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"Pvatittatt ThäitecaÜja.
D,Bi,z,db,Goo<^le
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Altpreussische
' Monatsschrift
neu« F»lg«.
Der
Smso. Freussiscbn Fro7iudal-51ätt«t
vlerl« Folge.
Herausgegeben
Rudolf Reicke und Ernst Wiehert.
Sechsandzwauzigster Band.
Der Freassischen ProTlnzial-Blätter LXXXXU. Band.
E. Arnoldt, O. Beckherrn, J. Bolte, H. Freytag, Grabe, H. KlewnTng,
E. Knaake, Q. Krause. R. Krumbhottz, K. Lohmeyer, L. Neubaur,
P. Neuhaus, O. Panzer, M. Perlbach, R. Reicke, J. Sembrzycki, A. Trelchel,
P. Tschackert, P. Wagner.
Mit 4 autographirten Karten,
KVnigsberr >■> .Pr.
Verlag von Ferd. Beyer'a Buchhandlung,
DigtizBabyCoO^IC
SCAP)
' Alle Rechte bleiben vorbehalten. "VS
Herausgeber und Mitarbeiter.
,dbyGoogIe
Inhalt.
I. Abhandlnmgen.
Das preolIiBohe EisenbRlmiietz im Osten der Weichsel. Ein Beitrag zor
"Verkehrsgeecliicbte nnd Statistik der deatschen Nordoetmark, Ton
PanlNeuhaaB. 1-58.
Zur Beurtheilung von Eant'a Kritik der reinen Temonft tmd Eant's Prole-
gomena. HI. IV. Von Emil irnoldt. 59-U7. 38B-4fiO.
Vipera beroH Daad. Eine ethnologisch-fiianistische Skizze. Von A.Treiohel.
148-157.
Noch einmal das Lied auf die Danziger Fehde von 1576. Von Johannes
Bolte, 158-160.
Nachtra« za dem Aufsätze „Ueber die Danzker et«." (AltprenB. Uonate-
Schrift XXT, Heft 3/4.) Von C. Beckherrn. 161—166.
Samait«n nnd der Deutaclie Orden bis znm Frieden am Melno-See. Von
Dr. Robert Krumbboltz. Mit einer autogr&phirten Kart«. 193-368.
461-484.
Die Verbindung des frischen Hafiä mit der Ostsee in geschichtlicher Zeit.
Von Archivar Dr. Panzer. Mit einem Escurs über Witland und
einer Karte. 259-296.
Hymnologiscbe Miscellen. Von Dr. h. Nenbanr. 296—809.
Drei Briäe Schopenhauers an Karl Rosenkranz betreffend die Gesammt-
aosgabe von Kants Werken. Mitgetheilt von Rudolf Reicke.
310-331.
Vom Binden in Westpreossen. Von A. Treichel. 332—339.
Forschungen zum Leben des Max v. Schenkendorf. Von Oberlehrer Emil
Knaake. 340—349.
Urkundliche Nachrichten von der Kreuzfahrt rheinischer Herrn nachPrenHen
1321/22. Mitgetheüt von Paul Wagner. 485-490.
Sitten nnd Gtebräuche in Padrojen vor vierzig Jahren. Von Johannes
Sembrzycki. 491-501.
Provinzielle KoKelrafe. Von A. Treichel. 502—607.
Vom Binden nnd Hansen. (Nachtrag.) Von A. Treichel. 506-611.
Die Oeschichte der Jesaitenmission in Danzig. Nach archivalischen Quellen.
Von Hermann Freytag. 621-670.
Probe aus Kaspars von Nostitz Hanshaltungsbach des FOrstenthnms
PrenAen. Uitgetheilt von Karl Lohmever. 671—682.
Das Landwehrkrenz auf dem Rinauer Berge oei Oaltgarben. Von Ober-
lehrer Dr. Oottlieb Krause. 5^-612.
Herzog Albrechts von Preußen und Markgraf Johanns von Brandenburg Anteil
am Fftrst«nbund gegen Karl V. Teil I. 1547—1660 von Dr. Hans
Kiewning. 613-656.
491383 ^
IV Inhalt.
Die Harienbarg nater polDiscber Herracbafl:. Von JohanneB Sembrzycki.
657-667.
Nachträgliche Bemerktmgen zu dem Auftatze ^Die Lycker Erzpriester
Jcäiannes tind Hietonymue Ualetiua". (Ältpreuß. Monatsschrift XXV,
1888, pg. 629-651.) Von Johannes Sembrzycki. 668-671.
II. KrltllLen und Referat«.
Hansereceaae berauBgegeben vom Verein für bansia<^be Geschichte. 3. Abtb.
Bd. V. 3. Äbtb. Bd. III. Leipzig 1888. Von M. Perlbacb. 167-169.
Folska Maria. Maanriecbe Dorfgeschichten von Richard Skowronnek. Dresden
u. Leipzig. Von Johannes Sembrzycki. ITC.
Wisla. Miesi^znik geograficzDO-etnograficznj. Warschan. Von Johannes
Sembrzyckr 170-172.
Stndya bibliograficzne nad iiteratun^ lil'ewsk^. Przedatawil Maurrcv Stan-
kiewicz. Kraian 1889. 512—513.
Alterthnraagesellschaft Pruaaia 1888/89. 172-187. 350-366.
III. Mltthellnngen und ADhkDg.
C. 0. Mieicke's verschollenes litauisches Gesangbuch. Von Johannes
Sembrzycki. 366-869.
Berichtigung zu Band XXIV (1887) S. 183 und 1^ (über den Veit-Dietrich-
Brief vom 17. JuÜ 1530. Von D. Paul Tschackert, 370-371.
Znr Entstehungsgeschichte des altpreujiischen Katechismus von Abel Will.
Mitgetheilt von Professor Paul Tachackert. 514^515.
Die Kantbiblißgrapbie des Jahres 1888, Zusammengestellt von Budolf
Reicke. 672-6f3.
Dniversitäta-Cbronik 1888 (Nachtrag). 1869. 188-189. 372-373. 515-516. 684.
Lycenm Hosianum in Braunsberg. 189. 516.
Altprenßische Bibüographie 188a 189-192. 373-384. 516-620. 684-702.
Notizen. 7(B-704.
,dbyG00gIe
Das preussische Eisenbahnnetz Im Osten
der Weichsel.
Eid Beitrag zar Verkehrsgesehichte udiI Slalistik der deukkBD Xordestiark.'*)
Von
Paul nfenhans.
In der G-eschicbte des deutschen Eisenbahnbanes kann man
deutlich vier Perioden anterscheiden. In der ersten, die
zweite Hälfte der dreissiger Jahre umfassenden, begnügte man
sich mit Lokalbahnen im engsten Sinne bei grossen Städten und
kleinen Besidenzen. In der zweiten, in den Jahren 1840 — 48,
schritt man zur Verbindung der grossen Städte. Das Bemühen,
bei dieser G-elegenheit möglichst viele Städte zu berühren und
Natiirhindemisse zu umgehen, mußte den damals gebauten Linien
eine stark gekrümmte Gestalt geben.
In diesen beiden ersten Perioden war das Eisenbahnwesen
in Preußen ganz Privatsache gewesen. Die Geldkrise von 1846
und 1847, sowie die Ereignisse des Jahres 1848 lähmten den
privaten Unternehmungsgeist und so sah sich der Staat ge-
zwungen, die Hand zur Weiterftthrung des großartigen Werkes
za bieten, welches nur unter seiner Leitung die Gewähr der
Planmäßigkeit bot. Der Übergang zu der dem Gemeinwohl
förderlichsten Politik war also auch diesmal ein nicht ganz frei-
williger.
So gelangen wir zur dritten Periode (1848 — 66), wo eben
jenes Hinzutreten des Staats als Unternehmer auch den Bau
*} GMchrieben Ende 1888.
Altpr. HonatBMbrift Bd. XXVI. Hft. 1 n. ä 1
DigtizBabyCoOgIC
2 Daa preoDische EiBenbabonetz im Osten der Weichsel.
weniger rentabler Linien, namentlich die Verbindung abgelegener
X^andesteile mit dem Hauptkörper des Staatsgebiets, ermöglichte.
In der vierten Periode endlich, also seit 1866, herrscht,
der inzwischen erheblich gewachsenen Intensität des Verkehrs
entsprechend, das Bestreben, alle Gegenden durch Eisenbahnen
zu erschliessen, den Verkehr durch Luftlinien und Konkurrenz-
bahnen ohne die oben erwähnten Nebenrücksichten zu fördern
und dem ganzen Bahnsystem eine grössere Einheit zu geben.
Zugleich hat man aber auch die strategische Wichtigkeit der
Eisenbahnen weit mehr als früher zu würdigen gelernt.
Diese Übersicht macht es erklärlich, daß unsere von den
Centren des deutschen Wirtschaftslebens so abseits gelegene und
kapitalarme Nordostmark zwei Jahrzehnte nach jenen ersten
An&ngen deutschen Eisenbahnbaues harren mußte, bis auch sie
der Segnungeu der durch die Lokomotive hervorgerufenen ge-
waltigen Umwälzung im Verkehrswesen teilhaftig zu werden
begann. Erst in den fünfziger Jahren, als im preuJJischen
Gesammtstaat bereits 4465 Kilometer Eisenbahn im Betriebe
waren, erreichte uns nach langer Vorbereitung und störenden
Zwischenfällen
I. Die Ostbahn.
Schon hatte die Kabinetsordre vom 22. November 1842,
welche die Bildung eines allgemeinen Eisenbahnfonds und die
Dotation desselben mit 2 000 000 Thalem jährlich anordnete,^)
erkennen lassen, daß sich in den leitenden Kreisen Preußens
ein Umschwung in den Ansichten Über die Eisenbahnfrage voll-
zogen, daß man den Willen bekundete, mit dem bisherigen
rein passiven Verhalten zu brechen ; — schon war bestimmt
worden , daß der ersten , im Jahre 1847 an der pfälzischen
Grenze angelegten preußischen Staatsbahn die Ostbahn als
zweite folgen sollte, — schon war nach Erledigung der Vor-
1) Sattler: Die Königsber^Eydtkuhner Bahn, Königaberg 1860, S. 17 ff.
DigtizBabyCoOgIC
Von Panl Neuhans. 8
arbeiten für dieselbe die Aufechüttang des Bammea zwiachen
Dirschaa und Königsberg, sowie der Bau der zu dieser Strecke
gehörigen kleineren Brücken vollendet, als die Arbeiten plötzlich
eingestellt wurden, weil die Unsicherheit der politischen Lage
die ungeschmälerte Zusammenbaltung der Staatsfonds erheischte.
Und doch waren es gerade die Wirren von 1848, welche den
Anstoß zur Wiederaufnahme des hinausgeschobenen Planes gaben.
Die Bedeutung dieser Wirren ftkr das Zustandekommen
der Ostbabn beruht nur mittelbar in der Lähmung der Privat-
thätigkeit, deren eingangs gedacht wurde. Die durch diese
veranlaßte JErwerblosigbeit der Arbeiter Berlins, deren Be-
teiligung an den Straßenputschen gefährlich war, legte der
Begiemng die Pflicht auf, für dieselben um jeden Preis Be-
schäftigung in angemessener Entfernung von der Hauptstadt
ausfindig zu machen. Daher erfolgte am 7. Dezember 1849 die
Sanktion für die Linie Kreuz-SchneidemüU-Bromberg-Dirschau-
Königsberg mit Abzweigung von Dirschau nach Danzig. Einen
Monat vorher war die Direktion zu Bromberg eingesetzt worden.
Obgleich ganz ausserhalb der Mark gelegen, genügte dieses
Stück der ins Auge gefassten grossen Verkehrsstraße doch den
dringendsten Anforderungen, da es an die bereits 1840 resp.
1846 eröffneten Bahnen Berlin- Stettin und Stettin-Posen an-
schloß und dadurch mit dem Mittelpunkt des Staatsgebiets in
Yerbindung stand.
Als sich die Th&tigkeit der Regierung in betreflf der Ost-
bahn noch im Stadium der Beratung befand, kamen für die
Verbindung Berlins mit dem Nordosten der Monarchie zwei
Richtungen in betracht. Die eine wird diu-ch die Berlin-Königs-
berger Chaussee (über Konitz und Dirschau), die andere durch
das Thal der Netze und weiter nordöstlich in der Richtung auf
Königsberg besonders durch die oberländischen Seen markiert.
Der Längenunterschied, schon an sich nicht erheblich, hätte
damals noch weniger den Ausschlag gegeben. Für die nörd-
lichere Trace sprach die (militärisch nicht gleichgültige) Ent-
femoiig dieser eventuellen Heeresstraße von der russischen Gtrenze,
zeabyCoOgIC
4 Das preußische Eisenbahnnetz im Osten ^er Weicbsel.
die Nähe Danzigs und die Erwägung, daß die Strecke Dirschau-
Königsberg doch früher oder spftter als Glied einer die ganze
preußische Küste begleitenden Bahn gebaut werden müsse, für
die südlichere hingegen die Durchschneidong der fruchtbaren
Gegenden an der Ketze, im Culmer- und Oberland, die (wirt-
schaftlich vorteilhafte) Annäherung an die Landesgrenze, die
Notwendigkeit nur einer Weichselbrücke, die möglichst kurze
Verbindung Königsbergs mit Graudenz und Thom, sowie endlich
die Erwägung, daß das Binnenland im Osten der "Weichsel einer
Bahn mehr bedürfe, als die im Genüsse des Schiffsverkehrs be-
findlichen Striche am Frischen Haff, deren größerer Reichtum
überdies nach Überwindung der Folgen der Krise wohl den
Bau einer Privatbahn ermöglicht haben würde.
Die schließlich gewählte Route stellt einen Kompromiß dar.
Man umging fürs erste die Tucheier Heide und das östliche
Binnenland und ermöglichte es durch Herstellung einer die
eigentlichen Weichselstädte seitwärts lassenden Querverbindung
zwischen Bromberg und Dirschau, die Netzelinie neben der Haff-
bahn beizubehalten, wodurch freilich ein weiter Umweg entstand.
Dafür wurde mit jener Querbahn zugleich die Grundlage für
die Verbindung Danzigs mit Polen geschaffen.
Am 27. Juli 1851 ') wurden die Teilstrecken Kreuz-Schneide-
mühl (68.38 km) und Schneidemühl-Bromberg (87, oe km) eröffnet.
Es folgten: am 6. August 1852 Bromberg-Dirschau-Danzig
(158,59 km), am 19. Oktober 1852 Braunsberg - Marienburg
(84,B km), am 2. August 1853 Braimsberg-Königsberg (62,o km),
am 12. Oktober 1857 Dirschau -Marien bürg (17,s km) mit den
beiden großen Brücken über Weichsel und Nogat, sowie endlich
an demselben Tage die beiden auf grund des Gesetzes vom
7. Mai 1856 gebauten märkischen Strecken Kreuz - Küstrin
(104,70 km) und Küstrin-Frankfurt a. 0. (30,i6 km). Die letzt-
1) Diese Daten aind meist der „Statistik der im Betriebe befindlichen
Eisenbahnen Deutschlands (Betriebsjahr 1886/87, Tab. I)" entnommen.
zeabyCoOgIC
Von Paul Neuhaus. 5
genannte mündet in Frankfurt in die Berlin mit Breslau ver-
bindende mederschlesiscb-märkische Eisenbahn, deren zwischen
Berlin und Prankfurt belegenes Stück (81,» km) bis 1867 von
der Ostbahn mitbenutzt wurde.
So betrug im Jahre 1868 die Länge aller Ostbabnlinien
zusammen 602,i4 km, die Entfernung zwischen Berlin und
iDanzig 520,is, diejenige von Berlin bis Königsberg 651^09 km
und die Höhe des verwendeten Anlagekapitals 79 178 535 Mark,
also pro km 131 495,
Durch Eröffnung der direkten Verbindungen Berlin-Küstrin
{82,10 km. Gesetz vom 24. September 1862) am 1. Oktober 1867
und Schneid emühl-Dirschau (180,44 km. Gesetz vom 17. Februar
1868) am 15. August 1873 erfuhr der Schienenweg nach dem
Nordosten eine Abkürzung um rund 62 km, eine Abkürzung,
welche um so notwendiger geworden war, als der Ostbahn in
der damals im Bau begriffenen Bahn von Leipzig nach Posen
und den geplanten Linien Pogen-Warsehau und Stettin-Wangerin-
Dirschau eine gefilhrliche Konkurrenz zu erwachsen drohte. ^)
Über die Fortftthnmg der Ostbahn von Königsberg ostwärts
auf die russische Grenze zu hatte die preußische Regierung
bereits 1854 allgemeine Vorarbeiten angeordnet.^) Dagegen waren
die leitenden Kreise Hußlands damals jeder den Gedanken-
austausch befördernden größeren Verkehrs er leicbterung grund-
sätzlich abgeneigt und dachten mithin nicht daran, den beiden
schon im Betriebe befindlichen russischen Eisenbahnen Peters-
burg-Moskau und Warschau-Krakau weitere Linien folgen zu
lassen. Durch den Krimkrieg wurden sie indes eines Besseren
belehrt und planten nun eine Bahnverbindung Petersburgs mit
Wien mit Benutzung der bestehenden Warschau- Krakauer Bahn.
Von dieser Hauptlinie sollte eine Zweigbahn nach Libau führen,
ein Vorhaben, welches begreiflicherweise für den Handel des
1} Motive für SchneidemUhl-Dirschau s. Anlage zu den Sten. Ber.
aber die Verh. d. Äbgh. 1867/68, Bd. I, 8. 219 u. 220.
2) Sattler, S. 43 ff.
,dbyG00gIe
6 Das preußische Eisenbahnnetz im Osten der Weichsel.
einer Bahnverbindung mit Rußland noch entbehrenden Königs-
berg höchst bedrohlich war. Seine Ausführung unterblieb jedoch
für diesmal, weil die bald darauf eingetretene Spannung mit
Oesterreieh es dem Zaren ratsam erscheinen ließ, seinen zweiten
westlichen Kachbam bei guter Laune zu erhalten, vielmehr
wurde mit diesem am 14. Februar 1857 vereinbart, daiJ die vor-
gesehene Zweigbahn über Kowno nach Königsberg gehen solle.
Koch im selben Jahre folgte dann der Abschluß eines Staats-
vertrages betreffend die Linie Bromberg-Lowicz, welche Berlin
und Danzig mit Warschau zu verbinden bestimmt war. Nach
eingeholter Zustimmung der Kammern wurde für Preußen die
Ost bahn Verlängerung Königsberg-Eydtkuhnen am 10. Mai 1858
und Bromberg-Ottlotscbin am 2. Juli 1859 sanktioniert.
Erstere Strecke (153,ofl km) wurde am 15. August 1860
{bis Stallupönen schon am 6. Juni), die andere (64,8b km)
am 5. Dezember 1862 dem Betriebe übergeben. Im Jahre 1862
vollzog sich dann auch der Anschluß der russischen Strecken
Landwarowo- Wirballen und Lowicz- Alexandrowo. Das ver-
wendete Anlagekapital war in den Jahren 1858 — 62 von 79 178 535
auf 126255834 ßmk. angewachsen.
Die älteren Hauptlinien der Ostbahn haben wie jede große
Land-Verkehrsstraße eine dreifache Bedeutung: eine internationale,
eine national -strategische und eine lokale. Über die letztere
wird bei den Teilstrecken zu handeln sein. Die national-
strategische Bedeutung der Ostbahn beruht auf der Verbindung
des Herzens der preußischen Monarchie und des neuen ßeichs
mit den nordöstlichen Landesteilen, sowie der Festungen Küstrin,
Thom, Danzig und Königsberg untereinander. Ihre Wichtig-
keit für den Weltverkehr ergiebt sich aus der Verbindung Euß-
lands mit den altpreußischen Ostseehäfen, sowie mit Berlin und
dadurch auch mit Köln, Brüssel, Paris und überhaupt mit West-
Europa. Das Verhältnis zwischen Binnen- und Weltverkehr
möge folgende auf Grund der „Jahresberichte über die Betriebs-
verwaltung der Königlichen Ostbahn" zusammengestellte Tabelle
veranschaulichen.
DigtizBabyCoOgIC
Von Paul Neuhaus.
1858 18«5 1874 1886,86
(vor dem (nach dem (nsoh (nnoh
tUBsisohen insBisoben EröffnaEg BröftiiQng
AnsohlaiB) Aoschlass) der Linie mehrerer
Thoro. Sakondär-
Iiut«rbnrg) b^hoen)
1065 771 3089 718 4 693 642 10317 260
Tonnen Güter 322941 791759 2 745 310 5 296 629
1 wurden befördert
Personen .
D&Ton kamen
1. auf den Binnenver- I Personen
kehr I Tonnen .
2. auf d. direkffln Ter- \
kehr mit den ost- ( Personen
u. westpreuEischen 1 Tonnen .
Privatbahnen '
S. auf d. direkten Ver- \
kehr mit mittel- ;
europäiachen Bah-
nen n. d.Durchgang I
zwischen solchen /
4. auf d. direkten Ver- '
kehr mit d. Bahnen |
d. russ. Weichsel-!
gebiets n. Galiziens i
5. anf d. direkten Ver- i
kehr mit dem übri-
gen BaSland <
6. anf d. Durchgangs- ^
verkehr zwischen i
den unter 3 und den )
tmter 4 genannten \
Bahnen /
7. auf d. Durchgangs- \
verkehr zwischen (
den Bahnen unter 3 (
und denen nnter S'-
östlich der "Weichsel befinden sich nur 2 TeiUtrecken der
eigentlichen Ostbahn. Für dieselben möchte die Unterscheidung
von Haff- und Pregelbahn zu empfehlen sein,
A. Die dem Ufer des Frischen Haffes parallel ziehende
Linie Dirscbau- Königsberg (163,16 km) bildet zunächst,
Personen
Tonnen .
Personen
Tonnen .
Personen
Tonnen .
Personen
Tonnen .
Personen
Tonnen .
0,»
DigtizBabyCoOgIC
8 Das preußische Eisenbalinnete im Osten dar Weichsel.
wie schon oben bemerkt, mit der Strecke Dirschau-Banzig und
der am 1. September 1870 vollendeten hinterpommerschen Bahn
Danzig-Stargard ein wesentliches Glied in der Kette der znr
Kästenverteidigung dienenden Eisenbahnen, Daneben hat der
Übergang über Weichsel und Nogat besondere militärische
Wichtigkeit, in deren Anerkennung der deutsche Reichstag im
Jahre 1888 für zwei neben den bestehenden zu bauende Brücken
6000000 Kmk. aussetzte. Mit Ausnahme dieser Stromübergänge
ist die Linie schon jetzt doppelgeleisig. Der Einfachheit halber
rechnen wir ihr die beiden nordwärts abzweigenden Sekundär-
strecken zu: 1. Simonadorf-Tiegenhof (20^g km. Gesetz vom
4. April 1884. Eröffnung am 1. Oktober 1886), 2. in Elbing
nach dem Elbingfluß (1,6* km. Gesetz vom 7, Dezember 1849,
Eröffnung am 19. Oktober 1852).
Das unmittelbar auf die Haffbahn angewiesene Gebiet ist
infolge des Bans der von Süden einmündenden größeren Quer-
bahnen zusammengeschrumpft auf den von ihr durchschnittenen,
vom Frischen Haff 10—40 km landeinwärts reichenden und
ungefähr 3200 Qkm grossen Landstrich mit fast 400000 Ein-
wohnern. Derselbe besteht aus den Kreisen Marienburg und
Elbing, dem nordöstlichen Drittel des anstoßenden Stuhmer,
über die Hälfte des Pr. Holländer, über ein Drittel des Branns-
berger, etwa die Hälfte des Heiligenbeiler , den südlich der
Pregelmündung und den vom neuen Pregel und der Luftlinie
Königsberg-Poatnicken ') belegenen Teil des Königsberger Land-
kreises nebst dem gleichnamigen Stadtbezirk. Von den zu
diesem Gebiet gehörigen Städten Hegen Tiegenhof (2600 Einw.),
Neuteich (2600 E.}, Marienburg (10150 E.), Elbing (38 280 E.),
Mühlhausen (2500 E.), Braunsberg (10 760 E.), Heiligenbeil
(4000 E.) und Königsberg (151 160 E.) an der Bahn selbst.
Die Hafforte Tolkemit (3000 E.), Prauenburg (3000 E.) und
Brandenburg (1600 E.) sind von den Eisenbahnstationen Elbing,
1] Fischerdorf am Eurischen Haff.
DigtizBdbyGOOgle
Von Paul Neuhaus. 9
Braimsberg und Ludwigsort 24, 11 und 7 km "Weges entfernt,*)
Anf der entgegengesetzten Seite der Bahn befinden sich die Städte
Christburg {3500 E. 19 km von Bahnhof Altfelde) und Creuz-
burg (2200 E. 11 km von Kobbelbude), Die Posten benutzen
teils die in bald geringerem, bald grösserem Abstände neben
der Bahn laufende und dieselbe stellenweise kreuzende Berliner
Chaussee, teils deren Zweige. Nogat, Elbingfluß, obsrländischer
Kanal, Passarge und Pregel sind als einmündende Wasserstraßen
zu nennen. Während diese mit der Bahn kommunizieren, bildet
für dieselbe die Schiflfahrt von Königsberg über das Frische
Hafi" nach Elbing und den Weichselmärkten eine Konkurrenzlinie.
Wichtige Stapelartikel des Versandes sind: Getreide aus
dem ganzen Bahngebiet nach den Ostseehäfen, nach Westpreußen
und Hinterpommern, Ölsaaten aus dem mittleren Teü nach den
Häfen, nach Bromberg und Berlin, Flachs von ebendciselbst und
Königsberg nach dem nördlichen Mitteleuropa, Zuckerrüben aus
dem Werder nach Dirschau, Marienburg, Neuteich und Tiegen-
hof, Zncker von diesen Städten nach Danzig und Neufahrwasser,
Holz im Lokalverkehr, sowie von Königsberg und Elbing nach
Nord Westdeutschland, Vieh nach Königsberg, Danzig und Berlin,
Wolle von den Stationen Qüldenboden und Tiedmannsdorf nach
Königeberg, Berlin und Crimmitschau, Watten von Marienburg
nach den beiden Provinzen, Ziegel von Marienburg nach West-
preußen, Butter und Käse nach Danzig, Küstrin, Frankfurt a. 0.,
Berlin, Hamburg und Frankreich, Mehl namentlich von Heiligen-
beil nach Königsberg, Malz von der Station Liessau (bei Dirschau)
nach Danzig und Bromberg, Bier von Elbing, Braunsberg und
1) Daß die HafFbahn, die AnnäheruDg an Tolkemit und Fraueaburg
Term^dend, etAtt des geraden Wegea zwischen Elbing und Braunsberg einen
ziemlich weit nach Süden reichenden Bogen beschreibt, läßt sich einerseits
dnrch die Besorgnis vor Terrainschwierigkeiten (Trunzer Höhen), anderer-
seits dnrch die Rücksicht aof die Interessen des sehr fruchtbaren Kreises
Pr. Holland erklären. Dagegen stellt die südliche Ausbuchtung der Strecke
Lndwigsort-Kömgsberg einen Ausgleich zwischen den Interessen der Orte
Brandenburg und Creuzbui'g dar.
zeabyCoOgle
10 Das preußische Eiaenbahnuetz im Osten der Weichsel,
Königsberg nach den beiden Provinzen, Papier von Elbiug
nach Danzig und Königsberg, Abfälle ebendorthin, sowie nach
Stettin, Berlin und Breslau, landwirtschaftliche Maschinen be-
sonders von Heiligenbeil nach Ost- und Westpreußen, sowie
nach den russischen Ostseeprovinzen.
Empfangsgegenstände: Steinkohlen von Oberschlesien und
den Seeplätzen, Kalk von Gogolin (an der oberen Oder), Steine
und Holz aus der Gegend zwischen Pr, Stargard und Konitz,
Getreide aus Königsberg, den beiden Provinzen und ßußland,
Kartoffeln aus Westpreusaen links der Weichsel, Mühlenfabrikate
von ebendaher, sowie von Braunsberg und Heüigenbeil, Salz
und Düngemittel von Danzig und Staßfiirt, Melasse von Marien-
borg, Kolonialwaaren, Heringe, Bier und Spirituosen von den
Seeplätzen, Seife von Danzig, Elbing, Königsberg und Allen-
stein, Fastagen von Danzig, Roheisen von Neufahrwaaser, Ma-
schinen von Danzig und Elbing, Manufakturwaren von Paris,
Leipzig, Berlin und Frankfurt a. 0., Leder von Königsberg und
Wehlau, Eisen, Steingut, Glas-, Eisen- und BaumwoUwaren von
Mitteldeutschland und Österreich, Wein n. s. w, *)
Für die preußischen Ostseeemporien war die Ostbahn in
der ersten Zeit von sehr zweifrlhaftem Wert, indem dieselbe
sie nötigte, einen Wettkampf mit Hamburg aufzunehmen, welcher
während des Bestehens des Sundzolls (also bis 1857) ziemlich
aussichtslos eracbien. *) Desto größeren Gewinn brachte dagegen
besonders für Königsberg
B. der östliche Ostbahnflügel Königsberg -Eydt-
kuhnen (153,m km zweigeloisig), welcher dasselbe mit dem
nördlichen Teile seines russischen Hinterlandes verbindet. An-
fänglich mußte der Verkehr mit dem Herzen des Zarenreichs
den weiten Umweg von Moskau über St, Petersburg machen,
ist aber in der Zwischenzeit durch die von Dünaburg und Wilna
1) Zusammengestellt anf grund der Stationa-Statistik,
2) Vgl. die Abhdl. von Ä. Dullo über den Seehandel der größten
deutschen Ostseeplätze (Staatewissenschaftl. Studien< Bd. II, Heft 3) S, 3.
D,gt,zBabyC00<^IC
Von Faol Neuhaus. H
aber Smolensk nnd Moskau nach der Wolga fübrendau Bahnen
erheblich erleichtert worden. Die Vorteile dieser Verbindung
£elen am so schwerer ins Gewicht, als die beiden einzigen im
Winter . stet-s eisfreien russischen Ostseehäfen, Libau and Windau,
der erstere bis 1871, der andere bis zur Stunde auf die Hinein-
ziehuDg in das Bahnnetz haben warten müssen. 80 gewann
der Winterverkehr und durch neue russische Bahnen überhaupt
das Hinterland Königsbergs mächtige Ausdehnung, In dem-
selben MaÜe aber, wie der russische Eisenbahnbau ans seinem
anfänglich äußerst langsamen Tempo in ein rascheres überging,
mußte auch die Bevorzugung Königsbergs vor den russischen
Ostseehäfen sich ihrem Ende nähern. Die Wendung leitete die
Eröffnung der drei großen Parallelbahnen (Moskau-)Peter8hurg-
Keval-Baltischport, Zarizyn-Eiga und Eomny-Libau ein. Solange
die letztgenannte aus zwei, verschiedenen Besitzern gehörigen
Bahnen (Libau- Kosehedary, eröffnet 1871, und Wilna-Romny,
eröffnet 1874) bestand, war sie verhältnismäßig unschädlich, da
Libau von dem Schnittpunkt Kosehedary* 33 km weiter entfernt
liegt als Königsberg. 1876 aber erfolgte die Vereinigung der
beiden Bahnen zur LibaU'Romnyer, welche natürlich darauf
bedacht war, deü Güterverkehr womöglich ihre ganze Länge
benutzen zu lassen. Und das ließ sich durch Differentialtarife
erreichen. ') Mit dem Jabre 1874 kann unter diesen Umstanden
die Blfltezeit des Königsberger Handels auf absehbare Zeit für
" abgeschlossen betrachtet werden. Daß der Güterverkehr dieses
Platzes im Gegensatz zu der weichenden Tendenz, welche er
seit jenem Jahre zeigt, 1877 seinen Höhepunkt erreichte, wird
mit der Sperrung der russischen Pontushäfen durch die türki-
sche Flotte vollständig erklärt. 1886, in dem Jahre der afgha-
nischen Wirren, führte die Furcht vor einer Blokade der
baltischen Küste trotz des nicht besonders günstigen Ausfalls
der Ernten wieder etwas mehr Güter über Königsberg.
'Den „Berichten über den Handel und die Schifffahrt zu
1} Dallo, S. 91
D,gt,ZBdbyGOO<^le
Das preußische Eisenbahnnetz im Osten der Weichsel.
Königsberg" entnehme ich folgend«
bewegung der Ostbabnstation :
Tabelle über die Güter-
1 Abgegangen
Angekommen
Abgegangen
Tonnen
Tonnen
1860
66262
23688
874
366416
218686
1861
66 650
82 247^
875
304 505
152 880
1862
76147
39 317*
876
294210
132147
1863
92145
49907
877
397 061
154795
1864
100 997
51483
878
295379
60410
1865
90640
61465
879
256 780
91938
1866
104 262
67 339
880
177 040
85 604
1867
120 441
78093
881
196 976
90361
1868
178312
108991
882
228424
107 746
1869
144 632
94 72B
883
205367
118 279
1870
176 838
97 784
884
183129
123142
1871
164686
110666
885
184849
130 761
1872
168 770
131258
886
189 558
116 338
1873
326 227
147 713
887
227 009
122 412
Das Verbältnis zwischen den über den WestflOgel und den
über den Ostflügel der Bahn auf der Station beförderten Mengen
von Wagenladungagütem stellte sich nach dem Ostbahnbericht
von 1877/78, dem letzten ausführlichen, folgendermaßen:
von nach
Tonnen
Tonnen
Westen
42000000 40000000
82000000
Osten
830000000 50000000
380000000
82000000 : 380000000 — 1
:4,6
Per Bahn empf^gt Königsberg Fabrikate und Kolonial-
waaren von Westen und versendet dieselben nach Osten. Bei
dem Produkte der Land- und Forstwirtschaft unseres Klimas
findet das Umgekehrte statt, während diejenigen des Bergbaus
beide Richtungen einschlagen.
"Was die lokale Bedeutung der Pregelbahn anbelangt, so
gravitieren nach derselben die Kreise Königsberg-Stadt, Königs-
berg-Land (zu etwa V«) Wehlau, Labiau, Insterburg (zu "/s),
Gumbinnen, Stallupönen und PiUkallen, sowie der äußerste Nord-
osten der Kreise Friedland und Pr. Eylau; zusammen 6600 Qkm
DigtizBabyCoO^IC
Von Paal Neuhaus. 13
mit annähernd 500000 Einwohnern. Unmittelbar verbindet die
Bahn Königsberg mit den Provinzialstftdten Tapiau (3300 E.),
Wehlau (5270), Insfcerburg (21000), Gumbinnen (10450) und
Stallupönen (4100). Seitwärts liegen Labiau (4800 E., durch
die Deime und eine 29 km lange Chaussee mit Tapiau ver-
bunden), Friedland (3600 E., 23 km von Tapiau und 28 von
Wehlau), Allenburg (2300 E.. 16 km von Wehlau), PillkaJlen
(2900) und Schirwindt (1500), welche beiden 18 und 31 km von"
Stallupönen entfernt sind. Sodann verdienen Erwähnung: die
der Bahn parallele Chaussee von Königsberg nach Bußland mit
Abzweigungen von Königsberg in der Richtung auf Labiau, von
Wehlau nach Agilla am Kurischen Haff, von Taplacken bei der
Bahnstation Puschdorf nach Skaisgirren (in der Richtung auf
TÜsit), von Insterburg nach Mehlauken und von Gumbinnen
und Stallupönen nach Norden und Süden. Femer kreuzen in
Königsberg und Insterburg Bahnen von 3 Himmelsrichtungen
die Ostbahn. Der Pregel ist zwischen diesen beiden wichtigen
Knotenpunkten eine Koukurrenzlinie für den Güterverkehr,
unterhalb Wehlau, wo er von Dampfern befahren wird, auch
für die Personenbeförderung. Dagegen findet von den in seiner
Mündung einlaufenden Seeschiffen nach der Ostbahn und umge-
kehrt eine Umladung bei Königsberg statt, welche durch die
am 1. November 1877 eröffnete, aber bereits in einem Gesetz
vom 19. Oktober 1852 vorgesehene Zweigbahn nach dem Kai-
bahnhof (1,85 km) sehr erleichtert wird,
Hauptgegenstände des Versandes aus dem Pregelgebiet
sind: Getreide nach Insterburg, Tilsit, Königsberg und Berlin,
sowie von Königsberg nach Westen, Heu und Stroh nach den-
selben Pl&tzen, Mühlanfabrikate namentlich von Wehlau und
Trakehnen im Lokalverkehr nnd nach Königsberg, Ölkuchen
und Kleie durch Vermittelung besonders von Insterburg nach
Königsberg, Steine und Holz ebendorthin (letzterer Artikel aus
dem mittleren, waldreichen Teile), Äbßllle nach Insterburg,
Königsberg und Berlin, Flachs, Hanf und Heede von Königsberg
n&ch Sachsen, Böhmen, den westlichen Provinzen, Belgien und
DigtizBabyCoOgle
X4 I^fs preuflisohe Eisenbahnnetz im Osten der Weichsel.
Frankreich, "Wolle von Königsberg nach Berlin und den Khein-
landen, Vieh, namentlich aus den östlichen Kreisen, dem klassi-
schen Gebiet der ostpreufiischen Pferdezucht, welches auch die
meisten Schweine der Monarchie besitzt, und vom Weblauer
Pferdemarkt, Butter, Käse, Eier, Geflügel nach Insterburg,
Königsberg und Berlin, Fische vom Kurischen HaflP besonders
nach Bußland.
Empfang: Steinkohlen von Oberschlesien und durch Ver-
mittelung von Königsberg, Memel und Insterburg, Kalk von
Gogolin, Düngemittel, Eisen, Material- und Kolonialwaren,
Heringe, Bier, Spirituosen und Petroleum von den genannten
Plätzen Ostpreußens, Manufaktur- etc. Waren von Leipzig,
.Dresden, Berlin und Königsberg, Steingut, Glas- und Eisen-
waaren besonders aus Sachsen.
Bußland versendet mit der Ostbahn Getreide nach Königs-
berg und Berlin, Flachs, Hanf und Heede (Hauptstapelartikel)
nach Königsberg und Oestorreich, Ölsaaten nach Königsberg und
Breslau, Holz nach Stallupönen, Gumbinnen und Insterburg,
Tabak und Spiritus nach Hamburg, Kleie, Terpentin, Knochen
und Lumpen nach Königsberg, Vieh, namentlich Wild und Ge-
flügel nach Berlin, Hamburg, Dresden und Frankreich, Borsten
nach Leipzig, Eier nach Berlin, Hamburg, Belgien und Frank-
reich. Es empfangt dafür Kohlen vonPillau und Oberschlesien,
Maschinenteile aus Deutschland und Frankreich, Eisen vom
Hb ein, Kalk von Gogolin, Eisenwaaren, Thee, Heringe und
Bier von Königsberg, Fische vom Kurischen HaflF.
Die strategische Bolle der Pregelbahn besteht darin, daß
dieselbe einen schnellen Transport von Truppen und Munition
nach dem Osten der Provinz gestattet, Ln Ernstfälle würde sie
eine wertvolle Operationsbasis für einen Vorstoß in das russische
Nordwestgebiet bilden, dessen Schlüssel die in ihrer Verlängerung
liegende Festung Kowno ist.
,dbyGoogIe
Von Paul Neuhans. 15
n. Die ostpreassisehe Sfldbabn.
Wie lebhaft die Beziehungen zwischen Königsberg nnd
dem durch die Ostbahn mit ihm verbundenen Teile Eußlanda
aach immer gewesen und absolut genommen noch gegenwärtig
sein mögen, so beruht doch der Vorteil der geographischen Lage
jenes Handelsplatzes vor allem darauf, daJ3 er den Endpunkt der
kürzesten Linie vom Schwarzen Meer nach der Mündung eines
schiffbaren baltischen Flusses und somit ein Emporium fUr das
Gebiet der schwarzen Erde, die Hauptkomkammer Europas,
bildet. Um nach Königsberg zu gelangen, schlug das Südwest-
russische Getreide natürlich früher als bequemsten den Wasser-
weg vom Dniepr durch Pripet, Niemen und Deime ein. Dieser
ist nun im Winter geschlossen. Die russischen Landstraßen
aber lassen noch heute bekanntlich sehr viel zu wünschen übrig
nnd die über Bastenburg führende preuBische Chaussee wurde,
da sie den Verkehr des einer direkten Wasserverbindung mit
Königsberg entbehrenden inneren Ostpreußen kaum bewältigen
konnte, arg mitgenommen. Eine Chaussee nach Pillau, dem
Vor- und Winterhaien Königsbergs, wurde gar erst 1857 ange-
legt, nachdem die Königsberger Handelsberichte jahraus, jahrein
über die Umständlichkeit des Landverkehrs mit demselben Klage
geführt hatten.
Nach dieser Richtung mußte sich der ostpreußische Unter-
nehmungsgeist zuerst wenden, nachdem durch die Ostbahn in
erster Linie ein Bedürfnis des Staats befriedigt worden. So
wurde auf grund eines mittelst Allerhöchster Kabinetsordre
vom 2. November 1863 genehmigten Statuts die „Ostpreußische
Südbahn-Geaellschaft" gegründet mit einem Anlagekapital von
39 000000 Rmk. zum Bau einer Eisenbahn von Pillau über
Königsberg nach Lyck. Derselbe erfolgte unter Leitung des
vielgenannten Dr. Strousberg. Am 11. September 1865 wurde
die Bahn bis Königsberg, am 24. desselben Monats bis Rasten-
burg, am 8. Dezember 1868 bis Lyck und am 1. November 1871
bis zur Landesgrenze bei Prostkeu eröfinet. Sie mißt 242,S4 km,
wovon 178,78 km auf die Hauptbahn Pillau-Lötzen kommen; der
DigtizBabyCoOgle
\Q Dfts preuBisclie Eisenbalmnetz im Osten der Weirhsal.
Be3t befindet sich im Seknndärbetriebe. Das Anlagekapital be-
lauft sich aui Rmk. 49 200 000. Durch Vertrag vom 27. August
1883 bat die Südbahu auch den Betrieb der im Besitz der
Königlichen Dömänenyerwaltuug befindlichen Sekundärstrecke
Fiachhausen-Palmnicken (18,48 km, Gesetz vom 21. November
1883, Eröffnung am 16. September 1884) übernommen.
Das provinzielle Gebiet der Südbahn umfaßt die Südwest-
hälfte des Fischhausener Kreises, die Stadt Königsberg nebst
ihrem Weichbild und den im Westen, Nordosten, Osten und
Süden desselben gelegenen Teilen des gleichnamigen Landkreises,
gute V* 'on Pr. Eylau und Friedland, die Kreise Kastenburg,
Lötzen und Lyck, sowie die nicht selbst durchschnittenen Ge-
biete von Nordost -Heilsberg, Nordost- Rössel, Nord -Sensburg,
Nord-Johannisburg und den gröBten Teil von Angerburg; allea
in allem ungefähr 8000 Q km mit 660 000 Einwohnern. Un-
mittelbar berührt werden Pillau (3500 Einwohner), das Seebad
Neuhänser, Fisohhauaen (2800), das Bern steinb ergwerk Palm-
nieken, Königsberg (151 150), Pr. Eylau (3800), Bartensteiu
(6650), Rastenburg (7200), Lötzen (5120) und Lyuk (8625).
Außerdem verkehren mit der Südbahn Creuzburg (2200; 13 km
vom Bahnhof Tharau), Landaberg (3000) und Domnau (2200)
(17 und 16 km von Pr. Eylau), Friedland (3500; je 30 km von
Pr. Eylau und Bartenstein), Heilsberg und Bischofstein (6000
und 3500); 24 und 21 km von Bartenstein), Schippenbeil (3300;
5 km von Wöterkeim), Kössel (3700; 15 km von Korschen),
Barten, Drengfarth und Sensburg (1750, 2000 und 3800; 18,«
und 27 km von Eastenburg), Rhein und Nikolaiken (je 2400 Ein-
wohner; 10 und 28 km von Stürlack), Angerburg (4500; 26 km
von Lötzen, mit dem auch über den Mauersee Verbindung be-
steht) und Arya (1500; je 30 km von Lötzen und Lyck.)
Die Wasserstraße zwischen PiUau und Königsberg kon-
kurriert mit der sogen. Samlandbahn, welche ja nur zu ihrer
Ergänzung bestimmt wurde. Verluste sind der Südbahn dagegen
in der Provinz infolge des Ausbaues des preußischen Staats-
bahnnetzea erwachsen. Die Eröffnung der Linie Thom-Insterburg
DigtizBabyCoO^IC
Von Paul Neohaas. 17
kam ja selbstTerst&udlich auch dem Lokalverkehr der Südbahn
zugute. Indem hier aber ein südlicherer Weg nach dem Westen
entstand, wurde Masuren zum Teil der Benutzung der Strecke
Korschen-Königsberg enthoben. Diesmal überwog freilich noch
der Gewinn: die Frequenzsteigerung in Korschen blieb ohne
erkennbaren nachteiligen Einfluß auf den Verkehr des Königa>
berger Süd- und Kangierbahnhofs.
KorecfcBB
Personen
Tonnen Güter
Angekomoien
Abgegangen
Angekommen Abgegangen
1870
13 659
13881
13368
9344
lan
15312
14 690
8754
9 847
1872
23 697
26220
12 342
- 19480
1873
81478
31267
20499
28 665
1874
40409
37 041
61040
28376
KBnIpiberg
Pers
nen
Tonnen Güter
SHdbafanhof
Angekommen
Abgegangen
Angekommei
a Abgegangen
1870
91857
76175
106 672
35247
1871
87 076
93 528
122 367
89264
1872
93 585
92676
116240
88885
1813
99936
100062
148184
63 038
1874
116 627
111666
233 476
77 425
Die Linie Insterburg-Lyck beeinüuJJte den Lokalverkehr
der in betracht kommenden Südbahnstation Lyck gar nicht.
Lyck- Güldenboden und AUenstein-Kobbelbude dagegen thaten
merklichen Abbruch, wie die Frequenz Verminderung der Süd-
bahnstationen Korschen, Lötzen (an der Einmündung der von
Johannisburg kommenden Wasserstraße) und Lyck zeigt.
Personen Tonnen Güter
Angekommen Abgegangen Angekommen Abgegangen
9 66279 21183 22 369
KorBchen
1884
68 990
65 625
27 844
21207
1885
63 974
62 036
15104
19 269
1886
62925
61387
13 200
17 115
1887
66653
64 674
17 773
21166
LStaen
1883
34356
33 724
14 634
36248
1884
38 317
37 432
12683
33008
1886
37198
36 240
10740
26 6(0
1886
34 0(»
3S460
10 970
22 720
1887
34 416
34142
15270
26 926
Hft i o. 2.
2
z,ab,Google
Das preußieche tlisenbalmnetz im Osten der Weichsel.
lonen Tonnen Güter
1 Abgegangen Angekommen Abgegangen
1884 34 865 35 779 17 im 6 820
1886 32 881 32728 il469 5 681
1886 8S 117 36 335 10 056 5 538
1887 38 743 34 207 8 598 9 198
Mußten solche Verluste mit der fortschreitenden Ent-
wickelnng des Inlandes eintreten, so ist die der Südbahn im
WeltTverkehr bereitete Konkurrenz zum großen Teil eine künst-
liche und darum um so schwerer zu verwinden.
Die Fortsetzung der Sildbahn ins Russische dachte man
flieh anfangs in der Richtung auf Grodno im Anschluß an die
Dniepr-Niemen-Schifffahrfc. Da aber mittlerweile die von Odessa
atisgehenden russischen Südwestbahnen in Brest ihren Endpunkt
fanden, so wurde die kürzeste Verhindung mit diesem gewählt
und bis zum 15. August 1873 vollendet. Dadurch erfuhr das
Handelsgebiet Königsbergs eine gewaltige Erweiterung bezw.
Verschiebung seines Schwergewichts nach Süden, so daß die
Zufuhr von dieser Seite nach Königsberg und umgekehrt be-
deutend größer wurde wie di^enige mit der Ostbahn. Als
Beleg dafür gebe ich die von Dr. DuUo auf grund der Königs-
berger Handelsberichte zusammengestellte Tabelle (auf S. 90
n. 91) wieder.
Abgegangen
nlffsbert
t Ostbahn
Südbahn
Ostbahn
Tonnen
Südbahn
1866
107 074
22427
68518
16604
1867
122 515
42561
79 600
52 245
1868
175848
49 696
110 600
67 689
1869
146 616
74808
98 823
56 209
1870
177 686
122 233
102 848
86082
1871
166255
196034
112141
81455
1872
168 768
130 746
131258
76 780
1873
326 227
183 623
U7 713
123 434
1874
366466
294147
218685
2(B996
1875
304 505
323411
162880
220812
1876
294209
241122
132 047
201339
1877
397 051
423 550
154 7^
212 799
1878
296879
447 537
60410
212 743
D,Bi,z,db,Goo<^le
Von P&al Neuhana.
Angekommen
Abgegangen
nlgBber«
Ostbfthn
Südbahn
Ostbahn
Tonnen
Südbahu
1879
266 780
249174
91938
194224
1880
177 041
151987
85604
142 793
1881
196 979
293 663
90 361
136445
1882
228 42i
897 612
107 745
187 385
18^
206 367
411188
118279
227016
188i
183 J29
358938
123 142
137 0(»
1885
184849
456 666
130761
158016
i68e
189.558
209 677
116 338
140132
Während die Ostbahn namentlich Hanf aus Eaßlaiid bringt,
bat die Südbahn Getreide an rieb gezogen. 1886 führte rie von
diesem Artikel mehr als 6 mal so viel nach Königsberg wie die
Ostbahn (vgl. die Tabelle bei Diillo, S. 92). Natürlich stieg
anch die Gesamtzufuhr Königsbergs an Getreide.
Durch den Anschluß der Südbahn an das russische Ketz
gewann Königsberg zunächst auch das ihm durch die Tarif-
politik der großen russischen Bahn entrissene Moskau zurück,
von welchem seit 1871 eine Bahn über Smolensk nach Brest
fährt. Infolgedessen kamen 1872 sogar von hinter Orel Zu-
fahren.
Aber auch die auf die neue Verbindung Königsbergs mit
Klein-Raßland gesetzten Hoffnungen wurden durch den Eintritt
des entfernteren, aber innerhalb der russischen Grenze belegenen
Libaus in die Handelsgeschichte gründlich zerstört, 1881 ver-
einbarte die Libau-ßomnjer Bahn mit der Kiew- Eursker, daß
von allem nicht nach Odessa gehenden ukrainischen Getreide
Zweidrittel nach Libau gelangen, der Best aber noch zwischen
Königsberg und Danzig im Verhältnis von 3 : 1 geteilt werden
solle. Von Kowel, dem Schnittpunkte der russischen Südwest-
bahnen und der Weichsellinie, ist Danzig 111 km weiter ent-
^mt als Königsberg. Nach diesem waren die Frachten daher
von vornherein um 10 ßmk. pro Waggon von 10 Tonnen billiger
berechnet, nach Pillau aber teurer als nach Neufahrwasser, ob-
gleich auch dieser Vor- und Winterhafen Kowel ferner liegt als
PiUan. Erat der Hinweis der Königsherger Kaufmannschaft auf
2*
D,gt,zBabyC00<^IC
20 15*8 preußische Eisenbahnnetz im Osten der Weichsel.
die erheblichen Leicbterkosten , welche der Wassertransport
zwischen Königsberg and Fillau verursacht, bewirkte im Jahre
1883 die Erhöhung des Frachtunterschiedes auf 20 Rmk.
1885 wurde die russische Staatshahn Wilna-ßowno eröflfnet,
welche Libau ahermnla begünstigen sollte. Die Sildwestbahnen
lenkten nun in der Erkenntnis, daß auch sie durch das G-elingen
dieses Planes geschädigt werden würden (die neue Bahn machte
ja den "Weg von Kowno nach Grajewo-Prostken überflüssig), den
Güterverkehr südwärts nach Odessa, welches bisher als eigent-
licher Nebenbuhler Königsbergs noch nicht aufgetreten war.
Auch die Markfrachten, auf welche die deutsche Geschäfts-
welt anfangs recht stolz war, schlugen gegenüber dem niedrigen
Kubelkurs zum Nachteil Königsbergs aus, bis 1878 ein gemischter
Tarif zugestanden wurde.')
Die wichtigeren Stapelartikel der Südbahn sind:*) Getreide,
Flachs, Hanf, Ölkuchen, Erbsen (besonders graue, eine Besonder-
heit des deutschen Ostweichselgebiets), Mühlenfabrikate, Prenn-
und Nutzholz, Ziegel, Cement, Steinkohlen, Salz, Düngemittel,
Lumpen, Eisen, Stahl, Eisen waaren, Hasch inen, Kolomalwaaren,
Heringe, Vieh, namentlich auch Geflügel, welches augenblicklich,
weil zollfrei, in großer Menge aus Rußland über die Grenze ge-
schafil wird.
Nach der Leidensgeschichte der Südbahn ist die Geneigt-
heit, sie zu verkaufen, begreiflich genug. Andererseits hat der
Staat sehr wohl ein Interesse daran, diese als Verbindung
Königabergs mit der Seefestung Pillau, dem masurischen Seeen-
defilee und der Keichsgrenze in der Richtung auf Brest stra-
tegisch sehr wichtige Linie in seine Hand zu bekommen. Indes
sind bisher die in dieser Frage gepflogenen Unterhandlungen
an der Unvereinbarkeit der beiderseitigen Vorschläge gescheitert
1) Vgl. über alle diese Verhältnisse Dr. Dullo, S. 94-100.
2) Die Versand- und Empfangsorte sind in den „Geschäftsberichten des
VerwftltUDgsrates der Oatpreußischen Südbahngesellschaft" nicht aufgeführt.
zeabyCoO^IC
Von Paul NeuLaus. 21
ond hat die Aktiengesellschaft 1888 durch erhebliche Neu-
aoscbafFungen die Überzeugung bekundet, auch femer bestehen
zn können.
III. Insterbarg-Hemel.
Schon etwas früher als die Ostpreußische Südbahn-Gesell-
Bcbafl, nämlich im Jahre 1860, hatte sich eine Aktiengesellschaft
gebildet behufs Erbauung einer Eisenbahn von dem eben erst
Ostbahnstation gewordenen Insterburg zunächst nach Tilsit, Im
Frühling 1863 wurden die Arbeiten in Angriff genommen (wieder
unter Leitung Dr. Strousbergs) und bis zum 16. Juni 1866 be-
endigt. Die Strecke hat eipe Länge von 63,b8 km und ein
Geleise. Das konzessionierte Anlagekapital betrug ursprünglich
9 267 000 Emk. und stieg bis zum Jahre 1884, in welchem die
Verwaltung auf grund des Gesetzes vom 17. Mai auf den Staat
Übei^ng, auf 10 167000 Emk. Davon waren verwendet 9724200,
also auf den Kilometer 177 384. Nach dem Gründungsplan sollte
die Bahn natürlich zunächst den Interessen der beiden durch
sie verbundenen Städte nnd des zwischen ihnen liegenden, an
Wiesen und Vieh reichen Landgebietes dienen, außerdem aber
ein Stück des Nachbarreiches, in diesem Falle also Schamaiten
nnd die baltischen Gouvernements, dem Landverkehr mit Deutsch-
land erschlieUen. Daß aus der daraufhin ins Auge gefaßten
Verlängerung über Tauroggen nach Mitau nichts geworden ist,
daran trägt nicht Preußen die Schuld.
Dagegen fand die Insterbnrg-Tilsiter Bahn eine Fortsetzung
innerhalb Preußens, nämlich nach Memel. Für diesen Hafen-
platz und das auf dem rechten Ufer des gleichnamigen Flusses
belegene Stück der Provinz war eine Bahnverbindung mit dem
Hauptkörper der Monarchie um so notwendiger, als dies Gebiet
klein, nicht besonders fruchtbar (Wiesen, Weiden und Pferde-
zucht herrschen vor) und trotz seiner so günstigen Lage am
Unterlauf eines schiffbaren Stromes durch den wirthschafts-
politischen Gegensatz zwischen Deutschland und Rußland von
DigtizBabyCoOgle
22 Da» preußische Eiseobahsnetz im Osten der Weichsel.
seinem natürlichen Hinterlande abgeschnitten ist. Das that-
aichliche Monopol, welches Königsberg darch die Eydtkuhner
Bahn erhalten, hatte dasselbe auch Memel, welches erst durch
die Aufhebung der Bannrechte in der Stein-Hardenbergachen
Ära zum Genuß seiner geographischen Lage gekommen war,^)
wieder gänzlich überflügeln lassen. Es hätte daher nicht erst
der Erinnerung an „die historische Schuld" von 1807 bedurft,*)
um der Staatsregierung über das Bedenken hinwegzuhelfen, daß
der Brückenbau Über die Memel — unterhalb Kowno war der
Übergang über dieselbe nur per Trajekt möglich — das Unter-
nehmen recht kostspielig machen, die Bentabilität desselben ohne
Verbindung mit Kurland aber gering sein werde. Auch strate-
gisch mußte die Hineinziehung des trefflichen Memeler Anker-
platzes, der für seinen Verkehr mit dem Übrigen Deutschland
ja fast ausschliesslich auf den Wasserweg angewiesen war, in
das Bahnnetz wünachenswerth erscheinen. Indes ließ der Erlaß
des bezügl. Gesetzes bis zum 26. März 1872 auf sich warten,
die Vollendung der 92,8s km langen Strecke bis zum 1. Oktober
1875. Es kamen dazu die beiden in demselben Gesetze vor-
gesehenen kleinen Zweigbahnen in Memel nach dem Dangetluß
(1,08 km) und nach dem Winterhafen (2,ob km) am 1. April
und am 22. November 1876.
Memel ist mithin von dem Kreuzungspunkte Insterbnrg
146,H, sein Winterhafen 148,3a km entfernt, Königsberg dagegen
90,so und selbst Pillau nur 137,oo km. Abgesehen hiervon hat
sich die Hoffnung der Memeler, mittelst der neuen Bahn das
russische Littauen wieder zu erobern, schon deshalb nicht erfüllt,
weil die Insterburg-Tilsiter Bahn den Zusammenhang der ost-
preußischen Staatsbahnen unterbrach und als kleine Privatbahn
beim Abschluß von Verbandtarifen im Nachteü war,
1) Vgl. Dullo, S. 84.
2) Motive: Anlagen, 1871/72, Bd. I., S. 167 n. 168. Die Kosten be-
trugen 17400000 Kmk., also 188175 pro km.
zeabyCoOgIC
Von Paul NeohauB. 23
Wert des Gütenzmsatzes zwischen Memel und dem Binnen-
laiide vor und nach der Eröffnung der neuen Bahn:
1874
23 355 300
2 515200
1875
14 507 800
24G5 000
I87G
13 306000
4140 500
1877
, 19331300
8 579 000
1878
18 599 300
3629 600
Seit der Verstaatlichung der Insterburg-Tllsiter Bahn bildet
die ganze Linie Insterburg-Memel keine Sekund&rbahn mehr,
sondern, obwohl nach wie vor eingeleisig, eine Hanptlinie (na-
türlich mit ÄnsschluiJ der beiden Hafenbahnen). Es bedienen
sich derselben der nordöstliche Teil des Inaterbnrger Kreises,
der Eagniter, Tilsiter, Niederunger, Heydekruger und Memeler
Kreis mit zusammen 6000 Q km und 250 000 Einwohnern. Un-
mittelbar berührt werden Insterburg (21 000 E.), Tilsit (22 500)
und Memel (18800); seitwärts liegen Ragnit (3700 E. 11 km
aüdCstlich von Tilsit und mit diesem durch die Memel verbunden)
und Heinrichswalde (1800 E. 17 km südwestlich von Tilsit).
Aui3er denChauBeeen nach diesen Orten sind folgende zu nennen:
von Memel nach Libau und den schamaitischen Marktflecken
Crottingen und Garsden, von Heydekrug und Tilsit nach der
Niederung, Tilsit -Tauroggen, Tilsit -Georgenburg (meist Strom-
verkehr) und von den südlicheren Stationen nach dem Inster-
thale. Die Wasserstraße nach dem Ha£F und zum Pregel ist
mehr Konkurrenz- als Zufuhrweg.
Das Gebiet der Bahn veraendet hauptsächlich : Vieh (nament-
lich Pferde, sodann Einder, dagegen sehr wenig Schafe), Ge-
treide nach seinen eigenen Städten und Königsberg, Flachs,
Hanf und Heede namentlich von Tilsit und Memel nach Inster-
burg, Königsberg , Schlesien und Österreich , Tabak aus der
Tilsiter Niederung nach der Provinz, Butter und Käse nach
Memel, Berlin und Königeberg, Holz von Tilsit nach der Provinz
und Mitteldeutschland, Ziegel und gewöhnliche Steine im Lokal-
verkehr, Fische von Heydekrug nach Berlin. — Empfangen
DigtizBabyCoOgIC
24 Das preußische Eisenbahnnetz im Outen der Weichsel.
werden dafür: Holz ans Rußland (namentlich über Tauroggen
und Georgenbarg) nach Memel , sowie von Tilsit im Lokal-
verkehr, Steinkohlen, Düngemittel, Heringe von Memel, Kalk
von Gogolin besonders nach Tilsit, Mehl von Tilsit und den
Pregelatadten, Bier, Spiritus und Xolonialwaaren von Memel,
Tilsit, Insterburg und Königsberg, Petroleum von Eydtkuhnen,
Memel und Königsberg, feinere Waaren von Berlin und Mittel-
deutschland.
In dem Übergangsjahre 1866 besaßen die damals vereinigten
Provinzen Ost- und "Westpreußen drei Eisenbahnlinien: die Ost-
bahn, die Tilsit- Inaterburger und die sich ihrer Vollendung
immer mehr nähernde Südbahn.
Es kamen :^)
auf 100 Dkm nnd anf 10000 Einw.
Ost- nnd WestpreuGen . . 0,^ km Bahn 2,i km Bahn
Pommern l^g „ „ 2,;8 ,
Brandenbarg 2<i4 ii n ^isi i
Poeen l^w .. .. 2,7a,
Schlesien 8,19 „ „ 3,m ,
Sachsen (Provinz) . . . 3,3] „ „ 4^ ,
Westfalen 4,,a „ „ 4,^ ,
der Bheinprovinz .... 4,7g „ „ 8,7« ,
1 preußischen Staat . . . 2,« „ „ S^ ,
Während die "Weichselufer, der Norden und der Osten Alt-
preußens leidlich mit Bahnverbindungen versorgt waren, mußten
die Frachten aus seinem übrigen Binnenlande, namentlich den
pommerellischen nnd den an der polnischen Grenze belegenen
Kreisen 60 — 150 km zum Teil ganz unchaussierten "Weges zu-
rücklegen, um ihren Absatzmarkt bezw. die nächste Eisenbahn-
station zu erreichen. Größere Stapelplätze im Innern selbst
konnten sich bei so mangelhaften Verkehrsverhältnissen auch
1) Nach den Angaben im letzten Heft des 1866er Jahrgangs des EgL
Si a( istischen Bureaus in km u. s. w. umgerechnet: 1 Meile ^ 7^ km,
1 D Meile = öS,« Qkm.
zeabyCoOgIC
Ton Paul NenLaus. 25
nicht bilden. Der Getreidetransport nach Königsberg kostete
oft 2inal mehr als derjenige von hier nach England. Die Tra-
cierang der Ostbahn zwischen Bromberg und Königeberg war
eben onwirtächaMich. Daa machte sich ganz besonders während
der dem Kriege von 1866 folgenden Notstandsjahre fühlbar.
Eine ÄusfiÜlnng jener Lücke im Osten der "Weichsel durch
Privatbahnen war damals nicht möglich. Die beiden besprochenen
ostpreoßiscben Unternehmungen der Art gehören einer weit
günstigeren Periode an und sogar sie hatten viele finanzielle
Schwierigkeiten zu überwinden. Seit 1865 thaten die beteiligten
Kreise alles Erdenkliche, iim durch Selbsthilfe zum Ziel zu ge-
langen. Sie bewarben sich um englisches Kapital und erhielten
solches auch unter der Bedingung ihrer eigenen Garantie zuge-
sichert. Die Staatsregierung aber versagte die Genehmigung im
Hinbük auf die Nachteile des Eisenbahnbaus durch Generalunter-
nehmer, Nachteile, welche unzweifelhaft vorhanden, unter den
obwaltenden Umständen aber das kleinere Übel waren. ') So
blieb nur der Weg recht schleuniger Staatshilfe übrig. Derselbe
wurde durch das Gesetz vom 17. Februar 1867 beschritten,
welches den Bau einer das Herz von Ostpreußen durchschneiden-
den Bahn anordnete.*)
IT. Tborn-Insterborg.
Diese neue Linie wurde in der Zeit vom 16. Januar 1871
bis zum 15. August 1873 streckenweise eröfinet. Sie ist 301,1* km
lang und bildet eine eingeleisige Hauptbahn. Ihre Kosten be-
trugen 39000000 Rm., also 129 508 pro km.
Das Gebiet der Bahn besteht aus dem südöstlichen Drittel
■ des Kreises Insterburg, dem Gerdauer, Nordwest -Rastenburg,
1) S. „Die Provimi Preaßea und ihre BerUckaichtigung durch den
Staat. Denkschrift des Vorsteheratnts dar Eauf'mannBchaft zn Königs-
berg. 1867."
2) Motive: Anlagen, 1867/68, Bd. L 8, 220 o. 221.
zeabyCoOgle
26 Das preußische EiEenbahnnetz im Osten der Weichsel.
Rössel mit dem angrenzeDden Stück von Seusborg, dem größten
Teil von Allensteia und Osterode, Südost- Rosenberg, "West-
Löbau, Brieaen mit einem Stock von Strasburg und Ost-Thom,
zahlt also über 6000 Qkm mit 350000 Einwohnern. Von den
zugehörigen Städten liegen an der Bahn selbst : *) Insterbnrg
(21000 E.), Ghirdauen (3000), Wartenburg (4850), Alienstein
(11600), Osterode (7160), Dt.-Eylau (6700), Bischofewerder
(2200), Briesen (4700), Schönsee (1650) und Thorn (24000).
Seitwärts liegen: Alienburg und Friedland (2300 u. 3500 E.,
18 und 23 km nordwestl. von Gerdauen), Nordenburg und Angei>
bürg (2700 u. 4500 E., 19 u. 40 km südöetl. von Gerdauen),
Barten (1800 E., 11 km von Skandau), Rössel (3700, 16 km von.
Korscben), Bischofetein (3600, 10 km von Bischdorf), Bischofs-
burg und Sensburg (4300 n. 3750, 8 u. 35 km von Rothfließ),
Seeburg (3100, 10 km von Wieps), Liebemühl (2350, 13 km von
Osterode nordwestl.), Öilgenburg (2000, 37 km von Osterode
eüdl.), Freystadt (2400, 14 km von Bischofswerder nördl), Neu-
mark und Kauemick (2860 und 1100, 18 u. 21 km südöstl. von
Bischofswerder), Gollub (3000, 15 km von Schönsee, gegen-
über dem rassischen Dobrzin). Damit ist zugleich die Richtung
der wichtigeren Landstraßen bezeichnet. Dieselben münden
senkrecht in die Bahn , welche so eine schöne Grundlage
für die später gebauten Querbahnen bildete. Da Überdies durch
die Kreuzung mit der Südhahn, mit dem oberländischen Kanal
und mit der "Weichsel eine fürs erste genügende Verbindung
mit der Küste gesichert war, so that die Regierung recht, wenn
sie entgegen manchen anderen Ratschlägen, der Längsbahn
vor den Querhahnen den Vorzug gab. Jene schuf zugleich eine
1) Bei der Vorbereitimg der Bahn hei rechte Ober die Richtung Thom-
Osterode MDhelligkeit. Für den weiterhin ein zuschlugen den Weg worden
zwei Vorschläge gemacht. Nach dem einen sollte die Bahn von Osterode
Aber Outtetadt, Heilsberg, Bartenstein, Schippenbeil und Qerdauen nach
Inaterburg gehen. Diese Linie hätte zwar infolge ihrer gröGeren Annäherung
an Eönigeberg den Lokalverkehr mit dieseui mehr begünstigt, lag aber dem
Stkden der Provinz zu fem. Man entecbied sich daher für das andere Projekt.
zeabyCoOgIC
Ton Paul Nenhane. 27
Verbindung der Festungen Thom und Königsberg, achloß au
die Tilsit-Insterburger Bahn au und nahm infolge der Verbindung
mit der großen russiscbeu Bahn einerseits, Thom, Berlin, Posen,
Kottbua, Leipzig, Halle, Düsseldorf n. s. w. andererseits sogleich
eine hervorragende Stellung im "Weltverkehr ein.
Auf diesem Wege werden nach Rußland versandt: Stein-
kolüen und Kalk aus Oberschlesien, Maschinen und Maschinen-
teile aus Deutschland und Frankreich; von Bußland versandt:
Flachs und Hanf besonders nach Osterreich, Ölsaaten nach
Breslau, "Wild und Geflügel nach Dresden und Frankreich,
Borsten nach Leipzig. — Das provinzielle Bahngebiet versendet:
Getreide, Kartoffeln, Mehl u. s, w. nach den provinziellen Märkten,
nach dem übrigen Nord- und Mitteldeutschland, Zuckerrüben
ans dem Cnlmerlande nach den Zuckerfabriken in Schönsee,
Cubnsee und Melno, Zucker von Schönsee nach Neufahrwasser,
Holz nach Ällenstein, den Pregelstftdten, Posen, Halle u. s. w.,
Steine und Ziegel im Binnenverkehr, Vieh desgleichen und nach
Westen, Wolle besonders durch Vermittelung Thoms nach Berlin,
Posen, Lodz, Petersburg und Moskau, Butter nach Berlin,
Spiritus aus dem westlichen Teile nach verschiedeneu nordost-
deutschen Stationen, nanaentlich nach Danzig und Königsberg,
von Thom aber selbst nach Paris und Antwerpen, Fische und
Krebse aus dem Oberlande nach Thom, Graudenz und Berlin.
Empfang: Steinkohlen und Kalk überwiegend aus Ober-
scblesieu, Holz aus dem südlichen Teile des Gebiets der Marien-
barg-Mlawkaer Bahn, Salz und Düngemittel von Inowraclaw,
Neufahrwasser und Pülau, Bier von Königsberg, Elbing, Ger-
danen u. a. 0-, Kolonial- und Materialwaaren von den Haupt-
stapelplätzen der beiden Provinzen, Eisen und Eisenwaaren
von den Seehäfen, sowie aus Oberschlesien und den Rhein-
landen.
Die Erdfihnng der Thom-Insterburger Bahn machte sich
in einer starken Frequenzsteigemng des Direktionsbezirks Brom-
berg, insbesondere auf der Station Eydtkuhnen, sowie auf dem
Königsberger Süd- und Eangierbahnhof bemerkbar.
DigtizBat^yCoOgle
Das preußische Eiseobahnnetz im Osteu der Weichsel.
Ostbakn
Persooen
Tonnen
1870
2829 859
2 628521
1871
3179 882
2 836 801
1872
3689894
3796 839
1873
4262394
8 568 769
1874
4693642
4474972
1876
4 865 896
3 496387
Personen
Tonnen Güter
Angekommei
a Abgegangen
Angekommei
1 Abgegangen
1870
21247
32 398
16 537
45 759
1871
24644
37 172
16 539
39 561
1872
26161
41423
13 371
82 453
1873
80296
49420
14138
33 778
187i
SB 351
63 881
21459
30 781
1876
96699
63213
33 8(50
42473
Der Verkehr auf dem Südbahnhof Königsberg ist bereits
in dem von der Südbahn handelnden Abschnitt vorliegender
Arbeit tabellarisch dargestellt. (S. 17.)
Besonders merkwürdig ist die Thatsache, daß die Frequenz
der vorher für das sÜdwestUche Ostpreußen und den angrenzen-
den Teil von "Westpreußen in betracht kommenden Stationen
der Haffbahn trotz der durch die neue Linie bedingten Schmäle-
rung des Hinterlandes derselben ungestört zu steigen fortfuhr,
-während die neu eingerichteten Stationen gleichzeitig ebenfalls
einen den Kräften ihres Gebiets entsprechenden Verkehr auf-
zuweisen hatten. Wie gering müssen also früher die geschäft-
lichen Beziehungen dieses Landesteils mit dem „Reich", wie
groB die Wirkungen der neuen Bahn gewesen sein!
So erfreulich nun diese Erleichterung des direkten Verkehrs
mit dem Westen war, so hatte auch sie ihre Kehrseite. Sie
bedeutete einen Verlust für den Seehandel. Der infolge schlechter
Ernten eingetretene Rückgang der Getreidezufuhr nach Danzig
am Anfang der 70er Jahre hätte lange nicht so gewaltig sein
können, wenn nicht große Massen Getreides auf der Thoru-
lusterburger Bahn nach Schlesien und Mitteldeutachland befördert
worden wären, wo der Bedarf durch gleichzeitige Mißernten
gesteigert wurde.
DigtizBabyCoOgIC
Von Panl NeuhauB.
3
Dauzigs:
Wert des Danziger Stromverkehrs
in denselben Jahren:
Za Wa««r
Per Ostbahn
Einfuhr
Ausfuhr
Toonen
Mark
1871
229 882
61240
73 £44 600
20 975 100
1872
142470
62132
53249620
28 628900
1873
66 364
59171
48142190
23 715 810
1874
92050
62865
43422000
U 466 000
1875
126884
87 496
37 724 000
15097 000
1876
86 574
68440
33 915000
14852 000
Viel empfiu-ilicher wurden natürlich die ganz auf die Provinz
angewiesenen Plätze Elbing tind Braunsbei^ durch einen Verlust
an Hinterland getroffen. In den Motiven zur Thom-Insterbiwger
Vorlage heißt es: der Verkehr des oherländischen Kanals werde
sich vermutlich steigern. Das Gegenteil trat ein.
Zufuhr von Getreide nach \ 1872: 22090 Tonnen
Elbing vermittelst des > 1873: 10 710 „
oberländischen Kanals. ) 1878: 11420 „
Nur Königsberg kam, wie schon erwähnt, vermöge seiner
Verbindung mit der neuenBahn über Korschen ohne Schaden davon.
Unter diesen Umständen hatte Danzig alle Veranlassung,
sich des bereits im Jahre 1862 in den östlichen Orenzkreisen
des Regierungsbezirks Marien wer der aufgeworfenen Projektes
einer Bahn
T. Harienbur^-Hlawka
wärmstens anzunehmen. In erster Linie war diese Bahn dazu
bestimmt, den beträchtlichen Umweg über Alexandrowo durch
eine gerade Verbindung "Warschaus mit der Ostsee zu ersetzen.
"Während jener 458 km lang ist, mißt die Luftlinie nur 286.
Da von der Regierung nichts zu erwarten war, hatten die Städte
Danzig und Marienburg und die Kreise Marienburg, ßosenberg,
Löbau und Neidenburg 28 500 Em. aufgebracht imd 1864 die
Vorarbeiten (für diö preußische Strecke) ausführen lassen. Die-
selben waren noch in demselben Jahre dem Ministerium über-
geben und von diesem im folgenden Jahre genehmigt worden.
DigtizBabyCoOgle
30 Dbs preußische Eisenbahnnetz im Osten der Weiclisel.
Inzwischen hatte eich das Komitee auch au die Statthalterschaft
der russischen Weichaelprovinzen gewandt, tun hier auf den
ÄbachluU eines Staatsvertrages hinzuwirken. Indes wurde von
russischer Seite diesmal nur die Linie festgestellt nnd die Vor-
arbeiten 1865 dem Statthalter übergeben. Der Plan, englische
Gesellschaften zum Bau zu bewegen, wurde durch die damalige
englische Geldkrisia vereitelt. Deraelbe preußische Landtag
aber, welcher die Thom-Insterburger Bahn beschlossen hatte,
lehnte die Mittel für die Querlinie Merienburg-Dtsch. Eylau ab.
Dafür konnte die russische Regierung nach Vollendung der
Linie Brest-Grajewo nicht wohl die Konzession abschlagen und
so erfolgte dieselbe von beiden Staaten im Jahre 1872. Am
1. August 1876 wurde die Strecke bia Dtsch. Eylau, am 15. Mai 1877
Dtseh. Eylau-Soldau eröffnet, am 1. September 1877 der An-
echlufi an die ruasiache Weicbselbahn vollzogen.
Die Marienburg-MIawkaer Bahn hat eine Länge von 142,»? km
nnd bildet eine eingeleisige Hauptlinie. Das Grundkapital der
Gesellschaft betrug bis zum Jahre 1886 25 680 000 Em.
Daa preußische Gebiet der Bahn umfallt die Stadt Marien-
burg nebst Umgegend, die Mitte und den Südosten des Stuhmer
KreiseB, den Roaenberger mit dem angrenzenden Stück des
Mohrunger, die Ostbälfte des Löbauer nnd das westlichste Drittel
des Neidenburger Kreises (vor der Vollendung der Linie Ällen-
stein-Soldau die Hälfte des letztgenannten), zusammen 2330 p|km
mit 136 000 Einwohnern. Die Bahn berührt die Städte Marien-
burg 10160 E.), Riesenburg (3900), Roaenberg (3200), Dtstjh.
Eylau (6750) und Soldan (3200). Löbau (5000) ist durch eine
Qfiü km lange Sekundärbahn mit der Hauptlinie (Station Zajons-
kowo) verbunden (seit dem 1. August 1884). Durch Landstraßen
stehen mit der Bahn in Verbindung: Christburg (3500; 17 km
von Station Nikolaiken), Saalfeld (3150; 30 km von Riesenburg,
27 von Rosenberg), Freystadt (2400; 16 km von Rosenberg),
Neumark und Kauemick (2850 u. 1100; 8 n. 11 km von "Weißen-
burg) und Gilgenburg (2000; 17 km von Koschlau). Auch die
nördlicheren "Weichselstädte Stuhm, Marienwerder, Gamaee und
DigtizBabyCoOgIC
Von Paul Neuhans. g]^
Lessen verkehren wegen der Länge des Schienenweges übw
Marienburg lieber direkt mit der Marienbnrg-Mlawkaer Bahn,
desgleichen Lautenburg an der von Jablonowo kommenden Bahn.
Von anderen Verkehrswegen kommunizieren mit der Marienburg-
Mlawkaer Bahn die Nogat, der Geaerich-See, die Linie Thom-
Insterburg und in geringem Grade auch die beiden in Soldau
abzweigenden Se kondärb ahnen , welche indes mehr als Kon-
korrenzronten in der Eichtung auf Königsberg und Stettin
anzusehen sind.
Bei der Grenzstation Hlowo schließt sich an die Marien-
burg-Mlawkaer Bahn die russische Weichselbahn Hlowo-Kowel
(535 km, wovon 120 diesseits Warschau). Der Schienenweg von
Danzig nach Warschau wurde hiedurch um 138 km abgekürzt
(über Alexandrowo 450, über Illowo 312 km). Die Herstellung
eines Verbandtarifs machte große Schwierigkeiten, da der preußi-
sche Handelsminister einen solchen für die Ostbahn, welche ja
von Marienburg bis Danzig passiert werden mußte, nur ftlr den
Fall gestatten wollte, daß auch die russische beteiligte Bahn den
damals im deutschen Reich sehr eifrig befürworteten ßeform-
tarif annehmen würde. Das geschah nun nicht, aber die Ost-
bahn gestand wenigstens einen direkten Verkehr zwischen Danzig
und den jenseits Warschau belegenen Stationen zu, ohne hier
auf dem Beformtarif zu bestehen. Für die nördlichen Stationen
half man sich durch Einrichtung eines direkten Verkehrs Marien-
burg-Warschau, wobei die Einzahlung der Frachten in Danzig
zugelassen wurde. ^) Die Verbindung mit den russischen Sftd-
westbahnen über Kowel ist für Danzig schon natorgem&ä von
geringerer Bedeutung als für Königsberg, dazu kommt noch,
daß der Verkehr nach letzterem nur 2, der nach Danzig aber
4, verschiedenen Besitzern gehörige, Bahnen benutzen mußte
Wie Danzig trotzdem einige Zeit mit Königsberg in Südwest-
Boßland konkurrierte, ist auf 3. 19 angegeben worden.
1) Dr. Dollo, S. 69 ff.
DigtizBdbyGOOgle
32 ^^ preußische Eisenbahnoet^ im Osten der Weichsel.
Die Eröfibuug der Marienbnrg-MIawkaer Bahn hat (wenig-
stens im Gilterverkehr) die Frequenz der Oatbahnstation Marien-
burg mehr gesteigert, als diejenige von Alexandrowo vermindert;
Marie«b«rg , , ^""°°J°
ÄngekonimeG Abgegangen
Tonnen Gttter
1876
87 7®
89464
33172
20570
1876
92114
93823
37 743
21443
1879/80
100748
98012
54675
22878
ISSC,«!
88114
44 466
19116
1881/82
96 501
61379
19 456
1882/83
94327
69 604
19752
llexaDdrowo
1875
42553
23816
28265
34 301
1876
37 682
20201
28 765
38654
1879/80
34 772
23 742
40421
53152
1880/81
23250
28114
29844
1881/82
20976
25200
44 496
1882/83
21309
27 993
37 690
Weniger von anderen Momenten gestört zeigt sich der
Einfloß der neuen Bahn in der Güterfrequenz des Bahnhofs
Danzig-Legethor :
Tonnen Güter
Angekommen Abgeg&ngeu
1876
117 008
86092
1876
112954
79 968
1879/80
235119
89022
1880/81
173136
109 904
1881/82
326 811
100442
1882/83
418136
110887
Auch Elbing, welches ja 20 km näher an Marienburg
liegt als Danzig, hat von der Eröflfnung Gewinn gehabt, obwohl
die dortige Kauünannscbaft, welche die Bahn lieber in Elbing
hätte münden sehen mögen, eine Benachteiligung behauptete.
Freilich sank die Getreidezufuhr auf dem oberländischen Kanal ')
von 11420 Tonnen im Jahre 1878 auf 6 828 im Jahre 1882.
Der Güterverkehr der Ostbahnstation aber stieg in größerem Maße:
1) Die Oewichtsmengen sind nicht bei allen Artikeln angegeben,
DigtizBabyCoOgIC
Von Paul Neubaos. 33
Tonnen Güter
ÄDgekommeu Abgegangen
1876 27 874 30746
1876 86210 22 678
1879/80 45670 22 567
1880/81 55154 24528
1881/82 64366 32 002
1882/83 61 500 36 500
Hanptstapelartikel sind') Getreide, Kartoffeln, Melasse, Holz,
Mühlenfabrikate, Häute, Matten, Lumpen, Steinkohlen, Roheisen,
Petroleum, Heringe, Vieh.
Als Verbindung zwischen der Ostbahn und der Thom-
Insterburger, sowie zwischen Danzig und Warschau fUllt auch
der Marienburg-Mlawkaer Bahn eine militärische Aufgabe zu,
welcher sich dieselbe als Staatseisenbahn natürlich im Ernstfälle
vollständiger unterziehen könnte wie als Privateigentum.
Eine weitere Transversallinie erstand in der Seknndärbahn
Tl. Insterburg-Lyck
(118,79 km),
welche auf gnmd eines Gesetzes vom 17. Juni 1874*) gebaut
und bis Goldap am 15. November 1878, bis Lyck am 1. Juli 1879
eröänet wurde. Ihre Kosten betrugen 22 950 000 Bm., also
193 199 pro km.
Diese Bahn vermittelt zunächst den Verkehr des mittleren
und südöstlichen Teiles des Giimbinner Begierungsbeadrks, be-
stehend aus kleinen Grenzstücken der Kreise Insterburg, Gum-
biunen und Stallupönen, aus dem größten Teil von Darkehmen
und Goldap, der Nordosthftlfte von Angerbnrg, Oletzko und einem
großen Teil von Ljok, zusammen 2000 Q km mit 140 000 Ein-
wohnern. Unmittelbar verbunden werden Insterburg (21000),
Darkehmen (3150), Goldap (5500), Marggrabowa (4600) und
Lyck (8650). Ängerburg (4500) hat Postverbindung. mit dem
1) Versand- nnd Empfangsorte sbä nicht angegeben.
2) Motive: Anlagen, 1873/74, Bd. n S. 1183.
Altpr. HoDBtHohrift Bd. XZVL Hft. 1 o. S. 3
DigtizBabyGoOgIC
34 Das preuflische Eisenbahnnetz im Osten der "Weichsel.
33 km entfernten Darkehmen. Die Chauseeeen Darkehmen-
Insterburg, Darkehmen-Gumbinnen, Gkildap-Gumbinnen, Goldap-
Widminnen (Sädbahn) und Marggrabowa-Lyck haben durch die
Bahn naturgemäß ihre frühere Bedeutung eingebüfit. Dagegen
muQteu die Strafen nach den polnischen G-renzorten Wyszaynie
und Przerosl (44 u. 33 km von G-oIdap), Pilipowo (16 km von
Station Kowahlen über den preußischen Qrenzort Mierunsken),
Baklarzewo, Eaczki und Suwaiki (7,6, 20 u, 35 km von Marggra-
bowa) an Lebhaftigkeit gewinnen.
Bei der Einbringung der bezügl. Bahnvorlage hatte die
ßegieruBg aber nicht nur den zu erschließenden Landstrich und
ihr eigenes IntereBBe, welches eine der G-renze möglichst parallele
Verbindung mit Lyck erheischte, im Auge, sondern sie gedachte
vermittelst derselben auch Memel an dem Verkehr mit dem
russischen Südwesten teilnehmen zn lassen. Die dortigen Bahnen
hatten ein© ungeheure Menge von Bodenprodukten herbeigeschaffl;,
deren Absatz die russischen Häfen samt Königsberg und Pillau
nicht recht bewältigen konnten. Leider währte der Bau der
Bahn 6 Jahre; 1879 kam ihre Vollendung zu spät, wie schon
ans der Darstellung der Königsberger Verhältnisse hervorgeht.
Es wurde ja wie gesagt eine überaus günstige Geschäftslage
vorausgesetzt und nur an eine Entlastung Königsbergs, nicht
an Konkurrenz mit diesem gedacht. Die Entfernung Memels
von Prostken beträgt ja 280 km, diejenige Königsbergs und
Pillaus aber nur 197 resp. 243. Mögen die Zahlen sprechen.
Tonnen
Güterfrequenz der Angekommen Abgegangen
Station Memel:
14435
19 27G
7503
21887
5693
20416
8 565
27 926
17 363
26277
8 233
21815
12 826
20004
Es werden mit der Insterburg-Lycker Bahn hauptsächlich
versandt: Getreide und Mehl nach Listerburg, Königsberg und
DigtizBabyCoOgIC
Von Paul NeuhawB. 35
teilweise auch nach Memel, Vieh, Butter und Käse meist nach
Berlin, Steine aus der Qoldaper Gegend nach Insterburg, Ziegel
und Drainröhren von Lyck nach Darkebmen u. a. 0., Lampen
von Goldap and Marggrabowa nach Insterburg und Königsberg,
Wolle and Fischemetze von Kowahlen nach Lyck, Johannisburg
nnd Osterode, Krebse von ebendaher nach Lyck und Berlin,
Spiritus nach Insterburg und Tilsit, Bier von Marggrabowa nach
verschiedenen masurischen Orten; Messingwaaren von Darkehmen
nach Insterburg, aber auch nach Königsberg und Berlin.
Empfang: Steinkohlen von Oberachlesien, Pillau, Königs-
berg und Memel, Schmiedekohlen von Pillau nach Darkehmen,
Holz von Tilsit und aus BuUland (sowohl über Prostken als
auch Aber Eydtkiibnen) nach den Städten des Bahngebiets,
Dongemittel von Insterburg, den Seehäfen und Staßfurt, Salz
von Pillau und Memel, Bier von Königeberg und Marggrabowa,
Material-, Kolonial- nnd Manufakturwaaren von Lyck, Insterbarg,
Königsberg und Berlin.
TII. Graadeuz-Soldaa.
In Ausführung des Gesetzes vom 17. Juni 1874 wurde
auch die 51,t« km lange Strecke Laskowitz-Jahlonowo dem
Betriebe Obergeben (am 15. November 1878). Der Zweck der-
selben war, ein Zwischenglied zwischen den beiden Ostbahn-
Hauptlinien Bromberg-Dirschau und Thom-Insterburg herzustellen,
dem reichen rechten Weichselufer dadurch einen bequemeren
Absatzweg zu öfTnen und zugleich zwischen Thom und Dirsohau
einen dritten "Weichsel-Brückenkopf zu schaffen in Anlehnung
an das als Festung zwar aufgegebene, durch seine günstige
Lage aber noch immer militärisch sehr wichtige Graudenz. Es
wurden hierfür 18000000 Em. ausgeworfen, mithin 360000
pro km. Bei der Wichtigkeit des strategischen Moments ver-
stand es sich von selbst, daß diese Bahn nicht vereinzelt stehen
bleiben, sondern Fortsetzangen nach West und Ost erhalten
DigtizBabyCoO^IC
3g Das preulliscbe Eisenbahnnetz im Osten der Weichsel.
Würde. Die Geaetze vom 25. Februar 1881 ') und 4. April 1884*)
haben solche denn auch angeordnet. Am 15. August 1883 wurde
die Strecke Laskowitz-Konitz, am 1. November 1886 Jablonowo-
Strasburg und im Laufe des Jahres 1887 das Endglied Strasburg-
Soldau eröffnet. Da in Konitz die von Wangerin kommende
und in Soldau die ' Marienburg-Mlawkaer Bahn anschließt, so
sehen wir hier eine Verbindung Warschans mit Stettin, dem
Bivalen Danzigs im westlichen Polen, vor uns.'j Dieselbe mlBt
662,«i km, also noch etwas weniger als die Verbindung über
Alesandrowo (663,a9). Von jener Länge entfallen 108,7 km auf
die im Osten der Weichsel befindliche Sekundärbahn Graudenz-
Soldau, welche im ganzen einen Kostenaufwand von 11252000 Km.
(94 713 pro km) verursacht hat.
Diese Bahn erschließt den südlich der Ossa belegenen Teil
des Graudenzer Kreises, den Strasburger imd den auch zur
Marienburg-MIawkaer Bahn gravitierenden Südwesten von Neiden-
burg, zusammen 2000 Qkm mit 111700 Einwohnern. Sie ver-
bindet die Städte Graudenz (17 350), Strasburg (6000), Lauten-
butg (4000) und Soldau (3200). Außerdem gehören zu ihrem
Gebiet Kehden (2000; 7 km von Station Melno), Kauemick und
Neumark (1100 und 2850; 24 und 27 km von Straaburg, welches
überhaupt einen ansehnlichen Kreuzungspunkt von Straßen, be-
sonders von ans Polen kommenden, bildet), und Gurschno
(1950; 6,s km von Station Klonowo). Außer der Marienburg-
MIawkaer Bahn kreuzen die Thom-Insterburger (bei Jablonowo)
und die Weichselstädtebahn (bei Graudenz).
Es werden hauptsächlich aus dem Gebiet der Bahn ver-
sandt: Getreide nach Graudenz, Thom, Danzig und Berlin, Stroh
aus der Graudenzer Gegend nach Alt-Carbe (bei Friedeberg in
1) Motive: Anlagen 1880/81, Bd. H, S. 1313.
2) Motive; Anlagen 1883/84, Bd. U, S. 1218.
3) Mit Bücksicht auf diese konnte die RegieruDg den Bitten derer,
welche die Linie Orandenz-Dtsch. Eylau lieber gesehen hätten, nicht Qebör
DigtizBabyCoOgIC
Von Paul Neuhans. 37
der Nenmark), Kartoffeln nach Küstrin, Stettin und Hamburg,
Znckerrilben aus dem westlichen Teile nach Melno und Schönsee,
Rohzucker von Melno nach Danzig-Neofafarwasser, Zuckerrüben-
Samen von ebendaher nach Bußland, Vieh (besonders Schafe,
Schweine und Pferde), "Wolle nnd Butter nach Berlin. — Empfangs-
artikel; Steinkohlen aus Oberschlesien, zum Teil durch Vermitte-
lung von Grandenz, Schmiedekohlen von N'eufahrwasser nach
Helno, £alk von Montwy (bei Inowraclaw) und Grogolin, Ziegel
von Grandenz, Holz aus der Tucheier Haide, sowie aus der
Gegend von Soldau und Löbau, Bübenscbnitzel von Melno,
Melasse hierhin von Marien werder , Inowraclaw und Gnesen,
Möhl, Bier und Spirituosen von Thom, Grandenz und Strasburg,
Kolonial- und Materialwaaren von Banzig und Grandenz, Salz
und Düngemittel von Inowraclaw, Nenfahrwasser und Danzig.
Ende 1879 erklärte die Eegiemng in einem dem Abge-
ordnetenhause vorgelegten Entwurf) betr. den Bau von Eisen-
bahnen untergeordneter Bedeutung, daß sie es als ihre Pflicht
ansehe, den Eisenbahnbau ihrerseits fortzusetzen, da von der
Gründerzeit her viele Industrielle auf denselben angewiesen, die
Interessenten aber trotz des dringendsten Bedürfnisses nicht im-
stande seien, aus eigenen Mitteln Lokalbahnen zu bauen. Die
Herstellung solcher im Anschluß an die bereits bestehenden
Linien sei die Aufgabe der nächsten Zukunft. Demgemäß ver-
fügte zunächst ein Gesetz vom 9. März 1880 ^) den Bau der
13ö,ai km langen
Tin. Weieliselstädtebahn
von Thom nach Marienburg mit Abzweigung von Komatowo
nach Culm (17 km). Davon wurde die Strecke Thom - Cnlmsee
am 1. Juli 1882, Gulmsee-Oraudenz am 1. November 1882, der
1) Anlagen, 1879/80 Bd. I. S. 287.
2) Motive: Anlagen, IS?»,^ Bd. I. S. 288,'289.
,dbyGoogle
33 I^BB preußiuihe Eisenbahnnetz im Osten der Weiclise).
Best am 16. A-Ugust 1883 erö^et. Dazu kam am 16. De-
zember 1886 die Zweigbahn Oamsee-Lessen (13,b km, Oesetz vom
19. April 1886).^) Die Kosten betrugen im ganzen 10882000 Rm,,
also pro km 66 193. Die Bahn durchschneidet ein Gebiet von
2370 □km mit 190000 Einwohnern; dasselbe besteht aus dem
größten Teil des Thomer Kreises, dem Culmer, der Hälfte des
Graudenzer und des Marien werd er er, dem westlichen Drittel des
Stuhmer und der Stadt Marienburg nebst Umgegend. Unmittelbar
an. der Bahn liegen die Städte Thom (24000 E.), Mocker (6850),
Culmsee (4700), Culm (10200), Graudenz (17350), Gamsee (1350),
Lessen (2400), Marienwer-ier (8100), Stuhm (2360), und Marien-
burg (10 150). Für diese Städte war die Bahn ein tiefgefühltes
Bedürfnis. Da nach der Vollendung der eigentlichen Ostbahn
noch 15 Jahre lang nur eine einzige Brücke über die "Weichsel
zwischen Warschau und Danzig führte, nämlich die Dirschauer,
so war der Verkehr mit dem linken Weichselufer auf den
schwerfälligen Stromtrajekt angewiesen, welcher zu gewissen
Zeiten durch die Witterung ganz unterbrochen wurde. 1870
mußte er z. B. 114 Tage, 1871 67, 1872 112 Tage lang ruhen.
Solche Überfahren bestanden resp, bestehen zwischen Thom und
der Vorstadt Podgorze, zwischen Ostrometzko und Fordon (Brora-
berg), zwischen Culm einerseits, der Station Terespol und Schwetz
andererseits, bei Gi^audenz (nach Station Warlubien), zwischen
Gr. Nebrau (Garnsee und Marienwerder) und Neuenburg (War^
lubien), bei Kurzebraak (zwischen Marienwerder und Station
Czerwinsk), sowie endlich bei Mewe (Pelplin) in der Richtung
auf Marienwerder. Verlieh die Nähe der Linie Bromberg-
Dirschau den Weichtelstädten selbst (auf Kosten des Landes,
welchem die Durchschneidung not that) erhöhte Bedeutung, so
machten ihnen die späteren Eisenbahnbrücken bei Thom und
Graudenz eine gefährliche Konkurrenz, welcher nur dadurch die
Spitze abgebrochen werden konnte, daß man den Verkehr wieder
in die natürliche Richtung Süd-Nord lenkte.
1) Motive; Anlagen, 1886, Bd. II. S. lOlS a. lOU.
DigtizBabyGoOgIC
Ton Ptiul Neuhaus. 39
Die "WeiehselstAdtebahn erhebt sich vorläufig noch nicht
zu der über die Grenzen der Provinz hinausreicbenden verkehrs-
geographischen Bedeutung, zu welcher sie ihrer Lage nach wohl
berufen wäre. Sie verkürzt zwar den Schienenweg von Älexan-
drowo nach Danzig und denjenigen von Posen nach Oberschlesien,
nach dem nördlichen Teile des Ostweichsellandes. Der sekundäre
Betrieb hindert die Bahn jedoch, den Verkehr zwischen den
genannten Gegenden in dem wünschenswerten Maßstäbe an sich
zu ziehen. — Wichtiger ist die Abkürzung der Entfernung
Thorns von den anderen Brückenköpfen und den Festungen
Danzig and Königsberg in strategischer Beziehung.
Versand: Getreide und Mühlenfabrikate nach den Weichsel-
märkten einschl. Danzigs, nach Bromberg, Schlesien, der Lausitz,
Sachsen u. s. w., aus dem nördlichen Theile auch nach den
Haffbahnstädten, Kartoffeln nach den Weichselmftrkten, Danzig,
Elbing, Küstrin und weiter nach Westen, Zuckerrüben aus dem
Culmerlande nach Culmsee und von hier Eübenachnitzel nach
dem übrigen Culmerlande, Bohzucker von Culmsee nach Neu-
fabrwasser, Holz von Thom und Mocker nach allen Richtungen,
Vieh nach den Bahnstädten, nach Berlin und seewärts, Wolle
aus dem Culmerlande nach Thom, Berlin und Leipzig, sowie
von Thorn nach Berlin, Lodz, Moskau und St. Petersburg,
Spiritus nach Königsberg, Danzig, Antwerpen, Paris u. a. O.,
Eisenwaaren und Maschinen von Thorn, Mocker, Marienwerder
nach verschiedenen Richtungen, Fässer von Mocker nach Ruß-
land. — Empfang: Steinkohlen von Oberschlesien und Neofahr-
wasser, Kalk von Öogolin und der Inowrazlawer Gegend,
Cerealien und Petroleum aus Rußland nach Thom, Holz aas der
Tuchler Heide und den östlichen Grenzkreisen des Regierungs-
bezirks Marienwerder, Kolonial- und Materialwaaren, Manufak-
turen u. s. w. von Königsberg, Danzig und dem Westen, Pfeffer-
kuchen von Thorn, Dachpappen, Asphalt, Theer, Steine u. s. w.
von Mocker.
,dbyGoogIe
40 Das preußische Eisenbahnnetz im Ost«n der Weichsel.
Außer der Weichselstädtebahii lieS das besetz vom
9. März 1880') die 85,ob km lange Sekundärbahn
IX. Allenstein-GQldeDboden
erbauen und setzte für dieselbe die Snmme von 2 532000 Km.,
also 29 760 pro km aus. Am 1. November 1882 wurde die
Strecke Güldenboden-Mohmngen eröffnet, Mobmngen-Allenstein
am 16. August 1883. Die Bahn erschließt die Sädwesthalfte des
Pr. Holländer, den größten Teil des Mohrunger, den Äußersten
Nordosten des Osteroder und den Nordwesten des Allensteiner
Kreises, also einen der besten Teile Ostpreußens mit 1700 Qkm
und 92 000 Einwohnern, Sie verbindet die Stfidte Pr. Holland
(4900 E.), Mohrnngen (3900) und Alienstein (11600). Regel-
mäßiger Reiseverkehr findet statt: von der Station Maldeuten
nach den 14 und 20 km entfernten Städten Saalfeld und Liebe-
mühl (3150 und 2400), sowie von Mohrnngen nach dem 16 km
entfernten Liebstadt (2600). Außerdem sind zu nennen die
Chausseeen von Pr. Holland nach Liebstadt im Südosten und
Miswalde im Südwest und von Saalfeld westwärts Über Pr. Mark
nach Christburg.
Diese Querlinie zwischen der Tbom-Ineterburger und der
Ostbahn hat für die Beziehungen des provinziellen Binnen-
landes zum Seehandel dieselbe Bedeutung wie die Marienhurg-
Mlawkaer. Das von dem Ansehlußpnnkte Güldenboden 12^ km
entfernte Elbing aber sieht sich in seineu Hoffnungen getäuscht.
Die dortige Eisenbahnstation weist nicht die erwünschte
Steigerung der Güterfrequenz auf und die Getreidezufuhr ver-
mittelst des oberländischen Kanals hat sich erst im Jahre 1885
wieder dem Stande von 1882 genähert.
Güterfiequenz der Bahnstation Elbing: Getreidezufuhr naoh I
Tonnen
per Kanal:
Angekomn
■en Ah^e^gen
1882 6828 Tonnen
1881/82 64 366
1883 3193 _
1882/83 61 600
35 600
1884 2946 -
1883/84 75 186
41958
18^ 6717
1885/86 58604
34 531
1886 6197 „
1) Motive: Anlagen 1879/80, Bd. I. S. 287.
,dbyGoogIe
Von. Paul NeuhauB. 41
Die Bahn wird eben die Anziehungskraft von Danzig und
Königsberg veretÄrkt, sowie die direkte Beförderung nach Westen
anagedebnt haben. Im übrigen wird über ihren Charakter im
Znsammenhange mit der Linie Allenntein-Lyck zu sprechen sein.
Versandt werden hauptsachlich Getreide nach den ostr und
westpreuJlischeD Häfen, besonders Elbing und Damtig, sowie nach
Berlin und Sachsen, Flachs aus dem Kreise Pr. Holland nach
Schlesien, Zuckerrüben von ebendaher nach den Fabrikorten des
Werders, Kartoffeln namentlich aus der Gegend zwischen Moh-
mngen und AUenstein nach den lokalen Märkten, den Häfen
und bis nach Tilsit, Brennholz im Binnenverkehr, Bau- und
anderes Nutzholz nach den provinziellen Seeplätzen, sowie nach
verschiedenen Orten von Nord- und Mitteldeutachland bis nach
Kiel, Vieh, Wolle, Butter und Käse besonders nach Berlin und
Königsberg, Krebse aus der Mohrunger Gegend ebendorthin,
Steine und Knochen nach den Nachbargebieten. Empfangs-
gegenstände: Steinkohlen von Oberschleaien und den westpreußi-
schen Häfen, Kalk von Gogolin und Amsee (bei Inowrazlaw),
Salz und Düngemittel von Neufahrwasser und Inowraclaw, Ge-
treide, Mehl, Bübkuchen, Kleie, Kolonial- und Materialwaaren
von den Seestädten, Mehl besonders aber auch von AUenstein,
Bier von den lokalen Städten, von Königsberg, Brannsberg und
Elbing, Manufaktur- und Kurzwaaren von Berlin und Mittel-
dentschland, Maschinen und Geräte von verschiedenen indu-
striellen Orten.
5,9 km vor AUenstein mündet in die eben besprochene
Linie die auf grund des Gesetzes vom 2B, Februar 1881 ') ge-
baute 103,(7 km lange Sekundärbahn
X. Kobbelbnde-GöttkendoTf.
Von derselben wurden die Strecke Kobbelbude-Wormditt
am 1. Juli 1886, Wonnditt-Göttkendorf und die 27,]a km lange
Zweigbahn Brannsberg-Hehlsack am 1. November 1884 eröffnet.
1) Motive: Anlagen 1880/81. Bd. II. S. 1309.
DigtizBabyCoOgle
42 ' I^ofi preußische Eiseabahnnetz im Osten der Weichsel.
Die Kosten betragen ausscbl. des in diesen Fällen meist un-
entgeltlichen Grunderwerbs 10166 000 Em., als 98060 pro km.
Diese Bahn erschließt den Osten des Heiligenbeiler, den
"Westen des Pr. Eylauer, zwei Drittel des Braunsberger, den
größten Teil des Heüsberger und kleine Stücke im Norden des
Mobrunger und des Allen.'^teiner Kreises; zusammen 2600 Qkm
mit 160 000 Einwohnern {einschl. der Anschlußpnnkte). Die
Bahn verbindet die Städte Zinten (3500), Meblsack (3900),
Brannsberg (10800), "Wormditt (5300), Guttstadt (5000) und
Allenatein (11 600), Chausseeverbindungen besteben mit Creuz-
burg (2200 E., 16 km von Zinten), Landsberg (3000, 20 km von
Bahnhof Lichtenfeld), Heilsberg (6000, je 35 km von Mehlsack
und Wormditt, 23 von Guttatadt) und Liebstadb (2600, 23 km
von Guttstadt).
Durch diese Bahn wurde dem Braunsberger Handel das
durch die Linie Thom-Insterburg entrissene Hinterland zurück-
gegeben. Leider können hier keine statistischen Daten von
Wert gegeben werden, da der Verkehr der verschiedenen kreuzen-
den Ostbahnlinien nicht geschieden wird, der in den Betriebs-
ergebnisaen erkennbare Ausfall für die Braunsberger Bahnstation
allein von Interesse ist und die „Jahresberichte der Handels-
kammer zu Braunsberg" den Umfang des Güterverkehrs auf den
Landstraßen stets mit Stillschweigen übergangen haben. Für
Königsberg wäre die Abkürzung des Weges nach AUenstein um
22,8 km und die Erschließung des dazwischen liegenden Gebietes
nicht so wichtig gewesen, wenn es sich nicht zugleich um die
Gewinnung Warschaus gehandelt hätte, welche durch die jüngst
erfolgte Vollendung der Linie Ällenstein-Soldau zur Thatsache
geworden ist. Im Hinblick auf sie wurden außer der gewählten
Eoute zwei andere der Regierung vorgeschlagen: 1. die möglichst
gerade Verbindung Allensteins mit Kobbelbude, 2. eine mehr
östliche über Guttstadt, Heilsberg und Landsberg, womöglich
mit Anschluß an Pr. Eyku. Abgesehen von den Terrainschwierig-
keiten, welche die letztgenannte Linie dem Bau, und der un-
nötigen Konkurrenz, welche sie der Südbahn bereitet hätte, gab
DigtizBabyCoOgIC
Von Paul Nenhaus. 48
die ßegiemng der Verbindung MeMsacks, Wormditts und Gutt-
Bt&dts den Vorzug, da sie bei den Sekundärbahneu in erster
Linie lokale Interessen im Äuge behalten muSte und namentlich
keine Veranlassung hatte, Braunsberg um eines zweifelhaften
Gewinnes für Königsberg willen zu opfern.
Ea werden vorzugsweise versandt: Getreide, Mehl, Holz,
und Steine nach den Bahnstädten, den Seeplätzen und Berlin,
Flachs von Guttstadt, "Wormditt und Mehlsack nach Braunsherg
and Schlesien, Vieh und Butter nach Königsberg, Berhn und
Hamburg, Himbeeren in großen Massen von Guttstadt nach
Königsberg, Danzig, Graudenz, Posen u. s. w., Seife von Gutt-
stadt in die Provinz, Fastagen namentlich aus der Zintener
Gegend nach Königsberg. — Empfang: Steinkohlen von Ober-
scblesien und den Seehäfen, Elalk von Gogohn, öl von Banzig
nach der Guttstädter Seifenfabrik, Salz von seewärts, sowie von
Staßfurt und Schönbeck, Kolonial- und Materialwaaren, Bier und
Spirituosen von den Seehäfen, Bier auch von Ällenstein, Guttstadt
und Zinten, Streichhölzer von Ällenstein und Königsberg,
Industrieprodnkte und andere Stückgüter von Industriestädten
und den Lokalmärkten.
XL Ällenstein -LfCk.
In dem bereits erwähnten Gesetz vom 25. Februar 1881
war u. a. auch eine Eisenbahn Alienstein - Johannisburg vorge-
sehen worden, ein weiteres Gesetz vom 15. Mai 1882 ') be-
stimmt« die Fortsetzung derselben nach Lyck. Im ganzen wurden
12 630000 Rm. bewilligt, also 80 236 pro km. Am 1. No-
vember 1883 wurde die Allenstein-Ortelaburger Strecke eröffiiet,
tun 15. August 1884 Orteisburg -Johannisburg und am 16. No-
vember 1886 Johannisbnrg-Lyck. Die Gesamtlinie hat eine
Länge von 157,4i km und befindet sich ebenfalls in sekundärem
Betriebe.
1) Motive: Anlagen 1882, Bd. L S. 728/29.
DigtizBdbyGOOgle
44 Das preußische Eisenbahnnetz im Oal«D der Weichsel.
Sie durchschneidet das meist unfruchtbare Masuren in seiner
ganzen Länge von West nach Ost, speziell die im Gegensatz za
den übrigen Teilen dieses Landes überaus einförmige Jobanuis-
buiger Heide, das größte Waldrevier Ostpreußens. Es gehören
zum Bahngebiete Vs des Neidenburger, der Ortelsburger mit einem
Stück des Allensfceiner, der Johannisburger, der größte Teil des
Sensburger und 7« des Lycker Kreises mit zusammen 5250 Qkm
und 210000 Einwohnern. Direkt verbunden werden Allenstein
(11 600), Passenbeim (2100), Jobannisburg (3100), Bialla (1700)
und Lyck (8625). In der Nachbarschaft liegen Wittenberg
(2700 E., 20 km von Ortelsburg), Nikolaiken und Sensburg
(2*X) und 3800, 23 und 34 km von Rüdczanny), sowie Arys
(1500, 25 km von Johannisburg). Außer den Landstraßen nach
diesen Städten sind noch diejenigen von Ortelsburg über Mens-
guth nach Biachofsburg und von Johannisburg nach dem 30 km
entfernten polnischen Grenzstädtehen Kolno (5200) zu nennen,
sowie die Wasserverbindung Johannisburgs einerseits über den
Spirding-, Tatter- und Löwentin - See mit Nikolaiken, Rhein,
Lötzen, andererseits südlich durch den Piscbäuss mit Narew,
Bug und Weichsel,
Die Eröffnung der Linie Allenstein-Lyck ist für Masuren
epochemachend, denn erst durch sie wird ein lebhafterer Ver-
kehr dieses ziurüekgebliebensten Teiles unserer Provinz mit der
Außenwelt und infolgedessen die Hebung und Verwertung bisher
latenter Bodenschätze ermöglicht. Im Anschluß an die Linie
Inste rburg-ThoTO verbindet sie dieses holzreicbe Gebiet mit dem
holzarmen Westen. Freilich war der Holztransport durch die
nach Nord und Süd abfließenden Gewässer ziemlich leicht ge-
macht, dieser Abaatzweg aber ist im Winter versperrt und äbei>
dies verträgt Holz den trockenen Transport besser. Der billigere
Bezug von Düngemitteln und die durch die Erweiterung des
Absatzmarktes bedingte größere Wohlhabenheit aber müssen
zur Verbesserung des vorherrschenden Sandbodens führen.
Von Ortelsburg an parallel der nahen Beichsgrenze laufend
erftült die Allenstein-Lycker Bahn schon für sich allein einen
DigtizBabyCoOgIC
Von Faul NeuhanB. 45
uiilit&rischen Zweck. Im Verein mit der Linie Oüldenboden-
AUensteiu ist sie in dieser und in wirtschaftsgeograpb isolier
Beziehqng noch bedeutsamer als Verbindung zwischen dem
Nordosten und dem Südosten AJtpreußena, zwischen den Brücken-
köpfen von Dirschau imd Marienburg einerseits und dem G-renz-
ond Eiaenbahokreuzungspunkt Lyck andererseits.
Im Jahre 1885 glaubte die Banziger Kaufmannschaft einen
glücklichen Zug gethan zu haben, inijem sie die Einrichtung
eines Verbandverkehrs mit der rassischen Südwestbahn auf dieser
Route erzielte. Da aber die Entfernung Danzigs von Lyck um
163 km länger ist als diejenige Königsbergs, so konnte der
Vorrang des letzteren Platzes nicht erschüttert werden.
Masuren versendet Getreide, Mehl, Kartoffeln, Holz, Fastagen,
Steine und AVoUe nach seinen eigenen und den Seestädten, ge*
schnittenes Holz nach Posen, der Mark, Sachsen und den Bhein-
landen, Vieh, Fische, Krebse, Butter und Eier besonders nach
Berlin, Blaubeeren von Olschienen bei Orteisburg nach Königs-
berg, Hopfen namentlich nach Ällenstein, Spiritus von Ällen-
stein und Königsberg. — Es empfängt dafür Kohlen und Kalk
von Oberschlesien, erstere daneben von Neufahrwasser und Pillau,
Salz und Düngemittel von Neufahrwasser, Inowrazlaw und Staß-
furt, Bier und Spirituosen, Kolonial- Material- und Kurzwaaren
von den eigenen Städten und Königsberg, Maschinen und Streich-
hölzer von Ällenstein.
Xn. Ällenstein -Soldan
wurde auf grund des Gesetzes vom 4. April 1884 ^) in Angriff
genommen. Die 30,b km lange Strecke Ällenstein- Höh enstein
findet sich bereits im Sommerfahrplan 1888. Die Eröffnung des
Bestes hat sich bis zum 1. November verzögert. Ausschließlich
des tmentgeltUchen Granderwerbes sind die Kosten auf
8950000 Em. veranschlagt, also auf 107 443 für jeden der
83,1 km, welche die ganze Sekund&rbahn mißt.
1) Motive: Anlagen, 1883/84, Bd. n. S. 1S17 u. 1218.
DigtizBdbyGOOgle
46 ^^B pTenüisclie Eisenbahnnetz im Oeten der Weichael.
Auch diese Linie wird wie die soeben besprochene eines
der unfruchtbarsten Gebiete Ostpreußens erscbließen, den Süd-
westen des Ällensteiner, den Südosten des Oateroder und den
größeren Teil des Neidenborger Kreises, zusammen 1400 nkin
mit 80000 Einwohnern. Die zu diesem Gebiet gehörigen vier
Städte AUenstein (11 600), Hohenstein (2600), Neidenburg (4500)
und Soldau (3200) liegen an der Bahnlinie selbst. Auch hier
haben wir einen bedeutenden Forst, den Napiwoder bei Neiden-
burg. Hat die neue Linie für das polnische Oberland die gleiche
Bedeutung wie die Allenstein-Lycker für Masuren, so ahnt sie
derselben auch darin, daß auch sie Glied einer strategisch und
bandels-geographisch wichtigen, quer durch Ostpreußen ziehenden
Bahn sein soll, nämlich der Linie Königaberg-Dlowo, vermittelst
deren Königsberg an dem Verkehr mit "Warsebau nnd Galizien,
deren ersterem es in der Luftlinie sogar noch ein klein wenig
näher liegt als Danzig, teilzunehmen hofft. Da die Strecke
Soldau-Dlowo der Mlawkaer Bahn (13,6i km) von der Ostbahn
bereits wegen der Linie Qraudenz-Soldau mitbenutzt wird, und
zwischen Königsberg und AUenstein durchgehende Züge ver-
kehren, so würden einem solchen Verkehr keine Schwierigkeiten
bereitet werden. Da Danzig indes bei der Schienenverbindung
mit Warschau vor Königsberg einen Vorsprung von 40,24 km
behalten wird (187,t7 gegen 22S,oi), der durch die Nähe des
offenen Heeres noch vergrößert wird, so dürfte selbst bei einer
Bevorzugung der Staatslinien vor der Marienburg - Mlawkaer
Bahn, zimial in anbetracht der Stabilität der Handelsbeziehungen
auf eine wesentliche Verschiebung derselben nicht zu rechnen sein.
Ein Verzeichnis der Stapelartikel der AUenstein -Soldauer
Bahn giebt es noch nicht.
Xin. KSnigsberg-Cranz
wurde auf grund der Konzession vom 26. Jidi 1884 von einer
Privatgesellschaft gebaut und in ihrer ganzen Länge von 28,bo km
am 31. Dezember 1885 dem Betriebe übergeben. Das konzessio*
zeabyCoOgIC
Von Paul NeohauB. 47
nierte Anlagekapital betrug im Betriebsjatre 1886/87 1442000 Rm.,
das verwandte 1 463 600, also pro km 61 714,
Die Grenzstriebe der Kreise Königsberg-Stadt, Königsberg-
Land und Fischhauaen durcbschneidend, verbindet die neae
Babn die Großstadt Königsberg mit dem Seebadeort Cranz. Sie
bildet gegenüber den früher die Chausse passireuden Joumali^ren
eine erhebliche Verkehrserleichterung, welche namentlich auch
karze Aasflüge begünstigt. Infolgedessen hat sie der samländi-
schen Strecke der Südbahn merklich Abbrach gethan. Von der
Station Laptau soll später eine Zweigbahn nach Neukuhren, dem
zweitwichtigsten Badeorte Samlands fähren, welcher Mangels
einer Chausseeverbindung noch beschwerlicher zu erreichen ist,
als es früher Cranz war.
Statistik der Im Betriebe beflndlicben prenssischen
Eisenbahnen Im Osten der Welebsel.
Nach der Verwaltung gliedern sich diese Eisenbahnen
folgendermaßen :
A. Staatsbahnen (Eisenbahn -Direktionsbezirk Bromberg):
I. Betriebsamt Bromberg, beteiligt mit der Strecke
Graudenz-Jablonowo.
n. Betriebsamt Danzig, beteiligt mit den Strecken
Dirschau - Seepotben (Königsberg), Simonsdorf- Tiegenhof und
Gtüdenboden-Göttkendorf (Allenstein).
ni. Betriebsamt Königsberg: Seepothen-Eydtkuhnen,
Insterborg-Memel und Insterburg-Lyck-Johannisburg.
rV. Betriebsamt Allenstein: Allenstein - Insterburg,
Allenstein - Johannisbui^, Allenstein - Kobbelbude, Braunsberg-
Hehlsack und Allenstein- Soldau.
V. Betriebsamt Thorn: Thom - Allenstein, Thom-
Marienburg, Komatowo-Culm, Gamsee-Lessen nnd Jablonowo-
Soldan.
DigtizBabyCoOgle
48 IJaa preußische EisenbahnneU im Osten der Weichsel
fi. Ofttpreuaaiache Südbahn: Pillaa-Prostken. Dazu Fisch-
haasen-Palnmicken als Staatsbahii unter Privatverwaltung.
C. Marienburg - Mlawkaer Bahn : Marienborg - niowo und
Zajonskowo - Löbau,
Auf die einzelnen Kreise verteilen sich die G^esamtlängen
in folgendem Verhältnis :
Memel 36,ä km, Heydekrug 31, Niederung 0, Tilsit 43,
Bagnit 13,5, PÜLkallen 0, Stallupönen ^,6, Gumbinnen 38, Inster-
bürg 99, Wehlau 28,6, Labiau 0, Stadtkreis Königsberg 10^
Landkreis Königsberg 71,6, Fischhausen 70,i, Heiligenbeil 93,8,
Pr. Eylau 36, Friedland 26,6, Rastenburg 61,6, Gerdauen 36,5,
Darkehmen 30, Angerburg 0, Goldap 27,6, Oletzko 32, Lyok 67,b,
Lötzen 43,6, Johannisburg 69, Sensburg 3, Ortelsburg 62, Neiden-
burg 86,6, Ällenstein 139,b, Rössel 34, Heilsberg 27,6, Brauns-
berg 67,6, Pr. Holland 42, Mehrungen 32,6, Osterode 62, Löbau 55,
Strasburg') 86, Thorn 60, Culm 48, Graudenz 71, Marien-
werder 36,6, Rosenberg 83,5, Stuhm 44, Marienburg 63,6, Elbing 26,6,
Danziger Niederung östlich von Neufähr 0.
