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Full text of "Altitalische Forschungen"

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Altitalische Forschungen. 



Von 



Dr, Carl Pauli. 



Zweiter Band. 

Eine vorgriechische Inschrift von Lemnos. 
1. Abteilang. 



Leipzig 1886. 
Johann Arabrosius Barth. 



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EINE 



VORGRIECHISCHE INSCHRIFT 



VON 



LEMNOS. 



VOK 



Dr. CARL PAULI. 



MIT EINER LITHOGRAPHIERTEN TAFEL 




LEIPZIG 

JOHANN AMBRO SIUS BARTH. 

1886. 



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Uniok Ton MeiZRer & Wittib in Leipsiff. 



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Vorrede. 



Am 14. d. M. erhielt ich von Bugge unter Kreuzband 
dessen Abhandlung „Der Ursprung der Etrusker durch zwei 
lemnische Inschriften erläutert." Ich habe ihm noch am selben 
Tage je einen Korrekturabzug der ersten drei Bogen dieser 
meiner vorliegenden Arbeit, welche bereits gesetzt waren, zu- 
geschickt, um durch sein eigenes Zeugnis konstatieren zu 
können, dass die Beziehungen der Lemnos-Inschrift zum Etrus- 
kischen, bezüglich deren wir im wesentlichen übereinstimmen, 
von einem jeden von uns unabhängig gefunden seien. Weiter 
als auf diese Partie unserer Arbeiten freilich erstreckt sich 
unsere Übereinstimmung nicht. Ich kann weder seiner Deu- 
tung der Lenmos-Inschrift, noch den daraus gezogenen Folge- 
rungen irgendwie zustimmen und habe daher meine Arbeit in 
allen ihren Teilen so gelassen, wie sie war. 

Leipzig, den 18. Mai 1886. 

Carl Pauli. 



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Die verschiedenen Serien etruskologischer Schriften von 
De ecke und mir sind in derselben Weise citiert, wie ich es 
in dem Vorwort zum dritten Hefte meiner „Altitalischen 
Studien" ang^eben, nämlich als: 

etr. Fo. I — IV. = Deecke, Etruskische Forschungen. Stutt- 
gart, A. Heitz. 

etr. Stu. I — III. = Pauli, Etruskische Studien. Göttingen, 
Vandenhoeck & Ruprecht. 

etr. Fo. u. Stu. I. und folgende = Deecke (und Pauli), 
Etruskische Forschungen und Studien. Stuttgart, A. Heitz. 

altit. Stu. I. und folgende = Pauli, Altitalische Studien. 
Hannover, Hahn. 

altit. Fo. I. = Pauli, Altitalische Forschungen. Erster 
Band. Die Inschriften nordetruskischen Alphabets. Leipzig, 
J. A. Barth. 



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Mit heutiger Post (16. Februar 1886) geht mir aus Paris 
von Bröal, dessen freundliche Unterstützung ich schon so oft 
zu erproben Gelegenheit gehabt habe, eine Sendung zu, die 
mir von einer so ausserordentlichen Wichtigkeit zu sein scheint, 
dass ich mich für verpflichtet halte, dieselbe ungesäumt auf 
ihre möglichen Konsequenzen hin zu untersuchen und zu be- 
sprechen. Es ist dies ein Abzug des ersten Bogens von Band 
10 des Bulletin de Corr6spondance hellönique, enthaltend einen 
Artikel unter dem Titel: „Bas-relief de Lemnos avec inscrip- 
tions". Dieser giebt einen kurzen Bericht der Herren G. Cousin 
und F. Durrbach über einen Stein, den sie selbst in Lemnos 
gefunden haben, nebst einigen daran angeschlossenen Bemer- 
kungen Breals. Da das Ganze nur einige Seiten umfasst, so 
scheint es mir am zweckmässigsten, die Arbeit der genannten 
französischen Gelehrten hier zunächst wörtlich aufzuführen, 
um dann meinerseits einige Erörterungen und Erläuterungen 
daran anzuknüpfen. Der Artikel lautet: 

BAS-RELIEF DE LEMNOS AVEC INSCRIPTIONS. 

Nous donnons ci-dessous le fac-simile, d'apr^ uü estam- 
page, d'un monument fort curieux que nous avons d^uvert 
ä Lemnos. 

La pierre a 6t6 tronv6e au village de Kaminia. Ce village, 
il est important de le remarquer, est situ6 ä une heure et 
demie du rivage le plus proche; cet ^loignement et le poids 
de la pierre emptohent de supposer qu'elle ait 6t6 transportöe 
d'un autre poiut en cet endroit. 

Pauli, Inschrift fOQ liMonot. \ 



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C*est un gros bloc rectangulaire, en pierre jaimätre et 
poreuse, tailM avec rögularite, l^g^rement brise k la partie 
införieure; il mesure 0™-95 daus sa plus grande dimension; 
la largeur est de 0°*-40, et T^paisseur de 0™14. 

La pierre porte deux inscriptions. L'une est gravee sur 
Tune des grandes faces; eile eutoure la tete d'un guerrier. 
dont le haut du corps est repr&ente, et qui tient une lance 
au poing. La seconde, qui compte trois lignes, occupe la 
face laterale, k droite de la precedente. 

Les caractöres de ces deux inscriptions sont traces avec 
beaucoup de soin et de nettet^; les plus grands ont jusqu'ä 
0™05 de hauteur. La gravure e.st en general tr^s profonde; 
et, pour la plupart des lettres, il n^j a aucune difficulte de 
lecture. On ne peut gufere h&iter que sur la fixation de cer- 
tains de points qui separent les difförents mots. 

L'alphabet des deux inscriptions est en general le meme. 
Signaions cependant quelques diflFerences. La forme circulaire 
des lettres O © ® ® et (J) est particuli^re ä la premi^re 
inscription; la seconde emploie les signes DD] B et Ijl. 
Celle-ci est aussi la seule qui donne la forme S- 

M. Br6al a bien voulu nous communiquer, au sujet de 
ce curieux document, quelques observations qu'on nous sauni 
gr^ de reproduire ici. 

Les signes T et 4. doivent etre la meme lettre. 

Q] est Sans doute 9. 

B correspond, dans la seconde inscription, au ® de la 
premiöre. 

Les signes !• et J" repr^sentent peut- etre le C; en tous 
oas, c'est l'attribution la plus probable. 

La premi^re inscription doit 6tre lue, semble-t-il, en 
commen9ant par la ligne de droite; cette ligne va de droite 
k gauche; eile se continue par les lignes de la partie supe- 
rieure qui sont tracees ßoüaxpo^TfjSov; arrive au demier mot 
CiFat, il faut reprendre k la demiöre ligne de gauche, qui va 
de droite k gauche et continuer, k la ligne superieure, dans 
le meme sens. 



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La deuxi^me inseription est gravee ßouorpocpirjoov; dans 
Fune des lignes, les lettres sont placees la töte en bas par 
rapport aux deux autres lignes. (Cf. Roehl, /. G. A.j 340; 
Bvü. de Corr. hellen. ^ III, p. 3 et sv., inseription de Delos). 

Voici, d'aprös M. Br^, comment il conviendrait de lire 
ces deux inscriptions: 

HoXaie ; C i vacpoÖ 

CiaCt : 
[jLapaC : [AaF 
aiaX'/Fei [:] C : «Fi : C 
5 sFiaOo : CspovatÖ [ : ] 

CiFai 

FotfjiaXaaiaX : Cspovai i [lopivoiiX 
axep : taF [:] apCio 



Ho[>.]atF[C]i : rpoxiasiaXs ; CspoCatO : sFta^o 

: ToFepo[|i]a - 
po[jL : HapaXio : CiFai : eit[T]sCio : apai : 

Tt9 : 90XS : 
CtFai : aFiC : iiakyfi^ : : [xotpoi'I/jx : aPiC : 
aop.ai 

Nous devons indiquer tout d'abord quelques deflferences 
entre le texte reproduit par la Photographie et la transcription 
que nous en proposons. 

l'* inseription, 1. 3. L'estampage et Tune de nos copies 
port;ent fiapaC; l'autre copie donne fi.apa6. Dans la 2°»® in- 
seription, k la 1. 3, Testampage et une eopie donnent \Mpa6\i., 
Tautre copie [AotpotCp.. Ces deux mots sont ^videmment les 
m^es; nous ne pouvons indiquer avec certitude quelle lec- 
ture il faut adopter dans les deux cas. On se rendra compte, 
en se reporiiant aux fac-simile, que les deux lettres peuvent 
etre facilement confondues. 

1. 5. Nos deux copies s'accordent ä marquer aprös le 
mot CepovaiÖ , trois points ( : ) qui n'ont pas ete reproduits 
par l'estampage. 



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1. 8. Entre le F et Va, nos copies marquent deux pomts(:), 
non reproduits par restampage. 

2°** inscription, 1" ligne. La pierre a 6t6 l^görement 
entam^e dans l'angle de droite vers le haut de l'inscription. 
Aussi ayons-nous cru devoir restituer, k la troisiöme lettre, 
un X; cf. le premier mot de rinscription pr^cMente. Peut- 
Stre, d'apräs la meme aualogle, faut-il remplacer dans le m§me 
mot le F par un e. 

Meme ligne. Dans le dernier mot nous restituons un fj. 
que portent nos deux copies; il est facile de comprendre que 
le demier jambage de la letfcre (A*) ait pu disparaitre dans 
l'estampage. 

L. 2. Apr^ le ic nos copies portent un T; les trois 
points donn^ par Testampage sont certainement le reste du 
jambage vertical. 

A la fin de la m§me ligne, le fac-simile et une de nos 
copies donnent un trait qui est peut-6tre le reste d'une lettre 
disparue. 

^ Pour ce qui est du texte, voici encore quelques remarques 
de M. Br6al: 

<poxe se retrouve au commencement de cpoxiaoaXe. 

La fin de ce demier mot est ä rapprocher de Fafj.aXaoiaX 
et de oiaX/FÄi. 

Ti^ et C reprösentent peut-6tre des chiflFres. 

Quoiqu'il y ait jusqu'ä huit mots r^p^t^s, le texte ne 
präsente rien qui permette un essai de d^hiffrement. 

De quelle langue peut-on rapprocher ce document? 

1®. — On pourrait songer ä un dialecte thrace. Cette 
hypoth^se est sugg^r^e surtout par la proximit^ du pays: mais 
on ne connait la langue thrace que par des documents trop 
rares et trop douteux pour qu'il soit possible d'essayer une 
assimilation. M. Breal Signale, k l'appui de cette hypoth^, 
deux noms propres qu'on peut k la rigueur entrevoir dans 
nos textes: liaXiraij nom d'un peuple thrace (Dio Cass. LIV, 
34), et Z7]pavioi (?) cite par Th^opompe (ap. Steph. Byz. s. v.). 



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2*. — Quelques particularites tres remarquables oflFrent 
un rapprochement inattendu avec F^trusque. La plus impor- 
tante, c'est que, dans un document qui compte prte de deux 
Cents lettres, Fabhabet ne präsente ni ß, ni y, ni 8. — En 
outre, le mot Ctrott se retrouve en ^trusque; les signes Y et 
4, qui pourraient d'ailleurs venir d'un emprunt simultan^ 
fait k Talphabet grec, sont communs aux deux langues. D'au- 
tres colncidences encore sont frappantes: lec mots finissant en 
kj ak, aXe, la d^sinence xe dans (poxs, etc. 

Malgre ces rapprochements, M. Br^al est dispos^ h rejeter 
l'hypoth^ ^trusque, h cause de la pr^ence de la voyelle o, 
inconnue k Tetrusque, et surtout en raison de l'^loignement- 

Cette derniftre difficult6 n'est peut-6tre pas döcisive. Les 
auteuTS anciens disent que les Etrusques viennent de Lydie. 
Plusieurs m§me, en particulier Thucydide (IV, 109); Strabon 
(V, 2, 4); Plutarque {Mor. p. 306 et 365); (cf. Fr. Hist. Gr. 
in, 10, 30) affinnent que Lemnos et Imbros furent colonis^es 
par des Tyrrh^niens ou P61asges qui y demeurtrent jusqu'äi 
la conqufite ath^nienne (510 av. J.-C). Ce serait k cette 
famille de la race 6trusque qu'on pourrait attribuer notre 
inscription: on expliquerait ainsi ä la fois les conformit^s et 
les diffi^rences des deux langues. 

Nous ne proposons cette hypothfese que sous toutes r^ser- 
ves, et tout en reconnaissant qu'elle est loin d'^tre sufflsamment 
stabile pour prendre place dans la science. 

G. COUSIN. F. DURRBACH. 

Was zunächst die Lesung der Inschrift betriflFt, so scheint 
es mir, als ob einige Punkte derselben zu Zweifeln Anlass 
geben könnten. Dass einzelne Buchstaben unvollständig seien, 
bemerken bereits die französischen Gelehrten selber, und sie 
verweisen auch bereits auf das teilweise Entsprechen der In- 
schriften A. und B. als ein Mittel der Herstellung. 

Dass ein solches teilweises Entsprechen wirklich vorliege, 
kann nicht zweifelhaft sein. Die Wiederkehr der Formen 
[AttpaC, aiaX^tifi (resp. ataXiJ^iC), aFtC, eFiofto, CiFai in beiden 



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Inschriften zeigt das deutlich genug. Grade aus dieser Wieder- 
kehr nun aber können wir die Zufälligkeiten des überlieferten 
Textes berichtigen. 

So ergiebt sich zunächst aus dem hoXaie in A., dass in 
B. AoXai^^i zu lesen sei. Von dem k fehlt der obere Teil, 
von dem X, wie schon die französischen Gelehrten vermuten, 
gleichfalls der obere Strich. Aber auch die letzten drei Buch- 
staben sind unvollständig, an dem letzten und vorletzten fehlt 
gleichfalls der obere Teil, so dass sich Ci als zu lesen ergiebt, 
während der drittletzte des einen Seitenstriches entbehrt und 
somit als e zu lesen ist. 

Ebenso fehlt, wie die französischen Gelehrten aus ihren 
Kopieen bestätigen, ein Seitenstrich an dem vorletzten Buch- 
staben von Zeile 1. der Inschrift B., so dass also hier toFs- 
pojia, nicht -ova, zu lesen ist. 

Verstümmelt ist auch das vierte Wort in Zeile 2. der 
Inschrift B., denn dass hier die Punkte keine Punkte seien, 
sondern Reste eines t, wiq beide Kopieen der Herausgeber 
haben, sagen letztere selbst, und ebenso fehlt an dem p 
desselben Wortes, welches also als eTcreCio (so auch Breal) zu 
lesen ist, der oberere Seitenstrich links. 

Unvollständig ist endlich auch der Schluss der mitt- 
leren Zeile von B. Auch hier vermuten bereits die französi- 
schen Herausgeber in dem Strich mit vollem Rechte Reste 
eines Buchstaben, was mir auch für die Punkte in demselben 
Worte zu gelten scheint. Bezüglich dieser Punkte läge es 
am nächsten, in ihnen Reste eines i zu vermuten. Dann 
aber ergäbe sich der Diphthong et und ein solcher ist, 
wie sich weiter unten ergeben wird, nicht ohne Bedenken. 
Er scheint zwar in oiaX^FetC der Inschrift A. vorzuliegen, 
aber auch hier ist er, wie sich gleichfalls weiter unten 
zeigen wird, nicht genügend gesichert. Ich glaube daher, 
dass die Punkte eher Reste eines 1 oder ^ sind, wie sie 
in derselben Zeile in dem Worte eirreCio (cf. soeben) solche 
eines T sind. Der auf die Punkte dann noch folgende Strich 
passt für keinen anderen Buchstaben, als für ein a von 



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der Form 5, wie es in ataX^FtC und <poxiaataX8 derselben 
Inschrift erscheint, nur dass es in unserem Worte die links- 
läufige Gestalt ^ haben würde. Ich möchte daher glauben, 
dass unser Wort als «poxeX; oder <poxev(; zu lesen sei. 

Aber die Inschrift hat nicht bloss Buchstaben, welche 
beschädigt sind und denen Striche fehlen, sondern auch solche, 
welche Striche zu viel haben. 

Ich habe kürzlich Gelegenheit gehabt, in Italien etwa 
1000 etruskische Inschriften im Original zu sehen und zu 
kopieren, und es ist gradezu erstaunlich, wie oft man bei 
einem solchen Geschäfte die Wahrnehmung macht, einerseits, 
wie gross die Zahl der rein zußUligen Striche und Punkte in 
den Inschriften ist, andrerseits, wie oft sich die Herausgeber 
durch solche Zufälligkeiten haben irre führen lassen, obwohl 
in den allermeisten Fällen sich solche Punkte und Strichel- 
chen mit Leichtigkeit aus ihrer Beschaffenheit als blosse Zu- 
fälligkeiten erkennen Hessen, zumal wenn ausserdem noch 
innere Gründe die richtige Lesung an die Hand gaben, wie 
hier in unserem Falle das schon erwähnte teilweise Ent- 
sprechen des Textes in beiden Inschriften es thut. 

Insbesondere verdächtig sind in dieser Hinsicht zunächst 
die beiden Zeichen X und ^ in B., mit denen auch Breal 
nichts anzufangen gewusst hat, sofern er sie durch 9 und 6 
wiedergiebt. Beide Zeichen sind meines Erachtens gar nicht 
vorhanden, sondern nichts anderes als 1, resp. 4^ mit zufäl- 
ligen Bissen, wie denn ja auch die eine der Kopieen der 
französischen Gelehrten in der That fj.apaCp. giebt. Ein ganz 
ebensolcher zutäUiger Seitenstrich, nur an anderer Stelle an- 
gesetzt, findet sich auch in dem aFiC der Inschrift B., wo 
die richtige Lesung gleichfalls von der Inschrift A. an die 
Hand gegeben wird. 

Aus der Richtigstellung dieser beiden Formen ftapaCfi 
und aFiJ folgt dann wegen der Form des Buchstaben weiter 
auch, dass in B. tiC die richtige Lesung sei. Entstellt ist 
weiter auch der fünfte Buchstabe des dritten Wortes in B., 
welches Br^ als CepoCaiO wiedergiebt Das epta&o i Cepovaiii 



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8 

in A. zeigt, dass wir auch hier Cepoyai& i eFio&o zu lesen 
haben und dass also an dem oberen Seitenstrich des Buch- 
staben die Umbi^ung fehlt, der untere Querstrich hingegen 
ein zufalliger ist 

Wie hier die Striche, so sind auch manche der in der 
Überlieferung erscheinenden Punkte zufallig und bedeutungs- 
los. Als solche zufalligen Punkte ergeben sich in A. diejenigen, 
welche sich in oiaX^j/Fet'C und aFi:C zeigen, nach den ent- 
sprechenden Formen aFiC ataXtJ/FiC in B. Ebenso halte ich 
für bedeutungslos noch die beiden Punkte in Fa>*aXaaiaX, 
welches, nach dem (poxiaotaXe in B. zu urteilen, eine einzige 
Form ist. Endlich ist es mir auch unsicher, ob die beiden 
Punkte, welche die Eopieen der französischen Grelehrten, nicht 
jedoch der Papierabklatsch, zwischen taF und apCto in Zeile 8. 
von A. geben, wirkliche Punkte und nicht vielmehr bloss zu- 
fallige Vertiefungen seien. Das toFapCio macht auf mich, 
dem entsCto in B. entsprechend, den Eindruck, ein einziges 
Wort zu sein. 

Aber nicht bloss in einzelnen Buchstaben finden sich 
Unvollstandigkeiten oder entstellende Risse, sondern es giebt 
auch direkt und geradezu Fehler in dem Texte, wie er uns 
überliefert vorliegt. Die Inschrift A. nämlich enthalt, so wie 
sie überliefert wird, mehrere augenscheinliche Fehler. Ich hatte, 
um selber die Lesung nachprüfen zu können, den Versuch 
gemacht, einen Papierabklatsch zu erhalten, doch ist ein 
solcher leider zur Zeit nicht zu beschaffen. Ich kann daher 
nicht konstatieren, ob diese Fehler dem Steinhauer oder 
den Herausgebern zur Last fallen, vermute aber das erstere, 
teils weil mir durchaus kein Grund vorzuliegen scheint, 
an der Akribie der französischen Gelehrten zu zweifeln, teils 
aus dem Vorhandensein der Inschrift B. Letztere ist im 
wesentlichen eine, wenn auch etwas gekürzte, Wiederholung 
von A., wie schon mehrfach erwähnt wurde. Die Inschrift B. 
aber ist von beiden die jüngere. Es folgt dies sowohl aus 
ihrer Stellung auf der einen Seitenfläche des Steines, während 
A. auf der Bildfläche steht, als auch aus den Buchstaben- 



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9^_ 

formen, welche zwar im wesentlichen dieselben sind, wie m A., 
aber doch bereits in dem B für ® einen jüngeren Zug zeigen, 
sofern das Kreuz sich zum blossen Querstrich, dem Übergänge 
zum Funkt, vereinfacht hat 

Dieser Annahme, dass B. jünger sei, könnte man ver- 
sucht sein, zwei Oegengründe entgegenzusetzen. Der erste 
derselben ist der, dass die Inschrift B. das o zweimal in der 
Gestalt 5 (in foxiaoiaXs und otaX^FiC) hat, welche „im Ge- 
brauche dem C vorhergeht" (Kirchhoff' 76) , während A. nur 
die Form ^resp.^ gebraucht. Aber dieser Umstand wiegt, wie 
ich glaube, nicht zu schwer. Auch B. kennt die Form ^ (in 
fiFiaÖo), und da gerade in B. vielfach Striche verwischt sind 
(cf. oben pag. 6), so sind wir keineswegs sicher, ob das nicht 
auch bei den beiden 5 der Fall sei und somit nur zwei un- 
vollständige C vorliegen. Aber sei auch das 5 in der That 
vollständig erhalten und richtig überliefert, so zeigt doch grade 
sein Yorkonmien neben ^ in derselben Inschrift, dass diese 
in eine. Übergangszeit fallt, wo beide Formen neben einander 
gebräuchlich waren. Da man nun wohl anzunehmen hat, dass 
die Inschrift B. von einem anderen Stein hauer eingehauen sei, 
als dem, der die fehlerhafte A. lieferte, so kann das 5 ledig- 
lich individuelle Gewöhnung eines vielleicht älteren Meisters 
sein, braucht also für das höhere Alter der Inschrift selbst 
nichts zu beweisen. 

Den zweiten Gegengrund könnte man darin finden wollen, 
dass für die Buchstaben o, &, 9 in B. die eckigen Formen 
D, B, [p [D, in A. hingegen die runden O O, ®, er- 
scheinen. Aber auch dieser Gegengrund ist nicht stichhaltig. 
Ob diese Buchstaben rund oder eckig gebildet sind, hängt 
nicht von dem Alter der Inschrift ab, sondern von dem Ma- 
terial, in welches die Inschrift eingehauen oder eingegraben 
ist. Schon altit. Fo. I, 53. habe ich darauf hingewiesen, dass 
hartes und sprödes Material die eckige Form hervorruft, wäh- 
rend auf weichem die gewöhnliche runde erscheint. Vielleicht 
ist auch bei unserem Steine ein Unterschied in dieser Beziehung 
vorhanden, sofern die Inschrift A. mit der Faser, wenn ich 



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10 

so sagen soll, B. gegen die Faser zu arbeiten war, was natür- 
lich nur durch Autopsie eines Sachverstandigen entschieden 
werden kann. Oder aber die eckigen Formen können auch 
in derselben Weise, wie soeben das 5 , wieder individuelle Ge- 
wöhnung eines persönlich älteren Steinhauers sein. 

Es scheinen mir somit beide Gründe für das höhere Alter 
von B. nicht recht beweisend. 

Ist also B. eine, freilich nur um etwas, jüngere Wiederholung 
von A., so liegt die Frage nahe, welches denn der Grund für 
eine solche Wiederholung gewesen sei, und da li^ es andrer- 
seits ebenso nahe, diesen Grund in irgendwelcher fehlerhaften 
Beschaffenheit der ursprünglichen Inschrift zu suchen. Und 
solche ganz augenscheinlichen Fehler sind nun in derselben in 
der That vorhanden. Der wichtigste und schwerste derselben 
ist folgender. In B. findet sich die Wendung aFiC : otaX^FtC : 
[xapaCfi : aFiC. Wie sich weiter unten aus inneren Gründen 
ergeben wird, ist dieselbe in dieser Gestalt richtig und fehler- 
frei. An ihrer Stelle nun erscheint in A. folgendes: ataX»}FfitC! 
aFiC : [AopaC i [laF. Bei der wesentlichen Identität von A, 
und B. kann man nicht zweifeln, dass hier dieselben Worte 
vorliegen, wie oben. Es zeigen sich dabei aber folgende Ab- 
weichungen: für ataXi^FiC hat A. oiaX^FetC, die Interpunktion 
steht statt hinter fjLapaCfx i zwischen dem C und dem \i, weich- 
letzteres dann mit dem folgenden aF verbunden ist, dieses aF 
selbst aber ist nur ein unvollständiger aFiC. Alle diese Ab- 
weichungen sind also für Fehler zu halten. 

Wir ersehen aus ihnen zunächst, dass die Interpunktion 
in A. nicht verlässlich ist, und dies finden wir denn auch 
anderweit bestätigt. Ich meine damit natürlich nicht die 
schon oben erörterten Fälle, in denen Vertiefungen in der 
Oberfläche des Steines als scheinbare Punkte auftreten, sondern 
habe die wirkliche Interpunktion im Auge. Hier aber bietet 
A. noch einen zweiten Fall, wo, dem [lapaC i [i statt [AapaCfA 
ganz entsprechend, ein Buchstabe fälschlich durch Interpunk- 
tion von einem Worte abgetrennt ist Dem AoXaieCi von B. 
entspricht in A. ein AoXaie < C- Beide Formen halte ich, was 



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11 

weiter unten begründet werden wird, für grammatisch identisch, 
und ebendeshalb wird, wie ich meine, statt AoXaie j C vielmehr 
AoXaieC zu lesen sein. 

Damit dürften wir dann den richtigen Text gewonnen 
haben. 

Es fragt sich nun weiter, in welcher Reihenfolge die ein- 
zelnen Teile der Inschriften zu lesen seien, resp. wie viele 
solcher Teile anzunehmen seien. Hierin glaube ich in einigen 
Punkten von den französischen Gelehrten abweichen zu müssen. 

Zunächst beobachtet man in der Inschrift A., dass die 
Inschrift rechts sich mit ihrem Schlusswort CiaCt um die 
mittlere Inschrift herumwindet. Daraus folgt, dass eben diese 
mittlere Inschrift bereits eingehauen war, bevor die zur Rechten 
eingehauen wurde. Diese mittlere Inschrift selbst aber ist 
von unten nach oben zu lesen. Das wird zunächst rein äusser- 
lich dadurch gestützt, dass auch die linke Inschrift von A., so 
wie die beiden linken Zeilen von B. von unten nach oben zu 
lesen sind. Weiter folgt es aus der Interpunktion vor fjiapaC, 
die, wenn [xapaC das erste Wort der Inschrift wäre, keinen 
Sinn hätte. Endlich wird es auch bestätigt durch das schon 
oben erwähnte Entsprechen der Worte aFiC : otaX^j^FiC : [lOipa^iL : 
aFiC von B. und ataXt};FetC • «FtC : |AapaC ( : ) H^ [ » ] ^iF [iC] von A. 
Diese Worte können, wie sich weiter unten bei der Behandlung 
der Sprache ergeben wird, nur in dieser Reihenfolge gelesen 
werden. 

Aus allen diesen Indizien also ergiebt sich mit Sicherheit, 
dass der mittlere Teil von A. von unten nach oben zu gelesen 
sei. Ist das aber der Fall, dann kann das OFat nicht zu der 
mittleren Inschrift gehören, sondern muss zu der linken ge- 
zogen werden. Daraus folgt dann aber weiter, dass die mitt- 
lere Inschrift auch bereits vorhanden war, bevor die linke 
eingemeisselt wurde, denn das letzte Wort dieser linken, eben 
das CtFai, ist doch nur deshalb umgebogen, weil die Fort- 
führung der Zeile in grader Richtung durch die schon vor- 
handene mittlere Inschrift unmöglich gemacht wurde. Es 
war somit diese mittlere Inschrift von A. bereits früher da, 



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12 

als die Inschriften zur Rechten und zur Linken. Man wird 
schliessen dürfen, dass der zuerst eingemeisselte Teil auch 
den Anfang der Inschrift darstelle, sonach mit der mittleren 
Inschrift zu beginnen sei. Sodann folgt meines Erachtens die 
Inschrift rechts. Dies schliesse ich daraus, dass diese Partie, 
gleich der mittleren, einen ihr entsprechenden Teil in der 
Inschrift B. hat, was bei der Inschrift links nicht der Fall ist. 

Weiter wird anzunehmen sein, dass bei der Inschrift B. 
die Teile so geordnet seien, wie die entsprechenden Teile von 
A. Danach also hätte man mit der mittleren Zeile zu beginnen 
und darauf die sich ßouarpo^prjSov an sie anschliessende mit 
CiFai anfangende als zweite folgen zu lassen, welche beide 
zusammen der mittleren Inschrift von A. entsprechen. 

Die dritte nun noch übrige Zeile von B. entspricht der 
Inschrift auf der rechten Seite von A. und bildet, wie diese, 
einen selbständigen Teil. Durch diese Anordnung entgeht 
man auch der Nötigung, zwei verschiedene Arten von ßoo- 
aTpo(pK)8ov auf dem Steine annehmen zu müssen, das gewöhn- 
liche von der Form: 



^ J^y) 



wie es in der mittleren Inschrift von A. und den beiden 
linken Zeilen von B. vorliegt, und das ^er sabellischen und 
Veneterinschriften (cf. Pauli, altit. Fo. I, 66.) von der Form: 



c 



-A^ 






welches in dem Verhältnis der beiden rechten Zeilen von B. 
vorliegen müsste. Ein solches Verhalten ist ja nicht absolut 
unmöglich, aber im ganzen doch wohl wenig wahrscheinlich. 
Es ergiebt sich demnach, wie ich meine, folgende Anord- 
nung der Inschriften: 



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13 



IIL 



A. 

I. 
.- 3. 

^-^ 1. 



->- 3. 



1. 2. 



B. 

2. 1. 



I. 



IL 



11. 



Weiter wende ich mich nun der Betrachtung des in un- 
serer Inschrift enthaltenen Alphabetes zu. Dasselbe zeigt in 
A. (1. u. 2. Reihe) und B. (3. u. 4. Keihe) die folgende Gestalt: 



A. 



B. 



ae FCÄ& t X AfjLvoTt pot <p3( {^) 

A ß ^ >r I r i Y 

A ^ T \ r r D p i Y 



Hier giebt die erste Zeile die rechts-, die zweite die links- 
läufigen Formen von A., die dritte und vierte ebenso von B. 

Die angeblichen Buchstaben "t und ^ in B. sind schon 
oben als aus 1* J" = z verlesen und somit nicht existierend 
dargethan. 

Die erste und wichtigste Frage bei unserem Alphabet ist 
diejenige nach dem Werte des Y, ob es=x odert=s<j> sei^ 



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14 

und ob somit unser Alphabet zu der ersten oder zweiten 
Gruppe Kirchhoffs gehöre. 

Bröal liest die Formen, in denen das Y sich findet, als 
oiaXxFeiC, resp. ataX/FiC, fasst es also als x ^^^ sieht damit 
das Alphabet als der zweiten Gruppe Kirchhoffs angehörig an. 
Es ist nicht zu leugnen, dass diese Lesung Br^als gewisser- 
massen die natürlichere ist, denn eine Lesung aiaX'^^Fei^, 
otaX^j^FiC bietet in dem X^F in der That eine arge Konsonanten- 
häufung, und so habe denn auch ich im ersten Augenblick 
geglaubt, das Y als x nehmen zu sollen, aber so einfach liegt 
doch die Sache nicht. 

Zunächst sind doch die Anschauungen über Eu- und 
Kakophonie sehr subjektiver Natur und die Sprachen in bezug 
auf diesen Punkt so verschieden geartet, dass dieser Grund 
allein schwerlich genügt, die Wage zu Ungunsten eines aiaX»}- 
FetC zu beeinflussen. tTberdies ist in einer Gruppe Ipsv die 
Anordnung der einzelnen Laute eine solche, dass das Ganze 
bequem sprechbar ist. Es kann also, wenn sonstige Gründe 
für den Wert des Y als ij; sprechen sollten, aus dieser Laut- 
verbindung allein ein Gegengrund nicht entnommen werden. 

Solcher Gründe aber giebt es, wie ich meine, sehr ge- 
wichtige. Zunächst wäre die Zugehörigkeit unseres Alphabetes 
zu der zweiten Gruppe KirchhoflFs im höchsten Grade auffallig, 
da die sämtlichen Alphabete der benachbarten Gebiete, die 
von Abdera, Maroneia und Samothrake, desgleichen die weiter 
westlich gelegenen, die von Prokonnesos und Byzantion, und 
ebenso die südlich von Lemnos sich findenden, die von Chios, 
Samos und den asiatischen Küstenstädten bis nach Ehodos hin, 
der ersten Kirchhoflfechen Gruppe angehören. 

Es scheint mir zwar an sich nicht notwendig, allein auf 
diesen Umstand hin nun dem Y den Wert ^ zu geben und 
damit das Alphabet in die erste Gruppe einzustellen. Es wird 
vielmehr, meine ich, erst zu untersuchen sein, ob sich nicht 
für diese abweichende Stellung des lemnischen Alphabetes 
Gründe auffinden liessen. Zu dem Ende wird man zunächst 
zu fragen haben, welchen einzelnen Alphabeten der zweiten 



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15 

Gruppe denn das lemnische am nächsten stehe. Wie die nach- 
stehende Tabelle, bei der ich der bequemeren Vergleichung 
halber die sämtlichen lemnischen Buchstaben reehtsläufig gebe, 
darthut, sind das Alphabet der älteren phokischen Inschriften 
und das von Elis dem unseren am ähnlichsten. 

aeF f^kbix\\LvoT:fox(fX 

L. Afe i^JHei K rrroppuTu'Y 

ph. A /^ A •• B ®® I K r •• r o r ^ M T •• Y 

KA/^ fi -B® iK rrr/or^ stidy 

Hier ist L. = Lemnos, Ph. = Phokis, E. «= Elis. 

Ersteres weicht nur in der Form des r und ä, letztt»res 
in der des n und r von dem lemnischen ab. Alphabete mit 
so wenigen Abweichungen von diesem finden sich sonst auf 
KirchhoflFs Tabelle II. nicht weiter. Man würde also zunächst 
nach Beziehungen zwischen Lemnos und Phokis oder Elis zu 
fragen haben. 

Eine solche Beziehung nun Hesse sich in der That wohl 
finden. Es werden uns von den Alten als Urbevölkerung 
von Elis sowohl, wie von Lemnos die Minyer genannt (cf. 
Kiepert, Lehrbuch der alten Geogr^hie 260. 324). Das 
scheint in der That eine Beziehung zwischen Elis und Lemnos 
zu sein (zwischen Phokis und Lemnos finde ich keine), aber 
ich muss gestehen, dass mir dieselbe etwas weit hergeholt 
und wenig beweiskräftig erscheint Unsere Inschrift stammt, 
wie sich weiter unten ergeben wird, etwa aus der Zeit von 
650 — 620 V. Chr., die Zeit der Minyer aber liegt diesem 
Zeitpunkte um Jahrhunderte vorauf, und in dem siebenten 
Jahrhundert ist Elis längst gräcisiert. Es erscheint mir kaum 
glaublich, dass auch da noch etwaige alte Beziehungen aus 
grauer Urzeit, selbst wenn man den etwaigen konservieren- 
den Einfluss von Eultusbeziehungen mit in Anschlag bringt, 
sich in einem solchen Grade erhalten haben sollten, dass 
auf Grund ihrer von Elis her ein Alphabet hätte importiert 



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16 

werden imd, was noch schwerer wiegt, sieh inmitten des 
Geltangsbereichs des ionischen Alphabets hätte halten sollen. 
Wenn demnach auch die Möglichkeit, dass das Alphabet 
unserer Inschrift von Elis hier hergelangt sei und somit 
der zweiten Gruppe Kirchhoffis angehöre, nicht TöUig ge- 
leugnet werden lonn, so ist dies Verhältnis doch andrerseits 
nicht sehr wahrscheinlich, und wir werden zu untersuchen 
haben, ob sich unser Alphabet nicht mit grösserer Wahrschein- 
lichkeit der ersten (ionischen) Gruppe einreihen lasse. Von 
den Alphabeten dieser Gruppe nun stehen, wie die beifolgende 
Tabelle zeigt, die von Abu Simbel (Teos und Kolophon) und 
das der älteren Inschriften von Miletos dem unserer Inschrift 
am nächsten. 

Xp.voicpaTf^ 

r rroppttTOY 

r M /V O n P ST <PYY 

r A A^ o r p ( T • YY 

Hier ist L. = Lemnos , AS. == Abu Simbel (Teos und 
Kolophon), M. = Miletos. 

Diese Alphabete weichen von dem lemnischen, wie man 
sieht, nur in der Form des m, des n und teilweise des t etwas 
ab, sind aber sonst nahezu identisch damit Kein anderes 
Alphabet der ersten Gruppe stimmt in dem Grade mit dem 
unsrigen, wie diese beiden. 

Ich glaube, dass wir hier in der That den Ausgangspunkt 
unseres Alphabetes gefunden haben. Lemnos 11^ direkt auf 
dem Wege zwischen Teos und seiner Kolonie Abdera, und 
wenn auch die Besiedelung Abderas durch die flüchtigen Teier 
erst jünger ist, als unsere Inschrift, so haben doch bekanntlich 
die Klazomenier bereits einen Versuch gemacht, sich dort 
niederzulassen, und dieser Versuch liegt vor unserer Inschrift. 
Klazomenae aber ist ja die nächste Nachbarin von Teos, und 
das Alphabet derselben wird von dem von Teos nicht wesent- 
lich verschieden gewesen sein. Hiermit tritt unser Alphabet 



a e F C A ft t 


X 


L. A ^ ^ i B e 1 


K 


AS. A i^ '• • B ® 1 


K 


M. A i^ •• •• B ®« 1 


K 



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17 

gewissermassen in sdneu natürlichen Yerwandtenkreis, nnd 
ich glaube, dass in der That diese Herkunft desselben wahr- 
scheinlicher sei, als die oben angenonunene aus Elis. 

Dieses Resultat wird auch nicht beeinträchtigt durch das 
mehrfache Erscheinen des F in unserer Inschrift. Dasselbe 
fehlt dem ionischen Alphabet des asiatischen Festbmdes um 
Ol. 60 = 540 V. Chr. bereits vollständig (Kirchhoff* 27). Auch 
in den Inschriften von Abu Simbel, welche spätestens in Ol. 
47 = 592 T. Chr. zu setzen sind (Kirchhoff' 42), findet es 
sich nicht, aber vielleicht nur deshalb, weil in diesen In- 
schriften kein Wort vorkommt, in denen der betreffende Laut 
zu erwarten wäre (Kirchhoff* 38). Dass auch das ionische 
Alphabet dereinst das F besass, ist an sich selbstverständlich 
imd wird überdies durch das Vorkommen desselben in anderen 
Tochteralphabeten des ionischen (Pamphylien, Kreta, Argos^ 
Korinth, Korkyra) direkt bestätigt. Wenn also unser Alpha- 
bet das F besitzt, das von Teos und Miletos hingegen nicht, 
so ist das durchaus kein Oegengrund gegen die Herleitung 
des ersteren von diesen letzteren, denn es kann das lemnische 
Alphabet aus dem der asiatischen Küste geflossen sein zu einer 
Zeit, als letzteres noch das F besass. 

Und es sind nun in der That eine Anzahl von Punkten 
vorhanden, die unser Alphabet erheblich älter als das von Mile- 
tos, ja selbst als das von Teos (Abu Simbel) erscheinen lassen. 
Diese Punkte liegen in der noch völlig durchgeführten 
Interpunktion, der linksläufigen Bustrophedonrichtung der 
Schrift, den Formen B ® A^ K statt H O A\ N , denen auch 
wohl das J" statt X anzm*eihen ist In den Inschriften von 
Abu Simbel fehlt bereits die Interpunktion durchaus, ist die 
Bichtung der Schrift rechtsläufig mit nur noch vereinzeltem 
Bustrophedon, haben das m und n bereits die Formen M und N. 
Das berechtigt uns, unsere lemnische Inschrift noch über 
die von Abu Simbel hinaufzurücken. Es ist wohl nicht zu 
kühn, da die Inschriften von Abu Simbel selbst möglicher- 
weise von Ol. 40 » 620 V. Chr. sein können (cf. Kirchhoff' 42), 
unsere lemnische Inschrift als spätestens um Ol. 40 entstanden 

Pftuli, loMfarift TOD Lemnot. 2 



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18 

anzusehen, ja man würde selbst wohl zu der Ansetzung um 
650 y. Chr. berechtigt sein, falls es zulassig ist, die auf dem 
Steine befindliche Figur so weit hinaufzurücken. 

Diese Altersbestimmung wird auch nicht beeinträchtigt 
durch das in ataX<)/FeiC erscheinende si. In allen alten Alpha- 
beten, und zwar beider Gruppen, wird bekanntlich et durch e, 
wie 00 durch o bezeichnet, und die Wiedergabe dieser Di- 
phthongen durch Doppelbuchstaben ist sehr jung. Und da könnte 
man nun aus dem et des aiaX^FeiC einen Gegengrund gegen 
das hohe Alter unserer Inschrift gewinnen wollen. Aber mit 
Unrecht Die Inschrift B. liest an der parallelen Stelle viel- 
mehr oiaX^I^FiC, und schon oben (pag. 10.) ist auseinandergesetzt 
worden, wie grade dieser Passus von A. sehr fehlerhaft sei, 
während B. denselben korrekt bietet. Das lässt vermuten, 
dass auch oiaX^FsiC nur Versehen sei und die richtige Form 
in oiaX^FiC vorliege, zumal dieses mit dem augenscheinlich 
grammatisch damit verbundenen aFiC dann die gleiche Endung 
zeigt Da sich sonst in beiden Inschriften weder ein et, noch 
ein 00 findet, so glaube ich nicht, dass man aus diesem einen, 
überdies schlecht beglaubigten, et einen Grund gegen die Alters- 
bestimmung herleiten darf, wie sie oben nach verschiedenen 
anderen gewichtigen Indizien gegeben wurde. 

Aus dieser annähernden Bestimmung unseres Alphabetes 
nach seinem Alter ergiebt sich dann aber weiter noch eine 
Folgerung bezüglich des Wertes des B. In den Inschriften 
von Abu Simbel hat dies Zeichen im allgemeinen schon den 
Wert von r^, doch erscheint es dort vereinzelt auch noch für 
h (Eirchhoff' 38). Diese Inschriften zeigen also ein Über- 
gangsstadium. Ist aber unsere Inschrift älter, so wächst da- 
mit die Wahrscheinlichkeit für A, und diese wird auch noch 
dadurch verstärkt, dass eine Form AoXais ihren Lauten nach 
wahrscheinlicher ist, als ein vjoXaie mit seinem anlautenden i^o. 

Über das Altersverhältnis der beiden Inschriften A. und B. 
zu einander und das Verhältnis von O O, ®, (]> in A. zu 
p, B, [p Ol in B. ist schon oben (pag. 9.) gesprochen worden. 

Als Schlussergebnis der gesamten vorstehenden Erörte- 



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w 

ruagen gewinne ich soaiit die folgende Lesung und Anordnung 
unseree Textes: 

A. 
I. 1. evisbo i ztTonaäi \ 

2. siaiA/oeiz \ aviz 

3. »Mtraz (i) m[:]ar[tr] 
U. holaie (\) z\ na^oh ziazi 

III. 1. vamalasial \ zeronai : marmaü 

2. alter : taocarzio 

3. zwai. 

B. 

I. 1. rom : haralio : zivai : epfezio : arai \ tq: : ^okel^ (od. -«;) 

2. zwai : «rtjr : ^{iaZ'{/t7ir : marazm : at?iz : aomai 
II. holaiezi : 'fokiasiale \ zeroT^aid : ^m8o : (averoma. 

Die nächste Frage wird nun die sein, in welcher Sprache 
unsere Inschrift abgefasst sei. „On pourrait songer h un dia- 
lecte thraoe'S sagen die französischen Gelehrten mit Recht, 
denn Thrakien liegt in der That am nächsten, nicht bloss 
räumlich, sondern es berichten auch (cf. Kiepert 1. c. 325. 
Anm. '.) die Alten ganz ausdrücklich, dass dereinst auf unseren 
Inseln thrakische Stämme gewohnt hätten, Sintier auf Lemnos, 
SaXer auf Samothrake, von denen zwar Kiepert meint, sie seien 
wohl mit den tyrrhenischen Pelasgern identisch und „thrakisch'^ 
nur im geographischen Sinne zu denken. Denn dass im 6. 
Jahrhundert, als die Griechen sich unserer Inseln bemächtigten, 
dort tyrrhenische Pelasgar wohnten, ist ja von den Alten (cf. 
die Stellen oben bei den französischen Gelehrten, so wie Crusius, 
Beiträge zur griechischen Mythologie und Beligionsgeschiehte 
4 sqq.) bestimmt und durchaus glaubhaft überliefert. Aber 
ich zweifle sehr an der Richtigkeit dieser Kiepertschen An- 
sicht. Dass Ton Thrakien aus eine Einwanderung nach Asien 
stattgefunden habe und insbesondere die Phryger von daher 
gekommen seien, wird von den Alten (Her. 7, 73.) ja gleich- 
falls bestimmt berichtet und, soweit ich weiss, auch wohl jetzt 
allgemein angenommen, höchstens, dass man darüber streitet, 

2* 



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bis wie weit diese Einwanderung in Asien vorgedrungen sei 
Wenn das aber wirklich geschehen ist, dann li^ es doch 
sehr nahe, anzunehmen, dass die Thraker auch in einem paral- 
lelen Zuge auf die doch ziemlich unmittelbar vor ihrer Küste 
gelegenen Inseln Samothrake und Lemnos gegangen seien, und 
die darauf bezügliche Nachricht der Alten erscheint durchaus 
glaubhaft. 

So haben dereinst also wohl in der That thrakische Manner 
auf Lemnos gesessen, aber unsere Inschrift rührt nicht von 
ihnen her. Das zeigen sowohl geschichtliche, wie sprachliche 
Erwägungen. 

Die Sintier sind die frühere Bevölkerung, die tyrrhenischen 
Pelasger die spätere. Jene kennt auf Lemnos Homer und 
zugleich schon die Phrjger in Asien, die Wanderung der 
thrakischen Stamme ist also damals bereits geschehen. Im 
6. Jahrhundert aber finden, wie bereits gesagt, die Athener 
auf Lemnos die tyrrhenischen Pelasger vor. Diese sind also 
zweifellos die spätere Bevölkerung. Da unsere Inschrift, wie 
oben (pag. 17 sq.) aus dem Alphabet erschlossen, aber aller- 
firühestens um 650 v. Chr. zu setzen ist, so fallt sie schwerlich 
noch in die thrakische Zeit 

Und dieses Besultat bestätigen denn auch die sprachlichen 
Erwägungen. Von dem Thrakischen haben wir ja eine An- 
zahl Glossen und eine ziemlich grosse B^ihe von Orts- und 
Personennamen über, die ein sicheres Urteil über die ethno- 
graphische Stellung der Thraker gestatten. Diese Sprachreste 
sind bereits mehrfach behandelt und untersucht worden, so 
von de Lagarde (Gesammelte Abhandlungen 278. — 283.), von 
Tomaschek (Sitzungsberichte der Wiener Akademie, philos.- 
hist Kl., 1868, 880.— 392.), von Fick (Spracheinheit der Indo- 
germanen Europas 417.— 423.) und von Boesler (Zeitschrift 
für die österreichischen Gymnasien 1878, 105. — 116.). Sie alle 
erklären die Thraker mit Sicherheit für Indogermanen, und 
dasselbe thut noch neuerdings auch Georg Meyer in seiner 
Untersuchung über die Earer (in Bezzenbergers Beitragen X, 
200 sqq.). Nur darin weichen sie von einander ab, ob die- 



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21 

selben dem asiatischeii oder earopaisoben Zweige derselben zu- 
zurechnen seien. 

Es kann auch in der That der indogermanische Charakter 
des Thrakischen nicht wohl bezweifelt werden. Ich will mich 
hier an diesem Orte nicht damit befassen, da» gesamte Mate- 
rial der Glossen nnd Namen zu nntersachen und durchzuar- 
beiten, fnr den Zweck dieser Arbeit ist es völlig ausreichend, 
das bereits anderweit sicher Erkannte nur einfach zusammen- 
zustellen. 

Ich bespreche zuerst die Ortsnamen. Hier tritt uns so- 
fort eine grosse Gruppe von Namen entgegen, die ihren indo- 
germanischen Ursprung auf den ersten Blick offenbaren. Es 
sind die mit 'baray -batiay "damay ^dixusj -^nrkiy 'paraj -saroy 
'Stanoy 'Sturon gebildeten zusammengesetzten Namen. Sie lUle 
sind nach ihrem formalen, wie inhaltlichen Gepräge durchaus 
indogermanisch, was auch von anderen Gelehrten zum Teil 
schon erkannt ist So ist -ciamii in Uscudama »■ skr. damas 
„Haus'^ etc. (Boesler 1. c. 107.), so -^peara in Bessaparny Druzi- 
paray Subzuparay Zaparay Biirap«^ Bii)Xai8(irapa^ Biipdcapa, 
Booirapa^ AapSofirapa (Boesler 1. c. 108.) = "^para» „Furt", gr. 
icopo(; (Fick 1. c. 423.), nicht » icoXt?, wie Roesler will. Da- 
gegen kann letzteres vorliegen in dem von Roesler aus A&ol 
Ethnikon Scaparenw eischlossenen Scapora , wo -para » skr. 
pur „Stadt^^ so wie in den J)aq9etoperiani der Peutingerschen 
Tafel, in dessen pdo- ich mit Tomaschek (1. c. 385.) das 
Zahlwort pei»{r) „vier^^ erblicke, so dass also l)ac{o)peto{r)panani 
die aus der „Dakischen Tetrapolis^' sind. Das -sara in Sapri- 
$ara, Depisaray llaStoapa (Tomaschek 1. c. 388.) gehört zu 
skr. sarü „Bach'^ Indi^rmanisch ist femer das so sehr oft 
in Stadtenamen erscheinende -dava. Solcher Namen sind z. B. 
Argidavoy NenikUwoy Marcodavoj Smgidava (Grimm, Gesdiichte 
der deutschen Sprache ^ 141.) In diesem 'daca sehe ich zwar 
nicht mit Boesler (1. c. 115. Anm.) eine jüngere Form des 
in Uscudama vorliegenden dama „Haus^^, aber indogermanisch 
ist es darum doch. Es scheint mir eine Ableitung von skr. 
dhä „setzen*^, so dass also -diwa „Gründung, Ansiedelung" 



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22 

bedeutet. Für eine jüngere Form dieses -dtma hatte ick mit 
Roesler (I. c.) das in Koo|ioo8eßa, MoopiSeßa, Zxefießo, ZtxtSeßo, 
Ziovooitßa ersdieiaende -Seßa i. e. deoa, aus dem dann seiner- 
seits wieder Aißa L e. leva wird, Mrie es Yoriiegt in dem Stadt- 
namen 'AßpoXiß« und der Hesyohius-Glosse Xiß«* «<SXtc tiica 
Bpc^xwv. Über « aus a wird alsbald gehandelt werden. Aueh 
die Flussnamen Sandamuj 'Am8«voc sind indogermaniseh, dann 
ihr -dkttiM gehört zu skr. dänu ,,fliessend, Flüssigkeit^^ Dem 
in TarpodiztiHj OshuUzusy Bvrtudizm erscheinenden "dkntB eni* 
spricht altpers. dida jjSmW\ welches lautgesetBÜeh f&r diza 
steht (Fick 1. c. 428.). Der Begriff di»r ^.Feste'' hegt auch in den 
Bildungen auf -shtray wie BYiXaatapac^ 6estisi;^rum, Kastoroü- 
pta^ Aottp«9Topov^ Kaicoo«topoc5 sofern sie zu skr. sAüru ,,stark^* 
gehören (ähnlich schon Toniasehek I.e. 382; Roesler 1. c. 106.). 
Das V, 0D und o in ihnw vortritt gkichmassig ein ti. Wenn 
Oeääsbfrwm in den Acta S. Philippi episc. Heraeleenses durch 
yylocus possessorum'^ flbersetat wird (cf. Tomaschek 1. c), so 
ist darin wohl nur der allgemeine Begriff ^ybcus^^ för das 
genauere ^^arx^^ genommen, wie es nach meiner Deutung 
heissen sollte^ Weiter liegt d^ Begriff ,,Ort, Stätte^^ in dem 
--äanay wie es erscheint in dem allerdings nur in Thessalien 
nachweisbaren Vokukana (Boesler 1. e* 107.), sofern es dem 
skr. äham „Platz, Stadt'', altbaktr. altpers. ^töna „Ort, Platz'' 
entspricht 

Ebenso, wie hier die zweiten Kompositionsglieder, lasst 
sich auch ein Teil der ersten mit Leichtigkeit als indogerma- 
nisch erweisen. So gehört Druzi^para zu skr. driät „Feind", 
also das Ganze „Furt der Feinde", wie Bessapara „Fürt der 
Beesen (Bessi)" (Fidc 1. c. 428.), Aaj^apa „Dardanerfurt". 
Das arbo- in Jrbadizo ist gleich skr. arhka „klein", das Ganze 
also „Lützelburg". Dass 2;ita8iCo<; sich an altbaktr. (7>ä„Hund" 
anschliesst, das Ganze also „Hundsburg" ist, hat Roesler (I. c. 
112.) bereits gesehen. Weiter gehört Uscu-dama deutKch zu 
altpers. uska „trocken" heisst somit „Trockenhausen". Das 
Ztri' in Ziridava gehört zu skr. hiri (im ved. hhi'^gnrd, hiri" 
gma^ru) „golden", so dass also Ziridava „Goldstatt" heisst. 



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28 

Im eisten Tai von Padk^&ra liegt skr. padä ,,Tritt, Fassspnr'^ 
Über peä)(r) „vier** « dnr, Lomr ist schon oben gesprochen. 
Das siad einige beliebig henrasgegriffene Formen, aber sie ge* 
nigen vollkonunen, sowohl dnreh ihre einzelnen Bestandteile^ 
wie aseh duroh ihr Oesomtgeprage (Namen airf ^, -Stadt 'S 
j^urg'S v-ft"*"> ,,*8t8itt*S „»baoh" finden sich b^ den Indo- 
germanen überall) den Indc^ermanismus dieser Namengruppe 
an erweisen» 

Und ebenso indogermanisch, wie hier in den zusammen^ 
gesetzten Namen die Kompontionsglieder, sind in den abge» 
leiteten Namen die Suffixe. Wer erkennte in dem Ethnika, 
wie TflBwßaonjvo«, Scaparenusj 'Aptoxijvoc, BtConijFvoc etc. (Roee- 
1er 1. c. 111.)^ bildendeB -»iqvo^ nicht sofort das ebenso fungie« 
reode gr. '^if^i^ lat. "mm». Wer fände ni^ht in V^emamen, 
wie ^f[ti|voMiy 'OßooX'i]voiot^ BouptSsifvoiot, noto(yXaTi^V(3tot, 
npeftavijivaeoi (Roesler 1. c), wof&r in einzelnen Oegenden 
aveh '4'^^' Btpr^otoi^ ^Tpo|uii)9tot^ erscheint, sofort das in 
gleicher Funktion gebrauchte lat. "ensis wieder! Und endKch 
die BiMmgen mit -<3itoc {^^»tx/)^ wie in den Fhissmunen T^ 
ßi^Moc^ MAptoxfty ZaA(<»ioc> dem Gtobiigsnamen B^tiohov, den 
Stadtenamen ITapTtoxov^ Apaß^j^xocy SMunsceij Fotp^oitoc^ 'Ep- 
^{(siei)^ dem VöNremamen SxopSioxot (Boesler 1. c.) spiegeln 
doch denüieh genug die ganz ebenso gebildeten und ange^ 
wandten lateinischen Formen, wie die Stftdtenamen Graviscae, 
Trtdbuta MrOuesca^ die Vo&ernsmen 0{f^, Vidsdj Sirusei etc., 
wieder. Hi^ ist also alles so Indog^^amisch, wie möglich. 

Aber nicht bloss den Indogermanismufl überhaupt beweisen 
diese geogra^sehen Namen, sondern auch die besondere 
Gruppe indogermanischer Völker, zu der die Stamme, die 
diesen Orten den Namen gaben, gehörten. Dass wir Ange- 
hörige der asiatischen Abteilung vor uns haben, beweist der 
ä- Vokal in -damoj -para, »Htteta^ -<fooii, ^gtima mit Vidier Sicher- 
heit, die Zugehörigkeit speziell zu den Eraniem aber folgt aus 
dem z in ziri- (zu skr. Äür^, in -(ßzm (zu skr. d»i) und druzi- 
(zu skr. druh\ so wie eie Umwandlung der aspirierten Medien 
in reine Medien in -dava (zu skr. dhä) und arbo-»^ (zu skr. 



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24 

arbha), mit gleicher Sioberheit Nun begegnen uns freilich 
auch Züge, die dem zu widersprechen scheinen, so insbesondere 
das e und o in verschiedenen der aufgeführten Namen, aber, 
abgesehen von etwaigen fremden Eindringlingen, so ergeben 
sich in mehreren Fällen diese Laute als jüngere Entwiekelung. 
So steht -Sftßa i. e. -deva als jüngere Form neben -davoj wie 
schon Boesler (1. c. 116.) gesehen. Ebendersdbe giebt (1. c. 
107.) auch noch eine weitere Reihe von Beispielen für diesen 
Lautwandel. So ist das o in -ftorarij wie die Nebenformen 
zeigen, Entwiekelung aus u. Die Endungen -o« und -an aber 
sind wohl Gracisierung. Ich glaube somit, dass diese Vokale 
nicht g^^n die obige Ansicht sprechen können. Auch das 
nicht selten erscheinende / könnte man als Gegengrund g^n 
den eranischen Charakter des Thrakischen geltend nutcben 
wollen. Aber ich glaube, dass auch dies nichts beweisen würde. 
Wenn Boesler (1. c. 115.) mit Recht, wie ich glaube, das -Xeßa 
in Ortsnamen als jüngere Form von -S«ßa^ i. e. "deva^ noch 
älter 'davay ansieht, so haben wir hier ein hyst^ogenes aus 
d entwickeltes l, und es steht durchaus der Annahme nichts 
im Wege, dass nicht auch aus r ein solches hysterogenes / 
sich solle entwickelt haben. 

Dasselbe Ergebniss aber, welches die Ortsnamen bieten, 
zeigen auch die Personennamen. Dass sie indogermanisch 
seien, hat im allgemeinen schon Fick (Griechische Personen- 
namen LXV.) an einigen Formen dargethan. Ich führe den 
Beweis etwas weiter aus, indem ich dabei hauptsächlich die 
von Tomaschek (1. c. 883 sqq.) gesammelten Namen zu Grunde 
lege und in der Anordnung des Joffes Fick folge. 
abra 

AbrvpoKsy 'AßpoC^X(A-i)c> 'Aßporovov. 
büu 

Biäioparusj BWdcenihu^ BitibraHs. 

TraMtha, 

Bühus, B(9o(;, BUusj Bitius, Bähociu. 
bisia. 

Boipeß{oTac (Burobisia)f AtTußiat<K. 



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26 

buri 

BoopxivTtoc, Burebuta (BoipeßCan)«). 

Buri. 
kenta 

ZipaeenÜiMMj BWäcenÜnu^ RabocentiUj Disacentus; 

BiÜeentmtj SudkeniMSj Boopx^vno^. 
herza 

Kep9oßX^irn]c^ Kepo{ßaoXo^. AEioxepooc. 

Cerzula. 
hOa 

JDiosaähegy MtXroxu&tjCy Z(Atxudi)^; 

KooriXac {Coäield)y Cohmsj Kotoc. 
diu 

JDiuzemUy Brndanus; Bioscuthesj Beogpar; 

diza 

BiszairaUt (od. -trausf), Bizavü . . j Bisacenhu. 

Kooxa8(Cac. 

A(Ca^9 Ai)Coc> Bisza, Bizo {Biso), BizaUv, Bbumoy ACC^oro;. 
diu 

AiTußioToc, AtTiC'qX'»] (fem.). 
doU 

AoXei8e(Sa<. 

i>o&«, Bekam», 
geäa 

Oalgesta (fem.); Zepfitofiffsoro^. 
fmiAa 

TlAfcalrdby ÄtucairaMhUj Mkcatroy Mucauums, Mktasenna, 

HtkcapoTj Mueapcra (fem.), Mucapms, 

MouxQMoCt Mueasius, Mouxeivrtoc. 
nata 

Nataporusj Natuspardo. 
para 

Bersnparusj Zypams. 
poK 

jUrupotiSy PaoxouitoXK. 



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96 



pora 

Bitkaparusy PieporuSy Natoparuit ; Mueap&Tj Muea!p&ra\^em,\ 

SempoTf Deogpor; Mucaparü (Moxdiropic), ÄW^pi>m,* Paio- 

xouiropic (' P-ijoKOüitoptc, ' PaarxüTTopi^). 
raüka 

* Paiaxoüiropt<; (' PijaxooicapK , ' PooxtiirÄpi^) , ' PäoxoAcoXuj 

Resaitwrma (fem.). 

*Paaxo;. 
zalma 

ZaXfioXSt^. 

'AßpoC^XfiTjc 
sola 

(Dofiscda). 

SaHa. 
zana 

Zantiala. 

AvKzamUj Mueazanu^; AoAooC^vi]<> Dinzerms^ Mueasenhu. 
talka. 

*PoifiijTa>iX7)^ {' PofMTflfXxnj^, Rumitakü), SitoAxvj^. 
tüi 

Zantiala. 

Tiatus. 
irava 

Trcäbitkwt, 

Mucatra; Diszatraus; Mucatrauhis; MucatroBs, Bitüratüs. 

Hier haben wir zunächst alle specifischen Kenmftichen 
d4a incUgermaniaeheft Namengehttog, doppelsilaimige Voll- 
namen, Umstellung beider Glieder {Biäiraiü Aeben Troibiütus) 
und einstämmige Kosenamen , gebildet teils mit den Suffixen 
-iuSy 'CU8y "lüf -nuSf -sosy -siusj -tusy -sios, theils aber auch die 
reinen Stämme selbst (Bithusy 'PaoifcQc). 

Die Zugehörigkeit zu der asiatischen Abteilung der Indo- 
germanen beweist wieder der a- Vokal in dana (skr« baktr, däna 
„Geben, Gabe, gebend"), pora (skr. para „Feind"), zana (skr. 
ffarij baktr. zan „gignere"). so wie teilweise in den S«ffixen, 



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27 

Ton denen aDerdings die meisten graoisiert nnd latinisiert er- 
sehonen. 

Der spezifisch eraniselM Chaimkter der Sinrache aber folgt 
anoh hier aus dem z « skr. h (und §) in dvui (za skr. dik^ 
,yfingere^^), zana (skr. ^an ,,gignere^^ und der Umwandlung der 
asfMrierten Medie« in reine Medien \m hun (skr. bhiri ^^Tiel*^- 

Um dieses eranisehen Charakters halber habe ich in der 
y<»rstehenden Übersicht auoh berdts die Namenstamme mit 
don Sohlnssvokal a angesetzt^ allerdii^ proleptisch, aber doch, 
indem der Bew^ unmittelbar folgte. 

Aber nicht Uess die LantverhUtiiisse beweisen die Zu- 
gehörigkeit der Thraker zu den asiatischen Indogermanen, es 
kehrt auch ein grosser Teil der thrakischen Namenwörter in 
den indischen und eranisehen Namen wieder. So haben wir 
thrak. Biarta, wie skr. Cnäartha von artha ,,Nutsien''; thrak. 
Deeebahu (fatls es thrakisch und nicht etwa semitisch ist), 
wie skr. Bahülmlaj Brhadbalmy Bküribalay Maknbaia etc. von 
hala ,,Eraft^^; thrak. Bazis (fem.\ wie skr. Bäfmbalay BähwffktOj 
Bäkukaj Bäkula von bähu ,,Arm^'; thrak. Bmrta, wie baktr. 
JBjärioH von ii ,,zwei'^; thrak. Buredisiay wie baktr. FhiOfpoj 
altpers. Fistafpoy von vigtu ,,gefunden habend, beeitzend^^; thrak. 
BoupxivTtoc^ Burebitia, wie skr. BhmitegtHj Bkürie^umna etc. 
von bhnri „viel"; thrak. Kepoo§X<imj<;, Cerzuhtj wie baktr. 
Kere^äqMj Keregana von here^a „mager^^; thrak. Dmdamuj 
wie skr. l>«Hapatiy ßänofila; skr. PfikuMna^ VasuHma^ baktr. 
Attidäna von däna „Gabe*'; thrak. äz^drofi, wie skr. Bccma- 
ghoia; Jkama, JMnuma, Damajmnü von dam „bändigen'*; thrak. 
Diudanus, IHuzenus; Bwseuihes, Jhospor; Aiij^oXtCi wie skü 
Dwifiaia] Bivodäsa von div ,.Himme^'; thrak. Mmapor, Muco- 
zanus; Moixao^ etc., wie skr. PirtfornükAa , Mahämuhka; 
Mnkhaita von mukha „Antlitz**; thrak. Natoparusy Naiuspardoj 
wie skr. RaghuMthoj Ridumtha von natha ,. Zuflucht**; thrak. 
DerzipantSj üyparugj wie skr. Paramära, Parahan von para 
„Feind^'; tiirak. Netlop&ntSj BiAopmms etc., wie skr. I\Krumitraj 
JhtrtamdAa von puru „viel^*; thrak. Patina (fom.), wie skr. 
Pütadahia; Pntä (fem.) von püa „rein*^; thrak. AukzatutSy 



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28 

AuXooC^w)C, Mucazanus, Mucasenus^ Dmzenusy wie skr. öana* 
^näa; Bat^anaka; Öana, 6anaha von §ana ^^Geschlecht^* ; Uirak. 
SüUy SigiatOy Sesa^ wie altpers. ^Koi^lxfrfi, Dioif p(S(K; Si9(vi)c; 
thrak. DpoXi);^ wie baktr. Vardha^a^ skr. VaradaäOy Fararuki; 
Varaj Varaka von vara ,,der Beste^^ 

Dieses Verzeichnis macht auf irgendwelche Vollständigkeit 
ebenso wenig Anspruch, wie die ganze vorstehende Erörterung, 
es ist nur das verwertet, was grade zur Hand lag» und von 
diesem zur Hand liegenden ist nur das aufgenommen, was mir 
ganz sicher schien. Dieses ganz Sichere ist aber mehr als 
genügend, um die Thraker als Eranier zu erweisen, und deckt 
seinerseits auch meine obige Besprechung der Ortsnamen, in 
welche ich ohne diesen starken Schutz gar nicht eingetreten 
wäre, eingedenk der Bedenken de Lagardes (Ges. Sehr. 248/251.), 
die ich im ganzen teile. 

Und dasselbe nun, was die vorstehend behandelten Orts- 
und Personennamen lehren, bestätigen auch die Glossen, 
soweit sie sicher erklärt sind. Die Zahl dieser letzteren ist 
freilich sehr gering. Mir scheinen es nur folgende zu sein: 

a^oopooc = ifijßouc (Eustath.) , von Fick (1. c. 421.) zu 
baktr. agkru^ skr. agru „unverheiratet^^ gezogen; 

oapaitapat a xe<paXoTO(Aoi (Strabo), von deLagarde (I.e. 231.) 
zu baktr, gara „Kopf^^ und Wurzel par ^,ire(pa>" gestellt; 

oavairat » fi^ftuaoi (Schol. zu Apoll. Rhod.), von Fick (1. c. 
422.) einem eranischen hanapä „reichlich trinkend ^^ gleich- 



ßp(Ca » T{fY]y eine Getreideart (Galen.), von Boesler (L c. 
109.) gleich skr. t^riAi „Reis"' erklärt 

Alle übrigen Erklärungen thrakischer Glossen, einschliess- 
lich der dakischen Pflanzennamen beim Dioscorides (cf. J. Grinun, 
Gesch. der deutsch. Spr. 142 sqq.), scheinen mir völlig unsicher, 
insbesondre auch die Fickschen Vergleichungen mit nordeuro- 
päischen Formen. Die Wörter aber in diesen wenigen wirk- 
lich erklärten Glossen sind mit voller Sicherheit wieder eranisch, 
was nicht bloBs die verglichenen Formen, sondern ebenso be- 
stimmt auch die Lautverhältnisse darthun. In aYoopooc, 



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29 

oapaicofpat, savaicat haben wir duichw^ das a der asiatischen 
Indogermanen, wie oben bei den Ortsnamen in -damoj -mto^ 
-dm<iy -paray -danus u. a., bei den Personennamen in -rftwia, 
-/Mtroy 'zanoy und in ßpiC« das spezifisch eranische z für skr. 
h {§) wie bei den Ortsnamen oben in zjrt-, druzi" und -dizusy 
bei den Personennamen in -diza und -zana. Angesichts dieser 
Thatsachen, insbesondere dieser lautlichen Übereinstimmungen 
zwischen Glossen und Orts-, sowie Personennamen, kann es 
kaum gebilligt werden, wenn Fick i-jfoo'pouc, aapaicapai, oava- 
irai för skythisch, ßp{Ca aber für ein Lehnwort erklärt. Es 
sind viehnehr die Thraker als Eranier anzuerkennen, und 
auch, was ich hier nur beiläufig erwähnen will, die phrygi- 
schen Glossen, soweit sie klar sind, weisen sich als eranisch 
aus, so dass auch von dieser Seite die Bestätigung nicht aus- 
bleibt, da ja, wie oben (pag. 19.) bereits erörtert, die Phryger 
mit Sicherheit thrakischen Ursprunges sind. 

Als weitere Bestätigung des aus den Ortsnamen und 
Glossen gefundenen Resultates kann endlich auch noch die 
Bemerkung des Stephanus von Byzanz gelten: eort 8e i^ Opcfxi) 
/(Opa, ^ ITipxiQ IxaXetTo xat 'Apfa. Hier will allerdings Fick (1. 
c. 421.) in 'Apefa „Aresland" ändern, aber, wie mir scheint, ohne 
Grund. Will man ändern, so liegt es ebenso nahe, da ja die 
Perser sich selbst mit arija bezeichneten (cf. Spiegel, Altpersische 
Keilinschriften 184.), statt Ilipxrj vielmehr OipoTQ zu lesen. 
Jedenfalls halte ich 'Ap(a für richtig und sehe darin die Selbst- 
bezeichnung der Thraker als Eranier. 

Sehen wir uns nun aber unsere Lemnos-Inschriftr auf 
ihren etwaigen eranischen Charakter an, so ergiebt sich sofort 
die Unmöglichkeit, dass sie eranisch sei. Der ganze Habitus 
spricht aufs entschiedenste dagegen, will man noch besondere 
Kennzeichen, so ist auf die Formen zeronaA, na^ob und va- 
malasialf mormaä zu verweisen. Formen mit diesen Endungen 
können nicht eranisch sein. 

Es sprechen sich also, wie oben (pag. 20.) die historischen, 
80 auch die sprachlichen Erwägungen gegen die Zurückführung 



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80 

unserer lEsohrift auf die einstigen thraldsohen Besiedler von 
L^iinos aus. 

Des weiteren nun sollen auf Lemnos Leiter und, mit 
ihnen verschmolzen, Minyer gewohnt haben (Deimling, Leleger 
172 sq.). Es kann hier von der Erörterung der, wie ich glaube, 
noch offenen Präge bezüglich der NaüonaUtat der Leleger 
Abstand gencmimeu werden, teils, weil uns Sprachreste von 
ihnen nicht nMhr erhalten sind, teils aber auch, weil dieselben 
historisch-chronologischen Gründe, die oben (pag. 20.) gegen 
die Zurückführung unserer Inschrift auf die Sintier sprachen, 
mir auch die Leleger auszuschliessen scheinen. Es bleibt so- 
mit nur noch übrig, dieselbe den tyrrhenischen Pelasgem zu- 
zuweisen. Nun aber sollen ja die Tyrsener der Sage nach 
auch Etrurien besiedelt haben, und, da wir von vornherein 
nicht wissen können, ob nicht in dieser Sage ein historischer 
Kern stecke, so werden wir nunmehr unsere Inschrift auf die 
zweite der von den französischen Gelehrten angedeuteten Ver- 
wandtschaften, der mit dem Etruskischen, hin einer Prüfung 
zu unterziehen haben. Und eine solche ist in der That so 
augenfällig vorhanden, dass man formlich darüber stutzig wird. 
Die Zahl der verwandten Züge ist noch eine viel grössere, als 
die von jenen bereits genannten. 

Zunächst erscheint eine grössere Anzahl von Wortstammen 
beiden Sprachen gemeinsam. Es sind die folgenden: 
araij etr. araS (Fa. no. 1914, A6); 
ziöcuj etr. zwas (Fa. no. 2335); 
ziazij etr. zia (Fa. no. 1914, A19); 

^^^!l> 1 ^*^- ^"^"^ ^^^- ^^- ^®^^' ^^^^'' 
äz, etr. tez (Fa. no. 1052); 
avizj etr. avü (z. B. Fa. no. 340. und vielfach); 
akery etr. acä (z. B. Fa. no. 1487), acäune (Fa. no. 
1914, B9), acasce (Ga. no. 799); 
Anklänge liegen auch vor in: 

nuarazy \ etr. mariä (z. B. Fa. no. 480), maru (z. B. 
marazm, I Fa. spl. I, no. 434); 



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Sl 

haraUoj eir. hereutuie (Fa. no. 1914, A24); 
tavarzioy etr. tevara^ (Oa. no. 795); 
na^ohy etr. naper (z. R Fa. no. 1914, AÖ). 

Die Vergleichung von morinaU mit dem etruskischen 
Familiennamen murina ist absichtlich beiseite gelassen. 

Das ist immerhin eine verhältnismässig grosse Anzahl 
anscheinend vergleichbarer Formen, und da die Verwandt- 
schaft zweier Sprachen, wie Bnigmann (Techmers Zeitschrift I, 
253.) dargethan hat, in erster Reihe aus der Massenhaftigkeit 
der Vergleichungspunkte sich ergiebt, so würde eben diese 
grössere Zahl ähnlich klingender Formen nicht ganz ohne Be- 
lang sein. Und selbst wenn einzelne der vorstehenden Formen 
noch zu streichen sein sollten, so bliebe doch, wie ich glaube, 
immer noch genug, um wenigstens den Verdacht, dass die 
Sprachen verwandt seien, zu erwecken. Das ganze Zusammen- 
treffen der Formen für rein zufällig zu halten, geht doch wohl 
kaum an. Ein solcher Zufall wäre in der That sehr merk- 
würdig. 

Wichtiger aber noch sind die grammatischen Berührungs- 
punkte zwischen beiden Sprachen. Auch hier haben die fran- 
zösischen Gelehrten bereits auf einzelnes hingewiesen, aber 
auch hier giebt es noch eine Anzahl weiterer Berührungs- 
punkte. 

Zunächst sind die beiden Formen auf -21, holaiezi und 
ziaziy zu nennen. Da es ein etruskisches Wort zia giebt, so 
würde, die Verwandtschaft desselben mit unserem ziazi voraus- 
gesetzt, das 'zi doch gewiss eine Flexionsendung sein. Nun 
aber giebt es im Etruskischen, wie ich selbst (etr. Fo. u. 
Stu. III, 47 sqq.) nachgewiesen, eine Genetivendung -^t. Dieser 
würde unser -zi entsprechen können, so dass also das ziazi 
Genetiv zu dem zia des Cippus perusinus wäre. 

Diese Annahme findet eine starke Stütze daran, dass neben 
holaiezi die Form fpokiasiale steht Auch im Etruskischen giebt 
es eine Endung -ialej welche ais Genetiv gleidifalls von mir 
(1. 0. 88.) nachgewiesen ist, und grade wie in unserer In- 



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32 

Schrift das holodezi : tfakkisiale neben einander steht, genau so 
finden sich etruskisch neben einander die Genetive larUale : 
hufymesi (Fa. spL I, no. 388; De. etr. Po. u. Stu. II, 2). 
Das ist doch sehr überraschend. 

Für gewöhnlich erscheint die Endung -iale im Etruski- 
schen zu -ial abgeschliffen. Dasselbe scheint in unserer In- 
schrift vorzuliegen, dann neben ^okiasiale begegnet die Form 
vamalasial, was doch anscheinend gleiche Bildung ist. 

Aber auch das etr. -ä stumpft sich gewohnlich zu -i ab 
(Pauli, etr. Fo. u. St HI, 47.). Das gleiche scheint in unserer 
Inschrift zu geschehen. Denn neben hoUüezi und ziazi findet 
sich in A. zunächst holaiez, welches oben (pag. lOsq.) als die 
richtige Lesung statt kokne i z hergestellt wurde. Da nun, 
wie bereits mehrfach erwähnt, die Inschriften A. und B. sich 
im wesentlichen entsprechen, so ist dies hokdez für mit holaiezi 
identisch und somit gleichfalls für einen Genetiv zu halten. 
Disselbe Endung -z, wie hier das hohtezy zeigen nun weiter 
aber auch maraz (A. I, 1), sial^veiz (A. I, 2) und sial^iz 
(B. I, 2), aviz (A. I, 2; B. I, 2), was dann also auch Gene- 
tive sein wurden. Für diese Auffassung ergiebt folgende Er- 
wägung noch einen weiteren Anhalt. 

Das etruskische Wort avil heisst, wie ich selbst zuerst (etr. 
Fo.u. Stu. 111,91.) nachgewiesen habe, „annus*^ Häufigerscheint 
davon der Genetiv, gemeinetruskisch aviU, südetruskisch avik 
geschrieben, welchen Formen in unserer Inschrift ein *avilz 
entsprechen würde. Nun aber hat etr. /, wie ich bereits früher 
(etr. Fo. III, 134.) dargethan, einen sehr weichen Klang gehabt, 
so dass es im Auslaut und vor Konsonanten im Inlaut oft ganz 
schwindet, wodurch z. B. vebi zu vesi sich gestaltet. Unter 
Annahme der gleichen Lauterscheinung könnten wir aviz als 
aus *aoik hervorgegangen auffassen, und dann wäre es eben 
Genetiv. Dass aber eine Angabe von Jahren in unserer In- 
schrift vorkomme, ist an sich sehr wahrscheinlich. Nach dem 
ganzen Habitus des Denkmals und der Abbildung werden wir 
doch die Inschrift fär eine Grabinschrift zu halten haben, 
wo die Erwähnung von Jahren sehr natürlich ist und auch 



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MI 

das ^:it8(>recheiide etr. aväs sich vielfach findet (die loschriften 
sind von mir zusammengestellt in ^tr. Fo. u. ^., IQ, 7. no. 
7 sqq.). Dem steht es auch nicht entgegen, dass in anserer 
Inschrift;, sowohl in A., wie in.B., das aviz je zweimal mh 
findet. Das eiae kann die Lebensjahre, das andre die Dauer 
irgend eines Amtes bezeichnen* 

Ist diese Eridärung des aviz richtig,. dann hätten wir in 
den damit yerbundeniein (cf. weiter unten) Wörtern sial^^ 
{sial^eiz) und maraz wohl ZaUwörter zu erwarten. Und es 
scheint mir, als ob diese Formen wir^qh an etruskisobe 
Zahlwörter anklingen. Zunächst das maraz erinnert an etr. 
may^j fOr welches die Bedeutung „eins'' sehr wahrsf^heinlich 
ist (Pauli, etr. Fo*u.Sta.m, 142; Bugge, etr. Fo. u. Sfeu. lY, 86.). 

Das -X iu max kann ableit^des Suffix ßein, wie, in r^mtax 
„Bomanus'' von *ruma „Boma^, der übrigbleibende Stamm 
nut- aber 1^ datm in. ma-rß vor, .Wjelch^ nur em ^der^s 
Suffii trüge. Ob dies -m vielleicht ein Ordinalsuffix sei, oder 
ob nwa. et^a „elP bedeute,, dafür fehlt es zur Zeit wpU noob 
an einem Anhalt 

Ebeüso wie rnaraz m WJ^ klingt auch «lo/^^ts? j|rv^)ran 
ein etruskisches Zahlwort cu^« Auf den Campwarischen Wür- 
feln und auch sonst. begeguet, eine ?ahl ia .(et Pauli, etr« Fo. 
u. Stu. III, 57.). So wie nun im Etruskiachen »an» aus dam 
wird, [ich halte jetzt, beide Formen, die ich früher (etr. 3ttt. 
III, 86 sqq.) trennen wollte, ndt Deecke für identisch], so 
kann genau so das Zahlwort ia aus ^hervorgeg^ge» ^^. 
Für diesen Fall hätten wir also \n unserer Inschrift die 
Form siaJfifmzyxL ßiarlA(oifi zu zarlogen, Das ':h)(viz ab^ pu^te 
doch zu Anfang wohl einen Vokal eingebusst haben, und 
da wäre . es doch, wo^^ aQi . wahr^cheinUchsten , dass es für 
'ol^iz stände. Nun ^ber bilden sich die etruskischen Zehner 
auf -a/x (?Äuli, ^tr. Fo. u. gtu. III, 37.), und es kann« auch 
hier, wie in max , das -^ m Suffix für sich sein. Dann würde 
also dds -iil' vou -c^^piz^dem ejtr. .^o^ von 'okx entsprechen. 
Diesem etr. *alx gegenüber ist es sehr verführerisch, in un- 
serer Inschrift.nicht sißlf^izy sondern mit ,Breal awXxFtC zu 

Pftall, Intohrlft Ton Lemnot. 3 



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84 

lesen, wo dann das ganze -atj^ erschiene. Dennoch halte ich 
dies nach dem, was ich oben über das Alphabet gesagt habe, 
für trügerischen Schein. Was in dem dann noch verbleiben- 
den -<{/t7iz stecke, ob eine Zahl oder ein Suffix irgendwelcher 
Art, darüber lasst sich zur Zeit wohl noch nichts aussagen. 

Das Besultat der vorstehenden Erörterung kann selbst- 
verständlich nicht als ein gesichertes angesehen werden, aber 
die Möglichkeit, dass die genannten beiden Wörter mit etrus- 
kischen Zahlwörtern in Zusammenhang stehen, scheint sich 
mir doch ergeben zu haben. 

Es sind aber in unserer Inschrift, wie ich glaube, noch 
einige weitere Genetive vorhanden. So wie wir nämlich in 
vamalasidlizeronai, in zioaix twiz : sial^iz und in maraz : aviz : 
aomai die Formen auf -cd mit Genetiven verbunden finden, 
genau ebenso liegen meines Erachtens Genetive mit Formen 
auf -ai verbunden auch vor in den drei Formeln tavarzio 
zwcdj haralio : zivai und egtezio : arai. Ich glaube nämlich, 
dass wir hier die fraglichen Formen in tavarzi-^j egiezi-o 
und haraü'O zu zerlegen haben. Dann aber haben wir in 
tavarzi und epf^ deutliche Genetive von der Büdung des 
holaiezi und ziazij während licaraU sich zu ^okiasiale und 
vamalasial stellt und nur vor dem angehängten -^ das ältere 
-I bewahrte, welches sich in <fokiasiale zxx -e schwächte, in 
vamalasial ganz abfiel. Genau entsprechend ist der Vorgang 
wieder im Etruskischen. Auch hier lautet das Suffix gewöhn- 
lich -aly vereinzelt -ofc, wie in lar^iale (Fa. spl. I, no. 398.), 
slicale't\aprmbvale (Ga. no. 799), vor dem angehängten -«« 
jedoch in Formen, wie larbiaU-sa etc., hält sich das -t (cf. 
darüber Pauli, etr. Fr. u. Stu. IQ, 83.). Was in dem ange- 
fügten -o stecke, darüber w^e ich zur Zeit noch keine Ver- 
mutung, möglicherweise ein Doppelsuffix, so dass -ali-o einem 
etr. -aä'sa entspräche. Jedenfalls ist die Ähnlichkeit obiger 
Formen mit den etruskischen wieder eine sehr grosse. 

So wie sich also in dem -zi, -z und 'tale, -ial die den 
etruskischen Genetiven auf -^*, -/ und -lofe, -uzl entsprechen- 
den Bildungen zu finden scheinen, so weist unsere Inschrift 



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35 

anscheinend den Reflex auch noch eines anderen etruskischen 
Easnssuffixes auf in den Formen mit -&, zeromwd und 72a(po&. 
Die Form zeronai, mit derselben Endung gebildet, wie zwai, 
cumun und arcdy zeigt, dass wir in zeronai-b und danach wohl 
auch in na(f(h% zu zerlegen haben und somit in dem -0 ein 
Suffix vorliege. Nun aber ist wieder -& im Etruskischen ein 
ganz bekanntes Suffix des Lokativ (cf. Pauli, etr. Fo. u. St. 
in, 67 sqq.) , und es scheint somit auch hierin wieder eine 
Übereinstimmung zu liegen. 

Und wie im Vorstehenden die Flexionssuffixe den etruski- 
schen zu entsprechen scheinen, so auch die Wortbildungssuffixe. 
Diese Übereinstimmung finde ich in der Form mormaä. Wenn 
unsere Inschrift;, wie anzunehmen, eine Orabschrift ist, dann 
kann in derselben sehr leicht ein Ethnikon vorkommen. Ein 
solcÜes vermute ich in der Form morinml Die eine Hauptstadt 
von Lemnos ist Myrina. Da in dem Alphabet unserer In- 
schrift, wie oben (pag. 18.) gezeigt, das o auch für oo (m) steht, 
so kann in dem morinaä sehr wohl der Name jener Stadt 
stecken. Im Etruskischen nun dient unter anderm auch das 
-/ dazu, EthnikaJ zu» bilden, wie z. B. tnäal „Trojanus" von 
truia „Troja" (Fa. gloss. 1856.). Die gleiche Bildung kann in 
morinaä vorliegen. Wir hätten dann in mormai-l zu zerlegen, 
so dass der einheimische Name von Myrina sich als marmcä 
ergäbe. Formen uuf -ai fanden wir bereits in zwai, arai, zeronai, 
und aus letzterer leitete sich zeronai-^ ab, in der Bildungsweise 
eben unserem mormai-l genau entsprechend. Auf die Unter- 
suchung dieses -ot selbst gehe ich an dieser Stelle nicht weiter ein. 

Noch frappanter freilich, als alles im Vorstehenden Er- 
örterte, ist eine andere Übereinstimmung unserer Inschrift 
mit dem Etruskischen, so frappant^ dass man fast meinen 
möchte, sie allein genüge zum Nachweise der Verwandt- 
schaft zwischen beiden Sprachen. Zeile B. I, 2 lautet so: 
zwcä : aviz : sial^iz : marazm : aviz : aomai. Hier haben wir 
deutlich zwei einander genau entsprechende Wortgruppen 
mit chiastischer Anordnung der Wörter, nämlich zwaiiauiz: 
zial^iz einer- und marazm : ctviz : aamai andrerseits. Es ent- 

3* 



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86 

sprechen sich zivai xmd.aomaiy aviz nüA.aviz^ sial^^viz und 
maraz. Daraus folgt, wenn aviz und sialf^mt richtig als Gene- 
tive gedeutet sind, dass auch, wie schon ohen (pag., 32.) ver- 
mutet wurde, mafäz ein solcher sei und daäs solnit das m 
hinter demselben nur der Form angehaogt sei, nicht ihr selber 
angehöre. Die allemächst liegende Vermutung .ist die, dass 
dies -m eine kopulative Partikel sei, durch welche, die beiden 
parallelen Satzglieder zwai:aviz:siäl^viz und maraz :amz: 
aomai mit einander verknüpft seien« Und mui hat in der 
That. Deecke längst (Mü.-De. Etr. 11^ 502sq.) nachgewiesen, 
dass ^m eine, dem Worte. angehängte etruskische Kopulativ- 
partikel mit dar Bedeutung „et^^ sei. Das ist doch, wie mir 
scheint, ein überaus schwer hegendes Zusanuneoatreffen. 

Neben den Yeigleichungspunkten führen die französischen 
Gelehrten auch zwei von Br&d voigebzachte GjcüBde ^egen 
4Ue Zusammengehörigkeit der Sprache unserer Inschrift mit 
dem Etruskischen an, nämlich das Yarkonunen des Vokals o 
in unserer Inschrift und die grosse Entfernung Zwischen Lem- 
nos und Etrurien. 

.., Dass der letztere nicht stichhaltig sei, daraitf weisen die 
franeösis^en Gelehrten selber beceits hin, aber auch ersterer 
ist es nicht.. Nicht der Laut o fehlte der etruskisöhen Sprache, 
sondern nur der Buchstabe für diesen Laut fehlte dem etrus- 
kischen Alphabet. Däss das Etruskische selbst den Laut o 
besass, er*giebt sich aus mehferen Thatsachen. 

I Zunächst ündet sieh bei der Wiedergabe etruskischer 
Namensformen im Lateinischeü das o oft genug; und zwar 
nicht etwa willkürlich, sondern in fester Regelung. So findet 
sich das u der etruskischen Namen auf '^, -um, -una^ weiblich 
-m, -1/712(0), 'icnei im Lateinischen durchweg durch wieder 
gegeben. Beispiele sind: 

etr. .ccjiu (z. B. Fa. no. 1075.), \ lat. Acfumiusy Äconms 

l (Ea 



aywu (z. B. Fa. m>.^ 159^) J (Ea; .pag. CXVL); 

lat. Petronitui (z 
CiL. i;no. 1353.); 



p^ru (z. Bi Fa. no. 680.), I 1 . W^ . , t» 

petrvm (z. B. Fa. no. 682 bis), ^ ^ 



petnmai (z. B. Fa. no. 439 ter), 



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lat. Fuloni (Fa. 

nö. 1091.), 

HoUon\i^ (Ga. 

110. 41?4). 



87 

pimgm (^. B^ 6a. no. 530.)/ \ lat. Pomponius (z. B. 
pumpwu (z. B. Fa. HO. 1042.)^/ Fa, w.. 1280-),. 
ßbi (z. B. Fa. no. 602.), 
hiäu (z. B* Gao no. 194.), . ; 
fidmi (z. B. IX no.. 1646.), < 
huluni (z. B; Fa. spl. I, no.. 23 J.)^ 
ßihmei (z. B. Fa. no. 829 ter), 

Absolut zwingend ist freilich dies W^odeigeben yon etr. 
u durch lat. a nicht dafüTj, dass die Etrusker dj^ehist wirklich 
den Laut o besessen hatten. Denn dieSaQhe lässt sich auch 
so erklären, dass die Romer nach der Analogie ihrer eigenen 
ziemlich zahlreichen Namen auf '■oniusy von. denen überdies 
ein Teil dei) ^jtrußkiscihen Napien auf -ti, -tmt, -una im Stamme 
entsprach, dieses* etruskische Sufiäx eben durch -mim ausge- 
drückt hätten, die Etrusker selbst indessen ein « gesprochen 
hätten. 

Dies Sachverhältais ist sehr mögliob, und ich würde daher 
aus den Namen obigßr Art allein den Schluas, dass die jßtrusker 
dereinst den o-Ia^ besessen hätten, nicht ziehen wenn nicht no^h 
eine zweite Thatsache hinzukäme, die das wahrscheinlich machte. 
Diese zweite Thatsache ab^jr ist die^ dass in sicher bestinun- 
baren etruskischen Namen sich der Laut cm nicht selten 
als kontrahiert darstellt, wobei das Conti^aktionsergebnis durch 
u bezeichnet ist. Dass ein au sich, zu il- kontrahiere, kitnn 
zwar als eine absolute Möglichkeit nich^ bestritten werden, 
aber das uns thatsächlich sonst (z. B. im Lateinisohen, Italie- 
nischen, Franzosischen) entgegentretende Eontiaktionsprodukt 
ist doch ö, und daher ist es wahrscheinlicher, dass das etrus- 
kische u nur deshalb erscheint, weil man kein Zeichen für o 
hatte, als dass die Kontraktion wii^lioh in den u-Laut statt- 
gefunden habe. Soloher etruskischen Beispiele von u neben 
an sind: 

pbOe (Fa. no. 905 bis a) neben /»&bi^ (z. B. Fa. no. 1717.); 

bOni (Fa. no. 1191.) neben Umtiu (Fa. no. 169.) und Umtnei 
(Fa. no. 2664 bis); 

cupiui (Ga, no. 447.) neben caupnal (Fa. no. 372.); 



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_38 

lucania (Fa. no. 1673.) neben laucani (Fa. no. 992.); 

btcini (Fa. spl. III, no. 312 a. b. c.) neben laucini (Fa. 
no. 647 bis); 

bcffmmi (Fa. no. 1674.) neben lauyiumes (Fa. no. 650.); 

upu8 (Fa. no. 790.) neben aupus (Ga. no. 711.); 

supni (Fa. no. 314.) und mpTuu (Fa. no. 339.) neben 
saupmas (Fa. spl. HI, no. 305.); 

sutrinaä (Fa. no. 1783.) neben scaätirine (Fa. no. 1751 bis). 

Dieses Yerhältnis scheint mir zusammen mit der obigen 
Wiedergabe des etr. -um durch lat. -onhu doch für das der- 
einstige Vorhandensein eines etr. o zu sprechen, zumal noch 
vielleicht eine dritte Thatsache hinzukommt. Diese dritte That- 
sache ist die anscheinende Erhaltung dieses Lautes im Nord- 
etruskischen. Ich meine damit nicht das Vorkommen des o 
in den Alphabeten der Poebene, die ich als die von Lugano 
und Este bezeichnet habe (cf. Pauli, altii Fo. I, 56 sqq. 47 sqq.), 
denn in beide ist das o, wie ich wahrscheinlich gemacht habe, 
(1. c. 60. 52.), erst nachtraglich wieder rezipiert, und zudem 
sind die in diesen beiden Alphabeten geschriebenen Inschriften 
der Sprache nach überhaupt gar nicht etruskisch, sondern die 
des Lugano-Alphabetes gallisch und salasso-lepontisch (1. c. 
70. — 96.), letzteres gleichfalls ein keltischer Dialekt (1. c. 95.), 
die des Este- Alphabetes in der Sprache der illyrischen Veneter 
verfasst (1. c. 112. — 121.). Ich meine vielmehr das Vorhanden- 
sein des o in einer Inschrift, die ich der Sprache nach als 
etruskisch in Anspruch genommen habe, in der Bilinguis von 
Voltino (1. c. 15, no. 30. 96.). Es ist zwar von Deecke (Grött 
gel. Anz. 1885, 62.) bestritten worden, dass diese Inschrift 
etruskisch sei, ja er meint sogar, das omezeclai obalzana 
ina „klinge so unetruskisch, wie möglich". Ich mochte aber 
doch die Etruscität der Inschrift aufrecht erhalten, da doch 
nichts im Wege steht, in dem obalzana ein mit etr. u^fale 
verwandtes etc.* uffalzna (cf. Bildungen, wie capznaj canzna^ 
velczna u. a.) zu sehen, während omezeclai^ wie ich schon etr. 
Fo. I, 96. hervorhob, einerseits an das mezune des Steines 
von Zignano, andererseits an clan erinnert, ina aber an das 



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39 

Pronomen ein, in sioh anzoschliessen scheint, mit dem z. B. 
die Inschrift Fa. no. 1957. 9anxviluä:caial:ein schliesst. So 
muss ich gestehen, dass ich in der Inschrift nichts Unetrus- 
kisohes zu finden vermag, aber, selbst diese Inschrift beiseite 
gelassen, so halte ich auch aus den anderen obigen Indizien 
das einstige Vorhandensein des <>- Lautes im Etruskischen für 
genügend gesichert. Der gleichen Ansicht huldigen übrigens 
auch Corssen (Etr. I, 10.) und Deecke (Gott. gel. Anz. 1886, 
59.). Bei der grossen Verschiedenheit, welche meine wissen- 
schaftlichen Anschauungen von denen der genannten beiden 
Gelehrten trennt, dürfte in einem solchen Zusammentrefien 
immerhin einige Gewähr für die Richtigkeit des Resultates 
li^n. 

Aus dem Vorkommen des o in der Inschrift des Haruspex 
von Pisaurum (Fa. no. 69.) und auf einem nolanisch-etruski- 
schen Gefass, welche Deecke (1. c.) für seine Meinung anführt, 
möchte freilich der Schluss nicht gezogen werden können. 
Die erstere Inschrift ist, wie die verschnörkelte Form der 
etruskischen Buchstaben darthut, sehr jung, so dass hier ganz 
unmöglich ein altes o sich erhalten haben kann. Überdies 
ist sie eine Bilinguis und eben in Picennm gefunden, Grund 
genug für das Eindringen eines o aus den italischen Dialekten, 
umsomehr, als das Wort fronta „fulguriator^^, in dem das o 
sich findet, gar kein einheimisch etruskisches, sondern ein in- 
dogermanischer Eindringling ist, der seinen mitgebrachten 0- 
Laut behielt. Ähnlich aber verhält es sich auch mit dem o 
des nolanisch-etruskischen Alphabets. Das Alphabet an sich 
ist freilich das etruskische, aber eben in Kampanien geschrieben, 
und der Schreiber kann leicht, der Gewohnheit des griechi- 
schen oder lateinischen Alphabets folgend, das o eingemischt 
haben. Wenn also auch aus diesen beiden Gründen Deeckes 
sich das einstige Vorhandensein des o-Lautes im Etruskischen 
nicht schliessen lässt, so glaube ich doch, dass dasselbe auch 
ohne das durch meine oben angeführten Gründe als gesichert 
anzusehen sei. 

Wenn also das Etruskische den Laut besass und nur 



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4a 

seinem Alphabete der entsprechende Buchstabe fehlte, dann 
hat es nichts Befremdliches, wenn in einer verwandten Sprache, 
die in einem Alphabet überliefert ist, welches das o besass, 
auch o sich geschrieben findet, und es kann somit aus dem 
Vorkommen des o in unserer lemnisidien Inschrift ein Gegen- 
grund gegen die Yerwaadtschaft der Sprache derselben mit 
dem Etruskischen nicht entnommen werden. Ja, ich glaube 
sogar, dafis sich aus dem soeben erörterten Verhalten des 
Etruskischen eher ein Grund für die Verwandtschaft der 
Sprache unserer Lenmos -Inschrift mit dem Etruskischen ge- 
winnen lasst Wenn das Etruskische dereinst das Zeichen für 
o besass und es später au%ab, so ist das doch wohl nur daraus 
zu erklären, dass die beiden Laute o und u sich in der Aus- 
sprache einander so genähert hatten, dass man kein Bedürfnis 
mehr empfand, sie durch verschiedene Buchstaben zu bezeich- 
nen. Nun aber zeigt unsere Lemnos-Inschrift, wie oben (pag. 
18.) bereits erwähnt, kein V ? sondern bezeichnet den ti-Laut, 
der in dem Namen, der Stadt Murina zu erwarten gewesen 
wäre, durch o (cf. oben pag. 35.), hat also gleichfalls für beide 
Laute nur ein Zeichen, so dass also auch in unserem lemni- 
schen Dialekt eine scharfe Scheidung beider Laute nicht vor- 
handen gewesen zu sein scheint. Das wäre dann doch in der 
That wieder ein neuer Eoinzidenzpunkt mit dem Etruskischen, 
der auch dadurch keineswegs entkräftet wird, dass das Etrus- 
kische zur Bezeichnung beider I^aute das t^, das Lemnische 
ds» wählte. Das ist nur eine Folge der lokalen Trennung 
beider Dialekte und der dadurch bedingten Anwendung zweier 
ganz verschiedenen Alphabete. Dass in Lemnos grade das i^ zur 
Bezeichnung beider Laute gewählt wurde, ist gewiss mit dadurch 
bedingt worden, dass in idlen älteren griechischen Alphabeten 
ja auch sonst das Zeichen O für o und u (oo) gememsam gilt 
Es bleibt also die Thatsache bestehen, dass sowohl das 
Etruskische, wie auch die Sprache unserer Inschrift die beiden 
Laute o und u nur durch je ein Zeichen bezeichnen, ofTenbar 
infolge einer einander genäherten Aussprache derselben. Das 
ist dann aber wieder ein gemeinsamer Zug beider Sprachen 



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41 

und sprioht eher für, als^sgen eine Yeorwandtschaft derselben. 
Weitere Gründe gegen diese Verwandtschaft sind nicht an- 
geführt worden und ^eben sieh, so weit ich sehe, audi nicht. 

Es wäi^e voreilig, so frappant auch die oben angeführten 
Koinzidenzpunkte unserer Inschrift mit dem Etntsldschen er- 
scheinen j mok aus dieser einen Inschrift schon schliessen zn 
wollen, dass dereinst auf Lemnos Verwandte der Etrud^er ge- 
wohnt hatten. Dazu würden doch erst noch weitere Inschriften 
reicheres Värgleichnng^naterial bieten müssen. Aber das kann 
man dodh jetzt bereits sagen, dasa das Etruskische mit der 
Sprache unserer Inschrift sehr zahlreiche und sehr aufiallige 
Verglmohnngspunkte bietet 

Unter dieser Reserve also will ich nun die Folgerungen 
beleuchten, die sich eingeben würden, wenn die Sprache unserer 
Inschrift sich wirkKdi als dem Etruskischen verwandt heraus- 
stellen sollte. 

Wir hätten dann also die Bestätigung der alten Über- 
lieferung, dass die Etrusker pelasgischen Stammes seien, und 
damit würde dann die vielberühmte Pelasgerfirage aufgerollt sein. 

Die bisher versuchten Losungen haben ja zu sehr ver- 
schiedenen Kesultaten geführt. Bald sah man in den Pelas- 
gern die ältesten Griechenstämme, bald Illyrier, bald Semiten. 
Auf letztere Ansicht, die Kieperts, wird aus mancherlei Grün- 
den etwas näher einzugehen sein. Kiepert (Handbuch der 
alten Geographie ^ .324. 402.) hält die Pelasg^»: also, wie über- 
haupt, so auch in unseren beiden Gebieten für Semiten. Aber 
das. geht um der Sprache willen nicht an. Die verschiedenen 
Versuche, das Etrustische aus dem Semitischen zu erklären 
(von Giambtdlario an bis Stickel), sind sämtlich als gescheitert 
anzusehen. Und in d^ That sieht auch Kiepert selbst die 
Sprache der etruskischen Inschriften nicht als semitisch an, 
sondern nimmt an, dass die herrschenden Semiten ihre Sprache 
völlig aufgegeben und die der unterworfenen Bevölkerung, der 
Ilsv^^fl^i der griechisdien Berichte, angenommen hätten. Ein 
solcher Hergang ist ja an sich sehr möglich und in der Ge- 
schichte oft genug voj^kommen, aber im vorliegenden Falle 



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42 

scheint mir die Annahme desselben auf Schwierigkeiten za 
stossen. 

Wir sehen auf Lemnos dieselbe nichtsemitische Sprache, 
wie in Etrurien, und mnssten daher annehmen, dass auch 
dort die herrschenden Semiten ihre Sprache aufgegeben und 
die der unterworfenen Urbevölkerung angenommen hatten, 
und zwar einer Urbevölkerung, die mit der Etruriens von 
gleichem Stamme gewesen sei. Das wäre doch ein wunder- 
licher Zufall, an den zu glauben schwer fallt Es erscheint 
doch einfacher, in dieser Urbevölkerung selbst die tyrrhenischen 
Pelasger zu sehen. Nun leitet zwar Kiepert den Namen 
Lemnos von n:nb „die weisse" und den von Samothrake, 
^Iflifioc 6pi)ix(iQ bei Homer, von rratD „die hohe" her, und 
auch der Name von Imbros kann allenfialls semitisch sein, 
sofern darin ein mio» stecken könnte, welches zu n"»»« „ca- 
cumen" gehörig wäre, so dass also Imbros „die gegipfelte" 
bedeutete, eine Etymologie, die auch an dem Namen der 
Amoriter, "»nttK, eine Stütze fände, sofern diese auf den 
Gebirgen südlich von Judäa wohnten und als „Btaxptot" auf- 
zufassen sein werden; aber, alles dies zugegeben, so scheint 
mir daraus nichts weiter zu folgen, als dass einst, wie an so 
vielen Punkten an den Küsten und auf den Inseln des Mittel- 
meeres, auch auf unserer Inselgruppe dereinst phönikische 
Faktoreien existiert haben, die aber zeitlich weit vor der 
tyrrhenischen Besitznahme der Inseln liegen. Ob in Etrurien 
je Semiten gewohnt haben, ist mir sehr zweifelhaft Agylla, 
dessen Namen man als semitisch hat nachweisen wollen, 
kann auch eine phönikische Faktorei gewesen sein, wie denn 
auch später noch an ihrem Strande eine karthagische Faktorei, 
das Punicum der Römer, lag (cf. Kiepert, 1. c. 410.); weitere 
semitische Ortsnamen aber giebt es, wie Kiepert selbst (1. c. 
402.) anführt, in ganz Etrurien nicht 

Aber der semitische Ursprung der Namen Lemnos, Samos 
und Imbros ist gar nicht einmal so sicher. Dass sie semitisch 
sein können, ist ja zuzugeben, aber andrerseits ist doch auch 
zu beachten, dass Namensformen, welche mit den Namen 



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43 

unserer drei Inseln verwandt sein können, sich bei den vorder- 
asiatischen Völkern finden. So haben wir zu Imbros die 
karischen Eigennamen ^l^ßpaoic und 'l;AßapY]X6o;, so wie "^1^- 
ßpa^o; als Bezeichnung des Hermes (Oeorg Meyer in Bezzen- 
bergers Beitragen X, 193.). So stellen sich zu Samos die 
Namen llaf&oXCa, Stadt in Earien, und die gleichfalls karischen 
Personennamen Da^aoot^ und ]^a(i<ouo(; (1. c. 197.). Zu 
Lemnos aber kann der Name der karischen Stadt AY)<{;((&av- 
6oc gehören, wenn A^javo; für A^icvoc oder A^ßvoc steht, 
eine Annahme die ja auch bei der Herleitung aus semitischen 
nanb nötig wird und deren Möglichkeit sich überdies von 
selbst versteht 

Es ist also die Herleitung der Namen unserer drei Inseln 
aus dem Semitischen keineswegs gesichert, ja nicht einmal 
sehr wahrscheinlich, und es kann aus ihnen ein irgendwie 
zwingender Schluss, dass die Bewohner der genannten Inseln 
dereinst Semiten gewesen seien, in keiner Weise gewonnen 
werden. 

Weiter fragt sich nun, ob wir in den Pelasgem Indo- 
germanen zu sehen haben. Deecke und Bugge nehmen dies 
für die Etrusker bekanntlich an, ich selbst habe es in Abrede 
gestellt, und eine Anzahl jüngerer Gelehrten hat sich mir 
angeschlossen. 

Jetzt scheint mir die Zeit gekommen, wo man dieser 
Frage näher treten könne, aber es wird zweckmassig sein, 
nicht sofort in die sprachliche Erörterung einzutreten, weU 
diese bisher keine Kesultate gebracht, sondern nur Irrtümer 
veranlasst hat, sondern zuvor den Versuch zu machen, ob 
man sich der Frage nicht von anderer Seite her nähern könne. 
Und die Möglichkeit hierzu scheint sich mir von geschichtlich- 
ge(^aphischer Seite her zu bieten. 

