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5
X
Alſo
ſprach Zarathuſtra.
Ein Buch für Alle und Keinen.
Von
Friedrich niebſche.
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Inhalt.
Erſter Theil.
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Sarathuflra’s Dorrede, Seite
Dom Übermenfchen und vom letzten Menfhen ve... 9
Die Reden Zarathuflra’s. N
Don den drei Derwandlungen „a 2 0 nn euere 33 I
Don den £ehrftühlen der Tugend . . » «2 0 2 0 ne 00 na. 3 |
Don den Hinterweltlen . . 2: 200 0 ee een een 41
Don den Derächtern des keilbes . . . 2 2 2 2 46
Don den Freuden⸗ und Leidenfchaften. . . . ..9_
Dom bleichen Derbrecher . . . 2 2 0 2 er onen ne ....5
Dom £efen und Schreiben - » 2 0 un 0 en en en en .... 56
Dom Baum am Bergg 459 |
Don den Predigern des Todes 0 2 non na enormen 63
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Dom Krieg und Kriegspolle . . 2... . 7
Dom neuen Gögen . . - ern en .....69
Don den Fliegen des Marktes Pa ER FE}.
Don der Heufchhelt . . 2 0 0 m 0 ro 7
Dom Sreunde . » 0 er 0 ce en. ver en. 80
Don taufend und Einem Ziele © oo ee een nenne Bf
Don der Nächftenliebe . . o 2 0 0 0 0 rer nee nennen 88
Dom Wege des Schaffenden . 2: 22000. ..... 91
Don alten und jungen Weiblein . . .
Dom Bi der Tatter „x 00...
Don Kind und Ehe . vo ee...
Dom freien Tode... 2000...
Don der fchentenden Tugend . . . . »
Alfo ſprach Zarathuftra. 1 1.
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a Das Kind mit dem Spiegel . oo 0 0 0 en er een. cc 119
| Auf den glädfeligen Infeln oo none nenee nun. 123
| Don den Mitleidigen oo e onen. een. +12
H Don den Drieflern . . 2 0 0 0 ee ern n . „13
| Don den Tugendhaften . 2 20 een een ne eo... 135
i Dom Gefindel. .. 200 0 000er nn 0.10
Don den Taranteln . oo 2 220er en rennen . 14%
Don den berühmten Weifen Deren ne . 149
Das Nadıtlid. . . . » FE Fa 153
j Das Tanslid® . 2000000. . 0. 156
| Das Srablid . ...... .. . . . .. . . 160
Don der Selbf.Überwindung .......... ... 166
J Don den Erhabenen. ... ..4 170
| Dom Kande der Bildung. » » » 2 ve... .. .... 17q
Don der unbefleckten Erkenntniß ..... 178
* Don den Gelehrten. .... .. .... ...... 0.183
h Don den Dichten . » » oo nr 0er oe... 0.186
Don großen Erelgniffen . . » oo 0 00. Pe \.) |
J Der Wahrfager . » 2 0 eo een ern n nn Er \. 7;
J Don der Erlsſung..... ... ee ne 203
) Don der Mlenfchen-Klugheit - 2 2 0 onen e en . .210
1 Die file Stunde . oo 0 0 0 oe 0 2216
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i Dritter Cheil Seite
A| Der Wanderer. 2» 2 ne. ... .. 0. 0.223
J Dom Geſicht und Aäthfel . . ven een... 0. , 228
Ij Don der Seligkeit wider Willen . 222020000. . 236
1 Dor Sonnen: Aufgang . . . . - FE on. 280
, Don der verlleinernden Tugend. . 2 2 2 2 0. ° ven eenn 246
I Auf dem Ölberge © oo m 2 oe nn on 0253 _
j Dom Dorübergehen - oo m m nennen ..... 268
Don den Abtrännigen ..... . ernennen. .263
Die Heimkehr . . one een. . ... .269
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Seite
Dom Geift der Schwer 2281
Don alten und neuen Tafeln. © » 2 0 0 0 ee een on 0. «287
Der Genefende . or 0.0.0. .. —31q4
Don der großen Sehnfuht . oo 0 0 2 0 en 4 324
Das andere Tanzlid. ... . » . . eo n0. 0.328
Die fieben Siegel (Oder: Das Ja: und Amen · cied . 334
|
Dierter und lester Theil Seite
: Das Honig: Öpfer . oo 2 0 0 ee nern ann ..343
' Der Notbfhrei - . oo Co un euren ee. 4349
Geſpräch mit den Königen.. . . . . - PER 355
. Der Bintegel . . 2. 22 2 00m 00 a a a — 361
| Der Zauberer . 0 0 0 0 0 0 or nr ee e rt nenn 566
: Außer Dienf 0000000 nen 375
Der häßlichle Menfch . 2 2 on m ern nn 382
Der freiwillige Bettler . - - 2 2 oo 00er ern en 589
Der Schatten 0 000 0 m m rer rer ne 395
Mittags 200000 ren 400
Die Begrüßung . „2. x oe 0020. Pa a a a — 405
Das Abendmall. . 0 0 0 0 0 u 0 re nee rn 413
Dom höheren Menfhen - . . 2 22.220. En 42
Das £ied der Schwermuth © - 2 0 2 0 m oe nennen 437
Don der Wiffenfhaft . . . «euere iron. 438
Unter Töchtern der Wüle . oo 2 2 0 0 0 m on nen 442
Die Erwedung 00 0 0 000 nr . 450
Das Efelsfe - 0 0 00 0 0 0 ne 0 rn. 455
\ Das trunfue id . oo 00 0 een en nenn. 461
Das Schhen „20er n ee .... 4 472
Die Entſtehung von „AUlfo ſprach Zarathuſtra“ von Eliſabeth
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1.
Als Farathuſtra dreißig Jahr alt war, verließ er
feine Heimat und den See feiner Heimat und gieng in
das Gebirge. Hier genoß er feines Geiftes und feiner
Einfamfeit und wurde deſſen zehn Jahre nicht müde.
Endlich aber verwandelte fidy fein Herz, — und eines
Morgens fand er mit der Morgenröthe auf, trat vor
die Sonne hin und ſprach zu: ihr alfo:
„Du großes Beftim! Was wäre dein Blüd, wenn
du nicht Die hätteft, welchen du feuchteftl
Zehn Jahre kamſt du hier heranf zu meiner Höhle:
du wöürdeft deines Lichtes und diefes Weges fatt ge-
worden fein, ohne mih, meinen Adler und meine
Schlange.
Aber wir warteten deiner an jedem Morgen, nahmen
dir deinen Überflug ab und fegneten dich dafür.
Siehel Ich bin meiner Weisheit überdräffig, wie
die Biene, die des Honigs zu viel gejammelt hat, ich
bedarf der Bände, die fih ausſtrecken.
Ich möchte verſchenken und austheilen, bis die
Weiſen unter den Menfchen wieder einmal ihrer Chor-
heit und die Armen ‚wieder einmal ihres Reichthums
froh geworden find.
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Dazu muß ich in die Tiefe fleigen: wie du des
Abends thuft, wenn du hinter das Mleer gehft und noch
der Unterwelt Licht bringft, du überreiches Geſtirn!
Ich muß, gleich dir, untergehen, wie die Men-
fhen es nennen, zu denen ich hinab will.
So fegne mich denn, du ruhiges Auge, das ohne
Neid auch ein allzugroßes Glück fehen kannl
Segne den Becher, welcher überfliegen will, daß
das Waſſer golden aus ihm fliege und überallhin den
Abglanz deiner Wonne tragel -
Siehel Diefer Becher will wieder leer werden, und
Sarathuftra will wieder Menfch werden.“
— Alſo begann Sarathuftra’s Untergang.
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2.
Sarathuftra flieg allein das Gebirge abwärts und
Xiemand begegnete ihm. Als er aber in die Wälder
fam, ftand auf einmal ein Greis vor ihm, der feine
heilige Hütte verlaffen hatte, um Wurzeln im Walde
zu fuchen. Und alſo ſprach der Greis zu Sarathuftra:
„Nicht fremd ift mir diefer Wanderer: vor manchem
Fahre gieng er hier vorbei. Farathuſtra hieß er; aber
er hat fich verwandelt. |
Damals trugft du deine Afche zu Berge: willft du
hente dein Feuer in die Chäler tragen? Fürchteſt du
nicht des Brandftifters Strafen?
Ja, ich erkenne Zarathuſtra. Rein ift fein Auge,
und an feinem Munde birgt fi Fein Ekel. Geht er
nicht daher wie ein Tänzer?
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Derwandelt ift Sarathuftra, zum Kind ward Sara»
thuftra, ein Erwadter ift Sarathuftra: was willft du
nun bei den Schlafenden?
Wie im Meere lebteft du in der Einfamkeit, und
das Meer trug di. Wehe, du willft an’s Land fleigen ?
Wehe, du will deinen Leib wieder felber fchleppen?*
Sarathuftra antwortete: „Ich liebe die Menſchen.“
„Warum, fagte der Heilige, gieng ich doch in den
Wald und die Einöder War es nicht, weil ich die
Menſchen allzu fehr liebte ?
Jetzt liebe ich Gott: die Menſchen liebe ich nicht.
Der Menſch iſt mir eine zu unvollkommene Sache.
Ciebe zum Menſchen würde mich umbringen.“
Sarathuftra antwortete: „Was fprady ich von Kiebel
Ich bringe den Menfchen ein Geſchenk.“
„Bieb ihnen Nichts, fagte der Heilige. Nimm ihnen
fieber Etwas ab und trage es mit ihnen — das wird
ihnen am wohlften thun: wenn es dir nur wohlthut!
Und will du ihnen geben, fo gieb nicht mehr
als ein Almofen, und laß fie noch darum betteln!“
„Ziein, antwortete Sarathuftra, ich gebe Fein Al⸗
mofen. Dazu bin ih nicht arm genug.“
Der Heilige lachte über Zarathuſtra und ſprach
alfo: „So fieh zu, daß fie deine Schäge annehmen! Sie
" And mißtranifch gegen die Einfiedler und glauben nicht,
dag wir fommen, um zu ſchenken.
Unfre Schritte Plingen ihnen zu einfam durch die
Gaffen. Und wie wenn fie Hadis in ihren Betten
einen Mann gehen hören, lange bevor die Sonne auf
fteht, fo fragen fie fi wohl: wohin will der Dieb?
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Gehe nicht zu den Menſchen und bleibe im Waldel
Gehe lieber noch zu den Chierenl Warum will du
nicht fein wie ih, — ein Bär unter Bären, ein Dogel
unter Dögeln ?”
„Und was madıt der Heilige im Walde?" fragte
Sarathuftra.
Der Heilige antwortete: „Ich mache Lieder und
finge fie, und wenn ich Lieder made, lade, weine
und brumme ich: alfo lobe ich Gott.
Mit Singen, Weinen, Lachen und Brummen lobe
ich den Bott, der mein Bott if. Doc was brinaft du
uns zum Geſchenke?“
Als Zarathuſtra diefe Worte gehört hatte, grüßte
er den Heiligen und fprah: „Was hätte ih euch zu
geben! Aber laßt mid fchnell davon, daß ih euch
Nichts nehmel“ — Und fo trennten fie fi} von ein⸗
ander, der Greis und der Mann, lachend, gleichwie zwei
Knaben laden.
Als Sarathuftra aber allein war, ſprach er alfo zu
feinem Herzen: „Sollte es denn möglich feinl Diefer
alte Heilige hat in feinem Walde noch Nichts davon
gehört, dag Bott todt iſtl“ —
3.
Als Zarathuftra in die nächfte Stadt Fam, die an
den Wäldern liegt, fand er dafelbft viel Dolf ver
fammelt auf dem Markte: denn es war verheißen
worden, daß man einen Seiltänzer fehen folle Und
Sarathuftra fprady alfo zum Dolfe:
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Ich lehre euch den Übermenfhen. Der Menſch
iR Etwas, das überwunden werden fol. Was habt ihr
gethan, ihn zu überwinden ?
Ale Wefen bisher fchufen Etwas über fi hinaus:
und ihr wollt die Ebbe diefer großen Fluth fein und
lieber noch zum Thiere zurüdgehn, als den Menfchen
überwinden?
Was ift der Affe für den Menfchen? Ein Gelächter
oder eine fchmerzlihe Scham. Und ebendas foll der
Menſch für den Übermenfchen fein: ein Gelächter oder
eine fchmerzliche Scham.
Ihr habt den Weg vom Wurme zum Menfchen
gemadt, und Dieles ift in euch noh Wurm. Einf
wart ihr Affen, und aud jet noch ift der Menſch
mehr Affe, als irgend ein Affe.
Wer aber der Weifefte von euch ift, der ift auch
nur ein Swieipalt und Switter von Pflanze und von
Geſpenſt. Aber heiße id; ench zu Geſpenſtern oder
Pflanzen werden?
Seht, ich lehre euch den Äbermenſchen!
Der Übermenfh if der Sinn der Erde. Euer
Wille fage: der Übermenfch fei der Sinn der Erdel
Ih befhwöre euch, meine. Brüder, ‚bleibt .der
Erde treu und glaubt Denen nicht, welche euch von
erirdifchen Hoffnungen reden! Giftmifher find es,
ob fie es willen oder nicht.
Derädter des Lebens find es, Abfterbende und
felber Deraiftete, deren die Erde müde ift: fo mögen
fie dahinfahren!
Einft war der Frevel an Gott der größte Srevel,
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aber Bott farb, und damit flarben auch dieſe Frevel⸗
haften. An der Erde zu freveln ift jetzt das Furcht⸗
barfte, und die Eingeweide des Unerforſchlichen höher
zu achten, als den Sinn der Erdel
Einft blickte die Seele verächtlich auf den Leib:
und damals war diefe Verachtung das Höchſte: — fie
wollte ihn mager, gräßlich, verhungert. So dadte fie
ihm und der Erde zu entfchlüpfen.
Oh diefe Seele war felber noch mager, gräßlich
und verhungert: und Grauſamkeit war die Wolluft diefer
Seelel
Aber aud ihre no, meine Brüder, fprecht mir:
was fündet euer Leib von eurer Seele? Iſt eure Seele
nicht Armuth und Schmutz und ein erbärmlihes Be
hagen?
Wahrlich, ein ſchmutziger Strom ift der Menſch.
Man muß fchon ein Meer fein, um einen fhmutigen
Strom aufnehmen zu können, ohne unrein zu werden.
Seht, ich lehre euch den Übermenfchen: der ift
dies Meer, in ihm kann eure große Derachtung unter-
gehn.
Was ift das Brößte, das ihr erleben könnt? Das
ift die Stunde der großen Verachtung. Die Stunde, In
der euch auch euer Glück zum Efel wird und ebenfo
eure Dernunft und eure Tugend.
Die Stunde, wo ihr fagt: „Was liegt an meinem
Glüdel Es ift Armuth und Schmuß und ein erbärm-
lihes Behagen. Aber mein Glück follte das Dafein
felber rechtfertigen!“
Die Stunde, wo ihr fagt: „Was liegt an meiner
um u. .» a
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Dernunftl Begehrt fie nah Wiffen wie der Löwe nad
feiner Nahrung? Sie iſt Armuth und Schmuß und ein
erbärmliches Behagen!”
Die Stunde, wo ihr fagt: „Was liegt an meiner
Tugend! No hat fie mich nicht rafen gemadt. Wie
mũde bin ich meines Guten und meines Böfen! Alles das
ift Armuth und Schmuß und ein erbärmliches Behagen!*
Die Stunde, wo ihr fagt: „Was liegt an meiner
Gerechtigkeit! Ich fehe nicht, daß ich Gluth und Kohle
wäre. Aber der Gerede ift Gluth und Kohlel“
Die Stunde, wo ihr fagt: „Was liegt an meinem
Mitleiden! Iſt nicht Mitleid das Kreuz, an das Der
genagelt wird, der die Mlenfchen liebt? Aber mein
Mitleiden ift feine Krenzigung.“
Spradt ihr fon fo? Schriet ihr fhon fo? Ach,
daß ich euch ſchon fo fchreien gehört hättel
Qiht eure Sünde — eure Genügfamteit ſchreit
gen Himmel, euer Geiz ſelbſt in eurer Sünde ſchreit
gen Himmel!
Wo ift doch der Blig, der euch mit feiner Sunge
lecked Wo tft der Wahnfinn, mit dem ihr geimpft
werden müßtet?
Seht, ich lehre euch den Übermenſchen: der iſt
diefer Bliß, der ift diefer Wahnfinn! —
Als Sarathuftra fo gefprochen hatte, fchrie Einer aus
dem Dolfe: „Wir hörten nun genug von dem Seiltänzer;
nun laßt uns ihn auch fehen!“ Und alles Dolf lachte
über Sarathuftra. Der Seiltänzer aber, welcher glaubte,
dag das Wort ihm gälte, madte fich an fein Werk.
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4.
Sarathuftra aber fahe das Doll an und wunderte
fi. Dann ſprach er alfo:
Der Menfh iſt ein Seil, gefnüpft zwifchen hier
und Übermenfh, — ein Seil über einem Abgrunde.
Ein gefährliches Hinüber, ein gefährliches Auf-dem-
Wege, ein gefährliches Zurückblicken, ein gefährliches
Schaudern und Stehenbleiben.
Was groß ift am Menſchen, das ift, daß er eine
Brüde und Fein Zweck ift: was geliebt werden kann
am Menfchen, das ift, daß er ein Übergang und ein
Untergang if.
Ich liebe Die, welche nicht zu leben wiffen, es fei
denn als Untergehende, denn es find die Hinüber—⸗
gehenden.
Ich liebe die großen Deradıtenden, weil fie die
großen Derehrenden find und Pfeile der Sehnſucht
nach dem andern Ufer.
Ich liebe Die, welche nicht erft hinter den Sternen
einen Grund fuchen, unterzugehen und Opfer zu fein:
fondern die ſich der Erde opfern, daß die Erde einft
des Übermenfchen werde.
Ic liebe Den, welcher lebt, damit er erkenne, und
welcher erfennen will, damit einft der Übermenſch
lebe. Und fo will er feinen Untergang.
Ich liebe Den, welcher arbeitet und erfindet, daß
er dem Übermenfhen das Baus baue und zu ihm
* Chier und Pflanze vorbereite: denn fo will er
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Ich liebe Den, welcher ſeine Tugend liebt: denn
Tugend iſt Wille zum Untergang und ein Pfeil der
Sehnſucht.
Ich liebe Den, welcher nicht einen Tropfen Geiſt
für ſich zurückbehält, ſondern ganz der Geiſt ſeiner
Tugend ſein will: ſo ſchreitet er als Geiſt über die
Brücke.
Ich liebe Den, welcher aus ſeiner Tugend ſeinen
Hang und ſein Verhängniß macht: ſo will er um ſeiner
Tugend willen noch leben und nicht mehr leben.
Ich liebe Den, welcher nicht zu viele Tugenden
haben will. Eine Tugend iſt mehr Tugend als zwei,
weil fie mehr Knoten iſt, an den fi} das Derhängniß
hängt.
Ich liebe Den, deffen Seele fich verfchwendet, der
nicht Dank haben will und nicht zurückgiebt: denn er
fchenft immer und will fi nicht bewahren.
Ich liebe Den, welcher ſich fhämt, wenn der
Würfel zu feinem Glüde fällt und der dann fragt:
bin ih denn ein falfcher Spieler? — denn er will zu
Grunde gehen.
Ich liebe Den, welcher goldne Worte feinen Chaten
voraus wirft und immer nod mehr hält, als er ver
fpricht: denn er will feinen Untergang.
Ic liebe Den, welcher die Sufünftigen rechtfertigt
und die Dergangenen erlöft: denn er will an den Gegen⸗
wärtigen zn Grunde gehen.
Ich liebe Den, weldyer feinen Gott züdhtigt, weil
er feinen Gott liebt: denn er muß am Zorne feines
Gottes zu Grunde gehen.
Alfo ſprach Zarathuftra. 17 2
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Ich liebe Den, deflen Seele tief ift auch in der
Derwundung, und der an einem kleinen Erlebnifje zu
Grunde gehen kann: fo geht er gerne über die Brüde.
Ich liebe Den, deffen Seele übervoll if, fo daß
er fich felber vergißt, und alle Dinge in ihm find: fo
werden alle Dinge fein Untergang.
Ich liebe Den, der freien Geiftes und freien Herzens
ift: fo ift fein Kopf nur das Eingeweide feines Ejerzens,
fein Herz aber treibt ihn zum Untergang.
Ich liebe alle Die, welche wie ſchwere Tropfen
find, einzeln fallend aus der dunklen Wolke, die über
den Menſchen hängt: fie verfündigen, daß der Blitz
fommt, und gehn als Derfündiger zu Grunde.
Seht, ih bin ein Derkündiger des Blitzes und ein
fehwerer Tropfen aus der Wolke: diefer Blig aber
heißt ÜUbermenſch. —
* .
B.
Als Sarathuftra diefe Worte gefprochen hatte, fahe
er wieder das Dolf an und fhwieg „Da flehen fie“,
ſprach er zu feinem Herzen, „da lachen fie: fie verſtehen
mich nicht, ich bin nicht der Mund für diefe Ohren.
Muß man ihnen erft die Ohren zerfchlagen, daß
fie lernen, mit den Augen hören? Muß man raffeln
gleih Paufen und Bußpredigern? Oder glauben fie
nur dem Stammelnden?
Sie haben Etwas, worauf fie flolz find. Wie nennen
fie es doch, was fie ftolz mat? Bildung nennen fies,
es zeichnet ſie aus vor den Ziegenhirten.
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! Drum hören fie ungern von fi das Wort „Der-
| achtung“. So will ich denn zu ihrem Stolze reden.
| So will id ihnen vom Derädtlichfien fprechen:
| das aber ift der legte Menſch.“
| Und alfo ſprach Sarathuftra zum Volke:
j Es ift an der Seit, daß der Menfch fi fein Siel
fiede. Es ift an der Seit, daß der Menſch den Keim
feiner höchften Hoffnung pflanze.
i Noch if fein Boden dazu reich genug. Aber diefer
' Boden wird einft arm und zahm fein, und Fein hoher
Baum wird mehr aus ihm wacfen fönnen.
| Wehel Es fommt die Seit, wo der Menſch nicht
H mehr den Pfeil feiner Sehnfuht über den Mlenfchen
hinauswirft, und die Sehne feines Bogens verlernt hat, /
| zu fchwirren!
Ih fage euh: man muß noh Chaos in fidh
| haben, um einen tanzenden Stern gebären zu Fönnen.
Ich fage euch: ihr habt noch Ehaos in end.
| Wehel Es fommt die Seit, wo der Menſch Feinen
Stern mehr gebären wird. Wehel Es fommt die Zeit
| des verächtlichſten Menfchen, der fich felber nicht mehr
verachten kann.
| Seht ich zeige euch den legten Menſchen.
„Was ift Liebe? Was ift Schöpfung? Was ift
| Sehnfuht? Was ift Stern?" — fo fragt der lebte
Menſch und blinzelt.
Die Erde ift dann klein geworden, und auf ihr
hüpft der letzte Menſch, der Alles Plein madt. Sein
Geſchlecht ift unaustilgbar wie der Erdfloh; der letzte
Menſch lebt am längften,
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„Wir haben das Glück erfunden“ — ſagen die
letzten Menſchen und blinzeln.
Sie haben die Gegenden verlaſſen, wo es hart war zu
leben: denn man braucht Wärme. Man liebt noch den
Nachbar und reibt ſich an ihm: denn man braucht Wärme.
Kranf- werden und Mißtranen-haben gilt ihnen
fündhaft: man geht achtſam einher. Ein Thor, der
noch über Steine oder Mlenfchen ftolpertl
Ein wenig Gift ab und zu: das macht angenehme
Träume, Und viel Gift zuleßt, zu einem angenehmen
Sterben.
Man arbeitet noch, denn Arbeit ift eine Unter-
haltung. Aber man forgt, daß die Unterhaltung nicht
angreife,
Man wird nicht mehr arm und reich: Beides ift
zu befhwerlid. Wer will noch regieren? Wer nod
gehorhen? Beides ift zu befchwerlid.
Kein Hirt und Eine Heerdel Jeder will das Gleiche,
Jeder ift gleich: wer anders fühlt, geht freiwillig in’s
Irrenhaus.
„Ehemals war alle Welt irre” — fagen die Seinften
und blinzeln.
Man ift klug und weiß Alles, was geſchehn ift:
fo hat man kein Ende zu fpotten. Man zankt fich
noh, aber man verföhnt fi bald — fonft verdirbt es
den Magen.
Man hat fein Lüfthen für den Tag und fein
Küftchen für die Nacht: aber man ehrt die Befundheit,
„Wir haben das Glück erfunden” — fagen die
legten Menſchen und blinzeln. —
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Und hier endete die erſte Rede Sarathuftra’s, welche
man auch „die Dorrede” heißt: denn an diefer Stelle
unterbrach ihn das Gefchrei und die £uft der Menge.
„Bieb uns diefen letzten Mlenfchen, oh Sarathuftra, —
fo riefen fie — made uns zu diefen letzten Menfchen!
So fchenfen wir dir den Übermenfhen!“ Und alles
Volk jubelte und fchnalzte mit der Zunge. Sarathuftra
aber wurde traurig und fagte zu feinem Herzen:
„Sie verftehen mich nicht: ich bin nicht der Mund
für diefe Ohren.
Su lange wohl lebte ich im Gebirge, zu viel horchte
ih auf Bäche und Bänme: nun rede ich ihnen gleich
den Siegenhirten.
Unbewegt ift meine Seele und hell wie das Ge⸗
birge am Vormittag. Aber fie meinen, ich fei kalt
und ein Spötter in furchtbaren Späßen.
Und nun bliden fie mih an und lachen: und
indem fie lachen, haſſen fie mich noch. Es ift Eis in
ihrem Laden.“
6.
Da aber geihah Etwas, das jeden Mund ſtumm
und jedes Ange ftarr machte. Inzwifchen nämlidy hatte
der Seiltänzer fein Werk begonnen: er war aus einer
Meinen Chür hinausgetreten und gieng über das Seil,
welches zwifchen zwei Chürmen gefpannt war, alfo,
da es über dem Markt und dem Dolfe hieng. Als
er eben in der Mitte feines Weges war, öffnete ſich
die Fleine Thür noch einmal, und ein bunter Gefell,
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einem JPoffenreißer gleich, fprang heraus und gieng
mit fchnellen Schritten dem Erften nad. „Dormwärts,
Sahmfuß, rief feine fürchterliche Stimme, vorwärts Faul⸗
thier, Scleihhändler, Bleichgefihtl Daß ih dich nit |
| mit meiner Ferſe kitzlel Was treibft du hier zwifchen |
Chürmen? In den Churm gehörft du, einfperren ſollte
man dich, einem Beſſern, als du bift, fperrft du die
| freie Bahn!” — Und mit jedem Worte fam er ihm
| näher und näher: als er aber nur noch einen Schritt
| hinter ihm war, da gefchah das Erfchredlliche, das jeden
| Mund ſtumm und jedes Auge ftarr machte: — er ſtieß
| ein Gefchrei aus wie ein Teufel und fprang über Den |
| hinweg, der ihm im Wege war. Diefer aber, als er fo |
feinen Xebenbuhler fiegen fah, verlor dabei den Kopf |
und das Seil; er warf feine Stange weg und ſchoß
fhneller als diefe, wie ein Wirbel von Armen und
Beinen, in die Tief. Der Markt und das Dolf glich
dem leere, wenn der Sturm hineinfährt: Alles floh aus
einander und Über einander, und am meiften dort, wo
der Körper niederichlagen mußte.
Sarathuftra aber blieb ftehen, und gerade neben
ihn fiel der Körper hin, übel zugerichtet und zerbrochen,
aber noch nicht todt. Nach einer Weile fam dem Zer-
fchmetterten das Bemwußtfein zurüf, und er fah Fara⸗
thuftra neben fih knieen. „Was madıft du da? fagte
| er endlich, ich wußte es lange, daf mir der Teufel ein
| Bein ftellen werde. Nun fchleppt er mich zur Hölle:
willſt du's ihm wehren?“
„Dei meiner Ehre, Freund, antwortete Sarathuftra,
das giebt es Alles nicht, wovon du fprichft: es giebt
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feinen Teufel und Feine Hölle. Deine Seele wird j
noch ſchneller todt fein als dein Leib: fürchte nun
Nichts mehr!” | 1
Der Mann blidte mißtranifh auf. „Wenn du die
Wahrheit fprihft, fagte er dann, fo verliere ich Nichts, \
wenn ich das Leben verliere. Ich bin nicht viel mehr :;
als ein Thier, das man tanzen gelehrt hat, durch Schläge 1.
und fchmale Biffen.“ f
‚Nicht doch, ſprach Sarathuftra; du haft aus der 1:
Gefahr deinen Beruf gemacht, daran ift Nichts zu ver- f
achten. Nun gehft du an deinem Beruf zu Grunde: i
dafür will ich dich mit meinen Händen begraben.“ j
Als Sarathuftra dies gefagt hatte, antwortete der
Sterbende nicht mehr: aber er bewegte die Fand, wie
als ob er die Hand Zarathuftra’s zum Danke ſuche. —
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7.
Inzwifhen fam der Abend, und der Markt barg
ſich in Dunkelheit: da verlief fi das Volk, denn felbft
ı Mengierde und Schreden werden müde. Harathuftra
aber faß neben dem Todten anf der Erde und war in
Gedanken verfunfen: fo vergaß er die Zeit. Endlich .
aber wurde es Nacht, und ein Falter Wind blies über ||
den Einfamen. Da erhob fi Sarathuftra und fagte ii
zu feinem Berzen:
„Wahrlich, einen ſchönen Sifhfang that heute Zara ni
thuftra! Keinen Menſchen fieng er, wohl aber einen —
Leichnam.
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Unheimlih if das menſchliche Dafein und immer
noch ohne Sinn: ein Poffenreifer kann ihm zum Der-
hängniß werden.
Ich will die Menfchen den Sinn ihres Seins Ichren:
welcher ift der Übermenfh, der Blitz ans der dunklen
Wolfe Menid.
Aber noch bin ich ihnen ferne, und mein Sinn
redet nicht zu ihren Sinnen. Eine Mitte bin ich noch den
Menſchen zwifchen einem Narren und einem Leichnam.
Dunfel ift die Nacht, dunkel find die Wege Zara-
thuflra’s. Komm, du Falter und fteifer Gefährtel Ich
trage dich dorthin, wo ich dich mit meinen Bänden
begrabe.”
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8.
Als Sarathuftra dies zu feinem Herzen geſagt
hatte, lud er den Leihnam auf feinen Nüden und
madıte fih auf den Weg. Und nod nit war er
hundert Schritte gegangen, da fhlih ein Menfh an
ihn heran und flüfterte ihm in’s Ohr — und fiehel
Der, welcher redete, war der Poffenreiger vom Thurme.
„Beh weg von diefer Stadt, oh Sarathuftra, fprady er;
es haffen dich hier zu Diele. Es haffen dich die Guten
und Gerechten, und fie nennen dich ihren Feind und
Derädter; es haffen dich die Gläubigen des rechten
Glanbens, und fie nennen dich die Gefahr der Menge,
Dein Glück war es, daß man über dich lachte: und
wahrlih, du redeteft gleich einem Poffenreißger. Dein
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Glück war es, dag du dich dem todten Bunde gefell-
teſt; als du dich fo erniedrigteft, haft du dich felber
für heute errette. Geh aber fort aus diefer Stadt —
oder morgen fpringe ich über dich hinweg, ein Leben-
diger über einen Lodten.” Und als er dies gefagt
hatte, verfhwand der Menſch; Sarathuftra aber gieng
weiter durch die dunklen Gaſſen.
Am Thore der Stadt begegneten ihm die Todten-
gräber: fie lenchteten ihm mit der Fackel in’s Geſicht,
erfannten Sarathuflra und fpotteten fehr über ihn.
„Harathuftra trägt den todten Hund davon: brav, daß
Sarathuftra zum Todtengräber wurdel Denn unfere
Hände find zu reinli für diefen Braten. Will Sara-
thuftea wohl dem Teufel feinen Biffen fielen? Aun
wohlanl Und gut Glüd zur Mahleitl Wenn nur
nicht der Teufel ein befferer Dieb ift als Sarathuftral —
er fttehlt fie Beide, er frißt fie Beidel” Und fie lachten
mit einander und ftediten die Köpfe zuſammen.
Sarathuftra fagte dazu Fein Wort und gieng feines
Weges. Als er zwei Stunden gegangen war, an Wäldern
und Sümpfen vorbei, da hatte er zu viel das hungrige
Gehen! der Wölfe gehört, und ihm felber fam der
Bunger. So blieb er an einem einfamen Haufe ftehn,
in dem ein Licht brannte.
„Der Hunger überfällt mich, fagte Sarathuftra, wie
ein Räuber. In Wäldern und Sümpfen überfällt mid
mein Hunger, und in tiefer acht.
Wunderliche Launen hat mein Hunger. Oft fommt
er mir erft nach der Mahlzeit, und heute fam er den
ganzen Tag nicht: wo weilte er doch?”
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Und damit flug Sarathuftra an das Chor des
Banfes. Ein alter Mann erfchien; er trug das Licht
und fragte: „Wer fommt zu mir und zu meinem
fhlimmen Scjlafe?“
„Ein Kebendiger und ein Todter, fagte Sarathuflra.
Gebt mir zu eſſen und zu trinfen, idy vergaß es am
Tage. Der, welder den Hungrigen fpeifet, erquickt
feine eigene Seele: fo fpricht die Weisheit.“
Der Alte gieng fort, fam aber gleich zurüd und
bot Zarathuſtra Brod und Wein. „Eine böfe Gegend
iſts für Hungernde, fagte er; darum wohne ich hier.
Chier und Menſch Tommen zu mir, dem Einfiedler.
Aber heiße aud deinen Gefährten eſſen und trinken,
er ift müder als du." Zarathuftra antwortete: „Lodt ift
mein Gefährte, ich werde ihn ſchwerlich dazu überreden.“
„Das geht mich Nichts an, fagte der Alte mürriſch; wer
an meinem Haufe anflopft, muß auch nehmen, was ich
ihm biete. Et und gehabt euch wohl!" —
Darauf gieng Sarathuftra wieder zwei Stunden und
vertraute dem Wege und dem Lichte der Sterne: denn
er war ein gewohnter Nacdıtgänger und liebte es, allem
Schlafenden in’s Gefiht zu fehn. Als aber der Morgen
graute, fand fih Sarathuftra in einem tiefen Walde,
und Fein Weg zeigte fit ihm mehr. Da legte er den
Codten in einen hohlen Baum fih zu Häupten — denn
er wollte ihn vor den Wölfen fchügen — und fich
felber auf den Boden und das Moos. Und alsbald
[lief er ein, müden Xeibes, aber mit einer r unbewegten
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9.
Sange ſchlief Zarathuſtra, und nicht nur die Mor⸗
genröthe gieng über fein Antlig, fondern auch der
Dormittag. Endlich aber that fein Auge fih auf:
verwundert fah Sarathuftra in den Wald und die Stille,
verwundert fah er in fidy hinein. Dann erhob er fich
ſchnell, wie ein Seefahrer, der mit Einem Male Land
fieht, und jauchzte: denn er fah eine neue Wahrheit.
Und alfo redete er dann zu feinem Herzen:
Ein Licht gieng mir auf: Gefährten brauche ich,
und lebendige, — nicht todte Gefährten und Leichname,
die ich mit mir trage, wohin ich will,
Sondern lebendige Gefährten brauche ich, die mir
folgen, weil fie fich felber folgen wollen — und dort.
hin, wo ih will.
Ein Licht gieng mir auf: nicht zum Dolfe rede
Sarathuftra, fondern zu Gefährten! Nicht foll Sarathuftra
einer Heerde Hirt und Bund werden!
Diele wegzuloden von der Heerde — dazu Fam
ih. Zürnen foll mir Dolf und Heerde: Räuber will
Zarathuſtra den Hirten heißen.
Hirten fage ih, aber fie nennen fih die Guten
und Gerechten. Hirten fage ich: aber fie nennen fid
die Gläubigen des rechten Glaubens.
Siehe die Guten und Gerechten! Wen haffen fie
am meiften? Den, der zerbricht ihre Tafeln der Werthe,
den Brecher, den Derbreher: — das aber ift der
Scaffende.
Siehe die Gläubigen aller Glauben! Wen haffen fie
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den Brecher, den Verbrecher: — das aber iſt der
Schaffende.
Gefährten ſucht der Schaffende und nicht Leich⸗
name, und auch nicht Bieerden und Gläubige. Die
Mitfchaffenden fucht der Schaffende, Die, welche neue
Werthe auf neue Tafeln fchreiben.
Gefährten fucht der Schaffende, und Miterntende:
denn Alles fteht bei ihm reif zur Ernte. Aber ihm
fehlen die hundert Sicheln: fo rauft er Ähren aus und
ift ärgerlich.
Gefährten fucht der Schaffende, und foldhe, die
ihre Sicheln zu wegen wiſſen. Dernichter wird man
fie heißen und Deräcter des Guten und Böfen. Aber
die Erntenden find es und die Feiernden.
mitfhaffende fucht Sarathuftra, Miterntende und
Mitfeiernde fucht Sarathuftra: was hat er mit Heerden
und Hirten und Leichnamen zu fchaffen!
Und du, mein erfter Gefährte, gehab dich wohl!
Gut begrub ich dich in deinem hohlen Baume, gut
barg ich dich vor den Wölfen.
Aber ich fcheide von dir, die Seit ift um. Zwiſchen
Morgenröthe und Morgenröthe fam mir eine neue
Wahrheit.
Nicht Hirt foll ich fein, nicht Todtengräber. Licht
reden einmal will idy wieder mit dem Volke; zum
legten Male fprach ich zu einem Todten.
Den Schaffenden, den Erntenden, den Seiernden
will ih mich zugefellen: den Regenbogen will ich
ihnen zeigen und alle die Treppen des Übermenfcen.
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Den Einfiedlern werde ich mein Lied fingen und
den Sweifledlern; und wer noch Ohren hat für Uner-
hörtes, dem will ich fein Herz fchwer maden mit
meinem Glüde.
Zu meinem Siele will ich, ich gehe meinen Gang;
über die Högernden und Saumfeligen werde ich hinweg-
fpringen. Alfo fei mein Gang ihr Untergang!
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10.
Dies hatte Sarathuftra zu feinem Berzen ge-
fprochen, als die Sonne im Mittag ftand: da blickte er
fragend in die Höhe — denn er hörte über fich den
ſcharfen Ruf eines Dogels. Und fiehel Ein Adler 309
in weiten Kreifen dur die Luft, und an ihm hieng
eine Schlange, nicht einer Beute gleich, fondern einer
Freundin: denn fie hielt fih um feinen Hals geringelt.
„Es find meine Thierel” fagte Sarathuftra und
freute fich von Herzen.
Das ftolzefte Chier unter der Sonne und das
Mügfte Chier unter der Sonne — fie find ausgezogen
auf Kundihaft.
Erfunden wollen fie, ob Zarathuſtra noch. lebe.
Wahrlich, lebe ich noch?
Gefährlicher fand ich's unter Menfchen als unter
Chieren, gefährlihe Wege geht Sarathuftra. Mögen
mich meine Chiere führen!”
Als Sarathuftra dies geſagt hatte, gedachte er der
Worte des Heiligen im Walde, fenfzte und fprach aljo
3u feinem Kerzen:
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Möchte ich klüger ſein! Möchte ich klug von
Grund aus fein, gleich meiner Schlangel
Aber Unmögliches bitte ich da: fo bitte ich denn
meinen Stolz, daß er. immer mit meiner Klugheit gehel
Und wenn mid einft meine Klugheit verläßt:
— ad, fie liebt es davonzufliegen! — möge mein Stolz
dann noch mit meiner Chorheit fliegen! —
— Alfo begann Sarathuftra’s Untergang,
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Die Reden
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Don den drei Derwandlungen.
Drei Derwandlungen nenne ich euch des Geiftes:
wie der Geiſt zum Kameele wird, und zum Löwen das
Kameel, und zum Kinde zuleßt der Löwe.
Dieles Schwere giebt es dem Geiſte, dem ftarfen,
tragfamen Geifte, dem Ehrfurcht innewohnt: nach dem
Schweren und Schwerften verlangt feine Stärke,
Was ift fhwer? fo fragt der tragfame Geift,
fo Iniet er nieder, dem Kameele gleih, und will gut
beladen fein.
Was ift das Schwerfte, ihr Helden? fo fragt der
tragfame Geiſt, daß ich es auf mich nehme und meiner
Stärfe froh werde.
Iſt es nicht das: ſich erniedrigen, um feinem Hoch⸗
muth wehe zu thun? Seine Thorheit leuchten laſen,
um feiner Weisheit zu ſpotten?
Oder ift es das: von unferer Sache fcheiden, wenn
fie ihren Sieg feiert? Auf hohe Berge fteigen, um
den Derfucher zu verfuchen?
Oder ift es das: fih von Eiheln und Gras der
Erfenntnig nähren und um der Wahrheit willen an
der Seele Hunger leiden?
Alfo ſprach Zarathuftra. 33 3
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Oder iſt es das: krank ſein und die Tröſter heim⸗
ſchicken und mit Tauben Freundſchaft ſchließen, die
niemals hören, was du willft? .
Oder ift es das: in ſchmutziges Waſſer fleigen,
wenn es das Wafjer der Wahrheit ift, und Falte Fröfche
und heiße Kröten nicht von ſich weifen?
Oder ift es das: Die lieben, die uns verachten, und
dem Gefpenfte die Hand reichen, wenn es uns fürchten
maden will?
Alles dies Schwerfte nimmt der tragfame Geift
auf fih: dem Hameele glei, das beladen in die
Wüſte eilt, alfo eilt er in feine Wüſte.
Aber in der einfamften Wüfte gefchieht die zweite
Derwandlung: zum Löwen wird hier der Geift, Freiheit
will er ſich erbeuten und Herr fein in feiner eignen
Wüſte. |
Seinen lebten Herrn fucht er fih hier: feind will |
er ihm werden und feinem letzten Gotte, um Sieg will
er mit dem großen Draden ringen.
Weldes ift der große Drache, den der Geiſt nicht
mehr Herr und Gott heißen mag? „Du-follii“ heißt
der große Drake. Aber der Geift des Löwen fagt
„ih will”,
„Du-follft" liegt ihm am Wege, goldfunfelnd, ein
Schuppenthier, und auf jeder Schuppe‘ glänzt golden
„Du-follitl“
CTaufendjährige Werthe glänzen an diefen Schup-
pen, und alfo ſpricht der mächtigfte aller Draden:
„aller Werth der Dinge — der glänzt an mir.“
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„ler Werth ward fchon gefchaffen, und aller
gefhaffene Werth — das bin ih. Wahrlih, es foll
fein „Ich will“ mehr geben!" Alfo fpricht der Drache.
Meine Brüder, wozu bedarf es des Löwen im
Geifter Was genügt nicht das laftbare hier, das ent
fagt und ehrfürdtig ift? |
VNeue Werthe fchaffen — das vermag andy der
Löwe noch nicht: aber Freiheit fih fchaffen zu neuem
Schaffen — das vermag die Macht des Löwen.
Sreiheit fih fhaffen und ein heiliges Nein auch
vor der Pfliht: dazu, meine Brüder, bedarf es des
Lõwen.
Recht ſich nehmen zu neuen Werthen — das iſt
das furchtbarſte Nehmen für einen tragſamen und ehr⸗
fürchtigen Geiſt. Wahrlich, ein Rauben iſt es ihm. und
eines raubenden CThieres Sache.
Als fein Heiligſtes liebte er einſt das „Du ⸗ſollſt“:
nun muß er Wahn und Willfür auch noch im Beilig-
ften finden, daß er ſich Freiheit raube von feiner Liebe:
des Löwen bedarf es zu diefem Raube.
Aber fagt, meine Brüder, was vermag noch das
Kind, das au der Löwe nicht vermodhte? Was muß
der raubende Löwe auch noch zum Kinde werden ?
Unſchuld ift das Kind und Dergeflen, ein Neu—⸗
beginnen, ein Spiel, ein aus ſich rollendes Rad, eine
erfte Bewegung, ein heiliges Ja-fagen.
Ja, zum Spiele des Schaffens, meine Brüder, bedarf
es eines heiligen Ja-fagens: feinen Willen will nun
der Geift, feine Welt gewinnt fi} der Weltverlorene.
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Drei Derwandlungen nannte ich euch des Beiftes:
wie der Geiſt zum Kameele ward, und zum Löwen das
Kameel, und der Löwe zulegt zum Kinde. —
Alfo ſprach Sarathuftra. Und damals weilte er in
der Stadt, welche genannt wird: die bunte Kuh,
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Don den Lehrſtühlen der Tugend.
Man rühmte Zarathuſtra einen Weiſen, der gut
vom Schlafe und von der Tugend zu reden wiſſe: fehr
werde er geehrt und gelohnt dafür, und alle Jünglinge
fäßen vor feinem Lehrſtuhle. Su ihm gieng Sarathuftra,
und mit allen Jünglingen faß er vor feinem Lehrſtuhle.
Und alfo fprady der Weife:
Ehre und Scham vor dem Schlafel Das ift das
Erftel Und Allen aus dem Wege gehn, die fhlecht
fhlafen und Nadıts wachen!
Schamhaft ift noch der Dieb vor dem Schlafe: ftets
ftiehlt er fidh leife durch die Nacht. Schamlos aber ift
der Wächter der Nacht, fchamlos trägt er fein Horn.
Keine geringe Kunft ift fchlafen: es thut fchon
noth, den ganzen Tag darauf hin zu wachen.
Zehn Mal mußt du des Tages dich felber über-
winden: das macht eine gute Müdigkeit und ift Mohn
der Seele, Ä
Zehn Mal mußt du dich wieder mit dir felber ver-
föhnen; denn Überwindung ift Bitterniß, und ſchlecht
[hläft der Unverföhnte,
57
Zehn Wahrheiten mußt du des Tages finden: fonft
fuhft du noch des Nachts nah Wahrheit, und deine
Seele blieb hungrig.
Sehn Mal mußt du lahen am Tage und heiter
fein: fonft ftört di der Magen in der Nacht, diefer
Dater der Trübfal.
Wenige wiffen das: aber man muß alle Tugenden
haben, um gut zu fchlafen. Werde ich falſch Zeng⸗
niß reden? Werde ich ehebrechen ?
Werde ich mid gelüften laffen meines Nächſten
MagdP Das Alles vertrüge ſich fchleht mit gutem
Schlafe.
Und felbft wenn man alle Tugenden hat, muß
man fih no auf Eins verftehen: felber die Tugenden
zur rechten Seit fchlafen ſchicken.
Daß fie fi} nicht mit einander zanfen, die artigen
Weiblein! Und über dih, du Unglücfeliger!
Friede mit Gott und dem Nachbar: fo will es der
gute Schlaf. Und Friede auch noch mit des Nachbars
Teufell Sonft geht er bei dir des Nachts um.
Ehre der Obrigkeit und Gehorfam, und auch der
frummen Obrigkeit! So will es der gute Schlaf. Was
fann ih dafür, daß die Macht gerne auf krummen
Beinen wandelt ?
Der foll mir immer der befte Hirt heißen, der
fein Schaf anf die arünfte Aue führt: fo verträgt es
fih mit gutem Schlafe.
Diel Ehren will ich nicht, noch große Schäße: das
entzündet die Milz. Aber fchlecht fchläft es ſich ohne
einen guten Namen und einen Kleinen Schatz.
58
Eine Feine Gefellfhaft ift mir willlommener als
eine böje: doch muß fie gehn und fommen zur rechten
Seit. So verträgt es fih mit gutem Schlafe.
Sehr gefallen mir auch die Beiftig-Armen: fie
fördern den Schlaf. Selig find die, fonderlich wenn
man ihnen immer Nedt giebt.
Alfo läuft der Tag dem Tugendfamen. Kommt
nun die acht, fo Hüte ich mich wohl, den Schlaf zu
rufen! Nicht will er gerufen fein, der Schlaf, der der
Herr der Tugenden ift!
Sondern ich denfe, was ich des Tages gethan und
gedacht, Wiederfäuen® frage ich mich, geduldfam
gleih einer Kuh: weldhes waren doch deine zehn
Überwindungen ?
Und weldyes waren die zehn Derföhnungen und
die zehn Wahrheiten und die zehn Gelächter, ‚mit denen
ſich mein Herz gütlich that?
Solderlei erwägend und gewiegt von vierzig Ge—
danfen, überfällt mich auf einmal der Schlaf, der Un-
gernfene, der Herr der Tugenden.
Der Schlaf klopft mir auf mein Auge: da wird es
fhwer. Der Schlaf berührt mir den Mund: da bleibt
er offen.
Wahrlih, auf weichen Sohlen fommt er mit, der
fiebfte der Diebe, und ftiehlt mir meine Gedanken:
dumm fiehe ich da wie diefer Kehrftuhl.
Aber nicht lange mehr ftehe ich dann: da liege
ich fon. —
Als Sarathuftra den Weifen alfo fprechen hörte,
lachte er bei fich im Herzen: denn ihm war dabei ein
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Cicht aufgegangen. Und alſo ſprach er zu feinem
Herzen:
| Ein Narr ift mir diefer Weife da mit feinen vier-
| zig Gedanken: aber ich glaube, daß er fi wohl auf
ı das Schlafen verfteht.
| Glücklich fon, wer in der Nähe diefes Meilen
wohnt: Solh ein Schlaf ftedt an, noch duch eine
| die Wand hindurch fledt er an.
Ein Sauber wohnt felbft in feinem £ehrftuhle
| Und nicht vergebens faßen die Jünglinge vor dem
ı Prediger der Tugend.
Seine Weisheit heißt: wachen, um gut zu fchlafen.
Und wahrlidy, hätte das Leben feinen Sinn, und müßte
warmen
ih Unfinn wählen, fo wäre audy mir dies der wählens-
würdigfte Unfinn.
Jetzo verfiehe ich Far, was einft man vor Allem
fuchte, wenn man Lehrer der Tugend fuhte Guten
Schlaf fuchte man fi und mohnblumige Tugenden dazu!
Allen diefen gelobten Weifen der Lehrftühle war
Weisheit der Schlaf ohne Träume: fie fannten feinen
befjern Sinn des Lebens.
om
| Aud noch heute wohl giebt es Einige, wie diefen
ı Prediger der Tugend, und nicht immer fo Ehrlie:
| aber ihre Seit ift um. Und nicht mehr lange fliehen
ſie noch: da liegen fie fchon.
Selig find diefe Schläfrigen: denn fie follen bald
einniden. —
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| | Alfo ſprach Sarathuftra.
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Don den Binterweltlern.
Einft warf auch Sarathuftra feinen Wahn jenfeits des
Menfchen, gleich allen Binterweltlern. Eines leidenden
und zerquälten Gottes Wert fchien mir da die Welt.
Traum fchien mir da die Welt, und Dichtung eines
Gottes; farbiger Rauch vor den Augen eines göttlich
Unzufrieönen.
Gut und böfe und Luft und Leid und Sch und Du
— farbiger Rauch dünkte mich's vor fchöpferifchen
Augen. Wegfehn wollte der Schöpfer von fi, — da
fchuf er die Melt.
Trunkne Luft iſt's dem Leidenden, wegzufehn von
feinem Leiden und fi zu verlieren. Crunkne Luft und
Selbft-fid-Derlieren dünkte mich einft die Welt.
Diefe Welt, die ewig unvolllommene, eines ewigen
Widerfprudhes Abbid und unvolllommnes Abbid —
eine trunkne Luſt ihrem unvollflommnen Schöpfer: —
alfo dünfte mich einft die Welt.
Alfo warf aud ich einft meinen Wahn jenfeits
des Menfchen, gleich allen Hinterweltlern. Jenfeits des
Menfhen in Wahrheit?
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Ach, ihr Brüder, dieſer Gott, den ich ſchuf, war
Menſchen⸗Werk und -Wahnfinn, gleich allen Göttern!
Menfh war ee, und nur ein armes Stüd Menſch
und Ich: aus der eigenen Aſche und Gluth Fam es mir,
diefes Gefpenft, und wahrlihl Nicht fam es mir von
Jenſeits!
Was geſchah, meine Brüder? Ich überwand mich,
den Leidenden, ich trug meine eigne Aſche zu Berge,
eine hellere Flamme erfand ich mir. Und ſiehel Da
wid das Geſpenſt von mit!
Keiden wäre es mir jet und Anal dem Genefenen,
folhe Sefpenfter zu glauben: Keiden wäre es mir jett
und Erniedrigung. Alfo rede ich zu den Hinterweltlern.
Keiden war’s und Unvermögen — das fchuf alle
Hinterwelten; und jener kurze Wahnfinn des Glücks,
den nur der Keidendfte erfährt.
Müdigkeit, die mit Einem Sprunge zum Letzten
will, mit einem Codesfprunge, eine arme unwifjende
Müdigkeit, die nicht einmal mehr wollen will: die fchuf
alle Götter und Hinterwelten.
Glaubt es mir, meine Brüder! Der Keib war’s, der
am Leibe verzweifelte, — der taftete mit den Fingern
des bethörten Geiſtes an die letzten Wände.
Glaubt es mir, meine Brüder! Der Leib war's, der
an der Erde verzweifelte, — der hörte den Bauch des
Seins zu ſich reden.
Und da wollte er mit dem Kopfe durch die letzten
Wände, und nicht nur mit dem Kopfe, — hinüber zu
„jener Welt”.
42
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Aber „jene Welt” ift gut verborgen vor dem
Menfhen, jene entmenjhte unmenfchliche Welt, die ein
himmlifches Nichts iſt; und der Bauch des Seins redet
gar nicht zum Menſchen, es fei denn als Menfd.
Wahrlich, fhwer zu beweifen ift alles Sein und
fhwer zum Reden zu bringen. Sagt mir, ihr Brüder,
it nicht das Wunderlichfie aller Dinge noch am beften
bewiefen ?
Ja, dies Sch und des Ich's Widerfpruch und Wirrfal
redet noh am redlichfien von feinem Sein, diefes
fhaffende, wollende, werthende Ich, welches das Maß
und der Werth der Dinge ift.
Und dies redlichfte Sein, das Ih — das redet vom
Leibe, und es will noch den Leib, felbft wenn es dichtet
und ſchwärmt und mit zerbrocdhnen Slügeln flattert.
Immer redlicher lernt es reden, das Ich: und je
mehr es lernt, um fo mehr findet es Worte und Ehren
für Leib und Erde.
Einen neuen Stolz lehrte mich mein Ich, den lehre
ich die Menfchen: nicht mehr den Kopf in den Sand
der himmlifchen Dinge zu ſtecken, fondern frei ihn zu
tragen, einen Erden-Kopf, der der Erde Sinn fhafftl
Einen neuen Willen lehre ich die Menſchen: diefen
Weg wollen, den blindlings der Menſch gegangen, und
gut ihn heißen und nicht mehr von ihm bei Seite
fchleichen, gleich den Kranken und Abfterbenden!
Kranfe und Abfterbende waren es, die verachteten
Leib und Erde und erfanden das Himmlifche und die
erlöfenden Blutstropfen: aber auch noch diefe füßen
und düftern Gifte nahmen fie von Leib und Erdel
XX
43
Ihrem Elende wollten fie entlaufen, und die Sterne
waren ihnen zu weit. Da fenfzten fie: „Oh daß es doc
himmlifhe Wege gäbe, fih in ein andres Sein und
Glück zu ſchleichen!“ — da erfanden fie fi} ihre Schliche
und blutigen CTränklein |
Ihrem Leibe und diefer Erde nun entrüdt wähnten
fie fih, diefe Undanfbaren. Doch wem dankten fie
ihrer Entrüdung Krampf und Wonne? Ihrem £eibe
und diefer Erde,
Milde ift Sarathuftra den Kranken. Wahrlih, er
zürnt nicht ihren Arten des Troſtes und Undanks.
Mögen fie Genefende werden und Überwindende und
einen höheren Leib fich fchaffen!
Nicht auch zürnt Sarathuftra dem Genefenden, wenn
er zärtliy nach feinem Wahne blidt und Mitternadhts
um das Grab feines Gottes fchleiht: aber Krankheit
und kranker Keib bleiben mir auch feine Chränen noch.
Dieles franfhafte Dolf gab es immer unter Denen,
welche dichten und gottſüchtig find; wüthend haffen
fie den Erfennenden und jene jüngfte der Tugenden,
welche heißt: Redlichkeit.
Rückwärts bliden fie immer nad dunklen Zeiten:
da freilih war Wahn und Glaube ein ander Ding;
ARaferei der Dernunft war Bottähnlichkeit, und Sweifel
Sünde.
Allzugut Penne ich diefe Bottähnlichen: fie wollen,
daß an fie geglaubt werde, und Zweifel Sünde fei.
Allzugnt weiß ih auch, woran fie felber am beften
glauben.
Wahrlich nit an Binterwelten und erlöfende
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—
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Blutstropfen: fondern an den Leib glauben auch fie am
beften, und ihr eigener Leib ıft ihnen ihr Ding an ſich.
Aber ein krankhaftes Ding ift er ihnen: und gerne
möchten fie aus der Haut fahren. Darum horchen fie
nach den Predigern des Todes und predigen felber
Hinterwelten.
Hört mir lieber, meine Brüder, auf die Stimme des
gefunden Leibes: eine redlichere und reinere Stimme
ift dies,
Redlicher redet und reiner der gefunde Leib, der
volllommene und rechtwinklige: und er redet vom Sinn
der Erde. —
Alfo ſprach Sarathuftra,
45
Don den Deräcdhtern des Keibes.
Den Derädtern des Keibes will ih mein Wort
ſagen. Nicht umlernen und umlehren follen fie mir,
fondern nur ihrem eignen Leibe Lebewohl fagen —
und alfo ftumm werden.
„Leib bin ich und Seele” — fo redet das Kind.
Und warum follte man nidyt wie. die Kinder reden?
Aber der Erwachte, der Wiffende fagt: Leib bin
ih ganz und gar, und Nichts außerdem; und Seele ift
nur ein Wort für ein Etwas am Leibe.
Der £eib ift eine große Dernunft, eine Dielheit mit
Einem Sinne, ein Krieg und ein Srieden, eine Heerde
und ein Dirt.
Werkzeug deines Leibes ift aud deine Peine Der-
nunft, mein Bruder, die du „Geift“ nennft, ein Pleines
Werk⸗ und Spielzeug deiner großen Dernunft.
„Sch“ ſagſt du und bift ftolz auf dies Wort. Aber
das Größere it — woran du nicht glauben willſt —
dein Leib und feine große Dernunft: die fagt nicht
Ich, aber thut Ic.
Was der Sinn fühlt, was der Geift erfennt, das
hat niemals in fi fein Ende. Aber Sinn und Geift
46
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möchten dich überreden, ſie ſeien aller Dinge Ende:
ſo eitel ſind fie.
Werk. und Spielzeuge find Sinn und Geiſt: hinter
ihnen liegt noch das Selbf. Das Selbft ſucht audy mit
den Augen der Sinne, es horcht au mit den Ohren
des Geiftes.
Immer hordt das Selbft und ſucht: es vergleicht,
bezwingt, erobert, zerſtört. Es herriht und ift aud
des Ich's Beherricer.
Hinter deinen Gedanken und Gefühlen, mein Bruder,
fteht ein mädhtiger Gebieter, ein unbefannter Weifer
— der heißt Selb. In deinem Leibe wohnt er, dein
Leib ift er.
Es iſt mehr Dernunft in deinem Leibe, als in deiner
beften Weisheit. Und wer weiß denn, wozu dein Leib
gerade deine beite Weisheit nöthig hat?
Dein Selbft lacht über dein Ich und feine ftolzen
Sprünge, „Was find mir diefe Sprünge und Slüge
des Gedankens? fagt es fih. Ein Umweg zu meinem
Swede Ich bin das Bängelband des Ich's und der
Einbläfer feiner Begriffe.”
Das Selbft fagt zum Ich: „hier fühle Schmerz!"
Und da leidet es und denft nach, wie es nicht mehr
leide — und dazu eben foll es denken.
Das Selbft fagt zum Jh: „hier fühle £uftl” Da
freut es fih und denkt nah, wie es noch oft fi
freue — und dazu eben foll es denfen. |
Den Derächtern des Keibes will ich ein Wort fagen.
Daß fie verachten, das madt ihr Achten. Was ift es,
das Achten und Verachten und Werth und Willen ſchuf?
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Das fchaffende Selbft fchuf fi Achten und Der-
achten, es fhuf fih Luſt und Weh. Der fchaffende
Leib fchuf fih den Geift als eine Hand feines Willens.
oh in eurer Chorheit und Deradıtung, ihr Der-
äcdter des Keibes, dient ihr enrem Selb. Ich fage
euh: euer Selbft felber will fterben und kehrt fid
vom Keben ab.
Qicht mehr vermag es Das, was es am liebften
will: — über fi hinaus zu fchaffen. Das will es am
liebften, das ift feine ganze Inbrunft.
Aber zu fpät ward es ihm jet dafür: — fo will
euer Selbft untergehn, ihr Derächter des Keibes.
Untergehn will euer Selbft, und darum wurdet ihr
zu Derächtern des Leibes! Denn nicht mehr vermögt
ihr über euch hinaus zu fchaffen.
Und darum zürnt ihe nun dem Keben und der
Erde Ein ungewußter Neid ift im fcheelen Blid
eurer Deradytung.
Ich gehe nicht euren Weg, ihr Derächter des Keibes |
Ihr feid mir Feine Brüden zum Übermenfheni —
Alfo ſprach Sarathuftra.
48
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Mein Bruder, wenn du eine Tugend haſt, und es
deine Tugend ift, fo haft du fie mit Niemandem ge-
meinfam.
Freilich, du willſt fie bei Namen nennen und lieb-
Pofen; du will fie am Ohre zupfen und Kurzweil mit
ihr treiben.
Und fiehel Nun haft du ihren Namen mit dem
Dolfe gemeinfam und bift Dolf und Heerde geworden
mit deiner Tugend!
Beſſer thäteft du, zu fagen: „nnausſprechbar ift
und namenlos, was meiner Seele Qual und Süße madıt
und auch noch der Hunger meiner Eingemweide iſt.“
Deine Tugend fei zu hoch für die Dertraulichkeit
der Namen: und mußt du von ihr reden, fo jchäme
dich nicht, von ihr zu ftammeln. .
So fpridy und ftammle: „Das ift mein Gutes, das
liebe ich, fo gefällt es mir ganz, fo allein will ich das
Gute, |
Nicht will ich es als eines Gottes Geſetz, nicht will
ih es als eine Menfchen-Satung und »Nothdurft: Fein
Wegweifer fei es mir für Äber-Erden und Paradiefe. i
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Don den Freuden und Leidenfchaften.
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Alſo ſprach Zarathuſtra. 49 4
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Eine irdifhe Tugend ift es, die ich liebe: wenig
Klugheit ift darin, und am wenigften die Dernunft Aller.
Aber diefer Dogel baute bei mir fih das Xeft:
darum liebe und herze ich ihn, — nun fit er bei mir
auf feinen goldnen Eiern.“
So follft du ſtammeln und deine Tugend loben.
Einft hatteft du Leidenſchaften und nannteft fie
böfe. Aber jetzt haft du nur noch deine Tugenden:
die wuchfen aus deinen Leidenfchaften.
Du legteft dein höchftes Fiel diefen Leidenſchaften
an’s Herz: da wurden fie deine Tugenden und Sreuden-
ſchaften.
Und ob du aus dem Geſchlechte der Jähzornigen
wäreſt oder aus dem der Wollüſtigen oder der Glaubens⸗
Wüthigen oder der Rachfüchtigen:
Am Ende wurden alle deine Keidenfchaften zu
Tugenden und alle deine Teufel zu Engeln.
Einft hatteft du wilde Hunde in deinem Keller:
aber am Ende verwandelten fie fit zu Dögeln und
lieblihen Sängerinnen.
Aus deinen Giften brauteft du dir deinen Balfam;
deine Kuh Trübfal melkteft du, — nun trinkſt du die
|
|
füge Mildy ihres Euters.
Und nichts Böfes wächſt mehr fürderhin aus dir,
es fei denn das Böfe, das aus dem Kampfe deiner
Tugenden wächſt.
Mein Bruder, wenn du Glüd haft, fo haft du Eine
Tugend und nicht mehr: fo gehft du leichter über die
| Brüde
50
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Auszeichnend ift es, viele Tugenden zu haben, aber
ein fchweres Loos; und Mancher gieng in die Wüfte
und tödtete fi, weil er müde war, Schlacht und
Scladtfeld von Tugenden zu fein.
Mein Bruder, ift Krieg und Schlacht böfe? Aber
nothwendig ift dies Böfe, nothwendig iſt der Neid
und das Mißtrauen und die Derleumdung unter deinen
Tugenden,
Siehe, wie jede deiner Tugenden begehrlih ift
nah dem Bödften: fie will deinen ganzen Beift, daß
er ihr Berold fei, fie will deine ganze Kraft in Sorn,
Haß und Kiebe.
Eiferfüchtig ift jede Tugend auf die andre, und ein
furdtbares Ding ift Eiferfucht. Auch Tugenden fönnen
an der Eiferfucht zu Grunde gehn.
Wen die Flamme der Eiferfucht umringt, der wen-
det zuletzt, gleih dem Scorpione, gegen fich felber
den vergifteten Stachel,
Ah, mein Bruder, fahft du noch nie eine Tugend
fi felber verleumden und erftechen ?
Der Menfh ift Etwas, das überwunden werden
muß: und darum follt du deine Tugenden lieben —:
denn du wirft an ihnen zu Grunde gehn. —
Alfo ſprach Zarathuſtra.
Dom bleichen Derbrecher.
Ihr wollt nicht tödten, ihr Nichter und Opferer,
bevor das Thier nicht genickt hat? Seht, der bleiche
Verbrecher hat genidt: aus feinem Auge redet die
große Deradıtung.
„Mein Ih ift Etwas, das überwunden werden fol:
mein Ich ift mir die große Deradtung des Menſchen“:
fo redet es aus diefem Auge
Daß er fih felber richtete, war fein hödhfter
Augenblid: laßt den Erhabenen nicht wieder zurüd
in fein Niederes!
Es giebt Feine Erlöfung für Den, der fo an fi
felber leidet, es fei denn der fchnelle Tod.
Euer Tödten, ihr Richter, fol ein Mitleid fein und
feine Rache. Und indem ihr tödtet, feht zu, da ihr
felber das Leben rechtfertiget!
Es ift nicht genug, daß ihr euch mit Dem ver-
föhnt, den ihr tödtel. Eure Traurigkeit fei Liebe zum
Übermenfchen: fo rechtfertigt ihr euer Noch-Keben!
„Feind“ follt ihr fagen, aber nidt „Böfewicht”;
„Kranker“ follt ihr fagen, aber nicht „Schuft“; „Chor“
follt ihr fagen, aber nicht „Sünder“.
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‘Und du, rother Richter, wenn du laut fagen wollteft,
was du Alles fchon in Gedanken gethan haft: fo würde
Jedermann fchreien: „Weg mit diefem Unflath und
Giftwurm!”
Aber ein Anderes ift der Gedanke, ein Anderes
die Chat, ein Anderes das Bild der Chat. Das Rad des
Grundes rollt nicht zwifchen ihnen.
Ein Bild machte diefen bleihen Menfchen bleich.
Gleichwüchſig war er ſeiner Chat, als er ſie that: aber
ihr Bild ertrug er nicht, als ſie gethan war.
Immer ſah er ſich nun als Einer That Chäter.
Wahnfinn heiße ich dies: die Ausnahme verkehrte ſich
ihm zum Wefen.
Der Strih bannt die Henne; der Streich, den er
führte, bannte feine arme Dernunft — den Wahnfinn
nach der Chat heiße ich dies.
Bört, ihr Richterl Einen anderen Wahnfinn giebt
es noch: und der ift vor der That. Ach, ihr Frocht mir
nicht tief genug in diefe Seelel
So fpricht der rothe Richter: „was mordete doc
diefer Derbrecher? Er wollte rauben.“ Aber ich fage
euch: feine Seele wollte But, nicht Raub: er dürftete
nah dem Glück des Meffers!
Seine arme Dernunft aber begriff diefen Wahnfinn
nicht und überredete ihn. „Was liegt an Blutl ſprach
fie; willt du nicht zum mindeften einen Raub dabei
maden? Eine Rache nehmen?”
Und er hordhte auf feine arme Dernunft: wie Blei
lag ihre Rede auf ihm, — da raubte er, als er mordete,
Er wollte fidy nicht feines Wahnfinns ſchämen.
53
Und nun wieder liegt das Blei feiner Schuld auf
ihm, und wieder ift feine arme Dernunft fo fteif, fo
gelähmt, fo fchwer.
Wenn er nur den Kopf fchütteln Fönnte, fo würde
feine Laſt herabrollen: aber wer fhüttelt diefen Kopf?
Was ift diefer Menfh? Ein Haufen von Kran.
heiten, welche durch den Geift in die Welt hinaus-
greifen: da wollen fie ihre Beute machen.
Was ift diefer Menſch? Ein Unäuel wilder Schlangen,
welche felten bei einander Ruhe haben, — da gehen fie
für fih fort und fuchen Beute in der Welt.
Seht diefen armen Leibl Was er litt und begehrte,
das deutete fich diefe arme Seele, — fie deutete es als
mörderifche Luft und Gier nach dem Glück des Mleffers.
Wer jett Fran? wird, den überfällt das Böfe, das
jett böfe tft: wehe will er thun, mit dem, was ihm wehe
thut. Aber es gab andre Zeiten und ein andres Böfes
und Gutes.
Einft war der Sweifel böſe und der Wille zum
Selb. Damals wurde der Kranfe zum Keber und
zur Bere: als Keber und Here litt er und wollte leiden
madhen.
Aber dies will nit in eure Ohren: euren Guten
fhade es, fagt ihr mir. Aber was liegt mir an euren
Guten!
Dieles an euren Guten macht mir E£el, und wahr-
lich nicht ihre Böfes. Wollte ich doch, fie hätten einen
Wahnfinn, an dem fie zu Grunde giengen, gleich
diefem bleichen Verbrecher!
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— —— 22
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—— — — — — — — ———— — — — mu Hmm HERE V489ůk?7c Green ge au —
| Wahrlih, ich wollte, ihr Wahnfinn hieße Wahr-
heit oder Treue oder Gerechtigkeit: aber fie haben ihre
Tugend, um lange zu leben, und in einem erbärmlichen
| Behagen.
| Ich bin ein Beländer am Strome: faffe mich, wer
| nid faffen kann! Eure Krüde aber bin ih nidt. —
Alſo ſprach Sarathuftra.
—
— — —— — —2
— 2 4 — — — —— ——— — —2— —2 4 - vom
—— — — — — SEO —⸗——— ERDE Ser — —— — — —— ————— — — — —— ——— © A TS, DEE EEE —— —. | — —
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Vom Leſen und Schreiben.
Von allem Geſchriebenen liebe ich nur Das, was
Einer mit ſeinem Blute ſchreibt. Schreibe mit Blut:
und du wirſt erfahren, daß Blut Geiſt iſt.
Es iſt nicht leicht möglich, fremdes Blut zu ver⸗
ſtehen: ich haſſe die leſenden Müßiggänger.
Wer den Leſer kennt, der thut Nichts mehr für
den Leſer. Noch ein Jahrhundert Leſer — und der
Geiſt ſelber wird ſtinken.
Daß Jedermann leſen lernen darf, verdirbt auf die
Dauer nicht allein das Schreiben, ſondern auch das
Denken.
Einſt war der Geiſt Gott, dann wurde er zum
Menſchen, und jetzt wird er gar noch Pöbel.
Wer in Blut und Sprüchen ſchreibt, der will nicht
geleſen, ſondern auswendig gelernt werden.
Im Gebirge iſt der nächſte Weg von Gipfel zu
Gipfel: aber dazu mußt du lange Beine haben. Sprüche
ſollen Gipfel ſein: und Die, zu denen geſprochen wird,
Große und Hochwüchſige.
Die £uft dünn und rein, die Gefahr nahe und der
Geift voll einer fröhlichen Bosheit: fo paßt es gut zu
einander,
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Ich. will Kobolde um mich haben, denn ich bin
muthig. Muth, der die Gefpenfter verfcheucht, ſchafft
ſich felber Kobolde, — der Muth will lachen.
Ih empfinde nit mehr mit euch: diefe Wolfe,
die ich unter mir fehe, diefe Schwärze und Schwere,
über die ich lade, — gerade das iſt eure Gewitter⸗
wolfe.
Ihr feht nah Oben, wenn ihr nad Erhebung
verlangt, Und ich fehe hinab, weil ich erhoben bin.
Wer von euch kann zugleich lahen und erhoben
fein ?
Wer auf den hödften Bergen ſteigt, der lacht
über alle Trauer-Spiele und Trauer⸗Ernſte.
Unbefümmert, fpöttifh, gewaltthätig — fo will
uns die Weisheit: fie ift ein Weib und liebt immer
nur einen Kriegsmann.
Ihr fagt mir: „das Leben ift fchwer zu tragen.”
Aber wozu hättet ihr Dormittags euren Stolz . und
Abends eure Ergebung ?
Das geben ift fchwer zu tragen: aber fo thut mir
doch nicht fo zärtlihl Wir find allefammt hübfche laft-
bare Ejel und Efelinnen.
Was haben wir gemein mit der Nofenknofpe,
welche zittert, weil ihr ein Tropfen Thau auf dem Keibe
liegt ?
Es ift wahr: wir lieben das Leben, nicht, weil wir
an’s Leben, fondern weil wir an’s Lieben gewöhnt find.
Es ift immer etwas Wahnfinn in der Liebe. Es
ift aber immer auch etwas Vernunft im Wahnfinn.
57
Und auch mir, der ih dem Leben gut bin, fdheinen
Schmetterlinge und Seifenblafen und mas ihrer Art
unter Menfchen ift, am meiften vom Slüde zu wiſſen.
Diefe leiten thörichten zierlihden beweglichen
Seelen flattern zu fehen — das verführt Sarathufira 1,
zu Chränen und Liedern. H
Ih würde nur an einen Gott glauben, der zu "
tanzen verflünde. R
Und als ih meinen Teufel fah, da fand ich ihn E
ernft, gründlich, tief, feierlih: es war der Geiſt der
Schwere, — durch ihn fallen alle Dinge. '
Nicht durch Forn, Sondern durch Kaden tödtet
man. Auf, laßt uns den Geiſt der Schwere tödten!
Ih habe gehen gelernt: feitdem laffe ih mid
laufen. Ich habe fliegen gelernt: feitdem will ich nicht
erft geftoßen fein, um von der Stelle zu fommen.
Jetzt bin ich leicht, jetzt fliege ich, jetzt fehe ich
mich unter mir, jegt tanzt ein Gott durch mid.
Alſo ſprach Zarathuſtra.
.. =. CL} öö— 5 SEE Ge —— — ——
—— — —— ——————— ———— ——
58
Dom Baum am Berge.
Sarathuftra’s Auge hatte gefehn, daß ein Jüngling
ihm auswid. Und als er eines Abends allein durch
die Berge gieng, welche die Stadt umfcließen, die
genannt wird „die bunte Kuh“: fiehe, da fand er im
Gehen diefen Jüngling, wie er an einen Baum gelehnt
faß und müden Blides in das Thal fchaute. Zara—
thuftra faßte den Baum an, bei welchem der Jüngling
faß, und ſprach alfo:
„Wenn ich diefen Baum da mit meinen Händen
fhütteln wollte, ih würde es nicht vermögen.
‚Aber der Wind, den wir nicht fehen, der quält und
biegt ihn, wohin er will Wir werden am fchlimmften
von unfichtbaren Händen gebogen und gequält.“
Da erhob fi der Jüngling beftürzt und fagte:
„ih höre Sarathuftra und eben dachte ih an ihn.“
Zarathuſtra entgegnete:
„Was erfchridit du deshalb? — Aber es tft mit
dem Ulenfchen wie mit dem Baume.
Je mehr er hinauf in die Höhe und Helle will,
um fo ftärfer ftreben feine Wurzeln erdwärts, abwärts,
in’s Dunkle, Tiefe, — in’s Böfe.“
59
— — —
wird man nie entdecken, es ſei denn, daß man ſie zu⸗
erſt erfindet.”
mir ſelber nicht mehr, ſeitdem ich in die Höhe will, und
Niemand traut mir mehr, — wie geicieht dies do? |.
legt mein Geſtern. Ich überfpringe oft die Stufen, !
wenn idy fteige, — das verzeiht mir feine Stufe.
Niemand redet mit mir, der Froſt der Einfamkeit madt |:
mid zittern. Was will ich doch in der Höher f
|
pernsl Wie fpotte ich meines heftigen Schnaubens! |
Wie haffe ih den Fliegenden! Wie müde bin ih in
der Höhel“ | 5
|
|
|
|
|
trachtete den Baum, an dem ſie flanden, und ſprach alfo:
„Sa in's Böfel rief der Jüngling Wie it es mög -·
lid, daß du meine Seele entdedte?”
Zarathuſttra lädelte und fprah: Manche Seele
„Sa in’s Böfel rief der Jüngling nodymals.
Du fagteR die Wahrheit, Sarathufra. Ich trane
— uw u au wen
- Cu] — |.
Ich verwandele mich zu fchnell: mein Heute wider |
Bin ih oben, fo finde ih mid immer allein.
Meine Deradtung und meine Sehnfuht wachen |!
mit einander; je höher ich feige, um fo mehr verachte
ih Den, der fteigt. Was will er doc in der Höher
Wie fhäme idy mich meines Steigens und Stol-
Bier fhwieg der Jüngling. Und Sarathuftra be-
„Diefer Baum fteht einfam hier am Gebirge; er
wuchs hoch hinweg über Menſch und hier.
Und wenn er reden wollte, er würde Niemanden
haben, der ihn verftünde: fo hoch wuchs er.
Nun wartet er und wartet, — worauf wartet er
—
| — — — — —
60
doch? Er wohnt dem Site der Wolfen zu nahe: er
wartet wohl auf den erften Blitz?“
Als Sarathuftra dies gelagt hatte, rief der Jüngling
mit heftigen Gebärden: „Ja, Sarathuftra, du fprichft die
Wahrheit. Nach meinem Untergange verlangte ich,
als ich in die Höhe wollte, und du bift der Blitz, auf
den ich wartetel Siehe, was bin ich noch, feitdem du
uns erfchienen bit? Der Weid auf did) ifl’s, der mich
zerftört hatl“ — So fprah der Jüngling und weinte
bitterlih. &Sarathuftra aber legte feinen Arm um ihn
und führte ihn mit fidy fort.
Und als fie eine Weile mit einander gegangen
waren, hob Sarathuftra alfo an zu fprechen:
Es zerreißt mir das Herz. Beſſer als deine Worte
es fagen» fagt mir dein Auge alle deine Gefahr.
Voch bift du nicht frei, du ſuchſt noch nad
Freiheit. Übernädhtig machte dich dein Suchen und
überwad).
In die freie Höhe will du, nach Sternen dürftet
deine Seele. Aber auch deine fhlimmen Triebe dürften
nach $reiheit.
Deine wilden Kunde wollen in die Sreiheit; fie
bellen vor £uft in ihrem Keller, wenn dein Geift alle
Gefängniſſe zu löſen tradhtet.
Noch bift du mir ein Gefangner, der ſich Sreiheit
erfinnt: ach, klug wird folhen Gefangnen die Seele,
aber auch argliftig und fchlecht.
Reinigen muß fih auch nod der Befreite des
Beiftes. Diel Gefängniß und Moder ift no in ihm
zurüd: rein muß noch fein Auge werden.
61
a, ich Fenne deine Gefahr. Aber bei meiner Liebe
und Hoffnung befchwöre ich dich: wirf deine Liebe und
Hoffnung nicht wegl
Edel fühlft du dich noch, und edel fühlen dich auch
die Andern noch, die dir gram find und böfe Blide
fenden. Wiffe, daß Allen ein Edler im Wege fteht.
Auh den Guten fteht ein Edler im Wege: und
felbft wenn fie ihn einen Guten nennen, fo wollen fie
ihn damit bei Seite bringen.
,Neues will der Edle fhaffen und eine nene Tugend.
Altes will der Gute, und daß Altes erhalten bleibe.
Aber nicht Das ift die Befahr des Edlen, daß er
ein Suter werde, fondern ein Stecher, ein Böhnender,
ein Dernichter.
Ah, ih Fannte Edle, die verloren ihre höchfte
Hoffnung. Und nun verleumdeten fie alle hohen Koff-
nungen,
Nun lebten fie freh in kurzen Lüften, und über
den Tag hin warfen fie faum noch Siele,
„Bet iſt auch Wolluſt“ — fo fagten fie Da
zerbrachen ihrem Geiſte die Flügel: nun kriecht er
herum und befhmutt im Nagen.
Einft dachten fie Helden zu werden: Lüftlinge find
es jegt. Ein Bram und ein Grauen ift ihnen der Held.
Aber bei meiner Liebe und Hoffnung beichwöre
ih dich: wirf den Helden in deiner Seele nicht weg
Halte heilig deine höchſte Hoffnung! —
Alfo fprah Sarathuftra.
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62
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Don den Predigern des Todes,
Es giebt Prediger des Todes: und die Erde ift voll
von Solden, denen Abkehr gepredigt werden muß
vom Leben.
Doll ift die Erde von Überflüffigen, verdorben
it das Leben durd; die Diel-zu-Dielen. Möge man ſie
mit dem „ewigen Leben“ aus diefem Leben wegloden!
„Gelbe“: fo nennt man die Prediger des Todes,
oder „Schwarze*. Aber id will fie euch noch in andern
Farben zeigen.
Da find die Sürchterlichen, welhe in fi das
Ranbthier herumtragen und feine Wahl haben, es fei
denn Lüſte oder Selbftzerfleifhung. Und aud ihre
£üfte find noch Selbftzerfleifchung.
Sie find noch nicht einmal Menſchen geworden,
diefe Fürchterlichen: mögen fie Ablehr predigen vom
£eben und felber dahinfahren!
Da find die Schwindfüchtigen der Seele: kaum
find fie geboren, fo fangen fie fhon an zu fterben
und fehnen fih nad Kehren der Müdigfeit und Ent
fagung.
63
Sie wollen gerne todt fein, und wir follten ihren
Willen gut heißen! Hüten wir uns, diefe Todten zu
erweden und diefe lebendigen Särge zu verfehren!
Ihnen begegnet ein Kranker oder ein Kreis oder
ein Seihnam; und gleih fagen fie „das Leben ift
widerlegt!”
Aber nur fie find widerlegt und ihr Auge, wel.
des nur das Eine Geficht fieht am Dafein.
Eingehällt in dicke Schwermuth und begierig auf
die Kleinen Sufälle, welche den Tod bringen: fo warten .
fie und beißen die Sähne auf einander.
Oder aber: fie greifen nady Suderwerf und fpotten
ihrer Kinderei dabei: fie hängen an ihrem Strohhalm
geben und fpotten, daß fie noch an einem Strohhalm
hängen.
Ihre Weisheit lautet: „ein Chor, der leben bleibt,
aber fo fehr find wir Thorenl Und das eben ift das
Chörichtfte am Leben!" —
„Das Keben ift nur Leiden” fo fagen Andre und
lügen nicht: fo forgt do, daß ihr aufhörtl So forgt
doch, daß das Leben aufhört, weldes nur Leiden ift!
Und alfo laute die Lehre eurer Tugend „ou follft
dich felber tödtenl Du follft dich felber davon-
ſtehlen!“ —
„Wolluſt ift Sünde, — fo fagen die Einen, welde
den Tod predign — laßt uns bei Seite gehn und
feine Kinder zeugen!”
„Bebären ift mühfam, — fagen die Anden —
wozu noch gebären? Man gebiert nur Unglüdlichel”
Und audy fie find Prediger des Todes.
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„Mitleid thut noth — ſo ſagen die Dritten. Nehmt
hin, was id habel Nehmt hin, was ich binl Um fo
weniger bindet mich das Leben!“
Wären fie Mitleidige von Grund aus, fo würden
fie ihren Vächſten das Leben verleiden. Boͤſe ſein —
das wäre ihre rechte Güte.
Aber fie wollen loskommen vom Leben: was
fhiert es fie, daß fie Andre mit ihren Ketten und
Geſchenken noch fefter binden! —
Und aud ihr, denen das Keben wilde Arbeit und
Unruhe ift: feid ihr nicht fehr müde des Lebens? Seid
ihr nicht fehr reif für die Predigt des Todes?
Ihr Alle, denen die wilde Arbeit lieb ift und das
Schnelle, Neue, Fremde, — ihr ertragt euch ſchlecht,
euer Fleiß ift Flucht und Wille, ſich ſelber zu ver⸗
geſſen.
Wenn ihr mehr an das Leben glaubtet, würdet ihr
weniger euch dem Augenblicke hinwerfen. Aber ihr
habt zum Warten nicht Inhalt genug in euch — und
ſelbſt zur Faulheit nichtl
Überall ertönt die Stimme Derer, welche den Tod
predigen: und die Erde ift voll von Solchen, welchen
der Cod gepredigt werden muß.
Oder „das ewige Leben“: das gilt mir gleich, —
wofern ſie nur ſchnell dahinfahren!
Alſo ſprach Zarathuſtra.
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Alfo ſprach Zarathuſtra. 65 5
v
Dom Krieg und Kriegsvolfe,
Don unfern beften Senden wollen wir nicht ge
fhont fein, und aud von Denen nicht, welde wir
von Grund aus lieben. So laßt mid denn end die
Wahrheit jagen!
Meine Brüder im Kriege! Ich liebe ench von Grund
aus, ich bin und war Euresgleichen. Und ich bin aud
euer befter Feind. So laßt mich denn euch die Wahr-
heit fagen!
Ich weiß um den Haß und Neid eures Herzens.
Ihr feid nicht groß genug, um Haß und Neid nicht
zu Fennen. So feid denn groß genug, end; ihrer nicht
zu fchämen!
Und wenn ihr nicht Heilige der Erfenntniß fein
könnt, fo feid mir wenigftens deren Kriegsmänner.,
Das find die Gefährten und Dorläufer folcher Heiligkeit.
Ich fehe viel Soldaten: möchte ich viel Kriegs»
männer fehn! „Ein-form” nennt man’s, was fte tragen:
möge es nicht Ein-form fein, was fie damit verfteden!
Ihr follt mir Solche fein, deren Auge immer nad
einem Seinde ſucht — nad enrem feinde. Und bei Ei-
nigen von euch giebt es einen Haß auf den erften Blick.
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Er GE EC ERAEEFEEE ERSCHENFEEERS ERHEBT
Euren Feind follt ihr fuchen, euren Krieg follt
ihr führen, und für eure Gedanken! Und wenn euer
Gedanke unterliegt, fo foll eure Nedlichkeit darüber
noch Triumph rufen!
Ihr follt den Srieden lieben als Mittel zu neuen
Kriegen. Und den kurzen Frieden mehr als den langen.
Euh rathe ich nicht zur Arbeit, fondern zum
Kampfe. Euch rathe ich nicht zum Frieden, fondern
zum Siege. Eure Arbeit fei ein Kampf, ener Friede
fet ein Sieg!
Man kann nur fchweigen und ftilfigen, wenn man
pfeil und Bogen hat: fonft ſchwätzt und zanft man.
Euer Friede fei ein Siegl
Ihr fagt, die gute Sache fei es, die fogar den
Krieg heilige? Ich fage euch: der gute Krieg iſt es,
der jede Sache heiligt.
Der Krieg und der Muth haben mehr große Dinge
gethan, als die Nächftenliebe. Nicht euer Mitleiden,
fondern eure Tapferkeit rettete bisher die Verunglückten.
Was ift gut? fragt ihr. Tapfer fein ift gut. Laßt
die Eleinen Mädchen reden: „gut fein ift, was hübſch
zugleich und rührend if”,
Man nennt endy herzlos: aber euer Herz ift echt,
und ich liebe die Scham eurer Herzlichfeit. Ihr ſchämt
euch eurer Fluth, und Andre fhämen fidy ihrer Ebbe.
Ihr feid häßlich? Nun wohlan, meine Brüder! So
nehmt das Erhabne um euch, den Mantel des Häßlichen!
Und wenn eure Seele groß wird, fo wird fie
übermüthig, und in eurer Erhabenheit ift Bosheit. Ich
fenne euch.
67 5*
In der Bosheit begegnet fih der Äbermüthige mit
dem Schwächlinge. Aber fie mißpverftehen einander.
Ic kenne eud.
Ihr dürft nur Feinde haben, die zu haſſen find,
aber nicht Feinde zum Deradten. Ihr müßt ftolz auf
euern Feind fein: dann find die Erfolge eures Seindes
auch eure Erfolge.
Auflehnung — das ift die Dornehmheit am Sklaven,
Eure Dornehmheit fei Gehorfam! Euer Befehlen felber
fei ein Gehorchen!
Einem guten Kriegsmanne Flingt „du fol" an⸗
genehmer als „ih will”. Und Alles, was euch lieb ift,
follt ihr euch erft noch befehlen lafjen.