Im ganzen besitzt Preußen rechts der Weichsel bei
45 905 Qkm Flächeninhalt und 2 650000 Einwohnern 2079 km
Eisenbahn, wovon 316 doppelgeleisig sind. Es kommen also
auf je 100 Qkm 4,6S km Eisenbahn und auf je 10000 Ein-
wohner 8,15,
Im Betriebsjahre 1886/87 kamen'')
auf je 100 Dkm auf je 10000 Einwohner
im dentechen Reich 6,gg km Bahn 7,^ km Bahn
preußischen Staat G^ ,, „ 7^ „ „
Oatpreußen 8,g, „ „ 7,i8 „ „
in WestpreuBen 4,m « » ^^m t> n
Fomtnem i^-j „ „ 8,gg „ „
n Brandenburg C,« ^ n '«Tun
!n Posen i^i „ „ 7,01) „ „
Schlesien 7,3, n n 'ns >< n
in Sachsen (Provinz) 7,Be „ n 8tw» » n
1} £9 sind hier die alten Ereisgrenzen im Culmertande zugrunde gel^^.
S) Statistik der im Betriebe befindhchen Eisenbahnen Deutschlands,
Tab. n.
DigtizBabyCoOgIC
Ton Paul Neuhaiis. 49
auf je 100 D lim auf je 10000 Eiowohner
m Schleswig-Holstein 5,^ km Baha 8^ km Bahn
in Hannover 6^ „ „ 9^i „ „
in Westfalen 10^« „ „ 9.22 » i.
in Hessen-Nassau 8,jg „ ri ^iM i' n
in der Rheioprovinz 11, i^ „ » <i.9i n n
in HohenzoUem T,«^ „ ,. 13^ „ „
Im Jahrd 1885/86, dem letzten, aus welchem mir ein Be-
richt über die Ergehnisse des Betriebes im Eisechahndirektions-
bezirk Bromberg vorlag, waren diesseits der Weichsel 1812 km
Eisenbahn im durchschnittlichen Jahresbetriebe. Auf diesen
wurden befördert
Personen
Tonnen Güter
1. auf den StaatebaliDen
3 750000
1600000
2. auf der Sudbahn
791650
728 770
3. auf der Marienburg-Mlawkaer Bahn
42432
21059
4. auf der Cranzer Bahn
27 043
15 981
Zusammen unter Abzug der im Verkehr zwischen der
Ostbahn und den Privatbahnen beförderten 96 331 Personen und
201754 Tonnen:') 4 514 694 Personen nnd 2064 056 Tonnen.
Die Gesammteinn ahmen betmgen
1.
bei der Ostbahn
17 281 886 Em.
2.
bei der Südbahn
6(B908e „
3.
bei der Palmnicker Bahn
18450 „
4.
bei der Mtawkaer Bahn
1936 773 „
6.
bei der Cranzer Bahn
14246 „
zusammen 24 290 441 Bm.
Im preußischen Staat wurden auf 23 199 km 170 553 368
Personen und 105 130 549 Tonnen befördert. Die Einnahme be-
trug 683 006 092 Rm. Im Deutschen Reich wurden auf 36547 km
befördert 275 4^ 945 Personen und 157 346 548 Tonnen. Ge-
samteinnahme 994511785 Rm.
Mitbin wurden pro km Eisenbahn befiSrdert
Personen und Tonnen gegen eine Einnahme von Rm.
rechte der Weichsel 249S 1139 13405
im Steat Preußen 7862 4532 29441
im deutschen Reich 7637 4306 26768
1) Die Palmnicker Bahn ist Überhaupt fortgelassen, weil hier fast
durchgängig zugleich die Sudbahn benutzt werden mnll.
Altpr. UonaUielulft Bd. XXVL Hf t. 1 n. S. 4
D,gt,zBabyC00<^le
50 l^i^s preußische Eieenbahnnetz im Osten der Weichsel.
Durchschnittlich durchlief jede Person jede Tonne
im deutschen Reich 28.^ km 105,m km
im prenQisciien Staat 80^ „ 107,:^ „
auf der Ostbahn 55^ „ 82,» „
auf der Südbahn 38,si „ 137,^; „
auf der Mlawkaer Bahn 40,*3 „ 97^ „ ,
auf der Cranzer Bahn 17,n: „ l'^^ni n
Dnrchschnitls-Ein nähme pro Personen-km pro Tonnen-km
im deutschen Reich 3,93 Pfennig 4,a; Pfennig
im preußischen Staat 3,^ „ S,-^ „
auf der Ostbahn 2,(^ „ 4,a „
auf der Südbahn 2.^ ^ 3,^ „
auf der Mlawkaer Bahn 2,^ » 3,^
auf der Oranger Bahn 4.^ „ 25,5; r-
Über 30 000 Personen gingen ab ') von den Stationen
Königsberg Ostbahnhof: 243 109, Insterburg: 199 975, Ällenstein
130344, Tborn: 123 986, Königsberg Lizentbabnhof: 122 568,
Marienburg: 121109, Elbing: 116 219, Königsberg Südbahnhof:
114 252, Tilsit: 97 712, Braiinsberg: 68 410, Thorn-Stadt : 65 436,
Südbalinstation Korseben: 62036, Gumbinnen: 59966, Barten'
stein: 54 468, Eydtkuhueu: 48 509, Tapian: 47 251, Wehlau;
45612, Pillau: 44 524, Marienwerder: 43 719, Jablonowo: 43486,
Stallupfnen: 42 574, Fisclihausen : 40127, Ciilmsee: 40051.
Osterode: 37 399, Heydekrug: 36 464, Dt. Eylau: 36 332, Rasten-
btirg: 36 330, Lötzen: 36 240, Fr. Eylau : 35 7(>8, Metgetben
34871, Culm: 34421, Memel: 34159, Altfeldo: 33042, Gülden-
boden: 32 544, Südbahnstation Lyck: 32 278.
Über 10 000 Tonnen wurden versandt von Ostbahnstation
Königsberg; 124 911, Lizentbabnhof Königsberg: 89 905, Thom;
68349, Südbahnhof Königsberg: 68098, Gulnisee: 66 760, Pillau;
44 639, Kornatowo: 42 507, Elbing: 34 531, Prostken: 29 267,
Tilsit: 27865, Lötzen: 26 605, Tauer: 26114, Schönsee: 24 628,
Ostaszewo: 21711, Stolno: 20685, Insterburg: 20672, Eydt-
1) Die Ostbahnberichte geben nur noch die Zahl der abgegangenen
Personen. Neuere Berichte der Marienburg - Mlawkaer Bahn waren nicht
aufzutreiben.
DigtizBabyCoO^IC
Vou Paul Neuhaus, 51
kühnen: 20265, Memel: 20004, Südbabnstation Korschen: 19269,
Alienstein: 16440, Osterode: 16 263, Braunsberg: 14 732, Barten-
Stein: 14 532, Eastenbnrg: 13 923, Jablonowo: 12 603, Stallu-
pönen: 12164, Marienburg: 12127, Mohrnngen 10692, Briesen:
10 541, Wehlau: 10412, Wartenburg: 10019.
Über 10000 Tonnen empfingen Südbahnhof Königsberg;
414 421, Ostbahnhof Königsberg: 180 823, Culmsee: 124 969,
Thom: 91410, Pillau: 77 247, Insterburg: 64658, AUenstein:
62108, Elbing: 58 604, Lizentbahnhof Königsberg: 43 266,
Gambinnen: 31 690, Eydtkuhnen: 31 046, Tauer: 29 322, Raateu-
burg: 28 546, Marienburg: 27 873, 'Braunsberg: 26 310, Culm:
26090, Osterode: 26031, Stallupönen: 24 646, Marienwerder:
24302, Altfelde: 18643, Bartenstein: 16 781, Südbahnstation
Korseben: 16104, Tilsit: 14 632, Liessau: 14 216, Komatowo:
13 296, Briesen: 13 819, Mocker: 13 132, Ortelaburg: 13 097,
Memel: 12826, Dt. Eylau: 12 686, Südbalmstation Lyck : 11469,
Jablonowo: 11199, Lötzen: 10 740, Ostaszewo: 10 633.
Über 10 000 Stück Vieh versandten Thorn: 263 337, Eydt-
kuhnen: 229 379, Prostken: 162 711, Tilsit: 90008, Schönsee:
64 973, Insterburg: 64 822, Orteisburg: 63 649, Briesen: 62 877,
Gambinnen: 52 731, Oatbahnhof Königsberg: 60 961, Bischofs-
werder: 50819, Ostbahnstation Korschen: 41265, Stallupönen:
36465, Dt. Eylau: 36086, Jablonowo: 34 920, Johanniaburg:
27 932, Eastenburg: 26 086, Prökuls: 20 586, Bartenstein: 19 960,
Heydekrug: 19 385, Warteaburg: 19 280, Pr. HoUand: 18 633,
Wehlau: 17160, Schwentainen : 16 888, Kothfließ: 16 423, Ger-
dauen: 16 266, Memel; 15863, Darkehmen: 14 535, Südbahn-
station Lyck: 13 403, Cuhnsee: 13 048, Lötzen: 12 923, Osterode:
12661, Tapiau: 12 281, Ostbahnstation Lyck: 11 807, AUenstein:
11687, Szillen: 11483, Grünau: 11139, Marienburg: 10 786,
Komatowo: 10 512, Südbaknstation Korschen: 10499.
Über 10000 Stück Vieh empfingen Südbahnstation Korschen:
139 793, Thorn: 49 633, Südbahnhof Königsberg: 44 491, Ost-
l»hnhof Königsberg: 34 473, TUsit: 29 012, Pr. Eylau: 27 579,
iMterbiirg: 25 410, Briesen: 16 885, Bartenstein: 16 626, Jablo-
L**ze.byCOOgIC
52 Das prenßische Eisenbahnnetz im Osten der Weichsel.
nowo: 14397, Gumbiiuien: 14190, Südbahnhof Lyck: 13492,
Elbing: 11363, Tbarau: 10 776.
Über 10 000 Em. Einnahme hatten die Stationen Ost-
bahnhof Königsberg: 3635713, Südbahnhof Köaig9berg: 2728757,
Thorn: 1500093, Insterburg: 1235 756, EydtkuhHen; 933 216,
Elbing: 758 182, Lizentbahnhof Königsberg: 656 965, Tilsit:
636 451, Allenstein; 431595, Stallupönen: 424 366, Gumbinnen;
415 007, Culmsee: 393 544, Marienburg: 884 211, Ostbahnstation
Korschen: 368740, Osterode: 292 267, Memel: 278 454, Prostken,
262817, Ostbahnstation Dt. Eylaii: 253886, Braunsberg: 233303,
Ortelsbiirg: 225 941, Wehlau: 196 481, Marienwerder: 193 266,
Briesen: 182 927, Pillau: 175 229, Jablonowo: 168 756, Schönsee:
168440, Lötzen: 168202, Gerdauen: 154291, Rastenburg: 150845,
Südbahnstation Kcrscben: 139 223, Darkehmen: 138 273, Barten-
stein: 138059, Goldap: 137805, Heydekrug: 136 684, Bischofs-
werder: 129 279, Culm: 126 564, Rothfließ: 126 418, Südbahn-
station Lyck: 116 094, Wartenburg: 114 726, Pr. Holland: 106 720.
Die Statistik zeigt, daß in der Verteilung der Eisenbahneu
im Verhältnis zur Volksdichtigkeit das deutsche Ostweichsel-
gebiet besser gestellt ist als die anderen preußischen Landesteile
rechts der Elbe mit Ausnahme von Pommern. Es ist also seit
1866 sehr viel nachgeholt worden {vgl. die Tabelle auf S. 24)
und das muß um so dankbarer anerkannt werden, als die
Rentabilität der Bahnen bei uns eine weit geringere Ist aU
anderswo in Deutschland. Man wird ferner nicht umhin können,
die Symmetrie unseres Eisenbahnnetzes zu loben, welche die
Frage nach der zweckmäßigsten Vervollständigung desselben
verhältnismäßig einfach lösen läßt. Diese Vervollständigung
aber ist durchaus notwendig, da die angeführten Vorzüge den
Nachteil der Weitmaschigkeit des Netzes für den einheimischen
Landwirt nicht aufwiegen und unsere Xordostmark eines leb-
hafteren Provinz ial Verkehrs um so dringender bedarf, als ihr die
Trennung von ihrem natürlichen sarmatischen Hinterlande und
DigtizBabyCoOgIC
Von Paul Neuhaua. B8
die zollpolitische Vereinigung mit dem stammverwandten, aber
wirtschaftlich wesentlich anders gestellten „Reich" schwere
Opfer auferlegt hat. Diese Opfer lassen das Verlangen, für
diesen Landesteil ganz besonders zu sorgen, wohl gerechtfertigt
erscheinen. Glücklicherweise hat auch die Regierung durch die
Einbringung der Bahnvorlagen Königsberg-Lahiau, Labiau-Tilsit
und Marienburg- Hohenstein den "Willen bekundet, in der einmal
eingeschlagenen Richtung fortzuschreiten.
Von der Linie
XIT. Königsberg -Tilsit
nähert sich die etwa 45 km lange Strecke bis Labiau (Qesetz
vom 31. Mai 1882') der Vollendung, nur macht der Anschluß
an Königsberg Schwierigkeiten. Ursprünglich wollte man den
Lizentbahnhof mit benutzen, die Regierungsvorlage nahm dagegen
den Ostbahnhof als Ausgangspunkt und sah dem entsprechend
den Bau einer Brücke bei Neuendorf oberhalb der Stadt vor.
Man hat indes auch dies fallen gelassen und sich für die Anlage
eines besonderen Bahnhofes auf der Westseite entschieden. Die
Fortsetznng bis Tüsit wurde durch Gesetz vom 4. April 1884^)
angeordnet. Im ganzen erhält die Bahn eine Länge von etwa
11& km. Es wurden dafür 10210000 Rm. ausgeworfen, also
ca. 88800 pro km.
Die Bahn soll beide Königsberger Kreise, den Labiauer,
Südost-Niederung und ein kleines Stück von Tilsit durchschneiden ;
es ist ihr somit ein Gebiet von 3000 Qkm mit 285 000 Ein-
wohnern zugewiesen. Der Verkehr desselben wird augenblicklich
von der Linie Tilsit-Insterburg, von den nach Wehlau, Tapian
und Königsberg führenden Chausseeen, sowie durch die "Wasser-
straBen Gilge, Friedrichsgraben, Deime und Pregel vermittelt.
Die Königsberg-Tilsiter Bahn wird den Schienenweg von
der Frovinzialhauptstadt nach dem Memelgebiet um 30 km ab-
1) Motive: Anlagen, 1882, Bd. I. S. 728.
2) Hotive: Anlagen, 1883.84, Bd. II. S. 1217.
,dbyG00gIe
54 D<^ preoDische Eisenbahnnetz im Osten der Weichsel.
kürzen and ist deshalb wie wegen ihrer Annäherung an das
Haffufer auch von nicht zu unterschätzender strategischer Be-
deutung. Im Iteiae verkehr wird sie den recht lästigen Aufent-
halt in Insterburg überfliiasig machen. Von größerer Wichtigkeit
aber würde siein dem Falle werden, daß die russische Eegierung
die schon bei Begründung der Tilsit-Insterburger Bahn geplante
Verlängerung nach Szamaiten gestatten sollte. An der Landes-
grenze bei Laugszargen - Tauroggen findet namentlich ein sehr
lebhafter Holzimport aus Bußland statt.
Vorerst wird jedoch der Charakter der Linie Königsberg-
Tilsit als sogen. Mehoratiousbahn überwiegen. Besonders hatte
man dabei wie bei der Zweigbahn Simonsdorf-Tiegenhof den Bau
der Zuckerrübe im Auge, welche bisher im östlichen Samlande
nicht recht iußfassen wollte, obgleich ihr dasselbe einen ge-
eigneten Boden bietet.
Hauptversandtgegen stände werden sein: Getreide, Hülsen-
früchte, Fuftergewächse, Kartoffeln, Holz — womit im Anschluß
an die Memelschifffahrt in Tilsit und Labiau stark gehandelt
wird — Torf, Vieh, Butter und Käse vor2nigsweise aus dem
nordöstlichen Teile, Wolle, frische und geräucherte Fische, Holz-
und Lederwaren aus der Labiauer Gegend. -^ Dafür wird die
Bahn Kohlen, Steine,' Düngemittel, Bier, Spirituosen und Leder
einführen.
Für
XT. Marienba rg-Hohengte1n
(95 km) mit Abzweigungen von Miswalde nach Elbing (28 km)
und von Saalfeld nach Maldeuten an der Güldenboden-Allen-
Steiner Bahn (12 km) wurden in der Landtagasesaion von 1888
18 115 000 Rm. bewilligt, also 134 185 pro km. Es soUen durch
diesen Bahnkomplex der Nordosten des Stuhmer, kleine Örenz-
stücke des Elbinger, dea Marienburger und des Pr, Holländer,
die Weathälfte des Mohrunger und die nordöstliche des Osteroder
Kreises erachloasen werden, ein Gebiet von 1850 Qkm mit
136000 Einwohnern (einschl. der Endpunkte). Es gehören zu
DigtizBabyCoO^IC
Von Paul Neuhaua. 65
demselben die daroh die Bahn selbst verbundenen Städte Marien-
bnrg (10150 E.) Elbing (32 300), Christburg (3500), Saalfeld
(3150), LiebemüU (2400), Osterode (7150) und Hohenstein (2600).
Zufuhrwege werden die Chausseeen von Riesenburg über
Pr. Mark nach Saalfeld und von Gilgenbnrg (2000) nach Osterode
(37 km), sowie der Kanal und die Seeen des Oberlandes bilden.
Schiffe, welche halbwegs zwischen Osterode und Elbing vom
Frost überrascht werden, können künftig mit Hilfe des Bahn-
anschlusses bei Maldeuten ihre Ladung an den Bestimmungsort
senden. Das kommt namentlich auch dem Elbinger Handel
zugute. Für die Verbindung mit Danzig ist durch den Anschluß
bei Marienburg gesorgt, für diejenigen mit Polen durch den
Anschluß bei Hohenstein.
Das zu erschließende Gebiet ist, soweit es sich von Osterode
nördlich befindet, überaus wohlhabend für ostpreußische Ver-
hftltniase. Im südlichen Teile dagegen, in dem von Wäldern
und Sümpfen bedeckten. polnischen Oberlande, ist 63 rauh und
sieht vielfach erst noch der Kultur entgegen. Es gilt hier das
bei der Besprechung der Linien Güldenboden-Ällenstein und
Allenstein-Ljck angeführte.
So werden in nächster Zeit zwei zwischen unseren gegen-
wärtig im Betriebe befindlichen Eisenbahnen sich ausdehnende
leere Räume ausgefüllt werden. Es giebt deren jedoch noch
mehr und noch größere: 1, das Viereck Insterburg - Tilait-
Schmalleningken -Eydtkuhnen, 2. und 3. die beiden Dreiecke
Insterburg-Korschen- Königsberg und Insterburg-Korschen-Lyck,
4. der Zwischenraum zwischen der Südbahn und den Linien
Königsberg -Alienstein und Allenstein- Korschen, 5. derjenige
zwischen der Südbahn und den Linien Korscben-Allenstein und
Allenstein-Lyck, von kleinereu Flächen abgesehen.
Die erste der angegebenen Lücken würde am zweck-
mäfiigsten durch die übrigens so gut wie gesicherte Linie
Tilsit-StallapöDen (über Bagnit und Pillkallen) ausgefüllt werden.
D,gt,zBabyC00<^IC
56 ^^ preuBiecbe Eiaenbahnnetz im Osten der Weichflel.
Dieselbe würde eine Länge von 65 — 70 km erhalten und nicht
nur den Bedüriniaaen des an Weide und Vieh reichen durch-
schnittenen Gebieta genügen, sondern auch durch Abkürzung
des Schienenweges von Memel nach Eydtkuhnen um 25—30 km
168 — 173 gegen die 208 km von heute) dem Handel dea ersteren
Piatzea einen größeren Anteil an den ruasiachen Frachten ver-
schaffen. Königsberg selbst würde freilich auch dann noch der
rusaischen Grenze 16 — 20 km näher hegen ala Memel (153 km
gegen 168^1731, der Winterhafen des letzteren aber vor Pülaa
einen Vorsprung von 26 — 30 km bekommen (169 — 174 km gegen
199). Aber auch militärische Interessen würden durch den Bau
einer solchen Bahn gefördert werden, da der Abstand der Tilait-
Insterburger Bahn von der Grenze im Mittel an 50 km beträgt,
durch sie aber auf etwa 20 vermindert werden würde. Von
dieaem Gesichtspunkte aua dürfte auch die sonst nicht so
dringliche Fortsetzung über Stallupönen hinaus nach Goldap
geboten sein.
Durch den Raum Insterburg-Korschen-Lyck wäre füglich
eine Bahn tod Darkehmen über Angerburg nach Lötzen hin-
durehzuführen, au welche in Angerburg eine von Wehlaa her
über Allenburg, Gerdauen und Drengfurt kommende, die beiden
Orte Barten und Nordenburg in gleichen Abständen seitwärts
liegen lassende Bahn anachließeu könnte.
Die TeUsti-ecke Wehlau-Allenburg würde zugleich daa erste
Glied einer weiterhin über Friedland, Schippenbeil, Bartenatein
und Heilsberg nach Guttstadt führenden AllestSätebahn, sowie
einer die Südbahn bei Pr. Eylau kreuzenden und außerdem
Domnau, Landaberg und Mehlsaek verbindenden Linie abgeben.
Heute würde sich aodann die Abkürzung der eigentlichen
Ostbahn durch die direkte Linie Brannsberg • Elblng über
Frauenburg und Tolkemit empfehlen, für welche in der inter-
essierten Gegend denn auch stark agitiert wird.
Die Vorarbeiten für daa Projekt Wormditt - Llebstadt^
Mohrangen hat sich der Herr Miniater der öffentlichen Arbeiten
bereits vorlegen lassen. Diese Linie würde eine Fortsetzung
DigtizBabyCoOgIC
Von Paul Neahaua. 67
der in Angriff genommenen Zweigbahn Saalfeld-Maldenten in
östlicher Richtung darstellen. Ebenso wünschenswert ist aber
auch deren westliche Terlängerung über Eiesenburg nach
HarieDwerder oder über Rosenberg nach Garnsee. Für die
erstere Trace spricht die geringere Länge und der ÄnaehluiJ an
die Hauptstadt eines Regierungsbezirks, für die andere die
Richtung auf Graudenz, welches dergestalt eine neue Verbindung
mit Königsberg via Mohruugen erhalten würde.
Im Drewenzgebiet würden zwei kleine Zweigbahnen sich
empfehlen : Ton Schönsee nach Gollnb gegenüber dem russischen
Dobrzin und von der Station Koschlan an der Marienburg-
Klawkaer Bahn nach Gilgenborg.
Weiter im Osten würde eine Terblndnng Ton Neldenbnrg,
Wlllenberg nnd Ortelsbnrg das System unserer G-renzbahnen
vervollständigen. Überhaupt besitzt Orteisburg eine recht günstige
Lage für einen Knotenpunkt. Hier wird die AUenstein-Lycker
Bahn von der aus Norden von Königsberg kommenden und
südlich nach Warschau führenden alten Landstraße gekreuzt.
Ist nun eine Bahnverbindung Königsbergs mit Warschau in
allerjüngster Zeit über Illowo geschaffen und eine weitere
Konkurrenzlinie in dieser Richtung zu Ungunsten Danzigs nicht
einmal wünschenswert, so ist dafür die Terblndnng Ortelsborgs
mit Ostrolenka scharf ins Auge zu fassen. Denn es ist durch-
aas nicht unwahrscheinlich, daß letzterer Punkt in nicht zu
femer Zukunft Station einer Eisenbahn wird, welche mit Be-
nutzung der bestehenden Strecke Lukow-Siedlce-Malkin den
östlichen Teil des russischen Weichselgebiets durchschneiden
und südlich von Zamosc an die von Lemberg kommende, bereits
bis zur galizischen Grenze geführte Bahn anschließen würde.
Die Wichtigkeit dieser Verkehrsstraße liegt auf der Hand und
rechtfertigt im Verein mit den Bedürfnissen des zwischen
Bartenstein und Ortelsbürg belegenen Gebiets wohl das Ver-
langen, den Schienenweg von Königsberg nach Ortelsbarg
dnrch die direkte Verbindung über Bartenstein, Bischofstein und
Bischofaburg abzukürzen. Noch nötiger indes als die eben vor-
DigtizBabyCoOglC
58 ^Bs preußische EiseDbahnnetz im Ostea der Weichsel.
geschlagene Lokalbahn braucht Masuren eine solche TOD Korschen
über Kössel, den Wallfahrtsort Heilige Linde, Sensburg and
Nikolaiken oacta RdäcHnny an der Linie Allenstein-Lyck. Es
würde durch dieselbe der groUe leere Raum zwischen den Linien
Lyck-Korschen, Korschen-Allenstein und AUenstein-Lyck gerade
halbiert werden. Sollten diese beiden masurischen Querbahnen
aber nicht zustande kommen, ao würde eine Längsbahn Stürlack
(Lötzen) -Wartenbarg über Rhein, Sensburg, Sorquitten and
Bischofsburg einen notdürftigen Ersatz bieten können.
Anschlösse der preußischen Eisenbahnen an diejenigen des
baltischen Rußland sind sowohl bei Herne! wie bei Tilsit anzu-
streben. Da die Luftlinie Königsberg-Riga nicht Memel sondern
Tilsit trifft, so sollte letzterem die Verbindung mit einem
zwischen den Einmündungen der von Riga und Kaikuh nen
(Dünaburg) kommenden Bahnen gelegenen Punkte der Linie
Libau-Koschedary aufbewahrt werden. Gegen den vielfach be-
fürworteten Plan einer Eisenbahn Moscheiki -Memel muß ich
mich dagegen um so entschiedener aussprechen, als die von
Königsberg mit der Libau - Romnyer Gesellschaft gemachten
Erfahrungen es als kaum glaublich erscheinen lassen, daß Memel
durch seine Verwirklichung in den Stand gesetzt werden könnte,
mit Libau zu konkurrieren. Will die russische Regierung eine
Verbindung Memels mit ihren Ostseeprovinzen zulassen, so kann
füglich nur die Linie Memel-Llban in betracht kommen.
Erfolgversprechender als die Terbindnng mit Moscheiki
erscheint mir für Memel eine solche mit Grodno. Zu diesem
Zwecke wäre außer der Tilsit-Stallupöner eine das Gouvernement
Suwalki von Nord nach Süd durchschneidende, eben deshalb
aber auch im Interesse der russischen Regierung gelegene Bahn
Wilkowiszki-Kalwarya-Grodno notwendig und dies um so mehr,
als die verhältnismäßig kurze Verbindung Grodnos mit Grajewo
(also auch mit Königsberg) nur eine Frage der Zeit sein kann.
,dbyGoogIe
Zur Beurtheilung ron Kant's Kritik der reinen
Temnnft und Kant's Prolegomena.
Ton
£inll Arnoldt.
III. AbhandlungT'
Die äussere Eitstelmiii id Ue Abfassiipzeit der Kritit
der reijei Venmfl.
Von den Sätzen des Kant'schen Briefes an Garve
(7. Angnst 1783), die ich in meiner vorangehenden Abhandlung
übergangen habe, um aie theils nunmehr, theila späterhin in
Erwägung zu ziehen, lauten die ersten:
„Auch gestehe ich frey, daß icb auf eine geschwinde gün-
„stige Aufnahme meiner Schrift" [der Kritik der reinen Vernunft]
„gleich zu Anfangs nicht gerechnet habe; denn zu diesem Zwecke
„war der Vortrag der Materien, die icb mehr als 12 Jahre
„hinter einander sorgfältig durchgedacht hatte, nicht der allge-
„meinen Faßlichkeit gnugsam angemessen ausgearbeitet worden,
„als wozu noch wohl einige Jahre erforderlich gewesen wären,
„da ich hingegen ihn in etwa 4 bis 5 Monathen zu Stande brachte,
„aus Furcht, ein so weitlftuftiges G-escbäfle würde mir, bey
„längerer Zögerung, endlich- selber zur Last werden und meine
„zunehmende Jabre (da ich jetzt schon im 60"5'' bin) möchten
„es mir, der ich jetzt noch das ganze System im Kopfe habe,
„zuletzt vielleicht unmöglich machen. Auch bin ieh mit dieser
„meiner Entschließung, selbst so wie das Werk da liegt, noch jetzt
„gar wohl zufrieden, dermaßen daß ieh, um wer weiß welchen
„Preis, es nicht ungeschrieben wissen möchte, aber auch um
„keinen Preis die lange Beihe von Bemühungen, die dazu gehöret
„haben, noch einmal übernehmen möchte."
Eben so äußert sich Kant eUf Tage später — in seinem
DigtizBabyCoOgle
60 Zui^ BeurtheiluDg von Keuifs Kritik der reinen Yemanft et«,
Briefe an Mendelssoha v. 18. Aug. 1783: „das Product des Nach-
„denkene von einem Zeiträume von wenigstens zwölf Jahren
„hatte ich innerhalb etwa 4 bis 5 Monaten, gleichsam im Fluge,
„zwar mit der größten Aufmerksamkeit auf den Inhalt, aber mit
„weniger Fleiß auf den Vortrag und Beförderung der leichteren
„Einsicht für den Leser, zu Stande gebracht, eine EntschlieiJung,
„die mir auch jetzt noch nicht leid thut, weil ohne dies und
„bei längerem Aufschübe, um Popularität hineinzubringen, das
„Werk vermuthlich ganz unterblieben wäre, da doch dem letzten
„Fehler nach und nach abgeholfen werden kann, wenn nur das
„Product seiner rohen Bearbeitung nach erst da ist." u, s. w,
(B. XI, 1 A., 13 u. 14.)
Diese Erklärungen Kanb's gehen Anlaä zu zwei Fragen:
1. Von welcher Art und Beschaffenheit waren die etwaigen
schriftlichen Vorarbeiten, die er seinem „Vortrage" der in der
Kritik der reinen Vernunft behandelten Materien zu Grunde legte?
2. In welches Jahr fallen die „etwa vier oder fünf Monate", in
denen er „den Vortrag jener Materien" zu Stande brachte? in
das Jahr 1779 oder 1780?
Zur Beantwortung der ersten Frage ist nicht viel Entschei-
dendes beizubringen, und dieses Wenige ist wenig entscheidend.
Es eröffnen sich hier drei Möglichkeiten: Hatte er, als er zum
Vortrag der Materien fiir den Druck schritt, einen Entwurf der
ganzen Kritik der reinen Vernunft mit weitläufiger Ausführung
ihrer Hanptstücke schriftlich vor sich liegen? oder nur einen Plan
des Werkes mit thoils längeren, theils kürzeren, aber doch das
Ganze beinahe umfassenden und schon möglichst ausgefertigten,
wenn auch mannigfacher Ergänzung bedürftigen Darlegungen?
oder gar blos den Plan des Werkes mit vielen im Gedankengange
zusammenhängenden, aber im Wortlaut abgerissenen Notizen? Von
diesen drei Möglichkeiten ist mir die letzte am wahrscheinlichsten.
Die erste wird durch Kant's briefliche Erklärung an &arve
80 wohl wie besonders an Mendelssohn ausgeschlossen. Denn
Kant hätte wahrheitsgemäß nicht sagen können, er habe „das
Product dea Nachdenkens von wenigstens zwölf Jahren innerhalb
DigtizBabyCoOgIC
Von Emil Araoldt. 61
etwa 4 bis 6 Monaten, gleichsam im Fluge, zu Stande
gebracht", wenn er einen weitläufig auagefiihrten, Jahre lang
aasgearbeiteten Entwurf des ganzen Werkes in jenen vier
oder fünf Monaten nur überarbeitet hatte. — Gegen die zweite
Möglichkeit*) spricht, daß Kant wohl zu Anfang des April 1778,
nämlich an dem Tage, an dem er den v. 28. März 1778 datirten,
wiederholten Antrag des Ministers v-.Zedlitz zur Uebemahme einer
Professur in Hallo (E. XI, Biogr. S. 64) erhielt, in einem Briefe
an Herz die Arbeit, die er „unter Händen" hatte, als eine
„Sehrifl" bezeichnet, „die an Bogenzahl nicht viel austragen
wird" (E. XI, 1, A-, 42 u. 43). Denn, wenn er damals bereits
viele Stücke des Werkes, mochten sie auch noch so' sehr Bruch-
stücke sein, in längerer Ausführung vor sich hatte, so würde er
vorausgesehen haben, daß seine „Schrüt" im Druck „an Bogen-
zahl" nicht „nicht viel", sondern recht viel „austragen" mußte.
Vermuthungen, welche auf die Abfassung längerer Abschnitte
des Werkes zu ganz verschiedener Zeit aus — angeblichen —
Widersprüchen zwischen Begriffsbestimmungen in verschiedenen
Abtheilungen desselben schließen wollen, sind mißlich, weil
unter den Interpreten Einigkeit weder hergestellt ist, noch
schwerlich je herstellbar sein wird darüber, ob, viel weniger;
wo, am wenigsten: wie jene Widerspräche — als hebbare, oder
als nicht hebbare? — in der Kritik der reinen Vernunft vor-
handen sind. — Mithin bleibt nur die dritte Möglichkeit übrig,
bei welcher immerhin die Annahme zulässig ist, daß Kant, als
er zur Abfassung des Werkes schritt, bereits einige wenige,
besonders schwierige Auseinandersetzungen, z. B, die Deduction
der Kategorien, in einer mehr oder weniger vollständigen, schrift-
lichen Ausführung fertig unter seinen Papieren hatte. Den in
der Vorrede zur Kritik der reinen Vernunft (B. H, 12) erwähnten
„ersten Entwurf werde ich bei Beantwortung der zweiten Frage
*) Diese zweite Möglichkeit — hoffentlich nicht die erste — hat
W. Windelband in seiner Äbhandlnng: „Ueber die verschiedenen Phasen
der Eantiscben Lehre vom Oing-an-aich" (Yierteljahrsschr. für wissenscb.
PhiloB. r. Jahrg. 1877. S. 224-266.) atatuirt (S. 230, 231 o. 232).
DigtizBabyCoOgle
62 Zur Beurtheilung von Kant's Kritik der reinen Vernunft etc.
berücksichtigen. — Ganz unzulässig erseheint mir die Annahme,
daß er bis zu dem Jahre, in welchem er den „Vortrag der
Materien" für den Druck unternahm — sei dieses nun das
Jahr 1779, oder 1780 gewesen — gar nichts für die Kritik der
reinen Vernunft niedergeschrieben hatte. Denn, wenn seine
Vermuthung aus dem Jahre 1778 Über den voraussichtlichen
Umfang seiner „unter Händen habenden Arbeit" nicht so sehr
wenig dem späteren wirklichen Umfange derselben entspräche,
so würden die Mittheilungen, die sich in seinen Briefen an Herz
über sie finden, obschon keine einzige von ihnen bis gegen
Ende des Jahres 1778 ausdrücklich und zweifellos schriftliche
Aufzeichnungen bekundet, doch auf ziemlich umfängliche, schrift-
liche Aufzeichnungen schheßen lassen.
Die ausführliche Ueberaieht jener Mittheilungen in Kant's
Briefen an Herz zwischen den Jahren 1771 und 1781, welche
„die lange Reihe von Bemühungen", die er „um keinen Preis
noch einmal übernehmen" wollte, mindestens zum größten Theile
vergegenwärtigt — denn der Anfang der Reihe geht bis in das
Jahr 1 766 oder 1765 zurück — ist zur Beantwortung der zweiten
Frage erforderlich: in welchem Jahre brachte Kant den „Vortrag"
der Kritik der reinen Vernunft für den Druck zu Stande? Sie
■ - und die Berücksichtigung von Kant's Brief an Engel —
wird, meine ich, die Wahrscheinlichkeit ergeben, daß er das
Werk im Jahre 1779, und zwar vom April oder Mai bis zum
August oder September dieses Jahres für den Druck nieder-
geschrieben hat.
Schon die Dissertation vom Jahre 1770: De mundi sensi-
bilis atque intelligibilis forma et principiis hatte ihren Ursprung
in — hier für die 17606r Jahre nicht zu erwägenden — Medita-
tionen, aus denen sich nachmals und zuletzt die Kritik der reinen
Vernunft entwickelte, und gleich nach Veröffentlichung der Disser-
tation beabsichtigte Kant, den Gedankenbau, von dem er dort nur
einen Abriß gegeben hatte, in einem großem Werke auszugestalten.
Die folgende Darstellung soll dem Excurse VaJhinger's über
die äußere^Entstehungsgeschichte der Kritik der reinen Vernunft
DigtizBabyCoO^IC
Von Emil Amoldt. 63
auf Seite 163, 154 und 1,55 seines Commentars weniger entgegen,
als vielmehr gegenüber, woh! aber seinem Datiren der „Nieder-
schrift der Kritik": „Sommer 1780, etwa im April bis August
oder Anfang September" (Comm. S. 139) entgegen treten. Da
sie Kaot's Aeußerungen, welche ihr Thema betreffen, ausführlich
wiedergeben wird, so ist es unvermeidlich, daß sie auch die
Entwickelung der Gedanken berühre, aus denen die Kritik der
reinen Vernunft hervorging. Aber sie soll sie nur ao weit ver-
folgen, als sie dieselbe unmittelbar aus Kant's Auäemngen ent-
nehmen kann, mithin keine Hypothesen bauen, die nur in sehr
vermittelten Schlüssen aus Kant's Aeußerungen ihre Grundla^
finden. Demgemäß wird sie auch so manche hypothesenreiche
gegnerische Ansichten entweder ganz bei Seite lassen, oder nur
hier und dort und nebenher streifen, ohne sie zu bekämpfen
durch den Versuch einer Widerlegung, welche die der gegen-
wärtigen Abhandlung gesteckten Grenzen weit überschreiten
müßte. Die unumgängliche Berichtigung einiger falschen An-
gaben B. Erdmann' s wird ihrer Weitläufigkeit halber einem
Anbang zu dieser Abhandlung überwiesen.
Brief an Herz vom 7. Juni 1771.
In diesem Briefe entschuldigt Kant zunächst seine Nach-
läßigkeit im Correspondiren mit Herz, zumal aber mit Mendels-
sohn und Lambert hauptsächlich dadurch, daß solche Briefe, als
diejenigen seien, mit denen er von diesen beiden Gelehrten
beehrt worden, ihn in eine lange Reihe von Untersuchungen
verflöchten. Denn vernünftige Einwürfe würden von ihm, wie
Herz wisse, nicht blos darauf angesehen, wie sie zu widerlegen
wären, sondern ,j6derzeit beim Nachdenken" in seine Urtheile
verwebt mit der Berechtigung, alle vorgefaßten Meinungen,
„die" er „sonst beliebt" hätte, über den Haufen zu werfen. Er
hoffe immer, dadurch, daß er seine „Urtheile aus dem Stand-
pnncte Anderer unparteiisch ansehe," etwas Drittes herauszu-
D,gt,zBabyC00gIe_
()4 ^>^^ Eeurtbeilung von Eant's Kritik der reinen Yeniunüt. etc.
bekommen, was besser sei, als sein Voriges. Ueberdem sei ihm
der bloße Mangel der Ueberzeugung bei Männern von solcher
Einsicht jederzeit ein Beweis, daß es seinen Theorien wenigstens
, an Deutlichkeit, an Evidenz, wenn nicht gar an etwas Wesent-
licherem fehlen müsse,*) Nun habe ihn „eine lange Erfahrung"
davon belehrt, daJJ die Einsicht in die Materien, die er und
Herz [Kant schreibt; „unsere vorhabenden Materien", und meint
wohl auch: Mendelssohn und Lambert] vorhätten, gar nicht könne
erzwungen und durch Anstrengung beschleunigt werden, sondern
eine ziemUch lange Zeit bedürfe, „in der maji mit Intervallen
einerlei Begriff in alleilei Veihältnisse bringe und in so weit"
[d. h. nur so weit, als zur Erregung der schärfsten Zweifel
nöthig ist, aber nicht weiter, — nicht bis zum Skepticismus hin]
,,der skeptische Geist aufwache und versuche, ob das Ausgedachte
gegen die schärfsten Zweifel Stich halte." „Auf diesen Fuß"
habe er die Zeit, die er sich aus Achtung vor den Urtheilen
beider Gelehrten gegeben, wie er meine, wohl genützt.
Nach Darlegung dieses hauptsächlichsten Entschuldigungs-
grundes für seine Säumniß im Briefschreiben fährt er fort:
„Sie wissen, welchen großen Einfluß die gewisse und deut-
liche Einsicht in den Unterschied dessen, was auf subjecti-
,vischen Principien der menschlichen Seelenkräfte, nicht allein
,der Sinnlichkeit, sondern auch des Verstandes beruht, von dem,
,wa3 gerade auf die Gegenstände geht, in der ganzen Welt-
iWeisheit, ja sogar auf die wichtigsten Zwecke der Menschheit
überhaupt habe. Wenn man nicht von der Systemensucht hin-
igerissen ist, so verificiren sich auch einander die Untersuchungen,
,die man über eben dieselbe Grundregel in der weitläufigsten
.Anwendung anstellt. Ich bin daher jetzt damit beschäftigt,
pein Werk, welches unter dem Titel: Die Grenzen der Sinn-
lichkeit und der Vernunft, das Verh<niß der für die Sinnen-
,W6lt bestimmten Grundbegriffe und Gesetze zusammt dem Ent-
*) Aelmliche, dem Sinne nach gleiche Äeafierungen finden sich in
Kant's Brief an Lambert vom 2. September 1770 (B. I, 359 unt. n. 860 ob.).
zeabyGoOgIC
Von Emil Arnoldt. 65
„würfe dessen, was die Katar der Geschmackslelire, Metaphysik
„und Moral ausmacht, enthalten soll, etwas ausführlich aoszn-
„arbeiten. Den Winter hindurch bin ich alle Materialien dazu
„durchgegangen, habe alles gesichtet, gewogen, aneinander gepaßt,
„bin aber mit dem Plane dazu erst kürzlich fertig geworden."
Dann führt Kant als zweite Ursache seines spärlichen
Briefschreibens die Nothwendigkeit an, seiner Gesundheit, die
„merklich gelitten" habe, neben dem täglichen Gebrauch der
Chinarinde seit dem Octoher 1770 dadurch aufzuhelfen, daß er
alle Anstrengungen eine Zeit lang aussetze, nur die Augen-
blicke der guten Laime nutze, die übrige Zeit aber der Ge-
mächlichkeit und kleinen Ergötzlichkeiten widme.
Ferner bekundet er seine Freude, daß Herz „eine Aus-
arbeitung von der Natur der speculativen Wissenschaft" drucken
zu lassen im Begriff sei*), auch seine Erwartung, daß er, da
jene Schrift „früher" werde „fertig werden", als die seinige,
noch „allerlei" vermuthlieh darin anzutreffende „Winke" werde
nutzen können, und die Gewißheit, daß sein Vergnügen an dem
Beifall, den Herz' erster öffentlicher Versuch muthmaßlich er-
halten werde, „ob es zwar in geheim keinen geringen Gehalt
von Eitelkeit haben" möge, doch ,, einen starken Geschmack einer
uneigennützigen und freundschaftlichen Theilnehmung" an sich
trage. Zugleich beklagt er, daß seine Dissertation, an der er
nichts habe ändern mögen, „nachdem" er ,,den Plan zu der
vollständigem Ausführung in den Kopf bekommen", von Kanter
ziemlich spät und nur in einer geringen Zahl von Exemplaren,
sogar ohne Ankündigung in dem Meßcatalog nach auswärts
verschickt sei, und fügt hinzu:
„Weil diese der Text ist, worüber das Weitere in der
,/olgenden Schrül soll gesagt werden, weil auch manche abge-
„sonderte Gedanken darin vorkommen, welche ich schwerlich
*) Sie erschien nnter dem Titel: „Betrachtungen aus der epeknlativon
Weltweiflheit von Markos Herz, der Ärzneygelahrheit [sie] BeSissenen.
Königsberg, ITTI. Be; Johann Jakob Kanter."
Allpr. HonatHohrUt Bd. ZXVL Hft. 1 n. 3. 5
DigtizBabyCoOgle
66 Zur BenrtheÜQDg von Kaut's Kritik der reinen Vernunft etc.
„irgend anzaflihren Gelegenheit haben dürfte, und doch die
„Dissertation mit ihren Fehlem keiner neuen Auflage würdig
„scheint, so verdrießt es mich etwas, daß diese Arbeit so ge-
„schwinde das Schicksal aller menschlichen Bemühungen, nämlich
„die Vergessenheit erdulden müsse."
Unter erneuter Bitte um Uebermittelung seiner Entschul-
digungen und der Versicherungen seiner „größten Ergebenheit"
an Mendelssohn und Lambert schließt er mit einer scherzhaften
Anspielung auf die Beihilfe, die seine Chinarinde zur Frühlings-
cur durch einen weitläufigsten Brief von Herz erhalten würde,
und auf die präsumptive Pflichterfüllung seiner Finger bei all-
mälig eintretender Pflichterfüllung seines Magens. —
Dieser Brief ist, wie jeder, der uns von Kant überblieben
ist, ein biographisch beachtenswerthes Document, — biogra-
phisch beachtenswerth in mannigfacher Beziehung, weil er
Kant's Individualität, seine ungeschminkte Darstellung seiner
selbst, seine lautere Freundscbaftsgesinnung, seine Anspruch-
losigkeit und Bescheidenheit bei einer regen, aber aller Rivalitftts-
sucht haaren Beeiferung zu eigener wissenachaftlicher That,
Beine Vorsicht in der moralischen Beurtheilung seiner selbst,
seine stäte intellectuelle VersatLLität hinlänglich characterisirt.
Doch davon habe ich hier abzusehen.
Für die Entstehungsgeschichte der Kritik der reinen Ver-
nunft ist er wichtig, weil er die Meditationsweise, die Tendenz,
den ersten Gedankenentwurf angiebt, woraus nachmals das wirk-
liche Werk entsprang.
Die Meditationsweise ist liberal, skeptisch, nach Evidenz
ihrer Ergebnisse ringend. Liberal im Sinne jener erweiterten,
sich in den Standpunct anderer versetzenden, den Begriffen
anderer bequemenden Denkungsarfc, welche Kant späterhin mit
der Maxime des Selbstdenkens und der Maxime des jederzeit
mit sich selbst einstimmigen, consequenten oder bündigen Den-
kens als nothwendige Bedingungen aller von dem Menschen in
sich zu erzeugenden Weisheit einschärfte! (R. VU, 2. Ab. 105
n. 106. 142. — m, 227 n. 228. ~ IV, 159—161. — Auch Br.
DigtizBabyCoO^IC
Von Emil Arnoldt. 67
an Mendelssohn v. 18. Äug. 1783, XI, 1. A., 14. — Ueber die
Maxime des Selbstdenkens allein s. I, 390 Anm., und deren
Gegentheil s. 131, 251, dazu IV, 160 ob.)*) — Die Meditationa-
weise ist skeptisch im Sinne der skeptischen Methode, welche
eine angenommene Erkenntnis, um znr Gewißheit derselben zu
gelangen, auf die hOohate Üngewifibeit bringt, und bei Fragen,
welche reine Vernunft an reine Vernunft thut, unter den Be-
weisen für die darauf antwortenden Behauptungen zum Zweck
der Forträumung alles „dogmatischen Wustes" einen freien und
ungehinderten Wettstreit veranstaltet. Sie hat zunAchst nur
eine Suspension des Urtheiiens zur Folge, aber sie ist dem
kritischen, zur Wahrheit leitenden Verfahren sehr nützlich,
und in der Traosscendentalphilosophie unentbehrlich. (R. TU,
261. — n, 336, 337. 384). Es verdient Beachtung, daß „eine
lange Erfahrung" schon im Jahre 1771 Kant davon belehrt
hatte, wie nöthig es sei, bei seinen Arbeiten „mit Intervallen
einerlei Begriff in allerlei Verhältnisse" zu bringen und den
„skeptischen Geist" bis zur Erregung der ,, schärfsten Zweifel"
gegen das Ausgedachte erwachen und th&tig werden zn lassen,
aber nicht weiter. Denn dies ist ein Zeugniß, daß er schon in
den 1760er Jahren und vielleicht noch früher der skeptischen
Methode huldigte, mithin — so dürfte man wohl schließen —
die skeptischen Einwürfe Hume's beachtete, ohne je ein Skep-
tiker zn werden, und den Empirismus und Sensualismus neben
dem Noologismus und Intellectualismus zu Worte kommen ließ,
ohne je ein Empirist und Sensualist, oder ein Noologist und
Intellectualphiloaoph zu werden. — Was endlich die Evidenz
anlangt, welche Kant seinen Beweisführungen und deren üesul-
*) Der Maxime der liberalen Denkungsart entapricht Hamann's
Forderung in seinem Briefe an liiadner v. 7, Novbr. 1761: „Zum Urtheilen
gehört, daß man jeden nach seinen eigenen Orundeätzes prüft und
sich selbst as die Stelle des Autors setzen kann ^Schr. R. m, 116). — Eine
etwas andere Bestimin'ing, als die obige, erhält der Betriff der liberalen
Benknsgsart bei Kant W. K. VII, 1. Ä., 42&, und wiederum eine andere
IX, 28a
zeabyCoOgle
68 Zur Boartheihing von Kaufs Kritik der reinen Vernunft etc.
taten zu geben trachtete, 30 hat er das Streben, sie zu erreichen,
allerdings nie fallen lassen, aber bei Abfassung der Kritik der
reinen Vernunft und späterhin nur so verfolgt, daß er sich nicht
mehr eine absolute Evidenz, sondern nur eine relative angelegen
sein ließ, — eine solche, als er nach jeweiliger innerer Diapo-
aition und jeweiligen äußeren Umständen zu erlangen vermögend
war. Es geht dies schon aus den zu Anfang dieser Abliandlnng
citirten Briefstellen, mehr aber noch aus der Erklärung in eben
jenem Briefe an Mendelssohn vom 18. August 1783 hervor:
„Es sind wenige so glücklich, für sich und zugleich in der
„Stelle anderer denken und die ihnen allen angemessene Manier
„im Vortrage treffen zu können." (R. IX, 1. A., 14.)
Für die Tendenz des Werkes, das Kant im Jahre 1771
auszuarbeiten im Begriffe stand, ist der Titel, den er ihm geben
wollte, bezeichnend: ,,Die Grenzen der Sinnlichkeit und
der Vernunft." Die „Dissertation" blieb ,,der Text," worüber
die folgende Schrift das "Weitere sagen sollte. Sie bezweckte
eine „gewisse und deutliche Einsieht in den Unterschied dessen,
was auf subjectivischen Principien der menschlichen Seelen-
krafte, nicht allein der Sinnlichkeit, sondern auch d«s Verstandes
beruht, von dem, was gerade auf die Gegenstände geht," mithin
wohl eine Correctur und Vervollständigung der Scheidung,
welche in der Dissertation vorgenommen, aber nicht gründlich
durchgeführt war, — der Scheidung zwischen sinnlicher und
intellectueller ErkenntnÜJ, wie der Scheidung zwischen er-
schlichener intellectueller Erkenntniß, die mit sinnlichen Vor-
stellungen versetzt ist, und rein intellectuellen Begriffen, die
von sinnlichen Bedingungen frei sind, wobei denn auch die
Scheidung zwischen dem Gebiet der Phänomene und dem Felde
der Dinge an sich, wie die Scheidung zwischen dem logischen
und dem realen Verstandesgebrauch anders, als in der Disser-
tation zum Austrag kommen mußte.*) Das sensitivae cognitlonis
') Der Kärze hcilber beziehe ich mich hier auf die Exposition
Bericht: Kant nach K. Fischer'9 neuer Darstellung. S. 19 — 85.
zeabyCoOgIC
Von Emil Arnolilt. £9
cum intellectnali contagiom, von welchem die Dissertation in
§ 23 spricht tmd in dem darauf folgenden Paragraphen eine
Skizze entwirft, machte ©a erforderlich, zwischen beiden Arten
der ErkenntniQ tenniuos certitudinis apodicticae quae Meta-
physicam decet (§ 22 Schol.), festzustellen. So gah die Tendenz
des "Werkes den Tit«l desselben: Die Grenzen der Sinnlichkeit
nnd der Vemonft, unmittelbar an die Hand, eben weil sie durch
diesen Titel einen völlig treffenden Ausdruck empfing. Wahr-
scheinlich war der Aasdmck: Grenze, schon damals in Kant's
Terminologie geläufig, und so wendete ihn Herz in seinen ,3^'
trachtnngen aus der spekulativen Weltweishelt" öfters au, indem
er sagte, daß „die Gränzen, welche unsere ErkenntniQ ein-
schließen, irrigerweise den änfieren Gegenständen angepaßt"
(S. 16), daß „die Gränzen der "Wirklichkeit äußerer Dinge mit
den Gränzen nnserer Erkenntniß fär einerley gehalten" werden
(S. 18), daß „bei den Gränzen zu verweilen, wo -ganze Wissen-
schaften ihren Anfang nehmen," eine seiner angenehmsten Be-
schäftigungen sei (S. 40).
'Vaihinger's Äu nähme, daß Kant zur Wahl dieses Titels
durch den Nebentitel von Lessing's Laokoon veranlaßt sei, ist
haltlos. Yaihinger sucht seine Annahme folgendermaßen zu
motiviren: „Dieser Titel erinnert auffallend an den Nebentitel
„des Lessing'schen Laocoon „„oder über die Grenzen der
„Malerei und Poesie""; daß der Adressat selbst dies bemerkte,
„dafür spricht die Parallele, die er zwischen Kant und Lessing
„angestellt hat, wie aus dem folgenden Briefe Kant's an ihn
„hervorgeht. Kant hatte also wohl auch diese Anspielung und
„Nachahmung beabsichtigt."
Aber hier waltet ein Versehen ob. Denn „der Adressat,"
d. h. Herz, hat die Parallele, die er zwischen Lessing und Kant
anstellte, nicht im Jahre 1771 oder 1772, sondern im Jahre 1776
angestellt, als Kant für sein beabsichtigtes Werk wohl schon
einen anderen Titel, als die „Grenzen der Sinnlichkeit und der
Vernunft" gewählt hatte. Auch hat er sie nicht in einem Briefe,
in einem Antwortschreiben auf Kants Brief vom 7. Juni 1771
DigtiJBabyCoOgle
70 Zar Beurtheilong von Eant's Kritik der reinen Vernanfl etc.
angestellt, wie Vaihiuger auzndenten Bcheint, sondern in seiner
zweiten Dmckschrift: „Versuch über den Geschmack" u, s. w.
Daher geht auch nicht hervor und kann nicht hervorgehen aas
„dem folgenden Briefe Kant's an ihn, d, h. aus dem Briefe vom
21. Februar 1772, daß Herz jene Parallele angestellt habe, son-
dern Eant weist jene Parallele erst in seinem Briefe vom
24. November 1776 zurück. Endlich bezieht sich jene Parallele
in keiner Weise' auf Lessing's Laokoon und Kant's beabsichtigte
Schrift, sondern auf Lesaing's und Kant's intellectuelle Begabnng.
Herz erwähnt nämlich in seinem „Versuch über den Ge-
schmack und die Ursachen seiner Verschiedenheit" auf S. 67*)
der Tbatsache, daß man selten ])ei einem Menschen überaus
große Vervollkommnung einer Kraft findet ohne Vemaehläßigung
anderer Kräfte, die mit ihr nicht in genauer Verknüpfung stehen,
und i&hrt dann fort: „Vorzüglich sind die FftUe nicht häufig,
„wo die beyden Arten von Vervollkommnung, nehmlich die
„Erweiterung der Kräfte dem Grade und der Menge nach, sich
„beysammen finden. Viel und zugleich Vieles zu umlassen,
„ist eine Eigenschaft der Lessinge und Kante; eine Eigenschaft
„seltner Jahrhunderterscheinungen" (S. 57 and 68).
Diese Parallele enthält offenbar nicht die geringste directe
Beziehung weder auf Lessing's Laokoon, noch auf Kant's im
Jahre 1771 beabsichtigte Schrift. Aber schon bei Beachtaug
der oben angeführten Data erweist sich die Annahme, daß
Herz die Uebereinstimmung zwischen dem Nebentitel von Lessing's
Laokoon und dem von Kant angegebenen Titel: „die Grenzen
der Sinnlichkeit und der Vernunft" „bemerkte", eben so wenig
*) Ich citii-e nach der 2. Auflage vom Jahre 1790, nicht nach der
1. Auflage von 1776, die ich nie gesehen habe. Aber die Stelle, eaf die ea
in dem obigen Citat ankommt, iat zweifellos anch in der 1. Auflage vor-
handen, entweder wörtlich — vielleiclit mit Ausnahme der Worte: „eine
Eigenschaft seltner Jahrhnnderterscheinungen", — oder dem Sinne nach.
Dagegen fehlt in der 1. Auflage wahrscheinlich die Hindentung auf „di«
tiefen Untersuchungen jenes großen kritischen Seelenumseglers", welche aaf
S. 8 der 3. Auflage vorkommt.
DigtizBabyCoOgIC
Von Emü Amoldt 71
motivirt, als die Annahme, daB Kant „diese Anspielung und
Nachahmimg beabsichtigt hatte,"*)
Hinsichtlich des Planes zu dem beabsichtigten Werke: Die
Grenzen der Sinnlichkeit und der Vernunft, ist zu bemerken:
er kann, obschon Eant mit ihm kurz vor dem 7. Juni 1771
fertig geworden zu sein erklärte, damals doch nnr unbestimmt
im Hoben entworfen gewesen sein, weil er sich auf alle Gegeu-
st&nde erstreckte, die späterhin in den drei Kritiken und in
der „Grundlegung zur Metaphysik der Sitten*' ihre Behandlung
fanden. Aber er wurde schnell ' bestimmter ausgebildet, wie der
folgende Brief an Herz beweist.
Brief an Herz vom 21. f «bruar 1772.
In diesem ausführlichen, denkwürdigen Briefe giebt Kant
über den Plan zu dem neuen Werke wie über die Mängel, die
er in der Dissertation wahrnahm und nun durch positive Ein-
sichten und Lehren ergänzen wollte, nähere Auskunft, freilich
ohne bei der „Erzählung von der Art der Beschäftigung seiner
Qedanken in müßigen Stunden" anzudeuten, was bis zum
7. Juni 1771, und was vom 7. Juni 1771 bis zum 21. Februar 1772
die Frucht dieser Beschäftigung gewesen war.
Nach Herz' Abreise von Königsberg sah er den Plan der
Betrachtungen, über die er mit Herz disputirt hatte, noch ein-
mal an, „um ihn an die gesammte Philosophie und übrige Er-
kenntnis zu passen und dessen Ausdehnung und Schranken zu
begreifen." „In der Unterscheidung des Sinnlichen vom Intel-
lectualen in der Moral und den daraus entspringenden Grund-
sätzen hatte" er „es schon vorher ziemlich weit gebracht;" —
also wohl schon so weit, daß er Über die mangelhafte Disjunction
am Schlüsse seiner „Untersuchung über die Deutlichkeit der
Grundsätze der natürlichen Theologie und der Moral" aus dem
*) Es ist bezweifelt worden, ob Kant den Laokoon jemale gelesen
and benatzt hat. Einige Notizen zur Beartheilung von Kant's VerhältniD
m Anhange zu dieser Abhandlung unter No. 1.
D,gt,zBabyC00<^le
72 Zur Benttheilung von Kaut's Kritik der reinen Vemnnft etc.
Jabre 1763 hinaus war: „ob lediglich das Erkenntnißv^miögen
oder das Geflihl (der erste innere Grund des Begehrungsver-
mögens) die ersten Grundsätze" der Verbindlichkeit „entscheide"?*)
(R. I, 111.) — Ferner: „Die Principien des Gefühls, des Ge-
schmacks und der Beurtheilungskraft, mit ihren Wirkungen, dem
Angeuehmen, Schönen und Guten hatte" er „auch schon vor-
längst zu" seiner „ziemlichen Befriedigung entworfen"; — also
wohl der Art, daß er nicht mehr, wie in jener Untersuchung aus
dem Jahre 1763 .,das Ürtheil: dieses ist gut," für „eine unmittel-
bare Wirkung von dem Bewußtseyn des Gefühls der Lust mit
der Vorstellung des Gegenstandes" ansah (R. I, 109), und auch
nicht mehr, wie in der „Nachricht von der Einrichtung seiner
Vorlesungen in dem Winterhalbjahre von 1765 — 1766," die sitt-
liche Bechtmäßigkeit der Handlungen „durch dasjenige , was
man Sentiment nennt," für erkennbar hielt (R. I, 296). Daß er
in den Jahren 1771 und 1772 und schon früher den Gedanken
einer reinen, auf rationalen Grundsätzen beruhenden, von empi-
rischen Priiicipien gesäuberten Moral in sich erzeugt und klar
erfaßt — wenn auch nicht bestimmbar ist : wie weit ausgebildet
— hatte, ergiebt sich aus seiner Mittheilung in seinem Briefe
an Lambert vom 2. September 1770: „Ich habe mir vorgesetzt,
„ — — — diesen Winter meine Untersuchungen über die reine
„moralische Weltweisheit, in der keine empirischen Principien
„anzutreffen sind, und gleichsam die Metaphysik der Sitten in
„Ordnung zu bringen und auszufertigen; sie wird in vielen
,, Stücken den wichtigsten Absichten bei der veränderten Form
„der Metaphysik den Weg bahnen, und scheint mir überdies
,,bei den zur Zeit noch so schlecht entschiedenen Principien der
„praktischen Wissenschaften eben so nöthig zu seyn" (R. I, 359).**)
•) Auch in der Anthrop. (B. VII, 2. A.. S. 426, 1. Absch.) hat K&nt
„entacheiden" mit dem bloßen Accua. conetniirt.
**) AnBer der oben beregten Thataache von Kant's schon im Jahre 1770
gewonnener Oriestirnng über eine reine Moral zeigt jene Hittheilnng an
Lambert in Verbindung mit seinen Mittheilongen an Herz aus der ersten
H&lfte der 1770er Jahre:
DigtizBabyCoOgIC
Ton Emil Arnoldt, 73
Nun machte er den Plan zu einem "Werke, welches „etwa"
den Titel „haben könnte": Die Grenzen der Sinnlichkeit
und Vernunft, mit einem theoretischen und einem praktischen
Theil; — dem theoretischen in zwei Abschnitten: 1. Die Phäno-
menologie überhaupt; 2. Die Metaphysik, und zwar nur nach
ihrer Natur und Methode; — dem praktischen ebenfalls in zwei
Abschnitten: 1. Allgemeine Principien des Gefßhis, des Geschmacks
und der sinnlichen Begierde; 2. die ersten Gründe der Sittlichkeit.
Also war anch im Februar 1772 der Plan noch so um-
fassend, daß seine Ausftihrung in einem einzigen Werke wohl
nur auf die Behandlung der ersten Grundsätze hätte gerichtet
werden können. Doch war für den „theoretischen Theil" in
dem Abschnitt: „Die Phänomenologie überhaupt" gewiß ein
Stück wie die spätere transscendentale Aesthetik und ein anderes
Stück wie die spätere transscendentale Analytik vorbedacht — das
erhellt aus späteren Aeußerungen in diesem Briefe — , während
der Abschnitt : „Die Metaphysik" — ebenfalls nach Aeußerungen
in eben diesem Briefe — den Problemen der späteren trans-
scendentalen Dialektik gewidmet sein sollte, — mithin war wohl
schon für Inhalt und Form der Aesthetik, der Analytik, und der
Dialektik ein Umriß in Gedanken gezogen; in dem „praktischen
1. Kant richtet« bereits im Jfthre 1770 und in den darauf folgenden
Jahren seine Aufmerksamkeit nicht einaeitig auf eine Reform der Meta-
physik, Bondem ftnf eine Reform der Metaphysit im Znsammenhange mit einer
Befomt der Moralphilosophie. Schon dieser äußera Umstand macht die Prä-
«nmption unwahrscheinlich, daß seine nachmalige kritiache Philosophie einen
zwiefachen Anfang, einen sogenannten zwiefachen Eingang erhalten habe.
3. Er betrachtete die Losung der moralischen Probleme ala förderlich
ffir die Lösnnj; der metaphysischen, wie er denn auch umgekehrt eine solide
Begründung der Metaphysik als unentbehrlich ansah für eine sichere Begrtln-
dnng der Moral. Schon dieser äußere Umstand widerstreitet der Präsumption,
daß er seine kritische Philosophie nach keinem einheitlichen Plane ent-
worfen nnd ausgestaltet habe.
S) Er hatte bereite im Jahre ITTO ein ausgesprochenes Interesse (är
eine Neabegründung der Moral als solcher und an und für sich. Schon
dieser Umstand allein macht die Präsuraption hinÄllig, daß erst bei Fort-
setzung seiner kritischen Arbeiten ein Zeitraum , ein „Inzwischen" ein-
getreten sei, in welchem ihm die ethischen Probleme wichtig geworden.
DigtizBabyGoOgIC
74 Zwr Beurtheilung von Eant's Kritik der reinen Yemanft etc.
Theil" aber sollte das Oute von den Gegenständen der Lust
gesondert werden, wie die Ueberschriften anter No. l and No. 2
nhzweideutig an die Hand geben.
Dann „durchdachte" er „den theoretischen Theil in seinem
ganzen tJmfange und mit den wechselseitigen Beziehungen aller
Theile." Dabei bemerkte er, daß er bei seinen langen meta-
physischen Untersuchungen, eben so wie andere, gerade das
außer Acht gelassen hätte, was in der That „den Schlüssel zu
dem ganzen Oeheimmsse der bis dahin sich selbst noch verbor-
genen Metaphysik" ausmachte, — nämlich die Frage: „auf wel-
chem Grunde beruht die Beziehung desjenigen, was man in uns
Vorstellung nennt, auf den Gegenstand?" "Wäre die Vorstellung
bloße Passion des Subjects bei der Äffection durch den Gegen-
stand, so würde „leicht einzusehen" sein, wie sie als Wirkung
dem Gegenstande als ihrer Ursache gemäß sei, wie sie, obschon
Bestimmung unseres Gemüthes, doch etwas vorstellen d. i.
einen Gegenstand haben*), und wie die Grundsätze, welche aus
(186';
*) In der RoBenkrasz'schen Ausgabe wie in der Hart«nstein'scben
u, 68, YIII, 680} lautet die obige Staue wörtlicb: „Enthalt die Vor-
,steIluDg nar die Art, wie das Subjttct von dem Gegenstände afäcirt wird,
,ao ist's leicht einzusehen, wie er diesem ab eine WirkonR seiner Ursache
,gemäB sej und wie diese Bestimmung unseres Oemilths etwas vorstellen,
,d. t. einen Gegenstand haben könne. Die Passion oder sinnlicbe Vor-
iStellongen haben also eine begreifliche Beziehung auf Gegenstände" u. s. w.
Doch lehrt der Zusammenhang der Gedanken in beiden Sätzen, daß Kant,
wenn er in dem ersten derselben den Nachsatz, wie ihn der Druck giebt,
wirklich schrieb, dann sich verschrieben hat. Denn jener Nachsatz
roult lauten: „so ist's leicht einzusehen, wie sie [die YorsteUung] diesem
[dem Gegenstände] als eine Wirkung ihrer Ursache [die Yorstellang als eine
Wirkung des Gegenstandes dem Gegenstande] gemäU sey." Bei dieser Les-
art fitgt sich der Sinn des Nachsatzes passend in den Oedaukenzusammen-
haug des ganzen Satzes tmd der daran geknüpften SchlaCfolgerung.
Liest man hingegen den Nachsetz so, wie ihn Kant aus Yersehen mag
geschrieben haben: „so ist's leicht einzusehen, wie er [der Gegenstand]
diesem [dem Äfficirtwerden, und zwar je nach der Art in der es Statt findet,]
als eine Wirkung seiner Ursache [der Gegenstand als eine Wirkoag des
Afficirtwerdens der Affectionsart] gemäfi sei" : dann erhält man allerdings
auch einen Sinn, aber einen in den Gedanken/usammeshang nicht passenden,
und diesen Sinn in schiefem Ausdruck.
D,gt,zBabyC00<^IC
Von Emil Ämoldt. 75
der Natur unserer Seele entlehnt werden, fftr alle Dinge, in so
fem sie Gegenstände der Sinne sein sollen Giltigkeit besitzen
kfinnen. "Wäre die Vorstellung actio für das Object d. i. den
Gegenstand selbst hervorbringend, wie die göttlichen Erkennt-
nisse als Urbilder der Sachen, so würde ebenfalls die Confor-
mit&t derselben mit den Objecten verstanden werden können.
„Es ist also die Möglichkeit des intellectus archetypi, auf dessen
„Anschauung die Sachen selbst sich gründen, als des intellectns
„ectypi, der die Data seiner logischen Behandlung aus der
„sinnlichen Anschauung der Sachen schöpft, zum wenigsten
„verständlich."
Aber beide Möglichkeiten sind doch nicht so leicht ver-
ständlich, als Kant noch annahm. Denn wäre die Vorstellung
bloße Passion, so ist keineswegs verständlich, wie sie dem Gegen-
stände gemäß sein soll, weil bei bloßer Passion des Gemüths
BRch trotz einer Verschmelzung der in ihm durch A£fectioQ
entstandenen Gesichts-Tast-Gehörsempfindongen u. s. w. mit
den Anschauungen des Baumes und der Zeit gar kein — erst
durch die Kategorien ermöglichter — Gegenstand vorhanden ist,
anf den sie bezogen und dem sie gemäß sein könnte. Auch ist
zu erwägen, daß die Wirkung keineswegs ihrer Ursache noth-
wendig „gemäß" ist, und femer daß die „ans der sinnlichen
Anschauung der Sachen" geschöpften Data durch „logische Be-
handlungen" mancherlei Modificationen erfahren mögen, von denen
niemand einzusehen vermag, in welcher Art und aus welchem
Grunde diese den Gegenständen — wenn die letzteren vorhanden
wiüren — conform sein sollen. "Wäre aber die Vorstellung actio für
das Object, so würde allerdings verständlich sein, aus welchem
Grunde hervorbringende Vorstellung und hervorgebrachtes Object
„Conformität" haben müßten, wenn nur zuvor der nicht ver-
ständliche Unterschied wäre verständlich geworden, welcher die
Setzung der Vorstellung als solcher in einem intellectus archety-
pus und die Setzung der Vorstellung als eines Objects außer
dem intellectus archetypus sondert, oder was denn in einem
intellectus archetypus den Unterschied zwischen Möglichkeit
DigtizBabyGoOgle
76 Zur Beartheilang von Ktmt's Kritik der reinen Vernunft etc.
und "Wirklichkeit der Dinge, zwischen ihrer blos intellectualen
Position nnd ihrer wahrhaft absoluten Position ausmache. Diese
Bedenken traten damals Kant nicht entgegen.
Aber ea stand für ihn fest: die reinen Verstandesbegrifife
müssen in der Natur der Seele ihre Quelle haben, doch weder
in so fem sie vom Object gewirkt werden — Hume's Verirrung
hatte er längst eingesehen — , noch in so fem sie das Object
selbst hervorbringen. In der Dissertation hatte er, — so fährt
er in diesem Briefe vom 21, Februar 1772 fort — sich mit der
negativen Bestimmung begnügt, daß sie nicht Modificationen
der Seele durch den Gegenstand wären. Er hatte gesagt: die .
sinnlichen Vorstellungen stellen die Dinge vor, wie sie erscheinen,
die intellectualen, wie sie sind, Wodurch werden uns aber,
fragt er jetzt, die Dinge anders gegeben, als „durch die Art,
womit sie uns afficiren"? Wenn die intellectualen Vorstellungen
aus unserer inneren Thätigkett entspringen, so ist es freilich
begreiflich, daß die Axiomata der reinen Vernunft in der Mathe-
matik mit den Gegenständen übereinstimmen müssen, weil die
Objecto nur dadurch für uns Gröi3en sind, daß wir die Vorstellungen
derselben als Größen erzeugen; mithin können die Grundsatze
der Mathematik als giltig für Gegenstände a priori ausgemacht
werden, obschon die Begriffe, auf denen sie beruhen, „selbst-
thätig" sind. Allein wie kann sich der Verstand ,,im Verhält-
nisse der Qualitäten" a priori Begriffe von Gegenständen, reale
Grundsätze über die Möglichkeit derselben entwerfen, die mit
den Sachen und mit der Erfahrung getreu übereinstimmen
müssen, ob sie gleich von der Erfahrung unabhängig sind?
Diese Frage hinterlasse immer eine Dunkelheit hinsichtlich der
üebereinstimmung der Begriffe unseres Verstandes Vermögens
mit den Dingen selbst, — Plato, Malebranehe und verschiedene
Moralisten — diese in Bücksicht der ersten moralischen Gesetze
— nahmen ein ehemaliges, oder noch dauerndes geistiges An-
geschautwerden der Gottheit durch die menschliche Seele, Cnisins
eine unserem Gemüth zu Theil gewordene göttliche Einpflanzung
von Begriffen und Ürtheilsregeln, die mit den Dingen harmo-
DigtizBabyCoO^IC
Von Emil AmoldL 77
nirten, jene aleo einen influxus hyperphysicus, dieser eine har-
monia praestabilita intellectualia znm Urquell der reinen Vei^
standesbegrifie. Aber um Ursprung und Oiltigkeit unserer Er-
kenntnisse zu bestimmen, sei die Einfithrung des deus ex ma>
china die ungereimteste "Wahl — als betrüglicher Cirkel imd
als Beförderung der Grillenfängerei. Indem er so die Quellen
der intellectnalen Erkenntniß suchte, „ohne die man die Grenzen
der Metaphysik nicht bestimmen kann," „brachte" er „diese
Wissenschaft in wesentlich unterschiedene Abtheilungen und
suchte die Transscendentalphilosophie, nämlich alle Begriffe der
gänzlich reinen Vernunft in eine gewisse Zahl von Kategorien
zu bringen, „aber nicht wie Aristoteles" „aufs bloße Ungefähr",
,, sondern wie sie sich selbst durch einige wenige Grundgesetze
des Verstandes von selbst in Classen eintheilen".
Also richtete sich schon in den Jahren 1771 und 1772
Kant's Gedankenarbeit auf die Erklärung der Giltigkeit reiner
Begriffe für die Gegenstände und auf die von Aristoteles' Ver-
fahren abweichende, nach einem Princip angestellte Erforschung
der Anzahl und der Classen dieser Begriffe d, h. der Kategorien.
Aber er entnahm die Kategorien noch nicht den Urtheilsformen,
sondern sie theilten sich für ihn — auch schon alle zwölf? — durch
einige wenige Grundgesetze des Verstandes von selbst in Classen ein.
Ohne sich nun „über die ganze Keihe der bis zu dem letzten
Zweck fortgesetzten Untersuchung weitläufig zu erklären", konnte
er am 21. Februar 1772 sagen, daß er ,J6tzt im Stande" sei,
„eine Kritik der reinen Vernunft vorzulegen", welche die Natur
der theoretischen sowohl als praktischen Erkenntniß enthalte,
80 fem sie bloß intellectual sei, „wovon" er „den ersten Theil"
— die Quellen der Metaphysik, ihre Methode und Grenzen —
„zuerst und darauf die reinen Principien der Sittlichkeit aus*
arbeiten und" den ersten Theil ,, binnen etwa drei Monaten her-
ausgeben" werde. — Bei dieser „Oemüthabeschäftigung von so
zärtlicher Art", welche durch starkes, außer ihrem Felde liegendes
Nachdenken behindert wird, hielt er sein Gemüth „in den ruhigen
oder auch glücklichen Augenblicken jederzeit und ununterbrochen
DigtizBabyCoOgIC
78 Znr Beartheilnng von KJmt'a Kritik der reinen Vernunft etc.
fiir irgend eine znfölUge Bemerkong, die sich darbieten mochte,
offen, obzwar nicht immer dazu angestrengt, und die Kräfte
desselben durch Aufmunterougen und Zerstreuungen in der
Geschmeidigkeit und Beweglichkeit, welche befähigt, „den Qegen-
stand immer auf anderen Seiten zu erblicken, und" den „Ge-
sichtskreis von einer mikroskopischen Beobachtung zu einer all-
gemeinen Aussicht zu erweitem, damit man alle erdenklichen
Standpuncte nehme, die wechselsweise einer das optische Urtheil
des andern verificiren". Wenn erüber den Plan, den er zu
seinen ihm am wichtigsten scheinenden Arbeiten „größtentheils
fertig" vorsieh hatte, wegen der Unpäßlichkeiten, welche jenen
vor der Ausführung zu unterbrechen drohten, besorgt zu
werden an£ng, so tröstete er sich oft dadurch, daß diese Arbeiten
eben so wohl für den öffentlichen Nutzen würden verloren sein,
wenn sie herauskämen, als wenn sie auf immer unbekannt blieben.
Denn es gehörte ein Schriftsteller von mehr Anaqhn und Beredt-
samkeit, als er zu besitzen glaubte, dazu, um die Leser zu be-
wegen, daß sie sich bei seiner Schrift mit Nachdenken bemühten.*)
*) Der „öffentliche Nubten", den Kant hier im Sinne hat, ist woM
zweifellos der, welchen Philosophen nnd philosophisch Gebildete aus seiner
Anregung zu eigenen Meditationen über die in seinen Arbeiten behandelten
Probleme für den Anbau eigen efErhenntntli sowohl, als der philosophischen
Wissenschaft überhaupt ziehen könnten. Auf einen anderen Nutzen seiner
specnlativen Arbeiten bezieht sich in der 1. Änäage der Kritik der reinen
Vernunft sein Ausspruch in der Widmung, — jener für seine Persönlichkeit,
seine individuelle Neigung und Denkweise chamcteristische und nicht ohne
einiges Selbstgefühl gethane Ausspruch: „Wen das speculative Leben ver-
„gnügt, dem ist, unter mäßigen Wünschen, der Beifall eines aufgeklärten,
„gültigen Richters eine kräftige Aufmunterung zu Bemühungen, deren Nutze
„groß, obzwar entfernt ist, und daher von gemeinen Augen gänzlich verkant
„wird." Hier ist nicht der in dem Briefe vom Jahre 1772 bedachte Nutzen
ftti- die Schule, sondern der Nutzen für das Leben gemeint, der Nutzen,
welcher aus speculativen Bemühungen abstractester Art schlieGlich für con-
crete Lebensgebiete, ftir Moral, Religion und Eechtsordnung entspringen
maß. Bekanntlich fehlt jener Ausspruch in der Widmung der 2. Auflage.
„Für die Weglassnng" desselben „läßt sich" nach Vaihinger (Comm. S. 79)
„kein genügender Omnd auffinden." „Vielleicht," meint er, „fand Kant die
Bemerkung, daß der Nutzen seiner Bemühungen „entfernt" sei und gemeinhin
„gfluzlich verkannt werde," noch den unterdessen gemachten günstigen
DigtizBabyCoOgIC
Von F-mil Amoldt. 79
üebrigens schien ihm, man finde kein Qehör mit blos negativen
Sätzen, man mässe an die Stelle dessen, -was man niederreiße,
aufbauen, oder wenigstens, wenn man das Himgespinnst weg-
geschafit habe, die reine Yerstandeseinsicht dogmatisch begreif-
lich machen und deren Grenzen zeigen. ,, Damit" war er „nun
beschäftigt" ; er entzog die Zwischenstunden, die ihm seine sehr
wandelbare Leihesbeschaffeuheit „zum Nachdenken" erlaubte,
oft wider seinen Vorsatz der Beantwortung freandschafllicher
Sriefe und überUeB sich „dem Hange" seiner „Gedanken".
(R. XI, 1. Ä., 24^29, 31.)
Aus diesen Mittheilungen geht hervor:
ErfabruDgen nicht mehr zeitgemäß." Aber durch keine auch noch so „gün-
stige Erfahrung" von dem Aufsehen, welches die Krilik der reinen Vernunft
indem gelehrten und ungelehrten Publicum erregte, konnte jener Ausspruch
„nnzeitgemäß" werden, weil er bei aller seiner individuellen Oiltigkeit eino
allgemeine, für jede Zeit giltige Wahrheit enthält Denn der Nutzen der
specolativen Bemühungen, aus denen eine Kritik der reinen Vernunft resul-
tirt, der Nutzen der Kritik der reinen Vernunft selbst für die Hebung der
Cnltur, die Läntemng sittlich religiöser Ansiebten, för Volksaufklärung und
Volksbefreiung ist wegen der mannigfachen Vermittelungen, deren er nnum-
gänglich bedarf, um sich im Leben der Nationen geltend zu machen, noth-
wendig ein ,, entfernter", und er wird nnd bleibt, eben weil er ein „ent^
ferat^r'' ist und nur nach und nach durch unmerkliche Wirkung verborgener
Einflüsse xa Stande kommt, nothwendig „von gemeinen Augen", d. h. von
dem Pöbel der Utititarier, der blollen Praktiker, der sogenannten Real- und
Interessen Politiker — welcher nur augenfällige und schnelle Erfolge zu
schätzen weiß — nothwendig „gänzlich verkannt". Au dieser Nothwendig-
keit konnte eine „günstige Erfahrnng" von dem Aufsehen, welches die
Kritik der reinen Vernunft zu machen begann, nichts ändern, und daher
konnte diese „günstige Erfehtung" unmöglich einen Grund für die Weg-
lassnng jenes Ausspruchs in der 2. Auflage darbieten. Mir scheint dagegen
ein „genügender Gmnd" für die Weglassung darin zu liegen, daß jener Ans-
spruch, der nicht nndeutlich ein nicht ganz geringes Selbstgefühl anzeigt,
wiederholt noch weit mehr, als das erste Mal den Eindruck der Anmaßung
wenn nicht der Selbstgefälligkeit erwecken konnte, und femer darin, daU
ein solches Hervortreten mit der eigenen Persönlichkeit, als es sich in jenem
Ausdruck darstellt, wenn es auch bei der ersten Widmung nicht gerade bedenk-
lich war, doch erneut und wo möglich wieder und wieder ement die Würdigung
des Mannes, dem gegenüber es geschah, mit einem Minimum von Selbstverfaerr-
lichnngwürdeamalgamirthaben.-Selbstverst^dlicbdachteKantl781undschoa
früher aber den Nutzen seiner Kr. d. r. V. auch für die Schule anders als 1772.
DigtizBabyCoOgIC
80 Znr Beurtheitiuig vod Kant's Kritik der remea Vemuntt etc.
1. Kant war in den Jahren 1771 und 1772 mit dem Pro-
blem der tranascendentalen Analytik eifrig beschäftigt, — mit
der Frage nach der Giltigkeit apriorischer BegrifFe für die
Gegenstände der Natur, — mit der Auffindung und Deduction
der Kategorien; dagegen bildeten die Fragen und Lösungen,
welche in der Kritik der reinen Vernunft hinter der Analytik
liegen, ob er ihnen schon seine Aufmerksamkeit mag zugewendet
haben, doch nicht die unmittelbaren Ziele seiner Bemühung.
2. Er war am 21. Februar 1772 zu dem Gedanken, welcher
der T ran sscendental Philosophie zu Grunde liegt, — zu dem
tranascendentalen Grundgedanken noch nicht gelangt, daß nur
das Hineindenken von Gegenständen in den Empfindungsatoff
mittelst der Kategorien erat überhaupt Gegenstände setzt, da
ohne jenes Hineindenken gar keine Gegenstände würden vor-
handen sein, mithin daß nur die Erkenntniß von Gegenständen
den Gegenständen der Erkenntniß Möglichkeit und Ursprung
verleiht, nicht aber umgekehrt — wie die herkömmliche An-
sicht war — erst die Gegenstände der Erkenntniß hervortreten,
und hinterher die Erkenntniß der Gegenstände erfolgt,
3. Es ist jedoch nicht unwahrscheinlich, daß er bald darauf,
und vielleicht noch im Jahre 1772, spätestens aber, wie sich
weiterhin ergeben wird, im Jahre 1773 die objective Deduction
der Kategorien ausdachte. Denn sie beruht auf der Ginsicht,
daß Vorstellung und Gegenstand nur dann sich nothwendig auf
einander beziehen, entweder wenn der Gegenstand die Vor-
stellung, oder wenn die Vorstellung den Gegenstand möglich
macht, und zu dieser Einsicht war er im Februar 1772 gelangt,
— obschon noch nicht zu einer so tiefen und so bestimmten
Einsicht in diese Beziehung, daß ihm damals schon der trans-
scendentale Grundgedanke aufleuchtete. Da nun aber die Re-
flexion nahe Hegt, daß, wenn der Gegenstand die Vorstellung
möghch macht, die Beziehung zwischen beiden nur empirisch
ist, und femer die Eeflexion auf der Hand liegt, daß die mensch-
liche Vorstellung eine absolute Position von Gegenständen d. h.
Dinge an sich nicht möglich macht, so liegt auch wohl die
DigtizBabyCoO^IC
Von EmQ Amoldt. gl
Beflexion nicht allzn fem , daß die nothwendige Beziehoog
Ewischen Yorstellang and G-egenstand für den Mensolien in einer
relativen Setzung vor sich geht, in welcher die Kategorien als
reine Begriffe von G-egenständen überhaupt durch Hinzugäbe
der Gedanbenform : Objecto, zu der Materie der Empfindungen
in Verbindung mit den apriorisclien Anschauungen dea Baumes
and der Zeit die Gegenstände der Erfahrung möglich machen,
tmd die Gegenstände der Erfahrung als Producte der Kategorien
den letzteren nothwendig confonn seien. Obschon diese Lösung
der Frage, wenn sie sich heute als verhftltuiQmäßig leicht dar-
stellt, an das Ei des Columbus erinnern kann, so sollte ich doch
meinen, daß sie, mag sie im Jahre 1772 oder 1773 und später
auch jedem anderen anmöglich gewesen sein, trotzdem schon
damals Kant nicht allzu schwere Mühe kann gekostet haben,
selbst dann nicht, wenn er die mangelhafte Scheidung zwischen
dem Gebiet der Phänomene und dem Felde der Dinge an sich,
die in seiner Dissertation vom Jahre 1770 bemerklich ist, auch
in der Zwischenzeit noch zu keiner bestimmten und sicheren Unter-
scheidung hinausgeführt hatte. Die Mühe, die ihm nach seinem
Bekenntnis in der Vorrede zur 1. Auflage der Kritik der reinen
Yemunfl die Deduction der Kategorien gekostet hat, betraf, wie
mich dünkt, nicht so sehr die objective, als vielmehr die subjective
Deduction der Kategorien, — also nicht die Frage: warum sind
die Kategorien a priori giltig für die Gegenstände der Erfah-
rung? sondern die Frage: in welcher Art und auf welchem Wege
werden die Gegenstände der Erfahrung aus Empfindungen,
apriorischen Anschauungen, und Kategorien durch Sinn, Ein-
bildungskraft, und Verstand gradatim hergestellt? Es ist wohl
mehr als wahrscheinlich, daß er die subjective Deduction der
Kategorien erst eine geraume Zeit später ausdachte, — erst
damals, als er nach den Axiomen der Anschauung und den
Anticipationen der "Wahrnehmung, bei denen sich eher ergab,
ans welchem Grunde und in welcher Art sie ihre nothwendige
Wahrheit und absolute Gewißheit erlangten — weil nämlich die
Erscheinungen, die wir haben, den Formen unserer Beceptivitftt
Altpr. HonaUMbrÜt Bd. ZXVL Hft. 1 n. 2. 6
DigtizBabyGoOgIC
f^ ZoF Benrtheilung von Kant's Kritik der reinen Ternnnft et«.
conform sein müssen — , die Analogien der Erfahrung entdeckte,
die bei Beantwortung der Frage, deren Aufwerfung sie forderten:
auf welche "Weise sie denn die Wahrnehmungen in der Zeit
reguliren, die Einsicht erschlossen, daß aller ihrer Kegulirung
eine dreifache —. nur mit Hilfe der Kategorien ausäbbare —
Synthesia vorangehen müsse: die Synthesis der Apprehension in
der Anschauung, der Reproduction in der Einbildung, der Be-
cognition im Begriff.
4. Er erkannte schon deutlich, daß er die Transscendental-
philosophie völlig ins Reine bringen müsse, ehe er die Meta-
physik der Sitten zu bearbeiten anfinge; daher verschob er die
Behandlung der letzteren bis auf Weiteres, war aber, wie die
Ausdrücke; Metaphysik der Sitten, reine Principien der Sitt-
lichkeit andeuten, zu der Einsicht gelangt, daß die Moral auf
apriorische Principien zu gründen sei.
5. Obschon er die Behandlung der Metaphysik der Sitten
aussetzte, so blieb doch sein Interesse an ihr ungeschmälert und
lebendig, und er hegte die Hofifnung, daß die ihm zunächst an-
gelegene Schöpfung der Transscendentalphilosophie auch für die
Begründung einer reinen Sittenlehre als höchst werthvoll und
förderlich sich erweisen werde. Diese Hofftiung erwähnt er in
seinem nächsten Briefe an Herz aus einem der letzten Monate
des Jahres 1773 oder spätestens aus einem der ersten Monate
des Jahres 1774.
6. Er gedachte im Febraar 1772, „den ersten Theil" einer
„Kritik der reinen Vernunft", „der die Quellen der Metaphysik,
ihre Methode und Grenzen" enthalten sollte, „binnen etwa drei
Monaten" herauszugeben. Er stellte also schon damals dem
ersten Theile einer Kritik der reinen Vernunft im Allgemeinen
dieselbe Aufgabe, die er seiner Kritik der reinen Vernunft in
der Vorrede zur ersten und in der Vorrede zur zweiten Auflage
derselben stellte, wenn er in jener ersten Vorrede erklärte: er
verstehe unter der Kritik der reinen Vernunft „die Entscheidung
„der Möglichkeit oder Unmöglichkeit einer Metaphysik über-
„hanpt und die Bestimmung sowohl der Quellen, als des TJm-
DigtizBabyCoO^IC
Von Emil Arnoldt. 83
„fanges nnd der Grenzen derselben, Alles aber aus Principien"
(E, n, 8), und in dieser zweiten Vorrede erklärte: „die Kritik
der reinen specnlativen Vernunft ist ein Tractat von der Methode
(R. n, 674). Nach seinem Vorhaben im Februar 1772 wollte er
eine solche Kritik der reinen Vernunft binnen etwa drei
Monaten, mithin etwa im Juni des Jahres 1772 heraus-
geben. Demnach übersah er damals noch keineswegs, in welche
verwickelte und weitläufige Untersuchungen er sich würde ein-
spinnen müssen, wenn er an die Lösung seiner Aufgabe nicht
blos mit der Conception von Ideen im Denken, sondern mit der
Verfolgung derselben in schriftstellerischer Darstellung heranträte.
Daher kann er damals für die Kritik der reinen Vernunft kaum
irgend etwas, oder höchstens nur äußerst wenig zu Papier
gebracht haben.
Einschaltungsweise erwähne ich noch, d&ä Kant in seinem
Briefe an Herz vom 21. Februar 1772 der im Jahre 1771 er-
schienenen Schrift desselben mit Anerkennung gedenkt, die Be-
urtheiluDgen der letzteren in der Breslauischen und Gföttingischen
Zeitung tadelt, und zwei von Schultz — einestheils früher schon
von Lambert — erhobene Einwände gegen seine in der Disser-
tation vom Jahre 1770 vorgetragene Lehre über Raum und Zeit
durch Widerlegungen abweist, die nachmals in der Kritik der
reinen Vernunft, höchstens mit Ausnahme einer einzigen Be-
stimmung, genauer und deutlicher gegeben wurden.
In Bezug auf diese Aeußerungen bemerke ich hier nur,
dsfi Kant's Urtheil in seinem Briefe an Herz vom 21. Februar 1772
über dessen Schrift, wenigstens auf den ersten Blick, mit den
TTrtheilen nicht übereinstimmt, welche er über sie etwa andert-
halb Jahre später in seinem Briefe an Kicolai vom 25. October 1773
und in seinem Briefe an Herz aus dem Winter 1773/74 fällte.
Denn in jenem Briefe au Herz vom 21. Februar 1772 sagt er:
„Was Ihr mit Geschmack und tiefem Nachsinnen geschrie-
-benes Werkchen betrifft, so hat es in vielen Stücken meine
3,3t,zBabyC00gIC
34 ^^f BeurtheiloDg von Kant's Kritik der reinen VemanFt etc.
„Erwartung übertroifen," und weiterhin: „der wackere Pastor
„Schultz, der beste philosophische Kopf, den ich in unserer
„Gegend kenne, hat die Absicht des" — in Kant's Dissertation
aufgestellten — „Lehrbegriffs gut eingesehen; ich wünsche, daß
„er sich auch mit Ihrem "Werkchen beschäftigen möge" (E. XI,
1. A., 28, 29). Dagegen läßt er sich in ?einem Briefe an Nicolai,
nachdem er den Empfang eines Schreibens desselben so wie des
ersten Stückes des zwanzigsten Bandes der Allgemeinen Deutschen
Bibliothek bescheinigt und für die ihm durch Vorsetzung seines
Bildnisses vor jenes Stück des Journals erzeugte Ehre einen
etwas verclausulirten Dank abgestattet hat, folgendermaßen aus:
„Das Bildniß ist allem Vermuthen nach von einer Copei meines
„Portraits, welche Herr Herz nach Berlin nahm, gemacht und
„daher wenig getroffen, ob zwar sehr wohl gestochen worden.
„Es ist mir hiermit, wie mit seiner Copei von meiner Disser-
„tation gegangen, in welcher er zwar, da ihm die Materie der-
„selben selbst neu war, sehr viel Geschicklichkeit gewiesen, aber
„so wenig Glück gehabt hat, den Sinn derselben auszudrücken,
„daß deren Beurtheilung in demselben Stück der Bibliothek, sie
„nothwendig sehr unwichtig hat finden müssen" (R. XI, l, A., 70). .
Und in dem Briefe an Herz aus dem Ende des Jahres 1773
oder Anfang des Jahres 1774 schreibt er: „Die in demselben
„Stücke" [der Bibliothek, in welchem Kant's Bildniß stand] „vor-
„kommende Eecension Ihrer Schrift beweist doch, was ich be-
„sorgte: daß, um neue Gedanken in ein solches Licht zu stellen,
„daß der Leser den eigenthümlichen Sinn des Verfassers und
„das Gewicht der Gründe vernähme, eine etwas längere Zeit
„uöthig ist, um sich in solche Materien bis zu einer völligen
„und leichten Bekanntschaft hineinzudenken" (E. XI, 1. A., 67).
Hiemach hatte Kant vorweg angenommen und dann seine An-
nahme bestätigt gefunden, daß Herz den Lebrbegriff der Disser-
tation völlig zu durchdringen nicht in der Lage gewesen sei.
Die Ausgleichung der Differenz zwischen Jenen früheren
und diesen späteren Urtheilen bleibt hier unversucht, weil eine
Erörterung über das Verhältniß der Herz'schen Schrifl und deren
DigtizBabyCoO^IC
Von Eioil Amoldt. 85
Bemtlieilung in der Allgemeinen Deutschen Bibliothek zu Kant's
Dissertation mich allzu weit von meinem Wege ablenken würde.
Daher merke ich nur im Vorübergehen und ohne Begründung
an, daß die Herz'schen „Betrachtungen aus der speculativen
"Weltweieheit" allerdings Kant's Lehrbegriff von Zeit und Baum
ungenügend darstellen, aber einige Expositionen enthalten, die
wegen ihrer Beziehungen zu Kant's späterer Antinomien-Lehre
interessant sind, und daß die kurze Besprechung der Herz'schen
Schrift in der Allgemeinen Deutschen Bibliothek {20. Bd., 1. St.,
S. 227 — 229) freilich weder ein Eeferat über diese Schrift, noch
über die Eant'sche Dissertation giebt, aber gegen die in der
letzteren vorgetragene Lehre von Baum und Zeit Einwendungen
macht, welche mit einigen von denen zusammentreffen , die
Lambert in seinem Briefe an Kant vom Ende des Jahres 1770
erhoben hatte.*)
Indeß hat Kaut schwerlich durch die Herz'sche Schrift
irgend eine Förderung in seinen Gedankenarbeiten erhalten.
Dies ist hier nur obenhin zu berühren, dagegen hervorzuheben,
daß er an der oben aus seinem Briefe an Nicolai citirten Stelle
fortfahrt: „Doch meine gegenwärtige Arbeit wird sie" [die Materie
der Dissertation] „in einem erweiterten Umfange, und, wie ich
„hoffe, mit besserm Erfolg in Kurzem mehr ins Licht stellen"
(R. XI, 1. Ä., 71). Denn wenn Kant gegen das Ende des
October 1773 seine Kritik der reinen Vernunft nur „in einem
erweiterten umfange" der Dissertation abzufassen und sie in
Kurzem zu veröffentlichen, also mit ihr schnell fertig zu werden
gedachte, so ist auch damals für das Werk wahrscheinlich nur
sehr wenig niedergeschrieben gewesen.
*) Es sei mir gestattet, zu S. 67 der ersten meiner Abhandlongen:
,^ar Beurtheiliing etc." hier nachzutragen : In dem oben erwähnten Briefe
bekennt sich gelegentlich anch Lambert zu dem Satze, den Kant später in
den Prolegomenen {R. III, 156) dem Oöttingischea Receneenten spöttisch
vorhielt, — „d&B beständiger Schein für uns Wahrheit ist" (E. I, 867).
zeabyCoOgle
S() Zur Beurtbeilung von Kant's Kritih der reinen Vemuoft etc.
Brief an Herz aus einem der letzten Monate des Jahres 1773
oder einem der ersten Monate des Jahres 1774.*)
Nachdem hier Kant an den Auadmck seiner Freude üher
Herz' Uebang im Praktischen der Arzneikunst unter der An-
führung eines geschickten Lehrers die Aufforderungen : „Machen
Sie ja fein viele Beobachtungen," und: „Studiren Sie doch ja
die große Mannigfaltigkeit der Naturen," geknüpft und dazwischen
den weit greifenden Satz; „Die Theorien sind so hier" — in
der Arzneiwissenschaft — ,,wie anderwärts öfters mehr zur Er-
leichterung des Begriffs als zum Aufschlüsse der Naturerschei-
nungen angelegt," nicht ohne Bezug auf Macbride's systema-
tische Arznei Wissenschaft, die ihm „in dieser Art" sehr wobl-
gefalle, eingestreut hat, replicirt er auf den höflichen Vorwurf,
daß Herz — wie dieser ihm letzthin geschrieben hatte — im
Meßkatalog fleißig, aber vergeblich nach einem gewissen Namen
unter dem Buchstaben K. suche, zunächst mit der nicht leicht
deutbaren Erwiederung, es wäre ihm nach der vielen Bemühung,
die er sich gegeben, nichts leichter gewesen, als seinen Namen
dort „mit nicht unbeträchtlichen Arbeiten, die" er „beinahe
fertig liegen habe, paradiren zu lassen", und iUhrt dann fort:
„Allein, da ich einmal in meiner Absicht, ein© so lange
,,von der Hälfte der philosophischen Welt umsonst bearbeitete
„Wissenschaft umzuschaflen, so weit gekommen bin, dafl ich
„mich in dem Besitz eines Lehrbegriffs sehe, der das bisherige
„Bäthsel völlig aufschließt und das Verfahren der sich selbst
„isolirenden Vernunft unter sichere und in der Anwendung leichte
„Begeln bringt, so bleibe ich nunmehr halsstarrig bei meinem
„Vorsatz mich" [durch] „keinen Autorkitzel verleiten zu lassen,
„in einem leichteren und beliebteren Felde Ruhm zu suchen, ehe
„ich meinen domigen und harten Boden eben und zur allge-
„meinen Bearbeitung frei gemacht habe. Ich glaube nicht, daß
es Viele versucht haben, eine ganz neue Wissenschaft der Idee
*) Den Nachweis für die Richtigkeit diaeer Datirang a. im Anhange
unt«r No. 2: „Eanfe Vorlesungen über Anthropologie."
zeabyCoOgIC
Von Emil Amoldt. 87
.nach zu entwerfen und sie zugleich völlig auszuführen. Was
„aber das in Ansehung der Methode der Eintheüungen der genau
.angemessenen Benennungen*) für Mühe macht und wie viel
,^eit darauf verwendet werden mu£, werden Sie sich kaum ein-
gbilden können. Es leuchtet mir aber dafür eine Hoffnung
,entgegen, die ich Niemand aoJJer Ihnen ohne Besorgniß, der
,grÖßesten Eitelkeit verdächtig zu werden, eröflhe, nämlich der
»Philosophie dadurch auf eine dauerhafte Art eine andere und für
,B^Ugion und Sitten weit vortheilhaftere Wendung, zugleich aber
„auch ihr dadurch die Gestalt zu geben, die den spröden Mathe-
,matiker anlocken kann, sie seiner Bearbeitung fähig und würdig
,zu halten. Ich habe noch bisweilen die Hofinung, auf Ostern"
[Ostern 1774] „das Werk fertig zu liefern, allein wenn icüi auch
,anf die häufigen Indispositionen rechne, welche immer tJnter-
,brechungen verursachen, so kann ich doch beinahe mit Gewiß-
pheit eine kurze Zeit nach Ostern" — also nach Ostern 1774 —
^dasselbe versprechen."
Dann wendet er sich za dem von Herz projectirten „Versuch
in der Moralphilosophie" und giebt seinem Wunsche, es möge
darin der in der höchsten Abstraction der Vernunft so wichtige
und in der Anwendung auf das Praktische so leere Begriff der
Bealität nicht.Geltung erhalten, die bei Entwickelung seiner moral-
philosophischen Frincipien nicht ganz außer Acht zu lassende
Begründung: „denn der Begriff" — der Realität — „ist trans-
„scendental, die obersten praktischen Elemente aber sind Lust
„und Unlust, welche empirisch sind, ihr Gegenstand mag nun
„erkannt werden, woher er wolle. Es kann aber ein bloßer
„reiner Verstandesbegriff die Gesetze oder Vorschriften desjenigen,
„was lediglich sinnlich ist, nicht angeben, weil er in Ansehung
„dieses völlig imbestimmt ist. Der oberste Grund der MoraJität
*) Bei Bosenkranz-Schubert ist hier keine Interpuuction. Hartenstein
(VUI, 695) interponctirt: „in Ansehung der Uetbode der Eintheiiungen, der
genau aDgemeseenen Benennungen" u. s. w. Besser aber wäre wohl zu
iuterponctiren: „in Ansehung der Methode, der Eintheilungen, der genau
angemessenen Benennungen" u. s. w.
zeabyCoOgIC
88 Zur BeuTtbeiluDg von Eant's Kritik der reinen Vernunft etc.
„muß nicht blos auf das Wohlgefallen schließen lassen, er muß
„selbst im höchsten Grade Wohlgefallen, denn er ist keine bloa
„speculative Vorstellung," sondern muß Bewegkraft haben und
„daher, ob er zwar intellectuell ist, so muß er doch eine gerade
„Beziehung auf die ersten Triebfedern des Willens haben,"
Dabei verheißt Eant: ,,Ich werde froh seyn, wenn ich meine
„Transscendentalphilosophie werde zu Ende gebracht haben,
„welche eigentlich eine Kritik der reinen Vernunft ist, alsdann
„gehe ich zur Metaphysik, die nur zwei Theile hat: die Meta-
„physik der Natur und die Metaphysik der Sitten, wovon ich
„die letztere zuerst herausgeben werde und mich darauf zum
,, Voraus freue."
Indem er noch der Herz'schen Eecension über Platner's
Anthropologie [im 1. Stück des 20. Bandes der Allgemeinen
Deutschen Bibliothek] gedenkt, äußert er sein Vergnügen über
die darin hervorblickende, erhöhte „Geschicklichkeit" des Recen-
senten, auf welchen er von selbst nicht würde gerathen haben,
theilt ihm mit, daß er „in diesem Winter zum zweiten Mal
ein Collegium privatum der Anthropologie lese, das er , jetzt zu
einer ordentlichen akademischen Disciplin zu machen gedenke",
und beschreibt seinen von dem Platner'schen ganz abweichenden
Plan bei Behandlung derselben: ,, Die Absicht, die ich habe, ist,
„durch dieselbe die Quellen aller Wissenschaften, die der Sitten,
,,der Geschicklichkeit, des Umganges, , der Methode, Menschen
„zu bilden und zu regieren, mithin alles Praktischen zu eröffoen.
„Da suche ich alsdann mehr Phänomena und ihre Gesetze als
„die ersten Gründe der Möglichkeit der Modification der mensch-
,, liehen Natur überhaupt. Daher die subtile und in meinen
„Augen auf ewig vergebliehe Untersuchung über die Art, wie
„die Organe des Körpers mit den Gedanken in Verbindung
„stehen, ganz wegfällt. Ich bin unablässig so bei der Beob-
„achtung, selbst im gemeinen Leben, daß meine Zuhörer vom
„ersten Anfange bis zu Ende niemals eine trockene, sondern
„durch den Anlaß, den sie haben, unaufhörlich ihre gewöhnliche
„Erfahrung mit meinen Bemerkungen zu vergleichen, jederzeit
DigtizBabyCoO^IC
Von Enul Arnoldt. 89
,eine nnterhaltende BeBcbAftigung haben. Ich arbeite in Zwiscben-
izeiten daran, aus dieser in meinen Äugen sehr angenehmen
iBeobacbfcimgslehre eine Vorübung der Geschicklichkeit, der
(Klugheit und selbst der Weisheit für die akademische Jugend
zu machen, welche nebst der physischen Geographie von aller
, andern Unterweisung unterschieden ist und die Kenntniß der
(Welt heißen kann."
Zum Schlüsse läßt er auch in diesem Briefe nicht unbe-
rührt, daß er sein Bildniß vor der Bibliothek gesehen habe, daß
er durch die Ehre, die ihm erzeigt worden, ein wenig beunruhigt
werde, weil er, wie Herz wisse, „allen Schein erschlichener
Lobsprüche und Zudringlickkeit, um Aufsehen zu machen, sehr
meide", daß er das Portrait wohl gestochen, obzwar nicht wohl
getroffen finde, indessen mit Vergnügen erfahre, die Aufnahme
desselben in die Bibliothek sei „die Veranstaltung der liebens-
würdigen Parteilichkeit" seines „ehemaUgeu Zuhörers", und er
fällt dann mit Bezug auf die in demselben Stücke der Bibliothek
vorkommende Recension der Herz'schen Schrift das Urtheil über
die letztere, welches schon oben von mir bei Erwähnung des
Kant'schen Briefes an Nicolai vom 25. October 1778 wörtlich
angeführt worden.
Dieser Brief an Herz ans dem Winter 1773/74 giebt zu
folgenden Erwägungen Anlaß:
1. Welches war der Lehrbegriff, der Eant am Ende des
Jahres 1773 mit der Zuversicht erfüllte, daß er „das bisherige
Bftthsel" völlig aufschlösse und das Verfahren der sich
selbst isolirenden Vernunft unter sichere und in der An-
wendung leichte Regeln brächte? Darüber kann, meineich,
kein Zweifel sein. Es war der Lehrbegriff, welcher der Deduction
der Kategorien zu Grunde liegi;, die früheren Theorien Über die
Gegenstande der Erkenntniß und die Erkenntniß der Gegen-
stände stürzte, und das bisherige Bäthsel: wie ist die Beziehung
der Vorstellungen auf Gegenstände möglich? — das Bäthsel,
welches die Sensnalisten und Empiristen, die Intellectualisten
und Noologisten nicht hatten lösen können, löste, indem er
DigtizBabyCoOgIC
90 Zar Benrtheilnag von Kanfe Eritik der reiaen Yeniunft etc.
zeigte: die von den Sensualisten und Empiristen angenommenen
sinnlichen Gegenstände, welche in Folge der durch sie hervor-
gebrachten Eindrücke nns Empfindungen und Vorstellungen
geben sollen, mittelst deren wir sie erkennen, sind nicht eher
vorhanden, als bis sie von nns gesetzt werden, und wir setzen
sie nicht, nachdem wir sie erkannt haben, sondern dadurch, daS
wir erkennen, setzen wir sie, — sie entepringen aus unserer
Erkenntniß, oder: nicht weil es sinnliche Gegenstände giebt,
giebt es Erkenntniß, sondern weil es Erkenntniß giebt, giebt es
sinnliche Gegenstände; dagegen sind die von den Intellectoa-
Usten und Noologisten angenommenen intelligiblen Gegenstände,
welche durch reine VemanftbegriflEe sollen erkannt werden, nur
Vorstellungen, von denen wir nie können gewiß werden, ob
ihnen etwas Beales correspondirt, oder nicht, weil wir keine An-
schauung besitzen, welche über die Grenzen der sinnlichen Welt
hinausgeht in das Intelligible. Unsere Erkenntniß ist Erkenntniß
der sinnlichen Welt, — einer Welt, die mit allen ihren Gegen-
ständen nirgend anders ezistirt, als in unserem einheitlichen
Sebstbewußtsein, hier aber in objectiver Wahrheit und Wirk-
lichkeit, weil sie innerhalb unserer allerdings sinnlichen, aber
apriorischen Raum- und Zeitanachauung durch ap'-iorische, aber
empirisch determinirte, kategoriale Verstandessynthesen aller
der Empfindungen gebildet wird, welche in unserer Beceptivität
aus dem unerkennbaren Yerhältniß derselben zu einem unerkenn-
baren üebersinnlichen entetehen.
2. Indessen, wenn Kant sagt: dieser Lehrbegriff bringt
das Verfahren der sich selbst isolirenden Vernunft unter sichere
und in der Anwendung leichte Begeln, so ist nicht klar, welche
Regeln er hier im Sinne hat. Die Grundsätze des reinen Ver-
standes? Sie sind freilich sicher, aber auch in der Anwendung
leicht? Und durch jene Grundsätze wird nicht das Verfahren
der sich selbst isolirenden Vernunft regulirt, sondern die
Erfahrung, das Product des Verstandes und der Sinnlich-
keit, oonstituirt. Also hat er wohl an die regulativen Prin-
oipieu der Vernunft gedacht. Sie dürfen allenfalls „in der An-
DigtizBabyCoO^IC
Von Emil Ämoldt. 91
wendttug leichte Begeln" genannt werden als geläufige Maximen
des theoretischen Vemonftgebrauchs, aber sind sie auch sicher?
sind sie nicht von unsicherer Tragweite? Und giebt der Lehr-
begriff der transscendentaleu Analytik ohne Weiteres die regu-
lativen frincipien der transscendentaleu Dialektik ^a die Hand?
Um Wesen, Gehalt und Bedeutung jener Principien zu ergründen,
ist eine Zurüstung von Nöthen, welche in der transscendentalen
Analytik nicht gemacht wird. Vielleicht hielt Kant im Jahre 1773,
als er den Lehrbegriff der transscendentalen Analytik, wenigstens
in dessen punctum saliens, entdeckt hatte, die Lösung aller
Probleme, mit denen er sich in der Kritik der reinen Vernunft
zu beschäftigen hatte, nunmehr für leicht, und war sich der
Schwierigkeiten nicht bewußt, welche ihm die Probleme der
transscendentalen Dialektik bieten würden, sobald er sie wirklich
in Angriff nähme und nicht blos — wie damals — blos in An-
griff nehmen wollte.
3. Ob Kant gegen das Ende des Jahres 1773 schon weit
über die Entdeckung des transscendentalen Lehrbegriffs und
über die Einsicht in die Möglichkeit einer objectiven Deduction
der Kategorien hinausgekommen war, — ob er die Gedanken-
reihen, welche später die transscendentale Analytik enthielt,
schon damals gegliedert überschaute, geschweige denn diejenigen,
die später in der transscendentalen Dialektik hervortraten, —
ist mehr als fraglich. Denn seine Klage über die Mühe, die
ihm die „Methode", die „Eintheilungen", die „genau angemesse-
nen Benennungen" machten, scheint darauf hinzudeuten, daß er
damals mit der Beweisart der Gedanken, die er ergriffen hatte,
mit der Vertheüung, Verkettung, G-ruppirung derselben, so wie
mit der Zusammenfassung der Gruppen unter bezeichnende
Titel, vielleicht auch mit der terminologisch bestimmten Aus-
prägung einzelner Begriffe noch keineswegs im Beinen war.
Doch muß bei ihm die Idee einer Kritik der reinen Vernunft
damals im Allgemeinen ausgereift gewesen sein. Denn er war
sich bewußt, daß er „eine ganz neue Wissenschaft der Idee nach
za entwerfen und sie zugleich völlig auszuführen" hätte. Auch
DigtizBabyCoOgIC
92 Zur Beurtheilimg von Kaut's Kritik der reinen Vernunft etc.
stand ihm schon ihr Ziel deutlich vor der Seele: „der Philosophie
auf eine dauerhafte Art eine andere und für Religion und Sitten
weit vortheilhafbere Wendung zu geben", — also die Metaphysik
in den „sichern G-ang einer Wissenschaft" (R. ü, 664 u, ff.) mi
bringen, den „Dogmatism der Metaphysik, die wahre Quelle
alles der Moralität widerstreitenden Unglaubens" (R. ü, 679) zu
verschließen. Wenn er aber der Philosophie „zugleich auch die
Gestalt zu geben" trachtete, „die den spröden Mathematiker
anlocken kann, sie seiner Bearbeitung i^hig und würdig zu
halten", so hat er wohl daran gedacht, in seiner „Transscendental-
philosophie, welche eigentlich eine Kritik der reinen Vemonft"
sei, die Principien der Construction der Begrifife, welche zur
Mtvglichkeit der Materie überhaupt gehören, zu fiindamentiren
und sie später in der Metaphysik der Natur zu exponiren.
Jedenfalls spricht die Eintheiilung der Metaphysik in die Meta>
phyaik der Natur und in die Metaphysik der Sitten, wie die
Ausschließung beider Disciplinen von seiner Transscendentalphilo-
sophie, mithin die Verwerfung seines früheren Planes, die ge-
sammte theoretische und praktische Philosophie in einem und
demselben Werke zu behandeln, dafür, daß am Ende des
Jahres 1773 der Entwurf der Kritik der reinen Vernunft in
allgemeinen Umrissen vor ihm G-estalt gewonnen hatte.
4. Aus dem Umstände, daß er gegen Ende des Jahres 1773
,,noch bisweilen die Hoffnung" hatte, ,,auf Ostern das Werk
fertig zu liefern", aber trotz häufiger, seine Arbeiten unter-
brechender Indispositionen es ,, beinahe mit Crewißheit eine kurze
Zeit nach Ostern" — also nach Ostern 1774 — „versprechen"
zu dürfen meinte, wird die Vermuthung, daß er auch gegen
das Ende des Jahres 1773 nur wenig -niedergeschrieben hatte,
im höchsten Grade wahrscheinlich, eben weil er damals weder
den Umfang, den das Werk haben mflßte, wenn es seinem
Zweck genügen sollte, richtig schätzte, noch auch kaum die
Reihe aller der Probleme, in die es ihn verwickeln mochte,
gewiß aber die Schwierigkeiten, die ihm die Lösung derselben
bereiten würde, ketneswegs übersah. Daß ihm in allen diesen
DigtizBabyCoO^IC
Von Emil Arnoldt. 93
BeziehangeQ damals noch Klarheit des üeberblioka fehlte, geht
aus seinen späteren Briefen zur Genüge hervor.
6. Die Gründe, mit denen er seine an Herz gerichtete
Warnung, den Begriff der Kealität in der Moralphilosophie
geltend zu machen, motivirt, beweisen freilich, daß er über seinen
Gedankenarbeiten an der Lösung erkenutnüJtheoretischer Pro-
bleme die Bescb&fbigung mit der Moralphilosophie nicht unter-
ließ, sind aber nicht umständlich genug entwickelt, um seinen
damaligen moralpbilosophischen Standpunkt sieber erkennen zu
lassen. Denn, wenn Kant sagt: der oberste Grund derMoralität
müsse im höchsten Grade Wohlgefallen, Bewegkraft und eine
gerade Beziehung auf die ersten Triebfedern des Willens haben,
so bat er nicht angedeutet, ob er meinte: der oberste Grund
der MoralitÄt hat Bewegkraft, weil er gefällt, — eine Ansicht,
dde durchaus verfehlt wäre, da sie zu einer eudämonistiscbeu Moral
führte; — oder ob er meinte: der oberste Grund der Moral ge-
feilt, weil er Bewegkraft hat, — eine Ansicht, die durchaus
richtig wäre und mit seinen späteren Moralprincipien in Ueber-
eiustimmung stände. In beiden Fällen durfte Kant davor warnen,
den Begriff der Bealität in der ttoralphilosophie geltend zu
machen. Denn dieser Begriff, sofern er transscendental, oder
als ,,ein bloßer reiner Verstandesbegriff" ein Sein im Unter-
schiede vom Nichtsein ausdrückend genommen wird, ist in An-
sehung des Empirischen, des Sinnlichen „völlig unbestimiat",
oder ohne alle Beziehung auf „die obersten praktischen Elemente":
Lust und Unlust, d. h. er kann, ganz abstract genommen,
weder Wohlgefallen und deswegen Bewegkraft haben, noch Be-
wegkraft haben und deswegen Wohlgefallen. Dabei ist jedoch
zweierlei zu beachten;
Indem Herz statt der reinen Kategorie der Bealität in
abstracto conerete Realitäten, nämlich psychologische Prädicate
einsetzte — was Kant bei der tbeistischen Bestimmung des
allerrealsten Wesens, aber freilich mit der nöthigen Einschrän-
kung, auch that (s. Kant's Vorlesungen über die philoso-
phische Beligionslehre [herausgegeben von Pölitz], Leipzig 1817,
DigtizBabyCoO^IC
94 Zur Benrtheilnng von Kant's Kritik der reinen Veninnft etc.
S. 46 Qnd 46, 90 u. ff.) — , konnte er bei seinen moralpbilo-
Bophischen Betrachtiingen mit Anwendang jenes Begriffes doch
zu der Vorschrift gelangen, welche ,,in Ansehung des Sinnlichen,
des Empirischen", der Erregung von Lustgefühlen nicht
„völlig unbestimmt" ist: suche deine höchste G-lückseligkeit im
Gewinn der größten, aus der verhältnißmäßigen (harmonischen)
Bearbeitung aller deiner Kräfte und Neigungen entspringenden
Summe von Realitäten! (s. Versuch über den Geschmack u. s. w.
2. Auflage, Seit© 12, 115, 116, 117, 137, 138, 163, 176, 176.)
Ferner: Mit dieser Moralvorschrift konnte Herz nur zu
einer eudämonistischen Ethik gelangen. Indem Kant aber Lust
und Unlust die obersten praktischen Elemente nannte,
drückte er sich so zweideutig aus, daß es dahingestellt bleiben
muß, ob er im Jahre 1773 seiner eigenen Moralphilosophie nicht
auch noch einen heteronomischen Cbaracter gab und die prak-
tische Vernunft von der Sinnlichkeit, nämlich einem der "WUlens-
bestimmung zu Grunde liegenden Gefühl abhängig machte, „wo-
bei sie niemals sittlich gesetzgebend seyn könnte" (R. Vin, 96).
Die Entscheidung darüber dürfte erfolgen, wenn er nicht zugleich
den obersten Grund der MoraÜtät als intellectuell und die
moralischen Erkenntnisse, weil er eine Metaphysik der Sitten
abfassen wollte, eben damit als Erkenntnis a priori bezeichnet
hätte. Soviel aber bleibt ausgemacht, daß er schon im Jahre 1773
die Transscendentalphilosophie eben so gründlich von der Moral-
philosophie absonderte, wie in der Kritik der reinen Vernunft
vom Jahre 1781, ■ wo übrigens in dem Abschnitt: „Eintheilung
der Transscendentalphilosophie" seine AeuSerungen über die
obersten Grundsätze der Moralität und alles Praktische, das
„sich auf Geföhle bezieht, so ferne es Bewegungsgründe ent-
hält" (E. n, 27), auch nicht von aller Zweideutigkeit frei ge-
halten sind.