Otfr. Müller (Etr. H», 78.) hat sorgffiltigst aUe Punkte 
am ägäischen Meere zusammengestellt, „wo man die Pelasger- 
Tyrrhener in irgend einer Zeit bestimmt nachweisen kann'^ 
Es sind die folgenden: Lemnos, Imbros, Samothrake, Skyros, 



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44 

der Athas^ Metaoii auf Le^bo?, Parion am Hellespont, Plakia 
und Skj'lake au der Piopontis, Kyrikps, die lugel. Beßbikps, 
Pitäuei, AatandxOSji.die Küste von Toniebis, Termerion in Karien, 
Malea, und in Attika die Gegend .vom.Hymetto3 bis zum BissQs, 
ao wie auch wohj das. Vorgebirge Kolias. Diese» Orten sind 
naoh 0. Crusius (Beitr. zur griecb. Mythologie 4s(|4.)..Tbehi^n^ 
die Peksgiotis in Thessalien und die. Stadt Kxeston am Echei- 
doros in der Nähe des Ihermaiscihen Meerbusens anzuceiton, 
. In den vorstehend .gekannten Gebieten nun .stossen wit 
da, wo grössere Starecken. in den Händen der Pelai^er. waren, 
auf die eigentümlichen Ortsnamen« welche mit den Suffixen 
-SS- {'S-) und -nd- (-</-) gebildet sind und sich auehüber einen 
grossen. Teil Kleinasiens erstrecken. So haben wir: 

in Attika, und zwar in dem oben bezeichneten Gebiet 
oder wenigstens in der Nähe desselben, die Flüsse 'Uioooc und 
Kij^t(j(a)o; (in der Sage Vater des Napxioao;), das Gebirge 
BpiXiQoqo^^ wofür man nach attischer Weiße auch BpiXijTxoc 
sprach, und dem entsprechend auch^Tfir^Tto;, Aoxaßijrco; und 
S^TjTTo;, so wie die Stadt npoßaXivöo? (über gr. -vft- neben 
dem vorderasiatischen -nd- nachher); 

in Böotien die Flüsse KTj<pia(a)o(; und* Ilepjiijaoo;, die 
Städte TeofjLijaaoc und MuxotXijaooc; 

in Thessalien den Fluss flafiZoo; und die Städte 2xotoü3oö, 
ApYtooa, Aap7aa^ [lupaao;^ IlaYaoat, und zwar letztere sämt- 
lich in der Pelasgiotis gelegen; 

auf Lesbos die SlÄdte 'Ävttooa und "Epeoo?. 

Diesen selben ffildungen begegnen wir nun in eiilem 
grossen Teile Eleinasiens und des südöstlichen Europas. Es 
sind in Vorderasien (ich folge zumeist den Sammlungen Georg 
Meyers in Bezzenbergers Beitri^en X, 173 sqq.) die folgenden: 

in Bithynien: A(߻oaa; 

in Paphlagonien: keine; 

in Pontus: MeYaXcoooQc; Darpaou«, Bo{vaaa> Aofiaaa, 
2r^}i,io6^, Kdfitoo^ Ili(MDXi9a; — Oagonda; 

in Gidatien: AXiii9<io<;, Kapiaaa; ^AvSpaooc, AouSouoa; — 
Tp(Sx)Aa8a; 



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45 

iB Kappadolden: Ka^a9oi^, J^-igpoqioaoc. Ha^vaooo;, Saßa- 
kaooo^, 'laosoc, Zopozaoooc, Aaxpiaaao;> Dägf4ikamuSy Salma- 
kui9U»y MegaUumSy Nav«a<MK> 'Apaßi99fkf .Kixtaoo^, Mouxtooo^^ 
DpßaXiaodc, Tttapiaaoc, KaXtiopiaoa; Ooijvaaa, roS^aa^ Aat^> 
aa9a,Td|uoa^ Kouxoo^^C, Aa^oo^a; — AodiqaviSo;, AapavBa, 
AuKav$oc, HoSavSoc, SoavSa (und -So^), TCafMivSo^i Aaofiiv6a; 

inLykaonien: IUtsvijo^öc, 'Afionioad;^ K«pomaodc; Br^ocia^ 
Aoipaod«; (oder "ASpacrA;); — Toftmvßo?, AdpatSa; 4^((ia6a^ 
üuaoa$a^ TißaooaS«; 

in Phrygien: 'Aßaoad^, AXa^iaoad;^ 'Arravaoad«, 2uaoa<S<, 
kiSveo^eic, npofkvi)a<3dc, Tpivi^aoa^ KoS^oodc, KoXodoot; 'Afißa- 
00 v; — MoxxaSa, ^avvaSa; 

in Mysien: AopviQoad^^ Mop^ijood;, Map<n]aodci ^«p^oad;, 
ripeicsvto^d^, KopdßiooQij Fletpittaaoc; [Kvfioaoc, Kapijo«^ Aapiaa^ 
^ÄpifiCa; — MavSaxaSa; 

in der Troas: Mepfirjaod?; TpOYaoai; 

inLydien: Kepaaadc, 9üeaad<;, Kopi^aad;^ 2oX}it30o;;'Axpa- 
bb?, Tdi^aoo;, Aaptaa; — 5!(Xav8(>;, KdXavSo;, BXauvSo;; 

in Karien: 'AXtxapvaaad;, Boußaoad^, Kpuaaad;^ Kvßaaadc, 
Hpiv^aoo;., 'Y^aoodc, Ouaoao?, Toevvijood;, 'AStjoad^, Moxa- 
Xtjaad;, StvSijaad?, TeXfiijoad;, TüjivYjaad?, ^ApXioadj, Oe^toodc, 
Mo^wad;, Aopt39C(, Kupßio^a^ TSiaoa, 'AXo>9ad;, IltSwoad^; 
AüvSaoov, *'laao;, HetYiXaoo;, 'QvTwaauaao;, 'AYopTjad?, 'AaoTj- 
00?; — AXaßavSa^ 'A|id.vav8a, KapßaopavSa^ KapuavSot, KdX- 
XavSoCj AdjJpavSa, Aij|ifi.av&o;, NapiavSo;, ffctoavSa, ^aoav8a> 
^XtvSa, n(Ytv8a, DupivSo;, *lov8a, 'OxtwpxovSa, "O^ovSa, Tap- 
xdvSapa, KotXuvSa^ Müv8o;; MaoavwpaSa, "VviSoc; 

i^ Lykien: Axapaood^, Bab^^sus^ 'lj$eß7|0ad?^ Kaßifjos^i;, 
Kapfi^X^^ood^ 'AxaXiood?; Tipyaoov, Kopuoic; — ^xav8a, 'Apü- 
xavS«^ 6pd|av8a, KaSdavSa, Tn^yiSoc^ Tpsß4y2aiji ApoaSa^ 

in Pisidien: 'Aptaood;, niTuaootc, Da^oXaood?, Ta4>ßaa9dc> 
Tsp|i7)oodc, Ot8>ii}Xtood?; Kdpßaoa^ Kdp|iaaa, ^UXßa^a; — 
OtavSa, OJvdovSa^ tJpdavSa^ "'lofrSä, TaXßdvi«; 'AAiiiay "iiiA- 
ßXa8a^ 'Ofid^dKa; ...... 



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46 

in Pamphylien: KoXoßpaaa(5c, Aopvtjaao;; t)Xßaaa; — 
"AoicsvSo«; MayoSoc; 

in Kilikien: ritvSeviaooi;; lOXßaoa; — 0?v(av8o(;, MoaavSa, 
Krf».v8a, Na7t6o<;. 

Diese Zusammenstellung ergiebt folgende Statistik: 

«-Formen: in Bithynien 1, in Paphlagonien — , in Pon- 
tus 7, in Qalatien 5, in Kappadokien 23, in Lykaonien 5, 
in Phrygien 10, in Mysien 11, in der Troas 2, in Lydien 7, 
in Karten 27, in LyWen 8, in Pisidien 9, in Pamphylien 8, 
in Kilikien 2; 

rf-Formen: in Bithynien — , in Paphlagonien — , in Pon- 
tus 1, in Oalatien 1, in Kappadokien 8, in Lykaonien 5, in 
Phrygien 2, in Mysien 1, in der Troas — , in Lydien 3, in 
Karien 21, in Lykien 8, in Pisidien 8, in Pamphylien 2, in 
Kilikien 4. 

Diese Statistik zeigt folgendes: Die Namen auf -d- sind 
im ganzen seltener, als die auf-«-, sie verhalten sich zu ein- 
ander, wie 64 zu 120, innerhalb der einzelnen Provinzen aber 
ist das Verhältnis beider so, dass im Süden die Formen mit 
'd' verhältnismässig stärker vertreten sind als die mit -«-, so 
in Karien, Lykien, Pisidien, Pamphylien, Kilikien und Lyka- 
onien, während sie nach Norden stark zurücktreten, so in 
Pontus, Gküatien, Kappadokien, Phrygien und Mysien. Als 
den Hauptsitz dieser beiden Formationen überhaupt ergeben 
sich Kappadokien, Karien, Lykien und Pisidien, in zweiter 
Keihe Lykaonien, Phrygien, Lydien, Mysien, nur dünn gesät 
sind sie im Norden. Dies deutet also darauf hin, dass das 
eigentliche Centrum ihrer Ausbreitung in den genannten Süd- 
provinzen gelegen habe, von wo aus sie sich in aUmählicher 
Abnahme nach Norden hin verbreitet haben. Das heisst also, 
anders ausgedrückt, das Volk, das diese wunderlich klingenden 
Namen schuf, war im Süden sesshaft und breitete sich all- 
mählich von da nach Norden aus. 

Aber das Verbreitungsgebiet dieser Namen ist mit Vorder- 
asien noch nicht abgeschlossen. Wir können sie auch jenseit 
der Propontis noch in Thrakien (im weitesten Sinne des 



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47 

Wortes) weiter verfolgen. So haben wir ^^r^ooo^, T)8i)aao<^ 
ZaXlioSiQaaoc, Ali;ioo6^y Z(X(iioaoc^ Naioarfc, ParaUssuSy Paia- 
nissaj lIxotoGosa, Oooadc, jedoch, soweit ich sehe, keine Namen 
mit -Suffixen, die ja auch schon im Norden Eleinasiens 
selbst verschwanden, letzterer Umstand besonders beweisend 
dafOr, dass zwischen diesen thrakischen Namen und den 
asiatischen ein wirklicher geschichtlicher Zusammenhang be- 
stehe. 

Von Thrakien aus aber ziehen sie sich weiter durch 
Makedonien, wo wir sie finden in: "ÄYaooa, "ESeooa, "Apviaaa, 
To'piooa, OooaeJc, auch hier nur Formen mit -*-, keine mit -rf-. 

Damit sind wir denn an der Grenze von Thessalien an- 
gelangt und es schliessen sich nun die oben bereits aufgeführten 
Namen in Thessalien, Böotien und Attika an. 

Aber in Griechenland lassen sich die Namen dieser For- 
mation noch über die oben genannten Gebiete hinaus ver- 
folgen. So haben wir: 

in Phokis: das Gebirge napvaoaoc, den Fluss KiQ<pto9d<; 
und die Städte Koicapiaod; und 'A^ßpoooc; 
bei den ozolischen Lokrem: "Aiifiooa; 
in Aetolien: die Gebirge Ta^iaood; und Apaxuv&o;; 
in Achaia und Elis: das Gebirge 'Ep(>|i.av&o;; 
im ionischen Meere: die Insel Zaxovfto;; 
auf dem Isthmos: Koptvi^oc; 
in Argolis: IScr^ivi^o;; 
auf Euboea: Kipiv&o;; 
auf Eeos: Kopi^ood;^ flotiQeaaa; 
auf Faros: Mapmjaoa; 
daneben: die kleine Insel npeTr^otvftoc; 
unter den Sporaden: die Insel AißtvÖo<;; 
auf Chios: BoXtaod^ und das Vorgebirge Kauxaa«; 
auf Kreta: ToXio^dc und Kva>{a)od(;; 
griechische Pflanzstatte: 
auf ChaUddike: "AxavÖo;, t)Xüvfto;; 
in Thrakien: [lipivfto;. 



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48 

Bei Yorstehender Aufzahlung, sind die zahlreichen griechi- 
sehen Inseh^Ain^n auf -ouaaoi, nicht mit aufgeführt, w^iJL 06 
nicht sicher ist, ob diese ni^ht echt griechisch sind. Viele 
von ihnen habesi anscheinend eine klare griechischß Etjmplogie, 
wie z. B. Oivoüsoa vor Methone i. e. oivoeoaa y,die weinreiche'*, 
£xo^>^oÜQaabeiNaxo8 ,|die hinsenreiche'', O^pfiaxooooqi zwischen 
Halikamass und Milet „die heilmittebeiohe'S ^Ttxoiiooa eben- 
dort „die regenreiche". Es wäre an sich möglich, dass hier 
Volksetymologie vorläge, aber da nicht ersichtlich ist, warum 
die?e grade nur bei Jnseln ihr Spiel getrieben hätte, sonst 
nicht, so sind sie doch wohl für echt griechisch zu halten 
und deshalb von mir in das obige Verzeichnis nicht auf- 
genommen. 

Bemerkenswert an vorstehender Aufzählung ist zweierlei, 
einmal, dass wir die fraglichen Namen mehrfach an Gebirgen 
und Flüssen haften sehen, ein Zeichen hohen Alters, und 
sodann, dass biet auf griechischem Boden plöteMch das im 
nördlichen Kleinasien nur noch seltene, in Thrakien und Make- 
donien völlig verschwundene Suffix -nd- in ziemlich grosser 
Anzahl wieder auftaucht, ^iber.ijpi^ der ver^ei;ten Gestalt -*v&-. 
Diese letztere Thatsaehe wird weiter unten in bezug auf ihren 
Wert näher geprüft wenden. . ........ 

Es ist ein weit ausgedehntes Gebiet, auf dem die Namen 
unserer Formation herrschen, ^ so ausgedehnt, dass n^w f^t 
vermuten könnte, der Gleichklang der Endungeji sei ein zu- 
fälliger und materielle Verwandtschaft gar^ nicht vorhanden. 
Aber dem steht der Umstand entgegep, d^ss manche Namen 
in verschiedenen Gegenden . wie4^rkehren. So. finden, sich 
ausserhalb Griechenlands folgende Pandleleu: 

Aoptoa in Lydien, Mj^ionund der Troas; 

lOXßaoa in Eälikien, Pisidien, Pamphjlienj 

Aupviqo90/c in Jiysien, und Pamphylien; 

'laooo; in Kappadokien, ''laaoc in Kai^enj ^ 

TepfjLijoaoc in Pisidien, TeXfiTiaoöc in Karien; 

'Aptaoao; in Pisidien, 'AXtaoqd? in Galatien; 

Aßaaad; in Phrygien, Hahessm in Lykien; ,_ . 



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49 

Kaßaaoo? in Kappadokien, KaßYjaod; in Lykien, Koßaaack 
in Karten ; 

'Axapaaoo^ in Lykien, 'Äxpaao<: in Lydien, 'ÄYopr^oo; in 
Karien; 

Sabnalassus in Kappadokien, 2!aX[jLu8iQ036(; in Thmkien; 

Megalasms in Kappadokien, MsYaXoioooc in Pontus, Mo- 
xoiXTf)oao^ in Karien; 

!A8y]03o? in Karien, 'ü8Yjao6<; in Thrakien, *'E8eaoa in 
Makedonien; 

M8pixY)3a<$^ in der Troas, Müp[jLTf)ooo<; in Mysien; 

Tdjxaao? in Lydien, Tofitoa in Kappadokien; 

FoSaoa in Kappadokien, KoSiaaoc in Phrygien; 

AdiSaaa in Pontus, AouSooaa in Galatien; 

'T-jfaaadc in Karien, 'AYTQa3d<; in Thrakien, 'ÄYaaoa in 
Makedonien; 

üoXfjitaadc in Lydien, ZtX}jitaao<: in Thrakien; 

Öoaad«; in Thrakien und Makedonien, Ooeaad? in Lydien, 
ilüaaad? in Phrygien; 

ÖsfjLtooo? in Karien, 5lTf)[jLiao<; in Pontus; 

Kopomaaoi; in Lykaonien, Kopiißtaaa in Mysien, Kopßtaaa 
in Karien, Kdpßaaa in Pisidien; 

Kspaaad? in Lydien, Kop7]aao<; in Lydien, Kipxjooc in 
Mysien, Kapioaa in Galatien, Kapoai<; in Lykien; 

IIivd8vi9a6<; in lülikien, risTevYjaorf? in Lykaonien, Pata- 
nissa in Dacien; 

ActpavSa in Kappadokien und Lykaonien; 

OtvdavSa in Pisidien, Oiv(avöo<; in Kilikien; 

KaXavSo? in Lydien, KaXovSa in Karien; 

OiavSa in Pisidien, ^'lovBa in Karien; 

KüivSa in Kilikien, Kaotvoava in Lykaonien; 

'AfjidvavSa in Karien, 'OjjidvaBa in Pisidien; 

''A;cav5a in Lykien, "O^ovSa in Karien; 

KaSdavSa in Lykien, Kotpoavoa in Karien; 

TpeßivSai in Karien, TaXßdvSa in Pisidien. 

Bei manchen dieser Ansetzungen entsprechen sich die 
Formen nicht völlig, sondern sind sich im Klang nur ähnlich. 

Pauli, loBchrirt Ton Lemnos. 4 



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50 

Trotzdem sind die Vergleichuogen nicht abzuweisen, weil ein- 
mal anzunehmen ist, dass auf einem so ausgedehnten Gebiete 
Dialektverschiedenheiten bestanden haben werden, andererseits 
aber uns die Namen nur in der Schreibung der Griechen vor- 
liegen, welche fremde Laute ziemlich ungenau auffassten und 
wiedergaben. Das lässt sich an solchen Wörtern, wo wir die 
Originalform kennen, leicht nachweisen. So wird z. B. 

altpers. Klutajnrsä zu gr. Sip^Y]?; Artakhsatra zu 'Apta- 
Sip^TjC; Aqpakanä zu *AairaftivYjc; Uvakhsatara zu Ki>aWp>3?; 
Gaubaruva zu r«>ßpoa;; Kaisvis zu Teiom)^; Därajavus zu 
Aapsio^; Fravarti zu OpaopTY](; ; Vindaßrcmä zu ''Ivta^ipvTQC ; 
Bagabukhsa zu MsYoßoCo;; Bardija zu 2!ixipS7|<;; Kambti^ija 
ZU Ka[jLßuar^(;; Fidama zu 'TodtpviQc; Victäq[)a zu ^ToTaam]«;; 

lykisch pixedcti'a zu gr. Ili^cuSapo«; und lliaeSapo^; 6;;^^ 
zu ''Ixta^;; ekcUamla zu 'Exarojxva^; moUihisi zu MoAXi<5ic; 
c>rÄi;a zuTpTioc; porihimeüä zu flüpfiian;; siderija zu^iSapto;; 
(cf. Mor. Schmidt, Neue lykische Studien). 

Die vorstehenden Beispiele zeigen, dass von gleichmässiger 
und fester Lautbehandlung gar keine Rede sein kann, sondern 
dass man sich damit begnügte, den ungefähren Klang des 
fremden Wortes wiederzugeben. Wir sind also zu der Ver- 
gleichung und Identifizierung der obigen wenn auch nur ähn- 
lich klingenden Formen völlig berechtigt und dürfen daher 
auch aus ihnen den Schluss ziehen, dass alle diese Ortsnamen 
in der That ein und demselben Volk entstammen. 

Und das gilt auch von den griechischen Ortsnamen der 
betreffenden Formation. Denn auch von ihnen kehrt ein Teil 
auf anderen Punkten unseres Gebietes wieder. So finden wir: 

zu flapvaooo; in Phokis flapvaaao«; in Kappadokien, 
npivao9o<; in Karien; 

zu MüxaXiQaooc in Böotien MüxaXTfjoa<{^ in Karien, Mega- 
lassus in Kappadokien, Me^aXaiGao; in Pontus; 

zu Kop>]3ao<; auf Keos KpY]ood<; in Ljdien , Kspaaao^ in 
Lydien, Kapirjao«; in Mysien, Kaptaaa in Galatien, Kdpuai; in 
Lykien; 

zu Mfltpmjoaa auf Paros MapirTjaao; in Mysien^ 



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51 

zu KT^(pi(a)oo^ in Attika und Böotien Kaßyjaao? in Ly- 
kien, Kaßaoao<; in Kappadokien; 

zu 'Apyioaa in Thessalien 'ApyiCa in Mysien ; 

zu "Äfji'fiaaa bei den ozolischen Lokrern "Afjißaaov in 
Phrygien; 

zu Kauxaaa auf Chios Kooxooao? in Kappadokien; 

zu Aapöa in Thessalien Aapioa in Lydien, Mysien und 
der Troas; 

zu 'Epüjjtavftoc in Elis 'Opo}jiav8<5<; in Kappadokien; 

zu "AxavBo; auf Chalkidike *Axav8a in Lykien, D^ovöa 
in Karien; 

zu Koptvfto^ auf dem Isthmus und K^pivfto; auf Euboea 
KaXav8o<; in Lydien; 

zu nipivBo; in Thrakien riopivSo^ in Karien. 

Auch hier liegt die Verwandtschaft, wie ich glaube, völlig 
auf der Hand und ist nicht zu bezweifeln. Übrigens habe ich 
in beiden Registern nur solche Lautwandel zugelassen, die auch 
sonst vielfach vorkommen. 

Ich habe bei der vorstehenden Untersuchung nur die -«- 
und -rf-Suffixe berücksichtigt, weil sie die charakteristischesten 
sind und sie zur vorläufigen Feststellung des Thatbestandes 
mir zu genügen schienen. Es giebt aber auf dem fraglichen 
Gebiete noch eine ziemliche Reihe anderer Suffixe, welche 
Georg Meyer (1. e.) gleichfalls behandelt hat. Es sind die 
folgenden: -va (-ava, -tva, -«>va, -Yjva, -ova); -pioc (-«f^o?, -tpioc, 
-o}jio<:, -üjjLOc, -ü)|io<;); -pa (-apa, -spa, -opa, -t>pa, -«>pa, -aopa, 
-eipa, -oopa); -Xa (-aXXa, -aXa, -eXa, -i^Xa, -tXa, -oXoc, -coXoc, 
-ooXa); -xa (-axa, -wxa, -ixa, -uxa); -ta (-otta, -ita, -o(T)Ta, 
-oToc, -oüta); -ßa (-aßa, ->)ßa, -ißa, -oßa); -ira"{-aTra); -ooa 
und -oa; -a-^ov. Bei ihnen allen wechselt die flexivische En- 
dung zwischen -o(;, -a, -ov, was natürlich alles dreies Gräci- 
sierung ist. Meyer führt als gesondertes Suffix auch noch 
-Ca ('OlQol, -iCa, -oCa) auf, welches ich indessen, als eine mut- 
massliche Nebenform von -aa, bereits bei den -/f-Formen mit 
behandelt habe. 

Die Gesamtheit der mit ihnen gebildeten Namen hier 



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62 

aufzuführen, scheint mir tiberflüssig, die Zusammenstellung 
bei Georg Meyer (1. c. 190 sqq.), der sie nach den AVort- 
stammen geordnet vorführt, ist, wenn auch einzelnes vielleicht 
zu ändern ist, doch im ganzen ausreichend, um aus ihr den 
Nachweis zu führen, dass sowohl die Namen auf -(ä)ä. und 
-(w)fi?-, so wie auch die mit den genannten andern Suffixen 
gebildeten in der That ein und demselben Volke angehören. 

Nachdem somit festgestellt ist, dass sich durch ganz 
Vorderasien, Thrakien, Makedonien und gewisse Teile Griechen- 
lands Ortsnamen von einem bestimmten charakteristischen Ge- 
präge hindurchziehen und dass diese Namen von ein und dem- 
selben Volke herrühren, wird es sich fragen, ob auch die 
Etrusker an diesen Ortsnamen teilnehmen. 

So gestellt, ist die Frage zu verneinen, denn die Orts- 
namen in Etrurien sind sämtlich, so weit sie klar sind, itali- 
schen Ursprunges und älter, als die Einwanderung der Etrusker. 
Aber in der sonstigen Wortbildung der Etrusker spielen die 
beiden Suffixe, die die oben behandelte Ortsnamenbildung be- 
herrschen, eine grosse Rolle. 

So haben wir -ä(-^ als stammbildeudes Element in den 
Appellativen flerei und öm«*^, in dem Götternamen maris^ dem 
Vornamen locns und den Zunamen pm*, hatis^ vatis^ cilisj cutUs, 
lecetis, türkis und pultus, sie alle echt etruskisch im Gegen- 
satz gegen die meisten anderen Namen, welche indogermani- 
sches Lehngut sind. 

Das -nb aber begegnet als Ableitungssuffix in dem 
Appelativum munbj von dem wohl der Göttername munbux 
eine Ableitung ist, in den Götternamen lehib, vauW und awimt) 
(Fa. spl. I, no. 374.), in den Vornamen m-(?/)wJ>, äw(w)1^, weibl. 
ravn^ und^ramba, (wohl für rmwwfta), in dem Namen ^iwwiD 
(6a. no. 6.) und den Sklavennamen fewift und /i/xmD, zu 
denen sich auch noch das von Paulus überlieferte falmidum 
„Himmel" gesellt, welches in etruskischer Form* fal{a)nb 
lauten würde. Alle diese Formen sind gleichfalls echt etrus- 
kisch, und ich glaube jetzt an den indogermanischen Ursprung 



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53 

von flrw& und larb so wenig mehr, wie an den ron tesinb 
und plsM. 

Beide Suffixe also sind im Etruskischen, wie man sieht, 
sehr lebendig, aber damit nicht genug, es entsprechen auch 
einzelne dieser etruskischen Formen direkt vorderasiatisch- 
griechische Ortsnamen. So haben wir die Ortsnamen Aapioa 
(Lydien, Mysien, Troas, Thessalien) und AapavSa (Kappadokien, 
Lykaonien) anscheinend von den etruskischen Vornamen laris 
und lamb mit -« weitergebildet, so scheint MiivSoc (Karlen) 
sich an etr. munb anzuschliessen, so zeigen fl^ptvfto; und peris, 
wie es scheint, gleichen Stamm. 

Es fragt sich nun, welchem Sprachstamme diese eigen- 
artigen Bildungen angehören. Semitisch sind sie nicht, das 
sieht man auf den ersten Bliek, aber für indogermanisch sind 
sie gehalten und erklärt worden von Georg Meyer in seiner 
mehrfach erwähnten Abhandlung über die Karer (Bezzen- 
bergers Beitr. X, 198.). 

Mir scheint indessen durch seine Betrachtungen der indo- 
germanische Charakter der fraglichen Ortsnamen keineswegs 
erbracht. Er fuhrt zwar eine Anzahl derselben auf indoger- 
manische Wörter zurück, aber, wie mir scheint, ohne Evidenz. 
So vergleicht er z. B. die Namen des Stammes 'AXy- mit lit. 
alffä „Lohn"; 'Ap- mit skr. arja; 'Apß- mit gr. opcpavo<;; 'Apa- 
mit baktr. orMn „Mann"; Bap-y- mit bhargh\ AiSfxaaa mit 
gr. 6eji«>; 'IS- mit gr. iSpoco oder elBov oder tSpco;; 'Ifißp- 
mit lat. imber; 'IvSo^ mit skr. sindhu; KaS- mit gr. xixaajiai; 
Kav6- mit skr. kandra „Mond"; Kapß- mit got. hvairban 
„drehen"; Kap8- mit skr. kardama „Sumpf"; KoA- mit gr. 
xoXo^ „verstummelt"; Koß- mit skr. fobhate „glänzen"; Vk- 
mit oXAtifii oder oXopa „Spelt"; flapy- mit skr. par^ (unbe- 
legt!); llaa-mit gr. ndoo(D oder naxio\i.ai; ilar-mitlat. /^o^/k^; 
riia- mit gr. moo(; „wasserreiche Niederung" oder mit skr. pi- 
na^H „zerstampfen", lat. pinso; llXa^- mit gr. icXtqooco, lat. 
plaga; llpi- mit skr. pri „lieben" oder Äri „kaufen" ; IIoy- mit 
lat. pttnffo; 2ap- mit skr. sar „fliessen"; 2iv8- mit skr. sindhu 
„Fluss"; ÜTpoß- mit gr. atpopaXo*;; io- mit gr. aG;; Tapß- 



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54 

mit gr. xapßo;; Tapx- mit skr. tarkajaä „vermuten^*; TeXjA- 
mit gr. tiXjia; Tcv8- mit lat. tendo; Toji- mit lat. tumeo. 

Selbst weuii man davon absieht, dass ein grösserer Teil 
der von Meyer aufgeführten Wortstamme ohne indogermanische 
Vergleichungen bleibt, weil sich eben nichts Vergleichbares 
findet, selbst wenn man zugiebt, dass bei den vorstehenden 
Etymologieeu lautlich alles in Ordnung sei, obwohl manches, 
wie z. B. der doppelte Reflex des indischen stndhu durch 'lv8- 
und i'ivS- grosse Bedenken hervorruft, so scheitert doch für 
mich das Indogermanentum der obigen Namen an einer an- 
deren Erwägung. Wie die indogermanischen Personennamen 
allesamt inhaltlich ein bestinmites Gepräge zeigen und ganz 
bestimmte Anschauungen überall in ihnen wiederkehren, ein 
Verhalten, wie es am klarsten und eingehendsten von Fick 
in seinen „Griechischen Personennamen" dargelegt worden ist, 
ganz ebenso zeigt sich auch in den Ortsnamen der indoger- 
manischen Völker ihrem Inhalte nach ein gleiches bestimmtes 
Gepräge. Ich kann das an diesem Orte natürlich im einzelnen 
nicht ausfuhren, aber die Thatsache steht fest. Von diesem 
festen Gepräge der indogermanischen Ortsnamen aber weichen 
die obigen Zusanunenstellungen Meyers der Mehrzahl nach ab. 
„Sumpf* und „wasserreiche Niederung** dienen dem Indoger- 
ganen wohl zur Benennung von örtlichkeiten, nicht aber Be- 
grifl*e, wie „Lohn", „Schweiss", „verstünmielt", „vermuten" 
u. dgl. An dieser Klippe scheitert das Indogermanentum 
obiger Namen, wobei es ja natürlich immerhin möglich ist, 
dass einzelne derselben von angesiedelten Indogermanen 
herrühren, seien es Griechen, seien es Eranier. Das beweist 
aber für die grosse Masse der fraglichen Namen nichts. Im 
allgemeinen muss ich den methodologischen Satz aufstellen, 
dass bei Untersuchung von Ortsnamen neben den lautlichen 
Entsprechungen ebensosehr und vielleicht noch mehr die der 
Anschauungen nachgewiesen werden müssen, wenn aus ihnen 
ethnologische Schlüsse gezogen werden sollen. Dieser letztere 
Punkt wird fast stets vernachlässigt, ein Umstand, der mit 
einer allgemeinen Krankheit der Sprachwissenschaft zusammen- 



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55 

hängt, sofern man viel zu einseitig, und in den letzten Jahren 
noch mehr, als früher, die lautlichen Verhältnisse ins Auge fast. 
Meyer sucht nun zwar das Indogermanentum der obigen 
Namen auch durch den Nachweis, dass die in ihnen verwandten 
Suffixe indogermanisch seien, zu fuhren. Aber auch dieser 
Nachweis ist, wie ich glaube, nicht erbracht Meyer weist in 
der Ortsnamenbildung folgende Suffixe auf: 1. -oao<; (-aaa) 
und -oo<; (-oa); 2. -v5a (-v8o;); 3. -8a (-80;); 4. -va (-vo<;); 
5. -|Jio<; (-|ia); 6. -pa (-poc); 7. -Xa (-Xo;); 8. -xo<; (-xa); 
9. -ta (-Tb?); 10. -C«; IL -ßa; 12. -ica; 13. -oüa und 
-oa; 14. -Yo? (-yov). Hiermit vergleicht er nun eine Anzahl 
indogermanischer Suffixe, wie skr. -na (-äna, -ina), gr. -voc 
(-Tjvoc;, -ivo«;), lat. -nus {änus), slav. -nu (-mw); gr. -|i.o<;, slav. 
-mü; skr. -ra (-ctra, "Vara, -uro), gr. -poc (-apov, -epo?, -opov), 
slav. -rtt (-arUf -eruy -orü); skr. -fa (-«/a, -«äz, -iloy -ulajy gr. 
-Xoc (-aXov, -YjXoc, -oXo<;, -coXo«); slav. -fö (-a/ö, -ifo, -ifö, -olu), 
lett -& (-ä&); skr. -A«, slav. -Ai<; gr. -to?, slav. -tu; slav. -Äa; 
skr. -va). Aber grade bei den beiden Hauptsuffixen, denen die 
weitaus grosste Masse der Ortsnamen zufallt, bei -00- und 
-v6-, versagt der Indogermanismus. Bezüglich des ersteren 
gesteht Meyer selbst (1. c. 178.): „ . . . auch ich vermag aus 
den indog. Sprachen kein Suffix oder Wort nachzuweisen, mit 
•dem sich -aaoo? oder eine seiner Nebenarten unbedenklich 
identifizieren liesse^', und bezüglich des zweiten ist er genötigt, 
nicht bloss auf gr. -v&o«; in 'AxavOo;, KcSpiv&o«;, llspivftoc> 
tDXovfto;, Zaxuv&o«;; axav&a^ |iapav&oc, <paXavftoc, ipeßivftoi;, 
Tepißivfttx; (Tep|itvfto;)y jmJpivt^tK, ßoXiv&o^^ aiYivfto«;, xijpivftoc, 
uaxiv&oc^ sondern auch auf gr. evfta, lat indey nnäcy slav. 
tqduy üfde, altpreuss. stwendau zu rekurrieren. In letzteren 
Formen ist das -& (-c/) doch wohl ein altes Kasussuffix und 
daher zur Yergleichung nicht geeignet, aber auch die griechi- 
schen Formen auf -vfto? beweisen nichts. Abgesehen von ein^ 
zelnen derselben, die Komposita aus indog. Material zu sein 
scheinen, also ein Suffix -v&0(; gar nicht enthalten, entbehren 
die übrigen sämtlich einer klaren indogermanischen Ableitung 
und sind wohl, gleich den Ortsnamen Kopiv&o(; etc., vor- 



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56 

griechischen Ursprunges. In letzterem Falle mögen sie immer- 
hin mit dem vorderasiatischen -v8- zusammenhängen, beweisen 
dann aber natürlich nichts für den indogermanischen Ursprung 
eben dieses -vö-. Somit versagt also grade für die Haupt- 
masse der vorderasiatischen Namen, die auf 'oa- und -vS-> 
der Indogermanismus, und dieser Thatsache gegenüber will 
auch die scheinbare Übereinstimmung der Suffixe mit -n-, -m-, 
-r-, -/-, -Ä-, 't' nicht viel sagen, denn grade diese Laute dienen 
weit über den Bereich des indogermanischen Sprachstammes 
hinaus zur Bildung von Suffixen und tragen gar nichts spe- 
zifisch Indogermanisches an sich. 

£in(t Hauptstütze für das angebliche Indogermanentum 
der Karer ist bisher der Name der Stadt 'AXoßavSa gewesen, 
von der Stephanus von Byzanz (cf. de Lagarde, Ges. Abb. 269.) 
sagt sie sei ein xTio|ia Kapoc; .... too xXTjftevto; 'AAaßavSoo, 
b iati xata tiiv Kap(ov (pcovi^v tincovixo;' a^a yip tov Tincov, 
ßav8a 8e ttjv vixtjV xaXouaiv. Letzteren Satz bestätigt Stepha- 
nus dann weiter noch unter 'TAAooaXa, wo er sagt, aka oi 
Kdpe^ TOV wncov IXs^ov. Diesen Glossen fügt dann de Lagarde 
die Erklärung bei: „aXa setze ich = skr. arva . . . ., dessen 
V verschwunden ist, wie in den [kurz vorher von ihm be- 
sprochenen] kappadokischen Wörtern. Zu ßavSa vergleiche 
ich pers. band in dßwband „Dämonenbändiger". aXaßavSa 
wäre bis auf den Accent genau ein indisches arvabandha^ das 
allerdings nicht vorhanden ist." Dieser Erklärung stimmt 
Georg Meyer (Bezzeubergers Beitr. X, 155 sq.) bei. 

So einleuchtend aber dieselbe auch erscheinen mag, 
zwingend ist sie in keiner Weise. Gesetzt auch, alle obigen 
Angaben des Stephanus seien richtig, so folgt daraus doch 
nichts. Denn wer steht uns dafür, dass nicht die fraglichen 
Wörter aus dtim Erauischen in das Karische eingedrungen sein, 
wie wir ähnlichen Eindringlingen weiter unten in den angeb- 
lich lydischen Spraohresten begegnen werden? Da die eraui- 
schen Phryger (cf. oben pag. 29.) so gut Nachbarn der Karer, 
wie der Lyder waren, so konnten natürlich von ihnen aus so 
gut eranische Elemente in die Sprache jener eindringen, wie 



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57 

in die dieser. Angesichts der so zahlreichen Ortsnamen Eariens, 
die eine indogermanische Etymologie durchaus nicht zulassen, 
würde dieser einsdge indogermanischa nichts beweisen. 

Aber es ist auch keineswegs so sicher, ob man die An- 
gaben des Stephanus so ohne weiteres als richtig hinzunehmen 
habe. Für feststehende Thatsache halte ich zunächst nur, 
dass es einen Ortsnamen 'AXaßavSa und einen ebensolchen 
*VXXoi>aAa gab. Dass in letzterem ein ala „Pferd" stecke, 
ist aus mehreren Gründen sehr unwahrscheinlich. Ortsnamen, 
wie „Rossberg, Rossbach" u. dgl. tragen wohl das indoger- 
manische Gepräge an sich, von dem ich oben (pag. 64.) sprach, 
aber dass ein Ortsname auf „-ross" endigen solle, ist mir nicht 
glaublich. Dazu kommt weiter, dass ein Suffix -ala in den 
Ortsnamen unseres Gebietes ein ganz gewöhnliches ist. Georg 
Meyer (1. c. 184.) führt an aus Karien selbst A«i8aX«, (lao- 
aaXa, ^mßaXa^ AA.((j.aXa; aus Lydien PaßaA«, iataXo, ToißaXa; 
aus Lykien TptißaXa; aui^ Kappadokien ^LiaXfi, l^aiaXa, Ozzala, 
KapfxaXa; aus Pontus lliaXa; aus Galatien AavftXa; aus Phry- 
gien KauaXa. Dass von diesen zahlreichen Bildungen unser 
'VXXouaXa zu trennen sei, das ist doch mehr als unwahr- 
scheinlich. Ebenso aber liegt die Sache bei AXaßavSa. Georg 
Meyer (L c. 156.) gesteht selber zu, dass man gegen die Er- 
klärung des Stephanus den Einwand erheben könne, „dass avBa 
Suffix sein müsse, weil es .... in einer Anzahl karischer 
Städtenamen in gleicher Funktion erscheint." Meyer selbst 
hält freilich diesen Einwand für hinfallig, aber, wie ich glaube, 
nicht mit Recht. Die zahlreichen Namen auf -av8a findet 
man oben (pag. 45.) zusammengestellt. Sieht man einen 
solchen auch in 'AXaßavSa^ so würde dies auf einen Stamm 
^'AXaßa führen. Grade dieses Suffix -ßa aber findet sich nun 
auch sonst wieder in den Ortsnamen unseres Gebietes. So 
haben wir in Karien KaooXaßa, Msa^aßa^ Kav67)ßa^ T£v$T)ßa; 
in Galatien Magaba; in Paphlagonien Bapißa; in Lykien 
KavSoßa (Georg Meyer 1. c. 188). Das alles macht es doch 
höchst wahrscheinlich, dass auch in 'AXdßavSa eine lediglich 
suffixale Bildung, kein Kompositum, vorliege und dass die 



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58 

Zurückfuhrung auf aka „Ross" und ßdvSa „Sieg" lediglich 
Volksetymologie sei Ein karisches Wort aka „Pferd" mag 
immerhin existirt haben, das glaube auch ich, ohne dass ich 
darin freilich einen Verwandten mit skr. arva zu erblicken 
vermag. Aus diesem aka und dem eranischen Lehnwort ßoivSa 
„Sieg" leitete man sich dann einen mythischen Eponymus 
'AXaßfltvBTj? oder 'AXaßavSo? ,/Iincdvixo?" ab, auf den man den 
Stadtnamen zurückführte. Das Gleiche gilt natürlich auch für 
die ebenfalls karischen Ortsnamen ''TßavSa und MooaßavSa 
(Georg Meyer 1. c. 156.). Auch diese leiten sich auf ♦"Tßa 
und *Moüaßa zurück, und einen „Schweinesieger" und „Mause- 
sieger" wird man schwerlich in ihnen sehen wollen. 

Selbst eine dritte Möglichkeit der Erklärung für desStepha- 
nus Angaben liesse sich noch finden. Es könnte das liwfovixo«; 
auf einem Missverstandnis für Imroivtxo^ beruhen, einem von 
imrcüv „Poststation" abgeleiteten Adjektiv. Datin wäre also kar. 
aka „iiTTtoc", *aXaßa „ticiccov'', äXaßav&a „tmrcovixd;", und ein 
selbständiges Wort ßavSa wäre gar nioht in dem Worte ent- 
halten, wobei es immerhin möglich bleibt, dass man in Earien 
ein eranisohes Lehnwort ßoivSa „Sieg" kannte, welches Stepha- 
nus in seinem missverstandenen Worte suchte. Mir selbst ist 
von diesen drei Möglichkeiten die mittlere die wahrschein- 
lichste. Jedenfalls aber ist die Glosse als Beweis für das 
Indogermanentum der Karier nicht zu verwenden. 

Alles in allem muss ich also meinen völligen Unglauben 
an den Indogermanismus unserer vorderasiatischen Ortsnamen 
bekennen. Da sie aber, was der erste Blick lehrt, auch semi- 
tisch nicht sind, so wird Kiepert (Lehrb. d. alt. Geogr. 78. 
Anm. 3.) wohl recht haben, wenn er sie „auf eine den arischen 
und semitischen Einwanderungen vorangegangene Bevölkerungs- 
schicht" zurückführt. In dieser vorsemitischen und vorindo- 
germanischen Bevölkerungsschicht nun sehe ich Stammver- 
wandte der Pelasger, als deren Ausgangspunkt sich nach dem 
oben (pag. 46.) Gesagten also das südliche Eleinasien ergeben 
würde. 

Eine weitere Frage würde nun die sein, ob sich in den 



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59 

anderweit erhaltenen Sprachresten dieser Gegenden noch der- 
artige nachweisen lassen, die als pelasgisch in Ansprach ge- 
nommen werden müssten. Solcher Sprachreste giebt es ja 
verschiedene, für Lykien eine nicht ganz unbeträchtliche An- 
zahl von Inschriften, für Karlen eine grössere Menge Personen- 
namen, gesammelt von Haussoullier (Bulletin de Correspondance 
hell^nique IV, 815 sqq.), für das Lydische eine Reihe von Per- 
sonennamen, so wie etliche Glossen, zuletzt zusammengestellt 
von de Lagarde (Gesamm. Schriften 270sqq.). 

Es ist an sich nicht notwendig, dass in diesen Sprach- 
resten irgendwie pelasgische Formen erhalten seien , denn in 
Vorderasien sind von alten Zeiten her die Völker mächtig 
durch einander gewogt. Ganz abgesehen von der griechischen 
Kolonisation und der persischen Eroberung, die doch sprach- 
lich gewiss auch ihre Spuren hinterlassen haben, so werden 
uns auch in den einzelnen Gebietsteilen von den Alten mehrere 
verschiedene Völker genannt, so für Lykien die Solymer und 
Lykier, für Karlen die Leleger und Karer, für Lydien die 
Mäonler und Lyder. Solange nicht die Identität dieser je 
zwei Völker mit einander bestimmt nachgewiesen ist, hat man, 
glaube ich, ebenso wenig ein Recht, sie für identisch zu halten, 
wie etwa die Gallier und die It'ranken oder die Britten und 
die Angelsachsen, und es könnten somit immerhin die uns 
erhaltenen Sprachreste jener Gegenden einem anderen Volke, 
als die Ortsnamen, angehören und brauchten keineswegs pelas- 
gisch zu sein. 

In bezug auf die Sprache der lykischen Inschriften hat 
Mor. Schmidt (The Lycian Inscriptions VII.) die Ansicht auf- 
gestellt, „that the Lycians belonged to the great Indoeuropean 
family, and especially that their language shows the greatest 
affinity to the Arian brauch of this family". Das hat Fr. Müller 
(Or. u. Occ. II, 743.) mit guten Gründen bestritten und ge- 
meint, dass das Lykische mit den indogermanischen Sprachen 
vielleicht entfernt verwandt sei. Aber auch das glaube ich 
abweisen zu müssen. Wenn dies „entfernt verwandt" nichts 
anderes bedeuten soll, als dass die Sprachen in ihrem morpho- 



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60 

logischen Bau ähnlich seien, dann ist es richtig^ denn so gut, 
wie z. B. das Etruskische, zeigt auch das Lykische suffixalen 
Bau, gleich den indogermanischen Sprachen. Wenn der Aus- 
druck aber sich auf materielle Verwandtschaft und genealogi- 
schen Zusammenhang beziehen soll, dann halte ich ihn für 
falsch. Diese Art der Verwandtschaft folgt aus der Ähnlich- 
keit des morphologischen Baues keineswegs, in Wortschatz und 
Grammatik aber vermag ich sie ebensowenig zu entdecken. 
Eine Sprache, in der tideimi „Sohn", lada „Gattin** bedeutet 
und in der Formen, wie asamisalaj zzimazij makmuza, itJie, 
tohesy vielleicht auch ddediy vasaza, mertemehi, weitere Ver- 
wandtschaftswörter sind, (Mor. Schmidt, Neue lykische Studien 
passim) ist in ihrem Wortschatze bestimmt nicht indogermanisch. 
Nun könnte allerdings ja die Sprache, wie sich deren ver- 
schiedene finden, in der Weise eine Mischsprache sein, dass 
zwar in den Sprachschatz eine grosse Menge fremder Elemente 
Eingang gefunden hätte, die Flexion aber indogermanisch 
wäre, ein Verhältnis, wie es umgekehrt z. B. im Etruskischen 
vorliegt. Aber auch dies muss ich in Abrede stellen. Zu- 
nächst ist schon deshalb ein solches Verhältnis wenig wahr- 
scheinlich, weil grade die lykischen Verwandtschaftsnamen 
alle völlig unindogermanisch sind, diese aber bekanntlich mit 
der Flexion immer gleicher Herkunft zu sein pflegen. Aber 
auch die Flexion selbst scheint mir Einsprache gegen den Indo- 
germanismus zu erheben. Denn ich vermag in einer Dekli- 
nation (cf. Mor. Schmidt, Neue lyk. Stud. 17 sq.) 
Sing. Plur. 

Nom. lada ? 

Gen. ? ? 

Dat. Uuie lada 

Aco. ladu (-da) ? 

Absolut nichts Indogermanisches zu erkennen. Ich sehe hier 
nur Flexion nach anscheinend ähnlichem morphologischen 
Prinzip, wie bei den Indogermanen, aber keine materielle 
Verwandtschaft. Und eine solche erweisen meines Erachtens 
auch nicht die Genetive auf -A und die Dative auf -je (Mor. 



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_ 61 _ 

Schmidt, The Lycian Inscriptions PI. C). Diese lassen sich 
ja allenfalls unter Anwendung etlicher Kunst mit den 
entsprechenden indogermanischen Kasusendungen zusammen- 
bringen, aber irgend etwas Zwingendes haben diese Zussunmen- 
bringungen durchaus nicht, ja sie lösen sich angesichts der 
obigen Flexion in Schein und Zufall auf. Und überdies stimmt 
der Genetiv auf -h ebensogut und noch besser zum Etruski- 
schen. Um ihn aus dem Indogermanischen herzuleiten, müsste 
man, wie es ja aych geschehen ist, das h als aus s entstanden 
ansehen. Das ist ja an sich sehr möglich, aber unter der- 
selben Annahme stimmt eben dieser Gi?netiv auch zu dem 
oben (pag. 31 sq.) behandelten etruskischen auf -^*, -rf, der uns 
in unserer Lemnos-Inschrift in der Form -rz, -z begegnete. 
Ich vermag also auch in der lykischen Flexion nichts Indo- 
germanisches zu finden. 

Und ebenso unindogermanisch, wie die Verwandtschafts- 
wörter und die Flexion, sind auch die lykischen Personen- 
namen. Ihrer ist eine ziemliche Anzahl überliefert, sowohl 
in den Inschriften lykischer Zunge, wie in den griechischen 
Inschriften Lykiens. Namen, (ich nenne absichtlich die grä- 
cisierten Formen) wie 'EX|iioaüa;, 'Epsoa (fem.), 'Epr^aaac, 
'EpiuapoüSo;, *Ep|jifivoa5tc, 'EppioGvSic, Kivödvoßoc;, KpotYo?, 
Msvipiodi<;, MXauai;^ MoXXtoi^^ 'ÜTcpajioa«; , 'O^oi^a^y llopjAaTi^ 
(nopijxaTK;), nußiaAY)<;, ^ept^aXo^^ T>.ok, TpaxcvSa«, Tpe^eXootc, 
Toüßept«;, sind so wenig indogermanisch, wie die obigen Ver- 
wandtschaftswörter. Zwar finden sich in den überlieferten 
Namen auch manche von klärlich indogermanischer Bildungs- 
weise, wie 'EXeo}>«o, Küßepvtaxo<;, AicoXX«>v(oa;, aber ihrer sind 
wenige und sie sind zweifellos aus dem Griechischen herüber- 
genommen. Es ist ja möglich, dass etymologische Kunst auch 
aus jenen andei-en Namen indogermanische Bildungen zu ge- 
winnen wissen wird, aber die Produkte werden von der Art 
sein, wie sie so oft bei der etymologischen Behandlung des 
Ftruskischen zu erleiden gewesen sind. 

Überdies lasst sich der Nachweis führen, dass die lyki- 
schen Personennamen mit den lykischen Ortsnamen aus ein 



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^62 

und derselben Sprache stammen, weil in einem ziemlich be- 
deutenden Teile derselben die gleichen Wortstamme wieder- 
kehren, die in den Ortsnamen vorliegen. Da aber letztere 
sich Bis nichtindogermanisch herausstellten (oben pag. 58.), so 
sind es auch diese nicht. Die mit Ortsnamen gleichstammigen 
Personennamen aber sind die folgenden: 

*Aßa<Ji<; — Stadt llabessus; 

KivSavoßo? — Stadt KävSoßa; 

KpotYoc — Gebirge Kpa70(;, Stadt KepaYov; 

(loiTapoc — Stadt ndtapa; 

IKvapoc — Stadt llivapa; 

Stoaptoc — Stadt 2i8axY]; 

TpeßiXooi; — Städte TpeßevSai, TpaßaXa; 

kiro — Stadt Kepa-yov; 

kodala — Städte Kaöiiavoa, KovSoxa; 

padr^ma — Stadt flatapa; 

semoti — Stadt ]^(|ji>)pia; 

siderija (== SiSapto^) — Stadt ^iSaxiQ; 

trbbu\im — Stadt TpsßevSai, TpaßaXa. 

Das ist eine genügende Anzahl von Formen, um die Gleich- 
artigkeit der lykischen Personennamen mit den Ortsnamen 
nachzuweisen. Und da unter diesen letzteren, was besonders 
ins Gewicht fallt, mehrere mit dem -wf-Suffix gebildet sind, 
welches wir oben (pag. 58.) als ein altpelasgisches vermuteten, 
so würden sich damit auch die lykischen Personennamen als 
pelasgisch herausstellen. Daraus würde aber doch wohl weiter 
zu schliessen sein, dass auch das Lykische überhaupt dem 
pelasgischen Sprachstamme angehöre. 

Wenden wir uns jetzt weiter zum Karischen, so haben 
wir es hier hauptsächlich mit den Personennamen zu thun. 

Diese karischen Personennamen nun zeigen, wie so eben 
entsprechend die lykischen, eine unzweifelhafte Verwandtschaft 
mit den karischen Ortsnamen. Unter den 106 Personen- 
namen, welche Haussoullier (Bull, de Corr. hellen. IV, 316 sq.) 
gesammelt hat, haben die folgenden Ortsnamen gleichen Stam- 
mes neben sich: 



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68 

'AvSap9(oSo{ — Stadt *Av8avov; 

'Apaiootc — Insel 'Apa^sta; 

^ApXiaat?, ApXi<o|ioc — ÖrÜichkeit ApXaia bei Pedasa; 

' ExaTO|jivo)C — Stadt 'Exarqoia; 

'ISa^oYoc — Stadt 'iSapvi); 

'ISoßXYjou — Stadt "ISüHia, Fluss "ISojioc; 

'l{Aßdpir)X8o;, "Ifißapt;, "'Ijißpaou — Kastell "Ifxßpoc; 

KaXaßion^c — Fluss KaXßi;; 

KavBauXijc — Kastell KavSaaa; 

Kapa|jia^ — Insel KapuavBa; 

KaaßiüXXu — Ort RaaoXaßa; 

KöXü>X8oc — Stadt KoXoopa; 

Koapsjioc — Stadt KoapBa; 

KoarßTj? — Stadt Kuov; 

AaTdpaYj<; — Gebirge Adtfio;; 

flapYtara^ -^ Ethnikon llapY^aij^; 

riiXapfjioc — Stadt lleXeia; 

nf^pY)? — Demos [Kyivoa; 

iiexfiaa^ic, 2ajAtt>oo(; — Städte 2dfioc und £aftoX(a; 

Sd3aa>|jt,o<; — Kastell SdaavSa; 

TivSsaat; — Stadt TivÖYjßa; 

Tofivijc — Städte Tojavo^ und Tojivrjaafi;. 

Das sind also 26 Namen, nahezu ein Viertel der Haus- 
soullierscben Sammlung, welche mit Ortsnamen Kariens gleieh- 
stämmig sind. Der Prozentsatz ist gross genug, um den 
Schluss zu rechtfertigen, dass die karischen Orts- und Per- 
sonennamen ein und derselben Sprache angehören, somit auch 
die Ortsnamen karischer Sprache sind. Da aber unter diesen 
Ortsnamen, welche mit den Personennamen gleichstämmig 
sind, sich die Formen KdvSaaa, TüfivTjaao;; KapoavSa, Ktiavoa^ 
ntyivSa, IdoavSa finden, also Bildungen mit den charakteristi- 
schen Suffixen '{s)s' und -{n^d-, die wir oben als pelasgisch in 
Anspruch nahmen, so würden sich damit auch die Karer als 
zum Pelasgerstamme gehörig ergeben. 

Weiter aber lässt sich nun auch die Zusammengehörig- 
keit der Karer mit den Lykiern sprachlich nachweisen, und 



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64 

da letztere oben (pag. 62.) als Pelasger sich ergaben, so würden 
also auch von dieser Seite her die Karer als Pelasger gestützt, 
wie auch sie ihrerseits wieder die Lykier als solche stützten. 

Diese Übereinstimmung zeigt sich zunächst in den Per- 
sonennamen. Da die Übereinstimmung der karischon und lyki- 
schen Ortsnamen mit einander bereits oben (pag. 48 sq.) nach- 
gewiesen ist und soeben sich weiter ergeben hat, dass sowohl 
die karischen, wie die lykischen Personennamen derselben 
Sprache angehören, wie die Ortsnamen, so war es von vorn 
herein wahrscheinlich, dass auch die karischen Personennamen 
zu den lykischen stimmen würden. Und so ist es denn auch 
in der That, und zwar zeigt sich die Übereinstimmung sowohl 
in den Stämmen, wie in den Suffixen. 

So entsprechen sich in den Stämmen: 

kar. 'ExarofAVcüt;, lyk. ' KxaTOjiva«;, ehatamla; 

kar. ''Epji.OTrK, lyk. 'EpjioxoTa;, * Ep}iav3etji.a3to;, *Ep[Aaaa- 
Xa;, * Epfi-evSaSt;, *Epfi.oüvoic, erumenuni; 

kar, KovBjxaXo;, Rovoo . . ., lyk. KivSoivüßoc, kodala; 

kar. MoTjvvoc, lyk. Movveau; 

kar. lOaXoc, *0aTOTi<;, lyk. ovatisi; 

kar. 'Oaio;, lyk. t)aaüßa(;; 

kar. [IiStt>8apo<;^ lyk. TIiEcoSapo; (llioeSapo;), pi/edara; 

kar. nipo>{j.i(;, lyk. fltipi^^ l1upt(j.aTi^, porihimetiti; 

kar. £ä(Aa3ai<;^ ^a(iu>uo;, lyk. senioti; 

kar. ^apu33o>XXoc^ lyk. ZeptoaXo^; 

kar. Toßopopo;, lyk. Todßepi<;. 

Und wie hier die Stämme, so stimmen auch die Suffixe. 
Die karischen Personennamen zeigen als die am meisten 
charakteristischen Suffixe die mit -//-, resp. -/- gebildeten, 
welche sich finden in den Namen 'AxTaooacoXXo;, ÖoaatoXö?, 
Maua3tt>XXo;^ llapaoaocoXXo;^ [Iovua(3o>XXoC;'^apo(3oo>XXo;, Vaoo>- 
Xo(;; Mßavci>XXic> KatßajXXK;; 'Api8a>Xi<;; BptoXYj?, üeocuXifj?, 
TpoioXr^c. Die Parallele von kar. XoptJoamXXoc und lyk. ilspi- 
aaXo^ zeigt, dass wir das dem kar. -o>XXo<; entsprechende Suffix 
als lyk. -aXoc zu erwarten haben, und so haben wir nun in 
der That die lykischen Namen kodala^ AatöaXo?, 'EpfjLajofXo;, 



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es 

riüßicülT];, TpouaXa, bei welchen letzteren die Verschiedenheit 
der Ploxionsendung natürlich auf Rechnung der Griechen 
kommt. Weitere lykische Namen mit -/-Suffixen sind attaleosy 
ekatarnlaj xj^j [x\odrehila (KoSpfXo;). 

Fernere Suffixübereinstimmungen sind: 

kar. Küdp&{j,o^^ 'ApXfcufxo;^ lyk. apmutama^ zahama^ liqpnima 
(od. = wii), tapezmay ddapzqma, hriycpna, padrama, 'pv^ama^ 
'Epofi.o;; 

kar. AoY8afi.i?, KuTßiX>)(Ai<;^ navcfßX7]|it<;, (|{pa>}i.i;, lyk. 
dderijemij yezrimiy esedeplunuy haprumi (od. -wia); 

kar. [lapsuSiYo;^ 2icapeu8iYoc, lyk. Kpolifo;; 

kar. iluaoxt'peßo;, Toovoßo;, lyk. Movi8dß>), KivSoivoßo; 
(^itenobi), X)oouPa^. 

Es giebt der suffixalen Übereinstimmungen noch viel 
mehr, aber ich begnüge mich mit den vorstehenden, weil die- 
selben am wenigsten in Verdacht kommen können, indoger- 
manisch zu sein und daher besonders geeignet sind, einmal 
die Zusammengehörigkeit des Karischen und Lykischen dar- 
zuthun, andrerseits den indogermanischen Charakter dieser 
Sprache abzuweisen. 

Wie man sieht , ist die Zahl der im Stamme über- 
einstimmenden karischen und lykischen Personennamen eine 
ziemliche beträchtliche. Zu ihnen gesellen sich aber, den 
Beweis verstärkend, noch eine weitere Anzahl von Fällen, in 
denen karische Personennamen lykische Ortsnamen von glei- 
chem Stamme neben sich haben und umgekehrt. 

So haben wir folgende karische Personen- neben lykischen 
Ortsnamen: 

kar. "ApoTjXK;, lyk. "ApaoSa; 

kar. Apuooai<;, lyk. Apuxavda; 

kar. 'ISd^oYoc, MöoßXTjoic, lyk. MSeßifjooo^; 

kar. KavSaüXifj;, lyk. KavSoßa; 

kar. Kapd{j,a<, lyk. Kap{j.uX>)aoo;; 

kar. Kov8{j,dXa^, lyk. KovSuxa; 

kar. Kudp8}ioc^ lyk. Ksoapo^; 

kar. ^i8uX73(Ai<;> lyk. ^loaxif]; 

Pauli, Inachrlfk Ton L«mn<M. 5 



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_66 

kar. Tüji.vT]c, lyk. TufATfjva. 

Umgekehrt stehen folgende karische Orts- neben lykischen 
Personennamen: 

kar. Ap(Aaxooü>xa, lyk. 'EpjiaxoTa;; 

kar. AatSaXa, lyk. AatoaXo<;; 

kar. "EpiCa, lyk. 'Epsoa, eriminoha; 

kar. *'IovSa, lyk. ijamara; 

kar. Kanpi\i.ai, lyk. hqpruma; 

kar. Ktvoor^, lyk. KivSavoßo^ {/itenobi); 

kar. Kooaica, lyk. Kü8p:o^o; ([x\odrehila) ; 

kar. KoCavara, lyk. yzzobezi; 

kar. Kdpau(j.o;^ lyk. ^/ezrimi; 

kar. Kü>paCot, lyk. yorijuna; 

kar. Aaßapa, Aexßpavoa, lyk. Aairrfprjt; (lapara); 

kar. MaoavcupaSa^ Mao^cuveuc, lyk. mazakoaia; 

kar. Mssoiaßa, lyk. mizOy mizpetijehe; 

kar. MiIvSoc, lyk. MovtSäßrj; 

kar. nofcaXo;, lyk. FlaTapo?, padrqma; 

kar. ntyivoa, lyk. pi^ama^ piyedara (IliEo'oapo;); 

kar. ritaiXtc, IltauTj, lyk. piziöidiy pizziä; 

kar. rioptvoo;^ lyk. Ilopi;, nup{(j.aTi; (porüiimetiti) , flop- 

kar. Ddpto^, lyk. semoti; 

kar. Tapßava (Tpupava), lyk. TpeßeXüai<;, frbbuUni; 

kar. TapxcJvoapo, lyk. Tpaxovooc;; 

kar. Tspfi-epa (TiXfispa), lyk. Tps[j.tXTf3<;. 

Es ist bei den vorstehenden Listen, die übrigens auf 
Vollständigkeit keinen Anspruch machen, genau und aus den- 
selben Gründen, wie oben (pag. 49 sq.), nicht mit voller laut- 
gesetzlicher Strenge verfahren. Sollte aber auch wirklich ein 
Teil dieser Vergleichungen zu streichen sein, es bleibt immer 
noch eine so reichliche Anzahl übrig, dass man die Zusammen- 
gehörigkeit der Karer und Lykier darauf hin mit voller Sicher- 
heit aussprechen kann. 

Für diese Zusammengehörigkeit spricht dann auch weiter 
noch eine Lauterscheinung, die so singulärer Art ist, dass 



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67 

man ihr wohl eine hohe Beweiskraft beilegen darf. Unter 
den karischen Personennamen zeigen zweie, Kßovotaaoi? und 
KßeiioT^; (HaussoulUer 1. c. 316.), den eigentümlichen Anlaut 
x/9. Dieser selbe Anlaut aber zeigt sich nun in einer Anzahl 
von Formen der lykischen Inschriften, nämlich hbaJtra^ kbi^ 
hbihoj kbijehiy kbijehis, kbijehediy libijuti, kbisituta (Mor. Schmidt, 
Neue lyk. Stud. 33 sq.), und damit ist dann wohl die Zu- 
sammengehörigkeit beider Sprachen gesichert. Sind aber die 
Lykier, wie sich oben ergab, Pelasger, dann sind es also die 
Karier auch. 

Drittens endlich hatten wir die Lyder auf ihre Zuge- 
hörigkeit zu den Pelasgern zu prüfen. 

Die von ihnen überlieferten Sprachreste bieten ein sehr 
buntes Bild. Semitische, eranische und griechische Formen 
mischen sich in ihnen, daneben aber scheint auch ein Be- 
standteil vorzuliegen, der nichts von alledem ist. 

Als semitisch sind von de Lagarde (Ges. Abh. 270.) in 
Anspruch genommen die Personennamen MoarrTji;^ üaSoam]^, 
AXoctTTTiC, weil in ihnen der Gottesname "Arc>)<; nach semi- 
tischer Weise den zweiten Theil der Zusammensetzung bilde. 
Das ist richtig, aber es lässt sich auch der Nachweis führen, 
dass die Bestandteile dieser Komposition selbst semitische 
Wörter sind. So haben wir in AXuoItttj«; ohne Zweifel b« 
„Herr", so dass der Name bedeutet „der Herr ist Attes"; so 
ist ^aoüamj; von TD „mächtig machen" (cf. Schrader, Assyr.- 
babyl. Keilinschr. 379. s. v. Tto) anzuschliessen, also „mächtig 
macht Attes"; so steckt in Mu- doch wohl eine Partizipial- 
bildung mit x^ von mn, älter mn „sein", von dem ja auch 
mn'^ herkommt, so dass es also hiesse „der seiende (= ewig) 
ist Attes." Form und Inhalt dieser Namen ist so semitisch, 
wie nur irgend möglich. 

„Andere lydische Wörter sind ebenso deutlich eranisch" 
sagt bereits de Lagarde (1. c), und auch dies ist völlig richtig. 
Als eranisch nimmt er, unter Vergleiohung von Sanskrit-, 
baktrischen und armenischen Wörtern, die folgenden in An- 
spruch: aap8i? „Jahr", zu skr. garad^ baktr. garedhay arm. 



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68 

Mard; Xaßpu; „Beil" zu neupers. lifr; ßaoavo; „Probierstein", 
ZQ skr. päiäna; iravSoüpo? „xfi/ophoy'^, zu 9xm. pandim; irapa- 
fiTjvYj „Tfj Toiv t>ea>v ji.oipa'*, zu skr. parimänä ; xavöauArjc; „xoX- 
XoirvtxTTji;" , ZU arm. keldavl „Tcvt^wv, aTcotY^fcDv"; ßaaapa 
„j(iTü>v Siovüataxd;'*, zu baktr. varegcLj arm. !«»•«. Von diesen 
Vergleicbungen würden alle die zu beseitigen sein, die sich 
lediglich auf das Armenische stützen. Denn das Armenische 
wird jetzt seines rein europäischen Vokalismus halber mit Recht 
nicht mehr zu den eranischen Sprachen gerechnet. Abzu- 
ziehen wären also icctvooupo; und xavSaiiXTj;; unsicher scheint 
mir von den anderen auch Xaßpo;. Aber ßctjavoc, icapofirjvTj, 
ßaaopa und insbesondere oexpoi; scheinen wirklich eranisch zu 
sein, zu denen sich vielleicht noch icaXfAc? „ßaoiXsik*' gesellt, 
sofern es zu skr. päla „Hüter, Beschützer" gehören kann. 

Für griechisch halte ich unter den lydischen Sprachresten 
vor allem xdpYavov, mag nun „oCo;" oder, wie Heinsius und 
Salmasius gewollt haben, „o£o?" die richtige Bedeutung sein. 
Das Wort ist in seiner Form durchaus griechisch, und bei 
Plato findet sich otvo; TSTapYaviofxevoc, was doch kaum in 
Verdacht kommen kann, lydisch zu sein. 

Unter den Hesychius-Glossen befinden sich zwei, die im 
ersten Augenblicke von ganz besonderer Wichtigkeit zu sein 
scheinen, sofern sie kurze Sätzchen enthalten und somit nicht 
bloss lexikalisches, sondern auch grammatisches Material bieten 
und dadurch in etwas die fehlenden Inschriften zu ersetzen 
geeignet sein würden. Es sind dies die beiden Glossen: 

ßaaxeirixpoXsa' nkr^oloyt £££&oaCe. Auoioxi. 

ßaaxtCaxpoXeo' ftaoaov ep^oo* AüStort. 

Leider sind bei Mor. Schmidt (kl. Ausg.) beide durch 
das t als de scriptura suspectae bezeichnet, was ihren Werth 
wieder etwas verringert. 

Diese beiden Glossen scheinen bei oberflächlicher Be- 
trachtung Verwandtschaft des Lydischen mit dem Etruski- 
schen zu verraten. Die erste Glosse soll, dem e^eöoaiis zu- 
folge, ein Präteritum enthalten, und da stellt sich das ßooxs 
aufs schönste zu den etruskischen Präteriten turce^ svalce etc. 



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69 

(Mü.-De. Etr. II*, 504 sqq.). Von demselben Verb könnte 
dann der durch ep/oo glossierte Imperativ in ßaan liegen. Die 
beiden Komparative hätten wir weiter in mxpoXsa und C'xxpoXea 
zu suchen, die sich in irixpoX-ea und C^xpoX-sa zerlegen Hessen. 
In mxpoX und CaxpoX lägen dann Adjektiva vor von der Bil- 
dungsweise der etruskischen Formen cemulj lesad (Mü.-De. 
Etr. II*, 444.), und das -ea könnte Komparativsuffix sein. 

Ich habe diese Analyse nicht zurückhalten wollen, weil 
sie so recht geeignet ist, das Trügerische der bei der Ent- 
ziflFerung der etruskischen Inschriften neuerdings angewandten 
Methode zu beleuchten. Denn die ganzen schönen Koinzi- 
denzen sind Schein, in Wirklichkeit sind die Glossen griechisch. 
Sie sind zu zerlegen in: 

paax' lici xpoXia; 

ßa; Ti C^xpoXia. 

Schon de Lagarde (Ges. Abh. 271.) fragt an, ob dieselben 
nicht zu dem ßa^xe in Aesch. Pers. 664. gehören möchten. 
Aber auch Hesychius selbst bietet die weiteren Glossen ßaoxe- 
iropeoou; ßotaxov ywpov (i. e. dj((iipoüv); ßaoxou* iropeooo, und 
bei Homer ist ja die Verbindung ßdox' rt>t gleichfalls zweimal 
(II. 2, 8; 8, 399.) belegt. Aber Homer hat auch ^Tctßaaxsiv 
(II. 2, 234.). Diesem letzteren nun, welches an der genannten 
Stelle kausativ gebraucht ist, gehört unser ßoax' im zu. Es 
ist natürlich gleich dicißaoxe, und das ini entspricht hier in 
der Bedeutung dem ii des äEeHoaCe, beide Formen heissen 
also „er brachte heran". In dem ßa^ der zweiten Glosse aber 
sehe ich einen nach der Analogie von bi; und 8oc gebildeten 
Imperativ Aor. II. von ßoivco, der, sich zu ß-^Ui verhält, wie 
hom. ßa-njv, oTcipßäaav zu eßijxYjv, oicepeßijoav, Daa xpoX^a 
aber wird als griechisch erwiesen durch die Glosse des Hesy- 
chius xpoX(aCe- itXYjaiaCe Oättov. Es ist der adverbial ge- 
brauchte neutrale Plural von einem Singular xpoXTj? (weniger 
wahrscheinlich xpoXo;), vor welchen in CaxpoX^a das steigernde 
Ca- gesetzt ist, wie in hom. Cafi^evifj?, CaTpe<pT)?, Ca<pXs7T];, 
C^XP^i^'^* ^^ ^^'i^ zwischen ßac nnd CaxpoXeo noch übrig 
bleibende ti ist das bekannte homerische „ein wenig", wie es 



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70 

vorliegt z. B. in oote ti Xit,v und in Verbindung mit anderen 
Adverben, hier bei uns also mit dem Adverb CaxpoXea. Unsere 
Glosse heisst also wörtlich: ,.gehe ein wenig sehr beschleunigt'^ 
Es stellt sich somit nicht nur heraus, dass unsere Glossen 
griechisch, sondern auch, dass sie richtig überliefert sind und 
das t bei Mor. Schmidt gestrichen werden kann. 

So finden wir also unter den lydischen Sprachresten in 
der That semitLsche, eranische und griechische Wörter. Aber 
sie alle sind Lehngut Semitisch sind nur die Königsnamen. 
Diese können einer semitischen Dynastie augehören oder Wel- 
leicht gar nur diurch Verschwägerung mit einer solchen in die 
lydische Dynastie geraten sein und beweisen dafür, dass die 
Lyder Semiten oder auch nur ein Miischvolk mit Semiten ge- 
wesen seien, gar nichts. 

Ebenso wenig beweisen die eranischen Bestandteile. Für 
ihr Eindringen in das Lydische li^t sogar eine doppelte Mög- 
lichkeit vor. Sie können eine Folge der persischen Eroberung 
sein, aber auch von dem eranisch redenden Phrygien (cf. oben 
pag. 29.) aus importiert sein. Mir persönlich ist letzteres wahr- 
scheinlicher, weil Stephanus von Byzanz sagt, tov "Epfituva 
AuSoi 'Aöpajiüv xaXou9t cppo-jft^ri, hier also ein Hinübernehmen 
phrygischer Worte ins Lydische ausdrücklich bezeugt ist 

Die griechischen Bestandteile sind selbstverständlich aus 
lonien gekommen. 

Neben allen diesen fremden Bestandteilen finden sich nun 
aber unter den Glossen auch solche, welche keiner der ge- 
nannten drei Sprachen anzugehören scheinen und somit wohl 
das eigentlich einheimische Sprachgut repräsentieren. Solcher 
einheimischen Formen scheinen mir zu sein: 

xooXSSeiv AoSol tov ßaaiXia Uesychius; 

T€Yo5v AuSol TOV Xtq^ttjv Hesychius. 

Erstere bezeichnet Mor. Schmidt (Ues. kleine Ausgabe) 
durch das t als de scriptura suspecta und will de Lagarde 
(Ges. Abh, 273.) als aus iwüljiuv (oben pag. 68.) verderbt an- 
sehen, üidem AA leicht aus M entstanden sein könne. Gewiss; 
aber dennoch kann ich ihm nicht beipflichten. Doppeltes 6 



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71 

ist im Lykischen ganz gewöhnlich, sogar im Anlaut (cf. Mor. 
Schmidt, Neue lyk. Stud. 18.), und nun schon anderweit Ver- 
wandtschaft zwischen Lykisch und Lydisch wahrscheinlich 
wird (cf. oben pag. 46.), ist gerade dies 86 einerseits gewiss 
richtig überliefert, andererseits eben ein Beweis fftr die ge- 
nannte Verwandtschaft. Und da auch Karisch und Lydisch 
sich ebendort als vermuthlich verwandt herausstellen, so ist 
wegen der Lautgruppe X8 auch auf die karischen Personen 
auf -X5o; zu verweisen, 'IfAßdpTjXSo«;; KTooßoXSo?; KdXa>X8o?, 
"rooa>X8o<;, . . aiti8tt>X8oc^ . . . u>X6o< (Haussoullier, Bull, de 
Corr. hell. IV, 318.). Das die Form xoaX88eiv (und ebenso 
auch TsifOüv) schliessende -v ist natürlich griechische Flexion. 
Die dann verbleibende Endung ei aber ist wieder echt ly- 
kisch. Wir finden sie, in lykischer Schrift AE, in dem Ver- 
zeichniss bei Mor. Schmidt (1. c. 91.) an elf verschiedenen 
Wörtern. 

Eine häufige lykische Endung aber ist auch -x«, in lyki- 
scher Schrift W, welche bei Mor. Schmidt (1. c. 121.) an 
sieben verschiedenen Wörtern erscheint. Diese finde ich, da 
lyk. y auch das y repräsentiert, in Te^oGv wieder. Beide 
Formen sehen in lykischer Schrift, als K^^'^ÄAAE und TAW, 
so lykisch wie möglich aus und sind eben deshalb, wie ich 
meine, für echt lydisch und damit dann das Lydische für 
noch verwandt mit dem Lykischen zu halten. 

Die Zahl der lydischen Personennamen ist leider nicht 
gross genug, um aus ihnen die Zugehörigkeit der Lyder zu 
den Lykiern und Karem zu erweisen, aber dieser Mangfl 
kann einigermassen ausgeglichen werden durch die lydischen 
Ortsnamen. 

Denn wenn sich der Nachweis erbringen lässt, dass die 
lydischen Ortsnamen karische und lykische gleichstänmiige 
Personennamen neben sich haben, dann ist damit nachge- 
wiesen, dass auch die Lyder sprachlich mit Karem und Ly- 
kiern zusanmiengehören. Jenes Verhältuiss liegt aber in der 
That vor. Neben folgenden lydischen Ortsnamen finden sich 
karische und lykische Personennamen gleiches Stanmies: 



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12 

1yd. "Apapo, kar. 'Apataai;; 

lyd. *Apofi.o, kar. 'Apüaoai<;, lyk. 'Ap[AaXaYifi.iO(;; 

1yd. B^ioiika, kar. Bpoi^Yj;; 

lyd. AaSaXet;, lyk. AatöaXo;; 

lyd. Ooeaao;, kar. 6üo3o<;, öiioooiXXo?; 

lyd. KaXdvSo;, kar. KaXaßoJnj?; 

lyd. KuaXo^y kar. Koape{j.o;, KuöfTßrj«;; 

lyd. Kcopuxo;^ lyk. yorijuna; 

lyd. Au^Safiov, kar. Aü^SafAi;; 

lyd. t)avo<;, kar. ^'OaXo?, 'ÜaxaTi;, lyk. ovatisi; 

lyd. ridcpxaXXa^ kar. IlapYiota;; 

lyd. SiicoXoc, lyk. sepozi; 

lyd. TaßaXa, kar. Toß6popo<;. 

Auch hier einzelnes abgezogen, so bleibt doch immerhin 
genug für den obigen Nachweis übrig. 

Damit hat sich uns denn die enge Verwandtschaft des 
Lykischen, Karischen und Lydischen klärlich ergeben, womit 
es durchaus ih Einklang steht, wenn die Alten (Herod. I, 171; 
cf. dazu de Lagarde, Ges. Abh. 266., und Georg Meyer in 
Bezzen bergers Beiträgen X, 152.) die Karer und Lyder (und 
ebenso die Myser, was gleichfalls richtig) als verwandt hin- 
stellen. Und noch eins hat die vorstehende Untersuchung, 
wie ich meine, mit voller Sicherheit dargethan, dass es näm- 
lich in Vorderasien eine Völkerschicht gegeben hat, die weder 
semitisch, noch indogermanisch war und zu der eben die 
Lykier, Karer und Lyder gehörten. 

* Eine weitere Frage ist nun freilich die, ob diese Völker 
mit den Pelasgern in Griechenland und Etrurien zusammen- 
hängen, oder ob wir etwa gar zwei solcher von einander un- 
abhängigen Völkergruppen anzunehmen haben, die weder zu 
den Semiten, noch zu den Inaogermanen gehörten. An sich 
wäre das nicht unmöglich, denn dass es in Vorderasien der- 
einst noch verschiedene anderssprachige Völker gegeben habe 
ausser den beiden grossen Sprachstammen, zeigen uns die 
Meder und die Akkado-Sumerier. Beide sind bis jetzt mit 
Sicherheit keinem anderen Sprachstamme zugewiessn, — an 



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73 

die Zugehörigkeit zum ural-altaischen glaube ich nicht, — 
scheinen aber auch weder unter sich, noch mit den Lykiern 
oder Karern oder Lydern verwandt zu sein. Bei einer solchen 
Sachlage wäre es also an sich auch keineswegs nötig, dass 
zwischen diesen letztgenannten Völkern und den Pelasgem 
irgend ein Zusammenhang bestände. 

Ja, betrachtet man die Verwandtschaftswörter, die uns bei 
den Lykiern und den Etruskem, welche ja nunmehr als Pelasger 
sich ergeben haben, erhalten sind, so scheint die Annahme 
einer solchen Verwandtschaft sich zu verbieten. Denn lyk. 
tideimi „Sohn" und lada „Gattin" vermag keine etymologische 
Kunst mit etr. cUm „Sohn" und puia „Gattin" zu vereinigen. 
Aber dennoch ist, wie ich glaube, die Verwandtschaft beider 
Sprachen möglich. Es könnten Lykier und Etrusker sehr wohl 
zweien verschiedenen Zweigen des Pelasgerstammes angehören, 
und es brauchten die Verwandtschaftswörter bei beiden Zweigen, 
die ja immerhin die am weitesten von einander entfernten 
Glieder der Kette sein könnten, nicht notwendig zu stimmen, 
so gut, wie z. B. lett iehios „Vater", maJise „Schwester", meitn 
„Tochter" mit skr. püä „Vater", svmä ,.Schwester", duhitn 
„Tochter" nicht stimmt und beide Sprachen dennoch verwandt 
sind. Für die Entscheidung dieser Frage würde es von grossem 
Belang sein, wenn es gelänge, die karischen oder lykischen 
oder lydischen Zahlwörter aufzufinden, um diese dann mit 
den ja ziemlich vollständig bekannten etruskischen vergleichen 
zu können. 

Vielleicht, dass auch eine vergleichende Analyse der lyki- 
schen und etruskischen Wortbildung und Flexion zum Ziele 
führte, aber ich weiss nicht, ob dafür wohl schon jetzt die 
Zeit gekommen ist, und habe geglaubt, lieber auf eine solche 
ffir jetzt noch verzichten zu sollen. 

Das, was sich also bis jetzt ergäbe, würde folgendes sein: 
Die Sprachen der Pelasger auf Lemnos und der Etrusker sind 
nahe verwandt mit einander. Damit würden also die Angaben 
der Alten über die Nationalität der letzteren bestätigt und 
gewinnt auch ihre weitere Angabe, die Tyrrhener seien aus 



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74 

Lydien gekommen, an Glaubwürdigkeit. Diese Glaubwürdig- 
keit wird erhöht durch die Thatsache, dass sowohl in den 
pelasgischen Gegenden, wie auch in Lydien und den angren- 
zenden Provinzen Kleinasiens sich die eigentümlichen Orts- 
namen auf '{n)d' und -(«)«- fanden. Diese ergaben sich als 
weder semitisch, noch indogermanisch. Als weder semitisch, 
noch indogermanisch stellten sich dann, abgesehen von ein- 
zelnen Lehnwörtern, auch die unter sich und mit jenen Ortsnamen 
verwandten Sprachen von Lykien, Karlen und Lydien heraus. 
Eine Verwandtschaft dieser letzteren mit dem Pelasgisch-Etrus- 
kischen lässt sich nach dem Gesagten mit grosser Wahrschein- 
lichkeit vermuten, obwohl sich zur Zeit der direkte Beweis hierfür 
noch nicht führen lässt. Es stellt sich also als letztes Resultat 
die dereinstige Existenz eines grossen weithin verbreiteten 
selbständigen pelasgischen Sprachstammes heraus, dessen am 
weitesten nach Westen vorgerückter Zweig die Etrusker waren. 

Bezüglich des Weges, auf dem die Etrusker nach Italien 
gelangt seien, stehen sich bekanntlich zwei Ansichten gegen- 
über. Die eine, im ganzen die ältere, nimmt an, dass die 
Tyrsener zur See nach Italien gekommen seien, die andere, 
neuerdings insbesondere von Heibig vertreten, sieht die Etrus- 
ker als von Norden gekonmien an, also natürlich auf dem 
Landwege. Diese letztere Ansicht darf man zur Zeit wohl 
als die herrschende bezeichnen, so dass Heibig (Italiker in der 
Poebene 100.) mit Recht sagen konnte: „Andrerseits ist es, 
abgesehen von vereinzelten Gelehrten, die der Methode und 
den Resultaten der modernen Forschung ferner stehen, all- 
seitig anerkannt, dass die Etrusker aus dem Norden in die 
Apennin-Halbinsel einwanderten." Auch ich selbst habe auf 
Grund der sogenannten nordetruskischen Inschriften mich 
dieser Ansicht angeschlossen (cf. Pauli, altit. Fo. I, 130 sq.). 

Für die Entscheidung dieser Frage ist der Nachweis, dass 
auf Lemnos dereinst Verwandte der Etrusker sassen, zwar nicht 
ganz ohne Belang, aber doch auch nicht zu einer endgültigen 
Lösung ausreichend. Die lemnischen Pelasger führen ja zu- 
nächst auf Attika und weiterhin Böotien zurück (0. Crusius 



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75 

Beitr. z. griech. Myth. 7 sq.), und es würde sich nun doch vor 
allem die Frage erheben, auf welchem Wege die festländischen 
Pelasger in jene Gegenden gekommen seien. In bezug auf diesen 
Punkt ist die oben (pag. 48.) konstatierte Thatsache von Wich- 
tigkeit, dass in den Ortsnamen, die als pelasgisch in Anspruch 
genommen wurden, zwischen Makedonien und Thessalien eine 
Grenzlinie liegt, sofern nördlich dieser Linie das Ortsnamen- 
suffix, welches in Vorderasien als -nd- erscheint, verschwunden 
ist, südlich derselben aber, also in allen griechischen Land- 
schaften, wieder auftritt, aber in der abweichenden Gestalt -wö- 
(cf. pag. 48.). Daraus wird man, wie ich glaube, den Schluss 
ziehen müssen, dass diese südlichen Pelasger nicht unmittelbar 
mit jenen nördlichen in Zusammenhang stehen, sondern einem 
anderen Zweige dieses Volkes angehören. Hieraus aber würde 
doch wohl die weitere Folgerung zu ziehen sein, dass die Ein- 
wanderungsroute beider Zweige nicht die gleiche gewesen sei. 
Nun aber sind die makedonischen Pelasger zweifellos auf dem 
Landwege von Thrakien her, die thrakischen aber aus den 
nördlichen Landschaften Kleinasiens eingewandert, welche 
ihrerseits wieder von den südlichen Landschaften aus besiedelt 
wurden (cf. oben pag. 46 sq.). 

Diesen Weg also würden die Pelasger des griechischen 
Gebietes nicht gegangen sein, dann aber bliebe für sie doch 
wohl nur der Seeweg übrig. Und nun beachte man das Ver- 
breitungsgebiet der oben als pelasgisch in Anspruch genom- 
menen Namen! Bei Halikamassos beginnend, ziehen sie sich 
über die Inseln Lebinthos, Naxos, Paros, Prepesinthos nach 
dem Peloponnes hinüber in einer sehr deutlich hervortretenden 
Kette, die schwerlich anders denn als eine Marschroute auf- 
gefasst werden kann. Nun ist es an sich zwar möglich, dass 
die Richtung dieser Eoute von Griechenland nach Asien ge- 
gangen sei, aber, da die vorstehenden Erwägungen uns für 
die griechischen Pelasger den Seeweg von Asien her wahr- 
scheinlich gemacht haben, so li^t es doch viel näher, diesen 
Weg eben in der angegebenen Asien und Griechenland ver- 
bindenden Linie über die Inseln zu suchen. Nehmen wir 



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76 

dies an, dann erklärt sich auch das weitere Verbreitungsgebiet 
der Pelasger mit grosser Einfachheit und Klarheit Von den 
genannten Kykladen aus wurde einerseits Malea besetzt, ging 
andrerseits der Zug nach Argolis und Korinth weiter. Von 
hier aus ergoss sich ein Strom den Nordrand des Peloponnes 
entlang durch Achaia und Elis bis nach Zakynthos, ein an- 
derer ging hinüber zu den ozolischen Lokrem und nach Phokis, 
von hier aus einerseits nach Thessalien und Creston, anderer- 
seits nach Böotien und Attika. Von hier aus führte dann 
der Weg weiter über Euboea und Skyros, teils nach Lemnos, 
Imbros, Samothrake und dem Südrande der Propontis (Plakia, 
Skylake), teils nach Lesbos und der Troas (Antandros). 

Wenn diese Annahmen richtig sind, dann sehen wir, den 
Angaben der Alten entsprechend, in den Pelasgern oder Tyr- 
senern in der That ein Seevolk vor uns, und es wäre an sich 
sehr wohl möglich, dass sie, nachdem sie einmal bis Zak3'nthos 
vorgedrungen, nun auch weiter zu Schiflfe um die Südspitze 
Italiens herum nach Etrurien gelangt seien. Aber dieser An- 
nahme stehen doch andere Erwägungen entgegen. Abgesehen 
davon, dass wir nicht wissen, ob dieEtrusker nun grade dem grie- 
chischen Zweige der Pelasger angehören (das b in orwft, larb etc. 
entscheidet nichts, denn im Etruskischen sind die Aspiraten 
vielfach aus den Medien hervorgegangen), so ist es zunächst 
doch sehr wahrscheinlich, dass, wie Hei big dargelegt hat (cf. 
Italiker in der Poebene 99 sqq.), grade durch sie die Entwick- 
lung der Pfahldörfer der Italiker unterbrochen sei. Das aber 
kann nur durch einen Einfall von Norden her geschehen sein. 

Auf einen Einfall von Norden deuten femer die Thursen 
der germanischen Mythologie, in denen Jac. Grimm ge- 
sehen hat, wie ich glaube, mit Recht, die Etrusker, deren 
Kämpfe mit den Germanen, wie so oft ähnliche Kämpfe, 
in der Form von Kämpfen mit Dämonen Eingang in mytho- 
logische Sage gefunden haben. Wenn aber solche Kämpfe 
dereinst stattgefunden haben, so müssen die Etrusker zu jener 
Zeit Nachbarn der Germanen gewesen sein, und das kann nur 
nördlich oder nordöstlich von Italien der Fall gewesen. 



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_77 

Dazu kommt endlich, dass ich selbst (altit. Fo. I, 96 sqq.) 
noch inschriftliche Reste von in den Alpen zurückgebliebenen 
Etruskern in der Gegend um Sondrio herum zu finden geglaubt 
habe. Nun hat allerdings Deecke (Gott. gel. Anz. 1886, 62.) 
dagegen Einwendungen erhoben, die vielleicht richtig sein 
mögen und jedenfalls noch eine weitere Prüfung der Sache 
erheischen, aber, auch diesen Punkt beiseite gelassen, so bleibt 
doch auch ohne das inmier noch genügender Grund zu der 
Annahme, dass die Etrusker von Norden nach Italien ge- 
kommen seien. 

Ist somit die Auffindung unserer Inschrift für die Frage, 
ob die Etrusker auf dem liand- oder Seewege nach Italien 
gekommen seien, nicht von Bedeutung, wenngleich aus an- 
deren Gründen Wahrscheinlichkeit für den Landweg vorzuliegen 
scheint, so ist sie doch für eine andere Frage entscheidend 
gewesen, ich meine die nach der genealogischen Stellung des 
Etruskischen. Denn wenn sich uns im Vorstehenden din An- 
gaben der Alten in bezug auf die Existenz tyrrhenischer 
Pelasger, sowohl in Lemnos, wie in Etrurien, als zuverlässig 
ergeben, dann wird man doch auch ihren weiteren Angaben 
bezüglich dieses Volkstammes mit einem günstigen Vorurteil 
entgegenkommen müssen. Diese ihre Angaben abergehen be- 
kanntlich dahin, dass die Tyrrhener aus Lydien gekommen seien. 

Nun wir dieselben Tyrrhener, wie in Etrurien, eben durch 
unsere Inschrift auf Lemnos nachgewiesen sehen, gewinnt die 
Sache in der That ein verändertes Ansehen zu gunsten dieser 
Angabe, und die Sache scheint doch nicht ganz so sehr Fabel 
zu sein, wie Heibig (Annali 1884, 154.) gemeint hat. 

Wenn aber wirklich die Etrusker aus Lydien gekommen 
sind, dann sind sie den Italikem stammfremd und der alte 
Dionysius hat recht. Angesichts der durch unsere Inschrift 
gegebenen neuen Thatsache (ich verweise dabei aber ausdrück- 
lich auf die Reserve oben pag. 41.) würden wohl selbst die 
bisherigen Vertreter der Ansicht, dass die Etrusker Italiker, 
resp. die nächsten Verwandten der Römer seien, diese ihre 
Ansicht nicht aufrecht erhalten wollen. 



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78 

Auch die weitere Frage, ob denn nun die Lyder und so- 
mit die Etrusker nicht einem anderen Zweige der Indogermanen 
angehören, ist durch die vorstehende Untersuchung bereits 
beantwortet. 

Und unter dem Gesichtspunkt der durch unsere Inschrift 
neu geschaffenen Sachlage gewinnen nun auch noch weitere 
Momente an Beweiskraft, denen man bisher für sich allein die- 
selben nicht recht zuzustehen geneigt sein konnte; ich meine 
die schon von Otto Müller (Etr. II 2, 204 sqq.) hervorgehobene 
Ähnlichkeit zwischen der etruskischen und der vorderasiatischen 
Musik und die unzweifelhaft vorhandenen Beziehungen zwischen 
der Konstruktion der Gräber in Etrurien einer-, in Vorderasien 
andererseits. Bindseil hat in seiner trefflichen Programmabhand- 
lung über „Die Gräber der Etrusker" (Schneidemühl, 1881.) bereits 
auf mehrfache Punkte dieser Art hingewiesen, so auf die Ein- 
gangsschächte der Gräber, welche sich in Phrygien wieder- 
finden (1. c. 18.), auf die blinden Thüren, wie sie auch an 
den Felsengräbern Phrygiens und Lykiens gefunden werden 
(1. c. 20.), so auf die Ähnlichkeit des von dem älteren Plinins 
beschriebenen Porsenagrabes mit dem des Alyattes in Lydien 
(1. c. 26 sqq.), wobei noch besonders zu beachten, dass ein 
Labyrinth, wie das des Porsenagrabes, grade auch auf Lemnos 
gewesen sein soll. Das sind eine Reihe der auffalligsten Be- 
ziehungen, die für sich allein allerdings nur eine geringe Be- 
weiskraft haben würden, weil sie ebenso gut auf kulturgeschicht- 
lichen, als auf ethnographischen Zusammenhang zurückgeführt 
werden könnten, die aber im Lichte unserer Inschrift doch 
wohl für letzteren zu sprechen scheinen. 

Es erübrigt jetzt nur noch die Frage, durch welches Er- 
eignis denn etwa die Etrusker, wenn sie, wie auch ich glaube, 
auf dem Landwege, also von Norden, nach Italien gelangt 
seien, zu dem Aufbruch aus ihren früheren Sitzen veranlasst 
worden seien. Heibig (Italiker in der Poebene 100.) hat die 
Ansicht ausgesprochen, „dass dasselbe Völkergeschiebe, welches 
den Anlass zur dorischen Wanderung gab, auch die Etrusker 
nach dem Süden vorwärts drängte." Das ist auch mir sehr wahr- 



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^79 _ 

scheinlich, von welchen Völkern aber dieses Geschiebe ausging, 
ob etwa von den lUyrieru oder den Kelten oder den Germauen, 
das wird noch näherer Untersuchung bedürfen, die indes zu um- 
fangreich ist, um an diesem Orte angestellt werden zu können. 
Nach allen den vorstehenden Darlegungen wird sich also 
das ethnographische Ergebnis bezüglich der Pelasger folgender- 
massen gestalten: Die ältesten Sitze, so weit wir verfolgen 
können, der weder zu den Semiten, noch zu den Indogermauen 
gehörenden Pelasger sind die südlichen Landschaften von Klein- 
asien. Von hier aus gingen zwei Wanderungen nach ver- 
schiedenen Richtungen. Der eiue zog sich etwa von Karien 
quer durch das ägäische Meer über die Kykladen nach der 
Küste des Peloponnes und verbreitete sich von da südlich bis 
Malea, westlich bis Zakynthos, nördlich bis Thessalien und 
rückwandemd in östlicher Richtung nach Lemuos und den 
benachbarten Inseln, so wie dem Südmnde der Propontis (cf. 
das Nähere hierüber oben pag. 75 sq.). Der zweite Zug ging 
etwa von Lydien aus, durch die nördlichen liandschaften Klein- 
asiens und Thrakien bis Makedonien (cf. oben pag. 46. 75.). 
In umgekehrter Richtung mit dieser Wanderung ging die era- 
nische, welche, von Persien ausgehend, durch Skythien, Sarma- 
tien (Skythen und Sarmaten sind von MüUenhoff in den 
Monatsberichten der Berliner Akademie 1866, 549 sqq.) end- 
gültig als Eranier nachgewiesen), und weiter dann durch 
Thrakien hindurch in die nördlichen Teile von Kleinasien bis 
nach Phrygien und Mysien sich ergoss. In Thrakien und den 
Nordprovinzen Kleinasiens mischten sich also Pelasger und 
Eranier, eine Thatsache, die für Mysien durch des Strabo 
Notiz, TYjv ToW Mo3ttW SiaXexTov piiSoXoSiov ica>c (d. i. pelasgisch) 
stvat xai fjLt?o<ppüYiov (d. i. eranisch), ausdrücklich bezeugt wird. 
Und dass selbst bis nach Lydien hin eranische Worte von Phry- 
gien aus vordrangen, haben wir oben (pag. 67 sq. 70.) bereits 
festgestellt. Zu diesen zweiten um die Donau sitzenden Pelas- 
gem nun gehörten wahrscheinlich die Etrusker, welche, ge- 
drängt von nachrückenden Völkern vermutlich illyrischen 
Stammes, sich etwa von Dacien aus durch Pannonien und 



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80 

Norioum über die Alpen nach Oberitalien ergossen, ein Weg, 
der knrz genug ist. 

Ich halte die vorstehenden Resultate nicht etwa für end- 
gültige, sondern gebe dieselben unter allem Vorbehalt. An- 
dererseits aber schien es mir doch aus mancherlei naheliegen- 
den Gründen wünschenswert, aus der Lemnos-Inschrift die 
etwaigen Konsequenzen zu ziehen und den Faden aufzuweisen, 
der uns möglicherweise aus dem Labyrinth der Etrusker- 
frage herauszuführen im stände wäre. 

Um meine provisorischen Resultate zu endgültigen zu 
machen, dazu bedürfte es zunächst noch weiteren inschrift- 
lichen Materials, wie es wohl nur durch Ausgrabungen zu 
gewinnen wäre. Diese Ausgrabungen würden vor allem in 
Lemnos, Imbros und Samothrake einer-, in Lydien und Karien 
andrerseits anzustellen sein, eine würdige Aufgabe für einen 
Schliemann. Ausserdem aber würde noch eine erneute und in 
alle Einzelheiten eingehende Untersuchung der Ethnographie 
Kleinasiens anzustellen sein, sowohl auf Grund der Nachrichten 
bei den alten Schriftstellern, wie der Sprachreste. Und schliess- 
lich würde noch erübrigen, zwischen dem Etruskischen und 
den in Frage kommenden kleinasiatischen Sprachen die Koin- 
zidenzpunkte aufzusuchen in ähnlicher Weise, wie es in vor- 
liegender Arbeit zwischen dem Etruskischen und unserer 
Lemnos-Inschrift geschehen ist. 

Sollten sich aber alsdann die obigen Resultate in end- 
gültige wandeln, dann wären endlich die Etrusker aus ihrer 
bisherigen ethnographischen Vereinzelung herausgetreten und 
in einen grossen, weithinverbreiteten prähistorischen, selbständig 
neben Semiten und Indogermanen stehenden Sprachstamm ein- 
gereiht, und das Rätsel hätte aufgehört, ein solches zu sein. 

Gegenüber der neuesten Phase in der Etruskologie wäre 
das immerhin ein nicht unbeträchtlicher Gewinn, obgleich auch 
dann noch bis zur Entzifferung der etruskischen Inschriften 
ein weiter, weiter Weg wäre. Aber es wäre doch für später 
einmal vielleicht die Möglichkeit dazu gegeben. Und diese 
Möglichkeit der EntziflFerung würde sich dann natürlich auch 



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81 

auf unsere Lemnos-Inschrift erstrecken, die ich, abgesehen von 
einzelnen Formen, wie -m „und, morinail und vielleicht amz 
(cf. oben pag. 32 sq.), zur Zeit für eben so unentzifferbar halte, 
wie den Cippus perusinus oder die Bleiplatte von Magliano, 
falls sie echt ist, weshalb ich in einen solchen Versuch für 
unsere Inschrift auch gar nicht eingetreten bin. Bevor wir 
nicht eine längere Bilinguis haben, sei es eine lateinisch- 
etruskische aus Etrurien oder eine griechisch-pelasgische von 
Lemnos, Imbros oder Samothrake, bleiben alle solche Versuche 
müssig und wertlose etymologische Spielereien. 

Es ist hier das erste Mal, dass ich über die ethnographische 
Stellung der Etrusker mich positiv äussere. Ich habe das bis- 
her absichtlich vermieden, weil für mich der anderen Ortes 
(Philol. Rundschau II, 794.) von mir ausgesprochene Satz, 
„dass die Zeit überhaupt noch nicht gekommen sei, etwas 
Positives über die Verwandtschaft des Etruskischen auszusagen", 
und dass man sich einstweilen mit der Negative zu begnügen 
habe, welche dahin gehe, dass das Etruskische weder italisch, 
noch überhaupt indogermanisch sei, bisher noch in keiner 
Weise erschüttert wur, ein Satz übrigens, den trotz seiner, 
wie mir scheint, völligen Klarheit Gustav Meyer nicht ver- 
standen hat (cf. Philol. Anzeiger XII, 550.). Oder hält er etwa 
den letzten Satz der citierten Stelle für positiv? 

Vielleicht ist übrigens auch jetzt noch dieses mein Heraus- 
treten aus der Reserve ein verfrühtes. Aber andrerseits glaubte 
ich doch nicht zögern zu sollen, die Folgerungen, die sich 
mir aus der Lemnos-Inschrift zu ergeben schienen, einmal 
versuchsweise zu ziehen und weiterer Prüfung zu unterbreiten. 
Stellen sie sich als unhaltbar heraus, nun, so war es eben 
auch jetzt noch zu früh, und der von mir eingeschlagene Weg 
war ein Irrweg. Da es aber wenigstens ein bis jetzt von nie- 
mandem betretener Weg war, so glaubte ich doch ihn ein- 
schlagen und versuchen zu sollen, ob er nicht vielleicht zum 
Ziele führe. Den Mut, zu irren, habe auch ich, aber den 
Vorwurf, etymologische Tascheuspielerei zu treiben, möchte ich 
mir wenigstens ersparen. 



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ALTITALISCHE FORSCHUNGEN. 



Von 



Dr. CARL PAULI. 



ZWEITER BAND. 

EINE VORGRIECHISCHE INSCHRIFT VON LEMNOS. 
2. ABTEILUNe. 



LEIPZIG 

JOHANN AMBROSIÜS BARTH (ARTHUR MEINER). 

1894. 



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EINE 



VORGRIECHISCHE INSCHRIFT 



VON 



LEMNOS. 



Von 

Dr. CARL PAULI, 

PROFESSOR AM LYCEUM IN LUGANO. 



2. ABTEILUNG. 




LEIPZIG 

JOHANN AMBROSIÜS BARTH (ARTHUR MEINER). 

1894. 



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übersetzungsrecht vorbehalten. 



Druck vuti Metzger & Wittig in Leipzig, 



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Vorrede. 



Später, als bei dem Erscheinen des dritten Bandes dieser 
Forschungen in Aussicht gestellt war, erscheint dieses zweite 
Heft des zweiten. Mangel an Zeit, der teils dui;ph die Be- 
arbeitung der kürzlich erschienenen ersten Sektion eines neuen 
Corpus inscriptionum etruscarum, teils durch äussere Verhält- 
nisse hervorgerufen war, möge zur Entschuldigung wenigstens 
angeführt werden. 

Ich bin bemüht gewesen, in diesem neuen Hefte einerseits 
die bisherigen Deutungen der lemnischen Inschrift, so wie die 
gegen meine eigene frühere Behandlung derselben erhobenen 
Einwände gewissenhaft zu prüfen, andrerseits aber auch die 
Forschung weiter zu führen und, soweit es anging, abzuschliessen. 
Freilich ist letzteres für manche Teile des Buches nur in be- 
dingtem Masse möglich gewesen, da es sonst so umfangreicher 
Einzeluntersuchungen bedurft hätte, dass der Umfang des 
Buches leicht auf das Doppelte angewachsen wäre. Ich habe 
mich in diesen Fällen damit begnügen müssen, Andeutungen 
zu geben und nur die Wege zu zeigen, die man weiter zu ver- 
folgen hätte. Da ich in den nächsten Jahren vollständig durch 
die Weiterführung des obengenannten Corpus inscriptionum in 
Anspruch genommen sein werde, so wird es mir selbst kaum 
möglich sein, diese Einzeluntersuchungen auszuführen und da- 
durch das, was in diesem Buche noch zweifelhaft blieb, zur 
Entscheidung zu bringen. Aus diesem (Irunde aber scheint 
mir ein Appell an die jüngeren Gelehrten nicht unangebracht. 
Ich habe im Verlauf der Arbeit eine ganze Reihe von Auf- 



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IV 

gaben, die noch der Einzeluntersuchung harren, bezeichnet 
(cf. z. B. pag. 158. 165. 182. 208. 215 und sonst), und da 
sie alle treffliche Themata für Doktordissertationen sind, so 
seien sie hiermit den jungen Philologen der deutschen Hoch- 
schulen bestens empfohlen. Dass ich selbst mit meinem 
Rate und mit diesem oder jenem Fingerzeige zu Diensten 
stehe, bedarf wohl keiner besonderen Versicherung. Zu diesem 
Zwecke füge ich unten meine Adresse bei, und es sollte mich 
im Interesse der Wissenschaft freuen, wenn sie bald und reich- 
lich in obigem Sinne benutzt würde. 

Das jüngst erschienene Buch von Cordenons „Un po' piü 
di luce sulle origini etc. degli Euganei-Veneti", welches gleich- 
falls auf die Etruskerfrage eingeht, konnte selbst für die Nach- 
träge nicht »mehr benutzt werden. 

Lugano, den 16. Februar 1894. 

Dr. Carl Pauli. 

(Professor am Lyceum in Lug^ano, 
Viale Carlo Cattaneo 94, Casa Monti). 



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Seit dem Erscheinen des ersten Heftes dieses zweiten 
Bandes meiner „Altitalischen Forschungen", welches über „eine 
vorgriechische Inschrift von Lemnos" handelte, sind sieben Jahre 
vergangen. Die von mir damals leise gehegte, wenn auch un- 
ausgesprochen gelassene HoflFhung, dass vielleicht auf Lemnos 
oder einer der benachbarten Inseln weitere pelasgische In- 
schriften aufgefunden werden wurden, hat sich bis jetzt nicht 
erfüllt Trotzdem aber scheint es mir nicht unangebracht, den 
Gegenstand noch einmal wieder aufeunehmen, weil in diesen 
sieben Jahren litterarisch manches erschienen ist, zu dem es mir 
durch die hervorragende Wichtigkeit des Gegenstandes geboten 
scheint Stellung zu nehmen. Teils sind meine eigenen in 
jenem ersten Hefte ausgesprochenen Ansichten Gegenstand der 
Erörterung geworden, teils ist von anderen Seiten an eine Er- 
klärung der fraglichen Inschriften herangetreten worden. Es 
schien mir notwendig, zu untersuchen, was in diesen beiden 
Arten von Publikationen haltbar sei und somit einen Gewinn 
für die Wissenschaft darstelle. 

Ich beginne mit der Besprechung der bisher von anderer 
Seite veröffentlichten Erklärungen unserer Inschrift. Es sind 
dies, soweit mir bekannt geworden, die folgenden: 

1. Bugge, Der Ursprung der Etrusker durch zwei lemnische 
Inschriften erläutert. Christiania, in Kommission bei Jacob 
Dybwad. 1886. 

2. Deecke, Die tyrrhenischen Inschriften von Lemnos im 
Rheinischen Museum n. F. XU, 460. (1886.) 

3. ApostoUdes, Essai d'interpretation de Tinscription pr6- 
hellenique de File de Lemnos. Alexandrien, V. Penasson. 1887. 

Pauli, Inschrift von Lemnos IL 1 



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4. Moratti, Stiidii sulle antiche lingue italiche, S. 67sq. 
Florenz, Le Monnier Nachfolger. 1887. 

Es wird zweckmässig sein, die Resultate dieser vier ünter- 
snchnngen hier kurz zusammenzustellen. 