Eure Liebe zum Leben fei £iebe zu eurer höchſten
Boffnung: und eure hödfte Hoffnung fei der höchfte
Gedanke des Lebens!
Euren höchſten Gedanken aber follt ihr euch von
mir befehlen lafien — und er lautet: der Menſch ift
Etwas, das überwunden werden foll.
So lebt euer Leben des Gehorfams und des
Krieges! Was liegt am Lang⸗Leben! Welcher Krieger
will gefchont fein!
Jh ſchone euch nicht, ich liebe euh von Grund
aus, meine Brüder im Kriegel —
Alfo ſprach Sarathuftra,
68
|
— —
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ER be — — Kr — —— — —
— — —
Dom neuen Gößen.
Irgendwo giebt es noch Dölfer und Heerden, doch
nicht bei uns, meine Brüder: da giebt es Staaten.
Staat? Was ift das? Wohlan! Jetzt thut mir die
Ohren auf, denn jet fage ih euch mein Wort vom
Tode der Dölfer.
Staat heißt das Fältefte aller Falten Ungeheuer.
Kalt fügt es auch; und diefe Lüge Friecht aus feinem
Munde: „Ich, der Staat, bin das Volk“.
Lüge iſt's! Schaffende waren es, die fchufen die
Dölfer und hängten einen Blauben und eine Liebe über
fie hin: .alfo dienten fie dem Leben.
Dernichter find es, die ftellen Fallen auf für Diele
und heißen fie Staat: fie hängen ein Schwert und
hundert Begierden über fie hin.
Wo es noch Dolf giebt, da verfteht es den Staat
nicht und haft ihn als böfen Blid und Sünde an Sitten
und Rechten.
Dieſes Seichen gebe ich euch: jedes Dolf fpricht
feine Zunge des Guten und Böfen: die verfteht der
Nachbar nicht, Seine Sprache erfand es fidy in Sitten
und Rechten.
69
Aber der Staat lügt in allen Zungen des Guten
und Böfen; und was er auch redet, er lügt — und
was er auch hat, geftohlen hat er’s.
Falſch ift Alles an ihm; mit geſtohlenen Sähnen
beißt er, der Biffige Falſch find felbft feine Ein-
geweide,
Sprachverwirrung des Guten und Böfen: diefes
Seichen gebe ich euch als Zeichen des Staates. Wahr-
ih, den Willen zum Tode deutet diefes Zeichen!
Wahrlich, es winkt den Predigern des Todes!
Diel zu Diele werden geboren: für die Überflüffigen
ward der Staat erfunden!
Seht mir doch, wie er fie an ſich lockt, die Diel-
zu-Dielen! Wie er fie fhlingt und kaut und wiederfänt!
„Auf der Erde ift nichts Größeres als ih: der
orönende finger bin ich Gottes” — alfo brällt das
Unthier. Und nicht nur Sanggeohrte und Kurzgeäugte
finfen auf die Knieel
Ah, audh in end, ihr großen Seelen, raunt er
feine düfteren Lügen! Ah, er erräth die reichen
Herzen, die gerne ſich verfhwenden |
Ja, audh euch erräth er, ihr Befieger des alten
Gottes! Müde wurdet ihr im Kampfe, und nun dient
eure Müdigfeit noch dem nenen Götzen!
Helden und Ehrenhafte möchte er um fih auf-
ftellen, der nene Göbel Gerne fonnt er fi im Sonnen-
[hein guter Gewiſſen, — das kalte Unthier!
Alles will er euch geben, wenn ihr ihn anbetet,
der neue Götze: alfo Fauft er fi den Glanz eurer
Tugend und den Blid eurer ftolzen Augen:
=
—
EEE EEE DEE ——— ——— GEHE 3
70
Ködern will er mit euch die Diel-zu-Dielen! Ja,
ein Höllenfunfiflüd ward da erfunden, ein pferd des
Todes, klirrend im Pub göttliher Ehren!
Ja, ein Sterben für Diele ward da erfunden, das
fih felber als Leben preift: wahrlid, ein Herzens⸗
dienft allen Predigern des Todes!
Staat nenne ich's, wo Alle Gifttrinfer find, Gute
und Schlimme: Staat, wo Alle fih felber verlieren,
Gute und Schlimme: Staat, wo der langfame Selbft-
mord Aller — „das Leben“ heißt.
Seht mir doch diefe Überflüffigeni Sie ftehlen
ih die Werke der Erfinder und die Schäße der
Weifen: Bildung nennen fie ihren Diebftahl — und
Alles wird ihnen zu Krankheit und Ungemad!
Seht mir doch diefe Überflüffigeni Krank find
fie immer, fie erbrechen ihre Galle und nennen es
Seitung. Sie verfhlingen einander und Fönnen ſich
nicht einmal verdauen.
Seht mir doch diefe Überflüffigenl Reichthümer
erwerben fie und werden ärmer damit. Macht wollen
fie, und zuerft das Brecheifen der Macht, viel Geld, —
diefe Unvermögenden!
Seht fie Plettern, diefe geſchwinden Affen! Sie
klettern über einander hinweg und zerren ſich alſo in
den Schlamm und die Tiefe. |
Din zum Cheone wollen fie Alle: ihr Wahnſinn ift
es, — als ob das Glück auf dem Throne füßel Oft
fit der Schlamm auf dem Thron — und oft auch der
Chron auf dem Schlamme.
Wahnfinnige find fie mir Alle und Pletternde Affen
und Überheiße. Übel riecht mir ihr Götze, das Palte
Unthier: übel riechen fie mir alle zufammen, diefe
Götzendiener.
Meine Brüder, wollt ihr denn erſticken im Dunſte
ihrer Mäuler und Begierden! Lieber zerbrecht doch die
Senfter und fpringt in’s Freie.
Geht doch dem fchlechten Geruche aus dem Wegel
Geht fort von der Bötzendienerei der Überflüffigen!
Geht doch dem fchlechten Geruche aus dem Wegel
Geht fort von dem Dampfe diefer Menfchenopfer!
Frei fteht großen Seelen auch jetzt noch die Erde.
£eer find nod viele Site für Einfame und Sweifame,
um die der Geruch ftiller Meere weht.
Frei fieht noch großen Seelen ein freies Leben.
Wahrli, wer wenig befitt, wird um fo weniger be-
feffen: gelobt fei die Peine Armuth |
Dort, wo der Staat aufhört, da beginnt erft der
Menſch, der nicht überflüffig ift: da beginnt das Kied
des Xothwendigen, die einmalige und unerſetzliche
Weife.
:Dort, wo der Staat aufhört, — fo feht mir doch
hin, meine Brüder! Seht ihr ihn nicht, den Regenbogen
und die Brüden des Übermenfhen? —
Alſo ſprach Sarathuftra.
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Don den Fliegen des Marktes.
Sliehe, mein freund, in deine Einfamfeit! Ich fehe
dich betäubt vom Lärme der großen Männer und zer-
flohen von den Stacheln der kleinen.
Würdig wiffen Wald und Fels mit dir zu ſchwei⸗
gen. Gleiche wieder dem Baume, den du liebft, dem
breitäftigen: fill und aufhorchend hängt er über dem
Meere,
Wo die Einfamfeit aufhört, da beginnt der Marft;
und wo der Markt beginnt, da beginnt auch der Lärm
der großen Schanfpieler und das Geſchwirr der giftigen
liegen.
In der Welt taugen die beiten Dinge noch Nichts,
ohne Einen, der fie erft aufführt: große Männer heißt
das Dolf diefe Aufführer. nn
Wenig begreift das Dolf das Große, das ift: das
Scaffende. Aber Sinne hat es für alle Aufführer und
Schaufpieler großer Sachen. 1
Um die Erfinder von neuen Werthen dreht fich
die Welt: — unfichtbar dreht fie fih. Doh um die
Scanfpieler dreht fit das Dolf und der Ruhm: fo
ift es „der Welt Lauf”,
—⸗
—— —— —
—— ——— — — — — — — a — — — —
-
Geift hat der Schaufpieler, doch wenig Gewiſſen
des Beiftes. Immer glaubt er an Das, womit er am
ftärfiten glauben macht, — glauben an fi mad!
Morgen hat er einen neuen Glauben und über.
morgen einen neueren. Raſche Sinne hat er, gleich
dem Dolfe, und veränderliche Witterungen.
Umwerfen — das heißt ihm: beweifen. Koll
machen — das heißt ihm: überzeugen. Und Blut gilt
ihm als aller Gründe befter,
Eine Wahrheit, die nur in feine Ohren fchlüpft,
nennt er Lüge und Nichts. Wahrlich, er glaubt nur an
Götter, die großen Lärm in der Welt machen!
Doll von feierlihen Poffenreißern ift der Markt
— und das Dolf rühmt fi feiner großen Männer!
das find ihm die Herrn der Stunde.
Aber die Stunde drängt fie: fo drängen fie dich.
Und auch von dir wollen fie Ja oder ein. Wehe, du
willſt zwifchen Für und Wider deinen Stuhl fegen?
Diefer Unbedingten und Drängenden halber fei
ohne Eiferfucht, du Liebhaber der Wahrheitl Niemals
noch hängte fih die Wahrheit an den Arm eines Un-
bedingten.
Diefer Plöglichen halber gehe zurüd in deine
Sicherheit: nur auf dem Markt wird man mit Ja? oder
Xein? überfallen.
Cangſam ift das Erleben allen tiefen Brunnen: lange
müffen fie warten, bis fie wiffen, was in ihre Tiefe fiel,
Abfeits vom Markte und Ruhme begiebt ſich alles
Große: abfeits vom Markte und Ruhme wohnten von
je die Erfinder neuer Werthe,
um ——— — 3
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——— — — Fe — — — — —— —— — —— — —z — —— — -
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74
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Sliehe, mein Freund, in deine Einfamkeit: ich fehe
dich von giftigen Sliegen zerſtochen. Sliehe dorthin,
wo rauhe, ſtarke Luft weht!
$liehe in deine Einfamfeitl Du lebteft den Kleinen
und Erbärmlichen zu nahe. Sliehe vor ihrer unficht-
baren Rahel Gegen dich find fie Michts als Rache.
Bebe nicht mehr den Arm gegen fiel Unzählbar
find fie, und es ift nicht dein Loos, Sliegenmwedel
zu fein.
Unzählbar find diefe Kleinen und Erbärmlichen;
und mandem ſtolzen Baue gereihten fon Negen-
tropfen und Unkraut zum Untergange.
Du bift fein Stein, aber fchon wurdeft du hohl
von vielen Tropfen. Zerbrechen und zerberften wirft
du mir noch von vielen Tropfen.
Ermüdet fehe ih dich durch giftige Sliegen, biutig
geritt fehe ich dich an hundert Stellen; und dein Stolz
will nicht einmal zürnen.
Blut mödten fie von dir in aller Unfhuld, Blut
begehren ihre biutlofen Seelen — und fie ftechen da-
her in aller Unfchuld.
Aber du Tiefer, du leideft zu tief, auch an Fleinen
Wunden; und ehe du dich noch geheilt haft, Froch dir
der gleiche Giftwurm über die Hand.
Su ftolz bift du mir dafür, diefe Naſchhaften zu
tödten.. Hüte dich aber, daß es nicht dein Derhänaniß
werde, all ihr giftiges Unrecht zu tragen!
Sie fummen um dich auch mif ihrem Kobe: Zu⸗
dringlichfeit ift ihr Koben. Sie wollen die Nähe deiner
Haut und deines Blutes,
25
— —
Ste ſchmeicheln dir wie einem Gotte oder Ceufel;
fie winfeln vor dir wie vor einem Gotte oder Teufel.
Was madıt es! Schmeichler find es und Winfler, und
nicht mehr.
Auch geben fie fi dir oft als Kiebenswürdige,
Aber das war immer die Klugheit der Feigen. Ja, die
Seigen find Eingl
Sie denken viel über dich mit ihrer engen Seele,
— bedentlih bift du ihnen ſtets! Alles, was viel be
dacht wird, wird bedenklich.
Sie beftrafen dih für alle deine Tugenden. Sie
verzeihen dir von Grund aus nur — deine Sehlgriffe.
Weil du milde bift und gerechten Sinnes, fagft
du: „unfchuldig find fie an ihrem Fleinen Dafein“.
Aber ihre enge Seele denkt: „Schuld ift alles große
Daſein“.
Auch wenn du ihnen milde biſt, fühlen fie fih
noch von dir veradtet; und fle geben dir deine Wohl.
that zurüd mit verftedten Wehthaten.
Dein wortlofer Stolz geht immer wider ihren Ge-
fhmad; fie frohloden, wenn du einmal befceiden
genug bift, eitel zu fein.
Das, was wir an einem Mlenfhen erfennen, das
entzünden wir an ihm auch. Alfo hüte dich vor den
Kleinen!
Dor dir fühlen fie ſich Flein, und ihre Niedrigkeit
glimmt und glüht gegen dich in unfichtbarer Rache.
Merkteft du nicht, wie oft fie ſtumm wurden, wenn
du zu ihnen trateft, und wie ihre Kraft von ihnen gieng,
wie der Rauch von einem erlöfchenden Feuer ?
76
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%a, mein Freund, das böfe Gewiſſen bift du deinen
Nächſten: denn fie find deiner unwerth. Alſo haffen
fie dich und möchten gerne an deinem Blute fangen.
Das, was groß an dir ifl, — das felber muß fie giftiger
machen und immer fliegenhafter.
$liehe, mein Freund, in deine Einfamfeit und dort«
hin, wo eine rauhe, ftarfe Luft weht. Nicht ift es dein
£oos, Sliegenwedel zu fein. —
Alfo ſprach Sarathuftra.
|
|
Deine Nächften werden immer giftige Sliegen fein;
|
|
|
Don der Keufchheit.
\
Ich liebe den Wald. In den Städten ift fchlecht
zu leben: da giebt es zu Diele der Brünftigen.
Iſt es nicht befjer, in die Hände eines Mörders zu
gerathen, als in die Träume eines brünftigen Weibes ?
Und feht mir doc diefe Männer an: ihr Auge
fagt es — ſie wiſſen nichts Befferes auf Erden, als bei
einem Weibe zu liegen.
Schlamm ift auf dem Grunde ihrer Seele; und
wehe, wenn ihr Schlamm gar noch Geift hatl
Daß ihr doch wenigftens als Chiere volllommen
wäret! Aber zum Thiere gehört die Unſchuld.
Rathe ich euch, eure Sinne zu tödten? Ich rathe
euch zur Unfchuid der Sinne,
Rathe ich euch zur Keufchheit? Die Keufchheit
ift bei Einigen eine Tugend, aber bei Dielen beinahe
ein Laſter.
Diefe enthalten fih wohl: aber die Hündin Sinn-
lichkeit blidtt mit Neid aus Allem, was fie thun.
Noch in die Höhen ihrer Tugend und bis in den
falten Geiſt hinein folgt ihnen dies Gethier und fein
| Unfrieden,
78
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— — — Tee 30
Und wie artig weiß dte Hündin Sinnlichkeit um
ein Stück Geift zu betteln, wenn ihr ein Stüd Fleiſch
verfagt wird!
Ihr liebt Trauerfpiele und Alles, was das Herz zer»
bright? Aber ich bin mißtrauiſch gegen eure Hündin.
Ihr habt mir zu graufame Augen und blidt lüftern
nah Xeidenden. Hat fih nit nur eure Wolluft
verkleidet und heißt fih Mitleiden?
Und and dies Gleichniß gebe ich euch: nicht
Wenige, die ihren Teufel austreiben wollten, fuhren
dabei felber in die Säne.
Wem die Keufchheit ſchwer fällt, dem ift fie zu
widerrathen: daß fie nicht der Weg zur Hölle werde
— das tft zu Schlamm und Brunft der Seele,
Rede ich von ſchmutzigen Dingen? Das iſt mir
nicht das Schlimmfte.
Nicht, wenn die Wahrheit ſchmutzig iſt, fondern
wenn fie feiht ift, fteigt der Erfennende ungern in
ihre Waſſer. |
Wahrlich, es giebt Keufche von Grund aus: fie find
milder von Herzen, fie lachen lieber und reichlicher als ihr.
Sie laden auch über die Keufchheit und fragen:
„was ift Keufchheitl
Iſt Keufchheit nicht Chorheit? Aber diefe Chor-
heit fam zu uns, und nicht wir zu ihr,
„Wir boten diefem Gaſte Herberge und Herz: nun
wohnt er bei uns, — mag er bleiben, wie lange er will“
Alfo prah Sarathuftra.
8 %
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29
Dom Freunde,
„Einer {ft immer zu viel um mich“ — alfo denkt
der Einfiedler. „Immer Einmal Eins — das giebt auf
die Dauer Sweil“
Jh und Mich find immer zu eifrig im Gefpräde:
wie wäre es auszuhalten, wenn es nicht einen Sreund
gäbe?
Immer ift für den Einfiedler der Freund der Dritte:
der Dritte ift der Korf, der verhindert, daß das Ge⸗
ſpräch der Sweie in die Tiefe finft.
Ah, es giebt zu viele Tiefen für alle Einftedler.
Darum fehnen fie fih fo nah einem Freunde und
nach feiner Höhe.
Unfer Glaube an Andre verräth, worin wir gerne
an uns felber glauben möchten. Unſre Sehnjucht nad
einem Freunde ift unfer Derräther.
Und oft will man mit der Liebe nur den Xeid
überjpringen. Und oft greift man an und madt fidh
einen Feind, um zu verbergen, daß man angreifbar ift,
„Sei wenigſtens mein Send!" — fo ſpricht die
wahre Ehrfurcht, die nicht um Freundſchaft zu bitten
wagt.
80
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Wil man einen Sreund haben, fo maß man aud
für ihn Krieg führen wollen: und um Krieg zu führen,
muß man $eind fein Ffönnen.
Man fol in feinem Freunde noch den Feind ehren.
Kannft du an deinen Freund dicht herantreten, ohne
zu ihm überzutreten ?
In feinem $reunde fol man feinen beften Feind
haben. Du follft ihm am nädjften mit dem Berzen
fein, wenn du ihm widerftrebft.
Du will vor deinem Freunde fein Kleid tragen?
Es foll deines Freundes Ehre fein, daß du dich ihm
giebft, wie du biſt? Aber er wünfht dich darum
zum Teufel!
Wer aus fi Fein Kehl madıt, empört: fo fehr
habt ihre Grund, die Nacktheit zu fürchten! Ja, wenn
ihr Götter wäret, da dürftet ihr euch eurer Kleider
ſchämen!
Du kannſt dich für deinen Freund nicht ſchön ge⸗
nug putzen: denn du ſollſt ihm. ein Pfeil und eine
Sehnfucht nach dem Übermenfcen fein.
Sahft du deinen Freund fchon fchlafen, — damit
du erfahreft, wie er ausfieht? Was ift doch fonft das
Geficht deines Freundes? Es ift dein eignes Geficht,
auf emem rauhen und unvolllommnen Spiegel.
Sahft du deinen Freund fchon fhlafen? Erſchrakſt
dm nicht, daß dein Freund fo ausfieht? Gh, mein
Sreund, der Menſch it Etwas, das überwunden werden
muß.
Im Errathen und Stillfchweigen foll der Freund
Meifter fein: nicht Alles mußt du fehn wollen. Dein
Alfo fprach Sarathuſtra. 81
ne
NER EDER. — ———— — — ei
— —
— — — — —
Traum ſoll dir verrathen, was dein Freund im Wachen
thut.
Ein Errathen ſei dein Mitleiden: daß du erſt
wiſſeſt, ob dein Freund Mitleiden wolle. Vielleicht
liebt er an dir das ungebrochne Auge und den Blick
der Ewigkeit.
Das Mitleiden mit dem Freunde berge ſich unter
einer harten Schale, an ihm ſollſt du dir einen Zahn
anusbeißen. So wird es feine Seinheit und Süße
haben.
Bift dn reine Luft und Einfamkfeit und Brod und
Arznei deinem Freunded Mancher fann feine eignen
Ketten nicht löfen und doch ift er dem Sreunde ein
‚Erlöfer.
Biſt du ein Sklave? So Fannft du nicht Freund
fein. Bift du ein Tyrann? So Fannft du nicht Freunde
haben.
Allzulange war im Weibe ein Sklave und ein
Cyrann verftedt. Deshalb ift das Weib noch nicht
der Freundſchaft fähig: es kennt nur die Liebe,
In der Kiebe des Weibes ift Ungerechtigfeit und
Blindheit gegen Alles, was es nicht liebt. Und aud
in der wiffenden Liebe des Weibes ift immer noch
Überfall und Blig und Nacht neben dem Lichte,
Noch tft das Weib nicht der Sreundfchaft fähig:
Katzen find immer nody die Weiber, und Dögel Oder,
‚beten Salles, Kühe.
Noch ift das Weib nicht der Sreundfchaft fähig.
‚Aber fast mir, ihr Männer, wer von euch ift denn
fähig der Sreundichaft?
82
⸗
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—— ——— — — — — — CR
——— — —— —— —— —— —
— — — — — — — — — — — — — —
— ————— — — — —
Oh über eure Armuth, ihr Männer, und euren Geiz
der Seelel Wie viel ihr dem Freunde gebt, das will
ich noch meinem Feinde geben, und will aud nicht
ärmer damit geworden fein.
Es giebt Kameradihaft: möge es Steundfchaft
geben!
Alfo ſprach Zarathuſtra.
— — nm
Don tauſend und Einem Siele.
Diele Länder fah Sarathuftra und viele Dölker: fo
‚entdeckte er vieler Völker Gutes und Böfes. Keine
größere Madıt fand Sarathuftra auf Erden, als Gut
und Böfe,
Keben Fönnte Fein Dolf, das nicht erft ſchätzte;
will es fi aber erhalten, fo darf es nicht ſchätzen,
wie der Nachbar ſchätzt.
Dieles, das diefem Dolfe gut hieß, hieß einem
andern Hohn und Schmad: alfo fand ich's. Dieles
fand ich hier böfe genannt und dort mit purpurnen
Ehren gepußt.
ie verftand ein Nachbar den andern: flets ver
wunderte ſich feine Seele ob des Nadbarn Wahn und |
ee
Bosheit.
Eine Tafel der Güter hängt über jedem Volke. |
Siehe, es ift feiner Überwindungen Tafel; fiehe, es iſt !
die Stimme feines Willens zur Macht. |
£öblih ift, was ihm ſchwer gilt; was unerläßlich
und fchwer, heißt aut; und was aus der hödıften |
Xoth noch befreit, das Seltene, Schwerfte, — das preift
es heilig.
84
ü— — — — — — — —
Was da macht, daß es herrſcht und fiegt und
glänzt, feinem Nachbarn zu Grauen und leide: das
gilt ihm das Hohe, das Erfte, das Mleflende, der Sinn
| aller Dinge,
Wahrlid,, mein Bruder, erfannteft du erft eines
Dolfes Noth und Land und Himmel und Nachbar: fo
erräthft du wohl das Geſetz feiner Überwindungen,
und warum es auf diefer Keiter zu feiner Hoffnung
fleigt.
„Smmer follft du der Erfte fein und den Andsrn
vorragen: Niemanden foll deine eiferfückhtige Seele
lieben, es fei denn den Freund” — dies machte einem
Griechen die Seele zittern: dabei gieng er feinen Pfad
der Größe.
„Wahrheit reden und gut mit Bogen und Pfeil
verkehren” — fo dünkte es jenem Volke zugleich lieb
und fchwer, aus dem mein Name fommt — der Xame,
welcher mir zugleich lieb und fchwer ift.
„Dater und Mutter ehren und bis in die Wurzel
der Seele hinein ihnen zu Willen fein”: diefe Tafel der
Überwindung hängte ein andres Dolf über fih auf
und wurde mächtig und ewig damit.
| „Treue üben und um der Treue willen Ehre und
i Blut auch an böfe und gefährlihe Sachen fegen“: alfo
fih Iehrend bezwang fih ein anderes Dolf, und alfo
fi bezwingend wurde es fehwanger und fchwer von
großen Hoffnungen.
Wahrlih, die Menfchen gaben ſich alles ihr Gutes
und Böfes. Wahrlich, fie nahmen es nicht, fie fanden
es nicht, nicht fiel es ihnen als Stimme vom Himmel,
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Werthe legte erſt der Menſch in die Dinge, ſich
zu erhalten, — er ſchuf erft den Dingen Sinn, einen
Menfchen-Sinn! Darum nennt er fi „Menfch“, das ift:
der Schätende,
Schätzen ift Schaffen: hört es, ihr Schaffenden!
Schäten felber ift aller geſchätzten Dinge Schag und
Kleinod.
Durch das Schäten erft giebt es Werth: und ohne
das Schätzen wäre die Nuß des Dafeins hohl. Hört es,
ihr Schaffenden!
Wandel der Werthe, — das ift Wandel der Schaffen-
den. Jmmer vernichtet, wer ein Schöpfer fein muß.
Schaffende waren erft Dölker, und fpät erſt Ein-
zelne; wahrlih, der Einzelne felber ift noch die jüngfte
Schöpfung. |
Dölfer hängten fi einft eine Tafel des Guten
über fih. Liebe, die herrfchen will, und Kiebe, die
gehorhen will, erfhufen ſich zufammen folde Tafeln.
Älter ift an der Heerde die Luft, als die Luft am
Ih: und fo lange das gute Gewiſſen Heerde heißt,
fagt nur das fchlechte Gewiſſen: Ich.
Wahrli, das fchlaue Ich, das liebloſe, das feinen
Augen im Nuten Dieler will: das ift nicht der Heerde
Urfprung, fondern ihr Untergang.
Kiebende waren es ftets und Schaffende, die fchufen
Gut und Böfe. Feuer der Liebe glüht in aller Tugen-
den Namen und feuer des Zorns.
Diele Länder fah Harathuftra und viele Dölfer:
feine größere Macht fand Sarathuftra auf Erden, als
die Werke der Liebenden: „gut“ und „böfe“ ift ihr Name.
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Wahrlich, ein Ungethäm ift die Macht diefes CLobens
und Tadelns. Sagt, wer bezwingt es mir, ihr Brüder?
Sagt, wer wirft diefem Chier die Feſſel über die taufend
Laden?
Taufend Ziele gab es bisher, denn taufend Dölfer
gab es. Xur die Feſſel der taufend Xaden fehlt
noch, es fehlt das Eine Siel. Voch hat die Menfchheit
fein Stel.
Uber fagt mir doch, meine Brüder: wenn der
Menſchheit das Biel noch fehlt, fehlt da nicht auch —
fie felber noch? —
| Alfo ſprach Zarathuſtra.
87
Don der Ylächftenliebe.
Ihr drängt euch um den Vächſten und habt fchöne
Worte dafür. Aber id fage euch: eure Zlächftenliebe
ift eure fchlechte Liebe zu euch felber.
Ihr flüchtet zum Xächften vor euch felber und
möchtet euch daraus eine Tugend machen: aber id
durchſchaue euer „Selbftlojes”.
Das Du ift älter als das Jh; das Du ift heilig
gefprohen, aber noch nicht das Ich: fo drängt fidh
der Menſch hin zum Nädhften.
Rathe ih euch zur Nächſtenliebe? Lieber noch
rathe ih euch zur Mächften-Sluht und zur Sernften-
£iebel
Höher als die Liebe zum Nächſten flieht die Liebe
zum Fernſten und Künftigen; höher noch als die Kiebe zu
Menfchen gilt mir die Liebe zu Sachen und Gefpenftern.
Dies Gefpenft, das vor dir herläuft, mein Bruder,
ift ſchöner als du; warum giebft du ihm nicht dein
Sleifh und deine Knohen? Aber du fürchteft dich
und läufft zu deinem Nädhften.
Ihr haltet es mit euch felber nicht aus und liebt
euch nicht genug: nun wollt ihr den Nächſten zur
£iebe verführen und ench mit feinem Irrthum vergolden.
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Ich wollte, ihr hieltet es nicht aus mit allerlei
Vächſten und deren Nachbarn; fo müßtet ihr aus euch
felber euren Freund und fein überwallendes Herz
ſchaffen.
Ihr ladet euch einen Zeugen ein, wenn ihr von
euch gut reden wollt; und wenn ihr ihn verführt habt,
gut von ench zu denken, denkt ihr felber gut von end.
it nur Der lügt, welcher wider fein Wiffen
redet, fondern erft recht Der, welcher wider fein Nicht⸗
wiffen redet. Und fo redet ihr von euch im Derfehre
und belügt mit euch den Zlachbar.
Alfo fpriht der Narr: „der Umgang mit Men⸗
fhen verdirbt den Charakter, fonderlid wenn man
feinen hat.“
Der Eine geht zum Nächſten, weil er fih ſucht,
und der Andre, weil er fi verlieren möchte. Eure
ſchlechte Liebe zu euch felber maht euh aus der
Einfamfeit ein Gefängniß.
Die Ferneren find es, welhe eure Liebe zum
Nächſten bezahlen; und fchon wenn ihr zu fünfen mit
einander feid, muß immer ein fechfter fterben.
Ich liebe auch eure Feſte nicht: zu viel Schan«
fpieler fand ich dabei, und aud die Sufchaner ge
bärdeten fich oft gleih Schaufpielern.
Nicht den Nädften lehre ich euch, fondern den
Freund. Der Sreund fei euch das Feſt der Erde und
ein Dorgefühl des Übermenſchen.
Ih lehre euch den Freund und fein übervolles
Herz. Aber man muß verftehn, ein Schwamm zu fein,
menn man von übervollen Herzen geliebt fein will.
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89
Ich lehre euch den Freund, in dem die Welt fertig
dafteht, eine Schale des Guten, — den ſchaffenden
Freund, der immer eine fertige Welt zu verfchenten hat.
Und wie ihm die Welt auseinander rollte, fo rollt
fie ihm wieder in Ringen zufammen, als das Werden
des Guten durch das Böfe, als das Werden der Zwecke
aus dem Zufalle.
Die Zukunft und das Fernſte fei dir die Urfache
deines Heute: in deinem Freunde follt du den Über-
menfchen als deine Urſache lieben.
Meine Brüder, zur Nächſtenliebe rathe ich euch
nicht: ich rathe euch zur Sernften-£iebe,
Alfo ſprach Sarathuftra,
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90
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Dom Wege des Schaffenden.
Willſt du, mein Bruder, in die Dereinfamung gehen ?
will du den Weg zu dir felber fuhen? Zaudere
noch ein Wenig und höre mic.
„Wer fucht, der geht leicht felber verloren. Alle
Dereinfamung ift Schuld”: alſo fpricht die Heerde.
Und du gehörteft lange zur Heerde.
Die Stimme der Heerde wird auch in dir noch
tönen. Und wenn du fagen wirft „ih habe nicht
mehr Ein Gemwiffen mit euch”, fo wird es eine Klage
und ein Schmerz fein.
Siehe, diefen Schmerz felber gebar noch das Eine
Gewiflen: und diefes Gewifjens letzter Schimmer glüht
noch auf deiner Trübfal.
Uber du willft den Weg deiner Trübfal gehen,
welches ift der Weg zu dir felber? So zeige mir dein
Recht und deine Kraft dazul
Biſt du eine neue Kraft und ein neues Recht?
Eine erſte Bewegung? Ein aus fich rollendes Rad?
Kannft du auch Sterne zwingen, daß fie um dich ſich
drehen?
Ad, es giebt fo viel Küfternheit nach Höhel Es
giebt fo viel Krämpfe der Ehrgeizigen! Zeige mir, daß
du feiner der Küfternen und Ehrgeizigen bift!
Ah, es giebt fo viel große Gedanken, die thun
nicht mehr als ein Blafebalg: fie blafen auf und maden
leerer.
Frei nennft du dich? Deinen herrfchenden Ge⸗
danken will ich hören und nicht, daß du einem Joche
entronnen bift.
Biſt du ein Solcher, der einem Joche entrinnen
durfte? Es giebt Manchen, der feinen lebten Werth
wegwarf, als er feine Dienftbarfeit wegwarf.
frei wovon? Was fchiert das Sarathuftra! Hell
aber foll mir dein Auge fünden: frei wozu?
Kannft du dir felber dein Böfes und dein Gutes
geben und deinen Willen über dich aufhängen wie ein
Gefeg? Kannit du dir felber Nichter fein und Nächer
deines Geſetzes ?
Furchtbar ift das Alleinfein mit dem Nichter und
Rächer des eignen Geſetzes. Alfo wird ein Stern hinaus»
geworfen in den öden Raum und in den eifigen Athem
des Alleinfeins,
Heute noch leideft du an den Dielen, du Einer: heute
noch ‚haft du deinen Muth ganz und deine Hoffnungen.
Aber einft wird dich die Einſamkeit müde machen,
einft wird dein Stolz fich Frümmen und dein Muth
knirſchen. Schreien wirft du einft „ich bin allein!“
Einft wirft du dein Hohes nicht mehr fehn und
dein Niedriges allzunahe; dein Erhabnes felbft wird
dich fürchten machen wie ein Geſpenſt. Schreien wirſt
du einſt: „Alles iſt falſchl“
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— — — — —— — — — —————— ——— _ KETTE
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Es giebt Gefühle, die den Einfamen tödten wollen;
gelingt es ihnen nicht, nun, fo müſſen fie felber fterben!
Aber vermagft du das, Mörder zu fein?
Kennft du, mein Bruder, fchon das Wort „Der-
achtung”? Und die Qual deiner Gerechtigkeit, Solchen
gerecht zu fein, die dich verachten ?
Du zwingſt Diele, über dich umzulernen; das
rechnen fie dir hart an. Du Famft ihnen nahe und
giengft doch vorüber: das verzeihen fie dir niemals.
Du gehft über fie hinaus: aber je höher du fteigft,
um fo Pleiner fieht dich das Auge des Neides. Am
meiften aber wird der Fliegende gehaßt.
„Wie wolltet ihr gegen mich gerecht fein! — mußt
du fprehen — ich erwähle mir eure Ungerechtigfeit
als den mir zugemefinen Cheil.”
Ungerechtigkeit und Schmuß werfen fle nach dem
Einfamen: aber, mein Bruder, wenn du ein Stern fein
willft, fo mußt du ihnen deshalb nicht weniger leuchten!
Und hüte dich vor den Guten und Gerechten! Sie
frenzigen gerne Die, welche fih ihre eigne Tugend
erfinden, — fie haffen den Einfamen.
Hüte dich auch vor der heiligen Einfaltl Alles ift
ihr unheilig, was nicht einfältig ift; fie fpielt auch gerne
mit dem Feuer — der Scheiterhaufen.
- Und hüte dich auch vor den Unfällen deiner Kiebel
Su ſchnell firedit der Einfame Dem die Band entgegen,
der ihm begegnet.
Manchem Menſchen darfft du nicht die Hand geben,
fondern nur die Tate: und ich will, daß deine Tabe
auch Krallen habe.
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Aber der ſchlimmſte Feind, dem du begegnen
kannſt, wirſt du immer dir ſelber ſein; du ſelber lauerſt
dir auf in Höhlen und Wäldern.
Einſamer, du gehſt den Weg zu dir ſelberl Und
an dir ſelber führt dein Weg vorbei, und an deinen
ſieben Teufeln!
Ketzer wirſt du dir ſelber ſein und Hexe und
Wahrſager und Narr und Zweifler und Unheiliger und
Böfewicht.
Derbrennen mußt du dich wollen in deiner eignen
Flamme: wie wollteft dn nen werden, wenn du nicht
erft Afche geworden bift!
Einfamer, du gehft den Weg des Schaffenden: einen
Gott willft du dir fchaffen aus deinen fieben Ceufeln!
Einfamer, du gehft den Weg des Liebenden: dich
felber liebft du und deshalb verachteft du dich, wie
nur Liebende verachten.
Schaffen will der Kiebende, weil er verachtetl Was
weiß Der von Liebe, der nicht gerade verachten mußte,
was er liebtel
Mit deiner Liebe gehe in deine Dereinfamung und
mit deinem Schaffen, mein Bruder; und fpät erft wird
die Gerechtigkeit dir nachhinten.
Mit meinen Chränen gehe in deine Dereinfamung,
mein Bruder. Ich liebe Den, der über ſich felber hinaus
ſchaffen will und fo zu Grunde geht. —
Alſo fprach Sarathuftra.
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Don alten und jungen Weiblein.
„Was fdhleihft du fo fchen dur die Dämme⸗
rung, Zarathuſtra? Und was birgft du behutfam unter
deinem Mantel?
„Iſt es ein Schaß, der dir gefchenft? oder ein
Kind, das dir geboren wurde? Oder gehft du jebt
felber auf den Wegen der Diebe, du Freund der
Böfen?" —
Wahrlich, mein Bruderl ſprach Sarathuftra, es
iſt ein Schag, der mir geſchenkt wurde: eine Kleine
Wahrheit ift’s, die ich trage.
Uber ſie ift ungebärdig wie ein junges Kind;
und wenn ich ihr nicht den Mund halte, fo fchreit fie
überlaut. |
Als ich heute allein meines Weges gieng, zur
Stunde, wo die Sonne finkt, begegnete mir ein altes
Weiblein und redete alfo zu meiner Seele: |
„Dieles ſprach Sarathuftra auch zu uns Weibern,
doch nie fprach er uns über das Weib.”
Und ich entgegnete ihr: „über das Weib ſoll man
nur zu Männern reden."
95
„Rede au zu mir vom Weibe, ſprach fie; ich
bin alt genug, um es gleich wieder zu vergeffen.”
Und ich willfahrte dem alten Weiblein und ſprach
alfo zu ihm:
Alles am Weibe ift ein Aäthfel, und Alles am
Weibe hat Eine Löfung: fie heißt Schwangerfcaft.
Der Mann ift für das Weib ein Mittel: der Zweck ift
immer das Kind. Aber was ift das Weib für den Mann?
Zweierlei will der echte Mann: Gefahr und Spiel.
Deshalb will er das Weib, als das gefährlichite
- Spielzeug.
Der Mann fol zum Kriege erzogen werden, und
das Weib zur Erholung des Kriegers: alles Andre ift
Chorbeit.
Alzufüße Srühte — die mag der Krieger nidt.
Darum mag er das Weib; bitter ift auch noch das
füßefte Weib.
Beſſer als ein Mann verfteht das Weib die Kinder,
aber der Mann ift findlicher als das Weib,
Im echten Manne ift ein Kind verftedt: das will
ſpielen. Auf, ihr Frauen, fo entdedt mir doch das
Kind im Mannel
Ein Spielzeug fei das Weib, rein und fein, dem
Edelfteine glei, beftrahlt von den Tugenden einer
Welt, welche noch nicht da ift.
Der Strahl eines Sternes glänze in eurer Kiebel
Enre Hoffnung heiße: „möge ich den Übermenfchen
gebären!”
In eurer Liebe fei Tapferfeitl Mit eurer Liebe
follt ihr auf Den losgehn, der euch Furcht einflößt.
96
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| ' In eurer Liebe fei eure Ehrel Wenig verfieht ;
ſich fonft das Weib anf Ehre. Aber dies fei eure ;;
5 Ehre, immer mehr zu lieben, als ihr geliebt werdet, :i
und nie die Sweiten zu fein. Y
Der Mann fürdte ſich vor dem Weibe, wenn es |
liebt: da bringt es jedes Opfer, und jedes andre Ding
gilt ihm ohne Werth.
| Der Mann fürchte fihh vor dem Weibe, wenn es
haft: denn der Mann ift im Grunde der Seele nur
böfe, das Weib aber tft dort fchlecht.
Wen haft das Weib am meiften? — Alfo fpradı
das Eifen zum Magneten: „ich haffe dih am meiften,
weil du anziehft, aber nicht flarf genug bift, an dich
zu ziehen.“ |
Das Glüd des Mannes heißt: ih will. Das Glück
des Weibes heißt: er will.
„Siehe, jett eben ward die Welt vollkommen!“ —
alfo denkt ein jedes Weib, wenn es aus ganzer Liebe
gehorcht.
Und gehorhen muß das Weib und eine Tiefe
finden zu feiner Oberflähe. Oberfläche ift des Weibes
Gemüth, eine bewegliche flürmifhe Haut auf einem
I" feichten Bemwäfler.
' Des Mannes Gemüth aber if tief, fein Strom
rauſcht in unterirdifchen Höhlen: das Weib ahnt feine
Kraft, aber begreift fie nicht. —
Da entgegnete mir das alte Weiblein: „Dieles
Artige fagte Sarathuftra und fonderlih für Die, welche
jung genug dazu find. |
Seltjam if’s, Sarathuftra kennt wenig die Weiber,
»
e —— ç ——⸗ ED —— — —— SEE Auer nie — — —⸗
Alſo ſprach Zarathuſtra. 97 7
=
ö——— — — — =
— —— —— ⸗ ⸗⸗⸗ — — TEE — —
und doch hat er über fie Recht! Geſchieht dies des⸗
halb, weil beim Weibe Fein Ding unmöglidy ift?
Und nun nimm zum Danfe eine Peine Wahrheit!
Bin ich doch alt genug für fiel
Widle fie ein und halte ihr den Mund: fonft
„Bteb mir, Weib, deine Eleine Wahrheitl” fagte
ih. Und alfo fprady das alte Weiblein:
„Du gehft zu Frauen? Dergiß die Peitfche nicht!" —
Alfo ſprach Sarathuftra,
1}
|
fchreit fie überlaut, diefe kleine Wahrheit.“
|
|
98
Dom Biß der Katter,
Eines Tages war Sarathuftra unter einem Seigen-
baume eingeſchlafen, da es heiß war, und hatte feine
Arme über das Gefiht gelegt. Da kam eine Natter
und big ihn in den Bals, fo daß Zarathuſtra vor
Schmerz auffhrie. Als er den Arm vom Geſicht ge
nommen hatte, fah er die Schlange an: da erfannte
fie die Augen Sarathuflra’s, wand fih ungeſchickt
und wollte davon. .„Zlicht doch, ſprach Farathuſtra;
noch nahmft du meinen Dank nicht anl Du weckteſt
midy zur Seit, mein Weg tft nod lang.“ „Dein Weg
iſt noch kurz“, fagte die Natter traurig; „mein Gift tödtet.”
Sarathuftra lächelte „Wann flarb wohl je ein Drache
am Gift einer Schlange?" — fagte er. „Aber nimm dein
Gift zurüdl Du biſt nicht reich genug, es mir zu
fchenfen.” Da fiel ihm die Hatter von Neuem um den
Bals und ledte ihm feine Wunde.
Als Sarathuftra dies einmal feinen Jüngern erzählte,
fragten fie: „Und was, oh Sarathuftra, ift die Moral
deiner Gefchichter" Sarathuftra antwortete darauf alfo:
Den Dernichter der Moral heißen mid die Guten
und Gerechten: meine Geſchichte ift unmoraliſch.
99
928.274
———— — —— ——— —— ———— — —— — — 5
So ihr aber einen Feind habt, ſo vergeltet ihm
nicht Böſes mit Gutem: denn das würde beſchämen.
Sondern beweiſt, daß er euch etwas Gutes ange⸗
than hat.
Und lieber zürnt noch, als daß ihr beſchämt!
Und wenn euch geflucht wird, ſo gefällt es mir nicht,
dag ihr dann ſegnen wollt. Lieber ein Wenig mit-
fluchen |
Und gefhah euh ein großes Unreht, fo thut
mir gefchwind fünf Pleine dazul Gräßlich ift Der an-
zujehn, den allein das Unrecht drüdt.
Wußtet ihr dies fon? Getheiltes Unredt if
halbes Recht. Und Der. foll das Unrecht auf fidh
nehmen, der es tragen kann!
Eine Heine Rache ift menfchlicher als gar Feine
Rache. Und wenn die Strafe nicht auch ein Wecht
und eine Ehre ik für den Übertretenden, fo mag id
auch euer Strafen nicht.
Dornehmer ift’s, fi Unrecht zu geben als Recht
zu behalten, fonderlich wenn man Recht hat. Nur mu
man reich genug dazu fein.
Ih mag eure Palte Gerechtigkeit nicht; und aus
dem Auge eurer Richter blickt mir immer der Henker
und fein Faltes Eifen.
Sagt, wo findet fih die Gerechtigkeit, welche
£iebe mit fehenden Augen ift?
So erfindet mir doch die Kiebe, welche nicht nur
alle Strafe, fondern auch alle Schuld trägtl
So erfindet mir doch die Gerechtigkeit, die Jeden
freifpricht, ausgenommen den Richtenden!
———⸗— — — — —
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100
Wollt ihr aud dies noch hören? An Dem, der
von Grund aus gerecht fein will, wird auch noch die
: Züge zur Menfchen-$reundlichkeit.
. Aber wie wollte ich gerecht fein von Grund aus!
Wie kann ich Jedem das Seine gebenl Dies fei mir
genug: ich gebe Jedem das Meine.
J Endlich, meine Brüder, hütet euch Unrecht zu thun
: allen Einfiedlern! Wie Fönnte ein Einfiedler vergeffen|
; Wie fönnte er vergelten!
Wie ein tiefer Brunnen ift ein Einfiedler. Leicht
iſt es, einen Stein hineinzuwerfen; ſank er aber bis zum
Grunde, fagt, wer will ihn wieder hinausbringen?
Hütet euch, den Einfledler zu beleidigeni Chatet
ihr’s aber, nun, fo tödtet ihn auch nochl
| ' Alfo ſprach Sarathuftra.
nn *
3—
Don Kind und Ehe.
Ich habe eine Frage für dich allein, mein Bruder:
wie ein Senfblei werfe ich diefe Frage in deine Seele,
daß ich wiffe, wie tief fie fei.
Du bift jung und wünfheft dir Kind und Ehe.
Aber ih frage dich: biſt du ein Menſch, der ein Kind
fi wünſchen darf?
Biſt du der Siegreihe, der Selbftbezwinger, der
Gebieter der Sinne, der herr deiner Tugenden? Alfo
frage ich dich.
Oder redet aus deinem Wunfche das hier und die
Aothdurft? Oder Dereinfamung? Oder Unfriede mit dir?
Ih will, daß dein Sieg und deine Sreiheit ſich
nah einem Kinde fehne Lebendige Dentmale folfft
du bauen deinem Siege und deiner Befreiung.
Über dich follt du hinansbauen. Aber erft mußt
du mir felber gebaut fein, rechtwinklig an Leib und
Seele.
Nicht nur fort folk du dich pflanzen, fondern
hinaufl Dazu helfe dir der Garten der Ehel
Einen höheren Leib follft du fchaffen, eine erfte
Bewegung, ein aus fi rollendes Rad, — einen
Schaffenden ſollſt du ſchaffen.
ef
— — — — — — — —
102
Ehe: fo heiße ich den Willen zu Zweien, das Eine
zu fchaffen, das mehr if, als die es fchufen. Ehrfurcht
vor einander nenne ich Ehe als vor den Wollenden
eines folhen Willens.
Dies fei der Sinn und die Wahrheit deiner Ehe.
Aber Das, was die Diel-zu-Dielen Ehe nennen, diefe
Überflüffigen, — ach, wie nenne ich das?
Ah, diefe Armuth der Seele zu Zweien! Ad,
diefeer Schmußg der Seele zu Sweienl Ad, dies er
bärmlihe Behagen zu Sweien!
Ehe nennen fie dies Alles; und fie fagen, ihre
Ehen feien im Himmel gefchloffen.
Nun, ic mag ihn nicht, diefen Himmel der Über-
flüſſigen! Xein, ich mag fie nicht, diefe im himmlifchen
et verfhlungenen Chierel
Ferne bleibe mir auch der Bott, der heranhinkt,
zu fegnen, was er nicht zufammenfügtel
Cacht mir nicht über folhe Ehenl Welches Kind
hätte nicht Grund, über feine Eltern zu weinen?
Würdig fchien mir diefer Mann und reif für den
Sinn der Erde: aber als ich fein Weib fah, fchien mir
die Erde ein Hans für Unfinnige.
Sa, ich wollte, daß die Erde in Krämpfen bebte,
wenn ſich ein Heiliger und eine Gans mit einander paaren.
‚ Diefer gieng wie ein Held auf Wahrheiten aus und
’ endlich erbeutete er fih eine Meine gepußte Lüge.
3 Seine Ehe nennt er’s.
Jener war fpröde im Derfehre und wählte wähle-
rifh. Aber mit Einem Male verdarb er für alle Male
ſeine Gefellfcaft: feine Ehe nennt ers.
4
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103
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Jener fuchte eine Magd mit den Tugenden eines
Engels. Aber mit Einem Male wurde er die Magd
eines Weibes, und nun thäte es noth, daß er darüber
noch zum Engel werde.
Sorafam fand ich jeßt alle Käufer, und alle haben
liftige Augen. Aber feine Frau fauft auch der Liſtigſte
noch im Sad,
Diele furze Chorheiten — das heißt bei euch Liebe.
Und eure Ehe madt rielen furzen Chorheiten ein
Ende, als Eine lange Dummheit.
Eure Liebe zum Weibe und des Weibes Kiebe
zum Manne: ad, möchte fie doch Mitleiden fein mit
leidenden und verhällten Göttern! Aber zumeift errathen
zwei Chiere einander.
Aber auch noch eure befte Kiebe ift nur ein ver-
zücktes Gleichniß und eine fchmerzhafte Gluth. Eine
Sadel ift fie, die euch zu höheren Wegen leuchten fol.
Über euch hinaus follt ihr einſt lieben! So Iernt
erft lieben! Und darum mußtet ihr den bittern Kelch
eurer Liebe trinken.
Sitterniß ift im Kelh aud der beften Liebe:
fo macht fie Sehnfucht zum Übermenfchen, fo madıt fie
Durft dir, dem Schaffenden!
Durft dem Scyaffenden, Pfeil und Sehnfucht zum
Üibermenfchen: fprid, mein Bruder, ift dies dein Wille
zur Ehe?
Reilig heißt mir folh ein Wille und folhe Ehe. —
Alſo ſprach Zarathuſtra.
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Dom freien Tode.
Diele fterben zu fpät, und Einige fterben zu früh.
Noch klingt fremd die Lehre: „ftirb zur rechten Zeit!“
Stirb zur rechten Zeit; alfo lehrt es Sarathuftra.
Freilich, wer nie zur rechten Zeit lebt, wie follte
der je zur rechten Seit flerben? Möchte er doch nie
geboren fein! — Alfo rathe ich den Überflüffigen.
Aber auch dte Überflüffigen thun noch wichtig
mit ihrem Sterben, und auch die hohlfte Nuß will
noch geknackt fein.
Wichtig nehmen Alle das Sterben; aber noch ift
der Tod Fein Feſt. Noch erlernten die Menfchen nicht,
wie man die fchönften Kefte weiht.
Den vollbringenden Tod zeige ich euch, der den
£ebenden ein Stachel und ein Gelöbniß wird.
Seinen Tod ftirbt der Dollbringende, flegreidh,
umringt von Hoffenden und Belobenden.
Alfo follte man fterben lernen; und es follte fein
Feſt geben, wo ein folder Sterbender nicht der Keben-
den Schwüre weihtel
»Alſo zu fterben ift das Befte; das Sweite aber
ft: im Kampfe zu fterben und eine große Seele zu
verschwenden,
|
|
Aber dem Kämpfenden gleichverhaßt wie dem Sieger
ift euer grinfender Lod, der heranfchleicht wie ein Dieb
— und doc als Kerr fommt.
Meinen Tod Iobe ich euch, den freien Tod, der mir
fommt, weil ich will,
Und wann werde ich wollen? — Wer ein Stel hat
und einen Erben, der will den Cod zur rechten Heit für
Ziel und Erben.
Und aus Ehrfurdt vor Siel und Erben wird et
feine dürren Kränze mehr im Beiligthum des Lebens
aufhängen.
Wahrlich, nicht will ih den Seildrehern gleichen:
fie ziehen ihren Faden in die Länge und gehen dabei
felber immer rüdwärts.
Mancer wird auch für feine Wahrheiten und Siege
zu alt; ein zahnlofer Mund hat nicht mehr das Hecht
zu jeder Wahrheit.
Und Jeder, der Ruhm haben will, muß ſich bei
Seiten von der Ehre verabfchieden und die fchwere
Kunft üben, zur rechten Zeit zu — gehn.
Man muß aufhören, fih efien zu laflen, wenn
man am beiten fchmedt: das wiffen Die, welde lange
geliebt werden wollen. _
Saure Äpfel giebt es freilich, deren Loos will, daß
fie bis auf den lebten Tag des Berbftes warten: und
zugleich werden fie reif, gelb und runzelig.
Andern altert das Herz zuerft und Andern der
Geift. Und Einige find greis in der Jugend: aber fpät
jung erhält lang jung.
106
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Manchem mißräth das Leben: ein Giftwurm frißt
fih ihm an's Herz. So möge er zuſehn, daß ihm das
Sterben um fo mehr gerathe.
Mancher wird nie füß, er fanlt im Sommer fchon.
Seigheit ift es, die ihn an feinem Aſte fefthält.
Diel zu Diele leben und viel zu lange hängen fie
an ihren Äften. Möchte ein Sturm kommen, der all
dies Saule und Wurmfreffne vom Baume fchütteltl
Möchten Prediger kommen des ſchnellen Todes!
Das wären mir die rechten Stürme und Schüttler an
Sebensbäumen! Aber ich höre nur den langfamen Cod
predigen und Geduld mit allem „Irdiichen”.
Ad, ihr predigt Geduld mit dem Irdiſchen? Diejes
Irdiſche ift es, das zu viel Geduld mit euch hat, ihr
£äftermänler!
Wahrlih, zu früh flarb jener Bebräer, den die
Prediger des langfamen Todes ehren: und Dielen ward
es feitdem zum Derhängniß, daß er zu früh ftarb,
och Fannte er nur Thränen und die Schwermuth
des Hiebräers, fammt dem Haſſe der Guten und Be-
rehten, — der Hebräer Jefus: da überfiel ihn die
Sehnfucht zum Tode. |
Wäre er doch in der Wüfte geblieben und ferne
von den Guten und Gerechten! Dielfeicht hätte er leben
gelernt und die Erde lieben gelernt — und das Lachen
dazu.
Glaubt es mir, meine Brüder! Er ſtarb zu früh,
er felber hätte feine Lehre widerrufen, wäre er bis zu
meinem Alter gefommen! Edel genug war er zum
Widerrufen!
107
Aber ungereift war er noch. Unreif liebt der
Jüngling, und unreif haft er auch Menſch und Erde,
I Angebunden und fchwer ift ihm noch Gemüth und
| Geiftesflügel.
| * Aber im Manne iſt mehr Kind als im Jünglinge,
ı und weniger Schwermuth: beffer verfteht er fih auf
i Tod und Leben.
Frei zum Tode und frei im Tode, ein heiliger
Hein-fager, wenn es nicht Zeit mehr ift zum Ja: alfo
verfteht er fich auf Tod und Leben.
Daß euer Sterben Feine Läfterung fei auf Menfch
| umd Erde, meine Sreunde: das erbitte ich mir von dem
J Haonig eurer Seele, Ä
| In eurem Sterben foll noch euer Geift und eure
Tugend glühn, glei einem Abendroth um die Erde:
oder aber das Sterben ift euch ſchlecht gerathen.
Alfo will ih felber fterben, daß ihe Freunde um
meinetwillen die Erde mehr liebt; und zur Erde will
ih wieder werden, daß ich in Der Ruhe habe, die
mich gebar,
Ä Wahrlich, ein Stel hatte Sarathuftra, er warf feinen
| Ball: nun feid ihr Freunde meines Sieles Erbe, euch
N werfe ich den goldenen Ball zu.
| Sieber als Alles fehe ich euch, meine Freunde, den
goldenen Ball werfenl Und fo verziehe ich noch ein
Wenig auf Erden: verzeiht es mir!
Alſo ſprach Sarathuftra.
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— ——— — — ——— —— ——— — — — —— — — — ⸗ — — — * ——
108
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um nn sWwuEute Dam = Du
Don der fchentenden Tugend,
1.
Als Sarathuftra von der Stadt Abfchied genommen
hatte, welcher fein Herz zugethan war und deren
Name lautet: „die bunte Kuh” — folgten ihm Diele,
die fi feine Jünger nannten, und gaben ihm das
Geleit. Alfo kamen fie an einen Kreuzweg: da fagte
ihnen Sarathuftra, daß er nunmehr allein gehen wolle;
denn er war ein Freund des Alleingehens. Seine
Jünger aber reichten ihm zum Abfchiede einen Stab,
an defien goldnem Griffe fih eine Schlange um die
Sonne ringelte. Zarathuſtra freute ſich des Stabes
und ftüßte fi darauf; dann ſprach er alfo zu feinen
Jüngern:
Sagt mir do: wie Fam Gold zum hödften
Werther Darum, daß es ungemein ift und unnützlich
und leuchtend und mild im Glanze; es fchenft fidh
immer,
Aur als Abbild der höchſten Tugend kam Bold zum
höchften Werthe. Goldgleih leuchtet der Bli dem
Schentenden. Goldes- Glanz fliegt Friede zwifchen
Mond und Sonne,
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109
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Ungemein if die höcfte Tugend und unnützlich,
leuchtend ift fie und mild im Slanze: eine fchenfende
Tugend iſt die höchfte Tugend.
Wahrlich, ih errathe euch wohl, meine Jünger:
ihr trachtet, gleich mir, nach der fchenfenden Cugend.
Was hättet ihr mit Kaben und Wölfen gemeinfam?
Das ift euer Durft, felber zu Opfern und Be
fhenfen zu werden: und darum habt ihr den Durft,
alle Reihthümer in eure Seele zu häufen,
Unerfättih trachtet eure Seele nah Schäben
und Kleinodien, weil eure Tugend unerfättlih ift im
Derfchenten-Wollen,
Ihr zwingt alle Dinge zu euch und in euch, daß
fie aus eurem Borne zurüdftrömen follen als die Gaben
eurer Kiebe.
Mahrlih, zum Näuber an allen Werten muß
ſolche fchenfende Liebe werden; aber heil und Heilig
heiße ich diefe Selbftfucht. —
Eine andre Selbftfucht giebt es, eine allzuarme,
eine hungemde, die immer ftehlen will, jene Selbft-
fucht der Kranken, die kranke Selbftfucht.
mit dem Auge des Diebes blickt fie auf alles
Glänzende; mit der Gier des Hungers mißt fie Den,
der reich zu eſſen hat; und immer fchleicht fie um den
Tiih der Schenfenden.
Krankheit redet aus folder Begierde und unficht-
bare Entartung; von fiehem Leibe redet die diebifche
Gier diefer Selbftfucht.
Sagt mir, meine Brüder: was gilt uns als Schlechtes
und Schlechteſtes? Iſt es nicht EntartungPp — Und
110
2*8
u
. . um er u om . * = - - 24
f——— — — —— ———— —— — — GE Ana — — ——————— HERE
— ——— — —
auf Entartung rathen wir immer, wo die ſchenkende
Seele fehlt.
Aufwärts geht unſer Weg, von der Art hinüber
zur Über⸗Art. Aber ein Grauen iſt uns der entartende
Sinn, welcher ſpricht: „Alles für mid.“
Aufwärts fliegt unfer Sinn: fo ift er ein Gleichniß
unfres Leibes, einer Erhöhung Gleichniß. Solcher Er-
höhungen Gleichniffe find die Namen der Tugenden.
Alfo geht der Leib durch die Gefchichte, ein Wer⸗
dender und. ein Kämpfender. Und der Beift — was
ift er ihm? Seiner Kämpfe und Siege Herold, Genoß
und Widerhall.
Gleichniffe find alle Namen von But und Böfe:
fie fprehen nicht aus, fie winfen nur, Ein Chor,
welcher von ihnen Wiffen willl
Actet mir, meine Brüder, auf jede Stunde, wo
euer Geift in Bleichniffen reden will: da tft der Ur-
fprung eurer Tugend.
Erhöht ift da euer Leib und auferflanden; mit
feiner Wonne entzücdt er den Geift, daß er Schöpfer
wird und Scäber und Kiebender und aller Dinge
Wohlthäter.
Wenn euer Herz breit und voll wallt, dem Strome
gleih, ein Segen und eine Gefahr den Anwohnenden:
da iſt der Urfprung eurer Tugend. |
Wenn ihr erhaben feid über Lob und Tadel, und
euer Wille allen Dingen befehlen will, als eines Lieben⸗
den Wille: da ift der Urfprung eurer Tugend.
Wenn ihr das Angenehme veradıtet und das weiche
I
— —*
———— —— —— — —— —— —
— — —— —— — —————— —— 2 mn
Bett, und von den Weichlichen euch nicht weit genug
betten Fönnt: da tft der Urfprung eurer Tugend.
Wenn ihr Eines Willens Wollende feid, und diefe
Wende aller Noth euch Nothwendigkeit heißt: da ift
der Urfprung eurer Tugend.
Wahrlih, ein neues Gutes und Böfes ift fiel
Wahrlih, ein neues tiefes Raufchen und eines neuen
Quelles Stimme!
Madıt ift fie, diefe neue Tugend; ein herrichender
Gedanke ift fie, und um ihn eine Pluge Seele: eine
goldene Sonne, und um fie die Schlange der Erfenntniß.
2,
Hier fhwieg Sarathuftra eine Weile und fah mit
£iebe auf feine Jünger. Dann fuhr er alfo fort zu
reden: — und feine Stimme hatte ſich verwandelt,
Bleibt mir der Erde treu, meine Brüder, mit der
Macht eurer Tugend! Eure fchenfende Kiebe und eure
Erfenntniß diene dem Sinn der Erdel Alfo bitte und
befhwöre ich euch.
Saft fie nicht davon fliegen vom rdifchen und
mit den Slügeln gegen ewige Wände fchlagen! Ad,
es gab immer fo viel verflogene Tugend!
führt, gleich mir, die verflogene Tugend zur Erde
zurück — ja, zurüd zu Leib und Keben: daß fie der
Erde ihren Sinn gebe, einen Menfchen-Sinn!
Aunderffältig verflog und vergriff ſich bisher fo
Geift wie Tugend. Ach, In unferm Leibe wohnt jetzt |
—
112
— — — —— — — —— — — — —
Alſo ſprach Zarathuſtra. 113
noch all dieſer Wahn und Fehlgriff: Leib und Wille
iſt er da geworden.
Hundertfältig verſuchte und verirrte ſich bisher ſo
Geiſt wie Cugend. Ja, ein Verſuch war der Menſch.
Ah, viel Unwiſſen und Irrthum iſt an uns Leib ge-
worden!
Nicht nur die Dernunft von Jahrtauſenden — auch
ihr Wahnfinn briht an uns aus. Gefährlich ift es, Erbe
zu fein.
VNoch Fämpfen wir Schritt um Schritt mit dem
Rieſen Sufall, und über der ganzen Menfchheit waltete
bisher noch der Unfinn, der Ohne⸗Sinn.
Ener Beift und eure Tugend diene dem Sinn der
Erde, meine Brüder: und aller Dinge Werth werde neu
von euch gefegtl Darum follt ihr Kämpfende fein!
Darum follt ihr Schaffende fein!
Wiffend reinigt fih der Leib; mit Wiſſen ver-
ſuchend erhöht er fi; dem Erfennenden heiligen fid
alle Triebe; dem Erhöhten wird die Seele fröhlich.
Arzt, hilf dir felber: fo hilft du aud deinem
Kranken noch. Das fei feine befte Hülfe, daß er Den
mit Augen fehe, der fich felber heil macht. |
Cauſend Pfade giebt es, die nie noch gegangen
find, taufend Gefundheiten und verborgene Eilande des
Kebens. Unerfhöpft und unentdeckt ift immer nod
Menfh und Menfchen-Erde.
Wachet und hordht, ihr Einfamen! Don der Zukunft
her fommen Winde mit heimlihem Slügelichlagen; und
an feine Ohren ergeht gute Botichaft.
am.
RER.
— > — — — — — — — — — — — —
Ihr Einſamen von heute, ihr Ausſcheidenden, ihr
ſollt einſt ein Volk fein: aus euch, die ihr euch ſelber
anuswähltet, fol ein auserwähltes Dolf erwadhfen: —
und aus ihm der Übermenfc.
Wahrlih, eine Stätte der Geneſung foll noch die
Erde werden! Und fchon liegt ein neuer Geruch um
fie, ein Heil bringender, — und eine neue Hoffnung!
3,
Als Sarathuftra diefe Worte gefagt hatte, fchwieg
er, wie Einer, der nicht fein letztes Wort gefagt hat;
lange wog er den Stab zweifelnd in feiner Band.
Endlich ſprach er alfo: — und feine Stimme hatte ſich
verwandelt.
Allein gehe ih nun, meine Jünger! Auch ihr geht
nun davon und allein! So will ich es.
Wahrlih, ich rathe euch: geht fort von mir und
wehrt euch gegen Sarathuftral Und beffer no: ſchämt
euch feiner Dielleicht betrog er euch,
Der Menfh der Erfenntnig muß nicht nur feine
Feinde lieben, fondern aud feine Sreunde haffen
konnen.
Man vergilt einem Lehrer ſchlecht, wenn man
immer nur der Schüler bleibt. Und warum wollt ihr
nicht an meinem Kranze rupfen?
Ihr verehrt mich; aber wie, wenn eure Derehrung
eines Tages umfällt? Hütet euch, daß euch nicht eine
Bildfänle erfchlagel
114
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| Ihr fagt, ihr glaubt an Sarathuftra? Aber was liegt
an Sarathuftral Ihr feid meine Gläubigen: aber was
liest an allen Gläubigen!
Ihr hattet euch noch nicht gefucht: da fandet ihr
mid. So thun alle Bläubigen; darum ift es fo wenig
mit allem Glauben.
Nun heiße ih euch, mid verlieren und euch
finden; und erft, wenn ihre mich Alle verleugnet habt,
will ich euch wiederfehren.
Wahrlich, mit andern Augen, meine Brüder, werde
ih mir dann meine Derlorenen fuchen; mit einer
andern Kiebe werde ich euch dann lieben.
Und einft no follt ihre mir Sreunde geworden
fein und Kinder Einer Hoffnung: dann will ih zum
dritten Male bei euch fein, daß ich den großen Mittag
mit eudy feiere.
Und das ift der große Mittag, da der Menſch auf
der Mitte feiner Bahn ficht zwifchen Chier und Über-
menfh und feinen Weg zum Abende als feine höchſte
Boffnung feiert: denn es ift der Weg zu einem neuen
Morgen.
Alsda wird fi der Untergehende felber fegnen,
dag er ein EKinübergehender ſei; und die Sonne feiner
Erfenntnig wird ihm im Mittage ftehn.
„Codt find alle Götter: nun wollen wir, daß
der Übermenfc lebe“ — dies fei einft am großen
Mittage unfer letter Willel —
Alfo fprah Sarathufira.
* *
*
115 8*
Alſo
ſprach Sarathbuitra.
Zweiter Cheil.
— und erſt, wenn ihr mich Alle ver
leugnet habt, will ich euch wiederfehren.
Wahrlich, mit andern Augen, meine
Brüder, werde Ich mir dann meine Der-
lorenen ſuchen; mit einer andern Kiebe
werde ich euch dann lieben.“
Zarathuftra,
von der fchenfenden Tugend
(I. p. 115).
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Das Kind mit dem Spiegel.
Hierauf gieng Sarathuftra wieder zurüd in das
Gebirge und in die Einfamkeit feiner Höhle und entzog
fih den Menfhen: wartend gleich einem Säemann,
der feinen Samen ausgeworfen hat. Seine Seele aber
wurde voll von Ungeduld und Begierde nach Denen,
welhe er liebte: denn er hatte ihnen noch Diel zu
geben. Dies nämlich ift das Schwerfte: aus Kiebe die
offne Hand fchliegen und als Schenkender die Scham
bewahren.
Alfo vergiengen dem Einfamen Monde und Jahre;
feine Weisheit aber wuchs und madte ihm Schmerzen
durch ihre Fülle,
Eines Morgens aber wacdte er fchon vor der
Morgenröthe auf, befann fi} lange auf feinem Lager
und ſprach endlich Zu feinem Herzen:
„Was erjchraf ich doch fo in meinem Traume,
daß ich aufwachte? Trat nicht ein Kind zu mir, das
einen Spiegel trug?
„Oh Sarathuftra — fprad das Kid zu mir —
fhaue Did an im Spiegel!“
Aber als ich in den Spiegel ſchaute, da fchrie ich
auf, und mein Herz war erfchüttert: denn nicht mid,
119
fahe ih darin, fondern eines Teufels Fratze und
Hohnlachen.
Wahrlich, allzugut verſtehe ich des Craumes Zeichen
und Mahnung: meine Lehre iſt in Gefahr, Unkraut
will Weizen heißen!
Meine Seinde find mächtig worden und haben
meiner Lehre Bildniß entftellt, alfo, daß meine Kiebften
fih der Gaben ſchämen müſſen, die ich ihnen gab.
Derloren giengen mir meine Freunde; die Stunde
fam mir, meine Derlornen zu ſuchen!“ —
Mit diefen Worten fprang Sarathuftra auf, aber
nicht wie ein Geängftigter, der nach Luft fucht, fondern
eher wie ein Seher und Sänger, welchen der Geift
anfällt. Derwundert fahen fein Adler und feine Schlange
auf ihn hin: denn gleich dem Mlorgenrothe lag ein
fommendes Glüd auf feinem Antliße.
Was geihah mir doc, meine Chiere? — fagte
Sarathuftra. Bin ich nicht verwandelt? Kam mir nicht
die Seligfeit wie ein Sturmmwind ?
Chöriht ift mein Slüd und Chörichtes wird es
reden: zu jung noch ift es — fo habt Geduld mit ihm!
Derwundet bin ich von meinem Glüde: alle
£eidenden follen mir Arzte fein!
Hu meinen Sreunden darf ich wieder hinab und
auch zu meinen Feinden! HSarathuftra darf wieder reden
und fchenten und Kieben das Kiebfte thun!
Meine ungeduldige Kiebe fließt über in Strömen,
abwärts, nad Aufgang und Niedergang. Aus fchweig-
famem Gebirge und Gewittern des Schmerzes rauſcht
meine Seele in die Chäler.
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De un — TE ———— ———————— — — Ban 15.
ö——— AED — aan —————— — ——— — — — —
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— — — ——— — ———— —— #0. m — ————— —— ——— — — — — — — — — — —— —— —
Su lange fehnte ich mich und fchaute in die Ferne.
Su lange gehörte ich der Einfamkeit: fo verlernte ich
das Schweigen. |
Mund bin ich worden ganz und gar, und Braufen
eines Bachs aus hohen Selfen: hinab will ich meine
Rede ftürzen in die Chäler.
Und mag mein Strom der Kiebe in Unwegfames
flürzenl Wie follte ein Strom nicht endlich den Weg
zum Meere finden!
Wohl ift ein See in mir, ein einfiedlerifcher,
felbfigenugfamer; aber mein Strom der Liebe reift
ihn mit fi} hinab — zum Mleerel
Neue Wege gehe ich, eine neue Rede fommt mir;
müde wurde ich, gleih allen Schaffenden, der alten
dungen. Nicht will mein Geiſt mehr auf abgelaufnen
Sohlen wandeln.
Su langſam läuft mir alles Reden: — in deinen
Wagen fpringe ih, Sturm! Und auch dich will ich
noch peitfchen mit meiner Bosheitl
Wie ein Schrei und ein Jauchzen will ich über
weite Meere hinfahren, bis ich die glücfeligen Infeln
finde, wo meine Sreunde weilen: —
Und meine Seinde unter ihnen! Wie liebe ich nun
Jeden, zu dem ich nur reden darfl Auch meine Feinde
gehören zu meiner Seligfeit.
Und wenn ich auf mein wildeftes Pferd fleigen
will, fo hilft mir mein Speer immer am beften hinauf:
der ift meines Fußes allzeit bereiter Diener: —
Der Speer, den ich gegen meine Feinde fchleuderel
— — — — — —— ne ee Te TE —— — — —
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J
Wie danke ich es meinen Feinden, daß ich endlich ihn
ſchleudern darfl
Zu groß war die Spannung meiner Wolfe:
zwifchen Gelächtern der Blige will ich Hagelſchauer
in die Tiefe werfen.
Gewaltig wird fi da meine Bruft heben, gewaltig
wird fie ihren Sturm über die Berge hinblafen: fo
kommt ihr Erleichterung.
Wahrlich, einem Sturme gleich fommt mein Glüd
und meine Sreiheitl Aber meine Seinde follen glauben,
der Böfe rafe über ihren Häuptern.
Ja, auch ihr werdet erfchredt fein, meine Sreunde,
ob meiner wilden Weisheit; und vielleicht flieht ihr
davon fammt meinen Seinden.
Ah, daß ich's verftünde, euch mit Hirtenflöten
zurüd zu lodenl Ad, daß meine Löwin Weisheit
zärtlich brüllen lerntel Und Dieles lernten wir fchon
mit einander!
Meine wilde Weisheit wurde trächtig auf einfamen
Bergen; anf rauhen Steinen gebar fie ihr Junges,
Jüngites.
Nun läuft fie närrifch durch die harte Wüſte und
fuht und fuht nah fanftem Rafen — meine alte
wilde Weisheitl
Auf eurer Herzen fanften Rafen, meine Sreundel —
auf eure Kiebe möchte fie ihr Kiebftes bettenl —
Alfo ſprach Sarathuftra.
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Auf den glüdfeligen Infeln.
Die Feigen fallen von den Bäumen, fie find gut
und füß; und indem fie fallen, reißt ihnen die rothe
Haut. Ein Nordwind bin ich reifen Seigen.
Alfo, gleih Feigen, fallen euch diefe Lehren zu,
meine Freunde: nun trinft ihren Saft und ihre füßes
Fleiſchl Herbſt ift es umher und reiner Himmel und
Nachmittag.
Seht, welche Sülle iſt um uns! Und aus dem
Überfluffe heraus ift es ſchön hinaus zu blicken auf
ferne Meere.
Einft fagte man Gott, wenn man auf ferne Meere
blickte; nun aber lehrte ich euch fagen: Übermenſch.
Gott if eine Muthmaßung; aber ich will, daß
ener Muthmaßen nicht weiter reiche, als euer fchaffen-
der Wille,
Könntet ihr einen Gott fhaffen? — So fchweigt
mir doch von allen Göttern! Wohl aber Fönntet ihr
den Übermenfhen fchaffen.
Nicht ihr vielleicht felber, meine Brüder|l Aber zu
Dätern und Dorfahren könntet ihr euch umfchaffen des
Übermenfhen: und Dies fei euer beftes Schaffen! —
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123
Gott ift eine Muthmaßung: aber ih will, daß
euer Muthmaßen begrenzt fei in der Denkharkeit.
Könntet ihr einen Bott denfen? — Aber dies
bedeute euch Wille zur Wahrheit, daß Alles verwandelt
werde in Menfchen-Denktbares, Menfchen-Sichtbares,
Menfhen-Sühlbares! Eure eignen Sinne follt ihe zu
Ende denken!
Und was ihr Welt nanntet, das foll erſt von euch
gefchaffen werden: eure Dernunft, euer Bild, euer Wille,
eure Xiebe foll es felber werden! Und wahrlich, zu
eurer Seligfeit, ihr Erfennenden!
Und wie wolltet ihr das Keben ertragen ohne diefe
Hoffnung, ihr Erfennenden? Weder in’s Unbegreifliche
dürftet ihr eingeboren fein, noch in’s Unvernünftige.
Aber daß ich euch ganz mein Herz offenbare, ihr
Freunde: wenn es Götter gäbe, wie hielte ich’s aus,
fein Bott zu fein! Alfo giebt es Feine Götter.
Wohl 309 ih den Schluß; nun aber zieht er
mid. —
Gott ift eine Muthmaßung: aber wer tränfe alle
Qual diefer Muthmaßung, ohne zu fterben? Soll dem
Schaffenden fein Glaube genommen fein und dem Adler
fein Schweben in Adler- fernen?
Gott if ein Gedanke, der macht alles Gerade
frumm und Alles, was fteht, drehend. Wie? Die Seit
wäre hinweg, und alles Dergängliche nur Lüge?
Dies zu denken ift Wirbel und Schwindel menfdy-
lihen Sebeinen, und noch dem Magen ein Erbrechen:
wahrlih, die drehende Krankheit heiße ich’s, Solches
zu muthmaßen.
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Böſe heiße ich's und menfchenfeindlich: all dies
. Kehren vom Einen und Dollen und Unbewegten und
Satten und Unvergänglichen!
Alles Unversänglihe — das tft nur ein Gleichniß!
Und die Dichter lügen zuviel. —
Aber von Seit und Werden follen die beften
Gleichniffe reden: ein Lob follen fie fein und eine
Rechtfertigung aller Dergänglichkeit!
Schaffen — das ift die große Erlöfung vom Leiden,
und des Lebens Leichtwerden. Aber daß der Schaffende
fei, dazu felber thut Leid noth und viel Derwandelung.
Ja, viel bitteres Sterben muß in eurem Leben fein,
ihr Schaffenden! Alfo feid ihr Fürfprecher und Recht⸗
fertiger aller Dergänglichkeit.
Daß der Schaffende felber das Kind fei, das nen
geboren werde, dazu muß er auch die Gebärerin fein
wollen und der Schmerz der Gebärerin.
Wahrlich, durch hundert Seelen gieng ich meinen
Weg und durch hundert Wiegen und Beburtswehen.
Manchen Abfchied nahm ich fchon, ich Fenne die herz-
brechenden letzten Stunden.
Aber fo wills mein fchaffender Wille, mein Schickſal.
Oder, daß ich's euch redliher fage: ſolches Schickſal
gerade — will mein Wille,
Alles Sühlende leidet an mir und tft in Gefäng-
niffen: aber mein Wollen fommt mir ftets als mein
Befreier und Freudebringer.
Wollen befreit: das ift die wahre Lehre von Wille
und Freiheit — fo lehrt fie euch Sarathuftra.
| Ziicht-mehr- wollen und Nicht mehr-fhägen und
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Aid. mehr-fhaffen! ah, daß diefe große Mãdigkeit
mir ſtets ferne bleibel
Auch im Erkennen fühle ich nur meines Willens
Seuge- und Werde-£ufl; und wenn Unfchuld in meiner
Erfenntniß ift, fo geſchieht dies, weil Wille zur Heu-
gung in ihr iſt.
Hinweg von Gott und Göttern lockte mich diefer
Wille; was wäre denn zu fchaffen, wenn Götter — da
wären!
Aber zum Menſchen treibt er mid flets von
Neuem, mein inbrüänftiger Schaffens-Wille; fo treibt’s
den Hammer hin zum Steine,
Ad, ihre Menfchen, im Steine ſchläft mir ein Bild,
das Bild meiner Bilder! Ach, daß es im härteften,
häßlichften Steine fchlafen muß
Nun wüthet mein Hammer graufam gegen fein
Befängniß. Dom Steine ſtäuben Stüde: was fciert
mich das ?
Vollenden will ich's: denn ein Schatten kam zu
mir — aller Dinge Stillſtes und Leichteſtes kam einſt
zu mir]
Des Übermenfhen Schönheit fam zu mir als
Schatten. Ach, meine Brüderl Was gehen mid noch
— die Götter anl —
Alfo ſprach Sarathuftra,
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Don den Mitleidigen.
Meine Steunde, es fam eine Spottrede zu eurem
Freunde: „feht nur Sarathuftral Wandelt er nicht unter
uns wie unter Chieren ?“
Aber fo ift es beffer geredet: „der Erfennende
wandelt unter Menfchen als unter Chieren.”
Der Menfch felber aber heißt dem Erfennenden:
das hier, das rothe Baden hat.
Wie gefhah ihm das? ft es nicht, weil er ſich
zu oft hat fhämen müffen?
Oh, meine Sreundel So fpricht der Erfennende:
Scham, Scham, Scham — das ift die Geſchichte des
Menſchen!
Und darum gebeut ſich der Edle, nicht zu be«
ſchämen: Scham gebeut er fi vor allem Leidenden.
Wahrlih, ich mag fie nicht, die Barmherzigen,
die felig find in ihrem Mitleiden: zu ſehr gebricht es
ihnen an Scham.
Muß ih mitleidig fein, fo will ich's doch nicht
heißen; und wenn ich's bin, dann gern aus der Ferne.
Gerne verhülle ih auch das Haupt und fliehe da-
von, bevor ich noch erfannt bin: und aljo heiße ich
end thun, meine Freunde! |
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Und thut die ein Freund Übles, fo fprih: „ich
vergebe dir, was du mir thateft; da du es aber dir
thateft, — wie fönnte ich das vergeben!“
Alfo redet alle große Liebe: die überwindet auch
noch Dergebung und Mitleiden.
Man foll fein Herz fefthalten; denn läßt man es
gehn, wie bald geht Einem da der Kopf durch!
Ah, wo in der Welt geſchahen größere Thor-
heiten, als bei den Mitleidigen? Und was in der Welt
ftiftete mehr £eid, als die Chorheiten der Mitleidigen ?
Wehe allen Liebenden, die nicht noch eine Höhe
haben, welche über ihrem Mitleiden iftl
Alfo ſprach der Teufel einft zu mir: „auch Bott
hat feine Hölle: das ift feine Liebe zu den Mlenfchen.“
Und jüngft hörte ich ihn dies Wort fagen: „Gott
ift todt; an feinem Mitleiden mit den Menſchen ift Gott
geftorben.” —
So feid mir gewarnt vor dem Mitleiden: daher
kommt noch den Menfchen eine fchwere Wolfel Wahr:
lich, ich verftche mich auf Wetterzeichen!
Merket aber auch dies Wort: alle große Liebe ift
noch über all ihrem Mitleiden: denn fie will das Beliebte
noch — ſchaffen!
„Mich felber bringe ich meiner Liebe dar, und
meinen Nächſten gleih mir“ — fo geht die Rede
allen Schaffenden.
Alle Schaffenden aber find hart. —
Alfo ſprach Sarathuftra.
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Don den Prieſtern.
Und einfimals gab Sarathuftra feinen Jüngern ein
Seichen und ſprach diefe Worte zu ihnen:
„Bier find Priefter: und wenn es auch meine Feinde
! find, geht mir ftill an ihnen vorüber und mit fchlafendem
| Schwertel
= Audy unter ihnen find Helden; Diele von. ihnen
litten zuviel —: fo wollen fie Andre leiden machen.
Böfe Feinde find fie: Nichts ift radhfüchtiger als
ihre Demuth, Und leicht befudelt ſich Der, welcher
fie angreift.
Aber mein Biut ift mit dem ihren verwandt: und ich
will mein Blut auch noch in dem ihren geehrt wiffen.” —
Und als fie vorüber gegangen waren, ftel Sarathuftra
der Schmerz an; und nicht lange hatte er mit feinem
Schmerze gerungen, da hub er alfo an zu reden:
Es jammert mic diefer Priefter. Sie gehen mir
auch wider den Geſchmack; aber das ift mir das Ge-
ringfte, feit ich unter Menſchen bin.
Aber ich leide und litt mit ihnen: Gefangene find
es mir nnd Abgezeichnetee Der, welhen fie Erlöfer
nennen, fchlug fie in Banden: —
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In Banden falfher Werthe und Wahn-Wortel
Ah dag Einer fie noch von ihrem Erlöfer erlöftel
Auf einem Eilande glaubten fie einft zu landen,
als das Meer ſie herumriß; aber fiehe, es war ein
fchlafendes Ungeheuer]
Salfhe Werte und Wahn-Worte: das find die
fhlimmften Ungeheuer für Sterblide, — lange fchläft
und wartet in ihnen das Derhängnif.
Aber endlich fommt es und wadht und frift und
(hlingt, was auf ihm ſich Hütten baute.
Oh feht mir doch diefe Hütten an, die fich diefe
Priefter bauten! Kirchen heißen fie ihre füßduftenden
Höhlen.
Oh über dies verfälfchte Licht, diefe verdumpfte
£uft! Bier, wo die Seele zu ihrer Höhe hinauf — nicht
fliegen darfl
Sondern alfo gebietet ihr Slaube: „auf den Knien
die Treppe hinan, ihr Sünder!“
Wahrlich, lieber fehe ih noch den Schamlofen, als
die verrenften Augen ihrer Scham und Andacht!
Wer fchuf ſich folhe Höhlen und Buß-Treppen?
Waren es nicht Solche, die fich verbergen wollten und
fi} vor dem reinen Himmel fchämten ?
Und erft wenn der reine Himmel wieder durch
zerbrochne Deden blidt, und hinab auf Gras und
rothen Mohn an zerbrochnen Mauern, — will ich den
Stätten diefes Gottes wieder mein Herz zuwenden.
Sie nannten Bott, was ihnen widerfprady und wehe
that: und wahrlich, es war viel Helden-Art in ihrer
Anbetung
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Und nicht anders wußten fie ihren Gott zu lieben,
als indem fie den Menfchen an’s Kreuz fchlugen!
Als Keihname gedachten fie zu leben, fchwarz
{hingen fie ihren Leichnam aus; auch aus ihren Reden
riehe ich noch die üble Würze von Todtenfammern.
Und wer ihnen nahe lebt, der lebt fchwarzen
Teihen nahe, aus denen heraus die Unke ihre Kied mit
füßem Tieffinne fingt.
Beffere Lieder müßten fie mir fingen, daß ih an
ihren Erlöfer glauben lerne: erlöfter müßten mir feine
Jünger atısfehen!
Nackt möchte ich fie fehn: denn allein die Schön-
heit follte Buße predigen. Aber wen überredet wohl
diefe vermummte CTrübfall
Wahrlich, ihre Erlöfer felber kamen nicht aus der
Steiheit und der Freiheit fiebentem Himmel! Wahrlich,
fie ſelber wandelten niemals auf den Ceppichen der
Erfenntnig!
Aus Lüden befland der Geiſt diefer Erlöfer;
aber in jede Lücke hatten fie ihren Wahn geftellt,
ihren Lückenbüßer, den file Bott nannten.
In ihrem Mitleiden war ihr Geift ertrunfen, und
wenn fie fchwollen und überfchwollen von Mitleiden,
fhwamm immer obenauf eine große Thorheit.
Eifrig trieben fie und mit Geſchrei ihre Heerde
über ihren Steg: wie als ob es zur Zukunft nur Einen
Steg gäbel Wahrlich, auch diefe Hirten gehörten noch
zu den Schafen!
Kleine Seifter und umfängliche Seelen hatten diefe
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Hirten: aber, meine Brüder, was für kleine Länder
waren bisher auch die umfänglichſten Seelen!
Blutzeichen ſchrieben ſie auf den Weg, den ſie
giengen, und ihre Chorheit lehrte, daß man mit Blut
die Wahrheit beweiſe.
Aber Blut iſt der ſchlechteſte Zeuge der Wahrheit;
Blut vergiftet die reinſte Lehre noch zu Wahn und
Haß der Herzen.
Und wenn Einer durch's Fener geht für ſeine
£chre, — was beweiſt dies!l Mehr iſt's wahrlich, daß
aus eignem Brande die eigne Lehre kommtl
Schwũles Herz und kalter Kopf: wo dies zuſammen⸗
trifft, da entſteht der Brauſewind, der „Erlöſer“.
Größere gab es wahrlich und Höher⸗Geborene,
als Die, welche das Volk Erlöfer nennt, dieſe hin-
reißenden Braufewindel
Und noch von Größeren, als alle Erlöfer waren,
müßt ihr, meine Brüder, erlöft werden, wollt ihr zur
$reiheit den Weg finden!
Niemals noch gab es einen Übermenfhen. Nadt
fah ih Beide, den größten und den Bleinften Mlen-
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Allzuähnlich find fie noch einander. Wahrlich, aud)
den Größten fand ich — allzumenfhlih! —
Alfo ſprach Sarathuftra.
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Von den Tugendhaften.
Mit Donnern und himmliſchen Feuerwerken muß
man zu ſchlaffen und ſchlafenden Sinnen reden.
Aber der Schönheit Stimme redet leiſe: ſie ſchleicht
ſich nur in die aufgeweckteſten Seelen.
Leiſe erbebte und lachte mir heut mein Schild;
das ift der Schönheit heiliges Lachen und Beben.
Über euch, ihr CTugendhaften, Iachte heut meine
Schönheit. Und alfo fam ihre Stimme zu mir: „fie
wollen noch — bezahlt fein!” _
Ihr wollt noch bezahlt- fein, ihe Tugendhaften!
Wollt £ohn für Ingend. und Himmel für Erden und
Ewiges für euer Heute haben?
Und nun zürnt ihe mir, daß ich lehre, es giebt
feinen £ohn- und Sahlmeifter? Und wahrlich, ich Iehre
nicht einmal, daß Tugend ihr eigner Lohn ifl.
Ach, das ift meine Trauer: in den Grund der Dinge
hat man Lohn und Strafe hineingelogen — und nun
auch noch in den Grund eurer Seelen, ihr Tugendhaften |
Aber dem Rüſſel des Ebers gleich foll mein Wort
den Grund enrer Seelen aufreißen; Pflugfhar will ich
euch heißen.
135
Alle Heimlichkeiten eures Grundes follen an’s Kicht;
und wenn ihr aufgemwühlt und zerbrodhen in der Sonne
liegt, wird auch eure Lüge von eurer Wahrheit aus»
geſchieden fein.