Selbstverständlich ergiebt sich aus den eben erwogenen,
die Moralphilosophie berührenden Andeutungen in dem Briefe
an Herz, daß Kant im Jahre 1773 den Begriff der Reahtät
schon als reinen Verstandesbegriff, als Kategorie entdeckt hatte.
DigtizBabyCoOgIC
Von Emil Amoldt. 95
6. Es ist wohl zweifellos, daß Kant im Jahre 1773 die
Frage von der Höglichkeit der G-emeinschaft der Seele mit einem
o]^;ani8chen Körper noch nicht in kritischem Sinne entschieden
hatte. Denn, wie sich zeigen wird, hatte er damals schwerlich
dieses Problem oder irgend ein anderes der tr&nsscendentcden
Dialektik auch um- seinen Meditationen gründlich unterzogen
znm Zweck eines Lösungsversuchs aus dem Oesichtspunote
seines neuen Lehrbegriffs. Aber seine Äeußerungen über die
Herz'sche Recension von Platner's Anthropologie beweisen, daß
er aus dem Gesichtspuocte der empirischen Psychologie oder der
Anthropologie schon damals für die Correspondenz zwischen
psychischen Erscheinungen und physischen Vorgängen physio-
logische Erklärungen verwarf. Denn er sah „die subtile unter-
snohung über die Art, wie die Organe des Körpers mit den
Gedanken in Verhindong stehen" — eine Untersuchung, welche
Platner nach dem „System des Nervenaafts" (Allgemeine Deutsche
Bibliothek, Bd. 20, S. 40) angestellt hatte fllr eine „auf
ewig vergebliche" an. Im Jahre 1766 hatte er noch in den
,, Träumen eines Geistersehers" die Himgespinnste der Phan-
tasten physiologisch zu erklären versucht und dabei — aller-
dings nm" bittweise — „dasjenige, was Cartesius annahm und
die mehresten Philosophen nach ihm billigten", zu Grunde gelegt,
„da£ alle Vorstellungen der Einbildungskraft zugleich mit ge-
wissen Bewegungen in dem Nervengewebe oder Nervengeiste
des Gehirns begleitet sind, welche man ideas materiales nennt"
(B. Vn, 1. A., 69). Nun aber leimte er mit Platner's physio-
logischer Erklärung psychischer Phänomene überhaupt auch
dessen Erklärung der Gedäi'htniBideen aus Spuren im Gehirn,
aas inneren Impressionen, d. h. aus den herkömmlichen ideae
materiales ab, deren Annahme er späterhin, im Jahre 1796 in
seiner Beilage zu Sömmerring's Schrift „über das Organ der
Seele" eine sehr willkürliche — obschon die physiologische Auf-
gabe nicht mit der Metaphysik bemengende — Hypothese
(B. vn, 1. A., 118 n. 119) und im Jahre 1798 in der Anthro-
pologie eine Hypothese, „die selbst wiederum eine Dichtimg ist"
DigtizBabyCoOgle
96 Zui* Benrtbeilimg von Eant's Kritik der reiaen Vemtinit etc.
(E. VII, 2. A., 74, vgl. 3), nannte. Interessant and inBtrnctiv
ist femer der AufschluJB, den er durch Anlaß der physiologischen
Methode in Platner's Anthropologie — die „für Aerzte und
"Weltweige" bestimmt war — über die davon abweichende
Methode sowie ober den Inhalt und die Tendenz seiner eigenen,
im Wintersemester 1772/73 zum ersten Male abgehaltenen anthro-
pologischen VorleBungen giebt. Im Unterschiede von Platner's
scientifisch-phy Biologischer Methode befolgte Kant eine populär-
psychologische, bei welcher er ,,vom ersten Anfange bis zu Ende"
der Vorträge seinen Zuhörern „Anlaß" bot, „unaufhörlich ihre
gewöhnliche Erfahrung mit" seinen „Bemerkungen zu vergleichen"
und so bei der Unterweisung, die ihnen in systematischer Form
zu Theil ward, ,Jederzeit eine unterhaltende Beschäftigung" zu
treiben. Er ging inductiv zu Werke und war „unablässig bei
der Beobachtung, selbst im gemeinen Leben". Daher hatten seine
Vorträge auch „mehr Phänomena und ihre Gesetze" znim Inhalt,
als jene „ersten Gründe", welche die Modification der mensch-
lichen Natur überhaupt ermöglichen. Die Tendenz seiner anthro-
pologischen Vorträge aber war pragmatisch, indem er ihnen
Anleitung zur Geschicklichkeit und Klugheit als Ziel, imd sie war
moralisch, indem er ihnen Anleitung zur Weisheit als Endziel
setzte. Demgemäß betrachtete er in ihnen den Menschen nicht
nach dem, was er durch die Natur wird, sondern nach dem, was
er vermöge seiner Freiheit aus sich macht, — nicht den Natur-,
sondern den Culturmen sehen, dessen Intelligenz die Wissen-
schaften, dessen Geschmack die Sitten, dessen Wille und Ver-
nunft eine rechtliche Staats- und Eegierungsordnung hervor-
bringt. Indem er aber an seinen Beobachtungen die Zuhörer
so betheiligen wollte, daß sie selbst beobachten lernten und
selbstthätig beobachteten, hatte er im Sinne, aus seiner Beoh-
achtungslehre eine Vorübung der Geschicklichkeit, der Klugheit
und selbst der Weisheit für die akademische Jugend zu machen.*)
•) Näheres darüber im Anhänge unter No, 3: „Kant's Vorlesungen
ober phyeische 0«ographie und ihr Verhältnifl zu seinen anthropologischen
Vorlesungen." *
D,gt,zBabyC00<^IC
Ton Emil Amoldt 97
7. Welchem „leichteren und beliebteren Felde", als dem
der Metaphysik, die „nicht anbeträchtlichen Arbeiten" zugehörten,
die Kant „nach der vielen Bemühung, die" er sich „gegeben",
im November oder December des Jahres 1773 „beinahe" ao
„fertig liegen" hatte, daß „nichts leichter", als ihre Veröffent-
lichung „gewesen" wäre, läßt sich nicht bestimmen, Vaihinger
freilich setzt bei Wiedergabe jener Kantischen Mittheilung an
Herz hinter den Worten: „einem leichteren und beliebteren
Felde" in Parenthese: „Moral und Aesthetik"' (Comm. 8. 153),
ohne ftlr diese Behauptung, die ohne Grund ist, auch nur einen
vermeintlichen Grund anzugeben, als ob selstverständlicb unter
„einem leichteren und beliebteren Felde" gar nichts anderes,
als Moral und Aesfhetik könne verstanden werden, nnd ohne
zu erwägen, daß Moral und Aesthetik zwei Felder sind, und
nicht eines. Denn, wenn Kant im Jahre 1772 — nach seinem
Briefe an Herz vom 21. Februar 1772 — „in der Unterscheidung
des Sinnlichen vom Intellectualen in der Moral es schon ziemlich
weit gebracht", ,,die Principien des Gefühls, des Geschmacks
und der Beurtheilungskra£t, mit ihren Wirkungen, dem Ange-
nehmen, Schönen und Guten auch schon vorlängst zu" seiner
„ziemlichen Befriedigung entworfen." hatte (B. XI, 24 und 25,
vgl. Brief an Herz v. 7. Juni 1771, ibid. S. 33, Ende des
1, Absch.), so folgt daraus auch nicht von ferne, daß die „viele
Bemühung", die er sich auch mit der „Moral und Aesthetik",
aber mit ihnen sicher nicht mehr gegeben hatte, als mit der
Untersuchung ober die Grenzen der Sinnlichkeit und Vernunft
und über die Metaphysik überhaupt, gerade in der Moral und
in der Geschmackslehre oder in einer von beiden Disciplinen
zu beinahe dmckfertig liegenden Ausarbeitungen geführt hatte,
während die Ausarbeitungen filr die Kritik der reinen Vernunft
und die Metaphysik überhaupt unterblieben. Für die Moral ist
das Gegentheil ao gut wie bezeugt durch Kant's Aeußerung in
dem vorliegenden Briefe vom Ende des Jahres 1773, daß er
nach Beendigung seiner Tranascendentalphilosophie , seiner
Kritik der reinen Vernunft, — daß er „als dann" erst an die Meta-
Alti-r. Honfttnohrift Bd. ZZVL Hft 1 n. 2- 7
DigtizBaby.CoOgIC
98 Zar BeortheiliiDg von Kanfa Kritik der reinen Vernunft etc.
physik der Natur und die Metaphysik der Sitten gehen werde,
wovon er die letztere zuerst herausgeben wollte. Wenn aber für
die Metaphysik der Sitten, für die Moral eine beinahe druckfertige
Ausarbeitung nicht vorhanden war, warum ist anzunehmen, daß
eine solche vorhanden war gerade für die Aesthetik? Nun
könnte bei dem „leichteren und beliebteren Felde" die Anthro-
pologie in Frage kommen, — nicht die physische Geographie.
Denn der letzteren hatte er ^lerdings auch manche Bemühung
zugewendet, aber eine Bemühung anderer Art, als jene ,, viele
Bemühung" war, bei der es sich um die Reform der Metaphysik
handelte, und der Connex der Gedanken, in welchem jene Aeuße-
rnng auftritt, läßt supponiren, daß die Arbeiten, die er beinahe
fertig liegen -hatte, aus seiner „vielen" metaphysischen „Be-
mühung" hervorgegangen, oder wenigstens mit ihr im Zusammen-
hange gewesen seien. Es ist aber wohl zweifellos, daß er bei
seiner „vielen" metaphysischen „Bemühung" anthropologische,
ins Besondere psychologische Fragen zum Gegenstand seiner
Meditationen hat machen müssen. Und wenn er in eben dem-
selben Briefe an Herz weiterhin äußert, daß er „in Zwischen-
zeiten daran arbeite", aus der Anthropologie eine Vorübung der
Geschicklichkeit, der Klugheit, der "Weisheit für die akademische
' Jugend zu machen, so kann man versucht sein, dieses Arbeiten
in Zwischenzeiten für dasjenige zu nehmen, aus dem die „nicht
unbeträchtlichen Arbeiten in einem leichteren und beliebteren
Felde", d. h. in der Anthropologie resultirten, die er beinahe
fertig liegen hatte. Wo ist aber die Bürgschaft, daß dieses
Arbeiten in Zwischenzeiten zu nicht unbeträchtlichen Auf-
zeichnungen führte, während höchstens nur unbeträchtliche Auf-
zeichnungen die metaphysische Denkarbeit ergab bei ihrer regu-
lären Fortsetzung?
8. Der letzte Abschnitt in Kant's obigem Briefe an Herz
ist eine Verkürzung seines Briefes an Nicolai. Dort und hier
stimmt der Inhalt ganz, und der Ausdruck an einzelnen Stellen
nahezu wörtlich Überein. Kant machte wohl nicht Kladde zu
den meisten seiner Briefe. Daß er keine zu dem an Nicolai
DigtizBabyCoOgIC
Von Emil Amoldt. 99
gemacht hat, ist höchst wahrscheinlich, da nach dem Facsimile
desselben (in der ersten Hart. Ausg. d. W. Eant's 1838 n. 39,
Bd. X vor S. 493 u. 494) etwa sieben, wenn anoh nur sehr
geringfügige Correcturen in il>m vorhanden sind, welche aich
schwerlich vorfinden würden, hätte er ibTi zuerst im Concept
entworfen gehabt. Besaß er aber kein Concept von ihm, so
muß er den Inhalt und zum Theil auch den Wortlaut desselben
noch genau im Gedächtniß gehabt haben, als er den obigen
Brief an Herz verfaßte. Demnach hat er diesen — für welchen
der Winter 1773/74 ohnehin als Abfassungszeit nachweisbar
ist — höchst wahrscheinlich nicht viel später, als jenen ver-
faßt, also wohl im November, spätestens vielleicht im De-
cember 1773.
Brief an Herz vom 24. November 1776.
Die Constituirung und Vollendung der „neuen Wissenschaft",
welche Kant in der Idee erfaßt hatte, gelang nicht so schnell,
als er hofite, daß sie gelingen würde. Er hatte versprochen,
das Werk, in welchem er seine Idee ausführen wollte, kurze
Zeit nach Ostern 1774 erscheinen zu lassen. Aber es erschien
nicht, weder 1774, noch 1776, noch 1776. Welchen in der
Kritik der reinen Vernunft behandelten Problemen Kant während
der Jahre 1774 und 1775 speciell sein Nachdenken widmete,
darüber ist keine Nachricht vorhanden. Daß er sich während
des Jahres 1774 und der ersten Monate des Jahres 1775 in
„Zwischenzeiten" mehr als für seine physisch-geographischen und
anthropologischen Vorlesimgen unbedingt erforderlich war, mit
Fragen beschäftigte, welche die physische Geographie, und die An-
thropologie betrafen, dafür zeugt seine Abhandlung: „Von den ver-
schiedenen Bacen der Menschen'*, die er zur Ankündigung seiner
Vorlesungen der physischen Geographie im Sommerhalbjahre 1775
Teröffentlichte. Soviel aber scheint mir gewiß, daß er sich
mindestens im Jahre 1776 mit den Problemen abgab, welche
7«
DigtizBabyCoOgIC
100 Zur Beurtheilnng von Kant'a Kritik der reinen Vernunft etc.
die Kritik der reinen Vernunft in der transacendentalen Dialektik
aufstellt und zu 'lösen sucht. Dies geht, wie mich dünkt, un-
zweifelhaft aus seinem Briefe an Herz vom 24- November 1776
hervor.
Im Eingange dieses Briefes bekundet er seine Freude über
den guten Fortgang von Herz' mediciniacher Praxis, wobei der
Verstand unaufhörlich Nahrung durch neue Einsichten empfange
und in mäßiger Beschäftigung bleibe, statt durch den Gebrauch
abgenutzt zu werden, wie dies „unseren größten Analysten*),
einem Baumgarten, Mendelssohn, Garve" widerfahre, „denen"
er selbst „von weitem folge", lobt an der Herz'schen Schrift
über den Geschmack — die im Jahre 1776 erschienen war —
„die Eeinigkeit des Ausdrucks, die Gefälligkeit der Schreibart
und die Feinheit der Bemerkungen", ohne jedoch, weil ihm das
Buch, er wisse nicht von wem, abgeliehen worden, ,, einiges
besondere UrtheU, was" ihm „im Durchlesen beiflel", hinzufügen
zu können, und erhebt wegen des ihm dort [2. Aufl., S. 58] in
Parallele mit Lessing ertheilten Lobspnichs — bei intensiv und
extensiv erweiterten Seelenkräflen viel und zugleich vieles zu
umfassen — den Vorwurf parteilicher Freuadschafl, da er
„noch kein Verdienst besitze, was desselben würdig wäre", und
er daher den boshaften Tadel des Spötters besorgen müsse.
Dann f^hrt er fort: „In der That gebe ich die Hofinung
zu einigem Verdienst in dem Felde, darin ich arbeite, nicht
,auf. Ich empfange von allen Seiten Vorwürfe wegen der
„Unthätigkeit, darin ich seit langer Zeit zu seyn scheine, und
pbin doch wirklich niemals systematischer und anhaltender
,, beschäftigt gewesen, als seit den Jahren, da Sie mich nicht
*) „Äualyaten" bei Hartenstein (VIÜ, 697) statt: „Annalisten" bei
Bosenkranz-Schubert (XI, 1. A., 86). Das letztere ist Druckfehler, kein
Schreibfehler Kant's, in dessen Originalbrief Analysten steht, wie mir
R, Reicke angegeben hat. „Analysten" statt des wohl gebräuchlicheren:
Analytiker, hat auchSchiller in den Briefen über die ästhetische Erziehnng
des Menseben (1838, XII, 114). — Garve wird an der oben wiedergegebenen
Briefitelle zum ersten Male von ICant erwähnt.
DigtizBabyCoOgIC
Von Emil Amoldt. 101
„gesehen baben. Die Materien, durch deren Ausfertigung ich
„wohl hoffen könnte, einen vorübergehenden Beifall zu erlangen,
„hänfen sich nnter meinen Händen, wie es zu geschehen pflegt,
„wenn man einiger fruchtbaren Principien habhaft geworden.
„Aber sie werden insgesammt durch einen Hauptgegenstand,
„wie durch einen Damm, zurückgehalten, an welchem ich hoffe
„ein dauerhaftes Verdienst zu erwerben, in dessen Besitz ich
„auch wirklich schon zu seyn glaube und wozu nunmehr nicht
„sowohl nöthig ist, es auszudenken, sondern nur anszafertigen.
„Nach Verrichtung dieser Arbeit, welche ich allererst jetzt an-
„trete, nachdem ich die letzten Hindernisse nur den vergangenen
„Sommer" — also den Sommer 1776 — „Überstiegen habe,
„mache ich mir ein freies Feld, dessen Bearbeitung fttr mich
„nur Belustigung seyn wird." Es gehöre, sagt er, Hartnäckigkeit
dazu, nm einen Plan, wie den seinigen, unverrückt zu befolgen.
Die Schwierigkeiten desselben hätten ihn oft angereizt, sich
angenehmeren Materien zu widmen. Von dieser Untreue hätte
ihn aber theils von Zeit zu Zeit die Ueberwindung einiger
Schwierigkeiten, theils die Wichtigkeit des Geschäftes selbst
zurückgehalten. Das Feld der von allen empirischen Principien
unabhängig urtheilenden d.'i. reinen Vernunft könne ohne Zweifel
übersehen werden, weil es in uns selbst a priori liege und keine
Eröfihungen von der Erfahrung erwarten dürfe. Um nun den
ganzen Umfang, die Abtbeilungen, die Gtrenzen, den ganzen
Inhalt desselben nach sicheren Principien zu verzeichnen und
die Marksteine so zu legen, daß man künftig mit Sicherheit
wissen könne, ob mau auf dem Boden der Vemunfl, oder dem
der Vemünftelei sich befinde, dazu gehören: eine Kritik, eine
Disoiplin, ein Kanon, und eine Architektonik der reinen Ver-
nunft, mithin eine fbrmliche Wissenschaft, zu der man von
denjenigen, die schon vorhanden seien, nichts brauchen könne,
und die zu ihrer Grundlegung sogar ganz eigener technischer
Ausdrücke bedürfe. Mit dieser Arbeit denke er vor Ostern
nicht fertig zn werden, sondern dazu einen Theil des nächsten
Sommers, also des Sommers 1777, zu verwenden, so viel seine
DigtizBabyCoO^IC
102 Zur Beurtheiluog von Kaufe Kritik der reinen Vernunft et«.
unaufhörlich unterbrochen© Gesundheit ihm zu arbeiten ver-
gönnen werde. Doch bitte er über diesea Vorhaben keine Er-
wartungen zu erregen, welche bisweilen beschwerlich, und oft
nachtheilig zu sein pflegten.
Hier werden bereits alle Hauptstücke der späteren „Methoden-
lehre" mit Ausnahme der „Öeachichte der reinen Vernunft" dem
Namen nach aufgeführt, dagegen die Theile der späteren „Ele-
mentarlehre" unter dem Namen „Kritik der reinen Vernunft"
zusammengefaßt. Daher hatten die letzteren wahrscheinlich ihre
genau abgemessenen Benennungen noch nicht erhalten, obgleich
sie gewiß schon möglichst gegliedert waren. Der „Damm"
nämlich, den Kant im Sommer des Jahres 1776 glaubte über-
stiegen zu haben, bestand ohne Zweifel in den „Sophistieationen
der reinen Vernunft", deren Illusion freilich zur Verhütung
ihres Truges kann aufgedeckt, aber nicht bis zum völligen
Verschwinden ihres Blendwerke kann aufgehoben werden. Denn
nur wenn die „Hindemisse", die er entgegenstellt, überwunden
sind, ist es möglich, „die Marksteine" zur Bezeichnung der
Grenzen „zu legen", welche „den Boden der Veniunft", die
transscendentale Analytik, von dem Felde „der Vemünftelei",
der transscendentalen Dialektik, trennen. Die Materien seines
Nachdenkens und jetzt wahrscheinlich auch die Zettel und
Papiere, auf die er die Resultate desselben in Bemerkungen
verschiedenen Umfangs niederlegte, „häuften sich unter" Kant's
,, Händen". Es war nunmehr, wie er meinte, „nicht sowohl
nöthig", „auszudenken, sondern nur auszufertigen". Aber diese
Ausfertigung, die er „allererst jetzt" d. h. im November 1776
antreten und bis in den Sommer des Jahres 1777 vollenden wollte,
war zu dem angegebenen Termin so wenig vollbracht, daß sie
im August des Jahres 1777 noch gar nicht ihren Anfang ge-
nommen hatte. Ja, es scheint, daß erst um diese Zeit die Idee
des G-anzen unter Berücksichtigung des wechelseitigen Einflusses
der Theile im Einzelnen völlig entworfen war.
,dbyGoogIe
Von Emil Anioldt. IQQ
Brief an Herz vom 20. August 1777.
Der bei weitem größeate Theü dieses Briefes betrifft nicht
Kant'a Arbeit fllr die Kritik der reinen Vernunft, sondern seine
Begegnung mit Mendelssohn bei dessen — eben ablaufendem
— Aufenthalt in Königsberg*), und Danksagungen flir zwei
Geschenke, die er von Herz empfangen hatte, — für das von
diesem verfaßt« Buch: „Briefe an Aerzte", dessen sehr günstiger
Beartheilung er eine Schilderung seiner damaligen Unpäßlichkeit
und zur Abhilfe derselben die Bitte um Zusammenstellung eines
Recepts aus den von ihm notifizirten Mitteln anschließt, so wie
flir eine kostbare Sammlung von „Stücken, welche den guten
Geschmack und die Kenntniß des Alterthums sehr zu befördern
dienen" und schon — wie natürlich ihn selbst, so auch —
manche seiner Freunde vetgnügt hätten.
Erst darnach und gegen den Schluß des Briefes äußert er:
,,Seit der Zeit, daß wir von einander getrennt sind, haben meine,
„ehedem stückweise auf allerlei Gegenstände der Philosophie
„verwandte Untersuchungen systematische Gestalt gewonnen
„and mich allmählich zur Idee des Ganzen geführt, welche aller-
„erst das Urtheil über den Werth und den wechelseitigen Ein-
„fluß der Theile möglich macht. Allen Ausfertigungen dieser
,, Arbeiten liegt indessen das, was ich die Kritik der reinen
„Vernunft nenne, als ein Stein im "Wege, mit dessen Weg-
„schaffiing ich jetzt allein beschäftigt bin, und diesen Winter
*) Notizen über Mendelsaohn's Verweilen in Königsberg sind za-
sammengetragen aaf S. 96—99 der „Geschichte der Juden in Königsberg i. Pr."
von Dr. H. Jolowicz. Posen. 1867. Hier iet ohne Bezeichnung ihrer Quelle
die Angabe gemacht; „Auf einer Oeschäftereiee nach Uemel verweilte
,,Mose8 Mandelssohn, 1777, auf dem Hinwege vom 24. bis 81. Joli und auf
„der Rückfahrt vom 16. bis 20. August in Königsberg" u. e. w. Kraus aber
hat am 29. Juli 1777 an Auerswald geschrieben : Mendelssohn „wollte nach
„Memel reisen, denn da sollte er eigentlich hin ; aber seine Verrichtungen
„in Memel sind gläcklich ohne seine Gegenwart zu Stande gekommen und
„so wird er denn noch an drei Wochen hierbleiben and dann abreisen"
(Voigt, Biogr. S. 71). Ob trotzdem jene Angabe bei Jolowicz richtig ist,
kann ich gegenwärtig nicht feststellen.
DigtizBabyCoOgIC
IQi Z\it Beuitheilnng von Kant's Kritik der reinen Vernunft etc.
damit völlig fertig zu werden hoffe. "Waa mich aufhält, ist
uicbts weiter als die Bemilhung, allem darin Vorkommenden
,,vöRige Deutlichkeit zu geben, weil ich finde, daß, was man
jsich selbst geläufig gemacht hat und zur größten Klarheit
igebracht zu haben glaubt, doch selbst von Kennern mißver-
,,atanden werde, wenn es von ihrer gewohnten Denkuogsart
.gänzlich abgeht." (R. XI, 1. A-, 40 u. 41.)
Daß im August des Jahres 1777 die Idee des Ganzen bis
zu ihren einzelnen Verzweigungen hin in Gedanken ausgebildet
war, ist aus Kant's damaliger Bemühung zu schließen, „aUem
darin Torkommenden völlige Deutlichkeit" für andere „zugeben";
denn sich seibat hatte er schon alles oder fast alles, was er
darin abhandeln wollte, „geläufig gemacht" und, wie er glaubte
„zur größten Klarheit gebracht". "Wenn er aber „die Kritik der
reinen Vemunit", wie vorhin den „Damm", so jetzt den „Stein"
nennt, welcher „allen Ausfertigungen" seiner „Arbeiten" im
Wege liegt, und, wie er hoffte, im Winter des Jahres 1777/78
„völlig" sollte weggeschafft werden, so ist darunter, wie mir
scheint, wiederum die Bestimmung und Abgrenzung des Bodens
der. Vernunft von dem Felde der Vemünftelei gemeint, d, h. die
Aufdeckung des transscen dentalen Scheins, welcher Grundsätze
veranlaßt, die über den empirischen Gebrauch der Kategorien
hinweg zu führen sich anmaßen und eine mögliche Erweiterung
des reinen Verstandes über die Demarkationslinien der Erfahrung
vorgatikeln.
Es ist auffallend, das Kant im Jahre 1777 der systema-
tischen Gestalt, die seine philosophischen Untersuchungen seit
dem Jahre 1770 gewonnen hatten, so zu Herz erwähnt, als ob
ihm darüber noch gar keine ausführlichen Nachrichten zuge-
gangen wären. Es ist aber mißlieh, diese Ignorirung der bis-
herigen Mittheilungen aus Umständen zu erklären, welche nur
eine ohne Anhalt an irgend eine Thatsache gewagte Vennuthung
ersinnen könnte.
Soviel indeß geht aus Kant's Aeußerungen mit ziemlicher
Gewißheit hervor:
,dbyGoogIe
Von Emil Amoldt. 105
1. Im Jahre 1777 war der Plan seines "Werkes ausgereift,
im Ganzen sowohl, als in den Theilen wie in der Beziehung der
Theile auf einander.
2. Kant beschäftigte sich im Jahre J 777, wie im Jahre 1776,
eingehend mit den Problemen der transscendentalen Dialektik,
hatte aber die Lösung derselben — es bleibt unausgemacht, ob
aller? ob einiger? und welcher? — entweder noch nicht end-
giltig für sich, oder wenigstens, seiner Meinung nach, noch
nicht aberzeugend genug für andere gefunden, hoffle jedoch, sie
bis in das erste Viertel des Jahres 1778 zu seiner Beifriedigung
zu Stande zu bringen.
Sicher ist:
3. Er hatte im Jahre 1777 die „Ausfertigung" seiner
Arbeiten für den Druck noch nicht begonnen.
Im Jahre 1777 begann Kant noch nicht die Abfassung
seines Werkes für den Druck, weil er sich bewußt war, weder
alle Schwierigkeiten der transscendentalen Dialektik überwunden,
noch seinen von der gewohnten Denkungsart gänzlich abwei-
chenden Gedanken diejenige Deutlichkeit verschafft zu haben,
die ein MüJverständniß derselben auch nur bei Kennern aus-
schlösse. Zn diesen inneren Hemmungen gesellte sich eine
dritte, die ihm von außen kam. Im Jahre 1777 erschien das
zweibändige Werk von Teteos: „Philosophische Versuche über
" die menschliche Natur und ihre Eatwickelung" (1618 Seiten).
Das Studium desselben trug sicher dazu bei, die Ausfertigung
von Kant's Arbeiten für den Druck zu verzögern, ob es gleich
nachgerade der Einrichtung des Aufzugs für das eine und das
andere Gedankengewebe in der Kritik der reiuen Vernunft zu
gute kam.
Cohen sagt in der zweiten — sehr beachtenswerthen —
Auflage seineä — sehr anregenden — Werkes: „Kant's Theorie
der Erfahrung" (1885): ,,In diesen psychologischen Entwicke-
„Inngen" — o&mlich wenn Kaut drei ursprüngliche Vermögen
DigtizBabyCoOgIC
106 ^uf Beartheilimg von Kaofs Kritik der reiueu Yemunfl etc.
der Seele: Sinn, Einbildungskraft, und Apperception, und als
Thätigkeiten dieser Vermögen: Synopsis, Syntheais, Einheit der
Synthesia, annimmt — , „theilweise auch in der Terminologie
„schließt er sich unverkennbar an Tetena an, dessen „„Philo-
„sophische Versuche üher die menschliche Natnr und ihre Ent-
„wickelung"" noch heute als ein Schatz psychologischer Äus-
„führungen, Gedanken und Entwürfe bezeichnet werden darf,
„der um so werthvoUer ist, als Tetens mit der Feinheit und
„Ausdauer des analysirenden Psychologen das Interesse an der
„physiologischen Substruction der Psychologie und die genaueste
„EenntniQ alles dessen verbindet, was sowohl die Engländer und
„Franzosen als die deutsehen Leibnizianer in diesen Fragen
„geleistet haben" (S. 301).
Ich adoptire dieses Urtheil im Allgemeinen, ohne es zu
begründen, geschweige denn die Beziehungen, Annäherungen
und Abweichungen, die starken Discrepanzen zu verfolgen,
welche zwischen Tetens' nnd Kant's psychologischen Entwicke-
lungen auffindbar und einer gründlichen Behandlung in einer
ausführlichen Darstellung würdig sind. Kant hat Überall, wo
er sich Tetens anschloß, die allerdings subtilen, aber mehr oder
weniger dissoluten Entwickelungen des letzteren fixirt und be-
stimmt, wodurch er aus ihnen erst Resultate gewann, die für
seine Untersuchungen verwerthbar und folgereich wurden. Daher
vielleicht geschah es, daß er weder in der Kritik der reinen
Vernunft, noch in irgend einem seiner späteren Werke Tetens
erwähnte, aus dessen feineu, aber krausen Gespinnsten er immer
nur einzelne Fäden mit dem einen und dem anderen seiner
Gedankengewebe verknüpfte.
Brief an Herz au» dem Anfang des April 1778.
Herz muß zwischen dem Ende des August 1777 und dem
Ende des März 1778 mindestens zwei Briefe an Kant gerichtet
haben, — einen im Jahre 1777, vielleicht schon im September 1777
ala Geleit der ärztlichen Bathschläge, welche Kant ihm zu er-
zeabyCoO^IC
Von Emil Arnoldt 107
theilen Herz unter dem 20. August 1777 veranlaßt hatte, —
einen zweiten im M&rz 1778 mit der Bitte, die Professur in
Halle, die der Minister v. Zedlitz Kant angetragen hatte*), zu
übernehmen, — beide erfüllt von wärmstem Freundachaftsgeföhl
und dankbarster Verehrung gegen den hochgesinnten Lehrer,
dessen Wort und Beispiel, wie Herz wünschte, an größereu
*) Schubert, nachdem er den Brief vom 21. Februar 1778 mitgetheüt
hat, in welchem der Uinister v. Zedlitz Kant nm die Copie einer sorgfältigen
Nachschrift von dosaen Colleg über physische Geographie ersucht«, iUhrt
fort: „Wenige Wochen darauf war der Prof. Meier in Halle verstorben ,
„Zedlitz trug dieae Professur sogleich Kant an" u. s. w. (B. XI, 2. A.,
&2 n. 6S.) Aber Schubert's Angabe ist unrichtig. Meier war nicht im
Jahre 1778 verEtorben, sondern im Jahre 1777 den 21. Juni (s. Samuel
Gotthold Lange: „Leben Georg Friedrich Meiers. Halle 1778." S. 76; aach
S. 79, 80; Meier war geb. den 29. Marc 1718). Femer: Die durch Meier'a
Tod erledigte Professur in Halle trug der Minister v. Zedlitz gar nicht
„sogleich" Kant an. Für die Sesetzung derselben kam im Juli 1777 Kraus
in Frage, wie dieser in sebem Briefe an Auerswald vom 29. Juli 1777
erzählt: „Sonnti^ ließ mich Kant zu sich rufen und sagte mir, Mendelssohn
t,sey hei ihm gewesen und habe mit ihm unter andern auch von mir ge-
„sprpchen, oh ich nehmlich nicht Professor in Halle in Meiere Stelle, der
„kürzlich gestorben, werden wollte. Zedlitz habe ihm (Mendelssohnen) auf-
„getragen, einen zu der Stelle vorzuschlagen und er'' [Mendelssohn] „wolle
„es auf Kant ankommen lassen. Natürlich war mein erstes, daß ich Kanten
„sagte: Herr Professor, ich bin noch nicht TL'if." u. s. w. (Voigt, Biogr.
S. 68 n. 6D), — Erst nach seinem eben erwähnten, bei Schubert (Biogr,
S. 61 u. 62) abgedruckten Schreiben vom 21. Febraar 1778, in welchem er
Kant um eine möglichst fehlerfreie Nachschrift von dessen ColleR über
physische Geographie ersuchte, und in welchem er mit keinem Worte der
Halle'schen Professur erwähnt«, richtete Zedlitz in einem Schreiben vom
28. Februar 1778, welches Schubert nie zu Gesichte bekommen hat, und
welches K. Reicke abschriftlich besitzt, an Kant die Anfrage, ob er demselben
einen Gefallen erweisen würde, wenn er ihn mit 600 Thalem Gehalt zum
Professor der Philosophie nach Halle dem Könige vorschlüge, erklärte dabei,
daÜ ihm selbst sicher Kant einen Gefallen erzeigen würde, wenn er diesen
Antrag annähme, und machte scblieBlich darauf aufmerksam, da£ er ihm in
Königeberg zu keiner Verbesserung Hoffnung machen könne, wohl aber in
Halle, wenn hier das Gehalt zu Anfang auch nur 600 Thaler betrüge.
Warum Zedlitz erst unter dem 28. Februar 1778 und nicht schon früher
Kant diesen Antrag machte, ist nn aufgeklärt. Hatte er durch Mendelssohn
Kant's Neigung erforschen lassen? and, als er Kaut's Abneigung, Königsberg
za verlassen, erfahreu, von dem Antrage Abstand genommen, spSter aber
DigtizBabyCoOgle
103 Zur Beartheiltmg von Eant's Kritik d«r reinea Veroanft etc.
Schölerkreisen, als die Königsberger üniveraität darbot, ihre
obaracterbildende Kraft äußern, dessen wiasenachaftliclie nnd
gesellschaftliche Interessen, wie Herz hoffte, bei vielseitigeren
Anregungen, als die entlegene ostpreaßische Hauptstadt gewährte,
eine erhöhte Befriedigong, und dessen fast unvergleichliche
durch Herz und Biester Anlaß erhalten, iha direct und ausdrücklich doch
Kant zu machen? So würde es sehr erklärlich sein, wie Herz dazu kam,
im März X778 Kant um Annahme der Professur in HalJe zu bitten. Kant
lehnte den Zedlitz'echen Antrag vom 38. Februar 1778 in einem leider nicht
aufbehaltenen oder wenigstens bis jetzt nicht aufgefundenen Briefe aus dem
März 1778 ab und erhielt, geraide als er den oben im Text von mir zn
behandelnden Brief an Herz schrieb, in welchem er die Bitte des letzteren
ebenfalls abwies, ein neues Schreiben des Ministers v. Zedlitz mit dem
wiederholten Antrage der Pi-ofessur in Halle. Fur dieses Schreiben hat
Schubert beim Abdruck desselben in seiner Biographie Kaut's S. 63 u. 64
das Datum: „den £8. Mai 1778" angegeben. Dagegen hat R. ßeicke in der
Abschrift, die er für seine Sammlung KantiScher Denkwürdigkeiten von dem
auf der hiesigen Königlichen und Universitäts-Bibliothek befindlichen Zedlitz*
sehen Originalschreiben genommen, das Datum notirt: „den 28. März 1778",
und eine von ihm und mir jetzt gemeinsam vorgenommene Besichtigung
der Schriitzftge in dem Zedlitz'schen Briefe hat es für uns außer Zweifel
gestellt. daU als Datnm des letzteren nicht der 28. Mai, sondern der
28. März zu lesen ist. Demnach habe ich Kant's obigen Brief an Herz aus
dem Anfange des April 1778 zu datiren.
Meier's Stelle wurde mit Job. August Eberhard besetzt. Im Jahr-
gang 1778 der Hallbchen neuen gelehrten Zeitungen S. 512 (64. St..v.
13. Aug. 1778) findet sich folgende Notiz: „S. Kgl. Maj. haben bereits unter
„dem 13. Junii <1778) den durch seine Preisschrift, allgemeine Theorie des
„Denkens und Em))findens, und durch die nene Apologie des Sokrates, nach
„seinen ausgebreiteten philosophischen Kenntnissen bekannt gewordenen
„Prediger zu Charlotten bürg Herrn Joh. August Eberhard in die Stelle des
,.Beel. Prof. Meiers, zum Prof philos. Ordinarius auf hiesiger Universität
(Halle) ernannt." —
Als Vorlesungen für den Winter 78/79 wurden von Eberhard ange-
zeigt: Metaphysik nach Banmgarten, Einleitung in die philosophische Moral
nach seinen Dictaten. and natürliche Theologie.
So hatte Kant's Ablehnung des Zedlitz'schen Antrages seinem späteren,
wenig redlichen Gegner den Weg zur Professur geöffnet, — eben demselben
Eberhard, welchem Lessing im Jahre 1773 zugerufen hatte; „Warum sollten
„wir scharäinniger als Leibnitz, nnd menschenfreundlicher scheinen wollen,
„als Sokrates?" (M. IX, 171.)
DigtizBabyCoOgIC
VoD Emil Ärnoldt, 109
Geiflteagaben bei verbesserter, äußerer Lebensstellung tiiid viel-
leicht auch gehobenem leiblichen Wohlbefinden ihres Trägers
eine noch reichere Entfaltung in literarischen, das Weltbeste
fördernden Prodnctionen gewinnen möchten.
Solcher Art müssen jene beiden Herz'schen Briefe gewesen
sein, und der zweite von ihnen ungefähr solchen Inhalts. Denn
nur so wird das GefQhl der GenugÜiuung, der Anflug von
Kührnng, der lebhafte Ausdruck der Gemütbsbewegung in den
beiden ersten Abschnitten von Kaut's Antwortschreiben au Herz*)
erklärlich, in denen er seine Danksagung, seine Weigerung an
das Gest&ndniß knüpft:
„Briefe von der Art, als ich sie von Ihnen bekomme,
.versetzen mich in eine Empfindung, die, nach meinem Ge-
„schmack, das Leben inniglich versüßt und gewissermaßen ein
jTorschmack eines andern zu seyn scheint, wenn ich in ihrer
,,r6dlichen und dankbaren Seele den tröstenden Beweis der nicht
,ganz fehlschlagenden Hofinung zu lesen vermeine, daB mein aka<
,,demisches Leben in Ansehung des Hauptzwecks, den ich jeder-
,zeit vor Augen habe, nicht frachtloa verstreichen werde, nämlich
igute und auf Grundsätze errichtete Gesinnungen zu verbreiten,
,in gutgeschaffenen Seelen zu befestigen, und dadurch der
„Ausbildung der Talente die einzige zweckmäßige Richtung zu
„geben.
„In diesem Betracht vermischt sich meine angenehme
,Empfindung doch mit etwas Schwermüthigem, wenn ich mir
,emen Schauplatz eröffnet sehe, wo diese Absicht in weit größerem
,T7mfange zu befördern ist und mich gleichwohl durch den
*) Kant hatte in seinen Briefen Herz bisher angeredet: „Hochedler
Herr, Werther Freund", oder: ,,Uein wertheatar Herr Herz", oder: „Wer-
thester Freund", oder; „Wohlgeborner Herr Doctor, Werthester Freund."
In diesem Briefe aber redet er ihn an: „Auserlesener und unschätzbarer
Freund", woranf noch in den beiden Briefen aus eben demselben Jahre (1778)
die Anreden: „Würdigster Freund", und: „Würdigster und hochgeschätzter
Frennd" folgen. Also schon die Anrede in diesem Briefe bezeugt ein bei
Abfassung desselben tief bewegtes Qefübl.
zeabyCoOgle
110 Zur Beurtbeilong von Kaufs Kritik der reinen Vernunft etc.
.kleinen Äntheil von Lebenskraft, der mir zugemessen worden,
, davon ausgeschlossen finde. Q-ewinn und Aufsehen anf einer
jgroßen Bühne haben, wie Sie wissen, wenig Antrieb filr mich.
,Eine friedliche, und gerade meinem Bedürfniß angemessene
,Situation, abwechselnd mit Arbeit, Speculation und Umgang
ibeaetzt, wo mein sehr leicht afficirtes, aber sonst sorgenfreies
pGemÜth, and mein noch mehr launischer, doch niemals kranker
,,Körper, ohne Anstrengung in Beschäftigung erhalten werden,
ist Alles, was ich gewünscht und erhalten habe. Alle Ver-
,änderung macht mich bange, ob sie gleich den größten An-
pSchein zur Verbesserung meines Zustandes giebt, und ich
,glaube, auf diesen Instinct. meiner Katur Acht haben zu müssen,
pwenn ich anders den Faden, den mir die Parzen sehr dünne
pUnd zart spinnen, noch etwas in die Länge ziehen will. Den
pgrößesten Dfuik also meinen Gönnern und Freunden, die so
pgütig gegen mich gesinnt sind, sich meiner "Wohlfahrt anzu-
,nebmen, aber zugleich eine ergebenste Bitte, diese Gesinnung
pdahin zu verwenden, mir in meiner gegenwärtigen Lage alle
pBeunruhigung (wovon ich zwar noch immer frei gewesen bin)
.abzuwehren und dagegen in Schutz zu nehmen."
Nachdem er sich dann über den von ihm beabsichtigten
Gebrauch und Nicht-Gebrauch der ihm von Herz empfohlenen
Arzeneien geäußert hat, fährt er fort:
„D&ä von meiner unter Händen habenden Arbeit schon
„einige Bogen gedruckt seyn sollen, ist zu voreilig verbreitet
„worden. Da ich von mir nichts erzwingen will (weil ich noch
.,g6me etwas länger in der Welt arbeiten möchte), so laufen
„viel andre Arbeiten zwischen durch.
„Sie rückt indessen weiter fort und wird hoffentlich diesen
„Sommer fertig werden. Die Ursachen der Verzögerung einer
„Schrif^ die an Bogenzahl nicht viel austragen wird, werden
„Sie dereinst aus der Natur der Sache und des Vorhabens selbst,
,,wie ich hoffe, als gegründet gelten lassen. Tetens, in seinem
,, weitläufigen Werke über die menschliche Natur, hat viel Scharf-
„sinniges gesagt; aber er hat ohne Zweifel, sowie er schrieb, es
DigtizBabyCoOgIC
Von Emil Ärnoldt. Hl
„anch dmcken, zum wenigsten" [dos Meiste*^] „stehen lassen.
„Es kommt mir vor: daß, da er seinen langen Yerauch über die
„Freiheit im zweiten Bande schrieb, er immer ho£Ft6, er würde,
„vermittelst einiger Ideen, die er im unsicheren Umrisse sich
„entworfen hatte, sich wohl aus diesem Labyrinthe herausfinden.
„Nachdem er sich und seinen Leser ermüdet hatte, blieb die
,, Sache doch so liegen, wie er sie gefimden hatte, und er räth
„dem Leser an, seine Empfindung zu be&agen
„"Wenn dieser Sommer bei mir mit erträglicher Gesundheit
,, hingeht, so glaube, daa versprochene Werkchen dem Publicum
„mittheilen zu können.
„Lidern ich dieses schreibe, erhalte ich ein neues gnädiges
,, Schreiben von des Herrn Staatsmiuisters v. Zedlitz Excellenz
„mit dem wiederholten Antrage einer Professur in Halle, die
,,ich gleichwohl, aus den schon angeführten unüberwindlichen
„Ursachen, abermals verbitten muß.
„Da ich zugleich Breitkopfen in Leipzig, auf sein An-
,, sinnen, ihm die Materie von den Menschen-ßacen weitläufiger
„auszuarbeiten, antworten muß, so muß gegenwärtiger Brief bis
„zur nächsten Post liegen bleiben" (R. XI, 1. A., 41—43).
Aus diesen Mittheilungen Kant's läßt sich mit größerer
nnd mit geringerer Gewißheit folgern:
1. Es war Herz, durch den er erfahren hatte, daß in
Berliner literarischen Kreisen das Gerücht umliefe, von der
Arbeit, die er veröffentlichen wolle, seien bereits einige Bogen
gedruckt. Gerüchte pflegen nicht ganz grundlos zu sein, außer
wenn sie mit Vorbedacht geschmiedete Verleumdungen in Umlauf
setzen. Meistens überliefern sie einen Thatbestand, den sie
*) Bei ICosenkranz nnd auch bei Hftrteiial^m fVIII, 70i) fehlt „das
Ueiste". Aber es sollte wohl heißen: „es auch drucken, znm wenigsten das
Meiste stehen lassen". Eant bedachte, daß Teteus gewilt nicht alles, so
wie er es geschrieben, dem Druck übergeben, sondern sein Manascript
verbeeseit, aber nicht genug verbessert und das Meiste darin „stehen"
gelassen habe.
zeabyCoOgle
112 Zur Beortheilnng von Kant's Kritik der reinen Vernunft etc.
— öfters bis zum Gegentheil der "Wahrheit. Jenes
Gerücht hatte möglicherweise ztir thatsächlichen Unterlage
ÄeoBerungen von Kant aus den ersten Monaten des Jahres 1778
wie: er sei nun den Gedanken nach mit seiner Arbeit fertig,
er habe sie nur noch >fur den Druck niederzuschreiben, und
dazu werde er nicht langer Zeit bedürfen.
2. Kant spricht im Anfange des April 1778 von seiner
Arbeit als von einer „unter Händen habenden Arbeit", die,
obschon „viel andre Arbeiten zwischen durch" liefen, indessen
weiter fort rucke und ,, hoffentlich diesen Sommer" werde „fertig
werden". Das unjter Händen Haben deutet Aufzeichnungen
an, wenn auch keineswegs Niederschrift fflr den Druck, das
Fortrücken Aufzeichnungen, die sich vermehrten, die Hoffnung,
diesen Sommer fertig zu werden, zweifellos die Absicht, baldigst
von jenen Aufzeichnungen zur Niederschrift für den Druck
überzugehen.
3, Auch das Urtheil über das Tetens'sche "Werk läßt ver-
muthen: Eant hatte mannigfache schriftliche Aufzeichnungen
gemacht, welche die Besultate und auch wohl den Gang seiner
Gedankenarbeiten zur späteren Kritik der reinen Vernunft ent-
hielten. Denn er wollte nicht, gleich Tetens, drucken lassen,
wie er schrieb, auch nicht, gleich Tetens, mit einigen im
unsicheren Umrisse entworfenen Ideen an die Ausfertigung
seiner Arbeiten für den Druck gehen. Aber jene Aufzeichnungen
können, obschon sie die Ausführung seiner Idee bis zum Ein-
zelnen hin möglichst vollständig andeuten mochten, doch ihrem
umfange nach verhältnismäßig nur kurz gewesen sein, da er
noch jetzt, d. h, im Anfange des April 1778 „das versprochene
Werkchen", das er liefern wollte, auf einer geringen Zahl von
Druckbogen dem Publicum darbieten zu können meinte. An-
dererseits müssen jene Aufzeichnungen, wenn sie die Abfassung
der Kritik der reinen Vernunft für den Druck erleichtem aoRten,
einzeln genommen, ausführlicher, und, im Ganzen betrachtet,
zusammenhängender gewesen sein, als die meist kurzen und
aphoristischen Bemerkungen, welche Kant in sein Handexemplar
DigtizBabyCoOgIC
Von Emil Amoldt. 113
von Baumgarten's Metaphysik zu verschiedenen Zeiten seiner
akademischen Lehrthätigkeit eintrug.*) Dagegen können aie ■
den zumeist aas späterer Zeit herrührenden Ausführungen ge-
glichen haben, die aus Kant's handschriftlichem Nachlasse auf
der Königsberger Königlichen und TJmversitätsbibliothek i
*) Vgl. Reflexionen Kant's znr kritiechen Philosophie heransgegebea
von Benno Erdmann. 2 Bde. 1882 u. 1884. Obschon die Bemerkungen
Kant's, welche in diesen Bänden veröffentlicht worden, auch in der Ordnung,
die ihnen Sesno Erdmann anzuweisen für gut befunden hat. interessant
und in mehr als Einer Hinsicht werthToU bleiben, so ist es doch ans mehr
ola Einem Grunde zu wUnschen, daU sie genau in derjenigen Ordnung zum
Abdruck gekommen wären, in dtr sie von Kant niedergeschrieben worden.
Auch ist es befremdend, dort Kant's Orthographie, die ihm — nach Boro nski's
Angabe (Darst. des Leb. S. 193) — nicht ganz Kl^chgü^ifC scheint gewesen zu
sein, in die keineswegs musterhafte Puttkammer'sche umgesetzt zu finden.
Benno ErdmanncharacterisirtjeneBemerkangen Kant's folgendermaUen:
„Es ist ein wissennchaltircbes Tagebuch, das wir vor uns haben.
,Oerade dies aber macht das Manascript wertvoll. Nicht bloll unsere besten,
„sogar nnsere meisten Gedanken sind Kinder der Gelegenheit, ausgebrochen
„im dunklen Untergründe des Bewußtseins, zu Tage gefordert nach der
,Onngt des Angenblicks. Die Denkarbeit, die über der Schwelle des Be-
,wußtaein3 verbleibt, hat selten mehr zu leisten, ab zu prüfen, zu sichten,
,zn ordnen.
,, Somit ist uns vet^nnt, von hier aus besser, als die Schriften Kants
lirgend ztilassen, einen Blick in die Werkstätte seiner Gedanken zu tun.
„Dort stehen sie gefeilt und geputzt, wie die Oeffentlichkeit es fordert, —
— — — — — . „Hier dagpgan liegen die einzelnen Stücke vor, wie sie
,ehen ans der Hand des Bildners gekommen, noch behaftet mit all den
,kleineo Zeichen der Arbeit, die sie gefordert. Bausteine sind es,, die wir
,vor uns haben, nicht Frt^uiente; letztere wenigstens nur in dem Sinne,
,in dem alles, was wir aufzeichnen können, Fragment dessen ist, was wir
Diese Characteristik soll geistreich sein, ist aber blos reich an Wider-
sinn, „unsere meisten Gedanken" d. h. die Gedanken von Benno Erdmann
□nd seines Gleichen, die er naiv Kant's Gedanken anreiht, „sind Kinder der
Gelegenheit, ausgebrochen im dunklen Uniergrunde des Bewußtseins", —
ausgebrochene Kinder!! — und diese auRgehrochenen Kinder einzelne
Stücke aus der Hand des Bildners gekommen!! und Bausteine — die Kinder
Bausteine!! — endlich die scharfsinnige Distinction zwischen Baustein und
Fragment sammt der tieMnnigen Sentenz, daß „alles, was wir" ^ Denker
wie Benno Erdmann — „aufzeichnen können, .Fragment dessen ist, was wir
beeitzen". Jedenfalls ist jene aufgezeichnete Characteristik ein Fragment,
welches zweifelhaft läßt, was Benno Erdmann besitzt.
Altpr. HonatiMiluift Bd. XZ71 Hft. 1 n. 3. g
DigtizBabyCoOgIC
114 Zur Benrtheilung von Kant'a Kritik der reinen Vamunft etc.
ding8 in der Altpreußischen Monataschrift zum Theil veröflfentlicht
sind.*) Indeß müssen sie, wie ich mir vorstelle, durch plan-
mäßigen Zusammenhang von den letzteren unterschieden ge-
wesen sein.
4. Welche ,,viel andre Arbeiten" Kant's in dem Jahre 1778
nnd in den nächstvorhergehenden Jahren zwischen seiner Arbeit
für die Kritik der reinen Vernunft durchliefen, ist nicht genügend
zu bestimmen. Zu nennen sind davon nur: die Verbesserung
und Erweiterung des Programms: „Von den verschiedenen Racen
der Menschen" aus dem Jahre 1776 zum Zweck der Veröffent-
Ucbung desselben als Abhandlung in Engel's „Philosoph für die
"Welt" im Jahre 1777 (vgl. K.'s W. hersg. von Hartenstein
Bd. X, 1839, S. 23—44; Bd. II, 1867, S. 433—451, wo die
Abweichungen der zweiten Bi>arbeitung von der ersten ange-
merkt sind), femer die Abfassung einiger Artikel in den Königs-
bergiscben Gelehrten und Politischen Zeitungen zu Gunsten des
Dessauischen Philanthropins (vgl. Eeicke, Kantiana S. 17; 70 u. ff.
— Hartenst. 11, Vorr. X u. XI; 453 n. ff.), und vermuthlich
Vorbereitungen zu seinem Colleg über Pädagogik,**} welches er
•) Vgl. A)tpr. Monataschr. Bd. XXIV. 1887 u. Bd. XXV. 1888. Lose
Blätter ans Kaut's Na(^t)1aB. Uitgetheilt von KudolC Reicke.
**) Schubert, sagt in seinem Vortrage über „Kants Vorlesungen während
seiner Professur in den Jahren 1770—1797" (N. Preuß. Provinz.-Bl. Jahrg. 1846,
Bd. I, S. 462): „Die Pädagogik, oder wie er die Vorlesungen nannte, das
„praktiscih -propädeutische Collegiiim — — hielt er zum ersten Male im
„Wint«r 1776/77, im Sommer 1780 naoh Bock's Compenclium (Lehrbuch der
„Erziehungskun>t), im Winter 1783/84 und im Winter 1786/87, einmal in
„der Woche am Sonnabend von 7—8 Uhr," Aber Schnbert's Angabe ist
theils gar nicht, theils nicht genau zutreffend. Und Benno Erdmann's
Angabe (Reflex. T, 3. u. Anm. 1): „In der Pödagogik, zn der ihn die alle
„Ordinarien der Facoltät bindende Verpfiichtung das erste Mal im Winter 1776
führte" (Anraerk. unter dem Text: „Eier angezeigt als CoUegium paedeutico-
„practicum; später, 1783/84 u. Ö. als Pädagogik.), blieb er demselben
„Handbuch getreu"; — diese Angabe ist, abgesehen von der schiefen Aus-
drucksweiae, in der sie nachläBig hingeworfen worden, imgenaa und nn-
voUstäudig.
Die Anzeige jenes Collegs in dem Lectioiis-Catalog für das Winl'er-
semeator 1776/77, nm die es sich zunächst handelt, lautet: „Oollegium prae-
DigtizBabyCoO^IC
Von Emil Ämoldt. 115
zum ersten Mala im Winteraeraester 1776/77 abzuhalten ver-
pflichtet war. Auch ist es nicht unmöglich, daß die Durch-
arbeitung jenes Programms aus dem Jahre 1776 ihn in Betrach-
tungen verflocht, welche in die Philosophie der Geschichte ein-
schlugen. Wenigstens gehört dahin Eine von den Bemerkungen,
die er in jener Abhandlung hinzusetzte: „In der Vermengung
„des Bösen mit dem Guten liegen die großen Triebfedern,
„welche die schlafenden Kräfte der Menschheit ins Spiel setzen,
„und sie nöthigen, alle ihre Talente zu entwickeln, und sich der
„Vollkommenheit ihrer Bestimmung zu nähern" (R, VI, 318. —
H. (I839> X, 28 — (1867) II, 437). Sie enthält den Keim zu
der Ausführung, welche in der Abhandlung: „Idee zu einer
allgemeinen Geschichte in weltbürgerlieher Absicht" (1784) der
dentico-practicum publice habebit P. K. Dm wohl ohne Zweifel nnricbtige
— durch einen Drncklehler entstandene — „praodeutico" verwandelt«
Schobert unrichtig in propaedeutico, und B. Erdn:ann richtig in paedeutico.
B. Erdmann aber giebt eben so wenig, als Schubert an; Kant hat in den
SenatEacten eigenhändig vermerkt, daß in jenem Semester (1776/TT)) das
„Scholastico-practicum über Basedows Methodenbuch" vor 30 Zuhörern vom
&i. October'-19. „Mertz" gelesen sei, ohne dabei Tag und Stande des Collegs
zu vermerken., Also hat Kant die Pädagogik nie „das praktisch-propädeu-
tische CoHegium" genannt, wie Schubert, und sie nicht immer nach eben
„demselben Handbuch", „seines Collagen Bock Lehrbuch der Erziehungs-
knnst" (E«flex. I, 8.), gelesen, wie B. Erdmann behauptet. - Weiter findet
sich in dem Lectione-Catatog für das Sommersemest^r 1780 die Anzeige:
„Faedagogicnm ad compendium D. Bock lioris et dd. determinandis praecepto
Regio publice habehit P, Kant." Hiernach scheint Kant in diesem Semester,
wo er das Colleg über Pädagogik zum zweiten Male las, es als mindestens
zweistündiges Colleg zu lesen beabsichtigt zu haben (Bock hatte es 1779/80
vierstündig, aber privatim von 3—4 Uhr gelesen). Ob er es aber so las,
bleibt dahin gestellt, da in den Senats-Acten in Betreff des gehaltenen
Collegs nur der Vermerk vorhanden ist, daB er es nach Bock's „Lehrbuch
der Erzieh ungskan st zum Gebrauch für christliche Eltern und künftige
Jngendlehrer, bei Härtung", vor 60 Zuhörern vom 12. April bis 13. September
gelesen habe. — Für die beiden übrigen Male, wo Kant das Colleg über
Pädagogik abzuhalten hatte, sind nur die Anzeigen im Lections-Catalog
vorbanden: Wintersemeeter 1788/84: CoUeginm paedagogicom VII— VIH
matnt d. Sat. publice instituet P. K. (ohne Angabe eines Lehrbuchs); —
Winteraeroester 1786/87: Paedagogices praecepta ad Bockinm d. Sabb. h. VII
pnblice dabit K. —
■DigtizBabyCoOglC
1 16 Zur Beurtheilung von Kant's Kritik der reinen Vernunft etc.
hier als „Vierter Satz" auftretende Gedanke emp&ngt: „Das
„Mittel, dessen sich die Natur bedient, die Entwickelung aller
„ihrer Anlagen zu Stande zu hringen, ist der Antagonismus
„derselben in der Gesellschaft, so ferne dieser doch am Ende
„die Ursache einer gesetzmäßigen Ordnung derselben wird"
(E. Vn, 1. A-, 321-323. — H. (1838) HI, 297 u. 298. - (1867)
IV, 146—148).
Indeß fühlte Kant nunmehr wohl jede Zwischenarbeit als
eine verdrießliche Störung seiner Hauptarbeit, wie auch der
Ausdruck: „Ansinnen" für Breitkopf' s Ersuchen an den Tag legt*)
6. Kant erhielt den wiederholten Antrag einer Professur
in Halle von dem Minister v, Zedlitz, ,, indem" er diesen —
von ihm undatirt gelassenen — Brief an Herz sehrieb. Das
Schreiben des Ministers trägt das Datum: „den 28. Mära 1778"
(siehe oben die Anmerkung zu diesem Brief). Wurde es
den 29, März zur Post gegeben, so konnte es füglich den 3. oder 4,
spätestens den 5. April in Kant's Händen sein.**) Demnach ist
*) Allei-dings hat er sich auch wohl in dieser Zeit gelegentlich mit
phj'aikftlischön Fragfln beschättigt. Vgl. darüber Schubert, Biogr. (R, XI,
2. A., 73-75).
•*) Nirolai'a Brief an Kant aus dem Jahre 1773 war den 27. September
geschrieben und mit ,, ein geschlossenen" Briefen so wie dem ersten Stücke
des 20. Bandes der Allgemeinen Dentsclien Bibliothek den 17. October Kant
„zu Händen gekommen" (R, XI, 1. A., 70). Natürlich würde die Annahme.
daQ dieses Packet beinahe drei Wochen lang unterwegs geweat-n, oder wohl
gar daß daroala jeder Brie! von Berlio nach Königsberg i. Pr. mitteilst der
Post immer nur innerhalb last drei Wochen befördert worden, auf einem Pehl-
EchluJi beruhen. Briefe und leichte Postsendungen konnten damals auf jener
Tour viel schneller befördert werden, vergleiche meine Abhandlung: „Kant's
Prolegomena nicht doppelt redigirt'', wo meine Angabe auf Seite 33 über die
Zeit, in welcher die Göttingische Beceneion der Kritik der reinen Vernunft
von Göttingen nach Königsberg kann gelangt sein, nicht, wie Vaihinger
vorauszusetzen scheint, ohne Gewähr ist gemacht worden, sondern zufolge
einer Auskunft, die mir auf meine Anfrage das Generalpostamt in Berlin
ertheilt hatte. Der Brief des Buchhändlers Spener in Berlin an Kant aus
dem Jahre 1793 ist den 9. März „abgelassen" und den 17. bei Kant „ange-
langt" (B. XI, 1. A., 157), mithin etwa 7 Tage unterwegs gewesen; es steht
jedoch nicht außer Zweiiel, daß er so schnell befördert ist, als er konnte
befördert werden.
DigtizBabyCoOgIC
Von Emil Amoldt. 117
sein vorliegender Brief an Herz mit Wahrscheinlichkeit von
einem dieser Tage, sicher aber aus dem Anfange des April 1778
zu datiren.
Brief an Herz vom 28. August 1778.
Herz muß im Juli oder wahrscheinlicher im August des
Jahres 1778 Kaut um Nachschriften von dessen Collegien über
Logik und Metaphysik in der Absicht gebeten haben, jene Hefte
bei den Vorlesungen zu benutzen, die er vermuthlich zuerst im
"Winter 1778/79 über jene Disciplinen oder über Philosophie
Oberhaupt vor einem gemischten Publicum in Berlin zu halten
gedachte.*)
In seiner Erwiderung begründet Kant zunächst die Unmög-
lichkeit, jenem Verlangen „geschwinde" zu willfahren, ob ihm
dies gleich, „vomämlieh bei einer Absicht, die mit" seinem
„eigenen Interesse in Verbindung" stehe, „nicht anders als sehr
angenehm" sein könne. Es wäre „ein Glilck, in einem gewissen
Zeitlanfe aufmerksame und fähige Zubörer zu haben", und über-
dies gewöhnlich, daß diejenigen, die „man vor kurzem gehabt",
„sich verstieben und nicht leicht wieder aufzufinden" seien.
„Von der Logik möchte sich noch hier oder da etwas Ausftthr-
licbes finden". Sein Collegium über Metaphysik aber habe er
„seit den letztem Jahren so bearbeitet", daß ,,die" dort herr-
schende „Idee", die von seinen vormaligen und den gemein
angenommenen Begriffen sehr abweiche, nach seinem Bedünken
zwar verständlich vorgetragen, aber aus dem Nachgeschriebenen
auch von einem scharfsinnigen Kopfe schwerlich prScise heraus-
zubekommen sei.
Dann fHhrt er fort: „Wenn ich mein Handbuch über diesen
„Theil der Weltweisheit, als woran ich noch unermüdet arbeite,
*) Die Angabe in Seh lieh tegroll's Nekrolog (III, 86), daß Herz die
ersten Vorleeungen dieser Art schon im Jahre 1777 gehalten habe, iat wohl
zweifellos unrichtig.
zeabyCoO^IC
118 Zur Benrtheilung von Kant's Kritik der reinen Vernunft etc.
„fertig habe, welches ich jetzt bald im Stand© zu aeyn glaube,
„90 wird eine jede dergleichen Nachschrift, durch die Deutlichkeit
„des Planes, auch völlig verständlich werden." Indeß werde er
— setzt er hinzu — „eine" zweckdienliche ,, Abschrift" aufza-
fladen sich bemühen und „H. Kraus", der seit einigen Wochen
in Elbing sei, aber in Kurzem von dort zurückkehre, ,, darüber
sprechen" , um durch Herbeischafinng des nöthigen Vorraths
vielleicht noch vor Ablauf des Sommers, „da dieses" — die
Abhaltung der Vorlesungen — ,,ein6 Beschäftigung des "Winters
werden soll", Herz Zeit zur Vorbereitung zu geben.
Er schließt: „Herr Joel*) sagt, daß er mich gesund gelassen,
und das bin ich auch, nachdem ich mich schon viele Jahre
gewöhnt habe, ein sehr eingeschränktes Wohlbefinden, wobei
„der größte TheÜ der Menschen sehr klagen würde, schon für
^Gesundheit zu halten, und mich, so viel sich thun läßt, aufzu-
„muntem, zu schonen und zu erholen. Ohne dieses Hinderniß
,würden meine kleinen Entwürfe, in deren Bearbeitung ich
PfSonst nicht unglücklich zu sein glaabe, längst zu ibrer Voll-
,endung gekommen aeyn" (E. XI, 1. A., 44 u. 45).
Dann folgt noch die Nachschrift:
„Haben Sie meinen an Sie etwa vor Va Jahr abgelassenen
,, Brief mit einem Einschlüsse an Breitkopf in Leipzig auch er-
„halten?"
Zu diesem Briefe merke ich an:
1. Die für* Kant nothwendige Kücksichtnahme auf sein
Befinden verzögerte allerdings beträchtlich die äußere, förderte
aber wesentlich die innere Vollendung seines Werkes durch den
Anlaß, den sie mit sich führte, eben dieselben Meditationen
immer wieder nach mannigfachen Unterbrechungen zu verschie-
denen Zeiten und von verschiedenen Standorten aus zu erneuern
und sie so ohne alle Einseitigkeit gründlich zum Abschluß zu
bringen.
*) Ueber Kraus' Freund Aron Joel vgl. Gottlieb Krause, „Beiträge
zum Leben von Cbrietian Jac. Kraus, Königsberg 1881", S. 50 u. Anm.,
S. M. 70.
DigtizBabyCoOgIC
Von Emil Arnoldt. 119
2. Kant glaubte in der Bearbeitnog seiner kleinen Entwürfe
„sonst" d. h. abgesehen von dem Hindftrniß, das ihr aua seinem
sehr eingeschränkten Wohlbefinden erwuchs, nicht unglücklich
zn sein. Also hatte er Entwürfe, d. h. doch wohl nicht bloa
Entwürfe in Gedanken, sondern Entwürfe auf dem Papier, die
er bearbeitete, „glücklich" bearbeitete; — aber auch schriftlich
bearbeitete? Wenigstens hatte er die schriftliche Bearbeitung
seiner schriftlichen Entwürfe in zusammenhängender Darstellung
für den Druck auszufertigen am Ende des August 1778 noch
nicht begonnen.
3. Wenn er seine Arbeit, au der er „unermüdet" weiter
arbeitete, , Jetzt bald fertig" zu haben glaubte, so bezog er
dieses „fertig haben" zunächst nicht auf die Vollendung, zu
welcher seine schriftlich bearbeiteten Entwürfe in ihrer Publi-
cation durch den Druck gedeihen sollten, sondern zunächst nur
auf die Vollendung, welche sein Qedankenbau unter Beihilfe
seiner schriftlichen Entwürfe zu vielen, — vielleicht den meisten
Theilen dem Einzelnen nach und als Ganzes in Gedanken
erhielt. Aber er glaubte allerdings, nach Vollendung seiner
Arbeit in Gedanken auch die Abfassung derselben für den Druck
„bald fertig" haben zu können, und er war wohl schon nahe
daran, zu der letzteren überzugehen.
4. Er gedachte noch am Ende des August 1778, seine
Kritik der reinen Vernunft als „Handbuch" der Metaphysik,
mithin kürzer abzufassen, als er es that, sobald er die Aus-
fertigung seines Werkes für den Druck in Angriff genommen
hatte. Sein Werk gestaltete sich also nachmals bei der Aus-
fertigung für den Druck unter seinen Händen anders, als er es
ursprünglich im Project intendirt hatte.
5. Die Zeitangabe in der Nachschrift bestätigt, daQ in dem
Zedlitz'schen Schreiben mit dem wiederholten Antrage der
Professur in Halle als Datum der 28. März, nicht der 28. Mai
zu lesen ist. Denn Kant fragt am 28. August 1778 nach seinem
Briefe, den er vor etwa einem halben Jahre an Herz mit einem
Einschlüsse an Breitkopf abgelassen habe. Also war dieser
D,gt,zBabyC00<^IC
120 Zur Benrtheilung von Kaut's Kritik der reinen Vernunft etc.
Brief an Herz nicht zu Anfang dea Juni 1778 abgefaßt worden.
Denn dann wäre er am 28. Anguat vor etwa einem viertel Jahre
geachriehen gewesen. Da er aber, wie Kant angiebt, am
28. Anguflt vor etwa einem halben Jahre geschrieben war, eo
mußte er etwa im März oder spätestens vor fünf Monaten
d. h. zu Anfang des April geschrieben sein. Nun fand die
Abfassung dieses Briefes an Herz und der Empfang jenes
Zedlitz'schen Schreibens gleichzeitig statt. Demnach kann Jenes
Zedlitz'sehe Schreiben nicht erst am 28. Mai abgefaßt sein, wo
dieser Brief au Herz bereits längst abgefaßt und abgelassen war.
Da aber in dem Zedlitz'schen Schreiben als Datum nur entweder
der 28. Mai, oder der 28. März kann gelesen werden, so steht
es hiemach feat, daß es als der 28. März muß gelesen werden.
Steht ea aber fest, daB jenes Zedlitz'sehe Schreiben am
28. März 1778 abgefaßt worden, so steht es hinwiederum fest,
daß Kant'a von ihm undatirt gelassener Brief an Herz mit dem
Einschluß an Breitkopf zo Anfang dea April 1778 gesehrieben
and abgesendet worden.
üebrigens ist es aufiallig, daß Herz in seinem Briefe mit
der Bitte um Collegienhefte den Empfang von Kant's mit so
tiefer Gefühlsbewegung geschriebenen Briefe aus dem Anfang
des April 1778 nicht gemeldet, Eant's dort so lebendig hervor-
quellende Freundschaftsgesinnung ohne ein Wort der Dank-
sagung, der Erwiederung gelassen hat. Auf die Ursache dieses
befremdenden ümatandes zu rathen, mag unterbleiben.
Kant hat wegen der Collegienhefte noch vier Briefe an
Herz gerichtet: am 20. October 1778, am 16. December 1778,
einen ondadirt gelassenen ans dem Januar 1779, und den vierten
am 9. Februar 1779. Von diesen Briefen sind hier nur die
beiden mittleren näher zu berücksichtigen.
In dem ersten vom 20, October 1778 legt Kant nur die
Schwierigkeit dar , dem — wie es scheint , inzwischen mit
Dringlichkeit erneuerten — Wunsche aeinea ,, rechtschaffenen"
DigtizBabyCoOgIC
Von Emil Amoldt. 121
und „unverdroBsen thätigen" Freundes „vomändich in einem
Geschäfte, woraus etwas von dem dadurch erworbenen Beifall*)
auf' ihn selbst „zurück" fließe, zu willfahren, wobei er die
Bemerkuog einfließen laßt: „Empirische Psychologie fasse ich
jetzt kärzer, nachdem ich Anthropologie lese," ■*} will indessen
die Ho£bung nicht aufgeben , Herz' Ansuchen zu erledigen,
vornehmlich wenn ihm dazu „Herr Kraus", „ein von" ihm
„geliebter und geschickter Zuhörer", ,,der gegen Ende des
Novembermonats in Berlin eintreffen" werde, „behülflich" sei,
und bittet, durch Herrn Biester, den Seoretär des Ministers
Y. Zedlitz, dem letzteren melden zu lassen, daß ihm „die ver-
*) Aas iea Worten: „erworbenen" — nicht: zu erwerbenden —
„Beifall" iat nicht zn scblieDen, daß Herz schon im Jahre 1T7T philosophische
Vorlesungen gehalten hatte (s. ob. S. 117 Anm.)- Herz hatte wohl blos die
ihm von Kant unter dem 28. Ang^^t 1778 zugegangene Aufforderung befolgt:
„Fangen Sie immer nur die Logik an. Binnen dem Fortgänge derselben
„werden die Materialien zu dem übrigen schon gesammelt seyn" (R, XI, 1. A.,
44 unt.), - nnd gegen Ende des October 1778 durch seine wabrBcheinlich
mehrere Wochen vorher begonnenen Vorlesungen bereits, aber durch sie
nicht früher, als im Jahre 1778 „Beifall erworben".
**) Durch diese Bemerkung ist Gottl. Krause in seiner oben (S. 118)
angefahrten, sorgföltigen,'!') und an interessanten Mittheilungen reichen
Abhandinng: „Beiträge" n. s. w. veranlaQt worden, empirische Psychologie
als ein Lehrfach anznfllhren, für welches Herz wie für Logik nnd für
Metaphysik Nachschril'ten von Eont's Vorlesungen erbeten habe (S 58 ob.),
als ob Kaut ein besonderes Collegium über empirische Psychologie abzuhalten
pfl^te. Er hat aber nie ein solches Collegium abgehalten. Hit der obigen
Bemerkuog wollte er nur sagen, dafi er bei seinen metaphysischen Vorträgen
,4n" („ad", „secundnm") „Baumgartenii compendium" das Caput I der Pars HI
desselben, die „Fsychologia empirica", jetzt kürzer behandele, „nachdem"
er „Anthropologie lese", welche er, wie das im Anhange zu dieser Abhand-
lang folgende Verzeichniß seiner anthropologischen Vorlesungen ausweist,
durchweg nnd wahrscheinlich immer unter Zugrundelegung jen«e ersten
Capitels des dritten Tbeils von Baumgarten's Compendium der Uetaphysik
gelesen hat.
t) Die Druckfehler: „23. November" statt 22. Februar, 8. 16, Z. 3 v.
ont im Torte; — „den 27. May 1779" statt 1778 S. Sl, Z. 7 v. unt; —
„der 2. September 1777" statt 1778 S. 46, Z. 2 v. unt. in der Anm.; -
„das Jahres 1778" statt 1779 S. 58, Z. 2 v. unt. in der Anm. lallen nicht
dem Autor anr Last
DigtizBabyCoOgIC
122 Zur Benrtheilang von Kant's Kritik der reinen Vernunft etc.
langte Abachrift" — von Kant'a Vorlesungen über physische
Geographie — .^dureh eben gedachten Herrn Kraus überbracht
werden" solle.
Femer enthält der vierte von jenen Briefen, der vom
9. Februar 1779, außer der Nachricht, daß „auf" Herz' „aus-
drückliches Verlangen das sehr [kümmerliob abgefaßte Manuscript
auf die Post gegeben sei und mit der nächsten Post hoffentlich
noch ein anderes, vielleicht etwas ausführlicheres nachfolgen"
werde"), nur eine Danksagung für die Freundschaft, die Herz
so willfährig sei, Kraus zu beweisen, auch eine ,, Gegen empfehlung
an Biester, den Kant schriftlich um Gefälligkeit gegen Kraus
zu ersuchen Bedenken getragen habe, um jenem bei dem An-
fange seiner Bekanntschaft mit ihm nicht irgend wie Beschwerde
zu machen, und zwischen diesen Höflichkeitsbezeigungen am
Schlüsse und jener Nachricht am Anfange eine Erklärung der
„Misologie" die Herz, wie aus desseu letztem Schreiben hervor-
zugehen scheine, an Kraus bedauere.**)
*) Was für Vorlesungen in diesen Mannscripten nachgeschrieben
waren, hat Kant nicht angedeutet. Kraus war, wie Gottl. Krause auf S. 77
seiner „Beiträge" nachgewiesen hat, am 11. December 1778 nach Berlin
abgereist. Er hatte von Kant, wie der sogleich des Weiteren zu erwähnende
Brief deBBelben vom 15 December 1778 angiebt, eine Nachschrift des Collegs
der philosophischen Encyklopädie mitbekommen, und nnterwegs eine oder
zwei Abschriften des metaphysischen Coliegiums aufzutreiben versprochen.
War ihm die Erfüllung dieses Versprechens nicht möglich gewesen? nnd
schickte nnn Kant Nachschriften seines metaphysischen Coliegiums mit der
Post an Hera?
**) Gottl. Krause äuBert im Änschlufl an seine Ausführung, daB Kraus'
Vermuthiing, Hera habe in ihm einen Nebenbuhler bei seinen philosophischen
Vorträgen zn erhalten gefürchtet, nicht ganz grundlos gewesen, auf S. 69
seiner Beiträge: „Kraus hat es auch in Berlin nicht über sich vermocht,
„dem jüdischen Arate offenes Vertrauen, das sonst seiner Nator so gemäß
„war, entgegen zu bringen, trotzdem Herz es seinerseits nicht an Frennd-
„lichkeit fehlen ließ. Daher ist die „„Misologie"" zu erklären, die dieser
„an dem Köuigsberger Gaste bedauernd bemerkt." Zunächst befremdet es
mich, daß Herz gerade an dieser Stelle als Arzt nnd dazu als jüdischer
Arat bezeichnet wird. Denn Herz hat meines Winsens niemals Veranlassung
gehabt, das Vertrauen, welches Kant in seinem Briefe an ihn aus dem
Januar 1779 ftuBerte, zu bewähren, daß seine Kunst auch Uittel wider die
DigtizBabyCoOgIC
Von Emil Arnoldt. 133
Dagegen bringen die beiden inzwischen geschriebenen
Briefe vom 15. December 1778 und aus dem Januar 1779 zwei
Kundgebungen, die für einen Versuch, die Abfassungszeit der
Kritik der reinen Vernunft zu bestimmen, wichtig sind.
bypochondrittchei) Bekümmernisse enthalte, mit welchen sich Eraue, wie
mancher jiinge denkende Kopf oft ohne Ursache plage. Auch steht es
keineswegs foet, dafi Kraus, welcher zwar, gleich Kant, ein VorurtlieÜ gegen
Juden überhaupt hegte, doch, ungleich Kant, dieses Vonirtheil gegen jeden
Juden ohne Ausnahme walten ließ. Aber, dem sei, wie ihm wolle: es kommt
mir hauptsächlich darauf an, berrorzuheben, daO Herz durch das Mißtrauen,
wtilcbeB er von Eraas erfahr, wohl hätte bewogen werden können, ihm
Misanthropie, aber unmöglich konnte bewogen werden, ihm sofort auch
Uisologie zuzuschreiben. Er hat jedoch allein „eine geviiese Mieologie" an
ihm bemerkt, nicht auch Misanthropie, welche Kant in seiner Antwort,
obschon nicht als eine Eigenschaft von Kraus, mit der Miaologie zusammen-
stellte. Und Herz hatte richtig bemerkt. Denn „eine gewisse Uinologie"
war in Eraoe sp&terhin unleugbar vorhanden, — das Mißtrauu, daß die
Vernunft in ihrem theoretischen Gebiete zu unwiderleglichen Einsichten
gelangen könne. War aber ein sol<-hea Mißtrau« späterhin in ibra vor-
handen, so ist anzunehmen, daß Herz seine Bemerkung im Jahre 1779 auf
eine Thataache gründete, — mindestens auf die Thatsache jenes steten,
grühlerischen Skeptisirens, welches für Kraus rharacteristisch war und fUr
ihn verhängniBvoll wurde, indem es eben ein misologisches Mißtraun zur
Folge hatte.
Die letztere Behauptung tritt nicht in Widersprach mit Kant'e Er-
klärung der Misologie, wenn er auf die Herz'sche Bemerkung, welche er
nicht zurückweist, die Antwort ertbeilt: ,,Eine gewisse Misologie, die Sie,
„wie ich aus Ihrem letzteren zu ersehen glaube, an Herrn Kraus bedauern,
„entspringt, sowie manche Misanthropie, daraus, daß man zwar im ersteren
„Fall Philosophie, im zweiten Menschen liebt, aber Beide undankbar findet,
.,weil man ihnen theils zu viel zugemuthet hat, theils zu ungeduldig ist, die
„Belohnung für seine Bemühung von Beiden abzuwarten" (B. XI, 1. A., 48).
Denn schon Leasing wies bei der Anzeige von Beausobre's „Pyrrhonisme
raisonable" auf die Verwandtschaft von Skepsis, Misologie, und Misanthropie
hin, indem er die Frage aufwirft:
„Wer weiß, ob wir jemals andere, als misologieche Zweifler gehabt
„haben?'' und fortfährt: „Es giebt Misologen, l&Bt Plato den Sokrates
„irgendwo" [im Phädon] „sagen, so wie es Misanthropen giebt. Die Misaa-
,,thropie und Misologie kommen aus einer Quelle. Denn woher entsteht die
,,UiBai]thropieP Ein Mensch, der einen andern, ohne genügsame Untersuchung,
„für aufrichtig und getreu gehalten hat, siebet, daß er es nicht ist. Er wird
„bintergangen und abermals hintergangeo. Endlich wird er imwillig, daJt
DigtizBabyCoO^IC
124 ^u' Beurtheilung von Kant'B Kritik der reinen Yemnnft etc.
Brief an Herz vom 15. December 1778.
Nach der Veraichernng, daß er des „Anftragea", den ibm
Herz gemacht habe, „nicht uneingedenk gewesen", ob er schon
„nicht sogleich demselben ein Genüge thun können", meldet
hier Kant:
,,Eanm ist es mir möglich gewesen, eine Nachschrift von
,einem CoUegio der philosophischen Encyklopädie aufzutreiben,
,aber ohne Zeit zu haben, es durchzusehen oder etwas daran
izu ändern. Ich überachicke es gleichwohl, weil darin vielleicht
petwas gefunden oder daraus errathen werden kann, was einen
pSysteraatischen Begriff der reinen Verstandeserkenntnisse, sofern
pSie wirklich aus einem Princip in uns entspringen, erleichtem
,, könnte. Herr Kraus, dem ich dieses mitgegeben habe, hat
mir versprochen, eine, vielleicht auch zwei Abschrift en des
metaphysischen CoUegii auf seiner Reise aufzutreiben, und
.Ihnen abzugeben."
«r sich von denen betrogen findet, die er Beine besten Freunde zn seyn
pglaiibte. Diese waren falsrh, schließt er, also sind alle Menschen falsch.
„Folglich, da er nur einige hassen sollte, haCt er sie alle. Wie sich nun
„der Hiaanihrop gegen die Menschen verhält, so verhält sich der Misolog
,gegen die Grande. Er hat diesen oder jenen mehr getrauet, als er ihnen.
,häite trauen sollen; er wird es gewahr und nimmt sich vor, gar keinen
,mehr zo trauen. Das war nicht wahr; drum ist nichts wahr" (W. Ualtz.
V, 60 u. 61).
Ich kann mich hier auf eine ausführliche Charakteristik von Kraus
nicht einlassen, aber nicht umhin, kurz der Meinung Ausdruck zu geben:
Zumeist durch seine llisologie wurde Kraus bei seiner eminenten Beanlagung
für philosophische Specnlation und seinem edelen — öfters freilich durch
Grämlicbkeit beeinti-äeht igten — Enthusiasmus für die Gestaltung des
Lebens nach Ideen fort und fort gehindert, Eant's philosophische Geistes-
thaten in ihrer Bedeutung fUr die Cultur des Menschen geschlecht«a voll-
kommen zn wtlrdigen. Bei einer richtigen Schätzung von Kant's Leistungen,
— wie hätte er unter Billigung von Scheffner's Ausspruch, daß die Welt
ein wichtigeres Buch, als Adam Smith's Wealth of Nations nicht gesehen
habe, noch im Januar 1796 an Auerswald schreiben können: „Gewiß hat
,,8eit den Zeiten des Neuen Testamente keine Schrift wohlthätigere Folgen
„gehabt, als diese haben wird, wenn sie er^t in Aller Köpfe, die mit Staats-
,,wirthsrlial'tsBachen zu thun haben, mehr verbreitet und tiefer eingedrungen
„»yn wird" (Voigt, Leb. des Prof. Kraus, 9. 878).
DigtizBabyCoOgIC
Von Emil Amoldt. 125
„Aof das iastÄndigste" Kraus „als einen wohldeukenden
und hoffnungsvollen jungen Mann" Herz' Freundschaft empfeh-
lend, läßt er nicht nnerwähnt, daß der erstere, da er ,,8ich seit
seinem Anfange in" Kant's „Stunden nachdem auf andere
Wissenschaften gelegt" habe*), „sich mit" philosnphischen „Vor-
leaungen" in Berlin »gar nicht befassen" werde, „welches auch
am ratbsamsten" sei, „weU dergleichen in Materien von dieser
Art nur einen Schauplatz von Streitigkeiten eröffnen würde".
Dann fiihrt er fort: „Die Ursache, weswegen ich mit Her-
pbeischaffnng ausführlicher Abschriften nicht glücklich gewesen
„bin, ist diese, weil ich seit 1770 Logik und Metaphysik nur
„publice gelesen habe, wo ich aber sehr wenige meiner Auditoren
,^enne, die sich auch bald, ohne daß man sie auffinden kann
pVerlieren. Gleichwohl wünschte ich, vomämlich die Prolego-
,mena der Metaphysik und die Ontologie nach meinem neuen
iVortrage Ihnen verschaffen zu können, in welchem die Natur
,dieaes Wissens oder Yemünftelns weit besser als sonst ausein-
,ander gesetzt ist, und manches eingeflossen, an dessen Bekannt-
„machnng ich jetzt arbeite".
Er macht noch eine Bestellung mit Bezug auf das Manu-
Bcript der physischen Geographie, welches er Kraus für den
Minister v. Zedlitz mitgegeben hatte, und schließt „eilfertigst
in Hoffnung", sich „nächstens mehr" mit Herz „unterhalten zu
können" (R. XI, 1. A., 47 u. 48).
Aus den beiden wörtlich und zusammenhängend angeführten
Stellen dieses Briefes acheint mir mit allerdings nicht ganz und
gar, aber nahezu zweifelloser Gewißheit hervorzugehen, daß
Kant gegen die Mitte des December 1778 die Kritik der reinen
Yemnnft nicht nur fertig ausgedacht, sondern auch die Nieder-
schrift derselben für den Druck begonnen hatte.
*) EraoB meinte jedoch — in seinem Briefe an seinen Bmder vom
„Sonntag nach dem Aemdrefest" [11. October] 1778 <bei Goltl. Kranse:
„Beiträge" d. s. w. S. 54) — dafi er „von den Collegien des Pr. Kant eben
„80 viel wie" Herz „veratelie, and wohl noch ein Bischen mehr".
DigtizBabyCoO^IC
126 Zur Benrtheilting von Eaot'e Kritik der reinen Temimfl etc.
Er hatte damals die Kritik der reinen Vernunft fertig aus-
gedacht; — denn er besaß „einen systematischen Begriff der
reinen Verstandeserkenntuisse , sofern sie wirklich aas einem
Princip in uns entspringen", d. h. den Begriff von einem System
der reinen Verstandeserkentnisse , nnd, da er diesen Begriff
zuversichtlich als einen wohl gegründeten, als einen realisirbaren
hinstellt, das System der reinen Veratandeserkenntnisse selbst.
Dieses System war, wie jedes System, entwickelt „aus einem
Princip". Und aus welchem Princip hatte er es entwickelt?
Selbstverständlich aus dem Princip: Jeder Gegenstand steht
unter den nothwendigen Bedingungen der synthetischen Einheit
des Mannigfaltigen der Anschauung in einer möglichen Erfahrung,
— einem Priueip, vermittelst dessen er im Stande war, die
Erkenntnis, welche er in der transscendentalen Aesthetik und
in der transscendentalen Analytik deducirte, als wirkliche Er-
kenntnis zu sichern und die Erkenntniß, welche er in der trans-
scendentalen Dialektik behandelte, als blos vermeintliche aufzu-
weisen. Damit durchschaute er „die Natur" des menschlichen
„Wissens" sowohl, als des menschlichen „Vemünftelns", und
nun vermochte er auch das auszuführen, was ihm schon zwei
Jahre früher (November 1776, E. XI, 1. A., 37) als nothwendig
zu thnn vorgeschwebt hatte, — nämlich die Bestrebungen der
Vernunft durch eine Discipün vor Ausschweifungen zu bewahren,
durch einen Kanon auf ihren letzten Zweck zu richten, nnd '
durch eine Architektonik in einem scientifiscbeu Gauzeu gegliedert
darzustellen. In sein Colleg der philosophischen Encyklopädie,
welches er zuletzt im "Wintersemester 1777/78 abgehalten hatte,*}
war von diesem allen, wahrscheinlich schon deshalb, weil er
sich dort bei dem Vortrage jeder einzelnen philosophischen
Wissenschaft kurz zu fassen hatte, nur wenig übergegangen.
Denn er hoffte nur mit einem „vielleicht", daß in der Nach-
schrift jenes CoUegs — deren subjectiver Werth, da er sie nicht
*) Das Verzeichnifi seiner Vorlesimgeti über philosophische Encyklo-
pädie siehe im Anhange unter No. i.
D,gt,zBabyC00<^IC
Ton Emil Araoldt. 127
durchgesehen hatte, sich seinem UrtheU entzog, — etwas dürfte
zu finden, oder aus ihr zu errathen sein, was den Begriff von
einem System der aus einem Frincip in uns entspringenden
Verstand eserkenntnisse „erleichtern könnte". Dagegen hatte er
seiner ausdrücklichen Erklärung gemäß in seinem metaphysischen
Colleg — das er ebenfalls im Wintersemester 1777/78 gelesen,
desgleichen auch im Wintersemester 1778/79 las*) — und wahr-
scheinlich in den Prolegomenen desselben die Natur des meta-
physischen „Wissens oder Vemünftelna" weit besser als sonst
auseinander gesetzt, so wie dort in die Ontologie „manches"
einfließen lassen, was zu dem System der reinen Verstandes-
erkenntnisse gehörte, das ihm nunmehr bereits entwickelt vor
der Seele stand. Was und wie viel davon er aber hatte einfließen
lassen, kann nicht bestimmt werden, weil von seinen meta-
physischen Vorlesungen aus den 1770er Jahren eine Nachschrift
nicht aufbehalten, oder, wenn aufbehalten, doch gegenwärtig
einer allgemeinen Benutzung nicht zugänglich ist.**)
Er hatte die Niederschrift der Kritik der reiüen Vernunft
für den Druck begonnen; — denn seine Worte: „ich arbeite
an" der „Bekanntmachung dessen", wovon manches in meinen
neuen Vortrag der Prolegomena der Metaphysik und der Onto-
logie eingeflossen ist, lassen bei ungezwungener Auslegung kaum
einen anderen Sinn zu, als: ich arbeite an der Puhlication
d. h. an der zum Druck bestimmten Niederschrift dessen, was
seit Jahren den Gegenstand meiner Meditationen ausgemacht
hat, d. h, der Kritik der reinen Vernunft. Daher darf, meine
ich, fast die Behauptung gewagt werden: £ant hatte gegen die
Mitte des December 1778 die oder eine Niederschrift der Kritik
der reinen Vernunft für den Druck in Angriff genommen.
*) Das Verzeiclinifi seiner metaphysischen Torlesungen siehe im An-
hange unter No. 6.
**) Benno Erdmann's angeblicher Nachweis (vgl. Fhilos. Monatsh.
Bd. XIX, 8. 129 u ff. - Bd. XX, S. 6B n. ff.), daß die Kosmologie, Phycho-
logie und rationale Theologie in Pölitz' Ausgabe der Knotischen Metaphysik
ein«tn Manoscript entstammen, das kaum viel später als im Winter 1773/74
nachgeschrieben wurde, ist nichts ab eine Benno Erdmann'sche Qrille.
DigtizBabyCoOgIC
128 Z'^'' Beartheilnng von Eant'e Kritik der reinen Teninnft etc.
Diese Behauptung gräudet sich allein auf jene eigenen
Worte Kaut's. Denn was sonst zur Unterstützung derselben
allenfalls könnte angeführt werden, hat nicht viel zu bedeuten.
Gar nichts, daß er seinen Brief vom 15. December 1778 „eil-
fertii;st" schloß; — hatte er doch ,,in Eil" auih seinen Brief am
20. October 1778 geschlossen, wo er gewiß an der Kritik der
reinen Vernunft noch nicht zu schreiben angefangen! — und
wenig die Anekdote in Kraus' Biographie, daß dieser ungef^hr
im FrOhlinge des Jahres 1780 zu Göttingen unter dortigen
Gelehrten den Ausspruch that: Kant habe in seinem Pulte
ein Werk liegen, welches den Philosophen großen Angstschweiß
kosten werde (Voigt, Leb. d. Pr. Kraus, S, 87), und, da Kraus
nachweisbar weder durch Kant, noch durch Haman von der
Vollendung der Kritik der reinen Vernunft schriftlich Nachricht
erhalten hatte, die an jenen Ausspruch zu knüpfende Vermuthung,
daß er vor seiner Abreise ans Königsberg am 11. December 1778
mündlich durch Kant von der begonnenen Abfassung des Werkes
müsse gehört haben. Indeß bedarf jene Behauptung nicht durch-
aus einer weiteren Unterstützung. Denn Kant's Mittheilung:
ich arbeite jetzt an der Bekanntmachung dessen, wovon
manches in mein metaphysisches Collegium eingeflossen, steht
fast einer ausdrücklichen Erklärung gleich, daß er um die Mitte
des December 1778 an die Ausfertigung seiner Arbeiten für den
Druck gegangen war. Demgemäß muß es für fast gewiß gelten,
daß er damals die Niederschrift der Kritik der reinen Vernunft
wirklich begonnen hatte.
Er muß aber bald eine Hemmung in seiner Arbeit erfahren
haben. Denn hätte er sie ununterbrochen fortgesetzt, so würde
er, da nach seiner Aussage in seinem Briefe an Garve vom
7, August und an Mendelssohn vom 18. August 1783 der Vortrag
des Products eines Nachdenkens von wenigstens zwölf Jahren inner-
halb etwa vier bis fünf Monaten zu Stande gebracht ward, mit dem
schriftlichen Entwürfe seines Werkes spätestens gegen die Mitte
des Mai 1779 fertig gewesen sein. Dem aber steht das — wie
sich späterhin zeigen wird — in dem vorliegenden Falle für
DigtizBabyCoOgIC
Von Emil ArnoWt. 129
vollgiltig anzuerkennende Zeugniß Hamanu's entgegen, der ihn
noch in der zweiten Hftlfbe des Mai 1779 mitten im Nieder-
schreiben des Werkes begriffen fand, oder erst ziemlich am
Anfange desselben,
Aach ist diese Hemmung wohl erklärlich. Er fand sie
wahrscheinlich an Bedenken, die ihm darüber aufstiegen, wie er
die Vortragsweise in dem Werke, das er abzufassen angefangen
hatte, einrichten solle. Er hegte noch am 28. August 1778 die
Absicht, es als „Handbuch" abzufassen, wie ich oben zu seinem
Briefe an Herz von diesam Datum (E. XI, 1. A., 44) angemerkt
habe, — als Handbuch, d. h. „mit aller Kürze" — mit aller
jener Kürze, die er noch späterhin — zwei Jahre nach Ver-
öffentlichung der Kritik der reinen Vernunft — fiir ein von
ihm in vielleicht ziemlich entfernter Zeit abzufassendes ,, Lehr-
buch der Metaphysik nach kritischen Grundsätzen" vorbedachte,
und die er für ein Erfordemiß jedes Handbuchs überhaupt
ansah (B. XI, 1. A., 16), und dazu wollte er es für Kenner der
Wissenschaft populär abfassen, d. h. mit schulgerechter Termino-
logie und sowohl discursiv deutlich als auch durch Beispiele
und Erläuterungen in concreto intuitiv deutlich. Dies letztere
©rgiebt sich aus jener Stelle in der Vorrede zur ersten Auflage
der Kritik der reinen Vemunfl;, wo er sagt, daß er „fast be-
ständig im Fortgange" seiner „Arbeit unschlüssig gewesen", ob
er Beispiele und Erläuterungen solle einfließen lassen, und daß
sie „im ersten Entwxirfe" eingeflossen seien. Also muß er beim
Beginne seiner Arbeit entschlossen, mindestens geneigt gewesen
sein, sie einfließen zu lassen.
Mit diesen Intentionen mag er im December 1778 einige
Bogen — worunter indeß noch nicht der eben erwähnte, ,, erste
Entwurf" zu verstehen ist — niedergeschrieben, dabei aber die
Ueberzeugnng erlangt haben, daß seine Gedanken in solcher
Kürze, als er sich vorgesetzt hatte, wenn nicht ihre sichere
Begründung darunter leiden sollte, unmöglich zu Papier könnten
gebleicht werden. Er gab die Intention eines „Handbuchs" auf.
Ob er die geschriebenen Bogen cassirte, oder späterhin
AltfT. KoDktoMhrlfl Bd. XZTI. Eft. 1 n. a. 9
DigtizBabyCoOgIC
X30 Znr Beartheilong von Kaufs Kritik der reinen Vemonft etc.
bei der nea begonnenen Ausarbeitung irgend wie verwerthete,
daräber ist jede Yennnthung mißlich, weil nicht die geringste
Notiz als Anhalt für sie vorliegt. Auch ist es gleichgUtig, oh
er das eine, oder das andere that.
Aber die Intention der Popularität füx Kenner der Wissen-
schaft hielt er noch fest. Er mag im Januar 1779 das Streben,
allen seinen schriftüch niederzulegenden Erörterungen und De-
ductionen „völlige Deutlichkeit" zu geben — über das er bereits
in seinem Briefe an Herz vom 20. Angust 1777 sprach — speciell
durch die Ueberlegung bethätigt haben, wie er die discnrsive
Deutlichkeit, deren er sich von jeher bei seinen Medidationen
befleißigt hatte, zur intuitiven Deutlichkeit hinfuhren könne.
Daß seine Gedanken damals diese Richtung nahmen, be-
weist sein
Brief an Herz aus dem Januar 1779.*)
Dieser Brief scheint nicht durch ein Schreiben, sondern
durch ein Geschenk von Herz veranlaßt, — eine Faste von
Mendelssohn's Medaille, die Kant ,,durch Herrn v. Kolten, einen
•) Wodarch Vaihinger veranlaßt worden, diesen Brief „circa 1795"
zu datiren (Comm. S. 14lA, ist mir nicht erklärlich. Denn ich mochte nicht
annehmen, daß er dazu bloa dnrch die unrechte Stelle gebracht worden,
welche derselbe bei Rosenkranz und Schubert (XI, 1. &., 62 n. 63) erhalten
hat, and eben so bei Hartenstein, der ihn zwischen Kaut's Brief an Hera
vom 15. October 1T90 und Herz' Brief an Kant vom 25. December 1797
placirte (VIII. 721 n. 722); und noch weniger mächte ich annehmen, daS
dabei so genannte innere oder gar entwickelongsgeschichtliche Orände mit-
gespielt haben. GottL Krause meint (,.Beitr.'' n. a. w. S. 58, Anm. 111):
Der Brief gehört vielleicht einem der ersten Januartage des Jahres 1T79
an. Das ist möglich, aber nicht sehr wahrscheinlich, imd es ist wahr-
scheinlicher, dafi er frühestens om die Mitte des Januar 1779 geschrieben
worden. Kraus hatte bereits von der allgemeinen beifälligen Aufnahme der
Hers'schen Vorlesungen, von dessen durchgängigem Ansehen im Berliner
Pnhlicum Kunde erhalten; er hatte darüber an Kant berichtet, Krans' Brief
war nach Königsberg nnd in Kant's Hände gelangt; Kant schrieb au Hera;
— dies alles bedurfte, um vor sich zu gehen, doch wohl des Verlaufs einiger
Wochen. Daher schrieb an einem der ersten Januartage 1779 wahr-
scheinlich nicht Kant an Herx, aber vielleicht Kraus an Kant.
DigtizBabyCoO^IC
Von Emil Arnoldt. 131
angenehtueii jungen Cavalier"*) war eiDgehändigt worden. Aach
wollte Kaut, scheint es, wegen der Collegienhefte ein letztes
Wort sagen — daß davon eine Sendung femer nicht zu er-
warten sei, und anßerdem Kraus nochmals Herz dringend
empfehlen — der Freundschaft von Herz hinsichtlich aller
seiner Angelegenheiten, und hinsichtlich seiner „hypochondri-
schen Bekümmernisse" der ärztlichen Kunst desselben, „noch
mehr aber" dessen Freundschaft.
Hiervon betrifft; nichts mein Thema. Jedoch schlägt dahin
ein, was Kant gleich nach der Danksagung für die Faste schreibt:
„Herr D. Heintz**) versichert mich aus Briefen von Hm.
„Secret. Biester, daß Ihre Vorlesungen mit allgemeinem nnd
„ungewöhnlichem Beifill aufgenommen würden. Eben dasselbe
„und das durchgängige Ansehen, welches Sie sich im berlinischen
„Publice erworben haben, berichtet mir jetz Herr Kraus. Daß
„mir dieses ausnehmende Freude erwecke, brauche ich nicht zu
„versichern, es versteht sich von selbst. Das Unerwartete steckt
„hier aber nicht in der Geschicklichkeit und Einsicht, auf die
„ich ohnedies alles Vertrauen zu setzen Ursache habe, sondern
„in der Popularität, in Ansehung deren mir bei einer solchen
„Unternehmung würde bange geworden seyn. Seit einiger Zeit
„sinne ich, in gewissen müssigen Zeiten, auf die Grundsätze
„der Popularität in Wissenschaften überhaupt (es versteht sich,
„in solchen, die deren fähig sind, denn die Mathematik ist es
„nicht), vomämlich in der Philosophie, nnd ich glaube, nicht
„allein aus diesem Gesichtspuncte eine andere Answahl, sondern
„auch eine ganz andere Ordnung bestimmen zu können, als sie
„die schulgerechte Methode, die doch immer das Fundament
„bleibt, erfordert. Indessen zeigt der Erfolg, daß es Ihnen
„hierin gelinge und zwar sogleich bei dem ersten Versuche."
Was veranlaßte Kant, während des Januar 1779 und wohl
schon etwas früher in gewissen müßigen Zeiten auf die Grund-
*j Ueber ,3erni v. Nolten" kann ich keine Atiaknnft geben.
**) Uebet Dr. jnr. Heintz oder Heinz vgl. Kraus' Biograph, von Voigt
S. 32 a. Anm., anoh S. 70.
D,gt,zBabyC0O<^Ie
132 Zur BeortheiloDg von E&nt's Kritik der reinen Vernunft etc.
Sätze der PopuIaritÄt in "Wissenschaften aberhaupt ond vor-
nelunlich in der Philosophie zn sinnen? Gewiß, nicht das
Herz'sche Unternehmen allein. Denn w&re dies altein der Anlafi
gewesen, so würde er es ausgesprochen, es angedeutet haben.
Aber, statt dergleichen anzudeuten, äußert er sich so, daß jenes
Sinnen nnverkennbar nicht durch äußere Anregung, sondern
durch inneren Antrieb in ihm verursacht war. Und woher hatte
er diesen Antrieb in müßigen Zeiten? Ich meine: daher, daß
er in nicht müßigen Zeiten, in Zeiten, die er der Arbeit widmete,
ähnlich beschäftigt war. Er hatte die Bedingungen der mensch-
lichen ErkeuntniQ entdeckt, — die reinen Anschauungen, sodann die
Kategorien, welche durch synthetische Verknüpfung der Wahr-
nehmungen nach Grundsätzen des reinen Verstandes die Er-
fahrung als die einzige wirkliche Erkenntniß constituiren, endhch
die Ideen, welche, constitutiv gebraucht, eine Scheinerkenntniß
voll Täuschung vorgaukeln, aber als regulative Principien für
den systematischen An- und Ausbau der Erfahrung von unend-
licher Tragweite sind. Er hatte die Einsicht gewonnen, daß
Sinnlichkeit, Verstand und Vernunft unter Betheiligung eines
unbekannten Factors die Welt, in der wir wohnen, hervorbringen
— als ein Vorstellungsgebilde, weiches objective Bealität hat,
weil es nothwendig und aUgemeingiltig aus der transscendentalen
Einheit des Selbstbewußtseins ersteht. Wollte er den zeitge-
nössischen Metaphysikem diese von den herkömmlichen Ansichten
abweichende Lehre verständlich machen, so war es zweckmäßig,
daß er sie nicht nur in abstracto, sondern auch in concreto vor-
trüge, d. h. er hätte zeigen müssen, nicht nur daß, sondern
auch wie die Bedingungen der Erkenntniß die Erfahrung con-
stituiren, die Welt hervorbringen, d. h. wie sich vermittelst der
Empfindungen, der reinen Anschauungen, der Kategorien der
eigene Leib des menschlichen Individuums und die Leiber von
dessen Mitmenschen, die Thiere und die Pflanzen, die Erde, die
Sterne und die Sonne ans dem einheitlichen Ich erbeben. Kurz,
er hätte, um mich an ein Wort aus den Prolegomenen anzu-
lehnen, zeigen müssen, nicht niu- was in der Erfahrung liegt,
D,gt,zBabyC00<^IC
Von Emil Ämoldt 133 '
soadem wie die Erfahrung entsteht. Dann würde er seine
Lehre durch Beispiele und' Erläuterungen in concreto intuitiv
deutlich und wenigstens für Kenner der Wissenschaft popul&r
gemacht haben.
Daß er damit umging, ist natürlich, mit welchem Erfolge
er aber daran arbeitete, fraglich. Doch machte er wirklich Bei-
spiele und Erläuterungen in concreto ausfindig und war in ihrem
Besitze, als er das Werk schrieb, wie sich aus einer schon be-
rührten und — bald noch des Weiteren zu erwähnenden —
Äeufierung in der Vorrede zur ersten Auflage desselben ergiebt.
Die Bemühung nun, die complicirten Deductionen, die er im
£opfe trug, intuitiv zn verdeutlichen, kann ihn gar wohl vom
Ende des December 1778 bis zum Anfang des April oder des'
Mai 1779 hingehalten haben. Denn das Untemehmen war
schwierig genug, so schwierig, daß es heute — nach länger als
hundert Jahren — noch immer nicht ist ausgeführt worden.*)
Auch ist es wohl möglich, daß Kant damit nicht vOllig zu Rande
kam, und daß er sich ,,au3 Furcht, ein'' — schon an und für
sich — „so weitlftuftiges Geschäft würde" ihm „bei längerer
Zögerung endlich selber zur Last werden", kurzweg entschloß,
,,d8S Ganze" irgend wie ,,zu Stande zu bringen", sollte er auch
genöthigt sein, „die Vorstellung" desselben zunächst „in einer
gewissen Eohigkeit zu lassen" (Br. an Garve v. 7. August 1783;
bei Stern S. 36 ob. u. Ende d, 1. Absch.), So mag er im April
oder Mai 1779 die Ausfertigung seines Werkes fttr den Druck
nea begonnen haben.
Daß er um die Mitte des Mai 1779 daran schrieb, ist so gut
wie gewiß. Hamann giebt in seinem Briefe an Herder vom
17. Mai 1779 die Notiz: „Kant arbeitet frisch darauf los an
seiner Moral der reinen Vernunft" (Hamann's Sehr, herausg. v.
*) Einen danken swerthen Tetauch daza hat Otto LiebmEtna in eeiner
Schrift „über den objectiven Anblick" (Stuttgart 1869.) gemacht. Aehnlichea,
aber mehr vom St«ndpQiikt« Herbttrt's, als Eant'e entworfen, findet sich in
Oastav Glogan's „AbriB der Philosoph. Grand Wissenschaften. 1. Th. Bie
Form nnd die Rewegnngsgesetze des Geistes" (Breslau 1880).
zeabyCoOgle
134 2ut Beurtheilnng von Rant's Kritik der reinen Vemnnfl etc.
'Roth, VI. 83.). Mochte Hamann den Titel des Werkes immer-
hin anrichtig angeben und au dem Inhalt desselben damals nur
geringes Interesse nehmen; ^ die Thatsache, die er hier meldet:
„Kant arbeitet frisch darauf los", worunter kaum etwas anderes
kann verstanden werden, als: er schreibt an seinem lange vor*
bereiteten, lange erwarteten Werke, — diese Thatsache schöpfte
er als Ängenzeuge aus eigener Wahrnehmung, vernahm er wahr-
scheinlich von Kant selbst."*)
Begann Kant aber die Niederschrift des Werkes im Anfange
des April oder des Mai 1779, so hatte er sie, da er dieselbe nach
seiner Aussage in seinem Briefe an G-arve vom 7. August 1783
und in seinem Briefe an Mendelssohn vom 18. Angust 1733
„in etwa 4 — 5 Monathen zu Stande brachte", bis zum Ende des
August oder spätestens des September 1779 „im ersten Entwürfe"
vollendet.
Abfassung des ersten ausführlichen Entwurfes
der Kritik der reinen Vernunft vom April oder Mai bis zum August
oder September 1779.
Während des Schreibens stellte sich für Kant heraus, daß
er trotz seiner dahin gerichteten Bemühung dennoch auf Popu-
larität, auf die intuitive Deutlichkeit, die er seinem Werke iür
Kenner der Wissenschaft zu geben intendirt hatte, verzichten
müsse. Er war nämlich, wie er in der Vorrede zur l. Auflage
der Kritik der reinen Vernunft äußert, im Fortgange seiner
Arbeit „fast beständig unschlüssig", wie er es mit der nicht
gerade strengen, aber doch billigen Forderung einer intuitiven
Deutlichkeit halten sollte. Beispiele und Erläuterungen schienen
ihm immer näthig und flössen daher auch wirklich ,,im ersten
Entwürfe" an ihren Stellen gehörig ein. Aber er sah die Größe
*) Den Nachweis für die Richtigkeit dieser Behauptung s. im Anhange
unter No. 6. Notizen aus Hamann'a Briefen zur Beurtheilung seines Yer-
hältoissee zu Kant, speciell zur Festetellnng eeiner Besuche bei ihm während
der Jahre 1770-1780.
DigtizBabyCoOgIC
Von Emil Arnoldt. 136
seiner Aafgabe nnd die Menge der Gegenstände, womit er es
zQ thun haben würde, gar bald ein, und da er gewahr ward,
daß diese ganz allein, im trockenen, blos scholastischen Vortrage,
das Werk schon genng ausdehnen würden, so fand er unrathsam,
es durch Beispiele und Erl&uterungen, die nur in populärer
Absicht nothwendig seien, noch mehr anzuschwellen, zumal diese
Arbeit keineswegs dem populären Gebrauch angemessen werden
könnte, und die eigentlichen Eeuner der "Wissenschaft diese
Erleichterung nicht so nöthig haben, ob sie zwar jederzeit an-
genehm sei. (R. n, 11 Q. 12.)
Hieraus ist ersichtlich, daß er beim Anfang seiner Arbeit
entschlossen war, sie populär abzufassen für Kenner der "Wissen-
schaft. Denn daß sie dem populären Gebrauche überhaupt,
d. h. dem Gebrauch derjenigen, die nicht ,, eigentliche Kenner
der Wissenschaft" wären, keineswegs könnte angemessen werden,
stand ihm von vom herein fest. Aber den Kennern der "Wissen-
schaft wollte er doch die Erleichterung des "Verständnisses durch
Beispiele und Erläuterungen von intuitiver Deutlichkeit schaffen.
Denn obschon diese „nur in" allgemein „populärer Absieht"
durchaus ,, nothwendig" ist, so ist sie doch „angenehm" jederzeit.
Daher blieb er, obschon er „gar bald" merkte, daß die Materien,
die er behandelte, im trockenen, blos scholastischen "Vortrage
das Werk schon genug anschwellen würden, doch im Fortgange
seiner Arbeit „fast beständig unschlüssig", in wie weit er jener
biUigen Forderung Genüge leisten sollte. Er Heß „wirklich"
Beispiele nnd Erläuterungen in den ersten Entwurf an ihren
Stellen gehörig einfließen, aber wahrscheinlich immer weniger,
je mehr er beim Anschwellen des Manusckripts die Gefahr des
Zweckwidrigen erkannte, das Buch undeutlich zu machen dadurch,
daß er es ,,ao gar deutlich" zu machen sich bemüht«. Daher
setzte er die Bücksicht auf intuitive Deutlichkeit hintan, — und
so brachte er, wie er in seinem Briefe an Mendelssohn vom
18. August 1783 schrieb, „das Produkt des Nachdenkens von
einem Zeitraum von wenigstens zwölf Jahren innerhalb etwa
4 bis 5 Monaten, gleichsam im Fluge, zwar mit der größten
DigtizBabyCoOgIC
136 Zar Benrtlteilang von Kaufe Kritik der reinen Temanil etc.
Aufmerksamkeit auf den Inhalt, aber mit weniger Fleiß auf den
Vortrag nnd Beförderung der leichten Einsicht für den Leser",
zu Stande. (R. XI, 1 Ä., 13 und 14.)
Da sich nnter den Erläuterungen und Beispielen, die in
der Kritik der reinen Vernunft vorhanden sind, intuitiv deutliche
kaum zwei wirklich vorfinden, so müssen die „wirklich" in den
ersten Entwurf eingeflossenen dieser Art bei der späteren Durch-
sicht und Ueberarbeitung des Ganzen, um den Umfang zu
vermindern nnd die Uebersichtliehkeit zu erhöhen, ausge-
merzt sein.
Damit, daß Kant in dem eben citirten Briefe an Mendels-
sohn vom 18. August 1783 die Kritik der reinen Vernunft das
innerhalb etwa 4 bis 5 Monaten gleichsam im Fluge zu Stande
gebrachte „Produkt des Nachdenkens von einem Zeitraum von
wenigstens zwölf Jahren" nannte, stimmt die Annahme, daß er
den ersten Entwurf derselben, welchen die Vorrede zur ersten
Auflage erwähnt, in der ersten Hälfte des Jahres 1779 nieder-
zuschreiben begonnen habe, wohl überein. Denn die Anfänge
des Nachdenkens, aus welchem schließlich die Kritik der reinen
Vernunft resultirte, müssen „wenigstens" in das Ende des
Jahres 1766 gelegt werden. Ihr Anfangspunkt konnte auch von
Kant selbst genau nicht bestimmt werden; und wenn er in das
Jahr 1766 gesetzt wird, so ist auch diese Bestimmung zulässig
auf Grund einiger Aeußerungen Kant's in seinem Brief an
Lambert vom 31. December 1765 (E. I, 350 und 351.) und in
seinem Brief an Meudelssohn vom 8. April 1766 (E. XI, 1 A., 9.)
Die Annahme femer, daß Kant den ersten Entwurf der
Kritik der reinen Vernunft ungeftthr vom Anfang des April
oder Mai bis zum Ende des August oder September 1779 zu
Papier gebracht habe, steht nicht niur im Einklang, sondern wird
geradezu bestätigt durch eine Aeußerung in seinem Briefe an
Joh. Jac. Engel vom 4. Juli 1779. Engel hatte Kant um
einen zweiten Beitrag za seinem „Philosoph für die Welt"
gebeten, and Kant legte in jenem Briefe zunächst dar, daß und
warum ihm eine Fortsetzung der Abhandlung von den Menschen-
DigtizBabyCoOglC
Von Emil Arnoldt. 137
racen vor der Bearbeitung anderer Themata wenigstens „für Jetzt"
den Vorzug zu verdienen aclieine. Dann fährt er fort;
„Die Materialien hiezu liegeu zwar schon seit einiger Zeit
„völlig fertig, weil ich durch Zimmermann's geographische
„Geschichte des Menschen (den das vorige Stück hierin
„beurtheilte) zum weiteren Ueberdenken dieses Gegenstandes
„veranlaßt wurde. Gleichwohl muß ich mir zur Einkleidung
„einige Frist (etwa bis Weihnachten) ausbitten; weil ich ein©
„Arbeit nicht unterbrechen darf, die mich so lange an der Aus-
„fertigung aller anderen Produkte des Nachdenkens, die sich iu-
„desseu sehr angehäuft haben, gehindert hat, und die ich gegen
„die Zeit zu vollenden glaube. Alsdann wird es mir eine an-
„genehme und leichte Beschäftigung seyn, mit demjenigen
„herauszurücken, wovon Sie und andere meiner Freuode eine
„viel zu vortheilhafte Erwartung haben, welches indessen, da ich
„eine so lange Zeit über so mancberlei Gegenstände gebrütet
„habe, für mein© übrige Lebenszeit Vorratb genug enthält.
„"Wenn Sie, mein geehrtester Freund, wider das benannte
„Thema und den mir ausgebetenen Aufschub nichts einzuwenden
,, haben, so werde ich Ihr Stillschweigen für eine Einwilligung
„in beides aufnehmen und ohne Sie mit Antworten zu bemühen
„mich darauf einrichten."
Diese Aeußerung kann schlicht und einfach — ich meine:
bei Unbefangenheit des Urtheils und Abneigung gegen erzwungene
Deuteleien gar nicht anders ausgelegt werden, als daß Kant im
Juli 1779 die Niederschrift der Kritik der reinen Vernunft
nicht unterbrechen wollte. Denn mit der Gedankenarbeit an
derselben war er bereits im December 1778 fertig, weil er schon
damals an der „Bekanntmachung" seiner neuen metaphysischen
Ansichten arbeitete. Femer: Er hätte allenfalls seine Gedanken-
arbeit auch jetzt wieder unterbrechen können, wie er sie im
Jahre 1777 zum Zweck der Publication seiner Abhandlung von
den verschiedenen Bacen der Menschen in Engels „Philosoph für
die "Welt" factisch unterbrochen hatte, nicht aber die Nieder-
schriil seines Werkes, die er „gleichsam üu Fluge" zu Stande
DigtizBabyCoOgIC
138 Zva Beurtheilnng von Kant's Kritik der reines VemnuA etc.
brachte. Endlich: er würde ein fast widersinnigea VeHiihren
in Aussicht genommen haben, wenn er seine Gedankenarbeiten
filr die Kritik der reinen Vernunft bis um Weihnachten 1779
hätte vollenden und dann, statt an die Ausfertigung jener Arbeiten
für den Druck zu gehen, zu Gunsten eines Beitrages zum
„Philosph fttr die Welt" diese Ausfertigung b&tte aufschieben
wollen, von der er iühlte, daß sie wie das ganze weitläuflige
Geschäft „bei längerer Zögerung" ihm selber „zur Last werden"
und in Folge dessen am Ende gar nicht zur AnsfOhrong, zu
dem gewünschten Abschluss in einer Publication durch den
Druck gelangen würde.
Daß er bei jener Aeußerung in seinem Briefe an Engel
nicht ausdrücklich und nicht blos von der Kiederschriffc spricht,
indem er sagt, daß er „eine Arbeit nicht unterbrechen" dürfe,
„die" ihn „so lange an der Ausfertigung aller anderen Prodncte
des Nachdenkens gehindert" habe, kann keinen Einwurf gegen
meine Auslegung abgeben. Denn allerdings auch die Gedanken-
arbeiten für die Kritik der reinen Vernunft hatten ihn „so lange",
hatten ihn Jahre lang gehindert; aber nicht weniger nnd erst
recht hinderte ihn jetzt die Niederschrift des Werkes, die denn
doch in eminentem und strictestem Sinne zu der „Arbeit"
gehörte, die ihn in Anspruch nahm.
Als er am 4. Juli 1779 jene Aeußerung that, glaubte er
etwa bis Weihnachten das Werk ganz vollenden, es so völlig
druckfertig machen zu können, daß nichts im Wege stände, es
in Verlag zu geben. Dieser Glaube ist nach meiner Ann^me
wohl erklärlich. Denn er mußte am 4. Juli 1779 den ersten
Entwurf entweder bis über, oder bis gegen die Hälfte nieder-
geschrieben haben, und er mochte, wie er bisher abermals und
abermals die Vollendung seines Werkes zu früh angesetzt hatte,
so auch jetzt die irrthümUche Meinung hegen, daß er geraume
Zeit vor dem September den ersten Entwurf werde beendigen
nnd sowohl die Abschrift desselben, als auch die Ausstattung
der Abschrift zum Druck bis Weihnachten werde fertig stellen
können.