Bugge (S. 37) ordnet und liest den Text so: 

a 
kolaieizlnazob 
ziazil 

maraz : mav 
sial'/veilziavilz 
evisbo : zeronaib • 
zwai 

vewialasial \ zeronai \ morinail 
akerliav'.arzio 

b 
holcu^zi', ^okiaaiale \ zerariaib : evisbo : toverona- 
rom : haralio : zivai', epiezio : arai : (iz : (^oke : 
zwai : aviz : sialyyiz : marazm : aviz : aomai 
Dies übersetzt Bugge folgendermasseu: 

a 
„Z. (Sethre) Holaie (Hjlaios), Enkel des Ziaz (Dias), höchster 
Beamter, in Verbindung mit Z. Sialchviz [und] Z. Aviz hat in 
diesem Zerona-Heiligtume der vamalischen Göttin, der mo- 
rinischen Zerona (d. h. der aus Homole überführten Göttin 
Zeruna, welche in Myrina verehrt wird) diesen Altar gebaut/' 

„In diesem Zerona-Heiligtume Holaies des Phokaers [ist] 
dies Heliüsbild der Göttin der Haralier (der Alerier) auf dem 
Altare der Hephästier und der Göttin der Phokäer von Aviz 
Sialchviz und dem höchsten Beamten Aviz Aomai (Eumaios) 
[geweiht].** 

Dies Resultat wird gewonnen auf etymologischem W^e 



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3 

durch Vergleichung der einzelnen Formen unserer Inschriften 
mit etruskischen Formen. 

Bezüglich der Sprache stellt Bugge folgende Satze auf: 

1. Die tyrrhenische Sprache der lemnischen Inschriften 
ist wesentiich dieselbe, wie die Sprache der in Italien gefun- 
denen etruskischen Inschriften (S. 50); 

2. die tjvrhenische Sprache der lemnischen Inschriften 
gehört dem indogermanischen Sprachstamme an (S. 52); 

3. die tyrrhenische, wie die etruskische Sprache, steht den 
italischen Sprachen weit näher, als dem Griechischen oder irgend 
einem anderen Gliede des indogermanischen Sprachenkreises 
(S. 54); 

4. am richtigsten ist daher .... das Tyrrhenische mit dem 
Etruskischen als ein eigenes Glied der indogermanischen Sprachen- 
familie zu betrachten, welche beide Sprachen man am besten 
unter dem Namen „das Tyrrhenische^* zusammenfasst (S. 56). 

Und daraus zieht er weiter folgende sachliche Folgerungen: 

1. Die Etrusker oder Tyrrhener Italiens waren dasselbe 
Volk, wie die tyrrhenischen Pelasger von Lemnos {S. 56); 

2. die von den Etruskem nicht verschiedenen Tyrrhener 
waren also ein indogermanisches, den Italikem am nächsten 
verwandtes Volk (S. 57); 

3. die Sprache der lemnischen Inschriften steht der etrus- 
kischen Sprache Italiens entschieden näher, als es bei so weiter 
Entfernung zu erwarten wäre, wenn die Übereinstimmung nur 
auf alter Stammesgemeinschafb beruhte; es sind daher die lem- 
nischen Tyrrhener und andere griechische Tyrrhener, welche 
mit diesen zusammengehören, aus Etrurien, wie die Wikinger 
des Mittelalters aus Skandinavien, herausgeflogen (S. 57. 59). 

Deecke (S. 461) liest den Text unserer Inschriften fol- 
gendermasseu: 

a 
holaie \ z \ wacpöJ> 
evis^o : zeronai^ \ 
siul/yeiz \ aviz 
: maraz \ viav 



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zicui* 

vamcdasial • zeronai \ morinail 

aher\tav\arzio 

zivai 

h 
^olaiezi : (pokiasiale • zero^b : ^isbo : tovei-omu" 
rom : hüfqUo : zivai : epfezio : arai • ^ : ^oke : ? 
riroe : aviz : sialyyi^ l mara^m \ aviz : aomai 
Dies übersetzt er folgendermassen: 

a 
„Holaeus, S(eiantii) nepos, conditus (eig. *investus, sc. est) in 
(hoc) sepiücro. Sues oves tauros (eig. mares) obtulit Seiantius, 
Vamalasiae (tiiius), in sepulcro; murrinalia axpara dedit Orcivo 
(eig. Orcio) lovi." 

b 

,^ro Holaeo, Phociasiae (filio), in (hoc) sepulcro condito, 
duplex Votum extispici lovi, invasori (eig. "^impeticio oder -itio) 
Marti dat Phocius: Io?i oves (et) sues taurosque (et) oves Cla- 
matori (i. e. Marti)." 

Auch dieses Resultat ist auf dem etymologischen Wege 
gewonnen, genau wie das Buggesche, mit dem es ja auch in 
der Deutung des Wortes na<po}> vollkommen übereinstimmt, 
während es die samtlichen übrigen Formen, soweit es nicht 
Namen sind, allerdings anders deutet Ob an einem solchen 
Ergebnis auch andere Leute Freude haben können, erscheint 
mir doch fraglich. 

Apostülides (S. 6; für B. cf. auch S. 36) liest: 

a 

holaie • z : naqoü : ziazi 
niara: z\maf\i\z\'\ 
sialvfei\z\afi\z\ 
ejisbolzeronaid 
zifai: 



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f/ •2« alasial: zeranaimorinal 
akeritafarziol 

b 
zifai\anü\sialvfi\z\mara\z\mai\z\ajomai 
romlharalio : zifai\ el: elzio : arail tiz : <foke : 
holaiezi: qoke : asiale : zerozaM : ^&ö : taferoma 
Apostolides nimmt nämlich die Buchstaben F = ^ = ?9 

Vorstehenden Text übersetzt er (S. 33. 40) nun folgender- 
massen: 

a 

,,Evis&o Zeronai&y le conqu^rant de Bhodes, de Naxos, de 
Faros, d'Anaphö, d'Astypal^e et de Th^ra, döcedö le 2 du mois 
Alasial, le nomm6 Zeronaid 6tant le commandant en chef de 
la ville de Myrina." 

b 

„Celui-ci est le tombeau du prince des Amoriens et con- 
qu6rant des lies de Thöra, d'Astypal^e, de Faros et d'Anaphö, 
dte^dö le ? d'Elziou, second mois de l'ann^e, le nommö Zero- 
zai& Evisöo 6tant grand-roi de la Lydie et de TEolide." 

Die Inschrift ist dem hellenischen Gelehrten eine Bilin- 
guis, und zwar der Teil a abgefasst in „Caro-Fhrygien", der 
Teil b in „Caro-Fhenicien aramais6", langues de confusion nöes, 
entre le IX°*« et le VII°*« siöcle avant notre fere, du m^lange 
des langues anciennes du pays (Carlen, Fhrygien, Mysien et 
Lydien) avec le Chananeen d'abord, et ensuite avec TArameen" 
(S. 10), erstere in Fhrygien, letztere in Carlen gesprochen im 
7. Jahrhundert v. Chr. (ibid.). 

Das obige erstaunliche Resultat, „Interpretation aussi satis- 
faisante que legitime" (S. 13), wird dann gewonnen durch die 
sprachvergleichende Methode, und zwar „par Pintermediaire de 
Tarabe uni au grec" (ibid.). 

„Le jeune conquerant et prince d'Amorium" (S. 41) sei 
wahrscheinUch der Sohn des Königs Zerozaid, und dieser letz- 
tere wird dann (S. 44) als der König Gyges von Lydien be- 



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6 _ 

stimmt, wobei die Ponn Zerozaid dem grioch. Mermnade,^ dem 
Namen des Geschlechtes des Gyges, gleichgesetzt wird durch 
folgende Darlegung: ,,Si l'on compare avec attention le nom 
Zerozaib avec celui de Mermnades^ ou ne tard^ra pas ä re- 
connaitre que la seule difference qui existe entre ces deux mots, 
consiste en ce que lä oü Tun a M l'autre porte Z. Or, comme 
cette derni^re lettre avait dans l'alphabet caro-ph^nicien la 
forme de la lettre ionienne M et que le nom de Mermnades 
ne se retrouve nulle part ailleurs que chez Hörodote, il est 
permis, croyons-nous , d'admettre que ce nom n'est qu'une 
transcription erronöe du nom ZER0ZAI6, transcription dans 
laquelle le copiste grec aura pris par megarde la lettre caro- 
phenicienne M pour la lettre ionienne M" (S. 46). 

Ich habe mir nicht versagen wollen, diese Stelle hier ihrem 
Wortlaute nach anzuführen. 

Moratti (S. 67) liest den Text folgendermassen: 

a 
holaie : z \ narsob 
ziazil 

marnz \ mav 
sialyyei[ : ]z • oi?/ : z 
evis\}o i zeronai\} [•] 
zivai- 
va mala^ial \ zeronai : morina il 

b 
ho\r\ai^[z\i : zokiasiale : zeronai^ : «'wftö : tovfero \7n\a 
ro-m : haralio : zwai: ep[f\ezio : urai'. tiz \ rpoke : 
zivai: nviz \ sial/tnz \ maraz-m \ atnz I ao-mav 
Dies übersetzt er so: 

a 

„Holaie Z(iazi) (figlio) di Nacpo& Ziazi:Iunga [grandc] ebbe 
[misuro] florida(?) vita [etä]: il bene in senato operö pubblico(?): 
il senato di Myrina tomba diede ouorata.'* 



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b 

.,Holaie Zi(azi) il forte in senato bene dttadino e grande . . . 
opero prodezze operö in etä florida e longa vita es^ ebbe". 

Auch dieses Resultat wird nach der sprachvergleichenden 
Methode erreicht. Nach derselben Methode behandelt der Ver- 
fasser auch die messapischen , etruskischen , lepontischen, 
rätischen, euganeischen , venetischen, norischen und phry- 
gischen Inschriften. Aus der Behandlung aller dieser In- 
schriften gewinnt er das folgende ethnographische Ergebnis: 
„L' esame linguistico che siamo venuti facendo ha dimostrato 
come deir armeno, principale rappresentante dei linguaggi delF 
Asia Minore, siano parenti il messapico e 1' albanese, V etrusco, 
il lepontio e il retico, V euganeo, il veneto, ü norico, il lin- 
guaggio di due iscrizioni di Lenno e il frigio." Alle diese 
Sprachen gehören zu den linguaggi aäani, wie er sie nennt 
Dann fahrt er fort: „Guidato pertanto dalle tradizioni storiche 
e da ragioni linguistiche io mi faccio il seguente quadro dell' 
antichissima populazione deir Europa meridionale-occidentale". 
Darnach sass in Europa zuerst eine ural-altaisohe Urbevölkerung, 
deren letzte Reste in den Basken vorliegen. Über sie ergossen 
sich dann die Asiani, deren einer Zweig die Pelasger sind, 
welche Griechenland, Ober- und Mittelitalien und die Inseln 
besetzten, und deren anderer das Gebiet zwischen Balkan und 
Donau, schwarzem und adriatischem Me3re einnahm. Von hier 
aus gingen sie westlich vor, auf dem linken Flügel die Iberer, 
die Aquitanier, die Ligurer und die Euganer, auf dem rechten 
die Belgier, die Vindelicier, die Lepontier, die Rätier. Nun 
kommt die Wanderung der Grakoitaliker, von denen die Griechen 
die asianischen Pelasger, die Italer die asianischeu Euganeer 
unterwerfen. Auf die Italer drängte nun ein neuer asianischer 
Stamm, die Japuder, so dass infolgedessen die Italer weiter 
südlich zogen und ihrerseits nun die (pelasgischen) Aboriginer 
und Sikuler in den äussersten Süden und nach Sizilien drängten. 
Nach dem trojanischen Kriege und infolge desselben sei dann 
eine neue asianische Wanderung nach Westen erfolgt: die 
Veneter, aus Paphlagonien kommend, hätten, nach vorauf- 



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8 

gehenden Kämpfen mit den Japuden, die Enganeer aus ihren 
Sitzen verdrängt; dann seien die Tyrrhener, nachdem sie schon 
früher Lemnos besetzt, aus Lydien ausgewandert und hätten 
Etrurien besetzt Darauf sei dann schliesslich die grosse kel- 
tische Wanderung erfolgt 

Auch diese erstaunlichen Ergebnisse habe ich mir nicht 
versagen wollen hier in ihren Grundzügen noch einmal vor- 
zuführen, obwohl ich das betreffende Buch bereits anderen Ortes 
(Neue philol. Rundschau 1888, 168 sqq.) genügend gewür- 
digt habe. 

Ich brauche für kundige Leser wohl nicht erst zu be- 
merken, dass ich alle diese Entzifferungen für gleichwertig, 
d. h. für völlig wertlos halte. Es lässt sich das auch beweisen. 
Freilich nicht in der Weise, dass ich etwa zeige, weshalb eine 
einzelne Deutung, wie z. B. evisfio als „concütus", unhaltbar 
sei, — ein solcher negativer Beweis ist deshalb nicht zu 
führen, weil eben die Positive auch nicht bewiesen, sondern 
nur behauptet und lediglich geraten ist, — sondern in der 
Weise, dass man das irpÄtov t^eoSo?, die fehlerhafte Methode, 
nachweist. 

Das habe ich freilich schon oft genug gethan, insbesondere 
auch in meinem Aufsatze über „die wahre und ialsche Me- 
thode bei der Entzifferung der etruskischen Inschriften" (Altit. 
Stu. IV, 93 sqq.), und es hat ja auch an anderen Gelehrten 
nicht gefehlt, die teils aus sich heraus, teils im Anschluss an 
mich auf das Fehlerhafte der Methode hingewiesen haben, — 
es wird hier genügen, in aller Kürze auf Br6al, Gruppe und 
Stolz hinzuweisen, deren in Frage kommende Äusserungen ich 
bereits früher an verschiedenen Stellen meiner Schriften an- 
geführt habe, — aber die Wahrheit kann nicht oft genug ge- 
sagt werden und muss immer wieder und wieder gesagt werden, 
bis sich alle zu ihr bekehren. 

Bugges Ansichten über das EtrusMsche haben sehr stark 
gewechselt. In seiner Anzeige von Corssens grossem Werk in 
der Jenaer Litteraturzeitung (1875, 285) sagt er: „Dem Verf. 
[Corssen] ist das Etruskische eine indoeuropäische, mit dem 



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9 

Lateinischen, Oskischen und ümbrischen am nächsten ver- 
wandte Sprache. Ich [Bugge] spreche es unumwunden aus, 
dass ich inbetreff der Stellung des Etruskischen im wesentlichen 
die Ansicht Corssens teile, wiewohl mir überaus viele seiner 
einzelnen Aufstellungen zweifelhaft, unwahrscheinlich oder irrig 
erscheinen." 

Bag^en heisst es in der Vorrede zu der ersten 
Sammlung seiner Beiträge zur Erforschung der etruskischen 
Sprache (in Deeckes Etruskischen Forschungen und Studien 
Heft IV, S. X 1883): „Das EtrusMsche bildet eine eigene Ab- 
teilung der indogermanischen Sprachenfamilie und weicht von 
allen übrigen Abteilungen derselben stark ab. Dem Italischen 
und dem Griechischen steht es am nächsten und stimmt oft 
mit dem Griechischen überein, wo die italischen Sprachen von 
diesem abweichen. Auch mit den übrigen europäischen Sprachen, 
indogermanischer Herkunft, zumal den baltisch-slavischen, zeigt 
das Etruskische einige spezielle Berührungen." 

Dann folgte (1886) die oben aus dem Buche über die 
Lemnosinschrifken angefahrte Ansicht, „dass das Etruskische den 
italischen Sprachen weit näher stehe, als dem Griechischen oder 
irgend einem anderen Gliede des indogermanischen Sprachen- 
kreises." 

Endlich hat er in seinem Buche „Etruskisch und Ar- 
menisch" (1890) folgende Ansicht (S. Vllsq.): „Das Etruskische 
gehört nach meiner jetzigen Ansicht zu derselben Gruppe der 
indogermamscben Sprachen, wie das Armenische welches, wie 
Hübschmann bewiesen hat, ein eigenes Glied der indogermanischen 
Sprachfamilie bildet und nicht zu den eranischen Sprachen ge- 
hört Das Etruskische steht nach meiner Auffassung dem Ar- 
menischen ebenso nahe, wie z. B. das Irische den britannischen 
Sprachen, ja noch näher, so dass ich fast versucht bin, das 
Etruskische einen stark abweichenden altarmenischen Dialekt 
zu nennen. In zahlreichen Fällen stimmt das Etruskische mit 
den modernen vulgär-armenischen Dialekten überein, wo diese 
von dem Classisch-Arnienischen abweichen." 

Dass jemand seine wissenschaftliche Überzeugung ändere, 



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10 

das allein ist ja niemand zum Vorwurfe zu machen, allein ein 
solcher Wechsel muss einmal als genügend begründet sich dar- 
stellen, andrerseits nicht so ziemlich mit jeder neuen Publi- 
kation sich einstellen, wie das doch bei Bugge der Fall ist. 
Das macht von vornherein misstrauisch, denn man hat ja gar 
keine Gewähr, dass nicht bei der nächsten Publikation aber- 
mals ein anderer Standpunkt eingenommen werde und, so gut 
wie früher das Griechische, dann die italischen Sprachen, jetzt 
das Armenische als nächstverwandte Sprache zur Yergleichung 
und Deutung der Inschriften herangezogen ^rde, dann etwa 
das Litauische oder Altnordische in die gleiche Stelle trete. 
Denn ein Unterschied in der Methode oder neue Thatsachen, 
' die den fortwährenden Wechsel in Bugges Ansichten hätten 
begründen k'»nnen, liegen nicht vor. Es beruht alles lediglich 
auf subjektiver Überzeugung. Eine lediglich subjektive Ober- 
zeugung ist schon das bei allem Wechsel gleichgebliebene 
Fundament Bugges, dass das Etruskische eine indogermanische 
Sprache sei, denn ein objektiver Nachweis, dass dem so sei, ist 
bisher von niemandem geführt worden, ja, es hat nicht einmal 
gelingen wollen, die Sache auch nur wahrscheinlich zu machen, 
der Widerspruch hat sich vielmehr von allen Seiten erhoben 
(cf. die von mir gegebene Zusammenstellung in der Neuen 
Philol. Rundschau 1889, 63). Auf lediglich subjektiver Über- 
zeugung beruhte femer die Auswahl der als nächstverwandter 
angesehenen Sprachen, denn je nachdem ihm diese oder jene 
Sprache mehr oder besser vergleichbare Punkte zu bieten schien, 
nahm er sie als die nächstverwandte an, irgend ein Unter- 
schied in der Methode lässt sich nirgend wahrnehmen. 

Man vergleiche in dieser Beziehung z. B. , was über See 
„Tochter*^ gesagt wird. So heisst es bei Bezzenberger Beitr. 1 886, 
49: „Hiemach [d.h. aufGrund der Formen .<h}ec und ^eci{] scheint 
mir ^ec aus ^^eci entstanden. Ein Suffix, dessen Haupt^lement 
c oder ^ ist, kommt im Etrusk. öfter, auch bei Verwandt- 
schaftswörtera, vor, z. B. ratacs (frater), pomix (patronus). Hier- 
nach vermute ich, dass sec (Tochter), aus *sv€ci^ Femininum 
eines Wortstammes ist, der dem lad. svaka-s (in der späteren 



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11 

Sprache), eigen, Subst. ein Eigener, Angehöriger, entspricht" 
Hingegen heisst es Etr. und Arm. I, 34 so: „Indem ich eine 
frühere Vermutung zurücknehme, identifiziere ich jetzt etr, 
.<^ „Tochter** Gen. äer^iä mit arm. eg Gen. igi, dem gewöhn- 
lichen arm. Worte für „Weib" Als indogerm, Grund- 
form des etr. ^cj^ und des arm. ^g setze ich ^sSighi-Sy Akk. 
*setghi'm (mit volarem gh) voraus. Ich vergleiche altir. mg 
Milch.« 

Ein anderes Beispiel ist tenii. Hierüber heisst es Etr. Fo. 
u. Stu. IV, 171: „Wie nun zilaynu mit zUayce^ zilace ver- 
wandt ist, so scheint ienu mit tece (= hece) verwandt. Hier- 
nach scheint mir hece F. Spl. I, 399 mit tenu, tenbas synonym, 
und tenuj tenbas gehören mit Ti&//(At, nicht mit lat. teTierej zu- 
sammen." In Etr. und Arm. I, 64 sq. dagegen wird folgendes 
gesagt: „Mir scheint tenu Lokativ zu dem arm. atean Gen. 
ateni zu sein. Dies bezeichnet u. a. Ratsversammlung, Gerichts- 
versammlung, Tribunal. . . . Arm. atean „Ratsversammlung, 
G^richtsversammlung, Tribunal'* ist gewiss dasselbe Wort wie 

arm. aiean „gelegene Zeit" Arm. atean „gelegene Zeit" 

scheint mit altnord. timi „Zeit, gelegene Zeit", ags. tima vom 
Stamme timan' zusanmienzugehören. Als idg. Stamm ist wohl 
*deimon- vorauszusetzen. ... Kluge (Etym. Wtb. d. deutsch. 
Spr.) führt altnord. ämi mit anord. flrf, asächs. üdy urgerm. ti-di^ 
und zugleich mit nhd. zeile und ziel auf eine idg. Wurzel di 
zurück. Diese Wurzel wird nach ihm durch aind. aditi- „un- 
beschrankt durch Raum und Zeit, zeitlos, unendlich** voraus- 
gesetzt** 

Das ist thatsächlich die gleiche Methode, und es hat nichts 
gewechselt, als die verglichene Sprache. Wo aber ist hier das 
Ende der Reihe? Die Zahl der indogermanischen Sprachen 
ist gross, sie alle lassen sich in der obigen Art mit dem Etrus- 
kischen vergleichen, und sie alle geben auch Resultate, gleich 
den Buggeschen, nicht besser, aber auch nicht schlechter, 
Dass das in der That so ist, habe ich durch meine Erklärung 
der Inschrift Ga. no. 912 bis (Altit. Stu. II, 142 sqq.) aus dem 
Litauischen und durch die der Bleiplatte von Magliano (Altit. 



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12 

Stu. III; 131 sqq.) aas dem Lateinischen gezeigt^ deren erstere 
selbstverständlich keinerlei persönliche Spitze gegen Bngge haben 
sollte, den ich als Menschen , wie als Gelehrten gleich hoch 
schätze und der wohl mit manchem zornigen Wort, aber nie 
mit unlauteren Waffen gegen mich gekämpft hat, sondern die, 
ebenso, wie jene zweite, nur die völlige Unzulänglichkeit und 
Unzuverlässigkeit der Methode zeigen sollte. Ich halte auch 
jetzt noch in voller Schärfe aufrecht (cf. Altit. Stu. IV, 99 sq.), 
dass ich nach dieser Methode jede beliebige etruskische In- 
schrift aus jeder beliebigen Sprache, die verlangt wird, mit 
völlig annehmbarem Sinn und unter strikter Beobachtung der 
Laut- und FormenbUdungsgesetze zu erklären vermag. Die 
obengenannten Beispiele sollten eben dies zeigen und haben es 
auch gezeigt Das ist nicht etwa bloss meine eigene persön- 
liche Ansicht, sondern ich kann es durch Zeugnisse anderer 
darthun, unter denen ich als besonders bestimmt ausgedrückt 
das von Centerwall (Nordisk tidskrift 1886, 26 des Separat- 
abzuges) anführe: „Satiren är sä väl genomford och den darf 
framstälda spräkforklaringen sä sinnrik, att bade franska och 
engelska kritiker for ett ögonblick lato vilselede sig och höUo 
den for allvarligt menad". („Die Satire ist so gut durchgeführt 
und die darin aufgestellte Spracherklärung so sinnreich, dass 
sowohl französische, wie englische Kritiker für einen Augen- 
blick sich irreführen Hessen und sie für ernst nahmen.'*) 

Einem solchen Stande der Dinge gegenüber kann billig 
nicht verlangt werden, dass man zu der Methode und den 
damit gewonnenen Besultaten auch nur das allergeringste Zu- 
trauen habe. Und dies Zutrauen wird wahrUch nicht dadurch 
erhöht, dass Bugge selbst bei jeder neuen Phase die vorige 
verleugnet. So meint er (Etr. Fo. u. Stu. IV, IX) seine An- 
zeige des Corssenschen Buches „unreif und mehrfach verfehlt", 
so sagt er (Etr. u. Arm. IV) von seinem Buche über unsere 
Lenmosinschriften , dass er dort „mit Unrecht" eine nähere 
Verwandtschaft des Etruskischen mit den italischen Sprachen 
wahrscheinlich zu machen gesucht habe. Welche Gewähr haben 
wir, dass Bugge nicht in einer künftigen Publikation auch 



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13 

seine jetzige Ansicht als „unreif und verfehlt" und die Ver- 
wandtschaft des Etruskischen mit dem Armenischen als ,^ 
Unrecht angenommen'^ bezeichne? 

Und genau wie mit Bugge^ steht es mit Deecke, nur dass 
letzterer inbezug auf Lautverhältnisse u. dgl. minder sorgfaltig 
und vorsichtig ist, als jener. Zum Beweise des sehe man sich 
z. B. die Deeckesche Erklärung der Bleiplatte von Magliano an, 
wo er, wie ich Altit Fo. III, 118 sqq. dargelegt habe, eine 
Polymorphie der Laute und der Wortbildung statuiert, die 
nirgend in der Wissenschaft ihresgleichen hat. Dass dasselbe 
Verfahren auch bei seiner Behandlung der lemnischen Inschriften 
innegehalten ist, das noch an besonderen Beispielen zu zeigen, 
wird hier kaum nötig sein. Ein vergleichender Blick in beide 
Abhandlungen zeigt das zur Genüge. 

Nachdem ich so, wie ich denke, nach Verdienst, die voll- 
ständigen Erklärungen unserer Inschrift, wie sie von anderen 
Gelehrten aufgestellt waren, gewürdigt habe, wende ich mich 
nunmehr zu den Besprechungen, die mein eigenes Buch ge- 
funden hat. 

An solchen sind mir die folgenden zu Gesichte gekommen: 

1. Fr. Stolz in dem „Boten für Vorarlberg und Tirol" 
1886, no. 153, S. 1259 sq.; 

2. A. H. Sayce in der „Academy" 1886, no. 742, S. 59; 

3. Ungenannter im „Athenaeum" 1886, no. 3069, S. 238; 

4. K.Bonghi in der „Cultura" 1886, no. 19/20, S. 591 sqq.; 

5. R Meister in der „Berliner Philolc^ischen Wochen- 
schrift" 1886, no. 43, S. 1349 sq.; 

6. 0. Gruppe in der „Wochenschrift für klassische Philo- 
logie" 1886, no. 49, S. 1538 sqq.; 

7. S. Brück im „Jahresbericht far (Jeschichtswissenschaft" 
1886, S.I, 62 sq.; 

8. F. Techmer in der „Internationalen Zeitschrift für all- 
gememe Sprachwissenschaft" 1889, S. 276—277; 

9. Fr. Honunel im „Archiv für Anthropologie" 1890, 
S. 251 sqq. 



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14 

Ausserdem wird noch an folgenden anderweiten Stellen 
näher auf die Sache eingegangen: 

1. 0. Gruppe, Griechische Kulte und Mythen (1887) 
I, 145; 

2. Treuber, Geschichte der Lykier (1887) 44 sq.; 

3. E. Hesselmeyer, Die Pelasgerfrage und ihre Lösbarkeit 
(1890) 80 sqq., 101, 108, 141; 

4. J. Krall, Die etruskischen Mumienbinden des Agramer 
National-Museums (1892) 19; 

5. F, Stolz, Die Urbevölkerung Tirols 2. Aufl. (1892) 
28 sqq. 

Ich muss auf diese Besprechungen hier näher eingehen, 
selbstverständlich nicht aus irgendwelcher Lust an Polemik oder 
aus einem sonstigen persönlichen Beweggrunde, sondern ledig- 
lich deshalb, weil in ihnen eine Anzahl sachlicher Punkte ent- 
halten sind, die einer Erörterung bedürfen, um festzustellen, in- 
wieweit durch sie etwa meine Ergebnisse widerlegt oder wenigstens 
abgeändert werden. Das i^t eben um der Sache willen nötig. 

Die obengenannten Besprechungen nun nehmen inbezug 
auf die Ergebnisse meines Buches eine sehr verschiedene 
Stellung ein. Sie schwanken zwischen unbedingtester Ableh- 
nung und freudigster Anerkennung. 

Jenes ist der Fall bei Deecke, wenn er (Rhein. Mus. 1886, 
467) in einer Anmerkung sagt: „Pauli, 'Eine vorgriechische 
Inschrift von Lemnos' ist mir erst nach dem Druck zuge- 
konmien, hat aber zu keiner Korrektur Anlass gegeben.*' 

Meister urteilt über den rein epigraphischen Teil der 
Arbeit, freilich, wie sich weiterhin ergeben wird, ohne genügen- 
den Grund, sehr wegwerfend, erklärt hingegen den zweiten, 
historisch-ethnographischen, Teil fCir „wertvoller*, während 
Gruppe und im ganzen auch Treuber (1. c. 44 sq.) gerade von 
den in diesem Teile gezogenen Folgerungen nichts wissen 
wollen. Anders wieder Bonghi, der von diesem Teile der 
Arbeit sagt (1. c. 595); „E mirabile, per dire il vero, il vigore 
e la chiarezza di ricerca con cui il Pauli circoscrive il campo 
in cui il popolo, che porto questo nome [Tirreni PelasgiJ, si 



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16 

distese". Auch sonst verhält er sich im ganzen zustimmend 
zu den von mir ausgesprochenen Ansichten. 

Noch weiter gehende Zostinunung haben zu erkennen 
gegeben Stolz und besonders Houmiel. Auch Hesselmeyer 
nimmt wenigstens einen Teil der Ergebnisse an und ist sogar 
der Ansicht (1. c. X), dass „durch .... die Paulische Erklärung 
der vorgriechischen Inschrift von Lemnos ein ganz neues Licht 
auf die Pelasgerfrage gefallen^' sei. Ganz ähnlich urteilt Krall 
(Mum. 19), indem er sagt: „Durch die Auffindung der vor- 
griechischen Inschrift von Lemnos ist die Tyrrhenerfrage in ein 
neues Licht gerückt worden. Bugge und Pauli haben zu 
gleicher Zeit auf die zahbreichen Anklänge und Überein- 
stimmungen zwischen der Sprache dieser Inschrift und dem 
Etruskischen hingewiesen." 

Auch Sayce und Ref. Athen, stimmen meinen Ergebnissen 
im ganzen bei, während Brück und Techmer lediglich referieren. 

Die Verschiedenheit der Urteile in diesen Besprechungen 
ist so gross, dass man unwillkürlich nach dem Grunde der- 
selben sich umsieht, und da glaube ich, bevor ich die in 
den vorstehenden Besprechungen enthaltenen sachlichen Aus- 
stellungen erörtere, zuvor darauf aufinerksam machen zu sollen, 
dass bei einzelnen der in l'rage konmienden Gelehrten der Blick 
durch teils persönliche, teils sachliche Voreingenommenheit 
getrübt erscheint. Das ist der Fall bei Deecke, Meister und 
Gruppe. 

Bei Deecke liegt persönliche und sachliche Voreingenommen- 
heit zugleich vor. Nachdem er einmal den Übergang in den 
Corssenianismus vollzogen, hat er den klaren Blick für die ob- 
jektiven Thatsachen, der ihn früher in so hohem Grade aus- 
zeichnete, verloren und sieht alle auf. etruskische Dinge bezüg- 
lichen Forschungen nur noch darauf an, ob sie geeignet sind, 
den Indogermanismus des Etruskischen zu bestätigen oder nicht. 
Da mein Buch eine solche Bestätigung nicht erbrachte, so galt 
es ihm selbstverständlich von vornherein für völlig wertlos. 
Und zu dieser sachlichen Voreingenommenheit gesellt sich nun 
die ])ersönliche mir gegenüber. Deecke selbst wird sich der 



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16 

WahrnehmuDg schwerlich haben verschliassen können, dass sein 
wissenschaftliches Ansehen, seit er eben jenen Cbergang ohne 
genügende Gründe ausführte, erheblich gesunken ist Das ist 
zu nicht geringem Teile die Folge meines Auftretens gegen 
ihn. Ebenso, wie ich, solange er die alte Forschungsmethode 
befolgte, wohl von allen Mitforschein mich am entschiedensten 
auf seme Seite gestellt hatte, ebenso habe ich es spater für 
meine Pflicht gehalten^ mit gleicher Entschiedenheit gegen ihn 
aufzutreten. Es ist erklärlich, dass er infolgedessen von wenig 
freundlicher Gesinnung für mich erfüllt ist und dass er an 
meine Arbeiten mit gereizter Stimmung und dadurch ge- 
trübtem Blick herantritt. 

Eine gewisse persönliche Voreingenommenheit oder Gereizt- 
heit scheint mir auch bei Meister vorzuliegen, obgleich mir 
der Grund zu einer solchen nicht klar ist Ich schliesse die- 
selbe aus dem ganz besonders unfreundlichen Ton der Anzeige. 
Und diese Voreingenommenheit hat denn Meister auch zu Ein- 
wendungen gegen mein Buch veranlasst, die nicht in der Sache 
lagen, sondern etwas gewaltsam, eben um nur einen AngriflEs- 
punkt zu schaffen, in dieselbe hineingetragen sind. Diese Sach- 
lage finde ich z. B. in folgendem. 

Ich hatte die Schreibung sial^veiz beanstandet, weil in 
allen alten Alphabeten et durch e, oo durch o bezeichnet werde. 
„Also die Diphthonge ei und oo", folgert nun Meister „in 
Wörtern wie Xuei, -y^vei^ oo wurden nach Ps. Meinung in allen 
alten Alphabeten durch e und o wiedergegeben !'' Hier wird 
man das „also'' tadeln müssen. Ich hatte bei dem Falle 
sicd^veiz selbstverständlich den Inlaut im Auge, das ei^ebt 
der Zusammenhang der Stelle vollkommen klar. Der Fall von 
Y^vei passt aber gar nicht für sial^veiz. Auslaut ist eben kein 
Inlaut Ich hätte ja Fälle der Art ausdrücklich in meinem 
Satze ausnehmen können, aber auch dazu lag doch kaum ein 
Anlass vor, weil eben von dem Falle des Auslauts in der 
ganzen Stelle überhaupt nicht die Bede ist. 

Eine sachliche Voreingenommenheit hing^en li^t bei 
Gruppe vor. Gruppe ist ja vorwiegend Mythologe und hat als 



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17 

solcher eine bestimmte Grundanschauung, welche darin gipfelt, 
dass alle Religion willkürliche Erfindung sei, hervorgegangen 
aus dem Gesellschaftstriebe, d. h. aus der Erkenntnis, dass die- 
selbe für die menschliche Gesellschaft, resp. einen Teil der- 
selben, von Nutzen sei. Die Sätze, in denen er diese Ansicht 
formuliert;, sind insbesondere S. 267 sqq. seines grossen Werkes 
zu finden. Damach ist die Beligion an einem Punkte der Erde 
entstanden und von da aus, wie jede andere nützliche Erfindung, 
etwa wie die Schutzpockenimpfung, weiterverbreitet worden. 

Von diesem Standpunkte aus sind dem Verfasser sowohl 
proethnisch-indogermahische Gottheiten, als auch die Berichte 
der Alten über Völkerwanderungen und daraus sich ergebende 
Stammesverwandtschaften unbequem, ersteres deshalb, weil es 
eine Entstehung der Religion an mehreren Punkten unab- 
hängig von einander vorauszusetzen erlaubt, letzteres aber, weil 
die Stamm- und Wanderungssagen sehr oft mit mythologischen 
Sonderbildungen verquickt sind, die gleichfalls eine unab- 
hängige Entstehung anzunehmen gestatten resp. verlangen. 
Und 80 wie er sich nun bemüht, meiner Ansicht nach freilich 
vergeblich, die proethnischen Göttergestalten der Indogermanen 
zu beseitigen (Kulte u. Mythen I, 79 sqq.), so muss er natür- 
lich auch von vornherein allem, was eine alte Überlieferung 
über Stammwanderungen zu bestätigen geeignet sein würde, 
ablehnend gegenüberstehen und bemüht sein, es als nicht stich- 
haltig darzustellen. Und eben dies ist sein Standpunkt der 
Lemnosinschrift gegenüber. Nachdem er (Kulte und Mythen I, 
144) gesagt hat: „Wenn man demnach von diesen angeblichen 
Bestätigungen [über die er im Vorhergehenden handelt] ab- 
sieht, so wird man sich gar schwer der Überzeugung ver- 
schliessen können, dass die antike Überlieferung über Stamm- 
wanderungen nicht bloss konstruiert, sondern auch falsch 
konstruiert ist", fahrt er (145) fort: „Es ist allerdings in der 
allemeuesten Zeit der Versuch gemacht worden, auf Grund 
zweier in einer unbekannten Sprache abgefassten Inschriften, 
die kürzlich in Kaminia auf Lemnos gefunden wurden, die 
Richtigkeit der antiken Überlieferung selbst in einem Punkte 

Pauli, Inschrift von Lemnos II. 2 



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18 

zu erweisen, der von den meisten Anhängern Otfr. Müllers nur 
mit Zweifel oder mit offenem Unglauben betrachtet wird." 
Diese prinzipiellen Anschauungen haben ihn, wie ich glaube, 
an einer unbefangenen Prüfung der Lemnosinschriften ver- 
hindert Auf die Einzelheiten seiner Einwürfe wird weiter 
unten eingegangen werden. 

Es war nicht überflüssig, hier auf diesen nicht streng objek- 
tiven Standpunkt der genannten Gelehrten hinzuweisen, weil der- 
selbe in einzelnen Fällen das Gewicht ihrer Einwände vermindert. 

Nunmehr wende ich mich zur Prüfung der einzelnen Ein- 
wendungen, die gegen die einzelnen Punkte meiner ersten Ab- 
handlung erhoben worden sind. Es scheint mir zweckmässig, 
dieselben in ihrer Reihenfolge an den Gang jener Untersuchung 
anzuschliessen , weil sich so Gelegenheit bietet, die einzelnen 
Punkte auch nach der positiven Seite hin zugleich mit zu be- 
trachten und die Sicherheit meiner ersten Ergebnisse zu ver- 
grossem. 

Die Anordnung der Inschrift ist bei Br^, Bugge, Deecke, 
Apostolides und Moratti eine andere als bei mir. Ich kann 
mich bezüglich dieses Punktes sehr kurz fassen. Man lese nur 
ein einziges Mal die von mir im ersten Hefte dieses Bandes 
11 sq. dargelegten Gründe für meine Anordnung aufinerksam 
durch, und man wird an der Richtigkeit meiner Anordnung 
nicht mehr zweifeln können. Da übrigens die Veröffentlichungen 
von Bröal, Bugge und Deecke stattgefunden haben, bevor 
meine eigene Arbeit bekannt geworden war, so ist es, wenig- 
stens bei Br6al und Bugge, immerhin möglich, dass auch sie 
jetzt meine Anordnung der Inschriftenzeilen für die richtige 
halten, während das allerdings bei Deecke nach der oben 
(pag. 14) angeführten Bemerkung desselben wohl nicht der 
Fall zu sein scheint. Sayce, Ref. Athen, und Bonghi stimmen 
meiner Anordnung ausdrücklich zu. 

Ich habe in meiner ersten Besprechung (11, 1. pag. 5 sqq.) 
angenommen, dass der Text unserer Inschrift so, wie er über- 
liefert ist, nicht frei von Fehlem sei, imd habe versucht, diese 
Fehler zu verbessern. Das ist von Meister in seiner oben 



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19 

genannten Besprechung getadelt worden mit den Worten: „Die 
Deutung wird durch Paulis Arbeit nicht gefordert, er hält die 
Inschriften ,,zur Zeit für eben so unentzifferbar, wie den cippus 
Perusinus oder die Bleiplatte von Magliano", wobei mir nur 
die Zuversicht unverständlich ist, mit der er allerlei kritische 
Operationen an dem von den Herausgebern mitgeteilten Texte 
vornimmt und durch solche Änderungen „den richtigen Text" 
gewonnen zu haben glaubt Solche Änderungen, wie die von 
juapaC'.juaF in liapaCfiiaFiC haben nicht einen Schimmer von 
Berechtigung; solche im Dunkeln tappende, an nicht ver- 
standenen Texten geübte Kritik ist alles andere eher als 
methodisch." 

Diese letztere Äusserung glaube ich bestreiten zu müssen. 
Mein Verfahren ist vollkommen methodisch und durchaus 
gerechtfertigt Meister hat bei seinem Tadel es übersehen, dass 
es für die Herstellung und Texteskritik von Inschriften zwei 
Mittel giebt, nicht bloss das Verständnis der Sprache, in der 
sie geschrieben sind, sondern auch Paralleltexte. Welche treff- 
lichen Dienste dies letztere Mittel bei der Textesherstellung 
z. B. der verschiedenen Arten der Keilinschriften geleistet habe, 
ist bekannt Und dass es auch bei solchen Inschriften, deren 
Sprache man noch nicht versteht, anwendbar sei, ist selbstver- 
ständlich. Von diesem Mittel eben habe ich bei meiner Textes- 
herstellung Gebrauch gemacht und das auch ganz ausdrücklich 
gesagt (II, 1. pag. 5 sq.), was freilich aus Meisters Besprechung 
nicht ersichtlich ist. Ich bin also ebenso wenig unmethodisch 
verfahren, wie etwa Rawlinson u. a. bei den Keilinschriften. 

Denn wir haben in den beiden Inschriften unseres lem- 
nischen Steines in der That Parallelinschriften. Das haben vor 
mir bereits die französischen Grelehrten gesehen, nach mir 
Kirchhoff (Studien* 54). Letzterer sagt sogar: „Dieselbe [sie!] 
Inschrift findet sich auf der rechten Schmalseite des Steines in 
etwas anderer Fassung und offenbar von anderer Hand wieder- 
holt" Eben darauf aber habe ich meine Verbesserungen auf- 
gebaut und ganz ausdrücklich auf dieses Fundament hin- 
gewiesen. Die eine dieser Besserungen, das zeroisMib : evisbo 

2* 



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20 

in B. statt des äberlieferten zerozaibzevisboj haben auf Onmd 
des evisbo : zeronai^ in A. auch Bugge, Deecke und Moratti in 
ihren Text aufgenommen, erstere beide bestimmt ganz unab- 
hängig von mir, wahrscheinlich unabhängig auch der letztere. 
Ebenso haben auch weiter die genannten Gelehrten das hoiaivi^i 
der Inschrift B. auf Grund des holaie der Inschrift A. in 
holaiezi gebessert Auch sie alle sind somit unmethodisch ver- 
fahren. 

Die soeben aufgeführten Besserungen sind ja freüich selbstver- 
ständüch, nicht anders aber liegt der Fall bei dem juapaC : fi.aF, 
welches Meister nur zum Vorwurf macht. Man braucht die 
überlieferte Form der beiden Textesstellen nur unter einander 
zu setzen, um sofort das Richtige zu sehen. Es heisst in: 

JB: ÄW^:>MÄrW:rÄPA^M:ÄW>r: 

aviz : siat/yiz : marazm : aviz : 

ilArYI^^|.>h:AM:>r 

sial/yeiz : avi : z \ maraz \ mav 

Ich meine doch, man könnte hier an der Identität beider 
Stellen nicht zweifeln. Und worin besteht denn schliesslich 
die ganze Änderung, die ich mit dem Texte vorgenommen 
habe? Doch nur darin, dass ich die Interpunktion an eine 
andere Stelle setze. Die Interpunktion ist aber in A. über- 
haupt liederlich oder undeutlich, wie das auch die französischen 
Gelehrten ganz ausdrücklich selbst bemerken. Das ist in der 
That das Granze. Denn dass ich das nun am Schlüsse übrig 
bleibende av auf dem Steine selbst in aviz herstellen wolle, 
das habe ich nirgend gesagt, und das ist selbstverständlich 
auch nicht meine Meinung. Dass bloss av dastehe, ist ja 
immerhin möglich, und man mag es annehmen, bis ein Papier- 
abklatsch etwa ein anderes lehren wird, aber dass dies at? = 
aviz sei, entweder als Abkürzung desselben (cf. das in den 
den lateinischen Grabschriften so häufige ann oder an = amto- 
rum, annos oder annis) oder durch Nachlässigkeit des Stein- 



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21 

metzen, das halte ich, eben wegen des Paralleltextes in B., für 
völlig sicher. 

Ich muss somit meine Textesherstellung dorchaos aufrecht 
erhalten und lehne den Vorwurf unmethodischen Verfahrens ab. 

Was nun weiter das Alphabet unserer Inschrift betrifft, 
so ist seit dem Erscheinen meines ersten Heftes über zwei 
Funkte Klarheit entstanden. 

Der erste derselben betrifft die Geltung des Zeichens Y. 
Dasselbe war von Bröal, Deecke, Bugge und Moratti als x 
gefasst worden (ApostoUdes fasst es als v!), während ich selbst 
(II, 1. pag. 14 sqq.) zwar die Möglichkeit dieser Erklärung nicht 
völlig abgewiesen, aber aus Gründen, die in der Geschichte des 
griechischen Alphabets lagen, mich schliesslich doch für die 
Geltung als ^ entschieden hatte. 

Diese Entscheidung ist zunächst von Kirchhoff (Studien 
457) beanstandet worden mit den Worten: „Man [man wird 
doch nicht fehlgehen, wenn man yermutet, dass man mit 
diesem „man" mich gemeint hat] hat die Lesung des lem- 
nischen Wortes als sialpstpiz nicht für ausgeschlossen erachtet; 
ich für meine Person muss bekennen, dass mir sial/wiz wahr- 
scheinlicher bedünken will." 

Damals stand nur Vermutung gegen Vermutung, heute 
indessen lässt sich die Sache mit völliger Sicherheit entscheiden, 
und zwar zu Gunsten des x- Den ausführlichen Beweis dafür 
erbringe ich weiter unten bei dem Nachweise, dass die Sprache 
unserer Inschrift mit dem Etruskischen eng verwandt ist. 
Dort fügt er sich besser ein, und man vermeidet so auch ein 
zweimaliges Eingehen auf dieselbe Sache. Damit aber scheidet 
denn unser Alphabet aus der Reihe der Alphabete der ersten 
(ionischen) Gruppe, denen ich es (11, 1. pag. 16), eben unter der 
Annahme, Y sei = ?}/, zugewiesen hatte, endgültig aus und tritt 
in die zweite Gruppe Kirchhoffs ein 

Und hier setzt nun die zweite bezüglich unseres Lemnos- 
alphabetes gemachte Entdeckung ein, die Kirchhoflfe (Studien^ 
54), dass das lemnische Alphabet zunächst mit dem altphry- 
gischen identisch sei, eine Thatsache, die aus der tabellarischen 



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22 

Zusammenstellung beider bei Kirchhoflf sich mit vollster Sicher- 
heit ergiebt, und aus der dann, nebenbei bemerkt, folgt, dass 
auch das phrygische AAYIT als fax«^ nicht fa'j^iV, zu lesen sei. 

Ich hatte (11, 1. pag. 15), für den Fall, dass das lemnische 
Alphabet etwa der zweiten Gruppe der griechischen Alphabete 
angehören sollte, auf die Ähnlichkeit desselben mit denen von 
Phokis und Elis hingewiesen, aber einen Zusammenhang mit 
diesen nicht gerade für wahrscheinlich erklärt Deecke seiner- 
seits (Rhein. Mus. 1886, 480) hält das lemnische Alphabet mit 
dem alteuböischen zunächst verwandt Das konmit, wie sich 
sogleich ergeben wird, der Wahrheit in der That ziemlich 
nahe. Kirchhoff endlich (Studien* 57) meint, es bleibe nach 
Lage der Umstände nur übrig, die äolischen Ansiedler auf 
Lesbos, Tenedos und der gegenüberliegenden Küste des klein- 
asiatischen Festlandes als diejenigen Hellenen zu vermuten, 
von denen jene nichthellenische Bevölkerung in sehr frühen 
Zeiten die Schrift überkommen habe. 

Das ist gewiss richtig und scheint auch mir vor meiner 
eigenen Ansicht den Vorzug zu vefdienen. Denn wenn wir 
auch, wie Kirchhoflf selbst hervorhebt, über das Alphabet der 
Äoler in Kleinasien nicht genügend unterrichtet sind, so lässt 
sich doch auf einem Umwege die Annahme Kirchhoffs er- 
weisen. Unter den Gründern der oben genannten äolischen 
Kolonieen sollen nach Strabos Angabe sehr viele Böoter 
gewesen sein. • Wenn dies richtig wäre, so müssten sich wahr- 
scheinlich Besonderheiten des böotischen Alphabets in dem 
der äolischen Kolonieen und von da aus dann weiter in dem 
phrygisch-lemnischen wiederfinden. Das ist nun aber in der 
That der Fall. Das böotische Alphabet, und nur dieses allein 
unter allen griechischen Alphabeten beider Gruppen (cf. die 
Tafeln bei Kirchhoff), hat für das s eine Form E mit vier 
Strichen, die auch sonst nirgendwo in Tochteralphabeten des 
griechischen sich findet 

Zwar giebt Gonestabile in der perusinischen Inschrift 
Fa. no. 1996 auf tab. lU = XXVIII, no. 8 in dem Worte x^«^w 
das € von der Form i, aber das ist irrtümlich. Mein Papier- 



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23 

abklatsch zeigt vollkommen deutlich, dass der oberste der vier 
Striche — denn thatsachlich sind vier Striche da — ein rein 
zufälliger Riss ist, der nicht einmal, wie Fabretti (suppl. I, 
182) will, der incuria del lapidda zur Last fallt, sondern 
lediglich einer Beschädigung des nicht gut gehaltenen 
Steines. 

Auch in der Inschrift CIG. no. 7724 auf einer Kylix aus 
Nola wird ein i überliefert, allein auch hier liegt ganz ohne 
jeden Zweifel nur ein zufälliger Riss vor. Die Inschrift sieht 
so aus: OEC^VC ^lA/IC- Schon das erste dreistrichige E 
zeigt, dass von einem wirklich vierstrichigen keine Rede sein 
kann. Noch klarer aber wird der wirkliche Sachverhalt durch 
Vergleichung mit der Inschrift einer anderen Kylix (CIG. 
no. 7718b), deren zweite Zeile so überliefert wird: PEJ^EV 
MErEAPPOC- Hier hat nicht bloss das erste e neben den 
drei anderen, sondern auch das erste X neben dem zweiten 
einen zufälligen Beistrich, und ein ebensolcher Beistrich ist 
auch in dem OE^EV^ oben anzunehmen. Wer viele der- 
artige graffierte Gefässinschriften in den Museeen unter Händen 
gehabt hat, wird es mir bestätigen, wie unendlich oft solche, sei 
es durch Abgleiten des Stilus, sei es erst später durch Beschä- 
digung entstandene Beistriche sich finden, die bisweilen in der 
That die Lesung irreleiten können, im allgemeinen aber bei 
einiger tTbung und Aufmerksamkeit doch leicht als zufällig zu 
erkennen sind. 

Es findet sich somit das vierstrichige E in Wirklichkeit 
nur im böotischen Alphabet Und diese ganz singulare Form 
nun findet sich im phrygischen Alphabet wieder! Das genügt 
meines Erachtens zu dem Beweise, dass 1. wirklich Böoter bei 
der Gründung der äolischen Kolonieen beteiligt gewesen sind, 
und dass 2. das Alphabet der letzteren das Mutteralphabet des 
phrygisch-lemnischen ist. Diese, wie mir scheint, notwendigen 
Schlüsse zieht Kirchhoff nicht, obwohl er die Thatsache des E 
bei Phrygern und Böotern anführt 

Was nun weiter das Alter unserer Inschrift betrifll, so ist 
dasselbe von mir ftüher (II, 1. pag. 15) als etwa zwischen 650 und 



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24^ 

620 V. Chr. liegend bestiinint worden, und zwax auf Grund 
der Annahme, dass ein Alphabet der ionischen Gruppe vor- 
liege. Da aber nunmehr diese Grundlage hinfallig geworden 
ist, so ist eine Neuuntersuchung bezüglich des Alters geboten, 
umsomehr als Bugge (1. c. 39) und Deecke (1. c. 460) zu ab- 
weichenden Altersbestimmungen gelangt sind. Bugge setzt 
die Inschrift zwischen 560 und 500 v. Chr., Deecke in das 
5. Jahrhundert Nur Apostolides (L c. 7) setzt sie, gleich 
mir, in das 7. Jahrhundert v. Chr. Q^b. 

Auch bei dieser veränderten Lage sind wir keineswegs 
ohne Anhalt för die Bestinmmng des Alters. 

Zunächst giebt uns einen solchen die auf dem Steine ab- 
gebildete Figur. Kriegergestalten in Paradestellung, wie die 
auf unserem Steine befindliche, erscheinen auf Grabsteinen 
nicht selten. Sehen wir hier ab von den ihren Darstellungen 
nach nur entfernter verwandten Steinen, wie dem Grabstein 
aus Mycenä, den Stelen von Bologna, den venetischen Cippen 
(cf. Pauli, Altit. Fo. III, 53. no. 259 und 54. no. 261), so bleiben 
als unmittelbar entsprechend mehrere etruskische Grabsteine 
übrig. Es sind folgende: 

1. Stele aus Faesulae (abgebildet bei Gori Mus. etr. III, 
cl. IV, tab..XVII, no. 1), nach links blickende Kriegergestalt 
mit Lanze in der Rechten und Paalstab (nicht Blume, wie 
gewöhnlich angegeben wird) in der Linken; Inschrift (Fa. no. 104): 



larbi aninieS, 

2. Stele aus Faesulae (abgebildet bei Gori 1. c. no. 3), nach 
rechts blickender Krieger mit Lanze in der Linken und Schwert 
in der Rechten; ohne Inschrift; 

,8. Stele aus Volaterrae (abgebildet bei Gori 1. c. no. 2), 



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25 

nach links blickender &ieger mit Lanze in der Hechten nnd 
Schwert an der linken Seite; Inschrift (Fa. no. 356): 

mi m^üeä titeA: • • •ur/sie'.mulenike; 

4. unten abgebrochene Stele aus der Nekropole Cannicella 
bei Orvieto (abgebildet in den Not. d. Scavi 1887, 349, tab. 
YIII, Fig. 3), nach rechts blickender Erieger mit der Lanze 
in der Rechten; ohne Inschrift. 

Diese etrusMschen Stelen gehören zu den ältesten etrus- 
kischen Denkmälern überhaupt Das ergiebt sich teils aus 
den Skulpturen, teils aus dem Alphabet und den Sprachformen 
ihrer Inschriften. 

Was die Skulpturen anlangt, so sind dieselben sehr flach 
eingehauen, schon das ein Zeichen des hohen Alters. Aber auch 
Stil und Darstellung der Figuren ist noch sehr steif, so dass 
von der ersten Fäsulanischen Stele Martha (L'art ^trusque 367) 
mit Becht sagt: „La raideur pesante de cette figure, qui rap- 
pelle certains bas-reliefs de Tart p^loponn^sien archalque, trahit 
une haute antiquite. C'est peut-dtre un des monuments les 
plus anciens de la sculpture etrusque sur pierre." Die Stele 
von Volterra scheint wohl etwas weniger steif, aber ist in ihrer 
Art der ersteren doch so ähnlich, dass der Altersunterschied 
jedenfalls nicht erheblich ist. Ein weiteres Beweisstück für das 
hohe Alter dieser Stelen bietet uns die zweit« der Fäsulanischen 
in der Falmetta, mit der sie oben gekrönt ist. Die gleiche 
Falmetta begegnet uns, obwohl die plastischen Darstellungen 
der Steine sonst andere sind, auf der Stele von Antella (ab- 
gebildet u. a. bei Inghu-ami, Mon. etr. tom. VI = vol. IX, tab. 
C, D, E und bei Martha, L'art 6trusque 214) und einer anderen 
des Florentiner Museums von unbekannter Herkunft, aber 
auch aus der XJmgt^end von Florenz stammend (abgebildet 
auch bei Martha 1. c. 369). Gerade diese beiden Stelen aber 



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26 

sind in ihren Darstellnngen überaus steif und altertümlich, so 
dass Dennis (Cities and Cemet. 11^, 112) von der Antellanischen 
mit Recht bemerkt: „It is of very archaic character, and the 
Egyptian rigidity of the figores and cast of the countenances 
is very marked." Anch durch sie also wird das hohe Alter 
der obigen mit ELri^erfigoren geschmückten dargethan. 

Und was die Skulpturen lehren, bestätigen die Schrift- 
und Sprachformen. 

Das Alphabet zeigt das oben spitze f\, das punktierte O, 
die Formen ^ und '^ und den Grebrauch des )|, lauter Eigen- 
tümlichkeiten der ältesten etruskischen Alphabete. Und ebenso 
liegt die Sache mit den Sprachformen. Das Pronomen mt, mit 
dem die Inschrift des Volterranischen Cippus beginnt, findet 
sich nur in alten etruskischen Inschriften; später wird es durch 
eca ersetzt. Und daneben stehen dann als weitere altertüm- 
liche Sprachformen das anMe^ for späteres amneä oder ammä, 
das aoiki für späteres cmle^, noch später aule^, auch sie Zeugen 
hohen Alters. 

Kann also an dem hohen Alter unserer Stelen überhaupt 
nicht gezweifelt werden, so fragt es sich nun weiter, ob sich die 
Zeit ihrer Entstehung nicht vielleicht auch im einzelnen ge- 
nauer bestimmen lasse. Und auch dafür sind wir in der That 
nicht ohne Anhalt Dieser wird geboten durch die ältesten 
Sarkophage aus den Nekropolen von Cometo, Vulci, Toscanella, 
Viterbo, Norchia und Arlena. Diese sind „mit ganz einfachen 
architektonischen Gliederungen oder mit dem Steinbild des 
Verstorbenen in altem, strengem Stil oder ausser diesem auch 
noch mit flachen altetruskischen Reliefs verziert, die in oma- 
mentaler processionsartiger Anordnung der handelnden Personen 
Scenen aus dem Leben des Verstorbenen oder seines Sterbens 
oder seiner Wanderung in das Jenseits darstellen" (Corssen, 
Spr. d. Etr. II, 568). Diese Sargskulpturen erinnern in ihrer 
ganzen Art lebhaft an die Skulpturen unserer Stelen. 

Jene alten Sarkophage nun setzt Corssen (Spr. d. Etr. I, 
569) in das fünfte Jahrhundert vor Christo, eine Zeitbestimmung, 
der ich durchaus zustimme, jedoch mit dem ausdrücklichen 



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27 

Vennerk, dass dieselben nicht jünger, immerhin aber noch 
etwas älter sein können. 

Weiter nun aber ergiebt sich, dass die Stelen in noch 
höheres Altertum hinaufgehen, als die Sarkophage. Dies folgt 
aus den Buchstabenformen der Sarkophaginschriflen. Hier 
findet sich nicht mehr das punktierte ©, statt ^ und '^ wird 
W und H, Wi und M, ja sogar schon KU und Kl geschrieben, 
und das )\ endlich ist durch > ersetzt Die Sarkophage haben 
also ein erheblich jüngeres Alphabet, als unsere Stelen. Auf 
Grund dieser Thatsache wird man letztere, da die Sarkophage 
dem 5. Jahrhundert angehörten, getrost in das sechste Jahr- 
hundert, spätestens an den Schluss desselben, verlegen dürfen. 

Damit haben wir denn nun aber weiter auch einen ersten 
Anhalt gewonnen für die Altersbestimmung unseres lemnischen 
Steines, der ja mit unseren etrusMschen Stelen die gleiche bild- 
liche Darstellung zeigte. Diese Darstellungen selbst aber haben, 
wie die Schreibkunst, den Weg von Osten nach Westen ge- 
nommen, und wenn unsere etruskischen Stelen spätestens dem 
Schluss des sechsten Jahrhunderts angehören, so ist die ent- 
sprechende Darstellung des lemnischen Steines, weil weiter 
östlich gefunden, noch älter, und man wird sie daher spä- 
testens um die Mitte, vielleicht schon in den Anfang des sechsten 
Jahrhunderts verlegen dürfen. Das gäbe also spätestens etwa 
das Jahr 550 v. Chr. 

Den zweiten Anhalt für das Alter geben uns die phry- 
gischen Inschriften. Hier bietet uns die Inschrift des Grab- 
males des Midas (Mordtmann no. 5) eine sichere Handhabe. 
In ihr werden die Worte midai\ g(wartaei\vanahtei\ als „Midae 
Gordii (filio) regi" übersetzt. Das halte ich für richtig. Nun 
aber wurde Phrygien bereits 620 v. Chr. lydische Provinz, so 
dass von da ab von Königen nicht wohl mehr die Bede sein 
kann. Es muss also diese Grabschrift älter, als 620 v. Chr. 
sein. Gerade sie aber zeigt in ihren Schriftbesonderheiten 
(z. B. O und O, $ und ^ neben einander) so grosse Ähnlich- 
keit mit der lemnischen, dass beide etwa gleichalterig sein 
müssen. Wir kommen also auf diesem Wege ganz genau zu 



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28 

demselben Jahre, wie früher (II, 1. pag. 17) aus den Inschriften 
von Abu Simbel, unter welches unsere lenmische Inschrift nicht 
gerückt werden kann. 

Und wenn sich uns nun oben (pag. 22) als das Mutter- 
alphabet der phrygisch-lenudschen das der äolischen Eolonieen 
ergeben hat, so stbnmt mit dem soeben gefundenen Alter 
unserer Inschrift aufs beste die Oründungszeit der äolischen 
Eolonieen. Diese sollen nach Angabe der griechischen Ge- 
schichtsschreiber 180 (Lesbos), resp. 160 Jahre (Eyme) nach 
der Zerstörung Trojas gegründet sein, also im elften Jahr- 
hundert Yor Christi Geburt Legen wir auf die besonderen 
Zahlen hierbei auch kein Gewicht, so ergiebt sich doch das 
mit Sicherheit, dass die Eolonieen alt genug sind, um durch 
Yerbreitung der Schreibkunst u. dgl. erheblichen Einfluss auf 
die Eultur Yorderasiens ausgeübt haben zu können. 

Damit dürfte also die Zeitbestinmiung, wie ich sie in der 
ersten Abhandlung gewonnen hatte, auch jetzt noch aufrecht 
zu erhalten sein. 

In der ersten Abhandlung ist von der Erörterung der 
phrygischen Inschriften Abstand genonmien. Da inzwischen 
aber von Apostolides die erste unserer Inschriften, die auf der 
Vorderseite, für phrygisch erklärt ist, wahrend er die zweite, 
die auf der Seitenfläche, für karisch hält, so wird auf die Sache 
doch einzugehen sein. 

Ich führe zunächst die betreffende Stelle von Apostolides 
(1. c. 10 sqq.) wörtlich auf: „Et si les faits que nous allons ex- 
poser ont la valeur que nous leur attribuons, personne, croyons- 
nous, n'hesitera ä reconnaltre que la langue de la premi^re de 
nos inscriptions est le Phrygien, et celle de la seconde le 
Carien, tels qu'ils ötaient parl6s au VII°*® siöcle. 

Les raisons qui nous ont sugg^r6 cette id^e sont aussi 
nombreuses que vari^es. Ce sont: 

1. La conformation de la t^te et les traits du visage de 
notre guerrier, qui sont ceux d'un S6mite montagnard des en- 
virons de la Palestine; 

2. Le fait recueilli par Cornelius Nepos, que, lorsque les 



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29 

Ath^niens prirent possession de Lemnos en 510, cette lle 6tait 
encore habit6e par les Cariens; 

3. La grande ressemblance des lettres et des autres signes 
de r^critore de nos inscriptions (ponctuation entre les mots, 
forme röduite des lettres O ® CD, lignes boustrophid^es) 
aveo cenx des inscriptioDS phrygiennes; 

4. La forme carr6e des lettres O © O ®t Tabsence du 
double O observto dans notre seconde inscriptiou; parti- 
cularit^s qui, au dire des assyriologues, constitueiit un des 
caract^res distinctifs de rAram^u; 

5. L'origine, en partie phiygienne, en partie carienne des 
noms propres oontenus dans nos inscriptions; 

6. Les terminaisons en al, ial, ob et ei que nos inscrip- 
tions ont de commun avec les textes S^mites; 

7. La syntaie tout-^fait arabe, qui, comme nous allons 
voir, domine dans ces inscriptions; 

8. La po8sibilit6, d'arriver, par Tintermödiaire de Tarabe 
uni au grec, ä une interpr^tation aussi satisfaisante que legitime 
des textes qui nous sont foumis par le monument de Lemnos.'^ 

Der Nachweis von der Unrichtigkeit dieser raisons aussi 
nombreuses que variöes lässt sich auf doppelte Weise erbringen, 
entweder, indem man die Unstichhaltigkeit jedes einzelnen der 
soeben angeführten Gründe darthut, oder, indem man den 
direkten Nachweis führt, dass die Sprache der phrygischen In- 
schriften von der Sprache unserer lemnischen Inschrift völlig 
verschieden ist Ich darf wohl hoffen, dass die Mitforscher 
mit mir einverstanden sind, wenn ich, nach Lessings Worten, 
dass man das, was sich auf einmal umreissen lasst, nicht erst 
zu erschüttern brauche, auf den ersteren Weg verzichte und 
lediglich den Nachweis erbringe, dass die phrygische Sprache 
von der unsrigen völüg verschieden ist 

Ich führe hierbei die phrygischen Formen nach der Aus- 
gabe der phrygischen Inschriften von Mordtmann (Sitzungs- 
berichte der bayer. Akademie zu München 1862, Bd. I, 12 sqq. 
mit 2 Tafeln) an unter Berücksichtigung der abweichenden 
Lesungen von Gosche (Verhandlungen der Meissner Philologen- 



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30 

Versammlung 1864, 82 sqq.), Mor. Schmidt (Neue lykische 
Studien 1869, 132 sqq.) und Ramsay (Journal of tte Royal 
Asiatio Society 1883, 120 sqq.). 

Ich beginne meinen Nachweis mit der Lautlehre. Die 
lenmische Inschrift hat, wie weiter unten dem Etruskischen 
gegenüber besprochen werden wird, keine Medien und kein 
u, das Fhrygische hat Tenues und Medien, o und u neben 
einander. Medien finden sich z. B. in akeminogaoos^ akcaragcLzuriy 
tanegertoz; midai; baba; das u (oder y, was hier einerlei 
ist) liegt vor z. B. in akaragazuny vrekun^ venavtan, zostu- 
tut", kurzanezon. Unten wird dem Etruskischen g^en- 
über den entsprechenden Erscheinungen jede Beweiskraft ab- 
gesprochen werden, weil dieselben auf Rechnung des Alpha- 
betes konmien können. Hier liegt der Fall anders. Das 
phrygische und das lemnische Alphabet sind im wesentlichen 
das gleiche. Wenn hier also das eine derselben die Medien 
und das u verwendet, das andere nicht, so muss ein laut- 
licher Unterschied beider Sprachen vorli^n. Nun könnte 
freilich eingewandt werden, dass im Lemnischen Tenues und 
Medien, o und u ursprünglich auch geschieden gewesen und 
erst spater zusanmiengefallen seien. Die Richtigkeit dieses 
Einwandes ist zuzugeben, und auf den Unterschied beider 
Sprachen in Verwendung der Medien und des u allein wäre 
die Behauptung ihrer Unverwandtschaft nicht zu gründen. Aber 
diese Erscheinung steht eben nicht allein. 

Auf lautlichem Oebiete ist zunächst noch ein grosser 
Unterschied beider Sprachen inbezug auf Eonsonantengruppen 
zu beobachten. Das Lemnische kennt anlautend nicht eine 
einzige Konsonantenverbindung, das Phrygische eine ganze An- 
zahl, wie z. B. proitavos, vrekun, ks(?)izanavezos , knouman. 
Auch im Inlaut ist das Lemnische in Konsonantenverbindungen 
sehr enthaltsam, es hat nur evutbo, sial/v(e)iz, tavarzio und 
das unsichere epfezio, während das Phrygische eine reiche 
Fülle von Doppelkonsonanten bietet in den Formen arkiaeveü, 
gavartaeiy vanaktei, zostutut^j aemnoz^ arezastirij eveteksetizy 
venavtun, aviaz, kurzanezon, tanegertoz, also alle möglichen 



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31 

Kombinationen. Im Auslaut kennen anscheinend beide Sprachen 
keine Konsonantengrappen, denn statt phryg. zosest liest Bamsay 
zosesaitj das lemnische ^okels (oder pokern) ist zweifellos falsch 
gelesen und marazm sind zwei aneinander gehängte Wörter. 
Dieser Unterschied beider Sprachen deutet auf eine Yerschie- 
denheit ihres Baues und ihre Unverwandtschaft hin. 

Man konnte eben diesen selben Unterschied auch gegen 
eine Verwandtschaft des Etruskischen mit dem Lenmischen 
geltend machen wollen, denn das Etruskische kennt zahlreiche 
Konsonantengruppen nicht bloss im Inlaut, sondern auch im 
Anlaut und Auslaut, allein es lässt sich, worauf ich freilich an 
dieser Stelle nicht näher eingehen kann, sicher nachweisen, dass 
die etruskischen Konsonantengruppen des An- und Auslautes, 
sofern es sich nicht um iYemdwörter handelt, alle ohne Aus- 
nahme erst innerhalb des Etruskischen selbst entstanden sind 
und dass dieses von Hanse aus auf dem Standpunkte des 
Lenmischen stand. Ein entsprechender Beweis für das Phry- 
gische aber lässt sich nicht erbringen. 

Noch schärfer aber, als die Lautlehre, scheidet die Formen- 
lehre das Lemnische und das Phrygische von einander. Die 
konsonantisch auslautenden Suffixe beider Sprachen zeigen eine 
so grosse Verschiedenheit, dass eine Ableitung derselben von 
einer gemeinsamen Grundform vollkommen unmöglich wird. 
Das Lemnische zeigt die Suffixe -& (zeranaiQ, na(pob); -z 
(sial)(y(e)iz , aviZy marcu-j holaiez); -/ (vamakisial, morinml); 
das Phrygische hingegen hat -s (edaesy elaesy ates; akerumogcmos, 
proitavos, kjt(?)izanav€Z0Sj arkiaevaisy memevais); -z (avtaz; 
materez, gakelohez; eveteksetiz; telatoz , aemnoz, tcaiegertoz); 
-7i (sikenemany materan, onoman; atanizen; totin, arezastin; 
kwrzanezon; akaragazurtj vrekun, venavitm); -t (zosesaä, la/it). 

Hier hat also das Phrygische kein -& und kein -/, das 
Lemnische kein -« und kein -71. Zwar scheint dem -& des 
Lemmschen das phrygische -i entsprechen zu können, allein 
das ist nur Schein, denn das lemnische -0 ist eine Nominal-, 
das phrygische -t wahrscheinlich eine Verbalendung. Eine 
Endung -z zeigen zwar beide Sprachen, aber auch hier ent- 



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32 

sprechen sich beide Formen nicht, denn lemnisches -z ist, wie 
ich schon in der ersten Abhandlung (U, 1. pag. 32) gezeigt habe, 
aller Wahrscheinlichkeit nach aus -zi abgestumpft, wahrend 
phrygisches -z nur eine orthographische Variante von -s ist 
Das ergiebt sich ganz besonders deutlich aus der Form maierez 
neben materaa^ ganz ohne Zweifel Easusformen des Stammes 
mater- „Mutter^', so dass man schon aus ihnen allein fast den 
indogermanischen Charakter des Fhrygischen nach Stanmi und 
Endung nachweisen kann, sofern -s (-r) Nominativ- und Genetiv-, 
-n Akkusativendung ist Das bestätigen auch die phrygischen 
Glossen, sofern sie bald auf -(, bald auf -v enden, wie einer- 
seits ^Ay6o<;, arn]YO<;, ßaYaio«;, ßixo;, •\iXkfx^^<^j if^oüpO(;, 
8ao?, eXü[jLO(;, sEt?, xCfAepo?, MaCeo?, MavY)?, VY)v(aTO(;, flaira«;, 
aSafivoc, andrerseits «C^jv, axpionv, apfidtv, ßaA.TQv, ßafAßaXov, 
CifxeXev, x(xAy)v, irixiptov. Ersteres sind Nominative, letzteres 
Akkusative (oder Neutra), wie ja denn Glossen gerade sehr oft 
im Akkusativ stehen (Hesychius z. B. und das altpreussische 
Elbinger Vokabular zeigen das zur Genüge). Von allen diesen 
klarlich indogermanischen Verhaltnissen, wobei es hier dahin- 
gestellt bleiben kann, welcher besonderen Abteilung des Indo- 
germanischen das Phrygische angehöre (ich selbst halte sie far 
Eranier, cf. II, 1. pag. 29), zeigt die Sprache der lemnischen In- 
schrift auch nicht die leiseste Spur: nicht ein einziger Nomi- 
nativ auf -*, nicht ein einziger Akkusativ auf -w ist dort vor- 
handen. Und genau ebenso, wie mit den Suffixen, sieht es mit 
den Stammen der Wörter in beiden Sprachen aus. Die lem- 
nische Inschrift, wie unten dargethan werden wird, so wie die 
Mehrzahl der phrygischen sind Grabschriften. Man sollte doch, 
wenn auch jene in phrygischer Sprache abgefasst wäre, billig 
erwarten, dass ihnen gewisse formelhafte Wendungen mit 
einander gemein wären; aber auch davon keine Spur: der 
Wortschatz der lemnischen Inschrift ist ein vollständig anderer, 
als der der phrygischen, ja, sogar, wenn man die phrygischen 
Glossen zu Hülfe nimmt, findet sich auch nicht ein einziges 
Wort, welches beiden Sprachen gemeinsam wäre oder auch nur 
lautlich an einander anklänge. 



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33 

Wie sehr davon das Verhältnis der lenmischen Inschrift 
zu den etruskischen abweicht, und wie zahlreich die Anklänge 
zwischen diesen beiden Sprachen sind, das habe ich schon 
früher (II, 1. pag. 30 sq.) gezeigt. 

Damit dürfte denn doch wohl zur Genüge dargethan sein, 
dass die Sprache der lenmischen Inschrift nicht phrygisch 
ist, und die Wissenschaft wird ruhigen Gewissens über diese 
Behauptung von Apostolides zur Tagesordnung übergehen 
können. 

Gegen meine Bestimmung (11, 1. pag. 20 sqq.) des Thra- 
kischen als zu den eranischen Dialekten gehörig und die Ab- 
weisung (n, 1. pag. 29) der Möglichkeit, dass unsere Inschrift 
eranisch sei, ist, soweit mir bekannt geworden, von keiner Seite 
her Widerspruch erhoben worden. Br6al hatte zwar anfangs 
daran gedacht, dass die lemnische Inschrift einen thrakischen 
Dialekt enthalten könne, allein das war vor meiner Unter- 
suchung und nur als entfernte Möglichkeit hingestellt, und 
wenn Apostolides (9) auch später noch diese Möglichkeit er- 
wähnt, so weist er sie doch selbst ab. Einen Widerspruch 
gegen meine obigen Bestimmungen hat auch er nicht erhoben. 

Desto mehr Widerspruch ist gegen meine Aufstellung 
(II, 1. pag. 80 sqq.), dass die Sprache unserer Inschrift mit dem 
Etruskischen verwandt sei, eingelegt worden. Das ist ge- 
schehen von Meister und Gruppe. 

Jener sagt (1. c. 1349): Trotzdem „wir durch die Griechen 
selbst wissen, dass bis zur athenischen Eroberung von Lemnos 
und Imbros diese Inseln von Tyrrhenern (oder Pelasgem) be- 
wohnt waren, .... kommen wir, so lange die lemnischen In- 
schriften nicht gedeutet sind, über die Vermutung [bezüglich 
einer nahen Verwandtschaft des Volkes auf Lemnos .... mit 
den Etruskem] nicht viel hinaus." 

Noch bestimmter und abweisender lautet der Widerspruch 
von Gruppe, wenn er sagt: „Die Verwandtschaft zwischen 
der Sprache unserer Inschriften und dem Etruskischen ist 
nicht erwiesen"; und „eben jene Annahme einer sprach- 
lichen Beziehung zwischen den lemnischen und etruskischen 

Pauli, Inschrift von Lemnos IL 3 



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34 

und etruskischen Inschriften scheint mir nicht begründet" 
(Kulte und Mythen I, 145). 

Die Gründe freilich, die für jenen Widerspruch gel- 
tend gemacht sind, sind sehr hinfallig und leicht zu wider- 
legen. 

Es muss durchaus bestritten werden, dass sich die Ver- 
wandtschaft Ton Sprachen nicht feststellen Hesse, wenn man 
nicht den Sinn der betreflfenden verglichenen Stellen kennte. 
Setzen wir einmal den Fall, wir legten einem im übrigen ge- 
bildeten und urteilsfähigen Laien, der aber fremde Sprachen 
nicht verstände, folgende aus den Preces Sancti Nersetis Cla- 
jensis entnommene Sätze vor: 

1. To 08 confieso, y adoro con viva fee, Padre, Hijo, y 
Espiritu Santo; 

2. Confesso, ed adoro con viva fede Voi Padre, Figliuolo 
e Spirito Santo; 

3. Je crois en vous avec une foi vive, et je vous adore, 
Pore, Fils, et Saint-Esprit, 

4. Ik belyde met geloof, en aanbidde U, Vader, Zoon, en 
heiligen Geest; 

5. Jag bekänner och tillbeder med lefvande tro Dig, 
Fader, Son och heiige Ande; 

6. Jeg bekjender og tillbeder med levende Tro Dig, Fader, 
Son og Helligaand; 

7. Admhuighimle le creidiomh, agus adhraim thu Athar, 
a Mhic, agus a Spiorad naomhtha; 

8. Z wiara wyznavam i czoz^ Ciebie Oycze, Synu i 
Duchu Swi^ty; 

9. E15 hittel hiszlek, & imädlak t^ged Atya, Fiü, 6s 
Szent L61ek; 

10. Operdlunga noellunoerfigagit tuksiarfigallutidlo, Ata- 
tang-a Emerlo Annersarlo'illuartok. 

Glaubt Meister wirklich, dass hier nicht der betreffende 
Laie mit den genannten Eigenschaften sofort diese Proben nach 
ihrer Verwandtschaft richtig klassifizieren und 1 — 3 als unter 
sich verwandt, 4 — 6 als unter sich und zugleich mit dem 



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J5 

Deutschen, 7 — 10 dagegen als weder unter einander noch mit 
den Gruppen 1—3 und 4 — 6 verwandt erkennen werde. 

Nun könnte man freilich einweden, die obigen Proben 
enthielten alle denselben Satz, und das erleichtere das Urteil. 
Ganz gewiss, aber dafür sind andererseits Br^al, Bugge, Deecke 
und ich auch keine Laien, sondern wissenschaftlich und ins- 
besondere sprachlich geschulte Manner, und man darfs uns 
schon glauben, dass wir die Verwandtschaft zweier Sprachen, 
auch wenn wir sie in ihren Einzelheiten nicht deuten können, 
doch sicher zu erkennen vermögen. Wenn vier Manner von 
so verschiedenen wissenschaftlichen Standpunkten, wie Br^ 
und ich einer-, Bugge und Deecke andrerseits, und zwar zum 
Teil unabhängig von einander, diese Verwandtschaft sofort er- 
kennen, und kein Bedenken tragen, sie öffentlich auszusprechen, 
dann ist dieselbe doch gewiss bereits über die blosse Vermutung 
hinausgekommen und man darf getrost daran glauben. 

Und welches sind denn nun die Gründe, die man gegen 
unsere Annahme vorgebracht hat? Abgesehen von dem soeben 
besprochenen Funkte, finden sich bei Meister keine weiteren, 
Gruppe hingegen sucht seinen Widerspruch eingehender zu 
begründen. Aber es ist unrichtig, weil übertrieben und ten- 
denziös gefärbt, wenn er sagt (1. c. 1539): „Die scheinbar so 
bestechende Übereinstinmiung der vier bekanntesten Etrusko- 
logen verschwindet, sobald man sieht, dass die Lesungs- und 
Erklärungsversuche jedes einzelnen Forschers denen der übrigen 
geradezu widersprechen, und jeder von ihnen fast alle Gründe 
des andern widerlegt" Diese Widersprüche findet er in fol- 
genden Funkten: 1. in der verschiedenen Datierung der In- 
schriften; 2. in der verschiedenen Beurteilung des Alphabets, 
ob westgriechisch oder ionisch; 3. die daraus hervorgehende 
Verschiedenheit der Lesung fsial/yeiz oder siai^lfveiz); 4. die 
Verschiedenheit in der Anordnung der Zeilen; 5. die Verschie- 
denheit in der Auffassung des Inhaltes der Inschrift, ob Grab- 
oder Widmungsinschrift. 

Alle diese Funkte sind für die Frage, ob die Sprache 
unserer Inschrift mit dem Etruskischen verwandt sei, voll- 



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'^iru-jiif iV ^;ir-" t: ijiiLCä. Ih Cif '^T T-n'TH- . -mL tj± -*i' ai 

V niTT^ t^'^^^S-UlfO. Üi'^m- Ciär ^»?::S ail'JL J*:! ülfit iJimL'»^ 

***ij:i-a lUiiJL ^oü.! c--r5^/:»r- Tiit -leiÄi vsltt Trr"t xl 

vtü'-i»* kl ütOL ^Lij::i!äL 1:11 1 ananäiJLL e^> i'-a Zoa d^ t r- 
iHc^njira T xTL»*a shTTtS i^iiji*: öi:* p^^nicsif Li-irtTL. ±*r <:i-t^ 

T*r!<iiüe'jHLiKL'ii'!L Liter lii* '•er-^^'i. Pinjtit Lvc du Sarmotf 
Q • L iDi u^i^ ^n. Im*. :Si ihs: nJ i:?^ b^ -»ihl Tiac. If sc. 

TCf-l, B'vT^f. r»t^*V* , '^i dfc^ '!*• i'- fET du ?*^?"rtm. imr 



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37 

punkte. Gruppe hat eingewandt, dass diese Koinzidenzen ledig- 
lich auf Rechnung des Alphabetes kämen und aus ihnen eine 
Verwandtschaft der Sprache nicht abgeleitet werden könne 
(Wochenschr. f. klass. Philol. 1886, 1541 und Kulte und Mythen 
I, 145). Das ist vollkommen auch meine Meinung, und es ist 
ein Irrtum von Gruppe, wenn er mich mit unter denen nennt, 
die eins dieser Beweisstücke benutzt hätten. Das Fehlen der 
Medien habe ich überhaupt gar nicht erwähnt, eben aus den 
von Gruppe vorgebrachten Gründen, und auf das lemnische o 
neben dem etruskischen u bin ich ausdrücklich (cf. II, 1. pag. 
36) nur deshalb eingegangen, weil Br6al darin einen Gegen- 
grund gegen die Verwandtschaft mit dem Etruskischen hatte 
sehen wollen. Das allerdings musste ich zurückweisen, denn 
ein Gegengrund gegen die Verwandtschaft ist es so wenig, 
wie es ein Grund für dieselbe ist Ohne die Bemerkung Br6als 
würde ich auf diesen Punkt so wenig eingegangen sein, wie 
auf die fehlenden Medien, und meine Untersuchung schliesst 
demgemäss auch mit den Worten (II, 1. pag. 40), die That- 
sache, dass beide Sprachen die beiden Laute o und u nur durch 
je einen Buchstaben bezeichneten, spreche „eher [sie!] für, als 
gegen eine Verwandtschaft derselben." 

Auch mit dem, was Gruppe weiter über die von Bugge 
und Deecke geltend gemachten Gründe für die sprachliche Ver- 
wandtschaft vorbringt (Wochenschr. 1886, 1541) bin ich voll- 
kommen einverstanden. Er sagt: „Die Argumente Bugges und 
Deeckes zerfiiessen dem Ref. in dem Augenblick, wo er sie 
wiedergeben will, unter den Händen; die Behauptungen ver- 
tragen es nicht, in die Form einer Beweisführung gekleidet zu 
werden. . . . Irgend ein Prinzip vermag der Ref. in diesen Zu- 
sammenstellungen nicht zu entdecken. Die Inschrift wird in 
der Weise, die aus den etruskologischen Arbeiten Bugges und 
Deeckes so bekannt ist, zu deuten versucht, und nachdem dies 
selbstverständlich gelungen ist — denn je unbekannter zwei 
Grössen sind, um so leichter lassen sie sich vergleichen — 
wird umgekehrt geschlossen, dass die Sprache der Inschrift mit 
dem Etruskischen verwandt sei!" Dass das alles mir voll- 



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36 

kommen gleichgültig. Ob die Inschrift hundert Jahre jünger 
oder älter sei, darauf kommt nichts an , der springende Funkt 
ist allein der, ob sie alt genug sei, um den Felasgem zu- 
geschrieben werden zu können, und das ist bei allen unseren 
verschiedenen Altersbestimmungen zu bejahen. Noch gleich- 
gültiger aber sind die Punkte 2 — 4. Aus ihnen allen folgt 
für den Charakter und die Yerwandtschaftsverhaltnisse der 
Sprache überhaupt nichts. Ob die Sprache, um die es sich 
handelt, im westgriechischen oder ionischen Alphabet geschrieben 
und infolgedessen sialjyiz oder sial^viz zu lesen sei, darauf 
kommt — abgesehen davon, dass jetzt auch ich das Alphabet 
für westgriechisch halte und sial/yiz lese — für die Sprache 
selbst nicht das allergeringste an. Ihr Charakter bleibt in 
beiden Fällen genau derselbe. Und ebenso wenig wird an 
demselben etwas geändert, ob man die Inschrift nun mit holaze 
oder evisbo beginne, ob man sie für eine Grabschrift oder für 
eine Widmung halte. Das sind Fragen der Einzeldeutung, 
welche an dem lautlichen und morphologischen Bau der vor- 
liegenden Formen selbst nicht das geringste ändern. Es kann 
somit aus allen diesen ja thatsächlich vorhandenen Meinungs- 
verschiedenheiten über die beregten Punkte über die Sprache 
unserer Inschrift überhaupt nichts gefolgert werden. 

Andrerseits nun hat freilich Gruppe insofern vollkommen 
recht, als er manche der für die Verwandtschaft beider Sprachen 
vorgebrachten Einzelgründe nicht anerkennen will, aber es ist 
doch auch hierin von ihm, sicher infolge der oben (pag. 16 sq.) 
besprochenen Voreingenommenheit, wie sie sein myüiologischer 
Standpunkt bedingt, viel zu weit gegangen. 

Unter den Koiuzidenzpunkten zwischen der Spradie der 
lemnischen Inschrift und dem Etruskischen waren auch die 
aufgeführt worden, dass beide Sprachen der Medien entbehrten 
(Br6al, Bugge, Deecke), und dass beide für die Bezeichnung 
der Laute o und u nur je einen Buchstaben gebrauchten, die 
Lemnier das o, die Etrusker das u (Bugge, Pauli, Deecke). 
Diese Beweisstücke sind von Gruppe mit Recht getadelt worden, 
und ich stehe in dieser Beziehung durchaus auf seinem Stand- 



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37 

punkte. Gruppe hat eingewandt, dass diese Koinzidenzen ledig- 
lich auf Rechnung des Alphabetes kämen und aus ihnen eine 
Verwandtschaft der Sprache nicht abgeleitet werden könne 
(Wochenschr. f. Mass. Philol. 1886, 1541 und Kulte und Mythen 
I, 145). Das ist vollkommen auch meine Meinung, und es ist 
ein Irrtum von Gruppe, wenn er mich mit unter denen nennt, 
die eins dieser Beweisstücke benutzt hätten. Das Fehlen der 
Medien habe ich überhaupt gar nicht erwähnt, eben aus den 
von Gruppe vorgebrachten Gründen, und auf das lemnische o 
neben dem etruskischen u bin ich ausdrücklich (cf. II, 1. pag. 
36) nur deshalb eingegangen, weil Br^l darin einen G^gen- 
grund gegen die Verwandtschaft mit dem Etruskischen hatte 
sehen wollen. Das allerdings musste ich zurückweisen, denn 
ein Gegengrund gegen die Verwandtschaft ist es so wenig, 
wie es ein Grund für dieselbe ist Ohne die Bemerkung Br&ds 
würde ich auf diesen Punkt so wenig eingegangen sein, wie 
auf die fehlenden Medien, und meine Untersuchung schliesst 
demgemäss auch mit den Worten (II, 1. pag. 40), die That- 
sache, dass beide Sprachen die beiden Laute o und u nur durch 
je einen Buchstaben bezeichneten, spreche „eher [sie!] für, als 
gegen eine Verwandtschaft derselben." 

Auch mit dem, was Gruppe weiter über die von Bugge 
und Deecke geltend gemachten Gründe für die sprachliche Ver- 
wandtschaft vorbringt (Wochenschr. 1886, 1541) bin ich voll- 
kommen einverstanden. Er sagt: „Die Argumente Bugges und 
Deeckes zerfiiessen dem Ref. in dem Augenblick, wo er sie 
wiedergeben will, unter den Händen; die Behauptungen ver- 
tragen es nicht, in die Form einer Beweisführung gekleidet zu 
werden. . . . Irgend ein Prinzip vermag der Ref. in diesen Zu- 
sammenstellungen nicht zu entdecken. Die Inschrift wird in 
der Weise, die aus den etruskologischen Arbeiten Bugges und 
Deeckes so bekannt ist, zu deuten versucht, und nachdem dies 
selbstverständlich gelungen ist — denn je unbekannter zwei 
Grössen sind, um so leichter lassen sie sich vergleichen — 
wird umgekehrt geschlossen, dass die Sprache der Inschrift mit 
dem Etruskischen verwandt sei!" Dass das alles mir voll- 



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38_ 

kommen aus der Seele geschrieben ist, das wird wohl so be- 
kannt sein, dass es einer besonderen Versicherung oder auch 
nur des Hinweises auf die pag. 8 sqq. gegebenen Darlegungen 
nicht bedarf. 

Aber von diesem Bugge-Deeckeschen Verfahren ist mein 
eigenes doch himmelweit verschieden. Gruppe erkennt das 
auch selbst an (1. c. 1542). Nichtsdestoweniger aber „scheinen 
ihm meine Bemerkungen ebenfalls nicht beweisend und er 
meint: „Stande der Zusammenhang unserer Inschrift mit dem 
Etruskischen fest, so liesse sich die Berechtigung derartiger 
Deutungen [wie morinaä \mi zwailavizisial^viz'.marazmlaviz: 
aomai] vielleicht diskutieren, aber jenen Zusammenhang erst 
daraus zu folgern, scheint mir nicht an der Zeit.^^ Die prin- 
zipielle Richtigkeit dieses Satzes muss ich bestreiten. 

Irgend einen Ausgangspunkt, ein Soc jxoi icou arm muh 
es doch geben für den Nachweis der Verwandtschaft zweiei 
Sprachen, und seit Bopp sein vergleichendes Eonjugationssystem 
schrieb, kennen wir diesen Funkt auch: es ist die Gleichheit 
des grammatischen Baues. Diesen Ausgangspunkt aber 
habe ich meinerseits nicht verlassen. Denn diejenigen Punkte, 
die ich für die Verwandtschaft beider Sprachen angeführt 
habe, waren die folgenden: holaiezi (^okiasiak, verglichen mit 
etr. lar^iah hulyniesi und darnach als Genetive vermutet; Ao- 
iaiez = holaiezi, wie etr. -ä neben -ä und somit auch Genetiv; 
aviz gebildet wie holaiez und somit auch Genetiv, vermutlich, 
mit Ausfall des /, = etr. aviU, ctvik „annorum^^; darnach 
vermutlich sial/viz (so jetzt!) auch Genetiv, und zwar eines 
Zahlwortes; dann in dem Satze zivaiiavizisialyvizimarazml 
ccviz'.aomai deutliche chiastische Wortstellung, woraus folgt, 
dass auch maraz wahrscheinlich Genetiv eines Zahlworts sei, 
und weiter dann geschlossen wird, dass -m „und-* bedeute; 4> 
=s etr. -&, also Lokativsuffix; morbiaü verglichen mit etr. truial 
„Troianus" und daher wohl Ethnikon von morina „Mopiva^'. 

Das sind thatsachlich keine anderen Vergleichungspunkte, 
als die, aus denen Bopp seine Schlüsse über die Zusammen- 
gehörigkeit des Sanskrit mit Griechisch, Lateinisch u. s. w. zog, 



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3Ö 

und so wenig man bei Bopp verlangt hat, es solle erst diese 
Zusammengehörigkeit bewiesen werden, bevor er solche Ver- 
gleiohungen anstelle, so wenig darf man das in dem vorliegen- 
den Falle verlangen. Dergleichen grammatische Koinzidenzen 
sind das allseitig anerkannte Fundament für den Nachweis der 
Verwandtschaft zwischen zwei Sprachen, und es muss somit 
das Verlangen Gruppes, diese Verwandtschaft solle erst ander- 
weit erwiesen werden, als prinzipiell vollkommen unberechtigt 
abgewiesen werden, und Hesselmeyer (Pelasgerfr. 32) hat durch- 
aus recht, wenn er den Standpunkt Gruppes als „hyperkritisch^^ 
bezeichnet Strenggenommen schlägt hier die Hjperkritik sogar 
in axpi3(a um. 

Dass dies nicht etwa nur meine persönliche Ansicht sei, 
sondern dass andere Gelehrten dieselbe teilen, mögen folgende 
Zeugnisse darthun. 

Hommel (1. c. 255) sagt: „Nachdem nun Pauli die An- 
nahme, dass dieselbe [die Sprache unserer Inschrift] der einstigen 
thrakischen Bevölkerung der Insel angehöre, zurückweist, . . . • 
erbringt er sodann .... den, wie mir scheint, unantastbaren 
Nachweis, dass die Sprache dem Etruskischen so nahe wie nur 
möglich stehe und die Inschrift nur den tyrrhenischen Pelas- 
gem angehören könne. In fast zu vorsichtiger Weise fasst 
Pauli dies Resultat in die Worte: etc." Und dazu macht er 
noch die Anmerkung: „Meinem Dafürhalten nach lassen die- 
selben [die Vergleichungspunkte beider Sprachen] keine andere 
Erklärung zu; fftr den, der sehen will, genügt das von Pauli 
Beigebrachte vollständig." 

Und ähnlich heisst es bei Hesselmeyer, nachdem er die 
von mir vorgebrachten Vergleichungspunkte aufgefihrt hat 
(1. c. 33): „Alles in allem haben wir in der Inschrift einige 
überaus schwerwiegende Koiuzidentien mit dem Etruskischen, 
durch welche wir, selbst wenn wir es nicht wollten und als 
wissenschaftlichen Hinderungsgrund die fast unvermittelte Über- 
raschung geltend machen wurden, einfach zu dem Schluss ge- 
nötigt [sie!] werden, die Sprache der Pelasger auf Lem- 
nos und das Etruskische sind nahe mit einander 



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40 

verwandt, etwa wie das Altitalische mit dem Altgrie- 
chischen." 

Und Krall (Momienbinden 19) sagt: „Bagge und Pauli 
haben zu gleicher Zeit auf die zahlreichen Anklänge und Über- 
einstimmungen zwischen der Sprache dieser [der lemnischen] 
Inschrift und dem Etruskischen aufinerksam gemacht Die 
von Pauli gegebenen Deutungen scheinen mir im grossen und 
ganzen evident zu sein, namentlich wird sich g^en die Deu- 
tung von sialyveiziavizy beziehungsweise (wiz\sialyyiz jetzt, wo 
die Agramer Binden die Form dalyu^ erschlossen haben, kaum 
etwas Erhebliches einwenden lassen." 

Nachdem so die vorgebrachten Gfegengründe gegen die 
Verwandtschaft der Sprache unserer Inschrift mit dem Etrus- 
kischen aus dem Wege geräumt sind, wende ich mich zu dem 
positiven Nachweise dieser Verwandtschaft 

Ich hatte ja freilich schon in der vorigen Arbeit (II, 1. pag. 
30 sqq.) auf die soeben aufgezählten Koinzidenzen zwischen 
beiden Sprachen aufinerksam gemacht, jedoch in sehr zurück- 
haltender Form (cf. insbesondere pag. 41) ein Punkt, inbezug 
auf den, wie dies die soeben angeführten Worte Hommels und 
Hesselmeyers darthun, andere Gelehrte weiter gegangen sind, 
als ich selbst es wagte. 

Ich war ja freilich auch von der Richtigkeit meiner Dar- 
legungen völlig überzeugt, sprach sie aber doch so vorsichtig 
aus, weil mir bei der Neuheit der Sache und der unvermittelten 
Überraschung, von der auch Hesselmeyer spricht, noch eine 
gewisse Zurückhaltung geboten schien. Heute indessen liegt 
die Sache anders. Es ist inzwischen eine neue Thatsache ein- 
getreten, die einen völlig zwingenden Beweis ermöglicht, und 
ich stelle nunmehr mit voller Schärfe und Bestimmtheit den 
Satz auf, dass die Sprache unserer Inschrift mit dem Etrus- 
kischen verwandt ist 

Diese neue Thatsache ist das Auffinden der etruskischen 
Inschrift auf der Agramer Mumienbinde, welche jüngst von dem 
Wiener Ägyptologen J. Krall^ (Denkschriften der philologisch- 
historischen Klasse der Wiener Akademie der Wissenschaften 



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41 

Bd. XLI Abhandl. III) in trefflichster Weise veröffentUcht 
worden ist 

Zunächst bietet diese Agramer Mnmienbinde ausser den 
bereits früher mit Wörtern unserer lemnischen Inschrift ver- 
glichenen etruskischen Formen acil^ aviU, zwaä und aroAj die 
auch die Binde aufweist, noch einige weitere in ihren Lauten 
anklingende Bildungen , so klingt marem an lemn. marazm; 
murm an lemn. nwrinaü; napti an lenm. na*^o^; zeri an lemn. 
zeronai(b), also im ganzen doch acht Formen. 

Darauf allein freilich wäre wenig Gewicht zu legen, wenn 
nicht noch andere Erscheinungen hinzukamen, die den neuen 
Fund für unsere lemnische Inschrift besonders wichtig machten. 
Das ist aber in der That der Fall. 

In der Agramer Inschrift nämlich findet sich die Form 
cidt/uä. Diese Form ist ganz ohne Zweifel ein Zahlwort, so 
gut, wie die Fonnen hu^ü^za^rumU; eslenv zabrum; dem; 
bunem u. a. auf derselben Binde, und entspricht ganz ebenso 
zweifellos dem etr. cedtils (Fa. no. 2108. suppl. II, no. 112), ein- 
mal auch cel/ls (Fa. suppl. I, no. 437). Von diesem cialyruä 
zu lemn. sialyviz aus ist, worauf mich Krall brieflich aufmerk- 
sam macht, „nur ein Schritt*^ Das ist völlig richtig, und es 
wird nunmehr das, was ich schon II, 1. pag. 33 vermutet 
hatte, dass das sial^viz (rectius also jetzt sial/yiz) ein Zahlwort 
sei, zu unumstösslicher Gewissheit Dass ich das nicht sofort 
sicher gesehen hatte, hatte seinen Grund in der Form etr. 
cezpal'/ak (Fa. suppL I, no. 387), die zu der Annahme ver- 
leitete, dass das im Etruskischen die Zehnerzahlen bildende 
Suffix 'olyaly Gen. -alxak, heisse. Diese Annahme stellt sich 
jetzt als irrig heraus. Darauf hätte freilich bei allseitiger Er- 
wägung auch schon die in derselben Inschrift unmittelbar vor 
cezpalyals stehende Einerzahl eaals führen können. Es giebt 
bekanntlich im Etruskischen ein hysterogenes a, welches sich 
im Innern von Eonsonantenhäufungen herausbildet, die früher 
andere Vokale hatten, diese aber haben schwinden lassen. Es 
ist natürlich dieses a kein voller Vokal, sondern nur ein Schwa 
mit dem Timbre des o. Besondere Beispiele für diese Laut- 



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42 

erseheinung hier aofizafuhren, ist unnötig. Deecke bat an ver- 
schiedenen Orten (Müller Etr. 11*, 353 sq.; Bezzenberger Zeitsohr. 
II, 178 sq.; Gott. gel. Anz. 1880, 1419 sqq.) von ihr gehandelt, 
und wenn auch vielleicht einzelne seiner Beispiele auszuscheiden 
sind, so Ueiben ihrer doch noch genügend über, so dass die 
Thatsache selbst vollkommen gesichert ist 

Zu diesen Formen mit nachgeborenem a gehört nun auch 
unser esab, der Genetiv von zal. Aus zal entsteht zunächst 
esby wie dies die Formen eslem (Ga. no. 658) und eslz (zwei- 
mal in Fa. no. 2057) direkt beweisen. Der Hergang ist der, 
dass in zal bei der Genetivbildung zunächst der Vokal aus- 
fällt, wie in den Genetiven hrns von faran, tesn^ von tezariy 
lebms von lebam (cf. Pauli in ^tudes etc. dedi^es ä C. Leemans 
228), ebenso auch im Lokativ alpnu von a^an. Dieser Aus- 
fall zieht zwei weitere Lauterscheinungen nach sich, den Vor- 
schlag eines e und die Umwandlung ies z in s. Ersteres ge- 
schieht überall da, wo im Anlaut sich Konsonantenhäufungen 
herausbilden, so z. B. in epl neben und far pul, epr^ne für 
und neben purbne, Mr(u)scus und Etr(i)scus für Tu(r)8CTi8, ein 
Verhältnis, über das ich bereits früher (Etr. Fo. u. Stu. in, 
17 sq.) gehandelt habe. 

Das sl für zl aber ist im Etruskischen die Regel. Ein zl 
erscheint nur ganz vereinzelt, wie z. B. in camzley und scheint 
dann, da es für amzile steht (cf. venzüe, larzile u. a.), die ety- 
mologische Schreibung festgehalten zu haben, während sl die 
phonetische Schreibung ist Letztere haben wir nun in esls, 
eslem und eslz, und wenn nun neben esh ein esals erscheint, 
so beweist gerade das s dieser letzteren Form, dass das a ein 
erst nachträglich eingeschobener Vokal ist. 

So wie es dies nun aber in esals ist, so auch in cezpal- 
•/als, letztere Schreibung vielleicht durch jene beeinflusst 

Wir erhalten also als echte Schreibung des Suffixes -alyh. 
Diesem -al-^ls aber entspricht auf der Mumienbinde -alyu^, in 
der Lemnosinschrift -alyviz. Letztere beide Formen haben ihr 
/ vor der Genetivendung -^ resp. -z verloren und stehen somit 
für -alyuU resp. -alfvfilx, letzteres genau, wie axiz für avih, 



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43 

etr. ca)ilsy so dass also lemn. aviz sidt/viz genau die gleichen 
Formen enthält, wie etr. ctvils^cecd/U, nur dass zwei verschie- 
dene ZehAer vorliegen. 

Dieser Ausfall des / ist nichts hesonderes, sondern eine 
ganz gewöhuUche Erscheinung im Etruskischen. Er findet sich 
sowohl vor, wie nach Konsonanten, ersteres z. B. in vesi für 
und neben vehti^ vescu für und neben vebai, velhtruä für und 
neben velDttni^y hatu für und neben haUuy matuna für ma- 
tulna u. s. w., letzteres z. B. in sepcma can für und neben 
seplanal clan. Und ebenso fallt bekanntlich auslautendes -/ 
überaus oft ab, wie z. B. /un^ neben hinbialj larisa für und 
neben lariscdy arn^ia und hxrbia für und neben am^ial und 
lar^alj sepcma (soeben) für und neben seplanal u. s. w. in 
vielen andereu Formen. 

Über die ganze Erscheinung habe ich bereits Etr. Stu. III, 
134 sq. gehandelt, und die Thatsache steht so fest, dass es 
hier eines besonderen Eingehens auf die Sache nicht weiter 
bedarf. Es hat also die Annahme eines Ausfalls des / auch 
in ceaifvA und siat/yiz keinerlei Bedenken. 

Es ergiebt sich nun nach dem Vorstehenden folgender Ent- 
wickelungsgang des ZehnersufBxes, zunächst seines Genetivs: 

Gnmdform: -alxviU 



lemn. -alxviz etr. Grdf. -alxuU 



Mum. -alxui etr. (Uxls 
'cUxaU 

Es könnten gegen diese Aufstellung eingewendet werden, 
dass sich ja im Etruskischen im Genetiv des weiblichen Vor- 
namens banyyil, der als banyfvihiäy südetruskisch ban^viltis, 
mehrfach belegt ist (die Belege s. bei Deecke Etr. Fo. III, 
160 sq.), das -vil- erhalten habe und nicht zu -ul- zusammen- 
gezogen habe. Aber der Unterschied lässt sich erklären. Das 
i von banyvil ist nach Ausweis des lat Tanaqtal (cf. Auson. 
ep. 23, 31) lang, in al/yils hingegen wird das i kurz gewesen 



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44 

sein, so dass also dieselbe Lantbehandlung vorläge, wie in lat 
8tja(d)sco neben sodaUs (für suMaUs), 

Nach dem vorstehend Ausgeführten wird man die Gleich- 
setznng des lemnischen aviz sial/viz mit einem etruskischen 
avils *ialxls (gerade dieses Zahlwort ist zufällig nicht belegt) 
nicht mehr beanstanden können. Dann folgt aber aus dieser 
Gleichsetzung mit Sicherheit, was in der ersten Abhandlung 
nur als möglich angenommen wurde, die Verwandtschaft der 
Sprache unserer lemnischen Inschrift mit dem Etruskischen. 

Aus der Abweisung des thrakischen Charakters unserer 
Inschrift war von mir (11, 1. pag. 30) dann die weitere Fol- 
gerung gezogen worden, dass die Inschrift nur noch von den 
Pelasgem herrfihren könne, die uns von den alten Schrift- 
stellern ja ausdrücklich als im Besitz der Insel vor der Er- 
oberung durch die Athener angeführt werden. 

Diese Polgenmg ist nur von Apostolides (1. c. 7) bestritten 
worden, und zwar deshalb, weil die Pelasger auf Lemnos, die 
ja aus Thessalien gekommen seien, lange, bevor sie diese Insel 
besetzten, völlig hellenisiert und nicht mehr von den echten 
Griechen zu unterscheiden gewesen seien. Diese Annahme sucht 
er durch mehrere Stellen aus den alten Historikern zu beweisen. 

Die von ihm angeführten Stellen sind die folgenden: 
'AÖTjvafotoi Yotp^ ^Sif) TYjvtxaoTa ä; EXXifjvac TeXeouot rieXa^fol 
aovoixoi iyivovTo h rj X*'*P1Q> ^^^^ ^®P ''^^ '^EXXtjVsc r^pfavTO 
vo|iioft^vat (Herod. II, 51); 

riapa 84 toT; EXXyjjiv eü8oxf|iY]oev r^ TtoXt? ao-nj [Caere] 
8ia Te av8p£(av xal 8txaiooüVYjv tiv te '^h^ XTflarrjpfmv aic- 
63)^8X0 xadcep 8ova|iivY] TtAeTotov, xal floftoT tov 'AyoXXaicDv 
xaXoüfxevov dvi&7)X8 8>)oai;pov. ^AyoXXa y<*P a>vo|idi^eTo to 
TTpotepov T^ vüv Kaipia, xat Xi^stat risXaoYcliv xT(o|ia taiv äx 
06TTaX(a; a^pt^fASvcuv Toiv te Aü8(i5v, oiWep ToppTfjvol [xstcd- 
vopLOtoÖYjaav, JmaTpaTeoaavTmv toT^ 'AyuXXafot;, irpoawtiv T(j) 
Te(}(8t TIC licovftavsTo, Touvojxa rfc ireJXemc, tiv 6' Ätto tou 
Tsfjfoo; BfiTTaXtiv tivo; avrl tou airoxpfvaaöat irpoaaYopeooav- 
To; auTOv „X^Tps'*, 8e5a[X£voi tov otwvov oi Topp>)vol toütov 
aXouaav tyjv tto'Xiv fxeTa>vo{xaaav (Strabo V, 220); 



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45^_ 

'Aft>)vaTot [jLev aoTol IcDve; ovreg lirl Ampiea^ Supaxootoü^, 
sxovte? TjXÖov, xai auTot? tiq «ütiq f cov^ xal voji(|ioic In XP^' 
pievot At^jivioi xal ^Ifjtßpiot xai A{iftvf)Tai (Thucyd. VII, 67). 