Denn dies ift eure Wahrheit: ihr feid zu rein
lich für den Schmuß der Worte: Rache, Strafe, Eohn,
Dergeltung,
Ihr liebt eure Tugend, wie die Mutter ihr Kind;
aber wann hörte man, daß eine Mutter bezahlt fein
wollte für ihre Lieber
Es ift euer Kiebftes felbfl, eure Tugend. Des
Ringes Durft ift in euch: fich felber wieder zu er-
reichen, dazu ringt und dreht ſich jeder Xing.
Und dem Sterne gleih, der erlifht, ift jedes
Wer? eurer Tugend: immer ift fein Licht noch unter-
wegs und wandert — und warn wird es nicht mehr
unterwegs fein?
Alfo ift das Licht eurer Tugend noch unterweas,
anch wenn das Wer? gethan ifl. Mag es nun vergeflen
und todt fein: fein Strahl von Kicht lebt noch und
wandert,
Daß eure Tugend euer Selbft fei, und nicht ein
Fremdes, eine Haut, eine Bemäntelung: das ift die
Wahrheit aus dem Grunde eurer Seele, ihr Tugend-
haften! —
Aber wohl giebt es Sole, denen Tugend der
Krampf unter einer Peitfche heißt: und ihr habt mir
zuviel auf Deren Geſchrei gehörtl
Und Andre giebt es, die heißen Tugend das Faul⸗
werden ihrer Zafter; und wenn ihr Haß und ihre
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Eiferſucht einmal die Glieder ſtrecken, wird ihre „Ge⸗
rechtigfeit" munter und reibt ſich die verſchlafenen
Augen.
Und Andre giebt es, die werden abwärts gezogen:
ihre Teufel ziehn fie Aber je mehr fie finfen, um fo
glühender leuchtet ihre Auge und die Begierde nad
ihrem Gotte.
Ad, auch Deren Gefchrei drang zu euren Ohren,
ihr Tugendhaften: „was ich nicht bin, Das, Das ift mir
Gott und Tugendl“
Und Andre giebt es, die kommen ſchwer und
fnarrend daher, gleih Wägen, die Steine abwärts
fahren: Die reden viel von Würde und Tugend, — ihren
Hemmſchuh heißen fie Tugendl
Und Andre giebt es, die find gleih Alltags⸗Uhren,
die aufgezogen wurden; fie machen ihr Tiktak und
wollen, daß man Tiktak — Tugend heiße,
Wahrlid, an Diefen habe ich meine £uft: wo idh
jolhe Uhren finde, werde ich fie mit meinem Spotte
aufziehn; und ſie follen mir dabei noch fchnurren!
Und Andre find ftolz über ihre Handvoll Gerech—
tigfeit und begehen um ihrer willen Frevel an allen
Dingen: alfo daß die Welt in ihrer Ungerechtigkeit
ertränft wird.
Ad, wie übel ihnen das Wort „Tugend” aus dem
Munde läuft! Und wenn fie fagen: „ich bin gerecht“,
fo Elingt es immer gleich wie: „ich bin gerächtl”
Mit ihrer Tugend wollen fie ihren Seinden die
Augen ausfragen; und fie erheben fi nur, um Andre
zu erniedrigen,
137
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Und wiederum giebt es Solche, die fitzen in ihrem
Sumpfe und reden alfo heraus aus dem Schilfrohr:
„Tugend — das ift ftill im Sumpfe fißen.
Wir beißen Niemanden und gehen Dem aus dem
Wege, der beißen will; und in Allem haben wir die
Meinung, die man uns giebt.“
Und wiederum giebt es Soldhe, die lieben Ge-
bärden und denken: Tugend ift eine Art Gebärde.
Ihre Kniee beten immer an, und ihre Hände find
Kobpreifungen der Tugend, aber ihr Herz weiß Nichts
davon.
Und wiederum giebt es Solche, die halten es für
Tugend, zu fagen: „Tugend ift nothwendig”; aber fie -
. glauben im Grunde nur daran, daß Polizei noth«
wendig ift.
Und Mancer, der das Hohe an den Menfchen nicht
fehen kann, nennt es Tugend, daß er ihr Niedriges all.
zunahe fieht: alfo heißt er feinen böfen Blick Tugend.
Und Einige wollen erbaut und aufgerichtet fein
und heißen es Tugend; und Andre wollen umgemworfen
fein — und heißen es auch Tugend.
Und derart glauben fat Alle daran, Antheil zu
haben an der Tugend; und zum Mindelten will ein
Jeder Kenner fein über „But“ und „Böfe“.
Aber niht dazu kam Sarathuftra, allen diefen
Kügnern und Narren zu fagen: „was wißt ihr von
Tugend! Was Fönntet ihr von Tugend wiffen!” —
Sondern, daß ıhr, meine freunde, der alten Worte
müde würdet, weiche ihr von den Narren und Lügnern
gelernt habt:
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Müde würdet der Worte „Lohn“, „Dergeltung”,
„Strafe*, „Rache in der Gerechtigkeit“ —
Müde würdet zu fagen: „daß eine Handlung gut
if, das macht, fie ift felbftlos.“
Ah, meine Sreundel Daß euer Selbft in der
Handlung fei, wie die Mutter im Kinde ift: das fei mir
euer Wort von Tugend!
Wahrlich, ich nahm euch wohl hundert Worte und
eurer Tugend liebfte Spielwerfe; und nun zürmt ihr
mir, wie Kinder zürnen.
Sie fpielten am Meere, — da fam die Welle und
riß ihnen ihr Spielwerf in die Tiefe: nun weinen fie.
Aber die felbe Welle foll ihnen neue Spielwerfe
bringen und neue bunte Muſcheln vor fie hin aus»
fhütten!
So werden fie getröftet fein; und gleich thnen
follt auch ihr, meine Freunde, enre Tröftungen haben
— und neue bunte Mufcheln! —
Alfo ſprach Sarathuftra,
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Dom Befindel.
Das Leben ift ein Born der Luſt; aber wo das
Gefindel mit trinkt, da find alle Brunnen vergiftet.
Allem Reinlichen bin ich hold; aber ich mag die
grinfenden Mäuler nicht fehn und den Durft der Un-
reinen.
Sie warfen ihr Auge hinab In den Brunnen: nun
glänzt mir ihr widriges Lächeln herauf aus dem Brunnen.
Das heilige Waſſer haben fie vergiftet mit ihrer
Süfternheitz und als fie ihre ſchmutzigen Träume £uft
nannten, vergifteten fle auch noch die Worte.
Unwvillig wird die Slamme, wenn fie ihre feuchten
Herzen an’s feuer legen; der Geift felber brodelt und
raucht, wo das Gefindel an’s Feuer tritt.
Süßlih und übermürbe wird in ihrer Hand die
Frucht: windfällig und wipfeldürr madt ihr Blick den
Fruchtbaum.
Und Mancher, der ſich vom Leben abkehrte, kehrte
ſich nur vom Geſindel ab: er wollte nicht Brunnen und
Flamme und Frucht mit dem Geſindel theilen.
Und Mancher, der in die Wüſte gieng und mit
Raubthieren Durſt litt, wollte nur nicht mit ſchmutzigen
Kameeltreibern um die Ciſterne ſitzen.
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Und Mancher, der wie ein Dernichter daher fam
und wie ein Hagelichlag allen Sruchtfeldern, wollte
nur feinen Fuß dem Gefindel in den Nacken feßen
und alſo feinen Schlund ftopfen.
Und nidt Das ift der Biffen, an dem id am
meiften würgte, zu wiffen, daß das Leben felber Feind-
haft nöthig hat und Sterben und Marterfreuze: —
Sondern ih fragte einft und erftidte faſt an
meiner Stage: wie? hat das Leben auch das Geſindel
nöthigp
Sind vergiftete Brunnen nöthig und flinfende Feuer
und befhmußte Träume und Maden im Lebensbrode?
Nicht mein Haß, fondern mein Ekel fraß mir
hungrig am Leben! Ad, des Geiftes wurde ich oft
müde, als ich audy das Gefindel geiftreich fand!
Und den Herrfhenden wandt’ ich den Rüden,
als ich fah, was fie jet Herrchen nennen: Schadhern
und Marften um Macht — mit dem Gefindell
Unter Dölfern wohnte ich fremder Zunge, mit ver-
fchloffenen Ohren: daß mir ihres Schaderns Zunge
fremd bliebe und ihr Marten um Macht.
Und die Vaſe mir haltend, gieng ich unmuthig
durch alles Gejtern und Heute: wahrlid, übel riecht
alles Geftern und Heute nach dem fchreibenden Gefindell
Einem Krüppel gleich, der taub und blind und
ftumm wurde: alfo lebte ich lange, daß ich nicht mit
Madt- und Schreib» und Luft-Sefindel lebte.
Mühfam ftieg mein Geift Treppen, und vorfichtig;
Almofen der Luft waren fein Kabfal; am Stabe [lich
dem Blinden das Leben.
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Was geſchah mir doch? Wie erlöſte ich mich vom
Eifel? Wer verjüngte mein Ange? Wie erflog ich die
Höhe, wo Fein Gefindel mehr am Brunnen fitt?
Schuf mein Efel felber mir Slügel und quellen-
ahnende Kräfte? Wahrlih, in’s Höchſte mußte ich
fliegen, daß ich den Born der £uft wiederfändel
Oh, ich fand ihn, meine Brüderl Bier im Höchften
quillt mir der Born der £uftl Und es giebt ein Keben,
an dem kein Geſindel mit trinkt!
Saft zu heftig firömft du mir, Quell der Luft!
Und oft leerft du den Becher wieder, dadurch daß du
ihn füllen willſt!
Und noch muß ich lernen, befcheidener dir zu nahen:
allzuheftig ftrömt dir roch mein Herz entgegen: —
Mein Herz, auf dem mein Sommer brennt, der
furze, heiße, fchwermüthige, überfelige: wie verlangt
mein Sommer-Berz nach deiner Kühle!
Dorbei die zögernde Trübfal meines Srühlings!
Dorüber die Bosheit meiner Schneefloden im Junil
Sommer wurde ih ganz und Sommer-Mittag| -
Ein Sommer im Hödften mit Falten Quellen und
feliger Stille: oh fommt, meine Freunde, daß die Stille
noch feliger werde!
Denn dies ift unfre Höhe und unfre Heimat: zu
hoch und fteil wohnen wir hier allen Unreinen und
ihrem Durfte,
Werft nur eure reinen Augen in den Born meiner
Luft, ihr Sreundel Wie follte er darob trübe werden!
Entgegenlachen foll er euch mit feiner Reinheit.
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Auf dem Baume Zukunft bauen wir unſer Neſt;
Adler ſollen uns Einſamen Speiſe bringen in ihren
Schnäbeln!
Wahrlich, keine Speiſe, an der Unſaubere miteſſen
dürfen! Feuer würden ſie zu freſſen wähnen und ſich
die Mäuler verbrennen!
Wahrlich, Feine Heimſtätten halten wir hier bereit
für Unfanberel Eishöhle würde ihren Leibern unfer
Glüd heißen und ihren Beiftern!
Und wie flarfe Winde wollen wir über ihnen leben,
Nachbarn den Adlern, Nachbarn dem Schnee, Nachbarn
der Sonne: alfo leben ftarfe Winde.
Und einem Winde gleih will ih einft noch
zwifchen fie blafen und mit meinem Geiſte ihrem
Geifte den Athem nehmen: fo will es meine Zukunft.
Wahrlich, ein ftarfer Wind ift Sarathuftra allen
Niederungen; und folhen Rath räth er feinen Feinden
und Allem, was fpudt und fpeit: „hütet euch, gegen
den Wind zu ſpeien!“ —
Alfo ſprach Sarathuftra.
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Don den Taranteln,
Siehe, das ift der Tarantel Höhlel Willſt du fie
felber fehn? Hier hängt ihr eb: rühre daran, daß es
erzittert.
Da fommt fie willig: willfommen, Tarantell Schwarz
fit auf deinem Rüden dein Dreied und Wahrzeichen;
und ih weiß auch, was in deiner Seele fitzt.
Rache fitt in deiner Seele: wohin du beißeft, da
wächſt ſchwarzer Schorf; mit Nahe macht dein Gift
die Seele drehendl
Alfo rede ih zu euh im Gleichniß, die ihr die
Seelen drehend macht, ihr Prediger der Gleichheit!
Taranteln feid ihr mir und verftedte Rachſüchtige!
Aber ih will eure Derftede fchon an’s Licht
bringen: . darum lache ich euch in’s Antlig mein Ge⸗
lächter der Höhe.
Darum reife ih an eurem lebe, daß eure Wuth
euch aus eurer Lügen-Höhle lode, und eure Rache
hervorjpringe hinter eurem Wort „Gerechtigkeit“.
Denn dag der Menſch erlöft werde von der
Rache: das ift mir die Brüde zur hödften Hoffnung
und ein Regenbogen nad langen Unmettern.
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Alfo ſprach Zarathufira.
Aber anders wollen es freilich die Taranteln. „Das
gerade heiße uns Gerechtigkeit, daß die Welt voll
werde von den Unwettern unfrer Rache“ — alfo reden
fie mit einander.
„Zahe wollen wir üben und Befhimpfung an
Allen, die uns nicht gleich find" — fo geloben ſich die
Tarantel-Berzen.
Und „Wille zur Gleichheit" — das felber foll
fürderhin der Name für Tugend werden; und gegen
Alles, was Madıt hat, wollen wir unfer Geſchrei er-
heben!”
Ihr Prediger der Gleichheit, der Tyrannen-Wahn-
finn der Ohnmacht fchreit alfo aus euch nach „Gleich⸗
heit“: eure heimlichften Tyrannen⸗Gelüſte vermummen
ſich alfo in Tugend-Wortel
Dergrämter Dünkel, verhaltener Neid, vielleicht
eurer Däter Dünfel und Xeid: aus euch bricht’s als
$lamme heraus und Wahnfinn der Race,
Was der Dater fhwieg, das fommt im Sohne
zum Reden; und oft fand ich den Sohn als des Daters
entblößtes Geheimniß.
Den Begeifterten gleichen fie: aber nicht das Herz
ift es, was fie begeiftert, — fondern die Rache. Und
wenn fie fein und kalt werden, iſt's nicht der Geiſt,
fondern der Leid, der fie fein und Falt mad,
Ihre Eiferfucht führt fie auch auf der Denfer
Dfade; und dies ift das Merkmal ihrer Eiferfuht —
immer gehn fie zu weit: daß ihre Müdigkeit fich zu«
fett noch anf Schnee fchlafen legen muß.
145 10
Aus jeder ihrer Klagen tönt Rache, in jedem ihrer
Kobfprühe ift ein Wehethun; und Nichter-fein fcheint
ihnen Seligfeit.
Alfo aber rathe ich euch, meine Sreunde: mißtraut
Allen, in welchen der Trieb, zu ftrafen, mädtig iſt!
Das ift Volk fchlechter Art und Abfunft; aus ihren
Gefichtern blickt der Henker und der Spürhund.
Mißtraut allen Denen, die viel von ihrer Gerechtig⸗
feit reden! Wahrlich, ihren Seelen fehlt es nicht nur
an Honig.
Und wenn fie fih felber „die Guten und de
rechten“ nennen, fo vergegt nit, daß ihnen zum
Dharifäer Nichts fehlt als — Macht!
Meine Sreunde, ich will nicht vermifcht und ver-
wecjelt werden.
Es giebt Solche, die predigen meine Lehre vom
Seben: und zugleich find fie Prediger der Gleichheit
und Taranteln.
Daß fie dem £eben zu Willen reden, ob fte gleich
in ihrer Höhle figen, diefe Bift-Spinnen, und abgekehrt
vom Leben: das madıt, fie wollen damit wehethun.
Solden wollen fie damit wehethun, die jetzt die
Macht haben: denn bei Diefen ift noch die Predigt vom
Tode am beften zu Haufe.
Wäre es anders, fo würden die Taranteln anders
lehren: und gerade fie waren ehemals die beften Welt-
Derleumder und Keber-Brenner.
Mit diefen Predigern der Gleichheit will ich nicht
vermifcht und verwechlelt fein. Denn fo redet mir
die Gerechtigkeit: „die Menfchen find nicht gleich”.
146
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Und fie ſollen es auch nicht werden! Was wäre
denn meine Liebe zum Übermenfchen, wenn ich anders
fprädhe?
Auf taufend Brüden und Stegen follen fie fich
drängen zur Zukunft, und immer mehr Krieg und Un-
gleihheit ſoll zwifchen fie gefegt fein: fo läßt mid
meine große Liebe reden!
Erfinder von Bildern und Gefpenftern follen fie
werden in ihren Seindfchaften, und mit ihren Bildern
und Gefpenftern follen fie noch gegeneinander den
hödhften Kampf fämpfen!
Gut und Böfe, und Reih und Arm, und Hoch
und Gering, und alle Namen der Werthe: Waffen
follen es fein und Plirrende Merkmale davon, daß das
Leben fich immer wieder felber überwinden muß
In die Höhe will es fi bauen mit Pfeilern und
Stufen, das Leben felber: in weite Fernen will es
blien und hinaus nad feligen Schönheiten, — darum
braudt es ‚Köhel
Und weil es Höhe braucht, braudt es Stufen und
Widerfpruch der Stufen und Steigenden! Steigen will
das Keben und fteigend ſich überwinden.
Und feht mir doch, meine Sreundel Bier, wo der
Tarantel Höhle ift, heben fi eines alten Tempels
Trümmer aufwärts, — feht mir doch mit erleuchteten
Augen hin!
Wahrlich, wer hier einft feine Gedanken in Stein
nach Oben thürmte, um das Beheimniß alles Lebens
wußte er gleich dem Weifeften!
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Daß Kampf und Ungleihes auch noh in der
Schönheit fei, und Krieg um Madt und Übermadt:
das lehrt er uns hier im dentlichiten Gleichniß.
Wie fihh göttli hier Gewölbe und Bogen breden,
im Ringfampfe: wie mit Licht und Schatten fie wider
einander ftreben, die göttlich-Strebenden —
Alfo ficher und fchön laßt uns auch Seinde fein,
meine Freundel Böttlih wollen wir wider einander
ſtreben! —
Wehel Da big mich felber die Tarantel, meine
alte Seindinl GBöttlich fiher und fchön biß fie mid
in den Singer!
„Strafe muß fein und Gerectigfeit — fo denkt
fie: nicht umfonft foll er hier der Seindfchaft zu Ehren
Kieder fingen!“
Sa, fie hat fi gerät! Und wehel nun wird fie
mit Rache auch noch meine Seele drehend machen!
Daß ih mich aber nicht drehe, meine Freunde,
bindet mich feit hier an diefe Säulel Kieber noch
Sänlen-Beiliger will ich fein, als Wirbel der Rachſucht!
Wahrlih, Fein Dreh- und Wirbelwind ift Sara-
thuftra; und wenn er ein Tänzer if, nimmermehr doc
ein Tarantel-Tänzerl —
Alſo ſprach Sarathuftra.
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Don den berühmten Weifen.
Dem Dolfe habt ihr gedient und des Dolfes Aber:
glauben, ihr berühmten Weifen alle! — und nicht der
Woahrheitl Und gerade darum zollte man euch Ehrfurcht.
Und darum auch ertrug man euren Unglauben,
weil er ein Wit und Umweg war zum Dolfe. So läßt
‚der Herr feine Sflaven gewähren und ergötzt fich noch
an ihrem Übermuthe.
Aber wer dem Volke verhaßt iſt wie ein Wolf
den Hunden: das ift der freie Beift, der Feſſel⸗Feind,
der Nicht-Anbeter, der in Wäldern Hauſende.
Ihn zu jagen aus feinem Schlupfe — das hieß
immer dem Dolfe „Sinn für das Nechte*: gegen ihn
hett es noch immer feine fcharfzahnigften Hunde.
„Denn die Wahrheit ift da: ift das Dolf doch dal
Wehe, wehe den Suchenden!” — alfo ſcholl es von jeher.
Eurem Volke wolltet ihr Recht fchaffen in feiner
Derehrung: das hießet ihr „Wille zur Wahrheit”, ihr
berühmten Weijen!
Und euer Herz fprach immer zu fih: „vom Dolfe
fam ich: von dort her Fam mir auch Gottes Stimme".
Hart⸗nackig und Elng, dem Efel glei, wart ihr
immer als des Dolfes Sürfprecher.
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Und mancher Mächtige, der gut fahren wollte mit
dem Volke, fpannte vor feine Roſſe noch — ein
Efelein, einen berühmten Weifen.
Und nun wollte ich, ihr berühmten Weifen, ihr
wäürfet endlich das Fell des Löwen ganz von euch!
Das Sell des Raubthiers, das buntgefledte, und die
Sotten des Sorfchenden, Suchenden, Erobernden!
Ah, daß ih an eure „Wahrhaftigfeit" glauben
ferne, dazu müßtet ihr mir erft euren verehrenden
Willen zerbrechen.
Wahrhaftig — fo heiße ich Den, der in götterlofe
Wüſten geht und fein verehrendes Herz zerbrocdhen hat.
Im gelben Sande und verbrannt von der Sonne
ſchielt er wohl durftig nach den quellenreihen Eilanden,
wo £ebendiges unter dunfeln Bäumen ruht.
Aber fein Durft überredet ihn nicht, diefen Behag-
lichen gleich zu werden: denn wo Dafen find, da find
auch Götzenbilder.
Hungernd, gewaltthätig, einfam, gottlos: fo will
fi felber der Löwen⸗Wille.
Frei von dem Glück der Knechte, erlöft von Göttern
und Anbetungen, furdtlos und fürdıterlih, groß und
einfam: fo ift der Wille des Wahrhaftigen.
In der Wüfte wohnten von je die Wahrhaftigen,
die freien Geifter, als der MWüfte Herren; aber in den
Städten wohnen die gutgefütterten, berühmten Weifen,
— die Sugthiere.
"immer nämlich ziehen fie, als Efel — des Dolfes
Karren!
Nicht daß ich ihnen darob zürne: aber Dienende
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bleiben fie mir und Angeſchirrte, auch wenn fle von
goldnem Geſchirre glänzen.
Und oft waren fie gute Diener und preiswürdige.
Denn fo fpricht die Tugend: „mußt du Diener fein,
fo ſuche Den, welchem dein Dienft am beften nützt!
„Der Geift und die Tugend deines Herrn follen
wachen, dadurch dag du fein Diener bift: fo wächfeft
du felber mit feinem Geifte und feiner Tugend!“
Und wahrli, ihr berühmten Weifen, ihr Diener
des Dolfesi Ihr felber wuchfet mit des Volkes Geiſt
und Tugend — und das Dolf duch enhl Zu euren
Ehren fage ich dasl
Aber Dolf bleibt ihr mir auch noh in euren
Tugenden, Dolf mit blöden Augen, — Volk, das nit
weiß, was Geift ift!
Geift iſt das Keben, das felber in’s Keben fchneidet:
an der eignen Qual mehrt es ſich das eigne Wiffen, —
mwußtet ihr das fchon?
Und des Geiftes Glück ift dies: gefalbt zu fein
und durch Thränen geweiht zum Opferthier, — wußtet
ihr das fchon?
Und die Blindheit des Blinden und fein Suchen
und Tappen foll noch von der Macht der Sonne zeugen,
in die er fchaute, — wußtet ihr das fchon?
Und mit Bergen foll der Erfennende bauen lernen!
Wenig ift es, daß der Geift Berge verfeßt, — wußtet
ihr das fon?
Ihr Fennt nur des Geiftes Funken: aber ihr feht
den Ambos nicht, der er ift, und nicht die Granſamkeit
feines Hammers!
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Wahrlich, ihr kennt des Geiſtes Stolz nicht! Aber
noch weniger würdet ihr des Geiſtes Beſcheidenheit
ertragen, wenn ſie einmal reden wollte!
Und niemals noch durftet ihr euren Geiſt in eine
Grube von Schnee werfen: ihr feid nicht heiß genug
dazul So Fennt ihr auch die Entzüdungen feiner Kälte
nicht.
In Allem aber thut ihr mir zu vertraulich mit dem
Geifte; und aus der Weisheit machtet ihr oft ein Armen
und Kranfenhaus für ſchlechte Dichter.
Ihr feid Feine Adler: fo erfuhrt ihr auch das Glüd
im Schreden des Geiftes nit. Und wer fein Dogel
ift, fol fih nicht über Abgründen lagern,
Ihr feid mir Laune: aber Falt ftrömt jede tiefe
Erfenntnig. Eiskalt find die innerften Brunnen des
Beiftes: ein Kabjal heißen Händen und Handelnden.
Ehrbar fteht ihr mir da und fteif und mit geradem
Küden, ihr berühmten Weiſen! — euch treibt fein
ftarfer Wind und Wille.
Saht ihr nie ein Segel über das Meer gehn, geründet
und gebläht und zitternd vor dem Ungeftüm des Windes ?
Dem Segel gleich, zitternd vor dem Ungeftlüm des
Geiftes, geht meine Weisheit über das Mleer — meine
wilde Weisheit!
Aber ihr Diener des Dolfes, ihr berühmten Weifen,
— wie Pönntet ihr mit mir gehn! —
Alfo ſprach Sarathuftra.
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Das Nachtlied.
Nacht iſt es: nun reden lauter alle ſpringenden
Brunnen. Und auch meine Seele iſt ein ſpringender
Brunnen.
Vacht iſt es: nun erſt erwachen alle Lieder der
Ciebenden. Und auch meine Seele iſt das Lied eines
Liebenden. .
Ein Ungeftilltes, Unftillbares ift in mir; das will
laut werden. Eine Begierde nach Kiebe ift in mir, die
redet felber die Sprache der Kiebe,
Kicht bin ih: ach, daß ich Nacht. wärel Aber dies
ift meine Einfamkeit, daß ich von Kicht umgürtet bin.
Ah, daß ich dunkel wäre und näcdtigl Wie
wollte ih an den Brüften des Lichts faugen!
Und ench felber wollte ich noch fegnen, ihr kleinen
Funkelſterne und Keuchtwürmer drobenl — und felig
fein ob eurer Licht⸗Geſchenke.
Aber ich lebe in meinem eignen Kichte, ich trinke
die Flammen in mich zurüd, die aus mir brechen.
Ich kenne das Glück des Nehmenden nicht; und
oft träumte mir davon, daß Stehlen noch feliger fein
müffe als Nehmen.
Das ift meine Armuth, daß meine Hand niemals
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ausruht vom Schenken; das iſt mein Neid, daß ich war⸗
tende Augen ſehe und die erhellten Nächte der Sehnſucht.
Oh Unſeligkeit aller Schenkenden! Oh Verfinſte⸗
rung meiner Sonnel Oh Begierde nach Begehren!
Oh Beißhunger in der Sättigung!
Sie nehmen von mir: aber rühre ich noch an ihre
Seele? Eine Kluft if zwiſchen Geben und Nehmen;
und die Pleinfte Kluft ift am lebten zu überbrüden.
Ein Hunger wädft aus meiner Schönheit: wehe-
thun möchte ich Denen, welchen ich leuchte, berauben
möchte ich meine Beſchenkten: — alfo hungere ich
nach Bosheit.
Die Hand zurüdziehend, wenn fi ſchon ihr die
Hand entgegenftredt; dem Waflerfalle gleich zögernd,
der noch im Sturze zögert: — alfo hungere ich nad
Bosheit.
Sole Rache finnt meine Fülle aus: ſolche Cücke
quillt aus meiner Einſamkeit.
Mein Glück im Schenken erftarb im Schenken,
meine Tugend wurde ihrer felber müde an ihrem Über-
fluffel
Wer immer fchenft, deffen Gefahr ift, daß er
die Scham verliere; wer immer austheilt, deffen Hand
und Herz hat Schwielen vor lauter Austheilen.
Mein Auge quillt nicht mehr über vor der Scham
der Bittenden; meine Hand murde zu hart für das
Sittern gefüllter Hände.
Wohin Fam die Thräne meinem Auge und der
Flaum meinem Herzen? Oh Einjamfeit aller Schenfen-
denl Oh Schweigfamkeit aller Keuchtenden!
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Diel Sonnen reifen im öden Raume: zu Allem,
was dunkel if, reden fie mit ihrem Lichte, — mir
ſchweigen fie.
Oh dies ift die Seindfchaft des Kichts gegen
Keuchtendes: erbarmungslos wandelt es feine Bahnen.
Unbillig gegen Leuchtendes im tiefften Herzen,
falt gegen Sonnen, — alſo wandelt jede Sonne.
Einem Sturme glei fliegen die Sonnen ihre
Bahnen, das ift ihr Wandeln. Ihrem unerbittlichen
Willen folgen fie, das ift ihre Kälte.
Oh, ihr erft feid es, ihr Dunklen, ihr Nächtigen,
die ihr Wärme fhafft aus Leuchtendem! Gh, ihr erft
trinft euh Milch und Kabfal aus des Lichtes Eutern!
Ah, Eis ift um mid, meine Band verbrennt ſich
an Eiſigem! Ach, Durft ift in mir, der ſchmachtet nad
eurem Durfte!
Naht ift es: ah daß ih Licht fein mußl Und
Durft nah Vächtigem! Und Einfamfeitl
Vacht ift es: nun bricht wie ein Born aus mir mein
Derlangen, — nad Rede verlangt mid.
Nacht ift es: nun reden lauter alle fpringenden
Brunnen. Und auch meine Seele ift ein fpringender
Brummen.
Nacht ift es: nun erwahen alle XKieder der
Siebenden. Und audy meine Seele ift das Kied eines
Liebenden. —
Alfo fang Sarathuftra.
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Das Tanzlied.
Eines Abends gieng Zarathuſtra mit feinen Jüngern
durch den Wald; und als er nach einem Brunnen fudhte,
fiehe, da fam er auf eine grüne Wiefe, die von Bäumen
und Gebüſch fill umftanden war: auf der tanzten Mäd⸗
hen mit einander, Sobald die Mädchen Sarathuftra
erfannten, ließen fie vom Tanze ab; Sarathuftra aber
trat mit freundlicher Gebärde zu ihnen und ſprach diefe
Worte:
„Laßt vom Tanze nicht ab, ihr Fieblihen Mädchen!
Kein Spielverderber fam zu euch mit böfem Blid,
fein Mädchen- Seind.
Gottes Fürfpreher bin ich vor dem Tenfel: der
aber ift der Geiſt der Schwere Wie follte ich, ihr
geichten, göttlihen Tänzen feind fein? Oder Mädchen-
Süßen mit ſchönen Knöcheln?
Wohl bin ih ein Wald und eine Nacht dunkler
Bänme: doch wer fih_vor meinem Dunkel nicht fcheut,
der findet auch Roſenhänge unter meinen Eyprefien.
Und auch den kleinen Gott findet er wohl, der
den Mädchen der liebfte ift: neben dem Brunnen liegt
er, fill, mit gefchloffenen Augen.
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Wahrlih, am hellen Tage fchlief er mir ein, der
Tagediebl Hafchte er wohl zu viel nach Schmetterlingen?
Sürnt mir nicht, ihe ſchönen Tanzenden, wenn ich
den Pleinen Gott ein Wenig züchtigel Schreien wird
er wohl und weinen, — aber zum Lachen ifl er noch
im Weinen!
Und mit Chränen im Auge foll er euch um einen
Tanz bitten; und ich felber will ein Lied zu feinem
Tanze fingen:
Ein Tanz- und Spottlied auf den Beift der Schwere,
meinen allerhöchften großmächtigften Teufel, von dem
fie fagen, daß er „der Herr der Welt“ ſei.“ —
Und dies tft das Kied, welches Sarathuftra fang,
als Eupido und die Mädchen zufammen tanzten:
In dein Auge fchaute ich jüngft, oh Leben! Und
in's Unergründliche fchien ich mir da zu finfen.
Aber du z0gft mich mit golöner Angel heraus;
fpöttifh lachteſt du, als ich dich unergründlich nannte.
„So geht die Rede aller Sifche, fpradhft du; was
fie nicht ergründen, ift unergründlich.
Aber veränderlih bin ih nur und wild und in
Allem ein Weib, und Fein tugendhaftes:
Ob ih fhon euh Männern „die Tiefe“ heiße
oder „die Treue”, „ote Ewige“, „die Geheimnißvolle“.
Doh ihe Männer befchenft uns ſtets mit den
eignen Tugenden — ad, ihr Tugendhaften!“
Alfo lachte fie, die Unglaubliche; aber ich glaube
ihr niemals und ihrem Lachen, wenn fie bös von fich
felber fpricht.
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Und als ich unter vier Augen mit meiner wilden
Weisheit redete, fagte fie mir zornig: „Du willt, du
begehrft, du Tiebft, darum allein lobft du das Leben!“
Saft hätte ich da bös geantwortet und der Fornigen
die Wahrheit gefaat; und man fann nicht böfer antıwor-
ten, als wenn man feiner Weisheit „die Wahrheit fagt“.
So nämlich fteht es zwifchen uns Dreien. Don
Grund aus liebe ich nur das Leben — und, wahrlid,
am meiften dann, wenn ich es haffel
Daß ich aber der Weisheit gut bin und oft zu aut:
das macht, fie erinnert mich gar fehr an das Leben!
Sie hat ihr Auge, ihr Lachen und fogar ihr goldnes
Angelrüthhen: was fann ih dafür, daß die Beiden
ſich fo ähnlich fehn?
Und als mich einmal das Keben fragte! Wer ift
denn das, die Weisheit? — da fagte ich eifrig: Ach jal
die Weisheit!
Man dürftet um fie und wird nicht fatt, man blickt
durch Schleier, man hafcht durch Netze.
ft ſie ſchön? Was weiß ihl Aber die älteften
Karpfen werden noch mit ihr gefödert.
Veränderlich ift fie und troßig; oft fah ich fie ſich
die Kippe beißen und den Kamm wider ihres Haares
Strih führen.
Dielleiht ift fie böfe und falfh, und in Allem ein
Srauenzimmer; aber wenn fle von fich felber fchledht
fpricht, da gerade verführt fie am meiften.“
Als ih dies zu dem Leben fagte, da lachte es
boshaft und madte die Augen zu. „Don wem redeft
du doch? fagte es, wohl von mir?
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Und wenn du Recht hättet, — fagt man das
mir fo in’s Geſicht! Aber nun fpridy doch auch von
deiner Weisheit!”
Ah, und nun machteſt du wieder dein Auge auf,
. oh geliebtes Leben! Und in’s Unergründliche ſchien
ih mir wieder zu finfen. —
Alfo fang Sarathuftra. Als aber der Tanz zu
Ende und die Mädchen fortgegangen waren, wurde er
traurig.
„Die Sonne ift lange fchon hinunter, fagte er
endlih; die Wiefe ift feucht, von den Wäldern her
fommt Kühle.
Ein Unbefanntes if um mih und blidt nad
denflih. Was! Du lebft no, Sarathuftra ?
Warum? Wofür? Wodurh? Wohin? Wo? Wie?
Iſt es nit Chorheit, noch zu leben? —
Ach, meine Sreunde, der Abend ift es, der fo aus
mir fragt. Dergebt mir meine Traurigkeit!
Abend ward es: vergebt mir, daß es Abend ward"
Alfo ſprach Sarathuftra.
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Das Grablied.
„Dort iſt die Gräberinſel, die ſchweigſame; dort
ſind auch die Gräber meiner Jugend. Dahin will ich
einen immergrünen Kranz des Lebens tragen.”
Alfo im Herzen befchliegend fuhr ich über das
Meer. —
OR ihr, meiner Jugend Gefichte und Erfcheinungen!
Oh, ihre Blicke der Liebe alle, ihr göttlichen Augen-
blidel Wie ftarbt ihr mir fo fchnell Ich gedente
eurer heute wie meiner Todten.
Don eudy her, meinen liebften Todten, fommt mir
ein füßer Geruh, ein herz. und thränenlöfender.
Wahrlich, er erfchüttert und löͤſt das Herz dem einfam
Sciffenden.
Immer noh bin ich der Reichſte und Beftzu«
beneidende — ich der Einfamftel Denn ich hatte euch
doch, und ihr habt mich noch: fagt, wem fielen, wie !
mir, ſolche NRofenäpfel vom Baume?r
Immer noch bin ich eurer Liebe Erbe und Erd»
reich, blühend zu enrem Bedächtniffe von bunten wild-
wachfenen Tugenden, oh ihr Geliebteften!
Ad, wir waren gemacht, einander nahe zu bleiben,
ihr holden fremden Wunder; und nicht fchüchternen
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Dögeln gleich kamt ihr zu mir und meiner Begierde —
nein, als Trauende zu dem Trauenden!
Ja, zur Treue gemacht, gleih mir, und zu zärt-
Iihen Ewigfeiten: muß ih nun euch nach eurer
Untreue heißen, ihr göttlihen Blicke und Augenblide:
feinen andern Namen lernte ich noch.
Wahrlich, zu fchnell ftarbt ihr mir, ihr Slüchtlinge,
Doch floht ihr mich nicht, noch floh ich euch: unfchuldig
find wir einander in unfrer Untreue,
Mich zu tödten, erwürgte man euch, ihr Singvögel
meiner Hoffnungen! Ja, nad euch, ihr Kiebften, fchoß
immer die Bosheit Pfeile — mein Herz zu treffen!
Und fie trafl Wart ihr doch ftets mein Herzlichites,
mein Befiz und mein Befeffen-fein: darum mußtet ihr
jung fterben und allzu frühel
Uah dem Derwundbarften, das ich befaß, fchoß
man den Pfeil: das waret ihr, denen die Haut einem
Flaume gleich ift und mehr noch dem Lächeln, das an
einem Blick erftirbtl
Aber dies Wort will ich zu meinen feinden reden:
was ift alles Menfchen-Morden gegen Das, was ihr mir
thatet!
Böferes thatet ihr mir, als aller Menſchen⸗Mord ift;
Unwiederbringliches nahmt ihr mir: — alfo rede ich zu
euch, meine Feindel
Mordetet ihr doch meiner Jugend Gefihte und
ftebfte Wunder! Meine Gefpielen nahmt ihr mir, die
feligen Geifterl Ihrem Gedäctniffe lege ich diefen
Kranz und diefen Fluch nieder.
Diefen Fluch gegen euch, meine feindel Machtet
Alfo ſprach Zarathuftra. ‚161 11
mem
ihr doch mein Ewiges Furz, wie ein Ton zerbricht in
Falter Yacht! Kaum als Aufblinten göttliher Augen
fam es mir nur, — als Augenblid|
Alfo fprah zur guten Stunde einft meine Nein:
heit: „göttlich follen mir alle Weſen fein.“
Da überflelt ihr mich mit ſchmutzigen Gefpenftern;
ah, wohin floh nun jene gute Stundel
„Ale Tage follen mir heilig fein” — fo redete
einft die Weisheit meiner Jugend: wahrlich, einer fröh-
lihen Weisheit Redel
Aber da ftahlt ihr Feinde mir meine Nächte und
verfauftet fie zu fchlaflofer Qual: ach, wohin floh num
jene fröhliche Weisheit?
Einft begehrte ich nach glüdlichen Dogelzeihen: da
führtet ihr mir ein Eulen-Unthier über den Weg, ein
widriges. Ad, wohin floh da meine zärtliche Begierde?
Allem Efel gelobte ich einft zu entfagen: da vers
wandeltet ihr meine Nahen und Nächften in Eiterbeulen.
Ad, wohin floh da mein edelftes Gelöbniß?
Als Blinder gieng ich einft felige Wege: da warft
ihr Unflath auf den Weg des Blinden: und nun efelt
ihn des alten Blinden-£ußfteigs.
Und als ih mein Schwerftes that und meiner
Überwindungen Sieg feierte: da machtet ihr Die, welde
mid liebten, fchrein, ich thue ihnen am weheiten.
Wahrlich, das war immer euer Thun: ihr vergälltet
mir meinen beften Honig und den Fleiß meiner beften
Bienen.
Meiner Mildthätigkeit fandtet ihr immer die frech⸗
fien Bettler zu; um mein Mitleiden drängtet ihr immer
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die unheilbaren Schamlofen. So verwundetet ihr meine
Tugenden in ihrem Glauben.
Und legte ich noch mein Bieiligftes zum Opfer hin:
flugs ftellte eure „Frömmigkeit“ ihre fetteren Gaben
dazu: alfo daß im Dampfe eures fettes noch mein
Heiligftes erſtickte.
Und einft wollte ich tanzen, wie nie ich noch
tanzte: über alle Himmel weg wollte idy tanzen. Da
überredetet ihr meinen liebften Sänger.
Und nun ftimmte er eine fcyaurige dumpfe Weife
an; ad, er tutete mir wie ein düfteres Horn zu Ohren!
Mörderifcher Sänger, Werkzeug der Bosheit, Un-
fchuldigfterl Schon ftand ich bereit zum beiten Tanze:
da mordeteft du mit deinen Tönen meine Derzüdung!
ur im Tanze weiß ich der höchften Dinge Sleich-
niß zu reden: — und nun blieb mir mein höchites
Gleichniß ungeredet in meinen Gliedern!
Ungeredet und unerlöft blieb mir die höchfte
KHoffnungl Und es ftarben mir alle Gefichte und
Cröftungen meiner Jugendl
Wie ertrug idy’s nur? Wie verwand und überwand
ih folhe Wunden? Wie erftand meine Seele wieder
aus diefen Gräbern ?
Sa, ein Unverwundbares, Unbegrabbares if an
mir, ein Selfenfprengendes: das heißt mein Wille.
Scweigfam fchreitet es und unverändert durch die
Jahre. "
Seinen Bang will er gehn auf meinen Süßen,
mein alter Wille; herzenshart ift ihm der Sinn und
unverwundbar,
165 1»
Unverwundbar bin ih allein an meiner Ferſe.
Immer noch lebft du da und bift dir gleih, Ge⸗
duldigfterl Immer noch bradft du dich durch alle
Gräber!
In dir lebt auch noch das Unerlöfte meiner Jugend;
und als Leben und Jugend fiteft du hoffend hier auf
gelben Grab⸗Crümmern.
Sa, noch bift du mir aller Gräber Zertrümmerer:
Beil dir, mein Willel Und nur wo Gräber find, giebt
es Auferftehungen. —
Alfo fang Sarathuftra.
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Don der Selbft-Äberwindung.
„Wille zur Wahrheit” heißt ihr’s, ihr Weifeften,
was euch treibt und brünftig macht?
Wille zur Denfbarkeit alles Seienden: alfo heiße
ich euren Willen!
Alles Seiende wollt ihr erft denkbar machen:
denn ihr zweifelt. mit gutem Mißtrauen, ob es fchon
denkbar iſt.
Aber es foll fih eudy fügen und biegen! So wilPs
euer Wille Glatt foll es werden und dem Geifte unter-
than, als fein Spiegel und Widerbild.
Das ift euer ganzer Wille, ihr Weifeften, als eın
Wille zur Macht; und auch wenn ihr vom Guten und
Böfen redet und von den Werthichäßungen. |
Schaffen wollt ihr noch die Welt, vor der ihr Enten
könnt: fo.ift es eure letzte Hoffnung und Trunkenheit. |
Die Unmweifen freilich, das Doll, — die find gleich |
dem Fluffe, auf dem ein lachen weiter fchwimmt: und
im Nachen ſitzen feierlich und vermummt die Werth- |
fhäßungen. |
Euren Willen und eure Werthe febtet ihr auf den |
!
Fluß des Werdens; einen alten Willen zur Macht ver-
räth mir, was vom Volke als But und Böfe geglaubt wird. |
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165
Ihr wart es, ihr Weifeften, die folhe Gäſte in
diefen Nachen ſetzten und ihnen Prunk und ftolze
Namen gaben, — ihr und euer herrfchender Willel
Weiter trägt nun der Fluß euren Nachen: er muß
ihn tragen. Wenig thus, ob die gebrochene Welle
fhäumt und zornig dem Kiele widerfpricht!
Nicht der Fluß ift eure Gefahr und das Ende eures
Guten und Böfen, ihr Weifeften: fondern jener Wille
felber, dere Wille zur Madt, — der unerjchöpfte zen⸗
gende Lebens⸗Wille.
Aber damit ihr mein Wort verfteht vom Guten
und Böfen: dazu will ich end; nod mein Wort vom
Leben fagen und von der Art alles Lebendigen.
Dem £ebendigen gieng ih nad, ich gieng die
größten und die Pleinftern Wege, daß ich feine Art
erfenne.
Mit hundertfahem Spiegel fieng ich noch feinen
Blick auf, wenn ihm der Mund geſchloſſen war: daß
fein Auge mir rede, Und fein Uuge redete mir.
Aber, wo ih nur Kebendiges fand, da hörte ich
auch die Rede vom Gehorfame Alles Lebendige ift
ein Behorchendes.
Und dies tft das Sweite: Dem wird befohlen, der
fi nicht felber gehorchen kann. So ift es des Keben-
digen Art.
Dies aber ift das Dritte, was ich hörte: daß Be-
fehlen fchwerer if, als Gehorchen. Und nicht nur,
daß der Befehlende die Laſt aller Gehorchenden trägt,
und daß leicht ihn diefe Laſt zerdrüdt: —
Ein Derfuh und Wagniß erfdhien mir in allem
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ı Befehlen; und ftets, wenn es befiehlt, wagt das Keben- |
dige fid felber dran.
| Ja noch, wenn es ſich felber beftehlt: auch da noch I
| muß es fein Befehlen büßen. Seinem eignen Gefeße |
| muß es Richter und Rächer und Opfer werden.
| Wie gefhieht dies doch! fo fragte ih mid. Was
überredet das Lebendige, daß es gehordt und befiehlt |
I und befehlend noch Gehorfam übt? |
| Hört mir nun mein Wort, ihr Weifeften! Prüft es
ernjtlich, ob ich dem Leben felber in’s Herz kroch, und
| bis in die Wurzeln feines Herzens! |
Wo ich Lebendiges fand, da fand ich Willen zur
| Madt; und noch im Willen des Dienenden fand ich |
den Willen, Herr zu fein.
Daß dem Stärferen diene das Schwächere, dazu
überredet es fein Wille, der über noch Schwädheres
Herr fein will: diefer Luft allein mag es nicht entrathen.
Und wie das Kleinere fih dem Größeren hingiebt,
daß es Luft und Macht am Kleinften habe: alfo giebt
fih aud das Größte noch Hin und fett um der Macht
willen — das Leben dran.
Das ift die Hingebung des Größten, daß es Wag-
niß ift und Gefahr, und um den Tod ein Würfelfpielen. |
Und wo Opferung und Dienfte und Kiebesblide
|
| find: auch da tft Wille, Herr zu fein. Auf Schleidy
| wegen fchleicht fich da der Schwächere in die Burg und
| bis in’s Herz dem Mächtigeren — und ftiehlt da Macht.
| Und dies Geheimniß redete das Leben felber zu
| mir: „Siehe, jprach es, ich bin Das, was fi immer
felber überwinden muß.
„Sreilih, ihr heißt es Wille zur Zengung oder
Trieb zum Swede, zum Höheren, Ferneren, Dielfacheren:
aber all dies ift Eins und Ein Geheimniß.
„Lieber noch gehe ich unter, als daß ich diefem
Einen abfagte; und wahrlih, wo es Untergang giebt
und Blätterfallen, fiehe, da opfert fi Leben — um
Madtl
„Daß ih Kampf fein muß und Werden und
Zweck und der Zwecke Widerfpruch: ach, wer meinen
Willen erräth, erräth wohl auch, auf welchen krummen
Wegen er gehen mußl
„Was ich audy fchaffe und wie ich’s andy liebe,
— bald muß ich Gegner ihm fein und meiner Liebe:
fo will es mein Wille,
„And auch du, Erfennender, bift nur ein Pfad und
Sußtapfen meines Willens: wahrlich, mein Wille zur
Macht wandelt auh auf den Füßen deines Willens
zur Wahrheit
„Der traf freilich die Wahrheit nicht, der das Wort
nah ihr fhoß vom „Willen zum Dafein”: diefen
Willen — giebt es nicht!
„Denn: was nicht ift, das kann nicht wollen; was
aber im Dafein ift, wie fönnte das noch zum Dafein
wollen!
„Zur, wo Keben ift, da ift auch Wille: aber nicht
Wille zum Leben, fondern — fo lehre ih’s dich —
Wille zur Macht!
„Dieles ift dem Xebenden höher gefchätt, als
£eben jelber; doch aus dem Schäßen felber heraus
redet — der Wille zur Madıtl" —
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— — — — —— —— — —
Alſo lehrte mich einſt das Leben: und daraus
löſe ich euch, ihr Weiſeſten, noch das Räthſel eures
Herzens.
Woahrlih, ich fage eudh: Gutes und Böfes, das
unvergänglih wäre — das giebt es nichtl Aus fi
ſelber muß es fich immer wieder überwinden.
Mit euren Werthen und Worten von Gut und Böfe
übt ihr Gewalt, ihr Werthfchäßenden: und dies ift eure
verborgene Liebe und eurer Seele Glänzen, Zittern und
Überwallen.
Aber eine ftärfere Gewalt wähft aus euren
Werthen und eine nene Überwindung: an der zer-
briht Ei und Eierfchale.
Und wer ein Schöpfer fein muß im Guten und
Böfen: wahrlih, der muß ein Dernichter erft fein
und Werthe zerbrechen.
Alfo gehört das höchfte Böfe zur höchſten Güte:
diefe aber ift die fchöpferifche. —
Reden mir nur davon, ihr Weifeften, ob es
gleih ſchlimm if. Schweigen ift ſchlimmer; alle ver-
ſchwiegenen Wahrheiten werden giftig.
Und mag doc Alles zerbrechen, was an unferen
Wahrheiten zerbrehen — kann! Manches Baus giebt
es noch zu bauen! —
Alfo ſprach Sarathuftra.
169
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Von den Erhabenen.
Still iſt der Grund meines Meeres: wer erriethe
wohl, daß er ſcherzhafte Ungeheuer birgt!
Unerfchütterlih ift meine Tiefe: aber fie glänzt
von fhwimmenden Räthfeln und Gelächtern.
Einen Erhabenen fah ich heute, einen Seierlichen,
einen Büßer des Geiftes: oh wie lachte meine Seele
ob feiner Häßlichkeit!
Mit erhobener Bruft und Denen gleich, welche den
Athem an fih ziehn: alfo fland er da, der Erhabene,
und fchweigfam:
Behängt mit häßlichen Wahrheiten, feiner Jagdbente,
und reich an zerriffenen Kleidern; aud viele Dornen
hiengen an ihm — aber noch fah ich Feine Roſe.
Noch lernte er das Lachen nicht und die Schönheit.
Finſter kam diefer Jäger zurück aus dem Walde der
Erfenntnig.
Dom Kampfe Fehrte er heim mit wilden Chieren:.
aber aus feinem Ernfte blidt auch noch ein wildes
Chier — ein unüberwundenes!
Wie ein Tiger flieht er immer nodh da, der
fpringen will; aber ih mag diefe gefpannten Seelen
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nicht, unhold ift mein Gefhmad allen diefen Surüd:
gezognen.
Und ihr fagt mir, Freunde, daß nicht zu flreiten
fei über Gefchmad und Schmeden? Aber alles Leben
it Streit um Gefhmad und Schmeden!
Gefhmad: das tft Gewicht zugleih und Wag-
fhale und Wägender; und wehe allem Lebendigen,
das ohne Streit um Gewiht und Wagichale und
Wägende leben wollte!
Wenn er feiner Erhabenheit müde würde, diefer
Erhabene: dann erft würde feine Schönheit anheben, —
und dann erft will ich ihn fchmeden und ſchmackhaft
finden.
Und erft, wenn er fih von fich felber abwendet,
wird er Über feinen eignen Schatten fpringen — und,
_ wahrlich! hinein in feine Sonne.
Allzulange faß er im Scatten, die Wangen
bleichten dem Büßer des Geiftes; faft verhungerte er
an feinen Erwartungen.
Deradtung ift noch in feinem Auge; und Efel
birgt fih an feinem Munde. Swar ruht er jetzt, aber
feine Ruhe hat ſich noch nicht in die Sonne gelegt.
Dem Stiere glei follte er thun; und fein Glück
follte nah Erde riechen, und nicht nach Deractung
der Erde,
Als weißen Stier möchte ih ihn fehn, wie er
ſchnaubend und brüllend der Pflugichar vorangeht:
und fein Gebrüll follte noch alles Jrdifche preifen!
Dunkel noch ift fein Antlig; der Hand Schatten
fpielt auf ihm. Derfchattet ift noch der Sinn feines Auges.
—
1721
Seine Chat ſelber iſt noch der Schatten auf ihm:
die Hand verdunfelt den Handelnden. Noch hat er
feine Chat nicht überwunden.
Wohl liebe ih an ihm den Xladen des Stiers:
aber nun will ich auch noch das Auge des Engels fehn.
Aud feinen Helden-Willen muß er noch verlernen:
ein Gehobener foll er mir fein und nicht nur ein Er
habener: — der Äther felber. follte ihn heben, den
Willenlofen!
Er bezwang Unthiere, er löfte Räthfel: aber erlöfen
folte ee auch noch feine Unthiere und Näthfel, zu
himmlifhen Kindern follte er fle noch verwandeln,
oh hat feine Erkenntniß nicht lächeln gelernt
und ohne Eiferfucht fein; noch ift feine ftrömende
Seidenfhaft nicht ftille geworden in der Schönheit.
Wahrlich, nicht in der Sattheit foll fein Derlangen
fchweigen und untertauchen, fondern in der Schönheit!
Die Anmuth gehört zur Großmuth des Großgefinnten.
Den Arm über das Haupt gelegt: fo follte der Held
ausruhn, fo follte er auch noch fein Ausruhen überwinden,
Aber gerade dem Helden ift das Schöne aller
Dinge Schwerftes. Unerringbar ift das Schöne allem
heftigen Willen.
Ein Wenig mehr, ein Wenig weniger: das gerade
ift hier Diel, das ift hier das Meifte.
mit läffigen Muskeln ftehn und mit abgefchirrtem
Willen: das iſt das Scwerfte euch Allen, ihr Er»
habenen!
Wenn die Macht gnädig wird und herabfommt in’s
Sichtbare: Schönheit heiße ich folches Ejerabfommen.
172
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Und von Niemandem will ich fo als von dir gerade
Schönheit, du Gemwaltiger: deine Güte fei deine letzte
Selbft-Überwältigung.
Alles Böfe traue ich dir zu: darum will ich von
dir das Gute.
Wahrlich, ich lachte oft der Schwädlinge, welde
fih gut glauben, weil fie lahme Taten haben!
Der Säule Tugend follt du nachfireben: fchöner
wird fie immer und zarter, aber inwendig härter und
tragfamer, je mehr fie auffteigt. .
Ja, du Erhabener, einft follft du noch fchön fein
und deiner eignen Schönheit den Spiegel vorhalten.
Dann wird deine Seele vor göttlihen Begierden
ſchaudern; und Anbetung wird noch in deiner Eitel-
feit fein!
Dies nämlich ift das Geheimniß der Seele: erft,
wenn fie der Held verlaffen hat, naht ihr, im Traume,
— der ÄÜber⸗Held. —
Alſo ſprach Sarathuftra.
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Dom Sande der Bildung
Su weit hinein flog ich in die Sufunft: ein Grauen
überfiel mid).
Und als ih um mid fah, ftehel da war die Seit
mein einziger Zeitgenoffe.
Da floh ih rüdwärts, heimwärts — und immer
eilender: fo fam ich zu euch, ihr Gegenwärtigen, und
in’s £and der Bildung.
Sum erften Male brachte ich ein Auge mit für
euch, und gute Begierde: wahrlih, mit Sehnfucht im
Herzen fam id.
Aber wie gefhah mir? So anaft mir auch war, —
ih mußte laden! Xie fah mein Auge etwas fo Bunt-
geſprenkeltes!
Ich lachte und lachte, während der Fuß mir noch
zitterte und das Herz dazu: „hier iſt ja die Heimat aller
Sarbentöpfel” — fagte ich.
Mit fünfzig Klegen bemalt an Gefiht und Glie-
dern: fo faßet ihr da zu meinem Staunen, ihr Begen-
wärtigen!|
Und mit fünfzig Spiegeln um euch, die eurem
Sarbenfpiele ſchmeichelten und nachredeten!
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Woahrlih, ihr Fönntet gar Peine beffere Masfe
tragen, ihr Gegenmwärtigen, als euer eignes Geſicht iftl
Wer fönnte euch — erfennen!
Dollgefchrieben mit den Seichen der Dergangenheit,
und auch diefe Zeichen überpinjelt mit neuen Heichen:
alfo habt ihr euch gut verſteckt vor allen Heichendeutern!
Und wenn man auch Xierenprüfer ift: wer glaubt
wohl noch, daß ihr Nieren habtl Aus Sarben fcheint
ihr gebaden und aus geleimten Zetteln.
Alle Zeiten und Dölfer bliden bunt aus euren
Scleiern; alle Sitten und Glauben reden bunt aus euren
Sebärden.
Wer von euch Schleier und Überwürfe und Sarben
und Gebärden abzöge: gerade genug würde er übrig
behalten, um die Dögel damit zu erfchrecen.
Wahrlich, ich felber bin der erſchreckte Dogel, der
euch einmal nadt ſah und ohne Farbe; und ich flog
davon, als das Gerippe mir Liebe zuwinkte.
Cieber wollte ich doch noch Tagelöhner fein in der
Unterwelt und bei den Schatten des Ehemals! — Seifter
und voller als ihr find ja noch die Unterweltlichen!
Dies, ja dies ift Bitternig meinen Gedärmen,
daß ih euch weder nackt nod bekleidet aushalte,
ihr Gegenmwärtigen!
Alles Unheimlihe der Zukunft, und was je ver
flogenen Dögeln Schauder machte, ift wahrlich heim-
liher noch und traulicher als eure „Wirflichfeit”.
Denn fo fpredt ihre: „Wirklihe find wir ganz,
und ohne Glauben und Aberglanben”: alfo brüftet ihr
euch — ach, auch noch ohne Brüftel j
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175
Ya, wie folltet ihr glauben können, ihr Bunt.
gefprenfeltenl — die ihr Gemälde feid von Allem,
was je geglaubt wurdel
Wandelnde Widerlegungen feid ihr des Glaubens
felber, und aller Gedanken Gliederbrechen. Unglanb-
würdige: alfo heiße ich euch, ihr Wirklichen!
Alle Seiten fchwäßen wider einander in euren
Geiftern; und aller Seiten Träume und Geſchwätz
waren wirklicher noch, als euer Wachſein iftl
Unfruchtbare feid ihr: darum fehlt es euh an
Glauben. Aber wer fhaffen mußte, der hatte aud
immer feine Wahr-Träume und Stern-Seihen — und
glaubte an Glauben! —
Balboffne Chore feid ihr, an denen Todtengräber
warten. Und das ift eure Wirklichkeit: „Alles ift werth,
daß es zu Grunde geht.”
Ah, wie ihr mir dafteht, ihr Unfruchtbaren, wie
mager in den Rippen! Und Mancder von euch hatte
wohl deffen felber ein Einjehen.
Und er ſprach: „es hat wohl da ein Gott, als ich
fhlief, mir heimlid Etwas entwendet? Wahrlid,,
genug, ſich ein Weibchen daraus zu bilden!
Wunderfam ift die Armuth meiner Rippenl“ alfo
ſprach fhon mancher Gegenwärtige.
Ja, zum Laden feid ihr mir, ihr Gegenwärtigen!
Und fonderlih, wenn ihr euch über euch felber wundert!
Und wehe mir, wenn ich nicht lachen Fönnte über
eure Dermwunderung, und alles Widrige aus euren
Näpfen hinunter trinfen müßtel
176
En. eu. GEHE ho Ah —— —————— ——— 2
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A
So aber will ich’s mit euch leichter nehmen, da |
ih Schweres zu tragen habe; und was thut’s mit, |
wenn fih Käfer und Slügelwürmer noh auf mein
Bündel feßen!
Wahrlich, es foll mir darob nicht fchwerer werden!
Und nicht aus euch, ihr Gegenwärtigen, foll mir die
große Müdigkeit kommen. —
Ah, wohin foll ih nun noch fleigen mit meiner
Sehnfuhtl Don allen Bergen fchaue ih aus nad
Dater- und Mutterländern.
Aber Heimat fand ich nirgends: unftät bin ich in
allen Städten und ein Aufbruh an allen Choren.
Fremd find mir und ein Spott die Gegenmwärtigen,
zu denen mich jüngft das Herz trieb; und vertrieben
bin ich aus Dater- und Mlutterländern,
| So liebe ich allein noch meiner Kinder Land,
das unentdeckte, im fernften Meere: nad ihm heiße
ich meine Segel fuchen und fuchen.
An meinen Kindern will ich es gut maden, daß
ih meiner Däter Kind bin: und an aller Sufunft —
diefe Gegenwartl —
Alfo fprah Sarathuftra.
— arm — — —— — — — —— ——— — ———— ——
— —— — — ——— —— ——— —— —— — — —
— — — — —
— — — — — —
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Alfo ſprach Zarathuſtra. 177 12
Don der unbefledten Erfenntniß,
Als geftern der Mond aufgieng, wähnte ich, daß
er eine Sonne gebären wolle: fo breit und trächtig lag
er am Borizonte,
Aber ein Lügner war er mir mit feiner Schwanger-
fhaft; und eher noch will ih an den Mann im Monde
glauben als an das Weib.
Freilich, wenig Mann ift er auch, diefer ſchüchterne
Nachtſchwärmer. Woahrlih, mit ſchlechtem Gewiſſen
wandelt er über die Dächer.
Denn er ift lüſtern und eiferſüchtig, der Mönch im
Monde, lüftern nach der Erde und nad allen Sreuden
der Liebenden.
ein, ih mag ihn nicht, diefen Kater auf den
Dächern! Widerlih find mir Alle, die um halbver-
ſchloſſne Fenſter fchleichen!
Fromm und ſchweigſam wandelt er hin auf Sternen⸗
Teppichen: — aber ich mag alle leiſetretenden Manns-
füße nicht, an denen auch nicht ein Sporen klirrt.
Jedes Redlihen Schritt redet; die Kate aber ftiehlt
fih über den Boden weg. Siehe, Patenhaft kommt
der Mond daher und unredlih, —
Diefes Gleihnig gebe ih end empfindfamen
178
— u’
Beuchlern, euch, den „Nein-Erfennenden“l Euch heiße
ih — £üfternel
Auch ihr liebt die Erde und das Jrdifche: ich er-
rieth euch wohl! — aber Scham ift in eurer Kiebe und
ſchlechtes Gewiffen, — dem Monde gleicht ihrl
Sur Deradıtung des Irdiſchen hat man euren Geiſt
überredet, aber nicht eure Eingeweide: die aber find
das Stärffte an euchl
Und nun fchämt fi euer Geift, daß er euren
Eingeweiden zu Willen if, und geht vor feiner eignen
Scham Schleich⸗ und Lügenwege.
„Das wäre mir das Höchſte — alfo redet euer
verlogner Geift zu ſfich — auf das Leben ohne Begierde
zu fhaun und nicht, gleich dem Hunde, mit hängender
Zunge:
„Glücklich zu ſein im Schauen, mit erſtorbenem
Willen, ohne Griff und Gier der Selbſtſucht — kalt
und aſchgrau am ganzen Leibe, aber mit trunkenen
Mondesaugen!
„Das wäre mir das Liebſte, — alſo verführt ſich
ſelber der Verführte — die Erde zu lieben, wie der
Mond ſie liebt, und nur mit dem Auge allein ihre
Schönheit zu betaſten.
„Und das heiße mir aller Dinge unbefleckte
Erkenntniß, daß ich von den Dingen Nichts will:
außer daß ich vor ihnen da liegen darf wie ein Spiegel
mit hundert Augen.“ —
Oh, ihr empfindſamen Heuchler, ihr Lüſternen!
Euch fehlt die Unſchuld in der Begierde: und nun ver-
leumdet ihr drum das Begehren!
- — ar Ta - .u
ps wer... mu. wa. ..u 0. au me nur. u. —— — ⸗ 2
————— — — — — — —— — ne — — — — —
Wahrlich, nicht als Schaffende, Zengende, Werde:
luſtige liebt ihr die Erdel
Wo ift Unfhuld? Wo der Wille zur Zeugung ift.
Und wer über fih hinaus fchaffen will, der hat mir
den reinften Willen.
Wo ift Schönheit? Wo ih mit allem Willen
wollen muß; wo ich lieben und untergehn will, daß
ein Bild nicht nur Bild bleibe,
Sieben und Untergehn: das reimt fich feit Ewig-
keiten. Wille zur Liebe: das ift, willig auch fein zum
Tode. Alfo rede ich zu euch Seiglingen!
Aber nun will euer entmanntes Schielen „Befchau-
fichfeit" heißen! Und was mit feigen Augen fi
taften läßt, foll „ſchön“ getauft werdenl Oh ihr Be
ſchmutzer edler Namen!
Aber das foll euer Fluch fein, ihr Unbefleckten,
ihr Rein-Erfennenden, daß ihr nie gebären werdet: und
wenn ihr auch breit und trächtig am Horizonte liegtl
Wahrlih, ihre nehmt den Mund voll mit edlen
Worten: und wir follen glauben, daß euch das Herz
übergehe, ihr Lügenbolde?
Aber meine Worte find geringe, veradhtete,
frumme Worte: gerne nehme ich auf, was bei eurer
Mahlzeit unter den Ciſch fällt.
Immer noh kann ich mit ihnen — heuchlern die
Wahrheit fagenl Ja, meine Gräten, Mufcheln und
Stachelblätter follen — Heuchlern die Naſen kitzeln!
Schlechte Luft ift immer um euch und eure Mahl-
zeiten: enre lüfternen Gedanfen, eure Lügen und Heim-
fichfeiten find ja in der KEuftl
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Wagt es doch erſt, euch ſelber zu glauben —
euch und euren Eingeweiden! Wer ſich ſelber nicht
glaubt, lügt immer.
Eines Gottes Larve hängtet ihr um vor euch ſelber,
ihr „Reinen“: in eines Gottes Larve verkroch ſich euer
greulicher Ringelwurm.
Wahrlich, ihr täuſcht, ihr „Beſchaulichen“! Auch
Zarathuſtra war einſt der Varr eurer göttlichen Häute;
nicht errieth er das Schlangengeringel, mit dem fie
geftopft waren.
Eines Gottes Seele wähnte ich einft fpielen zu fehn
in euren Spielen, ihr Rein-Erfennenden! Keine befjere
Kunft wähnte ich einft als eure Künftel
Sclangen-Unflath und ſchlimmen Geruch verhehlte
mir die Ferne: und daß einer Eidechfe Liſt lüftern
hier herumfchlid.
Aber ich fam euch nah: da fam mir der Tag —
und nun fommt er euch, — zu Ende gieng des Mondes
Kiebfchaftl
Seht doch hin! Ertappt und bleich fieht er da —
vor der Morgenröthel
Denn fon fommt fie, die Slühende, — ihre
Siebe zur Erde kommtl Unfhuld und Schöpfer-Beaier
ift alle Sonnen-Kiebel
Seht do hin, wie fle ungeduldig über das Meer
fommtl $ühlt ihr den Durft und den heißen Athem
ihrer Liebe nicht?
Am Meere will fie faugen und feine Tiefe zu fi
in die Höhe trinfen: da hebt fich die Begierde des
Meeres mit taufend Brüften,
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Geküßt und geſaugt will es ſein vom Durſte der
Sonne; Luft will es werden und Höhe und Fußpfad
des Lichts und ſelber Lichtl
Wahrlich, der Sonne gleich liebe ich das Leben
und alle tiefen Meere.
Und dies heift mir Erkenntniß: alles Tiefe foll
hinauf — zu meiner Höhel —
Alſo ſprach Sarathuftra.
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182 |
Don den Gelehrten.
Als ih im Schafe lag, da fra ein Schaf am
Epheufranze meines Hauptes, — fraß und fprach dazu:
„Sarathuftra ift fein Gelehrter mehr”.
Sprady’s und gieng floßig davon und ſtolz. Ein
Kind erzählte mir's.
Gerne liege ich hier, wo die Kinder fpielen, an der zer-
brochnen Mauer, unter Difteln und rothen Mohnblumen.
Ein Gelehrter bin ich den Kindern noch und auch
den Difteln und rothen Mohnblumen. Unfhuldig find
fie, felbft noch in ihrer Bosheit.
Aber den Schafen bin ich’s nicht mehr: fo will es
mein Loos — gefegnet fei es!
Denn dies ift die Wahrheit: ausgezogen bin ih
ans dem Hauſe der Gelehrten, und die Thür habe ich
noch hinter mir zugeworfen.
Su lange faß meine Seele hungrig an ihrem Tifche;
nicht, gleich ihnen, bin ih auf das Erfennen ab-
gerichtet wie auf das Nüſſeknacken.
Steiheit liebe ich und die Luft über frifcher Erde;
fieber noch will ich auf Ochſenhäuten fchlafen, als auf
ihren Würden und Achtbarfeiten.
183
Jh bin zu heiß und verbrannt von eigenen Ge⸗
danken: oft will es mir den Athem nehmen. Da muß
ih in’s Freie und weg aus allen verftaubten Stuben.
Aber fie fien fühl in kühlem Schatten: fie wollen
in Allem nur Zufchauer fein und hüten fich, dort zu
ſitzen, wo die Sonne auf die Stufen brennt.
Gleih Solchen, die auf der Straße ftehn und die
Leute angaffen, welche vorübergehn: alfo warten fie auch
und gaffen Gedanken an, die Andre gedacht haben.
Greift man fie mit Händen, fo ftäuben fie um ſich
gleih Mehlfäden, und unfreiwillig: aber wer erriethe
wohl, daß ihr Staub vom Korne flammt und von der :
gelben Wonne der Sommerfelder ? |
Geben fie ſich weife, fo fröftelt mich ihrer Fleinen .
Sprüche und Wahrheiten: ein Geruch ift oft an ihrer .
Weisheit, als ob fie aus dem Sumpfe ftamme: und wahr- -
lih, ich hörte auch fchon den Froſch aus ihr quafen!
Geſchickt find fie, fie haben Pluge Singer: was
will meine Einfalt bei ihrer Dielfalt! Alles Fädeln und
Knüpfen und Weben verftehn ihre Singer: alfo wirken
fie die Strümpfe des Geiftesl
Gute Uhrwerke find fie: nur forge man, fie richtig
aufzuziehn! Dann zeigen fie ohne Falſch die Stunde an
und machen einen befcheidnen Lärm dabei.
Gleih Mühlwerken arbeiten fie und Stampfen:
man werfe ihnen nur feine Fruchtkörner zul — fie
wiſſen fchon, Korn Plein zu mahlen und weißen Staub
daraus zu machen.
Sie fehen einander gut auf die Finger und trauen :'
fih nit zum Beften, Erfinderifch in Beinen Schlau. |
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heiten, warten fie auf Solche, deren Wiffen auf lahmen
Süßen geht, — gleich Spinnen warten fie.
Ich fah fie immer mit Dorficht Gift bereiten; und
immer zogen fie gläferne Handfchuhe dabei an ihre
Singer.
Auch mit falfhen Würfeln wiffen fie zu fpielen; und
fo eifrig fand ich fie fpielen, daß fle dabei ſchwitzten.
Wir find einander fremd, und ihre Tugenden gehn
mir noch mehr wider den Geſchmack, als ihre Falſch⸗
heiten und falihen Würfel.
Und als ich bei ihnen wohnte, da wohnte ich fiber
ihnen. Darüber wurden fie mir gram.
Sie wollen Nichts davon hören, daß Einer über
ihren Köpfen wandelt; und, fo legten fie Holz und
Erde und Unrath zwifchen mich und ihre Köpfe,
Alfo dämpften file den Schall meiner Schritte: und
am fchlechteften wurde ich bisher von den Gelehrteften
gehört.
Aller Menfhen Fehl und Schwädhe legten fie
zwifchen fi und mich: — „Sehlboden“ heißen fie das
in ihren Bäufern.
Aber troßdem wandle ich mit meinen Gedanken
über ihren Köpfen; und felbft, wenn ich auf meinen
eignen $ehlern wandeln wollte, würde ich noch über
ihnen fein und ihren Köpfen.
Denn die Menfchen find nicht gleich: fo fpricht die
Gerechtigkeit. Und was ich will, dürften fie nicht wollen!
Alfo ſprach Zarathuſtra.
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Von den Dichtern.
„Seit ih den Leib beſſer kenne, — ſagte Zara⸗
thuſtra zu einem ſeiner Jünger — iſt mir der Geiſt
nur noch gleichſam Geiſt; und alles das „Unvergäng-
liche” — das tft auch nur ein Gleichniß.“
„So hörte ich dich fchon einmal fagen, antwortete
der Sünger; und damals fügteft du Hinzu: „aber die
Dichter lügen zuviel“. Warum fagteft du doch, daß
die Dichter zu viel lügen?
„Warum? fagte Sarathuftra. Du fragft warum?
Ih gehöre nicht zu Denen, weldhe man nach ihrem
Warum fragen darf.
Iſt denn mein Erleben von Geftern? Das ift lange
her, daß ich die Gründe meiner Meinungen erlebte.
Müßte ich nicht ein Faß fein von Gedächtniß,
wenn ich auch meine Gründe bei mir haben wollte?
Schon zu viel ift mir’s, meine Meinungen felber zu
behalten; und mancher Dogel fliegt davon.
Und mitunter finde ich auch ein zugeflogenes Chier
in meinem Tanbenfchlage, das mir fremd ift, und das
zittert, wenn ich meine Hand darauf lege.
Doch was fagte dir einft Sarathuftra? Daß die
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Dichter zuviel lügen? — Aber auch Sarathuftra iſt ein
Dichter.
Glaubſt du nun, daß er hier die Wahrheit redete?
Warum glaubft du dasP“
Der Jünger antwortete: „ich glaube an Sarathuftra.”
Aber Sarathuftra fchüttelte den Kopf und lächelte,
Der Glaube maht mid nicht felig, fagte er, zu⸗
mal nicht der Glaube an mid.
Aber gefett, daß Jemand allen Ernftes ſagte,
die Dichter lügen zuviel: fo hat er Recht, — wir
lügen zuviel.
Wir wiſſen auh zu wenig und find fchlechte
£erner: jo müſſen wir fchon lügen.
Und wer von uns Didıtern hätte nicht feinen Wein
verfälſcht? Manch giftiger Miſchmaſch gefhah in un-
fern Kellern, mandyes Unbefchreibliche ward da gethan.
Und weil wir wenig wiffen, fo gefallen uns von
Derzen die geiftig Armen, fonderlih wenn es junge
Weibchen find!
Und felbft nah den Dingen find wir noch be
gehrlih, die fih die alter Weibchen Abends erzählen.
Das heißen wir felber an uns das Ewig-Weibliche.
Und als ob es einen befondren geheimen Sugang
zum Wiffen gäbe, der ſich Denen verfchütte, welche
Etwas lernen: fo glauben wir an das Dolf und feine
„Weisheit”.
Das aber glauben alle Dichter: daß wer im Grafe
oder an einfamen Gehängen liegend die Ohren fpite,
Etwas von den Dingen erfahre, die zwifhen Himmel
und Erde fd. u
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Und kommen ihnen zärtlihe Regungen, fo meinen
die Dichter immer, die Natur felber fei in fie verliebt:
Und fie fchleiche zu ihrem Ohre, Heimliches hinein
zu fagen und verliebte Schmeichelteden: deſſen brüften
und blähen fie fih vor allen Sterblichen!
Ah, es giebt fo viel Dinge zwifchen Himmel und
Erde, von denen fih nur die Dichter Etwas haben
träumen laffen!
Und zumal über dem Himmel: denn alle Kötter
find Dichter⸗Gleichniß, Dichter-Erfchleichnig!
Wahrlich, immer zieht es uns hinan — nämlich zum
: RReich der Wolken: auf diefe feen wir unfre bunten
I Bälge und heißen fie dann Götter und Übermenfhen: —
Sind fie doch gerade leicht genug für diefe Stühlel
"0 — alle diefe Götter und Übermenfchen.
r Ah, wie bin ich all des Unzulänglichen müde,
“das durchaus Ereigniß fein foll Ach, wie bin ich der
Dichter müde!
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J Als Sarathuftra fo fprach, zürnte ihm fein Jünger,
aber er ſchwieg. Und auch Sarathuftra fchwieg; und
fein Auge hatte fih nad Innen gekehrt, gleih als
ob es in weite fernen fähe. Endlich fenfzte er umd
holte Athem.
Ich bin von Heute und Ehedem, fagte er dann;
aber Etwas if in mit, das ift von Morgen und Über:
- morgen und Einftmals.
n Ich wurde der Dichter müde, der alten und der
— neuen: Oberflächliche ſind ſie mir Alle und ſeichte
| Meere.
Sie dadıten nicht genug in die Tiefe: darum ſank
ihr Gefühl nicht bis zu den Gründen.
Etwas Wolluft und etwas Langeweile: das ift noch
ihr beftes Nachdenken gemwefen.
Gefpenfter-Hauh und ⸗Huſchen gilt mir all ihr
Harfen-Klingflang; was wußten fie bisher von der
Inbrunft der Tönel —
Sie find mir auch nicht reinlich genug: fie trüben
Alle ihr Gewäſſer, daß es tief fcheine.
Und gerne geben fie fih damit als Derföhner:
aber Mittler und Mifcher bleiben fie mir, und Halb»
und-Balbe und Unreinlichel —
Ad, ih warf wohl mein Netz in ihre Meere und
wollte gute Fiſche fangen; aber immer 309 ich eines
alten Gottes Kopf herauf.
So gab dem Hungrigen das Meer einen Stein.
Und fie felber mögen wohl aus dem Meere ftammen.
Gewiß, man findet Perlen in ihnen: um fo ähn-
licher find fie felber harten Schalthieren. Und ftatt
der Seele fand ich oft bei ihnen gefalzenen Schleim.
Sie lernten vom Meere auch noch feine Eitelkeit:
ift nicht das Meer der Pfau der Pfauen?
VNoch vor dem häßlichften aller Büffel rollt es
feinen Schweif hin, nimmer wird es feines Spiben-
fächers von Silber und Seide müde,
Trutzig blickt der Büffel dazu, dem Sande nahe
in feiner Seele, näher noch dem Didicht, am nächſten
aber dem Sumpfe.
Was ift ihm Schönheit und Meer und Pfauen-
Zierathl Diefes Gleichniß fage ich den Dichtern.
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Wahrlih, ihr Geiſt felber ift der Pfau der Pfauen
und ein Meer von Eitelfeitl
Sufchauer will der Beift des Dichters: follten’s
auch Büffel fein! —
Aber diefes Geiftes wurde ich müde: und ich fehe
fommen, daß er feiner felber müde wird.
Derwandelt fah ich fchon die Dichter und gegen
fi felber den Blick gerichtet.
Büßer des Geiftes ſah ih fommen: die wuchſen
aus ihnen. —
Alfo ſprach Sarathuftra,
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Don großen Ereigniffen
Es giebt eine Infel im Meere — unweit den glück⸗
feligen Infeln Zarathuſtra's — auf welcher befländig
ein S$enerberg raucht; von der fagt das Dolf, und
fonderlih fagen es die alten Weibchen aus dem Dolfe,
daß fie wie ein Selsblod vor das Thor der Unterwelt
geftellt fei: durch den SKenerberg felber aber führe der
fhmale Weg abwärts, der zu diefem Chore der Unter
welt geleite.
Um jene Zeit nun, als Sarathuftra auf den glück⸗
feligen Infeln weilte, gefhah es, daß ein Schiff an
der Infel Anfer warf, auf welcher der rauchende Berg
fieht; und feine Mannihaft gieng an’s Land, um
Kaninchen zn fchießen. Gegen die Stunde des Mittags
aber, da der Lapitän und feine Leute wieder beifammen
waren, fahen fie plößlich durch die Luft einen Mann
auf fih zufommen, und eine Stimme fagte deutlich:
„es ift Zeitl Es ift die höchfte Zeit!“ Wie die Geftalt
ihnen aber am nädften war — fie flog aber fchnell
gleich einem Schatten vorbei, in der Richtung, wo der
Senerberg lag — da erkannten fie mit größter Be-
ftlürzung, daß es Sarathuftra ſei; denn fie hatten ihn
Alle fchon gefehn, ausgenommen der Capitän felber,
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und fie liebten ihn, wie das Dolf liebt: alfo daß zu
gleihen heilen Liebe und Scheu beifammen find.
„Seht mir anl fagte der alte Steuermann, da fährt
Sarathuftra zur Höllel" —
Um die gleiche Zeit, als diefe Schiffer an der
Feuerinſel landeten, lief das Gerücht umher, daß Zara⸗
thuftra verſchwunden fei; und als man feine Freunde
fragte, erzählten fe, er fei bei Nacht zu Schiff gegangen,
ohne zu fagen, wohin er reifen wolle.
Alfo entftand eine Unruhe; nach drei Tagen aber
fam zu diefer Unruhe die Geſchichte der Schiffslente
hinzu — und nun fagte alles Dolf, daß der Teufel
Sarathuftra geholt habe. Seine Jünger lachten zwar
ob diefes Geredes; und einer von ihnen fagte fogar:
„eher glaube ich noch, daß Sarathuftra fih den Teufel
geholt hat.” Aber im Grunde der Seele waren fie Alle
voll Beforgnig und Sehnfuht: fo war ihre Fremde
groß, als am fünften Tage Sarathuftra unter ihnen
erfchien.
Und dies ift die Erzählung von Zarathuſtra's Ge-
fpräch mit dem Seuerhunde:
Die Erde, fagte er, hat eine Haut; und diefe Haut
hat Kranfheiten. Eine diefer Krankheiten heißt zum
Beilpiel: „Menfch“.
Und eine andere diefer Kranfheiten heißt „Feuer
hund": über den haben fi die Menfchen Diel vor-
gelogen und vorlügen laffen.
Dies Geheimniß zu ergründen gieng ich über das
Meer: und ich habe die Wahrheit nadt gefehn, wahr-
lichl barfuß bis zum Halſe.
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Was es mit dem Seuerhund auf fih hat, weiß
ih nun; und insgleihen mit all den Auswurf- und
Umfturz-Teufeln, vor denen fich nicht nur alte Weibchen
fürchten.
„Heraus mit dir, Feuerhund, aus deiner Tiefel rief
ih, und befenne, wie tief diefe Tiefe iſtl Woher ift
das, was du da heranfichnaubft?
Du trinfit reihlih am Meere: das verräth deine
verfalzte Beredfamkfeitl Fürwahr, für einen Hund der
Tiefe nimmft du deine Nahrung zu fehr von der Ober-
flächel
Höcftens für den Bauchredner der Erde halt’ ich
dih: und immer, wenn ich Umfturz- und Auswurf-
Teufel reden hörte, fand ich fie gleich dir: gefalzen,
lügnerifh und flad.
Ihr verfteht zu brüflen und mit Afche zu ver-
dunfeln! Ihr feid die beften Sroßmäuler und lerntet
fattfam die Kunft, Schlamm heiß zu fieden.
Wo ihr feid, da muß ftets Schlamm in der Nähe
fein, und viel Schwammichtes, Höhlichtes, Eingezwängtes:
das will in die Freiheit.
„Sreiheit” brüllt ihr Alle am liebften: aber ich ner-
lernte den Glauben an „große Ereignifje“, fobald viel
Gebrüll und Rauch um fie herum ift.
Und glaube mir nur, Freund Höllenlärm! Die
größten Ereigniffe — das find nicht unfre lauteften,
fondern unfre ftillften Stunden.
Nicht um die Erfinder von neuem Lärme: um die
Erfinder von neuen Werthen dreht ſich die Welt; un.
hörbar dreht fie fi.
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Alſo ſprach Zarathuftra. 193 13
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Und geſteh es nurl Wenig war immer nur ge
fchehn, wenn dein Lärm und Randy fidh verzgog. Was
liegt daran, daß eine Stadt zur Mumie wurde, und eine
Bildfäule im Schlamme liegt! |
Und dies Wort fage ich noch den Umftürzern von
Bildſäulen. Das ift wohl die größte Chorheit, Salz in’s
Meer und Bildfäulen in den Schlamm zu werfen.
Im Schlamme eurer Deradhtung lag die Bildfäule:
aber Das ift gerade ihr Hefe, daß ihr aus der Der«
achtung wieder Lebem und lebende Schönheit wächſt!
Mit oöttliheren: Sügen fteht fie nun auf, und
leidend-verführerifch; und wahrlich! fie wird euch noch
Dan? fagen, daß ihr fle umftürztet, ihr Umſtürzer!
Diefen Rath aber rathe ich Königen und Kirchen
und Allen, was alters» und tugendſchwach ift — laßt
euh nur umftlürzenl Daß ihr wieder zum Leben
fommt, und zu euch — die Tugend! —“
Alfo redete ih vor dem Feuerhunde: da unter
brach er mich mürrifh und fragte: „Kirche? Was ift
denn dasp"
„Kirche? antwortete ich, das ift eine Art von Staat,
und zwar die verlogenfte.e Doch fchweig fill, du
BHeuchelhund! Du Fennft deine Art wohl am beiten
ſchon!
Gleich dir ſelber iſt der Staat ein Heuchelhund;
gleich dir redet er gern mit Rauch und Gebrülle, —
daß er glauben mache, gleich dir, er rede aus dem
Bauch der Dinge.
Denn er will durchaus das wichtigſte Chier auf
Erden fein, der Staat; und man glanbt’s ihm aud." —
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Als ich das gejagt hatte, gebärdete fich der Feuer⸗
hund wie unfinnig vor Neid. „Wie? fchrie er, das
wichtigfte Chier auf Erden? Und man glaubt’s ihm
auch?“ Und fo viel Dampf und gräßlihe Stimmen
famen ihm aus dem Sclunde, daß ich meinte, er
werde vor Ärger und leid erftiden.
Endlih wurde er ftiller, und fein Keuchen ließ
nad; fobald er aber ftille war, fagte ich lachend:
„Du ärgerft dich, Feuerhund: alſo habe ich über
dich Recht!
Und daß ih auch noch Recht behalte, fo höre
von einem andern Senerhunde: der fpricht wirflih aus
dem Herzen der Erde,
Gold haucht fein Athem und goldigen Regen: fo
wil’s das Herz ihm. Was ift ihm Aſche und Rauch
und heißer Schleim noch!
Sachen flattert aus ihm wie ein buntes Gewölke;
abgünftig ift er deinem GBurgeln und Speien und
Grimmen der Eingeweidel
Das Gold aber und das Kahen — das nimmt er
aus dem Herzen der Erde: denn daß du’s nur weißt, —
das Herz der Erde ift von Gold."
Als dies der Fenerhund vernahm, hielt er’s nicht
mehr aus, mir zuzuhören. Beſchämt 309 er feinen
Schwanz ein, fagte auf eine Fleinlaute Weife Waul
Waul und kroch hinab in feine Höhle —
Alfo erzählte Sarathuftra. Seine Jünger aber hörten
ihm faum zu: fo groß war ihre Begierde, ihm von
den Schiffsleuten, den Kaninchen und dem Riegenben
Manne zu erzählen.
195 13*
„Was foll ih davon denken! fagte Zarathuſtra.
Bin ich denn ein Gefpenft?
Aber es wird mein Schatten gewefen fein. Ihr
hörtet wohl fchon Einiges vom Wanderer und feinem
Schatten?
Sicher aber ift Das: ih muß ihn kürzer halten, —
er verdirbt mir fonft noch den Ruf.”
Und nochmals fchüttelte Sarathuftra den Kopf und
mwunderte fi. „Was foll id davon denken!” fagte er
nochmals.
„Warum ſchrie denn das Gefpenft: „es ift Seitl Es
it die höchſte Zeitl!“
Wozn ift es denn — hödfte Seit?" —
Alſo ſprach Zarathuſtra.
Der Wahrfager.
— und ich fahe eine große Traurigkeit über die
Menfhen kommen. Die Beften wurden ihrer Werke
müde.
Eine Lehre ergieng, ein Glaube lief neben ihr‘
„Alles ift leer, Alles it gleich, Alles wor!"
Und von allen Hügeln Bang es wieder: „Alles ift
leer, Alles ift gleih, Alles war!“
Wohl haben wir geerntet: aber warum wurden alle
Früchte uns faul und braun? Was fiel vom böfen
Monde bei der lebten Nacht hernieder?
Umfonft war alle Arbeit, Gift ift unfer Wein gewor-
den, böfer Blick fengte unfre Felder und Herzen gelb.
Troden wurden wir Alle; und fällt Feuer auf uns,
fo ftäuben wir der Afche gleih: — ja das Feuer felber
madıten wir müde.
Alle Brunnen verfiegten uns, auch das Meer wid
zurück. Aller Grund will reißen, aber die Tiefe will
nicht ſchlingen!
„Ah, wo ift noch ein Meer, in dem man ertrinfen
könnte“: fo Elingt unfre Klage — hinweg über flache
Sümpfe.
197
Wahrlich, zum Sterben wurden wir fchon zu müde;
nun wadhen wir noch und leben fort — in Grab»
kammernl —
Alfo hörte Sarathuftra einen Wahrfager reden; und
feine Weisfagung gieng ihm zu Herzen und verwandelte
ihn. Traurig gieng er umher und müde; und er wurde
Denen gleih, von welchen der Wahrfager geredet hatte.