DigtizBabyCoOgIC
Ton Emil Amoldt. 139
Daß er sich hierin gründlich täuschte und nicht, wie er
am 4, Juli 1779 wollte, nach Weihnachten den bereit liegenden
Materialien zur Fortsetzung seiner Abhandlung von den ver-
schiedenen Kacen der Menschen die f(lr den Druck nöthige
„Einkleidtmg" gab, sondern, statt sich auf die Elaboration jener
Abhandlung einzurichten, vollauf damit zu thnn hatte, den ersten
Entwurf der Kritik der reinen Vernunft zum druckfertigen
Manuscript einzurichten, lege ich dar, indem ich den einzigen
Einwand beseitige, welcher gegen meine Annahme über die
Afofassungszeit des Werkes kann erhoben werden.
Einriditung des ersten Entwurfs der Kritik der reinen Vernunft
fOr den Druclt etwa vom December 1779 bis in den October oder
November i780.
Der einzige erhebliche Einwand gegen meine Annahme
Ober die Abfassnngszeit des ersten Entwurfs der Kritik der
reinen Vernunft scheint der folgende zu sein:
Der Zeitraum zwischen der Beendigung der ersten Nieder-
schriit des Werkes im Augiist oder September 1779 und der
Beendigung der letzten Ansfeilung und Einrichtung desselben
für den Druck etwa November 1780 ist zu groß, als daß Kant,
wenn er ein ganzes Jahr hindurch mit den Kacharbeiten daran
beschäftigt gewesen, der Wahrheit gemäß hätte sagen können,
er habe den „Vortrag der Materien, die" er „mehr als 12 Jahre
sorgfältig durchgedacht", — «das Product des Nachdenkens von
einem Zeiträume von wenigstens zwölf Jahren innerhalb etwa
4 bis 6 Monathen gleichsam im Fluge zu Stande gebracht".
Aber dieser Einwand ist, wie mich dünkt, giu- wohl zu
entkräften.
Zunächst eridäre ich: Niemand kann verständigerweise
annehmen, daß Kant, wie er den ersten Entwurf seines Werkes
„gleichsam im Finge zu Stande gebracht", so aach das in die
Druckerei zu liefernde Manuscript des letzteren ebenfalls „gleich-
sam im Fluge" druckfertig gemacht habe. Eine solche Eil-
DigtizBabyCoO^IC
140 2ur Beurtheilung von Kaut's Kritik der reinen Vernunft etc.
fertigkeit wäre mit der fast peinlichen — obsclinQ nie pedan-
tischen — Sorgfalt, deren er sich bei Erledif^ng jeder Obliegen-
heit befleüJigte, durchaus unverträglich gewesen. Daher ist die
Annahme Vaihinger's, daß er die erste Niederschrift seines
Werkes etwa im April bis August oder Anfang September 1780
zu Stande gebracht habe , vorweg als gänzlich unannehmbar
abzuweisen. Denn in der zweiten Hälfte oder vielmehr am
Ende des December 1780 war das druckfertige Mannscript wohl
bereits in den Händen des Verlegers oder des mit der Direction
des vorliegenden Geschäftes beauilragten Repräsentanten des-
selben, oder vielleicht schon des Druckers. Vom Anfange des
September aber bis zum letzten Tage des December hin d. h.
in vier Monaten hätte Kant die „gleichsam im Fluge" za Papier
gebrachte Niederschrift nicht einmal gut lesbar und aauber
abschreiben, geschweige denn sorgf<ig für den Druck einrichten
können.
Und nun ist zu fragen: was gehörte dazu, das erste,
,, gleichsam im Fluge zu Stande gebrachte", voluminöse Manu-
script-Brouillon in ein Mannscript zu verwandeln, das hei min-
destens eben demselben Umfange sorgfältig für den Druck ein-
gerichtet war? Er hatte es durchzulesen, zu gliedern, zu corri-
giren, mit mancherlei Ueb ergangen, Einschiebungen, kürzeren
Zusätzen und längeren Ausführungen zu vermehren, ins Beine
zu schreiben, zu paginiren oder nach der Beihenfolge der Bogen
zu insigniren und dazu mit vielfachen Anweisungen für den
Setzer auszustatten.
Diese Arbeit war im Allgemeinen eine nur mehr äußerliche.
Im Einzelnen freilich mochte sie hier und dort die Denkkraft
ungemein herausfordern. Aber im Verhältniß zu der hei der
ersten Niederschrift des "Werkes vollbrachten Denkhandlang
blieb sie immer eine blos nebensächliche und inferiore Leistung.
Daher konnte sie, wenn Kant auf seine ganze Schöpfung zurück-
blickte, sich ihm hinterher sehr wohl und mit Becht als eine
durchweg äußerliche darstellen, so daß sie im Vergleich mit jener
ursprünglichen, alle Geisteskräfte auf das intensivste anspannenden
DigtizBabyCoO^IC
Von Emil Arooldt. 141
I>enkhaiidlung, die den ersten Entwurf, das Manuscriptbroaülon
zu Stande brachte, nicht des Erwähnens werth und bei Angabe
des Zeitraums, innerhalb dessen das Werk seinen Aaßeren Be-
stand nnd seinen Grondtypns erhielt, gar nicht in Anschlag zn
bringen wäre.
Trotzdem erforderte sie viel Zeit und sehr viel Zeit. Änch
wurde sie schwerlich sofort vorgenommen, nachdem Kaut sein
Product des Nachdenkens von wenigstens zwölf Jahren ,, mit der
größten Auftuerkaamkeit auf den Inhalt aber mit weniger Fleiß
auf den Vortrag zu Stande gebracht" hatte. Denn diese „größte
Aufmerksamkeit auf den Inhalt" war ohne Zweifel so groß
gewesen, daß derjenige, der sie fünf Monate hindurch Tag für
Tag beinahe ununterbrochen ausgeübt hatte, nach einer solchen
geradezu übermäßigen Anspannung seiner intellectuellen Kräfte
sich eine längere Abspannung und Erholung gönnen durfte und
mußte. Diese Ruhepause, in welcher Kant wahrscheinlich den
ganzen Gang seiner auf das Papier geworfenen Untersuchungen
noch einmal im Geiste an sich vorüber gehen ließ, um zu er-
messen, wo derselbe lückenhaft wäre, kann sehr wohl sechs oder
acht, wenn nicht zehn "Wochen gedauert haben. Demnach würde
Kant sein gleichsam im Fluge zu Stande gebrachtes Manuskript
nicht viel vor der Mitte des December 1779 vorgenommen haben,
om es fttr den Druck einzurichten.
Die Gliederung des Werkes in Abtheilungen, Bücher, Haupt-
stücke, Abschnitte ist wohl zweifellos bei der ersten Abfassung
desselben nur sehr unvollkommen ausgeführt worden und nach
Beendigung der ersten Niederschrift blos in großen Hauptpartien
vorhanden gewesen. Sie kostete sicher viel Mühe, und um so
größere, als sie einerseits, um die Glieder streng zu sondern
and doch gehörig zu verbinden, Teständerungen nOthig machte
und andererseits zu mancherlei Nachträgen, Kürzungen und Er-
weiterungen Anlaß gab. Für diese Ausgestaltung des Manuskript-
Brouillons dürfen, meine ich, gar wohl drei bis dreieinhalb Monate
in Anschlag gebracht werden. Demnach würde Kant mit ihr,
wenn er seine Arbeit um die Mitte des December 1779 wieder
DigtizBabyCoO^IC
143 Zar Beurtbeilnng von Kaufe Kritik dar reinen Vemuiift etc.
aufgenommen hätte, etwa bis zum März 1780 beschäftigt gewesen
sein. Freilich, — welche Explicationen, Erörterungen und Aus-
einandersetzungen er in dieser Zeit fOr sein Werk lieierte, kann,
nach meiner Ansicht, schwerlich oder gar nicht mit einiger Zu-
verlässigkeit vermuthet werden.*)
Nach der G-liedemng des Ganzen hatte er es wohl noch
einmal durchzugehen, um zu ermessen, ob die Idee desselben in
*) Von Eant's nachgelassenen Aufzeichnungen können anter den bisher
veröfientlichten nur zwei derjeniKen, die man ab Vorbereitungen zu Ex-
poeitionen in der Kritik der reinen Vernunft ansehen dürfte, nach den Daten
der Papiere, auf denen sie stehen, eine ungefähre Bestimmung ihrer Ab-
fasBungszeit erhalten. Die eine {vergl. „Lose Blätter aus Kant'a Nachlaß,
Mitgetheilt von E. Reicke. AttpreuBische Monatsschrift, Band XXIV, 1887,
Heft 7—8. Seite 672—675) enthält eine Reihe von Bemerkungen, welche
en einzelnen Sätzen im dritten Abschnitt der Deduction der Kategorien und
in der Summ. Vorst. u. s. w, unverkennbar ihre Parallelen haben, ob sie
gleich mit den letzteren nach Inhalt und Form keineswegs genau überein-
stimmeu (vgl. R. II, 106, 108. 109. 113. 115.). Da nun die«e Aufzeichnung
erst nach dem 20. Januar 1780 kann gemacht sein und wahrscheinlich bald
daraufgemacht wurde, so dürfte nach meiner Annahme aber die Abfaesungs-
zeit der Kritik der reinen Vernunft zu schliessen sein, daß Eant etwa am
Ende des Januar oder im Februar 1780 den dritten Ahschnitt der Deduction
der Kategorie und die „Summarische Vorstellung" u. s. w. als eine Ergänzung
in das Manuskriptbrouillon eingefügt hat. Uehrigens ist es für mich wunder-
sam, daB er nach einer so rohen, so wenig in sich zusammenhängenden
Skizze, als diese Au£Eeichnung darbietet, so wohl geordnete, so übersichtliche
Auseinandersetzungen geliefert hat, als jener dritte Abschnitt der Deduction
der Kategorien und die Summarische Vorstellung enthalten. Von der zweiten
der erwähnten Aufzeichnungen (vergl. „Lose Blätter" etc. AltpreuBische
Monatsscbrüt, Band XXV, 1888, Heft 3/4 Seite 29U-302.) steht es fest, daß
sie nicht vor dem 22. März 1780 kann niedergeachrieben sein. Daß sie aber
sehr bald darauf ist niedergeschrieben worden, steht nicht fest. Wurde sie
bald nach dem 22. März 1780 niedergeschrieben, so könnte sie, wie mir
scheint, theils die Grundziige zu einer Auseinandersetzung enthalten, welche
in die Methodenlehre der Kritik der reinen Vernunft hineinkommen sollte,
aber nicht hineingekommen ist, theila einige Gedanken, die Kant flüchtig
aufheftete, um sie in besserer Fassung einzelnen Stellen der Kritik der
reinen Vernunft einzofägen. Diese Au&eichnung gehört zu den vielen unter
den von B. Erdmann und B. Reicke veröffentlichten, welche Räthsel auf-
geben, nicht Räthsel lösen. Zur Erläuterung einer jeden von diesen vielen
wäre immer eine Abhandlung von nicht ganz geringem Umfange erforderlich.
DigtizBabyCoOgIC
Von Emil Äraoldt. 143
dessen gesonderten und verbundenen Theilen auch wirklich wohl
artikalirt sei, und er mag damit acht bis vierzehn Tage lang
beschäftigt gewesen sein. Dann erst durfte er sich daran machen,
das Maunacript-BrouUlon ins Eeine zu schreiben. Die Rein-
schrift aber kostete ihm, da er sie „sanber und deatlioh" an-
fertigte, mindestens ebensoviel, wahrscheinlich mehr Zeit, als
der erste „gleichsam im Fluge" zu Papier gebrachte Entwurf,
mithin etwa fünf, wenn nicht sechs Monate. Begann er also
die Reinschrift um den April 1780, so hatte er sie irühestens
am Ende des August, wahrscheinlich aber erst am Ende des
September 1780 vollendet.
Diese Darstellung der Arbeitsaute, welche den ersten Ent-
wurf der Kritik der reinen Vernunft in ein druckfertigea
Manuscript verwandelten, entspricht der Schilderung, die Borowski
von der Anlegung und Construction der gelehrten Werke Kant'ü
geliefert hat. „Kant", sagt Borowski (Biographie Seite 191 — 193)
„machte sich zuvor im Kopfe allgemeine Entwürfe ; dann bearbeitete
„er diese ausführlicher; sehrieb, was da oder dort noch einzu-
„schieben oder zur näheren Erläuterung anzubringen war, auf
„kleine Zettel, die er dann jener ersten flüchtig hingeworfenen
„Handschrift blos beilegte. Nach einiger Zeit überarbeitete er
„das Ganze noch einmal und schrieb es dann sauber und deutlich,
,,wie er immer schrieb, für den Buchdrucker ab. Späterhin erat
„bediente er sich fremder Hände zum Abschreiben." — — —
„Noch ist es hier des Erwähnens — — werth, daß Kant das
„zu edirende Werk nie stück- oder bogenweise dem Verleger
„gab, sondern es ganz ausarbeitete, revidirte und so abdrucken
„lieB." — „Jeder sieht leicht ein, daß Kant'a Worte"
(Werke), „nach jener Verfabrenaart, weder in einem TheUe zu
, ausführlich und im andern zu abgekürzt, noch auch in einem
„zu ungleichen Styl abgefaßt seyn, daß sie vielmehr jedes in
„seiner Art als vollendete Werke, vor das Auge der Lehrer
„kommen mußten."
Die Annahme, daß das Mandiren des Brouillons uugeMir
vom April bis zum Ende des September 1780 dauerte, stimmt
DigtizBabyCoOgIC
144 Zat BenrtheiltiDg von B^nt's Kritik der reinen Yemanft etc.
gnt zu der wahrecbeinlichen Tbatsache, daß Hartknoch's erste
Anfrage nach dem Verlage des Werkes, das Kant unter Händen
hatte, am Ende des Mai oder Anfang des Juni 1780, und seine
erfolgreiche Bemühung darum im October 1780 Statt &nd. Im
October, vielleicht auch noch im November 1780 mag Kant
damit beschäftigt gewesen sein, das ganze Manuscript zu pagi-
niren und mit mancherlei Anweisungen für den Setzer zu ver-
seben. Im December mag es dann entweder an den Verleger
Hartknoch nach Riga, oder — was wahrscheinlicher ist — nach
Berlin an den Buchhändler Spener, der „das G-eschäil dirigirte"
{R. XI, 1 Ä., 49), abgegangen, und vielleicht ebenfalls noch im
December 1780 der Druck bei Grunert in Halle begonnen sein.*)
Resultate.
Der Uebersichtlichkeit halber mögen hier die wesent-
lichsten Ergebnisse meiner Darlegung von der äußeren Entstehung
und Abfassungszeit der Kritik der reinen Vernunft zusammen-
gestellt werden:
1771 Juni war der Plan zu einem Werke: „Die Grenzen der
Sinnlichkeit und Vernunft" unbestimmt und im Rohen so
entworfen, daß der Gesammtinhalt der späteren drei Kri-
tiken wie der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten
darin sollte behandelt. werden.
1772 Februar war der Plan des Werkes: „Die Grenzen der
Sinnlichkeit und Vernunft" noch eben so umfassend, aber
in zwei Theile, einen theoretischen und einen praktischen
zerlegt, von denen der theoretische Theil zuerst sollte aus-
gearbeitet und etwa im Mai 1772 herausgegeben werden.
In dem theoretischen Theil sonderte sich die transscenden-
tale Aesthetik mit der Analytik von der Dialektik, obschon
noch nicht deutlich, und ohne die Namen für diese Gliede-
•) Ueber die Verhandlungen, die sich auf den Verlag der Kritik der
reinen Vemunit bezieben, b. im Änbange tmler No. 6 „Notizen aus Hamann's
Briefea" u. b. w,, wo Schubert's Darstellung davon berichtigt wird.
DigtizBabyCoOgIC
Von Emil ArnolJt. X45
rungen. Doch kommt bereits der Gedanke und der Name
der Kritik der reinen Vernunft empor. Die Untersuchung
wendet sich vorzugsweise der Deduction der Kategorien zu.
Die Entdeckung des transscendentalen Orundgedankena
der Kritik der reinen Vernunft ist noch nicht erfolgt,
steht aber nahe bevor. Es ist bereits klar, daß die Moral
reine Principien haben müsse; aber die Untersuchung der-
selben wird ausgesetzt.
1773 Ende oder 1774 Anfang ist die Behandlung der theoretischen
und der praktischeu Philosophie in einem und demselben
Werke aufgegeben, die Idee einer Kritik der reinen Ver-
nunft im Allgemeinen ausgereift, der trän sscen dentale
Grundgedanke derselben entdeckt, die Methode und Ein-
theilung einer ganz neuen Wissenschaft, die auch für die
Keligion und Sitten vortheilhaft werden soll, in den Grnnd-
zügen erfaßt, wenn auch nicht im Einzelnen festgestellt.
Das Werk soll kurze Zeit nach Ostern 1774 erscheinen,
1776 im Sommer richtet sich die Arbeit vornehmlich und mit
Erfolg auf die Grenzberichtignng zwischen dem Boden der
Vernunft und dem der Vemünflelei, d. h. auf die Dialektik.
1776 im November ist bereits die Elementarlehre der Vemunft-
kritik von der Methodenlehre geschieden, und die Ein-
theilung der letzteren gefunden. Das Werk soll etwa im
Spätsommer des Jahres 1777 fertig werden, obschon im
November 1776 noch nichts davon ausgefertigt ist.
1777 Angust ist die Idee des Ganzen bis in ihre einzelnen Ver-
zweigungen ausgebildet; die Probleme der Dialektik bilden
allein den Gegenstand der Untersuchung; es ist Aussicht
vorhanden, daß sie im Winter 1777/78 werden völlig gelöst
werden.
1777 Ende und vielleicht auch 1778 Anfang ist Kant's Studium
der im Jahre 1777 erschienenen „Philosophischen Versuche
aber die menschliche Natur und ihre Entwickelung" von
Tetens nicht ohne Einfluß darauf, daß er mit der Aus-
fertigung seiner Arbeiten filr den Druck noch zögert.
Al^. KoDktsMlirift Bd. ZZVI HA. 1 d. S. 10
DigtizBabyCoOgle
146 ^iii' BeuHheilnng von Eant's Kritik der reinen Vemonft etc.
1778 Anfang des Juni hoSt Kant, daß er anf Gnmd der Bcbrift-
licheQ Aufzeichnungen, in denen er die Änsföhrung seiner
Idee bia zom Einzelnen hin möglichst vollständig mochte
angedeutet haben, seine Arbeit noch während des Som-
mers 1778 in einem an Bogenzahl nicht viel austragenden
Werkchen für den Druck vollenden werde.
1778 Ende des August setzt er seine — für diese Zeit nicht
näher zu bestimmende — Vorarbeit zur Kritik der reinen
Vernunft unermüdet fort. Er geht noch nicht an die Ab-
fassung derselben, glaubt aber sie nnn bald beginnen und
schnell vollenden zu können.
1778 Mitte des Becemher geht Kant an die Ausfertigung seiner
Arbeiten für den Druck, findet aber wahrscheinlich bald
eine Hemmung an Bedenken über die Vortragsweise, die
er für sein "Werk zu wählen hätte. Er giebt den Plan, es
in aller Kürze eines Handbuchs abzufassen, auf, behält
aber noch die Intention, es populär für Kenner der Meta-
physik auszufertigen.
1779 von Anfang des Januar bis zum Ende des März oder
April beschäftigt er sich vielleicht mit Meditationen über
die Vortragsweise, die er für sein Werk intendirte, indem
er zu den Auseinandersetzungen, die er darin zu liefern
hatte, angemessene Erläuterungen in concreto, Beispiele
von intuitiver Deutlichkeit ausfindig zu machen suchte.
1779 vom Anfange des April oder des Mai bis zum Ende des
August oder September bringt er wahrscheinlich „den
ersten Entwurf" der Kritik der reinen Vernunft zu Stande.
In diesem ersten Entwurf fliefien anfänglich Erläuterungen
in concreto, Beispiele von intuitiver Deutlichkeit ein, die
späterhin zum Zweck der TJebersichtlichkeit — um die
Einheit und den „Gliederbau" des Ganzen nicht unkenntlich
zu machen — sind ausgeschieden worden.
1779 etwa um die Mitte des December bis in den November 1780
hinein überarbeitet er den ersten Entwurf und macht ihn
druckfertig.
DigtizBabyCoOgIC
Ton Emil AmoUt. 147
Ich fOge hier noch an:
1780 gleich nach dem 22. S«pteiuber erhält Kant von Hartknoch
den Brief, in welchem sich dieser bei ihm um den Verlag
der Kritik der reinen Vernunft bewirbt, nachdem wahr-
scheinlich schon zu Ende des Mai oder zu Anfang des
Juni 1780 zwischen beiden davon war die Rede gewesen.
1780 vor dem 18. December, wahrscheinlich im November hatte
Hartknoch den Verlag der Kritik der reinen Vernunft
übertragen erhalten.
Fortsetzung folgt.
,dbyGoogIe
Vlpera berus Daud.
Eins ethnologisch -faunistiache Skizze.
Von
A. Trelebel.
Von giftigen Schlangen kommt für unsere Gegend die
Kreuzotter, Viperä berus Daud., oach meinen Ermittelungen
in Westpreußen vielfach vor. Bestätigt ist mir ihr Vorkommen
aus dem Kreise Berent um Gr. Paglau und dem nahen Schweine-
bude bei Schöneck, um Orle (Wald Novinna) und dem nahen
Czemikau, ans dem waldreicheren Kreise Carthaus ans Tokkar,
Warzenko und im Forstbelaufe Bülow, um Carthaus selbst, sowie
in den Forsten um Neustadt. Sehr zahlreich sollen sie vor-
kommen im Forstrevier Lindenberg bei Schlochau.
Je nachdem ist ihr Vorkommen daselbst häufig, selbst
massig, vereinzelt oder mehrmals oder selten.
Mit ihr hat die glatte Natter, CoroneUa laevis, in Farbe
und Aussehen, wie im Benehmen eine gewisse und häufig zu
Verwechselungen Anlaß gebende Aebnlichkeit.
Nach meinen Meldungen bewohnt sie besonders Buchen-
wald oder diesen in Gemisch mit Eichenbestand, aber auch
Kiefernwälder. Auch liebt sie Gebüsch und Gesträuch oder
kommt in Schonungen vor, also "Waldboden mit Laub. Auch
findet sie sich in größeren Torfbrüchem, die mit der Drunkel-
beere (Vaccmium uliginosum Ij.) oder mit niedrigerem Farren-
kraute, meist Äspidium Filix mas Sw., daher auch Schlangen-
kraut genannt, bestanden sind. Ebenso findet sie sich in Roggen-
feldern auf Neuland, wahrscheinlich weil das nachschießende
Farren ihm Nässe und Deckung giebt. Häufig wird sie hier
D,gt,zBabyC00<^IC
Von A. Treichel. 149
von den Sensen der Mäher durchgeschnitten oder mit den Garben,
in welchen sie sich verkriecht, zusammen auf die Fuder geladen
and znr Scheune gefahren, wo sie heim Abstaken schleunigst
in dem übrigen Eom verschwindet.
Während sie in den Niederungen auf Moor oder auf-
gelagertem Sande vorkommt, wird der Untergrund ihrer Berge
oder Hügel meist aus Lehm bestehen und zieht sie hier die Ab-
hänge mit Insolation vor.
Namentlich geschieht dies über Mittag, wenn sie sich sonnt,
meist in den Monaten Juni bis August (Erntezeit). Um Neu-
stadt wird sie häufig beim Excnrsioniren angetroffen und mit
Stöcken erschlagen. Im Zustande des Winterschlafes ist sie hier
niemals in Mehrzahl zusammengedrängt gefunden worden.
Die jungen und kleineren Thiere haben meist am Bauche
eine blaugrüne Färbung. Einfarbig schwarze Thiere sind nie-
mals beobachtet.
Verletzungen an Thieren durch Bisse sind mir nur von
Kühen gemeldet. Die Bisse brachten ein starkes Q-eschwulst
bis zur Grösse eines Eimers hervor, ohne daß die Stücke crepirten.
Schafe wurden in Czemikau gebissen, ohne daß ich nähere
Angabe über den Verlauf machen könnte. Von gebissenen
Hnnden oder Geflügel hörte ich nichts.
Die Anzahl der gebissenen Personen ist nicht anzugeben,
weil die meisten Fälle nur in kleinerem Kreise bekannt werden.
üngereizt soll die Kreuzotter nicht verwunden. Vielfach werden
getroffen barfüßige Schnitter auf den Feldern oder Kinder beim
Beerensuchen. Der Stich soll sich kurz und nicht empfindlich an-
f^ihlen, wie wenn man aui ein kleines Aestchen tritt. Der Verlauf
ist das allmähliche Anschwellen des ganzen Körpers, auch das
Schwat^werden der Bißstelle. In den mir bekannten Fällen
wurden die Menschen gesund, seihst ohne Arzt, ohne daß ein
Siechthum zurückblieb. Es ist möglich, daß besondere Umstände
der Jahreszeit, des Lebensalters oder der körperlichen Beschaffen-
heit soi die Folgen der Verwundung Einfluß haben.
DigtizBabyCoOgle
X50 Viper» berua Daud.
"Welche Q-egenmittel wurden bei der Behandlung angewandt?
Nach guter Instruction ftkr die Arbeitsleute ist augenblicklich
das Beste ein sofortiges Aussaugen des CMftstoffes durch einen
Kameraden, der aber gesunde, d. h. heile Lippen haben muss;
das Gift selbst greift den Magen nicht an, selbst wenn man es
nicht ausspuckte. Aerzttiche Mittel sind das Aetzeu mit einem
Glübeisen und desinficirende Behandlung mit starker Carbol-
säure. Heber die volksthümlicheu Mittel spreche ich zum Schlüsse.
Besondere Maßregeln zum Zwecke der Verminderung ihrer
Zahl bestehen leider nicht, wie also Prämien auf ihren Fang.
Als Feinde und Nachfolger der Kreuzotter sind hier be-
kannt der Storch, der sie hinunterschluckt, und der Igel,
Erinaceus, dem ihr Gift auch nichts schaden soll, wie auch
selbst ätzende Sachen an seiner Widerstandsfähigkeit spurlos
vorübergehen. Vom Storch sagt man, daß er sie erst mit einem
seiner Flügel reize, welchem die Kreuzotter durch Einbiß erst
ihr Gift verspritzen müsse.
Die volksthümlicheu Mittel hängen vielfach mit dem Aber-
glauben zusammen; doch greifen selbst vorurteilsfreie Leute in
der Noth zu ihnen, bis sie die Hülfe des Arztes genießen können,
was immer als das Beste gelten muß. Andererseits werden die
gewöhnlichen uuschädlichen Schlangen in der Anschauung des
Volkes mit ihnen zusammengeworfen, so daß ich beide Arten
auch hier für den Aberglauben nicht treunen mag. Ost-
preußische Beiträge sind entnommen Frischbier's „Znr volks-
thOml. Katurkunde" in Altpr. M.-Schrft. Jg. XXII. 1884.
1. Die Eidechse ist der Vorbote der Schlange: wo erstere
sind, trifft man auch bald Schlangen. (Saalfeld, E. Lemke.)
3. Vor Marien (26. März) kommen die Schlangen nicht aus
der Erde.
3. Einer vor Marien gefundenen Schlange soll man den
Kopf abschlagen und den Bumpf in die Krippe der Pferde ein-
bohren, damit sie gut fressen und immer im Stande sind.
(Kr. Carthaus.)
DigtizBabyCoOgIC
Von A. Treichel. 151
4. Legt man eine ScUange in einen Ameisenhaufen, so
aollen die Ämeieen davon sterben.
5. Eine vor Aufgang der Sonne zu tftdten versuchte
Schlange (oder Wurm) muß bis zu ihrem Untergange fortleben,
selbst wenn sie in Stücke gebackt ist. (Kr. Carthau3.)
6. Man soll die (giftigen) Schlangen besprechen können,
damit sie nicht beißen können. (Auch Saalfeld.) Ein Besitzer
im Carthäuser Kreise vermag ohne Schaden jVle Schlange in
die Hand zu nehmen. Um Saalfeld siechte ein Kind und starb,
weil die Mutter ihm die geliebte Schlange, der es immer zu
essen gab, erschlagen hatte.
7. Die Schlange soll nach dem Bisse crepiren, weil ihr
Zahn (? das Giftsäckchen !) abbricht.
8. Nach dem Bisse muß die Schlange schnell in's Wasser
schlüpfen, um nicht za sterben. (Ostpr.)
9. Wird die betr, Schlange nach dem Bisse sofort gefunden,
80 soll man ihr den Kopf abschneiden, diesen quetschen und auf
die Wunde legen, nm deren Gefährlichkeit zu vermindern.
10. Der von der Schlange gebissene Mensch soll nicht
„nnter Dach" kommen.
11. Ea wird am kühlen Orte eine Grube in die Erde
gegraben und diese mit Buttermilch ausgefüllt, in welche der
leidende Theil fortwährend hineingesteckt wird. Eine solche
Kur fahrte in einem Falle zum Ziele, in einem anderen aber
nicht. In Ostpr. (Saalfeld: Volksth. E. L.) heißt's: man soll
Tag und Nacht, in Betten verpackt, dabei vor der Thüre liegen
bleiben. (Vergl. No. 10.) Dies dauert neun Tage lang oder
24, auch 48 Stunden lang oder auch noch anders. Auch wird
empfohlen, die Buttermilch öfters zu erneuern und in dieselbe
Kröten, im Nothfalle auch Frösche hineinzmsetzen, damit diese
das Gift aussaugen.
12. Der Biß wird auch besprochen, damit die Geschwulst
nicht höher geht.
13. Die Blindschleiche, auch Padalitz, nach dem poln, Pa-
daleo (von pada<J, fallen), volksthümlich beschrieben als ein Thier
DigtizBabyCoOgIC
152 Vipera berus Daud.
voa gelbem Aussehen, mit 9 Augen, aber blind, viel giftiger
wie die Schlangen, bringt durch ihren Biß dem Menschen nenn
Wunden bei; alle Jahre ,^llt ein Loch aua" und heilt auch
zu; heilt im neunten Jahre das letzte zu, so muss der Mennch
sterben. (Kr. Carthaus; auch um Saalfeld und Häuschen im
Samlande in Ostpr.)
14. Mährchen: Ein von der Kreuzotter gestochener Junge
schneidet sich selbst die Wundstelle aus und legt das Absceß
auf einen Stein, wo es alsbald so groß aufschwillt, wie ein
Brod ; der Junge haut mit seinem Stocke hinein und von der
zerplatzten Masse fliegt ihm ein Stück in den Mund, so daB
er daran sterben muss. (Kr. Carthaus.)
15. Die Schlangen haben einen König und versammeln
sich gern in grosser Menge um ihn. Der Schlangenkönig
trägt eine goldene Krone, welche demjenigen, der sie entwendet,
viel Glück bringt; sie kann aber auch für viel Geld verkauft
werden. Es ist jedoch sehr mißlich, den SchlangenkOnig also
zu kränken; die Schlangen verfolgen den Dieb, so daß er sich
sehr vor ihnen in Acht nehmen muß. (E. Lemke; Saalfeld.)
16. Schlangenfett ist Oleum jecoris flavum und wird in den
Apotheken als Heilmittel gekauft. (Frischbier: Z. volksth. Naturk.)
17. NachWoyt's, öffentlichen Lehrers der Ärzneikunst zu
Königsbet^, Notirungen im Gazophylacium {12. Aufl., 1746), heilt
das Kraut von Foteiitilla silvestris Keck, oder Tormentilia Schrk.
äußerlich die Natter- und Schlangenbisse.
18. Nach Fr. v. Thielau's Beobachtungen zu Schübeler's
IPflanzenwelt Norwegens (S. 14) ist in Schweden und Norwegen
noch heute mancher Bauer vollständig davon überzeugt, daß
man mit Hülfe eines Haselstockes das Gift der Natter un-
schädlich machen könne (aber wie?), welcher Glaube am Schluße
des 17. Jahrhunderts sogar von den Gelehrten getheilt wurde.
19. Da Besprechen jede magische Formel ist, wodurch eine
Kraft gebunden werden soll, wobei ea lediglich auf die Intention
des Willens ankommt, also Thiere und Menschen besprochen
D,gt,zBabyC00<^IC
Ton A. Treiotel. 153
werden, dafl eratere nicht schädigen, letztere nicht geschädigt
werden, so giebt's auch Beschwömngen gegen den Nattemstich.
H. Frischbier in Hexenspruch und Zauberbann (Berlin
1870. S. 87 ff.) giebt auch hierfür diese zahlreichen Beiträge
ans der Provinz Preußen:
a) Ist Jemand von einer Schlange gebissen worden und will
man nun dagegen rathen, so sticht man mit einem Messer
aus dem Erdboden ein rundes Stückchen Erde, bestreicht
mit demselben die Wunde and spricht:
Die Schlange sticht,
Christus spricht:
Gift aus der Wunde,
Heil' aus Herzensgründe!
L N. G. u. 8. w.
Darauf schließt man mit dem Stückchen Erde wieder
die Oeffnung im Erdboden und hebt unmittelbar darauf ein
zweites Stückchen aus demselben, wiederholt die Besprechung
wie angegeben und verfährt ebenso auch zum drittenmale,
(Bürgersdorf bei Wehlau in N. Pr. Pr.-Bl. VIII. S. 24.)
b) Ist man von der Schlange gebissen, so nimmt man das
erste beste StÄbchen oder Spänchen, das man findet, zer-
bricht es stillschweigend in drei Theile, bestreicht mit
jedem Stückchen die Wunde und spricht jedesmal (Labiau):
Die Schlange stach,
Die Jungfrau sprach.
Die Amarie schwur,
Dafl der Schwulst 'rausfuhr.
c) Grauer stach,
Christus sprach,
Maria sagt: Du sollst nicht sterben!
Im Namen u. s. w.
Ohne Amen. (Goldap.)
,dby Google
.54 Vipera berus Daud.
d) „Bie Schlange sticht!"
Unser Herr Chriatua spricht.
Hat unser Herr Christus dies nicht gesprochen,
So hat die Schlange auch nicht giftig und tödtlich gestochen.
(Samland.)
e) Im Namen n. s. w. Amen.
Die Schlange hat gebissen, der Teufel hat der Schlange
das eingegeben, der Herr Gott hat dich erschaffen, der
Herr Gott hat dir die Uacbt nicht gegeben; du sollet dieses
Gift schleppen über die Wiesen, Brücher, Felder, wo es
nichts schaden wird, nicht mit meiner Macht, sondern mit
des Herrn Jesu Hülfe. Dreimal Amen sagen und drei
Ave Maria beten, (v, Tettau und Temme: Yolkssagen
OBtpr.,Litt. n. Westpr. S. 272; ebenso bei F. Kork: Sitten u.
Gebr. S. 506.)
f) Die Otter und die Schlang',
Die spielen beid' im Sand,
Die Otter beißt, die Schlange sticht,
Gott den Vater vergesse nicht!
(Alienburg.)
g) Der von der Schlange Gebissene steckt den verwundeten
K(>rpertheil in Buttermilch, und dann wird gesprochen:
Maria Gottes spielt' und sang.
Ich rath für die Otter und für die Schlang'!
Im Namen u. s. w.
Oder:
Die Schlange stach, die Otter biß,
Mutter Maria schwur.
Daß alles böse Gift hinausfuhr.
Im Namen u. s. w.
CWehlau.)
h) Vater unser u. s. w. Ich versegne euch durch Gottes
Macht und des Hen^ottes Hülfe, ihr Schlangen und weih-
liche Schlangen (w^ze, w^zyce), ihr Ottern und weibliehe
DigtizBabyCoO^IC
Von Ä. TreicheL 166
Ottern (zmij©, zmijice), ihr Feldwünner und sämmtlichea
Gewürm. Aus der Blüthe (?) bist du geboren, der Teufel
hat dich geschaffen, unser Herr Christus gab dir den Geist,
aber er gab dir kein Gift und keine Macht. Durch Gottes
Macht und des Sohnes und des heiligen Geistes Hülfe, wie
das Wasser dahin fließt, so soll auch dieser und dieses
dahin fließen, jm Namen u, a. w. Dann hauche dreimal auf
die Wunde, begieße sie mit Wasser oder wasche sie aus.
(Toppen: Äbergl. aus Masuren. 3. 45.)
i) Die Schlange zu besprechen.
Schlange, du erster Sündenfall,
Christus dir den Stachel nahm,
Maria dir den Eopf zertrat,
Daß du mußt liegen wie ein Stab!
Im Namen u. s. w. f f f
(N. Pr. Pr.-Bl. a. F. XI. S. 158.)
k) Ich verfluche dich, verfluchtes Gewürm, im Namen des
Vaters u. s. w. Ich segne dich zugleich, du Ochse (Kuh),
gegen alles Gewürm, welches der Teufel geschaffen, der
Herrgott soll von Sonnenaufgang und bis Sonnen-
untergang; der Herrgott hat es ihm verboten. Nun segne
ich dich gegen . . . , gegen die männliche und weibliche
Schlange, gegen die männliche und weibliche Natter, gegen
die männliche und weibliche Blindschleiche, gegen die
männliche und weibliche Eidechse, gegen die männliche
und weibliche Maulwurfsgrille und gegen männliche
und weibliche Wiesel, nicht durch meine, meine u. a. w.
Vaterunser, ohne Amen. (Toppen: Äbergl. aus Masuren.
S. 48.)
20. Nachzutragen habe ich noch einige Punkte, die ich
über Schlangen oder giftige Thiere im Allgemeinen aus einem
alten Manuscripte entnehmen konnte, welche ein Oollector
Stephan Grau zusammentrug, der sich Scriba und Begiomontanus
BoruBsuB nennt und, wie aus dem Endjahre einer wahrschein-
zeabyCoOglC
156 Vipera berus Daud.
lieh von eben demselben verfaßten G-eBchichte Danzigs hervor-
geht, vor 1685 gelebt hat.
a) Ist ein Schwein von der Schlange gestochen, so gieb ihm
Krebs zu essen. Item BeifiiJ]. Auf den Biß leget man
Schwatbenfleisch.
b) Ist ein Beest (Eind) von einer Schlange gestochen, öieb
ihm bald Ziegenmilch einzutrinken und binde Liebstock
auf. Man giebt ihm auch Beiiuß ein und zerreibt ein
Sehwalbenneat und feuchtet es mit "Wein an und legt ea
auf den Biß.
c) Wenn Schlangen sieb in ein Logiament gewöhnen, so
brenne Ochsen- oder Ziegenhom und räuchere damit das
G-emaoh; solchen Geruch können sie nicht leiden.
d) Schlangen im Leibe. Laß den Patienten gekocht weiße
Erbsen essen, welche sehr und über Gebühr gesalzen sein
müssen, und so heiß, als man sie ihm einbringen kann,
ein Schüsselchen voll. Die Schlange muß zum Halse heraus.
Probatum !
e) in. 137. Vor Schlangen in demLeibe. Wenn einem Menschen
eine Schlange im Schlaf vom in den Leib geschloffen, deme
ist nicht balder zn helfen, er esse denn stetigs Knoblauch;
so muß der Wurm räumen.
f) Wer einen Otter oder andern Wurm im Leibe hat, der
nehme Schreibtinte und trinke die, so wird er ledig.
g) So einem eine Schlange durch den Mund in den Leib im
Schlaf gekommen wäre. Demselben Menseben muB man
weiße dilnne Erbsen kochen imd selbige gar sehr und über
die Gebühr und Maßen salzen, den Patienten aber mit
Gewalt dazu zwingen, daß er selbige recht warm und so
lange genieße, bis der Wurm zurückgeht. Ist ein appro-
birtes und gewisses Stücklein.
h) Vor Spinnen-, Scorpion- und Schlangen-Biß (Stich). Nimb
Eättig und Honig, zerstoße es zusammen ganz klein und
schlage es Über.
DigtizBabyCoOgIC
Von A. Treiehel. 157
i) Vor Schlangen-, Ottern- nnd Eidexenbiß: Senf mit Esaig
gestoßen und aufgeleget.
k) Item. Ziegenmist mit Essig gekocht nnd aufgeleget.
1) Wie man Menschen und Vieh soll helfen, wenn sie vom
vergifteten Thier gebissen oder vergiftet werden. Fange
eine große Kröte im 30. zwischen den 2 Frauentagen,
spieße sie und laß sie an der Sonne verdorren, daß sie
dürr wird. "Wo alsdann etwas vergiftet ist, so lege die
Kröte drauf, so vergeht die Schwulst uud ziehet den Gift
an sich. Ist auch in der Zeit der Pest zu gebrauchen sehr
gut. D. Pelin. Horati.
m) Für Spinnen- oder anderer giftigen Thieren Biß. Wenn
das Viehe von einer Spinne, Skorpion oder andern giftigen
Thieren gestochen worden und derowegen der Obrt{?) sehr
schwillet, nimm Stieftnütterlein, so 3 Farben haben, mit
Kraut und Blumen, siede es in Wasser und lege es dem
Vieh fein warm auf. Dergleichen thut Schelkraut oder
groß Schwalbenkraut.
n) Die Schweine fressen öfter Schlangen. Dann stehen sie
mit gekrümmtem Kücken, setzen alle 4 Füße zusammen
und zittern. Um sie von dem Gifte zu entledigen, schneide
ihnen ein Löchlein in's Ohr und stecke darein Christwurzel.
Es ziehet alles Gift aus dem Leibe in's Ohr und so das Ohr
schwillet, so geneset das Schwein und das Ohr fällt darnach
ab. Sonsten ist auch gut Tobacus, Wermuth, Knoblauch,
in's Fressen gemenget.
Nach Einsendung dieses Manuscripts ist 1888 in den Ab*
handlangen der Senckenbergischen Gesellschaft zu Frankfurt a. M.
eine gediegene und umfangreiche Arbeit über die Kreuzotter "
nnd ihre Verbreitung in Deutschland vom Oberlehrer 0. Blum
ebendort erschienen, zu welcher in allen Punkten ich ebenfalls
die durch Fragebogen ausgesprochenen Wünsche zu erfüllen
bestrebt war. Da indessen die von Volksmeinung und Aber-
glauben getragenen Funkte dort keine Beachtung fanden, mußte
ich selbige hier besonders herstellen.
DigtizBabyCoOgIC
Noch einmal das Lied auf die Danziger Felide
Ton 1576.
Von
JohaiiBea B*lt«.
Das kräftige kampfesßrendige Lied des jungen Danziger
Beiters, welches ich oben Bd. XXY, 333—338 mitgetheilt habe,
fand nicht nur in Deutschland weite Yerbreitnng, sondern rief auch
auf polnischer Seite eine erbitterte Gegenschrift hervor.') Joachim
Bielski, der Sohn des bekannten polnischen Chronisten Martin
Bielski, dichtete 1577 eine lateinische 'Satyra in quendam Dantis-
caniim, qui levibus ac ineptis suis quibusdam Oermanicis rhyfhmis
multa nefaria de Rege et Regno Poloniae scribere et per Oermaniam
ubique spargere impuiUnler ausus est^, welche als An^iang zu
Johann Laaiczkia 'Clades Dantiscanorum a. d. 1677, 17. Aprüis'
zu Frankftirt lö78 gedruckt wurde.*) Bielski zieht gegen seinen
Feind, der den christlichsten' und tapfersten König schmählich
verleumde, mit heftigen Schimpfworten als gegen einen Rftuber,
der den Galgen verdiene, los und verglast nicht, das Verfahren
der Danziger als treulosen Verrat und Rebellion zu bezeichnen.
Dann geht er auf einzelne Stellen und Ausdrücke des deutschen
Liedes ein; auf Str. 2—7 erwiedert er entrüstet
AuBue Teutonicaa paBtim fam foeda per wbes
Pfurima de tiottra mmdaeia spargere gente:
1) Erst Dachträglich bin ich darch U. Töppens Einweis (ÄltpreuS.
UoDatsschrift IX, 426 f.) auf dieselbe aufmerksam geworden.
2) Ich benutze den Äbdrack bei Joon. Pistorins, Polonicae historiae
corpus (BasUeae 1682) S p. 112—113. Es sind im ganzen 129 Hexameter.
DigtizBabyCoOgIC
Von Jobanaes Bolte. 159
Taftquam cum Tufoit iam cotuptrauerit, et iam
Chriatiadwn imtltit fraudi aii Laehia regni».
0 eteerandum scelw eritioque piandum
Dantiscae pltbi» —
Besonders kränkt Um die bdbnisohe Einladung zu einem
Gastmahl nach Danzig (Str. 14 — 16):
Ad coenam et latttae nostroi conttiuia memae
Inuitai? aderunt Uli tum multa rogaH.
Tot modo Danlisci ad «eitrag ueniatfibm aedet
HoBpitibua mähtm laeti exhibeatia amicvm.
Qwisgue dapa secunt Merint, guttäte uieisrim:
Verum galsa uidebuntur, laegumque palatum
Morderi mnlto frtutra dicelit aceto.
Et chortas dueent, dederint ubi comua laetoa
Rauca »ono»: quäle» choreas^ Dantisce, »idebi»,
Cum magno pacem nequicqttam optauerig emptam.
Nam prae Itutitia ialient sie acriter Uli,
Ediderint ut quot »allu», tot ue»tra sub vndaa
Voluanlur Slyffiag capita a ceruice reuitlaa.
Viimm uelh tutt apponere dicis aduttum^}
Hogpilibua. rede: potus plaeet ille Föhnig;
Sed quoties bibitur, miaere tractabittir hotpe»,
Nee proprio gemper reaidehit tutMg in aede.
Die Kanonen und Feldschlangen der Danziger, die bellen-
den Hündlein und die singenden Vögel auf den Wällen,
(Str. 16—17) fllrchtet er nicht:
Custodet, quo» tu posui»ti in limine primo,
Nee te Sauromatae genero»i, Cerbere, curant — —
Inuenietur etUm Alcideg, gui, Cerbere, fortt
Comprenmm dextra aupera» te educal in aura».
Mutiea quae regonet, quaeris, gtib vallibtia imig?
Muiica (crede mihi) nostrae e»t gratissima genti,
Quae Martern accendit menlesgue in praelia tolUt.
Johann Kostka, der Kastellan '), wird sich das goldene
Schwert auf dem Danziger Kathanse nicht entgehen lassen (vgl.
Str. IS):
1) Finwm aduatum = Branntwein.
2) Vgl über ihn Bich. Fischer, Altpreuß. Uonateachrift XZV, 421.
DigtizBabyCoOgle
160 Noch einmal das Lied auf die Danziger Fehde von 1576.
Aurea maiptanimo donari munera Cosikae
Dicis ab irafo,^criptor ueiane, Gedatu}?
Ferrea iampridem (fauet illi pectort toto)
Magnanimus (munus pro muntre) CoHtka paratiit.
Auf Str. 20 und 22 bezieht sich noch das Folgende:
Veatibfu itiä,ti^ mtade» fulgenlibug auro:
Non opus est monifis. mos est gestare Folonk
IntRxtas aiiro ufstee oatroque superba»,
Sed tarnen Aw uictor minime potütw auarut. — —
Balnea non aarat, patiens est lolis et aeilus
Sarmala: uos ip»i kaec stntxialis balnea uobU.
Zu meineD BemerkQngen auf S. 334 trage ich nach, daß
die Melodie des Liedes: 'Bombey bombey, ihr Polen' auch von
Böhme, Altdeutsches Liederbuch (1877) No. 4ia vgl. 334 mit-
getheilt worden ist; ein Citat v. J. 1692 bei Goedeke, Grundriß^
2, 277 No. 99. Besonderes Interesse beansprucht eine um 1600
von einem Wormaer Juden, Eisak "Wallich, gemachte Auf-
zeichnuns: dieses Liedes in hebräischen Lettern (13 Str.), welche
F. Bosenberg jüngst veröiFentlicht hat (Ueber eine Sammlung
deutscher Volks- und Qesellschaftslieder in hebräischen Lettern.
Diss. Berlin 1888. S. 75—77. Auch in Geigers Zeitschrift für
die Geschichte der Juden in Deutschland 3,19).
Ein weiteres Lied aus der Danziger Fehde hat M. Toppen
in dieser Monatsschrift IX, 422 — 426 aus einer Handschrift; ab-
drucken lassen: es feiert das glückliche Gefecht der Danziger
gegen das Belagerungsheer, welches am 3. Juli 1577 stattfand.
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Kachtrag
zu dem Aufsatze „Ueber die Danzker etc/*
(Ahpreaß. Monatsschrift XXT, Heft 3/t)
Von
C BcckbcrrH.
In dem genannten Aufsatze wnrde bemerkt, daß durch
genauere Nachforschung die Anzahl der dort namhaft gemachten
mit Danzkem ausgestatteten Burgen wahrscheinlich noch ver-
größert werden könnte; diese Vermuthnng findet ihre Bestätigung
in dem inzwischen erschienenen vortrefflichen Werke Stein-
hrecht's: „Preußen zur Zeit der Landmeister. " Darin werden noch
Danzkeranlagen nachgewiesen bei den älteren Ordenshäusem
Bheden, Straßburg und Gollub, welche sämmtlich in einer von
den bereits beschriebenen Anlagen abweichenden Form und zum
Theil auch in anderer Lage erscheinen.
Der Danzker des Ordenshauses Bheden stand ungefähr
vor der Mitte des westlichen Flügels der Hauptburg. Hier
erhob sich ein ca. 13 Meter langes und um die Dicke der
Parchammaucr auf der inneren Seite verstärktes Stück dieser
Mauer über den übrigen Theil derselben bis ungefähr zur Höhe
des Hauptgeschosses des Hauses. Aus diesem Mauerstücke ragten
außen in Höhe der Zinnen der Parchammauer in regelmäßigen
Abständen von einander vier mächtige 2 Meter lange Granit-
eteine über den den Parcham umgebenden nassen Graben hinaus.
Diese Kragsteine trugen einen Erker, welcher die Latrinen ent-
hielt. Die Verbindung mit dem Hauptgeschosse des Hauses war
Al^i. Houtwohrift Bd. XXVL Hft. 1 u. 2. H
DigtizBabyCoO^IC
162 Nachtrag zu dem Aufsätze „Ueber die Danzker etc."
durch einen, vermuthlich überwölbten, Gan^ hergestellt, der auf
einem den Parcham überbrückenden Bogen von ca. 10 Metern
Spannung ruhte.') Hier liegt der seltenere Fall vor, daß durch
den Danzker der Unrath des Hauses dem Graben überliefert
wurde; die daraus eutsteheudeu Nachtheile wurden aber dadurch
verringert, daß der Graben von dem Schloßsee aus mit Wasser
gespeist wurde und so eine, wenn auch nur geringe, Spülung
stattfand. Ein Keben zweck in fortificatori scher Hinsicht war
bei dieser Art von Danzkern selbstverständlich ausgeschlossen.
Eine der oben beschriebenen ähnliche Einrichtung wird
auch der Danzker des Hauses Straßburg gehabt haben, mit
dem Unterschiede, daß hier die Parchammauer nicht aiif der
, sondern auf der äußeren Seite durch einen 7 Meter
1 Pfeilerklotz verstärkt war, unter dem in geringer Ent-
fernung die Drewenz vorüberfloB.')
Bei dem Hause Gollub wird man einen in dem die Haupt-
burg von der Vorburg trennenden Graben stehenden Mauerbogen
als Rest einer Danzkeranlage ansprechen dürfen. Die Verbindung
mit dem Hause konnte nicht aufgefunden werden, weil der
dazwischen liegende Tbeil der Burg von einem modernen Hanse
eingenommen wird. Es scheint, abweichend von andern der-
artigen Anlagen, dieser Danzker seinen Zugang vom Parcham
der Hauptburg aus gehabt zu haben, und zwar neben dem der
Südweatecke des Hauses gegenüber im Parcham stehenden Haupt-
thurme. Der an diesen Tburm sich anlehnende Mauerbogen hat
wohl in der Richtung nach der Contrescarpe des Grabens noch
einen oder zwei amlere Bogen neben sich gehabt. Diese Bogen-
reihe dürfte den Gang zum Danzker getragen haben, welcher
wie anzunehmen ist, keinen Thurm, sondern eine nach außen,
nach dem Abhänge des Schloßberges gerichtete, den Danzkern
von Bheden und Straflburg ähnliche Einrichtung hatte. Diese
1) Steinbrecht, die Baukunst dea Deutschen Ritterordens in Preußen.
■ IL Tbeil: FreuGen zur Zeit der Landuieister S. 72 n, Abbild. 71, 81, 98 u. 100.
2} a. a. 0. S. 77.
DigtizBabyCoOgIC
Von C. Beckherm. 163
Anlage sollte augenscheinlich zugleich den südlichen Abschluß
des Orahens bilden; die Bogenöffnungen ^aren daher an der
äußeren Seite durch Mauern, wie an dem noch vorhandenen
Bogen ersichtlich, geschlossen. Auf ähnliche Art ist der Gang
des Danzkers am Hoohschlosse Marienburg oonstniirt.*) Durch
diesen Umstand wird auch der "Widerspruch der von Toppen
beigebrachten Mittheilung gegenüber der Angabe von Quast's
erklärt. (Vergl. S. 230/31 meines Aufsatzes.) Der Abschluß des
Grabens zu Gollub am nördlichen Ende war durch eine ein&obe
Mauer bewirkt. *)
Nur auf Ueberlieferung und Vermuthung beruht das, was
Steinbrecht über eine Danzkeranlage beim Hause Mewe (S. 96,
Anmerk. 166) sagt: „Wir vermissen am Schloß die Dansker-
anlage. Sollte der etwas größere nmde Thurm auf der Süd-
westecke des Parchams dazu gedient haben? Es
sind sehr bestimmte Nachrichten vorhanden, daß von diesem
Thurme aus ein „unterirdischer Gang" nach der Stadt zu geführt
habe. Unterirdische Verbindungsgänge lassen sich bei Ordens-
schlössem bisher nicht nachweisen, wohl aber k<'nnte es sich
um eine Kloake nach der Schlucht und weiterhin zur Verse
handeln. Es bleibt Ireilich der Zugang vom Schlosse aufzu-
finden." Träfe diese Vermuthung das Richtige, so wäre damit
wieder eine neue Form und Art der Einrichtung der Danzker-
anlagen gegeben.
Zu den in meinem Aufsatze bereits aufgeffthrten Danzkei>
anlagen noch einige zum Theil berichtigende Zusätze zu machen,
giebt mir Steinbrecht's Werk ebenfalls Veranlassung.
Von dem Danzker zu Schönsee steht heute nur noch ein
4 Meter starker, 8 Meter langer Pfeiler, welcher ringsum durch
Nischen gegliedert ist. Giese hat in seinem um 1826 gezeich-
3) a. a. 0. Abbild. 132. Diese Conatruction des Marienburgßr Danzker-
gangee ist noch deutlicher zu erkennen auf einer photogrnpbischen Äaüiabme
welche ich der Gut« des Herrn Btg -Baumeisters Steinbrecht verdanke.
4) o. a. O. AbbUd. 87 u. 38.
U*
DigtizBabyCoOgle
164 Nachtrag zu dem Aufsätze „üebet die Banzker etc.''
netea Grundriß noch mehrere Ueberreate anfhelimen können
lind noch in neuerer Zeit sind nach Aussage glaubwürdiger
Personen in der Richtung nach dem See hin zwei andere Pfeiler
and eine Vorlage an der Schloßmauer vorhanden gewesen.^)
In der Beschreibung des Schlosses Oraudenz gedenkt
Steinbrecht auch des Danzkers, und zwar hält er die im
Luatrationsbericht von 1739 erwähnte und in Dahlberg's Plan
aufgenommene Altane für die eigentliche Latrine. ") Die Be-
schreibung dieser Localität in dem Luatrationsberlchte (a. Toppen,
Ordens- und Biscbofssehlösser) scheint aber gegen diese An-
nahme zu sprechen. (Vergl. S. 233 meines Aufsatzes.)
Giese's Plan, nach welchem der als Danzker anzusehende
Thurm neben der Vorburg des Hauses Tapiau iunerhalb des
Parchams stand, wird durch den von Steinbreoht aufgenommenen
Plan berichtigt,') auf welchem dieser Thurm einen dem Zwecke
entsprechenden Standort in dem mit der Deime in Verbindung
stehenden Schloßgraben erhält. (Vergl. S. 234 meines Aufsatzes.)
Auch Giese's Plan von Lochstedt, auf welchem die
Banzkeranlage von dem Anbau neben der Scbloßkapelle ausgeht
{vergl. S, 234 meines Aufsatzes) erfährt durch Steinbrecht eine
Berichtigung, indem seine Untersuchungen ergeben, daß der
Hanzker an oder vor dem entgegengesetzten Ende des Haffflügels
gestanden hat.*) Im Text seines Werkes (S, 122) finden wir
über diese Anlage Folgendes: „Für alles muß gesorgt sein!
und so führt denn gleich hinter dem Remter [im Südflügel],
von der Ecke des Kreuzganges aus, der Gang zum Dansker.
Der Gang umzieht den großen Eckraum und nimmt demselben
dadurch noch Licht und Luft. [Es bandelt sich hier um den
noch innerhalb des Schlosses liegenden Anfang des Ganges.]
Man hatte bei dieser umständlichen Führung und gänzlichen
5) a. a. O. S. 27.
6) a. a. O. S. 45.
7) a. a. O. S. 124.
8) a. a, O. Abbildg. 167, 1G2 u.
,dbyGoogIe
Vom C. Beckherm. 165
IsoUnmg des Ganges die Absicht, das Abtragen des Unratbs
ans Haus und Küche, die unvermeidlichen Gerüche, welche vom
Dansker, anch wenn er noch so abgelegen war, den Verbindungs-
gang entlang stattfanden, ganz nnd gar von den Innenräumen des
Schlossea fem zu halten. Tom Dansker selbst steht nichts mehr;
auch sind die Ansatzspuren am AeuBeran des Gebäudes zu unklar,
um ZQ verrathen, oh sich der Thurmbau unmittelbar an das
Haus anschloß oder weiter in das Haff reichte, wie aus einem
Epitapbbilde, welches früher in der Schloßkapelle hing, hervor-
gegangen sein soll. (Gebauer, Das Ordenshaus Lochstedt. Pr,
Prov.-Bl. 1838)."»)
9) Die Bibliothek der „Pnissia" besitzt einen im Jahre 164^ vom
Feldmesser Conrad Bark gezeichneten Plan dea „kurfürsHichen Vorwerks
Lochstedt", auf welchem die Gebäude leider in einer sehr unzweckmäßigen
und sehr venii; anschaulichen Manier, einer nngearhickten Nachahmung der
Vogelpewrpective, dargestellt sind; auch erscheinen sie sämmtlich in einer so
gleichartigen Gestalt, da& ea schwer wird, das SchloB von den ßhrigen das-
selbe umgebenden Wirthschaftsgebäiiden und Wohuhänsem dea Amts-
Torwerks zu unterscheiden. Bei genauer Prül'ung und Vergleichimg mit
neueren Karten und Plänen läSt sich jedoch Folgendes herausfinden. B.e-
trachtet man den Plan vom Ostpunkte aus. so fallt inmitten anderer Gebäude
ein solches auf, welches seine östliche Langseite dem Beschauer zukehrt
und an seiner südlichen Schmalseite mit einem Thurme geziert ist. Ich
halte dieses Gebäude für den Westfliigel des Schlosses. An die östliche
Seite des Thurmes stößt im rechten Winkel ein in seiner Längenausdehnung
sich nach Osten erstreckendes zweites Gebäude, welches so gezeichnet ist,
als ob es umgefallen sei und auf seiner südlichen Langseite liege. Dieses
dürfte dsD Südäügel des Schlosses darstellen sollen. Von den umher-
stehenden übrigen Gebäuden kann keins vermöge seiner Stellung zu den
bereits erwähnt«n Anspruch darauf machen, für einen der beiden andern
SchloBflügel gehalten zu werden; diese müssen im Jahre 1643 also schon
abgebrochen gewesen sein Der von Steinhrecht gesuchte und auf der von
den beiden nicht mehr vorhandenen Schloflflügeln gebildeten Ecke ver-
muthete Hauptthurm <,S. 114 u. Abbild, 165 bei Steinbrecht) scheint nach
dem Barkschen Plane also auf der jetzt noch vorhandenen Südwestecke des
Schlosses gestanden zu haben, welche den Anfang des Ganges zum Danzker
enthält. Der von Bark gezeichnete Thurm tritt nicht Über die Fluchtlinie
des Gebäudes hervor, sondern steht ganz in demselben, er ist viereckig,
ziemlich stark und nicht besonders hoch, hat keine Spitze, sondern eine mit
Brustwehr versehene Plattform. Die Mauern des Eckraumes, auf welchen
der Thurm nach dem Plane stehen würde, haben, wie aus den Grundrissen
DigtizBabyCoOgle
Nachtrag zu dem Aufsätze „Ceber die Danzker etc."
SteiDbrecht'a ersichtlich, auf drei leiten die genügende Slärke, um einen
nicht zu hohen Thurm tragen zu können; ans verschiedenen OrAnden erregt
dagegen die vierte nach dem westlichen Flügel gerichtete Seite Bedenken.
Hier würde unter Berücksichtigung etwa staitgefnndener baulicher Ter-
ändcTUngen der dortigen Räume ein Urtheil von fachmännischer Seit« zn
entscheiden haben, ob die Verhältnisse des gedachten Eckranmes die An-
nahme eines darüberstehenden Thurmhaiies zulassen und also der in Rede
stehende Plan von Bark richtig gezeichnet resp. von mir richtig aufge&Bt
ist.*) Auf der Haffseite de^ Thurmes bemerkt man auf dem Plan einen
kleinen Anbau, ähnlich dem noch jetzt am entgegengesetzten Ende des
südlichen Flügels neben der Kapelle befindlichen. Wenn jener Anbau neben
dem Thurme ein Ueberrest des Danzkerganges wäre, so könnte ein diesem
Anbau gegenüber unten auf dem HafFstraude etehendee Oebätide mit thor-
artigem Eingange möglicherweise der durch Beseitigung des Verbindunga-
ganges isoUrt« Danzkertburm sein. Daß dasselbe nicht die Thurmform zeigt,
sondern wie ein gewöhnliches Hans aussieht, würde hier nicht dagegen
sprechen, denn die auf dem Plane befindliche Windmühle ist ebenfalls als
äa gewöhnliches niedriges Wohnhaus dargestellt und läßt sich aN solche
nur an den an der langen Frontseite gezeichneten WindmühlenflQgeki
erkennen.
*) Herr Reg. -Baumeister Stein brecht, welchem ich vom Vorstehenden
Mittheilung machte, schreibt mir darüber: „Mit Interesse verfolge ich Ihre
Zuthaten zur Forschung betrefiend Lochatedt. Ist deim über das Epitr-ph,
auf welchem eine Abbildung von Loch&tedt sich soll befunden haben, nichts
mehr festznstetlen? Was den von Ihnen vermntheten Thurm auf der Süd-
westecke anbetrifft, so will mir die Gelegenhi-it dort aus constructiven
Gründen nicht recht einleuchten. Der thurmartige Aufbau müßte doch
schon den ganzen EucheDraum des Erdgeschosses [den in Rede stehenden
Eckraum] überdeckt haben; dann wird der Thurm sehr weit. Auch die
gangartige Durchbrechung der Umfangsmauem des gedachten Thurmes im
HauptgeschoB [der Anfang des Danzkerganges] ist etwas, was einen schweren
Aufbau unwahrscheinlich macht. Dagegen führen die Spuren an der Haff-
AuGenseite dieses Raumes deutlich darauf hin, datt hier ein volles, schweres
Mauerwerk sich angesetzt bat, das sehr wohl einem Thurmbau könnte an-
gehört haben. Sollte nicht vielleicht der Zeichner aus dem 17. Jahrhundert
den Thurmbao fälschlich von dieser Außenstelle auf die Gebäudedecke seihst
versetzt haben? Alles das würde durch Aufgrabungen zu Tage kommen."
,dbyGoogle
Kritiken nnd Referate.
HangerecegBe herausgegeben vom Verein für hansische Geschichte. 2. Ab-
theilung van 1481—1476 bearbeitet von Goewin Frhr. von der Ropp.
Band V. 3, Abtheilung von 1477-1&30 bearbeitet von Dietrich
Schäfer. Band III. Leipzig 1888, Verlag von Duncker & Hmnblot
in 4. Xnr, 647 nnd XII, 590. M. 22,50 u. 20.
Da8 große unternehmen der Herausgabe der Hanserecesse , über
«reiches in diesen Blättern schon zu wiederholten Malen berichtet wurde, ist
im verflossenen Jahre um zwei Bände gewachsen, welche die Jahre 1460 bis
1466 nnd 14'»1— 97 umfassen. Der fünfte Band der zweiten Abtheilung
' bringt in (!33 Nmnmem, von denen, um die stetig anwachaende Fülle des
Stoffes zn bewältigen, nur 147 im Wortlaut und 68€ im Auszüge gegebeu
werden, die Verhandlungen von 38 Versammlungen und neim Gruppen von
Verhandlungen, die sich an keinen bestimmten Städtetag anschließen. Nach
bewährtem Branche hat der Heransgeber, Professor von der Ropp in Gießen,
in seiner kurzen Einleitung die Fragen, welche auf diesen Hansetagen haupt-
sächlich erörtert wurden, übersichtlich zusammengestellt. Nach drei
Richtungen sah sich in diesen Jahren 1460—66 der deutsche Kaufmann in
seiner Thätigkeit gehemmt; in England trat unter dem neuen König
Eduard IV. ans dem Hanse York die Eifersucht gegen die privilegirte Stellung
der deutschen Hanse noch stjlrlcer als bisher zu Tage: nur gegen Gleich-
stellung der Engländer mit dem deutschen Kaufmann in den Hansestädten
und AusschluB des hansischen Zwischenhandels aus den westlichen Küsten-
gegenden wollte der König überhaupt die Privilegien bestätigen. Beide
Forderungen trafen die Seestädte des Ostens, insbesondere Danzig, weit
härter, als die Binnenstädte, als deren Haupt Köln auftrat, fanden im Osten
eine entschiedene Ablehnung, während Köln mit seinem Anhang nicht ab-
geneigt war darauf einzugehen, und führten so zu einer Spaltung innerhalb
des Bundes. Die Verhandlungen mit England geriethen dabei ins Stocken.
Auch in Flandern führte das Autstreben der heimischen Konkurrenz und
die verschiedene Stellung, welche die einzelnen Glieder der Hanse dazu
nahmen, zu Zerwürfnissen zwischen Köln und den wendisf^hen Slädten.
Das dritte grofle Hemmniß für den deutschen Kaufmann war der noch
DigtizBabyCoOgIC
IgS Kritiken und Beferate.
immer forfdftuernde Kriep; in PrenOen. Um ihn zu beendigen unternahmen
die Hansestädte mit dem Bischof von Lübeck an der Spitze im Sommer 1461
den Versuch einer Vermitt^lung zn-isi-hen den kriegiülirenden Parteien, der
zwar nochTiicht zur Beilegung des Kampfes führte, aber durch Begründung
der beiderseitigen Ansprüche die Grundlage herstellte, auf welcher zwei
Jahre 8pät«r der Friede endlich zu Stande kam. Die Acten dieser hansischen
Vermittlung sind von v- d. Bopp vollständig auf S. 272-400. No. 374 bis
610, mitgetheilt, nachdem bisher ntir einzelne Theile aus Paul Poles Königs-
berger Chronik im 6. Bande der Scriptores rerura Prnssicarnra und in den
Acten der Ständetage PreuHens abgedruckt waren. Besonderes Int«ress6
gewährt der tagebnchartige Bericht di^slüliischen Stadischreibers Johann Bracht,
iu dem anch die Verwastungen des t^chon 10 Jahre währenden Krieges auf
der Keise von Danzig noch Thom ergreifend geschildert, werden. Unter
den polnischen Commissaren hefnjid sich der Krakauer Domherr
Johannes DliigoB, den Ropp mit Recht für den Verfasser der zur Be-
gründung der polnischen Fordernngen eingereichten Denkschrift (n. 444)
ansieht: sie leidet vielleicht weniger an Uni Bekanntschaft mit historischer
Kritik, als an einer staatsrechtlichen Fiction, welche die allen pommerellischen
Herzöge ohne Weiteres zu polnischen Fürsten macht. Beknnnt tet, daß
DlngoB seine Thätigkeit als Mitglied der polnischen Commission zu Nach-
forschungen in den Klöstern Westpreußens nach Urkunden und Chroniken
benutzte, die nicht nur jenem augenblicklichen Zwecke, sondern auch später
seiner polnischen Geschichte dienten.
Neben den Acten der hansischen Vermittehmg tritt Preußen in dem
vorliegenden Bande nur wenig hervor — leicht erklärlich, da so lange der
Krieg anhielt, die Betheiligung der preußischen Städte an den hansischen
Angelegenheiten nu^r eine schwache sein konnte. Von No. 374—500, den
Acten der Vermittelung, abgesehen, erscheint Danzig in 73 Nummern, Thom
und Königsberg in 2, Elbing in 1, Freußen im Allgemeinen in 8 Der
Antheil der preußischen Archive ist ebenfalls zurückgetreten, aus Danzig
stammen drei Recesse und 71 Briefe, ans Thom 3 und aus dem Königsberger
Staatsarchiv 2 Nummern.
Der dritte Band der dritten Abtheilnng enthält 776 Nummern, von
denen ebenfalls die Correspondenz der Städte unter einander überwiegend in
R«gestenform mitgetheilt wird. Der Einleitung Professor Schaefvr's (jetzt
in Tübingen) entnehmen wir, daß in Folge des fortwährenden Seeraubee an
den dänischen Küsten das Yerhältniß der Hanse zu König Johann von Däne-
mark immer gespannter wurde, bis das BündniB der Städte mit dem
schwedischen Reichs verweser Sten Sture im Sommer 1494 den Unionskönig
zur Nachgiebigkeit bewog und er unter brandenborgischer Yemuttelung ein-
lenkte. In dieselbe Zeit fällt die Schließung des Hofes von Nowgorod
D,gt,zBabyC00<^IC
Hanserecesse. 169
1494, der aber SchSfer die ihr herkömmlich beieceIegt«Beilentiiii\- für den Nieder-
gang der hanaianhen Mafht eniachieden abapriiht. Nur die livlÄndisfhen Slädte
Trnrden davon betroßVn. die wendis<!ht;n Städte lehnen sngar 1496 ab eine
Gesandtschaft deslialb nach ßußland zu schichen. Weit wichtiger für die
Wendung der hanBiachen Geschichte ist das überall in Deutschland hervor-
tretende Bestreben der Land esfd raten sich die Städte zu unterwerfen, so in
Braunschweig, in Mecklenburg. In Flandern wurde die H^nse durch die
Streitigkeiten zwischen Brügge und König Maximilian beeinträchtigt, in Eng-
land dauern die alten Klagen fort. In PreuBen tauoht 1493 der Streit um
die 1473 von dem Danziger Schiffer Paul Beneke genommene burgundiache
Galeide des floreniiner Kaufmanns Thomaa Portimari 'auf der nich auch das
berühmt« Bild der Dnnziger Marienkirche. Hans Memlings jungsies Gericht,
befand), wieder auf (vgl. Hansische Geschichtshlätter Bd. IV. Heft 1
p. LXIV/LXV), er fand erst 1499 „durch die diplomatische GesMihicklichkeit
des lübiachea Vertreters, des bekannten Historikers Albert Krantz, seine
Erledigung."
Obwohl seit dem zweiten Thomer Frieden von preußischen Städten
eigentlich nur noch Dan zig Antheil an den Verliiindliii>gen der Hanse
nimmt, ist doch Preußen in diesem Bande stark vertreten: Danzig mit
173 Nummern (von denen 22 völlig zum Abdruck gelangen)^ Königsberg
nnd Thom mit 6, Elbing mit 5, Kulm, das sonderbarer Weise Kolmar ge-
nannt wird, mit 2, Braunsberg mit 1, der Hochmeister erscheint viermal,
Äusztlge aus den Verhandlungen von drei westprenßi sehen Stäniletageu —
deren vollständige Veröffentlichung kürzlich der westp reu ßi sehe Geschichts-
verein mit einem ersten Hefte von 1467 bis 1471 begonnen hat — bringen
No. 254, 296 n. 445 (1493 Nov. 2B Elbing, 1494 Apr. 27 Granden?, Sept. 17
Elbing).
Der Antheil des Danziger Archivs an diesem Bande ist erheblich
stärker als an dem vorigen: aus ihm stammen drei Recesse (die eben-
erwAhnten wesipreufiischen Ständetage) und 190 Briefe (die grollte Zalil der
einem Archiv entnommenen Nummern), von den übrigen preußischen Archiven
hat nur noch das Königsberger Staatearchiv zwei Nummern beigesteuert.
Die stattliche Sammlung der Hanserecesse zählt jetzt bereits iseit 1870)
dreizehn Bände, von denen die erste, von der historischen Commission in
Manchen herausgegebene Abtheilung von Dr. Karl Koppmanu (seit 1884
Stadtarchivar in Rostock) bearbeitet wird und bis jetzt in 5 Bänden bis
1410 reicht, die zweite und dritte, für den Verein fllr hansische Geschichte
von den Professoren Q. v. d Kopp und D. Schäfer unternommene, in 5
resp. 3 Bändun die Jahre 1431-1466 nnd 1477—1497 umfassen.
Halle a. S. U. Perlbach.
DigtizBabyCoOgle
170 Kritiken ond Eeferat«.
P«kka Varia. Masnriache Dorfgeschichten von Bichard Skowronnek.
Dresden nnd Leipzig, Heinrich Minden, 1889. — 8", 4 Bl.,
223 pg. - (3 Mark).
Je seltener es ist, einen Sohn Ifasurens sich literarisch mit seiner
Heimath beschäftigen zu sehen, um so erfreulicher erscheint vorliegende
Veröffentlichung, die man nicht den Eintagsfliegen zuzählen darf, die viel-
mehr ihrer natiirwahren Schilderung des masiirischen "Vnlkscharaliters ond
masurischer Verhältnisse wesen dauernden Warth behalten wird. So wie
der Masnr hier geschildert wird, ao ist er: religiös, offen, gntmüthig, weich-
herzig, gastfrei und gerecht igkeitsi lebend (ich will noch liinzufilgen: begubt
nnd talentvoll) — aber auch halsstarrig, eigenwillig, jähzornig, darum
streitsUchlig nnd zu Gewaltthaten gi'neigt, außerdem leider vielfach trunk-
liebend. Auch den masuriachen Dialecl hat der Verfasser mit Treue wieder-
gegeben: „Ludjieh", „Sochia", „kaniny moat", „Nowajesch", „Rekowo" —
so spricht der Masor die Worte lAidwib, Zofia, kamienny mott, Nowawiei,
Jtakoiro aus. — Im Titel hätte der Verfasser, da er einmal polnische Worte
wählte, diese auch richtig schreiben sollen „Polska Marya^; ebenso müUte
statt „Samiel" Samel, statt „Thomaz" Tomiuch und statt „Stnczin" (Name
einer Stadt in Poleni Schlschucit/n oder der richtige Name Sceiuctifn stehen.
Was „solanka" bedeutet, hätte der Verfasser seinen deutschen Lesern er-
klären sollen: eine Salztonne zu Fischen. — Fährt der Verfasser fort, die
masurischen Verhältnisse gerecht und treu, ohne Berührung des traurig-
widrigen Natinualitätsstreites, zu schildern, so sehen wir ferneren Veröffeut-
licbungen gern entgegen.
Johannes Sembrzjcki.
Wisla. Mlesiqrznik gleograflcüno-etno^aflcziif. Warschan, Buchhandlung
von M Arct (7 Rubel jähilich).
„Die Weichsel. Geographisch-ethnographische Monatascluift." lautet
deutsch der Titel obiger Zeitschrift, die nnter der amsichtigen Leitung von
Dr. J. Karlowicz sich den besten Leistungen Deutschlands anf diesem
Gebiet« ebenbürtig zur Seite stellen darf. In dem vorliegenden letzten
Hefte des zweiten Jahrganges entwirft in „Volk nud Blumen am Niemen"
£. Orzeszkowa farbenprächtige lebensvolle Bilder aus dem Volkaleben am
oberen Niemen verbunden mit werthvollen Beiträgen anr volkathümlichen
Pflanzenkunde. Interessant ist es, aus dieser Arbeit {pg. 687) zn ersehen,
wie selbst in jene entlegenen Gegenden Germanismen ihren Weg geitinden
haben; der Frauen -Unterrock heiilt dort im Volksmunde „andarak" (wohl
vom plattdentschen „Onderrock"), Ferner sind hervorzuheben: ein Artikel
von Earlowicz über die einem Grimmschen Uärchen verwandt« polnische
DigtizBabyCoOgIC
Wisla. Uiesi^znik gieograficzno-etnogrEtficzDy von M. Ärct. 171
Tolkssoge TOD dem nnartigea Kinde, welches seine Matter schlag, wofür
zur Strafe noch seinem Tode seine Hand so lange ans dem Grabhügel her-
vorragt«, bis dieUiitter diese mit einer Rathe schlug, ans weichet letzteren,
nachdem sie auf das Grab gepflanzt worden, eine Birke hervorwnchs, —
nnd von W. Oerson eine Arbeit aber eigenthümliche polnische ThOrverzie-
mngen und Fenstereinfassungen, sowie die vorzügliche Abbildung eines
Goralen in der Nationaltracht ans dem Tatragebirge- Fg. 833 ß. mitge-
theilte Spruchtbrmeln erinnern an die bei Frischbier („Preußische Volks-
reime und Volksspiele") pg. 126—162 verzeichneten Abzählreime; z. B, Frisch-
bier No. eCß:
„Ena mene minke tinke,
Vftder Rader rollke tollke,
"Wiggel waggel weg."
Wisla n, pg. 833: „Ene raene dike bake siorbe torbe insze smake
enter wfts buter kwae ty zaj^zku dalej w las." Ein Bericht über das
ethnographische Mnseum in Warschau und seinen neuen reichen Zuwachs
an Trachten aas allen Theilen des Landes erinnert an das „Museum deatscher
Volkstrachten " zu Berlin, jetzt im Hygiene- Musen m. — Volle Aufmerk-
samkeit verdient endlich ein Artikel von M. Dowojna-Sylwestrowicz über
das iemajtische Bauemhaos, eine Ergänzong zu Prof. Dr. Bezzanberger's
Arbeit „ober das litauische haus" in Bd. XXIII der „Altpr. Mschr." Er
bestätigt im Ganzen die Angabe des letzteren, daß das russisch-litauische
Hans von dem prenesisch- litauischen principiell nicht verschieden sei.
Dowojna-Sjlwestrowicz beschreibt zuerst ein iemajtis bes Rauchhans mit
Abbildungen und dem Orundrifi eines solchen, der den Figuren L und 18
bei Bezzenberger entspricht, während die Vorderansicht auf pg. 840 der
Figur 15 bei Bezzenberger sehr ähnlich sieht. Sodann folgt der Plan eines
alten adligen Gutabausea, Abbildungen iemajtischer Zäune u. a. m.
Jedem, der sich für die ethnographischen Verhältnisse in nnserem
Nachbarlande interessirt, sei die „Wisla" hiermit besiena empfohlen, um so
mehr, als sie auch unser ostpreossisches Litauen und Masuren in ihren
Bereich zieht.
Mdge mir hierbei die Bemerkung verstattet sein, wie geradezu unum-
gänglich Dothwendig für jeden mit Ostprenssen sich Bescbäl'tigi^den die
KenntniB sowohl der litauischen als auch namentlich der polnischen Spracbe
nnd Literatur ist, wenn er nicht, ohne es zu wissen, auf Irrwege geraihen
wilL Vieler Beispiele ans früherer Zeit zu geschweigen, sei hier nur zweier
schlagender Fälle aus dem Jahre 1888 gedacht, wo in einer Zeitschrift allen
Ernstes der Durchzug der Gothen und Kuren durch unsere Provinz durch
die Ortsnamen Gutten, Kurken, Kurwien, Kurzontken u. s. w. in
Masuren, zu erweisen versucht wurde, und wo femer an anderer Stelle
DigtizBabyCoO^IC
172 Kritiken und Beferat«.
Jemand die l]tiiuis<^hen Ortsnamen Drunken, Gnttawutschen, Gnd-
laiiken durch „Snlzbe wahrer", „Goihenfluchtlinge", „Gotlienfeld" Obersetzte,
Ueber die Deuluig der eben ern-ähnten masurisflien Ortsnamen kann jeder,
der polnisch versteht und K^trzyfislti's Werk „O ludnoäci polski^j" etc, ge-
lesen hat, nur lächeln. Bei einer solchen Namenerklärung fänden wir bei
Tons ebensogut Spuren der Perser (Perschein, Parsing), der Heder
(Meddicken, Medellen, Medensu, MedUuken =^ „Mederfeld"! Medunischken),
der alten Römer (Romanken, R'>mfin9gut, Romannwen, Romiuiuppen) und
vieler anderer Völker heraus. Und wo in aller Welt steckt im Worte
^Drusken" die Bedeutung „Salzbewahrer" ? Druska heiBt litauisch Salz,
und „Drusken" bezeiplinet etwa eine Stelle, wo Salz ist (wie ja thatsäcldich
bei Drusken, Kreis Wehlau, eine schwache Salzquelle vorhanden ist) — aber
wo bleiben die ,,Bewahrer"? Ebenso unerfindlich bleibt der Zusammenhang
von „Gothenflüchtling" mit Guttawutschen ! Vielleicht meint der Herr
Erklärer, daß die Golhen da hin „gewiitscht" sind (wie der ostpreußische
Provinzialismus lautet) — aber der Ort hieß ja früher (cf, Goldbeck's Topo-
graphie) „Gu ttawischken"! Sollte etwa die bei litauischen Durfnamen
so zahlreiche Endnng — ' tcUchhen anzeigen, daß alle diese Orte von „Flücht-
lingen" gegründet sind? Endlich heißt Gndlanken dentsch nicht „Gothen-
fehl" sondern „Giiddi-nfeld", und wen der preussische Litauer mit „gudas"
meint, ist bekannt: die Bewohner des südöstlichen Nachbarlandes, gleichviel
ob Litauer, Weißrussen oder Polen. Wahrscheinlich mag also der Ort von
einem ans dem Südosten hergewanderten Litauer seinen Namen haben ; warum
gleich von einem Gothen? — Gegen solchen kenntnißloseri Dilettantismus,
wie er xich neuerdinge breit zu machen beginnt, öffentlich zu protestiren,
- ist mit der Zweck dieser Zeilen.
Johannes Sembrczyki.
Älterthumsgesell Schaft Prussla In Königsberg 1888.
Sitznnf Tora 28. M&rz. Herr Professor Heydeck erstattet« Bericht
über die Untersuchungen von zwei Piahlbauten, «"eiche er im August. 1687
in dem südlichen Theile Masurens ausgeführt hatt«. In großen Zeichnungen
waren die bezüglichen Oertlichkeiten der Fundstätten näher dargestellt und
die bedeutende Zahl der gewonnenen Funde lag in EinzelstUcken, wia in
sorgsam geordneten Talein verbunden zur ßesicbtigong bereit.
Die erste Untersuchunc eratiockte sich auf einen Pfahlbau am
Szontag-See, 2 km nördlich von der Südbahnstation Jncha. Vor sehn
Jahren ist der Wasserspiegel des Sees um etwa 1,5 m gesenkt. Das ge-
e Land ist zur Ackemng in Pacht gegeben. Herr Skotnik-Scze-
DigtizBabyCoOglC
Alterthumsgeaellschaft Pnusia. 1889. 173
czinowan hatte anf seiDem Theile mehrfach archäologische Spnren bekundet,
nod anf die von Herrn Major v. Streng-Berghof eingezoß^ne Benachrich-
tigung wurde die nähere Erforschung ui>t«r wirksamer Beihilfe des Herrn
Sektor Krawlitzki-Neu Jucha unternommen. Der Pfahlbau hat so lange
bereits trocken gelegen, daß nur noch die unter dem Horizont des Grund-
wassers liegenden Stücke mfiglichst erhalten zu Tage gefördert werden
konnten. Die darüber liegenden Teile waren stark versetzt und ei konnte
sonach auf Funde an Faserstoffen , Cerealien etc. von vornherein nicht
gerechnet werden. Der Bau hat eine Ausdehnung von 18 und 16 m im '
Geviert; er ist durchschnittlich 1,20 m tief und ähnlich konstruirt wie die
Pfalbauten im Ärya-, Czarnykock- und in dem noch weiter zu besprecheiiden
Tidewosee: Horizontale kreuzweise Holzpackung, mit nach der Landseite
geneigter Verpfählung, Die Vertikalptahle 3,5 m lang, 17 bis 32 cm stark,
Eichen oder Kiefer, gut zugespitzt, zu zweien und dreien. Die Horizontal-
lager aus dünneren, weichen Hölzern, Birken. Ellem. Weiden, nur selten
Eichen und Eschen. Weil in enger Bucht gelegen und sicher gegen Strö-
mung und Wellenspülung, ohne schätzende Verpfählung außerhalb. Eine
Pfahlbrücke nach dem festen Lande nicht erkennbar, doch vermuthUch
fniher am südlichen Ende gelegen. Die Funde selbst sehr zerstreut und
verschiedene tief gelegen, meist abi'r an dem Rande nach dem See zu:
3 Steinhammer, ein runder Stein 6.5 cm Durchmesser, auf einer Seite mit
halbkugelförmiger Vertiefung, wahrscheinlich als Widerlä^^er Iflr Dreh-
handtierung, also auch Dauerroachen, 14 Feuerstein meseer, 12 meiGolHrtige
Späne von Feuerstein, viele andere Feuersteinspäne. NuUkernschalen und
sonstige Abfälle, Schleifsteine von feinkörnigem Sandstein, ein Schleif- und
Polirstein von Granit, Knocliensch läger, walzenförmig zngeaclilifFene Schleu-
dersteine, M(lbLst«instucke und Läufer znm Zermahleii von Getreide und zu
Schleitz wecken. Von Metall nur eine runde Zitrscheibe mit Öse in der
Mitte und Punk ti r Verzierungen von Bronze. Knochenf-erätlie ; 5 Nadeln mit
Bohrlöchern, wie heniige Stupfnadeln, Haai^ und Gewandnadeln, ein Schaber,
35 kleine und 15 grosse Pfriemen , 8 Speerspitzen, 4 gewöhnliche und
2 röhrenförmige Meillel, Eberzähue, 2 Homhämmer. bearbeitete Geweih-
sprossen zum Durchbohren von Häuten, vielleicht auch als Waffen.
In dem folgenden Vortiage: Ein Stammbuch aus dem Freundes-
kreise Hölderlin's behandelte Herr Schulamtskandidat Ungewitter das
durch ein Geschenk des Herrn Dr. Simon in Tübingen in des Besitz der
Prussia gelangte Stammbuch eines der vertrautesten Freunde Hölderlins
seines Schul- and Studien genossen C. F. Hiller. Nachdem der Vortragende
in kurzen Zügen die Erscheinung Hölderlins als Mensch und' Dichter um-
rissen und die allen alten Stammbüchern ein gemeinsames Gepräge gebenden
Ifistetehenden Eigeuthttmlicbkeiten hervorgehoben hatte, wandte er sich dem
DigtizBabyCoOgIC
]^74 Kritiken und Beferate.
vorliofEenden Stammbuche zu, welches in mehrfacher Hinsicht der Betrach-
tung werth ist. Dusselbe btet«t mit der grofien Zahl der eingezeichneten
Personen (170 Eiczeichnongen mit 110 Schattenrissen) ein willkommenee
Mittel, das Bild des genannten Kreises dnrch mannigfache Züge zu beleben
und zu ergänzen. Vierzehn in Farben zum Theil mit großer Kunst ausge-
führtp Vollbilder führen uns die schwäbische Heiroath Htlleis und seines
Freundes vor Augen. Besonderen Werth aber empfängt das Buch durch die
von Hölderlin eingeschriebenen Verse und durch das Bild dfs Dichters ans
seinem achtzehnten Lebensjahre, welches zu dem einzig bekannten Bilde
uns der Zeit vor seiner Geisteszerriittung eine bemerkenswerthe Ergänzung
bildet. Die Verse Hölderlins, welche eine schmerzliche Ahnung aussprechen,
.wurden mit verwandten Stellen ans seinen frühesten Gedichten verglichen.
Das Bild und die Handschrift von Hölderlius erster Jugendliebe konnten
in einer anderen Einzeichnung mit groGer Wahrscheinlichkeit vermnthet
werden. — Die Eintragungen ans der Universitätszeit der Freunde zeigen
olle jene zum Theil bedeutenden Namen, deren Träger sich damals auf der
Tübinger Hochschule vereinigt hatten. Wir erwähnen Hegel, Scheüing
(mit einem höchst bezeichnenden SchattenriB), die schwäbischen' Dichter
Neuffer, Magenan, Stäudlin u. a. Dos gesellige Leben auf der Uni- .
versifät wird nach seinen verschiedenen Erscheinungen vorgeführt. Der
gewaltige Eindruck der französischen Revolution läßt sich in mannigfachen
EÜnzeichnungen verfolgen. Beeonders die äberrheinischen Studenten zeigen
sich als begeisterte Bewumlerer der Ereignisse in Frankreich nnd gefallen
sich trotz ihrer znm Theil gut deutschen Namen darin, ihr Erinnerungsblatt
französisch abzufassen. Etwas eigenartiges aber bieten die französischen
and englischen Einzeichntmgen noch weniger als die dentschen. F.Jn bewußt
ausgesprochenes deutsches VolksgefUhl findet sich jedoch auch schon, wenn-
gleich nur in einer einzigen Einzeichnung, welche dem Revolntionajubel
gegenüber an jenen Gedanken erinnert, in dem Goethe sein Hermann und
Dorothea so machtvoll ausklingen läßt. (Die betreffende Aeußerung ist kurze
Zeit vor dem Erscheinen von Hermann und Dorothea geschrieben.) — 1a
Bezng auf den Besitzer des Stammbuchs lassen sämmtliche Arbeiten über
Hölderlin uns im Stich, trotzdem derselbe dem Dichter lange Jahre hindurch
sehr nahe stand. Zwei Gedichte Hölderlins, „Kanton Schwyz", „An meinen
lieben Hiller" und „An Hiller" zeichnen das Bild dieses Freundes aufs An-
muthigat«. Die Gefühle, die demselben in diesem Stammbuche entgegen-
gebracht werden, sind eiu Beweis lUr die Wahrheit von Hölderlins Loh:
„Du lebtest Freund! es blüht nur wenigen des Ledens Murgen, wie er Dir
geblüht!" — Im Jahre 1793 wollte Hiller nach Amerika auswandern, um
„dort im Schooße der Freiheit glücklich sein zu können". Die bis 1800 nur
'Wenig unterbrochenen Stammbuchblätter zeigen jedoch, daß er höchstens
DigtizBabyCoOgIC
AlterthamegesellBcbaft Praseia 1888. 176
nur knrsie Zeit in Amerika war. Er fßtrt« wie Hölderlin und Hegel zu
dieser Zeit ein Wanderleben als Hauslehrer. Das letzte Stammbtichblatt ist
1800 geschrieben. Yon diesem Jahre ab hüllt sich seine Bahn in Dunkel.
Er entschwindet unserem Blick also zn der Zeit etwa, als sein Hölderlin
sich ZOT Terhängnisschweren Fahrt nach Bordeaux rüstete, von der er nur
gebrochenen Geistes in das „Heilige Herz der Volker, das Vaterland'' heim-
kehren sollte. [Ostpt. Ztg. T. 20. n. 21. Apr. 1888. Beü. zu No. 93 u. 94.]
Sltting TOin 18> Hai. Die Versammlnng wurde dieses Mal mit einem
Vortrage ihres Vorditzenden, Herrn Oberlehrer Dr. Bujack, über
Scbamhorst'H Leken bla mm Jakre ISO?
eingeleitet. Erst vor zwei Jahren ist der Geheime Staat^archivar Aichivrath
Dr. Uax Lehmann*) als Biograph des nicht hoch genug zu feiernden
Adoptivsohnes unseres PreuQenlandes aufgetreten. Sein Buch sei ein Stück
seines Lebens geworden, sagt der gelehrte Historiker in seiner Widmung an
Heinrich v. Treitschkennd „'ch darf sagen, daß e« auch ein Stück meines
Herzens enthält", fügt er bewegt hinzu. Es hat nicht an dem Einwände gefehlt,
von welchem Standpunkte und für welche Partei denn das Werk geschrieben
sei! Ja, es ist eben ein solches, welchem die geschichtliche Wahrheit das
Recht giebt; es ist kein polemisches Werk, ebenso wenig wie dieses das an
Schwierigkeit der Behandlung gleichmäßig dastehende, großartigere Werk des
Generals v. Höpfner, der Krieg von 1806 und 1307, war. Beide erzählen
getreu von schwerer, tief bedrängter Zeit; sie berichten aber um so aus-
drücklicher von Männern und Thaten, die von Hofinungsglanz aut erlösende
Beft^iung um klärt, der Zuversicht wiederum einen festigenden Hort gewährten.
Gehen wir in allgemeinen Zügen auf das Lebensbild dieses hoch-
herzigen und in seiner zurückhaltenden Bescheidenheit um so edler ragenden
Mannes ein, dessen raatloses Streben und Thun nur dem Wohle und der
Freiheit des deutschen Vaterlandes geweiht war, der es in der „hocbsinnigen
Sorglosigkeit um den eigenen Ruhm" seinem Biographen so überaus schwer
gemacht hat, die hohe Bedeutung seiner eigenen Wirksamkeit scharf beiaus-
heben und fixiren zu können, den aber Max v. Scheukendorf um so un-
vergeßlicher dichterisch feiert: In dem wilden Kriegestanze brach die
schönste Heldenlanze, Preußen! Eurer General
Geboren ist Gerhard David Scharnhorst 176S in Bordenan an der
Leine in Hannover, nahe dem Steinhuder Meere im BUckeburgischen. Als
Wachtmeister und Quartiermeister eines Reiterregiments war der Yater aus
dem österreichischen Erbfolgekriege zurückgekehrt mit zwei erbeuteten
Kesselpauken als einzigem Eriegslobne. Demnächst war er durch Verhei-
*> Neuerdings Professor der Geschichte an der Universität Marburg.
DigtizBabyCoOgIC
176 Eritiicen nnd Referate.
Mttliang der Landwirthscbaft zugewendet and 'Wohl hat der henuiwachsende
Sohn durch Hüten des Hausthierbestandes an der väterlichen Arbeit nnd
Sorge Theil gehabt. Nicht gerade Hervorragendes konnte för dea Knaben
Schalbildung geschehen; genügend jedoch mafi sie bei dessen reger Sinnes-
empfänglichkeit geworden sein, da er das Glöck errang, von dem weitbe-
rähmten Grafen Wilhelm von Bückebnrg in die Kadettenschnle aafge-
nomnien ku werden, welche dieser auf seiner kleinen Festung Wilhelmstain
im Steinhnder Meere eingerichtet hatte. Schamhorst war damals 17 Jahre
alt, er wurde hier 1774 UuterofSzier bei den Bombardiers, 1776 StUckjunker
und Kondukteur. Mit Dankbarkeit und Enthusiasmus hat er stets seines
"Wohlthäters gedacht, den er aber schon 1777 durch den Tod verlieren mußte.
Die soi^raltige Grundlage filr seine weitum lassende und lebenBVnll gelehrte
militärische Ausbildung hat Schamhorst an dieser Stätte gewonnen. Graf
Wilhelm war ein erfahrener Kriegsmann des siebenjährigen Krieges; er
hatte unter Pombal in Portugal sich sehr große und dankbar anerkannte
Verdienste um die Neubildung des Heeres erworben; in der Jugend war er
in England reich vorgebildet worden, und kennzeichnete sich als ein Freund
deutschen Wesens und insonderheit der deutschen Literatur durch die
Berufung unseres Herder als Superintendenten nach Bückeburg. Unter so
weiser Anleitnnn war Schamhorat zu der Höhe eines Genies he ran gediehen,
dessen zuverliissige Grundlage nach Goethe's Worten der Fleiß ist und sein
ganzes spateres Leben trägt den Stempel einer unermüdlichen, genialen
Arbeitsamkeit.
Eine treue Lebfnsgelährtin hatte Schamhorst 1783 in der Tochter
des Biographen seines großen Erziehers, in Clara Schmalz gewonnen,
eine ihm an Heraensgiite nnd Geist ebenbürtige Genossin, welche er indeß
bereits 1803 verlor. Seine eilelsinnige Tocliter Julia trat darauf in deren
Stelle als die dem Vater iimig Vertraute. Sie ist später die Gemahlin des
Grafen Friedrich zu Dohna geworden, welcher in den vierziger Jahren
hier als kommandirender General des Preußischen Armeecorps stand.
1777 ist Schamhorat in das hannoversche Dragonerregiment, bei
welchem sein Vater gestanden, durch Vermittelung des Generals v. Eetorff
als Fülinrich eingestellt und wirkte vier Jahre lang in Nordtheim zur Dnter-
stätaung der Lehrer und dann als selhstsländiger Lehrer an der Regiments-
schule. Demnächst erhielt er einen Rnf an die hannoversche Artillerie-
schule und fand Gelegenheit zu aasgedehnten Studien rei.se n.
Schamhorst war ein Gegner alter AeuOerl ichkeilen des Dienstes and
aller Männer der nur praktischen Erfahrung. Er harmonirte hier völlig
mit unserem wackeren Tempelhof, der da sagte: „Alle Erfahrung, die ich
in 27 Dienstjaliren Gelegenheit gehabt habe zu erlan en, würde ohne allen
Nutzen sein, wenn ich sie nicht mit der Theorie verbinden wollte. Ich ge-
DigtizBabyCoO^IC
Alterthnmsgesellschaft Pruseia 1888. 177
stehe meine Schwäche, ich halte viel von der Theorie. Und wenn jemand
sagt, ich mache Nichts aas der Theorie, aber wenn's daza kommt, mache
ich gleich Allee aof der St«11e, eo bewundere ich eein AttOerordentliches
Genie and denbe, Gott theilt seine Gaben oft wanderlich ans." Friedrich
der Große, Gustav Adolph, Condä, Cäsar, Alexander hätten nie ohne Theorie
and Studium der Regeln dee Krieges Armeen kommandiren können nnd
würden sonst unfähig zur Erzielnng ihrer großen Erfolge gewesen sein,
sagte Schanihorst weiter. Erst ans eingehender Betrachtang der That-
Sache nnd nutzbringender Verwerthung der Erfahmngen ergebe sich die
Richtschnur fOr die vorzunehmenden Handlnngen in den groDen Konfliliten
unter Völkern.
Die ersten Theile des Handbuches für die Offiziere, der Unterricht
des Königs von Prenfien an seine Generale, sowie Stiftung von Uilitärseit-
schriften bezeugen seine fortgesetzt« literarische ünt«mehniungBl(rafL In
dem Feldzuge der Truppen in Holland tritt er als Hauptmann von der
schnellen d. h. reitenden Artillerie auf nnd trägt den Hauptantheil an der
Erhaltung des hannoverschen Corps bei H&ndschuten 1798. Im folgenden
Jahre ist er die eitrigste Stütze des Generals von Hammerstein bei der
Vertheidigung von Hönin, indem ihm die Leitung der Befestigungsarbeiten
anvertraut war. Mit 2000 Mann Besatzung, von 20000 Mann unter Morean
belagert, wird die angebotene Kapitulation abgeschlagen, die Besatzung
aber sdilägt sieb, mit Geschick geführt, durch die EisschUeSung durch und
auch hier fällt der Ruhm einsichtsvoller Activität wiederum Schamhorst
zu. Bei aller Bedrängniß der Lage fand er noch die Zeit, artilleristische
Fragen über die Wirkungsart der einschlagenden Bomben sorgsam zur er-
ledigenden Beantwortung zu bringen. Nur mit Mühe gelang es den Gene-
ralen Graf Wallraoden tmd v. Hammeretein zu erwirken, daO Scham-
horst als Anerkennung für seine ansgezeichneten Kriegs! eistun gen zum
Major und 2. Aide-Generalquartiermeister ernannt wurde. Er stand im
39. Lebensjahre.
1795 trat Schamhotet aus dem Wallmoden'schen Hauptquartier mehr>
fach in Beziehung zu den preufiischeu Truppen des Coalitionsheerea und
lenkte die Aufmerksamkeit der höheren Führer auf sirh. Die nachfolgende
Priedenszeit fiihrte ihn wieder seinen literarischen Arbeiten zu. Es galt
die Yerfechtang der stehenden Heere gegen Fichte, sogar gegen Kant
und Herder, wie gegen hervorragende preoQische Offiziere and die Ver-
unglimpfungen Bereuhorste. Ebenso waren sie auf Reformen des hanno-
verschen Militärwesens gerichtet, denen die ständische GUederung des Staate-
wesens eine so wenig entsprechende Basis gewährte, daß der Freiherr
V. Stein mit Entritstoog von einem enropäischen China sprechen konnte.
Aber seine mahnenden Beformvorachläge fanden keine Berücksichtigung, in
Altpr. ItoMtMohrift Bd. rXTL Eft 1 n. a 12
DigtizBabyCoO^IC
178 Kritiken und Referate.
seineu persönlichen Verhältnissen geschah ihm keine Fördemng, nnd da
ihm auch keine Aussicht auf das Kommaudo eines Begimeuts gemacht
wurde, so wandte er sich nach schwerem Entschlull an unsem König,
welcher an ihn bereits früher Anfrage wegen Uebertritta in preaJtische
Dienste hatte ergehen lassen. Der König (England) -Kurfiärst Oeorg III.
gewährte ihm lakonisch den Abschied: „Wir ertheilen dem Oberst lieutenant
Schamhorat die nachgesuchte Dimission" tind so entließ Hannover den
größten Mann und besten Bürger, den e« besaß. Für die GescUcke Deutsch-
lands aber worde dieser unendlich folgenreiche Bund zwischen dem preu-
ßischen Könige und seinem zukünftigen Kriegsminiater von höchster Be-
deutung, das geschah im Jahre 1801.
Ab Oberst! ienlenant des in Berlin unter dem Befehl v. Tempelhols
gamisunirenden 8. Artillerie -Begiments wurde Schamhorst angestellt. Der
König hatte geäußert, er habe ihn für die Theorie der Artillerie bestimmt,
welclie »ach seiner Deberzeugung etwas vemaehlässigt sei. Glänzender
konnte diese Mission nicht gelöst werden, als sie Schamhorst durch sein
klassisches Werk: „Handbuch der Artillerie" ertUllte. 1801 erfolgte die
Herausgabe des ersten Theiles; im September 1806 inmitten aller Unruhe
schrieb er zu Göttingen die Vorrede zum zweiten Theile und im Jahre 1809
folgte der dritte Theil. Nach vierzig Jahren ist der herrlichen Arbeit die
überraschende Anerkennung zu Theil geworden, ins Französische übertmgen
zu werden. Unvergleichlich und neu war die induklive Methode der Darle-
gung und QiiUhertrofFen die belebende Weise der historischen Verflechtung.
Aber auch den Reformen für das Heer und für die taktischen Fragen
war sein strebender Sinn in Eifer zugewendet und viele seiner Vorschläge,
wie z, B die Verwendung des dritten Gliedes zum Schfltzengefecht gewannen
die Billigung des Königs. Noch waren die Zeiten der Durchführung solcher
nicht günstig, aber lehrend vermachte er sie in weitere Kreise und besonders
in die jüngere Generation zu pflanzen. Schon 1801 stiftete er die militä-
rische Gesellschaft zu Berlin, welche noch heute auf den Schamhorat'schen
Grundlagen fußt, mehr auf eigene Bildung und gegenseitige Belehrang, als
auf Vervollkommnung der Wissenschaft gerichtet. 1804 wurde er Direktor
der Akademie für die Offiziere, einer Umbildung der bereits von Friedrich
dem Großen gegründeten Berliner Schule, doch in ihrer Erweiterung einer
völligen Neiischöpfung ähnlich. Dies ist der fest gebliebene Boden der
heutigen Kriegakademte. Hier wurde die segensvolle Statte der Vorbildung
jener Männer, welche neben den großen Heerführern den Glanz der rühm-
lichen Thaten der Befreiungskriege dem preußischen He^re wiederbrachten:
V. Clausewitz, v. Boyan, v. Bülow, Grafen zu Dohna, v. Grol-
mann, v. Kleist, v. Kühle, v. Rohr, v. Schack u. A. Als General-
quartiermeister-Lieutenant machte er mit seinen Kriegsjüngera im Jahre 1801
DigtizBabyCoOgIC
AltorthnmBgesellBchafl Prusaia 1888. 179
eine ausgedehnte Oeneralstabs reise in Brandenburg, Hannover nnd Hessen.
Äof sein Anencben war ihm auch der Adel verliehen, „im Hinblick anf
seine Söhne, welche sonst in der preuOiechea Armee nicht gnt av»nciren
würden."
Ans dem nnglückUchen Kriege sagt der Herr Yortrogende sehr
treffend: „Die Gründe des Terlust«s der Schlacht von Auerstädt und der
Schlacht bei FriedJand sind in der Beschränkung der Thätigkeit Schamhorats,
die dee Gewinnes der Schlacht bei Pr. Eylaa aber in der unbeschränkten
Entfaltnng seiner Leistung zu suchen." Nach seiner Gi'fangen nähme in
Läbeck gegen den General G^rard ausgewechselt, sendet ihn Blücher,
dessen auMchtigste Hochschätznng und ganzes Vertrauen er gewonnen, mit
dem Bericht über die immerhin mannhafte Affoire von Ratkau zum Könige,
welchen Schamhorst am 8. December in Weblan erreicht Phull, der
älteste Generalqnartierraeixl er- Lieutenant, war in rasBiBche Dienste getreten.
„Dies zu thnn ist wider mein Gefühl, so lange der König noch einen Sol-
daten hat," schreibt Scharnhorst an seine Tochter Julia, und wahrlich als
der treueete Diener und Berather seines Kriegsherrn hat er sich bewährt!
Doch Oeneralquartiermeister wollte er jetzt nicht wieder werden; „er hatte
die undankbare Bolle eines Oenerslstabs-Cheis, der, wenn ea gut ging, für
den Buhm seines Generals arbeitete, wtim schlecht, der allgemeine Sünden-
bock wurde, gründlich satt." Friedrich Wilhelm III. suchte einen Aus-
weg, indem er den Otjersten Schamhorst dem General v. L'Estocq ab Ge-
hilfen zuwies, da£ er den General, der schon die Schwächen des Alters fühle,
auf alle Art onterstützen möchte. Au Verdruß und Kränkungen sollte es
ihm freilich in seinem redlichsten und ninsich tsvollen Bemuhen auch hier
nicht fehlen. Schon früher hatte seine Persönliihkeit viele Anfechtungen
erfahren: er wäre kein strammer Militär, hatte es gehieüen, und es liegt
wohl eine berechtigte Bitterkeit, wenn Schamhorst einmal ssgt: Erlangt«
Kenntnisse werden nicht belohnt, nur von wenigen geachtet, erwecken Neid
und dienen selten zur Belördenmg des äußerlichen Glückes; Arndt sagte:
er schlendere unsoldatisch einher und Napoleon nannte ihn später weg-
werfend einen Göttinger Professor, der die Franzosen hasse; selbst General
V. Hdpfner sogt, allerdings unter aller Anerkennung, daß ihm die Natur
fehle bei Berathnngen seiner Anschauung augenblicklich wirksamen Nach-
dmck zu geben. Ntin, wir werden ihn nachfolgend ula einen Schlachteu-
taktiker sehen, wie er au krativoller Entschlossenheit und kühner Ent-
scheidimgsthat nicht höher gedacht werden kann. Ein besonderer Wunsch
ging aber beim Schlüsse des spannenden Vortrages aus der Versammlung
hervor, daß es dem Vortragenden gefallen möge, ihr auch den zweiten Theil
des Lebensabrisses Schanihorst zu bieten, denjenigen, welcher ihm die
rühmliche Benramung des Waffenschmiedes Preußens von der dankbaren
12*
DigtizBabyCoO^IC
JgO Kritiken und Referate.
und befreiten Nachkommenschaft eintrug, für die er nach bestandenen Ge-
fahren und Verwundungen zu früh in den Tod gegangen, ein verklärter
Held, der schlummernde Löwe,*) der ao treulich Woche gehalten um das
Heil des Yaterlandes. — Grabe. —
£s folgte darauf der Tortrag des Herrn Oberstlieutenant z, D. Orabe:
Scbsmborst Ih «er Schlacht bei Pr. Eflaa,
am 2. Schlachttage, den 8. Februar 1807.
Der Herr Tortragende lagt den Zuhörern eine Skizze zur Schlacht
wie eine zugehörige Terrainskizze in Tervielf<igung zn näherem Anhalt
für die Darstellung vor.**)
Bei dem hier vorli<;genden näheren heimischen Interesse, wie auch
in Ansehung der wohl mehrfach vorhandenen KenntniQ der Oertlichkeiten
wollen wir eine kurze Terrain beschreibung voranschicken. Der alte Weg
von iJartenstein nach Königsberg führte, wie die heulige Kanststraße, in
im Allgemeinen nördlicher Richtung, bei dem Dorfe Rothenen vorbei durch
Pr. Eylau, streifte Schloditten und durchschnitt das drei Achtel Meile von
der Stadt entfernte Dorf Schmoditten, Westlich dieses Ortes liegt in
8000 Schritt Entfernung Althof und in gleichem Abstände nach Osten das
Dorf Kutschitten. Die Stralie von Eylau, im Osten, nach Domnau fiihrt
bei dem Vorwerk Auklappen vorbei und streift das Dorf Kutschitten am
, Südrande. 1000 Schritt südlich von Kutschitteu log ein Birkenwäldeben,
weiter südlich ist das Dorf Sausgarten gelegen mit den gegen Eylau an-
BchlieCenden Kreege-(Krähen-)Bergen. Noch südlicher, Rothenen gegenüber,
liegt das Dorf Serpallen.
Nach der Schlacht bei Pultuek am 24. und dem Gefecht bei Soldan
am 26. Deeember 1806 hatte Napoleon die Winterquart;iere hauptsächlich in
Polen bezogen, das Corps Bornadotte aber lag in der Ausdehnung Osterode-
Elbiug. Dar jetzige Belehlshaber des russischen Heeres, General v. Ben-
ningsen, welchem das preuGiache Corps d&s Generah v. L'Estocq zugetheilt
war, hatte sich nach dem östlichen NeuostpreuBen und der heutigen Süd-
grenze OstprenOens zurückgezogen, um den Armeebestand zu festigen.
General von Bt-nningsen, 60 Jahre alt, war, wie Si;harnhor3t Hannoveraner
von Geburt und hatte sich mehrfach in Türkenkriegen hervoi^etban. Die
Schwit-rigkeiten seiner Stellung in der altrussiachen Armee mögen zu den
Unsicherheiten in seinrr Befehlsfiihrung beigetragen haben, wenngleich die-
selben wohl wesentlicher in seinen Charaktereigenschaften gefunden werden
können, welche einer eigenilichen FeldhermgräBe nicht entsprachen. An-
*) Das herrliche Denkmal Schamhorst's anf dem Invaliden-Kirchhofe
in Berlin, von Rauch's Meisterhand.
**) Siehe die beiden Beilagen.
,dbyG00gIe
Alterthomagefiellschaft Prossia 1888. ISl
zaerkennen bleibt sein EntschluQ, znm Zwecke der Deblokirung von Graudenz
und der Oewinaung dea tmteren Weichseltbalee mit dem brar gehaltenen
Danzig, den Vonnarscli alsbald wieder aufzunehmen trotz der an 40 000 Mann
groftea Ueberlegenheit der französischen nächst disponiblen Feldarmee
allein. Uitte Janoar des Jahree 1807 war die verbundene Armee in voller
Bewegung gegen Westen, die Ruastn von Bialla ans, das Corps L'Elstocq's
anf deren rechten Flügel und etwas voraus. Am 31. Januar aber stand
«ach Napoleon bereits in der Linie Strasbui^, Gilgenbarg, Neidenburg,
Ortebbnrg, Wülenbei^. Die Bossen wurden aufLandsberg znrück gedrängt,
am 7. Februar auf Eylan, welches sie im RQckznge verloren, dann in
blatigstem Kampfe wieder einnahmen. Am Abende gaben sie ganz un-
erwartet die Stadt aber freiwillig auf und mngirten ihre Schlachtordnung
ftlr den folgenden Tag östlich derselben. Das Corps von L'Estocq hatte
den Befehl, am 7. Kossitten bei Hussehnen zu erreichen, über ein und
«ine halbe Meile westlich von Althof, and am 6. bei Althof einzutreffen.
Die Schlachtanfstellunji; der Russen zu diesem zweiten SchUchttage
dehnte sich in ganz flachem Bogen von Schloditten bis Serpallen, etwa
1000 Schritt östlich bei Pr, Eylan vorbeifllhrend, in einer Länge von
8600 Schritt, meist in drei Treffer., in tiefen Massen mit zahlreicher Artillerie
vor der Front und in Reserve. Das Heer zählte 58000 Kombattanten.
Heute deckt ein Armee-Corps von 30000 Mann eine Frontentwickelung von
6000 Schritten, Die französische Armee, in gleicher Stärke, stand in un-
gefähr paralleler Linie gegenüber, mit dem Centrum, Marschall. Soult, in
E^lan. Von der Kirchhofshöhe der Stadt leitete Napoleon den Kampf.
Wenn aach die ungewöhnliche Kälte der vergangenen Tage auf
3 bis 4 Grad gesunken war, so waren doch alle Gewässer starr gefroren
nnd passirbar. Furchtbare Unwetter mit dunkelnden (Schneetreiben stellten
sich ein. ' Napoleon lieB am Hörigen das Corps Augerean südlich von Eylan
nnd die Division St. Hilaire von Rothenen zum Angriffe vorbrechen. Beide
worden in dem alle Aussicht benehmenden Stümwetter aus ihrer Richtung
gelenkt, das erstere zu stark nach linke, die andere zu weit nach rechts
gegen Serpallen, so dall die ungewöhnlich starke Kavallerie- Reserve mit
8000 Mann in die LUcke eingesetzt werden mußte. Augerean wurde von
dem russischen Centmm unter den auBerordentlichsten Yerlnsten zurück-
gewiesen, ebenso litt St. Hilaire, der zwischen zwei Feuer gerathen war,
nämlich zwischen den linken russischen FlUgel und die bei Serpallen
postirt«u Detachemente. «Die Bravour der Russen übertrifil Alles, was
Menschen thnn können", sagt Schamhotst. Während das erste Treffen im
Feuer stand, kochten die Mannschallen des zweiten und dritten kaltblütig
ihren Mehlbrei, „sie wären ja noch nicht dran."
Der heutigen taktischen Vorstellung entziehen sich diese Kämpfe nach
DigtizBabyCoOgIC
182 Kritiken und Beferate.
Trupp enttühaufung und Gefeohteabständen völlig. Noch konnte es Torkommen,
dafl die _preuDische EavHllerie bei Auerstädt eine geschlossene Inffinterie-
Kolonne vernichtend sprengte, das alte SteinschlnBgewefar mochte es möglich,
dait agile Batterien ihren höchsten Triaraph im Eartätschfeaer auf SOO Schritt
finden konnten und der schwer« Kolben spielte in dem Nahkampf neben dem
Bajonett seine wuchtige Eolle. Etwa um 10 Uhr war dieser Vorbruoh an
beiden Stellen abgewhlagen und das Gefecht nahm einen hinhaltenden Cha-
rakter an. Da aber erschien gegen Mittag DavonB^ mit aeinem 20 000 Mann
starken Armee-Corps von Beisleiden und Bart«nstein her auf dem Schlacht-
felde und damit gewinnt Napoleon entschieden die Uebermacht. EUhn stöBt
jener, bei Serpallen vorbei, vor, nimmt Sausgarten, krönt die Krähenbei^
mit mächtiger ArtHlerie, drängt den russischen linken Flügel immer weiter
zurück, und gewinnt in hartem Kampfe Auklappen. Seine Division Friant
gewinnt das Birkenwäldchen und greift weiter aus bis Kntechitten, welches
bedrohlich besetzt wird. Wie die Klinge eines Taschenmessers war der
russische linke Flügel auf 30 Grad zum rechten zurückgebogen. Die Kilck-
zugelinie der Ru^en anf Domnaa war verloren and noch konnten die Frcui-
zosen auf das Eintreffen des Uarschalls Nej hei Althof rechnen. Freilich
das Corps Augeran hatte so gelitten, daS Napoleon dasselbe demnächst ganz
auflöste und die üeberbleibsel anderen Truppen theilen zuwies, die Division
St. Hilaire war gänzlich erschöpft anf Rothenen zurQckgezngen und Davoust
hatte sich in dem Streben nach umfassender Flankirung, wie ebenso durch
denselben Fi-iant bei Aueratädt, hier offenbar über Gebühr ausgedehnt. In-
defi der Ausgang näherte eich bedenklich der Niederlage und russische Ver-
sprengte bedeckten die Richtung nach Königsberg.
Nur ein Theil des Corps von L'Estecq hatte um 1 Uhr Althof erreicht,
8 Bataillone, darunter das russische Regiment Wjburg mit 8 Bataillonen,
29 Schwadronen, 1 Eosakeudelachement and 16 Oeschütse reitender Artillerie,
im Ganzen nur 6(^00 Uann, aber trotz aller Marschanstrengungen noch frische,
muthbeseelte Truppen. Noch waren fast '/* Meilen bis Kutschitten zurück-
zulegen. Zur Beschleunigung wirl der Marsch in drei Infanterie- und zwei
Kavallerie-Kolonnen angetreten; man passirt Schmoditten und rückte in Aü-
griSÄformation anf Kutechitten. In der Front angegriffen und links von
Kavallerie, rechts von Infanterie nmgaugen, wird die Besatsong vernichtet
oder gefangen genommen; Alles wendet sich gegen das Birkenwäldchen, aas
dem Friant nach zähem Widerstände geworfen wird; der russische linke
Flügel avancirt, tümmt Auklap-'en wieder nnd Davoost vermag
nur unter eigenster Bemühung seine bereite verlassenen Geschütze auf
den Eräfaenbergen xa halten. Die einbrechende Dunkelheit nnd die
völligste Erschöpfung machen dem Kampfe ein Ende, üeberall hatten
die reitenden Batterien geecbickton nnd rflhmlicben Antheil ge-
D,gt,zBabyC00<^IC
AlterthnmsgeeellachBit Prussia 1888. 183
habt.*) Der Sieg ist Napoleon entrisBen. Ney wnr darch die entscliloBsene
HaltQDg der Nachhut des L'EstocqWheo Corps zu der Annahme veranlaßt,
deesen Haaptat&rke vor sitth za haben und war beim Nachdrängen glUchlich
gegen Krenzbnrg abgelenkt Srst nm 7i/g Uhr langt er auf dem Schlacbt-
felde an, macht einen Angriff auf Schloditten und wird von dem rechten
madcfaen Flflgel energisch auf Allhof zurückgeworfen.
T. Bennigsen konnte den Kampf am folgenden Tage nicht erneuern,
er verfngte nur über 30000 Kombattanten welche sehr der Erholnng be-
durften. Um 10 Uhr gab er den Befehl zum Bückzuge auf Königsberg.