Wie man aus diesen Stellen Beweise für die Behauptungen 
von Apostolides gewinnen könne, ist mir unklar. Gar keine 
Beweiskraft irgendwelcher Art hat natürlich die Anekdote bei 
Strabo, welche lediglich eine volksetymologische Erklärung des 
Namens Caere aus dem Griechischen enthält Aber auch die 
beiden anderen Stellen beweisen gar nicht das, was sie nach 
Apostolides beweisen sollen. 

In der ersten Stelle, der aus Herodot, lässt Apostolides 
merkwürdiger Weise gerade die Worte weg, auf denen der Sinn 
der ganzen Stelle beruht, nämlich die Worte r^^ TTjvtxaota 1; 
''CXXir]va; reXiou^i „welche damals schon zu den Hellenen 
zahlten.'^ Was dies „damals schon^' bedeuten solle, lehrt uns 
eine andere Stelle bei Herodot (Vlll, 44): 'A&Yjvalot 8e im 
fi.ev rieXaaYttiv ^x^vtcdv r^v vov 'EXXaSa xaXeojxevTjV '^oav Oe- 
Xao^oly d. h. die Athener waren in alter Zeit Pelasger, später 
aber zählten sie zu den Hellenen (cf. hierzu Hesselmeyer 
Pelasgerfrage 13), waren also hellemsiert. Damals nun kamen 
Pelasger aus Thessalien in das Land der Athener, also ihre 
alten Stammverwandten, und deshalb (o&ev), d. h. eben dieser 
Stammverwandtschaft wegen, deren man sich also noch bewusst 
war, fing man an, auch diese Pelasger aus Thessalien für Hel- 
lenen zu halten. Dieses vojiio&f^vat zeigt aber deuüich genug, 
dass sie keine Hellenen waren. Ob und wann und wieweit 
sie hellenisiert worden seien, darüber sagt Herodot kein Wort, 
und es ist völlig willkürlich, dies in seine Worte hineinzulegen. 
Ja, aus dem vofAtoOTjvat folgt viel eher das gerade Gegenteil, 
d. h. sie blieben Pelasger, wie denn auch Hesselmeyer (Pelasger- 
frage 17) annimmt, dass „neben der Mehrzahl hellenisierter 
noch längere Zeit einige rein pelasgische Gemeinden [in Attika] 
existiert hatten." 

Diese Pelasger nun aus Attika gingen nach Lenmos und 
Imbros und wurden dort später durch Miltiades von den 
Athenern unterworfen. Hier setzt nun die Stelle aus Thucy- 



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46 

dides ein, welche aber so wenig, wie die aus Heiodot, irgend 
etwas ober die Hellenisierung der attischen Felasger aas- 
sagt Die sizilische Expedition , von der Thncjdides spricht, 
liegt 100 Jahre spater, als die Eroberong von Lemnos durch 
Miltiades, und von dieser seiner eigenen Zeit spricht Thucy- 
dides, indem er berichtet, dass die Lemnier und Imbrier, beides 
ursprünglich Pelasger, und die Ägineten, ursprünglich Dorier, 
mit den Atiienem einerlei Sprache und Sitten hätten. Das ist 
eben für seine Zeit ja gewiss auch glaubhaft, aber dass nun 
die Ionisierung der lemnischen Pelasger schon vor ihrer Aus- 
wanderung aus Attika stattgefunden habe, das sagt er nicht, 
und das folgt auch aus seinen Worten nicht Auch aus dem 
6Ti nicht Selbst wenn dies zeitUch zu verstehen ist und „noch 
jetzt*' bedeuten soll, — es kann aber auch „überdies" heissen, — 
so liegt darin weiter nichts, als dass die Ionisierung schon vor 
der Zeit des Thucydides geschehen war. Dass sie bereits bei 
der Einnahme der Insel durch Miltiades oder gar bei der Aus- 
wanderung aus Attika geschehen gewesen sei, darüber sagt dies 
eri nicht das geringste aus. Der hunder^ährige Zeitraum 
zwischen Miltiades und Thncjdides reicht für die Atiienisierung 
vollkommen aus, zumal bei einer so passiven Bace, wie die 
Pelasger es waren (cf. hierzu Hesselmeyer, Pelasgerfrage 127). 

Es wird somit die Annahme von Apostolides, dass die 
Pelasger schon vor ihrer Einwanderung nach Lemnos helleni- 
siert gewesen seien, durch die Stellen der Alten, die er an- 
führt, nicht gedeckt, und es steht dann weiter gar nichts im 
Wege, diese Hellenisierung erst nach der Einnahme von Lemnos 
durch Miltiades anzusetzen. 

Da nun aber unsere Inschrift, selbst wenn wir ihre jün- 
gere Datierung, die durch Bugge zwischen 560 und 500 v. Chr., 
als richtig annehmen, immer noch älter ist, als diese Einnahme 
durch Miltiades, so steht durchaus nichts entgegen, in der 
Sprache derselben die der Pelasger zu sehen; wenn aber die 
Inschrift gar, wie ich oben (pag. 24 sqq.) glaube nachgewiesen zu 
haben und wie auch Apostolides annimmt, noch vor 620 v. Chr. 
zu setzen ist, dann ist diese Annahme erst recht gesichert 



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47 

Wenn freilich Deecke recht hätte, sie ins ffinfte Jahr- 
handert zu setzen (cf. oben pag. 24), dann wäre die Sache be- 
denklich, aber er hat eben nicht recht. Zur Begründung seiner 
Ansicht sagt er nur, dass die Inschrift „wegen des cp und x 
dem 5. Jahrhundert angehöre.^' Diese B^ründung ist nicht 
recht verständlich und widerlegt sich durch ein kurzes Gitat 
aus Kirchhoflf (Stud. z. Gesch. d. griech. Alphab.* 172), wo es 
heisst: „Diese Erweiterung [des griechischen Alphabets durch 
die drei neuen Zeichen X(+) d) ♦(Y)] muss in sehr früher 
Zeit stattgefunden haben, da wir ausser dem Alphabet von 
Thera, Melos und Kreta kein einziges griechisches Alphabet 
kennen, das diese neuen Zeichen nicht bereits in sich auf- 
genommen hätte; mit Sicherheit lässt sich nur erkennen, dass 
im eigentlichen Hellas sich dieser Fortschritt bereits vor dem 
Ende des 8. Jahrhunderts vollzogen hatte, wie sich aus der 
Beschaffenheit des Alphabetes von Chalkis und seinen Eolonieen 
und der bekannten Grfindungsepoche der letzteren klärlich 
ergiebt'^ Solange Deecke nicht begründet, warum in dem 
lemnischen Alphabet das (|) und Y an die 800 Jahre jünger 
sein soll, als in denen von Hellas, wird man seine Aufteilung 
als unbegründet ansehen müssen und wird es bei meinen posi- 
tiven Aufistellungen (oben pag. 27 sq.) zu verbleiben haben. Damit 
dann aber werden, wie gesagt, die Einwände von Apostolides 
hinfallig.. 

Ich habe (H, 1. pag. 32) unsere Inschrift „nach dem ganzen 
Habitus des Denkmals und der Abbildung'' als eine Grabschrift 
bezeichnet Als eine solche ist sie auch von Deecke, Aposto- 
lides und Moratti aufgefasst worden, während Bugge darin eine 
sakrale Widmungsinschrift sieht Es war mir so selbstver- 
ständlich erschienen, dass unsere Inschrift eine Grabschrift sei, 
dass ich mit obigen Worten die Sache für abgethan hielt und 
gar nicht weiter in einen Beweis eingetreten bin. Da nun 
aber doch wirklich eine andere Auffassung thatsächlich mög- 
lich geworden ist, so werde ich doch auf die Sache etwas näher 
eingehen müssen. 

Der erste Grund, auf dem meine Auffassung der Inschrift 



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48 

als einer Grabschrift beruht, ist das Bild. Schon oben (pag. 
24sq.) habe ich eine Zusammenstellung von Denkmälern gegeben, 
welche, wie der unsere, eine Eriegerfignr in sogenannter Parade- 
stellung zeigen. Sie alle sind Grabdenkmäler, wie dies aus 
ihren Inschriften folgt. Diese Inschriften waren die folgenden: 

1. mi kcrbi aninieä; 

2. mi avüeä titeä', • • -vr^sie'.mvleräke. 

Sehen wir von dem • * 'ir/jsie:mulenike ab, welches einen 
Satz für sich bildet, und zwar einen solchen, der eine Widmung 
ausspricht, denn mtdenike ist ein Verb und heisst etwa „dedi- 
cavit", — dann bleibt in beiden Inschriften nur noch mi „hoc 
(est)" und der Genetiv eines Namens übrig, der sich aus Prä- 
nomen {lar\^i^al\ und avile^ und Gentilnamen (aninieä und 
titeä zusammensetzt), wobei zur Begründung des lar^i als Ab- 
kürzung von larbial auf das mi laris sanesnaä eines gleichfalls 
fasulanischen Grabsteines (Ga. no. 46) hingewiesen werden mag, 
welches in ganz derselben Weise für mi larisal sanesnaä steht 

Diese Formel nun, mi mit folgendem Genetiv eines Per- 
sonennamens, ist die älteste Form der etruskischen Grabschriften, 
wie dies die zahhreichen Inschriften der altvolsinischen Nekro- 
pole auf den Architraven über den Grabthüren, auf Grab- 
stelen u. dgl. (und entsprechende von Faesulae, Volaterrae, 
Arretium) darthun. Emige Beispiele mögen sein: 

mi aviles sasunas (Fa. spl. III, no. 299); 
mi mamarces tvebelies (Fa. spl. III, no. 302); 
mi larbia amanas (Fa. spl. III, no. 297); 
mi velelias hirminaia (Fa. spl. III, no. 300); 
mi venelus vinucenas (Fa. no. 2049); 
miwetus'.murinas (Fa. spL III, no. 291). 

Und daneben stehen dann, damit auch ja nicht die Mög- 
lichkeit eines Zweifels noch oflFen gelassen werde, noch einige, 
die der Formel ausdrücklich noch das Wort Mtbi „Grab" hin- 
zufügen: 

mi hrices telaha-aä ^fte (Fa. spL III, no. 301); 
mi suU larbial mubihuä (Fa. no. 42). 



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49 

Es sind somit die etruskischen Steine mit der Eriegerfigur 
ganz unumstösslich sicher Grabsteine. Sind sie es aber, so 
muss es auch der lenmische Stein sein, der ein ganz gleiches 
Eriegerbild tragt 

Der zweite Grund, in unserer Inschrift eine Grabschrift 
zu sehen, liegt in dem aviz:sialy[vizimar(izm:aviz, Dass hier 
in dem aviz eine dem etruskischen aviU entsprechende Form 
vorliege, kann nach dem oben (pag. 43) gesagten wohl nicht 
mehr beanstandet werden, ebensowenig, wie, dass sialyiviz ein 
Zahlwort sei. Ist das aber der Fall, dann kann sial/viz nur 
zu dem Einer .^a gehören, der dann, wie eben sialyvis' dax- 
thut, aus äa entstanden ist, wie saus aus siaiis (beide halte 
ich jetzt mit Deecke Etr. Fo. u. Stu. II, 46 für dasselbe Wort), 
und der von den Indc^ermanisten für „sechs" (cf. die Litteratur 
bei Fabretti Glossar s. v. .^a), von mir für „fünf* erklärt wird, 
ein Unterschied, der in diesem Falle gleichgültig ist Denn 
ob es nun „annorum sexaginta" oder „annorum quinquaginta" 
heisse, daran kann kein Zweifel sein, dass es sich um das 
Alter des abgebildeten Kriegers handele. Dergleichen Alters- 
angaben aber finden sich erfährungsgemäss eben auf Grab- 
steinen, und so wird es auch hier sein. 

Aus den beiden angeführten Gründen ist also der lemnische 
Stein mit voller Sicherheit für einen Grabstein zu erklären. 

Ich war in dem ersten Hefte (11, 1. pag. 81) in einen 
Deutungsversuch unserer Inschrift nicht eingetreten, und viel- 
leicht ist ein solcher auch jetzt noch verfrüht. Aber es scheint 
mir, als ob für eine Vorarbeit dazu, die auf die Analyse der 
einzelnen Sprachformen und die mutmassliche Struktur der 
ganzen Inschrift sich beziehe, die Zeit nunmehr, wo die Ver- 
wandtschaft des Pelasgischen mit dem Etruskischen doch wohl 
kaum noch zweifelhaft ist und uns damit eine Handhabe ge- 
boten ist, doch wohl schon gekommen sei, und diese will ich 
daher jetzt versuchen. 

Bevor ich indessen an diesen Versuch herantrete, scheint 
mir noch eine Untersuchung des Textes an zwei Stellen nötig, 
wo die Lesung unsicher ist Es sind dies die boiden Stellen 

Pauli, Inschrift von Lemaos U. 4 



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50^ 

in der ersten Zeile der Inschrift B., wo ich ej^fezio und ^^okels 
oder r^okens gelesen hatte, ereteres nach den Angaben der 
franzosischen Gelehrten, letzteres als eigene Vermutung auf 
Grund der erhaltenen Schriftreste. Das eptezio ist auch von 
den französischen Gelehrten, von Bugge, Deecke, Moratti in 
den Text aufgenommen, während Apostolides ehelzio liest 
Statt des cpöÄ^fr (-n^) haben die französischen Gelehrten, Bugge, 
Apostolides und Moratti bloss tooke: gelesen, während Deecke 
durch die Schreibung ^^oke-.? in genauerer Weise andeutet, 
dass am Schlüsse vielleicht noch etwas fehle. 

Es hat sich uns oben (pag. 31) herausgestellt, dass das 
Lemnische Eonsonantenverbindungen im Auslaute gar nicht 
kenne, im Inlaute nur in beschränkter Weise. Dadurch wird 
zunächst das ^okeU oder ^okei^ unmöglich. Das blosse cpoÄe: 
aber kann nicht richtig sein, denn die französischen Gelehrten 
erklären ausdrücklich, dass ihr Papierabklatsch und eine ihrer 
beiden Abschriften am Schlüsse noch einen Strich hätten, der 
vielleicht der Rest eines verschwundenen Buchstaben sei. Dieser 
verschwundene Buchstabe aber kann, wie ich schon früher 
(II, 1. pag. 6) hervorgehoben, nach der Form des Striches kein 
anderer sein, als ein 5 {s). Nun aber halte ich eine Lesung 
^okeis für völlig unmöglich, denn das alleinstehende s lässt 
sich mit dem zwai der folgenden Zeile nicht verbinden. Es 
scheint mir nur zweierlei möglich, die Punkte sind entweder 
falsche Interpunktion (cf. oben pag. 20) oder gleichfalls Rest 
eines Buchstaben. Da nun wohl die Inschrift A., nicht aber 
die überhaupt sorgfaltiger geschriebene B. falsche Interpunk- 
tionen aufweist, so scheint die letztere Annahme den Vorzug 
zu verdienen. Dann aber kann, da eben Konsonanten nicht 
in Frage kommen, der zerstörte Buchstabe doch nur ein i oder, 
falls der Raum dies gestattete, ein a sein. Letzteres würde 
wegen des <fokiasiale in B. gewiss vorzuziehen sein, so dass 
man dann also die Lesung <foheq§ gewonnen hätte. Diese 
werde ich einstweilen, bis ein neuer Papierabklatsch eine 
sicherere Entscheidung geben wird, als Vermutung in den 
Text aufnehmen. Falls man annehmen dürfte, dass der letzte 



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51 

Buchstabe des Wortes in umgekehrter Richtung schaue, liesse 
er sich auch zu ^^ (statt \) erganzen. Diese Lesung würde in- 
sofern den Vorzug verdienen, als sich sonst in unserer In- 
schrift kein auslautendes -s, sondern nur -z findet Eine von 
beiden Lesungen, also <pokeas oder ^okeaz, wird man demnach 
einstweilen vermuten dürfen. 

Die Lesung epiezio an der zweiten fraglichen Stelle kann 
richtig sein, da die beiden Abschriften der französischen Ge- 
lehrten übereinstimmend so lesen, in Fr^e käme indessen 
unter Umständen, d. h. wenn andere Gründe dies wahrschein- 
lich machten, doch auch eine Lesung epiezio. Vollkommen 
gesichert ist die Lesung eptezio auf keinen Fall. 

Nunmehr wende ich mich zu der Analyse unserer In- 
schrift, und zwar ordne ich im Anschluss an das, was ich II, 1. 
pag. 31 sqq. dargelegt habe, die Fornien zunächst nach ihren 
Endungen, und da ergeben sich folgende Gruppen: 

1. Endung -ai: zeroTiai, zivai (3 mal), arai^ aomai; 

2. Endung -io: tavarzio, epiezio; karalio; 

3. Endung -zi: holaiezi; ziazi; 

4. Endung -z: *holaiez; siativiz (-eiz); 

5. Endung So: evisbo (2 mal); 

6. Endung -&: zeronai\} (2 mal); natpob; 

7. Endung -Z: mormail; 

8. Endung -axiale ('Osial): <fokiasiale, vamalasial. 

Es versteht sich von selbst, dass in dieser Zusanmien- 
stellxmg das Wort „Endung** in rein empirischem Sinne ge- 
braucht ist und damit von vorn herein nicht etwa grammatische 
Suffixe gemeint sind. Was von diesen Endungen etwa Suffix 
sei, das wird erst zu untersuchen sein. Und dafür bieten sich 
nun allerdings manche Anhalte. 

Zuerst springt in die Augen die Gleichheit der Endungen 
in den drei Wortgruppen tavarzio zivai ^ hxxraJio zivai, epiezio 
arai. Daraus wird man schliessen dürfen, dass hier -io und 
-ai un der That Suffixe sind. Nun aber entspricht weiter in 
der chiastisch gebauten Zeile zivai aviz sial/viz marazm aviz 

4* 



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52 

aomaij eben dies aomai sehr deutlich dem zivai; es ist also 
ohne Zweifel auch hier das -ai Suffix. 

In dieser chiastischen Zeile folgt aber aus der Entsprechung 
von sialyyiz und maraz auch der suffixale Charakter des -z, 
und beide Formen zusanunen erweisen denselben dann auch 
für aviz. Aus dem zweimaligen zeronai^d neben zeroncd folgt 
der suffixale Charakter des -d; ob dann auch in rm^ob das -t> 
Suffix sei, bleibt ungewiss. 

Aus der Verbindung zeronai marinaü ergiebt sich der 
suffixale Charakter auch des -L, sofern morhiaü auf ein morinai 
leitet, wie zeronaib auf zeronai. 

Für (^okiasiale und vamalasial kann der suffixale Charakter 
des -aszal(e) überhaupt nicht verkannt werden. 

So wie hier aber -asiale zu -asial abgestumpft erscheint, 
so scheint auch in holaiezi eine vollere Form für holcdez vor- 
zuliegen und somit -zi dasselbe Suffix zu sein, wie -z, Ist aber 
'zi in holaiezi Suffix, dann wird es das vermutlich auch in 
ziazi sein. 

Ob dann auch das -&ö von evisbo etwa mit dem -ft von 
zeronai^ in Zusammenhang stehe, bleibt fraglich; die zweimalige 
Verbindung gerade dieser beiden Formen mit einander lasst 
das immerhin möglich erscheinen. 

Bevor nun weiter auf diese Formen eingegangen wird, 
scheint es geboten, zuvor die Vorfrage zu erledigen, was denn 
etwa in der Inschrift gestanden haben könne. Dass es eine 
Grabschrift sei, dürfen wir jetzt doch wohl (cf. oben pag. 47 sqq.) 
als sicher ansehen, und da werden wir uns zunächst nach 
ParaUelinschriften umzuthun haben. Unter solchen sind zuerst 
griechische Grabschriften derselben Zeitepoche zu verstehen. 
Schon mehrfach (zuletzt Altit. Fo. III, 234) habe ich auf den 
Umstand hingevnesen, dass Völker eines und desselben Kultur- 
kreises, auch wenn sie ethnographisch nicht verwandt sind, im 
wesentlichen dasselbe in die einzelnen Arten von Inschriften 
hineinschreiben. Die Pelasger von Lemnos aber sind zweifel- 
los dem griechischen Kulturkreise angehörig, denn sie sind doch 
eben aus Griechenland selbst nach Lemnos gekommen, und 



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53 

schon dadurch sind wir voll berechtigt, in den griechischen 
Grabinschriften des 7. Jahrhunderts Paralleltexte zu unserer 
lemnischen Inschrift zu sehen. Dazu kommt dann aber weiter 
noch der Zusanmieuhang der lemnischen Pelasger mit der 
griechischen Kultur der kleinasiatischen Äolier, wie er sich in 
der Herübemahme des Alphabets von diesen (cf. oben pag. 22) 
offenbart, so dass also eine zwiefache Berührung mit der grie- 
chischen Kultur vorhanden ist. Daraufhin haben wir also zu- 
nächst die ältesten griechischen Grabinschriften darüber zu be- 
fragen, was denn etwa in unserer lemnischen Inschrift gestanden 
haben könne. 

Freilich ist die Zahl der griechischen Grabschriften, die 
in Frage kommen, nur eine recht kleine, denn nur wenige 
von ihnen reichen bis in das 7. Jahrhundert, die Zeit unserer 
lemnischen Inschrift, hinauf. Das sind vor allen die Grab- 
schriften von Thera (Cauer Del.^ no. 141), welche KirchhoflF 
(Stud.* 64) spätestens in die zweite Hälfte des 7. Jahrhunderts 
setzt. Als demnächst ältere, die etwa in Betracht zu ziehen 
wären, kämen dann die von Melos (Cauer no. 135) und die 
böotischen von Orchomenus, Lebadia, Coronaea, Tespiae, Theben 
und Tanagra (Cauer no. 289 und pag. 352. no. 321. 330. 332. 
349. 358), die etwa dem Anfange des 6. Jahrhunderts ange- 
hören (KirchhoflT 1. c. 72. 140). Bis ins 6. Jahrhundert reichen 
auch die ältesten attischen Grabschriften zurück (KirchhofF 
1. c. 93). 

Diese griechischen älteren Grabschriften aber bieten ins- 
gesamt für unseren Zweck nur eine sehr geringe Ausbeute, 
denn die Griechen begnügten sich, wie die Römer, in der 
ältesten Zeit zumeist damit, den Namen des Verstorbenen auf 
das Denkmal zu setzen, bisweilen unter Beifügung eines sSfiC, 
weiter nichts, nicht einmal das Alter, höchstens vereinzelt noch, 
wer es gesetzt habe, z. B. 'EicaYaToc STrote (1. c. no. 141, 2), 
Hapofxaqo; iizoie, (L c. no. 141, 9), AafjLoxpicov av^{h)xs (Cauer^ 
no. 135, 2), ganz vereinzelt das Wort fi-vifi-a (1. c. no. 332, 1). 

Vielleicht kämen auch die kyprischen Grabinschriften in 
Frage, da aber ihr Alter, wie mir scheint,, nicht mit Sicherheit 



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54 

festzustellen ist, so bleiben sie wohl besser aus dem Spiel. 
tTbrigens bieten ja auch sie zumeist nur den Namen des Be- 
statteten, mit oder ohne r^jxi, bisweilen mit Angabe eines 

Amtes, wie z. B. ßaaiXeo? td) Upeo; ta Favaa(o)a^ 

(Deecke, Samml. griech. Dialektinschriften no. 38), paaiXeFo;, 
xa«; Favao(o)a<; ra yepeoc; (1. c. no. 39), einmal auch (1. c. no. 71) 
mit Widmung und Grund derselben: ^70» r^jit 'ApiaToxperr^; 
xa fjLev loraaav [xajatYVTjToi }jL£piva}jLSvoi stlFep^s^t^i? Ta<; Tcai 
s'j TTore sFpeca. Das sieht zwar etwas jung aus, mag aber 
immerhin doch hier angeführt werden, weil wir ähnliche Wen- 
dungen auch auf den ältesten etruskischen Grabschriften finden, 
wie sich alsbald finden wird. 

Ausser den ältesten griechischen Grabschnften sind als 
Parallelinschriften xmserer lemnischen auch die altphrygischen 
Inschriften zu bezeichnen. Auch sie gehören dem griechischen 
Kulturkreise an. Zwar sagt Ramsay (Journal of the Royal 
Asiatic Society 1883, 124): „The Phrygian inscriptions occur 
on monuments which show no mark of Hellenic influence, but 
some of which are obviously made after the aualogy of Orien- 
tal work. The style of these monuments, so far as he saw 
them, has led M. Pcrrot to the same conclusion, viz. that the 
country was at the time under the influence of the east, and 
was quite ignorant of Greek art. Later than these inscribed 
monuments, we see the art of Greece forcing its way into the 
countiy, and gradually establishing itself and ousting the 
Oriental character." 

Das ist den Thatsachen nach ganz ohne Zweifel durchaus 
richtig, gegen meine Annahme, dass die altphrygischen In- 
schriften dem griechischen Kulturkreise angehören, spricht es 
aber doch nur scheinbar. Denn Eamsays Worte zeigen doch 
nur, dass die griechische Kunst jener Zeit noch keinen Ein- 
fluss auf Phrygien gewonnen hatte, das schliesst aber keines- 
wegs anderweite Kultureinflüsse aus. Nun aber ist das alt- 
phrygische Alphabet unzweifelhaft griechischen Ursprungs, das 
nimmt auch Eamsay an, wenn er auch über den Weg, auf 
dem es nach Phrygien gelangt ist, eine andere Ansicht hat. 



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56 

als Kirchhoff (cf. ohen pag. 22), und damit ist denn doch ein 
litterarischer Einfluss Griechenlands auf Phrygien bewiesen, 
von dem man kaum wird annehmen dürfen, dass er sich allein 
auf die Übermittelung des Alphabets beschrankt habe. Man 
darf daher, wie ich glaube, die altphrygischen Inschriften ge- 
trost dem griechischen Kalturkreise zurechnen, und zwar dem- 
selben Bezirk dieses Kreises, wie das eben wieder ihr Alphabet 
darthut, dem auch unsere lemnische Inschrift angehört, und da 
auch sie in ihrer Mehrzahl Grabschriften sind, so ist ihr Inhalt 
möglicherweise dem unserer lemnischen nahe verwandt. 

Dabei ist aber wohl zu beachten, dass nur die altphry- 
gischen Inschriften als Parallelinschriften gelten können. Denn 
die phrygischen Inschriften zerfallen in zwei zeitlich ganz ver- 
schiedene Gruppen, in die altphrygischen Inschriften und in 
die griechisch-phrygischen ßilinguen. Letztere sind sehr erheb- 
lich jünger als jene. Das ergiebt sich zunächst schon aus dem 
Charakt-er als bilingues selbst, denn „vor Alexander**, sagt 
Mordtmann mit Recht, „wird doch niemand in Phrygien grie- 
chische Inschriften gesetzt haben.** Ganz besonders scharf 
aber tritt der Unterschied beider Gruppen heraus durch die 
Verschiedenheit der Alphabete. Denn neben den sehr alten 
Formen des einheimischen Alphabets in den altphrygischen In- 
schriften zeigen die Bilinguen bereits das griechische Vulgar- 
alphabet mit der Scheidung von und ü, C und H, wie sie 
denn auch statt der vier Punkte, die jene haben, ohne Wort- 
trennung geschrieben sind. Aus der Verschiedenheit eben der 
Alphabete lässt sich auch ein Anhalt gewinnen, wie gross der 
Zeitunterschied zwischen beiden Gruppen seL Denn das Alter 
des altphrygischen Alphabets ist von Kirchhoff (Stud.* 57) voll- 
kommen richtig in folgender Weise bestimmt worden: „Ist dieses 
Zeichen [das Y] ein Psi, so ist das Alphabet der kleinasiatischen 
Joner in seinem Zustande vor dem Beginn des 6. Jahr- 
hunderts als das Mutteralphabet zu betrachten; ist es da- 
gegen ein Chi [und dies hat sich jetzt oben pag. 41 als richtig 
herausgestellt] , so ... . bleibt nach Lage der Umstände nur 
übrig, die äolischen Ansiedler auf Lesbos, Tenedos und der 



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56 

gegenüberliegenden Küste des kleinasiatischen Festlandes als 
diejenigen Hellenen zu vermuten, von denen jene nichthelle- 
nische Bevölkerung in sehr frühen Zeiten die Schrift über- 
kommen hat", eine Bestimmung, mit der meine eigene (oben 
pag. 24 sqq.) über das Alter der lemnischen Inschrift von ganz 
anderen Gesichtspunkten aus gewonnene vollkommen überein- 
stimmt. Es liegt somit zwischen den altphrygischen Inschriften, 
die spätestens der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts angehören, 
und den Bilinguen, die frühestens der zweiten Hälfte des 4. Jahr- 
hunderts zuzuweisen sind, ein Zeitraum von 300 Jahren. 

Daraus ergiebt sich also, dass die Bilinguen für unseren 
Zweck nicht verwendbar sind, sondern nur die altphrygischen 
Inschriften als Parallelinschriften zur lemnischen in Frage 
kommen. 

Um sie für unsem Zweck nutzbar zu machen, werden wir 
versuchen müssen, ihren Inhalt festzustellen. Dabei wird es 
nicht darauf ankommen, jede einzelne ihrer Formen gram- 
matisch genau zu bestimmen, was ich vielleicht anderen Oi*tes 
und anderer Zeit zu thun Gelegenheit finde, wo ich auch auf die 
bisherigen anderweiten Deutungsversuche eingehen kann, sondern 
lediglich ihren Gesamtaufbau und den Sinn der einzelnen Teile 
desselben zu bestinmien. Innerhalb dieser Beschränkung er- 
scheint mir die Aufgabe vollkommen löslich. Das Mittel zu 
ihrer Lösung ist dadurch geboten, dass das Phrygische mit 
voller Sicherheit eine indogermanische Sprache ist. 

Die übereinstimmenden Nachrichten der Alten bezeichnen 
die Phryger als Stammverwandte der Thraker, diese aber sind, 
das glaube ich (II, 1. pag. 20 sqq.) sicher nachgewiesen zu 
haben, Indogermanen, und zwar solche von der eranischen Ab- 
teilung. Daraus folgt dasselbe auch für die Phryger, und das 
bestätigt auch auf den ersten Blick schon die phrygische 
Sprache. Wenn wir von ihr weiter nichts hätten, als die erste 
Inschrift des Midasgrabes: aies \ arkiaevais • akenanogavos \ midai: 
gavariaei\vanaktei\edaes^ SO würde diese einzige Zeile schon 
ausreichen, um das zu zeigen, und zwar, wie gesagt, auf den 
ersten Blick, ohne dass es erst noch eines besonderen Beweises 



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57 

bedürfte. Wer hier nicht sofort den indogermanischen Nomi- 
nativ aies , die indogermanischen Dative midai gavariaei va- 
naktei und die indogermanische Verbalform edaes erkennt, der 
hat für sprachliche Thatsachen überhaupt keinen Blick. 

Damit ist uns denn das Mittel, den Aufbau der phry- 
gischen Inschriften sicher zu bestimmen, gegeben. Dies Mittel 
aber ist die etymologische Methode, und unsere Aufgabe ist 
somit eine ganz ähnliche, wie sie den Entzifferern der alt- 
persischen Keilinschriften oblag. Es ist mir eine willkommene 
Gelegenheit, wie sie mir hier der Gang meiner Untersuchung 
bietet, auch meinerseits einmal von der etymologischen Methode 
Gebrauch zu machen. Sie ist ja an und für sich ein durch- 
aus anwendbares Mittel der Entzifferung, aber nur dann, wenn 
vorher die Zugehörigkeit der betreffenden Sprache zu einer 
bestimmten Sprachgruppe feststeht, sonst nicht An welche 
besonderen indogermanischen Sprachen wir uns bei dieser ety- 
mologischen Behandlung zu wenden haben, das ergiebt schon 
der soeben angeführte Schluss vermittelst des Thrakischen, 
nämlich an die eranischen. Und in der That wird der eranische 
Charakter des Phrygischen nicht bloss durch diesen Schluss 
gerechtfertigt, sondern er springt auch aus den als phrygisch 
überlieferten Glossen sofort in die Augen. Als solche eranischen 
Charakteristika führe ich an das a in BaYalo; „Zeus", MaCeo; 
„Zeus", 01780? = gr. ly})o^y oao; = gr. &(o;, d. i. &oFo<;; die 
Medien in a^Bo«; neben gr. o^^ftoc, in BaYato; neben skr. hhagcL^ 
in 8ao; neben gr. OoFo;; das C in CeXxia „Gemüse" von Wurzel 
ghal „grün seiu", in Csup-a „Quelle" von Wurzel gJm „giessen, 
fliessen", Ma^sil; „Zeus" zu skr. mahat „gross" oder, falls C 
hier = ao, direkt zu zend. {Ahura) mazdä, das Fehlen auslauten- 
der Doppelkonsonanz [oben pag. 31]). 

Dass neben den alteranischen Sprachen dann, wie das ja 
auch bei den altpersischen Keilinschriften mit bestem Erfolge 
geschehen ist, auch das Sanskrit heranzuziehen ist, versteht 
sich, bei der engen Verwandtschaft demselben mit dem Eran- 
nischen einerseits und dem verhältnismässig geringen Material, 



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58 

welches uns von den alteranischen Sprachen erhalten ist, 
andrerseits, von selbst 

Dies vorausgeschickt, wende ich mich nun der Analyse 
der wichtigsten altphrygischen Inschriften zu, deren Text ich hier 
zunächst unter Benutzung der oben (pag. 29 sq.) au^efuhrten 
Hülfsmittel gebe, die Rechtfertigung meiner einzelnen Lesungen 
wieder für eine andere Gelegenheit versparend. 

Es sind die folgenden: 

1. ates : arkiaevais • dkenanogavos \ midai \ gcmarlaei \ vanak- 
tei : edaes 

2. haha \ memevais j proiiavos • kfizanavezos • sikeneman \ elaes 

3. <w : tulgeräz \ aesurzozoz • toän • ^[cTJ^t 

4. • • • • [l}\aba simanakio (od. siman akio) 

5 . b\a]ba \ memevais \ proitavos \ ksi[z\anavezos \ akaragazmi \ 
elaes 

6. • • • • akinanogavan \ iizes \ molroianak \ avarg • • • . • (oder 
avari}. • • • • ) 

7. vrekun \ telatoz \ zostutut^z ( ij q^mno? \ akenanogavos aez 

8. materan: arezastin honok akejianogavo\z osesait\materez 
cveteksetiz \ ouevin \ onoman \ Uv/it \ ga\ke{ohez • veriavtun \ avtaz 
mntei'ez 

9. aianizen \ kurzanezon \ tanegertoz 

10. agegatnon eka^tevano^^')\ 

11. matar kuhigei • • -tozeu 

12. ata[n\zn matar ptiüa kivqvikq, 

13. mala tatas lokq, 

In der ersten Inschrift ist, wie schon gesagt, aiesj ein 
Personenname, Subjekt In arkiaeuais akenanogavos sehe ich 
niit Gosche (1. c. 97) eine Apposition, halte aber, abweichend 
von Gosche, der arkiaevais als einen Genetiv ansieht, beide 
Formen für einen Nominativ. Dazu veranlasst mich das midai 
gavariiaei, welches, wie schon erwähnt (pag. 27), „Midae Gor- 
diaeo (= Gordii filio)" bedeutet. Die Form gavartiaei zeigt 
uns, dass man im Phrygischen die Abstammung durch eine 
patrony mische Bildung bezeichnete, die im Dativ die Endung 
-aei hatte. Das -ais nun, welches vielleicht in dem Gottes- 



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59 

namen Ba^alo; (cf. gr. Kpovt8r^<;) wiederkehrt , in arkiaevais 
halte ich für den Nominativ zu diesem -aei und sehe somit in 
arkiaevaü das Patromynikum des ates. Über akenanogavos 
wird bei no. 2 geredet werden. Der Widmungsdativ midm 
gcmoTÜaei vanaklei „Midae Gordiaeo (= Gordii filio) regi" ist 
schon erwähnt und völlig klar. Das Verbum der Inschrift ist 
ohne Zweifel edaesy wie dies auch schon Mordtmann, Gosche 
und Ramsay gesehen haben. Bei demselben schwankt die 
Lesung insofern, als in den Parallelinschriften no. 2 und no. 5 
alle Herausgeber elaes, in no. 1 hingegen ebenso einstimmig 
edaes lesen. Ich halte beide Lesungen fÜF richtig und nehme 
nicht mit Gosche an, in elaes sei der untere Strich erloschen 
und edaes herzustellen. Ich glaube vielmehr, üass in. edaes 
das d lautlich in / übergegangen ist, genau, wie es in dem 
dem Phrygischen ja so nahe verwandten Thrakischen in der 
Entwickelung der Oilsnamen auf -dava, -deva, -leva sich zeigte 
(cf. II, 1. pag. 23 sq.), und zwar, wohl bemerkt, bei derselben 
Wurzel, von der hier unser edaes herkommt, nämlich skr. dha 
„ponere", eranisch da. Das -s in edaes halte ich für sigma- 
tische Aoristbildung, hinter der das personale -t abfiel. Es ent- 
spricht also edaes sachlich (formell nicht ganz genau) dem si^r^ 
der griechischen Inschriften. 

In no. 2 und 5 ist baba das Subjekt Die mit no. 1 völlig 
gleiche Konstruktion zeigt, dass es ein Personenname ist, und 
zwar, wie die Apposition proüavos darthut, ein männlicher. 
Die Apposition selbst besteht hier, wie ich glaube, aus drei 
Wörtern, dem Patromynikum memeuais, mit gleichem Suffix 
wie arkiaevais in no. 1 » dem substantivischen Nominativ proi- 
tavos, mit gleichem Suffix wie akeTucnogavos in no. 1, und dem 
weiteren Nominativ ksizanavezos. Das akenanogavos und proüavos 
glaul)e ich sicher deuten zu können. Ich zerlege ersteres in 
aken-ano-g-avos y letzteres in pro-it-avos. Skr. anu-ga heisst 
„nachfolgen", skr. pra-i „vorangehen*'. Diese beiden i'ormen 
sehe ich in anogavos und praitavos. Ersterer ist also ein 
„socius oder (pedi-)sequus", letzterer ein „praetor". Da anogavos 
mit akcji' zusammengesetzt ist, so ist letzteres ohne Zweifel 



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60 

eine nähere Bestimmnng zu jenem. Nun ist bekanntlich 
axivaxr^c der Name des persischen Säbels. Eine ein£a.chere 
Form des Wortes sehe ich in unserem ak€n[os]; es ist also der 
akenanogavos „is qui (regem) cum gladio subsequitur**, entweder 
des Königs „Schwertträger^^ od^r, was mir wegen des häu- 
figeren Vorkommens des Titels wahrscheinücher ist, Mitglied 
emer Art Nobelgarde, die also als „(regis) socii ensiferi" be- 
zeichnet sind. 

Auch der proitavos hat eine Bestimmung, wem er „voran- 
geht"; ich finde sie in dem k^izanavezos, welches ich für eine 
adjektivische Zusammensetzung k^izana-vezos halte, indem ich 
in k^izana- eine Bildung sehe, wie altpers. kamana^ drang wna^ 
parana^ hamcarana^ in -vezos aber eine Ableitung von skr. vah^ 
baktr. vaz „fahren, lenken", einem skr. *'vahas^ baktr. ^-vaza 
entsprechend. Das -vezos bedeutet also „regens, ducens", und 
das Objekt dazu liegt in dem k^i^ana-. Die Lesung dieses 
Wortes ist durchaus unzuverlässig überliefert und stimmt an 
den beiden Stellen nicht einmal mit einander überein. Da- 
durch ist eine Konjektur berechtigt. Ich mache sie, indem ich 
den unteren Strich an dem angeblichen z weglasse und somit 
ksipana- lese. Das gehört dann aber zu skr. Jäq> „schleudern, 
schiessen", und der ksipanavezos ist dann der Anführer der 
Schleuderer oder Bogenschützen. Der ganze Titel also bedeutet 
dann „praetor sagittarios-ducens". Die Akkusative sikeneman 
und akaragazun sind ganz kläriich die Objekte zu elaes. Bei 
akaragazun könnte man an ein skr. äkhara „Höhle" und gah 
„eindringen", denken, so dass das Wort die in den Fels ge- 
triebene Grabeshöhle bezeichnet. Das -gazun könnte sehr wohl 
mit per«. YoE^a „Schatzkammer** verwandt sein. 

Die Inschriften no. 1 und 2 (5) heissen also : 

1 . „Ates, der Arkiaevossohn, der Schwertgenosse (des Königs), 
hat dem Midas, dem Gordiossohne, dem Könige, (dies) errichtet"; 

2. „Baba, der Menevossohn, der Feldherr, der die Schützen 
führt, hat (dies) resp. Felsengrab errichtet" 

Völlig klar ist auch die Konstruktion von no. 3. 

In dem as sehe ich mit Gosche das Pronomen der ersten 



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61 

Person » zend. azem. Auf dieses as nun muss selbstverständ- 
lich ein Name im Nominativ folgen; dies ist tulgeniz^ dessen 
Zj nur orthographisch verschieden, fär s steht Das dann fol- 
gende aemrzozoz ist offenbar auch ein Nominativ, hat aber 
nicht das patronymische Suffix -aü und wird daher wohl eher 
Amtsbezeichnung sein. Das totin ist Akkusativ und daher 
Objekt Das letzte zerstörte Wort kann dann nur noch das 
Verbum enthalten haben. Ramsay nennt es zwar hoffnungs- 
los geschwunden, aber nach Mordtmanns Abschrift, die ja 
schon viel früher genommen ist, liest es sich mit Leichtigkeit 
e\d\q\i sr skr. adham, gath. dam. griech. st^r^v. Als Endung setze 
ich -n, nicht -m, weil auch das -m des Akkusativs durchaus 
als -w erscheint Für die Bestimmung der Bedeutung von 
aemrzozoz und toiin (oder allenfalls ioUri) sehe ich zur Zeit 
noch keinen Anhalt. 

Klar ist der Aufbau auch in no. 7. Zunächst haben wir 
den deutlichen Akkusativ vrekun^ dann vier — denn mir 
scheint, als ob man auch zostiUiäez zu lesen habe — Nomi- 
native oder Genetive auf -z (wieder für -s) und sodann eine 
als aer oder ael überlieferte Form, In der klärlich das Verbum 
steckt. Für letzteres, um das gleich vorwegzunehmen, liegt 
die Besserung in [ed]ae? ausserordentlich nahe. Das Objekt 
dazu sehe ich in vrekun. Dieses ohne Zweifel den Gegenstand 
der Inschrift bezeichDende Wort fügt sich ohne weiteres zu 
skr. vrgkämi „zerspalten", insbesondere auch Felsen zerspalten, 
Partie, vrkna, so dass vrekun die „Felshöhle", das „Felsengrab" 
bezeichnet und somit den akaragazim oben parallel ist. Dass 
das Subjekt unter den Formen auf -r stecke, ist an sich klar 
und dass darunter ein Name sei, beweist der Titel akenona- 
gavoz (oben pag. 60). Es liegt am nächsten, den Namen an 
der ersten Stelle zu suchen, also in telaioz. Es fragt sich, was 
nun in zostutuiez aemnoz stecken möge. Das aemnoz löst sich 
ohne weiteres zu einem skr. ^sa-jamnas auf, welches „ZwilUngs- 
bruder** bedeuten würde (cf. diejamunä, den Zwiliingsstrom der 
Ganga). Es hat seine deutliche Parallele in der Glosse a6a(Avo; 
„Freund" = skr. ^sa-damnas „verbunden". 



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02 

Dann aber kann zofbOutez nor noch Gt-netir eines Xameos, 
nnd zwar eines ^^tammes, sein, and als s-.'kher wird er d*- 
dorch «wiesen, dass sein erster Teil in der That in dem zen- 
dii^h^n Xamen eines Voirels asö-rusta als Xamenwort voriiegL 
Die ganze Inschrift be«it-aTet sonach: .,'Dies) Felsengrab hat 
Telatos, des Zostxitutis Zwillingsbrader, der Nihwertgenosse (des 
Königb}, errichtet** 

In no. 8 ist zunächst der Aliu-auv mattroM ca-ezasän ganz 
klar. Dass materan y^matrem^ heisse, wird man wohl nach 
den bisher schon vorliegenden Deutungen aus dem Sanskrit 
und dem Eranischen nicht mehr bezweifeln wollen. Dann aber 
kann arezasthi kaum etwas anderes sein, als der Name eben 
dieser Mutter, und in der That kehren b^ide Glieder der Form 
arezastin unter den zendis hen Namen Wörtern wieder. Von 
areza ^^Schlacht" kommen die Xamen Arezo^mana und Arrzva, 
von asä ,Jieib" hingegen A (ha.^ti, paurTo-asti. Johr-asti, Da- 
mit ist ein arezastis als Name endgültig gesichert. Das dann 
folgende bofwk akenanogaroz wird zusammengehören müssen, 
da letzterer "ntel doch wohl einen Namen Tor sich verlangt 
In der That giebt es nun wieder im Sanskrit einen Namen 
BhanxL, dessen Koseform Bkanuka zum Eonsonantenstamm ge- 
worden ist, wie im Griechischen Moaoxo; zu Mca-j;. Das 
nominativische -s fehlt natürlich, wie im Sanskrit und Zend. 
Yxü osescdt bleibt dann nur noch das Verbum übrig, und die 
Form hat mit ihrer Endung -/ auch vollkommen das Aussehen 
dnes solchen. Vielleicht könnte das -sesait einem reduplizierten 
Sanskritaorist *^icajat von Wurzel (v ,.liegen" entsprechen. 
Dieser indische Aorist hat bekanntlich meist kausative Be- 
deutung, und es hiesse dann also -sestät ,4iat gelegt'^ Das o- 
müsste dann eine vorgesetzte Präposition sein, für welche skr. 
ora- „de" am nächsten liegt, so dass also das ganze osesaä 
hiesse „deposuit" d. i. „hat beigesetzt**. 

Der zweite Satz von no. 8 zeigt deuüich drei Glieder: 
1. maier ez eveteksetiz; 2. ovevin onoman; 3. Icr/it Letztere 
Form ist ganz ohne Zweifel das Verbum, denn sie hat dieselbe 
Endimg imd dieselbe Stellung im Satze, wie soeben das osescuL 



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63 

Die Bedeutung wird sich erst nach Klarstellung der Objekte 
ovevin onoman^ die, wie o-sesait, beide das Präfix o- = skr. iiva 
enthalten. In -noman erkennt man dann leicht die Wurzel 
skr. nam „sich beugen^', so dass die ganze Form einem skr. 
^ava-namäm entspräche mit der Bedeutung „verehrende Nieder- 
beugung, veneratio'^ Das o-vevm könnte sich an die Wurzel 
skr. vi anschliessen in der Bedeutung, die das Substantiv skr. 
vUi „Opfermahl" entwickelt hat; die Präposition ava- aber 
macht daraus ein „Totenopfer". Der Form nach würde wohl 
eine reduplizierte Bildung gleich einem skr. ava-vmm vorliegen. 
Nun muss natürlich layß „weiht" heissen. Und da wird man 
unwillkürlich erinnert an die Homerstelle (H. 22, 342) o^pa 
itüpo«; fte Tpms? — XeXa/cDsi davovra, wo die Bedeutung „zu- 
teil werden lassen" vorliegt. Das passt genau auch für lar/it, 
nur dass im Phrygischen die beiden Objekte im umgekehrten 
Kasus stehen, \ne im Griechischen. Denn maierez für maieres 
kann kaum etwas anderes sein, als ein Genetiv „matris". Es 
fragt sich jetzt nur noch, was das evetekseäz sei und bedeute. 
Mir scheint, es könne einem skr. vi-ati-khtas „der Dahin- 
geschwundenen" gleichsein, wobei ich statt skr. vi zu Anfang 
eine Nebenform evi annehme, wie neben skr. ni andere Sprachen 
die Nebenform eni voraussetzen. 

Dieser zweite Satz heisst also: „Der dahingeschwundenen 
Mutter weiht er Totenmahl (und) Verehrung." 

Der dritte Satz gakehkez venavtun aviaz materez hat zu- 
nächst wieder den Genetiv matei*ez, zu dem das avtaz wohl 
ein Attribut enthält. Mir scheint, es könne für avitaz stehen, 
zu skr. ava-i „hinabgehen" gehörig. Dass wir oben in osesaity 
ovevin und onoman das ava als o- fanden, hier als av-, könnte 
darin seinen Grund finden, dass das o- vor Konsonanten, «v- 
vor Vokalen stände. An aviaz klingt stark an das venavtun. 
Dass es ein Akkusativ ist, leidet keinen Zweifel. Für einen 
Akkusativ, natürlich Pluralis, halte ich aber auch das ffoke- 
lokez. Hierzu veranlasst mich der alsdann vollkommen 



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64 

chiastische Aufbau des zweiten und dritten Satzes, näm- 
lich so: 



materez evetekseiiz ov,evin onoman 




gctkelokez venavtun avtaz materez 



Damit haben wir dann auch einen Anhalt für die Be- 
deutung beider Objekte: venavtun ist chiastisch mit ovevin 
,^icemium", verbunden, gakehkez mit onoman „veneratio", 
ihre Bedeutung kann also nicht weiter davon abliegen, als etwa 
avtaz „der hinabgegangenen" von eveteksetiz „der dahin- 
geschwundenen" obliegt. Dann liegt es nahe, ven-avtun zu 
zerlegen und das ven- an §Jjr. vena „Sehnsucht" oder venä „sich 
sehnend, liebend", das avtun aber, für avitiui, an skr. av „er- 
quicken, laben", z. B. die Götter mit Speisen, anzuschliessen 
und das Ganze somit als ,4iebende Labung" zu deuten, falls 
nicht etwa gar, was mir auch möglich scheint, in dem ven- 
der „Wein" steckt und somit „Weinspende" zu übersetzen 
sein könnte. Für gakehkez^ falls so richtig gelesen, sehe ich 
noch keinen näheren Anhalt, irgend etwas dem „veneratio" ent- 
sprechendes wird es nach dem Gesagten ja wohl bedeuten. 

Die ganze Inschrift wurde also sagen: „(Seine) Mutter 
Arezastis hat Bonok, der Schwertgenosse, bestattet; der dahin- 
geschiedenen Mutter weiht er Totenmahl (und) Verehrung, 
Gebete [?] (und) Weinspende der hinabgegangenen Mutter**. 
Der Bonok würde dann natürUch ein wahrscheinlich naher 
Verwandter des Telatos, der das Grabmal errichtet hat, ge- 
wesen sein. 

Die Inschrift no. 9 hat anscheinend nur zwei Akkusative, 
atanizen und kurzanezon^ und einen Nominativ, ianegertoz. 
Letzteres halte ich für einen Namen, der einen skr. *tanagartas 
entsprechen könnte, von taiia „langdauernd, ewig" und gm'ta 
„Thron". Da das Wort garta im Bgveda vom Throne des 
Mitra und Varuna gebraucht wird, so ist das tanegertoz wohl 
ein Gottesname oder -zuname „der auf ewigem Throne sitzt". 



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65 

Dann aber ist das Ganze gewiss ein Segenswunsch, sofern der 
Gott der Toten atanizen und kurzanezon geben soll, wobei sich 
dann auch das Fehlen des Verbums „gebe" leicht erklärt Für 
die Bestimmung der Bedeutung der genannten beiden Objekt-e 
fehlt es, soweit ich sehe, noch an einem Anhalt. „Ruhe", 
„Frieden", „Seligkeit", vielleicht auch „Wiederauferstehung" 
dürften die in Frage kommenden Begriffe sein. 

Aus den Inschriften no. 4. 6. 10 — 13 lässt sich, weil sie 
verstümmelt oder in der Lesung unsicher sind, kein Zusammen- 
hang gewinnen, nur einzelne Wörter scheinen klar zu sein. 
So erscheint in no. 4 wieder der männliche Personenname 
[blaba (cf. oben no. 2), in no. 11 und 13 die Formen maiar 
und mata „mater" (cf. oben pag. 62), ersteres wohl Vokativ, 
letzteres Nominativ, genau wie im Sanskrit und annähernd 
auch im Zend. Das neben mata stehende taias in no. 13 ent- 
spricht dann dem skr. tatds „Vater**. Das ataiiLzn in no. 12, 
falls dies die richtige Lesung, entspricht dann wohl in implener 
Schreibung dem atanizen von no. 9. In akinanogavan von 
no. 6 haben wir den Akkusativ des akmanogavos „Schwert- 
genosse" (cf. oben pag. 60). In derselben Inschrift könnte 
vielleicht yanak „rex" zu lesen sein, der Nominativ (cf. das 
bonok oben pag. 62) von dem Dativ vanaktei (oben pag. 59). 

Wenn die vorstehenden Erklärungen richtig sind, — und 
manches erscheint mir evident, während über anderes sich rechten 
lassen wird, noch anderes wieder, wie z. B. der Vokalismus, 
noch einer eingehenderen Untersuchung bedarf, als sie hier an- 
gestellt werden kann, — so können wir nunmehr die Bestand- 
teile herausstellen, aus denen die phrygischen Grabschriften 
sich aufbauen. Es sind die folgenden: 

I. Angabe, wer die Grabstätte errichtet hat: no. l. 2. 3. 
5. 7; darin folgende Einzelbestandteile: 

a) Name des Errichtenden: a) in dritter Per- 
son: no. I. 2. 5. 7; ^) in erster Person: no. 3; 

b) Verwandtschaftsbezeichnung desselben: no. 1. 
2. 5. 7; 

c) Amtsbezeichnung desselben: no. 1. 2. 3. 5. 7; 

Pauli, Inschrift von Lemnos IL 5 



Nomi- 
native; 



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66 

d) Name des Bestatteten: no. 1; i 

e) Verwandtschaftsbezeichnung desselben: no.l; i —Dative; 

f) Amtsbezeichnung desselben: no. 1; I 

g) Benennung des gewidmeten Gegenstandes: no. 2. 3. 
5. 7 — Akkusative; 

h) Verb der Widmung: no. 1. 2. 3. 5. 7. 

IL Angabe, wer die Bestattung ausgeführt hat und dem 
Verstorbenen Ehren erweist: no. 8; darin folgende Einzel- 
bestandteile: 

a) Name des Bestattenden; ) n ' f • 

b) Amtsbezeichnung desselben; J ' 

c) Name des Bestatteten; 1 ,, 

d) Verwandtschaftsbezeichnung desselben; 1 ' 

e) Verb der Bestattung; 

f) zweite Bezeichnung des Bestatteten — Genetiv; 

g) Benennung der Gegenstande der Ehrung — Akkusative; 
h) Verb der Widmung. 

in. Segenswunsch: no. 9; darin folgende Einzelbestandteile: 

a) Gottesname — Nominativ; 

b) Bezeichnung der Gegenstände des Segens — Akkusative; 
Das Verb fehlt. 

Wie man sieht, sind hier sehr wesentlich andere Bestand- 
teile vorhanden, als in den lakonischen altgriechischen In- 
schriften, aber gerade sie bieten uns vielleicht den Schlüssel 
zur Erschliessung der lemnischen Inschrift, die ja auch länger 
ist, als jene griechischen. Es ist sehr möglich, dass die Ähn- 
lichkeit zwischen den altphrygischen und der lemnischen In- 
schrift sich weiter erstreckt, als bloss auf das Alphabet. 

Als dritte Gruppe von Parallelinschriften kommen, nächst 
den altgriechischen und altphrygischen Grabschriften, die ältesten 
etruskischen Grabinschriften in Betracht. Als solche sind sie 
aus doppeltem Grunde anzusehen. Auch sie gehören, wie unter 
anderem die gleiche bildliche Darstellung des Kriegers (cf. oben 
pag. 24 und 48) beweist, gleichfalls dem griechischen Kulturkreise 
an und werden somit auch im wesentlichen desselben Inhaltes 
sein, wie die entsprechenden griechischen, phrygischen und 



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67 

UDsere lemnische. Dazu kommt aber noch der weitere Um- 
stand, dass wir bei der Verwandtschaft des Pelasgischen mit 
dem Etruskischen zum Teil dieselben Wortformen, wie in unserer 
lemnischen Inschrift, in den etruskischen wiederzufinden von 
vornherein vermuten dürfen. 

Die ältesten etruskischen Grabschriften umfassen drei so- 
wohl lokal; als auch der Form nach verschiedene Gruppen. 
Die erste derselben bilden die Steleninschriften des nördlichen 
Etniriens, die zweite die Architravinschriften von Fohinii veteres, 
die dritte die Sarkophaginschriften des südlichen Etruriens. 

Die beiden ersten Gruppen sind, wie die ältesten grie- 
chischen, recht wortkarg; auch sie enthalten nur den Namen 
des Verstorbenen, eingeleitet durch mi „hoc (est)" uud bisweilen 
unter Beifügung von äubi „sepulcrum" (cf. oben pag. 24 und 
48), höchstens dass noch vereinzelt eine Widmung (vgl das 
mulenike in Fa. no. 355 oben pag. 24) hinzugesetzt ist. Und 
dieser Lakonismus ist denn auch in dem grössten Teile Etruriens 
bis in die späten Zeiten hinein Sitte geblieben. Nur die Grab- 
schritten der dritten Gruppe, die Sarginschriften der südlichen 
Landschaft, machen eine Ausnahme. Diese geben ausser dem 
Namen meist auch noch das Alter an und enthalten noch eine 
Reihe weiterer Zusätze, deren Sinn freilich zur Zeit noch nicht 
bei allen klar ist. Dass die ja auch längere lemnische Grab- 
schrift sich an diese südetruskischen Inschriften im Inhalt an- 
lehnen werde, liess sich von vornherein vermuten, aber es 
liegen auch ganz positive Anhalte dafür vor. Diese bestehen 
darin, dass in der lemnischen Inschrift, was schon soeben als 
zu vermuten bezeichnet wurde, sich in der That Wortformen 
vorfinden, denen in jenen südetruskischen Inschriften verwandte 
Formen entsprechen. 

Da tritt uns zuerst, worauf schon im ersten Hefte hin- 
gewiesen (II, 1. pag. 30), das amz = etr. avils „annorum", 
welches so oft in den südetruskischen Grahschriften begegnet 
(cf. Pauli, Etr. Fo. u. Stu. 111, 7 sqq. 92 sqq.). Auch das dem zwai 
entsprechende zivas findet sich in einer Grabschrift (Fa. no, 2335) 
aus Tarquinii. Diese beiden Parallelen hegen unmittelbar auf 

5* 



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68 

der Hand, weitere werden sich erst im Verlaufe der Untersuchung 
ergeben, aber diese beiden Parallelen in der doch verhältnis- 
massig nur kurzen Inschrift sind vollkommen ausreichend, um 
die Verwendung der südetruskischen Grabschriften als Parallel- 
inschriften der lemnischen zu rechtfertigen. Es wird sich also 
demnächst nun fragen, was in diesen älteren etruskischen 
Grabschriften enthalten sei. Bei der hierüber anzustellenden 
Untersuchung werden wir uns, genau wie bei den altphrygischen 
Inschriften, damit begnügen müssen, nur ihren Aufbau im 
allgemeinen und die einzelnen Glieder desselben festzusteUen, 
ohne dass gerade jede einzelne Form nun auch grammatisch 
oder lexikalisch endgültig bestimmt werde. Das ist zur Zeit 
noch nicht möglich. Die in Frage konunenden Inschriften 
führe ich nun im folgenden vor, indem ich jeder derselben 
sofort die Interlinearversion resp. -konstruktion beifüge, wobei 
ich bemerke, dass ich in diese nur das aufnehme, was nach 
den früheren Untersuchungen, insbesondere Deeckes und meinen 
eigenen, völlig feststeht. Jeder einzelnen Form die einschlägige 
Litteratur beizufügen, schien mir überflüssig und unzweckmässig. 
Den Text gebe ich nachFabretti unter Berücksichtigung von Deecke 
(Etr. Po. III) und meiner eigenen Abklatsche, wo solche vorlagen. 

Dabei sind jedoch die verstünunelten oder sehr schlecht 
überlieferten Inschriften beiseite gelassen. 
1. alebncuf'V'vbehi» 

„Alethnas Vel, des Vel (Sohn), Thelu"; 

zilad • paryis | zilab • eterav 

Amtsbezeichnung, Amtsbezeichnung; 

clenar • ci - acrumasa \ 

„filios sex ? " 

elsh» züa/nu' ce ' bäa'ril' XXFIIII] 
? Amtsbezeichnung „aetatis XXVIIII;" 

papaber • acrumasa • FI- 
? ? „sex" 

mamm . arce • rü • LXVI 
? „habuit aetatis LXVI«; 

Surrina — Fa. no. 2055 = spl. III, no. 327; 



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66 

2. (xmb'alebv\as'[a]r-clan' 

„Arnth Alethnas, des Amth Sohn; 

ra\xxxxni' 

„aetatis XXXXIH;« 
eitvu'UJJimera'äarvenas'] 

? ? ? 

clenar • zal» arce • | acnanasa - 
„filios dnos habuit^' ? 
zilc . 7war|tt7iM3(va . /!en&a^ • 
Amtsbezeichnungen 
eW- 1 TTio^ • manimeri 

? ? ? 
Surrina — Fa. no. 2056 = spl DI, no. 318. 

3. av\l€ • a/e]&9a^[ • a\m%al' cl\an '"Ibanyyihisc'ruvfial' 

„Avle Alethnas, des Arnth Sohn und der Thanchvil Rufi;" 

zilar/Jnuce] | spurebi- apasi'svalas • 

Amtsangabe, ? ? 

marunuyiya cepen^tenu 

Amtsangabe, 

epr^nevc • eslz • ^^[wm] | 

Amts- „bis" angäbe, 

eprhieva^eslz 

Amtsangabe „bis" 

Surrina — Fa. no. 2057 = spl. III, no. 329. 

4. lar & • cUebnas • am bal • rtwßalc • clan 

„Larth Alethnas, des Arnth und der Rufi Sohn;" 

avils ' ZX» hipuce • 

„annorum LX mortuus est;" 

mtmisvleb ' calu surasi\ 

? ? ? 

tamera • zelafvenes • luri • miace 

? ? ? ? 

Surrina — Fa. no. 2058 = spl. HI, no. 332. 

5. qlpinlb-alebnasläebr^äal 

„Larth Alethnas, des Sethre (Sohn)" 



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70 

neäs*sacij>' • • •\cieibi' 

? ? ? 

muleb • svalasi • zila/nuce • 
Amtsbezeichnung 
htpuce ' munisule\} calu \ 
„mortuus est" Amtsbezeichnung 
avils LXX ly,j)u 
„annorum LXX mortuus est" 
Surrina — Fa. no. 2059 = spl. III, no. 330. 

6. [ß]fe&nflw[ • ]fl • t? • züy(^ • nii\) • • • • 

„Alethnas Amth, des Vel (Sohn)" Amtsbezeichnung 
\rn\q.'nmuyya • t^\n^(i8 • ] ( [ww]r^z • 
Amtsbezeichnung „ decies" 

zince* »c 

? ? 

Surrina — Ga. no. 740. 

7. amS^ : yurcUs \ larHal: clan \ ramWas \ nevtnial', 

„Arnth Churcles, des Larth Sohn (und) der Ramtha Nevtni"; 

zilc ipar/is ; amce | 

Amtsbezeichnung „erat"; 

marunuy l spuraim : cepen \ tenu : 

Amtsbezeichnungen ; 

avils :mays sem^alyls hq)u 

„annorum unius nonaginta mortuus est" 

Surrina — Fa. no. 2070. 

8 . lar\^ : yuryles : am \)al 'yur/les : Wanyyibisc : cracial \ clan : 
„Larth Churchles, des Arnth Churchle und der Thanchvil 

Craci Sohn"; 
avik : ciemzaWrms \ bipu 
„annorum sex et (?) viginti morjuus est". 
Surrina — Fa. no. 207 L 

9. ainas<vel'lar\}al'gla7i' 
„Ätnas Vel, des Larth Sohn"; 
svalce-avil LXIII' 

„vixit annos LXIII": 



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71 

z?[/]^& maruyva'j)ary[i8 ceppi ^eiucu (oder tenuce?) 
AmtsbezeichnuDg; Amtsbezeichnung; 
Tuscana — Fa. no. 2101. 

1 0. larbi • ceisi • ceises • velus • velisnaf • ravn ihis - sey^ \ 

„Larthi Ceise, des Ceise Vel (und) der Velisnei Kavnthu 

Tochter" 
avils • ^as - amce • uples 
„annorum quinque erat"? 
Tuscana — Fa.no. 2104. 

1 1 . vipinanas : ^e\h'e : velburljus : ] meclasial \ \^anyvilu : 
„Vipinanas Sethre, des Velthur (und) der Meclasi Thanch- 

vU (Sohn)"; 
avils: eis icecUyls 
„annorum sex sexaginta" 
Tuscana - Fa, no. 2108. 

12. y^(' ' • 'Vq)inanas'veli)vr-vel^hirus[la'^ 

„Vel[thur?] Vipinanas, des Velthur (Sohn), des (Sohnes) 

des Velthur"; 
XI zilayce 

Zahl Verb (Amtsbezeichnung) 
Tuscana — Fa. no. 2116. 

13. v^inanas:vel:cla\nie'ultnas:ladal clan 
„Vipinanas Vel Clante, des ültna Larth Sohn"; 
avUs : XX: tivrs : äas 

„annorum XX mensum quinque" 
Tuscana — Fa. no. 2119. 

1 4. larisal :peilies : am bali^ala 

„des Laris Peilie, des (Sohnes) des Arnth (Grab)" 
bei Tuscana — Co. I, 105. 
. 15. ram\}a'viänai'am\}eal'(e[i]7jL[i]eS'puia 

„Ramtha Visnai, des Arnth (Tochter), des Teinie Gattin" 
Vulci — Fa. no. 2327 ter a. 
1 6. tute : lar\} : anc :fa3'\hiaye : tute : ambals \ haiHials : ravjihi 

„Tute Larth" ? ? „des Tute Arnth (und) der Hathli 
Ravnthu (Sohn)"; 



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72 

züynu\c€Zpz\purUvana ^mz\ 

Amtstitel „octies", Amtstitel „ter** 

hpu : avils : esals : cezpalycds 

„mortuus est annorum duorum octaginta**. 

Vulci — Fa. spl. I, no. 387. 

1 7 . totes • äe\^e • larbal • clan • pumpliat/^ • V€l[ia].s 

„Tutes Sethre, des Larth Sohn und der Pnmpli Velia"; 

ziUr/nuce \ zilc Xl'pnrt^avc • XL 

Amtsbezeichnungen mit Zahlen 

lupu • avils • mays • za^rums 

„mortuus est annorum unius viginti" 

Vulci — Fa. spl. I, no. 388. 

1 8. camnas : larb \ lar\^aU : atnalc • clan 

„Camnas Larth, des Larth und der Atnei Sohn"; 
an ihi\)i • hvtni \ zivas ; ceriyu 
„hoc sepulcrum familiäre" ? ? 
teäamsa ; subib : aträ : rc | escunac ', 
? „in-sepulcro" ? ? 
alä syL^iä munb zivas mursl'.XX 
„in-hoc sepulcro" ? ? ? „XX" 

19. lai'\}lambal:plecus'.clan',rambasclapainial'. 

„Larth, des Amth Plecus Sohn und der Ramtha Apatrui"; 

eslz'.lzila/nbas 

„bis" Amtsbezeichnung; 

avils : btiJif^', muvat/ls : lupu 

„annorum trium septuaginta mortuus est". 

Tarquinii — Fa. no, 23H5 a. 

20. \T\qrisah crespe banyvihis-pumpnal'clan 

[Vorname, Name], des Laris (Sohn), Crespe (und) der 

Thanchvil Pumpnei Sohn"; 

zilal^ {rneyl*'] rasnas • marunuy\ 7^• 

Beamtentitel „confoederationis etruscae", Beamtentitel; 
zilc .\}ufi' tenbas • marunuy •payanati • 
Beamtenbezeichnung , Beamtenbezeichnung ; 



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73 

ril LXni 

„aetatds LXIII*' 

Tarquinii — Fa. no. 2335 b. 

2 1 . ram^a \ apatrui : larWcd', sey^ • lar\)ialc • aleWnal [ : vefjtnas \ am' 

\}al'.lar\}ali^la puia^pepnas 
„Ramtha Apatrui, des Larth Tochter und der Larthi 

Alethnei, des [Veljtnas Arnth, des (Sohnes) des Larth, 

Gattin« ? 
Tarquinii — Fa. no. 2335 c. 

22. al^^ie[i'] veltna[I\ 

„••••Alethnei, der Veltuei [und des • • • Tochter]" 
iure /nesi\}vas \ 

? ? 

[/wpw-] avils elf muvalyl[s] 
„mortua est annomni sex septuaginta" 
Tarquinii — Fa. no. 2335 d. 

23. larbi einanei • äe\^es • sec • ram\)as | ecnatial'puia • lar\H* cucU 

nies • velS)\wruäla \ 
„Larthi Einanei, des Sethre Tochter (und) der Ranitha 

Ecnati, Gattin des Larth Cuclnie, des (Sohnes) des 

Velthur; 
avils 'hu\^S'cel'/ls 
„annorum quattuor' sexaginta" 
Tarquinii — Fa. spl. I, no. 437. 

24. Ictrtvu cuclnies»lar\}al-clan\larbialc einojial] 

„Lartiu Cuclnies, des Larth Sohn und der Larthi Einanei'^; 

cam\^i eterau 

Beamtenbezeichnung 

Tarquinii — Fa. spl. I, no. 438. 

25. veVi\vr ' lar\^ah clan\pumpnal clan'lar\)ial\ 

„Velthur, des Larth Sohn, der Pumpnei Sohn der Larthi"; 

avils . ceat/ls . lupu 

„annorum sexaginta mortuus est". 

Tarquinii — Fa. spl. II, no. 112. 

26. lar^ ' avles • clan\ 
„Larth, des Avle Sohn"; 



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74 

avils ku^S'\Tmwalyls'ltqm 

y^annorum quattuor septuaginta mortaus est'^ 

Tarquinii — Fa. spl. II, no. 115. 

27. larbllarbial: 

„Larth, des Larth (Sohn)"; 
avils : hubs : lu[pu] 
„annorum quattuor mortuus est" 
Tarquinii — Fa. spl. II, no. 116. 

28. vel : secnes | velus : clan \ 

„Vel Secnes, des Vel Sohn"; 

avils : eslem \ [z]a\hiimis 

„annorum duorum et (?) viginti" 

Polimartium — Ga. no. 558. 
Ausser auf den vorstehenden Sarkophagen findet sich 
eine Anzahl im Bau entsprechender und also wohl gleich- 
altriger Inschriften auch auf Grabwänden Es sind die 
folgenden: 
29 r^el • levues : larlHal • \^ura • am^iahtm \ clan velusum :prtimab,< • 

„Vel Leinies, des Larth ? , und des Arnth Sohn und 
des Vel ? "; 

aviU • sem(D.4 \ lupuce 

„annorum novem mortuus est" 

iolsinii vet — Fa. no. 2033 bis D c. 

30. lar\} ' ceisinis • vebis • clan • 
„Larth Ceisinis, des Vel Sohn"; 

cizi • züaynce • | meani • municleb meMm • 
„sexies** Beamtentitel, ? ? ? 
nurbzi'can'bce' 
„decies" Beamtentitel; 
cahiS' 'hipu 

? „mortuus est" 
Tarquinii — Fa. no. 2389. 

3 1 . ram \}a • matuhei • sey • mccrcfs • mainh^iß[s^ . . . . | 
„Bamtha iVIatulnei, die Tochter des Marce Matuloa"; 
piiiam • amce • ,<'€\}res . ceis[^in']ies • 

„et uxor fuit des Sethre Ceisinies"; 



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75 

ctsum»tcane[ra] -u | 

? ? ? 

Zq/*« • • nasc • matulnasc • clahim • c^[wwi?>]« • 
? ? „und des Matulna" ? „Ceisinies'*; 
ci clenar^m • | a • • • • avence* 
„sex filios" ? ? ? ; 
Ä/pm . avik[ • i/i]ayÄ • mealylsc • 
„et mortua est aDnorum unius et septuaginta^'; 
eitvapia ' me ' • • • 

? ? 

TarquiDÜ — Fa. no. 2340. 

32. ami>[«] apunas[''\ vflus-mt^l 
„Arnth Apunas, des Vel (Sohn)"? 
njax • ce^paly • avil | jM;a/ctf 

„unum sexaginta annos vixit" 

Tarquinii — Mon. ined. VIII, tab. XXXVI. 

33. \hti'cl\^i'a-uinid:\ 
„in hoc sepulcro" ? 
vel.velttäa» 

„Vel, des Vel (Sohn)"; 
avils I eis • za\hinisc \ 
„annorum sex et viginti" 
S'C' • -r'.ani^a 

? ? 

Tarquinii — Deecke in Bezz. I, 260 no. 14. 
Die vorstehenden etruskischen Inschriften enthalten also, 
so weit sie klar sind, folgende Bestandteile: 
I. den Namen des Verstorbenen, und zwar: 

a) Vornamen, 

b) Familiennamen, 

c) Zunamen. 

IL Verwandtschaftsbezeichnungen, und zwar: 

a) Vornamen des Vaters, 

b) Familiennamen des Vaters, 

c) Vornamen der Mutter, 

d) Familiennamen der Mutter, 



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76 

e) Das Wort chn „Sohn" oder ^r/ „Tochter", 

f) Vornamen des Grossvaters, 

g) Vornamen eines anderen Ahnen, 
h) das Wort bura „?" 

i) Vornamen des Gatten, 
k) Familiennamen des Gatten, 
1) das Wort puia „Gattin", 
in. Amtsbezeichnungen, und zwar: 

a) Bezeichnung des Amtes selbst, als: 

a) zt7a^, züaynv^ zilc, ziiar/7iuc€j züay^ce, zilyniij zilaxn- 

Öflw, zila/nce mit den Zusätzen paryjs, eteravy spu- 

rebi, [me/l'lrasTias, bufi ten^^as; 
ß) marunuyya, marunuy^, maru/ya mit den Zusätzen 

tenS^aSj cepen tenu, spttrana cepen tenu, par/is cepen 

tenuce(f), payanaä; 
'^) eprbrievc, eprbneva, p7irih)anaj purtsvavc mit dem 

Zusätze te[nu]; 
8) cambi, canbce mit dem Zusatz eterau. 

b) Zahlenangaben dazu: 

a) in Worten: eslz „bis", cezpz „octies", \hi7tz „ter* 

nur\}ziy nitrbz „decies", cizi „sexies"; 
3) durch ZaUzeichen: XI „undecies". 

c) Altersangaben dazu: 
ri/.XZrzr/7 „aetatis XXVIUI". 

IV. Zahl der Nachkommen: 

clenccr • ci'acnanasa „filios sex • • • ", 

clenar'Zcd'arce'\acTumasa „filios duos habuit---", 

d clenar- • • • „sex filios- • • •". 
V. Angabe des Lebensalters: 

B)ril'ZXri „aetatis LXVI"; ril \ XXXXIIL „aetatis 
XXXXIII"; r^7..Zö „aetatis .. III". 

b) avil8\cis\ceat/ls „annorum sex sexaginta"; aväs'.XX: 
tivrs'Jcus „annorum XX mensum quinque": ctnüs^hu^s- 
calyls „annorum quattuor sexaginta"; (mils\eslem\ 
{z\a^rumis „annorum duorum et (?) viginti"; avih\cis* 
zaS^rmisc „annorum sex et viginti". 



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77 

c) avils'LX'lupuce „annorum LX mortuus est"; aviLs LXX 
lujm „annorum LXX mortuus est"; avils\ma/s sem- 
ffdt/fb lupu „annorum unius nonaginta mortuus est"; 
avils : cie7nza\}rms : lupu „annorum sex et (?) viginti mortuus 
est" ; htpu : avils : esak : cezpal/^als „mortuus est annorum 
duorum octaginta"; htpu » avils 'may^S'ZaWrums „mortuus 
est annorum unius viginti"; avils ibiajL^ä'.muvalyls: lupu 
„annorum trium septuaginta mortuus est"; [lupu*] 
avils cis»muvat/(l\s] „mortua est annorum sex septua- 
ginta"; avils •cealyls' lupu „annorum sexaginta mortuus 
est"; avils hHbs»\muvalyls<hipu „annorum quattuor 
septuaginta mortuus est"; avils : hubs : lulpu] „annorum 
quattuor mortuus est"; aviU'sem(p.<\lupuce „annorum 
novem mortuus est"; lupum-avihf['rn]ays'meal'/lsc „et 
mortua est annorum unius et septuaginta". 

d) avils äas^amce'uples „annorum quinque erat«-«; 

e) svalce^avil LXIII „vixit annos LXIII"; maycezpaly* 
avü\mmlc€ .,unum sexaginta annos vixit". 

Ausser diesen wenigstens in ihrer allgemeinen Bedeutung 
festst-ehenden Bestandteilen zeigen die vorstehenden Inschriften 
noch eine Anzahl weiterer, deren Bedeutung wir bis jetzt nicht 
wissen, in denen aber doch auch bestimmt« Wörter sich 
formelhaft wiederholen. Insofern einzelne dieser formelhaften 
Wörter für die Erklärung der lemnischen Inschrift in Frage 
kommen sollten, wird alsdann auf ihre weitere Besprechung 
eingegangen. 

Aus der vorstehenden Untersuchung ergiebt sich nun also 
mit einiger Wahrscheinlichkeit, dass unsere lemnische Inschrift 
folgende Angaben enthalten werde: 1. den Namen des Ver- 
storbenen, vielleicht mit Angabe von Verwandtschaftsverhält- 
nissen; 2. Angabe von Ämtern, mit etwaiger Beifügung von 
Zahlangaben; 3. Angabe des Lebensalters; 4. etwaige Angaben 
über die Nachkonmien. 

Auf der Grundlage dieses Bauplanes können wir nun an 
die Analyse der einzelnen Teile und Wortformen unserer lem- 
nischen Inschrift herantreten. 



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78_ 

Wir haben in unserer Inschrift also zunächst die Angabe 
zu erwarten, wessen Grabstatte wir vor uns haben. Diese An- 
gabe kann entweder den Namen im Nominativ enthalten, wie 
in den altgriechischen, altlateinischen und etruskischen In- 
schriften, oder, wie in den etruskischen ^W-Inschriften, den 
Namen im Genetiv unter Beifügung eines Wortes für „se- 
pulcrum". 

Letzteren Aufbau scheint die Inschrift II holaiezuia^^oW 
ziazi zu zeigen. Hier sind holaiez und ziazi Genetive (cf. II, 1. 
pag. 31 sq.), es müsste also in wacpott das Wort für „sepulcrum" 
stecken. Schon früher (11, 1. pag. 31) habe ich dies na^^oW 
mit etr. naper verglichen; die Mumienbinde (X, p. 5) liefert 
uns dazu nun noch ein napti. Für naper hat Deecke (Müller, 
Etr. IP, 511) als Bedeutung „Grabnische** hingestellt, was auch 
mir nicht unwahrscheinlich ist. Das napti der Mumienbinde 
aber ist mit Omi verbunden, einem Worte, welches so oft 
(cf. Pauli, Etr. Stu. III. 1 18 sqq.) in Verbindung mit cesu in Grab- 
schriften vorkommt und mit ihm zusammen das lat. „hie situs 
est** wiedergiebt Es scheint somit auch mqfti'bui heissen zu 
können „das Grab hier** oder, wenn -ä Lokativ, „in diesem 
Grabe hier**. Daraus ergiebt sich also ein Stamjn nap- für 
„Grab**, von dem dann aller Wahrecheinlichkeit nach auch 
unser nacpol) herkommt. Seiner grammatischen Form nach 
würde es wohl Nominativ sein müssen, nicht, worauf das -J> 
führen könnte, Lokativ. 

Ist diese Vermutung richtig, dann enthält der Genetiv 
holaiez zweifelsohne den Namen des Verstorbenen, wie dies 
auch bereits Bugge, Deecke und Moratti angenommen haben. 

Ein Genetiv ist aber auch das auf na<fo\^ folgende ziazi. 
Es als einen zweiten Namen aufzufassen, verbieten drei Um- 
stände: zuerst die Wortstellung, sodann die Unwahrscheinlich- 
keit, dass die Pelasger zweinamig gewesen seien, drittens die 
verwandten etruskischen Formen. Dass dies ziazi zu dem zia 
des Cippus Perusinus gehöre, ist schon früher (II, 1. pag. 31) 
bemerkt worden, dies zia aber ist ganz sicher kein Name, son- 
dern ein Appellativum (oder allenfalls auch ein Adjektivum), 



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. 79 

welches also als Apposition (oder Attribut) auf den holaie zu 
beziehen wäre. 

Wir würden versuchen müssen, festzustellen was es be- 
deute, und zu dem Zwecke die Stellen, in denen es vorkommt, 
betrachten müssen. Auf dem Cippus Perusinus (Fa. no. 1914 A, 
Z. 19. 20) erscheint es in der Verbindung zia äatene teme. 

Da weiter etr. ia nicht selten in ea gebrochen wird 
(cf. hrbeal für lardial etc.), so kann mit unserem Worte ein 
und dasselbe auch zea sein, wie es vorliegt in dem zea ztici- 
enesci' des Cippus Perusinus (Fa. no. 1914 B, Z. 11. 12). 

Diese Gleichheit von zea mit zia wird fast zur Gewissheit, 
wenn man, die Gleichheit der Konstniktion zwischen zia äaierie 
tesne und zea zuci eiiesci, beides auf dem Cippus Perusinus, 
in Betracht zieht 

Da es völlig sicher ist, dass im Etruskischen ein v zwischen 
Vokalen ausfallen kann (cf. caie = Gavius; caile = Gavilus und 
Gavilius; nui neben ziwri = Novius; titui neben lateinischen 
Namen auf -nvius), so könnte man versucht sein, ziva als 
vollere Form für zia ansetzen, um so mehr, als auch in unserer 
lemnischen Inschrift dreimaliges zivai neben unserem ziazi 
sich findet. Aber gerade dieser letztere Umstand macht die 
Sache unsicher, da man keinen Grund sieht, warum in zivai 
das V geblieben, in ziazi ausgefallen sein sollte. Und dazu 
kommt dann weiter noch die Bedeutung. Es wird sich weiter 
unten ergeben, dass zivai wahrscheinlich „aetate" bedeute, das 
aber passt für unser ziazi in keiner Weise, für welches doch 
etwa eine Amtsbezeichnung des holaie zu erwarten wäre. Und 
da bietet sich uns in der That ein anderer Weg. Es giebt in 
den etniskischen Inschriften (cf. oben pag. 76) eine Amts- 
bezeichnung?, die in einer Reihe verschiedener Ableitungen 
(cf. dazu Deecke, Etr. Fo. u. Stu. VI, 31 sqq.) auf einen Stamm 
zila- zurückgeht. Zu diesem zila kann unser ziazi gehören. 
Die Vermittlung damit ist in doppelter Weise möglich. Es 
könnte nämlich einmal das innere / ausgefallen sein, so dass 
ziazi für zi[l]azi stünde. Aber das ist unwahrscheinlich, weil 
wir in holaiez(i), vamalasialy haralioj (fokiasicde das inter- 



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__80 

vokalische / erhalten sehen. Der andere Weg ist der, dass sich 
zila nicht in ziZ-a, wie man bisher mehrfach angenommen, 
sondern in zi-la zerlegt, und dass daneben ein zi-ay Genetiv 
ziazij mit einfacherem Suffixe vorliege. Diese Annahme halte 
ich für die richtige. Ich sehe somit in zmzi eine Amtsbezeich- 
nung und übersetze einstweilen, da wir nicht wissen, welchem 
besondere Amt gemeint sei, mit „magistratus". 

Es wird sich nun weiter fragen, ob unsere Inschrift auch 
Angaben über die Verwandtschaftsverhältnisse enthalte. Und 
da kommt nun in der That das ^okiasiale in B. als solche in 
Betracht. Die Gründe hierfür sind folgende. Dass wir in 
^okiasicde einen Genetiv vor uns hätten, ist schon früher (II, I. 
pag. 31) vermutet worden, und da dieser Genetiv sich un- 
mittelbar an den Genetiv holaiezi anschliesst, so kann er kaum 
etwas anderes enthalten, dls eine nähere Bestimmung dazu. 
Und beachtet man nun weiter noch die Interpunktion, sofern 
das (pokicLsiale von dem holaiezi nur durch zwei, von dem 
folgenden Worte hingegen durch drei Punkte getrennt tst, so 
kann kaum bezweifelt werden, dass es in der That eine Be- 
stimmung zu holaiezi enthalte. 

Es wird sich' dann also fragen, ob wir die Bedeutung 
dieses <fokiasiale erschliessen oder wenigstens vermuten können. 

Bevor an die Erklärung des ^^okiasiale und des offenbar 
damit zusammenhängenden (^oke\a\s herangetreten werden kann^ 
wird zunächst klargestellt werden müssen, welchem etruskischen 
Laute wohl das cp entspreche. Anderen Ortes (Etr. Fo. III, 108 sqq.) 
habe ich dargethan, dass etr. 9 etymologisch aus b hervor- 
gegangen sei. Von diesem ^ (<1>) aber, welcher überhaupt nur 
vereinzelt erscheint, ist das sehr häufige etr./(8) nach seinem 
Ursprung und ohne Zweifel auch dem Laute nach vollständig 
verschieden, sofern es ein dem Etruskischen von Hause aus 
eigentümlicher harter Spirant ist. Es lässt sich wohl mit 
Sicherheit annehmen, dass auch das Lemnische diesen harten 
Spiranten gehabt habe und dass er dort in Ermangelung eines 
eigenen Zeichens — denn das etr. 8 ist ja erst auf etruskischem 
Boden extra für ihn entwickelt — durch cp ausgedrückt worden 



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_81 

sei ist das richtig^ dann würde dem Stamme ^ok- ein etr. 
fUc- entsprechen. Da ein solcher Stamm im Etrustdsohen sich 
sonst nicht findet, so könnte auch huc- in Frage kommen^ aber 
auch von diesem Stanmie findet sich, abgesehen von dem an- 
sicher gelesenen und dunklen huca der Mumienbinde (XII, 6), 
nichts Vergleichbares, und wir würden daher, soweit ich sehe, 
aus dem Etruskischen keine Aufklärung über unser ^okiasiale 
erhalten. 

Aber es giebt auch noch eine andere Möglichkeit, an die 
auch Bugge bereits gedacht hat und die nicht so ohne wei- 
teres von der Hand gewiesen werden kann, die nämlich, dass 
darin der Name der Stadt Fhokaia stecke, das Wort also grie- 
chisches Lehnwort sei, wobei dann natürlich lemn. <p ~ griech. 
9. Diese Ansicht wird zu prüfen sein an dem gleichfalLs in 
den Inschriften B. vorkommenden üz : (foke[a\8. Hier sieht die 
letztere, ja freilich nicht ganz sicher überlieferte Form in der 
That so aus, als wäre sie der Genetiv des genannten Stadt- 
namens, wo dann (fokzasiak wohl als Oenetiv von ookiasi 
„<I>tt>xaio;" zu gelten hätte. 

Behufs weiterer Erhärtung dieser Ansicht wird es sich 
vor allem fragen, was das tiz vor dem <foke[d]f etwa bedeute. 
Bezüglich dieses Wortes scheinen sich zwei Wege der Fjt- 
klärung zu bieten. Entweder entspricht es (H, 1. pag. 30) dem 
etr. tez (Fa. no. 1052), oder es gehört zu etr. bi (Mumienbinde), 
bii (Fa. no. 1914 A, Z. 10 und 15), M (Fa. 1914 A, Z. 10 und 
B, Z. 9), und zwar kann es dann wieder einem etr. biä oder, 
nach der Analogie von aviz = etr. avilä, einem Mä entsprechen. 
Da der Cüppus Perusinus auch sonst zahlreiche Anklänge an 
unsere lemnische Inschrift enthält und da ausserdem die laut- 
liche Parallele mit aviz = avä^ hinzukommt, so halte ich letz- 
tere Erklärung far die wahrscheinlichere. Das lemn. t neben 
etr. ft stört sie nicht. Dieselbe Lautentsprechung wird uns 
noch entgegentreten bei lemn. teüor- neben etr. baur' und bei 
lemu. tave- neben etr. buve-. 

Vergleichen wir die Form M mit ril „aetatis", so ist zu 
vermuten, dass auch \}i ein Substantiv sei und dass bü und 

Pauli, Inschrift von L«mnos II. g 



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82 

lern. Uz (a= etr. *Öi&, cf. larS^al und larvata neben einander) 
dazu die (Genetive seien. Es scheint mir möglich, dass dies 
Ol „urbs" heisse und somit tiz:(foke[a]^ „urbis Phocaeae". 
Mehr als diese blosse Möglichkeit lässt sich freilich bei dem 
jetzigen Stande der Etruskologie nicht herausstellen; es steht 
aber das tiz : (fok€[ä]^ der Deutung des (^okiasiale als „des 
Phokäers'^ wenigstens nicht entgegen, und damit werden wir 
uns vorläufig begnügen müssen. 

Als der klarste Bestandteil unserer Inschrift springt nun 
weiter die Altersangabe mit dem avizisialxviz in die Augen. 
Inbezug auf die allgemeine Bedeutung dieses aviz:siah/yiz ist 
weiter keine Untersuchung mehr anzustellen, denn ich denke, 
dass es nicht mehr bestritten werden kann, dass es „annorum 

ginta" bedeute. Wir werden indessen in eine Erörterung 

A&& sialxviz bezüglich seiner Form und besonderen Bedeutung 
einzutreten haben. Dass sialyvizj nach der Analogie von etr. 
^ianä'^anäj ZU dem Zahl werte ^a gehöre, ist schon früher 
(oben pag. 49) gesagt worden, so dass also etr. äa für äia steht 
Dies ^ian^'^an^ bildet aber, wie ich glaube, nicht nur eine 
lautliche Analogie zu unserem Zahlworte, sondern ist eine 
direkte Ableitung desselben. Das -nä ist suffixaler Natur 
(cf. Pauli, Etr. Stu. III, 130. sub 18), es bleibt also als Stamm 
nur äia-äa übrig. Schon anderweit (z. B. Bugge „senatus'O 
hat man in äianä den Namen einer Behörde gesehen, und dass 
das Wort diese Bedeutung habe, ist jetzt auch mir wahrschein- 
lich. Ist das richtig, so ist dieselbe, wie ich glaube, nach der 
Zahl ihrer Mitglieder bezeichnet, etwa wie lat. duoviri, tresviri, 
decemviri u. dgl, und wie auch im Etruskischen selbst die 
Form me/l, Genetiv eines me/, bereits früher (Altit Stu. III, 
61) von mir als „unitas, confoederatio'^ aus dem Zahlworte rnayi 
„unus" abgeleitet ist. 

Es fragt sich nun, welche Zahl wohl in äa, sial/viz und 
^aiu4 stecke. Die Indogermanisten unter den Etruskologen 
haben äa mit sex vereinigen wollen, ich selbst (Etr. Fo. u. Stu. 
in, 137 sqq.) habe auf Grund sachliche! Kombinationen darin 
die Zahl 5 finden zu sollen geglaubt Es wird zu untersuchen 



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83 

sein, ob eine dieser beiden Ansetzungen bestätigt werde durch 
ein etroskisches Beamten- (oder Priester-)kollegiam, sei es von 
6 oder von 5 Männern, seviri oder qninqueviri. Aus den bei 
den Römern öft«r erscheinenden seviri oder quinqueviri lässt 
sich, wie mir scheint, nicht« erschliessen, Angaben aber über 
etruskische Kollegien von 5 oder 6 Männern fehlen, soweit ich 
sehe. Eine Entscheidung also lässt sich nicht geben, und ich 
werde daher vorläufig das auf sachlichem Wege von mir ge- 
wonnene Ergebnis aufrecht erhalten müssen. 

Mit dem aviz : sial/viz ist nun in beiden Inschriften das 
marazmiaviz (resp. marazm:av[iz])j in B. ein vorgesetztes 
zrvat verbunden. Den gleichen Stamm finden wir (cf. II, 1. 
pag. 30) auch im Etruskischen. Die Belege desselben sind 
die folgenden: 

!• 1 te^amsa • ht^ib • atr^e • escunac • alä^Mihiti mun^ 

zivas mural XX — Tarquinii — Fa. no. 2335; 

2. \\f\ui zivas avils XXXVI hipu — Tuscana — 

Fa. no. 2100; 

ä' z^_^ fpi^Qllp^^ ^fl^ pet\s7iei — Perusia — Fa. no. 
1560 (nach meinem Fapierabklatsch); 

4. — pubs • baclb • ft^r lei tfivaä'fler — — — 

Mum. Vm, 12. 

Endlich finde ich eine Form unseres Wortes auch in dem 
mvTzua der folgenden Stelle: 

— — — tf 8 : fanu : Umtn : precuä : ipa : mvrzua : cerunmi : 
Perusia — Fa. no. 1915; 

Da im Etruskischen z und s (s) mit einander wechseln 
können, so könnte an sich dies murzua für mursua stehen und 
irgend eine Ableitung des alsbald zu betrachtenden Wortes 
murs sein, allein ich glaube doch nicht, dass dieser Laut- 
wechsel hier vorliege. Erwägt man nämlich das zivaä rmcrsl 
oben, so sieht das mur-zua doch wie ein Kompositum beider 
Wörter aus, indem ziva als zweites tonloses Glied zu -zua sich 
abschwächte, genau wie lat bi-divurn zu bi-duum ward. Ist 
das richtig, dann scheint auch rercf^zua (Mumienbinde VII, 9) 
ebenso gebildet und aus ren^ und ziva zusammengesetzt zu 



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_^4 

sein. Das m^x könnte zu dem rene^i des Cippus Perusinus 
(Fa. no. 1914 B, Z. 7.) und dem renine einer Grabschrift von 
Montepulciano (Fa. no. 895.) gehören. 

Es wird sich nun fragen, ßh aus den vorstehenden, ja 
ziemlich zahlreichen Stellen sich die Bedeutung von ziva er- 
schliessen lasse. 

Das aber scheint in der That so. Vergleichen wir näm- 
lich das zivai\8icLt^viz:aviz unserer Inschrift mit der in den 
oben (pag. 68 sqq.) aufgezählten Inschriften so häufig wiederkehren- 
den Formel mit lupu(ce)^ z. B. avüs^ceat/lsdupUy so lässt sich 
eine gewisse Ähnlichkeit nicht verkennen, und man könnte fast 
zu dem Schlüsse veranlasst werden, das zivai entspräche dem 
lupuce „mortuus est" (Deecke, Kritik 7 sqq.; Pauli, Etr. Fo. u. 
Stu. in, 121 sq.) direkt. Aber das ist doch nur Schein, denn 
in der soeben schon genannten Inschrift Fa. no. 2100» steht 
vollständig zivas avils-XXXFI lupu, so dass also nicht das 
lupuce dem lemn. zivai entspricht, sondern eben hier das zivas. 
Dies zivas aber kann im Zusammenhange jenes etruskischen 
Satzes kaum etwas anderes bedeuten, als das sonst mit avil 
verbundene ril, d. h. „aetatis", denn dass es ein Genetiv sei, 
wie eben lat. aetatis selber, das folgt aus der Orthographie, 
sofern unsere südetruskische Inschrift zivas mit ^, die in ge- 
meinetrusklBcher Orthographie geschriebene Mumienbinde hin- 
gegen zivaä mit s schreibt, wie das in den Genetiven die 
Regel ist (cf. Pauli, Etr. Fo. III, 172 unter 2.). 

Ob diese Bedeutung „aetatis" auch für die übrigen Belege 
des zivas passe, lässt sich zur Zeit noch nicht entscheiden, denn 
alle die übrigen Belegstellen des Wortes sind so dunkel, dass 
sich aus ihnen bei dem jetzigen Stande der Etruskologie schwer- 
lich die Bedeutung unseres Wortes feststellen lassen wird. 
Nur die erste derselben scheint allenfalls einen Anhalt zu bieten, 
sofern das zivas mural XX anscheinend dem zivaA aviU XXXFI 
in Fa.no. 2100. parallel stehen könnte, da auch mursl^ wie 
weiter unten sich ergeben wird, ein Genetiv ist, wie das ihm 
parallele avüä. 

Der grammatischen Form nach kann lemn. zivai schwer- 



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85 

lieh Genetiv sein. Da es aber dem zivaä anscheinend parallel 
konstruiert ist, so ist es wohl als Ablativ ,,aetate^' zu fassen. 

Da noch eine ganze Reihe weiterer Formen in unserer 
lemnischen Inschrift die Endimg -ai zeigt, so wird sie doch 
etwas naher zu untersuchen und vor allem zu fragen sein, was 
ihr wohl im Etruskischen entspreche. Auch im Etruskischen 
haben wir eine Endung -ai, die älteste Femininendung der 
Gentilnamen auf -a. Sie ist belegt z. B. durch aninai (Fa. 
spl. I, no. 199), viänaz (Fa. no. 2327 ter a), siqmai (Fa. no. 339), 
taminai (Fa. no. 364 bis 1), tamai (Fa. no. 2327 ter b), tarynai 
(Fa. no. 2351), fahwi (Fa. no. 329 bis). Mit diesem -ai aber 
werden wir wenig anfangen können, denn diese ganzen Namen 
sind mitsamt ihrer Endung -ai (f&r ^aid) italischer Import ins 
Etruskische. Aber sie zeigen uns wenigstens den Weg für 
unser ^ai. Wie im Etruskischen überhaupt altes ai durch ei 
hindurch zu e wird, so z. B. in atsaru (Fa. no. 2345), cdseras 
(Fa. no. 2603 bis), eüeras (Fa. no. 274), esari (Fa. no. 2033 bis 
E b); kaisies (Fa. no. 2261), ceisi (Fa. no. 1188), cesi (Fa. no. 
1187), so auch erscheint jene Femininendung zumeist als -ei, 
noch jünger als -e. Erstere ist die gewöhnliche Form und be- 
darf keiner Belege, letztere liegt vor z. B. in ataine (Fa. no. 
2554 quater), vipiae (Fa. spl. II, no. 80; spl. III, no. 119). vul- 
sine (Fa. no. 246), Umcine (Fa. no. 371), pe\Sne (Fa. no. 671), 
fremne (Fa. no. 406). 

Aus dieser Lautbehandlung im Etruskischen dürfen wir 
schliessen, dass auch dem lemnischen -ai im Etruskischen ein 
-ei oder -e entspreche. Eine solche Endung begegnet nun im 
Etruskischen in der That in zahlreichen Fällen. Beispiele sind: 
tenve (Fa. no. 2033 bis E a), epr\ine (Fa. no. 2033 bis E a), 
tenine (Ea. no. 1922) und die zahlreichen Verbalformen auf -ce 
(Übersicht bei Deecke in Müller, Etr. 11^, 504 sqq.). Natürlich 
soll damit nicht gesagt sein, dass nun in allen etruskischen 
Formen ein schliessendes -e aus -ai, -ei entstanden sein müsse, 
selbstverständlich kann ja das -e in manchen auch ursprüng- 
Uch sein. 

Der Funktion nach scheinen die meisten dieser etruskischen 



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86 

Formen, auch die ohne -ce, verbal zu sein. Dem steht es nicht 
entgegen, dass oben zwai als Ablativ gefasst ist, denn die 
etruskische Verbalflexion ruht, wie ich schon früher (Etr. Fo. u. 
Stu. III, 70 sqq.) nachzuweisen versucht habe, auf nominaler 
Grundlage. Es kann also immerhin zwai eine nominale Form 
sei, während andere Formen auf lemn. -ai ■= etr. -e verbal 
fungieren. 

Weiter haben wir nun das marazmiaviz zu untersuchen. 
Dass hier -m „und" bedeute und chiastische Wortstellung zu 
dem aviz\siat/yiz vorliege, ist schon früher (II, 1. pag. 35) 
bemerkt, und dass demnach in marcLz ein an mar^ „eins" an- 
klingendes Zahlwort vorzuliegen scheine, gleichfalls (II, 1. pag. 
33.). Behufs genauerer Bestimmung dieses maraz wird es sich 
weiter, wie mir scheint, nun fragen, was etwa das dem zwai 
in chiastischer Stellung entsprechende aomai bedeuten könne. 

Das ao dieser Form giebt ohne Zweifel den in den 
etruskischen Inschriften als au bezeichneten Diphthongen wieder, 
und da, wie wir soeben gesehen, dem schliessenden -ai 
ein etr. -e entspricht, so hätten wir also eine etruskische Form 
atme zu suchen. Eine solche freilich giebt es nicht; da aber 
etr. au auch als a und u erscheint, beides so bekannte Vor- 
gänge, dass es besonderer Belege dafür nicht bedarf, so kann 
unsere Form auch als ame und ume gesucht werden. Eine 
Form ame nun giebt es in der That. Sie hat folgende Belege: 

L — ame va^ir lavtn • veJ^inaä Perusia 

— Fa-no. 1914 A, Z. 2; 

2. acihame^etnam Mum. VII, 14; 

3. acü\}»ame'ranem Mum. VIII, 6; 

4. a[cil]b»ame\mula Mum. VIII, 7; 

5. \mßT^m :i^q^ ame- — Mum. X, 3; 

6. — ame acnesem^ipa* Mum. X, 5. 

Daneben erscheint auch die Form ama in folgenden Stellen: 

7. penhri(a*amu veldina — Perusia — 

Fa.no. 1914 A, Z. 14/16; 

8. — v€ßa\ip€'ipa'madcva^ama» Mum. 

X, 8/9; 



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87 

9. ipa»^bucu*j)etn(i^*qma» — Mum. X, 14. 

Dass ame und ama Formen eines Stammes seien, zeigt 
das mit beiden verbundene ipa, zu dem seinerseits sich wieder 
ipe verhalt, wie eben ame zu ama, Dass aber weiter dies ame 
zu dem lemnischen aomai gehöre, scheint mir das freilich nicht 
völlig sichere marem — ame neben dem lemnischen marazm 
aomai zu erweisen, wo marem sich wohl in mare-m zer- 
legt, wie marazm in maraz-m^ und einem lemnischen marai 
entsprechen würde, so dass also der mutmassUche Nominativ 
mara (cf. ipay. ama neben ipe, ame) lauten würde. Dies mara 
aber könnte weiter mit dem etrusMschen Amtstitel maru 
(cf. Deecke, Etr, Fo. u. Stu. VI, 22 sqq.) zusammenhangen und 
damit wäre dann, eben wegen des Zusanmienhanges mit ma^ 
„eins" die Bedeutung gegeben. Es würde etr. maru „princeps", 
lemn. mara aber „primus" bedeuten. 

Für die Erschliessung des aomai = etr. ame sehe ich zur 
Zeit noch keinen Anhalt. Auf eine Möglichkeit glaube ich 
indessen doch hinweisen zu sollen. Etr. amce heisst „war" 
(Deecke bei Müller, Etrusker II*, 512). Der hier erscheinende 
Stamm am- könnte derselbe sein, der in unserem wegen der 
Parallele iiuf zivai substantivischen aomai = etr. ame vorliegt 
Bekanntlich hat in allen Sprachen das abstrakte Verbum „sein" 
ursprünglich eine sinnliche Bedeutung. So wie nun unser 
deutsches „war" zu skr. va^ „wohnen" gehört, so könnte auch 
ama „Wohnung, Aufenthalt" bedeuten und neben zivaiiaviz^ 
dem Jahre des Lebens, das aviziaomai das Jahr des Aufent- 
halts bezeichnen, was für einen Mann, der aus Phocaea 
stammte, doch gewiss recht passend ist. 

Soweit werden wir durch sa(Mche Erwägungen geleitet, 
für die weiteren Teile unserer Inschrift sind wir zunächst auf 
die sprachliche Analyse angewiesen. Die erste Wahrnehmung 
inbezug hierauf schliesst sich unmittelbar an das soeben Er- 
örterte an, denn dem zivai in der Altersbestimmung steht 
nicht bloss das ac^mot parallel; sondern in dem Ausdruck haralio: 
zivaiieptezioiarai: auch das arai. Hier zeigt der Parallelismus 



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88 

der Endungen -io -ai -io -cd deutlich genug die analoge Kon- 
struktion beider Glieder. 

Es ist schon früher {II, 1. pag. 30), wie zwai mit etr. 
zivas^ so arai mit etr. araä von mir verglichen worden. Es 
wird zu untersuchen sein, ob sieh für dies arai nicht die Be- 
deutung erschliessen lasse. 

Die Belege des Wortes sind diese: 

1. ipa ama hen naper\XII velbinaburai arai 

p^rai cerniäm lescvi zuci en\esci epl tulani — Perusia — Fa. 
no. 1914 A, Z. 5—8; 

2. I ämU : naper |' lescan \ letem : Üw? , araia : ^^eii^pma 

Volaterrae — Fa. no. 346; 

3. etnam\iuci fnm'in*etnam velbUfetnam qi»* 

yqif I vachaf :pqv§^lf • ^m • ceren : geppj, \ Mum. VII, 

19—21; 

4. ame \ mula*/utrsi'pumbH'Vacl : usi»clucbraä \ 

cqperi*zam\Sic»vachar'ßereri*8acnüa \ sacnicleri» Mum. 

Vni, 8—11; 

5. — — — fnqf^ f ^X ^^^ • w«cw»» • cepeii -ßarur/^ \ yqgf 
qf nqtum'-)(urU'pe\}ere7U Mum. X, 3. 4. 

6. — vacl I ara • nunbene • ia^ai • na/ve • ^fvm • qfp 

Mum. lU, 16. 17; 

7. i^qyva'ora • nun\)ene \ \ßa\Sai : nar/(ye : hetum : 

aYe Mum.* VIU, ^ 1. 2; 

8. ceäasi \ ara • naium • aisna • leitrum • zubeva Mum. 

X, 19. 20; 

9, vacl ' ara -\hiiluseii:catneif: Mum. 

XI, 9; 

10. etnam \f^^im • einam • celucn* vacl -ara bvaä\ 

fqgniflm — Mum. Vn, 16 — 18; 

11. iucic •firin \ cef^i fnqs qfq byuyi etnam • ceren | 

Mum. vn, 22. 23; 

12. bucu • ham^eb^i : rbmä \ Öiii • ara^* mucum* 

amayeä'rama — — — Mum. XI, 5; 

13. bucu I qry4 ame acnesem^ipa* — — — 

Mum. X, 4. 5; 



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89 

14. — p'ecu^uraäi: \ larbialisvle : cestnal : clenarcUi 

bei Penisia — Fa. no. 1915; 

15. itun turuce venel aielinas tinas cUnüaras — Tarqiünii 
— Fa. spl. III, no. 356. 

Dass in allen diesen Stellen in der That Formen ein und 
desselben Namens vorliegen, beweisen die das ar- begleitenden 
Wörter. So findet sich, wenn man von den direkten Parallel- 
stellen der Mumienbinde unter sich absieht, das ipa in no. 1 
und 13; ama {ame) in no. 1. 4. 5. 13; naper in no. 1. 2; 
velbina- {velbiie, was aber nach den Parallelstellen der Mumien- 
binde vielleicht velbt^e zu lesen) in no. 1 und 3; -^uraä araä 
in no. 1 neben bura^i -araä in no. 14; le^cul {lescan) in no. 1 
und 2; zuci {äuciy ^cic) in no. 1. 3. 11; eneäci {fnq4) i^ ^^' 1 
und 11; fttti in no. 2. 9. 12; bentma {ntm-benef) in no. 2. 6. 7. 
Das sind eine solche Fülle der Beziehungen, dass ein Zusammen- 
hang des Sinnes der betreffenden Stellen ausser Frage steht. 
Und nun beachte man, dass diese Beziehungen sich auch auf 
unsere lemnische Inschrift erstrecken. So haben wir ausser 
unserem arai zu zeronai(b) das zeriin no. 3, zu marazm das marem 
in no. 5, neben na^ob das napei^ in no. 1 und 2., neben mori- 
naü das murin in no. 3., bei der doch nur geringen Länge der 
lemnischen Inschrift eine so grosse Zahl von Beziehungen, dass 
dadurch nicht nur die enge Verwandtschaft des Lemnischen 
mit dem Etruskischen noch weiter bestätigt wird, sondern auch 
die Verwandtschaft des Sinnes unserer lemnischen Inschrift mit 
dem der angeführten etruskischen erhellt. 

