche, zwiſchen Halle und Leipzig Taufende von Lerchen, Si 
Eifen und viel Kupfer, Kobalt, fchöne Porzellanerde, Steins unb Braunfe 
Torf, Mühl» und Quaderſteine, zu Halle und Dürrenberg unerfchöpflich 
Salz. Auch fehlt es nicht an Holz. Die Vieh, befonders aber bie Schaf 
ift ſehr im Aufihwunge ‘Dabei herrfcht im ganzen Lande große Inbuftrie, 
es nimmt an ber Leinwand⸗, Tuch⸗, Baumwollen-, Leder⸗ u. Metallfabrif: 
fehr lebhaften Antheil. Auch findet man Zuderraffinerien, Tabak», Borze 
und Steingutfabrifen, dann bedeutende Branntweinbrennerein. “Der 2 
deffen Hauptfig Deagbeburg ift, Hat an ben fchiffharen Fluͤſſen und ben Ei 
nen fehr fördernde Berfehrsmitte. Bon wiſſenſchaftlichen Anſtalten befigt 
Land bie Univerfität Halle, ein Predigerſeminar zu Dittenberg ‚, 20 Gym: 
bie Kürftenfchule Pforta, 9 Schullehrerfeminare , Hanbelöfchulen zu Magde 
und Erfurt, eine medizinifch-chirurgifche Lehranftalt u. die Funk» u. Bauge 
ſchule zu Magdeburg, dann mehre wiſſenſchaftliche Vereine. Bon allen ' 
vinzen Preußens ſchickt S. bie meifen, naͤmlich 94 von 4100 pflich 
Linden in die Wientihen Sie Gingetkellt wird bie PBroving in 





Sachfen-Altenburg — Sachfen-Koburg-Botha, "4059 


Regierungöbezirfe Magbebürg, Merfeburg und Erfurt. Die Hauptftabt if 
Magdeburg. mD, 
Sachfen-Altenburg, ift eines der vier fächfifchen Herzogthuͤmer, ober ber 
ſächfiſchen Länder Erneftinifcher Linie, und liegt in zwei Haupttheilen, welche bie 
Reußiſche Herrfchaft Gera fcheibet, zwifchen bem Königreiche Sachſen und dem 
Hürftentfume Weimar. Die Ofthälfte, zu beiden Seiten ber Pleiße, wirb von 
era, der Provinz Sachſen, dem Königreiche Sachfen und dem Reufläbter Kreife 
umgraͤnzt. Die Weftgälfte, zu beiden Seiten ber Saale, flößt an Gera, ben 
Neuftädter Kreis, an das Kürftenthum Saalfeld, an Rudolſtadt, Weimar und bie 
Provinz Sachen. Beide Theile enthalten einen Klächenraum von 24 [] Meilen 
und eine Einwohnerzahl von 128,800, Einestheild von ben letzten Ausläufern 
des Erzgebirges, anderntheild von ben Borbergen bes Thüringerwaldes durch⸗ 
ſtrichen, hat das Land feine beträchtlichen Hochpunkte. Bewäflert wirb es von 
der Pleiße, welche die von Ronneburg herfommende Sprotte aufnimmt, und 
von der Saale, die fih dur) die Orla und Roba verflärkt. Lanbfeen gibt 
es nicht. Die Luft ift allenthalben mild und gefund, und bie Fruchtbarkeit aus⸗ 
gezeichnet. Letzteres gilt Hauptfächlicd von bem öftlichen Theile des Landes, beffen 
ergiebiger Boden ben Aderbau mit ben beften Erfolgen belohnt, inbeß ber weft- 
liche Theil beträchtliche Waldungen und grasreidhe Wiefen enthält. Die Haupt- 
probufte find: Getreide im Heberfluffe, viel Flache, auch Waid, Hanf, Obſt und 
Holz. Bon Mineralien findet man Braunfohlen, Kalk, Borzellanthon, Schiefer ıc. 
Bluͤhend find die Viehzucht und bie Bienenzucht. Die vorzugsweife fogenannten 
Altenburger, mehr als die Hälfte der ganzen Bevölkerung ausmachend, find zwei⸗ 
felsohne wenbifcher Abhımft, reden aber alle die beutfche Sprache. Es herrfcht 
: großer Wohlftand bei diefem regfamen Voͤlkchen, das ſich auch durch Sitte und 
Kleidung von feinen Nachbarn auszeichnet. Der Konfefflon nad gehören, mit 
Ausnahme von 200 Katholiten, alle Einwohner bes Herzogthums, ſowie der Hof, 
zur proteftantifchen Kirche, Jena ift bie den Rändern der Erneftinifchen Linie ge⸗ 
u meinfame Univerfität; außerbem befigt Altenburg für fi noch ein Lyceum, ein 
B Gymnaſtum, ein Schullchrerfeminar , ein abeliges Fräuleinftift, eine Kunſt⸗ ımb 
Handwerkerſchule und mehrere wiſſenſchaftliche Vereine. Die Stuatöform iſt 
- fonftitutionel-monachifh. Die Stände verfammeln ſich alle A Jahre und bilden 
z nur Eine Kammer, Die Landeseinkünfte betragen etwas über 500,000 fl. jaͤhr⸗ 
; lich, die Schulden 14 Millionen. Zum Bunbeöheere, und zwar zu ber erfien Dis 
w viſton des 10. Heerhaufens deſſelben, Kellte Altenburg bisher 982 Mann. Ein⸗ 
q̃ getheilt wird das Land in bie Kreiſe Altenburg und Saale⸗Eiſenberg; bie deg 
w und Reſidenzſtadt iR Altenburg. — Frommelt: Geographie und Statiſtik des 
m Herzoathums Sachſen⸗Altenburg, Leipzig 1841. mD. 
- Sachſen⸗Koburg⸗Gotha, das Herzogthum, liegt in zwei abgefonderten Rüden 
am Thüringerwalbe, beſtehend aus zwei Kürftenthümern, naͤmlich Ko bu tif fuͤd⸗ 
m lich dem Thuͤringerwalde und an Bayern ſtoßend, dann Gotha, noͤrdlich dem 
mi Thüringerwalde zwiſchen Eiſenach und Erfurt. Das Furſtenthum Lichtenberg 
u am linfen Rheinufer, welches ber Herzog von Koburg gemäß ber auf bem Wiener 
wa Kongreſſe ihm zugeficherten Gebietsverg g erhielt, Hat er 1834 an Preußen 
u verfauft. Der Flaͤcheninhalt bes ganzen Staates umfaßt 37,6 [IM., worauf 
wm 145,130 Einwohner leben. Das Fuͤrſtenthum Kohn iſt nur im Norden etwas 
| heral dort fireichen fanft abfallende Zweige bes Thüringerwaldes. Der füb- 
u liche Theil iſt eben und bildet ein herrliches Thal, von ber It bucchfloßen, und 
mi wegen feiner Schönheit und Fruchtbarkeit berühmt (Igrund). Das Fürfientfum 
mu Sotka Hat nur im Norden ebenen Boden, fein üblicher Theil Hingegen Tegt im 
m Thüringerwwalde und enthält ſehr rauhe Gegenden und Hohe Berge, Die bebeu- 
m. tenbfien berfelben find der Inſelsberg (2947), der Schneekopf (3049) 
w unb ber große Beerberg (3064). Sauptfluß im Koburgifhen if bie 3% 
5 welche vom Thüringerwalde herabkommt, nach Bayern und dort in dox Mr 
geht. Gotha wirb vom ber Neſſe, Gera, Werra, KR 


nu gu... 2 — TOT — 


41060 Sachfen-Meiniugen-Bildburghaufen, 


wäflert, Bedeutende Lanbfeen gibt es nirgends. Koburg unb ber Rorden von 
Gotha Haben ein mildes Klima unb es gedeihen bort bie ebleren Obſtſorten; im 
üblichen Theile von Gotha dagegen herrſcht der Hohen Lage wegen eine r 
Luft. Das Land if im Ganzen fruchtbar und befonderd der Ihgrund bringt Ge⸗ 
treide, Obſt und Hopfen in Menge hervor. Dort findet man auüch ſchoͤnes Rind: 
vieh und veredelte Schafe, im Gebirge vieles Wild. Die Walderzeugniffe find 
ergiebig, ber Bergbau it nicht unbebeutend. Man gewinnt Eifen, Stein und 
Brauntohlen, Marmor und feinkörnige Sandfteine Auch an Gelundbrummen fehlt 
es nicht. Die Induſtrie erzeugt Leinen» und Baummwollenwaaren, Pech, j 
Glas und hölzerne Spielmaaren ; auch trifft man Eifenhämmer, Blaufarbenwerke, 
und zu Ernfihalle eine Saline Die Bevölferung ift deutſcher Abkunft und be- 
fennt fi, 3000 Katholiken und 2000 Juden abgerechnet, zum Broteftantismue, 
Für die geiftige Bildung forgen, naͤchſt ber gemeinfchaftlichen Univerfität zu Jena, 
ein Lyceum, zwei Gymnaſien, ein Realgymnaftum, eine Handelsfchule, zwei Schul 
lehrerfeminare und bie altberühmte Salzmann’fche Erziehungs-Anftalt zu Schne⸗ 
pfenthal. Die wifienfchaftlichen und Kunflfammlungen find fehr reichhaltig, fo 
die Bibliothek in Gotha, dann das Kunfl- und Raturalienfabinet, das große Ans 
tifen- und Münzfabinet, bie Gemälbe- und Kupferſtichgallerie ebendafelbfl. Auf dem 
Seeberge bei Botha ift eine mit trefflichen Inſtrumenten ausgeftattete Sternwarte. 
Die Stantöverfaffung ift konſtitutionell⸗monarchiſch, bie Stände find in Einer Sammer 
vereinigt. Die Lanbeseinfünfte betragen 1,100,000 fl., bie Stantsfchulden von Kos 
burg 1,470,460 fl, von Gotha 1,573,000 Thlr. Das Bunbeskontingent bes Ge 
fammtlandes befland bisher aus 1116 Mann, welche zum 10, Heerhaufen geftellt wurs 
ben. Die Eintheilung richtet ſich nach den beiden Hauptbeftanbtheilen bed Staates ; 
Koburg und Gotha, welche wieber in mehrere Aemter zerfallen. Eben fo find Koburg 
u. Gotha die Hauptfläbte u. abwechfelnd auch die Reſtdenz bes 3098. — 
Plaͤnkler: Weberfichtliche Befchreibung bed Herzogtums Sachſen⸗Koburg und 
Gotha, Kob, und Leipz. 1842. mD. 
Sadfen-Peiningen-Bildburghaufen, das Herzogthum, liegt im Süben bes 
Thüringer Waldes und umgibt in der Geftalt eines nach Norden gefehrten Halb» 
mondes das Fürftentfum Koburg, mit Ausnahme einiger abgerifienen Länder: 
theilchen, einen faft durchaus zufammenhängenden Körper bildend. In feiner ganzen 
Sbehnung befteht der Staat aus dem Herzogtfum Meiningen, einem Theile 
bes chemaligen Bürftentfums Hildburghaufen, dem Fürftentfume Saal 
feld, der Grafſchaft Kamburg nebfl einem a bes Amtes Eifenberg, und 
der Herrichaft SKranichfeld. Graͤnznachbarn find im Süden Bayern und Kos 
burg, im Welten Bayern und Weimar⸗Eiſenach, im Norden Kurheſſen, Das 
preußifhe Amt Suhl, SchwarzburgsRubolflabt und Altenburg, im Oſten ber 
Neuftädter Kreis, Neuß und Bayern. Der Flaͤcheninhalt bes Dezogtiums be: 
trägt 45,7 IM., die Bevölkerung 160,515 Seelen. In ber Sübhälfte Hat 
Hildburghaufen ziemlich ebenen und babei fruchtbaren Boben ; ber Norben, von 
dem Thüringerwalde mit feinen vielen Zweigen durchzogen, ift fehr gebirgig. Das 
Thal der Werra gehört zu ben anmuthigften Gegenden Deutichlande. “Der ges 
nannte Fluß, welder auf dem 2760' Hohen “Bleßberge aus vier Duellen ent 
fpringt, fteömt in norbweftlicher Richtung durch das Fuͤrſtenthum Hildburghauſen 
und das Unterland Meiningens Hin, nimmt aber nur unbebeutende Nebenbäche 
auf. Im Saalfeldifchen fließt bie Saale und theilt dieſes Land in zwei Hälften. 
Auch die Ih und Ihlm berühren das Herzogtum. Hie und ba finden ſich Kleine 
natürlihe Seen und fünftliche Teiche. Im Gebirgslande ift die Luft fehr rauh, 
aber geſund; das ſuͤdliche Hildburghaufen und das nörblidhe Saalfeld erfreuen 
fi e8 angenehmen Klima. Unter den Erzeugniſſen find befonders die Berg: 
probufte von Widhtigfeit. Das Land hat großen Reichthum an Eifen und Kupfer 
und zu Salzungen eine nicht unbedeutende Saline Auch gewinnt man Blei, 
Marmor, Dahiäleier, fhöne Borzelan- und Töpfererde, Steinfoßlen. Zu Lies 
benftein ift eine gute Mineralquelle. Die Waldungen Hefern viel Holz, ber 


0. 


Sachſen ⸗ Molmar⸗ Tiſenach. 1061 


eban amen, Flachs und Getreide, lehteres indeß nicht 

eh Dan Eee Et 
e 

— de en Werfätten und Fabriken gehen Eiſenwaaren, 


je: Die Bewohner find germanifchen Stammes mit oberbeutfi 
ehdren, mit Muönahwe son 900 es amd „1500 Juden, ber pros 


as Hergogihum g 
ig ai dm en auperh t e& zwei 
om fien, ang bene * 


— 55* rerſemin ar, eine 


a eine Soma "Dre nictünfe belaufen PA ‚nl 12008 77 A. 

auf 4.300.000 Zum Heere Bundes, und zwar 
fe — 55* —* 1150 Rann. —28 
"Sehen Zehn ar⸗Eifenach, das Großferye thum, 75* he durch 
—— ame —** etrennten Fürft Dun iſenach unb wi Pe 
es bitbet den m get des Staates und IR, Ansnahme bes Amtes 
Heim ober Seide, anjet. Das Fürkenifum Weimar 
egen liegt In fün — Biete Mn das Hauptland mit ber Stadt 
Ir, be-Reuf Beer in 8, füb Bi, bas Amt Simenan, fühwerfich, 
bie Aemter a und Oldisleben nörblih von Weimar. Das Ges 
atland iR von der —* Provinz Sachſen, Bang 


NE 


ans —— Bags, 1 4 8. Da Gttereßerg Wi 
and, er au e Fa - er Sen 


mar (1260). Der R 
voigtlaͤndiſchen —33 aus, Das Amt — liegt mitten im Thüringer 
de, welcher Hier in dem Gickelh ahn, einer wilden Porphyrmaſſe (2700), 
inem feiner Höchften Punkte fich erhebt, Das Füurſtenthum Eiſenach ift im 
ben vom a a — im * vom Rhoͤngebirge durchzogen, und mit 
Amte Allſtedt ſtrei ergogtfirm um fi HH an bie fühlichen augen 
—* Er Samt Kae Rod Fa eimariſchen die Saale mit ber Ilm, 
en bie Werra mit der Ul ſter und Oielel, Den — 
Bi hi met ne Fila ar gibt es nicht, Die Luft ift rein 
im Debiege dercl firenger und anbguernber Winter. Der Boben —*— t 
gemößnlichen uote ittelbentfigl dervor. Der Aderbau gibt uͤbri⸗ 
3, mit Ausnahme bes in ber — Nee am Amtes Allſtedt, mur 


— 









li 








n fehr mäßigen Ertrag. Ausreichend iſt ‚ namentlich in ben 
herrlichen enwaldun en ne am — * meiden. Weitere 
desprodukte Obſt, F zeiyrdt, ‚Bilde eh, verebelte 
afe, und von —8 din, © ohlen, ta Da Io eier. 


neralquellen finden ſich zu Berka, — und —— Die In 
ftigt fich mit Ber tigtng von Eifens und Meſſerſ miebwanten, —7— 
en, Tuch⸗ und Wollzeugen, Leinwand, gewirkten Surtwpfen ꝛc. Die Eins 
ter find —E tammes und deutſcher Zunge, und in ſonge 
kdung Bro nten, ausgenommen 10,200 Katholiken und 1500 
—E iſt Dur zahlreiche und gut — Schulen —X e⸗ 
ng An der Spitze ber Bildungsanftalten Reh e ben Ir den Bi 
emeinfame Univerfität zu Sena; ferner 5 Land zwei Gymnaften, 
| St ullehrerfeminare, eine Forſtlehranſtalt, en —S mehrere * 
uͤcherſammlungen. Die Hauptſtadt Weimar war zu Anfang unſeres 
deris bekanntlich der V gun —* der — *— Deutſch⸗ 
Hier glaͤnzten Goͤthe, Schiller, und Wieland, und neben ihnen 


1062 Sachſen. 


manche Dii minorum gentium. Ingleichen war dazumal das Weimarer Hof; 
theater die Hochichule der beutfchen Schaufpiellunft. Die —— des Groß 
Aeraogthumd ift konſtitutionell⸗ monarchiſch; die Landſtaͤnde bilden e Sammer. 
ie Staatseinfünfte berechnen filh auf 2,573,720 fl., die Schulden auf 7,500,000 fi. 
Zur Refervedivifion bes deutſchen Bundesheeres ftellte Weimar bis jegt 2010 Mann. mD. 
Sachſen (Geſchichte des alten Volkes ber S.). Das germaniſche 
Volk der S. ſoll ſeinen Namen von der meſſerförmigen Steinwaffe bekommen 
haben, welche feine ſtreitbaren Männer zu führen pflegten. Später war dieſe 
Benennung die Bezeichnung eines Völferbundes, wie die Kamen Alemannen, 
Sueven u. a. Tacitus Eennt bie S. noch nicht, u. erſt Ptolemäus 
ihrer. Nah ihm u. dem Marcianus Heracleota wohnten fie urfprünglich auf 
der cimbrifchen Halbinfel, zwifchen ber Elbe u. Eider, u. auf ben norbfriefifchen 
Infeln. Als Bölferbund erfcheinen bie ©. zu Ende bes 3. Jahrhunderts. Es 
hatten ſich mit ihnen bie gefchichtlich berühmten Cherusker, bie —I5 Si⸗ 
gambrer, ein großer Theil der Chauken u. noch viele andere Boltöftlämme ver; 
einiget, u. die Graͤnzen biefes Bunbesftaates erfiredten fi) von ber @iber und 
Norbfee bis zum Harze, von ben riefen bis zu ben Heflen, von ber Elbe mb . 
über die Elbe bis an den Unterrhein. Die Sitten ber S. wichen von benen ber 
Deutfhen im Allgemeinen, wie fie Zacitus fchildert, wenig ab, ihre Sprache 
war bie Nieberbeutfche. Noch vor Ablauf des 3. Jahrhunderts machten fie fi 
durch Raubzüge zur See gegen bie britannifchen u. galliichen Kuͤſten gefürchtet. 
Auh zu Rande unternaßmen fie mehrfach Einfälle in das römifche Gebiet, 
namentlich unter Julian, welcher fie nebft den Franken als das freitbarfte Bolt 
Germaniens rühmt, u. unter Balentinian, von dem fie 373 bei Deus geſchlagen 
wurden. Um 450 febten fie fi unter Hengift u. Horfa in dem von ben Römern 
verlafienen Britannien feft u. begründeten dort unter dem Namen Angel» S. für 
lange Zeit bie LEER Herige . Zum Unterfchiede von diefem Auswanberern 
wurden bie in Deutſchland zurüdgebliebenen ©. fortan Alt⸗S. genannt. Lebtere 
fochten im Jahre 453 bei Ehalond mit ben Römern gegen Attila u. hinderten 
das weitere Borbringen feiner Raubhorden gegen MWeften. Mit ben Franken 
verbunden, zerftörten fie 531 das Reich der Thüringer, bald aber wurben fie 
felbft, wenigftens zum Theil, jenen zinsbar, u, erhielten erſt unter ben made 
merowingiſchen Königen ihre volle Freiheit wieder. Im Jahre 568 fchloffen fich 
ſächfiſche Heerfchaaren ben Longobarben unter Alboin auf bem Zuge deffelben 
nad Italien an, wo fle aber nur bis 573 blieben, da es ihnen nicht gefiel, dort 
nach longobardiſchem Rechte leben zu follen. Inzwiſchen Hatten bie Franken die 
von den ©. verlafienen Länder an der Saale u. Bode mit Nordſchwaben bevöl- 
fert, u. als jene wieder von ihrer KT Befig nehmen wollten, wurben fie 
von den Schwaben geichlagen u. größtentheils aufgerieben, Mit dem Anfange 
bes 8. Jahrhunderts treten bie S. in vier großen Abtheilungen, zu denen fid 
bie einzelnen Gaue verbumden Hatten, auf. Im Often unter dem Namen Oft: 
—5 — im Weſten als Weſtphalen, zwiſchen beiden bie Engern u. Rordleute 
(Nordalbinger). Das Volk war ſtreng in Stände geſchieden, naͤmlich in Eds 
linge, Freilinge, Laſſen (Freigelaſſene) u. Leibeigene. Der Herzog war nichts 
weiter als ber Heerführer, welcher bei beginnendem Kriege durch das Loos ge 
wählt wurde. Mit dem Frieden trat die frühere Gleichheit Aller wieder ein. 
Aujährlih wurde zu Madlo an der Wefer eine Bolföverfaumlung gehalten, 
welche bie einzelnen Gaue burdy Abgeordnete befchidten. Städte hatten die alten 
- S. nit, wohl aber einige Burgen, wie 3. B. Eresburg, Brunesburg, Skrido⸗ 
burg, Hochfeeburg, Juburg. Nachdem ſchon Karl Martel u. feine Radfolger 
mehrmal gegen bie ©. zu Felde gezogen waren, eröffnete Karl der Große, bes 
ſtimmt durch ihre wiederholten geile auf das Frankenreich, 772 jenen lang- 
wierigen Kampf, welcher fih im Wechfel zwifchen Krieg u. Frieden über dreißig 
Jahre hinzog, u. ala endliches Reſultat die vollfländige Unterwerfung der ©. u. 
ihre Belehrung zum Chriftenthume herbeifuͤhrte. (Das Nähere hieruͤber unter 


Sachſen. 1063 


dem Artikel „SSachſenkriege“). Unter Karl's Nachfolgern auf dem Kaiſer⸗ 
er zerfiel das Land, indem fich barin immer mehr einzelne Hobeiten bildeten 
(.Sahfen, Weſtphalen, Braunfhweig, Hannover, Lippe, Anhaltıc.) 
u. bie ſaͤchſtſche Geſchichte ift fortan weniger Volks⸗ ald Dynaſtengeſchichte. mD. 

fen (Geſchichte des alten S.s als Herzogthum u. Surfür- 
ſtenthum). Unter Ludwig bem Deutfchen Hatte S, fehr viel.von den Einfällen 
der Rormannen zu leiden, u. um zue Abwehr derſelben Einheit u. Kraft in die 
Regierung zu bringen, fehte ber Fön um 850 in der Berfon des Grafen Lu⸗ 
dolph, welcher insgemein für einen Abkommling Wittefinb’8 gehalten wirb, bem 
Lande einen Herzog vor, So entftand das alte Volksherzo um S. Ludolph’s 
Sohn u. Rachfolger Bruno fiel 880 in einer großen Schlacht gegen bie Nors 
mannen, u. nach ihm warb fein jüngerer Bruder, Otto der Erlauchte, einer ber 
mächtigen u. angeſehenſten Yürften feiner Zeit, mit dem Herzogthume belichen. 
Er brachte Thüringen an ©,, u. wurde nach dem Tode bes letzten Karolingers 
ſowohl feinen perfönlichen Tugenden, als bes Glanzes feines Hauſes wegen, zum 
Dberhaupte bes beutfchen Reiches auserfehen, verweigerte aber in Betracht feines 
Hohen Alters die Annahme ber Krone. Ihm folgte Heinrich J., zugenannt ber 
Bogler, u. mit dieſem, welcher 919 zum beutichen Throne berufen ward, begann 
bie Reihe der dem größten Theile nach bortvefiihen Könige ſaͤchſtſchen Stammes, 
deren Herrichaft bis zu dem “Jahre 1024 fortdauerte — Otto I., ober der Große, 
Dtto IL, Otto II, u. Heinrich IL, der Heilige. Das Herzogthum behielt Hein- 
rich L an fi, aber Otto I. vergab es um 960 an den tapfern Heerführer ber 
©., Hermann Billung, welcher einen fchwierigen Stand gegen die Slaven hatte, 
Sein Haus Hatte S. bis zum Jahre 1106 inne (Bernhard J., Bernhard IL, 
Bernhard II., Orbulf), bis es mit dem Herzoge Magnus im Mannöftamme er- 
loſch, unter welchem bie ©. ſich gegen Kaiſer Heinrich IV. erhoben, als biefer 
fie Inechten wollte Dem lepten Bi g folgte in ber Herzogswürbe Lothar, 
Graf von Suplinburg u. Querfurt, weldher, als er 1125 zum Kaifer erhoben 
wurde, feinen Tochtermann, Heinrich den Stolzen, ben welfiſchen Herzog von 
Bayern, mit ©. belehnte. Als diefer nach Lothar's Tode von Kaiſer Konrad II. 
1133 geächtet u. feiner beiden Herzogthuͤmer entfegt worden war, erhielt Mark: 
graf Albrecht der Bär S. Indeß brachten ed nad Heinrich's im Jahre 1139 
erfolgten Tode mächtige Verwendungen dahin, daß dem einzigen, damals zehn⸗ 
jäßrigen Sohne des Berftorbenen, Heinrich dem Löwen, das fächfifhe Herzog- 
thum übertragen wurde, Um Albrecht den Bären zu entihädigen, warb Die 
KRordmarf u, ein Theil ber Oſtmark als Markgrafichaft Brandenburg von ©. 
abgetrennt w. biefem als beſonderes Reichslehen zugetheilt. Heinrich der Löwe, 
feit 1156 auch Herzog von Bayern, führte ftegreiche Kriege gegen die Slaven 
an ber Öftfee u. erweiterte bie Graͤnzen S.s bis an bie Ober, auch befefligte er 
bie Herzogsgewalt gegen bie weltlichen u. geiftlichen Großen des Landes. Die 
befannten Zerwürfniffe mit Friedrich dem Rothbart aber führten feinen Sturz Herbei. 
Der beleibigte Kaifer fprach bie Acht über ihn aus, u. vertheilte feine Lehen unter 
andere Fürften. Bayern erhielt der Pfalzgraf Otto von Wittelsbach, Graf Bernhard 
von Askanien S,, der Erzbifchof von Köln Engern u. Weftphalen als Herzogthum 
Veſwphalen; außerdem befumen auch die übrigenGroßen, wie z. B. die ifchöte von 
Bremen, Minden, Münfter, Osnabrüd, Paderborn, Verden, u. die Grafen von 
Altona, Arnsberg, Kippe, Oldenburg, Schaumburg u. Tedtenburg einzelne Theile 
bes Landes, in welchem fie ohmebies ſchon bedeutenden Befit hatten. Das bis- 
her von ©, abhängige Pommern wurde 1181 zum Herzogthume erhoben u. ba- 
durch in nähere unmittelbare Berbindung mit bem Reiche gebradit, die Han- 
belsftabt Kübel 1182 zur Reichsſtadt erflärt. Dem alten Löwen blieben nur Die 
von ben Häufern Nordheim, Suplinburg u. Billung herftammenden Familienerb⸗ 
güter in Oſtphalen u. Engern, aus weldyen 1235 das Herzogthum Braunfchweig 
begründet wurde. Der neue Herzog von S. war übrigens kaum befier daran, 
indem mit den abgetrennten Parcellen auch die Landeshoheit, bie vormals ber 





1064 Sachſen. 


Botmaͤßigkeit des Landesherzogs untergeben geweſen war, an andere Für 
überging. Er beſaß außer feinen aslanſſchen rögütern mit ber nunmehr zieml 
Ieeren Würde bes Herzogthums ©. faſt nichts, als bas Eleine Land, welches fi 
Bater Albrecht der Bär um Wittenberg ben Wenden abgenommen hatte, zu b 
er noch Sauenburg erwarb. Nach Bernhard's Tode (1211) folgte deſſen jünge 
Sohn Albrecht l. in dem Herzogthume ©., ber ältere, Heinrich, in ben — 
Erblanden; von dieſem flammen bie noch jetzt lebenden drei Linien bes Anhai 
fen Haufes ab. Bernhard's Enkel, Johann u. Albrecht I. theilten 1260 ' 
baß erfterer S.⸗Lauenburg, das einzige Gebiet im alten S.⸗Lande, bem ber Raı 
©, verblieb, ber andere S.⸗Wittenberg erhielt. Die herzogliche Gewalt at 
übten fie gemeinſam. Unter Albrecht's Sohn, Rubolph L, wurbe durch bie gı 
bene Bulle dem Haufe Wittenberg bie Kurſtimme für ©. zugefprochen. Der 
nannte ift auch der erfte fächfiiche Herzog, welcher in feinen Urkunden ben 
Erzmarſchall des Heil. Reiches führt. Rudolph IL bediente ſich zuerſt bes Tin 
Kurfürft (Princeps Elector) in einer Urkunde von 1370. Rach ihm regiert 
Wenzel, Rubolph II u. Albrecht II., mit welchem 1422 bie wittenbergifi 
Kinte des asfaniich-fächfifchen Haufes ausſtarb. Kaiſer Sigmund betrachtete u 
Umgehung bes fachfen-lauenburgifcden Haufes bie durch biefen Tobesfall_erfedigt 
Länder als Heimgefallene Reichslehen u. ertheilte bas Gergogthum ©. mit! 
ſachſiſchen Kurwürde u. den Surlanden dem Markgrafen von Meigen, riebri 
dem Streitbaren, feiner trefflichen Cigenſchaften u. feiner getreuen Dienfte | 
Huffitenfriege wegen, wie es im Lehendriefe vom 6. Jan. 1423 heißt. mD. 
Sadfen. (Gefch ichte bes jegigen ©.6, und bes zegierenben koͤniglich 
großfesoglicen und herzoglichen Haufe). 1) Das Surfürkenthum, m 
önigreih S. Im Bolge der Verleihung ber fächfiihen Surmwürbe an b 
Markgrafen Friedrich den Streitbaren aus bem Haufe Wettin ging ber Raı 
©. alimaͤhlich an ganz andere Territorien über, welche nie ober doch nur a 
kleinſten Theile im Umfange bes alten und eigentlichen S.-Landes gelegen warı 
Die Landftriche, aus melden nunmehr dieſes neuere ©. beftand, wurden im ef 
Jahrhunderte n. Ehr. von den Hermunduren bewohnt, ben Stammväten I 
fpätern Thüringer, die zwifhen be, Main, Harz und Donau ein mächtig 
Reich gründeten. Als diefes zu Anfang bes 6. Jahrhunderts von ben Franken 
Sachfen zerftört worden war, ſetzte fi der ſlaviſche Stamm ber Gorben an | 
Elbe, Mulde und Saale fe. Das weitere Vorbringen berfelben zu verkinde 
Tenten ſchon bie Karolinger Gränzmarfen gegen fie an. Kaifer ich L, 1 
gleich Herzog von S., Friegte mit glüdlichem Erfolge mit ben Sorben und gri 
bete auf bem ihnen entrifienen Gebiete 928 das Markgrafenthum Meißen. I 
Marfgrafenwürbe bafelbft befleideten nad) einander Spröhlinge verfchiebener Dun 
ſtengeſchlechter, bis fie 1090 an das Haus Wettin fam. Der Urfprung bie 
erlauchten Familie verliert fi in ben früßeften Zeiten. Die Altern Beneniog 
laffen_fie von Wittefind Herfommen, obwohl bie beglaubigte Abſtammung nur 
auf Theodorich ober Dietrich, welcher unter Dtto I. lebte, zurüdgeführt wert 
Tann. Graf Konrad von Wettin, Verwandter ber Gemahlin Lothar’s., gelanı 
1123 zum erblichen Befige ber Marfgrafichaft Meißen, und wurde vom Kai 
1136 mit ber Niederlaufig ober ber öflichen Mark u, 1143 mit Rochlig beich 
Bei feiner freiwilligen Abdankung im Jahre 1156 tHeilte er das Land unter fei 
fünf Sößne; doch erlofehen bie von biefen gefifteen Seitenlinien bald wieb 
und ihre Länder fielen an bie Stammlinie in Meißen zurüd. Dort regierten nı 
einander Dtto ber Reiche (1156 — 1190), unter welchem bie Gilbergruben | 
Freiberg entdeckt wurden, der Handelszig durch das Oſterland einen lebhafi 
Auffhwung nahm und Die Leipziger Mefien begannen, dann Albrecht ber Eto 
(1190—1195) und Dietrich der Bebrängte (1195 — 1221). Ledhterer vermäh 
ſich mit Judith, Tochter des Landgrafen Hermann von Thüringen, wodurch 
unter feinem Sohne Heinrich dem Erlauchten 1263 erfolgte Bereinigung ber Landarı 
ſchaft Thüringen wit den Meiner Yantıen wurhereitet wurde. rüber ſchon (124 


Sachen. 1065 


hatte Heinrih das Pleißnerland von Kaffee Friedrich IL. unterpfänblih erlangt, 
aber noch vor feinem Tode (1288) fhwächte er bie in foldyer Weife groß heran⸗ 
gewachſene Macht feines Haufes wieder durch Thellungen. Bon feinen drei Sößs 
nen übergab cr dem Alteften, Albrecht bem Anartigen, bie Landgrafſchaft Thüringen, 
Dem zweitgebornen, Dietrich, das Ofterland mit Leipzig, u. bem jüngften, Friedrich, 
Dersden mit den umliegenden Gebieten. Die Strafe biefer ımpolitifchen Zerfplit- 
terung war, baß unter ben Brüdern heftige Streitigkeiten entbrannten, welche, fich 
in ben langjäßrigen blutigen Fehden zwiſchen Albrecht dem Unartigen und feinen 
Söhnen Friedrih mit der gebiffenen Wange und Diezmann fortfegten, dad Haus 
Wettin nahezu an den Rand bed Berberbens bringend. Nach ſchweren Kämpfen 
elangte Friedrich ber Gebiſſene 1308 endlich zum ruhigen Befite Meißens und 
ngene. Ihm folgte 1324 fein Sohn Friedrich der Ernfthafte, welcher bie 
raubfüdhtigen Herren von Treffurt zuͤchtigte und überhaupt ben Lanbfrieben wit 
Kraft aufrecht erhielt. Er flarb 1349 u, feine drei Söhne, Friedrich der Strenge, 
welcher mit feiner Hausfrau Katharina von Henneberg bie Pflege Koburg in 
Franken erheirathete, Balthafar, ber in ähnlicher Weile das fränfifcdye Amt Hild- 
burghaufen erwarb, und Wilhelm regierten gemeinfchaftlidh bi zu dem im Jahre 
1381 erfolgten Tode des Erſteren. Nun Tam es zu einer gänzlichen Theilung, 
bei welcher ben Söhnen Friedrich's bas Oſterland, Balthafar Thüringen und 
Wilgelm bie Martgrafihaft Meißen zufiel. Im ber ofterlänbifchen Linie regierten 
Friedrich ber Streitbare und fein Bruber Wilhelm anfänglich gemeinfam, erbten 
nach bem Tode ihres Oheims Wilhelm 1407 die Hälfte der Markgrafichaft Meißen 
und ftifteten 1409 die Mniverfität zu Leipzig; bald darnach aber ließen audh fie 
ſich von dem verberblichen Thellungsfchwindel jeher Zeit Hinreißen und zerftüdten 
ife Beſtzthum. Dem Kaiſer Sigmund ftanden fie in feinen Kriegen gegen bie 
ten mit aller Macht bei, und bieß war bie Beranlaßung, baß jener nad) 

dem Erloſchen der Wittenbergifchen Linie bes Haufes Askanien Friebr ich den 
Streitbaren allen Mitwerbern um die Surwürbe und das Herzogtfum ©. 
og. Dem Genannten folgte in ber Kurmwürbe fein Sohn Friedrich ber 
Sanftmüthige (1423—64), unter weldyem 1440 mit dem Landgrafen Friedrich 
dem Wriedfertigen bie thüringifche Linie ausftarb und ihre Gebiet an Sachen 
ed. Es kam nun zu einer Thellung, in welcher ded Kurfürften Bruder, 
Wilhelm, Thüringen und bie fräntifchen Beflgungen erhielt. Aber durch feis 
nen Rath Apel von Vitzthum aufgereizt, glaubte dieſer fich verfürzt und es 
brach 1445 ein verheerender Bruberfrieg aus, welcher erft 1451 durch ben Ber: 
gli von Naumburg beendigt wurde. Der Ritter Kunz von Kaufungen, ber 
dem Kurfürften in biefer Fehde treue Dienfte geleiftet Hatte, büßte durch den Fries 
densfchluß einige feiner Güter ein und drang vergeblich auf Wichererfat. Dieß 
war die Beranlaffung zu bem befannten Prinzenraub, indem Kunz, um .ben Kur⸗ 
fürften zur Entfhäbigung zu zwingen, beffen beiden Söhne, Ernft und Albrecht, 
in ber Nacht vom 8. auf den 9. Juli 1455 aus dem Schloffe zu Altenburg ent- 
führte, Die fürftlichen Kinder wurden jedoch bald wieder befreit, u. Kunz büßte 
feinen Frevel auf der Blutbühne, Friedrich flarb 1464, und feinem Willen ges 
maͤß regierten die Söhne Anfangs gemeinfchaftlich, doch fo, daß der ältere, Ernfl, 
die Kurwürde und bas Herzogthum S. allein verwaltete. Nach ber Hand aber 
traten Mißnelligkeiten ein, und es kam am 26. Auguft 1485 in Leipzig zu einer 
Theilung ber gefammten Familienlaͤnder. Ernft erhielt Thüringen, Albrecht Meißen, 
das DOfterland mit feinen Anhängfeln wurde zwilchen beiden zerfplittert, die Sil⸗ 
bergruben des Erzgebirged jedoch blieben, wie bei allen früheren Theilungen, im 
gemeinfamen Genuſſe. So bildeten ſich die oe u. die Albertinifche Linie, 
unb feit biefer Zeit find die Befitzungen bes Haufes Wettin nie wider in einer 
gan vereinigt worden. Die Kurmwürbe blieb bei ber Erneſtiniſchen Linie unter 
riedrih dem Weifen (dem Stifter der Univerfität Wittenberg u. Beſchuͤtzer 
Luthers, 1486— 1525), Johann dem Befländigen (1525—32), bis Johann 
Friedrich der Großmuͤthige, welcher, in ben fchmalkaldifchen Bunbesfrieg 





1066 Sachſen. 


verwidelt, am 24. April 1547 bei Muͤhlberg von bem Karla V. geſchl 
wurbe unb in bes Kaiſers Setangenfhaft fiel, felbe in Folge ber Kapitula 
von Wittenberg an den Herzog ot Albertinifcher Linie bem betr 
lichften Theile ber Befigungen des ſaͤchſiſch⸗Erneſtiniſchen Haufes abtreten 
Die Albertiniſche Linte, geftiftet von — Albrecht, war nach bem Tobe 
felben (1500) von feinem Alteften Sohne, Georg bem Bärtigen, einem 
Wirthſchafter und eifrigen Anhänger ber alten Kirche, eſeht worben, 
biefer 1539 finderlo farb, von bem Bruder besfelben, Heinrich 
(1539—41), welchen feine Gemahlin, Kunigunde von Medienburg , 
thume zugewenbet hatte, fo baß er bie Ausbreitung ber neuen Lehre 
Kräften förderte. Sein Sohn und Radfe er Morig, obwohl ber 
eben fo entſchieden zugetfan, ſchlug fich doch tm Pelde ber Politik 
bes Kaifers und leiftete biejem Beiftand gegen bie Türken, auf ben 
Ghampagn: unb wider ben ſchmalkaldiſchen Bund, und errang 
oben erzählt if, 1547 die fächftiche Kur. Kaum aber war ex im 
Würde, fo wendete er ſich gegen ben Kaiſer, bem er inegeheim geollte, 
feinen Schwiegervater (ben Landgrafen Philipp von Hefien) fortwäßrend gefan 
hielt, nnd nötdigte ihn durch einen unverjehenen Einfall in L zum Fir 
Bertrage von 1552, in Folge beffen Karl ben Pro en freie Religionsüb: 
zugeftchen und ben Sandgrafen losgeben mußte. orig Farb and 
unbe, bie er in ber Schlacht bei Eieverapaufen gegen den Markgrafen Albr 
von Brandenburg Zulmbach erhalten hatte, und Ihm folgte in der Kur und 
ben erworbenen Yandern fein Bruder uguf (1553—86), welcher dem Emi 
niſchen Haufe S Atmung und’ einige andere Befigungen überließ, dagegen 
bie fäkularifirten Stifter Meißen, merfebung und RaumburgsZeig, das 
diſche und andere Gehiete erwarb, und fo den Umfang feines Gtantes anie 
erweiterte. 1567 vollzog er im Auftrage bes Kaiſers als Kreisoberſter geom 
Herzog Johann Friebrih den Mittlern von Gotha bie Reichsacht, we 
diefer wegen ber Grumbach'ſchen Händel gefallen war, und erhielt zur GEntfe 
Hgung für bie Sriegefofen abermals mehrere Sebietstheile. Unter ihm Hob 
ber Wohlftand wie bie geiflige Bildung bes fächflichen Volkes zuſehens. 
Soßn, Chriſt i an J., ftand während einer lurzen Regierung (1586—91) ın 
dem Einfluffe bes Kanzlers Creli und Hinterließ bei feinem Tode zwei mini 
jährige Prinzen, Chriftian Il. und Johann Georg, bie nach einm 
Rurfächen wurden. Für Chriſtian I. (1591 — 1611) führte bie vorm 
f&aftlipe Regierung anfänglich der „Herzog Friedtich Wilhelm von Leim 
welcher, bem Lutherthume eifrig zugethan, den Kanzler Erell, von bem ber ( 
vinismus begün) ige! worben war, prozeffiren unb nach zehnjähriger Haft ı 
haupten ließ. Ghriftians Bruder und Nachfolger, Johann Georg 1. (1611 
ſchlug die ihm von den böfmifchen Ständen angetragene Krone aus und r 
auch dem Kurfürften Friedrich V. von ber Pfalz ab, fie anzunehmen. Ex un 
warf dem Kaiſer Ferdinand U. mit dem werte Schleften und bie beiben Lau 
und erhielt letztere 1623 für bie Eriegskoſten unterpfänblih überlaffen. Das ! 
ftitutiongebift von 1629 aber, nad) welchem alle feit bem Paſſauer Bertrage ı 
gezogenen geiſtlichen Stifter in Sachſen, alfo Meißen, Merfeburg u. Raumbı 
wieber hergeftelit werben follten, ferner bie Weigerung bed ſers, den ©: 
des Kurfürften, Auguf, als Adminiftrator bes Erzbisthums egbebur anyı 
fennen, flörte das gute Bernehmen zwiſchen Beiden. Johann Georg ſchloß 
1631 dem Könige Guſtav Adelf an und half den Schweden bie Siege bei ® 
tenfeld und Lügen erfechten. Mit dem Kanzler Orenftierna, welcher nad € 
flav’s Tode das Direktorium ber proteftantifchen Stände nicht an ©. zurüdge 
wollte, ernftlich zerfallen, wendete fidh ber Kurfürft wieder auf bie Seite des 4 
fers und floh mit biefem 1635 ben Prager Frieden, welchem gemäß er bie | 
ben Laufig erb⸗ u. eigenthümlicy erhielt, und Prinz Auguft im Gerafie bes 4 
fifted Magteburg auf Xebenaget heafien wurte, Für das Land Hatte bi 


3 
I 
sr efa 


(Er 


226.7.) 


8 


Sachſen. 1067 


Traktat die ſchliumſten Folgen, benn bie Schweden, um Rache zu nehmen, ver 
Beerten es auf das Grauenvollfte, fo daß es am Ende bes breißigjährigen Fries 
ed ben Verluſt von einer Million Menſchen und durch Kontributionen, Plüns 
gen und Zerflörungen einen Schaden von 100 Millionen Thlrn. zu Degen 
atte. Der weftphälifche Friede bildet gleichfam ben Wendepunft ber alten Größe 
8, denn feit der Zeit Hat ber Kurftaat Feine weitere Bermehrung feines Laͤnder⸗ 
beftanbes erhalten, und fein politifcher Einfluß in Deutſchland wurbe durch bie 
wachſende Macht Brandenburgs überflügelt. Johann Georg fchwächte überdies 
feine Hausmacht burch bie Stiftung von brei Seitenlinien, welche aber zum @lüde 
bald wieder erloſchen — Zeih im Ri 1718, Merfeburg 1738 und Weißenfels 
1746. Im Kurflaate regierten Johann Georg U. (165680), Johann 
®eorg Il. (1680-91) und Johann Georg W. (1691— 94), ohne daß in 
ber Zeit beionders wichtige Ereigniſſe vorgefallen wären. Dem Dep mannien 
folgte fein nachgeborner Bruber Friedrich Auguft I, der Starte (16 1733). 
Derjelbe bewarb fi) um die Krone von Bolen, trat deswegen zum Katholicismus 
über und wurbe den 17. Juni 1697 unter bem Namen Auguft IL. auch wirklich 
zum Könige jened Landes gewählt. Kur⸗S. Hatte aber wenig Nutzen von bem 
Glanze, welcher damit dem Fürftenhaufe zuging, benn Auguſt opferte feinem Ehr⸗ 
per viele Millionen und verwidelte buch eine neue Stellung das Land über» 
ies in ben norbifchen Krieg, welcher ben König Karl XI. von Schweden als 
Gieger nad) Sachſen führte, wo biefer während feines einjährigen Aufenthaltes 
233 Millionen Thlr. erpreßte und fein Heer durch mehre taufend Eingeborne vers 
ſtaͤrkte. Auguſt's Prachtliebe belebte zwar bie fchönen Künfte und ben Kunſtſtun, 
Kürzte jedoch das Land in große Schulden. Unter Friedrich Auguft I, (1733 
— 63), als König von Polen YAuguft IL, wurde Deutfchland nach einander von 
dem öfterreichifchen Gebfolgetrisge, benz fchlefifhen Kriege und dem fiebenjährigen 
Kriege beunruhiget. In legterem namentlich) war ©., welches mit Oeſterreich ges 
gen Preußen ftand, faft ununterbrochen bee Hauptſchauplatz der Operationen und 
wurde von Freund und Feind gleich m barmhergig ausgefogen und verwüſtet. 
Sein Schaden durch Kriegsſteuer und Lieferungen betrug 70 Millionen Thaler. 
Dazu kam noch die heillofe Wirthfchaft des Miniftere Grafen von Brühl, deſſen 
Verſchwendung und verkehrte Politit dem Lande tiefe Wunden ſchlug. Die Beil 
ung berfelben leitete ber wurdige Kurfuͤrft Friedrich Chriſtian ein, welcher 
aber nur ganz kurze Zeit (6. Dftober bis 17. Dezember 1763) regierte, und fie 
warb während ber Minderjährigkeit Friedrich Augufts IM. durch ben fpars 
famen und umfcptigen Adminiſtrator Xaver fortgefegt. Auch der Kurfürft, nach⸗ 
dem er 1768 bie Regierung felbft übernommen, ging auf biefem Wege fort, unters 
fügte Gewerbfleiß, Handel und Landwirtäfchaft, förderte das Schulwelen, Künfte 
und Wiſſenſchaften, ficherte durch pünftliche Erfüllung der Staatöverbindlichfeiten 
ben Landeskredit. 1778 nahm S. am bayrifchen Erbfolgetriege Theil u. erhielt 
im Frieden von Teſchen für die Allodialerbfhaft 6 Millionen Gulden, und bie 
1796 fämpfte es ben Reichskrieg gegen die franzöfifche Republif mit. Im Kriege 
Defterreih8 und Rußlands gegen Frankreich 1805 blieb es neutral, aber 1 
ſtellte es 22,000 Mann zum preußiichen Heere und focht mit diefem gegen Na⸗ 
poleon, bis es in Folge ber eben Schlacht bei Jena zur Annahme ber 
Reutralität gezwungen wurde. Das Land wurbe von ben Franzofen befeht und 
mußte eine Friegsfteuer von 25 Millionen Kranken tragen. Am 11. Dezember 
1806 Fam der Friede zu Poſen zwifchen Frankreich und Sachſen zu Stande, Der 
Kurfürft trat dem Rheinbunde bei und nahm die Fönigliche Würbe an. Im Frie⸗ 
den zu Zilfit 1807 erhielt er das neugelchaffene Qerzosthum Warfchau, und zu⸗ 
ge mußte Preußen den Kottbußer Kreis an Sachſen abtreten. (Eine weitere 
eftimmung dieſes Friedens war die Gleichberechtigung der Katholiken mit den 
Lutheriſchen im Königreiche, welche 1811 auch den Reformirten gewährt wurbe. 
1809 nahm ©, als Mitglied des Rheinbundes an dem Kriege Frankreichs gegen 
Defterreih Theil, und 1812 im ruſſiſchen Kriege, flellte es 21,000 Bann Buns 


1068 Sachſen. 


destruppen zum Heere Napoleons. Als dieſes auf den Eisgeſilden Rußlands ſei⸗ 
nen Untergang gefunden hatte, und die Preußen vereint mit den Ruſſen im Früh—⸗ 
jahre 1813 de reich in Deutfchland vordrangen, trennten ſich Befehl des 
Königs die ſaͤchfiſchen Truppen von ben franzöftfchen und fchloffen fich im ber 
feften Stadt Torgau ein, welche weder Franzofen noch Verbündeten geöffnet wer: 
den follte. Er felbft aber begab fich, von feiner Garde und zwei Küraffierregis 
mentern begleitet, nach Regensburg und dann nad) Prag, bes Willens, ben Maß: 
regeln Defterreichs beizutreten, welches fich bamals noch nicht erflärt Hatte, Bes 
reits waren bie Unterfanblungen mit ben Verbündeten im Gange, als Rapoleon, 
ber inzwifchen bei Luͤtzen gefiegt Hatte, ben König aufforberte, feinen Berpflicht- 
ungen als Mitglied bes Rheinbundes Genüge zu leiften, winrigenfalls e ©. 
feinblih behandeln werde. Dadurch Tieß fi Friedrich Auguft bewegen, nad) 
Dresden zurüdzufehren, Torgau ben Franzoſen zu öffnen und ein Heer zur Dies 
pofition Napoleons zu ftellen. Als diefer in ber Voͤlkerſchlacht bei Leipzig über 
wunbden worden war, erklärten die Sieger ©, für ein eroberted Land und ftellten 
es unter‘ eine proviforifche Verwaltung. Der König wurde als Befangener nad 
bem Schloffe Briebrichsfelde bei Berlin gebracht. Auf dem Wiener Kongrefle 
wollte man Anfangs S. gänzlih mit Preußen vereinigen, doch bewirkten bie flar- 
fen Erklärungen des britifchen ‘Barlaments, bag man 6 mit einer Theilung be⸗ 
gnügte, und ber Fönig unterzeichnete am 18, Mai 1815 zu Wien ben Yrieben 
mit Preußen, durch welchen an biefes 373 Meilen mit einer Bevölkerung von 
845,000 Menſchen vom Stammlande abgetreten wurden, ungerechnet ben an 
Breußen zurüdgefallenen Kottbußer Kreis. Nachdem Friedrich Auguſt biefes 
ſchwere Opfer gebracht, Tehrte er in feine Hauptſtadt zurüd und trat ald Mit⸗ 
lieb bes deutſchen Bundes in biefen ein. &., welches in bem fogenannten Be 
F ehungsfeiege ber Schauplap ber bebeutendften Schlachten geweien war, und ei⸗ 
nen Schaden von 67 Millionen Thalern erlitten Hatte, fand fich beim Eintritte 
bes Friedens in feinem Wohlftande tief erfchüttert, und der König richtete num 
feine ganze Aufmerkſamkeit dahin, das Rand durch zwedmäßige Anftalten u. Ber- 
fügungen wieber in Flor zu bringen. In die Eonftitutionellen Ideen ing er aber 
nicht ein, und es blieb Hinfichtlich der Landesverfaffung Alles beim Alten, unges 
achtet auf bem Landtage von 1817 — 18 freimüthige Stimmen laut wurben und 
eine wirffamere Vertretung bes Volkes, an weldyer außer bem Abel und den 
Städten auch der Bauernftand Antheil Haben follte, vollftändige Darlegung des 
Staatshaushaltes, fo wie Beröffentlihung der Landtagsverhandlungen beantrag- 
ten. Nur bie Bereinigung ber erbländifchen und Laufiter Ritterfchaft zu einem 
pemenfamen Zandtage fand Statt. Friedrich Auguft flarb am 5. Mai 1827 und 
hm folgte auf dem Throne fein Bruder Anton, welcher mit ber Erklärung bie 
Regierung antrat, baß er felbe ganz im Geiſte bes Öingefhiebenen führen werbe. 
Allein dad war es nicht, was das Bolt wollte, und obſchon der König einige 
dankenswerthe Derfügungen traf, wie 3. B. in Betreff der Verminderung des 
Wildftandes in den königlichen Forſten, u. bie Einführung der Bürgergarbe in ben 
Städten am 22. März 18283 ein wefentlicher Kortfchritt zum Beſſern war, wur- 
ben die Wünfche nach einer zeitgemäßen Bolfövertretung doch immer lauter und 
ungeftümer. Man wollte in ©. ben Eonftitutionellen Staaten Deutſchlands nicht 
nachftehen, und im September 1830 kam es, geförbert durch bie Julirevolution 
der *Barifer, in Dresden, Leipzig, Chemnit und an andern Orten zu drohenden 
. Bewegungen, nachdem ſich vorher ſchon in ben beiden erfigenannten Stäbten bei 
ber Jubelfeier der Augsburger Konfeſſion am 25. Juni große Aufregung gezeigt 
hatte, Dies beivog ben Rönig, am 13. September feinen Neffen Friedrich Auguft 
zum aumegenten anzuneßmen, den bes Pietismus befchuldigten Minifter Grafen 
von Winfiedel zu entlafien und deſſen Stelle durch ben geheimen Rath von Lin- 
benau zu befeben. Bereits am 25. September waren bie Stände berufen, 
welden von ber Regierung eine Meberfiht bes GStantöhaushaltes und bie 
Entwürfe bes neuen Grundgefeges der Tünftigen Verfaßung, bes Wahl⸗ 


Po 


Sachſen. 1069 


geſetzes und ber neuen Staͤbteordnung vorgelegt wurden. Nach langen Be⸗ 
rathungen und vielfachen Abaͤnderungsantraͤgen wurde ber letzte Landta 
alter Form am 4. Sept. 1831 geichloffen, und das neue Stantögrundgefeh um 
die neue ner welche ber König und ber Prinz Mitregent bei ihrem Fuͤr⸗ 
ſtenworte zu beſchuͤzen und zu erhalten verfpracdhen,, angenommen unb befannt 
emacht. Den 2. Febr. 1832 erfchien die allgemeine Städteorbnung, welche 
en ftädtifhen Gemeinden geöpere Selbfiftändigfeit ficherte, nnd ben 27. Jaͤnner 
1833 wurde ber erfte Tonflitutionelle Landtag eröffnet, ber 21 Monate lang vers 
fammelt blieb und viele wichtige, zum Theil fehr umfangreiche Gefehentwürfe, 
welche eine Umgeftaltung ber Staatöverhältnifie in allen Thellen erwirften, berieth 
und zur Geltung brachte. Am 1. Jänner 1834 trat Sachſen in ben allgemeinen 
beutfchen Zollverband ein, was ebenfalls große Beränderimgen nach ſich zog, 
und 1835 begann der Bau ber Leipzig» Dresdner Eiſenbahn. Den 6. Juni 
1836 farb König Anton, und ihm folgte der bisherige Mitregent, Friedrich 
Auguft I. Aut bem zweiten Dinge (eröffnet den 13. Nov. 1836) wurben 
das neue Strafgeſetzbuch und das Erpropriationsgefeß gebilliget, ein neues Haus⸗ 
eich angenommen und ein Heimathsgeſetz erlaffen, welches ben ®rundfab ber 
—** eit durch das gan Land verwirklidtee Die Stimmung bes britten 
Landtages (eröffnet den 10. Nov. 1839) war eine etwas bewegtere, ald auf den 
früßeren, indem gleich Anfangs die Bannoverfche —A ag zur Eprache 
kam. Den in dieſer Sache geſtellten Anträgen gab jedoch die Regierung feine 
Folge. Ein Geſetzentwurf, bie Preſſe und den Buchhandel betreffend, wurde vor⸗ 
gelegt, aber, weil er bei ben Betheiligten wenig Anklang fand, von ber Res 
gierung wieder zurüdgenommen. Das Wichtigfte, was zu Stande fam, war bie 
ame bes 14 s Thalerfufles im Muͤnzweſen, nach dem mit ben übrigen Zolls 
vereinsſtaaten 1838 auf dem Münzkongreffe gi Dresden getroffenen Uebereinkom⸗ 
men. “Der vierte Landtag (eröffnet den 20. Rov. 1842) brachte ein neues Grund⸗ 
ſteuergeſetz, welches auch bie bißher fteuerbefreiten Grund⸗ befonders Rittergutsbeſttzer 
zur Belaftung beizog, wofür biefen aber eine Entfhädigung von mehr als 3 MU. 
Thaler gewährt werben mußte Ein von ben Ständen ausgehender Antrag auf 
Einführung des öffentlichen und mündlichen Verfahrens in Eriminalfachen wurbe 
von ber zweiten Kammer genehmiget, von ber erften Hingegen verworfen. Dagegen 
wurbe ein Geſetz über das literarifche Eigenthum und eine neue Hypothefenorbnung 
ebilliget, auch die Aufhebung der feit 1836 eingeführten Nachcenſur, und Een- 
urfreiheit für Schriften über 20 Bogen bewirft. Nach Beendigung diefes Land 
tages, am 1. Sept. 1843, verließ der Minifter von Lindenau —* den ſaͤch⸗ 
ſiſchen Staatsdienſt und zog ſich nach ſeiner Vaterſtadt Altenburg in die Ruhe 
zurück. Bet feinem Austritte erhielt er Zeichen der Dankbarkeit bes 
Volkes, welche er durch feine Beltrebungen für das Wohl des Allgemeinen und 
burch feine aufrichtige Liebe zur Konftitution, deren eigentlidjer Schöpfer er ge- 
weien, auch in vollem Maße verdiente Es folgte nun die flurmreiche Periode 
der kirchlichen Wirren, nachdem ſchon die Auswanderung bes pietiftifchen Pre⸗ 
videre Stephan mit feinen Genoſſen nad) Amerifa im Jahr 1838 und der Kate- 
chismusſtreit zu Leipzig 1844 Vorzeichen der nahenden Kämpfe gemden waren, 
Den Ausbruch derſelben befchleunigte Ronges Brief an den Biſchof Arnolbi, 
welcher mit ungeheurem Applaufe aufgenommen wurbe und feinem Berfaffer 
bald ben Eßrentitel des zweiten Reformators verfchaffte. Inzwifchen Hatten auch 
argwöhnifche Sefuitenriedher aus dem Umſtande, daß ein Altar in der neuen ka⸗ 
tholiſchen Kirche zu Annaberg dem heiligen Ignatius, dem Stifter des Jefuiten- 
ordens, geweiht worden war, fo wie aus dem Beftehen einer Bruberfhaft vom 
Herzen Seht in der Laufig und dem angeblichen Auffinden eines Jefuitenflegels 
in Dresden gefolgert, daß die Jeſuiten in Sachſen Heimliche Unterkunft Haben 
müßten, unb man belaftete felbft den König, insbefondere aber feinen Bruber, 
ben Brinzen Johann, mit dem Verdachte fliller zeginfigung der Fatholifchen 
Kirche und ihrer Priefter. Die Spannung ber Gemüther wurbe dadurch nicht vers 


— 


1070 Sachſen. 


mindert, daß ſich nach dem Vorbilde von Schneidemuͤhl u. Breslau 1845 zu Leipzig, 
Dresden, erg, Chemnitz deutſchkatholiſche Gemeinden organifirten und am 
22, März beffelben Jahres in Leipzig ein fogenanntes Konzil der Deutſchkatholi⸗ 
fen zufammentrat. Auch auf dem Gebiete ber proteftantifchen Kirche traten Heftige 
Bewegungen ein, und bie „proteflantifchen Freunde“ fanden in Sachen bei ben 
höheren und mittleren Claſſen der Bevölkerung zahlreiche Anhänger, Eine Menge 
Betitionen wurben in öffentlichen Berfammlungen für den fünftigen Landtag vor: 
bereitet, welche eine freiere Kirchenverfaflung mit Presbyterien und Synoben, und 
Befeitigung ober doch Aendernng des gemeinſchaftlichen Glaubensbekenntniſſes 
verlangten. Da bezeichnete das in Evangelicis beauftragte Staatsminiſterium in 
einer am 17. Juli 1845 erſchienenen Bekanntmachung alle Beſtrebungen, das 
Augsburgifche Glaubensbekenntniß in Frage zu fielen, als Yerauspehen über 
bie von der Berfaffung garantirte Gewifiensfreiheit, und das Minifterium bes 
Sinnern und ber Juſtiz verbot unterm 19. Juli alle Vereine und Berfammlungen 
zum Zwede einer aienbernng ber gemeinſchaftlichen Konfeflion. Diefe Verord⸗ 
nungen, durch welche man die Gewifiensfreiheit bedroht oder doch wenigſtens bes 
fchräntt ſah, riefen große Aufregung im Lande Hervor, und unglüdlicher Weife 
famen dazu noch die befannten Vorfälle in Leipzig am 12 Auguſt. Brinz Johann, 
welcher an jenem Tage daſelbſt Revue über die Kommunalgarde gehalten Hatte, 
wurde Abends von dem zufammengelaufenen Poͤbel in feinem Hotel infultirt. 
Zu fpät ergriffman Maßregeln gegen biefen Unfug, und als endlich das Militär anrüdte, 
war bie Volksmaſſe bereits fo dicht gehäuft, daß fie nicht fchnell gerne ſich wieder zerftreuen 
konnte. Die Soldaten gaben Feuer u, töbteten 8 Berfonen. Dies veranlaßte eine unges 
mein bittere Stimmung unter ber Einwohnerfchaft Leipzigs, die von heimlichen Schürern 
vieleicht auch ünflih gefteigert warb und durch Die feierliche Weife, mit weldher 
die Leichen ber Gefallenn am 15. me zu Grabe getragen wurben,, ficher 
feine Milberung fand. Doch wurde bie Ruhe nicht weiter geflört. Robert Blum 
erwarb fidh bei diefem antafe bie erftern Lorbeern als Bollstribun. Noch Tlang 
ber Nachhall der Leipziger Ereignifie buch das Land, ald am 14. September 
1845 der fünfte Landtag vom Könige eröffnet wurde, Die Kammern hatten vom 
Anfange her eine fehr bewegte Haltung, welche namentlich in der zweiten biswei- 
(en eine Höhe erreichte, wie man fie in ©. bisher nicht gefannt hatte. Ber 
ſchwerden ‚pegen das Minifterium in ya ber Preſſe, der Borfälle zu Leipzig 
und dergleichen mehr, ‘Betitionen um per elinng der Freiheit zu Bolfsverfamm- 
lungen und Bereienen, um ODeffentlichfeit u. Münblichkeit im Strafverfahren, um 
Reform der protefläntifchen Kirchenverfaffung, Anerkennung ber Deutfchfatholifen 
u. f. w. liefen in ungewöhnlicher Anzahl ein. Bei der Ruhe, von welcher bas 
Minifterium beherefcht wurde, legte ſich indeß allmählih die Aufregung in ben 
Kammern, unb ber Landtag ging ohne bedeutende Konflikte zwifchen ben Stänben 
und ber Regierung vorüber, Hinfichtlich der Deutfchlatholifen kam es zu feiner 

auptentfchlteßung, die Beſchwerde Leipzig’s blieb auf fi berufen, und auf ben 

aͤndiſchen Antrag in Sachen der Preffe gab die Regierung bie Erklärung ab, 
daß fie biefelben zum Gegenſtande reiflichfter Hebertegung machen werde. Die 
Stänbdeverfammlung endigte den 17. Juni 1846, und bald darauf, am 1. Juli, 
ald dem Tage, an welchem Leibnitz vor zwei Jahrhundert geboren war, wurbe in 
Leipzig bie Toniglich ſaͤchſiſche Akademie der Wiſſenſchaften geftifte. Wegen Ab- 
tretung ber —— Eiſenbahn berief der König die Stände zu einem 
außerorbentlichen Randtage, welchen ber Staatsminifter von Könneris am 21. Jaͤn⸗ 
ner 1847 ala koͤniglicher Bevollmächtigter eröffnete. Gleich am folgenden Tage 
ging bei der erflen Kammer ein Derret ein, wonach über die Frage, ob ſich ein 
außerordentlicher Landtag auch mit andern ald den Regierungsvorlagen befchäftis 
gen Tönne, auf einem fünftigen ordentlichen Landtage Borlage erfeigen follte, für 
jegt aber die Erwartung ausgefprochen wurde, daß man andere Angelegenheiten 
als die Regierungsvorlagen nur bann in Beratfung ziehen werbe, wenn fie all- 
feitig als dringend anerfannt würben. Daffelbe theilte ber Staatsminifler von 