Wahrlich, fo fagte er zu feinen Jüngern, es ift um
ein Kleines, fo fommt diefe lange Dämmerung. Ad,
wie foll idy mein Licht hinüber retten!
Daß es mir nicht erftide in diefer Traurigkeit!
Serneren Welten foll es ja Licht fein, und noch fernften
VNächten!
Dergeſtalt im Herzen bekümmert gieng ZFara⸗
thuſtra umher; und drei Cage lang nahm er nicht
Tran? und Speiſe zu fi, hatte Feine Ruhe und ver-
for die Rede. Endlich gefhah es, daß er in einen
tiefen Schlaf verfiel. Seine Jünger aber faßen um ihn
in langen Nachtwachen und warteten mit Sorge, ob er
wach werde und wieder rede und genefen fei von
feiner Crübfal.
Dies aber ift die Rede, welche Sarathuftra ſprach,
als er aufwachte; feine Stimme aber fam zu feinen
Jüngern wie aus weiter Ferne:
„Hört mir doch den Traum, den ich träumte, ihr
Steunde, und helft mir feinen Sinn rathen!
Ein Aäthfel ift ee mir noch, diefer Traum; fein
Sinn ift verborgen in ihm und eingefangen und fliegt
noch nicht über ihn hin mit freien Flügeln.
198
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Allem Leben hatte ich abgefagt, fo träumte mir.
Sum Nacht⸗ und Grabwächter war ich worden, dort auf
der einfamen Berg-Yurg des Todes.
Droben hütete ich feine Särge: voll fanden die
dumpfen Gewölbe von folhen Siegeszeihen. Aus
gläfernen Särgen blickte mich überwundenes Keben an.
Den Geruch verftaubter Ewigfeiten athmete id:
ſchwũl und verftaubt lag meine Seele. Und wer hätte
dort auch feine Seele lüften können!
Belle der Mitternacht war immer um mid, Ein-
famfeit kauerte neben ihr; und, zudritt, röchelnde
. Todesftille, die fchlimmfte meiner Freundinnen.
Schlüfel führte ih, die roftigften aller Schlüffel;
und id} verftand es, damit das Fnarrendfte aller Chore
zu Öffnen.
Einem bitterböfen Gekrächze gleih lief der Ton
durch die langen Bänge, wenn ſich des Chores Flügel
hoben: unhold fchrie diefer Dogel, ungern wollte er
gewedt fein.
Aber furhtbarer noch und herzzufchnürender war
es, wenn es wieder ſchwieg und rings ftille ward und
ih allein faß in diefem tüdifchen Schweigen.
So gieng mir und fchlid die Zeit, wenn Zeit es
noch gab: was weiß ich davon! Aber endlich geichah
Das, was mich wedte.
Dreimal ſchlugen Schläge an’s Chor, gleich Donnern,
es hallten und heulten die Gewölbe dreimal wieder: da
gieng ich zum Thore.
Alpal rief ich, wer trägt feine Aſche zu Berge?
Alpal Alpal Wer trägt feine Aſche zu Berger
Und ich drüdte den Schlüffel und hob am Chore
und mühte mid. Aber noch feinen Singerbreit fand
es offen:
Da riß ein branfender Wind feine Slügel aus«
einander: pfeifend, fchrillend und fchneidend warf er
mir einen ſchwarzen Sarg zu:
Und im Braufen und Pfeifen und Schrillen zerbarft
der Sarg und fpie taufendfältiges Gelächter aus.
Und aus taufend Straßen von Kindern, Engeln,
Eulen, Narren und Pindergroßen Schmetterlingen lachte
und höhnte und braufte es wider mid).
Gräßlich erfchraf ich darob: es warf mich nieder.
Und ich ſchrie vor Graufen, wie nie ich fchrie.
Aber der eigne Schrei weckte mich auf: — und ich
fam zu mir. —“
Alfo erzählte Sarathuftra feinen Traum und fchwieg
dann: denn er wußte noch nicht die Deutung feines
Traumes. Aber der Jünger, den er am meiften lieb
hatte, erhob ſich fchnell, faßte die Hand Sarathuftra’s
und ſprach:
„Dein Leben felber deutet uns diefen Traum, oh
Sarathuftral
Biſt du nicht felber der Wind mit fchrillem Pfeifen,
der den Burgen des Todes die Chore aufreißt?
Biſt du nicht felber der Sarg voll bunter Bosheiten
und Engelsfragen des Lebens ?
Woahrlih, gleih taufendfältigem Kindsgeläcdhter
fonımt Sarathuftra in alle Codtenfammern, lachend über
diefe Nacht- und Grabwächter, und wer fonft mit
düftern Schlüffeln raffelt,
200
Schreden und ummwerfen wirft du fie mit deinem
Gelächter; Ohnmacht und Wachwerden wird deine
Macht über fie beweifen.
Und and, wenn die lange Dämmerung fommt
und die Todesmüdigfeit, wirft du an unferm Himmel
nicht untergehn, du Sürfprecher des Lebens!
Neue Sterne ließeft du uns fehen und neue Nacht
herrlichfeiten; wahrlid, das Lachen felber fpannteft du
wie ein buntes Gezelt über uns.
Nun wird immer Kindes-Lahhen aus Särgen quellen;
nun wird immer fiegreih ein ftarfer Wind kommen
aller Todesmüdigkeit: deffen bift du uns felber Bürge
und Wahrfager!
Wahrlich, fie felber träumteft du, deine Seinde:
das war dein fchwerfter Traum!
Aber wie du von ihnen aufwachteft und zu dir
famft, alfo follen fie felber von fih aufwadhen — und
zu dir kommen!“ —
So fprady der Jünger; und alle Anderen drängten
fih nun um Sarathuftra und ergriffen ihn bei den
Bänden und wollten ihn bereden, daß er vom Bette
und von der Traurigfeit laffe und zu ihnen zurück
fehre. Sarathuftra aber ſaß aufgerichtet auf feinem
£ager, und mit fremdem Blide. Gleihwie Einer, der
aus langer Fremde heimfehrt, fah er auf feine Jünger
und prüfte ihre Gefichter; und noch erfannte er fie
nicht. Als fie aber ihn hoben und auf die Füße ftellten,
fiehe, da verwandelte ſich mit Einem Male fein Auge;
er begriff Alles, was gefhehn war, ſtrich fich den
Bart und fagte mit ftarfer Stimme:
201
—
—— — ———— —— ——— —— — — — —— — — diene
„Wohlanl Dies nun hat ſeine Zeit; ſorgt mir aber
dafür, meine Jünger, daß wir eine gute Mahlzeit
machen, und in Kürzel Alſo gedenke ih Buße zu
thun für fhlimme Träumel
Der Woahrfager aber foll an meiner Seite effen
und trinfen: und wahrlich, id will ihm noch ein Meer
zeigen, in dem er ertrinfen Fann!*
Alſo ſprach Sarathuftra. Darauf aber blickte er dem
Sünger, welcher den Traumdenter abgegeben hatte,
lange in’s Geſicht und fchüttelte dabei den Kopf. —
202
— — — — — — ————————————————— — — ⏑ 0 2 Bee
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— — —— —— — — — —— —— — ——
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—— —
22 Be -
...--
— —— — — Jamara (> SEEN GEBE) ESTER ⸗⸗ C—— — r ———
— —— —
Don der Erlöfung.
Als Sarathuftra eines Tags über die große Brücke
gieng, umringten ihn die Krüppel und Bettler, und ein
Bucklichter redete alfo zu ihm:
„Siehe, Sarathuftral Auch das Dolf lernt von dir
und gewinnt Glanben: an deine Lehre: aber daß es
garız dir glauben foll, dazu bedarf es noh Eines —
du mußt erfi noch uns Krüppel überreden! Bier haft
du nun eine fchöne Auswahl und wahrlih, eine Ge-
legenheit mit mehr als Einem Schopfel Blinde Pannft
du heilen und Lahme laufen machen; und Dem, der zu.
viel hinter fih hat, Fönnteft du wohl aud ein Wenig
abnehmen: — Das, meine ich, wäre die rechte Art, die
Krüppel an Sarathuftra glauben zu machen!”
Sarathuftra aber erwiderte Dem, der da redete, alfo:
„Wenn man dem Budlichten feinen Budel nimmt, fo
nimmt man ihm feinen Geift — alfo lehrt das Dolf.
Und wenn man dem Blinden feine Augen giebt, fo
fieht er zuviel fchlimme Dinge anf Erden: alfo daß er
Den verflucht, der ihn heiltee Der aber, welder den
Sahmen laufen macht, der thut ihm den größten
Schaden an: denn kaum kann er laufen, fo gehn feine
Softer mit ihm dur — alſo Iehrt das Dolf über
nn
203
a LL——————e neo — — —
Krüppel. Und warum follte Sarathuftra nicht auch vom
Dolfe lernen, wenn das Dolf von Sarathuftra lernt?
Das ift mir aber das Geringfte, feit ich unter
Menfhen bin, daß ich fehe: „Diefem fehlt ein Auge
und Jenem ein Ohr und einem Dritten das Bein, und
Andre giebt es, die verloren die Sunge oder die Naſe
oder den Kopf."
Ich fehe und fah Schlimmeres und mandherlei fo
Abſcheuliches, daß ih nicht von Jeglihem reden und
von Einigem nidyt einmal fehweigen möchte: nämlid
Menfchen, denen es an Allem fehlt, außer daß fie
Eins zuviel haben — Menſchen, welche Nichts weiter
find, als ein großes Auge oder ein großes Maul oder
ein großer Bauch oder irgend etwas Großes, — um-
gefehrte Krüppel heiße ich Solche.
Und als ich aus meiner Einſamkeit fam und zum
erften Male über diefe Brüde gieng: da traute ich
meinen Augen nit und fah hin, und wieder hin, und
fagte endlih: „das ift ein Ohrl Ein Ohr, fo groß wie
ein Menfhl" Ich fah noch beffer hin: und wirklich,
unter dem Ohre bewegte ſich noch Etwas, das zum
Erbarmen Plein und ärmlidy und fhmädtig war. Und
wahrhaftig, das ungeheure Ohr faß auf einem Fleinen
dünnen Stiele, — der Stiel aber war ein Menſchl Wer
ein Glas vor das Auge nahm, Fonnte fogar nod ein
Feines neidifches Gefichtchen erkennen; auch, daß ein
gedunfenes Seelhen am Stiele baumeltee Das Dolf
fagte mir aber, das große Ohr fei nicht nur ein Menſch,
fondern ein großer Menſch, ein Genie. - Aber id;
glaubte dem Volke niemals, wenn es von großen
| — ——— — ——— ⸗
204
u — —
Menfhen redete — und behielt meinen Glauben bei,
dag es ein umgefehrter Krüppel fei, der an Allem zu
wenig und an Einem zu viel habe.”
Als Sarathuftra fo zu dem Budlichten geredet
hatte und zu Denen, weldhen er Mundftüd und Für-
fpreher war, wandte er fih mit tiefem Unmuthe zu
feinen Jüngern und fagte:
„Wahrlich, meine Freunde, ich wandle unter den
Menfhen wie unter den Bruchſtücken und Glied-
‚maßen von Menfcen!
Dies ift meinem Auge das Fürchterliche, daß ich
den Menfchen zertrümmert finde und zerftreuet wie
über ein Schladht- und Schlächterfeld Hin.
Und flüchtet mein Auge vom Jetzt zum Ehemals:
es findet immer das Gleiche: Brudftüde und Glied-
maßen und grauſe Sufälle — aber Feine Menfchen!
Das Jetzt und das Ehemals auf Erden — adıl
meine $reunde — das tft mein Unerträglichftes; und
ih wüßte nicht zu leben, wenn ih nit nod ein
Seher wäre, Deffen, was fommen muß.
Ein Seher, ein Wollender, ein Schaffender, eine
Zukunft felber und eine Brüde zur Sufunft — und
ah, aud noch gleihfam ein Krüppel an dieſer Brũücke:
das Alles iſt Zarathuſtra.
Und auch ihr fragtet euch oft: „wer iſt uns Zara⸗
thuftra? Wie foll er uns heißen?” Und glei mir
felber gabt ihr euch Fragen zur Antwort.
Iſt er ein Derfprechender? Oder ein Erfüller? Ein
Erobernder? Oder ein Erbender? Ein Herbfi? Oder
eine Pflugfhar? Ein Arzt? Oder ein Genefener?
205
Iſt er ein Dichter? Oder ein Wahrhaftiger? Ein Be-
freier? Oder ein Bändiger? Ein Enter? Oder ein Böfer ?
Ih wandle unter Menſchen als den Bructüden
der Sufunft: jener Sufunft, die ich ſchaue.
Und das ift all mein Dichten und Trachten, daß
ih in Eins dichte und zufammentrage, was Bruchſtück
ift und NRäthfel und graufer Sufall.
Und wie ertrüge ich es, Menfch zu fein, wenn der
Menih nit aud Dichter und Näthfelrather und der
Erlöfer des Sufalls wärel |
Die Dergangnen zu erlöfen und alles „Es war”
umzufchaffen in ein „So wollte ih es!“ — das hiefe
mir erft Erlöſung!
Wille — fo heißt der Befreier und Freudebringer:
alfo Iehrte ich euch, meine Sreundel Aber nun lernt
Dies hinzu: der Wille felber ift noch ein Gefangener.
Wollen befreit: aber wie heißt Das, was auch den
Befreier noch in Ketten fchlägt?
„Es war": alfo heißt des Willens Zähneknirſchen
und einfamfte Trübjal. Ohnmädtig gegen Das, was
gethan it — ift er allem Dergangenen ein böfer Su-
ſchauer.
Nicht zurück kann der Wille wollen; daß er die
Seit nicht brechen kann und der Zeit Begierde, — das
ift des Willens einfamfte Fubſal.
Wollen befreit: was erſinnt ſich das Wollen ſelber,
daß es los ſeiner Trübſal werde und ſeines Kerkers
fpotte? . .
Ach, ein Narr wird jeder Gefangenel NHärrifd er-
löft fi auch der gefangene Wille,
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Gum — — ur — — — — —— — —— —— —
206
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Daß die Seit nicht zurückläuft, das iſt fein In
grimm; „Das, was war" — fo heißt der Stein, den er
nicht wälzen kann.
Und fo wälzt er Steine aus Ingrimm und Unmuth
und übt Rache an Dem, was nicht gleich ihm Grimm
und Unmuth fühlt.
Alfo wurde der Wille, der Befreier, ein Wehe-
thäter: und an Allem, was leiden kann, nimmt er Rache
dafür, dag er nicht zurüd kann.
Dies, ja dies allein ift Rache felber: des Willens
Widerwille gegen die Zeit und ihr „Es war”.
Wahrlih, eine große Narrheit wohnt in unferm
Willen; und zum Fluche wurde es allem Menfchlichen,
daß diefe Narrheit Geift lerntel
Der Geiſt der Rache: meine freunde, das war
bisher der Menſchen beſtes Nachdenken; und wo Leid
war, da follte immer Strafe fein.
„Steafe” nämlidh, fo heißt fih die Rache ſelber:
mit einem Lügenwort heudelt fie fi ein gutes Ge⸗
wifjen.
Und weil im Wodenden felber Leid iſt, darob
daß es nicht zurüd! wollen kann, — alfo follte Wollen
felber und alles Leben — Strafe fein!
Und nun wälzte ſich Wolfe auf Wolfe über den
Geift: bis endlich der Wahnfinn predigte: „Alles ver-
geht, darum ift Alles werth zu vergehn!*
„And dies ift felber Gerechtigkeit, jenes Geſetz
der Seit, daß fie ihre Kinder freffen muß”: aljo pre
digte der Wahnfinn.
207
ö———— Ense
„Sittlih find die Dinge geordnet nach Recht und
Strafe. Oh wo ift die Erlöfung vom Fluß der Dinge
und der Strafe ‚Dafein'?" Alfo predigte der Wahnfinn.
„Kann es Erlöfung geben, wenn es ein emwiges
Recht giebt? Ad, unmwälzbar ift der Stein „Es war“:
ewig müſſen auch alle Strafen fein!" Alfo predigte
der Wahnfinn. '
„Keine That kann vernichtet werden: wie Fönnte
fie durch die Strafe ungethan werdenl Dies, dies ift
das Ewige an der Strafe ‚Dafein‘, daß das Dafein auch
ewig wieder That und Schuld fein muß!
„Es fei denn, daß der Wille endlich fidh felber
erlöfte und Wollen zu Nicht-Wollen würde —": doc
ihr Pennt, meine Brüder, dies Sabellied des Wahnfinnsl
Weg führte ich euch von diefen Sabelliedern, als
ich euch lehrte: „der Wille ift ein Schaffender”.
Alles „Es war” ift ein Bruchftüd, ein Näthfel, ein
graufer Sufall — bis der fchaffende Wille dazu fagt:
„aber fo wollte ih es!“
— Bis der fchaffende Wille dazu fagt: „Aber fo
will ih esl So werde idy’s wollen!“
Aber fprah er fhon ſo? Und wann geſchieht
diesp ft der Wille fchon abgefhirrt von feiner eignen
Chorheit?
Wurde der Wille ſich felber ſchon Erlöfer und
Freudebringer? Derlernte er den Geiſt der Race und
alles Sähnefnirfchen ?
Und wer lehrte ihn Derföhnung mit der Seit, und
Höheres, als alle Derföhnung ift?
Een
208
u EEE 7 GE EEE.
Höheres als alle Derföhnung muß der Wille wollen,
welcher der Wille zur Macht ift —: doch wie gefdhieht
ihm das? Wer lehrte ihn auch noch das Surüdwollen ?*
— Aber an diefer Stelle feiner Rede gefchah es,
daß Zarathuſtra plößlih innehielt und ganz einem
Solchen gleich fah, der auf das Äußerſte erfchrict.
Mit erfchredtem Auge blicdte er auf feine Jünger;
fein Ange durchbohrte wie mit Pfeilen ihre Gedanken
und Bintergedanfen. Aber nach einer Fleinen Weile
lachte er ſchon wieder und fagte begütigt:
„Es iſt ſchwer, mit Menfchen zu leben, weil
Schweigen fo ſchwer if. Sonderlih für einen Ge
fhwäßigen.” —
Alfo fprah Zarathuſtra. Der Budlichte aber hatte
dem Gefprähe zugehört und fein Geficht dabei be-
det; als er aber Zarathuftra lachen hörte, blickte er
neugierig anf und fagte langſam:
„Aber warum redet Sarathuftra anders zu uns, als
zu feinen Jüngern ?“
Sarathuftra antwortete: „Was ift da zum Der-
| wundern! Mit Budlichten darf man ſchon bucklicht
| reden|*
| „But, fagte der Bucklichte; und mit Schülern darf
man fchon aus der Schule [hwäten.
Aber warum redet Sarathuftra anders zu feinen
Schülern — als zu fi felber?" —
1
Alfo ſprach Za:athaj..a, 209
Don der Menfchen-Klugheit.
Nicht die Höhe: der Abhang iſt das Furchtbarel
Der Abhang, wo der Blick hinunter flürzt und
die Hand hinauf greifl. Da ſchwindelt dem Berzen
vor feinem doppelten Willen,
Ah, Freunde, errathet ihr wohl aud meines
Herzens doppelten Willen?
Das, Das ift mein Abhang und meine Gefahr, daß
mein Blick in die Höhe flürzt, und daß meine Brand
ſich halten und flüßen mödte — an der Tiefel
An den Menſchen klammert fih mein Wille, mit
Ketten binde ih mich an den Menfchen, weil es mid
hinauf reißt zum Übermenfhen: denn dahin will mein
andrer Wille,
Und dazu Iebe ich blind unter den Mlenfchen;
gleih als ob ich ſie nicht Fennte: daß meine Hand
ihren Glauben an Feſtes nicht ganz verliere.
Ich kenne euch Menfhen nicht: diefe Finſterniß
und. Tröftung ift oft um mich gebreitet.
Ich fie am Thorwege für jeden Schelm und frage:
wer will mich betrügen?
Das ift meine erfte Uienfchen-Klugheit, daß ich
210
A Er —— — — —
mich betrügen laffe, um nicht auf der Hut zu fein vor
Setrügern.
Ad, wenn ich auf der Hut wäre vor dem Menſchen:
wie könnte meinem Balle der Menfh ein Anker fein!
Su leicht riffe es mich hinauf und hinweg!
Diefe Dorfehung ift über meinem Scidfal, daß
ich ohne Dorfiht fein muß.
Und wer unter Menfchen nicht verſchmachten will,
muß lernen, aus allen Gläfern zu trinken; und wer
unter Menfhen rein bleiben will, muß verftehn, fi
auch mit ſchmutzigem Waffer zu wafcen.
Und alfo ſprach ich oft mir zum Trofte: „Wohlan!
Wohlaufl Altes Herzi Ein Unglüd! mißrieth dir: ger
nieße dies als dein — Glüdl“
Dies aber ift meine andre Menfchen-Kingheit: ich
fhone die Eitlen mehr als die Stolzen.
Iſt nicht verlegte Eitelfeit die Mutter aller Traner-
fpiele? Wo aber Stolz verlegt wird, da wächſt wohl
etwas Befjeres noch, als Stolz iſt.
Damit das Leben aut anzufhaun fei, muß fein
Spiel gut gefpielt werden: dazu aber bedarf es guter
Schaufpieler.
Gute Schaufpieler fand ich alle Eitlen: fie fpielen
und wollen, daß ihnen gern zugefchant werde, — all
ihr Geiſt ift bei diefem Willen.
Sie führen fih auf, fie erfinden fi; in ihrer Nähe
liebe ich’s, dem Leben zuzufhaun, — es heilt von
der Schwermuth.
Darum fchone ich die Eitlen, weil fie mir Ärzte
zıı 14*
mn n
a
find meiner Schwermuth und mid am Menſchen feft
halten als an einem Schanfpiele.
Und dann: wer ermißt am Eitlen die ganze Tiefe
feiner Befcheidenheitl Ich bin ihm gut und mitleidig
ob feiner Befcheidenheit.
Don euch will er feinen Glauben an ſich lernen;
er nährt fih an euren Bliden, er frißt das Lob aus
euren Händen.
Euren Lügen glaubt er noch, wenn ihr gut über
ihn lügt: denn im Tiefften feufjt fein Herz: „was
bin ichl* ,
Und wenn Das die rechte Tugend ift, die nicht
um fi felber weiß: nun, der Eitle weiß nicht um
feine Befcheidenheit! —
Das ift aber meine dritte Menfchen-Klugheit, daß
ih mir den Anblid der Böfen nicht verleiden laffe
durch eure Furchtſamkeit.
Ich bin ſelig, die Wunder zu ſehn, welche heiße
Sonne ausbrütet: Tiger und Palmen und Klapper-
Schlangen.
Auch unter Menfchen giebt es fhöne Brut heißer
Sonne und viel Wunderwürdiges an den Böfen.
Zwar, wie eure Weifeften mir nicht gar fo weife
erfchienen: fo fand ich auch der Menſchen Bosheit unter
ihrem Aufe.
Und oft fragte ih mit Kopffchütteln: Warum noch
FMappern, ihr Klapperfchlangen ?
Wahilich, es giebt auch für das Böfe noch eine
Zukunftl Und der heißefte Süden ift noch nicht
entdeckt für den Menfchen. |
212
Wie Manches heißt jeßt fchon ärgfte Bosheit, was
doch nur zwölf Schuhe breit und drei Monate lang tft]
Einft aber werden größere Drachen zur Welt kommen.
Denn daß dem Übermenfhen fein Drade nicht
fehle, der Über-Dradhe, der feiner würdig ift: dazu
muß viel heiße Sonne noch auf feuchten Urwald
glühn!
Aus euren Wildfagen müſſen erft Tiger geworden
fein und aus euren Giftfröten Krofodile: denn der
gute Jäger foll eine gute Jagd haben!
Und wahrlid, ihre Guten und Gerechten! An
ench ift Diel zum Lachen und zumal eure Furcht vor
Dem, was bisher „Teufel“ hieß!
So fremd feid ihr dem Großen mit eurer Seele,
dag euch der Übermenfh furdtbar fein würde in
feiner Gütel
Und ihr Weifen und Wiffenden, ihr würdet vor
dem Sonnenbrande der Weisheit flüchten, in dem der
Übermenfh mit £uft feine Nacktheit badetl
Ihr höchſten Menfchen, denen mein Auge be-
gegnetel das ift mein Sweifel an euch und mein
heimliches Lachen: ich rathe, ihr würdet meinen Über⸗
menfchen — Teufel heißen!
Ah, ich ward diefer Höcften und Beften müde:
aus ihrer „Höhe“ verlangte mich hinauf, hinaus, hinweg
zu dem Übermenfchen!
Ein Graufen überfiel mih, als ich diefe Beften
nadend fah: da wuchſen mir die Flügel, fortzu-
ſchweben in ferne Zukünfte.
In fernere Sufünfte, in füdlichere Süden, als je
213
ein Bildner träumte: dorthin, wo Götter fih aller
Kleider fhämen!
Aber verfleidet will ih euch fehn, ihr Vächſten
und Mitmenfhen, und gut gepußt, "und eitel, und
würdig, als „die Guten und Berechten”, —
Und verkleidet will ich felber unter euch fiten,
— daß ih euh und mich verfenne: das ift nämlich
meine letzte Menfchen-Klugheit. —
Alfo ſprach Sarathuftra.
Die ftillfte Stunde,
Was geihah mir, meine Sreunde? Ihr feht mid
verftört, fortgetrieben, unwillig-folgfam, bereit zu gehen
— ad, von euch fortzugehen!
Ja, noh Ein Mal muß Sarathuflra in feine Ein-
famteit: aber unluftig geht diesmal der Bär zurüd in
feine Höhlel
Was geihah mir! Wer gebeut dies? — Ach, meine
zornige Herrin will es fo, fie ſprach zu mir; nannte
ich je euch fchon ihren Namen?
Geftern gen Abend ſprach zu mir meine ftillfte
Stunde: das ift der Name meiner furdhtbaren Herrin.
Und fo geihah’s, — denn Alles muß ich euch
fagen, daß euer Herz fi} nicht verhärte gegen den
plößlich Scheidenden!
Kennt ihr den Schreden des Einfchlafenden? —
Bis in die Sehen hinein erfchridtt er, darob, daß
ihm der Boden weicht und der Traum beginnt.
Diefes fage ih euch zum Gleichniß. Geftern,
zur ftillften Stunde, wich mir der Boden: der Traum
begann.
Der Zeiger rückte, die Uhr meines Lebens holte
215
— — — —— REES. 2. 0 — —
— —, nie hörte ich ſolche Stille um mich: alſo
daß mein Herz erſchrak.
Dann ſprach es ohne Stimme zu mir: „Du weißt
es, Sarathuftra?" —
Und ich ſchrie vor Schreden bei diefem Slüftern,
und das Blut wid ans meinem Gefichte: aber ich
ſchwieg.
Da ſprach es abermals ohne Stimme zu mir: „Du
weißt es, Zarathuſtra, aber du redeſt es nichtl“ —
Und ich antwortete endlich gleich einem Troßigen:
„Ja, ich weiß es, aber ich will es nicht reden!”
Da fprah es wieder ohne Stimme zu mir: „Du
willft nicht, Sarathuftrap ft dies auch wahr? Der-
ſtecke dich nicht in deinen Troßl" —
Und ich weinte und zitterte wie ein Kind und
ſprach: „Ad, ich wollte ſchon, aber wie kann ich es!
Erlaß mir Dies nur! Es ift über meine Kraft!”
Da fprah es wieder ohne Stimme zu mir: „Was
liegt an dir, Sarathuftral Sprich dein Wort und zer-
brichl“ —
Und ich antwortete: „Ad, ift es mein Wort? Wer
bin ih? Ich warte des Würdigeren; ich bin nicht
werth, an ihm auch nur 3u zerbrechen.“
Da fprach es wieder ohne Stimme zu mir: „Was
liegt an die? Du bift mir noch nicht demüthig genug.
Die Demuth hat das härtefte Sell.” —
Und ich antwortete: „Was trug nicht fchon das
Fell meiner Demuthl Am Fuße wohne ih meiner
Höhe: wie hoch' meine Gipfel find? Niemand fagte es
mir noch. Aber gut Fenne ich meine Chäler.“
ee — — —
— ET ER
— — — — — ——— — — — re
216
—
Pen —— — — — ———— VERS. VE EEE ne. BEE — — —
— ————— — —— ——— — — — — —— GE: ——————————— —— — GER He MD
Da ſprach es wieder ohne Stimme zu mir: „Oh
Sarathuftra, wer Berge zu verfeßen hat, der verſetzt
“auch Thäler und Niederungen.“ —
Und ich antwortete: Noch verfete mein Wort
feine Berge, und was ich redete, erreichte die Menſchen
nit. Ich gieng wohl zu den Menſchen, aber noch
| langte ich nicht bei ihnen an.“
Da ſprach es wieder ohne Stimme zu mir: „Was
| weißt du davon! Der Thau fällt auf das Gras, wenn
die Nacht am verfchwiegenften iſt.“ —
Und ich antwortete: „fie verfpotteten mich, als ich
meinen eigenen Weg fand und gieng; und in Wahrheit
zitterten damals meine Füße.
| Und fo fprahen fie zu mir: du verlernteft den
Weg, nun verlernft du auch das Gehen!“
Da ſprach es wieder ohne Stimme zu mir: „Was
liegt an ihrem Spottel Du bift Einer, der das Gehorchen
verlernt hat: nun follft du befehlen!
Weißt du nicht, wer Allen am nöthigften thut?
Der Großes beftehlt.
Großes vollführen ift fchwer: aber das Schwerere
if, Großes befehlen.
Das ift dein Unverzeihlichfies: du haft die Macht,
und du willft nicht herrfhen.” — -
Und ich antwortete: „Mir fehlt des Löwen Stimme
zum Befehlen.“
Da fprah es wieder wie ein Flüſtern zu mir:
„Die ſtillſten Worte find es, weldhe den Sturm
bringen. Gedanken, die mit Taubenfüßen fommen,
lenken die Welt.
212
Oh Sarathuftra, du follft gehen als ein Schatten
Defien, was kommen muß: fo wirft du befehlen und
befehlend vorangehen.! —
Und ich antwortete: „Ich fchäme mid.”
Da fprad es wieder ohne Stimme zu mir: „Du
mußt noch Kind werden und ohne Scham.
Der Stolz der Jugend ift noch auf dir, fpät bift
du jung geworden: aber wer zum Kinde werden will,
muß auch noch feine Jugend überwinden.” —
Und ich befann mid lange und zittert. End»
lih aber fagte ih, was ich zuerft ſagte: „Ich will
nicht.” '
Da gefhah ein Lachen um mich. Wehe, wie dies
Sahen mir die Eingeweide zerriß und das Herz auf-
ſchlitztel
Und es ſprach zum letzten Male zu mir: „Oh
Sarathuftra, deine Früchte find reif, aber du biſt nicht
reif für deine Srüchtel
So mußt du wieder in die Einfamkeit: denn du
ſollſt noch mürbe werden." —
Und wieder lachte es und floh: dann wurde es
ftilfe um mid; wie mit einer zwiefachen Stille. Ich
aber lag am Boden, und der Schweiß flog mir von
den Gliedern.
— Nun hörtet ihr Alles, und warum id} in meine
Einfamfeit zurüd muß. Nichts verfchwieg ich eud,,
meine Freunde.
Aber auch Dies hörtet ihr von mir, wer immer
noch aller Menſchen Derfchwiegenfter it — und es
fein will!
218
Ad meine Sreundel Ich hätte euch noch Etwas zu
fagen, ih hätte euch noch Etwas zu gebenl Warum
gebe ich es nicht? Bin ich denn geizigP" —
Als Sarathuftra aber diefe Worte geiprochen hatte,
überfiel ihn die Gewalt des Schmerzes und die Nähe
des Abfchieds von feinen Freunden, alfo daß er laut
weinte; und Niemand wußte ihn zu tröften. Des Nachts
aber gieng er allein fort und verließ feine Freunde.
219
Alſo
ſprach Zarathuſtra.
Dritter Theil.
„Ihr ſeht nach Oben, wenn Ihr nach
Erhebung verlangt. Und ich fehe hinab,
weil ich erhoben bin.
Wer von euch kann zugleich lachen
und erhoben fein?
Wer auf den höchften Bergen fleigt,
der lacht über alle Trauer-Spiele und
CTrauer-Ernfte.”
Zarathuftra,
vom Kefen und Schreiben
(IT. p. 57).
221
Der Wanderer.
Um Mitternacht war es, da nahm Sarathuftra feinen
Weg über den Rüden der Infel, daß er mit dem frühen
Morgen an das andre Geftade fäme: denn dort wollte
er zu Schiff ſteigen. Es gab nämlich allda eine gute
Ahede, an der auch fremde Schiffe gern vor Anker
giengen; die nahmen Manchen mit fi, der von den
glüdfeligen Infeln über das Meer wollte. Als nun Sara-
thuftra fo den Berg hinanftieg, gedachte er unterwegs des
vielen einfamen Wanderns von Jugend an, und wie viele
Berge und Rüden und Gipfel er ſchon geftiegen fei.
Ich bin ein Wanderer und ein Bergfteiger, fagte
er zn feinem Berzen, ich liebe die Ebenen nicht und
es fcheint, ich kann nicht lange fill ſitzen.
Und was mir nun aud noch als Schidfal und
Erlebnig fomme, — ein Wandern wird darin fein und
ein Bergfteigen: man erlebt endlich nur noch ſich felber.
Die Seit ift abgeflofien, wo mir noch Sufälle be
gegnen durften; und was Fönnte jet noch zu mir
fallen, was nicht ſchon mein Eigen wäre!
Es fehrt nur zurüd, es fommt mir endlich heim
— mein eigen Selbft, und was von ihm lange in der
Fremde war und zerftreut unter alle Dinge und Zufälle.
225
Und noch Eins weiß ich: ich ftehe jebt vor meinem
lebten Gipfel und vor dem, was mir am längften auf-
gefpart war. Ad, meinen härteften Weg muß id
hinanl Ach, ich begann meine einfamfte Wanderung!
Wer aber meiner Art ift, der entgeht einer folchen
Stunde nicht: der Stunde, die zu ihm redet: Jetzo erft
gehft du deinen Weg der Größel Gipfel und Abgrund
— das ift jett in Eins beſchloſſen!
Du gehft deinen Weg der Größe: nun ift deine
fette Suflucht worden, was bisher deine leßte Gefahr
hieß!
Du gehft deinen Weg der Größe: das muß nun
dein befter Muth fein, daß es hinter dir feinen Weg
mehr giebt!
Du gehft deinen Weg der Größe: hier foll dir
Keiner nachſchleichen! Dein Fuß felber löſchte Hinter
dir den Weg aus, und über ihm fteht gefchrieben:
Unmöglichkeit.
Und wenn die nunmehr alle Leitern fehlen, fo
mußt du verftehen, noch auf deinen eigenen Hopf zu
fteigen: wie wollteft du anders aufwärts fleigen?
Auf deinen eigenen Kopf und hinweg über dein
eigenes Herzl Jetzt muß das Mildefte an dir noch zum
Härteſten werden.
Wer fi flets viel gefchont hat, der kränkelt zu-
fett an feiner vielen Schonung. Gelobt fei, was hart
madht! Ich lobe das Land nicht, wo Butter und Honig
— fließt!
Don fih abfehn lernen ift nöthig, um Diel zu
fehn: — diefe Härte thut jedem Berge-Steigenden noth.
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Wer aber mit den Augen zudringlih ift als Er
fennender, wie follte der von allen Dingen mehr als
ihre vorderen Gründe fehn!
Du aber, oh &Sarathuftra, wollteft aller Dinge
Grund fhaun und Bintergrund: fo mußt du fchon
über dich felber fleigen, — hinan, hinauf, bis du auch
deine Sterne noch unter dir haft!
Ja! Binab auf mich felber ſehn und noch auf meine
Sterne: Das erft hieße mir mein Bipfel, Das blieb mir
noch zurüd als mein letter Gipfell — .
Alfo fprah Sarathuftra im Steigen zu fi, mit
harten Sprüchlein fein Herz tröftend: denn er war
wund am Herzen wie noch niemals zuvor. Und als er
auf die Höhe des Bergrüdens fam, fiche, da lag das
andere Mleer vor ihm ausgebreitet: und er ftand fill
und fhwieg lange. Die Nacht aber war Palt in diefer
Höhe und Plar und hellgeftirnt.
Ich erfenne mein £oos, fagte er endlih mit
Trauer. Wohlan! Ich bin bereit. Eben begann meine
legte Einſamkeit.
Ad, diefe ſchwarze traurige See unter mirl Adh,
diefe fchwangere nächtliche Derdroffenheitl Ah, Schick⸗
fal und Seel Zu euh muß ih nun hinab fteigen!
Dor meinem hödften Berge ftehe ih und vor
meiner längften Wanderung: darum muß ich erft tiefer
hinab, als ich jemals ftieg:
— tiefer hinab in den Schmerz, als ich jemals flieg,
bis hinein in feine ſchwärzeſte Fluthl So will ı es mein
Schickſal: Wohlan! Ich bin bereit.
Alſo ſprach Zarathuſtra. 225 16
——⸗— — —
Woher kommen die höchſten Berge? ſo fragte ich
einſt. Da lernte ich, daß ſie aus dem Meere kommen.
Dies Zeugniß iſt in ihr Geſtein geſchrieben und
in die Wände ihrer Gipfel. Aus dem Tiefſten muß
das Höchſte zu feiner Höhe kommen. —
Alfo ſprach Sarathuftra auf der Spite des Berges,
wo es falt war; als er aber in die Nähe des Mleeres fam
und zuleßt allein unter den Klippen ftand, da war er
unterwegs müde geworden und fehnfüctiger als noch
zuvor.
Es ſchläft jeßt Alles noch, ſprach er; auch das
Meer ſchläft. Schlaftrunfen und fremd blickt fein Auge
nah mir.
Aber es athmet warm, das fühle ih. Und ich
fühle auch, daß es träumt. Es windet fi träumend
auf harten Kiffen.
Borhl Hoch! Wie es flöhnt von böfen Er⸗
innerungen! Oder böjen Erwartungen?
Ad, ich bin traurig mit dir, du dunkles Ungehener,
und mir felber noch gram um deinetwillen.
Ad, daß meine Hand nicht Stärfe genug hatl Gerne,
wahrlich, möchte ich dich von böfen Träumen erlöfen! —
Und indem Sarathuftra fo ſprach, lachte er mit
Schwermuth und Bitterfeit über fich felber. Wiel Hara-
thuſtral fagte er, willft du noch dem Mleere Troſt fingen ?
Ad, du liebreicher Narr Sarathuftra, du Dertrauens-
Überfeliger! Aber fo warft du immer: immer kamfi
du vertraulich zu allem Furchtbaren.
226
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Jedes Ungethüm wollteft du noch flreiheln. Ein
Bauch warmen Athems, ein Wenig weiches Gezottel
an der Tage —: und gleich warft du bereit, es zu
lieben und zu loden.
Die Liebe ift die Gefahr des Einfamften, die Kiebe
zu Allem, wenn es nur lebt! Sum Lachen ift wahr-
fih meine Xarrheit und meine Befcheidenheit in der
Kiebel —
Alfo ſprach Zarathuſtra und lachte dabei zum
andern Male: da aber gedachte er feiner verlaffenen
Freunde —, und wie als ob er fi mit feinen Ge—
danken an ihnen vergangen habe, zürnte er fi ob
feiner Gedanken. Und alsbald geſchah es, daß der
Cachende weinte: — vor Zorn und Sehnſucht weinte
darathuftra bitterlich.
Dom Befiht und Räthſel. I
1. |
Als es unter den Sciffslenten ruchbar wurde, daß |
Sarathuftra auf dem Schiffe fei — denn es war ein |;
Mann zugleih mit ihm an Bord gegangen, der von !
den glücdfeligen Infeln Fam —, da entftand eine große ||
Aengierde und Erwartung. Aber Zarathuſtra fhmwieg I:
zwei Tage und war kalt und taub vor Traurigkeit, alfo, ı
daß er weder auf Blide noch auf Fragen antwortete :'
Am Abende aber des zweiten Tages that er feine Ohren ;-
wieder auf, ob er gleih noch fchwieg: denn es gab :'
viel Seltfames und Gefährliches auf diefem Schiffe anzu- 1!
hören, welches weither fam und noch weiterhin wollte. I,
Sarathuftra aber war ein Freund aller Solden, die |!
weite Reifen thun und nicht ohne Gefahr leben mögen. _|ı
Und fiehel zulegt wurde ihm im Suhören die eigne
Zunge gelöft, und das Eis feines Herzens brach: — da Il
begann er alfo zu reden: I
Euch, den fühnen Suchern, Derfuchern, und wer je !l
fi) mit liftigen Segeln auf furchtbare Meere einfchiffte, — 5⸗
euch, den Räthſel⸗-⸗Crunkenen, den Swielicht-Srohen, |
deren Seele mit Slöten zu jedem Irr⸗Schlunde gelodt wird:
ee: —— — —
— — — — — — —— — —— — —— ———— —
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— — — —— — was
228
alfo zwang mein Fuß fih aufwärts.
— denn nidht wollt ihr mit feiger Hand einem
Faden nactaften; und, wo ihr errathen könnt, da
haft ihr es, zu erfhliegen —
euch allein erzähle ich das Räthſel, das ich fah,
— das Gefihht des Einfamften. —
Düfter gieng ich jüngft durch leichenfarbne Däm-
merung, — düfter und hart, mit gepreften £ippen.
Nicht nur Eine Sonne war mir untergegangen.
Ein Pfad, der trotzig durch Geröfl flieg, ein bos-
hafter, einfamer, dem nicht Kraut, nicht Strauch mehr
zuſprach: ein Berg-Pfad knirſchte unter dem Trotz
meines Fußes. |
Stumm über höhnifhem Geflirr von Kiefeln
fchreitend, den Stein zertretend, der ihn gleiten lieg:
Aufwärts: — dem Geifte zum Troß, der ihn ab-
wärts 309, abgrundwärts 309, dem Geifte der Schwere,
meinem Teufel und Erzfeinde.
Aufwärts: — obwohl er auf mir faß, halb Swerg, -
halb Maulwurf; lahm; lähmend; Blei durch mein Ohr,
Bleitropfen-Bedankfen in mein Hirn träufelnd.
„Oh Zarathuftra, raunte er höhnifch Silb’ um Silbe,
du Stein der Weisheitl Du warfft dich hoch, aber jeder
geworfene Stein muß — fallen! -
Oh Sarathuftra, du Stein der Weisheit, du Schleuder-
fein, du Stern-Sertrümmerer! Did felber warfft du fo
hoh, — aber jeder geworfene Stein — muß fallen!
Derurtheilt zu dir felber und zur eignen Steini-
gung: oh Sarathuftra, weit warfft du ja den Stein, —
aber auf dich wird er zurücfallen!“
— — —— — — — —
229
Drauf ſchwieg der Swerg; und das währte lange.
Sein Schweigen aber drüdte mich; und folchermaßen
zu Swein ift man wahrlich einfamer als zu Einem!
Ich flieg, ich flieg, ich träumte, ich dachte, — aber
Alles drücdte mih. Einem Kranfen glih ih, den
feine fchlimme Marter müde madt, und deit wieder
ein fchlimmerer Traum aus dem Einfchlafen welt. —
Aber es giebt Etwas in mir, das ih Muth heiße:
das fchlug bisher mir jeden Unmuth todt. Diefer
Muth hieß mid endlih ftille ſtehn und fprechen:
„Swergl Dul Oder ich!“ —
Muth nämlich ift der befte Todtfchläger, — Muth, wel.
her angreift: denn in jedem Angriffe ift Plingendes Spiel,
Der Menfh aber ift das muthigfte hier: damit
überwand er jedes Chier. Mit Elingendem Spiele über-
wand er noch jeden Schmerz; Menſchen·Schmerz aber
iſt der tiefſte Schmerz.
Der Muth ſchlägt auch den Schwindel tobt an
Abaründen: und wo ftünde der Menſch nicht an Ab-
gründen! Iſt Sehen nicht felber — Abgründe fehen ?
Muth ift der befte Todtichläger: der Muth fchlägt
auch das Mitleiden todt. Mitleiden aber ift der tieffte
Abgrund: fo tief der Menfh in das Leben fieht, fo
tief fieht er auch in das Leiden.
Muth aber ift der beite Todtichläger, Muth, der
angreift: der fchlägt noch den Tod todt, denn er fpridt:
„War das das Leben? Wohlan! Noch Ein Mall“
In folhem Sprüche aber ift viel Elingendes Spiel,
Mer Ohren hat, der höre. —
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230
— —— Tee ee N Tee Tr]
— — — ——— — — ——
„Halt! Swergl fprah ih. Ichl Oder dul Ich
aber bin der Stärfere von uns Beiden —: du Pennft
meinen abgründlichen Gedanken nicht! Den — Fönnteft
du nicht tragen" —
Da gefhah, was mid leichter madıte: denn der
Swerg fprang mir von der Schulter, der Iiengierigel
Und er hockte fih auf einen Stein vor mid hin. Es
war aber gerade da ein Thorweg, wo wir hielten.
„Siehe diefen Chorwegl Zwergl ſprach ich weiter;
der hat zwei Gefichter. FZwei Wege kommen hier zu-
fammen: die gieng noch Niemand zu Ende.
Diefe lange Gaſſe zurück: die währt eine Ewigkeit.
Und jene lange Gaſſe hinaus — das iſt eine andre
Ewigfeit. |
Sie widerfprehen ſich, diefe Wege; fie ſtoßen fi
gerade vor den Kopf: — und hier, an diefem Thorwege,
it es, wo fie zufammen fommen. Der VName des
Chorwegs fteht oben gefchrieben: „Augenblick“ꝰ.
Aber wer Einen von ihnen weiter gienge — und
immer weiter und immer ferner: glaubft du, Zwerg,
daß diefe Wege fi ewig widerfprehen?”" —
„Alles Gerade lügt, murmelte verächtlich der Zwerg.
Alle Wahrheit ift frumm, die Zeit felber tft ein Kreis.“
„Du Geift der Schwerel fprady ich zürnend, made
dir es nicht zu leicht] Oder ich laffe dich hocken, wo du
hodft, Lahmfuß, — und id} trug di hoch!
Siehe, ſprach ich weiter, diefen Augenblickl Don
diefem Thorwege Augenblid läuft eine lange ewige
Gaffe rüdmwärts: hinter uns liegt eine Ewigfeit.
Muß nicht, was laufen kann von allen Dingen,
ſchon einmal diefe Gaſſe gelaufen fein? Muß nid,
was gefhehn kann von allen Dingen, ſchon einmal
|
gefchehn, gethan, vorübergelaufen fein?
Und wenn Alles fon dagewefen ift: was hältſt
du Swerg von diefem Augenblick? Muß auch diefer
Thorweg nicht fhon — dagemwefen fein?
Und find nicht ſolchermaßen feft alle Dinge verfnotet,
daß diefer Augenblick alle kommenden Dinge nad) fi
zieht? Alfo — — fidh felber noch?
Denn, was laufen kann von allen Dingen: andy in
diefer langen Gaſſe hinaus — muß es einmal noch
laufen! —
Und diefe langſame Spinne, die im Mondfcheine
riecht, und diefer Mondfchein felber, und ich und du
im Chorwege, zufammen flüfternd, von ewigen Dingen
flüfternd — müſſen wir niht Alle fchon dagewejen
fein?
— und wiederfommen und in jener anderen Gaſſe
laufen, hinaus, vor uns, in diefer langen Ihanrigen
Gaſſe — müſſen wir nicht ewig wiederfommen? —“
Alfo redete ich, und immer leifer: denn ich fürch⸗
tete mich vor meinen eignen Gedanken und Biinter-
gedanken. Da, plötlih, hörte ich einen Hund nahe
heulen.
Hörte ich jemals einen Hund fo heulen? Mein
Gedanke lief zurüd, Jal Als ich Kind war, in fernfter
Kindheit;
|
|
232
— da hörte ih einen Hund fo heulen. Und fah
ihn auch, gefträubt, den Kopf nach Oben, zitternd, in
filter Mitternaht, wo auch Bunde an Gefpenfter
glauben:
— alfo daß es mich erbarmte. Eben nämlich gieng
der volle Mond, todtfchweigfam, über das Haus, eben
ftand er fill, eine runde Gluth, — fill auf flachem
Dache, gleich als auf fremdem Eigenthume: —
darob entſetzte fi damals der Hund: denn Bunde
glauben an Diebe und Gefpenfter. Und als ich wieder
fo heulen hörte, da erbarmte es mich abermals.
Wohin war jebt SwergP Und Chorweg? Und
Spinne? Und alles Slüftern? räumte ich denn?
Wachte ih auf? Zwiſchen wilden Klippen ftand ich
mit Einem Male, allein, öde, im Ödeften Mondſcheine.
. Aber da lag ein Menſchl Und dal Der Hund,
Ipringend, gefträubt, winfelnd, — jet fah er mid
fommen — da heulte er wieder, da ſchrie er: — hörte
ih je einen Hund fo Hülfe fchrein?
Und, wahrlich, was ich fah, desgleichen fah ich
nie Einen jungen Hirten ſah ih, fih windend,
würgend, zudend, verzerrten Antliges, dem eine
fhwarze fchwere Schlange aus dem Munde hieng.
Sah ih je fo viel Efel und bleihes Grauen auf
Einem Antlige? Er hatte wohl gefchlafen? Da kroch
ihm die Schlange in den Schlund — da biß fie fich feft.
Meine Hand riß die Schlange und riß: — umfonft!
fie riß die Schlange nicht aus dem Schlunde. Da fchrie
es aus mir: „Beiß zul Beiß zu |
Den Kopf abl Beiß zul" — fo ſchrie es aus mir,
233
mein Grauen, mein Haß, mein Efel, mein Erbarmen,
all mein Gutes und Schlimmes fchrie mit Einem Schrei
aus mir. —
Ihr Kühnen um mich! Ihr Sucher, Derfucher, und
wer von euch mit liftigen Segeln fih in unerforfchte
Meere einfhifftel Ihr Räthfel-Srohen!
So rathet mir doch das Aäthfel, das ich damals
fhaute, fo deutet mir doch das Geſicht des Einfamften!
Denn ein Gefiht war's und ein Dorherfehn: —
was fah ich damals im Gleichniſſe? Und wer ift, der
einft noch fommen muß?
Wer ift der Dirt, dem alfo die Schlange in den
Schlund froh? Wer ift der Menfch, dem alfo alles
Schwerfte, Schwärzefte in den Schlund Priehen wird?
— Der Birt aber big, wie mein Schrei ihm rieth;
er biß mit gutem Biffel Weit weg fpie er den Kopf
der Schlange —: und fprang empor. —
Nicht mehr Hirt, nicht mehr Menfh, — ein Der-
wandelter, ein Umleuchteter, welher lachtel Niemals
noh auf Erden lachte je ein Menfh, wie er ladtel
Oh meine Brüder, ich hörte ein Lachen, das feines
. Menfhen Laden war, — — und nun frißt ein Durft
an mir, eine Sehnfucht, die nimmer ftille wird.
Meine Sehnfucht nad diefen Lachen frißt an mir:
oh wie ertrage ih noch zu lebenl Und wie ertrüge
ich's, jet zu ſterben! —
Alfo ſprach Zarathuſtra.
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Don der Seligfeit wider Willen.
mit folhen Aäthfeln und Bitterniffen im Herzen
fuhr Sarathuftra über das Meer. Als er aber vier
CTagereifen fern war von den glüdfeligen Infeln und
von feinen Freunden, da hatte er allen feinen Schmerz
überwunden —: fiegreih und mit feften Füßen ftand
er wieder auf feinem Scidfal. Und damals redete
Sarathuftra alfo zu feinem frohlodenden Gewiſſen:
Allein bin ih wieder und will es fein, allein mit
reinem Himmel und freiem Meere; und wieder ift
Nachmittag um mid).
Des Nachmittags fand ich zum erften Male einft
meine Freunde, des Xlachmittags auch zum anderen
Male: — zur Stunde, da alles Licht ftiller wird.
Denn was von Glück noch unterwegs tft zwifchen
Bimmel und Erde, das ſucht fih nun zur Herberge
noch eine lichte Seele: vor Glück ift alles Kicht jetzt
ſtiller worden.
Oh Nachmittag meines Lebens! Einft ftieg auch
mein Glück zu Thale, daß es fi eine Herberge
fuche: da fand es diefe offnen gaftfreundlichen Seelen.
ME TeS SU A Amalie HESS — TER. — — —
— —
235
Oh Nachmittag meines Lebens! Was gab ich nicht
hin, daß ih Eins hätte: diefe lebendige Dflanzung
meiner Gedanken und dies Morgenlicht meiner höchften
Hoffnung!
Gefährten fuchte einft der Schaffende und Kinder
feiner Hoffnung: und fiehe, es fand fi, daß er fie
nicht finden Fönne, es fei denn, er fchaffe fie felber erft.
Alfo bin ich mitten in meinem Werfe, zu meinen
Kindern gehend und von ihnen Fehrend: um feiner
Kinder willen muß Sarathuftra fi felbft vollenden.
Denn von Grund aus liebt man nur fein Kind und
Werk; und wo große Liebe zu fich felber ift, da ift
fie der Schwangerfchaft Wahrzeichen: fo fand ich's.
oh grünen mir meine Kinder in ihrem erften
Srühlinge, nahe bei einander flehend und gemeinfam
von Winden gefchüttelt, die Bäume meines Gartens und
beften Erdreichs.
Und wahrlihl Wo folhe Bäume bei einander
ftehn, da find glüdfelige Infeln!
Aber einftmals will ich fie ausheben und einen
Jeden für fih allein ftellen: dag er Einfamkeit lerne
und Trog und Dorfict.
Knorrig und gefrümmt und. mit biegfamer Härte
fol er mir dann am Meere daftehn, ein lebendiger
Leuchtthurm unbefiegbaren Lebens.
Dort, wo die Stürme hinab in’s Meer flürzen, und
des Gebirgs Rüſſel Waffer trinkt, da foll ein Jeder
einmal feine Tag- und Nachtwachen haben, zu feiner
Prüfung und Erfenntniß.
Erkannt und geprüft foll er werden, darauf, ob er
—— —— —— —— — — — nA TEE EEE ——— — — —
meiner Art und Abkunft it, — ob er eines langen
Willens Herr fei, fchweigfam, auch wenn er redet, und
nachgebend alfo, daß er im Geben nimmt: —
— daß er einft mein Gefährte werde und ein
Mitfchaffender und Mlitfeiernder Sarathuflras —: ein
Solcher, der mir meinen Willen auf meine Tafeln fchreibt:
zu aller Dinge vollerer Dollendung.
Und um feinetwillen und feines Gleichen muß idh
felbee mich vollenden: darum weiche ich jet meinem
Glücke aus und biete mich allem Unglüde an — zu
meiner lebten Prüfung und Erkenntniß.
Und wahrlich, Zeit war’s, daß ich gieng; und des
Woanderers Schatten und die längfte Weile und die ftillfte
Stunde — alle redeten mir zu: „es ift höchſte Zeit!“
Der Wind blies mir durch's Schlüffelloh und fagte
„Komm!“ Die Chür fprang mit liftig.auf und fagte „Beh!“
Aber ich lag angefettet an die Liebe zu meinen
Kindern: das Begehren legte mir diefe Schlinge, das |
Begehren nad Liebe, daß ich meiner Kinder Beute |
|
— — —
|
|
würde und mich an fie verlöre, |
Begehren — das heißt mir fhon: mich verloren
haben. Ich habe eud, meine Kinder! In diefem |
Haben foll Alles Sicherheit und Nichts Begehren fein.
Aber brütend lag die Sonne meiner Liebe auf
mir, im eignen Safte kochte Zarathuſtra, — da flogen
Schatten und Sweifel über mich weg.
Nach Froſt und Winter gelüftete mich fhon: „oh ||
daß Froft und Winter mich wieder nalen und |
knirſchen machten!” feufzte ih: — da fliegen eifige
Uebel aus mir auf.
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— — — —
— — — — —
237
— — — — —— a —— — — —— D—DV⸗—
— — — ——— —— — — —— — ——
— —
Meine Vergangenheit brach ihre Gräber, manch
lebendig begrabner Schmerz wachte auf —: ausgeſchlafen
hatte er ſich nur, verſteckt in Leichen⸗Gewänder.
Alſo rief mir Alles in Zeichen zu: „es iſt Zeit!“
Aber ih — hörte nicht: bis endlich mein Abgrund fid)
rührte und mein Gedanke mich biß.
Ad, abgründlicher Gedanfe, der du mein Gedanke
biftl Wann finde ich die Stärke, dich graben zu hören
und nicht mehr zu zittern ?
Bis zur Kehle hinauf Plopft mir das Herz, wenn
ich dich graben hörel Dein Schweigen noch will mid
würgen, du abgründlih Schweigender|
Noch wagte ich niemals, dih herauf zu rufen:
genug fchon, daß ich dich mit mir — trugl Noch war
ih nicht ftarf genug zum lebten £öwen-Übermuthe
und ⸗Muthwillen.
Genug des Furchtbaren war mir immer fchon deine
Schwere: aber einft foll ich noch die Stärfe finden und
die Löwen-Stimme, die dich herauf ruftl
Wenn ich mich defjen erft überwunden habe, dann
will ich mich auch des Größeren noch überwinden; und
ein Sieg foll meiner Dollendung Siegel fein! —
Inzwifchen treibe ich noch auf ungemwiffen Meeren;
der Sufall fchmeichelt mir, der glattzüngige; vorwärts
und rüdwärts fchaue id —, noch fchaue ich Fein Ende.
Noch fam mir die Stunde meines lebten Kampfes
nicht, — oder fommt fie mir wohl eben? Wahrlich,
mit tüdifcher Schönheit fchaut mid rings Meer und
Leben an!
Oh Nachmittag meines Lebensl Oh Glück vor
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Abend! Gh Hafen auf hoher Seel Oh Friede im Un-
gewiſſen! Wie mißtraue ich euch Allen!
Wahrlich, mißtrauiſch bin ich gegen eure tüdifche
Scönheitl Dem Liebenden gleihe ich, der allzu-
fammtenem £ädeln mißtraut.
Wie er die Geliebtefte vor fich her ftößt, zärtlich
noh in feiner Härte, der Eiferüchtige —, alfo ftoße
ich diefe felige Stunde vor mir her.
Hinweg mit dir, du felige Stundel Mit dir fam
mir eine Seligfeit wider Willen! Willig zu meinem
tiefften Schmerze ftehe ich hier: — zur Unzeit Famft dul
Hinweg mit dir, du felige Stundel Kieber nimm
Herberge dort — bei meinen Kindern! Eilel und fegne
fie vor Abend noch mit meinem Glüdel
Da naht fchon der Abend: die Sonne fin. Dahin .
— mein Glück! —
Alſo ſprach Sarathuftra. Und er wartete auf fein
Unglüf die ganze Nacht: aber er wartete umfonft.
Die Nacht blieb hell und ftill, und das Glück felber
fam ihm immer näher und näher. Gegen Morgen aber
late Sarathuftra zu feinem Herzen und fagte. fpöttifch:
„das Glück läuft mir nad. Das fommt davon, daß ich
nicht den Weibern nachlaufe. Das Glück aber ift ein
Weib.“
Dor Sonnen-Aufgang.
Oh Himmel über mir, du Reiner! Tiefer! Du Licht.
Abgrund! Di fchauend fchandere ich vor göttlichen
Begierden.
In deine Höhe mich zu werfen — das iſt meine
Tiefel In deine Reinheit mich zu bergen — das iſt
meine Unſchuld!
Den Gott verhüllt feine Schönheit: fo verbirgft du
deine Sterne Du redeft nicht: fo Fündeft du mir
deine Weisheit.
Stumm über braufendem Meere bift du hent mir
aufgegangen, deine Liebe und deine Scham redet Offen⸗
barung zu meiner braufenden Seele.
Daß du Schön zu mir kamſt, verhüllt in deine
Schönheit, dag du flumm zu mir fprichft, offenbar in
deiner Weisheit:
Oh wie erriethe ich nicht alles Schamhafte deiner
Seelel Dor der Sonne Pamft du zu mir, dem Ein-
famften.
Wir find Freunde von Anbeginn: uns ift Bram
und Grauen und Grund gemeinfam; noch die Sonne ift
uns gemeinfam.
|
Alfo ſprach Zarathuſtra. 241
Wir reden nicht zu einander, weil wir zu Dieles
wiffen —: wir fchweigen uns an, wir lächeln uns unfer
Wiſſen zu.
Biſt dm nicht das Kicht zu meinem Feuer? Haft
du nicht die Schwefter-Seele zu meiner Einficht?
Zuſammen lernten wir Alles; zufammen lernten
wir über uns zu uns felber auffteigen und wolfenlos
lächeln: — j
— wolfenlos hinab lächeln aus lichten Augen und
aus meilenweiter ferne, wenn unter uns Swang und
Swed und Schuld wie Regen dampfen.
Und wanderte ich allein: weß hungerte meine
Seele in Nächten und Irr-Pfaden? Und ftieg ich Berge,
wen fuchte ich je, wenn nicht dich, auf Bergen?
Und al mein Wandern und Bergfteigen: eine
Xoth war’s nur und ein Behelf des Unbeholfenen: —
fliegen allein will mein ganzer Wille, in dich hinein
fliegen!
Und wen haßte ih mehr, als ziehende Wolfen
und Alles, was dich befledt? Und meinen eignen Haß
haßte ich noch, weil er dich beflecktel
Den ziehenden Wolfen bin ich gram, diefen
fchleihenden Raub-Katen: fie nehmen dir und mir,
was uns gemein if, — das ungeheure unbegrenzte Ja⸗
und Amen-fagen.
Diefen Mittleren und Mifchern find wir gram, den
siehenden Wolken: diefen Halb- und Halben, welche
weder fegnen lernten, noch von Grund aus fluchen.
Kieber will ich noch unter verfchloffnem Himmel
in der Tonne fitzen, lieber ohne Himmel im Abgrund
— —— — — —— —
fien, als di, Licht-Himmel, mit Sich-Wollen be
fledt fehn!
Und oft gelüftete mich, fie mit zackichten Blitz⸗
Golddrähten feftzuheften, daß ich, gleich dem Donner,
auf ihrem Keffel-Bauche die Paufe fchlüge: —
— ein zorniger Paufenfchläger, weil fle mir dein
Jal und Amen!.rauben, du Himmel über mir, du Reiner!
£ihterl Du Licht- Abgrund! — weil fie dir mein Jal
und Amen! rauben.
Denn lieber noch will ih Lärm und Donner und
Wetter-Slühe, als diefe bedächtige zweifelnde Katzen⸗
Ruhe; und auch unter Menſchen haffe ih am beften
alle Leifetreter und Halb- und Halben und zweifelnde,
zögernde Zieh⸗Wolken.
Und „wer nicht fegnen Bann, der fol fluchen
lernen!” — diefe helle Kehre fiel mir aus hellem
Himmel, diefer Stern ſteht auch noch in fchwarzen
Nächten an meinem Himmel.
Ich aber bin ein Segnender und ein Ja-fager, wenn
du nur um mid bift, du Reinerl Lichterl Du Licht
Abgrund! — in alle Abgründe trage ich da noch mein
fegnendes Ja-fagen.
Sum Segnenden bin id worden und zum Ja—⸗
fagenden: und dazu rang ich lange und war ein
Ringer, daß ich einft die Hände frei befäme zum
Segiten. “
Das aber ift mein Segnen: über jedwedem Ding
als fein eigener Himmel ftehn, als fein rundes Dad,
feine azurne Glode und ewige Sicherheit: und felig
ift, wer alfo ſegnet!
242
— —— —
— — ——— —— — — —
Denn alle Dinge find getauft am Borne der Ewig-
feit und jenfeits von But und Böfe; Gut und Böfe
felber aber find nur Zwiſchenſchatten und feuchte
Trübfale und Zieh⸗Wolken.
Wahrlih, ein Segnen ift es und Fein Läftern,
wenn ich lehre: „über allen Dingen fteht der Himmel
Zufall, der Himmel Unfchuld, der Himmel Ohngefähr,
der Himmel Übermuth.“
„Don Ohngefähr“ — das ift der ältefte Adel der
Welt, den gab ich allen Dingen zurüd, ich erlöfte fie
von der Knechtichaft unter dem Zwecke.
Diefe Freiheit und Himmels-Beiterfeit ftellte ich
gleih azurner Glocke über alle Dinge, als ich lehrte,
daß über ihnen und durch fie fein „ewiger Wille” — will.
Diefen Übermuth und diefe Marrheit ftellte ich an
die Stelle jenes Willens, als ich lehrte: „bei Allem ift
Eins unmöglid — Dernünftigfeit!”
Ein Wenig Dernunft zwar, ein Same der Weisheit
zerftrent von Stern zu Stern, — diefer Sauerteig ift
allen Dingen eingemifcht: um der Xarrheit willen ift
Weisheit allen Dingen eingemifcht!
Ein Wenig Weisheit tft fchon möglich; aber diefe
felige Sicherheit fand ih an allen Dingen: daß fie
lieber noch auf den Füßen des Sufalls — tanzen.
Oh Himmel über mir, du Reiner! Hoher! Das if
mir nun deine Reinheit, daß es Feine ewige Dernunft-
Spinne und -Spinnenneße giebt: —
— daß du mir ein Tanzboden bift für göttliche
Zufälle, daß du mir ein Göttertiſch bift für göttliche
Würfel und MWürfelfpielerl — |
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Doch du errötheft? Sprach ich Unausfprechbares ?
Käfterte ich, Indem ich dich fegnen wollte?
Oder ift es die Scham zu Zweien, welche dich
erröthen mahte?r — Heißeſt du mi gehn und
fyweigen, weil nun — der Tag fommt?
Die Welt ift tief —: und tiefer, als je der Tag
gedacht hat. Nicht Alles darf vor dem Tage Worte
haben. Aber der Tag fommt: fo fcheiden wir nunl
Oh Bimmel über mir, du Schamhafterl Slühender|
Oh du mein Glück vor Sonnen-Aufgangl Der Tag
fommt: fo fcheiden wir nun! —
Alfo ſprach Zarathuſtra.
——————— m en —— ——— —
er ß ꝰ ꝰ ꝰ õꝰõꝰõ ꝰõ ꝰ —— ——— — — —— — — —
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244
Don der verfleinernden Tugend.
1.
Als Zarathuſtra wieder auf dem feſten Lande war,
gieng er nicht ſtracks auf ſein Gebirge und ſeine Höhle
los, ſondern that viele Wege und Fragen und erkundete
dies und das, alſo, daß er von fich ſelber im Scherze
ſagte: „fiehe einen Fluß, der in vielen Windungen
zurüc zur Quelle fließt!" Denn er wollte in Erfahrung
bringen, was fi inzwifhen mit dem Menſchen
zugetragen habe: oh er größer oder Fleiner geworden
ſei. Und Ein Mal fah er eine Reihe neuer Käufer; da
wunderte er fih und fagte:
„Was bedenten diefe Käufer? Wahrlich, Peine
große Seele ftellte ſie hin, fi) zum Gleidhnifjel
Nahm wohl ein blödes Kind fle aus feiner Spiel-
ſchachtel? Daß doch ein anderes Kind fie wieder in
feine Schachtel thätel
Und diefe Stuben und Kammern: fönnen Männer
da aus- und eingehen? Gemacht dünken fie mich für
Seiden-Puppen; oder für Nafchfaten, die auch wohl
an fich nafchen lafjen.”
Und Sarathuftra blieb ſtehn und dachte nah. End-
fih fagte er betrübt: „Es ift Alles Pleiner geworden!
245
Überall fehe ich niedrigere Chore: wer meiner
Art ift, geht da wohl no hindurh, aber — er muß
fih büden!
Oh wann fomme ich wieder in meine Heimat, wo
ih mich nicht mehr büden muß — nicht mehr büden
muß vor den Kleinen!” — Und Sarathufira feufzte
und blickte in die ferne —
Desfelbigen Tages aber redete er feine Rede über
die verfleinernde Tugend,
2,
Sch gehe durch dies Dolf und halte meine Augen
offen: fie vergeben mir es nicht, daß ich auf ihre
Tugenden nicht neidifch bin.
Sie beißen nach mir, weil ih zu ihnen fage: für
Feine Leute find Fleine Tugenden nöthig — und weil
es mir hart eingeht, daß Fleine Leute nöthig find!
Noch gleiche ich dem Hahn hier auf fremdem Ge⸗
höfte, nach dem auch die Kennen beißen; doch darob
bin ich diefen Kennen nicht ungut.
Ich bin höflich gegen fie, wie gegen alles Pleine
Ärgerniß; gegen das Kleine ftahliht zu fein, dünkt
midy eine Weisheit für Igel.
Sie reden Alle von mir, wenn fie Abends um’s
Feuer fiten, — fie reden von mir, aber Niemand denkt
— an midl
Dies ift die neue Stille, die ich lernte: ihr Lärm
um mid breitet einen Mantel über meine Gedanken.
Sie lärmen unter einander: „was will uns diefe
düftere Wolfe? fehen wir zu, daß fie uns nicht eine |
|
Seuche bringe!”
| Und jüngft riß ein Weib fein Kind an fi, das
zu mir wollte: „nehmt die Kinder weg! fchrie es; folche |
Angen verfengen Kinder-Seelen.” |
Sie huften, wenn ich rede: fie meinen, Huſten fei
ein Einwand gegen ftarfe Winde, — fie errathen Nichts
vom Braufen meines Glüdes!
„Mir haben noch Feine Seit für Sarathuftra” — fo
wenden fie ein; aber was liegt an einer Zeit, die für
Sarathuftra „Feine Zeit hat“?
Und wenn fie gar mid; rühmen: wie fönnteich wohl
aufihrem Ruhme einfchlafen? Ein Stachel⸗Gürtel ift mir
ihr Lob: es kratzt mich noch, wenn ich es von mir thue.
Und andy Das lernte ich unter ihnen: der Kobende
ftellt fih, als gebe er zurüd, in Wahrheit aber will er
mehr befchen?t fein!
Stagt meinen Fuß, ob ihm ihre Lob» und Loc.
Weiſe gefällt! Wahrlih, nad folhem Taft und Tiftaf
mag er weder tanzen, nody ftille ftehn.
dur Fleinen Tugend möchten fie mich loden und
loben, zum Tiktak des Pleinen Glücks möchten fie
meinen Fuß überreden. |
Ich gehe durch dies Dolf und halte die Augen
offen: fie find Fleiner geworden und werden immer
| Heiner: — das aber madıt ihre Lehre von Glüd
und Tugend.
Sie find nämlih auch in der Tugend befcheiden,
— denn fie wollen Behagen. Mit Behagen aber ver .
trägt ſich nur die beſcheidene Tugend,
Damit werden ſie Jedem zum Anftoß, der Eile hat.
Und Mancher von ihnen geht vorwärts und blickt
dabei zurück, mit verfteiftem Vacken: Dem renne ich
gern wider den Leib.
Fuß und Augen follen nicht lügen, noch fich ein-
| ander Zügen ftrafen. Aber es ift viel Lügnerei bei den
\ Bleinen £euten.
Einige von ihnen wollen, aber die Meiften werden
|| nur gewollt, Einige von ihnen find echt, aber die
Meiften find fchlechte Schaufpieler.
| Es giebt Schanfpieler wider Wiffen unter ihnen
und Schaufpieler wider Willen —, die Echten find
immer felten, fonderlich die echten Schanfpteler.
Des Mannes ift hier wenig: darum vermännlichen
fih ihre Weiber. Denn nur wer Mannes genug ift,
wird im Weibe das Weib — erlöfen.
Und diefe Heuchelei fand ich unter ihnen am
fchlimmften: daß auch Die, weldhe befehlen, die
Tugenden Derer heucheln, welche dienen.
„Ich diene, du dienft, wir dienen“ — fo betet hier
auch die Heuchelei der Berrfhenden, — und wehe,
wenn der erfte Herr nur der erfte Diener iftl
| Ah, aud in ihre Heuckeleien verflog fi wohl
meines Auges Iengier; und gut errieth ih all ihr
Fliegen⸗Glück und ihr Summen um befonnte Fenſter⸗
fcheiben.
Soviel Güte, foriel Schwäche jehe ih. Soviel
Gerechtigkeit und Mitleiden, ſoviel Schwäche,
en Een — — — ç — — — |
Wohl lernen aud fie auf ihre Art Schreiten und |
| Dorwärts-Schreiten: das heiße ih ihr Humpeln — ii.
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——— — —— ——— — — —— — — un Pi - *
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| Rund, rechtlich und gütig find fie mit einander,
| wie Sandförnchen rund, rechtlih und gütig mit Sande
körnchen find.
Befcheiden ein kleines Glüf umarmen — das
heißen fie „Ergebung“l und dabei fdhielen fie be
fheiden fchon nah einem neuen Fleinen Glüde aus,
Sie wollen im Grunde einfältiglih Eins am meiften:
daß ihnen Niemand wehe thue. So fommen fie Jeder»
mann zuvor und thun ihm wohl.
Dies aber ift feigheit: ob es ſchon „Tugend”
heißt. —
Und wenn fie einmal rauh reden, dieſe Pleinen
£eute: ich höre darin nur ihre Heiferfeit, — jeder
MWindzug nämlich macht fie heifer.
Klug find fie, ihre Tugenden haben Fuge Singer.
Aber ihnen fehlen die Fäuſte, ihre Finger wifjen nidıt,
ſich hinter Fäuſte zu verfriechen.
Tugend ijt ihnen Das, was befceiden und zahm
madt: damit machten fie den Wolf zum Hunde und den
Menſchen felber zu des Menſchen beftem Hausthiere.
„Wir festen unfern Stuhl in die Mitte — das
fagt mir ihr Schmunzeln — und ebenjo weit weg von
fterbenden Fechtern wie von vergnügten Säuen.“
Dies aber it — Mittelmäßigkeit: ob es fchon
Mäßigfeit heißt. —
3.
Jh gehe durch dies Dolf und laffe mandes
Wort fallen: aber fie wiſſen weder zu nehmen nod
zu behalten,
249
Sie wundern fih, daß ich nicht Fam, auf Lüfte
und Kafter zu läftern; und wahrlih, ih fam aud
nicht, daß ich vor Tafchendieben warnte!
Sie wundern fi, daß ih nicht bereit bin, ihre
Klugheit noch zu witzigen und zu fpitigen: als ob fie
noch nicht genug der Klüglinge hätten, deren Stimme
mir gleich Schieferftiften kritzelt!
Und wenn id rufe: „Flucht allen feigen Teufeln in
euch, die gerne winfeln und Hände falten und anbeten
möchten“: fo rufen fie: „Sarathuftra tft gottlos*.
Und fonderlih rufen es ihre Lehrer der Er-
gebung —; aber gerade ihnen liebe ich’s, in das Ohr
zu fchrein: Jal Ich bin Sarathuftra, der Gottlofel
Diefe Lehrer der Ergebungl Überall hin, wo es
Fein und Fran? und grindig ift, Friehen fie, gleich
Läuſen; und nur mein Ekel hindert midy, fie zu fnaden.
Wohlan! Dies ift meine Predigt für ihre Ohren: ich
bin Sarathuftra, der Gottlofe, der da fpricht „wer ift gott-
lofer denn ich, daß ich mid; feiner Unterweifung freue?“
Ich bin Sarathuftra, der Gottlofe: wo finde ich
Meines-Gleihen? Und alle Die find Hleines-Bleichen,
die fich felber ihren Willen geben und alle Ergebung
von fi abthun.
Ih bin Sarathuftra, der Gottlofer ich koche mir
noch jeden Sufall in meinem Topfe. Und erft, wenn
er da gar gekocht ift, heiße ich ihn willlommen, als
meine Speife,
Und wahrlich, mancher Sufall kam herrifch zu mir:
aber herrifcher noch fprach zu. ihm mein Wille, — da
lag er ſchon bittend anf den Knien —
Mafia nn | I
250
— bittend, daß er Herberge finde und Berz bei
mir, und fchmeichlerifch zuredend: „fieh doch, oh Zara⸗
thuftra, wie nur Freund zu Freunde kommt!“ —
Doch was rede ih, wo Niemand meine Ohren
hat! Und fo will ih es hinaus in alle Winde rufen:
Ihr werdet immer Pleiner, ihr Pleinen Leutel Ihr
brödelt ab, ihr Behaglihen! Ihr geht mir noch zu
Grunde —
— an euren vielen Pleinen Tugenden, an eurem
vielen Pleinen Unterlaffen, an eurer vielen kleinen Er«
gebung!
Su viel fchonend, zu viel nachgebend: fo ift euer
Erdreihl Aber daß ein Baum groß werde, dazu will
er um harte Selfen harte Wurzeln fchlagen!
Auh was ihr unterlaßt, webt am Gewebe aller
Menfhen-Sukunft; auch euer Nichts ift ein Spinnennet
und eine Spinne, die von der Sufunft Blute lebt.
Und wenn ihr nehmt, fo ift es wie Stehlen, ihr
Heinen Tugendhaften; aber noch unter Schelmen ſpricht
die Ehre: „man foll nur ftehlen, wo man nicht rauben
fann.“
„Es giebt ſich“ — das iſt auch eine Kehre der
Ergebung. Aber ich fage euch, ihr Behaglichen: es
nimmt fih und wird immer mehr noch von eud)
nehmen!
Ach, daß ihr alles halbe Wollen von euch abthätet
und entichloffen würdet zur Trägheit wie zur Chatl
Ad, dag ihre mein Wort verftündet: „thut immer-
hin, was ihr wollt, — aber feid erft Solche, die wollen
fönnen!”
251
„Liebt immerhin euren Xächften gleih euh, —
aber feid mir erft Solche, die fih felber lieben —
— mit der großen Kiebe lieben, mit der großen
Verachtung lieben!” Alfo ſpricht Sarathuftra, der Gott⸗
loſe. —
Doch was rede ich, wo Niemand meine Ohren hatl
Es ift hier noch eine Stunde zu früh für mid).
Mein eigner Dorläufer bin ich unter diefem Volke,
mein eigner Hahnen-Ruf durch dunkle Gaffen.
Aber ihre Stunde fommtl Und es fommt aud
die meinel Stündlich werden fie Fleiner, ärmer, un .
frucdhtbarer, — armes Kraut! armes Erdreich!
Und bald follen fie mir daftehn wie dürres Gras
und Steppe, und wahrlich! ihrer felber müde — und
mehr, als nach Waſſer, nach Feuer lechzendl
Oh gefegnete Stunde des Blitzes! Oh Geheimniß
vor Mittagl — Laufende Feuer will ich einft noch aus
ihnen maden und Derfünder mit Slammen-Sungen: —
— verfünden follen fie einft noch mit Flammen⸗
ungen: Er kommt, er ift nahe, der große Mittag!
Alfo ſprach Sarathuftra,
N — — —— — ————————— — —— 2 — —
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— — — — —— — — — — © mir u: Gen — — — — — Mu m CA — —
252
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—
Auf dem Ölberge,
Der Winter, ein fchlimmer Gaft, fittt bei mir zu
Hauſe; blau find meine Hände von feiner Sreundfchaft
Händedrud.
Ih ehre ihn, diefen ſchlimmen Saft, aber laffe
gerne ihn allein fiten. Gerne laufe ich ihm davon;
und, läuft man aut, fo entläuft man ihm!
Mit warmen Füßen und warmen Gedanfen laufe
id dorthin, wo der Wind ftille fteht, zum Sonnen-
Winkel meines Ölbergs.
Da ladye ich meines geftrengen Gaftes und bin ihm
noch gut, daß er zu Haufe mir die Fliegen wegfängt
‚und vielen Pleinen £ärm ftille macht.
Er leidet es nämlidy nicht, wenn eine Müde fingen
will, oder gar zwei; noch die Gaſſe macht er einfam,
daß der Mondſchein drin Nachts ſich fürchtet.
Ein harter Gaft ift er, — aber ich ehre ihr, und
riicht bete ich, gleich den Härtlingen, zum diefbäuchichten
Seuer-Gößen.
Kieber noch ein Wenig zähneflappern, als Göben
anbetenl — fo will's meine Art. Und fonderlich bin
ih allen brünftigen dampfenden dumpfigen Feuer-
Göben gram.
Wen ich liebe, den liebe ich Winters beffer als
Sommers; befjer fpotte ich jet meiner Feinde und
herzhafter, feit der Winter mir im Haufe fitzt.
Herzhaft wahrlich, felbft dann noch, wenn ich zu
Bett Friebe —: da lacht und muthmwillt noch mein
verfrochenes Glück; es lacht noch mein Lügen Traum.
Ich ein — Krieher? Xiemals froh ich im Leben
vor Mächtigen; und log ich je, fo log ich aus Kiebe,
Deshalb bin ich froh auch im Winter-Bette.
Ein geringes Bett wärmt mich mehr als ein reiches,
denn ich bin eiferfüchtig auf meine Armuth. Und im
Winter ift fie mir am treuften.
Mit einer Bosheit beginne ich jeden Tag, ich fpotte
des Winters mit einem falten Bade: darob brummt
mein geftrenger Hausfreund.
Auch File ich ihn gerne mit einem Wachskerzlein:
daß er mir endlich den Himmel herauslaffe aus aſch⸗
grauer Dämmerung.
Sonderlih boshaft bin ich nämlich des Mlorgens:
zur frühen Stunde, da der Eimer am Brunnen klirrt
und die Roſſe warm durch graue Hafen wiehern: —
Ungeduldig warte ich da, daß mir endlich der
fihte Himmel aufgehe, der fchneebärtige Winter
Himmel, der Greis und Weißkopf, —
— der Winter-Bimmel, der fchweigjame, der oft
noch feine Sonne verfchweigtl
Sernte ich wohl von ihm das lange lichte Schwei-
gen? Oder lernte er’s von mir? Oder hat ein Jeder
von uns es felbft erfunden?
Allee guten Dinge Urfprung ift taufendfältig, —
⸗⸗ ß ⸗⸗⸗757———— — — — — — ——— —
alle guten muthwilligen Dinge ſpringen vor Luſt in’s
Dafein: wie follten fie das immer nur — Ein Mal thunl
Ein gutes muthwilliges Ding ift auch das lange
Schweigen und gleich dem Winter⸗Himmel bliden aus
lihtem rundängichten Antlige: —
— gleich ihm feine Sonne verfchweigen und feinen
unbengfamen Sonnen-Willen: wahrlih, diefe Kunft
und diefen Winter-Muthwillen lernte ih gutl
Meine liebfte Bosheit und Kunft ift es, daß mein
Schweigen lernte, fih nicht durch Schweigen zu ver
rathen.
Mit Worten und Würfeln Flappernd überlifte ich
mir die feierlihen Warter: allen diefen geftrengen
Aufpaffern foll mein Wille und Zweck entfchlüpfen.
Daß mir Niemand in meinen Grund und leßten
Willen hinab fehe, — dazu erfand ich mir das lange
lichte Schweigen.
So manden Klugen fand ich: der verfchleierte
fein Antlig und trübte fein Wafjer, daß Niemand ihm
hindurch und hinunter fehe.
Aber zu ihm gerade kamen die Flügeren Miß—
trauer und Nußknacker: ihm gerade fiſchte man feinen
verborgenften Fiſch heraus!
Sondern die Bellen, die Wadern, die Durd-
fihtigen — das find mir die Flügften Schweiger:
denen fo tief ihre Grund ift, dag auch das hellfte
Waſſer ihn nit — verräth. —
Du fchneebärtiger fchweigender Winter⸗Himmel, du
rundäugichter Weißkopf über mirl Oh du himmlifches
Gleichniß meiner Seele und ihres Muthwillens!
nn nn
255
Und muß ich mich nicht verbergen, gleich Einem,
der Gold verfchludt hat, — daß man mir nicht die
Seele auffchlige?
Muß ih nicht Stelzgen tragen, daß fie meine
langen Beine überfehen, — alle diefe Neidbolde und
£eiöholde, die um mich find?
Diefe räncherigen, flubenwarmen, verbrauchten,
vergrünten, vergrämelten Seelen — wie Fönnte ihr
Leid mein Glüd ertragen!
So zeige ih ihnen nur das Eis und den Winter
auf meinen Gipfeln — und nicht, daß mein Berg
noch alle Sonnengürtel um fi fchlingtl
Sie hören nur meine Winter- Stürme pfeifen: und
nicht, daß ich auch über warme Meere fahre, gleich
fehnfüchtigen, fchweren, heißen Südwinden.
Sie erbarmen ſich nody meiner Unfälle und Sufälle:
— aber mein Wort heißt: „laßt den Sufall zu mir
fommen: unfchuldig ift er, wie ein Kindlein!*
Wie lönnten fie mein Glüd ertragen, wenn id
nicht Unfälle und Winter⸗Vöthe und Eisbären. Müten
und Schneehimmel-Hüllen um mein Glück legte!
— wenn ich mich nicht felbft ihres Mitleids er-
barmte: des Mitleids diefer Neidbolde und KLeidholdel
— wenn ich nicht felber vor ihnen fenfzte und
froftflapperte, und mich geduldfam in ihr Mitleid
wideln ließel
Dies ift der weife Muthwille und Wohlwille meiner
Seele, daß fie ihren Winter und ihre Sroftflürme nicht
verbirgt; fie verbirgt auch ihre Sroftbeulen nicht.
256
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Des Einen Einfamfeit ift die Flucht des Kranken;
des Andern Einfamkfeit die Flucht vor den Kranken.
Mögen fie mich Flappern und feufzen hören vor
Winterfälte, alle diefe armen fcheelen Schelme um
mihl Mit folhem Geſeufz und Geklapper flüchte ich
noch vor ihren geheizten Stuben.
Mögen fie mich bemitleiden und bemitfeufzen ob
meiner Srofibeulen: „am Eis der Erfenntniß erfriert
er uns noch!“ — fo Plagen fie.
Inzwiſchen laufe ich mit warmen Süßen freuz und
quer auf meinem Ölberge: im Sonnen-Winfel meines
Ölberges finge und fpotte ich alles Mitleids. —
Alſo fang Zarathuſtra.
— ———
Alſo ſprach Zarathuſtra. u 257 17
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— — —————— — — — ————— — —
Dom Dorübergehen.
Alfo, durch viel Dolf und vielerlei Städte langſam
hindurchichreitend, gieng Sarathuftra auf Umwegen zu⸗
rüd zu feinem Gebirge und feiner Höhle. Und fiche,
dabei Fam er unverfehens aud an das Stadtthor der
großen Stadt: hier aber fprang ein fchäumender
Varr mit ausgebreiteten Händen auf ihn zu und trat ihm
in den Weg. Dies aber war der felbige Xarr, welchen
das Dolf „den Affen Sarathuftra’s”“ hieß: denn er hatte
ihm Etwas vom Sat und Fall der Rede abgemerft
und borate wohl auch gerne vom Schate feiner Weis-
heit. Der Xarr aber redete alfo zu Sarathuftra:
„Gh Sarathuftra, hier ift die große Stadt: hier haft
du Nichts zu fuchen und Alles zu verlieren.
Warum wollteft du durch diefen Schlamm waten?
Babe doch Mitleiden mit deinem Sußel Speie lieber
auf das Stadtthor und — Fehre um!
Bier ift die Hölle für Einfiedler- Gedanken: hier
werden große Gedanken lebendig gefotten und Fein
gefocht.
Bier verwefen alle großen Gefühle: hier dürfen
nur klapperdürre Gefühlchen klappern!
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Riechſt du nicht fhon die Schlachthäuſer und
Garküchen des Geiſtes? Dampft nicht dieje Stadt vom
Dunſt gefchladhteten Seiftes ?
h Siehft du nicht die Seelen hängen wie fchlaffe
f ſchmutzige £umpen? — Und fie machen noch Seitungen
aus diefen Lumpen!
Hörft du nicht, wie der Geift hier zum Wortfpiel
wurde? Widriges Wort-Spüliht bricht er heraus! —
Und fie machen noch Seitungen aus diefem Wort-
Spülicht,
Sie hetzen einander und wiffen nicht, wohin? Sie
erhigen einander und wiſſen nicht, warum? Sie klim⸗
pern mit ihrem Bleche, fie Plingeln mit ihrem Golde.
Sie find kalt und fuchen fih Wärme bei ge
brannten Waſſern; fie find erhitzt umd fuchen Kühle
bei gefrorenen Geiftern; fie find Alle fie und ſüchtig
an öffentlichen Meinungen.
Alle Lüfte und Laſter find hier zu Haufe; aber
es giebt hier auch Tugendhafte, es giebt viel anftellige
angeftellte Tugend: —
Diel anftellige Tugend mit Schreibfingern und
hartem Sig- und Warte-Sleifche, geſegnet mit Fleinen
Bruftfternen und ausgeftopften fteißlofen Töchtern.
Es giebt hier aud viel Frömmigkeit und viel
gläubige Speichel-Kederei, Schmeichel-Bäderei vor dem
» Bott der Beerfchaaren.