Als Bedeutung von ara habe ich früher (Etr. Stu. m, 111) 
die von „gens" vermutet. Das würde auch hier haltbar er- 
scheinen, denn es konnte das karalio:zwai:e^tezio:arai dem 
Sinne nach etwa „valida aetate, nobili gente" heissen, wobei 
die grammatische Konstruktion freilich, weil haralio und eptezio 
Genetive zu enthalten scheinen, eine andere sein wird. 

Nachdem so die Formen zivai und arai untersucht sind, 
werden wir in die Analyse der mit ihnen verbundenen Formen 
haralio und eptezio in B., tavarzio in A. einzutreten haben. 

Schon früher (II, 1. pag. 34.) habe ich die Vermutung aus- 



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90 

gesprochen, dass in den drei parallelen Formeln tavarzio zivaiy 
haralio : zioai and eptezio \ arai je das erste Wort sich in ta- 
varzirOy epiezi-o und harali-^ zerlege, so dass wir in üwarzij 
eptezi Genetive auf -zi, in harali einen solchen auf -al vor ans 
hätten. Es wird sich fragen, was in diesem Falle das ange- 
hängte 'O sei, und ob meine Annahme eines solchen an dem 
Etraskischen eine Stütze finde. Letzteres aber ist in der That 
der Fall. 

Ein solches angehängtes -t£ tritt voUkonmien deutlich her- 
vor in der Amtsbezeichnung cam^i eterau (Fa. spL I, no. 438; 
cf. oben pag. 73). Dafür steht in einer anderen Amtsbezeich- 
nung zihS^'eterav (Fa. no. 2055 = spL III, no. 327; et oben 
pag. 68). Dass hier die beiden Formen eterau und eterav iden- 
tisch seien, ist nicht zu bezweifeln, denn auch die mit ihnen 
verbundenen Formen cam\^i und züa^ zeigen das gleiche Suffix, 
da -öl, wie ich anderwärts (Etr. Fo. u. Stu. III, 57. 67 sqq.) be- 
reits dargethan, nur die ältere Form für -Ö ist Ebendort 
(L c. 69) habe ich das -u (-r), dessen Grundform wohl -ve 
(et das tenve in Fa. no. 2033 bis E a) ist, far ein Lokativsuffix, 
und zwar, entsprechend dem gleichen Gebrauche das -i>i. mit 
verbaler Funktion erklärt, und an dieser Erklärung und ihrer 
Begründung halte ich auch jetzt noch fest. Man könnte gegen 
diese Erklärung geltend machen wollen, dass wir dann in 
unserem lemnischen haraU-Oy eptezi-o, tavarzi-o ja ein Lokativ- 
suffix an ein Genetivsuffiz gehängt fänden. Aber das Etrus- 
kische hat nicht bloss im allgemeinen Sufßxhäufungeu in grosser 
Zahl, sondern es lässt sich gerade auch im besonderen die An- 
hängung eines Lokativsuffixes an ein genetivisches in ihm nach- 
weisen. Das ist der FaU in tar/nal-bi (Fa. spl. III, 3'^2), ver- 
kürzt tarxnal'\} (Ga. no. 799), wo das -bi (-&) das zweite der 
etruskischen Lokativsuffixe, das -o/ aber das bekannte Genetiv- 
suffix ist Wie man sieht, geht also auch hier bei dieser eigen- 
tümlichen Erscheinung das Lemnische mit dem Etruskischen 
Hand in Hand. 

Das tar/nalbi sowohl, wie das tar/nal^ findet sich in einer 
Amtsbezeichnung, und wenn es auch wohl mit Recht mit dem 



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91 

Kamen der Stadt Tarquinii in Zusammenhang gebracht wird 
(cf. Deecke, Etr. Fo. u. Stu. VI, 37. 47) 4md somit zu dem eigent- 
lichen Amtstitel selber nicht gehört, so könnte man sich ver- 
sucht fühlen, zu fragen, ob denn nicht auch in den formell 
entsprechenden Teilen der lemnischen Inschrift Amtsbezeich- 
nungen zu finden seien, die man ja aus sachlichen Gründen 
(cf. oben pag. 65. 76) ohnehin erwarten dürfte. 

Aber diese Frage wird man, wie mir scheint, von vorn- 
herein verneinen müssen, denn unter den Formen des in Be- 
tracht kommenden Teiles der lemnischen Inschrift findet sich 
nicht eine einzige, die einer der bekannten etruskischen Amts- 
bezeichnungen entspräche oder auch nur an sie anklänge. 

Man wird also bezüglich des haraHo und ej)tezio in anderer 
Richtung suchen müssen. Ein Vermutung, was etwa in diesen 
Formen stecken könne, ist schon oben (pag. 89) gegeben, und 
es würde nun zu prüfen sein, ob die verwandten Formen der 
etruskischen Inschriften sie bestätigen. 

Wenn ich haraHo richtig in karcdt-o zerlegt und das harali 
als Genetiv gedeutet habe, so werden wir auf einen Nominativ 
har oder hara geführt, was beides möglich ist Ein Stanmi 
har- nun begegnet in etruskischen Inschriften mehrfach. Seine 
Belege sind: 

1. ci cnl hareu tuäe (oder hare vtuief) — Pe- 

rusia — Fa. no. 1914 A, Z. 24; 

2. mi marül harb sianäl: l eimi — Clusium — Fa. no. 807 ; 

8. \al äey^ har^na — Clusium — Fa. no. 734; 

(der Deckel mit der Inschrift bana-Uesnei umranay der jetzt 
auf der Urne mit unserer Inschrift liegt, gehört nicht zu ihr). 

Die dritte dieser Stellen hat ihre unmittelbare Parallele in: 

4. afluhustnjal'ä€r^'far\^ana — Perusia — Fa. no. 1226, 
sofern in beiden Inschriften das ^^ einen ohne Zweifel adjek- 
tivischen Zusatz trägt, der in der clusinischen als harhmy in 
der perusinischen als farbana erscheint. Da nun in Perusia 
z. B. der weibliche Vorname stets in der Form fasä, in Clusium 
hingegen stets als hasäa erscheint, so ergiebt sich, dass auch 
perusinisches far^^ana und clusinisches hardna ein und dasselbe 



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Wort sind. Dies festgestellt, haben wir dann noch folgende 
weitere AbleituDgen unseres Stammes far- {har-): 

5. — 1 enaä» rayb • sub • nunbenb • etnam •farbaji \ aise- 

raä'äettä'cletram'ärencve' Mum. V, 7. 8; 

6. enaä • rar/d • sud • nunbenb \ ztisleve'faäeic'far- 

Oflw 'ßere^ : ij^btm\sr\ \ rcc/^ -detram • irenyye • Mom. IX, 

13—15; 

7. — — — I ra/\S ' tura • nunbenb • detram - iren^ve \ tei* 
fqäei - zqrfiieb • zu^le • nunben f | fafbqn • aiseroA • ^evA detram • 
ärencv] Mum. II, 10—12; 

8. an ifarbnaye • marces \ tames : ram\iesc : yaireals \ lar^ : 
temiis\\^anYyü tamai — Vulci — Fa. no. 2327 ter b; 

9. tute : larb : anc :farbnay[e : tute : amiials — Vulci 

— Fa. spl. I, no. 387; 

10. . . • 'far\}nax Volsinii vet. — Fa. no. 2033 bis G a. 

Unsicher ist issfarsi in der Stelle: 

11. ••••.. [ßanac ' fqr^i Mum. XI, -^ 1. 

Von den vorstehenden Formen gehören AarÖ, farbana- 
harbna \mi farbna:)(e unzweifelhaft zusammen, ob auch hareu, 
ist sehr fraglich. Die Form erscheint auf dem Cippus Peru- 
sinus, und es wäre nach dem soeben erwähnten Lautgesetz 
statt hareu vielmehr fareu zu erwarten, umsomehr, als der 
Cippus Perusinus in anderen Formen das f nicht in h ver- 
wandelt. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass die Form hareu ein 
echtes h besitzt und mit dem Stanmie^or- nicht verwandt ist 
Dies gewinnt auch durch unsere lemnische Inschrift an Wahr- 
scheinlichkeit Oben (pag. 80) ist geschlossen worden, dass ein 
etr. f im Lemnischen durch (p dargestellt sei. Es ist schwer- 
lich anzunehmen, dass daneben ein f in h gewandelt sein sollte. 
Wenn das nicht ist, dann hat aber haraUo ein echtes h. Es 
würde somit haraüo nur mit dem hareu des Cippus Perusmus, 
mit den anderen Formen nicht verwandt sein. 

Was das grammatische Verhältnis beider Formen zu einander 
anlangt, so ist haraU-o Oenetiv, dessen etruskisches Äquivalent 
haral'U lauten ^vürde, während das etruskische hareu, wenn es 
sich gleichfalls in hare-u zerlegt, nach dem, was oben (pag. 85) 



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93 

über etar. -e == lemn. -ai gesagt worden ist, als lemnisches Äqui- 
valent ein harai-o haben würde, also denselben Easus zeigen 
würde, wie zivoi, arcd, €iomai, zeronai und morinai. 

Was dies hara bedeute, dafür fehlt es, soweit ich sehe, 
noch an einem Anhalt Man könnte an lat haruspex und 
hariolus denken, wo das Aar- sehr wohl ein etruskisches Wort 
sein könnte, denn die Herleituug des Donat ad Terent Fhorm. 
4, 4, 28. von haruga ,yOpferwidder'* ist natürlich verfehlt. Auch 
hara „kleiner Stall, Behälter für Tiere^^ könnte ja möglicher- 
weise etrusMsch sein und in Frage kommen. Aber das alles sind 
doch nur rein lautliche Anklänge, auf die wohl hingewiesen 
werden kann, denen aber irgendwelche Beweiskraft natürlich 
nicht innewohnt Dass der Sache nach in lemn. haraUo etwa 
ein „validitatis'' stecken könne, ist schon oben (pag. 89) gesagt 

Wenn egtezU richtig für einen Genetiv erklärt worden ist, 
so heisst der Nominativ evte. So wie etr. epl aus pvl, eprdne 
aus purbne entsteht (cf. oben pag. 42), so könnte vielleicht epte 
für ptite stehen. Eine Form ptäe bietet nun die Mumienbinde 
in einer ziemlichen Anzahl nur wenig von einander abweichen- 
stellen. Es sind diese: 

1. — — — oi^l/n p'\ut€'tul\\^ansur'habr\H'repinbiC' 
Mum. II, 6/7; 

2. cisum 'pute • ^^[Z- bans] | f^qnf^g • repineg • 

Mum. m, 22/23; 

3. cisum •pute*i[ul' bans] \ hatec repinec • 

Mum. IV, 3/4; 

4. cisum • ptäe 'tul'ban^' hatec repinec — — — 

Mum. IV, 16; 

5. cisum »pute • tul bansur • habrbi • repinbic 

Mum. V, 5; 

6. cisum pute • tul- bansur • habrbi- repinbic — 

Mum. V, 12; 

7. cisum- pute tul-ban^'habei;\ffpinec 

Mum. rX, 4/5; 

8. cis\im p[ute t]ul bani^\habec repinec 

Mum. IX, 11/12; 



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94 

9. — cisum-pute'tul-bems'habec'repinec 

Mum. IX, 16. 

Wie man sieht, handelt es sich um eine formelhafte Wen- 
dung, deren Sinn aber unklar ist, auch wenn wir das cimm 
tamera in Fa. no. 2840 (cf. oben pag. 75) vergleichen. 

Es findet sich auf der Mumienbinde auch eine Form pubs 
{ptä8?)j belegt durch: 

10. une I mlar^ »pub^ • baclÜ • bqr te\ :fivai • 

Mum. Vin, 12; 

11. en(r^*unxva'meblumb'puts\rrmb*kilarhtma' 

Mum. XII, 4/5. 

Dies pubs (puts) könnte sehr wohl far pubes (ptäes) stehen 
und Genetiv des obigen pide sein. Dann würde es unmittelbar 
dieselbe Form sein, wie unser eptezi ^ putezi. Bemerkenswert 
dabei ist, dass in der ersten Stelle etr. pubs mit ziva^ in ein 
und derselben Zeile vorkommt, und dass ebenso lemn. eptezio 
mit zivai in ein und derselben Zeile steht, eine Thatsache, die 
inmierhin die Annahme einer Identität von pubs mit eptezi zu 
verstärken geeignet ist 

Was das eptezio bedeute, dafür geben, soweit ich sehe, die 
aufgeführten Stellen keinen Anhalt Dass aus sachlicher Er- 
wägung etwa die Bedeutung „nobilitatis** zu vermuten sei, ist 
schon oben (pag. 89) gesagt worden. 

Schon früher (pag. 51) ist bemerkt worden, dass statt eptezio 
vielleicht epiezio gelesen werden könne. Wenn dies richtig sein 
sollte, so würden wir auf einen Nominativ epie geführt Da 
nun ie im späteren Etruskisch sich meist zu e zusammenzieht, 
so würde etr. epe entsprechen. Nun findet sich folgende In- 
schrift: 

subi'nttia\$'VeUmna8-\epesial'\cr/naz- — Perusia — Fa. 
no. 1934. 

Der Anfang ist klar und bedeutet „Grab der Bodia^'. Mit 
veUmnasy welches wegen des s (nicht ä) Nominativ ist, beginnt 
ein neuer Satz. Das epesial hat man viel&ch als „Ephesiae^' 
deuten wollen, möglich ist indessen auch, dass es sich in 
epe-sial zerlege und im Stamme unserem lemn. epie-zi, in der 



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95 

Endnng den lemn. vamala-sial, (fohiorsüäe entspreche. Das 
aynaz gehört ohne Zweifel zu dem acnanasa in Fa. no. 2055 s 
spl. III, no. 327 und Fa. no. 2056 = Fa. spl. HI, no. 318 (cf. 
oben pag. 68 sq.) und dem acnesem der Mumienbinde X, 5. 
Was aber das epesial und das (r/naz bedeuten, wissen wir zur 
Zeit noch nicht. 

Die dritte der parallelen Formen war das tavarzio. Trennen 
wir das o von tavarzio, so bleibt also ein Genetiv (avarzi übrig 
(cf. n, 1. pag. 34) von einem Nominativ (avar. Dies Wort kann 
dem etruskischen Omir entsprechen, wie es in folgenden Stellen 
vorli^: 

1. — — eca'velbinaburaä ^a1ira helu — Pe- 

rusia — Fa. no. 1914 A, Z. 20/21; 

2. etoe : \^aure : lautnescle ; caresin, : Pe- 

rusia — Fa. no. 1915; 

3. — — — etva &a|wrawe : cor es — — — Perusia — 
Fa. no. 1933; 

4. cehen\cei*teza\n ppibna ^avru\:§ banr — Perusia — Fa. 
no. 1900; 

5. — — — cepen • öat«^ • cej)ene • acü • etnam — — — 
Mum. Vn, 15; 

6. — ^^^p^\baur^' etnam Mum. VII, 22. 

Die lautliche Vermittelung zwischen tavar und Öa^r wäre 
die, dass \iayr aus Ooüt, bavar entstanden wäre, wie cneuna 
aus cnevna, cnevina XL s. w., wobei das a der letzten Silbe aus- 
gestossen sein könnte infolge Zutrittes der Sufßxe, wie in 
gleichem Falle laran, tezarij leham zu lams, teins, lebms wurde. 
Die Richtigkeit dieser Annahme vorausgesetzt, so würde die 
dem tavarzi entsprechende etrusUsche Form baur^ lauten, 
wobei der Wechsel zwischen t und &, der ja innerhalb des 
Etruskischen selbst ofb genug vorkonunt, wohl kaum Schwierig- 
keiten bereiten würde, zumal das Lenmische möglicherweise 
überhaupt kein anlautendes & gehabt haben mag; wenigstens 
bietet unsere Inschrift keinen Fall eines solchen. Dies ^anrä 
scheint in dem ^axarui von no. 4 erhalten zu sein, welches 



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96 

neben baatrjf stehen würde, wie der Ctenetiv vet^wrui neben 
ceiiyuri Tom Yomamen vel^ur. 

Für etr. bawra bat sieh durch meine eigene üntersochnng 
(Etr. Sto. m, 97) als mutmassliche Bedeatimg ^^sepoleram^ 
ergeben« Das findet äne Bestätigung dadurch, daas in unserer 
Inschrift das tavarzio mit aker yerbunden ist Dies aker ent- 
spricht, wie sich alsbald ergeben wird, dem etr. aeüy dies aber 
ist seinersäts in der Insclmft Fa. no. 1487 mit su\H „Grab^ 
Terbunden, so dass unser oAerituvarzio dem etr. suhi-acä 
parallel steht 

Die parallelen Ausdrücke haraUo : zwai : epiezio : arm einer-, 
tavarzio ziveu andrerseits sind eingeleitet durch die Wörter 
rom^ resp. okeTf und es wird nun gefragt werden müssen, was 
diese etwa heissen. 

Für das rani bieten die etruskischen Inschriften als einzige 
formell Tergleichbare Form das nanar/^ in Fa. no. 2166 aus 
Yulci, allein dies konmit für unser ram nicht in Frage. Es 
erscheint in dem Zusammenhange cneve Uar/wues rumay, und 
dies heisst, wie ganz allgemein anerkannt ist, „Gnaeus Tarqui- 
nius Komanus^. 

Aber in unserer lenmischen Inschrift selbst scheint sieh 
das Wort noch ein zweites Mal zu finden, nämlich in taveroma. 
Dies toveroma kann, eben wenn man das die Inschrift be- 
ginnende rom ins Auge fasst, sehr wohl eine Zusammensetzung 
toveroma sein. Unter dieser Voraussetzung würde sich das 
Urne- vergleichen lassen mit dem ^uvei^ wie es vorliegt in einer 
Grabschrift von Arretiüm: 

\hiker akil tui ^wei — Ga. no. 104. 
Damit aber ist dann ohne Zweifel (et oben pag. 79 über den 
Ausfall des r) ein und dasselbe Wort das ^^uei am AnfEmg der 
Grabschrift von Torre di S. Manne, wo es heisst: 

cehen\m'M\hm\)iu\\^ue9:nanä'i — Fa. no. 1915. 
Diese Vergleichung könnte beanstandet werden wegen des 
/ :== etr. i> und wegen des am Ende fehlenden -i. Schon oben 
(pag. 81. 95) ist bei der Vergleichung von lenm. Uz mit etr. \^i 
und von lenm. tovor- mit etr. ^aur darauf hingewiesen, dass 



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97 

in der lemnischen Inschrift kein anlautendes & bel^ sei, und 
dass daher ein solches vielleicht überhaupt im Anlaut der 
Sprache gefehlt habe. Ist das richtig, dann hat auch lemn. 
tove- neben etr. hwe- keine Bedenken. Was aber das schliessende 
4 anlangt, so wird es ein Suffix irgend welcher Art sein, wie 
oben in mvrs (cf. pag. 102) und wie es das auch in flerei zu sein 
scheint, denn neben dem gewöhnlichen ^/{^^i erscheint sowohl 
auf dem Spi^l Fa. no. 1069, wie mehrfach auf der Mumien- 
binde auch^CT-^, daneben auf letzterer auch^«-, so dass also 
klärlich das -i oder -ei eine Endung ist. Das kann es dann 
aber auch in \hcveä neben tove- sein. 

Es wird sich nun fragen, was dieses tove-roma heisse. Für 
das -roma liegt, weil, wie soeben gesagt, etruskische Verwandte 
fehlen, kein Anhalt für die Bestimmung vor, für ^{v)e^ aber 
habe ich schon früher (Etr. Stu. III, 28. 124) die Bedeutung 
„Ruhestatte^^ erschlossen. Wenn auch die dort gegebene Be- 
gründung, sofern ich es an bui anschloss, vielleicht nicht zu- 
triflft, so bietet sich dafür die Anknüpfung. an etr. baur-, lemn. 
tavar-, für welches oben (pag. 96) die Bedeutung „Grab" er- 
schlossen ist Zu dem Stamme bau-tav kann ein buv-tov sehr 
wohl gehören. Ich glaube also, dass auch etr. bu{v)e:f, lemn. 
tove- „Grab" bedeute. 

Dem rom steht der Stellung nach im Satze parallel das 
aker in A. Für aker ist verschiedentlich von mir an etr. acil 
erinnert worden, und in der That scheint acil mit unserem 
aker sprachlich und sachlich verwandt zu sein. Dafür scheinen 
folgende Thatsachen zu sprechen. In der oben (pag. 96) ange- 
führten Inschrift Ga. no. 104 finden sich die Wörter acä und 
buveä beisammen, unser aker aber steht dem rom parallel, und 
dies zeigte sich in tove-roma mit dem Stamme buve- zusammen- 
gesetzt. Da liegen also ganz entschieden sachliche Beziehungen 
vor. Auf sachliche Beziehungen deutet es ferner, dass auf der 
Mumienbinde (oben pag. 95) sich batar^ und acil in ein und 
demselben Satze finden, wie in unserer Inschrift aker und 
iavarzio (= etr. baur^', vgl. oben pag. 95). Eine sprachliche 
Parallele aber bieten die etruskischen Formen cver und {tin.<') 

Pauli, Inschrift von Lemnos IL 7 



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98 

cvä. Für cver habe ich schon vor Jahren (Etr. Stu. 111, 87) 
die Bedeutung „donmn^' erschlossen und ebenso (1. c. 116) 
bereits darauf hingewiesen, dass auch -cvil „Geschenk** bedeute 
und von cüer sich nur im Suffix unterscheide. Ganz derselbe 
Unterschied aber scheint in lemn. aker neben etr. acä vorzu- 
liegen. Es fragt sich nun, was dies etr. acil wohl heisse. Alle 
älteren Deutungen, einschliesslich der von Corssen (Etr. 1, 283) 
als „ölgeföss", sind unhaltbar. Wir werden also die Belegstellen 
zu fragen haben. 

Diese sind die folgenden: 

1. ruüßes'.adl — Vulci — Fa. spL 111, no. 352. 

(auf einer tönernen Lampe); 

2. ruvßf[s] acil — Tarquinii — Fa. spl. 1, no. 440. 

(auf einem tönernen Guttus); 

3. amb larb velimnaä \ arzneal hii^iur \ suhi acil hece — 
Perusia — Fa. no. 1487; 

4. %uker akil tuä bitve^ — Arretium — Ga. no. 104; 

5. ture ' acil' QQ'tigq, • Ö/mÖ ceßim \ /im • scuyie • acil- 

kujmi^ Mum. VI, 15/16; 

6. — acil • ame • etnam • cilbcveii • hilar^ • acil \ vacl- 

cepen • baury^ • cepene • acil- etnam | ig gfevr • nb • ^ucic • rilfbvene • acil* 
etnam\ Mum. Vll, 14/16; 

7. — — — acil ' Jiamrfe^ lae^ - sulit^\ b^mi^äer^ue'acil' 
ipei^buta'Cnl'yoJri\ Mum. X, 6/7; 

8. abrcacil an äacnicn- Mum. Xll, 11. 

Dazu kommen noch folgende weitere anscheinend ver- 
wandte Formen: 

9. vinum\pqivei^'acilb'am€' — Mum. 

VIII, 6; 

10. vinum»a[cil]b'ame\ Mum. VIII, 8; 

\hetrn-aclyQ'ais'Cemnac' Mum. V, 18; 

11. hetm\agfy^'aiä'cemnay' Mum. 

VUI, 15/16; 

12. ll^etm-aclyß \ eis cemnac' — Mum. 

X, 9/10. 



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99 

Hingegen wird das akh/is in Fa. no. 2033 bis C a. för einen 
Namen zu halten sein. 

Hier scheinen die ersten beiden Belege eine Feststellung 
der Bedeutung zu ermöglichen. Schon früher (Etr. Stu. III, 
31) habe ich darauf hingewiesen, dass meines Eraohtens das 
itwßes'.acil doch nur „des Rufi Werk" oder „des Rufi Eigen- 
tum'^ heissen könne. Zwischen diesen an sich gleichwertigen 
Möglichkeiten giebt das acäune-turune des Cippus Ferusinus 
(Fa. no. 1914 B, Z. 8/10) den Atisschlag, denn die Verbindung 
mit turune „schenkte^' zeigt, dass acibme nur heissen könne 
„eignete zu" (cf. Pauli, Etr. Fo. u. Stu. lil, 73 sq.) und dass 
somit acü „Eigentum" heisse. Dieser Deutung hat sich auch 
Deecke (Etr. Fo. u. Stu. VI, 61) angeschlossen. 

Die Inschrift A. zeigt auf derselben Seite der Figur nun 
weiter noch die in einer Zeile stehenden drei Wörter vama- 
lasial'.zeronai morincäL Bezüglich des vamalasial ist schon 
mehrfach (II, 1. pag. 32 und oben pag. 51) gesagt worden, 
dass seine grammatikalische Form dieselbe sei, wie in ^okiasiale. 
Weiter aber lässt sich über das Wort nichts aussagen. Die 
etruskischen Inschriften bieten, soweit ich sehe, nichts Ver- 
gleichbares, und auch aus ^okiasiak ergiebt sich nichts. Denn 
wenn auch diese Form sich uns mit Wahrscheinlichkeit (pag. 81) 
als Genetiv eines Ethnikons herausgestellt hat, so braucht das 
darum vamalasial nicht auch zu sein. Es kann ebensogut 
Genetiv eines Appellativums oder Adjektivums sein. 

Es sind jetzt nur noch zu betrachten übrig die Wort- 
gruppen zeronai mminail (in A.) und evisSSo'.zeronaiÄ (in A.), 
resp. z^(ma/&:«?wJ>o (in B.). 

Hier haben wir also eine Form zeronai mit zeronai^y eine 
Form morinail und eine Form evisho. Schon oben (pag. 51) 
ist das -{> von zeronaib und das -/ von morinail als ein zu- 
nächst noch nicht näher bestinmites Anhängsel hingestellt 
worden. Es bleiben somit die beiden analog gebildeten Formen 
zeronai und morinai übrig. War der Schluss (cf. oben pag. 85), 
dass dem lemnischen -ai ein etruskiaches -e entspreche, richtig, 
so werden wir fragen müssen, ob es im Etruskischen Formen 

7* 



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100 

gebe, die, dem zeranai und mormai entsprechend, auf -tme und 
-i$ie ausgehen. Beide Arten aber giebt es nun in der That 
Der erstere Ausgang liegt vor in mubtRe (Fa. no. 429 bis), 
acibme und tunme (Fa. no. 1914 B, Z. 9/10), der letztere in 
tenine (Fa. no. 1922), renme (Fa. no. 895; (3a. no. 37), dezine 
(Munt IV, 5. 18; VIII, 18), repme (Mum. VU, 12) nebst 
repine-^ (Mum. UI, 28; IV, 4. 16; IX, 5. 12. 20). Alle diese 
Formen sind für Verbalformen zu halten. Für mubme „dedi- 
cavif' und acüune^turune „proprium-reddidit (et) donavit'^ habe 
ich dies schon langst (Etr. Fo. u. Stu. III, 73) nachgewiesen. 
Für \iezme folgt dies einerseits aus dem daneben vorkommen- 
den dezince (Mum. IV, 3; IX, 2. 9), welches die bekannte 
Verbalendung -ce zeigt und gebildet ist, wie manince (Fa. no. 
347), mutince (Mum. IV, 5. 18; VI, 1?) und hemsince (Mum. 
V, 2), von denen inanince bestimmt auch ein Verbum ist, 
andererseits daraus, dass zweimal die Verbindung mutince dezine 
erscheint, wo die beiden Formen ihre verbale Natur gegen- 
seitig erhärten. In tenine zeigt sich derselbe Stamm, wie iu 
tenve (Fa. no. 2033 bis E a), tenu (Fa. no. 2070; no. 2057 = 
spL in, no. 329) und tenbas (Fa. no. 2385 b; Fa. no. 2056 = 
spl. III, no. 318; Fa. spl. III, no. 67), die als Verbalformen 
längst gesichert sind (cf. Pauli, Etr. Fo. u. Stu. III, 72. 76.). 
Neben repine aber finden wir repinbi-c (Mum. II, 7; V, 2. 12), 
die Endung -di aber habe ich schon früher (Etr. Fo. u. Stu. III, 
70 sqq.) als verbal fungierend nachgewiesen. Endlich renine 
scheint sich in der ersten Beleginschrift durch seine Stellung 
am Satzende, wo auch das etruskische Verb gern zu stehen 
pflegt, als ein solches auszuweisen. Dem entsprechend würden 
wir also auch lemn. zeronai = etr. ^zerune und lemn. marinai = 
etr. "^murine als Verbalformen anzusehen haben. 

Den Stamm beider Wörter finden wir bel^t Ein Stamm 
zer- erscheint in folgenden Stellen: 

1. ein\zeri un ac/|a«öe/ duny(\uldl Fa. 

no. 1914 B, Z. 17/20; 

2. — — — ec[7i zeri]\ inc'zec'ßer 'Wezince» — — — 
Mum. IV, 2/3; 



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101 

3. e\cn*zeri\ fecitf, fri ?^(r|/?pr"^^^pM 

Mum. IX, 1/2; 

4. — ecn • zeri \ kein • in • zec •fler • ^ezin<^\e\ 

Mum. IX, 8/9; 

5. 1 eea • <?^m • lecin • \nc • zec •fa^le - hemsince\ 

Mum. V, 2; 

6. : — :j:eri • ceren • p^^ | baur/^ • etnam • f-/^ • matam • 

Mum. VII, 21/22; 

7. .^|ni/a;( eiuri'zeric'zec'abelis' Mum. 

V, 2. 

Hier ist das zeri, wie sich aus den vorgesetzten Demon- 
strativpronomen ein und ecn sicher ergiebt, ein Substantivum. 

Die vom Stamme mur- abgeleiteten Formen haben fol- 
gende Belege: 

1. mi murs ambal veteä\nufreä — Saena — Fa. 

no. 429 bis a (nach meinem Papierabklatsch); 

2. — — — alä\äubiä munb zivas mural XX — Tar- 
quinü — Fa. no. 2335; 

3. zelvb'Tnur^ä etnam -bacac^usli: — Mum. VII, 

13; 

4. pebereni - eslem • zabrum • mur : in - [die : be- 
zeichnet Krall als unsicher, sie sind wohl zu streichen] vel- 
bineä Mum. XI, 8; 

5. — .<Mci • mmin • etnam velbtt? — — — Mum. 

Vn, 20; 

6. hevn • avih nenl- man - murinaäie'fakabi • 

Vetulonia — Bleiplatte von Magliano. 

Die Beziehungen zwischen der Bleiplatte und der Mumien- 
binde (cf. Krall 61) lassen auch mich jetzt an die Echtheit 
jener glauben, so dass ich kein Bedenken mehr trage, auch 
aus ihr einen Beleg anzuführen. 

Schon Etr. Stu. III, 62 habe ich aus dem mi murs, wel- 
ches Wendungen, wie mi äubi, eca subi^ eca mnt(u)na, voll- 
kommen parallel steht, geschlossen, dass murs „sepulorum" be- 
deute. Möglich scheint auch das Deeckesche „ossuarium^S ja 
selbst vielleicht auch „ossa^S f^Us murs Plural sein konnte. 



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102 

Ist dies richtig, so ergiebt sich als Stamm von mursj Genetiv 
muräly bloss mur- und das -s ist Suffix; dann aber ist ohne 
Frage auch murin ^ mtarinaäie und lemn. marinaü desselben 
Stanmies. Das lässt sich schliessen einmal daraus, dass, wie 
oben das zivai mural die Zahl XX neben sich hat, so auf der 
Mumienbinde bei dem murin die Zahlwörter eslem-zalirum er- 
scheinen, und dass andererseits in der lenmischen Inschrift in 
ein und demselben Abschnitt — wenigstens nach meiner An- 
ordnung — mormaU und zivai mit einander vorkonmien, wie 
in zivaä mural und mur-zua. Von diesen Formen ist murs 
sicher ein Hauptwort, bei den übrigen Formen lasst sich, soweit 
ich sehe, die grammatische Funktion nicht bestimmen. 

Bevor ich nun untersuche, was wohl die Bedeutung von 
zeronai und morinai gewesen sei, wird zuvor das -Z zu be- 
sprechen sein, welches wir in der Formel zeroncu'.morinail dem 
zweiten Worte angehängt sehen. £s scheint mir kaum mög- 
lich, in diesem -/ eine Kasusendung oder ein Ableitungssufßx 
zu sehen, weil zeronai und morinai oflFenbar, wie wir gesehen, 
dieselbe grammatische Form sind. Es wird das zeronai imori- 
nai'l vielmehr wie das siat/viz^maraz-m au&ufassen sein, d. h. 
das -Z wird eine Konjunktion sein, durch die beiden gleich- 
gebildeten Formen zeronai und morinai in irgend einer Weise 
auf einander bezogen werden. Ja, wollte man Konjekturen 
machen, so läge es ausserordentlich nahe, statt morinail direkt 
morinaim zu lesen. Die Form steht am Zeilenende, und der 
letzte Buchstabe könnte, wie so oft an dieser Stelle, beschädigt 
sein, so dass also ursprünglich statt 1 (Z) ein ^ {m) dagestanden 
hätte. 

Wenden wir uns nun zur Bedeutung der beiden Formen, 
so ist zunächst inbezug auf das morinai etwas Negatives fest- 
zustellen. Bugge, Apostolides, Moratti und auch ich haben an 
die Stadt Myrina auf Lemnos gedacht, Deecke hingegen über- 
setzt es wegen des murina^ie der Bleiplatte von Magliano durch 
„murinalia^^ Die Beziehung auf Myrina liegt ja ausserordent- 
lich nahe, aber doch ist es mir jetzt zweifelhaft, ob in der In- 
schrift wirklich von dieser Stadt die Bede sei. Diese Bedenken 



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103 

stützen sich auf folgende Gründe. Es ist durch unsere bis- 
herige Untersuchung (cf. pag. 100) wahrscheinlich geworden, 
dass die beiden Formen *zeronai und morinai verbaler Funktion 
seien, und schon das schliesst die Ableitung der letzteren Ton 
Mopiva aus. Weiter aber erscheinen auf der Mumienbinde 
(cf. die Stellen VII, 20 sqq. oben pag. 101) in ein und demselben 
Satze nebeneinander murin und zeri. Das ist neben dem zeronai] 
morinail doch höchst auffallig und scheint doch darauf hinzu- 
deuten, dass in morinail kein Eigenname stecke. Dabei kann 
der Städtename Myrina aber sehr wohl mit unserem morinail 
verwandt bleiben, jedoch so, dass umgekehrt der Stadtname 
von demselben Wortstamme herkomme, von dem in morinai 
eine Ableitung vorliegt. 

Was nun die positive Bedeutung von zeronai und morinai 
anlangt, so lehnt sich letzteres Wort natürlich an das oben als 
„sepulcrum" festgestellte murs an und dürfte demnach „se- 
peüvit" bedeuten. Wie murs, so stellte sich oben (pag. 101) 
auch zm als ein Substantivum heraus, und da die beiden 
durch -/ verbundenen Verbalformen doch wohl eine ähnliche 
Bedeutung mit einander gehabt haben müssen, so liesse sich 
für zeronai etwa auf „condidit" raten. 

An unser zeronai schliesst sich das letzte noch übrige 
Stück der Inschrift, das zeronai\S\evis^Oj resp. evis^o\zeronai\iy 
an. Es wird sich wohl zuerst fragen, was das dem zeronai hier 
angehängte -& sei. Die dem lemn. -ai^ entsprechende etruskische 
Endung würde -«*D, -e& lauten (cf. oben pag. 85) oder in äl- 
terer Form, da -& aus -Oi abgeschwächt ist (cf. Pauli, Etr. Fo. u. 
Stu. III, 67 sqq.), -«Öi, -«W. Solche etruskische Formen auf 
-eiU (-tf&i), -eib (-eh) giebt es nun in der That in ziemlicher 
Anzahl Es sind folgende: ipeUme^i (Fa. no. 1914 B, Z. 4), 
rene^i (Fa. no. 1914 B, Z. 7), spureU (Fa. no. 2057), municleb 
(Fa. no. 2339), munisule\} (Fa. no. 2059), munisvleb (Fa. no. 2058), 
ramue\^ (Mum. VIII, 8), caveb (Mum. VIII, 7), zarßieb (Mum. 
U, 11; IV, 7?), stretei^ (Mum. VI, 3), slelef^ (Fa. no. 1914 A, 
Z. 3), muleb (Fa. no. 2059), ceseb-ce (Fa. spl. I, no. 402). 

Vielleicht gehören auch eine Anzahl von Formen hierher. 



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104 

die auf -nbi {-nb) endigen, falls man annehmen dürfte, dass 
sie zwischen n und \} ein e verloren haben. Es sind diese: 
^etrinbi (Mum. XII, 5), repinbi-c (Mum. II, 7; V, 5. 12.); 
aprinb (Ga. no. 799, Z. 5), nunbenb (Mum. 11, 10 etc.), cnäcnb 
(Mum. VII, 19; XI, 5). Ein Teil dieser Formen ist sicherlich 
nominaler Natur, denn dass -&z ein Lokativsufßi ist, steht 
längst fest Dass aber dasselbe Sufißx auch verbal fungiert, 
habe ich schon früher (Etr. Fo. u. Stu. III, 70 sqq.) dargethan, 
und so ist denn in der That ein Teil der obigen Formen ver- 
baler Art Das scheint mir bei folgenden der Fall zu sein bei: 
renebi wegen renine (oben pag. 100), repinbi-c (oben pag. 100), 
vielleicht auch zarfneb, sireteb, sielet und rmdeb; ganz sicher 
ist es bei ceseb-ce, welches „cubat" heisst (Pauli, Etr. Fo. u. 
Stu. ni, 72). Auf Grund dieser Parallelformen scheint auch 
zeronaib als eine Yerbalform in Anspruch genommen werden 
zu können. Mit zeronaib sehen wie nun zweimal die Form 
evisbo verbunden. Formen mit dem entsprechenden Ausgang 
'sbu lassen sich im Etruskischen nicht nachweisen. Zwar 
findet sich auf einem Spiegel in Yulci (Fa. no. 2175) anschei- 
nend eine Form sbesbu, aber Deecke (Ann. 1881, 162) hat mit 
Recht das bes als ein besonderes Wort abgetrennt. Bei diesem 
Fehlen entsprechender etruskischer Formen lasst sich denn das 
evisbo auch grammatisch nicht bestimmen. Man könnte daran 
denken wollen, einen Lokativ auf -m darin zu sehen, oder das 
-ö (= etr. -u) abzutrennen, wie oben (pag. 90) in haralio etc., 
und dann eine Verbalform anzunehmen, aber das alles hängt 
in der Luft. 

Und nicht besser steht es mit dem Stamm des Worts. 
Es ist zwar auf der Bleiplatte von Magliano eine Form eviäu- 
ras belegt, aber was sie bedeute, wissen wir nicht. Die Deu- 
tung Deeckes als „Schafspröeslinge" wird schwerlich jemand be- 
friedigen. 

Fassen wir nun die Ergebnisse unserer Erörterung zu- 
sammen, so erhalten wir folgendes: 



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105 



A. 

L holaiez\naffo\^ ziazi 

„Holaei sepulcrum, magistratus; 
IL evisbo : zeronaib \ zrvai | sial/veiz : aviz \ marazm : av[iz] • • • • 
? pconditas est aetate quinqaaginta annorum primique 
anni . • • • " 
IIL vamalasicd: zeronai mormaä\aker:tavarzio 

? „condidit et sepelivit; proprietas sepulori-esf* 

B. 
I. holaiezi: (ookiasiale • zeronaib : evisbo : ioverama 

„Holaei Phocaei; conditus est ? Grab-?" 
II. rom : haralio : zivail eptezio \ arai ] tiz : ^oke[a]f 

? validitatis-erat aetate nobilitatis-erat gente; urbis 
Phocaeae;" 

zwail aviz : sialyviz : marazm : aviz : aomai 

„aetate annorum qninqnaginta primique anni domicilio". 

Wie man sieht, habe ich hier die einzelnen Teile der In- 
schrift etwas anders geordnet, als es früher (II, 1. pag. 12 sq.) 
Ton mir geschehen >yar aus Gründen, die ich auch in diesem 
Hefte (pag. 18) als durchaus stichhaltig aufrecht erhalten habe. 
Das steht nicht in Widerspruch mit einander. Denn in der 
früheren Anordnung handelte es sich nur um die Beihenfolge, 
in der der Steinmetz die einzelnen Teile der Inschrift ein- 
gehauen hatte. Dufch die Betrachtung der Wortformen und 
des sich daraus ergebenden Sinnes und Aufbaues der Inschrift 
stellt sich aber heraus, dass der Steinmetz von A. sich nicht 
an den Bau der Inschrift gehalten, sondern die einzelnen Teile 
derselben in \villkürlicher Beihenfolge eingehauen hat, so dass 
er den mittleren über dem Kopfe der Figur befindlichen Teil 
zuerst ausführte. Dieser Steinmetz scheint des Felasgischen 
nicht kundig und überdies von besonderer Ungeschicklichkeit 
gewesen zu sein. Das ergiebt sich insbesondere aus dem mitt- 
leren Stück der Inschrift Hier hat er das zirai, welches nach 
Ausweis von B. vor sicd^veiz zu lesen ist, unter das zeronaiS^ 



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gesetzt, statt darüber und dadurch den falschen Schein er- 
weckt, als ob zwai zu Uwarzio gehöre, wie auch ich ange- 
nommen hatte. Weiter aber hat er, abgesehen von der schlechten 
Interpunktion, den Schluss eben dieses mittleren Teiles ganz 
verstümmelt Es fehlt nicht nur das schliessende -iz von cmizy 
sondern auch noch eine dem cMmai von B, entsprechende Form. 
Diese sehr mangelhafte Ausführung von A. wird auch wohl der 
Grund sein, warum die Inschrift in einer zwar etwas veränder- 
ten, aber im wesentlichen doch mit A. sich deckenden Form 
noch einmal auf der Seitenfläche des Steines {B.) wieder- 
holt ist 

Damit ständen wir am Ende unserer sprachlichen Ana- 
lyse der lemnischen Inschrift Der gesicherten und endj?ültigen 
Deutungen sind es nicht eben viele, die sich ergeben haben, 
aber es ist doch im grossen und ganzen der Bau unserer In- 
schrift klargelegt, und darauf kam es mir zunächst nur an 
(cf. oben pag. 41). Ausserdem aber sind doch auch eine grosse 
Zahl von Fäden herüber und hinüber blossgelegt, denen fol- 
gend man die spätere völlige Deutung wird gewinnen können, 
sobald wir des Etruskischen erst mächtiger geworden sind, als 
es bis jetzt, auch nach der Auffindung der Mumienbinde, der 
Fall ist Denn d'as, meine ich, hätte sich doch aus meiner 
Analyse jetzt wohl auch dem blindesten Auge zeigen müssen, 
dass die Sprache unserer lemnischen Inschrift dem Etruskischen 
nahe verwandt ist An der Entzifferung des Etruskischen also 
hängt auch die ihre, jene aber wiederum, auch jetzt noch wird 
man dabei beharren müssen, hängt an der Auffindung einer 
längeren Bilinguis. Die Mumienbinde, so interessant und wichtig 
sie an sich ist, vermag uns eine solche nicht zu ersetzen. 

Nachdem so die Zusammengehörigkeit der Etrusker und 
Pelasger erwiesen, fragt es sich nun weiter, ob für diese beiden 
Völker noch anderweite Verwandte sich nachweisen lassen. Ich 
habe auf Grund der Ortsnamen (II, 1. pag. 44 sqq.) diese Frage 
bejaht und in den Karem, Lykiern und Lydern diese wei- 
teren Verwandten finden zu sollen geglaubt 

Dieses Ergebnis hat sehr verschiedene Aufnahme gefunden. 



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107 

Gruppe, Treuber und Hesselmeyer haben ihm widersprochen, 
Meister und Hommel haben es angenommen. Die von jenen 
zur Begründung dieses Widerspruches angeführten Gründe 
werden der Reihe nach auf ihre Stichhaltigkeit zu prüfen sein. 

Gruppe (Wochenschrift für klassische Philologie 1886, 
1540) sagt: „Dass eine Inschrift, die in einer unbekannten 
Sprache verfasst ist und über deren Lesung noch soviel Zweifel 
bleiben, zu ethnographischen Schlussfolgerungen nicht wohl ver- 
wendet werden kann, leuchtet wohl ein.'< 

Ich glaube über diesen Einwand hier kurz hinweggehen zu 
können, da er auf Voraussetzungen beruht, die jetzt wenigstens 
nicht mehr richtig sind. Mochte damals, als Gruppe das 
schrieb, die Sprache unserer Inschrift aUenfalls noch als un- 
bekannt bezeichnet werden können, jetzt ist sie das nicht mehr. 
Ihre Verwandtschaft mit dem Etruskischen kann nicht mehr 
bezweifelt werden, und dass wir sie auch ihrem Inhalte oder 
ihrem Baue naoh wenigstens im allgemeinen kennen, hoffe 
ich doch auch nach meinen oben gegebenen Darlegungen 
annehmen zu können. Und ebenso steht es mit den Zweifeln 
über ihre Lesung. „Viele" waren es überhaupt nicht. Ab- 
gesehen von einigen unklaren Stellen in der Überlieferung der 
französischen Gelehrten, war über die Lesung eigentlich doch 
nur ein Zweifel vorhanden, der über die Geltung des Buch- 
stabens Y. Dieser aber ist jetzt gehoben, da auch ich nun- 
mehr, wie alle anderen Gelehrten, das Zeichen als x auffasse. 
Will Gruppe unter Zweifeln der Lesung etwa auch die ver- 
schiedene Anordnung der Zeilen verstehen, so ist auf das zu 
verweisen, was ich oben (pag. 36) über diesen Punkt ge- 
sagt' habe. 

Eingehender wird ein zweiter Einwand Gruppes zu prüfen 
sein, der prinzipieller Natur upd deshalb von ganz besonderer 
Wichtigkeit ist. Er betrifft die Frage nach der Beweiskraftig- 
keit von Ortsnamen. 

Gruppe spricht sich gegen die Heranziehung der Orts- 
namen aus mit folgenden Worten: „Um die Existenz eines 
grossen selbständigen, weder zu den Semiten noch zu den 



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108 

Indogermanen gehörigen Pelasgenstammes zu er- 
weisen, begiebt sich der Verf. [Pauli] auf das schlüpfrige Ge- 
biet der Ortnamen". 

Dass Ortsnamen bei der Verwendung zu ethnographischen 
Schlüssen mit einer gewissen Vorsicht zu verwenden seien, 
ist zuzugeben. Der Orund dafür liegt in folgenden Umstanden. 
Mit dem Ortsnamen ist nur, solange er im Munde des namen- 
gebenden selbst oder wenigstens eines ihm nahe verwandten 
Volkes erklingt, ein bestimmter Sinn verbunden. Sobald ein 
anderes, dem namengebenden sprachfremdes Volk den Namen 
aufnimmt und ihn weiter gebraucht, wird, wenigstens in den 
meisten Fällen, der Sinn verschwinden und der Name zu einem 
blossen Lautkomplex herabsinken, gewissermassen eine sprach- 
liche Leiche werden. Damit föllt er heraus aus den verschie- 
denen Assoziationsreihen innerhalb der lebenden Sprache und 
fällt lediglich den zersetzenden Einflüssen lautlicher Prozesse 
anheim. Schon dadurch würde er entstellt werden in seiner 
Lautform. Aber damit ist es noch nicht genug. Diese laut- 
liche Umformung findet statt im Munde eines sprachfremden 
Volkes, welches andere Lautneigungen hat, als das Volk, wel- 
ches den Namen schuf, und somit die lautliche Umformung 
in anderer Richtung vollzieht, als dieses. Und als drittes Mo- 
ment endlich konmit das volksetymologische hinzu. Sinnlose 
Lautkomplexe liebt niemand, und so hat denn bekanntlich das 
Volk das Bestreben, den verloren gegangenen ursprünglichen 
Sinn durch einen neuen aus seiner eigenen Sprache zu er- 
setzen. Auch dadurch erleidet in den meisten Fällen, wo diese 
Umdeutung eintritt, der Lautkörper des Wortes noch weitere 
Veränderungen. 

Grund genug, wie es scheint, um die Ortsnamen ungeeignet 
zu machen als Ausgangspunkt für ethnographische Schlüsse, 
aber doch nur — wie es scheint! Wäre es etwa nur ein 
einzelner Name, der in den Mund eines sprachfremden Volkes 
geriete, damit würde nicht viel anzufangen sein, das ist gewiss, 
aber so liegt die Sache meistens nicht. Das thatsächliche Ver- 
hältnis ist in den allermeisten Fällen dies, dass entweder — in 



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109_ 

älteren Perioden — ein sprachfremdes Volk, in ein Landgebiet 
mit älterer Bevölkerung eindringt, es besetzt und die vorge- 
fundenen Ortsnamen weitergebraucht, oder dass — in späteren 
Zeiten — durch Handelsbeziehungen ein fremdes Land einem 
andern bekannt wird und letzteres die Ortsnamen des ersteren 
auch seinerseits im Verkehr gebraucht In beiden Fällen aber 
werden mehr oder minder grosse Oruppen von Ortsnamen 
hinübergenommen, und eben diese Oruppen bilden doch wieder 
auch im Munde des sprachfremden Volkes Assoziationsreihen, 
in denen die einzelnen Olieder sich gegenseitig in ihrer Laut- 
form stützen und schützen, wenn auch die aus der Bedeutung 
sich ergebenden Assoziationen geschwunden sind. 

Und ebenso macht der zweite Umstand, die Verschieden- 
artigkeit der Lautneigungen im Munde des die Namen schaffen- 
den und des sie aufnehmenden Volkes, die Ortsnamen nicht 
ungeeignet zur Grundlage ethnographischer Schlüsse. Der Fall 
liegt doch meistens so, dass dem, der die Schlüsse zieht, die 
Lautneigungen auch des aufoehmendea Volkes bekannt sind, 
und dass er daher vollkommen in der Lage ist, zu beurteilen, 
in wieweit und in welcher Sichtung ein Lautwandel ein- 
getreten sei. Damit aber hat er durchaus die Möglichkeit, die 
ursprüngliche Form des Namens wiederzugewinnen. Nur in 
dem Falle, dass eine Volksetymologie in die gesetzmässige Ent- 
wickelung der Formen eingegriffen hat, entstehen Schwierig- 
keiten, die nicht immer zu heben sind und in diesem Falle 
das Ergebnis unsicher machen. Aber solche volksetymologischen 
Eingriffe sind doch im ganzen verhältnismässig selten und daher 
immer nur als Ausnahmen anzusehen, durch welche die in 
dem grösseren Teile der hinübergenommenen Namen herrschende 
Gesetzmässigkeit nicht beeinträchtigt wird. 

Es sind somit im allgemeinen die Ortsnamen allerdings 
geeignet, die Grundlage für ethnographische Schlüsse zu bilden. 

Der vorstehende aprioristische Beweis Hesse sich leicht auch 
durch einen solchen a posteriori ergänzen, indem man z. B. 
die slavischen Ortnamen in Deutschland, selbstverständlich aus 
solchen Gebieten, wo die slavische Sprache längst ausgestorben 



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110 

ist und nur noch -deutsch geredet wird, darauf hin untersuchte, 
ob bei ihnen die lautliche Umformung so gross sei, dass sich 
aus den jetzigen Formen die ursprüngliche slavische Form nicht 
mehr gewinnen lasse. Eine solche Untersuchung hier vorzu- 
führen, würde unserer eigentlichen Aufgabe doch wohl zu fem 
liegen, ich habe sie aber für mich selbst angestellt, indem ich 
die slavischen Ortsnamen von Mecklenburg und der Insel 
Rügen einer-, von dem Königreich Sachsen, das wendische Ge- 
biet natürlich ausgeschlossen, andrerseits einer Musterung unter- 
zogen habe, deren Ergebnis war, dass sich fast immer die sla- 
vische Grundform der betreffenden Namen ohne jede Schwierig- 
keit ergab, und dass in den meisten Fällen die lautliche Um- 
formung gar nicht einmal so sehr gross war. Nebenbei will 
ich auch noch bemerken, dass diese Umformung in den ge- 
nannten beiden verschiedenen Gebieten nicht einmal besonders 
stark von einander abweicht, obwohl in dem ersteren Gebiete 
die fremden Formen durch niederdeutschen, in dem anderen 
durch mitteldeutschen Mund gegangen sind. So wird also such 
a posteriori bestätigt, was sich uns oben über diesen Punkt 
a priori ergab. 

Man wird also nach wie vor die Ortsnamen als Grund- 
lage für ethnographische Schlüsse benutzen dürfen, zumal, wenn 
sie so massenhaft auftreten, wie in unserem Falle, wenn auch 
immerhin in einzelnen eine gewisse Vorsicht zu beobachten 
sein wird. 

Nachdem so die prinzipielle Seite der Frage erledigt ist, 
füge ich nunmehr zu den früher im ersten Hefte schon ge- 
gebenen Beziehungen zwischen den Ortsnamen der in Frage 
kommenden Gegenden noch einige weitere bei. 

Der erste dieser Koinzidenzpunkte betrifft die Stadt My- 
rina auf Lemnos selbst, auf welche das in 'unser Inschrift er- 
scheinende morinail von verschiedener Seite, und zwar, wie ich 
jetzt (cf. oben pag. 102) glaube, irrtümlich bezogen worden war. 
Neben diesem lemnischen Myrina nun steht die äolische Pflanz- 
stadt Myrina an der lydischen Küste, die lykische Stadt Myra 
und die Stadt Smyma an der karischen Küste, deren Name ganz 



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« 

sicher, mit Samoma, dem ehemaligen karischen Namen von 
Ephesus vor der Besitzergreifung durch die lonier (Hessel- 
meyer, Pelasgerfrage 181), identisch ist Dies Samoma, wel- 
ches ohne Zweifel als eine Zusammensetzung sa-moma aufzu- 
fassen sein wird, zeigt neben Smyma genau den gleichen 
Wechsel zwischen einheimischem o und griech. u, wie er in 
morinail neben Mopiva vorliegt. Wenn ich auch morinail jetzt 
nicht mehr für eine Ableitung von Mopiva halte, so bin ich 
doch (cf. oben pag. 102) der Ansicht, dass beide Formen von 
derselben Wurzel stammen und somit seitenverwandt sind, so 
dass also doch auch hier griech. u neben pelasg. o liegt Und 
ebenso wird auch für lyk. Mu(>a nach Ausweis der Eigennamen 
Mopva (CIG. m, no. 4316 b) und /AOPVIPt: morüzah (In- 
schrift von Sura Z. 1 bei M. Schmidt Lycian inscriptions tab. 
IIL) die einheimische Form vermutlich mara gelautet haben. 
Oerade aus dieser Gleichmässigkeit der Lautbehandlung wird 
man schliessen dürfen, dass den Griechen bei allen vier Namen, 
auf Lemnos, wie an der lydischen, karischen und lykischen 
Küste, ein und derselbe Laut entg^enklang, den sie als u 
auffassten, und ebendaraus wieder wird man folgern dürfen, 
dass in der That die vier genannten Städtenamen verwandt 
und ein und derselben Sprachgruppe angehörig seien, und dass 
nicht bloss ein zufalliger Anklang derselben aneinander vor- 
li^e. Wäre dieser Anklang der genannten Formen die einzige 
Beziehung zwischen beiden Örtlichkeiten, Lemnos einer-, Lydien, 
Karlen, Lykien andrerseits, dann wäre ja nicht viel darauf zu 
geben, aber so neben den vielen anderen Beziehungen wird 
doch auch diese Namensähnlichkeit wichtig und wohlgeeignet, 
den anderweit erschlossenen ethnographischen Zusammenhang 
zwischen Lemnos, Lydien, B^arien und Lykien zu bestätigen. 
Aber damit ist der Verbreitungsbezirk unseres Namens 
noch nicht erschöpft: in der thessalischen Magnesia liegen die 
Städte Myrai und Amyros. Da aber der Name Magnesia 
gerade in Lydien und Karlen als Städtename sich wiederholt, 
so ist auch hier wohl nicht daran zu zweifeln, dass wirkliche 
ethnographische Verwandtschaft im Spiele sei, kein blosser Zu- 



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U2^ 

folly und dass somit 1. auch die thessalische Magnesia alter 
pelasgischer Boden und 2. die Bevölkerung von Lydien und 
Karien den Pelasgem verwandt sei. 

Und zu den soeben besprochenen Thatsachen gesellt sich 
nun noch eine weitere von ausserordentlicher Tragweite. Zwischen 
Myrina und Smjma an der Ijdischen Euste liegt die Stadt 
Larissa am Hermosfluss. Nun aber ist Laiissa der spezifisch- 
pelasgisdie Städtename, der, fast wie eine Leitmuschel in der 
Geologie, uns in der Ethnographie die pelasgische Yölkerschicht 
anzeigt Eine kurze AuMhlung seines Vorkommens wird das 
beweisen. So fand er sich mehrfach in der thessalischen Pelas- 
giotis, so wie er sich in Earien, Lydien, Hysien, der Troas und 
dem Pontus fand (II, 1. pag. 44 sqq. und Hesselmeyer, Pe- 
lasger&age 29). Aber damit ist sein Verbreitungsgebiet noch 
nicht erschöpft Derselbe findet sich auch noch in der thessa- 
lischen Phttiiotis, nördlich des malischen Meerbusens (Liv. 
XXXI, 46, 12), ferner heisst eine Burg von Argos so (Liv. 
XXXTT, 25, 5), ein weiteres Larissa liegt in Attika, eines auf 
der Grenze von Elis und Achaia, zwei auf Kreta (Hessel- 
meyer 1. c). Das alles ist altes pelasgisches Gebiet Die 
Phthiotis )i^ zwischen der Pelasgiotis und dem einst gleich- 
falls pelasgischen Phokis (cf. II, 1. pag. 47. 76), und ebenso 
sind Attika, Argolis, Elis und Achaia, so wie Kreta alter pelas- 
gischer Boden, wie die dort sich findenden anderweiten pelas- 
gischen Namen darthun (cf. n, 1. pag. 44. 47). 

Damit dürfte wohl das spezifische Pelasgertum des Namens 
Larissa nachgewiesen sein, und wenn nun dies Larissa im 
Verein mit den gleichfalls pelasgischen Myrina (nebst Ephesus- 
Samorna) an der Küste Kleinasiens gerade in dem Grebiete 
sich wiederfindet, dessen Verwandtschaft mit den Pelasgem 
sich mir bereits im ersten Hefte ergeben hatte, dann wird die 
Sache doch wohl mehr als blosse Vermutung sein. 

Dass auch ein dem Flusse Hermos entsprechender Ort 
Hermes in dem ehedem pelasgischen Attika sich findet, mag 
nur nebenbei erwähnt werden. 

Soweit ist also alles in Ordnung, nun aber findet sich der 



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113 

Name Larissa auch noch in zwei weit entlegenen Gregenden 
wieder, am Tigris und in Latium. Am Tigris, da, wo der 
Lykosfluss in ihn mündet, liegt die erstere, während in Latium 
Larissa der alte Name der Stadt Laurentum ist (Bormann, 
Chorographie 106). 

Dass beide wirklichen Zusammenhang mit den Pelasgem 
haben, wird aus folgenden Thatsachen wahrscheinlich. Das 
mesopotamische Larissa liegt da, wo noch heute die Jeziden 
als Nachkommen der alten nichtindogermanischen und nicht- 
semitischen Urbevölkerung fdtzen, die wir weiter unten auf 
Grund der Forschungen von Luschans als Verwandte der 
Pelasger kennen lernen werden und zu denen auch die Urein- 
wohner Lykiens gehörten. Unser Larissa aber liegt am Lykos- 
fluss, dessen Name doch gewiss auch Beziehungen mit dem 
Landesnamen Lykia hat und der in Phrygien, Bithynien und 
Pontus wiederkehrt, also lauter Gegenden, die auch die ent- 
scheidenden Namen auf -aa- und -vo- enthalten (II, 1. pag. 
44 sq.). Das alles kann doch unmöglich Zufall sein, und so 
wird nichts anderes übrig bleiben, als hier wirkliche Angehörige 
des pelasgischen oder, wie Hommel ihn nennt, alarodischen 
Sprachstammes auch am Tigris anzunehmen. 

Aber auch das Larissa in Latium ist desselben Ursprunges. 
Dass das etruskische Gebiet dereinst viel weiter nach Süden 
sich ausdehnte, als das spätere eigentliche Etrurien, daran 
zweifelt wohl niemand mehr. In Latium erinnern die uralte 
Stadt Tusculum und der seiner Lage zwischen Palatinus und 
Capitolinus nach gleichfalls sehr alte vicus Tuscus daran, und 
zu diesen Resten der alten etruskischen Bevölkerung rechne ich 
auch das ja nicht eben weit von Tusculum gelegene Larissa. 
Dass der Name sich an den etruskischen Vornamen laris an- 
schliesse, habe ich schon II, 1. pag. 53 gesagt und dort auch 
bereits auf den Zusammenhang von AapavSa mit dem etr. Vor- 
namen lamb hingewiesen, aber auch der Stamm htk-, den wir 
in den verschiedenen Flüssen Lykos, in den Ländernamen 
Lykia, Lykaonia haben, begegnet in Etrurien wieder. Luca 
ist eine etruskische Stadt, luaimones hiessen die Häupter der 

Pauli, Inschrift von Lemnos II. 8 



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m 

etruskischen Städte, und dass die römische Tribus der Luceres 
etruskische BenennuDg und wohl auch etruskischen Ursprung 
hatte, ist aus Varro V, 9, 55 zu ersehen. Auch dies alles 
kann kein Zufall sein, und so werden wir denn auch hier auf 
den Zusammenhang zwischen Etruskem und Pelasgem gefuhrt 

Bezüglich der von mir behandelten vorderasiatischen Namen 
nehmen Treuber und Hesselmeyer eine ablehnende Stellung 
an. Treuber (Gesch. der Lykier 45) hat die Ansicht aus- 
gesprochen, die von mir angeführten Thatsachen (Entsprechung 
lykischer und karischer Ortsnamen, sowie Zusammengehörigkeit 
lykischer Personennamen und karischer Ortsnamen und lun- 
gekehrt) genügten nicht zum Beweise der Verwandtschaft beider 
Völker, da sie verschiedene andere Erklärungen zuliessen. Leider 
hat Treuber diese verschiedenen anderen Möglichkeiten nicht 
angegeben, so dass man nicht in der Lage ist, zu beurteilen, 
inwieweit dieselben wirklich die genannten Thatsachen zu er- 
klären vermögen. Ich muss gestehen, dass ich selbst keine 
anderen Möglichkeiten der Erklärung sehe, und ich werde daher 
doch einstweilen an der meinigen festhalten müssen. Vielleicht 
ninmit Treuber einmal Gelegenheit, auf die Sache einzugehen, 
so dass noch nachträglich eine Prüfung seiner Ansichten mög- 
lich wird. Wenn er auch darauf hinweist, dass die „mit dem 
-nd und dem -^(ä) Suffix gebildeten Ortsnamen • • • • früher von 
einem anderen Gelehrten [wer?] als Kriterium lelegischer Be- 
völkerung aufgestellt" seien, so würde gerade dies für die Rich- 
tigkeit meiner Ansichten sprechen, wenn Hesselmeyer (Pelasger- 
frage 18.) recht hätte, die Leleger mit den Pelasgern für eins 
zu erklären, eine Ansicht, die durchaus der Beachtung 
wert ist. 

Ich muss mich also den Einwürfen Treubers gegenüber, 
soweit sie die Ortsnamen betreffen, ablehnend verhalten, er- 
kenne aber bei dieser Gelegenheit gern an, dass die anderweiten 
von ihm erhobenen Einwände bis zu einem gewissen Grade be- 
rechtigt sind. Das gilt insbesondere von seinem Satze, dass ich 
,,den Beweis für die Wahrscheinlichkeit der Verwandtschaft des 
Lykischen mit dem Etruskischen, sowie die Beseitigung der 



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115 

dagegen sprechenden Gnmdverschiedenheit der in ihrer Be- 
deutung gesicherten Yerwandt^chaftsnamen der beiden Sprachen 
etwas leicht genommen." Auch auf diesen Punkt werde ich 
weiterhin noch eingehen. 

Etwas anders ist Hesselmeyers Stellung zu der Frage der 
Ortsnamen. Hesselmeyer (Pelasgerfr. 30) erkennt zwar an, dass 
das Suffix -390^ ein Kennzeichen der pelasgischen Namen sei, 
will aber dieses Kennzeichen für die ebenso endigenden klein- 
asiatischen Ortsnamen nicht gelten lassen. Das scheint mir 
etwas inkonsequent Die pelasgischen Namen in Griechenland 
selbst waren den Hellenen Formen einer fremden Sprache so 
gut, wie die vorderasiatischen Namen, und wenn sie die letz- 
teren in genau derselben Weise umformten, wie die ersteren, 
so wird man doch, wie ich glaube, annehmen müssen, dass das, 
was ihnen in beiden Gebieten that^ächlich entgegenklang, auch 
objektiv dasselbe war, nicht bloss subjektiv ihnen gleich zu sein 
schien. Meines Erachtens liegt derselbe Fall vor, wie bei den 
oben (pag. 110) erwähnten slavischen Ortsnamen in Deutschland, 
die auch in den beiden verschiedenen dort genannten Gegenden 
sich in wesentlich gleicher Weise umgeformt hatten. 

Damit dürfte die Frage nach der Beweiskräftigkeit der 
Ortsnamen sowohl ihrer grundsätzlichen Seite nach, wie auch 
für den besonderen uns vorliegenden Fall erledigt sein und, 
was letzteren betrifft, ausser den bereits in der ersten Abhand- 
lung beigebrachten Koinzidenzen noch eine Reihe weiterer von 
be^nderer Beweiskraft den Zusammenhang zwischen Pelasgern 
und Etruskern einerseits, Lykem, Karem, Lydem und weiteren 
vorderasiatischen Völkern andrerseits dargethan haben. 

Da nun aber eirmial die Verwandtschaft der von mir als 
pelasgisch in Anspruch genommenen Völker Kleinasiens mit 
den Pelasgern und Etruskern in Abrede gestellt worden ist, so 
scheint es mir unerlässlich, doch auf diesen Punkt auch noch 
von anderer Seite her einzugehen, nicht bloss von den Orts- 
namen aus. Und da wird es zunächst zweckmässig sein, die 
Sprachen der genannten Völker, soweit es möglich ist, etwas 
eingehender zu untersuchen, als dies in der ersten Abhandlung 

8* 



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116 

geschehen ist, uud sodann auch noch auf andere, insbesondere 
anthropologische Momente hinzuweisen, die für die Beurteilung 
dieser Verwandtschaftsverhaltnisse von Belang sind. 

Ich beginne diese Besprechung mit den Lykiem, teils des- 
halb, weil wir von ihrer Sprache das reichste Material besitzen, 
teils aber auch deshalb, weil seit dem Erscheinen meines ersten 
Heftes der erneute Versuch gemacht worden ist, die Lykier als 
Indogermanen zu erweisen. Deecke hat in Bezzeubergers Bei- 
tragen (Band XII. XIII. XIV) in vier Artikeln diesen Versuch 
angestellt, aber auch hier ist ihm dieser meines Eracbtens so 
wenig gelungen, wie bei den Etruskem. Es ist anzuerkennen, 
dass sein Verfahren bei den Lykiem besonnener und minder 
gewaltsam ist, als bei den Etruskem, aber der Nachweis ist, 
wie gesagt, nicht gelungen. Der Angelpunkt eines derartigen 
Nachweises liegt bekanntlich, ausser in den grammatischen 
Übereinstimmungen, in den Verwandtschafts- und Zahlwörtem. 
-Gerade diese beiden aber sind im Lykischen von den indo- 
germanischen Formen stark verschieden und ihnen nicht ver- 
wandt, und ebensowenig stellt sich der grammatische Bau des 
Lykischen als indogermanisch heraus. Dem gegenüber will 
es schon an sich wenig besagen, dass unter den Eigennamen, 
insbesondere den Personennamen, eine ziemlich erkleckliche An- 
zahl von unzweifelhaft indogermanischem Gepräge sich findet, 
überdies aber stellt sich bei genauerem Hinsehen sofort heraus, 
dass diese indogermanischen Namen teils eranisches, teils 
griechisches Lehngut sind, wofür es eines besonderen Nach- 
weises im einzelnen gar nicht bedarf. 

Nunmehr wende ich mich zur Betrachtung der Zahl- und 
Verwandtschaftswörter des Lykischen, so wie einiger Punkte 
aus der Grammatik dieser Sprache, um aus ihnen zu zeigen, 
dass das Lykische keine indogermanische Sprache ist, und zwar 
beginne ich diese Betrachtung mit den Zahlwörtem. Diese 
nämlich bilden bei Deecke das Hauptfundament, auf welches 
seine indogermanische Hypothese sich aufbaut, und es erscheint 
mir zweckmässig, eben dieses zuerst als nicht genügend stark 
-und sicher aufzuweisen, um den Bau, so leicht und luftig er 



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117 

auch sei, zu trageii. Ich bitte mich hier indes nicht misszu- 
verstehen. Die Zahlwörter bilden dies Fundament nur that- 
sachlich, nicht in der Deeckeschen Darstellung, welche vielmehr 
mit der Betrachtung grammatischer Formen anhebt und die 
Zahlwörter erst am Schlüsse bringt. Die Zahlwörter aber sind 
in den Deeckeschen Untersuchungen das, was für den Indo- 
germanismus des Lykischen den bestechendsten Schein gewährt, 
und deshalb ist es zweckmässig, auf sie zuerst einzugehen. 
Als Zahlwörter nun hat Deecke folgende Formen in An- 
spruch genommen: 

1. erhalten in ae-tuta „eintausend"; ein anderes Wort 
dafür stecke in mo-pTpmä ,;ein-fach", wahrscheinlich in mö = 
fj.(av; 

2. in tov'äre „doppelt", wahrscheinlich in tov-ada „Zwei- 
Ada[eine Geldsumme]-Mann ; vielleicht in ^[/?]i7-[^]M'4!fl] oder 
^o]'tätla] „zwei-tausend", femer in tave u. aa. Formen; bloss 
to' in io'pjpmä „zwie-fach", to-s^ „zwei-hundert"; eine Form 
tba- vielleicht in tbe-plö „zwie-faltig'<, Ae-so (auch tba-so] „zwei- 
mal"; endlich taia = gr. Sota; 

3. liege vor in ireia =■ Tgia (vgl. treiärö = TpiYjoTj) , in 
tre-so „drei-mal?**, tre-snne „drei-ssig", ferner in tr-pplö „drei- 
fältig**, vielleicht in ir-ppale, tr-ppalao, auch in tr-zzohe^ 
TpiTüoi?"; andrerseits in tärä^ tär» und tär-ssexle „Drei- 
seckler"; 

4. sdttärej daneben sätäiäre; 

5. kbesy, in kbes^-täia „fünf-tausend"; 

6. yba, vielleicht auch in yaöaitota „sechstausend", vgl. 
femer ybah^y yband u. a.; 

7. ist nur als Ziffer erhalten; 

8. aybda; 

9. noii in non-täia „neun-tausend"; 

10. kmmes, auch in kjpma f^ta „zehnhundert", vgl. A/^/ma- 
sade; 

30. tre-syne; 

100. in tO'Si^ „zwei-hundert", treia syta „drei-hundert", 
hpma s^a „zehnhundert"; 



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J,18_ 

lOüO. in ae-tüta „ein-tÄUsend", hbes^-tuta „fiinf-tauseiid", 
yaba\toia „sechstausend^^, noTg^-täta „neun-tausend^^ 

Es ist nicht zu leugnen, dass diese Deeckesche Zusammen- 
stellung auf den ersten Anblick sehr verlockend indogermanisch 
aussieht, es wird indes nachzuprüfen sein, ob dieser erste Ein- 
druck nun auch Stich hält Und da ist denn das Ergebnis 
ein sehr viel minder tröstliches. 

Ich will nicht davon reden, dass ein Teil des indogerma- 
nischen Scheines schon verschwindet, wenn man die einzelnen 
Formen aus der Deeckeschen Umschreibung in die von Mor. 
Schmidt überträgt. Denn ich glaube allerdings, dass Deecke 
(1. c. XIT, 124) recht hat, wenn er sagt: „Mag auch in der 
That im Lykischen, wie die griechische Umschreibung lykischer, 
die Ijkische Wiedergabe iranischer Wörter zeigt, allmählich 
eine Trübung der Vokale und eine teilweise Verschiebung der 
Konsonanten stattgefunden haben, so war diese doch keineswegs 
ursprünglich und zur Zeit der Annahme des griechischen Al- 
phabets sicherlich noch nicht durchdrungen, muss vielmehr als 
eine spätere Entartung gelten." Also, wie gesagt, die 
Deeckesche Umschreibung ist sachlich, d. h. sprachgeschichtlich 
gewiss die richtigere, obgleich sie eines gewissen subjektiven 
Beigeschmacks nicht entbehrt, indem Deecke selbst sagt, dass 
die Schmidtsche Umschreibung „ein irriges Bild der etymo- 
mologischen Gestaltung der Sprache" gebe und dass er sich 
deshalb zu ihr nicht habe entschliessen können. 

Weiter aber zeigt sich bei genauerer Untersuchung, dass 
die Lautverhältnisse gar nicht in der Weise stimmen, wie man 
auf den ersten Blick annehmen zu können glauben möchte. 
Betrachten wir zuvörderst, unter Vorbehalt der Entscheidung 
darüber, ob Deecke die Bedeutung der Zahlwörter auch wirk- 
lich sicher festgestellt habe, die Sache von dieser Seite. 

Zunächst fällt hier wieder die Polymorphie der einzelnen 
Formen auf, über die ich auch bei Deeckes etruskischen For- 
schungen schon früher (Altit. Stu. III, 120) Klage zu führen 
Anlass gehabt habe. So soll 



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119 

1 sowohl ae- als mo-^ beides in der ZusammeDsetzung, 
beissen und für letzteres als alleiDStebende Form aucb mö sieb 
finden ; so soll ferner 

2 nicbt bloss tov- (vor Vokalen) und to- (vor Konsonanten) 
beissen, was ja möglieb wäre, sondern aucb iba- und ^e- und 
in einer Ableitung sogar to/a. Ebenso soll 3 nicbt bloss treiß 
(neutr.) beissen, sondern aucb tre-^ tr- (in Zusammensetzung) 
und weiter täräj in Zusammensetzung Mr-. Das alles ist ab- 
solut unwabrscbeinlicb. Aucb bei den Doppelformen für 4 
sättära und sötäiäre^ sowie für 6 ^/ha und -ipba siebt man 
keinen recbten Grund, obgleicb sieb bier allenfalls an Scbwa- 
vokale denken Hesse. 

Nocb bedenklieber aber wird die Sacbe, wenn man nun 
die einzelnen Formen naeb ibrer Lautgestalt sieb ansiebt. Da 
kann zunächst bei „eins'' das mo- nicbt zu gr. et; geboren, 
was sein müsste, da Deecke mö = jiiav setzt (1. e. XIV, 222). 
Schon das ist an beiden Formen bedenklich, dass vorn das h 
fehlt. Es ist zwar keine Form mit anlautendem hm belegt 
(ef. das Verzeichnis bei Mor. Schmidt, Neue lyk. Stud. 31), aber 
Formen mit dem Anlaut hl und Ar finden sich (L c.], und da 
wäre doch zu erwarten, dass es aucb anlautendes hm geben 
könne. Aber mag das dabin gestellt bleiben, was soll nun das 
mo' weiter sein? In ein Kompositum kann natürlich nur der 
männlich-neutrale Stamm eintreten, wie das auch in lat. sim- 
plex, gr. otTT^oo? geschehen ist, sei es in starker Form sem-^ sei es 
in schwacher siri. Ersteres würde im Lykischen hem-pr^maj letz- 
teres hip'pj^ma gegeben haben, beides vollkommen sprechbare 
Formen, so dass es einer etwaigen Stammerweiterung zu h{e)mo' 
oder vielmehr h{e)ma' oder eines rein lautlichen Bindevokals hm-o- 
in keiner Weise bedurfte. Aber auch mS = |jL(av ist unhalt- 
bar. Nach Deeckes eigener Ansetzung (1. c. XIV, 201. 211.) 
heisst tpia auf lykiscb treia. Das giebt für [juav zunächst 
meia-, im Akkusativ also meß {meio). Dass diese Form zu mö 
werden konnte, glaube ich nicht. 

Bei der Zweizabl sollte man nach der Analogie vor ^ta- 
reiäosähä = Aapeiou (Deecke 1. c. XIII, 133.) im Anlaut i^t er- 



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120 

wznejL. Xan kOonie freilieh die Hiofong der sonantiseheii 
und k' iksODantts* hen Laute, wie ae in fUS6e- Torüteg» würde, 
Anlage ZQ dem Abwerf^^n des m gewesen sein und Toa da aus 
dann das m auch in den and»en Fonnen geschwunden sein, 
90 dass die^ laatu<:h«^n Bedenken äch allenfalls erledigen 
würden. Emstlicber aber änd die Bedenken weeen des o in 
io-ptyimd und to-smta neben dem tbe^ in Ae-pif} and ä>e^. Hier 
haben wir in ganz derselben Lantlage, je einmal ror p nnd 
TOT Ji. 6>- neben tbe-. Es ist kein Grund asichtlich, weshalb 
nkht das <^ überaD geblieben sei Dass an sich aus einer 
Grundform tre- ein to- hervorgehen k~*nney ist zuzogebeiL In 
to/tf = gr. w.i ist das Fehlen des r nicht begründet, es wäre 
Ai/a zu erwarten 'et Brugmann L e. IL 46S . 

Bei der Dreizahl änd die Formen treia, tre- und Ir- laut- 
lich in Ordnung, nicht aber idrdj welches noch dazu inde- 
kl:nabel sein soU (Deecke L c. XIV, 20 ». . 

Bei der Vierzahl erregt zunächst das tt Bedenken. Deecke 
seilst L c Xn, 318.) hebt herror, dass sonst im Lykischen 
it in t& übergehe, meint aber, dass die Zahlwörter ja auch 
sonst in allen indogermanischen Sprachen mannigfache Un- 
regelmässigkeiten zeigen- Das ist wohl zuzugeben, und die 
Afina hinp einer s<jlchen Unregelmässigkeit in einer als indo- 
germanisch feststehenden Sprache und bei einer in ihrer Be- 
deutung gesicherten Form hätte keine Bedenken, allein anders 
ist die Sache, wenn eine Sprache erst als indogarmanisch er- 
wiesen und die Bedeutung der betreffenden Form erschlossen 
werden s-.lL Und überdies ist doch auch das zu bedenken, 
dass in den allermeisten Fällen solche sogenannten Unregel- 
mässigkeiten in den anderen indogermanischen Sprachen rer- 
anlasst sind durch lautliche Einflüsse irgend eines der anderen 
Zahlwörter. Ton einem solchen Einflüsse aber sieht man in 
dem vorliegenden Falle nichts, 

Ganz ebenso liegt die Sache bei A^.v?i .,fünf^. Dies soll 
nach Deeckes Meinung (1. c XII, 325.i auf eine Grundform 
kvenykr^ zurückgehen- Trotz der angeblichen Rurallele Ton 
Ivk. khe zu gr. ro-. rs- (für te-), laL quo-^ qae- beaweifele ich 



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121 

hier die Richtigkeit des kv im Anlaut der aogesetzten Grund- 
form. Der Anlaut k^, ist für die Fünfzahl ausschliesslich 
italisch-keltisch, während die asiatischen Indogermanen den 
Anlaut p haben (cf. Brugmann, Grundriss II, 474 sq.). Aber 
selbst angenommen, dass hier die Lyker eine Assimilation des 
Anlautes an den Inlaut vorgenommen hätten, dann sieht man 
wieder keinen Grund, weshalb derselbe Anlaut in kbesi^ als kb, 
in sättäre hingegen und ebenso auch im Inlaut von kbesi^ selbst 
als s erscheine. 

Noch schlimmer liegt die Sache bei den als „sechs'' an- 
genommenen Formen x*«» resp- X^^- ^^ ^® Sechszahl er- 
geben sich drei indogermanische Grundformen, s^ehsj ^elis und 
seks (Brugmann 1. c. 476.). Mit keiner derselben lässt sich x^^ 
oder yaba vereinigen. Lyk. x* entstände nach den sonstigen 
Lautgewohnheiten dieser Sprache aus ^r, falls nicht etwa gar 
die Form yaba die ältere wäre. Aus ursprünglichem s^ könnte 
nur lyk. sb oder hb (beide Anlaute sind tiiatsächlich vorhanden) 
werden, je nachdem das Lykische in dieser Lautgruppe das s 
erhielte oder in h wandelte. Aber auch bezüglich des Aus- 
lautes ist die Sache zum mindesten unklar. Man sollte doch 
ein schliessendes -s erwarten. Deecke (1. c. XII, 126.) ist zwar 
der Ansicht, dass „alle lykischen Wörter ursprünglich vokalisch 
ausgelautet" hätten, eine Ansicht, auf die ich weiter unten 
näher eingehen werde, darauf indessen mag schon hier hin- 
gewiesen werden, dass doch die Zahl der lykischen Formen, die 
thatsächlich auf -s auslauten, eine nicht ganz kleine ist (cf. das 
Verzeichnis bei Mor. Schmidt, Neue lyk. Stud. 116 sq.), so dass 
man den Auslaut -s auch bei unserem Zahlwort erwarten 
dürfte. Allein selbst wenn Deeckes Lautgesetz als richtig an- 
genonmien würde, so würde man, wie ich glaube, doch ent- 
schieden eher anzunehmen haben, dass der schwere Auslaut 
'ks sich durch einen nachschlagenden Vokal geschützt habe, 
als dass er ganz abfiel. Die lykische Form für 6 müsste meines 
Erachtens sbas {kbas) oder allenfalls sbase {hbase) lauten, ein 
Xba (xaba) ist keine indogermanische Form. 

Bei dem a/i>Öa für „acht" überrascht die Aspiration, für 



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122 

die es nach der sonstigen Lantbehandlung an einem zureichen- 
den Grunde fehlt 

Sehr schlimm steht es wieder mit der ^^Zehn^'zahl, die 
hpmesj neutr. kip.ma lauten soll. Ich will es nicht besonders 
betonen y dass letztere Form aus kipina m^ ^^zehnhundert^' er- 
schlossen ist, einem mindestens etwas verwunderlichen Aus- 
druck, da doch Deecke selbst die Zahl 1000 in ae-täta findet. 
Aber die Laute dieses hiimes lassen sich in keiner Weise mit 
der indogermanischen Grundform yereinigen. Diese heisst 
de/tin (Brugmann 1. c. 483.). Wo ist erstens die hochtonige 
Silbe de- geblieben? Und wie konmit es zweitens, dass hier 
das A als k erscheint, während es doch ein s sein müsste, wie 
auch Deecke selbst für lyk. -s^e „-ginta^^, Grundform -dkomi-j 
-dkqit' (Brugmann 1. c. 489) und lyk. spa „-centa" (plur.), 
Grundform äkTuto- (Brugmann (1. c. 501), richtig ansetzt. Man 
braucht diese beiden Fragen nur auszusprechen, um sofort zu 
sehen, dass kmmes aus der indogermanischen Form für „zehn'' 
nicht entstanden sein kann. Das ist auch Deecke selbst nicht 
entgangen, und er macht deshalb (L c. XIY, 216.) auch einen 
Versuch, diese Abnormitäten durch die Annahme, die Ordinal- 
zahl liege zu Grunde, zu erklären, aber dieser Versuch er- 
scheint, mir wenigstens, völlig missglückt. 

und wie steht es nun weiter mit diesem eben erwähnten 
'Si^ne „-ginta" in seinem Verhältnis zu si^ „-centa*'? Woher 
kommt in der einen Form das richtige -^-, in der anderen 
aber das völlig unerklärliche -^w-? Durch dieses -^n- wird auch 
die Erklärung des syne aus dem Indogermanischen unmöglich. 

Für syta^ falls es wirklich „hundert" bedeutet, ist der 
indogermanische Ursprung wahrscheinlich, denn es ist die laut- 
gesetzlich zu erwartende Form, aber es kann Lehnwort aus dem 
Indogermanischen sein. Gustav Meyer (Alb. Stud. II. in den 
Sitzungsber. der Wiener Akad. 1884, 265.) hat eine reiche 
Sanmilung von Beispielen beigebracht, dass auch Zahlwörter 
von einem Volke auf ein anderes durch Entlehnung über- 
gegangen seien, und dass dies besonders die höheren Zahlen, 
„hundert" und „tausend" betreffe, das ist an sich natürlich und 



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123 

auch von Meyer selbst, wie es bereits von Jacob Grimm (Gesch. 
d. deutschen Spr. 1^ 266 = I*, 178.) für die finnischen Sprachen 
nachgewiesen war, besonders hervorgehoben. 

Wie stehen nun endlich die Verhältnisse von täia, angeb- 
lich „tausend"? Nach Deecke (L c. XIV, 212) soll es aus 
tuhyta = tüsyta hervorgegangen sein? Abgesehen von der starken 
Lautzusammenziehung, die durch analoge lykische Formen nicht 
gedeckt wird, wie kommt mit einem Male hier das lediglich 
germanisch-baltisch-slavische Wort für „tausend" in das weit- 
entlegene Lykische, das doch sonst keinerlei Beziehungen zu 
den europäischen Indogermanen zeigt, vielmehr, wenn Deeckes 
Erklärungen richtig wären, in nächster Beziehung zu den 
eranischen Sprachen stehen würde? Die avestische Form für 
1000 heisst aber bekanntlich hazanrem. 

So wimmelt, wie man sieht, die Deeckesche Erklärung der 
lykischen Zahlwörter aus dem Indogermanischen von lautlichen 
Inkonsequenzen und Willkürlichkeiten, so wie auch von sonstigen 
Unmöglichkeiten {täta/}. 

Weiter aber haben wir nun auch gar keinen Anhalt dafür, 
dass Deeckes Bestimmung der Zahlwörter wirklich sachlich 
richtig sei. Sie sind in derselben Weise bestimmt, wie er die 
etruskischen Zahlwörter bestimmt hat Dass in einem Teile 
jener Formen überhaupt Zahlwörter vorliegen, das scheint auch 
mir sicher, aber Reihenfolge und Wert sind lediglich nach 
ihrem Anklaug ans Indogermanische bestimmt, und aus diesem 
Anklang ist dann wieder — dies ist eben der circulus in 
demonstrando — das Indogermanentum des Lykischen er- 
schlossen. Wir haben aber gar keine Gewähr dafür, dass nun 
to(vy auch wirklich „zwei" und aybba „acht" bedeute: es kann 
auch anders sein. 

Überdies aber ist bei jener Bestimmung der Bedeutung 
mit grosser Willkür verfahren, anscheinend Zusammengehöriges 
auseinandergerissen , anscheinend Unverwandtes zusammen- 
gebracht und ähnliche Dinge. Zum Beweise hierfür wird es 
genügen, lediglich eine Reihe von Fragen aufeustellen, die sich 
dem unbefangenen Zuschauer bei Deeckes Methode aufdrängen. 



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124 

Warum ist z. B. to-priimä (und mo-piftnä) getrennt, da doch 
aus topa ein Stamm top- und aus ■Qtlqimä und mätmmä ein 
Sufifix -'qimä sich ergiebt, von dem verwandte Formen auch in 
h^mes und ki^ma vorliegen können. Warum ist in taväre das 
'äre ganz anders erklart, als in tärä und sötätäre^ da doch alle 
drei Formen mit ohazata verbunden erscheinen und überdies 
noch eine Form sättete belegt ist? Warum wird 'm t&te'.kTjumes 
das täte nicht als Zahlwort gefasst, da doch t&ta „tausend'^ 
heissen soll und in A^ma «^ das kipma gleichfalls unverbunden 
erscheint? Warum soll ar^^^a „acht" heissen, aj(ü aber „pri- 
mus"? Warum ist tre-syne getrennt, nicht tres-ynej da doch 
deutlich genug aus der Aufeählung bei Mor. Schmidt (Neue 
lyk. Stud. 96.) sich ein Suffix -'Qne abhebt? Dann aber ist 
auch treso und folgerichtig weiter auch tbeso nicht, wie Deecke 
thut, in treso und ibe-so, sondern in tres-o und Ihes-o zu zer- 
legen. Alle diese Dinge sind 'nicht geeignet, irgend welches 
Zutrauen zu erwecken, dass die Deeckeschen Bedeutungen der 
einzelnen Zahlen wirklich richtig sind, und es liegt in der That 
nur eine Wiederholung seines alten Verfahrens vor, wie er es 
bei der Entzifferung der etruskischen Inschriften befolgt hat, 
d. h. der bekannte und schon erwähnte circulus vitiosus, der 
ihm schon so vielfach (cf. oben pag. 8) vorgeworfen worden ist 

Wie ausserordentlich trügerisch aber die Aufstellung der- 
artiger Zahlreihen nach dem blossen Lautanklang ist, das zeigt 
uns gerade die Agramer Mumienbinde, fast wie zur Warnung, 
möchte man sagen. Dieselbe bietet uns folgende Formen: un. 
ÖM, trin, pebereni, pen, svec^ se^dumati, — , nunben, ieäa- 
mitn; — yim\^, Ist das nicht die schönste indogermanische 
Zahlenreihe, die man sich nur denken kann! Es lasst doch 
un = unum; Öw = duo; trin = trinum (cf. tri-ianaäa) ; pebereni 
== quaterui; pen (für pemp) = quinque; svec (für svecs) = sex; 
ÄtfäM/zi-aft' = septim-; nun-ben = nun-di-num; teäam-itn = decim-; 
Ximt) = centum nichts zu wünschen übrig, und reiht man 
dazu noch actasn, actatem = octodecim, so ist die schöne Reihe 
so vollständig wie möglich. 

Und nicht bloss in dem Lautklange dieser Formen liegt 



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125 

die Verlockung zum Indogermanismus , selbst die Eoustruk- 
tionen innerhalb der Inschrift fügen sich dem. So hätten wir 
z. B. VIII, 11. trin-ßere-nebunsl ,,trinam stataam Neptuni**, 
worauf der Text zum Überfluss sogar noch mit tme fortßhrt; 
so steht IV, 17. svec^an^cä-mek {== mene) „sex anni huius 
menses'S und auch hier folgt das weitere Zahlwort d?m; so 
haben wir X, 5, ipa^se^vmati „in uma (Deecke) septuma", und 
die vorhergehende Zeile hat auch wieder das Zahlwort pedereni. 
Das sieht doch sehr nach Indogermanismus aus, und dennoch 
ist alles nur Schein und Blendwerk. Denn die sechs ersten 
etruskischen Einer — das ist doch völlig sicher — heissen, 
mag ihre Reihenfolge nun sein, welche sie wolle, doch may^, 
zaly i)M, ÄM&, i«, ci. Oder werden wir es noch erleben, dass 
man, vne Corssen es bei den Würfeln ja wirklich that, die 
Zahlwörterqualitat dieser Formen, trotz ihres Vorkommens in 
einer Reihe von Grabschriften in Verbindung mit ca^iU „anno- 
rum", in Abrede stellt und jenen obigen indogermanischen 
Formen zu ihrem vermeintlichen Rechte verhilft? Man sollte 
es nicht glauben, aber für möglich halte ich nach allem, was 
wir sonst erlebt haben, auch das. 

Doch, ernsthaft gesprochen, die vorstdiende Zusammen- 
stellung anscheinend indogermanischer Zahlwörter aus der In- 
schrift der Mumienbinde, an denen doch eben alles Schein ist, 
zeigt, wie leicht es ist, auf solche Indizien hin das Indo- 
germanentum einer Sprache zu konstruieren. Auf gleiche 
Weise aber, wie die obigen etruskischen, sind nach meiner 
Meinung die angeblich indogermanischen Zahlwörter des Ly- 
kischen gewonnen. Dies Urteil wird auch dadurch nicht ge- 
ändert, dass die Deeckeschen Bedeutungen der Zahlwörter an- 
scheinend eine Stütze an der Bestimmung der Grösse und des 
Wertes der Bussen finden, die er (1. c. XIV, 235 sqq.) anstellt, 
denn das ist eben auch nur anscheinend. Das an sich an- 
sprechende und vielleicht richtige Ergebnis seiner Unter* 
suclmngen über den Wert der einzelnen Münzsorten bleibt 
unversehrt, auch wenn man die Reihenfolge der Zahlen ändert 
Wenn man zum Beispiel wegen des gleich zu erwähnenden 



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126 

Anklanges einzelner lykischer Zahlwörter an etruskische Ijk. to- 
als „drei", %m- als „sechs* fasste unter Zugrundelegung der 
Bedeutung, die ich Etr. Fo. u. Stu. III, 142 sq. als die wahr- 
scheinlichste für die etruskischen Zahlwörter erschlossen habe, 
so ergaben sich Bussen von 300 (?, die Bezeichnung der 
Münze fehlt in der betreffenden Inschrift) und 600 ürpmüma, 
beides Zahlen, die ebenso gut Reste der babylonischen Sechzig- 
teilung sein würden, wie nach Deeckes Ansätzen die 300 
pedänäzö und 9000 äi^müma. Eine eingehendere Untersuchung 
suchung dieser Verhältnisse kann hier natürlich nicht angestellt 
werden, aber, wie gesagt, die Deeckesche Wertbestimmung der 
einzelnen Münzen würde auch bei einem veränderten Werte 
der einzelnen Zahlwörter sich aufrecht erhalten lassen, und sie 
kann daher in Wirklichkeit als eine sachliche Bestätigung für 
die Deeckeschen Werte der Zahlwörter nicht gelten. 

Nachdem nun so das Indogermanentum der lykischen 
Zahlwörter geschwunden ist, wird man zu fragen haben, ob 
und inwieweit sich etwa Beziehungen zwischen den etruskischen 
und lykischen Zahlwörtern ergeben möchten, die einen Zu- 
sammenhang zwischen beiden Völkern, wie ich ihn als möglich 
angenommen hatte, zu stützen geeignet sein könnten. 

Solche Beziehungen scheinen mir nun aber in der That 
vorzuliegen. Deecke selbst (1. c. XIV, 202. 200.) bestimmt die 
Formen ayü als „primus", aytUata als „princeps". Dann er- 
giebt sich also ein Stamm ax- für die Einzahl, und es li^ 
nahe, damit einerseits lyk. ayßQa zu verbinden, welches sich 
dann in ay-bda zerlegte und dessen letzter Teil dann wohl 
suffixaler Natur wäre, andrerseits etr. may, welches wohl so 
ziemlich von allen Seiten als „eins'' erklärt wird, wobei das m- 
entweder Präfix sein oder aber lyk. ay- für «mx» oder rfiy- 
stehen könnte. 

Deutlicher und mit minderen Schwierigkeiten verknüpft 
sind die Beziehungen zwischen etr. bu und lyk. to- (vor Vo- 
kalen tov-) und zwischen etr. mnv' {me-) und lyk. wie?-, mö. 
Der Stamm des etr. &m lautet freilich bun- (PauU, Etr. Fo. u. 
Stu. III, 16), aber das -n- kann ja auch im Lykischen ge- 



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schwunden sein und dann aas dem -o- (-ti-) von Vokalen als 
Lautbrücke das -v- sich gebildet haben. 

Auch das ^ von tärä würde, wenn -äräy wie sich oben 
(pag. 124) zu ergeben schien, Suffix ist, des gleichen Stammes 
sein können, wenn man annehmen dürfte, dass eine Grund- 
form toäre sich einerseits mit Zwischenlaut -r- zu tovdre, andrer- 
seits mit Kontraktion zu tärä entwickelt hätte. 

Das aus Ijk. säiät-äre sich ergebende sätät- klingt in seinem 
ersten Teile an etr. äa wenigstens an, wenn sich auch natür- 
lich, solange wir über das -tat- nicht klar sehen, irgend etwas 
Sicheres nicht behaupten lässt Vielleicht aber könnte dies 
'tat' mit 'tiUa verwandt sein, und dann würde allerdings das 
lyk. sä' dem etr. äa unmittelbar entsprechen können. 

Ebenso kann lyk. kipm-es mit etr. ci verwandt sein, sofern 
ersteres für keniy letzteres für ctm stände. Den Abfall aus- 
lautender Nasalen kennt das Etruskische auch sonst, z. B. in 
dem Zahlwort bu (siehe soeben), welches völlig sicher für bun 
steht Eine aAdere Auffassung wäre die, dass, da neben etr. 
ci auch die Form dem (Fa. no. 2071) erscheint, die lykische 
Form möglicherweise dieser Ableitung dem, nicht dem ein- 
fachen d entspräche. Die lykischen Endungen -es und -a 
würden dann flexivischer Natur sein, wie ja auch im Etrus- 
kischen die sämtlichen Zahlwörter flektieren. 

Weiter einigt sich lyk, kbesj^ mit etr. cezp sehr leicht zu 
einer Grundform kvesp^, so dass dann das etruskische Wort 
wieder den schliessenden Nasalen und ausserdem das v (cf. z. B. 
muheneke (Fa. no. 2614.) und mulenike (Fa. no. 335.); nacnva 
(Fa. spl. 1, no. 436 a) und nacna (Fa. spl. I, no. 436 b) u. a.) ver- 
loren hätte, während in der lykischen Form das p zwischen s 
und dem Nasalen ausgefallen wäre, eine keineswegs kühne 
Annahme. 

Das sind, wie mir scheint, eine Anzahl sehr naher An- 
klänge beider Sprachen, die eine Verwandtschaft zwischen ihnen 
wenigstens möglich erscheinen lassen, wenngleich es mir natür- 
lich fem liegt, auf Grund dieser Anklänge nun schon die Ver- 
wandtschaft beider Sprachen behaupten zu wollen. 



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128 

Neben den Zahlwörtern wären es nun also weiter die Ver- 
wandtschafts Wörter, denen eine besondere Beweiskraft für die 
Zugehörigkeit des Lykischen zum indogermanischen Sprach- 
stamme zukommen würde. Diese aber sind im Lykischen völlig 
unindogermanisch. Schon II, 1. pag. 73 habe ich auf die 
Formen lyk. tedäeme „Sohn" und lada „Gattin" hingewiesen, 
und zu ihnen kommen nun noch folgende weitere Formen, die 
von Deecke als Verwandtschaftswörter gedeutet sind: tedare 
„filius minor** (1. c. XII, 144.); zzemaza ,,Tochter*' (1. c. XII, 
136.); öne „Kind" (1- c. XII, 334.) nebst äp^n-öne „Enkel" 
(1. c. XIV, 230.); lila „Nachkomme" nebst ukia „Nachkommen- 
schaft" (1. c. Xn, 323.); yj^na „Nachkomme" (1. c. XII, 322.); 
yfftavata „Nachkomme" nebst yßtavateia „Nachkommenschaft" 
(1. c. XII, 322.) und yi^tanohä „Nachkommenschaft" (1. c. XII, 
116.); äsädägnäva „Nachkommenschaft* (1. c. XIV, 198 sq.); 
tohäs „Gatte** (1. c. XIY, 199.); »orto „vidua(?)" (1. c. XII, 137.). 

Diese Formen sind nicht indogermanisch. Deecke macht 
ja freilich den Versuch, sie durch indogermanische Etymologieen 
zu erklären, indem er aus ihnen indogermanische Wurzeln oder 
Stamme einer-, indogermanische Suffixe andererseits zu ge- 
winnen sucht Aber das ist eine falsche Methode. Nicht da* 
durch wird die Verwandtschaft einer Sprache mit anderen nach- 
gewiesen, dass man ihre Wörter notdürftig in der genannten 
Weise aus ihnen herausetymologisiert, sondern dadurch, dass 
man nachweist, die betreffende Sprache teile die in Wurzel oder 
Stamm, Suffix und Bedeutung fertigen Wörter mit jenen. Das 
aber gelingt bei den lykischen Verwandtschaftswörtern nur 
allenfalls bei yffta-y welches anscheinend aus einem idg. §1^16- 
hervorgegangen sein könnte, bei allen anderen aber gelingt es 
durchaus nicht. 

Ich möchte z. B. wohl wissen, welches indogermanische 
Wort in lada „Gattin** stecken sollte? Oder welches in 
tedäeme „Sohn**, welches in zzemaza „Tochter**, in ioliäst 
„Gatte" ? Hier versagt alle Kunst, und es bleibt nur das Ge- 
ständnis übrig, dass auch die Verwandtschaftswörter des Ly- 
kischen nicht indogermanisch sind. 



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1 29 

Es wird hier der Ort sein, auch anf den schon oben 
(pag. 114 sq.) berührten Vorwurf Treubers, dass ich die Ungleich- 
heit der Verwandtschaftswörter im Lykischen und Etruskischen 
(cf. Ily 1. pag. 73.) zu leicht genommen hätte, einzugehen. Dass 
dieser Vorwurf begründet sei, habe ich schon oben gesagt 
Freilich habe ich schon damals an dem Beispiel des Lettischen 
im Verhältnis zum Sanskrit gezeigt, dass doch auch bei thatsäch- 
lich verwandten Sprachen, wenn eine grosse räumliche Entfernung 
sie trennt, die Verwandtschaftswörter auseinandergehen können. 
Der Hergang dabei ist wohl der, dass in der Urzeit vor der 
Trennung der Völker mehrere Synonyme für das gleiche Ver- 
wandtschaftsverhältnis vorhanden waren und dass von ihnen im 
Wege der Auslese bei dem einen Volke der eine, bei dem 
anderen der andere Ausdruck sich fixierte. An Neubildungen 
wird man wohl weniger zu denken haben. 

Die Etrusker aber sind nun in der That räumlich und, 
falls sie eines Volkes wären, auch zeitlich weit genug von den 
Lykem getrennt, um jenes Verhältnis für möglich halten zu 
dürfen. Und gesteigert würde diese Möglichkeit jedenfalls noch 
werden, wenn es sich etwa herausstellte, dass die Worte der 
einen Sprache sich nicht von dem Wortbildungstypus der 
anderen entfernten, und umgekehrt. Daraufhin die lykischen 
und etruskischen Verwandtschaftswörter zu untersuchen, scheint 
mir nicht unnütz. Nun findet sich in der That, wie in etr. 
clan „Sohn", im Lykischen der Anlaut hl (Mor. Schmidt, Neue 
lyk. Stud. 35.), wie der Auslaut -^gna (1. c. 85.), -'gne (L c. 96.) 
und -^nä (l. c. 109,), die nach der lykischen Lautbehandlung 
dem -an entsprechen könnten. Als Grundform des etr. ^e^ 
würde man wegen des Genetives ^eji-ä (Fa. no. 1891.) ein saci 
(oder sagi) und, wenn die Form ^ec (Fa. no. 724 bis a) richtig 
gelesen, wie mir scheint, und auch richtig eingehauen ist, ein 
svcLci {svagi) anzusetzen haben. Dem sv- würde lyk. sb- oder 
hb'j je nachdem s bliebe oder zu h würde (cf. oben pag. 121) 
entsprechen, und beide Anlaute finden sich thatsächÜch (Mor. 
Schmidt 1. c. 30. 58 sq.). Ein Auslaut -ake oder -ayie hingegen 
findet sich im Lykischen nicht. Das ist eine sehr beachtens- 

Pauli, Inschrift von Lemnos U. O 



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130 

werte Thatsache, die ein Streiflicht wirft auf das etr. -cc in 
Verbalfonnen, für welches sich lyk. -tä {-ta), -te, -tö (-tä) (oben 
pag. 136 sqq.) fand. Sollten die lykischen Gutturalen etwa vor 
weichen Vokalen {-ka und -x« findet sich, cf. Mor. Schmidt 
1. c. 81. 87.) durch palatale Aussprache hindurch zu Dentalen 
geworden sein? Unter dieser Voraussetzung wurde dem etr. 
-aci der lyk. Auslaut -ate oder -äte, beides sehr häufig (Mor. 
Schmidt 1. c. 98. 100.), entsprechen, dem etr. -oyi aber ein lyk. 
-ade oder -äde, beides gleichfalls sehr häufig (1. c. 87 sq. 89 sq.). 
Was etT.ptiia „G^attin" betrifft, so findet sich sowohl lykischer 
Anlaut po" (Mor. Schmidt 1. c. 55.), wie lykischer Auslaut -ia 
(1. c. 82 sq.). Wie man sieht, haben also die drei etruskischen 
Verwandtschaftswörter nichts an sich, was dem Typus der ly- 
kischen Wortbildung widerspräche. 

Aber auch umgekehrt ist in lyk. tedäeme „Sohn" und lyk. 
lada „Gattin" nichts, was etruskischer Wortbildung widerspräche. 
Ein etr. UAa und etr. tibeimi wäre durchaus möglich, und auch 
lyk. tedärcj zzemaze, öne, iila, "fjinay xpto, tohas^ falls ihre Be- 
deutung richtig erschlossen ist (cf. oben pag. 128) Hessen sich 
leicht in etr. iibari, zimazi, uni, evla, yana^ YP^y tuäas um- 
setzen. Formen von durchaus etruskischem Klang, wobei sogar 
noch zu beachten, dass lyk. toJms „Gatte" zu bedeuten scheint, 
während etr. tuäurbir gleichfalls „conjuges" bedeutet (Deecke in 
Müller, Etr. 11^, 510). Damit wäre dann eine nicht bloss 
formelle, sondern auch materielle Verwandtschaft beider Sprachen 
bei den Verwandtschaftsbezeichnungen gegeben, und es läge 
dann nahe, wenigstens zu fragen, ob nicht vielleicht auch lyk. 
lada mit etr. larb, welches „Herr" bedeuten soll (Müller, Etr. 
IP, 377.), sich vereinigen Hesse, so dass lada ^ lar\Hii die 
„Herrin" (des Hauses) wäre. AusfaU des r zeigt ja der Name 
Äzrö auch im Etruskischen nicht selten (Deecke, Etr. Fo. III, 
190. 206.). Und wie wäre es, wenn lyk. xv-'"^ ^^^ ^ verloren 
hätte und für ylgna stände, wie einmal (Ga. no. 513.) auch 
etr. claii als can erscheint, so dass auch diese beiden Wörter 
verwandt wären? Und weiter! Etr. Uaän heisst „familia", 
etr. laiitni „familiaris". Das würde der Bedeutung nach dem 



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131 

lji.pr^näze „ofxeTo^" (Deecke 1. c. XTI, 315.) genau entsprechen, 
aber auch die formelle lykische Entsprechung scheint mir vor- 
handen zu sein. Die Grundform des etruskischen Wortes ist 
*lavitun. Das ergiebt sich einerseits aus dem Genetiv Umtanü 
(Fa. no. 348.) und andrerseits aus den Schreibungen Uwtni^ 
lavtnit:, lavtnita, lav^B: (Fa. no. 794 bis, 2629, 559; Fa. no. 
171; spl. I, no. 251 bis h; Fa. no. 170.). Wenn im Etrus- 
kischen av und ev mit au und eu wechseln, so sind jene stets 
die ursprünglichen Laute, aus denen diese erst hervorg^angen 
sind. So haben wir z. B. avle und aule^ Grundform aväe: 
ravnhi oder rcnmbuy Grundform *ravenbu; lavcinal und lau- 
cincU, Grundform *lavice; plavti und pkmti, Grundform *plc^ 
vüe; utave und vtaunei, Grundform ^vhicme; cnevna und cneuna, 
Grundform *cnevma; sceva und sceuasa, Grundform *sceva u. s. w. 
Wie man sieht, ist der Hergang meist der, dass vor anderen 
Konsonanten ein Zwischenvokal, meist 2, schwindet und dann 
av und ev in au und eu sich umsetzt In derselben Weise 
ergiebt sich also auch für lautn die Grundform ^lavitun. Nun 
aber findet sich in der Inschrift Limyra 9. eine Form lave- 
täno. Das Wort ist weder von Savelsberg (Beitr. n, 65 sq.), 
noch, so weit ich sehe, von Deecke erklärt. Nach der Er- 
klärung von Savelsberg (L c.) heisst der vorhergehende Satz: 
„Legen sie hinein etwa einen Verwandten von ihnen, diese:" 
und dann folgt eine anscheinende Aufzahlung, deren erstes 
Glied eben jenes laveiäno ist Es liegt ausserordentlich nahe, 
diese Form durch „familiärem" zu übersetzen, so dass etwa ein 
in dieser oder jener Einsicht sachlich etwas abweichendes 
Synonymum von prQnäze vorläge. Dass beide Formen, etr. 
lavin und lyk. lavetänoy sich lautlich so sehr ähnlich geblieben 
sind, würde sich daraus erklären, dass ^ t und n in fast allen 
Sprachen zu den konstantesten Lauten gehören. 