Sachſen. 1071 


Könnerig in ber zweiten Sammer muͤndlich mit, Die Anträge, welche bie Res 
gierumg in Bezug auf bie fächfifch » bayerifche Ciſenbahn an bie Stände brachte, 
eftanden in Bolgenden: Die Stände follten die Regierung zum Abfchluffe einer 
Uebereinfunft ermächtigen, wonach bie Eifenbafnfompagnie ihr Eigenthum an den 
Staat abzutreten Hat, Dagegen bie Actien bis September 1855 mit 4 Proz. vers 
sinst, hernach aber gegen Iprozentige, nach einer noch feftzufeßenben Beftimmung 
auszuloofende Staatspapiere umgetaufcht werden würben. Ferner begehrte bie Res 
gierung die Ermächtigung zum Ausbau und Betrieb ber Bahn auf Staatsrech⸗ 
nung. Auf Anlaß des damals in S. unter ber Bevölkerung herrſchenden Noth⸗ 
Randes brachte bie Regierumg auch ein Decret, bie Rahrungsverhältnifie betref- 
fend, zur Borlage, und e8 wurde bie Wahl einer außerordentlichen Deputation für 
biefen G enfland erwirkt. Im Lande hatte bie Einberufung und Zufammenfegung 
diefer außerorbentlichen Stänbeverfammlung gleich Anfangs mandherlei Bebenfen 
erregt, welche bald in offenen Widerfpruch übergingen, namentlich zu Leipzig, dem 
Hauptfige der ſaͤchſtſchen Bewegungspartei. Am 14. Februar legten im Echüs 
genhaufe daſelbſt die Stadtverordneten Robert Blum, Karl Löwe und Dr. Röber 
mit 871 unterzeichnenden Bürgern eine „feierlichfte Verwahrung“ gegen alle etwaigen 
Beichlüffe des angeblich verfaffungswidrig zufammengefehten Landtages ein und 
beförberten biefen Proteſt ungefäumt an die zweite Kammer. In biefer wurbe 
die Eingabe aus Leipzig bereits am 16. Yebruar zur Sprade gebracht und nad 
längerer Debatte befchloffen,, felbe an die betreffende “Deputation zu verweifen. 
Diele fand die Bebenten ber Beichwerbeführer in feiner Weile begründet, welcher 
Anſicht die Sammer mit großer Stimmenüberzahl beipflichtete Das Gute hatte 
der Leipziger Broteft jedenfalls, daß er die Iubifferenten im Bolte einmal aufrüts 
telte und von ber Nothwendigkeit dere Betheiligung am conftitutionellen Leben 
überzeugte. Am 6. März wurden in ber erfien Kammer bie Beratfungen über 
ben Bericht ber außerordentlihen Deputation für die Rahrungsverhältniffe zu 
Ende gebracht und alle Anträge berfelben einftimmig angenommen. Die Verbands 
Iungen über dieſe Angelegenheit legten Zeugniß von den gefunden flantswirths 
ſchaftlichen Grundfägen ab, welche in beiden Rammern fd Geltung verfchafft 
hatten. Den Anträgen ber Regierung in Betreff ber ſaͤchſiſch⸗bayeriſchen Eiſen⸗ 
bahn trat bie erfte Kammer am 20. Februar, die zweite am 16. März in ben 
tfachen bei, worauf am 24. März der Schluß des Landtages erfolgte. Zur 
edung ber zum Fortbau der Bahn erforderlihen 5 Millionen Thlr. ſchrieb bie 
Regierung eine Aprogentige Staatsanleihe aus, Die Borgänge im Schügenhaufe 
zu Leipzig Hatte inzwiſchen das Minifterium im guten Andenken behalten, u. im 
Mai wurbe von ber Kreisdirection daſelbſt an den Stadtrath die Verorbung er⸗ 
laffen, daß wider bie Anftifter der ohne obrigfeitliche Erlaubniß veranftalteten 
Berfammlung ein pollzeiliches Strafverfahren wegen Nichtbeachtung der Befchlüfie 
bes beutfchen Bundes vom 5. Juli 1832 eingeleitet werbe , und Daß es übrigens 
bem Stadtrat unverhalten bleibe, gegen diejenigen, welche an ber Berbreitung 
der von Robert Blum u. Genofien bei ber zweiten Sammer übergebenen Brotes 
Rationsfchrift durch den Drud Theil genommen hätten, die Kriminalunterfuchung 
einzuleiten. Ernſtere Sorge noch wurde ber Regierung buch die Bolfsunruhen 
bereitet, welche an mehren Orten bed Königreiches, namentlih in den Stäbten 
Chemnitz und Zwidau, ausbrachen, veranlaßt durch die Theuerung der Lebens⸗ 
mitte. Schon 1845 u. 1846 waren bie &ebirgögegenden bed Landes von ber 
Rartoffelfranfheit Hart betroffen worden, wozu im lehteren Jahre noch eine ges 
ringe Kornernte trat. Die Bevölkerung ©. hatte die Not lange mit rühmenss 
wertber Refignation ertragen und es Fam hier fpäter als in andern Gegenden 
Deutſchlands zu Aufläufen u. Exceſſen. Die Maßregeln der Regierung, fo zwedmäßig 
fie im Ganzen waren, u. der aufopfernde Tobltgätigfeitefinn vieler Bermögenden 
reichten gleichwohl nicht Hin, dem eingerifienen Elende im entſprechenden Maaße 
abzuhelfen, bis es durch bie ergibige Ernte u. das damit verbundene namhafte 
Gallen ber Getreidepreife Alma fein Ziel gefcht bekam. Yür Leipzig brachten 


1072 Sadfen. 


bie Schlußmonate bed Jahres 1847 noch manche benfwürbige Ereignifie, fo bie 
Einweißungsfeier ber katholiſchen Kirche bafelbft am 19. September , Die feſtliche 
Enthuͤllung bes Denkmales ber Völferfhlacht auf dem fogenannten Monarchenhuͤ⸗ 
el bei Liebertmolfwig am 19, Dftober u. die Berathungen ber Abgeorbneten aus 
en beutfchen Bundesſtaaten, welche in jener Stabt zur Abfaffung eines allge 
meinen Wechfelgefebes acht Wochen lang bis zum 10. Dezember verfammelt wa; 
ren. Zu Dresben hielt um biefelbe Zeit bee deutfche Boflcongreß feine Siyungen. 
Die Stürme, welche mit dem Jahre 1848 über Europa Binzubraufen begannen, 
aben auch ©. tief erfchättert, zumal mancherlei Bewegungsftoffe im Sande von 
her her angehäuft Ingen. Die laut werbenden Aeußerungen ber Unzufrieden 
heit Tehrten fich zuerft gegen das unpopuläre Minifterium Koͤnneritz, welches feit 
dem Abgange des beliebten Lindenau das Staatsruder geführt Hatte. Da erfchien 
am 9. März zu Dresden nadhfiehende Bekanntmachung: „Die Stimmen, welde 
fih Hier und ba gegen bie bisherige Wirkſamkeit der unterzeichneten Staatsminis 
fter erhoben, gaben benfelben Beranla und, Sr. Majeftät dem zönige fdyon vor 
mehren Tagen und heute wiederholt ihre Entlafſung anheimzugeben. Sr. Majeftät 
ber König Haben aber Anftand genommen, felbige anzunehmen, vielmehr bie Kr 
tige Einberufung eines außerordentlichen „anbtüge für den 20. d. M. zu befeh⸗ 
len geruht, damit ſogleich bei befien Beginn darüber Gewißheit erlangt werbe, ob 
das gefammte Land bie obgebacdhte Meinung theile. Diefem Landtage wird bann 
auch das erforderliche Geſeßz über Einführung ber durch bie Berfaffungsurkunde 
augeficherten Preßfreiheit vorgelegt werben. Sr. Majeftät ber König erwarten 
und Hoffen, daß nach diefer auf allechöchften Befehl eröffneten Entſchließung von 
jeden weitern Borfchritten abgeftanden und überall Ruhe und Orbnung erhalten 
werben wird. Die Staatsminifter von Könnerik, von Zefchau, v. Wietersheim, 
v. Garlowig, v. Opel,” Diefes Actenflüd brachte indeß nicht bie gehofften Erfolge 
hervor, vielmehr flellten fich die Sachen bald fo, daß von Rachgeben Seitens bes 
Volkes nimmermehr die Rebe war, fondern nur von Steigerung der Forderungen. 
Während Dresden anfänglich mit den herrſchend gewordenen politifchen Anfichten 
fih nicht ganz befreunden wollte, war Leipzig, wie früher, ber Herb ber Bewe⸗ 
gung , bie FR [nel über das ganze Land verbreitete Schon am 13. März 
war bie Entlaftung des Minifteriums Könnerig unvermeidlich geworden, und am 
16. erfolgte eine Bekanntmachung an das fächfifche Volk nachehenden Inhalte: 
„Bon S. Majeftät dem Könige an die Spike der Gefchäfte berufen, haben ſich 
Unterzeichnete über folgende Hauptgrundfäge und Manfregeln vereiniget: Beei⸗ 
digung des Militär auf bie erfafung — Aufhebung ber Eenfur für immer — 
ein Preßgefeh ohne das Syſtem der Gonzeffionen und Kautionen — Reform ber 
Rechtspflege auf Grundlage ber Oeffentlichfeit und Mündlichkeit, in Gtrafs 
den Beh wormengericht — Reform bes Wahlgeſetzes — Anerkennung des 
ereinsrechtes mit Kepreffiobeftlimmungen gegen ben Mißbrauch — geiehliie Orb: 
nung ber kirchlichen Berhältniffe im Geifte der Dulbung u. Parität- Antrag auf 
Revifion des Vereinzolltarifs — Träftige Mitwirkung zu seligemäßer Seftaltung 
des beutichen Bundes mit Vertretung des Volles bei bemfelden. Se. königliche 
Majeftät haben dieſen Maßregeln u. Brundfägen Ihre Zuſtimmung zu ertheilen 
eruht. Gemaͤß ihnen wird das Erforderliche ee werben. Das fächftfcdhe 
olt wird die Hohe Bebeutung biefer föniglichen @ntfchließung wirdigen und dies 
durch ang der Ruhe und Drbnung im Lande bethätigen. resden ben 
16. März 1848, Die Staatsminifter: Dr. Braun. Dr. von ber Pforten. Georgi.“ 
Diefer Erlaß erfüllte das Land mit allgemeinem Jubel, umd gen befondern Bei⸗ 
au fanden die Beſtimmungen über bie Preſſe. Gleichwohl ließen wühlertiche 
miffäre es nicht an MUmtrieben fehlen, Das Bolt zu Tumulten aufjureizen. 
Ein folder Verſuch fand am 27. Mai zu Leipzig flatt, blieb aber ohne ernftere 
Golgen. Der inzwifchen eröffnete außerorbentliche sanbiag nahm feinen geregels 
ten Fortgang, body erlitt das Minifterium in der zweiten Kanmer in fo fern eine 
Niederlage, als dieſe bei ber Berathung bes von der Regierung vorgelegten neuen 


Sachſen. 1073 


Wahlgeſetzes ſich (gegen ben Regierungsentwurf) für direkte Wahlen und gegen 
Abgr g In Rädtiiche und laͤndliche Bahlberirte erklärte. Ebenſo fand der neue 
—— in bee Fafſſung, wie er zur Zeit, ba wir dieſes ſchreiben 
(Anfangs September), allgemein befannt wurde und naͤchſtens ber Kammer vor⸗ 
gelegt werben follte, emtfchiebene Mißbilligung. Die barin enthaltenen Beſtim⸗ 
en find nach dem Urteile ber öffentlichen Blätter ärger als bie Härtefte 
Genf und würben im Kalle ber Genehmigung von Seite ber Kammern bie größte 
im Bolfe hervorrufen, dem Ahhfilihen Buchhandel aber unabwenbbar 
den —** geben. Nicht blos Autoren, Verleger u. Buchbruder find in die⸗ 
em Gefehentwurfe verantwortlich gemacht für etwa zu veröffentlichende Schriften, 
ern gewiffermaßen auch Setzer und Leſer. — H. Meynert: Geſchichte bes 
fachfifchen Volkes, Leipzig 1833—35, 2 Bde; F. Wachter: Geſchichte Sach⸗ 
ſens von ber älteften bis auf bie neuefte Zeit, Leipzig 1833, 3 Bde.; C. Gret⸗ 
I9el: aan bes fächfifchen Volkes, Leipzig 18445 C. E. Weiß: Geſchichte 
churſaͤchſiſchen Staaten, Leipzig 1802—11, 7 Bde; K. H. 2 Poͤlitz: Bes 
(dichte, Statiftif und arbbeheeibung bes Königreichs S., Leipzig 1810, 3 Bde.; 
Derielbe: Geſchichte bes igreichs S., Dresden 1826, 2 Bde; C. W. Boͤt⸗ 
tiger: Geſchichte des Kurſtaates und Koͤnigreichs S., Hamburg 1830, 2 Bde; 
8. A. Engelhardt: Geſchichte bed (Abfiihen Baterlandes, fortgetent von ©. 
Klemm, Leipzig 18365 Bünther: Geſchichte S., Lpz. 1842—46, 2 Bde, — 
2) Das Herzogtdum Sachſen⸗Altenburg. Die Beſttzungen ber Erneſti⸗ 
niſchen erfuhren, nachdem Johann ber Großmuͤthige die Kurwuͤrde verloren, 
beſtaͤndige Theilungen, da die verderbliche Gewohnheit, das Land wie ein Erbgut 
zu dein, in keinen deutſchen Fuͤrſtenhauſe haͤufiger vorgekommen iſt, bis zu 
Ende des 17. Jahrhunderts nach und nach bas Recht ber Erſtgeburt in allen 
Linien beöfelben eingeführt wurbe. Das altenburgifche Gebiet gehörte in ben 
im Zeiten zum Ofterlande. Die Linie Altenburg wurbe 1603 von Yriebrich 
Wilgelm IL, dem Sohne des Herzogs Johann Wilhelm aus ber älteren weimari⸗ 
(dem Linie, gefiftet, farb aber 1672 mit Friedrich Wilhelm IIL wieder aus, 
worauf das Ehrflentfum an Ernft I ober den Krommen von Gotha fil. Nach 
dem Erloͤſchen ber in Gotha regierenden Linie kam Altenburg durch den Theis 
Iungevertrag vom 15. Nov. 1826 an ben bisherigen Herzog von Sachen» Hilbs 
burgdaufen, Friedrich, welcher fi) zum Opfer eines Gtammlandes entfchloffen 
hatte und fortan Herzog von Altenburg nannte. Er verlegte feinen Hofhalt nach 
Altenburg u, hielt Dort am 23. Rov. feinen Einzug. Vertrauensvoll blidte man auf bie 
neue Regierung und u zeitgemäße Reformen; als aber biefe nicht raſch genug 
eintraten, entſtand Mipftimmung im Bolfe, die nach dem Borfpiele im Koͤnigreiche 
Sachſen zu Altenburg am 13. Sept. 1830 in offenen Aufſtand Überging. Die Orb> 
nung kehrte aber in ben nächften Tagen wieder zuruͤck. Der Herzog ließ nun unter 
Beiratö und Mitwirkung ber bisherigen Stände eine neue Xandesverfaffung aus- 
arbeiten, welche am 29. April 1831 ale Staatsgrundgefeg ins Leben trat. Der 
ng Landtag nach neuer Ordnung wurde am 12. Juni 1832 eröffnet und dauerte 
einiger Unterbredhung bis zum April 1835, konnte aber gleichwohl bei ber 
Maffe vorliegender Gejehentwürfe nicht Alles erledigen. Inzwifchen farb am 
29, September 1834 ——n und ſein aͤlteſter Sohn Joſeph kam zur Re⸗ 
.Derſelbe nahm 1844 für fi u. feine Bamilienglieber bas Praͤdikat Hoheit 
an. Die religtöfen Wirren, welche von Sachen Kerüber fich verpflanzt Hatten, 
die Noth bes Theuerungsjahres 1847 und die politifchen Wühlereien, bie in 
neuefter Zeit die Gemuͤther zum Umfturze alles Beftehende aufzuftacheln ſich be- 
mühen, führten auch im Herzogthume mächtige Bewegungen herbei. Als man 
am 18. Juni 1848 zu Altenburg ben bafigen Advofaten Erbe, einen Heftigen 
Republifaner, feftnehmen wollte, wurbe bies durch bie Bürgergarbiften feiner Nach⸗ 
barfchaft verhindert, Generalmarſch gefchlagen und Sturm geläutet. Bald füllte 
ſich Die Stadt mit Schaaren bewaffneter Bauern, und mit wunderbarer Schnellig⸗ 
leit entſtanden Barrifaden, da man ernftlich dem Einmarfche frember Truppen 
Realencpclopädie. VII. 68 


1074 Sachſen. 


bege nen wollte. Bon Leipzig aus wurde, — ein Schutz enbataillo 
— bahn nach. Altenburg geführt und zum Schute bes dortigen Baln 
—— welcher fönigt ich hs Gigenhum iſt. Die Race zum 19. 
ſehr unruhig, verfloß jeboch ohne befonbere Vorfälle. Am folgenden age m w 
die Differenzen zwiſchen dem Herzoge und dem Volke ausg lichen, zul 
fächfifche Militär erhielt Orbre zur Rüdfehr, — F. ©. v. : Zahrl 
des důrſtenthums Altenburg, — 5 s00 18088 vde. 38 gẽe· 
die Fuͤrſtenhaͤuſer Sachſen⸗Altenburg, Altenbur; 4 18263 M. 8. Erommelt: 
ſchichte des re thams Sachfen-Altenburg, ya 1838. — 3) Das { 
zogthum ſ eee Der Stifter der Eine ee 
burgs@otha war ber fiebente Sohn Ernſt des Frommen von G 
Ernſt (geſtorben 1729). Sie nannte fi) damals Sale Soatfab 3 
1735 an, nachdem ihr durch Erbſchaft Koburg zugefallen war, Sachſen⸗Ko— 
Saalfeld. Ernſt Anton gab am 8. Auguſt 1821 bem Lande eine repraͤſen 
Berfaffung. Im gothaiſchen Thelungeuertzage 1826 — er — an 
ningen ab und erhielt dafuͤr das Fürftenthum Gotha. Land nahm 
Namen Koburg-Gotha an. Durch firenge et Grat es be 
dahin, daß er, welcher bei feinem Rı Nerumgeanbritte im Jahre 1806 die 
m 


EM 


des Landes in ben traurigften 3 gefunden Hatte , balb ben rei 
unter ben leineren Fuͤrſten ae he werben konnte. Auch die 
Hältniffe feiner Bamilie hatten ſich auf bad Beſie geftaltet, Indem ©) Sina der 
ar bie Throne mehrer bebeutenber Reiche erhoben wurben und mit ben an 
jentenhäufern in nahe ee ra 5: warb bi ee Bewos Br 
337 Leopold, Koͤnig von Belgien. ie die Fön von En 
in ‚ioeen Sonn Ernf’s, Albert, zum et I Bert 
aͤlteſter Sohn bes Beinen son Kobur; —— bie Hand ber Königin 9 
ba oem von Portu; jewann, bie Doppelheizath bes Hi 2 
mours mit ber SBemcn iktoria von Foburg ohary und ber 3 
mentine von Frankreich mit dem Prinzen von Koburg-Kohary das 
Koburg mit dem von Orleans verband. Das Anfehen, weldyes durch 


glänzende Familienverbinbungen in ben Höchften Kreiſen bem Namen Ro) 
wuchs, fonnte aber nicht verhindern, daß berfelbe bei bem Volke durch bie 
renzen von 1837 in großen Mißkrebit kam. Koburg Hatte nämlich früher 
münzen von geringem effeftiven Werthe in großer Menge geichlagen ın 


— 


mb v 
dieſe num ploͤhlich und auf kurze Friſt. Dieſes unredliche Verfahren fand ı 
nur im eigenen Lande laut ausg — Mißbilligung, Tondern te and 
ganzen übrigen Deutſchland Unzufriedenheit und ernften Wiberfpruch, ja « 
zur Stunde fo wenig vergeffen und vergeben, daß noch am 24. Full 188 
vaterlänbifchen Bereine zu Stuttgart ber Antrag geftelt wurbe, ber Geriog 
Koburg ober deſſen Erben follen „gezwungen“ werben, bie Summen , um wa 
beutfche Bolk mittelft jener befannten fer und a —— — 
aum Behen ber deutſchen Flotte zu erfegen. Auf dem 

begannen bie mehr und mehr fidh — ernden Zerwuͤrfni 

ß und ben Ständen, veranlaßt durch ben —S dai ai ihr 
gem rte in ber Stänbeverfammlung nicht zulafien wollte, — ra 4 
war, baß bie Kammer mehrmal nach einander aufgelöst 
wo bie alten feubalen Stände beibehalten worben waren , —— die — 
ihren ungeſtoͤrien Fortgang. Am 29. Jänner 1844 farb ErmRL 
ihm folgte fein älterer Lhn Ernſt Il, welcher 1846 durch eine Rejolutien 
Staatsregierung bie Differenzen berfeiben mit ben Gtänden befeitigte umb 
fo Pe von — — en der —— zu den ra 
auf eine jeben_ ftellende je feitfegte. Au —S— 
daß die {en lich ee ode ven Titel tet Hoheit Nebſt den | 
tifchen Zugeflänhnigen, bi er20g feinem Badia 2 una da 
da Für beiien —X Ey ren in welchem öffent! 


Sachſen. 1075 


Borträge über wiſſenſchaftliche Gegenftände gehalten werben, nicht nur durch feinen 
öftern Beſuch ermunterte, fonbern N auch perfönlich an den Vorträgen betheiligte. 
Am 8. April 1847 wurde ihm eine von der Einwohnerfchaft Gotha's ausgegangene, 
mit zahlreichen Unterfchriften verfchene Schrift übergeben, in welcher um eine 
zeitgemäße Umgeflaltung ber verrotteten, auf bie mittelalterlichen Ständeverhält- 
niffe begründeten Landesverfaſſung gebeten wurde, ein Anliegen, womit ber Herzog. 
ſelbſt fih ſchon längere Zeit ernſtlich hbeichäftiget Hatte Im roburg, wurde ben 
6. Juli des genannten Jahres als Ergänzung der drei wichtigen Berfaffungs- 
gefepe, die als Frucht des Landtages von 1846 bereit veröffentlicht waren — 
bes neuen WBahlgefehes, bes Geſetzes über Berantwortlichfeit der Staatsbeamten 
und ber Beflimmung über ben Beitrag ber Domänen zu ben Staatslaften — ein 
Geſetz über den fländifchen Ausſchuß publiziert, welcher während ber Zeit, wo bie 
Kammer nicht verfammelt ift, die landſtaͤndiſchen Geſchaͤfte zu bejorgen hat. Mm 
neuefter Zeit Haben es bie Radicalen auch Hier nicht fehlen lafien, Unorbnungen 
anzuftiften, und es gelang ihnen auch wirklich, einen Theil des in Koburg gar⸗ 
niſonirenden Jägerbatailliions zur Widerfpenftigfeit zu verheben, was bie Suspen⸗ 
—— Unteroffiziere und einiger angeflagten Offiziere zur Folge hatte, 
Den Beftrebungen einer Partei, welche Die ſaͤchſtſchen Herzogthuͤmer unter Einer 
Lrone vereinigt wiſſen will, trat ber Herzog im Juli 1848 mit der Erflärung 
entgegen, daß er mit männlicher Faſſung bereit ſei, jedes Opfer, und fei es das 
Aeußerſte, zu bringen, welches die Einigung Deutfchlande, bie Wohlfahrt bes ges 
meinfamen Vaterlandes erheifche. Allein in dem Aufgeben ber fächflichen Herzog» 
thuͤmer Behufs ihrer Sufammenlegung zu einem thüringifchen Geſammiſtaate unter 
einer gemeinfchaftlichen oder Wechfelregierung koͤnne er ein geeignete Mittel zur 
Erreidung und Berberung. jener Zwede nicht erbliden. fei daher auch feft 
entfchlofien, einem folchen Bereinigungsplane mit aller Entichiebenheit entgegenzus 
treten. — 3. 4. Schultes: Koburgifche Landesgeichichte im Mittelalter, Hild- 
bueahaufen 1814; Derfelbe: Sachſen⸗Koburg⸗Saalfeldiſche Landesgefchichte von 
1425 618 auf die neuefte Zeit, Koburg 1818—21, 2 Bde; H-R. Heydenreid: 
Annalen bes Fürftentfums Gotha, Gotha 1791. — A) Das Herzogthum 
SahfensMeiningen- Hildburghaufen. Die Linie 6.:M. wurde von bem 
dritten Sohne Ernſt des Frommen, Bernhard (+ 1706), geRiftet Bernhard Erich 
Freund, welcher 1803 feinem Bater Georg Friedrich Karl gefolgt war, vereinigte 
bei bem gothaifchen Exrbtheilungsvertrage von 1826 mit feinem Stammlande das 
Fürftenthum Hildburghaufen u. nannte fi) von ba an Herzog von S.⸗M.⸗H. Er 
gab feinem Volke freiwillig eine auf Eonftitutionelle Prinzipien gegründete Berfaffung, 
die am 23. Aug. 1829 befannt gemacht wurde. Die Unruhen, welche fi) 1830 u. 
1831 in Kolge der Julirevolution zu Paris auf mehren Punkten Deutfchlands zeigten, 
berührten Meinigen nicht, dagegen fam es auf dem Landtage von 1832 zu einem folchen 
Zerwürfnifie mit den Ständen, daß bie Regierung dieſelben auflöste, Am 1. Jänner 
1847 wurde im Herzogthume gemäß vorangegangener Landtagsbeichlüffe die ges 
ſammte Jatrimoniaaer chtsbarkeit, ſtaͤdtiſche und ritterſchaftliche, geſeßlich aufge⸗ 
hoben. Auf dem Landtage von 1847 wiederholte ſich das traurige Schauſpiel 
der Rammerauflöfung. Ueber ben Grund zu biefer Maßregel ſprach fih ein her⸗ 
kaliner Erlaß dahin aus, man fehe ſich Hiezu genöthiget durch bie beharrliche 

gerung bee Stänbeverfammlung, ben in ber Ianbeöherrlihen Obforge für eine 
geete und erfprießliche Staatöverwaltung gegründeten Propofitionen bei ben 

svorlagen bie Zuflimmung zu ertheilen, Die Stände idrerfeits machten geltend, 
daß ben Anforderungen ber Regierung obigen Betreffs bie Kräfte bes Landes 
nicht gewachien feien. Mit diefem Zwielpalte ging Meiningen dem verhängnißvollen 
Jahre 1848 entgegen, welches Hier, wie überall, große Umgeftaltungen im 
Staatsweſen mit ke bringen wird. — 5) Das Großherzogthum Sadjen- 
BWeimar-⸗Eiſen ach. Die gegenwärtig in S.-M. regierende Linie wurde 1640 
von Wilhelm, einem ber acht Söhne Herzog Johann's von Weimar, geftiftet, 
während befien Bruder Exnft der Fromme die gothaljche Linie ee Sie theilte 

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1076 Sadfen. 


fi$ 1672 in die Linien Weimar, Eifenach und Jena; doch feßtere erlofch 11 
Eifenah 1741, fo daß der Herzog Ernft Auguf von Weimar, welcher 1719 
Erftgeburtsrecht u. ein Hausgeſetz einführte, das ganze Land erhielt. Karl Hu 
ber 1775 die Regierung antrat, pflegte Fünfte und Wiſſenſchaften und beri 
Sterne deuticher Dichtfunft und Gelehrſamkeit nach Weimar ober auf bie % 
ftühle der Univerfität Jena. Vollkommene Geiftesfreigeit herrfchte unter ibm. 
dem Wiener Eongrefie 1815 erhielt er die Würde eines Großherzoge und e 
Gebietszuwachs von 31 Meilen. Bereits 1816 gab er dem Lande eine ı 
Verfaſſung, welche am 5. Mai befannt gemacht wurde, aber die von Ihm gewä 
allgemeine Preßheit mußte er wegen ber zu Weimar ericheinenben „Dppofttic 
Zeitung”, wegen mehrer Vorfälle auf der Univerfität Jena und in Folge 
Wartburgfeftes auf Andringen der größern Mächte wieder beſchraͤnken und 1 
nah ben Karlsbader Beichlüffen fogar gänzlich aufheben. Nachdem ber He 
1825 fein 50jähriges Regierung fubildum gefeiert Hatte, flarb er am 14. J 
1828, tief betrauert von feinem Bolfe Sein Sohn, Karl Friedrich, empfing 
10. Auguft die Huldigung und ſicherte Aufrechthaltung ber Berfafiung und 
milde Regierung nach den Grundſaͤtzen feines Vaters zu, Verſprechen, deren 
füllung ihm dadurch erjchwert wurde, Daß er, um ber noch immer vorhande 
Mipftimmung der größern Staaten gegen Weimar ein Ende zu machen, zur pl 
lihen Beachtung ber herben Beſchlüſſe des beutfchen Bundestages ſich Hingebrö 
ſah. Die politifchen Aufeeglingen 1830 und 31 berührten das Großherzogii 
aft gar nicht, aber in dem Bewegungsiahre 1848 wurde es der Schauplaß em 
hen. Eine auf ben achten März angefagte Bolköverfammlung hatte fi 
am Morgen biefes Tages viele Hundert Bauern aus den umliegenben Dir 
nah Weimar geführt. Sie zogen maffenwelfe die Straffen auf unb ab, Inch 
viel u. fangen wilde Lieder, bis fie fid am Abende auf dem Markte verfammel 
wo ihnen eine auf Erfüllung von zwölf verfchiebenen Wuͤnſchen antragende ' 
tition an den Landtag vorgelefen wurde. Die aufgeregte Menge wur aber fein 
wegs geneigt, befpalb erft auf einen Beichluß des Landtags zu warten, font 
309 vor, fi) in Mafle nach bem SchloßHofe zu begeben u. von dem Großker; 
ſelbſt fogleih die Beflätigung des Gewünfchten zu erholen. Freiwillig herbeiger 
Bürger hatten Mühe, fie von einem gewaltfamen Eindringen in das Schloß 
zubalten; bie befchwichtigenden Worte beliebter Volsrebner wurden verhöhnt ı 
unbeadhtet gelafien, u. felbft ald der Großherzog auf bem Balkon erſchienen: 
und ihnen die Gewährung ber Preßfreiheit u. Befteuerung bes Kammervermög 
augenblidlih zugefihert und das Mebrige in Ausficht geftellt Hatte, wurden 
nicht beruhiget. Sie verlangten Garantien des Gewäßrten und fpradgen laut 
großes Mißtrauen gegen bie Regierung aus, Es waren fürdhterliche Ghmi 
die leicht großes Undeit über Weimar Hätten bringen fönnen, wenn nicht das \ 
ftändige Benehmen der Behörben und ber Bürger Alles zur Bermeidung biut 
Ercefie beigetragen hätte. Zuletzt machte die zügellofe Mafle einen Iebhaften 
griff auf die Senfterfcheiben Hoher Beamten, Es war babei Hauptfächlich auf 
beiden Staatsminifter von Gersborf und Schweizer u. ben Kammerbireftor T 
abgefehen, bei welchem Thüren, Fenſter und Möbel zertrümmert wurden. 
fpat in ber Nacht gelang es, bie Bauernrotten aus ber Stadt zu vertreil 
Zwei Tage nad biefen orfällen wurde Weimar durch bie Nachricht erft 
Daß der Großherzog auf die vom Landtage und vom Volke vielfach wiederh 
Bitte eingegangen fe, bie Bere gung bes Kammer⸗ und Staatsvermögene 
williget und eine @ivilifte von 300, Thalern genehmigt Habe. Am 12. I 
und die nachfolgenden Tage fand In Eiſenach eine große Verſammlung ber db 
ſchen Studenten ftatt, weldye Bier die Intereflen ihres Standes und die Umgel 
tung des Univerfitätswefens beriethen. Die meiſten Hochſchulen Deutſchla 
waren buch flarfe Deputationen vertreten, und bie Zeitungen gaben bie Zahl 
Beiwohnenden auf AS an. Ebe hie —— 19 aufldste, wurbe die ü 
berufung eines „Srammtnuaiigufeb er Tasiinen “ auf den 25, Au; 


Sachſen — Sachen-Kriege. | 1077 


1848 nad Eiſenach beſchloſſen. — find auf ben 21. bis 23. September 
bes genannten Jahres fämmtliche verfitätöprofefioren Deutfchlands zu einer, 
die Umgeflaltung und Weiterbildung ber beutfchen Hochfchulen berathenden Ber: 
fammlung nad) Jena einberufen. — 3. G. Gottſchalg: Geſchichte des herzog⸗ 
lichen Fuͤrſtenhauſes Sachen Weimar und Eifenach. era 1797. mD. 
Sachen, Land der — Theil des äfterreichifchen Großfuͤrſtenthums Sieben⸗ 
bürgen, 204 [J Meilen mit einer Bevölkerung von 500,000 Seelen enthaltend. 
Die Einwohner find beutiher Abflammung, Sprache, Sitte und Rechtsverfaflung. 
Ihre Mreltern wurden 1142 von König Geyſa in’s Land berufen. Eintheilung: 
nah 9 Stühlen; Hauptftabt: Hermannftabt. mD. 
Socfen - Kriege heißen vorzugswelfe biejenigen Kriege, welche von 
Kaiſer Karl dem Großen zur Unterwerfung u. Belehrung ber ſaͤchſtſchen Volks⸗ 
e vom Jahre 772 — 803 mit nur kurzen Unterbredungen geführt wurben. 
Daß diefe Kriege Hier eigens befprochen werben mußten, das wird ſich aus ber 
folgenben geſchichtlichen Darftelung berfelben von felbft als einleuchtend erweiſen. 
t Karl db. ©. beginnt eine ber größten u. erfolgreichften Regierungen, welche 
die Weltgefchichte nur immer aufzuweifen Bat. Karl, groß u. gewaltig als Ers 
oberer, groß als Ordner in Staat u, Kirche, groß als Bildner feiner Voͤlker, 
war offenbar ein außerlefenes Werkzeug in ber Hand Gottes, um bie Berhälts 
niſſe der Menfchheit in ihrem Entwidelungs- u. Bildungsgange vielleicht um 
mehre Jahrhunderte vorwärts zu bringen, u, die bei feinem Regierungsanttriite 
gänzlich vorbereitete u. zum Theile (don weit gebiehene neue Geſtaltung Euro- 
pa's, als chriftliche Welt, Träftig u. nachhaltig zu vollenden. Diefes if durch 
Karl gefcheßen u. biefe feine Beſtimmung, welche er erfüllt hat, muß, um ihn 
richtig zu erfennen u. zu würbigen, immerdar befiimmt u. ſcharf ins Auge gefaßt 
werden; fonft verfällt man in feinem Urtheile über biefen Helden der Weltge- 
(dichte in eine engs u. mattherzige Ginfeitigfeit u. in eine blöde Kurzſichtigkeit, 
welche befonders im Geſchichtsſtudium bie —* zahlloſer Irrthuͤmer iſt. So 
den „ verkehrt u. ungefchichtlich iſt z. B. Karl's Schilderung bei Zſchokke 
„Bayeriſche Geſchichte“, Bb. J., ©. 127 f. Noch viel verkehrter u. zur abſolu⸗ 
ten u. haͤßlichften Unwahrheit entftellt, erfcheint Karl's Gefchichte bei Anderen, 
, 2. bit G. 5 Kolb, „Geichichte der Menfchheit u. der Kultur”, Pforzheim 
1843, Bd. U., ©. 42. Weil aber Karl feine fo Hohe Beflimmung erfüllte, fo 
Sat ihn bie Weltgefchichte mit Recht Karl den Großen genannt: ein glorreicher 
Ehrenname, weldden ibm Herr Kolb ſchwerlich baburch wegnehmen wird, daß 
er iin a. a. O. Karl den „jogenannten“ nennt, fo wenig, al8 e8 ben Ruhm Kon⸗ 
Rantin’s bes Großen u, Theoboflus des Großen fehmälern wird, baß fie Bd. J., 
©. 323, u. Gregors d. Gr. u. Leo's d. Gr., daß fie Bd. IL, S. 101 u. S. 127 
mit demfelbigen Beiworte „fogenannt“ von Hrn Kolb beehret werben. If nun 
iene bier bezeichnete Befonnenheit u. Borficht zu richtigem Verſtaͤndniſſe u, rich- 
tiger Beurtheilung Karl's u. feiner Gefchichte überhaupt nothwendig, fo if fie 
vor Allem zur richtigen Auffaffung feiner Kriege gegen die ©. unerläßlidh, damit 
man nicht vollends in Beziehung auf dieſe fid von ber ziemlich gangbaren Ver⸗ 
kehrtheit ber Beurtheilungen verführen laſſe. Die Sachen, ein Fräftiges, ehren- 
werthes, altbeutfches Heidenvolk, beffen Stämme von der Eider an auf beiden 
Seiten ber Elbe u. der Weſer bis zur Ems ausgebreitet wohnten u. deſſen 
Hauptllämme zu Karl’8 des Großen Zeit Weftphalen, Angarier und Oftphalen 
ießen, waren Feinde bes Chriftenthums u. Yeinde der vom Frankenreiche über 
opa ausgehenden @ultur. Durch beide, durch Chriſtenthum u. Cultur, fahen 
fe ihre alte Freiheit u. Unabhängigkeit gefährdet u. fie erfähienen ihnen nur ale 
Werkzeuge fraͤnkiſcher Unterjochung. Chriftentkum u. Cultur wehrten die Sach⸗ 
fen nicht nur von ſich ab, fondern, wie ihre — feit undenklichen Zeiten in das 
Frankenreich gemachten u. ſtets wieberholten verheerenden Einfälle beweilen, war 
ihre Racbartpaft für bie chriſtliche Cultur Höchft gefährlih. Karl war es fi 
ſelbſt, dem Frankenreiche u. dem Chriſtenthume ſchuldig, biefe gefährlichen u, un: 


Wen 


1078 Sachſen⸗Kriege. 


ruhigen Nachbarn zum Chriſtenthume zu bekehren u, ihre Belehrung durch Un⸗ 
terjochung, wenn man ihre Vereinigung mit dem Frankenreiche ſo nennen will, 
zu ſichern, ober wenigſtens ſich ber von ihnen her drohenden Gefahr Fr entlebis 
gen. Hierna u. wie fi im Verlaufe diefer Darftellung aus ben Thatſachen 
lar herausftellen wird, Haben wir Karl's des Großen Kriege gegen die Sachſen 
vorzüglich als nothgebrungene Denideibigun öfriege anzufehen u. Kolb's pathe⸗ 
tifchen Ausruf Bd. IL, ©. 42: „Man denfe nur an die eben doch aus Erober⸗ 
ungsfucht u. Kanatismus geführten Sachſen⸗ und andere Kriege u. f. w.“ als 
grund» u. bobenlofes Gerede entfchieden zurüdzumeifen. Sehr wahr u. treffend 
fagt dagegen Dr. Mar Wolfg. Dunder in feiner neuen Bearbeitung ber 
Becker'ſchen Weltgeſchichte Bb. IV., ©. 151: „Für den Unmut, ben bie Be 
trachtung diefer fo langen, hartnaͤckigen u. blutigen Friede an 6 entfchäbiget 
die erfreuliche Erfcheinung, daß daraus doch bie wohlthätigfien eigen für das 
Land Hervorgegangen find. Die Sachſen wurden bem rohen Zuftande ihres Le 
bens entrifien, ben fie freiwillig niemals aufgegeben hätten. Auch das en⸗ 
thum wuͤrde, bei der großen Starrheit ihrer Natur, ohne aͤußere Noͤthigung 
ſchwerlich jemals Eingang bei ihnen gefunden haben." Und Brofefior Dyanam 
zu Baris in feinem Werke: „Die Begründung des Ghriftenthums in Deutſch⸗ 
land“, München 1846, Ingt : „Es Halten die Männer bes Rorbens, bie niemals 
ihre Heimath verlafien Haben, mit ihrer Religion auch ihre Sitten feſt; ſie ſam⸗ 
meln fich in dem Sachſenbunde, ber alle Stämme vereiniget, bie ben Franken 
feindlich find u. Barbaren bleiben wollen, u. breißig Jahre lange bietet ihre 
ſtarre Widerfpenftigleit ben Waffen Karl’ des Großen die Spitze“. Die Kriege 
Karl’8 des Großen gen die Sachſen dauerten, bis zur gänzlichen u, bauernden 
Beruhigung, volle 31 Jahre, von 772 — 803. Profefior Möller zu Löwen in 
feiner neueften Bearbeitung der Geſchichte bes Mittelalter, „Precis de l’histoire 
du Moyen Age“, seconde edition, Louvain 1846, ©. 138, unterfcheibet 3 Zeits 
räume der Geſchichte dieſer Kriege: 1) von 772— 780, wo bie verfchiebenen 

ſaͤchfiſchen Stämme, ohne gemeinfamen Plan, jeber unter feinem Anführer, gegen 
die Franken kämpfte; 2) von 782 — 785, wo das gefammte fächfifche Volk vers 
eint zu den Waffen griff, aber im Kampfe erlag; 3) von 793 — 803, wo ber 
Krieg vorzüglich gegen die biöher von demfelben unberührt gebliebenen Stämme 
auf dem rechten Elbeufer geführt wurde. 1) Nah Karl’d des Großen erftem 
Selbauge im Jahre 772 unterwarfen fi die Sachen im Jahre 773 u, verfpras 
hen, Tribut zu Eye u, Die Prediger des Evangeliums in ihrem Lande nicht 
zu flören. Ihre ‚die Eresburg (f. d.), auf einer Anhöhe an der Diemel, 
im Serzogläume Weftphalen, zwiſchen Brillon u. Warburg gelegen, bort, wo heute 
das Städtchen Stabtbergen fleßt, u. ihr bort befinbliches Heiligtum, bie Ir⸗ 
minful (Irmenfäule, f. d.), wurden zerflört. — Allein tm folgenden Sahre, 
774, al8 Karl d. Gr. den König ber Longobarben, Defiderius, befriegte, benüßten 
die fchlauen u. feindlich gefinnten Sachfen biefe Gelegenheit. Sie erhoben ſich 
u. verwüfteten das Frankenreich bis Fritzlar, wo fle Die von dem hl. Bonifazius 
auf der Büraburg erbaute Kirche zu zerftören fuchten. Da folgte ber zweite 
Feldzug Karl's d. Er. 775 u. Die zweite Unterwerfung ber Sachſen, nebft beren 
Treuejchwur im Jahre 776. Im darauf folgenden Jahre 777 ſchien ber Friede 
fo gefichert zu feyn, daß Kaiſer Karl nunmehr zur Einrichtung u. Orbnung ber 
inneren Angelegenheiten einen fächfifhen Reichstag im Lande dee Sachſen zu 
Paderborn hielt. Dort gelobten die Sachſen feierlich Treue mit dem ausbrüds 
lichen Zufate: „Wer zuwider handele, folle Güter u, Freiheit verlieren”. (Bers 
gleihe Möller, „Manuel d’histoire du Moyen Age“, Louvain 1837, ©. 398, 
wo fi dieſe Nachricht aus ben mittelalterlichen Quellen beftätiget findet; 
Beder, Bd. WV., S. 146). Schon damals war Karl's Rame und fein Ruhm 
weit über feines Reiches Graͤnzen hinaus verbreitet. So geſchah es, daß auf 
dem Reichötage zu Paderborn arabiſche Große aus Saragofia in Spanien ans 
kamen, um von Karl Hülfe gegen Abb el Rhaman, ben mächtigen Kalifen 


Sachſen⸗Kriege. 1079 


von Cordova, zu verlangen. Karl, vertrauend auf bie Eide u. bie feierlichen 
Belöbniffe dee Sachſen, war alsbald bereit und unternafm ben ritterlichen,, für 
Ne Befreiung Hifpaniens möglicher Weife erfolgreihen Zug in das ferne Land. 
Allein die Sachſen, voll feindlichen Sinnes, achteten auch bie jüngften Eide wes 
ig; u. als bie Gerüchte von ben Ripgeibiden, bie Karl’s Heere in bem weit 
ntlegenen Hifpanien betroffen Batten, bis zu ipmen brangen, da wiberftanden fie 
ver lodenden Borausficht, fich jebt mit glüdlicherem Erfolge zu erheben, nicht 
an er. Wittekind w Albion waren ihre Anführer; fie enbirten fih, Morb 
erwäftung gingen vor ihnen her, bis gegen Köln am Rhein u. von bem 
Yerwüßleten Deu an auf dem rechten Rheinufer aufwärts bis zur Mündung 
ver Mofel gegen ber. Und auch die wilden Frieſen nahmen Theil an biefem ges 
üßrlichen ande. Diefes Bei m 30 re 778. Und Karl fam herbei u. 
yeflegte fie abermals in ben Jahren 7 80. Biele Sachen ließen fich taus 
en. Rur waren Wittekind unb Alien "entfoßen und fie und bie Feinde ber 
Kranten fanden Zufluht u. Schuß bei ie fried dem Könige der Dänen. — 
Nein bie Weſtphalen waren beflegt und bie Angarier u. Oftphalen waren in 
darl's —* an der Weſer erſchienen u. hatten fi unterworfen. Al Karl > 
Broße im Jahre 780 an ber Elbe fand, da fchien das ganze Sadienland 
Hölliger Ruhe feine Oherherrfchaft anzuerkennen. Schon wurde für das Wert ve 
Befeßrung gearbeitet; bas Land erhielt eine kirchliche Eintheilung u. es wurben 
on mehre Biötklimer, u. a. Dsnabrüd, Bremen, Berben, Minden u. Münfter 
ie Predigt bes Evangeliums begann von Neuem u. mit Erfolg unter 
Ya dien. — 2) So ftand es in Sachſen um das Jahr 782. Karl fcheint 
et 780 —2 nice Arges mehr von dem Volke beforgt zu Haben. Die Sach⸗ 
en dienten, gleich den Kranken, im fränkifchen Heere u. zahlten zum Unterhalte 
er Kirche u. dee Geiftlichfeit ben Se, eine uralte, natürliche u. nichts we⸗ 
io als beſchwerende Abgabe, Indefien Hatten fie gegen biele gabe u. fo 
—A— gegen die Heeresfolge, ihrer alten Unabhaͤngigkeit, einen 
iderwillen und ihre entflohenen Anfuͤhrer, beſonders Wittekind, unterlie⸗ 
en Rice, um biefen — en anzufachen, bis derſelbe bei einer ebenen 
Helegenheit zu offener Empörung ausbrach. König Karl mußte im e 780 
inen Heereszug gegen die raͤuberiſchen Slaven nach ber öftlichen Reihesgcine 
bienben u. es Elle dieſes Ge burch Mn Prag a verſtaͤrkt werben. 
geſchah es, bag die Sachſen über die fr —— die nichts 
ee ahnten, ern u. fie ni 8 —— erſchien Karl 
? ihrem Lande als raendea geſtr endet Ritt. 6 ünfthalbtaufend en 
zurden zu Verden an em uitaupiet es, 
ge Strafgericht ! Do bebenten wir das Hitalter u. bie 8 mau L- 
fer und ben oftmaligen Treuebruch u, bie neuerliche Verraͤtherei u. 
erechten Zorn: wie vermöchten wir bann ben großen Mann zu —— — — 
Dehhafı erbärmlih u. von bem offen ausge rochenen hade 8 ſſe gegen 
as Chriſtenthum eingegeben iſt, was Kolb, Bd. IL, S. 42 in erkung 
igt: „man denke nur * ... an das treuloſe, —eS — — I lachen 
on fünfthalbtauf end © chſen u. |. w.“ If denn treulos Der, weld 
ehn Jahre lange f feige Treulofigkeit u, nimmer endende —S 
uchtigen kommt? iſt euchelmoͤrder Der, welcher mit fen wer 
« Gewalt eben verübten bluti er Br zu rächen Tommi? Iſt das 
on ®. F. Kolb ein Inabenhaftes, ganz finnlofes pr ha wen nicht jr 
sehr eine —* und böswillige Berbrefung der 9 mim © egriffe und 
ine Berhößnung bes gefunden enſchenverſtandes? 7 Ir enfihen, von ber 
en man in Wahrheit Tagen darf, qu’ils n’apprennent et qu’ils n’oublient — 
ien, — Karl's blutiges Strafgericht iſt ein a A u. von Zeit, Um⸗ 
Anden u. Verhaͤltniſſen herbeig t wurde, eine Handlung, welche zu recht 
gen, um der Menſchlichkeit willen, von M Ah nic verfucht werben 01, 
m bderetwillen aber Karl zu verbammen ungerecht und unfkmig IR, vor Suse 


4080 Sad en Kriege. | 


fung, vor deren Berantwortung jeber Sterbliche erbeben mag, für welche es aber 
nur Einen Richter, Gott ben Herrn im Himmel, gibt. Eat ber große König 
Karl vor ber Verantwortung vor feinem göttlichen Richter, an den er glaubte, 
nicht zurüdigebebt, fo geziemt es uns, die wir fo Klein find, als Karl groß 
war, das Noher bereinft fund werbenbe Urtheil Gottes in Befcheidenheit abzu⸗ 
warten. — Run erhoben ſich alle ſaͤchſiſchen Gaue, um vereint die Unterbrüdung 
ihrer Freiheit abzuwehren. Wittefind war zu ben Geinigen zurüdgefehrt. Ein 
biutiges Treffen in der Gegend von Detmold im Jahre 783 entichieb Teinen Sieg. 
m einem zweiten Treffen an ber Hafe im heutigen Fürftentfume Osnabrüd 
unterlagen die Sachſen nad blutigem Kampfe. — Karl blieb in ben Jahren 
784 u. 785 in ihrem Sande, wirkend für Friede u. Unterwerfung. Er war im 
unbeftrittenen Beſitze ber Herrfchaft bis zur Elbe. Wittefind und Albion, nebſt 
anderen Anführern, waren wieber zu ben Dänen entflohen. König Karl unterließ 
feine Verfuche, um biefe tapferen Führer zur Heimkehr und zu freiwilliger Unter 
werfung zu bewegen. Da kamen endlich Beide im Jahre 785 zum Könige nad 
Attigny in der Champagne und empfingen bie heilige Taufe. Groß war Karls 
Freude über ihre enbliche Belehrung : denn, wie eintt Ehlodwig, bem Franken, 
bie Edeln feines Bolfes, fo folgten eine große Zahl edler Sachen ihren Kührern 
nach u. befehtten fich zum Girl e. Karl verlieh den Sachſen dieſelben 
Rechte, wie fie die Kranken Hatten: fie wurben durch Grafen aus ihrem eigenen 
Bolfe regiert und heidniſcher Götterdienfi warb bei Tobeöftrafe verboten, bie 
zerflörten Bisthümer wurden hergeſtellt. (Bergl. bie Quellen bei Möller Ms 
nuel etc. 401 f.) — 3) So blieben biefe Stämme 8 Jahre lange ruhig u. bien 
ten unter den Bahnen ber Franken. Doch bis zu Ihren Brüdern jenfelts, am 
rechten Ufer der Elbe, war Karl nicht gefommenz dieſe waren unabhängig umd 
Sehen geblieken. Sie reisten fortwährend ihre Stammgenofien bieffeits zum 

fruhr. Da bradden im Jahre 793 wirklich Unruhen aus, welche jedoch in eis 
nem Feldzuge vom Jahre 794 u. beſonders dadurch gebämpft wurden, baß Karl 
ein Dritttheil ber Ihm unterworfenen fächfifchen Bevoͤlkerung nad dem Franken⸗ 
reiche verpflanzte. Zwei Jahre fpäter, im Jahre 496, ging Karl über die Eibe 
und drang bis zur Eider vor. Kaum fand er dort Widerſtand; alle Sachen 
unterrwarfen fich ihm, empörten fich aber immer wieber, fobald bie Kranken über 
bie Elbe zurüdgelehrtt waren. Hiernach mußten verfchiebene Kriegszuͤge ‚gegen 
fie bis zum Jahre 799 fortgefebt werden. Eine große Anzahl der jenfeitigen 
Sachſen wurde in biefem Iepten re nach dem Frankenreiche verpflanzt. End» 
ich im Jahre 803 wurde mit allen Sachſen ein dauernber Friede geichloffen, alle 
wurben Chriſten u. erfannten Karl u. deſſen Nachfolger als ihren veöjtmäßigen 
Oberherrn an. Die Sachſen waren fortan Ein Volk mit den Franken. Acht 
Bisthüümer wurden in ihrem Lande errichtet: Minden, Osnabrüd, Halber- 
ffadt, Berden, Bremen, Paderborn, WMünfter, Hildesheim und 
biefe den Erzbifchöfen von Köln u. von Mainz untergeordnet. Möller „Ma- 
nuel etc.“ ©, 403, wo auf die Duellen nachzufehen find, fagt zum Schlufie: 
„Telle fut la fin glorieuse de ces longues guerres contre les Saxons, guerres 
„par lesquelles Charlemagne rendit un immense service à la cause du pro- 
‚gres social dans la Gaule et dans la Germanie.“ Ja, bie Sachſen waren in 
Folge biefee Kriege zwar wider ihren Willen, aber auch nur wiber ihren vers 
fehrten u, wahrhaft unfreien Willen, in die Bahn: der allgemeinen europäls 
ſchen, chriſtlichen Sittigung u. Civiliſation eingelenft, in welcher fie fortan zur 
woßlverflandenen Freihelt u. zur wahren Würde freier Menſchen fortichreiten 
fonnten. Die jugendlich blühende Cultur des chriftlichen Frankenreiches war nums 
mehr von einer fie ſtets beunruhigenden, gefäßrlichen Nachbarſchaft befreit. “Dem 
Chriſtenthume war ber Zugang nicht nur nach dem heibnifchen Oſten, fonbern 
nach dem finftern Norden zu ben noch menfchenopfernden Dänen geöffnet. Kurz, 
es hatte Karl durch feine Bekriegung, Belegung u. Belehrung ber Sachen eis 
nen ber widhtigften Theile feiner, ihm augenfcheinlich von ber Vorſehung beſtimm⸗ 


4. [> 


Sachſenſpiegel — Saden, 1081 


ten, Zebensaufgabe ruͤhmlich erfüllet, „Weit entfernt," fagt Möller „Precis eto.“ 
S. 140, „weit entfernt, feine.Anfprücdhe auf die Bervunderung ber Rachwelt zu 
mindern, find vielmehr biefe Kriege Karls negen bie Sachfen einer ber herrlichſten 
Titel ſeines Ruhmes.“ — „Loin donc d’affaiblir ses droits a l’admiration de la 
posterite, les guerres saxonnes sont plutöt un des plus beaux titres de sa 


r. Siz, 
fenfpiegel heißt eine Privatfammlung von beutfchen Rechtövorfchriften 
unb rechtlichen —— welche der ſaͤchſiſche Edelmann Ebkow von Repkow 
ober Eyfe von Repkow, als graͤflich Falkenſteiniſcher Gerichtoſchoͤppe 1215— 1235 
veranſtaltete. Sie beſteht nicht blos aus urſpruͤnglich deutſchen Rechtsvorſchriften, 
Urtheilsſpruͤchen und Gewohnheiten, ſondern auch aus einigen Saͤtzen des römis 
den und kanoniſchen Rechtes. Ebkow von Repfow theilte Kin, in der alten ſaͤch⸗ 
Mnndart gefchriebenes, Werk in 2 Abfchnitte, von welchen ber erſtere ben 
Titel Landrecht (d. h. bürgerliches u. peinliches Recht, in 3 Büchern), und ber 
zweite den Titel Lehenrecht führte. Epäterhin warb noch ber Richtſteig bes Lands 
rechts Hinzugefügt, welcher eine Progeßorbnung enthielt. Der S. wurbe, obgleich 
er nur eine lung war, doch bald als allgemeine Regel rechtlicher Ent⸗ 
ſcheidungen in Sachſen u. in jenen Landen, wo bas fächfifche Recht galt, ja for 
gar in Polen, Dänemarf u. anderen auswärtigen Staaten angenommen u. i 
noch jebt ber Brunbflein bes fächfifchen Rechtes. Die exfte Ausgabe .bes Werkes 
erihien zu Baſel 1474 u, fpäter eine fehr gute von Gaͤrtner, Leipzig 1732. 
Seit einige, um bas beutfche Recht verdiente, Männer wieder auf den ©. hinge⸗ 
wiefen Haben, ift auch bie Eritifche Bearbeitung beffelben vorgenommen worden 1. 
fo iſt berfelbe nach einer Berliner Hanbfchrift von Homeyer (Berlin, 2te Aufl, 
1835) und von Weiske, Leipzig 1844, In Eritifchen Ausgaben erfchienen. 

Sachwalter, |. Advokat. | | 

Sad, Johann Auguft, geboren zu Kleve 1764, trat nach vollendeten 
Studien 1788 in ben preußifchen Civildienſt u. entwidelte bald bedeutende Talente 
als Berwaltungsbeamter. Als er mit Hoche 1797 die Gonvention abgeſchloßen, 
daß die auf dem linken Rheinufer gelegenen preußifchen Provinzen einflweilen ihre 
—28 u. Verfaſſung behalten ſollten, kam er 1798 als geheimer Oberfinanz⸗ 
rath nach Berlin, deſſen Verwaltung er 1806 —7 leitete. Im Jahre 1809 zum 
Staatsrath erhoben, arbeitete ex mit Stein die Staͤdteordnung, mit Gneiſenau u, 
Scharnhorſt die Landwehrorbnung aus, warb 1813 Civilgouverneur bes Landes 
a ber Elbe u. Ober, 1814 Generalgouverneur am Rhein u. 1816 Oberpräs 

t ber Provinz Pommern. Sein Verbienſt um bas materielle u, geiftige Wohl 
Bommerns warb durch ein Denfmal geehrt. Ex ftarb 1831. 

Saden, Fabian Gottlieb, Fürft von Oſten⸗S., geboren 1752 in Kurs 
land, trat 1766 in ruſſiſche Dienfte, focht im Türkenkriege, gegen ‘Polen 1794, 
ward Generalmajor u. focht 1799 unter Suwarow in Stalien, führte 1807 unter 
Benningfen das 2, Corps, mit dem er fich beſonders bei Pultusk u. Eylau aus⸗ 
zeichnete, warb Generallieutenant, befehligte 1812 unter Tormaffow das Corps in 
Bolhynien gegen die Sachſen u. Oefterreicher u. führte nach ber Abberufung 
Tormaſſow's zur Armee bei der Berfolgung die A Corps ber volhynifchen Armee 
allein, befam aber nach Heberfchreitung der preußifchen Graͤnze ein eigenes Corps, 
mit dem er während bes Waffenftillfiandes bei Ohlau fland, Später zeigte er 
Anfangs wenig Bertrauen zu biefem, nach der Schlacht an ber Katzbach warb er 
ein lebhafter Verehrer defielben, focht bei Leipzig (wofür er General ber Infan- 
terie wurde) u. in Frankreich auf das Tapferfle u. warb 1814 Gouverneur von 
Paris. 1815 befehligte er das 5. Armeecorps unter Barclay de Tolly, fam aber 
nicht in's Gefecht. Nach bem Kriege warb er Feldmarfchall u. erhielt den Befehl 
über die erfte Weftarnee (Bauptquartier in Kiew), von wo aus er 1828 viele 
Truppen zum Einfalle in die Türkei rüftete u. zur Unterbradung bes polnischen 
Aufkandes 1831, befonders in Volhynien u. Podolien burch diger u. Roth, 
thätig war. 1833 bei ber neuen Organiſation ber Armee warb biefe Armee aufs 


FE 


1082 Sadpfeife — Sacrament. 


gelöst u. S., Alters wegen bienflunfähig, dadurch in Ruheſtand verfeht. Er ſtarb 
1832 in den Fürftenfland erhoben) zu Kiew 1837, 

Sadpfeife oder Dubelfad, ein fehe altes muſikaliſches Inſtrument, das 
am häufigften noch im fchottifchen Hochlanbe, fonft, jedoch felten, auch bei Schaͤ⸗ 
fen u. Landleuten gefunden wird. Die ©. diente im 16. Jahrhunderte zur Be 
gleitung der Lieber u. in einigen — Regimentern vertritt fle bie Stelle 
der Trommel u. Trompete, Ihre Beflandtheile find: ein lederner Schlauch, pe 
woͤhnlich aus einer Schafshaut, mit einer Röhre verfehen, in welche ber W 
gelafien wird, Auf bee Seite des Schlauches befindet fih aber eine Art Schals 
mei, eigentlich eine Doppelroͤhre, beren eine mit Tonlöchern verfehen ift und ben 
durch die eingeblafene Luft erzeugten, durch ein Zufammenpreffen bes Schlauchs 
unter bes Arm verftärkten, Ton als eine Melodie erflingen ßt, bie andere aber 
dazu eine Art von Baßbegleitung angibt. Man nennt diefe fortklingenden ee 
bie Stimme. Es gab vormals vier Arten biefes Inftruments, theils burch ben 
Ton, theils durch die Größe unterichieden, nämlich : der Bod ober polnifche Bot, 
bie Schäferpfeife, das Hummelchen u. ber Duden. ' 

Sacrament (Sacramentum), bebeutet im Allgemeinen einen Eid, daher auch 
bei den Römern ber Dienfteid des Solbaten Sacramentum die. Bon den la⸗ 
teinifhen Kirchenvaͤtern wird biefes Wort zur Bezeichnung einer Heiligen, aber 
verborgenen, geheimnißvollen Sache gebraucht, wo fidh die Griechen bes Wortes 
— — Geheimniß — bedienen. Bei den katholiſchen Schriftſtellern kommt 
das Wort S. als ein ſichtbares Zeichen ber unſichtbaren Gnade vor. 
Daher die Auguſtiniſche Definition: „Invisibilis gratiae visibilis forma, ut ejus 
similitudinem gerat et causa existat,“ Der römijche Katechismus erflärt Sacra- 
mentum als res sensibus subjecta, quae ex Dei instituto sanctitatis et justitiae 
tum significandae, tum efficiendae vim habet.“ Ein ©. iR fomit ein ſichtbares, 
von Chriſtus eingefehtes Zeichen ber unſichtbaren Gnade, angeordnet zu unferer 
Heiligung und Rechtfertigung. Nach dem Lehrgriffe ber katholiſchen Kirche wer⸗ 
ben drei wefentliche Stüde zu einem S. erfordert; nämlich e8 muß 1) ein fichts 
bares, 2) ein auf göttlide Einſetzung gegrünbetes und 3) ein 
äftiges Zeichen feyn, wodurd wir innere Gnade und Helligung empfangen! 
Schon im Alten Teftamente gab es einige von Gott felbft vorgefchriebene Bes 
beäuche, wie die Beſchneidung, die Einweihung ber jübifdden Prieſter und 
a., welche man S.e nannte, Dieſe aber waren nur bloße Ritus, wodurch bie 
Gnade Gottes nicht mitgetheilt wurbe, fie waren nur Borbilder von den S.en bes 
neuen Bundes, Rab Schrift u. Trabition gibt es fieben S.e, wodurch Jefus 
feiner Kirche in fieben Källen, in welchen fie für ihre lieber einer befondern 
Gnade bedarf, zu Hülfe kommen wollte, Dielateinifche, wie bie griechiſche Kirche, 
und zwar fowohl bie unirte, als bie nichtumirte, zählen einftimmig fieben S.e, 
nämlich: bie Taufe, die Firmung, das Altar⸗S., die Buße, die lehte Oelung, bie 
Prieſterweihe und bie Ehe (f. d.). Die Lehre von fichen S.en gründet fiy auf 
apoftolifche Heberlieferung unb die Kirche if im beftändigen Befige und Gebrauche 
biefer fieben von Bott angeordneten Heilsmittel, “Die Broteanten nehmen nur 
zwei S.e, nämlih bie Taufe und bad HL. Abendmahl an, worin nun eben 
eine ihrer HauptimterfcheidungssLehren von ber katholiſchen Kirche beſteht. Luther 
und bie Apologie der augsburgiſchen Confeffion erklären fich jmar für drei S.e, 
die Taufe, das Abenbmahl und die Buße ober Abfolution , ber Folge aber 
haben bie Proteftanten, mehr ſtillſchweigend als öffentlich, nur obige zwei anges 
nommen. — Die Beflimmung ber S.e war nad) Anſicht ber Reformatoren mehr 
eine mebizinale, unb babei Alles von bem Empfänger abhängig gemacht; ber 
objertive Charakter — bie gratia sanctificans und das opus operatum wurden 
bezüglich der von ihnen verworfenen bei Seite geſetzt und dagegen ber fubjertive 
— bas ex opere operantis — hervorgehoben, dadurch aber ein weſentlicher cons 
feffioneller Unterſchied begründet. Jedes S., als ein fichtbares Zeichen, hat 1) 
eine beſtimmte Materie, 2) eine Form. Hiezu kommt auch noch der Minifter, 


Pe, 


Sachſenſpiegel — Sacken. 1081 


ten, Lebensaufgabe rühmlich erfüllet. „Weit entfernt,” fagt Möller „Precis eto.“ 
©. 140, „weit entfernt, feine. Anfprüdhe auf die Bewunderung ber Macwelt zu 
mindern, find vielmehr biefe Kriege Karls gegen bie Sachfen einer der herrlichſten 
Titel feines Ruhmes.“ — „Loin donc d’aflaiblir ses droits a Yadmiration de la 
posterite, les guerres saxonnes sont plutöt un des plus beaux — de sa 


r, Sitz. 