Die Truppen L'Estocqs schlugen nm Mitternacht nach Scharnhorst's selbst-
thftliger Anordnnng, entgegen dem Befehle Bennigsen'e, den Wag Über
Domnau eu den Alle- und Pregelttbergftngen ein, von gerechtem Unthe
gehoben nm das Wiederaaflencbten des preuDiechen Waffenrohms in jenen
traurigen Zeiten, in vorzüglichster Haltung. 900 Uann hatten die Preußen
tind 400 Mann die ihnen zngetheilten Rnseen verloren. Napoleon verharrte
anf dem Schlachtfelde, weil er mit seinem geübteren Blick wnfite, daß er
nicht angegriffen werden würde. Bei der Erschöpfong seiner eigenen Truppen
war an eine Terfoignng, wie dies die Ausnntznng nnd £mte eines wirklichen
Sieges ist, gar nicht zn denken. Er verblieb noch 8 Tage bei Pr.-Eylan,
um nicht als Geschlagener angesehen zu werden. Am 16. Februar beginnen
die rilckw&rtigen Bewegungen Über die Passarge und gegen die Weii-hsel
bin. Napoleon seihst geht nach Osterode. Am 20. Febmar machten die
Koeaken noch gegen SOOO Gefangene bis Outtetadt und Liebstadt hin, nahmen
anch steckengebliebene Oeechütze. Franz&siache vQm Scblachtfelde geflohene
Regimenter erreichten die Gegend von Grandenz, sogar dos rechte Weichsel-
nfer selbst, ehe sie zur Umkehr bewogen werden konnten, ja, selbst ein
Tbeil der Artillerie zog, mit und ohne Geschütz, in größter Unordnung an
Grandenz vorüber. L'Estocq ist am 23. in Heileberg, Bennigsen am 26. in
Landsherg. 11 Tage nach der Schlacht fanden die PreuBen auf dem Blach-
felde noch 10000 Todte zn begraben, was bei der stark gefrorenen Erde bis
dahin unterblieben war. Die Frnnzosen gaben ihre Verluste anf 2000 Todte
und 16—16000 Verwundete an, sie waren indeB größer**). Die Russen hatten
*) In hervorragender Gewandtheit betheiligte sich die Halb-Batterie
von Decker an der Wegnahme des Birken Wäldchens. Man legt Napoleon
die Wort« in den Mund: „Welch ein Teufel befehligt denn jene Batterie!"
von Decker stand nachher lange Jahre in Königsberg in Garnison als
Brigadier der Artillerie. Sehr bedeutender Militair-Schriftateller, auch Poet
und Musiker.
**) Kapit&D von Both rechnet die Verluste, wahrscheinlich richtiger,
anf SO 000 Todte und Schwerverwundete und 12000 Leichtverwundete.
„Belation der Schlacht bei Pr. Eylau."
DigtizBabyCoOgIC
184 Kritiken nnd B«ferate.
einen Geeammtverliist an Todten xiüä Verwundeten von 18000 Mann*).
Mehrere Geschütze waren den Franzosen abgenommen, doch moGte man sie
stehen Uesen, es waren aber 5 Adler nod 7 Fahnen von den Bossen erobert.
Ejlau ist neben Borodino eine der relativ blutigsten Schlachten der Neuzeit.
Eine starke Erschütterung hatte Napoleons Macht erlitten. Er hatte die
Weichselfestungen noch nicht in seiner Hand und konnte anmöglich vor-
rücken; die Kavallerie war ganz herunter, zum Theil anberitten; man war
allgemein im franzöBiBchen Heere des Krieges satt und von Napoleon wurde
der Friede auf's sehnlichste gewünscht. Rereits Ende Januar waren Friedens-
eröffiiungea an PreoBen gerichtet und am 16. Februar traf Bertrand mit
bestimmten Vorschlägen beim Könige in Memel ein. Der kleine Truppentheil
des Corps von L'Estocq, welcher Bennigsen so heldenfrisch vor völliger
Niederlage rettete, verdient das höchste Lob.
Um nan an würdigen, welchen Antheil Oberst von Schamhorat an
diesen Vorkommnissen genommen, wollen wir näher den Aasföhrangen
seines Biographen Max Lehmann folgen, dessen Hingebang fvkr das Gedacht-
niß an seinen Helden durch die Ergebnisse seiner kritisch-historischen Nach-
forschungen offenbar nur zu der Höhe der uneingeschränktesten Bewunderang
gehoben wurda Oeneral von Höpfoer erwähnt Schamhorsi's in der Schtacht-
schildening seines großen Werkes nur einmal und zwar als den üriieber des
abweichenden Bäckzuges der preußischen Truppen auf Domnau, welchen
von Bennigsen darauf übrigens nur billigen konnte.
Oeneral v. L'Estecq war ebenfalls ein Landsmar.n Scbamhorst's. Wie
Hohenlohe und Maasenbach aas Frankenland, war auch er der unwider-
stehlichen Anziehnngskraft Friedrieb des OroQen gefolgt. Im 7jährigen
Kriege znletzt Adjutant von Ziethen, In den spätem Feldzügen Preaßens
brav verhalten, ohne hervorragende Leistung, in dem holländischen Kriege
zu dem wohlfeilen Buhme gekommen, mit Husaren eine festgefahrene Fregatte
zu erobern, nach der Anciennität Oenerallieutenant geworden und 70 Jahre
alt.**) Der um diese Zeit GR Jahre alte Blücher hatte sich in einem gleichen
Lehensalter die vollste Frischkraft erholten, nicht so v. L'Estoccj. Nie
besichtigte er die ihm unterstellten Truppentheile, er recognoscirte nie die
Stellungen der Truppen und kannte die Vorpostenketten nur nach der Karte.
Strapazen machten ihn ganz unfähig, direkt die Leitung der Operationen in
*) Ohne die zahlreichen Versprengt«n.
**) General v. L'Estocq war bis zum Jahre 18(KI Chef des schwarzen
Husaren-Begiments nod folgte in diesem Jahre dem ungewöhnlich bedeu-
tenden General von Guenther, nach dessen Tode, als Chef der Towarzys
nnd kommandirender General in Mea-OstpreaBen. Eine erwählte Auszeichnung
jedenfalls.
,dbyGoogIe
Alterthomsgesellachftft Prussia 1888. X86
der Hand za behalten, indem er „voa übermäiligen Fatiguen aehr angegriffen
und zuweilen deetrait Bein soll". In der kurzen Ruhepan^w an der Grenze
brachte ee das Corps mit EinschluS der beiden russiacheu Infanterie-Regi-
menter Wjbnrg nnd Ealuga*) nnr zu einer Oesammt stärke von 13 000 Mann.
Die preulliscben Trappen waren erst nach den Ereignissen an der Saale
mobil gemacht, aber die ana Neuoetprenüen nnd SüdpreuHen rekralirten Regi-
menter veifleleii durch Desertion. Mitte Januar ging Schamhoret von Memel
BU dem Corps ab, nicht als Oeneralstabschef, weil er dies abgelehnt, sondern
als Gehilfe des Befehlshabers. Offenbar ein besonderer Beweis des königlichen
Vertraneus, aber auch eine Stellung, welche ein ungeahntes TAaa& von Selbst-
verlengnung verlangt». Der General hegte das tiefste Mißtrauen gegen jeden
Generalstabs-Offizier nnd dessen Adjutanten, Rittmeister v. St. Paul und
Lieutenant von Kall, sträubten sieb anf daa Heftigste gegen ihn als Ein-
dringling. Bis zn einem „Vivat die Adjulantur, Pereat der Generalstab"
über einen freien Marktplatz dnriten sie sich noch später versteigen.
Ende Januar war das Corps des General von L'Estocq bereits tkber
Freiatadt WestpreuCen, gegen die Weichsel vorgeschoben. Die Eintheilung
in Vorposten brigadeu aus allen Waffen mit dahinter stehenden Soaliens ent-
sprach bereits dem modernen Sinne der KriegIXihrung, nach Schsmhorst's
verbreiteter Kriegslebre. Schwer wurde es nnn, im Febmar die Verbindung
zu der zurückweichenden russischen Armee nnter dem Vordringen Ney's
ausweichend zu gewinnen. Am 6. Febraar war die Paeearge glücklich
erreicht, aber die sftdliche Marschkolonne unter dem 85 jährigen, ganz tauben
General v. Elücbzner wurde bei Walteradorf, südlich Liebstadt völlig erdrückt.
Am 7. Februar erreichten die Truppen Rossitten auf schlechten, viel ver-
schneiten Wegen, zum Theil erst in der Nacht; kran Truppentheil hatte
nnter S%, einige bis 5 Meilen zurückgelegt. Schamhorst erkannte die
dringende Gefahr, er wufite, dail Nej in nächster Nähe atand. »I^ae Spiel
ist groß!" "
Der direkte W^ von Roasitten nach dem ein nnd dreiviert«! Meilen
*) Diesen beiden alten nnd berühmten Regimentern ist die hohe Aus*
Zeichnung zutheil geworden, Deutsche Kaiser als ihre Chefs verehren zn
können. Kaiser Wihelm I, war Chef dee Regiments £aluga und Kaiser
Wilhelm II. hat diese Würde für das Regiment Wyburg. Bei Bar-sur-Aube,
1814, sandte König Friedrich Wilhelm HI. seinen jugendlichen Sohn Wilhelm -
in den mntbreicb gelührten Kampf eines russischen Regimentes, um zu er-
fahren, wie der Name desselben sei. Es war das Reciment Kataga. Für
eeine in wogendem Feuergefecht bewiesene kühne Kaltblütigkeit schmückte
das eiserne Krenz die Brust des jungen Prinzen. Noch kurz vor seinem
Tode empfing nnser große Kaiser eine Oratalntions - Deputation dea
Regimentes, znm 70j&hrigen Jubiläum als Chef desselben.
DigtizBabyCoOgIC
186 ' Kritiken und Beferate.
abfielpgenen Althof führt über Htifisehiien, Wat^kern, Schlanfieneo, Domtan,
Görken an dem 2500 Schritt nüdliph gelegenen Gr. Desen vorüber. Ein
nördlicherer Paralletweg auf elwa eine viertel Heile Abstand führt von
Wackem über Pompicken, Grawectien, Drangsitten zu demselben Ziele. Um
8 Uhr &äh waren bei Huseehnen zur Stelle ein ¥ortrupp, drei kleine Diri-
eionen, Aaer, Bembow und Dierike und eine Nachhut, nur 10 Bataillone,
84 Schwadronen und 20 Oesohntze reit«ader Artillerie, aber es waren über-
wiegend aliprenßiBcheTmppen, berühmte It«gimenter, dem geschichtskundigen
Führer wohl bekannt. Ohne weiteres Warten wird der Marech in drängender
Eile angetreten. Uan erreicht Wackern, es erscheinen Vortriippen Ney's
TOD Süden her in der Flanke gegen Schlautienen. Es gehörte für diese
Lage die ganze Umsicht, Kaltblütigkeit und Festigkeit des Entschlussee.
Schamhorst bewährte sie alle in seinen mustergiltigen Anordnungen. Die
Hallte der Beiterei der Vorhut schwenkt sofort zur Abwehr ein, die andere
Hätftn nud das Regiment Towarzva trabte mit einer Batterie durch Sohlau-
tienen, nimmt jenseits auf einer Höhe Äii&tellung und nimmt den Kampf
auf. Auch Infanterie findet schleunige wirksame Verwendung. Die folgenden
Divisionen aber schlagen die Bichtung auf Pompicken ein und durch diese
geschickte tmd kurae Entschlossenheit wird das Schicksal des Tages ent-
schieden. Die Nachhat nimmt einen zweiten Angriff gegen Wackem auf
and fesselt den Feind, so dafi die Vorhut ^ich wieder dem Gros anachlieHen
kann. Sogar von der Nachhut schlieBen sich noch 2 Oompagnien, Krause-
neck und Stutterheim, folgend an, während der Reat der Nachhut, mit der
Batterie Sowinski, im Verein mit der inzwischen eingetroffenen Division
von Ploetz, gegen Kreuzburg zurückbiegt und die ganze Kraft Nej'a ablenkt.
Nur eine feindliche Kolonne folgt Schamhorst auf Pompicken, sie wird aber
abgewiesen. Zur Deckung im Bücken IMt Schamhorst das Bataillon
Schlieflen und jene beiden Compagnien der Nachhut bei Drangsitten zurück
und erreichte um 1 Uhr Althof, mit 8 Bataillonen, 29 Schwadronen, 16 Ge-
schützen. Nennen wir die Truppen die-es kleinen Häufleins, dem die rühmliche
Aufgabe zufiel, das Geschick d<B Tages zu wenden: Begiment Büchel, heute
das Grenadier -Begiment König Friedrich III., Begiment Schöning, jetzt
Grenadier- Begiment König Friedrich Wilhelm 1., das Bataillon Fabeck;,
das russische Infanterie - Regiment Wyburg, das Begiment Towarzjs'*),
10 Schwadronen, aus dem niederen Adel der polnischen Provinzen rekrntirt,
noch vorzüglich tapfer und desertionsfrei, 10 Schwadronen Auer-Dragoner,
das Stammregiment der Wrangel-Ktirassiere, Dragoner-Begiment Baczko,
') Lansenreiler. Vorher Bosniakeu- Regiment genannt Urstamm
heutigen Ulanen. Towarzyk bedeutet Genosse, Kamerad.
zeabyCoOgIC
AltArthtunagesellschaft FrnaaU 1888. X87
B Schwadronen, und 4 ScTiwadronen WageMfeld-KilraBaiire, auSerfera ein
Detachement Kranken; Baiterien Bvalnw, Decker.
Seh am hörst erkannt« die gsfährliche Ausdehnunp; Dftvou-^t's und
ricblete den Vormarsch beHtimmtanf Kutschitten, dem Entscheidu ngopunkte.
Und der Gegner war der eiserne Marschall von Auerstadt, welcher dort
geemlet, was Schlaffheit und Unverstand im vaterländischen Heere so schwer
vergangen hatten. Der Qang des Eampfen ist früher geschildert. Unter
dem Schmettern der Tromppt«n und dpm Klange der Fliigelhöi ner war der
allgemeine Angriff auf das Birkea»'ä1drhen eingeleitet, die Feldwachen waren
Abends aufgestellt und eelbststftndig hatte Schnmhorst den gelinderten Rück-
zugsliefehl gegeben, um die Buhe des erachöpOen Generals nicht zu stören.
In dem Schlachtbericht von L'Estocq'a ist der Name Scharnhorst's
gar nicht genannt Wohl erhielt er den Orden pour le mörite, aber den
bekamen auch viele Andere, Eranseneck, Decker. „Kein Txg sei ihm fataler
gewesen, als der, an welchem er jenen Orden erhielt". Das Denkmal von
Pr. £ylan trägt nicht Schamhorst's, sondern L'Estocq's Bild*), dessen, „der
ein völlig passiver Zuschauer der Schlacht gewesen war! Keine einzige der
Anordnungen, die zum Siege führten, war von ihm ausgegangen". „Noch
heutigen Tages würde man den wirklichen Thatbeetnnd nur diviniren, nicht
beweisen können, wenn nicht ein [laar Uonate nach der Schlacht I.'Estocq
und »ein Anhang Schamhorst schnöde herausgefordert und dadurch genöthigt
htktten, cu seiner eigenen Rechtfertigung die Wahrheit aufzudecken. Doch
erschloß er sich auch dann nur einem engen Kreise; die Welt hat er zeit-
lebens bei dem Glauben gelassen, L'Estocq sei der Sieger von Pr. Eylau.
Er dachte wie Oneisenau, welcher lächelnd zuschaute, als man Schill Kränze
flocht tttr die Vertheidigung Kolbergs".
„Was ihn beschäi^igt«, war nicht der eigene Nachruhm, sondern die
Sorge um das Vaterland", wabriicb, eine nationale Größe von wärmst rahleudem
Lenchtm!
*) Atißerdem die Bildnisse von Bennigsen und Oeneral-Major von
Diericke.
,dbyGoogIe
ItthcilangcD aod Anhang.
Unlversltäts- Chronik 1888.
(Naeb(rar-)
13. Dec. Ez decreto ord. pTiilos. . . . Ol(«ni Sanmell Sremanii RegimonUiDo
lingnarum recentionim peritissinio qui per quHtuar fere lustra praecAp-
tons miinere iii<lefeaan studio praecWoqiie successu ftmctue est
summo9 ia phil. honores . . . tmte ho» L annos ... in eum collatoB
gratulabundus renovavit Gust. Hirschfeld Dr. phiL P P. 0. h. t. De-
caniis Bogimoiiti Pruaxorum ex olficina Lenpoldiana. 'Diplom.)
29. Dec. Medic. I-D. von PanI HolTinann pmct. Arzt [aus Nitzwolde, Er.
Oraudenz]: Fübrt die in d Naiinmg geateigorre Elweißzufuhr hei an
chronischer difliiser Nephritis Leidenden zq e. Steigerung der Eiweiß-
ansecheidang im Hamr Königsberg in Pr, Druck von M. Liedtke.
(31 S. 80
188».
18. Jan. 1889. Zu der . . . Feier des EröiKingatages laden hierdurch ein
Prorector u. Senat . . . Kgshe. i Pr. Hartungsche Bchdr. (2 Bl. 4*.
enth : Preisaufgaben für 1889.1
24. Jan. Theol. I.-D. von Bndolphns Theol paator AUenhergensis (ans Riege
hui Marien w erder] : Inier notiones dei eancti in teatamenti veteris et
patris fidelium in novi libris usttatas qnae sit ratio. Diss. theol. quam
auctoritate theoingorum ord. . . . pro liceutiati in theol. gradu rite
obtinendo . . . Begimonti Prussomm „Ostpr. Ztgs.- u. VerL-DrucVereL"
(2 Bl., 41 S. 8)
27. Jan. Zu der .... Feier des Oebnrtstags .... des Kaisers n. Königs
laden ein Prorector u. Senat. Königsb. i. Pr. Harttmgsche Bchdr.
(2 BL 4". Enth. Preisvertheilung für 1888.)
Acad. Alb. Regitn. 1B89 I. Indes le^tionum in regi» acad. Alb. per aestatem
a. MDCCCLXSXIX a die XXIV m. Aprilis habeodarum. [Acad. Alb.
Rector Rod. Fried. Gran Dr. P. P. O.j Regim. ex officma Hartungiana.
(51 S. 4".) [InBunt Scholia in Homeri Odysseae ^ 64—163 auctiora et
emendatiota edita ab Arthiiro Ludwioh. S. 3— 34.J
Yerzeichniss der aaf d. Kgl. Albertua-Univereit. zu Königsberg im Sommer-
halbj. vom 24. April 1889 an zu haltenden Vorlesungen a. der öfientl.
akad. AnstAlten. Kbg. Hartungsche Bchdr. (10 S. 4.)
18. Febr. ... Ex dect«to ord philoa. viro doctisaimo et clarissimo OuBtavo
Adolph« Krlrger MehlBnckienei phil. Dr. qoi per decem fere lustra
saceidotis mnnere indefesso atudio proerlaroqDe siiccessii fnncttis est
sammoB in philos. honores .... ante hos qoiuquaginta annos die
DigtizBabyCoOgIC
IJDiversitäta-Chronik 1888. 189
XVin. mens. Febr. in enm collatos gratulabundua tenovavit Gast.
HirechCeld Dr phil. P. P. 0. h. t. Den. lU-gim. Pmss. ex offlcina
Leupoldinna. [Diplom.)
19. Febr. Pbil. loang -Disa. vod Enll ITlechert (ans Tilsit): Oeber elastische
Nachwirkung. Köuigaberg. Hartiingsche Bchdr. (2 Bl, 66 S. 8".)
31. Febr. Phil. I.-D. v. Martin HfntfthKl [aus Wehlau]: Untersuchimgea
über die Mollusken und Anneliden des frischen Haffes. Kgebg. i. Pr.
Bchdr. V. E. Leupold. I2 Bl,. 19 8, 4.)
Phil. I.-D, T. Jnllns Mllthater [aoa Mnmehnen bei Gerdanen]: Ueber
die Veränderlichkeit der specifischen Wärme des Queckailbera mit der
Temperatur. Leipzig. Joh, Ambros. Barth. (24 S. 8.)
28. Febr. Phil. I.-D. v. EruHt Lampe [ans Banzig]: Beiträge zur Geschichte
Heinrichs von Plauen. (Uli— 1413.) Danz:g. Druck von A. W. Kafe-
mann- (49 8. er. 8 )
II. M&rz. Jurist. l.-D. v Ednard Hnbrich, Gerichts- Referendar (ans Allen-
stein): FränkischeR Wahl- u. Erhkünfgthum zur Merovingerzeit. Kgsb.
Oatpr Ztgs.- u. Verl. -Druckerei. (2 Bl., 62 S. 8.)
18. U&ra. Phil. I-D. von Ockar Zeise (aus Altonaj: Beitrag znr Kenntnis
der Ausbreitung, sowie besonders der Beweijuiigsriclitungen des nord-
earopäisehen Inlandeises in diluvialer Zeit. Kgabg. i. Pr. Buchdr. t.
R. Leupold. (■.; Bl., 67 8. 8.)
Med. I.-D. V. Theo4. Wallenber?, pract. Arzt (aus Pr. Stargardt);
Ueber die Dermoid geschwülste des Auges. Kgsb. i. Pr. Druck v.
M. Liedtke. (85 8. 8»)
16. Uära. Ued. I.-D. v. Heinrich Lerj, prakt Arzt (ans Kgsbg. i. Pr.):
über das Verhalten einiger Thiophenderivate, insbesondere der n-
Thiophen säure, im thierischen Stoffwecbsel. Egsb. i. Pr. Hartungsche
Bchdr. (24 8. 8.)
PhiL I.-D. V. Oscar Troje (aus Kgsbg): Beitrag zur Analyse des
Übergangswiderstandes. Ebd (2 Bl., 46 8. 8.)
Lyceum Hoslanum in Braunsberg.
Index lectionum ... per aestatem a die XXTV. Aprüis a MDCCCLXXXIX.
iustitueiidanim. [k. t. Rector Dr. Hugo Weiss, P, P. O.J Brunsbergae,
1889. Typis Heyneanis (R. Siltmann) (20 S. 4.) [Praecedunt Prof.
Dr, ffllb. KUlIng de determinante quodam disquisitiones mathematicae
(8. 8-16).J
Altpreussische BIMlographie 1888.
AbtfS, Geh. San.-E., Med-R. Dir. Dr. G. F. H., i*fr Ber, üb. d. Hebammen-
Lehianstalt zu Danzig. 1881—1886 Danzig. Saunier. {49 S. gr. 8.) 1.20.
Abronelt. Dr Gedächtnisrede auf Prof. Dr. Rob. Caapary. [Geh. in d. physik.-
Ökon, (Jea. am 1. Dez. 1887.J [Aus: „Schriften d.. phys.-ökon. Ges."]
Kgsbg. (Koch.) (24 8. gr. 4.) haar n. -.76.
[öfli. RgSba- ÖorlunHftftt gla. v. 4, Jon. 1888. »til.J. «r. 4.)
SbKft'Snd) b. «ontfr. IianjiB. ^räfl. Im ©elbftofrt. oon Waldemar Mekleuburg
in iDonjig. Druck von F. Haarbrlicker, Danzig. (86 ©. 8) 1.—
f. b. ^toöim-'ftptflbl. IBanjifl u, btrm Süt-fläDlt für 1888. »ebft t. «n6.:
2)an)lacT SnbuftTicIlnitigtr u. 1 Slan b. Stabtbcatttä j ^njiu. Slanjia.
«Ct. (S04, 120, 84 u. S^T e. e^ 8.) gfb. n. n. 7.50.
DigtizBabyCoOgIC
190 Mitthoilnngen oud Anhang.
HbK|<9li4l t>- ®tbt. u. b. Jtr. ®umbinn(n, m. b. Stil. : 1 Gbronil b. ®tbL Sumbinn.,
2. SituatiotiSplan von bn\tlb. ^räa. n. SIb. (Üvaeijun. 1887. «ümblnn.
(Slfrjtl.) (Ul, 76; IV, 39 «. 9t. 8.) boot n. n. 1-
b. S)pt.' u »«fibenjriabt ffSniflSberfl fOr 1888. . . . nb. D. Cori KüniAnga.
fleSbfl. Mürmbcrfl«. 900 u. 240 S. nr. 8.) gtb. Boot n. n. 8.—
für bit ©lobt lilfil ouf baä 3o&t 1888. . . . ifflfftcai oon 0. J. Gehnnann.
lilftt. IJr u. Sctl. D J) ¥Dft. (1- »I., Ifi2, XVm 3. flt. 8. 1 «ron: Karl»
von der Kreis-Stadt Tilsit. Aufgenommen von Steinberg 1836 und
Weise 1879, tortg«fnhrt bis zur Oegenwart. Oezeichnet von L. Knaus.
(Verl. V. Heinr. Post, in Fol)
Alexaoder, Bmno (approb. Arzt ans Ooldap O. Pr.), Statistik der Rachitis
u. des SpasmoB glottidis nach d. Dat«n der medicin. Poliklinik in
Kiel. I.-D. BresiRu. (30 8. u. 1 Bl. 8.1
App^l, C, Rasmus Kristian Rask. (1787- 1887.) Ton VUhelm Thomaen. «ber-
aetzt von C, Appel (Beitrage znr künde d, indogerman sprachen hrsg.
V. Adalb. Bezzenberger 14. bd. 3. u 4. htt. s. 817-330.] Zur Beihen-
folge der Trioafi Patrarca's. (26. 10. 87.) (Zt»obr. f. roman. PhiloL
XI. Bd. S. 636-5S7.) Reo. [Ebd. S, 559-67il | Grammatisches Provenz.
ilb. lEbd. XII. Bd. 3. 26^—^:64.1 Rec (Literatnrbl. f. genn. u. roman.
Phil.. 7. I2.J
«ntbt, 3Bil^ , Scbm b. 4eil. SoniFojiua 0. 3ßilibalb. bei b- Srcha c Rubolf n. ^Iba,
b Sbtcä eturmi 0. eia\l, b. kl- 2tbwn 0. SguAitVj 9lad} b. Stuägabcn bei
Monumenia Germania« übeif. v. SßSilb. arnbl 2. ncubcorb. Sufl. (XX, .
143 S. 8.) pDit ©cfAiftifdiiEibEr bei bcutfd). Sorjeit 2. tteftmmtauäa. 13.
Sb. Stipjiß. iiqt] 2-
Anold, Lin. Dr. C. FrankUn, Privatdoc, Die Neronische Christenverfolsfung;
e. krit. Untsiichung z. Gesch. d <est Kirchs. Mit 1 Tal*. Leipz.
Richter. (X. 120 S. 8, 1 Taf.) 4.-
Vtlialbt. Hitbaib, 3Killi)ti[uii)ttn auK bm iSqmnaftalar^iD. (1. 0in Sabinftebtfc^t
gritbricb'ä b. «r. aui b. ^obrc 1749. 2. 3mti «riefe ^ebr. Subw. So^ni
DuS b. 3. 1817.) (^rofli. b. «pmn. u. «calMtnn.) Vitnjlou. (18 £. i)
Askanaxf, S , tnberculöse Lymphome nnt. d. Bilde febrilur Pseudoleiikämie
verlaufend. {Arbeiten a. d. pathol. lufitit. z. K^sbg. auaKef, unt. Leitg.
V. P Baumgarten ) [Beiträge z. pathol. Anat. u. allg. Phyidol. 3. Bd.
4. Heft.]
!Kn« XilfilB Serannaen^il. 1. Xlieil: Zilftt [tit bem giofien vtriege. 3Rit e. Vlan b»
eiabt u. 8 3UuftT. 2„ Dielf. vctb. u. Oitm. «udgabe. Xiffil. Sobauf). (V,
224 ® fli. 8.1 l.&O, 2. aiil.: tilfltcv äebtn feit ben SrtibellSfiitaen. I. [bil
1848,] 2. tielf. Db. u. ma. «ufl. (UI, S(« S.) öbb. 2.-
Avswahl V, Jahreszahlen f. d. Oeschirhisunter rieht in d. mittler. Klassen
dH8 Gjrmii. zu Marienverder. Marienwerder. R. Kantursche Hof bchdr.
(Beil. zum Progr.} (21 S. 8.)
Baenlu, Dr. C, Lehrbuch der Physik in populärer Darstellung. . . . Mit
491 Abb auf 418 in den Text gedr. Holzschn. u. 1 Farbentaf. 10. verb.
Aufl. Berlin. Stubenranch. fVlI, 2l8 S.J 2.-
Onmiiziige f. d. Unterricht m der Chemie u Mineralogie Nach method.
Ormidsätzen bearb. Mit 76 in d. Text gedr. Holzschn. Bielefeld, Vel-
hagen & Kksing- (IV, 98 S. gr. 8,) rart. 1.—
— — Leitladen ffli- d. üntairicht in der Physik. Nach method. Grundsätzen
bearb. Mit 243 in d. T.'xt gedr. Hnch. n 1 Farbentaf. Berl. Stuben-
rauch. 3. verb. A. (IV, 150 S. gr. 8.) 1,20.
Sau, O'ctlcbt. Vtof. Dr.. @runbiift bei nntuiflcftb- aOer brti Meiibe, f b. metbobi-
[dien Uni trdil bcarb, TOit jaljlr. in b. Sfjl gebr. Soljfibn. u. 2 lof aeipjiB.
guce. iVIII, 312 S. at. 8 > 2.-
nictboD |{^t antrabm i b. Unteitrdtt in b. nntuiTltb . . . Solanif. 2 ^fte.
ebb. k a. n. 1.25. 1.: Surf. I-UI. 9. mebtf ob. 8. . . . (VIU, 144 ®.
it. S.) 2.; flui(. IV-VL 5. oeib. H. (V, 174 8.)
DigtizBabyCoOgIC
Altprenfliscbe BibUographie 1888. 191
IBail. Obrilrbi. $rof. Dr., met^ob. Sfitfabtn . . . 3RintralDqi«, nctift t. IciAtfagl.
Ucbtchlid üb. b. SntftcBunq u. lEniniiitts. bei SirtTinb« . . . Wit in ben Ztrt
fl(bt. Öoljfditi. u. 3 Steinbr.-tof, m. flrgilaancSfn. S&b. 4. nfi. «ufl. (VI,
106 S or. 8.) Bef-- n n, 1.15.
rntttfot). aeilf. . . . Sootoflif. 1. ßlt. [Burf. I-lII.] 6. »ufl. ebb. (VI, IM
®. flr. 8.) 2. m- [Kurf. IV- VI.] S. wrb. «. (V, 210 ®.) 4 n. n. 1.60,
«artflii, e^riflian, 6rt)ien p e. «ef«. Zilfitä d. b. aileft. ^tit big I8I2. 2\' ottb.
«uöfl. lilfit. Drod u. Sfrl o. 3- »fgianbtr & So^n. (VH. 168 3. «r. 8.) 1.50.
— — TotenklageD in der litauischen Volksdii^htung. [Ztachr. f. Vergleichende
Litteratargesch. a. Renaiasaüce-Litt- N. F. II. Bd. S. 81-99.J
IB«lWilitfi. 9qmnafiiillebTer Dr. Sern^atti, Quaesliones ad Draconiinm et Orestie
tragoediam peHmenies. |3abre£b(i. üb. b. fgl. Mtfel. SlqTnnaf. N. F. No.
XXXm.J IBeulfA Btoii«. Srud o. g. 6ortnfl. (®. 8-15. i".)
SflUfT. iDffr u. oflrmift. DtRon b. nitfl' u. oftpt. ©ouemoottinS. M(b. : ffoplan 9Iufl.
6*0*1. 6. ao^tg. DanjiB. Dr. ». aeftmann, iG Stn, (».) gr. 8) baor 1.20.
Banmg'ftrteii, Prof, Dr P., Jahresber. üb. die Fortschritte in d. Lebra t. d.
patbogenen MikroorgHniaiiien . . . III. Jahre. 1887. Brannscbweig.
Harald Brnhn. (VIII, 517 8. gr, 8.) 12,- (Tgl. Ctntralbl. f. Bacterio-
logie u. FarasiteiJ künde 2. Jahrg, 1 Bd. No. 6.)
Lehrbuch der patholog. Mvk-logie. ... 2. HälfW 2. Hlbbd. 1. Lfg.
Mit 13 . . . Abbild- Ebd. (S. 619-790 gr. 8.) 4.60. (I-II, 2. 11: 21 60.)
Arbeiten aus dem patholog. Institute zu. Königsberg i. Pr. Ausgeführt
unter Leitnng von P. BaniDKarteii. [Beitiäge znr pathol. Anat. n.
allgem, PhvwoL Red. v. E. Ziegler u. C. Nauwerk. 3. Bd. 4. Hlt.J
Bakteriologisi^he Mitibeilungen . . . (Sep.-Abdr. aus d. Centralblatt f.
Bakteriologie u. Paraat reu künde 2. Jahrg. Band III. No. 13.) (Vgl.
Allgem, Medic. Central-Ztg_2fl. Stück.) Zur Kritik der Metachnikoff-
Bchen Pbagocytentheorie, [Ztsclirlt f. klin. Med. XV, 1.]
Begemanii, Obt^rl. Dr Heinr, (Allenstein.) Kec [Ztschr. f. d. Oymn. -Wesen.
42. Jahrg. 8. 160-162.)
Beick, Ch. E, Waldemar, (aus Danzig), üb. d. Passivität des Eisens. I -D.
Halle a. S. (64 S. 8.)
StU», Dr. @e(iTa D., frisatbojcnt f,\i ftnBbg-, .bie Qntftrbuttg b. bcutF*. Stabtac
meinbc Hüffdborf. 1889(88j. Iiruct u. Slg. o. i. So6 & Cie. (XI, 127 S.
flr. 8.) 3.-
Eec. [Gott, gel. Ans. No. 23. Dt. L.-Z. No. 31. 47.]
Vraktr. Vroi, Dr. ^oF., toponT-'biftor. aOonbcTfln. b*. b. ^affargcstbict. [3tf*r. f. b.
(Bcfd) u. aitlbstbe. ettnIonSä. 3iiövfl. 1887. S. 1-82.]
Bericht des Vorst«heramt8 der KHufmaniiachal't zu Königsberg i. Pr. üb, d.
Jahr 1887. 1. Tbeil. Kbg. i. Pr. Hartg. Bchdr. [50 S. gr. 8.)
«trifte b(§ ^irdjerci'ÜkicinB bet VroDmjtti Oft- unb SteFlprtugcn 1837/88. ««big.
n. Dr. ^nncTitiuä. (4 91rn. 4.)
fBtntin, eotiftanj, X>it umgebaute Orgel btr 2lomtiT*c ju SBnigäbeTg. [So. ®e<
mfinbrbl. 9Ii. 12.]
Berthvld, E., was vermag das mensohliche Ohr ohne Steigbügel zu höri'n?
[Zeiischriti l'ür Ohrenheilkunde herausg. t. H. Knapp u. S. Muoa. 19.
' Bd. 1. Hft.]
Bcttliug, Ürdiibiat. S., am Snrge u. Stabe fiaifer ^'''briiS. ^cebigttn am 18. u.
26. Sunt 1888 flel). 2)atiiifl. Boftmonn. (26 S, gr. e.) n. n. —60.
— — Deutscher Orden n. PreiiBsen. [Jahreslierichted Geschieh («wissen Schaft
VU. Jahrg. 1884- BerL 1888. II, S. 153-162. Ost- a. Westpr. (in d.
neu. Zt., jEbd. HI. 49-54. . Dt. Ord. n. Pr iMittelalt ) |Ebd. VIII. Jg.
1885. Beri. 1889188). 11, 1Ö0-158.J Ost- u. Westpr. i. d. N. Z. lEbd.
m, 49-62.]
DigtizBabyCoO^IC
192 Uittlieilnng«n und Antumg.
Bej«r, Oborl. Dr. Henn., d. spinlanen BewegnoKen der StAubgefäJte n,
Ste-npel. Wiaaenachaftl. BiöL zum Progr. d. Kgl. Qymn. zu Weblao.
WehUu. (56 S. 8".)
Bezseaberger, Prof. Dr. Adalb., beitrage z. künde indogerman. sprachen
htsg. XIV. bd. Qöttiog. V&ndenhoeck u. Raprechts Verl. (IV, 3ä0 s.
gr. 8.) baar 10.—
— — Orientalische Bibliographie ont Mitwirkung von Dr. A. Beizenberzer
. . . hrsg. V, D'. A. Maller. I. Jahrg. iBd. L) Berlin. Jteather'a Ya-
lagabchh. (300 S. gr. a^ Bd. U. Hft. I. 2. Ebd.
— — S3mtaktiarhe bemerkuHKen. [Beiträge z. kde. indogerm. spr. TCTTT bd.
S. 290 — 91.} ^vQiyS [ebd a. 299.] Indogerm »ui sehe tenuis im auslaut.
[ebd. 14 bd. B. 176-177] gurgiS Utbonoit. Öin« litouifAt »orfaeW*tt.
[©djortr'ä gomiüfnblolt. li. SS. Sir. 38. ®. e02— eo7.j Verechiodene
Artikel in : !Doit|(^e (Sncqflopaöif. («crlin. SBitflanöt u. «««btn.) Rec.
[Dt L.-Z. 41. 44. 47.J
»UnMt-3«ih««t«. *"u6ifd|t . . . fttäfl. o. 3. »- «ani|. W. g. 13., nttf g. 26. ga^tg.
JtflSbg. Cftpr. StgS.- u. S«l.-Er. (IV, 192 S. flr. 8.)
Blerfrennd, Max, Boitr. z. hereditär. Syphilis des Centralnervensyst. (Arbeiten
a. d.. pathol. Inst, zu Egab. aussei' ont. Leitg. t, P. ^umgarteii.)
[Beiträge z. pathol. Anat. a. allg. Physiol, 3. Ba. 4. Hl).]
eiefent^l (3iiiicrtBt(, i, Hu. [iiäaas. Sti^i». 30. 3atirfl. Sr. 9.]
Bloch, John, Beiträge zu e. Würdigung Didarots als Dramatiker. I.-D. Kgsb.
(Leipz. Fock.) (78 S. gr. 8) baar 1.50.
SlM^iutt, »üb., bic ISItttttctiat in b. «tmofpe&rt. [Jt^. garlg. Stg. d. 3. 9Iod.
fflcil. ). «r. 259.J
SlMl, $au(, ünno eturm. giftorifift. noman. StrT. Suite. [Sil S. 8.) 5.—
«m gcuditturm. Sine «eftft. oui »rtufjtna ttfluti«. aioflfn. Wit ( »ri(f« gtKs
Sioänfl ali Iginftitung. Sp). :htin4. aiQ(tli)ct. (L95 S. 8.) 250.
i. Difbsions-
„I- No.
la, "j* Prof. Dr. H., Atrophia infantam [Jahrb. f. Kinderkrankhtn. _ . _
Bd. 27. S, 230— 242.J Üb. Morbilli adultorum. [Dt medio. Wochen-
Bchrift. No. 18.]
Baglnskf, Prof. Dr. Heinr. Bohn t (Nekrolog). Dt. medic. Wochen-
schrift No. 7)
Stoffen, A., Prof. Dr. Alb. Heinf. Bobn (NekroL) [Jahrb. f. Kinder-
heilk. N. F. 17, Bd. S. 489-490.)
Braeot, Friiz <in Kgsbg. i. Pr.), Untsuchgn. üb. die Bryoznen des aussen
Wasaers. (Vorlauf. Mitthlg.) [Zoolog. Anzeiger. XL J5. No. 288 289.]
Bramann, Dr. Fritz, Zwei Falle v. ofienem Urachua bei Erwachsenen.
[Archiv f. klin. Chir. 56. Bd. 996-1012.J
BrandstStter, Fritz, Nachtrag zu d. Artikel „Anf der £uriach. Nabmng."
[Der Weidmann. 19. Bd. Nu. 20.]
Dnick TOn B. Lenpold, EODJKibng io Pr.
,dbyGoogIe
.ibiGoogle
.ibiGoogle
(citiert mit Ewald)-
3) Schümann: ^n?!««, Polen und LMimd bis ins 17. Jahrhundert.
n, S. 61 (citiert tait ochieroann)
4) V. Siebter: Geschic^^^ ^^^ ^^^ russischen Kaisertum einTerleibten
deutschen Ostseepro^iuso. j^ jjg ^^^^^ ^,, ^j^^^,
D,Bl,z,db,GOO>^IC
.ibiGoogle
Samaiten und der Deutsche Orden bis zum Frieden
am Melno-See.
VOD
Dr. Roibert Kronhholtz.
Mit einer autographirten Karte.
Die heiliegeodeKaits .Samaiten DuaeBme Nachbnrlnader eot Zeit des DeaUoben
G«ogtaphie von PcauflBen. b) v, Kiuhter: Liv-, Eit- nnd Kurland ta hsrrmaiBtflrliohon
Zeiten; die OatBee-Provinion vor Anknnft der DentBcbon. {BeiEngon zur Qsschichte der
dem rnsBischen KaiBCTtnm eiarurleibten deatachaii Osteee ■ Frovinwn.) c) O'Qredf:
Haodkarte vnn BasaiBOh- Polen nnd den ansreniendoD aDitTernomeiits. d) Jljin: AaS'
rdhrlictisT Atlea dei nusisoheii Beiobes (ruKiisob). Karte No. 20.
Ausdehnung, Beschaffenheit und Einrichtungen Samaltens.
Eine Spezialuntersuchung Über den deutsehen Orden und
Samaiten, ein sonst in der Geschichtsschreibung nicht zu rechter
Geltung gekommenes Land, bedarf vielleicht der Begründung.
■ Um sie zu finden, ist es nötig, uns kurz die Grenzen vor Augen
zu fähren, innerhalb welcher der deutsche Orden seit seiner
Vereinigung mit dem Schwert-Ordeu') im Jahre 1237 Anrecht
auf Herrschaft hatte. Als Rechtsnachfolger des Seh wert- Ordens*)
mußte der deutsche Orden freilich die Bisehöfe als Inhaber eines
großen Teils des ihm neu zugefallenen Gebiets anerkennen,')
trotzdem waren für ihn als teilweisen Mitbesitzer und Schutz-
herm der einzelnen geistlichen Territorien die Grenzen der
Bistümer auch die seinigen. Die für uns wichtige südliche
Ausdehnung des soeben neu Überkommenen Gebietes fällt also
mit den in dieser Himmelsrichtung gelegenen Bistümern zu-
sammen. Es sind dies Kurland und Semgallen. Ersteres er-
streckte sich zwischen der Windan und Memel, während das
Bistum Semgallen das eigentliche Semgallen umfaßte.*) Seine
1) V. Bange: Liv-, Eat- tmd Kurländisches ürkuudenbuch I, No. 149
(citiert mit Bunge).
2) Ewald: Bie Eroberung Preußens durch die Deutschen. I, S, 224
(citiert mit Ewald).
3) Schiemaim: Bullland, Polen und Livland bis ins 17. Jahrhundert.
II, S. 61 (citiert mit Schiemann).
4) V. Bicbter: Geschiebte der dem russischen Kaisertum eiaverleibteu
deutscheo Ostseepro vinzen. I, 116 (citiert mit Richter).
Altpr. llauKtHiifarin Bd. XZTL Hft. S n. 4. 13
DigtizBabyCoOgIC
194 Samoiten und der Deuteche Orden etc.
Südgrenze bildete annähernd eine Linie, die von Grösen (westlich
der Windaa) in ungeft.hr gerader Richtung sich bis zu dem in
der Nähe von Bausk gebildeten Knie der knrischen Memel hin-
zieht and dann dem Oberlauf dieses Flusses sich anschließt.')
War auch der Besitz bis zu der eben gekennzeichneten Be-
grenzung, namentlich der der knrländischen Diözese, vielfach
nur ein ideeller, so konnte der Orden in Rücksicht auf das seine
Herrschaft durchaus anerkennende Hinterland^) mit einigem Recht
sich der Hoffnung hingeben, in kürzerer oder längerer Zeit auch
faktisch die erwähnte Grenzlinie zu erreichen.
Zn diesen durch Erbschaft gewissermaßen erlangten sehr
aasgedehnten Ländereien kommen die, welche sich der Orden
mit Hülfe des Schwertes in Preußen erworben hatte. Sie um-
fassen 1237 die drei Landschafben Pogesanien, Pomesanien und
Ktdmerland, oder mit andern Worten ungefähr das Gebiet, .
welches zwischen der Weichsel von der Einmündung der Drewenz
ab und der in das frische Haff sich ergießenden Passarge ge-
legen ist.') Daß der Orden hiermit seine Aufgabe nicht als
gelöst ansehen konnte, liegt auf der Hand und hat die Zukunft
gelehrt. Gelang es auch erst 1283 die Landschaften bis zur
Memel zu unterwerfen,^) so lag dies einzig an den damit ver-
bundenen Schwierigkeiten; die Absicht bestand jedenfalls schon,
sobald die Vereinigung beider Orden vollzogen war.
Wir haben also seit 1237 in dem darchaus im Aufblühen
begriffenen deutschen Orden einen Landesherm vor uns, der über
zwei bis anf den ideellen Besitz der knrländischen Diözese ge-
trennte Territorien herrscht. Als natürliche Folge dieser un-
1) Vei^l. 0. G. Bücker: General-Kart« der russischen Ostsee-Provinzen
Liv-, Est- und Knrland. Reval. 1867. RichUr I, Tafel 2. Beide stimmen
mit geringen Abweichungen überein.
2) Lohmeyer: Geschichte von Ost- und Westpreuflen I, 72. (Citiert
mit Lohmeyer.)
8) Toppen: Historisch -comparative Geographie von Preufien. S. 51
(citiert mit Toppen: Geographie); Ewald IV, Karte.
i) Toppen: Geographie S. 52.
,dbyGoogle
Von Dr. E. Krnmbholtz. 195
gesunden Besitzverhältnisse mußte in dem Orden, je mehr er an
Erafl gewann, der Wunsch entstehen, das Glied zwischen seinen
beiden Machtsphären zu beseitigen. Worin bestand aber nun
die hemmende Schranke zwischen beiden Gebieten? In Samaiten,
dessen fundamentale Bedeutung für die Geschichte des Ordens
als Brücke zwischen den Besitzungen in Preußen und Livland
wohl nicht zu leugnen ist. Was ist Samaiten, wie weit dehnt
es sich aus, wie ist sein Inneres beschaffen, wer sind seine Be-
wohner und auf welcher Kulturstufe befinden sie sich? Alle
diese Fragen, die sich einem unwillkürlich aufdrängen über das
Land, für dessen Eroberung, wie wir sehen werden, der Orden
seine besten Kräfte verwendete, lassen sich bei dem Stand der
uns zu Gebote stehenden primären und deshalb allein glaub-
würdigen Quellen nur in ganz unvollkommener Weise beantworten.
Samaiten steht im Gegensatz zu Auxstote. Bedeutet Aux-
stote „das obere", so läßt das littauische Wort ,, Samaiten" oder
besser „Szomoith" sich mit „das Niedere" wiedergeben.*) Beide
Adjektiva erhalten erst ihren geographischen Begriff, sobald sie
zu einem Ländernamen treten. Auf unsem speziellen Fall, also
auf Littauen, angewandt, bedeutet „Auxstote" Oberbttauen und
„Szomoith" Niederlittanen.
Bevor nun eine Fixierung der Ausdehnung Samaitens ver-
sucht werden soll, sei vorausgeschickt, daß das ganze Land^) mit
„hegenen", d. h. einem Verhau aus gefällten Bäumen zum Schutz
gegen Ueberfälle') versehen ist.
Eine bestimmte Angabe über die ursprünglichen Grenzen
1) Codex epistolaris Witoldi ed. Antonius Prochaska (TomuB VI. der
Monnmenta medü aevi historica res gestas PolonJae iUustrantia) Krakau 1882.
Ko. 861: „Quod terra Samaytarum est terra inferior ad torram L3'thwaDie,
ideo Szomoyth vocatur, quod in lythwanico terra inferior interpretatur. Sa-
mojte vero Lythwaniam appellant Auxstote, quod est terra auperior reepectn
Samaytarum terre. (Codei epistolaris Witoldi eoli mit 0. e. W. citiert werden.)
2) Scriptorea rerum Prussicarum (mit Scriptorea citiert) Tomus II,
S-709^: das lant der Samayten iet . . . . genant alzo wit breyt und lang alz
die Samayten eich begryfien haben mit eren hegenen.
3) C. e. W. No. 861: indaginee . . . qne pro custodia hoscium faote.
13*
zeabyCoOgIC
196 Samaiteu aod der Dentache Orden et«.
zwischen Samaiten und „Aoxstote" oder, wie es fortan bezeichnet
werden soll, „Littauen", Ländern, deren Bevölkerang and auch
wohl Eiorichtungen einst gleichartig waren,') findet sich nicht;
— denn die im Verlauf des Kampfes vorkommenden Friedensver-
handlungen mit ihren Grenzbestimmungen können als abhängig
von der augenblicklichen Lage der beiden Kontrahenten nicht
als maßgebend angesehen werden für die Ausdehnung, welche
Samaiten vor Beginn der Kämpfe mit den Deutschen gehabt hat.
Indessen man wird nicht irre gehen, wenn man nach Osten hin
die N^awese als den Littauen und Samaiten trennenden Fluß an-
sieht. Hierfür spricht eine Notiz in den schriftlich aufgenommenen
Aussagen alter Leute über die Ausdehnung des Ordensgebietes
an den Grenzen Samaitens,^) welche die Nawese als Scheide gegen
Littauen bezeichnet. Femer nötigt dazu die freilich in ver&n-
derter Form wiederkehrende Wendung, daß Samaiten „gancz
nnd gar" Eigentum der Deutschen geworden sei durch den Ver-
trag, der dem Orden als Grenze Samaitens die Naweae angewiesen
hatte. 'j Endlich dürfte auch das dafür anzuführen sein, daß jen-
seits der Nawese kaum einer von den ausdrücklich als für Sa-
maiten in Anspruch genommenen Ortsnamen zu suchen ist. —
Für die Feststellung der Nordgrenze sind wir auf zwei Urkunden
aus den Jahren 1419*) und 1422'*) angewiesen, die darin überein-
1) C. e. W. No. 8G1: Terra Samaytariim fuit nnum «t idem cum
terra Lytwanie, Dum unum ydeoma et uni homines.
2) Scriptores ]I, 709.°-: Kegea dem osten . . , mit dem lande cza Littowen
vorniittel der Nawesen des vlieea.
3) Voigt: Codex diplomaficua PruBsicue (citiert mit Voigt: C. d. Pr.)
VI, No. 112 und 113; Lucas David: Preussische ChTouik. ed. Ernst Henuig.
Band VII, S. 176.
4) Raczynski: Codex diplomaticus Lithnoniae. S. 2S8 (citiert mit
Baozynski): Inter lerras Samaytarum et Livonie continiiaudo in mari salso
ui(jue ad introitum fluvii, qui dicitur A et ascendendo enndem fluvium sor-
8um uei<iue antii)uas granicies terrarum predictamm.
5) Bunge V Nr. 2Ü37: „Inter Livoniam . . . Samogitiam . . . limit«s
sint: Incipiendo a fliimine dicto Heilige A, ubi dictus fluvius intrat mare,
eundein flnvium ascendendo sorsum ad antiquos limites inter Samogitiam . . .
et Livoniam . . . ."
DigtizBabyCoOgIC
Von Dr. E. KnunbliolbB. 197
stimmen, daß Samaiten und Livland') zwei aneinander grenzende
Länder gewesen sind. "Wenn sodann weiter von ,,antiqui limi-
tes inter Samogitiam .... et Livoniara" gesprochen wird, so
ist uns damit nicht gedient, weil wir ihre Lage nicht bestimmen
können. Es bleibt also nichts weiter übrig, als sich mit Kon-
statierung der Thatsache zu begnügen, daß Samaiten im Norden
durch das südliche Gebiet Livlands d. h. Semgallen^j seinen Ab-
schluS gefunden hat.
Berücksichtigen wir diese beiden Aktenstücke für die
"Westgrenze, so würde der westlichste Punkt Samaitens die
Mündung der heiligen Aa in die Ostsee sein, Samaiten demnach
also an dieser Stelle das Meer erreicht haben. Dem widerspricht
indessen, daB sich ein EinäuQ der See auf die Samaiten nirgends
nachweisen laßt, daß von Seefahrt und Seefischerei niemals die
Kede ist. Es wird deshalb aus jener 1419*) von Jagiello von
Polen und Witold von Litauen beanspruchten, 1422*) vom
Orden zugestandenen Ausdehnung Samaitens bis zum Ausfluß
der heiligen Aa in das Meer nicht mit Notwendigkeit gesclüossen
werden dürfen, daß Samaiten von Anfang an so weit nach
"Westen vorgeschobene Grenzen gehabt hat. Wie anders lauten
im Vergleich dazu die Angaben des Jahres 1412, welche sich
in den bereits angeführten Aussagen alter Leute über die Aus-
dehnung des deutschen Ordensgebietes an den Grenzen Salnaitens
finden.^) Nach ihnen betrug die Entfernung von der Ostsee bis
2tt den samaitischen Hagen an der livländiachen Grenze ungefähr
17 Meilen, während weiter südlich von "Windenburg am kurischen
Haff aus bis zur "Westgrenze Samaitens der Orden ungefähr
12 Meilen zurückzulegen hat. Ohne sie auf ihre Richtigkeit hin
prüfen zu können, verdienen diese Erklärungen deshalb vielleicht
1) ÜDter „Livland" ist nach dem Gebrauch der damaligen Zeit das
Gebiet des livländiachen Ordensziveiges zu verstoheD.
2] Über Semfi;allen8 SUdgrenze vei-gl. S. 194.
3) VergL S. 196, A. 4.
4) Tei^l. S. 198, Ä. 6.
5) Scriptores 11, 709«.
,dbyG00gIe
1^98 Samaiten und der Deutsche Orden etc.
erwähnt zu werden, um uns über den wohl nur mehr gewünschten
ala wirklichen Besitz dee Ordens zu informieren. Zieht man
aus diesen ao widerspruchsvollen Nachrichten die Summe, so
dürfte sich als Westgrenze Ramaitens eine bestimmte Linie
nicht ermitteln lassen, zumal noch der Bischof von Kurland auf
diesen Küstenstrich von der Wiodau bis zur Memel Anspruch
macht.')
Wollten wir uns ftlr die Südgrenze der Auffassung des
Ordens vom Jahre 1412*) anscblieJlen, so würde Samaiten nicht
die Memel erreichen. Dem widerspricht indessen die Existenz
einer Menge Burgen') an der Memel, die der Orden erst
beseitigen muß. Westlich von der Nawese gelegen nnd deshalb
nicht zu Littauen gehörig, können wir als ihre Besitzer nur
Samaiten annehmen. Teile dieses Volkes werden also bis au
die Memel wohnhaft gewesen sein. Zu dieser Vermutung sind
wir um so eher berechtigt, als eins dieser Kastelle*) nachweislich
durch einen samaitischen Häuptling verteidigt wird, — Gehen
wir nun in das Innere und suchen wir uns Klarheit darüber zu
verschaffen, in was für Unterabteilungen Samaiten zerfiel. Die
für diese in den Chroniken und sonst vorkommenden Bezeich-
nungen sind hauptsächlich „territorium,*) terra,') regio') und
1) Vorgl. S. 193.
2) Scriptoroa II, 710: Es wird die Entfernung der eamoitiEchen Hagen
Ton der Uemel unter Berüok sichtig ung bekannter Ordenspunkte folgender-
maßen bestimmt: Ragnith soll 10 Meilen, Welun 8 Meilen, Ritterswerder
i Meilen von der südlichen Schutewehr Samait«ns entfernt sein.
8) Solche Burgen sind; Bisene, Cotayne, Jiinigede, Pisten, cf. bei-
liegende Karte.
4) Peter v. Dasburg, III, 238: Chronicon terrae Prussiae (citiert mit
Busbarg) in Scr. I, 162: „frater Meneko castnim Colajne acritet
impugnavit. In hoc Castro fuit Sunninus capitaneus. Yergl. dazu Scr. 1, 177,
Anm- 2, wo Sunninus unter der Reibe der eamaitiechen Häuptlinge aufge-
zählt wird.
6) Dnsburg, m, 344, in Scr. I, 154. Dusburg UI, 247 in Scr. I, 155.
Dnsbui« in, 269 in Scr. I, 169.
6) Hermanni de Wartberge Chronicon Livonie in Scr. II, z, B.
Seite 86, 98, 102 (citiert mit Wartbergo).
7) Wartberge in Scr. H, z. B. S. 89, 92, 95.
,dbyGoogIe
Von Dr. B, Krarabholtz. 199
districtus')", Auedrücke, die durch „Bezirk" oder „Territorium"
wiedergegeben werden sollen. Es wäre überflüssig, die große
Zahl dieser Bezirke aufzuführen, weil sie im Verlauf unserer
Betrachtang, soweit sie von Wichtigkeit sind, erwähnt und ihrer
geographischen Lage nach bestimmt werden. Von größerem
Interesse dagegen ist es, wenn wir uns die Ausdehnung und
sonstigen Eigentümlichkeiten eines aolchen Bezirks vor Angen
zu lühren suchen. Leider ist dies nur in einer ganz ungenü-
genden "Weise möglich. Die einzigen Anhaltspunkte für die
Größe der einzelnen Territorien sind die Angaben der llttaaischen
Wegeberichte*) Ober die Entfernung von einem Bezirk zum
andern, Nachrichten, die uns aber über den Urning der Bezirke
nichts sagen, weil wir nicht wissen, von wo aus die Bistanzen
gerechnet sind. Sodann liegen noch vereinzelte Notizen darüber
vor, wie lange die Bitter in einem Bezirk sich zu Verheerungen
aufgehalten haben, z. B. wird „terra Opithen"') 4 Tage lang,
„terra Medenike"*) 5 Tage hindurch verwüstet. Aus der ver-
hältnismäßig langen Zeit, die diese Territorien zur Ausplünderang
erfordern, ist wohl der Schluß auf ein ziemlich ausgedehntes
Gebiet zulässig. Mag die Gründlichkeit, mit der man eine
Plünderung vornahm, auch zu verschiedenen Zeiten eine ver-
schiedene gewesen sein, so dürften jedenfalls die Bezirke, von
denen 7 innerhalb 6 Tagen verwüstet werden können,^) sich
an Größe mit den beiden erwähnten nicht messen können. Wir
werden also Territorien von verschiedener Ausdehnung anzu-
nehmen haben; — mehr läßt sich nicht sagen.
Wenn auch nur bei einzelnen Bezirken Hagen oder Ver-
1) C. e. W. No. 744.
3) LittaiiJsche Wegebericlite in Scr. 11, 662—688 z. B. Wegebericht 8.
{Wegebericht citiert mit W.)
3) Wftrtberge in Script. II, S. 88.
4) Die Chronik Wiganda v. M&rburg (citiert mit Wigand) in Sorip-
tores n z. B. No. 4e, S. 620.
6) Wftrtberge in Scr. II, S. 89.
,dbyG00gIe
200 Samaiten und der Deatache Orden etc.
haue erwähnt werden/) so dürften dieselben doch vielleicht
häufiger in Gebrauch gewesen sein sowohl als Umwekning der
Grenzen der einzelnen Bezirke,*) als besonders auch als Zufluchtsort
bei plötzlichen Überfällen;'} dem letzteren Zweck werden auch
die gelegentlich erwähnten „castra"*) gedient haben, die als
Burgberge mit Holzumzäunung wohl mit den „Burgwällen" der
'Wegeberiebte") identisch sind. Fanden hier also bei gefahr-
lichen Zeiten die Einwohner eines oder mehrerer Bezirke mit
"Weib, Kind und aller ihrer Habe Aufnahme,') so werden die
Samaiten während friedlicher Zeiten in Dörfern gewohnt haben
von denen freilich nur vereinzelt gesprochen wird.'') Uns eine
Anschauung von der Beschaffenheit eines solchen samaitischen
Dorfes zu gehen, sind die Wegeberichte 37 und 38 geeignet.
Die hier erwähnten Dürfer haben 6 bis 8 Gehöfte; sie liegen
sämtlich in der Nähe einer Haidefläche, die für Schweinezucht
geeignet ist, endlich hat jedes Dorf 2 Thore, was vielleicht auf
eine Art von UmwaUung schließen läßt. *
Versuchen wir jetzt in topographischer Beziehung uns Über
Samaiten zu informieren. Auch hier muß wieder der Mangel
an Material zur Fixierung eines klaren Bildes von der Ober-
Aäche des Landes beklagt werden. Das gewonnene Benultat
läßt sich mit wenigen Worten wiedergeben. Es existiert ein.
1) Dueburg lU, 290 in Scr. I, 171; Wigand No. 66 in Scr. U, 641;
"W. 31 und 32 in Scr. n, 630. *
2) Wigand 56 in Scr. II, 541.
3) I»uabnrg III, 290' in Sor. I, 171; Johanns v. Poailge, officialis
V. Pomesanien, Chronik des landes Prassen in Scriptorea III, cf. zum
Jahre 1399 in Scv. III, S. 2'28 {oitiert mit Posilge); W. 2 und 31.
4) Dosburg IH, 290 in Ser. I, 171 j Dusburg III, 300 in Sor. I, 174;
Dusbnrg IH, 321 in Scr. I, 180.
B) W. 6 und 46.
6) Dusburg Supplementum No. 8 in Scr. I, 216, Wigand No. 20 in
Scr. n, 488.
7) Dusburg IH, 276, 330, 832 in Scr. I, 165, 183, 183; Franoiskani
Thorunenaifi Ännales Prusaici (941—1410) (mit .^nnalista Tboranensis citiert)
in ScriptoreB Hl; cf. zu 1385 in Scr. in, 188; W. 6, 37, 88; C. e. W, No. 861.
DigtizBabyCoOgIC
Von Dr. R. Krumbholw. 201
grofier WoBBerreichthmn,*) der sich auf eine Unzahl von kleinen
Flossen, Brüchen und Sümpfen verteilt. Ein zweites Cbarak-
teristikum des Landes ist das Vorhandensein großer Wälder.^)
Diese zerfallen ihrer Bezeichnung nach in „heilige "Wälder"''),
„Grauden" d. h. zum Kohlen- oder Theerhrennen dienende
Wälder,*) endlich „Damerowa" d. h. Haideflächen, die mit unaus-
gewachaenen Eichen schwach besetzt sind.^) Ein so reichlich mit
Wasser und Wald ausgestattetes Land mußte für das Gedeihen von
Gras und andern wild wachsenden £räutem sehr geeignet sein.
Und in der That sprechen die Wegeberichte fest ausschließlich von
Gegenden, die außer Wasser und Holz noch Futter (d. h. wohl
Grünfutter für Pferde) dem Ordensheer bieten können,*) während
sie von angebautem Land nur zweimal berichten.')
Der natürlichen Beschaffenheit eines Landes schließen sich
die Erwerbsquellen seiner Einwohner an. Sie bestanden in
Samaiten aus Jagd, Fischerei und Ausnutzung der Honigbäume;*)
weiter muß namentlich Viehzucht getrieben sein. Einen Maß-
stab dafür, in welchem Umfang dies geschah — besonders Pferde-
zucht — bieten die großen Mengen von Pferden und andern
1) Vargl. sämtiiche Wegebericht« in Scr. 11, 664—688; Scriptor. U, 709b.
2) Wigand No. 56 in Scr. n, 542; sämtliche Wegebericlite; Livländische
BeimcLronik ed. Leo Ueyer Paderborn 1876. Vera 3376 etc. (mit B«im-
cbroDik citiert).
3) Toppen: Geographie S. 40. Anmerkung 197.
i) Scriptoree II, 666, Anmerkung 14.
5} Scriptores 11, 669, Anmerkung 4.
6) cf. z. B. W. 8. „von Twertekayroen (= Twer cf Karte) bie czu
'Warnestilte (= Wora; cf. Karte) is 2 mile, cza herin, futera, wasairs,
bolczee gnnk.
7) W. 35.
8) C. e. W. No, 861. . . . proventus nt sunt venociones ferraram, pisea-
tnre, metlificia . . . sine qnibus ipsa terra Samaytaraut nequaqnam stare
polest. Oeheimes Staata-Archiv za Königsberg i. Fr. Schieblade XVni
No. 12: Ee ist: „vorboten Im lande czn vorksnfen pherd . . . und hosig",
weil „ wir ouch des honig bedorffen und mit willen nicht gern weiden
wasair trinkoa."
DigtizBabyCoO^IC
202 Samaiten und der Deutecbe Orden etc.
Hanstieren, welche der Orden auf seinen Zfigen mit fortnabm.')
Es versteht sich von selbst, daß ein Volk, welctea, wie wir sehen
werden, ein politisches Sonderleben führt, auch noch andere
Bedürthisse des Lebens zu befriedigen imstande sein muß. So
wird ea vor allen Dingen Getreide hauen müssen. Selbst ohne
Zeugnis für Samaiten würde eine derartige Beschäfligang bei
den Einwohnern dieses Landes vorauszusetzen sein, weil schon
die Letto-Slaven den Ackerhau kannten.*) Aber ea liegen auch
Nachrichten dafür vor, Poailge') erwähnt eine Verwüstung, die
an Getreide vorgenommen wurde. Der Großfürst Witold spricht
wiederholt davon, daß die Littauer bei schlechten Getreideernten
von den Samaiten unterstützt worden seien,*)
Aber noch andre Anforderungen treten an den Menschen
heran. Leider fehlt es uns wieder völlig an jeder Nachricht,
um darüber uns klar zu werden, was außer Jagd, Viehzucht und
Ackerbau die Samaiten beschäftigte. Wer die Kleidung und die
sonstige Ausrüstung des Körpers gegen des "Wetters Unbill an-
fertigte, wie weit die technische Fertigkeit der Samaiten hierin
ging, wissen wir nicht. Indessen werden wir berechtigt sein,
una davon keine hohe Vorstellung zu machen mit Bücksicht auf
die Geachenke, welche der Orden den Samaiten machte. Ein
Volk, dem durch Ueberweisung von Kleiderstoffen, Stiefeln und
Beilen'') ein Gefallen erwiesen wird, oder das dadurch aus einer
Notlage befreit wird, kann in den Künsten des Gewerhefleißes
auf einer nur niedrigen Stufe gestanden haben. Dem abzuhelfen
wird der Handel gedient haben, desaen Existenz bezeugt iat.')
1) Wigand Ko. 102c und 122 in Scr. II, 592 und 610; Scr. III, 116,
156, 216, 226, 265, C. e. W. No. S91.
2) Schiemann I, 10.
S) PosUge zu 1329 in Scr. III, 228.
4) C. e. W. No. S91, 426. No. 391 : „Unsir landt (Littauen) und Samayten
landt Bindt czosampne . . . und wenne in der einem Und das getnüde vbm
gerothin wirt, zo habin sie gewonheit, ue dem andim lande das getraide
czu keufin,"
5) TreGlerBuch imOeheimen Staats-Ärchtv zu Königsberg, S. 57, 207.
6) Beimchronik Vets 4644, Bunge I No. 267, C. e. W. No. 67.
DigtizBabyCoO^IC
Von Dr. B. Krumbholtz. 203
Wir werden ans darunter einen Tauschhandel vorzustellen haben;
der Samaite wird iu die ihm bequem gelegenen und zugänglichen
Plätze des Nachbarlandes') gegangen sein und dort für die von
ihm gewonnenen Producte der Jagd, des Fischfanges etc. sich
Salz, Mehl, Hering, Rosinen, Reis, Mandeln, Kleiderstoffe*) und
andere Gegenstände eingetauscht haben. Was sich über den
wirtschaftlichen Zustand Samaitens pagen läßt, ist damit erschöpft.
Mit einem Wort fast ist das religiöse Leben der Samaiten
abzumachen. Alles was Caro^) noch auf Grund von Joh. Lasicki;
De diis Samagittaram (Basel IGlö) davon berichtet, ist unhaltbar
nach einer Prüfling der primären Quellen. Was sich aus ihnen
hierüber ergiebt, ist folgendes: Die Samaiten sind Heiden; es
giebt bei ihnen einen eigenen Priesterstand*), über den indessen
nichts weiter bekannt ist, als daß vor einem Kriegszug eins seiner
Mitglieder die Stimmung der Götter zu erforschen sucht. Dies
geschieht in der Weise, dafl der Priester denselben ein Tier
schlachtet und wahrscheinlich je nach Beschaffenheit der innem
Teile desselben den Ausgang der bevorstehenden Unternehmung
verkündigt.^) Der Gottesdienst steht auf der niedrigsten Stufe:
Pferde, Rüstungen und auch Menschen bringen sie durch Brand-
opfer ihren Göttern dar.*) Einen wichtigen Sehritt in unserer
Kenntnis vom samaitischen Kultus würden wir thun, wenn
1} C. e. W. No. 68. Am 26. Mai 1390 bewilligt der Onlen „die von
Samayten mögen czien ken Jtirgenburg, ken Rangnith und ken der Memil
in unser land do eelbist czu kowffslagen."
2) TreDIerBucli p. 43, SO, 207 enthält die im Text angegebenen Gegen-
stände, welclie dem Vogt von SBraaiten zur Verteilung in eeinem Lande zu-
geschickt wurden.
3) Caro: GeRchiRbte Polens. Band DT, S. 32 (mit Caro citiert).
4) Reimchronik 4680; Wigand No. 66 in Scr. II, 642.
6) Reimchronik 4680 etc: „ir blutekirl der warf zu haut sin loz nach
ir alden Site : zu hant er blutete allez mit« ein quek, als er wol wiate. er
sprach in sneller vriate" etc.
6) Diisburg in, 338 in Scr. I, 185; Nicolaus v. Jeroachin: „Di Kronike
von Pmzenlant" in Set. I. cf. Vers 25148-25165 in Scr. I, S, B93. (mit
Jeroachin citiert) Posilge zu 1389 in Scr. III, 167. Heimchronik Vers
4698—4700; „die gote die sint wol wert, daz man brunjen und pfert und
ouch riache man da mite bume nach unser site."
DigtizBabyCoOgle
301 Samaiten and der Deutsche Orden etc.
der Inhalt folgenäer in einem Briefe') Sigismunds ans Con-
Btanz an Wladislaus Jagietlo vom Dezember 1417 enthaltener
Worte die Kritik des Riclitigen aushalten könnte. Jagiello wird
aufgefordert, für die Verbreitung des Christentums in Samaiten
Sorge zu tragen, dann heißt es: „idolorum cultns avertite, fano-
rum edificia evertite." Gegen diese Nachricht sich skeptisch zu
verhalten, ist deswegen vielleicht nötig, weil sie das einzige
Zeugnis für Götzenbilder und Tempel ist. Sodann — nnd das
ist wohl besonders hier von Wichtigkeit — ist zu berücksichtigen,
wer uns diese Kunde übermittelt hat. Aus Sigismunds Kanzlei
hervorgegangen, wird der in Frage kommende Brief von Geist-
lichen verfaßt sein. Es liegt deshalb nahe, daß sie, ohne eine
wirkliche Kenntnis von den einschlagenden Verhältnissen in Sa-
maiten zu haben, genau so wie die meisten mittelalterlichen
Annalisten und Chronisten, aus einer anerzogenen Vorstellung
über die zu jedem heidnischen Kultus notwendigen Attribute von
Tempeln u«d Götzenbildern sprechen, — Mögen die Samaiten
nun Tempel gehabt haben oder nicht, jedenfalls hielten sie mit
unerschütterlicher Treue an ihren Göttern fest*) nnd erschwerten
dadurch dem Orden seine Aufgabe, sich das Land zn unterwerfen,
nicht weniger, als sie es durch kriegerische Tüchtigkeit thaten,
über die indessen am besten bei Gelegenheit der politischen
Einrichtungen gesprochen wird. Wie schon kurz angedeutet,
wurde Samaiten von Leuten bewohnt, die ihrer Abstammung
nnd Sprache nach durchaus zu den Bewohnern des eigentlichen
Littauen gezählt werden müssen'). Nichts desto weniger haben
beide Länder eine durchaus verschiedene Entwickelung gehabt.
Während ,in Littauen sich ein Königtum entwickelt, fehlt in Sa-
maiten durchaus eine solche Institution. Die klassische Stelle
1) Archiv für öaterreichiBche Geschichte Band B9, Seit« 164, No. 66.
2) S. z. B. Beimchronik 6334; Dusburg Supplementum 9 in Scr. I, 315;
Wigand ISl in Scr. II, 619.
8) C. e. W. No. 861: Terra Samajtarum fuit unura et idem cnm terra
Lythwome, nam nnrnn jdeoma et nni hominea.
zeabyCoOgIC
Von Dr. R. Knimbholte. 205
über die Begierungsform in Samaiten befindet sich bei Dnsburg,')
der als Herrscher Samaiteos „nobiles" anführt. Diese Xotiz Dus-
biirga läßt sieb belegen,') and ich halte an den „nobiles" als
den Bögenten des Landes fest im Gegensatz zu Voigt,') der ge-
stützt auf eine Urkunde bei Bunge*) einen König Butegeyde
Oberhaupt der Samaiten nennt. Bekannt ist dieser angebliche
König V. Samayten nicht, und findet sich auch sonst keine Spur
von ihm, falls er nicht, wie Toppen*) vermutet, mit Budiwid,
dem Sohn Troideus, des Herrschers von Littauen, identisch ist.
Biese Annahme Töppens stimmt mit der Ansicht Schiemanns")
in. sofern fiberein, als hier ein Sohn Troidens als derjenige be-
zeichnet wird, welcher seit 1286 — 1314 an der Spitze einer Gegen-
partei, gestützt auf den Orden — wohl nur für einige Jahre
(1294 — 1300) zur Zeit Ludwigs v. Libencele als Komtur von
Bagnith^ — und die Samaiten gegen die Bäuber seiner Herr-
schaft: Lntuwer, Witen und Gedimin sich hält. Selbstverständ-
lich wird die weitere Vermutung Töppens, daß auch Pucuwer
oder Lutuwer dieselbe Person ist wie Troidens Sohn Budiwid
oder Butegeyde, hinfällig. Zugegeben Bategeyde ist eine histo-
rische Persönlichkeit, so ist er als König von Samaiten doch nicht
1) Dosburg m, 959 in Scr. I, 169: „Nobiles, per quoB Samethia t.tmc
regebetnr.
2) Reimchtonik 4625—4629; 4653: die konige von Samaiten die liezen
in bereiten etc. Posilge in 1407 in Set. IH, 284: die eldesten der lande cza
Samaythin" — . Schieblade XVIH No. 21: dy eldesten und dy besten sjTit
gewest etc. ; Schieblada XVI No. 69; dy beeten von allen landen quamen . . ."
3) Voigt: Geschichte. PreuBsens, Band 4, S. öOText iind Anmerkung 1.
(citiert mit: Voigt. O. Pr.)
4) Bunge I, No, 538. Schreiben des Meisters von Livland an den Land-
m^ter von Preussen. November 1290.
5) Toppen in Scr. I, S. 146. Anm. 2.
6) Schiemann I, 220.
7) Dusbnrg UI, 259 in Scr. I, 169: „Infra sex annos (1294-1300)
.... qoiboa Ludovicus de Libencele .... dicto Castro (Ragnitb) prefiiit . . .
rex Littowie (es wird Witeu gemeint sein, der 1293 seinem Vater Lutawer
folgt cf. Schiemann I, 269) cum Samethis poterat . , . nunquam .... con-
cordare, nt simul in bello procederent contra fratree.
DigtizBabyCoOgle
206 ' Sftmait«n und der Deutsche Orden etc.
zu halten. Betrachtet man die Urkunde, auf welche Voigt sich
stützt, genau, so wird dort auch Butageyde nicht König von
Samaiten genannt, sondern nur davon gesprochen, daß zu derselben
Zeit (Winter 1290/1291), wo der Orden aus Preußen in Samaiten
einfällt, der liyländische Meister das Gebiet des König Butegeyde
angreifen will'). Wie schon bemerkt, behauptet sich Butegeyde
noch immer in Littsuen, wird sieh selber als König angesehen
haben und auch wohl von andern noch immer dafür gehalten
sein. Er und die Samaiten sind Verbündete; eine Schädigung
des Königs trifft also auch die Samaiten, und so kann man doch
von einem kombinierten Schädigungszag gegen die Samaiten von
Preußen und Livland her roden, ohne daß Butegeyde ihr König
zu sein braucht.
Wer sind Dusburgs „nobiles", die in den ihn stützenden
Belegstellen^) auch „Aelteste, Beste, Könige" genannt werden,
und wonn besteht ihre Macht? Die erste der soeben aufgeworfenen
Fragen nötigt uns, auf die Standesverhältnisse in Samaiten einzu-
gehen. Wir werden zwei Perioden zu unterscheiden haben, deren
erste ihr Ende erreicht, sobald sich mit Rußland und Polen
Berührungspunkte ergeben haben. Während die Reimchronik,
welche Samaiten unberührt von jenen Einäüssen darstellt, nur
„Könige"*) im Gegensatz zu den übrigen Volksgenossen hervor-
hebt, unfreie Elemente überhaupt nicht erwähnt — es stimmt
dies mit einer Aeußerung des Jahres 1401*) überein, welche aus-
drücklich im Gegensatz zu den augenblicklichen Verhältnissen
hervorhebt, da^ in Samaiten ,,niemande vormols geczinset" sei
V) Bunge I No. 638: Si vobis videbitur .... expedire, produeere
ista bieme (die Urkunde ist vom November 1290) exercitum contra ....
Lettowinoa, videlicet de Samayten. nos .... terram regia Butegeyde eodem
tempore invadeinua.
2) cf. Seite 206. Anmerkung 2.
8) Beimchronik 4628; 4653: „sie hatten rischer manne vil alsus sie
griffen zu deme spil : die kunige von Sameitea die liezen in bereiten ein
getrenke" etc.
4) 0. e. W. No. 241. Seita 77.
,dbyGoogIe
Von Dr. ß. Krmnbholta. 207
— kennt die spätere Zeit drei Stände. ÄuBer Bojaren (es ist
dies kein littauischeg Wort) und Freien giebt es noch einen
auü-eien Stand,') der in 2 Kategorien zerfiel. Die erste der-
selben, die Bauern, scheint trotz ihrer Unfreiheit um 1401 —
in dies Jahr filUt das einzige Zeugnis, was über diese Ver-
hältnisse existiert — zum Teil in sozialer Beziehung eine nicht
schlechte Lage gehabt zu haben; denn es werden ausdrücklich
„gute bajom frunde"*) d. h. Verwand£e von einzelnen Mit-
gliedern des Bauernstandes genannt, während freilich von
andern nicht bestritten wird, daß sie ,,bei den baioren
gesessen betten und hetten in geczinset". Letztere speciell also
würden, insofern die angeführte Belegstelle als Aussage einer
Partei glaubwürdig ist, was an Mangel sonstigen Materials zu
kontrolieren unmöglich ist, in die Klasse der ,,ezinshaftigen"')
zu rechnen sein, welche ihrerseits noch wieder scharf zu trennen
ist von der untersten Schicht des Volkes, den ,, eigen czins-
haftigen" oder ,,6ygen". Woher sie, die in einer Urkunde*) des
Geheimen Staatsarchivs zu Königsberg als Verkaufsobjekte mit
Pferden und Honig in einer Reihe stehen, ihren Ursprung
haben , wissen wir nicht ; vielleicht sind es Kriegsgefangene
oder deren Nachkommen. Baß die früheren wohl einen eigenen
Stand bildenden, „Könige oder Aelteste, Besten" nach der Ein-
wirkung fremder Einflüsse zu den Bojaren gehört haben werden,
1) C. e. W. No. 241. S. 78: „die landt cza Samaithen gömentich
woren czu Marienburg bi onserm bomeister und boten in, das her die
baiem lieQe baioren bliben, die freien frei nnd die gebawer gebawer."
ahnlich Voigt: „C. d. Pr. VI, No. 113, Seite 111.
2) C. e. W. No. 241. S. 78: (Angebot) es weren ir vil vor gebawer
geechreben, die doch gute baioren czu frunden hett«n . . . sunder die
gebuwer, die bei den baioren gesessen hetten und hetten in geczinset etc.
3) C. e. W. No. 241, 3. 78: Angebot Witolds an des Ordens Gesandte:
„ich wil euch die czinshaftigen nnd eigene, die ich weis, wider geben.
C. e. V. No. 241. S. 77; Witold weist auf eine Stelle im Vertrage mit dem
Orden hin, die von „czinshaftigen und . . . «igen czinshaftige" spricht.
4) Schieblade XVIII, No. 12: Verbot des Vogtes v, Saoiaiten: wir
haben verboten Im lande czu vorkaufen pherd, fye, ejgen und honig.
DigtizBabyCoOgIC
208 Sam&iteD und der Deutsche Orden etc.
ist wohl selbst vQTstAndl ich. Betrachten wir nnn die SteUnng
der „Könige", oder wie sie fortan genannt werden sollen, der
„Häuptlinge", von denen es eine große Menge^) giebt. Für die
Erblichkeit dieser Würde bei einzelnen Familien findet sich
ebensowenig eine Spur wie von der "Wirksamkeit der Hänpt-
linge, ansgenommen da, wo es sich um Kriegsfährung, Abschluß
von Verträgen handelt. Dieser Umstand läßt ihre Bedeutung
in ruhigen Zeiten also als eine ziemlich geringfügige erscheinen.
Kommt nun zu dieser Erwägung die Thatsache, daß es einer
Schar von 60 Ordenalenten gelingt, nicht nur den Wohnort
eines Häuptlings zu vernichten, seine Familie und Gesinde
fortzuführen, sondern auch die rings um sein Haus vielleicht
□nter seiner Botmäßigkeit stehenden Dörfer zu vernichten,') so
wird man die reale Macht und die aus eigener Kraft ihm zu
Gebot stehenden Hilfsmittel kaum hoch veranschlagen dürfen.
Anders gestaltet sich freilich ihre Stellung, sobald das Land in
Kriegszustand kommt, sobald es eine politische Tertretnng nach
außen braucht. Am deutlichsten spricht sich fUr den ersten
dieser zwei Gesichtspunkte die Eeimohronik aus. Die Häupt-
linge sind es, welche sich versammeln nnd sich über einen
Kriegszug schlüssig werden,') aus ihrer Mitte ersteht der oberste
Anführer bei der ins Werk gesetzten Expedition,*) Und hieran
ändert sich nichts. Aach bei Dusbnrg^) regen Häuptlinge zum
1) Dnsburg m, 228 in Sot. I, 149; Ea wird von 70 „reguli" ge-
sprochen.
2) Dosbarg III, 332 in Scr. I, 183: SexagJnta viri intravernnt habi-
tacionem cuiusdam nobilis et potentis viri . . . ., et eain cnm villis circom-
jacentibus in cioerem redegerunt, uxorem ipsiuB et liberos et faniiliam ....
5) Keimchranik 465S— 4727.
4) Reimchronik 4066, 4668:
ir eldeste aproch also
zu den kunigen uberal.
6) Dusborg III, 269 in Scr. I, 459: nobiles . . . populnm commtinetn
contra regem Lethowinoram provacarunt (fOr provocarent des Textes).
DigtizBabyCoO^IC
Von Dr. R. Krnmbholtz. 209
Kriege an; sie stehen an der Spitze des Heeres,') nnd unter
ihnen giebt wieder einer, der dnrch Klugheit und Erfahrung
seinen Mithäuptlingen gegenüber eine überlegene Stellung be-
hauptet, den Ausschlag.') Eine ebenso dominierende Bolle spielen
die Häuptlinge, wie schon angedeutet, bei dem Abschluß von
Verträgen. Die versammelten Häuptlinge leiten die Friedens-
verhandlungen mit dem Orden ein, sie empfangen die Nachricht
über das Grelingen derselben.'} Häuptlinge werden wir uns
unter denen vorzustellen haben, die mit dem Orden 1390 ein
Offensiv- und Defensiv -Bündnis sowie einen Handelsvertrag
abschließen,*) Häuptlinge sollen mit Ordensgesandten zusammen
bei Streitigkeiten ein Schiedsgericht bilden;^) Häuptlinge endlich
sind es, die des Ordens Beamte über die Stimmung im Lande
orientieren,") und von der Unlust zum Kriege berichten.') Machen
sich auch Strömungen gegen die Häuptlinge geltend,^) so richten
sich doch diese Bestrebungen nur gegen den Besitz^) und
namentlich gegen die Farteistellung eines Teils der leitenden
1) DuBbarg HI, 303 in Scr. I, 174: Mansto ... et aJii nobilea de
Samethia cum quinqne milibua equitum etc.
2) Dusbors: III, 311 in Scr, I, 177: alü nobües . . , . eoa (Ordens-
brüder) in bello aggredi (voluerunt), MimsUt predictus vir sapiens et ex-
periencia dissnasit
5) Heimchronik 4625-4628:
do 8ait«n sie (die Boten) iren kauigen Bo
daz sie der meister bette vro ....
4) C. e. W. No. 67.
6) C. e. W. No. 68: „ob eine irronge" .... so sollen „vier der
eldisten ns dem lande czu Samayt«n" sie schlichten.
6) Schieblade XVIa No. 69: dy besten von allen landen qnomen czn
uns und sageten uns.
7) Schieblade XVm No. 21: dy etdesten und dy besten boyorn synt
gewest czu .... und aas gesayt, das sy sich vorsehen, das vele nicht
rythen wellen.
8) Bunge V No. 2291 ; C. e. W. 781.
9) C. e. W. No. 781: die gebuwere .... thatin ... ein geschre . .
nnd robeten des Szodeyken hus und sust andir baioren . . .
Al^. VonatMchrin Bd. ZXVL HfL B n. 4 14 .
DigtizBabyCoOgle
210 Samaiten und der Deutsche Orden etc.
Klasse.^) Toeppen*) hat also ganz Recht, wenn er ftr Samaiten
bis in späte Zeiten eine aristokratische Territorialverfaseung in
Anspruch nimmt.
Wiederholt iat schon davon gesprochen worden, daß Führer
bei den Kriegen der Samaiten die Häuptlinge waren. Versuchen
■wir nun zum Schluß dieser allgemeinen Uebersicht aus unsem
Quellen uns ein Bild zu machen über die Art der Kriegsführung,
Bewaflhung und was weiter damit zusammenhängt. Wir werden
berechtigt sein anzunehmen, daß jeder waffenfähige Mann, viel-
leicht mit Ausnahme der „eigen", auf deren Treue man wohl
kaum sich verlassen konnte, Mitglied des Heeres war. Wollten
also die Häuptlinge bedeutendere Streitkräfte zur Verfügung
haben, als sie ihnen durch ihre Hintersassen etwa zu Gebote
standen, so mußten sie Ziels im Auge haben, die der Stimmung
im Lande entsprachen. Konnten sie dieser gewiß sein, so werden
Versammlungen stattgefunden haben, auf denen die nötigen
Anordnungen wohl getroffen sind,^) oder es sind in den einzelnen
Dörfern Bekanntmachungen erlassen.*) Es war dies um so eher
möglich, als die Bezirke auf eigene Faust, seltener das ganze
Volk der Samaiten zusammen einen Krieg unternahm.') Dies
erklärt sich leicht dadurch, daß der Orden nur einzelne Terri-
torien verheert, und diese dann, sofern sie die Kraft in sich
fühlen, sich zu rächen suchen. Bei dem Pferdereichtum des
Landes und entsprechend der Kriegsfuhrung der damaligen Zeit
werden wir uns die keineswegs großen Heere der Samaiten —
es wird die Stärke der Streitmacht bei gemeinsamem Vorgehen
1] Schieblade XVI No. 13: Ein Bote erscheint bei einem Ordensgebietiget,
„der ist uageaandt von der gem^ne der lande" .... spricht von „3 adir
4 der besten die ia mit der geraeyne halden."
2) Toppen, Geographie S. 41.
3) C. e. W. No. 404: das gantze landt czu Samayten bei enander
gewesen ist.
4) C. e. W. 421 : Es trifil die Nachricht ein „das man in allen dorfen
hat geruffen, das sie sullen czum geschrei iaghen. . . .
5) Dusburg ni, 302, 307, 330 etc. in Scr. I. 174, 176, 183.
DigtizBabyCoOgle
Von Dr. E. Krumbholtz. 211
der Samaiten auf 5000 und auch auf 9000 angegeben,') während
fOr das einzelne Territorium sich eine Zahl von 400 findet^} —
namentlich aus Beiteru zusammengesetzt denken müssen; aber
auch Fufigänger werden erw&hnt.') Auch fOr Train scheint man
Sorge getragen zn haben, indem einmal ausdrilcklieh der Befehl
ergeht, daß für je 3 Reiter ein Wagen mitgenommen werden
aoll.*) Was die Waffen und Ausrüstung betrifft, so haben wir
dafür nach einer zuverlässigen Angabe Speer und Schild anzu-
nehmen,^) und zwar letztere aus Bast.^). Die Speere bezeugt
auch die Reimehronik;') indessen die von ihr angeführten
silbernen Rüstungen^) und auch die goldenenen wie Spiegelglas
glänzenden Helme*) sind wobl als dichterische Uebertreibungen
anzusehen, obgleich durchaus glaublich ist, daß die Samaiten
noch auf andre uns nicht Überlieferte Weise ihre Körper gegen
die Gefabren des Krieges geschützt haben werden. Wir sind
zu dieser Annahme um so eher berechtigt, als wir an den
Samaiten die G-abe beobachten können, die ihnen von der Natur
verliehenen Hilfsmittel auszunutzen. Durch Verhaue werden
Wege und Wälder unpassierbar gemacht;'") ihren Holzreichtum
1) Duflbutg m, 803 in Set. I, 174; Wigaod 131 in Scr. H, 619.
2) Schieblade XVIU No. 10: von Sameiten ayn usgezogen as eynem
yklichen lande 400 ryler.
5) Wigand 60 in Scr .11, 548 „pagani pedestres et eqnestres." — Reim-
chronik 6996.
4) Schieblade XVm No. 10; yo drey ryter hoben eynen wayn.
6) C. e. W. No. 404: das gantze land sol usczihen mit Schilde nnd
mit Bperen.
6} Schieblade XYIa No. 40: die Samaiten „haben gehat beatene
Bchilde."
7) Heimcbronik 6623.
8) Yers 6460: ir (branjen) waren silberwar.
9) Vers 6017—6020: ir helme waren von golde rieh, ez luchte alsam
ein spigelglas.
10} Poatlge za 1394 in Scr. lU, 196 : dy Samoythen . . . hattin den walt
yorheynit . . ., ähnlieh C. e. W. No. 411.
14*
DigtizBabyCoO^IC
212 Sainaiten nnd der Deutsclle Orden etc.
benutzen sie zum Aufbau von Belagerungemaschinen,^) aus Holz
und Strauch erbauen sie bei Belagerungen ihre Hütten.*) Zu
diesen gewiß nicht gering anzuschlagenden Fertigkeiten kommt
vor allem noch eine große Gewandheit, die wir oft genug Gelegen-
heit haben werden, zu beobachten, in kürzester Zeit die an ibren
Burgen ausgeführten Schäden zu beseitigen oder deren gänzliche
Vernichtung durch Keubauten zu ersetzen.') Berücksichtigt man
dann noch die seltene Ausdauer und Energie, mit der die
Sajnaiten trotz der furchtbarsten Verwüstungen ihres Landes
ihren Glauben und ihre Unabhängigkeit verteidigt haben, so
wird man sie zwar an Organisation der Kriegsmacht des Ordens
nicht gleichstellen können, anderseits in ihnen jedenfalls nicht
ungefilhrliche Gegner des Ordens erblicken.
Werfen wir nun noch einmal einen Eückblick auf das, was
sich über Samaiten, seine geographische Beschaffenheit, Kultur,
Eigenschaften seiner Bewohner sagen ließ, so werden wir vielleicht
das Urteil Über das gewonnene Bild dahin präzisieren können:
Nicht das Land an sich, nicht das, was es bot an natürlichen
HOlfsquelten, konnte dem Orden Samaiten begehrenswert machen;
nein, einzig und allein werden wir den Grund für die jahrelangen
Mühen um dies von Wasser und Wäldern starrende Land mit
seinen kräftigen Einwohnern in seiner geographischen Lage za
suchen haben. Als Keil zwischen Livland und Preußen hinein-
getrieben, mußte jede gesunde Ordenspolitik in der Beseitigung
dieser hemmenden Schranke eine ihrer ersten und vornehmsten
1) Keimchronik 10023—10026:
sie brachten holtz tmd delen wider
und legeten af dem velde nider
sie buneten ribalde groz.
2) Reimehronik 9974—9978:
die heidenschaft hat kein gezelt :
von holtze und von struchen
der kunnen sie gebnicben,
ez nie warm oder kalt.
S) Dnsburg III, 335 und S36 in Scr. I, 184.
,dbyG00gIe
VoQ Dr. R. Krumbholtz. 218
Aufgaben sehen. Wie dieser Kampf begann, wie der Orden
bäufig am Ziel seiner Wünseb© zu sein glauben konnte, und wie
er doch endlich alle seine Anstrengungen gescheitert, all das
Blut so vieler seiner Mitglieder als vergeblich vergossen erkennen
mußte, das soll Aufgabe der nun folgenden Auseinandersetzung sein.
Kftmpfe des Ifviftndischen Zweiges deutschen Ordens um Samalten
bis 1283.
Seit 1237 war der deutsche Orden, wie aus der allgemeinen
Einleitung bekannt, Landesherr in den bisherigen Besitzungen
des Schwertordena. Die entscheidende Ursache, um die wahr-
scheinlich seit 123P) schon von den Schwertbrüdem eingeleiteten
Verhandlungen um Vereinigung ihres Ordens mit dem deutschen
Orden zum Abschluß zu bringen, war die große Niederlage,
welche der Schwertorden am 22. September 1236 an der Säule
in der Nähe der beutigen kurländischen Stadt Bausk an der
Aa') erlitten hatte. Es liegt in der Natur der Sache, daß der
Antritt einer Erbschaft nach einem solchen Ereignis ein
schwieriger ist, und wir werden es durchaus begreifen, wenn der
deutsche Orden in Livland seine Kräfte auf eine Konsolidirung
der übernommenen schwankenden Verhältnisse verwendet, bevor
er sich an eine so weit aussehende Aufgabe wie die Unterwerfung
Samaitens macht. Was uns aus dieser Zeit bis zur Eröffnung
der Kämpfe gegen Samaiten interessirt, ist die Vergrößerung
des Ordensbesitzes zu Ungunsten des Bischofs in der Samaiten
benachbarten Diöcese Kurland von ein Drittel auf zwei Drittel
am 7. Februar 1246,*) einer Diöcese freilich, deren Gebiet —
zwischen den Flüssen Windau und Memel*) — zum größten
1) Ewald I, 208.
2) SchiemaDn II, S. 52.
8) Bunge I, 181 nnd Schwartz: „Kurland im 13. Jahrhundert."
S. 51—66 (citiert mit Schwartz).
4) Bange I, 163.
,dbyG00gIe
214 Hamaitan und der Deutsche Orden etc.
Teil nooh der Unterwerfung harrte. Man wird deshalb der er-
wähnten Verschiebung des Besitzes nnr priucipielle Bedeataog
zuschreiben können, genau so wie der Bestätigung des Kaiser
Friedrichs II. im Juni 1245 sowohl für die vorgenommene
territoriale Veränderung in der kurländischen Biöcese als auch
für die noch zu erobernden Qebiete von Kurland, Littauen und
Semgallen.*) Erst 3 Jahre später — 1248 — sollte sich Ge-
legenheit bieten, in Samaiten einzugreifen. Veranlassung dazu
gab das Verhältnis Mindowe's zu seinen Verwandten. Mindowe,
einer der Fürsten Littauens, gerieth bei seinen Bestrebungen,
Littauen in ein mächtiges Staatswesen umzuwandeln, in Wider-
spruch mit seinen Neffen Tewtiwil und Jediwid, sowie einem
Häuptling der Samaiten Wykynt.*) 1247 von Mindowe ver-
trieben, fanden sie Hilfe bei dem Fürsten Daniel t. Galizien,
dem Schwager Tewtiwils und Jediwids, und bei dessen Bruder
Wasailko. Aber auch die ihnen hierdurch zur Verfügung stehen-
den Streitkräfte müssen ihnen nicht genügt haben; denn wir
finden, während Daniel einen Angriff auf Mindowe machte,
Tewtiwil 1248 in Riga") bei Andreas v. Stierlant, Ordensmeister
von Livland während der Jahre 1248—1253*). Übertritt zum
Christentum und reichlich gemachte Versprechungen werden
die Bedingungen flkr eine Unterstützung durch den Orden ge-
wesen sein. Ein Heer marschitt gegen Mindowe, verwüstet die
Umgebung seiner Burg, ohne diese selbst einnehmen zu können.')
Unmittelbar im Anschluß hieran stellt die Reimchronik*) den
1) Zeitschrift för preuJiiache Geschichte und Landeskunde. 6. Jahr-
gang S. 631.
2) Bonnell: Russisch - Livländische Chronographie. Petersburg 1862
S. 65 (cidert mit Bonnell: Chronographie); Schiemann I, 216.
3) Bonnell: Konuuentar zur Russisch - Li vländischen Chronographie
S. 82 (citiert mit Bonnell: Kommentar).
4) Chronologie der Ordensmeist«r über Livland, der Erzbischöfe von
Riga etc. herausgegeben von Ph. Schwanz, abgedruckt in der „Esth- nnd
Livländischen Brieflade " Teil 8, S. 16. (Anm. 2.) (citiert mit Brief lade m.)
6) Keimchronik 3287-3350.
6) Reimchronik 3361—3406.
DigtizBabyGoOgIC
Von Dr. R. Krumbholtz. 216
Zag nach Samaiten dar, ja sie betont ausdrücklich, wie diese
letztere Expedition schon beim Aufbruch in der Absicht des
Meisters gelegen habe.^) "Wenn dennoch Samaiten sich als
Bundesgenossen Tewtiwils und des Ordens nachweisen lassen,*)
so erklärt sich dies vielleicht daraus, daß einzelne Territorien
noch zu Wykynt, dem Bundesgenossen Tewtiwils, hielten. Die
Unternehmung nach Samaiten gestaltete sich zu einer sehr grau-
samen. Ohne sich mit Erfolg verteidigen zu können, flohen
die Samaiten in die Wälder und sachten hier hinter Büschen
und m Brüchen Eettiing; aber selbst dorthin erstreckte sieh die
Verfolgung. Die Chronologie fttr dies Ereignis steht nicht fest,
vielleicht 1248 oder 1249.*) Ungemein folgenreich war diese
Expedition. Denn schon 1250*) wird Mindowe in der Erkenntnis,
daß er diesen Feinden gegenüber sich nicht halten könne, mit
Meister Andreas in Verbindung getreten sein. Die erste Be-
dingung zur Einigung war der Übertritt zum Christentum.
Selbstverständlich scheute Mindowe hiervor nicht zurück, da er
ja nicht mu: Frieden, sondern auch Hilfe vom Orden zu haben
wünschte. Demnach sind es rein politische Gründe, wie schon
Schwarte'') und Ewald") betont haben, die Mindowe bewogen,
an Meister Andreas die Bitte um eine Zusammenkunft zu richten,
die vollkommen zu gegenseitiger Zufriedenheit ausfiel.') Anfang
1261 fand dann der Übertritt zum Christentum statt. Die
Wichtigkeit dieses Schrittes wurde auch vom Papst erkannt,
was am besten seine Befehle au die Bischöfe von Biga, Dorpat
und ösel beweisen, die Bekehrung in Littauen vorzunehmen,*)
1) Reimchronik S293— S293: n- ■ . ■ ich enwolle hem die Littowen und
Samaiten.
9) Schiemann I, 216.
3) BriefladB III, 16 Anm. 2 und Bonnell: Chi-onographie S. 65.
4) Bonnell: Kommentar S. 83.
B) Schwartz S. 88.
6) Ewald m, 126.
7) Rairachronik 3451—3576.
8) Bunge I, 326.
,dbyGoogIe
216 Samnit«!! und der Deutsche Ortlen et«.
sowie der Auftrag flir Heidenreich von Culm, für Mindowes
Krönang zum König von Littauen Sorge za tragen.*) Alle diese
Bullen datiren vom Jahre 1251. Wie hoch speziell aber der Orden
diesen G-esinnungswechsel Mindowes schätzte, zeigt der von
Andreas zu Mindowes Unterstützung gemachte Zng.^} Chrono-
logisch nicht genau fixirbar dürfte diese Expedition dem Zu-
sammenhang nach sich am besten 1261 einfügen lassen. Daß
Tewtiwil, Mindowes Neflfe, nach dem Bündnis seines Onkels
mit dem Orden, diesen beiden AUiirten auf das bitterste zürnte,
ist erklärlich, und ebenso leuchtet ein, warum die Samaiten
gerade 1251 gern an einem Zug gegen Mindowe teilnahmen.
Konnten sie doch einerseits hofifen, den Orden f£tr seine Ver-
wüstungen in ihrem Lande mit zu treffen, mochten sie doch
andrerseits über den oifenen Abfall Mindowes vom Heidentum
besonders erbittert sein. Genug, wir finden, wie ich annehme,
1251 nach der Taufe llindowes, Tewtiwil und "Wykynt unter-
stützt durch die Samaiten, Jatwäger und Galizier beschäftigt
mit einem Angriff* auf Mindowe.') In dieser Gefahr kam ihm,
wie schon berührt, Andreas zu Hilf« und ermftglichte es ihm,
einen Eachezng gegen Wykynts Burg Twiremet in Samaiten*)
zu machen, der aber nicht zur erwünschten Einnahme dieser
Festung fllhrte. — Haben wir so den livländischen Zweig des
Ordens offensiv gegen die Samaiten vorgehen sehen, so finden
wir ihn auch mit defensiven Plänen beschäftigt und diese 1352
zur Ausfillhrung bringen. Die treibende Elraft hierzu war Eber-
hard V. Ssyn, der mit Vollmacht des Generalkapitels zur
Visitation vom 29. Juli 1262 bis 4. April 1264 nachweisbar in
Livland sich aufhält.*) Seine "Wirksamkeit knüpft an eine schon
vor ihm als nothwendig erkannte und deshalb ausgeführte Vep-
teidigungsmaßregel an. Wo Dange und Memel sich vereinigen,
1) Theiner : Yetera monumenta Poloniae I, No. 101 (citiert mit Tbeiner).
2) Bonnell: Chronographie S. 67 und Bonnell: Kommentar S. 8S.
3) Bonnell: Chronographie S. 67 und BonBell: Kommentar S. 83.
4) Eine Angabe über die Lage Twirementa habe ich nicht gefunden.
6) Brieflade III, 7.
DigtizBabyCoOgIC
Von Dr. R. Krumbholtz. 217
lag äie nrkundlich bezeugte') ältere Memelburg. Ihr Zweck war
ein 3elir marmigfaltiger. Sie paßte ihrer Lage nach zunächst
sehr zur Niederhaltung der Kuren; sie aollte sodann — und das
macht sie für uns wichtig — dazu dienen, durch die von ihr
aus zu bewerkstelligende Beherrschung der Memel, die Ver-
bindung zwischen den Samländem und Samaiten zu verhindern.
Doppelter Art • war diese Verbindung : einmal konnten die
Sainaiten zur Unterstützung der Samländer entweder über die
Memel durch Schalauen und Nadranen oder auch über die
kurische Nehrung ziehen;') sodann fand, wie eine Urkunde
von 1263') zeigt, ein lebhafter Handel zwischen Samländem und
Samaiten mit Waiden, Kleidern, Salz und andern notwendigen
Lebensbedürfnissen statt. Wir haben ein Zeugnis dafür, daß
die durch obige Burg geschädigten und zugleich sich bedroht
fdhlenden Feinde des Ordens keineswegs gesonnen waren, dies
ruhig über eich ergehen zu lassen, in der auch bereits citierten
Urkunde von 1263.*) Es wird hier nämlich von Burgen ge-
sprochen, die durch Samländer und Samaiten — mit Voigt'')
und Schwartz*) verstehe ich unter den in dem betreffenden
Dokument genannten Littauem die Samaiten — bei der Be-
lagerung der Memelburg aufgeführt sind. Dies mag die Ver-
anlassung gewesen sein zu dem Zuge, mit dem Eberhardt v. Sayn
seine Thätigkeit in Livland begann, eine Expedition, von deren
1) Bunge I No. 245: castrum priraitus aedificatum. Toppen (Geogr.)
S. 38 A. 187.
2) Voigt: G. Pr. III, 65.
5) Bunge I, No. 267 : anno, vestes et sal, ao multa vitae necessaria
paganiB . . . ferebantur.
4) Bonge I, No. 245 ; (castra) Lettowinorum et Sambitarum, quae
fixerant in obsidione castri primitos aedificati.
5} Voigt: G. Pr. III, S. 65 Anm. 2.
6) Schwärt«: S. 82 Anm. 6 z. B. Baimchronik 4466 und 4467:
die burc, die den Lettowen
die Sameiten sint genant
Vera 6446:
Die Lettowen al zu hant
die Sameiten sint genant, etc.
ed.byGOOgIe
218 Samaiten und der Deatsche Orden etc.
Esdstenz wir nnr aus der KeimchrODik') wissen. Anf diesem
Zng hat vielleicht Eberhaid sich von der ungünstigen Lage der
alten Memelbi^rg überzeugt; denn die Reirachronik wenigstens
läßt ihn nur kurze Zeit der Buhe pflegen*) und sodann an die
wichtige Aufgabe der Errichtung einer neuen Burg gehen. Die
Zwischenzeit wird Eberhard zu jenen Verhandinngen mit Bischof
Heinrich von Kurland benutzt haben, deren Resultat uns in
zwei Urkunden vom 29. Juli und 1. August 1262') vorliegt.
Was uns hiervon interessiert — das Q^enanere gehört in die
Geschichte Kurlands*) — ist, daß Orden und Bischof sich zum
Ban einer neuen kr&ftigen Burg einen am Zusammenfluß der
Memel und Dange,*) und zwar nach den neuesten Untersuchungen
auf dem Südufer der Dange,*) sowie zur Gründung einer Stadt
in der Nachbarschaft der Burg innerhalb zwei Jahren vom Be-
ginn des Burgenbaues an gerechnet, einigen.'') — Sofort begann
man mit der Ausführung, ja Eberhard selbst begab sich mit
einem Heer dorthin,®) ura den Bau der Burg zu leiten. Erst
1254 war man damit fertig.*) Inzwischen hatte sich im Juli 1253
die schon zwei Jahre vorher in Aussicht gestellte,^") aber durch
Verhandlungen mit dem Hochmeister in Accon aufgeschobene
Krönung Mindowe's zum König von Littauen vollzogen. Sie
geschah durch Bischof Heidenreich von Culra in Gegenwart des
Meister Andreas und vieler anderer Ritter.**) Mindowe sah seinen
Ehrgeiz befriedigt und trug nun den ihm vom Orden wohl auf-
1) Roimchronik 3609—3624,
2) Beimchronik 3624: kuttze wile es ruwete sider ....
8) Bunge I, No. 236 und 237,
4) Schwartz S. 83-86,
6) Keimchronik 8625—3664.
6) Ewald ni, 87-89.
7) Bunge I, 236: infra terminura duoruin annorum ab inf^hoatione
praedtcti castri civitatem uno cum eodera episcopo construemns.
8) Beimchronik 3626—3664.
9) Schwartz S. 86 und Antnerk. 2 u. 8.
10) Boanell : Chronographie S. 66.
11) Reimchronik 8634-3576.
,dbyG00gIe
Von Dr. E. Krumbholfz. 219
erlegten BedingungeD Rechnung. Der erste für uns wicbtige
Beweis hierfür ist die Schenkung vom Juli des Jahres 1253')
und deren Bestätigung durch Innoceuz IV. vom 21, August 1263.*)
Soweit diese Urkunden bisher in den Darstellungen oder sonst
zur Besprechung gekommen sind, hat nur Sjögren*) sie in andere
Jahre, nämlich die päpstliche 1254, die von Mindowe 1267,
gesetzt. Bonnell*) und Bunge') treten ohne 'Eückhalt für Jahr
und schriftliche Beurkundung der Schenkung durch Mindowe
ein. Anders stellen sich Strehlke") und Ewald.') Auch von
ihnen leugnet keiner zwar das Faktum der Schenkung für 1253,
indessen betont Strehlke und mit ihm stimmen Schwartz und
Ewald Qberein, daß unmöglich schon am 21. August 1253
(wegen der zu kurzen dazwischen liegenden Zeit) die Urkunde
des Juli 1253 vom Papst bestätigt werden konnte. Auch die
Bestätigungaurkunde vom 23. Mai 1254,^ so argumentiert Ewald
weiter, ist, weil andere Landschaften nennend, nicht hier zu
verwenden. Dagegen liefere die Urkunde vom 6. April 1264,*)
in welcher der Bischof Christian von Littauen den von Mindowe
dem Orden geschenkten Gebieten seiner Diöcese den Zehnten
erläßt, den Beweis, daß diese Schenkung im Jahre 1253 wirklich
stattgefunden hat. Eine durchschlagende Erklärung ergiebt sich,
nm hierüber zur Klarheit zu kommen, meiner Ansicht nach.
1) Bunge I, No. 252.
2) Bonge I, No. 255.
3) Sjögren: "Über die Wohnsitze und die Terhältuisse der Jatvägen.
Abi^edruckt in ; Mämoires de racadämie imperiale des aciencea de St, Fäters-
bonrg. Sixi^me Särie. Sciences politiquos, Histoire et Philologue. Tome
IX et dernier. (eitiert mit Sjögren) cf. S. 209.
4) Bonnetl : Mitt«ilangen aus dem Gebiet der Geschichte Liv-, Esth-
und Enrlnnds. Band 9. S. 301 (zitiert mit: Mitteilungen).
5) Bange: Liv-, E*th- und Kuttändische Urkunden itegeaten bis ISOP.
S. 52 No. 706 (eitiert mit : Bunge, Regest«n).
6) Strehlke: Scriptores rerum Prossicaram II, S. 136.
7) Ewald ni, 127.
8) Bunge I, No. 269.
9) Bunge I, No. 266.
,dbyG00gIe
220 Samaiten und der Deutsche Orden etc.
■wenn man die von Sjögren,*) freilich fUr ein falsches Jahr, und
Schwartz') vertretenen Ansichten acceptiert. Danach liegt daa
Verhältnis so: Mindowe hat diese Länder vielleicht schon 1261
oder etwas später dem Orden mündlich versprochen. Dies ist
dem Papst berichtet mit der Bitte um Bestätigung. Der Papst
geht hierauf ein, bringt aber durch die "Worte ; „ex tenore
Testrae petitionis accepimus ..." und besonders durch das von
niemand beobachtete: „prout asseritis"") selbst zum Ausdruck,
daß es sich nur lun die Bestätigung eines mündlichen Berichtes,
nicht einer vorgelegten Urkunde handelt; denn durch die oben
angeführten Worte nnd — dies möchte ich zur Beweisfilbnmg
hinzufügen — sodann durch das Fehlen einer "Wendung wie:*)
„prout in patentibus litteris eius, confectis exinde ac suo sigillo
signatis, plenius continetur" weicht diese Bestätignngsurkunde
durchaus von der sonst üblichen Art ab. — Sehen wir nun zu,
welche Gebiete auf diese "Weise an den Orden kamen. Im
großen und ganzen umfaßten die von Mindowe überwieaenen
Ländereien den südwestlichen Teil Kurlands, Teile von Ost-
preußen und das heutige Gouvernement Kowno,^) d. h. auch einen
Theil des alten Samaiten, wie Ewald') bemerkt. Welche von
den geschenkten Besitzungen^) liegen in Samaiten? Rasseyene,
das heutige Eossieny, westlich von der Dubissa; Lukowe, das
heutige Lawkow nordwestlich von Eossieny; Betegalle gleich
dem jetzigen Betigola auch an der Dubissa; Eregalle, jetzt
Eiragola unweit Betigola am Flusse Dubissa; Kulene, vielleicht
gleich dem heutigen Flecken Kule im westlichen Samaiten;
Karsowe, südliche Landschaft in Samaiten bis an die Memel
1) Sjögren S. 209.
3) Schwartz 9. 89, Anm. 1.
5) Bunge I, No. 2B5.
4) Bonge I, No. 308: Bestätig ungsurkunde Alexanders IV. Ähnlich
Bunge I, 847.
6) Sohwartz S. 89.
6) Ewald m, 127.
7) Bunge I, No. 252.
,dbyG00gIe
Von Br. E. Kriirabholtz. 221
in der Gegend des heutigen lurburg; Grase, das hentige Kroachy,
nordwestlich von Rossieny.')
Wo der Orden nur die Hälfte von den genannten Bezirken
erhält, wird Mindowe schon jetzt dem Bischof v. Littanen den
andern Theil zugedacht haben.^) Daß diese Schenkung ein ab-
geschloasenes Ganze bildet, läßt sich nicht behaupten. Aber
es war jedenfalls auch die ganze Qabe nur die Erfüllung einer
Miudöwe vom Orden auferlegten Bedingung, auf deren Aus-
führung dieser bestand, obgleich Mindowe nicht im entferntesten
die Macht hatte, diese Territorien dem Orden als wirklichen
Besitz zur Verfügung zu stellen. Wie würden sich die genannten
Bezirke, von denen uns unbekannt ist, in welchem Verhältnis
sie zu Mindowe standen, einer derartigen willkürlichen Verfügung
unterordnen? Wollte der Orden also hier Besitz ergreifen, so
mußte er es mit den Waffen in der Hand thnn. Wie wenig
man sich in Samaiten denn auch um Mindowes Verfügung zu
Gunsten des Ordens kümmerte, zeigte sich bald; denn kaum bot
sich eine Gelegenheit, dem Orden mit Aussicht auf Erfolg zu
schaden, so wurde diese von ihnen wahrgenommen. Es ist schon
auf die Bedeutung hingewiesen, welche der Neubau der Memel-
bnrg hatte. Die Folge hiervon mußte sein, daß die bedrohten
Feinde des Ordens auf die Vernichtung derselben bedacht waren.
Und ao finden wir sie in der That hierum bemüht; jedoch miß-
lang ihnen die Belagerung.') Aufgabe des livländischen Meisters,
Anno von Sangerhusen, mußte es sein, durch eine exemplarische
Strafe vor derartigen Versuchen in Zukunfl zu warnen. So
sehen wir ihn auch wahrscheinlich Frühjahr 1266*) nach Hinzn-
1) cf. beiliegeude Karte; Toppen, Geographie S. 39; Sjögren S. 230
Anmerkuagen nnd Register S. 347—856.
2) Bunge I, No. 263: Die Dotation surkuade an den Biachof.
3) Heimchronik 3723-3908; Ewald III, 43.
Die Arbeiten von Ewald nnd Schwartz sind aach femer berücksichtigt
worden, werden aber fortan nur da citiert, wo ee sich nm Kontroversen
handelt.
4) Brieflade m, 8. 16, Anm. 2.
,dbyG00gIe
222 SamaiteD und der Deutsche Orden etc.
Ziehung von Streitkräften aus der Memelbarg über die kurische
Nehrung vordringen und das Land der Samländer verwüsten.
Jedoch verhef der Zug durchaus nicht nach Wunsch; denn
auf dem Rückmarsch erlitt das Ordensheer groBe Verloste.')
Dieser Zog und seine Folgen wird die Samaiten zu jener Ezpe>
dition nach Karland veranlaßt haben, von welcher die Beim-
chronik unmittelbar nach Annes Unternehmung berichtet;*) bot
doch gerade die Abwesenheit des Meisters und seine Niederlage
Gelegenheit, ohne eigene grofie Qefahr durch die Verheerung
des Gebietes der Kuren den Orden zn schädigen, und dafi
hierauf die Samaiten schon sehnsüchtig warteten, legt die Beim-
cbrouik zweifellos dar; denn nicht nur den Orden gedachte man
hierdurch zu treffen, sondern vor allen glaubte Äleman, der
Föhrer dieser Bewegung, durch einen glänzenden Erfolg über
die Deutschen in Mindowe eine Sinnesänderung zu veranlassen.
Eine Versammlung fand statt, auf der Alemans Ausführungen
durchdrangen.') Wie zu erwarten gelang den Samaiten die
Plünderung des Gebietes der Kuren vollständig;*) von einer Bück-
wirkung auf Mindowe ireilich sehen vir nichts, was sich aus
dem bald darauf unternommenen Bachezug des Ordens nach
Samaiten erklärt,") der trotz des Widerstandes der Samaiten
durch die Menge der aufgebotenen Esten, Liven und I/etten
aof das glänzendste gelang. Ja den besten Beweis, wie wenig
Äleman vorläufig seinen Zweck erreicht hat, bietet die im Jahre
1257 von Mindowe ausgestellte Urkunde,') in welcher dem Orden
ganz Samaiten überwiesen wird. Diese Schenkung geschieht
unter dem neuen Meister Bnrchard v. Homhusen, welcher seit
Anfang 1267 im Amt ist^) und ofTenbar bestrebt ist, das gute
1) Reimchronik S909— 4084.
2) Beimchronik 4086-4158.
8) Reimchronik 4101—4116.
4) Reimchronik 4U9-4137.
5) Reimchronik 4169-480B.
6) Bunge I, 294.
7) Brieflade IH, 17.
,dbyG00gIe
Von Dr. B. Krumbholtz. 223
Verbältnis seines Vorgängers mit Mindowe aufrecht su erhalten.
Die Eeimchronik berichtet') zum Beweis dafür von Geschenken
an Mindowe, die derselbe durch Oegengeschenke vergilt und
ihn außerdem „mit Schriften begrüßte."^) Vielleicht iat hierunter
die erwähnte Schenkung Samaitens zu verstehen. Aach die sie
enthaltende Urkunde') ist schon vielfach bei Darstellungen der
Orden ageschichte benutzt. Bunge,*) Schwartz,") Strehlke') über-
nehmen sie einfach als echt. Ewald^) erklärt, daß trotz der
sonderbaren Kürze des Textes und des Mangels einer päpstlichen
Bestätigung, ein zwingender Anlaß, sie ftir unecht zu erklären,
nicht vorliege. Hinsichtlich der Kürze, die ich übrigens unter
Hinweis auf die auch nicht längere Dotierungsurkunde des Bis*
tums Littauen") nicht auffällig finde, stimmt Bonnell') mit
Ewald überein und fügt als G-rund dafür hinzu, daß Mindowe
ans Unwillen über das Drängen der Ritter nach Ausstellung
dieser Urkunde sich jener Kürze befleißigt habe; denn einmal
hätte er bereits den Bittem über ganz 3amaiten eine Urkunde
ausgestellt. Als diese vor 1257 zu setzende, denselben Gegen-
stand berührende Urkunde bezeichnet Bonnell die, welche von
Strehlke,'") Schwartz"^ und Bunge"*) für den 7. August 1259 in
Anspruch genommen wird mit Bücksicht auf dl© so lautende
Datirungszeile. Um zunächst für unsere Urkunde von 12B7,
mag sie eine Wiederholung sein oder nicht, aas dem Obigen
ein Resultat zu ziehen, so sieht man, daß gegen die Echtheit
der betreffenden Urkunde nirgends Bedenken erhoben sind, ein
1) Reimchronik 4437—4460.
2) Reimchronik 4466:
„ouch gmste er in mit schrifte."
S> Bange I, No. 294.
4) Bunge: Regeaten S. 60 No. 811.
6) Schwarte S. 90.
6) Strehlke: Scriptoraa rermn Frnsaicanmi ü, 8. 138,
7) Ewald rH, 128.
8) Bunge I, No. 263.
9) Hitt«ilangen IX, SOS.
10) cf. die Anmerkungen 4—6 dieser Seite.
,dbyGoogIe
224 Samaiten und der Deutsche Orden etc.
Urteil, das ich völlig acceptire. Rechtlich nannte also der Orden
jetzt ganz Samaiten sein eigen. — Prüfen wir nnn auch gleich
an dieser Stelle, ob der Orden wirklich schon seit 1254, wie
Bonneil') annimmt, hierauf Ansprüche erheben konnte, und wenn
dies nicht der Fall ist, wie es sonst mit der in Frage kommen-
den Urkunde') steht. Das Argument, welches Bonnell gegen
sie als für 1259 möglich ins Feld fuhrt, ist folgendes: Innocenz IT.
ist am 7. Dezeember 1254 gestorben; es wird aber seiner in der
Urkunde durch die Worte: „pater ac dominus noster" als eines
noch lebenden gedacht, w&hrend von ihm in der Urkunde des
■ Oktober 1257 — wird verdruckt sein filr 1256, denn fttr
Oktober 1257 ist mir keine Urkunde mit den in Frage kom-
menden Worten bekannt — von ihm gesprochen wird als
„apostolicus J. IV. praedecessor vester felicis memoriae."') Folg-
lich muß die Urkunde, falls nicht die Datierung: „datnm anno
Domini 1259 VH. idus Augusti" ein später Zusatz ist, vor
Ende 1254 (d. h. 7. December als Todestag Innocenz' IV)
fallen. Hiergegen hat Sohwartz,*) und wie mir scheint mit
Becht, eingewandt, daß „aus der bloßen Unterlassung der Ei^
w&hnnng vom Tode Innocenz' noch kein Schluß auf die Unrich-
tigkeit der angegebenen Jahreszahl berechtigt" ist. Ergänzend
hierzu möchte ich folgendes bemerken: Mindowe betont in der
betreffenden Urkunde^) das Faktum seiner Bekehrung und
Krönung und spricht dann von denen, welchen er beides ver-
dankt. Es waren dies der Papst Innocenz IV. und Meister An-
dreas von Stirlant. Leider ist der Name des Meisters ausge-
fallen, aber nur auf Andreas passen die Worte: „quoniam per
consilium dilectorum nobis in Christo [ ] magistri
1) Mitteilongen IX, 304.