So scheint es also bei näherer Betrachtung doch, als ob 
materielle Verwandtschaft zwischen einzelnen etruskischen und 
lykischen Verwandtschaftswörtem wenigstens möglich sei, wäh- 
rend mir solche zwischen den lykischen und indogermanischen 
vollkommen ausgeschlossen erscheint 



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132 

Ebensowenig, wie bei Zahl- und Verwandtschaftswortern, 
zeigt sieb auf dem Grebiete der grammatischen Formenbildung 
indogermanischer Charakter des Lykischen. 

Bei der Deklination setzt Deecke vier Gruppen von 
Stammen an: auf -a, -ä^ -e, -Oy bei denen er Maskulina, Fe- 
minina und Neutra unterscheidet (1. c. XII, 126). Die Stämme 
auf -a könnten den indogermanischen auf -Oy fem. -a, die auf 
-e den idg. auf -iy die auf -o den idg. auf -u entsprechen, aber 
was sind die auf -<2? Sie für eine rein lautliche Variante derer 
auf -a zu halten, verbietet doch der Umstand, dass die 
Stänune auf -a und auf -ä im grossen und ganzen reinlich 
von einander geschieden sind. Dass bei der etwas schwanken- 
den Orthographie des Lykischen hier und da einmal die 
Stanmie sich vermengen, ändert an der Sache nichts. Man 
konnte denken, dass in ihnen Stämme auf -ie vorlägen, aber 
auch das hat Schwierigkeiten. Lyk. ä ist eine Variante von a, 
nicht von e (cf. Deecke 1. c. XII, 126.), und so sieht man nicht, 
wie ie hätte' zu ä werden sollen. Oder aber endlich, sind es 
io-Stämme? Das wäre ja an sich möglich, denn lyk. ia könnte 
zu ä werden; da aber gr. T(>tT]p7] als lyk. treiärä (Deecke 1. c. 
XII, 328.) erscheint, so ist es wahrscheinlicher, dass ein idg. 
io zu lyk. eiäj als zu ä geworden seL Wie man sieht, macht 
es grosse Schwierigkeit, diese Stänmie auf -ä aus dem Indo- 
germanischen zu erklären. 

Der Nominativ aller dieser Stämme in allen angeblichen 
drei Geschlechtem hat keine Endung, und sie alle lauten auf 
den betreffenden Vokal aus. Deecke (1. c. XII, 154.) lehrt 
zwar: „Das -s des männl. und weibl. Nominativs ist, wie die 
angeführten Wörter zeigen, im Lykischen überall geschwunden; 
ebenso das m des Neutrums." Das aber zeigen die angeführten 
Wörter gar nicht; das, was sie wirklich zeigen, ist die völlige 
Gleichheit des Nominativs mit den nackten Stämmen und 
keinerlei Unterschied in den angeblichen Geschlechtem. Das 
übrige ist lediglich Deeckes Ansicht von der Sache, die aber 
an den nächstverwandten Sprachen keinen Anhalt findet Die 
alteranischen Sprachen entbehren zwar das -s bei den «-Stänunen, 



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133 

nicht aber bei den i- und t<-Stammen und ebenso wenig das 
neutrale -m. 

Der Genetiv Sing, lautet auf -h und -hä aus, und zwar 
ohne irgend änen Unterschied der Stamme und der Gesohlechter 
(Deecke L c. XU, 126.). Das wäre ein Unikum unter den 
indogermanischen Sprachen, denn das -«/o, aus dem -M, -A 
entstanden sein soll (L c. XTT, 153.), ist eine nur aus der Pro- 
nominaldeklination eingedrungene Besonderheit der e?-Stamme 
(cf. Brugmann, Grundriss II, 568.), und es ist mir nicht glaub- 
lich, dass diese Besonderheit die gesamte Deklination ergriffen 
haben sollte, zumal doch die alteranischen Sprachen wieder die 
Scheidung zwischen den (^-Stammen einer-, den d-, i- und u- 
Stämmen andrerseite aufs reinlichste aufrecht erhalten. Die 
vorliegende Thatsache ist auch hier wieder lediglich die, dass 
der Genetiv bei allen Stammen und angeblichen Gesohleohtem 
gleich gebildet ist. 

Der Akkusativ der a-Stamme lautet auf -ü [-6) aus, bei 
den weiblichen auch auf -a (Deecke 1. c. XII, 154.). Dies -ü 
{'S) soll durch die Beihe -ün (-<5^), -wm (-cwn) aus -am ent- 
standen sein, das -a beim Femininum aber wegen der urspräng- 
lichen Länge des a erhalten sein. Da aber Ijkische Formen 
mit dem Auslaut -^ wirklich vorhanden smd (of. Mor. Schmidt, 
Neue lyk. Stud. 121.), so sieht man keinen rechten Grund für 
den angenommenen Abfall des m. Einen Best dieses m will 
Deecke (1. c. XIII, 184; cf. auch 137.) in der Präposition ^- 
und in trqimesy, finden, aber wer will beweisen, dass in ihnen 
ein Akkusativ enthalten sei? 

Auch dativisch fungierende Formen finden sich belegt.. 
Aus den Bilinguen sind es diese: Me ähbe „corpori suo^', lade 
ähbe „uxori suae", tedäeme pSbeäldiä „filio Pybialo" (Limyra 
no. 19.); lade ähbe „uxori suae" (Antiphellos no. 3.). Der Dativ 
endigt also auf -e und zwar sowohl bei den ihrem natürlichen 
Geschlechte nach männlichen, wie weiblichen Wörtern. Daneben 
erscheint in pSbeäläiä ein -ä, ohne Zweifel nur eine ortho- 
graphische Variante des -e. Zwar wollen Savelsberg (Beitr. I, 
28.) und Deecke (1. c. XII, 136.) hier und in einigen anderen 



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134 

Formen einen Dativ auf -äiä {-aiä) annehmen, aber mit Unrecht, 
denn das erste ä (a) ist Stammauslaut und die Endung lediglich 
-äj das i zwischen ihnen aber der bekannte hiatushindemde Ein- 
schub des Lykischen. Und wenn nun gar Deecke die Regel 
aufstellt, der Dativ der Feminina endige auf -Cj der der Masku- 
lina auf -aiä, welches man den skr. -aja gleichsetzt, so ist diese 
Regel angesichts des Dativs iedäeme einfach ügdsch. Damit 
schwindet wieder ein Stuck indogermanischen Scheines und 
gleichzeitig auch der angebUche Unterschied der Geschlechter. 

An sonstigen Kasus des Singular findet Deecke (1. c. XTT, 
136.) noch Lokative auf -s und -de. 

Der Genetiv PluraUs endigt nach Deecke (1. c. XII, 321.) 
auf 'he, und dieses -he findet sich ohne Unterschied an den 
verschiedenen Stammen auf -a, -df und -e und ebenso bei den 
angeblichen Maskulinen, Femininen und Neutren, also genau 
wie das -A (rhä) des Singularis. Dies ist auch hier wieder der 
Thatbestand. Deecke (1. c. Xn, 340.) deutet dies -he als dem 
skr. -sam entsprechend, „eigentlich Pronominalendung, aber in 
verschiedenen indogermanischen Sprachen mannigfach auf die 
Nomina übertragen.^' Das ist richtig, aber nirgend auf alle 
Nomina und in den nächstverwandten eranischen Sprachen 
überhaupt nicht. 

Deecke (1. c. XII, 320.) setzt auch einen Nominat Plura- 
lis der a-Stamme auf -aha = skr. -^o«, baktr. -ärihä, altpers. 
'äha an, allein dieser Ansatz stützt sich, soweit ich sehe, allein 
auf die Form ^iipiaha (St Xanth. 0, 58.). Es würde doch 
meines Erachtens zu untersuchen sein, ob das yj^ndka nicht 
fOr yynahä stehen und als Genetiv Singularis aufgefasst werden 
könnte. Bis nach Entscheidung dieser Yor&age wird man 
die Existenz der Endung beanstanden müssen. 

Ähnlich liegt die Annahme eines Dativ Pluralis auf -be = 
gr. -cpi, skr. 'bhi(s)j den Deecke (1. c. XTV, 214.) in den beiden 
Formen ißähe und trzzobe erblickt Die Liste der Formen auf 
"be ist nicht so gar kurz (Mor. Schmidt, Neue lyk. Stud. 87.), 
und es würde zuvörderst doch zu untersuchen sein, ob sich 
nicht jene Formen alle einheitlich erklären liessen. Bis dahin 



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135 

wird man einen Dativ Piuralis auf -be beanstanden dürfen, 
umsomehr, als die Bilinguen uns die sicheren Dative lada 
fildtiihn .jUxoribus siiis", t£d/temd jjfiliis" (Lewisür no, 2)^ te- 
Mimtä fihUifi ,,filüs suB** (Aütlphelloa no. 3.) bieten, also mit 
einer Endung -ä (-d)^ die mit dem Singulardativ auf -e {-ti) 
Vürmindt scheint, wie der Pluralgenetiv auf -he dem singularen 
auf -hä und -A verwandt erscheint. 

Ein Akkusativ Piuralis? fiuiiet äich mit der Endung -.% 
2. B* in tedäemes (Me[s] „fiHos suos** (cf, Savelsbergj Beitr, li, 
16.), Hierin soll die indogerniaiiische Endung -m euthalt^u 
sein. Aber es wurde sich sefort die Frage uufilrangenj ob 
man nach dem Austal I des n nicht Ertsatzdehnung zu er^'arten 
hätte, und dadurch wird auch diese Erklärung aus dem Indo- 
germanischen mindestens unsicher* 

8o sieht man alyü, dass der Tbatbesitaud der lykischen 
Deklination gar keinen Anhalt für indogermanische B^onueu 
bietet^ und ilass aUer Indogermanismus in dieselben nur hinein- 
getragen ist. 

Es wird lehrreich ^ein^ jenen Thatbestand nun auch ein- 
mal vum Standpunkte des Etruskischen aus zu prüfen, und da 
ergiebt sich nun folgendes. Das Ljkische {oben pag, 132)^ wie 
das Etruskisühe (Pauli, Etr, Fo, u, Stu. HI, U8sqq.) haben 
keiue formell verschiedenen Geschlechter. Das gilt auch für 
die Pronomina, sowohl im Lykischen (Deecke l. c. XEl, 142,)^ 
wie im Etruskischen (Pauli L c, 116.), Der lykische Nomi- 
nativ hat keiue Flexionsendung, ebenso wenig der etruskische 
(Hchaefer in Puuh, Altit Fo. 11, 70 sq.). Der etruskische 
Genetiv endigt u. a. auf *m (-.v) uud -sa, der lykische auf -h 
und 'M. Weim, was auch mir nicht unwahrscheinlich ist^ im 
Lykischen intervokaüsches* .<* zu h wird, w entspricht das lyk. 
-h dem etr, -.^(a], das lyk, -hti (lyk, tf entsteht aus «) dem 
etr. 'sa. Auch der pluralia^be Genetiv des Etruskischen endigt 
auf -40? wi^ Jj^s avih( ,^aunorunr* boweistj und ebeusu eudigt 
der lykische Genetiv Piuralis auf -Af , dem singiilariiichen auf 
-// entsprechend. In beiden Sprachen faUen die Numeri zu- 
sammen j denn lyk. -he imd -h sind nur Nebenformen , wie 



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136 

etr. 'ä und -ä, die man vielleicht später, eben um die Numeri 
auseinander zu halten, differenzierte. 

Der Ijkische Lokativ hat u. a. die Endung -de (oben pag. 
134.), der etruskische endigt u. a. auf -&2. Beide Endungen 
decken sich vollständig, wobei inbezug auf Ijk. d=^etr.b das 
zu beachten ist, was sich bereits früher (11, 1. pag. 48. und 
75.) aus den Ortsnamen ergeben hatte. Man wird nicht leugnen 
können, dass hier die ganz ungesuchte und nicht erst hinein- 
getragene Übereinstimmung viel grösser ist, als zwischen Ly- 
kisch und Indogermanisch. 

Nicht tröstlicher, als bei der Deklination, liegt die Sache 
bei der Konjugation. Deecke (1. c. XTTT, 282 sqq.) bringt zwar 
eme umfangreiche Zusammenstellung von YerbsJformen, nach 
indogermanischem Schema in Genera, Tempora, Modi und Per- 
sonen gegliedert, samt den daraus abgeleiteten Regeln über die 
Bildung der einzelnen Formen. Diese Liste sieht sehr hübscl^ 
indogermanisch aus, allein sieht man sie sich nun im einzelnen 
darauf an, >vas denn nun eigentlich wirklich von alle dem fest- 
stehe, so bleibt ausserordentlich wenig übrig. Thatsächlich 
fest steht nur folgendes: 1. in 3 Bilinguen ist gr. ^iroii^aato, 
resp. spYttoato und iqpyaaaTo durch lyk. prynavatö wieder- 
gegeben (Deecke 1. c. XIII, 258.), letzteres also sicher eine 
verbal fungierende Form; 2. in einer Bilinguis ist gr. sp^d- 
oavTo durch lyk. pr^riavütS wiedergegeben (Deecke 1. c. XIII, 
262.), auch dies ist also eine verbal fungierende Form; 3. es 
finden sich auch die anscheinend verbal fungierenden Formen 
pryjiavatä (11 mal), prynavata (Imal) und jyrg.navaie (3 mal) 
(Deecke L c. XTTT, 263 sq.); 4. in einer Bilinguis ist gr. dSi- 
x7]o^ durch lyk. äsäpetade wiederg^eben , beide Formen ent- 
sprechen sich aber nicht wörtiich (Deecke 1. c. XTTT, 285.); 
5. eine verbale Form ist anscheinend auch lyk. tobäete in der 
Bilinguis von Lewisü, entspricht aber dem gr. dEcoXea xal 
iravcuXea eir^ nur ganz allgemein, sofern beide eine Stra£Ein- 
drohung enthalten (Deecke 1. c. XIII, 277.); 6. ebenso ist an- 
scheinend eine Verbalform das iiassto der Bilinguis von Anti- 
phellüs, dem in dem griechischen Texte das e7tt-p(tj;[8i?] seiner 



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137 

allgemeineQ Bedeutung nach entsprechen wird (Deecke 1. c. 
Xni, 280.). 

Dies sind die Thatsaohen. Es ist^ wie man sieht, äusserst 
wenig. Sicher stehen ihrer Bedeutung nach eigentlich nur 
die Formen vom Stanmie pr^nav-j lediglich ihrer yerbalen 
Funktion nach auch die Formen äsäpetadej tobäete und viel- 
leicht ^assto. Man kann Deecke das Zeugnis nicht versagen, 
dass er auf dieser geringen Orundlage sein System mit grossem 
Geschick aufgebaut hat, aber das Ergebnis ist dennoch 
nichtig, weil auch hier wieder der bekannte Zirkelschluss 
vorliegt Die g^ebenen Formen werden zuerst aus dem Indo- 
germanischen heraus erklart und dann wieder rückwärts ge- 
schlossen, dass das Lykische eine indogermanische Sprache sei. 
Bei dieser Sachlage wäre daher ein Eingehen auf Einzelheiten 
seiner Deutung nicht einmal nötig, aber trotzdem will ich auf 
einige besonders schwache Punkte doch wenigstens hinweisen. 
Da ist zunächst die Scheidung der Formen prynavatS als 
Imperfekt und prgnavatä als Präsens kaum aufrecht zu 'er- 
halten. Neben diesen beiden Formen erscheinen ja auch 
pr^Tuwata, 4a und -fe. Deecke selbst (1. c. XII, 126.) giebt 
die teilweise grossen Zahlen dafür an, dass d mit a, mit e, 
mit Sj letzteres wieder bisweilen mit o in der Schreibung 
wechsele. Das wird auch hier der Fall sein, und alle jene 
verschiedenen Formen sind ein und dieselbe. Deecke (1. c 
XTTT, 261.) bemüht sich zwar, für die Form prQnavatö die 
Existenz eines Augments nachzuweisen, welches die Form 
prymwatä nicht habe (1. c. XTTI, 263.), allein, was er vor- 
bringt, ist, so scharfsinnig es auch sei, nicht zwingend. In 
pr^navütö einen Plural zu sehen, giebt der griechische Text 
an die Hand, aber hier ^ aus ra zu erklären, scheint mir an- 
gesichts der nicht wenigen Formen auf -^ -^täy -yte (cf. die 
Verzeichnisse bei Mor. Schmidt, Neue lyk. Studien 86. 111. 100.) 
nicht erlaubt, obwohl gerade ein -yiö nicht belegt ist Dass 
äsdpetade ein Konjunktiv sei, ist möglich, aber es fehlt jeder 
Grund dafür, dass hier / zu ^ geworden sein sollte. In ^£^ssto 
einen Imperativ zu sehen, scheint mir nach dem griechischen 



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138 

Texte bedenklich, ol^leich ja zuzugeben ist, dass oft beide Texte 
sich nicht wörtlich entsprechen. So schwindet, wie man sieht, 
der indogermanische Schein bei näherer Betrachtang des That- 
sachlichen fast völlig, und die Memung Deeckes (1. c. XII, 134.): 
„Diese Verbalformen {jn-^naoatS, prynnctcüiöy prynavaie] stellen 
allein schon den indc^rmamschen Charakter des Lykischen 
fest^, ist eine sehr sanguinische. Denn es ist doch ungefähr 
nur das t allein, worauf sich das stützen könnte. Dann aber 
könnte man auch mit demselben Rechte behaupten, dass z. 6. 
die arabischen Formen qaUdat (3. Sing.) und gataüum (2. Dual.) 
allein schon den indogermanischen Charakter des Arabischen 
feststellten. 

Betrachten wir der Vollständigkeit halber nun auch das 
thatsächliche Matehal des lykischen Verbums wieder auf seine 
etwaigen Beziehungen zum Etruskischen, so ergiebt sich, dass 
genau, wie oben (pag* 136) der Lokativ lyk. -de dem etr. -fti 
zu entsprechen schien, so auch hier lyk. -de in dsdpetade etrus- 
kisdie Verbalformen in -bi neben sich hat (cf. Pauli, Etr. Fo. 
u. Stu. III, 70 sqq.), wobei zu beachten sein dürfte, was ich 
L c. über den Zusammenhang beider Formen, der Verbalformen 
und des Lokativs, gesagt habe. Das Präteritum, welches ini 
Lykischen die Endung -46 zeigt, hat im Etruskischen den Aus- 
gang -ce. Es würde die Möglichkeit geprüft werden müssen, 
ob nicht etwa beide Formen aus einer gemeinsamen Grund- 
form hervorgegangen sein könnten, etwa aus -ka. Darauf hin 
lässt sich natürlich eine Verwandtschaft beider Sprachen noch 
nicht behaupten, aber die Möglichkeit hegt vor. 

Auch von Seiten der Lautlehre her erheischt noch ein 
Punkt besondere Betrachtung. Deecke (1. c. XII, 126.) stellt 
den vielleicht richtigen Satz auf: „Alle lykischen Wörter 
scheinen ursprüngüch vokalisch ausgelautet zu haben.^ Es 
giebt zwar eine Anzahl lykischer Wortformen, die that- 
sächlich auf einen Konsonanten ausgehen, aber, wenn Deecke 
meint, dass diese einen schliessenden Konsonanten verloren 
hätten, so scheint das nach dem ganzen Charakter des Ly- 
kischen auch mir möglich. Allein alsdann würde schon 



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139 

diese eine Thatsache meines Eracbtens den nichtindoger- 
manischen Charakter des Lykischen erweisen. Ein derartiges 
Anslantsgesetz ist dem Indogermanischen vollkommen unbe- 
kannt. Die indogermanische Grundsprache als solche kennt 
es nicht Nun könnte man ja freiUch meinen, dass sich wäh- 
rend der Entwickelung der Emzelsprache ein solcher vokaUscher 
Auslaut herausgebildet habe, etwa wie im Italienischen, wo das 
wenigstens im grossen und ganzen der Fall ist und wo wir 
auch den Weg erkennen, auf dem das gekommen ist, nämlich 
durch Abfall schliessender Eousonanten. Allein auch dieser 
Annahme stehen far das Lykische doch gewichtige Oründe 
entgegen. Man sollte doch glauben, dass sich in bestimmten 
Lautlagen, etwa wie z. B. im Baktrischen das -as statt -^ in 
bestimmter Lage sich erhält oder wie in ital. ed vor Vokalen, 
in frz. parlori-ü der Konsonant bewahrt ist, auch im Lykischen 
Spuren solcher Konsonanten erhalten hätten, aber es scheint 
mir, als ob sie völlig fehlten. Das macht die Annahme miss- 
licL Wenn also das Gesetz richtig ist, so ist das Lykische 
nicht indogermanisch. 

Es fragt sich nun aber, ob nicht dieselben Gegengründe, 
die aus dem vokalischen Auslaut der lykischen Wörter gegen 
eine Verwandtschaft mit dem Indogermanischen hervorgehen, 
auch g^n eine Verwandtschaft mit dem Etruskischen sprechen 
würden. Auch dort finden wir eine grosse Anzahl von Wörtern, 
die auf einen Konsonanten, ja sogar auf mehrere Konsonanten 
ausgehen (cf. das Verzeichnis der auslautenden Konsonanten- 
gruppen von Deecke in Müller, Etr. 11^ 391 sqq.). Aber bei 
einem Teile dieser Formen sind wir vollkommen sicher, dass 
sie einen auslautenden Vokal verloren haben. So habe ich 
selbst (Etr. Fo. u. Stu. IIL) nachgewiesen, dass die Genetive auf 
-al und -rf (1. c. 84. und 47.) ursprünglich auf -alt und -äi 
enden, so hatte schon Deecke -z mit -zi (1. c. 504), -& mit -&t 
(1. c. 506), -r mit -va (1. c. 507) identifiziert, und ebenso geht 
auch -c „und^^ auf -ce zurück. Damit ist eine gewisse Neigung 
des Etruskischen, die Endvokale abzuwerfen, jedenfalls fest- 
gestellt, und da uns für das Etruskische, bis jetzt wenigstens,. 



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140 _ 

der Nachweis fehlt, dass es , wie im Indogermanischen , auch 
ursprünglich auslautende Konsonanten gegeben habe, so wird 
sich inmierhin wenigstens die Möglichkeit offen halten lassen, 
dass alle konsonantisch auslautenden Formen am Schlüsse 
einen Vokal verloren hatten. Es ist also auch von dieser Seite 
her die Verwandtschaft des Lykischen mit dem Etruskischen 
wenigstens eher möglich, als mit dem Indogermanischen. 

Wenn hier, wie auch vorher schon bei den Zahl- und 
Verwandtschaftswörtem, auf mögliche Beziehungen des Etrus- 
kischen mit dem Lykischen hingewiesen ist, so bin ich natur- 
lich selber weit entfernt, darin nun schon wirkliche Beweise 
für eine Verwandtschaft beider Sprachen sehen zu wollen. 
Allein vielleicht sind es doch die Anfange des Fadens, dem 
man nachgehen könnte und der doch vielleicht schliessUch aus 
dem Labyrinth der Etrusker&age hinausführen könnte, sofern 
es gelange, die Etrusker samt den Pelasgem als Verwandte der 
Lyder, Lyker und E!arer zu erweisen und die Ansichten der 
Alten über diesen Gegenstand zu rechtfertigen. 

Demnächst wende ich die weitere Untersuchung jetzt den 
Karem zu. Über ihre Sprache ist nach dem, was ich II, 1. 
pag. 62 sqq. behandelt habe, nichts Neues mehr hinzuzufügen. 
Die Verwandtschaft des Karischen mit dem Lykischen halte 
ich auch jetzt noch, im Einverstandnisse mit Deecke (z. B. 
Bezz. Beitr. XII, 829.) und Georg Meyer (ibid. X, 200.) auf- 
recht Treuber (Gesch. der Lykier 39 sqq.) hingegen scheint 
diese Verwandtschaft zu bezweifeln, obwohl er (L c. 41.) zu- 
giebt, dass manches auf eine gewisse ethnische Gemeinsamkeit 
zwischen Karlen und Lykien hinweise. 

Ninunt man nun aber diese Verwandtschaft als vorhanden 
an, so entsteht bezüglich der Karer nun insofern eine eigen- 
tümliche Schwierigkeit, als als Bewohner Kariens in alter Zeit 
Leleger und Karer genannt werden. Nun aber hat Hesselmeyer 
(Pelasgerfrage 18.) die Leleger als mit den Pelasgem „dem 
Wesen nach eins und bloss dem Namen nach verschieden^^ in 
Anspruch genommen, und ich selbst habe diese Ansicht als der 
Prüfung wert bezeichnet (Neue philol. Rundschau 1892, 251.), 



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141 

während ich andrerseits (II, 1. pag. 67.) die Earier doch für 
Pelasger erklärt habe. Beide sind aber zweifellos zwei yer- 
schiedene Völker, denn der karische Historiker Fhilippus von 
Suangda nennt die Leleger als Leibeigene der Karer, „wie 
schon vor Alters" (Hesselmeyer 1. c). 

Allein diese anscheinende Schwierigkeit lässt sich, wie ich 
glaube, erklären und heben. Es giebt sogar zwei Wege, auf 
denen dies möglich ist Entweder nämlich sind Leleger und 
Earier zwei zeitlich verschiedene, aber ethnographisch zusammen- 
gehörende Stämme unseres vorderasiatischen pelasgischen ür- 
volkes, von denen die Leleger zuerst in das Land einrückten 
und es kultivierten. Als dann die Earer, die ohne Zweifel 
noch minder kultiviert und deshalb kriegstüchtiger waren, in 
das Land einrückten, unterwarfen sie sich die sesshaften Le- 
leger, machten sie zu Sklaven und Hessen sie nach wie vor 
das Land bauen, jetzt aber natürlich als Besitz der Eroberer. 
In diesem Falle hätten wir also die geschichtliche Parallele zu 
dem Verhältnis der Spartiaten und Heloten. Auch hier zwei 
Stämme ein und desselben Volkes, die kultivierteren Achäer 
von den kriegerischen Dorem unterworfen und zu Sklaven 
gemacht, um far sie das Land zu bauen. 

Die andere Möglichkeit der Erklärung aber ist die, dass 
nur die Leleger pelasgischen Stammes waren, die Karer aber 
nicht, wobei für letztere dann, wie dies schon Movers, Deme- 
ling und Kiepert angenommen haben, kaum etwas anderes 
übrig bleibt, als dass sie Semiten gewesen sein. In diesem 
Falle würde dann die Frage offen bleiben, wie es mit der spä- 
teren Sprache der Karer gewesen sei, ob sie, was ja in der 
Geschichte gleichfalls seine zahhreichen Parsdlelen hat, die 
Sprache des höher kultivierten unterworfenen Volkes ange- 
nommen oder ihre eigene bewahrt hätten. Die der semitischen 
Basse eigene Zähigkeit würde das letztere vermuten lassen, aber 
mit einer blossen Vermutung wäre es hier doch wohl nicht ab- 
gethan, man würde doch die Sprachreste zu befragen haben. 
Und wenn auch Kiepert (Lehrbuch der alten Geogr.^ 119, 
not 6.) recht hat, dass sich diese Frage „mit Hilfe der allzu- 



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142 

wenigen, von den griechischen Orammatikem aufbewahrten 
Glossen nicht entscheiden'^ lasse, so muss ich doch dabei be- 
harren, dass die Sache durch die von mir 11, 1. pag. 62. an- 
gestellte Untersuchung der karischen Eigennamen zu Gunsten 
der ersteren Möglichkeit entschieden sei, wie denn auch Kiepert 
selbst der Ansicht ist, dass „für ein nichtsemitisches Element 
im Earischen die vielen aus ihrer Geschichte überlieferten 
Personennamen sprechen." 

So lässt sich also, wie man sieht, die Ansicht Hesselmeyers, 
dass Leleger und Pelasger nur zwei verschiedene Bezeichnungen 
ein und desselben Volkes seien, mit meinen Ergebnissen, dass 
die Sprache, die uns als karisch vorliegt, eine den Lykischen 
eng verwandte, d. h. nach meiner Ansicht pelasgische sei, sehr 
wohl vereinigen. Ja, diese Ansicht hat noch einen ganz be- 
sonderen Vorteil, insofern sie den Hinweis Treubers (cf. oben 
pag. 114.), dass man früher in den Ortsnamen auf -nd- und 
's[s) ein Kriterium lel^cher Bevölkerung habe sehen wollen, 
während ich darin ein solches für pelasgische gesehen hatte, 
vollständig entkräftet. Beides ist dann eben sachlich ein und 



Es würde nun noch die Betrachtung des Lydischen übrig 
bleiben, allein für dieses ist weder neues Material , noch sind 
neue Gesichtspunkte seit dem Erscheinen meines ersten Heftes 
hervorgetreten, so dass es bei dem, was dort gesagt worden 
ist, einstweilen sein Bewenden haben kann. 

Es scheint mir somit, als ob meine Annahme, dass Lyker, 
Karer und Lyder weder Semiten, noch Indogermanen seien, von 
Seiten der Sprache in keiner Weise erschüttert sei. 

Aber es ist gegen diese Annahme auch noch von einer 
anderen Seite her ein Einwand erhoben worden, sofern Hessel- 
meyer (Felasgerfrage 90.) die Behauptung aufstellt, „dass sich 
in Kleinasien ausser Indogermanen und Semiten kein drittes 
Volk als TJrvolk nachweisen lässt." Das scheint doch wohl 
heissen zu sollen, dass es sich anthropologisch nicht nachweisen 
lasse, aber, gerade so gefasst, , muss doch diese Annahme als 
irrig bezeichnet werden. Die Untersuchungen, welche v. Luschan 



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143^ 

(Keisen im südwestlichen Kleinasien. II.) an Ort und Stelle 
vorgenommen hat, beweisen genau das Gegenteil. Er stellt 
darin fest, dass sich in Lykien drei verschiedene Schädelformen 
finden: die dolichocephale der Indogermanen , die lange, 
schmale und niedrige, von vom nach hinten gleichsam ver- 
schobene der Seiniten und endlich eine ausserordentlich hohe^ 
sowie entsprechend kurz« und breite Form, die hjpsi-brachy- 
cepbale. Die semitisehe Form findet sich nur in der Umgegend 
von Ädalia uud an der Oatküste Lykiens, also dem Küsten- 
strich vom chelidonischeu Vurgebirge im Süden bis uördlicb 
zum alten Attalia^ und zwar im Verhältnis von ^/.j zu ^/^ von 
l^echiscber I'orniation, Das stimmt mit der histfjrischen Tbat- 
sache der Besiedeluug einzelner Teile der Südküste Kleinaaiens 
durch die Phönizier übereiu. Die hypsi-brachyoepbale Form 
findet sich am reinsten im Hochgebirge und in schwer zu- 
gänglichen Gegenden, so wie unter der religiös abgesonderten 
Sekte der Tachtadsehy, Durch diese Fundstätten wird sie als 
einer vor griechischen Bevölkerung angehörig erwiesen. Damit 
stimmt es, dass ein Schädel aus einem mit lykischcr Inschrift 
versehenen ^irabe aus Limjra deutlich diesen hypsi-brachy- 
cephalen Typus zeigt. 

Aber dieser Typus ist nicht auf Lykien beschränkt* Er 
zeigt sich aucb bei den mit den Tachtadschy in rehgiöser 
Hinsicht verwand km Ansarijeh in Nordsyrien, den Kysy Ibasch 
in Westkurdist4iii und den Jezideu im mittleren und oberen 
Mesopotamien, so dass aLäo hier die Religiousverwandtschaft 
auf der ethnographischen beruhte. 

Den gleichen Schädeltypus zeigen weiter aber auch die 
Armenier j und damit gewinnen wir für einen grossen Teil 
Kleinasieus, nämlich für die ganj^e südliehe Hälfte, im Nord- 
oiaten über den Kaukasus hinaus, im Osten bis an den oberen 
Euphrat, Nordgrenze noch unbestimmt , eine Urbevöllterung 
von mittlerer Statur, dunklem Teint, dunklem schlichten Haar^ 
dunklen Augen. Damit dürfte also der Nachweis endgültig 
gefühlt sein, dass es in Kleinasieo ausser Indogermanen und 
Bemiten allerdings noch ein drittes ürvolk gab. zu dem, was 



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144 

für uns besonders wichtig ist, auch die älteste Bevölkerung 
Lykiens gehörte. 

Schon Hommel (Archiv für Anthropol. 1890, 254, not 2.) 
hebt die vollständige Gleichheit dieses Ergebnisses mit den* 
von mir auf einem ganz anderen Wege gefundenen hervor, und 
in der That dürfte diese Gleichheit ein sehr starker Beweis 
für die Richtigkeit unserer beiderseitigen, ganz unabhängig von 
einander gewonnenen Ergebnisse sein, zu denen sich denn auch 
noch die weiter unten zu besprechenden Ergebnisse Hommels 



Dieses dritte ürvolk nun hat seine Sitze zwischen Se- 
miten und Indogermanen in einem ostwestUch gerichteten 
Streifen, von dem aus südlich Semiten, nördlich und östlich 
Indogermanen wohnen. Bei dieser Lage kann es nicht auf- 
fallen, dass in die Gebiete dieses dritten Urvolkes sowohl von 
den Semiten, wie insbesondere von den Indogermanen Einfalle 
gemacht sind, deren Spuren sich in den Sprachen jener Ge- 
biete (cf. hierzu z. B. das von mir II, 1. pag. 67 sqq. über das 
Lydisohe beigebrachte) vielfach bemerklich machen, und zu 
denen auch die dauernde Besetzung Armeniens durch Indo- 
germanen gehört 

Von diesem dritten Urvolke Eleinasiens aus eröfinet sich 
nun eine merkwürdige Perspektive. Schon Hommel (1. c. 254.) 
weist darauf hin, dass der von v. Luschau aufgestellte Typus 
dieses dritten Volkes ganz genau der Disentistypus von Eis 
und Bütimeyer sei Bas ist eine Thatsache von ganz ausser- 
ordentlicher Wichtigkeit 

Die Benennung als Disentis-Typus ist zwar, wie mir 
A. B. Meyer auf meine Anfrage schreibt, insofern nicht be- 
sonders charakteristisch, als dieselbe Schädelform, die in einigen 
besonders schönen Exemplaren gerade in Disentis sich fand, 
die in der ganzen Schweiz am meisten verbreitete ist und auch 
in Deutschland sich findet Aber das dichte Yorkonmien dieser 
Schädelform gerade in Graubänden ist doch von besonderer 
Wichtigkeit, denn Graubünden gehört doch zu den Gebieten, 
die jene wunderlichen Namen aufwiesen, welche Steub so sehr 



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145 

angezogen hatten und die er für etniskischen Ursprunges hielt, 
und es grenzt unmittelbar an den Bezirk, innerhalb dessen die 
Ausgrabungen etruskisches Gerat und etruskische Inschriften 
zu Tage gefordert haben und welcher das Etschthal bis nörd- 
lich v<jn Bozen, ileii Nonsberg and das Wippthal bis Miitrei 
umfaiist (cf, Pauli im Ärchivio Trentino VII, 150.), So werden 
wir also auch durch die rein anthropologischen Untersuchungen 
V. Luschans auf einen Zusammenhang zwischen Lykern und 
Ktniskern geführt, ein Er^ebnisj das auch durch die angegebene 
weitere Verbreitung dieser Schädelform in der Schweiz und 
über ihre Grenzen hinaus nicht beeinträchtigt wird, sofern ja 
anzunehmen sein wird, dass jene Urbevölkerung auch Wan- 
derungen durchgemacht hahe, womit die schon II, 1. pag, 76, 
von mir angeführte* Grimmsche Deutung der Thursen als 
Etrusker aufs l>este stimmt. 

In Etrurien selbst herrschen zwei Schadelformen , dii? 
dolichocephale und die brat^hycephalej anscheinend tftwri in 
gleicher Stärke, so dass Baer, K. Wagner und Prmier Bej die 
Etnisker für dolichocephalj Retzius, liagncau und Vogt dagegen 
für brachyctiphal erklärt haben (Fli^er, Pralüst Kthnoh 
Italiens 43,). Die brachycephale Form wird die im engeren 
Sinne speziell etraskische sein , die dolichcjcephale einem den 
Etrnskeru beigesellten fremden Elemente, seien es Lignrer oder 
lUyrier oder Umbrer, angehören. 

Nachdem so die Verwandtschaft der Etmster und Pelasger 
mit Lykern, Karem imd Lydern durch neue Beweisgründe zu 
stütsten versucht worden ist, \drd es sich nun weiter fragen^ 
welche Völker etwa sonst noch als diesem Völkerkreise an- 
gehörend in Betracht kämen. 

Von besonderer Wichtigkeit für diese Frage ist die Be- 
sprechung Hommels ge worden ^ sofern dieselbe auf der \on mir 
gegebenen Basis die ForscJiung weiteiführt. Hommel nimmt 
die von mir gefundenen Resultate, welche mit den flurch 
von Luscban {cf, oben p^, 142 stj.) festgestellten Ergel>nissen 
der Anthropologie last wörtiich genau üliereinstimmen, als er- 
wiesen an. 



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146 

Hommel geht iDdessen noch über den Kim der von mir 
als verwandt hingestellten Völker hinaus und rechnet auch 
die Georgier des Kaukasus, die Altarmenier, Elamiter oder 
Susier, Eoesaer (1. c. 258.), Hethiter (259.) in Asien, in Europa 
aber ausser den Etruskem und Fela^m auch die Bauer, 
liigurer und Iberer in Spanien (260.) unserem Sprachstamme 
zu, den er den alarodischen oder jetzt, auf Grund eben meiner 
Ergebnisse, den alarodisch-pelasgischen nennt Diese seine Auf- 
stellungen werden näher zu prüfen sein. 

Das Georgische, wie überhaupt die Sprachen des Kau- 
kasus, sind auch sonst schon als mit dem Etmskischen ver- 
wandt angesehen worden. Das ist z. B. von Ellis (Sources of 
the Etruscan and Basque languages) geschehen. Ich habe dies 
Buch seinerzeit zu besprechen gehabt (Neue philol. Bundschau 
1887, 359 sqq.), und habe mich damals ablehnend verhalten, 
sowohl inbezug auf die Methode, wie auch inbezug auf die Be- 
sultate. Inbezug auf die Methode war zu tadeln, dass der 
Verfasser lediglich nach dem äusseren Anklänge vergleicht ohne 
streng methodische Behandlung der Lautverhältnisse. Daraus 
ergab sich dann, dass z. B. huü „vier*' gleichzeitig mit afri- 
kanischen, iberischen und malaiischen Formen verwandt sei. 
Dass aber ein Besultat, wonach das Etruskische eine Mischung 
iberischer und thrakischer Elemente über einen afrikanischen 
Substrat sei, mir nicht glaublich sei, war gleichfalls hervorzu- 
heben. Auf diesem ablehnenden Standpunkte stehe ich auch 
jetzt noch, das schliesst aber nicht aus, dass möglicherweise 
doch einzelnes in dem Buche richtig sein könnte. Und so 
wird denn auch Ellis' Ansicht, dass die kaukasischen Sprachen 
mit dem Etmskischen verwandt seien, nachzuprüfen sein. 
Freilich werde ich diese Prüfung ganz selbständig anzustellen 
haben, denn die von Ellis eingeschlagene Methode erscheint 
mir eben nicht richtig. 

Diese Prüfung wird nun allerdings dadurch etwas er- 
schwert, dass die Verwandtschaftsverhältnisse der kaukasischen 
Sprachen unter sich nicht ganz klar liegen, sofern es strittig 
ist, üb die kaukausischen Sprachen alle unter sich eine Einheit 



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14T 

bildeüj (ider iiicht Wohl der ht?.U?^ cit^r sich über diesen Punkt 
geäussert hat, ist Friedrich Müller (Gruiidriss der Sprachwisaen- 
Schaft Ij L pag. 94, und III, 2. pag. 48. 21 6 sqq.). Seine Er- 
gebnisse, denen ich mich, nachdem ich seine Gründe im einzelnen 
nachgeprüft habe^ glaube anaehliessen zu können, sind diese; 
j^Gegenüber dem südkauka^isc^hen Spraohstammey dessen Sprachen 
einen so innigen Zusammenhang veiTateu , dass man sie für 
Dialekte einer Sprache ansehen könnte , stehen die nord- 
kaukasischen Sprachen zu einander in einem so lockeren Ver- 
wandtschaftsverhältnisse, dass man bei oberflächhcher Betrach- 
tung beinahe jede Sprache für ein selbstilndiges Individuum 
halten möchte. Sieht man aber genauer ?m , ^o ergeben sich 
folgende Punkte [L Geschlechtsbezeichnung; 2. gleiche syn- 
taktische Behandlung des Verbums; 3. Pluralbezeichnung; 
4. AutTa.ssuug und lautliche Bezeichnung der Kasus; 5* Pro- 
nomen; 6. Zahlenauydrucke; 7. einzelne Punkte beim Verbum], 
die einen Zusammenhang der nord kaukasischen Sprachen unt^r 
einander wahrscheinlich macheu" (1. c. HI, 2. pag. 21ö.)- iJn- 
betreff des \'erhäitnisses der nordkaukasischen Sprachen und 
des südkaukasischen Sprachstammes zu einander wagen wir 
auch hier keine bestimmt formulierte Ansicht auszusprechen, 
da sich ebensoviel Gründe für die Verwandtschaft als aucb für 
die Nicht-Verwandtschaft beider Sprachgruppen beibringen 
lassen*^ (K c, 222), Dieser Sachlage gegenüber wird es vorsich- 
tiger sein, obgleich ich persönlich zu der Annahme einer Ver- 
wandtschaft heider Gruppen neige, doch die Vergleich ung auf 
daÄ Ge<jrgische und die südliche Gnippe zu beschrankeu. 

Von diesem Standpunkte aus werde ich nun die süd- 
kaukasischen Sprachen, insbesondere das Georgische, mit dem 
Ktruskischen einersei tn und dem Lykisehen andrerseits ver- 
gleieheu und diejeuigen Spracherseheinungen zusammenstellen, 
die ein -Verwandtschaftsverhältnis mit den genannten Sprachen 
möglich erscheinen lassen* Äl-^ Material für diese Vergleiehungen 
genügeu die von Friedrich Muller tL c. III 2, ISOsc^q.) ge- 
gebenen Charakteristiken der genannten Sprachen, denn es 
bandelt sich tjolbstverstäudhch nicht darum, lexikaüsclie Ver- 



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148 

gleichungen anzustellen oder gar eine etruskische oder lykische 
Inschrift aus dem Georgischen zu deuten, sondern darum, 
grammatische Eoinzidenzpunkte, einschliesslich der Zahlworter, 
aufeufinden. Solcher Punkte aber giebt es nun in der That 
eine ganze Anzahl. 

Die ersten finden sich sogleich bei der Wortbildung der 
genannten Sprache. Die südkaukasischen Sprachen zeigen so- 
wohl Präfix-, wie Suffixbau. Ob Prafixbildungen sich auch im 
Etruskischen und Lykischen finden, würde durch eine Spezial- 
untersuchung festzustellen sein. Sollten sie sich nicht finden, 
so würde das eine Verwandtschaft noch keineswegs ausschliessen, 
denn es würde dann weiter noch die Möglichkeit zu unter- 
suchen sein, ob nicht die Prafixbildungen der kaukasischen 
Sprachen erst in jüngerer Zeit sich herausgebildet hatten. 
Unter den von Müller (L c. 189.) aufgeführten Suffixbildungen 
aber finden sich mehrere, die nach Form und Bedeutung eine 
grosse Ähnlichkeit teils mit dem Etruskischen, teils mit dem 
Lykischen zeigen. So bildet z. B. georg. -eU die Bezeichnung 
von Einwohnern der Städte, wie gorieli „Einwohner von Gori", 
genau wie etr. -al in truial „Trojanus". Ob dem georg. -oba 
aber, welches Abstrakta bildet, wie z. B. didoba „Grösse" vor 
cUdi „gross" die lykischen Bildungen auf -ebä und -obä^ wie 
z. B. äreUähä und dbenobä entsprechen könnten, würde durch 
Spezialuntersuchung festzustellen sein, ebenso auch, ob das georg. 
'iani, das Suflfix der Adjektiva relativa, wie z. B. okhriani 
„golden" von ohhri „Gold" im Etruskischen und Lykisißhen 
etwa verwandte Bildungen hätte. 

Eine grosse Reihe weiterer Koinzidenzen nun zeigen sich 
bei der Deklination. Da „ermangelt" zunächst, wie im Etrus- 
kischen und Lykischen, „das Nomen jeder Geschlechts- 
bezeichnung, und es kommt auch die Auffassung des Ge- 
schlechts weder am Adjektivum, noch am Verbum zum 
Vorschein" (Müller 1. c. 189.). Weiter hat der Nominativ, wie 
im Etruskischen und Lykischen, „keine nähere lautliche Be- 
zeichnung und fallt mit dem nackten Stamme zusammen" 
(1. c. 190.). Die Kasussuffixe sind von einer geradezu über- 



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149 



raschenden Ähnlichkeit 


mit den etruskischen. 


Man vergleiche 


folgende 


Paradigmata: 








georgisch 


miogrelisch 


lazisch 


Nom..Akk. 


puri „Brot" 


kotSi „Mensch" 


bozo „Mädchen" 


Gen. 


ptiri'sa 
jmHrs 


kotSi'h 
kotSi'S 


bozo-H 
bozO'S 


Dat 








Approx. 


•pvT'Sa 


koth-Sa 


bozn-la 


Lok. 








Instmm. 


pttri-tha 


koauth . 


bozo-te 


Approx. 








Lok. 










suaniBch 


etroskisch 


lykisch 


Nom.-Akk, 


mare „Mann 


" clan „Sohn" 


Äwfa(.?2) „Gattin" 


Gen. 


mare-S 


j clen-äi 




Dat 


märe'S 


Iclen-ä 


((kodalayk 
\ [Mta')kä 


Approx. 




1 {creice)-sa 


Lok. 


mare'sa 






Instnun. 








Approx. 


mare'the 






Lok. 




(h)el)'bi, (muleAb 


(arnna')de 



Die Übereinstimmung ist in der That sehr gross, wenn 
man beachtet, dass im Lykischen intervokalisches ä in ä über- 
zugehen scheint (cf. oben pag. 135). Die Suffixe des Plurals 
sind in den südkaukasisohen Sprachen von denen des Singular 
nicht verschieden. Dass das mit Sicherheit auch im Etrus- 
kischen und mit Wahrscheinlichkeit auch im Lykischen — 
denn -kd, -A, -ke entsprechen den etruskischen Formen -*«, 
-^, '^ — so sei, ist schon oben (pag. 135.) erörtert worden. 
Die kaukasischen Sprachen setzen aber, um den Plural vom 
Singular zu imterscheiden, bei ersterem zwischen Stamm und 
Easussuffix ein besonderes weiteres Suffix, welches im Geor- 
gischen -ii- und -wf-, im Mingrelischen -pki-, im Lazischen 
'pi-, suanisch -ar-, -a/-, -m/-, -fcr- lautet (Müller 1. c. 190.). 
Die vollkommen gleiche Erscheinung bietet in wenigstens einem 
ganz sicheren F^e auch das Etruskische, indem neben Sing. 



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150 _ 

clen-ü „filii" der Plural clen-ara-äi „filiis" steht, während in 
avil'^ „anuorum*^ ein solches Zwischensuffix nicht bemerkbar 
ist. Das ist formell dieselbe Erscheinung, aber auch materiell 
kann etr. -ara- mit suan. -ar- identisch sein. Ob nicht auch 
die lykischen Formen auf -be (cf. oben pag. 134.) in dieser 
Weise sich erklärten, sofern sie ein Zwischensuffii -be- ent- 
hielten, würde zu untersuchen sein. Wenn ich früher (Etr. 
Stu. III, 111. und Etr. Fo. u. Stu. III, 55.) in dem etr. -ara- 
eine Zusammensetzung von cUm „Sohn" mit ara^ einem Worte 
mit kollektivischer Bedeutung, gesehen habe, so kann das auch 
jetzt noch richtig sein, und die Mannigfaltigkeit der Suffixe: 
1. georg. -Äi-, mingr. -pAi-, laz. -/?2-, lyk. -4<?-; 2. georg. -wi-; 
3. suan. -ar-^ etr. -ara\ 4. suan. -«/-, scheint in der That auf 
derartige Formationen hinzudeuten. Wenn diese Erscheinung 
im Etruskischen nur vereinzelt auftritt, während die kaukasischen 
Sprachen sie immer zeigen, so erklärt sich das einfach so, dass 
im Beginn ein besonderes Pluralinterfix nicht verwandt wurde, 
und dass diese Weise im Etruskischen auch erhalten blieb, 
wenn die plurale Bedeutung an sich klar war, wie z. B. bei 
avüä „annorum" durch die beigefugten Zahlen, dass daneben 
aber, zunächst nur fakultativ und wenn die Klarheit es er- 
forderte, auch eine Bildung mit kollektivem Interfix angewandt 
wurde, was dann in späteren Sprachperioden, wie die kau- 
kasischen Sprachen sie darstellen, obligatorisch wurde, nachdem 
man den Nutzen dieser Formation eingesehen hatte. 

Sowohl bei der Kasus-, wie bei der Pluralbildung nun 
aber zeigt sich in den südkaukasischen Sprachen eine weitere 
beachtenswerte Erscheinung, die der Suffixhäufung. So lautet 
der Ablativ georg. puri-sa-gan, dagegen suan. nur mare-^^en 
(Müller 1. c. 192 sq.), es zeigt also die georgische Form erst das 
Oenetivsuffix -sa und dann noch das Ablativsuffix -gern *=> suan. 
'/(en. So hat das Mingrelische neben dem Plural auf -pAi- 
auch einen solchen mit dem Doppelsuffix -ale-phi-j so das 
Suanische neben den Pluralen mit den einfachen Suffixen -«r- 
und -al' auch solche, wo beide Suffixe als -r-al und -/-ar ver- 
bunden auftreten (Müller 1. c. 190.). Die ganz gleiche Er- 



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2^1 

scheinuDg hat auch das Etruskische. Neben den beiden ein- 
fachen Oenetivsaffixen -a/(z) and -sa erscheint auch das gene- 
tivische Doppelsuffix 'oli'sa, ja in dem Oeneüvus Grenetivi auf 
'oU'S'la haben wir sogar eine Häufung von drei Suffixen. 
Ebenso zeigt der etruskische Lokativ neben dem einfachen 
Suffix -l>(i) auch das Doppelsuffix -a/-ft(/), z. B. in ter^w-aZ-fti, 
tctryn-al-b „Tarquiniis" (Deecke Etr. Fo. u. Stu. II, 36; Pauli 
ibid. III, 78 sq.). Das ist nicht bloss wieder formell dieselbe 
Erscheinung, sondern auch materiell scheint wieder Verwandt- 
schaft vorzuliegen, denn mingr. -ale- und suan. -a/- scheint 
doch mit etr. -0/2- das gleiche Suffix zu sein. Ob auch das 
Lykische derartige Doppelbildungen kenne, würde in einer 
Spezialuntersuchung festgestellt werden müssen. 

„Das Adjektivum geht im Sinne des Attributs dem Nomen 
• • • voran und folgt demselben im Sinne des Prädikats mit 
der Kopula (dem Verbum substantivum) verbunden nach. Es 
wird im Georgischen mit dem Substantivum inbetreff der Zahl 
und Kasusendung in Übereinstimmung gesetzt, während es in 
den übrigen [südkaukasischen] Sprachen stets unverändert bleibt 
Man sagt z. B. im Georgischen: udzetael-ni motsfiame-ni „die 
unbesiegbaren Märtyrer", . . . boroti-sa tqtiwili-sa „der schlechten 
Lüge" • • •, prädikativ: romel-ni daithes dzleuUni „welche übrig 
blieben als Besi^te" (Müller 1. c. 194.). Dass hier das Geor- 
gische den anderen Sprachen gegenüber den älteren Standpunkt 
hat, ist doch wohl wahrscheinlich, denn das Georgische ist inner- 
halb der Sprachgruppe überhaupt am altertümlichsten und am 
besten erhalten. Das Flexionsloswerden der Adjektiva in den 
anderen Sprachen findet ja überdies seine Parallele z. B. im 
Englischen. Genau auf dem Standpunkt des Georgischen steht 
nun aber auch das Etruskische und das Lykische. Je zwei 
oder drei mit gleicher Endung versehene Formen finden sich 
in den etruskischen Denkmälern häufig. So bietet z. B. der 
Cippus Perusinus die Falle tesnä teü roMe^^ velbinabura.< aras 
pera.^j zuci enesci, äatene iesnej tesne ra^ne, yimb ^eti, ^elüi 
renebi, acibme turune .^cune, \Ul IhinyiiBl, so die Mumienbinde 
hatec repliiecy 8U& /ie'j(äbj ray\i su^ wMwft^nt), esirei al^azcL 



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^152^ 

cüWl spural, ham'^es seive^, tesim etnam u. 8. w. Schon Krall 
selbst (Mum. 44.) bemerkt dazu: „In den meisten Fällen wird 
es gestattet sein, an Verbindung von Hauptwörtern mit Bei- 
wörtern zu denken," Falls etwa im Etruskischen , was durch 
Spezialuntersuchung festzustellen sein würde, dasselbe Stellungs- 
gesetz, wie im Georgischen, gälte, dann hätten wir hier für die 
weitere Entzifferung des Etruskischen ein schönes Hilfsmittel 
gefunden, welches uns die Qualität als Substantiv und Ad- 
jektiv für eine Anzahl von Formen sicher erkennen Hesse. 

In ganz gleicher Weise bieten weiter nun aber auch die 
lykischen Inschriften oft zwei oder mehrere aufeinander folgende 
Wörter mit den gleichen Endungen Beispiele sind taia megtoj 
maleiahe vädroynäke, hrzze prynave, kovädre möhSe, mühüe 
hovädref eildhe trqimeley moprp^mä me^. Dass im Lykischen 
die Stellung des Adjektivs eine freie war, zeigt hovädre möhöe 
neben mühüe hovädre, wo sie wechselt, und eüähe tnpmele 
„populo Lycico", wo das Adjektiv hinter dem Substantiv steht 

Beim Pronomen erinnert georg. me, mingr. ma, laz. ma, 
suan. mi ,4ch" an etr. mu Ob aber wirkliche Verwandtschaft 
vorU^e, ist zweifelhaft, denn auch nach erneuter Durchprüfung 
des gesamten Materials muss ich dabei beharren, dass etr. mi 
„hoc" heisse, nicht „ego" und nicht „sum". Das Pronomen 
der zweiten und dritten Person und ebenso sämtliche Plural- 
formen kennen wir im Etruskischen nicht Wenn mi „hoc" 
heisst, so kann das auch demonstrativ gebrauchte georg. zmz-, 
mi- „er, dieser*' verwandt sein, während für die weiteren etrus- 
kischen Demonstrativa cen {ecn; ca, ecä), an und ein {eibi, eb) 
sich keine Verwandten in den kaukasischen Sprachen zu finden 
scheinen. 

In grösserem Umfange, als die etruskischen, sind uns die 
lykischen Pronomina bekannt Hier haben wir als Demonstra- 
tiva die beiden Formen mä (mit den Weiterbildungen oder 
Zusammensetzungen mäte, mänd, mde, mäenä, mäied, mdieänä, 
mäiädö) und äbä (mit abähe, äbäeiäj äbSy^nä). Ersteres stimmt 
mit etr. mi und georg. imi-, mi^ für letzteres sehe ich keine 
verwandte Form. Das „selbst" wird im Lykischen durch dUa 



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153 

„corpus" umschrieben, genau so im Georgischen durch Üiaioi 
„Haupt", so dass in beiden Sprachen wenigstens die innere 
Sprachform dieselbe ist Für das Possessivpronomen lyk. ähbe 
„suus", die Relativa sä {säe, säeiä) und hbe „qui, quicunque" 
scheinen die kaukasischen Sprachen nichts Entsprechendes zu 
bieten. 

Beim Yerbum ist die Yergleichung der südkaukasischen 
Sprachen mit dem Etruskischen und Lykischen erschwert durch 
die geringe Kenntnis (cf. oben pag. 136 sqq.); die wir von dem 
Bau des Y erbums dieser letzteren beiden Sprachen besitzen. Trotz- 
dem ist bemerkenswert, dass z. B. der Konjunktiv sowohl im 
Lykischen, wie im Georgischen, Mingrelischen und Suanischen 
auf -de anseht. Bemerkenswert beim Bau des kaukasischen 
Yerbums ist wieder die grosse Suffixhäufung. Eine Form, wie 
z. B. georg. ie^w-i'qwar-eb-di'th „wir liebten" von qioar „lieben** 
hat nicht weniger als drei Pra£xe und drei SufiSxe. Welchem 
Kenner des Etruskischen fallen da nicht unwillkürlich Formen, 
wie purt'^va-V'C y eprb-ne-V'C , mar-un-ux-va, ein, die auch an- 
scheinend verbal fungieren und vielleicht wenigstens im mor- 
phologischen Aufbau dem suffixalen Teile des kaukasischen 
Yerbums entsprechen möchten. Das würde Sache einer Spezial- 
untersuchung sein müssen, die sich dann auch auf noch andere 
langatmige Formen, wie z. B. meb-l-um-eri-c , cü-h-cve-ti, hiU 
or-Utt-?««, sac-ni-c-Ueri u. dgl. auf der Mumienbinde zu er- 
strecken hätte. 

Auch bei den Zahlwörtern klingt manches an. So haben 
wir z. B. georg. sami „drei" neben etr. äa „fünf(?)", georg. yuthi 
„fünf* neben etr. hub „vier(?)", wobei zu bemerken, dass die 
Bedeutung der etruskischen Zahlen nicht vöUig feststeht. Das 
ist wenig und scheint zufalliger Anklang. Allein man darf 
dabei nicht vergessen, dass die kaukasischen Sprachen moderne 
Sprachen sind, und dass mit den Sprachen selbst auch die 
Zahlwörter eine lange Entwicklungsgeschichte hinter sich haben, 
infolge deren sie, wie in allen Sprachen, lautlich stark ver- 
ändert sind, so dass man aus dem anscheinenden Fehlen ver- 
gleichbarer Formen noch nicht unbedingt auf die Nichtver- 



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154 

wandtschaft der Sprachen schliessen darf. Sicherheit über 
diesen Punkt würde sich erst gewinnen lassen, wenn man durch 
eine Untersuchung innerhalb der südkaukasischen Sprachen 
mit Erfolg den Versuch gemacht hätte, die Grundformen laut- 
lich zu rekonstruieren. Gewissermassen als Ersatz dafür bietet 
sich eine andere merkwürdige Erscheinung dar, die von höchster 
Wichtigkeit zu sein scheint. In den kaukasischen Sprachen 
bilden sich die Zehner nach vigesimaler Art so: georg. otsi 
„20", ots da athi „30" (wörtlich „20 und 10**), or-m-otsi „40" 
(= „2 X 20"), ormots da athi „50" (= „2 X 20 + 10*0, sam- 
otsi d. i sam-m-otsi „60" (= „3 X 20"), samots da athi „70" 
(= „3 X 20 + 10"), oOiX'm^otsi „80" (= „4 X 20"), (r/tmots 
da athi „90" (=„4x20 + 10"); entsprechend auch laz. SÜ 
„20", ÖÜ do vnt „30", dzwr en öt$ „40", dzur en StS do wit 
„50", dzum en ötS „60", dhim en ÖÜ do wU „70", otx an öti 
„80", oty an öti do wit „90". Hier sehen wir also die Multi- 
plikation in beiden Sprachen durch ein nasales Element, georg. 
-m, laz. en, ausgedrückt Nun finden sich im Etruskischen 
merkwürdige Doppelformen bei einigen Einem in Verbindung 
mit Zehnem. So haben wir von den Einem zalj bu, ci einer- 
seits die Formen eslsj buns^ eis, andrerseits eslemy bunem, dem. 
Jene sind belegt durch esals cezpalxals (Fa. spL I, no. 387.), 
eis eeatils (Fa. no. 2108.), eis muvalyl\s] (Fa. no. 2335 d), eis 
zabrmisc (Deecke Bezz. I, 260. no. 14), diese durch eslem 
[zjabrumis (Ga. no. 658.), eslern zabnmiä (Mum. VI, 14.), 
eslem zabrum (Mum. XI, 8.), eslem eeal/us (Mum. XI, 12.), 
eslem dalyvA (Mum. XI, 17.), \Sunem cial/uä (Mum. XU, 10. 
und XI, 17.), ciernzabrms (Fa. no. 2071.), eiem eeat/ui (Mum. 
XI, Y 2.), eiern eeaJr/uz (Mum. X, 2.). Dass die ersteren For- 
men eis etc. zu den Zehnem addiert sind, beweist das -c 
„-que" in zabrmise, mit den Formen eiem, etc. wussten wir 
bisher nicht recht etwas anzufangen. Deecke hatte darin zuerst 
(Bezz. Beitr. I, 270.) eine Subtraktionsform erblicken wollen, 
spater (in Müller, Etr. n^ 503) das -em- mit -m „und" gleich- 
gesetzt, ich selbst (Etr. Fo. u. Stu. III, 124 sqq.) hatte an ein 
Ordinalsulfix gedacht, aber das aUee waren nur Notbehelfe, 



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155 

gegen welche es starke Oegengründe gab. Jetzt scheint sich 
die Möglichkeit einer wirkUchen Losung zu bieten durch die 
Annahme, es liege eine Multiplikation vor, wie in den kau- 
kasiBchen Sprachen, bezeichnet durch das gleiche lautliche Ge- 
bilde, wie dort Für diese Annahme sprechen starke Gründe. 
Es sind nur zwei Zehuer, die mit solchen Formen auf -m ver- 
bunden erschemen, zaihum und cealy, ja in den Grabschriften 
ist es sogar nur zabrumj denn das angebliche \hmem muvai/ls 
(Fa. no. 2335 a), das Deecke jetzt för sichergestellt hält, existiert 
nicht, es steht, wie ich nach Papierabklatsch bezeugen kann, 
vielmehr in der That burj^äi da, das -äi vollkommen deutlich. 
Ebenso sind es von den Einem nur eskm, btmem und ciemf 
die in dieser Form ersehenen. Als die wahrscheinlichste Reihe 
der Würfelzahlung hatte sich mir bereits früher (Etr. Fo. u. 
Stu. III, 137 sqq.) unter sorgfaltiger Erwägung aller Momente 
die Reihe max, zal, Ö«, äwJ), /a, ci ergeben. Prüfen wir diese 
Reihe jetzt von dem neuen Gesichtspunkte, so haben wir als 
die beiden Zehner, die sich mit den Bildungen auf -em v^- 
binden, zabrum „zwanzig'^ und cealx „sechzig^^ Das passt vor- 
trefflich, denn hier haben wir das Vigesimalsystem in Verbin- 
dung mit dem etruskischen Duodezimalsystem (cf. Müller, Etr. 
I\ 309 = 12, 296. und Deecke, ibid. 11^, 385.), und diese beiden 
Zehner bilden die Grundlage des ganzen etruskischen Rech- 
nungssystems, wie etwa früher bei uns die Stiege (20) und das 
Schock (60). Dann ist nun also eskm zabrum „40" (= „2 x 20"), 
ciem zabrum „120" (= „6 X 20"), eglem ceati „120" (= „2 X 60"), 
UMw«yic«a/x„180"(= „3 X ^^% a>?wceai^„360"(== „6 X 60"), 
also lauter Zahlen, die innerhalb der beiden genannten Systeme 
liegen. Darunter sind Altersangaben nur die ersten beiden 
= 40 und 120. Dass ausnahmsweise einmal auch ein Etrusker 
120 Jahre alt geworden sei, scheint mir kein Gegengrund 
gegen meine Darlegung. In den nur auf der Mumienbinde 
belegten Zahlen eshm cealy^y bunem ceal^t dem cealy hätten 
wir dann das Rechnungssystem nach dem Grosshundert (cf. 
dazo Grinmi, Gesch. d. d. Spr. I^ 173.). Nun beachte man 
weiter, dass die Zehnerbildung auf -a// nur bei den Zahlen 



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156 

belegt ist, die über cealy^ „60" hinausliegen, nämlich in muvali 
{mealy)j cezpaly^^ ienifj^cdy^^, von denen es feststeht, dass sie, 
gleichviel in welcher Reihenfolge, „70", „80" und „90" be- 
deuten. Ein *^ufijati „30", *Aw&ß4 „40", *^a/x „50** findet 
sich nicht Jetzt sehen wir den Grund, nämlich das Yigesimal- 
system , denn „40" hiess eben eslem zabrum „2 x 20". Da 
auch ein dem zabrum „6 X 20" belegt ist, so gab es sicher 
auch die weiteren Vigesimalzahlen *&2m«n zabntm „60" 
(=„3x20"), ^hubem zabrum „80" (=„4x20"), *äaem 
zafUrum „100" (= „5 X 20"). Die dazwischen liegenden un- 
geraden Zehner aber konnten dann — nur diese eine Möglich- 
keit giebt es — nicht anders ausgedrückt werden, als, genau 
wie in den kaukasischen Sprachen, durch "^za^ynm jiitrbc (cf. 
Pauli, Etr. Fo. u. Stu. HI, 145) „viginti decemque", *eslem 
zabrvm nurbc „bis viginti decemque", *bunem zabmm nttrbc 
„ter viginti decemque", *hubem zabrum nurbc „quater viginti 
decemque", *äaem zabrum nurbc „quinquies viginti decemque", 
wobei selbstverständlich auch die umgekehrte Anordnung *nttrb 
zabrumc, *nurb eslemc zabrum oder auch *nurb eslem zabrvmc 
möglich ist. Dass das besonders bequeme Ausdrücke seien, 
wird trotz des entsprechenden kaukasischen Systems und des 
französischen quatre-vingt-dix wohl niemand behaupten wollen, 
und so werden denn die Etrusker auch wohl selber die Un- 
beholfenheit dieser Ausdrucksweise gefühlt haben. Die erste 
Abhülfe brachte das Duodezimal- oder Sexagesimalsystem — 
denn beides ist wesentlich dasselbe — mit seinem cial^ „60" 
und die weitere dann die bei Zahlwörtern ja so ungemein wirk- 
same Analogie, sofern man sich auch für „70—90" die Formen 
rnnvaly^^ cezpaly^^ iem^dtf^ bildete, auf Lemnos sogar auch siatf^ 
„50" (cf. oben pag. 83). In Etrurien selbst scheint, wie man 
aus eslem zabinim „40" (= 2 X 20*0 wohl folgern darf, für die 
Zahlen unter 60 die alte vigesimale Zählmethode beibehalten 
worden zu sein. 

Man könnte gegen diese meine Darlegung einwenden 
wollen, dass die Multiplikation sonst im Etruskischen durch das 
Sufißx -z(£) ausgedrückt werde, wie dies ct^^, nurbzi \xnd nurbz^ 



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157 

eslzj &ttwz, cezpz (Deecke, Bezz. Beitr. I, 272.) sicher beweisen. 
Aber es ist nicht abzusehen , warum nicht mehrere Multipli- 
kativsuffixe im Etruskischen hätten sein sollen, so gut es drei 
verschiedene Genetivsuffixe, -a/(0, -^(i) und -sa (Pauli, Etr. Fo. 
u. Stu. in, 88. 47 sqq.) und zwei verschiedene Lokativsuffixe, 
'U und -&(/) (ibid. 67 sqq.) giebt. Auch das ist kein Gegen- 
grund, dass sich in den beiden Grabschriften das eslem zah^- 
mis und ciemzadrms ohne Einer finden. Das kann Zufall sein, 
sogut, wie sich einmal (Fa. spl. II, no. 1 12.) auch cealyls ohne 
Einer findet, aber der Grund kann auch der sein, dass sich 
die alte vigesimale Zählweise wegen ihrer Unbeholfenheit über- 
haupt nur dann noch erhielt, wenn sie ohne Einer gebraucht 
wurde, dass man aber für den komplizierteren Ausdruck mit 
Einem sich der Neubildung auf -a^ bediente. 

Sind die vorstehenden Darlegungen begründet, und es will 
mir fast so scheinen, dann folgt aus ihnen zweierlei mit ab- 
soluter Sicherheit: 1. dass die von mir schon früher bestimmte 
Reihe der Einer, may, zal, Om, hub, M, ct, richtig war, woraus 
sich dann, nebenbei bemerkt, die Unverwandtschaft mit den 
indogermanischen Sprachen ergab; 2. dass das Etruskische mit 
den südkaukasischen Sprachen verwandt ist, nicht bloss formell 
und der inneren Sprachform nach, sondern auch materiell, 
denn das etr. -errij georg. -m, laz. en sind auch materiell 
identisch. 

Die lykischen Zahlwörter scheinen mir keine Anklänge an 
die südkaukasischen zu bieten, sind aber fast alle (cf. oben pag. 
119 sqq. 123.) ihrer Form sowohl, wie Bedeutung nach so unsicher, 
dass sie mir überhaupt zu Schlüssen nicht geeignet erscheinen. 
Insbesondere kennen wir keinen einzigen Zehner, die den Aus- 
schlag geben würden, sicher, denn das tresnne steht seiner Be- 
deutung nach auf schwachen Füssen (cf. oben pag. 122.). Sollte 
es aber wirklich ein Zehner sein, so scheint mir doch nichts 
im Wege zu stehen, es in ires-^-ne zu zerlegen und in dem 
'H' das dem etr. -«w, georg. -rw-, laz. en entsprechende Element 
zu sehen. Freilich will ich nicht leugnen, dass die Erklärung 
der dann verbleibenden anderen beiden Bestandteile grosse 



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_ 158 _ 

Schwierigkeiten verursacht, uud so mag denn die Sache bloss 
gestreift sein. 

Alles in allem scheint mir immerhin die Möglichkeit ofTen, 
dass das Etruskiscfae und Lykische mit den südkaukasiscben 
Sprachen verwandt seien, und zwar' jenes näher, als dieses. 
Damach würde sich das, was ich früher über diesen Gegen- 
stand geäussert (cf. Neue Philol. Rundschau 1887, 361.), jetzt 
modifizieren, insbesondere auf Qrund der Betrachtung der Zahl- 
wörter."^ An mehr , als die Möglichkeit der Verwandtschaft, 
glaube ich freilich auch jetzt noch nicht, denn dass das, was 
ich soeben vorgebracht, zu einem wirklichen Beweise der Ver- 
wandtschaft noch entfernt nicht ausreicht, weiss ich selbst wohl 
am besten. Aber auch hier sind vielleicht Fäden gegeben, 
denen man weiter wird nachgehen können. 

Es erscheint mir zweckmässig, auf die Untersuchung der 
südkaukasischen Sprachen zunächst die des Baskischen folgen 
zu lassen, denn gerade zwischen diesen Sprachen ist auch sonst 
schon Verwandtschaft behauptet worden, und auch ich selbst 
(Neue Philol. Rundschau 1887, 361.) habe auf bestimmte ge- 
meinsame Züge im morphologischen Bau beider Sprachen hin- 
gewiesen, wie z. B. die Inkorporierung des Objekts in das Ver- 
bum, die passive Behandlung des transitiven Satzes mit dem 
Subjekt im Instrumentalis, die gleichzeitige Verwendung von 
Präfixen und Suffixen u. a. Wenn nun wirklich eine Ver- 
wandtschaft zwischen den südkaukasischen Sprachen und dem 
Baskischen vorhanden wäre, dann wäre, der voi:stehenden Unter- 
suchung zufolge, auch die Möglichkeit einer Verwandtschaft 
zwischen Baskisch und Etruskisch nicht völlig ausgeschlossen. 

An die Verwandtschaft des Baskischen mit dem Etrus- 
kischen hat man auch sonst schon gedacht. So hat z. B. Camp- 
bell in Montreal, in Ganada nach einem Bericht der in Toronto 
erscheinenden Evening Mail vom 18. Januar 1886. die Solution 
of the great Etruscan riddle zustande gebracht, und zwar eben 
mit Hülfe des Baskischen. Da wohl nicht alle Leser dieser 
meiner Untersuchung auf die genannte canadische Zeitung 
abonniert sind, die Solution des Herrn Campbell aber immer- 



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n 



hin ein gewisses, wenn auch vielleicht etwas eigenartiges, 
Interesse in Anspruch nimmt, so ist es vielleicht nicht un- 
angebracht, hier einen knrzen Bericht darüber einzuschalten. 
Wir alle wandelten in Finsternis, als wir das etruskische 
Alphabet für einen Abkömmling des chalkidischen hielten. Die 
Formen der von uns als m und n gelesenen Zeichen beweisen, 
dass es davon nicht abgeleitet werden kann, sondern dass es 
,mnst have been borrowed &om some other sonrce. It has 
fallen to the lot of a Canadian, and graduate of the Univer- 
sity of Toronto, to find this other source and thus to read 
with something far more than probabilty, if not indeed with 
absolute certainty, the riddle which has so long vainly ?eied 
and pazzled the best brains of European scholars.'' Und diese 
„Solution which, when ultimately established, will be a lasting 
monument of untiring industry, inventive genius and keen 
Penetration such as not only the Institute which publishes bis 
paper, but all Canada may well be proud of,^' besteht nun 
darin, dass der canadische Forscher das etruskische Alphabet 
für eine Silbenschrift erklärt, so dass z. B. das A vielmehr als 
„r, with one of the voweb, either before or after it, ra, re, ri, 
ro, ru, oTj cTf ir, ur^' zu lesen ist. So wird denn aus OANA 
nicht bona, sondern ma ra ha ra. Diese Werte der einzelnen 
aus einem hieroglyphischen, jedoch nicht ägyptischen Alphabet 
abgeleiteten Buchstaben hat Verfasser gewonnen ,,by a minute 
comparison of eigth or uine different alphabets including the 
Aztec and Hittite bieroglyphic Systems." Und die auf diesem 
Wege gefundenen Wortformen ergeben sich dem Verfasser dann 
als „an ancient, but not very widely divergent form of the 
modern Basque." Beiläufig erwähnt mag werden, dass der 
Verfasser mit seiner Methode auch die iguvinischen Tafeln an- 
geforscht hat, und dass er in dem Teile, den wir bisher in 
unserem europäischen übertünchten Unverstände für umbrisch 
hielten, den etruskischen Bericht sieht „of an Etruscan and 
Umbrian revolt, incorrectly related by Livy in the 36 th chapter 
of book XXXni of the history of Rome," dass aber der übrige 
Teil der iguvinischen Tafeln, „writt,en in plainly legible Latin 



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160 

characters, will shortly be presented to the world as the oldest 
Celtic document extant, being in a language closely connected 
with the Gaelic; they deal with the same events as the Etruscan 
portion, and teil the same story from a different standpoint." 
Ich bemerke ausdrücklich, dass der Verfasser dieses Berichtes 
in der canadischen Zeitung nicht Mark Twain ist. 

Weiter hat R. Ellis die Verwandtschaft zwischen dem 
EtruskiBchen und dem Baskischen behauptet und zu beweisen 
gesucht in seinem schon oben (pag. 146) erwähnten Buche 
Sources of the Etruscan and Basque languages. Ich habe dies 
Buch in der Neuen philologischen Eundschau 18S7, 359 sqq. 
besprochen und in dieser Besprechung die MögUchkeit einer 
solchen Verwandtschaft zwar nicht durchaus geleugnet, aber 
andrerseits doch auch darauf hingewiesen, dass, obwohl der 
Gang der Untersuchung bei Ellis rationell und wissenschaft- 
lich sei, ich doch die Verwandtschaft zwischen Etruskisch und 
Baskisch durch dieselbe in keiner Weise fQr erwiesen halte. 

Zu den Gelehrten, die das Baskische zur Vergleichung 
heranziehen, ist auch neuerdings Gaetano Polari aus Lugano 
hinzugetreten, der in den Jahren 1892 und 1893 mehrere 
kleine Artikel, die als Proben gelten sollen, im Corriere del 
Ticino und in der Gazetta Ticinese veröffentlicht hat. Als eine 
dieser Proben führe ich hier (aus dem Corriere vom 9. August 
1892) folgende an: 

etruskisch : veUas fanacnal thu-fuWtas alpan menache 
clen[s) cecha tuthines tlenacheis; 

baskisch: velicts fanacnal bi-Jiotsas alaian menekia {tu) 
huilenas [oder vielmehr leherms] keclma gu sienes direnahees; 

lateinisch: „Feliae Fammciae ßlms Cardeae in honxn-em 
vovit de puero [resp. de ßlid] soUiciä prorsus per eos qui swfii^^ 
d. i. ^^vovit per eos qui swit prorsus solliciti de puero^^. 

Das ist, wie man sieht, dieselbe Methode, die ich in einem 
früheren Aufsatze (Altit Stu. III, 95 — 108.) besprochen habe und 
von der ich oben (pag. 8 sqq.) gelegentlich der Deutungen unserer 
Lemnosinschrift abermals gehandelt habe. Ich habe nicht ver- 
fehlt, dem Verfasser meine Bedenken auszusprechen, ob sich 



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161 

wirklich auf diesem Wege ein sicheres Ergebnis gewinnen lasse. 
Meines Erachtens sei es notwendig, die grammatische Gleich- 
heit beider Sprachen nachzuweisen in der Weise, wie es Bopp 
für die indogermanischen Sprachen gethan habe. Prinzipiell 
hielte ich eine Verwandtschaft zwischen Baskisch und Etruskisch 
für möglich. 

Von diesem Standpunkte aus wird es zweckmässig sein, 
die Verwandtschaft beider Sprachen zu untersuchen. Diese 
Untersuchung wird freiUch durch den auch schon beim Geor- 
gischen sich geltend machenden Umstand erschwert, dass das 
Baskische und das EtruSkische durch einen so grossen Zeit- 
abschnitt von einander getrennt sind. Aus diesem Grunde 
wird es sich empfehlen, die Vergleichung auch auf die süd- 
kaukasischen Sprachen auszudehnen, was überdies auch schon 
dadurch geboten erscheint, dass. uns über manche Punkte 
der etruskischen Grammatik noch die wirklich sichere Kennt- 
nis fehlt. 

Auch bei der Vergleichung des Baskischen beschränke ich 
mich auf das Material, welches Friedr. Muller (Grundriss der 
Sprachwissenschaft III 2, 1 sqq.) bietet. 

Das Baskische teilt mit den südkaukasischen Sprachen und 
dem Etruskischen (cf. oben pag. 148.) den Mangel des gram- 
matischen Geschlechts und der Motion, und ebenso hat es, wie 
die genannten Sprachen (cf. oben pag. 148.), für Nominativ und 
Akkusativ keine besonderen Endungen, sondern verwendet den 
nackten Stamm. Die übrigen Kasus bildet es, wie die ge- 
nannten Sprachen (cf. oben pag. 149.), durch Suffixe, welche, 
wie bei den genannten Sprachen (cf. oben pag. 149.) für den 
Singular und Plural dieselben sind, indem, wie bei den ge- 
nannten Sprachen (cf. oben pag. 149.), zwischen Stamm und 
Kasusendung, ein besonderes Pluralinterfix tritt. Zur Bezeich- 
nung von Kasus Verhältnissen werden im Baskischen, wie in 
den genannten Sprachen (cf. oben pag. 150.), mehrere Suffixe 
gehäuft, wie z. B. Lokativ yainkoa-gan „in Gott", aber yainkoa- 
gan-a „zu Gott", Genetiv gison-ar-en „des Menschen", aber 
Socialis gison-ar-einykin „mit dem Menschen". 

Pauli, Inschrift von Lemnos IL H 



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162 

Das sind, was den morphologischen Bau der verglichenen 
Sprachen betriflft, eine Eeihe der schwerwiegendsten Koinzi- 
denzen, aber es wird sich nun weiter doch fragen, ob diese 
formelle Verwandtschaft nun auch durch materielle Verwandt- 
schaft unterstützt wurde. Der Nachweis dieser letzteren wird 
wieder dadurch erschwert, dass die zeitliche Differenz zwischen 
den zu vergleichenden Sprachen eine so grosse ist 

Trotzdem aber finden sich einzelne Anklänge, die ich 
freilich nur unter dem erwähnten Vorbehalt gebe, dass auch 
hier noch Einzeluntersuchungen angestellt werden müssen, um 
bei den einzelnen verglichenen Sprachen womögUch bis zu den 
Grundformen vorzudringen. Erst dann kann von einem wirk- 
lichen Beweise die Rede sein. Unter diesem Vorbehalte nun 
scheinen mir folgende Vergleichspunkte vorzuliegen. 

So endigt der baskische Lokal auf -gan^ dieselbe Endung 
hat der georgische Ablativ, wo bei Hauptwörtern allerdings das 
genetivisch-ablativische Doppelsuffix -sa-gan gebraucht wird, 
beim Personalpronomen Üem-gan „von mir^*, ihom-gan „von 
uns", hen-gan „von dir", thkhwen-gan „von euch", misi-gun 
„von ihm", imeth-gan „von ihnen" aber noch das Suffix -gan 
für sich allein erscheint 

Ob auch das Pluralsuffix bask. -k mit georg. -bi, mingr. 
'phij laz. -pe verwandt sein könne, so dass die Urform etwa 
-kve gelautet hätte, mag wenigstens gefragt werden. 

Zwischen den etruskischen und baskischen Deklinations- 
suffijcen wäre vielleicht der etruskische Lokativ auf -m (-r^) mit 
dem baskischen Dativ auf -i zu vergleichen, wenn die Grund- 
form etwa -vi gewesen wäre. 

Das sind allerdings nicht viele und noch dazu wenig 
sichere Vergleichspunkte. 

Beim Pronomen zeigen sich ebenfalls einige Gleichheiten 
zwischen beiden Sprachen, sofern sowohl das Baskische, wie die 
südkaukasischen Sprachen das Possessivpronomen durch den 
Genetiv des Personalpronomens ausdrücken und für das Re- 
flexivum eine Umschreibung durch bask. buru „Haupt", georg. 
thawi „Haupt" verwenden. Freilich sind das Eigentümlich- 



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163 

keilen, die sich auch bei anderen ganz sicher unverwandten 
Sprachen finden. Ob auch materielle Verwandtschaft zwischen 
bask. ni „ich" und georg. me^ mingr. laz. w«, suan. mi „ich", 
zwischen bask. hi „du" (für «?) und georg. $en^ mingr. laz. 
suan. si „du", zwischen bask. gu „wir" und georg. Ihvenj mingr. 
Ükhij laz. iÄM „wir" (Grundform für alle etwa skuf) und zwischen 
bask. SU „ihr" und georg. ffikhwen, mingr. tkkhtva, laz. Ötwa 
,4hr" (Grundform etwa tsu?) vorliege, mag wenigstens gefragt 
werden. 

Im Baskischen fehlt eine eigentliche Verbalflexion, sie wird 
ersetzt durch eine nominale Konstruktion, bei der ein Pronomen 
im Nominativ vor ein Verbalnomen im Lokativ tritt, wie z. B. 
n-a-bü „ich gehe", wörtlich „ich bin im Gehen". Bei transi- 
tiven Verben fügt sich dann hinten noch ein zweites als In- 
strumental aufzufassendes Pronomen an, z. B. n-a-kar-su „du 
trägst mich", wörtlich „ich bin im Tragen (Getragenwerden) 
durch dich". Ganz ähnlich ist die Konjugation der süd- 
kaukasischen Sprachen. Wenn z. B. neben georg. m-gon-ia „ich 
denke" ein georg. $en m-a-dzlew „du giebst mir" erscheint, so 
dass in der ersteren Form das m- „ich", in der zweiten hin- 
gegen „mir" bedeutet, so ergiebt sich, dass auch hier ein no- 
minaler Bau des Verbums vorliegen muss, der in den Einzel- 
heiten der Konstruktion und auch der Reihenfolge der einzelnen 
Bestandteile vom Baskischen abweicht, aber im Prinzip doch 
derselbe ist. Und was nun das Etruskische betrilft, so bin ich 
bereits vor Jahren (cf. Etr. Fo. u. Stu. III, 70 sqq.) durch rein 
interne Betrachtung des Etruskischen zu dem Ergebnis gelangt, 
dass die etruskischen Verbalformen gar keine wirklichen Verbal- 
formen seien, sondern nur ein nominales Surrogat derselben 
darstellen, bestehend aus einem Lokativ und einem ihm an- 
gehängten Pronomen, so dass z. B. cesel^-ce „er liegt" wörtlich 
heisst „in Liegung er" und twru-ce „er giebt" wörtlich „in 
Gebung er". Alle drei Sprachen zeigen also im morphologischen 
Bau des Verbums das gleiche Prinzip, ob auch materielle Ver- 
wandtschaft, das würde durch eine Spezialuntersuchung fest- 
zustellen sein. Für den Augenblick wird eine Entscheidung 

11* 



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„ 1 6i_ 

darüber durch die geringe Kenntnis, die wir vom Bau des 
etruskischen Verbalausdrucks haben (cf. oben pag. 153.) er- 
schwert. 

Bei den Zahlwörtern findet sich unter den Einern zwischen 
Baskisch und Südkaukasisch gar nichts Vergleichbares, zwischen 
Baskisch und Etruskisch nur einzelne Anklänge, wie bask. .<«' 
an etr. .<a, bask. saspi an etr. cezp^ allein das wird Zufall sein, 
denn bask. äei ist „6", etr. äa aber wahrscheinlich „5", bask. 
sespi „7", etr. cezp aber wahrscheinlich „8". 

Der Bau der Zehner hingegen ist im Baskischen genau 
derselbe, wie in den südkaukasischen Sprachen, mit dem viel- 
leicht, wie oben (pag. 154 sqq.) erörtert, auch der etruskische 
übereinstimmte, d. h. der vigesimale. Man vergleiche bask. hogei 
(offei) „20", hoff ei eta hamar „30" (= „20 und 10"), berc-offei 
„40" (= „2 X 20"), berC'Offd eta hamar „50" (= „2 X 20 + 10"), 
hirur-offei „60" (= „3 X 2ü"), hirur-offei eta hamar „70* 
{= „3 X 20 + 10"), laur-hoffei „80" (= „4 X 20"), lavr-hoffei 
eta hamar „90" (= „4 X 20 -|- 10") mit den oben gegebenen 
südkaukasischen. Freilich stimmen sie nur im Prinzip überein, 
und der die Multiplikation bezeichnende nasale Bestandteil, der 
gerade das charakteristische Element bei jenen und vielleicht 
auch im Etruskischen war, fehlt im Baskischen. Dafür bietet 
sich aber möglicherweise eine materielle Verwandtschaft in dem 
Zahlenausdruck für „zwanzig" selbst, denn es könnten immer- 
hin bask. (h)offei, georg. otSi, mingr. eiSi, laz. ötS allesamt auf 
eine Grundform okei zurückgehen. Dies scheint freilich die 
einzige materielle Beziehung zwischen beiden Sprachen zu 
bleiben, denn wie bei den Einern, so fehlt auch bei dem Aus- 
druck für „100", bask. ehun {eiin)j georg. asij mingr. oii, laz. 
öi, anscheinend die Möglichkeit einer Verwandtschaft, falls man 
nicht etwa die Kühnheit haben wollte, baktr. eh-un auf eine 
Grundform asi-un zurückzuführen, was ja freilich, rein lautlich 
betrachtet, möglich wäre. 

Damit ist, soweit ich sehe, alles erschöpft, was sich etwa 
für eine Verwandtschaft des Baskischen mit den südkaukasischen 
Sprachen einerseits, dem Etruskischen andrerseits anführen 



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165 

Hesse. Es ist herzlich wenig, und dies wenige noch dazu wenig 
sicher, aber immerhin Hesse sich doch vielleicht diesen Spuren 
weiter nachgehen. Jedenfalls scheint es mir, als ob man die 
Möglichkeit einer Verwandtschaft des Baskischen mit den 
genannten anderen Sprachen nicht unbedingt mehr werde 
leugnen dürfen. 

Weiter sind die Ligurer als Verwandte der Etrusker und 
somit als Angehörige des im Vorstehenden behandelten Völker- 
kreises in Anspruch genommen worden. Diese Frage steht in 
Zusammenhang mit den weiteren, ob sie Iberer sind, und ob 
dann diese mit den Etruskem, Pelasgern u. s. w. verwandt 
seien. 

Als Mittel , die erste Frage zu prüfen , haben wir die 
iberischen Inschriften und die iberischen Ortsnamen. Mit jenen 
ist zur Zeit noch nichts anzufangen, weil wir inbezug auf ihren 
Inhalt sowohl, wie den grammatischen Bau der in ihnen ent- 
haltenen Wortformen noch vollkommen im Dunkeln sind. Die 
Ortsnamen hingegen scheinen ein Ergebnis zu ermöglichen. Die 
iberischen Ortsnamen liegen uns in einer doppelten Gestalt vor, 
in den iberischen Münzlegenden, deren es eine ziemlich grosse 
Anzahl giebt, und in den Formen, die sie bei den römischen 
und griechischen Schriftstellern angenommen haben. Jene 
ersteren, obwohl die einheimische Gestalt der Namen bietend, 
habe ich doch geglaubt von der Vergleichuug ausschliessen zu 
sollen. Bei meinem Versuche, sie dazu zu benutzen, hat sich 
mir ergeben, dass ein Teil der Zeichen anders zu lesen ist, als 
es von Boudard und Phillips geschehen ist. Das hätte eine 
eingehendere und umfangreichere Begründung erfordert, als sie 
mir hier an dieser Stelle zulässig erschien. Ich verspare das 
daher für einen anderen Ort und beschranke mich hier auf 
die Namensformen der römischen und griechischen Schrift- 
steller. Und da bietet sich denn nun folgende Parallele 
zwischen Ligurien und Iberien: 



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166 



Oxubii 


iber. Osset 




Ossigerdenses 




Ossigi 




Osstgitania 




Ossanoba 


Esturi 


Astures 




Asturica 


Binbelä 


Bübüü 


Feüeiates 


Velienses 


Album 


Albanensis 


Genua 


Genua 


Segesta 


Segida, 




Segienses 




Segovia 


Libamo 


Biberri 




Liberini 


Dertona 


Dertosa 


Vardacate 


Varduli 


Carrea 


Carenses 




Carietes 




Carisa 




Carrinenses 


Falentbium 


Falentia 


Hasta 


Hasta 


Pollentia 


PoUenÜa 


Veneni 


Fennenses 



Und diese Parallelen, deren Zahl sowohl, wie ganze For- 
mation doch einen Zufall auszuschliessen scheint, werden in 
ihrem Werte noch dadurch erhöht, dass entsprechende Über- 
einstimmungen der Ortsnamen sich auch auf Gorsica, Sardinien 
und Sicilien finden. Bekanntlich wird von den Alten berichtet, 
dass auf Corsica und an der Nordküste Sardiniens Ligurer ge- 
wohnt hätten, während auf Sicilien die Sikaner iberischen, die 
in der Westecke wohnenden Elymer ligurischen Stammes sein 
sollten. Eben dies findet seine Bestätigung in den Ortsnamen. 
Die Übereinstimmungen sind hier die folgenden: 



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167 



1. Corsica: 








Chnvum 


lig. 




iber. Clunia 


Urcinhtm 






Urci 


AUsta 






Alostigi 


Aleria 








FaOa 






Fallaiittni 


Vhribcdlum 






Firovesca und 
Baliares 


2. Sardinien: 








lUenses 






Herda 

nid 

Ilipa 


Balari 






Baliares 


Corsi 






Coi*ense Utas 


Valentini 


Falejitinum 


ValerUia 


turris Libisonis 






Libisosona 


finiola 


Feneni 




Fermenses 


Carbia 






Carhda 


Luquido 






Lacenium 


Thaerm 






Tereses 


UseUis 






Usaepa 


Caralis 


Carrea 




Carenses 
Carietes 
Carisa 
Carrinenses 


Feronia 


Fertar 






3. Sicüien: 








Segesta 


Segesta 




Segida 

Segienses 

Seguvia 


Enteila 


Elitella 


(Fluss) 




Eryx 


portus Erycis 




Eryces (Fluss) 








Ergetium 






Ergavicerises 


Acis 






Achuppo 



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168 

Morganda (Mtar- Mtargi 

genüa) 

Alaesa Älostigi 

Wenn ich mich nicht gescheut habe, in dieses Verzeichnis 
auch Namen von anscheinend lateinischer Form, wie Falenäa 
und Pollentittj anzunehmen, so ist das mit gutem Bedacht ge- 
schehen. Ich halte auch diese Namen für einheimische, die 
nur ominis causa im römischen Munde gerade diese lautliche 
Form annahmen. Wie sehr die Römer auf solche Dinge hielten, 
ist ja bekannt genug, so dass kaum noch an Sitten erinnert 
zu werden braucht, wie die, dass man beim Census und ähn- 
lichen Anlässen mit Namen, wie Salvms, Valerüis u. s. w., 
begann. 

Die Zahl dieser Parallelen könnte vielleicht noch sehr ver- 
grössert werden, wenn man die heutigen Ortsnamen von Spanien, 
Ligurien, Corsica, Sardinien und Sicilien mit einander vergleiche. 
Vxa das italienische (Jebiet besitze ich die zu einer solchen 
Vergleichung nötigen Hilfsmittel, für Spanien und Korsika hin- 
gegen nicht, und so muss denn eine solche Arbeit für eine 
andere Gelegenheit verspart bleiben. Und sie scheint auch an 
dieser Stelle schon um deswillen nicht notwendig, weil auch 
schon die obigen aus den alten Schriftstellern gewonnenen 
Parallelen zur Beantwortung der Frage, ob die Ligurer Ver- 
wandte der Iberer seien, auszureichen scheinen. Nach ihnen 
aber wird diese Frage, wie ich glaube, bejaht werden müssen, 
und es tritt alsdann die zweite Frage (cf. oben pag. 165.) an 
uns heran, ob nun die Iberer zu unserem Völkerkreise ge- 
hören. Die Beantwortung dieser Frage hängt zunächst davon 
ab, ob die Basken die Nachkommen der alten Iberer sind. 
Sind sie es, so sind die Iberer, und somit auch die Ligurer, 
Angehörige des pelasgischen Völkerstammes, falls sie die oben 
(pag. 164 sq.) als m^lich angenommene Verwandtschaft des Bas- 
kischen mit den kaukasischen Sprachen und in weiterer Linie 
mit dem Etruskischen bewähren sollte. Sind sie es nicht, so 
würde man nach anderen Wegen suchen müssen, diese Ver- 
wandtschaft für die Iberer nachzuweisen. Dass die Basken 



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169 _ 

nicht zu aller Zeit als die Nachkommen der Iberer angesehen 
worden sind, ist bei Phillips (1. c. 169 sq.) zu finden. Eben- 
derselbe führt aber auch aus, dass die jetzt allgemein, ins- 
besondere infolge der Arbeilen von Larramendi, Astarloa und 
Humboldt, herrschende Ansicht dahin gehe, dass die Basken 
in der That die Nachkommen der Iberer seien. Mag auch im 
einzelnen manches, was diese Gelehrten beigebracht haben, 
nicht stichhaltig sein, im grossen und ganzen scheint mir doch 
die von ihnen vertretene Ansicht begründet, und es liegt daher 
jetzt die Frage so : sind die Basken Verwandte der Etrusker u. s. w., 
80 sind es auch die Iberer und weiter dann auch die iberischen 
Ldgurer. Und dieses Ergebnis nun wird, wie mir scheint, auch 
noch von einer anderen Seite her in einer sehr hübschen und 
interessanten Weise bestätigt 

Es sind uns von den alten Schriftstellern einige Glossen 
als ligurische überliefert, nämlich oiY'Jvva? = xaTti^'Xoix; (Herod. 
V, 9.), Bodincus „fundo carens" = Fadus (Plin. III, 122.) und 
der Vülksname Aiyo8<; selbst (Flut. Mar. 19.). Von diesen 
Glossen wird zwar Bodmcus auszuscheiden sein, denn es ist, 
wie ich schon früher (Altit. Fo. III, 398.) vermutet, gar nicht 
Ugurisch, sondern gallisch, um so interessanter und wichtiger 
aber ist das at^owa;. Ein hg. of-^uwa setzt sich sehr leicht 
und ohne Zwang in ein etr. ziyiuna um. Dies aber hat die ja 
so sehr häufige Nominalendung -na und zeigt eine Wurzel ziyij, 
Eine Wurzel ziy^ aber ist im Etruskischen mehrfach belegt. 
So haben wir zlyu^e^ anscheinend eine Verbalform, am Schluss 
der Kolumne B. des Cippus Perusinus, so ziyn^^ auch vielleicht 
verbaler Natur, auf der Mumienbinde (II, 9.), und so auch 
einen Gentilnamen zi/u oder zicu (Fa. no. 1983; spl. III, 99. 
100.) mit der weiblidien Weiterbildung zvjinei^ Genet. zr/rnal 
(Fa. spl. II, no. 8. 9. 10. 12). Dieser Familienname nun be- 
gegnet auch in einer Bilinguis (Fa. spl. III, no. 101.), die so 
lautet: 

Q • Scriöonius • C- f 
vhzicu 

Schon Deecke (Etr. Fo. u. Stu. V, 107.) hat hier in Scri- 



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170 

bonius eine Übersetzung von zicu angenommen and infolge- 
dessen das zi^u^e des Cippus Perusinus durch „(in)8cripsit** 
übersetzen wollen. Das erscheint an sich möglich, aber die 
ligurische Glosse weist noch auf einen anderen Weg. Damach 
würde zi^ „aushokem" bezeichnen, zicu aber „der Höker*' sein. 
Erwägen wir nun, dass lat scrüpulum, scripuhan den kleinsten 
Teil eines Gewichtes und Masses bezeichnet, so liegt die Ver- 
mutung nahe, dass eben „der Höker^ dereinst lat scrüpo, 
scripo geheissen habe und dass diese Form in dem obigen 
Namen Scribonius stecke, dessen b aus volksetymologischer An- 
lehnung an sa-ibere entstanden sein kann. Wenn diese gaoze 
Darlegung richtig ist, dann würde in der That die Glosse ai- 
Yovva; auf eine nahe Verwandtschaft des Ldgurischen mit dem 
Etruskischen hinweisen. Eine Art yon Glosse endlich findet 
sich auch bei Plutarch Marius 19, wo gelegentlich der Schlacht 
bei Aquae Sextiae berichtet wird, die keltischen Ambronen 
hätten bei einem Angriff auf die Ligurer ihren Namen ge- 
rufen und darin hätten die Ligurer ein Wort ihrer eigenen 
Sprache zu erkennen geglaubt Nehmen wir an, dies Wort 
habe amru oder, wenn es Plural war,^ amnms gelautet, so 
würden wir Formen von durchaus etruskischem Klang haben, 
und auch sie würden, so gut wie afy^vva, eine Verwandtschaft 
zwischen Ligurern und Etruskem durchaus annehmbar er- 
scheinen lassen. 

An die Ligurer reihen sich ihrer geographischen Lage nach 
naturgemäss die Bäter an, und zu diesen wende ich mich 
daher jetzt. 

Bezüglich der ethnc^raphischen Bestimmung der Bäter 
waltet eine besondere Schwierigkeit ob, insofern die Bedeutung 
des Namens Raeti selbst nicht klar ist Man schwankt in- 
bezug auf dieselbe, ob sie eine ethnographische sei oder ein 
ledigUch geographischer Sammelname für alle die ethnographisch 
nicht zusammengehörenden Völker und Stämme, die in der 
Landschaft Raetia wohnten. Jenes ist die von den meisten 
Forschem geteilte Ansicht, für diese haben -sich nur wenige 
erklärt, so z. B., wie es nach dem etwas unklaren Ausdruck 



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m 

scheint, Kiepert (Lehrbuch der alten Geogr.^ 367.), so ferner 
V. Czoernig (Die alten Völker Oberitaliens 11.), nach Planta 
(Das alte Ratien 1.). Auch Deecke (Gott. Gel Anz. 1886, 64.) 
scheint zu dieser Ansicht zu neigen. Ebenso werden eine 
Menge verschiedenartiger Volksstamme als Baeti zusammen- 
gefasst auch von Oberziner (I Beti 11 sqq.). Auch Stolz (Ur- 
bevölkerung Tirols^ 7 sq.) scheint zu dieser AufEassung geneigt, 
wenn er sagt: „Der Name Rater, nach welchem die Römer 
die gesamte neu eingerichtete Provinz benannten, ist, wenn er 
auch in prähistorischer Zeit einem einzelnen Volke oder Stamme 
angehört haben muss und so auch noch von römischen und 
griechischen Schriftstellern nicht selten gebraucht wurde, doch 
häufiger unstreitig als Sammelname für die Bewohner der Ost- 
schweiz und Tirols in Gebrauch gewesen." In der zweiten 
Bearbeitung der Schrift freilich spricht er sich über diesen 
Punkt nicht aus, so dass es ungewiss bleibt, ob er die obige 
Ansicht auch jetzt noch aufrecht ethält 

Gegen die Auffassung des Baeti als Bewohner von Baetia, 
also im bloss geographischen Sinne, spricht das formale Ver- 
hältnis dieser beiden Wörter zu einander, denn Baeti ist das 
Grundwort, Raetia die Ableitung, wie von Graecij Galli, Ger- 
mani u. s. w. Graecia, Gallia, Germania herkommt. Im um- 
gekehrten Falle würde es Beietini heissen müssen, wie es 
Fermsini, Picentini, Numantinij Ficetini von Fenusia, PicerUia, 
Numantiaj Ficetia heisst. Es heisst demnach Raetia „das Land 
der Baeti", und das deutet doch darauf hin, dass Raeti eine 
ethnographische Bezeichnung gewesen seL 

Ein zweiter Grund, in Baeti eine ethnographische Be- 
zeichnung zu sehen, ist die bekannte Angabe des Arrian 
(Taktik 44), dass E[aiser Hadrian die keltischen B^imenter 
angehalten habe, ihr Kriegsgeschrei in keltischer, die rätischeü, 
es in rätischer Sprache auszustossen. Wenn die Baeti also 
eine eigene Sprache hatten, so können sie nicht bloss ein geo- 
graphischer Begriff gewesen sein. 

Wenn es nun also sich zu ergeben scheint, dass die Baeti 
ethnographisch benanut sind, dann ist natürUch die Erage nach 



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172 

ihrer Verwandtschaft durchaus berechtigt. Es sind inbezug auf 
dieselbe besonders zwei Ansichten in den Vordergrund getreten, 
nach deren einer sie Verwandte der Etrusker, nach der anderen 
Gallier gewesen seien. Eine dritte Ansicht, die aber wohl 
nicht viele Anhänger gefunden hat, hat Oberziner (I Eeti 
261 sq.) ausgesprochen. Diese geht dahin, dass auf einer ur- 
sprünglichen ibero-ligurischen Schicht die ItaUker, zu denen 
Verfasser auch die Etrusker zählt, sich dort niedergelassen 
hätten, dass also die Bäter der Hauptsache nach Italiker seien. 

Die Vertreter des keltischen Ursprunges der Rater -haben 
auch nur wenig Nachfolger gefanden, obgleich so gewichtige 
Namen, wie Zeuss und Diefenbach, an ihrer Spitze stehen. 
Der letztere freilich nur bedingt, sofern er in den Rätern eine 
Mischung von Kelten und Etruskem sieht. 

Als die entschieden vorherrschende Ansicht ist die zu be- 
zeichnen, nach der die Räter Verwandte der Etrusker sind. 
Diese Ansicht haben bekanntlich schon die Alten ausgesprochen. 
Die Hauptstellen aus ihnen (Livius V, 35; Pünius HI, 20; 
lustinus XX, 5) finden sich bei v. Czoemig (L c. 13) abgedruckt 
und sind in ihren Behauptungen so klar, dass sie einer beson- 
deren Besprechung nicht weiter bedürfen. 

Bekanntüch hat diese Angabe auch unter den Neueren 
eine Anzahl namhafter Vertreter gefunden. So haben sich zu 
ihr bekannt Johannes v. Müller, Mannert, v. Hormayr, Niebuhr, 
Otfr. Müller, Lepsius, L. Steub, Mommsen, Nissen, F. Stolz. 
Allerdings ist auch vonseiten der Anthropologie Widerspruch 
dagegen erhoben worden, sofern Tappeiner (Studien zur Anthro- 
pologie Tirols 14.) aus dem Umstände, dass ein im Grödener 
Thale geftmdener prähistorischer Schädel hyperbraohycephal ist, 
während altetruskische Schädel doüchocephal seien, den Schluss 
zieht: „Das ist wohl der augenscheinlichste Beweis, dass die 
alten Räter keine Etrusker waren." Allein das ist kein Beweis. 
Schon oben (pag. 145.) haben wir gesehen, dass die Schädel- 
formen in Etrurien so durcheinander gehen, dass die Etrusker 
ungeföhr von ebensoviel Anthropologen für brachycephal, wie 
für doüchocephal erklärt werden. Und erwägt man nun dazu 



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173 

noch, was Stolz (Urbevölkerung Tirols^ 79. not. 22) aus einer 
Reihe verschiedener anthropologischer Schriften über die Schädel- 
formen überhaupt zusammengestellt hat, so fallt die Beweis- 
kraft jedes alten rätischen Schädels vollends weg. Ja, von einer 
anderen Seite betrachtet, schlägt sie sogar zu einem Beweise 
für das Gegenteil um. Tappeiner selbst (1. c. 10.) zieht aus 
zahlreichen Schädelmessungen den Schluss, dass die rätischen 
Schädel mit den Schädeln der alten in Baden, Württemberg 
und Bayern angesessenen Bevölkerung vor der römischen Herr- 
schaft zusammengehörten. Da aber knüpfen die Forschungen 
Tappeiners genau an die Stelle an, wohin uns der von v. Lu- 
schan gegebene Faden geführt hatte (cf. oben pag. 144.), d. h. 
wir gewinnen hier die Anknüpfung an die vorderasiatischen 
hypsibrachycephalen Schädel, die sich uns oben als die Schädel- 
form der alarodischen Völker ergab, zu denen auch Pelasger 
und Etrusker gehören. 

Um die Zusammengehörigkeit der Bäter und Etrusker zu 
erweisen, sind auch von sprachlicher Seite her zwei Beweis- 
stücke beigebracht worden. Einmal hat man den Namen Raeü 
mit dem einheimischen Namen der Etrusker, Rasmna^ identi- 
fizieren wollen, und sodann hat man die Ortsnamen des alten 
rätischen Gebietes, soweit sie nicht neueren, d. h. romanischen 
und deutschen, Ursprunges sind, aus dem Etruskischen er- 
klären wollen. 

Dem ersten dieser Beweisstücke, dass die Namen der ßäter 
und Basenner verwandt oder gar identisch mit einander seien, 
vermag ich freilich nicht zuzustimmen. 