Sachfenfpiegel Heißt eine Privatfammlung von beutfchen Rechtsvorichriften 
unb rechtlichen Gewohnheiten, welche der fächfifche Edelmann Ebfow von Repkow 
ober Eyfe von Repkow, als gräflich Kalfenfteiniicher Berichtsfchöppe 1215— 1235 
veranftaltete. Sie befteht nicht blos aus urfprünglich beutfchen Nechtsvorfchriften, 
Urtheilsfprüchen und Gewohnheiten, fondern auch aus einigen Säben des römis 
fen unb fanonifchen Rechtes. Ebkow von Repkow theilte fein, in der alten ſaͤch⸗ 
ſiſchen Mnnbart gefchriebenes, Wert in 2 Abfchnitte, von welchen ber erſtere ben 
Zitel Landrecht (d. h. bürgerliches u. peinliches Recht, in 3 Büchern), und ber 
zweite ben Titel Lehenrecht führte. Epäterbin warb noch ber Richifleig bes Lands 
rechts Hinzugefügt, welcher eine Progeßorbnung enthielt. Der S. wurbe, obgleich 
er nur eine Frwatſanmg war, doch bald als allgemeine Regel rechtlicher Ent⸗ 
ſcheidungen in Sachſen u. in jenen Landen, wo das ſachfiſche Recht galt, ja for 
gar in Polen, Dänemark u. anderen auswärtigen Staaten angenommen u. i 
noch jetzt der Grunbſtein bes fächfiichen Rechtes. Die erfie Ausgabe .ves Werkes 
erſchien zu Bafel 1474 u. fpäter eine fehr gute von Gaͤrtner, Leipzig 1732, 
Seit einige, um das beutfche Recht verbiente, Männer wieder auf den ©. Hinges 
wieſen haben, ift auch bie Feitifche Bearbeitung beffelben vorgenommen worben u. 
fo iſt derfelbe nach einer Berliner Hanbfchrift von Homeyer (Berlin, 2te Aufl, 
1835) und von Weisfe, Leipzig 1844, in kritiſchen Ausgaben erſchienen. 

Sadmwalter, ſ. Advokat. | | 

Sad, Johann Auguft, geboren zu Kleve 1764, trat nach vollendeten 
Studien 1788 in den preußifchen Civilbienſt u. entwidelte bald bebeutenbe Talente 
ale Berwaltungsbeamter. Als er mit Hoche 1797 bie Convention abgeichloßen, 
baß bie auf dem linken Rheinufer gelegenen preußifchen ‘Provinzen einftweilen ihre 
—2 u. Verfaſſung behalten ſollten, kam er 1798 als geheimer Oberfinanz⸗ 
rath nach Berlin, deſſen Verwaltung er 18067 leitete. Im Sabre 1809 zum 
Staatsrath erhoben, arbeitete er mit Stein bie Gtäbteorbnung, mit Gneifenau u, 
Scharnhorft die Landiwehrorbnung aus, ward 1813 Cisilgouverneam bes Landes 
wiſchen der Elbe u. Ober, 1814 Generalgouverneur am Rhein u. 1816 Oberpräs 

ent der Provinz Pommern. Sein Berdienft um bas materielle u. geiflige Wohl 
Pommerns warb duch ein Denkmal geehrt. Er ſtarb 1831. 

Saden, Fabian Bottlieb, Kürft von O ſten⸗S., geboren 1752 in Surs 
land, trat 1766 in le Dienſte, focht im Türkenfriege, gegen ‘Bolen 1794, 
ward Generalmajor u. focht 1799 unter Suwarow in Stalien, führte 1807 unter 

enningfen das 2. Corps, mit bem er ſich befonbers bei Pultusk u. Eylau aus⸗ 
zeichnete, warb Generallieutenant, befehligte 1812 unter Tormaflom das Corps in 
Bolhynien gegen Die Sachſen u. Defterreicher u. führte nad) ber Abberufung 
Tormaſſow's zur Armee bei ber Derfolgung bie A Corps ber volhyniſchen Armee 
allein, befam aber nach ut peeußifihen Graͤnze ein eigenes Corps, 
mit bem er während bes Waffenfiliftandes Ohlau fand, Später zeigte ex 
Anfangs wenig Bertrauen zu dieſem, na der Schlacht an ber Katzbach warb er 
ein lebhafter Verehrer befielben, focht bei Leipzig (wofür er General der Infan⸗ 
terie wurde) u. In Frankreich auf das Tapferfte u. warb 1814 Gouverneur von 
Paris. 1815 befehlinte er das 5, Armeecorps unter Barclay be Tolly, kam aber 
nicht in's Gefecht. Nach bem Kriege warb er Feldwarfhall u. erhielt den Befehl 
über bie erſte Weftarnee —— — in Kiew), von wo aus er 1828 viele 
Truppen zum Einfalle in die kei ruſtete u. zur Unterdruͤckung bes polniſchen 
Aufſtandes 1831, beſonders in Volhynien u. PBobolien durch ger u. Roth, 
thätig war. 1833 bei der neuen Organifation ber Acer work Wie Siugr so 


1084 Sacrilegium — Sadoth. 


siae heraus, Es enthält 3 Bücher. Merfwürbig iſt das Drsgorimifihe Saras 
mentarium , welches von Jakob Pamelius, Koͤln 1571, Angelus Rocca, 
Nom, 1748, Hugo Menardus, Paris 1642 u. von Muratorius, Vened. 
1748 herausgegeben wurbe. 

Saerilegium, |. Kirchenraub. 

Saeriftei ift derjenige innere Theil ber Kirche, welcher zur Aufbewahrung ber 
Paramente u. Hl. Gefäße, zur Vorbereitung ber Priefter zum Cottesbienfte, zum 
Ankleiden u. f. w., dann zu Unterrebungen ber Drtögeiftlichen mit ihren Paro⸗ 
chianen und überhaupt zur Anorbnung Alles befien, was fon in ber Kirche zu 
thun fich nicht ziemt, beftimmt iſt. Insbeſondere muß allda ein Kreuz angebradt 
und ein Bet⸗ wie auch ein Beichtftußl aufgeftellt feyn. Der Kirchendiener, wels 
her die Kirchenparamente aufzubewahren, in Orbnung zu Baiten und überhaupt 
ben Geiflichen zu bebienen hat, Heißt Sacriftan. 

Sacy, 1) Louis Ifaafle Maiftre de, geb. zu Paris 1613, Vorſteher ber 
Abtei von BortsRoyal, faß als Janſeniſt von 1666-69 und fpäter abermals in 
ber Baftille und farb 1684, bekannt durch liebliche Dichtungen, Meberfebung ber 
Nachfolge Chriſti und befonders bes Neuen Teftaments (verbammt von Gle 
mens IX). — 2) ©. Syiveftre de, berühmter Orientalift, geboren 1758 zu Paris, 
1781 Münzrath, hatte an ber Herausgabe ber „Notices et Extraits‘‘ aus ber 
königlichen Bibliothet Antheil, 1791—92 Generallommiffär der Münzen, 1795 
Profeſſor des Arabifchen, 1806 des Perſiſchen, 1808 Mitglieb bes gefeßgebenden 
Körpers, 1813 Baron, 1815 Rektor der Univerfität Paris, 1832 Pair von 
Frankreich, beftändiger Sekretär ber Alabemie ber Inſchriften, neftorben 1838. 
Seine ausgezeichneten Were find: „Grammaire arabe“ (2 Bbe., 2. A., 1831), dazu 
„Arab. Chreſtomathie und Anthologie; „Ueberfegung arabifcher und perfifcher 
Schriffteller,“ „Memoires sur létat actuel des Samaritains“ (1812) ıc. 2. Vgl. 
Reinaub: „Silv. de 8.“ (2, A. Par. 1839.) 

Sabddneder, eine jüdifche Sekte, welcher im Neuen Teſtamente oft gr 
wird. Ihren Ramen leitet man am wahrfcheinlichften von ihrem Stifter Sabot 
(Zad of) her, einem Schüler bes Antigonus von Socho (etwa 300 Jahre v. Ehr.) 
ben er unrecht verſtanden hatte; nach Anderen von ihrer angeblichen Rechtgläubig- 
feit (von dem hebr. Worte Yay). Sie lehrten, e8 gebe weber gute noch böfe Geis 


fter, felbft die Seele des Menfchen fei fterblich, mithin nach dem Tode weber eine 
Auferfiehung, noch eine Vergeltung zu erwarten. Es gebe auch Feine Einwirkung 
Gottes auf die Hanblungen ber Menfchen, fondern Alles Hänge von deren freiem 
Willen ab; fie führten Daher ein üppiges Leben. Sie gaben vor, ben reinen 
Moſaismus Herzuftellen, daher verwarfen fie alle Meberlieferungen und ließen nur 
das gefchriebene Wort des alten Bundes gelten; fo fagten fie gänzlich vom le⸗ 
bendigen Kirchentfume ſich 108 und zeigten in ihren religiofen Anfichten eine vor- 
nehme Bleichgültigfeit. An dem gemeinfamen Gottesbienfte nahmen fie Antheil 
und bequemten fi, wenn es feyn mußte, auch fcheinbar ben Lehren ber Phar i⸗ 
fäer, beren ungleich ſchwaͤchere Gegner fie bildeten; nur wider Jefum und 
wiber die Apoftel machten fie gemeinfchaftliche Sache mit jenen. Sie fchloßen ſich 
jebesmal ber pofpartel an; erhoben fih unter Johannes Hyrfan und deſſen 
Sohn Ariftobolus L, dann aber unter ber Herrfchaft der Familie des Herobes, 
befonders unter Herodes Antipas. 

Sadoth, ber Heilige und feine Gefährten, Märtyrer zu Beth 
lapata und Kteſiphon in Berfien. Unter Sapor IL wurben die Chriften 
im Jahre 341 auf's Heftigfte verfolgt. Simon, der Bifchof von Seleucia und 
Kteſiphon, fiel als eins ber erften Opfer und Saboth, fein Reffe, wurde zu feinem 
Nachfolger ernannt, der ihm in —— — und im Maͤrtyrerthum nach⸗ 
ahmte. Bald erneute ſich bie im Ausruhen genaäͤhrte Wuth ber Terfolgung: 
Geiſtlichkeit und Volk der Gläubigen fahen nur Flucht oder Tob für Befennin 
vor Augen. In der Erwartung, daß Bott ihm feinen Weg anbeuten werbe, vers 
barg fi ©. mit feinen Brieftern eine Zeit langes er fürdhtete ben Tob nicht, 


Sähbel, 1085 


wohl aber, Gott durch Borelligfeit zu beleibigen: ein Fehler fo vieler Chriſten, bie 
nach jeber Gelegenheit ftreben, ihren einfeitigen Eifer zu zeigen und durch ihren 
Stolz dem Namen des Erlöfers Eintrag zu thun. Aus feiner Berborgenheit aber 
waltete fein Auge über feine Heerde und er ermahnte fie zur Ausdauer. Gott 
offenbarte ihm bald feinen Willen, denn er fah im Traume eine leuchtende Leiter 
von ber Erbe zum Himmel aufgerichtet und in den Höhen verſchwindend; oben 
I Simon, fein Vorgänger, und winkte ihm und fagte: „Auf, S., auf, erklimme 
te Leiter; ich ir: geftern Binauf, heute bift du an ber Reihe.“ Da erfannte 
bee Heilige, daß Gott feine Bitten erhört umb ihm feine Zukunft verfünbet Hatte, 
verfammelte feine Geiftlichfeit, ermahnte fie zur Hebung guter Werke, wie Jeſus 
feine Apoſtel: Wachet und betet, denn bie Zeit t und der Tob Tann 
jeden Augenblid nahen; die Berfolgung kann euch .erreihen; feib daher jeber 
Zeit zur Reife gegürtet, bamit ber euch bereit finde, wenn er ruft: feine 
Gnade allein vermag euch vor Schwäche In den Dualen zu bewahren.“ Bon 
diefer Zeit verbarg ſich ©. nicht mehr, denn er wußte, daß ihm fein Theil am 
Ammlifigen Erbe beftimmt fe. So kennt der von Gott geleitete Menfch bie 

obesfurdht nicht; er wirb ja vereint mit Gott, ber nur Geiſt ift, verachtet das 
Fleiſch und entledigt fich feiner freudig. Der von elenden Leidenfchaften bes 
Körpers Hingeriffene aber Tann den Gedanken an Trennung von ber Welt nicht 
ertragen und zittert verzweifelnd vor bem lebten Lebenstage. Im zweiten Jahre 
ber Verfolgung kam S. nad) Seleucia, ließ ben Bifchof, die Geiftlichfeit, Mönche 
und Ronnen, en 128, gefangen nehmen und mit Ketten beladen in fcheuß- 
liche Kerker werfen, wo fie fünf Monate blieben, umgeben von faulen Dünften, 
Dimtelheit und Hohn elender Wächter, bie Chriſtum fch heten, Dreimal wurben fte 
fürchterlich gefoltert, Streifen aus ihrem Fleiſche gefchnitten, auf Spigen gepreßt 
und dreimal band man ihre Glleder fo feft aneinander, daß die Knochen krachten 
und bie Armen nach ber Tortur fich kaum zu bewegen vermochten. Die Henfer 
geboten ihnen, die Sonne anzubeten, um ihr Leben zu retten, S. aber antwortete: 
„Wie Fönnt ihr verlangen, daß wir bie Sonne anbeten follen, bie nur, wie das 
übrige Weltall, aus der Hand bes Schöpfers Hervorging und bie nur zu unferem 
Nutzen vorhanden ift? Wir beten nur einen Gott an, defien Wort alles Vorhan⸗ 
dene erſchaffen u. außer dem es Nichts als DVergängliches gibt, Wohl koͤnnt ihr 
uns das Leben rauben, wir aber fünnen nie dem Glauben untreu werden; laßt 
uns bald vollenden.” Und al8 man ihnen anfünbigte, daß fie fterben würben, 
riefen alle einftimmig: „Rein, nein, wir fterben nicht, wir werben eiwig mit Gott 
und Jeſus Ehriftus feinem Sohne leben; Seid erbarmungslos, denn wir fünnen 
euch nicht gehorchen.” Sie gingen vereint zum Nichtplape, ſich gegenfeitig er⸗ 
mahnend, erhebend, tröftend, Beilige Geſaͤnge fingend und der künftigen Wonnen 
edentend, ©. hatte den Troft, alle feine Gefährten muthvoll vor Wr; fterben Mu 
hen und erntete fo ben Lohn feiner Arbeit. Er felbft warb auf Befehl des Kos 
nigs nach Betufah geführt und im Jahre 342 enthauptet, nachdem er 9 Monate 
Biſchof geweſen war. Jahrestag 20. Februar. 

Säbel nennt man jene blanfe Waffe, welche nur zum Hiebe gebraucht wird, 
weßhalb auch die Klinge berfelben mehr oder minder gekrümmt iſt. Der S.befteht aus 
ber Klinge und dem Gefäße Die Klinge hat eine Länge von 30—36’ u. 
wird in beinahe 3 gleiche Theile eingetheiltz; a) die Stärfe oder Barirung, 
ber dem Handbügel zunächfte didere Theil, welcher ſich an der Angel endigt; b) bie 
Schwäche ober ber durch die Spitze geblbete Theil und c) die eigentliche 
Stärke, der ber Länge nach mittlere Theil. Die wi dient als Verbindungs⸗ 
mittel der Klinge mit dem Gefaͤße. Die ing des S.s iſt breiter, als jene der 
Degen, jeboch hängt dieſe Breite von verfchiebenen Umſtaͤnden ab. Sie iſt im 
Ganzen nur einfchneidig und der, ber Schneide entgegengefehte, Theil wirb 
Rüden genannt; indeß find die meiften S.⸗Klingen gegen bie Spige Hin zwei⸗ 
fhneibig und die an dem Rüden angebrachte Schneide erhält die Benennun 
Rückenſ —* Betrachtet man den Säbel Hinfichtlich feines Gebrauches, ſo 


1086 Saͤchſiſche Schweiz. 


find an bemfelben 3 Punkte von befonderer tigt su bemerken: a) de 
Punkt am Briffe, wo ber Kämpfer benfelben fefthalt, b) der Schwerpunkt 
ber ganzen Waffe und c) der Haupunft, nämlich jener Bunt, mit welchem 
bie lin e bei dem Hiebe auf den feindlichen Körper auffällt. Das Verhältnis 
der Entfernung dieſer 3 Punkte von einander beftimmt bie Berfchiebenheit ber 
Wirkung. Liegt der Schwerpunkt dem Hauptpunfte ganz nahe, alfo dem Halt: 
punkte am Griffe entfernt, fo ift bie Kraft bes Bu ſehr groß, bie Kührung 
er Waffe dagegen ſchwer; Liegt dagegen ber Schwerpunkt bem Haltpunfte nahe, 
dem Haupunfte agenen entfernt, fo wird der S. leichter gefüßrt, bie Kraft bes 
gebe jedoch vermindert. Jene S., welche man im Kalle einer fich ergebenden 

elegenheit auch zum Stoße gebraudien kann, find nicht fo fehr gebogen, ale 
bie anderen, und S. bdiefer Art führen in mehren Armeen bie Ghevaurlegers, 
Ublanen und Jäger zu Pferd, was in anderen nicht flattfindet. Die Hufjaren 
führen die kruͤmmſten S., allein bie Frummng dieſer Waffen kommt jener der 
türfifchen Klingen nicht gleich, ſowie fie auch Beziehung auf das Gefäß viel 
fchwerer, als jene ber türfiihen S. find. Man benennt bie S. nicht felten auch 
nach) ber Truppengattung, welche fie führt. So fagt man Chevaurlegers, Gendar⸗ 
meries, Hufaren »S., ferner Infanterie-, Jaͤger⸗, Artillerie⸗S. u. ſ. w. — Die Zeit, 
in welcher man angefangen, bie Reiterei mit Säbeln zu bewaffnen, fällt in jene 
PBeriode, wo man nach dem Untergange ber eifengeharnifchten Reiterei einen Er; 
fa für dieſelbe fuchte und wo man nn die Wirfungen ber Reiterei in bem 
S. zu finden; baher findet man dieſe Waffe im 3Ojährigen Kriege fchon allges 
mein erwähnt, obgleich die Stratioten (|. d) früßer ſchon S. führten. Ob 
die Klingen berfelben weniger oder mehr gefrümmt waren, hing von den Anfich⸗ 
ten ab, welche man gerabe von ber Zwedmäßigfeit ihrer Form Hatte, indeß iſt 
die Form bderfelben Heut zu Tage für alle Truppengattuugen feſtgeſetzt. Ein Gleis 
ches findet auch Hinfichtlich ihrer Flaͤchen flatt und es ift beflimmt, welche Waf: 
fengattung Hohl, welche Schilfs und welche Flachklingen u. f. w. führt. Die 
Infanterie ift nicht in allen Armeen mit S.n bewaffnet, doch führen bie meiften 
Sinfanterien S. Die Form dieſer Seitengewehre ift fehr verſchieden. Da aber ber 
Infanterift diefer blanten Waffe mehr als einer Geräthichaft, denn als einer Waffe 
zur Vertheidigung bedarf, fo wurben in mehren Armeen ber Infanterie fogenannte 
Faſchinenmeſ —* egeben, eine Einrichtung, welche ſich als ſehr praktiſch be⸗ 
weist. Die —* e Linien » Infanterie führt einen S., sabre poignard, 
Dolchſaͤbel genannt, die Orlennsjäger einen sabre yaltagan, welcher, ein wenig 
länger, al8 ber sabre poignard, zurn Hauen und Stechen glelch geeignet, eine eis 
genthümliche Form Bat. 

KH Schweiz, ein Gebirgszug, etwa 3 Meilen von Dresden, füböftlich 
zu beiden Seiten der Elbe nach Böhmen Hinftreichend, defien vorberrfchende Ge⸗ 
birgsart Sandftein, jenfeits der Gottleube Gneis if. Anmuthige, von Walbbä- 
hen durchrauſchte Täler ; tiefe fohauerliche Gründe und Schluchten, in welche 
fih das Gebirge Kindrängt ; dicht beiwalbete Berggipfel, bie faft bis zu 1800 Fuß 
anfteigen und die reizenbften Fernſichten bieten ; Fonderbare Felsbildungen, bald 
Thore und Saͤulenreihen, bald Grotten nnd ſenkrechte Wände darftellend , Alles 
auf dem Raume von 8—12 [_J Meilen zufammengedrängt, gewährt den anziehend» 
ften und durch raſchen Wechjel ftetS erneuerten Raturgenuß. Die intereffanteften 
Punkte find: Der ottowalber Grund, von Felsbloͤcken eingeengt; die Baftei mit ber 
bewunderten Ausficht auf das Elbethal; der Koͤnigs⸗ und Lilienſtein, der Amfel- 

rund, der 972 Fuß bob Brand, das Staͤdtchen Schandau, Kirnizfchthal, Kuh⸗ 
N, eine hochgelegene Felſenhalle, umgeben von wilden Schluchten und Höhen; 
ber fleine und große Winterberg, ber Hochfte Gipfel des Gebirgs; das ſchon in 
Böhmen gelegene Prebifchthor mit höchſt romantifcher Ausficht, der Bielgrunb und 
bas Sremnitthal, welche nach dem böhmifchen Grängborfe Hirnisfratfchen führen. 
ai. vn ein „Taſchenbuch für den Befuch der ſaͤchſtſchen Schweiz” (5, Aufl, 
resben . 


Säenlarifation Heißt diejenige Handlung, wodurch geiſtliche Inflitute aufs 
jeboben u. ihre Befigungen der Kirchengewalt entzogen u. ber weltliden Macht 
mtergeordnet werben. Schon im weftphäliichen Zrieden wurden viele, burch ben 
Tbfall zum Proteſtantismus von Seiten der Erzbiichöfe und Biſchöfe entflans 
one, S. beftätigt. Einige famen ummittelbar unter die weltliche Obrigfeit, wie 
te Bisthümer Bremen und Verden, bei anderen blieb die geiftliche Verfaſſung, 
purde jedoch nun von Proteflanten verſehen, wie die Abteien Quedlinburg und 
Sandersheim. In ber neuern und neueften Zeit find noch mehre S.en erfolgt, 
Obgleich das Fanonifche Recht verorbnet, daß geiftliche Güter, wann und wo fie 
inter irgend einem Rechtstitel eingezogen werben, nur zu gleichen religiöfen ober 
nilben Zwecken verwendet werben follen, fo zeigen uns boch gerade die neueflen 
Beifpiele, daß biefen Beftimmungen feine, oder nur wenig verbindende Kraft beis 
jelegt wurde. Vgl. übrigens den Artikel Reichsdeputationsſchluß. 

Säcularfpiele (Ludi saeculares), hießen bei den Römern diejenigen Feſte, 
welche nach Ablauf eines Jahrhunderts, von der Erbauung ber Stadt Rom an, 
ven Apollo und ber Diana zu Ehren gefeiert wurden. Auf die im Jahre 14 
vor Chriſtus unter Auguſtus gefeierten S. bichtete Horaz fein berühmtes Car- 
nen saeculare. 

Säcularveränderungen heißen biejenigen wahren ober feheinbaren Aende⸗ 
rungen, bie während eines Saͤculum bie Elemente der Bahn irgend eines Plane⸗ 
en, Kometen u. f. w., oder fonft gewiffe aſtronomiſche Werthe durch irgend ges 
wiße Urfachen erleiden. So fpridt man 3. B. von einer S. ber Länge aller 

irſterne; von einer ©. ber Excentrictät einer Planetenbafn u. ſ. w. Die 
enntniß der S. ift beionders fehr wichtig bei ber Begründung neuer Sonnen s, 
Monbs, und PBlanetentafeln und wich theils auf theoretifchem Wege, theils aus 


Beobesjtumgen erlangt. 

& bezeichnet 1) einen Zeitraum von 100 Jahren, bann überhaupt 
in weiteren Sinn einen längeren Zeitraum. — Den Streit am Ende bes vori⸗ 
gem Jahrhunderts, ob bas S. fih am 31. Dezember 1799 oder 1800 ſchließe, 
mtfchied endlich die Hebereinftimmung, daß im Falle der erften Meinung das erfle 
Jahrhundert nur 99 und nicht 100 Jahre enthalten Haben würde, zu Gunflen 
der zweiten, baß mit 1. Jänner 1801 des 19, Jahrhunderts begann. — 2) Im 
kanoniſchen Rechte bezeichnet ©. bie Laienwelt u, ihre Wirffamfeit, im Gegenſatz 
der Thätigfeit u. ber Zwecke ber Diener der Kirche, 

Saͤen heißt, ein von Unfraut gereinigted Feld» oder Gartenftüd, nach dem 
es vorher wit dem Pfluge oder ber Spate umgebrochen worden, Behufs ber Her: 
vorbringung neuer Pflanzen mit Samen (ſ. b.) beſtreuen. Diefer muß voll 
kommen, geſund, feimfähig und in gleichem Boden und Klima erwachſen feyn. 
Auch geport hiezu Kenntniß des Bodens und eine befondere Gefchidlichkeit, den 
Samen in gleicher Weite auszuwerfen. — Das ©. auf ben Nedern geſchieht ent⸗ 
weder mit der Hand, oder mit eignen Säemaſchinen. Diefe bezweden, bie Sa⸗ 
menförner in dem ee ar pemd g beften Abſtande auszuftreuen u. in ber, ihrer 
Leimkraft angemefienen, Tiefe unter bie Erbe zu bringen, wodurch fomit an ber 
Menge bes Samens geivart und es möglich gemacht wird, das ©. felbft bei 
heftigem Winde vorzunehmen, Bei großen Landwirthſchaften, für welche Säemas 
ſchinen auch allein von weientlihem Rugen find, wird zugleich eine Erfparniß an 
— erzielt. Die erſten Saͤemaſchinen hat England erfunden und liefert 

bis jetzt in der groͤßten Vollkommenheit, ſowie auch nirgends ein ausgedehnt⸗ 
erer Gebrauch davon gemacht wird, In Deutſchland fanden die von Ugazy in 
Wien 1816 erfundene, fpäter verbefierten Säemafchinen bie meifte Anerkennung. Sie 
berufen im Wefentlichen darauf, daß bie einzelnen Samenförner durch Röhren, bie 
in ber erforberlichen Weife von einander entfernt find, gleichmäßig in Kleine Fur⸗ 
den fallen, welche die Mafchine felbft zieht u. wieder bededt. 

Säge ift jenes befannte Werkzeug, befien Haupttheil ein langes, verfältnißs 
mäßig ſchmales und ganz dünnes, gewöhnlich mit fcharfen und ſpihigen Einfchnits 


1088 Saͤgefiſch — Säuerlinge, 


ten oder Zaͤhnen verſehenes Eiſen iſt, um durch Hin⸗ und Herziehen deſſelben ei⸗ 
nen Körper zu zerſchneiden. Die ae er brauchen bie große, etwas gerum 
bete Bogen⸗GS.; bie Bohlen und Pfoftenjchneider die Breit⸗S., mit einem 
langen Stiele für den, welcher oben auf dem Sägbode ſteht. Andere Holzarbeiter 
Haben Klob⸗, Loch, Orts und Stoß⸗S.n Die SteinE. der Marmorar: 
beiter Hat feine Zähne. Die Garten⸗S. Hat die Zähne nicht beieinander u. bie 
Hand⸗S. braudt jeder Hauswirth. — In Athen fol Perdir ober Talus 
cSchwefterfohn des Dädalus) nach dem Gebiß einer Schlange die ©. erfunden 
haben, wogegen ber Reid bes Dädalus, der feinen Ruhm (er war Erfinder ber 
Richtwage, bes Bohrers, ber Art u. machte zuerft menfchliche Figuren mit Füßen) 
dadurch gefehmälert glaubte, erwachte, daher er ihn von einer Mauer herabftürzte, 
—— kannten bie S. noch nicht, als fie von den Europaͤern unters 
ocht wurden. 

Saͤgefiſch (Squalus Pristis), eine Gattung ber hayartigen Knorpelfiſche, 
Sippihaft Duermäuler, mit walzigem, vorn abgeplattetem Körper, zwei Spritz⸗ 
löchern an der Stirne und platten, kürnerartigen Zähnen in dem querliegendem 
Munde. Die flumpfe vorftehende Schnauze verlängert fich zu einem Kornartigen 
Schwerte, das auf beiden Kanten fägeartig mit ſcharfen, fpigigen Zähnen beſett 
iſt. Die befanntefte Art il: der gemeine ©. (Sq. Pristis), 12—15 Fuß lang, 
Säge 4 — 6 Fuß lang mit 18—34 Zähnen auf jeder Seite; Haut chagrinartig, 
oben fhwärzlich, nach unten bleicher. Aufenthalt: alle Meere; Nahrung : kleine 
Stiche u. Seethiere, auch Seegras, das er mit ber Säge abmäht. Diele Waffe 
macht ihn den größten Seethieren, —— dem Walfiſch furchtbar, ber ihm gewöhnlich 
im Kampfe unterliegt: Oefter findet man im Leibe von ihm getöbtete Walfiſche, 
zuweilen auch in Schiffsplanfen abgebrochene Stüde der Säge bes S.8. 

Sägemühle, ift ein zum Zerſchneiden (Sägen) von Holz eingerichtetes‘ 
Muͤhlwerk, defien Qrupbetanbipeile das Gatter (für bie Anbringung wehrer 
Sägen) und der Schlitten (worauf das in Stüde ober Bretter zu trennende 
Holz zu liegen fommt), dem durch eine S. zu erreichenden Zwede vorzüglich ents 
ſprechen muͤſſen. — Sägemühlen Hatte man fchon im A. Jahrhunderte in 
Deutſchland an der u Doc fcheinen fie ſich fehr langſam verbreitet B ha⸗ 
ben, denn man findet fie erſt: 1321 zu Augsburg, 1420 zu Modena, 1427 zu 
Breslau, 1452 zu Nürnberg , 1490 bei Erfurt (vom dortigen Rathe angelegt), 
1575 zu Regensburg, welche mehre Blätter auf einmal fehnitt, 1530 in Norwe⸗ 
gen 1540 in Holflein, 1596 in England zu dam (doch fcheint diefe keinen 

effand gehabt zu Haben, eben fo wenig, wie die 1663 von einem Holländer und bie 
1760 angelegte, welche beide bie Hanbdfäger zerftörten), 1653 in Schweben. 

Säamund, der Weife (Saemundr hin Frodi), geboren 1054 (1056, 1057), 
auf Island, Sohn des Priefters Sigfur, ging als Züngling nad Rom u. Ba- 
ris, um bie Wiffenfchaften zu fludiren und erhielt bald nach feiner Ruͤckkehr 1076 
ein geiftliches Amt. Erft in feinem 70. Jahre begann er eine (jet verlorene) 
norwegifche Geſchichte (Annales Oddenses)., gu fchreiben, die von Harald bem 

| 


Schoͤnharigen, bis zu Magnus dem G geht. r befigen noch die von ©. 
gelammelten Lieder der Edda, — . 










unter Edda). Einige ſchrei⸗ 
en ihm auch die Nialsſage zu. E 


auch die Iateinifche Schrift in Js⸗ 
Fl Ange rt haben und legte eine "Schule auf feinem Gute Odda an. Er 
ar . 


j 
Säuerlinge oder Sauerbrunnen nennt man (nah E. Ofann) jene Mis 
neralquellen, weldje in ie mie u. Wirkung die Kohlenfäure als vorwaltenben 


Beftandtheil befigen. Sie unterfcheiben ſich von ſcheinbar ähnlichen Mineralquel- 
len, wie 3. B. von Eifen» oder falinifchen Mineralquellen mit Reichthum an freier 
Kohlenfäure, dadurch, daß die in ihnen enthaltene fr Kohlenfäure ihren Haupt⸗ 
charakter, ihre eigentliches Weſen beftimmt, — bie Quantität u. Qualität ihrer 
feften Beſtandtheile allerdings wefentliche Mobiftfation in ihren Miſchungsverhaͤlt⸗ 


nifien u. Wirkungen, aber immer nur untergeorbngte beigjgfen, — während bei 





» EEE 


Säuferwaßufiun — Sängethiere, 1089 


äßnilichen Eifens ober falinifchen Mineralmallern das umgefehrte Berhältniß ftatt- 
findet. Daraus ergibt ſich, daB von der bloßen Quantitaͤt ber Kohlenfäure allein 
der Begriff eines S.s nicht abhängt ; daß Mineralquellen mit einer verhältniß- 
mäßig g ngen Menge an Kohlenjäure, aber einer noch geringern an feflen Be⸗ 
ftandtheilen, zur Claſſe der S. gehören, während andere mit einem größern Reich⸗ 
thum an freier Kohlenfäure u. einem dieſem entfprechenden Gehalte von Eifen 
oder falinifchen feſten Beftandtheilen zu der Claſſe der Eifen- ober falinifchen 
Mineralwafler gerechnet werben müflen. Man nimmt im Allgemeinen an, baß in 
feinem S. die Menge ber freien Kohlenfäure in 1 Pfund Waſſer weniger als 12 
Eubifzolt u. der Eiſengehalt mehr als einen halben Gran betragen darf, Sie 
gaben einen mehr oder minder flechenden, falzigen Geſchmack, find * immer ohne 
ch, erregen aber durch das aus ihnen entweichende kohlenſaure Gas ein ei⸗ 
genthuͤmliches ſtechendes Prickeln in ber Naſe; wegen ihres Reichthums an fluͤch⸗ 
tigen Beſtandtheilen koͤnnen fie fortwaͤhrend perlen u, kleine Gasblaͤsſschen hervor⸗ 
treiben, ſo daß ſie dadurch in ihrem Aeußern Aehnlichkeit mit kochendem Waſſer 
haben. In der Regel iſt die Temperatur der S. geringe, man kennt aber auch 
mehre, welche eine Temperatur von mehr als = 10° R. befigen. Werben bie 
©. der atmofphäriichen Luft oder einer erhößten Temperatur ausgeſetzt, fo ent⸗ 
weicht ihre Kohlenfäure u. es entfieht dann ein Niederichlag, ber entweder farb- 
106, oder, wenn Eifen in der Miſchung fich befindet, ocherartig if, Je nach ber 
Menge der Kohlenfäure, ber Qualität u. Ouantität der feſten Beftandtheile, fo 
wie nach der Temperatur, unterſcheidet man verfchiedene Arten von S. Beſonders 
widhtig if auch der Umſtand, ob die in den S.n enthaltene Kohlenfäure nur 
leicht, oder fehr fe an das Mineralwafier gebunden if. Gämmtliche S. Tönnen 
in folgende 6 Abtheilungen eingetheilt werden: 1) Alkaliſch⸗muriatiſche ©. ; 
einem beträchtlichen Gehalte an freier Koblenfäure Haben fie einen ziemlichen 
Reichthum an Tohlenfaurem u. Ghlornatrium, dann in per ee Menge andere 
chlor⸗, Tohlens u, fchwefelfaure Sale. 2) Erdig-muriatiiche S., verwandt 
zu ben vorigen durch ihren Ehlornatriumgehalt, verſchieden jedoch von ihnen durch 
eine nicht geringe Menge von Tohlenfauren Erden. 3) Alkaliſch⸗ſaliniſche 
S., von ben erfteren nur dadurch unterfchieden, daß fie an vorwaltenden feſten 
Beftanbtheilen, außer kohlenſaurem Natrum, ftatt Kochſalz fohmwefelfaures Natron 
enthalten. 4) Erdige ©., durch ihren verhältnißmäßig beträchtlichen Gehalt an 
fohlenfauren Erden ausgezeichnet. 5) Alkaliſch-erdige S.; fle Baben in ihrer 
hama al8 vorwaltende Beftandtheile Fohlenfaures Natron u. fohlenfaure Er: 
den. 6) Eifenhaltige ©. ; bei ihnen kommt, nächft bem Eohlenfauern Gas, vor: 
zugsweiſe das fohlentaure Eifenorydul bezüglich ihrer Wirkung in Betracht. — 
Im allgemeinen fpricht ſich die, durch bie eigenthümlichen Mifchungsverhältnifie, 
vorzugoweiſe aber durch die Kohlenfäure zunaͤchſt bedingte, Wirkung der ©. fol- 
—— aus: 1) Auf das Nervenſyſtem wirken ſie flüchtig reizend u. belebend; 
2) auf alle Ses u. Excretionen reizend, ihre Ab- u. Ausfonderungen beförbernd ; 
3) wirken fie im Allgemeinen kuͤhlend, erfrifchend u. werben 4) troß ihres Ge⸗ 
haltes an ſchwaͤchenden Salzen, wegen ihrer flüchtigen Beftanbtheile u. ber Innig- 
feit ihrer Mifchung leicht vertragen. J aM. 

Säuferwa ‚f. Delirium. 

Säugen, |. Saugen. 

@&ängethiere, (Mammalia), nennt man alle jene Thiere, welche Iebendige 
auge gebären und dieſe eine Zeitlange an Bruftwarzen mit Milch fäugen. Sie 
find bie vollfommenften unter allen Thieren. Man kann an ihnen drei Haupt: 
tgeile, nämlih: Kopf, Rumpf und Gliedma fen, unterfcheiden. Im Kopfe 
(Schaͤdelhoͤhle) liegt das Hirm, welches ſich in der aus Wirbeln zufammengefehten 
Rüdgratsfäule als Ruͤckenmark fortſetzt. Der Rumpf befteht aus 2 aaa 
welche burch das Zwergfell von einander getrennt find 5 in ber einen (Brufthöhle) 
liegen 83 und Lungen, in der andern (Bauchhohle) find Magen, Darm, Leber, 

‚ Harms und Geſchlechtswerkzeuge. Die Gliedmaſſen find aus Knochen zus 

Meslencpclopädie. VIIL 69 








1090 Säugethiere. 


fammengefeßt und von Nerven, Muskeln und Haut umgeben. Die Drganı 
haupt, welche ſich vorfinden, Iafien ſich in zwei Abth gen bringen, n 
in die rein thierifhen Organe: chen⸗ Muskel⸗ Rerven- und © 
ſyſtem, und in die vegetativen Organe: Berbauungs-, Gefäß-, Athe 
und Fortpflanzungsfoflen. Unter Knochenſyſſtem v t man bie Barte 
feften Theile des Thierkoͤrpers, welche ben Muskeln als Stüge in ihren 
Br — und ne zuue fnorpeliger Maſſe und foßlen[auen 
phosphorfauerm Kalfe befte am kann das ganze Knocheng e 
den Schädel, Rumpf und bie Glieder einteilen, ober auch in Wi 
fAule und ®lieber. Wir wollen hier die erflere Eintkeilung wählen. 
Schädel befteht aus mehren durch Nähte mit einander verbundenen Knochen 
denen die Hinteren eine Höhle zur Aufnahme des Gehirns bilden; am vı 
Theile ift befonders ber Bau des Munde zu betrachten; der Unterkiefer if ; 
mengefeht aus 2 Heften, die in ber Mittellinie zufammenfloßen, aber nid 
allen ©. feſt miteinander verwachfen find, was 3. ©. glei bei den Affen, 
Aindoieh dem Schweine ıc. nicht der Kal if. Der Oberkiefer befteht cbe 
aus 2 en, welche aber vorn nicht zufammenlaufen, fonbern zwiſchen 
der Zwifchenfiefer eingefchoben if. Die meiften S. Haben in ben beiben K 
Zähne; an biefen unterfcheidet man: bie Wurzel, welche in bie Sinnlabe eing 
und vom Zahnfleiſche bededt if, und die Krone, welche baraus hervorſteht. 
zerfallen in 3 Arten: Borders, Ed» und Badenzähne, Die Borbers ober Sch 
zaͤhne find bie vorberften, fie ſtehen bei der Oberkinnlade ſtets in Zwiſchen 
bei der untern aber blos im vordern Theil; ihre Geſtalt Hat Achnlichkeit mit y 
Nägeln. Die Stoßzähne der Elephanten find Borberzäßne und Haben, wi 
ber Rager, bas Eigenthuͤmliche, daß fie lebenslänglich wachen. Die Cd 
(Bang, Hundes oder Spipzähne) flehen einzeln zu beiden Seiten ber Vorder, 
find meift an der Krone fegelfürmig verlängert und eiwas gebogen. Be 
Raubthieren, die überhaupt den vollfommenften Zahnbau unter allen ©. 1 
erreichen fie eine außerordentliche Stärfe. Die Badenzäßne, ober auch Mahl— 
fließen fi an die beiden Seiten der Edzähne an und Haben mehrfache W 
und verfchiedengeflaltete Kronen. So find diefe bei ben Raubthieren zufanm 
drüct u. ſchneidend, bei den Pflanzenfrefiern dagegen Haben fie eine breite Lau 
Den Rumpf bes Knnochengerüftes bildet die Rüdgratfäule, auf ber ber © 
auffigt. Sie befteht, den Hals mitgerechnet, aus Wirbeln, beren man 5 % 
Hals, Rüdens, Lenden⸗, Kreuz: und Schwanzwirbel, unterfcheibet. er! 
dig iſt piecbei, baß die Zahl (7) der Halswirbel bei den ©. beflänbig iR, 
tet die Länge bes Halfes bei einzelnen Thieren fehr verfchteben if. Wie 

3. B. der Unterſchied zwiſchen dem Halfe der Giraffe und bes Maul 

ben Rüdenwirbeln (gewöhnlich 12) figen zu beiden Seiten bie Rippen, von | 
die vordern ſich an das Bruftbein en eben. Bei Ianghalfigen unb fchrwerköj 
Thieren, 3. B. den Wiederfeuern, Pferden, Nashörmern, Elephanten ꝛc. fi 
auffallend lang zur Anheftung flarfer Muskeln u. bilden den Widerruf. Lenden 
find meiftens 7 vorhanden. An die Kreuzwirbel (gemwößnlidy 3, auch 5, Gober 1) 
fi die fogenannten Beine an, welche Dadurch einen vollſtaͤndigen Knochengurteib 
ben man das Beden nennt. Die Glieder oder Gliedermaßen find panrweife u. zwar! 
2 Paare, mit Ausnahme der Walle, weldde nur ein Baar gen, vork 
und werben in Border» und Hinterglieber getheilt, Jedes t aus drei 3% 
Die Borderglieber (Bruftglieder) theilen fich jederfeltsin: Schulterfnochen: € 
terblatt und Schlüffelbein; Armfnoch en: Oberarmımb Unterarm (Elle, Speid 
Handknoch en: Handwurzel, Mittelhand, Finger. Die Hinterglieder theilen fi 
derſeits in: Becke nknochen: Hüſt⸗, Sih⸗ u. Schooßbein; Schenkelknochen: 
u. Unterſchenkel (Schienbein u. Babe); Fußknochen: Fußwurjzel, Mittelfuß, 
Unter Mus kelſy ſt em verſteht man jene Theile, welche das Fleiſch ausmachen; fir 
durch rothe Fleiſchfaſern zuſammengeſetzte Bündel, durch deren Zuſammenzie 
und Wiederausdehwong ie Bewegungen im Körper ber Thiere hervorgeb 






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Sängethiere. 1091 


werden. Sie liegen unter bee Haut und überfleiden die Knochen, wobei fie ſich 
mit ihren Sehnenenden an diefe anſetzen. Das Nervenſyſtem (f. d. Artikel) 
macht den wichtigften und edelſten Theil der thieriſchen Gebilde aus. Das 
Sinnenfyflem begreift die Sinnesorgane im fi, nämlich bie Werkzeuge für 
das Gefühl, den Geſchmack, Geruch, Gehör und Geſicht (Bgl. hiezu die fpeziellen 
Artifel: Haut, Zunge, Nafe, Ohr, Auge) Das Berdauungsfyftem befteht 
aus 3 Theilen: der Speiferöhre, dem Magen und den Därmen (Bgl. den Artikel 
Magen). Der Magen ber Wieberfäuer (ſ. d.) hat eine befondere Kinrichtung, 
indem er aus A Abtheilungen: dem Panſen, Remagen, Blättermagen und Lab⸗ 
magen beftcht. Das Gefäßſyſt em begreift alle jene Organe in fidh, welche be- 
flimmt find, den durch Berbauung gewonnenen Nahrungsſaft ben übrigen Körs 
pertheilen zuzuführen und mit biefen zu affimiliren (verähnlichen). Hiezu gehören 
beſonders das Herz und die Adern (Vgl. d. Art). Das Athmungs⸗ oder Re- 
fpirationsfyftem begreift die zum Athmen nöthigen Organe: Luftrößre und 
Lungen (Bgl. d. Art.) in ſich. Das Sostpflanzungsfpfem ſchließt jene 
Drgane ein, welche zur Fortpflanzung der Art dienen. Die meiften S. bringen 
jährlich nur einmal Junge zur Weltz manche werfen Cheden, gebären) auch zweis, 
breis und viermal, fo daß die Jungen des erfien Wurfes im Herbfle fchon zeu⸗ 
ungsfähig find, wie bei den Kaninchen. Die Zahl der Jungen ift fehr ver- 
chieben, fie geht aber aͤußerſt felten über 16. In Bezug auf piochifches Leben 
zeigen die ©. manche ber menfchlichen Seelenkraͤfte. So finden wir bei ihnen 
eine Art Sprache, die freilich weit hinter ber menfchlichen zurüdfieht, aber dennoch 
zum Berkändigen unter einander ausreicht, Bei den meiſten S. ift die Phyſtog⸗ 
nomie ausgezeichnet; fie drüden vieles durch Geberden, duch Mund und Auge, 
Miene, Bid ıc. aus. Auch durch Lachen und Weinen zeigen einige eine Art 
Sprache von Empfindungen; fo fann der Hund lachen und weinen, das Pferd, 
bie Ruh können weinen 2c. Unter ben Smpfindungen überhaupt zeigen fich bie 
©, befonders fähig für Freude und Traurigfeit, wie bie Hausthiere beiweifen ; 
für Mitleid, welches fie wohl nur gegen Ihresgleichen fühlen, für Liebe und 
6, wofür entfchiebene Beiſpiele der Hund, das Pferd, der Elephant liefern; 

t Dankbarkeit, für Furchtſamkeit. Auch das Erfenntnißvermögen gibt ſich bei 
den S.n zu erfennen, und zwar: durch Gedaͤchtniß und Erinnerungsfraft, die bei 
mandhen, wie Schwein, Rind, Pferd, Fuchs, Löwe, Hund, fogar ehr ſtark her⸗ 
vortreten; durch den Verſtand, ber fich bei vielen recht gut daran erfennen läßt, 
daß fie ihre Verhaͤltniſſe verftehen, indem’ fle nach Adficht Handeln, — bei etwas 
aufmerkffamem Beobachten kann man bemerten, wie z. B. das Pferd, oder ber 
unb ſich befinnen, ſtaunen, aufmerfen u. ſ. w., kurz, baß fie benfen. Als Er⸗ 
aß für Die Vernunft, jener Hohen Gabe, die nur dem Menfchen eigen ift umb 
benfelben zum göttlichen Ebenbilde flempelt, fcheint die Natur ben Thieren 
überhaupt den Infiinft (ſ. d.) angewiefen zu haben, der aber gerade bei den S.n 
am wenigften hervortritt, indem bie meiften felbft überlegen und ihre Handlungen 
nad den Umftänden einrichten. Die Zahl der Arten ber S. wird von verfchiebes 
nen Raturforfchern verfchieden angegeben; Oken ſchaͤtzt fie auf beiläufig 1500. 
(Ein prüfender Ueberblick in Bezug auf bie geographiſche Vertheilung ber ©. zeigt, 
daß fich in ber neuen Welt keine fo großen Thiere dieſer Claſſe finden, wie auf 
bem alten Kontinente; unter ber großen Anzahl von Affen Rorbamerifa’s zeigt ſich 
nidt ein fo gro Thier, wie der Orang⸗Utang und ber Chimpanze Afrifa’s 
und Aftens. Meiftens find es in Amerifa Ragethiere und Zahnlofe; außerbem 
trifft man dort auch noch die Beutelfagen, einem untern Typus der ©, ange 
hörig, welche auf dem alten Continente nirgends repräfentirt find. In der neuen 
Reglon ber neuen Welt zeigt die Fauna nur noch Beutelthiere und Monotremen 
(Schnabelthiere). — Der Rugen, ben die ©. dem Menfchen gewähren, if fo groß, 
baß fie als die wichtigften Thiere für ihn betrachtet werben Fönnen. Der Scha⸗ 
ben, ben einige von ihnen bringen, Tann faum in Betracht fommen, da er wegen 
ber weit überwiegenden Rüglichkeit nicht von Bedeutung iR. u N II SEN 


10% Säule. 


ben bis jetzt befannten &.n. — Unter ben vielen Syſtemen, weldhe Behufs ber Ein- 
theilung der S. aufgeftellt wurden, wählen wir hier das von Karl von Linne. 
Er feste folgende 7 Drbnungen (in ber zwölften Ausgabe feines Raturfufteme) 
feft, indem er vorzugsweiſe auf Art und Zahl der Zähne Rüdficht nahm. J. Ordnung 
Primates, Obrfte Oben vier en an dee Bruſt 2 Saͤugwarzen. 
1) Menſch, 2) Affe, 3) Halbaffe, A) Ylebermaus, IL Ordnung Bruta. Die 
Schneibezähne fehlen oben und unten. 5) Elephant, 6) Wallroß, 7) Faulthier, 
8) Ameiſenbaͤr, 9) Schuppenthier, 10) Gürtelthier. NL Ordnung Ferae. Raub: 
thiere; oben u. unten 6 fpigige Schneibezähne. 11) Seehund, 12) Hund, 13) Kate, 
14) Zibetthier, 15) Wiefel, 16) Bär, 17) Beutelthier, 18) Maulwurf, 19) Spitz⸗ 
maus, 20) Sg IV. Ordnung Glires, Nager. Oben und unten zwei Schneide 
zähne, feine Edzähne. 21) Stachelfchwein, 22) Hafe. 23) Biber, 24) Maus, 
25) Eichhorn, 26) NRoctilio. V. Ordnung Pecora, Bieh. Unten Gober8 Schneide 
zähne, oben feine, Füße mit Hufen. 27) Kameel, 28) Moſchusthier, 29) Hirſch, 
30) Ziege, 31) Schafe, 32) Rind. VI. Ordnung Belluae. Schneibezähne fchief 
abgeftumpft, Fuͤße mit Hufen. 33) Pferb, 34) Flußpferd, 35) Schwein, 36) Ras- 
orn. VII. Ordnung Cete, Wallfiſche; auf dem Scheitel befondere Luftroͤhren. 
sloffenfüße, Schwanz platt. 37) Rarwall, 38) Wallfiſch, 39) Pottfiſch, 40) Delphin. 
Aufiger werden benügt die Syſteme von Georg von Euvier, von Karl Illiger , von 
aup und von Dfen ıc. Die vorzüglichftien Werke über S. ſchrieben: Guvier, 
Schreber, Andreas Wagner, Lichtenftein, Illiger Wiegmann, Karl Luc, Bona 
parte, Brandt und Ratzeburg, Schinz, Ofen ı. Bon Auguft Lüben erichien 
in neuefter’ Zeit ein recht empfehlenswerthes Buch (Bolftändige Raturgefchichte 
der Säugethiere, Eilenburg 1848), dem wir Mehres für Diefe Kleine Abhandlung 
entleßnten. C. Arendts. 
Säule Heißt ein runder, frei und fenfrecht ſtehender, nach oben ſich verfün- 
gender und dafelbft verzierter, urfprünglich zur Stübe, dann auch zur Verzierun 
enender Körper. Die weientlihe u. firenge Beftimmung ber ©. befleht bemna 
darin, daß fle eine Bebedung von Oben zu tragen Babe und biefe Tragfraft er- 
fheint bei ifr auf das Minimum ber Außerlichen Mittel zurüdgeführt. “Denn 
was eine Mauer mit großem Aufwande zu Stande bringt, leiften fchon wenige 
S.n und Kunftverftändige haben es daher auch immer für eine große Schönheit 
ber claffifchen Architektur gehalten, nicht mehr S.n aufzuftellen, als zum Tragen 
einer Balfenlaft und beffen, was auf ihr ruft, nothwendig find. Deßhalb erfüllt 
auch die für ſich allein ftehende ©. ihren Beruf nicht und felbft Triumph -S.n 
find gleihfam uur Poftamente für Statuen. Bei der bemerkten Beflimmung der 
©. aber muß fie im Berhältniß der auf ihr ruhenden Laſt auch den Anblid ber 
Zwedmäßigkeit gewähren und weber zu flarf, noch zu ſchwach, weder zu hoch, 
noch zu leicht in die Höhe fleigend feyn, und da es in ihrem Begriffe liegt, daß 
fie einen Anfang u. ein Ende Babe, fo bat die ausgebildete ſchoͤne Architektur, 
um biefe Momente ericheinen zu laſſen, der S. eine Bafis und ein Capitäl zuge: 
theilt, fo daß ber Fuß, auf dem fie flieht, ausbrüdlich ihren Anfang als folchen 
fundgibt und das Bapitäl die Beſtimmung des Tragens fowohl, als auch das 
Ende, das Aufhören der S. bezeichnet. Die runde, kreiöfermige Geftalt der ©. 
wird jedoch dadurch bedingt, daß fie frei für ſich abgefchloffen daftehen fol, um, 
in fich felber Ya eine Laft zu tengen, nicht aber dicht an einander gereiht 
zu ſolchem Behufe eine ebene Fläche zu bilden, wogegen das Abnehmen an Umfang 
und Dide (die VBerjüngung), gewöhnlih vom dritten Theil der Höhe an, ben 
Grund darin hat, daß die unteren Theile bie oberen zu tragen haben und dieſes 
mechanifche Berhältnis fi) an der S. felbft bemerkbar machen muß, Auf folche 
Weiſe Hat man eine Sammlung von gewiffen Regeln erhalten, welche gemeiniglic 
bie Lehre von den S.n:Orbnungen (f. d.) genannt wird. Eine jebe ©. befteht 
aus drei Haupttheilen, dem Buße, dem Schafte und dem Rapitäl. Es ge 
Hört aber noch ein Unterbau dazu, um eine einzelne ©. ober auch eine ganze ©.: 
Reihe aufftellen zu können; biefer Unterbau wird S.⸗Stuhl oder Poſtament 


Sänlenorbuuung. 1093 


(f. d.) genannt, dagegen Gebaͤlk Alles, was die S. tragen fol, jeboch nur bas, 
was aus horizontalen Bautheilen befteht. Hinfichtlich des S.-Stuhls If} zu merken, 
Daß er entweder einfach (Plinthus) oder aus mehren &liebertheilen beftehen 
fann. In legterem alle Hat der S.⸗Stuhl drei Hauptbeftandthelle: den Fuß, 
den Würfel und den Kranz. Aber auch das Gebälf, in fo fern es vollftändig 
iſt, zeigt Drei Abtheilungen, erftend den Architrav, d. h. Die wagrechte Längen- 
verbindung des Gebäudes nad) der Richtung ber S.n- Reihen, I wie zweitens 
ben Fries, b. 8. feine Horizontale Querverbindung, und drittens den Kranz, 
d. h. die Dachverbindung. Berner gibt es Hinfichtlih des Fußes (Bafls) drei 
Hauptformen: a) die attifcye und b) bie ionifche Bafls, welche beide bei der 
iontfhen Orbnung, und c) die zuſammengeſetze (Goniſch-attiſche) Baſis, bie 
bei der Forinthifchen Drbnung vorkommt. a8 ferner den Schaft (S.⸗Schaft) 
betrifft, fo erleidet berfelbe eine verfhiedenartige Berjüngung. Unter S.-Weite 
verſteht man die Diftanz zweier Sn von einander und biefe Diftanz wird 
von bem Umfange des untern Durchmeſſers an gerechnet. Die Alten unterfchieben 
5 ten von Snseiten: Ardoftylos, Dyaſtylos, Euftylos, Pyknoſtylos und 
Syftylos. Unter der S⸗Kuppelung, einer nicht au Iobenden Anordnung neuerer 
Zeit, verfieht man bie Auffſtellung zweier oder mehrer Sn (dicht neben einander) 
auf ein und demſelben Plinthus. 