2) BuDge I, 842,
8) Bunge I, No. 287. — Id einer Urkunde vom 16. Oktober :
beiOt es: „de . . . majidato felicis recordationis Innocenüi papae" cf. fii
I, No. Sie.
4) Schwartz S. 90, Anm. 8.
5) Bonge I, No. 3^.
,dbyG00gIe
Von Dr. E. Krumbholtz. 226
et fratrnm domus Theutonicae in Livonia de tenebris gentium
in ecclesi&e Jesu Christi Inmen vocati somua et renati per undae
gratiam baptismatis ," denn Andreas ist hierbei mit
seinem „conailium" th&tig gewesen, unter ihm hat die Taufe
etattgeüinden. Hieraus ergiebt sich meiner Ansicht nach, daß
Mindowe durchaus nicht den Ordensmeister und den Papst unter
den Lebenden wissen will, sondern er erwähnt sie nur als die,
welche obige beide Facta bewerkstelligt haben, wofür er dem
Orden gegenflber nochmals seine Erkenntlichkeit bekundet. Aber
gesetzt den Fall, Mindowe spräche von beiden als noch im Amt
seienden, so würde die von BonneU vorgeschlagene Setzung ins
Jahr 1264 auch nicht passen, weil Ende 1253 schon Anno von
Sangerhusen Ordensmeister ist, der mit der Taufe Mindowes
nichts mehr za thun hat. Folglich könnte man mit demselben
Recht, wie Bonnell eine Bemerkung über den bereits einge-
tretenen Tod Innooenz' verlangt, auch fordern, daß bezüglich
des Meisters, welcher zu seiner Taufe beigetragen hat, eine ähn-
liche Erwähnung gethan würde. — Auch die von Bonnell für
seine Ansicht citierte Stelle napoatolicus J. IV. praedecessor
vester felicis memoriae" der Urkunde des Oktober 1255*) paßt
nicht. Mindowe bittet den Papst Alexander IV. um Bestätigung
der Schenkung des Landes Selen an den Orden. Daß er bei
Motivierung der Gründe hierfür, welche in seiner Taufe und
Krönung bestehen, sich über den hierbei thätig gewesenen Papst
etwas genauer ausdrückt, dem Papst Alexander gegenüber, als
er es in einer Urkunde an den Orden nötig hat, kann nicht
auffällig erscheinen ; denn ganz dasselbe finden wir in der
Schenkungsurkunde eben jenes Landes Selen. ^) Während in der
Urkunde, welche die Bitte um Bestätigung an Alexander IV.
enthält,*) wie gesehen, genau Innocenz IV. als tot angegeben
wird, erwähnt die Schenkungsurkunde an den Orden selbst
1} Brief lade 16.
2) Bange I, No. 287.
3) Bonge I, No. 286.
4) Bunge I, No. 287.
Altpt. MoMtMOhrin Bd. XZVL HfL 3 d. 4. 15
DigtizBdbyGOOgle
226 Samaiten und der DeuUcbe Orden etc.
nicht einmal den Namen des Papstes, welcher die Krone ver<
lieh. — Hierdurch scheint mir zur Genüge dargethan, daß die
von Bonnell angeführten Gründe gegen 1259 nicht stichhaltig
sind. Gleichzeitig dürfte hiermit Btmges Einwand:') „Wahr-
scheinlich unecht, falls nicht zwischen datum und actum zu
unterscheiden ist," der gewiß auf die von Bonnell vorgebrachten
Gründe hinweist, widerlegt sein. Ewald^) hält sich viel zu all-
gemein, um daraus zwingende Gründe für Unechtheit zu er-
kennen. Mit Strehlke') and Sclrwartz*) setze ich also die Urkunde
ins Jahr 1259, halte sie fiir echt und nehme mit Letzterem an,
daß der Orden sehr gern eine abermalige Bestätigung der
Schenkung Samaitens vom Jahre 1257^) sab. Auf dies Jahr
muß ich nun wieder nach' Erledigung der Urkunde von 1269,
die sich am besten im Anschluß an die von 1257 besprechen
ließ, der chronologischen Ordnung wegen zurückkehren. Es
war vorauszusehen, daß, wie die Schenkung von 1253 gleichsam
von den Samaiteu durch einen Einfall beantwortet wurde, es
auch diesmal geschehen wiirde. Und es trat dies ein; denn
offenbar, um einer Plünderung der Memelburg durch die Sa-
maiten vorzubeugen, zieht Meister Burchard dorthin^} nach dem
14. April 1257.^ Er &nd die Samaiten ganz nahe bei der Burg
lagernd und beschloß, sie trotz ihrer groQen Anzahl anzugreifen.
Aber einer solchen Übermacht^ gegenüber half alle Tapferkeit
der vierzig Brüder und fünfhundert Kuren nichts. Nach Ver-
wundung des Comtur von Memel und auch Burchards war man
schließlich &oh, sich nach der Burg wieder durchschlagen zu
1) Bunge: Eegeaten S. GG No. 918.
2) Ewald III, 128-129.
8) Strehlke in Scriptores rer. Pr. II, 138.
4) Schwartz S, 89.
6) Bunge I, No. 294.
6) Reimchronik 4461-4526.
7) Brienade III, 18.
8) Beiinchronik 4499-4500:
„der beiden der was also vil,
das sie hatten keine zil."
,dbyG00gIe
Ton Dr. K. Krumbholtz. 227
können. Hier blieb Burchard bis zur Genesung von seiner
Wunde, die nicht unbedeutender Natur gewesen sein kann;
denn ungefähr zu Ende des Sommers 1257') finden wir ihn erst
wieder in Riga. Es ist selbstverständlich, daQ Burchard nicht
unterlassen durfte, für diese Schlappe Bache zu nehmen. Schon
ist er mit Vorbereitungen hierfür beschäftigt, als Gesandte der
Samaiten erscheinen, um Über einen Frieden zu verhandeln.')
Gründe für dies auffällig erscheinende Entgegenkommen der
Samaiten giebt die Beimchronik nicht an, indessen wird man
nicht fehl gehen, daß sie sich durch die fortwährenden Kämpfe
mit dem Orden geschwächt fühlten und deshalb nicht glaubten,
einem Rachezug, wie sie ihn von Seiten des Ordens erwarten
mußten, genügend Widerstand leisten zu können. Aber auch
der Orden fühlte sich offenbar nicht kräilig genug, um aus dieser
an den Tag gelegten Schwäche der Samaiten Vorteil zu ziehen ;
denn sonst hätte er doch unbedingt auf das ihm von Mindowe
abgetretene Recht über Samaiten in den Friedensverhandlungen
Anspruch erhoben. Hiervon findet sich jedoch keine Spur. Im
Gegenteil, man siebt ganz deutlich, daß der von Burchard be-
rufene Rat von Komturen, zu denen noch der Erzbischof von
Riga und Vertreter der Bürgerschaft geladen waren, wenn auch
mit Schmerz sich darüber klar wird, daß jetzt noch nicht der
geeignete Zeitpunkt dafür gekommen sei. Und ao wird mit den
Samaiten, als einer unabhängigen Macht, auf zwei Jahre Friede
geschlossen und derselbe durch die den Samaiten eigentümliche
Weise des rechtskräftigen Handschlags bestätigt. Mit dieser
Nachricht kehren die heidnischen Gesandten zurück und fanden
den Beifall der, wie es scheint, versammelten Häuptlinge,') —
Wenn man der Keiuchronik allein nun folgen wollte, so hätten
für die nächsten 2 Jahre sich der Orden und die Samaiten be-
1} Brienade HI, 18.
2) Reimchronik 45S7— 4628.
S) Reimchronik 4624—4625:
„do sie zu lande quamea Bieder,
do Saiten sie iren knnigen so."
■DigtizBabyCoOgle
228 Saaiaiten und <Jer l>enlBche Orden ©tc.
gnügt, des Friedens und seiner Segnungen in Handel nnd Ver-
kehr froh zu sein.^) Für den Orden lehrt uns Peter v. Duaburg
zu 1259 eines besseren') und auch filr die Samaiten dürfte an-
zunehmen aein, daß sie w&hrend dieser 2 Jahre (1267—1269)
eifrig darauf bedacht waren, sich möglichst widerstandsfähig zu
machen. Wodurch jedenfalls eine Verlängening des Friedens,
falls sie vom Orden beabsichtigt wurde, den Samaiten unmöglich
gemacht wurde, ergiebt die bei Dnsburg zu obigem Jahr er^
wfthnte Maßregel, Diese bestand nämlich in nichts mehr -und
in nichts weniger, als in der 1253 dem Orden von Mindow© ab-
getretenen Landschaft Carsowia östlich von der Mündung der
Mitwa in die Memel ein Eastell anzulegen , dem der Name
Georgenburg gegeben wurde'), aber auch als Elarschowen später
vorkommt^) und identii^cb ist mit dem heutigen Jurburg im
Kreise Bossieny in Littauen. ^) Es ist klar, was diese Burg, mit
deren Baa noch vor Ablauf des Waffenstillstandes begonnen
wurde"), bezwecken sollte. Wie die Memelbnrg von Westen,
so sollte diese Burg von Süden her den Rittern als ein Stütz-
punkt filr ihre Operationen gegen Samaiten dienen. Und um
ein Werk aufzufilhren, das wirklich in der Lage sei, allen Ge-
&hren, die wegen seiner exponierten Lage mitten in Feindea-
land an dasselbe herantreten mußten, zu trotzen, sehen wir hier
zum ersten Mal auf Intervention Burchard's hin^ beide Zweige
des Ordens in Preußen und Livland ihre Kräfte an Mitteln und
Mannschaft vereinigen. Mit Becht konnte sich Burcbard von
diesem Plan, falls er gelang, viel versprechen. Was so die
Bitter zu größten Hoffnungen berechtigte, mußte andererseits
1) Reimehronik 4629-4644.
2) Dusburg ni, 83 in Scriptorw rerum Pruasic. I, 96.
3) Toppen: Geographie S. 89, cf. auch beiliegende Karte.
4) Scriptorea rerum Livonicarum I, S. 761.
b) Scbwartz S. 100, Anm. 4.
6} Sjögren S. 249.
7) Duaburg IH, 83 in Scr. I, 95: ... . Burgardus de Homhuaen . . .,
ordinavit, qnod sub equalibus expensis et laboribns fratrum de Ljvoiüa et
Fniaeia edificabatur ....
DigtizBabyCoOgIC
Von Dr. E. Kniinbholtz. 229
die Samaiten , welche nach der Keimchronik *) gewissenhaft
2 Jahre lang den Frieden heohachtet hatten, aaf das heftigste
betmruhigen und ihnen sofort nach Ablauf desselben die Waffen
wieder in die Hand geben.') Jedoch mochte ihnen ein Angriff
aaf die mit livländischen und preußischen Streitkräften') besetzte
Georgenburg vorlänfig zu gef^rlich erscheinen; denn wir finden
sie in einer Starke von 3000 Mann auf einem Zug nach dem
Gebiet der Kuren,*) Es gelang ihnen nicht nur dies zu ver-
wüsten, sondern auch Bernhard t. Haaren, der ihnen mit einer
von der Memelburg und Goldingen^) gemeinsam gestellten Schaar
die Beute wieder abnehmen wollte, zu schlagen. Bei Schoden
an der heiligen Aa, nahe der samaitiachen Grenze") kam es zur
Schlacht, die wie schon gesagt, aus Mangel an Mut bei einem
Teil der Kuren verloren ging.') Dieser Erfolg trieb zu einem
neuen Einfall an. Doch der Orden war vorsichtig geworden.
Seine überall aufgestellten "Wachtposten berichten hiervon nach
Goldingen. Das ebenfalls orientierte Kiga ließ eine Schaar zu
dem Aufgebot Goldingens stoßen. Auf die Nachricht, daß bei
der Memelburg die Grenze von den Samaiten überschritten sei,
beschlosaen die beiden vereinigten Abteilungen ihnen entgegen-
zutreten. Aber dieser Plan kam nicht zur Ausführung. Das
bereits auf dem Marsch befindliche Heer erreichte die Meldung,
daß die Samaiten sich schon zu einer Plünderung über das Land
1) Eeimchronik 4629-4638:
„Die zwei jar, als ich ach wil sogen
endorfte nie kein mensch clagen,
daz im von den heiden icht
geschee an keiner geschieht
dan allez lieb and allez gut.
2) Heimchronik 4646—4879.
S) Beimchronik 4727-4740.
4) Heimchronik 4676-4677;
sie bereiteten sich san
nz mit drin tusent mannen.
5) Goldingen au der Windan.
6) Über Schodens Lage vergl. beiliegende Karte.
7) Heimchronik 4727-4879.
,dbyG00gIe
230 Sainaiten und der Deutsche Orden etc.
ausgedehnt hätten. In Rücksicht auf die gleichfalls gemachte
Angabe von der weit überlegenen Stärke der feindlichen Scbaar
zog mau statt des Angriffs den Rückzug nach der Burg
Wartdach (bei der Stadt Durben in Kurland')) vor und soblng
hier ein Lager auf. Gestützt auf diese Feste war Burchard
bereit, sich auf einen Kampf einzulassen. Doch jetzt schien
den Samaiten ein Angri£E nicht ungefährlich. Ans der Breite
des Pfades über die Größe des Ordensheeres unterrichtet, setzte
der oberste Heerführer in einer Berathung Rückkehr in die
Heimat durch. Seihst dieser Besorgnis bei den Samaiten ver-
ratende Entschluß vermochte den Meister nicht, sich aus dem
Schutz Wartdachs durch eine Verfolgung der Feinde zu begeben.
Man behielt sich die Rache für später vor, ließ die Samaiten
mit ihrer Beute ziehen und trat, ohne irgend einen Erfolg ge-
habt zu haben, den Rückmarsch nach Riga an.^) Dies wenig
kraftvolle Benehmen zog einen Aufstand der Semgallen nach
sich.') Jetzt trieb die Gefahr wieder zu energischem Vorgehen.
Der Bau einer Burg in Semgallen wurde beschlossen*) und auch
ausgeführt. Doben entstand Januar 1260.'*) Nahe an der Nord-
grenze Samaitens gelegen (wahrscheinlich in der Nähe der heutigen
Ortschaft Auz*) mußten die Bewohner dieses Landes auch fiir
sich in dieser Feste eine Gefahr erblicken und auf ihre Vernichtung
bedacht sein. Doch ihr Angriff') verlief resnltatlos. Doben hielt
sich und wurde durch eine Verstärkung seiner Besatzung noch
mehr gegen jede Gefahr gesichert.*) Indessen war hier augenblick-
lich nichts zu befürchten. Die Samaiten hatten sich gegen die
ihnen noch ge&brlichere Georgenburg gewandt. Obgleich in der
1) Scriptores rerum Livonicarum I, 759.
2) Reimchronik 4880— B238.
3) Eeimchronik 5239— B265.
4) Beimchronik 5266—5305.
5) Brieflsde UI, 18; Reimchronik 5403-5444.
6) Scriptorea rerum Livonicarum I, 760; cf. beiliegende Karte.
7) Eeimchronik 5445—6478.
8) Reimchronik 5479—5500.
,dbyGoogIe
Von Dr. R. Krumbholtz. 231
höchsten Erbittemog aufgebrochen'), waren sie doch besonnen
genug, sich nicht durch einen Sturm auf diese Feste aufzureiben.
Systematisch gingen sie vor. Man beschloß eine Burg vor der
des Ordens aufzuführen, um dieselbe auszuhungern, und setzte
diesen Plan trotz der HinderungsverBuche der deutschen Be-
satzung durch, die heftigsten Kämpfe entspannen sich.^ Wer
schlieQtich von beiden Gegnern den kürzeren ziehen würde, war
bei der für die Samaiten existierenden Möglichkeit, eich durch
neuen Ersatz zu kräftigen, vorauszusehen. Und so beschloß
Meister Burchard, um sein Werk nicht zu Grunde gehen zu
sehen. Hilf e zu bringen.^) Wie einst beim Bau, so rief er auch
jetzt bei der Gefährdung der Burg die Kitter in Preussen um
Hilfe an, und nicht vergeblich. Der Marschall Heinrich Botel
stieß selbst mit einer großen Schaar bei der Memelburg zu
Burchard. Auf dem Marsch nach der Georgenburg erreichte sie
die Nachricht, daß die Samaiten die Belagerung aufgegeben und
nach Kurland gezogen wären. Sofort kehrten die beiden Heere
mn und stießen bei Durben (östlich von Liebau) auf die Samaiten.*)
Es kam zur Schlacht, in der die Samaiten völlig siegten; die
Führer beider Heeresabteilungen fielen und mit ihnen 160 Ordens-
brüder. Dieser furchtbare Schlag traf den Orden am 13. Juli 1260.*)
Sehr hart waren die Folgen von dieser Niederlage. Nicht nur
unterstützten die Samaiten die Kuren bei ihrem Aufstand durch
Einnahme der deutchen Burg Sintelis (nördlich von Hasenpot")),
nein auch die speziell gegen sie errichteten Burgen Doben und
1) Reämchronik KOB— 5510:
sie sprachen: hat rata der mort
mit diesen geaten aberladen,
die nnB allen enden schaden!
wir wollen in manchen stucken
in die vederen pflücken.
2) Beimchronik 6511—5533.
8) Eeimohronik 6634-5583.
4) fieimchronik 5583-5678.
5) Brieflade UI, 18j aber die Einzelheiten in dieser Schlacht ist
Ewald in, 142—145 zu vergleichen.
6) Scriptores renun LivoDicanim I, 762; Beimchronik 6735—5760.
DigtizBabyCoOgle
232 Samaiten und der Deutsche Orden etc.
Georgenburg müssen aufgegeben werden.') Auch folgende, vom
Orden später wieder eingenommene Plätze werden jetzt ver-
loren gegangen sein: Kretenen^, Ampille'), Grösen*), alles Plätze,
die entweder in oder bei Samaiten lagen. ^)
So waren alle Erfolge des Ordens wieder von den Samaiten
beseitigt; sie standen wieder völlig unabhängig, und ohne einer
drohenden Gefahr ausgesetzt zu sein, da; denn jene Schenkung
Mindowes stand nur auf dem Papier. Indessen ihre "Wünsche
gingen weiter. Der dem Orden noch verbundene christliche
König Mindowe schien ihnen im Bücken gefahrlicb. Es ist
schon erzählt worden, wie sie bereits vergeblich versucht hatten,
Mindowe auf ihre Seite zu bringen ;') jetzt, wo sie zwar augen-
blicklich sicher waren, nützten sie die schlechte Lage des
Ordens aus, um auf Mindowe bestimmend einzuwirken. Eine
Gesandtschaft der Samaiten begab sich nach Littauen und
gewann hier zunächst Traniate, einen Verwandten Mindowes. In
längerer Rede setzte dieser dann nach der Reimchronik') Min-
dowe die Gründe auseinander, die {üt eine Änderung seiner
Stellung sprächen. Er hebt den Zorn der Samaiten über seinen
Abfall zum Christentum hervor, betont, wie mit der Untep-
werfong der Samaiten die Littaaen schützende Vormauer beseitigt
sei. Im FelII einer Sinnesänderung stellt er die Hülfe der Sa-
maiten in Aussicht. Mindowe, lange gewiB schon schwankend,
gab nach. Dies so wichtige Ereignis fand Herbst 1262 statt;
denn die Reimchronik*; bezeichnet ausdrücklich als Termin seiner
1) ReimchromlE 6818-5848,
2) Reimchronik 696S— 7058.
3) Reimchronik 7069 etc.
4) R«imchronik 7209 etc.
5) Schwartz S. 93.
6) cf. S. 222 und Beimchronik 4086-4158.
7) Reimchronik 6372—6426.
8) Beimchronik 6594—6698:
die wirdekeit an im vertarb,
daz er Traniaten rat
vollen brachte mit der tat,
daz er meieter Werner
entpfinc also mit einem her.
,dbyGoogle
Von Dr. R. Krumbboltz. 233
Untreue die Ankunft des Meister "Werner, der noch am
23. August 1262 in Lübeck^) ist. Alle Versuche von Mindowes
Frau Martha, auf ihn in entgegengesetztem Sinne zu wirken,
sind vergeblich.^
Des Ordens Lage war hierdurch ungemein erschwert; statt
eines Freundes im Bücken der Samaiten, mußte er jetzt auch
noch die Grenzen von Littauen im Auge haben.') Als nun der
Orden auf einem freilich glücklichen Zuge auch noch seine
Kräfte für die "Wiedereroberung Süd-Kurlands verwandte*) im
Januar 1263,^) wurde durch diese doppelte Verwendung von
Streitkräften Estland davon entblößt. Traniate, der Heerführer
der Samaiten, benutzte dies zu einer Expedition dorthin und
legte dabei Femau in Asche.') Das Entgegentreten einer eilig
gesammelten Ordensschaar am 9. Februar 1263 bei Dünamünde^
war nur von einem halben Erfolg begleitet; jedenfalls gelang
es Traniate glücklich die Heimat zu erreichen.^) Immer weiter
gingen die Wünsche der Samaiten. Memel, an dessen Eroberung
sie besonders von Kretenen (drei Meilen von Memel bei dem
jetzigen Kretingen gelegen*) her dachten,'") war ihr nächstes
Ziel. Jedoch die Bitter kamen ihnen voraus. Wenngleich der
erste Versuch auf das von den Samaiten besetzte Kretenen miß-
glückte, sogelang der zweite; Kretenen kam Februar oder März
1263") wieder in deutschen Besitz.") Aber selbst als auch Äm-
pillen, ebenfalls in der Nähe der Memelburg gelegen,") von den
1} Brief lade lU, 20.
2) Reimcbronik 6614-6686.
8) Eeimchronik 6687-660G.
4) Reimchronik 6780-6890.
5) Bonnell: Chronographie S. 75.
6) Bonnell: Chronographie S. 75.
7) BonneU: Chronographie S. 76.
8) Reimchronik 6891—6960.
9) Scriptorea remm Livonicarum I, S. 767; cf. beiliegende Karte.
10) Reimchronik 6977-6982.
11) Bonuell: Chronographie S. 75.
12) Reimchronik 6963-7056.
131 Scriptores rerum Livonicarum I, 767.
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234 Samaiten und der Deutsche Orden etc.
Samaiten geräumt wurde, fanden noch fortwährende Angriffe
auf die Memelburg selbst statt, und nur der Tapferkeit ihrer
Besatzung verdankt der Orden ihre Erhaltung.^)
Wenn zwar schon Mindowe aufgehört hatte, dem Orden
eine Stütze gegen die Samaiten zu sein, so ist doch sein Tod
im Herbat 1263^) deshalb für uns erwähnenswert, weil die Sa-
maiten hierbei wieder eine Kolle spielen. Die Reimchronik') ist
darüber sehr kurz, nennt nicht den Namen seines Mörders, dessen
Motiv Neid gewesen sein soll. Seine Absicht, sich in den Besitz
der Krone zu setzen, gelingt ihm nicht, weil durch eine ihm
Dicht gewogene Partei ein Sohn Mindowes herbeigerufen wird,
der auch nicht bei Namen genannt wird. Dieser sucht Hülfe
bei dem neuen Meister Conrad v. Mandem, die dieser bereit
ist zu gewähren, als die Nachricht eintrifft, sie sei überflüssig,
weil Mindowe' s Sohn anerkannt sei und die Huldigung empfangen
habe. — Viel ausführlicher sind die bei Sjögren*) aus anderen
Quellen zusammengestellten Nachrichten: Mindowe hatte seine
Schwägerin, Frau Dowmonts, entehrt; durch ihn wird Traniate
aufgefordert, mit Kache an Mindowe zu nehmen. Beide zu-
sammen ermorden Mindowe und zwei seiner Söhne, während
ein dritter, Woischelg, der Christ war und in Rußland weilte,
am Leben blieb. Alles kam für den Orden darauf an, ob Traniate
und mit ihm die heidnische Partei sich in der Herrschaft be-
haupten würde. Dies geschah zunächst; denn der Führer der
christlichen Partei Tewtiwil unterlag und wurde getötet.^) Indessen
Traniate flel auch bald durch Mörderhand und nun gewann
"Woischelg, nachdem auch Dowmont, der Mitmörder Mindowes,
unterstützt von den heidnischen Samaiten, hat weichen müssen,*)
die Herrsohaft über Littauen. Dies geschah 1265.^ Er geht
1) Eeimchronik 7059—7091.
2) Bonnell: Chronographie S. 76.
5) Reimchronik 7121-72«.
4) Sjögren S. 293-296.
6) Schiomann I, S. 218.
6) Bonnell: Kommentar S. 109; Scbiemaun I, 2ia
7) Bonnell; Chronographie S. 77.
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Von Dr. R. Krnmbholtz. 235
schonungslos gegen seine Feinde vor,*) zu denen namentlich die
Samaiten, welche mit dem Mörder seines Vaters sympatiairt
haben, gehört haben werden. Die von der Eeimchrouik erwähnte
anfänglich erbetene, dann überflüssige Hülfe des Ordens läßt
Sjögren^ als mit seinen russischen Quellen convenireud bestehen.
— Für die nächste Zeit hören wir nichts von den Samaiten;
es läBt sich deshalb vielleicht mit einigem Recht annehmen, daß
sie durch Woischelg in Abhängigkeit gehalten worden sind und
der Orden vor ihnen sicher ist. Aber auch von Versuchen des
Ordens, seine durch Mindowe erlangten Anspruch^ über Samaiten
hervorzukehren, findet sich keine Spur. Bald traten wieder
Änderungen in Littanen ein; Woischelg übergiebt seine Herr-
schaft Schwam, der auch schon zwischen 1267 und 1268 starb.')
Die Reihe der christlichen Herrscher Littauens hatte vorläufig
mit ihm wieder ihr Ende erreicht. Die Samaiten kamen hier-
dtB-ch wieder in eine bessere Lage als früher, wo die Könige
Littauens schon wegen ihres Christentums zu einem Bündnis
mit dem Orden geneigt sein mußten. Der Orden ander-
seits sah die Hoffnung, Samaiten sich unterzuordnen, in
noch weitere Feme gerückt. Der erste dieser heidnischen
Großförsten Littauens ist Troiden, von 1270—1282.*) Ihm
gelang es nicht, den seit Mindowe bestehenden Zusammen-
hang der Littauer zu bewahren; Samaiten blieb, von kleinen
Häuptlingen regiert, nur in einem ganz losen Verhältnis zu
ihm.'') Es ist deshalb zweifelhaft, ob au den EinfilUen der
Littauer in Livland und ihren Siegen Ober den Meister Otto
von Lutterberg an den Gestaden der Wiek am 16. Februar 1270,')
sowie über den Vicemeister Andreas am 21. April 1270^) die
1) Sjägren S. 306-309.
2) Sjögren S. 206.
3) Schiemann I, 218.
4) Schiemann I, 218.
5) Lohmejer I, 122.
6) Brief lade III, 22 und Reimchronik 7769-7961.
7) Brieflftde UI, 22 und Reimchronik 7962—7994
,dbyG00gIe
236 Samaiten nnd der Deutsche Orden etc.
Samaiten beteiligt sind, obgleich, wie schoa einmal bemerkt, sie
häufig mit den Littauern identifiziert werden und „Littauer"
nur der allgemeine Käme ist.') Indessen scheint der Orden zu-
nächst es wirklich nur mit den Bewohnern des eigentlichen
Littauen zu thun zu haben; denn gegen sie ist doch wohl
der Bau Düuaburgs, den Meister Ernst von Bassbnrg viel-
leicht 1275—1276*) vornahm,') gerichtet. Ea spricht hierfür
nicht weniger die Lage dieser Burg an der Dwina, als auch
Troidens vergebliche Bemühungen, sie zu vernichten.*) 1276*)
trat eine Friedenspertode ein, die durch den Baubzug des
Meisters Ernst im Februar 1279 wieder ihr Ende erreichte.')
Von Glück begünstigt und nnterdtützt durch den Hauptmann
von Keval gelang es ihm bis nach Kemowen (Kiernow an der
WUia unterhalb Wilnas) vorzudringen, erlitt dann aber auf dem
EUckzug am 5. März 1279 eine Niederlage, die ihm selbst das
Leben kostete.') "Wie einst nach der Schlacht bei Durben die
Kuren, so fallen jetzt die Semgallen ab^l und nehmen die Thätig*
keit des Ordens mehrere Jahre in Anspruch. Winter 1281 bis
1282*) mit der Belagerung ihrer Burg Doblen beschäftigt,^") sieht
das deutsche Heer sieh plötzlich auch noch von andern Feinden
bedroht. Die Keimchrontk bezeichnet zwar die Doblen zu Hilfe
kommende Schar als Littauer,") daß wir aber unter ihnen uns
Samaiten werden vorzustellen haben, scheint mir deshalb wahr-
scheinlich, weil die Beimchrouik später") die zu ähnlichem Zweck
1) Eeimchronik 4466-4467; 5445-6446; 9965-
2) Brieflade III, 24.
3) Ramchronik 8169—8207.
4) B«imchronik 8169-8207.
6) Boimell: Chronograpliie S. 88.
6) Brieflade lU, 25.
7) Reimchronik 8281-8516.
8) Reimchronik 8615—8762.
9) Brieflftde !□, 27.
10) Reimchronik 9427-9507.
11) Reimchronik Vera 9471.
12) Reimchionik 9961-10114.
,dbyG00gIe
Von Dr. R. Krumbholtn. 237
herbeieilenden Httauisclien Freunde der Semgatlen ausdrücklich
als Samaiten bezeichnet. Hiermit sind die Bemühungen und
Kämpfe um Samaiten, soweit der livländische Zweig des Ordens
dabei die führende Rolle spielt, aufgezählt. Trotz einiger Er-
folge namenthch zur Zeit Mindowes, die freilich auch mehr auf
dem Papier als in Wirklichkeit existierten, sehen wir doch
schlieBlich alle Anstrengungen im wesentlichen gescheitert. Sa-
maiten steht unabhängig da; die dem Land unmittelbar geMir-
lichen Anlagen wie Georgenburg sind bis auf die Memelbnrg
wieder gefallen. In Littanen ist auch bei den Großfürsten die
heidnische Religion wieder die herrschende, folglich von hier
gegen die stammverwandten heidnischen Samaiten schwerlich
Hilfe zu erwarten. So sind die Verhältnisse, als der andere
Teil des Ordens in Preußen seine Kräfte an dies Werk setzt.
Zur Erklärung, weshalb von Preußen aus so wenig hierfür
gethan ist, möge der Hinweis genügen, daß der Orden in
Preußen selbst näher liegende Aufgaben zu erfüllen hatte. Bis
1265 war es ihm gelungen in Pomesanien, Pogesanien, Ermland,
Natangen, Barten, Galindien, schließlich Samland seine Herr-
schaft herzustellen.') Daß ihm während dieser mühevollen Zeit
die Möglichkeit fehlte, Pläne des Ordens in Livland auf Samaiten
fortwährend zu unterstützen, ist erklärlich. Der sicherste Beweis
jedoch dafür, daß der preußische Theil des Ordens keineswegs
teilnahmlos den Bemühungen von Livland her gegenüber steht,
liegt in der thatkräfligen Weise wie er Hand in Hand mit den
Livländem an die Erbauung der Georgenburg ging.') Diesem
vielversprechenden Anfang der Theilnahme am Kampf gegen
Samaiten machte die mit den Livländem gemeinsam erlittene
Niederlage ein Ende. Der Orden hatte bis 1274 vollauf mit der
Dämpfung des allgemeinen Anfstandes, der Folge eben jener
Niederlage bei Durben am 13. Juli 1260, zu thun. Dann mochte
1) Toppen: Geographie S. 52. Über die Loge der' im Text erwähnten
preußischen Landschaften vergl. Tfippen'a Atlas aar historisch-komparativen
Geographie von PrenBen. Tafel 1.
2) Duaburg UI, 83 in Scriptores I, 1*6.
,dbyG00gIe
23g Samaiten nnd der Deutsche Orden et«.
ihn die Erkenntnis, daß ohne Unterwerfung der Samaiten vor-
gelagerten Landschaften Nadrauen und Scbalauen wie auch Sk-
dauens eine Besitzergreifung jenes Landes selbst nicht durch-
ftlhrbar sei, sich dieser Aufgabe widmen lassen. 1283*) war
auch diese gelöst, und nun sehen wir ihn dem Ziel sich zu-
wenden, nach dem die Livländer schon so lange, er zweimal
gestrebt hat, der Unterjochung Samaitens. Dusburg') markiert
in deutlichster Weise den Beginn dieser neuen Phase, indem
er einen Bückblick auf die Vergangenheit wirft und sodann auf
die neuen Aufgaben und Pläne hinweist.
AngrifTe auf Samaiten von Preussen und Livland bis zum Tode
GediminB von Littauen. 1283—1341.
Der Landmetster Konrad v. Tierberg ist es, wecher diese
neue Epoche von Kämpfen eröffnet.') Höchst energisch, begnügt
er sich nicht mit einem die Samaiten augenblicklich nnr schädi-
genden Raubzug, sondern er war sofort darauf bedacht, eine von
den ihr Land deckenden Burgen zu vernichten. Bisene, die
1) Toppen: Geographie S. 62.
2) Dusburg III, 221 in Script' I, 146 : Anno domini 1283 eo tempore,
quo ab incept« hello contra geotem Pmthenorum äuxerant ifkm 53 anni,
et omnes nacioaes in dicta terra expugnat« eeaent .... fratres .... contra
gentem ill&m potentem et durissime cervicis ezercitAtamque ia hello, que
fiiit ricinior terre Prassle, tdtra flumen Memele in terra Lethowie habitans,
iuceperunt bellum ....
3) Keineswegs ist es nötig mit Yoigt; 0. Pr. IV, 12 in dem Hil&ge-
such eines gewissen Peluse den nächsten Anlaß ßXr die nun folgende unter-
nebmung zu sehen; es ist schon deswegen unmöglich, weil Dushui^ von
Peluses Übertritt erat zu 1286 berichtet. (Dusb. III, 228 in Scr. I, 149) und
derselbe vom Komtur von Königsberg, nicht vom Landmeister Konrsd
Hilfe erhält Vielmehr genügt die Lage Samaitens, die Notwendigkeit, das
Land zu besitzen, die Aufgabe des Ordens, Heiden zu bekämpfen, vollstiLndig,
um die jetzt begiunenden Angriffe zn veranlassen. NB. Dusburg wird fortan
ohne Angabe der Seitenzahl in Scriptores I citiert.
DigtizBabyCoOgIC
Von l>r. R. Krumblioltz. 239
westlichste von den feindlichen Borgen an der Memel, östlich
von der Mündung der Mitwa in dieselbe,') war sein Ziel.*)
Winter 1283') dringt er mit einem starken Heere über die
gefrorene Memel, bestürmt die Festung und nimmt sie trotz
tapfereu Widerstandes ein. Die Besatzung wurde teils gefangen,
teils getötet, die Burg selbst aber in Asche gelegt, das zu ihr
gehörige Gebiet verwüstet. Diesem kühnen und glücklieben
YorstoB folgte eine Expedition, die nicht so sehr das Gebiet
der Samaiten als vielmehr ihre Heirscher betraf;*) denn nicht
weniger als 70 ihrer Häuptlinge (reguli) wurden von einer Ab-
teilung des Komtur von Königsberg 1286 getötet. Veranlassung
zu diesem Zug und Gelegenheit zum glücklichen Verlauf gab
der schon erwähnte,^) aus persönlichen Gründen erfolgte Übertritt
Peluses zum Orden. Er führte die Scbaar des Komtur von
Königsberg in das Gebiet seines früheren Herrn, leitete sie in
das Haus desselben, wo mit den Übrigen zur Hochzeit gela-
denen Gästen auch die schon genannte im Bausch liegende
stattliche Schar von Häuptlingen getödtet wurde, und grosse
Beute, namentlich hundert Pferde, Gold und Silber, gemacht
wurde. Zwar werden die siebzig nicht als „reguli" der Samaiten
bezeichnet, aber nur auf dies Land mit seiner aristokratischen
Verfassung paßt eine solche Zahl von Häuptlingen. Eine Bück-
wirkung von diesem Blutbade unter den Häuptlingen auf die
Samaiten verraten unsere Quellen nicht. Im Gegenteil sehen
wir sie wahrscheinlich Winter 1286/87') einen Zug gegen die
neueste Anlage des livländischen Meisters Willekin von Endorp,
1) Toppen: Geographie 41. Anm. 198- Seriptores I, 147. Anm, 1. —
2) Voigt: G. Pr. IV, 13 irrt, wie schon Toppen: Geographie S. 41. Anm. 198
bemerkt, indem er Bisene mit Pisten östlich von Wilna identificirt. —
S) DiiBborg lU, 222. — 4) Dnsburg III, 228; Voigt IV, 19 Mt noch einen
freilich unglücklichen Zug nach Oukaym an der Dobese voran gehen, indessen,
wie Toppen: Scriptores I, 148 Anm. I schon bemerkt, wohl mit Unrecht,
denn Dusburg: III, 226 sowohl als auch Jeroschin (Scriptores I, S. 618)
sprechen nicht von Oukaym, sondern Otekaim. — 5) et'. Seite 238 Anm. 8.
- 6) Brienade UI, 29.
DigtizBabyCoOgIC
240 Samaiten und der Dentache Orden etc.
gegen die Burg Heiligenberg in Semgallen') machen.*) Da nun
stets Häuptlinge an der Spitze einer solchen Expedition stehen,
so iat wohl mit den obigen siebzig die Zahl derselben noch
nicht erschöpft gewesen, oder es sind neue aufgetreten. Miß-
lang die Belagerung und damit die ganze Unternehmung, so
waren sie zwei Jahre später, vielleicht Anfang 1289,') von mehr
Glück begünstigt. Im Bunde mit den vom Orden abgefallenen
Semgallen machten sie Livland selbst zum Schauplatz ihrer
Plünderungen, ohne durch den livländischen Meister Cuno von
Hazigenstein dabei gestört zu werden.*) Wohl in der Hoffnung
die Semgallen aus Livland zu entfernen, fiel er in ihr Land ein,
erreichte aber weder dies, noch irgend sonst wie bedeutende Er-
folge. ^) In ursächlichem Zusammenhang mit dieser offen an den
Tag gelegten Schwäche") steht es vielleicht, wenn der livlän-
dische Ordenszweig dem preußischen an dem noch zu erobernden
Gebiet in Samaiten z. B. in Carsowia Anteil gewährt,') dessen
G-rö£e freilich uns unbekannt ist. Es scheint fast, als ob diese
Abmachung mit ihren Vorteilen in Preußen zu größerer Energie
engetrieben hat; denn wenige Monate später im April 1289 be-
ginnt die vom Landmeister Meinhard v. Querfurt selbst geleitete
Erbauung von Landeshut, des späteren Ragnith,") Die That-
sache, das Landeshut sofort Komturei wird, durch vierzig Brüder
und hundert auserlesene Bewaffiiete außerordentlich gut besetzt
wird, deutet auf weitere Pläne hin, deren Inhalt jedenfalls der
war, von einem Samaiten näher gelegenen Punkt bequem Ein-
fälle in dieses Land machen zu können und eventuell auch die
eroberten Gebiete zu behaupten. Küstig ging es dann auch
weiter vor gegen die samaiti sehen Burgen an der Memel.
1) Heiligenberg lag in geringer Entfemnng von der samaitischen
Nordgrenze auf einem Berge bei Hof zum Berge, cf. beiliegende Karte nnd
Scriptoree rerum Livonicarum I, 778. — 2) Beimchronik 9899—9960. —
S) Brieflade HI, 30. — 4) Eeimchronilc 11089—11202. — B) Reimchronik
11208-11816. — 6) Toppen: Geographie S. 102. - 7) Bunge I, 527. und
oben S. 220, — 8} Dusborg III, 235: Meneko edificavit caatmm Landes-
hufe, quod nunc dicitur communiter Raganita, relinquena
onunendatorem .... Über Ragnithe I^age vergL die Karte.
zeabyCoO^IC
Von Dr. R. Krnmbholte. 241
Nächstes Ziel war Colayne, östlich von Bisene.') Der Meister
Meinhard v. Querfiirt sebst greift am 23. April 1290*) mit fanf-
hnndert Reitern und zweitausend Fußsoldaten freilich vergeblich
68 an. Unglücklicher endigte ein ähnlicher, wenig späterer
Versuch des Komtur Emeko von Ragnith,') indem er sein Leben
dabei eiubüilte. Hierdurch wuchs selbstverständlich die Eähnheit
der Gegner, und so sehen wir am 25. Juni 1290*> eine Anzahl
samaitischer Grenzer (latrunculi) gegen Baguith einen Streifzug
unternehmen, der indessen durchaus mißglückte. Die zwei ver-
geblichen Versuche auf Colayne mußten zur Vorsicht mahnen.
Demgemäß finden wir November 1290 die Meister beider Ordens-
abteilongen, Halt und Meinhard v. Querfurt, in Unterhandlung
über einen gemeinschaftlichen Zug.") Wie wir von dem Plan
zu dieser Expedition nur durch einen Brief Halts an Meinhard^)
etwas wissen, während sich in den Chroniken nichts darüber
findet, so ist auch in letzteren von der Ausführung jener schrift-
lichen Verhandlung nichts enthalten. Indessen setzt man, viel-
leicht nicht ohne Unrecht, den Zug des Komtur von Öoldingen
nach Littanen') und die Expedition, welche unter Leitung des
Komtur von Königsbet^g zur Eroberung und Vernichtung von
Colayne führte''), an die Stelle davon. Mochte doch gerade
durch diesen doppelten Angriff der Verbündeten einem Teil der
Samaiten die Möglichkeit genommen sein, Colayne zu Hilfe zu
kommen. Doch Berthold ging noch weiter die Memel hinauf
und verwüstete das Gebiet von Junigede^) (Junigede liegt wenig
westlich von der Mündung der Duhissa in die Memel*}, in dem
aber nichtsdestoweniger bald nachher die Samaiten eine Burg
errichteten, die ihren Namen von dem Territorium erhielt, dem
sie zum Schutz dienen sollte.") Der Verlust Colaynes war so
wieder trotz aller Gegenanstrengungen des Ordens von den
Samaiten ersetzt. Ohne wirklich größere Erfolge für die Deutscheu
1) Töppeü: Geographie S. 41 Anm. 198. — 2) Dusburg UI, 238. -
8) Ebd. UI, 239. — 4) Ebd. TU, 240. — 5) Bunge I. B38. — 6) Reim-
chronik 11670—11793. — 7) Dusburg III, 243. — 8) Ebd. — 9) Toppen:
Geopraphie S. 41. Anni. 198 und Karte. - 10) Dusbnrg III, 244.
Altpr, KoaktuoliTiA Bd. XXTL Hft. 3 a. 1. 16 .^
DigtizBabyCoOgIC
242 Samaiten and der Deutsche Orden etc.
verlief auch die nächste Zeit, obgleich die Samaiten fortwährend
Angriffen sich ausgesetzt sahen. Tor dem 29. Jnni 1292 plün-
dert der MeUter Meinhard v. Querfurt*) in den Territorien
Gesowien und Pastowien (südlich von Eiragola an der Dubissa').
Um den 29. Juni desselben Jahres greift der £omtur von Balga,
Heinrich Zucschwert, ein') nnd verheert das Gebiet von Oukaym
(wt^rscheinlich in der Nähe des heutigen Ortes Batoki an der
Autscha, einem Nebenfluß der Soheschuwa, die sich in die Jura
ergießt*). Schon im nächsten Monat, um den 25. Juli 1292,
unternimmt Conrad Stange, Komtur von Bagnith, einen Zug
gegen Jonigede, ohne großen Erfolg verzeichnen zu können.*)
Auch nicht zur Zerstörung der Festung selbst, sondern nur zur
Verbrennung der ,,suburbia", d. h. Vorburgen von Jnnigede
führte die Expedition des Landmeisters Meinhard im Winter
1292/1293.") Mit welcher Schnelligkeit die Samaiten die ■Wieder-
herstellung solcher Schäden vornehmen, beweist die Thatsache,
daß Meinhard wenige Monate später, im Juli 1293, auch nur
wieder die Vorburgen, nicht das Kastell Jnnigede selbst ver-
nichten kann. Gleichzeitig aber geht er weiter nach Osten vor,
und es wird jetzt eine dritte Burg der Samaiten, Pisten, (östlich
von der Einmündung der Dubissa in die MemeD als Angriffs-
ziel ins Auge gefaßt;^) freilich wird auch hier nur Zerstörung
der Vorburgen erreicht. Aber auch eine Defensivmassregel des
Ordens filllt noch in das Jahr 1293. Die Schalauer-Burg (unter-
halb Bagnith auch an der Memel") entsteht,^") nicht, ohne daß
ein Versuch zur Zerstörung derselben seitens der Feinde unter-
nommen wird, der auch die Verbrennung der Vorburgen zur
i) Dusbnrg in, 246. - 2) Voigt: G. Pr. IT, S- 84 Anm. 3. Die von
ihm aDgegebenen Orte Poczto nnd Jaawocze, welche anf das ehemalige
Pastow und Oesow hinweisen sollen, habe ich auf den mir zur Veriiignng
stehenden Karten nicht gefunden. — ü) Dusburg III, 247. — 4) Scriptores
rerum Pruasic. 11, S. em. Anm. 7. cf. auch Karte. — 5) Dusburg lU, 2&1.
— 6) Ebd. in, 252. - 7) Toppen: Geographie S. 41 Anm. I!i8. cf Karte. —
8) Dnaburg III, 254. — 9) Toppen: Geographie S. 220. — 10) OaDonicas
^mbiensis und Annales Pelplinenses zu 1293 in Scriptor. I, S. 280 und 271.
zeabyCoOgIC
Von Dr. B. Krambholte. . 243
Folge bat.') Winter 1294 plant Meinhard einen Zug nach
Eiragola an der Dubissa, steht aber davon ab und verheert die
südlich davon gelegeneo Gebiete Pastovia und Gesovia.')
Waren die bisher aufgezählten Züge ohne ein größeres,
dauerndes Resultat verlaufen, so macht die Thätigkeit Lud-
wigs V. Libencele als Komtur von Ragnith wälirend der Jahre
1294 — 1300 eine rühmliche Ausnahme. Dusboi^ nimmt selbst
Abstand davon, die vielen Züge au&uzäblen, welche Ludwig
gegen die Samaiten unternommen hat, nachdepi er von zwei
derselben') gegen die Gebiete von Pograude*) und Wayken")
berichtet hat,*) Dagegen spricht er sich mit großer Ausfthr-
lichkeit über das Resultat dieser Bemühungen aus: Während
seiner sechsjährigen Thätigkeit als Eomtur von Ragnith zwang
Ludwig alle Littauer, die jenseits der Memel wohnten, vom
Narefluß (bei Jeroschin'O: Nerge d. h. Wilia*) bis zum Land
Lamotina*.) mit den Christen Frieden zu halten, unter der Be-
diugnog, daß sie jährlich eine gewisse Abgabe an ihn zahlten.
Trotzdem war er so beliebt, daß auch die Häuptlinge (nobiles),
durch dfe Samaiten damals regiert wurde, das Volk (communem
populum) gegen den König der Littauer aufregten und gegen
1) Dusbnrg HI, 253. - 2) EM. HI, 266. - 3} Ebd. IH. 269. -
4) PogTRude für Samait«n ausdrücklich in Anspruch genommea, jedoch die
Lage nicht genauer zu beetimmen. cf. Script. 1, 159. Anm. 4. — 6) Wajken
Hof dem Wege von Ragnith nach Bossieuj, nähere Bestimmung unmöglich,
cf. Scr. I, 159 Anm. 6.
6) Voigt: G. Pr. IV, S. 94—96 begeht in diesem Zusammenhang mehr-
fach Fehler. Zunächst identiflcirt er fälschlich das littauiache Bomene (nörd-
lich von Keidanj in der Nähe der Nawese) mit der Bomowe-Inael an der
Memel. So ergiebt sich fälschlich ihm die Möglichkeit, von einer Ver-
nichtung dee Heiligtums der Samaiten durch Ludwig und von dem darttber
entstehenden Schrecken unter den fiamaiten zn sprechen, die der Komtnr
klng ausnutzt. Es erklärt sich dieser Irrthnm Voigt's eher dadurch, daQ
ihm die von Dosborg genannte Landschaft Austechia unbekannt ist, während
sie doch gleichbedeutend ist mit Äuxetcte. cf. auch Toppen: Geographie
8. 40. Anm. 197.
7) Jeroschin Vers 20387 in Script. I, 539. — 8) Toppen: Geographie
41 Anm. 198. — 9) Lamotina ist gleich Lamata zwischen Schalanen and
Kurland, cf. Toppen: Geographie S. 38.
16*
D,gt,zBabyC00<^IC
244 Samaiten und der Deutsche Orden et-c.
ibn Krieg führten. Und während der Zeit Ludwigs gelang es
dem König von Littauen nicht, sich mit den Samaiten zum
Kriege gegen den Orden zu vereinen."') Von außerordentlicher
Tragweite hätte dies Verhältnis werden können, wenn die Un-
einigkeit zwischen Samaiten und Littauen, deren Veranlassung
uns nicht überliefert ist, TOn langer Dauer gewesen wäre; denn
sie wird die Veranlassung gewesen sein, daß es Ludwig von 1294
ab gelang, allmählich die der Memel benEichbarten Gegenden
zur Zinszahlung zu bewegen, bis endhch 1300 alle Länder von
der Wilia bis nach Lamotina dies Becht dem Orden zugestehen.
Indessen eine über seine Zeit binausgefiende Abhängigkeit
hat Ludwig auch nicht begründen können. Ohne daß wir eine
Nachricht von dem formellen Abbruch dieses Verhältnisses haben,
sehen wir ihn faktisch durch den Angriff des Bruders Heinrich
von Dohin auf das Gebiet des Kastells von Oukaym') im Jahre
1300 vollzogen, der soweit gelingt, daß mehrere Dörfer durch
die Ordensabteilung in Aaehe gelegt werden. ') Die Er-
oberung und Vernichtung des Lagers selbst erreichte erst der
Komtur Volrad von Ragnith 1302, und auch ntu: durch den
Verrat eines Samaiten Drayko,*) jedoch, ohne daß hierdurch ,
dauernd die Samaiten geschädigt werden; denn nach EinMleu
in Karsovien und Pograuden, welche im Jahre 1303 und im
Winter 1304/1305 stattfinden*) rückt im März 1305") der Komtur
1) Freie Überaelzims von Dosburg III, 259: Infra sex annos, quibns
dicto Cftslro (Bagnith) prefuit, coegit omnes Lethowinos, qoi supra litns
Ueioele habitabant a fluvio Nare usque ad terram Lamotinmn, ut pEicem
cum ChrieCianis habereot aub hüa pactis, ut certum ceDBum singulia anuis
darent ei, Ecce mira res, quantacunque mala fecit iia, tarnen diligebant eum
in tantnm, ut eciam nobiles, per quos Samethia tunc regebatur, popnlum
communem contra regem Lithowinorum provocarent, sie qnod plariboa
vicibus convenerunt contra regem ad bellum, nbi aliquando in uno conflictn
centum vel ducenli vel plurea ex utraque parte caderent int^rfecti. Nee
unqnam teniporibus snia rex Lithonie cum Sametbis poterat concordare, ut
simul in bello proci^derent contra fratrea.
2) Über die Lage von Oukaym cf. 8. 242 und Änm. 4. — S) Doa-
burg III, 276. — 4) Ebd. UI, 280 und Anm. 2.-6) Ebd. lU, 28B, 289
mit Anm. 3. - 6) Ebd. UI, 290.
DigtizBabyCoOgIC
Von Dr. B. Krumbholtz. 245
von Königsberg Eberhard v. Vimeburg gegen das neu errichtete
Kastell Oukaym und nimmt es wieder mit Hilfe eines Verräters
ein. Es findet eine abermalige völlige Vernichtung statt. Dieser
schließt sich eine Verwüstung des zur Burg gehörigen Gebietes
an; ja, Eberhard dringt sogar bis zu den das Territorium um*
gebenden Verhauen vor.') 1306 füllen Kämpfe gegen den König
von Littauen Witen (1293—1316") aus, dem sieh bald nach 1300
d. h. nach Aufhören des Abhängigkeitsverhältnisses zum Orden
die Samaiteu angeschlossen haben werden; finden wir sie doch
bald als offene Bundesgenossen Witens gegen den Orden.
1307 gehen seit längerer Zeit zum erstenmal wieder nach
bloßer Defensive Samaiten, und zwar aus dem Bezirk Carsovia,
znm Angriff über. Memel war ihr Ziel. Doch die Strafe folgte
sofort. Das seiner Streitkräfte entblößte Territorium wurde
durch den Komtur Volrad von Bagnith gründlich heimgesucht.')
Wie einst Ludwig v. Libencele, so zeigte auch dieser Komtur
von fiagnith große Energie. Zu Schiff fährt er den Jurafluß
hinauf, also in den westlichen Teil Samaitene hinein, verwüstet
hier zweimal die Vorburgen*) von Putenicka*) und endlich ge-
lingt ihm die Einnahme dieser Burg selbst.") In welchem Jahre
von Volrads Wirksamkeit als Komtur von Kagnith^) sich die
freiwillige Aufgabe der Burgen Scroueyte und Biverwate seitens
ihrer Besitzer, der Karsoviten, als nicht länger zu halten, voll-
zieht,') ist nicht zu konstatieren. Jedenfalls ist es ein Zeichen
für das siegreiche Übergewicht des Ordens und ein dauernder
Erfolg, um so mehr, als Dusburg ausdrücklich betont, daß weder
die zwei Burgen Carsowiens noch Putenicka jemals wieder auf-
1) Duaburg in, 290 und Änm. 4. — 2) Schiemanu I. 216. — 3) Dub-
borg m, 297. — 4) Vorbargen eiDd identiBcIi mit bäuerlichen Ansiedelun-
gen vor einer Stadt resp. Burg. ~ 6) Putenicka, vielleiclit mit dem
Patinvetd und Patelauken der Wegebericbte 12, lt>, 18 (Scriptores II,
673—676) identisch, ee liegt dann in der Nähe der Okmjana, eines Neben-
flowea der Jura. - 6) Dusburg III, 298 und 301. — 7) Tolrod ist Eomtar
von Bagoith w&hrend der Jahre 1307—1315. of. Scr. r. Pr. t, 173 za Dns-
barfcni, 298.
zeabyCoOgIC
246 Samaiten and der Deutsche Orden etc.
geballt Bmd.^) Hatten wir 1307 die samaitischea Karsowier
gegen Memel vorgehen sehen, so finden wir am 23. April 1308
eine Expedition größeren Stils, bestehend aus 5000 B«item,
unter Fährung der samaitischen Häuptlinge Mansto und Sudar-
gus gegen Samland in Bewegung, die die Gebiete von Powunden
und Budaa verwüstet, ohne freiliob sich einem Kampf mit dem
Ordensheer auszusetzen.^) — Es ist bereits von Witen, dem König
von Littauen, gesprochen worden. In ihm war dem Orden ein
heiliger Gegner entstanden. Auf seine Kämpfe gegen den
Orden in Livland im Bunde mit Blga einzugehen,') ist hier
nicht der Ort ; es möge der Hinweis genügen, daß dadurch
Samaiten für diese Zeit von Livland her nichts zu fUrchten
hatte. Was Witen hier für uns erwähnenswert macht, ist sein
Einf^l im Jahre 1311*) nach Samland und Natsngen, bei dem
offenbar Samaiten beteiligt sind. Spricht doch Duaburg*) von
den Einwohnern Fograudens als von Leuten, die eben erst von
der Expedition Witens zurückgekehrt sind und duroh einen
Plünderungszug des Komtur von Königsberg, Friedrich v. Wil-
denburg, aus ihrer Buhe gestört werden. Es wird dies Anfang
März 1311 sein, da obiger Zog Witens Ende Februar fUJlt.')
Sommer 1311 traf die Pograuden abermals eine Verwüstung
und zwar diesmal durch den Komtur von Brandenburg, Geb-
hard v. Mansfeld.') Mit furchtbarer Grausamkeit wurde bei
diesem Zug verfahren. Alle lebenden Wesen, die man gefangen
genommen hatte, Menschen und Vieh, tödtete man, als man bei
dem Rückzug gegenüber den Samaiten, welche die Waffen er-
griffen hatten, sich in Gefahr glaubte. Wie furchtbar auch die
Wut der Samaiten hierüber sein mochte, dennoch vermochte der
Bat Manstos, eines uns schon bekannten Häuptlings, sie mit
Bücksicht auf den ohne Zweifel vom Orden gelegten Hinterhalt,
von der Verfolgung Abstand nehmen zu lassen.
1) Dusbnrg UI, 302. - 2) Dasburg III, 30^. - 3) Schiemann I,
223-290; H, 71. - 4) Duabi.tg m, 306. - 5) EM. lO. 307. - 6) Ebd.
m, 306. - 1) Ebd. III, 311.
DigtizBabyCoO^IC
Von Dr. R. KruKobholtz. 247
Schon Eagnith war 1289 erbaut -worden, um von hier aus
in bequemer und nachhaltiger Weise Einfälle in Samaiten zu
machen, eine Aufgabe, der es bei der doch erheblichen Entfer-
nung von der samaitiscben Grenze nicht ganz wird genügt
haben. Einem allgemeinen Wunsche wird deshalb der Hoch-
meister Carl V, Trier nur entsprochen haben, wenn er vom
8. bis 22. April 1313 damit beschäftigt ist, sechs Meilen ober-
halb Kagniths eine neue Burg Cbristmemel anzulegen.^) Es ist
dies die erste der Burgen, welche allmählich an die Stelle der
samaitiscben festen Plätze an der Memel treten, wenn man von
der Oeorgenburg absieht, die 1259 gebaut, wie uns bekannt,
bald wieder aufgegeben werden mußte,*) Vorläufig jedoch stan-
den diese feindlichen Grenzburgen noch immer mit Ausnahme
von Colayue trotz der schon dagegen aufgewandten Mühe. Es
ist begreiflich, daß man dies um so schmerzlicher empfand, als
die neue Anlage dadurch gefährdet wurde. Und so finden wir
denn bereits Sommer 1313 den Marschall von Preußen, Hein-
rich V. Plocz, mit einem Angrifi auf das ganz in der Kähe von
Cbristmemel gelegene Bisene beschäftigt,') der jedoch scheiterte.
Trotz dieses Mißerfolges unternimmt bald darauf der Komtur
Werner von Ragnith einen Zug gegen Junigede und zwar zu
Schiff.*) Auch dieser Versuch mißlang wegen ungünstiger Witte-
rung, ja das Kriegsschiff selbst wurde von den Samaiten in
Brand gesteckt, nachdem sie auf Befehl des Königs von Littauen,
unter Leitung des kriegserfahrenen Surminus^), mit einer weit
überlegenen Schar der kleinen zurückgelassenen Mannschafl; es
abgenommen hatten.') Im Herbst 1313 sieht sich Bisene aber-
mals durch den Marschall Heinrich bedroht,^ und diesmal ge-
lingt es ihm wenigstens, die Vorburgen einzunehmen. Mit
seltener Energie und Kühnheit dringt Heinrich Januar 1314
bis zu dem mitten in Samaiten gelegenen Territorium Mede-
1) Tdppen: Geographie S. 220 und Dusburg III, 315. — 2) Im Jahre
1260. cf. oben S. 232. — 3) Dnsburg IH, 916. - 4) Ebd. IH, 317. -
5) SorminDS war 1290 Kommandant von Colayne. cf. Dosburg III, 238. —
6) DuBburg m, Sia - 7) Dusborg HI. 319.
DigtizBabyCoO^IC
248 Samaiten iind der Deutsche Orden etc.
nicki.') Zwar war diese Unternehmung nur ein Plünderungszag
und ebensowenig wie der einen Monat spätere Angriff auf die
Festnng im Gebiet von Medenicki, Sisditen, von einem danemden
Erfolg begleitet, aber dennoch zeigen uns beide Expeditionen')
den Orden in der Kühnheit seiner Unternehmungen wachsen.
Das Bedrohliche hierin für sich haben die Samaiten offenbar
erkannt, denn Mitte August 1315 rücken aie mit ihrer ganzen
Macht gegen Kagnith") und zwingen die ihnen entgegentretende
Besatzung zum RUnkzug in das Kastell. Es selbst jedoch zu
nehmen, gelingt ihnen nicht, und so ziehen sie nach Ver-
wüstung der Äcker von Kagnith und Schalauerburg sowie nach
Vernichtung der Emdte ab, nm Ende September 1315 im Ver-
ein mit dem König Withen von Littauen gegen Christmemel
zu marschieren;*} denn dass sie sich Withen werden angeschlossen
haben, erscheint mir zweifellos, trotzdem sie nicht ausdrücklich
von Dnsburg erwähnt werden; galt doch der Angriff einer Burg,
die fast ausschliesslich nur sie bedrohte. Vom 30. September
bis 11. Oktober dauerte die Belagerung; die Littauer wußten
mit großem Geschick die Zufuhr von Lebensmitteln abzuschnei-
den. Auf die Kunde vom Anmarsch des Hochmeisters suchten
sie Feuer an die Burg zu legen, wurden jedoch bei dem Trans-
port des dazu nötigen Materials von Holz, Stroh und Reisig so
heftig angegriffen, daß sie unter großen Verlusten davon liessen
und abzogen. Diese Nachricht bewog den zum Entsatz heran-
marschierenden Hochmeister Carl v. Trier zunächst sich gegen
Junigede zu wenden; nach Vernichtung der dortigen Vorburgen
rückte er dann vor Christmemel, um fOr Wiederherstellung der
von den Littauem angerichteten Schäden Sorge zu tragen.^) An-
fang 1316 ist der Orden wieder aggressiv: der Marschall Heinrich
macht mit vielen Gästen wieder einen Plünderuugazug nach
Medenicki,*) der Komtur von Christmemel, Friedrich v. Libencele')
1) Medenicki ist das heutige Medingjanj an der oberen Minge. cf.
Script, in, S. 673 Anin. 6 und Karte. - 2) Dnsburg IH, 320 und 321. -
3) Ebd.ni, 823. — 4) Ebd III, 824. - 5) Ebd. HI, 326. - G) Ebd. m, 327.
— 7) Ebd. lU, 828.
DigtizBabyGoOgIC
Von Dr. B. Krumbholtz. 249
überfällt die snr Ablösung der Besatzung von Bisene heran-
rückende Abteilung,^) und endlich nach dem 4. Äphl 1316
gelang auch die definitive Zerstörung von Bisene.^) Damit war
die zweite Burg der Samaiten an der Memel vernichtet, 25 Jahre
hatte man also" seit der Niederlegung Colaynes dazu gebraucht.')
Chriatmemels Besitz mußte bedeutend gesicherter erscheinen. —
Mit unermüdlicher Ausdauer wiederholten sich 1316 und die
folgenden Jahre die Einfälle. Galten sie zunächst auch noch
Medenicki,*) so suchte man sich doch schon 1317 ein Ziel aus,
das bisher nur Ludwig v. Libencele erreicht hatte,^) nämlich
Waiken,*) so daß auch jetzt von Süden her die Samaiten ihre
Feinde weiter ins Land vordringen sahen,') ähnlich wie es von
Westen her durch die Angriffe auf Medenicki geschah. Juni 1317
wurde dann wieder Pograude verwüstet.*) Während drei von
den Ordensabteilungen wenig ausrichten, gelingt es der vierten
einen uns schon bekannten Häuptling der Pograuden, Sudargus,
schwer zu schädigen, indem man ihm sein Haus zerstörte, Weib,
Kinder und Gesinde (familia) in die Gefangenschaft; führt. Sep-
tember 1317 und in den Jahren 1318 und 1319 wurden dann
wieder Junigede and Pisten bekämpft, ohne daß etwas anderes
erreicht wird, als die Zerstörung der Vorburgen, ein Verlust,
den die Samaiten mit großer Schnelligkeit wieder ersetzen.*)
Fahrer aller dieser Unternehmungen war schon seit Jahren meist
der Marschall Heinrich. Aber auch ihn ereilte endlich sein
Schicksal; bei einem Einfall in Medenicki^*') gelang es nach dem
27. Juli 1320 den Samaiten, die allzu kleine bei der Fahne
zurückgelassene Abteilung des der Plünderung sich widmenden
Ordensheeres zn überfallen und dabei mit vielen andern auch
Heinrich zu töten. Der andere Führer der Expedition, Gerhard
Bude, Vogt von Samland, wurde von den erbitterten Feinden
1] Der Wechsel der BeeatzQDg fand gewähn]icli monatlich statt, cf.
DuBburg in, 300. - 2) Duaburg HI, 329. - 3) Ebd. III, 243. - 4) Ebd.
m, 330. — 5) Ebd. III, 269. — 6) Waiken lag auf dem "Wege von Eagnith
nach Roflsieny. cl'. Scriptorea I, S. 169. Anm. 5. — 7) Dusburg lU, SSI. —
8) Ebd. m, 332. - 9) Ebd. UL 334-386. - 10) Ebd. m, 888.
zeabyCoOgIC
250 Samaiten und der Deutsche Orden etc.
ihren Göttern geopfert, indem man ihn auf sein Pferd setzte,
rings mit Holz umgab, dies anzündete und so ihn verbrannte.')
Eine Folge hiervon ist es vielleicht, daß 1321 die Snmaiten von
einem Einfall verschont blieben, um dann 1322 um so ärger
heimgesucht zu werden.*) Der Landmeister Friedrich v. Wilden-
hurg, Stellvertreter des Hochmeisters, stellt sich selbst an die
Spitze eines stattlichen Heers und dringt, verstärkt durch viele
Kreuzfahrer, weit über die bisherigen Angriffspunkte hinaus
vor. Nicht nur das Gebiet von Waiken wird verwüstet,
sondern auch Roasieny und Eiragola.') Die Dubissa herunter
richtet sich der Marsch gegen Pisten und nur gegen Steljung
von G-eiseln und gegen das Versprechen, sich der Ordensherr-
schaft zu unterwerfen, steht man von der diesmal zu erreichen-
den Vernichtung Pistena ab. Tm Äuganblick großer Not gegeben,
wurde das dem Orden gegenüber eingegangene Gelübde nicht
gehalten, um so weniger, als noch der König von Littauen in
diesem Sinne wirkte.*) Hier herrschte seit 1316^) Gedimiu,
dessen Einfluß für das Verhältnis Samaitens zum Orden fortan
sehr wichtig ist. Es wäre überöünsig, in diesem Zusammenbang
auf die viel besprochenen Briefe Gedimius') ausführlich einzu-
gehen, welche augeblich bei ihm den Wunsch verraten lassen
sollen, zum Christentum überzutreten. Ganz läßt es sich jedoch
nicht vermeiden, weil auch die Samaiten dabei eine Kolle spielen.
Es muß auffällig erscheinen, daß im Vergleich zu der im
13, Jahrhundert so regen Thätigkeit gegen Samaiteu der liv-
ländische Zweig des Ordens im 14. Jahrhundert nur sehr selten
an diesen Kämpfen teilnimmt. Ein Erklärung dafür bieten die
fortwährenden Kämpfe, welche dieser Teil des Ordens mit den
geistlichen Herren zu bestehen hatte, wobei die Littauer sehr
1) AuGer Duaburg III, 338 auch JeroBchin Vers 25 140 — 25 165 in
Script. I, &93. — 2) Dusburg III, 340; Annalbta Thorunensis und Chronik
Detmars v. Lübeck (citiert mit Detmar) za 1322 in Scriptores III, 64. —
3] Über die Lage von Roasieny und Eiragola ct. oben 8. 220 nnd beiliegende
Karte. - 4) Duaburg III, 340. — 6) Gedimin regiert von 1316 bis 1341.
cf. Schiemann I, 219. -~ 6) Ein Änazug aua diesen Briefen Oedimine findet
sich bei Bonneil: Chronographie S. 110—111.
DigtizBabyCoOgIC
Tob Dr. R. Kruinbhollz. 261
oft gegen den Orden zu Hilfe gerufen wurden.') Aber auch abgesehen
von der Feindschaft mit dem Erzbischof und den Bischöfen, die
gleich dem Orden die Herrschaft Über ganz Livland erätreben,
nimmt die Stadt Kiga, welche einer Abhängigkeit vom Orden sich
auf das äußerste widersetzt, des Ordens Thätigkeit in Ansprach.
December 1322 bahnten die Rigenser wieder ein Bündnis mit
Gedimin an,') und so mochte es ihnen ganz recht sein, wenn
im März 1323 die Samaiten von der dem livländischen Orden
noch gehörigen Anlage bei Memel alles bis auf die Burg ver-
nichteten.^ Sommer 1323 tauchten dann die schon erwähnten
Briefe^) Gedimins auf, die außer scheinbarer Neigung zum
Christentum noch den Wunsch nach Einwanderung von Kauf-
leuten und Handwerkern jeder Art aussprachen. Die Folge
hiervon war, daß eine Gesandtschaft des Ordens und der übrigen
Landesherrn von Livland, Kurland und Estland zu Gedimin
abging und mit ihm einen Frieden abschloß am 2. Oktober 1323,
ohne auf seine Taufe zu bestehen.^) In den darüber ausgestellten
Urkunden wird Samaiten zu Gedimins Besitzungen gezählt;*)
es ist dies das erste Zeugnis, welches ausdrücklich Littauens
Oberhoheitsanspruch auf Samaiten enthält. Für dies und die
andern ihm gehorchenden Länder verspricht Gedimin den Herren
der an ihn geschickten Gesandten, also auch der livländischen
Ordensabtbeilung, mit allen ihren Besitzungen — namentlich
wird Memel besonders hervorgehoben — folgendes: Freien Ver-
kehr zu Wasser und zu Lande, gütlichen Vergleich bei etwaigen
Streitigkeiten; im Fall einer Auflösung dieses Verhältnisses soll
zwei Monate vorher Mitteilung davon gemacht werden. — Ganz
unzweifelhaft hatte Gedimin mit diesem Frieden die Absicht,
gegen den jetzt isoliert dastehenden Orden in Preußen seine
1) Schiemann I, 223-230; U, 63-72. — 2) Bonnell: Chronographie
S. lOe. - 3) Dusbarg III, 344. - 4) BonneU: Chronographie S. 110-111.
6) Bunge U, No. 693 nnd 694. - 6) Ebd. II, No. 693: Oedimin's Urktmde:
Istae sunt terrae, cum qoibiiB pacem .... iDivimos ; primo enim nostra
ex parte .... Sajmenten. Die GegeDurkuode der Sendboleu sagt folgen-
des: Ex parte regle praedicti Litbowiae: .... Samaythen ....
zeabyCoOgIC
252 Samaiten und der Deut-sche Ordeo etc.
ganze, ungeteilte Kraft zu erproben. Mit vollem Recht bötonen
die preußischen Landeabiscböfe und Mönchsorden diesen G-esichts-
punkt und heben hervor, daß der von Gedimin in Aussicht ge-
stellte Übertritt zum' Christentum nur Schein sei.^) Freilich,
was Gedimin wohl weitei' sich durch diesen Frieden versprochen
hatte, die Ordenszweige in Livland und Preußen in einen ge-
wissen Gegensatz zu bringen, erfüllte sich nicht; denn bereits
Anfang 1324 sehen wir die Rigenser sich Über den Bruch des
Friedens seitens des Ordens beklagen,') und im weiteren Verlauf
des Jahres finden wir die livländische Ordensabteilung von
Gedimin bei Eossitten angegriffen.') Er stand also mit ihr genau
so wie mit dem preußischen Orden, der Juli 1324 in Chrisfc-
memel bedroht . von ihm worden war,*) auf Kriegsfuß. — Wir
haben Gedimin den Anspruch erheben sehen, für die Samaiten
Frieden zu schließen. Entweder prätendierte er dies Recht,
oder er war dazu autorisiert. Eine Entscheidung, welcher von
beiden Fällen hier vorliegt, ist nicht möglich ; so viel steht aber
fest, daß Gedimin gezwungen war, den Wünschen der Samaiten
ein williges Ohr zu leihen, wollte er sie sich nicht entfremden.
Ben Beweis hierfür liefert das Aktenstück, welches die definitive
Ablehnung Gedlmins, zum Christentum überzutreten, enthielt.^)
Wenn auch die Nachricht, daß Drohungen der heidnischen
Samaiten Gedimin zu diesem Schritt geleitet haben, nur in
einem Nachtrag der Urkunde steht, und, falls Gedimin überhaupt
nie ernstlich die Absicht hatte, zum Christentum Überzutreten,
folglich hier nicht zu verwenden wäre, so wirft sie doch ein
charakteristisches Licht auf die Auffassung, welche man von der
Art des Abhängigkeitsverhältnisses der Samaiten zu Gedimin
hatte. Indessen sehe ich mit Scbiemann') die Möglichkeit, daß
Gedimin wirklich die Absicht gehabt hat, zum Christentum
1) Bange II, No. 696, 696, 698. — 2) Bonnell: Chronographie S. 114
9) Dusburg HI, S68 - 4) Ebd. III, 866. — 5) Schiemann I, 2^-228 und
Btmge VI, 3073: Die Häuptlinge sagen zu Gedimin: „d ipse reciperet fidem,
ipsi vetlent eum, filios et omnes sibi adhaerentee expugnare " —
6) Schiemann I, 238.
zeabyCoOgIC
Von Dr- R, Krmnbholtz. 263
aberzatreten, nicht für ausgeschlossen an. Wie dem aber auch
sein mag, das lernen wir jedenfalls daraus, daß Gedimin es für
vorteilhaft gehalten haben wird, die Intentionen der Samaiten
za berücksichtigen; werden doch sie einen tüchtigen Teil seines
Heeres gebildet haben, mußte er doch sich von ihnen als der
Gefahr, den Deutschen unterworfen zu werden, am meisten aus-
gesetzten die größte Energie im Kampfe gegen den Orden ver-
sprechen können. — Was die Deutschen durch Gedimins Ver-
harren beim Heidentum hinsichtlich Samaitens verloren, war
vielleicht die Aussicht, die von den übrigen Littauern gelösten
Samaiten sich eher zu unterjochen, eine Änssicht, die freilich
bei einem Charakter wie Gedirain auch nur auf schwachen
Füßen stand; denn schwerlich würde er, selbst als Christ, die
Unterwerfung dieses einst, wenn auch nur in schwacher Weise
seine Oberhoheit anerkennenden Landes seitens des Ordens zu-
gegeben haben, verschwand doch gleichzeitig damit das Bollwerk
zwischen ihm und dem Orden. Wie der am 2. Oktober 1323
mit Littauen abgeschlossene Frieden durch Gedimins Ängrifif
auf ßoasitten im November 1324 sein Ende erreichte,') so trat
auch bald zwischen der livländischen Ordensabteilung und der
Geistlichkeit ihres Landes das alte feindliche Verhältnis wieder
ein. Am 4. April 1326 verhängte der Erzbiachof von Biga Über
sie wegen Verletzung des Friedens vom Jahre 1323 den Bann,*)
freilich ohne dadurch etwas zu erreichen; denn der Meister von
Livland kümmerte sich nicht dämm. Im Gegenteil, er war
darauf bedacht, sich durch Entledigung von lästigen Gebiets-
teilen widerstandsfähiger zu machen. Diesem Zweck diente der
am 25. Mai 1328') ausgesprochene Verzicht auf den Besitz Memels
imd seiner Burg zu Gunsten des Ordens in Prenssen. Gewann
Preußen hierdurch eine freilich Gefahren sehr ausgesetzte wichtige
Position, 80 kann der weiteren, an demselben Tage vollzogenen
Cession nur principieller Wert zugeschrieben werden. Mußte
doch mit Wafien in der Hand erst das Gebiet unterworfen
1) Dnaborg III, 368. - 2) Bunge II, 710. - 3) Ebd. D, 783.
DigtizBabyCoOgle
254 Saraailen und der Deutsche Orden etc.
werden, dem jetzt die Livländer, obne es zu besitzen, entsagten.
Die Grenze zwischen Preußen und Livland sollte fortan, um
mich Toeppens') Worte zu bedienen, der den betreffenden Passus
der Urkunde in freier Weise übersetzt, bezeichnet werden durch
die Heilige-Aa von ihrer Mündung in die Ostsee bis zu ihrer
Quelle, dann durch eine Linie Ton dieser Quelle über das Feld
Emmere zum Flüßchen Emmerlecke, dann durch dies Flüßchen
bis zu eeiaer Mündung in die Miuge, endlich durch die Minge
von dem Einfluß der Emmerlecke bis zu ihrem Ursprung aus
dem See Hasenplut. Alles was südlich von dieser Grenze lag,
z. 6. das Territorium Carsowia, sollte fortan zu Preußen gehören.')
Diese, freilich nur auf dem Papier stehende Erweiterung des
preußischen Gebietes mußte wieder zu neuen Anstrengungen
ermuntern. Und so beginnen jetzt wieder nach einer mehr-
jährigen Pause, darch die am 1. August 1328') vollzogene Aui^
gäbe Christmemels in ungünstiger Weise eingeleitet, die Kämpfe
um Samaiten. Noch in demselben Jahre verbrannte der Komtur
von Bagnith die Vorburgen von Oukaym.*) Eine Expedition
unter Mitwirkung vieler Kreuzfahrer, von denen der bedeutendste
der König Johann von Böhmen ist, schließt sich Anfang 1329
an. Sie richtet sich gegen die Burg Medewage im Gebiet von
Medenicki.^) Der Zug ist von Glück begünstigt, die Besatzung
ergiebt sich bald, empfängt am 2. Februar die Taufe, kehrt aber,
sobald das Heer fort war, zum Heidentum zurück. Wichtiger
noch als diese Züge war die trotz Gedimins Hülfezug am
20. März 1330 durch den Ordensmeiater Eberhard v. Munlieim
erzwungene Übergabe Bigae, der sich anschließende Verzicht
seitens dieser Stadt auf das Bündnis mit Gedimin und die Ver-
pflichtung, dem Orden Hilfe zu leisten.*) War dieser Erfolg
zu jeder Zeit auch für die Bekämpfung Samaitens von großem
1) Toppen: Geographie S. 103. — 2) Bunge II, 788; Dnsburg
Supplementum 3 in Script. I, 214; "Wartberge zu 1S28 in Script. II, 63.
Über die Lage cf. Toppen: Atlas Tafel 2. — 3) Dusburg Supplement 3;
Jeroacbin Vers 26 765-26 785 in Script. I, 613. — 4) Dnsbiirg Supplement a
61 Ebd. Supplement 9. — 6) Schiemann I, 482.
zeabyCoOgIC
Von Dr. R. Knunblioltz. 255
Nützen, weil dadurch dem livländischea Orden die Möglichkeit
wiedergegeben wurde, sich gegen dies Land zu wenden, 80
maßte diese Beseitigung der inneren Zwistigkeiten gerade jetzt
um 80 wertvoller sein, als für den livländischen Orden seit 1331
die Aufgabe erwuchs, den Kampf gegen Samaiten allein fortzu-
fahren. Während der Orden in Preußen mit dem KOnig Wladis-
laus Lokietek von Polen um Pommerellen seit 1331 die heftigsten
Kämpfe zu fähren hat,') wird für Samaiten und die ihm benach-
barten Gebiete von Littauen vier Jahre lang Livland der ge-
fOrchtete Gegner,'} bis 1335 anch Preußen wieder infolge
eines vorübergehend besseren Verhältnisses mit Polen') in die
Lage kommt, sich dieser Aufgabe zu widmen. Die ergriffenen
Maßregeln sind höchst wichtiger Art. Nach einer im Februar
1336 gegen die Feste PUlene im Bezirk Troppen*} unternom-
mene Expedition, die auch mit Vernichtung der genannten Burg
endigte,'') ging der Hochmeister Dietrich von Altenburg daran,
durch Anlage von Burgen dem Orden die Möglichkeit zur Unter-
werfung Samaitens näher zu rücken. Zunächst entstand Georgen*
bürg von neuem,") sodann beschloß er auf der Insel Eomayn')
ein neues Kastell Marienburg anzulegen.^) Jedoch gelang es
ihm nicht, den Bau wegen des heftigen Angriffs der Samaiten
zu vollenden. Aber dies Mißgeschick hielt ihn durchaus nicht
ab, die Anwesenheit des Herzogs Heinrich von Baiem in
Prenßen (März bis Juni 1337) auszunutzen.') Gestärkt durch
ihn und andere Kreuzfahrer fuhr man die Memel hinauf und
baute die im vorigen Jahre begonnene, aber wieder von den
1) Schiemann I, 482. — 2) Canonici Sambiensis epitome gestorum
PrasBiae in Scriptotes I, 285; Wartberge zu 1330 in Scr. II, 66; Wigand 19
in Scr. II, 487; Wartberge zu 1382 in Script. 11, 66; Wigand zu 1333 in
Scr. II, 487; Wartberge in 1384 in Scr. II, 67. - 3) Schiemann I, 490. -
4) Es ist die Oegend östlich von der Mündung der Mitwa in die Uemel. cf.
Scr. n, 488 Anm 250. — B) Wigand 20 in Scr. II, 488. — 6) Canonicu»
Sambiensia zu 1B36 in Scr. I, 280. — 7) Romayn liegt in der Memel, der
Mündung der Dubissa in diese gegenüber, cf. Script. II, S. 490 Anm. 258. —
8) Wigand 21 in Scr. U, 490 (fortan ohne Angabe der Seite in Scr. II
citiert). — 9) Wigand 23.
DigtizBabyCoO^IC
256 Samaiten und der DenUche Orden etc.
Feinden zerstörte Marienbarg') auf. Sodann ging man an die
Errichtung einer neuen Burg,') die wegen der Hilfe des Herzogs
Heinrich von Baiem die Baierhurg") genannt wurde. Nicht
ohne Qrund war die starke Besatzung, welche man hineinlegte,
nad die reichliche Ausrüstung mit "Waffen und Lebensmitteln
durch den freigebigen Heinrich von Baiem; denn bald hatte die
neue Anlage einen schweren Angriff' anszahalten. Qedimiu,
dem durch zwei der Besatzung zugeteilte Vitinge*) Aussicht
auf leichte Einnahme gemacht war, rückte heran, sah sich
aber getauscht. Die vorher gewarnte Besatzung hielt sich
trotz der langen Belagerung vom 15. Juni bis 6. Juli, ja, es
fiel schließlich sogar noch das littauische Lager mit reicher
Beute in ihre Hände. "Wie weitgehende Pläne der Herzog
Heinrich mit dieser Baierburg verknüpfte, zeigen am besten
die Urkunden seines Verwandten, des Kaisers Ludwig, vom
16. November und 7. Dezember 1337,^) Schenkte doch auf
eben dieses Heinrichs Sitten und wegen des Ordens sonstiger
Verdienste der Kaiser dem letzteren Littanen mit den dazu
gehörigen Ländern, nnter denen ausdrücklich Samaiten aufge-
zählt wird. Für dies weite Gebiet soll der Hochmeister mit der
Verwaltung sämtlicher weltlicher Angelegenheiten und nament-
1) So deute ich mit Hirsch (Scrip. II, 498 Arnn. 283), weil die
UarieDburg die einzige Anhige ist, auf die ihrer geographischen Lage nach
die Beschreibung Wigands paßt, folgende Worte desaelben: veniunt in
Lithwaniam in qnandam insalam prope Weljn, ubi circa msepiant se, duos
domuB ibidem erigont .... — 2) Wigand 23.
3) Die Lage der Baierharg ist nicht leicht zu bestimmen. Sicher
ist, daG sie am Südufer der Memel gelegim hat, sagt doch der Caaonicus
Sambiensis (Scr. I, 281), daD sie Welun gegenüber angelegt ist Nach einer
bei Hirsch (Script. 11, 433 Anm. 284) citierten, dem Königsberger Archiv
entlehnten Erklärung wurde sie zunächst in der kurzen Entfernung von
'/( Meile von Welun gebaut. Lange hat sie freilich hier nicht gestanden,
denn wir werden schon 1344 (Wigand SO) von ihrer Verlegung hören.
4) Vitinge sind Nachhommon alter Prenfien. cf. Script. II, 454 Anm. 19.
5) Racaynski: Codex diplomaticus Lithuaniae S. 42—45. Die beiden Ur-
kunden, in denen die im Text stehenden Daten sich befiadeu, sind nach
Voigt's Untersuchungen (Geschieht« PreuAene IV, S. 659 Anm. 1) von den
drei vorhandenen unter sich verschiedenen Oopien echt.
DigtizBabyCoOgIC
Von Dr. E. Krambholtz. 257
lieh der Rechtspflege betraut werden. Die Hauptburg für das
Fürstentum soll unsere Baierburg sein, die Sinwohner desselben
sollen hier sich ihr Becbt holen. Auch der kirchliche Mittel-
punkt für ' die noch zu bekehrenden Heiden soll die Borg als
Sitz eines Erzbischofs sein. Fragt man sich nach dem faktischen
~Wert dieser Schenkung Ludwigs, so kann man ihr nicht den
geringsten zuschreiben. Im Vergleich zu ihr hatten seibat
noch Mindowes Schenkungen Bedeutung, stand er doch im
Bücken der Samaiten und konnte, wenn er wollte, mit dem
Orden im Bande den "Worten auf dem Papier Wirklichkeit
geben, und so finden wir denn auch von allen diesen schönen
Plänen mit der Baierburg nichts erfüllt, sie hat nie eine hervor-
ragende Stellung unter den Grenzburgen gegen Samaiten bin
eingenommen. "Wie wenig auf die Samaiten selbst aber eine
solche Yerschreibung ihres Landes Eindruck machte, zeigt der
gleichsam als Antwort darauf gemachte Einfall des August^} 1338.
Drei Tage lang richteten sie Verwüstungen an, dann ereilt sie
bei Galekouken^ die Strafe, indem ihnen hier der Marschall
Heinrich Dusmer eine verlustreiche Niederlage beibringt,') Waren
bei dieser Expedition noch die Samaiten zusammen mit den
Littauem th&tig,') so sollten sie bald sich von Gedimin wenigstens
einem Teil des Ordens preisgegeben sehen. Am 1. November 1338
schloß nämlich Q^dimin auf zehn Jahre mit dem livländiachen
Ordensmeister und den Einwohnern Bigas einen Vertrag, der
den Handeltreibenden beider kontrahierenden Teile die Düna
freistellte.'') Von den Samaiten ist in der Abmachung keine
Bede. Sie als Oedimins Unterthanen als selbstverständlich in
den Frieden eingeschlossen anzusehen, hindert wohl schon ihr
loses Verhältnis zu Littauen, sodann aber besonders die That-
sache, daü im Februar des Jahres 1839 der Meister von Livland
1) Wigand 24. — 2) Oallekonkeu liegt vielleicht nouh in Prenßen. cf.
Scr. n, 496 Anm. 3. — 3) Voigt: G. Pr. IV, 556 verbindet fUUcMJch dies
Ereignis mit der Belagerang der B&ierburg. — 4) Wigand 24: nLithwani
intrant cnm Samaitia terram " — 5)Napiereky: Ruseisch-livländisch«
Urkunden No. 88.
Altpr. Honatauhrift Bd. ZZTL Hft. B n. 1. X7
DigtizBabyCoO^IC
258 Stunaiten uud der Deutsche Orden etc.
Samaiteii verbeerte.') Wenn trotzdem gerade vor 1340 ein
äußerst lebhafter Handel zwischen der dem Orden untergebenen
Stadt Eiga und Littauen stattfindet,') und eine Verschlechterung
des Verhältnisses zwischen Livland und Gedimin nicht nach-
weisbar ist, so läßt dies den ScbuB auf eine momentane Isolie-
rung Samaiteua wohl zu. Qedimin wird auf Drängen des liv-
ländischen Ordens and des kommerziellen Vorteil» Littauens
willen darauf verzichtet haben, die Samaiten in den Frieden
mit aufgenommen zu sehen. Nichts lag indessen 6edimin femer,
als dadurch etwa auf seine Oberhoheit über dies Land zu vet^
ziehten. Mochte er die Samaiten in Bücksicht anf andere Inter-
essen eine Zeit lang haben fallen lassen, mochte die Erbitterung
darüber im Lande groll sein, das hinderte ihn nicht vor seinem
Tode im Winter 1341/1342') sich für berufen zu halten, ihnen
in Gestalt seines Sohnes Kestuit einen Herrscher zu setzen,
dem er außer Samaiten noch Troki, Grodno und Kowno nebst
den dazu gehörigen Bezirken anwies,*) Wenn Gedimin auch
bei der losen Verbindung zwischen Littauen und Samaiten
und in Bücksicht auf die ungünstige Stimmung im Lande
gegen ihn durchaus nicht sicher sein konnte, daß diese letzte
Bestimmung seines Lebens zur Wirklichkeit wurde, ihm hatte
es jedenfalls der Orden zuzuschreiben, daß Samaiten, wenn es
wollte, nicht allein ihm gegenüber stand, sondern durch Kestuits
Hil&mittel den Widerstand fortsetzen konnte.
Gewiß war Samaitens Lage seit dem Eingreifen des
preußischen Ordenszweiges eine schlechtere geworden: mußten
doch die Hilfskräfte des Landes durch die fortwährenden Ein-
fälle gelitten haben, war doch manche Burg ihres Landes ge-
fallen und au ihre Stelle eine feindliche Anlage getreten, aber
noch immer stand das Land unabhängig von den Deutschen da,
und erst die Zukunft sollte es lehren, wessen Anstrengungen
endlich von Erfolg gekrönt sein würden.
1) Wartberge in Script. II, S. 68 und Änm. 1. — 2) Bonnell: Chrono-
graphie S. ISO. - 3) Ebd. S. 132. - 4) Ebd.
Fuitsetznng folgt.
DigtizBabyCoOgIC
Die Verbindung des frischen Haffs mit der Ostsee
in geschichtlicher Zelt
Von
Archivar Dr. Pmazer.
Mit einem Excnrs über' Witland nnd einer Karte.
Mau hat noch in unserm Jahrhundert angenommen, dafi
das frische Haff in historischer Zeit sehr wesentliche VerAnde-
mngen erfahren habe: die Höbe, auf welcher die Burg Balga
liegt, nnd die Höhe nordöstlich von Pillau, welche in den Cam-
stigaller Haken ausläuft, die beide heute durch das an dieser
Stelle mehr als sieben Kilometer, breite und fünf Meter tiefe
Haffbecken von einander geschieden werden, sollten ehedem mit
einander in Verbindung gestanden haben. Johannes Voigt
glaubte in dem vermeintlich hier untergegangenen Lande die
im 13. Jahrhundert mehrfach erw&hnte Landschaft Witland
erkennen zu sollen.')
Die Annahme jener Land Verbindung gründete sich auf
Xachrichten des 16, Jahrhunderts, welche die historische Kritik
als unzuverlässig und werthlos verwerfen muß; aber sie scheint
in einer Betrachtung der physischen Verhältnisse der Erdober-
fläche eine gewichtige Stütze zu besitzen. Das älteste Tief der
frischen Mehrung bei Lochstedt, bemerkte der Königsberger
Professor der Mathematik Wrede') in den zwanziger Jahren
dieses Jabrhimderts, spreche daftlr, daß der mit Wasser bedeckte
Baum zwischen Kahlholz und Camstigall nicht die uralte unver-
1) Voigt, Gesch. Preußena Bd. 1, Beilage 8. — 2) EW. S. 684 fg.
17*
DigtizBabyCoOgle
260 ^^ Verbindung des frischen Haffs mit der Ostsee et«.
änderte Ausmündung des G-ewSasers zwischen Brandenburg,
Fischhausen und Peyse Bei. „Wenn man sich hei Vermuthungen
über diesen Gegenstand — so schrieb "Wrede — durch den An-
blick der Karte und das Gesetz der Ströme leiten l&£t, ging das
Pregelbett ehemals vom Littaus-Sandriffe ungefähr 3500 Kuthen
südwestlich fort, beugte sich dann gegen Norden, so daB es
zwischen dem Peyseschen und Camstigallschen Haken dnrch-
gehend bei Lochstedt — — ausmündete. Die Balgaische nnd
Camstigallsche Höhe hingen als Wasser-Scheide zwischen dem
Pregel- nnd Weichselthede zusammen."
Die Stelle, an welcher das Lochstedt-er Tief angenommen
wird, besteht aus einer engen Einne in Thonboden, die nach
einer Messung Hagens') 52 Ruthen breit ist.
Wenn das Haff mit der Ostsee durch diese Binne in Ver-
bindung gestanden hat, wenn hier wirklich ein schiffbares Tief,
wie man annimmt, vorhanden gewesen ist, so mußte zweifellos
eine anhaltende Strömung jene enge üinne vor Versandung
schützen. Das Vorhandensein einer Wasserscheid© zwischen
Kahlholz imd Camstigall würde eine solche Strömung leicht
erklären. Dagegen Ist es ausgeschlossen, daß eine solche Strö-
mung im Haffe vorhanden sein konnte, so lange das Bett des
Haffes dem gegenwärtigen annähernd glich. Katastrophen müssen
also in historischer Zeit den Boden des Haffes geändert haben,
wenn ein Tief bei Lochstedt noch im 14. Jahrhundert der für
die Schifffahrt benutzte Verbindungeweg zwischen Haff und
Ostsee war. ^ Würden von solchen Katastrophen aber, wenn
nicht gleichzeitige Kunde, so doch wenigstens Nachrichten,
welchen ihr Alter den Stempel der Glaubwürdigkeit aufgeprägt
hat, auf uns gekommen sein?!
Man hat, trotzdem man das Bäthselhafte des Lochstedter
Tiefs wohl bemerkt hat,') an seiner Existenz bisher nicht zu
1) Handbuch der Wasserbaukimet 8. Theil S. Bd. S. 145. — 2) Ich
darf mich hinsichtlich dieser Bemerkungen auf das zustimmende ürtheil
eines Fachmannes, des Herrn Professor Dr. Hahn, berufen. — 8) Hagen,
Handbuch der Wasserbaukunst S. Theil 3. Bd. S. 143.
DigtizBabyCoOgIC
Von Archivar Dr. Panzer. 261
zweifeln gewagt; man glaubte, daß dieselbe durch zuverlässige
Ueberlieferung über jeden Zweifel erhoben werde. Ea wird sich
verlohnen, die Zeugnisse, auf Grund deren behauptet wird, daß
bei Lochstedt in historischer Zeit ein Tief ezistirt habe, einer
Prüfung zu unterziehen.
Erst im 16. Jahrhundert wird Lochstedt mit dem Seetief
ausdrücklich in Verbindung gebracht und zwar von einem Chro-
nisten, dessen ünglaubwürdigkeit anerkannt ist, von Simon
Orunau.
Derselbe berichtet in seiner Preußischen Chronik,') Trac-
tat 11, Capitel 2, § 4 „von eim erschrocklichen nngewitter
im lanndt": „In der zceit dises homeisters — gemeint ist Sieg-
fried von Feochtwangen — im Äugstmonden war ein solch
erschrecklich stürmen und ungewitter, damit man auch meinte,
das landt solt vergehn. In disem stürmen sich erfüllete das
schone tieff beim schlosz Lochstetten und ein anders auszrisz
gern schlosz Balga über unnd Braunsperg. Da auch das tieff
zwischen Foglem und der Schmergrub erfüllete, und nur ein
tiefT plib ins habe ausz dem mere." Außerdem habe am Tage
Donati (7, August) „ein greulicher stürmen" gewüthet, und am
Michaelis-Tage habe „zum dritten mal" ein Sturm sich erhoben.
Der Herausgeber Perlbach bemerkt zu dieser Stelle, daß die
ausführlichen Xaohrichten des Tolkemiter Mönchs aller "Wahr-
scheinlichkeit nach nur eine Nachricht des Peter von Dusburg
zur Grundlage haben, nach welcher im Jahre 1303 VI. idus
Augnati (d. i. 8. August) ein Erdbeben in Preußen gewesen
ist; er weist darauf hin, daß die dreimalige Erderscbütterung,
von der Peter von Dusburg berichtet, bei Grünau zu Stürmen
an drei verschiedenen Tagen geworden sei.
Gkunau berichtet ferner im Tractat 14, Capitel 2, § 1,
nachdem er zuvor Nachrichten des Johann von Posilge zu den
1) Die Prenfl. Geschichtsschreiber des 16. u. 17. Jahrhunderts W. I.
DigtizBabyCoOgIC
262 I^^ VerbinduDg des frischen Haffs mit der Osteee etc.
Jahren 1398, 1388 nnd 1399 mit einander vermeiigt und in
seiner Art auageftthrt hatte: „In disem jar am tag Lamperti hub
sich an ein nordensturm und werte fünf tag, in welchem sich
erftillete das tieff bey Lockstetten und ein newes ken dem
Rosichenberg auszrisz und war zehen faden tieft zum ersten
unnd ist noch heute das beste ins landt von Freussen." Offenbar
hatte er vergessen, daß er die Versandung des Lochstedter Tie&
schon hei der Behandlung der Zeit des Hochmeisters Siegfried
von Fenchtwangen berichtet hatte. Die genaue Angabe des
Tages, an welchem der Sturm begann, seiner Dauer und der
anfänglichen Tiefe des neu entstandenen Tiefs kann uns darüber
nicht tfinschen, daß ihm keine ältere zuverlässige Quelle zu
Grunde gelegen hat. Schon Perlbach verwarf wie die frühere
so auch diese Stelle. Es würde in der That einen Mangel an
kritischer BeftLhlgung verrathen, wenn man auch nur in irgend
einem Punkte sich anf Simon Omnau verlassen wollte.
Demnach wäre es sehr wohl möglich, daß Grünau sei es
auf Grund persönlicher örtlicher Anschauung oder von Mit-
theilungen Anderer über die Bodengestaltung südlich von Loch-
stedt angenommen habe, da^ dort einmal eine Verbindung von
Haff nnd Ostsee vorhanden gewesen, und auf Grund dieser An-
nahme die sich widersprechenden Nachrichten über die Versan-
dung eines Lochstedter Tiefs erfunden habe, — wobei er dann
freilich die Strömung des Haffes gänzlich außer Acht ließ.
Doch seit Baczko^) ist behauptet worden, daß der Orden
zum Schutze des Tiefes das Haus Lochstedt erbaut habe.
Um die Begründung dieser Behauptung zu prüfen, sehe
ich mich genöthigt auf die ältesten urkundHcheu Nachrichten
über das Seetief und seine Umgebung einzugehen.
Das älteste ZeugniB, welches das Tief erwähnt, ist eine
Urkunde vom 3. Mai 1268, nach welcher gemäß den vom päpst-
lichen Legaten Wilhelm von Modena im Jahre 1243 getrofTenen
1) Geschichte PreußenB Bd.l (1792), S. 32i fg. Vgl. Toeppen, Elbinger
Antiquitäten S. 219 Änm. 2. Ewald, die Eroberang Prenfieus IV, S. 63 fg.
zeabyCoOgIC
Von Archivar Dr. Panzer. 263
Bestimmungen Samland und die frische Nehrung in drei Theile
getheilt wurde, von denen der Bischof von Samland ein Drittel
wfthlte, die beiden anderen dem Orden zu&elen.') Das Tief wird
hier Balga genannt. Es ist dies zweifellos die lateinische Form
für das niederdeutsche Wort „die Balge". ,,Balge" bedeutet an der
Käste der Nordsee eine Vertiefung, welche auch zur Zeit der
Ebbe voll Wasser bleibt und als Fahrwasser dient; so giebt es
an der Wesermündung eine Brede Balge, Blaue Balge, Hunde-
Balge u. a. m.')
Nach jener Urkunde stößt an die Balge auf der einen
Seite Nergienort, d. h. Nehrungsspitze, auf der anderen Seite
Witlandsort, d. h. WiÜandsepitze. Nergienort „acumen quod
attingit Balgam" hat nur eine Ausdehnung von sieben Seilen,
das sind ungefähr dreihundert Meter;, es ist also der äußerste
Ausläufer des südlich des Tiefes gelegenen schmalen Land-
streifens. Dieser selber heißt Nergia, d. i. Nehrung.
Nördlich der Balge liegt Witlandsort. Auf Witlandsort
werden „a Balga .... in longitudine versus salsunt mare", d. h.
zweifellos von der Stelle, wo das Tief und das Haff sich berühren,
in der Richtung auf die Ostsee, also längs dem Tiefe sechzehn
Seile — das sind gegen siebenhundert Meter — gemessen, und
diese Seile einzeln den Dritteln zugewiesen. Diese VertheUnng
geschah vermuthlich mit Bücksicht auf die Fischerei im Tiefe.')
1) Nach einer lückenliafhin Abschrift gedruckt im Cod. dipl. Pruea.
I n. IIG. — Obwohl diese Urkunde iinter Benutzung einer vollständigeren
Abschrift in dem Urkundenbuch des Bisthums Samland, welches die Herrea
Bibliothek-Custos Dt. Mendthal und Doravikar Dr. Woelky vorbereiten, wieder
gedruckt werden wird, ho kann ich doch in Anbetracht ihrer "Wichtigkeit
ßXi die vorliegende Untersuchung nicht unterlassen, dieselbe im Anhang in
dar besseren Form mitziitheilen.
2) Schiller-Löbhen, Niederdeutaches Wörterbuch B. v. balge.
8) Im Jahre 1441 werden Fisch ereizineen in der „alden Balge" erwähnt.
Schreiben des Pflegers von Lochstedt an den obersten Marschall. 1441
October 19. St.-A. Königsberg. In der Landesordnung des Hochmeisters
Friedrich von Meilten von 1503 (Toeppen, Ständeacten Y S. 481) wird ver-
boten, daa Tief mit Säcken, Netzen und Oamen zn verstellen. — Die An-
nahme Toeppcna und Anderer, daß jene 16 Seile von der Balge ab in nord-
DigtizBabyCoO^IC
264 • Diö Verbindnng des frischen Haffs mit der Ostaee etc.
Nach diesen sechzehn Seilen und jetzt zweifellos in der Rich-
timg von Südwesten nach Nordosten, längs dem Seestrande,
werden auf "Witlandsort neunzig Seile, d. i. '/« Meile gemessen,
welche zu je zehn Seilen den einzelnen Dritteln zugetheilt
werden. Man wird sich vorzustellen hahen, daß Linien, welche
auf der Yermessungslinie senkrecht stehen, die einzelnen Stücke
ahgrenzten. Diese Vertheüung kleinerer Stück© dürfte sich
übrigens nur durch die Rücksichtnahme auf die Gewinnung des
Bernsteins erklären las'sen.
Die Balge lag also zwischen der Nehrung und "Witlandsort.
In der Theilungsurkunde wird nun auch der Wald Wogrim*)
erwähnt, dessen Name sich in demjenigen des bei Ait-Pillau
gelegenen Dorfes Wogram erhalten hat. Wogram lag ehemals
nördlich von Alt-Pillau,* l bis V/i Kilometer von diesem Orte
entfernt; noch auf Karten des 18. Jahrhunderts') findet es sich
an dieser Stelle. Die Lage dieses Dorfes bestimmt ungefähr
die Stelle, wo der Wald Wogrim gesucht werden muß. Er
hatte mindestens eine Länge von '/% Meile ; denn 90 Seile
wurden in ihm gemessen, von denen 30 jfedem Drittel zuge-
wiesen wurden. IndeS ist es sehr wohl möglich, daß er sich
auch in das an jene 90 Seile angrenzende, in der Theilungs-
Sstlicher Richtung gemessen worden wären, veranla&t dnrch die Worte _in
longitndino" scheint mir doch durch die "Worte „ versus ealsum mara" vöHig
ausgeschlossen zu werden.
1) In dem besseren Text« der Urkunde heiBt der Wald Wogrin; man
möchte daher vennnthen. daß dies die ursprüngliche Namensform war. Die
Form Wogrim ist indeß schon im 14. Jahrhundert die ausschließlich ge-
bräuchliche. — Dieser Wald wird auch genannt in den Bestimmungen Über
die Stiftang der St. Adalberts -Kirche bei Tenkitten (wahrscheinlich ans den
Jahren 1422—24) 8t.-A. Königsherg. Die bei dieser Kirche weilenden
Priester nnd Schttler erhalten frei Brennholz „in dem Wagrym adir wo in
das gelegen ist." „Der Wargerameche wald hey Lochstetten gelegen" wird
erwähnt in der Urkunde des Hochmeisters Albrecht betr. die Yerschreibnng
des Loohst«dter Gebietes an die Gebruder von Waiblingen, 15IS Sonnabend
nach Misericordisfi. Schiehl. XXXVI n. 4. St.-A. Königsberg.
2) 8t-A. Königsberg.
DigtizBabyCoOgle
Von Archivar Dr. Panzer. 265
Urkunde als „pars illa in qua residet Snutene" bezeicliiiete Gebiet
hinein erstreckt kat, und ick halte das für wahrscheinlich.
Bisher hat man angenommen, daB dieser Wald zu dem in
der Tkeilungsurkunde als Nekrung bezeichneten Landstriche
gehört habe. Da nan die Messung auf der Nekrung auf einer
Strecke von mehr als fünf Meilen von der Balge ab keine
Unterbrecknng erfährt, so müßten die Messungen „auf der Neh-
rung" und ,,im Walde Wogrim" parallel gegangen sein, so daß
also in einer Ausdehnung von Vs Meile das am Strande gelegene
Land und der nach dem Haff zu liegende Wald besonders ge-
messen worden wären.
Dagegen sprickt nnn, daß nach einer urkundlichen Auf-
zeichnung vom Jahre 1322 in einem jener im Walde Wogrim
abgemessenen Stücke Bernstein gefunden wurde,') während der
Bernstein im 13. und 14. Jahrhundert wahrscheinlich ebenso
wie in den späteren Jahrhunderten in dieaer Gegend nicht so-
wohl gegraben, als vielmehr am Strande gesammelt und gefischt
wurde: die Erwähnung der Bemsteingewinnung macht es also
wahrscheinlich, daß zu den im Walde Wogrim abgemessenen
Stucken der Strand mit gehört kat Widerlegt aber wird jene
Annahme durch Folgendes. Im Jahre 1297 trat der Bischof
von Samland tauschweise seinen Antheil am Walde Wogrim an
den Orden ab,*) und im Jahre 1322 einigten sich beide TheUe,
nachdem Streitigkeiten wegen der Tkeilung Samiands voraus-
gegangen waren, unter anderem auch dahin, daß der ehemals
bischöfliche Antheil an jenenL Walde zum Gebiet des Deutschen
Ordens und als Ersatz dafür das Schloß und die Stadt Schone-
wik (Fiachhausen) sowie die Hälfte der Mühle bei dem genannten
Schlosse zum Bisthum gehören sollten. In dem Vertrage,') der
uns in der vom Orden ausgestellten Fassung überliefert ist,
heißt es, daß der Bischof und das samländische Kapitel die an-
gefEkhrten Tausohverträge erneuert und ratificirt haben unter
1) Cod. dipl. PnwB. n S. 126. — 2) Ebd. n. 36. — 3) Ebd. n. 100;
Q. 98.
DigtizBabyCoO^IC
266 ^'^ Yerbindung des frischen Ha& mit der Osteee etc.
Verzicht auf alle möglichen Rechtsmittel, mit welchen sich der
Vertrag anfechten ließe; dann ftlhrt die Urkunde fort: „ab hao
ordinacioue excipiuntur bona estra terram Sambie inlra tarnen
dyocesim constituta, si qua nondum divisa sunt una cum tercia
parte Nergie Coroniensis que se extendit versus Memelam et
tercia parte alterius Nergie que se extendit versus Gdanczk,
quarum dividendanun eoa [sc. episcopiun et capitulum ecclesie
Sambieusis] tercia pars contlnget". Nach der Urkunde von 1268
war die Nehrung damals in die Theilung mit hineingezogen
worden, weil der Bischof von Samland behauptete, dafi sie zu
seinem Bisthum gehöre, aber man hatte ausdrücklich die Clansel
hinzugefügt, daß die Ordensherren oder irgend ein Änderer durch
jene Theilung von ihrem Anrecht an der frischen Nehrung
nichts einbüßen sollten. Die Urkunde von 1322 ergiebt nun,
daß jene Theilung der frischen Nehrung bisher thatsächlich
nicht in Kraft getreten war; die Theilung derselben soll erst
noch vorgenommen werden und dann ein Drittel an das Bis-
thum fallen. Der Wald Wogrira kann nicht zur Nehrung ge-
hört haben, denn sonst wäre ein Stück derselben bereits getheilt
gewesen. Und hätte er dazu gehört, so hätte der Bischof nicht
ein Anrecht auf ein Drittel der ganzen frischen Nehrung, son-
dern nur auf ein Drittel des noch nicht getheUten Stückes der-
selben sich vorbehalten können; nur einen solchen Vorbehalt
hätte der Orden, von dem ja unsere Vertragsurkande ausgestellt
ist, anerkennen können. Es ist kein Zweifel möglich: der Wald
Wogrim hat weder im Jahre 1322, noch im Jahre 1258 zur
Nehrung gehört.
Dann aber muß er nördlich der Balge und nördlich von
jenen nach der Theilnngsurkunde auf Witlandsort gemessenen
Seilen gelegen haben.
Nun heißt es in einer Urkunde vom Jahre 1264,*) daß der
Orden zur Sicherung der Ein- und Ausfahrt für die nach Preußen
kommenden Schifie an einer Witlandsort genannten Stelle, von
1) Acta Bomssicn III S. 14« fg. Gebser, der Dom en Königsberg I S. 86.
D,gt,zBabyC00<^IC
Von Archivar Dr, Panzer. 267
welcher der Orden zwei Drittel und der Bischof von Samland
ein Drittel in seinem Besitz hahe, eine Befestigung (quandam
munitionem) anzulegen beabsichtige. Weil der Äntheil des
Bischofa zu klein sei, als daß dieser selber ein dem Lande
Preußen frommendes "Werk dort herstellen könne, so trete der
Bischof seinen Antbeil an Witlandsort bis zn dem anliegenden
"Walde dem Orden ab. Erst im Jahre 1297 erfolgt«, wie wir
bemerkten, die Abtretung des bischöflichen Antheils am Walde
Wogrim. Jene Abtretung vom Jahre 1264 bezog sich also auf
die Strecke südlich dieses Waldes bis zum Tief.
Witland ist der ältere Name für Samland;') es lag also
nahe als Witlandsspitze, Witlandsort die ganze Landzunge zn
bezeichnen, welche von der südwestlichen Ecke Samlands bis
zum Tiefe sich hinzieht, und ganz zweifellos ist dies auch ge-
schehen. Wenn in der Theilungsarkunde nur von den dem
Tief zunächst gemessenen Seilen ausdräcklich gesagt wird, daä
sie auf Witlandsort gemessen wurden, so schließt das nicht aus,
daß Witlandsort eigentlich die ganze Landzunge nördlich des
Tiefes war, und daß der Wald Wogrim und andere in jener
Urkunde genannten Stücke ebenfalls zu Witlandsort gehörten.
Für jenes dem Tief zunächst liegende StQck hatte man eben
keine andere Bezeichnung, als den Namen der ganzen Land-
zunge. Aus diesem Grunde wurde dasselbe auch in der Urkunde
vom Jahre 1264 mit dem Namen Witlandsort bezeichnet. Für
die Zeitgenossen wurde jedes Mißverständniß durch die Worte
„bis zu dem anliegenden Walde" ausgeschlossen.
Nach der Landzunge Witlandsort hat nun das Ordenshaus
Lochstedt, dessen Gründung in das Jahr 1270 fällt, für kürzere
Zeit den Namen Witlandsort geführt; es ist das bemerkenswerth;
denn daraus eben entnahmen seit Baezko die Geschichtsforscher
die Veranlassung, jene Urkunde vom Jahre 1264 auf die Gegend
von Lochstedt zu beziehen und dieselbe als ein Beweisstück für
die Existenz des Lochatedter Tiefes zn betrachten. Li jener
1) Siehe den Exciirs.
DigtizBdbyGOOgle
268 1^0 Verbitidnng des triacbon Haffs mit der Ostsee etc.
Urkande handelt es sich jedoch nur am den Bau einer munitio,
eines Bollwerks, während ein Ordenahaus als caatram bezeichnet
zu werden pflegt. "Was aber die Hauptsache ist, jene Auffassung
wird, so verführerisch dieselbe auch auf den ersten Anblick er-
scheinen mag, völlig ausgeschlossen durch den vorher gefäbrten
Machweis, daß der "Wald Wogrim nicht zur Nehrung, sondern
zu der nördlich des Tiefes gelegenen Landzunge gehört hat.
Der Name Lochstedt ist mehrfach von „Loch" und „StÄtte"
abgeleitet worden, aber nach dem unzweifelhaft zuverlässigen
Bericht Peters von Duaburg') ist derselbe vielmehr von dem
Samländer Lauestiete, welcher vor der Gründung der Burg dort
ansässig war, herzuleiten.
Im Juli 12fi4 trat der Bischof seinen Antheil an "Wit-
landsort bis au dem anliegenden Walde ab ; man wird
wohl annehmen dürfen, daß der Orden seine Absicht, das
Tief durch ein Blockhaus zu schützen, alsbald ausgeführt bat,
und Lochstedt wurde nach den übereinstimmenden Angaben
der Ännalen von Pelplin, des Kanonikus von Samland und der
sog, kurzen preußischen Ännalen erst im Jahre 1270 gegründet.*)
Peter von Dusburg berichtet, daß es — ebenso wie Tapiau —
von den Ordensrittern erbaut wurde, „ut facilins compescerent
maliciam Sambitarum".')
Was die Lage Lochstedts betrifft, so wird man vielleicht
behaupten dürfen , daß der Orden nie daran gedacht haben
würde, an dieser Stelle eine Burg anzulegen, wenn die Gegend
von Fischhausen in seiner Hand gewesen wäre. Hier aber hatte
der Bischof von Samland seinen Sitz: das Schloß des Bischofs
Schonewik, das spätere Fischhausen, wird bereits im Jahre 1268
erwähnt.*) Offenbar kam es dem Orden darauf an, selber über
eine bedeutendere Burg im westlichen Samlande zu gebieten.
Für eine solche war die unmittelbare Nähe des Haffs von wesent-
licher Bedeutung. Das Haff gewährte Lochstedt eine leichte
und sichere Verbindung mit den anderen Ordenshäusem, mit
1) Sa. rar. Praßs. I S. 109. - 2) Ebd. I S. 270, 280. HI S. S. -
8) Ebd. I S. 109. - i) Cod. dipl. Pi-naa. I n. 168.
DigtizBabyCoOgIC
Ton Archivar Dr. Panzer. 269
Elbiog and Bsiga, Braüdenburg und EOnigaberg. Daß Übrigens
die Stelle, wo später Lochstedt gebaut wurde, dem Orden als
ein besonders geeigneter Punkt erschien, um von bier in das
westliche Samland vorzudringen, ergiebt sich anch daraus, daß
nach Peter von Dusburg eben von hier der Angriffskrieg gegen
das Gennauer Gebiet aasging.*)
Besondere Beziehungen des Ordenshauses Lochstedt zu dem
Tiefe sind nicht nachweisbar; soweit wir zurückblicken können
— sicher schon in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts —
haben Elbinger Eathsherren, die sogenannten „scbeffer zur Balge",
die Sorge für die Instandhaltung des Tiefes gehabt, und Elbing
erhob dafür von den das Tief passirenden Schiffen das Pfahlgeld.')
Es ist nun zweifellos, daß der Orden mit demselben
Namen, welcher im 13. Jahrhundert und später für die Fahr-
straße aus dem Haff in -die See in Geltung war, die ehemalige
PreuSenburg Honede bezeichnet hat, eben deutsch „die Balge",
lateinisch „Balga".
Wie sollte von einem bei Lochstedt befindlichen Tiefe das
Ordenshaus Balga seinen Namen erhalten haben; welche be-
sondere Beziehung hätte Balga zu jenem Tiefe haben können?!
Es ist gewiS richtig, wenn Lohmeyer in seiner Geschichte von
Ost- und "Westpreußen S. 71 sagt: wegen der Lage dem Tief
oder der Balge gegenüber habe die Burg den Namen Balga er-
halten; aber ebenso sicher ist es, daß ein Tief, von welchem
man sagen konnte, daß es Balga gegenüber lag, nicht dicht bei
Lochstedt gewesen sein kanm Der Landvorspnmg östlich von
Pillau, auf welchem das Dorf Camstigatl liegt, schließt eine
derartige Anschauung völlig aus. Nimmt man dagegen das
Seetief, welches die Ordensritter im 13. Jahrhundert vorfanden,
etwas nördlich der Stelle an, wo auf den Karten heute Alttief
vu^eichnet ist, so erklärt sich die Benennung der Burg Balga
nach dem Tiefe von selbst. Sie mußte den das Tief passirenden
Schiffern auf den ersten Blick auffallen, und von dem Ordeas-
1) Ss. Ter. Pmae. I S. 99. — 2) Cod. dipl. Pmae. m n. 92.
DigtizBabyCoOgle
270 I^B Verbindung des Irischea Haffs mit der Ostsee etc.
hause übersah man die wichtige Haff and See verbindende
Fahrstraße. Im 16. Jahrhundert befand aich hier nachweislich
das „alte Tief, und es ist unrichtig, daß dasselbe, wie Hagen
behauptet,'} und wie die Generalstabskart«, sowie die geologische
Karte der Provinz Preußen angeben, eine halbe Meile südlich
von Älttief zwischen der Försterei Großbruch und dem Russischen
Lager sich befunden haben soll. Mir liegt ein Bericht Über eine
Besichtigung der Nehrung, welche im December 1582 oder
Januar 1583 stattgefunden hat,^) vor, aus dem sich die ungefilbre
Lage des „alten Tiefs" ermitteln läßt. Die Sache ist wichtig
genug, \aa die hier folgende wörtliche Anführung der für uns
in Betracht kommenden Stelle zu rechtfertigen:
„Von der Scheut') aus, do die Besichtigung augefangen, ist
der Strandt zimblichen gutt (ohne das der Windt inn wenig
Jaren sehr gearbeitet) befunden weitter biß ann der Scheitter
Wiesenn, die gar vergangen, auch jetzs rechtfort vonn den
Scheüttischen Underthonen, derer 18 gewesen, nur vier, die
andern aber sambt dem Pfarherren alle gewichen seindt; rieht
dem Stedtlein Heiligenbeihel über ist -der Strandt sehr niderig
und hochnöttig, das aldo ungefehr zwey Seyll lang, ann welchem
Ort im grossen Stunnb das Wasser überschlagen, gezeünet werde.
1) Handbuch der Wasserbau kunst 3. Theil 8. Bd. S. 147. — 2) Acta
betr. RepariruDg und Vertiefung des PitlauBchen Seehafens. 127 e. St-A.
Königsberg.
8) Scheute war das erste Dorf nördlich der durch den Frieden von
Thom (1466) festgesetzten Grenze zwischen dem polnischen Preußen und
dem Ordenslande; es lag eine halbe Meile nördlich von Narmeln. Foliant
Nehrung 79 Bl. 208 Stadt^A Danzig. 15!)4 war Scheute bereits bis auf
einen Krug versandet. — Irrthümlich ist die Identificirung vdn Scheute und
Mittelhof bei Boeszoermeny, Danzigs Theilnahme an dem £riege der Hanse
gegen Christian IL von Dänemark Abschnitt I S, 18 und in den Ss. rer.