Zunächst wird zu prüfen sein, inwieweit es überhaupt 
glaubhaft sei, dass die Etrusker sich selbst Basener genannt 
hätten. Der Gewährsmann dafür ist bekanntlich Dionysius von 
Halikamass in der Stelle (I, 30.): aurol pLSVTot ocpa; aorouc 
aTTO T^Y^f*^^**^^ Ttvo? Paosva tov auTov dxstv(p Tpdirov ovojxa- 
Cooat. Dieses Zeugnis hat K 0. MüUer (Etr. IV 71. = I^, 65.) 
ein „unverwerfliches" genannt und dazu mit Becht hervor- 
gehoben, dass man Basener oder Bdsner zu betonen habe. In 
der That finden sich nun in etruskischen Inschriften die Formen 



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174 

raine (Fa. no. 1914 B 21.), raineä (ibid. A 5. 22.), rama 
(Mumie XI y 5.), rahial (Fa. no. 1044.), rasnal (Fa. snppl. I, 
no. 349.), rasnas (Fa. no. 2335 b), rasneas (Fa. no. 2033 bis E. 
par. 7 a), die dem räsena ähnlich genug sind, um für von diesem 
Volksnamen abgeleitete Formen angesehen werden zu können. 
Und so hat denn auch nach dem Vorgange von Vermigholi 
(Iscr. Perugine P, 90 sq.) und Orioli (Bull. 1848, 142 sq.), 
Corssen (Etr. I, 277. 336. 672. 895.) die genannten Formen 
wirklich auf den Namen der Rasener bezogen. Freilich ist von 
Deecke (Etr. Fo. I, 61.) diese „lockende Kombination mit dem 
Namen der Rasenae" für „sehr zweifelhaft" erklärt worden. 
Als völlig gesichert vermag auch ich sie nicht anzusehen, aber 
einige Wahrscheinlichkeit hat sie doch immerhin, und zwar 
aus den Gründen, die ich bereits Altit. Stu. III, 60. etwas 
ausfuhrlicher dargelegt habe und hier im Auszuge kurz wieder- 
holen will. Davon ausgehend, dass tular ,Japis" bedeute, habe 
ich zunächst in dem iular ra.mal von Fa. no. 1044. einen „lapis 
etrusciis", d. h. einen Grenzstein des etruskischen Gebietes ge- 
sehen. Sodann habe ich weiter den Beamtentitel zilab (oder 
züaynce) meyl ra^al oder rasnas, rasnea^ erklärt als „war züa 
der Konföderation von Etrurien". Dieses ra&nia „Etruria" habe 
ich dann weiter auf raSan „populus" zurückgeführt, von dem 
ein raMie „popularis" herkomme, welches in dem Volksnamen 
Rasena stecke, der in seiner Bedeutungsentwickelung somit dem 
deutschen diuäsc entspreche. Ich halte diese Darlegung auch 
jetzt noch für richtig und sehe daher das Rasena in der That 
als den einheimischen Namen der Etrusker an, während die 
von dem Stamme iurs- herkommenden Namen ihnen von 
fremden Völkern beigelegt sind. 

So glaube ich also, dass man immerhin mit einiger Wahr- 
scheinlichkeit eine Form ra<ne oder rahm, südetruskisch rasne 
oder Ta,8na für den einheimischen Namen des etruskischen 
Volkes, rainia oder rasnea für den des Landes wird halten 
dürfen. Eine weitere Frage ist nun freilich die, ob man mit 
diesem raMe den Namen der Raeti gleichsetzen oder auch nur 
verwandt ansehen dürfe. Diese Verbindung beider Namen hat 



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175 

Deecke (Müller. Etr. I*, 65. Anin. 1.) als „ganz grundlos" be- 
zeichnet, und hierin stimme ich ihm unbedingt bei. 

Bei der Untersuchung, ob Raeti zu Raserma gehören könne, 
kommen zwei Punkte der Lautlehre in Betracht, einmal, ob 
sich das ae neben dem a erklären lasse, und sodann, ob das 
s dem t entsprechen könne. Die letzte dieser Fragen muss 
bejaht werden. 

Sehen wir zunächst einmal von der aus fremdem Munde 
überlieferten- Form rasenna ab und halten uns an die oben 
aus den Inschriften belegten Formen ra^e u. s. w., südetrus- 
kisch rasn- geschrieben (cf. darüber Pauli, Altit. Fo. HI, 172 sqq.), 
so kann hier das i (resp. s) allerdings aus t entstanden sein, 
denn vor einem folgenden n gehen im Etruskischen t (und d) 
in der That in einen Zischlaut über, der zwar gewöhnlich z, 
bisweilen indessen auch s geschrieben wird. 

Ich beginne den Nachweis für diesen Lautübergang mit 
dem Familiennamen arznUamtiiiy lat. Ärrvntiusj denn bei ihm 
lässt sich der sachliche Nachweis führen, dass die genannten 
Formen in der That ein und dieselbe Familie bezeichnen. 
Die Belege für die Form mit z sind die folgenden: 

repii-arznü^ii^ahäei — Perusia — Fa.no. 1306. 

„Bezui, des Arzni (Gattin), der Titi Tochter*'; 

lar\^ia*alß'arzn\iä] Perusia — Fa. spl. I, no. 272. 

„Larthia Alfi, des Arzni (Gattin)"; 

amblarbvelimnojiarzneal Perusia — Fa. no. 1487. 

„Arnth (und) Larth, des Velimna (und) der Arznei (Söhne); 

veilia:clanä'arznal\ Perusia — Fa. 

no. 1247, 

„Veilia Clanti, der Arznei (Tochter)"; 

aulesi'velbi7ia^arznalcl\enäi Perusia — 

Fa. no. 1914 A, Z. 9. 10. 

„des Aule, des Velthina (und) der Arznei Sohnes"; 

— — — fa-hustnei'OTznah — — — Perusia — Fa. 
no. 1228. 

„Fasti Hustnei, der Arznei (Tochter)". 

Hier liegt also eine Namensform arzni. Gen. arzniA, weibl. 



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176 

arzneij Gen. arzneal und arzrud, vor. Diese Form nun wird 
als mit amtni identisch zunächst dadurch erwiesen, dass der 
Bruder der veiHalclanä'.arznal als vl\arrdm\clanti\ariitnal {G^ 
no. 167) erscheint Weiter aber erweist die Identität dann 
noch das folgende Inschriflenpaar: 

fasiia-artni'pitmpus — Perusia — Fa. no. 1274; 

L»Pomponius'L*f'Ärsijiiae»gncUu8'PlmUus — Perusia — 
Fa. no. 1280. 

Beide Inschriften sind aus derselben Famiüengruft und 
sind die von Mutter und Sohn. Erstere heisst in ihrer eigenen 
Grabschrift artnij in der des Sohnes hingegen Jrsiniae, was ein 
etr. arzn[i)al wiedergiebt. 

Das gleiche Verhältnis der Formen scheint vorzuliegen in 
dem Inschriftenpaar: 

/arl) amaruUr abitial — Perusia — Fa. no. 1550, 

d. i. 'irb amapufi qr[n\^al] ap^tial (od. arhial); 

Arsinia Amapudi — Perusia — Fa. no. 2016 bis. 

Auch hier haben wir Sohn und Mutter, letztere in der 
Grabschrift des Sohnes amtial oder artnal, in der eigenen 
Arsinia genannt. 

Nachdem so bei diesem Namen der sachliche Nachweis 
erbracht ist, dass zn aus ta entstanden ist, führe ich zunächst 
noch einige weitere etruskische Namen auf, in denen zn aus 
hl hervorgegangen ist, beschränke mich hier aber ohne wei- 
teren sachlichen Nachweis darauf, lediglich nach der Analogie 
die betreflFenden Formen mit t zu erschliessen. Solche Formen 
nun sind: 

canzna neben canatnes, fem. canatnei (Fa. no. 2600 c und 
e aus Caere), lat. CanÜTis (z. B. CIL. V, 2. no. 3857). In den 
Formen aus Caere ist das mittlere a entweder ursprünglich, 
so dass lat. Cantiits aus Canatim hervorgegangen wäre, oder 
aber es ist, was mir selbst wahrscheinlicher, Stimmton, wie er 
im Etruskischen häufig erscheint (cf. darüber Deecke Gott. Gel. 
Anz. 1880, 1419 sq.); 

capzna (z. B. Fa. no. 694 bis e) neben capatine (Fa. no. 885), 
lat. CapiHns (z. B. CIL. V, 2. no. 633, III, 2, 5), wozu auch 



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177 

der Beiname Capüo gehört. Hier ist also nach Ausweis eben 
der latdnischen Formen das innere a Ton etr, capatine 

Stimmton; 

remzna (z. B, Fa, HO, 694 bis a^i neben etr, rematün? {Fa. 
no. 51 L)* Es liugt nahe, letztere Form in ramazane zu andern, 
aber die Überliefeniug giebt die Schreibung mit t, und an- 
gesichts der Formen ranatnef mlyatini und capatine erscheint 
mir die Ändornner nicht gerechtfertigt. Das lateinische Äqui- 
valent würde, je naohdera das a echt oder Stimmton ist. /^*^- 
mntiuii oder Eemitius lauten; 

pekzjta, auch veh/nui (z, B. Fa. no* 1385) neben vdyatmi 
{z. B, Fa, uo, 475 A. 379), lat Volcatim. Hier ist das innere a 
ein echtes, was wohl dafür sprechen würde, es auch in dem 
soeben erürterten vanatne so zu fassen. Ausser dem vet/aüni 
ist aber auch ein t^tr. veldtial {Fa. no* 208) sicher belegt, dem 
das velczna gleichfalls entsprechen kann nach der Analogie von 
capzna zm Capitius. Dann wiirde das lateinische Äquivalent 
natürlit'h Vükitim lauten, eine an sich sehr mögliche Form» die 
indes^bien, so weit ich sehe, nicht belegt ist Hätten wir nur 
die etnisldschen Formen vor uns, dann könnte sogar velxatim 
mit stinimtonigem a derselbe Name wie vekiie sein, allein das 
lat. Vokatim scheint das zu veriueten; 

menznetl (Fa. no. 1547) neben lat. Maenaiim (z. B. IRX, 
uo. 46B6), Menathts (z. B. CIL. 1, no. 843); 

uknei (Fa. sph II, no. 109) neben nlinm (Fa, no. 2119). 
Wenn hier u^ wie so oft im Etruskischen, aus au hervorgegangen 
ist, so Liegt der gleiche Name auch vor in etr. wdatni {Fa, aph 
I, no. 173 bis b), wo dann wieder, falls das a echt wäre, ein 
lat Aulatim ^ falls es Stimmton wäre, ein AuUÜus zu Grunde 
liegen wiirde, neben dem dann, dem uLnd-ultiias entsprechend, 
ein Olatim oder Oliiim bestanden haben köimte, 

Das8 aber nicht nur r?j,, sondern auch m aus bi und du 
hen'orgehe, dafür giebt es gleichfalls völlig sichere Beispiele. 
So habe ich (Bull, dell'Inst. arch. H, 282) den sachlichen Nach- 
weis geführt, dasa etr. scanma dem lat Hcandius und Scaatim 
entspreche. Ebendort ist auch bereits aiemm statt des sonstigen 



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178 

alebnas = lat Aledius angeführt. Nach der Analogie dieser 
sachlich erweisbaren Identitäten haben wir dann auch das sn 
in folgenden Namen aus tn (dn) zu erklären : 

e7q)sna (z. B. Fa. no. 494 bis a und sonst mehrfach) ent- 
spricht dem lat. Cupiüus (z, B. Cup, Cvpit'umus CIL. III, 2. 
no. 5221); 

petsna (z. B. Fa. no. 1432) entspricht dem lat Petitlus (z. B. 
Mur. 1724, no. 7); 

staisne (Fa. no. 1779) kann dem lat. Statutia (CIL. V, 2. 
no. 6598) entsprechen, ist aber wohl eher mit lat. Stattdius 
(z. B. lEN. no. 6075) gleichzusetzen nach der Analogie von 
alesna = Aledius \ 

rutsni (Fa. no. 1779) wird dann in derselben Weise dem 
lat. Rutedius (IRN. no. 3556) entsprechen. 

Die Beispiele dieses aus tn {dn) entstandenen sn sind nicht 
gerade zahlreich, aber sicher, und ihre Zahl wird auch noch 
vermehrt durch eine Reihe weiterer, in denen ein und dieselben 
Namensformen für ein ursprüngliches tn bald zn, bald sn (^) 
zeigen. Fälle dieser Art sind: 

neben capzna steht capsna (z. B. Fa. no. 625 bis b), älter 
capisnei (Fa. no. 2103), wo noch das innere i von Capiäus er- 
halten ist; 

neben remzna steht remsna (Fa. no. 694 bis d) und mehr- 
fach auch resna (z. B. Fa. no. 635), letzteres als mit remzna 
sachlich identisch schon von M. Schmidt (Ind. schol. hib. in 
Univers. Jen. 1877/78, pag. 11.) erwiesen; 

in lautlich ganz gleicher Weise stehen dann neben einander 
auch ucumzna (z. B. Fa. spl. I, no. 146) oder uyumzna (z. B. 
Fa. spl. I, no. 141) und ucusna (Fa. spl. III, no. 152). 

Ganz ebenso zeigt sich ein ä für z auch beim Übergange 
etruskischer Formen mit zn ins Lateinische. So hatten wir 
oben bereits Arsinia für arznei, und so haben wir entsprechend 
auch lat. Noforsinia (Fa. no. 1242) neben etr. nufurzna (z. B. Fa. 
no. 1513) und nufrzna (z. B. Fa. no. 1520). Diese lateinischen 
Beispiele zeigen, dass das s auch dann bleibt, wenn zwischen 
ihm und dem folgenden n der Vokal wiederhergestellt wird. 



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179 

Darnach ist also auch Rmenna neben etr. raMe aus ursprüng- 
lichen Raterma möglich. 

Indessen ein Bedenken erhebt sich dennoch gegen diese 
Entstehung. Ich habe Altit. Fo. III, 172 sqq. nachgewiesen, 
dass etr. ^ s und M^ ganz gesetzmässig von einander getrennt 
sind und nicht mit einander beliebig verwechselt werden. Nun 
aber hat raMe u. s. w. in den gemeinetruskischen Belegen ^in 
^, in den südetruskischen ein Sy während unsere Familiennamen 
gemeinetruskisch ein s zeigen mit Ausnahme von cap^nas (Fa. 
no. 703), wo aber offenbar ein Versehen des Schreibers vorliegt, 
der beide 5-Buchstaben verwechselte und capänas schrieb für 
das richtige capsnaä. Diese verschiedene Behandlung des s in 
ra^e einer-, capsna u. s. w. andrerseits macht es mindestens 
unsicher, ob in raäne (und somit auch in RcLsenna) der Zisch- 
laut wirklich aus t entstanden sei. 

Aber selbst dies zugegeben, so erhebt sich nun die zweite 
lautliche Schwierigkeit, darin bestehend, dass das ae von Raeti 
neben dem a von Rasenna in keiner Weise erklärüch ist, und 
dass hieran, selbst wenn man das s von Rasenna noch als 
möglicherweise gerechtfertigt ansehen wollte, die Verwandtschaft 
der Namen Raeti und Rasenna scheitert. 

Wenn im Etruskischen ae neben a erscheinen sollte, so 
sind an sich zwei Fälle möglich, sofern entweder ae oder a der 
ursprüngliche Laut sein kann. Im ersteren Falle würde a aus 
ae {ai) in derselben Weise entstanden sein, wie etwa etr. a 
aus au entsteht, letzteres ein Hergang, der vollkommen sicher 
ist und durch Beispiele, wie aße neben aufle; larste neben 
laursti; latni neben lautni; plate neben plante; rafe neben 
ra;iife; fracni neben fraucni u. a. (cf. Deecke bei Müller Etr. I*, 
370) belegt ist. Daraufhin nun könnte man in der That den 
theoretisch ja ganz analogen Übergang von etr. ai in a an- 
nehmen wollen. An sich möglich ist er ja ohne Zweifel, aber 
er ist bis jetzt nicht nachgewiesen, ja, er ist, soweit ich sehe, 
in der neueren Etruskologie auch nicht einmal von jemand an- 
genommen worden. Denn die wirkliche Entwicklung eines 
alten ai verläuft in der Reihe ai: ei: e. Es bleibt also nur die 

12* 



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180^ 

Annahme einer Epenthese des i möglich. Diese ist in der That 
als im Etruskischen vorhanden angesehen worden von Corssen 
(II, 278.) und Deecke (MtÜler, Etr. P, 864.). Die Beispiele, 
die Corssen dafür erbringt, sind nur aivil, aäilnia, aihz und 
vebairä. Hiervon beanstandet Deecke als unetruskisch das 
aitünia; vebairä ist falsche Lesung für helsaträ (so Deecke, Etr. 
Fo. III, 139. no. 108. nach eigener Abschrift); dass aihz für 
*ahis stehe, ist eine ganz vage Vermutung, die durch nichts 
begründet ist. So bleibt also nur die eine Form aivil übrig. 
Aber auch um diese ist es schwach bestellt. Denn hier ist die 
Lesung nicht sicher. Die Inschrift ist in allen Überlieferungen 
arg entstellt. Zwar lässt sich der Name in derselben auf 
Grund von Fa. no* 369. und 370. leicht und sicher als ca- 
cvenlepapa herstellen, wie ich bereits Etr. Stu. I, 54. gethan, 
aber in den verschiedenen Überlieferungen sieht er wunderlich 
genug aus, indem er bald als nevile (Lanzi), bald als cacvi ilv 
(Vermiglioli), bald als cneililv (Conestabile) erscheint. So gut 
aber alles dies Unformen und falsche Lesungen sind, so gut 
kann es auch das angebliche atvz/ (Lanzi, Conestabile) oder aiv 
(Vermiglioli) sein. Es kann sehr wohl die richtige Lesung 
av'vil (d. i. avihrilj wie in Fa. no. 340.) sein, ja auch blosses 
ril könnte in dem aiv von Vermiglioli stecken, denn beide 
Formen sind in ihren Schriftzügen sehr ähnlich (Dlfl und JW), 
sofern in aiv nur je ein zufalliger Riss als Linie mitgelesen ist, 
was bei den älteren Lesungen der etruskischen Inschriften un- 
endlich oft geschehen ist. Es ist also, wie man sieht, die 
Lesung aivil so wenig gesichert, dass man auf diese einzige 
Form hin eine Epenthese des i zu einem voraufgehenden a 
schlechterdings nicht annehmen darf. Und dazu kommt nun 
noch der weitere Umstand, dass das Etruskisehe eine Epenthese 
des I, auch nach anderen Vokalen, überhaupt nicht kennt 
Es giebt nur einen 2-Umlaut im Etruskischen, sofern ein i der 
Endung ein voraufgehendes a der Stammsilbe in e umlautet, 
aber eine Epenthese des i giebt es nicht. Alle Fälle, in denen 
man dieselbe angenommen hat, sind anders zu erklären. Teils 
liegt, wie z. B. in veisial neben vesial, eine Grundform mit /, 



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181 

hier also velsial, vor, bei der einmal das / zu i erweicht, das 
andere Mal ganz ausgestossen ist; teils aber gehen die angeb- 
lich durch Epenthese entstandenen Vokale auf echte alte Diph- 
thonge zurück. So heisst z. B. für veilia und velia die Grund- 
form vailia, lat. FaeUa (uned. Inschr.), aus der zuerst veiliay 
dann velia wurde. Das tu neben u aber steht wie lat oi {oe) 
neben n. So ist also bruüia » lat Broüia, aber brväs und 
prxde = lat Jimtms, ebenso vuisi = lat Voesiusy aber vusia « 
Vüsia. Einzelne Formen, wie z. B. velbuir, beruhen auch auf 
falscher Lesung. 

Man wird also ein Nebeneinander von cu und a im Etrus- 
kischen, sei es durch Übergang von at in a, sei es durch 
Epenthese von a in ai, in Abrede stellen müssen, und darf es 
somit auch nicht zum Erweise der Oleichheit von Baeä und 
Basenna brauchen. Damit aber wird die Gleiohsetzung der 
Namen Baeti und Basenna für immer unmöglich gemacht 

Das zweite Beweisstück für die Zusammengehörigkeit der 
Rater und Etrusker hat man (cf. oben pag. 173.) in der ältesten 
Schicht der Ortsnamen Ratiens finden wollen. Auch dies wird 
hier etwas eingehender zu prüfen sein. Besonderes Verdienst 
um die Begründung dieser Ansicht hat sich Steub erworben, so* 
fem er den Nachweis versucht hat, dass unter den modernen 
Ortsnamen auf dem altratischen Gebiet sich noch jetzt eine 
Anzahl befinde, welche aus alten etruskischen Namen hervor- 
gegangen seien. Dieser Versuch Steubs ist sehr verschieden 
beurteilt worden. Er ist bekämpft und verworfen worden z. B. 
von K[irchho]ff, der von einem „räto-etruskischen Folterbett** 
gesprochen hat, femer von Schneller und Bück, die zur Er- 
klärung der in Frage kommenden Ortsnamen lediglich die 
romanischen und deutschen Mundarten heranziehen. Nur be- 
dingt stimmen ihm zu W. Götzinger und jetzt auch Stolz 
(cf. Urbevölkerung Tirols* 38 sqq. 97. not. 43.), der früher mehr 
auf Steubs Seite stand. 

Dagegen haben sich Steub angeschlossen die Historiker 
J. Egger, F. Dahn, A. Huber, S. Biesler und von Sprachforschem 



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182 

Wiadisch (cf. das Genauere über diese ganze Sache bei Stolz 
1. c. 97 sqq.). 

Auch ich selbst habe mich (Altit Fo. I, 109.) auf die Seite 
Steubs gestellt^ sofern ich darauf hinwies, dass ,,Tiele der Orts- 
namen jener G^enden ein bestimmt etruskisches Gepräge 
zeigten^, und dass es unmöglich sei, für Formen, wie z. B. 
VeUhums, Zadum, „den etruskischen Ursprung zu bezweifeln". 
Andrerseits freilich wies ich auch gleichzeitig darauf hin, dass 
„die Sache einer nochmaligen, strenger wissenschaftlichen Prü- 
fung bedürfe", eine Ansicht, die Steub selbst mit mir teilte, 
wie er mir persönlich geschrieben hat und wie er dies auch 
mehrfach öffentlich (Kleinere Schriften IV, 228; Zur Ethno- 
Ic^e der deutschen Alpen 48.) ausgesprochen hat 

Eine soldie Prüfung hier anzustellen, ist nicht meine Ab- 
sicht, denn das würde ein Buch für sich erfordern, ich will 
hier nur eine Blütenlese aus den Steubschen Vergleichungen 
herausheben, die nur das enthält, was unmittelbar einleuchtet 
und einer langen Untersuchung nicht bedarf. Diese Auslese 
ist nötig, weil Steub selbst, wie bekannt, etwas sehr schema- 
tisierend verfuhr und daher manches zusammenbrachte, was 
Kaum zusammengehört 

Zuvor jedoch ist noch ein Punkt zu erörtern, bei dem 
Steubs Verfahren als unzulässig bestritten werden könnte, sofern 
er für die Erklärung der ratischen Ortsnamen die etruskischen 
Personennamen heranzieht 

,.Derselbe Name", sagt Steub, „der uns in den Inschriften 
der Grabmäler als Personenname erhalten ist, findet sich aach 
in der etruskischen Topographie als Personenname wieder." 
Allein dies Verfahren ist vollkommen gerechtfertigt. Die Be- 
tennung eines Ortes nach einer Person oder einem Geschlechte, 
das ihn gründete und dann dort siedelt«, ist so gewöhnlich, 
dass es in seiner Allgemeinheit eines Beweises gar nicht bedarf. 
Es ist ja bekannt genug, dass auch von den deutschen Orts- 
namen Tausende und Abertausende auf Personennamen zurück- 
drehen. Aber die Reiche Weise herrscht auch in dem alten 



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18B 

Italien und in dem eigentlichen Etrurien, wofür ich anderen 
Ortes den Beweis im besonderen führen werde. 

Noch ein anderer Punkt bedarf, bevor das Ortsverzeichnis 
selbst gegeben werden kann, einer kurzen Erörterung. Unter 
den etruskischen Formen, die Steub zur Erklärung der römischen 
Ortenamen heranzieht, befinden sich nicht wenige mit den Ab- 
leitungsendungen 'sa, 'äl und -alisa. Zu Zeiten Steub sah man 
in diesen Endungen adjektivische Bildungen, und von diesem 
Standpunkte aus war Steubs Verfahren natürlich durchaus zu- 
lassig. Aber die Sache änderte sich, als man anfing, in jenen 
drei Endungen Genetive zu sehen, wie das festgestellt wurde 
für 'sa von Moritz Schmidt (Index schol. hibern. in IJniversi- 
tate Jenensi 1877/78, pag. 3), für -al und -alisa von Deecke 
(Etr. Fo. I, 41 sqq. und Müller, Etr. II*, 493 sq.). . 

Wären die genannten Endungen wirklich flexivisdier Natur, 
dann würde man vielleicht Bedenken tragen können, sie in den 
Ortsnamen wiederzufinden, obwohl auch in diesem Falle die 
Genetive immerhin durch Ergänzung eines Regens mit der Be- 
döitung „Dorf, /Hof, Haus" oder dergleichen erklärt werden 
könnten. Dass die genannten Endungen genetivisch fungieren, 
nach unserer indogermanisch-grammatischen Sprachweise aus- 
gedrückt, das steht ja ausser allem Zweifel, aber im übrigen 
hat es doch mit ihnen eine eigene Bewandtnis. Schon früher 
(Etr. Fo. u. Stu. in, 70 sqq.) habe ich die Vermutung aus- 
gesprochen und, wie ich glaube, auch erwiesen, dass das Etrus- 
kische keine eigentliche Verbalflexion besitze, sondern sich statt 
dessen, mit einer nominalen Konstruktion behelfe. Ebensowenig 
aber hat sie eine Deklination in unserem indogermanischen 
Sinne. Das, was sie als Kasusendungen verwendet, dient gleich- 
zeitig auch als Wortbildungssuffix. Das gilt insb^ndere gerade 
von unseren beiden Bogenannten Genetivendungen -sa und ral 
(und natürlich dann auch für ihre Zusammensetzung -aUsa). 

. Es ist längst bekannt (cf. Deecke in Müller, Etr. II*, 188.), 
dass eine Anzahl solcher Genetive auf -^o, wie hanusay canhua, 
nustesüj papasa, sepiesa als Zunamen auftreten. Deecke nennt 
sie zwar scheinbare Beinamen, aber das ist subjektive Auf- 



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184 

fassung. Dass sie wirkliche Zanamen sind^ zeigen uns zwei 
Tfaatsachen, einmal, dass sie als selbständige Fonnen anch in 
den lateiuisch-etrnskischen Insduriften erscheinen, wo wir Hon- 
nossa, Pabaua (so ist die richtige Lesung in Fa. no. 949.) finden, 
und sodann^ das sie neue (jeneti?e auf -^la oder -süsa (zwischen 
beiden Fonnen ist kein unterschied im Gebrauch und in der 
Bedeutung), namlieh rmitesa und nu^tesUsa, papaslUa und -«o, 
segiesUij bilden. Beides ist meines Erachtens nur so zu ^- 
klären m^lich, dass das Sufßx -sa sowohl Flexions-, wie Wort- 
bildungssuffix sein kann imd dass beide Funktionen im Etrus- 
kischen eben nicht ron einander geschieden sind. 

Genau ebenso aber li^ die Sache auch mit dem Suffixe 
'oL Schon an verschiedenen Stellen habe ich mich dahin aus* 
gesprochen, dass das Wortbildungssufßx -o^ wie es z. B. in tndal 
„Troianus^^ vorliegt, von dem sogenannten genetivisdien -cd nicht 
verschieden, sei. Diese Ansicht selbst ist, soweit ich sehe, nicht 
bestritten worden, nur inbezug auf die Art, wie man sich diese 
Thatsache theoretisch zurechtlegte, sind, je nadi der Verschie« 
denartigkeit des persönlichen Standpunktes, verschiedene Ver- 
suche gemacht worden« Es wurde an dieser Stelle zu weit 
führen, auf diese verschiedenen Theorieen einzugehen, und es 
wäre auch überflüssig, denn für unseren Zwedc ist es voll- 
kommen ausreichend, die einfache Thatsache festzuhalten, dass 
das SufBx -al auch als Wortbildungssuffix erscheint 

Bei dieser Sachlage war, wie ich glaube, Steub durchaus 
im Recht, wenn er auch Formen auf -«o, -€i/ (und -a&a) bei 
der Deutung der rätischen Ortsnamen zu Grunde legte. Um 
jedoch diese Frage als eine doch nur beiläufige nicht als em 
Argument g^n die Identifizierung rätischer Ortsnamen mit 
etruskischen Familiennamen ausbeuten zu lassen, will ich in 
der folgenden Zusammenstellung, die mit -sa und -o/ gelnl- 
deien Namen von den übrigen trennen, so dass auch für die, 
die diese Bildungen beanstanden, doch die übrige Gruppe von 
Namen als beweiskräftig übrig bleibt 

In Steubs Liste nun sehe ich folgende Ortsnamen als 
etruskischen Familiennamen entsprechend an, wobei ich in der 



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185 



AüsetzuBg der letzteren zum Teil etwas von Steab abweiche. 
Irgendwelche Vollständigkeit ist bei dieser Aufetellung in keiner 
Weise beabsichtigt, sondern dieselbe hat nnr den Zweck, an 
einer begrenzten Anzahl von Beispielen za zeigen, dass 1. in Bauen 
in der That Ortsnamen sich erhalten haben, die etruskischen Ur- 
sprunges sind, und 2. dass diese Ortsnamen aus Familiennamen 
hervorgegangen sind, die wir im eigentlichen Etrurien vorfinden. 
Solcher Ortsnamen nun in nominativischer Form sind die 
folgenden, wobei die den ratischen Namen in Klammem bei- 
gefugten Formen die älteren in Urkunden belegten darstellen: 



rät. Älxna 


etr. alyusna 


Äbma 


abini 


Allan 




Alasina 


aUina 


AlascMn 




Aldeiji 
Aldeno 


aleb(i)na 


Arunda 
Arsina 


ar(u)n\} 
afnts[a]na 


Aulinna 
Galsaun 


au^ijna 
caUstma 


Cestma 


cesima 


Caiuna 


catuna 


Cadon 




Cadogno 
Gatugno 
Ceseno 


ceisi 


tili 


cop(i)na 


Gfad 
Cavedine 


cafate 


Calina 


cale 


Galina 




Calino 





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186 



rät. Corcognp 


eix.*carcunaf earcu 


Graun {Ounm) 


cunma 


Grün 




Larein 


lar(i)na 


JLadwu 


ktrbttma 


Lavisan 


*lavisunaf lavsie 


Züsen 


lusi 


Ztisen 


bwisu 


Malvina 


malavmi 


Malfein 




Mcdfün 


. 


Mctrcena 


marc(i)na 


Martschein 




Marein 


marina 


Madulem 


maiul(i)na 


Maärna 




Media 




MaÜein 




Matona 


matuna 


Madaun 




Patone 


*patuniy patu 


Patsch 


paus 


Rasen (Rasina) 


ras(i)na 


Riguna 


*r€cuna, recu 


Schmvm 


samerwii 


Sadrein 


satarine 


Sedinna 




Sedomia 




Storo (Setavrum) 




Seconia 


secunia 


Segugna 




Targön 


tari(u)na 


Torcegno 




Tormino 


burm(i)na 


Tavon 


^tar^uni, ta^fu 


Tüisuna 


"^ielesuna, t(e)les(i)na 



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187 

etr. Talson 

Valsun rät. velsuna 

Fakeina (Valsima) velsuna 

VuUen velbma 

Foläna 

Fens vensi 

Farena var(i)na 

Farenna 

Frin 

Farn fnruna 

Fersam (Fersanna) . veräeno 

Fesena . ^vesina, vesi 

Pfaäen (Fadina) vatina 

Inbezug auf die vorstehenden Vergleichtmgen ist folgendes 
zu bemerken. Die etruskischen Personennamen entsprechen 
zum Teil den rätischen Ortsnamen genau, wie z. B. etr. aubia 
dem rät AvJmnaj etr. sectmia dem rät Segugna^ zum Teil aber 
nur im Stamm, während sie in der Endung abweichen. Dieses 
Abweichen aber beruht auf einem bestimmten Gesetz. Bei den 
etruskischen Familiennamen li^en nicht selten zwei Bildungen 
von ein und demselben Stanmie neben einander, von denen die 
eine auf -i (= lat -ä«), diö andere auf -« (= lat -o, resp. 
'onius) endigt. So haben wir neben einander z. B. ceisi und 
ceisuj velsi und velsu, ierturi und äeriuru u. s. w. Nicht immer 
sind diese Doppelformen erhalten, aber möglich sind sie inmier, 
und darauf beruhen dann Vergleichungen, wie etr. tks(i)na mit 
rät Tilistma von *teleswuz oder etr. lav(i)sie mit rät. Lavison 
von *lavisuna. Kne andere von mir schon oft erwähnte Eigen- 
tümlichkeit der etruskischen Familiennamen besteht darin, dass 
ein und derselbe Name ganz nach Belieben die weiterbildenden 
Suffixe -na und -ni anfügen kann oder nicht So sind unmittel- 
bar und sachlich identisch z. B. caij caini und caina, so petru, 
petruni und petrunaj so calisuy calis(u)m und calis(u)na. Auf 
diesem Gesetz beruhen Vergleichungen, wie etr. faru mit rät 
Farn aus ^fanma^ wie etr. caiu mit rät. Catuna, Um indessen 
auch in diesem Falle die Vergleichungen gegen jeden Vorwurf 



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188 



sicher zu stellen^ habe ich den rauschen Ortsnamen zwei etrus- 
kische Formen zur Seite gestellt, die buchstäblich entsprechende 
zuerst, aber als nicht belegt mit einem * versehen, und sodann 
die in den Inschriften wirklich bel^^ Form des betreffenden 
Familiennamens. Eingeklammerte Vokale bei diesen etruskischen 
Formen bezeichen solche Vokale, die in den Inschriften der 
späteren Zeit ausgefallen zu sein pflegen, in der Orthographie 
der älteren Zeit aber geschrieben zu werden pflegen. 

Nunmehr lasse ich, aus den oben (pag. 184.) angegebenen 
Gründen gesondert, die Liste derjenigen rätischen Ortsnamen 
folgen, welchen Bildungen auf -^a, -cd und -alisa zu Grunde 
liegen. Solche aber finde ich in folgenden rätischen Orts- 
namen: 



rät Agums (Aguns) 


etr. ayunisa 


Amras (Onirans) 


umranasa 


Ävens 


aveinisa 


Tschafatsch (Caffedal) 


cafaädl 


Cumeriatd 


cumerial 


Grins (Ourunes) 


curunisa 


Grelles 


ciarbialisa 


Gorbs ' 


curvesa 


Ladums 


larÜumisa 


Ladir (Ladurs) 


larikirusa 


Ladiz 


latibesa 


Mariol 


marial 


Medels 


meteUsa 


Bürs (Puirs) 


purusa 


Persall 


perisal 


Presels 


perisalisa 


Salins 


,<alinasa 


Schieins (Salinas) 




Schlins (Seiines) 




Solvis 


äalvisa 


Sateins 


sat(i)nasa 


Tarzens (Targines) 


tar/fujnasa 


Tartsch (Tarcü) 


tar/isa 



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189 



etr. Üurm(i)nasa 
iarfunisa 
vebisa 
velbinasa 
velbumisa 
velburusa 
venelusa 
vetesa 
veinisa 
vebtirisa 



rät Darmenz (Tarmintz) 
Dctfins 
Fels (Feüis) 
Feldis (Feldens) 
Fۆkums(FuUumes, FeUhumes) 
Filters 

Fendels (Fenb) 
Fätäs (FettiSy Fethins) 
Fettan (Fetanes) 
Fidei^is 

Auch hierzu einige Bemerkungen. Die angeführten etrus- 
kisohen Formen auf -sa sind nicht bei allen Namen belegt, 
sondern an ihrer Stelle die anderen Genetive auf -i. Da aber 
beide im Etruskischen ohne erkennbaren Unterschied in der 
Bedeutung mit einander wechseln, so habe ich hier der Gleich- 
mässigkeit halber stets die Form auf ^sa angesetzt Die un- 
belegten Formen dieser Art durch den * auszuzeichnen, schien 
mir hier überflüssig. Wo anderweite Abweichungen vorliegen, 
sind, wie bei der ersten Liste, Doppelformen gesetzt und die 
nicht belegten durch den * bezeichnet 

Beide Listen enthalten auch einige Vergleichungen , in 
denen die etruskischen Formen nicht Familiennamen sind, 
sondern, wie in Rasen, der Volksname der Etrusker selbst, 
oder, wie in Tartsch, Felz, Filters, Fendels, Vornamen. Um 
nicht irre zu führen, sei das hier ausdrücklich bemerkt 

Dass unter den aufgeführten rätischen Ortsnamen immer- 
hin vielleicht noch der eine oder der andere sich aus dem Ro- 
manischen erklären lassen möge, kann zugegeben werden. Aber 
das ändert nichts, es bleibt immer noch eine genügende Anzahl 
von Namen übrig, die völlig ungezwungen in lautgesetzlich, 
wie morphologisch geschlossenen Beihen sich aus dem Etrus- 
kischen ableiten lassen und für die es romanische oder ger- 
manische Etyma nicht giebt. 

Damit dürfte also der Nachweis gefiihrt sein, dass die 
rätischen Ortsnamen in der That auf etruskische Personen- 
namen zurückgehen. Ist das aber wirklich der Fall, dann, 



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190 

glaube ich, wird man die Zugehörigkeit der Bäter zu den 
Etruskem nicht mehr bezweifein können. 

Für die Erklärung dieser Verwandtschaft zwischen Bätern 
und Etruskem hat man zwei verschiedene Wege eingeschlagen, 
sofern man, was früher die allgemein herrschende Ansicht war, 
entweder gestützt auf die Stellen des Livius (V, 33), Plinius 
(m, 29) und Justin (XX, 5) annahm, dass die Bäter die durch 
die gallische Eroberung der Poebene in die Alpen gedrängten 
Etrusker seien, oder indem man (Niebuhr, Bom. Gesch.* 120; 
Müller, Etr. I\ 163. = I^ 156.) in ihnen die von der von 
Norden her erfolgten Einwanderung der Etrusker in Italien in 
den Alpen zurückgebliebenen Beste dieses Volkes sah Diese 
Frage berührt sich mit der anderen schon früher (U, 1. pag. 
74 sqq.) erwähnten, ob die Etrusker überhaupt von Norden 
oder Süden her in Italien eingedrungen seien. 

Dass wenigstens ein Teil der rätischen Etrusker von Süden 
her in die Berge eingedrungen ist, und zwar jedenfalls, wie ja 
Livius ausdrücklich sagt, auf der Flucht vor den Galliern, das 
unterliegt keinem Zweifel. Der Beweis hierfür liegt eben darin, 
dass die rätischen Ortsnamen von den Familiennamen des eigent- 
lichen Etruriens abgeleitet sind. 

Nun aber sind die etruskischen Personennamen, wie ich 
schon oft genug hervorgehoben habe, in ihrer überwiegenden 
Masse itelischen Urspninges. Diese Erscheinung, welche ich 
anderen Ortes eingehend behandeln und beweisen werde, kann 
selbstverständlich nur daraus erklärt werden, dass die Etrusker 
ihr Namensystem von den Italikern entlehnten. 

Das aber kann nur in Italien selbst der Fall gewesen sein, 
und zwar gilt das gleichmässig für alle drei Möglichkeiten, die 
«s bezüglich der etruskischen Einwanderung in Italien überhaupt 
giebt. Diese drei Möglichkeiten aber sind die, dass 1. die Etrusker 
von Süden gekommen sind; 2. dass sie von Norden gekommen 
sind, und zwar a. vor den Italikern, b. nach den Italikern. 

Im ersteren Falle ist die Entlehnung selbstverständlich in 
Italien selbst geschehen , und ebenso auch in dem Falle 2 a. 
Aber auch bei der letzten Möglichkeit muss die Entlehnung in 



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_191 

Italien selbst stattgefunden haben. Die Annahme von Geschlechts- 
namen ist überall, wo sie stattfindet, das Zeichen einer bereits 
verhältnismässig fortgeschrittenen Kultur, insbesondere einer ge- 
wissen Entwickelung der rechtlichen Verhältnisse, Es ist von 
vornherein nicht anzunehmen, dass die ,,Italik6r in der Poebene^' 
auf dem Eulturstandpunkte, wie Uelbig sie uns vorführt, be- 
reits Familiennamen gehabt hätten, aber selbst aus der ältesten 
Zeit Roms treten unsBomulus und Remus noch als einnamig 
entgegen. Und wenn die Silvii von Alba Longa bereits als 
einen Geschlechtsnamen führend überliefert werden, so darf 
man eben nicht vergessen, dass sie ein Eönigsgeschlecht sind. 
Bei den Herrschergeschlechtern aber hebt, wie sich bei den 
verschiedensten Völkern nachweisen lässt, die Sitte der Familien* 
namen an. Da von Numa Pompilius ab die folgenden Könige 
in der Überlieferung Familiennamen tragen, so ist inmierhin 
möglich, dass die Fixierung derselben in jene dem inneren Aus- 
bau des staatlichen Lebens gewidmete Periode fallt, die an seinen 
Namen geknüpft ist Ist aber das der Fall, dann können die 
Etrusker die Familiennamen von den Italikem erst bekommen 
haben, als sie schon in dem eigentlichen Etrurien sassen. Dann 
aber folgt weiter, dass alle jene rätischen Orte, deren Namen 
von etrusMschen Familiennamen abgeleitet sind, von Süden her 
besiedelt sein müssen, was sich nur so erklärt, dass die Etrusker 
durch die von Westen her eindringenden Gallier aus der Po- 
ebene dem Laufe der Etsch entgegen in die Berge gedrängt seien. 
Aber mit dieser Thatsache ist die andere durchaus nicht 
unvereinbar, dass auch vorher in den Bergen schon Leute etrus- 
kischen Stammes wohnten. Ja, es ist das sogar wahrscheinlich, 
weil sonst, worauf schon Damm (Zur tirol. Altertumskunde 17) 
und Stolz (Urbevölkerung Tirols^ 11) hingewiesen haben, es 
nicht recht erklärlich wäre, dass die aus der Poebene flüchten- 
den Etrusker so ohne weiteres hätten in die Berge eindringen 
können. Und so habe ich denn auch bereits im ersten Bande 
dieser Forschungen (110 sqq.) doppelte Etrusker, zurückgebliebene 
und aus der Poebene gekommene, angenommen, erstere um 
Sondrio sesshaft, letztere im Etsch- und Wippthal und im Nons- 



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192 

berge. Diesem Resultate hat freilich Deecke (Gott. Gel. Anz. 
1886, 62) sich nicht anschliessen zu kösDen geglaubt. Da die 
Frage wichtig genug ist, so scheint es mir geboten, hier genauer 
auf sie einzugehen. 

Es giebt einen Weg, diese Frage der doppelten Etrusker 
einer Entscheidung näher zu bringen, und zwar bietet sich dieser 
Weg in den Ortsnamen des Bezirks von Sondrio. Die Frage 
liegt so: Zeigt dieser Bezirk Ortsnamen, die in ihrer Gesamt- 
heit mit denen des ratischen Gebietes nördlich vom Gardasee 
um die Etsch herum übereinsünmien oder, anders ausgedrückt, 
von den Familiennamen des eigentlichen Etruriens abgeleitet 
smd, dann sind auch diese Etrusker mit den anderen von Süden 
gekommen; ist dies aber nicht der Fall oder sind neben solchen 
Namen auch noch andere da, die sich nicht so erklären lassen, 
dann können hier gesonderte nördliche Etrusker angenommen 
werden, im ersteren Falle nur solche, im letzteren ausser. den 
von Süden gekommenen. Ich ss^e, sie können angenommen 
werden; ob sie es müssen, hängt dann noch von einer weiteren 
Untersuchung ab. Wenn es nämlich Etrusker sind, die sich 
hier vor Annahme des italischen Familiennamensystems an- 
siedelten, dann lässt sich vermuten, dass ihre Ortsnamen, so- 
fern die bisher geführte Untersuchung richtig ist, einerseits mit 
den lykischen und den sonstigen kleinasiatischen, andrerseits 
mit den iberischen und ligurischen das gleiche Bildungsprinzip 
zeigen werden, wodurch dann andrerseits rückwirkend auch 
wieder die genannten Völker als Verwandte der Etrusker er- 
wiesen werden. 

Damit ist die Frage formuliert und der Weg zu ihrer Be- 
antwortung gewiesen. Betreten wir ihn jetzt, indem wir die 
Ortsnamen um Sondrio nach den angegebenen Gesichtspunkten 
untersuchen! Das Material für diese Untersuchung entnehme 
ich dem Indice generale dei Comuni del Begno dltalia von 
Federico Gilberti. Er enthält nicht alle einzelnen Ortsnamen, 
schien mir aber für unseren Zweck hier völlig auszureichen. 

Zunächst nun sind auszusondern die modern italienischen 
Namen. Als solche ergeben sich sofort zu erkennen Campo- 



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193 

(ioicino, Campomm^ Cfistello deltAcqyaj Ohiesti, Ikunoj Forwh^ 
holato, Montaffna^ Fonttf, Sait Giacomo e FiUppOj Ton^e dj 
S, Maria, Jal di deniroj Val di sötto. Für italiemseh halte 
ich ferner Albttredo und Ftantedo. Erst^res, bei Parma als 
Alharett} sich fiüdend, ist Ableitung von tMero „arbor*S ent- 
spricht also einem lat* arborvtum; das innere a ist wie m ttrba- 
reilö ^jBäumcben** neben afhereUo, Dem entsprechend ist dann 
auch Fiantmlo ein lat phnietitm Viin piauta „planta". Kbensü 
ist dann wohl auch Pititeda als plurale Form von piaito „flach^* 
al>zuleiten. Nach der Analogie der vorstehenden Namen aber 
ivird dann auch Faeda italienisrh sein. Auch neben ihm findet 
sich ein Faeto (Foggia). Dies aber winj^ wie Famiza aus Fa- 
vmtia hen^ürgegangen kt, für Favßio stehen und sich von fava 
„Bohne'* herleiten^ so das.s es ,,Bohuen]iflanmng*^ bedeutet. Für 
italienisch halte ich auch Fimne^ neben dem ein Fmi^nano 
(Ravenna) sich tindet. Die Bedeutung indes ist unklar, denn 
ob es von ^.^0 ,, Spindel'* sich ableiten kann, ist mindestens un- 
sicher. Italienisch ist weiter wohl auch Cmpo^r^io^ welches doch 
wohl casa „Haus^^ und poggio „Hüger^ enthält. Andre Naoeu 
sind aus italienischen und fremden Bestandteilen gemischt. So 
haben Cedrasco und Femlohntco italienischen Stamm, denn jenes 
kommt doch ohne Zweifel von v-edro „Citronenbaum**, dieses von 
pimdok „hängend", aber die Endung ist fremd. In anderen 
1^'ällen sind die Namen aus italienischen und tremden Bestand- 
teilen zusammengef^etzt. 80 Postaleno d, i, Postu Mesio, Prato 
Vamposiatido d» i. Vampo Odanch^ f'aiftinm d. i, Fcd Furva^ 
rainimmü d. i* f ai Mmino, VUki di l^lrano^ wo je der letzte 
Teilj und Tmo di 6', Agata, wo der erste Teil nicht italienisch 
ist. Für nicht italieniscb halte ich Laiizada^ Mantelh^ Mmzo^ 
Novate Mtzzoia und Ramra^ von denen weiter unten die Rede 
sein wird. 

Auszusondern sind nun weiter diejenigen Namen, die galli- 
schen Ursprungs sind. Denn dass Gallier bei der grossen In* 
vasion auch in diese Teile Rätiens eingedrungen sind, ist nicht 
2U bezweifeln, wenngleich die Raeti selbst sieher keine Kelten 
sind. Aber gallische Ansiedlungen beweisen eben die sehr zahl- 

Pauli, liischdft voü Lcinnqs, 11, I3 



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194 



reichen Ortenamen gallischer Herkunft in unserem Gebiet Sie 
zu erkennen, haben wir zwei Mittel und Wege, einmal ihre 
Übereinstimmung mit altgallischen Orts- und Personennamen 
und sodann ihr Verbreitungsgebiet Wenn ein Name im Be- 
zirk von Sondrio vorkommt, daneben aber auch in den Provinzen 
sich wiederfindet, die ehedem die Gallia cisalpina bildeten, und 
zwar nur in diesen, dann ist er sicher gallisch. 

Auf dem ersten Wege erweisen sich nun folgende Namen 
unseres Bezirkes als gallischer Herkunft; 



Andab gall 


. Andacus 


Jrdenno 


Arduerma 


Andevenno 


Ande — in vielen Namen 




Femms 


CTiiavenTia 


Ckmenna 


iMibino 


Dubtms 


Livigno 


Lwo 


Manteüo 


Mantala 


Meüo 


Melhdunum 


Novate Mezzola 


Novidimum und 




Mediolanum 


Postalesio d. L Posta Alesio 


Alesia 


Samolaco 


Samaus 




Samotabis 


Tartano 


Tareüus 


TeffUo 


TeUaous 


Traona (= Tragonaf) 


Tragisa 


Falmasino d. i. Fol Masino 


MüRunnus 


Fervio 


Ferbicus 




Ferbeia 




Ferbinum 



Auf dem zweiten Wege, der alleinigen Wiederkehr auf 
gallischem Boden, aber ergeben sich folgende Namen als gallisch, 
wobei ich auch die soeben schon als gallisch nachgewiesenen 
noch wieder in das Verzeichnis aufnehme, weil so beide Be- 
weise sich gegenseitig verstärken. Ich gebe in Klammem stets 



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J^95_ 

die Provinz an, in der die verglichenen Namen liegen. Diese 
N^men nun sind folgende: 

Ardenno — Ardenna (Como) 
Berbenno — Berbermo (Bergamo) 
Bianzone — Bianze (Novara) 

Bianzano (Novara) 
Caiolo — Caieüo (Mailand) 

Caionvico d. i. Caione vico (Brescia). 
Castione Ändevenno — Casäone (Bergamo, Verona, Udine) 

Andonno (Cuneo) 
Chiavenna — Chiavdzza (Novara) 
Ovo — CiveUo (Como) 
CivigUo (Como) 
Civate (Como) 
Civenna (Como) 
Cwiasco (Novara) 
Gerola — Gerola (Brescia) 
Lanzada — Lanza (Como, Turin) 
Lioigno — Zwo (Como) 
Lovero — Lovere (Bergamo) 

Loveno (Como, Brescia) 
Luvinate (Como) 
Mantello — Manta (Cuneo) 

Maniova (Mantua) 
MandeUo (Como, Novara) 
Mazzo — Mazzo (Mailand) 
Mazzano (Brescia) 
Mazzunno (Brescia) 
Mazzoleni (Bergamo) 
^eUo — MeUe (Cuneo) 
Menarola — Menaggio (Como) 
Mese — Mesero (Mailand) 
Mesenzana (Como) 
Morbegno — Morbelh (Alessandria) 
Novate Mezzola — Novate (Como, Mailand) 
Mezzago (Mailand) 

13 • 



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196 

Novate Mezzola — Mezzana (Pavia, Novara) 
Mezzano (Verona) 
Mezzanino (Pavia) 
Mezzani (Parma) 
Mezzate (Mailand) 
Mezzegra (Como) 
Mezzoldo (Bergamo) 
AJbosaggia d. i. AO>a Osaggia — Oslo (Bergamo) 
Rogolo — Rogeno (Como) 
Scanolaco — Samone (Turin) 
Serino — Serina (Bergamo) 
Seriaie (Bergamo) 
Tartano — Tarzo (Treviso) 
Fahnasino d. i. Val Masino — Masino (Turin) 

Masio (Alessandria) 
Masnago (Como) 
MasUanico (Como) 
Ferceia — Vercana (Mailand) 

Die nun noch verbleibenden Namen des genannten Bezirks 
sind weiter zunächst daraufhin zu untersuchen, ob sich unter 
ihnen solche befinden, die auf Familiennamen des eigentlichen 
Etruriens zurückgehen. Das muss durchaus verneint werden. 
Der einzige Name, der an einen etruskischen Familiennamen 
auch nur anklingt, ist Pedesma, welches zu petsna d. i. petesma 
gehören könnte. Denn Caspoggio^ welches sich ebenfalls zu 
etr. caspu stellen könnte, enthält doch wohl, wie schon oben 
gesagt, modern italienisches casa und poggio. 

Daneben aber finden sich noch einige Namen, die auf den 
ersten Blick an Ortsnamen des eigentlichen Etruriens sich an- 
zuschliessen scheinen. Es sind dies Talamona^ Gordona und 
Cosio. Jenes erinnert unmittelbar an die etruskische Hafen- 
stadt Telamonj etr. Üamunuy wie die Münzen darthun, wäh- 
rend Gordona sich an den Namen der Stadt Cortoiia, etr. 
curtunoj anschliessen könnte, Cosio aber an die sonst nicht nach- 
weisbare Stadt *cusia, von der das anscheinende Ethnikon cusiax 



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197 

(Fa. DO. 2398) abgeleitet sein könnte. Allein alles Dreies ist un- 
sicher. Denn neben Taiamona haben wir ein Taleggio (Ber- 
gamo), und das scheint den Namen dann doch eher als einen 
gallischen zu erweisen. Neben Gordona aber haben wir Gor- 
zone (Brescia) und Gorzegno (Cuneo), und es scheint somit auch 
dieser Name gallisch zu sein. Cosio aber lässt sich doch wohl 
von Grosio nicht trennen. Dies aber kann, schon seines g wegen, 
nicht etruskisch sein. Als etruskisch käme endlich auch noch 
Raswra in Frage, welches an etr. Rasenruij rasna u. s. w. an- 
klingt Aber die Endung macht die Sache zweifelhaft, denn 
alle übrigen etruskischen Formen dieses Stammes haben ein 
n- Suffix, keine ist mit r gebildet. So bleibt also mit einiger 
Sicherheit nur Pedesina übrig, welches seinen Namen von einer 
südlichen etruskischen Familie haben kann. Diese aber in ihrer 
Vereinzelung kann nur als eine nachträglich eingewanderte auf- 
gefasst werden. 

Die Sache liegt also zunächst so, dass, wenn im Bezirk von 
Sondrio überhaupt Etrusker gesessen haben, dies von Süden her 
eingewanderte nicht sein können. Nun aber finden sich doch 
in diesem Gebiete etruskische Inschriften (cf. darüber Pauli, Altit. 
Fo. 1,96 sqq.), und wir müssen daher schliessen, dass die Etrusker 
hier auf anderem Wege in das Land gekommen sind. 

Um dies nun noch weiter zu erharten, werden wir sehen 
müssen, ob für die nun noch übrigen Ortsnamen unseres Be- 
zirks sich sonst irgendwo Parallelen finden, aus denen sich dann 
wohl irgendwelche Schlüsse werden ziehen lassen. 

Solche Parallelen nun finden sich zuerst zwischen Namen 
um Sondrio imd ligurischen. Es sind die folgenden: 

(Sondrio) Bormio lig. Bormida (Genua), auch lat. 

Bormani bicus 
Cosio Cosio (Porto Maurizio) 

Tresivio Tresana (Massa) 

Toüo Tooo (Genua) 

Einen Anklang an einen iberischen Namen bietet 

Colovma iber. Colobona 



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^d8_ 

Möglich ist ausserdem y dass auch das in Albosaggia 
steckende Alba mit iber. Alba, Albahenses verwandt ist, dass 
Castione aus Casüone hervorgegangen ist und zu iber. Castulo 
gehört, und dass endlich Gordona nicht gallisch ist, sondern zu 
dem Gorditanum promurUurium auf Sardinien, dessen Namen 
sich schon durch die Endung -iianum als iberisch ausweist, ge- 
hörig ist 

Verwandt klingende Formen au» dem griechisch-pelasgischen 
Gebiet finden sich folgende: 

Buglia — BuUs (Phokis) 
Cercino — Cerdnium (Thessalien) 
Colovino — Colonus (Attika) 
Tirana — Thyns (Argolis) 

Den letzten Spuren von Verwandtschaft könnte man nun 
noch in den Ortsnamen Vorderasiens, insbesondere Lykiens, 
Kariens und Lydiens, nachgehen wollen, aber hier habe ich nichts 
Vergleichbares gefunden. Weder das -ss-, noch das -wrf-Suffix 
finden sich in den Ortsnamen um Sondrio, noch stinmien die 
Wurzelsilben aus beiden Gebieten irgendwie miteinander überein. 

Damit ist die Eeihe der vergleichbaren Gebiete erschöpft, 
aber es bleibt noch ein Rest unerklärter Namen übrig, die sich 
sehr deutlich in bestimmte Gruppen sondern. Es sind dies: 
Bemay (Fal)ßtrva; Ckiuro, Piiiro, Rasiira; Grosio, Sondrio, 
Sondalo; Spriana. 

Das ist also der Thatbestand bezüglich der Namen um 
Sondrio. Versuchen wir es nun, aus ihm Schlüsse zu ziehen! 

Dass Etrusker dort gewohnt haben, ergeben die Inschriften, 
aber es findet sich mit einer einzigen Ausnahme kein Ortsname, der 
mit den südlichen etruskischen Familiennamen zusammenhängt. 
Wohl aber finden sich solche, die an ligurisch- iberische an- 
klingen, solche, die an pelasgische in Griechenland anklingen, 
und solche, die bisher nirgendwo eine vergleichbare Namens- 
form finden. Die ersteren beweisen am wenigsten, denn die 
Parallelen können zwar auf Urverwandtschaft zwischen Ibero- 
Ligurern und Etruskern beruhen, aber die Namen um Sondrio 
können doch auch direkt auf eine alte ligurische Besiedeluug 



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199 

hinweisen. Schwerer schon würden die Anklänge an die pelas- 
gischen Namen wiegen, aber es sind ihrer zu wenige, um darauf 
einen wirklichen Beweis gründen zu können. So bleiben also 
die noch unerklärten Namen übrig, in denen man alte ur- 
etruskische Bildungen vermuten dürfte. Diese neben den In- 
schriften, in denen gleichfalls keine südetruskischen Namen sich 
fanden, fallen am schwersten ins Gewicht für die Annahme, dass 
die hier gesiedelt habenden Etrusker nicht von Süden ge- 
kommen seien. 

Wie man sieht, ist also die Möglichkeit einer etruskischen 
Einwanderung von Norden her in dieses Gebiet keineswegs aus- 
geschlossen, und so würden dann ja allerdings doppelte Etrusker 
in Rätien nachgewiesen und somit gleichzeitig auch die Frage 
mit entschieden sein, ob die Etrusker überhaupt von Norden 
oder von Süden nach Italien gekommen seien. Allein ich gebe 
selbst zu, dass nur die Möglichkeit nachgewiesen ist und dass 
die im Vorstehenden beigebrachten Materialien für einen end- 
gültigen Beweis nicht ausreichen. Aber vielleicht kann man von 
ihnen aus weiter vordringen. 

Weiter würde nun auf Grund von Hommels Besprechung 
(cf. oben pag. 146.) die Verwandtschaft der mit Keilschriftzeichen 
geschriebenen Sprachen der Ureinwohner Armeniens, so wie der 
Kossäer und Susier mit unserem Sprachkreise zu untersuchen 
sein, allein es erscheint mir zweckmässig, diese Besprechung 
der etwaigen weiteren asiatischen Verwandtschaft noch zu ver- 
schieben und zuvor noch eine weitere auf Europa sich beziehende 
Frage zu erledigen, die nicht von Hommel, sondern von anderer 
Seite her aufgeworfen worden ist. 

Zu den Pelasgern nämlich sind verschiedentlich auch die 
Albanesen gerechnet worden, sofern sie Nachkommen der alten 
lll}Tier sein, diese aber ihrerseits mit Epiroten und Makedoniern 
dem tyrrhenisch-pelasgischen Volksstamme angehören sollten. 
Der hervorragendste Vertreter dieser Ansicht ist bekanntlich 
V. Hahn, der an verschiedenen Stollen seiner „Albanesischen 
Studien*' (z. B. II, 215. 305.) diese seine Ansicht bestimmt for- 
muliert hat. Da dieselbe auch jetzt noch Anhänger zählt. 



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200 

(z. B. Fligier, cf. dessen Prähistorische Ethnologie der Balkan- 
halbinsel und Italien und Urzeit von Hellas und Italien) , so 
wird es nötig sein, sich auch mit ihr auseinanderzusetzen. 

Diese Ansicht setzt sich aus folgenden Einzelsätzen zu- 
sammen: 

1. Die Albanesen sind die Nachkommen der alten lUyrier; 

2. Die alten nijrier sind neben Epiroten und Makedonen 
Mitglieder des tyrrhenisch-pelasgischen Stammes, zu dem auch 
in Italien die Etrusker gehören; 

3. Die alten Ulyrier sind Verwandte der Römer und 
Hellenen und also indogermanischen Stammes (v. Hahn 1. c. 
n, 214.). 

Dem gegenüber behaupte ich nun 1: die Albanesen sind 
keine Nachkommen der alten Ulyrier. Der Beweis hierfür liegt 
in ihrer Sprache. Die Reste der illyrischen Sprachenfamilie 
li^en vor in den Eigennamen der lateinischen Inschriften aus 
denjenigen Gebieten, die von den Alten ausdrücklich als von 
Dlyriern bewohnt bezeichnet werden, nämlich Dalmatia, Li- 
bumia, Histria, Veiletia, Noricum, Pannonia, in den einheimischen 
Inschriften der Veneter und der Messapier. Über alle dreie 
habe ich in dem dritten Bande dieser Forschungen ausfuhrlich 
gehandelt. Die lautgesetzlichen Verhältnisse des Albanischen 
nun aber sind vollständig andere, als die jener Reste des Illy- 
rischen. Darauf ist bei den Besprechungen meiner „Veneter" 
insbesondere von Gustav Meyer (Berl. Philol. Wochenschr. 1892, 
310 sqq.) und K v. Planta (Anzeiger für indogerm. Sprach- und 
Altertumskunde I, 118.) hingewiesen worden, und zwar mit 
vollem Rechte. 

Die Hauptpunkte, in denen diese Verschiedenheit sich 
zeigt, sind die folgenden: 

1. indogermanisches -s- zwischen Vokalen wird albanisch 
'S' (Gust. Meyer 1. c. 310.), venetisch anscheinend zu -A-; 

2. indogermanisches palatales ^ wird albanesisch zu z 
(G. Meyer 1. c. 313.), venetisch zu /; 

3. indogermanisches vokaÜsches r wird albanesisch n (1. c. 
314.), venetisch anscheinend ar-^ 



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201^_ 

4. indogermanische Nasalis sonans wird albanesisch wahr- 
scheinlich e(n) {1, c. 314,), venetiach an; 

5. die indogerraanisoheti aspirierten Medien werden alba- 
nesisch reine Medien (l. c. 314.), venetisch aber wird bh tu f\ 
also auch wohl gk und dh zu Spiranten, 

Hier ist auf die Punkte Ky 3. und 4. minderes Gewicht 
zu l^en, weil sie inbezug auf die betreffende Lautbehaudlung 
im Venetlscheu nicht völlig gesichert sind ; desto grösseres Ge- 
wicht hingegen haben die Punkte 2. und 5.^ und hier sind die 
Thatsachen vollkommen sicher. Gustav Meyer ist zwar gt^neigt. 
beide anzuzweifeln, aber mit Unrecht Daran, dass e^o t,egu** 
bt'deute, ist, wie mir scheint, nach dem Bau der betreffenden 
luschrifteu nicht zu zweifeln. Auch das voltiymes wird an- 
gesichts des Aulof/euesj wie auch ich mit Mommsen vorgehen 
würde zu lesen, kaum von Wurzel gm- zu trennen seiu. Das 
wird sogar von Thurneysen {1. c. 292.) augenommeUj der seiner- 
seits noch den Nachweis hinzufügt , dass in fe^clevem auch 
das palatale A zu c geworden sei. Ob nun etwa, wie Tbtirn- 
eysen weiter (1. c, 291.) meintj das ^ nur als Schreibung einer 
wirklichen Media y zu betrachten sei, oder ob es, wie ich ge- 
meint hatte, einen spirantischen Laut darstelle, das ist für 
unsere Frage ohne Belang. Das, worauf es hier ankommt, ist 
nur dies, dass die Palataleu im Venetiscben als c und / er- 
scheinen, nicht, wie im Albanesisehen, zu Zischlauten werden. 

Ebensowenig, wie ven. / aus g, kann mau anzweifeln, dass 
das Venetische ein f besessen habe und dass dies aus fjh ent- 
standen seL Gustav Meyer {1. c. 315.) meint zwar: „Es wird 
daher vielleicht zu erwägen sein, ob veneüsches vh wirklich 
den Wert von /' hat , . .^ oder ob die mit f- beginnenden 
Namen echt illyrisch sind.** Aber ich glaube doch, beide 
i'ragen werden durch die Namen ven. vhu/ßaj vhuyma^ v/tou- 
■ymitah^ vhouyjmiehj vhauyajitios u* s. w., neben denen kt- 
ven. Fitgenia und Fongoma stehen, So wii* durch veu. vhremahs, 
vkremahstna neben lat-ven, J^Vcmcmtio im bejahenden Sinne 
entschieden. 

Diese beiden Thatsachen aber führen mit Notwendigkeit 



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f 



202 

zu dem Schlüsse, den Thurneysen (1. c. 292.) kurz und bündig 
formuliert hat in den Worten: „Sind die Veneter . . . Illyrier, 
was möglich ist, so ist die albanesische Sprache sicher . . . 
keine illyrische." Dass die Veneter aber Illyrier waren, lehren 
uns die Alten mit voller Sicherheit, also sind die Albanesen 
es nicht. Denn an die andere Möglichkeit, die Thurneysen 
noch andeutet mit den Worten: „Waren die Illyrier ein ein- 
sprachiges Volk . . .," Avurde man doch wohl erst dann zu 
denken haben, wenn Anhalte dafür vorlägen, dass Uh/ri ein 
rein geographischer Sammelname, keine ethnographische Be- 
zeichnung sei, was, so viel ich sehe, bis jetzt nicht der Fall ist. 

Durch dieses Ergebnis, dass die Albanesen nicht die Nach- 
kommen der alten Illyrier sind, erledigen sich gleichzeitig zwei 
Bemerkungen, die an mein Buch über die Veneter angeschlossen 
worden sind, die eine von Gustav Meyer (Berl. Philol. Wochen- 
schrift 1892, 279 sq.), die andere von Stolz (Urbevölkerung 
Tirols^ 102. not. 60). 

G. Meyer bemerkt, nachdem er darauf verwiesen, dass ich 
pag. 242. jenes Buches unter den Hülfsmitteln für Entzifferung 
des Venetischen auch das Albanesische genannt habe, weiter: 
„Das Albanische ist, wie jetzt wohl allgemein zugegeben wird, 
der einzige noch lebende Rest der einst über ein ziemüch grosses 
Gebiet verbreiteten illyrischen Sprache. Wenn also das Venetische 
(und ebenso das Messapische) auch nur in Verdacht steht, illy- 
risch zu sein, so hat man allerdings die Verpflichtung, das- 
jenige, was sich aus dem heutigen Albanesischen für die Kennt- 
nis und Beurteilung des Altillyrischen etwa lernen lässt, aus- 
zunutzen. ... Ich vermag Pauli den Vorwurf nicht zu er- 
sparen, dass er sich mit dem, was man aus dem Albanesischen 
für die Beurteilung des Altillyrischen zu lernen vermag, nicht 
gehörig vertraut gemacht hat: .... thatsachlich finde ich in 
seinem Buche — und ich habe dasselbe sehr aufmerksam ge- 
lesen — diese Sprache nur einmal angeführt" Diese letztere 
Thatsache ist vollkommen richtig, aber der von Meyer daraus 
gezogene Schluss ist es nicht Ich habe das Albanesische fort- 
gesetzt zu Rate gezogen und dabei nicht bloss das Buch von 



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gQ8 

T< Hahn^ sondern auiih die bis dahin erschieneDen Abhandltingen 
MejerSj die ich selbst besitze, fortgesetzt verglicheiij aber icli 
habe eben nichts Vergleichbares gefunden. Und jetzt, wo aix^ 
den von Meyer und von Planta augeführten Thatsachen der 
richtige Schlass gezogen ist, ergiebt sich auch, warum ich 
nichts gefunden, eben weil die Albanesen gar keine Nach- 
kommen der aJten lUyrier sind. Und damit ist denn auch 
weiter die Bemerkung von Stolx biuEUig geworden , wenn er 
sagt: j^Hinsichthch der üeutungsversuche Paulis, die in einer 
nicht unbeträchtlichen Anzahl von Fällen als ziemlich sicher 
bezeichnet werden mussc^n, giebt der ausgezeichnete Ken y er der 
albanesischen (albanischen) Sprache, die eine Tochter der alt- 
illyrischen Sprache ist, G, Meyer, in der Berl, phüoL Wochen- 
schrift No. 9 und 10 v* J* 1892 mehrere wertvolle Winkte, die 
Pauli veninlassen dürften, van einigen seiner Deutuugen ab- 
zugehen/* Dazu liegt also jetzt, wo der oben bezeichnete 
richtige Schlnsa gezogen ist, kein Anlass mehr vor, und Deu- 
tungen, wie exo „ich"j mefo ,jmich**, sind vojlkommeu auf- 
recht zu erhalten* 

Gehört nun aber das Älbane.sisGhe, wie sich aus den oben 
angeführten Thatsachen mit voller Sicherheit ergiebt, nicht twr 
illyrischen 8praihfamiliej so erhebt sich natürhcb sofort die 
Frage, zu welcher Familie sie denn nun gezählt werden soUettj 
und da bleibt dann sowohl nach den lautgesetzlicheu Eigen* 
tümlichkeiten ihrer Sprache, wie auch nach der Lage ihitn' 
Wohnsitze gar nichts anderes übrig, als in den Älbanesen 
die Nachkommen thrakischer Stämme zu sehen, wie ja denn 
auch thatsäcblich die Kette thrakischer Völker von dem eigent- 
lichen Thrakien aus durch Macedonien hindurch fa^st bis nach 
Epirus reicht. 

In Macedonien werden als thrakische Stamme von den 
Schriftstellern bezeichnet die Bisaltae, die Mygdoni, die Sithoni, 
die Pieri. Mit den letzteren bednden wir uns aber bereit« in 
einer Entfernung von nur 9— 10 deutschen Meilen von der 
epirotischen fJrenze. Eine solche EntfernuJig aber will nicht 
viel besagen, zumal wenn, wie hier das des Hahacmon, ein 



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204 

Thal gerades Weges diese kurze Entfernung durchschneidet 
Damit aber stehen wir dann unmittelbar an der Grenze von 
Epirus. Von dem oberen Haliacmon aus aber fuhren die Pässe 
über die nördlichen Ausläufer des Pindus nach Epirus hinein 
(cf. Kiepert, Alt. Geogr.^ 299. Anm. 2.). So hat hier die Natur 
selber den Weg vorgezeichnet, auf dem die, wie dies eben der 
lautliche Charakter des Albanesischen darthut, thrakischen Vor- 
fahren der Albanesen in das Land kamen, 

Dass daneben auch illyrische Völker in Epirus wohnten, 
soll damit selbstverständlich nicht geleugnet werden, aber diese 
lUyrier sind nicht die Stammväter der Albanesen. Es kreuzen 
sich eben in Epirus, wie das ja so oft auch sonst geschieht, 
zwei verschiedene Völkerzüge, der nord-südlich streichende 
illyrische und der ost-westlich gerichtete thrakische. Eine 
Untersuchung epirotischer Personennamen würde dies Verhält- 
nis gewiss bestätigen, leider aber fehlt es zur Zeit an aus- 
reichendem Material für eine solche. 

Kürzer kann ich über die beiden anderen Sätze v. Hahns 
(oben pag. 200.) hinweggehen. Dass die alten Illyrier, eben 
nach Ausscheidung der Albanesen, Indogermanen sind und 
zwar, eben wegen der Behandlung der Palatalen und Aspiraten, 
mit den Griechen und Römern näher verwandt sind, dstö ist 
richtig und folgt eben aus meiner Untersuchung der Sprache 
der Veneter. Dass aber die Pelasger und mit ihnen die 
Etrnsker keine Indogermanen sind, das aus ihren Sprachresten 
zu erweisen, ist eben die Aufgabe dieses Buches. Wenn das, 
wie ich hoffe, gelungen ist, dann sind die Albanesen, weil 
eranische Indogermanen, nicht pelasgischen Ursprunges. 

Nunmehr ist der Punkt gekommen, wo ich mich der von 
Hommel aufgestellten asiatischen Verwandtschaften mit unserem 
Sprachkreise zuwenden kann. Es handelte sich dabei um die 
Verwandtschaft der mit Keilschriftzeichen geschriebenen Sprachen 
der Ureinwohner Armeniens, sowie der Kossäer und Susier 
mit dem Georgischen. Diese hat Hommel auch sonst schon 
(Zeitschr. für Keilschriftforsohung I, 330. = Sep.-Abdr. 53.) 



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205 

behauptet. Er stützt diese seine Ansicht teils auf die über- 
lieferten Namen y teils auf grammatische Koinzidenzen. 

Abgesehen von dem Kossaischen, „der Sprache der Berg- 
bewohner östlich von Babylonien", von dem wir nur Eigennamen, 
wie z. B. Karaindashj üishdish, Karaburiash, Nazimurudash, 
Karoffhardask, Kiakmda, Parsindaj GizUbundaj die ja allerdings 
sehr pelasgisch aussehen, und „einzelne (uns durch ein kossäisch- 
babylonisches Vokubular erhaltene) Vokabeln" besitzen, sind wir 
bei dem Altarmenischen und Susischen an sich in der Lage, 
diese Verwandtschaft noch weiter zu prüfen, als es von Hommel 
schon geschehen ist 

Die Beste des Altarmenischen liegen vor in den in Eeil- 
schriftzeichen geschriebenen Inschriften, die um den Urmia- 
und Wansee gefunden sind, so wie auch hier wieder einer An- 
zahl von Eigennamen. Von diesen, deren Hommel eine Beihe 
anführt, haben nicht wenige wieder einen sehr pelasgischen 
ESang, wie z. B. Mannaskj Mrnnash, Arffistish, Ishpuinish^ Ghal- 
dishy Manda, Ltikadansha , Kukusatiskuj lUsanshu. Weitere 
Vergleichungspunkte wären in den Inschriften zu suchen, doch 
scheint mir das Material seinem Umfange nach für eine ein- 
gehende Vergleichung noch nicht auszureichen, so dass ich davon 
Abstand nehme. 

Das Eiamitische oder Susische ist uns in Konigsnamen 
von 2300 V. Chr., in Inschriften erst im siebenten Jahrhundert 
V. Chr. bekannt (Hommel, Zeitschr. für Keilschriftf. 1884, 330). 
Letztere sind die Achämenideninschriften zweiter Gattung, die 
von Weisbach zweckmässig „neususisch" genannt werden. 

Dass unter den von Hommel angeführten Namen manche, 
wie z. B. Indabiffoshj Ghaltmash, Sumuntuiiash, Ghumbaniffosh, 
Kindakarbu, Undadu, ein recht pelasgisches Aussehen haben, 
ist nicht zu leugnen. Auch sonst scheinen sich mancherlei Be- 
ziehungen zu ergeben. 

Diese Beziehungen würden zunächst, Hommel zufolge, zwi- 
schen dem Susischen und Georgischen zu suchen sein. Einige 
solcher Koinzidenzpunkte sind schon von Hommel selbst (in der 
Besprechung von Delattre, Le Peuple et TEmpire desMödes in 



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206 

der österreichischen Monatsschrift für den Orient 1884) zu- 
sammengestellt worden. Sie betreffen teils die Konjugation, wo 
in der That einzelnes an einander anklingt, teils die Deklination, 
wo er z. B. sus. iak-ri „Sohn" im Suffix mit georg. ra „dieser** 
und die Pluralbildung sus. ^ak-pi „Söhne" mit georg. pure-bi 
„Brote" vergleicht. Damit ist aber die Sache noch nicht er- 
schöpft Mehr noch beweisend, als diese Einzelheiten, scheint 
mir das Ganze des grammatischen Baues, in dem beide Sprachen 
mit einander übereinstimmen. So ist es z. B. doch sehr be- 
zeichnend, wenn in beiden Sprachen das soeben erwähnte Plural- 
zeichen, sus. 'pi, georg. -bij zwischen Stamm und Easassuffix 
tritt, wie z. B. telni-pi-na „equitum", georg. mame-bUsa „patrum", 
ebenso mingr. kotSe-phi-h „hominum", laz. bozo-peSi „puellarum". 
Und was nun weiter diese Easussuffixe selbst angeht, so haben 
wir auch hier in beiden Sprachen das gleiche Prinzip der Suffix- 
häufung, von dem schon verschiedentlich oben (cf. pag. 150. 
153. 161) die Rede gewesen ist. So setzen sich z. B. aus 
sus. 'ikki, 'ikka (Dativ), sus. -mar (Ablativ), sus. -va (Lokativ) 
die neuen Easussuffixe sus. 'ikkimar, -ikkamar (Abessiv), -vamar 
(Inessiv) zusammen, so aus georg. -t/ia (Genetiv, Dativ, Instru- 
mental), georg. -sa (Genetiv), georg. -ff an (Ablativ) die neuen 
Suffixe 'thagan und -sagan (Ablativ). 

Das alles ist in der That doch das gleiche Bildungsprinzip, 
welches einen Zusammenhang zwischen beiden Sprachen sehr 
wohl möglich erscheinen lässt. Das Gleiche gilt aber auch für 
die Stammbildung uud Ableitung der Nomina. Auch hier ist 
gleiches Prinzip und Anklänge materieller Natur. So bildet sich 
die Bezeichnung von Einwohnern eines Ortes im Susischen durch 
'irra, -rra, -ra, im Georgischen durch -uri, z. B. sus. magus-irra 
„Bewohner von Magus", babilu-^rra „Bewohner von Babilu", har- 
miniya-ra „Bewohner von Harminiya", georg. odil-ttri „Bewohner 
von Odifei". So bilden sich weiter abgeleitete Adjektiva im Susi- 
schen mit -anna, -na, im Georgischen mit -iani, z. B. sus. ers- 
-anna „gross" von erss „Grösse", sisne-na „schön" von sisns 
„Schönheit", georg. okkr-iani „golden" von okkro „Gold", stsyl" 
'iani „blutig" von sisyli „Blut". 



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207 

Bemerkenswert ist ferner die Behandlnng der Konkordanz 
zwischen Substantiv und Adjektiv. Diese Konkordanz besteht 
nur im Georgischen, z. B. baroti-sa tquicili-sa „der schlechten 
Lüge". Die übrigen südkaukasischen Sprachen flektieren nur 
das dem attributiven Adjektiv stets folgende Substantiv, während 
das Adjektiv selbst ohne Endung bleibt, so z. B. mingr. skhtoami 
ts^eni „ein schönes Pferd", skhwami tsyeni-H „des schönen 
Pferdes", skhwami syiene-phi „schöne Pferde", skhwcmi syene-phi-H 
„der schönen Pferde", ebenso laz. skioa syieni „ein schönes Pferd", 
skwa syeni'Si „des schönen Pferdes", skwa syene-pi „schöne 
Pferde", skwa syene-pi-ü „der schönen Pferde". Für das Susische 
lautet die Regel bei Oppert (La peuple et la langue des Mides 58) 
so: „L'adjectif, quand il suit le substantif, est seul d^clinö". 
Das ist im Prinzip dieselbe Sache, denn die gemeinsame Regel 
würde so lauten: „Wenn ein Substantiv mit einem attributiven 
Adjektiv verbunden ist, so flektiert nur das an zweiter Stelle 
stehende Wort". Dass das in den kaukasischen Sprachen das 
Substantiv, im Susischen das Adjektiv ist, ist kein prinzipieller 
Unterschied. Wenn diese Regel richtig ist, so ist die vollständig 
durchgeführte Konkordanz im Georgischen eine Neuerung, die 
sich vielleicht durch Einfluss indogermanischer Sprachen bildete, 
wie auf dieselbe Weise im Etruskischen die Geschlechtsdifferenz 
(cf. Pauli, Etr. Fo. u. Stu. IE, 114). 

Dass hier im Georgischen eine Neuerung vorliege, dafür 
sprechen noch weitere Thatsachen. Denn auch im Baskischen 
gilt ganz genau dieselbe Regel, und zwar, da im Baskischen 
das attributive Adjektiv dem Nomen folgt, dieselbe Regel ge- 
nau in der Fassung der susischen. So haben wir z. B. bask. ur 
garbi „reines Wasser**, vr garbi-a „das reine Wasser", vr garbi- 
-ar-en „des reinen Wassers", ur garbi-ar-i „dem reinen Wassers", 
ur garbUak „die reinen Wässer". Aber weiter noch! Deecke 
(Bleiplatte von Magliano im Programm von Buchsweiler 1885, 
20) hat, obgleich vom Standpunkte des Indogermanismus aus, 
für das Etruskische die Entdeckung gemacht zu haben ge- 
glaubt, dass „man es mit der Anhäugung der Endung nicht 
so genau nahm, wenn der Kasus an einem zugehörigen Wort 



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hinreicheiid klar bezeichnet war^^ Das wäre wenigstens im 
Prinzip auch dieselbe Erscheinung, wie im Susischen und den 
anderen genannten Sprachen. 

Ich bezweifle allerdings die Thatsache selbst, denn die Bei- 
spiele, die Deecke dafür anfuhrt, sind nicht stichhaltig und be- 
ruhen lediglich auf willkürlichen Annahmen von der in der 
neuesten Etruskologie bekannten Sorte. 

Aber trotz dieser Unstichhalügkeit der Deeckeschen Bei- 
spiele kann die Sache selbst vielleicht ihre Richtigkeit haben. 
Jedenfalls wäre es geboten, in dieser Richtung zu suchen, wobei 
man sich durch Formen, wie rcc^b sub (Mum. IV, 10), estrei 
al(pazei (Mum. V, 9), sub nunbenb (Mum. V, 10), ipureri m^ft- 
hmieri (Mum. V, 13), eiseraä äeuä (Mum. V, 20), ham<feä seweä 
(Mum. VI, 3), bunäßerä (Mum. VI, 13), cepen ceren (Mum. VII, 9;, 
die die gleiche Endung zeigen, nicht abhalten lassen darf, denn 
hier kann kopulative Verbindung zweier Substantiva vorliegen, 
wie dies für einen Theil der Beispiele, wie ^pureri mebhaneric 
(Mum. II, 8), habrbi repinbic (Mum. IT, 7), mekri sveleric (Mum. 
IV, 4), iü esvUc (Mum. IV, 15), besaite uslanec (Mum. V, 21), 
^cri bezeric (Mum. VIII, 4), durch das -c „und" völlig sicher ist 
Das Fehlen dieses -c in obigen Beispielen würde nicht schlimmer 
sein, als dass es mit wenigen Ausnahmen (cf. Deecke, Etr. Fo. I, 
no. 1. 3. 4. 6. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 47. 49) auch bei der 
Angabe der Eltern in den Grabschriften meist fehlt, deren Namen 
sich asyndetisch an einander anfügen, wie z. B. larb:trüle: 
larisal'.petrual'clQ^ (Fa. no. 1233) „Larth Triile, des Laris, der 
Petrui Sohn". 

Also, wie gesagt, ich halte es für durchaus möglich, dass 
jene Deeckesche Entdeckung, abgesehen von seinem prinzipiellen 
Standpunkt und seinen nicht zutreffenden Beispielen, an sich 
richtig sei. Ob freilich unsere jetzige Kenntnis des Etruskischen 
schon ausreiche, sie durch bessere und sichrere Beispiele zu stützen, 
ist eine andere Frage. 

Sollte das aber doch der Fall sein, dann läge, wie ich glaube, 
in dieser grammatischen Lbereinstimmang ein sehr viel sichrerer 
Anhalt für die Feststellung der Verwandtschaftsverhältnisse des 



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209 

Etruskischen tot, als wenn man die ganze Inschrift der Mumien- 
binde aus dem Lateinischen, dem Armenischen oder sonst einer 
Sprache des Weltalls deutete. Aber diese granmiatische Über- 
einstimmung würde nicht bloss diese Sprachen als unter sich 
verwandt erweisen, sondern sie auch endgültig von den indo- 
germanischen trennen, denn das Gesetz der Konkordanz herrscht 
in diesen mit einer fast eisernen Eonsequenz, und was in den 
einzelnen Sprachen etwa an Ausnahmen sich findet, das sind 
eben Ausnahmen infolge besonderer Verhältnisse irgend welcher 
Art, während in unserer Sprachgruppe umgekehrt die Flexions- 
loadgkeit des ersten der beiden verbundenen Wörter das Gesetz 
darstellt 

Im Gebiet der Pronomina begegnet nur sus. -mi „mein" 
dem georg. mcy mingr. und laz. ma, suan. mi „ich", während 
sich für die zweite und dritte Person und ebenso für die Plural- 
formen nichts Vergleichbares zu ergeben scheint. Auch bei allen 
übrigen Pronominalgattungen findet sich keine Ähnlichkeit des 
Klanges oder der Bildungsweise. 

In der Verbalflexion zeigt sich eine sehr schwer wiegende 
Übereinstimmung zwischen dem Susischen und den südkauka- 
sischen Sprachen, an der dann weiter auch (cf. oben pag. 163) 
das Baskische teilnimmt, das ist die Trennung in eine transi- 
tive und intransitive Konjugation. Das Wesen dieser letzteren 
besteht im Susischen darin, dass „les verbes neutres ont la con- 
jugaison du passif * (Oppert 1. c. 94). Dazu vergleiche man, was 
Friedr. Müller über das kaukasische Verb sagt: „In allen 
[kaukasischen] Sprachen .... wird das transitive Verbum mit 
dem Instrumentalis des Agens verbunden" (Grundriss der Sprach- 
wissenschaft III 2, 216). Das ist anscheinend genau das Gegen- 
teil von dem, was im Susischen geschieht, aber doch nur an- 
scheinend, denn Oppert spricht nur eine Thatsache aus, während 
Müller eine Analyse der Formen giebt. Es könnte aber doch 
sehr wohl sein, dass auch im Susischen der Unterschied beider 
Konjugationsformen darin bestände, dass die passiv; neutrale 
Form das Agens im Nominativ, die transitive es im Dativ oder 
Genitiv (das Instrumental fehlt) zu sich nähme. Eine Unter- 

Pauli, Inschrift von Lemnos. II. 14 



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210 

suchung der Konjugationssufßxe nach dieser Bichtung hin ist 
noch nicht angestellt worden, und ich will hiermit die Auf- 
merksamkeit auf diesen Punkt hingelenkt haben. 

Sollte indessen auch das Ergebnis jener Untersuchung 
negativ ausfallen, so würde dennoch schon die Thatsache einer 
Scheidung in transitive und intransitive Konjugation an und für 
sich ein so gewichtiges Moment prinzipieller Übereinstimmung 
sein, dass daneben sowohl die verschiedenartige Durchführung 
dieses Prinzips, wie aucb der anscheinende Mangel einer mate- 
riellen Verwandtschaft in den dabei zur Verwendung gekommenen 
Suffixen in seiner Bedeutung zurückträte. Denn das sind Unter- 
schiede sekundärer Art, die sich erst als Folge der gesonderten 
geschichtlichen Entwicklung herausgebildet haben können, wäh- 
rend die Gleichheit des Prinzips primärer Art ist und auf ge- 
meinsame Grundlage hinweist, welche für sich allein freilich 
rein psychologischer Natur sein könnte, mit den anderen schon 
angeführten Punkten der Gleichheit zusammen aber die auch 
genetische Verwandtschaft der behandelten Sprachen mit be- 
gründen hilft 

Wenden wir uns nun schliesslich noch zur Betrachtung 
lexikalischer Komzidenzen, so kommen hier, wie stets, in erster 
Reihe die Zahl- und Verwandtschaftswörter in Frage. 

Von den susischen Zahlwörtern sind uns leider nur zwei 
bekannt, nämlich kir „eins'' und savak oder wahrscheinlicher 
sava „zwei''. Hier scheint sich ein Zusammenhang mit den 
kaukasischen Sprachen nicht zu bieten, wenn man nicht etwa 
annehmen wollte, dass in diesen die Lautform im Laufe der 
Zeit so entstellt worden sei, dass die Verwandtschaft nicht mehr 
erhelle. Auch die baskischen Formen bat „eins'-, bi oder biga 
,,zwei" klingen unverwandt, während etr. et an sus. Ärr, etr. i(i)a 
an sus. sava anklingt, wobei man dann freilich gezwungen wäre, 
für die etruskischen Formen einen anderen Wert anzusetzen, 
als man bisher angenommen hat Bei den Zahlen scheint sich 
also nichts Vergleichbares zu ergeben. 

An susischen Verwandtschaftswörtem besitzen wir nur iur 
„Sohn", sak „Sohn", hats (ate) „Vater", aäa „Vater", nh/akka 



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211 

j,Grossvater'\ appanhjahka ,,UrgTOssvater"j und von diesen fallen 
auch noch nlifakha und appaniydkka weg, weil sie Lehnwörter 
aus dem Altpersischen sind, 

Ver^^leichen wir hiermit zunächst die südkaiikajsischen Ver- 
wandt^chaftswörter, so findet sich dort, soweit ich es aus meinem 
Material festzustellen vermag, nichts Verwandtes Bingegen 
scheinen einzelne baskisehe Formen anzuklingen. So haben mr 
aita „^'ater*', welches mit sus. at^^ aiia „Vater** sehr wohl Ter- 
wandt sein konnte, während bask* mne ,,Sohn" vielleicht für 
^ekme stehen und dann zu sus. sah j^Sohn" gehören konnte^ 

Von etruskischen Formen klingen an Wura j^Nachkorame", 
sei y^Tüchter^*, welches für saci steht und unmittelbar mit sus, 
mk j^Sohn" verwandt sein kann. In Fragt- kommt auch ©tr. 
oÄUj wie es in zwei Inschriften^ belegt ist, nämlich in; 

se'afie-la'fa'htistfiei'arznal'a^iu — Perusia — Fa, no. 1228 
(cf. Deecke, Etn Fo. U, 144)j 

laT\H:semHävfrmmüalaiiu'ipmie,^ — Clusium — Fa, no. 101 3 
(nach meinem Papierabklatseh)* 

Dass hier in atiu ein Verwaudtschaftsname vorliegef ist 
vollkommen klar und auch bereits längst von Deecke (Bezz. 
Beitr. IH, 51; Etr. Fu. IJI, 19) ausgesprochen. Wenn er darin 
die Bedeutung jjSchwester'* oder „Witwe*' vermutet, so kann 
das rieht ig sein, aber möglich ist auch „Mutter". Dann heissen 
die Inschriften: 

„Sethre Äfle, Am Larth (Sohn), (und) Fasti Hustnei, der 
Arznei Mutter'*; 

„Larthi Seianti, des Frauni (Gattin), Mutter des Piute", 
Der direkt^3 Kachweis freilich für die Übersetzung Uisst sich 
nicht führen, denn ein arznet ktt^tnal (^*r/) ^j Arznei, der Hustnei 
(Tochter)" und ein phite ni-iatitial (dan) „Finte, der Seianti 
(Sohn)", wodurch dieser Beweis gefuhrt sein würde, findet sich 
in den etruskischen Inschriften nicht. Allein es scheint mir 
natürlicher, dass neben den vielen cIüh „Sohn" und ity „Tochter** 
einmal auch von der „Mutter** die Rede sei, als von der „Schwester* 
oder „Witwe". Das würde hier in diesem Falle noch besonders 
dadurch begründet sein^ dass beide Frauen alsdann zweimal ver- 

14* 



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212 

heiratet gewesen wären , die Hustnei zuerst mit einem Arzni, 
sodann mit einem Afle, die Seianti zuerst mit einem Piute, so- 
dann mit einem Frauni, und dass dann in beiden Fäulen das 
atm neben den Namen ihrer Kinder erster Ehe stände. Bei 
der Übersetzung ,,Mutter^^ erklären sich beide Inschriften ganz 
nach demselben Schema der Nomenklatur, was bei „Witwe" 
nicht der Fall, und auch darin dürfte ein weiterer Grund liegen, 
die Deutung „Mutter" für die richtige zu halten. Ist das aber, 
dann kann auch dieses atiu „Mutter" sehr wohl mit sus. a/tf, 
atta „Vater" und bask. aita „Vater" verwandt sein. 

Wenn im Vorstehenden die Vergleichung im wesentlichen 
nur zwischen Susisch und Georgisch oder Südkaukasisch statt- 
gefunden hat, so ist das deshalb geschehen, weil eine Vergleichung 
der anderen als möglicherweise verwandt angenommenen Sprachen, 
sei es mit dem Georgischen, sei es unter sich, bereits an anderen 
Stellen dieses Buches (cf. pag. 126 sq. 129 sqq. 135 sq. 138 sq. 
147 sqq. 161 sqq.) angestellt worden ist. Dort hat sich bereits 
eine Anzahl von Koinzidenzpunkten herausgestellt, aus denen 
dann, wenn Georgisch und Susisch sich als verwandt ergäben, 
mittelbar die Verwandtschaft des Susischen auch mit jenen an- 
deren Sprachen folgen würde. Eben deshalb erschien mir die 
direkte Vergleichung des Süsischen auch mit jenen, die einen 
nicht unbeträchtlichen Raum einnehmen würde, hier nicht nötig, 
obwohl ich nicht in Abrede stellen will, dass vielleicht aus 
dieser direkten Vergleichung sich noch einzelne Koinzidenzen 
von Wichtigkeit ergeben haben möchten, durch die jener mittel- 
bare Beweis sich verstärkt haben würde. 

Dass ich auch hier einen wirklich zwingenden Beweis für 
diese Verwandtschaft nicht von mir geführt erachte, sondern 
nur Möglichkeiten gezeigt habe, darauf bedarf es wohl kaum 
noch eines besonderen Hinweises. 

Weiter würde nun die ethnographische Stellung der von 
Bommel (cf. oben pag. 145.) gleichfalls für verwandt gehaltenen 
Hetiter zu untersuchen sein. Auf diese haben ausser Hommel 
auch bereits andere Gelehrte als auf Angehörige der vorder- 



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213 

asiatischen Urbeyölkerang hingewiesen, so z. B. Felix von 
Laschan (L c. I, 57). 

Die Entscheidung über die Verwandtschaftsverhältnisse der 
Hetiter wird dadurch erschwert, dass wir über ihre Sprache 
noch sehr mangelhaft unterrichtet smd. Dass die Inschriften, 
die man gewöhnlich als hetitische bezeichnet, auch wirklich den 
Hetitem angehören, das scheint ja im allgemeinen glaubhaft 
zu sein, allem, was drüber hinausgeht, erscheint, sowohl inbezug 
auf die Deutungen, als auch inbezug auf die Yerwandtschafts- 
verhältnisse der Sprache, recht unsicher. Versuche sind nach 
beiden Richtungen hin ja eine ziemUche Anzahl gemacht worden« 
Dass ich diese Versuche gewissenhaft durchgearbeitet habe, 
bedarf wohl keiner besonderen Versicherung, aber es erschien 
mir alles noch so wenig geklart, dass ich es für ratsamer halte, 
von einer Erörterung der Verwandtschaftsfirage inbezug auf 
unseren Sprachenkreis noch ganz Abstand zu nehmen. Auf 
einen Punkt aber mag wenigsteos hingewiesen werden. 

Es handelt sidbi dabei um die neue Bearbeitung der he- 
titischen Inschriften von P. E. Peiser (Die hetitischen Inschriften» 
Berlin 1892.), der die Untersuchung, sozusagen, von neuem 
beginnt Bei seinen Ergebnissen ist zweierlei zu unterscheiden: 
die Entzifferung selbst und die Verwandtschaftsverhältnisse der 
Sprache. Was die erstere anbetrifß;, so macht dieselbe zwar 
den Eindruck methodischen Verfahrens und vorsichtigen Ur- 
teils, allein irgendwie gesichert scheinen mir auch seine Er- 
gebnisse nicht zu sein. Damit aber wird denn auch seine 
Entscheidung bezüglich des zweiten Punktes in Frage gestellt 
Allein es ist inmierhin nicht ohne Interesse, seine Resultate 
wenigstens kennen zu lernen, und darum mag hier kurz dar- 
über berichtet werden. Verfasser spricht es klar und bestimmt 
aus (37 und XIII.), dass die Sprache weder ein semitisches 
noch ein indogermanisches Idiom sein kann. Das ist auch,^ 
wenn man seine Entzifferungen als richtig annimmt, voU- 
konmien sicher. „Auch das Ägyptische muss ausser aller Frage 
bleiben." Mit dem Sumero-Akkadischen scheint dem Verfasser 
eher eine Verwandtschaft vorzuliegen, als mit dem Indoger- 



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214 

manischen, doch müsse eine Yergleichmig ausgeschlossen bleiben, 
solange die Präfigierung beim Verb von den Sumerologen als 
wirklich ursprünglich angenommen wird. Die Entzifferung der 
Mitani- und Arsapitafel sei noch nicht weit genug gefordert, 
um die Sprachen derselben mit dem Hetitischen zu vergleichen. 
„Die altarmenischen Inschriften von Van bieten mehr Ver- 
gleichpunkte, doch ist auch hier noch soviel schwankend, dass 
ich es vorziehe, vorläufig auf eine Konfrontation zu verzichten." 
Als seine positive Ansicht spricht Verfasser dann weiter aus: 
„Dagegen glaube ich im Türkischen die nächste Verwandte der 
JHetta-Sprache gefunden zu haben.^' 

Hierin glaube ich dem Verfasser nicht beipflichten zu 
können. Derselbe versucht diesen Satz zwar durch eine An- 
zahl angeblicher Eoinzidenzpunkte zu stützen, aber ich muss 
gestehen, dass dieselben mich wenig überzeugt haben, selbst 
die Richtigkeit seiner Deutungen vorausgesetzt. Unter eben 
dieser Voraussetzung dürfte aber auf zwei Punkte hinzuweisen 
sein, die Hommels Ansicht, dass das Hetitische unserem Sprach- 
kreise angehöre, rechtfertigen würden. Der erste dieser Punkte 
ist des Verfassers Ansicht, dass das Hetitische weder semitisch, 
noch indogermanisch sei. Das ist, unter der angegebenen 
Voraussetzung, richtig. Der zweite Punkt betrifft eine Einzel- 
heit, die aber wichtig sein würde. Peiser findet nämlich bei 
semen Entzifferungen ein Pronomen mi (XIV. 17 sq.), welches 
«r selbst zwar als Pronomen personale erster Person äuffasst, 
welches aber, was noch zu untersuchen sein würde, möglicher- 
weise auch das der dritten Person sein könnte. Auf alle 
Fälle aber erinnert dasselbe so stark an das etruskische mi, 
bei dem ja auch die Meinungen bezüglich der Person, ob erste 
oder dritte, geteilt sind, dass eine Verwandtschaft beider Sprachen 
an diesem Koinzidenzpunkt einen starken Halt haben würde, 
der uns wenigstens die Berechtigung gäbe, auf weitere Punkte 
der Art zu fahnden. Da sowohl anlautendes m, wie i, im 
ganzen sehr beständige Laute sind, so könnte es nicht wunder 
nehmen, dass beide Sprachen das mi so gleichlautend erhalten 
haben. Indessen, wie gesagt, besonders überzeugend erscheinen 



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216 

mir Peisers Deutangen nloht, zumal da Jensen (cf. Zeitschrift 
för Assyriologie 1892) der Ansicht ist, dass das Hetitische doch 
eine indogermanische Sprache seL 

Wie man sieht, gehen also die aof Grand der Entzifferungs- 
versache über die Verwandtschaftsrerhaltnisse des Hetitischen 
ausgesprochenen Ansichten soweit auseinander, dass sich die 
Hetitologie würdig der Etruskologie an die Seite zu stellen 
vermag, und es ist daher geraten, sich Torläufig des Urteils 
über diese Frage zu enthalten, bis die in Aussicht gestellten 
grösseren Arbeiten Jensens erschienen sein werden, deren eine, 
wie er mir brieflich mitgeteilt hat, in der Zeitschrift der 
Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, die andere in Buch- 
form erscheinen soll. Man wird zu der Hoffnung berechtigt 
•sein, dass durch diese Arbeiten die Hetiterfrage wesentlich ge- 
fördert werden werde. 

Damit stehen wir am Ende der Erörterung der von Hommel 
angenonmienen Sprachverwandtschaften, aber es erübrigt nun 
noch, auf eine anderweit ausgesprochene Ansicht einzi^ehen. 

In neuerer Zeit hat nämlich ein amerikanischer Gelehrter, 
Daniel G. Brinton, die Ansicht ausgesprochen, dass die Etrusker 
Verwandte der Libyer seien. Diese Ansicht ist zu begründen 
versucht worden in zwei auch im Sonderdruck erschienenen 
Abhandlungen aus den Proceedings der American Philosophical 
Society vom Jahre 1889 (Bd. XXVI) und 1890 (Bd. XXVIU). 
In der ersten dieser beiden Abhandlungen, welche betitelt ist 
The Ethnologie Affinities of the Ancient Etruscans, führt er 
diese Begründung in vier Paragraphen aus mit folgenden Über- 
schriften: 1. Geographie Position of the Ancient Etruscans, 
historically considered; 2. Physical Traits of the Etruscans; 
3. The Culture Elements of the Etruscans; 4. The Etrascan 
Language. Die zweite tragt den Titel On Etruscan and Libyan 
Kames und sucht aus Götter-, Personen- und Ortsnamen den 
Beweis zu erbringen, dass die Etrasker Libyer waren. 

In dem ersten Paragraphen der ersten Abhandlung ver- 
wirft Verf. die moderne Hypothese, dass die Etrusker über die 
Alpen gekommen seien und erklärt sich für einen Anhänger 



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216 

der Überlieferung der Alten, insbesondere auch der £truskar 
selbst, dass sie, Ton Süden kommend, in der Gegend von Tar- 
quinii gelandet seien und von da aus ihre Herrsobaffc aus^ 
gebreitet hatten. Das ist ja an sich möglich, denn auch ich 
glaube, dass diese strittige Frage noch nicht unbedingt zu 
Gunsten der nördlichen Einwanderung entschieden ist, obwohl 
mir für diese doch die gewichtigeren Gründe vorzuliegen 
scheinen. Allein auch die südliche Einwanderung zugegeben, 
80 folgt doch daraus noch keineswegs, dass die Etrusker Libyer 
seien. An die Küste von Tarqninii fuhren von Süden her über 
die See viele Wege, und die ersten Tyrrhener können ebenso 
gut von der asiatischen Küste gekommen sein, wie von der 
afrikanischen. Das scheint der Verfasser vielleicht auch selbst 
gefohlt zu haben, und deshalb sucht er nun im zweiten Para* 
graphen den Beweis durch Betrachtung des körperlichen Typus 
der Etrusker zu vervollständigen. Zunächst weist er die An- 
sicht, die Etrusker seien klein und wohlbeleibt gewesen, als 
lediglich auf Dichterstellen bei Yergil und Catull beruhend 
zurück, wobei freilich sich die Frage erhebt, wieso diese beiden 
Dichter, die doch sicherlich Tausende von Etruskem leibhaftig 
gesehen hatten, es wagen konnten, ihren eigenen Landsleuten, 
die doch in derselben Lage waren, eine solche Fabel aufzu- 
binden. Die mit den Worten der beiden Dichter überein- 
stimmende Darstellung der etruskischen Figuren auf den Aschen- 
kisten hält Verfasser lediglich für technischer Natur, sofern die 
Künstler nur den Oberkörper getreu dargestellt, den Unter- 
körper aber, weil nichts Charakteristisches enthaltend, nur oben» 
bin behandelt hätten. Das könnte an sich richtig sein, aber 
eben die Übereinstimmung mit den Dichterstellen spricht doch 
dagegen. Wenn Verfasser nun aus 200 Skelettmessungen, die 
von italienischen Gelehrten angefahrt seien, schliesst, die Etrusker 
seien ein hochgewachsenes Volk von durchschnittlich 1,75 m 
gewesen, was mit dem Durchschnitt der Kabilen, 1,70 m, so 
ziemlich gleich sei, so stimmt diese Angabe weder mit der 
Grösse der von mir selbst gesehenen, freilich nicht gemessenen, 
etruskischen Skelette, die sich nicht durch besondere Grösse 



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217 

auszeichneten, noch mit der Grosse der heutigen Toskaner 
überein, so dass mir hier irgend ein Irrtum nicht ausgeschlossen 
scheint Wenn aber kein Irrtum irgend welcher Art obwaltet, 
dann könnte sich die Sache auch so erklären, dass die Etrusker, 
die, auch nach meiner Ansicht, eine staric gemischte Nation 
sind, eben durch diese Mischung, die auch gallische, ja viel- 
leicht selbst germanische Elemente — man denke an die 
Thursen (II, 1. pag. 76. und weiter unten) — einschliessen 
kann, in ihrem durchschnittlichen Eörpermass vergrössert 
worden seien. 

Wenn Verfasser weiter dann die Etrusker als dolichooephal 
bezeichnet, wie es auch die Eabilen seien, so ist inbezug auf 
diesen Punkt auf das zu verweisen, was darüber oben (pag. 
145.) gesagt worden ist Die Dolichocephalie der Etrusker steht 
keineswegs fest, sie zeigen sich vielmehr als eine Mischrasse 
(cf. Stolz, Urbevölkerung* 14 sqq., 79 sqq.), und damit mag ja 
auch wohl die angebliche auffallende Lange der Skelette zih 
sammenhängen. 

Auf die in Italien umlaufende Tradition, die Etrusker seien 
blond und blauäugig gewesen, wird wenig zu geben sein. Die 
Denkmäler, soweit ich mich erinnere, bestätigen sie nicht 

Es scheint mir also auch dieser Punkt von Brintons Be- 
weisführung nicht zwingend zu sein. 

Es folgt eine Vergleichung der etruskischen Kulturelemente 
mit denen der Eabilen. Verfiasser scheidet zunächst alles aus, 
was die Etrusker erst später von ihren Nachbaren, insbesondere 
den Griechen, oder auf ihren bis nach Griechenland, Ägypten 
und Kleinasien ausgedehnten Seeräuberzügen aufgenommen 
haben, und findet als ursprüngUche und den Etruskern eigen- 
tümliche Eulturelemente deren drei, strenge Monogamie und 
geehrte Stellung der Frau, das Prinzip dauernder politischer 
Bundesgenossenschaften und endlich ihre Neigung zu kühner 
Seefahrt Und eben diese drei Elemente findet Verfasser auch 
bei den Eabilen. Sie erhalten die Monogamie trotz des Eoran 
aufrecht; ihr freilich moderner Namen arab. q*baü bedeute „con- 
federatiou'^, aber auch bei den Bomem seien sie als quinque 



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218 

gentes bezeichnet, was im Sinne einer ^^coalition^' zu verstehen 
sei; Zeuge ihrer Liebe zur Seefahrt und ihrer Seetüchtigkeit 
aber sei die schon in alter Zeit geschehene Besiedelung der 
kanarischen Inseln durch sie. Diese Vergleichung ist sehr ge- 
schickt durchgeführt, allein eine selbständige Beweiskraft haben 
diese Momente überhaupt nicht, höchstens eioe subsidiäre, wenn 
sie die anthropologischen und linguistischen Momente bestätigen. 
Von den anthropologischen ist schon die Bede gewesen, zu den 
linguistischen wendet sich Verfasser dann in dem letzten Para- 
graphen der ersten Abhandlung und, nach einer kurzen Ein- 
leitung über libysche Epigraphie und die etruskischen Einfalle 
in Ägypten, in der ganzen zweiten Abhandlung. Dieser Teil 
ist am ausführlichsten behandelt, aber gerade ihm muss ich 
widersprechen. 

Es ist anzuerkennen, dass Verfasser viel methodischer ver- 
fahrt, als die Mehrzahl der jetzigen Etruskologen, insofern. als 
nicht irgend eine beliebige Inschrift oder auch mehrere der- 
selben nun ohne weiteres aus irgend einem libyschen Dialekt 
oder auch mehreren derselben zu deuten versucht, was ja ohne 
Zweifel gelungen wäre, so gut, wie eine Deutung aus dem 
Sanskrit, dem Litauischen oder den italischen Sprachen, sondern 
dass er sich begnügt, diejenigen etruskischen Wörter, deren 
Bedeutung durch interne etruskische Forschung gefunden war, 
darauf hin zu untersuchen, ob sich für sie verwandte Formen 
in den übyschen Sprachen finden. Dies Verfahren ist an sich 
rationell, aber die Art der Handhabung desselben entspricht 
meines Erachtens nicht den Anforderungen strenger Wissen- 
schaft. 