Saͤnlenordnung nennt man den Inbegriff aller Regeln, nach welchen für 
ivgenb einen Bauftyl die Form einer Säule (f. d.), das Berhältniß ihrer eins 
zelnen Theile zu einander, fowie das Berhältniß zu den übrigen Gebäubetheilen 
möglihft genau feftgefent werben kann. Die Glieder oder Theile der Säule find 
nad Maßgabe ber Höhe und Stärke, ber Zufammenfegung und Bers 
zierung, Hauptfählih im Gapitäl, nach jeber nung verſchieden, deren ge⸗ 
woͤhnlich fünf gezählt werden, als 1) die thuskiſche oder toskaniſche Ord⸗ 
nung, die einfachfte und flärffte, mit einer Höhe von fleben unteren Saͤulendurch⸗ 
meflern u. einem biden Schafte. Der Abakus cf. d.) fpringt bei ihr fo weit vor, 
als der EAulenfchaft unten di ifl. Ste Heißt daher auch rustica, die bäuerifche, 
und gehört nicht der fchönen Ardhiteltur an. 2) Die doriſche Ordnung, mit 
dem Charakter der gefallenden Stärfe und der Großartigkeit. Eigenthümlich find 
ihr die Triglyphen, die Metopen und bie Dielentöpfe. Diefelbe fol von Doros 
1522 v, Chr. erfunden feyn. In ber Altern Art ihrer Entftehung zeigt fle eine 
impofante Würde, nicht ohne Herbheit, und eine Kraft und Feſtigkeit, noch ohne 
freie Entfaltung. Ihre Höhe überftieg felten und werig vier Durchmeſſer, ihre 
Ausbildung aber erfolgte Hauptfächlih zur Zeit des Perikles, indem auch ihre 
Höfe auf etwa 54 Durchmeffer flieg. Die dorifche Säule ſteht auf glatter Bafls, 
d.%, fie hat am Ende feinen andern Abfchluß, als den, welchen ihr die vorherr⸗ 
ſchende Dicke gibt. Sie fcheint ſich alfo noch innerhalb der Erde fortzufeen, 
woburdh, fie zwar eine innere, zur grd Ausbreitung ftrebende, Lebenskraft ans 
beutet und auch ein ſehr einfaches Anfehen gewinnt, jeboch ben freien ardhitef- 
tonifchen Formen nicht Genüge leiſtet. 3) Die ioniſche Ordnung, angeblich 
erfunden von Son, etwa 1730 v. Chr. mit dem Oharakter ber Anmuth u. großen 
Sierlichfeit, Hatte fich neben der doriſchen ausgebildet. Man weiß nicht, ob fie 
aus biefer entflanden, oder eine Nachahmung orientalifcher Mufter, ober ſelbſtſtaͤndig 
it. Ihr zierlicher Bau und reicher Schmud führten * einem ſchlankern Ver⸗ 
haltniß und, des feſtern Standpunktes wegen, auf die Anwendung der Bafis oder 
des Saͤulenfuſſes. Eigenthuͤmlich ik ihr ein Eapitäl, das mit zwei Schneden auf 
zwei Seiten, oder mit vier doppelfeitigen Schneden auf den vier Eden geziert iſt, 
von welcher polfteräßnlichen Zierde es die Benennung Polfterfapitäl erhalten hat. 
Diefe Schnedenwindungen am Polfter deuten das Ende der Säule an, bie wohl 
hößer fteigen könnte, doch Hier fich in fich felber Frümmt. 4) Die forinthifche 
Ordnung, angeblich erfunden von Kallimachus aus Korinth 535 — 531 v. Chr., 
eine Meberbietung ber ionifchen Ordnung, ift eine Sufammenfegung der doriſchen 
und ioniſchen Saͤulenform, ein Erzeugniß jener Bertobe, we in Ver Briatiut, 


0 | Säuren, 


unmittelbar nach dem höchften Standpunkte ihrer Vollendung, das Berlangen nad 
einer burchgreifenden Yeinheit und Anmuth, ſelbſt zum Nachtkeil des großartigen 
Charakters, überwiegend getvorben war, Man kann das Eapitäl dieſer Säule in 
feinee vafenartigen Geſtalt, mit einem vieredigen, an ben Seiten eingebogenmn 
Dedel, unten mit einer Blätterreife von Akanthus umfaßt und mit Fleineren 
Blättern Hinter denfelben, wenn es gleich nicht füglich, dem Beruf zur Unterftüg- 
ung einer Laſt entfpricht, dennoch fowohl feiner fchönen Berhältniffe, als ber 
Feinheit der Verzierungen u. ihrer Uebereinſtimmung wegen, als das Meifterftüd 
der Baufunft erklären, fo lange nämlich ber ausgebildete Geſchmack herrſchend war. 
Die ganze korinthiſche Saͤulenhoͤhe betrug oft über neun Gäulendurchmefler und 
dieſer Ordnung find beſonders auch die Sparrenköpfe eigen. Nah G. Müller 
(Archälogie der Kunſt) erfcheint das korinthiſche Kapitäl zuerft, u. zwar an unter 
eordnneten Theilen des Gebäudes, um Olympiade 85, d. i. 4389, Chr., in feiner 
Hönften Form aber als Hauptgattung an dem Monument des Lyſikrates aus 
der Zeit MAleranders bes Großen, welcher Angabe zufolge das Gapitäl dann freis 
lich nicht von Kallimachus um 534, d. i. hundert Jahre früher, erfunden fein 
fönnte 5) Die römiſche oder zufammengefege Orbnung, entflanden aus 
der ionifchen und korinthiſchen, Hat die Berhältnifie der letztern; doch gibt Die 
Beifügung der neuen tonifchen Schnede dem Gapitäl einen Tühnern Bor! rung, 
wie —* denn überhaupt, mit ſeltener Ausnahme, an bemfelben bie meiſte Ueber⸗ 
labung zur Schau legt. In fo ferne aber in ihr bie Anwendung von Bogen u, 
MWölbungen beginnt, wirb fie auch als eine Mittelform zwiſchen griechifcher und 
chriſtlicher Baukunſt angefehen. — Die fogenamie beutfche von Leonhard Chri⸗ 
ſtian Sturm erfundene Ordnung, ein Gapitäl mit einer einzigen Reihe Blätter u. 
16 kleinen Schneden verziert, iſt, als eine fchlechte Nachahmung bes ionifden Ca⸗ 
pitäls, mit willfürlichen Veränderungen, ganz unftatthaft befunden. Bergl. Wein 
brenner, über die Säulen, Tübingen 1819; Shud, die fünf S.en nebſt 
der Eonftruftion der ardhitektonifchen Glieder, auf 9 lithographirten Tafeln barge- 
ſtellt, mit erflärendem Texte, Afchaffenburg 1834, A. (zweite Auflage); Heß, bie 
Zehre von den Säulen der Briechen, abgeleitet von ben Monumenten, Magbeburg 
1835, mit einer Eteintafel; Rormand, vergleichende Darftelung ber architek⸗ 
tonifchen Ordnungen der Griechen und Römer und ber neueren Baumeifer, her: 
ausgegeben von ben ‚Beofeiioren Sacobi und Mau, mit Supplementen von 
Mauch, Botsdam, mit 89 Kupfertafeln, Folio, 

Säuren nennt man in ber Chemie gewiffe Berbindungen einfacher Stoffe 
mit Sauerftoff (ſ. Oxyd) oder Waflerftoff. Man unterfcheidet demnach Sauer- 
ftoff-S. (Oxacides) und Wafferftoff-S. (Hydracides); beide zerfallen dann 
wieder in unorganiſche und orgoniſche S., je nachdem fle aus dem unor- 
ganiſchen oder organtfchen Reihe der Natur abflammen. Die erfteren werben 
wieder unterfchieden in mineralifche und metallifde S. Die unorganijchen 
S.n überhaupt find elektronegativer, al8 bie Salzlofen, u. werben aus ihren Ber; 
bindungen mit diefen oder mit Wafler, wofern fie nicht zerſetzt werben, im eleftris 
fhen Strom am Pol (ſ. Eleftricität) ausgefchieden. Sie find meiftens im 
Waſſer 1öslih, ſchmecken fauer, wirken zum 404 auch Abend auf organiſche 
Stoffe, röthen die blaue Farbe von Ladmus (f. Reagentien) u. verjchiebenen 
Blumen, wie Beildden, zeigen große Verwandſchaft gegen bie Salzbafen u. neu⸗ 
tralifiren fie mehr oder minder. Bon ben unorganiſchen S.n des Sauerftoffes find 
bie wichtigeren: a)mineralifhe Sauerftoff-©.: Kohlen-S., Borar-S., Phos⸗ 
phor⸗S. Schweſel⸗S. Selen⸗S. Jod⸗S., Ehlor-S., Salpeter⸗S.; b) metallifche 
Sauerftoff-S.: Kieſel⸗S., Titan⸗S., Tantal⸗S., Chrom⸗S. Mangan⸗S., 
Arſen⸗ u, arſenige S., Antimon⸗S., Eiſen⸗S., Kobalt⸗S., Osmium⸗S. X. Bon 
den unorganiſchen S.n des Waſſerſtoffes, deren man 9 mineraliſche u. 1 me 
tallifche Eennt, find zu nennen: bie Hydrothion⸗S., die Hydriod⸗S., die Salz- 
©. die Fluß⸗-⸗S. und bie (metalliſche) Tellur-S. Die organifhen ©. Haben 
mit den vorhergenannten eine fehr große Aehnlichkeit Hinfichtlich ihrer großen Ber 


——— 


Safflen — Safran. 1095 


wanbſchaft zu den Bafen. Die meiften von ihnen vermögen ſchwaäͤchere organifche 
©., 3 B. die Kohlen⸗S., aus ihren Berbindungen mit Bafen auszutreiben, ja, ' 
einige wetteifern fogar in der Berwanbfchaft zu den Bafen mit flärferen unorgant- 
fen S. Sie find ebenfalls größtentheils in Waſſer lösbar, die meiften kryſtal⸗ 
liſtrbar und faft alle roͤthen auch bas blaue Ladmuspapier. Theilweiſe Lafien fic 
ſich verflüdhtigen ohne Serfegung , theilweife werden fle beim —8 in andere 
umgewandelt, Die S. Tommen in ber Natur vor, jedoch nur ſelten im 
freien Zuftanbe, tr rößtentheild an andere Körper gebunden. rigens 
koͤnnen fie auch au —** Wege dargeſtellt werden. Man macht die mannig⸗ 
fachſten Anwendungen von ihnen in den Gebieten ber Chemie, Medizin, Technik ıc. 
Zu den ausgezeichnetften organifchen S. gehören: die Dral (Sauerklee)⸗S., bie 
Eſſig⸗GS. die Milchs, Butter, Weins, Citronen⸗, Aepfel⸗S. ꝛc. C, Arendis. 
Saffien, Maroquin, türkifches Leder, ift ein ſehr ſchoͤnes, feines, 
gefärbtes, glänzendes Leder, wovon man fowohl glatte, als gerippte u. geförnte 
(Hagrinirte) Sorten dat. Der ©. dient vorzüglich zu ben feineren Arbeiten ber 
Schumacher, Sattler, Buchbinder, Futteralmacher ꝛc. Wan macht ihn haupt: 
ſaͤchlich aus Ziegenfellen, aber auch Häufig aus Schaffellen, Geine bung 
wird den Arabern zugeichrieben. Den Ramen Maroquin Bat ber ©. deßh 
erhalten, weil in den maroffantichen Staaten, zu Bez u. Tetuan, ſchon feit langer 
Zeit fehr bedeutende Fabriken in biefem Artikel find. In Europa wurde erft in 
der e bes vorigen Jahrhunderts die Fabrikation bes ©, einheimifh, als bie 
arifer Sorietät zur Aufmunterung ber Fünfte u. ber franzöflfhe Marineminifter 
aurepas im Jahre 1730 Leute, namentlich ben Chirurgen der Töniglichen Ma⸗ 
reine, Granger, zur Erlernung dieſer Kunſt nach der Levante fandten. Granger 
ab 1735 eine befondere Schrift über die Bereitung des Maroquin heraus. In 
eutſchland entflanden erſt zu Anfang biefe® Jahrhunderts S.⸗Fabriken; jebt find 
beren zu Berlin, Wien, Offenbach, Calw, Pforzheim, Idflein, Mainz u. anderen 
Drten, die größtentheils fehr bedeutende Gefchäfte machen. In Frankreich zeichnet 
ſich vor allen die Fabrik zu Choiſy⸗le⸗Roi durch ihr vorzügliches Fabrikat; beion- 
ders in jchönen Farben, aus, das von den Buchbindern in Paris flarf verbraucht 
wird; außerdem beftehen S.⸗Fabriken zu Paris, Marfeile, Straßburg, Lyon, 
Muͤhlhauſen ıc.; in England zu London u. Briftol. In Rußland liefern Jaros⸗ 
lawl, Uglitſch, Kolomna, Arſamas, Wiaͤtka, Kafan, Tula, Riſchni⸗Nowgorod, 
Wladimir, Pokow, Wologda, Minsk, Aſtrachan (ausgezeichneten), Torshok und 
Tauren S. Die Türkei, Kleinafien und Marocco haben die aͤlteſten S.⸗Fabriken, 
die aber nur rothes u. gelbes Leder liefern. Außerdem wird aber auch in Polen, 
Ungarn, der Schweiz und Spanien S. gemacht. — Zum Gerben des S.s wen⸗ 
det man Gallaͤpfel u. Sumach an. Soll er roth gefaͤrbt werden, ſo eitheilt man 
den Fellen dieſe Farbe vor dem Gerben; alle uͤbrigen Farben, von denen gelb, 
grün, blau und ſchwarz die beliebteſten ſind, werben erſt nach dem Gerben auf- 
getragen. Dee Corduan unterfcheibet fi vom S. nur dadurch, daß er mit 
gemeiner Lohe gegerbt wird, nicht fo glänzend, wie jener, babei Pleinnarbiger 
und weicher fl, 
Safflor, ſ. Smalte, 
Safran find die getrodneten, rothgelben, aus brei, zum Theil zufammenge: 
wachjenen Fäden beftehenden, Rarben ober Piſtille der Blüthe des Achten oder 
Herbſt⸗S.s, Crocus sativus L., eines Zwiebelgewädhfes, welches im Orient 
und dem füblihen Europa einheimifh ift und jeßt in mehren Gegenden von 
Deutfchland, Frankreich, England, Spanien, Italien ıc. angebaut wird. Die 
Pflanze blüht im September u. Dftober u. ba jede Blüthe nur eine einzige Narbe 
enthält, fo ift die Ernte ſehr wenig ergibig. Der reine Farbftoff des S.s, Po⸗ 
lychroit genannt, von dem berjelbe 42 Procent enthält, gibt zwar einer fehr 
großen Menge Waſſer eine ſchoͤne, gelbe Farbe, die aber fo wenig haltbar if, 
daß er nur felten zur eigentlichen Yärberei, fondern meift zum ZArben von Spei⸗ 
fen und Eonditoreiwaaren, Goldfirniſſen, Tiichlerpolitur, Weingeift und Arznei⸗ 


mitteln und als Malerfarbe gebraucht wird, Außerdem wirb er auch Häufig in 
ber Medizin verwendet. Der Geruch des S.s iſt burchbringend gewürzhaft und 
in größerer Menge fogar betäubend, jedoch nicht unangenehm; ber Gefchmad 
bitterlich gewuͤrzhaft. Er muß ein fchönes, bräumtichrotbes, glänzendes, nicht 
braunes Anfehen haben, troden, aber etwas faftig anzufühlen, doch nicht ſchmierig 
feyn; er muß das Wafler ftarf getbaeib, ben Finger bei leichtem Reiben und 
den Speichel beim Kauen ſtark gelb färben; die Faͤden müllen lang, oben ur 
ficHft breit, nad) unten bünn und biegfam und es muß fo wenig, als möglid, 
Gelbes daran ſeyn. Der Hohe Preis verleitet häufig zu Berfältbungen, indem 
man ihn mit fremben Blumenblättern, namentlich bes Safflors, der Ringelblume, 
der Branatblüthe, bie man in längliche Streifen zerſchneidet, auch wohl mit fchon 
ausgezogenem und wieber getrodnetem S. und felbft mit getrodneten Rinbfleiſch⸗ 
Faſern vermifcht; auch wird er nicht felten mit Dei benebt. — Beſonders in 
Kürnberg wird ein wichtiger Zwifchenhandel auch mit ganzem ©. getrieben, den 
man dort durch eigene Leute, welche S.⸗Klauber oder S.-Wlegirer Heißen, aus; 
lefen, d. h. die gelben Spiten daraus entfernen läßt. Man nennt ifn dann 
elegirten S. unb ben unausgefuchten naturell. Das Ausgefuchte aber ver: 
miſcht man mit Bruchflüden der Narben, färbt es dann mit Butter und warmem 
Wafler u. verkauft e8 unter dem Ramen Keminell, yon S.⸗Stroh genannt, 
was befonders zum Bermahlen mit dem guten ©. gebraucht wird. Richt felten 
wird das Feminell aber auch durch die Blumenblätter der Ringelblume, welche 
man mit Fernambuc färbt und durch behutfames Trodnen Fräutelt, verfälfcht. 

Saftleeven ober Zachtleeven, Hermann, ein berühmter Maler und 
Nadirer, geboren in Rotterdam 1609, lebte und arbeitete in Utrecht, wo er aud 
1685 ſtarb. Seine Rheinlandichaften find maleriſch, zart und meifterhaft in ber 
Lichtperfpeftive. Man Hat von ihm 39 Blätter. 

Saga, woher unfer deutſches Sage (f. d.) abgeleitet if, heißt in ber nor, 
diſchen Mythologie die Semahlin oder Tochter Odin’s, in einem, wie in dem andern 
Kalle mit ihm, als Gott der Dichtfunft, identiſch. S. iſt die zweite der Afinnen 
und bewoßnt bie vierte Himmeldburg Sauquabekkr (Söquabäfl, Saufva 
beffr, Sturzbach), über die kalte Wagen rauchen; Hier trinft fie mit Obin 
täglich aus goldenen Schalen Kunde und Weisheit. 

Sagan, mittelbares Fuͤrſtenthum Niederfchleftens, im preußifchen Regierungs⸗ 
bezirfe Liegnik, 22 [J Meilen mit 40,000 Einwohnern umfaſſend u. der Yürftin 
von Ncerenza, Tochter Herzogs Peter Biron von Kurland gehörend. Hauptort 
die Stadt ©. am Bober, in einem angenehmen Thale, von Mauern und Thürs 
men und drei Vorftäbten umgeben. Reben dem von Wallenftein erbauten Schlofie 
breitet fi ein herrlicher Park aus. Die katholifche Pfarrkirche, bei welcher ſich 
ehebem ein 1284 gegrünbetes Stift regulirter Chorherren befand, tft ein anfehn- 
liches Gebäude, Die evangelifhe Dreifaltigkeitsfirche erhielt in neueſter Zeit 
durch den angebauten Hohen und maffiven Thurm, welchen eine im rein gothiſchen 
Style na dem Entwurfe des Geh. Oberbaurathes Stüler ausgeführte Spitze 
von Gußeiſen kroͤnt, eine Herrliche Zierde. Katholifhes Progymnaſtum (ehemals 
Sefuitenfollegium) , 3 golitäle. Die Einwohner, 5,700 an der Zahl, treiben 
Leinwand», Tuch⸗, Strumpffabrifation, Bierbrauerei und lebhaften Getreide⸗, 
Vieh- und Garnhandel. Papiermühle, Kupferhammer. — Das Fürftentfum ©. 
war anfänglich mit dem Glogauiſchen Fürftentäume vereiniget, wurde aber einige 
Male davon getrennt, bald aber wieder damit, manchmal auch mit andern Für- 
ftentHümern, verbunden; endlich erhielt e8 1397 durch die Erbtheilung der Söhne 
bes Herzogs Heinrich VIIL feine eigenen Gebieter. Herzog Balzer von ©., ber 
fih dem Könige Georg Pobiebrab nicht unterwerfen wollte, wurde von biefem 
1461 in feiner Hauptftadt belagert, welcher ſich die Böhmen nach einigem Wi⸗ 
derſtande bemächtigten. Den unglüdlichen Zürften befriegte fpäter auch in eige: 
ner Bruder, Seen Hans von Beibus. nahm ihn wider Treu und Glauben ge: 
fangen, und ließ ihn im Thurme zu Bribus verhungern (1473). Der Bruber: 


mörber Hans verfaufte hierauf S. an Sachſen, Kurfürft Moris trat es aber 
1544 dem böhmifchen eönige Kerdinand I. wieder ab. Kaiſer Ferbinand IL 
ſchenkte es feinem Feldherrn Wallenftein, nach befien Ermordung es eingezogen 
und 1646 an ben Fürften Lobkowitz verkauft wurde. 1786 kam es gegen bie 
Summe von 1,100,000 fl. an den oben genannten Herzog Peter. In ber zweis 
ten Hälfte des 18. Jahrhunderts erwarb -fih Abt Johann Ignaz von Felbiger 
a . unfterbliches Berbienft durch die Verbeflerung ber Fatholijchen Säulen es 


andes. mD. 

Sage iſt die Erzählung von etwas Geſchehenem, ohne daß dafür Gruͤnde 
und Beweiſe gegeben werben. Alle Gefchichte verliert fih in die S. und jedes 
Bolt Hat die einigen nad Maßgabe feiner eigenthümlichen Borftellungen unb 
Anfichten. Daraus erklärt ſich ihre Verſchiedenheit in Dealehung auf Inhalt und 
äußere Einfleidung bei den Bölfern des Morgen und Abendlandes. Schließt 
die ©. ſich an wirflidde Ereigniffe, fo erfcheint fie überhaupt als Menſchen⸗S., 
insbefondere aber als HeldensS. und, in Verbindung ober Berwandtichaft mit 
der Religion, als Gotter⸗S. Die Quellen find hier bie Lieder und Epopden 
des Bolts, Chroniken und Denkmäler räumlicher Art, in welchen die urfprünglich 
münbliche Heberlieferung aufbewahrt und gleichfam feftgeftelt if. So Hat bie 
S. eine doppelte Richtung, die gefchichtliche und religidje; allein, ba ihre Ber 
breitung von Mund zu Mund geht, fo wirb fie nicht blos dadurch verändert, 
ſondern auch durch ben veränderten Standpunkt der Borflelungen und Anfichten 
des Bolls, und Tann daher mur mit Behutfamfeit benüst werben. Ungemein 
willfommen find auch S.n, wenn fie ſich an Perſonen fnüpfen, dem Dichter zur 
epifhen Behandlung, denn in ben S.n vereinigt ſich gleichfam das Gefchichtliche 
mit dem Wunderbaren, das Ratürliche verliert ſich in’ Hebernatürliche und ber 
Dichter darf öfter nur das Ueberlieferte bedeutfam auffaffen und zu einem Ganzen 
abrunden; denn die Helden der S.n erfcheinen allerdings fchon ale Heroen und 
nicht felten in einer unmittelbaren Berührung mit ben Göttern. — Die Literatur 
biefes Faches ward Hauptfächlich in neuefler Zeit vermehrt. Eine Sagaen- Biblios 
thef bes feandinavifchen Alterthums erſchien von P. E. Müller, Kopenhagen 
1817—19;5 2 Bde, in Auszügen überfept von Dr. Earl Lachmann; Deutiche 
S.n von den Brüdern Grimm, Berlin 1816— 18, 2 Bde; Die deutfche Helden⸗ 
S. von W. Grimm, Göttingen 1829; Buch der fhönften Geſchichten und S.n 
von Guſtav Schwab, Stuttgart 18365 A. Nodnagel, deutſche S.n aus dem 
Munbe bdeutfcher Dichter und Schriftfieler, Dresben und Leipzig 18365 S.n⸗ 
Forſchungen von 2. Uhland, Stuttgart 18375 Sieben Bücher morgenlänbifcher 
S.n und Geſchichten Cbiblifche, arabifche und perſiſche Mythen: und Helden⸗S.n) 
von Friedrich Nüdert, Stuttgart 1837, 2 Bde; Der S.n⸗Schatz und die S. n⸗ 
Kreiſe des Thüringerlandes von Ludwig Bechftein, Hildburghaufen u. Meiningen 
1838, 4 Thle.; Volks⸗S. der Deutſchen von Philipp v. Steinau, Zeit, 1838; 
Alemanniſche Volks⸗S.n u. Gefchichten von Binder, 2 Bde., Stuttgart 1843 — 44; 
Preußens Volks⸗S.n, Mährchen und Legenden, als Balladen, Romanzen und 
Erzäßlungen bearbeitet von Widar Ziehnert, Leipzig, E. B. Polet, 1839; des⸗ 
jelden S.n des Königreichs Sachſen als Balladen und Romanzen, Annaberg 
1838, 3 Bochn.; Volks⸗S.n und volksthümliche Denkmale der Lauflg, von Hein- 
rich Gottlob Bräfe, Bauen 18395 Pommer'ſche Sn, Balladen, Romanzen und 
Lieber von E. H. Freyberg, Pafewalf, Freiberg 1838 (zweite Auflage); bie 
Volks⸗S.n, Mähren und Legenden bes Kaiferftaates Defterreih von Ludwig 
Bechſtein, Leipzig 1840 ff. u. a. 

&ago find kleine rundliche Körner von ber Größe des Korianderfamens, 
welche urfprünglich aus dem Satzmehle, das in dem Marke einiger oftinbifcher 
Palmenarten in großer Dienge enthalten if, bereitet werben. Dieß ift ber oftins 
bifche oder Achte ©., welcher röthlich grau, oder weißlich von Farbe iſt und 
buch das Kochen in Waſſer aufſchwillt und burchfichtig wird, und der frü 
allein bekannt war. Da man aber in neuerer Zeit fand, daß dieſer S. aus Richie 


u 


1006 Br Sagunt — Sahara. . 


als Stärfmehl beftcht, fo verfertigt man jeht Häufig ein Abnliches, ben Achten ©, 
in mancher Hinflcht noch übertreffendes, Probuft befonders aus Kartoffelſtaͤrkmehl, 
welches unter dem Ramen beuticher oder Kartoffel-©. im el iſt. Der 
oftindifche S. wird befonders aus dem Mark der S.Balme, Metroxylon Sagı 
oder Sagus Rumphii, bereitet, welche in niedrigen feuchten Gegenden bes oflindi- 
fhen Archipels, namentlich auf ben Molukken und Philippinen u. am Häufigften 
auf der Infel Geram, wo es ungeheuere Wälder bavon gibt, wächst. Der Stamm 
derfelben ift, bevor ber Baum bie Höhe von 5 — 6 Fuß erreicht, mit ſcharfen 
Dornen bejegt, welche fpäter abfallen. Er beſteht dann, ehe die Frucht fich bildet, 
aus einer etwa 2 Zoll bien, harten Rinde und einer großen Menge ſchwanmi⸗ 
gen Marfes, welches aber mit dem rfcheinen der Frucht verfchwindet, u. wenn 
der Baum feine volle Reife erlangt Hat, iſt der Stamm Nichts mehr als eine leere 
Hülfe. Wenn das Mark reif ik u. wenn bie Blüthe ſich zeigt, wirb ber Baum 
an der Wurzel abgehauen und in 6— 7 Fuß lange Stüde getheilt, Die man ber 
Länge nad 8 Das Mark wird dann herausgenommen und zu einem 93 
ſpaͤnartigen Vulver gerieben, das man mit Waſſer zu einem duͤnnen Seige 

und durch Siebe die Faſern bavon trennt. Im Waffer läßt man bas (au 
Boden feben, wäfcht es mehre Mal aus und bildet dann in Irdenen, in Bäche 
eingeiheilien Formen, welche man erhit, bünne Suchen von verfchiebener Yorm 

Größe daraus, welche ſich Iange halten und in Dftindien auf dem Marfte 
verkauft werden. — Der Tünftliche oder deut ſche S. wird, wie ſchon erwähnt, 
aus Kartoffelftärfmehl bereitet, das man, noch etwas feucht, zu hen zer⸗ 
drüdt und in flachen Keſſeln oder auf metallenen Platten, die durch Feuer oder 
Dampf erbigt werben, fo lange rührt und umwendet, bis es zufammenbädt und 
zu arten, ducchfcheinenden Körnern eingetrodnet iſt. Er quillt eben fo, wie ber 
oftindifche, im Kochen auf, iſt reiner und geroö glich wohlfchmedenber, indem jener 
oft durch den Transport leidet umb einen bum nen Geſchmack befommt. Durch 
ae von gebranntem Zuder Tann man ihm die bräunlicdhe Farbe des oflins 

en geben. | 

Sagunt, eine der berühmteflen Städte im alten Spanien, in ber tarraconen, 
ſiſchen Provinz, dem Bolfe der Sobotaner zugehörig. Sie lag 3000 Schritte vom 
Meere, am Fluße Turius. Hannibal nis e nad) ber yesinädigften Belagerung 
ein und eröffnete bamit ben zweiten puniichen Krieg. Gaͤnzlich zerftört wurbe fie 
nie, Die Kartdager betwahrten Hier ihre Geißeln auf u. acht Fahre nachher (240 
v. Chr.) entriffen fie ihnen die Römer, welche nun eine Colonie hieher fchidten. 
Seinen alten Glanz erlangte S. von ber Zeit an nicht wieder. — Jeht liegt an 
diefer Stelle Die Stabt Murviebro (muri veteres), am Palancia, mit 7000 Eins 
wohnern, wo in dem fpantfch-franzöfifchen Kriege am 25. Oft, 1811 bie Armee 
von Aragonien unter Blafe durch Suchet gefchlagen wurde, worauf bas Fort 
©. capitulirte. 

Sahara, die ungeheuere Sanbwüfte Afrika's, die größte auf ber gas 
Erde, welche zu beiden Seiten bes Wenbefreifes bes Krebies bis an bie Geſtade 
bes Mittelmeeres, nur mit einzelnen Unterbrechungen, von Often nach Weften fid 
quer burch dieſen Erdtheil zieht u. Er als 3 feines Flächeninhaltes (60,000 Mei⸗ 
len) ausmacht. Zum Theil nadter Held, wie auf dem Inbifchen Wüftenplateau, zum 
Theil eine mit Rollkieſeln überfchüttete Ebene, hier und da von Schluchten und 
Tiefen durchfurcht und im fteten Wechfel der Geſtalt durch ben raftlofen Zlugfand, 
bier mit einer Sandfrufte bebedt u. dort von einem nichrigen, oͤden Kalffleinges 
birge durchzogen, glühend heiß, ohne Thau, ohne Regen , ift fie der Tod alles 
Lebens, ber Pflanzen⸗ und Thierwelt. Defto zauberhafter wirft der Anblid ber 
infelgleich in bie troftlofe Dede eingeftreuten quellen» u. vegetationsreichen Oaſen 
({. d.). Nach Ritter war früher die Wefthälfte berfelben ein afeltanilchee Mit⸗ 
telmeer, woher es ſich auch erklaͤrt, daß ſich noch viele Fluͤſſe ohne Muͤndung in 
den Sand Der Wuͤſte verlieren. Später erſt Bat fie ſich von Oſten nach Weſten 
fortbewegt, eine Bewegung, welche den arabiichen Ramen des Wandermeeres vers 


„(An 


anlaßt hat. Umfaſſende Unterfuchungen über bie algieriſche S. erfchienen als „La 
Sahara algerienne“ (Bar. 1845). 

Said, ift der arabifche Name für Oberägypten, f. Yegypten. 

Saigern oder Sengern, auch Siden, if ein hüttenmännifcher Ausbrud, 
der namentlich auch vom Silber gebraucht wird, das man mittelft des Bleies aus 
den Supfererzen fchmelzt, Bol. die Art. Scheidung u, Silber. 

Saigon oder Saigua, die größte Stabt im Bouvernement Kambodſcha von 
Conchinchina, liegt auf dem rechten Ufer bes Saigonfluffes , befien bedeutende 
Waſſermaſſe Schiffe von jeder Größe trägt, Die Wohngebäude find groß, ges 
raͤumig und für dieſes Klima außerordentlich bequem; fle haben Dächer von Zies 
gem, welche auf fchönen großen Pfeilern von einem fchweren, dauerhaften Holze, 

genannt, ruhen. e Mauern find von Lehm, mit Bambus eingefaßt und 
übertündyt, In jedem Haufe, ja fogar in ber niebrigften Hütte iſt etwas, das an 
bie Religion und ben Kultus des Volkes erinnert, Altäre, Sinnbilder umb bel. 
Man bemerkt ſogleich, daB Staat und Religion Hier auf’s Innigſte verbunden 
find. Die Haufe fiehen dicht an einander und bilden gerabe Linien in weiten, 
Iuftigen Straßen oder längs den Ufern bes Flußes. Diefe Straßen find fchöner, 
als in manchen europäifchen Hauptflädten. Eine Anzahl Gärten inner ber 
Stabtmauern verleihen on ein beſonders freundliches Anfehen. Der Statt 
halter wohnt in der Eitadelle Die Bazare bieten alle Bedürfniffe und Bequem⸗ 
lichfeiten, die Hier zu Lande gewöhnlich find, in großem Ueber bar. Sn den 
Laufläden find die Waaren ungemein vortheilhaft ausgeftellt. Ueberhaupt iſt ber 
—7 von S. ſehr betraͤchtlich, und der Verkehr wird durch die zahlreichen 
chiffbaren Kanaͤle, welche die Gegend in jeder Richtung durchſchneiden, erleichtert 
und befoͤrdert. Es wohnen hier ſehr reiche chineſiſche Kaufleute. Dieſelben ha⸗ 
ben zwei ſchoͤne Tempel, von Höfen und Saͤulenhallen umgeben, in welchen ſie 
iften 50 verehren. Auch der Gewerbfleiß der Stadt ift nicht unbetraͤchtlich; man 
fertiget feine und grobe Matten, Segel für Boote und Dſchunken, Körbe, vers 

oldete und lakirte Käftchen, Sonnenichieme, fchöne feibene Beutel, die allgemein 
—* von Maͤnnern als Frauen getragen werden, Goͤtzenbilder aus Stein, Por⸗ 
ellan, Metall und Elfenbein. Die Bewohner von S., 180,000 an der Zahl, 
d großentheils von auffallend kleiner Statur u. nicht ſehr hübſch, aber wohl 
gekleidet und von einnehmendem Betragen. Ihre Aufmerkſamkeit, Hoͤflichkeit und 
Gaſtfreundſchaft gegen Fremde übertrifft Alles, was man in dieſer Hinficht bei 
afiatiſchen Nationen beobachtet. Die Soldaten ber Belastung find meitt mit Lan⸗ 
53 re mit Feuergewehren bewaffnet und gut disciplinirt. — Nach Dr. G. 
nlayfon. mD. 

Sailer, Johann Michael, geboren 17. November 1751 zu Arefing im 
Zandgerichte Schrobenhaufen in Oberbayern, war ber Sohn unbemittelter Eltern. 
Nur duch die Mnterflügung guter Menſchen, die er in München fand, Eonnte er 
feine Studien dafelbft beginnen und fortfegen. Den Grund bazu legte folgender 
befonberer Umftand: Sein Bater ging naͤmlich in Begleitung von zweien feiner 
Nachbarn, die ihre Söhne gleichfalls Ay Studiren nad nchen führten, zur 
Stadt, Einer von diefen rieth dem Bater ©.8, da fle eben vor einem Wilbprets 
laden vorübergingen, ein Paar Schnepfen zu faufen, bie er dem Praͤceptor zum 
Geſchenke madyen follte, bamit dieſer deſto geneigter würde, feinem Sohne irgend 
eine Unterftügung zufommen zu laſſen. In demfelben mugenblide fam der Sohn 
bes damaligen Münzwardeins zu dem ‘Bräceptor und bat ihn, ihm einen Famulus 
zu verfchaffen und —— empfahl jener den jungen S. dem angeſehenen Sohne, 
der ihn auch ohne Weiteres aufnahm. Dieſe providentielle Fügung blieb dem 
Gemuͤthe S.s ſtets im Andenken, fo daß er fpäter das Schnepfenpaar in fein 
Wappen aufnahm mit der Umfchrift: „Unter Gottes Leitung”. Daß ©. 
feine Etudien, wie in ben niederen, fo in den höheren Schulen mit Auszeichnung 
machte und Wiſſenſchaft und Froͤmmigkeit ſtets bei ihm gepant blieben , bedarf 
wohl feiner befondern Erwähnung; fein ganzes fpäteres Leben war nur bie volle 


x 4 —X 


1100 Sailer. 


Entwickelung deſſen, was früher als Leim in ihm lag. 1770 trat er in das 
Roviziat der Jeſuiten zu Landsberg in Oberbayern. Nach der Aufhebung des 
Ordens 1773 ging er nad) Ingolflabt, wo er feine philofophifchen u. theologiſchen 
Studien vollendete, 1775 Priefter warb u. dann 3 Jahre lange öffentlicher Res 
petitor an der Univerfität war. 1780 wurde er zweiter akabemiſcher Profeflor 
der dogmatifchen Theologie neben Benedikt Stattler, feinem Lehrer und Freunde. 
Da aber 1781 bie bayerifchen Klofterabteien alle Lehrftellen im Lande aus ihrem 
Mittel zu befeben befamen, verlor auch ©, feine Stelle gegen das Tleine Jahrgeld 
von 240 Gulden. Drei Jahre lebte er jet im Privatftande den Studien und 
fchriftftellerifchen Arbeiten, unter welchen befonders fein Gebetbuch erwähnt zu 
werden verdient, welches zur damaligen Zeit eine wahrhaft ‚glänzende Erfcheinung 
war, wie es denn auch die größte Berbreitung und viele Auflagen fand. 1787 
folgte S. dem Rufe zu einer Profefiur an der damals bifchöflih augsburgifchen 
Univerfität Dillingen, wo er Moralphilofophie und Paftoralteologie lehrte, auch 
nebenher Religionsvorlefungen für alle Akademiker hielt und mehre viel gelefene 
Schriften herausgab. Zehn Jahre war er Bier in einer Weiſe thätig, Die fein 
Anſehen und feinen Ruhm weithin verbreitete; jeber angefehene Fremde, ben feine 
Reife durch Dillingen führte, befuchte die eine ober andere feiner Borlefungen; 
Juͤnglinge kamen von fremden Ländern, befonders von dee Schweiz, um ihn zu 
hören und mehre von ihnen wirkten nach ihrer Rüdfehr in ihr Baterland ſegens⸗ 
vol. Wie geſucht und hochgeachtet ©. in der Schweiz war, fann man aus ben 
Predigten fehen, die er bafelbfi an mehren Orten hielt, die ſich auch in ber ge 
drudten Sammlung feiner Werke finden. Doch, nicht nur in der Schweiz, auch 
in anderen Laͤndern außerhalb Bayern brachte er theilweife die Ferien zu, Ich: 
rend, prebigend, erbauend durch Wort und That. Jedesmal brachte er auch für 
feine Freunde gebrudte Erinnerungen mit Belehrungen von feinen Reifen zurück. 
Die Hochachtung, bie feine Glaubensgenoſſen für ihn Hatten, theilten auch bie 
Beſſeren unter den Außerfirchlichen, wie ſolches Paulus von den Bifchöfen feiner 
Zeit forderte. S.s Aufenthalt in Dillingen war überhaupt ein Glanzpunkt fei- 
ner Wirkfamfeit und von dem wohlthätigften Einflufie auf feine Zuhörer umb 
Schüler. Er und bie Brofefforen Zimmer und Weber waren die Koryphaͤen der 
Univerfität, und in gleichem Geiſte mit ihnen arbeiteten auch einige Profeſſoren 
des dortigen Bymnaflums, ale Enneberg, Hörmann, Keller, Weiß. In ben 
neunziger Jahren war es ©., ber durch feine Weisheit einer myftifchen Richtung, 
die unter einigen @eiftlichen des Bisthums Augsburg nusartete, entgegen trat, 
während er ben Befleren derfelben Richtung beiftand., Nach zehn Jahren ber 
Blüthezeit der Lehranftalt Dillingens erhielt S. feine Entlaffung durch die Um» 
triebe einer Partei, welche, ihn verfennend und nicht verſtehend, als nicht ganz 
techtgläubig dem Fürfibifchof von Augsburg darzuftellen wußte. Später verſchwand 
das Borurtheil und ©. fland gerechtfertiget da. Bon jekt an lebte er wieder 
mit fehr geringen Einfünften, blos den Wiflenfchaften und der Freundſchaft, theils 
zu Münden, theils zu Ebersberg in Oberbayern. Bei ber Regierungsveränderung 
in Bayern 1799 wurde er als Lehrer an ber Landesuniverfität Ingolftadt ange 
ſtellt und, als biefe im Jahre darauf nach Landshut als Ludwig⸗Maximilians⸗ 
Univerfität verfeßt wurde, ſetzte er Hier feine Wirkſamkeit als ordentlicher Profeffor 
der Moral- und nei Au fort; außerdem —* er auch die ſaͤmmtlichen 
Predigten fuͤr die akademiſche Jugend, die ſich ebenfalls in der Sammlung ſeiner 
Werke, finden. Hier, wie früher in Dillingen, war er wieder ber gefeierte Lehrer, 
der Freund und Rathgeber ber Befleren u. der Wohlthäter der Bebürftigen unter 
ihnen. Auch von Landshut aus brachte er die Serien in ber gewohnten Meile 
zu. In ben Rheinlanden, wo er fich ebenfalls theilweife auffielt, übte er unter 
anderen den wohlthätigften Einfluß auf den damals feurigen Süngling Diepen⸗ 
brod, nunmehrigen Yürftbifchof von Breslau, ber, dem anipruchlofen, herzge⸗ 
winnenden Mann lieb geworden, ihm nach Landshut u, von da nad) Regensburg 
folgte, dort Theologie flubirte, Priefter warb und, nachdem S. Biſchof geworben, 


. Com — SalntBeume. - 191 


item ale Sekretaͤr biente, dann eine Domberen s u. nach einiger 
kanoſtelle bekleidete, bald darnach aber als Fürftbiichof- a 
he wo 3. a emeine Berehrung u. niehe fand unb findet, 
. an das Domkapitel urg verſetz ter oe 
inter X 58 el u., Pin befien rn 1829, en — er auf dem 
‚na oc gie Tode Bird aut] em Biie 
— Wuͤrden anegeit en hatte. 
Mit gleicher Thaͤtigkeit, Weisheit ilde verwaltete er das biſchd — wie 
früher . & ae: urn 5* Waſe mit Wort und 
Weisheit u, Achter Er feit der ib 
ende Symptome von Alterefchwäche ein u. am 20. Mat 1832 ent 
ee der. en ac e Greis, fahft u. ruhig, wie er gelebt. Sönig Ludwig Tief 
* denken des Verſtorbenen, an bem er mit beſonderem Vertrauen Sing , 
enkmal in Dem Seeger Don Dome ereiihten, das ber fromme u. ausgezeichnete 
Bildhauer Eberharb —— — gfecige gte, an Wweiigen 
RESET, — erzaͤhlt wurde, ben Grund zu S 
—— Min A einer — —— ‚angebengt — De 
wirkte er Mitmenſ 
dieſes chriſtlich ide en Eehrer® en von un gen Sam, 
wahrhaft chriſtlicher —5— * Gewanbiheit in ber 
—— Er ſuchte überall bie Reg n als das Hoͤchſte u. ofe 
—— die Religion, wie fie im Gemüthe des Menſchen it, 
eben ſtrahlt, wie ſie die ye darſtellt: ein wahres Heilig⸗ 
ertraute Ergießungen über Inhalt und Geiſt ber en 











Di 


: 
* 













3 ® 
ee man in er vielen f F ten; faſt in allen Ideenreichthum, 
5* (ade. Bon ihm Mens Eat nen — * u. 
ai 5. Briefer did) 6. dem 








. bem -efrwärbigen Fenelon an. ü wenglicher 

Eifer u. Gottſeligkeit, an Milde Bohlhu und Heiterkeit, fo wie an 
Heinheit des Wandels, An fchriftftellerifcher Fruchtbarkeit, an Innig- 
feit der Empfindung, an Tiefe der Ideen, an Klarheit fleht er jenem gleich, wenn 
auch nicht an Ge eiliheit u, Bollenbung bes Ausdruds, u. Hat vor ihm noch bie 
nmuth eines leifen Humors u. oft die biizäßnliche Schärfe u. Kürze Hätoolle 

en voraus“, ne, ſeit 1778 eine erföhienenen, Werke find in einer 
abe erichienen zu Sulzbach f. 41 Bde. 8. Die bebeusenbften 
elben find: Vernunftlehre. —2 —* Ueber Erziehung. Briefe aus 
allen Jahrhunderten. Handbuch ber Seiflichen Moral. Ba ea ideo 0 F Das 
und kleinere Gebetbuch. Uebungen des Geiſtes. 
—2. Monat, Berg eihe 8. Baader in ber ae be Borat Ißfen 
——— nd Mrd ferausgegeben von Moſer, Rue 


€. v. Schenk in ber Charitas v. 1 —8 $ 
Benin: Or —3 — Tiefen Kanzelberedſamkeit ber Daifden Chegenebung 


—— 
be gef See im finnifchen Län Wiberg , 50 Klafter über ber 
Pay iR 50 M long, 24 Meilen breit, a viele, „auper Zaipalfari 
mit 110 —* umbewwohnte SInfeln, it reich an u. fließt durch ben 
Buoren in den — Ein Theil deſſelben heißt vea 
—— e, ſ. Marnix. 
Saint ˖ Benve, Charles Auguſte, ausge Guter Krititer und Di tr, 
— m Boulogne, gab aus Liebe oefie umb Piteratur da⸗ 
ber Medesin auf und wies von 182 Be: in feinen Artikeln im —* 
(gefammelt als Tabloau de la poõsio Fr. du XVI. siöcle 1828) nach, daß ber Ro⸗ 
—— m — im franzoͤſtſchen Mittelalter wurzelte. Es folgten bie tor. 


BER 
8 












en von Corneille, Racine, WMoliere ꝛe. ıc, („Critiques et 
irelis Mttärsires“ 1832) 5 fpäter von lebenden Dichtern („Nouveaux portr. 





1102 Saint-Elond — Saint-Denis, 


1836), worin Kritif und Kunſt um den Rang ſtreiten. Als Dichter trat er 
erft mit dem fentimalen „La vie, po&sies et pensees de Jos. Delorme“ (18: 
auf; den Geiſt Wordsworth's tragen: „Consolations“ (1830); noch inniger r 
gids find die „Pensdes d’Aout“ (1837). Große pfuchologifche Tiefe heirſcht 
dem Roman „Volupts“ (2 Bde. 1834) ; mit Liebe fchilberte er das „Port-Roy 
(1840). StB. ih Gonfervator an der mazarin’fchen Bibliothek und feit 18 
Mitglied der Akademie, 

Satnt-Eloud, Markifleden im franzöftfehen Departement Seine und O 
zwei Stunden unterhalb Paris, am linfen Geine-Ufer und durch eine Eiſcnbe 
mit der Hauptfladt verb.nden, hat ein berüßmtes ehemaliges Luſtſchloß der fi 
zöflfchen Könige, mit herrlichem Park und Wafferfünften, viele ſchöne Landhan 
der Barifer und 3500 Einwohner. — St.C. (Fanum St. Clodoaldi) YHieß fü 
Rogent ; hier fol von dem fränfifchen Prinzen Ehlobowalb, ber nady Ermorke 
feiner Brüder Möndh wurde, ein Klofter gegründet worben feyn. Chlodow 
[denke ben Drt der Kirche von Paris und feit 1381 genoßen bie bortigen | 
choͤfe das Recht, fih alle Jahre am Tage bes HL Andreas (30. Nov.) von t 
Einwohnern fo viel Steuern geben zu laffen, als fie wollten, bis im Sabre 14 
von dem Könige diefelben auf 24 und 1509 auf 20 Livres feftgefegt wirt 
1589 wurbe nrid II. Bier ermordet. Das Schloß zu St.⸗T. war la 
Eigenthum der Herrn von Gondi, denen es Ludwig XIV. 1658 für feinen Bru 
den Herzog ‘Philipp von Orleans, abfaufte, welder das jetzige Schloß bau 
Unter den verfchiedenen Hiftorifchen Erinnerungen, welche fi an ben Namen Eı.: 
fnüpfen, find beſonders hervorzuheben: bie Sprengung bes Corps legislatif 
ber erfien Revolution am 18. Brumaire 1799; die Militärconvention vom 3.3 
1815 bei der zweiten Einnahme von Paris und bie Unterzeichnung ber Ju 
Drdonnangen durch Karl X, im Jahre 1830. — Während bes Conſulats u 
der erſten Katferzeit war St.C. oft Refidenz Napoleons, ebenfo Karls X. u 
nach der Julirevolution blieb das Schloß im Beflge der Civilliſte bis zur 8 
treibung des Haufes Orleans. 

Saint-Eyr, Schloß und Dorf im franzgöftfchen Departement Seine und © 
in der Rähe von Berfailles mit 2000 Einwohnern. Hier fliftete Die befannte Fr 
von Maintenon (f. d.) 1686 eine Auguftinerfrauenabtei für 90 Stiftsdamen u 
36 Laienſchweſtern, nebft einer berüfmten Erziehungs-Anftalt für 250 junge Tot 
aus dem Adelsſtande, welche beide in ber Revolution aufgehoben wurden. Epk 
legte Rapoleon hier ein Prytanenm für 300 Sößne agelalener Dffiziere an, m 
ches nachher nach La Fleche verlegt und eine reine Wilitärfchule wurbe. 

Saint-Eyr, ſ. Gouvion⸗St. Eyr. 

Saint-Denis, Stadt im franzöflfchen Departement der Seine, zwei Stunt 
nörblich von Paris, mit 7000 Einwohnern und einer berühmten, dem Bl. Dion 
fins (ſ. d.) geweihten Benebiftinerabtei, mit einer herrlichen gothiſchen Kir 
aus dem 6. Jahrhunderte; ehemaliges Erbbegräbniß der Könige von Frankrei 
St.⸗D. hieß früher Vicus Catulliacus, nach einer heidniſchen Frau, Catulla, wd 
den Leib bes HI. Dionufius gegen das Ende des dritten Jahrhunderts erhielt, 5 
beifegen lief und fo den Grund zu der nachmaligen Abtei legte. A469 erbaute 
bl. Genovefa über dem Grabmal des Heiligen eine Kirche, welche 630 von Koͤr 
Dagobert erweitert und verfchönert wurde. Im fiebenten Jahrhunderte wu 
das Dorf zu einer Stadt erhoben und dieſe erhielt nad) dem Klofler den Rum 
St.⸗D. Karl der Große vollendete 775 die ſchon von feinem Bater PBipin | 
gonnene neue Kirche, welche 1140 und dann wieder von 1231—81 weitere 8 
größerungen erhielt. Am 10. Rovember 1567 fand bier eine Schlacht zwild 
den Katholiken unter Montmorency und den Hugenotten unter Bonds und € 
ligny Statt. Beim Beginne der Revolution befanden fih in der Gruft der At 
bie Särge von 25 Koͤnigen, 10 Königinnen, 84 königlichen Prinzen und Pr 
zeffinnen, fowie die Aſche Bertrand’s du Guesclin und Turennes. 1793 wu 
Die Abtei von den Jalobinern und dem Pöbel zerftört, bie Gebeine ber Berk 


Saint-Dizier — Saint-Belais, 1103 


benen zerftreut und auf bem nahen Kirchhofe eingeſcharrt. Das Gebäude ſelbſt 
wurbe 1806 wieder hergeftellt; aber erft 1814 Tieß Ludwig XVII. die noch vors 
handenen Heberrefte der Berftorbenen fammeln, die Gebeine feines Bruders Lud⸗ 
wig XVI. und Marie Antoinettens hierher bringen und bie Abtei auf's Neue zur 
königlichen Gruft einweihen. Während ber Reflauration wurden ſodann mehre 
Brabmäler der älteren Könige prächtig wieberhergeftellt. Ludwig XVIII. felbft if 
ber legte franzöflfche Herrfcher, der Hier feine Ruheftätte gefunden Hat. Gegen» 
wärtig befindet ſich hier ein, an Rang ben Domfapiteln gleichkommendes, geiftliches 
Kapitel des HL Dionyſtus Areopagita, beſtehend aus dem Primicler, 10 Kanoni⸗ 
fern erfien Ranges (emeritirten Erzbifchöfen und Bifchöfen), und 24 Kanonikern 
—5 Ranges, PN ein Erziehfungsbaus für 500 Töchter von Mitgliedern der 

hrenlegion. — Zu den berühmteften Männern älterer Zeit, welche in ber Abtei 
gelebt Haben, gehören: Fulrad, Turpin, Hilduin, Odon de Deuil, Regord und 
vor Allen Suger. Die Ehronifen der Abtei von St.⸗D., welche für die Gefchichte 
ber erſten Jahrhunderte der franzöftfchen Monarchie, befonders für die dritte Dys 
naſtie, von großer Wichtigkeit find, wurden zuerſt 1476 (3 Bde., Bol), am beften 
aber von PBaulin Paris (16 Bände, Paris 1836—39) Herausgegeben. 

Saint-Dizier, Stadt u. ehemals ſtarke, jetzt aber ganz verfallne Feſtung 
im franzöftfchen Departement Ober-Marne, an ber Bier fchiffbaren Marne, welche 
bei dem benachbarten Dorfe Moslains einen geräumigen Hafen bildet, Bat ein 
Gollöge, ein Handelögericht und 6000 Einwohner, welche ſehr bebeutenben Schiffs 
bau (jährlich bei 400 Schiffe), Fabriken in Eifenwaaren und Kattun, Schifffahrt 
und lebhaften Handel mit &etreide und Holz betrieben. — Der Drt hieß im 
Mittelalter St. Desiderii, weil bier ber von den Bandalen erfchlagene Bilchof 
Defiverius von Langres begraben worden feyn [en war fonft jehr feſt und wich» 
tige Feſtung; es hielt 1544 eine fechswöchentliche Belagerung Kaiſers Karl V. 
und Fönige Heinrich VII. von England aus, worauf der Gouverneur nach einem 
von ben Belagerern verfälfchten Briefe capitulirte. Die zerftörten Feſtungswerke 
wurden unter König Heinrich II. wieder hergeſtellt. Auf der Straße von St, D. nach 
Bitry le Français (27. Januar und 26. März 1814) lebhafte Kämpfe zwiſchen 
den Frangofen und Berbündeten. 

Saint-Etienne, Stabt im franzöftfchen Departement der Loire, mit 45,000 
Einwohnern, ift der Hauptmittelpunft dee Steinkohlenproduktion in Frankreich, 
Deren Abfab durch Eifenbaßnverbindung mit Lyon ungemein befördert wirb, hat 
ein Hanbelstribunal, Gewehrfabrit, Berge, Mineur⸗ und Zeichnungsſchule, Taub⸗ 
Rummen-Anfalt und wichtige Fabriken Eifens, Stahls, Seiden⸗ Baumwoll⸗ 
unb anderen Waaren, 

Saint ˖ Evremont, Eharles Margotelle de SaintsDenis, Graf 
Ethalan Seigneur de St.⸗E., einer ber geiſtreichſten Schriftfieller feiner 
a geboren 1613 zu St.⸗Denis Duguaft bei Coutances in ber Rormanbie, erhielt 
eine erfte Bildung bei den Jefuiten, fludirte die Rechte auf der Pariſer Univerfität, 
trat dann in Kriegsdienfte, focht als Hauptmann bei Nördlingen und Freiburg, 
ward während des Ipantfchen Krieges in Gatalonien Marschal de camp u. war 
bann in Paris der geiftreichfte Befellichafter und durch Wit und Anmuth bie 
Seele aller feineren Birke Sein Hang zur Satire 2 ihm jeboch viele Feinde 
u und brachte ihn felbf 3 Monate in die Baſtille. Abermals von Berhaftung 
—* wegen ſeines Spottes uͤber den penaiſoe Frieden, floh er nach Eng⸗ 
land, wo er die Gunſt des Koͤnigs und bes Prinzen von Oranien genoß und 
wo er 1703 zu London, 90 Jahre alt, ſtarb. Seine Oeuvres meldes, London 
1703, 3 Bde.,; Amſt. 1739; Paris 1740, 10 Bde; ebd. 1753, 12 Bde. Eine 
Auswahl veranftaltete Lemoyne Defefiarts (Paris 1804). 

Saint ˖ Gelais, Melin de, ein geſchaͤtzter Iateinifcher und frangöffeper 
Dichter, ein natürlicher Sohn des Biſchofs Dctavien de St. Gelais von Angou⸗ 
lome, geb. 1491, wurde Abt von Reclus, Almofenier und Bibliothelar der Könige 
Sram 1. und Heinrich IL, an beren Hof er viel galt und flarb zu Paris 1558, 


1102 Saint ˖ Clond — Saint-Denis, 


1836), worin Kritik und Kunſt um den Rang ſtreiten. Als Dichter trat er zu⸗ 
erft mit dem fentimalen „La vie, poösies et pensees de Jos. Delorme“ (1829) 
auf; den Geiſt Wordsworth's tragen: „Consolations“ (1830); noch inniger relis 
giös find die „Pensdes d’Aoüt‘‘ (1837). Große pſychologiſche Tiefe herrſcht in 
dem Roman „Volupts“ (2 Bde. 1834) ; mit Liebe fchilberte er das „Port-Royal“ 
(1840). St.⸗B. ift Gonfervator an der mazarin’schen Bibliothek und feit 1845 
Mitglied der Akademie, 

Saint-Eloud, Markifleden im franzöflfchen Departement Seine und Dife, 
zwei Stunden unterhalb Paris, am linken Seine⸗Ufer und durch eine Eifenbahn 
mit der Hauptflabt verbenden, hat ein berühmtes ehemaliges Luſtſchloß ber fran- 
zoͤſiſchen Könige, mit herrlichem Bart und Waflerfünften, viele fchöne Landhäufer 
‚der Parifer und 3500 Einwohner, — St.-E. (Fanum St. Clodoaldi) hieß früßer 
Nogent; Bier fol von dem fränfifchen Prinzen Ehlodowalb, der nady Ermorbun 


ir feiner Brüder Moͤnch wurde, ein Klofter gegründet worden ſeyn. Chlodowal 


chenkte den Ort ber Kirche von Paris und feit 1381 genoßen bie dortigen Bi- 
Höfe das Recht, ſich alle Jahre am Tage des HL. Andreas (30. Nov.) von ben 
Einwohnern fo viel Steuern geben zu lafien, als fie wollten, bis im Jahre 1429 
von dem Könige biefelben auf 24 und 1509 auf 20 Livres feftgefegt wurden. 
1589 wurde Heinrich IM. Bier ermordet. Das Schloß zu St.C. war lange 
Eigenthum der Herrn von Gondi, denen es Ludwig XIV. 1658 für feinen Bruder 
den Herzog Philipp von Orleans, abfaufte, weldher das jetzige Schloß baute. 
Unter den verfchiebenen Hifkorifchen Erinnerungen, welche fih an den Namen St.⸗C. 
fnüpfen, find befonders hervorzuheben: bie Spren ung des Corps legislatif in 
der erſten Revolution am 18. Brumaire 17995 die Militärconvention vom 3. Juli 
1815 bei der zweiten Einnahme von Paris und die Unterzeichnung der Juli⸗ 
Ordonnanzen durch Karl X, im Jahre 1830. — Während bes Confulats und 
ber erſten Kaiferzeit war St.C. oft Refidenz Rapoleons, ebenfo Karls X, und 
nach der Julicevolution blieb das Schloß im Befige der Civilliſte bis zur Ber- 
treibung des Haufes Orleans. 

Saint-Eyr, Schloß und Dorf im franzoͤfiſchen Departement Seine und Dife, 
in der Nähe von Berfailles mit 2000 Einwohnern. Hier ftiftete die befannte Frau 
von Maintenon (ſ. d.) 1686 eine Auguftinerfrauenabtei für 90 Stiftsbamen und 
36 Laienfchweftern, nebft einer berühmten Erziehungs-Anftalt für 250 junge Töchter 
aus dem Abelöftande, welche beide in der Revolution aufgehoben wurden. Später 
legte Rapoleon Hier ein PBrytaneum für 300 Söhne gefallener Offiziere an, wels 
ches nachher nach La Fleche verlegt und eine reine Wilitärfchule wurde. 

Saint-Eyr, ſ. Gouvion⸗St. Cyr. 

Saint- Denis, Stadt im franzoͤſiſchen Departement der Seine, zwei Stunden 
nördlich von Paris, mit 7000 Einwoßnern und einer berüßmten, dem Hl. Diony- 
fius (f. d.) geweihten Benebiktinerabtei, mit einer herrlichen gothifchen Kirche 
aus dem 6. Jahrhunderte; ehemaliges Erbbegräbniß der Könige von Franlkreich. 
St.⸗D. hieß früher Vicus Catulliacus, nach einer heidniſchen Frau, Gatulla, welche 
den Leib des Hl. Dionyfius gegen das Ende des dritten Jahrhunderts erhielt, hier 
beifegen ließ und fo den Grund zu der nacdhmaligen Abtei legte. A469 erbaute bie 
hl. Genovefa über dem Grabmal des Heiligen eine Kirche, welche 630 von König 
Dagobert erweitert und verfchönert wurde. Im flebenten Jahrhunderte wurde 
das Dorf zu einer Stadt erhoben und dieſe erbielt nach dem Kofler ben Namen 
St.⸗D. Karl der Große vollendete 775 die ſchon von feinem Bater Pipin be- 
gonnene neue Kirche, welche 1140 und dann wieder von 1231—81 weitere Ber- 

rößerungen erhielt, Am 10. November 1567 fand Hier eine Schlacht zwilchen 
en Ratholifen unter Montmorency und ben Hugenotten unter Condo und Eos 
lignv Statt, Beim Beginne der Revolution befanden ſich In der Gruft der Abtei 
die Särge von 25 Königen, 10 Königinnen, 84 königlichen Prinzen und Prins 
zeffinnen, fowie die Aiche Bertrand’ du Guesclin und Turenne's. 1793 wurbe 
die Abtei von ben Jakobinern unb dem Poͤbel zerftört, bie Gebeine der Berflors 


Saint ˖ Dizier — Saint ˖ Gelais. 1103 


benen zerſtreut und auf dem nahen Kirchhofe eingeſcharrt. Das Gebaͤude ſelbſt 
wurde 1806 wieder hergeſtellt; aber erſt 1814 ließ Ludwig XVII. die noch vor⸗ 
handenen Ueberrefte der Berftorbenen fammeln, die Gebeine feines Bruders Lud⸗ 
wig XVL und Marie Antoinettens hierher bringen und die Abtei auf's Neue zur 
föniglichen Gruft einweihen. Während der Reftauration wurden fobann mehre 
Gra der aͤlteren Koͤnige praͤchtig wiederhergeſtellt. Ludwig XVIII. ſelbſt iſt 
ber letzte franzöftfche Herrſcher, der hier feine Ruheſtaͤtte gefunden Hat. Gegen⸗ 
wärtig befindet fih Hier ein, an Rang ben Domlapiteln gleihfommendes, geiftliches 
Kapitel des HL Dionyfius Areopagita, beftehend aus dem Primicier, 10 Kanoni⸗ 
fern erſten Ranges (emeritirten Erzbifchöfen und — und 24 Kanonikern 
zweiten Ranges, Pac ein Erziehungsbaus für 500 Töchter von Mitgliedern ber 
Ehrenlegion. — Zu ben berühmteften Männern älterer Zeit, welche in ber Abtei 
gelebt Haben, gehören: Fulrad, Turpin, Hilduin, Obon de Denil, Regord und 
vor Allen Suger. Die Chroniken der Abtei von St.D., welche für bie Gefchichte 
ber erften Jahrhunderte der franzoͤſtſchen Monarchie, befonders für die dritte Dy⸗ 
naflie, von großer Wichtigkeit find, wurben zuerft 1476 (3 Bde., Bol), am beften 
aber von PBaulin Paris (16 Bände, Baris 1836—39 herausgegeben. 

Saint-Dizier, Stadt u. ehemals flarfe, jetzt aber ganz verfallene Feſtung 
im frangöftfchen Departement Ober-Marne, an ber bier fchiffbaren Marne, welche 
bei dem benachbarten Dorfe Moslains einen geräumigen Hafen bildet, Hat ein 
Gollöge, ein Handelsgericht und 6000 Einwohner, welche fehr bedeutenden Schiffs 
bau (jährlich bei 400 Schiffe), Zabrifen in Eiſenwaaren und Kattun, Schifffahrt 
umb lebhaften Handel mit Getreide und Holz betrieben, — Der Ort hieß im 
Mittelalter St. Desiderü, weil hier der von den Bandalen erſchlagene Bifchof 
Defiderius von Langres begraben worben feyn —— war ſonſt ſehr feſt und wich⸗ 
tige Feſtung; es hielt 1544 eine ſechswoͤchentliche Belagerung Kaiſers Karl V. 
unb Königs Heinrich VII. von England aus, worauf der Gouverneur nach einem 
von ben Belagerern verfälfchten Briefe capitulirte Die zerftörten Feſtungswerke 
wurden unter König Heinrich II wieder hergeſtellt. Auf der Straße von St, D. nach 
Bitry le Francais (27. Januar und 26. März 1814) lebhafte Kämpfe zwiſchen 
ben Franzoſen und Berbünbeten. 

Saint-Etienne, Stadt im franzöfifchen Departement der Loire, mit 45,000 
Einwohnern, if der Hauptmittelpunft der Steinfohlenproduftion in Frankreich, 
deren Abfab durch Eifenbafnverbindung mit Lyon ungemein befördert wird, hat 
ein Hanbelstribunal, Gewehrfabrit, Berg-, Mineurs und Zeichnungsoſchule, Taub- 
Rummen-Anftalt und wichtige Fabriken in Eifen,, Stahl, Seiden⸗, Baumwolls 
und anderen Wanren, 

Saint-Evremont, Charles Margotelle de SaintsDenis, Graf 
EtHalan Seigneur be St.⸗E., einer der geiftreichften Schriftfteller feiner 
Zeit, geboren 1613 zu St.⸗Denis Duguaft bei Coutances in ber Normandie, erhielt 
feine erfte Bildung bei den Jeſuiten, fludirte die Rechte auf der Pariſer Univerfität, 
trat dann in Kriegsdienfte, focht als Hauptmann bei Nördlingen und Yreiburg, 
ward während bes ſpaniſchen Krieges in Gatalonien Marechal de camp u, war 
dann in Paris der geiftreichfte Geſellſchafter und buch Win und Anmuth bie 
Seele aller feineren Zirkel. Sein Hang zur Satire 0 ihm jeboch viele Feinde 
zu und brachte ihn felbft 3 Monate in die Baftille. Abermals von Berhaftung 
bedroßt wegen feines Spottes über den pyrendifchen Frieden, floh er nad Eng⸗ 
land, wo er bie Gunft des Könige und des Bringen von Oranien genoß und 
wo er 1703 zu London, 90 Jahre alt, ſtarb. Eeine Oeuvres meldos, London 
1703, 3 Bde.,; Amſt. 1739; Paris 1740, 10 Bde; ebd. 1753, 12 Bde, Eine 
Auswahl veranftaltete Lemoyne Defeflarts (Paris 1804). 

Saint ˖ Gelais, Melin de, ein geichägter Iateinifcher und frangöfiiäer 
Dichter, ein natürlicher Sohn bes Biſchofs Drtavien de St. Gelais von Angous 
lame, geb. 1491, wurde Abt von Reclus, Almofenier und Bibliothefar der Könige 
Franz L und Heinrich IL, an deren Hof er viel galt und flarb zu Paris 1558, 


1104 Baint-Beorge — Saint-Germain, 


Er zeichnete fich vor ben übrigen Dichtern feiner Zeit durch Kenntniffe und Gei⸗ 
flesbilbung aus und fteht feinem an Anmut, Raivetät und Leichtigkeit nach, 
weßhalb man ihn ben franzöfifchen Ovid nannte Man hat von ihn Elegien, 
Epifteln, Rondeaur, Lieber, Sonnette, Epigramme, ein Trauerfpiel „Sophonisbe” in 
Berien und eine Reihe ſchaͤtzbarer (nteinifäher Gedichte. Er ſoll die erſten fran- 
zöftfehen Sonnette gemacht und biefe Dichtungsart auf feinen vaterlänbifchen Boden 
verpflanzt Haben. Seine Sinngedichte empfehlen ſich durch feinen u. treffenden Wi 
Die lebte und vollſtaͤndigſte gabe feiner Gedichte erfchien zu Paris 1719. 

Saint-George, Ritter von, geboren 1743 auf ber Infel Guadeloupe, trat 
früg in Kriegsbienfte, wurbe aber |päter am Hofe des Herzogs Philipp von Dr: 
leans angeftellt und war ein Liebling deſſelben. Er liebte leidenſchaftlich Muſik 
und galt für einen ber erften Biolintpieler feiner Zeit. Beim Ausbruche ber Re 
volution warb er einer ihrer eifrigften Anhänger u. warb 1792 ein Jägerregiment, 
mit welchem er als Oberſt unter Dumouriez bei der Norbarmee fland. Nach dem 
Abfalle diefes Generals ward St.⸗G., um fih zu retten, fein Anklaͤger; aber er 
ſchuͤtzte fih dadurch nicht vor dem Gefängnifle und, obgleich bald entlafien, wurde 
er doch 1793 wieder verhaftet und erhielt erfi nach dem 9. Thermidor feine Freiheit. 
Er farb, unbeachtet und arm, 1801. 