Fmss. V S. 614. In dem Schreiben, auf welches B. sieb beruft, Stadt-A.
Danzig Miasive 1618 fol. 86 (S. 17L fg.) wird von dem Aufenthalt von
KriegsTolk „circa loca qae vnlgo Scheyte et Mittelhoff vocitantur^ ge-
handelt. Vgl. auch die Zeichnung der frischen Nebnmg vom alten Tief
bis zum Dorf Neukrng aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts in Acta betr.
die Differenz mit dem Bischof und Capitel zu Ermland wegen der Fischerei-
Grenzen auf dem frischen Haff. 134a. St.-A. Königsberg.
DigtizBabyCoOgIC
Von Archivar Dr. Panzer. 271
Von dannen ein ■wenig fnrbaB ist ee auch sehr gefehrlich,
aber nur ein halb Sebl lang zu zeinen, aldo bat das Wasser
inn diesem Stunub auch sehr ubergeBcblagen, nnnd bat der
Windt durcb ein Berg ein Locb gemacbt, also das der Strandt
doselbst über zwey Sebl zwüscben dem Haabe annd der Sebe
biß ann die Wiaenn nicbt breit ist, daseibat ist bocbnottig zu
zeünen.*)
Nicbt weit vonn do ist aucb sieb eines gleichen Bruchs uund
AuBriß, wo nicbt zeitlichen vorgekommen, zu besorgen, ist aber
mit ZeOnen leicht zu verbuetfcen.
Fürder vonn solchem Ort seindt für fimff Jaren ZeÜne
gemacbt worden ungelebr fiinff Seil lang, aldo hat dos Wasser
der Leütte Bericht nach auch übergeschlagen.
Von danneu seindt wider andere Zeüne vor 3 Jaren ge-
macht, ist auch gefehrlicben uund bey 10 Seil lang ist alles
sehr nottig grosser Gefahr vorzukommen mit mehrem Zeüuen
zu vergolden.
Vonn ermelltem Ort eine halbe Meil biß ann das alte
Tie£f seindt auch allte Zeüne, ist gleicher Oestatt nöttig, weil
aldo durch den Windt die Thunnen sehr aaßgewaschen unnd
niederig worden, das mehr Zeüne gemacht werden.
Vom alten Tieff biß ann den Scbwarzenbuscb unnd ann das
neue Tieff ist es noch gut, Gott erballte es zu langen Zeitten."
Die Stelle gerade gegenüber von Heiligenbeü , wo der
Strand sehr niedrig war, muß man unge&hr dort, wo heute die
"Försterei Großbruch liegt, suchen; denn weiter südlich hfttte
Heiligenbeil in schräger Richtung links liegend erscheinen
müssen. Es folgt „ein wenig fürbaß" eine Stelle, die über
1) Herzog Qeorg Friedrich befiehlt am 14. Januar 1588 den Tisitatoren
2a Fischhaaaen „gefehrliche Ortter und sonderlich den, an welchem der
Windt dnrch die Berg ein Loch gemacht, das der Strandt daselbst aber
zwej Sejl zwischen dem Haab und der Sehe biß an die Wiesen nicht breit
sein soll" zu zftnnen. Acta betr. Beparimng nnd Vertiefung des Pillauschen
Seehafens. 127e. St.-A. Königsberg.
zeabyCoO^IC
272 ^i^ Verbindung des frischen Hafis mit der Ostsee etc.
2 Seile — das sind nicht ganz 100 m — zwischen Haff und
See nicht hreit ist. Wir werden dieselbe ungefähr dort, wo
auch heute noch die schmälste Stelle der Nehrung ist, zwischen
dem Forsthaus Großbmch und dem Russischen Lager anzunehmen
haben. Nach onserm Bericht war nicht weit davon ein ähnlicher
Ausriß zu befflrchteu , dann folgt in einer Ausdehnung von
6 Seilen eine Stelle, wo ebenfalls das Wasser Übergeschlagen
hat, darauf eine Strecke von 10 Seilen, wo die Nehrung wieder
durch Zäune zu sichern war. Die Entfernung von dieser Stelle
bis zum alten Tief betrag V< MeÜe.
Soviel ergiebt sich hieraus mit Sicherheit, daß das alte
Tief nicht südlich des Gehöftes Alttief angenommen werden kann.
Da nun die hohe Düne sich noch 1 km nördlich von Alttief er-
streckt,') so werden wir das alte Tief nördlich einer Linie an-
nehmen müssen, welche etwa 1 km nördlich von dem genannten
Gehöft Haff und See verbindet. Dabei besteht aber die Möglich-
keit, daß das alte Tief auch noch 1 bis 2 km nördlicher gelegen,
haben kann.
War dies Tief nun die Balge des 13. Jahrhunderts, so
kann man sich vorstellen, wie die Ordensritter von der Burg
Balga mit dankerfülltem Herzen zu ihr hinüber schauten, als
ihnen auf diesem Wege nach Zeiten furchtbarster Noth von der
deutschen Heimath die ersehnte Bettung gebracht wurde. Es
war bald nach der Eroberung der Bui^ durch den Orden, als
ihrer von den Preußen belagerten Besatzung Kreuzfahrer unter
Führung des Herzogs Otto von Braunschweig- Lüneburg, des
Enkels Heinrichs des Löwen, zu Hilfe kamen. Nicolaus von
Jeroachin, der unter dem Hochmeister Luther von Braunschweig
(1331 — 35) die Ohronik des Peter von Dusburg in deutsche
Beime brachte, schildert die vorausgegangene Bedrängniß der
Ordensritter und ihre Hoffuungsfreudigkeit, als sie Schiffe auf
der See bemerkten, welche auf Balga ihren Curs gerichtet hatten :
1) Vgl. die geologische Karte der Provinz PreoAen.
DigtizBabyCoOgle
Von Archivar Dr. Panzer. 273
do s&hin ai oucli üf der se
schif dort here strichin
darinoe ai genczlichin
hoftin so her in zu vromin
criatinlielie löte komin,^) —
Nnr sehr gezwungen ließe sich diese Stelle erklären, wann
mf^i sich vorstellen wollte, daQ die Kreuzfahrer bei Lochstedt
ins Haff fuhren.
Noch bestimmter und unwiderleglich weisen die Nachrichten,
welche das sog. neue Rechenbuch der Elbinger KB.mmerei zum
Jahre 1404 überliefert, der Balge ihre Stelle in der Gegend von
Alttief an. Damals rüstete der Orden zu einer Expedition nach
Gothland. Das Contingent der Stadt Elbing sollte sich in der
Balge sammeln, und Elbiuger Bürger ritten nach Heiligenbeil,
um ihre Pferde hinüberzuschiffen. Der "Wundarzt, welcher die
Mannschaften begleiten sollte, wurde mit seinem Geräthe nach
Rosenberg gebracht,^)
Toeppen behauptet freilich, weil er noch an die Existenz
des Lochstedter Tiefes glaubt, daß diese Balge das neue Tief
sei, welches zuerst 1376 sich erwähnt findet, aber einen Beweis
för diese Behauptung hat er nicht gebracht und kann er nicht
bringen. Der Elbinger Rathsherr Peter Himmelreich, *) der
allerdings erst im 16. Jahrhundert schrieb, dessen Quellen aber
alte originale Aufzeichnungen der Stadt Elbing , vornehmlich
wohl Eämmereibücher waren, nennt SchäfFer „zur Balge" zu
den Jahren 1324, 1334, 1335, 1338, 1348, 1366, 1376, 1382
1383, 1384, 1386, 1388, 1390, 1411, 1415, 1416, 1418 und 1420;
zu den Jahren 1324, 1335, 1366, 1376, 1382, 1383 und 1384
bemerkt er, daß die SchäfFer „nach der Balge" (d, i. zu dem Tiefe)
1) Ss, rer. Pnws. I S. 364. — 2) Dat nyge rekenbuk 1404-1414,
S. 17: „Item dem wundarteten 5 acot to terunge do hee to schepe vur. Item
den zulven to füren toni Rosekenberge met ayme gerede 7 scot"; 8. 18:
„Item geantwordt nnaen borgeren 7 scot to (eringe, do sy reden kegen deme
Hilgenbyle ere perde over to echepen". Stadt-A. Elbing, — Sl) Die Preußi-
schen Oeschichl Schreiber 4es 16. und IT. Jahrhunderts Bd. IV.
Altjii. UonMiaohrift Bd. XXTL HfU 8 D. 1. 18
DigtizBabyCoO^IC
274 D'^ VerliUnImig des ansehen HaAs mit Aer Ostsee etc.
gesandt wnrdeii. Man wird nicht nmliin können anzanehmen,
daß es sich hier stets nm ein nnd dasselbe Fahrwasser handelt,
nnd daB das nene Tief, welches 1376 erwähnt wird, von jenem
za unterscheiden ist.
Das 1376 znm ersten Male erwähnte „nene Tief" erscheint
wieder in einem Berichte des Obersten Marschalls an den Hoch-
meister vom 21. März 1426.*) Nach demselben fuhr der Mar-
schall zusammen mit Rathsherren von Elbing and Königsberg,
sowie mit Meister Hans Blidenmeister mid Meister Kirstan von
Danzig zn dem neuen Tiefe, am es genaa za besichtigen. Ea
war eine kleine halbe Meile breit, die „rechte Tiefe" ungefähr
34 Buthen breit and 6 Ellen tief, zu beiden Seiten hatte es
eine Tiefe an manchen Stellen von 1 Elle, an andern von
V* bis 1 Elle, an der tiefsten Stelle von l'/a Ellen. Toeppen*)
behauptet, dies wäre „ein drittes neugebildetes Tief", aber
aus dem Brief des obersten Marschalls ergiebt sich keineswegs,
daß es damals eben erst entstanden wäre.
Im Jahre 1447 am Montag vor Pfingsten (Mai 22) fend
auf der Nehrung ,,beim neuen tyffe ken der Balge" eine Stände-
versaramlong statt; eine Commission bestehend aus zwei Ordens-
brüilem, zwei Domherren und zwei Bürgern wurde damals er-
nannt, welche eine Steuer ansetzen sollte für alle diejenigen,
welche am Haffe wohnen; nur der Bischof von Samland, der
oberste Marschall und die Werderer sollten von dieser Steuer
frei sein. Es wurde bestimmt, daß dieselbe so lange jährlich er-
hoben werden solle, bis daß das neue Tief „verfallet und wydder czu
redlikeit gebracht werde,"*) Eine Aufzeichnung vom Jahre 1448*)
enthält die Angaben der Geldbeiträge, welche von den Komthuren
von Elbing, Balga und Brandenburg, den Städten Neustadt und
Altstadt Elbing, Neustadt undÄltstadt Braunsberg, den drei Städten
Königsberg, dem Bischof von Ermland und dem Frauenburger Dom-
]) Toeppen, historiscli-chorographische Bemerkungen über die frische
Nehrung und den groCen Werder iu H. Prcufl. Provijizial-Blätter Jahrgaog
ia'/3 Bd. 1 S. 85. - 2) Elbinger Antiquitäten S. 220 Anm. — 3) Toeppen,
Ständeacten III S. 19. — 4) St.-A. Königsberg.
DigtizBabyCoO^IC
Von Archivar Dr. Panzer. 275
kapitel aufgebracht worden oder noch aufzubringen waren ; als Zweck
der Steuer werden ausdrücklich Dammarbeiten bei dem neuen
Tief genannt („zcu dem tiff newen uff die Balga", „zcu themmen
das newe tiff ken der Balge"). Daß das neue Tief, welches in
den Jahren 1376, 1426, 1447 und 1448 erwähnt wird, ein und
dasselbe ist, kann füglich nicht bezweifelt werden. Offenbar
hat sich im Laufe der Jahre mehr und mehr herausgestellt, daJS
das ältere Tief, die eigentliche Fahrstraße aus dem Haff in die
See, in Folge dieses zweiten Ausflusses des Haffes erheblichen
Schaden litt, und so kam man auf den Gedanken, das neue Tief
einzudämmen und gänzlich zuzuschütten.
Toeppen*) ist nun der Meinung, daß das in den Jahren
1447 und 1448 erwähnte neue Tief die Balge der zweiten Hälfte
des 15. Jahrhunderts gewesen^) und daß die im Anfang des
15. Jahrhunderts erwähnte Balge zwischen 1428 und 1446 ver-
sandet sei. Er stützt sich dabei auf die Nachricht in der
Elbinger Chronik ßamsey's: ,,Anno 1428 ist das Elbingsche
Tief, 80 5 Faden tief gewesen, versandet." Auch ich nehme an,
daß diese Kachricht auf gutem Grunde beruht; allein Toeppen
ist den Nachweis schuldig geblieben, daß die Balge jemals als
„das Elbingsohe Tief" bezeichnet worden sei. In Wirklichkeit
handelt es sich bei jener Stelle nicht um die Balge, sondern
um die Fahrt aus dem Elbingfluß ins Haff, welche vorübergehend
versandete. Eben diese letztere hat auch Simon Grünau im
Sinne, wenn er im Tractat 14 Capitel 2 § 1 schreibt: „Die
Weichsel wart so krefltig, domit sie ober Graudenntz grosse
sandtberge umbrisz unnd also mit dem sannde den Noyt unnd
das Elbinger tieff und die einfart vom habe in die Weichsel
verfiüte." Ebenso wie jede Veranlassung dazu fehlt, das gegen
1) Elbinger Antiquitäten S. 220 Anm. Statt der Jahre 1447 nnd
1448 giebt T. irrthümlioh die Jahre 1445 nnd 1446 an. — 2) Toeppen
schreibt a. a. 0<: „Dieses neue Tief zu der Balge war ea, welches die Danziger
während des großen Krieges 14ö6 Torübttrgehend unfahrbar machten". Lindftii
(Ss. rer. Pross. IV 620), auf den T. sich beruft, nennt das Tief: „das tiffe
die Bcdge".
18»
DigtizBabyCoOgIC
276 I*'^ Verbindung des Irischen Usä» mit der Ostsee etc.
das Ende des 14. Jahrhunderts und das in der ersten Hälfte
des 15. Jahrhunderts erwähnte „neue Tief" an verschiedeneu .
Stellen der Nehrung zu suchen, so fehlt auch jede Veranlassung
dazu, unter der Balge der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts
ein anderes Tief zu verstehen, als unter der in der zweiten
Hälfte desselben Jahrhunderts erwähnten Balge. Es kann kein
Zweifel darüber sein, daß die Balge, welche die Ordensritter im
13. Jahrhundert vorfanden, nichts anderes ist, als das sogenannte
alte Tief.
Das neue Tief nun werden wir mit großer "Wahrscheinlich-
keit ungefähr an derselben Stelle suchen müssen, wo es im
16. Jahrhundert sich nachweislich befand, nämlich bei PUlau.
Wir hören um die Mitte des 15. Jahrhunderts mehrfach von
Steuerbewüligung „uff die Pillaw". Am 31. Mai 1445 berichtet
Bischof Franz von Ermland dem Hochmeister, daß er seine
Unterthanen bewogen habe, eine Steuer „auf die Pillau" zu be-
willigen. Toeppen bemerkte hierzu: es scheine von einer Be-
festigung der Nehrung bei Pillau die Kede zu sein, denn ein
Tief daselbst werde anderwärts nicht vor 1497 erwähnt.') Sollte
Toeppen noch heute dieser Ansicht sein? Er hat später in das
Kegest eines Briefes desselben Bischofs an den Hochmeister
vom 26. Mai 1460, in welchem von den Bedingungen die Rede
ist, anter denen die Braunsberger eine ähnliche Steuer zahlen
wollten, in Parenthese die Worte „zur Unterhaltung des Pillauer
Tiefes" gesetzt;^ er dürfte demnach seine alte Ansicht selber
aufgegeben haben. Am Aschermittwoch des Jahres 1446 be-
richtet der Bischof von Ermland dem Hochmeister, daß er in
Folge eines Schreibens, welches jener an ihn „von der PilJaw
wegen" gerichtet, daa Domkapitel und die Städte Braunsberg
und Frauenburg zu Verhandlungen hierüber veranlaßt habe;
diese hätten ihr Bedauern geäußert, daß von den Leistungen
des Gebietes und der Stadt Elbing, sowie der Städte Tolkenut
und Königsberg, welche doch am Haffe lägen, Frommen und
1) Toppen, Ständeacten II S. 673. - 2) StändeacteD IH S. 179.
DigtizBabyCoOgIC
Von Archivar Dr. Panzer. 277
Schaden von dem Tiefe hätten, keine Rede sei,') Ich glaube,
daß unter diesem Tief nicht das Pillauer, sondern vielmehr das
ältere filr die Schiffahrt eingerichtete zu verstehen ist, aber es
ist klar, das Bauten bei PUlau nur unter der Voraussetzung,
daß hier die Nehrung unterbrochen war und den G-ewässem
des frischen Haffes noch einen anderen Abfluß gewährte, für
die eigentliche Fahrstraße der Nehrung von Bedeutung sein
konnten.
Beacbtenswerth ist eine Aufzeichnung aus der Mitte des
15. Jahrhunderts, in welcher die Zahl der Leute und Wagen festge-
setzt wird, welche der oberste Marschall, dieKomthure vonBranden-
barg uud Balga, der Bischof von Samland und die Bürger von
Königsberg für Bauten ,,in der Pillaw", die Komthure von Elbing,
Christburg und Balga, der Bischof und das Kapitel von Ermland,
die beiden Städte Elbing, sowie Braunsberg und Tolkemit für
Bauten in der Bichtuug auf das Tief bei dem Mittelhof stellen
sollten.') Der Mittelhof lag nach einer Zeichnung aus dem Anfang
des 16. Jahrhunderts') in nächster Nähe des „alten Tiefs" und
zwar südlich davon. Die Arbeiten in Pillau sollten 100 Mann mit
23 Wagen in 14 Tagen besorgen, mit den anderen Arbeiten
200 Mann mit 46 Wagen 4 Wochen lang beschäftigt sein. Man
sieht, daß hier das Vierfache an Arbeit zu leisten war. Das
Arbeiter-Lager für jene Bauten sollte in PUlau sein, &a diese
„uff Newentiffe". Offenbar sollten die Dammarbeiten bei Pillau
das neue Tief von Norden her eindämmen. Das andere Arheiter-
lager befand sich auf der Südseite des neuen Tiefs, wohl unge-
fähr dort, wo auch heutzutage der Name Neutief au der Nehrung
haftet; und von hier mußten die Arbeiten zum Schutze der
Nehrung südwärts vorschreiten bis zum alten Tief. Die Noth-
wendigkeit dieser Dammarbeiten zeigt, daß es um die Mitte des
16. Jahrhunderts zwischen dem alten Tief und Pillau ähnlich
1) St-A. Königsberg. — 2) Schieb!. LVI n. 9. 8t.-A. Königsberg. —
3) Acta betr. die Differenz mit dem Bischof nnd Capitet za Ermland wegen
der Fischerei -Grenzen auf dem frischen Half. 134a. St.-A. Königsberg.
zeabyCoOgIC
278 Die Verbindung des frischen Haffe mit der Ostsee etc.
bestellt war, wie 70 Jahre später. Im Jakre 1521 sprechen die
drei Städte Königsberg dem Hochmeister ihre Befürchtungen
hinsichtlich „des Tiefs" aus ; es sei zu besorgen „wo ein gewaltiger
storm aus der sehe steigent beide tieff zusamenreyßen mochten, dar-
aus dem gantzen lande nicht ein deiner schade ervolgen mochte".*)
Das Jahr 1453 ist das letzte, in welchem — nach dem
uns erhaltenen Material — von Pillau in Verbindung mit der
Balge die Bede ist; der oberste Marschall theilt am 4. Mai
1453 dem Hochmeister mit, die Bürger von Königsberg
hätten ihn gebeten, demselben zu schreiben „als von der Pillaw
und des tiffes wegen in der Balge, des man das in zceitigen
machte, so das men eyn geschos dorczu gebe."^) Die ,,Ver-
pfählung" der Balge, welche die Danziger im April des Jahres
1456 ausführen ließen,^) um dem Orden und seinen Anhängern
die Durchfahrt durch das Tief unmöglich zu machen, hat die
Benutzung der alten Fahrstraße aus dem Haff in die See
schwerlich auf eine längere Zeitdauer beeinträchtiget. Von dem
neuen Tief ist zunächst keine Rede mehr: es läßt sich annehmen,
daß es in Folge der um die Mitte des Jahrhunderts von Jahr
zu Jahr immer wieder aufgenommenen Dammarbeiten gelungen
war, dasselbe zuzuschütten. Dann erfahren wir von einem ge-
waltigen Sturm, welcher im Jahre 1497, in den Tagen vom
14. bis 16. September wüthete, und in Folge dessen die Nehrung
durchbrach, ein dort befindlicher Krug von den Wellen fortge-
rissen wurde, und ein Tief von 7 Ellen entstand, welches „das
neue Tief" oder, wie Paul Pole schreibt, das „neue Tief bei
"Wogram" genannt wurde;*) es ist, von einer geringfügigen Ver-
schiebung abgesehen, das heutige Pitlauer Tief.
Es versteht sich leicht, daß, nachdem Menschenkraft einige
Jahrzehnte zuvor dem Bestreben des HafEes, sich in dieser Gegend
1) Toeppen, Ständeacten V S. 661. - 2) Ebd. III S. 655. — 3) Ss.
rer. Prues. IV S. 520. — 4) Ss. t«r. Prusa. V S. 210. 448. &01. Der „tag
Marie zcur letzten" ist niclit, wie Toeppen a. a. 0. S. 210 Änm. 3 annimmt,
der 21. November, wn-h nicht, wie er in den Elbinger Antiquitäten S. 221
Änm. annimmt, der 8. December, sondern der S. September.
D,gt,zBabyC00<^IC
Von Archivar Dr. Panzer. 279
einen zweiten Abfluß in die See zu erhalten, erfolgreich be-
gegnet war, die elementaren Gewalten nun doch den Sieg über
das Menschenwerk gewannen.
Daß die Strecke südlich von Alt-Pillau bis zum alten Tief
ganz besonders dem Andränge der Fluthen ausgesetzt war, er-
giebt sich auch aus einem Briefe des Pflegers von Lochstedt vom
Jahre 1436.') Derselbe war vom Hochmeister aufgefordert worden
zu berichten, wie es zwischen dem Tief und Lochstedt beschaffen
sei, und berichtete, daß es nirgend übergelaufen sei „den ober
das Balgesche wasser" und daß „das gebirge in der Pille"
{gemeint ist wohl der Schwalkenberg bei Pillan) von dem Haffe
auch sehr ausgewaschen sei.
Ein Theil dieser Strecke, das Stück südlich des neuen
Tiefes, hat nun im 15. Jahrhundert zweifellos zu dem Oebiete des
. Komthurs von Balga gehört. Die Handfeste für den nördlich
des alten Tiefes und zwar dicht bei demselben gelegenen Sand-
krug von Ostern 1411 ist vom Komthur von Balga ausgestellt.*}
Im Jahre 1425 beklagte sich der G-roßschäffer von Königsberg
beim obersten Marschall, wie über den Fiachmeioter von Elbing
und den Fischmeister von Scharpau, welche nachweislich Stücke
der irischen Nehrung in ihrem Besitz hatten, so auch über den
Hauskomthur von Balga, weil sie den Bernstein anderweitig
verkauften.*) Nach einer Nachricht aus dem Jahre 1431 lag
22 Seile — das sind etwa 960 Meter — von der Balge entfernt
die „Störbude des Hauskomthur s".*) Es kann hier nur die
Bichtung von der Balge nordwärts gemeint sein, unter dem
Hauskomthur aber nur der Hauskomthur von Balga verstanden
werden. Diese bisher unbekannt gebliebene Thatsaehe, daß der
Landstrich nördlich der Balge im 15. Jahrhundert zur Komthurei
Balga gehört hat, erklärt es auch, daß im Jahre 1441 der Pfleger
von Lochstedt und der Komthur bezw. der Hauskomthur von
1) 1436 November 13. St.-A. Königsberg, — 2) Foliant 124 Bl. 600. St,-Ä.
Eönigsbei^. — 3) Schreiben dee oberst^o Marschalls an den Hochmeister
142B März 6. St.-A. Königsberg. — 4) Schreiben des Vogts von Leske an
den Hochmeister 1431 Juni 29. St.-A. Königsberg.
zeabyCoO^IC
280 ^'^ Terbindung des frischea Haffs mit der Oateee etc.
Balga um die Fischereizinsen in der Balge mit einander im
Streit waren.^) Die ,aliie Balge', wie der Pfleger von Lochatedt
damals die Balge zu genauerer Unterscheidung von dem seit
dem Ende des 14. Jahrhunderts exisfcirenden neuen Tiefe nannte,
schied eben die zur Komthnrei Balga gehörenden Dünen von
dem südlich gelegenen und zum Pflegeramte Lochstedt, bezw.
zum Gebiete des obersten Marschalls gehörenden Stücke der
Nehrung; nördlich der Balge lag die Störbude des Hauskomthura
von Balga, südlich der zum Gebiet des obersten Marschalls ge-
hörende Mittelhof, 1431 nachweislich der Sitz eines Störmeisters,
eines dem obersten Marschall, also auch wohl — wenigstens zeit-
weise — dem Pfleger von Lochstedt unterstellten Ordensbeamten,*)
welcher im Jahre 1429 als „Störmeister auf der Nehrung" an-
geführt wird.*)
Der Antheil des Komthurs von Balga an dem das Haff
nach der See hin abschlieiJenden Landstreifen ist nun aller
Wahrscheinlichkeit nach identisch mit jenem Stücke von Wit-
landesort, hinsichtlich dessen der Bischof von Samland im Jahre
1264 auf jeden weiteren Anspruch verzichtete. Man wird ver-
muthen dürfen, daß die Dünen nördlich des alten Tiefes schon
im 13. Jahrhundert dem Gebiete der Balgaer Komthurei zuge-
wiesen worden sind. Bereits die Gewinnung der Burg Balga
mußte für den Orden einen Theil ihrer Bedeutung darin haben,
daß der- Zuzug von Kreuzfahrern und Colonisten auf dem See-
wege dadurch wesentlich gesichert war; als man die Fahrt von
der See ins Haff auch noch durch ein Blockhaus auf der Nehrung
zu schützen unternahm, da mußte es gewiß nahe liegen, dasselbe
eben dem Komthur das gegenüberliegenden Ordenshauses anzu-
vertrauen; es mußte nahe liegen, die Sorge für die Sicherheit der
Balge den in der Burg Balga weilenden Ordensherren zu übertragen.
1) Schreiben des Pflegers von Lochetedt an den obersten Marschall
1441 October 19. St.-A. Königsberg. — 2) Schreiben des obersten MarachallB
an den Hochmeister 1431 April 4. Sl.-A. KöDigsberg. — 3) Handfeste des
Krügers zum neuen Kmge U29 Pfiingatmontag, Foliant Nehrung 79 Bl. 7.
St^dt-A. Banzig und Hnndfeste fUr den Krug zu Vogelers vom selben Datum
Dan»iger Komthureibuch S. 7 Stadl/A. Danzig.
DigtizBabyCoOgIC
Von ArcMvar Dr. Panzer. 281
TJeber die weiteren Schicksale jenes Blockhauses fehlen
uns jegliche Nachrichten; es nia_g bereits frühzeitig dem Andränge
der "Wogen zum Opfer gefallen sein, oder man hat es zu einer
Zeit, als die Balge keines besonderen Schutzes bedurfte, ver-
fallen lassen. An Locbstedt wird bei diesem Blockhause, hoffe
ich, Niemand mehr denken wollen ; das Lochstedter Tief aber,
weit entfernt die Veranlassung zur Annahme wesentlicher Ver-
änderungen des HafiFbeckens in historischer Zeit zu geben, wird
endlich als das gelten, was es ist, nämlich vielleicht als ein
prähistorisches und, insofern es ein historisches sein sollte, als
eine der vielen Unwahrheiten, welche Simon Grünaus Preußische
Chronik der Nachwelt überliefert hat.
Man hat lange Zeit das Lochstedter Tief für das älteste
geschichtlich beglaubigte Tief der frischen Nehrung gehalten.
Sollte nunmehr das sogenannte „alte Tief" als solches zu gelten
haben? Ich glaube nicht. Die Urkunde über die Theilung
Samlands weist uns in nicht mißzuverstehender Weise auf eine
zweite Unterbrechung des dem HafF vorgelagerten Landstriches
hin, welche man zwar nicht als ein zweites im Jahre 1258 noch
fiir die Schiffahrt in Betracht kommendes Tief, wohl aber als
den letzten Rest eines ehemaligen Seetiefs, eben des ältesten
historisch beglaubigten Tiefes der frischen Nehrung, zu betrachten
hat. Es verlohnt sich der Mühe auf die in jener Urkunde über-
lieferte Vermessung der Nehrung näher einzugehen, denn —
abgesehen davon, daß der bisher allein bekannte Text der
Urkunde gerade bei den von der Nehrung handelnden Stellen
mehrere Lücken hat und mir ein vollständiger Text vorliegt —
moß jene Messung ein ganz anderes Aussehen gewinnen, da als
ihr Ausgangspunkt nicht mehr jenes vermeintliche Lochstedter
Tief gelten kann. "Wir werden sehen, daß diese Erörterung zu-
gleich auch meine Ausführungen über das Lochstedter Tief
weiter bestätigen wird.
Von Nergienort aus, dem südlichen Ufer der Balge, werden
DigtizBabyCoOgIC
282 Die YerbinduDg de« friacheii Ha& mit der Oatsee etc.
zuerst 7 Seile dem zweiten Drittel zagemeasen, hieran schließen
sich 7 Seile des dritten Drittels, dann 7 Seile des ersten Drittels.
An die letzteren grenzen 30 Seile d, iat '/« Meile des 2. Drittels,
an diese 30 Seile des 3. Drittels, hieran wiederum 30 Seile des
1. Drittels. Es folgen '/^ Meile fiir das 2. Drittel, darauf
7« Meile für das 3. Drittel. Auch dem 1. Drittel wird dem-
entsprechend */» Meile zugemessen, und man muß erwarten,
daß diese Vi Meile sich an die V^ Meile des 3. Drittels anschließt.
Wenn nach dem Text der Urkunde diese V» Meile sich vielmehr
an die 30 Seile des 3. Drittels ansehließt, so liegt hier offenbar
ein Versehen eines Schreibers vor; denn wir sahen bereits, daß
die 30 Seile des 3. Drittels nach Norden von den 30 Seilen
des 2., nach Süden aber von den 30 Seilen des 1. Drittels be-
grenzt wurden. Man wird pun in Anbetracht der sonst stets
wiederkehrenden Reihenfolge der Stücke des 2 , 3. und 1. Drittels
mit sehr großer Wahrscheinlichkeit annehmen, daß die ^jt Meile
des 1. Drittels südlich an die ^/a Meile des 3. Drittels sich an-
schloß. Es folgen darauf größere Stücke von 1 bezw. I'/e Meilen.
Zunächst grenzt an die Vi Meile des 1. Drittels südlich 1 Meile
des 2. Drittels, an diese schließt sich 1 Meile des 3. Drittels,
an diese wiederum iVs Meilen des 1. Drittels. Hieran schließen
sich 52 Seile des 2. Drittels, darauf folgen 52 Seile des
3. Drittels, dann ein besonders getheiltes Seil, endlich zum
Schluß 52 Seile des 1. Drittels. Auch bei jenem 1 Seil folgen die
Stücke der einzelnen Drittel in der alten Beihefolge: an die
62 Seile des 3. Drittels angrenzend 3 Ruthen des 2., darauf
3 Ruthen des 3. Drittels, darauf 4 Ruthen des 1. Drittels.
Die dem 1. Drittel zugemessenen l'/i Meilen lagen nach der
Urkunde „ex ista parte Sampeukin", also östlich von Kampenkin.
Dieser Ort muß demnach 21 Seile + öV* Meilen von der Balge
entfernt gewesen sein. Nach einer Urkunde vom 18. Mai 12Ö2
über einen Vergleich zwischen dem Herzog Mestwin von
Pommern und dem Deutschen Orden, gemäß welchem der letztere
den Uoiterthanen des Herzogs Fischerei im Haffe gestattete „a Cam-
penkne — das ist nichts anders als Kampenkin — sub Nerya descen-
DigtizBabyCoOglC
dendo versus Lipam unum miliare in longitudine," ') muß Kampen-
kin mindestens 1 Meile westlich von Liep gelegen haben. Femer
macht die Erwähnung des Ortes in der Theilungaurkunde es
wahrscheinlich, daß er in nächster Nähe des Seestrandea gelegen
hat; denn die Vermessung hat jedenfalls an diesem, der hierzu
bequemer sein mußte als das Hafiiifer, stattgefunden. Am See-
strande findet man nun in der That noch heute bei Vogelsang
etwas über 9 km westlich vom Lieper Ueberwege — d. i. der Weg,
welcher vom Dorfe Liep zum Seestrande führt — die Ueberreste
einer ehemaligen Ortschaft. Schumann berichtet hierüber in den
geologischen "Wanderungen durch Ältpreußen S. 40 %.: er habe
auf einer Strecke von etwa 300 Sehritt Mauerreste von einem
oder mehreren Gebäuden gefunden. „Sie stehen — schreibt
derselbe — mindestens 80 bis 100 Schritte vom Strande entfernt.
Stark gekrümmte Dachpfannenstücke von '/* Zoll Dicke weisen
darauf hin, daß die Gebäude mit sog, Mönchen und Nonnen
gedeckt gewesen. Dabei faustgroße eckige Stücke Granit und
grober Mörtel. Umherliegende Knochen konnte ich nicht deuten,
wohl aber erkannte ieh in den Zähnen die des Edelhirschs und
fand eine Schuppe, die einem mächtigen Stör angehört bat.
Hellgelbe und dunkle Thonscherben mahnten an die grobe
Töpferarbeit der alten Preußen, doch fehlte ihnen der beigemengte
Grand. Ein großes Stück mit einem Henkel mag einem Kohlen-
topfe angehört haben. Eine aufgefundene Thonkoralle konnte
und kann ich von einer altpreußischen nicht unterscheiden.
Auch fand ich mehrere scharfkantige Feuersteine, die ebenso-
wenig als die Granitstäcke dem Strande entnommen sein konnten,
da hier der Strand steinlos ist."
Ist es nun schon nach dem vorher Mitgetheilten wahr-
scheinlich, daß diese Ueberreste die Stelle der ehemaligen Ort-
schaft Kampenkin bezeichnen, so sind wir durch die Angaben
der Theilungsurkunde in der Lage, die Vermuthung zur Gewiß-
heit zu erheben. Kampenkin muß nach jener Urkunde, wie
1) Pommerelliaclies Urktmden-Bnch 3. 298.
DigtizBdbyGOOgle
284 ^<o VerbiadUDg des frisclien Haffs mit der Ostsee etc.
wir bemerkten, 21 Seile -|- R'/e Meilen von dem südlichen Ufer
der Balge entfernt gewesen sein. Ehe wir den Seestrand ent-
lang messen, müssen wir ans über die Länge der damaligen
Meile zu vergewissem suchen. Für das Jahr 1425 können wir
die Länge der preußischen Meile annähernd feststellen. Damals
handelte es sich um eine Grenzregulirung zwischen dem Ordens-
lande und Lithauen; gemäß den Bestimmungen des am Melnoer
See 1422 geschlossenen Friedens sollte die Grenze bei Memel
3 Meilen vom Strande entfernt sein. Ein Ordensbruder und ein
Oesandter des Großfürsten Witold von Lithauen maßen damals
mit einer von beiden Seiten versiegelten Leine von den 4 Meilen
zwischen Marienburg und Elbing zunächst 1 Meile, also 180 Seile.
Die 3 übrigen Meilen jener Bistanz sollten der Messung bei
Memel zu Grunde gelegt werden. Es stellte sich heraus, daß
jene 3 Meilen nach dem Maßstabe der versiegelten Leine
5357a Seile lang waren.') Die Entfernung von Marienbarg nach
Elbing betrug also im Jahre 1425 genauTlöVs Seile. Dieselbe beträgt
heute auf der Chaussee gemessen nicht ganz 31 Kilometer. Wir
werden annehmen dürfen, daß die Straße, welche zur Ordenazeit
benutzt wurde, nicht wesentlicb länger gewesen ist imd daß
wir einen annähernd richtigen Maßstab erhalten, wenn wir
716'/a Seile gleich 31 km setzen. Dann aber ist 1 Seil
= 43,3 Meter, 1 Meile = 7799 Meter, ö'/a Meilen sind
= 42 989 Meter, und 21 Seile = 909 Meter. Die Entfernung
von Kampenkin nach dem südlichen Ufer der Balge beträgt
alsdann 43 898 Meter. Messen wir diese Strecke auf der Nehrung
ab, indem wir bei Vogelsang am Seestrande beginnen, so enden
wir gegenüber von Balga am Danziger Haken: 2,4 Kilometer
nördlich vom Gehöft Alttief, — eben in der Gegend, wo nach
unseren früheren Ausführungen das alte Tief, die Balge des
13. Jahrhundert'S gewesen sein muß.
Es bestätigt dies Ergebniß also aufs Neue, daß wir das
Tief des 13. Jahrhunderts an richtiger Stelle angenommen haben,
1) Prochaska Cod. epiet. Vitoldi S. 698.
DigtizBdbyGOOgle
Vou Archivar Dr. Panzer. 286
und bringt gleichzeitig die Vermuthung, daß jene Ueberreste
menachlicher Wohnatätten bei Vogelsang die Stelle der unter-
gegangenen Ortschaft Kampenkin bezeichnen, zur Gewißheit.
Im Anscblui] au jene östlich von Kampenkin gelegenen
Meilen wurden, wie bemerkt, nach der Urkunde über die
Theilung Samlands weiter westlich zweimal je 52 Seile gemessen,
dann im Anschluß daran ein Seil. Von dem letzteren wird
gesagt, daß es quer liegt: man hatte bis dahin längs dem See-
strande gemessen und maß darauf also von Norden nach Süden
quer über die Nehrung. Ein drittes 52 Seile langes Stück wird
in der Urkunde angeführt als „quinquaginta duo funiculi proximi
post uuicum funiculum"; diese 52 Seile berührten also nicht
unmittelbar das eine Seil, aber sie setzten die unterbrochene
Messung am Seestrande nach Westen hin fort und beschlossen
dieselbe. 104 Seile — das sind ungefähr 4500 m — westlich von
der Stelle, wo wir Kampenkin gefunden haben, wurde also
1 Seil quer über die Nehrung gemessen; man wird annehmen
müssen, daß die Nehrung hier — d. h. also in der Gegend des
heatigen Bodenwinkel — nur ein Seil oder 43 m breit war:
wahrscheinlich schlosson sich südlich an diesen schmalen Land-
streifen Sandbänke, sogenannte Kampen an, welche im Laufe
der Jahrhunderte an Ausdehnung zugenommen haben, durch
Sandüberwehungen allmälig zu festem Lande geworden sind und
so die Nehrung verbreitert haben. Jener Unterbrechung der
Vermessung aber muß eine Unterbrechung des Festlandes durch
ein Gewässer entsprochen haben. Herr Dr. Jentzsch hatte die
Güte mir mündlieh zu erklären, daß dies Ergebniß zu einem
formellen Bedenken Anlaß gebe, insofern als auf der geologischen
Karte der frischen Nehrung von Nickelswalde bis über Kahlberg
hinaus altalluvialer Haidesand eingezeichnet sei, die scheinbare
Unterbrechung dieser Schicht östlich von Boden wink el als
Ueberwehung des altalluvialen Haidesandes mit dem jüngeren
Düneusande angesehen werden müsse; ein sachliches Bedenken
liege indeß nicht vor, da in Anbetracht der Schwierigkeit alt-
alluvialen Haidesand nachzuweisen, keineswegs überall, wo
DigtizBabyCoOgIC
286 1^3 Yerbiadang des frischen HaSs mit der Ostsee etc.
solcher auf der Karte angegeben sei, derselbe aach als wirklieb
nRchgewieaen gelten könne.
In der That wird unser Ergebniß durch einen Bericht
aus dem 9. Jahrhundert, den Bericht des Seefahrers Wulfstan
über seine Beise von Hydaby (Schleswig) nach dem am Drausen-
See gelegenen Truao aufs Vollkommenste bestätigt; durch den-
selben wird zugleich auch auf das Zuverlässigste erwiesen, daB
jene Unterbrechung der Nehrung als der letzte Best eines ehe-
maligen Tiefes, eben des ältesten historisch nachweisbaren Tiefes
der frischen Nehrung zu gelten hat. Nach dem Wortlaut jenes
Berichtes, wie ihn König Alfred der Große im Anhang zu seiner
Uebersetzung der Chronik des Orosius überliefert hat, muß man
dib Stelle, wo der mit dem ElbingfluÜ vereinigte Weichselarm,
die heutige Nogat, durch das Haff in die See gelangte, eben in
dieser Gegend suchen. Die Weichsel (d. i. die Nogat) und der
Elbingfluaa, so berichtet Wulfstan, strömen zusammen ins Est-
meer (d. i. ins Haff), dieser von Osten her aus Estland, jene
von Süden her aus Wendenland, und dann nimmt die Weichsel
dem Elbing seinen Namen und gelangt nordwestlich vom Est-
meer in die See; und darum nennt man dies Weichselmündung.^)
Die Annahme Neumanns,') daß diese Weichselmündung bei dem
hentigen Weichselmünde gewesen sei, die Annahme, daß ein
Seefahrer, weichet von dem Ausflusse der Nogat herkommend
die Elbinger Weichsel bis zum Danziger Haupte aufwärts, dann
die Danziger Weichsel stromabwärts bis zur Weichselmündung
gefahren wäre, im Hinblick auf diese Wasserstraße trotz der
entgegengesetzten Strömungen berichtet hätte: die Weichsel,
d. i. die Nogat, gelange nach ihrer Vereinigung mit dem Bfing
vom Haff nordwestlich in die offene See, widerlegt sich durch
sich selber. Aber ebenso wenig läßt sich Wulfstans Beisebericht
mit der von Colberg') aufgestellten Ansicht vereinigen, daß
1) Se. rer. Pruss. 1 8. 732 fg. - 2) Neue Preufl. ProY.-Bl. Bd. VI
Jahrgang 1854 S. 304 ff. — 3) Zeitschrift für die Gesch. n. Alterthums-
kunde Emnlands Jahr|;ang 1876 nnd 1876 Bd. VI S. 1 fg.
DigtizBabi.CoO^IC
Von Archivar Dr. Pauzer. 287
Wulfatans "Weichselmündung bei dem versandeten Dorf© Schmer-
gnibe, der nächsten Doifstelle nordöstlich von Kahlberg, oder
— wie er, wenn ihm die geologische Karte der Nehrung be-
kannt gewesen wäre, wohl gesagt haben würde — das sogenannte
Kalenberger Tief 1 Kilometer Östlich von Kahlberg gewesen
sei. Es wird sich vielleicht nicht bestreiten lassen, daß nord-
östlich von Kahlberg einmal ein Durchbruch der Nehrung ge-
wesen ist; in historischer Zeit, und nur mit dieser haben wir
es zu thun, läJ3t ein solcher sich nicht nachweisen. Colberg
nimmt an, daß Wulfstan mit den Worten, die Weichsel, also
die Nogat, gelange vom HafiF nordwestlich in die See, nicht die
Kichtung der Weichselatrömung von ihrer Vereinigung mit dem
Hfing bis zur Einmündung in die See, sondern nur die Richtung
des Tiefes habe angeben wollen. Er sollte also — was zweifellos
sehr unwahrscheinlich ist — die Richtung der Strömung aui
einer Strecke von lOCK) Schritt für bemerkenewerth gehalten
haben, während er die Richtung, welche der Seefahrer wählen
muHte, um von der Einmündung der Nogat ins Haff nach dem
Tief zu gelangen, übergehen zu dürfen glaubte. Die einzige
ungekünstelte Interpretation des Berichts setzt nothwendig ein
Tief im nordwestlichen "Winkel des Haffs voraus : nur durch ein
solches konnte die Weichsel, nachdem sie sich mit dem Elbing-
flusse vereinigt hatte, nordwestlich vom Haff in die See gelangen.
Hier werden wir die Weichselmündung Wulfstans zu suchen
haben, als letzte nachweisbare Spur derselben aber wird für uns
jene Unterbrechung der Nehrung gelten müssen, .welche wir
für das Jahr 1258 in der Gegend des heutigen Bodenwinkel
nachgewiesen haben.
Excurs fiber WItland.
Die oben S. 267 aufgestellte Behauptung, daß Witland nnd
Samland dasselbe wären, steht mit der heute herrschenden An-
sicht, nach welcher Witland die frische Nehrung bedeuten soll,
in Widerspruch und bedarf daher näherer Begründung.
zeabyCoOgIC
288 ^^ Yerbinduug des frischen KaSta mit der Ostsee etc.
Zunächst ist zu bemerken, daB es eigentlich sich von selbst
versteht, daU man eine Landspitze als die Spitze desjenigen
Landes bezeichnet, mit welchem dieselbe zusammenhängt; die
Annahme Mültenhoff's im 2. Bande der Deutschen Älterthnms*
künde S. 346, daß "Witlandesort seinen Namen deshalb geftlhrt
habe, weil es die gegen Witland gekehrte Landspitze von Sam-
land gewesen sei, scheint mir keine glückliche zu sein. Nach
meinem Dafürhalten weist schon der Name Witlandesort bestimmt
auf die Identität von Samlaud und Witland.
Es kommt hinzu, daß eine alte und durchaus glaubwürdige
Quelle, die translatio et miracula sanctae Barbarae, ausdrücklich
angiebt, daß Samland zur Zeit seiner Unterwerfung durch den
deutschen Orden Weydelant genannt wurde.')
Diese übereinstimmenden Zeugnisse vermag eine Ktelle in
der Chronik des belgischen Mönchs Alberich von Neuf Montier
bei Huy, nach welcher man annehmen müßte, daß Witland und
Samland verschiedene Landschaften wären, mit nichten aufzu-
wiegen. Alberich berichtet zum Jahre 1228, daß der päpstliche
Legat Wilhelm von Modena viele Heiden in Preußen bekehrt,
ihre Sprache gelernt und den Donat in dieselbe Übersetzt habe:
es seien aber in diesem Jahre nur 5 Provinzen der Heiden zu
bekehren gewesen, nämlich eben Preußen, Curland, Litthanen,
Witland und Samland.*) Der Vermuthung Perlbachs, daß viel-
leicht Wühelm von Modena selber der Gewährsmann unsers
Autors sei, fehlt jegliche Begründung; seine andere Vermuthung
aber, daß Alberich jene Nachrichten von dem Cardinallegaten
Otto erhalten habe, welcher die Aachener zur Strafe dafür, daß
sie den Bischof Wilhelm von Modena auf der Rückkehr aus
Preußen festgehalten, ezcommunicirt hatte und am 13. Februar 1230
1) Ss. rer. Pruss. II S. 404: „terram Sambie que tone Wej'delant
vocabfttnr, subjugaverunt". Toeppun a. a, 0. Anm. 3 übersetzt diese Stelle:
„Sie unterwarien denjenigen Theil Samlands, welcher damals Witland hieß;"
allein „terra Sambie" ist ganz zweifellos uichts anderes als „Sarabia". — Vgl.
auch die jüngere Hochmeister-Chronik Ss. rer. Pruss. V S. 80 und 155.
2) Sa. rer. Pruss. I S. 241.
DigtizBabyCoO^IC
Vou Archivar Dr. Panzer. 289
in Huy anlangte,*) ist mit Ottos Anwesenheit in Huy nur
sehwach begründet. Ein Irrthum Albericha, der den preußischen
Verhältnissen ziemlich fem stand, ist sehr wohl denkbar.
Toeppen wies, um an der Annahme, daß Witland und
Samland etwas anderes wären, trotz den translatio et miracula
sanctae Barbarae festhalten zu können, auf eine Bulle Papst
Honorius III. vom Jahre 1224 hin, mittelst welcher Wilhelm
von Modena zum päpstlichen Legaten ernannt wurde,*) aber
hier wird nicht Witland sondern Wirland genannt, und es liegt
nicht die mindeste Veranlassung vor, in der Ueberlieferung der
Bulle einen Irrthum anzunehmen. In einer Urkunde des
Jahres 1246, in welcher der Bischof von Culm als Obmann eines
Schiedsgerichts den Streit zwischen dem Deutschen Orden und
Lübeck entscheidet,^) wird angegeben, daß Lübeck auf ein
Drittel von Sambia et Witlaudia und auf einen Theil Ermlands
Anspruch erhob; der Bischof bestimmte, daß 2600 Morgen in
Ermland und ein halbes Drittel von Samland an Lübeck fallen
sollten. Davon, daß Lübeck auf Witland verzichten müßte, ist
keine Rede; offenbar befand man sich darüber im Klaren, daß
Sambia und Witlandia nur verschiedene Namen für eine und die-
selbe Landschaft waren.
Die Veranlassung, Witland und die frische Nehrung zu
identiflciren, gab jene Erklärung des Berichts Widfatan's, als ob
die Weichselmündung, von welcher er spricht, bei dem heutigen
Weichselmünde zu suchen wäre; denn Wulfstan berichtet auch,
daß die Weichsel Witland und Wendenland trenne. Wir zeigten
oben, daß jene Erklärung unrichtig ist, und daß Wulfstana
Weichselmündung vielmehr in dem nordwestlichen Winkel des
Haffs gesucht werden muß. Man wird annehmen dürfen, daß
das Haff zu Wulfstan's Zeit an dieser Stelle seinen einzigen
oder doch seinen Haupt-Ausfluß in die See gehabt hat, und daß
die Landzunge, welche von der südwestlichen Ecke Samlands
1) Altprenß. Monalsschr. 1872 Bd. IX S. 500. — 2) Preuß. Urk.-B.
Kr. 63. - 3) Ebd. Nr- 177.
Altpr. UonMiuobrift Bd. XZVL HfL 3 a. 4. 19
DigtizBabyCoOgIC
290 1^8 Verbindung des friBchen Hafb mit der Ostsee etc.
zwischen Ha£F und See vorspringt, ohne wesentliche Unter-
brechung bis an das Ostufer dieses Tiefs sich erstreckte. Jene
Landzange galt als zu Witland zugehörig, und damit erklärt es
sich, daß Wnlfstan berichtete, die Weichsel trenne Witland und
Wendenland.
Die Germanisten nehmen an, daß die Tidivarü des Jordanea
oder seines Gewährsmannes, des Cassiodor, die ehemaligen Be*
wohner Witlands waren. Nach Müllenhoff, Deutsche Älterthums-
künde Band n S. 347 (vgl. Monum. Germ. hist. Script, anti-
quissimi V p. 166) verhalt sich der Name Vidivarii zu Witland
genau so wie Bajnvarii zu Bajaheim, Bojohaemnm. Die Wohn-
sitze der Vidivarii, eines Volkes, das ans Theilen verschiedener
Volkerschaflen sich gebildet hatte, waren aber vordem von den
Gepiden, einem gothischen Volksstamm, bewohnt (Jordanes,
Getica c. 5 und c. 17). Es dürfte sich hieran schwerlich rütteln
lassen. Ist das aber richtig, so haben wir die Gepiden als die
ältesten geschichtlich bekannten Bewohner Samlands za be-
trachten. Und es wird als eine verkehrte geographische Vor-
stellung des Jordanes bezw. Cassiodora angesehen werden müssen,
wenn Jordanes von den Gepiden und den Vidivarii berichtet:
sie bewohnten eine von den Fluthen der Weichsel umspülte
Insel. Samland, das auch heute von allen Seiten von Wasser
umgeben ist, von der Ostsee, dem frischen und dem kurischen
Haff, sowie den Wasserläufen des Pregel und * der Deime, galt
auch Adam von Bremen (4, 18) als Insel; er bezeichnete „Sem-
land" als „insula coutigua Eozzis et Polanis."
Nach Plinius' hiatoria naturalis 4 § 100 führte ein Plnfl
östlich der Weichsel, unter welchem man den Pregel verstanden
hat und wohl auch verstehen maß, den Namen Guthalus. Diese
Ueberlieferung gewinnt eine neue Bedeutung, wenn Samland
als der einstige Sitz einer gothischen Völkerschaft zu gelten hat.
,dbyGoogIe
Von Archivar Dr. Panzer. 291
Anhang:.
Urkunde über die Theilung Samlands und der frischen Nehrung.
Elbing, 1258 Mai 3.
A: Abschrift im Handfestenbuch Nr. 7 (A 194) Blatt 59 bis 62. St.-A.
Königsberg. B: Abschrift im Qnartanten „Handfesten des Bisthums Sam-
land" (A 199) Blatt X und XI. St.-A. Königsberg.
Frater Gerhardus^) de Hirtczperg ■vicepreceptor fratnmi
domua Theutxjnicomm sanete Marie^) in Pruscia universis pre-
sentem paginam inspecturis salutem in nomine Jbesu Christi.
Ex tenore presentis pagine capiat memoria tarn presencium quam
fnturorum, quod fratres noatri de Pruscia et no9 terram Sam-
biensem infra ezteriores aaltus sive indaginea, sicut de iure
tenebamur, racionabiliter et iuste divisimua in tres partes et
Nergiam similiter, quam dominus episcopus Sambiensis ad episco-
patnm suum asseruit et allegavit pertinere, allegacioni sue satis-
facientes ipsam divisimus bac condicione interposita, quod fratres
nostii vel alii quiounque a iure suo, quod in ipsa Nergia cum
iam dicto domino Sambiensi episcopo divisa habere noscuntur
vel habere debent, non cadant vel elongentur. Parcium itaque trium
anpradictarum terre Sambiensis uiia tercia pars est; Quedenow')
excepto dimidio mUiari,*) quod ab hac'^) divisum est, Lo-wbuche,^)
Ärya, Erino,') Weyaken,'*} Blodewe, Geydowe,^") Pelaemoter, Glaw-
sothemoter, ") Sabenowo, '°) Maudytyn, Sunecolowach,") Prey-
butten^^ villa, "Werthelen^*) villa et pars illa que iacet sub Boyan et
triginta funiculi in silva Wogrin") qui adiacent proximi Snutene
graniz'^) et in Nergia Septem funiculi proximi aeptem fnniculis
pertinentibus ad Velowe, item^") in Nergia triginta funiculi
proximi XXX* fiiniculis pertinentibus ad Velowe, item in
Kergia dimidium miliare proximum triginta funiculia pertinenti-
1) Oyrhardns dictus B. 2) sanete Marie Thenton. B. 3) Quadern-
nowe B. 4) miliari dimidio B. 5) hoc B. G) Lowbiithe B. 7) Bteyno B.
8) Weyekyn B. 8a) Blodewe Geydowe fehlt A. 9) Glausotemoter B. 10) Sabe-
nouwe B. 11) Sunekolowach B. 12) Prebutyn B. 13) Werchele B.
14) Wogrym B. 15) Surtyenen granycz B. 16) item bis Velowe fehlt B.
19*
DigtizBabyCoOgIC
292 I^'ö Verbintlüiig des frischen Haffs mit der Ostsee etc.
bua'®") ad Velowe,") item in Nergia ex iata parte Kampenkin")
miliare et dimidium quod miliare et dimidiuin'*) proxime iacet
miliar! quod pertinet ad Velowe, item in Nergia'*) quinqtia-
ginta"*] diio funiculi proximi post unicum funiculum qui proximus
iacet L"!!""*') faniculis ad Velowe pertinentibus, cuios UDici funi-
culi quatnor virgule proxime^') tribns virgulis eiosdem unici fuuiculi
pertinentibus ad Velowe ad istam partem pertinere debent; item in
Witlandesort^) a Balga sunt mensurati XVI^*) funiculi in longi-
tndine versus salaum mare, quorum tercius sextns et*'') nonus
XII""") XV"'*') et sextusdecimus pertinebunt ad istam partem;
item in Witlandesort*') post XVI^*) funicolos prefatos sunt
mensurati nonaginta funiculi, quorum tercia vice decem, deinde
aexta vice decem, postea nona vice decem ad istam partem*^)
pertinebunt; item in instüa ex transverso civitatis decem et
novem fimiculi in inferiori parte eiusdem insule. Una tercia
pars: Lowke'*) ad extremum saltum, Cayme, Labegowe, Girte,'^
Polke, Soke, Rudowe, Snotowe, Busemoter, Bathowemoter,"'^)
Leythen,**) Bonowe, Linthowe,**) Sunegowe, Leydene, Myntite")
Colowacb, Boroski**) et pars illa in qua residet Snutene''') et
triginta funiculi in silva Wogrin,'*) qui iuniculi incipiunt*^ a
graniz"^) triginta funiculorum qui adiacent**) Snutenen*") graniz'^
in eadem silva, et in acumine Nergienort quod attingit Balgam
Septem funiculi, item in Nergia*') triginta funiculi proxime*')
iacentes Septem funiculis pertinentibus") ad Eryno,") item''*) in
Nergia dimidium miliare proximum triginta funiculis pertinenti-
bus ad Eryno,*^) item in Nergia'') miliare quod proximum
16a) Statt triginta funiculis pertineutibus ist zn lesen dimidio miliari
pertinenti. 17) Kampenkyn B. 18) quod miliare et diraidinm fehlt B.
19) Nergya B. 20) quinquagynta B. 21) quinquaginta duobus B. 22) quatuor
proxiroe virgule B. 23)' Wytlandesort B. 24) sedecim B. 25) et fehlt B.
26) duodecimua B. 27) XV «» fehlt B. 28) partem istam B. 29) Lovke
usque B. 30) GJrte bis Bathowe fehlt B, 31) Leythyn B. 32) Lyntbowe B.
33) Myntice B, 84) Berosky B. 35) Qmytene B. d6) Wogryra B. 37) in-
cipient B. 88) granycz B. 39) proximi adiacent B. 40) Smyt«nen B.
41) Nergya B. 42) proximi B. 43) pertinentea A. 44) Erino B. 45} item
bis Eryno fehlt B.
DigtizBabyCoOgIC
iacet*') dimidio miliari pertinenti ad Eryno , item in Nergia
quinquaginta dao funiculi proximi alteri dimidio miliari pertinenti
ad Eryno, item in Nergia post quinquaginta duos inniciüos
pertinentes ad Velowe ex tranaverso in latidudine*^ iacet unii3
fiiniculna cuius trea virgule proxime quinquaginta duobus ftiuiculis
ad Velowe pertinentibua^^J attinent*') ad isttaa partem; item in
Witlandesort^") annt men3iirati''0 a Balga sedecim funiculi in
longitudine versus salsum mare, quorum primus quartns septimus
decimus et tercius decimus pertiaent ad istam partem; item in
Witlandesort'*'*) post sedecim funiculoa predictos sunt mensurati
nonaginta funiculi quorum prima viee primi decem proximi^^)
poat prefatos XVI ^') funiculoa , deinde quarta vice decem,
poatea'*) aeptima vice decem^*) ad partem istam pertinent; item
in insnla ex transverao civitatis decem et octo funiculi in superiori
parte, üna tercia para: Velowe usque ad extremura saltum,
Demen, Tapiom, Waldow,^) Pobeti, Drowinenmoter,^") Olochoten-
moter, Girme,^') Poweyke,''") Greybowe^*) et para illa qne iacet
öub Pantim,"") qne para habet viginti"') funiculos ad prata,
quorum viginti funiculorum inchoacio erit a graniz"*) et exten-
dentur versus Sabenow") et triginta fiiuicali in silva Wogrin®*)
qui**) incipiunt") a graniz*') triginta ftmiculorum eiusdem sUvs
perfciuencium ad partem illam ad quam Kudowe est asscripta,^")
et in Kergia'*) septem funiculi proxime iacentes aeptem ftmiculis
pertinentibus ad Kayme Labegowe, item'"*) in Kergia triginta
ttmicnli proximi triginta funiculis pertinentibus ad Kayme
Labegowe,'") item in Nergia dimidiiun miliare proximum dimidio
miliari pertinenti ad Kayme Labegowe, item in Nergia"*) miliare
proximum miliari pertinenti ad Kayme Labegowe, item in Kergia
quinquaginta^^) duo funiculi proximi quinquaginta duobus funi-
46)iacetetA. 47) latitudinem B. 48) attinentibus B. 49) pertinent B.
50) WjtlaiKlesort B. 51) mensurati funiculi B. 52) proximi feUt A.
53) sedecim B. 54) postea bis decem fehlt A. 55) Waldowe B. 56) Drovinen-
moter B. 57) Gyrme B. 68) Powyke B. 69) Grebowe B. 60) Pantjm B.
61) vigiiita B. 62) gi-anicz B. fi3j Sabenowe B. 6i) Wogrym B. 65) que A.
G6) incipient B. 67) grani et B. 68) aecripta B. 69) Nei^ya B. 70) item
bis Labegowe fehlt B. 71) ([uinquagynta B.
DigtizBabyCoOgIC
294 ^'^ Verbindung des fnachen Haffs mit der Ostsee etc.
culis pertineiitibua ad Kayrae Labegowe; item in Neigia post
quinqaaginta duos funictilos pertineutes ad istam eaudem partem
iacet^^) uhub'*) funiculus qui ita divisns est quod tree vii^ule
eiuadem funiculi proiime 3*"""*) virgulis predicti ftiniculi per-
tinentibufi ad Lowke pertioebant ad partem istam; item in
"Witlandesort"") a Balga sunt mensurati sedecim funiculi in longi-
tudine vereus salsum mare, quonim secundus quintus octavns
andecimus quartusdecimua pertinebunt ad istam partem;'*} item
in Witlandesort'^) post predictos sedecim funiculos sunt mensurati '
nonaginta fimictili, quorum aeeunda vice decem, deinde quinta
vice decem, poatea octava vice decem pertinebunt ad istam
partem; item in insula ex transverso") civitatis decem et octo
funiculi proximi poat decem et octo funiculoa eiuadem insule
pertinentes ad Lowke ad iatam partem pertinebunt. Ex premiasis
itaque tribus partibua terre Sambiensis prefate venerabilis pater
in Christo irater Hinricus'^) ordinia domus Theutonicorum epis-
copus Sambienais aibi et suis sucees-soribus suoque episcopatui
in Sambia elegit in nomine sancte et individue trinitatis patris
et filii et spiritus sancti partem illam, ad quam Quedenow'^)
asscriptum est,*") et quicquid^') ad iUam pertinet, reliquaa vero
duas partes supradictas ad noa et ad fratrea noatros aive domum
nostram protestans presenti pagina pertinere, quam paginam ut
diviaio nostra et supradicti domini episcopi Sambiensis eleccio
premisaa firma et perpetua maneat sigillo venerabilia patria in
Chriato Änshelmi Warmiensis episcopi et sigillo marscalei**) de
partibus cismarinis et noatro duximus roborandam. Actum anno
domini millesimo ducentesimo**) quinquagesimo octavo in mense
marcio.^*) Testes autem*^) sunt fratrea noatri Poppo (Juondam
magiater generalis, Hinrieus'") Bothel marscalcua^*) Pruacie,
Theodericua Euffua Sambiensis, Wernherus Natangie, Bertol-
72) iacet fehlt B. 78) VII«« B. 74) Iribua B. 75) Wytlandosort ]
76) partem islam B. 77) adverso A. 78) Heynricua B. 79) Quedemnowe 1
80) est ftscriptum B. 81) quidquid B. 82) maraclialci B. 83) M<»CC" ]
84) marcü B. 8B) autem fehlt B. 86) marsr^halcns B.
DigtizBabyCoOgIC
Von Archivar Dr. Panzer. 296
dus*') in Balga, "Walterus^^ in Elbingo,*") Hartmannus in Crist-
burg,*°) Hinricus'^) de Merewiz*^) terre Culmenais, Hartmodua
in Thorun'*) commendatores, sacerdotea vero frater Conradus
cappellanua**) domini episcopi Sambiensis,**) frater Richardu8,'*)
dominus Gerhardns'") plebanus in Kungesberg, Hinricus'^ ple-
banus Elbingensis^) et alii qnam plures. Datum in Elbingo'")
quinto nonas maii.
87) Bertholdns B. 88) Waltherus B. 89) Elbyngo B. 90) Kyrsburg B.
91) Merewycz et B. 92) Thoron B. 98) capellanua B. 94) Sambiensis
epiacopi B. 95) Bychardus B. 96) Gyrhardna B. 97) Herwyciie B.
98) Elbyngensis B. 99) Elbyngo B.
,dbyG00gIe
Hymnologische Miscellen.
Von
Dr. L. Xenbanr.
1. Franckenbergs Ued: „Christi Tod ist Adams Letten."
Abraham von Frauckenberg, der (Gesinnungsgenosse, Freund
und Biograph Jacob Boehmea, ein Mann, dem an Adol der
Gesinnung wenige seiner Zeitgenossen gleichkamen, war, nach-
dem er wegen der Kriegs-Unruhen sein Vaterland Sohlesien ver-
lassen hatte, in dem Überdies sein Glaubensbekenntnis „auf der
Wage der aymbolischon Bücher" zu leicht befunden wurde,^)
nach Dauzig gekommen,^) wo er mit Unterbrechungen bis zum
Enda des Jahres 1649 blieb/) unterstützt von seinem „großen
1) Sohimmelp fennig in der „Allg. d. Biograi)hie'' VII, 244.
2) Spätestens 1G42; sein Bericlit über Johann Beprs Abenteuer im
Zobtenberge trägt das Datum: Tamowita in Oberschlesien den 5. 15. Heu-
Monats |Juli] 1641 cf. Henelii Silesiogtaphia renoyata. Wratislaviae & Lipaiae
1704. I, 148. Die Anmerkung Francis enberifs zu einem Briete Boehmes an
Hans V. Schellendorf vom 1. Jan. 1633, worin er die von dem Adressaten ge-
Klelll« Frage, wolier es gekommen sei, daß das Steinbild auf dem Grabe von
Schellendorfs Frau bei einer bestimmten Oelegonheit geweint habe, beant-
wortet, ist datirt: Danzig {16)6, Oktober 1642. Charakteristisch fiir Franckeu-
I>erg ist es übrigens, daß er die Mitteilung des scldesischen Edelmannes
als Factum betrachtet und gleichfalls zu erklären Bucht. Jacob Bochmea
Werke, her. von Scbiebler VII, 437. In den ,. Theologischen Sendschreiben"
Amsterdam 1667 S. 94 nennt er sich: Ä. v. F. nunc temporis e Sileaiae
Nobilibus Exul. Dantzig den 25. Novembris, Ao. 1642.
8) Ein Albumblatt für Casp. Bartke hat die Unterschrift: Danzig d.
1. September 1649. G. Kofimane: Die religiösen Bewegungen in der evangel.
Kirche Schlesiens. Breslau lfW(). S. 58. Die Kotae niyatioae et mnemonicae
ad Bechinus Olam sive examen mundi R. Jodaja Happenini. 1()T3 tragen
am Eingange die Notiz: L[udwigedorffj 1650 prid. Kai. Febr.
DigtizBabyCoO^IC
Von Dr. L. Nenbaur.
Freunde Johannes Hevelken",*) dem berühmten Mathematiker
Hevelius, dessen Tischgast er längere Zeit war/) daneben auch
vorübergehend als Prediger in Weichsehnünde wirkend.^) Unter
4) Pranckeiiherg [Frunc. de Monte]; Oculus Sidereus. Daazig 1644. c.
XXXn. Bl. E. Das Exemplar der Danaiger Stadtbibliothek (X. 9, 80). dessen Be-
nutzung der Bibliothekar, Herr Oberlehrer Hoffmann, freundlichst gestaltete,
trägt auf dem Titelblatt folgende bnndsfibriftliche Dedikation dea Verfaasera:
Politis Dno GABEIELI KKüMMHAUSEN. Patritio 1 Dantiscano, D. Astr^ie
et DRaniee OCELLO, [ das Folgende ist leider durch den Buchbinder weg-
geschnitten; zu erkennen ist nur noch das Wort oblatus. Gabriel Krum-
hansen wurde 1647 Secretär, 1U52 Scböppe, 1G55 Mitglied des Batha, IWil
Richter, 1666 Bürgermeister, f 1G85 im Alter von 70 Jahren, cf. R. Cuiicke:
Der Stadt Dantzig historische Beschreibung, Amsterdam u. Dantzigk. 1687
fol. 131 (mit Benutzung der haudschrifl. Zusätze in dem Elbinger Exemplar).
Aus K.'s Testament teilt G. Löschin: Beiträge zur Geschichte Danzigs.
Driltea Heft Danzig 1»J7, S. 39 folgende Bestimmungen mit : „6000 Fl. den
8 Praeceptoribus an hiesiger Pfarrkirchen, ausziithun auf Interesse bei dieser
Stadt Kämmerei, damit denenselbeii zu einiger Ergötzuug bei ihrer schweren
Schularbeit jährlich zum "Wenigsten mit BVi^ Fl. zum Holzkauf in ihrer
Haushaltnng einem Jedweden, anlangende vom Herrn ßectnre bis zu dem
Praeceptere paiiperum, ohne allen Unterschied gereichet und gegeben werden
können. — 6O0O Fl. polnisch dem allhiesigen Gjnnnasio, als dem Ort, an
welchem die fundamenta studiorum meorum in meiner Jugend geleget habe,
welche zw Rathhanse zinsbar ansgcthan werden sollen oder können, und
zwar mit dieser dabei angefügten ausdrücklichen Condition, daß die jähr-
lichen Interessen zum Unterhalt desselbigon Gebäudes einig und allein an-
gewendet, und weder diese Interessen, noch auch das Kapital solbaten
jemalen zu anderm Gebrauch und Nutzen verwendet werden mögen."
5) G. Arnold; Ketzer-Historie. II Franckfurt 1714. fol. 92.
6) In Gottfried Zamehls PastoreS trium civitetnm majonim Borussiae
Regalis Thorn, Elbin«, Danzig. MDCLXIII (Handschrift des Elbinger Stadt-
Archivs E. 25) wird bei Münde „Propugnaculi Dantiscani" zum Jahre 1644
genannt; Abrahnmus de Franckenberg. Da aber nach Rhesa's Kurzgefaßten
Nachrichten von allen seit der Reformation in Westpreuflan angestellten
Predigern, Königsberg ISÜ. die für Danzigs ältere Zeit auf der nur im Manu-
Script vorhandenen Presbyterologia Dantiscana des Johann Albinus, 'f' 16t)2
(cf. S. 43) imd den handschriftlichen Sammlungen des Ephraim Praetorius,
i 1723 (cf. S. 67) beruhen, S. 76 der Prediger in Weich sei münde Adam
Büthner am 6. Juli 1641 starb und sein Nachfolger G. D. Koschwitz erst
am 1. Januar 1644 sein Amt antrat, in dem er bis zu seinem Tode 1652 ver-
blieb, so wird Franckenberg wahrsclieinlieh während der Vakanz 1643 da-
selbst gewirkt haben.
DigtizBabyCoOgIC
298 Hj'mnologische Miscellen-
den während dieser Zeit eutstandenen Schriften sei nar jenes
merkwürdige Büchlein erwähnt, in welchem er, seiner mystischen
Richtung entsprechend, fttr die Existenz des „Ewigen Juden"
eintritt.') lu Danzig entstand auch das einst viel verbreitete,")
auch gegenwärtig noch „in Schlesien ziemlich häufig gefundene"*)
in der Ueberschrift genannte Lied, dessen Entstehung, da sie
den Hymnologen bisher nicht bekannt gewesen zu sein scheint,"*)
hier berichtet sein mag. Im Jahre 1649 starb zu Danzig als
Prediger am Zuchthause Georg Tschirtner. Er war am 23. April
1603 zu Bunzlau geboren und 1633 zu Oela ordinirt worden.
Während des Krieges verlor er dreimal Hab und Gut durch eine
Feuersbrnnst und geriet selbst in Lebensgefahr. Um das
Jahr 1640 wurden ihm seine Frau und mehrere Kinder durch
den Tod entrissen. Er mußte dann Schlesien verlassen und
kam endlich 1647 nach Danzig, wo im März seine zweite Gattin
aus dem Leben schied, die er nur um einen Monat überlebte,
während unerzogene Kinder den Tod der Eltern beweinten.")
Die traurigen Schicksale dieses Mannes, mit dem Franckenberg,
7) EELATION oder Kortzer Bericht Von zweyen Zeugen des Lejdens
VDSers geliebten Heylandea Jesu Christi, deren einer ein Heyde der ander
ein Jude. Amslerdam 1647. 2, Aufl, IGGO. cf. meine Schrift: Die Sage vom
ewigen Juden unt«rBUcht. Leipzig 1884. S. 5 f. 20 f. Mir war freilich bei
Abfassung der genannten Schrift noch nicht bekannt, daü Franckenberg
der Autor sei.
8) Jul. Mützell: Geistl. Lieder der evangel. Kirche aue dem 17. n. d.
e. Hälft« d. 18. Jahrhunderts. Braunschweig 1858 I. S. 362 führt 46 Ab-
drücke desselben in Erbauangs- und Gesangbüchern aus der Zeit von 1680
bis 1785 an, nnd A. Fischer: Kirchenlieder- Lexicon- Supplement I. Gkith»
1886 8. 21 nennt noch vier weitere Oesangbucher aus den Jahren 1699.
1702. 1712. 1725, worin es sich findet.
9) Fischer: Kirch enliedei^Lexicon I. (1878) S. 76.
10) Koch: Gesch. d. Kirchenliedes HI« (1867), 29-3 bemerkt zwar, daß
HofFmann v. Fallersleben den Eineeldruck des Liedee aufgefunden und im
Weimar. Jahrb. 1856 ahgedrncVt habe; doch ist diese Behauptung nicht
richtig und nur durch die Annahme zu erklären, daB K. den Abdruck bei
Hofimann nicht vollständig gelesen hat. Fischer I, 75 teilt diese Bemerkung
Kochs einfach mit; auch Koffmane a. a. 0. p. 84 weiG darüber nichts zu sagen.
11) Rhesa a. a. O. S. 75, sowie die Angaben in den Leichen g«dichl«n,
die sich in dem Bande XV. q. 77 der Banziger Stadtbibl. befinden.
DigtizBabyCoOgIC
Von Dr. L. Neubaur. 299
welcher ihn vielleicht schon in Schleeien kennen gelernt hatte,
ohne Zweifel in Danzig näher bekannt geworden war, ver-
anlaßten ihn, sich an einer literarischen Publikation zu be-
teiligen, die heim Tode der Gattin Tschirtners erschien. In
9 Distichen, die er „Sympatriotae oc/iircux'"*'" widmete, und
welche mit den Worten beginnen:
Vita VIATORUM Lahor & Dolor: omnibus una est
Sors; & perpetuuB oil nisi Mortis Ägon,
zählt er u. a. auf, wer dem Trauernden das viele Leid gebracht;
Milea atrox, & Flamma voraz, & Morbus anhelans,
& qnae non parcit, Mortis avara mauus,
und spricht die Hoflfnung aus, daß Gott ihm die Gattin und den
Kindern die Mutter ersetzen werde,'*) Als Tschirtner selbst
starb, erschien eine zweite Publikation mit Beiträgen von fünf
Dichtern,^') darunter an letzter Stelle das bereits von- Hoffraann
von Fallersleben, freilich hin und wieder mit Äenderungen in
der Orthographie und Interpunktion veröffentlichte Gedicht, bei
dem er jedoch den Fundort nicht angiebt, auch über Tschirtner
nichts sagt. Vielleicht lagen ihm nur die Blätter vor, auf denen
Franckenbergs Arbeit sich befand.'*) Das Gedicht beginnt
folgendermaßen :
12) EPICEDIA, I Ad Virum, | Beverendum & Djctiasiinum, | DN.
GEORGIVM i TSCHIRTNERVM, quondam in Sileaiorum Ducatu Jaura-
vienai, | poatea in Borussorn Marchio— Bi-andenburgenai, | nunc in Sophroni-
sterio Gedanensi, | Pastorem iidelissiraum, i SUPER OBITU 1 VXORIS
dileclissim«;, | MARTILE HARTRAKFFLE, | Foeminffi piie, | Matris Familias [
optirase, [ A C. di Iic XLIX d. XIII. Martij, | paulo post oclafam Vesperti-
nam, | Dantiaci | pie placideqj defunrtse, | Solatij ergo | scripta | 4 1 Conter-
r«neis. | DANTISCI, Typis RHETIÄNIS. | 8 Bl. 4". Stadtbibl. zu Danzig XV.
9. 77 (122) Franck^nbergB Gedicht ist das erste in dieser Sammlung.
13) In luctnosnm Obitum ' VIBI 1 Eeverendi & Doctisaimi | Dn.
GEORGII I Tschirtneri, | Sophronoaterii Oedanensium Paatoris vigiian-
tiasimi &c. | XI. Aprilis Anno 1U9. pi^ placideqj | defuncti. i DANTISCI,
Typis Rhetianis. | 6 Bl. 4". Danv^ig XV. (|- 77 (12ö).
14) Weinnarisches Jahrbuch IV, 157-160. Diese Frage läßt sich wohl
nicht mehr entscheiden. Die OroBherzogl. Bibliothek zu Wäiniar besitzt,
wie mir Herr Dr. B. Köhler gütigst mitteilte, von Franckenberg nur die
Schrift : Raphael oder Artzt^Eogel. Amsterdam 167G.
DigtizBabyCoO^IC
Hym&ologische Miacelien.
A
CHRISTI
0 VITA t MORS •
ADäUI
Si morior, vivo: morior, si vivo; nee obstat,
More mihi, Vita tua est; mea Mors, tibi Vita:
Mors tua, Vita mihi ; Moi-s tibi, Vita mea.
Vita tua est mea Yita tarnen; tua Mors mea Mors est:
Sic, dum bis morimur, bis simul exorimur!
ErklUruDg.
Christi Tod ist Adams Leben;
Cbristi Leben, Adams Tod:
D^nn aus Lieb hat sich gegeben
Christus in des Adams Notli;
Auff daß Adam in Hirn stürbe,
Nicht im Andren Tod verdürbe.'^)
Dieses Lied, welches die Untersclirift trägt:
In Dantzig Aus irewbertzlichem Mitiejden /
13. April, 1649. zum Trost der Mitbetrübeten
Abraham von Franckenberg.,
hat der Verfasser, wahrscheinlich, um ihm die Aufeahme in die
Gesangbücher zu ermöglichen, an einigen Stellen umgearbeitet,
indem er, abgesehen von unbedeutenden Correcturen,'*) die
15) Die gleich zu erwähnende Neubearbeitung des Liedes hat am
Rande dieser Stroi)he die Worte:
Wer nicht stii-bet /
eh' er stirbst;
Der vertirbet /
wann Er sttrbet.
16) Der Scblufivers der zweiten Strophe lautet in der eisten Fassung:
.Und ersteh mit klarem Leibe", in der aweiten Fiissung: „Und ersteh
im" etc.; die Strophe lit in der arsjiriin glichen Fassung am Ende: nLall
uns in dir ewig wohnen"; in Umarbeitung: „Laß uns ewig in dir wohnen."
DigtizBabyCoO^IC
Von Dr. L. Neubaur.
301
persönlichen Beziehungen wegließ und Änderungen vornahm, die
freilich etwas gezwungen erscheinen. Zum Vergleich stelle ich
die ursprüngliche und die geänderte Fassung neben einander:'^)
Solches hat genug erfahren '
T8CHIRTNFR.dervieiIiebeMnnn/ ,
Bey Bo Tielen trüben Jahren;
Ja von seiner Jugend an
Hat Er Christi Creutz getragen;
Da wol mancher wftrde zagen!
7.
Ich wil seine Flucht nicht zählen /
Seine Notli und Thränen-Saat;
Dann Er thäts auch seibat verbalen ;
Hielt sich vest an Oottes ßaht.
Seinen Trost auff Gott Er setzte /
Ob Ihn schon die Welt verletzte.
Solches musimGeist' erfahren [niohtSpar
> einRecht-GlanbigChristen-Mann/
Wann, Er komt zu seinen Jahren;
Ja von seiner Jugend an
Mus Er CHEISTI Creutze tragen ;'
Auch im Tode nicht vorzagen.
(CRUX CHRISTI, CORONA
CHRISTIANI.)
Wer wil solche Fludten z&blen /
Solr-he Noht und Threnen-Saat?
Ein Gesiheidter thuis verhälen /
Hält sich täst an Gottes Raht:
Seinen Trost auf GOTT Er aätzet /
Ob Ihn schon die Weldt verletzet.
^a^ Maadam
noa GDiat
UTINDUH.
Dehn Er hier gar ernstlich lehrte / , Dehn Er HertzHch liebt tmd ehret /
17) Das umgearbeitet« Lied steht in folgender re'ht seltenen Schrift,
von der ich zwei Ausgaben kenne: MIT || I. H. S. V. H. I| Kurtz || APOSTO-
LISCH il oder II Gründlich- und Endlicher || HAUPT-SCHLUS und AUS-
SPRUCH II vom i; Wahren und Falschen || CHRISTENTHÜM. || 0. O. n. J.
4 Bl. 4». (Sladtbibl. zu Breslau: S. 1310.) Die Schrift enthält zwei Stöcke,
von denen das erste am Schluß der Jahreszahl tis Iic XXXIIX trägt. Das
zweite beginnt folgendermaßen:
THEUTSCHE THEOLOGIA
PETRI CHRISTI PAULI
0 VITA t MORS •
TAULBHI ADAMI LDTHBBI
il
MYSTERIUM
,dbyGoogIe
302 Hymnologische Miscellen.
Die Zusätze am Bande und hinter der sechsten Strophe des
zweiten Textes fehlen in dem Trauergedicht. Das Preyling-
hausensebe Gesangbuch (seit 1704), dem, wie Fischer (Kirchen-
lieder-Lexicon I (1878), 75) bemerkt, das Lied vorzugsweise
seine Verbreitung verdankt, bietet einen gemischten Text'*) aus
den in Paul Kayms „Hellleuchtendem Hertzens-Spiegel"'*) und im
Schützeschen Gesangbuch*") stehenden Becensionen, doch im
engeren Anschluß an die letztere.
Daß Franckenberg den Grundgedanken des Liedes erst „im
Kreise seiner mystisch gerichteten Freunde empfangen" habe,*')
ist nicht nachzuweisen. Schon in der von ihm verfaßten eigenen
Grabschrift**) finden sich die Worte: VITA CHBI. * MOES
ADAMI II MORS CHRI. « VITA ADAMI,*») die Daniel v. Czepko
Erklärniig.
CHBISTT Tod ist ADAMS Leben.
(Am Schluß:) Zu :| Gott- und Todea-Seh liger Andacht '| Schriebs in Danta;ig||
13. April. 1G49, i Abraham Vom Frau cken- Berg. | NB. Der dritte Strich
in dem Buchstaben m des Wortes Vom ist in dem Brealauer Exemplar von
alter Hand durchstrichen. Dieser Druck mufl, wie sich aus der Schreibung
des Verfasser-Namens ergiebt, nach Frauckenbergs Tode (1652) veranstaltet
sein. In der zweiten gleichfalls ohne Angabe des Ortes und Jahres ei>
seh ienenen Ausgabe der Schrift (Univeraitats-Bibl. zu Jena: Biid. Tbeol.q, 11),
-welche auch orthographisch abweicht, fehlt die am SchluS des ersten Stückes
stehende Jahreszahl; hinter v. 13 der „Teutschen Theologia" steht: Zu ||
Gott- und Todes - Söhliger Andacht || Schriebs ] Abraham Vom Francken-
Berg. II Wie sich aus den Typen nnd dem Papier ergiebt, ist dieser Nach-
druck in demselben Verlage erschienen, wie die in dem gleichen Bande
stehenden „Theosophiechen Schriften" Jacob Böhmes, zwischen denen sie
durch Versehen des Buchbinders eingeheftet sind: Amsterdam und Franckfurt
am Mayn, bey Henrico Betkio, MDCLXXV.
18) Ich benutze die Ausgabe: Geistreiches Gesang-Buch, den Kern
alter nnd neuer Lieder in aich haltend. Dreizehnte Edition. Halle 1758.
19} Franckfurt und Leipzig 1680. S. 229-233.
20) Halle 1697. S. 56-60. cf. Jul. Mütaell a. a. 0. S. 361. 362.
21) Fischer: Supplement I, 21.
22) Abgedruckt am Schlüsse der Schrift: Notae mysticae etc. 1673
und Raphael etc. 16T6.
23) Sein Epitaphium in dem FamilienbegräbniB zu Oels enthält freilich
diese Worte nicht: Job. Sinapius, Olsnographia II. Leipzig 1706 S. 90.
DigtizBabyCoO^IC
VoB Dr. L. Keubaur. 303
in seinen „Sexcenta Monodisticba Sapientum" 1655, zu denen
Franckenberg einen poetischen Beitrag 1651 geliefert hatte,**)
nur paraphrasiert hat.**}
Überdies ist der in der zweiten Strophe dee Liedes:
Adams Tod ist Christi Leben;
Adame Leben / Chrieti Tod ;
Adam muH nach Christo streben
Sterben auch mit Hdn und Spötj
AafF daß Er in Chiisto bleibe /
Und ersteh mit klarem Leihe*'),
enthaltene Gedanke schon in den von Franckenberg 1636
vollendeten „Jordans-Steinen"*') ausgesprochen: . . . „wollen es
aber dieses Orthes bey dem einen Haubtschlusse bewenden lassen;
nemblich: daß Adam / die Sünde / das Gesetze / der Tod / die
Hölle und das Verdamnüß / in uns nicht sterbe / noch aafhöre /
ea sey denn / daß Christus zuvor durch den Glauben in uns
empfangen / eine Gestalt gewinne / gebohren / wachse / zunehme /
starck werde / wilrcke / bete / lehre / leide / sterbe und auff-
erstehe."
Auch für andere Gedanken in unserem Liede lassen sich
Parallelstellen aus früheren Schriften Franekenbergs beibringen.
Wenn es z. B. in Strophe 10 und 11 heißt:
0! daß wir Ihm gantz gelassen /
FröHch Buchten unser Grab /
Ersthch zwar / in Christi Hertzen;
Nachmals in der Erd' ohn Schmertzen,
Denn auch Christi Orab ohn Sorgen /
Und Banfft-ruhig Bettelein /
Ist mit Geist und Wort verborgen
In des Gläubgen Hertzena-schrein,
so ist dies nur eine weitere Ausführung der Worte, die sich
24) Abgedrackt von Koffmane im „Oorrespondenzblatt des Vereins
tüT Geach. der evanget. Kirche Schlesiens" I. Breslau 1882 S. 66.
26) Correspondenzblatt etc. I, 74 (No. 100).
2G) Dieser Text nach dem Trauergedicht.
27) Franckfurt nnd Leipzig 1684. S. 61—52. Auf S. 231 das Datnm:
Ii.[adwig3dorff] am guten oder slilleu Freytage des 1686. Jahres.
DigtizBabyCoOgIC
304: Hymnoiogisrlie Miscellen.
bereits in der ersten Schrift unseres Mystikers finden: „Daß das
Stillestehen und Sabbath halten / nichts anders sey als mit
Christo durch die Tauife in den Tod begraben werden; mit
einem demütigen Vnterwnrff eich in gelassener Gelassenheit
aller Creaturen verzeihen und vntergeben: allein in das newe
Felsengrab des Hertzens IHSUH CHRISTI zu gründe ein-
siucken / vnd sich also gantz ■williglich in Gott verlieren." Die
darauf folgenden lateinischen Worte:
„ l Christi 1 _ i . i Christiani
finden sich auch am Rande der genannten Verse. ^®)
Unter den zwölf Dichtem, die beim Tode von Tschirtnerg
Gattin poetische Spenden lieferten, befand sieh auch Johann Peter
Titz, dessen Gedicht hier folgen mag — es steht in der ge-
nannten Sammlung an vierter Stolle — zumal es in der Aus-
gabe seiner Gedichte von L. H. Fischer, Halle 1888 fehlt:
WO einer kan von Noth / von Creiitz und Elend sagen /
Von UnfftH / der »uff Ihn mit häuften zugest-hiagen /
So seid / Herr Tschirlner / Ihr gewiß d' letüte nicht
Der einem gnug davon kan geben Unterricht,
28) CONCLVSIONES ; de :| FUNDAMENTO :, .SAPIENTLE ;i Theorico-
praotic». ' Das ist , !| Endlicher Beschluß ,j Vom Grunde der Weißheit / ,; Von
etlichen Liebhabern der Wahrheit ]■ zusammen getragen, ^i (Vignette) || König-
Stein / ll Anno eil hc XLVI (GoetUngen : Th. Thet. I. 158ä. — Der Druckcirt
ist in Wirklichkeit Amsterdam, Hans Faboll. S. 8, In der zweiten Aasgabe:
Amsterdam 1677 steht auf dem Titelblatt: „Von einem Liebhaber derselben
zusammengetragen." Daß Franckenberg, obwohl er sich nicht nennt, der
Verfasser sei. ergiebt sich aus der Unterschrift (der ersten Ausgabe, in der
zweiten fehlte sie):
Amicus Veritatis Fidelis.
1625.
welche die Anfangsbuchstaben seines Namens enthalten, übei-dies sr^lireiben
die alten Verzeichnisse seiner Schriften, die sich in den beiden Ausgaben
der „Theologischen Sendschreiben Franckenhergs", Amsterdam 1667. 1687
(ans dieser zweiten Auflage abgedruckt in der „Geistlichen Seelenflucht"
Amsterdam 1700) und in der ihm fälschlich beigelegten Schrift: Nosce t«
ipsnm. Frankfurt 1676 finden, ihm ausdrücklich dieses Büchlein zu.
DigtizBabyCoOgIC
Von Dr. L. Neubaur, 305
Tor vielen Jahren echon ist (leider!) es gescheben /
DaH Ihr das Vaterland habt müaseD rückwerte sehen:
Da Ihr / mein Herr und Freund / nmb HauB / umh Hof/ umb Gatt /
Umb alles kommen seyd / ja fast luub Leib imd Blut-
Wie in der Frembde nun es pfleget herzugehen /
Wie man eich drücken mufl / und was man auB-muß-etehen /
Welch ein geduldig Herta und Sinn dazu gehört /
Hat die Erfahrung Euch indessen wol gelehrt.
Jetzt trifft Euch neues Leid / itzt fiihlt Ihr neue Wunden /
Die Euch weit weher tbun / als was Ihr je empfunden:
Weil Ihr auch die verlieret / Die vormals in Gefahr /
In Nöthen / Euer Trost und treue Hülffe war.
Ein harter harter Stoß! der Euch in Eurem Hertzen
So tiefies Weh gebiehrt / so übergroße Schmertzen /
Dail solches Euch gewiß wird unerträglich seyn /
Stärckt Euch mit Gottes Wort in dieser Trauree-Pein.
Das aber lehret Euch / wie vor in andern fällen /
Stets fort auff Euren Gott Gemüth und Hoffnung etellen /
Auff Gott / den Wunder-Gott / der züchtigt und betrübt /
Und die am meisten offt / die er am meisten lieht.
Weil Ibr von Ihm denn nun auch itzt nicht wollet lassen /
So seyd gewiß / wie schwer es die. Vernunft kan fassen /
Daß Ihr das Gutte noch sollt sehn / das Er verspricht
Der Wahrheit-volle Mund des Höchsten teuschet nicht.
Aus schuldigem hertzlichem Mitleiden
eilfertigst gestellet
von
Johann Peter Titzen.
S. Zur Autorschaft der Lkder Valentin Thilos d. J.
W. Bode*) bemerkt: „Bei etlichen der 21 mit Thilos Namen
bezeichneten Lieder steht seine Urheberschaft nicht fest; auch
kann es bei dem einen oder anderen zweifelhaft sein, ob sie
nicht dem Vater angehören, der denselben Vornamen führte
1) Quellennachweis über die Lieder des hannoverschen und Iflneburgi-
sehen Geeanghucfas. Hannover 1881. S. 161.
Altpr. UoutMohrlfl Bd. ZZTL Eft. 8 n. 4.
DigtizBabyCoOgIC
306 Hymnologische Miscellen.
and auch dichtete;" und Fischer^) erklärt: „Der Streit, ob ein
Lied dem älteren oder jüngeren Thilo zuzuschreiben sei, iat
nnfrnchtbar." Die noch von Ooedeke') dem jüngeren Thilo bei-
gelegten Lieder; „Der Tag bricht an", und „Den Vater dort
oben" gehören wahrscheinlich beide dem älteren Thilo an;
wenigstens steht es fttr das erstere fest.*) Die Lieder: „Herr
Qnser Gott wenn ich betracht"; „Groß ist Herr dein© Güte";
„Diese arme Lebenszeit" ; „Auch jetzund ist es Zeit", sind
ursprünglich Gelegenheitsdichtungen des jüngeren Thilo, wie
die davon Torhandeimn Einzeldrucke ergeben.*) Für die Drheber-
Bchaftr von acht anderen Liedern desselben Verfassers berief man
sich bisher auf A. H. Sahmes {f 1734) „Glossirtes Gesangbuch",
Königsberg 1752, worin über jedem dieser Lieder ,, Valentin
Thilo, Prof" oder ,,Eloqv. Prof." steht. Doch wußte man nicht,
ans welchem Grunde Sahme sie diesem Verfasser zuschrieb,*)
Es sei mir daher gestattet, auf folgende, wie es scheint, seltene,
wenigstens von Arnoldt, Jöcher, Pisanski und Goedeke nicht
erwähnte Schrift desselben Verfassers hinzuweisen, in der die
Frage nach der Autorschaft von 15 Liedern entschieden sein dürfte:
Das vortreffliche Lied | Groß ist Herr ; deine Gülte ,' || Hat in vier ;
unterschiedenen Predigten 1 erkläret , '.} und zur Beförderung ;] des wahren
Christenthums || dem öffentlichen Druck || übergeben |i M. Arnold. Henric
Sahme / || Königl. Pr. "Consistorial-Bath und ü Archi-Diacon. der Löbnicht-
schen ii Pfarr-Kirchen zu Königsberg !| in Preußen. \[ Gedruckt und zu finden
in der StelteriBchen | Druckerey. 1726.| ! 8 Bl , 229 gez. 8. u. 19 S. Register.
12", (Königl. Bibl. zn Berlin; E 131).
2) Kirchenlieder - Lericon. Supplement I. Gotha 188G. S. 34. Auch
Fr. Zimmer: „Königsherger Kirchenliederdichter" etc. (Altpr. Monatsschrift
1S8Ö, S. 109) ist der Ansicht. daO Valentin Thilo d. j. „in vielen seiner
Dichtungen nicht mehr von dem Vater unterschieden werden kann",
3) Grundriß zur Oesch. d. d. Dichtung 2. Aufl. III (1887), 135.
4) Fischer, Supplement I, 30 weist dafür schon einen Druck von
1609 nach.
6) Goedeke a. a. 0.
6) Die Angaben im „Erleuterten Preußen" IV (1728), 713, daß Prof.
Jacob Sahme (der Oheim von Arnold Heinrich Sahme) Talentin Thilos
Stiefsohn gewesen, blieb unbeachtet
DigtizBabyCoOgIC
Von Dr. L. Neubaur. 307
Das Buch ist von dem Verfasser dedicirt seiner Mutter
„Anna Lucia geb. Bredeloin, Seeligen Herrn Heinrich Sahme,
gewesenen Gerichts -Verwandten der Königlichen Alten Stadt
Königsberg, nachgelassenen Frau Wittiben", deren Kindern und
Schwiegerkindem. Auf BI. )( 3 heißt ea; „Der wahre Autor
von diesem Liede [Groß ist Herr deine Güte] ist Herr
M. Valentinua Thilo, sehr berühmt gewesener Professor Ordinarius
Eloquentiae auf hiesiger Königsbergischen Academie, wie auch
Geheinbter Secretarius Sr. Königl. Hajest. in Pohlen / welcher zur
zweytan Ehe gehabt die "WoUaeelige Frau Catharina geb. Remsin /
des Weyl. HochEdlen Grollachtbahren und Hochgelahrten Herrn
Jacob Sahme / gewesenen vornehmen Raths -Verwandten und
Voigten der Königl. Alten-Stadt Königsberg / nachgelassene
Fr. Wittibe / und also Mein Stieff- Groß -Vater gewesen.'') Ob
nun woll dieses vortrefflichen Mannes Nähme noch bey allen
Gelehrten bekandt ist / auch so lang bekandt und hochge-
achtet bleiben wird / als die gelehrte Welt wird stehen / und
als er in seinem Leben von Hohen und Niedrigen hochgeachtet
worden / so habe ich doch durch Erklärung und Herausgebung
dieses von Ihm verfertigten Liedes um so viel mehr Sein Ge-
7) Zor näheren Erläuterung gebe ich nach GalldniJi: „Königsberger
Stadtgeschlechter" (AltpreuQ. Monatsschrift 1883 S. 567 ff.) folgenden
Stammbaum:
Jacob Sahme, vermählt in 3. Ehe 1628 mit Catharina Remse [wiederver-
Kathaherr der Altstadt, 1 mahlt 1643 mit
+ 1641 I Prof. Valentin Thilo]
Aus dieser Ehe 7 Kinder, darunt«r:
Jacob, geb. Iß29. Heinrich, geb. 1636, f 1700; vermählt
1662 Prof eloq. in Königsberg, Gerichtaver- 167& mit Anna
1666 Erzprieat^r in Bartenstein, wandter der Lucia Bredelo.
1673 Pfarrer im Kneiphof, Altstadt.
t 1680 (cf. Erleutertea Preußen . —.,■-■
jy 7ig, Arnold Heinrich, geb. 1676, f 1734.
Kon sisto rialrat h ,
Dnrch die an unserer Stelle befindliche Notiz, daD Catharina Kemse
die Bweite Gemahlin Valentin Thilos gewesen, wird die Angabe Gallandis
a. a 0. 611 ergänzt
20*
DigtizBabyCoOgIC
308 Hymnologische Miscellen.
dächtniß emeureu wollen / weil daraus erhellet / daß Er nebst
der fürtrefflichen Redner-Kunst / auch ein geschickter Poet / ja
©in QOttliebender / in der Heil, Scbrifit erfahrner und durch
viel Creutz geübter Christ gewesen."
Bl. X ^'- n^ exich hier in Königsberg Zwey Magistri
Yalentini Thilones gelebet / nemblich dieser Professor und sein
seeliger Herr Yater / gewesener Diaconus der Altstädtischen
Pfarr-Kirchen / so haben die wenigsten bisher gewust / wer dieses
Lied gemacht? ob der Vater? ob der Sohn? "Welchen Zweiffei
ich denn nun allen gar leicht benehmen kan / da ich von Meinem
seel. Hm. Vater (als des seel. Hm. Prof. Thilonis Stieff-Sohn
und Amanuensi) vielmahlen gehöret / da£ er nicht allein dieses /
sondern auch folgende Lieder gemacht:
Auf anf mein Hertz zu Gott dich scli,[wing, No. 864. ')]
Anf mein Hertz za OOtt dich iencke.
Dies ist der Tag der Frölickeit. [34 u. 117.)
Diese arme Lebens-Zeit. [949.]
Onug mein Hertz der Tag sich neigt. [926.]
HBrr OOtt meine Seele bringt. [7&4.]
HErr anser GOtt wenn ich betracht (674.]
Komm H. Geist dein Hülff mir leist. [26a]
Mit Ernst O Menschen-K. das Heyl. (sie. 16.]
Se;^ freudig arme Christenheit. [1076.]
Sollte denn das schwere Lejden.
Wenn deine Christenheit. [327.]
Wer recht des Himmels-Firmament.
Wes ist der Stern so heut &c. (107.1
Weil nun dieses Geistreiche Lied aus unserer FreundschafEl
seinen Ursprung nimmt / so habe ich es auch keinem andern
als Meiner werthen Familie und allemähesten Anverwandten /
als des Seel, Hm. Professor Thilonis Descendenten / dediciren
wollen / znmahlen da sie dasselbe nicht allein hochachten und'
damit ofEbers ihre Andacht unterhalben / sondern auch alles was
darinnen enthalten ist / sich anf ihren Zustand schicket."
8) Die ia Klammem eteheaden Nonunem sind die des „Oloasirten
Oesangbnche."
zeabyCoOgIC
Von Dr. L. Neubaur, 309
Das zum Geburtstag der Ursula Pärsin, 6. Nov. 1640
gedichtete „Wundsch- vnd Danck-Liedlein": „Auch jetzund ist
es Zeit" (Goedeke a. a. O.) ist in diesem Verzeichnis übergangen,
vielleicht um seines wohl nicht rein religiöaen Inhalts willen.
Mir ist es nicht bekannt geworden.
Elbing, 9. Mai 1889.
,dbyGoogIe
Drei Briefe
Schopenhauers an Karl Rosenkranz
betreiFend die Gesammtausgabe von
Kants Werken.
Mitgetheilt von
Kndoir Rel«ke.
Im Jahre 1837, als Koseokranz und Schubert ihre
Gesammtausgabe von Kants Werken ankündigten — die erste
Nachricht davon gab Rosenkranz selbst im 2*'^'' Bande der Dio-s-
kuren {Berlin 1837) S. 18—35, die von beiden verfaßte und
von Leop. Voß als Verleger unterzeichnete Subscriptions- Anzeige
ist datirt am 9. Juli 1837 — wandte sich sofort Arthur
Schopenhauer brieflich an jene mit dem bekannten Vor-
schlage, die Kritik der reinen Vernunft „tein und unverfälscht,
in ihrer ächten Gestalt" d. h, in der ersten Ausgabe von 1781
abdrucken zu lassen. Die hierauf bezügliche wichtigste Stelle
dieses merkwürdigen Sendschreibens vom 24. Auguat 1837 theilte
Hosenkranz mit Schopenhauers ausdrücklicher Erlaubnis in
seiner Vorrede zum 2"° Bande der sämmtlichen Werke Kaut«
S. XI — XIV mit, indem er noch an zwei Stellen ein paar ihm
zur Verfügung gestellte Zusätze aus einem zweiten Briefe
Schopenhauers hinzufügte. Nur dieser Auszug ist bisher bekannt
gewesen und wiederholt abgedruckt, zuletzt in Ed. Grisebach's
,,Edita und Inedita Schopenhaueriapa" (Leipzig 1888) S. 15—17.
Schopenhauer unterließ nicht auf dieses sein Sendschreiben an
Rosenkranz in der 2"" Ausgabe seines Werkes: ,,Die Welt als
Wille und Vorstellung" Bd. I. (Leipzig 1844) S. 489 hinzuweisen.
DigtizBabyCoO^IC
MitgetheÜt von Hudolf Eeicke. 311
Zum erstenmal erscheint nun in der Altpr. Monatsschrifl
der vollständige Abdruck dieses sowie noch zweier anderen
nicht minder wichtigen Briefe Schopenhauers aus dem Kachlasse
Boaenkranz', dessen Tochter und Enkel Ich für die freundliche
Gewährung meiner Bitte um Mittheilung und Veröffentlichung
der Originale an dieser Stelle meinen päichtachuldigsten Bank
ausspreche.
I.
An die Herren Professoren Eosenkranz und Schubert, der
Universität Königsberg,
Geehrteste Herren!
In Uirer Eigenschaft als Herausgeber der sämmtl. Werke
Kants ist es allein, dass ich mir die Freiheit nehme, Ihnen eine
Mittheilung zu machen, welche ich, in Folge eines viele Jahre
gehegten Vorsatzes, eben so Jedem machen würde, der dem
besagten Unternehmen vorstünde. Wenn nun dieses zwar, wie
ich nicht verhehle, so wenig Ihrethalben als meinethalben, son-
dern ganz allein im rein objektiven luteresse der Kantischen
Philosophie geschieht, so wird nichtsdestoweniger diese Mit-
theilung, wenn Sie solche benutzen wollen, zu Ihrem Vortheil
gereichen, indem Sie alsdann die von Ihnen übernommene Ob-
liegenheit mit Ehre erfüllen u. das Lob verdienen werden,
wirklich etwas geleistet zu haben, wofür Sie als Herausgeber
Ihre Namen der Ausgabe vorsetzen. Denn, mit Ausnahme des
einzigen Punktes, von welchem ich zu reden habe, sehe ich
dazu bei K's Werken wenig Gelegenheit. Vollständigkeit u.
korrekter Abdruck sind hier nicht schwer zu leisten, u. die
Ordnung der Bücher am Ende gleichgültig.
Was mich betrifft; so glaube ich voraussetzen zu dürfen,
dass mein Verhältniss zur Kantischen Philosophie u. meine
Kritik derselben Ihnen bekannt ist. Seit 27 Jahren hat Kants
Lehre nie aufgehört ein Hauptgegenstand meines Studiums u.
DigtizBabyCoOgIC
312 Di^ei Briefe Schopenhauers an Karl Boaenkranz etc.
Naclideiikeiis zu seyn. Ich möchte wissen, wer unter den Mit-
lebenden kompetenter in KantiBcher Philosophie wäre als ich. —
Zur Sache! —
*) Bekanntlich hat K. an der Krit: d. rein: V. bei der
2t6n Ausgabe eine bedeutende Veränderung vorgenommen : u.
nach dieser 2'"' sind alle folgenden abgedruckt worden. Nun
ist es meine feste, aus wiederholtem Studio des Werkes erwach-
sene u. auf sichere Gründe gestützte Ueberzeugung, dass K, durch
jene Aenderung, sein Werk verstümmelt, verunstaltet, verdorben
hat. Was ihn dazu bewog, war Menschen furcht, entstanden
durch Altersschwäche, welche nicht nur den Kopf angreift, son-
dern bisweilen auch dem Herzen jene Festigkeit nimmt, die
nöthig ist, um die Zeitgenossen, mit ihren Meinungen u. Ab-
sichten, nach Verdienst zu verachten; ohne welches nie ein
grosser Mann wird. Mau hatte ihm vorgeworfen, seine Lehre
wäre nur aufgefrischter Berkleyanischer Idealismus: sodann hatte
sein Umstossen geheiligter Lebren des alten Dogmatismus, na-
mentl. der rationalen Psychologie, Aergerniss gegeben. Dazu
kam von Aussen, dass der grosse König, der Freund des Lichts
u. Beschützer der Wahrheit, eben gestorben war, u. jener Nach-
folger, dem K bald versprechen musste, nicht mehr zu schreiben,
ihm succedirt hatte. Durch dieses Alles Hess Kant sich intimi-
diren a. hatte die Schwäche, zu thun, was seiner nicht würdig
war. Dieses besteht darin, dass er das Erste Hauptstück des
2*'" Buchs der transs: Dialektik (der ersten Ausg: p. 341; —
der 6**" p. 399) gänzlich verändert u. daraus 32 Seiten rein
weggestrichen hat, welche gerade das enthielten, was zum deut-
lichen Verständniss des ganzen Werks tmumgängl. nöthig ist,
u. durch dessen Weglassung, wie auch durch das an die Stelle
gesetzte Neue, seine ganze Lehre in Widersprüche mit sich
selbst geräth, Widersprüche, die ich in meiner Kritik (p. 612 — 618)
I) Die ganze Stelle von hiev ab biä zur Wiederkehr von '} ist abge-
druckt in Rosenkranz' Vorrede zum I[. Bde. von Kants sömmtl. Werken
s. xi-xrv.
DigtizBabyCoOgIC
Mitgetheilt von Rudolf Reicke. 313
gerügt u. haryorge hoben habe, eben nur weil ich damals,
1818, die erste Ausgabe nie gesebn hatte, in welcher sie
keine Widersprüche sind, sondern zum G-anzen atimmen. In
Wahrheit, die 2** Ausg: gleicht einem Menschen, dem man ein
Bein amputirt u. es durch ein hölzernes ersetzt hat. — In der
Vorrede zur 2*™ Ausg: p. XLII giebt er für die Ausmerzung
jenes wichtigen u. überaus schönen Theila seines Bucha kahle,
ja unwahre Entschuldigungen, weil er nicht eingestand!, das
Weggelassene als zurückgenommen angesehu haben will: man
könne es, seigt er, in der 1**™ Ausg: nachJesen, er habe Kaum
nötbig gehabt für das neu Eingeschaltete, Alles sei bloss ver-
besserte Darstellung. — Aber das Unredliche dieses Vorgebens
wird klar, wenn man die 2*" Ausg: mit der 1"*" vergleicht.
Da hat er in der 2*^° Ausg: nicht bloss das erwähnte wichtige
u. schöne Hauptstück weggelassen u. dafür unter dem selben
Titel ein halb so langes, viel unbedeutenderes eingeschoben;
sondern er hat auch der 2**" Ausgabe (p. 274—279 der 5'*° Ausg:
ich besitze, neben der ersten Ausg:, nur diese u. weiss nicht ob
ihre Seitenzahl exakt dieselbe wie in der 2"" ist) eine aus-
drückliche Widerlegung des Ideatismus einverleibt, die das gerade
Gegentheil der weggelassenen Stelle besagt u. alle die Irr-
thümer, welche diese auf das gründlichste widerlegt hatte, selbst
verficht, folgl. mit seiner ganzen Lehre in Widerspruch steht.
Die neue hier nun gegebene angebliche Widerlegung des Idealis-
mus ist so grundschlecht, so offenbare Sophisterei, zum Theil
sogar so konfuser Gallimathias, dass sie ihrer Stelle in seinem
unsterblichen Werke ganz unwürdig ist. Im Bewusstseyn dieser
Unzulänglichkeit hat er sie noch p. XXXIX der Vorrede, durch
Aenderung einer Stelle verbessern u. durch eine lange konfuse
Anmerke verfechten wollen. Aber der alt© Mann hat vergessen,
nun auch durchgängig aus der 2"*" Aufl. alle die vielen Stellen
zu streichen, welche mit dem neu Hinzugekommenen in Wider-
spruch stebn, aber mit dem Weggelassenen vollkommen harmo-
niren. Dergleichen sind besonders der ganze 6'* Abschnitt der
Antinomie der reinen Vernunft, wie auch alle die Stellen, welche
DigtizBabyCoO^IC
314 ^^ Briefe Schopenhauera an Karl fiosenkranz et«.
ich in meiner Kritik (p. 616) gleichsam verwundert angefiiliTt
habe, weil er dadurch sich Belbst widerspricht n. mir (1818) die
erste Ansg: u. folgt, der TTnterschleif noch unbekannt war.
(Beiläufig können Sie hieraus abnehmen, dass ich nicht für, son-
dern gegen mein persönliches Interesse Ihnen rathe.) Dass
Menschenfurcht es war, die den schwachen Greis zu dieser Ver-
unstaltung der Kritik der rationalen Psychologie bewog, ist
auch daraus ersichtl., dass seine Afigrifi'e auf diese geheiligte
Lehre des alten Dogmatismus, in der neuen Darstellung viel
schwächer, schüchterner u. ungröndlicher sind, als in der ersten,
u. dass er sie, am zU besänftigen, sogleich versetzt hat mit vor-
laufigen, aber hier noch gar nicht hergehörenden u., dem Zu-
sammenhang nach, noch gar nicht verständlichen Erörterungen
der Seelenunsterbliohkeit aus Gründen der praktischen Vernunft
u. als Postulat derselben. Dies furchtsame Zurückweichen also
hat ihn dahin gebracht, dass er über den Hauptpunkt aller Philo-
sophie, näml. das Verhältniss des Idealen zum Realeu, die Ge-
danken, welche er in den kräftigsten Jahren gefasst u. sein
ganzes Leben hindurch gehegt hatte, nun im 64"**" Jahr, mit dem
Leichtsinn, der dem spätem Alter, so gut als die Furchtsamkeit,
eigen ist, eigentl. zurücknahm, jedoch, aus Schaam, nicht einge-
ständlich, sondern, durch die Hinterthüre entschlüpfend, sein System
im Stich lieas. Dadurch also ist die Krit: d. rein; Vem: in der
2**° Ausgabe ein sich selber widersprechendes, verstümmeltes,
verdorbnes Buch geworden: sie ist gewissermaassen unäoht,') —
Mit dem hier Gesagten stimmt auch überein F. H. Jacobi im
ginn Theil seiner sämmtl. Schriften, (od: Hiune, über den Glau-
ben) wo er einen Theil des von Kant Supprimirten u. Sekre-
tirten hat abdrucken lassen.^)
Meine Herren, das Schicksal hat es in Ihre Hand gelegt,
die Kritik d. rein: Vem:, das wichtigste Buch, das jemals in
Europa geschrieben worden, rein u. unverfälscht, in ihrer ächten
Gestalt, der Welt zurückzugeben u. durch eine solche gerechte
Kestitutio in integrum sich den Beifall aller Einsichtigen, ja
'2J In der Beilage, die „über den tranescendentalen Idealisioua" handelt.
DigtizBabyCoO^IC
Mitgetheilt von Eadolf Heicke. 316
den Dank der Nachwelt zu erwerben u. bei Ihrem Unternehmen
wahre Ehre einzulegen: n. dieses grade in dem Zeitpunkt, wo
das wahre Europäische Leben dieses für alle Zeiten geschrie-
benen Buches, (so früh wie erst 60 Jahr nach dessen Entstehen)
schon anfängt; indem England u. Frankreich begierig nach
diesem Quell der Weisheit verlangen. Ueberlassen Sie nicht
das, was doch ein Mal geschehn muss, einer spätem Zeit u. Sie
verdunkelnden Herausgebern: seyn Sie der Wichtigkeit Ihrer
Stellung sich bewusst u. benutzen Sie die Gelegenheit, sich ein
wahres u. bleibendes Verdienst um die Philosophie zu erwerben,
indem Sie sich ermannen zn einem Schritt, dessen Kühnheit,
weil durch die Beschaffenheit der Sache vollkommen gerecht-
fertigt, Ihnen entschieden zur Ehre gereichen wird. Sapere
Budete! Lassen Sie die Erit: d, rein: Vern: genau nach der
ersten Ausg: abdrucken u, fügen die Zusätze u. Varianten der
2"" Ausg: als Supplement hinzu, mit durchgängiger Hinweisung
darauf vom gedruckten Text aus. Dies ist im Grunde auch nur
das rein chronologische Verfahren, indem Sie die Kritik in ihrer
ursprünglichen Gestalt, wie Kant sie nach langjähriger Arbeit
der Welt 'vorlegte, geben u. dann die Aenderongen, die er sp&ter
daran gemacht, hinzufügen.
Ich habe beide Ausgaben genau kollationirt, nlle Abweich-
ungen u. Differenzen notirt, u. erbiete mich, Ihnen ein zuver-
lässiges, überall, nach Seite u, Zeile, jede Abweichung oder
Zusatz genau angebendes Verzeichniss zu schicken, welches Sie
nur zu veriflziren brauchen u. aller weitem Mühe überhoben
sind. Die erste Ausg: hat nur 27 Seiten weniger als die andern:
sie ist durch ihre organische Einheit, durch die Ürsprünglichkeit
ilu-er Konstitution, wie auch in allen ihr eigenthümlichen Stellen,
durchaus klarer u. verständlicher als die 2": dies erstreckt sich
bis auf ihr Inhaltsverzeichniss, welches, durch seine Einfachheit,
viel fasshcher ist als das der S**",')
Lassen Sie ja nicht sich überwinden von dem den Men-
.1) Die2t«u.3tBAufl, haben gar kein Inhallsverzeichniß; erat von der 4«««
Aufl. (1794) an ist ein sehr ausführliches gleich nach der Vorrede beigegeben.
DigtizBabyCoOgIC
316 Drei Briefe Schopeahauers an Karl Basenkranz et«.
sehen eigenen Hang, im betretenen Wege, im ausgefahrnen
Gleise, im breiten Heerwege des Herkömmlichen, (vor dem
Fythagoras warnte) zu bleiben, u. ergreifen nun etwan die halbe
Maassregel, die 2*^ Ausg: zmn Grunde zu legen u. ihr als
Varianten die ursprünglichen Stellen der ersten hinzuzufügen.
Das w&re, wie wenn man bei einer restaurirten Antike die später
geftmdenen Achten Glieder nicht einsetzen, sondern nur daneben
legen wollte. Sondern legen Sie, bei dieser glänzenden Gelegen-
heit, einen Beweis von Urtheil u. Einsicht ab, indem sie [sie!]
mit Konsequenz verfahren u. thun was in der Sache indicirt u.
ihr angemessen ist. " Seguir li pochi e non la voigar gente.
Wollen Sie mich als Zmuther u. Gewährsmann nennen; so ist
es mir recht. Ich bin von der alleinigen Richtigkeit des Ihnen
angerathenen Verfahrens so fest überzeugt, dass ich bereit bin,
die ganze Verantwortlichkeit auf mich allein zu nehmen, wenn
Sie das wünschen u. Ihnen frei stelle, zur Apologie Ihres Ver-
fahrens in meinem Sinn, aus gegenwärtigem Briefe die ganze
Hauptstelle von ,,Zur Sache" an, bis „gewissermaassen unächt"
abdrucken zu lassen: welches jedoch mit Nennung meines Namens
u. ohne alle Veränderungen oder Auslassungen geschehn müsste.
— Mancher wird Ihre Ausgabe kaufen, um die so seltene Urge-
stalt der Krit: d. r. V. zu besitzen, die er nur aus dunkler
Tradition kennt, während die verstümmelte Krit: d. r. V. in
6 od: 7 Auflagen ein sehr verbreitetes Buch ist. Dies ist'ein
Argument für den Verleger. Es ist doch wohl gewiss überflüssig,
zu sagen, dass ich für meine Bemühungen in dieser Sache nicht
die geringste Betribution verlange oder erwarte. — Wenn Sie
meinen B^th befolgen wollen , erbiete ich mich Ihnen noch
einige Notizen von mindetm Belang mitzutheilen. Auch verhehle
ich Ihnen nicht, dass wenn Sie ihn nicht befolgen, ich mich um
andre Gelegenheit, die Krit: d. r. V. in ihrer ächten Gestalt
ans Licht zu fördern, bemühen werde: welches auf Ihre Edition
nachtheilig rückwirken würde. Mir liegt bbss daran, dass in
dieser grossen Angelegenheit das Eechte geschehe, gleichviel
durch wen. Dixi & animam salvavi.
DigtizBabyCoOgle
Mitgetbeilt voii Rudolf Reioke. 317
Mit den anfrichtigsten Wünschen für den gläcklichen
Fortgang Ihres lobenswerthen Unternehmens, bin ich, meine
Herren,
Ihr
„ , , ,, ergebener Diener
Frankfurt a. M. . _i.i. a j. j.
, , Arthnr scaopenaauer.
d. 24 August, ^
1837.
Adresse :
Sr. Wohlgebom
des
Herrn Professor Eosenkranz.
Königsberg
in Freussen.
n.
Geehrter Herr Professor!
Ihr werthes Schreiben vom 9**" Sept"^ hat mir viel
Freude gemacht, hfiuptsächl. weil es mir die Gewissheit giebt,
dass, meinem vieljährigen Wunsch gemäss, die ächte u. unver*
JUlschte Kritik d. r. Vernunft ihre Wiedergeburt erleben
wird : eine für die Philosophie höchst wichtige Begebenheit.