„Don ben“ her träufelt ja der Stern und der
gnädige Speichel; nah Oben hin fehnt ſich jeder
) fternenlofe Bufen.
| Der Mond hat feinen Hof, und der Hof hat feine
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Mondkälber: zu Allem aber, was vom Hofe kommt,
betet das Bettel-Dolf und alle anſtellige Bettel⸗Tugend.
„sch diene, du dienft, wir dienen“ — fo betet alle
anftellige Tugend hinauf zum Sürften: daß der ver
diente Stern fich endlih an den ſchmalen Bufen heftel
Aber der Mond dreht fi noch um alles Irdiſche:
jo dreht fih auch der Fürſt noch um das Aller
Irdiſchſte —: das aber ift das Bold der Krämer.
Der Gott der Heerfchaaren ift Fein Bott der Gold»
barren; der Fürft denft, aber der Krämer — lenkt!
Bei Allem, was licht und ftarf und gut in dir ift,
oh Sarathuftral Speie auf diefe Stadt der Krämer und
fehre um!
Hier fließt alles Blut fauliht und laniht und
ſchaumicht durch alle Adern: fpeie anf die große
Stadt, welche der große Abraum ift, wo aller Abſchaum
zufammenfchäumt!
Speie auf die Stadt der eingedrüdten Seelen und
ſchmalen Brüfte, der fpien Augen, der Plebrigen
Singer —
— auf die Stadt der Aufdringlinge, der Unver⸗
Ihämten, der Schreib- und Schreihälfe, der überheizten
Ehrgeizigen: —
— wo alles Anbrüdige, Anrüchige, Züfterne,
Düftere, Übermürbe, Gefhwürige, Verſchwöreriſche
zufammenjhwärt: —
— fpeie auf die große Stadt und kehre um!" — —
Bier aber unterbrach Sarathuftra den ſchäumenden
Narren und hielt ihn den Mund zu,
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„Höre endlich auf! rief Zarathuſtra, mid efelt
lange fchon deiner Rede und deiner Artl
Warum wohnteft du fo lange am Sumpfe, daf du
felber zum Froſch und zur Kröte werden mußteft?
Sließt dir nicht felber nun ein faulichtes ſchau⸗
michtes Sumpf- Blut durdy die Adern, daß du alfo
quafen und läftern lernteft ?
Warum giengft du nicht in den Wald? Oder pflüg-
teft die Erde? ft das Meer nicht voll von grünen
Eilanden ?
Ic verachte dein Verachten; und wenn du mich
warnteft, — warum warnteft du dich nicht felber?
Aus der Kiebe allein foll mir mein Deradten und
mein warnender Dogel auffliegen: aber nicht aus dem
Sumpfel —
Man heißt did meinen Affen, du fchäumender
Xarr: aber ih heiße dich mein Srunze- Schwein, —
⸗durch Grunzen verdirbſt du mir noch mein Kob der
Narrheit.
Was war es denn, was dich zuerſt grunzen machte?
Daß Niemand dir genug gefhmeidelt Hat: —
darum fetzteft du dich hin zu diefem Unrathe, daß du
Grund hätteft viel zu grunzen, —
— daß du Grund hätteft zu vieler Rache! Rache
nämlih, du eitler Narr, ift all dein Schäumen, ic
errieth dich wohl]
Aber dein Narren-Wort thut mir Schaden, felbft
wo du Recht haft! Und wenn Sarathuftra’s Wort fogar
hundert Mal Recht hätte: du würdet mit meinem
Wort immer — Unredt thunl”
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Alfo fprah Zarathuſtra; und er blidte die große
Stadt an, feufzte und ſchwieg lange. Endlich redete
er alfo:
Mich efelt auch diefer großen Stadt und nicht
nur diefes Narren. Bier und dort ift Nichts zu beffern,
Nichts zu böfern.
Wehe diefer großen Stadt! — Und ich wollte, ich
fähe ſchon die Senerfäule, in der fle verbrannt wird!
Denn folhe Feuerſäulen müſſen dem großen
Mittage vorangehn. Doch dies hat feine Seit und fein
‚eigenes Schickſal. —
Diefe Lehre aber gebe ich dir, du Narr, zum Ab»
fhiede: wo man nicht mehr lieben kann, da foll man
— vorübergehn! — |
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Alfo ſprach Sarathuftra und gieng an dem Narren
und der großen Stadt vorüber.
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Don den Abtrünnigen
l.
Ah, liegt Alles ſchon well und grau, was noch
jüngft auf dieſer Wiefe grün und bunt ftandl Und
wie vielen Honig der Hoffnung trug ich von hier in
meine Bienenförbel
Diefe jungen Herzen find alle ſchon alt geworden,
— und nicht alt einmall nur müde, gemein, bequem:
— fie heißen es „wir find wieder fromm geworden“,
och jüngft fah ich fie in der Frühe auf tapferen
Süßen hinauslaufen: aber ihre Füße der Erfenntniß
wurden müde, und nun verleumden fie auch noch ihre
Morgen-Tapferfeit!
Wahrlih, Mancher von ihnen hob einft die Beine
wie ein Tänzer, ihm winkte das Lachen in’ meiner
Weisheit: — da beſann er ih. Eben fah ih ihn
frumm — zum Kreuze Friechen.
Um Sicht und Sreiheit flatterten fie einft gleich
Mücden und jungen Dichten. Ein Wenig älter, ein
Wenig älter: und fchon find fie Dunkler und Munkler
und Ofenhocker.
Derzagte ihnen wohl das Herz darob, daß mid
die Einfamkfeit verfchlang gleih einem Walfiicher
263
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Lauſchte ihr Ohr wohl ſehnſüchtig⸗-lange umſonſt
nach mir und meinen Trompeten- und Herolds⸗Rufen?
— Ad! Immer find ihrer nur Wenige, deren Herz
einen langen Muth und Übermuth hat; und Solchen
bleibt auch der Geift geduldfam. Der Reſt aber ift
feige.
Der Reſt: das find immer die Allfermeiften, der
Alltag, der Überfluß, die Diel-zu-Dielen — diefe Alle
find feigel — j
Wer meiner Art ift, dem werden auch die Erleb-
niffe meiner Art über den Weg laufen: aljo, daß feine
eriten Gefellen Leichname und Poffenreißer fein müffen.
Seine zweiten Gefellen aber — die werden ſich
feine Gläubigen heißen: ein lebendiger Schwarm,
viel Kiebe, viel Thorheit, viel unbärtige Derehrung.
“An diefe Gläubigen foll Der nicht fein Herz
binden, wer meiner Art unter Menfchen iftz an diefe
Kenze und bunten Wiefen foll Der nicht glauben, wer
die flüchtig-feige Menfchenart Fennt!
Könnten fie anders, fo würden fie auch anders
wollen. Kalb» und Halbe verderben alles Ganze,
Daß Blätter welt werden, — was ift da zu Magen!
Caß ſie fahren und fallen, oh Sarathuftra, und
Mage nichtl Kieber nody blafe mit rafchelnden Winden
unter fie, —
— blaſe unter diefe Blätter, oh Sarathuftra: daß
alles Welfe fchneller noch von dir davonlaufel —
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„Wir find wieder fromm geworden" — fo bekennen
diefe Abtrännigen; und Mande ı von ihnen find nod
zu feige, alfo zu befennen.
Denen fehe ich in’s Auge, — denen fage ich es
in’s Gefiht und in die Röthe ihrer Wangen: ihr ſeid
Solche, welche wieder beten!
Es ift aber eine Schmadh, zu beten! Nicht für Alle,
aber für dich und mich, und wer auch im Kopfe fein
Gewiſſen hat. Für did ift es eine Schmadh, zu beten!
Du weißt es wohl: dein feiger Teufel in dir, der
gerne Hände-falten und Hände -in- den» Schoß legen
und es bequemer haben möchte: — diefer feige Teufel
redet dir zu „es giebt einen Gottl“
Damit aber gehörft du zur lichtfcheuen Art, denen
Sicht nimmer Ruhe läßt; nun mußt du täglich deinen
Kopf tiefer in Nacht und Dunft fteden!
Und wahrli, du wählteft die Stunde gut: denn
eben wieder fliegen die Nachtvögel aus. Die Stunde
fam allem lichtſcheuen Dolfe, die Abend- und Seier-
ftunde, wo es nicht — „feiert”.
Ich höre und rieche es: es Fam ihre Stunde für
Jagd und Umzug, nicht zwar für eine wilde Jagd,
fondern für eine zahme lahme fchnüffelnde Leiſetreter⸗
und Keifebeter- Jagd, —
— für eine Jagd auf feelenvolle Duckmäuſer: alle
Herzens» Maufefallen find jet wieder aufgeftellt! Und
wo ich einen Dorhang aufhebe, da kommt ein Nacht⸗
falterhen herausgeftürzt.
265
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Hockte es da wohl zuſammen mit einem andern
Nachtfalterchen? Denn überall rieche ich kleine ver⸗
krochne Gemeinden; und wo es Kämmerlein giebt, da
giebt es neue Bet⸗Brüder drin und den Dunft von Bet⸗
Brüdern.
Sie fien lange Abende bei einander und fprechen:
„lafiet uns wieder werden wie die Kindlein und „lieber
Gott” fagen!" — an Mund und Magen verdorben durch
die frommen Suderbäder.
Oder fie fehen lange Abende einer liftigen lauern-
den Kreuzfpinne zu, welche den Spinnen felber Kiug-
heit predigt und alfo lehrt: „unter Kreuzen ift gut
fpinnen!“
Oder fie fiten Tags über mit Angelruthen an
Sümpfen und glauben fi tief damit; aber wer dort
fiſcht, wo es Feine Fiſche giebt, den heiße ich noch
nicht einmal oberflählich!
Oder fie lernen fromm-froh die Harfe fchlagen bei
einem Lieder- Dichter, der ſich gern jungen Weibchen
in’s Herz harfnen möchte: — denn er wurde der alten
Weibchen müde und ihres Lobpreifens.
Oder fie lernen grufeln bei einem gelahrten Balb-
Collen, der in dunklen Simmern wartet, daß ihm die
Geifter fommen — und der Geift ganz daponläuftl
Oder fie horchen einem alten umgetriebnen Schnurr-
und Knurrpfeifer zu, der trüben Winden die Trübfal der
Töne ablernte; nun pfeift er nad dem Winde und
predigt in trüben Tönen Trübfal.
Und Einige von ihnen find fogar Nachtwächter
geworden: die verftehen jeßt in Ejörner zu blajen und
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Nachts umherzugehn und alte Sachen aufzuwecken, die
i lange ſchon eingeſchlafen ſind.
Fünf Worte von alten Sachen hörte ich geſtern
J Nachts an der Garten⸗Mauer: die kamen von ſolchen
alten betrübten trocknen Nachtwächtern.
„Für einen Dater ſorgt er nicht genug um feine
F Kinder: Menſchen⸗Päter thun dies beſſer!“ —
„Er iſt zu alt! Er ſorgt ſchon gar nicht mehr
j um feine Kinder" — alſo antwortete der andre Nacht⸗
1 wächter.
„Hat er denn Kinder? Niemand kann's beweiſen,
I wenn er’s felber nicht beweiftl Ich wollte längft, er
| bewiefe es einmal gründlich.“
„Beweiſen? Als ob Der je Etwas bewiefen hättel
| Beweiſen fällt ihm ſchwer; er hält große Stüde darauf,
daß man ihm glaubt.“
„Sal Jal Der Glaube madt ihn felig, der Glaube
)
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an ihn. Das iſt ſo die Art alter Leutel So geht's uns
auhl" —
— Alſo fprahen zu einander die zwei alten Nacht.
wächter und Kichtfcheuchen, und tuteten darauf betrübt
in ihre Hörner: fo geſchah's geftern Nachts an der
i Garten-Mauer.
| Mir aber wand fih das Herz vor Lachen und |i
wollte brechen und wußte nicht, wohin? und fanf in's |!
Swerchfell. f
r Wahrlich, das wird noch mein Tod fein, daß ich |
vor Lachen erftide, wenn ich Efel betrunfen fehe und
| Vachtwächter aljo an Bott zweifeln höre, |
Iſt es denn nicht lange vorbei, auch für alle ı
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ſolche Zweifel? Wer darf noch ſolche alte eingeſchlafne
lichtſcheue Sachen aufwecken!
Mit den alten Göttern gieng es ja fange ſchon zu
Ende: — und wahrlich, ein gutes fröhliches Götter- Ende
hatten fiel
Sie „dämmerten” fich nidyt zu Tode, — das lügt
man mwohll Dielmehr: fie haben fich felber einmal zu
Tode — geladtl
Das gefhah, als das gottlofefte Wort von einem
Gotte felber ausgieng, — das Wort: „Es ift Ein Gottl
Du follft feinen andern Gott haben neben mir!" —
— ein alter Grimm-Bart von Gott, ein eiferfüchtiger,
vergaß fih alſo: —
Und alle Götter lachten damals und wadelten auf
ihren Stühlen und riefen: „It das nicht eben Göttlich-
feit, daß es Götter, aber feinen Gott giebtP*
Wer Ohren hat, der höre. —
Alfo redete Sarathuftra in der Stadt, die er liebte
und welche zubenannt ift „die bunte Kuh“. Don hier
nämlich hatte er nur noch zwei Tage zu gehen, daf er
wieder in feine Höhle käme und zu feinen Chieren;
feine Seele aber frohlodte beftändig ob der Nähe
feiner Heimkehr. _
268
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Die Heimkehr.
Oh Einfamfeitl Du meine Heimat Einfamfeit!
Su lange lebte ich wild in wilder Fremde, als daß id
nicht mit Chränen zu dir heimfehrtel
Nun drohe mir nur mit dem Singer, wie Mütter
drohn, nun lächle mir zu, wie Mütter lächeln, nun
ſprich nur: „Und wer war das, der wie ein Sturmmwind
einft von mir davonftürmter —
„— der fcheidend rief: zu lange faß ich bei der
Einfamfeit, da verlernte ich das Schweigen Das —
lernteft du nun wohl?
„Oh Sarathuftra, Alles weiß ich: und daß du unter
den Dielen verlaffener warft, du Einer, als je bei mir!
„Ein Anderes ift Derlaffenheit, ein Anderes Ein-
famfeit: Das — lernteft du nunl Und daß du unter
Menſchen immer wild und fremd fein wirft:
„— wild und fremd auch noch, wenn fie dich lieben:
denn zuerft von Allem wollen fie gefchont fein!
„Bier aber bift du bei dir zu Heim und Haufe;
hier fannft du Alles hinausreden und alle Gründe aus-
fhütten, Nichts fchämt fi hier verftedier, verftocter
Gefühle,
269
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„Hier kommen alle Dinge liebkoſend zu deiner
Rede und fchmeicheln dir: denn fie wollen auf deinem
Rüden reiten. Auf jedem Gleichniß reiteft du hier
zu jeder Wahrheit.
„Aufreht und aufrichlig darfit du hier zu allen
Dingen reden: und wahrlih, wie £ob klingt es ihren
Ohren, dag Einer mit allen Dingen — gerade redetl
„Ein Anderes aber ift Derlaffenfein. Denn, weißt
du noch, oh Sarathuftra? Als damals dein Dogel über
dir fchrie, als du im Walde ftandeft, unfchlüffie, wohin ?
unfundig, einem Leichnam nahe: —
„— als du fpradft: mögen midy meine Chiere
führen! Gefährliher fand ich's unter Mlenfchen, als
unter Thieren: — Das war Derlaffenheitl
„And weißt du noch, oh Sarathuftra? Als du auf
deiner Infel faßeft, unter leeren Eimern ein Brunnen
Weins, gebend und ansgebend, unter Durftigen fchen-
fend und ausjchenfend:
„— bis du endlich durftig allein unter Trunkenen
faßeft und nächtlich Flagteft „ift Nehmen nicht feliger
als Geben? Und Stehlen noch feliger als Nehmen?“
— Das war Derlaffenheit!
„Und weißt du noch, oh SarthuftraP Als deine
ftillfte Stunde fam und dich von dir felber forttrieb, als
fie mit böfem Flüſtern ſprach: „Sprich und zerbrih |" —
„— als fie dir all dein Warten und Schweigen
leid machte und deinen demüthigen Muth entmuthigte:
Das war Derlaffenheitl? —
Oh Einfamfeitl Du meine Heimat Einfamfeit!
Wie felig und zärtlich redet deine Stimme zu mirl
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Wir fragen einander nicht, wir Hagen einander
nicht, wir gehen offen mit einander durch offne Thüren.
Denn offen ift es bei dir und hell; und auch die
Stunden laufen hier auf leichteren Füßen. Im Dunklen
nämlich trägt man fchwerer an der Seit, als im Lichte,
Bier fpringen mir alles Seins Worte und Wort.
Schreine auf: alles Sein will hier Wort werden, alles
Werden will hier von mir reden lernen.
Da unten aber — da ift alles Reden umfonfll Da
it Dergeffen und Dorübergehn die beſte Weisheit:
Das — lernte ih nunl
Wer Alles bei den Menfchen begreifen wollte, der
müßte Alles angreifen. Aber dazu habe ich zu rein.
lihe Hände.
Ich mag fchon ihren Athem nicht einathmen; ach,
daß ich fo lange unter ihrem Lärm und üblem Athem
lebtel
Oh felige Stille um mih! Oh reine Gerüche um
mih! Oh wie aus tiefer Bruft diefe Stille reinen Athem
holt! Oh wie fie horcht, diefe felige Stiflel |
Aber da unten — da redet Alles, da wird Alles
überhört. Man mag feine Weisheit mit Glocken ein-
läuten: die Krämer auf dem Markte werden fie mit
Dfennigen überflingeln!
Alles bei ihnen redet, Niemand weiß mehr zu ver»
fiehn. Alles fällt in’s Waffer, Nichts fällt mehr in tiefe
Brunnen.
Alles bei ihnen redet, Nichts geräth mehr und
fommt zu Ende. Alles gadert, aber wer will nod
fi auf dem Xefte figen und Eier brüten?
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| Alles bei ihnen redet, Alles wird zerredet, Und
| was geftern noch zu hart war für die Zeit felber und
| ihren Zahn: heute hängt es zerfchabt und gernagt aus
den Mäulern der Beutigen.
Alles bei ihnen redet, Alles wird verrathen. Und
was einſt Geheimniß hieß und Heimlichfeit tiefer
Seelen, heute gehört es den GBaffen-Trompetern und
andern Schmetterlingen.
Oh Menfchenwefen, du wunderlihes!l Du Lärm
auf dunklen Gaſſen! Nun liegft du wieder hinter mir:
— meine größte Gefahr liegt hinter mir!
Im Schonen und Mitleiden lag immer meine größte
Gefahr; und alles Menfchenwefen will geſchont und
gelitten ſein. |
mit verhaltenen Wahrheiten, mit Narrenhand und !
vernarrtem Herzen und reih an Fleinen Lügen des
Mitleidens: — alfo lebte ich immer unter Menfchen.
DerPleidet ſaß ich unter ihnen, bereit, mich zn
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verkennen, daß ich fie ertrüge, und gern mir zuredend
„ou Narr, du Fennft die Menſchen nicht!“
Mar verleriit die Menfchen, wenn man unter Men⸗
fchen lebt: zu viel Dordergrund ift an allen Menfchen,
— was follen da mweitfichtige, weit-füchtige Augen!
Und wenn fie mich verfannten: ich Narr fchonte
fie darob mehr als mich: gewohnt zur Härte gegen
mich und oft noch an mir felber mich rächend für diefe
Scyonung. .
Serftohen von giftigen Fliegen und ausgehöhlt,
dem Steine gleich, von vielen Tropfen Bosheit, fo faß
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2
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ih unter ihnen und redete mir noch zu: „unfchuldig iſt
alles Kleine an feiner Kleinheitl“
Sonderlid Die, welche fih „die Guten“ heißen,
fand ich als die giftigften Sliegen: fie ftechen in aller
Unſchuld, fie lügen in aller Unfhuld; wie vermöcdten
fie gegen mid — gerecht zu fein!
Wer unter den Guten lebt, den lehrt Mitleid lügen.
Mitleid macht dumpfe Luft allen freien Seelen. Die
Dummheit der Guten nämlich ift unergründlich.
Mich felber verbergen und meinen Reichthum —
das lernte ich da unten: denn Jeden fand ich noch arm
am Geiſte. Das war der £ug meines Mitleidens, daß
ich bei Jedem wußte, |
— daß ih Jedem es anjah und anroch, was ihm
Beiftes genug und was ihm fchon Geiftes zuviel warl
Ihre fteifen Weifen: ich hieß fie weife, nicht fteif,
— fo lernte ih Worte verfchluden. Ihre Todten-
gräber: ich hieß fie Sorfcher und Prüfer, — fo lernte
ih Worte vertaufchhen.
Die Todtengräber graben fih Krankheiten an.
Unter altem Scyutte ruhn fchlimme Dünfte Man fol
- den Moraft nicht aufrühren. Man foll auf Bergen leben.
Mit feligen Nüſtern athme ich wieder Berges-
Freiheitl Erlöft ift endlich meine Naſe vom Geruch
alles Menſchenweſens!
Don fcharfen Lüften gefigelt, wie von ſchäumenden
Weinen, nieft meine Seele, — nieft und jubelt fi zu:
Gefundheit!
Alfo ſprach Sarathuftra.
&
Alfo ſprach Zarathuſtra. 273 18
— —
— — —
—
——— — —— — — — —
Don den drei Böfen.
1,
Im Traum, im letten Morgentraume ftand ich heut
auf einem Dorgebirge, — jenfeits der Welt, hielt eine
Wage und wog die Welt,
Oh daß zu früh mir die Morgenröthe Fam: die
glühte mich wadı, die Eiferfüchtigel Eiferfüchtig ift fie
immer auf meine Morgentraum-&luthen.
Mefbar für Den, der Seit hat, wägbar für einen
guten Wäger, erfliegbar für ftarfe fittige, errathbar
für göttlihe Nüſſeknacker: alfo fand mein Traum die
Welt: —
Mein Traum, ein kühner Segler, halb Schiff, halb
Dindsbraut, gleih Schmetterlingen fchweigfam, unge»
duldig gleich Edelfalfen: wie hatte er doch zum Welt.
Wägen heute Geduld und Weile!
Sprach ihm heimlich wohl meine Weisheit zu, meine
lachende wache Tags-!Deisheit, weldhe über alle „un
endliche Welten“ fpottet? Denn fie jpricht: „wo Kraft
ift, wird auch die Zahl Mleifterin: die hat mehr Kraft“,
Wie fiher fchaute mein Traum auf diefe enöliche
Melt, nicht neugierig, nicht altgierig, nicht fürchtend,
nidyt bitiends —
— — — — — — — — — — —
— — — — —
274
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— als ob ein voller Apfel fi meiner Band böte,
ein reifer Goldapfel, mit Fühl-fanfter fammtener Haut:
— fo bot fih mir die Welt: —
— als ob ein Baum mir winfe, ein breitäftiger,
ftarfwilliger, gefrümmt zur Lehne und noch zum Fuß—⸗
brett für den Wegmüden: fo ftand die Welt auf meinem
Dorgebirge: —
— als ob zierliche Hände mir einen Schrein ent-
gegentrügen, — einen Schrein, offen für das Entzücken
fhamhafter verehrender Augen: alfo bot fich mir heute
die Welt entgegen: —
— nicht Räthfel genug, um Menfchen-Liebe davon
zu fcheuchen, nicht Löfung genug, um Mlenjchen-Weis-
heit einzufchläfern: — ein menfhlid gutes Ding war
mir heut die Welt, der man fo Böfes nachredet!
Wie danfe ih es meinem Morgentraum, daß id;
alfo in der Frühe heut die Welt wogl Als ein menfd-
lih gutes Ding fam er zu mir, diefer Traum und
Herzenströfter!
Und daß ich's ihm glei thue am Tage und fein
Beftes ihm nad und ablerne: will ich jetzt die drei
böfeften Dinge auf die Wage thun und menfchlich gut
abwägen. —
Wer da fegnen lehrte, der lehrte auch fluchen:
welches find in der Welt die drei beftverfluchten Dinge?
Diefe will ich auf die Wage thun.
Wolluft, Berrfhfudt, Selbſtſucht: diefe Drei
wurden bisher am beften verflucht und am fchlimmiten
beleu- und befügenmundet, — diefe Drei will ich menſch⸗
lid) gut abwägen.
275 18*
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Wohlaufl! Hier iſt mein Doragebirg, und da das Meer
das wälzt fih zu mir heran, zottelig, ſchmeichleriſch,
das getreue alte hunderiföpfige Hunds-LUngethüm, das
ich liebe,
Wohlaufl Eier will ich die Wage halten über ge-
wälztem Meere: und auch einen Seugen wähle ich,
daß er zufehe, — dich, du Einfiedler-Baum, dich ſtark⸗
duftigen, breitgemölbten, den ich liebel —
Auf welcher Brüde geht zum Dereinft das echt?
Nach weldhem Swange zwingt das Hohe ſich zum
Niederen? Und was heißt and; das Höchſte noch —
hinaufwacdfen? —
Nun ficht die Wage gleich und ftill: drei ſchwere
Fragen warf ich hinein, drei fchwere Antworten trägt
die andre Wagfchale,
2.
Wolluft: allen bußhemdigen £eib-Derächtern ihr
Stachel und Pfahl, und als „Welt“ verflucht bei allen
Hinterweltlern: denn fie höhnt und narrt alle Wirr-
und Irr⸗Lehrer.
Wolluft: dem Gefindel das lanafame Feuer, auf
dem es verbrannt wird; allem, wurmichten Holze, allen
ftinfenden Lumpen der bereite Brunft- und Brodel-Ofen.
Wolluft: für die freien Kerzen unſchuldig und frei,
das Garten Glüf der Erde, aller Sufunft Danfes-
Überfhwang an das Jetzt.
Wolluft: nur dem Welken ein füßlih Gift, für
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die Löwen⸗Willigen aber die große Herzſtärkung, und
der ehrfürchtig gefchonte Wein der Weine,
Wolluft: das große Gleichniß⸗Glück für höheres
Glück und hödfte Hoffnung. Dielem nämlich ift Ehe
verheißen und mehr als Ehe, —
— Dielem, das fremder fih ift, als Mann und
Weib: — und wer begriff es ganz, wie fremd fidh
Mann und Weib find!
Wolluſt: — doch ih will Säune um meine Be
danken haben und auch nodh um meine Worte: daß
mir nicht in meine Bärten die Schweine und Schwärmer
brechen! —
Berrfhjuht: die Glüh-Geißel der härteften
Berzensharten; die graufe Marter, die fi dem Grau⸗
famften felber auffpart; die düftre Flamme lebendiger
Sceiterhaufen.
Herrfchfucht: die boshafte Bremfe, die den eitelften
Dölfern aufgefeßt wird; die Derhöhnerin aller unge
wiffen Tugend; die auf jedem Roſſe und jedem Stolze
reitet.
Berrfhfucht: das Erdbeben, das alles Morfche und
Höhlichte bricht und aufbricht; die rollende grollende
ftrafende Serbrecherin übertünchter Gräber; das bliende
Stagezeichen neben vorzeitigen Antworten.
Herrſchſucht: vor deren Blick der Menfch Friecht
und duckt und fröhnt und niedriger wird als Schlange
und Schwein: — bis endlich die große Verachtung aus
ihm auffchreit —,
Herrſchſucht: die furchtbare Lehrerin der großen
Verachtung, weldhe Städten und Neichen in’s Antlitz
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(REDET —,!
predigt „hinweg mit dir!l“ — bis es aus ihnen ſelber
aufichreit „hinweg mit mir!
Berrihfucht: die aber lodend auh zu einen
und Einfamen und hinauf zu felbftgenugfamen Höhen
fteigt, glühend gleich einer Liebe, welche purpurne
Seligkeiten lodend an Erdenhimmel malt.
Herrſchſucht: doch wer hieße es Sucht, wenn
das Hohe hinab nach Macht gelüftetl Wahrlich, nichts
Siehes und Süctiges ift an foldem Gelüften und
Niederſteigen!
Daß die einſame Höhe ſich nicht ewig vereinſame
und felbft begnüge; daß der Berg zu Thale fomme,
und die Winde der Höhe zu den Zliederungen: —
Oh wer fände den rechten Tauf- und Tugendnamen
für folde Sehnfuhtl „Schentende Tugend” — fo
nannte das Unnennbare einft Sarathuftra.
. Und damals geihah es auch — und wahrlich,
es gefhah zum erften Malel —, daß fein Wort die
Selbftfucht felig pries, die heile, gefunde Selbft-
fucht, die aus mächtiger Seele quillt: —
— aus mächtiger Seele, zu welcher der hohe Leib
gehört, der fchöne, fieghafte, erquicdlide, um den
herum jedwedes Ding Spiegel wird:
— der gefchmeidige überredende Leib, der Tänzer,
deffen Gleichniß und Auszug die "felbft-Iuftige Seele
ift. Soldier Leiber und Seelen Selbft-£uft heißt fich
felber: „Tugend“.
Mit ihren Worten von Gut und Schlecht ſchirmt fih
ſolche Selbft-£uft wie mit heiligen Hainen; mit den
Namen ihres Glücks bannt fie von fich alles Derächtliche.
— — —
— — — — — — — ——
278
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— —
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Don fih weg bannt fie alles feige; fie fpricht:
Schlecht — das ift feigel- Deräcdtlich dünft ihr der
immer Sorgende, Seufzende, Klägliche und wer auch
die kleinſten Vortheile auflieſt.
Sie verachtet auch alle wehſelige Weisheit: denn
wahrlich, es giebt auch Weisheit, die im Dunklen blüht,
eine Nachtſchatten⸗Weisheit: als welche immer ſeufzt
„Alles iſt eitell“
Das ſcheue Mißtrauen gilt ihr gering, und Jeder, wer
Schwüre ſtatt Blicke und Hände will: auch alle allzu miß⸗
trauiſche Weisheit, denn ſolche iſt feiger Seelen Art.
Geringer noch gilt ihr der Schnell⸗Gefällige, der
Bündifche, der gleich auf dem Rücken liegt, der De-
müthige; und auch Weisheit giebt es; die demüthig und
hündifh und fromm und fchnell-gefällig iſt.
Verhaßt if ihre gar und ein Efel, wer nie fi
wehren will, wer giftigen Speichel und böſe Blide
hinunterfchlucdt, der Allzu-Geduldige, Alles Dulder,
Allgenügſame: das nämlich ift die knechtiſche Art.
Ob Einer vor Göttern und göttlihen Fußtritten
fnechtifch ift, ob vor Menfchen und blöden Menfchen-
Meinungen: alle Knechts-Art fpeit ſie an, diefe felige
Selbftfucht!
Scleht: fo heißt fie Alles, was gefnidt und
knickeriſch⸗knechtiſch ift, unfreie Swinfer- Augen, ges
drückte Herzen, und jene falfche nacgebende Art, |
welche mit breiten feigen Kippen küßt. —
Und After⸗Weisheit: ſo heißt ſie Alles, was Knechte
— — ⸗⸗ De Zu
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W im Wk mian — — — — — — — — —— ET Oi Amar FEN TED —— —
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und Greife und Müde witeln; und fonderlich die ganze
ſchlimme aberwißige, überwitige Priefter-TTarrheit]. f
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Die After-Weifen aber, alle die Priefter, Welt
müden, und weſſen Seele von Weibs- und Knedtsart
it, — oh wie hat ihr Spiel von jeher der Selbftjucht
übel mitgefpielt! |
Und Das gerade follte Tugend fein und Tugend
heißen, daß man der Selbſtſucht übel mitfpielel Und
„Selbftlos" — fo wünfchten ſich felber mit gutem Grunde
alle diefe weltmüden Seiglinge und Kreuzfpinnen!
Aber denen Allen kommt nun der Tag, die Wand»
lung, das Richtfhwert, der große Mittag: da foll
Dieles offenbar werden!
Und wer das Ich heil und heilig fpricht und die .
Selbftfucht felig, wahrlih, der fpriht auch, was er
weiß, ein Weisfager: „Siehe. er fommt, er if
nahe, der große Mittag!“
Alſo fprah Sarathuftra.
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Vom Geiſt der Schwere
1.
Mein Mundwerk — iſt des Volks: zu grob und
herzlich rede ich für die Seidenhaſen. Und noch fremder
klingt mein Wort allen Tinten⸗Fiſchen und Seder-
Süchfen.
Meine Band — ift eine Xarrenhand: wehe allen
Cifhen und Wänden, und was noh Play hat für
Harren-Sierath, Narren-Schmierathl
Mein Fuß — ift ein Pferdefuß; damit trapple und
trabe ich über Stod und Stein, kreuz⸗ und quer-feld-ein,
und bin des Teufels vor Luft bei allem fchnellen Laufen.
Mein Magen — ift wohl eines Adlers Magen? Denn
er liebt am liebften Lammfleiſch. Gewißlich aber ift
er eines Dogels Magen.
Don unfchuldigen Dingen genährt und von Weni-
gem, bereit und ungeduldig zu fliegen, davonzufliegen
— das ift nun meine Art: wie follte nicht Etwas daran
von Dogel-Art fein!
Und zumal, daß ich dem Beift der Schwere feind
bin, das ift Dogel-Art: und wahrlich, todfeind, erzfeind,
urfeind! Oh wohin flog und verflog fich nicht fchon
meine Seindichaftl
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Davon könnte ich ſchon ein Lied ſingen — —
und will es ſingen: ob ich gleich allein in leerem
hauſe bin und es meinen eignen Ohren ſingen muß.
Andre Sänger giebt es freilich, denen macht das
volle Haus erſt ihre Kehle weich, ihre Hand geſprächig,
ihr Auge ausdrücklich, ihr Herz wach: — Denen gleiche
ich nicht ⸗—
2.
Wer die Menſchen einſt fliegen lehrt, der hat alle
Grenzſteine verrückt; alle Grenzſteine ſelber werden
ihm in die Luft fliegen, die Erde wird er neu taufen —
als „die Leichte“.
Der Vogel Strauß läuft ſchneller als das ſchnellſte
Pferd, aber auch er ſteckt noch den Kopf ſchwer in
ſchwere Erde: alfo der Menfch, der noch nicht fliegen
fann.
Schwer heißt ihm Erde und Leben; und fo will
es der Geiſt der Schwerel Wer aber leicht werden will
und ein Dogel, der muß fich felber lieben: — alfo
lehre ich.
Nicht freilich mit der Liebe der Siehen und Süd)
tigen: denn bei denen ftinft auch die Eigenliebel
Man muß fi felber lieben lernen — alfo Iehre
ih — mit einer heilen und gefunden Liebe: daß man.
es bei fich felber aushalte und nicht umherfchweife.
Solhes Umherfchweifen tauft fih „Nächſtenliebe“:
mit diefem Worte ift bisher am beften gelogen und
geheuchelt worden, und fonderlih von Soldhen, die
allee Welt fchwer fielen.
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Und wahrlich, das iſt kein Gebot für Heute und
Morgen, ſich lieben lernen. Vielmehr iſt von allen Kün⸗
ſten dieſe die feinſte, liſtigſte, letzte und geduldſamſte.
für feinen Eigener iſt nämlich alles Eigene gut
verftedt; und von allen Schabgruben wird die eigne
am fpäteften ausgegraben, — alſo fchafft es der Geift
der Schwere,
Saft. in der Wiege giebt man uns fchon fchwere
Worte und Werthe mit: „But“ und „Böfe” — fo heift
fih diefe Mitgifl. Um derentwillen vergiebt man uns,
dag wir leben.
Und dazu läßt man die Kindlein zu fich kommen,
dag man ihnen bei Seiten wehre, fich felber zu lieben;
alfo fchafft es der Geiſt der Schwere.
Und wir — wir fchleppen treulih, was man uns
mitgiebt, auf harten Schultern und über rauhe Bergel
Und fhwiten wir, fo fagt man uns: „Sa, das Leben
ift fchwer zu tragen!”
Aber der Menfh nur ijt fich fchwer zu tragen!
Das madt, er fchleppt zu vieles Fremde auf feinen
Schultern. Dem Kameele glei niet er nieder und
läßt fih gut aufladen.
Sonderli der ftarfe, tragfame Menſch, dem Ehr⸗
furcht innewohnt: zu viele fremde fchwere Worte und
Werthe lädt er auf fih, — nun dünft das Keben ihm
eine Wüftel
Und wahrlihl Auch manches Eigene ift fchwer
zu tragen! Und viel Inwendiges am Menfchen ift der
Aufter gleih, nämlich efel und fchlüpfrig und ſchwer
erfaglih —,
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fürbitten muß. Aber auch dieſe Kunft muß man
lernen: Schale Haben und fchönen Schein und kluge
Blindheit!
Abermals trügt über Manches am Menſchen, daß
manche Schale gering und traurig und zu fehr Schale
ift. Diel verborgene Güte und Kraft wird nie errathen;
die Föltlichften Leckerbiſſen finden Feine Schmederl
Die Frauen wiffen das, die Föftlichften: ein Wenig
fetter, ein Wenig magerer — oh wie viel Schickſal liegt
in fo Wenigem! \
Der Menfh ift fchwer zu entdeden und fid
felbee noch am fchwerften; oft fügt der Geiſt über die
Seele. Alfo fchafft es der Geiſt der Schwere.
Der aber hat ſich felber entdeckt, welcher fpricht:
Das ift mein Gutes und Böfes: damit hat er den Maul.
wurf und Swerg ftumm gemadht, welcher ſpricht:
„Allen gut, Allen bös”.
Wahrlich, ih mag auch Solde nicht, denen jeg-
lihes Ding gut und diefe Welt gar die befte heißt.
Soldye nenne ich die Allgenügfamen.
Allgenügfamkeit, die Alles zu fchmeden weiß:
das ift nicht der befte Geſchmackl Ich ehre die wider-
fpänftigen wählerifhen Zungen und Mägen, melde
„Ich“ und „Ja“ und „ein“ fagen lernten.
Alles aber kauen und verdauen — das iſt eine
rechte Schweine- Art! Immer J⸗A fagen — das lernte
allein der Eſel, und wer feines Geiftes iftl —
Das tiefe Gelb und das heiße Roth: fo will es
mein Gefhmad, — der mifht Blut zu allen Farben.
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Wer aber fein Baus weiß tündht, der verräth mir eine |
weißgetündhte Seele,
In Mumien verliebt die Einen, die Andern in Ge⸗
fpenfter; und Beide gleich feind allem Sleifh und
Blute — oh wie gehen Beide mir wider den Geſchmack!
Denn ich liebe Blut,
Und dort will ih nicht wohnen und weilen, wo
Jedermann fpudt und fpeit: das tft nun mein Ge-
ſchmack, — lieber noch lebte ich unter Dieben und
Meineidigen. Niemand trägt Gold im Munde.
Widriger aber find mir noch alle Speichelleder;
und das widrigfte Chier von Menſch, das ich fand, das
taufte ih Schmaroger: das wollte nicht lieben und doch
von Kiebe leben,
Unfelig heiße ich Alle, die nur Eine Wahl haben:
böfe Thiere zu werden oder böfe hierbändiger: bei
Solden würde ich mir feine Hütten bauen.
Unfelig heiße ich audy Die, welche immer warten
müffen, — die gehen mir wider den Befhmad: alle
die Höllner und Krämer und Könige und andren Känder-
und Ladenhüter.
Wahrlich, ich lernte das Warten au und von
Grund aus, — aber nur das Warten auf mid. Und
über Allem lernte ich fiehn und gehn und laufen und
fpringen und Plettern und tanzen.
Das ift aber meine £ehre: wer einft fliegen lernen
will, der muß erft fiehn und gehn und laufen und
Flettern und tanzen lernen: — man erfliegt das Sliegen
nicht]
. Mit Steidleitern lernte ih mandes Senfter er⸗
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klettern, mit hurtigen Beinen klomm ich auf hohe
Maſten: auf hohen Maſten der Erkenntniß ſitzen dünkte
mich keine geringe Seligkeit, —
— gleich kleinen Flammen flackern auf hohen
Maſten: ein kleines Licht zwar, aber doch ein großer
Troſt für verſchlagene Schiffer und Schiffbrüchigel —
Auf vielerlei Weg und Weiſe kam ich zu meiner
Wahrheit: nicht auf Einer Leiter ſtieg ich zur Höhe, wo
mein Auge in meine Ferne ſchweift.
Und ungern nur fragte ich ſtets nach Wegen, —
das gieng mir immer wider den Geſchmack! Lieber
fragte und verfuchte ich die Wege felber.
Ein Derfuhen und Sragen war all mein Gehen:
— und wahrlih, audy antworten muß man lernen auf
folches Fragen! Das aber — ift mein Gefhmad:
— fein guter, Fein fchlechter, aber mein de
fchmad, defjen ih weder Scham noch Hehl mehr habe.
„Das — ift nun mein Weg, — wo Ift der eure?“
fo antwortete ich Denen, weldye mich „nad dem Wege“
fragten. Den Weg nämlich — den giebt es nicht!
Alſo ſprach Sarathuftra,
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Don alten und neuen Tafeln,
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Dier fie ih und warte, alte zerbrochene Tafeln
um mid und auch neue halb befchriebene Tafeln.
Warn fommt meine Stunde?
— die Stunde meines Tliederganges, Unterganges:
denn noh Ein Mal will ic zu den Menfchen gehn.
Deß warte ih nun: denn erft müflen mir die
Zeichen fommen, daß es meine Stunde fei, — nämlich
der lachende Löwe mit dem Taubenfchwarme.
Inzwifchen rede ich als Einer, der Seit hat, zu mir
felber. Niemand erzählt mir Neues: fo erzähle ich mir
mid ſelber. —
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2. |
Als ich zu. den Menfchen fam, da fand ich fie
fiten auf einem alten Dünfel: Alle dünkten fich lange
fon zu wiffen, was dem Menſchen gut und böfe fei.
Eine alte müde Sache dünfte ihn alles Reden
wollte, der ſprach
| von Tugend; und wer gut fchlafen
vor Sclafengehen noch von „Gut“ und „Böfe”. |
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Dieſe Schläferei ſtörte ich auf, als ich lehrte: was
gut und böſe iſt, das weiß noch Niemand; — 6
fei denn der Schalfendel
— Das aber ift Der, welcher des Menfchen Stel
ſchafft und der Erde ihren Sinn giebt und ihre Sufunft:
Diefer erft [hafft es, daß Etwas gut und böfe ift.
Und ich hieß fie ihre alten Lehr-Stühle ummwerfen,
und wo nur jener alte Dünfel gefeffen hatte; ich hieß
fie laden über ihre großen KLugend » Meifter und
Heiligen und Dichter und Welt-Erlöfer.
Über ihre düfteren Weiſen hieß ich fie lachen,
und wer je als fchwarze Vogelſcheuche warnend auf
dem Baume des Kebens geſeſſen hatte.
An ihre große GBräberftraße fette ih mid und
felber zu Aas und Geiern — und ich ladıte über all
ihr Einft und feine mürbe verfallende Herrlichkeit.
Woahrlih, gleih Bußpredigern und Xarrn fchrie
ih Zorn und Seter über all ihr Großes und Kleines,
— daß ihr Beftes fo gar Fein iftl Daß ihr Böfeftes
fo gar klein iftl — alfo lachte id. |
Meine weife Sehnſucht ſchrie und lachte alfo aus
mir, die auf Bergen geboren ift, eine wilde Weisheit
wahrlich! — meine große flügelbraufende Sehnſucht.
Und oft riß fie mich fort und hinauf und hinweg
und mitten im Lachen: da flog ich wohl fchaudernd,
ein Pfeil, duch fonnentrunfenes Entzüden:
— hinaus in ferne Sufünfte, die fein Craum noch
fah, in heißere Süden, als je fi Bildner träumten:
dorthin, wo Kötter tanzend ſich aller Kleider fhämen: —
— daß ih nämlih in Gleichniffen rede, und
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gleich Dichtern hinke und ſtammle: und wahrlich, ich
ſchäme mich, daß ich noch Dichter ſein mußl —
Wo alles Werden mich Götter⸗Canz und Götter⸗
Muthwillen dünkte, und die Welt los- und ausgelaffen
und zu fich felber zurückfliehend: —
— als ein ewiges Sich» fliehn und »Wiederfuchen
vieler Götter, als das felige Sich⸗Widerſprechen, Sich⸗
Wieder-hören, Sich⸗Wieder⸗FZugehören vieler Götter: —
Wo alle Seit mich ein feliger Hohn auf Augen»
blide dünkte, wo die Nothwendigfeit die Freiheit felber
war, die felig mit dem Stachel der Sreiheit fpielte: —
Wo ih auch meinen alten Teufel und Erzfeind
wiederfand, den Geift der Schwere, und Alles, was er
fhuf: Swang, Satzung, Xoth und Folge und Swed
und Wille und Gut und Böfe: —
Denn muß nicht dafein, über das getanzt, hinweg-
getanzt werder Müffen nicht um der Keichten, Keichte-
ften willen — Maulwürfe und fchwere Swerge dafein? —
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Dort war’s au, wo ich das Wort „Übermenfc“
vom Wege auflas, und daß der Menſch Etwas fei, das
überwunden werden müffe,
— daß der Menfh eine Brüde fei und Fein
Swed: fih felig preifend ob feines Mittags und
Abends, als Weg zu neuen Morgenröthen:
— das Sarathuftra-Wort vom großen Mittage, und -
was fonft ich über den Menfchen aufhängte, gleich
purpurnen zweiten Abendröthen,
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Alfo ſprach Zarathuſtra. 289 19
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Wahrlich, audy neue Sterne ließ ich fie fehn fammt
neuen Nächten; und über Wolfen und Tag und Nacht
fpannte ich noch das Lachen aus wie ein buntes Gezelt.
Ich lehrte fie all mein Dichten und Trachten: in
Eins zu dichten und zuſammen zu tragen, was Bruchſtück
ift am Mlenfchen und Näthfel und graufer Zufall, —
— als Dichter, Näthfelrather und Erlöfer des Zu⸗
falls lehrte ich fie an der Zukunft fchaffen, und Alles,
das war —, fchaffend zu erlöfen.
Das Dergangne am Menſchen zu erlöfen und alles
„Es war” umzufchaffen, bis der Wille fpriht: „Aber fo
wollte ih esl So werde ich's wollen —“
— dies hieß ich ihnen Erlöfung, dies allein lehrte
ih fie Erlöfung heißen. — —
Nun warte ih meiner Erlöfung —, daß ich zum
legten Male zu ihnen gehe,
Denn noch Ein Mal will ich zu den Menfcen:
unter ihnen will ich untergehen, fterbend will ich
ihnen meine reichte Gabe geben!
Der Sonne lernte ich das ab, wenn fie hinabgeht,
die Überreihe: Gold fchüttet fie da in’s Meer aus
unerfhöpflihem Reichthume, —
— alfo, daß der ärmſte Sifcher noch mit goldenem
Ruder rudertl Dies nämlich fah ich einft und wurde
der Thränen nicht fatt im Sufchauen. — —
Der Sonne gleich will auch Sarathuftra untergehn:
nun fit er hier und wartet, alte zerbrochne Tafeln um
fih und auch neue Tafeln, — halbbefchriebene, '
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Siehe, hier ift eine neue Tafel: aber wo find meine
Brüder, die fie mit mir zu Thale und in fleifcherne
Herzen tragen? —
Alfo heifcht es meine große Liebe zu den Fernſten:
[done deinen Vächſten nihtl Der Menſch ift
Etwas, das Üiberwunden werden muß.
Es giebt vielerlei Weg und Weife der Über.
windung: da fiehe du zul Aber nur ein Poffenreißer
denkt: „der Menſch kann auch überfprungen werden“.
Überwinde dich felber noch in deinem Nädften:
und ein Recht, das du dir rauben kannſt, follft du die
nicht geben laffen!
‚Was du thufl, das kann dir Keiner wieder thun.
Siehe, es giebt feine Dergeltung.
Wer ſich nicht befehlen kann, der foll gehorden.
Und Mander kann ſich befehlen, aber da fehlt noch
Diel, daß er fi} auch gehordel
5.
Alſo will es die Art edler Seelen: ſie wollen Nichts
umſonſt haben, am wenigſten das Leben.
Wer vom Pöbel iſt, der will umſonſt leben; wir
Anderen aber, denen das Leben ſich gab, — wir finnen
immer darüber, was wir am beften dagegen geben!
Und wahrlich, dies ift eine vornehme Rede, welde
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ſpricht: „was uns das Leben verſpricht, das wollen
wir — dem Leben halten!“
Man ſoll nicht genießen wollen, wo man nicht
zu genießen giebt. Und — man ſoll nicht genießen
wollen! | 1
Genuß und Unfchuld nämlich find die fcham-
hafteften Dinge: Beide wollen nicht gefuht fein. Man
foll fie haben —, aber man foll eher no nach Schuld
und Schmerzen fuhen! —
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6.
Oh meine Brüder, wer ein Erftling if, der wird :.
immer geopfert. Nun aber find wir Erftlinge.
Wir bluten Alle an geheimen Opfertifchen, wir
brennen und braten Alle zu Ehren alter Götzenbilder.
Unfer Beftes ift noch jung: das reizt alte Gaumen.
Unfer Sleifh iſt zart, unfer Fell ift nur ein Lamm⸗
Sell: — wie follten wir nicht alte Gößenpriefter reizen]
In uns felber wohnt er noch, der alte Götzen⸗
priefter, der unfer Beftes fi zum Schmanfe brät. Ad,
meine Brüder, wie follten Erftlinge nicht Opfer fein!
Aber fo will es unfre Art; und ich liebe Die,
welche fich nicht bewahren wollen. Die Untergehenden
liebe ich mit meiner ganzen Liebe: denn fie gehn
hinüber. —
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—— Ar.c HERE:
Wahr fein — das Fönnen Wenigel Und wer es
fan, der will es noh nihtl Am wenigften aber
fonnen es die Buten.
Oh diefe Guten Gute Menfhen reden nie
die Wahrheit; für den Geift ift folhermaßen gut
fein eine Krankheit.
Sie geben nad, diefe Guten, fie ergeben fich, ihr
Herz fpriht nah, ihr Grund gehorht: wer aber ge:
horcht, der hört fich felber nicht!
Alles, was den Guten böje heißt, muß zufammen
fommen, daß Eine Wahrheit geboren werde: oh meine
Brüder, feid ihr auch böfe genug zu diefer Wahrheit?
Das verwegene Wagen, das lange Mißtrauen, das
graufame ein, der Überdruß, das Schneiden in’s
Sebendige — wie felten fommt das zufammen! Aus
folhem Samen aber wird — Wahrheit gezeugt!
Neben dem böfen Gewiflen wuchs bisher alles
Wiffen! Zerbrecht, zerbredt mir, ihr Erfennenden,
die alten Tafeln!
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8.
Wenn das Waſſer Balken hat, wenn Stege und
Geländer über den Fluß ſpringen: wahrlich, da findet‘
Keiner Blanben, der da fpridt: „Alles ift im Fluß”.
Sondern felber die Tölpel widerfprechen ihm. „Wie?
fagen die Tölpel, Alles wäre im Fluſſe? Balfen und
Geländer find doch über dem Fluſſel“
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„Aber dem gluſſe iſt Alles feſt, alle die Werthe
der Dinge, die Brücken, Begriffe, alles „Gut“ und
„Böſe“: das iſt Alles feſtl“ —
Kommt gar der harte Winter, der Fluß ⸗Chier⸗
bändiger: dann lernen auch die Witzigſten Mißtrauen;
und, wahrlich, nicht nur die Cölpel ſprechen dann: -
„Sollte nicht Alles — ſtille ſtehn?“
„Im Grunde ſteht Alles ftille” —, das iſt eine ;
rechte Winter⸗Lehre; ein gut Ding für unfruchtbare Zeit, |
ein guter Troft für Winterfchläfer und Ofenhocker.
„sm Grund fieht Alles fill" —: dagegen aber
predigt der Chauwindl|
Der Chaumwind, ein Stier, der Fein pflügender Stier
ift, — ein wüthender Stier, ein Serftörer, der mit zornigen
Börnern Eis brigtl Eis aber — — bridt Stegel
Oh meine Brüder, ift jetzt nicht Alles im Fluſſe?
Sind nicht alle Geländer und Stege in’s Waffer ge-
fallen? Wer hielte fih nod an „But“ und „Böſe“?
„Wehe uns! Heil uns! Der Chaumwind wehtl” —
Alfo predigt mir, oh meine Brüder, durch alle Gaſſen!
EEE SEE. (ED RER —
9.
Es giebt einen alten Wahn, der heißt But und
Böfe. Um Wahrfager und Sterndenter drehte fich bis-
her das Rad diefes Wahns.
Einft glaubte man an Wahrfager und Sterndeuter:
und darum glaubte man „Alles ift Schidfal: du follft,
denn du mußtl”
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Dann wieder mißtrante man allen Wahrſagern und
Sterndeutern: und darum glaubte man „Alles ift Frei⸗
heit: du Fannft, denn du willftl”
Oh meine Brüder, über Sterne und Zukunft ift bis⸗
her nur gewähnt, nicht gewußt worden: und darum ift
über Gut und Böfe bisher nur gewähnt, nicht gewußt
worden]
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10.
„Du folft nicht raubenl Du follft nicht todt⸗
ſchlagen!“ — folde Worte hieß man einft heilig; vor
ihnen bengte man AUnie und Köpfe und 309 die
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Aber ich frage euch: wo gab es je beffere Räuber‘
und Toödtfchläger in der Welt, als es ſolche heilige
Worte waren?
Iſt in allem Leben felber nicht — Rauben und Codt⸗
fhlagen? Und daß folcye Worte heilig hießen, wurde
damit die Wahrheit felber nicht — todtgeichlagen ?
Oder war es eine Predigt des Todes, daß heilig
hieß, was allem Leben widerfprach und widerrieth?
— Oh meine Brüder, zerbrecht, zerbrecht mir die alten
Tafeln!
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Dies ift mein Mitleid mit allem Dergangenen, daf
ich fehe: es ift preisgegeben, —
— der Gnade, dem Geifte, dem Wahnfinne jedes
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Geſchlechtes preisgegeben, das kommt und Alles, was
war, zu feiner Brücke umdeutet!
Ein großer Gewalt⸗Herr Fönnte fommen, ein ge
witzter Unhold, der mit feiner Gnade und Ungnade alles
Dergangene zwänge und zwängte: bis es ihm Brüde
würde und Dorzeichen und Herold und Hahnenfcrei.
Dies aber ift die andre Gefahr und mein andres |,
Mitleiden: — wer vom Pöbel ift,' deffen Bedenken
geht zurüc bis zum Großvater, — mit dem Großvater :.
aber hört die Seit auf.
Alfo ift alles Dergangene preisgegeben: denn es
fönnte einmal fommen, daß der Pöbel Herr würde,
und in feichten Gewäſſern alle Zeit ertränfe.
Darum, oh meine Brüder, bedarf es eines neuen
Adels, der allem Pöbel und allem Gewalt-Berrifchen
Widerfacher ift und auf neue Tafeln neu das Wort
fchreibt „edel”.
Dieler Edlen nämlich bedarf es und vielerlei Edlen,
daß es Adel gebel Oder, wie ich einft im Gleichniß
ſprach: „Das eben ift Böttlichfeit, daß es Götter, aber
feinen Bott giebt!”
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12,
N Oh meine Brüder, ich weihe und weife euch zu
einem neuen Adel: ihr follt mir Zeuger und Züchter
werden und Säemänner der Sufunft, —
! — wahrlich, nicht zu einem Adel, den ihr Faufen
Jköoönntet gleich den Krämern und mit Krämer-Golde:
denn wenig Werth hat Alles, was feinen Preis hat.
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Nicht, woher ihr kommt, made end fürderhin
eure Ehre, fondern wohin ihr gehtl Euer Wille und
euer Fuß, der über euch felber hinaus will, — das
mache eure neue Ehrel
Wahrlich nicht, daß ihr einem Fürſten gedient
habt — was liegt nod an Ffürftenl — oder dem, was
fteht, zum Bollwerk wurdet, daf es feiter ftündel
Nicht, daß euer Geflecht an Höfen höflich wurde,
und ihr lerntet, bunt, einem Flamingo ähnlich, lange
Stunden in flachen Teichen jtehn:
— denn Stehen-fönnen ift ein Derdienft bei Höf-
fingen; und alle Höflinge glauben, zur Seligfeit nad
dem Tode gehöre — Siten-dürfen! —
Nicht auch, daß ein Geift, den fie heilig nennen,
eure Dorfahren in gelobte Länder führte, die ich nicht
lobe: denn wo der ſchlimmſte aller Bäume mwuds, das
Krenz, — an dem Sande ift Nichts zu loben! —
— und wahrlich, wohin diefer „heilige Geift" aud
feine Ritter führte, immer Tiefen bei jolchen Fügen —
Siegen und Gänſe und Kreuz. und Querföpfe voran! —
Oh meine Brüder, nicht zurüd foll euer Adel
fhauen, fondern hinans! Dertriebene follt ihr fein
aus allen Dater- und Urpäterländern!
Eurer Kinder Land follt ihr lieben: diefe Kiebe fei
euer neuer Adel, — das unentdeckte, im fernften Meerel
Vach ihm heiße ich eure Segel ſuchen und fuchen!
An euren Kindern follt ihr gut maden, daf ihr
eurer Däter Kinder feid: alles Dergangene follt ihr fo
erlöſen! Dieje neue Tafel ftelle ich über end
* *
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297
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13.
„Wozu leben? Alles ift eitell Leben — das tft
Stroh drefhen; Leben — das ift fi verbrennen und
doch nicht warm werden.” —
Solch alterthümlihes Geſchwätz gilt immer nod
als „Weisheit"; daß es aber alt ift und dumpfig riecht,
darum wird es beffer geehrt. Auch der Moder adelt. —
Kinder durften fo reden: die fcheuen das Feuer,
weil es fie branntel Es ift viel Kinderei in den alten
Büchern der Weisheit.
Und wer immer „Stroh drifcht", wie follte der auf
das Drefchen läftern dürfen! Solhem Xarren müßte
man doh das Maul verbinden!
Solhe fegen fih zu Tiih und bringen Nichts
mit, felbft den guten Hunger niht: — und nun läftern
fie „Alles ift eitell“
Aber gut efjen und trinken, oh meine Brüder, if
wahrlich feine eitle Kunfll &erbrecht, zerbrecht mir
die Tafeln der Nimmer⸗Frohen!
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14 |
„Dem Reinen iſt Alles rein" — fo ſpricht das Dol
Ich aber fage euch: den Schweinen wird Alles Schwein!
Darum predigen die Schwärmer und Kopfhänger,
denen auch das Herz niederhängt: „die Welt felber ift
ein fothiges Ungeheuer”,
298
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Denn dieſe Alle find unfäuberlichen Geiſtes;
fonderlih aber Jene, welche nicht Ruhe noch Raſt
haben, es ſei denn, fie fehen die Welt von hinten,
— die Hinterweltler!
Denen fage ich in’s Geſicht, ob es gleich nicht
lieblich Elingt: die Welt gleicht darin dem Menſchen,
dag fie einen Hintern hat, — fo Viel ift wahr!
Es giebt in der Welt viel Koth: fo Diel ift wahr!
Aber darum ift die Welt felber noch Fein kothiges
Ungeheuer!
Es ift Weisheit darin, daß Dieles in der Welt
übel riecht: der Efel felber fchafft Flügel und quellen-
ahnende Kräftel
An dem Beften ift noch Etwas zum Efeln; und der
Befte it noch Etwas, das überwunden werden muß! —
Gh meine Brüder, es ift viel Weisheit darin, daß
viel Koth in der Welt ifil —
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15.
Solche Sprüche hörte ich fromme Hinterweltler zu
ihrem Gewiſſen reden, und wahrlich, ohne Arg und
Falſch, — ob es ſchon nichts Falſcheres in der Welt
giebt, noch Argeres.
„Laß doch die Welt die Welt fein! Hebe dawider
auch nicht Einen Singer aufl”
„Caß, wer da wolle, die Keute würgen und ftechen
und fchinden und fchaben: hebe damwider auch nicht
Einen Singer aufl Darob lernen fie noch der Welt
abſagen.“
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„Und deine eigne Dernunft — die follft du felber
sörgeln und würgen; denn es ift eine Dernunft von
| diefer Welt, —'darob lernft du felber der Welt ab»
: Sagen.” —
— Zerbrecht, zerbrecht mir, oh meine Brüder, diefe :
| alten Tafeln der Frommen! Zerbrecht mir die Sprüche |
der Welt-Derleumder!
16.
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„Wer viel lernt, der verlernt alles heftige Bes
gehren” — das flüftert man heute fih zu auf allen
dunklen Gaſſen.
„Weisheit macht müde, es lohnt fi — Nichts; du
font nicht begehren!“ — diefe neue Tafel fand ich
hängen felbft auf offnen Märften.
Serbrecht mir, oh meine Brüder, zerbrecdht mir
auch diefe neue Tafell Die Welt-Müden hängten fie
— ——
hin und die Prediger des Codes, und auch die Stock⸗
meiſter: denn ſeht, es iſt auch eine Predigt zur Knecht⸗
haft: —
| Daß fie ſchlecht lernten und das Befte nicht, und
| Alles zu früh und Alles zu gefhwind: daß fie ſchlecht
| aßen, daher fam ihnen jener verdorbene Magen, —
— ‚ein verdorbener Magen tft nämlich ihr Geift:
| der räth zum Todel Denn wahrlich, meine Brüder, der
|
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Geift ift ein Magen!
Das £eben ift ein Born der £ufl: aber aus wen
der verdorbene Magen redet, der Dater der Trübfal.
dem find alle Quellen vergiftet.
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Erkennen: das iſt Luſt dem Löwen⸗willigen! Aber
wer müde wurde, der wird felber nur „gewollt“, mit
dem fpielen alle Wellen,
Und fo ift es immer ſchwacher Menſchen Art: fie
verlieren fi auf ihren Wegen. Und zulett fragt noch
ihre Müdigkeit: „wozu giengen wir jemals Wegel Es
ift Alles gleich!”
Denen Fingt es liebli zu Ohren, daß gepredigt
wird: „Es verlohnt fi Nichts! Ihr ſollt nicht wollen!”
Dies aber ift eine Predigt zur Kruechtichaft.
Oh meine Brüder, ein friſcher Braufe-WMWind fommt
Sarathuftra allen Weg-Müden; viele Vaſen wird er
noch niefen machen!
Auch durch Mauern bläft mein freier Athem, und
hinein in Gefängniſſe und eingefangne Geifter!
Wollen befreit: denn Wollen ift Schaffen: fo Iehre
ih. Und nur zum Schaffen follt ihr lernen!
Und auch das Kernen follt ihr erft von mir lernen,
das Gut⸗Cernen! — Wer Ohren hat, der hörel
* . *
17.
Da fteht der Nachen, — dort hinüber geht es
vielleicht in’s große Nichts. — Aber wer will in dies
„Dielleicht“ einfteigen ?
Niemand von euch will in den Codes⸗Nachen ein-
fteigen! Wiefo wollt ihr dann Welt-Müde fein
Weltmüdel Und noch nicht einmal Erd - Entrüdkte
mwurdet ihrl Lüſtern fand ich euch immer noch nad;
Erde, verliebt noch in die eigne Erd- Müdigkeit!
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Nicht umfonft hängt euch die Lippe herab: —
ein Heiner Erden-Wunfch fit no daraufl Und im
Auge — ſchwimmt da nicht ein Wölkchen unvergefiner
Erden-£uft?
Es giebt auf Erden viel gute Erfindungen, die
einen nüßlich, die andern angenehm: derentwegen if
die Erde zu lieben.
Und manderlei fo gut Erfundenes giebt es da,
daß es ift wie des Weibes Bufen: nützlich zugleich
und angenehm.
Ihr Welt-Müden aber! Ihr Erden-Sauleni Euch
fol man mit Ruthen fireihen! Mit Authenftreichen
fol man euch wieder muntre Beine machen.
Denn: feid ihr nicht Kranke und verlebte Wichte,
deren die Erde müde ift, fo feid ihr ſchlaue Faulthiere
oder nafchhafte verkrochene Luſt⸗Katzen. Und wollt
ihr nicht wieder luſtig laufen, fo follt ie — dahin.
fahren!
An Unheilbaren foll man nicht Arzt fein wollen:
alfo lehrt es Sarathuftra: — fo follt ihr dahinfahren!
Aber es gehört mehr Muth dazu, ein Ende zu
maden, als einen neuen Ders: das wiflen alle Ärzte
und Dichter. —
* .
%
18.
Oh meine Brüder, es giebt Tafeln, welche die
Ermüdung, und Tafeln, welche die Faulheit fchuf, die
faulige: ob fie fhon glei reden, fo wollen fie doch
ungleich gehört fein. —
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302
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Seht hier diefen Derfhmachtenden! Nur eine Spanne
weit ift er noch von feinem Siele, aber vor Müdigkeit
hat er fich troßig hier in den Staub gelegt: diefer Tapferel
Dor Müdigkeit gähnt er Weg und Erde und Siel |
und fi} felber an: feinen Schritt will er noch weiter
thun, — diefer Tapferel t
Nun glüht die Sonne auf ihn, und die Hunde lecken |
nah feinem Schweiße: aber er liegt da in feinem
Trotze und will lieber verſchmachten: — |
— eine Spanne weit von feinem Siele verfhmadten!
Woahrlich, ihr werdet ihn noch an den Haaren in feinen
Himmel ziehen müfjen, — diefen Helden!
Beſſer noch, ihr laßt ihn liegen, wohin er fidh,
gelegt hat, daß der Schlaf ihm komme, der Tröſter,
mit Fühlendem Rauſche⸗Regen:
Laßt ihn liegen, bis er von felber wach wird, —
bis er von felber alle Müdigfeit widerruft und was
Müdigkeit aus ihm lehrtel |
Nur, meine Brüder, daß ihr die Hunde von ihm
ſcheucht, die faulen Schleicher, und all das fchwärmende
Gefchmeiß: — \
— all das fchwärmende Gejchmeiß der „Gebil-
deten”, das fih am Schweiße jedes Helden — gütlich |
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19
Ich ſchließe Ureiſe um mich und heilige Grenzen;
immer Wenigere ſteigen mit mir auf immer höhere Berge:
ich baue ein Gebirge aus immer heiligeren Bergen. —
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303
Wohin ihr aber auch mit mir fleigen mögt, oh
meine Brüder: feht zu, daß nicht ein Schmaroßer
mit euch fteigel
Schmaroßer: das ift ein Gewürm, ein Friechendes,
gefhmiegtes, das fett werden will an euren Franken
wunden Winkeln,
Und das ift feine Kunft, daß er fteigende Seelen
erräth, wo fie müde find: in euren Bram und Unmuth,
in eure zarte Scham baut er fein efles Neſt.
Wo der Starfe fhwah, der Edle allzumild iſt,
— dahinein baut er fein efles Neſt: der Schmaroßer
wohnt, wo der Große Fleine wunde Winfel hat.
Was ift die höchfte Art alles Seienden und was
"die geringfte? Der Schmaroger ift die gerinafte Art;
wer aber höchſter Art iſt, der ernährt die meiften
Schmaroger.
Die Seele nämlich, welche die längfte Leiter hat
und am tiefften hinunter kann: wie follten nicht an der
die meiften Schmaroßer fien? —
— die unfänglidfte Seele, welche am weiteften
in fih laufen und irren und fchweifen kann; die
nothwendiagfte, welhe fih aus Luft in den Zufall
ſtürzt: —
— die feiende Seele, welche in’s Werden taucht;
die habende, welche in’s Wollen und Verlangen will: —
— die fi felber fliehende, die ſich felber im
weiteften Kreife einholt; die weifefte Seele, welder
die Marrheit am füßeften zuredet: —
— die fi felber liebendfte, in der alle Dinge
ihr Strömen und Widerftrömen und Ebbe und Fluth
—·
— —— — — —*
Aiſo ſprach Zarathufra, 305
haben: — oh wie ſollte die höchſte Seele nicht die
ſchlimmſten Schmarotzer haben?
* %
»
20.
Oh meine Brüder, bin ich denn graufam? Aber
ih fage: was fällt, das foll man auch noch ftoßen!
Das Alles von Heute — das fällt, das verfällt: wer
wollte es halten! Aber ih — ich will es noch floßen!
Kennt ihr die Wolluſt, die Steine in fteile Tiefen
rollt? — Diefe Menfchen von Heute: feht fie doch, wie
fie in meine Tiefen rollen!
Ein Dorfpiel bin ich befjerer Spieler, oh meine
Brüderl Ein Beifpiell Thut nach meinem Beifpielel
- Und wen ihr nidt fliegen lehrt, den lehrt mir —
fhneller fallen! —
* %
%
21.
Ich Tiebe die Tapferen: aber es ift nicht genug, Hau⸗
Degen fein, — man muß auch wiffen Hau-fhauWenl
Und oft ift mehr Tapferkeit darin, daß: Einer an
fih hält und vorübergeht: damit er ſich dem würdigeren
Seinde anffparel
Ihr follt nur Feinde haben, die zu haffen find, aber
nicht Seinde zum Derachten: ihre müßt ftolz auf euren
Seind fein: alfo lehrte ich fchon Ein Mal,
Dem würdigeren feinde, oh meine Sreunde, follt
thr euch auffparen: darum müßt ihr an Dielem vorüber.
gehn, —
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— fonderlih an vielem Gefindel, das euch in die
Ohren lärmt von Volk und Dölfern,
Haltet euer Auge rein von ihrem für und Wider!
Da giebt es viel Necht, viel Unrecht: wer da zufteht,
wird zornig.
Dreinfhaun, dreinhaun — das ift da Eins: darum
geht weg in die Wälder und legt euer Schwert fchlafen!
Geht eure Wegel Und laßt Volk und Dölfer die
ihren gehn! — dunkle Wege wahrlich, auf denen auch
nicht Eine Hoffnung mehr wetterleuchtet!
Mag da der Krämer herrichen, wo Alles, was noch
glänzt — Krämer-Gold iftl Es ift die Seit der Könige
nicht mehr: was fih heute Dolf heißt, verdient Feine
Könige.
Seht do, wie diefe Dölfer jetzt felber den Krä⸗
mern gleich thun: fie lefen ſich die kleinſten Dortheile
noch aus jedem Kehricht!]
Sie lauern einander auf, fie lauern einander Etwas
ab, — das heißen fie „gute Nachbarſchaft“. Oh felige
ferne Seit, wo ein Volk ſich fagte: „ich will über Döl«
fer — Herr fein!“
Denn, meine Brüder: das Befte fol herrfchen, das
Befte will aud herrfhen! Und wo die Lehre anders
lautet, da — fehlt es am Beſten.
* *
%
22.
Wenn Die — Brod umfonft hätten, wehel Wonach
würden Die fchrein! Ihr Unterhalt — das ift ihre rechte
Unterhaltung; und fie follen es jchwer haben!
306
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Raubthiere find es: in ihrem „Arbeiten” — da ift
auch noch Rauben, in ihrem „Derdienen” — da ift auch
noch Überliftenl Darum follen fie es fchwer haben!
Beffere Raubthiere follen fie alfo werden, feinere,
Mügere, menfhen-ähnlichere: der. Menfch nämlich
ift das befte Raubthier.
Allen Thieren hat der Menſch fchon ihre Tugenden
abgeraubt: das madt, von allen Chieren hat es der
Menſch am fchwerften gehabt.
Nur no die Dögel find über ihm. Und wenn
der Menſch noch fliegen lernte, wehel wohinauf —
würde feine Raubluft fliegen]
*
%
23.
So will ih Mann und Weib: kriegstüchtig den
Einen, gebärtüctig das Andre, beide aber tanztüchtig
mit Kopf und Beinen.
Und verloren fei uns der Tag, wo nit Ein Mal
getanzt wurdel Und falſch heiße uns jede Wahrheit,
bei der es nicht Ein Gelächter gabl
% *
%
24.
Euer Ehefchließen: feht zu, daß es nit ein
fhlehtes Schließen feil Ihr fchloffet zu fchnell:
fo folgt daraus — Ehebrechen!
Und beffer noch Ehebrechen als Ehe-biegen, Ehe-
fügenl — So fprah mir ein Weib: „wohl brach ich
die Ehe, aber zuerft brach die Ehe — mid“
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Schlimm⸗Gepaarte fand ich immer als die ſchlimm⸗
ſten Rachſüchtigen: ſie laſſen es aller Welt entgelten,
daß ſie nicht mehr einzeln laufen.
Deßwillen will ich, daß Redliche zu einander
reden: „wir lieben uns: laßt uns zuſehn, daß wir uns
lieb behalten! Oder foll unfer Verſprechen ein Der-
fehen fein?*®
— „Gebt uns eine Stift und Fleine Ehe, daß wir
zufehn, ob wir zur großen Ehe taugenl Es ift ein
großes Ding, immer zu Zwein fein!“
Alfo rathe ich allen Redlihen; und was wäre denn
meine Liebe zum Übermenfhen und zu Allem, was
fommen foll, wenn id} anders riethe und redetel
Nicht nur fort ench zu pflanzen, fondern hinauf
— dazu, oh meine Brüder, helfe euch der Garten der
Ehel
% x *
25.
Wer über alte Urfprünge weife wurde, fiehe, der
wird zulegt nach Quellen der Zukunft fuchen und nad
neuen Urfprüngen. —
Oh meine Brüder, es iſt nicht über lange, da
werden neue Dölfer entfpringen und neue Quellen
hinab in neue Tiefen raufchen.
Das Erdbeben nämlich — das verfcüttet viel
Brunnen, das fchafft viel Verſchmachten: das hebt aud
innre Kräfte und Heimlichkeiten an’s Licht.
Das Erdbeben macht nene Quellen offenbar. Im
Erdbeben alter Dölker brechen neue Quellen aus.
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Und wer da ruft: „Siehe hier ein Brunnen für viele
Durſtige, Ein Herz für viele Sehnſüchtige, Ein Wille
für viele Werkzeuge”: — um Den ſammelt fi ein
Volk, das ift: viel Derfuchende,
Wer befehlen fann, wer gehorhen muß — Das
wird da verſucht! Ach, mit welch langem Suchen
und Nathen und Mißrathen und Lernen und Neu⸗Ver⸗
fuchen!
Die Menfchen-Gefellfchaft: die ift ein Verſuch, fo
lehre ich's, — ein langes Suchen: fie fucht aber den
Befehlenden! —
— ein Derfuh, oh meine Brüder! Und Bein
„Dertrag*| Zerbrecht, zerbreht mir fol Wort der
Weich⸗Herzen und Halb- und Halben!
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®
26.
Oh meine Brüder! Bei Welchen liegt doch die
größte Gefahr aller Menfchen-Sufunft? Iſt es nicht
bei den Guten und Gerehten? —
— als bei Denen, die fprehen und im Herzen
fühlen: „wir wifjen fchon, was aut ift und gerecht, wir
haben es auch; wehe Denen, die hier noch fuchen!“
Und was für Schaden auch die Böfen thun mögen:
der Schaden der Guten ift der fchädlichfte Schaden!
Und was für Schaden auch die Welt-Derleumder
thun mögen: der Schaden der Guten ift der fchädlichfte
Schaden,
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—
Oh meine Brüder, den Guten und Gerechten fah
Einer einmal in’s Berz, der da fprah: „es find die
Dharifäer*. Aber man verftand ihn nicht.
Die Guten und Gerechten felber durften ihn nicht
verftehen: ihr Geift ift eingefangen in ihr gutes Gewiſſen.
Die Dummheit der Guten ift unergründlicy Flug.
Das aber tft die Wahrheit: die Guten müffen
Dharifäer fein, — fie haben Feine Wahll
Die Guten müffen Den ?reuzigen, der fich feine
eigne Tugend erfindetl Das ift die Wahrheitl
Der Zweite aber, der ihr Land entdeckte, Land,
Herz und Erdreih der Guten und Gerechten: das war,
der da fragte: „wen haffen fie am meiften?*
Den Shaffenden haffen fie am meiften: Den, der
Tafeln briht und alte Werthe, den Brecher, — Den
heißen fie Derbrecher.
Die Guten nämlid — die können nicht fchaffen:
die find immer der Anfang vom Ende: —
— fie kreuzigen Den, der neue Werthe auf neue
Tafeln fchreibt, fie opfern fich die Zukunft, — fie
kreuzigen alle Menſchen⸗Zukunft!
Die Guten — die waren immer der Anfang vom
Ende —
— — — — — —
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— ———— —— ———— ————— — — —— — — —
— — — — —— an rn
27.
Oh meine Brüder, verſtandet ihr auch dies Wort?
Und was ich einft fagte vom „leßten Ulenfhen"? — —
Bei Welchen liegt die größte Gefahr aller Menfchen-
Sufunft? ft es nicht bei den Guten und Gerechten?
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Zerbrecht, zerbrecht mir die Guten und
Gerechten! — Oh meine Brüder, verſtandet ihr auch
dies Wort?
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28.
Ihr flieht von mir? Ihr feid erſchreckt? Ihr zittert
vor diefem Worte?
Oh meine Brüder, als idy euch die Guten zer-
brechen hieß und die Tafeln der Guten: da erft fchiffte
ich den Menſchen ein auf feine hohe See.
Und nun erft kommt ihm der große Schreden,
das große Um ⸗ſich⸗ſehn, die große Krankheit, der
große Efel, die große See-Krankheit.
Salihe Küften und falſche Sicherheiten Iehrten "
euch die Guten; in Lügen der Guten wart ihr geboren
und geborgen. Alles ift in den Grund hinein verlogen
und verbogen durch die Guten.
Aber wer das Land „Menfch* entdeckte, entdeckte
auch das Land „Menjhen-Hufunft“. Aun follt ihe mir
Seefahrer fein, wadere, geduldfamel
Aufreht geht mir bei Seiten, oh meine Brüder,
lernt aufrecht gehn! Das Meer flürmt: Diele wollen an
euch ſich wieder aufrichten.
Das Meer ftürmt: Alles ift im Meere. Wohlanl
Wohlaufl Ihr alten Seemanns-Herzen!
Was Daterland! Dorthin will unfer Steuer, wo
unfer Kinder-£and iſt! Dorthinaus, flärmifcher als
das Meer, ſtürmt unfre große Sehnſuchtl —
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29.
„Warum fo hart! — ſprach zum Diamanten einſt die
Küchen⸗Kohle; find wir denn nicht Nah-Derwandter" —
Warum fo weih? Oh meine Brüder, alfo frage
ich euch: feid ihr denn nicht — meine Brüder?
Warum fo weich, fo weichend und nachgebend ?
Warum ift fo viel Leugnung, Derlengnung in eurem
Herzen? So wenig Schicffal in eurem Blide?
Und wollt ihr nicht Schickſale fein und Unerbitt-
liche: wie Fönntet ihr mit mir — fliegen?
Und wenn eure Härte nicht bligen und fcheiden
und zerfchneiden will: wie Fönntet ihr einft mit mir
— fhaffen?
Die Schaffenden nämlidy find hart. Und Seligkeit
muß es euch dünken, eure Hand auf Jahrtaufende zu
drücden wie auf Wads, —
— Seligkeit, auf dem Willen von Jahrtanfenden zu
fhreiben wie auf Erz, — härter als Erz, edler als Erz.
Ganz hart ift allein das Edelfte.
Diefe neue Tafel, oh meine Brüder, ftelle ich über
euch: werdet hart! —
% *
*
30.
Oh du mein Willel Du Wende aller Noth, du meine
Xothwendigkeitl Bewahre mid vor allen kleinen Siegen!
Du Scdidung meiner Seele, die ih Schidfal
heigel Du In⸗mir! Über-mir! Bewahre und fpare mid
auf zu Einem großen Schidfalel
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Und deine letzte Größe, mein Wille, ſpare dir für
dein Kebtes auf, — daß du unerbittlich bit in deinem
Siegel Ach, wer unterlag nicht feinem Siegel
Ah, wefen Auge dunkelte nicht in Ddiefer
truntenen Dämmerungl Ad, weflen Fuß taumelte
nicht und verlernte im Siege — ftehen! —
— Daß id einft bereit und reif fei im großen
Mittage: bereit und reif gleich glühendem Erze, blit-
Ihwangrer Wolfe und fchwellendem Milh-Euter: —
— bereit zu mir felber und zu meinem verborgen-
fien Willen: ein Bogen bränftig nach feinem Pfeile, ein
Pfeil bränftig nad feinem Sterne: —
— ein Stern, bereit und reif in feinem Mlittage,
slühend, durchbohrt, ſelis vor vernichtenden Sonnen⸗
Pfeilen: —
— eine Sonne ſelber und ein unerbittlicher Sonnen⸗
Wille, zum Vernichten bereit im Siegen!
Oh Wille, Wende aller Noth, du meine Noth⸗
wendigfeit! Spare mich auf zu Einem großen Siegel — —
Alſo ſprach Sarathuftra.
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Der Geneſende.
1.
Eines Morgens, nicht lange nach feiner Räckkehr
zur Höhle, fprang Sarathuftra von feinem Lager auf
wie ein Toller, fchrie mit furdhtbarer Stimme und ge-
bärdete fih, als ob noch Einer auf dem Lager läge,
der nicht davon aufftehn wolle; und aljo tönte Zara⸗
thuftra’s Stimme, daß feine Chiere erſchreckt hinzu«
famen, und daß aus allen Höhlen und Schlupfwinfeln,
die Sarathuftra’s Höhle benachbart waren, alles Gethier
davon hufchte, — fliegend, flatternd, Friechend, fpringend,
wie ihm nur die Art von Fuß und Flügel gegeben war.
Sarathuftra aber redete diefe Worte:
Herauf, abgründlicher Gedanke, aus meiner Tiefel Jch
bin dein Hahn und Morgen-Brauen, verfchlafener Wurm:
aufl aufl Meine Stimme foll dich ſchon wach Frähen!
Knüpfe die Feſſel deiner Ohren los: horchel Denn
ih will di hören! Aufl Aufl Hier ift Donners genug,
dag auch Gräber horchen lernen!
Und wiſche den Schlaf und alles Blöde, Blinde
aus deinen Augen Höre mi auch mit deinen
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Augen: meine Stimme iſt ein Heilmittel noch für
Blindgeborne.
Und biſt du erſt wach, ſollſt du mir ewig wach
bleiben. Nicht iſt das meine Art, Urgroßmütter aus
dem Schlafe wecken, daß ich fie heiße — weiterſchlafen!
Du reoft dich, dehnft dich, röchelſt? Aufl Aufl
Nicht röcheln — reden follft du mir! Sarathuftra ruft
dich, der Gottlofel
Ich, Sarathuftra, der Sürfprecher des Lebens, der
Sürfprecher des Leidens, der Sürfprecher des Kreifes
— dich rufe ich, meinen abgründlichften Gedanken!
Beil mir! Du kommſt, — idy höre dihl Mein Ab⸗
grund redet, meine lehte Tiefe habe ih an's Licht
geftülptl -
Heil mirl Heranl Gieb die Hand — — hal Taf
Hahal — — Ekel, Eifel, Ekel — — — wehe mirl
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2.
Kaum aber hatte Sarathuftra diefe Worte ge
ſprochen, da flürzte er nieder gleidy einem Todten und
blieb lange wie ein Lodter. Als er aber wieder zu ſich
fam, da war er bleih und zitterte und blieb liegen
und wollte lange nicht effen noch trinfen. Soldes
Weſen dauerte an ihm fieben Tage; feine Chiere ver-.
ließen ihn aber nicht bei Tag und Nacht, es fei denn,
daß der Adler ausflog, Speife zu holen. Und was er
holte und zufammenraubte, das legte er auf Sarathuftra’s
Sager: alfo daß Sarathuftra endlih unter gelben und
rothen Beeren, Trauben, Nojenäpfeln, wohlriechendem
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Krautwerfe und Pinien⸗Zapfen lag. Zu feinen Füßen
aber waren zwei Lämmer gebreitet, welche der Adler
mit Mühe ihren Hirten abgeraubt hatte,
Endlih, nah fieben Tagen, richtete fi Hara-
thuftra auf feinem Lager auf, nahm einen Nofenapfel
in die Hand, roch daran und fand feinen Geruch lieb»
lich. Da glaubten feine Chiere, die Seit fei gelommen,
mit ihm 3u reden.
„Oh Sarathuftra, fagten fie, nun liegſt du ſchon
fieben Tage fo, mit fchweren Augen: willft du dich
nicht endlich wieder auf deine Füße ftellen ?
Tritt hinaus aus deiner Höhle: die Welt wartet
dein wie ein Garten. Der Wind fpielt mit fchweren
Wohlgerühen, die zu dir wollen; und alle Baãche
möchten dir nachlaufen.
Alle Dinge ſehnen ſich nach dir, dieweil du ſieben
Tage allein bliebſt, — tritt hinaus aus deiner Höhlel
Alle Dinge wollen deine Ärzte fein!
Kam wohl eine neue Erfenntniß zu dir, eine
faure, fchwere? Gleich angefäuertem Teige lagſt du,
deine Seele gieng auf und fchwoll über alle ihre
Ränder. —“
— Oh meine Thiere, antwortete Zarathuſtra, ſchwãtzt
alfo weiter und laßt mich zuhören! Es erquickt mich
fo, daß ihr ſchwätzt: wo gefchwäht wird, da liegt mir
ihon die Welt wie ein Garten,
Wie lieblich ift es, daß Worte und Töne da find:
find nicht Worte und Töne Begenbögen und Schein
Brüden zwifchen Ewig Geſchiedenem?
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Su jeder Seele gehört eine andre Welt; für jede
Seele ift jede andre Seele eine Hinterwelt.
Zwiſchen dem Ähnlichften gerade lügt der Schein
am fhönften; denn die Feinfte Kluft ift am fchwer-
ften zu überbrücken.
für mich — wie gäbe es ein Außer-mir? Es giebt
fein Außen! Aber das vergefien wir bei allen Tönen;
wie lieblicy ift es, daß wir vergeffen!
Sind nicht den Dingen Namen und Töne gefchentt,
daß der Menfh fih an den Dingen erquider Es ift
eine fchöne Narrethei, das Sprechen: damit tanzt der
Menfc über alle Dinge.
Wie lieblidy ift alles Reden und alle Lüge der Töne!
Mit Tönen tanzt unfre Liebe auf bunten Regenbögen. —
— „Oh Sarathuftra, fagten darauf die Chiere,
Soldhen, die denken wie wir, tanzen alle Dinge felber:
das kommt und reicht fi die Hand und lacht und
flieht — und fommt zurück.
Alles geht, Alles fommt zuräd; ewig rollt das
Rad des Seins. Alles ftirbt, Alles blüht wieder auf;
ewig läuft das Jahr des Seins.
Alles bricht, Alles wird neu gefügt; ewig baut ſich
das gleiche Haus des Seins. Alles fcheidet, Alles grüßt
fi wieder; ewig bleibt ſich treu der Ring des Seins.
In jedem Au beginnt das Sein; um jedes Hier rollt
fih die Kugel Dort. Die Mitte ift überal. Krumm
ift der Dfad der Ewigkeit.” —
— Oh ihr Schalks⸗ßVarren und Drehorgeln! ant-
wortete Sarathuftra und lächelte wieder, wie gut wißt
ihr, was fi} in fieben Tagen erfüllen mußte: —
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— und wie jenes Unthier mir in den Schlund kroch
und mich würgtel Aber ich biß ihm den Kopf ab und
fpie ihn weg von mir.
Und ihr, — ihr machtet ſchon ein Leier⸗CLied daraus?
Nun aber liege ich da, müde noch von diefem Beißen
und Wegſpein, krank noch von der eigenen Erlöfung.
Und ihr fhautet dem Allen zu? Gh meine
Chiere, ſeid audh ihr graufam? Habt ihr meinem
großen Schmerze zufhaun wollen, wie Menfchen thun?
Der Menſch nämlich ift das grauſamſte Chier.
Bei Trauerfpielen, Stierfämpfen und Kreuzigungen
ift es ihm bisher am wohlften geworden auf Erden;
und als er fih die Hölle erfand, fiehe, da war das fein
Himmel auf Erden.
Wenn der große Menſch fchreit —: flugs läuft
der Feine hinzu; und die Sunge hängt ihm aus dem
Halſe vor Lüſternheit. Er aber heißt es fein „Mit
leiden”.
Der Heine Menſch, fonderlich der Dichter — wie
eifrig Blagt er das Keben in Worten anl Hört hin,
aber überhört mir die Luft nicht, die in allem An-
klagen iftl
Sole Ankläger des Lebens: die überwindet das
£eben mit einem Augenblinzeln. „Du liebft mich? fagt
die Sreche; warte noch ein Wenig, noch habe ih für
dich nicht Zeit.”
Der Menſch ift gegen fi felber das graufamfte
Chier; und bei Allem, was ſich „Sünder“ und „Kreuz-
träger” und „Büßer“ heißt, Überhört mir die MWolluft
nicht, die in diefem Klagen und Anklagen iftl
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Und ich felber — will ich damit des Menſchen
Ankläger fein? Ach, meine Chiere, Das allein lernte ich
bisher, daß dem Menſchen fein Böfeftes nöthig ift zu
feinem Beften, —
— daß alles Böfefte feine befte Kraft ift und
der härtefte Stein dem höchſten Schaffenden; und daß
der Menſch beffer und böfer werden muß: —
Nicht an dies Marterholz war ich geheftet, daß
ih weiß: der Menſch ift böfe, — fondern ich fchrie,
wie noch Tliemand gefchrien hat:
„Ach, da fein Böfeftes fo gar Fein il Ach, dag
fein Beftes fo gar klein iftl“
Der große Überdruß am Menfhen — der würgte
mid und war mir in den Schlund gefrodhen: und. was
der Wahrfager wahrfagte: „Alles ift gleich, es lohnt
fih Nichts, Wiffen würgt.*
Eine lange Dämmerung hinfte vor mir her, eine
todesmüde, todestrunfene Traurigkeit, weldhe mit
gähnendem Munde redete.