Saint- Germain, 1) Robert, Graf von, franzöfifcher Kriegsminiſter, 
geboren 1708 zu Lons le Saunter in ber Franche⸗Comté aus einer alten adelis 
gen Familie, trat in den Sefuitenorben, verließ ihn aber wieder u. biente mit 

zanung unter den Truppen Ludwigs XV. Sein unruhiger Geiſt trieb ihn 
aus ſeinem Vaterlande u. er trat der Reihe nach in die Kriegsdienſte des Kur⸗ 
fürften von der Pfalz, der Kaiſerin Maria Thereſta, des Kurfuͤrſten von Bayern 
u. des Königs Friedrich IL von Preußen. Ueberdruͤſſig der ſtrengen preußiſchen 
Dischplin, kehrte er nach Frankreich zurüd u. wurde, nad Erduldung vieljähriget 
Widerwärtigfeiten, Sriegsminifter in Kopenhagen, fiel aber 1772 in Ungnabe, 
Nun Iebte er, da er den größten Theil feines Vermögens durch den Bankerot eis 
ned Kaufmanns verlor, im tiefften Elende. Aus feinem Zufludhtsorte in Lauter⸗ 
burg ſchickte er nach Frankreich militärifche Neformplane, empfahl fih dadurch bei 
Malesherbes u. Turgot u. wurde, unter Mitwirkung geheimer Berbinbungen in 
Deutſchland, 1775 frangöflicher Kriegsminifter. Aber fchon durch feine erſten Re; 
formen, 3. B. durch Berlegung der Militärfpitäler u. Kriegsſchulen von Paris in 
die Provinzen, machte er ſich bei der Armee ſowohl, als beim Hofe verhaßt. Durch 
Einführung der militärifchen Gleichheit beförderte er bie politifche; durch Einführs 
ung bes beutfchen Prügel® empörte er ben franzöftfchen Ehrenpunkt. Er ſah fid 
gendihigt, feinen Abfchied zu nehmen u. ftarb bald nachher ben 15. Januar 1778. 
Sein Charakter war ein feltiames Gemiſche von Kraft u. SKeraftlofigkeit, von 
Egoismus u. Patriotismus, von foliden u. dhimärifchen Ideen. Keinen einzigen 
Gegenſtand fah er mit Falten Blute an u. Beobachtungsgabe war nicht feine 
Dorf Eigenihaft. Als General war er im Kampfe gleichmüthig u. Hatte 
das Gluͤck ſtets auf feiner Seite. Er durchfah die Plane der Feinde, wußte mit 
einem Blide, was vom Terrain zu erwarten war, u. war vol Thätigfelt. — 
2) St.⸗G., Graf von, ein berühmter Abenteurer bes vorigen Jahrhunderts, 
war nach Einigen ein PBortugiefe, Marquis von Betmarz nad) Anderen ein fpas 
niſcher Jeſuit, Aymarz nad der Marquife de Crequy ein elfaffer Jude, Simon 
Wolff; nad noch Anderen der Sohn eines Steuereinnehmers Rotondo zu St. 
Germano in Savoyen (mas am wahrfcheinlichften iſt, da fein Franzoͤfiſch ben ita- 
lieniſchen Dialekt Hatte), geboren jedenfalls zu Ende des 17. ober Anfang bes 
18. Jahrhunderts. Er felbft gab vor, 2000 oder 3000 Jahre alt zu feun, ben 
eiland u. die 12 Apoftel gut gefannt u. St. Petrus mehrmals den Rath geges 
en zu haben, feine Heftigfeit zu mäßigen. Er trieb fich fchon feit 1750 als 
Abenteurer umher: in Benebig al8 Eomte de Bellamare, in Pifa ale Ehe 
valier Schöning, in Mailand als Chevalier Welldone u, zu Genua ale 
Graf Soltyfow. Ludwig XV., dem er buch Frau von Bompabour empfohlen 


Saint-Germain en Laye 1105 


war, ſchickte ihn 1760 zur Einleitung einer Friedensunterhandlung nach London. 
Seine genaue Belanntfchaft mit dem Marfchall von Bellisle zog ihm aber fehr 
bald den Haß bes Herzogs von Choiſeul zu, ber nach England ‘ eb und von 
Pitt die verhaftung St.⸗G.s verlangte, unter dem Vorwande, daß er ein ruſſi⸗ 
fer Spion fei. Der Graf, der davon Kunde erhalten hatte, flüchtete nach dem 
Feſtlande. Bei der rufiifchen Thronummälzung 1762 fpielte er eine ziemlich be- 
beutende Rolle. Graf Ocloff, der ihn 1772 in Nürnberg fand, nannte ihn feinen 
„earo padre“ u. fchenfte ihm 20,000 venetianifche Zechinen. Bon Petersburg be- 
gab er ſich nad) Berlin. Friedrich der Große bezeichnet ihn in feinen Oeuvres 
posthumes als „un homme, qu’on n’a jamais pu döchifirer“. 1774 lebte er zu 
Schwabach als Graf Tyarogy (Anagramm von Ragotzy). Der Markgraf von 
Ansbach, Karl Alexander, ber ihn bei feiner Geliebten, der Schaufpielerin Blat- 
ron in Ansbach kennen gelernt hatte, gewann ihn balb fo lieb, dag er ihn mit 
fh nach Italien nahm. Nach Schwabach zurüdgelehrt, ging er von, bort über 
Dresden, Leipzig u. Hamburg nach Edernförde im Schleswig'ſchen zum Land⸗ 
grafen Karl von Hefien. Dort ſtarb er, obgleich er fich ewige Leben verheißen 
hatte, des Lebens überbrüffig, zu Anfang des Jahres 1780 (nicht 1795) am 
Schlagfluße. St.⸗G. ſprach faft alle lebenden Sprachen u. hatte ein fo foloffales 
Gedaͤchtniß, daß er jede Zeitung, die er einmal überlefen Hatte, auswendig wußte. 
Die Bibliothek, die er auf allın Reifen mit fih führte, beftand aus Guarini's 
Pastor Fido. Er fpielte faft alle Inſtrumente u. namentlich bie Bioline mit fols 
Her Vollendung, daß man ein ganzes Quartett zu Hören glaubte; er fchrieb zwei 
Briefe zu gleicher Zeit, denn er konnte eben fo ſchoͤn u. geläufig mit ber rechten, 
als mit der linken Hand ſchreiben; er gab vor, ben Inhalt verfiegelter Briefe u. 
aus der Handfchrift den Namen u. Charakter des Brieffiellers errathen zu koͤn⸗ 
nen. Auch wollte er in Indien die Kunft erlernt haben, Edelſteine zu machen u. 
einen Thee zu bereiten, ber dem Alter die Kraft u. Schönheit der Jugend wieder 
ge a8 Recept zu biefem Elixir (Aqua benedetta) erhielt ber Markgraf von 
bach von dem englifhen Conful Sohn Dyk in Livorno; Abfchriften dieſes 
Recepts werben noch jetzt in einigen Hohen Familien Berlins u. Wiens als koſt⸗ 
bares Geheimniß, ber Thee ſelbſt als Panacoͤ gegen viele Krankheiten Hoch in 
Ehren gehalten. St. G. behauptete, feine Rakrungsmittel zu genießen u. man fah 
ihn nie efjen oder trinken. Oft verfiel er in Starrfucht u. gab, aus dieſer er: 
wacdhend, vor, in fernen Gegenden, ja außerhalb ber Exbe „genen zu feyn und 
dort Eingebungen über die Zufunft erhalten zu haben; wirklich fagte er ben Tod 
Lubwigs XV. voraus, Manche Monate des Jahres verfchwand er, ohne d 
R | wußte, wo er Bingefommen fel. Er gab auch vor, in höhere Grade ber 
Freimaurerei eingeweiht zu feyn u. täufchte auch in biefer Beziehung Viele. Ein 
AR ben —* befindet ſich im Schloße zu Triersdorf in den Zimmern, die er 
ewohnte. 
Saint- Germain en Laye, Stadt im franzöfifchen Departement bee Seine 
u. Dife, unweit des Waldes gleiches Namens, mit einem großen Töniglichen 
Schloße u. fchöner Terrafie, Hat 11,000 Einwohner, welche anfehnlichen Gemuͤſe⸗ 
bau für die Parifer Gonfumtion betreiben, ein Milttärftrafhaus u. einen um⸗ 
mauerten Wildparf, Die Stadt fol um ein Kloſter entflanden ſeyn, das König 
Robert im 11. Jahrhundert gründete. Das Schloß erbaute König Karl V. feit 
1370. Unter Karl VI. eroberten die Engländer das Schloß, denen es Karl VII, 
wieder abnahm. Ludwig XI. ſchenkte es 1482 feinem Arzte Coitier, dem es aber 
ſpaͤter wieder genommen wurde. Seit Franz I. hielt der franzoͤſiſche Hof 
(daher Hof von St.⸗G.) gewöhnlich Hier auf u, feine Nachfolger thaten viel zur 
Berihönerung des Schlofies; Hier wurben Heinrich IL, Karl IX, eubıig KUN. 
ı (ber auch Bier ftarb) u. XIV. geboren, 1570 Hier Friede zwiſchen Karl IX, u: 
. den Hugenotten (f. d.) 17. Oftober; 1735 Vergleich zwiſchen Bernharb von 
ı Weimar u. Ludwig XV.; 1669 Friede zwiſchen Krntteik u. Bronherumn, 
1689 Aberließ Lubwig XIV., dem bie Ausfit von da ui hen Ara Son 
SRealencpclopäble. VII. No | 


1106 ®aint - Silaire — Satnt - Martin. 


St. Denis unangenehm war, das Schloß bem vertriebenen Könige Jakob I. 
von England, der auch Hier 1701 farb, und ſeitdem Hat fein König mehr 
bafelbft refidirt. 

Saint-Hilaire, ſ. Beoffroys- Saint Hilaire. 

Saint-Sean d'Aere, |. Acre. 

Saint - ft, f. 3 uf. 

Saint - Leu, |. Bonaparte, 

Saint: Martin, 1) Louis Claude, ein franzöflfcher Marquis, geboren 
zu Amboife in Touraine 1743, trat in feiner Jugend in Milttärbienfte u. wurde 
in feinem 22. Jahre Offizier bei dem Regimente Foix. Alle feine Muſeſtunden 
widmete er dem Studium ber alten u, neuen Sprachen u. der religiöfen Philoſo⸗ 
pbie; feine Lieblingserholungen waren Mufif u. Iänbliche ——— e u. der 
Umgang mit ſolchen Männern, die ſich mit denſelben Gegenſtaͤnden eihäfti ten, 
bie er betrieb. Um feinen Studien ungeftört nachzuhängen, verließ er die Mili⸗ 
tärbienfte, machte Reifen duch Deutfchland, die Schweiz, England u. Stalien u. 
erwarb ſich Überall durch feine Kenntniſſe u. feinen edlen Gharafter viele Freunde 
u. Berehrer. Während der franzoͤſtſchen Revolution, an ber er keinen beſondern 
Antheil nahm, verfah er feinen Dienft bei ber Rationalgarde, bis ihn das gehoͤ⸗ 
rige Alter davon freifpradh, war dann in feinem Departement Mitglied der erftm 

ahlverfammlung, ga darauf in die Einſamkeit zurüd u. flarb zu Autray 
bei Chatillon 1803. it der Stifter der Martiniften, einer rofenfreuzerifchen 
Sekte, u. Berfafier einer franzoͤſiſchen Heberfegung von Jakob Böhme’s, feines 
Geiftesverwandten, Morgenröthe, des bekannten myſtiſchen Buchs „Des erreurs et 
de la verits,“ yon 1775 u. oft; deutſch von Matthias Claudius, Hamburg 1782 
(der Clef des erreurs et de la verit6, 1789, deutſch, Hamb. 1790, iſt nicht von 
ihm, fondern von Eh. Suze) u. vieler anderer Schriften, als: Tableau naturel 
des rapports qui existent entre dieu, ’homme et l’univers, Edinburgh, 2 Bde., 
1782. De l’esprit des choses, 1800, 2 Bbe., deutſch von G. G. Schubert, 
Leipzig 1811. Le nouvel homme, 1796. Ministäre de Phomme d’esprit, 1802. 
L’homme de desir, neue Ausg. Metz, 2 Bde., 1802, beutih von Adam Wag- 
ner unter dem Titel „bes Menſchen Sehnen u. Ahnen,“ Lpzg. 1813. Le Cro- 
codile, ou la guerre du bien et du mal; poöme öpicomagique en 102 chants, 
1800. In allen feinen Schriften ift der Sinn unter Symbolen und Alegorien 
verfledt u. es ift fchwer, in ihnen rein philofophifche Anſichten zu entbeden, wohl 
aber findet man überall ernfle Träumereien eines frommen Myftagogen, ber fi 
den gefallenen moralifchen u. phyſtſchen Zuſtand bes Menfchen ſehr zu Herzen 
nimmt u, ihn gerne wieder in bie Region bes geiftigen u. göttlichen Lebens em- 
porheben möchte Nur burch das eigene Leſen feiner Schriften Tann man fid 
eine Idee davon machen, wie u. mit welddem Sieflinne ex fehr befannte, trodene 
Gegenflände, wie die Natur der Materie, ihre Trägheitsfraft, Die Theilbarfeit ih⸗ 
rer Theile, der Brundfab ber Bewegung u. |. w. behanbelt. e Refultate 
find zuweilen fehr fonderbar, aber immer flarf motivirt, Der vor 50 Jahren ge 
en in erregte Verdacht, er ſei ein Werkzeug in ber Hand ber Sefuiten, und 
Fin ud) des erreurs ein Mittel, dem Katholicismus in proteflantifchen gehei⸗ 
men Berbindungen Anhänger u. Beförderer zu verfchaffen, war ohne Grund, und 
der Marquis blos ein gutmüthiger Myſtiker ohne allen !Blan, Sein Heußeres war 
h demüthig u. feine Behutfamleit fo groß, daß man, wenn man ihn jah und 
örte, nie die wiſſenſchaftlichen Schaͤtze vermuthet Hätte, bie er In ſich verbarg. 
Er war gelehrt ohne Stolz, gutthätig ohne Prahlerei, gefühlvol u. menfchen- 
freundlihd aus Charakter, religiös aus ugend. Sein ganzes Leben war eine 
Anwendung bes Grunbfahes, den er oft in feinen Schriften empfiehlt: „es iſt gut, 
beftändig auf die Wiſſenſchaft zu blicken, um fich nicht zu überreden, daß man Et⸗ 
was wife; auf die Gerechtigkeit, um fi nicht für vorwurfsfrei zu halten; auf 
alle Tugenden, um nicht zu glauben, daß man fie befibe.” — 2) Jean Antoine, 
geboren zu Paris 1791, einer der ausgezeichnetften Schüler des Orientaliften 


Saint: Michel — Saint- Bierre, 1107 


Sylveſter de Sacy u, Auffeher der orientalifhen Typographie in ber koͤniglichen 
Druderei, geft. 1832, Unter feinen Schriften find die vorzüglichfien : Mömoires histori- 
ques et göographiques sur l’Armönie, 2 Bbe., Baris 1818; Histoire de Palmyre, 
mit Kupfern, 1824; Nouvelles recherches sur l’epoque de la mort d’Alexandre 
et sur la chronologie des Ptolemses, ebd. 1820; Notice sur le zodiaque de 
Denderah, ebd. 1822, in welcher er das Alter diefes Thierkreiſes in bie Zeit nach 
900 bis 560 v. Er. fehlt. Ausgabe von Lebeaus „Hist. du Bas- Empire“ 
(13 Bde, 1824—33). 

Saint: Michel, Fort und berüchtigtes Staatsgefängniß am aͤußerſten Ende 
bee Rormandie (Frankreich). Es liegt, Stunden weit von aller bewohnten 
Stätte entfernt, auf einem 500 Fuß Hohen Granitfelfen, ber ifolirt in ber Mitte 
ein es weiten, öben und einföürmigen Strandes fidh erhebt und zur Zeit ber Fluth 
vom Meere umfpült wird. Das Mauerwerk bes Schloſſes if von einer ſtaunens⸗ 
werthen Feſtigkeit und Mafienhaftigkeit; befonders imponirt bie fogemannte „Mers 
veille*, welche, von 36 Eolofialen Widerlagen geflügt, in einer Zänge von 230° 
auf dem Gipfel eines Hohen Felſens ragt. Unter den weitläufigen Gebäuden ber 
Burg ziehen fi im Labyrinthe unermeßliche Gewölbe und gräßlidde Befäng- 
niſſe Sin. Hier wurden im Mittelalter jene heimlichen Morbfammern vervoll- 
fommnet, welche aus einem Fenſter in einen A400’ tiefen Brunnen gingen, wo 
freuzweife geftellte Senfen in einzelnen Zmifchenräumen angebracht waren; hierhin 
ſchickte die Regierung jene, deren fie ſich ohne Geraͤuſch entlebigen wollte, unb 
bie fchredliche Zalltreppe von S.⸗M. war in der Gegend ein grauenvolles Ge⸗ 
keimniß, von welchem die Sage bie entfeglichfte Erinnerung bewahrt Hat. Die 
Befapung muß alle zwei Monate gemwechfelt werben, weil bie Soldaten hier nicht 
länger aushalten wollen, und bie Verbrecher ziehen bie Galeere der ungefunben 
umd zur Verzweiflung treibenden Haft in SM. vor. — SM. war urſpruͤng⸗ 
lich ein Kofler, erbaut im 12. Jahrhunderte von dem Bifchofe von Avranches. 
Die Mönche zogen aber bald von dieſem traurigen Aufentkaltsorte ab und über: 
ließen ben Berg ber Regierung, welche ihn lange Zeit zur Bewahrung ber 
Staatsgefangenen bemügte. 1423 Lagerten fi die Engländer vor dem Schloſſe, 
wurden aber durch bie Tapferkeit der Beſatzung zurüdgefchlagen. Unter Zub» 
wig XIV. faß hier ein holländifcher Zeitungsfchreiber, weldyer fich vermefien hatte, 
übel von dem großen Könige zu fprechen, und zwar in einem eiſernen züfige. 
Zur Schredengzeit brachte man nah S.⸗M. jene Geiſtlichen, mehr ald 300, die 
wegen ihres hohen Alters ober ihrer Gebrechlichkeit nicht Hatten deportirt werben 
fonnen. Gegenwärtig dient das Schloß als Eentralgefängniß, und beherbergte 
noch unter der kuͤrzlich geflürzten Regierung eine Anzahl politifcher Bern 


tBeilter. mD, 
Saint- Pierre, I Charles Irönse Eaftel de, franzöflicher Philoſoph, 
geboren in dem Schloffe S.⸗P. Eglife in der Normandie 1658, widmete Tich dem 
geiftlichen Stande, fludirte zu Caen und Paris, erhielt 1702 die Abtei St. Tri⸗ 
nitö, verlor nach Ludwigs XIV. Tode, wegen freimüthiger Aeußerung politiſcher 
Meinungen, feine Stelle in der franzöfifchen Afademie und flarb 1743. Er war 
einer ber beften und wohlwollendſten Menfchen, von ſtrenger Rechtſchaffenheit, der 
—— Wahlſpruche „Donner et Pardonner“ treulich nachkam. Er iſt ber Ber- 
er vieler Schriften und Abhandlungen, in welchen er fowohl ben allgemeinen 
fhen, als Tirchlichen und häuslichen Frieden unter den Menſchen hergeſtellt 
wiffen will und immer durch neue Borfchläge die Tugend und Liebe eines Men⸗ 
{hen gegen den andern gemeiner zu machen fucht. ahrheit, Vernunft, Rich⸗ 
tigkeit und Klarheit findet man in feinen Schriften neben fonderbaren Einfällen, 
unausführbaren Projekten, allzugewagten ober gemeinen Gebanfen, immer aber 
erfennt man ben reblihen Mann, ber es mit ber Menfchheit wohl meint. Er 
ließ feine Werke auf eigene Koften bruden und ſchenkte fie denjenigen, von benen 
er glaubte, daß fie feine Bemerkungen benügen, ober zur Ausführung feiner Bors 
[läge beitragen Tönnten. Am befannteften iſt fein Projet de X universelle 

7 


nn 


1108 Saint · Quentin — Seint - Simon, 


entre les Potentats de !’Europe, 3 Bde. Ferner: M&m. pour perfectionner la 
police des grands chemins; M&m. pour perf. la pol. contre le duel; Mem, sur I 
etablissement de la taille proportionelio; Mem. sur les pauvres mendians; u. 
v. a. Er bereicherte auch Die franzöfliche Sprache mit dem Worte „bienfaisance“., 
Ouvrages de b litique et de morale, Rotterdam 1723, 3 Bde.; ebend. 1729, 
10 Bde., ebend. 1735 — 41, 14 Bde; Oeuv. div., Paris 1728, 2 Bde. — 2) 
S. P. Jacques Henri Bernarbin de, ausgezeichneter Schriftfteller, geboren 
1737 zu Havre, beiuchte, voll phantaftifcher Erwartungen, im 12, Jahre mit ſei⸗ 
nem Oheim Martinique, bann, bes Seelebens müde, das Jeſuitenſeminar 
zu Gaen und das College a Rouen. Durch tüchtige mathematifche Kenntniſſe 
befähigt, ging er 1760 als Ingenieur nad Düffelborf, 1761 nah Malta, 1762 
über Amſterdam nach Petersburg ‚ das er, fowie Polen, um fchöne politifche 
Träume Armer, bald verlief. Auf Madagaskar, wohin er 1766 als Ingenieur 
fam, entfagte er feinen politifchen Ghimären ganz und lebte von 1771 in Paris 
ber Literatur und Naturforfchung. — Es erichien feine vortrefflidh gefchriebene 
„Voyage a VIsle de France“ (2 Bde., 1772 fg.); in vollendetem Styl, von 
reiner Religiofttät eingegeben, bie Gott überall in der Natur erblidt, das Werk 
„Etudes de la nature“ (5 Bde. 1784), die wunbderliebliche idylliſche Novelle 
„Paul et Virginie* (1791); die politifchen „Voeux d’un solitaire“ (1789). Im 
Jahre 1792 Buffon’s Nachfolger am botanifchen Garten, 1794 Profeſſor der 
Moral an der Normalfchule, 1795 Mitglied des Rationalinflituts, Hatte er allein 
ben Muth, den Glauben an Bott zu bekennen. Bon Napoleon hochgeehrt, ftarb 
er 1814 bei Paris. Seinen Namen nennt die Geſchichte neben bem feines 
Freundes Chateubriand. Werke, 12 Bde., Paris 1830 — 31. 

Saint: Quentin, Hauptflabt des gleichnamigen Arrondiffements im franzoͤ⸗ 
ſiſchen Departement Aisne, mit 24,000 Einwohnern, rechts an der Somme, wo 
der St.QA.⸗Kanal beginnt, der bis Cambray im Departement Nord 244 Lieues 
weit, und zweimal durch einen Tunnel, bei Lesdin (1,100 Metr.), und von Ri: 
queval bis Marquincourt, norbweftlich bei Eaftelet, (5,720 Metr.) führt. Er 
verbindet die Hauptftadt Frankreichs mit dem Norden und Belgien. ‘Die Stadt 
it Sie der Unterpräfektur, Hat ein Eivils und Handels⸗Tribunal, Generalhandels⸗ 
rath, Conseil- de-Prud’ hommes, eine königliche Geſellſchaft für Wiſſenſchaften, 
Fünfte und Aderbau, eine induſtrielle und eine Handelsgeſellſchaft, mehre Aſſeku⸗ 
ranzen, eine Bank, St.⸗Q.⸗Handelscaſſe (auf Actien gegründet) mehre Hofpitäler, 
eine Yreifhule für Zeichnen, Brauereien, Faͤrbereien, Hutfabrifen, beträchtliche 
Baumwollfpinnerei, Baumwollweberei, Tülfabrifen, mechaniſche Bleich⸗ unb Ap- 
pretur⸗Anſtalt nach englifcher Art, Handel mit Baumwollgarn, Getreide, Cider, 
Obſt, Flachs, Baumwolle. Merkwürdig find : das gothifche Stadthaus, die gothifche 

Kathedrale, der Juſtizpalaſt und botanifche Garten. 
Saint-Simon, ein altes franzöfifches Adelsgefchlecht, aus welchem wir ans 
füßren: 1) Louis de Rouvroy, Herzog von, geboren zu Paris 1675, 
war Militär, dann Diplomat, durdy ben Deriog von Orleans Regentfchaftsrath, 
1721 Brautwerber in Spanien für den jungen Ludwig XV., wobei er Grand von 
Spanien wurde, und flarb 1755 im SPBrivatflande. Seine Memoiren (20 Bbe,, 
Paris 1829) find nicht nur Höchft wichtig, ſondern auch in ber Form claſſiſch 
und fielen ihn, troß mancher Unforrectheiten, zuweilen einem Tacitus und 
Boffuet an die Seite, — 2) Et.⸗S., Claude Anne, Herzog von, geboren 
zu la Kaye 1740, nahm Kriegsdienfte und zeichnete fi hierin aus: 1789 
wählte ihn der Adel zum Abgeorbneten bei den Reichsfländen, er wanberte aber 
fpäter nah Spanien aus, wo er Generalcapitän von Alt⸗Caſtilien wurbe und 
1801 das Commando gegen Portugal erhielt. 1803 ward er Grand von Spar 
nien, 1808 aber bei der Einnahme von Madrid Friegsgefangen unb vor eine 
Milttärcommiffton geftellt, bie ihn, weil er bie Waffen gegen Frankreich getragen, 
zum Tode verurtheilte Allein Rapoleon ließ ihn nach Frankreich in die Citabelle 


Saint-Simoniömns. 1109 


von Befangon bringen, wo er bis 1814 verbleiben mußte. Er kehrte Hierauf nach 
Spanien zurüd, wo ihn Ferdinand VII. zum Herzoge und ©eneralcapitän ber 
ſpaniſchen Armee erhob. Seit biefer Zeit Bat er an öffentlichen Ereigniffen kei⸗ 
nen Antheil mehr genommen. Er flarb 1820. — 3) St.⸗S., Claude Henri, 
Graf von, geboren 1760 au Paris, wo er auch Alembert's Unterricht genoß, 
trat 1777 in franzöfliche Kriegsdienfte und ging 1779 nad Amerila, wo er 
unter Bouills und Washington 5 Yeldzüge mitmachte und fich die Freundſchaft 
Skanklin’s (f. d.) erwarb. 1782 gerieth er in engliche Gefangenſchaft. Nach 
eſchloſſenem Frieden 1789 nach Frankreich zurückgekehrt, warb er in demſelben 
—*8* Oberſt, bereiste, dem muͤßigen Leben ind. Holland und Spanien, 
um bie bafigen Sitten und SImftitutionen zu ſtudiren. An der Revolution 
nahm er keinen Theil, dagegen beſchloß er, um feinen philantropifchen Entwürfen 
eine Zukunft zu ſichern, fly Vermögen u. vollfommene Kenntniß der forialen Zus 
Rande und Wiffenfchaft zu erwerben. Im Befite von 144,000 Francs, bie er mit 
Gapitalien des preußifchen Grafen von Redern durch Spekulationen in National 
gütern 1790— 97 erwarb, und mit dem Zuftande des exacten Wiſſens in Frank⸗ 
reich, England und Deutfchland vertraut, fah er in feinem Haufe ein paar Jahre 
die große Welt, um pſychologiſche Stubien zu machen, und fohritt jebt an bie 
Ausarbeitung feiner Science generale, in welcher er bie Induftrie zum focialen 
Abfoluten machte (Introduction dans les travaux scientifigues du 19&me siecle, 
28be., 180735 Nouvelle Encyclopedie, 1810; die mehr praftifche Reorganisation 
de la societö europsenne, 1814; L’Industrie, 3 Bde, 1817 — 24), Sein Ber- 
mögen Hatte ex feinen Ideen geopfert; dennoch fanden biefe Eeinen Anklang u. in 
Berzweiflung wollte er ſich 1823 toͤdten. Die Kugel verwunbete ihn blos; er 
fah darin einen Wink der Borfehung, und zugleich —** ſich um ihn einige 
Schüler, von denen umgeben er 1825 ſtarb. er mündlichen Mittheilungen 
ſuchte St.⸗S. feine Lehren zu verbreiten und zu erhalten durch das Buch, betitelt 

ouveau christianisme“ oder „Geſpraͤche zwiſchen einem Alterthuͤmler und einem 

euerer“, welches er fur; vor feinem Tobe ſchrieb. Auf biefes Buch und Die 
darin ausgefprochenen Grundfäge, Behauptungen und Annahmen Tommen alle 
St.sSimoniften (f. d. folgenden Artikel) zuruͤck. Indeſſen if St.⸗S. felbft 
nicht als Stifter einer neuen Religion anzufehen, fonbern feine Anhänger ergöß- 
ten fih blos an ber Neuheit der von ihm beabfichtigten fogenannten Berbefierung 
bed Chriſtenthums, welche, jeden vernünftigen Rechtszuſtand ausichließend , ihren 
und ihres Stifter eigennügigen und jelbfifüchtigen, auf eine tollfinnige, 
en Vertheiluug alles Eigenthumes gerichteten, Abfichten allerdings zu- 
agen konnte. 

Saint-Simonismns Heißt jener materialifche Pantheismus, welcher von ben 
Anhängern bes Brafen Claude Henri de Saint-Simon (f, d.), der übrigens 
ſtets bie Materie dem Geifte unterworfen wifien wollte, nach befien Tode ausgebildet 
und verbreitet wurde. Als Organ diente Anfangs das Journal Producteur, 
welches nur von 1825—26 beftand, dann, als man einigermaßen bie neue Lehre ſy⸗ 
Rematifirt Hatte, das berebte Wort überfpannter Männer, wie Enfantin, Bazarb, 
Dlinde u. Eugene Rodrigues, Buches, Laurent, Mergerin ꝛc. Man ging dabei 
von ber Geſchichte aus u. leitete aus dem Fortfchritte, ber fich in ihr offenbare, 
eine neue Theorie über Eigentum ab, welcher bie Lehren von einer allgemeinen 
Aſſociation, Abfchaffung aller Privilegien, Aufhebung der Bererbung bes Pri⸗ 
vateigenthums, Belohnung eines eben nadh feinen Leiftungen, eine moraliſche u. 
Befall once Erziehung ıc. zu Grunde lagen. Bald gedachte man von ber Theorie 
zur Praris überzugehen u. fo verwanbelte fich die Philoſophie in eine Religion, 
die Geſammtheit der Lehrenden in eine Hierarchie u. der St.⸗S. in eine Sekte. Die 
Emmancipation der Frauen brachte Ende 1831 das erfte Schisma in die neue Kirche 
u. Bazard, welchem die neue bequeme Moral nicht behagte, trennte fi) von En⸗ 
fantin, dem das Fleiſch repräfentirenden Oberhaupte. Bazard, der fich nun Chef ber 





1110 " Salnt-Bincent — Sais. 


neuen Hierarchie nannte, folgten u. A. Lerour, Carnot, Reynaub, Cazeaux, Char⸗ 
ton, J. Lechevalier, een u. wanbten ſich nad Bazards Tode dem pial⸗ 
tifhen Leben wieder zu. O. Robrigues fagte ſich gleisfene bald von Enfantin 
los u. nannte ſich ebenfalls Chef. Unterbef trieb Enfantin mit feinem Anhange 
fo viele Thorheiten (Thronerhebung bes Kultus, befondere Kleidung, das Apoftolat, 
Aufruf an bie Frauen, Offenbarungsfrau 2c.) daß ber St.⸗S. bem Publikum 
laͤcherlich u. verächtlich zu werben anfing. Da ſtellle bie Regierung bie Leiter bes 
St.S. vor bie Affifen, klagte fie an, die guten Gitten u. entlide Moral: vers 
Iegt zu Haben u. ließ ihre Säle fchließen. Die St..Stmoniften zerfizeuten fi: 
Einige gingen mit Enfantin nach Aegnpten, um bort das freie Weib zu fuchen, 
Andere mit Barcault nach Kleinafien, iehrien aber fpäter faft fämmtlich wieder 
zurüd, um ihre früheren Studien u. Beichäftigungen wieder aufzunehmen. BL. 
Carovs ber St. S. u. bie neuere franzöfiiche Vhiloſophe, Leipzig 1831 und 
Siedler: Der St.⸗S. oder bie Lehre St. Simons und feiner Anhänger, Leipzig 
vet Sad, „Religion St,-Simonienne* (Parid 1832); Beit, „St.-©.“ 
pzi 
Seint-Bincent, Sir John Jervis, Lord, englifcher Admiral, trat mit 
dem zchnten Jahre in Seebienfte u, machte feinen erſten Feldzug unter bem bes 
rũhmten Lorb Hawle. Rach dem Brieben von 1748 Tam er nad Sranteeid, 
wurde 1760 Schiffecapitän und biente einige Zeit in Weſtindien. In dem 
würdigen Treffen, welches ben 27. u. 28. Sul zwiſchen den kansöfihen u. eng⸗ 
liſchen Geſchwadern vorfiel, kommandirte Sir Jervis den „Blitzſchleuderer“ und 
theilte bie Gefahr u. ben Ruhm dieſes Tages u. ließ ſodann ben Admiral Kep⸗ 
pel, der dieſes Tages wegen vor ein Kriegsgericht gefüßrt warb, bie ſchuldige Ges 
zectigfeit wiederfaͤhren. Im April 1782 bemächtigte er fich des Pegafus und 
biefe That erwarb ihm das Halsband bes Bathordens. 1787 wurde er Eontres 
admiral, 1790 trat er im Parlamente ber Oppofitionspartei bei; fowie aber ber 
Krieg ansgebrochen war, nahm er wieber Dienfte u. bemeiſterte ſich ben 16. März 
1794 der Inſel Martinique umb anderer franzöfifchen Colonien. 1796 kreuzte er 
mit einer Flotte im mittellänbifchen Meere und trug ben 14. Geb. 1797 einen 
volltändigen Sieg über bie fpanifhe Flotte unter dem Admiral Corbova davon. 
Die Stadt London befehenkte den Sieger mit einem Degen von 200 Guineen u, 
ber König ertheilte ihm bie Würde eines Barons von Großbritannien für [3 u 
feine männliche Nachkommenſchaft, mit bem Titel eines Baron Jervis von Med⸗ 
fort, feinem Geburtsorte, u. eines Grafen Lord von St. ®., weil bas Borgebirge 
Diefes Namens der Schauplap feines Sieges geweſen war. Auch empfing er 
eine goldene Medaille u. eine jährliche Penfton von 3,000 Pfund Sterling. Hiers 
auf blofirte er ben Hafen von Cabix, beſchoß im Juli die Stabt, in der Hoff» 
nung, bie Flotte zu zerftören, fand ſich aber in feiner Erwartung betrogen u. bes 
gnügte fi, die Blokade fortzufegen, u. er war es, der im Mal 1798 Relfon mit 
einem i feiner Macht betadhirte, um die Flotte, welche bie Armee bes Generals 
Bonaparte nach Aegypien führte, zu verfolgen. St.⸗B. behielt in den Jahren 
1799 u. 1800 das Commando im mittelländifchen Meere u. im Occean und war 
nur duch feine Gefundgeitsumflände genöthiget, baffelbe zeitweife an andere Ad⸗ 
mirale abzutreten. Den Aufruhr, ber auf der Flotte von Cabir ausbradh, bämpftr 
ee. Den 17. Februar 1801 wurde er erfler Admiralitätslord. Das Minift 
nöthigte ihn aber, im Mat 1804 feine Entlafjung zu nehmen u. feine Gtelle an 
feinen: Borgänger Dundas wieber abzutreten, Februar 1806 wurde er Com⸗ 
manbant der Flotte im Kanal u. trat ſpaͤter ins Sberhaus; 1816 zog er ſich 
jedoch von allen Gefchäften zuräd u. flarb im März 1823 auf feinem Landgute 
Rochetts bei Brandivood. . 

Said, eine ehemals ſeht beräßente Stadt in Aegypten, bie Reſidenz ber Kös 
nige aus der Iehten (ber Saitifchen) Dynaftie in Unterägypten. Sie lag an ber 
aweiten (ber bolbitenifchen) Rilmündung und bei ihr bie vom Nil gebildete Inſel 
Byblos, wo bie Athener unter Artarerres Longimanus eine Belagerung von 1} 


Saiſon — Salabbin. 1111 


Jahren aushielten. Die Stadt hatte einen berühmten Tempel ber Minerva, ober 
vielmehr ber aͤgyptiſchen Neith, welche die Griechen für bie Diinerva Hielten, bie 
in einem großen prächtigen Tempel als verfchleiertes Bilb verehrt und ber zu 
Ehren —6 das berühmte Lampenfeſt gefeiert wurde. Merkwürdig war ber 
Tempel noch durch eine kleine, 34 Fuß lange, 244 Fuß breite und 12 Fuß hohe 
Kapelle, welche über dem Eingange ſtand umb aus einem einzigen Stein gehauen 
war, ben König Amaſis von ber Infel Elephantine in Oberägypten nad ©. hatte 
ſchaffen lafien und mit befien Transport;3000 Arbeiter drei Jahre lange Beihäftigt 
waren. ©, war auch ber Sig einer berühmten‘ Prieſterſchule. Jetzt iſt von ©. 
Richte als die Ruinen ber Eolofialen Mauern feiner drei Tobtenftädte beim Dorfe 
Sa⸗el⸗Hadſchar übrig. 

Saifon (franz.), zu beutfh Jahreszeit, wird vorzugsweiſe von ber ſchoͤnen 
Jahreszeit u. namentlich von ber, zu Babes und Brunnens$uren, fowie zu vers 
ſchiedenen Erholungen u. Beluftigungen beflimmten, Jahreszeit gebraucht. 

Saiten 5 die gedrehten Schnüre, welche, in Schwingung gelebt, bei ben 
zurftalifihen 5 enten bie verfchiebenen Flänge hervorbringen. Es gibt Darms, 
ze 0 er Metall⸗S. und überfponnne S. Die Darm:-©. find Schnüre, aus 
® en gewiſſer Thiere Katzen, Lämmer, Schafe, Ziegen) gebreht und meiſt 
zum Bezuge ber Bogeninfirumente verwendet, Ste muͤſſen Hell, durchfichtig und 
elaſtiſch ſeyn. Stalien liefert bie beften, I Rom und Neapel (comanifche 
©) Draht⸗S. find dünne Meſ np: und Etahldrähte, durch Mafchinen vers 
fertigt, zum Bezuge der Klaviers und einiger Lauteninſtrumente. Sie muͤſſen weber 
au Bart, noch a weich feyn, benn jene ringen feicht, und biefe geben feinen 
hellen Ton, e überfponnenen S. find entweder Draht⸗GS., die nochmals 
mit einem feinem Silbers ober einem andern Drabte etwas lockerer umwickelt, 
oder ans offener Seide verfertigt (von Bond in Frankreich verbefiert) und dann 
mit feinem Silberbraßte eng und dicht umfponnen find, Mit Darm 6, verbunden, 
geben fie bie Baßtöne, ſtehen aber an Klang den eigentlihen Darm ©. nach. 

Saitenin e, ſ. Inſtrument. 

Sakkarah, ein Flecken im Kaſcheflik Dſchize in Mittelaͤgypten, eine halbe 
Meile von ben Trümmern von Memphis. Hier befand ſich die Todtenſtaͤtte dieſer 
Stadt für Menſchen⸗ und Thier-, befonders Ibismumien, deren Katakomben man 
noch immer mit vielen Afchenurnen findet. Hier follen auch Ofiris u. Iſis begras 
ben Ion und darum hieß ber Ort Hafen der Seligen (Hormos Ngathon). 
Auch fieht man Hier noch eine Reihe von dreißig, zum Theil nur noch In Ruinen 
vorhanden Pyramiden, welche von einer, früher viel größern Menge bier befind⸗ 
licher, noch übrig find, 6 wie fortwaͤhrend Mumien, Sarkophage u. ſ. w. aus⸗ 
gegraben werden. Die Eingaͤnge zu den Katakomben befinden ſich auf der Ebene. 

Sakuntala, ſ. Kalidaſäas. 

Sala, Staͤbtchen an ber Sag-An in der ſchwediſchen Provinz Wefteräs. 
Bergamt, Taubftummeninftitut, Hospital, Gefundbrunnen, 3000 Einwohner. Eine 
Biertelmeile davon, im Salberg, ift ein Silberbergwert, Seit dem Ende bes 
12. Jahrhunderts eröffnet, Tieferte im 15. Jahrhunderte biefe Mine jährlich 
24,000 Mark Sitbers, deckte aber fpäter faum mehr bie Koften der Ausbeutung. 
In neuefter Zeit fol fie fich wieber gehoben haben. mD. 

Saladdin, Sala Eddin, IJufuf Ebn Ayub, Sultan von Syrien und 
Aegypten, Stifter ber Anubfchen Dynaftie, berühmt wegen feiner Tapferkeit, 
Energie und dei ne ber hervorragendſten Heldengeftalten bes Orients, 
war geboren 1137 in ber Sefung Tekril. Sein Bater, ein Kurbe, befehligte die 
kurdiſchen Schaaren, bie im Solde bes Sultans von Damaskus flanden. Er be- 

leitete feinen Oheim Schirfuh, als biefer mit einem Heere dem aͤgyptiſchen Kha⸗ 
fen Adhed zu Hülfe geſchickt wurde, erhielt nach bem Tode bes erftern bie Stelle 
des Weſſiers, machte fi aber bald nachher felbft zum Sultan von Aegypten. 
Rachdem er auch das Sultanat von Damaskus geftürgt hatte, wurde er ber 
furchtbarſte Feind ber Kreuzfahrer, eroberte 1187 Serufalem und behauptete in 


1112 Salamanca — Salamander. 


bem mit Richard Loͤwenherz (ſ. d.) geichloffenen Frieden, 1192, ganz Palaͤſtina. 
Wie an Tapferkeit, fo zeigte ex auch an Ritterlichkeit den Franken ſich ebenbuͤrtig. 
Er flarb 1193 zu Damaskus. 

Salamanca, Hauptort der gleicinamigen Provinz im ehemaligen Koͤnigreiche 
- Leon (Spanien), und Sitz eines Bilchofes. Die Stadt erhebt fidy mit ihren vie 
len Thürmen und großen Häufermaflen maleriſch am Abhange eines Hügels, uns 
ter welchem ber Tormes hinfließt. Dreizehn Thore führen in ihre Inneres, befien 
öde Straßen lebhaft an den Verfall biefes einft fo glanzvollen Ortes erinnern, 
ber im 16. Jahrhunderte 50,000 Einwohner zählte und 14⸗ bis 15,000 Studenten 
auf feiner berühmten Hochfchule vereinigte, während die Bevölkerung gegenwärtig 
faum noch 14,000 Seelen erreicht. Prachtvoll if der Blaza major, welden 
eine gleichförmige Reihe drei Stockwerke Hoher Häufer und ein auf neunzig Säus 
fen rußender Dogengeng umgibt. Lebteren zieren Mebaillons mit ben Bild: 
niffen der Könige Kaftiliens und Leons und die Bruftbilber berühmter Spanier; 
ober ihm laufen, mit dem herrlichſten Blumenflore prangend, längs den Gebäuden 
eiferne Balkone Hin. Auf diefem Plabe werden bie Stiergefechte gehalten. “Die 
Domkirche, im 16. Jahrhunderte begonnen aber erft 1734 vollendet, ift eine 
ber Venen eigen Spaniens. Die innere Länge beträgt 378°, bie Breite 181°, 
bie Höhe bes Mittelfchiffes 130. Kunſtreiche Bildhauerarbeiten und Malereien 
ſchmuͤcken dieſen Tempel, in welddem unter Anberm bag —— Schlachten⸗ 
kreuz aufbewahrt wird, das der Cid in ſeinen Feldzuͤgen mitgefuͤhrt haben ſoll. 
Wie faſt aller Orten, ſo auch zu Salamanca, zeichnet ſich das vormalige Jeſuiten⸗ 
kollegium durch großartige. Anlage und feſte, der Ewigkeit trotzende Bauart aus. 
Es beherbergte in den Kriegeneiten manchmal 5 bis 6000 Soldaten. Das Uni- 
verfitätögebäube, fhon und weitläufig, mit einem meifterhaften Haupt⸗ 
portale aus dem 15. Jahrhunderte, enthält außer ben Hörfälen für die 61 vers 
ſchiedenen Lehrkanzeln, eine anfehnliche Bibliothek und bie Univerfitätskirche. Außer 
ber Univerfität find zu S. noch vier Eollegios mayors. Jede dieſer Anftalten be 
fit ein eigenes anfehnliches Gebäude, vorzüglich das Kollegium St. Bartholo- 
mäus, Die Zahl der Studenten iſt jebt auf 500 herabgefunfen; fie tragen eine 
Art Ehorröde, die im Schnitte gm leihförmig find und nur in ber Farbe ſich 
unterfcheiden, welche bei ben Un bern töftudenten ſchwarz, u. bei den Stubirenden 
in den Kollegien hingegen braun if. Koch verbient Erwähnung bie fchöne flei> 
nerne Brüde über ben Tormes, auf 27 pigen rubend, die zum Theile noch aus 
der Römerzeit fich erhalten Haben. Bon S. nad Merida führt eine römifche 
Heerftraße. — S. ift das alte Salmantica (Elmantica), weldhes Hannibal 
in dem, pimifchen Kriegen eroberte, aber wegen bes Heldenmuthes der Weiber 
wieder frei gab. Die erſte Hohe Schule hatte Alphons IX. 1209 zu Polencia ger 
ſtiftet; Ferdinand III. verlegte fie 1239 nah S. und warb fo der Gründer ber 
berühmteften Univerfität damaliger Zeit, deren Ruf noch unter der Regierum 
Philipps IL aus den entfernteften Gegenden Frankreichs, Italiens, Englands un 
felbft aus der neuen Welt die Wißbegierigen herbeizeg. Am 21. Juli 1812 fiel 
bei S. eine Schlacht zwifchen ben Sranpofen unter Marmont und den Engländern 
vor, in welcher Diefe Sieger waren. mD, 

Salamander ober Erdmolch (Salamandra), Gattung der Molche, mit zw 
Drüfmmälften im Naden, rundem Schwanze, dickem, mit fchleimabfondernben 
Warzen bededtem Leibe, vierzehigen Border: u. fünfzehigen Hinterfüßen. Sie 
haben in ber Jugend Kiemen und leben im Wafler, fhäter auf dem Lande, in 
feuchten, fchattigen Schlupfwinfeln, nähren fi von Infelten und Würmern und_ 
gebären lebendige Zunge, Arten: 1) der gemeine, gefledte oder Erd-Sy- 
auch Erdmolch genannt (S. terrestris s. maculata), 10—12 300 lang, 14 Zoll 
bid, glänzend ſchwarz, mit 2 Reihen gelber Flecken und 2 Warzenreihen, woraus 
das Thier, befonders wenn es In efabr if, einen Abenden, übelriechenden, milch⸗ 
artigen Saft ansſchwitzt, der allenfalls Hinreicht ein ſchwaches Kohlenfeuer zu 
loͤſchen, in größeren Hibgraben aber ben S. nicht vor dem Verbrennen fchübt. 


4. Em. 


Salamis — Salat. 1113 


Der S. if träge, ſcheu, lebt in feuchten dunkeln Verſtecken, naͤhrt ſich von Ins 
ſekten u. Würmern, in Gefangenſchaft auch von ſeinesgleichen und gebiert 30 
bis 60 lebendige Jungen. Sein Bis it unſchaͤdlich. 2) Der ſchwarze ©. 
(8. atra s. fusca), ganz ſchwarz, mit vierfantigem Schwanze, in Gebirgen und 
fumpfigen Ebenen des mittlern Europa, wird von Manchen auch für eine Spiels 
art de gemeinen ©. gehalten. — 3) Der punftirte.©. ($. punctata) in 
Amerika. — Den Ramen S. führen auch zuweilen bie Waſſermolche (Triton), 
befonder8 ber große Waflermolch (Triton cristatus) u. ber Hoͤhlenmolch (Olm, 

hlen⸗S., Proteus) in ben abeläberger Höhlen und ben unterirbifchen Waſſer⸗ 
fanälen bes Zirknitzer Sees. 

Salamis, jetzt Koluri, eine zu ben Weflfporaben gehörige, griechiſche Infel 
im farontichen Meerbufen, 14 [_] Meilen groß, jept mit etwa 5000 Einwohnern. 
Die Griechen theilten Die Infel in Alt⸗ u. Neu⸗S., lebteres war bie norbweftliche 
Halbinfel, mit bem Borgebirge Buboron ; im Süden ift das ffirabifche Borgebirge, 
mit den Tempeln ber Athene und des Ares; auf der Oftipise fland das Tropaͤum 
(Siegesbenfmal) wegen des im Jahre 480 v. CEhr. über die perfifche Flotte Hier 
erfochtenen enticheidenden Sieges. Die gleichnamige Hauptftabt (jetzt Dorf Sa⸗ 
lamine ober Ambelali) lag auf der Sübfelte, ward aber in den macebonifchen 
Kriegen zerflört, worauf eine neue an ber Oftfeite entfland. — ©., früher Kychreia, 
Skiras u, Pityuffa (wegen des Reichthums an Fichten) genannt, iſt berühmt als 
alter Sig der Aeakiden, befonders des Telamon und feines Sohnes Ajax. Später 
warb fie den Athenern überlaffen, bie fle an bie Megarenſer verloren , aber unter 
Solon wieder gewannen und ſpaͤter durch ben glänzenden Seefleg über die Perfer 
vererwigten. ©. theilte fpäter das allgemeine Loos Griechenlands , erhielt zwar 
durch Sulla feine Freiheit wieder, verlor fle aber unter Beipaflan gänzlich. — Eine 
zweite Stabt biefes Namens lag auf ber Oſtſeite der Infel Cypern, war von 
Telamons Sohne, Teufros, nach dem trojanifchen Kriege gebaut, hatte einen treffe 
lichen Sa Tempel des Zeus und der Aphrodite und gab der ganzen Oft» 
feite ber Infel den Namen Salaminia. Unter Trajan warb die Stadt in einem 
Aufftande ber Juden großentheils u. unter Konftantin durch ein Erbbeben gay 
lich zerflört. Konftantin baute fie wieder auf u. nannte fie Konftantia Die 
um ‘der alten Stadt findet man in ber Rähe von Yamagufla und SBorto 

onſtanza. 

Salat, Jakob, Dr. der Philoſophie, Geiſtlicher Rath und Profeſſor der 
Moralphiloſophie auf der Univerfität Landshut, geboren zu Abtsgmuͤnd in der 
chemaligen gefürfteten Probſtei Ellwangen 1766, wurde 1801 Pfarrer zu Haberd- 
firden und im nämlicdhen Jahre mit Beibehaltung feiner Pfarrei, auch feffor 
der Moral und PBaftoraltheologie am damaligen Lyceum zu München. 1802 gab 
man ihm bie einträglichere Pfarrei zu Arnbach bei; er erhielt zuletzt, feit 1807 
bie obige Profeſſur. Bei Verlegung der Landshuter Univerfität nah München 
verblieb er in Landshut. S. gehört in feiner Richtung ganz unbedingt der Jo⸗ 
fepbinifhen Schule an und bildet ein Hauptglieb in der, damals eben nicht ges 
ringen, Reihe ihrer Jünger. Sein leichtfertiges Votum über „die Priefterehe wurbe 
erft neueftens, aus Veranlaßung einer biefe Angelegenheit zur Sprache bringenden 
Motion in ber Rationalverfammlung zu Sranffurt, von ben Eölibatsgegnern wieder 
hervorgeſucht. Bon feinen zahlreichen Schriften führen wir an: eigionepdilos 
jophte, Landshut 1811, 2. Aufl., Ulm 1811; Erläuterung über einige Haupts 
punfte ber Philofophie, ebd. 18125 Ueber das Berhältnig der Geſchichte zur Phi⸗ 
loſophie in der Rechtswiſſenſchaft, Sulzbach 1817; Orundlinien der Religionsphis 
loſophie, ebd. 1819; Grundzüge ber allgemeinen Philoſophie, München 1820; 
Sokrates, Sulzbach 1820; Lehrbuch der höhern Seelenfunde, Münden 1820. 
Berfuch über Supernaturalismus und Myſticismns, Sulzbach 18235 Moralphi⸗ 
Iofopßie, Landshut 1809, 3. Aufl. ebd. 18215 Handbuch der Moralwifienichaft, 
München 1824; Ueber Rationalismus, Lanbhhut 18285 Wahlverwandichaft zwi- 
ſchen Supranaturaliftien und Naturphiloſophen, ebd. 1829. 


1114 Salbe — Salbung. 


Salbe, (Unguentum), nennt man ein, in ben Apothefen bereitetes unb zum 
Einreiben in einzelne Theile bes Köpers gebrauchtes, Außeres Arzneimittel von 
butterartiger Eonfiftenz, deffen Grundlage immer eine fettige Subſtanz bilbet, wie 
5 B. Ihierfett, Butter, Oel, und dem dann nach Befinden nody andere Stoffe, 
befonderd Wache, Talg, Harz, Terpentin zur Erhaltung ber erforberten Eonfiken; 
zugefeht, außerdem weitere Stoffe, befonders für — —— wie Gummi, 
zenſchleime, Seife, Honig, Eigelb, Kampfer, aͤtheriſche Oele, natürliche Balfame, 
gepulverte Subflangen, Queckfilber ıc. beigemifcht werben. Die Bereitung geſchieht 
entweber ganz einfach, burch bloße Vermengung der Ingrebienzien, ober, nachbem 
man foldhe vorher bei angemefiene: Wärme hat zergehen laſſen, oder auch, inden 
man Bette mit dazu ſchicklichen Pflanzenſtoffen zufammen kochen läßt. Das Zu 
fammenreiben gefchieht mittelft hoͤlzerner Agitafel, ober im Kleinen in Reibeichalen, 
mittelft einer —* — Sie werben bei Wunden und Absceſſen, bei Geſchwuͤren, 
oder fonft bei Minderung von Reiz unb Spannung, auch, um Stoffe mittelk 
Ginreiben in den Körper gelangen zu laſſen, angewendet. Beim Gebrauche if dar⸗ 
auf zu fehen, daß fie nicht ranzig feien. 

Salbei (Salvia officinalis), ein kleiner Strauch aus der natürlichen Familie 
ber Zabiaten, beßen längliche, runbliche, weißgraue Blätter am Rande gekerbt 
find, Hat große blaue, in Quirlen flehende Blumen u. nur 2 Staubgefäße, ſtammt 
aus Südeuropa, wird aber überall in Gaͤrten und auf Weinbergädern cultivirt. 
Man wählt für feinen Anbau eine gefchügte, fonnige Stelle und guten, mürben, 
teodenen Boden, fchneibet ihn vor ber Blüthe und trodnet bas Laub. Seine Ber 
meheung geihieht im Herbie durch Zertheilung der Stöde, bie man in Gruben 
fest mit Erde andrüdt, Er if ein fehr Eräftiges, adflringirend-aromatifches 
Mittel, riecht angenehm u. fchmedt bitter-gewürzig. Man wendet den ©. inners 
er 483 naͤchtliche Schweiße, aͤußerlich zu d⸗ und Gurgelwaſſer und zu 


gen an. 

Salbung. Der, aus dem Oriente ſtammende, auch auf Juden, Aegyptier, 
Griechen und Römer übergegangene, noch jetzt beſonders im Oriente herrſchende 
Gebrauch, den ganzen Koͤrper oder einzelne Theile desſelben mit wohlriechenden, 
ee rkenden Salben einzureiben, Hatte zum Zwecke theils Stärkung 
und Erfrifchung der Glieder, befonders nach vorgenommenem Babe, theild Lindes 
rung der Schmerzen, theils und urfprünglich wohl Unterdrüdung ber in bem 
heißen Klima vermehrten und unangenehmen Ausbünftung. Oft war bie S. aud) 
bloßer Luxus, der, befonders bei ben Römern, fo weit bamit getrieben wurde, daß 
man ſer Leichname ſalbte, Grabmaͤler mit Salben begoß, Wein mit Salben 
vermilchte umb ſchon 188 v. Chr. ein Geſetz gegen die Einführung auslänbifcher 
Salben nöthig wurde. Die Lehrer ber Römer hierin waren bie Griechen, welde 
für jeden Theil des Körpers verfchiebene Salben epiuche aͤgyptiſche, ſiſym⸗ 
briſche) hatten. Wohlriechende, gewuͤrzhafte, ſtaͤrkende Oele, Harze und Pflanzen⸗ 
extrakte beſonders Myrrhe und Narde, waren bie Beſtandtheile der Salben. — 
Die wmoſaiſche Geſetzgebung gab ber ©. zugleich den Charakter ber feierlichen 
Einweihung Heiliger Perſonen u. geheiligter, oder zu heiligem Gebrauche beftimmter 
Begenflände Es wurden baher namentlich gefalbt: der Hohepriefter und wohl 
auch die übrigen Prieſter. Jenem wurde das Haupt ee nachdem ihm 
die Bochprieflerliche Kleidung angelegt war und, nad Schladhtung der Opfer, 
beflen Kleider mit Del befprengt. Dieſe S. foll fieben Tage Hintereinander 
wiederholt worden ſeyn. Kerner wurben gefalbt: Die Könige auf das Haupt, 
duch einen Priefter oder Propheten, daher fie Geſalbte des Herrn genannt 
wurben; aud bie Bropheten, fowie Alles, was Heilig u. Gott geweiht war. 
Salben Heißt daher im Alten Teflamente: a) zu einem wichtigen Amte, Werke 
berufen, beftimmen, fowie Ehriftus der Meſſias felbft zu einem Amte aus, 

erüftet wurde, b) Kräfte, Geiſtesgaben mittfellen, da bie S. ein Sinnbilb ber 
tärkung ifl. — Nach dem Vorbilde des alten: Bundes, nach dem Beifpiele ber 
Apoftel und auf ben Grund alter Meberlieferungen find die Salbungen auch in 


Saldanfe, 1115 


yer katholiſchen Kirche als ſacramentaliſche Handlungen angeordnet worben. Das 
Del; defien man ſich hiezu bedient, erhält eine befondere Weihe, weßwegen es heis 
ige Del genannt wird. Diefes ift entweber reines Olivenöl, (oleum catechu- 
menorum, wenn es bei ber Taufe, Glockenweihe ıc., ober oleum infirmorum, wenn 
e8 bei ber Krankenoͤlung gebraucht wird) oder es wird foldhes mit Balfam vers 
mifcht, wo ed Chrifam Heißt. Die Weihe diefer Dele geisieht unter befonberen, 
hiezu eigens vorgefchriebenen Ritus vom Bifchofe am grünen Donnerstage; in ber 
griechiſchen Kirche nimmt jeber Priefter diefelbe vor. Am grünen Donnerstage 
werben auch bie heiligen Dele für bie Taufe und legte Oelung an bie Rurals 
Dechante zur Bertheilung an die Gapitelspfarrer durch die Capitelsboten verfendet ; 
an jeder Kathedrale felbft aber wirb ein Vorrath berfelben für das ganze Jahr 
aufbewahrt. Während bes Jahres Eönnen die Pfarrer den etwa entftanbenen 
Abgang durch Beimiſchung von anderm nicht geweißten, Dele ergänzen. 
Saldanda, Dliveirae Daun, Joao Carlos, Herzog von, Fönigti 
portugieftfcher Marſchall und Minifterpräfident, von mütserlidder Seite ein el 
Bombals (f. db.) aus befien zweiter Ehe, geboren 1780 zu Arinhaga, wurde in 
dee Adelsfchule zu Liffabon erzogen u. machte feine Studien auf der Univerfität 
Coimbra. Rachdem er zuerſt Mitglied des Berwaltungsrathes der Golonien ges 
weien, trat er in das Militär, zeichnete ſich 1810 ald Major bei Buſſaco aus, 
gewann alle Grade auf dem Schlachtfelde, Tämpfte 1813 als Divifionsgeneral 
bei Zouloufe, wurde nad) dem Frieden Obergeneral in Brafllien u. kehrte 1822 nad 
Bortugal zurüd, als ſich Brafilien unabhängig vom Mutterlande machte. Die cons 
Ritutionellen Cortes wollten ihn nun zum Bicelönige von Brafllien ernennen u. er 
jollte das abgefallene Reich für Portugal wieder erobern, aber biefe Sache zer⸗ 
ſchlug ih und ©. wurbe gefangen gelebt. Die migueliftifche Contrerevolution 
von 1823 befreite ihn, aber er blieb feinen conftitutionellen Grundſaͤtzen treu. 
Beim Tode Yohanns VI procamirte S. ald Gouverneur von Oporto bie Charte 
Don Pedro's; die Infantin Regentin ertannte fie an u, S. wurde Kriegsminifter. 
Al er 1827 den Abfolutiften n * mehr widerſtehen konnte, nahm er ben Abſchied 
und ging nach England, aber ſchon, 1828 als ſich Oporto gegen Don Miguel 
echob, Lehrte er mit Balmella nach Portugal zurüd; nochmals geflüchtet, fehrte 
er 1829 zurüd und ſuchte Terceira zu gewinnen, mußte aber nach Frankreich 
fluͤchten. Trotzdem, daß ihn Don Pedro fehr geht behandelte, unterfübte er 
biefen Fuͤrſten doch, commanbdirte 1833 und 1834 als Feldmarfchall die conftitus 
tionelle Armee, befiegte Don Muguel u, trieb Don Carlos aus Portugal In der 
noch von Don Pedro am 15. Auguft 1834 eröffneten Sitzung der Cortes gehbrte 
ter zum Marſchall ernannte S. zur Oppofition, die es dahin brachte, daß er 
a 27. Mai 1835 zum Kriegsminifter und ‘Präfidenten des Minifterrathes ers 
nannt wurbe, Palmella aber nur die auswärtigen Angelegenheiten behielt. Indeß 
vermochte ſich S. in der Majorität der Kammer fo wenig zu behaupten, wie 
Balmella; zudem mißftel der firenge Kriegsmann ber jungen Königin, und bie 
Regierung verlor mehr und mehr an Erebit, fo daß ©. im November 1835 mit 
einen en Eollegen bie Entlafjung nahm. Auch in der Situng ber Gortes 
son 1836 gehete ©. jur Oppofition und, wie man glaubte, zur liberalen Bartel. 
Als aber die Septemberrevolution von 1836 ausgebrochen war, trat er auf bie 
Seite ber Eonfervativen, ſchloß fich der Proteſtation mehrer Pairs gegen bie Aufs 
hebung ihrer Vorrechte an und flellte fiy mit dem Herzoge von Terceira im fol 
jenden Jahre an die Spite bed Aufftandes, welcher die Herftellung ber Charte 
on Pedro's bezwedte, aber fcheiterte, fo daß fich befien Fuͤhrer im September 
1837 unterwerfen mußten. Seitdem Hielt fi S., obwohl zeitweife won ber por⸗ 
mgieftfchen Regierung mit Staatögefchäften beauftragt, meift im Auslande auf, 
bis ihn die neueften Ereigniſſe nach Portugal zurüdriefen. Als nämlich das, in 
Folge der Revolution von 1846 gebildete, Miniſterium Palmella ihn zum Miniſter 
des Auswärtigen ernannte, kam er zwar von Paris nach Liffabon zurüd, nahm 
jedoch die ihm angebotene Stelle nicht an, fondern befchlamigte vielmehr, im E 


1116 ° | Saldo — Salerno. 


verftänbnifie mit bem Herzoge von Terceira, ben Sturz dieſes Minifteriums, ber 
durch bie. Pe enapebrochene abfolutiftifche Contrerevolution in ber Nacht vom 
6. zum 7. Oftober 1846 erfolgte, und ftellte fi}, von ber Königin am 7. Oftober 
zum Bräfidenten bes Minift 8 ernannt, an bie Spige ber darauf entichieben 
eintretenden Reaktion, welche bald einen neuen, viel gefährlichern, Aufftand in 
Dporto und bem Rorben Portugals hervorrief, mit befien Bekämpfung ©. bis 
auf bie neuefte Zeit beichäftigt war. 