So findet sich schon unter den aufgezählten etruskischen 
Lautwechseln manches, was nicht erwiesen oder geradezu nicht 
richtig ist, wie z. B. der Wechsel zwischen h und x? zwischen 
h und 9, zwischen s und c. Schon dadurch werden die dann 
folgenden Vergleichungen imsicher, aber auch die Vergleichungen 
selbst haben nichts Überzeugendes. So wird z..B. alpan „image 
or Statue" mit tuareg awan „Bild" verglichen, wobei ich nicht 
einmal das besonders hervorheben will, dass alpan doch wohl 



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219 

^yGescbeuk'' bedeutet So wird dura mit kabil. berffa, einem 
Präfix vor dem Namen einer (Jens, verglichen; so cver „geben" 
mit kab. ßr „geben"; so murs „Grab" mit kab. mülh „Tod", 
welches Wort ich, nebenbei bemerkt, doch för ein arabisches 
Lehnwort halte; so tivs ,,Mond" mit kab. tiziri. Das sind doch 
alles nur ganz allgemeine Anklänge, und von wirklich zwingenden 
Vergleichungen imter Beobachtung einer bestimmten Gesetz- 
mässigkeit der Laute und der Formenbildung kann keine 
Rede sein. 

Und eben dasselbe gilt dann auch von der dann in einem 
eigenen Kapitel folgenden Vergleichung der Zahlwörter. Ich 
hatte früher angenommen, dass die etruskischen Würfel stets 
nur die Anordnung der Gegenseiten als 1 + 6, 2 + 5, 3 + 4 
oder als 1 + 2, 3 + 4, 5 + 6 kannten, weil ich selbst Würfel 
mit anderer Anordnung nicht gesehen hatte. Verfasser hat von 
Cullin die Nachricht erhalten, dass sich im Britischen Museum 
über ein Dutzend etruskischer Würfel mit anderen Anordnungen 
befänden. Damach ist natürlich meine Mhere Behauptung 
nicht aufrecht zu erhalten, aber trotzdem scheint es mir sehr 
bedenklich, wenn Verfasser seine Würfelanordnung als max, ci, 
zalj At£&, &t£, sa auf die Ausnahme (1 + 2,. 3 + 6, 4 + 5) statt 
auf die Regel gründet. Wenn Verfasser dann für diese Reihe 
die Grundformen w«/, shi, sal, f^t, fttnsj sag aufstellt und aus 
lib. sin „zwei", lib. karat „drei", kab. akoz „vier", kab. fous 
„Hand", kab. sez „sechs" dann eine entsprechende Reihe von 
libyschen Grundformen als m«^, shi, sal, f^t, f^s, sas gewinnt^ 
so ist das ein so kühnes Verfahren, dass ich nicht zu folgen 
vermag; 

Zum Schluss vergleicht Verfasser dann auch noch die 
Namen Rasenna und Tursci, sowie Tarquinius mit libyschen 
Formen, aber auch diese Vergleichungen erscheinen mir gewalt- 
sam und ohne Evidenz. 

Diese Vergleichung etruskischer Namen setzt Verfasser dann, 
wie er es schon zu Ende des ersten Heftes in Aussicht gestellt 
hatte, in dem zweiten Hefte fort, wo er nach einigen Para- 
graphen anderen Inhaltes, im vierten zunächst Götternamen 



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220 

vergleicht Solche Yergleichungen von Oötternamen sind z. B. 
«tr. apbi mit namid. al)ru\ etr. cuUu mit lib. ffurzü; etr. nüacux 
,)Leacothea'' mit lib. amelal „weiss^; etr. seblam mit lib. is-snAef 
y^reng^^ u. s. w. Schon diese Beispiele werden zeigen, dass diesen 
Yergleichungen wenig Evidenz und keine Beweidcraft innewohnt 
Nicht besser steht es mit der Vergleichung der Personennamen, 
•die im 5. und 6. Paragraphen angestellt wird. Zunadist werden 
•eine Anzahl etruskischer Namen^ zumeist Vornamen, mit liby- 
schen Namen verglichen, so z. B. etr. avik mit numid. awily 
hingegen etr. aule mit der libyschen Gottin auUsvcu Schon 
hier ist zu bemerken, dass avüe nur eine ältere Form für aule 
ist. Das steht vollkommen sicher, und es ist daher unstatthaft, 
für beide Formen eine gesonderte Vergleichung aufzustellen. 
Wenn femer etr. Caecina mit lib. kaka^ ghaka\ etr. fa^ia mit 
lib. ba8\ etr. bona mit tuareg anna „mother^' und vorgesetzten 
Femininprafix^; etr. töe mit lib. ^ecf verglichen wird, so hat das 
alles so wenig Überzeugendes, dass es mir nicht möglich scheint, 
daraus auf eine Verwandtschaft der Sprachen zu schliessen. Im 
6. Paragraphen folgen dann eine Anzahl libyscher Namen aas 
des Bischofis Corippus Epos Johannes, denen etruskische an die 
Seite gesetzt wenden. Pieser Teil, der, wenn er haltbar wäre, 
der meist beweisende sein würde, ist der unhaltbarste und stürzt 
den ganzen Bau. Zunächst ist eine ganze Anzahl von etrus- 
kischen Formen als Namen aufgeführt, die gar keine Namen 
sind oder auf falschen Lesungen beruhen, nämlich anccnij far^ 
banoy caicun, camab, cleüu, clan, caneba, hirtuneSy sertuna, seccUy 
gecis, tursuj das sind 12 von 35, also 34 7o- Von den dann 
verbleibenden decken sich nicht genügend folgende Paare: lib. 
alcmtasj etr. alebna\ lib; azan, etr. ezunw^ lib. bezinc^ etr. feU 
zinal; lib. calameriy etr. calu] lib. canapas, etr. canpnas] lib. 
carcasen, etr. carcna; lib. iemaj etr. herina\ lib. Hasan, etr, lasa; 
lib. narti, etr. nortia\ lib. sojcona, etr. secune\ lib. sarzurij etr. 
sertuna\ lib. suartifan, etr. sauiurin\ lib. tanadus, etr. tanna\ 
lib. ianin, etr. tania\ lib. tarincusj Qtt, iaryna3\ lib. tor, etr. 
tar8u\ lib. tumudariy etr. iumuj das sind 17 von 85, also weitere 
50°/o. Es bleiben somit also nur 16<*/o übrig, die alienfidls 



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221 

yerwandt sein könnteiL Nun aber kommt erst noch die schwächste 
Seite dieser ganzen Yergleichnngen. Diejenigen verglichenen 
etmskiscben Namen, welche Gentilnamen sind, dürfen überhaupt 
nicht verglichen werden, denn sie sind vollkommen sicher ita- 
hsches Lehngut und ihr Bildnugsprinzip ist verkannt worden. 
Ein Beispiel ans den verglichenen Namen mag das erläutern« 
Ich wähle dazu den Gentilnamen etr. akbna. Diese Form 
alebna steht zunächst für cdehina. Hierin ist das -na lediglich 
ein weiterbildendes Suffix (cf. Pauli, Etr. Fo. u. Stu. I^ 82 sq.), 
und zu Grunde liegt eine einfachere Form a&W, älter aMiey 
noch älter akbies. Etr. b entspiicht sehr oft (cf, Pauli, Altit 
Stu. ni, 26.) einem italischen d, und somit ist alebna einem lat. 
Aledius oder AUedius gleich, wie es z. B. Mur. 2054, no. 3 be- 
legt ist. Häufiger noch begegnet die Nebenform Allidius (z. B. 
CIL. V, 1. no. 2558), die von jener nicht verschieden ist, denu 
-^dhis und -idius wechseln auch sonst. Dies -edius oder -idiiis 
aber ist ein patronymisches Suffix, wie es in zahlreichen ita- 
lischen Namen, z. B. Alfidius, Annidtus, Apidius, Aredius, Außdms^ 
Frifidms, Gavediusj Longidxus, MusndiuSj NoveUedius, NumidaUy 
Ovidhu, Paquedius, Popidhts u. s. w. sich findet und dem griech. 
-törj; verwandt ist Es bleibt somit als Basis des Gentilnamens 
ein Ahis oder Aüus übrig, welches auch patronymischen Bildungen 
mit anderen Suffixen, wie AlUus (vielfach belegt) und AlUius 
(z. B. IRN. no. 2279) zu Grunde liegt Dies aber ist vollkommen 
deutlich die Koseform eines Vornamens. Dass er das ist, be- 
weisen die neben ihm vorhandenen Deminutiv- und Augmen- 
tativformen. So haben wir in den Gentilnamen Alicius (CIL. 
V, 1. no. 5167), Aliixus (Mur. 182, no. 1) und AUcOma (Mur. 
1780, 4. no. 17) die Deminutiva Aliens und Ahibis, so wie das 
Doppeldeminutiv Alicuhis als Basen, während dem Gentilnamen 
Aüonrus (Mur. 1253. no. 6) oder Alonius (Mur. 34. no. 6) das 
Augmentativum AUo oder Alo zu Grunde liegt Dies Neben- 
einander der Formen Al(l)us, Alicusy Alubis, Aliculus und Al(l)o 
beweist mit vollkommener Sicherheit, dass das altindogermanische 
Namenssystem vorliegt, und dem entsprechend werden wir nun 
zu untersuchen haben, ob sich nicht irgendwo in einer indo- 



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222 

germanischeu Sprache auch noch ein diesen sämtlichen Bil» 
düngen zu Grunde liegender zweistammiger Yollname erhalten 
habe^ und da finden wir in der That den griechischen Namen 
' AA.XoYivT]; (Pick, griech. Personennamen 9), wobei es sich natur- 
lich von selbst versteht, dass das lat. U einen anderen Ursprung 
hat, als das griechische XX. Denn während dieses aus \j hervor- 
gegangen ist, ist jenes die rein lautliche Verdoppelung in Kose- 
formen, von der Fick (1- c« LIX.) spricht So wie ich es hier 
an diesem Beispiele gezeigt habe, sind mit Ausnahme weniger 
echt etruskischen Familiennamen, wie z. B. ünbwra^ alle etrus- 
kischen Familiennamen gebildet, d. h. es sind indogermanische 
Bildungen, wie sie durch die Stichworte zweistämmige Voll- 
namen, einstämmige Koseformen, Deminutiv- und Augmentativ- 
formen charakterisiert sind. Darauf kommt es an bei der Namen- 
forschung, wie bei jeder Wissenschaft, das Gesetz der Bildung 
zu finden, nicht aber, nach einer ungeßhren Ähnlichkeit des 
Klanges, Formen mit einander zu vergleichet, die in Wirklich- 
keit nicht das geringste mit einander gemein haben. Es zeigt 
sich in diesen Namensvergleichungen Brintons genau dasselbe 
Prinzip, welches, wie von je, so auch in den neuesten Versuchen, 
das Etruskische zu deuten, sich so verderblich gezeigt hat 

Zu Schluss im 7. Paragraphen folgen dann noch einige 
Vergleichungen etruskischer Ortsnamen, aber auch sie haben 
wenig Überzeugendes. So soll in Arbona, Jrreäumy Ämo^ Ama 
lib. ar „mountain" stecken; so soll Taderiusy ToSipia, womit 
doch wohl Tuder gemeint ist, mit herber, tadert „a village of 
stone houses" identisch sein; so soll Caere^ etr. ;^a^^ (auch das 
ist nicht sicher) zu herber, gari oder gheri „a fortified town or 
city" gehören. Im übrigen aber ist der Verfasser der durch- 
aus zu billigenden Ansicht, „that the inmiigrant Libyans who 
founded the Etruscan State generally adopted the geographica! 
names they found locally current, and only exceptionelly ap- 
plied others from their own tongue", d. h., anders ausgedrückt, 
dass die Mehrzahl der in Etrurien sich findenden Ortsnamen 
gar nicht etruskisch ist, wozu man vergleiche, was ich H, 1. 
pag. 52 über diesen Punkt gesagt habe. 



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223 

Das Eudergebnis also ist dies, dass man naeh sorgR,ltigef 
Prüfung der Tcm dem Verfasser aufgeführten Beweisstücke die 
Verwandtschaft der Etrusker mit den Libyern wird ablehnen 
müssen. 

Damit dürften denn wohl so ziemhch alle A'ölker unter- 
sucht sein, die für die Verwandtschaft der Etrusker in Frage 
kommen. Als sicheres Ergebnis ist nur das anzuerkennen, 
dass die Etrusker und die lemnischen Pelasger verwandt sind. 
Für die anderen der unt^rsachten Völker reichen zur Zeit imsere 
wissenschaftlichen Hilfsmittel noch nicht aus zn einem wirk- 
hchen Beweise, aber die Möglichkeit einer Verwand t-schaft 
hat sich doch auch bei den Karern, Tiydern und Lykem^ hei 
den Susiem, den Südkaukasiern, den Ratenij den Ligurern 
nnd den Iberern, wenn auch bei allen nicht mit der gleichen 
AVahrscheinlichkeit, ergeben. Hingegen ist die Verwandt- 
schaft mit den Albauesen, die sich als thraMschen, nicht 
illjrischen, Stammes herausstellten, und den Libyern abge- 
lehnt worden, bezüglich der Hetiter aiuBste sie noch in der 
Schwebe bleiben. 

Nun also die Verwandtschaft der Etrusker mit den Ver- 
fassern unserer Lemnosinsehrift als ausgemacht ange^eheuj 
harren doch noch zwei weitere spezielle Fragen der Antwort^ 
die im Vorstehenden wohl gestreift, aber noch nicht eigentlich 
beantwortet sind. Die erste derselben betrifft die Art der Ver- 
wandtschaft zwischen den italischen Etruskem und ihren lemni- 
sehen Verwand ten, die zweite, damit in engem Zusammenhang 
stehende, den Weg, auf dem die italischen Etrusker in die 
Apenninhalbinael gelangt seien. 

Ich habe im Vorstehenden stillschweigend angenommen, 
dass Etrusker und lemnische Pelasger Seittmverwandte seien, 
aber die Sache ist auch anders angesehen worden, und zwar 
von Buggey wenn er (Urspr. d» Etrusker 57sqq,) sagt: „Die 
Sprache der lemnischen Inschriften steht der etrnskiachen Sprache 
Italiens entschieden naher, als es bei so weiter Entfernung zu 
erwarten wäre, wenn die Überemstimmung auf alter Stammeö- 
gemeinachaft beruhte. . , , • Wie ist nun das Verhältnis dieser 



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224 

Stämme za einander historisch aufzufassen? Diese Frage lässt 
sich nicht durch die Sprache allein beantworten, und ich gehe 
hier absichtlich allen Fragen ans dem Wege, zu deren Beant- 
wortung die Inschriften und die sprachlichen Verhältnisse nichts 
beitragen. Wenn jemand eine gemeinschaftliche Heimat der 
italischen und der griechischen Tyrrhener etwa im Norden 
Griechenlands annähme, wurde dies, wie schon gesagt, zur Er- 
klärung der grossen Ahnlichlichkeit der lemnischen Sprache mit 
der ältesten uns bekannten etruskischen nicht genügen. Die 
Wege, welche die griechischen Tyrrhener mit den italischen 
verbinden, führen also, wenn ich mich nicht irre, über die weite 
See hin zu einer Zeit, als die tjrrhenische Eigentümlichkeit in 
Sprache und Kultur bereits unverkennbar entwickelt ist Wir 
stehen, meine ich, vor den folgenden Alternativen: Entweder 
stammt das etruskische Volk Italiens von den griechischen Tyr- 
rhenem, die sich auf ihren Schiffen nach dem westlichen Meere 
hinauswagten und in Etrurien eine neue Heimat fanden, oder 
aber die griechischen Tyrrhener sind etruskische Seefahrer, die, 
aus Italien gekommen, sich auf Inseln und an Küsten des grie- 
chischen Meeres festgesetzt haben, ohne jedoch ihre Verbindungen 
mit dem Mutterlande völlig aufzugeben. 

Wenn wir zwischen diesen Alternativen zu wählen haben, 
wird uns eine nähere Überlegung lehren, dass das erste un- 
statthaft ist. 

Schon in den ältesten Zeiten, von denen die schriftlichen 
Berichte erzählen, scheinen die Etrusker Italiens als ein nicht 
nur zur See, sondern auch zu Lande mächtiges, in zahlreicher 
Menge zusammenwohnendes und dabei weit verbreitetes Volk 
aufzutreten. Die griechischen Tyrrhener hausten dagegen nach 
den in den Schriften der Alten zerstreuten Xachrichten in vielen 
von einander getrennten Schwärmen vorzugsweise auf Vor- 
gebirgen, Inseln und an Küstenstrichen, ohne, wie es scheint, 
von einem griechischen Binnenlande auszugehen. Allein in 
solchen Schwärmen kann man den Ursprung jenes sesshaften 
Volkes schwerlich suchen. Auch darf man gewiss nicht das 
erste Auftreten der Etrusker in Italien in so späte Zeit verlegen. 



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225 

wie man dies thäte, wenn man sich das Volk schon lange vor 
seiner Einwanderung durch überseeischen Verkehr beeinflusst 
vorstellen würde. Endlich wäre, wenn man die italischen 
Tyrrhener von den griechischen herleitete, die grosse Ähnlich- 
keit der lemnischen Sprache mit den ältesten etruskischen In- 
schriften sehr auffallend, weil das einigende Band, welches die 
Sprache dtfr getrennten Stamme stuaammenlialten könntej dann 
fehlte. Diese Ähnlichkeit setzt ein Kulturceutrum vorau«, wo 
der Hauptteil de^ Volkes zusammeu wohnte und von wo aus 
derselbe auf die getrennten Stämme zusammenhaltend vfirkU\ 

l^ach dem hier Entwickelten schmt mir also nur eine 
Auffaj^sung möglich: Die lemnischen Tyrrhener und andere 
griechische Tyrrliener, welche mit diesen zusammengehören, 
sind aus Etrurieu^ wie die Wikinger des Mittelalter^^ aus 
Skandinavien, herausgeflogen/*' 

Diese Darl^ung hat im ersten Augenblick sehr viel Be- 
stechendes, aber duüh ist sie bei näherer Prüfung der Gründe 
nicht haltbar. Das 1^'uudameut, auf dem sie sich aufbaut, hält 
nicht Stand: Das Etruskisehe und die Sprache der lemnischen 
Inschrift sind gar nicht so nahe verwandt, wie Bugge aunimmt. 
Diese .seine Annahme gründet sich auf die von ihm mit Hülfe 
des Etruskiöf^hen gegebene Übersetzung der LemnosinschriJ^. 
Diiss aber diese völlig hinfällig ist^ wurde oben (pag, 8 sqq*) ge- 
zeigt^ und mit ihr zugleich füllt die Annahme von der nahen 
Verwand tsiihafti l^eider Sprachen, Da;;, was wir in der lem- 
nischen Inschrift um sichersten zu deuten vermögen , d^is 
ütd/nk twiz, würde etruskiscb ialyp timl4 lauten (cf, üben pag. 
82st[.), und das ist hinlänglich von den lemnischen Formen 
verscliiedeUj unidieAunabme, dass zwei seitenverwandte Sprcichen 
Turliegen, m rechttertigen. 

Aber selbst wenn wir diese Thatsache der engen Verwandt- 
schaft zugaben^ m wüjde das nocJi keinesfalltj eine blosse Seiten- 
verwand tscbaft ausschliesseii. Sanskrit und Litauisch sind dr>ch 
räumlich und zeitlich gewiss weit genug von einander getrennt, 
und doch ist zwischen ihnen s(.)wohl die grammaüschej wie die 
lexikalische Verwandtschaft eine sehr nahe, sü nahe, dass Peter 

r^uli, lojtdirift von Lcniao« IL 15 



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226 

von Bohlen, wie in der bekannten Anekdote erzählt wird, 
litauischen Laudieuten ganze Sanskritsätze vorlegte, die sie ohne 
weiteres verstanden. Das waren nun ja freilich besonders aus- 
gesuchte Sätze, und nicht jeden Sanskritbiatz hätten die litauischen 
Bauern verstanden, aber immerhin! — es hätte sich das Ex- 
periment mit keiner anderen indogermanischen Sprache machen 
lassen, als eben mit dem Sanskrit, und so zeigt denn doch 
diese Geschichte, dass auch zwischen weit entfernten Seiten- 
verwandten die Ähnlichkeit eine sehr grosse sein kann. 

Und weiter noch ist doch auch die Annahme nicht richtig, 
dass eine griechische Binnenlandschaft nötig sei, von der sich 
die getrennten tyrrhenischen Schwärme auf Vorgebirgen, Inseln 
und Küstenstrichen hätten abzweigen müssen. Diese versprengten 
Teile erklären sich auch ohne das. Teils sind es Reste, die 
auf dem von mir II, 1. pag. 76 sq. skizzierten Wege zurück- 
blieben, teils sind es Flüchtlinge, die vor den andringenden 
Hellenen bald hier-, bald dorthin sich retteten und dann dort 
sich ansiedelten. 

Ich muss also auch dieser Annahme Bugges gegenüber 
auf meiner Annahme beharren, dass die Verfasser unserer In- 
schrift nicht italische Tyrrhener, sondern aus Attika nach Lemnos 
gewanderte Pelasger sind, die mit den Tyrsenem allerdings 
Seiten verwandt, aber nicht identisch sind. 

Ähnlich urteilt übrigens, insbesondere, soweit es die nega- 
tive Seite angeht, auch Deecke, wenn er (Rhein. Mus. 1886, 
460.) sagt: „Das letztere [die Wikingertheorie] ist, abgesehen 
von allgemeinen geschichtlichen Gründen, sehr unwahrschein- 
lich, teils wegen der immerhin noch zu starken dialektischen 
Verschiedenheit der beiden Sprachen, teils wegen des lemnischen 
Alphabets, das ... . doch nicht etruskisch, sondern rein grie- 
chisch ist . . . Ich halte vielmehr die lemnischen Tyrrhener 
für den versprengten Rest eines bei der Wanderung durch die 
Balkan- nach der Apenninenhalbinsel in der ersteren zurück- 
gebliebenen Bruchteiles des tyrrheno-etruskischen 
Volkes, der sich von dort auch über die Küsten und Inseln 
des ägäischen Meeres verbreitete." Dass ich über diesen letz- 



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227 

teren Punkt anders urteile, ergiebt sich bereits aus II, 1. 
pag. 76. 

\V(^iter winl sich nun fragen, auf Wischern Wege die Tyr- 
sener mich Italien gelangt ^eien. Auch diese Frage ist ^hon 
II j 1. iiig, 74sfjq. in Verbindung mit der Torigen ge.streift 
worden^ allein sie ist dc^clj mehr referierend behandelt, da ,jfür 
die Entscheidung dieser Frage . . der Nachweis, dass auf Lera- 
nos dereinst Verwandt** der Etrnsker sassen, K^var nicht ganz 
olme Belang, aber doch nocli nicht zu einer endgültigen Losung 
ausreichend*' sei. Im allgemeiiien neigU^ damals die Wagscbale 
auf die Seite der Einwanderung von Norden über die Alpen, 
Es wül mir abej fast scheinen, als ob neuerdings die entgegen- 
gesetzte Ansicht, dam die Eti-usker auf dem Seewege gekommen 
seien, an Anhang gewinnen* Ihre Verteidigung durch Brinton 
ist schon oben (pag. 216.) angeführt worden, ausserdem aber ist 
ihr jetzt halh und hall» auch Sttjlz (Urbevölkerung Tirols^ 
2r>s^[,) beigetreten j wenn er t^agt: , Jedoch mag es immerhin 
gestattet sein, zu bemerken, dass gerade die neu entdeckte 
Lemnos-Inschrift d^ch mit einiger Wahrscheinlichkeit dafür 
spricht, dass die Etrnsker auf dem Seewege nach ItaUen ge- 
kommen sind. Sie müssten denmach ein Seeniubervolk ge- 
wesen sein , das sieh auf seinen Streifereien an den Küsten 
Mittel itahens festsetzte. Unentschieden bleibt ^ trotzdem die 
Sache manchen Historikern für ausgemacht gilt, oli die auf 
ägyptischen Denkmalern des 13, Turchristlichen Jahrhundert.^ 
erwähnten IW^i^ Ttmäa oder 'fjirt^a mit unsern Etniskern 
identisch sind* . » . Immerhin miiuhte ich die Vermutung, da-ss 
die Etrasker ein Seeränherrolk gewesen seien, noch für wahr- 
t^i'heinlicher halten, als die von Pauli geüusserte^, das^ ein 
Zweig der tjrrheniscben Pelasger von der Balkanhalbinsel aus 
die Donau aufwfirt^ gewandert und von dort nach Italien ge- 
langt sei/' 

Bei dieser Saclilagi* scheint vin nochmaliges genaueres Ein- 
gehen auf die Frage geboten, und zwar scheint es Kweckmässigj 
zurtächst die Tnrsafnige eiiu^r UntersuchuDg zu unter/iehen. 
Bcknnntlich linden sicrh in den hierogljphischen Inschriften 

15* 



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228 

eine Anzahl von Völkernamen, deren Anklingen an italische 
auch früher schon vielfach aufgefallen ist Da unter diesen 
Namen sich auch der der TurSa befindet, die man schon längst 
mit den Tyrsenern oder Etruskern gleichgesetzt hat, so nennt 
man eben diese ganze Frage kurzweg die TurSafrage. Diese steht 
in der That mit unserem Gegenstande in so enger Beziehung, 
dass Hommel (1. c. 257.) sich wundert, dass ich, der ich doch 
den umstand erwähne, dass ein Teil der Pelasger ein wirk- 
liches See Volk gewesen sei (cf. II, 1. pag. 76.), hierbei nicht an 
den bekannten Einfall der Seevölker in Ägypten gedacht habe, 
welcher unter dem Pharao des Auszuges, Menephtah (ca. 1320 
V. Chr.), wie nachher in verstärkter Auflage unter Ramses III. 
(ca. 1250) stattgefunden habe. Gedacht habe ich wohl daran, 
habe mich auch mit den Ägyptologen Erman in Berlin und 
Pyl in Upsala in Beziehung gesetzt, um unter ihrer Anleitung 
die Frage zu studieren. Das ist auch geschehen, die ganze 
Sache erschien mir aber damals so unsicher und wenig geklärt, 
dass ich es für geratener hielt, gar nicht auf sie einzugehen. 
Jetzt indessen, wo die Frage von verschiedenen Seiten her in 
die Erörterung gezogen ist, wird das kaum noch zu ver- 
meiden sein. 

Im allgemeinen freilich neigte ja auch früher schon die 
Ansicht sowohl der Ägyptologen, wie der Historiker der An- 
nahme zu, dass wir in den TtirSa die Tyrsener zu erblicken 
hätten, allein es fehlte doch auch nicht an anderweiten Deu- 
tungen. So war z. B. Brugsch (Gesch. Ägyptens II, 129.) der 
Meinung, die TurSa seien die Taurier, und Halevy (Essai d'Epi* 
graphie libique 170.) wollte in ihnen einen libyschen Stamm 
sehen. Zu einer ähnlichen Annahme ist von seinem Stand- 
punkte aus (cf. oben pag. 216) natürlich auch Brinton geneigt, 
wenn er (Etruscan and Libyan Names 5) sagt: „It is pos- 
sible, . . . that the Tursha were the Turseni, and that in con- 
sequence of this defeat [durch Ramses] they left their native 
land [Libyen] and founded the Etruscan colonies of the west 
coast of Italy." 

Es könnte scheinen, als ob jetzt durch das Auffinden der 



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229 

etruskischen Inschrift auf der Agramer Mumienbinde, ein neues 
Moment variiere j durch welches eine J^liUstlieidimg über die 
Turst'hafrüge erleichtert werde. Das ist indessen nur Schein, 
denn Krall [Mamienbinde 18.) hebt mit Recht hervor j dass 
jene Inücbrift, aus der Zeit der PWlemäer stanimeud^ mit den 
Ttir^a direkt nichts zu thun habe. Und es handelt sich ja in 
der That nm zwei gauz verschiedene Zeiten. Dass iu der i^pä- 
tt^ren Zeit oiancberlel ßeziehun^^en zvTisehen Ägypten und 
Etrurieu bestanden, ist sicher und bfkanutj und der Etrusker, 
der die Binde beschrieb, war eiu itahscher Etrusker aus dem 
Innern Etruriens, das beweiist das etruskischc Alphabet und 
die gemeiiietruskische Ortlio^'raphie der Inscbrift* 

tTber die Ttirm seibat äussert sich Krall (l c. 19,) dahin: 
„Unter den verschiedenen Ansicbteii, die uln?r die Tnrscha aus- 
gesprochen svnrden, Süheint mir die Oleichsetzung derselben 
mit den Tyrsenern jetzt die meiste Wahrscheinlichkeit für sich 
?.u haben/* allein Krall nimmt dann (1, c. 18.) als Ausgangs- 
punkt der Mehrzahl dieser Völker [auch wohl der TuHa] Klein- 
asien an. 

Die TiirMrage zerfallt in zwei Teile; 

1. sind die Turki die Tyrsener? und 

2. wo wohnten sie? Auf die Beantwortung dieser Fragen 
muss hier eingegangen werden. 

Es wird zweckmässig scm, zuerst den Thutbestand kurz 
vorzutubren, und zwar auf der Grundlage von Chabas, Ktude:^ 
df l^anti<]uitt5 historiquej der über den Gegenstand kurz, aber 
mit grusser Klarheit berichtet 

Nach Chabas (1. c. I85sq*) werden nun von den in Frage 
kommenden Völkern zuerst die Shardaim genannt, welche aus 
Hülfstruppen an dem Kampfe gegen Ramses 11, (14. JaUrh* 
V. Chn) teilnehmen, der vun der grossen Koalition der Khaleb, 
der Anita, der Mma^ der Mimm (oder Maajiaf)^ der Lehu^ der 
Ditnlmu u. 8. vv. auf Betreiben der Klwfn unternommen werden 
war* Unter seinem JSobne Menephtah L Bol[eura (132Ü v. Chr.), 
wird dann Ägypten vun einer neuen Koalition augegriffen, zu 
di'r ausser den Libyern die hurdmia^ die ktikuUa, die Ahanm^u^ 



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230 

die lÄku und die TuHa gehören. Auf dem Monument von 
Karuak, welches diesen Krieg erzählt, wird von diesen Völkern 
ausdrücklich gesagt, es seien „peuples septentrionaux venus de 
toutes les terres" (Chabas 1. c. 191.). Die Reihenfolge, in der 
sie aufgezahlt werden, ist die obige, ünt^r Ramses III. 
(1250 V. Chr.) wird dann der Angriff dieser Liga erneuert, 
worüber die Denkmäler von Medinet-Habu uns Bericht er- 
statten. Die Inschrift auf dem zweiten Pylonen des ersten 
Hofes daselbst (Chabas 1. c. 245.) nennt uns als Völker, die an 
diesem Kriege teilnahmen, die Pelesta,, die Tsekkariu, die Se- 
kulaiay die Daanau^ die Vasa^au (1. c. 2ö0.). Von diesen 
Völkern heisst es dann in anderen Inschriften von Medinet- 
Habu, es seien „peuples du nord, qu'avaient mis en mouvement 
les Pelestas et les Tsekkariou", es seien Krieger gewesen „d'un 
autre pays, venus de la Grande-Mer et du Grand-Circuit", es 
seien „peuples venus de leur pays, des lies de la Grande-Mer" 
und „nations du nord venues de leurs Iles^* (1. c. 259.). 

Von den im Vorstehenden angeführten Namen hat man 
nun die Masa mit den Mysiern, die Eiuna (oder Maana) mit 
den Jouiern (oder Mäoniern), die Leka (oder Liku) mit den 
Lykern, die Dardani mit den Dardanieru, die Cordana mit 
den Sardmiem, die SakuUa (oder Sekulasa) mit den Sikulern, 
die AkawaSa mit den Achäern, die IhtrSa mit den Etruskern, 
die I^lesia mit den Pelasgern, die Uaanau mit den Dauniem, 
die Uaäaiau mit den Oskern identifiziert. 

Das thut auch Chabas selbst, und zwar sucht er diese 
Gleichsetzungen ausser dem Anklang der Namensformen an 
einander auch zu rechtfertigen aus den Abbildungen, die die 
Reliefs von Medinet-Habu von diesen Kämpfen geben. Es ist 
bekannt, dass die ägyptischen Abbildungen dieser Art inbezug 
auf den Schnitt der Gesichter, Haar- und Bartform, Kleidung 
und Bewaffnung durchaus realistisch gehalten sind, und sie 
können daher für Untersuchungen dieser Art in der That mit 
erheblichem Nutzen herangezogen werden. Bei den Reliefs von 
Medinet-Habu ist es nun Tracht und Bewaffnung, ganz be- 



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231 



sonders aber dw Form der HeLaiej die Chabas für die Ent- 
selieidon^ der Fra^^e verwertet, 

Zunächat stellt er fest^ dass die oben genannten Völker 
keine Semiten seien* IJiese tragen in den bildlichen Dar- 
steiluDgen Vollbarte und die „coiffure sßmitique** von neben- 
stehender Forn*. Unsere Volker aber sind bart- 
los und tragen ,,la coiffiire cbaract^ristique des 
anciennes natious hellöniqnes, ainsi que la courte 
tuuique a fjuadrilJes*' (Chabas I. c, 2Sß,). Das 
stimmt durchaus öberein mit den ol>eu ölter ihre 
Wohwgit?.e gemachten AngabeTi. Sie sind also eurojmisehe 
Völker, 

Die einzelnen Stamme unn tragen folgende Hehnfitrm: 





PehMt^ 



UaMkm 



^- 



kkariu 




Taria 



im penple /^ ^ Snrtifina 
ät*ul rtur aüa 
11'^ iig-Lirü nulleuient djins 

Von den übrigen Stämmen fehlen Darstellungen der Helm- 
f(jrnien, aber sie yind auch insofern nicht nötig, als es aus- 
reicht , die Identität der ohigeu Xamenformen festzustellen. 
Damit würden mittelbar dann auch die anderen, z, B- dre Ufu^- 
fimüj die AhmraAri u, s, w. wenigstens im allgemeinen bestimmt 
sein. Chabas vergleicht nun dii^ae Helmformen mit denen von 
Bildwerken, die in Etrurien, Sardinien u ^. w. gefunden sind 



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232 

und findet die Form der Tur^a wieder z. B. bei einer kleinen 
Bronzestatuette von Marzobotto, die der Sardana bei einer in 
Sardinien gefundenen Bronzestatuette. Dieser Teil des Be- 
weises bedarf der Verstärkung und Vervollständigung, denn 
Chabas bringt nur für die beiden genannten Völker den Nach- 
weis, und zwar nur mit je einem, überdies nicht sehr charak- 
teristischen Beispiel. Gerade hier aber liegt der eigentliche 
Kernpunkt des Beweises, und ebendarum will ich selbst ihn 
vervollständigen. 

Ich beginne mit den TurSa, teils weil sie für uns die 
wichtigsten sind, teils auch, weil sich für sie, falls sie wirküch 
die Etrusker sind, das reichste Vergleichungsmaterial bietet 
Hierbei ist indessen wohl zu beachten, dass in späteren etrus- 
kischen Darstellungen mit der gräcisierenden Weise überhaupt 
auch griechische Helmformen erscheinen. So wird man also 
vor allem die kleinen etruskischen Bronzestatuetten zu ver- 
gleichen haben. Und da findet sich nun die spitze Form des 
Helmes in der That mehrfach. Es wird genügen, die Bei- 
spiele aus Gori, Mus. etr. I. aufeuzählen. Dort findet sich 
unsere Helmform auf den Tafeln IX, no. 4; XVIII, no. 1; 
XLVH; LVI; LXXXII; XCVI, no. 2; CI, no. 1. 2. 3. AUe 
diese Beispiele, teils wirkliche Helme, teils Kopfbedeckungen 
von Frauen und Gottheiten, zeigen den Grundtypus des TurSa- 
helmes und weichen nur in Einzelheiten ab. Dass die Helme 
der TurSa fast „italischer Form" seien, war auch Deecke (in 
Müller, Etr. I«, 70. not. IIb) bereits aufgefallen. 

Auch für die charakteristische Form des Helmes der Sar- 
dorm scheint mir ein etruskischer Beleg vorhanden zu sein. Unter 
dem Wandschmucke der Tomba dei rilievi in Cervetri (cf. die Ab- 
bildung bei Martha, Art ötrusque pl. II. pag. 1 84.) finden sich 

j^ Helme, die nebenstehende Form zeigen. Das ist im 

^^:y^Mc=^ Grundtypus zweifellos die Öardana-Form: runder 
^---^ Deckel, runde Spitze und die beiden flügel- oder 
hörnerartigen Ansätze. Was in Einzelheiten ab- 
weicht, kommt auf Rechnung der dazwischen liegenden Jahr- 
hunderte. Auch die runden Schilde und die Form der Schwerter, 



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233 

wie sie neben jenen Helmen an der Wand des genannten 
Grabes dargestellt sind, stimmen durchaus mit den Schilden 
und Schwertern der ^rdana auf den ägyptischen Denkmälern 
überein. Da von allen grösseren etruskischen Städten Caere 
der Insel Sardinien am nächsten liegt, so ist es dann aller- 
dings glaublich, dass diese Waflfen sardinische seien, mögen sie 
nun auf kriegerische Beute deuten oder auf friedlichen Verkehr 
beider Stämme, der vielleicht in den von Strabo (III, 225.) als 
auf Sardinien wohnend genannten Tyrrhenem seine Vermittler 
hatte. Damit würde dann also die Gleichsetzung der Sardana 
mit den Sardinien! und weiter die der Tur^a mit den Etruskern 
als richtig erwiesen sein. 

Dass dann Pelesta die Pelasger seien, ergiebt sich fast von 
selber, wird aber doch auch durch die Form ihrer Helme noch 
bestätigt, die ganz klärlich die Grundform des griechischen 
Helmes ist Mit dem Helm der Pelesta ist aber der der Tsek- 
kariu unmittelbar verwandt. Es wird daher anzunehmen sein, 
dass, auch wenn die Namensform sich nicht näher bestimmen 
lassen sollte, in ihnen ein Stamm vorUege, der mit den Pelas- 
gem nahe verwandt war und auch vermuthch in ihrer Nach- 
barschaft wohnte. Ob man in dem Namen Tsekkariu den der 
Teukrier finden könne, mag dahingestellt bleiben. Auch der 
Helm der UaSaSau ist deutlich nur eine andere Abart des Pelasger- 
helmes. Auch sie werden also nahe Verwandte der Pelasger 
sein. Schon das würde verbieten, in ihnen mit Chabas die Osker 
zu sehen. Aber auch die Namensform Ua^aSau selbst lässt sich 
mit der Form Osci nicht vereinigen. Denn diese ist, wie gr. 
'Ottixoi und das noch bei Festus (ed. Müller 189) aus Titinius 
erhaltene obsce beweist, aus Opisci entstanden und könnte in 
so früher Zeit sicher nicht ohne das p erscheinen. Hommel 
(Archiv für Anthropol. XIX, 258) erinnert an OuaaaSa in Ly- 
kaonien und Ouaaao<; in Karlen und meint, dass das Ua^ai 
mit letzterem vielleicht identisch sei. Vonseiten der Lautform 
leuchtet das ohne weiteres ein, ob es sachlich möglich sei, wird 
weiterhin untersucht werden. 

Es bleibt uns jetzt nur noch das Volk übrig, welches den 



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234 

gehörnten Helm mit Nackenschutz trug. Diese Form findet 
sich, sofern man das Charakteristische in den beiden seitlichen 
Ansätzen ohne Eugelspitze sieht, auch, bei einer Anzahl etms- 
kischer Statuetten. Es sind dies aus Gori, Mus. etr. I. folgende: 
Taf. XXIX, no. 1 und 2; XL, no. 1. 4. 5; LIII; CIV; CXVIII; 
CXIX. Ans dem Vorkommen auch dieser Form in etruskischen 
Bildwerken scheint zu folgen, dass auch dieses Volk in der Nähe 
der Tur^a wohnte. 

Wenn nun also auch schwerlich wird bestritten werden 
können, dass wir in jenen Völkern der ägyptischen Berichte in 
der That die Pelasger, Etrusker, Sikuler und Sardinier vor uns 
haben, so ist damit, wie Hommel (1. c. 257) mit ßecht hervor- 
hebt, noch keineswegs gesagt, dass sie damals schon in den 
später nach ihnen benannten Ländern wohnten. Hommel selbst 
hält es sogar für wahrscheinlicher, dass sie noch an der Süd- 
oder Westküste Kleinasiens wohnten. Diese Frage wird also 
noch besonders zu untersuchen sein. 

Die in den ägyptischen Quellen selbst (cf. oben pag. 230) 
gegebenen Nachrichten über die Wohnsitze unserer Völker sind 
etwas allgemein und sagen uns nur, dass die Völker nördlich 
von Ägypten auf Inseln und an Küsten des Mittelmeeres wohnten. 
Das aber passt ebensogut auf Kleinasien und das ägäische Meer, 
wie auf Italien, Sardinien und Sicilien. Man könnte auf den 
ersten Blick geneigt sein, und manche Gelehrte sind ja in der 
That der Ansicht, dass die fraglichen Völkerstamme damals 
noch um das ägäische Meer gesammelt gewesen seien, allein 
dieser Annahme stehen doch eine Anzahl Gründe von Gewicht 
entgegen. 

Zunächst ist es aus der Form der Helme unwahrscheinlich, 
dass alle diese Völker noch in nächster Nachbarschaft mit ein- 
ander gewohnt hätten. Wir haben vier sehr bedeutend von 
einander verschiedene Helm typen: 1. den der Pelesta, Tsekkariu 
und U(üa^au\ 2. den der TuHa\ 3. den der Sardana\ 4. den 
des noch nicht näher bestimmten Volkes. Diese grosse Ver- 
schiedenheit der Typen würde sich kaum erklären, wenn alle 
diese Völker, die doch Zweige ein und desselben Stammes sind. 



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235 

noch neben einander gewohnt hätten. Waren sie aber bereits 
längere Zeit räumlich getrennt, dann erklärt sich das leicht. 
Nehmen wir dies an, dann haben wir also vier getrennte Ge- 

(ik'ii', in tleni^n luiseR^ Völlv^r wuluitun. Vuu tlirveii vinr Gv- 
hjeten müssen aber, wie sich aus den HiTÜhrtuigeu (cf. oben 
pag. 232. 234) ergiebt^ das der T^riia ninl der Sardana uüd das 
der Helmforni no. 5 nicht eu mlir weit von eiuandL^r üutfenil 
gelegen haben. 

Weiter aber würde die Annahme, dass die Etrusker da- 
mals noch im Giften gewahnt hätten, uns in einen Widerspruch 
setzen mit dem, was Heibig (Ital in der Po<^bf*ne 100) über 
den Kulturzustand der Etrusker bei ihrer Einwanderung in 
Italien i^agt, ,,das8 ibuen damals ein ähulieh b^^schranktes Kultur* 
kapital eigentümlich war, wie dou Italikern, als sie auf drr 
Poebene in den Plühldr^rfern wohuten"*. Dieses Kulturkapibxl 
der itcilischen Plahldörfler bespricht er L c. ]iü^{(\. Das für 
uns Wichtigste daraus ist das übtT die Metalitechnik Gesagte 
(L c. 19j, wonach die Brume lediglich vermöge des Gusses und 
noch nicht durch ,,Schmieden verarbeitet" wurde und Schwerter, 
auch diese aus Bronze gegossen j sich nur vereinzelt finden 
(l. c. 135), Nun aber ist bei den Ttirm der ägyptischen Denk- 
mäler das Schwert eine ganz gewr>huliche Wafle, und d;iss diese 
Schwerterj m wie audi die Helme lediglioh dunh Gus« ht^r- 
gestellt sein sollten, das scheint mir nach der g<iMen Art der 
Darstellung nicht möghch. Damit aber befinden wir uns vor 
einer Alternative: entweder die ganze Auuahme Helbigs über 
die Besitznahme der Pbahldurler durch die Etrusker und ihr 
Eindringen von Norden ist falsch j oder aber die IhirJia der 
ägyptischen Denkmäler wohnte u schon in Italien und zeigen uns 
einen gegen die Etruskcr in dtrn Pkhldürfern bereits vorge- 
sehritteneu Kniturzustitnd. IJm diese zweite Alternative an- 
nebmbar zu machen, dazu bedarf es nur, die Einwandenmg 
der Etrusker in Italien uoch um einige Jahrhunderte weiter 
zurück 7.U datieren, als dies Helliig thut, der annimmt (bc, 100), 
„dass dasselbe Völkergeschiebe, welebes den Aufbruch der Thes- 
saler aus Epeiros veranlasst*! und st^mit den Änlass zur dürischen 



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2 36 

Wanderung gab, auch die Etrusker nach dem Süden vorwärts 
drängte". 

Wohnen die Turia damals schon in Etrurien, die hardcma 
in Sardinien, dann erklären sich ihre abweichenden Helmformen 
leicht, denn sie sind eben unter sich und von den Pelasgern 
bereits räumlich getrennt Andrerseits aber scheint man sich, 
wie das eben das grosse Bündnis gegen Ägypten schliessen lässt, 
doch des gemeinsamen Ursprunges noch bewusst gewesen zu 
sein, denn fast alle Völker jener grossen Koalition sind An- 
gehörige des alarodisch-pelasgischen Völkerstammes, in dem wir 
wohl für jene Zeit den Träger der vorderasiatisch-südeuropäischen 
Geschichte und Kultur zu erblicken haben. 

Nun könnte man ja freilich auch von der oben aufgestellten 
Alternative für die erste Möglichkeit sich entscheiden und gerade 
aus der TurSa schliessen wollen, dass die Etrusker nicht von 
Norden, sondern zur See eingewandert seien, da doch alle Völker 
des pelasgischen Stammes tüchtige Seeleute seien. Dies letztere 
ist ja richtig, zwingt aber noch nicht zur Annahme auch des 
ersteren. Ja, es scheint mir doch ein bestimmter Gegengrund 
vorhanden zu sein, der diese Annahme widerrät. Diesen Gegen- 
grund sehe ich in den Thursen der deutschen Mythologie. 

Schon II, 1. pag. 76 hatte ich darauf hingewiesen, dass 
Jacob Grimm in diesen Thursen die Etrusker gesehen habe. 
Ich habe mich seit der Zeit mehrfach mit dieser Frage be- 
schäftigt, und es scheint mir, als ob sich verschiedene Anzeichen 
ergäben, die es in der That möglich machten, die Thursen für 
die Tupa-7]voi, lu(r)s-ci zu erklären. 

Zunächst habe ich mir die in der Edda vorkommenden 
Namen der Thursen darauf angesehen, ob aus ihnen sich etwas 
gewinnen lasse. Und das scheint mir in der That so. Ein 
Teil der Thursennamen ist ja freilich gut altnordisch, me z. B. 
Geirrödr, Hiurvardr^ Hrcesvelgr^ Hrlmgrimnir^ Ilrimgerdr^ läm- 
saxa, aber daneben giebt es doch auch eine Anzahl solcher, die 
ein durchaus fremdländisches Aussehen haben. Solche sind z. B. 
Eisila, Imätj Imr, Hymiry Skrymir, Ymir, ßiassu Endlich ist 
eine dritte Gruppe da, neben denen zwar anklingende altnor- 



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237 

dische Wörter vorhanden sind, die aber dennoch fremden Ur- 
sprunges und eben diesen altnordischen Formen nur volksety- 
mologisch angenähert sein könnten. So haben mr prymr neben 
prymja „tönen, erschallen"; Angeyja neben angr „Leid"; Atla 
neben ataU „tapfer"; Brimir neben brim „Tosen, Rauschen"; 
Menja neben men „Halsband"; Loki neben hk „Ende, Schluss"; 
Lmifey neben lauf „Blatt". Diese letzteren beiden Gruppen 
könnten immerhin auf ihre etruskische Herkunft hin untersucht 
werden, nur dürfte man natürlich zur Yergleichung nicht die 
in den etruskischen Inschriften sich findenden Familiennamen 
heranziehen, denn diese sind italisches Lehngut (cf. oben pag. 221). 
Da aber die Thursen in der Edda, wie sich an mehreren 
Stellen ergiebt, nicht südlich von den Germanen, sondern öst- 
lich von ihnen wohnen, so müsste die Entlehnung etruskischer 
Namen in eine Zeit fallen, in der die Etrusker noch nicht in 
Italien waren. Und eben deshalb würden wir für jene Namen 
nach einem Etymon unter den echt etruskischen Wörtern suchen 
müssen. Und da erinnert nun in der That j5rymr an etr. (urms 
„Mercurius"; Menja an etr. mene (Mum. II, 9) ; Loki an etr. 
kicumo. Das sind nicht gerade viele Anklänge, und für sich 
allein würden sie gewiss nicht genügen, einen Schluss darauf 
zu bauen. 

Aber zu ihnen gesellt sich nun die überaus merkwürdige 
Sage von dem Thursenbaumeister, die uns in Gylfaginning 42 
erzählt wird und, soweit sie für uns hier in Frage kommt, so 
lautet: „Es geschah früh bei der ersten Niederlassung der Götter, 
als sie Midgard erschaffen und Walhall gebaut hatten, dass ein 
Baumeister kam und sich erbot, eine Burg zu bauen in drei 
Halbjahren, die den Göttern zum Schutz und Schirm wäre wider 
Bergriesen und Hrimthursen, wenn sie gleich über Midgard 

eindrängen Da griff er am ersten Wintertag dazu, die 

Burg zu bauen, und führte in der Nacht die Steine mit dem 
Pferde herbei. Die Äsen däuchte es gross Wunder, wie ge- 
waltige Felsen das Pferd herbeizog; und noch halbmal so viel 
Arbeit verrichtete das Pferd, als der Baumeister." Diese Er- 
zählung sieht mir nicht aus, wie ein Mythus, der irgend einen 



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23 8 

Vorgaog in der Natur symbolisiere. Versuche derart sind ja 
freilich gemacht worden. So sagt z. B. Werner Hahn (Edda 258): 
„Die handelnden Hauptpersonen, der Thursenbaumeister und 
Loki, sind . . nach beiden Seiten hin Sinnbilder. Erstens in- 
beziig auf die Natur ist der Thursenbaumeister Sinnbild der 
winterlichen Kälte, Loki Sinnbild der sommerlichen Wärme. 
Zweitens inbezug auf das sittlich geistige Leben sind beide 
Sinnbilder der Unwahrheit und des Betruges." Allein das 
scheint mir ausserordentlich gesucht, ja unnatürlich. Wenn 
man sich an die vielen geschichtlichen Bestandteile, z. B. des 
alten Testamentes, des Veda (auch dieses!), erinnert, so liegt es 
sehr nahe, auch in jener alten Erzählung eine geschichtliche 
Überlieferung aus grauer Urzeit zu sehen. Der Hergang selbst 
ist dann einfach genug: „Zu den Germanen kommt ein thur- 
sischer Baumeister und erbietet sich, ihnen, die ja lediglich aus 
Holz oder Lehm (cf. nochTacGernu 16) bauen, eine Steinburg 
zu bauen zum Schutze eben gegen die Thursen selbst, mit 
denen sie im Kriege leben. Auf Rat des Loki, der ja selber 
ein halbschlechtiger Thurse ist, wird das angenommen und ein 
Vertrag abgeschlossen. Mit Hilfe seines Bosses nun — auch 
dies ein Novum, das edle Tier, den Genossen im Kampfe, an 
den Lastkarren zu schirren ! — führt der Baumeister den Bau 
aus, wird aber schliesslich, wieder auf Anraten Lokis, um seinen 
Lohn gebracht." Dies der einfache Kern der Erzählung, und 
er sieht historisch genug aus. 

Wenn die Deutung der Thursen als Tyrseni^ Tu[r)sci richtig 
ist, so löst sich die ganze Erzählung in der einfachsten Weise 
auf. Es ist eine kulturgeschichtliche Beminiscenz daran, dass 
die Germanen durch die Etrusker mit den Steinbau und der 
Benutzung des Pferdes als Lasttieres bekannt geworden sind, 
wobei inbezug auf letzteren Punkt an die Schilderung Hehns 
(Kulturpflanzen und Haustiere^ 39 sqq.) zu erinnern ist, in 
denen er als das Lasttier den Ochsen hinstellt, während das 
Boss nur im Kampfe dient, sei es zum Reiten, sei es zum 
Ziehen des Streitwagens. Ob man dabei an einen bestimmten 
geschichtlichen Eluzelvorgang und einen bestimmten einzelnen 



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239 

Baumeister denken will oder nur an eine geschichtliche Epoche 
im allgemeinen, das ist für die Deutung selbst nebensachlich. 
Mir persönlich ist letzteres einleuchtender. 

Wenn diese Deutung der betreffenden Sage möglich zu 
sein scheint, dann erhebt sich sofort die weitere Frage, wann 
und wo dieser kulturgeschichtliche Vorgang sich etwa zuge- 
tragen haben möge. Wie mir scheint, fehlt es dafür nicht an 
jeglichem Anhalt. 

Heibig hat die Ansicht ausgesprochen, dass die Kultur der 
Etnisker, als sie in die Poebene hinabstiegen, mit der der 
Italiker im wesentlichen übereingestimmt habe (Italiker in der 
Poebene 101). Nun aber bauten die Italiker ihre Hütten aus 
Lehm und Reisig und stützten die Wände durch Holzpfahle 
(1. c. 47), und damit stimmt es, dass noch im 5. Jahrhundert 
V. Chr. an den Strassen der Etruskerstadt Felsina Lehmhütten 
standen (1. c. 49). Ist dies, wie ich glaube, richtig, und nimmt 
man dazu die weitere Thatsache, dass in der Edda die Thursen 
als im Osten, nicht im Süden wohnend angegeben werden, so 
ergiebt sich der sichere Schluss, dass die in Italien wohnenden 
l<]trusker nicht die sein können, denen der den Steinbau zu den 
Germanen bringende Thursenbaumeister angehörte. 

Halten wir uns zunächst an die östlichen Wohnsitze, so 
beginnen alsbald eine Anzahl an die Thursen anklingender 
Namen zu irrlichtelieren. Da haben wir die Taopot auf der 
nach ihnen bekannten Halbinsel, der Krim, sodann die 'ÄYa- 
i>'j(jaot in dem jetzigen Siebenbürgen, welche nach Stephanus 
von Byzanz auch Tpawaot Wessen, und endlich die Taurisci in 
Noricum. Aber alle dreie scheinen mir auf unseren Thursen- 
baumeister nicht zu passen. Die Taurer haben zunächst 
allerdings etwas sehr Verlockendes, denn das Hrtm- in den 
HrlmJ)ursen scheint direkt mit der Krim zusammengebracht 
werden zu können, wobei nur schade, dass das Wort Krim 
türkischen Ursprunges ist und erst dem Mittelalter entstammt 
Was nun die Taurer der Krim selbst betrifft, so werden sie 
von Diefenbach (Orig. europ. 92.) und Kiepert (Lehrbuch der 
alt. Oeogr.^ 348.) für kimmerischen Stammes gehalten und waren 



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240 

,,eiii von den Skythen durchaus verschiedenes, sehr kriegerisches, 
durch Seeraubereien und blutigen, mit zahlreichen Menschen- 
opfern verbundenen Kultus einer Waldgöttin .... berüchtigtes 
Volk" (Kiepert). Das ist eine Kulturstufe, die sich sehr schwer 
mit der durch den Thursenbaumeister versinnbildeten vereinigen 
lässt Auch stimmen die Nameusformen nur mangelhaft zu 
einander, denn das in purs jedenfalls stammhafte s fehlt in 
Taupot, und auch der Diphthong in Taupoi neben dem kurzen 
u in purs ist schwer zu erklären. An diese Form also wird 
man bei den Thursen nicht denken dürfen. 

Es folgen die Agathjrsen. Diese sind entweder, wie 
Diefenbach (1. c. 67.) annimmt, immittelbar ein skythischer 
Stamm oder haben doch skythische Sitten, wie nach Herodot 
auch Kiepert (l. c. 83i5.) ausdnicklich sagt, obwohl er sie nicht 
für skythischen Stammes hält Wie aber skythische iinto- 
ToSo'rai die Kunst des Steinbaues geübt haben sollten oder 
gar ihr edles Streitross an den Lastwagen gespannt haben, das 
ist nicht glaublich. Und auch hier wieder stimmen die Namens- 
formen nur mangelhaft. In -&opoot stimmt das Ü nicht mit 
dem p der nordischen Form, die Form Tpauaot hat zwar den 
richtigen Anlaut, aber die Metathese und der Diphthong machen 
wieder Schwierigkeiten. So wird man also auch in den Aga- 
thyrsen die Thursen nicht sehen dürfen. 

Die letzten endlich, die noiischen Taurisker, sind Kelten. 
Das ergiebt sich mit voller Sicherheit aus dem Namen ihrer 
Hauptstadt Vinmum, die im Stamme zu gall. Firomarus, rtro- 
marms^ Virodünum, Tirovesca^ Firosidum, Firoconium, Firo- 
vedrum (Glück, Keltische Namen 186.), im Suffix aber zu den 
Sedani (Plin. III, 137.) und ihrer Stadt Sedunum in Kätien 
gehört Von gallischen Stämmen nun könnten die Deutschen 
wohl den Steinbau gelernt haben, aber die Sache hat doch in 
mancher Beziehung Bedenken gegen sich. Die ersten derselben 
erheben sich gegen die Form des Namens. Der Name pursar 
zerlegt sich doch ohne Zweifel in purs-oTj hat also stamm- 
haftes *, während Tattrisct ebenso zweifellos sich in Taur-isci 
zerlegt und somit als Stamm nur Taur- hat. Schon dies würde. 



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241 

neben der Differenz des u mit dem au, die Deutung der 
Thursen als TavTüci verfehlt erscheinen lassen. Aber dazu 
kommt nun noch ein sachlicher Gegengrund. Der Name der 
Taurisker ist, wie man, wohl mit Recht, annimmt, auf die 
norischen Kelten erst übertragen worden und bezeichnete ur- 
sprünglich einen dort wohnhaften ligurischen Stamm (cf. Diefen- 
bach 1. c. 136. und Kiepert 1. c. 365.). Dass aber Ligurer den 
Steinbau zu den Germanen gebracht hätten, wird wohl nach 
der grellen Schilderung des Posidonius (cf. Nissen, Ital. Landes- 
kunde 470.) niemand annehmen wollen, auch wenn er nicht, 
sogar noch von den italischen Ligurem, ausdrückUch sagte: 
„Sie wohnen in ärmlichen Holz- und Schilf hütten, meistens 
jedoch in natürlichen Höhlen/' Das alles mit einander macht 
die Identifizierung der Thursen mit den Tauriskem durchaus 
unthunUch. 

Wenn nun aber so weder die lauri der Krim, noch die 
Agaäiyrai oder Trausi, noch auch die Tamisci in den Thursen 
stecken können, aber doch der geschichtliche Kern in der Sage 
vom Thursenbaumeister aufrecht erhalten bleiben soll, was 
bleibt uns dann noch übrig? Nichts anderes, meine ich, als 
die Tyrsener, aber nicht die italienischen, sondern andere, die 
im Osten wohnten. Und von solchen östlichen Tyrsenem hat 
sich nun ja in der That eine Spur erhalten, und zwar in der 
bekannten Stelle bei Herodot I, 57., wo gesagt wird, dass „ober- 
halb der Tyrsener Pelasger die Stadt Creston" bewohnen. Es 
schwankt freilich die Lesung, sofern schon Dionysius Kroton 
statt Kreston las und die Handschriften (cf. Deecke bei Müller, 
Etr. n*, 89. not. 56.) statt Kreston eigentlich Kp7iaaa>v, resp. 
KpTjaaciv haben, aber es scheint mir doch, als ob Kreston das 
richtige sei und damit eine Stadt in Macedonien im Gebiete 
der Crestonii gemeint sei. Diese östlichen Tyrsener aber, die 
Nachbaren der Pelasger, auch der lemnischen, können schwer- 
lich etwas anderes sein, als der zurückgebliebene Rest derer, 
die durch den nördlichen Teil der Balkanhalbinsel und die 
Alpen (cf. hierzu U, 1. pag. 79 sq.) in Italien eindrangen. Von 
einem anderen zwischen Donau und Alpen (etwa in Pannonien 

Pauli, Inschrift von Lemnos. II. IQ 



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242 

sesshaft gewordenen und zu einer selbständigen Kultur ge- 
langten Teile dieses Zuges werden dann die Germanen den 
Steinbau gelernt haben. Da dass sehr früh geschehen sein 
muss, so scheint das mit der oben (pag. 238.) angeführten 
Stelle des Tacitus in Widerspruch zu stehen, allein der schein- 
bare Widerspruch lässt sich doch in der Weise auflösen, dass 
die Germanen damals noch ein Wanderleben geführt hätten 
und daher, abgesehen von jenem vereinzelten Falle, der Stein- 
bau, weil für sie unpraktisch, keine Aufnahme gefunden habe. 
Trifft diese ganze Erörterung das Richtige, dann sind die 
Etrusker von Norden her über die Alpen nach Italien ge- 
kommen. 

Dass auch hier die Sache noch nicht endgültig zur Ent- 
scheidung gebracht ist, weiss ich selbst, aber im Vorstehenden 
sind doch, wie ich glaube, einige neue Momente beigebracht 
worden, die dereinst für die endgültige Entscheidung werden 
mit verwendet werden können. 

Es erübrigt jetzt nur noch, auf einige Punkte mehr neben- 
sächlicher Natur kurz einzugehen. 

Ich habe beiläufig (II, 1. pag. 78.) auch der Ähnlichkeit 
zwischen der etruskischen und der vorderasiatischen Musik und 
der unzweifelhaft vorhandenen Beziehungen zwischen der Kon- 
struktion der Gräber in Etrurien einer-, in Vorderasien anderer- 
seits Erwähnung gethan, aber es war das eben nur ganz bei- 
läufig und mit dem ausdrücklichen Zusätze geschehen: „Und 
unter dem Gesichtspunkt der durch unsere Inschrift neu ge- 
schaffenen Sachlage gewinnen nun auch noch weitere Elemente 
an Beweiskraft, denen man bisher für sich allein dieselbe nicht 
recht zuzugestehen geneigt sein konnte." 

Ich selbst habe auf diesen Punkt durchaus kein Gewicht 
gelegt, und es hätte der längeren Zurückweisung desselben 
durch Hesselmeyer (1. c. 34. 141.) deshalb eigentlich gar nicht 
bedurft. Die liichtigkeit des von ihm Gesagten wird niemand 
bestreiten wollen. 

Dagegen ist auf einen anderen Punkt aufmerksam zu 
machen, der deutlich den Zusammenhang zwischen Pelasgem 



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243 _ 

und Etruskem zeigt. Es ist dies der Phallus in Kult und 
Kunstdarstellung. Welche Rolle der Phallus bei den Pelasgen 
spielt, ist ja bekannt (cf. Hesselmeyer, Pelasgerfrage 68.), aber 
auch bei den Etruskern tritt er lebhaft hervor, nicht bloss 
auf ihren bildlichen Darstellungen, sondern auch als gesondertes 
Symbol. Wir finden ihn auf den Mauern etruskischer Städte, wie 
Faesulae , auf den Thüren etruskischer Gräber, wie zu Castel 
d'Asso (Dennis IP 441. not. 8. deutsche Ausg. = 11^, 119. 
not. 5.), und auch das Balsambüchschen der Sammlung Castel- 
lani in Rom (Fa. no. 2333 ter) zeigt dieselbe Gestalt. Und 
andrerseits haben wir das gleiche Abzeichen auf den Münzen 
gerade von Lemnos und Imbros (Müller, Etr. P, 72.), so wie 
auf den Mauern sogenannter pelasgischer Städte, wie z. B. 
Alatrium (Dennis 1. c. not. 10. d. A. = IP, 119. not 7.). Es 
kann ja sein, dass hier lediglich mythologischer Zusammenhang 
zwischen beiden Völkern besteht, aber es kann doch auch ein 
ethnographischer sein. Aus diesem einen Punkte allein würde 
man ja kaum auf letzteren schliessen dürfen, aber neben allen 
den übrigen scheint er mir wenigstens für mitbeweisend gelten 
zu können. 

Und damit ständen wir denn nun wohl am Ende unserer 
Untersuchung. Ich hoffe, in ihr manches schärfer und be- 
stimmter gefasst zu haben, als in der ersten, auch manche 
neue Wege für die weitere Forschung gezeigt zu haben, aber 
von der Annahme, endgültige und unumstössliche Ergebnisse 
erlangt zu haben, bin ich weit entfernt Alles, was ich am 
Schlüsse der ersten Abhandlung (II, 1. pag. 80 sq.) gesagt habe, 
gilt auch heute noch. Auch heute noch bedarf es weiterer 
Ausgrabungen, insbesondere auf Lemnos, Imbros und Samo- 
thrake, vielleicht auch noch in anderen altpelasgischen Gebieten, 
auch heute noch ist es bis zur Entzififerung der etruskischen 
Inschriften ein weiter, weiter Weg, und auch heute noch ist 
dieselbe erst dann zu hoffen, wenn eine längere Bilinguis, sei 
es eine etruskisch-lateinische oder eine griechisch-pelasgische, 
gefunden sein wird. Das alles muss uns erst die Zukunft 
bringen, auf die wir auch noch inbezug auf einen anderen 

16* 



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244 

Punkt, die Feststellung der in unserer lemnischen Inschrift 
noch zweifelhaften Lesungen (cf. oben pag. 49 sqq., 93 sqq.), an- 
gewiesen sind. Ich habe zwar, um bei den einzelnen Punkten, 
welche eine Nachprüfung erheischten, die Lesung festzustellen, 
versucht, einen Papierabklatsch zu erlangen und mich dieser- 
halb an die Herren Cousin und Dürrbach gewandt Leider 
aber war es aus Gründen, die beide Herren mir ausführlich 
mitgeteilt haben, die ich aber zu veröffentlichen nicht ermäch- 
tigt hin, nicht möglich, für den Augenblick einen Abklatsch 
zu erhalten, und so muss denn auch diese Nachprüfung der 
betreffenden Punkte noch der Zukunft vorbehalten bleiben. 



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Nachträge. 



Nachdem das Manuskript dieses Buches nahezu vollendet 
und ein grosser Teil davon schon gedruckt war, kamen mir 
noch mehrere Schriften zu Händen, die sich mit unserer Inschrift 
und den mit ihr zusammenhängenden Fragen beschäftigen. 

Die erste derselben ist eine Abhandlung von Salomon 
Reinach in dem Babylonian and Oriental Record vom Oktober 
1892, 85 sqq., die A. B. Meyer die Güte gehabt hat mir zuzu- 
senden. Sie trägt den Titel: „Lydian origin of the Etruscans" 
und enthält folgende bemerkenswerte Sätze: „Whatever light 
the Etmscan vocabulary may yet reoeive from the manuscript 
recently discovered at Agram, it is oertain that after the publi- 
cation of this text, the Etmscan tongue remains what is was 
up tili that day: isolated among the ancient speeches known 
to US. The Etmscan, we may be assured with an increasmg 
confidence, will never get explained except by itself." Der erste 
dieser Sätze deckt sich dem Inhalte nach ziemlich genau mit 
dem, was Krall (Mum. 47.) selbst über die Sache urteilt: „Geht 
man an der Hand des Index [zu der Mumienbinde] den Text 
durch, so wird man zugeben, dass sich die Anklänge an die 
italischen Sprachen, von einigen Lehnwörtern abgesehen, nicht 
gemehrt haben.'' Der zweite Satz aber spricht genau das aus, 
was ich selbst schon seit Jahren wieder und immer wieder habe 
hervorheben müssen. Weiter fügt er dann hinzu: „As the 
Etruscan presents no afßnity with any ancient or modern 
tongue, it is in the lost languages that we must look for its 



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246 

congeners. Now of these tongues there are left us no vestiges, 
except a small number of glosses, proper names, and names 
of places; it is therefore to toponomy and onomastics we must 
have recourse. But the toponomy of Etruria itself can scar- 
cely help us; it is entirely Italian [cf. Altit. Fo. II, 1. pag. 52.]. 
We are thus compelled to seek for points of comparison between 
the onomastics or the Etruscan lexicon and the toponomy of 
other regions. M. Pauli hat ahready entered this path in 1886." 
Damit schliesst sich also Verfasser vollständig den Ergebnissen 
meines ersten Heftes über die Lemnosinschrift an, auch in- 
bezug auf den italischen Ursprung der Ortsnamen in Etrurien. 
Bemerkenswert sind femer die Stellen, welche sich auf die 
Verwandtschaft der Sprache unserer lemnischen Inschrift be- 
ziehen; sie lauten: „. ... the inscription, whose Etruscan affi- 
nity can no longer be cont^sted" und „M. Pauli has proved, 
P, that the inscription of Lemnos, an island inhabited by 
Pelasgo-Tyrsenians, is conceived in a language closely allied to 
Etruscan; 2^, that a tongue, having left as traces some names 
of places, has been spoken in the West ef Asia Minor, in Thrace, 
in Macedonia, as well as in parts of Greece proper with the 
islands." Auch hier schliesst sich Verfasser also vollkommen 
meinen Ergebnissen an. Und von diesem Standpunkte aus 
thtt er dann an seine eigentliche Aufgabe heran, die darin 
besteht, nachzuweisen, dass das Suffix -Uta in der späteren 
römischen Epigraphik, z. B. in Lwäta, Julitta, von dem das 
französische -eite abstamme, nicht, wie man gewöhnlich an- 
nimmt, galUschen, sondern etruskischen Ursprunges sei und 
dass es auch in einer Anzahl vorderasiatischer Ortsnamen, I^o- 
ketta in Lydien, Baretta oder Bareta anscheinend auch in 
Lydien, Bardaetta (oder Baretta) an der Grenze zwischen Phry- 
gien und Lykaonien, Aiiineta gleichfalls in Lydien, Rheketa im 
Hellespont, Kagyeüa in Phrygien, Triglettaj TaUmeta und 
Koumaleta in Pisidien, gleichfalls erscheine und auch dadurch 
die Verwandtschaft der genannten Sprachen unter einander 
bestätige. Für eine Umformung desselben Suffixes hält Ver- 
fasser dann auch das -taoo?, Yjaoo;, -t^tto; in den griechischen 



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247 

Formen <it*r vorderasiatischen und peljtö^isch-griecbisohen Ürts- 
üünien. Auch auf etruskische Feniiniuiij wie Imitaida „fumi- 
üaris, domestica*', talilia und lUißt^a^ Namen von Göttinnen, 
raint^fM, weiblicher Vorname, hatte noch hingewiesen werden 
können. 

Wie man sieht, ist also auch diese Schrift den meinen 
Ergebnissen unbedingt mstimmenden (cf. oben pag. Hsqq») an- 
zureihen. 

Die zweite der in P'iage kommenden Schriften aind die 
,,Saggi e appunÜ intoruo aUa iseriziuae etmsua della mummia'' 
von E. Latte?, von denen mir ein Exemplar von dem Verfasser 
selbst in stets sich gleich bleibender Liebeuswilrdigkeit siuni 
Gestihenk gemacht worden ist. Au verschiedenen Stellen dieser 
Scbrilt geht der Verfasser auch auf die Lemnosinschrift. ein, und 
es erwachst mir dadurch natürlich die VerpÜichtuDg, die von 
ihm aufgestellten Ansichten zu pnifeu. 

An Lesungen bietet er folgendes: 

A. 
h K evix\hlierüttaB: iß, 152*); 

2. zivfti I mrjyyei \ z \ (mi\ z \ (S, 1 5t <) ; 

3 . mu TU • !t : m - av [iz) (S. 1 5 1 1.). 

U. /iolaitt \ s i nafoW | ziuxt (R 4. 205.) 
UL h — 

2. — 

3. — 

L L äzi^^ohe {S. 54, 205.); 

2* zkm:avk:mat/tfk:tn€ircLzm:arik:attmai (S. 151.}; 
IL fwiaieziyfokiüßiale: (S- 223. 242,). 
Dies ühersetÄt er folgendermassen: 

J. 

L 1, ,^ — tus in sanctitate" (S, 152,); 

2, — 

3. — 

IL „Helaius S[etfe ^ Sertor] uepos Seiantü** (& 4,), 



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248 

m. 1. — 

2. — 

3. — 

B. 
L 1. — 

2. ,,diyii8 (= defunotus) anni quinquagesimi (et) pnmi 
anni" (S. 152); 
n. ,,Holaiesius Fhociasialius (sc. lapis od. sepulcnim)^ (S. 228. 
242.). 

Zur B^ründimg dieser ÜbersetzuDg f&hrt er folgendes an: 

evis^o ,4n — tos" scheint ein Partizipium sein zu sollen, 
e- = „in-", .»o = „tus*' (S. 152.); 

zero-nai'b zu etr. zeri oder seriy zeri-u und zara ,^ sacra, 
Sacra, sacravit" (S. 152.); 

zivai stellt für zwaie und gehört zu lat. divus in dem 
Sinne von „defunctus" (S. 152); 

in holaie\z sind die Punkte nicht falsche Interpunktion 
(S. 205), sondern z ist abgekürzter Vorname = etr. « = se^re 
„Sertor** (S. 4); 

siatfviz kommt nicht von etr. ia, sondern von etr. ci 
„quinque" (S. 79.); 

marazm steht für marazrm^ eine Bildung, wie triatrus; 
mar aber zerlegt sich in m-ar und bedeutet „quel dell' 1" 
(S. 152.); 

holaiezi (pokiasiale sind keine Genetive, sondern Nomi- 
native, und die Suffixe -ezi und -lale sind nicht flexivischer 
Natur, sondern wortbildend; sie bedeuten „la (persona o cosa) 
di Holaie <I>okiasial", vale a dire, se spetta a cosa, forse „la 
lapide, il sepolcro, il monumento" delF Holaie nominato nelP 
altra epigrafe (S. 223.). 

Vor einigen Tagen sandte mir derselbe Verfasser auch sein 
soeben erschienenes neuestes Werk, betitelt: „Di due nuove 
iscrizioni preromane trovate presse Pesaro in relazione cogli 
Ultimi studi intomo alla questione tirreno-pelasgica". Obwohl 
der eigentliche Vorwurf des Buches nicht unmittelbar mit 



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249 

unserer Frage in Zusammenhang steht, so hat doch Verfasser 
den 4. appendice (163 — 181.) mit osservazioni ermenentiche 
intorno alle iscrizioni di Lenno dem Werke angefügt, und daher 
ist hier auf denselben einzugehen. Ich werde zunächst über 
den Inhalt dieses Anhanges berichten. Verfasser liest fol- 

gendermassen: 

a. 
holaie \ z(e^e) \ na^ob 
ziazi: 

evisboizeranaib 
sicdyiyei' . -z : z : avi- : -z 
maraz- \ -m-avi^) 
vamal-asiali 
zeronai-morinail 
aker'.tavarzio 
zwai 

b. 
holatezi: (pokiasiale • zeronaib : evisbo toverom-a 
rom : haralio \ zivai \ eptezio \ arail tiz : ^oke : f 
zivai: aviz ', sialyyiz : marazm '. aviz ', aomai. 
Hiervon giebt er folgende Übersetzungen: 

a, 

„Holaius Sertor nepos Diasii locatus in Zeronaeo (cio^ in 
sepulcreto) quinquagesimi anni (et) unius anni (mortuus); 
ßtojxoi-ara-praeditus (deae) Zeronae murrinalis (cioö mortuarius) 
ager t-tius Divae (hie est)". 

b. 

„Holaiesium Phociasiale in Zeronaeo (cio^ in sepulcreto) 
locatum duplex altare sepulcrale (cio^ sepulcrum) eflFatum Divae, 
in-sium arae geminae (hoc est); Phokius Divae (fuit cioö mor- 
tuus est) aoni quinquagesimi (et) unius anni A-miae." 

Das heisse soviel, vne: 

a. 

„Olaio (Focio) Sertorio nipote di Diasio, fu deposto nella 
sua tomba, dedicata alla dea Sacrona, nel 5P anno dell' etä 



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250 

sua; questo ö il suo campo mortuario coli' ara di Sacrona e 
dedicato alla dea." 

ö. 

„Di Olaio Focio questo fe il doppio sepolcro spettante alla 
doppia ara di Sacrona; il quäle Focio (Olaio) diventö, come 
defunto, (in particolar modo) devoto e proprio della predetta dea 
(ossia mori) nel 5P anno deir eta sua." 

Darauf folgt dann ein Kommentar, der ungefähr im Sinne 
des vorstellend aufgeführten gehalten ist, so dass es nicht 
nötig erscheint, ihn vollständig zu besprechen, sondern, dass es 
genügt, einzelne Punkte Beispiels halber aus ihm anzuführen. 
So erklärt Verfasser e-vü-Do als part. perf. pass. = lat. *m- 
ves'tus „domiciliato** ; vamalasial zerlegt sich in vamal-asial, 
dessen erster Teil sich an gr. ßwfio;, der zweit« an lat. ara 
anknüpft; (fokiasiale = „la (persona o cosa) di <I>okiasio", cioe 
„della (persona o cosa) di Ooke", gebildet also mit doppeltem 
Suffix. Diese drei Beispiele genügen vollständig, um des Ver- 
fassers Verfahren klar zu zeigen und darin, was ja freilich 
ohnehin feststand, die etymologische Methode erkennen zu 
lassen, die hier, was ja an sich auch feststand, mit Hülfe der 
italischen Sprachen gehandhabt ist. 

Da diese Deutungen in unmittelbarem Zusammenhang mit 
dem ganzen System und der ganzen Methode des Verfassers 
stehen, so lassen sie sich im einzelnen nicht afs verfehlt nach- 
weisen, aber System und Methode sind dieselben, die von mir 
oben (pag. 8sqq.) besprochen worden sind, und es gilt daher 
alles, was dort gesagt worden ist, auch für diese Deutungen 
von Lättes. 

Im Anschluss an diese Ablehnung möge noch eine kurze per- 
sönliche Bemerkung erlaubt sein. In der ersten Schrift von liattes 
nämlich findet sich auch folgende Stelle: „E ripensando anzi 
a quanto imparai, e di continuo imparo dal Pauli, non so per- 
suadermi sia lontano il giomo in cui egli stesso, lunge dal 
combattere gl' itaUanisti, si adoprerä ad aiutarli e corregerli e 
sorpassarli: e sarä giomo trionfale, io mi confido, pel progresso 



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2b i 

dell' etruscolugia.'' So schmeichelhaft diese Stelle mir auch 
persünli(-h sein magj so fürchU^ ich düoh, dass ich den in mich 
geset^iteu Eiwarlunj^^en nicht werde entsprechen kimnen. Gerade 
die Muniit'ßbinde hat mich mehr denn je in der Überzeugung 
bestärkt^ dass wir keine indogenuanische Sprache vor uns haheu, 
und schwerlich wird der Tag jemals kommen, an dem ich zu 
den lüdugermanisten oder gar den Italiaiiisten unter den Etrus- 
kologerj überti^eten werde. Icli gkiihe, ihias auch Lattt^s selbst, 
wenn er diese meine Schrift gelesen haben wird, hei seiner oben 
ausgesprocheneu Hoffnung nicht beharreu wird, 

Wi^iter nun ist wahrend des Druckes diest?r meiner Ab- 
handlung im dritteil Heft der Zeit:?chrift des lusterburger Alter* 
tumsvcrj*ines ein weiterer DentuugsversucL un^sserer zwei h-m- 
nischen luat;hriften mu G. Kleiuschmidt erscbieueii. Veifaaser 
liest den Text m: 

maraz*mew 

zivai* 

vmnaifmal* 
zeronai mormmt* 

L 

fiolf]aiv[z]i ^ f^o/tifuinte* Zf^'üzm}\ - citM^a ' tüvtTij{injU' 

rom * huralio » ziimi' €fi[(\e2io » arai- ih - 'paAe 

zivai" uviz - mil/mi - mara\z\m < anii - aomai 

Dazu giebt er zunächst folgende Int^rlinearveRsion: 

ü, 
i,Der {hier} liegende Dias ein Enkel 
des Dias 

ausgeschmückt habend im neun 
und dreissjgfiten Jahr 
stü'tete die Mahlzeiten 



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f 



252 

lebend 

6edächtms-(mahlzeiten). 

die Mahlzeit Toten(maIilzeit), 

den Grabhügel der Vater des Abgeschiedenen," 

b. 

,,Des (hier) liegenden die Yolksgemeinde der Phokaer die 
Totenmahle stiftete die Grab- 

ansschmücknng des Königs der Lebende setzte fest die 
Toten-Q^bühr Phokas 

lebend ini Jahre dreissigsten die Ausschmückung eines 
Jahres im Laufe." 

Das bedeute in freier Übersetzung folgendes: 

a. 
„Der (hier) ruhende Dias aus Dias Geschlecht schmückte 
(sein Grab aus) im neun und dreissigsten Jahr (und) stiftete 
zu Lebzeiten die Gedächtnismahlzeiten. Die Totenmahlzeit, den 
Grabhügel (stiftete) der Vater des Dahingeschiedenen." 

b. 

„Die Volksgemeinde der Phokaer stiftete die Totenmahl- 
zeiten des (hier) Ruhenden. Die Grabausschmückungen setzte 
er zu Lebzeiten fest. Die Tutengebühr (bestimmte der König) 
Phokas zu Lebzeiten im dreissigsten Jahr, die Ausschmückung 
(bewirkte er) im Laufe eines Jahres." 

Auch dieses Ergebnis ist auf etymologischem Wege gefunden, 
die verglichene Sprache jedoch ist in diesem Falle das Litauische. 

Es ist von grossem Interesse, die Handhabung der Me- 
thode durch den Verfasser kennen zu lernen, und ich lasse 
daher seinen Kommentar im Auszuge folgen, jedoch in ver- 
änderter Anordnung, indem ich ihn an die Wortfolge des 
Textes anschliesse, während Verfasser ihn nach Lautlehre, Wort- 
bildung und Flexion gliedert 

Seine Vergleichungen nun sind die folgenden: 

holaie zu lit. ffuleä „liegen", fftiUi „sich schlafen legen". 



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253 

ffälis „Lager'*; dazu holaiozi als Genetiv eines ursprünglichen 
Nominativ holams; 

z- (=3 zias) mit Genetiv zmzi steht für di{v)as und gehört 
zu den Namen altpr. Divan^ lit. Dzevas; 

na^ob zu skr. napOi; 

maraz Part. Perf. (Aor.) Akt. für marans zu Wurzel mar 
„reiben, glatten, schmücken", lit. marti „die Braut, die ge- 
schmückte"; mav zu skr. navauj lat. maevius „das neunte 
Kind"; 

sial)(y{e)iz aus siaU = etr. zal „drei" von Wurzel kal^ lit 
kelti^ lett. zcÄ „aufheben (sc. die Finger)" und 'l/ye{i)z zu lit 
'Uha „zehn"; 

aviz für avih zu lit avüys „Bienenstock", Bedeutungsent- 
wicklung „Bienenflug, Frühjahr, Jahr"; 

evis^o Lehnwort aus griech. icptaTT]fi.i, in der Endung der 
3. Pers. Sing. Prat des Litauischen auf -o entsprechend; 

zeronaib von zerona zu lit. szerin, szer- „füttern", szermü 
„Leichenschmaus", altpr. zarm, zemi dass., sirmen „Begräbnis- 
mahlzeiten; das -I- in zeronai ist die bestimmte Deklination 
des Litauischen durch Anhängung des Demonstrativpronomens; 
das -ft ist der Plural des suffigierten Pronomens = lat te; 
ebenso gebildet ist zerozaiS^, enthält aber das Deminutivsuffix 
'za, es entspricht altpr. arbores cerusarum „Grenzbäume", wört- 
lich „Bäume der Opfermahlzeiten"; 

zivai zu lit gyvcLs „lebendig", das -i ist das angehängte 
Demonstrativpronomen ; 

vamalasial Adjektiv von vama-l-asie „Gedächtnis", und dies 
Lehnwort mit fremdem Suffix von griech. cpr'fi.7), dor. «peijia; 

marinail Adjektiv von Wurzel mar „sterben"; 

aker zu lat ocris „Bergspitze"; 

tav zu altpr. tavasj lit. tevas „Vater"; 

arzio für artioj Genetiv, zu altpr. trie-, yrcze-^ trcze-, irci- 
kapinis Ortsname; 

(pokiasiale Adjektiv von ^^okias „der Phokäer", wobei etwa 
siansl „Gemeinde" zu ergänzen sei; 

ioveromaram Zusammensetzung aus tövero- „Grab" == lit 



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254 • 

diihcj dobe „Grube" und marom „AusschmückuDg", welches zu 
marazm gehört; 

karalio Genetiv von haralias oder fiaralis = lit karahis 
„König"; 

eptezio Lehnwort aus griech. sTTtTiftr^jut, in der Endung der 
3. Pers. Sing. Präteriti des Litauischen auf -io entsprechend; 

arai Akkusativ Feminini von einem Nominativ araia^ und 
dies Adjektiv von Wurzel ar „trennen, auseinandergehen"; 

Hz „Gebühr" zu altpreuss. tem „(schuldige) Ehre", lit tesa 
„Recht"; 

aamai Lokativ auf -i, wie im Litauischen und Lettischen, 
„iin Laufe". 

Auch dies ist, wie man sieht, die etymologische Methode 
in genau der gleichen Anwendung, wie bei Deecke, Bugge und 
den anderen Etymologisten. 

Die vom Verfasser aus seinen Darlegungen gezogenen 
Folgerungen sind diese: 

1. Das Lemnische ist identisch mit dem Pelasgischen; 

2. das Pelasgische und Etruskische sind Schwestersprachen, 
nur dialektisch vesschieden; 

3. das Pelasgische und Etruskische gehören zu den let- 
tischen Sprachen ebenso wohl, wie das heutige Albanische, für 
dessen Zugehörigkeit zu den lettischen Sprachen von Gustav 
Meyer der Nachweis gehefert ist. 

Verfasser fügt am Schluss hinzu: „Der volle Beweis [für 
diese Behauptungen] kann erst durch Erläuterung etruskischer 
Inschriften geliefert werden. Ich habe deren über hundert 
übersetzt und hoffe die Übersetzungen und Erläuterungen 
dereinst bekannt zu geben." 

Von allen Abhandlungen, die sich mit der Lemnosinschrift 
befassen, ist diese für mich die interessanteste und wichtigste 
gewesen. Interessant dadurch, dass hier das, was ich dereinst 
nur angewandt hatte, um die etymologische Methode ad absur- 
dum zu führen , in vollem Ernste durchgeführt ist , die Er- 
klärung des Etruskischen aus dem Litauischen. Die Wichtig- 
keit aber liegt darin, dass durch diese Abhandlung in gewissem 



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265 

Sinne der von mir schon mehrfach angebotene Beweis geführt 
ist, dass es möglich sei, vermittelst der etymologischen Methode 
die etruskischen Inschriften aus jeder beliebigen Sprache (cf. 
z. B. Altit. Fo. IV, 99 sq.) zu erklären, und zwar mit ganz an- 
nehmbarem Ergebnis. Denn die Erklärung unserer lemnisohen 
Inschrift vermittelst des Litauischen ist durchaus nicht schlechter, 
als die von Bugge, Deecke, Moratti, Apostolides und Lattes auf 
demselben Wege gewonnenen, Lattes (1. c. 167. not. 74.) spricht 
zwar von dem strano tentativo di Kleinschmidt, aber mit Un- 
recht Die Aufstellungen Kleinschmidts können sich getrost 
mit denen der übrigen genannten Gelehrten messen, und auch 
darin kann das strano nicht liegen, dass Kleinschmidt eine 
femliegende Sprache zur Vergleichung heraogezogen habe. 
Dazu hat er genau das gleiche Recht, wie Lattes selbst zur 
Heranziehung der italischen Sprachen. Denn die blosse räum- 
liche Nähe begründet keine Verwandtschaft, und ein sonstiger 
Anhalt für diese liegt nicht vor, weder in des etruskischen 
Volkes ganzer Art, noch in den Nachrichten der Alten. Beides 
spricht im Gegenteil für die völlige Unverwandtschaft mit den 
Italikem. 

Es wäre sehr zu wünschen, dass noch viele derartige Er- 
klärungen der lemnisohen Inschriften aus irgendwelchen anderen 
Sprachen, etwa einer semitischen, der ägyptischen, einer inner- 
afrikanischen, einer amerikanischen, einer malaiischen und einer 
drawidischen, gegeben würden. Ein besserer Dienst könnte der 
Etruskologie gar nicht geleistet werden. Denn alle diese Ver- 
gleichungen würden Resultate geben, nicht schlechter, als die 
bisherigen. Dann hätte man so eine Art Polyglotte, aus der 
man sich je nach Geschmack und Neigung die Deutung 
heraussuchen könnte, die einem am besten gefiele. Bis jetzt 
ist die Auswahl zwar an sich auch schon ganz achtbar, aber doch 
noch nicht für jeden Geschmack ausreichend. Wem jetzt die 
Unhaltbarkeit der etymologischen Methode noch nicht genügend 
nachgewiesen ist, dem wird schwer zu helfen sein. 

Wenn dem gegenüber Lattes behauptet, dass die von mir 
gehandhabte kombinatorische Methode auch keine sicheren Re- 



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256 

sultate ergebe und dass man mit ihr allein die etruskischen 
Inschriften nicht erklären könne, so ist das unbedingt zuzugeben, 
und ich selbst habe auch niemals behauptet, irgend eine etrus- 
kische Inschrift, welche mehr als blosse Namen enthält, erklären 
zu können, so wie ich auch in dem vorliegenden Buche keines- 
wegs glaube , unsere lemnische Inschrift vollständig und sicher 
erklärt zu haben. Aber das ist nicht die Schuld der Me- 
thode, sondern eine Folge davon, dass die Fundamente für 
die Anwendung dieser Methode noch so mangelhaft sind und 
die Inschriften zu wenig Anknüpfungspunkte bieten. Aber 
das kann sich mit einem Schlage ändern, sei es durch 
Auffindung einer längeren Bilinguis oder irgend eines anderen 
noch ungeahnten Hülfsmittels, welches der Zufall uns in die 
Hände fuhrt, wie er uns die lemnische Inschrift selbst und die 
Mumienbinde unerwartet geschenkt hat 

Bis dahin aber werden wir uns in Geduld fassen müssen, 
und die Arbeitsweise wird die sein müssen, dass man müh- 
selig Stein zu Stein fügt, nicht aber einen Bau zu schwindeln- 
der Höhe emporführt, der kein Fundament hat. Ob es schon 
unserer Generation beschieden sein werde, die volle Lösung des 
Rätsels zu erleben, das können wir nicht wissen. Wenn ja, 
so wird es gut sein; wenn nein, so wird es auch gut sein 
müssen. Ein gut Teil Resignation muss jeder von vorn- 
herein mitbringen, der sich mit derartigen Problemen 
befasst. 

Das letzte Werk, dessen zweiter Band mir gleichfalls durch 
die Güte des Verfassers zufeil wurde, ist: „Les premiers habi- 
tants de TEurope** von H. d'Arbois de lubainville. Ein Eingehen 
auch auf dieses Werk ist dadurch geboten, dass der erste Band 
sich eingehend auch mit den Etruskem beschäftigt und dabei, 
und zwar, ohne, wie es scheint, meine Arbeit über die Lemnos- 
inschrift gekannt zu haben, zu ganz ähnlichen Resultaten ge- 
langt, wie ich selbst Auch ihm sind die Namen Pelasger und 
Turser, wovon Tyrsener und Tursker abgeleitete Formen sind, 
Bezeichnungen ein und desselben Volkes, welches vor der indo- 
germanischen Einwanderung im Osten Europas ein mächtiges 



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257 

Reich hatte, während im Westen die Iberer, gleichfalls Nicht- 
indogermanen, herrschten. Ihre, der Tyrsener, ältesten be- 
kannten Sitze seien die Westküste von Kleinasien, wo die Karer, 
Myser, Lyder (Mäonier) und wahrscheinlich auch die Hetiter 
ihres Stammes sind, und wo sie vor der Einwanderung der 
Thraker (Phryger u. s. w.) sich bis ans Marmara- und Schwarze 
Meer ausgedehnt hätten. Von dort seien sie nach Europa 
hinübergegangen, wo sie unter verschiedenen Namen, als eigent- 
liche Pelasger, Myser, Teukrier, denen die oben (pag. 229 sqq.) 
behandelten ägyptischen Namen entsprechen, Besitz von der 
Balkanhalbinsel nehmen, in der noch in späterer Zeit sich viele 
Reste von ihnen, wie am Athos, in Thessalien u. s. w. erhalten 
hätten. Nach Italien seien in einem langen Zwischenräume 
zwei pelasgische Wanderungen erfolgt. Die erste, bereits etwa 
2000 Jahre v. Chr., umfasse die Oenotrer, Peuketier und Dau- 
nier, die zweite, im zehnten Jahrhundert v. Chr., seien die 
Etrusker. Letztere seien von Kleinasien gekommen und über 
das Ägäische Meer und durch Griechenland in Italien ein- 
gerückt, wo sie die bis dahin von Umbrem besetzten Gebiete 
erobern und zwischen Tiber, Mittelmeer und Apennin ein Reich 
gründen mit Cortona als ältester Hauptstadt. Von hier aus 
dehnt sich ihre Macht über die Poebene bis an die Alpen aus, 
an der Küste des Adriatischen Meeres von Spina, Adria und 
Felsina bis nach Picenum hinein, südlich über Latium und 
Campanien, bis sie schliesslich im Norden durch die Gallier, 
im Süden durch die Samniter und durch die Latiner und Römer 
gebrochen wird. Wie man sieht, sind diese Ergebnisse in fast 
allen wesentlichen Dingen dieselben, die ich aus der ersten 
Betrachtung der Lemnosinschrift gewonnen habe. 

Wie Verfasser in den Etruskem, resp. Pelasgern die vor- 
indogermanische Bevölkerung von Osteuropa sieht, so erblickt 
er in den Iberern, deren letzte Reste auch für ihn die Basken 
sind, die vorindogermanische Bevölkerung von Westeuropa. In 
Italien treffen beide auf einander. Ausser Italien befinden sich 
in den Händen der Iberier, zu deren Stämmen die Sicani und 
Sordones (Sardana der ägyptischen Quellen) gehören, in ältester 

Pauli, Inschrift von Lemnos II. 11 



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258 

Zeit auch Spanien, Gallien, Grossbritannien, Sicilien, Sardinien 
und Korsika, so wie die Nordküste von Afrika bis an die 
Grenze von Ägypten. Die Herkunft der Iberer lasse sich nicht 
bestimmen. 

Von grosser Wichtigkeit ist auch der zweite Band eben 
dieses Buches dadurch, dass, wie schon ein grosses Stück auch 
des ersten Bandes, fast die Hälft-e desselben den Ligurern ge- 
widmet ist und zu einem von dem meinen stark abweichen- 
dem Ergebnis bezüglich der Verwandtschaftsverhältnisse dieses 
Volkes gelangt. 

Verfasser, davon ausgehend, dass in dem Vertrage zwischen 
Genua und den Langaten (117 v. Chr.) sich vier geographische 
Namen mit dem Suffix -asca finden, und dass noch in dem 
heutigen Ligurien sich eine sehr grosse Anzahl von geogra- 
phischen Namen mit den Suffixen -asco, asca; -vsco {-osco), 
-usca {'osca) findet, sieht in diesen Suffixen das spezifische 
Kennzeichen des Ligurertums. Er untersucht nun zunächst 
die Ausbreitung dieser Suffixe und weist sie in zahlreichen Bei- 
spielen in den italienischen Provinzen von Piemont, der Lom- 
bardei, einem Teile der Emilia (Piacenza, Parma, Reggio), so 
wie in Massa und Carrara nach. Weiter aber finden sich diese 
Suffixe auch in der Schweiz, insbesondere den südlichen Kan- 
tonen, in Elsass-Lothringen und vereinzelt auch in Oberbayern 
und Tirol noch. Aber dieselben Suffixe finden sich auch in 
Korsika, und zwar hier in grosser Zahl, sodann in neun De- 
partements des Rhönebeckens, je einem des Seine-,^ des Garonne- 
und des Loirebeckens, endUch in den nördlichen Teilen von 
Spanien und vereinzelt auch Portugal. Das ist, wie man sieht, 
ein vollkommen geschlossenes Gebiet, und es ist in der That 
gar kein Zweifel möglich, dass dies Gebiet das der Ligurer war. 

Aus dieser geographisch-statistischen Darlegung zieht nun 
Verfasser verschiedene Schlüsse, von denen zwei sich unmittel- 
bar mit den in diesem meinen Buche behandelten Fragen be- 
rühren. Die erste betriflft die Pfahlbauten der Schweiz und 
Oberitaliens. Verfasser weist nach, dass die ersteren nur von 
den Ligurern herrühren können, und schliesst aus der gleichen 



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259 

Beschaffenheit der oberitalienischen mit ihnen, dass auch diese 
ligurischen Ursprunges seien. Und das erhärtet er weiter dann 
noch dadurch, dass er nachweist, wie das Verbreitungsgebiet 
der Pfahlbauten in Oberitalien sich genau mit dem der Orts- 
namen auf -asco etc. deckt 

Die zweite Folgerung, die er aus den Ugurischen Ortsnamen 
zieht, ist die, dass die Ligurer Indogermanen sind, und zwar 
die ersten, die den Boden Italiens betreten haben. Er führt 
den Beweis von der Voraussetzung aus, dass überall an Bergen 
und Flüssen die ihnen von den ersten Bewohnern des Landes 
gegebenen Namen zu haften pflegen, ein durchaus unantast- 
barer Satz, und untersucht nun die Fluss- und Bergnamen des 
ehemals ligurischen Gebietes nach ihren Wurzelbestandteilen, 
wie nach ihren Suffixen auf ihr Indogermanentum, wobei dies 
letztere sofort klar heraustritt. Bei den Suffixen auf -scus etc. 
hätte auch noch auf das verwiesen werden können, was ich 
über die Verwendung des gleichen Suffixes zur Bildung der 
Ortsnamen bei den Thrakern gesagt habe. Vielleicht, dass bei 
weiter durchgeführter Vergleichung sich sogar eine engere Ver- 
wandtschaft zwischen Ligurern und Thrakern ergeben möchte, 
was mir, wenn man die beiderseitigen Ortsnamen vergleicht, 
schon jetzt fast so scheinen will. 

Die Methode des Verfassers ist so exakt und seine Dar- 
legung so zwingend, dass es mir unmöglich scheint, die Rich- 
tigkeit seiner Schlüsse anzuzweifeln. Werden sie aber als 
richtig anerkannt, dann sind zunächst die Ligurer aus dem 
pelasgischen Völkerkreise auszuscheiden und ihre Verwandtschaft 
insbesondere mit den Iberern wird hinföJlig, denn dass diese 
keine Indogermanen seien, nimmt auch d'Arbois de Jubainville 
als sicher an. Weiter aber scheiden dann auch die Iberer 
selbst aus dem genannten Völkerkreise aus und bilden eine 
Nation für sich. Hiernach ist dann also das zu berichtigen, 
was oben pag. 165. 169. über die Ligurer und Iberer gesagt ist. 

Weiter aber gewinnt dann auch die prähistorische Periode 
von Oberitalien em etwas anderes Gesicht; denn wenn die dor- 
tigen Pfahldörfer von den Ligurern und nicht von den Ita- 

17* 



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260 

liiern herrühren ^ dann wird auch jenes zweite Volk , welches 
die Pfahldörfer veröden machte (cf. Heibig ^ Ital. L d. Poebene 
99.), schwerlich die Etrusker gewesen sein, sondern eben die 
ItaUker selbst Bezüglich der Italiker ändert sich nicht viel. 
Heibig selbst hebt hervor, dass sich zwischen den verschiedenen 
Schichten der Pfahldörfer kaum ein Unterschied in den Kultur- 
verhältnissen wahrnehmen lasse, und so bleiben alle seine Er- 
gebnisse bezüglich der Italiker unangetastet, lediglich das 
ändert sich, dass nicht die erste, sondern die zweite Periode 
die der Italiker ist Folgenschwerer aber werden die Ergebnisse 
von d'Arbois de Jubainvilles Untersuchungen für die Etrusker. 
Denn wenn nicht mehr sie, sondern die Italiker die sind, denen 
die zweite Pfahlbauperiode zuzuschreiben ist, dann fällt damit 
ein gewichtiger Grund für ihre Einwanderung von Norden. 
Diese wird ja dadurch noch keineswegs unmöglich, aber man 
wird diese veränderte Sachlage bei weiteren Untersuchungen 
über die Einwanderung der Etrusker doch wenigstens mit in 
Rechnung stellen müssen. 



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I. Sachregister. 



Fandort der Inschrift I, 1. 
Beschreibung des Steines I, 2. 
Beschreibung der Schrift I, 28. 
Zweifelhafte Lesungen I, 3. 4. 5 sqq. 
Fehler im Text I, 10. II, 18 sqq. 
Verhältnis beider Inschriften zu 

einander I, 8. 
Reihenfolge der Zeilen I, 11 sqq. 

II, 18. 105. 

Das Alphabet I, 18. 
Wert des Y I. 13. II, 21. 
Fehlen des u (und des etr. o) l, 5. 

36 sqq. II, 87. 
Fehlen der Medien I, 5. II, 36. 
Verwandte Alphabete I, 15 sq. II, 

2 l sqq. 
Alter des Alphabets I, 17. II, 23. 

46 sq. 

liCsnng des Textes I, 19. 
Ist eine Grabschrift II, 47 sqq. 
Deutungsversuch II, 49 sqq. 77 sqq. 
Hülfsmittel dazu II, 52 sq^. 
Griechische Parallelinschriften II, 

53 sqq. 
Phrygische Parallelinschriften II, 

56s<]|q. 
Etruskische Parallelinschriften II, 

66 sqq. 

Auf ihre Verwandtschaft unter- 
suchte Sprachen: 

Prinzipielle Erörterung der Sprach- 
verwandtschaft II, 38 sqq. 

Albanesisch II, 199 sqq. 

Altarmenisch II, 199. 205. 

Baskisch II, 158 sqq. 257 sq. 

Etruskisch I, 5. 8üsqq. 41. II, 83. 
40 sqq. 

Georgisch II, 146 sqq. 



I Hittitisch II, 212 sqq. 

I Iberisch II, 165 sqq. 

i Karisch I, 62 sq. 11, 140 sqq. 257. 

Kossäisch II, 199. 205. 

Libysch U, 215 sqq. 

Ligurisch U, 165 sqq. 258 sqq. 

Lydisch I, 63 sqq. U, 142. 257. 

Lvkisch I, 59 sqq. II, 115 sqq. 

Phrjrgisch II, 29 sqq. 

Rätisch II, 170 sqq. 

Susisch II, 199. 205 sqq. 

Thrakisch I, 20 sqq. 

Die Sprache unserer Inschrift ist 
pelasgisch I, 41 sqq. II, 41 sqq. 

Die Pelasger sind keine Semniten 

I, 41 sqq. 
Die Pelasger sind keine Indo- 

germanen I, 48 sqq. 
Sitze der Pelasger 1, 43 sq. 
I Lyker, Karer, Lyder gehören zu 

ihnen I, 4 9 sqq. 
I Drittes Urvolk in Kleinasien I, 

72 sqq. II, 142 sqq. 
Sind mit den Etruskem verwandt 

I, 72 sqq. 11. 223 sq. 
Ethno^phie der Pelasger I, 79 sq. 
Weg inrer Wanderung I, 74 sqq. 
Weg der etr. Wanderung 11,227 sqq. 
Grund derselben I, 78 sq. 

Beweiskraft von Ortsnamen II, 
107 sqq. 

Ortsnamen auf -nd- und -#.v- I, 
44 sqq. 

Pelasgische Ortsnamen in Griechen- 
land etc. U, 107 sqq. 

Weitere Ortsnamen bei den oben 
angeführten Sprachen. 

Albanesen keine Illyrier, sondern 
Thraker II; 200 sqq. 



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262 



Thursen I, 76, II. 237 sqq. 
TurÄa II, 227 sqq. 257. 

Etrnskisch-vorderasiatische Musik 

I, 78. II. 242 sqq. 
Etroskisch-vorderasiatische Ban- 

kuDst I, 78. II, 243 sqq. 



Der Phallus bei Pelasgern und 
Etruskeru II, 242 sqq. 

Kritik der bisherigen Deutungen 

II, 8 sqq. 37 sqq. 
Kritik des 1. Heftes dieses Bandes 

II, 13 sqq. 107 sqq. 



n. Wortregister. 



aviz I. 30. 32 sq. II, 51 sq. 86 sq. 
aker I, 30. 97 sqq. 
aomai II, 51 sq. 86 sq. 
arai I, 30. II, 51. 88 sq. 
evU^o II, 51 sq. 1038q 
ef.t€zio I, 34. II, 51. 89 sqq. 
vamalasial I, 32. II. 51 sq. 99. 
zeronai I I, 30. 35. II, 51 sqq. 
zeronai^ | 99 sqq. 103 sq. 

ziazi I, 30 s^ II, 51. 78 sqq. 
zivai I, 30. II, 51. 95 sq. 
haralio I. 31. 34. II, 51. 89sqq. 
holaiez I, 31 sq. II. 51 sq. 78. 



I holaiezi I, 31 sq. 11, 51 sq. 78. 
I marazm I, 30. 32sq. 35sq. II, 

51 sq. 86 sq. 
I morinail I. 31. 35. II, 51 sq. 101 sqq. 
i wacpo» I, 31. 35. II. 51. 78. 
, rom II, 96. 

I tuvarzio I, 31. 34. II, 51. 95 sq. 

I tiz I, 30. II, 81 sq. 

I toveroma II, 96 sq. 

I ^okelojf'] II. 808q. 

I <fokiiJsial€ I, 31 sq. II, 51 sq. 80sq. 



IIL Personenregister. 

(Mit Auswahl.) 



Anonymus Atheuaei II, 13. 18. 
Apostel ides II, 1. 4sqq. 18. 21. 24. 

28sqq. 44 sqq. 47. 50. 102. 
d'Arbois de Jubainville II, 256 sqq. 
Bonghi II, 13. 14. 18. 
Br^al I, 8 sqq. 18. 21. 33. 36. 
Biinton II, 21 5 sqq. 
Brück II, 13. 
Bugge I, Von*. II, 1. 2 sq. 8 sqq. 

18. 21. 24. 86. 47. 50. 102. 223 sqq. 
Chabas II, 229 sqq. 
Cousin und Dürrbach I, Isqq. 80. 
Deecke II, 1. 3 sq. 13. 14. 15. 18. 

21. 22. 24. 36. 47. 50. 102. 116sqq. 

140. 226. 
Gruppe II, 13. 14. 16. 33 sqq. 107 sq. 
V. Hahn II, 199 sqq. 
Hesselmeyer II, 14. 39. 107. 114 sq. 

HOsqq. 242. 



Hommel II, 13. 15. 39. 107. 144. 

145sq. 199. 2048qq. 212. 
Kleinschmidt II, 25 Isqq. 
Krall II, 14. 15. 40sq. 229. 
Lattes II, 247 sqq. 
y. Luschan II, 113. 142sqq. 213. 
MeUter II, 13. 14. 16. 18. 38. 107. 
Georg Meyer I, '20 sqq. 53 sqq. II. 

140. 
Gustav Meyer II, 2008qq. 
Peiser II, 213 sqq. 
V. Planta II, 200. 
Sal. Reinach II, 245 sqq. 
Sayce II, 13. 18. 
Mor. Schmidt I, 59 sqq. 
Steub II, 144. 181 sqq. 
Stolz II, 13. 14. 15. 191. 202. 227. 
Techmer II, 13. 
Treuber II, 14. 107. 114sq. 129. 140. 



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