„Ewig kehrt er wieder, der Menfch, deg du müde
bift, der Feine Menſch“ — fo gähnte meine Traurigfeit
und fchleppte den Fuß und Fonnte nicht einichlafen.
Sur Höhle wandelte fih mir die Menfchen-Erde,
ihre Bruſt fan? hinein, alles Lebendige ward mir
Menfchen-Moder und Unochen und morfche Der-
| sangenheit.
| Mein Seufzen jaß auf allen Menfchen-Gräbern und
| fonnte nicht mehr aufftehn; mein Senfzen und Fragen
unkte und würgte und nagte und Plagte bei Tag und
Vacht:
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— „ad, der Menfch Fehrt ewig wieder! Der Peine
Menfch Fehrt ewig wiederl" —
Xadt hatte ich einft Beide gefehn, den größten
Menſchen und den kleinſten Menfhen: allzuähnlich
einander, — allzumenfhlid auch den Größten noch!
Allzuflein der Größtel — das war mein Über
drug am Menfchenl Und ewige Wiederfunft auch des
Kleinftenl — das war mein Überdruß an allem Dafein!
Ah, Ekell Ekell Efell — — Alfo fprah Zara⸗
thuftra und feufzte und fchauderte; denn er erinnerte
fi feiner Krankheit. Da liegen ihn aber feine Chiere |
nicht weiter reden, |
,
„Sprih nicht weiter, du Benefender! — fo ant-
worteten ihm feine Chiere, fondern geh hinaus, wo die
Welt anf dich wartet gleich einem Garten.
Geh hinaus zu den Rofen und Bienen und Tauben-
fhwärmen! Sonderlich aber zu den Singe-Dögeln: daß |
dn ihnen das Singen ablernftl |
Singen nämlidy ift für Genefende; der Gefunde |
mag reden. Und wenn auch der Gefunde Lieder will,
will er andre Lieder doch, als der Geneſende.“
’
— „Gh ihre Schalfs-Harren und Drehorgeln, fo
fhweigt doh! — antwortete Sarathuftra und lächelte
über feine Thiere. Wie gut ihr wißt, welchen Troſt
ich mir felber in fieben Tagen erfand!
Daß ih wieder fingen müffe, — den Troft er
fand ich mir und diefe Genefung: wollt ihr auch daraus
gleich wieder ein Leier⸗CLied machen?” |
— — ————
— „Sprich nicht weiter, antworteten ihm abermals
ſeine Thiere; lieber noch, du Geneſender, mache dir
erſt eine Leier zurecht, eine neue Leier!
Denn fiehe doch, oh Zarathuſtral Su deinen neuen
£iedern bedarf es nener Leiern.
Singe und braufe über, oh Sarathuftra, heile mit
neuen Liedern deine Seele: daß du dein großes
Schickſal tragefi, das noch Feines Menſchen Schid
fal warl
Denn deine Chiere wiffen es wohl, oh Sarathuftra,
wer du bift und werden mußt: fiehe, du bift der
Lehrer der ewigen Wiederfunft —, das ift nun
dein Schickſall
Daß du als der Erfte diefe Lehre lehren mußt,
— wie follte dies große Schieffal nit auch deine
größte Gefahr und Krankheit fein!
Siehe, wir wiflen, was du lehrft: daß alle Dinge
ewig wiederfehren und wir felber mit, und daß wir
fhon ewige Male dagewejen find, und alle Dinge
mit uns.
Du lehrft, daß es ein großes Jahr des Werdens
giebt, ein Ungeheuer von großem Jahre: das muß fidh,
einer Sanduhr gleich, immer wieder von Neuem um-
drehn, damit es von Nenem ablaufe und auslaufe: —
— fo daß alle diefe Jahre fi felber aleich find,
im Größten und auch im Kleinften, — fo daß wir
felber in jedem großen Jahre uns felber glei find,
im Größten und auch im Kleinften.
Und wenn du jetzt fterben wollteft, oh Sarathuftra:
fiehe, wir wiſſen auch, wie du da zu. dir fprechen
Alfo ſprach Zarathuftra. 321 a
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| würdeſt: — aber deine Chiere bitten dich, daß du noch
nicht fterbeftl
Du würdeft fprehen und ohne Sittern, vielmehr auf.
athmend vor Seligfeit: denn eine große Schwere und
Schwüle wäre von dir genommen, du Beduldigfterl —
Nun fterbe und fchwinde ich, würdeft du fprechen,
und im Xu bin ich ein Nichts. Die Seelen find fo
fterblih wie die Zeiber.
Aber der Knoten von Urſachen Fehrt wieder, in
den ich verfchlungen bin, — der wird mich wieder
fhaffen! Ich felber gehöre zu den Urfachen der ewigen
Wiederkunft.
Ich fomme wieder, mit diefer Sonne, mit diefer Erde,
mit diefem Adler, mit diefer Schlange — nicht zu einem
nenen Leben oder befjeren Leben oder ähnlichen Leben:
— id; fomme ewig wieder zu diefem gleichen und
felbigen Leben, im Größten und auch im XKleinften,
daß ich wieder aller Dinge ewige Wiederkfunft lehre, —
— daß ich wieder das Wort fpreche vom großen
Erden und Menfchen-Mittage, daß ich wieder den
Menfhen den Übermenfchen künde.
Ich fprady mein Wort, ich zerbrehe an meinem
Wort: fo will es mein ewiges £oos —, als Derfündiger
gehe ich zu Srundel
Die Stunde fam nun, daß der Untergehende fich
ſelber ſegnet. Alſo — endet Harathuftra’s Unter
gang." — —
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Als die Thiere dieſe Worte geſprochen hatten,
ſchwiegen fie und warteten, daß Sarathuſtra Etwas
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zu ihnen fagen werde: aber &arathuftra hörte nicht,
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daß ſie ſchwiegen. Vielmehr lag er ſtill, mit ge⸗ |
fhloffenen Augen, einem Schlafenden ähnlih, ob er ;j
fhon nicht fhlief: denn er unterredete fi eben mit |
feiner Seele. Die Schlange aber und der Adler, als fie !
ihn folchermaßen fchweigfam fanden, ehrten die große
Stille um ihn und madıten fi} behutfam davon.
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Don der großen Sehnſucht.
©h meine Seele, ich lehrte dich „Heute“ fagen wie
„Einft” und „Ehemals“ und über alles Hier und Da und
Dort deinen Reigen hinweg tanzen.
Oh meine Seele, ich erlöfte dich von allen Winkeln,
ich Fehrte Staub, Spinnen und Swielicht von dir ab.
Oh meine Seele, ich wuſch die Fleine Scham und
die Winkel» Tugend von dir ab und überredete dich,
nadt vor den Augen der Sonne zu ftehn.
Mit dem Sturme, welcher „Geiſt“ heißt, blies ich
über deine wogende See; alle Wolfen blies ich davon,
ih erwürgte felbft die Würgerin, die „Sünde” heißt.
Oh meine Seele, ich gab dir das Recht, Nein zu
fagen wie der Sturm, und Ja zu fagen, wie offner
Himmel Ja fagt: ftill wie Licht ftehft du und gehſt
du nun duch verneinende Stürme.
Oh meine Seele, ich gab dir die Freiheit zurüd
über Erihaffnes und Unerfchaffnes: und wer kennt,
wie du fie Fennft, die Wolluft des Sufünftigen ?
Oh meine Seele, ich lehrte dich das Deradten, .
das nicht wie ein Wurmfraß fommt, das große, das
liebende Derachten, welches am meiften liebt, wo es am
meiften verachtet,
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ſ Oh meine Seele, ich lehrte dich ſo überreden, daß —
du zu dir die Gründe ſelber überredeſt: der Sonne
gleich, die das Meer noch zu ihrer Höhe überredet.
Oh meine Seele, ich nahm von dir alles Gehorchen,
Kniebeugen und Herr⸗Sagen; ich gab dir ſelber den
Namen „Wende der Noth“ und „Schickſal“.
Oh meine Seele, ih gab dir neue Namen und
bunte Spielwerfe, ih hieß dih „Schickfal" und „Um-
fang der Umfänge“ und „Nabelſchnur der Seit“ und
„azurne Glocke“.
Oh meine Seele, deinem Erdreih gab ich alfe
Weisheit zu trinten, alle neuen Weine und auch alle
unvordenklich alten ftarfen Weine der Weisheit.
Oh meine Seele, jede Sonne goß ich auf dih und
jede Nacht und jedes Schweigen und jede Sehnfucht: —
da wuchſeſt du mir auf wie ein Weinſtock.
Oh meine Seele, überreih und fchwer ftehft du
nun da, ein Weinftocd mit fchwellenden Eutern und
gedrängten braunen Bold-MWeintrauben: —
— gedrängt und gedrückt von deinem Glücke,
wartend vor Überfluffe und ſchamhaft noch ob deines
Wartens.
Oh meine Seele, es giebt nun nirgends eine Seele,
die liebender wäre und umfangender und umfänglicher!
Wo wäre Zukunft und Dergananes näher beifammen
als bei dir?
Oh meing Seele, ich gab dir Alles, und alle meine
Hände find an dich leer geworden: — und nun! Nun
fagft du mir lächelnd und voll Schwermuth: „Wer von
uns hat zu danfen? —
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— hat der Geber nicht zu danken, daß der
Xehmende nahm? Iſt Schenken nicht eine VNothdurft?
Iſt Nehmen niht — Erbarmen?” —
Oh meine Seele, ich verfiche das Lächeln deiner
Schwermuth: dein Über-Reihthum felber firedt nun
fehnende Hände aus!
Deine Fülle biit über branfende Meere hin und
fucht und wartet; die Sehnfucht der Über-fülle blickt
aus deinem lächelnden Augen-Kimmell
Und wahrlih, oh meine Seele! Wer fähe dein
Säheln und fchmölze nicht vor Thränen? Die Engel
felber fchmelzen vor Thränen ob der Über-Güte deines
Sächelns.
Deine Güte und Über-Güte ift es, die nicht Magen
und weinen will: und doch fehnt fih, oh meine Seele,
dein Lächeln nah Thränen und dein zitternder Mund
nah Schluchzen.
„ft alles Weinen nicht ein Klagen? Und alles
Klagen nicht ein Anflagen?* Alfo redeft du zu dir
felber, und darum mwillft du, oh meine Seele, lieber
lächeln, als dein Leid ausfchütten
— in fürzende Chränen ausfchütten all dein Keid
über deine Fülle und über all die Drängniß des Wein-
ftods nach Winzer und Winzermeffer!
Aber willft du nicht weinen, nicht ausweinen deine
purpurne Schwermuth, fo wirft du fingen müſſen,
oh meine Seelel — Siehe, ich lächle felber, der ich dir
folhes vorherfage:
— fingen, mit braufendem Geſange, bis alle Meere
ftill werden, daß fie deiner Sehnſucht zuhorchen, —
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— bis über ſtille ſehnſüchtige Meere der Nachen
[hwebt, das güldene Wunder, um deffen Gold alle
guten fchlimmen wunderlichen Dinge hüpfen: —
— auch vieles große und Feine Gethier und Alles,
was leichte wunderliche Füße hat, daß es auf veildhen-
blauen Pfaden laufen kann, —
— hin zu dem güldenen Wunder, dem freiwilligen
Nahen und zu feinem Herrn: das aber ift der Winzer,
der mit diamantenem Winzermeffer wartet, —
— dein großer Löſer, oh meine Seele, der Namen
lofe — — dem zufünftige Gefänge erft Namen finden!
Und wahrlich, fhon duftet dein Athem nach zufünftigen
Gefängen, —
— fhon glühft du und träumft, fchon trinfft du
durftig an allen tiefen Mingenden Troft-Brunnen, fchon
ruht deine Schwermuth in der Seligfeit " zufünftiger
Gefängel — —
Oh meine Seele, nun gab ich dir Alles und auch
mein Letztes, und alle meine Hände find an dich leer
geworden: — daß ih dich fingen hieß, fiehe,
das war mein Letztes!
Daß ih dih fingen hieß, fprih nun, fprich:
wer von uns hat jegt — zu danken? — Beſſer aber
noch: finge mir, finge, oh meine Seelel Und mid; laß
danken! —
Aljo fprach Sarathuftra.
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Das andere Tanzlicd.
1.
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In dein Auge fchaute ich jüngft, oh Leben: Gold f
fah ich in deinem Vacht⸗Auge blinfen, — mein herz |
ftand fill vor diefer Wolluft: |
— einen goldenen Kahn fah ich blinfen auf näd» |,
tigen Gewäffern, einen finfenden, trinfenden, wieder |)
winkenden goldenen Scaufel-Kahn!
Vach meinem Fuße, dem tanzwüthigen, warfft du
einen Blick, einen lachenden fragenden fchmelzenden
Schaukel⸗Blick:
Zwei Mal nur regteſt du deine Klapper mit kleinen
Händen — da fchanfelte ſchon mein Fuß vor Tanz.
Wuth. —
Meine Serfen bäumten fi, meine Sehen hordıten,
dich zu verftehen: trägt doch der Tänzer fein Ohr —
in feinen Sehen!
Su dir hin fprang id: da flohft du zurüd vor
meinem Sprunge; und gegen mich züngelte deines
fliehenden fliegenden Haars Sungel
Don dir weg fprang ich und von deinen Schlangen:
da ftandft du fchon, halbgewandt, das Auge voll Der«
| langen. Ä
Mit frummen Blicken — lehrſt du mid krumme
Bahnen; auf Frummen Bahnen lernt mein Su —
Tüden!
Ich fürchte dich Nahe, ich liebe dich Ferne; deine
Flucht lodt mid, dein Suchen ſtockt mih: — id
leide, aber was litt ih um dich nicht gernel
Deren Kälte zündet, deren Haß verführt, deren
Flucht bindet, deren Spott — rührt:
— wer hafte di nicht, dich große Binderin,
Umwinderin, Derfucherin, Sucerin, Sinderini Wer
liebte dich nicht, dich unfchuldige, ungeduldige, winds-
eilige, findsäugige Sünderin!
Wohin ziehft du mich jett, du Ausbund und Un.
band? Und jetzt fliehft du mich wieder, du füßer
Wildfang und Undank! .
Ich tanze dir nach, ich folge dir auch auf geringer
Spur. Wo bift du? Gieb mir die Hand! Oder einen
Singer nurl
Hier find Höhlen und Didlichte: wir werden uns
verirren! — Haltl Steh ftilll Siehft du nicht Eulen und
$ledermäufe fchwirren ?
Dun Eulel Du Sledermaus! Du willſt mich äffen?
Wo find wir? Don den Hunden lernteft du dies
Beulen und Kläffen.
Du fletfcheft mich lieblich an mit weißen Sähnlein,
deine böfen Augen ſpringen gegen mich aus lockichtem
Mähnlein!
Das iſt ein Canz über Stock und Stein: ich bin der
Jäger, — willſt du mein Hund oder meine Gemſe fein?
Jet neben mirl Und gefhwind, du boshafte
Springetia! Jest Enznfl Und birüberl — Wehe! Da
fiel ich ielber im Springen bin!
Ob fie mih lesen, du Übernız:h, und Gnade
fein! Gerne ri&te ib mit dir — liebſichere Pizde gehn!
— der Siebe ide durch file bunte Büichel
Mder dort den See entlang: da jkwimmen umd tanzen
5:2 &el
Du bi jegt müde? Da drüben jind Schafe md
Ubendrötben: it es wicht fon, zu ſchlafen, wenn
Schäfer jlöten?
Du bif fo arg müde? Ich trage di kin, la nur
die Arme finten! Und haft du Durſt, — ich hätte wohl
Etwas, aber dein Mund will es nicht trinfen! —
— Oh diefe verfindhte flinfe gelenfe Schlange und
Schlupf-Herel Wo bit du hin? Aber im Gefidyt fühle
ih von deiner Hand zwei Tupfen und rotbe Klerel
Ih bin es wahrlidh müde, immer dein [chafichter
Schäfer zu fein! Du Here, habe ich dir bisher gefungen,
nun folft du mir — fchrein!
Yah dem Takt meiner Peitfhe fol du mir
tanzen und ſchrein! Ich vergaß doc die DPeitiche
nit? — Neinl“ —
2.
Da antwortete mir das Leben aljo und hielt ſich
dabei die zierlichen Ohren zu:
„Oh Sarathuftral Klatihe doch nicht fo fürchter-
lich mit deiner Peitſchel Du weißt es ja: Lärm mordet
u... 0m 0 — ———ö—————— — en DIENEN an — — — —
ur ran mern com wenn. — Pr weg — — ——
330
—
Gedanken, — und eben kommen mir ſo zärtliche Ge⸗
danken.
Wir ſind Beide zwei rechte Thunichtgute und
Thunichtböſe. Jenſeits von Gut und Böſe fanden wir
unfer Eiland und unfre grüne Wiefe — wir Swei allein!
Darum müſſen wir ſchon einander gut fein!
Und lieben wir uns audy nicht von Grund aus —,
muß man fi} denn gram fein, wenn man fi} nicht
von Grund aus liebt?
Und daß ich dir gut bin und oft zu aut, Das
weißt du: und der Grund ift, daß ich auf deine Weisheit
eiferfüchtig bin. Ah, diefe tolle alte Närrin von Weisheit!
Wenn dir deine Weisheit einmal davonliefe, gchl
da liefe dir fchnell auch meine Kiebe noch davon.” —
Darauf blidte das Leben nachdenklich Hinter ſich
und um ſich und fagte leife: „Oh Sarathuftra, du bift
mir nicht treu genugl
Du liebſt mich lange nicht fo fehr wie du redeft;
ih weiß, du den?ft daran, dag du mich bald verlafjen
willft.
Es giebt eine alte fchwere ſchwere Brumm⸗Glocke:
die brummt Nachts bis zu deiner Höhle hinauf: —
— hörft du diefe Glode Mitternachts die Stunde
ſchlagen, fo denkſt du zwiſchen Eins und Swölf daran —
— du denkſt daran, oh Sarathuftra, ich weiß es,
daß du mich bald verlaffen willſtl“ —
„Ja, antwortete ich zögernd, aber du weißt es
auch —* Und ich fagte ihr Etwas in’s Ohr, mitten
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Ob Menich! Gieb Asıl
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Was fpridt die tiefe Mittzmatt?
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„eins tiefem Traum bin ih erwadt: —
Fünfl
„Dir Welt iſt tief,
Sedsl
„nd tiefer als der Tag gedadıt.
Siebenl
„Tief ift ihre Weh —,
332
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Acht!
„Luft — tiefer noch als Herzeleid:
Neunl
„Weh ſpricht: Dergehl
Zehn!
„Doch alle Cuſt will Ewigkeit —,
Elf!
u will tiefe, tiefe Ewigkeit!“
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Die ſieben Siegel.
(Oder: das Ja- und Amen ⸗Lied.)
1.
Wenn ich ein Wahrſager bin und voll jenes
wahrſageriſchen Geiſtes, der auf hohem Joche zwiſchen
zwei Meeren wandelt, —
zwiſchen Vergangenem und Zukünftigem als ſchwere
Wolke wandelt, — ſchwülen Niederungen feind und
Allem, was müde iſt und nicht ſterben noch leben kann:
zum Blitze bereit im dunklen Buſen und zum er—
löſenden Lichtſtrahle, ſchwanger von Blitzen, die Jal
ſagen, Jal lachen, zu wahrſageriſchen Blitzſtrahlen: —
— felig aber ift der alfo Schwangerel Und wahr⸗
fi, lange muß als ſchweres Wetter am Berge hängen,
wer einft das Licht der Zukunft zünden folll —
oh wie follte ich nicht nach der Ewigkeit brünftig
fein und nad; dem hochzeitlichen Ring der Ringe, —
dem Ring der Wiederkunft!
Nie noch fand ich das Weib, von dem ich Kinder
mochte, es fei denn diefes Weib, das ich liebe: denn ich
liebe dich, oh Ewigkeit!
Denn ich liebe dich, oh Ewigkeit!
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— — —— — — —— — —
Wenn mein Sorn je Gräber brach, Grenzſteine
rückte und alte Tafeln zerbrochen in ſteile Tiefen rollte:
wenn mein Hohn je vermoderte Worte zerblies,
und ich wie ein Befen fam den Kreuzfpinnen und als
Segewind alten verdumpften Grabfammern:
wenn ich je frohlodend faß, wo alte Götter be-
graben liegen, weltfegnend, weltliebend neben den
Dentmalen alter Welt-Derleumder: —
— denn felbft Kirchen und Gottes. Gräber liebe
{h, wein der Himmel erft reinen Auges durd ihre
zerbrochenen Deden blickt; gern fie ich gleich Gras
und rothem Mohne auf zerbrochnen Kirchen —
oh wie follte ich nicht nach der Ewigkeit brünftig
fein und nah dem hochzeitlihen Xing der Ringe,
— dem Ring der Wiederfunft?
ie noch fand ich das Weib, von dem ich Kinder
mochte, es fei denn diefes Weib, das ich liebe: denn
ich liebe dich, oh Ewigkeit!
Denn ich liebe dich, oh Ewigkeit)
* I)
®
3.
Wenn je ein Bauch zu mir fam vom fchöpferifchen
Hauche und von jener himmlifchen Noth, die noch
Öufälle zwingt, Sternen-Reigen zu tanzen:
wenn ich je mit dem Laden des fchöpferifchen
— — — — —
— — —— — —
—— ⸗—— — — — — GE DE — ©
— — — — — —
335
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WEM Um. GEBE GEGEN ——— — ———————— — ————— EEE EEE —————— — —— — — —
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hinein zwiſchen ihre verwirrten gelben thörichten Baar:
Sotteln.
„Du weißt Das, oh Zarathuſtra? Das weiß
Niemand. — —
Und wir fahen uns an und blicten auf die grüne
Wiefe, über welche eben der fühle Abend lief, und
weinten mit einander. — Damals aber war mir das
Leben lieber, als je alle meine Weisheit. —
Alfo fprah Sarathuftra.
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3.
Einsl
Oh Menfhl Gieb Acht!
Sweil
Was fpricht die tiefe Mitternacht?
Dreil
„Ich ſchlief, ich ſchlief >
Dierl
„Aus tiefem Traum bin ih erwadt: —
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„Die Welt iſt tief,
Sedsl
„And tiefer als der Tag gedadıt.
Sieben!
„Tief ift ihr Weh —,
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„Weh ſpricht: Vergehl
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Wenn meine Tugend eines Tänzers Tugend ift,
und ih oft mit beiden Füßen in gold-fmaragdenes
Entzüden fprang:
wenn meine Bosheit eine lachende Bosheit ift,
heimifch unter Rofenhängen und Lilien⸗Hecken:
— im Lachen nämlich ift alles Böfe bei einander,
aber heilige‘ und losgefprohen durch feine eigne
Seligkeit: —
und wenn Das mein A und © ift, daß alles
Schwere leicht, aller Leib Tänzer, aller Geiſt Dogel
werde: und wahrlich, Das ift mein A und Ol —
oh wie follte ich nicht nach der Ewigkeit brünftig
fein und nad dem hocyzeitlihen Ring der Ringe, —
dem Xing der Wiederkunft?
ie noch fand ich das Weib, von dem ich Kinder
mochte, es fei denn diefes Weib, das ich liebe: denn
ich liebe dich, oh Ewigkeit!
Denn ich liebe dich, oh Ewigfeitl
7.
Wenn ih je ftille Himmel über mir ausſpannte
und mit eignen Slügeln in eigne Himmel flog:
wenn ich fpielend in tiefen Licht-Fernen ſchwamm
und meiner Sreiheit Dogel-Weisheit fam: —
— fo aber fpricht Dogel-Weisheit: „Siehe, es giebt
fein Oben, Fein Unten! Wirf dich umher, hinaus, zurüd,,
du Keichter! Singel fprich nicht mehr!
338
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— „find alle Worte nicht für die Schweren ge⸗
maht? Lügen dem Leichten nicht alle Worte? Singel
ſprich nicht mehr!“ —
oh wie ſollte ich nicht nach der Ewigkeit brünſtig
fein und nah dem hochzeitlichen Ring der Ringe, —
dem Bing der Wiederfunft?
Nie noch fand ich das Weib, von dem ich Kinder
mochte, es fei denn diefes Weib, das ich liebe: denn
ich liebe dich, oh Ewigkeit!
Denn id liebe dich, oh Ewigkeit!
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Alſo
ſprach Sarathuſtra.
vVierter und letzter Cheil.
Ach, wo in der Welt geſchahen größere
Chorheiten, als bei den mitleidigen ? Und
was in der Welt ſtiftete mehr Leid, als
die Chorheiten der Mitleidigen?
Wehe allen £tebenden, die nicht noch
eine Höhe haben, welche über ihrem
Mitleiden if!
Alfo fprach der Teufel einft zu mir:
„auch Bott hat feine Hölle: das iſt feine
£iebe zu den Menſchen.“
Und jüngfi hörte Ich ihn dies Wort
fagen : „Gott iſt todt; an feinemMlitleiden
mit den Menſchen iſt Gott geſtorben.“
Alſo ſprach Zarathuſtra IL, p. 130.
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Das Honig-Öpfer.
— Und wieder liefen Monde und Jahre über
Sarathuftra’s Seele, und er achtete defjen nicht; fein
Baar aber wurde weiß. Eines Tages, als er auf einem
Steine vor feiner Höhle faß und ftill hinausſchaute,
— man fhaut aber dort auf das Meer hinaus, und
hinweg über gewundene Abgründe —, da giengen
feine Chiere nachdenklich um ihn herum und ftellten
fih endlich vor ihn hin.
„Oh Zarathuftra, fagten fie, fchauft du wohl aus
nach deinem Glücke?“ — „Was liegt am Slüdel ant-
wortete er, ih trachte lange nicht mehr nad Glücke,
ih trachte nach meinem Werke.” — „Oh Sarathuftra,
redeten die Chiere abermals, Das faoft du als Einer,
der des Guten übergenug hat. Liegſt du nicht in einem
himmelblauen See von Glück?“ — „Ihr Schalks⸗Varren,
antwortete Zarathuftra und lächelte, wie gut wähltet ihr
das Gleihnigl Aber ihr wißt auch, daß mein Glück
{hwer ift, und nit wie eine flüffige Wafferwelle: es
drängt mich und will nidt von mir, und thut gleich
gefhmolzenem Peche.“ —
“nme — ne 0 — - mm wer Tem. — —— —— — ——.
— — —— nen un mu 7
Da giengen die Thiere wieder nachdenklich um ihn
herum und ſtellten ſich dann abermals vor ihn hin.
"00h Sarathuftra, fagten fie, daher alfo fommt es, daß
du ſelber immer gelber und dunkler wirft, obfchon
+ dein Haar weiß und flächfern ausfehen will? _ Siehe
hi doch, du fiteft im deinem Pechel“ — „Was fagt ihr
! da, meine Chiere, fagte Sarathuftra und lachte dazu, ;'
wahrlih, ich läfterte, als ih von Peche fprah. Wie :
mir gefchieht, fo geht es allen Früchten, die reif werden. ı
Es ift der Honig in meinen Adern, der mein Blut
dider und auch meine Seele ftiller madt.“ — „So
wird es fein, oh Sarathuftra, antworteten die Chiere
: umd drängten fih an ihn; willft du aber nicht heute
ı auf einen hohen Berg fleigen? Die £uft ift rein, umd
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man ‚fieht heute mehr von der Welt als jemals.” —
„Ja, meine Chiere, antwortete er, ihr rathet trefflich
: amd mir nad dem Berzen: ich will heute auf einen
: hohen Berg fteigen! Aber forgt, daß dort Honig mir
i zur Band fei, gelber, weißer, guter, eisfrifher Waben-
Goldhonig. Denn wifjet, ich will droben das Honig-
| Opfer bringen.” —
Als Sarathuftra aber oben auf der Höhe war, fandte
| er die Chiere heim, die ihn geleitet hatten, und fand,
|
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daß er nunmehr allein fei: — da ladıte er aus ganzem
Herzen, fah fih nm und ſprach alfo:
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Daß ich von Opfern ſprach und Honig-Opfern, eine
gift war's nur meiner Nede und, wahrlih, eine nüß-
| lihe Chorheitl Bier oben darf ich fchon freier reden,
als vor Einfiedler-Höhlen und Einfiedler-Hausthieren.
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Was opfern! Ich verſchwende, was mir geſchenkt |
ı wird, ich Derfchwender mit taufend Händen: wie dürfte
: ih Das noh — Opfern heißen!
Und als ih nach Honig begehrte, begehrte ih nur
nad Köder und füßem Seime und Schleime, nad dem
auh Brummbären und munderlihe mürrifche böfe
Dögel die Sunge leden: Ä
— nad dem beften Köder, wie er Jägern und |
Sifhfängern noth thut. Denn wenn die Welt wie ein
dunkler Chierwald ift und aller wilden Jäger Luſtgarten, |
|
fo dünft fie mich noch mehr und lieber ein abgründ-
liches reiches Meer,
— ein Meer voll bunter Sifhe und Krebfe, nad
|
|
dem es auch Götter gelüften möchte, daß fie an ihm ||
zu Sifchern würden und zu We-Auswerfern: fo reih ||
ift die Welt an Wunderlihem, großem und Meinem! |:
Sonderlih die Menfhen-Welt, das Menfchen- |
Meer: — nah dem werfe ih num meine goldene
Angelruthe aus und ſpreche: thue dich auf, du Mlenfchen- |
Abgrund! |
Chue di auf und wirf mir deine Fiſche und
Gliter-Krebfe zul Mit meinem beften Köder Födere
ich mir heute die wunderlichften Menſchen⸗-Fiſche!
— mein Slüd felber werfe ih hinaus in alle |
Weiten und Sernen, zwifchen Aufgang, Mittag und
Niedergang, ob nicht an meinem Glücke viele Menſchen⸗ |
Fiſche zerrn und zappeln lernen,
bis fie, anbeißend an meine fpiten verborgenen |
Hafen, hinauf müffen in meine Höhe, die bunteften |
— — — — ER BT. — —
— — — — — — — pn ee
— — — — — — — — —
— — — — — —— —
345
Abgrund - Sründlinge zu dem boshaftigften aller Men⸗
ſchen⸗Fiſchfänger.
Der nämlich bin ich von Grund und Anbeginn,
ziehend, heranziehend, hinaufziehend, aufziehend, ein
Sicher, Züchter und Zuchtmeiſter, der fich nicht um⸗
ſonſt einſtmals zuſprach: „Werde, der du biſt!“
Alſo mögen nunmehr die Menſchen zu mir hinauf
kommen: denn noch warte ich der Zeichen, daß es Zeit
ſei zu meinem Niedergange; noch gehe ich ſelber nicht
unter, wie ich muß, unter Menſchen.
Dazu warte ich hier, liſtig und ſpöttiſch auf hohen
Bergen, kein Ungeduldiger, kein Geduldiger, vielmehr
Einer, der auch die Geduld verlernt hat, — weil er
nicht mehr „duldet“.
Mein Schickſal nämlich läßt mir Zeit: es vergaß
mich wohl? Oder fit es hinter einem großen Steine
im Schatten und fängt Sliegen ?
Und wahrlid, ic; bin ihm gut darob, meinem ewigen
Schickſale, daß es mich nicht hebt und drängt und mir
Seit zu Poffen läßt und Bosheiten: alfo daß ich heute
zu einem Fifchfange auf diefen hohen Berg ftieg.
Sieng wohl je ein Menfh auf hohen Bergen
Sifhe? Und wenn es audh eine Thorheit ifl, was ich
hier oben will und treibe: befjer noch Dies, als daß
ich da unten feierlih würde vor Warten und grün und
gelb —
— ein gefpreitter Zornſchnauber vor Warten, ein
heiliger Heule-Sturm aus Bergen, ein Ungeduldiger, der
in die Thäler hinab ruft: „Hört, oder ich peitfche euch
mit der Geißel Gottes!“
546
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richt daß ich folhen Sürnern darob gram würdel
zum Laden find fie mir gut genung!l Ungeduldig
müffen fie fchon fein, diefe großen Lärmtrommeln,
welche heute oder niemals zu Worte kommen!
Ich aber und mein Schidfal — wir reden nicht
zum Heute, wir reden auch nicht zum Niemals: wir
haben zum Neden fchon Geduld und Seit und Über
zeit. Denn einft muß er doch kommen und darf nicht
vorübergehn.
Wer muß einft fommen und darf nidht vorüber-
gehn? Unfer großer Bazar, das ift unfer großes fernes
Menfhen-Neih, das Zarathuſtra⸗Reich von taufend
Jahren — —
Wie ferne mag foldhes „Ferne“ fein? was gehts
mih an! Aber darum fteht es mir dody nicht minder
fett —, mit beiden Füßen ftehe ich ficher auf diefem
Grunde,
— auf einem ewigen Grunde, auf hartem Urge-
fteine, auf diefem höchſten härteften Urgebirge, zu dem
alle Winde fommen als zur Wetterfcheide, fragend nach
Wo? und Woher? und Wohinaus?
Bier lache, lache, meine helle heile Bosheitl Don
hohen Bergen wirf hinab dein gligerndes Spott- Ge-
lächter! Ködere mit deinem Glitzern mir die fchönften
Menſchen⸗Fiſche!
Und was in allen Meeren mir zugehört, mein
An⸗und⸗für⸗mich in allen Dingen — Das fiſche mir
heraus, Das führe zu mir herauf: deß warte ich, der
boshaftigfte aller Fiſchfänger.
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Hinaus, hinaus, meine Angell Hinein, hinab, Köder .
meines Glücks! Cräufle deinen ſüßeſten Chau, mein
Herzens⸗Honigl Beiße, meine Angel, in den Bauch 1
aller fhwarzen Trübjall a
Binaus, hinaus, mein Angel Oh welde vielen 1:
Meere rings um mic, welch dämmernde Menfhen :
Sufünftel Und über mir — welch rofenrothe Stille! |
Welch entwölktes Schweigen! N
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Der Nothſchrei.
Des nädjften Tages faß Sarathuftra wieder auf
feinem Steine vor der Höhle, während die hiere
draußen in der Welt herumfchweiften, daß fie neue
Nahrung heimbrädhten, — auch neuen Honig: denn Zara⸗
thuftra hatte den alten Honig bis auf das lebte Korn
verthan und verfchwendet. Als er aber dermaßen da»
faß, mit einem Steden in der Hand, und den Schatten
feiner Geftalt auf der Erde abzeichnete, nachdenkend,
und wahrlih! nicht über fih und feinen Schatten —
da erfchraf er mit Einem Male und fuhr zufammen:
denn er fahe neben feinem Schatten noch einen andern
Schatten. Und wie er fchnell um fih blickte und auf-
ftand, fiehe, da ftand der Wahrfager neben ihm, der-
felbe, den er einftmals an feinem Tiſche gefpeift und
getränft hatte, der Derfündiger der großen Müdigkeit,
welcher lehrte: „Alles ift gleich, es lohnt fih Nichts,
Welt ift ohne Sinn, Wiffen würgt”. Aber fein Antlitz
hatte fi inzwifchen verwandelt; und als ihm Zara-
thuftra in die Augen blickte, wurde fein Herz abermals
erfchredt: fo viel fchlimme Derfündigungen und aſch—
graue Blitze liefen über dies Geſicht.
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— —— — — ————— EEE u Mr TE NET En RE RER EEE Te ET
— — ee Te ———— — —— — —— —— —
349
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Der Wahrfager, der es wahrgenommen, was fich
in Sarathuftra’s Seele zutrug, wiſchte mit der Hand
über fein Antlig hin, wie als ob er dasfelbe weg-
wifhen wollte; desgleihen that auch Sarathuftra.
Und als Beide dergeftalt ſich fchweigend gefaßt und
gefräftigt hatten, gaben fie fih die Hände, zum
deichen, daß fie fich wiedererfennen wollten.
„Sei mir willlommen, fagte Sarathuftra, du Wahr:
fager der großen Müdigkeit, du follft nicht umfonft
einftmals mein Tifh- und Gaftfreund geweſen fein.
Iß und trin? auch heute bei mir und vergieb es, daß
ein vergnügter alter Mann mit dir zu Ciſche fitl! —
„Ein vergrügter alter Mann? antwortete der Wahr-
fager, den Kopf fchüttelnd: wer du aber auch bift
oder fein willft, oh Sarathuftra, du .bift es zum Längften
hier Oben gewefen, — dein Nachen foll über Kurzem
niht mehr im Trodnen ſitzen!“ — „Site ih denn
im Trocknen?“ — fragte Zarathuftra lachend. — „Die
Wellen um deinen Berg, antwortete der Wahrfager,
fteigen und fleigen, die Wellen großer Xoth und
Trübfal: die werden bald auch deinen Nachen heben
und dich davontragen.” — Sarathuftra ſchwieg hierauf
und wunderte fih. — „Hörft du noch Nichts? fuhr
der Wahrfager fort: raufcht und brauft es nicht herauf
aus der Tiefe?“ — Sarathuftra fchwieg abermals und
horchte: da hörte er einen langen, langen Schrei,
welchen die Abgründe ſich zumwarfen und weitergaben,
denn Peiner wollte ihn behalten: fo böfe Flang er.
„Du fchlimmer Derfündiger, fprady endlich Zara⸗
$huftra, das ift ein Nothfchrei und der Schrei eines
.— EEE 9 — TE — — ——— ———— ———— ⏑ SE WE
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Menſchen, der mag wohl aus einem fchwarzen Meere
fommen. Aber was geht mid Menfchen-Xoth anl
Meine letzte Sünde, die mir aufgeipart blieb, weißt
du wohl, wie fie heißt?”
— „Mitleiden! antwortete der Wahrfager ans
einem überftrömenden Herzen und hob beide Hände
empor — oh Zarathuftra, ih komme, daß ich did
zu deiner letten Sünde verführel” —
Und faum waren diefe Worte geſprochen, da er«
[hofl der Schrei abermals, und länger und ängftlicher
als vorher, audy ſchon viel näher. „Hörft dur? Hörft
du, oh Sarathuftra® rief der Wahrfager, dir gilt der
Schrei, dich ruft er: fomm, fomm, fomm, es ift Seit,
es ift höchſte Seit!" —
darathuftra ſchwieg hierauf, verwirrt und erfchüttert;
endlich fragte er, wie Einer, der bei fich felber zögert:
„Und wer ift das, der dort mich ruft?“
„Aber du weißt es ja, antwortete der Wahrfager
heftig, was verbirgft du dich? Der höhere Menſch
ift es, der nach dir ſchreit!“
„Der höhere Menfch ? fchrie Sarathuftra von Grauſen
erfaßt: was will der? Was’ will der? Der höhere
Menfhl Was will der hier?" — und feine Haut
bedeckte fih mit Schweiß.
Der Wahrfager aber antwortete nicht auf die
Angſt Sarathuftra’s, fondern horchte und horchte nadı
der Tiefe zu. Als es jedoch lange Seit dort ftille blieb,
wandte er feinen Blick zurück und fahe Sarathuftra
ftehn und zittern.
351
—— Dei EEE —— "°
m U 0 m — min — — ——— — — — — — — — — —
„Oh Zarathuſtra, hob er mit trauriger Stimme
an, du ftehft niht da wie Einer, den fein Glüd
drehend macht: du wirft tanzen müffen, daß du mir
nicht umfällft!
Aber wenn du auch vor mir tanzen wollteft und
alfe deine Seitenfprünge fpringen: Niemand foll mir
doch fagen dürfen: „Siehe, hier tanzt der letzte frohe
Menſch!“
Umſonſt käme Einer auf dieſe Höhe, der den
hier fuchte: Höhlen fände er wohl und Hinter- Höhlen,
Derftede für Derftedte, aber nit Glücks⸗Schachte
und Schatzkammern und neue Glücks⸗Goldadern.
Glück — wie fände man wohl das Glück bei
folhen Dergrabenen und Einfiedlernl Muß ich das
fette Glück noch auf glücfeligen Infeln fuchen und
ferne zwischen vergefjenen Meeren?
Aber Alles ift gleich, es lohnt fih Nichts, es hilft
fein Suchen, es giebt auch Feine glüdfeligen Inſeln
mehr!! — — '
Alfo feufzte der Wahrfager; bei feinem letzten
Seufzer aber wurde Sarathuftra wieder hell und ficher,
gleih Einem, der aus einem tiefen Schlunde an’s Licht
kommt. „ein! Xeinl Drei Mal Xeinl rief er mit
ſtarker Stimme und ſtrich fih den Bart — Das weiß
ich befferl Es giebt noch glüdfelige Infeln! Stille
davon, du fenfzender Crauerſack!
Höre davon auf zu plätichern, du Regenwolke
am Dormittagl Stehe ich denn nicht ſchon da, naß von
deiner Trübfal und begoffen wie ein Hund?
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Nun fchüttle ih mich und laufe dir davon, daß
ih wieder trocken werde: def darfft du nicht Wunder
haben! Dünfe ih dir unhöflihP? Uber hier ift
mein Hof.
Was aber deinen höheren Menfchen angeht:
wohlan! ich fuche ihn flugs in jenen Wäldern: daher
fam fein Scyrei. Dielleiht bedrängt ihn da ein böfes
Chier.
Er ift in meinem Bereiche: darin foll er mir
nit zu Schaden kommen! Und wahrlih, es giebt
viele böfe Thiere bei mir.” —
Mit diefen Worten wandte fih Sarathuftra zum
Gehen. Da fprah der Wahrfager: „Oh Sarathuftra,
ou bift ein Schelm!
Ich weiß es ſchon: du willft mid los fein! Lieber
noch läufft du in die Wälder und ftellft böfen Chieren
nach!
Aber was hilft es dir? Des Abends wirft du doch
mih wiederhaben; in deiner eignen Höhle werde ich
dafien, geduldig und fchwer wie ein Klotz — und
auf dich warten!”
„So ſei's! rief Sarathuftra zurück im Sortgehn:
und was mein ift in meiner Höhle, gehört audy dir,
meinem Baftfreundel
Sollteft du aber drin noch Honig finden, wohlanl
fo lede ihn nur auf, du Brummbär, und verfüße deine
Seele! Am Abende nämlid wollen wir Beide guter
Dinge fein,
— guter Dinge und froh darob, daß diefer Tag zu
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Alſo ſprach Zarathuſtra. 353 23
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Ende gieng! Und du ſelber ſollſt zu meinen Liedern
als mein Tanzbär tanzen.
Du glanbft nicht daran? Du fchüttelft den Kopf?
Wohlanl Wohlaufl Alter Bär! Aber auch ih — bin
ein Wahrfager.”“
Alſo fprady Zarathuftıa,
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Geſpräch mit den Köntgen,
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Zarathuſtra war noch feine Stunde in feinen Bergen
und Wäldern unterwegs, da fahe er mit Einem Male
einen feltfamen Aufzug. Gerade auf dem Wege, den
er hinabwollte, kamen zwei Könige gegangen, mit
Kronen und Purpurgürteln gefhmüdt und bunt wie
Slamingo-Dögel: die trieben einen beladenen Efel vor
fih her. „Was wollen diefe Könige in meinem Reiche?"
ſprach Sarathuftra erflaunt zu feinem Herzen und ver-
ftecte fi gefhwind hinter einem Buſche. Als aber
die Könige bis zu ihm heranfamen, fagte er, halblaut,
wie Einer, der zu fich allein redet: „Seltfam! Seltfam!
Wie reimt fi das zufammen? Hwei Könige fehe ich
— und nur Einen Ejell*
Da madten die beiden Könige Balt, lächelten,
fahen nach der Stelle hin, woher die Stimme fam, und
fahen fi} nachher felber in’s Gefiht. „Soldyerlei denkt
man wohl auch unter uns, fagte der König Zur Rechten,
aber man fpricht es nicht aus.”
Der König zur Linken aber zuckte mit den Achſeln
und antwortete: „Das mag wohl ein Siegenhirt fein.
555 23”
Oder ein Einfiedler, der zu lange unter Seljen und
Bäumen lebte. Gar feine Gefellihaft nämlich verdirbt
aud die guten Sitten.”
„Die guten Sitten? entgegnete unmwillig und bitter
der andre König: wem laufen wir denn aus dem Wege?
Iſt es nicht den „guten Sitten”? Unfrer „guten Gefell«
Ichaft" ? Ä
Kieber, wahrlich, unter Einfiedlern und Siegenhirten
als mit unferm vergoldeten falfchen überfchmintten Pöbel
leben, — ob er fih ſchon „gute Geſellſchaft“ heißt,
— ob er fih fhon „Adel” heißt. Aber da ift
Alles faliy und faul, voran das Blut, Dank alten
fhlehten Krankheiten und fchlechteren Beil-Künftlern.
Der Befte und Kiebfte ift mir heute noch ein ge-
funder Bauer, grob, liftig, hartnädig, Ianghaltig: das
ift heute die vornehmfte Art.
Der Bauer ift heute der Beſte; und Banern-Art
follte Herr fein! Aber es ift das Neich des Pöbels, —
ich laſſe mir Nichts mehr vormachen. Pöbel aber, das
heißt: Mifchmafd.
Põbel⸗Miſchmaſch: darin ift Alles in Allem durch⸗
einander, Heiliger und Hallunfe und Junker und Jude
und jeglih Dieh aus der Arche Xoäh.
Gute Sitten! Alles ift bei uns falih und faul.
Niemand weiß mehr zu verehren: dem gerade laufen
wir davon. Es find füßliche zudringlihe Hunde, fie
vergolden Palmenblätter.
Diefer Efel würgt mid, daß wir Könige felber
falih wurden, überhängt und verkleidet durch alten
vergilbten Großväter⸗Prunk, Schaumünzen für die
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Dümmſten und die Schlaueſten und wer heute Alles
mit der Macht Schacher treibt.
Mir find nicht die Erſten — und müffen es doch
bedeuten: diefer Betrügerei find wir endlich fatt und
efel geworden.
Dem Gefindel giengen wir aus dem Wege, allen
diefen Schreihälfen und Schreib -Schmeißfliegen, dem
Krämer - Geftan?, dem Ehrgeiz - Bezappel, dem üblen
Athem —: pfui, unter dem Gefindel leben,
— pfui, unter dem Geſindel die Erften zu bedeuten!
Ad, Ekell Ekell Efell Was liegt noch an uns Königen!"—
„Deine alte Kranfheit fällt dich an, fagte hier der
König zur Linken, der Efel fällt dich an, mein armer
Bruder. Aber du weißt es doch, es hört uns Einer zu.”
Sofort erhob fi} Sarathuftra, der zu diefen Reden
Ohren und Augen aufgefperrt hatte, aus feinem Schlupf:
winkel, trat auf die Könige zu und begann:
„Der Euch zuhört, der Euch gerne zuhört, Ihr
Könige, der heißt Zarathuftra.
Ih bin Sarathuftra, der einft fprah: „Was liegt
noch an Königenl” Dergebt mir, ich freute mid, als
Ihr zu einander fagtet: „Was liegt an uns Königen!“
Bier aber ift mein Reich und meine Herrfchaft:
was mögt Ihr wohl in meinem Reiche fuchen? Dielleicht
aber fandet Ihr unterwegs, was ich fuche: nämlich
den höheren Mlenfchen.”
Als dies die Könige hörten, fchlugen fie fi an die
Sruft und ſprachen mit Einem Munde: „Wir find erfannt!
Mit dem Schwerte diefes Wortes zerhauft du unfres
Herzens dickſte Sinfternig. Du entdecteft unfre Noth,
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denn fiehel wir find unterwegs, daß wir den höheren
Menfhen fänden —
— den Menfchen, der höher ift als wir: ob wir
gleih Könige find. Ihm führen wir diefen Efel zu.
Der hödfte Menſch nämlich fol auf Erden auch der
höchſte Berr fein.
Es giebt Fein härteres Unglüd in allem Menjchen-
Schidfale, als wenn die Mächtigen der Erde nicht
auch die erſten Menfchen find. Da wird Alles falfch
und fchief und ungeheuer.
Und wenn fie gar die letzten find und mehr Dich
als Menfh: da fleigt und fleigt der Pöbel im Preife,
und endlich fpriht gar die Pöbel-Tugend: „fiehe, ich
allein bin Tugend!” —
Was hörte ich eben? antwortete Sarathuftra; welche
Weisheit bei Königen! Ich bin entzück, und, wahrlid,,
ſchon gelüftet’s mid, einen Reim darauf zu machen: —
— mag es aud ein Heim werden, der nicht für
FJedermanns Ohren taugt. Ich verlernte feit langem fchon
die Rücdficht auf lange Ohren. Wohlan! Wohlaufl
(Bier aber gefchah es, daß auch der Efel zu Worte
fam: er fagte aber deutlich und mit böfem Willen J⸗A.)
Einftmals — ich glaub’, im Jahr des Heiles Eins —
Sprach die Sibylle, trunken fonder Weins:
„Weh, nun geht's fchiefl
„Verfalll Derfalll Xie fan? die Welt fo tiefl
„Kom fan? zur Hure und zur Huren⸗Bude,
„Rom's Läfar fan? zum Dieh, Gott ſelbſt —
ward Judel“
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An dieſen Keimen Zarathuſtra's weideten ſich die
Könige; der König zur Rechten aber ſprach: „oh
Sarathuftra, wie gut thaten wir, daß wir auszogen,
dich zu fehn!
Deine $einde nämlich zeigten uns dein Bild in
ihrem Spiegel: da blickteft du mit der Srabe eines
Teufels und hohnlachend: alfo daß wir uns vor dir
fürchteten.
Aber was half's! Immer wieder ftahft du uns in
Ohr und Herz mit deinen Sprühen. Da fprachen wir
endlich: was liegt daran, wie er ausfieht!
Wir müffen ihn hören, ihn, der lehrt: „ihr follt
den Srieden lieben als Mittel zu neuen Kriegen, und
den kurzen Frieden mehr als den langen!“
Niemand ſprach je fo ?riegerifche Worte: „Was
ift gut? Tapfer fein ift gut. Der gute Krieg ift’s, der
jede Sache heiligt."
Oh Sarathuftra, unfrer Däter Blut rührte fi bei
folhen Worten in unferm Leibe: das war wie die
Rede des Frühlings zu alten Weinfäflern.
Wenn die Schwerter durcheinander liefen gleich
rothgefledten Schlangen, da wurden unfre Däter dem
Leben aut; alles Sriedens Sonne dünkte fie flau und
lau, der lange Frieden aber machte Scham.
Wie fie feufzten, unfre Däter, wenn fle an der
Wand blitzblanke ausgedorrte Schwerter fahen! Denen
gleih dürfteten fie nach Krieg. Ein Schwert nämlich
will Blut trinfen und funkelt vor Begierde! — —
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— Als die Könige dergeſtalt mit Eifer von dem
Glück ihrer Däter redeten und fchwätten, überkam
Sarathuftra Feine Beine Luft, ihres Eifers zu fpotten:
denn erfichtlih waren es fehr friedfertige Könige,
weldhe er vor fih fah, folhe mit alten und feinen
Gefihtern. Aber er bezwang fih. „Wohlanl fprad er,
dorthin führt der Weg, da liegt die Höhle Sarathuftra’s;
und diefer Tag foll einen langen Abend haben! Jebt
aber ruft mich eilig ein Nothfchrei fort von Eud).
Es ehrt meine Höhle, wenn Könige in ihr fißen
und warten wollen: aber, freilih, Ihr werdet lange
warten müſſen!
Se nun! Was thut’sl Wo lernt man heute beffer
warten als an Höfen? Und der Könige ganze Tugend,
die ihnen übrig blieb, — heißt fie heute nicht:
Warten-fönnen?“
Alfo ſprach Sarathuftra.
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Der Blutegel,
Und Sarathuftra gieng nachdenklich weiter und tiefer,
durch Wälder und vorbei an moorigen Gründen; wie es
aber Jedem. ergeht, der über fchwere Dinge nachdentt,
jo trat er unverfehens dabei auf einen Menfchen. Und
fiehe, da fprüßten ihm mit Einem Male ein Wehejchrei
und zwei Flüche und zwanzig ſchlimme Schimpfworte
in’s Gefiht: alfo daß er in feinem Schreden den
Stod erhob und auch auf den Getretenen noch zufchlug.
Gleich darauf aber fam ihm die Befinnung; und fein
Herz lachte über die Thorheit, die er eben gethan hatte.
„Dergieb, fagte er zu dem Getretenen, der fidh
grimmig erhoben und gefett hatte, vergieb und ver-
nimm vor Allem erft ein Gleichniß.
Wie ein Wanderer, der von fernen Dingen träumt,
unverfehens auf einfamer Straße einen fchlafenden
Bund anftößt, einen Hund, der in der Sonne liegt:
— wie da Beide auffahren, fi anfahren, Tod»
feinden gleich, diefe zwei zu Tod Erfchrodenen: alfo
ergieng es uns.
Und dohl Und doh — wie Wenig hat gefehlt,
daß fie einander liebkoſten, diefer Hund und diefer
Einfamel Sind fie doch Beide — Einfamel*
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— „Wer du aud fein magſt, ſagte immer noch
grimmig der Getretene, du trittft mir auch mit deinem
Gleihnig zu nahe, und nicht nur mit deinem Sußel
Siehe doch, bin ich denn ein Hund?” — und dabei
erhob fi der Sitzende und 309 feinen nadten Arm
aus dem Sumpfe. Huerft nämlich hatte er ausgeftrect
am Boden gelegen, verborgen und unkenntlich gleich
Solden, die einem Sumpf-Wilde auflauern.
„Aber was treibft du doch!” rief Zarathuſtra er-
fhredt, denn er fahe, daß über den nadten Arm
weg viel Blut flo, — „was ift dir zugefloßen? Biß
dich, du Unfeliger, ein fchlimmes Chier?“
Der Blutende lachte, immer noch erzürt. „Was
geht's dich anl jagte er und wollte weitergehn. Bier
bin ich heim und in meinem Bereiche. Mag mid
fragen, wer da will: einem Tölpel aber werde id
ſchwerlich antworten.“
„Du irrſt, fagte Sarathuftra mitleidig und hielt ihn feft,
du irrſt: hier bift du nicht bei dir, fondern in meinem
Reiche, und darin foll mir Keiner zu Schaden fommen.
Ienne mid} aber immerhin, wie du willft, — ich bin,
der ich fein muß. Ich felber heiße mich Sarathuftra.
Wohlan! Dort hinauf geht der Weg zu Sarathuftra’s
Höhle: die ift nicht fern, — willft du nicht bei mir
deiner Wunden warten?
Es gieng dir fhlimm, du Unfeliger, in diefem
£eben: erft biß dich das Thier, und dann — trat dich
der Menſchl — —
Als aber der Getretene den Namen Sarathuftra’s
hörte, verwandelte er ſich. „Was geſchieht mir doch!
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rief er aus, wer kümmert mich denn noch in dieſem
£eben, als dieſer Eine Menſch, nämlich Zarathuſtra,
und jenes Eine Chier, das vom Blute lebt, der Blutegel?
Des Blutegels halber lag ich hier an diefem Sumpfe
wie ein Fiſcher, und fchon war mein ausgehängter
Arm zehn Mal angebiffen, da beißt noch ein fchönerer
Igel nah meinem Blute, Sarathuftra felber!
Oh Glück! Oh Wunderl Gelobt fei diefer Tag,
der mich in diefen Sumpf locktel Gelobt fei der befte
lebendigfte Schröpflopf, der heut lebt, gelobt fei der
große Gewiſſens⸗Blutegel Sarathuftral” —
Alfo fprach der Getretene; und Sarathuftra freute
fih über feine Worte und ihre feine ehrfürchtige Art.
„Wer bift du? fragte er und reichte ihm die Hand,
zwifchen uns bleibt Diel aufzuklären und aufzuheitern:
aber fchon, dünkt mich, wird es reiner heller Tag.”
„sh bin der Gemwiffenhafte des Geiftes,
antwortete der Befragte, und in Dingen des Geiftes
nimmt es nicht leicht Einer firenger, enger und härter
als ich, ausgenommen Der, von dem ich's lernte, Zara⸗
thuftra felber.
Kieber Nichts wiffen, als Dieles halb wiſſen! Lieber
ein Varr fein auf eigne Fauſt, als ein Weifer nad
fremdem Gutdünken! Ich — gehe auf den Grund:
— was liegt daran, ob er groß oder Fein iſt? Ob
er Sumpf oder Himmel heißt? Eine Hand breit Grund ift
mir genung: wenn er nur wirklich Grund und Boden: ift!
— eine Hand breit Grund: darauf kann man ftehn.
In der rechten Wiſſen⸗-Gewiſſenſchaft giebt es nichts
Großes und nichts Kleines.“
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„So biſt du vielleicht der Erkenner des Blutegels?
fragte Sarathuftra; und dm gehft dem Blutegel nad
bis auf die lebten Gründe, du Gewiffenhafter ?*
„Oh Sarathuftra, antwortete der Getretene, das
wäre ein Ungehenres, wie dürfte ih mich deſſen
unterfangen!
Weß ich aber Meifter und Kenner bin, das ift des
Biutegels Hirn: — das tft meine Welt!
Und es ift auch eine Weltl Dergieb aber, daß
hier mein Stolz zu Worte fommt, denn ich habe hier
nicht meines Gleichen. Darum ſprach ich „hier bin
ich heim”.
Wie lange gehe ich fchon diefem Einen nach, dem
Hirn des Blutegels, daß die fchlüpfrige Wahrheit mir
hier nicht mehr entfchlüpfel Hier it mein Reichl
— darob warf ich alles Andere fort, darob wurde
mir alles Andre gleich; und dicht neben meinem Wiffen
lagert mein fchwarzes Unwiffen.
Mein Gewiſſen des Geiftes will es fo von mir,
daß ih Eins weiß und fonft Alles nicht weiß: es
ekelt mich aller Halben des Geiftes, aller Dunftigen,
Schwebenden, Schwärmerifcen.
Wo meine ANedlichkeit aufhört, bin ich blind und
will aud blind fein. Wo ich aber wiffen will, will ich
auch redlich fein, nämlich hart, fireng, eng, graufam,
unerbittlich.
Daß du einft fpradft, oh Sarathuftra: „Geift ift
das Leben, das felber in’s Leben ſchneidet“, das führte
und verführte mid; zu deiner Lehre. Und, wahrlich,
mit eignem Blute mehrte ih mir das eigne Wifjen|“
364
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— „Wie der Augenſchein lehrt”, ftel Sarathuftra
ein; denn immer noch floß das Blut an dem nadten
Arme des Gemiffenhaften herab. Es hatten nämlich
zehn Blutegel fi in denfelben eingebifjen.
' „Oh du wunderlicher Geſell, wie Diel lehrt mid;
diefer Augenfchein da, nämlich du felberl Und nicht
Alles dürfte ich vielleicht in deine firengen Ohren
gießen!
Wohlan! So fcheiden wir hierl Doch möchte ich
gerne dich wiederfinden. Dort hinauf führt der Meg zu
meiner Höhle: heute Nacht follft du dort mein lieber
Gaft fein!
Gerne möchte ich's auch an deinem Leibe wieder
gut maden, daß Sarathuftra dich mit Füßen trat:
darüber denke ich nad. Jetzt aber ruft midy ein Noth⸗
fchrei eilig fort von dir.”
Alſo ſprach Zarathuſtra.
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Der Zauberer.
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Als aber Sarathuftra um einen Selfen herumbog,
da fahe er, nicht weit unter fih, auf dem gleichen
Wege, einen Menſchen, der die Glieder warf wie ein
Tobfüchtiger und endlich bäuchlings zur Erde nieder-
ftürzte. „Halt! ſprach da Sarathuftra zu feinem Berzen,
Der dort muß wohl der höhere Menſch fein, von ihm
fam jener fhlimme Nothſchrei, — ich will fehn, ob da
zu helfen if.” Als er aber hinzulief, an die Stelle, wo
der Menſch auf dem Boden lag, fand er einen zitternden
alten Mann mit ftieren Augen; und wie fehr fih Zara-
thuftra mühte, daß er ihn aufrichte und wieder auf
feine Beine ftelle, es war umſonſt. Auch fchien der
Unglückliche nicht zu merken, daß Jemand um ihn fei;
vielmehr fah er fich immer mit rührenden Gebärden um,
wie ein von aller Welt Derlaffener und Dereinfamter.
Zuletzt aber, nach vielem Sittern, Suden und Sid)
Sufammenfrümmen, begann er alfo zu jammern:
Wer wärmt mid, wer liebt mich noch?
Gebt heiße Händel
Gebt Herzens-Kohlenbeden!
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Bingeftredt, fchaudernd,
Balbtodtem gleich, dem man die Süße wärmt —
Geſchüttelt, ah! von unbekannten Siebern,
Sitternd vor fpigen eifigen Srofl-Pfeilen,
Don dir gejagt, Gedanke!
Unnennbarerl Derhülfter! Entfeglicher!
Du Jäger hinter Wolfen!
Darniedergeblit von dir,
Du höhnifh Auge, das mih aus Dunklem anblidt:
— jo liege ih,
Siege mich, winde mich, gequält
Don allen ewigen Martern,
Getroffen
Von dir, grauſamſter Jäger,
Du unbekannter — Gottl
Criff tiefer!
Criff Ein Mal nodl
Öerftich, zerbrich dies Herz!
Was foll dies Martern
Mit zähneftumpfen Pfeilen?
Was blickſt du wieder,
Der Menfchen-Qual nicht müde,
mit fhadenfrohen Götter-Blig-Augen?
Nicht tödten willft du,
Nur martern, martern?
Wozu — mich mattern,
Du fchadenfroher unbefannter Gott? —
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Hahal Du fchleihft heran?
Bei folcher Mitternadt
Was willft du? Sprid!
Du dränaft mich, drüdft mich —
Bal fchon viel zu nahel
Weg! Weg!
Du hörft mich athmen,
Du behorhft mein Herz,
Du Eiferfüchhtiger —
Worauf doc; eiferfüchtig ?
Wegl Weg! Wozu die Leiter?
Willſt du hinein,
In's Herz,
Einfteigen, in meine heimlichſten
Gedanken einfteigen ?
Scamlofer! Unbefannter — Dieb]
Was willft du dir erftehlen?
Was willft du dir erhorchen?
Was willſt du dir erfoltern,
Du $olterer!
Du — Henker⸗Gott!
Oder foll ic, dem Hunde gleich,
Dor dir mich wälzen?
Bingebend, begeiftert-außer-mir,
Dir — Kiebe zumedeln?
Umfonftl Stich weiter,
Graufamfter Stachell Nein,
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Kein Bund — dein Wild nur bin ich,
Graufamfter Jäger!
Dein ftolzefter Gefangner,
Du Räuber hinter Wolten!
Sprich endlich!
Was willft du, Wegelagerer, von mir?
Du Blitz⸗Verhüllter! Unbefannter| Sprid,
Was willft du, unbefannter — Gott? — —
Wie? Köfegeld ?
Was willft du Löſegelds?
Derlange Diel — das räth mein Stolz!
Und rede kurz — das räth mein andrer Stolz
Bahal
Mich — will du? Mich?
Mich — ganz? ...
Hahal
Und marterſt mich, Xarr, der du biſt,
Sermarterft meinen Stolz?
Gieb Liebe mir — wer wärmt mid noch?
Wer liebt mich noch? — gieb heiße Hände,
Gieb Herzens-Kohlenbeden,
Sieb mir, dem Einfamften,
Den Eis, ach! fiebenfaches Eis
Vach Feinden felber,
Nach Feinden ſchmachten lehrt,
Gieb, ja ergieb,
DT | I n ¶q —
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Eu wenigen — — EHE ⏑ ⏑⏑ — — —— ———— — ⸗ ——— — — — —
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Alfo fprach Zarathuſtra. 369 , “4
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Graufamfter Feind, |
Mir — dichl — —
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Davon!
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Mein letzter einziger Genoß, 1.
Mein großer Feind, i
Mein Unbefannter, |
Mein Henfer-Sottl —.
— Xeinl Komm zurüd,
mit allen deinen Martern!
Sum Letzten aller Einjamen
Oh fomm zurüdl
Al meine Chränen-Bädhe laufen
Su dir den Kaufl
Und meine letzte Berzens-$lamme —
Dir glüht fie aufl
Oh fomm zurüd,
Mein unbekannter Gott! Mein Schmerzl Mein
letztes — Glück!
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— Bier aber konnte ſich Zarathuſtra nicht länger
halten, nahm feinen Stod und flug mit allen Kräften
auf den Jammernden los. „Ealt ein! ſchrie er ihm zu,
mit ingrimmigem Lachen, halt ein, du Schaufpielerl Du
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Falſchmünzer! Du Lügner aus dem Grundel Ich erkenne
dich wohl!
Ich will dir ſchon warme Beine machen, du ſchlimmer
Sauberer, ich verftehe mich gut darauf, Soldhen wie du
bit — einzuheizen!“
— „kaß ab, fagte der alte Mann und fprang vom
Boden auf, fehlage nicht mehr, oh Sarathuftral - Ich
trieb’s alfo nur zum Spielel
Soldyerlei gehört zu meiner Kunft;z dich felber
wollte ich auf die Probe ftellen, als ich dir diefe Probe
gabl Und, wahrlich, du haft mich gut durchfchautl
Aber auh du — gabft mir von dir Feine Fleine
Probe: du bit hart, du weiſer Sarathuftral Hart
fhlägft du zu mit deinen „Wahrheiten“, dein Knüttel
erzwingt von mir — diefe Wahrheit“
— „Schmeichle nicht, antwortete Sarathuftra, immer
noch erregt und finfterblicdend, du Schaufpieler aus dem
Grundel Du bift falfch: was redeft du — von Wahrheit!
Du Pfau der Pfauen, du Uleer der Eitelkeit, was
fpielteft du vor mir, du fchlimmer Zauberer, an wen
follte ich glauben, als du in folder Beftalt jammerteft?“
„Den Büßer des Geiftes, fagte der alte Mann,
den — fpielte ih: du felber erfandeft einft dies Wort —
— den Dichter und Sauberer, der gegen ſich felber
endlich feinen Geift wendet, den Derwandelten, der an
feinem böfen Wiffen und Gewiſſen erfriert.
Und gefteh es nur ein: es währte lange, oh Zara⸗
thuftea, bis du hinter meine Kunft und Lüge kamſt!
Du glaubteft an meine Noth, als du mir den Kopf
mit beiden Händen hielteft, —
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— ich hörte dich jammern „man hat ihn zu wenig
geliebt, zu wenig geliebt!” Daß-ich dich foweit betrog,
darüber frohlockte inwendig meine Bosheit.”
„Du magſt Seinere betrogen haben als mid, fagte
Sarathuftra hart. Ich bin nicht auf der Hut vor Betrü-
gern, ih muß ohne Dorficht fein: fo will es mein Coos.
Du aber — mußt betrügen: fo weit fenne ich
dihl Du mußt immer zwei- drei- vier- fünfdeutig
fein! Auch was du jett befanntefl, war mir lange
nicht wahr und nicht falfch genung!
Du fhlimmer Falſchmünzer, wie fönnteft du anders!
Deine Krantheit würdeft du noch fchminfen, wenn du
dich deinem Arzte nackt zeigteft.
So ſchminkteſt du eben vor mir deine Küge, als du
ſprachſt: „ich trieb’s alfo nur zum Spielel" Es war audı
Ernft darin, du bift Etwas von einem Büßer des Geiftes!
Ich errathe dich wohl: du wurdeft der Bezanberer
Aller, aber gegen dich haft du Feine Lüge und Kift
mehr übrig, — du felber bift dir entzaubertl
Du ernteteft den Ekel ein, als deine Eine Wahrheit.
Kein Wort ift mehr an dir echt, aber dein Mund: näm-
lich der der Efel, der an deinem Munde klebt.“ — —
„Wer bift du doch! fchrie hier der alte Sauberer
mit ein einer troigen Stimme, wer darf alfo zu mir reden,
dem Größten, der heute lebt?" — und ein grüner Blitz
[hof aus feinem Auge nad Sarathuftra. Aber gleich
darauf verwandelte er fi und fagte traurig:
„Oh Sarathuftra, ich bin’s müde, es efelt mich meiner
Künfte, ih bin nicht groß, was verftelle ich mich!
Aber, du weißt es wohl — id fuchte nah Größe!
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Einen großen Menſchen wollte ich vorſtellen und
überredete Viele: aber dieſe Lüge gieng über meine
Kraft. An ihr zerbreche ich.
Oh Zarathuſtra, Alles iſt Lüge an mir; aber daß ich
zerbreche — dies mein Zerbrechen iſt echt!“ —
„Es ehrt dich, ſprach Zarathuſtra düſter und zur
Seite niederblidend, es ehrt dich, da du nah Größe
juchteft, aber es verräth dich auch. Du bift nicht groß.
Du fhlimmer alter Sauberer, das ift dein Beſtes
und Redlichſtes, was ih an dir ehre, daß du deiner
müde wurdeft und es ausſprachſt: „ich bin nicht groß”.
Darin ehre ich dich als einen Büßer des Geiftes:
und wenn auch nur für einen Hauch und Huſch, diefen
Einen Augenblid warft du — edit.
Aber fprih, was ſuchſt du Hier in meinen
Wäldern und Selfen? Und wenn du mir dich in den
Weg legteft, welche Probe wollteft du von mir? —
— weß verfuchteft du mir?" —
Alfo ſprach Sarathuftra, und feine Mugen funtelten.
Der alte Sauberer fchwieg eine Weile, dann fagte er:
„Derfuchte ich dich? Ich — ſuche nur.
Oh Sarathuftra, ich fuche einen Echten, Rechten,
Einfahen, Eindeutigen, einen Menjchen aller Nedlich-
feit, ein Gefäß der Weisheit, einen Heiligen der Er—
fenntniß, einen großen Menfchen!
Weißt du es denn nicht, oh Sarathuftra? Ich
fuhe Sarathuftra.”
— Und hier entftand ein langes Stillichweigen
zwifchen Beiden; Sarathuftra aber verfan? tief hinein in
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ſich ſelber, alſo daß er die Augen ſchloß. Dann aber,
zu ſeinem Unterredner zurückkehrend, ergriff er die Hand
des Zauberers und ſprach, voller Artigkeit und Argliſt:
„Wohlanl Dort hinauf führt der Weg, da liegt die
Höhle Zarathuſtra's. In ihr darfft du ſuchen, wen du
finden mödhteft.
Und frage meine Thiere um Rath, meinen Adler
und meine Scjlange: die follen dir fuchen helfen,
Meine Höhle aber ift groß.
Ich felber freilich — ich fah noch Feinen großen
Menfhen. Was groß ift, dafür ift das Auge der
Seinften heute grob. Es ift das Reich des Pöbels.
So Manden fand ich fchon, der ſtreckte und blähte
fih, und das Volk fchrie: „Seht da, einen großen
Menfhen!” Aber was helfen alle Blafebälgel Zuletzt
fährt der Wind heraus.
Zuletzt platzt ein Srofch, der fich zu lange aufblies:
da fährt der Wind heraus. Einem Gefchwollnen in- den
Bauch ftehen, das heiße ich eine brave Kurzweil,
Hört das, ihr Knaben! |
Dies Heute ift des Pöbels: wer weiß da nod,
was groß, .was Fein iſtl Wer fuchte da mit Glück
nah Größel Ein Narr allein: den Varren glüdt’s.
Du fuhft nah großen Menfchen, du wunderlicher
Xarr? Wer lehrte’s dich? Iſt heute dazu die Zeit? Oh
du fhlimmer Sucher, was — verfudft du mih?" — —
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Alſo ſprach Sarathuftra, getröfteten Herzens, und
ieng lachend feines Wegs fürbaf.
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Außer Dienſt.
Nicht lange aber, nachdem Zarathuſtra ſich von
dem Zauberer losgemacht hatte, ſahe er wiederum
Semanden am Wege fiten, den er gieng, nämlich einen
fhwarzen langen Mann mit einem hageren Bleichgeficht:
der verdroß ihn gewaltig. „Wehe, ſprach er zu feinem
Herzen, da fit vermummte Trübfal, das dünft mich von
der Art der Priefter: was wollen die in meinem Neiche?
Wie! Kaum bin ich jenem Zauberer entronnen:
muß mir da wieder ein anderer Schwarzfünftler über
den Weg laufen, —
— irgend ein Herenmeifter mit Handauflegen, ein
dunkler Wunderthäter von Gottes Gnaden, ein gefalbter
Welt-Derleumder, den der Teufel holen mögel
Aber der Teufel ift nie am Plabe, wo er am Plate
wäre: immer fommt er zu fpät, diefer vermaledeite
Swerg und Klumpfugl" —
Alſo fludte Sarathuftra ungeduldig in feinem
Herzen und gedachte, wie er abgewandten Blids an
dem ſchwarzen Manne vorüber fchlüpfe: aber fiehe, es
fam anders. Im gleichen Augenblide nämlich hatte
ihn fchon der Sitzende erblidt; und nicht unähnlich
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einem Solhen, dem ein unvermuthetes Glück zuftößt,
fprang er auf und gieng auf Sarathuftra los.
„Wer du auch bift, du Wandersmann, fpradh er,
hilf einem Derirrten, einem Suchenden, einem alten
Manne, der hier leicht zu Schaden fommt!
Diefe Welt hier ift mir fremd und fern, auch hörte
ih wilde Chiere heulen; und Der, welcher mir hätte
Schuß bieten Fönnen, der ift felber nicht mehr.
Ich ſuchte den letzten frommen Menſchen, einen
Heiligen und Einfledler, der allein in feinem Walde nod}
Nichts davon gehört hatte, was alle Welt heute weiß.“
„Was weiß heute alle Welt? fragte Sarathuftra.
Etwa dies, daß der alte Bott nicht mehr lebt, an den
alle Welt einft geglaubt hat?“
„Du fagft es, antwortete der alte Mann betrübt. Und
ich diente diefem alten Botte bis zu feiner letzten Stunde.
Nun aber bin ich außer Dienft, ohne Berrn, und
doch nicht frei, auch Feine Stunde mehr Iuftig, es fei
denn in Erinnerungen.
Dazu ftieg ih in diefe Berge, daß ich endlich
wieder ein Feſt mir machte, wie es einem alten Papfte
und Kirhen-Dater zufommt: denn wiffe, ich bin der
legte Papftl — ein Feſt frommer Erinnerungen und
Gottesdienite,
Nun aber ift er felber todt, der frömmfte Menfch,
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jener Heilige im Walde, der feinen Gott beftändig mit
Singen und Brummen lobte. l
Ihn felber fand ich nicht mehr, als ich feine Hütte |
fand, — wohl aber zwei Wölfe darin, welche um feinen God
heulten — denn alle Chiere liebten ihn. Da lief ich davon.
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Kam ih alfo umfonft in diefe Wälder und Berge?
Da entihloß fi mein Herz, daß ich einen Anderen
fuchte, den Srömmften aller Derer, die nicht an Gott
glauben —, daß ich Sarathuftra fuchtel”
Alfo ſprach der reis und blickte fcharfen Auges
Den an, welcher vor ihm ftand; Sarathuftra aber ergriff
die Hand des alten Papftes und betrachtete fie lange
mit Bewunderung.
„Siehe da, du Ehrwürdiger, ſagte er dann, welche
fhöne und lange Handl Das ift die Hand eines Solden,
der immer Segen ausgetheilt hat. Nun aber hält fie
Den feſt, welden du ſuchſt, mich, Sarathuftra.
Ich bin’s, der gottlofe Sarathuftra, der da ſpricht:
wer ift gottlofer als ih, daß ich mich feiner Unter-
weifung freue?” —
Alfo ſprach Sarathuftra und durchbohrte mit feinen
Bliden die Gedanken und Hintergedanfen des alten
Papftes. Endlich begann diefer:
„Wer ihn am meiften liebte und bejaß, der hat
ihn nun am meiften audy verloren —:
— fiehe, ich felber bin wohl von uns Beiden jetzt
der Gottlofere? Aber wer fönnte daran fidy freuen!” —
— „Du dienteft ihm bis zuleßt, fragte Sarathuftra
nachdenklich, nach einem tiefer Schweigen, du weißt,
wie er ftarbP Iſt es wahr, was man fpricht, daß ihn
das Mitleiden erwürgte,
— daß er es fah, wie der Menſch am Kreuze
hieng, und es nicht ertrug, daß die Kiebe zum Menfchen
feine Hölle und zulegt fein Tod wurde?" — —
Der alte Papft aber antwortete nicht, ſondern blickte
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ſchen und mit einem ſchmerzlichen und düſteren Aus⸗
drucke zur Seite.
„Laß ihn fahren, ſagte Farathuſtra nach einem
langen Nachdenken, indem er immer noch dem alten
Manne gerade in’s Auge blickte.
Laß ihn fahren, er ift dahin. Und ob es di aud
ehrt, daß du diefem Todten nur Gutes nachredeft, fo
weißt du fo gut als ih, wer er war; und daß er
wunderliche Wege gieng.”
„Unter drei Augen gefprocdhen, fagte erheitert der
alte Papft (denn er war auf Einem Auge blind), in
Dingen Gottes bin ich aufgeflärter als Sarathuftra
felber — und darf es fein.
Meine Kiebe diente ihm lange Jahre, mein Wille
gieng allem feinen Willen nad. Ein guter Diener aber
weiß Alles, und Mancherlei auch, was fein Herr ſich
felbft verbirgt.
Es war ein verborgener Bott, voller Heimlichkeit.
Wahrlih zu einem Sohne fogar fam er nicht anders
als auf Schleihwegen. An der Thür feines Glaubens
fteht der Ehebruch.
Wer ihn als einen Gott der Liebe preift, denkt
nicht hoch genug von der Kiebe felber. Wollte diefer
Gott nicht auch Richter fein? Aber der Kiebende liebt
jenfeits von £ohn und Dergeltung.
Als er jung war, diefer Gott aus dem Morgenlande,
da war er hart und rachſüchtig und erbaute fich eine
Hölle zum Ergößen feiner Lieblinge.
Endlih aber wurde er alt und weich und mürbe
und mitleidig, einem Großvater ähnlicher als einem
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Vater, am ähnlichften aber einer wadeligen alten
Großmutter.
Da faß er, weit, in feinem Ofenwinfel, härmte
ſich ob feiner ſchwachen Beine, weltmüde, willensmüde,
und erflidte eines Tages an feinem allzugroßen Mit
leiden.” — —
„Du alter Papft, fagte hier Sarathuftra dazwifchen,
haft du Das mit Augen angefehn? Es könnte wohl fo
abgegangen fein: fo, und auch anders. Wenn Götter
fterben, fterben fie immer viele Arten Todes.
Aber wohlan! So oder fo, fo und ſo — er ift da-
hin! Er gieng meinen Ohren und Augen wider den Ge⸗
ſchmack, Schlimmeres möchte ich ihm nicht nachfagen.
Ich liebe Alles, was hell blickt und redlich redet.
Aber er — du weißt es ja, du alter Priefter, es war
Etwas von deiner Art an ihm, von Priefter- Art — er
war vieldentig.
Er war au undentlih. Was hat er uns darob
gezürnt, dieſer Sornfchnauber, daß wir ihn fchlecht
verftünden! Aber warum fprady er nicht reinlicher ?
Und lag es an unfern Ohren, warum gab er uns
Ohren, die ihn fchlecht hörten? War Schlamm in unfern
Ohren, wohlan! wer legte ihn hinein?
Su Dieles mißrieth ihm, diefem Töpfer, der nicht
ausgelernt hattel Daß er aber Rache an feinen Löpfen
und Gejchöpfen nahm, dafür daß fie ihm fchledht
geriethen, — das war eine Sünde wider den guten
Gefhmad.
Es giebt auh in der Srömmigfeit guten Be
fhmad: der ſprach endlich: „fort mit einem folden
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Gottel Lieber Feinen Gott, lieber auf eigne Fauſt
Schickſal maden, lieber Narr fein, lieber felber Gott
fein!“
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— „Was höre ich! ſprach hier der alte Papſt mit
gefpigten Ohren; oh Sarathuftra, du bift frömmer als
du glaubft, mit einem folhen Unglauben! Irgend ein
Gott in dir befehrte dich zu deiner Gottlofigfeit.
Iſt es nicht deine Frömmigkeit felber, die dich
nicht mehr an einen Gott glauben läßt? Und deine
übergroße Redlichkeit wird dih auch noch jenfeits
von But und Böfe wegführen!
Siehe doh, was blieb dir aufgefpart? Du haft
Angen und Hand und Mund, die find zum Segnen
vorherbeftimmt feit Ewigkeit. Man’ fegnet nicht mit
der Hand allein.
In deiner Nähe, ob du fchon der GBottlofefte fein
willft, wittere ich einen heimlichen Weih- und Wohl-
geruh von langen Segnungen: mir wird wohl und
. wehe dabei.
Caß mich deinen Gaſt fein, oh Sarathuftra, für
eine einzige Nachtl Nirgends auf Erden wird es mir
jetzt wohler als bei dirl“ —
„Amen! So foll es fein! ſprach Sarathuftra mit
großer Derwunderung, dort hinauf führt der Weg, da
liegt die Höhle Sarathuftra’s.
Gerne, fürwahr, würde ich dich felber dahin ge»
leiten, du Ehrwürdiger, denn ich liebe alle frommen
Menfhen. Aber jet ruft mich eilig ein ZXothfchrei
weg von dix,
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In meinem Bereiche ſoll mir Niemand zu Schaden
fommen; meine Höhle iſt ein guter Hafen. Und am
liebſten möchte ich jedweden Traurigen wieder auf
feftes Land und fefte Beine ftellen.
Wer aber nähme dir deine Schwermuth von der
Schulter? Dazu bin ich zu ſchwach. Lange, wahrlich,
möchten wir warten, bis dir Einer deinen Bott wieder
aufweckt.
Dieſer alte Gott lebt nämlich nicht mehr: der iſt
gründlich todt.“ —
Alſo ſprach Sarathuftra.
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Der häßlichfte Menſch.
— Und wieder liefen Sarathuftra’s Füße durch
Berge und Wälder, und feine Augen fuchten und
fuchten, aber nirgends war Der zu fehen, welchen fie
fehn wollten, der große Nothleidende und Xothfchreiende.
Auf dem ganzen Wege aber frohlodte er in feinem
Herzen und war dankbar. „Welche guten Dinge, ſprach
er, fchenfte mir doch diefer Tag, zum Entgelt, daß er
ſchlimm begann! Welche feltiamen Unterredner fand ich!
An deren Worten will ih lange nun kauen gleidy
als an guten Körnern; Fein foll mein Zahn fie mahlen
und malmen, bis fie mir wie Milh in die Seele
fließen!! —
Als aber der Weg wieder um einen Selfen bog,
veränderte fih mit Einem Male die Landfchaft, und
darathuftra trat in ein Reich des Todes. Bier ftarrten
fhwarze und rothe Klippen empor: fein Gras, fein
Saum, Feine Dogelfimme Es war nämli ein Chal,
welches alle Thiere mieden, auch die Raubthiere; nur
daß eine Art häßlicher, dicker, grüner Schlangen, wenn
fie alt wurden, hierher famen, um zu fterben. Darum
nannten dies Thal die Hirten: Schlangen-Tod,
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Zarathuſtra aber verſank in eine ſchwarze Er |
I innerung, denn ihm war, als habe er fhon ein Mal in
dieſem Thal geftanden. Und vieles Schwere legte fich
: ihm über den Sinn: alfo, daß er langfam gieng und
immer langfamer und endlich fill ftand. Da aber fahe
ı er, als er die Augen aufthat, Etwas, daß am Wege faß,
geſtaltet wie ein Menfh, und kaum wie ein Menſch,
‘ etwas Unausfprecjliches. Und mit Einem Schlage über-
fiel Sarathuftra die große Scham darob, daß er fo
| Etwas mit den Augen angefehn habe: erröthend bis
| hinauf an fein weißes Haar, wandte er den Blid ab
‚ und hob den Fuß, daß er diefe fchlimme Stelle ver-
laſſe. Da aber wurde die todte Ode laut: vom Boden
auf nämlich quoll es gurgelnd und röchelnd, wie Waſſer
Vachts durch verftopfte Waffer-Röhren gurgelt und
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| röchelt; und zuletzt wurde daraus eine Menfchen-Stimme
| und Menfhen-Rede: — die lautete alfo:
„Farathuſtral Sarathuftral Nathe mein Aäthfell
| Sprich, fprihl Was if die Rache am Zeugen?
Ich locke dich zurück, hier ift glattes Eis! Sieh zu,
fieh zu, ob dein Stolz fidy hier nicht die Beine bricht!
Du dünfft dich weife, du ftolzer Sarathuftral So
rathe doch das Näthfel, du harter Nüffefnader, — das
Zäthfel, das ich bin! So fprich doch: wer bin ichl“
— Als aber Sarathuftra diefe Worte gehört hatte,
— was glaubt ihre wohl, daß fi da mit feiner Seele
zutrug? Das Mitleiden fiel ihn an; und er fant
mit Einem Male nieder, wie ein Eichbaum, der lange
vielen Holzſchlägern widerftanden hat, — ſchwer, plöß-
ih, zum Schreden felber für Die, welche ihn fällen
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wollten. Aber ſchon ſtand er wieder vom Boden auf,
und ſein Antlitz wurde hart.
„Ich erkenne dich wohl, ſprach er mit einer erzenen
Stimme: du biſt der Mörder Gottes! Laß mich gehn.
Du ertrugft Den nicht, der dich fah, — der dich
immer und durch und durch fah, du häßlichfter Menſch!
Du nahmft Rache an diefem Zeugen!“
Alfo fprah Sarathuftra und wollte davon; aber
der Unausfprechliche faßte nad einem Sipfel feines
Gewandes und begann von Neuem zu gurgeln und nad
Worten zu fuchen. „Bleibl" fagte er endlih —
— bleibl Geh nicht vorüberl Ich errieth, welche
Art dich zu Boden ſchlug: Heil dir, oh Sarathuftra,
dag du wieder ftehft!
Du errietheft, ich weiß es gut, wie Dem zu Muthe
ift, der ihn tödtete, — dem Mörder Gottes. Bleibl
Setze dich her zu mir, es ift nicht umfonft.
Su wen wollte id, wenn nicht zu dir? Bleib, feße
dich! Blicke mich aber nicht anl Ehre alfo — meine
Häßlichkeit!
Sie verfolgen mi: nun bift du meine leßte Zu-
fluht. Nicht mit ihrem Haffe, nicht mit ihren
Bäfchern: — oh foldher Derfolgung würde ich fpotten
und ftolz und froh fein!
War nidıt aller Erfolg bisher bei den Gut-Derfolg-
ten? Und wer gut verfolgt, lernt leicht folgen: — ift
er doch einmal — hinterher! Aber ihr Mitleid iſts —
— ihr ‚Mitleid iſt's, vor dem ich flüchte und dir
zuflüchte. Oh Sarathuftra, füge mid, du meine letzte
Zuflucht, du Einziger, der mich errieth:
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— du errietheſt, wie Dem zu Muthe iſt, welcher
ihn tödtete. Bleibl Und willſt du gehn, du Un—
geduldiger: geh nicht den Weg, den ich kam. Der
Weg iſt ſchlecht.
Zürnſt du mir, daß ich zu lange ſchon rede⸗rade⸗
brehe? Daß ich ſchon dir rathe? Aber wiſſe, ich
bin’s, der häßlichſte Menſch,
— der audh die größten fchwerften Süße hat.
Wo ich gieng, ift der Weg ſchlecht. Ich trete alle
Wege todt und zu Schanden.
Daß du aber an mir vorübergienogft, fchweigend;
daß du errötheteft, ich fah es wohl: daran erfannte
ih dich als Sarathuftra.
Jedweder Andere hätte mir fein Almofen zuge.
worfen, fein Mitleiden, mit Bli und Rede, Aber dazu
— bin ich nicht Bettler genug, das errietheft du —
— dazu bin ich zu reich, reih an Großem, an
Furchtbarem, am Häßlichften, am Unausſprechlichſten!
Deine Scham, oh Sarathuftra, ehrte mid!
Mit Noth fam ich heraus aus dem Gedräng der
Mitleidigen, — daß ich den Einzigen fände, der heute
lehrt „Mitleiden ift zudringlih“ — dich, oh Sarathuftral
— fei es eines Gottes, fei es der Menfchen Mit-
leiden: Mitleiden geht gegen die Scham. Und Nicht—⸗
helfen- wollen kann vornehmer fein als jene Tugend,
die zufpringt.
Das aber heißt heute Tugend felber bei allen
PFleinen Leuten, das Mitleiden: — die haben Feine Ehr-
furht vor großem Unglüd, vor großer Häßlichkeit,
vor großem Mißrathen.
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Über diefe Alle blide ich hinweg, wie ein Bund
über die Rüden wimmelnder Schafheerden wegblidt.
Es find Pleine wohlwollige wohlwillige graue Leute.