Saldo, (italienifh), Heißt in ber Kaufmannsfprache ber Reft, ber Be 
ftand oder Vorrath und Das, was zur Ausgleihung einer Rechnung noch fehlt; 
daher per S., zur Ausgleihung, als Ref; per S. bezahlen, den ganzen R 
einer Rechnung, ober befien, was man fchuldig ift, bezahlen; per S. quittiren, 
befcheinigen, den ganzen Reft feiner Forderung erhalten zu haben, fo daß man 
von bem Saplenden Nichts mehr zu fordern dat. — Salbiren, eine Rechmmg 
oder feine Schuld völlig bezahlen, auch eine Rechnung ıc. in ben Büchern abs 
fließen. So fogt man 3. B. „mit diefer Zahlung faldirt fih mein Conto 2c.* 

Salem, 1) in ber Heiligen Schrift: Stadt im Gebiete von Sichem, wo ber 
Patriarch Jakob nach feiner Rüdfehr aus Meſopotamien fich niederließ. 2) Der 
ältefte Rame ber Stadt Jeru ſalem, wo Melchifebech regierte. 3) Ein Flecken 
in der großen Jordanebene, 8 römifche Meilen (drei Stunden) ſuͤdlich von Scy⸗ 
thopolis, auch Salumias genannt, bei Aenon, unweit bes heutigen Wabi dl 
Malid. In deſſen Nähe taufte ber Heilige Johannes. Diefer Ort wirb für 
eines mit dem erſten ©. gehalten. — In der neuern Geographie führen dieſen 
Namen 1) S., Hauptftadt u, Seehafen in bem norbamerifanifchen Staate Mafs 
fachufetts, zum größten Theile auf einer Landzunge gebaut. Der Hafen hat guten 
Ankergrund, doch ift das Wafler fo feicht, daß ſchwere Schiffe ausladen müßen. 
Die Stadt, mit 15,000 Einwohnern, Bat eine niedrige, aber angenehme und ges 
funde Lage, Sie warb 1626 gegründet und ift jegt hinfichtlich ber Bevölkerung 
und bes Wohlftandes bie zweite Stabt in Neuengland, Der oftindifche Handel 
iſt die Hauptquelle ihres Reichthums. 2) Hauptort ber Brüdergemeinbe, in dem 
norbamerifanifchen Staate Rorb:Earolina. Er befteht aus einer beinahe $ Stuns 
ben langen, mit Baumreihen befebten, freundlichen Straſſe. “Der Ort hat eine 
Lehranflalt für Mädchen und verfchiebene Manufakturen. 

Salep, (Radix salep) find die fugelrunden ober ovalen, ungetheilten ober 
handförmig getheilten Wurzeln mehrer europäifchen und aflatiichen Orchisarten, 
welche in Europa theils von wilbwachfenden, theils von cultivirten Pflanzen ges 
fammelt werben; außereuropäifche kommt größtentheild aus Perfien über Trape⸗ 
zunt und aus ber Levante über Smyrna. Um fie in den Handel zu bringen, 
wäscht man bie Wurzeln, welche feine vorjährigen feyn bürfen, in kaltem Waſſer 
und reibt die Oberhaut ab; darauf läßt man fle einige Minunten in kochendem 
Waſſer und trodnet fie fo ſchnell als möglich, wodurch fie fehr Hart, hornartig 
und durchficgtig werben. a) Der perfifche, levantiſche ober orientalifche, 
ift 1 Zoll lang und etwa 4 Zoll dick, eis ober herzförmig, rundlich oder breitges 
brüdt, ftumpffantig, höckerig, Hart, gelblich ober röthlich, Telten weiß. “Diele Sorte 
wird geflofien mehr zum technifchen Gebrauche, wie zur Appretur von Zeugen ıc. 
angewendet. b) Der inlänbifche gleicht in Geftalt dem vorigen, body iſt er 
durchſchnittlich kleiner, Hat eine glatte Oberfläche u. eine ſchoͤne gelblichweiße Farbe. 
Er wird vorzugsweife zur Mebisin verwendet, ift geruchlos und Hat einen faben 
Geſchmack u. enthält viel Schleim, der fih in kochendem Wafler auflöst, benn er 
beſteht Hauptfächlih aus Baſſorin und Stärfmehl. c) Die handförmigen Wurzeln 
einiger inländifchen Orchisarten werben auch unter dem Namen Slüdshänd- 
hen, Chriſtus handchen, (Radix palmae Christi ober Satyrionis) hie und ba 
noch zu abergläubifchen Zweden verlangt; fie fehen gewöhlich fchmusiggrau aus. 

Salerno, Hauptort der Provinz Principato citeriore bes Königreiches Reas 
pel, am Buße einer Bergfette, welche, mit Bomeranzens, Lorbeer: u. Delbäumen, 
mit Maftir u, Myrthen beivachfen, bie Stabt u. die im Süben berfelben ſich aus⸗ 


PL [ 5 


Salerno. 1117 


dehnende Ebene anmuthig umkraͤnzet. An dem nach ihm benannten Meerbuſen 
amphitheatraliſch erbaut, genießt S. eines herrlichen Klima u. einer völlig geſun⸗ 
ben Lage. Es iR einigermaßen befefligt u. hat ein Feines Fort; das alte (06 
bes Ro Buiscarb aber auf einem Felſen ober dee &tabt bietet, einen noch 
wohlerhaltenen Thurm ausgenommen, nur noch einen Trümmerhaufen bar, S., 
obſchon im Ganzen wohl gebaut, Hat nur eine einzige ſchöne Straße, die nämlich, 
welche längs dem Hafen hinlaͤuft. Die Kathedrale, im 11. Jahrhunderte von 
Robert Buiscard errichtet, hat durch mehrfache Wieberherftellungen ihren Eharafter 
geändert u, erinnert nur noch indireft an "die normannifche ft. Nichtsdeſto⸗ 
weniger ift biefe Kirche merkwuͤrdig burch die Menge von Dentmälern, welche fie 
umſchließt. Der Eoftbare Marmor, aus welchem dieſe, wie bie reichen Berzierun- 
gen im Innern gearbeitet find, iſt größtentheild den Ruinen von Päftum entnom- - 
men. “Der fehöne el in Form eines Kreugganges iſt mit ben interefianteften 
diefer alten Ueberreſte geſchmuͤckkt. Die Gruft It die Reliquien bes heiligen 
Matthäus, welchem dee Dom geweiht ifl. In einer Seitenfapelle befindet ſich 
das Grabmal Papft Gregors VII, auch ruhen in der Kirche mehre Iongobarbi; 
fe Fürften u. Johannes von Procida, der Freund Manfrebs u. Anſtifter ber 
Reilianifchen Vesper. Die Wafferleitungen, welche wie ber Dom in bie Zeit ber 
Rormannen Binaufreichen, find großentheild eingeflürzt u. nicht mehr brauchbar. 
Bon Römerbauten findet man, einige zerfireute Bruchflüde ausgenommen, in ber 
uralten Stabt gar nichts mehr. Unter den neueren Gebäuden zeichnet fich ber 
Balaft des Intendanten aus, einer ber fchönften im Lande. Die Klöfter auf ben 
Hügeln unterhalb des Schloffes verdienen ebenfalls befehen zu werben. — ©, iſt 
bee Sig eines Erzbifchofes u. Hat ein Lyceum (fonft Univerftität), ein Seminar, 
einige Konfervatorien, eine Militärfchule, ein Waiſenhaus u. ein hübfches Thea⸗ 
tee. Handelswichtigkeit Hat die Stadt eigentlich nur zur Zeit ihrer Meffe, welche im 
September gehalten u. nicht nur aus Neapel u, der Umgegend, fondern auch aus 
Sicilien, von ben Infeln des abriatifchen Meeres, dem Archipel u. allen Häfen 
bes Mittelmeeres mit Waaren verfehen wird. 11,000 Einwohner. — ©. gehörte 
fonft zum @ebiete der Picentiner u. hieß Salernum. Später bemächtigten fidh 
die Römer u. nach dem Sturze der Herrfchaft berfelben bie Rongobarden ber 
Stadt. Kürften aus dieſem Volksſtamme befaßen unter der Oberhoheit der beuts 
ſchen Kaiſer S., bis es 1077 der Rormanne Robert Guiscarb eroberte. Bereits 
974 war die Stadt der Sig eines Metropoliten geworden. Im Mittelalter fpielte 
S. eine der wichtigften Rollen, welche Einfluß nicht bloß auf Italien, fondern 
auf ganz Europa Hatte. Mehr als einmal war es der Sammelplap ber Kreuz⸗ 
faßrer, die nach Paläflina zogen. Im 11. Jahrhunderte rettete e8 Stalien vor 
Allgemeiner Berwüftung, indem feine tapfern Bewohner die räuberifchen Saraze⸗ 
nen u lugen, u. zwei Sahrhunderte fpäter dankte Italien abermals dem 
Muthe bee Saleritaner feine Freiheit durch den Aufftand berfelben unter Johann 
von Procida gegen bie Kranzofen. Aber die Stabt follte noch einen höhern Ruhm 
u. zwar auf einem ganz andern Felde erreichen. Nachdem jchon feit den Zeiten 
Karl des Großen bie Benediktiner zu ©. mit proben Crfolgen bie Heilfunde ges 
pflegt Hatten, warb Hier 1150 die berühmte Mniverfität gegründet, und es erbiäbte 
die medizinifche Schule, welche als bie Wiege der neuern Araneliiffenihaft it. 
Es war eine Zeit, wo die Rechtswiſſenſchaft u. Mebizin Europa’ lienfiche 
ober vielmehr Salernitanifche Rechtswiſſenſchaft u. Medizin war. Hieher ftrömten 
bie Gelehrten aus Europa, Aften u. Afrita, um die Wiflenfchaften zu Ichren und 
die Zünglinge, um fich darin zu vervollkommnen u. ihre Diplome zu erlangen. 
Hier erklärte Irnerius öffentlich bie von ihm 1197 in dem benachbarten Amalfi 
aufgefundenen Pandekten u, bildete viele Rechtögelehrte, welche fpäter teils in ©., 
theils in Bolggua u. andern Städten Italiens die Rechtswifienichaft borirten. ©. 
pt hebrälfehgt Aeabifce und Iateinifche Lehrer gehabt Haben, welche die Zugend 

der Arzneiwifienichaft unterrichteten. Der aus feinem Vaterlande vertriebene 
Conſtantinus Afritanıs war ebenfalls Lehrer hier; er überfehte ben Hippokrates 








1118 Sales — Salieri. 


und Galen aus dem Griechiſchen in's Lateiniſche und förderte auch bie Kenntniß 
ber arabiſchen Medizin. In S. entſtand die praktiſche Heilkunde, und ihre diaͤte⸗ 
ulden Borfchriften, in Verſe gebracht, fanden überall Berbreitung und Anerfennt 
niß. Die- Araber brachten Hieher ihre alte Weisheit, die Griechen die Naturwiſ⸗ 
ſenſchaft des Ariftoteles, die von S. aus in Europa ſich verbreitete. Der Glan 
der hohen Schule flieg fort und fort bis in’s 13. Jahrhundert, erbleichte abe 
dann ſchnell, u. 1817 wurbe bie Univerfität gänzlich aufgehoben. mD. 

Sales, der Heilige: Kranz von, f. Franciscuß 5). 

Salefiauerinnen oder Frauen von derHeimſuchung der HL Jungfrau 
Maria, bilden einen weiblichen Orden, welchen die Heilige Johanna Francisca 
Fremiot von Chantal und der Heilige Sranciscus von Sales 1610 zu Annecy in 
Savoyen urfprünglich für Wittwen und kraͤnkliche Frauenzimmer gegründet haben. 
In der Solge erhielt er die Beftimmung, daß fich die Glieder 3 nebſt den 
geiſtlichen Uebungen, der Pflege armer Kranken widmen und u. Nothlei⸗ 
dende unterſtuͤtzen ſollten. Die Kleidung des Ordens iſt ſchwarz. Wegen ſeiner 
—— keit wurde er auch nach der Säcularifation in den meiſten Ländern 
noch beibehalten; übrigens muͤſſen gegenwärtig bie S. fih der Erziehung und 
Bildung ber weiblichen Jugend widmen. Koch jetzt beſtehen Klöfer der ©. in 
mehren —— Italiens, fodann in Wien, Breslau, Muͤnchen u. einigen anderen 

ten Bayerns. 

Salier hießen im alten Rom die Priefter des Mars Gradivuss fie Hatten, 
nach ber gewöhnlichen Meinung, ihren Namen vom Tanzen (salire), weil fie an 
geroihen fefllichen Sagen in kriegeriſcher Rüftung einen Umgang durch bie ganze 

tabt in Hüpfender Tanzbewegung hielten und babei jenem Gotte feierliche Lies 
ber fangen. Zuerſt wurden fie von Numa angeorbnet, wozu, ber Sage nad), 
der vom Ra efandte wundervolle Schild, Ancile, die nächfte Beranlaffung 
ab, welchem aͤhnlich man noch, um beffen Entwendung zu erfchweren, eilf ans 
ere verfertigte, die von ben Beftalinnen bewacht und von ben zwölf palati⸗ 
niſchen Sen bei jenem feierlichen Umgange getragen wurden, Der Anführer oder 
Bortänzer dabei hieß praesul, bdefien Springen man amtruare, fowie das Nach⸗ 
fpringen der übrigen redamtruare nannte. Sie Hatten eine eigene Wohnung 
(curia Saliorum) auf dem palatinifhhen Berge. Außer der, ihren Tanz begleiten 
den, Muſik fchlugen fie auch ihre Schilder aneinander und bemerften dadurch das 
Zeitmaß Ihrer Lieder, deren Inhalt das Lob bes Kriegsgottes und bes Kuͤnſtlers 
Beturius Mamurius war, ber jene eilf Schilde nachgebildet Hatte. Ihr Orden 
war fehr anfehnlih und warb es noch mehr durch den Beitritt des afrifanifchen 
Scpio u, einiger Kaifer, befonders des Marcus Aurelius Antoninus. Uebrigens 
bauerte ihr Dienft nicht Tebenslange, fondern nur auf eine gewiſſe Zeit. Die collis 
niſchen oder quiriniſchen S. waren von ihnen verfchieben und von Tullus Hoftis 
lius geftifte. Vgl. T. Gutberlethi de Saliis Martis sacerdotibus apud Romu- 
nos, liber singularis, Franecker 1704. 

Salier ober ſaliſche Kranken waren ein Zweig ber Rieder» ober Rhein⸗ 
franten, deren Kern das alte Bolf der Sigambrer war und bie buch Ehlobe 
wig (f. d.) zuerft ihre Macht vermehrten. Ihre Wohnfige werben verfchieben 
angegeben am wahrfcheinlichften find diefelben im fogenannten Sallande an der 
nieberlaͤndiſchen Yſſel zu ſuchen. Ihr Volksrecht war das Saliſche Befep (. 
d.). Bgl. übrigens ben Artikel Franken. 

Salieri, Antonio, k. k. Hofkapellmeiſter zu Wien und ein Componiſt er⸗ 
ſten Ranges, geboren zu Lignano im Venetianiſchen 1750, erhielt eine forgfältige 
Erziefung, gerieth aber nach dem früßzeitigen Tode feiner Eltern in eine ziemlich 
bedrängte Lage, bis fich der Hofkapellmeiſter Gaßmann in Venedig feiner annahm 
und fein entſchiedenes Talent für Muſik ausbildete, überhaupt in Geder Beziehun 
vaterlich für fein Fortkommen Sorge trug Dieſem folgte er auch 1756 na 
Wien, genoß daſelbſt noch 8 Jahre lange feinen Unterricht und wurde nach Gaß⸗ 
manns 1774 erfolgtem Tode Hofkapellmeiſter zu Wien. Bon Gluck beauftragt, 


Salinen. | 1119 


componirte er die Oper „les Danaides“, ging damit 1784 nach Paris und führte 
fie unter dem größten Beifalle auf, indem bas Publikum fle immer für Gluck's 
Arbeit hielt, bis dieſer felbR ben wahren Berfafier nannte. So war fein Ruf 
gegrünbet, ben er durch bie treffliche, meifterhafte Compofition ber Oper „Tarare“ 
(187), welche er auch nachher für italienifhe Bühnen unter dem Titel „Axur“ 
bearbeitete, noch vermehrte. Richt geringern Beifall erhielten auch feine übrigen 
Opern: „La scuola dei gelosi, il Talismanno, la grotta di Trofonio, la Ciffra, 
Palmira, Armida etc.“ Als ber erſte unter ben Italienern, ber feinen eigenen 
ne ein, wußte ©. über feine Kunſt nachzudenken und bei reicher Erfindungs- 
fraft, bei trefflicher Harmonie Hatte er zugleich Kenntniß des Theaters umb befien, 
was Hier Wirkung macht. Er farb zu Wien 1825. Unter feinen Schülern 
haben ſich Weigl, Hummel, Mofcheles und Andere beſonders ausgezeichnet. 
Salinen, oder Salzwerke find bie Anftalten, worin das Kochſalz ges 
wonnen wird. An manchen Stellen ber Erbe bringt die Ratur ungeheuer viel 
von diefem Salze in fefter Geftalt, als Steinſalz, Bergfalz, gegrabenes 
Salz, aber au als einen im Wafler aufgelösten Körper, als Salzwaffer 
hervor; von lehterem muß man dann das Wafler Kinwegfchaffen, um das Salz 
in fefter Geſtalt wieder zu erhalten. Steinfalz findet man in allen Ländern und 
Welttheilen, namentlih in Ungarn, in Bolen, in Rußland, in England, in 
Spanien und in Deutſchland. Sehr berühmt find die Salzbergwerke zu Wies 
fa in Galizien und zu Cardona in Spanien; Deutfchland Hat die anfehn- 
lichſten Steinfalgbrüdhe in Steiermark, im Salzburgifchen und im Mansfelbifchen, 
Entweber fördert man die Salzfleine wie Erze zu Tage, ober in ben Gruben ſchon 
m Waſſer aufgelöst, HM das Salz nicht rein genug, jo muß bie Auflöfung noch 
wie anderes Salzwafler verfotten und geläutert werben. Galzwaffer liefern bie 
Meere, viele Eleinere Seen, auch manche andere flehende Bewäfler und unzaͤhlig 
viele Quellen. Leitet man bad Meereswafier in flache Teiche oder Behälter, fo 
wird nach und nach das Wafler durch bie Luft ober Sonnenwärme verbunften und 
zulegt wird das Meerfalz, Boyfalz, troden zurüdbleiben. So wird es in 
unglaublicher Menge zum Einpödeln ber Häringe gebraucht; zur Anwendung als 
Kochfalz müßte man es gehörig läutern. Das Galz, welches wir gebrauchen, 
wird in der Regel aus falzigem Quellwaſſer, das man Soole nennt, gewonnen. 
Faft jedes beutfche Land Hat Salzquellen. Bon Zeit zu Zeit werben deren auch 
noch neue entdedt. Als Kennzeichen, daß irgendwo Salzquellen unter ber Erde 
verborgen feyn möchten, gibt man das ſchwerere Gefrieren des Sumpfwaſſers in 
der Gegend, bie Unfruchtbarkeit des Bodens bafelbft, das öftere Dapinfliegen der 
Tauben, die weiße flimmerende Farbe der Gräfer und Halme und das Dafeyn 
von Pflanzen an, weldhe gern in der Nähe von Salzquellen wachen (3.8. Salsola 
kali, Salicornia herbacea 2c. 26). Auf Sicherheit wird man aber erſt geführt, 
wenn man ba ein Bohrloch mit dem Bergboßrer ober arteflfchen Bohrer macht 
und das Wafler dadurch unterfucht, daß man eine Quantität befielben bis zum 
völligen Abdampfen fleben läßt, wo man dann flieht, ob Kochſalz, und wie viel, 
zum Rüdftande auf bem Boden bes Siebegefüflee bleibt. Das Aräometer (ſ. d.), 
hier Salzwage, Soolwage oder Salzfpindel genannt, kann gleichfalls 
zur Prüfung des Salzwaſſers benügt werben. Iſt in ber Soole fo viel Salz 
aufgelöst, daß fie, ohne beſonders viel Brennmaterial zu erfordern, fogleich vers 
fotten werden kann, um bald Salzkoͤrner nieberfallen zu lafien, jo wird die Soole 
reih genannt und dann iſt ein Salzwerk ohne viele Koften leicht einzurichten; 
müßte aber viel Holz aufgewendet werben, weil die Soole ſchwach ift, d. h. gar 
Waſſer enthält, welches davon Hinweggefchafft werben muß, fo kann fie doch 
bauwuͤrdig ſeyn; alddann erfordert fie freilich Toffpielige Präparations-Anftalten, 
ducch welche man fuchen muß, viel Wafler ohne Feuerung fortzufchaffen. Die 
Stärke ber Soole in Hinſicht ihres Salzgehaltes pflegt man übrigens nach Fr 
anzugeben, man nennt eine Soole vierlöthig, fehelöthig , achtlöthig, zwolflöthig 
u. f. w., wenn fie unter hundert Lothen 4, 6, 8, 12 ⁊c. Loth Salz enthält, das 


1120 | Salinen. 


Uebrige alfo füßes Waſſer if. Die Salzquelle muß durch eine flarfe Einfaffung 
von ftarfen Bohlen oder von dichtem Mauerwerke gm fremde Wafler und gegen Ber: 
ſchuͤttung geſtchert feynz; aus dem fo gebildeten Brunnen, dem Salzbrunnen, 
bringt man fie dann zum Gradiren, d. 5. zum Entwäflen auf die Gradir⸗ 
yauf er, wenn fie nämlich nicht fo ſtark ift, daB man fie fogleich verfieben könnte, 
häufigften zum Grabiren wird das Tröpfelwerf, bie Tröpfel oder Dorn 

i radirung angewendet. Hier muß die Soole zwifchen Dornwänden herabtröpfeln, 
urch das Fallen von Reis zu Reis in viele Tropfen zerfpalten unb fo von Luft 
und Sonne nach und nach ihrer wäfferigten Theile beraubt werben, bie in uns 
fihtbarer Geſtalt als Dämpfe davon fliegen. Zwiſchen langen, Wr blos aus 
Balfenlagen beftehenden und mit einem leichten gitterartigen Dache verfehenen, 
hölzernen Gebäuden werben bie befauenen Dornen, am beſten Schwarzdornen, über 
dichten, hölzernen, einge erum mit ihrem Rande über bie Dornwände hinaus⸗ 
reichenden Behältern ( fen), bie auf langen flarfen Balfen von fteinernen 
Aloe getragen werben, flumpf pyramidenförmig emporgefchichtet. Weber biefen 
ogenanntn Bradirwänden laufen an ber Seite Hin Tröge oder Tropfs 
faften und von ben Böden berfelben erftreden fi von einer Seite aus vide 
leichte Rinnen, Tropfrinnen, quer. und parallel über die Dornwände Hin. 
Die Böden biefer Rinnen haben eine Menge Löcher oder Riten. Das Salzwafler 
wird in die Tröge geichafft, kommt von ba durch Haften in die Tropfrinnen umd 
tröpfelt alfo an verfchiedenen Stellen durch die Deffnungen biefer Rinnen auf 
die Dornwände und von biefen zwifchen ben Reifen hindurch bis unten im bie 
Behälter, wo es ſich wieder anfammelt, nah dem Verluſte an Wafler, den es 
unterwegs duch Verbunften erlitt. ine gewifie Anzahl Bradichäufer ſtehen in 
einer Linie neben einander, mit ihrer langen Fronte nach derjenigen Himmelsgegend 
dingeehtt, wo die meiften warmen Winde herfommen, “Durch bie fog. Gefchwinds 
ftellung find bie Tropfbahnen und Tropfrinnen auch fo eingerichtet, baß, je 
nachdem bie Richtung des Windes ch verändert, die Tropfen PER auf biefe oder 
auf jene Seite der Dornen kommen. Das erftle Gradirhaus flieht in ber Nähe 
des Salzbrunnens, von dem es bie Soole empfängt. Das durch die Dornen 
befielben Hindurchgetröpfelte, unten von dem Behälter gefammelte, Salzwaffer wird 
von da auf bie Dornen des zweiten Gradirhaufes —9 — wo dieſelbe Troͤpfel⸗ 
einrichtung iſt; von den Behaͤltern dieſes Gradirhauſes ebenſo auf das dritte Gra⸗ 
Mi von da auf das vierte und fofort, bis zu dem lebten (vielleicht dem 
zwölften), welches nahe am Siedehaufe ſteht. So verliert Die Soole von Haus 
zu Haus immer mehr Waſſer, wird alfo immer flärfer, und koſtet dann zum Ver⸗ 
fieden nicht fo viel Holz mehr. Daß übrigens nicht zu jeder Jahreszeit und bei 
jeder Witterung der Grad ber Berbünftung einerlei feyn kann, ift wohl natürlich. 
In gewöhnlichen Zeiten kann man täglid für einen Quabratfuß Wanbfläche eine 
gebinfung von 10 Pfund rechnen. Gewöhnlich Hält man bie Soole (die im 
Brunnen vielleicht Glöthig war) zum Berfieden reif, wenn fie durch jene 
Waflerverdünflung in ber Luft 24lötkig geworden iſt. Das Herausfchaffen ber 
Sovle aus den Brunnen und das Hinauffhaffen auf die Gradirhäufer verrichten 
Bumpen, bie meiftens von Waflerrädern mittelft Mafchinenwerfen betrieben 
werden. In manchen S. befinden ſich auch große Windflügel, weldje, oben 
im Dache an Wellen fipend, mittelft Kurbeln, Lenkflangen und Kunſtkreuzen die 
Pumpen beftreihen. Da aber ber Wind eine unfichere, veränderliche Kraft if, 
jo wendet man fie eigentlich nur im Nothfalle an, wenn. bie Waflerräder nicht 
gern Auffchlagwaffer haben, oder einer Reparatur unterworfen werden müſſen. 
ollte man zu bemfelben Zwede Dampfmalchinen anwenden, fo müßte man Doch 
Immer erft gehörig überlegen, ob man nicht befier thäte, das bazu erforderliche 
Brennmaterial gleich zur unmittelbaren Berdampfung bes Waflers in den Pfannen 
zu gebrauchen. Außer ber Dornengradirung gibt es noch einige andere Grabirs 
ungsarten, bie aber viel feltener angewendet werben. So beffcht Die Seilgradir⸗ 
ung in einer Borrichtung, durch welche man bie Soole längs einer Menge ſenk⸗ 


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Salinen. 1121 


recht ausgeſpannter Selle herablaufen laͤßt; während des Herablaufens geſchieht 
dann die eg: Bei der Pritfhengradirung, Dachgradirung, 
wird Die Soole mit Schaufeln oder Sprigen wiederholt auf große, fchiefe, mit 
einem feften Unterbau verichene Flächen (Pritſchen, Dächer) gervorfen, auf welchen 
fle fih zu dünnen Lagen ausbreitet, bie der Luft zur Verbünftung viele Berüßrungs- 
fte Darbieten u. alfo concentrirt unten in flachen Behältern aufgefangen werden. 

ei der Sonnengrabirung wirb die Soole in großen, flachen, neben einander 
mb in gewifier En g auch über einander ftehenden, Behältern ber Luft und 
Sonne zum Berbunften ausgeſetzt. Bel der nur in Falten nordiſchen Gegenden 
anwendbaren Eisgradirung kommt die Soole zur Winterzeit gleichfalls in 
große flache Behälter; das Waſſer, weldhes da gefriert, läßt dann, während bieß 
—— t, die Salztheilchen in das uͤbrig gebliebene Waſſer fallen und, wenn man 
as Eis, welches bloß füßes Waſſer iR, Hat abnehmen laffen, fo findet man, daß 
das übrig gebliebene Waſſer falziger geworben ift, als e8 vorher war. Seht 
man das Gefrierenlafien und Eisabnehmen fort, d erhält man eine immer con- 
centrirtere Soole, Aus bem, der Sieberei am nächften liegenden, Behälter führt man 
die Soole durch Röhren ober Rinnen gewöhnlich noch in einen größern Behälter, 
ben Sammelbehälter,wo man fle bis zum Verbrauch aufbewahrt u. wo unter- 
befien an ber Luft immer noch Wafler verbünftet. In dem Siebehaufe gefchieht 
das Berfieben in großen, vieredigen, eifernen Pfannen, von ſtarkem, zufammenges 
nietetem Eifenblech. Unter dem Boben jeder Pfanne, ber wenigſtens 400 Quab⸗ 
vatfuß beiträgt, gehen flarfe eiferne Stangen Hin, bie von flarfen fleinernen 
feileen getragen werben, Ueber ber Pfanne ein puramibenförmiger Rauch⸗ 
fang. ht felten befinbet fih neben bee Giebpfanne noch eine Wärmpfanne, in 
welche die Soole zu vorläufiger Berbimftung unb Holzerfparung, ohne eigene 
Feuerung, blos durch die große Wärme bes Siedeorts zuerft hineinkommt und von 
ber fie dann bie Siebepfanne empfängt. Zuerft wird ein ſchwaches euer, all 
mög ein ſtaͤrkeres und dann ein flarfes Feuer angmagt Die Unzeinigfeiien 
ber Soole Reigen als Schaum auf bie Oberfläche, den man mit großen Loͤffeln 
oder Kellen abnimmt. Das Schäumen zu befdrbern werben klebrige Subflanzen, 
namentlih Ochſenblut, zu Hülfe genommen; fpäter, wenn die Kriftallifation an- 
geht, um biefe zu befördern, Weißbir. Wenn die Sole gar it, d. 8. wenn 
auf der Oberfläche Salzkörner ſich zeigen, welche in der Ylüffigfeit nieberfinken, 
jo mäßigt man das Feuer unb dann Fruftallifirt das Salz und legt ſich auf ben 
Boden der Pfanne Dieß wird Soggen oder Sofen genannt. Beſſer ift es, 
wenn man in dem Zeitpunfte des Kryſialliſtrens Die Soole in eine andere Pfanne, 
die Soogpfanne, ſchafft und ba bei einer Wärme von 60 Grad Reaumur fry- 
Rallifiren läßt. So erhält man bas Salz in größerer Reinheit. Mit Schaufeln 
(Soogftielen) wirft man das Salz aus, d. h. ſchafft es zum Ableden oder Ab» 
tröpfeln in Tegelförmige Körbe, bringt es von ba zum Trodnen in bie Darr- 
oder Trodenfammern und flampft es zulekt in dichte Käffer ein, “Die Feuer⸗ 
ung kann übrigens aus Holz, Steinkohlen oder Torf ſeyn; auch durch Röhren 
unter die Pfanne geleitete heiße Dämpfe wendet man dazu an. Die in ben 
Pfannen zurücbleidende Mutterlauge, aus welcher die Salzkryſtalle entfernt find, 
wird, eben fowie ber Pfannenftein, an ben inneren Wänben ber Pfannen weg⸗ 
geſchafft, u. für dem folgenden Sub werben die Pfannen gehörig gereinigt. Doch 
werben erlauge und Pfannenftein in mehren Salinen, wo man recht öko⸗ 
nomifch zu Werte geht, noch auf Kohl, Olauberfalz, Magnefia, Soda, Salz 
äure ac. benüpt. Die Dornen ber Grabirwände werden mit der Zeit Talkartig 
fruftirt u, zwar nach u. nach Immer mehr, fo baß fie, wenn bie Krufte zu bid 
geworben iſt, mit felgen Reis vertaufcht werden müflen. Den, in ben Behältern 
unter ben Darmränden abgefegten, röthlidhen Schlamm, welher Salzmutter 
oder Zuder (Sinter) genannt wird, ſchafft man mit ber —— auch hinweg. 
Bon gutem Kochſalz kann man verlangen, daß es weiß, durch St, troden, feſt, 
if, ans großen, möglichft regelmäßigen Kryſtallen befteht, a im Waſſer 


Realmmepclopäbie. VILL 


1122 Salis · Seewis — Salifches Geſetz. 


leicht Thmelgen 1nb baffelbe nicht truͤbe machen, auch, auf glühende Kohlen ge ' 


worfen, flarf 
Salis-Seewis, Johann Gaudenz von, geboren 1762 zu Seewies in 
Sraubündten, trat in feiner Jugend in Militärdienfte und war Hauptmann ber 
Schweizergarde in Berfailles, privatifirte nachher in Malans, war zulegt Stadt: 
vogt und Kantonoberfter in Chur ımb ftarb zu Malans, 28. Jan, 1834. Als 
elegifcher Dichter ji er nahe verwandt mit FA (ſ. d.), dem ex zwar an 
Beredtſamkeit der Schilderungen und technifcher altumg nachfteht, ihn Dagegen 
an größerer Einfachheit u. Eapfinbung der Wahrheit übertrifft. Ausgaben Heiner 
Gedichte erfchienen zu Zürich 1790, 1821 u. 1839, mehre Nachdrüde nicht gerechnet. 
Salisburpy, Hauptort der Grafſchaft Wilt in England, liegt in einem wei- 
ten u. fruchtbaren Thale naͤchſt dem Bereinigungspunfte der Fluͤſſe Avon, Nodder 
u. Bourne Baͤche u. Kanäle, aus dem Avon gengen durchſchneiden die Stadt 
u. geben ihr mit ben vielen darüber führenden Brüden Aehnlichkeit mit einer hol⸗ 
ländifhen Stab. ©. wird in 2 Theile, den Zwinger u. bie eigentliche Stabt ge: 
theilt. Im Zwinger bat bie Geiftlichkeit ihren Sih genommen, um Die Domkirche 
herum, welche eines der vollkommſten Werke gotbtiher Baufunft in England if. 
Diefes weitläufige Gebäude, 480’ lang, 84° breit, wurbe in ben Jahren 1200 — 
1258 in Form eines Doppelfreuzes aufgeführt. Portal u. Thurm, ber Hödhfle 
in England (410%), find mit außerordentlicher Kunft verziert. Aeltere u. neuere 
Dentmäler der Bifchöfe u. mehrer Lord's bes Bezirkes fchmüden bas innere. 
Naͤchſt der Kirche iR ein Kreuzgang u. ein achtediger Kapitelfaal, der durch eine 
Reihe von leichten len getragen wird. Der bifchöflicde Palaſt iſt fehr fchön. 
Bon ber Domkirche haͤngt auch das Kollegium ber Matronen ab, wofelhft Witt: 
wen ber Geiftlichkeit umter Aufficht des Kapitels erhalten werden. Handel und 


} 





| 


Gewerbefleiß findet man Bier nicht, wohl aber in der eigentlichen Stadt, bie ſehr 


& ebaut if, da ihre macabamifirten Straffen fich in rechten Winfeln bu 


rch⸗ 
neiden u. der groͤßte Theil ir gäule ein freundliches Anſehen Hat. Auf ben | 
1%) 


arkte fleht ein Kreuz im en Style Bon ben Gebäuden find zu erwäh- 
- nen das Rathhaus, die große Gerichtshalle, der fchöne Eoncertfaal, das Theater. 
Mit Wohlthaͤtigkeitsanſtalten iſt ©. gut verfehen. Blühende Fabriken in Wolle 
(berühmter Flanell), Pergament, Stahl» und Eifenwaaren. 12,000 Einwohner. 
In den Umgebungenvon ©. flieht man bie ſchoͤnen Schlößer Longford, Clarendon, befien 
Parf die Meberrefte eines römifchen Lagers umfchließt, und Trafalgarpart, 
Eigenthum der Familie Relfon, die Ruinen der Abtei Malmobury u. das be 
rühmte Feld Stonehenge (ſ. d). — In ber Rähe von S. liegt auf eine 
Höhe am Avon Old⸗Sarum oder Old⸗Salis bury, weldhes unter bem Ras 
men Sorviobunum vor Alters ein fehler Play der Bretonen u. nachher eine 
ber vornehmften römifchen Städte in Britannien gewefen if. Die Angelfachfen 
hielten hier 960 einen berühmten Reichstag. Die Dänen zerftörten die ganze 
Stadt, fie erholte ſich aber wieder; Concilien wurben hier pedalten u. unter Wil 
helm dem Eroberer u. Heinrich I. verfammelten fi) alle Biichöfe u. Baronen bes 
Reiches in Old⸗Sarum. Ein Bisthum u, ein Domkapitel wurben errichtet, ale 
mar aber bie Kathedrale auf ihrer jetigen Stelle erbaute, wurde die alte Stabt 
verlaffen, von welcher man heut zu Tage nur noch einige in Moos u. Geſtraͤuch 
gehüte Trümmer fieht, u. bie Einwohner flebelten nad New⸗Sarum ober Salis⸗ 
ury über. In dieſer Stadt iſt zweimal das Parlament zufammen berufen wor- 
den, unter Eduard I. u. Eduard II. mD. 
Salisbury, Graf von, f. Cecil 2). 
Salifches Geſetz (lex salica), ift das Volksrecht ber falifchen Franken (Bol. 
Salier), eine, wahrjcheinlih untere Chlodwig (fi. d.) erfolgte, Anfzeichnung 
aͤnkiſcher Rechtsgewohnheiten (Lex Salica), welche oft durch bie fpäteren Könige, 
efonders durch Karl ben Großen, abgeändert wurbe. Es betrifft vorzugsweiſe Crimi⸗ 
nalfälle u. fchließt bei faliichen Guͤtern, d. h. ſolchen, welche bie ſaliſchen Frans 
fen in Gallien erobert Hatten, bie Töchter von der Erbfolge aus. Die Beftims 


Sallenger — Salluſtins. 1123 


mung warb feierlich 1316 nach dem Tode Ludwigs (le Hutin) bei ber Thron 
folge in Anwendung gebracht. Auch in Spanien beftanb es feit 1713 ch 
Philipp V. bis 1830, als es Ferdinand VII. aufhob. Ausgaben des Geſetzes von 
Laspeyres (Halle 1833) und der malbergiſchen Gloſſe von Leo (ebb. 1842). 
Sellenger, Albrecht Heinrich von, geboren im 1694, fiubirte zu 
Leyden Geſchichte, Philofophie u. Rechte, ward Advokat, machte gelehrte Reifen 
duch Frankreich u. England u, ſtarb 1723 im Hang als Rath des Prinzen von 
Dranien, Gr verband mit ausgebreiteten wifienichaftlichen Kenntniſſen, befonbers 
in ben Alterthuͤmern und der Literatur, eine liebenswürdige Beſcheidenheit. Gr 
fammelte u. gab mehre nügliche Werte heraus, unter denen am befanntefien find: 
„Mömoires de litiörature“, 1715, 2 Bde. (zur Kenntniß alter Bücher, fertgefebt 
von Desmolets) u. Novus Thesaurus antiq. rom., gu 1716 — 24, 3 Bbe,, 
Benebig 1735, 3 Bde. (ein Nachtrag zum Graͤve'ſchen Beturu6). Nach feinem 
Tode eridhien „Essai d’une hist. des provinces unies pour l’annee 1621,“ Haag 1728. 
Sallet, Friedrich von, neuerer beuticher Dichter, geboren 1812 zu 
Neiße in Schleften, tm Gabettenhaufe zu Potsbam u. Berlin gebildet, ſtand als 
Offizier in Mainz u. Trier, nahm feinen Abfchieb, wendete fi nach Breslau u. 
farb zu Reichau 1843. Seine „Sebichte”, die viel Treffliches enthalten und bes 
ſonders durch Humer u. leichten heitern Sinn gefallen, erfchienen zuerfi 1835, 
n. A, (fehr vermehrt) 1843. Außerdem: „Funken“ (1838). Das komiſche Epos 
„bie wahnftnnige Flaſche“; das liebliche Maͤhrchen: „Schön Irla” u. das (freilich 
das Chriftenthum frivol angreifende) „Laienevangelium“ (2, Aufl. 1844). Unruhiger 
Sinn und ſatiriſch ausgefprochene Freiheitsideen verwidelten ihn, tro feiner Gut⸗ 
müthinkeit, in manche Unannehmlichkeiten. Sämmtliche Schriften, 5 Bde, Breslau 1845. 
aluftius oder Saluflins, 1) Cajus Erispus, ein ausgezeichneter rös 
mifcher Beichichtfchreiber, geboren 86 v. Chr. zu Amitereum im tabinifchen Ge⸗ 
biete, warb 58 v. Chr. Quaͤſtor, 52 Bolkstribun u. 45 durch Caͤſars, feines 
Bönners, Einfluß Prätor, begleitete als folcher biefen nach Afrika u, verwaltete 
dann als Proprätor Numidien, wo er ſich auf unerlaubte Weife bereichert. Das 
rauf lebte er, mit dem Studium u. ber Bearbeitung der vaterlänbifchen Geſchichte 
beichäftipt, in Rom, wo er 35 v. Er. ftarb, Ruͤhmlicher, als fein fittlicher Cha⸗ 
rafter nicht ohne Grund gewöhnlich gefchildert wird, ift fein fchriftftelleriicher, ben 
ee nach dem Mufter des Thucydides zu bilden ſuchte. Edle Kürze feiner Schreib⸗ 
art u. eine lebhafte Darftellung der Begebenheiten waren glüdliche Fruͤchte biefer 
Nacheiferung; nur Hätte er weniger nach manchen feltenen u. veralteten Ausdruͤ⸗ 
den haſchen follen. Was wir von ihm noch befigen, fchränft fi) auf 2 wichtige 
Begebenheiten ber römiichen Gehbichte ein, auf bie Verſchwörung des Ea- 
tilina u. auf den Krieg ber Römer mit bem numidiſchen Könige Jugurtha. 
Außerdem find von feiner größern römifchen Gefchichte in 6 Büchern, vom Tobe 
bes Sulla bis zur Verfhwörung bes Catilina, nur wenige Bruchſtuͤcke übrig. 
Einen glüdlichen Verfuch ihrer Zufammenftellung u. Ergänzung machte de Vroſ⸗ 
fes in feiner Histoire de la r&publique Romaine par Salluste, en partie trad, 
du latin, en partie rötablie et composde sur les fragmens, Dijon 1777, 3 
Bde. 4.3 dbeutfh von I. C. Schlüter, Osnabrüd 1800 ff. 6 Bde.; ins Lateiniiche 
übertragen u, zulegt Herausgegeben zu Lüneburg 1828 unter bem Titel: Sallustü 
Crispi historiarum fragmenta, prout C. Brossaeus ea collegit etc. Accedit 
spicilegium fragmentorum aBrossaeo reliquisque editorib. praetermissorum vel 
nuper detectorum. Eine andere, fehr forgfältige, Bearbeitung eines Theils ber 
Fragmente it von I. Th. Kreyfiig: Commentatio de Salustii historiarum lib. 
I. fragm. ex bibliotheca Christinae in Vaticanam translatis, Meifien 1835, 8. 
Unaͤcht find Die Declamationen , welche man ihm zufchreibt, u. vielleicht auch bie 
beiden an Julius Caͤſar gerichteten Abhandlungen über die Einrichtung des Staa- 
tes. — Ausg. von ©. Corte, Leipzig 1724; von ec Amſt., Sag unb 
Utrecht 1742 ‚2 Bde. Handausg., von Hottinger, Zürich 17785 von Teller, Ber⸗ 
in 1760; von Kunhardt, Lübe 1799 u. 1810. 2 Bde.; von a 3te Aufl, 


1124 Salm — Salmanafar. 


Halle 18345 von Bothe, Mannheim 1819; von Müller, Leipzig u. Zuͤllichau 1821; 
von Gerlach, 3 Bde, Baf., 1823— 1827. Bon bemfelben eine Kleinere Ausgabe, 
2te Aufl, Bafel 1832. Bon Kris, Lpz. 1828 u. 1834. 2 Bde.; die dazu gehoͤ⸗ 
rigen Indices, ebd. 18355 eine gute Schulausg. von Fabri, 2 Bde, Nurnb. 1831, 
1832. — Ueberſetzung ber catilinarifchen Berihwörung von Meißner, Lpz. 17%, 
von Fröbel, Rubolftadt 1821, von Herzog, bei defien Ausg. bes Textes, Leipzig 
1828 u. des ganzen Salluft von Hd, R. 9. Frankf. 1818, von Schlüter, 
Münfter 1806 f. 2 Bde. von Woltmann, Prag 1814, von Strombed, Göttingen 
1817, von Neuffer, Lpz. 1820, von Görig u. 4. — Ueber Salluft's Eharafter 
vergl, O. M. Müller, Salluftius, oder Hift.-Feit. Unterfuchung der Rachrichten von 
einem Leben u. ſ. w. Zuͤllichau 1817 u. Xöbell, zur Beurtheilung des Saluſtius. 

reslau 1818. — 9 ©., ein platonticher Philofoph, war Conſul in Rom unter den 
Kalfern Julianus u. Jovianus, 363 n. Chr., u. ift wohl zu unterfcheiben von 
dem viel fpäter lebenden @ynifer nl. R., dem aber Einige das von jenem ver 
faßte Werk: „Ilepı Sewv nar noouov“ in 21 Kapiteln ebenfalls beilegen. Der 
Berfafjer fucht darin, nicht ohne Scharffinn, die Ewigkeit der Seele u. ber Wet 
Darzuthun u. bie ganze Schrift ift überhaupt gegen Epikur (ſ. b.) gerichte. 
Ausgabe: von Naubäus, Rom 1633 u. Xenden 1639; von Schultheß, Zuͤ⸗ 
rih 1779 u, von Drelli, ebd. 1821. 

Salm, f. Lachs. 

Salm, ein altes u. ausgebreitetes Befchlecht, welches ſich 1040 in bie beis 
ben Häufer Ober, u. Nieder⸗S. theilte. Zu dem erftern, das 1475 die reiche» 
graͤfliche Würde zu ©, erhielt u. aus bem Haufe der Wild» u. Rheingrafen 
ſtammt, gehört: 1) Die Linie S.⸗S., welche 1739 die reichsfürflliche, 1741 bie 
herzogliche Würde von Hoogftraten erlangte u. feit 1824 eine Virilſtimme im er- 
fien Stande ber Provinziallandflände vom preußifchen Weftphalen beſitzt. Gie 
iſt im preußifchen Weflphalen und in den Niederlanden anfäßig u. refldirt zu Ans 
halt bei Bocholt. Haupt: Kürft Wilhelm Zlorentin, geboren 1786, folgte 
1828 feinem Bater, dem Fürften Lonftantin. — 2) S.Kyrburg, im pen 
ſchen Weftphalen begütert, 1742 Reichsfürft, 1763 Fürft von Hornes u. Overis⸗ 
que. Haupt: Fuͤrſt Friedrich IV., geboren 1789, Grand von Spanien 1. 
Claffe. Er focht feit 1806 ruͤhmlich im franzöftfchen Heere in Polen, Spanien, 
Deutfhland u. Italien. — 3) S.sHorfimar, in ber Grafſchaft Horftmar zu 
Eoesfeld wohnhaft. Haupt: Fürft u. Rheingraf Wilhelm Friedrich, gebos 
ren 1799, Wildgrof zu Dhaun u. Kyrburg, Rheingraf zum Stein ıc. “Dem 
Haufe Rieder-S., welches dem Haupt ber “Dynaften von Reifferfcheidt entfprang 
u. 1455 bie reichsgraͤfliche Würde zu S. erhielt, gehören an ©. Neifferfcheibt 
und S.⸗Reifſerſcheid⸗Dyk. Der AR S.⸗Reifferſcheidt theilt ſich wieder in 
1) Kraut heim, vormals Bebbur, begütert in Württemberg u. Baden, Wohns 
fig: Schloß Herſchberg am Bodenſee, Reichsfürft feit 18045 Haupt: Fuͤrſt Kon⸗ 
ftantin, geboren 1798, badifcher Oberfi und Ylügelabjutant des Großherzogs. 
2) Krautheim, vormals Niebers ober Alt⸗S., in den Ardennen. Wohnfitz: 
Raitz bei Brünn in Mähren, Reichsfuͤrſt feit 1790. Haupt: Fürft Hugo, gebe» 
ren 1803, k. k. Kämmerer, Herr ber Herrfchaften Raig u. Blansko in Mähren 
und Deutfch = Ruft in Böhmen. Die Linie S.⸗Reifferſcheidt⸗Dyk ift am Nieder: 
thein u. in Württemberg begütert u. veflbirt zu Dyk bei Neuß. Haupt: Fürft 
Joſeph, geboren 1773. Seine zweite Gemahlin, Ronftanze Marie be Thesis, ges 
boren 1767 zu Nantes, 1803 in Paris nach dem Tode ihres erften Gatten, bes 
Chirurgen Cipelet, vermählt, geftorben 1845, glänzte in ber Geſellſchaft als geiſt⸗ 
reihe Dame und verfuchte he als Schriftftellerin (Poösies 2. Aufl, 1807, Epiros: 
1831, die lyriſche Tragödie „Sappho“ 1794, welche in einem Jahre 100 Mal 
aufgeführt wurde; der Roman Vingt-quatre heures d’une Femme sensible, 
beutich, Kiel 1841, poetifche Memoiren „Mes 60 ans“ 1833, „Pensees“ 2. Aufl, 
1833 u. die guten „Eloges, Discours“ 1. 

Salmanafar ober Salmanaffer, König von Affyrin u. Nachfolger des 


—— 


——2— 


Salmafind— Salmonens. 1125 


Theglathphalaſar um 720 v. Chr., zwang Oſee, König von Israel, zur Zinsbar⸗ 
keit; ba biefer aber, geftügt auf ein unfluges Buͤndniß mit dem aͤgyptiſchen Koͤ⸗ 
nige Sua, ihm ben Zins verweigerte, zog S. mit Heeresmacht herbei, eroberte 
nach einer dreijährigen Belagerung Samaria und machte fo bem Reiche Israel 
(nad) 250jähriger Dauer) ein Ende, inbem er ben König u. bie zehn Stämme 
nach Aſſyrien abführtee Das entvölferte Land befegte er mit neuen, heibnifchen 
ee unter ihm fand der affyrifche Staat in feiner Blüthe; ihm folgte 
ennaderib. Ä 
Salmafius, Claudius, eigentlih Claude de Saumaife, geb. 1588 zu 
Semur en Aurois, ſtudirte zu Paris u. feit 1606 zu Heidelberg Jurisprubenz u. 
warb Proteſtant. Obgleich er bei feiner Ruͤckkehr nach Frankreich 1610 auf ben 
Wunſch feines Vaters, eines Barlamentsraths zu Bourgogne, ber ihm feine Stelle 
als Parlamentsrath zu Hinterlaffen wünfchte, in ben Advokatenſtand trat, fo ers 
(dien er doch nie in einem Gerichtsſale; kritiſche Arbeiten und gelehrte Streitig⸗ 
keiten hinderten ihn daran. 1631 ward er Brofeffor zu Leyden. Cine Denk 
ſchrift: Defensio regia pro Carolo I. (von England), 1649 z0g ihm eine bittere 
Antwort Miltons, Namens des englifchen Parlaments, und felbft die Mißhilligung 
feiner republikaniſchen, Holländifchen Beichüger zu. Er nahm deßhalb eine Einladung 
der Königin ae nad Schweden an, fehrte aber bald, da ihm das dortige 
Klima nicht zufagte, in bie Bäder von Spaa zurüd, wo er 1558 flarb, Haupts 
werfe: Exercitationes Plinianae in Solinum, Paris 1629, 2 Bde. Auch gab er 
heraus ben Ylorus, Heidelberg 1609, die Hist. August, scriptores, Baris 161135 
ſchrieb außerdem: De usuris, 2enden 16355 De modo usurarum, ebd. 16395 De 
foenore trapez. ebd. 16405 De mutuo non esse alienationem, ebd. 1640 u, v. a. 
Salmiat (Chloramonium falzfaures Amonium) iſt ein Salz, welches aus 
Ammonium (f. d.) u. Salzſäure (ſ. d.) beſteht u. fich fowohl in der Natur 
findet, als es auch kuͤnſtlich bargeftellt wird, Der S. kommt in ber Ratur als 
mehlartiger oder flodiger Meberzug, Eruftenförmig, auch in flahlaftitifchen Formen 
vor, u. zwar in Spalten u, Sratern ber Bulfane, auf Laven und Solfataren. 
Künſtlich wird er bargeftellt: 1) durch Sublimation bes Ruſſes von verbranntem 
Lameelmift, in Aegypten. 2) In europäifchen Kohlenfabrifen aus Tohlenfaurem 
Amoniat, welches durch Deftillation von Menfchenharn, Horn, Knochen unb 
Steinkohlen erhalten wird; biefes wanbelt man mittelft Salzfäure in ſalzſaures Amos 
nium um. Da es aber in diefem Zuflande noch unrein ift, fo wird es durch 
Sublimation gereiniget. WIN man ben fo erhaltenen S. noch einer weitern Reis 
nigung unterwerfen, fo löfe man benfelben in fiebendem Wafler auf, filtrire bie 
Fluͤſſigkeit und laſſe fie dann kryſtalliftren. Die erhaltenen reinften Kriſtalle wer⸗ 
ben getrodnet u, unter dem Namen einfache S.blumen (flores salis amoniaci 
simplices) für ben mebizinifchen Gebrauch verwende. Der S. Hat einen eigen- 
thümlichen, ftechend falzigen Geſchmack u. feinen Geruch; er verflüchtigt fd in 
ber Hiße, ohne ſich zu zerlegen, und löst ſich in 3 Thellen kalten und gleichen 
Theilen kochenden Waflers auf. Im Handel kommt er in Form von Tchönen, 
weißen, burchfcheinenden Kuchen oder Scheiben vor, welche bie Beftalt des obern 
Theils des Sublimirgefäßes und in der Mitte eine Deffnung haben. Er wirb 
in der Barbenbereitung, zum Löthen, Berzinnen, zur Eifenfitt, zur Amoniakdar⸗ 
Retung ic, benüßt. aM. 
almonend, Sohn des Aeolos und ber Evarete, Gemahl ber durch ihren 
böfen Charakter berüchtigten Sibero und Bater ber ſchoͤnen Tyro von fe- 
nee erften Gemahlin Alkidike, war fo hochmüthig, baß er für Jupiter gehalten 
unb wie diefer angebetet feyn wollte. Um das Volk zu bethören, verfuchte er es, 
Zeus Blige nachzuahmen, indem er Hoch lodernde Fackeln um fich her werfen ließ; 
deffien Donner, indem er mit ſchweren Steeitwagen über tönende, eherne Brüden 
fuhr, ober mit Luft gefüllte Schläuche feinem Wagen nachichleppen ließ; ja, er foll 
Menfchen ermordet u, vorgegeben haben, fie feten durch feine Donnerkeile nieder- 
gefchmettert. Endlich des ges müde, ſchlug ihm Supiter mit einem wirklichen, 


1126 Salomo — Salomon. 


nicht mit einem nachgemacdhten, Donner zu Boden. Es fcheint, daß der durch Sal: 
moneus großen Reichthum erzeugte Stolz, und der Umftand , baß fpäterhin bie 
ganze Stadt Salmonea, welche er in Elis erbaute, durch ben Blig vertilgt wurbe, 
zu dieſer Kabel Anlaß gegeben. 

Salomo (beutfh: ber Friedſame), König von Israel, ein Sohn Ri; 
nige David (|. d.), von ber Bethſabee, wurbe von dem Bropheten Nathan ers 
zogen u. von feinem Bater, nach ben Abfichten Gottes, mit Mebergehung bes Abo; 
nias, welchem nach dem Rechte der Geburt bie Krone zugefommen ſeyn würbe, 
zum Ihronfolger beftimmt. David ließ ben S. noch vor feinem Tobe zum Könige 
falben; er ertheilte ihm den Auftrag zum Tempelbaue , nach göttlichen Befehle 
u. nad vorher getroffenen Anftalten; auch gab er ihm noch die zweckmaͤßigſten 
Vorſchriften, Sehen und Ermahnungen vor jeinem Tode. ©. beftieg ben Thron 
in feinem 18. Jahre, nach abermaliger Salbung, um 1015 v. Chr.; er entlebigte 
fih bald feiner Gegner, als: des eigenen Bruders Adonias, ber nad be 
Krone trachtete, bes Feldherrn Joab u. bes Läfterers Semei, lebterer nah 
dem Rathe Davids, wegen früherer Verbrechen. So befaß er ein ruhiges, befe 
fligtes und nach Gottes Berheißungen auch ein glüdliches, blühendes Reich, weis 
des fih vom Euphrat bis an die Graͤnzen Aegyptens erfiredte, und von Dan 
bis Berfabee reichte Daſſelbe war in 12 Staathalterfchaften eingetheilt. Juda 
und Ifrael waren zahlreich u. glüdlich, fidher unter ihrem Weinftode und ihrem 
Beigenbaume, fie waren freie Leute und bes Königs Krieger. Mit Aegypten vers 
bündete ſich S. durch Bermählung mit der Tochter des Pharao. Auch fchloß er 
einen Freunbichaftsbund mit Hiram, König von Tyrus, woburdh er ſich große 
Bortheile verichaffte; er bereicherte ſich durch Schifffahrt u. großen Handel, burch 
Zinsgelder und Geſchenke, Hob Fünfte und Handwerfe zu Hoher Blüte und führte 
einen glänzenden Hof, Er Tieß prächtige Gebäude aufführen, vor allen ben be 
rühmten Tempel, zu weldhem er die nöthigen Borbereitungen traf, den er bann 
im vierten Jahre feiner Regierung begann, in fleben Jahren vollendete u. darauf 
— einweihte. Auch baute er einen Palaſt fuͤr ſich, ließ die Burg Sion, 
owie die Stadt Jeruſalem u. andere Staͤdte befeſtigen und Vorrathshaͤuſer im 
Reiche anlegen. Durch alle dieſe Werke, noch mehr aber durch die Fuͤlle der 
Weisheit, welche ihm Gott auf feine Bitte verlieh, verbreitete fich S.s Ruf auch 
in entfernte Gegenden und son, Diele Ausländer herbei, welche famen, um ihn zu 
fehen und zu bewundern. — Unders geftaltete fich der zweite Zeitraum von S.s 
Herrſchaft. Drüdende Frohnen und Steuern mußten ihm nothwendig nach und 
nach die Xiebe der Unterthanen raubenz aber, was unenblidy ſchlimmer war, ‚ein 
Harem von 700 Königinnen und 300 Rebenfrauen, unter denen noch Dazu, ges 

en das ausbrüdliche Verbot bed Herrn, viele heidnifche Frauen waren, wendeten 
in erz von Bott ab und verleiteten ihn endlich zu allen Graͤueln u, Freveln 
der Abgötterei. Da wurde der Herr zornig u. zur Strafe kuͤndigte er ihm bie 
Trennung feines Reiches nad) feinem Tode an. Run erhoben ſich gegen ben uns 
friegerifhen S. maͤchtige Widerfacher, ale: Adad, der das Land Edom aufwie⸗ 
gelie, und Razon, welder ihm das bamascenifche Syrien entriß; ferner Jero⸗ 

sam, ein Euphrathiter, den der Prophet Ahias vorläufig zum Könige über 
Ifſrael ernannte, zur Erfüllung der göttlichen Drodungen. ©. ftarb in einem 
Alter von 58 Jahren, nachdem er 40 Jahre geherricht Hatte; ihm folgte fein Sohn 
Roboam als erſter König in Juda. Er wird für ben Berfaffer der Bücher der 
Denkſprüche, bes Hohenliedes u, des Ecclefiaftes (f.dd.) gehalten. Die 
hl. Schrift, welche ben ſchrecklichen Fall S.s6 erzählt, ſagt Nichts von feiner Buße, 
ſpricht aber auch feine Verdammung nicht aus. Mehre Kirchenväter glauben in 
dem Buche des Predigers feine Sinnesänderung zu finden. 

Salomon, Emmeram (mit feinem früheren Namen Kranz Seraph), 
Capitular des aufgelösten Benebiftinerftifts zu Regensburg, bifhöflich geiftlicher 
Rath und Synobaleraminator und PBrofefior der Dogmatit am Lyceum bafelbfk, 
‚geboren 1773 zu Wernberg in ber Oberpfalz, war ber Sohn bürftiger Wirths⸗ 


Ban 


Salomon. 1127 


leute und verlor feinen Bater ſchon im 5. Jahre, nach befien Tode feine Mutter 
nach Regndburg 30g. Unter den größten Entbehrungen, bie er mit frommem 
und demuͤthigem Sinne ertrug, befuchte er in megeneburg bas Gynmaſtum und 
Lyceum, wo er immer einen der erſten Pläge behauptete. Rach abfolvirter Rhe⸗ 
torif ftellte er an das Reichsſtift St. Emmeram bie Bitte um Aufnahme in das 
Kloſter. Man wies ihn ab, „weil ex ein Pfälzer war.” Dieß entmuthigte ihn aber 
nicht; nach vollendetem erflem theologiſchen Curs wiederholte er feine Bitte, die 
ihm nun auch gewährt wurde. Am 5. Dftober 1793 wurbe ee in ber Emmer⸗ 
amskapelle zu Regensburg eingefleidet, am 20. Oktober trat er das Roviziat im 
Kloſter Roth an, am 14. Juguß 1794 kam er nach Regensburg zuruͤck, that am 
2. November Profeß u. erhielt am 23. September 1797 die Prieſterweihe. Alle 
feine Mitbruͤder Obern konnten nicht genug S.s hervorragende — 
feinen Gehorſam, feine ungeheuchelte Froͤmmigkeit, Demuth, Ordnungsliebe 
Freundlichkeit ruͤhmen, und in welch hohem Grade er das Vertrauen ber letzteren 
beſaß, mag das beweiſen, daß er ſchon nach kaum vollendetem Noviziate u. noch 
als frater clericus von dem damaligen Fuͤrſt⸗Abte als Profeſſor der Philoſophie 
im Stifte angeſtellt und nach beendigtem einjaͤhrigem Curſus nach Ingolſtadt auf 
die Univerfität geſchickkt wurde, um daſelbſt die Dogmatif von dem berühmten P. 
Marian Dobmayer zu gpeen und fpäter —* im Kloſter verwendet zu werden. 
Nach nur einjährigem Aufenthalte dortſelbſt zuruͤckgekehrt, übernahm er auch wirk⸗ 
lich ſogleich, vorerft in feinem Kloſter, die Profeſſur ber ale 1803 aber auch 
am Lyceum, wo er, außer ber Dogmatif u. Religionsphilofophie, auch das Hebraͤi⸗ 
ſche drei Jahre lange lehrte und die Lehrftelle im Banzen über 35 Jahre verfah. 
Wie beftimmt und Tlar fein Vortrag war, wie er dabei nicht blos auf Meberzeug- 
ung bed Berftandes, fondern vorzüglich auf Befferung bes Willens Hinzielte, wie 
d feine Zuhörer, bieß dankbar erfennend, mit einer ungewöhnlichen Aufmerk⸗ 
famfeit und Freude ihn anhörten und ihm jederzeit bie Höcfe eine und 
Berehrung eriwiefen, wie ſich felten ein PBrofeffor deren zu erfreuen Hat, i annt. 
Aber nicht zufrieden, nur in ber Schule auf Geift und Leben feiner Zuhörer eins 
ide, lud er fie auch abwechfelungsweife auf fein Zimmer u. ſprach, nach ber 
erſchiedenheit ihrer Bebürfniffe, als väÄterlicher Freund Worte ber Belehrung, 
Worte des Helles, wodurch er Manchen von dem Abgrumbe, dem Jugend und 
äußerer Einfluß ihn entgegenfübete, noch zu rechter Zeit zurüdhielt, Andere im 
Buten weiter führte und befefligte. Zu biefem Behufe unterhielt ex auf eigene, 
große Koften eine reiche Leſebibliothek und vertheilte theild unter feine Zuhoͤrer, 
theild auch unter Andere, die eine geiftliche Lektüre liebten, erbauliche Bücher und 
gab ſelbſt auch, außer dem bekannten und bereits in mehren Auflagen erfchiene- 
nen Gompendium der Dogmatik, noch einige andere nie und Erbauungs- 
ſchriften heraus. Beionderer Erwähnung werth iſt auch fein Eifer im Beichtſtuhle 
und das Vertrauen, befien er genoß. Alle PVorfefte und Zefltage befuchte er ben 
Beichtſtuhl und wartete demfelben mehre Stunden lange, felbft mit Aufopferung 
feiner Gefundheit, ab, um ben ſehr vielen Beichtfinbern, die ſich ihm anvertrauten, 
worunter er immer viele Geiftlihe und Weltliche Höhern Standes zählte, Benüge 
zu leiften. Solch rafllofes Mühen, nach allen Seiten hin Nutzen zu fchaffen, ent- 
ing ber Aufmerkfamfeit feines Oberhirten nicht, unb der felige Biſchof Sailer 
Berte fich deghalb gegen einen Freund des B. Emmeram, bag er fi im Ge⸗ 
wiſſen verpflichtet fühle und der ganzen Diözefe es fchuldig fei, ihn zum Dom⸗ 
hern an der Regensburger Kathedrale in Borfchlag zu bringen. Die Ernenmung 
geihah wirklich und warb veröffentlicht; kaum aber davon in Kenntniß gefebt, fo 
bat ber demüthige Sohn Benedikts, diefe Ernennung zurüdnehmen und ihn 
biefer Stelle entheben zu wollen. Man würbigte höchftien Orts bie Gründe, 
welche ©. zur Ablehnung dieſer Stelle vorbracdhte, und erlaubte dem ermübeten 
Arbeiter im Weinberge des Herrn, feine noch übrigen Tage in fliller Zurüdges 
zogenheit zubringen zu bürfen. Aber er genoß nur went Rune; fein Törper- 
lides Leiden trat Immer mehr hervor unb erreichte zum {ehr hohen 


1128 Salomonsinfeln — Salpeter. 


Grad; doch, fo groß es auch war, konnte es boch feine Geduld nicht erfchöpfen, 
indem er aus bem Leidensmeere bes göttlichen Heilandes, in das er ſich ſtets vers 
ſenkt gehabt, für fein eigenes Leiden er neue Kraft und Stärke . Nic 
lange zögerte der gerechte Bergelter, das Flehen feines treuen Dieners zu erhören 
und ihn zu ſich zu rufen. Es war am 1. Mai 1845, als der Engel bes Tobes 
AR ihm nahte und er, geftärkt durch bie Heiligen Saframente, im 72. Jahre fein 
Leben fanft und ruhig Klo 

Salomonsinfeln, ſ. Reugeorgien. 

Salon, |. Saal. 

Salonichi in Macebonien, jest zum Ejalet Rumili gehdrig, naͤchſt Konſtan⸗ 
tinopel die wichtigſte Fabrik⸗ und Handelsſtadt der europaͤiſchen Tuͤrkei und Sitz 
eines Paſcha's und griechiſchen Erzbiſchofes, liegt in der Mündung eines reizen⸗ 
den, von Herrlich bewaldeten, 2000 bis 3000 Fuß Hohen Yelsbergen umgebenen 
Thales, am Thermäifchen Meerbufen (Golf von S.), der eine der fchönften Sees 
landſchaften Europa’s entwickelt. Amphithentralifch erhebt filh bie große Gtabt 
am Buße bes Kortiah, bes legten ber Berge, welche auf der Oftfeite bes Golfs 
bie dreigliebrige chalcidiſche Halbinfel erfüllen, während auf der Weſtſeite bie im 
Srehtinge mit Schnee bededten Zafelberge des Olympus ragen. Sie if in ber 

eftalt eines Dreiecks erbaut, mit hohen Bauern und Befungeiweren umgeben 
und durch ein fiebenthürmiges Kaſtell vertheidiget, ımb Hat nebft einer vortreffli⸗ 
hen Rhede auch einen für 300 Schiffe geräumigen Hafen. Die Einwohnerzahl 
ſchlaͤgt man zu 70,000 an, barunter viele Franken, 12,000 Griechen und 20,000 
Juden, weldhe über A000 Häufer bewohnen und eine hohe Schule, Hera genannt, 
mit angeblidh 200 Xchrern und 1000 Schülern hier haben. er ben 12 größes 
ren Mofcheen zeichnen fich die ehemaligen griechifchen Kirchen aus, insbefonbere 
jene, die ein dem Heiligen Demetrius geweiht war, und im Innern mit prädhtis 
en Säulen von Marmor, Iaspis u. Porphyr ausgeſchmuͤctt if. Auch gibt es 
n S. mehre griechifche Kirchen und Kloͤſter und eine katholiſche Kirche. Schon 
feit dem 16. Jahrhunderte iſt Hier ein blühender Verkehr zwifchen Abendland u. 
Morgenland, und zur Zeit der großen Continentalfperre war ©. einer der Kanäle, 
durch welchen die Kolonialwaaren in's Innere von Europa gefchafft wurden. Der 
Handel iſt vorzüglich in den Händen der Griechen und Juden, welche fonft auch 
auf den Meffen von Leipzig große Geichäfte trieben, fo daß man die Einfuhr 
deutſcher Waaren auf 2 Millionen, die Ausfuhr nach Deutfchland auf 5 Millios 
nen Piaſter ſchaͤtzte. Die gefammte Ausfuhr von S. fol I Millionen, die Eins 
fuhr 5 Millionen SPiafter betragen, Die handelnden Staaten Europa’s haben 
hier Konſule. Rofenöl wirb zu S. in vortrefflidder Qualität verfertiget und fin, 
det lebhaften Ablag, Dagegen Haben bie Seiden⸗, Saffian-, Tuch⸗ und Teppich⸗ 
fabrifen in neuefter Zeit jr abgenommen, und namentlich find Die einft fo bes 
beutenden Türkifchrothfärbereien durch die Konkurrenz ber abenbländifchen In⸗ 
buftrie faft ganz vernichtet worden, womit bie Stadt eine reihe Erwerbsquelle 
verlor. Immerhin aber ſteht fie noch als der Stapelplat ber Raturprobufte Mas 
eeboniens in regem Verkehre. — In S. und deſſen Umgebung finden fidy zahl⸗ 
reiche Alterthuͤner. Dahin gehören bie Meberrefle mehrerer Triumphbogen, von 
welchen der des Kaifers Antonin noch ziemlih erhalten ift, Denkmäler mit In⸗ 
fhriften, Münzen u. dgl. — S. Hieß vor Alters Halia und Therma; als 
aber Kaſſander fie von neuem erbaute, legte er ihre den Namen feiner Gemahlin 
Theffalonife, der Schwefter Alexander des Großen, bei. Die zur Handlung 
vortreffliche Lage iſt vermuthlich die Urſache der Schonung eweſen, welche fpäter 
alle Eroberer Macedoniens der Stadt haben angedeihen hen. Der Apoftel Bau- 
Ius fchrieb an die ehemalige chriftliche Gemeinde Tcheffalonichs zwei Briefe. Im 
Mittelalter gehörte S. ben Benetianern, welchen es DMahomeb I. 1420 abnahm. 
1759 brannte die Stabt faft pans ab, mD. 

Salpeter nennt man im weitern Sinne mehre Salze dr S.⸗Saͤure (ſ. 
d,), welche irgend eine Anwendung in der Technik, ober in den Künften finden u, 


Salpeter. 1129 


die nach dem Namen ber Salzbafls unterfchieben werben, wie Silbers, Ralis, 
Natron⸗S. Im engen Sinne und quehtweg verſteht man unter S. immer das 
ſ.ſaure Kali (Kali-S.), welches, wie auch Das ſ.ſaure Natron (Natron⸗S.), 
durch den Verbrauch in Maſſe und durch feine eigenthümliche Anwendung eine 
außerordentliche Wichtigkeit erlangt hat. “Der Kali⸗S. kommt in der Natur ſehr 
häufig vor. So findet man In ber Kreideablagerung am Ufer ber Seine bei 
Roche - Buyon und Moufleau mehre, als Ställe bemügte Höhlen, an beren Ges 
fleinsoberflächen viel S. hängt, ber alljährlich eingefammelt wird und fich immer 
von felbft wieder erſetzt. Ebenfo bat man merkwürdige S.⸗Gruben auf ber Inſel 
Geylon entbedt, aus deren Wänden ©. auswittert, den man dadurch gewinnt, 
Hs man ben Stein zerflopft, mit Holzafche vermengt und dann auslaugt. Achns 
liche Höhlen fennt man an der Küfte bes abriatifhen Meeres in Stalten (Pulo 
bi Mofetta), an einigen Punkten in Rorbamerifa (in Teneffee, Kentudi, am Mifs 
fouri und @roofebfluß), in Afrika und Teneriffa. In Ungarn wittert der ©. an 
manchen Stellen aus dem Boden, weldyen man bei trodener Witterung mit einem 
Pfluge abfhabt ımb auslaugt (Kehr⸗S.). Auch Spanien if reih an Boden, 
welche S. auswittern, wie in Reucaftiltien, Aragonien, Catalonien, la Manda, 
Granada ıc In ſtark bewölferten Städten, 3. B. in Wien, laugt man bie Erbe 
aus, bie ſich in der Nähe der Abtrittsräume befindet, und gewinnt bort auf ben 
Kubitfuß 4 bis 4 Pfund S., welcher unter beu Namen Gay⸗S. in ben Hanbel 
pebrase wird. In ben engeren Straſſen ſolcher Städte, wo ſich die Excremente 

Zugthiere, der Abfall von Schlachtbänten und ähnlicher Gewerbeſtaͤtten, Spüls 
waſſer aus den Häufern, Abfälle von Biktualienmärkten, ber Inhalt von Goſſen 
fi mit einander vermifchen und in Faͤulniß übergehen, da findet man den Mörs 
telüberwurf am Fuße der Außenmauern mit fchneeäßnlichen Ausblühungen über- 
zogen, eine Erfcheinung, die im Bauweſen fehr gefürchtet wird wegen ihrer Zers 
Rörungen und bekannt if ale S.⸗Fraß. Indeß find nicht alle diefe Auswit⸗ 
terungen ©., ſondern fehr Häufig andere Salze, 3. B. Tohlenfaure und fchwefels 
faure Alfalien und man muß deßhalb vor dem Einfammeln durch den Geſchmack 
das Salz prüfen. Außerdem wird S. in ben S.- Plantagen im Großen aus 
Erde bereitet, welche reich an fliftoffhaltigen Körpern und Kalkſchutt ift und bie 
zu dem Ende in lodere Haufen aufgerichtet, durch Begießen feucht gehalten wer- 
den muß. Die Beobachtungen und Erfahrungen fommen darin überein, daß bei 
Bildung des S.s überhaupt nachbenannte Bedingungen erfüllt feyn müflen: 
1) Gegenwart von Ralf, Bittererde, Kali, und zwar in einem lodern, poröfen 
Zuftande; 2) Gegenwart von Beudhtigfet, fo daß bie f.bildenden Stoffe davon 
gleichmäßig durchdrungen, aber nicht uͤberſchwemmt werben: 3) eine Temperatur 
von 15° Dis 20° Eelfius; 4A) vollfländiger Zutritt der Luft und 5) Gegenwart 
von faulenden Pflanzen⸗ ober Thierftoffen, welche Stidfloff enthalten. Die Dars 
ſtellung des S.s in ben Plantagen iſt ziemlich umftänblich. Nach dem Auslaugen 
der Erbe wird die erhaltene Rohlauge (Grundwaſſer), welche nicht nur S., 
fondern auch andere Stoffe der ©. » Erbe in ſich aufgelöst enthält, bem Bruch 
unterworfen, wobei bie ſ.ſauren Salze vollftändig in ©. verwandelt werben. Nach 
ben Brechen nimmt man das VBerfieden der Lauge vor, welches, neben bem 
Abdampfen der Lauge bie zum Kryftallifationspuntt, auch noch beſonders bie Ab- 
ſcheidung eines Thelles der Berunreinigung bezwedt. Man erhält Hieburch den 
Roh⸗S., ber durch Raffiniren weiter gereinigt wird. Die, mit der Reinigung 
bes ©. zum Kriegsbebarfe beauftragten, PBerfonen erhalten ben Roh⸗S. in den 
meiften Staaten von Privaten. Da nun dieſes Produkt flets bis zu einem nam⸗ 
haften Theile feines Gewichts mit fremben Stoffen verumreinigt if, fein Werth 
aber lediglich von dem Gehalte an reinem, f.faurem Kalt abhängt, fo muͤſſen Mit: 
tel und Wege gegeben werben, biefen Werth Behufs des Kaufsabfchluffes raſch 
und Anweichend genau auszumitteln. Der öſterreichiſche Artillerieoberft Huß Hat 
eine Ale vorgefchlagen, bie von bee bisher eingeführten, nicht große Genauig⸗ 
keit gewährenden, Methobe abweicht, Diefe befteht in einer phyſikaliſchen Analyie 


1130 Salpeterfänre — Salfette. 


unb berußt auf den Erfahrungsſatze, daß ber Temperaturgrab, bei welchem eine 
erfaltende S.,Löfung beginnt bie Eigenſchaft verliert, noch mehr S. aufzulöfen. Der 
Ratron⸗S. wird befonders in Südamerifa getvonnen. Dort fand man auf den, 
dem großen Ocean zugefehrten Küftenftrichen, nämlich 14 Stunden vom Hafen 
quique, und eben fo weit vom Hafen Eonceptio, auf ber Gränze von Peru und 
bile, im Diftrifte Atefama, in neuerer Zeit Ablagerungen von falpeterfaurem 
Ratron (Chile-S.) in ungeheueren Ausdehnungen, bei einer Mädhtigfelt von 2 
— 3 Fuß, unter einer Thonſchichte legen. Bon bort kommt das Salz als eine 
bräunliche, kürnig kryſtalliſirte, RRets feuchte Maſſe in den Handel. Der Kali-6,, 
nad) feiner Kryſtallgeſtalt auch prismatifcher S. genannt, bildet in reinem Zuftande 
farblofe Kryftalle von fühlend falzigem Geichmade, löst fi) in 3 Theilen kalten 
und weniger als 4 Theilen kochenden Waſſers, ift leicht ſchmelzbar; im gelinber 
Gluͤhhitze entwidelt er Sauerftoffgas; mit brennbaren Koͤrpern gemengt, 3. B. mit 
Kohle, verbrennt er unter Berpisfung, indem er biefelben orydirt. Der Ratron 
©., auch Sübfees©. und wegen feiner Kryſtallgeſtalt cubifcher S. genannt, 
befteßt auch aus farblofen Kryſtallen von kuͤhlendſalzigem Geſchmacke, wird an 
ber Luft leicht Al löst fih in weniger als gleichviel Falten Waſſers und Hat 
überhaupt in Allem große Aehnlichkeit mit dem Kali-S, Die Verwendung bes 
legtern zum Schießpulver ift befannt, außerdem bient er in der Feuerwerkerei u. über; 
Haupt zur Bereitung betonirender Pulver, zur Darftellung der S.⸗Saͤure (ſ. d.), der 
Schwefelfäure, des chromfauren Kali, zur Einpödelung des Fleiſches 2. Der 
Chile⸗S. wird ebenfo verwendet, nur bient er nicht zu exrplofiven Gemengen. aM. 
Salpeterfäure,, Scheidbewaffer, Salpetergeift, (Acidum nitricwm, 
Aqua fortis), die rohe, wird aus rohem Kalis oder Ratronfalpeter (Chilſalpeter) 
durch zugefegte Schwefelfäure in technifchschemifchen Kabrifen im Großen bereitet, 
Es ift eine farblofe oder gelbliche, äßende, in ber Wärme völlig flüchtige Flüßig⸗ 
feit, welche gewöhnlich mit Salzfäure ober Schwefelfäure, oder wohl auch, wenn 
aus Chilefalpeter bereitet, mit Jodſaͤure vermengt if. Sie ift ſchwerer als 
Waſſer, färbt organifche Stoffe bleibend gelb, orydirt viele Metalle, ſcheidet Sit 
ber aus dem Golde u. wirb von Zärbern, Hutmachern, Gürtlern, Kupferſtechern ıc. 
zu mandherlei Arbeiten benüpt; zum pharmaceutifchem Gebrauche, oder auch zu 
manchen technifchen Zwecken kann jeboch diefe unreine Säure nicht verwendet wer: 
ben, weßhalb man eine Hemifchsreine S., Acidum nitricum purum, aus 
leihen Theilen gereinigtem Kalifalpeter und Schwefelfäure beftillirt, durch 
uſatz von falpeterfaurer Silberauflöfung vom Salzfäuregegalt reinigt und noch⸗ 
mals deſtillirt. Ste if farbtos und Hat übrigens die Eigenfchaften ber toben. 
Nimmt man jedoch nur zwei Theile Schwefelfäure auf 4 Theile reinen Salpeter 
und deſtillirt, fo lange Säure übergeht, fo erhält man die raudende S., 
orangengelbe, falpetrige ©. (Acidum nitricum fumans, Acidum nitroso = 
nitricum auratum, Spiritus nitri fumans. Sie iſt von pomeranzengelber Farbe, 
an der Luft rothe, erftidende Dämpfe ausſtoßend; in nicht vollgefüllten Flaſchen 
2 ber leere Raum ſteis mit gelbrothen Dampfe angefüllt, welcher falpeterigfauxes 
as if, Sie wirb ebenfalls zum Neben und Auflöfen des Metalls verwenbet 
u. auch zur Bereitung ber Schießbaumwolle wurbe fie anfänglich benügt. Wirb 
bet der Deftillation ber rauchenden S. in die Retorte Waſſer in beftimmtem Berhältnifie 
vorgeſchlagen, fo erhält man die gelbe, rauch en de S. Acidum nitricum fumans 
flavum). Ihre Anwendung ift gleig ber vorigen. Vermiſcht man 2 Theile con- 
centrirter Salzfäure mit 1 Theil S., fo entfleht das Lönigsfheidbewailer, 
Salpeter-Salzfäure, Aqua regia. Die beiden farblojen Säuren nehmen 
ierbei eine gelbe Farbe an und find num im Stande, das Bold, ben König ber 
etalle, aufzulöfen, daher ber Name; auch Zinn und Platin löst ed auf. 
Salpetriere, |. Baris. 
Salkı , eine Infel im arabifchen Meere, an der Küfle von Hindoftan, mit 
10 M Meilen und 80,000 —— darunter einige Tauſend Katholiken por⸗ 
tugieſiſcher Herkunft; gehört zur Provinz Aureng⸗Abad und der Praͤſidentſchaft 


— — — — —— — — — — 


mn m. 2. ,ı\ 


Saltarello — Salvandy. 1131 


Bombay u. ift feit 1815 mit ber Bombay-Infel durch einen Sunfibamm verbunden. 
Beträchtliche Salzwerke und viel Holz find bie Haupterzeugniffe Beſonders merk 
würdig aber iſt die Infel wegen der Grotten von Kennery, worin ſich bie koloſ⸗ 
falen BubdahsStatuen befinden. Hauptflabt it Tanna mit 4000 Einwohnern, 

Saltarello, ein raſcher, an Schnelligkeit ftets zunehmender, italienifcher Volks⸗ 
tanz, der unter OuitarresBegleitung bei allen ländlichen Feſten Statt findet und 
bem bei einer jeben befondern Gelegenheit auch eine eigene Melodie untergelegt 
wird. — In der Mufif ik S., auch wohl Salterello genannt, eine aus brei 
Achteln beftehende Rotenfigur im $ Takt, von welchen das erfte Achtel einen Punkt 
bat u. gegen ein Biertel zu fiehen fommt; bei Inflrumenten aber find Saltarelli 
die in die Höhe fpringenden und die Saiten berüßrenden Tangenten. 

Salto mortale, (ital), ein lebensgefährlicher Sprung, wie ihn namentlich 
die Seiltänzer und Nequilibriften machen; dann überhaupt jedes mit Gefahr ver- 
bundene Wageftüd, 

Salutation nennt man die militärifche Begruͤſſung. Diefelbe — ent⸗ 
weder mit dem Degen ober Säbel durch ehrfurchtsvolles Senken dieſer Waffen, 
ſo daß, wenn ſtehenden Fußes oder waͤhrend des Marſches von Truppen zu Fuß 
ſalutirt wird, die Spitze derſelben beinahe die Erde beruͤhrt, oder daß bei Reitern 
die Spitze des Degens oder Saͤbels gegen ben rechten Steigbügel herabgeſenkt 
wird, Mit dee Fahne befteht die ©. darin, daß diefelbe fo weit gefenft wirb, 
daß, nachdem fie aus ihrer fenfrechten Lage heruntergebradht ift, bie Lanzenfpige 
derfelben ungefüht 6 — 8° von dem Boben entfernt bleibt. Durch Kanonen⸗ 
ſchüſſe wird einem Hohen Befehlshaber falutirt. Die Anzahl Kanonenſchuͤſſe, ſo⸗ 
wie die Anzahl jener, weldye dem Landesfürften zur ehrfurchtsvollen Begrüßung, 
oder fürftlichen Perfonen zu gleichem Zwede abgebrannt werben, find durch vegles 
mentäre Beftimmungen feſtgeſezt. Bon Schiffen wird Souveränen, fehr hochge⸗ 
ſtellten PBerfonen, und Schiffen, auf welchen die Flagge eines hohen Offiziere 
weßt, ober einem Hafen dadurch falutirt, daß eine, ebenfalls durch beſtehende Be 
ſtimmungen feftgefegte, auf die Rangverhältniffe gegründete Anzahl Sanonenfchüfle 
abgebrannt wird, wobei manchmal auch die Flaggen geftrichen werben. 

Saluzzo, fhön gelegene Hauptflabt ber ehemaligen Marfgrafichaft gleiches 
Namens (|. unten), jebt Hauptflabt der piemontefifchen ‘Brovinz S., unweit bes 
Bo, mit 13,000 Einwohnern, ift Sit eines Biſchofs, Hat ein Prieſterſeminar, 
fönigliches Collegium, geiftliches Convikt, mehre Wohlthätigkeitsanftalten, eine 
Strafanftalt in dem ehemaligen Gaftell, ber frühern Nefidenz ber Markgrafen, 
mehre Fabriken u. ziemlich bedeutenden Handel, Sehenswerth find: der ‘Dom aus 
bem 15. Jahrhunderte, die Kirchen San Bernardo und San Domenico, lehtere 
mit Grabmaͤlern mehrer Markgrafen von S. Das Gaftell iſt durch die Erzaͤh⸗ 
lung Bocaccio’8 von ber tugendhaften Griſeldis, welche Hier gefangen faß, inter 
eſſant. — Die ehemalige Markgraffchaft S., zwiſchen Rizza und der Dauphine 
gelegen, blieb nach dem Ausfterben ber Markgrafen 1548 in freitigem Befibe 
zwilchen Frankreich u. Savoyen, bis letzteres 1601, burch Abtretung einiger Ort⸗ 
(haften an Frankreich, in ben unbeftrittenen Beſitz berfelben gelangte, Sie zählt 
auf 36 [J Wellen 132,000 Einwohner. 

Salvandy, Rarciffe Achille de, geboren 1795 zu Eondom, ftudirte im 
Lyceum Rapoleon, machte als Breiwilliger den Feldzug 1813 u. 1814 mit, warb 
bei Brienne verwundet, begleitete, nach ber Reftauration bei ben Föniglichen Haus: 
truppen angeftellt, im März 1815 die Prinzen zur Gränze, blieb während ber 
100 Tage unbefchäftigt u. war fpäter Capitaͤn u. Adjutantmajor in einer Legion, 
entzo Ri gewandt den Requifitionen ber alliirten Gefandten, die wegen feiner 
Flugſchrift: „La coalition et la France,“ Paris 1816, gegen ihn erhoben wurden. 
Er ſchwieg aber, durch minifteriellen Einfluß beftimmt, eine Zeit lange unb warb 
1819 als Maitre des requetes im Staatsrathe angeftellt, verlor dieſen Wirkungs⸗ 
freis aber wegen ber Ylugichrift: „Sur les dangers de la situation p “ 
Paris 1820, Hierauf bereiste er Spanien, lebte banm in Paris, warb wieber 


1132 Salvatoriello — Salverte. 


als Gapitän im Generalftabe angeftelit, nahm 1823 feinen Abſchied, weil er nicht 
egen bie fpanifchen Gonftitutionellen fechten wollte, wurbe von Richelien in ben 
tantsrath gerufen, trat 1824 aus und befämpfte im Journal bes Debats, ge 
—— mit Chateaubriand, das Miniſterium Villeͤle. Unter Martignac trat 
er 1827 wieder in den Staatsrat, unter Polignac wieder aus. Seit ber Jul⸗ 
revolution flimmte er mit der confervativen Wajorität, wurbe 1837 unter Mole 
Minifter bes öffentlichen Unterrichts, war nach deffen Fall Bicepräfident ber Sam 
mer, ging 1841 als Ambaſſadeur nach Madrid, verließ biefen Poſten 1842 wegen 
eines Etifettenftreites mit Espartero, wurde im Rovember 1843 zum Gefandten 
in Turin ernannt und erhielt ben Grafentitel. Aber ſchon im Januar 1844 gab 
er feine Dimiffion, weil er gegen bie Ausbrüde ber Adreſſe gegen bie legi 
ſchen Deputirten, die in London geivefen waren, flimmen zu glaubte: doch 


verfößnte er fich bald mit bem Minifterlum umd wurde nad; Bilemain’s Aus 
ſcheiden im Januar 1845 Minifter bes em: Unterrichts, weldde Stelle er 


bi8 zur neueſten Revolution behauptete, riften: Sur les griefs et les voeux 
de la France, Paris 1815; Observat. sur le champ de Mai, ebd. 18155 Neces- 
sitö de se rallier au roi, ebd. 1815; Vues politiques, ebd. 18195 Don Alonzo, 
ebd, 1824, A Bde., deutſch, Breslau 1825; Yslaor, Paris 1824, deutſch, 1825; 
Le ministere et laFrance, ebd. 1827; Le nouveau regne et l’ancien ministere, 


ebd. 1827; Du parti à prendre envers l!’Espagne, ebd. 1827; Hist, de Sobieski, 


roi de Pologne, ebd. 1826, beutich, 1827 u. m. 

Salvatoriello, |. Rofa. 

Salve nennt man bas gleicaeitige Losfchießen einer Anzahl von Gefchügen 
oder Feuergewehren. S.n find gewöhnlich Ehrenbezeugungen, welche hei feierlichen 
Gelegenheiten, fröhlicher u. trauriger Art, erwiefen werden. Die Zahl ber Sn 
it gewöhnlich ungerade Manchmal feiert man durch eine fogenannte General⸗ 
falve, d. i. buch das Losbrennen aller Gefüge u. Gewehre, ein befonders ange 
nehmes Ereigniß, wie 3. B. einen Sieg. — Bei ernftlichen Gelegenheiten möchten 
die S.n bie duch fie beabfichtigten Wirkungen ſchwerlich thun; die Rachtheile, 
welche Daraus entflehen Tönnen, unerörtert gelafien. Die Dienfteövorfchriften ber 
verfehiebenen Armeen fchreiben vor, welchen Berfonen S.n gebühren u. wie fie 
—— Kenn follen. Die Ausführung berfelden wird durch bie Exerziervor⸗ 

riften mmt. 

Salvegarde oder Sauveg arde bebeutet eine Schutzwache, ober einen Schutz⸗ 
brief, welde von dem Commandirenden einer Armee, ober eines Corps zur 
Sicherung einzelner Berfonen, oder Häufer, oder Schlöffer, oder ganzer Orts 
haften, oder Niederlagen im Feindeslande gegen Plünderung, Requifition, Eins 
quartirung u. Beläftigung jeder Art, entweder aufgeftellt oder angeichlagen werben. 
Als Schutzwache befteht die S. entweder in einem einsinen Soldaten, ober einem 
Detachement, welche, in ihren a unverleglich, dieſen Schug perfönlich ges 
währen; als Schußbrief befteft die S. in einem Erlaffe, welcher entweber von 
bem Commandirenden, ober bem Chef bes ©eneralfiabes unterzeichnet if u. in 
welchem ſaͤmmtlichen Individuen bes Heeres, bei Vermeidung ber in den verfchies 
benen Reglements auf Verlegung bes gewährten Schutzes feftgefebten Strafen, be 
foßlen wird, die auf dieſem Schupbriefe begnadigten Perfonen oder Derter, Ma 
Hanne, Etabliffements ıc. zu refpeftiren, b. 1. nicht au betreten u. unangefochten zu 
affen. Diefe Schupbriefe werben zur öffentlichen Einficht angefchlagen u. beſtan⸗ 
ben früßer blos in dem Wappen bes Staates, in befien Namen fie ausgeftellt 
waren, unter oder über welchem ©. ober salva gerdia geſchrieben fland. 

Salve regina, egießt ſeiſt du Königin) Heißt eine Antiphonie 
(f. d.) an bie Ar Jungfrau Maria, öfter mit Inſtrumentalbegleitung. Der Urs 
fprung dieſes Geſanges ift wohl in den Martenfeften vom 6. bis 9. Jahrhundert 
zu fuchen. Hermannus Gontracdus (f. d.) componirte das S. r. zweiſtimmig. Be 
ruͤhmt ift die Gompofttion von Pergoleſt, gelobt wirb auch die von Bogler. 

Salverte, Eufebe, geboren zu Paris 1771, ein bekannter franzöftfdher 


N 


Salvi — Salz, 1133 


Schriftfteller, war erft Advokat, dann Beamter beim Kataſterweſen, wurbe 1795 
nis Empörer vom Rationalconvent zum Tode verurtheilt, 1796 aber wieder freiges 
eben, Seitdem vertheibigte er in Schrift, vor Gericht u. in der Kammer (ſeit 

) bie Freiheiten des Volkes bis zu feinem Tode 1837. Außer einer großen 
Anzahl politifcher Brochuren fohrieb er die interefianten Werfe: „Essai sur la 

ie, les prodiges et les miracles“ (1817); „Des sciences occultes“ (2 Bde. 
1829-30) ; „Essai hist, et philos. sur des nomis d’hommes etc.“ (2 Bde. 1824) ; 
„De la. civilisation Venise, Raguse“ (1835). 

Salvi, Giovanni Battifla, genannt Saffoferrato, geboren zu 
Safioferrato 1605 und geftorben zu Rom 1685, war ein Schüler Guido's u, 
Albani's. Er malte vorzugsweife Bilbniffe der hl. Jungfrau mit dem Kinde in 
einer anmuthigen, boch gleichförmigen, den Jugendbildern Raphaels verwandten 
Manier. Sein Hauptwerk: „Der Tod bes Heiligen Joſeph“, befindet fich zu 
Monteflascone, 

Salvianus war geboren In Gallien u. zwar in ber Nähe von Trier (nad) 
einigen in Köln); es ift jedoch ungewiß, ob aus einer Heibnifchen, ober hriftlichen 
Samilie, obwohl für das erftere ber Umſtand zu fprechen fdheint, baß er eine 
heidniſche Frau (Palladia) Heirathete, die er indeß felbft nachher zum Chriſten⸗ 
thum befehrte, um bann mit ihr ein möndhifches Leben, in aller Enthaltung ches 
lichen Umgangs, zu führen, zum großen Berdruffe feiner Schwiegermutter, mit wel⸗ 
her er deßhalb 7 Jahre lange außer aller Berbindung blieb. Später finden wir 
ihn an der Küfte des füdlichen Frankreichs, wo er mit ben angelehnften Kirchen- 
Iehrern jener Zeit u. Gegend in inniger Freundſchaft fland, Sein Tobesjahr iſt 
ungewiß; Gennabius verfichert, daß er zu feiner Zeit (490-495) noch lebte, ob» 
wohl in hohem Alter, — Mit Kraft des Ausbruds u. mit einer gewiffen Eleganz 
des Style tritt ©., biefer Jeremias des 5. Jahrhunderts, den verdorbenen Sitten 
feiner Zeit entgegen. Er a mit teilen Gründen , daß wir unfer mannig⸗ 
faltiges Elend, unfere Gefahren u. alles Unglüd unferen Sünden sugnfcheeiben 
haben. Wir haben von ifm 9 Briefe, 8 Bücher über bie göttliche Vorſehung 
u. A Bücher gegen ben Geiz. Seine Homilien find uns verloren. Nach Barth follen 
mehre, dem Euſebius v. Emefa zugefchriebene Homilien dem S. engeßören. Seine 
Werke erichienen zu Paris 1580, 1594, 1663, 1669, 1684, Kürnberg 1623, 
Benedig 1728, Bremen 1688, Münden 1743, Baugen 1779, in ber Bibl. Patr. 
Max. T. VIII. p. 339 sq. u. in ®allandi Bibl. Patr. T. X. x. 

Salvus conductus, ſicheres Geleite, wird bisweilen criminill Angeklagten 
oder Beſchuldigten ertheilt, um ſich zu vertheidigen u. ſichert dieſelben, daß fie 
vor der Verurtheilung nicht verhaftet werden. Bisweilen erlangen auch dieſes 
freie Geleite Wechſelſchuldner von ihren Glaͤubigern. 

alz, nennt man im Allgemeinen einen Koͤrper, der aus der Verbindung 

einer Saͤure mit einem Alkali, einer Erde oder einem Metalloxyd, oder auch eines 
Alkali mit einem der zuletzt genannten Koͤrper entſtanden iſt u. mehr oder weni⸗ 
er einen eigenthuͤmlich ſcharfen, aͤtzenden (ſalzigen) Geſchmack hat. Die meiſten 
d in Waſſer, theils ſchwer, theils leicht aufloͤslich, einige jedoch ganz unauf⸗ 
loͤslich; manche zerfließen an der Luft, andere verwittern u. zerfallen zu einem 
feinen Pulver, Sie erleiden theils im Feuer keine Veraͤnderung (feuerbeſtaͤndige), 
theils werben fie von bemfelben in Dampf oder Luft verwandelt (fluͤchtige). Die 
meiften find Fruftallifichar,, einige bilden Dagegen eine pulverige, auch wohl eine 
Kmieige Malle. Der größte Theil ift weiß ober farblos, nur einige Metallfalze 
D gefärbt. In der Mineralogie bilden fie eine eigene @lafie oder Orbnung 
unorganifcher Körper, welche fi zum Theil [dom gebildet in der Ratur finden, 
oder aus anderen Körpern geſchieden werben koͤnnen. Ihre Anzahl ift fehr groß; 
mehre werben in ben en n. ®ewerben gebraudht, wie z. B. ber Alam, 
Bleizucker, Bitriol, Salmiaf, Salpeter u. |. w.; anbere finden in ber Mebizin Ans 
wendung ; viele intereffiren nur bie Chemiker. Das wichtigfte u. am allgemeinften 
gebrauchte: von allen S.n iſt das Koch⸗S., Küchen⸗S—, gewöhnlid —* 


S. genannt. Es iR ein für uns unentbehrliches Bebürfniß, da alle unfere Gpel- 
fen Damit gewürzt werben; auch verwenbet man es zum algen bes leifches, 
Behufs ber Aufbewahrung besfelben; es wird zum Yüttern ber Hausthiere, ſowie 
zum Düngen gebraucht u. findet außerdem mannigfacdhe Anwendung in ber Tech⸗ 
nit, Medizin u. Chemie Es wird daher auf ber garen Erde in ungeheuer 
Duantitäten verbraucht, findet ſich aber auch in ber Natur in unerfhöpfice 
Menge u. givar entweber in der Erbe in feflen, ben Steinen ähnlichen Maſſen, 
ober aufgelöst in dem Wafler vieler Quellen u. im Meere. Daraus folge De 
natürliche Eintheilung des S.s in Stein⸗S., Quell⸗S. u. See⸗G. er 
die Gewinnung des S.8 vgl, den Artikel Salinen. 

Salza, Hermann von, einer ber ausgezeichnetfien Männer feiner Zeit, war 
von 1210-1230 Großmeifter bes deut ſchen Orbens Ci. d.), der in das 
Chriſtenthum einfuͤhrte u. verrichtete dort bie größten Heldenthaten, wodurch ber 
Orden große Beflgungen erlangte. Er ſtarb 1239 in Salerno. 

Salz oder Ober ſalzbrunn, ein graͤflich Hochbergifches Dorf im 
Regierungsbezirfe Breslau ber preußifchen Provinz Schlefien, am Buße ber Eu 
beten u. am Salzbache, Hat 2000 Einwohner, eine taihotifche u, proteſtantiſche 
Kirche, Steinkohlengruben, fünf fehr befuchte Mineralquellen, Hübfche Anlagen u. 
Umgebungen ıc. Die Beftandiheile der biefigen Mineralwäfler, von denen alljaͤhrlich 
200,000 Flaſchen veriendet werben, : Iuftfaures Mineral-Laugenfalz, glaube 
rifches Wunderſalz, Kochſalz, kohlenſaure Bitter u. Kalferde u. toben Gas, 
Ihre Wirkung iſt meiſt auflöfend, befonbers bei Berhärtung bes Unterleibes, bes 
—— und bei chroniſchen Bruſt⸗ und Lungenuͤbeln. Auch eine Ziegen 
molfenfuranftalt befindet fih Hier. Näheres fche man in Lange „S. mit felne 
Duellen, 2ofalitäten, Sehenswürbigfeiten u. gebungen“ (Berlin 1837 umt 
Zemplin, „Die Brunnen » u, Molfenanftalt zu S.“ (2 Bde, Breslau 1831—-1837.) 

Salzburg, Hauptort des —— Salzachkreiſes, einſt des reichsun⸗ 
mittelbaren Erzſtiftes S., des reichſten und wichtigſten unter ben geiſtlichen Fuͤr⸗ 
ſtenthuͤmern Suͤddeutſchlands, eine ſowohl in geſchichtlicher und antlquariſcher, als 
auch durch ihre Herrliche, mit Naturſchonheiten uͤberreich gelegnete Gegend gleich 
merfwürbige Stadt, liegt zu beiden Seiten der Sala, in einer Enge zwiſchen 
dem Mönchs⸗ und Kapuzinerberge. Beide Höhen, Ausläufer der Alpen, 
find fteil abgeböfcht und mehre Häufer (Geftätten) in ihre fenfrecht ffarpirten 
Felfen eingebaut. Im Hintergrunde erhebet fi ein Amphitheater von Hochalpen, 
ber Staufen, ber Untersberg, ber Hohe GöN, der Zännenberg u. Gaisberg, und 
vereinigen fi} mit ben anmuthigen Thälern, der Stabt ein pittoresfes Anſehen 
zu geben, wie es woßl feine zweite in Deutfchland Haben möchte, Gegen Bayern 
zu breitet ſich fruchtbares Klachland aus. Zu bedauern iſt nur, baf bie Witter⸗ 
ung wege ber Nähe der Gebirge fehr unbefländig if und Häufige Regen ben 
Genuß Diefer reizenden Raturfcenen flören. — ©. Bat drei Borfläbte, Nonn⸗ 
thal, Müllen und Stein, Es ift befefliget, doch nicht fo faſt die Stahl 
felbft, welche mit ihren ziemlich fehabhaften Mauern und Wällen kaum zur wirds 
lichen Bertheibigung geeignet feyn dürfte, als das fchon durch feine Lage umd 
noch mehr durch gute Werke gefcägte Schloß Hohen-S. In das Imere ber 
Stadt führen 8 Thore, 4 bdieffeits und A jenfeits der Salzachbrüde. Das merk 
wuͤrdigſte barunter ifi bag Reus oder Sigmundsthor, in einer Länge vom 
415’, einer Breite von 22° und einer öhe von 39° durch die Felſen bes 
Moͤnchsberges als Tunnel gebrochen; an ber Stabtfeite fieht man das 
bes Erbauers, bes Erzbifhofs Sigmund, Grafen von Schrattenbach, mit ber 
Inſchrift: Te saxa loquuntur. — ©. iſt im arm wohl gebaut und zu ben 
ftattlicden Häufern vielfach der ſchͤne Marmor bes Untersberges verwendet. Die 
meift flachen Dächer geben dem Orte den überrafchenden Charakter einer italieni- 
ſchen Stadt mit aller Pracht fühlicher Bauart, inmitten befchneiter Alpen. Unter 
den 5 Hauptplägen behauptet ben erfien Rang der Refidenzplag, 250° brei 
und gegen 10000 lang. Ihn wmgehen ter Dom, tie Reiben, Dex fogenauntt 


Salzburg. 1135 


Neubau und das Kollegium und die Kirche bes Heiligen Michael. In feiner 
Mitte ſteht ein prächtiger Springbrunnen, ganz aus weißen Marmor und 50° 
Hoch, und auf dem regelmäßig angelegten Domplage Hagenauer’8 eherne Marien⸗ 
fäule. Den Mozartplap, ein längliches Biere mit anfehnlichen, 4—5 Stock⸗ 
werte Hohen Häufern, ziert das eherne Standbild des 1756 in S. gebornen Mos 
jet. Auch der Mirabellplatz iſt fehr ſchoͤn und geräumig. Trefflich find bie 
aflerleitungen, welche auf jedem Plate einen Brimnen füllen und von bem 
durch den Moͤnchsberg geführt ach gefpeist werden. Pflaſter und Bes 
leuchtung laſſen Manches zu wünfchen übrig. — Die Domfirche, im Geſchmacke 
des Batifans von dem itafieffchen Baumeißer Santino Solari 1668 vollendet, 
Fa gem frei zwifchen bem Refidenzplage und dem Domplabe umd gewährt durch 
re Groͤße und Majeftät einen ergreifenden Anblid. Sie it 360° lang und 
220' breit. An ber prächtigen, ganz aus weißen Marmor erbauten Zagabde ers 
heben fich zwei hohe Glockenthuͤrme und ober ber Kreuzvierung eine mächtige 
Kuppel. Das Innere iſt durchaus einfach und edel, ohne überladenden Brunf 
von Gold und Farben. Die Altäre find von rothem Marmor, eben fo die Grabs 
monumente ber pr her Bon den 6 Degen bat die größte 48 Negifer. 
Die Schapfammer enthält koſtbare Ornate und Kicchengeräthe, barımter Alterthmer, 
welche bis zur Zeit des Heiligen Rupert Binaufreihen. Das berühmte Benebikti- 
nerſtift St. Peter, vom heiligen Rupert gegrünbet, iſt eines ber älteften Kloͤſter 
Deutſchland's. Die Gebäude wurden 1657 — 1754 ganz neu aufgeführt, und 
im Borhofe berfelben fleßt ein fchöner Marmorbrunnen mit der Statue bes Heil. 
Petrus. Die Kirche Bat eine Menge Altäre, alle von rothem Marmor; an einem 
ber vorberen Pfeiler ift das Grab bes Heiligen Rupert angebracht. Michael 
Haydn's Monument. Im Eonvente ifl die veihhaltige Bibliothek in fieben Zim⸗ 
mern aufgeftellt. Große Sammlungen von Kupferſtichen, Münzen und Raturalien, 
insbefondere ein Herbar von 10,000 Arten, Schagfammer, wichtiges Archiv. Am 
Moͤnchsberge, rechts vom Klofter, befindet ſich der alte Reichenhof, ber eine 
Menge, über bas 15. Sahrgundert hinausreichender Grabmäler und bie uralte 
St. Rargareifenficche umfchließt.. Hoch oben am Berge if in bie Felſen bie 
Einftebelei des heiligen Marimus eingehauen. Die alte Pfarr⸗ oder Franzis 
kanerkirche Hat eine fehr merfwürdige Bauart. Sie befteht nämlich aus zwei 
AbtHeilungen, einem 92° Hohen, im altgothifchen Gefchmade erbauten Sechsede, 
und dann aus einem Pr als um bie Hälfte niedrigeren Schiffe neueren Styles, 
Die Univerſitätskirche if ein prachtvolles Gebäude Im römifchen Gefchmade, 
von einem herrlichen Dome überwölbt. Noch verbienen erwähnt zu werden bie 
Kirche der Urfulinerinen, bie Eajetanerficche, die Kirche der Benebiftinerinen 
auf dem Ronnberge und ſchoͤne Glasgemälde von 1840 enthält, welche auf 
ber Stelle bes Castri Juliani erbaut iſt die Kirche St. Sebaftian, in beren 
Borhalle Theophraftus Paracelfus ruft. Im Ganzen zählt ©. 26 größere und 
fleinere Kirchen. Unter ben weltlidden Gebäuden if das merkwuͤrdigſte die Re- 
fidenz, ein weitläufiger Palaft, welcher 1110 begommen und erft um bie 
Mitte des 17. Jahrhunderts vollendet wurde. Durch Schönheit der Stuffaturs 
arbeit zeichnet fh ber fogenannte Markus, Sitticuss Saal aus. Gegenüber ber 
Refidenz liegt ber Neubau ober bie neue Refibenz, 1588 — 1645 errichtet ; in 
dem barangebauten Thurme iſt ein hollaͤndiſches Glockenſpiel aufgeftelt. Der 
ehemalige fürft -erzbifchöfliche Marſtall, jetzt als Bavallerie- Kaferne benuͤtzt, mit 
der Winterreitfchule 650° lang und im Innern von Marmor firogend, ift eines 
der prachtvollſten Gebäude der Art in Europa. Daran floßt bie originelle Som⸗ 
merreitſchule; ihre am Berge gelegene Seite befteht aus einem Amphithenter mit 
drei Reihen Arkaben übereinander, für bie Zufchauer in bie Zelfen gehauen. In 
ber Mitte ber marmornen Pferdeſchwemme erhebt fit auf einem “Biebeflale ein 
kuͤnſtlich gearbeitetes auffteigendes Pferd, das ein nadter, nerviger Roffebändiger 
am Zaume zurüdreißt. Mit koͤniglichem Glanze war Schloß Mirabell in dem 
am rechten Mfer dee Salzach liegenden Stabttheile ausarkoitet; 3 üromme NUN 











1136 Salzburg. 


mit 74 andern Gebäuden ab, ift aber jebt wieder Kergeftellt. König Dito von 
Griechenland wurbe in feinen Räumen geboren. Andere bemerkenswerte Ge⸗ 
bäube find das Rathhaus, ber gräflih Küenburg’fche Palaft, das Theater, das 
Geburtshaus Mozart's (Nro. 225), der Univerfitätsfiche gegenüber. — Die 
FR: Hohenſalza oder Hohen⸗S. liegt auf dem 500° über die Salzach 
ch erhebenden, auf drei Seiten jäh abfallenden Ronnberge, ber legten Abdachung 
des fchmalen Moͤnchsberges. Ste iſt durch. ihren Standpunkt im Raume fehr 
beengt, und wird jebt mehr als Paferne wie Befängniß benuͤht, doch Hat fie 
egen ben Möndysberg Hin fehr ſtarke Außenwerke. Die Rundfiht von ihren 
—8* herab über Stadt und Lanbdſchaft iſt beſaubernd. Die intereſſanteren 
Partieen dieſes Hochſchloſſes find bie ſechs Thuͤrme (oberer und unterer Trompe⸗ 
terthurm, Feuerthurm, Giftthurm ꝛc.), bie Georgskapelle, ber Ritterſaal, ber 
Ofen mit den merkwuͤrdigen mythiſchen Arabesken, das Hornwerk (Orgelwerk von 
200 Pfeifen), das Schlangenrondell, das Zeughaus, das Verlies, das heimliche 
Gericht. — S. iſt der Siß eines Fuͤrſterzbiſchofs, eines Kreisamtes, Stabts und 
Landrechtes, Merkantil- und Wechſelgerichts, und Kat ein Lyceum (ſonſt Univer⸗ 
fitaͤt) mit Bibliothek von 36,000 Bänden, botaniſchem Garten, phyſikaliſchen und 
zoologiſchem Muſeum, ferner ein Alumnat, ein Gymnaflum, ein neu enes 
„buͤrgerliches Provinzialmuſeum“ für ſalzburgiſche Alterthuͤmer, mit welchem bie 
reihen Waffenſammlungen des alten Zeughauſes vereiniget worden ſind, Volks⸗ 
Induſtrie⸗, Sonntags⸗ und Maͤdchenſchulen, ein großes Konvikt, eine Militär: 
equitations-Anflalt, ein Taubflummeninftitut, vier Manns-, drei Frauenkloͤſter, 
vier Spitäler, zwei Siechenhaͤuſer, ein Irrenhaus, eine Waifenftiftung, ein Leib 
amt, eine Soolenbabanftalt. Die Bevölkerung beträgt 13,200 Seelen. Lebhaft 
it ©. befonders in den Sommermonaten durch bie vielen Fremden. Fabrifen gibt 
es für Leder, Eifenwaaren, Majoliken, Baummwollenwaaren; auch verfertiget man 
Draht, Stärke, Tabak ıc. In der Gegend befinden ſich Marmor: u, Steinbrück, 
Kalk⸗ und Gypebrennereien, Loh⸗ und Sägemühlen. Nicht unbedeutend ift ber 
Tranfitohandel. — S.s Herrliche Yage überficht man am umfafiendften vom Kapu⸗ 
zinerberge, malerifcher vom Moͤnchsberge; alle Mebergänge ber Natur, von ber 
weiten Ebene nördlich bis zu den Eisbergen der Hochalpen im Süben, liegen Hier vor 
bem Blicke. Die intereflanteften Orte in der Umgegenb find: das kaiſerliche Luftfchloß 
Hellbrunn, wohin eine, eine Stunde lange ir ne Buchen: u. Lindenallee führt, 
mit einem Parke, berühmten Waflerfünften, einem Kelfentheater und Thiergarten; 
das kaiſ. Jandichloß Kleßheim mit Faſanerie und fchönen Gärten; das gräflid 
Firmianiſche Schloß Leopoldskrone, an einem großen Teiche liegend, in welchem 
die Schwimmfchule Salzburgs angebracht ift; in den Moorgründen dabei Schlamm: 
babdanftalten; Schloß Glanek, am Fuße des Unterberges, in defien Nähe große 
Marmorfägen, Kugel⸗ und Schuffermühlen find, dann ber berühmte Marmorbruch 
u, der ſchoͤne Waflerfal ber Glan, Kürftenbrunnen genannt (von Bier aus 
befteigt man gewöhnlich den Untersberg); Schloß Goldenſtein mit fchönen 
arfanlagen; die Wallfadrtsfiche Maria Blain auf dem ‚Piamberge mit herr⸗ 
lichen Ausfihten; bie alte Burg Radeck. Die Perle von S.8 gebungen 
aber bildet Aigen, mit ſeinem ausgeaeichneden Parke, an großartigen Proſpekten 
der erfte in der Welt, Domherr Fürft Ernſt Schwarzenberg legte ihn vor HC 
Jahren an. Der Wazmannplag, der Wafferfal und ber Prebigtfiußl find Die 
vorragendften Partien. Bon Aigen befteigt man ben Gaisberg, ber ein pracht⸗ 
volles Panorama bietet. Die Gegend um Salzburg ift auch einer ber reichſten 
Fundorie römifcher AltertHümer, So wurde auf den 2oigerfeldern ein ſchöner 
Fußboden, Thefeus Gefchichte barftellend, ausgegraben, u. am oirgeiRein, am Fuße 
bes Kapuzimerberges, eine ganze Reihe ber merfwürbigften Antifen. Ein wohl⸗ 
erhaltenes römifches Bad befindet fi im Hofe des Johannisſpitals. — S., auf 
der klaſſiſchen Stätte Juvavia’s, ber Kolonie Hadrians, war ſchon im erften 
Sahehunberte n. Ch. ein mächtiges römifches icipium. Das Ghriftenthum 
fand bort früh Eingang. Zur Bet ber großen Bölferwanberung gegen Ende bed 





Salzburg. 1137 


fünften Jahrhunderts wucde bie Stabt nad) einander von ben Weſtgothen, Hun- 
nen und Herulern zerflört. Meber 200 Jahre lag fie unter dem Schutte begraben, 
ba fam der fromme Schotte Rupert (Hrobbert) als Miſſtonaͤr in ben beinahe 
unbewohnten Landſtrich des heutigen Salzburgs, und baute hier exft zu Seefirchen 
ein Sirchlein, und als die Zahl feiner Jünger fich mehrte, an ber Stelle bes ver: 
wüfteten Juvavla um 632 Kirche und Klofter St. Peter, Herzog Theobo I, 
von Bayern begünftigte feine Bemühungen und ſchenkte ihm alles Land zu beiden 
Eeitn bee Salzach, dazu ben britten Theil der Salypfannen zu Reichenhall und 
die Salzwerke am Dürrenberge. Rupert machte durch Fleiß und Einſicht ben 
Boden bald urbar und verbefierte auch ben Betrieb der Salinen. Arno, ber 
fiebente in ber Reihe ber Bifchöfe Salzburgs, wurde vom Pabfte Leo III. zur 
erzbifchöflichen Würde erhoben, fo Hoch war bereits bie ee und weltliche 
Macht der Nachfolger des AL Rupert geftiegen. Indeß entftand Hierüber nad 
bee Hand ein langwieriger Hader mit den Bifchöfen von PBaffau, die, als Nach⸗ 
folger der Erzbiichöfe von Lorch, für fi das Ballium anſprachen. Der Streit 
wurbe 971 endlich zu Bunflen der Kirche Salzburg’s entichieden, welcher fortan 
bie erzbifchöfliche Würde blieb. Gebhard, Graf von Helfenftein, der bis 1088 
regierte, erhielt wegen feiner Anhünglichfeit an ben Pabſt in den Kämpfen 
des römischen Stuhles gegen Kaiſer Heinrich IV. die Immerwährende Würde eines 
apoftolifchen Legaten aller deuticden Kirchen, und nad einer am 4. Juli 1278 
von Kaiſer Rudolf 1. zu Wien ausgefertigten Urkunde erlangten bie Erzbiſchöfe 
von Salzburg Sig und Stimme unter ben erflen Reichsfuͤrſten Deutfchlands. 
Zugleich behaupteten fie bie Würbe eines Primas von Deutfchland, welche fie 
feinem andern Metropoliten jemals einräumten. Ucberhaupt Hatten bie Erzbiichöfe 
von ©. große Vorrechte. Sie fonnten in den Adelſtand erheben, Hatten mit ben 
Herzogen von Bayern das Direktorium im bayerifchen Sreife, bei ben Reichstagen 
Die erfie Stelle auf ber geiftliden Banf im Fürftenrathe und abwechſelnd mit 
Defterreich das Direktorium im Reichsfuͤrſtenkollegium. Auch erhielten fie vom 
Kaiſer, ſelbſt wenn fie nicht aus fürftlichen Häufern waren, den Titel Ew. Liebben, 
wäßrenb bie geiltlihen Kurfürften in biefem Falle nur Ew. Andacht genannt 
wurben. Ferner burften fie bie Kleidung der Kardinaͤle tragen, bie Bifchöfe von 
Burf, Ehiemfee, Sedau und Lavant felbft u. allein ernennen u, einweihen, ohne 
daß die Beflätigung bes Pabſtes nöthig geweſen wäre, ein Vorrecht, welches fonft 
feinem Erzbifchofe zufam. Das Land fowohl al8 die Stadt Salzburg Hatten fich 
jeberzeit der Sorgfalt ihrer geiftlichen Bürften zu erfreuen. Viele wohltgätige und 
weife Ainrichtungen wurden getroffen, Herrliche Gebäube errichtet, Schulen und 
eine Mniverfität (1623) gegründet, Erzbiſchof Leopold Anton, Graf von Firmian, 
die katholiſche Religion in feinem Gebiete von dem Einfluffe des Proteftantismus 
ein zu erhalten fuchend, nöthigte durch die firengen Maßregeln, welche er zu biefem 
3wede ergriff, in den Jahren 1729—33 bei 30,000 meift fleißiger und nüglicher 
Intertdanen zur Auswanderung. In dem Zuftande gänzlich unabhängiger Eri- 
terra blieb das Hochftift, deflen Territorium 180 [JM. mit 190,000 Einwohnern 
unfaßte, bis zum Frieden von Luͤneville. Durch Diefen Akt wurde das geiftliche 
fürftentbum Salzburg fäkularifitt und ber letzte Erzbiſchof (als foldyer ber GOfe 
rn ber Reihenfolge), Hieronymus Graf von Eollorebo , entfagte ber weltlichen 
Iandeshoheit, Doch. behielt er fowohl, wie fein Nachfolger, den Titel Fuͤrſterzbiſchof 
t. auch jenen eines Primas von Deutfchland bei. Den 11. Febr. 1803 wurbe 
5. von dem Erz⸗ und Großherzog Ferdinand als entjhäbigung für Toskana 
ınter der Würbe eines Kurfürſtenthums in Beſttz genommen ; 1805 wurbe e8 
wech ben Preßburger Frieden als ein Herzogtfum ber öfterreichtichen Monarchie 
inverleibt, 1810 an Bayern abgetreten, 1814 aber, bis auf den jenſeits ber 
Salzach gelegenen Landftrich, wieder an Defterreich zurüdgegeben. — Zauner: 
Ehronif von ©., fortgefegt von Gärtner, Salzb. 1813; Kleinmayer: bie letzten 
reißig Jahre des Hochftiftes u. Erzbisthums S., 18165 Notizen über fämmtliche 
Alterthümer ıc. in H. Nofenegger’s Landfig Birgelftein ausgegraben, ©. 1817; 
Kealencyclopäbie. VII. . 12 


1133 Salzkammergut. 


Fr. Al. Weiſſenbach: Aigen, Beſchreibung u. Dichtung, ©. 1817; B. Hader: 
Wegweiſer in der Stadt ©. uud ber Umgebung, 3te u ©. 1830 ; Salzburg, 
die Stadt u. ihre Umgebungen, 6. Aufl., ©. 1844; Rudolph Hinterhuber: 
Der Gebirgsfreund — Ausflüge auf die Alpen u. Hochalpen S.s, S. 1847. mD. 
Salz ammergut, bas, wird feiner fchönen und reizenden Gegenden tvegen 
auch die ofterreichtiche Schweiz genannt, und zwar mit ungleich befierem 340 
als jener Landſtrich, dem längft ber Name und Ruhm ber fächfifchen Schweiz 
sine omen beigelegt wurbe. Es gränzt gegen Oſten und Süden an Steyermarl, 
gegen Weften an Salzburg, gegen Rorden an das Hausrudviertel Dberöfterreiche, 
und bildet die ſuͤdweſtliche Ede des Traunfreifes, bei einem Klächeninhalte von 
113 IM. eine Benölferung von 18,000 Seelen habend, barunter 3500 Pro; 
teftanten. Cigentlich beſteht das S. nur aus den 3 Diftriften von Iſchl, Ebenfee 
und Hallſtadt, doch wird gewöhnlich die Etabt Gmunden mit bem Pfleggerichte 
Ort unter dem uneigentlichen Namen bes äußeren Kammergutes bazu gerechnet. 
Den Namen hat es von ben in feinen Bergen befindlichen reihen Salzminen, 
welche einen großen Theil der Monarchie mit Salz verfehen, befien Erzeugung u. 
Berfendung ben Hauptnaßrungszweig der Einwohner ausmacht. Es ift ganz Alpen 
land, u. viele feiner Berge erreichen eine bedeutende Höhe, fo der Anfogel 10,291, 
der Hohe Dachſtein 9490', die Schneebergwand 8904 ıc. Kine entzüdende 
Ausſicht auf die ganze Gegend und felbft in Die weitere Ferne genießt man auf 
dem 5628° Hohen Schafberge bei St. Wolfgang. Man überblidt Hier 19 
Seen; feit 1833 fteßt auf dem Gipfel ein Wirthohaus. Das Ländchen ift rei 
an Seen unb wird von der Traun durchfloßen, die den Hallſtäbterſee mit dem 
Gmunder⸗ oder Traunfee verbindet und bei Lambach einen fchonen Fall bildet, 
Die Bewohner bes Kammergutes find ein bieberer und fleißiger Menfchenfchlag; 
6000 berfelben arbeiten in den Sakzwerken, welche jährlich eine Ausbeute von 500,000 
Zentner geben, die übrigen befhäftigen fi mit Holzfällen und Holzhandel in 
den wohlbeflandenen Waldungen, der Zifcherel, der Jagd, der Bichzucht und dem 
Bertriebe mit Gyps und Schleiffteinen. Den Getreidebau geftattet Die — 
heit des Landes faſt gar nicht. Die wichtigſten Punkte und Ortſchaften im Salz⸗ 
kammergute find: Gmunden, eine landesfürſtl. Stadt am Traunſee und Gik 
des k. k. Salinenoberamtes mit 3300 E., Ebenfee, das berühmte Bab Iſchl 
(f. d.), der Markt Hallſtadt mit feinen Salgwerfen, an bem überaus malerifchen 
Halftädterfee, Laufen, das uralte Traunfirhen am Traunfee, wo bie Frohn⸗ 
leihnamsprogeffion zu Schiffe gehalten wird, eine Feier einzig in ihrer Art, das 
pittoreks gelegeene Seefhloß Ort. Zügen wir dem GSchluffe dieſer kurzen 
ganbeöbeithreibung noch eine Stelle von dem berühmten englifchen Reiſenden 
Humphry Davy bei, welcher ſich über die Schönheiten des Salzfammergutes fol: 
gender Weiſe ausfpricht: „Ich kenne Fein reizenderes Land, als bie Gegenden bes 
öfterreichifhen Saljfammergutes. Die Abwechslung in ben Partien, das Herrliche 
Grün der Wiefen und Wälder, die Tiefe feiner Thäler und die Höhe feiner 
Berge, bie Klarheit und Größe feiner Klüffe und Seen, geben ihm nach meiner 
Meinung einen entſchiebdenen Borzug vor ber Schweiz, welche es auch jedenfalls 
an Liebenswürbigfeit der Bewohner übertrifft.” — Was bie Gefhichte des Laͤnd⸗ 
chens betrifft, fo ift bekannt, baß in diefen Gegenden Sübbeutfchlands feit unfür= 
benfliden Zeiten die Kelten und nach ihnen die Römer hausten. Erſtere ſchon 
verftanden die Bereitung des Salzes, welche unter ben Römern bebeutenb fd“ 
verbefierte. Durch die Völkerwanderung geriethen die Salinen gänzlich in Ver 
fall, und erft im Jahr 1192 gefchieht wieder Meldung von einer bei Iſchl betrie= 
benen Salzkothe. Eliſabeth, Kaiſer Albrecht I. Gemahlin, welche bas Salzkammer— 
gut zur Morgengabe erhielt, war bie Begründerin bes eigentlichen Salzbergbaues 
und Salzfudwefens bafelbft, indem fie gegen Ende bes 13. Jahrhunderts zuerſt 
ben Halljtäbter era bebauen ließ und den Markt Halftadt nebſt Pfannen= 
Haus aufführte. Unter Ferdinand II. (1562) wurde ber Iſchler Salzberg entdeckt. 
Ralfer Rudolf 1. ließ, um die Walbungen bei Hallftabt mehr zu fchonen, 1566 


Salzmann — Salzwedel, 1139 


einen Theil der dortigen Sulzen nach Ebenfee führen und daſelbſt ein neues Sub- 
weien errichten. Der Bauernfrieg von 1626—28 erfchütterte den Wohlſtand bes 
Sammergutes ungemein. 1743 wurde das Salzamt in Gmunden zu einem Salz⸗ 
oberamte erhoben. — J. Steiner: Der Reifegefährte durch bie öfterreichifche 
Schweiz oder das obderenfifche Salzkammergut, Linz 1832, m. 8.5 Eduard Röb- 
fer: Reifchandbuch für Salzburg u. das Salzfammergut, S. 1848. mD, 
algmann, Chriſtian Gotthilf, Sohn eines Predigers, wurbe geb, 1. Juni 
1744 zu Sömmerda bei Erfurt. Bon feinen Eltern tuͤchtig vorgebildet, beſonders 
in religiöfer Hinficht, fam er in feinem 13. Jahre auf bie Schule in Langenſalza, 
2 Jahre fpäter befuchte er bas Gymnaſtum in Erfurt, wo inzwifchen fein Bater 
Prediger geworben war, Im Jahre 1761 begab ©. ſich auf die Univerfität Jena, 
um Theologie zu fludiren. Im Jahre 1768 wurde er Pfarrer in Röhrborn, 1781 
in Erfurt und noch in bemfelben Jahre Lehrer am Philanthropin zu Deſſau. Im 
Jahre 1784 verließ er Deſſau umb gründete auf dem von ihm angefauften Gute 
Schnepfenthal bei ae lm im Gothatfhen eine Erziehungsanftalt. Der 
Herne von Gotha fchenkte ihm A000 Thaler zu biefem Untanehmen. Er flarb 
1. Oftober 1811. ©. erwarb ſich große Verdienſte als Erzieher und Volks⸗ 
ſchriftſteller, wenn auch feine reinpraftifche Richtung nicht in jeder Hinficht ge 
billigt werden kann. Das Ziel feines Strebens war: Geſundheit des Körpers, 
Klarheit bes Geiſtes u. Frieden bes Herzens zu begründen. Seine Rinderfchriften 
empfehlen fich burch lebendige Darftellung einfacher Thatfachen u. täglicher Er⸗ 
ſcheinungen. Bon feinen Werfen, deren Döring Al unführt, nennen wir: Pre⸗ 
digten für Hypochonbriften, Gotha 1778, 2. Aufl. 1804. Unterhaltungen für Kin⸗ 
der und Kinderfreunde, Leipzig 1779—87, 8 Bde. 2. Aufl, 1811—12, 4 Bde; 
Beiträge zur Aufflärımg des menfchlichen Berftandes in ‘Brebigten, daſ. 1779; 
Gottesverehrungen, Defiau u. Leipzig 1781—88, 6 Sammlungen, 2. Aufl. 1786 ; 
Moral, Elementarbudh, Leipzig 1782 — 83, 2 Theile, 3. Aufl. 1819-20; Karl 
von Karlöberg, oder über das menfchliche Elend, daſ. 1783—88, 6 Theile. Ber: 
ehrungen Jeſu, baf. 1784; Reifen ber Salzmann'ſchen Zöglinge, baf. 178493, 
6 Bde.; Der Bote aus Thüringen, eine Wochenichrift, Schnepfenthal 1788— 
1812. Ueber bie Erlöfung der Menſchen vom Elende durch Jeſum, Leipzig 1789 
—90, 2 Bde.; Eonftants curiofe Lebensgeichichte, daſ. 1791—93. 3 Thle; Chriſt⸗ 
liche Hauspoftille, Schnepfenthal 1792 — 94, 5 Bde.; Der Himmel auf Erden, 
Rofenthal 1797, 2. Aufl. 17935 Heinrich Gottſchalk in feiner Familie, daſ. 1804, 
3. Aufl, 1822; Ameiſenbüchlein, daſ. 1806, 2. Aufl. 1807, N, 
Salsfäure (Hydrohlorjäure), eine farblofe, oder etwas wenig gelbliche, ſtechend 
ſauerriechende Flüfligkeit, welche an ber Luft erftidende Dämpfe ausftoßt und auf 
ber Haut Zuden und bösartige Entzündungen verurfadht, Sie ift eine Verbindung 
von Ehlor (f. d.) und Wuflerftoff, roͤthet Ladmuspapier (fe Rengentien) ehr 
ftarf und verbindet fi mit Metallen u. Metalloryden. Die S. wird im Großen 
Dargeftellt nnd zwar dadurch, daß man Kochfalz und etwas verbünnte Schwefel- 
fäure (Bitriolöl) mit einander erwärmt, wobei ſich Ehlorwaflerftoffgas entwidelt, 
welches man unter die Oberfläche eines möglichft kalt gehaltenen Waſſers fo lange 
leitet, als noch davon verſchluckt wird. Auf 1 Pfund Kochfalz rechnet man 1 
Pfund vorgefchlagenes Waſſer, welches, indem es fih um etwa die Hälfte feines 
Bolumens ausbehnt, zu 13 Php S. wird. Durch Vermengung von S. mit 
Salpeterfäure erhält man das ſogenannte wönigewai fer, welches zum Auflöfen 
bes Goldes, Platins ıc. verwendet wird. Die ©. findet in der Chemie u. Technif 
vielfältige Anwendung. aM. 
Salzwedel, Kreisftabt im preußiihen Regierungsbezirke Magdeburg, mit 
2000 Einwohnern, war früher befeftigt u. wird von dee Bier ſchiffbaren Jeetze in 
die Alt» u. Reuſtadt gethrilt, Hat ein Gymnaſium, zwei Hofpitäler, einen Verein 
für vaterländifche Geſchichte u. Induftrie, Zueerraffinerien, Wollenzeug s, Linnen⸗, 
—A Pfeifen- u. Nadelfabriken und anſehnlichen Handel. In der Raͤhe 
befinden ſich zwei unbenützte Salzquellen, daher Der Name ber Etabt. Von 
72 


1140 Salzwerke — Samarkand. 


ihr führte auch die Ottoniſche Linie des Hauſes Brandenburg (ſ. b.) den 
Beinamen Salzwedeler. 