Wie ein Reiher verachtend über flache Teiche weg⸗
blickt, mit zurüdgelegtem Kopfe: fo blide ich über
das Gewimmel grauer Fleiner Wellen und Willen und
Seelen weg.
Sn lange hat man ihnen Necht gegeben, diefen
Fleinen Leuten: fo gab man ihnen endlich auch die
Macht — nun lehren fie: „gut ift nur, was Pleine
Seute gut heißen“.
Und „Wahrheit“ heißt heute, was der Prediger
ſprach, der felber aus ihnen herfam, jener wunderliche
Heilige und Sürfprecher der kleinen Leute, welder
von fich zengte „ih — bin die Wahrheit”.
Diefer Unbefcheidne macht nun lange ſchon den
Pleinen Leuten den Kamm hoch fchwellen — er, der
feinen Pleinen Irrthum lehrte, als er lehrte „ih — bin
die Wahrheit“.
Ward einem Unbejceidnen jemals höflicher ge
antwortet? — Du aber, oh Sarathuftra, gienagft an ihm
vorüber und ſprachſt: „ein! ein! Drei Mal ein!“
Du warnteft vor feinem Irrthum, du warnteft als
der Erfte vor dem Mitleiden — nicht Alle, nicht
Keinen, fondern dich und deine Art.
Du fhämft did an der Scham des großen Leiden⸗
den; und wahrlich, wenn du fpridfi „von dem Mit-
leiden her kommt eine große Wolfe, habt Act, ihr
Menschen!”
— wenn du lehrft „alle Schaffenden find Hart, alle
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große Kiebe ift über ihrem Mitleiden“: oh Sarathuftra,
wie aut dünkſt du mich eingelernt auf Wetter» Heichen!
Dun felber aber — warne dich felber auch vor
deinem Mlitleiden! Denn Diele find zu dir unterwegs,
viele Leidende, Hweifelnde, Derzweifelnde, Ertrintende,
Srierende —
Ich warne dic auch vor mir. Du errietheft mein
beftes, fchlimmftes Räthſel, mich felber und was ich
that. Ich kenne die Art, die dich fällt.
Aber ee — mußte fterben: er fah mit Augen,
welhe Alles fahn, — er fah des Menfchen Tiefen und
Gründe, alle feine verhehlte Schmach und Häßlichkeit.
Sein Mitleiden Tannte feine Scham: er kroch fin
meine fhmußigften Winkel. Diefer Xeugierigfte, Über:
Sudringliche, Über-Mitleidige mußte fterben.
Er fah immer mid: an einem folden Zeugen
wollte ich Rache haben — oder felber nicht leben.
Der Gott, der Alles fah, auch den Menfchen:
diefer Bott mußte fterbenl Der Menſch erträgt es
nicht, daß fol ein Zeuge lebt.“
}
Alfo fprah der häßlichfte Menſch. Sarathuftra
aber erhob fih und ſchickte fih an fortzugehn: denn
ihn fröftelte bis in feine Eingeweide.
„Du Unausfpredlicher, fagte er, du warnteft mid
vor deinem Wege. Sum Dante dafür lobe ich dir
den meinen. Siehe, dort hinauf liegt die Höhle Zara⸗
thuftra’s,
Meine Höhle ift groß und tief und hat viele
Winkel; da findet der Derftedtefte fein Verſteck.
387 25*
Und dicht bei ihr find hundert Schlüpfe und Schliche |
für kriechendes, flatterndes und fpringendes Gethier. |
Du Ausgeftoßener, der du dich felber ansftiegef, |!
' du willft nicht unter Menfhen und Menſchen⸗Mitleid |
wohnen? Wohlan, fo thu's mir gleichl So lernft du auch |
von mir; nur der Chäter lernt. |
Und rede zuerft und ⸗nächſt mit meinen hieren!
Das ftolzefte Chier und das Flügfte Chier — die möchten
uns Beiden wohl die rechten Rathgeber feinl" — — :
Alfo fprah Sarathuftra und gieng feiner Wege, |
| nachdenklicher und langfamer noch als zuvor: denn er
| fragte fih Dieles und wußte fidy nicht leicht zu ant- |
| worten.
' „Wie arm iſt doch der Menſchl dachte er in ſeinem
Herzen, wie häßlich, wie röchelnd, wie voll verborgener
Scham!
Man fagt mir, daß der Menſch ſich felber liebe:
ah, wie groß muß diefe Selber-Kiebe feinl Wie viel
Verachtung hat fie wider fichl
Auch Diefer da liebte fi, wie er fich verachtete,
— ein großer Liebender ift er mir und ein großer
Derädhter.
Keinen fand ich noch, der ſich tiefer veradhtet
hätte: auch Das ift Höhe. Wehe, war Der vielleicht
der höhere Menſch, defjen Schrei ich hörte? |
Ich liebe die großen Deradhtenden. Der Menſch
| aber ift Etwas, das überwunden werden muß." — — :
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Der freiwillige Bettler.
Als Zarathuſtra den häßlichſten Menſchen ver- |
laffen hatte, fror ihn, und er fühlte fih einfam: es |!
gieng ihm nämlich vieles Kalte und Einfame durch |
die Sinne, alfo, daß darob auch feine Glieder Fälter |
|
hinab, bald an grünen Weiden vorbei, aber auch über
wilde fteinichte Lager, wo ehedem wohl ein ungedul-
diger Bach fih zu Bett gelegt hatte: da wurde ihm
mit Einem Male wieder wärmer und herzlicher zu Sinne.
„Was gefhah mir doch? fragte er fih, etwas
Warmes und £ebendiges erquidt mid, das muß in
meiner Nähe fein.
Schon bin ich weniger allein; unbewußte Gefährten
und Brüder fchweifen un mich, ihr warmer Athem
rührt an meine Seele.”
Als er aber um ſich fpähete und nad) den Tröftern
feiner Einſamkeit fuchte: fiehe, da waren es Kühe.
wurden. Indem er aber weiter und weiter flieg, hinauf,
)
welche auf einer Anhöhe bei einander fanden; deren
Nähe und Geruch hatten fein Herz erwärmt. Diefe
Kühe aber fhienen mit ‚Eifer einem Redenden zuzu«
hören und gaben nicht auf Den Adıt, der heranfam,
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389
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Wie aber Sarathuftra ganz in ihrer Nähe war, hörte er
dentlich, dag eine Menfchen-Stimme aus der Mitte der
Kühe heraus redete; und erfichtlich hatten fie allefammt
ihre Köpfe dem Nedenden zugedreht.
Da fprang Sarathuftra mit Eifer hinauf und drängte
die Chiere auseinander, denn er fürchtete, daß hier
Jemandem ein Leids gefchehn ſei, welchem fchwerlich
das Mitleid von Kühen abhelfen modte. Aber darin
hatte er fich getäufcht, denn fiehe, da faß ein Menſch
auf der Erde und fchien den Ühieren zuzureden, daß
fie Feine Schen vor ihm haben follten, ein friedfertiger
Menſch und Berg-Prediger, aus deffen Augen die Güte
felber predigte. „Was fuchft du hier?“ rief Sarathufira
mit Befremden.
„Was ich hier fuche? antwortete er: das Selbe, was
du fuchft, du Störenfriedl nämlich das Glück auf Erden.
Dazu aber möchte ich von diefen Kühen lernen.
Denn, weißt du wohl, einen halben Morgen fchon rede
ih ihnen zu, und eben wollten fie mir Befcheid geben.
Warum doc ftörft du fier
So wir nicht umfehren und werden wie die Kühe,
fo fommen wir nicht in das Himmelreih. Wir follten
ihnen nämlih Eins ablernen: das Wiederfänen.
Und wahrlih, wenn der Menſch auch die ganze
Welt gewönne und lernte das Eine nicht, das Wieder-
käuen: was hülfe es! Er würde nicht feine Trübfal los
— feine große Trübfal: die aber heißt heute
Efel. Wer hat heute von Efel nit Herz, Mund
und Augen voll? Auch dul Auch dul Aber fiehe doc
diefe Kühe anl“ —
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Alſo ſprach der Berg⸗Prediger und wandte dann
ſeinen eignen Blick Zarathuſtra zu, — denn bisher
hieng er mit Liebe an den Kühen —: da aber ver-
wandelte er fih. „Wer ift das, mit dem ich rede? rief
er erfchrect und fprang vom Boden empor.
Dies ift der Menſch ohne Ekel, dies ift Sarathuftra
felber, der Überwinder des großen Efels, dies iſt
das Auge, dies ift der Mund, dies ift das Herz Sara.
thuftra’s felber.”
Und indem er alfo fpradh, Füßte er Dem, zu
welhem er redete, die Hände, mit überftrömenden
Augen, und gebärdete fih ganz als Einer, dem ein
foftbares Geſchenk und Kleinod unverfehens vom
Bimmel fällt. Die Kühe aber ſchauten dem Allen zu
und wunderten fidh.
„Spridy nicht von mir, du Wunderlicher! Kieblicher!
fagte Sarathuftra und wehrte feiner Zärtlichkeit, ſprich
mir erft von dirl Bift du nicht der freiwillige Bettler,
der einft einen großen Reichthum von ſich warf, —
— der fih feines Reihthums fhämte und der
Reichen, und zu den Ärmften floh, daß er ihnen feine
Fülle und fein Herz ſchenkte? Aber fie nahmen ihn
nit an.”
„Aber fie nahmen mid nidt an, fagte der frei-
willige Bettler, du weißt es ja. So gieng ich endlich
zu den Thieren und zu diefen Kühen.“
„Da lernteft du, unterbrach Sarathuftra den Reden⸗
den, wie es fchwerer ift, recht geben als recht nehmen,
und dag gut Schenken eine Kunft it und die lebte
liſtigſte Meifter-Kunft der Güte,“
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„Sonderlich hentzutage, antwortete der freiwillige
Bettler: hente nämlich, wo alles Niedrige aufftändifch
ward und fcheu und auf feine Art hoffährtig: nämlich
auf Pöbel-Art.
Denn es fam die Stunde, du weißt es ja, für
den großen fchlimmen langen langfamen Pöbel- und
Sflaven-Aufftand: der wählt und wädhftl -
Nun empört die Niedrigen alles Wohlthun und Feine
Weggeben; und die Überreichen mögen auf der But fein!
Wer heute gleich bauchichten Flaſchen tröpfelt aus
allzufhmalen Hälſen: — ſolchen Slafhen bridt man
heute gern den Hals.
Küfterne Gier, gallichter Neid, vergrämte Rach—⸗
fuht, Pöbel-Stolz: das fprang mir Alles in’s Geſicht.
Es ift nicht mehr wahr, daß die Armen felig find.
Das Himmelreich aber ift bei den Kühen.”
„And warum ift es nicht bei den Reichen?” fragte
Sarathuftra verfuchend, während er den Kühen wehrte,
die den Sriedfertigen zutraulich anfchnauften.
„Was verſuchſt du mich? antwortete diefer. Du
weißt es felber befier noch als ih. Was trieb mid
doch zu den AÄrmften, oh Zarathuftra®? War es nicht
der Efel vor unfern Reichſten?
— vor den Sträflingen des NReihthums, welde
fih ihren Dortheil aus jedem Kehricht auflefen, mit
falten Augen, geilen Gedanken, vor diefem Gefindel,
das gen Himmel ftinkt,
— vor dieſem vergüldeten verfälichten Pöbel,
deffen Däter Lanafinger oder Aasvögel oder Lumpen⸗
fammler waren, mit Weibern willfäbrig, lüftern, ver
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geßlich: — ſie haben's nämlich alle nicht weit zur
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Pöbel oben, Pöbel unten! Was iſt heute noch
„Arm“ und „Reich“! Dieſen Unterſchied verlernte ich,
— da floh ich davon, weiter, immer weiter, bis ich zu
dieſen Kühen kam.“
Alſo ſprach der Sriebfertige und fchnanfte felber
und ſchwitzte bei feinen Worten: alfo daß die Kühe
ı fi von Neuem wunderten. Zarathuftra aber fah ihm
immer mit Lächeln in’s Geſicht, als er fo hart redete,
und fchüttelte dazu fchweigend den Kopf.
„Du thuft dir Gewalt an, du Berg-Prediger, wenn
du folhe harte Worte branhf. Für foldhe Härte
wuchs dir nicht der Mund, nicht das Auge.
Auh, wie mid dünft, dein Magen felber nicht:
dem mwiderfteht all folhes Zürnen und Haflen und
Überfhäumen. Dein Magen will fanftere Dinge: du
bift Fein Sleifcher.
Dielmehr dünfft du mich ein Pflanzler und Wurzel-
mann. Dielleicht malmft du Körner, Sicherlich aber
bit du fleifchlichen Frenden abhold und Tiebft den
| Honig.“
„Du erriethft mich gut, antwortete der freiwillige
Bettler mit erleichtertem Herzen. Ich liebe den Honig,
| ih malme aud Körner, denn ich ſuchte, was lieblich
mundet und reinen Athem madt:
| — auch was lange Zeit braudt, ein Tag- und
Maul⸗Werk für fanfte Müßiggänger und Tagediebe.
| Am weiteften freilich brachten es diefe Kühe: die
| erfanden fi das Wiederfäuen und In-der-Sonne-Liegen.
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Auch enthalten fie fi aller ſchweren Gedanken, welche
das Herz blähn.”
— „Wohlan! fagte Sarathuftra: du follteft and
meine Chiere fehn, meinen Adler und meine Schlange,
— ihres Gleichen giebt es heute nicht auf Erden.
Siehe, dorthin führt der Weg zu meiner Höhle: fei
diefe acht ihr Gaſt. Und rede mit meinen Chieren
vom Glüd der Chiere, —
— bis ich jelber heimfomme. Denn jetzt ruft ein
Xothfchrei mid eilig weg von dir. Auch findeft du
neuen Honig bei mir, eisfrifhen Waben- Goldhonig:
den ißl
Jet aber nimm flugs Abfchied von deinen Kühen,
du Wunderlicher! Lieblicherl ob es dir fchon fchwer
werden mag. Denn es find deine wärmften Freunde
und Zehrmeifterl" —
„— Einen ausgenommen, den ich noch lieber habe,
antwortete der freiwillige Bettler. Du felber bift gut,
und befjer noch als eine Kuh, oh Sarathuftral”
„sort, fort mit dir! du arger Schmeichler! fchrie
Sarathuftra mit Bosheit, was verdirbft du mich mit
jolhem £ob und Schmeidhel-Honig P”
„Fort, fort von mir!” fchrie er noch Ein Mal und
fhwang feinen Stod nad dem zärtlihen Bettler: der
aber lief hurtig davon.
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Der Schatten.
Kaum aber war der freiwillige Bettler davon⸗
gelaufen und Zarathuſtra wieder mit ſich allein, da hörte
er hinter ſich eine neue Stimme: die rief „Halt! Sara-
thuftral So warte doch! ich bin’s ja, oh Zarathuſtra,
ih, dein Schattenl” Aber Sarathuftra wartete nicht,
denn ein plößlicher Derdruß überfam ihn ob des vielen
Sudrangs und Gedrängs in feinen Bergen. „Wo ift
meine Einfamfeit hin? ſprach er.
Es wird mir wahrlich zu viel; dies Gebirge wim-
melt, mein Reich ift nicht mehr von diefer Welt, ich
brauche neue Berge.
Mein Schatten ruft mihP Was liegt an meinem
Schatten! Mag er mir nachlaufen! ich — laufe ihm davon.“
Aljo ſprach Sarathuftra zu feinem Herzen und lief
davon. Aber Der, welcher hinter ihm war, folgte ihm
nach: fo daß alsbald drei Laufende hinter einander her
waren, nämlich voran der freiwillige Bettler, dann Zara⸗
thuftra und zudritt und ⸗hinterſt fein Schatten. Nicht
lange liefen fie fo, da fam Sarathuftra zur Befinnung
über feine Chorheit und fchüttelte mit Einem Nude
allen Derdruß und Überdruß von fid.
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„Wiel ſprach er, gefchahen nicht von je die lächer⸗
lichften Dinge bei uns alten Einfiedlern und Heiligen?
Wahrlich, meine Chorheit wuchs hodh in den
Bergen! Nun höre ich ſechs alte Narren-Beine hinter
einander her klappern!
Darf aber Sarathuftra ſich wohl vor einem Schatten
fürhten? Auch dünft mich zu guterlett, daß er längere
Beine hat als id.”
Alſo ſprach Sarathuftra, lachend mit Augen und
Eingeweiden, blieb ftehen und drehte fi fchnell
herum — und fiehe, faft warf er dabei feinen Nach⸗
folger und Schatten zu Boden: fo dicht fchon folgte ihm
derfelbe auf den Serfen, und fo ſchwach war er audı.
Als er ihn nämlich mit Augen prüfte, erfchraf er wie
vor einem plößlichen Geſpenſte: fo dünn, fchwärzlich,
hohl und überlebt fah diefer Nachfolger aus.
„Wer bift du? fragte Sarathuftra heftig, was treibft
du hier? Und weshalb heißeft du dich meinen Schatten ?
Du gefällt mir nicht.“
„Dergieb mir, antwortete der Schatten, daß idy’s bin;
und wenn ich dir nicht gefalle, wohlan, oh Sarathuftra!
darin lobe ich dich und deinen guten Geſchmack.
Ein Wanderer bin ich, der viel fchon hinter deinen
Serfen her gieng: immer unterwegs, aber ohne ätel,
auch ohne Heim: alfo daß mir wahrlid wenig zum
ewigen Juden fehlt, es fei denn, daß ich nicht ewig,
und auch nicht Jude bin,
Wie? Muß ich immerdar unterwegs fein? Don
jedem Winde gewirbelt, unftet, fortgetrieben? Gh Erde,
du wardft mir zu rund]
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Auf jeder Oberfläche ſaß ich ſchon, gleich müdem
Staube ſchlief ich ein auf Spiegeln und Fenſterſcheiben:
Alles nimmt von mir, Nichts giebt, ich werde dünn, —
faſt gleiche ich einem Schatten.
Dir aber, oh ZFarathuſtra, flog und zog ich am
längften nach, und, verbarg ich midy ſchon vor dir, fo
war ich doch dein befter Schatten: wo du nur geſeſſen
haft, faß ich auch.
Mit dir bin ich in fernften, Fälteften Welten um⸗
gegangen, einem Gefpenfte gleich, das freiwillig über
Winterdäher und Schnee läuft.
Mit dir firebte ich in jedes Derbotene, Schlimmfte,
Sernfte: und wenn irgend Etwas an mir Tugend ift, fo
ift es, daß ich vor keinem Derbote Furcht hatte,
Mit dir zerbrach ich, was je mein Herz verehrte,
alle Grenzfteine und Bilder warf ich um, den gefähr-
fihften Wünfcen lief ih nah, — wahrlih, über jed-
wedes Derbrechen lief ich einmal hinweo.
Mit dir verlernte ich den Glauben an Worte und
Werthe und große Namen. Wenn der Teufel ſich häutet,
fällt da nicht aud, fein Name ab? Der ift nämlich aud
Haut. Der Teufel felber ift vielleiht — Haut.
Nichts ift wahr, Alles ift erlaubt“: fo ſprach ich
mir zu. In die Fälteften Waſſer ftürzte ich mich, mit
Kopf und Herzen. Ach, wie oft ftand ich darob nad
als rother Krebs dal
Ah, wohin fam mir alles Gute und alle Scham
und aller Glaube an die Gutenl Ach, wohin ift jene
verlogne Unfhuld, die ich einft befaß, die Unjchuld
der Guten und ihrer edlen Lügen! |
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Zu oft, wahrlich, folgte ich der Wahrheit dicht auf
dem Suße: da trat fie mir vor den Kopf. Manchmal
meinte ich zu lügen, und fiehel da erft traf ih — die
Wahrheit.
Zu Diel Flärte fih mir auf: nun geht es mid
Nichts mehr an. Nichts lebt mehr, das ich liebe, — wie
follte ich noch mich felber lieben?
„Leben, wie ich £uft habe, oder gar nicht leben“:
fo will ich’s, fo will’s auch der Heiligſte. Aber, wehel
wie habe ich noch — £ufi?
Babe ih — nod ein SielP Einen Bafen, nad
dem mein Segel läuft?
Einen guten Wind? Ad, nur wer weiß, wohin
er fährt, weiß auch, welder Wind gut und fein Sahr-
wind ift. Ä
Was blieb mir noch zurüd? Ein Herz müde und
frech; ein unfteter Wille; Slatter-flügel; ein zerbrochnes
Rückgrat.
Dies Suchen nach meinem Heim: oh Zarathuſtra,
weißt du wohl, dies Suchen war meine Beimfuchung,
es frißt mich auf.
„Wo ift — mein Heim? Darnach frage und fuche
und fuchte ich, das fand ich nicht. Oh ewiges Überall,
oh ewiges irgendwo, oh ewiges — Umfonft!”
Alfo ſprach der Schatten, und Sarathuftra’s Geſicht
verlängerte fich bei feinen Worten. „Du bift mein
Schatten! fagte er endlich, mit Traurigkeit.
Deine Gefahr ift feine Peine, du freier Geiſt und
Wandererl Du Haft einen fchlimmen Tag gehabt:
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fieh zu, daß dir nicht noch ein ſchlimmerer Abend
fommt!
Solhen Unfteten, wie du, dünft zulegt auch ein
Gefängniß ſelig. Sahft du je, wie eingefangne Der-
brecher fchlafen? Sie fchlafen ruhig, ſie genießen ihre
nene Sicherheit. |
Hüte dich, daß dich nicht am Ende noch ein enger
Glaube einfängt, ein harter, firenger Wahn! Did
nämlich verführt und verſucht nunmehr Jegliches, das
eng und feit ift.
Du haft das Biel verloren: wehe, wie wirft du
diefen Derluft verfcherzen und verfchmerzen? Damit
— haft du auch den Weg verloren!
Du armer Schweifender, Schwärmender, du müder
Schmetterling! willft du diefen Abend eine Raſt und
Heimftätte haben? So gehe hinauf zu meiner Höhle!
Dorthin führt der Weg zu meiner Höhle Und
jetzo will ich fchnell wieder von dir davonlaufen. Schon
liegt es wie ein Schatten auf mit.
Ih will allein laufen, da es wieder hell um mid
werde. Dazu muß ih nod lange luſtig auf den
Beinen fein. Des Abends aber wird bei mir — ge
tanztl! — —
Alfo ſprach Sarathuftra.
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——— — — —— — — ———— —,— — —— —, —ääöaöeee Fee nnd
* *
— —— — — — — — — — —— — —
Mittags.
— Und Zarathuſtra lief und lief und fand ie
manden mehr und war allein und fand immer wieder
fh und genoß und fchlürfte feine Einſamkeit und
dachte an gute Dinge, — ſtundenlang. Um die Stunde
des Mittags aber, als die Sonne gerade über Zara—⸗
thuftra’s Haupte ftand, Fam er an einem alten krummen
und knorrichten Baume vorbei, der von der reichen
Kiebe eines Weinftods rings umarmt und vor fi
felber verborgen war: von dem hiengen gelbe Trauben
in Sülle dem Wandernden entgegen. Da gelüftete ihn,
einen Zleinen Durft zu löfchen und fi eine Traube
abzubrehen; als er aber ſchon den Arm dazu aus«
ſtreckte, da gelüftete ihn etwas Anderes noch mehr:
nämlid fi neben den Baum niederzulegen, um die
Stunde des volllommnen Mittags, und zu fchlafen.
Dies that Sarathuftra; und fobald er auf dem
Boden lag, in der Stille und Heimlichkeit des bunten
Grafes, hatte er auch fchon feinen Pleinen Durft ver-
gefien und fchlief ein. Denn, wie das Sprichwort
Sarathuftra’s fagt: Eins ift nothwendiger als das Andre.
Nur daß feine Augen offen blieben: — fle wurden
nämlich nicht fatt, den Baum und die Kiebe des Wein-
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ſtocks zu ſehn und zu preiſen. Im Einſchlafen aber
ſprach Zarathuſtra alſo zu feinem Herzen:
„Still! Stilll Ward die Welt nicht eben vollkommen ?
Was gefchieht mir doch?
Wie ein zierlicher Wind, ungefehn, auf getäfeltem
Meere tanzt, leicht, federleicht: fo — tanzt der Schlaf
auf mir.
Kein Auge drückt er mir zu, die Seele läßt er mir
wach. Leicht ift er, wahrlich! federleicht.
Er überredet mich, ich weiß nicht wie?, er betupft
mid innewendig mit fehmeichelnder Hand, er zwingt
mid. Ja, er zwingt mid, daß meine Seele fi} aus-
firedt: —
— wie fie mir lang und müde wird, meine wunder.
fihe Seelel Kam ihr eines fiebenten Tages Abend
gerade am Mittage? Woandelte fie zu lange fchon felig
zwifchen guten und reifen Dingen ?
Sie ſtreckt fih lang aus, lang, — länger! fie liegt
ftille, meine wunderliche Seele. Zu viel Gutes hat fie
fhon gefchmedt, diefe goldene Traurigkeit drückt fie,
fie verzieht den Mund.
— Wie ein Sdiff, das in feine ſtillſte Bucht ein-
lief: — nun lehnt es fi an die Erde, der langen
Reifen müde und der ungewiflen Meere. JR die Erde
nicht treuer ?
Wie folh ein Schiff fi dem Lande anlegt, an-
fhmiegt: — da genügt’s, daß eine Spinne vom Lande
her zu ihm ihren Saden fpinnt. Keiner ftärferen Caue
bedarf es da.
— — — an — ⸗—— — — ⏑⏑⏑—
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Alſo ſprach Zarathuſtra. 401 26
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A nun — ——— — ——
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Wie ſolch ein müdes Schiff in der ſtillſten Bucht:
fo ruhe au ih nun der Erde nahe, tren, zutranend,
wartend, mit den leifeften Fäden ihr angebunden.
Oh Glück! Oh Glück! Wil du wohl fingen, oh
meine Seele? Du liegſt im Graſe. Aber das ift die heim⸗
fihe feierlihe Stunde, wo fein Hirt feine Flöte bläft.
Scene dihl Heißer Mittag fchläft auf den Fluren.
Singe nit! Still! Die Welt ift vollkommen.
Singe nicht, du Gras-Beflügel, oh meine Seelel
Slüftere nicht einmall Sieh doch — ftill! der alte Mittag
fhläft, er bewegt den Mund: trinkt er nicht eben einen
Tropfen Glücks —
— einen alten braunen Tropfen goldenen Glüds,
goldenen Weins? Es hufcht über ihn hin, fein Glück
lacht. So — lacht ein Gott, Stil —
— „Sum Glüd, wie wenig genügt ſchon zum
Glückel“ So fprah ich einft und dünfte mid Flug.
Aber es war eine Läfterung: das lernte ih nun.
Kluge Harın reden befler.
Das Wenigfte gerade, das Keifefte, Keichtefte,
einer Eidechfe Raſcheln, ein Bau, ein Huſch, ein
Augen Bid — Wenig madt die Art des beften
Glüds. Still
— Was gefhah mir: Bord! Flog die Seit wohl
davon? Kalle ich nicht? Fiel ich nicht — horchl in den
Brunnen der Ewigfeit?
— Was gefdieht mir? Still! Es fiiht mih —
wehe — in’s Herz? In's Herz! Gh zerbrich, zerbrich,
Herz, nach folhem Glücke, nad ſolchem Stichel
— Wie? Ward die Welt nicht eben volllommen?
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Rund und reif? Gh des goldenen runden Reifs — wo—⸗
hin fliegt ee wohl? Kaufe ich ihm nah! Huſch!
Still — —“ (und hier dehnte ſich Zarathuſtra und
fühlte, daß er ſchlafe.)
„Aufl ſprach er zu fich felber, du Schläferl Du
Mittagsfchläferl Wohlan, wohlauf, ihr alten Beinel Seit
iſt's und Überzeit, manch gut Stüd Wegs blieb euch
noch zurück —
Aun ſchlieft ihr euch aus, wie lange doch? Eine
halbe Ewigfeitl Wohlan, wohlauf nun, mein altes Herz!
Wie lange erft darfft du nach folhem Schlaf — dich
auswacen?“
(Aber da fchlief er fhon von Neuem ein, und
feine Seele ſprach gegen ihn und wehrte fi und legte
ſich wieder hin) — „Laß mich dochl Still Ward nicht
die Welt eben volllommen? Gh des goldnen runden
Balls" —
„Steh auf, ſprach Zarathuftra, du Feine Diebin, du
Tagediebinl Wie? Immer nod ſich ſtrecken, gähnen,
fenfzen, hinunterfallen in tiefe Brunnen?
Wer bift du dohl Oh meine Seelel“ (und hier
erfhraf er, denn ein Sonnenftrahl fiel vom Bimmel
herunter auf fein Geſicht.)
„Oh Himmel über mir, fprady er feufzend und
fegte ſich aufrecht, du fchauft mir zu? Du hordft
meiner wunderlichen Seele zu ?
Wann trinkt du diefen Tropfen Chau’s, der auf
alle Erden-Dinge niederfiel, — wann trinfft du diefe
wunderliche Seele —
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| — mann, Brunnen der Emwigfeitl du heiterer
fhauerliher Mittags- Abgrund! wann trinfft du meine
Seele in dich zurüd?“
Lager am Baume wie aus einer fremden Trunkenheit:
und fiehe, da fand die Sonne immer noch gerade über
feinem Haupte. Es möchte aber Einer daraus mit Recht
abnehmen, daß Sarathuftra damals nicht large ges
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Alfo ſprach Sarathuftra und erhob fi von feinem
fchlafen habe.
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Die Begrüßung.
Am fpäten Nachmittage war es erſt, daß Fara⸗
thuftra, nady langem umfonftigen Suchen und Umher⸗
ftreifen, wieder zu feiner Höhle heimfam, Als er aber
derfelben gegenüberfland, nicht zwanzig Schritt mehr
von ihr ferne, da geſchah Das, was er jetzt am wenig-
ften erwartete: von Nenem hörte er den großen Noth⸗
frei. Und, erftaunlichl dies Mal fam derfelbige aus
feiner eignen Höhle. Es war aber ein langer vielfältiger
feltfamer Schrei, und Sarathuftra unterfchied deutlich,
daß er fi aus vielen Stimmen zufammenfeßte: mochte
er fchon, aus der Ferne gehört, gleich dem Schrei aus
einem einzigen Munde Plingen.
Da fprang Sarathuftra auf feine Höhle zu, und
fiehel welches Schaufpiel erwartete ihn erft nad} diefem
Hörfpielel Denn da faßen fie allefammt bei einander,
an denen er des Tags vorübergegangen war: der König
zue Rechten und der König zur Linken, der alte
Sauberer, der Papſt, der freiwillige Bettler, der Schatten,
der Gemwiffenhafte des Geiftes, der traurige Wahrfager
und der Efel; der häßlichfte Menſch aber hatte ſich
eine Krone aufgefeßt und zwei Purpurgürtel umge.
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fhlungen, — denn er liebte es, gleich allen Häßlichen,
fih zu verkleiden und ſchön zu thun. Inmitten aber
diefer betrübten Gefellfchaft fland der Adler Zara⸗
thuftra’s, gefträubt und unruhig, denn er follte auf zu
Dieles antworten, wofür fein Stolz feine Antwort hatte;
die kluge Schlange aber hieng um feinen Bals.
Dies Alles ſchaute Sarathuftra mit großer Der-
wunderung; dann aber prüfte er jeden Einzelnen feiner
Gäfte mit lentjeliger Neugierde, las ihre Seelen ab und
wunderte fi von Neuem. Inzwifchen haften ſich die
Derfammelten von ihren Siten erhoben und warteten
mit Ehrfurcht, dag Sarathuftra reden werde. Sarathuftra
aber ſprach alfo:
„Ihr Derzweifelnden! Ihr Wunderliheni Ich hörte
alfo euren Nothſchrei? Und nun weiß ich auch, wo
Der zu fuchen ift, den ich umfonft heute fuchte: der
höhere Menſch —:
— in meiner eignen Höhle fit er, der höhere
Menſch! Aber was wundere ich mihl Babe ih ihn
nicht felber zu mir gelodt, durch Honig⸗Opfer und
liftige Lockrufe meines Slüds?
Doch dünkt mir, ihr taugt euch fhleht zur Ge⸗
fellfchaft, ihr madıt einander das Herz unwirſch, ihr
Aothfchreienden, wenn ihr hier beifammen fit? Es
muß erft Einer fommen,
— Einer, der eud; wieder lachen mad, ein guter
fröhlicher Hanswurft, ein Tänzer und Wind und Wilde
fang, irgend ein alter Narr: — was dünfet euch?
Dergebt mir doc, ihr Derzweifelnden, daß ich vor
euch mit foldy Pleinen Worten rede, unwürdig, wahrlidy,
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ſolcher Gäſtel Aber ihr errathet nicht, was mein Herz
muthwillig macht:
— ihr ſelber thut es und euer Anblick, vergebt es
mir! Jeder nämlich wird muthig, der einem Derzweifeln-
den zufchaut. Einem Derzweifelnden zuzufprehen —
dazu dünkt fih Jeder ftarf genug.
Mir felber gabt ihr diefe Kraft, — eine gute Gabe,
meine hohen Gäftel Ein recdtichaffnes Gaſtgeſchenk!
Wohlan, fo zürnt nun nicht, daß ih eudh auch vom
Meinigen antiete.
Dies hier ift mein Reich und meine Herrſchaft:
was aber mein ift, für diefen Abend und diefe Nacht
fol es euer fein. Meine Chiere follen euch dienen:
meine Höhle fei eure Nuheftatt!
Bei mir zu Heim und Haufe foll Keiner verzweifeln,
in meinem Reviere fchütze ich Jeden vor feinen wilden
Chieren. Und das ift das Erfte, was ich euch anbiete:
Sicherheit!
Das Zweite aber ift: mein kleiner Singer. Und
habt ihr den erft, fo nehmt nur noch die ganze Hand,
wohlan! und das Herz dazul Willtommen hier, will.
fommen, meine Gaftfreundel”
Alſo fprah Zarathuſtra und lachte vor Kiebe und
Bosheit. Nach diefer Begrüßung verneigten ſich feine
Gäfte abermals und fchwiegen ehrfürdtig; der König
zur Rechten aber antwortete ihm in ihrem Vamen.
„Daran, oh Sarathuftra, wie du uns Hand und
Gruß boteft, erfennen wir di als Sarathuftra. Du
erniedrigteft dich vor uns; faft thateft du unferer Ehr-
furcht wehe —:
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— wer aber vermöchte gleich dir ſich mit ſolchem
Stolze zu erniedrigen? Das richtet uns felber auf, ein
Kabfal ift es unfern Angen und Berzen.
Dies allein nur zu ſchaun, fliegen gern wir auf
höhere Berge, als diefer Berg if. Als Schanluftige
nämlich famen wir, wir wollten fehn, was trübe Augen
hell madt.
Und fiehe, ſchon ift es vorbei mit allem unfern
Nothſchrein. Schon fleht Sinn und Herz uns offen nnd
ift entzücdt. Wenig fehlt: und unfer Muth wird muth-
willig.
Nichts, oh Sarathuftra, wächſt Erfreulicheres auf
Erden, als ein hoher flarfer Wille: der ift ihr fchönftes
Gewächs. Eine ganze Landihaft erquidt fih an
Einem foldhen Baume.
Der Pinie vergleiche ich, wer gleich dir, oh Zara⸗
thuftra, aufwächſt: lang, fchweigend, hart, allein, beften
biegfamften Holzes, herrlih, —
— zulett aber hinausgreifend mit flarfen grünen
Äften nah feiner Berrfchaft, ftarfe Fragen fragend
vor Winden und Wettern und was immer auf Höhen
heimiſch if,
— ftärfer antwortend, ein Befehlender, ein Sieg-
reicher: oh wer follte nicht, ſolche Gewächſe zu fchaun,
auf hohe Berge fteigen ?
Deines Baumes hier, oh Sarathuftra, erlabt fih auch
der Düftere, der Mißrathene, an deinem Anblicke wird
auch der Unftete fiher und heilt fein Herz.
Und wahrlich, zu deinem Berge und Baume richten
| fih heute viele Augen; eine große Sehnfucht hat
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ſich aufgemacht, und Manche lernten fragen: wer ift
öarathuftra ?
Und wem du jemals dein Lied und deinen Honig in’s
Ohr geträufelt: alle die Verſteckten, die Einfiedler, die
Öweifiedler fprachen mit Einem Male zu ihrem Herzen:
„Lebt Sarathuftra noch? Es lohnt ſich nicht mehr
zu leben, Alles ift gleich, Alles it umfonft: oder —
wir müffen mit Sarathuftra leben!“
„Warum fommt er nidıt, der fih fo lange an-
fündigte? alfo fragen Diele; verfchlang ihn die Ein-
ſamkeit? Oder follen wir wohl zu ihm kommen?“
Nun geichieht’s, daß die Einfamkeit felber mürbe
wird und zerbricht, einem Grabe gleich, das zerbricht
und feine Todten nicht mehr halten kann. Überall fieht
man Auferftandene.
Nun fteigen und fleigen die Wellen um deinen
Berg, oh Sarathuftra. Und wie hoch auch deine Höhe
ift, Diele müffen zu die hinauf: dein Xachen foll nicht
lange mehr im Trocknen fiten.
Und daß wir Derzweifelnde jet in deine Höhle
famen und fchon nicht mehr verzweifeln: ein Wahr-
und Dorzeichen ift es nur, davon, daß Beflere zu dir
unterwegs find, —
— denn er felber ift zu dir unterwegs, der letzte
Reſt Gottes unter den Mlenfchen, das ift: alle die Menfchen
der großen Sehnfucht, des großen Efels, des großen
Überdruffes,
— Alle, die nicht leben wollen, oder fie lernen
wieder hoffen — oder fie lernen von dit, oh Zara⸗
thuftra, die große Hoffnung!“
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Alfo ſprach der König zur Rechten und ergriff die
Band Sarathuftra’s, um fie zu küſſen; aber Sarathuftra
wehrte feiner Derehrung und trat erfchreddt zurüd,
{hweigend und plötzlich wie in weite Fernen entfliehend.
Nach einer Fleinen Weile aber war er fchon wieder bei
feinen Gäften, blidte fie mit hellen, prüfenden Augen
an und fprady:
„Meine Säfte, ihr höheren Menfchen, ih will deutſch
und deutlich mit euch reden. licht auf euch wartete
ich hier in diefen Bergen.”
(„Deutfch und deutlih? Daß Gott erbarml fagte hier
der König zur Linken, bei Seite; man merkt, er kennt die
lieben Deutfchen nicht, diefer Weife aus dem Morgenlandel
Aber er meint „deutfch und derb“ — wohlan! Das
ift heutzutage noch nicht der fchlimmfte Geſchmackl“)
„Ihr mögt wahrlich insgefammt höhere Menfchen
fein, fuhr Sarathuftra fort: aber für mich — feid ihr
wicht hoch und ſtark genug.
Für mich, das heißt: für das Unerbittliche, das in
mir fchweigt, aber nicht immer fchweigen wird. Und
gehört ihr zu mir, fo doch nicht als mein rechter Arm.
Wer nämlich felber auf Franken und zarten Beinen
fteht, gleih euch, der will vor Allem, ob er’s weiß
oder ſich verbirgt: daß er geſchont werde.
Meine Arme und meine Beine aber fchone ich nicht,
ih fhone meine Krieger nidht: wiefo Fönntet
ihr zu meinem Kriege taugen?
Mit euch verdürbe ich mir jeden Sieg noch. Und
Mander von eu fiele ſchon um, wenn er nur den
lauten Schall meiner Trommeln hörte,
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Auch ſeid ihr mir nicht ſchön genug und wohl⸗
geboren. Ich brauche reine glatte Spiegel für meine
Kehren; auf eurer Oberfläche verzerrt ſich noch mein
eignes Bildniß.
Eure Schultern drüdt manche LCaſt, manche Er-
innerung; mand fchlimmer Zwerg hodt in euren
Winkeln. Es giebt verborgenen Pöbel auch in euch.
Und feid ihr auch hoch und höherer Art: Dieles an
euch ift krumm und mißgeftal. Da ift fein Schmied
in der Welt, der euch mir zurecht und gerade fchlüge.
Ihr feid nur Brüden: mögen Höhere auf euch
hinüber fchreiten! Ihr bedeutet Stufen: fo zürnt Dem
nicht, der über euch hinweg in feine Höhe fteigtl
Aus eurem Samen mag audy mir einft ein echter
Sohn und volllommener Erbe wachen: aber das ifl
ferne. Ihr felber feid Die nicht, welchen mein Erbaut
und Vame zugehört.
Nicht auf euch warte ih hier in diefen Bergen,
nicht mit euch darf ich zum letzten Male niederfteigen.
Als Dorzeihen famt ihr mir nur, daß fchon Höhere
zu mir unterwegs find, —
— nidt die Menfchen der großen Sehnfucht, des
großen Efels, des großen Überdruffes und Das, was
ihr den Überreft Gottes nanntet,
— nein! Xeinl Drei Mal Hein! Auf Andere
warte ich hier in diefen Bergen und will meinen Fuß
nicht ohne fie von dannen heben,
— auf Höhere, Stärkere, Sieghaftere, Wohlge-
muthere, Solche, die rechtwinklig gebaut find an Leib
und Seele: lachende Löwen müffen fommen!
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| Oh, meine Baftfreunde, ihr Wunderlihen, — hörtet
I ihr noch Nichts von meinen Kindern? Und daf fie
zu mir unterwegs find? t
| Sprecht mir doch von meinen Bärten, von meinen
| glücfeligen Infeln, von meiner neuen fcönen Art, f
| —_ warım iprecht ihr mir nicht davon?
\ Dies Gaftgefchen? erbitte, ih mir von eurer Liebe, ||;
| daß ihr mir von meinen Kindern fprecht. Hierzu bin |
ich reich, hierzu ward ih arm: was gab ich nicht hin, |!
| — mas gäbe ich nit hin, daß ich Eins hätte: «
diefe Kinder, diefe lebendige Pflanzung, diefe Kebens- —
bäume meines Willens und meiner höchſten Hoffnung!” |
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| Alfo ſprach Sarathuftra und hielt plöglich inne in |
feiner Rede: denn ihn überflel feine Sehnfucht, und er j
ii flog Augen und Mund vor der Bewegung feines ||
! Derzens. Und audh alle feine Gäſte fchwiegen und |
5 ftanden ftill und beftürzt: nur daß der alte Wahrfager |
I mit Händen und Gebärden Seichen gab. |
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Das Abendmahl.
An diefer Stelle nämlicy unterbrach der Wahrfager
die Begrüßung Sarathuftra’s und feiner Gäſte: er
drängte ſich vor, wie Einer, der feine Seit zu verlieren
hat, faßte die Hand Zarathuſtra's und rief: „Aber
Sarathuftral
Eins ift nothwendiger als das Andre, fo redeft du
felber: wohlan, Eins ift mir jeßt nothwendiger als
alles Andere. j
Ein Wort zur rechten Seit: haft du mich nicht zum
Mahle eingeladen? Und hier find Diele, die lange
Wege machten. Du willſt uns doch nicht mit Reden
abfpeifen ?
Auch gedachtet ihr Alle mir fchon zu viel des
Erfrierens, Ertrinfens, Erftidens und andrer Zeibes-
Aothftände: Keiner aber gedachte meines Xothflandes,
nämlich des Derhungerns —“
(Alfo ſprach der Wahrfager; wie die Chiere Zara⸗
thuftra’s aber diefe Worte hörten, liefen fie vor Schrecken
davon. Denn fie fahen, daß was fie au am Tage
heimgebradit hatten, nicht genug fein werde, den Einen
Wahrfager zu ftopfeit.)
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„Eingerechnet das Derdurften, fuhr der Wahrfager
for. Und ob ich ſchon Waſſer hier plätfchern höre,
gleih Reden der Weisheit, nämlidy reichlich und uner-
mädlih: ih — will Wein!
Nicht Jeder ift gleih Sarathuftra ein geborner
Waffertrinfer. Waſſer taugt au nicht für Müde und
Derwelfte: uns gebührt Wein, — der erft giebt plöß-
lihes Geneſen und ftegreife Gefundheitl“
Bei diefer Gelegenheit, da der Wahrfager nad
Wein begehrte, gefhah es, daß auch der König zur
Kinfen, der Schweigfame, einmal zu Worte fam. „Für
Wein, ſprach er, trugen wir Sorge, ich fammt meinem
Bruder, dem Könige zur Rechten: wir haben Weins
genug, — einen ganzen Efel vol. So fehlt Nichts
als Brod.“
„BrodP entgegnete Sarathuftra und lachte dazu.
Nur gerade Brod haben Einfiedler nicht. Aber der
Menfc lebt niht vom Brod allein, fondern auch vom
Sleifhe guter Lämmer, deren ich zwei habe:
— Die foll man gefhwinde ſchlachten und würzig,
mit Salbei, zubereiten: fo liebe ich's. Und auch an
Wurzeln und Früchten fehlt es nicht, gut genug felbft
für Leder- und Schmederlinge; noh an Nüſſen und
andern Näthfeln zum Unacken.
Alfo wollen wir in Kürze eine gute Mahlzeit machen.
Wer aber mit effen will, muß aud mit Hand anlegen,
auch die Könige. Bei Zarathuſtra nämlich darf aud
ein König Koch fein.”
Mit diefem Vorſchlage war Allen nad; dem Herzen
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geredet: nur daß der freiwillige Bettler ſich gegen
Fleiſch und Wein und Würzen ſträubte.
„Aun hört mir doch dieſen Schlemmer Zarathuſtral
fagte er fcherzhaft: geht man dazu in Höhlen und
Hoch⸗Gebirge, daß man folhe Mahlzeiten macht?
Nun freilich verftehe ich, was er einft uns lehrte:
„Gelobt fei die kleine Armuthl” und warum er die
Bettler abſchaffen will.“
. nSei guter Dinge, antwortete ihm Sarathuftra, wie
ich es bin. Bleibe bei deiner Sitte, du Trefflicher, malme
deine Körner, trin? dein Waſſer, lobe deine Küche:
wenn fie dich nur fröhlich madtl
Ich bin ein Gefeg nur für die Meinen, ich bin
fein Gefe für Allee Wer aber zu mir gehört, der
muß von flarfen Knochen fein, auch von leichten
Süßen, — |
— Iuftig zu Kriegen und Seften, Fein Düfterling,
fein Traum-Bans, bereit zum Schwerften wie zu feinem
Feſte, gejund und heil.
Das Befte gehört den Meinen und mir; und giebt
man’s uns nicht, fo nehmen wir’s: die befte Nahrung,
den reinften Himmel, die flärfften Gedanken, die
ſchönſten Fraunl!“ —
Alſo ſprach Sarathuftra; der König zur Rechten
aber entgegnete: „Seltfaml Dernahm man je folde
Fuge Dinge aus dem Munde eines Weifen?
Und wahrlih, das ift das Seltfamfte an einem
Weifen, wenn er zu alledem auch noch Flug und Fein
Eſel ift.*
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Alfo fprah der König zur Rechten und wunderte
fih; der Eſel aber fagte zu feiner Rede mit böfem
Willen J⸗A. Dies aber war der Anfang von jener langen
Mahlzeit, welche „das Abendmahl“ in den Biftorien«
Büchern genannt wird. Bei derfelben aber wurde von
nichts Anderem geredet als vom höheren Menſchen.
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Dom höheren Menſchen.
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Als ih zum erften Male zu den Mlenfchen Fam,
da that ich die Einfiedler-Chorheit, die große Chorheit:
ich ftellte mich auf den Marft.
Und als ich zu Allen redete, redete ich zu Keinem.
Des Abends aber waren Seiltänzer meine Benofjen, und
£eichname; und ich felber faft ein Leichnam.
Mit dem neuen Morgen aber fam mir eine neue
Wahrheit: da lernte ich fprechen „Was geht mich Markt _
und Pöbel und Pöbel-£ärm und lange Pöbel-Öhren an!“
Ihr höheren Mlenfchen, Dies lernt von mir: auf dem
Markt glaubt Niemand an höhere Menſchen. Und wollt
ihr dort reden, wohlan! Der Pöbel aber blinzelt „wir
find Alle gleich”.
„She höheren Menfchen, — fo blinzelt der Pöbel —
es giebt Feine höheren Menfchen, wir find Alle gleich,
Menfh ift Menfh, vor Bott — find wir Alle gleich!“
Dor Bottl — Aun aber ftarb diefer Gott. Dor dem
Pöbel aber wollen wir nicht gleich fein. Ihr höheren
Menfchen, geht weg vom Markt!
Alfo ſprach Zarathuftra. 417 27
|
2
Dor Gott! — Nun aber ftarb diefer Bott! Ihr }
höheren Menfchen, diefer Bott war enre größte Gefahr. .
Seit er im Grabe liegt, feid ihr erft wieder auf
erfianden. Nun erft kommt der große Mittag, num erft
wird der höhere Menfh — Berrl 1.
Derftandet ihr dies Wort, oh meine Brüder? hr feid |
erfchrecdt: wird euren Herzen ſchwindlig? Klafft euch
hier der Abgrund? Kläfft euch hier der Höllenhund? |
Wohlan!: Wohlaufl Ihr höheren Menfhen! Nun '
erft Preißt der Berg der Mlenfchen-Sufunft. Gott flarb: 1
nun wollen wir, — daß der Übermenfc lebe,
> *
*
3.
Die Sorglihften fragen heute: „wie bleibt der
Menfc erhalten?” Sarathuftra aber fragt als der Einzige ' ;'
und Erfte: „wie wird der Menfch überwunden?“
Der Übermenfch liegt mir am Herzen, der ift mein
Erftes und Einziges, — und nicht der Menſch: nit
der Nächſte, nicht der Armſte, nicht der Leidendfte,
nicht der Beſte. —
Oh meine Brüder, was id} lieben kann am Menſchen,
das ift, daß er ein Übergang ift und ein Untergang.
Und auch an euch ift Dieles, das mich lieben und
hoffen macht.
Daß ihr verachtetet, ihr höheren Menſchen, das
madıt mich hoffen. Die großen Derachtenden nämlich
find die großen Derehrenden. r
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: . und Fleiß und Rüdfiht und das lange Und-fo-weiter
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} Daß ihr verzweifeltet, daran ift Diel zu ehren. Denn
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ihe lerntet nicht, wie ihr euch ergäbet, ihr lerntet die
kleinen Klugheiten nicht.
Heute nämlich wurden die kleinen Leute Herr: die
predigen Alle Ergebung und Beſcheidung und Klugheit
der kleinen Cugenden.
Was von Weibsart iſt, was von Unechtsart ſtammt
und ſonderlich der Pöbel⸗Miſchmaſch: Das will nun
Berr werden alles Menſchen⸗Schickſals — oh Efell
Efell Efell
Das frägt und frãgt und wird nicht müde: „wie
erhält ſich der Menſch, am beſten, am längſten, am
angenehmſten?“ Damit — ſind ſie die Herrn von Heute.
Dieſe Herrn von Heute überwindet mir, oh meine
Brüder, — dieſe kleinen Leute: die find des Über-
menſchen größte Gefahr!
Überwindet mir, ihr höheren Menfchen, die Fleinen
Tugenden, die kleinen Klugheiten, die Sandkorn⸗Rück⸗
fihten, den Ameifen-Kribbelfram, das erbärmliche
Behagen, das „Glück der Meiften” —I
Und lieber verzweifelt, als daß ihr euch ergebt.
Und, wahrlich, ich liebe euch dafür, daß ihr heute nicht
zu leben wißt, ihr höheren Menfchenl So nämlich lebt
ihr — am beiten!
%
4.
Habt ihr Muth, oh meine Brüder? Seid ihr herz
haft? Nicht Muth vor Zeugen, fondern Einfiedler- und
iezpahnienehentheienge
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Adler-Muth, dem auch Fein Gott mehr zufteht? )
Kalte Seelen, Maulthiere, Blinde, Trunkene heißen
mir nicht herzhaft. Herz hat, wer Furcht Pennt, aber
Furcht zwingt; wer den Abgrund flieht, aber mit Stolz.
Wer den Abgrund fteht, aber mit Adlers- Augen,
— wer mit Adlers- Krallen den Abgrund faft: Der
hat Muth. — —
L | *
*
5.
„Der Menſch ift böfe” — fo fpradhen mir zum
Trofte alle Weifeften. Ach, wenn es heute nur noch
wahr iftll Denn das Böfe ift des Menfchen befte Kraft.
„Der Menſch muß befjfer und böfer werden” —
fo Iehre ih. Das Böfefte ift nöthig zu des Über-
menſchen Beftem.
Das modte gut fein für jenen Prediger der Pleinen
Keute, daß er litt und trug an des Menfchen Sünde,
Ich aber erfreue mich der großen Sünde als meines
großen Troftes. —
Solches ift aber nicht für lange Ohren gefagt.
FJedwedes Wort gehört auch nicht in jedes Maul, Das
find feine ferne Dinge: nad} denen follen nicht Schafs«
Klauen greifen! .
6.
Ihr höheren Menfchen, meint ihr, ich fei da, gut zu
machen, was ihr fchleht madhtet?
Oder ih wollte fürderhin euch Keidende bequemer
betten? Oder euch Unfteten, Derirrten, Derfletterten
neue leichtere Sußfteige zeigen P |
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ein! Hein! Drei MalXlein! Immer Mehr, immer
Beflere eurer Art follen zu Grunde gehn, — denn ihr
follt es immer fchlimmer und härter haben. So allen —
— fo alfein wächſt der Menſch in die Höhe, wo der
Blitz ihn trifft und zerbricht: hoch genug für den Blitz!
Auf Weniges, auf Kanges, auf Sernes geht mein
Sinn und meine Sehnfudht: was gienge mich euer
Feines, vieles, kurzes Elend anl
Ihr leidet mir noch nicht genugl Denn thr leidet
an euch, ihr Tittet noch niht am Menſchen. Ihr
würdet lügen, wenn ihr’s anders fagtetl Ihr leidet Alle
nicht, woran ich litt. — —
* *
*
7.
Es ift mir nicht genug, daß der Blitz nicht mehr
fhadet. Nicht ableiten will ih ihn: er foll lernen für
mich — arbeiten. —
Meine Weisheit fammelt fih lange fchon gleich
einer Wolfe, fie wird ftiller und dunkler. So thut jede
Weisheit, weldye einft Blite gebären foll. —
Diefen Menjhen von heute will ih nicht Licht
fein, nicht Licht heißen. Die— will ich bienden:
Blitz meiner Weisheitl ftih ihnen die Augen aus!
* *
*
8.
Wollt Nichts über euer Dermögen: es giebt eine
fhlimme Salfchheit bei Solchen, die über ihr Der-
mögen wollen.
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Sonderlich, wenn fie große Dinge wollen! Denn
fie weden Mißtrauen gegen große Dinge, diefe feinen
Falſchmünzer und Schaufpieler: —
— bis fie endlich falfch vor ſich felber find, ſchiel⸗
äugig, übertünchter Wurmfraß, bemäntelt durch ftarfe
Worte, durch Aushänge- Tugenden, durch glänzende
falfche Werke,
Habt da eine gute Dorficht, ihr höheren Menfchen!
Nichts nämlich gilt mir heute Foftbarer und feltner als
Redlichkeit.
ft dies Heute nicht des PöbelsP Pöbel aber weiß
nicht, was groß, was Hein, was gerade und redlich ift:
der ift unfchuldig krumm, der lügt immer.
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9.
Habt heute ein gutes Mißtrauen, ihr höheren
Menfchen, ihr Beherzten! Ihr Offenherzigen! Und haltet
eure Gründe geheim! Dies Heute nämlich ift des Pöbels.
Was der Pöbel ohne Gründe einft glauben lernte,
wer könnte ihm duch Gründe Das — ummwerfen?
Und auf dem Markte überzeugt man mit Gebärden.
Aber Gründe machen den Pöbel mißtrauiſch.
Und wenn da einmal Wahrheit zum Siege Fam,
fo fragt euh mit gutem Mißtrauen: „welch ftarker
Irrthum hat für fie gekämpft?“
Bütet euh auch vor den Gelehrten! Die haffen
euch: denn fie find unfruchtbarl Sie haben Falte ver-
trodnete Augen, vor ihnen liegt jeder Dogel entfedert.
Solhe brüften fih damit, daß fie nicht lügen:
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aber Ohnmacht zur Lüge iſt lange noch nicht Liebe
sur Wahrheit. Hütet euch!
Freiheit von Fieber iſt lange noch nicht Erkennt⸗
niß! Ausgekälteten Geiſtern glaube ich nicht. Wer
nicht lügen kann, weiß nicht, was Wahrheit ift.
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10.
Wollt ihr hoch hinaus, fo braucht die eignen Beinel
Saft euch nicht empor tragen, ſetzt euch nicht auf
fremde Rüden und Köpfel
Du aber ftiegft zu Pferde? Du reiteft nun hurtig
hinauf zu deinem Ziele? Wohlen, mein Sreund! Aber
dein lahmer Fuß fit auch mit zu Pferdel
Wenn du an deinem Siele bift, wenn du von deinem
Dferde fpringft: anf deiner Höhe gerade, du höherer
Menſch, — wirft du ftolpern!
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®
11.
Ihr Schaffenden, ihre höheren Menſchen! Man ift
nur für das eigne Kind fchwanger.
Laßt euch Nichts vorreden, einredenl Wer ift
denn ener Vächſter? Und handelt ihr auch „für den
Nächſten“, — ihr ſchafft doch nicht für ihn!
Derlernt mir doch dies „Für”, ihr Schaffenden: enre
Tugend gerade will es, daß ihr Fein Ding mit „für“
und „um“ und „weil“ thut. Gegen diefe falfchen Meinen
Worte follt ihr euer Ohr zukleben.
Das „für den Nächſten“ ift die Tugend nur der
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423
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Meinen Leute: da heißt es „gleich und gleich“ und
„Hand wäfht Band“: — fie haben nicht Hecht nod}
Kraft zu eurem Eigennuß!
In eurem Eigennut, ihr Schaffenden, iſt der
Schwangeren Dorfiht und Dorfehungl Was Niemand
noch mit Augen ſah, die Frucht: die fchirmt und fchont
und nährt eure ganze Liebe.
Wo eure ganze Kiebe ifl, bei eurem Kinde, da ift
auch eure ganze Tugend| Euer Werk, euer Wille ift euer
Nächſter“: laßt euch Feine falfhen Werthe einreden!
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12.
Ihr Schaffenden, ihr höheren Menſchen! Wer gebären
muß, der ift frank; wer aber geboren hat, ift unrein.
Stagt die Weiber: man gebiert nicht, weil es Der-
gnägen madıt. Der Schmerz madt Hühner und Dichter
gadern.
Ihr Schaffenden, an euch ift viel Unreines. Das
madıt, ihr mußtet Mütter fein.
Ein neues Kind: oh wie viel neuer Schmutz kam
auch zue Welt! Geht bei Seitel Und wer geboren hat,
ſoll feine Seele rein wafchen!
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»
13.
Seid nicht tugendhaft über eure Kräftel Und wollt
Nichts von euch wider die Wahrfcheinlichkeitl
Geht in den Sußtapfen, wo fchon eurer Däter
Tugend gieng! Wie wolltet ihr hoch fleigen, wenn nicht
eurer Däter Wille mit euch fleigt?
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Wer aber Erftling fein will, fehe zu, daß er nicht
auch Kebtling werdel Und wo die Kafter eurer Däter
find, darin follt ihr nicht Heilige bedeuten wollen!
Weſſen Däter es mit Weibern hielten und mit
ftarfen Weinen und Wildfchweinen: was wäre es, wenn
Der von fi} Keufchheit wollte?
Eine Narrheit wäre es! Diel, wahrlich, dünft es
mich für einen Solchen, wenn er Eines oder zweier oder
dreier Weiber Mann if.
Und ftiftete er Klöfter und fchriebe über die Thür:
„der Weg zum Beiligen”, — ich ſpräche doch: wozu
es ift eine neue Xarrheit!
Er ftiftete fih felber ein Zucht. und Sluchthaus:
wohl befomm’sl Aber ich glaube nicht daran.
In der Einfamfeit wächſt, was Einer in fie bringt,
auch das innere Dieh. Solcergeftalt widerräth ſich
Dielen die Einfamteit.
Gab es Schmußigeres bisher auf Erden als Wüſten⸗
Beilige? Um die herum war nicht nur der Teufel los,
— fondern auch das Schwein.
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14,
Schen, befhämt, ungefchidt, einem Tiger gleich,
dem der Sprung mißrieth: alfo, ihr höheren Mlenfchen,
fah ich oft euch bei Seite fchleihen. Ein Wurf miß-
rieth euch.
Aber, ihr Würfelfpieler, was liegt daran! Ihr
lerntet nicht fpielen und fpotten, wie man fpielen und
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ſpotten muß! Sitzen wir nicht immer an einem großen
Spott⸗ und Spieltifche?
Und wenn euch Großes mißrieth, feid ihr felber
darum — mißrathen? Und mißriethet ihr felber, miß-
rieth darım — der Menſch? Mißrieth aber der Menſch:
wohlan! wohlaufl
*
*
15.
Je höher von Art, je feltener geräth ein Ding. Ihr
höheren Menſchen hier, feid ihr nicht alle — mißgerathen ?
Seid guten Muths, was liegt daran! Wie Dieles ift
noch möglich! Kernt über euch felber lachen, wie man
laden muß!
Was Wunders au, daß ihr mißriethet und halb
geriethet, ihr Halb⸗Zerbrochenen! Drängt und ftößt fi
nicht in euh — des Menfchen Sufunft?
Des Menfchen Fernſtes, Tiefftes, Sternen-Böchftes,
feine ungeheure Kraft: ſchäumt Das nicht alles gegen
einander in eurem Copfe?
Was Wunders, daß mancher Topf zerbrichtl Kernt
über euch lachen, wie man lachen muß! Ihr höheren
Menfchen, oh wie Dieles ift noch möglich!
Und wahrlich, wie Diel gerieth fon! Wie reich
ift diefe Erde an kleinen guten vollflommenen Dingen,
an Wohlgerathenem!
Stellt Fleine gute volllommene Dinge um euch,
ihr höheren Menſchen! Deren goldene Reife heilt das
Herz. Dolltommnes lehrt hoffen,
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16.
Weldhes war hier auf Erden bisher die größte
Sünder War es nicht das Wort Deffen, der ſprach:
„Wehe Denen, die hier lichen”
Sand er zum Lachen auf der Erde felber Feine
Gründer So fuchte er nur fchledt. Ein Kind findet
‚hier noch Gründe.
Der — liebte nicht genug: fonft hätte er auch uns
geliebt, die Lachenden! Aber er haßte und höhnte uns,
Beulen und Hähneflappern verhieß er uns.
Muß man denn gleich fluchen, wo man nicht liebt ?
Das — dünkt mid ein ſchlechter Geſchmack. Aber
fo that er, diefer Unbedingte. Er fam vom Pöbel.
Und er felber liebte nur nicht genug: fonft hätte
er weniger gezürmt, daß man ihn nicht liebe. Alle
große Liebe will nicht Kiebe: — die will mehr.
Geht aus dem Wege allen folden Unbedingten!
Das ift eine arme kranke Art, eine Pöbel-Art: fie fehn
ſchlimm diefem Leben zu, ſie haben den böfen Blid
für diefe Erde.
Geht aus dem Wege allen folhen Unbedingten!
Sie haben fchwere Füße und ſchwüle Herzen: — fie
wiffen nicht zu tanzen. Wie möchte Solchen wohl die
Erde leicht fein!
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17.
Krumm fommen alle guten Dinge ihrem Siele nahe.
Gleih Katzen machen fie Budel, fie fchnurren inne .
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wendig vor ihrem nahen Glücke, — alle guten Dinge
lachen.
Der Schritt verräth, ob Einer ſchon auf ſeiner
Bahn ſchreitet: fo ſeht mich gehn! Wer aber feinem
Biel nahe fommt,.der tanzt.
Und, wahrlich, zum Standbild ward ich nicht, noch
fiehe ih nicht da, ſtarr, ſtumpf, fleinern, eine Säule;
ich liebe geſchwindes Laufen.
Und wenn es auf Erden auch Moor und dice
CTrübfal giebt: wer leichte Füße hat, läuft über Schlamm
noch hinweg und tanzt wie auf gefegtem Eife.
Erhebt eure Herzen, meine Brüder, hoch! höher!
Und vergeßt mir aud die Beine nichtl Erhebt aud
eure Beine, ihr guten Tänzer, und beffer nody: ihr fteht
auch auf dem Kopf!
18,
Diefe Krone des LKachenden, diefe Aofenfranz-
Krone: ich felber fette mir diefe Krone auf, ich felber
ſprach heilig mein Gelächter. Keinen Anderen fand ich
heute flarf genug dazu.
Sarathuftra der Tänzer, Sarathuftra der Leichte, der
mit den Flügeln winkt, ein Flugbereiter, allen Dögeln
zumwinfend, bereit und fertig, ein Selig-Keichtfertiger: —
Sarathuftra der Wahrfager, Sarathuftra der Wahr-
ladher, Fein Ungeduldiger, Fein Unbedingter, Einer, der
Sprünge und Seitenfpränge liebt; ich felber fette mir
diefe Krone aufl
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19.
Erhebt eure Herzen, meine Brüder, hoch! höher! |
Und vergeßt mir auch die Beine nicht! Erhebt aud |
eure Beine, ihr guten Tänzer, und beffer noch: ihr fteht |:
auch auf dem Kopfl
Es giebt auch im Glück fchweres Gethier, es giebt
Plumpfüßler von Anbeginn. Wunderlich mühn fie fi
ab, einem Elephanten glei, der fi müht auf dem
Kopf zu ftehn.
Beſſer aber noch närriſch fein vor Glücke, als
närrifh vor Unglüde, beffer plump tanzen als lahm
gehn. So lernt mir doch meine Weisheit ab: auch das
fhlimmfte Ding hat zwei gute Kehrfeiten, —
— auch das fdylimmfte Ding hat gute Tanzbeine:
fo lernt mir doch euch felbit, ihr höheren Menſchen,
anf eure rechten Beine ftellen!
So verlernt mir doch Trübfal- Blafen und alle
pöbel-KCraurigfeitl Oh wie traurig dünfen mich heute
des Pöbels Hanswürſte nohl Dies Beute aber ift des
pöbels.
20.
Dem Winde thut mir gleich, wenn er aus feinen Berg.
höhlen flürzt: nad} feiner eignen Pfeife will er tanzen,
die Meere zittern und hüpfen unter feinen Fußtapfen.
Der den Eſeln Slügel giebt, der Löwinnen melkt,
gelobt jei diefer gute unbändige Geift, der allem Heute
und allem Pöbel wie ein Sturmwind kommt, — |
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— der Diftel- und Tiftelföpfen feind iſt und allen
welfen Blättern und Unfräutern: gelobt fei diefer wilde
gute freie Sturmgeift, welcher auf Mlooren und Trübfalen
wie auf Wiefen tanzt
Der die Pöbel-Schwindhunde haft und alles miß-
rathene düftere Gezücht: gelobt fei diefer Geiſt aller
freien Beifter, der lachende Sturm, welcher allen Schwarz-
fihtigen, Schwärfüchtigen Staub in die Augen bläft!
Ihr höheren Menfchen, euer Schlimmftes if: ihr
lerntet alle nicht tanzen, wie man tanzen muß — über
euch hinweg tanzen! Was liegt daran, daß ihr miß-
riethetl
Wie Dieles ift noch möglih! So lernt doch über
euch hinweg lahenl Erhebt eure Herzen, ihr guten
Tänzer, hoch! höher! Und vergeft mir auch das gute
Cachen nicht!
Diefe Krone des Lachenden, diefe Roſenkranz⸗
Krone: euch, meinen Brüdern, werfe ich diefe Krone zul
Das Laden ſprach ich heilig; ihr höheren Menfchen,
Sernt mie — laden!
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Das gied der Schwermuth.
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Als Sarathuftrg diefe Reden ſprach, fand er nahe
dem Eingange feiner Höhle; mit den letzten Worten
aber entfchlüpfte er feinen Gäſten und floh für eine
furze Weile in’s Freie.
„Oh reine Gerüche um mich, rief er aus, ob felige
Stille um mih! Aber wo find meine Thiere? Heran,
heran, mein Adler und meine Schlange!
Sagt mir doch, meine Thiere: diefe höheren Men⸗
[hen insgefammt — riechen fie vielleicht nicht gut?
Oh reine Gerühe um mich! Jetzo weiß und fühle ich
erft, wie ich euch, meine Thiere, liebe.“
— Und Sarathuftra fpradh nochmals: „ich liebe
euch, meine Chierel” Der Adler aber und die Schlange
drängten fih an ihn, als er diefe Worte ſprach, und
fahen zu ihm hinauf. Solchergeftalt waren fie zu drei
till beifammen und fchnüffelten und fchlürften mit ein-
ander die gute Luft. Denn die Luft war hier draußen
befjer als bei den höheren Menfcen.
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Kaum aber hatte Sarathuftra feine Höhle verlaffen,
da erhob ſich der alte Sauberer, ſah liftig umher und
ſprach: „Er ift hinaus!
Und fchon, ihr höheren Menſchen — daß ich euch
mit diefem Cob⸗ und Schmeichel⸗Vamen kitzle, gleich
ihm felber — fchon fällt mid; mein fchlimmer Trug⸗
und Saubergeift an, mein fchwermüthiger Teufel,
— welcher diefem Sarathuftra ein Widerfadher ift
aus dem Örunde: vergebt es ihm! Nun will er vor
euch zaubern, er hat gerade feine Stunde; umfonft
ringe ich mit diefem böfen Geiſte.
Euch Allen, welhe Ehren ihr euch mit Worten
geben mögt, ob ihr euch „die freien Geiſter“ nennt oder
„die Wahrhaftigen” oder „die Büßer des Geiſtes“ oder
„vie Entfeffelten“ oder „die großen Sehnfüdtigen“,
— euch Allen, die ihr am großen Efel leidet
gleich mir, denen der alte Gott farb und noch Fein
neuer Bott in Wiegen und Windeln liegt, — euch Allen
ift mein böfer Beift und Sauber-Teufel hold.
Ich kenne euch, ihr höheren Mlenfchen, ich Fenne
ihn, — ich kenne auch diefen Unhold, den ich wider
Willen liebe, diefen Sarathuftra: er felber dünkt mich
öfter gleich einer fchönen Heiligen-Karve,
— gleih einem neuen wunderlihen Ulummen-
fhanze, in dem fi} mein böfer Geift, der fchwer-
müthige Teufel, gefällt: — ich liebe Sarathuftra, fo
dünft mich oft, um meines böfen Geiftes Willen. —
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Aber fchon fällt der mich an und zwingt mich, diefer
Geift der Schwermuth, diefer Abend-Dämmerungs-Teufel:
und, wahrlich, ihr höheren Menfchen, es gelüftet ihn —
— madt nur die Augen aufl — es gelüftet ihn,
nact zu kommen, ob männlih, ob weiblid, nod
weiß ich’s nicht: aber er fommt, er zwingt mich, wehel
macht eure Sinne aufl
Der Tag klingt ab, allen Dingen fommt nun der
Abend, auch den beften Dingen; hört nun und feht, ihr
höheren Menfchen, welcher Teufel, ob Mann, ob Weib,
diefer Geift der Abend-Schwermuth tft!“
Alfo ſprach der alte Sauberer, fah liftig umher und
griff dann zu feiner Harfe
8.
Set abgehellter Kuft,
Wenn fchon des Chau’s Tröftung
Sur Erde niederquillt,
Unſichtbar, auch ungehört —
Denn zartes Schuhwerk trägt
Der Tröfter CThau glei allen Troft-Milden —:
Gedenfft du da, gedenkft du, heißes Herz,
Wie einft du durfteteft,
Vach himmlifchen Chränen und Chau-Beträufel
Derfengt und müde dnrfteteft,
Dieweil auf gelben Bras-Pfaden
Boshaft abendlihe Sonnenblice
Alfo ſprach Zarathuftra. 433 28
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Durch ſchwarze Bäume um dich liefen,
Blendende Sonnen⸗Gluthblicke, ſchadenfrohe?
„Der Wahrheit Freier? Du? — fo höhnten fie —
ein! Nur ein Dichter!
Ein Chier, ein liftiges, raubendes, fchleichendes,
Das lügen muß,
Das wiffentlich, willentlih lügen muß:
Nach Beute lüftern,
Bunt verlarot,
Sid; felber Karve,
Sidy felbft zur Bente —
Das — der Wahrheit Freier?
Nein! Nur Narr! ur Dichter!
Nur Buntes redend,
Aus Harren-Larven bunt herausfchreiend,
Berumfteigend auf lügnerifhen Wort-Brüden
Auf bunten Regenbogen,
Zwiſchen falfchen Himmeln
Und falſchen Erden,
Herumſchweifend, herumſchwebend, —
Nur Narr! Nur Dichter!
Das — der Wahrheit Sreier?
Nicht fill, ftarr, glatt, kalt,
Sum Bilde worden,
Sur Gottes-Säule,
Nicht aufgeftellt vor Cempeln,
Eines Gottes Chürwart:
ein! feindfelig folhen Wahrheits-Standbildern,
In jeder Wildniß heimijcher als vor Tempeln,
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Doll Katzen⸗Muthwillens,
Durch jedes Fenſter ſpringend
Huſchl in jeden Zufall,
Jedem Urwalde zuſchnüffelnd,
Südtig-fehnfüchtig zuſchnüffelnd,
Daß du in Urwäldern
Unter buntgefleckten Raubthieren
Sündlich⸗geſund und bunt und ſchön liefeſt,
Mit lüfternen Lefzen,
Selig-höhnifch, felig-höllifh, felig-blutgierig,
Raubend, fchleichend, Iugend liefeſt: —
Oder dem Adler gleich, der lange,
Cange ſtarr in Abgründe blickt,
In feine Abgründe: — —
Oh wie fie ſich hier hinab,
Binunter, hinein,
In immer tiefere Tiefen ringeln! —
Dann,
Plößlich, geraden Zugs,
Gezüdten Flugs,
Auf Lämmer floßen,
Sach hinab, heißhungrig,
Uah Lämmern lüftern, .
Sram allen Lamms-Seelen,
Grimmig-gram Allem, was blidt
Schafmäßig, Iammängig, frausmwollig,
Grau, mit Lamms-Schafs-Wohlwollen!
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Adlerhaft, pantherhaft
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Sind des Dichters Sehnfüchte,
Sind deine Sehnfüchte unter taufend Karven,
Du Varrl Du Didterl
Der du den Menſchen fchauteft
So Bott als Schaf —:
Den Gott zerreißen im Menfchen
Wie das Schaf im Menſchen,
Und zerreißend lahen —
Das, das tft deine Seligfeitl
Eines Panthers und Adlers Seligfettl
Eines Dichters und Narren Seligfeitl" — —
Bei abgehellter Luft,
Wenn fchon des Monds Sichel
Grün zwifchen Purpurröthen
Und neidiſch hinſchleicht:
— dem Tage feind,
mit jedem Schritte heimlich
An Rofen-Hängematten
Binfichelnd, bis fie finfen,
Nacht⸗abwäris blaß hinabfinfen: —
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So ſank ich ſelber einſtmals
Aus meinem Wahrheits⸗Wahnſinne,
Aus meinen Tages-Sehnfüchten,
Des Tages müde, franf vom Lichte,
— fan? abwärts, abendwärts, fchattenwärts!
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Don Einer Wahrheit
Derbrannt und durftig:
— gedenkſt du noch, gedenkſt du, heißes Herz,
Wie da du durfteteft? —
Daß ih verbannt fei
Don aller Wahrheit,
Nur Narrl
Nur Dichterl
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Von der Wiſſenſchaft.
Alſo ſang der Zauberer; und Alle, die beiſammen
waren, giengen gleich Vögeln unvermerkt in das Netz
ſeiner liſtigen und ſchwermüthigen Wolluſt. Nur der Ge⸗
wiſſenhafte des Geiſtes war nicht eingefangen: er nahm
flugs dem Zauberer die Harfe weg und rief „Luft! Laßt
gute Luft herein! Laßt Sarathuftra herein Du madıft
diefe Höhle ſchwül und giftig, du fchlimmer alter Sauberer!
Du verführft, du Salfcher, Feiner, zu unbekannten
Begierden und Wildniffen. Und wehe, wenn Solche wie
du, von der Wahrheit NRedens und Wefens machen!
Wehe allen freien Geiftern, welche nicht vor ſolchen
Sauberern auf der Hut find! Dahin ift es mit ihrer
Steiheit: du lehrft und lockſt zurüd in Gefängniſſe, —
— du alter [hwermüthiger Teufel, aus deiner Klage
klingt eine Lockpfeife, du gleichft Solchen, welche mit
ihrem £obe der Keufchheit heimlich zu Wollüften laden!“
Alfo fprah der Gewiſſenhafte; der alte Sauberer
aber blidte um fi, genoß feines Sieges und ver«
fhlucdte darüber den Derdruß, welhen ihm der Ge⸗
wiſſenhafte machte. „Sei ftilll fagte er mit befcheidener
Stimme, gute Lieder wollen gut widerhallen; nach
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guten Liedern foll man lange ſchweigen. j
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aber haft wohl Wenig von meinem Lied verſtanden?
- Zn dir ift Wenig von einem Saubergeifte.”
„Du lobft mich, entgegnete der Gewiſſenhafte, indem
du mich von dir abtrennft, wohlan! Aber ihr Anderen, was
fehe ich? Ihr fit alle noch mit lüfternen Augen da —:
Ihr freien Seelen, wohin ift eure Freiheit! Saft, dünkt
midy’s, gleicht ihr Solchen, die lange fchlimmen tanzen-
den nadten Mädchen zufahn: eure Seelen tanzen felber!
In euch, ihr höheren Menjchen, muß mehr von Dem
fein, was der Sauberer feinen böfen Sauber und Trug»
geift nennt: — wir müffen wohl verfchieden fein.
Und wahrlih, wir fprahen und dachten genug
mitfammen, ehe Sarathuftra heimfam zu feiner Höhle,
als daß ih nicht wüßte: wir find verfchieden.
Wir fuhen Verſchiednes auch hier oben, ihr und _
ih. Ih nämlich ſuche mehr Sicherheit, deshalb
fam ih zu Sarathuftra Der nämlih ift noch der
feftefte Churm und Wille —
— heute, wo Alles wadelt, wo alle Erde bebt.
Ihr aber, wenn ich eure Augen fehe, die ihr madıt,
faft dünkt midy’s, ihr fucht mehr Unficherheit,
— mehr Schauder, mehr Gefahr, mehr Erdbeben.
Euch gelüftet, fat dünft mich's fo, vergebt meinem
Dünfel, ihr höheren Menſchen, —
— euch gelüftete nach dem fchlimmften gefähr-
fichften Keben, das mir am meiften Furcht macht, nadı
dem Leben wilder Chiere, nach Wäldern, Höhlen, fteilen
Bergen und Irr⸗Schlünden.
Und nicht die Führer aus der Gefahr gefallen euch
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So thun es dieſe Alle, die höheren Menſchen. Du |
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| am beften, fondern die euch von allen Wegen abführen,
die Verführer. Aber, wenn ſolch Gelüften an euch |
wirklich ift, fo dünft es mich troßdem unmöglid.
Sucht nämlich — das iſt des Menfhen Erb- und 1
Grundgefühl; aus der Furcht erflärt fih Jegliches, Erb- —
fünde und Erbtugend. Aus der Furcht wuchs auch
meine Tugend, die heißt: Wiſſenſchaft. |
Die Furcht nämlich vor wildem Gethier — die wurde
dem Menſchen am längften angezüchtet, einſchließlich |
| das Chier, das er in fich felber birgt und fürdhtet: _
' Sarathuftra heißt es „das innere Dich”. |
Solhe lange alte Furcht, endlih fein geworden, |
geiftlih, geiſtig — heute, dünkt mich, heißt fie: i
Wiffenfhaft“ — |
Alfo ſprach der Gewiffenhafte; aber Sarathuftra, der |
)
. eben in feine Höhle zurüdfam und die letzte Rede ge
' Hört und errathen hatte, warf dem Gewiſſenhaften eine
Band voll Rofen zu und lachte ob feiner „Wahrheiten“.
„Wiel rief er, was hörte ich da eben? Wahrlich, mid)
dünkt, du bift ein Narr oder ich felber bin’s: und deine
„Wahrheit“ ftelle ich ruds und flugs auf den Kopf.
Furcht nämlich — tft unfre Ausnahme. Muth aber
und Abenteuer und Luft am Ungemwiffen, am Ungewagten,
— Muth dünft mich des Menſchen ganze Dorgefdichte.
Den wildeften muthigften Chieren hat er alle ihre
Tugenden abgeneidet und abgeraubt: fo erft wurde er
— zum Menſchen.
Diefer Muth, endlih fein geworden, geiftlich,
geiftig, diefer Menfchen- Muth mit Adler. Slügeln und
Schlangen-Klugheit: der, dünkt mid, heißt heute —“
— — — — — — — —
fe — —— — —— — —— — —
„Sarathuſtra“! ſchrien Alle, die beiſammen ſaßen,
wie aus Einem Munde und machten dazu ein großes
Gelächter; es hob ſich aber von ihnen wie eine ſchwere
Wolfe. Aud der Sauberer lachte und ſprach mit
Klugheit: „Wohlanl Er ift davon, mein böfer Geiſtl
Und habe ih euch nicht felber vor ihm gewarnt,
als ich fagte, daß er ein Betrüger fei, ein £ug- und
Truggeift?
Sonderlihd nämlih, wenn er fi nadend zeigt.
Aber was kann ich für feine Tüden! Habe ich ihn
und die Welt gejchaffen ?
Wohlanl Seien wir wieder gut und guter Dinge!
Und ob ſchon Sarathuftra böfe blickt — feht ihn doc!
er ift mir gram —:
— bevor die Nacht fommt, lernt er wieder mich
lieben und loben, er kann nicht lange leben, ohne foldhe
Thorheiten zu thun.
Der — liebt feine Feinde: diefe Kunft verfteht er
am beften von Allen, die ih fah. Aber er nimmt
Rache dafür — an feinen Freunden!“
Alfo fprah der alte Sauberer, und die höheren
Menſchen zollten ihm Beifall: fo daß Sarathuftra herum-
gieng und mit Bosheit und Kiebe feinen Sreunden die
Hände fchüttelte, — gleihfam als Einer, der an Allen
Etwas gutzumadhen und abzubitten hat. Als er aber
dabei an die Thür feiner Höhle fam, flehe, da gelüftete
ihn fchon wieder nach der guten Luft da draußen und
nad feinen Chieren, — und er wollte hinaus fchlüpfen.
« *
441
“
Unter Töchtern der Müfte,
l.
„Gehe nicht davon! fagte da der Wanderer, der
fih den Schatten Sarathuftra’s nannte, bleibe bei uns,
— es möchte fonft uns die alte dumpfe Trübfal wieder
anfallen.
Schon gab uns jener alte Sauberer von feinem
Schlimmften zum Beften, und fiehe doch, der gute
fromme Papft da hat Thränen in den Augen und ſich
garız wieder aufs Meer der Schwermuth eingefdifft.
Diefe Könige mögen wohl vor uns noch gute Miene
machen: das lernten Die nämlich von uns Allen heute
am beften! Hätten fie aber feine Seugen, ich wette,
auch bei ihnen fienge das böfe Spiel wieder an —
— das böfe Spiel der ziehenden Wolfen, der feuchten
Schwermuth, der verhängten Himmel, der geftohlenen
Sonnen, der heulenden Herbſt⸗Winde,
— das böfe Spiel unfres Heulens und Nothfchreiens:
bleibe bei uns, oh Sarathuftral Bier ift viel verborgenes
Elend, das reden will, viel Abend, viel Wolfe, viel
dumpfe £uftl
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— — — — —— — ö — ⸗—— —
442
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*
Du nährteſt uns mit ſtarker Manns⸗Koſt und
—— —
kräftigen Sprüchen: laß es nicht zu, daß uns zum Nach⸗
tifch die weichlichen weiblichen Geiſter wieder anfallen!
Du allein madft die Luft um dich herum flarf und
Mari Sand ich je auf Erden fo gute Luft als bei dir
in deiner Höhle?
Diele Länder fah ih doch, meine Aafe lernte
vielerlei Luft prüfen und abſchätzen: aber bei dir
jhmeden meine Nüftern ihre größte Zuftl
Es fei denn, — es fei denn —, oh vergieb eine
alte Erinnerungl Dergieb mir ein altes Nachtifch-Kied,
das ich einft unter Töchtern der Wüfte dichtete: —
bei denen nämlich gab es glei gute helle
morgenländifche Luft; dort war ich am fernften vom
wolkigen feuchten fhwermüthigen Alt-Europal
Damals liebte ich ſolcherlei Morgenland-Mädchen
und andres blaues Himmelreich, über dem feine Wolfen
und feine Gedanken hängen.
Ihr glaubt es nicht, wie artig fie dafaßen, wenn
fie nicht tanzten, tief, aber ohne Gedanken, wie Feine
Geheimniffe, wie bebänderte Räthſel, wie Nachtifcdy-
Näſſe —
bunt und fremd fürwahrl aber ohne Wolfen:
Räthſel, die fi rathen laffen: folhen Mädchen zu
Siebe erdachte ich damals einen Nachtiſch⸗Pſalm.“
Alfo fprady der Wanderer und Schatten; und ehe
Jemand ihm antwortete, hatte er fchon die Harfe des
alten Sauberers ergriffen, die Beine gefreuzt und blickte
gelaffen und weife um fih: — mit den Nüſtern aber
30g er langfam und fragend die £uft ein, wie Einer, der
rn
—
445
u er ——
— — ——— — — — — — —i—
| in neuen Ländern nene fremde Kuft foftet. Darauf hob
| er mit einer Art Gebrüll zu fingen an.
|
| 2.
| Die Wüfte wächſt: weh Dem, der Wüften birgt!
— Hal Feierlich!
In der Chat feierlich!
Ein würdiger Anfang!
Afrikaniſch feierlich!
Eines Löwen würdig
| Oder eines moralifhen Brüllaffen —
— aber Nichts für eud,,
| Ihr allerliebften Freundinnen,
| Zu deren Füßen mir
|
t
Zum erften Male,
Einem Europäer unter Palmen,
Zu fien vergönnt ift. Sela.
Wunderbar wahrlich!
Da fie ih num,
| Der Wüfte nahe, und bereits
| So ferne wieder der Wüſte,
Aud in Nichts noch verwüftet:
4 Nämlich hinabgeſchluckt
Don dieſer kleinſten Oaſis —:
— ſie ſperrte gerade gähnend
Ihr liebliches Maul auf,
Das wohlriechendſte aller Mäulchen.
Den
Da fiel ich hinein,
Hinab, hindurch — unter end,
Ihr allerliebften Freundinnen! Sela.
Heil, Heil jenem Walftfche,
Wenn er alfo es feinem Safte
Wohl fein ließ! — ihr verfteht
Meine gelehrte Anfpielung ?
Heil feinem Bauche,
Wenn er alfo
Ein fo liebliher Bafis-Baud war
Gleich diefem: was ich aber in Sweifel ziehe,
— dafür fomme ich aus Europa,
Das zmweifelfüchtiger ift als alle
Ältlihen Eheweibchen.
Möge Gott es beſſern!
Amen!
Da file ih nun,
In diefer kleinſten Oaſis,
Einer Dattel gleich,
Braun, durdfüßt, goldfhwürig, lüſtern
Nach einem runden Mädchenmunde,
Mehr noch aber nah mädcdenhaften
Eisfalten ſchneeweißen fchneidigen
Beißzähnen: nach denen nämlich
Lechzt das Herz allen heißen Datteln. Sela
Den genannten Südfrüchten
Ähnlich, allzuähnlich
Ziege ich hier, von Meinen
445
— — — — — —
— — WERE — — — — 2 —
Slügelfäfern
Umfchnüffelt und umfpielt,
Insgleihen von noch Bleineren
Chörichteren fündhafteren
Wünfhen und Einfällen, —
Umlagert von end,
Ihr ftummen, ihr ahnungsvollen
Mädchen-Katen,
Dudn und Suleifa,
— umfphingt, daß ih in Ein Wort
Diel Gefühle ftopfe:
(Dergebe mir Bott
Diefe SpradSündel)
— fiße hier, die befte Luft fchnüffelnd,
Daradiefes-£uft wahrlich,
Lichte leichte Luft, goldgeftreifte,
So gute Luft nur je
Dom Monde herabflel —
Sei es aus Zufall,
Oder gefhah es aus Äbermuthe?
Wie die alten Dichter erzählen.
Ich Sweifler aber ziehe es
In Sweifel, dafür aber fomme ich
Aus Europa,
Das zweifelfüchtiger ift als alle
Ältlihen Eheweibchen.
Möge Bott es beffern!
Amen.