Salzwerke, ſ. Salinen. 

Samariter, Samaritaner, wurden nach ber Zerſtoͤrung des Reiches 
Iſrael hauptſaͤchlich die Avaer, Emathiter, Kuthäer und andere heidni⸗ 
ſche Stämme genannt, welche durch die Aſſyrer in bie veröbeten Gegenden 
verpflanzt wurden, bort mit ben zurüdgebliebenen ärmeren Iſraeliten verſchmolzen 
und fogar in der wahren Gottesverehrung unterrichtet wurden, aber babei nod 
ben Gogen bienten, bis endlih Ezechias, König von Juda, alle Iſraeliten 
zur Theilnabme an dem wahren Gotteöbienfte einlub und darauf den Götzendienft 
nicht nur in Juda, fondern auch in Iſrael zerftörte, was dann König Fo fias 
vollendete, mithin Die von den Propheten gewünjchte Wiebervereinigung thatfäch- 
lich bewirkte, Allein ber, feit der Trennung des Davidifchen Reiches entftandene, 
Br zwifchen Juda u, Iſrael war durch die Vermiſchung ber letzteren mit ben 

eiden nur noch bei erfteren gefliegen. Er zeigte ſich beſonders, als die iſrael⸗ 
ttifhen ©. an bem zweiten Tempelbau nach ber Wegführung Theil nehmen 
wollten; bie Jubäer verwarfen alle Verfuche bazu beharrlich und Die beleidig- 
ten S. rächten fich durch allerlei Umtriebe an jenen. Als nun Sanaballat, ber 
perfiide Statthalter, ein eigenes Oberprieftertfum in Samarien errichtete und 
auf dem Berge Garizim bei Eichem um 440 v. Chr. einen Tempel erbauen ließ, 
dba war ber Schritt zur völligen Trennung gethan. Zwar zerflörte Johann 
Hyrfan I. diefen Tempel (129 vor Chr.); allein die ©. fuhren fort, ihre An- 
dacht auf dem Heiligen Berge zu verrichten und zu opfern, So iſt ber Haß zwis 
ſchen den S.n einerfeitS und zwifchen den Galildern und Judaͤern andererfeits 
leicht begreiflih. Bei lehteren wurde der Name S. förmlich zum Schimpfworte, 
welches einen Religionsfeind und fehlechten Menfchen bezeichnete. Sie vermieden 
ferner jede Bemeinkhaft mit den Sn und verfagten ihnen bie geringften Liebes; 
bienfte. Die ©. waren im Ganzen mäßiger geſtunt und hatten richtigere Begriffe 
von dem Mefflas. Jeſus fendete zwar Anfangs feine ger nicht zu den Sn, 
aber bald durchwanderte er nicht nur Samarla, fondern er ftellte auch Die ©. 
öfters als Mufter ber Nachahmung bar u. fand bei denfelben willige Aufnahme, 
Die Ueberbleibfel der S. leiten fi von ben fegnenden Stämmen her und geben 
fih für Ephraimiten aus. Sie beobachten genau das moſaiſche Geſetz: ben 
Sabbath, bie Beichneibung u. die Waſchungen; feiern bie mofaifchen Feſte, eſſen 
das Pafiahlamm und glauben an die Engel und an bie Auferftehung Sie ers 
fennen aber nur ben Pentateuch als göttlich an, der von Abifun, dem Enfel Aa⸗ 
ron's, gefchrieben feyn fol; Die Bücher Jofue und die Richter ehren fie blos; bie 
meiften übrigen Bücher der Heiligen Schrift verwerfen fie, weil felbige Stellen 
gegen fle enthalten. Sie beten jährlich dreimal auf dem Garizim, zu Sichem 
opfern fie Die Sprache dieſes merfwürdigen Volksreſtes (bei Sichem) nähert 

mehr dem aramäifchen, als dem althehräifchen Dialekte, 

Samarkand, das alte Marakanda, weldhes Alerander der Große zerftörte, 
jest die Hauptftabt der Bucharei, am Kuandarja oder Kohuf, in einer von 
vielen Kanaͤlen bewäfferten u. deßhalb frudstbaren Gegend, mit 30,000 Einwohnern, 
ift gut gebaut und war einft der glänzende Sitz Timur's oder Tamerlan's (1369 
bi8 1468), bie gefelerte Hochſchule muhamedanifcher Wiflenfchaften und einer der - 
bedeutendſten Stapelorte des indifch » aflatifchen Bienenhanbels, Hat aber viel von — 
feinem alten Glanze verloren, obſchon es immer noch ein Hauptſtapelplatz der— 
Karawanen ift, welche Mittelaften burdhziehen, u. auch durch induftielle Thätig-— 
feit ſich auszeichnet. Baumwollen⸗, Wollen» und Seidenfloffe, gutes Leder, vor— 
treffliches Seidenpapier, Pergament, Salmiak, Waffen, find die Hauptartikel, welche 
hier fabrichrt werden. | 





Ba Seine 1 
Batricl 


— 3 
Baer, 


Pairimonium Petri, 5 


Baulicianer. 16 

Banline. = 

Baulifen. 1 

Paulus orig), 17 

Paulus (Cinfledier). 24 

Baulns (Heinrich). 28 

Banperiomus. 29 

5* 20 
Pauſe. 29 

Baufilippo. 29 

Pauw. 30 

*Bavefabe. 30 

Pavla. 30 

Bavian. 31 

Papillon. 31 

Payne, 31 

Bays de Dand, 31 

Päzman. 31 

Vearce. 32 


Peculium. 33 
Pedal. 33 
Pedalharfe. 34 
Bebanterie. 34 
Bebell. 34 
Beblanue, 34 
Berro. 34 
Peel. 34 
Peerllamp. 44 
Begafos. 44 





Reg 


itern 





9 


Begel. 44 
Beguigorben. 44 


% 5 
Pelaglaner. 46 
Belagins. 46 
Pelargoulum. 47 
Welasger. 47 
Belet. 48 
Belene. 48 
Belew. 48 
Pellas. 49 

gel 





—— 40 
Belion. 
Beliffon-Fontaniers 49 
Bellegrini, 50 
Bellagra. 50 
Belletom. 50 
Bellico. 51 
Belopidas. 51 
Beloponnes. 51 
PeloponnefifcherRrieg.52 
Belops. 52 
Beloton. 52 
Belz. 52 
Bembrofe. 52 
Senaten, 53 
Bendel. 53 
Pendſchab. 55 
Pene lope. 55 
Fig 55 
Penn. 66 
Bennal. 57 
Penunant. 57 
Benufyloanien. 58 
Pennſylvaniſches Ges 
—*28 2 
Benny. 
Beten. 6 0 
Pentachord. 60 
Bentagramm. 60 
Bentameter. 60 
Bentapla. 61 
Bentapolis. G1 
Pentateuch. 61 
Pentathlou. 61 
Benteliton. 61 
Benterbalfen. 61 
Benthemimeres, 62 





Pentheſilea. 62 
Bentheus. 82 
Benthiövre- 62 
Bepe. 62 
Bepinlöre. 62 
Pera. 62 
Berceval, 62 
Bercuffion, 63 
Berenfiionsmafchine, 84 
Vercy (Familie). 64 
Perch (Baron). 64 
Berdiffas. 64 
Beregrinus. 65 
Perennitend. 65 
Berfectibilität, 65 
Berforation, 65 
Bergament. 66 
Bergamum, 66 
Bergolefe. 86 
Verhoreseiven. 67 
Beriander. 67 
Berigefis, 67 
Berier. 67 
Berigäum, 69 
Berignon, 69 
Berigord. 70 
Berihelium.. 70 
Perilles. 70 
Berifopen.. 70 
Beriflus. 70 
Berimeter. 70 
Periode. 70 
Beripatetifer. 71 
Beripherie. 72 
Beriphetes. 72 
Perlphraſe. 72 
Beriplus. 72 
Beripteros. 72 
Peralifge Bewegung. 
KL 


Berifyl, 73 
Berigonins. 73 
Berfiniomus, 73 
Berlins. 73 
Berlin Warbeck. 74 
Berkunoe. 74 
Berlen. 74 
Perihnhu. 76 
Berlmutter. 76 
Perm. 77 
Vermutation. 77 
Pernambuko. 77 
Beron. 77 
Peronue. 78 
Berottl, 78 





Perpenbifel. 78 

— mobile 28 
man. 

Perponger« Geht. 


Verrault. 80 

Berfenbeng. 81 . 

Berfephone. B1 

Perſepolis. 82 

Berfes. 82 

Berfens. 82 

Beafien. 83° 

Berfillage. 87 

Berfige Religion. 88 

Berfilge Eprade mb 
Literatur, 90 

Perfius. 91 

Berfon. 92 

Berfonalfteuern, 92 

Berfonenzeht. 92 

Berfonification, 92 

Berpeftive, 92 

Ver ſpeltivmalerel. 93 

Werth. 93 

Bertinar. 94 

Bertinenzien., 94 

Berturbationen, 94 

Berh. 95 

Bern. 96 

Beruanife Rinde. 98 

BernanifcherBalfam. 98 

Beräden. 88 

Perugia, 98 


BeRalogzi. 102 

Bert. 106 

Wetarbe. 109 

Petavins. 109 

Betechien. 110 

Veter (Heiliger). 110 

Beter (Kaifer). 111 

Beter (Rönige), 116 

Beter (Berfchievene Pers 
fonen). 117 

Peterborong. 117 

Beterhof. 118 

Peeemdungen (Eile). 
118 - 


1142 


RNegifter. 


Betermänndhen (Scheides | Pferd. 155 


münge). 118 
Petersburg. 118 
Deterfen. 122 
Metersgrofchen. 122 
Peterfilie. 122 
Betersinfel. 123 
Peterskorn. 123 
Petersthal. 123 
Beterwarbein. 123 
Betion. 124 
Betit. 124 
Petit⸗Naitre. 125 
Petition. 125 
Petitio principii. 125 
Petitorienflagen. 176 
Petra. 126 
Betrarca. 126 
Petrefakten. 127 
Petrikau. 128 
Betrobrufianer. 128 
Betrographie. 128 
Petronius. 128 


Petrus (Heiliger.) 128 
Petrus (Heilige dieſes 


Namens). 135 


Petrus (Verſchiedene bie: 


ſes Namens). 143 
Vetfchenegen. 144 
Petſchora. 144 
DBencer. 144 
Peurbach. 144 
Pentinger. 145 
PBeyronnet. 146 
Peyronfe. 146 
Pfaͤffers. 146 
Pfändnng. 147 
Pfaff. 147 
Pfaffe. 148 
Pfaffenhofen. 148 
Pfahl. 148 


„rahlbürger. 149 
Pfalz. 

Balz (Rand). 149 
Pfalzgraf. 150 
Pfand. 150 
Pfandbriefe. 150 
Pfanne. 150 
Pfarrer. 151 
Pfau. 152 
Pfeffel. 152 
Pfeffer. 152 
Pfefferfreffer. 153 
Pfefferkuchen. 153 
Piefferküfte. 153 
Pfefferminze. 153 
Pfeffers. 153 
Pfeife. 154 
Pfeifen. 154 
Dfeifer. 154 
Pfeifergericht. 154 
Pfeiffer. 154 
Pfeile. 155 
Pfeiler. 155 
Pfennig. 155 


Pferdekraft. 157 
Pferdezucht. 167 
Pfingften. 158 
Pfinzing. 159 


Pflanzenbniter, 164 
Pflanzenkunde. 164 
Dflanzgenthiere. 164 
Pflaſter. 1 
Bilaumen. 165 
Dicht. 165 
Pflichttheil. 165 
Pflug. 166 
Pforr. 166 
Pforta. 166 
Pfortader. 167 
Dforte. 167 
Pforzheim. 167 
Pfranger. 167 
Pfropfen. 167 
Bfründe. 168 
Pfund. 168 
Pfyfer. 168 
Phaͤdon. 169 
Phaͤdra. 169 
Phaedrus. 168 
Phaenomen. 169 
Bhasthon. 170 
Phalänen. 170 
Phalanx. 170 
Vhalaris. 171 
Phaleros. 171 
Phallus. 171 
Phanerogamen. 171 
Phantafie. 171 
Phantasmagorie. 171 
Phantasmen. 171 
Bhantafos. 171 
Bhantaftifch. 171 
Phantom. 172 
Pharao. 172 
Pharaonsrage. 172 
Bharifäer. 172 
Pharmacentif. 173 
Pharmacie. 173 
Pharmakolith. 174 
Barmafopde, 174 
Pharnabazus. 174 
Pharnaces. 174 
Pharſalus. 174 
Pharus. 174 
Phaſen. 175 
Phafis. 175 
Phelloplaſtik. 175 
Pherecydes. 175 
Pherekrates. 175 
Phidias. 175 
Philadelphen. 176 
Philadelphia 
176 


Philadelphia. 177 


Philaeni. 177 
Philagrins. 177 
Philammon. 177 
Philanthropie. 177 
Philantropinismus. 177 
Philemon I. 179 
Philemon II. 179 
Philes. 179 
Philetas. 179 
Philhellenen. 179 
Philidor. 179 
Philipp (Könige von 
Macedonien). 180 
Philipp (Marfus). 181 
Philipp (Heiliger). 181 
Philipp (Heilige biefes 
Namens). 18% 
Philipp (v. Schwaben). 
187 


Philwpp (Koͤnige von 
Spanien). 188 
Philipp (Könige 
Frankreich). 190 
Philipp (fürſtliche Per: 
fonen). 192 
Bhilipper. 194 
Philippeville. 194 
Philippi. 194 
Vhilippica. 104 
Bpilippinen. 194 
Philippoburg. 195 
Philiſtaͤa. 195 
Philiſtus. 196 
Phillips. 198 
Philo. 197 
Philochoros. 198 
Vhilodemns. 198 
Mhiloftetes. 198 
Philolaus. 198 
Philologie. 198 
Bhilomela. 206 
Philomelos. 206 
Philopoͤmen. 206 
Philoſophie. 207 
Philoſtratus. 210 
PHilorenus. 210 
Philtrum. 211 
Phineus. 211 
Phiole. 211 
Phlegethon. 211 
Phlegma. 211 
Bhlegon. 211 
Vhlegyas. 211 
Phlogiſton. 211 
Phocion 241 
Phocis. 212 
Phocylides. 112 
Phobe. 212 
Phöbne, 212 
Phönir. 212 
Ahönigien. 212 
Phokas. 215 


von 


(Stadt). —* 215 
® Dbenetife Schrift. 216 


Bhorkoe. 216 
Phorometrie. 216 
Bhoroneus. 216 
Phosphor 216 
Phosphorescenz. 217 
Phosphorns. 218 
PhHotinus. 218 
Photins. 218 
Photographien. 219 
Photometrie. 219 
Bhotofphäre. 220 
Phraſe. 220 
Phrafiren. 220 
Phratria. 220 
Phrenefle. 220 
Vhrenologie. 220 
Phrixos. 220 
Phrygien. 220 
Phryne. 220 
Phrynichns. 221 
Phthiotis. 2721 
Philarchus. 221 
Phyle. 281 
Fr pice. 211 
hyfi 
Vhrſlauſg Geogra⸗ 
Phyſikotheologie. 223 
Phyflognomie. 223 
Bopfiofratifgee Eyflem. 


Bo iegie. 224 
Piacenza (Haupffl.).2%5 
Piacenza perzog 326 
Piano. 226 
Pianoforte. 226 
Biariften. 227 
Piaſt. 228 
Piaſter. 228 
Piave. 228 
Piazzi. 228 
Vic. 229 
Picarden. 259 
Picardie. 229 
Picart. 229 
Pieccini. 229 
Picccloflöte. 229 
Piccolomini. 229 
Pichegen. 231 
Pichler. 232 
Pickclhaͤring. 232 
Pico. 232 
Picten. 233 
Pictet. 233 
Picus. 234 
Piedeſtal. 231 
Viel. 234 
Piemont. 234 
Vierer. 235 
Dieriven. 236 
Pieros. 236 
Pierrot. 236 
Dietiften. 236 
Pigafetta. 237 
Pigalle. 237. 


‚006. 248 
eimer. 248 
iſenz. 249 
.249 
nen. 219 


* 255 

a (Gtadt). 255 

a (8eonardo). 265 
e. 255 

b. 256 

al. 266 

im. 256 

cura. 256 

u. 256 





Regifer 

Pitiscns. 256 Plomeleres. 304 
Büfhaft. 267 Blongirbab. 304 
Pitt. 259 Blongiefguß. 304 
Bittafnt. 262 Potinus. 304 
Biütens. 262 Pläfc. 306 
Biltorest, 262 Bus. 305 
Bitteburgh. 263 Plastaamporfechum. 
Bine. 263 
Blgarro. 277 — 805 
Pizzicato. 277 Pinto. 306 
Blacet. 278 Blutos. 306 
Biafond. 278 Bluvlal. 306 
Ploglarins. 278 Blymontt. 307 
Pialdiren. 278 Pneumatik. 307 
Blau. 278 Bneumatiker. I. 307 
Bland, 278 Pnenmatifer. II. 307 
Planrns. 280 Pnenmatifch + hemifcger 
Planetarium. 281 Apparat. 307 
Planeten. 281 —— 307 
Blaniglobium. 286 307 
Blanimetrie. 2886 — 308 
Blanifppärlum. 286 | Mortels. 308 
Plantage. 286 Boden. 308 
Blantagenet. 286 Bodagra. 308 

antin.-286 Bobefta. 308 

anudee. 287 Bodgorze, 308 
Dlas. 287 Bobiebrad. 30B , 
Blasma. 287 Bobium. 309 
Llafif. 287 Boblachien. 309 
Blata. 288 Bodolien. 309 
Plais · Staaten. 288 | Pölile. 309 
Blatäa. 289 WötelFlcifch. 300 
Blateforme. 289 Woelemburg. 310 
Blaten, 289 Bölg. 310 
Blater. 290 Bolnig. 310 
viatin. 290 Bönttentiarius. 310 
Matuer. 291 Böntteng. 311 
Blato. 292 Böppig. 311 
Blatonifche Liche. 295 | Bölcelianer. 311 
Platow. 296 Boefle. 313 
Blattenfee. 296 Boetit. 313 
Biatttren. 276 Boggendorf. 313 
Mauen. 287 Bolflon. 314 
Pautins. 297 Boitlers. 314 
Blautus. 297 Bofatien. 314 
Biede. 298 Bel, 314 
Pleißnerland. 298 Pola. 314 
Blefaden. 298 Bolad. 315 
Bleiton. 299 Bolater. 315 
Blenum. 209 Bolarifation. 315 


Pleonaemus. 290 
Blefcow. 299 
Bes. 299 
Bletho. 300 


Plettenberg « Mietingen. 
300 ® 


Bleg. 300 
Pleureſie. 301 
Pleyl. 301 
Blinganfer. 302 
Blinius. 302 
Blinthe. 303 
Blod. 304 
Blön. 304 
Plembiren, 304 








Bolarität. 315 
Bolarkreife. 315 
Rolarländer. 316 
Bolarmeer. 316 
Bolarftern. 316 
Bolemardjos. 316 
Rolemiauer. 316 
Bolemif. 316 
Bolemo. 317 
Bolen. 317 
Polenta. 324 
Bolice. 924 
Policinell. 324 
Polboro da Garavaggio. 


1143 


Bolignae. 324 

Boliftinif. 326 

Roliren. 337 

Bolitif. 327 

Bolitifche Arithmetit. 
327 


Volltiſche Berebfamteit. 
327 


Bolitifche Freihelt. 328 
Feige Geographie. 


Politiſches Gleichge⸗ 
wicht. 328 


Bolttiihe Jeeſte. 328 
FentigeBerbindungen, 


Feifäe Wiffenfchaften. 


galie ML. 330 

Beikeifant. 331 

Bollzeiwiffenfihaft. 331 

Boliziano. 331 

Polla. 331 

Bolkioig. 331 

Rollen. 332 

RVollio. 332 

Bollof. 332 

Pollur (Dios kuren). 33% 

Bellur (Julius), 392 

Bolnifge Sprache und 
Literatur. 332 

Bolo. 438 

Bolonaife. 340 

Bolozt. 340 

Bolterabend. 33 

Pelva 

Polybi Fir 

Polvchromie. 341 

Bolgbeftes. 343 

Bolydoros. 343 

Polyeder. 343 

Bolyeralzahlen. 343 

Bolygamie. 343 

Polyglotte. 343 

Bolyguotos. 344 

Rolygon. 344 

Polygonalzahleı. 344 

Bolyhifler. 344 

Polybymnia. 344 

Bolyfarpus. 344 

Bolyfietes. 446 

Rolyfrates. 346 

Bolymeter, 246 

Bolynefien. 346 

Polynom. 346 

Polypen (Bläschen). 316 

Falyoen (Boopäyten). 


Volyphemos. 347 
Bolyplaflasınus. 847 
Volypleitron. 347 
Bolyptoton. 347 









Bolyfpaft. 347 
Bolyfpergon. 347 
Polyfynbeton, 847 





4144 


Polytechniſche Schulen. 
348 


Potytheismus. 348 
Polyxena. 348 
Pomade. 348 
Pombal. 348 
Pomeranzen. 850 
Pomerellen. 350 
Pommern. 350 
Bomörium. 351 
Pomologie. 351 
Pomona. 352 
Pompabour. 35% 
Bompeii. 353 
Bompeius. 356 
PBompejusfäule. 357 
Bompelmufe. 357 
Bompiere. 357 
Bomponatius, 358 
Bomponins. 358 
Bonce de Leon. 358 
Pondichery. 358 
Poniatowski. 358 
Bons. 361 
Dont a Mouſſon. 361 
Pentanus. 361 
Bonte. 368 
Bonte s Korvo. 862 
Bontianus. 862 
Pontifex. 363 
Bontiflfalamt. 363 
Bontifttals Dignität. 383 
Pontifikale. 363 
Bontififalicn. 363 
Bontifital s Kleidungen. 
363 


Pontififat. 364 


Regifer. 


Bortalie. 878 
Bortament. 373 
Bortatile. 373 

| Borter. 873 

| Bortfolio. 373 

| Portici. 373 
Porticus. 373 

| Bortiuncnla. 374 
Port⸗Jackſon. 374 

| Bortland:Bafe. 374 
Port⸗ ⸗Natal. 374 

Porto. 374 

— 374 

| Portorico od. Puerto rico. 
7 


Portrait. 374 
Port⸗Royal. 375 
Vortsmontb. 373 
Portugal 376 
Portugieflicie 
n. Literatur. 387 
Borkulat, 305 
Bortwein. 395 
Porzellan. 395 


Brabt. 417 
Präadamiten. 418 
Präbenbe. 418 
Bräcipitat. 419 
Pracludiren. 419 
Praͤdeſtination. 419 
Prädeterminismus. 420 
Präpicamente. 420 
„eibikantenorten. 420 
Praͤdicat. 

— 420 
Bräfatlon. 420 
Praͤfect. 420 
Praefectus. 420 
Prägefchag. 41 
Prägnant. 421 
Praͤjndiz. 421 
Brälaten. 421 
Präliminarien. 422 


Sprade Drälubium. 422 


Prämie. 422 
Praͤmiſſe. 422 
Prämonftratenfer. 422 
Praͤneſte. 422 


Borzellanfchnede. 398 | Pränumeration. 422 


Poſaune. 398 
Poſeidon. 398 
Poſen. 398 
Posgarn. 399 
Poſtdonios. 399 
Poſition. 399 
Bofitiv. 400 


Präpofltion, 422 
Prärien. 423 
Präfens. 423 
Präfentation. 423 
Präfldent. 423 


| Pragz biliete Harmonie. 


Poſitiv gtzreorseh. 400 Behfuntion, 423 


Poſſe. 4 

Poſſelt. 100 
Beni 401 , 
Boflerini. 401 


Pontiniſche Suͤmpfe. 364 ! Boffirlich. 402 


Pontons. 364 
Pontonniers. 365 
Vontoppidau. 365 
Vontos, 366 

Bontus. 366 

Pontus Burinus. 366 
Pope. 366 

Pope (Alexander). 366 
Bopilius, 366 
Bopma. 366 
Popowitſch. 386 . 
Poppuͤa. 367 

Poppe. 367 

Poppo. 267 
Populares. 368 
Populaͤr. 368 


Borcia (Römerin). 368 
Porcia (Befchlecht). 368 


Borbenone. 368 
Poren. 368 
Porphyr. 368 
Borphyrion, 369 
Porphyrius. 369 
Borpora. 870 
Porſenna. 371 
Borfon. 371 
Pertal. 372 


Voftament. 402 
Poſtel. 402 


Praͤtenden. 424 
Präteritum. 424 
Brätor. 424 
VBrätorianer. 424 
Vrävarication. 424 
Praͤvention. 424 
Praͤventiv⸗Infiz. 425 


Voten (Anflalten). 403 | Prag. 425 


Poſten (Anıt). 408 
Volhumus. 408 
Boftille. 408 
Poſtulat. 408 
Poſtumius. 408 
Potemkin. 408 
Potenz. 410 
Bothier. 410 
Potocki. 410 
Botofl. 411 
PBolpouni. 412 
Petédam. 412 _ 
Bott. 413 
Pottaſche. 413 
Bolter, 414 
Pottery. 414 
Pottfiſch. 415 
Poudrette. 415 
Pongens. 413 
Poularde. 416 
Poupueville. 415 
Pouſſin. 416 
Pozzo di Borgo. 416 
Pozzueli. 417 


Praga. 482 

Bragmatifc, 432 

Pragmatifhe Sanctien. 
437 


Prahm. 432 
Prakrit. 432 
Praftifh. 433 
Prangen. 433 
Branger. 433 
Praragoras. 433 
Praxis. 433 
Prariteles. 433 
Precarium. 433 
Prechtl. 433 
Prediger. 435 
Prebigerorden. 435 
Predigt. 435 
Pregel. 436 
Preißelbeeren. 436 
Preißler. 436 
Prenzlau. 487 
Presbyopie. 437 
Preobyter. 437 
Prestyierianer. 437 


—— 487 
Preßburg. 
— 28— 439 
Preſſe. 
Preſſe, Breffreifell 44 
Preſſen. 445 
Preßſpaͤne. 445 
Breftel. 448 
Presto. 445 
Prötresrefractaires.445 
Preuß. 446 
Preußen. 445 
Brevefa. 469 
Prevoiſt. 470 
Prevot d’Eriles. 470 
Prevötalgerichte. 471 
Priameln. 471 
Briames. 471 
Priapce. 471 
Priegnig. 472 - 
Priepnig. 472 
Priefler. 473 
Prieſterweihe. 478 
Prieſtley. 478 
Brim. 478 
Primas. 479° 
Primat. 479 
Primaticcio. 479 
Prime. 479 
Drimiffer. 479 
Brimitien. 480 
Primitionm. 480 
Primiz. 480 
Primogenitur. 480 
Primzahlen. 480 
Priucip. 480 
Principal. 481 
Principaltugeuden. 481 
Prinz. 481 
Bi s &dnarde s Infel. 
481 


Prinz-WalessIufel. 481 
Priuzenraub. 481 
Prinzen von Beblüt. 487 
Brinzeffin-Steuer. 482 
Brlor (Obere). 482 
Privr (Nathew)· 487 
Prioritaͤt. 482 
Priscianus. 482 
Briscillianue. 483 
Priſe. 485 

Prisma, 485 
Prismoid. 486 
Privataften. 486 
Brivatdocenten. 486 
Privatmefle. 486 
Privatrecht. 486 
Privilegium. 486 
Prebabilismus. 489 
Drobe. 489 

Probejahr. 488 
Probiren. 489 
Brobirfunft. 489 
Probirnadeln. 489 
Problem. 488 


1) 490 

ıt. 480 

Ronen. 490 

a (Juſel). 490 
ı (Job. 9.). 490 
iſul. 491 

ins. 491 

a. 49% 

ator. 492 
arlus. 492 
ium. 492 

us. 492 





tion. 502 
tnarium. 602 
nen. 602 

5a. 503 

. 8503 

um. 503 
ventif. 804 


rtins. 504 


‚0 

falßer. 580 
m. 580 
agena. 681 
:agefima, 681 
vant. 581 


sat. 681 
vatifähe Gleichung · 
ratſchrift. 882 





Reg 


Prophet. 505 
Prophylaris. 508 
Propontis, 506 
Rroportion. 508 
Proprätor. 506 
Rropft. 506 
Propy!äon, 507 
Vrorogation, 507 
Brofa. 507 
Profcenium. 508 
Profeription. 508 
Pröfector. 50B 
Projelyten. 208 
Proferpina, 509 
Profodie. 509 
Brofopogtaphie. 509 
Profpeft. 509 
Profper. 509 
Prosthefis. 510 
Protagoras, 510 
Protefllass. 510 
Protef. 511 
Proteftantismus. 511 
Proteftatiom.' 521 
Proteus. 521 
Wrotogenein, 521 
Protogenes, 521 
Protofoll, 522 
sBrotomebiene. 522 
Protonotarius aposto- 
licus, 522 
Proge. 622 
Brovengalen, 522 
Provengalifie Sprache. 


Provenge, 523 
Provin. 525 
Brovimial: 525 
Brovinztalismus, 525 
Provifton. 525 
Proviſotlum 526 
Provocatiön, 526 





i ſt e r. 


Drytaneum. 529 - 
Proemysl. 629 
Palm. 529 
PBfalmobie. 530 . 
Pfalter. 530 
Bfammetichus: 580 
Pfeuds 531 
Pfeitdo s Idoriſche Der 
eretalen « Sammlung. 
531 
Pfeudonym. 532 
Piora. 532 
Biyche. 532 
Piychiatrie. 533 
Bfychologie. 633 
Btolemäer. 533 
Ptolemaͤus. 534 
Ptolemais. 535 
Btolomäer, 535 
Pubertät. 536 
Bubliciften, 536 
Bublictät. 536 
Publicola, 536 
Budelt. 536 
Puchta. 536 
Bud. 537 
|, Bubbing. 537 
"Bırrplingsofer 637 
Baver. 537 
Pücler:Musfau. 637 
Püllnger Bitterwaffer. 


538 
Puerpuralfieber. 539 
Bürich. 539 
Pütter. 539 
Bufendorf. 538 
Bugatfcheiv. 540 
Bugilatus, 540 
Pulcheria. 540 
Bulci. 543 
Vuleinella. 543 
Pulo-Pinang. 643 


Progeß (chemiſcher). 527 | Puls. 543 
Projeß. 627 PBulsabergefgiwuif. 544 
Prudentins, 528 RBultawa. 544 
Prüfening. 628 Pultust, 545 
Prim. 528 Pulver. 545 
Prunellen. 628 Bulververfhörung.547 
Bratg. 628 Pumpe. 548 
Brup. 529 Pumpernidel. 548 
O. 

Duabratur. 582 Quandt. 585 
Quadratwurʒel. 682 | Dnantität. 585 
Quadrille. 582 Duang. 585 
Quabeivinm. 682 Duarantaine. 585 
Duobrapel-Allianz. 682 | Quarre. 485 
Duäfer. 582 Quart. 585 
Duäfor. 584 Quartal. 685 
ua lo. 684 Quarte. 586 

584 Quartett. 586 
Er 584 Quartier. 586 





4145 


Punier. 549 
Runifde Kriege, 549 
Punll. 549 
Bunftation. 549 
Pınftihenft. 549 
Rupille, 549 
Rupillen. 550 
Puppe od. Nymphe. 550 
Puränas. 550 
Kurganzen, 550 
Purgatorium. 550 
Burismus. 550 
itaner. 550 

inje 551 
Fa 551 
Burpurfriefel, 552 
Burpurinfeln. 552 
Bufdfin. 652 
Bufeyismus. 562» 
Bufleln. 667 
Butbus. 567 
Puteanus, 568 
Puteoli. 568 
Rutjhins. 568 
Bygmäen. 568 
Bygmalion. 568 
Pylos. 569 
Byramibalzablen, 568 
Pyramide, 569 
Syramiden. 569 
Pyrenien, 570 
Pyrena iſchet Friede. 670 
Vyriphlegthon. 570 
Byrfer. 570 
Pyrmont. 673 
Pyromantie 574 
Brometer, 574 
Pyrophor. 575 
Borotechnif, 875 
Byreha. 675 
Byrrhiching. 575 
Byrrho. 575 
Pyrrhus. 576 
Pythagoras. 576 
uitenweäifer kehrſad · 


Pytheas. 578 
Bythla. 870 
Bythifche Spiele. 579 
Python. 580 








Duarlobeeimaner, 886 
Dnarz. 586 
Duafimobogenitt: 687 
Quaffla. 587 
Quratember. 587 
Duatralır. 587 
Quatrebras 587 
Quebeck. 688 
Quedengras. 589 
Dwdfilber. 589 


4146 Regifter 



































Dueblinburg. 692 Quieliſten. 697 Dutatana. 600 Quirega. 803 
Duelle. 693 Quiloa. 597 Quinte. 800 Dutrosarhipel. 804 
Duent, Quentchen, and) | Ouimper. 598 Quinteffeng. 601 Quiſtorp. 606 

Quentlein. 594 Quin. 598 - | Duintelk. 601 Dnita. 604 
Dueretaro. 506 QDuinanlt 699 Daintilianne. 601 Dutto. 604 
Dxerfurt. 695 Duincalleriewaaren.598 | Ouintin. 601 Daitten. 604 
Quesnay. 595 * | Duinetilianns. 698 Quintole. 902 Duittung. 604 
Ducsnel, 495 Duinctins. 599 * Quintus. 602 Duiroto. 605 
Quetſchuug. 596 QDuinet. 599 Quitini. 602 Dnotlibet. 605 
Duevedo Billegas. 596 | Duinquagefima. 600 | Daici 602 Quote. 605 
QDulberon. 596 Duinquennium: 600 Duirinus (Heiliger). 603 | Omotient. 605 

R. 

R. 605 Rubel. 625 Rasfolniten. 642 Reallomus. 662 
Raab. 605 Raibolini. 625 Rafori. 643 Realrechte. 882 
Raaen od. Raben. 808 | Raimar. 625 Rafpe. 643 Realſchulen. 662 
Rabauns Manrns. 808 | Raimondt. 625 Raſladt. 843 Reoflumtren. 662 
Rabatt. 607 Ralmund. 625 Rafamotoffy. 843 Reate. 6i ur 
Rabaut de Gaint-@ti | Raimundus. 627 Ratafia. B44 Reanmı 

ene. 608 Raizen. 529 Rath. 644 —& 3. 
Rabbi. 608 Raſa. 629 Ratibor. 644 Rebell. 683 
Rabbinifge Literatur. | Rajas. 630 Ratification. 644 Rebellion, 584 

608 Rajolen. 630 Ration. 644 Rebhugn. 664 
Rabbinifcge Sprache. bos | Rakete. 630 Nationalismus. 615 Rebhun. 064 
Rabe. 609 Rakoczy. 831 Rationaljahl. 646 Rebur 5 

Ray od. Rady. 832 Raſchty. 646 Recapitulation. 665 
Raleihg. 63% Ratte. 646 Recenfion, Recenſions⸗ 

Rabirlus. 810 Rallentando. 633 Rapeburg. 646 weſen. 665 
Rabuliſt. 610 Ralliement. 633 Rau. 646 Recepiſſe. 666 
Rabatin. 610 Ramafaın ob. Ramadan. | Raub. 647 Recept. 666 
Racan. 610 633 Raubritter. 648 Neceptivität. 686 
Rage. 610 Rämdjana, 834 Raubſtaaten. 648 Necei. 666 
Rachel. 611 Ramberg. 634 Raubvögel. 618 Rechberg. 666 
Racine. 611 Rambouillet. 634 Rau. 649 Rechenlunſt. 867 
Racyynsfi. 612 Ramean. 634 Rand; (Ghrifian). 650 | Rehenmafchine, 668 
Rad. 612 Ramöe. 636 Rauchen. 650 Nechenpfennige. 668 
Rabeliffe. 613 Ramengbi, 635 Randhwert. 650 Rechnungsmüngen. 868 
Radegaft, 613 Ramler. 635 Rande. 650 — 668 
Nabefnge. 613 Rammelsberg. 635 Raugraf. 651 Net. 669 
Radicaliomus. 614 Ram Mohun Roy. 635) Raum. 65T Rein, 672 
Radicalkar. 614 Rameben. 636 Raumer. 652 Nechtgläubigteit. 673 
Rabieschen. 615 Ramegate, 838 Raupad. 662 Rechtlofigfeit. 673 
Rabirkunft. 615 Ramshorn. 636 « |Raupen. 653 Nechtebeilg. 573 
Radius. 616 Ramue. 836 Rante (gemeine). 654 | Nechtichreibung. 673 
Radlof. 616 Ranch. 637 Raute (Rhombus). 654 | Nechtsfall. 673 
Rabowig. 615 Rang. 637 Ravalllac. 654 Recptsgelehrjamteit.673 
Radfehlof. 616 Rangirung. 837 Raveaur. 855 Nechtefzaft. 673 
Radziwill. 617 Bm hi. 638 Ravelin. 655 Rehtemittel. 673 
Nädelsführer. 618 ae, 038 Ravenna. 655 Nerhtspflege. 773 
Rädern. 618 Ronnafeln 638 Navensherg. 656 Rechtephilofonhie. 673 
Kaͤthſel. 618 Ranzioniven. 636 Raynal. 656 Rechts ſchulen. 673 
Nänberfynode. 618 |Raoul:Rocyette. 638 | Raynonard. 657 Rechteftand. 674 
Räucerung. 618 Rapheleng. 639 Royal. 667 Rehtswiffenihaft. 674 = 
Rafael. 619 Rapp. 639 Rajjla. 667 Rechtowohlthat. 677 
Raff. 621 Rapperschtwyl. 640 I Ne. 657 Recidive. 677 
Raffiniren. 621 Rapport. 640 Reaction. 668 Recipient. 677 
Rafflee. 621 Raps. 840 Reactionsfymptome. 680 | Reciprof. 677 
Rafflefia. 622 Rapumze. 641 Nengent et. 680 Recitativ. 677 
Rafn. 622 Raſchi. 641 Neal (Realität). 661 | Reciticen. 678 
Ra 622 Raferei. 641 Real (Münze). 661 Rede. 678 
Ra N Rreifabt).0xa Raflren. 641 Real. 662 Redlinghaufen. 880 
Ragı (Herzog). 823 | Raff. 641 Realgar. 662 Reslamatton, 680 








* 


Regiſter. 11 





























Recognition. 680 Regifter. 721 Reinhold. 747 Repräfentationsrecht. 
Recognosciren. 681 Reglement. 722 Reinmar. 749 775 
Recolleften. 681 Regmard. 722 Reis (Körner). 749 Repräfentativfphem.775 
Reconsention. 681 Regnier. 722 Reis (Münze). 750 Repreffalien. 775 
Necord. 681 Regreß. 723 Reis: @jendl. 750 Reprobuchon. 776 
Recrut, 681 Regreffioe Methode, 723 Reife. 750 Repfold. 776 
Rectafcenflon. 681 Regulares. 7 Reifige. 750 Reptilien. 776 
Rectification. 681 Regulns. 723 Reiste. 750 Republif. 776 
Rector. 682 Reh, 724 Reißblei. 762 Republif od. Nonarchie. 
Necure. 882 Rehabilitation. 724 NReipfebern. 762 776 
Redacteur. 682 Rehberg. 724 Reiß jeuge. 752° Requiem, 782 
Rebe. 682 Rehburg. 724 Reiffiger. 752 Requifttiou, 78% 
Redekunſt. 683 Rehfues. 725 Reiterel. 753 Nequifitionsfyftem. 783 
Redemptoriften. 683 Rehm. 725 Reltlunſt. 756 Reich. 783 
Neben. 684 Reibung. 725 Reiz. 757 Refeript. 283 
Redende Künfte. 684 |Reih. 726 Reizbarfeit. 757 Nefeda. 783 
Nebetheile. 684 Reicharb. 726 Reland. 767 Reservatio mentalis. 
Rederyler. 885 Relchardt. 726 Relation. 757 784 
Neding. Reichenau. 727 Relativ. 757 Reservationes pnpales. 
Rovonbillen. ge Reichenbach(Stadt).727 | Relegation. 758 784 
Redontı Reichenbach(Beorg).728 | Nelevany. 758 Reservatum ecclesia- 
Redout. Reichenberg. 724 Relief. 758 sticam. 785 
Nebuction. 686 Reichenberger. 729 Religion. 758 Referve. 786 
Redult. 686 Reichenhall, 730 Religionsebit. 761 Refident. 786 
Rees. 687 Reichlin « Meldegg. 731 |Religionsfreiheit. 781 |Refidenz. 786 
Nees'iher Gap. 887 |Neichsabfchied. 79% |Meligionefrieve. 761 |Rejoman. 787 
Nefactie. 687 Neichsarht. 732 Religionsgefpräce. 781 | Rejonanzboden, 787 
Refectorium. 687 Neichsämter. 732 Religionsphilofophie. |Reforption.. 787 
Referiren. 887 Reicheapfel. 732 762 Nefpefttage, 788 
Reflector. 687 Reichsarmee. 732 Religlone ſchwaͤrmerei. |Nefpiration. 788 
Nefler. 687 Reichsbeputation. 73% 762 Responsum, 788 
Reflerion. 687 Relchedorfer. 738 Religionsunterricht, 762 | Refanration. 788 
Reform. 688 NReichefürken. 736 Reliquien. 763 Restitutio in integrum, 
Neformaten. 880 Reichsfuß. 736 Rellftab. 764 788 
Meformation, 690 Neichegefeße. 736 Rembonrs ob. Rembonr⸗ | Refitutionsebict. 788 
Meformirte. 700 Neichshofrath. 737 fement. 764 Refurrectionsmänner. 
Mefraction; 708 Neichefammergericht, |Rembrandtvautyn. 7646| 789 
Mefracter. 709 737 Remigins. 766 Retarbat. 789 
Refrain. 709 Neichöfleinobien, 737 |Remittiren. 766 Retentionsreht od. Zus 
Regal. 709 | Neigpsrittesfcpaft. 797 |Remonftronten. 787 rädgaltungesed)t. 789 
Negalien. 709 Neihetänte, 737 Remonte. 767 Rethra. 789 
Regatta. 208 Reicheflände. 738 767 Netirade, 780 
Negel. 709 Reichkabt (Herrfhaft). Netorfion. 790 
vor (Bafferbänfle).| 738 Retorte. 780 
Reichflabt 738 Nenätffance, 767 Retonchiren. 780 
—9 GEluſ). 710 Reichstage. 738 Rencontre. 707 Retract. 790 
Regenbogen (Meteor). | Reichevicarien. 739 Rendsburg. 788 Rettenpacher. 791 
Reipthum. 739 Rene, 708 Rettig. 7B1 
Regenbogen Bartgel). | Reif. 739 Renegaten. 868 Rettangsanßalten, 79 
71 Relfenftein. 739 Nenette. 768 Rep. 7 
Regeneration. 712 Reiffenberg. 739 Rent. 768 Rebſch· ar \ 
Regensburg. 712 Reihe. 740 Rennel, 769 Renhlin. 792 
Regent. 716 Relher. 741 Renner. 789 794 
Regenwarm. 717 Rell. 741 Rennes. 769 
Regplo. 717 Reim. 742 Rennie. 770 
Regie. 717 Reimarus. 743 Renuthier. 770 | Reunion. 794 
Regierung. 718 Rein, 744 Rhenfe. 770 ‚ Reunionslammern. 794 
Regierwerl. 718 Reinbot. 745 Renten. 770 Rene, 794 
Regillo da Porbenone. | Neineccius. 745 Renuntiation. 773 Ren. 795 
718 Reinede. 745 Repeal. 773 Reutlingen. 796 
Reglllus. 718 Relnecke Ends. 745 | Repertorium. 773 Reuvens. 797 
Regiment. 718 Reiner. 746 Repgow. 774 Remvertrag. 797 
Regimood. Rhegino. 719 | Reinefins, 748 Repli. 774 Reval. 797 
Regiomontauns, 719 |Reinharb. 746 Replif. 774 Nevellle. 708 
Regie. 720 Reinhart. 747 Repuin. 774 Reventlow. 708 


1148 


Növerbere. 708 
Reverbericofen. 708 
R 708 





Ryabarber 800 
RHabdemantie. 801 
Nhacitis. 801 
Näadamanthys. BOL 
Rhätien. 802 
RHavfoden. 802 
RHapfohie. 804 
Ray. 808 


Rhea. 804 
Kdea ia, 808 
Räee. 804 
Rhegium. 805 
Reims. 805 
Rhein. 8086 
RHeinbayern. 811 
Rheinbund. BL 
Nheinfall. 812 
Rheinfelden. 812 
Räeinfels. 818 
Rheingan. 813 
Rheinheffen. 813 
Rgeinifeger Bund, 813 
Nfeinproving: 813 
Rheinsberg. tzis 
Nheinftein. 815 
Rheinweine. 815 
Näetoren. 816 
Rhetorif. 816 
Rheumatismus. 817 
RHlanos. 818 
Räinoceros. 818 
Rhtmoplaftit. 818 
Rhode - Island. 819 
Nhobiferritter. 819 
Nhodium. 819 
Rhobodenbront. 819 
Nhoboman. 819 
Rhodos. 820 
Rhöngebirge. 820 
820 


RHd0. 
Rhombns, 820 
Rhone. 820 
Rhumb. 821 
Rhyihmit. 821 
Rbythmus. 82% 
Nibabeneyra. 824 
Ribeaupierre. 824 
Nibera. 824 
Niccabona. 824 
Riccl. 826 
Riccobont. 827 
Richard. 827 
NRicarbfon. 829 
NRicelieu. 829 
Richer. 833 
Rigmond. 835 
ter (Sufeten). 836 


Regiſter. 


8iqhtet (Anguf). 836 
Richtmaſchiue. 837 
Richtung. 838 
Ricimer. 838 
Ricord. 838 
Ried. 839 
Rieder. 839 
Nlebinger. 840 . 
Riegler. 840 
Riego y Rune. 841 
Riemer. 841 
Rienzi. 841° 
Riepenhanfen. 842 
Ries. 842 
Riefe. 842 
Riefenbette. 843 
Riefendamım 843 
Niefenfaulthier. 843 
Niefengebirge. 843 
Rietberg. 844 
Rir. 844 
Riffel. 844 
Riga. 848 
Rigaltins. 847 

Rigat. 847 
Rigand. 847 
Rigäint. 847 
Rigl. 847 

ay. 849 

Rigeelemus. 89 
Rimini. 849 
— m. Kindvlehzucht. 


ua. 852 
| Ring. 863 
Ringelgeblcht. 853 
Ningelrenuen. 853 
NRiugfragen. .853 
Ringwalbt. 863 

Rink, 854 

Rinteln. 854 
Niobamba. 85h 

Rio Grande do Sal. 854 
Rio Janeiro. 854 
Nipienftimmen, 857 
Nipienift. 857 

Rippen. 857 
Rippenfell. 857 
Ripperda. 887 
Ripnarler. 858 
Rifalit. 868 

Rip. 868 

RR. 858 

Nitoruell. 858 

Ritfl. 858 . 

Bitte und Ritterwefen. 


Pr 860 
Rittergut. 861 
Ritterorden. BEL 
Nitterpoefie. 881 
Ritterfpiele. 862 
Ritual, 862 
Rival. 862 
Rivarol. 862 





Riva. 862 

Rivians. 882 

Rivoli, 868 . 

Rigo6-Nernlos. 863 

Riäfan. 864 

Robben. 864 

Roberfot. "864 

Robert (Heiliger). 865 

Robert (Bürkliche Pers 
fonen). 866 

Robert (Leopold). 867 

Robertfon. 867 

Robespierre. 868 

Nobinfon. 870: 

Robinfonaden. 871 

Robot. 871 

Rochambeau. 871 

Roqhdale. 872 

Rode. 872 

—— 878 

Rogefort. 872 

Rocheſoucauld. 873 

Rocelle: 873 

Rocheſter. 873 

Rochette. 873 

Rodlig. 873 

Rochow. 873 

RodyMonutains. 874 

Rocoro. 874 

Rode. 875 

Robney. 875 

Roͤderer. 875 

Nömermonate. 875 

Römerzinsjahl. 878 

NRömerzüge.-876 

Nömifche Enrie. 876 

Römihd- beuſche Kits 


de. 
mitte, Bunt, 878 
RömijhesiReht. 878 
Nömifches Religionswes 
fen. 829 
Römifhe Syrache and 
Literatur. 684 
Roͤſchlaub. 888 
NRoestilbe. 888 
Röfelfprung. 888 
NRöthel. 889 
Rolhein 889 
Roger. 889 
Roggen. 890 
Rogler. 890 
Bernie 890 
Er m. 891 
891 
Roland. 891 
Roland de la Platiöre. 
892 


Rolandelied. 892 
Rolanpsfänlen. 98 





Rollſchnß. 804 
Fan ei), 898 


Rom (Befihte). 909 
Roman. 918 
Romana. 920 


Romancero. 920 
Romanifhe Sprachen. 
920 


Romanow. 920 
Nomanticismus, 821 
Romantifch. 921 
Romanne. 923 
Romanze. 923 
Romberg. 924 
Ronilly. 925 
Rommel. 925 
Romuald. 925 
Romulus uud Remus. 


9 
Roncesvalles. 928 
Ronbe. 928 
Ronbean. 928 
Rondebofle. 928 
Nonge. 928 
Ronfard. 930 
Roos (Malerfamilie). 


931 
Roos (Nichard). 931 
Rootkan. 931 
Roquelaure. 932 
Roratemefie. 982 
Roſa (Jungftau). 932 
Roſa (Salvalor). 933 
Rofalie. 933 
Rofamel. 934 
Roscelinus. 934 
Roseins. 934 
Roscoe. 034. 
Nofe (Pllanze). 935 
Rofe (Krieg). 935 
Nofe (Rothlauf). 935 
Roſe (Heinrich). 996 
Nofen. 936 
Nofenfeit, 937 
Rofenheim. 997 
Rofendolz 1 ai Rhodi⸗ 





for 
Rafefeang ¶ Johaun). 


— 90 
Rofenfrenger. 940 
Rofenmäller. 940 
Rofenöl. 942 
Rofenpliret. 942 
Rofenftein. 342 
Rofenwafter. 943 
Rofette (Stadt). 943 
Rofette Aunte) 943 


Rofinen. 9 
Rostolniken. 944 
Rosmarin, 944 
Rosmini. 944 
R 45 








of, 
Robbe. 945 
Ropäicl. 946 


Roſſt. 046 
—3 — 948 
Roßſchweif. 949 
Roſt (Ueberzug). 949 
Roſt (Johann). 950 
Roſtock. 950 
—28 951 
Rostra. 052 
Roswitha... 062 
Rota romana. 052 
Rotenburg. 952 
Rothes Meer. 053 
Rothholz. 953 
Rothfchild. 053 
Rothwaͤlſch. 954 
Rotte. 954 
Rotted. 954 
Rottenburg. 056 
Rotterdam. 056 
Rottmaun. 057 
Rottweil. 958 
Rotunde. 958 
Retzkrankheit. 958 
Rouen. 959 
Roues. 060 

Rouget de l'Jole. 960 
Roulade. 960 
Ronlage. 960 
Ronffeau. 060 
Ronffillon. 064 
Rouffin. 064 
Routine. 064 
Rouproy. 964 


©. 1038 

Sa de Miranda. 
Saadi. 1038 
Saal. 1038 
Saale. 1039 
Saalfeld. 1039 
Saar, 1039 
Suarbräden. 1039 
Saurdam od. Zaaudam. 

1040 

Saarlouis. 1040 
Saavedra (Cervantes). 


1040 
Saavebra (Diego de). 
1040 
Saas. 1040 
Sabier. 1041 
Sabas. 1042 
Sabatier. 1045 
Sabazios. 1045 
Sabbath. 1046 
SabbathaisSevi. 1046 
Sabellicne. 1046 
Sabellius. 1047 
Sabier. 1048 
Sabiner. 1048 
Sabiniauns, 1048 


1038 


Regifter. 
Roveredo ober Noverelt. | Rüdert. 981 


965 Käckfall. 082 
Rovigo. Nüdgrath. 982 
Rome. Rüdlauf. 982 
Rorane. 066 Rückzug. 085 
Roxburgh⸗Club. 966 Ribeopeimer 083 
Rorelaue. 966 Pr e. 083 
Roy. 966 en (Injel). 985 
Royaliften. 067 * (Furſt von). 984 
Royer⸗Collard. 907 Rühle v. Lilienſtern. 984 
Royko. 908 Rüppel. 986 
— 908 Rüſſel. 987 

Rüſter. 

Rubens. ( on Fabricio). 
Rubicon. 909 
Rubin. Rue (Fabricio). 987 
Rubrum. 070 Rufiuns. 988 
Rudbeck. — Ruge. 988 
Rudhart. 9 Rugendas. 989 


Nudnay * Rudna und Rug ter. 990 

Divsf : Uffaln. 976 —* — oder Rugewit. 
Rudolph Pertſche Kals 90 

fer). 9 Ruhl. 991 
—B (Bärken). 078 | Rubnfen. 9 
Pan von Ems. 979 | Ruhr. 09 


Rudolph Rulsdarl. 003 
Ranch Tafeln. |Rulhiere. 994 
Rum. 994 

Rubalfadt 979 Rumann. 904 
Rübe. 080 Rumelaud. 094 
Ruͤbezahl. 5980 Rumforb. 905 
Rübfen. 9 Rum⸗Ili oder Aumelien. 
Rüdeamat. 080 095 

&. 
Subiuum. 1048 Sachſen (Geſchichte des 


Sabinus (Aulus). 1048| ſetzigen S.6). 1064 
Sabinus (Heil.). 1049 | Sachfen (Land der —). 
Sabinus (Georg). 1049| 1077 

Sacchini. 1050 Sadfen: Kriege. 1077 


Sade. 1050 Sachfenfpiegel. 1081 
Sachenrechte. 1051 Sachwalter. 1081 
Sachs. 1051 Sack. 1081 

Sadfa. 1052 I Saden. 1081 


Bee (Königreih). Sackpfeife. 1082 
Sarrament. 1082 
She (preußifche Pro⸗ Sacramentalien. 1083 
vinz). 1057 Sacramentarinm. 1083 
a auenbuts. Sarrllegium. 1084 
Gactiftel. 1084 
Snctn Koburg⸗Gotha. Gacy. 1084 
Sadducaer. 1084 
Sıcha s Meiningen : Salt. 1084 
Hildburghanfen. 1060 | Säbel. 1085 
Sachfen = Weimar s @ife: | Sächftfehe Schweiz.1086 
nad. 1061 Säcularifation. 1087 
Sachſen (Gefchichte des] Säcularfpiele. 1087 
alten Bolfes). 1062 


Bäcnarveränberungen, 
Sachſen (Sefchichte des 1087 
alten S.s als Her: | Säculum. 1087 
zogthum m. Kurfürs | Säen. 1087 
ſtenthum). 1063 Gäge. 1087 


(4149 


Rumohr. 906 
Rumomely. 007 
—— Singh. 998 


en. 008 . 
Runfelräbenzuiter. 998 
Rupie. 1000 
Ruprecht. 1001 
Rurik. 1001 
Ruscſak. 1001 
nal. 1001 

Rufiel. 1001 
Rafſiſche Bäber. 4002 
Ruſſiſche Kirche. 1002 
Ruſſiſche Sprache und 
Literatur. 1002 
Rußland. 1012 
Ruf. 1032 
KRrſtſchuck. 1035 
Autgere. 1034 
Ruth. 1034 
Rutbe. 1034 
Authenen. 1034 
Rutilius. 1035 
Nutfchberge. 1035 
Rutteuflod. 1035 
Rutuler. 1036 
Ruysdael. 1036 
Ruyter. 1036 
Ryſſel. 1037 
Ryswilf. 1037 


Sägefiſch. 1088 
Gägemühle. 1088 
Gämund. 1088 
Säuerlinge. 1088 
Säuferwahnflun. 1089 
Gängen. 1089 
Eängetfleie. 1089 
Säule. 1092 
Säulenorbuung. 1005 
Säuren. 1094 
Safflan. 1005 
Gafflor. 1005 
Gafram. 1005 
GSaftleeven * Zachtlee⸗ 


Sago. 1097 

Sagunt. 1098 
Sahara. 1098 

Sald. 1099 

Saigern oder Seugern. 


1 

PR ober Salgun. 
1 

Sale 1109 


41150 


Saima. 1101 


Regiſter. 


Saint⸗Vinzent. 1110 


Saint:Aldegombe. 1101 | Sale. 1110 


SaintsBeuve. 1101 
Saint⸗Cloub. 1102 
Saint⸗Cyr (Dorf.) 1102 
Saint: Gyr (Gonvion⸗ 
Eyr). 1102 

Eaint:Denis. 1102 
Saint⸗Dizier. 1103 
Saint⸗Etienne. 1103 
Saints@vremont. 1105 
Sainut⸗Gelais. 1105 
Gatnt:@eorge. 1104 
Saints Germain. 1104 
Salnt:Bermain en Laye. 


1105 
Saint:Hllaire. 1106 
Saint⸗Jean d’Acre. 1106 
Salut⸗Inſt. 1106 
Saint⸗Leu. 1106 
Salnt:Rartin. 1106 
Saint: Richel. 1107 
Saint⸗Plerre. 1107 
Saint⸗Quentin. 1108 
Gaint:Gimon. 1108 
Saint-Simonismus. 


1109 


Saifon. 1111 

Saiten. 1111 

Saiteninitrumente, 1111 

Saffarab. 1111 

Safuntala. 1111 

Sala, 1111 

Saladdin. 11311 

Salamanca. 1312 

Galamander. 1112 

Salamis. 1113 

Sulat. 1113 

Salbe. 1114 

Salbei. 1114 

Galbung. 1114 

Saldanha. 1115 

Saldo. 1116 

Salem. 1116 

Salep. 1116 

Salerno. 1116 

Sales. 1118 

Saleflanerinnen. 1118 

Salier (Briefter). 1118 

Salier (od. falifche Fran⸗ 
fen). 1118 

Salieri. 1118 


Salinen. 1110 
Salis⸗Seewis. 1122 
Salisbury (Hauptort). 
1122 
Salisbury (Graf). 1122 
Salifches Geſetz. 1122 
Sallenger. 1123 
Sallet. 1123 
Salluflius oder Salu⸗ 
fllne. 1123 
Salm (Lachs). 124 
Salm (Geſchlecht). 124 
Salmanafar oder Gal: 
manafler. 1124 
Salmaflus. 1125 
Salmiaf. 1125 
Salmonens. 1125 
Salomo. 1126 
Salomon. 1126 
Galomoneinjeln. 1128 
Galon. 1128 
Salonlchi. 1128 
Salpeter. 1128 
GSalpeterfänre. 1150 
Galpetriere. 1130 
Salfette. 1130 
Saltarello. 1131 


Salto mortale. 1151 
Salutation. 1151 
GSaluzzo. 1131 
Salvandy. 1151 
Salvatoriello. 
©alve. 1132 
Salvegarde. 1152 
Salve regina. 1132 
Salverte. 1152 

Salvi. 1133 
Salvlanıs. 1133 
Salvus conductus. 1155 
Salz. 1133 

Salza, 1134 
Saljbrunn. 1154 
Galzburg. 1154 
Salzlammergut. 1158 
Salzmann. 1159 
Gulzfäure. 1139 
Salzwedel. 1139 
Galzwerfe. 1140 
Samariter. 1140 
Samarfand, 1140 


32