Diefe fhönfte Luft trinfend,
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— — —— ———— ————— —————————— ——— — FF — — —— ——
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446
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— — —
—8
— —
Mit Nüſtern geſchwellt gleich Bechern,
Ohne Zukunft, ohne Erinnerungen,
So fite ich hier, ihr
Allerliebften Sreundinnen,
Und fehe der Palme zu,
Wie fie, einer Tänzerin gleich,
Sid biegt und fchmiegt und in der Hüfte wiegt,
— man thut es mit, fieht man lange zul
Einer Tänzerin gleich, die, wie mir fcheinen will,
Zu lange ſchon, gefährlich fange
Immer, immer nur auf Einem Beindyen fand ?
— da vergaß fie darob, wie mir fcheinen will,
Das andre Bein?
Dergebens wenigftens
Suchte ich das vermißte
Swillings-Kleinod
— nämlid das andre Ben — .
In der heiligen Tähe
Ihres allerliebften, allerzierlichften
Fächer⸗ und Slatter- und Slitterrödichens.
Ja, wenn ihr mir, ihr fchönen Sreundinnen, |
Ganz glauben wollt:
Sie hat es verloren!
Es ift dahin!
Auf ewig dahin!
Das andre Bein!
Oh fhade um das liebliche andere Bein!
Wo — mag es wohl weilen und verlaffen trauern ?
Das einfame Bein?
In Furcht vielleicht vor einem
447
Grimmen blondgelodten
Abgenagt, abgefnabbert —
|
|
£öwen-Unthiere® Oder gar fchon |
Erbärmlich, wehel wehel abgefnabbertl Sela. |
|
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Oh weint mir nicht,
Weiche Herzen!
Weint mir nicht, ihr
Dattel-Herzen! Milch⸗Buſen!
Ihr Süßholz-Eerz- "
Bentelchen!
Weine nicht mehr,
Bleihe Dudul n
Sei ein Mann, Suleifal Muthl Muth!
— Oder follte vielleicht
Etwas Stärkendes, Herz-Skärkendes A
Bier am Plate fein? "
Ein gefalbter Spruch? J
Ein feierlicher Sufpruh? — |
Hal Herauf, Würdel
Tugend-Würdel Europäer⸗Würde!
Blafe, blafe wieder,
Blafebalg der Tugend!
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Noch Ein Mal brülfen, .
Moralifch brüllen! N
Als moralifher Löwe j
Dor den Töchtern der Wüfte brüllen! '
— Denn Tugend-Gehenf, |
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Und da ſtehe ich ſchon,
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Ich kann nicht anders, Gott helfe mir! f
Amen! |
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Alfo ſprach Zarathuſtra. 449 29
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Grimmen blondgelockten |
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Erbärmlich, wehel wehel abgefnabbertl Sela.
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Ein feierlicher Sufpruh? —
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Europäer-Inbrunft, Europäer⸗Heißhungerl
Und da ſtehe ich ſchon,
Als Europäer,
Ich kann nicht anders, Gott helfe mir!
Amen!
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Die Wüfte wädhft: weh Dem, der Wüften birgt!
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Alfo ſprach Zarathuſtra. 449 29
Die Erwedung.
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ah dem Kiede des Wanderers und Schattens
wurde die Höhle mit Eittem Male voll Lärmens und
Cachens: und da die verfammelten Gäfte alle zugleich
redeten, und auch der Efel, bei einer folden Er-
muthigung, nicht mehr ftill blieb, überfam Sarathuftra
ein Fleiner Widerwille und Spott gegen feinen Beſuch:
ob er fi} gleich ihrer Sröhlichkeit erfreute. Denn fie
dünfte ihm ein Heichen der Geneſung. So fchlüpfte er
hinaus in’s Freie und fprach zu feinen Chieren.
„Wo ift nun ihre Voth hin? fprach er, und ſchon
athmete er felber von feinem Beinen Überdruffe auf,
— bei mir verlernten fie, wie mich dünft, das Noth⸗
ſchrein!
— wenn anch, leider, noch nicht das Schrein.” Und
Sarathuftra hielt fi die Ohren zu, denn eben mifchte
fih das J-AU des Eſels wunderlich mit dem Jubel-£ärm
diefer höheren Menfchen.
„Ste find Iuftig, begann er wieder, und wer weiß?
vielleicht anf ihres Wirthes Unkoſten; und lernten fie
von mir lachen, fo ift es doch nicht mein Zacen, das
fie lernten.
450
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Aber was liegt daranl Es find alte Lente: fie
genefen auf ihre Art, fie lahen auf ihre Art; meine
Ohren haben fchon Schlinnmeres erduldet und wurden
nicht unwirſch.
Diefer Tag ift ein Sieg: er weicht fchon, er flieht,
der Beift der Schwere, mein alter Erzfeind] Wie gut
will diefer Tag enden, der fo fchlimm und ſchwer begann!
Und enden will er. Schon fommt der Abend:
über das Meer her reitet er, der gute Reiterl Wie er
fih wiegt, der Selige, Beimfehrende, im feinen pur-
purnen Sätteln!
Der Himmel blickt Flar dazu, die Welt fiegt tief:
oh all ihre Wunderlichen, die ihr zu mir famt, es lohnt
fih fchon, bei mir zu leben!”
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Alfo ſprach Sarathuftra Und wieder kam da das
Gefchrei und Gelächter der höheren Mlenfchen aus der
Höhle: da begann er von Neuem.
„Sie beißen an, mein Köder wirft, es weicht auch
ihnen ihr Feind, der Geift der Schwere. Schon lernen
ı fie über fich felber lachen: höre ich recht?
Meine Manns-Koft wirft, mein Saft- und Kraft
Spruch: und wahrlich, ih nährte fie nicht mit Bläh-
ı Gemüfen! Sondern mit Krieger-Koft, mit Eroberer-
Ncoſt: nene Begierden wedte ich.
Neue Hoffnungen find in ihren Armen und Beinen,
ihr Herz ſtreckt fih aus. Ste finden neue Worte, bald
wird ihre Geift Muthwillen athmen.
Solde Koft mag freilich nicht für Kinder fein,
1 noch aud für fehnfüctige alte und junge Weibchen.
51 29"
Denen überredet man anders die Eingeweide; deren
Arzt und Lehrer bin ich nicht.
Der Ekel weicht diefen höheren Menfchen: wohlan!
das ift mein Sieg. In meinem Reiche werden fie ficher,
alle dumme Scham läuft davon, fie fchütten ſich aus.
Sie [hätten ihr Berz aus, gute Stunden Tehren
ihnen zurüd, fie feiern und Fäuen wieder, — fie werden
dankbar.
Das nehme ich als das befte Zeichen: fie werden
dankbar. Nicht lange noch, und fie denken fich Feſte
aus und ftellen Denkfteine ihren alten Freuden auf.
Es find Genefendel* Alfo fprah Sarathuftra
fröhlich zu feinem Herzen und fchaute hinaus; feine
Chiere aber drängten fih an ihn und ehrten fein Glück
und fein Stillichweigen.
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2.
Plotzlich aber erfchraf das Ohr Sarathufira’s: die
Höhle nämlich, weldhe bisher voller Lärmens und Ge
lächters war, wurde mit Einem Male todtenftill; — feine
Vaſe aber roch einen wohlriehenden Qualm und Weih-
rauch, wie von brennenden Pintien-Sapfen.
„Was gefchieht? Was treiben fie?” fragte er fidh
und fhlih zum Eingange heran, daß er feinen Bäften,
unvermer?t, zufehn könne. Aber, Wunder über Wunder!
was mußte er da mit feinen eignen Augen fehn!
„Sie find Alle wieder fromm geworden, fie beten,
fie find toll" — fprad er und verwunderte fi über
die Maßen. Und, fürmahr! alle diefe höheren Menfchen,
|
452
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Enden — ———— — — — — — ——— —
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die zwei Könige, der Papft außer Dienft, der fchlimme
Sauberer, der freiwillige Bettler, der Wanderer und
Schatten, der alte Wahrfager, der Gewiſſenhafte des
Geiftes und der häßlichfte Menfh: fie lagen Alle
gleih Kindern und glänbigen alten Weibchen auf den
Knien und beteten den Efel an. Und eben begann der
häßlichfte Menſch zu gurgeln und zu fehnauben, wie
als ob etwas Unausfprechlidyes aus ihm heraus wolle;
i als er es aber wirfli bis zu Worten gebracht hatte,
fiehe, da war es eine fromme feltfame Kitanei zur Kob-
4 preifung des angebeteten und angeräucderten Efels.
Diieſe Litanei aber lang alfo: |
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“Mumie —⸗—
Amen! Und Lob und Ehre und Weisheit und Dank
| und Preis und Stärfe fei unferm Gott, von Ewigkeit
| zu Ewigfeit!
{ — Der Ejel aber fchrie dazu J-A.
| | Er trägt unfre Laft, er nahm Knedtsaeftalt an,
\ er ift geduldfam von Herzen und redet niemals Kein;
| und wer feinen Gott liebt, der züchtigt ihn.
| — Der Ejel aber fchrie dazu J- A.
Er redet nicht: es fei denn, daß er zur Welt, die
3 er fhuf, immer Ja fagt: alfo preift er feine Welt.
Seine Schlauheit ift es, die nicht redet: fo befömmt er
felten Unredit.
— Der Ejel aber fchrie dazu J⸗A.
Unfceinbar geht er dur die Welt. Grau ift die
Keib-Farbe, in welde er feine Tugend hüllt. Bat er
Geift, fo verbirgt er ihn; Jedermann aber glaubt an
i feine langen Ohren.
Nam = REES SD EEE GERT EEE En GEHE AED 6 Tate. Get OT ALTER —⏑⏑ En BEER — — m
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— Der Eſel aber ſchrie dazu J⸗A.
Welche verborgene Weisheit iſt das, daß er lange
Ohren trägt und allein Ja und nimmer Nein fagt! Hat
er nicht die Welt erfhaffen nad feinem Bilde, nämlich
fo dumm als möglidy?
— Der Efel aber fchrie dazu J⸗A.
Dun gehft gerade und krumme Wege; es fümmert
dih wenig, was uns Mlenfchen gerade oder Frumm
dünkt. Jenſeits von Gut und Böfe ift dein Reich. Es
ift deine Unfchuld, nicht zu wiffen, was Unfchuld ift.
— Der Efel aber fchrie dazu J⸗A.
Siehe doch, wie du Niemanden von dir ftößeft, die
Bettler nicht, noch die Könige. Die Kindlein läffeft du
zu dir fommen, und wenn dich die böfen Buben loden,
fo ſprichſt du einfältiglih J⸗A.
— Der Efel aber fchrie dazu J⸗A.
Du liebt Efelinnen und frifhe Seigen, du bift
fein Koſtverächter. Kine Diftel. fielt dir das Herz,
wenn du gerade Hunger haft, Darin liegt eines Gottes
Weisheit.
— Der Eſel aber fchrie dazu J⸗A.
454
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— ——————— — a a —/ —— —— 6 — — — 0 77704
— —— —— — — —— — ————— ——, — ——— — — — ——————— — —— — — — — — —
|
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Das Efelsfeft.
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An diefer Stelle der Kitanei aber konnte Zara⸗
thuftra fich nicht länger bemeiftern, fchrie felber J⸗A,
lauter noch als der Efel, und fprang mitten unter feine
tollgewordenen GBäfte. „Aber was treibt ihr da, ihr
Menfchenfinder? rief er, indem er die Betenden vom
Boden empor riß. Wehe, wenn euch jemand Anderes
zufähe als Sarathuftra:
Jeder würde urtheilen, ihr wäret mit eurem neuen
Glauben die äragften Gottesläfterer oder die thörichtften
aller alten Weiblein!
Und du felber, du alter Papft, wie flimmt Das mit
dir felber zufammen, daß du foldergeftalt einen Eſel
hier als Gott anbeteft?" —
„Gh Sarathuftra, antwortete der Papft, vergieb mir,
aber in Dingen Gottes bin ich aufgeflärter noch als du.
Und fo ift’s billig.
Lieber Gott alfo anbeten, in diefer Geftalt, als in
gar Feiner Geftaltll Denke über diefen Spruch nad,
mein hoher Sreund: du erräthft geſchwind, in ſolchem
Spruch ftedt Weisheit.
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Der, welcher ſprach „Gott iſt ein Beifl” — der
machte bisher auf Erden den größten Schritt und
Sprung zum Unglauben: ſolch Wort ift auf Erden nicht
leicht wieder gut zu machen!
Mein altes Herz fpringt und hüpft darob, daß es
auf Erden noch Etwas anzubeten giebt. Dergieb das,
oh Sarathuftra, einem alten frommen Papft-Herzen! —“
— „Und du, fagte Sarathuftra zu dem Wanderer
und Schatten, du nennft und wähnſt dich einen freien
Geift? Und treibft hier folhen Böten- und Pfaffendienft ?
Schlimmer, wahrlich, treibft du’s hier noch als bei
deinen fhlimmen braunen Mädchen, du fhlimmer neuer
Gläubiger!”
„Shlimm genug, antwortete der Wanderer und
Schatten, du haft Recht: aber was kann ich dafürl
Der alte Bott lebt wieder, oh Sarathuftra, du magft
reden, was du willft.
Der häßlichfte Menfh ift an Allem fchuld: der
hat ihn wieder auferwedt. Und wenn er fagt, daß er
ihn einft getödtet habe: Tod ift bei Böttern immer nur
ein Dorurtheil.“
— „Und du, fprach Sarathuftra, du fchlimmer alter
Sauberer, was thateft dul Wer foll, in diefer freien
Seit, fürderhin an dich glauben, wenn du an folde
Götter-Efeleien glaubft?
Es war eine Dummheit, was du thateft; wie fonnteft
du, du Kluger, eine folhe Dummheit thunl“
„Oh Sarathuftra, antwortete der kluge Zauberer, du
haſt Recht, es war eine Dummheit, — ſie iſt mir auch
ſchwer genug geworden.”
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— „Und du gar, fagte Sarathuftra zu dem Ge⸗
wiffenhaften des Geiftes, erwäge doch und lege den
Singer an deine Xafel Geht hier denn Lichts wider
dein Gewiſſen? Iſt dein Geift nicht zu reinlicy für dies
Beten und den Dunft diefer Betbrüder ?*
„Es ift Etwas daran, antwortete der Gewiſſenhafte
und legte den Singer an die Vaſe, es ift Etwas an die
fem Schaufpiele, das meinem Gewiſſen fogar wohlthnt.
Dielleiht, daß ih an Bott nidt glauben darf:
gewiß aber ift, daß Bott mir in diefer Geftalt noch
am glaubwärdigften dünft.
Gott foll ewig fein, nah dem Zeugniſſe der
Frömmſten: wer fo viel Seit hat, läßt fi} Zeit. So
langfam und fo dumm als möglih: damit fann ein
Solcher es doch fehr weit bringen.
Und wer des Geiftes zu viel hat, der möchte ſich
wohl in die Dumm- und Narrheit felber vernarren.
Denke über dich felber nach, oh Sarathuftra |
Du felber — wahrlichl auch du Fönnteft wohl aus
Überfluß und Weisheit zu einem Efel werden.
Geht nicht ein volllommner Weifer gern anf den
frümmften Wegen? Der Angenfchein lehrt es, oh Zara⸗
thuftra, — dein Angenfcein |”
— „Und du felber zulett, ſprach Sarathuftra und
wandte fich gegen den häßlichften Menfchen, der immer
noh anf dem Boden lag, den Arm zu dem Efel empor-
hebend (er gab ihm nämlich Wein zu trinken). Sprid,,
du Unausfpredlicher, was haft du da gemacht!
Du dünfft mich verwandelt, dein Auge glüht, der
An — — — — —
— — — — —— — — — ———— EEE — —— —
— — — — — —
Mantel des Erhabenen liegt um deine Häßlichkeit: was
thateſt du?
Iſt es denn-wahr, was Jene ſagen, daß du ihn
wieder auferwecdteft? Und wozu? War er nicht mit
Grund abgetödtet und abgethan?
Du felber dünkſt mih aufgewedt: was thateft
duP? was Fehrteft du um? Was befehrteft du dich?
Sprich, du Unausfpredlicher|”
„Oh Sarathuftra, antwortete der häßlichfte Menſch,
du bift ein Schelm!
Ob Der nod lebt oder wieder lebt oder gründlich
todt ift, — wer von uns Beiden weiß Das am Beften ?
Ich frage did.
Eins aber weiß ich, — von dir felber lernte ich’s
einft, oh Sarathuftras wer am gründlichſten tödten will,
der lacht.
„Nicht duch Forn, fondern dur Lachen tödtet
man” — fo ſprachſt du einf. Oh Sarathuftra, du Der-
borgener, du Dernichter ohne Horn, du gefährlicher
Beiliger, — du bift ein Schelm!*
2,
Da aber geſchah es, daß Sarathuftra, verwundert
fiber lauter folhe Schelmen-Antworten, zur Thür feiner
Höhle zurück fprang und, gegen alle feine Gäſte ge-
wendet, mit ftarfer Stimme jchrie:
„Dh ihre Schalks-Narren allefammt, ihr Poffen-
reißerl Was verftellt und verftedt ihr euch vor mir!
—— —— ———————————— — — —— — — —-
458
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— Cü— ööj— —
— — — —
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Wie doch einem Jeden von euch das Herz zappelte
vor Luft und Bosheit, darob, daß ihr endlich einmal
wieder wurdet wie die Kindlein, nämlich fromm, —
— dag ihr endlich wieder thatet wie Kinder thun,
nämlich betetet, hände-faltetet und „lieber Gott“ ſagtet!
Aber nun laßt mir diefe Kinderftube, meine eigne
Höhle, wo heute alle Kinderei zu Haufe if. Kühlt
hier draußen euren heißen Kinder-Äbermuth und
Herzenslärm abl
Steilich: fo ihr nicht werdet wie die Kindlein, fo
kommt ihr nicht in das Himmelreih. (Und Sarathuftra
zeigte mit den Händen nach Oben.)
Aber wir wollen auch gar nit in’s Himmelreich:
Männer find wir worden, — fo wollen wir das
Erdenreid.”
8.
Und nod einmal hob Sarathuftra an zn reden.
„Oh meine neuen Sreunde, fpradh er, — ihr Wunder:
lichen, ihr höheren Menſchen, wie gut gefallt ihr mir
nun, —
— feit ihr wieder fröhlich wurdetl Ihr feid wahr-
lih Alle aufgeblüht: mid dünkt, ſolchen Blumen, wie
ihr feid, thun neue Feſte noth,
— ein Pleiner tapferer Unfinn, irgend ein Gottes»
dienft und Efelsfeft, irgend ein alter fröhlicher Zara⸗
thuftra-Harr, ein Braufewind, der euch die Seelen
hell bläft.
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459
Vergeßt diefe Naht und diefes Efelsfeft nicht, ihr
höheren Menfhenl Das erfandet ihr bei mir, Das
nehme ich als gutes Wahrzeichen, — Solcherlei erfinden
nur Genejendel
Und feiert ihe es abermals, diefes Efelsfeft, thut's
euch zu Liebe, thut’s auch mir zu Liebel Und zu
meinem Gedächtnißl“
Alfo ſprach Sarathuftra. | |
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460
Das trunkne Lied.
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Inzwifchen aber war Einer nad dem Andern hin-
ausgetreten in’s Freie und in die Pühle nachdenkliche
Vacht; Harathuftra felber aber führte den häßlichften
Menfhen an der Hand, dag er ihm feine Nadt-Welt
und den großen runden Mond und die filbernen Waffer-
ftürze bei feiner Höhle zeige. Da ftanden fie endlich
ftill bei einander, lauter alte Kente, aber mit einem
getröfteten tapferen Herzen und verwundert bei fich,
daß es ihnen auf Erden fo wohl war; die Heimlichkeit
der Nacht aber fam ihnen näher und näher an’s Herz.
Und von Neuem dachte Sarathuftra bei fih: „oh wie
gut fie mir nun gefallen, diefe höheren Menſchen!“ —
aber er ſprach es nicht aus, denn er ehrte ihr Glück
und ihr Stillichweigen. —
| Da aber gejhah Das, was an jenem erftaunlichen
| langen Tage das Erſtaunlichſte war: der häßlichite
| Menſch begann nody ein Mal und zum letzten Mal zu
gurgeln und zu fchnauben, und als er es bis zu Worten
gebracht hatte, fiehe, da fprang eine Frage rund und
| zeinlih aus feinem Munde, eine gute tiefe klare Frage,
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welche Allen, die ihm zuhörten, das Herz im Leibe
bewegte.
„Meine Sreunde insgefammt, ſprach der häßlichſte
Menfh, was dünket euch? Um diefes Tags willen —
ich bin’s zum erften Male zufrieden, daß ich das ganze
£eben lebte.
Und daß ih fo viel bezeuge, ift mir noch nicht
genug. Es lohnt fi anf der Erde zu leben: Ein Tag,
Ein Feſt mit Sarathuftra lehrte mich die Erde lieben.
„Dar Das — das Leben?“ will ih zum Tode
fprehen. „Wohlan! oh Ein Mall“
Meine Freunde, was dünfet euh? Wollt ihr nicht
gleih mir zum Tode fprehen: War Das — das
£eben? Um Sarathuftra’s willen, wohlan! Noch Ein
Mall! — —
Alſo fprah der häßlichfte Menſch; es war aber
nicht lange vor Mitternacht. Und was glaubt ihr wohl,
dag damals fi zutrugP Sobald die höheren Menfchen
feine Frage hörten, wurden fie fih mit Einem Male
ihrer Derwandlung und Genefung bewußt, und wer
ihnen Ddiefelbe gegeben habe: da fprangen fie auf
Sarathuftra zu, dankend, verehrend, Liebfofend, ihm die
Hände küſſend, fo wie es der Art eines Jeden eigen
war: alfo, daß Einige lachten, Einige weinten. Der alte
Wahrfjager aber tanzte vor Dergnügen; und wenn er
auch, wie manche Erzähler meinen, damals voll füßen
Weines war, fo war er gewißlich noch voller des füßen
Sebens und hatte aller Müdigkeit abgeſagt. Es giebt
fogar Solche, die erzählen, daß damals der Eſel getanzt
habe: nicht umfonft nämlich habe ihm der häßlichfle
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Menſch vorher Wein zu trinken gegeben. Dies mag fi
nun fo verhalten oder auch anders; und wenn in
Wahrheit an jenem Abende der Efel nicht getanzt hat,
fo gefchahen doch damals größere und feltiamere Wunder-
dinge, als es das Tanzen eines Eſels wäre. Kurz, wie
das Sprüchwort Sarathuftra’s lautet: „was liegt daran!“
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2.
Sarathuftra aber, als ſich dies mit dem häßlichften
Menfhen zutrug, ftand da wie ein Trunkener: fein
Blick erlofch, feine Sunge lallte, feine Füße fchwantten.
Und wer möchte auch errathen, welche Gedanken dabei
über Sarathuftra’s Seele liefen? Erfichtlid aber wid
fein Geiſt zurüd und floh voraus und war in weiten
Fernen und gleihfam „auf hohem Joche, wie gefchrier
ben fteht, zwifchen zwei Mleeren,
— zwiſchen Dergangenem und Sufünftigem als
fhwere Wolfe wandelnd“. Allgemad aber, während
ihn die höheren Menfchen in den Armen hielten, fam er
ein Wenig zu fi felber zurüd und wehrte mit den
Händen dem Gedränge der Derehrenden und Beforgten;
doch ſprach er nit. Mit Einem Male aber wandte
er fchnell den Kopf, denn er fchien Etwas zu hören:
da legte er den Finger an den Mund und fprad:
„Kommt!“
Und alsbald wurde es rings ftill und heimlich; aus
der Tiefe aber fam langfam der. Klang einer Glocke
herauf. Zarathuſtra horchte darnach, gleich den höheren
Menſchen; dann aber legte er zum andern Male den
465
Singer an den Mund und ſprach wiederum: „Kommt!
Kommt! Es geht gen Mitternadtl” — und feine
Stimme hatte fi verwandelt. Aber immer noch rührte
er fih nicht von der Stelle: da wurde es noch ftiller
und heimlicher, und Alles horchte, auch der Efel, und
Zarathuſtra's Ehrenthiere, der Adler und die Schlange,
insgleichen die Höhle Sarathuftra’s und der große fühle
Mond und die Nacht felber. Zarathuſtra aber legte zum
dritten Male die Hand an den Mund und fpradı:
Kommtl Kommt! Kommt! Caßt uns jebo
wandeln! Es ift die Stunde: laßt uns in die
Nacht wandeln!
3.
Ihr höheren Menfchen, es geht gen Mitternacht: da
will ih euch Etwas in die Ohren fagen, wie jene alte
Glode es mir in’s Ohr fagt, —
— fo heimlid, fo fchredlih, fo herzlich, wie jene
Mitternadhts-Glode zu mir es redet, die mehr erlebt
hat als Ein Menſch:
— melde {don eurer Däter Herzens-Schmerzens-
Schläge abzählte — achl achl wie fie fenfztl wie fie
im Traume lacht! die alte tiefe tiefe Mitternacht!
Stiff! Still Da hört ſich Mandes, das am Tage
nicht laut werden darf; nun aber, bei Fühler £uft, da
auch aller Lärm eurer Herzen ftille ward, —
— num redet es, nun hört es fi, nun fchleicht es
fih in nädtliche überwache Seelen: ahl ah! wie fie
feufzt! wie fie im Traume ladtl
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— hörft du’s nicht, wie fie heimlich, ſchrecklich,
herzlich zu dir redet, die alte tiefe tiefe Mitternacht ?
Oh Menfd, gieb Adt!
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— — —
4.
Wehe mirl Wo iſt die Zeit hin? Sank ich nicht in
tiefe Brunnen? Die Welt ſchläft —
Ahl Ach! Der Hund heult, der Mond fcheint.
Kieber will ich fterben, fterben, als euch fagen, was
mein Mitternachts⸗Herz eben denkt.
Nun ftarb ich fon. Es ift dahin. Spinne, was
fpinnft du um mihP Wil du Blut? Ahl Al Der
Chau fällt, die Stunde fommt —
— die Stunde, wo mid; fröftelt und friert, die fragt
und fragt und fragt: „wer hat Herz genug dazu ?
— wer foll der Erde Herr fein? Wer will fagen:
fo follt ihr laufen, ihr großen und Pleinen Strömel”
— die Stunde naht: oh Menſch, du höherer Menſch,
gieb Acht! diefe Rede ift für feine Ohren, für deine
Ohren — was fpricht die tiefe Mitternadht?
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5,
Es trägt mid} dahin, meine Seele tanzt. Tagewerkl
Tagewert! Wer foll der Erde Herr fein?
Der Mond ift fühl, der Wind ſchweigt. Ahl Adıl
Flogt ihr ſchon hoch genug? hr tanztet: aber ein Bein
ift doch Bein Flügel.
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Alſo ſprach Zarathuſtra. 465 30
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| Ihr guten Tänzer, num ift alle Luft vorbei: Mein
| ward Hefe, jeder Becher ward mürbe, die Gräber
ftammeln.
Ihr flogt nit hoch genug: nun flammeln die
Gräber „erlöft doch die Todtenl Warum ift fo lange
Nacht? Macht uns nicht der Mond trunken?“
Ihr höheren Menfchen, erlöft doch die Gräber, weckt
die Leichname aufl Ach, was gräbt nody der Wurm?
Es naht, es naht die Stunde, —
— es brummt die Glocke, es fchnarrt no das
Herz, es gräbt noch der Holzwurm, der Herzenswurm
Ahl Adl Die Welt ift tiefl
6.
Süße Leierl Süße Leierl Ich liebe deinen Ton,
deinen trunfenen Unfen-Tonl — wie lang her, wie fern
her fommt mir dein Ton, weit her, von den Teidhen
der Liebel!
Du alte Blode, du füße Leierl Jeder Schmerz riß
dir in’s Berz, Daterfchmerz, Däterfchmerz, Urväter-
fchmerz; deine Rede wurde reif, —
— reif gleich goldenem Herbſte und Nachmittage,
gleich meinem Einfiedlerherzen — nun redeft du: die
Welt felber ward reif, die Traube brännt,
— nun will fie flerben, vor Glück fterben. Ihr
höheren Menfchen, riecht ihr’s nicht? Es quillt heimlich
ein Geruch herauf,
— ein Duft und Geruch der Ewigkeit, ein rofen-
feliger brauner &old-Wein-Gerud von altem Glüde,
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— von trunkenem Mitternadhts-Sterbeglüde, wel⸗
ches ſingt: die Welt iſt tief, und tiefer als der Tag
gedacht
7.
Laß mihl Laß mich! Ich bin zu rein für dich.
Kühre mid nicht anl Ward meine Welt nicht eben
»olllommen ?
Meine Hant ift zu rein für deine Hände. Laß mid,
du dummer tölpifher dumpfer Tagl Iſt die Mitternacht
nicht heller?
Die Reinften follen der Erde Berrn fein, die Un-
erfannteften, Stärfften, die Mitternachts-Seelen, die
heller und tiefer find als jeder Tag.
Oh Tag, du tappft nah mir? Du tafteft nad
meinem Blüde? Ic bin dir reich, einfam, eine Schatz⸗
grube, eine Goldkammer?
Oh Welt, du willft mih? Bin ich dir weltlich?
Sin ich dir geiſtlich? Bin ich dir göttlih? Aber Tag
und Welt, ihr feid zu plump, —
— habt Mügere Hände, greift nach tieferem Glücke,
nad} tieferem Unglüce, greift nad} irgend einem Gotte,
greift nicht nach mir:
— mein Unglüd, mein Glück ift tief, du wunder-
liher Tag, aber doch bin ich Fein Gott, Feine Gottes»
Hölle: tief ift ihr Weh.
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8.
Gottes Weh ift tiefer, du wunderliche Welt! Greife
nach Gottes Weh, nicht nad mirl Was bin ih! Eine
trunfene füße Leier, —
— eine Mitternadts-Keier, eine Glocken⸗Unke, die
Niemand verfteht, aber welche reden muß, vor Tauben,
ihr höheren Menfhenl Denn ihr verfteht mich nicht!
Dahin! Dahin! Oh Jugend] Oh Mittagl Oh Nach—⸗
mittagl Nun Fam Abend und Yacht und Mitternacht,
— der Hund heult, der Wind:
— ift der Wind nicht ein Hund? Er winfelt, er
Fäfft, er heult. Ach! Adhl wie fie fenfztl wie fie
lacht, wie fie röchelt und Feucht, die Mitternacht!
Wie fie eben nüchtern fpricht, dieſe trunkene
Dichterin! fie übertran? wohl ihre Crunfenheit? fie
wurde überwach? fie käut zurück?
— ihr Weh käut fie zurück, im Traume, die alte
tiefe Mitternacht, und mehr noch ihre Luft. Luſt nämlich,
wenn ſchon Weh tief ift: Luſt ift tiefer nod als
Herzeleid.
* *
*
9. |
Du Weinftodl Was preifeft du mih? Ich fchnitt
dich dohl Ich bin araufam, du bluteſt —: was will
dein Lob meiner trunfenen Braufamfeit?
„Was volllommen ward, alles Reife — will ſterben!“
fo rebeſ du. Geſegnet, geſegnet ſei das Winzermeſert
Aber alles Unreife will leben: wehel
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468
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Weh ſpricht: „Dergehl Weg, du Wehe!“ Aber
Alles, was leidet, will leben, daß es reif werde und
luftig und fehnfüchtig,
— fehnfühtig nad Fernerem, Höherem, Hellerem.
„Ich will Erben, fo fpricht Alles, was leidet, ich will
Kinder, ih will niht mid,” —
£uft aber will nicht Erben, nicht. Kinder, — Luft
will fi felber, will Ewigkeit, will MWiederfunft, will
Alles-fih-ewig-gleidh.
Weh fpriht: „Brich, blute, Herzl Wandle, Bein!
Slügel, flieg! Hinanl Hinaufl Schmerzi“ Wohlanl
Wohlaufl Oh mein altes Herz: Wehfpricht: „vergehl“
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| Ihr höheren Menfchen, was dünfet euh? Bin ich
ein Wahrfager? Ein Träumender? Trunkener? Ein
Traumdeuter? Eine Mitternachts⸗Glocke?
Ein Tropfen Thau's ? Ein Dunft und Duft der Ewig-
keit? Hört ihr’s nicht? Riecht ihr’s nicht? Eben ward
; meine Welt volllommen, Mitternacht ift auch Mittag, —
Schmerz ift auch eine Luft, Fluch ift auch ein
Segen, Nacht ift auch eine Sonne, — geht davon oder
ihr lernt: ein Weifer ift auch ein Xarr.
Sagtet ihr jemals Ja zu Einer Luſt? Oh, meine
Steunde, fo fagtet ihr Ja auch zu allem Wehe. Alle
Dinge find verfettet, verfädelt, verliebt, —
— molltet ihr jemals Ein Mal zweimal, ſpracht ihr
jemals „du gefällt mir, Glück! Aufl Angenblick!-
| fo wolltet ihre Alles zurüdl
469
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Kan — — „7 Sue 7 ERS BEE ůůÿÿůà«—I ⏑ ————————
— Alles von neuem, Alles ewig, Alles verkettet,
verfädelt, verliebt, oh fo liebtet ihr die Welt, —
— ihr Ewigen, liebt fie ewig und allezeit: und auch
sum Weh fpreht ihr: vergeh, aber komm zurüd!
Denn alle Luſt will — Ewigfeitl
® *
11.
Alle Luft will aller Dinge Ewigkeit, will Honig,
will Hefe, will trunfene Mitternadht, will Gräber, will
Gräber-Chränen-Troft, will vergüldetes Abendroth —
— was will nicht £uftl fie ift durſtiger, herzlicher,
hungriger, fchredlicher, heimlicher als alles Weh, fie will
fi, fie beißt in fi, des Ringes Wille ringt in ihre, —
— fie will Kiebe, fie will Haß, fie ift überreich,
ſchenkt, wirft weg, bettelt, daß Einer fie nimmt, danft
dem Nehmenden, fie möchte gern gehaßt fein, —
— fo reich ift Luft, daß fie nach Wehe durftet, nad)
Hölle, nah Haß, nah Schmadh, nad dem Krüppel,
nah Welt, — denn diefe Welt, oh ihr Fennt fie jal
Ihr höheren Menfchen, nach eudy fehnt fie fich, die
Luft, die unbändige, felige, — nad; eurem Weh, ihr Miß-
rathenen! Nach Mißrathenem fehnt fich alle ewige Luft.
Denn alle £uft will fich felber, drum will fie auch
Herzeleid! Oh Slüd, oh Schmerz! Oh brich, Herzl Ihr
höheren Menfcen, lernt es doc, Luft will Ewigkeit,
— Luſt will aller Dinge Ewigkeit, will tiefe,
tiefe Ewigkeit!
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Cum — — u Te Di ——— ⸗ he Ge — —— ———— de
12.
Serntet ihr nun mein Lied? Errieihet ihr, was es
will? Wohlan! Wohlaufl Ihr höheren Menfchen, fo
fingt mir nun meinen Rundgefang!
Singt mir num felber das Lied, deß Name ift „VNoch
ein Mal”, deß Sinn ift „in alle Ewigfeitl” — fingt, ihr
höheren Menfchen, Sarathuftra’s Rundgefang!
Oh Menſchl Gieb Adhtl
Was fpricht die tiefe Mitternacht?
„Ich ſchlief, ih ſchlief —,
Aus tiefem Traum bin ich erwacht: —
Die Welt iſt tief,
„Und tiefer als der Tag gedacht.
„Tief ift ihr Weh —,
„Enft — tiefer nod als Herzeleid:
„Weh fpricht: Dergeh!
„Doc alle £uft will Ewigkeit —,
»— will tiefe, tiefe Ewigfeitl*
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Das Seichen.
Des Morgens aber nach diefer Nacht fprang Zara⸗
thuftra von feinem Lager auf, gürtete ſich die Lenden
und Fanı heraus aus feiner Höhle, glühend und ftark,
wie eine Morgenfonne, die aus dunklen Bergen fommt.
„Du großes Geftirn, ſprach er, wie er einftmals
gefprochen hatte, du tiefes Glücks-Auge, was wäre all
dein Glück, wenn du nicht Die hätteft, welchen du
leuchteft]
Und wenn fie in ihren Kammern blieben, während
du fchon wach bift und kommſt und fchenfit und aus-
theilft: wie würde darob deine ftolge Scham zürnen!
Wohlanl fie fchlafen noch, diefe höheren Menfchen,
während ih wadh bin: das find nicht meine rechten
Gefährten! Nicht auf fie warte ich hier in meinen Bergen.
Su meinem Werfe will ich, zu meinem Tage: aber
fie verftehen nicht, was die Zeichen meines Morgens
find, mein Scritt — ift für fie fein Weckruf.
Sie ſchlafen noch in meiner Höhle, ihr Traum trinft
noh an meinen trunfenen Liedern. Das Ohr doch, das
nach mir horcht, — das gehorchende Ohr fehlt in
ihren Gliedern.“
472
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— Dies hatte Zarathuſtra zu feinem Herzen ge-
fprochen, als die Sonne aufgieng: da blickte er fragend
in die Höhe, denn er hörte über fich den fcharfen Auf
feines Adlers. „Wohlanl rief er hinauf, fo gefällt und
gebührt es mir. Meine Chiere find wad, denn ich
bin wach.
Mein Adler ift wach und ehrt gleich mir die Sonne.
Mit Adlers-Klauen greift er nach dem neuen Lichte.
Ihr feid meine rechten Chiere; idy liebe euch.
Aber noch fehlen mir meine rechten Menſchen!“ —
Alfo ſprach Sarathuftra; da aber gefhah es, daß
er ſich plötlich wie von unzähligen Dögeln umſchwärmt
und umflattert hörte, — das Gefchwire fo vieler Slügel
aber und das Gedräng um fein Haupt war fo groß,
daß er die Augen fchloß. Und wahrlich, einer Wolke
gleich ftel es über ihn her, einer Wolke von Pfeilen
gleich, welche fich über einen neuen Feind ausichüttet.
Aber fiehe, hier war es eine Wolfe der Kiebe, und
über einen neuen Freund.
„Was gefdieht mir?” dachte Zarathuftra in feinem
erftaunten Herzen und ließ fi langfam auf dem
großen Steine nieder, der neben dem Ausgange feiner
Höhle lag. Aber, indem er mit den Bänden um fid
und über fi} und unter ſich griff und den zärtlichen
Dögeln wehrte, fiehe, da gefhah ihm etwas noch
Seltfameres: er griff nämlich dabei unvermerft in ein
dichtes warmes Haar-Bezottel hinein; zugleich aber
erfcholl vor ihm ein Gebrüll, — ein fanftes langes
Söwen- Brüllen,
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475
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—
„Das Seihen fommt“, ſprach Sarathufira, und
fein Herz verwandelte ih. Und in Wahrheit, als es
helle vor ihm wurde, da lag ihm ein gelbes mächtiges
Gethier zu Süßen und ſchmiegte das Haupt an feine
Knie und wollte nicht von ihm laffen vor Kiebe, und
that einem Ijunde gleich, welcher feinen alten Herrn
wiederfindet. Die Tauben aber waren mit ihrer Liebe
nicht minder eifrig als der Löwe; und jedes Hal, wenn
eine Taube über die Naſe des Löwen hufchte, fchüttelte
der Löwe das Haupt und wunderte fi und lachte dazu.
Hu dem Allen fprah Sarathuftra nur Ein Wort:
„meine Kinder find nahe, meine Kinder" —,
dann wurde er ganz ftumm. Sein Herz aber war gelöft,
und aus feinen Augen’tropften Thränen herab und fielen
auf feine Hände. Und er achtete Feines Dings mehr
und faß da, unbeweglih und ohne daß er fi noch
gegen die Thiere wehrte. Da flogen die Tauben ab und
zu und fetten ſich ihm auf die Schulter und liebfoften
fein weißes Haar und wurden nicht müde mit Särtlich-
feit und Srohloden. Der ftarfe Löwe aber leckte
immer die Thränen, welche auf die Hände Jarathuftra’s
herabftelen und brüllte und brummte ſchüchtern dazu.
Aljo trieben es diefe Thiere. —
Dies Alles dauerte eine lange Seit, oder eine kurze
deit: denn, recht gefprochen, giebt es für dergleichen
Dinge auf Erden feine deit —. Inzwifchen aber waren
die höheren Menfchen in der Höhle Sarathuftra’s wach
geworden und ordneten fich mit einander zu einem Zuge
an, daß fie Sarathuftra entgegen giengen und ihm den
Morgengruß böten: denn fie hatten gefunden, als ſie
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erwachten, daß er ſchon nicht mehr unter ihnen weilte.
Als ſie aber zur Thür der Höhle gelangten, und das
Geräuſch ihrer Schritte ihnen voranlief, da ſtutzte der
£öwe gewaltig, kehrte ſich mit Einem Male von Sara-
thuftra ab und fprang, wild brüllend, auf die Höhle los;
die höheren Mlenfchen aber, als fie ihn brüllen hörten,
fchrien alle auf, wie mit Einem Munde, und flohen zurüd
und waren im Nu verſchwunden.
Sarathuftra felber aber, betäubt und fremd, erhob
ſich von feinem Site, fah um ſich, fand ſtaunend da,
fragte fein Herz, befann fi und war allein. „Was
hörte ich doch? ſprach er endlich langſam, was geſchah
mir eben?“
Und jchon Fam ihm die Erinnerung, und er begriff
mit Einem Blide Alles, was zwifchen Geftern und Heute
fih begeben hatte. „Bier ift ja der Stein, ſprach er
und ſtrich fi den Bart, auf dem faß ich geftern am
Morgen; und hier trat der Wahrfager zu mir, und hier
hörte ich zuerft den Schrei, den ich eben hörte, den
großen Nothichrei.
Oh ihr höheren Menfchen, von eurer Noth war’s
ja, daß geftern am Morgen jener alte Wahrfager mir
wahrfagte, —
— zu eurer Noth wollte er mich verführen und
verfuhhen: oh Sarathuftra, ſprach er zu mir, ich komme,
daß ich dich zu deiner letzten Sünde verführe.
Su meiner lebten Sünde? rief Sarathuftra und lachte
zornig Über fein eigenes Wort: was blieb mir dod
aufgefpart als meine legte Sünde?“
— Und nod ein Mal verſank Sarathuftra in fich
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und ſetzte ſich wieder auf den großen Stein nieder und
ſann nad. Plötzlich ſprang er empor, —
„Mitleiden!l Das Mitleiden mit dem höheren
Menfhen! fchrie er auf, und feih Antlig verwandelte
fih in Erz. Wohlanl Das — hatte feine Seitl
Mein Leid und mein Mitleiden — was liegt daranl
Tradite ich denn nah Glüder Ih tradte nad
meinem Werfel
Wohlanl Der Löwe fam, meine Kinder find nahe,
Sarathuftra ward reif, meine Stunde fam: —
Dies ift mein Hlorgen, mein Tag hebt an: herauf
nun, herauf, du großer Mittagl" — —
Alſo fprah Sarathuftra und verließ feine Höhle,
glühend und ſtark, wie eine Mlorgenfonne, die aus
dunklen Bergen fommt,
Ende von Alfo ſprach Zarathuſtra.
— — — — —— — — — — — —— —
476
Die Entitebung
von „Alſo ſprach Sarathuitra”
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Der „Sarathuftra” iſt das perſönlichſte Werk meines
Bruders, die Geſchichte feiner innerften Erlebniſſe, feiner
Steundfchaften, feiner Ideale, feiner Entzückungen,
feiner bitterften Enttäufhungen und Leiden, über Alles
aber erhebt fidy verflärend das Bild feiner höchften
Boffnung, feines fernften Siels. Die Beftalt des Zara⸗
thuftra hat meinem Bruder feit feiner früheften Jugend
vorgefchwebt; er fchrieb mir einmal, daß er ſie fchon als
Kind im Traum gefehen habe. Er gab diefer Traum:
geftalt zu verjchiedenen Seiten verjciedene Namen;
„zuleßt aber — heißt es in einer fpäten Aufzeihnung —
mußte ich einem Perfer die Ehre geben. Perfer haben
zuerft Geſchichte im Ganzen, Broßen gedaht. Eine
Abfolge von Entwidlungen, jeder präfidirt ein Prophet.
Jeder Prophet hat feinen Hazar, fein Reich von taufend
Jahren”
Die Jdeen des Sarathuftra treten bei meinem Bruder
fhon fehr frühe in mandyerlei Derfleidung auf, aber
die ganze Beftalt des Zarathuſtra verförperte fi ihm
zuerft im Winter 1882/83. Er hat tiefe Enttäufchungen
in der Sreundfchaft, die er fo hoch und heilig hielt,
ru. — Mn EEE U ME SE A, ⏑⏑⏑⏑—⏑ — —— rn
2 Geld ai de m En — — — — —— ö— ⏑⏑⏑ —⸗⸗—— — —
erlitten, und zum erſten Male empfand er die Derein-
famung, zu der wohl alles Große verurtheilt ift, in ihrer
ganzen Schauerlichfeit. Der volllommene Freund, der
ihn ganz verftand, dem er Alles fagen Fonnte, war von
ihm feit frühefter Jugend erjehnt und in den verfchiedenen
Derioden feines Kedens auch gefunden worden. Jebt
aber, wo fein Pfad immer gefahrvoller und fleiler wurde,
fand er Xiemanden mehr, der mit ihm gehen Tonnte;
fo fchuf er fich felbft in der Jdealgeftalt des Föniglichen
Philofophen. den voßfommenen Freund und ließ ihn
jeıne höchften und heiligften Ziele verfünden.
Über das erſte Aufleuchten eines der Hauptgedanten,
den Sarathuftra verfündet, fchreibt mein Bruder im
Herbft 1888 in feinen antobiographifchen Sfizzen, „Eicce
homo“ genannt: „Die Grundconception des Werkes,
der Ewige⸗Wiederkunfts⸗Gedanke, diefe höchfte Formel
der Bejahung, die überhaupt erreicht werden kann, —
gehört in den Auguft des Jahres 1881: er ift auf ein
Blatt hingeworfen, mit der Unterfchrift: 6000 Fuß
jenfeits von Menſch und Seitl Ich gieng an jenen
Tagen am See von Silvaplana durch die Wälder; bei
einem mächtigen, pyramidal aufgethürmten Blod unweit
Surlei machte ih Halt. Da Fam mir diefer Gedanke.“
Don da an wudfen die Ideen in ihm immer weiter,
wie aus feinen Aufzeichnungen hervorgeht, und in dem
Aphorismus 341 in der „gaya scienza“ finden wir
zuerft den Grundgedanken des Zarathuſtra als erfte
Andeutung des Kommenden gedrudt,
Mein Bruder fchreibt üder die Entftehung des erften
Cheiles des Sagathuftra: „Den Winter 1882/85 lebte
ih in jener anmuthig ftillen Bucht von Rapallo unweit
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Genua, die ſich zwifchen Chiavari und dem Dorgebirge |
Dorto fino einfchneidet. Meine Gefundheit war nicht
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die beſte; der Winter kalt und über die Maßen regneriſch;
ein kleines Albergo, unmittelbar am Meere gelegen, fo
daß die hohe See Nachts den Schlaf unmöglich machte,
bot ungefähr in Allem das Gegentheil des Wünfchens-
werthen. Trogdem und beinahe zum Beweis meines . |
Sates, daß alles Enticheidende ‚trogdem‘ entſteht, war ’
es diefer Winter und diefe Ungunft der Derhältniffe,
unter denen mein Zarathuftra entftand. Den Dormittag
flieg ich in füdlicher Richtung auf der herrlichen Straße
nad Soagli hin in die Höhe, an Pinien vorbei und
weitaus das Mleer überfchauend, des Nachmittags, fo Hi
oft es nur die Hejundheit erlaubte, umgieng ich die
ganze Bucht von Santa Margherita bis hinter nad |
Porto fino. Diefer Ort und diefe Eandfchaft ift durch
die große Liebe, welche Kaifer Friedrich der Dritte für |
fie fühlte, meinem Herzen noch näher gerüdt; ich war
zufällig im Herbſt 1886 wieder an diefer Küfte, als er
zum legten Mal diefe Pleine vergefjene Welt von Glück
befuchte. Auf diefen beiden Wegen ftel mir der ganze
Sarathuftra ein, vor Allem Sarathuftra felber, als Typus;
richtiger, er überfiel mid . . .*
„Es war mein fchwerfter und kränkſter Winter,
abgerechnet zehn Tage, welche mir gerade genügten,
um Etwas zu machen, um deffentwillen fidy mein ganzes
jchweres und krankes Dafein lohnt“... „Die Schluß⸗
partie wurde genau in der heiligen Stunde fertig gemacht,
in der Richard Wagner in Denedig flarb.“
Diefer erfte Theil wurde faft von Allen, denen er
ihn gab, mißverftanden: „Für vieles von mir Gedadhte
— nun @ ei PM Milde — GUNG —. —————— Mm Sup GRAUE FR AD AED De Hei
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Alſo ſprach Zarathuſtra. 481 | 31
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fand ich Keinen reif; der Zarathuſtra ift ein Beweis.
daß Einer mit der größten Deutlichfeit reden kann, aber
von Niemandem gehört wird.“ Mein Bruder wurde
ducch diefes Mißverftehen fehr entmuthigt, und da er
ſich zu gleicher Seit mit großer Willenskraft des Schlaf-
mittels Ehloralhydrat entwöhnte, nahm der folgende
$Srühling 1883, den er in Rom verlebte, einen etwas
trüben Charakter an. Er fchreibt darüber: „Dann folgte
ein fchwermüthiger Frühling in Rom, wo ich das Leben
hinnahm — es war nicht leicht. Im Grunde verdroß
mich diefer für den Dichter des Sarathuftra unanftändigfte
Ort der Erde, den ich nicht freiwillig gewählt hatte,
über die Maßen; ich verfuchte loszufommen, ich wollte
nach Aquila, dem Gegenbegriff von Rom, aus Seindichaft
gegen Rom gegründet, wie ich dereinft meinen Ort
gründen werde, die Erinnerung an einen Atheiften und
Kirhenfeind comme il faut, an einen meiner Nächſt⸗
verwandten, den großen Hohenftaufen — Kaifer Sriedrich
den Sweiten. Aber es war ein Derhängniß bei dem
Allen: ich mußte wieder zurück. Zuletzt gab ich mid;
mit der Piazza Barberini zufrieden, nachdem mich meine
Mühe um eine antichriftlihe Gegend müde gemadht
hatte. Ich fürchte, ich habe einmal, um fchlechten
Gerühen möglihft aus dem Wege zu gehen, im Palazzo
del Quirinale felbft nachgefragt, ob man nicht ein ftilles
dimmer für einen Philofophen habe. Auf einer Loggia,
hoch über der genannten Piazza, von der aus man
Rom überfieht und tief unten die Fontana rauchen
hört, wurde jenes einjamfte Lied, das je gedichtet worden
it, das Nachtlied, gedichtet; um diefe Zeit gieng immer
eine Melodie ı ‚von unſaglicher Schwermuth um mich
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herum, deren Refrain ich in den Worten wiederfand
„todt vor Unfterblichkeit‘“.
Wir blieben in jenem Srühling etwas zu lange
in Rom, und unter dem Einfluß des inzwifchen ein-
getretenen bedrückend fchwülen Wetters und der fchon
oben erwähnten Entmuthigung beſchloß mein Bruder,
überhanpt nichts mehr zu fchreiben, jedenfalls Feine Fort⸗
fegung des Sarathuftra, obgleih ich mich erbot, ihm
alle Mühe mit Druck und Derlag abzunehmen. Als wir
aber Ende Juni nach der Schweiz zurücdfehrten und er
wieder in der vertrauten köſtlichen Bergluft lebte, da
erwachte alle feine freudige Schaffenskraft, und um mid;
auf ein fommendes Manuffript vorzubereiten, fchrieb er
mir: „Bier habe ih mich auf 3 Monate eingemiethet:
in der Chat, ich bin der größte Chor, wenn ich mir
durch italienifche Luft den Muth nehmen laffe. Bier und
da taucht der Gedanke in mir auf: was geſchieht nach⸗
her? Meine ‚Sufunft ift mir die dunkelſte Sache von
der Welt; da ich aber noch viel fertig zu machen habe,
follte ih auch nur an diefes Sertig-madhen als an
meine Zukunft denken und das Übrige Dir und den
Göttern überlaffen.“ |
Der zweite Cheil des Jarathuftra ift zwifchen dem
26. Juni und 6. Juli gefchrieben: „Im Sommer, heim-
- gefehrt zur heiligen Stelle, wo der erfte Blitz des
Sarathuftra-Gedanfens mir geleuchtet hatte, fand ich
den zweiten Jarathuftra. Sehn Tage genügten; ich habe
in feinem Falle, weder beim erften, noch beim dritten
und legten mehr gebraudt.”
Er ſprach öfters von dem entzüdten Suftand, in
dem er den Zarathuſtra gefchrieben habe, wie er bei
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feinen Wanderungen bergauf und bergab von der Fülle
der Gedanken förmlich überfallen worden wäre und nur
in Haft in das Taſchenbuch mit Bleiftift Notizen machen
fonnte, die er dann bei feiner Heimkehr bis mitten in
die Nacht hinein mit Tinte niederfchrieb. Er fagt mir
in einem Brief: „Du kannſt Dir von der Dehemenz
folher Entftehungen nicht leicht einen zu großen Beariff
maden“, und in leidenfchaftlicher Begeifterung fchildert
er in den antobiographifchen Sfizzen (Herbft 1888) die
unvergleihlihe Stimmung, in welcher der Sarathuftra
gejchaffen wurde:
„ — Bat Jemand, Ende des neunzehnten Jahr-
hunderts, einen deutlichen Begriff davon, was Dichter
ftarfer Seitalter Infpiration nannten? Im anderen
Salle will ich’s befchreiben. Mit dem geringften Reſt
von Aberglauben in fi würde man in der Chat die
Dorftellung, blos Infarnation, blos Mundftüd, blos
Medium übermädtiger Gewalten zu fein, kaum abzu-
weifen wiſſen. Der Begriff Offenbarung in dem Sinne,
dag plößlih, mit unfäglicher Sicherheit und Feinheit,
Etwas fidhtbar, hörbar wird, das einen im Kiefften
erfchüttert und ummirft, befchreibt einfadh den That»
beftand. Man hört, — man ſucht nicht; man nimmt, —
man fragt nicht, wer da giebt; wie ein Bli leuchtet
ein Gedanke auf, mit Zlothwendigkeit, in der Form
ohne Zögern, — ich habe nie eine Wahl gehabt. Eine
Entzüdung, deren ungeheure Spannung fih mitunter
in einen Thränenſtrom auslöft, bei der der Schritt · un.
willkürlich bald ſtürmt, bald langſam wird; ein vollkom⸗
— Außerſichſein mit dem ziflinkieſten Bewußtſein
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einer Hnzahl feiner Schauder und Überriefelungen
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bis in die Fußzehen; eine Slüdstiefe, in der das
Schmerzlichfte und Düfterfte nicht als Gegenfat wirkt,
fondern als bedingt, als herausgefordert, als eine
nothwendige Farbe innerhalb eines ſolchen Lichtüber-
finffes; ein Inſtinkt chythmifcher Derhältniffe, der weite
Räume von Formen überfpannt (die Länge, das Be-
dürfnig nad einem weitgefpannten Rhythmus ift bei.
nahe das Maß für die Gewalt der Infpiration, eine
Art Ausgleich gegen deren Drud und Spannung). Alles
gefhieht im höchſten Grade unfreiwillig, aber wie in
einem Sturm von Sreiheitsgefühl, von Unbedingtfein, von
Macht, von GHöttlichfeit. Die Unfreimilligkeit des Bildes,
des Gleichniffes ift das Merfwürdigfte; man hat feinen
Begriff mehr, was Bild, was Gleichniß ift, Alles bietet
fich als der nädhfte, der richtigfte, der einfachſte Ausdruck
an. Es fcheint wirflih, um an ein Wort Sarathuftra’s
zu erinnern, als ob die Dinge felber heranfämen und
Gleihniß fein möchten: ‚Bier fommen alle Dinge lieb-
fofend zu deiner Rede und fchmeicheln dir, denn fie
wollen auf deinem Rüden reiten. Auf jedem Gleich-
niß reiteft du hier zu jeder Wahrheit. Bier fpringen
dir alles Seins Worte und Wort-Schreine auf; alles
Sein will hier Wort werden, alles Werden will von dir
reden lernten‘ —. Dies ift meine Erfahrung von Inſpi⸗
ration; ich zweifle nicht, daß man Jahrtaufende zurück
gehen muß, um Jemanden zu finden, der mir fagen
darf: es ift auch die meine! —“
Im Berbft 18835 fam mein Bruder vom Engadin
einige Wochen nach Deutſchland und landete im folgen-
den Winter nach mancdherlei Irrfahrten über Strefa,
Genua und Spezia in Nizza, wo er ſich durch das dor-
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tige Klima fo glücklich angeregt fühlte, daß er den dritten ".
Cheil des Sarathuftra fhuf: „Im Winter darauf unter
dem haltyonifchen Himmel lizza’s, der damals zum
erften Male in mein Leben hineinglänzte, fand ich den
dritten Sarathuftra — und war fertig. Kaum ein Jahr, ,
für's Ganze gerechnet. Diele verborgene Klede und .
Höhen aus der Landſchaft Nizza's find mir durch un⸗
vergeßliche Augenblicke geweiht; jene entjcheidende Partie,
welche den Titel ‚von alten und neuen Tafeln‘ trägt, ı
wurde im befchwerlidften Auffteigen von der Station
zu dem wunderbaren maurifchen Selfennefte Eza ge '.
dichtet, — die Musfel-Behendheit war bei mir immer
am Größten, wenn die fchöpferifche Kraft am Reichſten
flog. Der Keib ift begeiftert: laſſen wir die ‚Seele‘ aus
dem Spiel. — Man hat mid oft tanzen fehen können;
ih konnte damals, ohne einen Begriff von Ermüdung,
fieben, acht Stunden auf Bergen unterwegs fein. Ich
fhlief gut, ih lachte viel —, ich war von einer voll»
fommenen Nüftigfeit und Geduld,“
Jeder der drei erften Theile des Zarathuſtra ift
alfo nad einer längeren und fürzeren Dorbereitung, wie
fhon erwähnt, in ungefähr zehn Tagen entftanden. Der
erfte Theil Anfang Februar 1883 in Rapallo, der zweite
Cheil von Ende Juni bis Anfang Juli 1883 in Sils-
Maria, der dritte Theil Ende Januar 1884 in Nizza.
Nur der vierte Theil ift mit einigen Unterbrehungen
ausgearbeitet worden. Die erften Aufzeichnungen find
während eines gemeinfchaftlihen Aufenthaltes in Zürich
September 1884 niedergefchrieben; fodann folgte in Men-
tone November 1884 eine erfte Ausarbeitung, und nadh
einer längeren Paufe wurde das Drudmanuffript dieſes
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Cheils von Ende Januar bis gegen Mitte Februar 1888 6
in Nizza beendet. Mein Bruder hat ihn damals denn
vierten und letzten Theil genannt; aber fhon Furze Seit -
nah der Drudlegung fchreibt er mir von Denedig aus ;
im Mai 1885, daß er noch einen fünften und fechsten
Cheil fchreiben wolle, wozu audy noch Dispofitionen
vorhanden find. Aus dem Frühjahr und Spätherbft
1884 giebt es gleichfalls Pläne zu einer $ortfegung des 1
Sarathuftra in drei heilen, worüber der XII. Band
der Befammtansgabe und der Schlußband der Biographie:
das Keben Friedrich Nietzſche's, ausführlich berichten.
Auch der XIV. Band der Gefammtausgabe der Werke
und Nachlaßſchriften Friedrich Niebfche’s bringt Pläne
und Gedankengänge aus der Entftehungszeit des Zara⸗
thuftra, die zum befferen Derftändniß feiner Haupt- |
gedanken dienen fönnen. Der vierte Cheil ift Ende des ii
Winters 1885 nur in 40 Eremplaren als Manuffript |
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gedrucdt worden und war zu einem Geſchenk für feine
Freunde beftimmt: „für Solche, die fit um ihn verdient
madten”. Nur fieben Exemplare hat er Gelegenheit
I gehabt, unter diefem Gefihtspunft zu verfchenfen, — fo
einfam, fo unverflanden war er damals. Diefer vierte
Theil ift Oſtern 1892 — drei Jahre nady der Erfranfung
meines Bruders und fieben Jahre nach der erften privaten
Drudlegung — veröffentliht worden, nachdem die Aerzte
erflärt hatten, daß eine Wiederherftellung des Autors
ausgefchloffen fei. |
Schon am Anfang diefer Entftehungsgefhichte führte |
ih die Gründe an, die meinen Bruder veranlaßten, |
einen Perjer die Jdealgeftalt feines Föniglichen Philo |
fophen verkörpern zu lafien; warum es aber gerade i
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Mund legt, das fagt er uns in folgenden Worten: „Man
hat mich nicht gefragt, man hätte mich fragen follen,
was gerade in meinem Munde, im Munde des erften
Immoraliften, der Name Zarathuftra bedeutet: denn
was die ungehenere Einzigfeit jenes Perfers in der
Geſchichte ausmadt, ift gerade dazu das Gegentheil.
dSarathuftra hat erfi im Kampf des Guten und des
Böſen das eigentlihe Rad im Getriebe der Dinge ge
fehen, — die Überfegung der Moral in’s Metaphyfifche,
als Kraft, Urfache, Swed an fidh, ift fein Werk. Aber
diefe Frage wäre im Grunde bereits die Antwort.
Sarathuftra fhuf diefen verhängnißvollſten Irrthum,
die Moral. Folgli muß er audy der Erfte fein, der ihn
erfennt. Nicht nur, daß er hier längere und mehr
Erfahrung hat als fonft ein Denker — die ganze Ber
ſchichte ift ja die Erperimental » Widerlegung vom Sat
der fogenannten ‚fittlichen Weltordnung‘: — das Wich⸗
tigere ift, Zarathuſtra ift wahrhaftiger als fonft ein
Denker. Seine Lehre, und fie allein, hat die Wahrhaftig-
keit als oberfte Tugend — das heißt den Gegenfat zur
Seigheit des „Jdealiften‘, der vor der Realität die
Flucht ergreift; Sarathuftra hat mehr Tapferfeit im
Leibe als alle Denker zufammengenommen. Wahrheit
. reden und gut mit Pfeilen fhießen: das ift die perfifche
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Tugend. Derfteht man midy?... Die Selbftüberwindung
der Moral aus Wahrhaftigkeit, die Selbftüberwindung
des Mopraliften in feinen Gegenfag — in mih —: das
bedeutet in meinem Munde der Name Sarathuftra.”
Nietzſche⸗Archiv, Herbſt 1905.
Eliſabeth Förſter⸗Nietzſche.
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herausgegeben vom Nietzſche⸗Archiv in Weimar.
Großz Oktav Gefamtausgabe in 15 Bänden.
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(Antihrif). PDicktungen - - - . - - „ 880, „
8. Nackgelaffene Werte 18072 . . . Bro. 9.—, Geb.
10. Hacggelaffene Werte 1ST2 73-186 „ 9I— .
11. Hachgelafiene Werke 1ETSIC-EH EL „ I u
12. gelafiene Werke 188186 „9.
18. Werte a. d. Umwertungszeit 9I—, .
14. Hacıgel. Werte a. 5. Umwertungszeit 9I—, .
15. Nachgel. Werke. Der Wille zur Mat „ A0.—, „
Weiterer Nachlaßz eventuell als 16. (Schlau) Band,
Vorzugspreis bei Gefamtbezug:
x. Abteilung Ban I—8) . . Broſch. 9.—, Geb.
2. Abteilung (Band 9-18). . . MH .
Subftription monatlich einen Band:
1. Abteilung Ban I)... 1, .
2. Abteilung (Band 9—I8). „8 u.
Einzeldruche in groß go Format.
Die Geburt der Cragssdie. Broſch. 5.—, Geb.
Unzeligemäße
Betragtungen, SandlIl. „ 480, „
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herausgegeben vom ießihe- Archiv in Weimar.
Klein Oftav Gefamtausgabe in 15 Bänden.
1. Die Geburt der Tragödie,
Unzeitgemäbße Betrachtungen . a Bioſch. 8.—, Geb. 9.—
2 Menſchliches, Allzumenfchliches. Bd. ı 6.—
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Sur Genealogie der Moral . . . . . „ 6.50, „ 27.50
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DPorzugspreis bei Gefamtbezug:
1. Abteilung (Band 1-8) . vroſch. 46.—, Se 3
(Antichriſt). Pichtunget . . » 00.0. 6.50,
9. Nachgelaſſene Werte 1869-73 . . . . Brofd. 7.—, Geb. 8.— ı
10. Yacggelaffene Werke 1872/78 1878/78 . „ 0... B—
11. Nachgelaffene Werte 1875/76-180/ 81. „ 6.50, „ 2.50
12. Hachgelaffene Werte 1811—86 . . „ 6.50, „ 2.50 N
18. Nachgel. Werte a. d. Umwertungszet . 6.50, . 7.50
14. Nachgel. Werte a. d. Umwertungsszeit „ 6.50, „ 7.50 |
15. Nachgel, Werte. Der Wille zur Macht Fo Fi Pe - 9 N
Weiterer Nachlaß eventuell als 16. (Schiuk>) Band. |
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2. Abteilung (Band 9-15). 2.—, —
‚ subffrigtion monatlich einen Band:
1. Abteilung (Sand I—8) .. .—, „ 1
2. Abteilung (Band 9—I5). n 6.0, „ 27.50
Einzeldruce in Klein ge Format.
Die Geburt der Eragödie . . .. 2... Brofd. 2.26, Geb. 3.25
unzeligemäße Betrachtungen, Band ı. „ 3 n 4—
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Der Wanderer und fein. Schatten . .. . „ 250, „ 3.50 .
Alſo ſprach Zarathuftra (Ceinenband) — nn 150
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Jenſfeits von Gut und Bsſe.... 5. ⸗, 6.-
Sur Genealogie der Moral . . . . . . n„ 2%, „ 5.7 ,
Der gall Wagner. Nietzſche contra Wagner „ Km .n 2— .
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I Grob Okttav⸗Ausgaben fiehe Dorder,Seite! TUE
C. 6. Naumann Derlag in Leipzig.
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Friedrich Nietzſcheis Werke
herausgegeben von Eliſabeth Foörſter⸗Nietzſche.
Taſchenausgabe in 10 Bänden.
1. Homer⸗Rede. Geburt der Tragödie. Der griechiſche Staat. Das
5 griechifche Weib. Muſik und Wort. Homers Wettlampf. Zukunft
4 anferer Bildungsanftalten. Das Derhältnis der Schopenhanerfchen
Philofophie zu einer deutfchen Kultur. Philofophie im tragifchen
Beitalter der Griechen. Ueber Wahrheit und Lüge. (1869/73.)
. Unzeitgemäße Betrachtungen inkl. Wir Philologen. (1873/76.)
. Menfchliches Allzumenfchliches I. Aus dem Nachlaß (1874/77).
. Menfchliches Allzumenfchlidhes II: Dermifchte Meinungen und
Sprüche. Wanderer und fein Schatten. Aus dem Nachlaß (1877/79).
. Morgenröthe. Aus dem Nachlaß (1880/86).
. Die ewige Wiederkunft. Fröhliche Wiffenfchaft. Lieder des Prin-
zen Dogelfrei. Aus dem Nachlaß: Gedichte (1871/88).
. Alfo fprach Zarathufra. Aus dem Nachlaß (1882/85).
Jenfeits von Gut und Böfe. Genealogie der Moral, Aus dem
Nachlaß (1885/86).
. Wille zur Macht (1884/88).
. Wille zur Macht (Fortſetz.). Gößen: Dämmerung. Antichrift.
Dionyfosdithyramben (1882/88).
Einbänbe: Flexible Jrinendene. Preis pro Band brafg. 4.—, geb. 4.50
Dorzugspreis komplett 10 Bände. . . brofch. 87.50, geb. 45.—
Subftription monatli einen Band. . „ Bi, „ 450
Der Fall Wagner und Nietzſche contra Wagner werden voraus:
fichtlich fpäter als Supplement zur Tafchenansgabe erfcheinen.
N Friedrich Nietzſche.
Einzeldrucke in Miniatur⸗Format
herausgegeben von Eliſabeth Förſter⸗Nietzſche.
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Echt Pergamentband. . „ 8.50 | Edit Pergamentband. . „ 6.50
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Elifabeth Farſter⸗Niegg ſche.
Das Leben Friedrich Nietzſche's.
Erſter Band: VIH und 369 Seiten mit 2 Lichtdruckporträts, Alb»
bildung bes Geburtshaufes, Schrift» und Trotenfaffimiles und einer
Notenbeilage . . Groß 8% Sormat, broſch. A 9.—, geb. A 11.—
Hweiter Band: I. Abteilung. IX und 341 Seiten mit CLichtdruck⸗
® porträts . . . . Groß 8%. Format, broſch. 4 8.—, geb. 4 10.—
Sweiter Band: II. Abteilung. VI und 60X Seiten mit 2 Porträts.
Groß 8%. Sormat, broſch. „A 13.50, geb. M 14.50
Vorzugspreis bei Befamibezug: Broſch. AM 22.—, geb. A 8B.—
Sand Iu.IL, 1. Abteilung, werden einzeln nicht mehr abgegeben.
. Freifranu von Ungern⸗ſsternberg.
Nietzſche im Spiegelbilde feiner Schrift.
mit swei Kunſt⸗ und 29 graphologifchen Beilagen.
Groß 8°. 12 Bogen. Broſch. 4 6.—, geb. A 7.50
. Ein ebenfo eigenartiger wie fefieinder Beitrag zur Henntnis der
Derfönlichkeit des unglüdlichen Dichterphilofophen .... . .... Es if
ein reizendes Städ pfychologifcher Kleinarbeit, eine wunderfam ergeb⸗
nisreiche Analyfe einer Mlenfchenfeele..... Wir verfolgen den großen
Einfamen von Sils-Maria von feinen Knabenjahren, in Pforta Schritt
für Schritt bis zur furchtbaren Kataftrophe, lefen unter der liebevollen
£eitung der Derfafferin aus Briefen, Xlotenfchriften, Gedichten und
Manuffriptfragmenten des Hhilofophen all fein Gluck und Keld und
flaunen geradezu ob der rheit und Unverhülltheit, mit der die
Schrift das allmähliche Auf⸗ und Abfleigen des Genius offenbart.
St. Fetersburger Zeitung.
Meta von Salis⸗Marſchlins, Dr. phil.
Philoſoph und Edelmenfch.
Ein Beitrag zur Charakteriſtik Friedrich Nietzſches.
Groß 8°. 7 Bogen. Broich. 4 8.—, geb. M 4.50
Das Buch feffelt durch die ehrliche Wiedergabe aller Empfindungen,
die Triegfches Perfönlickkeit in einer felbfibewußten Srauenfeele aus»
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gelöf ha Bürger YoR.
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C. ©. Naumann Derlag in Leipzig.
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Dr. Max Zerbſt.
Zu Sarathuitra!
Klein 8°. 6 Bogen. Broſch. M 1.75, geb. AM 2.60
ibt zwei Niegfhe. Der Eine if der weltberühmte
Se plisfoph, d der glänzende Dichter und ſprach ewaltige Meifter
Stils, der jegt' in aller Munde lebt. Der an nieniäe,
der fa un efannte, das iſt der auergrändliche, unerfhöpfbare Den
und Pf *25 der große Menſchen⸗5päher und Cebens⸗Werter an
unerrelchter & eiſtes kraft und Gedanken⸗Macht, der in den ſtillſten und
verborgenfien Tiefen des £ebens und des Menfchentums tet und
Gem di die fernfle Sutunft gehört; dem £egteren die Einſichts⸗
vollen und Ernften unter den modernen Menſchen näher ; zu bringen,
iſt die Abſicht des Autors,
Dr. Mag Ferbſt.
Die Philoſophie der Freude.
Preis broſch. M L.—, geb. A b-
Mar Zerbſt geht von Ni aus, ſtrebt aber, gewiſſe Einſeitig⸗
keiten Er i überwi inde ne ... zakle een FAN des
Autors Sache nicht, es ae mehr ein —* ein ꝓhiloſophiſcher
Bymnus au die Sreude, m beften gibt. 2" n dem Enthuflas-
mus, den es atmet, liegt FE 3 und Der des Buches. Aber auch
an feinfinnigen Gedanken iſt fein Mangel. Aeiuriqh Kurt im „Bag“.
Dr. Atajhlen Schwann.
Sopbia.
Sprofien zu einer Philofophte des Lebens.
Groß 8°. 16 Bogen. Broſch. A 4.—, geb. A 5.50
Als ein tiefer, redlicker Geiſt erweift je Shwann in feiner
Schrift: hia“. Es iſt fein Bud für die enge; wer aber
nicht ablaffen kann, immer von neuem über die et —* —— en
a finnen, der wird fi dem befruchtenden Einfluß dieſer ernſten Ge-
danfen nicht entzichen können. Auch Schwann If durch Tietzſches
Schule Fe Doch hat er noch manchem anderen £ehrer gelanfcht,
em eigenen Wahrheitstriebe, und fein
Denten Bet I —& Berührung mit dem Leben, das er unter
dem Geſichtspunkt der Entwidlung betrachtet. Das litterarifge 64°.
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€. G. Naumann Derlag in Leipzig.
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Dr. Ernſt Horneffer.
Nietzſches CLehre von der Ewigen
Wiederkunft
und deren bisherige Veröffentlichung.
Groß 8°. 84 Seiten. Broſch. # L.-
Friedrich Nietzſches Echre von der ewigen Wiederkunft wird die
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ya —— ——— — Pi Zicfigen N erkändnis Dieter
Nietzſcheſchen Chefe.
Dr. Karl Ad. Brodibed.
Geiſtesblitze großer Männer.
Groß 8°. 12 Bogen. Brofch. MA 8.50, geb. M 4.75
t :Anthologi iftvoller Ausfprüche der bedeutendft
— lofopken N Dichter elle A vorzüglich sum
Seftgefchen? für Politifer, Gelehrte und £iteraten, vor allem auch für
die Sreunde Nietzſcheſcher Philoſophie.
Dr. Poul Bjerre.
Der geniale Wahnfinn.
Aus dem Schwedifchen überſetzt.
Preis brofchiert 4 2.25, gebunden 4 8.—
Die geiftvoll gefchriebene Studie ſtellt fich nicht nur als eine wert»
volle —A— der Tiehzſche⸗Citeratur dar, ſondern liefert auch
nenes und intereflantes Material zur Pfychologie und EhmMolosn des
tünflerifchen Schaffens und felbfiverfi ndlich zu dem Thema „Genie
und Wahnfinn“ im allgemeinen. Pipaskafte.
Paul Cauterbach.
Aegineten — Gedanke und Spruch.
Klein 8°. Broſch. 4 1.25
Unbedentend find diefe furzen Epigramme nicht. Das Büchlein
it dem Meifter des Zarathuflra gew dmet und auch ohne dieſen Hin⸗
rke ‚daß der D ein Schüler
Ft —8 man fofort erkennen, daß der Verfaſſer * m
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Sant Ilario.
Gedanken aus der Landfchaft Sarathuftra’s.
Groß 8°. 24 Bogen. Broſch. .# 6.50, geb. A 8.50
... Der Derfaffer fcheint in allen Wiffenichaften und Künften
u Baufe zu fein... Mlongr6 if auf der Suche nad immer neuen
nregungen und Aufregungen ... Er bemüht fi die Perfönlichkeit
von jedem Zwang der Logik, der Gewöhnung, der Moral und der
au sion zu befreien und löft dabei die Kontinuität der Perfon felbft
auf...
Freußiſche Zahrbücher.
Paul Alongr6,
Das Chaos in kosmiſcher Ausleſe.
Groß 8°, 14 Bogen. Broſch. # 4. —, geb. 4 5.50
.... Die ganze Art der Entwidelung und Beweisführnng verrät
einen felbfändigen Hopf... . Aiterariſches Zentralblatt.
00. Inzwifchen gewährt uns das verwegene Werk ein eigen:
artiges Dergnügen, fowohl durch die blendende Kunſt feiner Dialektik,
wie durch die Formulierung feiner Ergebniffe .... Gefentgaft, |!
Heinrich Driesmans,
Die plajtifche Kraft
in Kunft, Wiffenfhaft und Leben.
Groß 8°. 14 Bogen. Brofh. 4 4—, geb. A 5.50
Es gibt fraftgeniale Denker, wie es fraftgeniale Dichter gibt —
and gerade unter den Modernen finden fi; beide zahlreich genug ver⸗
treten. Daß Driesmans zu ihnen gehört, wenn er auch den Gleich
firebenden auf dem Gebiete der Poefie mit fcharfer Kritif gegenüber:
fteht, beweifen fchon die Ueberſchriften der einzelnen Paragraphen in
der Inhaltsangabe ... ein Sprühfener von Aphorismen und Para»
doren bildet die leuchtende, fich durch das Ganze hinziehende Gedanken» |
fette — und in der Lat enthält die Schrift fehr viele geiftreiche Apergus. 1
Nur. v. Gottſchall im Keipsiger Tageblatt.
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. Naumann Derlag in Leipsig.
Albert Tiniepf.
Eheorie der Geifteswerte.
Groß 8°. 11 Bogen. Broſch. #4 3.—, geb. A L—
Ani egt mit einem ſcharfen Beſen, wird aber nicht nur
den Erfole ' Ken, dag man ie) ve Al wird anregend anf alle
- fünftlerifchen Geifter wirken ..... Wir würden dem Derfafler und
feinem Buche fchweres Unrecht zufügen, wollten wir unterlafien, ans
zuerfennen, daß feine Kritik des firchlichen Dogmatismus allenthalben
zutrifft. Aamburger Signale.
Earl Martin.
Das Evangelium vom neuen Menfchen.
(Eine Spnthefe: Nietzſche und Chriſtus).
Kl.8°. Broſch. 4 8.—, Ceinb. 4 4.—, Echt Leder 4 8.—
Wie fo vielen ift auch dem Derfaffer in dem fchwanfenden Treiben
unfrer Tage der Sarathuftradichter zum Sührer geporden. Aur saghaft
if. er ihm anfangs gefolgt, und mit tiefem Schmerz fah er all das
Sühlen und Denten feiner Jugendjahre zufammenflürzen. Aber un⸗
widerftehlich 309 ihn der Mleifter nach fih, und da er (elieklich wieder
um ſich fah, fiehe da klang es wie alte, trante Weiſen; nur der Schutt
war weggeräumt und ewig jung ſprach das Evangelium zu ihm vom
neuen Menfchen. So deutet er's nun feinen Brüdern.
Dr. Georg Grodded.
Ein Srauenproblem.
Groß 8°. 112 Seiten. Broſch. #4 2—, geb. A 8.—
Das Buch Hinterläßt den tiefen und bleibenden Eindrud einer
reifen Geiftesfrucht. Mit einer Sprache voll Kraft und Innerlichkeit,
die gleichwohl eine erhabene Auhe atmet, wird darin die wechjelnde
Derichlingung der beiden Gefchlechter aus den dunflen Zeiten der
Raubtierkerriähaft des Mannes entwidelt und fortgeführt bis zum
ftrahlenden Ausbruch einer neuen Kultur mit den fat wundertätigen
Idolen: Weib und Kind. Bon Baus u Hans.
2... Eine Studie, halb Dichtung, halb Philofophie im Nietzſche⸗
ftil der Sorm nad, ganz unabhängig uud felbft perfönlich ; im
Weien......... Doefte, die das Werk im edler Form durchdringt
fol nicht zerpflücdt und befchrieben!, fie fol aus der Quelle jelbft
gejchöpft werden. der Sag.
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€ ©. Naumann Derlag i in ‚geipsig.
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EollinssCarus,
Eritome der Syntbetifchen Philoſophie
Herbert Spencer’s.
Mit einer Dorrede von Herbert Spencer.
Gr. 8°. 46 Bogen. Broſch. A 11.—, geb. A 13.—
$ür das Studium Spencer’s bietet die Ep tome | jeiner a
von Eollins ein fehr empfehlenswertes Hilfsm
gewandte Lieberfegung von Carus nun aud in einer gefämadpotlen
Ausgabe den deutichen Kefern zugänglich gemacht if. ... .... Der
— se Hussug bietet auch demjenigen eine bequeme Ueberſicht,
bereits mit den Originalwerken Spencers bekannt gemacht hat.
Srenkifge Zahrdüger.
Dem weiten Kreis deutfcher Ceſer muß die verdentichte Epitome
willlommen jein, und gie der philo je opt e Zunftgenoß wird fie
als bequemes Handbuch neben der Urſchrift n ehe verfhmähen. Bent
zur Zeit aber fam jegt die U Ueberfegun gs Deutfche, indem der
Ueberfeger durch Bern Collins’ freundliches Entgegenfommen die
Horrefterbogen der fünften Auflage der Epitome benugen durfte,
welcher Spencers Schriften überall in neuefter Geſtalt zugrunde liegen.
Aoqſcquſ· Rachrichten.
2eb, die Epitome bei allen Intereffenten willkommen wa
beweift ihre bisherige Derbreiitung in einer ua Po eine
ameritanifchen, einer ruffifchen und zwei franzöfiichen Aus⸗
gaben, be3. Heberfegungen; Ihnen reiht fich num Äh von gest.
Dr. med. phil, et jur. 3. Dicter Carus beforgte deutſche Aus»
gabe an,
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Die Erlsſung vom Daſein.
— 80. 19 Bogen. Broſch. MA 4.—, geb. MA 5.50
er Verfaſſer war kein Fachmann, ondern Caie, aber unzweifelhaft
hocharbilbet und ein fcharfer Denker. Köln. Zeitung.
Das Bud if fchon deshalb von hohem Intereffe, weil es uns
einen Einblid in das feelifche Getriebe, aus dem eine pefftmififche
Weltanfchauung entipringen kann oder muß, gewährt... ——
— find insbeſondere die kleinen Dichtungen in Ders und Profa..
An feinen und glädlichen Bemertungen if das Buch nicht arm, es
IR geißvoN mub {chön gefchrieben. _ Diene freie Prefle, Bien,
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C. G. Naumam Verlag in Leipzig.
2 Ana Tun u
Prof. Dr. Adalbert Svoboda.
- Geftalten des Glaubens.
Kulturgefchichtlicdes und Silofoftiches.
Säweite vermehrte und verbeflerte Auflage,
Sand I. Groß 9. X, 33% Seiten Broſch. A 6.—, geb. A 7.50
Band II. Groß 9. IV, 422 Seiten „ „ m, u. 825
Beide Bände zufammen bezogen: „ „IR—, „ „IS—
of. Dr. Ernft Häckel in Jena, der große Zoologe und Biologe,
nenne in feinen 3—33 die ER re Aida *
hochintereſſantes, auf ausgedehnte Duellenfiudien gegründetes, aus⸗
gezeichnetes Werk” und verweiſt „für weitere Unterfüchungen” häufig
auf das vortreffliche, von ihm mehrfach zitierte Buch.
Deter Roſegger betracdktet in feinem „‚Beimgarten” „diefes
groß angelegte Werk als das Lebenswert eines originellen Denfers,
eines Bochdenfers, der frei von hergebracdhten Dorurteilen, fühn und
flarf feine einfamen Wege geht, und als eine Gedankenbahn voll
Anregungen und Schönheiten. Es if ein Dergnägen, darin zu lefen.
Der SL, ob er nun im ruhigen Ernfi einherfchreitet, oder in heiterem
Bumor, in fcharfem Sarfasmus leuchtet oder in den herben Ton der
Enträfung ausbricht — er ift Mar, fein und von Iprangemaltiger
Wirkung . . . . Welch eine Sülle von Überrafchenden Gedanken! Trog
der Gelehrfamkeit nicht die Schrift eines Buchgelehrten, ein heißes
Berz wogt durch feine Blätter, ein hohes cied des Wohlwollens und
der Kiebe zu allen Wefen, ein gottinniges Werk!
Prof. Dr. Adalbert Svoboda.
Ideale Sebensjiele.
Band I. Groß 9. X, 391 Seiten Broſch. 6.50, geb. 4 8.—
Band II. Groß 8%. VI, 512 Seiten "9, » 10.50
Beide Bände zufammen bezogen? 14 AI
Beinahe auf jeder Seite der beiden Bände befinden ſich beher⸗
zigenswerte Nachweiſe und Bemerfungen. Und man muß ſagen,
Spobodas Werk if eine für die Sache des freien Gedankens, auch auf
— Gebiet, förderliche und nügliche Deröffentlichung. So hat
iefes Werk feine — Berechtigung und iſt außerdem ein menſch⸗
lich in antes Dokument, da man überall durchſpürt, mit welchem
innerſten Herzanteil der greife Verfaſſer es geſchrieben hat.”
Dr. 3. 9. Widmann (Bund).
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C. 6. Naumann Derlag im Leipzig.
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Kennſt du das Sand?
Eine Bücherſammlung für die Freunde Jtaliens.
Die Sammlung „Kennft du das Land?" will in zwanglos er-
fcheinenden einzeln fäuflichen Bänden den zahlreichen Sreunden des
fchönen Welfchlandes anregenden Lefeftoff bieten ; fie wird denen, die
Jtalien bereiien wollen, als vorbereitende und belehrende Fektüre
dienen, den Reiſenden felbf ein unterrichtender und unterhaltender
Begleiter fein, den Heimgekehrten frohe Stunden der Erinnerung be»
reiten, und denen endlich, deren Sehnfucht nach Italien noch feine
Erfüllung fand, wenigfiens eine tdeelle und ideale Brüde zum Lande
ihrer Wäntche fchlagen.
1. Auf Goethes Spuren in Italien. I. Teil. Ober⸗
italien. Mit ı Karte. Don Julius R. Haarhaus.
2. Die Fornarina. Don Paul Beyfe.
8. Doltstümliches aus Süßitalien. Don Profeflor
Woldemar Kaden.
4. Rom im Kiede, Eine Anthologie. Mit Illu⸗
ftrationen. Don Guſtav Naumann.
b. Aus dem Patican, Ernftes und Heiteres. Don
‚ Bettor Frank.
6. Sommerfäden. Bundstage in Italien. Don Prof.
Guftav Floerke.
7. Aus meinem römifchen Stizjenbuche., Don
Richard Dof.
8. Auf Goethes Spuren in Italien. II. Teil. Mittel.
italien. Mit ı Karte. Don Julius R. Haarhaus.
9. Auf Goethes Spuren in Italien. III. Teil. Unter-
italien. Mit ı Karte. Don Julius R. Haarhaus.
10. Alltägliches aus Neapel, Don A. Kellner.
11. Im glücklichen Campanien. Von Dr.R.Schoener.
12. Trinkgeld in Italien. Don Dr. R. Kleinpaul.
Sortfegung umflehend |
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gortfegung :
18. Römifche Kulturbilder. Don Dr. Mar Ihm.
14. Mailand, Ein Gang dur die Stadt und ihre Ge⸗
ſchichte. Don Prof. Dr. D. Heinrih Holgmann.
15. Die Pontinifchen Sümpfe. Don A. Ruhemann.
16. Befperifche Bilderbogen L Don A. Kellner.
17. Beiperifche Bilderbogen I. Don U. Kellner.
18. Erzählungen aus Rom J. Von C. W. Th. Fiſcher.
19. Erzählungen aus Rom I. Don C. W. Th. Fiſcher.
20. Die Architekturdenkmäler in Rom, Florenz,
Venedig. Von Prof. Dr. D. Joſeph.
Die Bände können in drei verſchiedenen Ausgaben
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bezogen werden:
an brofchierter Unsgabe. . . . .zum reife von M 2.50
n braunem £einenband ...... n „ . nn 3—
In reihem £iebhaberband .....» „ ” nn 4—
SE Die Sammlung wird forigefegt. "u
Urteile über: Kennit du das Land?
7 Zu der großen Ks deutfcher Bücherfantmlungen iſt in „Kennft
t du das Land 2“ ein Unternehmen getreten, das die volle Aufmerkſam⸗
feit aller, die fich für das Land Sebnfucht aller Deutichen, das
fchöne Welfchland Intereffieren, vollauf verdient; die Sammlung er
fällt ihre gewiß nicht Fleinen und leichten Aufgaben voll und ganz.
Atelier.
Allen Sreunden Jtaliens if eine Sammlung sterlicher, mit feinem
Geſchmack ausgeftatteter Bändchen gewidmet, deren ſtimmungsvoller
( Titel lautet: „Kennft du das Kand?“. Die Jdee iſt ausgezeichnet und
| hat einen Dater, defien fie ſich nicht zu fchämen braucht: Goethe trug
, fig mit dem Plan, mit feinem Sreunde Heinrich Meyer eine Reihe
von Bänden zu veröffentlichen, die alles, was er über fein geltebtes
' Ytalten zu fagen hätte, enthalten follten. Und die, welche die Idee
J jetzt ausführen wollen, kännen nichts Beſſeres tun, als ſich von dem
„N Geifte des alten Goethe führen lafien. Schon der erfie Sand liefert
uns davon einen fchönen Beweis. Wir fönnen der Sammlung die
beiten Aufpizien für Die Zufunft verkünden.
| A. 3. Aoehlers Aiterariſcher Katalog.
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AUG 8 - 1962
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AUG 8 - 1962
AUG 8 - 1982
AUG 8 - 1962