Zudem freut es mich, dass Sie so menschlich n. hillig von
meinen Sachen reden, obwohl solche eine Seite haben, die Ihnen
misafallen muss. Aber das ist recht von Ihnen: man muse in
der Welt zu abstrahiren verstehn u. den Mann unterscheiden
von seinem Amt, seinem Stand, seiner Nation, seinem Glauben,
ja selbst seinem philosophischen System oder Sekte. Sehn wir
doch Of&ziere feindlicher Armeen, auf neutralem Boden, freund-
lich mit einander umgehn: wir aber werden an Humanität doch
nicht solchen Haudegen naohstehn! — Uebrigens hoffe ich, dass
Sie das wankende Gebäude der Hegelei verlassen werden; ehe
es, in seinem gänzlichen Einsturz, Sie mit vielen Andern unter
den Trümmern begräbt : u. wer die Materialien kennt, aus
den^n es erbant ist, braucht, jenen Einsturz mit Gewisaheit
DigtizBabyCoOgIC
318 Di^i Briefe Seliopenhaaera an KatI Eosenkranz et«.
vorher zu sagen, keinen grossen Scharfsinn. Dann bleibt Ihnen
im alten aber festen Ban des Kantischen Fallastes eine sichere
State: denn gewiss wird es Ihnen nicht einfallen in das alte
verlassene Rattennest des Leibnitzianismus sich zu flüchten, wo
Monaden, prästab: Harmonie, Optimismus u. andre Fratzen
u. Ähaarditäten ersten Ranges spuken, u. woselbst, wie es
scheinen will, einiges Gesindel zusammenläuft, eigentl. nur
wegen der Ceutralmonade, in majorem Dei gloriam, wie fast
alles schlecht© Beginnen. — —
Einliegend^) erhalten Sie meine sorgfältige n. genaue
Kollation der ersten mit der 5"° Ausgabe, nach der Sie unbe-
denklich drucken lassen können. Eine litterarische Notiz u.
einige Druckfehler habe ich der Kollation gleich eingeschaltet,
auch von andern Hanptsehriflen jene Art verfUnglicher Druck-
fehler, von denen Ihnen doch Einiges hätte entgehn können,
beigefügt. Auf einer Ausgabe von gelehrter Hand darf kein
solches Ungeziefer bleiben. — Sie werden gewiss nicht die
kleine Preisschrift K's über die Fortschritte der Metaphysik
Königsb: 1804., (der die Esel, wie es scheint, 1791 nicht den
Preis zuerkannt haben)'') vergessen: sie ist so wichtig, als kürzeste
Darstelle seines Systems, dass sie ihre Stelle neben den Haupt-
schriften verdient. Ich würde die Reihenfolge der Werke danach
bestimmen, dass ich sie in Werke ersten, 2'™, u. 3**" Ranges
theilte: dadurch geschähe in der That dem Leser ein Dienst, da er,
bei dem dürftigen Maass seiner Zeit u. Kräfte, erführe, worauf er
diese zunächst verwenden soll : zum ersten Rang würde ich bloss
Krit: d. rein; Vem:, Prolegomena, Krit: der Urtheilskraft, Metaph:
Anfangsgr: d. Naturwissenschaft, u. die kleine Preisschrift
rechnen: — zum S'*" Rang die Rechtslehre, Anthropologie,
ähnliche Werke der Altersschwäche und die Apokryphen, wie
Logik u, phys: Geographie: alles übrige zum 2"" Bang.
4) S. d. Beilage zu aiesem Briefe.
ö) Fügen wir hinau; „würden" und verändern 1791 in 1795, ao dürfte
Schopenhauer mit Beiner Behauptung vieUeieht recht haben. Vgl. Beicke,
lose Blätter auB Kants Nachlaß. Heft I. S. 223 f. 4nm. 4.
DigtizBabyCoOgIC
Mitgetheilt von Rudolf Beicke. 319
— Die chronologisclie Ordnung hätte viel für aich andrer-
seits, weil sie die Entwickelungsperiode seines Geistes befolgt«:
hätten wir eine solche von Plato's Werken! — Das Portrait be-
treffend: ich habe vor 12 Jahren einen damals schon sehr alten
Maler Lowe, früher Löwe u. Jude, gekannt, der mir auch K'a
Handschrift geschenkt hat: ihm hat Kant zu einem Bilde ge-
sessen, welches Kant selbst berichtet in einem Briefe, ge-
druckt in einer Sammlung Briefe v. Jakobi, Herder, Kant
\i. a. c* 1826 : ^) wer kann ftber K's Physiognomie kom-
petenter sejn als dieser alte Maler? Nun hängen stets u.
überall in meinem Zimmer 4 Kupferstiche, die Kant vorstellen,
gestochen v. Bause,') Thilo,*) Lips") u. Meno Haas:'") der
Lowe besah sie genau u. sagte: ganz allein der von Lips sei
ähnlich, aber sehr: man sieht es auch, er ist charakteristisch, die
6) Welchen Brief Kants und welche Sammlung von Briefen Schopen-
hauer hier meint, habe ich bis jetzt nicht ermitteln können. Mir ist aber ein
Brief Kants an Reinhold vom 12. Mai 1789 bekannt, worin er sich dnrcbans
nicht günstig aber ein von Löwe „ohne seine Einwillignng ausgefertigtes
Portrait" ausspricht; s. „Karl Leonhard Eeinhold's Leben u. litterar. Wirken,
nebst einer Auswahl von Briefen Kant's, Fichte's, Jacobi's u, andrer hrsg. v.
Ernst Reinhold" (Jena 1825) S. 134 Sollt« Schopenhaner wol diese Aus-
wahl im Sinne gehabt haben ? TJeber den Haler Lowe s, A. Hagen in den
N. Pr. Prov.-BL and. F. Bd. lU. 1863. S. 816-329.
7) Das 1791 erschienene, von Joh. Friedr. Bause gestochene
Medaillon-Porträt wird in künstlerischer Beziehung als das beste bezeichnet;
ee ist nach dem Bilde von Veit Hans Schnorr v. Karolsfetd, der 1789
eigens nach Königsberg kam, um Kant zu malen.
8) A. G. Thilo's nach Mattersberger in punktirter Manier ausge-
führter Stich erschien 1799 zu Breslau ; er zeigt von Kants Porträt fast keine
Spur nnd kann daher wol nur als Phantasiegebilde angesehen werden.
9) Das von Joh. Heinr. Lips nach einem Bilde von C. Vernet
gestochene Porträt gilt nach dem Bause'schen für das künstlerisch be-
deutendste; es befindet sich vor Band I des „Allgem. Repertoriums der
Literatur für die Jahre 1785-90" (Jena 1793. i").
10) Der Stich von Meno Haas Berlin 1799 ist Titelknpfer im 3. Bde.
des Jahrgangs 1799 der ,,Jahrbücher der preußischen Monarchie". — Um-
fassenden Bericht über die verschiedenen Kant-Porträts giebt D. Minden
„aber Portraits und Abbildungen Immanuel Kants" in den Schriften der
physik.-Ökon. Ges. z. Kgsbg. 9. Jahrgang. 1868. Sitzigsber. S. 24—34. i".
DigtizBabyGoOgIC
330 Drei Briefe Schopeuhauere an Karl Boseokraoz etc.
Zügö melancholisch, als sagte er eben: „so sind die Menschen!"
— neben ihn [sie] ist Home, aber selbst dieser grosse Mann sieht
neben jenem feinen, geistreichen Gesicht, plump u. gemein
aus: die beiden Köpfe sind in Medaillons, sehr schön gestochen,
mein Abdruck ist avant la lettre, das ganze Blatt 8 QZolI.
Ich rathe daher, Ihren Kupferstich nach diesem Blatt machen
zu lassen, welches gewins in Königsberg in aiten Freundes-
Häuseru hängt, auch durch Kunsthandlungen noch mnss auf-
zutreiben sejn. Es gilt, sein wahres Gesicht auf die Nachwelt,
die fernste Nachwelt zu bringen. — Die Supplemente zur Krit:
d. r. Yem: (aus d: 2*^" u. f. f. Äusg: sie sind ansehnlich:) können
auch rächt gut im folgenden Baude stehn, damit der Band der
Kritik nicht zu dick werde, u. allenfalls könnte der Verleger
von diesem einige 100 Abdrücke extra abziehn, unter dem Titel:
„K's Ej-it: d. r. V. nach der ersten Äusg:" dies wäre für alle
die vielen Kant ") (unter 40 Million Deutsche) welche
K's "Werke besitzen u. daher nicht wieder ") wollen,
aber doch gern die berühmte erste Ausg.: hätten: diese Leute
bedürfen keiner Supplemente, da sie, nach den Noten unterm
Text, das Nöthige selbst aufsuchen können in ihren alten Aus-
gaben der 2**" Becenston: — sehr profitabel filr den Verleger! —
Auf Ihre Rüge einiger meiner Auadrücke in meiner KntwickeJung
des Sachverhältnisses, habe ich diese in der Abschrift wieder
durchgesehn: allein ich finde nicht, daas ich zu viel gesagt habe
u. sehe nicht warum ich mich matter Umschreibungen be-
dienen soll, in einer Sache die einer energischen Rechtfertigung
bedarf: es ist meine Weise, Alles bei seinem Namen zu nennen.
Lebte Kant, so verdiente er Schonung; aber de mortuis nU nisi
verum: es ist so wie ich gesagt habe. Aber was ich von „Inti-
midation" gesagt habe, bezieht sich keineswegs allein auf etwanige
Intimidation von Oben, sondern eben so sehr darauf, dass, indem
man K's Lehre für aufgefrischten Berkleyi sehen Idealismus
erklärte, man ihm die, jedem Qründer eines Systems (der als
11) Das fehlende Wort ist mit der EUike weggerisaen.
D,gt,zBabyC00<^le
Mitgetheilt von Rudolf Reickn. 321
solcher gleichen Kaug mit dem Gründer einer Dynastie hat) so
unendlich wichtige Originalität absprach: das machte ihm Angst,
in seiner Altersschwäche. Ueberzeugen Sie sich hievon durch
Prolegomena (v. 1783!) p. 70 & ibid: p. 202 seqq: „Probe eines
TJrtheiU über die Kritik" — wie auch durch die der 2**° Ausg:
eingepchobene „Widerlegung des Idealismus". — Diese Inti-
midation hat die schlimmsten Aenderungea veranlasst. — Da
Si« also von meiner Entwickele Gebrauch machen wollen, bitte
ich derselben folgende kleine Zusätze einzufügen: 1") gleich
am Anfang, nach den Worten „aufgefrischter Berkleyanischer
Idealismus wäre", — stehe noch Folgendes: — '*) „hiedurch
sah er, mit Schrecken, die, jedem Gründer eines Systems so
unschätzbare u. nnerlftssliche Originalität gefährdet (siehe Prole-
gomena zu jeder Metaphysik p. 70 & 202 seqq:); zugleich hatte
andrerseits"") u. s. w. — 2") ganz am Ende, nach den Worten
,,8ie ist gew isser maassen unächt" stehe noch Folgendes:") „Ohne
Zweifel ist das Misaverstehn der Krit: d. r. V., welches bekannt-
lich Kants Nachfolger, Gegner u. Anhänger einander gegen-
seitig, u. wahrscheinl. mit gegenseitigem Recht, unaufhörlich
vorwarfen, hauptsächl. dieser von Kant selbst vorgenommenen
Verschlimmbesserung seines Werkes zuzuschreiben: denn, wer
kann vergtehn, was widersprechende Elemente in sich trägt?"")
— 3°) Bald nach jener ersten Einschaltung habe ich gesagt, er
babe 32 Seiten ganz gestrichen: statt dessen muss es heissen
67 Seiten.^*) — Uebrigens bleibt Ihnen völlig unbenommen,
beim Abdruck meiner epistola exhortatoria sofort anzumerken,
dass Sie mir nicht ganz beistimmen, sondern dächten, ich
hätte zu viel gesagt od: dergl: mehr. Denn Sie können sehr
wohl meine Meinung anführen, ohne sie darum zur Ihrigen zu
machen. Wenn Sie an meine Kritik d. K'ischen Phil, bei dieser
Gelegenheit erinnern wollen, werden Sie nicht bloss mir etwas
12) Diese Stelle ist abgedrackt bei Rosenkranz a
13) a. a. O. S. XIV.
14) So auch bei Rosenkranz S. XI.
Altpt. HonMaioliritt Bd. XXTL HA. 8 n. 4.
zeabyGoOgle
322 I*>^> Briefe Schopenh&uera &ii Karl Rosenkranz etc.
Angenehmes erzeigen, sondern, wie ich glaube, auch Ihrem
Publiko nutzen: denn z. B. der Theologe Baiimgarten-Crusius
(den ich nicht etwan persönlich kenne) in seiner Christlichen
Moral V. c» 1826,'*) giebt einen Abriss der Kantischen Phil: n.
dann empfielt er seinen Lesern von den zahllosen Werken über
Kants Phil, nur 2 zu lesen, näml. Reinholds Briefe v. 1790
u. meine Kritik v. 1819, jene um die Vorzüge, diese um die
Fehler K's kennen zu lernen; — obgleich ich meyne, ich h&tte
seine Vorzüge am richtigsten nachgewiesen u. verherrlicht. —
Selbst in Hühners Zeltungslexikon, einem Philisterbuch, t&nd
ich neulich meinen Namen angeführt, bloss mit dem Prädikameut
eines Eingeweihten in die K'ische Phil: — denn diese Leute
werden schon rar: u. ich erschrecke ofl über die Ignoranz
jüngerer Professoren in Kantischer Phil: z. E. vor etwan einem
Jahr recensirte der Beneke LordBrougham's alte-Weiber-Theologie,
u. führte dagegen Kants kritische Einwürfe gegen alle Physiko-
theologie vor, die, nach ihm, darin beständen, dass die gescheute
Einriebt* der Natur wohl Weisheit, aber doch noch nicht
Allweisheit bewiese, oder so ungefähr lautete das Gewäsche,
aber völlig ignorirte es die tiefe Lehre Kants, dass die Zweck-
mässigkeit allererst von unserm Verstände in die Natur hinein-
gebracht wird, also subjektiven Ursprungs ist: wie ich dies
näher gezeigt habe in meiner neuesten Schrift^*) Cap: Ver-
gleichende Anatomie. Ueberhanpt reisst in die Philosophie jetzt
wirklich Barbarei ein: daher die Schriften über Seelenunsterb-
lichkeit, u. anderes mehr: als wäre Kant nicht gewesen. — Ein
Exemplar Ihrer Ausgabe werde ich mit Dank entgegennehmen,
da dieselbe mir in vieler Hinsicht interessant ist, wie Alles was
in Kants Philosophie geschieht, auch allmälig alle Citate nach
derselben gemacht werden werden. — Was Kixner über mich
15) Lehrbuch der chriatl. Sittenlehre. (Leipzig 1826.) S. 119 f. o. An-
merkung.
16) Ueber den Willen in der Natur. Eine Erörterung der Bestätigungen,
welche die Philosophie des Verfassers, seit ihrem Auftreten, durch die
empirischen Wissenschaften erhalten hat. (Frkf. a. M. 1836.)
DigtizBabyCoOgIC
Uit^theilt Ton Budotf Reicke. 323
sagt, wmsB ich wirklich nicht, hoffe jedoch daas er mich schlecht
macht, da er Yoltairen lästert. Treffend finde ich aber was von
mir gesagt wird im kleinen Tennemannschen Qrnndriss d. Gesch :
d. Ph:, nftml. dass ich nur Einen Schritt weiter gegangen sei
als Kant: das ist wahr. Ich bin meinem Lehrer u. Meister
treu geblieben, so weit er der Wahrheit treu blieb, habe von
da, wo er die Sache hingeführt, Einen Schritt weiter gethan,
aber nicht in der Luft, wie alle die Luftapringer meiner Zeit,
sondern auf festem Grund u. Boden, den meine letzte Schrift
express darlegt, u. habe nie das Falsche u. Schlechte gelten
gelassen, daher ich keine Freunde habe, — inzwischen hoch-
achtungsvoll bin
Ihr ganz ergebener
Prankftirt a. M. * 1.1. 01 -l
Arthur Schopenhauer,
d. 26 Sept' 1837.
Die Fahrpost nimmt kein Päckchen unter 8 Loth, daher
dieses doch mit der Beitpost gehn muss.
/Auf der ersten Seite am Rande:] Ein Postscriptum steht
im Innern des Couverts,*'')
Collation der Isten u. 5ten Aufl. der Krit: d. rein: Vern:
NB. Hier ist überall ausgegangen von der ersten Aufl.
de As 1781. deren Seitenzahl daher überall die zunächst ge-
nannte ist. Die Abweichungen , welche sich stets auf die
5"* Aufl.' de A2 1799 beziehn, sind hinten in Supplementen zu
drucken, auf welche mit Buchstaben verwiesen wird. In der
Parenthese habe ich angegeben was das Supplement aus der
5**° Aufl. abzudrucken hat, daher die Seitenzahl in der Paren-
17) Nicht mehr vorhanden.
21*
DigtizBabyCoOgle
324 Drei Briete SchopanhauerB &n Karl HoseultraDif etc.
these allemal die der ö'™ Aufl. ist. Also die vom stehende
Seitenzahl ist die der 1***" Aufl:, u. die in Parenthesi stehende
Seitenzahl ist die der 5*"° Aufl. — Alle hier gemachten Angahen
sind als Anmerkungen, unten auf der Seite des Textes, an ge-
höriger Stelle zu gehen: u. diese verweisen, wo Zusätze sind,
den Leser auf daa Supplement.
Dedikation. p. 2. Der mittlere Absatz derselben ist in den
folgenden Auflagen weggelassen.
Vorrede. Diese Vorrede fehlt in den folgenden Aufl. gänzlich:
statt ihrer haben sie eine ganz andre. Siehe Supplem* A.
(6*« Anfl. Vorrede)
Inhaltsverzeichniss. Die folgenden Aufl. hahen ein viel weit-
lÄuftigeres, aber schwerer zu übersehendes, welches siehe
Suppl: B. (6*^ Aufl. Inhaltsverzeichniss)
Einleitung, p. 1 — 3. fehlt in den folgenden Aufl: was sie
statt dessen geben siehe Suppl: C. (5** Aufl. p. 1 — 6. bis
,,ITnd gerade" excl:) Von da an sind beide gleichlautend
bis p, 7 „Nun ist hieraus klar" welcher Satz, nebst p. 8
den folgden Auflagen fehlt, die statt dessen einen andern
geben: (5** Auflage p. 11, 12.) Von p. 9 an wieder gleich-
lautend bis p. 10, wo der Absatz ,,Es liegt also" den folgen-
den Aufl. fehlt: statt dessen geben sie hier 10 S. mehr,
welche siehe Suppl: D. (6** Aufl. p. 11, 12 & p. 14—24)
p. 10.' Von „Aus diesem Allen" (5*" Aafl. p. 24.) sind beide bis
zum Ende im Ganzen gleichlautend, bloss bat die 5** Aufl.
einige Zeilen mehr, welches anzumerken bei p. 13. nach
,, Schätzung gebracht zu werden": siehe Suppl: E, (5'" Aufl.
p. 27 die obersten 9 Zeilen.)
p. 24. Der ganze mit 3 bezeichnete Absatz fehlt den folgd.
D,gt,zBabyC00*^IC
Mitgetbeilt von Rudolf Reicke. 325
p. 26. Der mit 6 bezeichnete Absatz lautet in den folgd. Aufl.,
wo er mit 4 bezeichnet ist, ganz anders, u. folgt demBelben
eine „transsc ; Erörtert, d. Begriffes v. Räume" : siehe
Suppl: F. (5^ Aufl. p. 39, den mit 4 bezeichneten Absatz
u. p. p. ^ & 41 ganz.)
p. 28. „Es giebt aber" ... bis p. 29. „Gegenstände seyn."
Dieser Absatz ist in den folgenden Aufl. nur halb so lang
u. abweichend: siebe Suppl: G. {ö** Aufl. p. 44.)
p 32. Hier ist in den folgenden Aufl. ein § eingeschaltet: siehe
Suppl: H. (5" Aufl. p. 48. § 5.)
p, 49. Hier sind den folgenden Aufl. 7 Seiten zugesetzt: Siehe
Suppl; J. (5«* Aufl. p. 66. II. bis p. 73.)
p. 68. Ein Druckfehler: 3** Zeile v. unt: statt „veränderlich"
lies „theilbar".
p. 83. In den folgenden Aufl. sind hier 2 §§ hinzugekommen:
siehe Suppl: K. (ß^ Aufl. p. 109 § 11,-116.)
p. 94. „Es sind aber drei". . . dieser Absatz fehlt in den
folgend. Aufl : , wo statt dessen ein andrer steht : siehe
Suppl: L. (5** Aufl. p. 127—129.)
p. 96. Die hier anhebende u. bis p. 130 gehende „Deduktion"
lautet in den folgenden Aufl. ganz anders: siehe Suppl; M.
(5'' Aufl. p. p. 129 bis 169.)
p. 137. Hier empfehle ich anzumerken, dasa eine authentische
Erläutert, dieses dunkeln Kapitels v. Schematismus sich
findet in einem Briefe Eants, der abgedruckt ist in Tief-
trunks „Denklehre in rein deutschem Gewand" 1825.
p. 162. Hier haben die folgenden Aufl. eine Anmerk«: siehe
Suppl: N. (5" Aufl. p. 201.)
ibid: Hier folgt, in den folgenden Aufl., auf das Axiom, welches
auch anders lautet, ein Beweis: siehe Suppl: 0. (5** Aufl.
p. 202 & 203.)
p. 166. Hier folgt, in den folgenden Aufl., auf die Änticipation,
welche selbst etwas anders lautet, ein Beweis: siehe
Suppl P. (6'- Aufl. p. 207 & 208.)
DigtizBabyCoO^IC
J6 Drei Briefe SdiopenliOners nn Karl Rosenkranz etc.
175. Zeile 9 von oben ist „etwas" zu etreiohen, u. Zeile 16,
nach „abatratirt" einzufügen „anticipiren könne". Dies ist
meine Verbeaaer«: der Satz steht in der B*"" Aufl. noch
eben ao inkohärent. Zugleich bemerke ich, dasa wo Kuit
in der ersten Aufl., wie z. B. in diesem Absatz, vor statt
für schrieb, Sie dies verbessern wollen, wie es in den
folgenden Aufl. verbessert ist.
. 176. Hier folgt auf den Grundaatz in den folgenden Aufl.
ein Beweis: auch lautet der G-rundaatz aelbst anders:
siehe Suppl. Q. (6" Aufl. p. 218, 219.)
. 182. Beide erste Absätze lauten in den folgenden Aufl.
anders, siehe Suppl. R. {5*" Aufl. p. 224, 226.)
. 189. 2** Analogie u. Beweis sind in den folgend. Aufl. ver-
ändert u. länger, aiehe Suppl. S. (5** Aufl. p. 232—234.)
. 211. 3** Analogie u. Beweis in den folgend. Aufl. anders u.
länger: aiehe Suppl: T. (&*• Aufl. p. 256.-258. bia „Dinge
sind zugleich", exclus:)
, 226. Hier ist in den folgend. Aufl. eine Widerleg«, des
Idealismus eingeschaltet siehe Suppl : 11. (5^ Aufl. p.
274—279.)
. 235. Hier haben die folgend. Aufl. eine Allgem: Anmerk'^.
siehe Suppl: V. (5** Aufl. p. 288—294.)
. 241. Von Zeile 5. „Oben" bis p. 242. Z. 10 „könne." wie
auch die Anmerk*. fehlt den folgenden Auflagen.
. 244. Der ganze Absatz, der hier unten anhebt u. bis p. 246
geht, fehlt den folgenden Aufl: dagegen haben sie eine
kleine Anmerk«. siehe Suppl: W. (B'" Aufl. p. 302.) Da-
selbst fahren nun die folgend. Aufl. wie hier fort: „hier-
aus fliesst nun unwidersprechlioh" — Aber das woraus ea
fliesst ist weggeblieben: heisst daa leichtsinnig arbeiten i* —
). 248. Die ganze mit dem untersten Absatz dieser Seite an-
hebende u. bia zum untersten Absatz p. 253 gebende Stelle
fehlt in den folgenden Aufl: was sie statt dessen haben
siehe Suppl: X (6** Aufl. p. 3Ö6— 309)
,dbyGOOgIC
Mitgetheilt von Rudolf Reicke. 327
p. 256. Hier haben die folgend. Äuä. bei intelligibilia eine
Anmerk«: siehe Suppl. Y. {ö** Aufl. p. 312.)
p. 278, Zeile 11 v. ob: statt „und" lies „da", — ao hat es die
6'* Aufl.
p, 337. Hier haben die folgend. Änfl. eine Anmerke : aiehe
Suppl: Z. (Bt* Aufl. p. 395.)
p, 348 bis p. 405. fehlt in den folgenden Auflagen: waa sie statt
dessen geben siehe Suppl: A, A. (6** Aufl: pp. 406—432.)
[Dies ist die grosse Kastration in usum Belphini]
p. 360. lin: 6. v. unt: statt „ihn" lies „um",
p. 491. Hier haben die folgenden Aofl. eine AnmerkB^: siehe
Suppl: B. B. (5** Aufl. p. 519)
p. 540. Zeile 10 v. uiit: muss das Komma statt hinter „nach"
vor diesem Worte stehn, u. ein B"*" nach „Kauaalverbind^,"
kommen,
p. 644. Z. 13. V. unt: „einer" ist zu streichen,
p, 545. Z. 11. V. ob: ist „von" zu streichen.
p. 601. Z. 16. V. ob: statt „in" lies „ist". —
p. 610. Z. 9 V. unt: ist „um" zu streichen,
p. 644. Z. S.v. unt: statt „ausgeschlossen" lies: „ausgeschossen",
ohne 1.
p. 769. Z. 4. V. ob: statt „ist" lies „führt" u, interpungire :
Komma nach „Skeptiker,"
p. 775. Z. 8. V. unt: nach „oder" schieb „als" ein.
Yen p. 491 an sind beide Ausgaben gleichlautend.
Druckfehler in den „Prolegomena zu jeder Metaphysik", erste
u. vermuthl. einzige Aufl. v. 1783. —
p. 88. Z. 1. V, o. nach „Begriff" füge ein „ist",
p. 92. Z, 13, v: u, nach „und" füge ein „kann"
p. 90. Z. 15. V. u. statt „Vemunftwissenschaft" lies „Natur-
wissenschaft",
p. 130. Z. 5. V. o. statt „physiologisch" lies „paychologisch".
p. 140. Z. 12. V. o. statt „erkennen" lies „erkenne"
DigtizBabyCoOgle
328 I^i Briefe Schopenhauers an Karl Rusenkrauz etc.
p. 148. Z. 6. V. u. statt ,^ach" lies „noch"
p, 158. Z. 4. V. o. vor „die" füge ein „durch", u. statt „den"
lies „der"
p, 161. Z. 3. V. o. statt „physiologischö" lies „psychologische"
ij. Zeile 1. nimm das Komma hinter „müssen" weg, u.
setze es ans Ende der vorhergehenden Seite.
p. 170. Z. 3. V. o. statt „nur" lies „uns",
p. 185. Z. 4. V. o. füge hinzu „Gewalt über uns erhalten
können". — (e conjectura indubitata.)
p. 218. Z. 7. Y. u. statt „des Werks" lies „das Werk".
Druckfehler in der Kritik der Urtheilskraft. 3" Aufl. v. 1799.
p. Vm. Z. 11. V. u. statt „logische" lies „teleologische",
p, 14. Z. 11. V. u. statt „Daher" lies „dagegen",
p. 37. Z. 3. V. ob: statt „ein" lies „einen"
p. 95, Z. 11. V. u. statt „angemessen" lies „unangemessen",
p. 98. Z, 13. V. u. statt „angemessen" lies „unangemessen",
p. 114. Z, ultima, vor „nach" setze „noch"
p. 286, Z. 11. V, u. statt „sich von" lies „von sich"
p. 339. Z. 12. V. u. statt „zuvor" lies „zwar"
p. 358. Z. 7. V. ob. statt „Kausalität" vermuthlich „Technik"
(als Konjektur beizufügen.)
p. 379. im Titel statt „§ 70" setze g 82.
p. 443. im D". statt „moralischen" lies „teleologischen".
Druckfehler der Krit: d: praktischen Vem: 4^* Aufl. v. 1797.
p. 44. Z. 6. V. u. nach „kein" schalte ein „oberes"
p. 78. Z. 1. V. ob: statt „praktischen" lies „spekulativen"
p. 91. Z. 1. V. ob: nach „übergeht" schliesse die Parenthese,
p. 102. Z, 5. V. u. statt „eingeschränkt" lies „einschränkt"
p. 113. Z. 1. V. ob. nach „sollte" schliesse die Parenthese,
p. 125. Z. 12. y. ob. nach „Gottes" D"
p. 180. Z, 6. V. ob. statt „unsre vornehmste" lies „von unserer
,dbyGoogIe
Mitgethsilt von Rudolf Reicke. 329
p. 180. Z, 6. V. u. statt „Die" lies „die" (klein d)
p. 180. Z, 4. V, u. statt „ilirer" lies „seiner"
p, 181. Z. 6. V. ob: statt „Vaukanachen" lies „Ysukan^onschen"
p. 183. Z. 5. T. ob: niKth „Wesen" setze „als"
p. 186. Z. 12. V. Q. statt „imbedingt" lies „bedingt"
p. 225. Z. 8. V. XL Jiach „oberste" setze „Ursache"
p. 229. Z. 11. V. ob: statt „eingeschlossen" lies „einschlössen",
p. 238. Z. 15. y. a. nach „zwar" setze „nicht".
p. 244. Z. 12. V. ob: statt „Das," lies „das" u. Eomma vorher
p. 245 Z. 6. V. ob: statt „oder" lies „ohne"
p. 254. Z. 10 Y. n. statt „Himgespenstem" lies „Himge-
spinnsten".
Druokfehler der Preisfrage. Königsb. 1804.
p. 32. Z. 11. V. u. statt „daher" lies „dagegen"
p. 36. Z. 11. V. n. stat „das" lies „dem"
p. 49. Z. 6. V. ob. statt „sie" lies „es"
p. 64. Z. 9. V. u. streiche „und" vor „kein",
p. 169, Z. 5 V. ob. statt „und" lies „um",
p. 162 Z. 9. V. ob. statt Kraft lies Kluft
p. 172. Z. 9. V. ob. statt „oben" lies „eben"
p. 193. Z. 7. V. ob. statt „aber" lies „oder"
m.
Geehrtester Herr Professor!
Empfangen Sie meinen herzlichen Dank fär das schöne
Exemplar Ihrer Ausgabe Kants, dessen Bände 1 & 9 mir diesen
Winter in saubenn Einbände zugekommen sind. Die äussere
Ausstattung ist vortrefflich u. was Sie durch Anordnnng, Ver-
besserung der Orthographie u. Interpimktion geleistet haben,
durchaus zu loben. Der nun bald erscheinenden Krit: d. rein:
Vernunft sehe ich mit Begierde entgegen u. ho£fe sie ao ganz
DigtizBabyCoOgIC
330 I'i^i Briefe Schopenhauers an Karl Ros^kranz etc.
nftch meinem Sinn als wiedergeboren zn erblicken. — Hingegen
finde ich zu meinem grossen Bedauern, dass Sie meine Liste verftng-
lioher Druckfehler, in der „Preisfrage Ob. d. Foi-tsohritte" u. s. w.
kaum zur Hälfle benutzt haben: da steht p. 500. (Z. 13, v. u.)
das „die" welches ich gestrichen hatte, — p. 501 (Z. 19. v. u.)
steht „Subjekt" statt „Objekt", — p. 629. (Z. 16 v. u.) ist vor
„frei" ausgelassen „nicht", — p. 558. (Z. 10 v. o.) steht „und"
statt „um", — u. dgl. m., welches ich Ihnen doch Alles bemerkt
hatte. loh hoffe Sie werden bei den andern Schriften meine
Liste sorg<iger betrachtet haben.
Eigentlich hätten Sie wohl schon in der Vorrede zum
jatan ßau^ ijei Erwähnung der Abhdig. „Vom einzig möglichen
Beweisgrund" darauf aufmerksam machen seilen, daß K. hier
die 2^ u. Tollendete BarsteU^. seiner kosmogonischen
Hypothese giebt, dieses so nnendl. scharfsinnigen o. wahren
Gedankens, dass er allein hingereicht hätte seinen Namen zu
immortalisiren. Die erste Darstelle, davon gab er in der
Naturgesch: n. Th: des Himmels 1755: welche Schrift das zwei-
beinige Äffengeschlecht ungelesen Hess: dann stahl (ut fere fit)
Lambert den Gedanken 1761, (wie K. zu verstehn giebt, in
der Anmerke. Bd. 1. p. 167 Ihrer Ausg:) — . K: wiederholt ihn
in vollendeter Gestalt hier, 1763, in der 7'«'' Betracht«, p. 254
bis 271 n. plaoirt ihn ironisch unter den Beweisgrund des
Daseyns Gottes, wo er so kurios fig:urirt, dass als Gegengift die
8** Betrachtg., von der göttl. Allgenugsamkt., folgt. — Die all-
gemeine Stumpfheit, Attraktivität für alles Schlechte u. Eepul-
sivität gegen alles Gute, die in Deutschland besonders zn Hause
ist, kümmerte sich weder um Kant, noch Lambert, noch Eos-
mogonie. So dass 40 bis 50 Jahre später, ein Franzos, Laplace,
die Sache von Neuem erfinden u. darstellen u. sich den grössten
Buhm dadurch verschaffen konnte: anter demNamen Laplacesche
Kosmogonie ist jene 50 J. früher v. Eant gemachte Hypothese,
(die jetzt so gut wie gewiss u. demonstrirt ist) berühmt: Laplace
giebt sie in seiner Exposition du systSme du monde Livre V.
ch: 6. u. sagt {p, 430 der 4*"" Ausg: in 4") er wisse Keinen,
DigtizBabyCoO^IC
Uitgetheilt von Rudolf Heicke. 831
der vor ihm versucht hätte die Entstehst, der Himmelskörper
za erklären, ausser Buäbn, der es aber auf eine ganz andre Art
versucht hätte! u. doch ist seine ganze Kosmogonie eine blosse
"Wiederhol«, der Kantiechen! — Si« werden nun in der Vorrede
zur „Naturgesch: u. Theorie des Himmels" dem Bnhme K's
diesen grossen, unaussprechlich schönen u. wahren Qedanken
vindiciren, — wenn Sie wollen auch der Deutschen Nation, an
der mir aber nichts liegt.
Einen Wunsch hege ich lange, den Sie mir vielleicht
erfüllen könnten: es ist der nach einem eigentlichen Autograph
Kants. Was ich von ihm habe, ist bloss sein Käme mit grossen
Lateinischen Druckbuchstaben hingemalt, wie er ihn unter seinen
Kupferstich wollte. Ein Geh: Justizrath Fischenich in Berlin,
schickte mir 1821 einen Zettel angebl. v. Kant: da er aber,
auf wiederholtes Gesnch, kein Zeugniss dazu schreiben wollte,
schickte ich ihm den Zettel als werthlos zurtlck: aber einen
langen eigenhändigen Brief Göthe's an mich, den ioh ihm da-
gegen geschenkt hatte, behielt er hübsch. Er ist todt, u. hoffe
ich, dass er in einer bessern Welt sich auch besser aufftlhren
wird. Wenn Sie etwas achtes der Art übrig hätten u. es mir
an gedeihen lassen wollten, würden Sie zu immerwährender
Erkenntlichkeit verpflichten
Ihren
Frankfurt a. M. g^n^ ergebenen
d. 12'" JuU 1838. Arthur Schopenhauer
Diesen Brief nimmt mit Hr: Bellavesne, ein ungemein
artiger junger Franzose, der auch bald wieder zurückreist u.
eine etwanige Mittheilung an mich gern mitnehmen wird.
Adresse: Sr, Wohlgebom
des
Herrn Professor Bosenkranz.
Durch die Güte Königsberg,
des Herrn Bellavesne.
,dbyGoogIe
Tom Binden in Westpreussen.
Ton
A. Treicltel.
Trifft man, besonders auf dem Lande, die Leute gerade bei
Ausübung ihres Gewerbes an, so geschieht es nur zu gern und
gar häufig, daß dieselben den Ankommenden, sei er Fremdling
oder Vorgesetzter, durch eine symbolische Handlung und mittelst
eines ihrem Gewerbe entsprechenden Werkzeuges gewissermaßen
in ihr Gewerbe aufnehmen oder aber vielleicht ihn, der auBer ihrem
Kreise steht, für das Betreten ihres Wirkungsfeldes zu bestrafen
suchen. Es liegt die Vornahme dieser Handlung immer dem
Vornehmsten ob. Man nennt sie das Bind en. Aus diesem
Verhältnisse muß man sich, der Erwartung entsprechend, durch
eine Geldgabe auslösen, auskaufen. Es ist gewissermaßen
das Eintritts-, das Einkaufsgeld, wie es ähnlich bei den gewerb-
lichen Zünften früher vorkam und noch jetzt vorkommt. Ahnlich
stellt sich ja auch die erste Wache im Soldatenstande, ähnlich
der Fucheritt unter den Studenten und gewiß noch viel Anderes
mehr im menschlichen Beieinander, wie andererseits das soge-
nannte Ab- oder Fortessen die Kehrseite der Medaille bietet,
ähnlich etwa die festlichen Gelage beim Sclilusse von Collegien
und Semestern, während die Verse tzungsbowle eigentlich die
Mitte zwischen beiden Auffassungen hält. Doch wollte ich
mehr von den bezüglichen Eigenheiten des Landlebens und
besondere aus Westpreußen sprechen, wo das Binden oder etwas
Ähnliches hier und da bei den verschiedensten, besonders ein-
DigtizBabyCoO^IC
Von A. Treichel. 333
snhl&gigeii Thfttigkeiten auftritt, und hier einige weniger oft
vorkommende Arten erwähnen, ehe ich zu der freudvollsten Art
des Binden« bei der Thätigkeit übergebe, wofür sich einzig
und allein der I>andmann abmüht, bei der Ernte, welcher Art
ich aber noch einige Sprüche der Zimmerleute und Maurer voran-
schicke.
Der Torfstecher legt meist lauÜos (waa kann denn auch
80 ein armer Torfteufel anders?) ein kleiner gestochenes Stück-
chen Torf zu Füßen des Beglückten andeutungsweise nieder.
Der Schäfer hält dem Herrn (aber nur diesem!), wenn er zur
Lammzeit zum ersten Male in den Stall kommt, das erstgeborene
Lamm entgegen. „Dies, gnädiger Herr, ist unser erstes Lamm !"
Auch ©r intendirt dabei ein größeres Geldstück aus freigebiger
Hand. Eigentlich wäre dieser Brauch von den übrigen Binde-
arten zu unterscheiden. — Ähnlich bekommt stellenweise der
Knecht ein Viergroschenstück, welcher das erst© Fuder Garben-
kom zur Einfuhr bringt. Er ist dann gar fix beim Anspannen.
Die Schaafwäscher umwickeln den Arm, dessen Hand frei-
gebig sein soll (denn kaltes Wa8s©r draußen verlangt gebranntes
drinnen!) mit einem Lappen (vulgo „Flusch") "Wolle und die
"Wollscheersr beiderlei Geschlechts stecken, fast demüthig, die
Scheere in den Boden oder in das Schurbrett; soll das heißen,
sie wähnen sich zu Gunsten die Bestätigung des Aberglaubens,
daß, bleibt die Scheere stecken, ein Gast kommt? ein Gast, von
welchem man umgekehrt hier nimmt! Einmal beim Waschen,
müssen wir sehen, wie die Wäscherinnen, d. h. die allerlei
Weiß- und Buntzeug des Leibes und des Lebens, mit einem
Stücke Wäsche, das sie beim Eintritte gerade in der Hand
haben, entweder hinterher w©rfen oder damit ©in©n Schlag auf
einen gewissen rückseitigen Körpertheil geben, gewiß eine son-
derbare Art des Anklopfens, wo es sich um ein Aufthun des
Portemonnaies bandelt! Freilieh wird von den Waschfrauen das
Stück Zeug, das gerade unter Händen, auch gegen den ausge-
spritzt, der vorübergehend sie „Trocken Wäscherin" ruft, die ohne
Wasser, also obenhin waschen. Aach nennt man eine solche über-
DigtizBabyCoO^IC
3^ Vom Binden io Weatpreußen.
wendlichd geringfügige W&sche eine „Katzenwäsche", wie die
Katzen maohen, wenn sie sich putzen. Die Fischer am Strande
laufen entweder mit der Zagleine nm den Fremdling henun oder
aber sie legen ihm das Netz zu Füßen. Was wollen sie? sich
Geld machen Air Änkanf von Spirituosen; jedoch liegen wir noch
nicht an der Kordsee, wo dieser Fall vielleicht noch nicht in der
internationalen Übereinkunft vorgesehen sein mag ; hei uns gilt also
noch der Spiritus! Übrigens taucht bei ihnen zum ersten Male
ein begleitender Spruch auf, mit den Stichworten Ehre und
Gegengabe, welchem auch ich öfter meinen Obolus opferte, ohne
daß ich leider mir den Spruch damals zu Papier brachte. — Nach
einer alten Beatnerordnung von 1614 aus Westpreoßen heiSt
es im letzten Paragraphen: Wer einen ganzen Wald oder einzelne
Biiten überkommen will, muß nach obigem Rechte thun und
überdieß sich bei der Brüderschaft mit einer ganzen oder einer
halben Tonne Bier (je nach ihrer Stärke) einkaufen.
Während beim Betreten eines Baues, was nur dessent-
wegen gern gesehen, sonst aber häufig verboten wird, nehmen
die Zimmerleute ihre Schnur in die Hand und umschnüren damit
oder halten das Metermaß, wenn dies eher snr Hand ist, dem
Ankömmling vom am Körper gerade heranter, wogegen die
Maurer, Mit man diesen in die Hände, entweder die Kelle
vorlegen oder die Lothwaage vor die Hand halten, die sich
aufthun soU: immer ist auch hier das Trinkgeld die Hauptsachel
Ihre Sprüche habe ich, weil aas Brandzwang seihst Bauherr,
gehört und gebe die notirten folgende wieder, indem ich noch
den längeren Richtsprach, der ja gleiche Wohlthat bezweckt,
ihnen zur Vollständigkeit hinzußkge. Schnür-, Loth- und
Bichtapruch aber gehen von Ältgesell und Polirer zu Gesell
und Lehrling generationsweise über und werden säuberlichst
aufgeschrieben, obsohon es selbige in Papierläden zu kaufen
geben soll. Übrigens will ich noch bezüglich der sogenannten
Richtkrone, aus grünen Blättern und farbigen Blumen gewunden
und mit bunten, fiattemdeu Bändern behangen, den Aberglauben
erwähnen, daß jene Bänder, obschon meist nicht aus eigenen
DigtizBabyCoOgIC
Von A. Treiebel. 335
Mitteln angeschafil, fortan als Eigenthmn der arbeitenden (Ge-
sellen betrachtet, einzeln vertheilt, aufbewahrt und bei der
Wanderschaft mitgenommen werden, weil man sie als glaok-
bringend ansieht.
I. Schnürsprach der Zimmerleute.
Mit Qniist und Verstand
Nehm' ioh die Schnur in die Hasd.
Wir schnüren hier Herren, Grafen aad Fürsten,
Da die Ziminerleate ja ddrsten,
Spendiren Sie eine Flasche Bier oder Wein,
So möcbt* das für nns're Oesnndheit sein!
H. Lothspruch der Maurer.
Mit Gnnat!
Mein Loth ist wohl bekannt,
Ich trag's dem Herrn vor die Handj
Er möchte mir 's nicht Abel nehmen
Und ans ein Trinlcgeld geben;
Es sei groß oder klein.
Damit will ich znfrieden sein! (24. Juli 1887.)
Richtspruch.
Sehr verehrte Herren, hohverehrte Fr&nen,
Die Ihr anwesend hier seid, tinsem Ban cu schanen,
Ich grOBe alle Sie von Herzen jetzt willkommen
und wünsche, dafi mein Sprach von Ihnen wird vernommen.
Den neuen (Speieber) beben wir dnrch ons'ie Ennst erbanet,
Es stebt nnn fest nnd eicher da.
Wie Ihr es alle scbaaet.
Und sollte es auch nicht so ganz vollkommen sein,
So darf das Handwerk doch den Bau gewiß nicht enden;
Nach Plan and Riß ist er gericbt«t ond gemessen.
Und, wie ich glanbe, nicht, was nöthig ist, vergessen.
Lothrecbt steht er da und hat die rechte Breite,
Der Länge fehlt nichts, auch nichts der Höhe und der Weite.
Wir danken Gott, dem Herrn, der Kräfte uns verliehen;
Denn durch ihn nur ist der Bau so gut gediehen.
Er möge es geben and durch sein mächtiges Walten
Dem Bauherrn, wie uns selbst das Le1>en lang erhalten,
Damit er, so wie die Gott mit ilun verbunden,
Sich freuen dieses Baues, wie jetzt, in allen Stunden.
,dbyG00gIe
Vom Binden in Weetpreafien.
Doch ehe ich von hier thn' scbeideD,
Will ich den Bauherrn noch waa fragen:
Hochgeehrter Herr Baoherr,
Ich frage Sie vor «Her Welt,
Wie Dmen dieser Bau gefSlltP
Zwar höre ich ein volles Ja;
Doch ist noch Zeit, wir sind noch da!
Bemerken Sie was Schlechtes dr&n,
So sagen Sie 's ans offen an:
Wir werden gerne Ihren Willen,
Wenn 's billig, suchen zn erßllen.
Doch finden Sie es gut nnd recht,
DaS alles paßt und Nichts ist schlecht.
So bitte ich, ein Trinkgeld uns zu schenken.
Damit wir künftig stets an Sie gedenken.
Drum sagen Sie uns frei,
Was Ihre Meinung sei!
Der Bnuherr hat's gesagt,
Ihr aUe haht's vernommen,
Dafi er zufrieden sei,
Dnun sei ein Kranz willkonunen!
Hier häng' ich ihn an
Dem Baoherm zur Ehre,
Dem Bau zur schönsten Zier
Und daß alles wohl gedeihe!
FUUt mir das Qlaa mit Branntewein,
Kameraden, schenket ein.
Tivat ! So mOge der Bauherr leben
Voll Freuden, voller Segen,
Vom Höchsten ihm gegeben.
Auch lebe des Bauherrn Frau;
Im Leben nicht das Olück zu entbehren,
That Gott ja den Männern die Weiber bescheeren;
Es leben die Kinder, die Nachbarn nnd Freunde!
Nichts möge hier fehlen als Neider nnd Feinde !
Ea lebe Hoch-Paleschken nud, die es bewohnen.
Es möge der Herr sie mit Unglück verschonen;
Nun will ich noch danken allen zum SchlnO,
DaQ Sie mir zuhören so ohne Verdruß.
Hab' was ich verfehlet in Worten und Sachen,
,dbyGoogIe
Ton A. Treichel. 337
So will iüh ein andres Mal beeaer es machen;
Doch macht ee ein jeder, so gut er ee kann;
Wer weniger thnt, ist ein schurkiaoher Mann.
Jetzt trink' ich ein Glas zu Ehren,
Zu danken für das, was man wird uns hescheren;
Es lebe der verehrte Herr X! Vivat!
Es lebe die verehrte Ftan X! Tivat!
Es lebe der junge Herr X! Vivat!
£a lebe das junge Fräulein X! Vivat!
Es lebe unser Meister! Vivat!
Es lebe der Herr Inspector! Vivat!
Es lebe da» Fräulein Wirtin! Vivat!
Eb lebe die ganze Gesellschaft! Vivat!
Ea leben die, welche an diesem Bau gearbeitet haben! Vivat!
Bei der Ernte ist es nun aber eiii altes Vorrecht der das
erste Korn mähenden (Senser) oder harkenden (Harkerinnen)
Arbeiter, daß sie (oder unter ihnen der Vornehmste) Diejenigen
gewissermaßen festmachen, welche außer ihrem Kreise das Feld
ihres Wirkens betreten, um sie zu zwingen, sich durch Hergabe
eines Trinkgeldes daraus zu lösen. Es geschieht dieses sowohl
an dem Herrn, sowie seinen Familien-Mitgliedern und Hausge-
nossen, als auch besonders an jedem Fremden, welcher zu ihnen
aufs Feld kommt, vorausgesetzt die Möglichkeit der Einlösung
nnd in einigen F&llen die Erlaubnis des Herrn. Es geschieht
auch am Inspector, wenn dieser es nicht vorzieht, der erste
seinerseits auf dem Felde zu sein und die Arbeiter fOr ihre
Langsamkeit auszuschelten. Es geschieht immer nur beim ersten
Male. Die Hauptsache ist jedenfalls das Trinkgeld, woitlr sie
sich meist Schnaps, süßen bei Harkerinnen, seltener Bier kaufen.
Dies trifft eigentlich beim Mähen nicht immer zu, weil
es bei diesem auch Brauch ist, die Sense vor den Gepfändeten
hinzulegen. Ihre Stelle vertritt auch stellenweise ein Bündel
Komhalme, so daß er förmlich in deren Banne steht. Jedoch
kommt auch bei ihnen das wirkliche Binden vor, d. h. die Um-
windung des rechten Armes mit einigen Komhalmen. Das
Binden ist stets Sache des Vormähers oder der Vorharkerin,
eines Ehrenamtes, fast immer außerdem noch in die eigene
Altfir. HoutBMhrift Bd. XZVI Hft. 3 a. 4. 22
DigtizBabyCoOgIC
338 Vöiii Binden in Weatpreußen.
Tasche belohnt, so daß diese den sehr scheel ansehen und atis-
schelten würden, der es außer ihnen wagen möchte. Znm Voi^
maher nimmt man einen ruhigen, strammen an Lebens- und
Dorfsjahren älteren Mann, der im Mähen eines tüchtigen, geraden
und tiefgehenden Schwattes den anderen mit gutem Beispiele
vorangeht und über sie Ordnung hält, zur Vorharkerin ein
Mädchen, welches, ' aus den Töchtern der Dorfseingesessenen
(also kein Dienstmädchen!) gewählt, das flinkste nnd nebenbei
auch das schmuckste ist. Während für die weitere Folge
(Anstellung) bei den Sensern das Dorfsalter entscheidet) wobei
die Söhne für ihre Väter eintreten, sodami etwaige sog. Depu-
tanten, wenn sie einmal zur Mahd zugelassen werden (immer
ein Freudentag!), und schließlich die angenommenen Leute
folgen, kommen bei den Harke rinnen hinter der Ersten die
Haustöchter, die Dienstboten und schließlich nach Dorfa-
alter oder Würde die Weiber, welchen es kurz vor Abend
erlaubt ist, sich als Schwanz von der Kette loszulösen, um
das Äbendbrod zu bereiten. Selten wird von den Sensem ein
Spruch beim Binden gesprochen, regelmäßig aber, besonders
zum Herrn, ein eingelernter Spruch, da er nur auf jenen Bezug
nimmt, von der Vorharkerin aufgesagt. Solcher Bindesprüche
hat H. Frischbier (Preuß. Volksreime und Volksspiele. Berlin
1867. S. 232 ff.) mehrere gegeben. Der in hiesiger Gegend
gebräuchliche Spruch ist etwas abweichend und will ich ihn
hierhersetzen, indem ich den ,,Grnädigen" in den einfachen
Herrn paßlicher verwandelte:
Heute ist der Ehrentag,
Dali man den Herrn binden mag
Mit diesem groben Band
Um des Herrn feine Hand,
Ist das grobe Band nicht ehrenswerth,
So weilt der Herr, was darauf gehört,
So will der Herr rieh (denn) bedenken
und uns (auch gerne) Etwas schenken
Auf ein Gläschen Biet oder Branntewein,
(Wie 'b dem Herrn mag gefällig sein!)
Uns geht 's nicht um das Gläschen Bier oder BranntAwrin,
Nur um dea Herrn seine Ehre ganz allein. (Ida E.)
DigtizBabyCoO^IC
Von Ä. Treichel.
Ich will mich an tor winden,
Die Hemchsfit hier zn binden
Mit einem groben Band
Um ihre zarte Hand.
Diee Band, dae soll gelöset sein
Niclit mit Bier and Branntewein,
Sondern wie's der Herrschaft wird geßülig s
22»
DigtizBabyCoOgle
Forschungen zum Leben des Max v. Schenkendorf.
Von
Oberlehrer Gull Kaaake.
Der hundertjährige Geburtstag des ostpreußiachen S&ngers
der Befreiungskriege Max v. Schenkendorf hat mehrfach zu
Besprechungen seines Lebens und Wirkens Veranlassung gegeben.
Di© beiden bedeutendsten Schriften sind: 1. Max v. Schenken-
dorf. Ein Sanger der Freiheitskriege. Von E. Heinrich. Mit
einem Vorwort von Dr. W. Bauer, Generalsuperintendent der
Rheinprovinz. Hamburg 1886. Agentur des Rauhen Hauses.
2. Ein Beitrag zu einer Biographie Max v. Scbenkendorfs. Von
Gymnasiallehrer Dr. Alexander Drescher. Wissenschaftliche
Abhandlung zum Programm des Großherzoglichen Gymnasiums
zu Mainz. 1888. Die Hauptquelle beider Abhandlungen ist
naturgemäß Dr. A. Hagens Werk „Max v. Scbenkendorfs Leben,
Denken und Dichten". Heinrich betont besonders den religiösen
Standpunkt des Dichters, während Drescher nicht nur aus den
bis 1883 bekannten Werken ein abgerundetes Lebensbild uns
vorführt, sondern auch ein Eacsimile seiner Handschrift aus
einem Aktenstück Äer Koblenzer Regierung vom 6. Dezember 1816,
woran es bisher gänzlich fehlte, seiner Abhandlung voranstellt
und die Aufsätze zweier Augenzeugen über Max v. Schenkendorf
in den Preußischen Provinzial-Blättern 1834 (von L. W. Fouque)
und im Rheinischen Antiquar. 1851. (von Chr. v. Stramberg) zum
Schlüsse wörtlich abdruckt. Beide Herausgeber haben ihre Heimat
DigtizBabyCoOgIC
Von Oberlehrer Emil Knaake. 341
am schönen Rheinstrom und bringen ihre Mitteilungen über unsem
Dichter, soweit sie sich auf Ostpreußen beziehen, größtenteils
aus Hagens oben erwähntem Werk. Dies ist schon längere Zeit
vergriffen, ohne daß die Deekereche Verlagsbuchhandlung eine
neue Auflage bat erscheinen lassen. Es dürfte daher eine
Berichtigung mancher Irrtümer Hagens und der ihn benutzenden
Schriilsteller willkommen sein.
Die Gedichte Max v. Schenkendorfs werden durch die
Geschichte seiner Zeit und die Verhältnisse seiner Familie be-
einflußt. Letztere sind bisher so gut wie ganz unbekannt ge-
blieben. Eine eingehende Schilderung der „wirtschaftlichen
Zustände Ostpreußens und Litauens am Anfange dieses Jahr-
hnnderts — mit besonderer Eücksicht auf die Familie v. Schenken-
dorf" habe ich in den Mitteilungen der Litauischen litterarischen
Gesellschaft, Band 3, Seite 1—93 versucht und fortgesetzte
Nachforschungen ergeben über das Leben der Eltern und des
Bruders unsres ostpreußischen Sängers auf Grund der bisher
nie benutzten G rundbuch akten von Tilsit, Lenkonischken und
Nesselbeck, der Akten der Patrimonial- Jurisdiktion Schilleningken,
der Regimentsgeschichte des Westpreußischen Kürassier-Regiments
No. 5 und des ersten Infenterie-Regiments {König Friedrich in.)
und Bchließlich der Akten des Königl. Oberpräsidiums von
Preußen betreffend Unterstützungagesuche der Frau Kriegarätin
V. Schenkendorf folgendes Bild über Schenkendorfs Familie. '
George Heinrich Ferdinand v. SchenCkendorff, der Vater
unsres Dichters, wurde 1744 geboren. Der Geburtsort war
bisher nicht zu ermitteln, denn auch das Trauregister zu Tilsit
und das Totenbuch zu Quednau, die ich persönlich eingesehen
habe, geben hierüber leider keine Kunde. Am Ende des
7jährigen Krieges trat er in das Kadetten-Corps zu Berlin ein
und wurde nach dem Friedensschlüsse dem Regiment von Flaten
in Insterburg, dem jetzigen Westpreußischen Kürassier-Regiment
No. 5, zugeteilt. In der Offizierliste „Pro Mense Januar 1765"
nimmt er unter den 37 Offizieren den 35. Platz ein und ist
8. Fähnrich; 1768 ist er I.Fähnrich, 1769 und 70 13. Sskonde-
DigtizBabyCoOglC
342 Forschungen zam Leben des Max v. Schenkendorf.
Lieutenant (der 28. Offizier), 1771 und 72 der 26., 1773 der 25.,
1774 nnd 75 der 23., 1776 der 20., 1777 der 18., 1778 der
17. Offizier, d. i. der 2. Sekonde-Lientenant. In der Eangliste
des Jabrea 1778 erscheint er nicht mehr. Ans einem Schreiben
seiner Frau (vom 1. Dezember 1825) an den Oberpräsidenten
V. Schön erfahren wir, daß er „durch den Tritt eines wilden
Pferdes seine Q-etJundheit eiugebtUlt" hatte und deshalb seinen
Abschied nahm. Ans Patriotismus verzichtete er auf die ihm
zustehende Pension und erhielt eine Civilveraorgnng in Tilsit
als Salzfaktor, eine Stellung, die ungefilhr derjenigen eines
Ober-Steuer-Kontroleors entspricht. In Tilsit verheiratete er
sich am 18. Februar 1783 mit der einzigen Tochter des Predigers
Karrius, Charlotte Luise, geboren zu Tilsit am 1. Oktober 1761,
welche ihm am 11. Dezember 1783 einen Sohn schenkte, der in
der Taufe am 23. Dezember die Namen Gottlob Ferdinand
Maximilian Q-otttried erhielt. Einen zweiten Sohn, Hans Karl
Ludwig Tugendreiob, gebar sie am 27. Juni 1785; das dritte
Kind, eine Tochter, ist früh verstorben. Bekanntlich ist das
Datum der Geburt unsres Dichters auf dem Denkmal in den
Bheinanlagen und auf dem Kirchhofe zu Koblenz falsch und
selbst in den neuen Gesangbüchern unsrer Provinz waltet noch
keine Ellarheit in diesem Punkte. Obige Angaben habe ich dem
Trau - Register und dem Tauf buche der deutsch - lutherischen
Kirche zu Tilsit entnommen.
Ober die Vermögensverhftltnisse derFamiliev.Schenken-
dorf gehen die wundersamsten Vorstellungen um. Der nach
seiner Verheiratung zum Kriegsrat ernannte Vater des Max
v. Schenkendorf besaß nur ein geringes Vermögen; aber sein
Schwiegervater kaufte ihm im Jahre 1789 ein Grundstück, das
Mftlzenbrftuerhaus Tilsit 175 (heute Hohe Str. 39) fttr 10000 Mark,
von welcher Summe die H&lfte sofort angezahlt wurde. Der
Kriegsrat ließ einen Stock aufsetzen und das Brauhaus zu
einem Speicher umbauen, wodurch er den Wert des Grund-
stücks fast verdoppelte. Verlockender aber als dieser Besitz
war dem ehemaligen Offizier der Erwerb eines Gutes in nächster
DigtizBabyCoOgIC
Von Oberlehrer Emil Knaake. 343
K&he seinea amtlichen WirkuDgBkreises. Daher kauile er am
30. November 1790 ans der Mitgift seiner Frau das Erbfrei-Gut
Lenkonischken bei Tilsit für 7333 Thaler 30 Groschen (gleich
22 000 Mark) von dem Oberst -"Wachtmeister von Forselius, der
es 1787 von der Kriegsrätin von Eochow erworben hatte. Mit-
hin ist die Bemerkung Heinrichs (S. 2), daß der Vater Schenken-
dorfs „nach dem Tode des Großvaters Besitzer des Gutes Len-
konischken in der Nähe von TUait" geworden sei, vöUig aus
der Luft gegriffen. Ebenso falsch ist die weitere Bemerkung,
er macht© landwirtschaftliche Versuche über Versuche, ging
dabei aber den Krebsgang;" die Besitzung war vielmehr bis
zum unglücklichen Kriege ganz schuldenfrei. Erst als nach der
für unser Vaterland so verhängnisvollen Niederlage bei Friedlaiid
die Franzosen Tilsit besetzten und die ganze Gegend rings
hemm ausplünderten, große Läger bei Moritzkehmen und Ber-
neiten aufschlugen, die Saaten abmähten. Zäune und Ställe zum
Bau der Baracken abbrachen, Möbel und alle irgenwie brauch-
baren Gegenstände stahlen, kein einziges Stück Vieh auf den
Gütern lieBen, da mußte allerdings auch der Kriegarat v. Schenken-
dorf im Jahre 1808 eine Hypothek von 4000 und im Jahre 1809
eine zweite von 3000 Thalem aufnehmen ,,zur Auf helfung seines
Nahrungsstandes", wie in den Grundbuch akten richtig bemerkt
ist. Daß er diese Hypotheken nicht wieder tilgen kann, bewirkt
die allgemeine Notlage der Landwirtschaft, denn die Kontinental-
sperre schneidet der von der Ausfuhr nach England lebenden
Provinz die Möglichkeit einer Wiedereratarkung ab. Mögen die
Saaten noch so herrlich stehen, mag die Ernte noch so reichlich
ausfallen, das Getreide ist bei dem Mangel jeglichen Absatzes
fast wertlos. Kaum aber ist der Viehbestand der Provinz wieder
einigermaßen ergänzt, da wälzt sich die ,, große Armee" durch
Ostpreußen nach Rußland und versorgt sich auf Napoleons Befehl
mit Lebensmitteln, so daß ganze Gegenden ihres Angespanns,
ihres Viehatandea und ihrer Vorräte beraubt werden. An der
Hauptheerstraße lag auch das Gut Nesselbeck (nicht „Nessel-
rode", wie Heinrich wiederholt schreibt!, welches die Frau
DigtizBabyCoO^IC
344 Forschungen zum Leben des Hax v. Schenkendorf.
V. Sehenkendorf beim Tode ihrer recht wohlhabenden Mutter
im Jahre 1807 geerbt hatte. Für diese Besitzung reicht sie im
Jahre 1812 ein Moratoriengesuch ein, da sie durch die Not der
Zeit zu sehr gelitten habe, als daß sie ihren Gläubigern gerecht
werden könne. Das Gesuch wird aber abgelehnt, und bei dem
Durchzuge der Franzosen im Juni 1812 werden sowohl Nessel-
beck bei Königsberg als Lenkoniscbken bei Tilsit völlig ausge-
plündert. Seitdem ist die Familie v, Schenkendorf nicht mehr
im Stande, ihren Verpflichtungen nachznkommen.
Der Tod des alten Kriegsrats erfolgte zu Königsberg
am 24. Januar 1813, nicht zu Lenkonischken, wie Hagen a. a. O.
S. 20 und Gedichte von Max v. Schenkendorf. 5. Aufl. Stuttgart
1878. S. 50) irrtümlich sagt, „er starb fern von den Söhnen auf
seinem Gute bei Tilsit, während die Gattin auf dem Lande bei
Königsberg lebte". Da^ Totenbucb zu Quednau meldet nämlich,
daß er zu Königsberg im Alter von 68 Jahren an Entkräftung
gestorben und nach Quednau übergeführt ist; im Frühjahr sollte
ein Erbbegräbnis in Neaselbeck erbaut und dort die Leiche bei-
gesetzt werden. Dazu kam ea aber nicht, denn der Freiheits-
krieg schob die Angelegenheit hinaus, und die Söhne griffen
zu den Waffen, um den Erbfeind zu bekämpfen. Nun erklärt
sich von selbst Schenkendorfs Lied „Bei seines Vaters Tod":
„Wenn anch Fremde dich begraben,
Schlaf in freier Erde nun;
Lieber Vater, schau', wir haben
Jetzt ein beDres Werk zu thun.
Dann erst, wenn die deutschen Auen
Keine Feinde mehr entweihn,
Wollen wir dein Grabmal bauen,
Schreiben deinen Leichen stein."
Der Bruder des Max v. Schenkendorf ist, wie sein
Vater, schon als Kadett ins Heer getreten, denn am 25. Juni 1799
beginnt seine Dienstzeit. 1806 ist er (nach der Rangliste des
ersten Infanterie- Regiments) 23. Sekonde-Lieutenant im Regiment
„Rüchel", wie das heutige Regiment König Friedrich XLl. damals
DigtizBabyCoOgIC
Von Oberlehrer Emil Knoake. 346
nach seinem Chef, dem General-Lieutenant v. Büchel, genannt
worde. Sein Patent datiert vom 4. März 1805. Er war ein
Soldat von Scheitel bis zur Sohle, so recht nach dem Herzen
Beines Vaters. Als infolge der unglücklichen Schlacht bei Jena
allefl Qebiet bis znr "Weichsel in die Hände Napoleons fiel nnd
erst wieder diesseits des Stroms ein Widerstand versucht werden
könnt«, da nahm Schenkendorf teil 1. am Gefecht bei Chamsk
am 23. Dezember, 2. hei Soldau am Weihnachtstage 1806, 3. an
der Schlacht bei Preußisch-Eylau, 4. am Gefecht bei Bartenstein
und 6. an den Kämpfen vor Königsberg. Ausführlich berichtet
über seinen Heldenmut die Geschichte seines Begiments: „Schon
waren im Gefecht auf der Nassengärter Straße am 14. Juni 1807
die beiden Teten-Züge des 2. Bataillons Rüehel eine Strecke .
zurückgegangen, als die Fahne mit dem Portepee-Fähnrich
Vogel vermißt wurde. Der Lieutenant v. Schenkendorf sammelte
schleunigst mehrere Freiwillige und ging mit diesen wieder
gegen das Nassengärter Thor vor; er fand Vogel schwer ver-
wundet an der Erde liegen und neben ihm die Fahne. Sein
Tornister wurde hinter der Giebelseite eines Hauses von einem
Franzosen durchsucht, der dabei überrascht von einem Musketier
durch einen Kolbenschlag getötet wurde." So brachte Schenken-
dorf die schon verlorene Fahne seines Bataillons zurück und
erhielt dafür den Orden ponr le merite. Als am 16. Juni die
Nachricht von der verlornen Schlacht bei Friedland in Königs-
berg einlief, erschien es den Führern wichtiger, dem Könige das
Corps zu erbalten, als die Stadt mit unzureichenden Streitkräften
zu verteidigen. Daher trat das Begiment Büchel noch am Nach-
mittage desselben Tages den Bückzug nach Labiau an und er-
reichte am 18. Juni unweit Bendiglauken die russischen Truppen.
Bei dem Aufmärsche des gesamten Heeres stand Schenkendorf
auf dem rechten Flügel, mithin in nächster Nähe seines väter-
lichen Gutes, welches nach dem Abzüge der verbündeten Bussen
und Preußen von den Feinden gründlich ausgeplündert wurde.
— Nach dem TUsiter Frieden ernannte der König den Lieute-
nant von Sehenkendorf am 6, April 1809 zum etatsmäßigen
DigtizBabyCoOgIC
B46 Forachungen zum Leben des Max v. Schenk endorf.
Sekonde-Lientenant im Leibbataillon Garde zu Faß, dem jetzigen
Ersten G-arde-Begiment zu Fuß (dessen Geschichte ich die fol-
genden Angaben entnehme) und am 24. Dezember 1810 znm
Premier-Lieutenant, am 12. Februar 1813 zum Stabs-Kapitän
und am 22. April 1813 zum Premier- Kapitän und Chef der
6. Kompagnie. In letzterer Eigenschaft nahm er an der Schlacht
bei Gkoß-Görachen teil; seiner glänzenden Laufbahn machte aber
die Schlacht bei Bautzen am 21. Mai 1813 ein jähes Ende.
Schwer verwundet wurde der wackere Offizier, der sich schon
das eiserne Kreuz erworben hatte, nach Hirschberg in Schlesien
gebracht, wo er Im Juni seinen Wunden erlag. Kurz vor seiner
Verwundung hatte er noch seinen älteren Bruder bei Hochkirch
als fi-eiwiUigen Jäger begrttHt. Er ruht mit dem Major v. Pfuhl
und dem Lieutenant v. Zenge in einem Grabe.
„Er focht in sieben Schlachten,
Er war ein deutschea Blut,
Qefebr hieO ihn veiHchten
Sein Btiller Kriegesamt. "
Ber Prediger Karrius, der Großvater Max von
Sobenkendorfs, ist als ein wohlhabender Mann schon erwähnt
worden. Derselbe war in Bartenstein geboren und hatte von
1753 — 69 zu Wologda im nördlichen Biißland eine Anstellung
gehabt, worauf er in Tilsit Diaconus der deutsch-lutherischen
Kirche wurde. Im Jahre 1796 wurde ihm ein Adjunkt zur
Seite gestellt, und er siedelte nach Königsberg über, da durch die
Wohlhabenheit seiner Frau, einer geborenen Boltz, irgend welche
Einschränkung unnötig war. Auf dem Sackheim scheint er
Wohnnng genommen zu haben. Zwei Jahre du-auf kaufte er
das Gut N'esselbeck bei Königsberg für 31 000 Thaler, von
welcher Summe er 8000 Thaler anzahlte. Durch die Anwesen-
heit des Karriusscben Ehepaares erklärt sich die irUbe Imma-
trikulation Max von Schenkendorfs an der Königsberger Univer-
sität am 27. September 1798. Die Großeltern und ein Oheim,
der Kaufmann Tschepius, sollten ihn beaufsichtigen. Karrius
starb im Jahre 1802; seine Ehefrau folgte ihm im ünglücks-
DigtizBabyCoOglC
Von Oberlehrer Emil Knaake. 347
jähre 1807 nach und binterließ ihrer Tochter das Gut Nesaelbeck
and ein Bar- Vermögen, welches gerade hinreichte, um bis zam
Notstandsjahre 1811 die Zinsen an ihre Gläubiger zahlen und
das Inventarinm des von den Franzosen ausgeplünderten Gutes
einigermaßen ersetzen zu können.
Das eheliche Verhältnis der Eltern des Max von
Sohenkendorf wird als ein keineswegs inniges dargestellt.
Beweis ist der Mutter Anwesenheit in Nesselbeck, während der
Vater Lenkonischken bei Tilsit bewirtschaftet. Sollte aber eine
Aufsicht über die "Wirtschaft geführt werden, so war ein© solche
zeitweilige Trennung nnerläi^lich. Von der Liebe und Verehrung
der Kriegsrätin zu ihrem Gatten giebt genaue Kenntnis das
schon erwähnte Testament (wörtlich abgedruckt in den Mit-
teilungen der Litauischen litterarischen Gesellschaft, Bd. 3.,
S. 10 ff.) Frau v, Schenkendorf berichtet zunächst, daß sie
ihrem Ehemann 20 333 Ethlr. 30 Gr. bar in die Ehe gebracht
habe und fährt dann folgendermaßen fort: „Im Besitze sowohl
dieses gegenwärtigen baren Vermögens und der Mohilien als
dessen, was mir, im Falle ich meine Mutter überlebe, noch zu-
fallen wird, soll mein Ehemann bis an seinen Tod ungestört
verbleiben, da ich von seiner guten Haushaltung und reellen
väterlichen Vorsorge für nnser« gemeinschaftlichen Kinder zu
sehr überzeugt bin, als daß letzteren diese Anordnungen nachteilig
sein könnten." So denkt keine Frau, welche mit ihrem Gatten
in Unfrieden lebt oder ihn gering achtet. Leider ist das Lehen
der Kriegsrätin als ein wunderliches hingestellt worden. Sie
soll in Lenkonischken die Instfrauen häufig des Nachts aus
ihren Wohnungen gerufen und gefragt haben, ob sie mit ihren
Ehemännern auch glücklich lebten. Selbst die ältesten Leute
wissen an Ort nnd Stelle über solches Treiben nicht das geringste
anzugeben. Als der Gipfel der Tollheit erscheint aber manchen
Schriftstellern die Bemühung der Frau v. Schenkendorf, aus
dem Verkauf von Sand eine Einnahme zu erzielen. Heinrich
sagt in seinem Leben des Max v. Schenkendorf (S. 13): „Sie
gewann wohl 3000 Mark jährlich durch den Sandhandel, verdarb
DigtizBabyCoO^IC
348 ForscboDgen zum Leben des Max v. Schenkendorf.
aber ihr Gnt („Nesselrode") darch die immer weiter aiiag«de}mten
Sandgruben grändlich." Nnn wissen wir aber aus dem Mora-
toriengesuch der Kriegsrätiu, daB sie täglich für Milch* und
Sandyerkauf 3 — 4 Mark erzielt habe. Daraus folgt, daß sie
jährlich noch nicht 300 Mark aus dem Sandverkauf einnahm.
In den Unglücksjahren 1807 bis 1813 kämpften alle Gutsbesitzer
Ostpreußens einen schweren Kampf und suchten sich durchzu-
schlagen, so gut es ging. Redlich hat unsres Dichters Mutter
mit der Not der Zeit gerungen und nach dem Tode ihres Gratten
und ihrer S^thne, die im Dienste des Vaterlandes einen frühen
Tod gefunden hatten, gedarbt und sich bemäht, die Güter zu
erhalten, damit ihre Gläubiger durch eine Zwangsversteigerung
keinen Schaden erlitten. Dieser Kampf ist geradezu bewunde-
rungswürdig nnd zeigt die echt christliche Liebe zu Gott und
dem Nächsten.
Zum Schluß noch ein Wort über den „Kaiserherold".
Bekanntlich hat Friedrich Eückert diesen Ehrenbeinamen dem
Max V. Schenkendorf gegeben, indem er also ihn preist:
„Der SEing von Reich and Kaiser,
Der ließ die Sehnsucht rnfen so laut,
Dalt Deutschland ihn, die verlafl'ne Braut,
Nennt ihren Kaiserherold"
Ein einiges Deutschland und einen deutschen Kaiser er-
hoffie Max v. Schenkendorf als Folge des Kampfes gegen
Napoleon. Zunächst hat er dabei an den Kaiser von Osterreich
gedacht, den er nach der Schlacht bei Bautzen zum Kampfe
aitfrnft:
„Deutscher Kaiser! Dentacher Kaiser!
Komm zu rächen, komm zn retten.
Löse Deiner Volker Ketten,
Nimm den Kranz, dir zugedacht!"
Auch sonst denkt er sich wiederholt in seinen Liedern den
Habsburger als deutschen Kaiser. Als er aber im Verlaufe der
Freiheitskämpfe klar erkennt, daß von dieser Seite seine Hoff-
nung nicht erfallt werden kann, da ahnt er, ein Hohenzollem-
DigtizBabyCoOglC
Von Olwrlehrer Emil Knaake. 349
sproß wird Kaiser werden. In dem Gedicht „der Stuhl Karls
des G-roßen" dentet er zum ersten Male auf ihn:
Ach, die Sehnsucht wird so l&at!
Wollt ihr keinen Kaiser küren?
Kommt kein Bitter, heimzulllliren
DeotscbUnd, die verlafi'ne Braut?
Eisen hat sich Gott eraeh'n,
Dem das Erbteil zugefallen.
Der ein Stern wird eein vor allen,
Und was Oott will, mag gescheh'n!
Dieser Eine war der Kronprinz von Preußen, der rechte
Meister, der auch den Kölner Dom Tollenden soll.
Harret nur noch wenig Stunden,
Wachet, betet and vertraut,
Denn der Jüngling ist gefunden,
Der den Tempel wieder baut.
Nicht Friedrich Wilhelm IV., sondern sein großer Bruder
hat erfüllt, was Schenkendorf ersehnt und gefordert hat. Wir
aber wollen im G-enusse dieser 6üter des Kaiserheroldes, des
ostpreußischen Säugers und Kämpfers der Freiheitskriege nimmer
vergessen!
Tilsit, im Januar 1889.
,dbyGoogIe
Kritiken ond Referate.
Alterthumsgesellschaft Prussi» 1888.
Slteuff Tom 29. Jniif. In der letzten Sitzung vor den Ferien hielt
Herr Profe^or Heydeck einen Vortrag aber dae Qräberfeld zu Wickan,
Kreis Fischbansen unter Vorlage der interesaanteeten Fnnde der gewon-
nenen Ausbeute. Das Gräberfeld entbleit 20 einem Theil HflgelgAber «os
Torclmstlicher Zeit mit Leicbenbrand in ümenbeisetzong unter Beiffigong
von broDcenen Ha&madeln unter einer etwas gewölbten Steinpackong nnd
auch Flachgräber zvriefacber Art eben&lls unter Steinpackung ans den
ersten Jahrhunderten nach Chr. unter IG Steinpackungen von zwei Ueter
homontalum Durchmesser fand sich die Spar von in Banms&t^en bestatteten
Skeletten, an deren Kopfende Urnen beigesetzt standen. Es waren meistens
Kriegergräber, aus denen ein eisernes Barbarenscbwert mit vier Blntrinnen
in der breiten Klinge in den Uebeixesten einer hölzernen Scheide mit einem
langen Griff versehen, wie ein schönee bronzenes Zaumzeug mit l&ngen
bronzenen Zligelketten und Silberplattimngen auf bronzener Unterlage her-
vorragende Stücke waren. Die hier beigegebenen bronzenen Fibulen waren
die Sprousen- und gewölbten Fibulen. Dieselben Formen der Oewandnadel
fanden sieb auch in der zweiten Art von Oräbem, der Urnenbeisetzung mit
Leichenbrand (87). Die bronzene Hakenfibula kam spärlicher vor, welche
die ältere Fibula ist. Kriegergräber waren hier, nach den eisernen Hohl-
kelten und Scbildbuckeln zu schließen, auch zahlreich vorhanden, ebenso
auch Schmuckgegenstände, besonders in rothen Glasperlen bestehend. Die
bei den Banmsärgen beigeeetzten Urnen hatten häufiger einen abgesetzten
profilirten Fuß als diejenigen, welche die verbrannt«ai Knochen enthielten.
— Im Anschluß au die in der Märasitzung von Heim Professor Heydeck
vorgelegten Ffahlbaugefäße, welche nahe dem Rande kleine Löcbelchen
haben, giebt Herr Balduhn, vormals auf Sodrest, der erste wissenschaftliche
DigtizBabyCoO^IC
Älterthumsgesellschaft Praseia 1888. 361
Entdecker der Pfahlbauten MasnrenB, jetzt in Königsberg, die ErUftrong
für die feine Durctalochnng des Oeiäfirandm, indem er annimmt, daH die-
selbe, da das OefM zugedeckt 'Wurde, ein schnelleres Eochen und besseres
'Wannhalten begünstigte. Hierauf legte Herr Professor E«^sok das auf
Tet«nlas8ung des Herrn Cultusminister v. Ooßler von dem Direktor der
prähistorischen Abtbeilung der Königlichen Museen zu Berlin Dr. VoU bei
Mittler & Sohn in Berlin heransgegebene Merkbuch, AlterthUmer aufzu-
graben nnd aufzubewahren, vor und besprach die von ihm selbst und von
dem Ehrenmitgliede der Gesellschaft Herrn Blell, jetzt in Grofi-Lichterfelde
bierin gemachten Erfahrungen. — Zum Schlufi der Vorträge erfolgte die
Vorlage der eingegangenen Geschenke nnd der gemachten Erwerbungen
durch den Vorsitzenden Dr. Bnjack. — Zu der Sammlung von Steinger&then
schenkte Herr Lehrer Fre; in Pr. Ejlau die Schneide eines durchlochten
Beib aus Diorit und einen Keil aus demselben Gestein, die in üszballen
Kreis Labiau als Einderspielzeng dienten, ferner wurden unter Glas und
Rahmen Toi^;elegt die Copie des aus dem Dom zu Königsberg verschwun-
denen Wandgemäldes, das aus dem 14. Jahrhundert stammte nnd durch
den Maler Haue Füllhaas im October 1856 gezeichnet ward und die Photo-
graphie des Königebet^r Exemplars der Verleibungsurknnde des Landes
Preuften von Kaiser Friedrich IL an den Deutschen Orden, wie sie nun in
dem Museumsraum tiir die Ordensalterthämer aufgehängt sind, femer als
Erwerbangen ein in dem Frischen Haff bei Capom, Kreis Fischhausen, ge-
fundener Degen des 17. Jahrhunderts, eine gpiavirte Zinnplatte, mit einer
lateinischen und deutschen Inschrift zum Andenken an Ephraim Wilhelm
T. Busbart 1708 hergestellt und eine Kupferplatte mit einer Oelmaler«,
welche einen jungen Cavalier in Roccocokostum mit den Anfangsbuch-
staben £. F. S geboren 1738 in dem Jahre 1747 zeigt ~- Für die Bibliothek
schenkt Herr Dr. Walther Simon eine Bethe interessanter Bflcher, die im
Besonderen Königsberg und Königsberger Verhältnisse betreffen, ein Stück
einer Zeitschrift gleicher Art und eine alte Aufnahme der Französischen
StraCe zu Königsberg. — Hierauf constituirte sieb die Gesellschaft zur Gene-
ralversammlung und nahm von dem Vorsitzenden, da der Kassenwart, Herr
Bildhauer E ckart, verreist war, die von Herrn Stadtrath "Warkentin und
Herrn Hauptmann Ephraim revidirten Jabresrechnnngen der Gesellschaft
pro 1887 entgegen, ertbeilte dem Vorstande auf den von den genannten
Mitgliedern gestellten Antrag Decharge nnd wählte Herrn Bittmeister
V. Uontowt auf Kirpehuen und Herrn Fräcentor Anderson in Popelken,
Kreis Labien, zu Ehrenmitgliedern. Die Sitzung war durch den Vorsitzen-
den mit Worten dankbaren Andenkens an den bochseligen Kaiser Friedrich
erd&et worden, der als Kronprinz von PreuAen den Prussiassmmlungen
sswei Mal, und zwar am 6. September 1879 in dem alten Baume des SchloS-
DigtizBabyCoOgle
352 Kritiken und Referate.
thurmes und am 4. Jani 1885 in den größeren and gtinstigeren Bantnen
des NordflUgels des Königlichen Schlosses seinen hohen Beanch geschenkt
hatte. [Ostpr. Ztg. T. 21. Sept. 1888. Beil. z. No. 222.]
In der Sltninff Tom 21. September stand ein Vortrag des GTinnssi&l-
Oberlebrer Dr. Bnjack „Ana Johannisburgs alten Zeiten" zuerst auf der
Tagesordnung. Derselbe geht von dem heutigen Schloß Johannisburg aas,
das uor noch in seinen Fandamenten and einigen Bingmanern wie in
wenigen Deberresten von Wall und Graben erkennbar ist. Die bildliche
Darstellung desselben in Eartknocha altem und neuen Preußen zeigt den
Umbau desselben durch Heizog Albrecht and die stärkere Befestigung durch
den großen Kurfürsten. Von Bewohnern und Gästen des Schlosses begnügt
sich der Vortragende, den gewesenen Ordensritter und zeitweise einflnft-
reichen Bathgeber des Herzogs Albrecht, Friedrich v. Hejdeck im 16. Jahr-
hundert, den Kurfürsten Augast den Starken von Sachsen, König von Polen
als Gast und den Kurfilrsten Friedrich III. ab Wirth am Schluß des
17. Jahrhunderts und den polnischen König Stanislaus Leczinski in der
ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts als Flüchtling zu nennen. Daz zweite
Mal wurde er hier vom General von Katt, dem Vater des unglücklichen
Katt, hegrüBt, der einige Jahre früher König Friedrich Wilhelm I. bei
dessen Revisionsreise nach Neidenburg vor dem Johannisburger Schlosse zu
empfangen hatte. Weil dasselbe 1787 aus fiskalischem in Privatbesitz über-
ging, darum konnte York zum Schluß des 18. Jahrhunderts in seiner
Stellung als Mt^or des FflsUier-Bataillons nicht im Königlichen Schtoese
Wohnung nehmen, sondern erhielt aus der Kasse der Königlichen Baagelder
die Mittel, sich nach seinem Geschmack ein Haus in der Warschauer Straße
za bauen. — Dem historischen Interesse eines der Besitzer des alten SchloB-
areals, dem Herrn Gerichtsaekret&ir Post, ist die Erhaltung einer ,,Delineatioa
des Johannisburger Schlosses" aus dem 18. Jahrhundert and die bei wieder-
kehrender Untersuchung der Scbloßmauer-Fundamente gemachte Beobachtung
zn verdanken, daß dieselben auf einem Pfahlwerk mhen. Anknöpfend an diese
Delineation des 18. Jahrhunderts, welche in den Grundmauern noch einen
Danziger erkennen läßt und an das in diesem Jahre außerhalb des Schloß-
grabens bei Gelegenheit des Baues des Poathauses gefundene Pfahlwerk
schildert der Vortragende die Gründang der Barg Johannisbnrg, in die als-
bald ein Pfleger einzog, nach Wiganda von Marburg dichterischen Worten
im 14. Jahrhundert und die Gefahren, welche die Ordensritter in der Burg
zu bestehen hatten, wie die EinkUnAe derselben von dem anliegenden
Fischer- und Beutnerdorf nach der vorgelegten Handteste, wie die Inspektions-
reise des Hochmeisters Winrich von Kniprode, der von Rhein zu Wasser
kommt tud Über Johannisburg seine Reise zu Wasser nach Thom fortsetzt.
Auch der Abhaltung des Ehrentisches an dem exponirten Punkte von Johannis-
DigtizBabyCoO^IC
ÄlterthuinsgeselUcbaft Prussis 1888. 353
bürg und des Ausgangspunktes einer Kriegsreiae vod dort in das mittlere
Nif^men- Gebiet wird gedacht. Die Bewohner dieser Gegend waren im
14. und 15. Jahrhundert größten tbeils Polen, wie das Pisanski, ein geborener
Johannisburger, ein Enkel des Angerburger Helwig, in seinen fleißigen und
gründlichen Arbeiten dargethan hat. Ihn interessirten nicht nur die frilh-
geschichtlichen Einwolmer jener Gegend nach ihren Wallbergen und Grab-
stätten, sondern auch schon die prähistorischen. Hierauf eingehend berichtet
der Vortragende von Umenfunden ' auf dem Kirchhof zu Johauuisborg,
welche vor mehr als einem Jahrzehnt die Herrn Wiemer zaiällig wahr-
nahmen, und von dem Funde eines Steinbeiles ans Feuerstein in Johannis-
hdhe, das Herr Bürgermeister Plath dem Prnssia-Museum schenkte.
Darauf hielt Herr Dr. Brosow einen Vortrag über das Thema:
Namen und Herkunft der Beamten des deutschen Ordens," und zwar
behandelte er in dem mitgetheilten Vortrage nur die eigentlichen Ruf-
namen jener Beamten, wobei er die Zusammenstellung derselben in dem
Voigtschen Kataloge zu Onmde legte, und gedenkt die Namen, die die Her-
kunft bezeichnen, in einem zweiten Vortrage folgen zu lassen. In der voll-
ständigen etymologischen Deutung dieser Namen schloß sich der Vort^^ende
an die grundlegenden Arbeiten von Polt, Hoflmann von Fallersieben und
besonders Förstemann: „Altdeutsches Namenbuch" (1. T. Personennamen,
2. T. Ortsnamen) an. Diese Männer haben zuerst die Scheu, die man vor
dem Personennamen und seiner etymologischen Secirung hegt«, durch-
brochen. Goethe hatte ihn mit einer Haut verglichen, deren Verletzung
den Träger mitträfe. Die Namen der Ordensbeamten nun sind fast durch-
gängig deutsch und bewahren, wie die Namen überhaupt, Sprechformen
und Laute einer älteren Sprachepoche. Dem germanischen Charakter gemäll
beziehen sie sich auf den Krieg, so die Namen mit gär (Speer), hari (Heer),
auf olf-wolf (daher auch EgloiT der Schwertwolf), auf olt-walt, auf wig
(Kampf), auf heim, brand, mant (Schutz), nant (den "Wagenden bezeichnend)
und viele andere, im Ganzen 57 von den Namen des Kataioges. Andere,
auf friedliches Thnn bezügliche, etwa 40 Namen, so Otto, älter Uat« der
Besitzende, Heufi uraprüngtich der Schuhflicker, Dusemer der Leisesprecher,
Zolo der Zöllner, Meingotus der mächtige Gothe, Oozwtn der Ootbenfreund,
beide mit dem in doppelter Gabelung erhaltenen Namen des Oothennamens,
der uns auch in den Oagoten der Pyrenäen als den „gotischen Hunden"
entgegentritt. Dunkel ist der Name Emmerich, der in seiner Italianisirung
t^merigo" einen Welttheil benannt hat. Andere, etwa 12, sind auf Jagd
und Thiere bezügbch, so Ännohano der Hahn. Wolfram-Wolfraban der
Wotlrabe, beide Thiere des Wodan in sich vereinend, Perolf der Bärwolf,
wieder andere auf die Geburt, so Poppe der Bube, I£arl der Mann, wieder
andere sind christlich-jüdischen Urspnrags oder in christlichem Sinne ge-
iltpr. Ifonateschrirt Bd. XXTL Hft 3 n. 4. ' 23
zeabyCoO^IC
354 Kritiken und Referat«.
bildet, wie Gottiächalk, Engelhard, Engelbreeht (Engelsglanz)- Auch ein
Itelbans erscheint wie in tmserm HeiTS(>hprhause ein Eitelfriedrick. Die
christlichen Natnen sind erst unter dem Hohenstaufen Friedrich IL ans
Frömmigkeit aufgekommen, wie auch unter den deutschen Kaisern vor
Maximilian kein fremder Name sich findet. Auch die Eirchenfest« erscheinen
erst in der zweiten Hälfte des XIII. s. inj Kalender, vorher wurden die
Tage einfach nach der Weise der alten Körner, etwa a. d. T. Kai. Jan., be-
zeichnet. Mythologischen Ursprungs sind nur wenige Namen, etwa Wilhelm
der Wunsch- oder Zauberhetm, Älfrich der Elfenfürst, während der sonst
erscheinende Alf eine Abkürzung von Adolf aus Adalolf, dem „edlen WoUe^
ist. Ueberaus häufig sind im Altdeutschen die Abbreviaturen oder
Kosenamen, bei zusammengesetzten Namen von beiden ßtstandtheilen
möglich, so von Hildebrand Hildiko und Brendel, letzteres überhaupt von
allen Namen auf brand, so daQ oft die Suche nach dem Vollnamcn eine
gann vergebh'che ist. Solche Namen sind Taromo aus Tancmar, Enno aus
Konrad, Oozo aus Oozwin, Heidecke aus Heidwalt, Brandecke, Mate aus
Mathes, Jobst aus Johns, Jost aus Jodocus und viele andere. Der Name
Härtung ist auch von einer solchen Koseform abgeleitet und zwar patro-
nymisch, der Nachkomme eines, dessen zweiter Namensbestandtheil das
Wort hart d. h. „fest, erprobt" war. — Eäthselhaft ist der Name Tristram
im Katalog; der zweite Bestandtheil ist sicher ram aus raban, der erste
vielleicht gothisch thras sohneil, mhd. trasen laufen, altnordisch thras Streit.
Die Literaturgeschichte kennt eine andere komische Ableitung im „Tristram
Shandy'', wo die thijrichte Amme den von Vater Shandy mit dem voll-
töuenden Mysterien namen Trismegislos belegten Knaben in einen Tristram
d. h. einen „traurigen Hammel" umbenannt, zum grollen Aerger des Vaters.
Den Vorträgen war der Bericht und die Vorlage von eingesandten Ge-
schenken und neuen Erwerbungen für das Prussia-Museum durch den Vor~
sitzenden Dr. Bujack vorangegangen. Dieselben sind ein durchlochter Stein-
hammer, gefunden in Fesseln, Kr. Wehlau, geschenkt von Herrn Forat-
sekretär Reduth in Brüsken, ein Beil aus Feuerstein, gefunden in Johannis-
höh hei Johannisbnrg, geschenkt von Herrn Bürgermeister Plath in Johannis-
burg; ein durchlochtee Steinbeil, gefunden iu Luscze (Schäferei) Kr. Memel,
geschenkt von Herrn Förster Sorge in Luscze, awei Feuersteinmeseer, viele
Feuerstein Splitter, drei Feuerst einpfeilspitifen, 2 Feuerstein -Meißel, acht Keile
theils aus Feuerstein oder Diorit oder anderm Gestein, 3 Bahnenden,
2 Bahnenden fragmente, 2 Schneiden von Steingerät heu, 2 conische Bohr-
zapfen, gefunden auf der Kurischen Nehrung, letztere gekauft, 3 Knochen-
nadetn zur Urnen-Sammlung und Abtheilung von Gräberfunden, Umen-
scherhen mit Schnnromament aus vorchristlicher Zeit und andere omamentirte
Urnen Scherben aus der Zeit der ersten Jahrhunderte nach Christo, gefunden
DigtizBabyCoOgIC'
Altertbumsgesellschaft Pmssia 188a 355
nnf der Eurisehen Nehrung, gekauft, ein ornamestirtee 6eige%B, gefbnden
zn Sortheoen bei Fobethen, gescbenkt von dem Uhrmacher Wiehert,
ä-räberfimde ans einem ümenfeld mit Leicbenbrand aas dem ersten und
zweiten Jahrhundert nach Christo bei Sdorren, Ähban Wiakau, Kreis
Jofaannisburg, bestehend in bronzenen Gewandnadeln, OUrtelbeschtägen,
Olaeperlen u. A,, geschenkt TOn Herrn Besitzer Lettau, Gräberfunde, be-
stehend in einer bronzenen Gewandnadel, eisernen Schildbuckeln und einem
eisernen Dolch in tauschirter Scheide mit bronzenem Beschlag, anscheinend
ans der Zeit des Kaisera Angnstos, gefunden in Ilischken, Kreis Wehlau,
geschenkt von Frau Rittergatsbesitzer Fernrow auf Knglacken, eine eiserne
Speerspitze in Schilfblattform 46,2 cm lang, gefunden in der Korbeller
Forat, Kreis Ortelsbui^, geschenkt von Herrn Förster Fischer in ülousk.
Für die Sammlungen des Mittelalters und der neueren Zeit zwei Hufeisen,
gefanden im Harz, geschenkt von Herrn Oberförster Seehusen in Kor-
bellen, ein mesaingener Apoatellöffel, beim Graben eines Banmes in Johannis-
burg geftmden, geschenkt von Uüblenbesitzer Herrn B ey er daselbst
27 Schlacht- und Situationspläne aus dem 17. Jahrhundert, gestochen von
Lapointe, besonders den schwedisch-polnischen Erbfolgekrieg betreffend, aus
einem holländischen Werk, gesckenkt von Frau Bernstein, eine zinnerne
Gesellen- Kanne „der Beutler und Handtschuhmacher vom Jahre 17G2", ge-
kauft, Copie eines Planes von Schloß Johannisbnrg, geschenkt von Herrn
Bürgermeister Plath, eine Steingutkanne mit zinnernem Deckel und zinnerner
Pfeife im Style des 18. Jahrhunderts, aber mit der Zahl 1804 versehen, ge-
kauft, eine Theekanne aus Wechwood im Style des empire, geschenkt von
Frau Gutsbesitzer M. Käswurm in Sodenen bei Gambinnen, eine Tasse
zum Andenken an das Kavallerie-Lager zu Palmburg, Kreis Königsberg,
im Jahre I8di mit Namen-Angabe der 3 Obersten und ihrer Adjutanten,
wie der Majore, Rittmeister und Premier- Linntenante des 1., 2. und 3. Land-
webi^Kavallerie-Begiments aus dem Besitz des Anno 1882 im 91. Lebens-
jahre in Tilsit verstorbenen Rittmeisters a. D. Wilhelm Kuhr, geschenkt
von dessen Sohn Herrn Heinrich Kuhr in Stettin.
[Oatpr. Ztg. V. 19. u. 21. Octbr. 1888, Beil. zu No, 246. 24a)
glUnng Toni 19. Oktober. Als erster Vortrag in der Sitzung vom
19. Oktober stand auf der Tagesordnung; „Zur Musikgeschichte Königs-
bergs: Brdmann Friedrich Zander, f 1803". Der Vortragende, Herr
Professor Zander, schilderte seinen Großvater ab einen Musiker aas der
alten Zeit. Derselbe, geboren 1747, aus der Mark Brandenburg und einer
musikalischen Familie entstammend, die auch in anderen Zweigen Mnsiker
von Fach und Ruf aufzuweisen hat, muüte seine militärische Stellung als
Stabetrompeter wegen Kränklichkeit aufgeben and erhielt eine CivUan Stellung
als Organist zuerst an der Loben ich tschen und dann an der SchloAkirche
DigtizBabyCoOgIC
366 Kritiken und Referat«.
als Hofkantor zu Königeberg. Die ihm von militftrischer Seite gezollten
Anerkennongen, eeiae Vokationen in Königsberg, seine Kompositionen zu
Ehren seiner Gönner , seine Privat - Thäiigkeit zur Erhaltung eines
musikaliscben Sinnes in Königsberg, auch seine Miseren, die ihm die Anlage
des Bosenganges neben seinem mit Hilfe eines Lotteriegewinnea erworbenen
Grundstücke bereitete, und ein tranrig sich gestaltendes FamilienverhiÜtnü
traten zur Darstellung seines Lebensbildes auf dem kurz, aber charakteristisch
skizzirten Hint«rgrunde damaliger Zeit Verhältnisse lebendig und fesselnd hervor.
Herr Dr. Bujack gab einen Bericht über die von ihm im Juli v. J,
in der Drusker Forst, SchuBbezirk Espenhain, Jagen No. 206, mit Erlaubnis
der Herren Minister und mit Unteistützimg des Herrn Kultusministers ge-
haltenen Ausgrabungen. Für die von Herrn Oberförster Woldtner in
Drusken freundlichst gewälirte Hilfe und die von Herrn Präcentor Anderson
in Popelken, Kreis Labiau, ans dem Littauischen übersetzten Ortenamen der
Drusker Forst und deren Umgegend sagt der Vortragende seinen Dank.
Der Name Drusfcen („ Salzbewohn er") weist auf eine alte Kultur hin, des-
gleichen die Namen Guttawutschen („Gothenflüchtlioge") und Oudlaoken
(„Gothenfeld"). Ist die Sab^uelle des genannten Terrains in der Ordenazett
noch genutzt worden, ao bat dies in neuerer Zeit aufgehört, da sich die
Kosten für einen Salzgewinn aus der noch vorhandenen, aber nicht mehr
auf fiskalischem Terrain Hegenden Quelle, welche noch vor einigen Jahren
geprüft wurde, als zu groß herausgestellt haben. Bin anderes Moment für
die Bewohnung des jetzigen Forstreviere in der Torzeit lag in der Nähe des
Kurischen Haffes, als der Bern stein- Gegend, indem genanntes Yorl&nd als
Durch gaugsgebiet diente und mehr Teiche und kleine Seen, größere Wasser-
läufe und weniger Sümpfe aufwies. Als in solcher Zeit lebend haben wir
uns die Bewohner der Gegend zu denken, die u. a. auch die Steinsetzung
für die Gräber ihrer Verstorbenen in dem jetzigen Schnßbezirk Espenbain
aufrichten. Von 26 Steinpflasterungen in Kreisform, die meistens mehr als
eine Steinschioht zeigten, enthielten nur 19 verbrannte Knochen als Beweis
von Grabstätten nnd in Bäcksicht ihres hohen Alters um oder gleich nach
Christi Geburt relativ wenige, aber um so int«ressantere Beigaben. Diese
Dürftigkeit der Beigaben erinnert noch an die Zeit der Hügelgräber vor-
chritlicher Zeit, wenn die Höhe der Steinpackung Aber dem anliegenden
Terrain auch fast immer bedeutend geringer als 1 m war und der horizontale
Durchmesser zwischen 2,40 und 8 m schwankte. Die interessaateaten Bei-
gaben waren; ein durchtochtee schön polirtes Beil aus feinkörnigem Diabas
oder Dionit mit knopfartig abgesetztem Bahnende und SchlifESächen an der
Bohrloch Wandung in einem kleinen schalenförmigen Gefdü nnd gleich südlich
von diesem Grabe in einem andern von 6 m horizontalem Durchmesser die
Unterlage eines Mahlsteins zum Getretdeqnetachen nnd eine bronzene
labyCoOglC
Altorthumsgeaellachaft Prassia 1888. 357
Sproeeenfibula neben einem OefAfie. Ton den Beigaben in den andern
Gräbern holte der Vortragende noch einen bronzenen ornamentirten, un-
geachlossenen, voll gegossenen Habring mit kolbenlormigen Eudignngen und
Anschwellungen vor denselben hervor, der in der Nähe eines gehenkelten
GefäGes auf einem Aschenhaufen lag. Auch hier befand eich au der
S.-Peripherie ein Grabhügel, der eine bronzene Fibula mit oberer Sehne in
einer Urne omschloB. Saa Steinbeil ist in dem zuerst genannten Grabe
nicht als Gebrauchsgegenstand, sondern zur Bezeichnung eines symbolischen
Kultus beigelegt, weil es nicht die geringsten Spuren von Benutzung zeigt.
Eerrorzuheben ist seine Aufbewahrung in einem G«f&II. DaO der Halsring
nicht eine solche Stelle fand, ist vielleicht in dem Mangel eines hinreichend
groSen Gef^lies zu suchen; denn keines der hier gefundenen Gefälle hätte
die GröBe gehabt, einen Halsring aufzunehmen.
Die Hinweisnng auf die Namen Guttawutschen und Gudlauken er-
regte eine lebhafte Debatte, indem die AnfUhnmg der Gothen als zeitweilige
Einwohner Prenfiens nach Lohmeyers Preußischer Geschichte und nach
analogen archäologischen Beweisen in Gräberfeldern derjenigen Gegenden,
wo Gothen nachweisbar gewohnt haben, als noch nicht genügend sicher von
einigen Mitgliedern bestritten wurde.
Außer den Funden aua dem Gräberfeld der Drusker Forst, Schuß-
bezirk Eepenhain, kamen folgende Stücke als Accessionen für die Sammlungen
des Frnssia-Musenras durch Dr. Bujack zur Vorlage: Die Hälfte eines
Rann thierge weih es niit Spuren von Schnitten, die wahracheinlich von Stein-
geräthen herrühren, ein Schädel einet Torfkuh und Unterkiefer, von denen
es noch festgestellt werden wird, ob sie einem anderen Thier als dem Edel-
hirsch angehören, gefunden in Popelken, Kr. Labiau, und geschenkt von
Herrn Kaafmann Turner daselbst; ein durchlochles Steinbeil, gefunden im
Abbau WeiUensee, Kr. Wehlau, geschenkt von Herrn Förster Bumler in
WeiCenaee. Zur Waffensammlnng des Mittelaltei-s wurde erworben: ein
Paar eiserne Speere des 15. Jahrhunderts, gefunden in KL Kellern bei
Bergenthal in Ostpreußen, für die Oewebreammlung neuerer Zeit schenkte
der Kaufmann Herr L C. Richter zwei Jagdgewehre, von denen eines,
ein Doppellauf, aus Moskau stammt. Zur Abtheilung von schwer erklär-
baren Gegenständen r eine verstellbare eiserne Gesichtsmaske mit einer Röhre
in einem Auge zum Hineinlegen eines Sehweinsauges, als medicinisches
Lehrmittel für Studien in Augen- Operationen, welches jetzt auSer Gebrauch
kommt, geschenkt vom Gymnasiasten Meyerowitz. Zur Münzsammlung
wurden aua dem Nachlaß des Fräulein Charlotte Toussaint zwei Bronze-
medaillen verehrt und zwar eine geschlagen zum 50 jährigen Jubiläum des
Grafen Wyllich und Lottum, Königlich preußischen Generat der Infanterie
und Geheimen Staatsminister, und die andere auf die Grundsteinlegung des
DigtizBabyCoO^IC
358 Kritiken und Eefemte.
Denkmals auf d«m Ereozberg bei Berlin, September 1818. FSr die Bibliothek
Bchenkt« Herr Lengnick folgende Serie interessanter Stacke: eine Ver-
echreibung fOr das Gnl Hinderwalt im Amt« Brtmdenbarg vom Jahre 1618^
eine zweite für Ont nnd Hof Gandtken in der Vogtei Fisehhanaen vom
Jahre 1629, einen am 21. Joni 1818 zn Kopenhagen ansgesteUten Lehrbrief
für den BAckergesellen Ernst Schwarzkopf, einen am 20. Juli 1823 fOr
Christian Friedrich Burkhardt in Zeitz von einem Meisler des Bentlei^,
Handschah- und WetzBchkermacher-Handwerks aosgeetellten Lehrbrief^ einen
im Jahre 1821 für Christian Friedrich Bnrkhardt in Danzig ausgeteilten
Fafi zn einer Heise von Danzig aber Elbing, Königsberg, Memel nach
St. Petersburg, einen Königsberger BOt^rbrief liir den schon genannten
Christian Friedrich Bnrkhardt vom 28. Mai 1830 nnd einen Cholerabericht
ans Königsbei^ vom 13. Angnst 1831.
[Ostpr. Ztg. V. IG. Nov. 1888. No. 370.]
l«tzl« SItnu; Tom 16. Not. 1688. Den Yortrag hielt Herr Professor
Zander nnd gab einen zweiten Beitrag zur Mnsikgescbichle Königsbergs
nnter dem Titel: „Die Söhne des Hofkantors Zander." Der ältere Sohn,
den der Vater schon ans Potsdam mitbrachte, als er Stadtmnsikos in Königs-
berg wurde, hieß Carl and wnrde 1775 geboren, der jttngere Friedrich und
i«t in Königsberg 1786 geboren, der Vater dee Vortragenden. Der ältere
wird Mnsiker von Facb, der jüngere, auch fein gebildeter Musiker nnd
schöpferisch in seinen Compositionen, treibt seine Knnst nur in den MnOe-
stnnden nnd aus Neigung. Bei der Scheidung des Hof kantors, ihres Tat«rs,
blieb der iltere Sohn beim Vater in Königsberg und erregt«, zwölfjährig,
als Violinvirtuose auf Concerten schon allgemeinee Aufsehen. Die grossen
Anlagen wurden noch weit«r gelordert durch Unterricht bei seinem Onkel,
dem Musikdirektor Haack in Stetrin, und durch einen weiteren Bildungs-
gang in Dresden, Leipzig nnd Berlin, wo er im Geigen-Qnartett-Cirkel bei
Maier mitwirkte. Weil sein Wunsch, an der Königl. Kapelle eine An-
stellung zu erhalten, zum Schluß des 18. Jahrhunderte nicht in Erfiillang
ging, nnd nachdem er bei zwei adligen Herren eine Stelle als Kammer-
Musikns bekleidet hatte, kehrte er 1797 nach Königsberg zurück, wo er in
das von seinem Vater begründete Streichquartett eintrat und sich als
akademischer Btirger in das Album der Albertina immatrikuliren ließ, än%
Würde, die ihm bei seiner Bewerbung um die Hofkantorst«lle nach dem
im Jahre 1803 erfolgten Tode seines Vaters vielleicht nachtheilig gewesen
ist, da sein jilngerer Bruder Friedrich dieselbe zuerst interimistisch zu ver-
walten bekam, nachher aber Riel zum Hofkantor ernannt wurde. Äagust
Zander siedelte nun nach Tilsit über, wo er sich vermählte, aber nicht zu
seinem GlUck. Sein Schwager, ein Kaufmann, in dessen Geschäft er auch
sein kleineS'Vermögen von 6000 Thalem einlegen maßte, fallirte und seine Frau,
DigtizBabyCoOgIC
Ält«rt1iumageBellscbaft PruBsia 1888. 35g
die später gemüthskrank wurde, nahm sich in solchem Zastande das Leben.
Sein Aufenthalt blieb nach kürzerem Terweilen in Königsberg und Berlin,
wo er Königlicher Kammermuaikus wurde, Tilsit. Außer durch Musikstunden
gewann er arhon seit 1813 seine Sub8ist«nzniittel durch Violinen-Bau, für
welchen er sich italienische Ueister zum Vorbilde nahm, in welcher Eigen-
schail er im t. Ledebourschen Lexikon als hervorragender Künstler nam-
haft gemacht wird. Eine Äbwecheelnng neben seinen Berufearbeiten boten
ihm naturhiBtoriache und später auch astronomische Beschäftigungen, für
welche er durch seinen Aufenthnit in Leipzig während seiner Jugendzeit
Interesse gewonnen hatte. Dia astronomischen Studien betrieb er mit einem
kostbaren Frauenhofer, der ihm 400 Thaler kostete, und mit einem seichen
Eifer, dafi er nach einiger Zeit erblindete. Auch sein Violinspiel als Virtuose
mußte er einstellen, da er eine krankhafte Schwäche in den Fingern der
linken Hand bekam. So mußte er in großer Dürftigkeit seine letzten Jahre
fristen. Die von ihm herausgegebenen Kompositionen tragen immer, wie
ee damals gebränehlich war, französische Titel und sind mehr im Charakter
der Variationen gehalten als eigen thümliche Schöpfungen.
Eine Folie xa diesem Leben eines Musikers von Profession bietet sich
in dem Leben seines jUngeren Bruders Friedrich Zander, geboren 1786 zu
Königsberg. Bei der Scheidung seiner Eltern nahm seine Mutter ihn mit
seiner Schwester zu ihrem Vater nach Potsdam und nach ihrer neuen Ver-
mählung mit einem Oeistlichen nach Sohleeien, wo sein Stiefvater ihn sehr
strenge erzog und ihn bis zu seiner Einsegnung behielt. Nach derselben
erhielt er bei seinem Verwandten in Stettin eine gründliche musikalisclie
I>archbildung, wurde aber bei seiner Rückkehr zu seinem Vater nach Königs-
berg nicht Musiker, sondern trat nach Ableistung seiner Dienstzeit als
Supemumerar im Steuerfaclie ein, in welchem er sein fünfzigjähriges Amts-
jubiläum feiern und noch drei Jahre nach demselben thätig sein konnte.
Bei seinem nicht bedeutenden Einkommen — er erhielt bei seiner von ihm
erbet«nen Verabschiedung den Charakter als Bechnnngsrath — sah er sich
bei Erweiterung seines Hausstandes mit Demoiselle Couvreur und zur
besseren Erziehung seiner Kinder veranlaGt, Pensionäre aufzunehmen, denen
er aber mehr als Bespeisung bot, indem er sich väterlich und gewissenhaft
der Beaufsichtigung ihrer Arbeiten unterzog. _, Bei allen den Pflichten des
Amtes und der Pension wußte er aber noch sein ganzes Interesse der Musik zu
erhalten. Bei Kant's Begräbniß war der Trauermarsch eine Komposition Fried-
rich Zanders, desgleichen wurden auf den Studenten-Concerten im Anfange
unseres Jahrhunderts seine Tänze und „Handstücke", wie seine Lieder wieder-
holt zum Vortrage gebracht, nicht minder verlangte die Korporation der Kauf-
mannschaft seine Tanz -Koni Positionen und wünschte ihren Besitz für ihre
Bälle. Aach eine von ihm komponirte Neu jahrsk antäte wurde auf größeren Ge-
DigtizBabyCoOglC
360 Kritiken and Referate.
Seilschaften bei Eintritt dee neuen Jahres aufgeführt. Aber alle diese Kompo-
sitionen brachten ihm keinen pekuniären Vori.heil. Er K^h sie ohne einen
Ansprach auf solchen hin. Eine Anerkennung ftlr solche Thätigkeit iaxii
er in der Berufung als interimistischer Hofkantor an die Schloßkirche, in
der Berufung zu einer Kommission für die Erwähluug eines Organisten an
die Burgkirche, in der Wahl zum Dirigenten der Preisrichter auf einem
groOen Musikfeste in unserei' Stadt. Die Neigung für eigne Kompositionen
blieb ihm fast bis zum letzten Athemzuge. unter den Klängen eines Grab-
geeangee, den man fast vollendet auf seinem Schreibtische fand, als er im
December 1853 aus diesem Leben schied, gab die musikalische Akademie
ihm das letzte Geleite an seine letzt« Ruhestätte auf dem Sackheimer Kirch-
hof, indem sie den Dank einem Manne abstattete, der für Erhaltung eines
musikalischen Sinnes in unsrer Stadt groGe Verdienste hatte. Obwohl Riel
der spätere Hof kantor an der Schloßkirche, ein Gegner von Zanders älterem
Bruder gewesen war, hatte sich der jüngere bei vielen musikalischen Auf-
liihmngen des genannten Dirigenten auf dessen Gesuch bereit finden lassen,
in selbstloser Weise mitzuwirken, nicht minder that er dies im Orchester
der musikalischen Akademie, deren Mitstifter er war.
Aber noch in kleineren Kreisen wurde die Musik von ihm gepflegt:
Die Familie des Justizrath Malinski, der Steuer- Inspektor Rasche und
der Kalkulator Zander hatten ein stets wiederkehrendes musikalisches Kränz-
chen. Daneben betbeiligt« er sich an einem „neuen" Streichquartett vom
Jahre 1817 bis 1844, das so im Gegensatz zu dem alten seines Vaters ge-
nannt wurde.
Von seinen technischen Fertigkeiten ist diejenige auf dem vomehmat«n
Instrument, auf der Orgel, hervorzuheben, nicht minder auch sein Spiel auf
dem Wasianski'schen Bogenflugel, welchen sein Sohn, Herr Professor Fried-
rieb Zander, dem Prus8i&-MuBeum schon vor mehreren Jahren geschenkt und
welchen 1836 Herr Professor Heydeck wiederhergestellt hat.
Die angekündigte Vorhige des Jahresberichtes gab dem Vorsitzenden,
Oberlehrer Dr. Bajack, Veranlassung, emeut der hohen und iorderlichen
Gunst zn gedenken, welcher sich die Gesellschaft nach ihren Bestrebungen
Seitens Seiner Majestät des Hochseligen Kaisera Friedrich III. zn er-
freuen gehabt. '
Bis zum Jahre 1881 befanden sich die Sammlungen der Gesellschaft
in dem eine Treppe hoch belegenen Saale des Schlossthurmes. Bei einer
Besichtigung derselben im Jahre 1879 sagten Se. Majestät, damals als Kron-
prinz, zu den führenden Vorstandsmitgliedern in seinem hohen Wohlmeinen :
„Meine Herren, wenn ich wiederkomme, wünsche ich, daß Sie hier gar nicht
mehr Platz haben." Und bei einem folgenden Besuch, am 5. Juni 1885, in
den der Gesellschaft neu zugewiesenen Räumen im Nordllügel des König-
DigtizBabyCoO^IC
Alterthamegesellschaft Prussia, 1888. 361
licheo 3chlos«eB war aos dem theünahmsvollen Interesse des filrstlichen
Herrn für die umfangreich erweitertea Neuordnungen zu erkennen, mit
welcher Freudigkeit er von deren reicheren Entfaitiing Kenntniß nahm.
Möge die EofEbung in Erfüllung gehen, daß auch sein hoher Nachfolger,
Kaiser Wilhelm II., unseren Bestrebungen für die heimische OeschichtH'
forschung sein luteresse zuwende, als ein weiter belebendes Yermachtnill
seines erhabenen Herrn Vaters!
Die Gesellschaft hat es der wirkungsvollen Antheilnahme sowohl Sr.
Excellenz des Herrn Oberpräsidenten v. Schlieckmann wie des Herrn
Regiemngapräsidenten von der Recke zu verdanken, daB bei dem im
Gange befindlichen Umbaue im Königlichen Schlosse wesentlich erweiterte
ond verbesserte Ränmlichkeiten für die Ausstellung ihrer Sammlungen, wie
für ihren ganzen Arheitebetrieb in Aussicht stehen. Ingleichen ist auf deren
Verwendung der Gesellschaft ernent eine Unterstützung von 600 Mark für
die ÄoslUhrung von Bodeu Untersuchungen Seitens des Herrn Kultusmini-
sters zugewendet worden. Ueber eine fernere Ueberweisung einer erheb-
lichen Anzahl von Ordensschillingen und Städtemttnzen wird in dem näch-
sten Jahreshefle eingehend Berichterstattung erfolgen.
Der Provinzial'Lnndtag gewährt der Gesellschaft seit dem Jahre 1883
eine jährliche Unterstützung von 2O00 Uk. Wenn die Gesellschaft in dem
zu ^b abberufenen Herrn Landesdirector von Gramatzki einen stets
wohlwollend bereiten Püraprecher verloren hat, so hofft sie doch auf die
Fortdauer des gutwilligen Woblmeinens des Herrn Oberpräsidenten und des
Herrn Oberbärgermeistera S e 1 k e als Vorsitzenden des Prozinzial -Aus-
schusses; gleiche Erwartung trägt sie bescheiden tlich Herrn von Stock-
hausen, dem neu erwählten Landesdirector entgegen.
Von den Herren Pro vinziallandtags- Abgeordneten ei-fi-eiiten während
der Sessionszeit mehrere Herren die Gesellschaft durch eingehende Besich-
tigung ihrer Sammlnngen sowohl wie durch gütige Zuwendungen und An-
regungen. So Herr Landrath Kleemann- Alienstein, Herr Gutsbesitzer
von Palmo wski-Wallen, Herr Landrath Maubach-Johannisburg, gegen-
wärtig ObeiTegierungsrath bei der hiesigen Königlichen Regierung. Einer
Aufforderung des Letzteren zu einer Betheilignng an historischen Feststel-
lungen für den Kreis Johannisl>nrg ist Seitens des Vorsitzenden durch eine
Bearbeitung einer geschichtlichen Skizze für das Schloss Johannisburg
Folge gegeben.
Die Boden Untersuchungen haben sich in dem verflossenen Geschäfts-
jahre auf die Kreise Wehlau, Fischhausen, Königsberg, Johannisburg, Ortels-
burg erstreckt und sind von Herrn Oberlehrer Dr. Bujack, Herrn Professor
Heydeck und Herrn Bildhauer Eckart au^;eführt worden: Hügelgräber
zu ABlacken, Kufcers und Maldeuten-Samland, Leichenbrand zu Ekritten,
DigtizBabyCoO^IC
362 Kritiken und Referate.
Orden sscLanze zu Szamek bei Johann isthal-Ortelsburg. Eine Fnndstelle
konnte wegen unbilliger Fliirentscbädigongs-Forderung des Besitzers nicht
in Untersuchung genommen werden-
Das Fundmaterial aus dem Jahre 1887, insbesondere die schänen
Funde aus dem Pfahlbau im Szonstagsett sind von Herrn Professor Heydeck
zeichnemch dargestellt. L'eher diese letzteren sagt Herr Professor Nebring:
„Der Verein Pru&sia hat sich durch die Ausgrabungen im Szonslagsee ein
entschiedenes Verdienet um die Aufklärung der vorgeschichtlichen Verhält-
nisse OstpreuBsens erworben."
Von Herrn Torner- Popelken geschenkt ist ein Ren nthier-Gl« weih
mit Schnittflächen, die von Steingeräthen herrühren, von Herrn von Janson-
Oerdauen ein Schädel eiaes "Wisant (bison europaeus), von Frau Fernow-
Kuglacken ein hei Hischken gefundener kostbar künstlerisch gefertigter
Dolch aus der Zeit des Kaisers Augustus, femer mehrere andere Geschenke
aus den Kreisen Johannisburg und Ortelaburg.
Herr Fräcentor Anderson-Fopelken sammelt eifrig Studienblätter
aus unserer Provinz, vornehmlich aus den littauischen Bezirken und macht
sich verdient am die Erklärungen zu den Oisevius'schen Bildern. Die eigene
malerische Kunstfertigkeit, als einstiger Schüler Bosenfelders, steht ihm da-
bei wirksamst zu Hilfe.
Unsere noch kleine ethnographische Sammlung ist dnrch ein malayi-
sches Broncebeü und eine japanische Rüstung bereichert. Mit hterarischen
Raritäten und alten Zeichnungen hat Herr Dr. Walther Simon die Ge-
sellschaft beschenkt, ebenso Herr Professor 'Dr. Lohmeyer mit einer pho-
tograpbiscben R«production der Schenkungsurkunde Freussens an den deut^
sehen Orden vom Jahre 1226.
Die Ordnung der älteren Bestände der Bibliothek wird nach Fertig-
stellung der Räumlichkeiten aufgenommen werden. Friedrich von Hey-
decker's pVermabnung an Walther von Klettenberg" konnte Herrn Pro-
fessor D. Tschackert zum Zweck der Bearbeitung übergeben werden,
ebenso aus anderen Beständen des Museums die Hagenschen Mappen an den
Herrn Architecten Bötticher für die Aufnahme der Denkmäler der Provinz
OstpreuBsen; femer zu Kunstzwecken alte Uniformen, Kettenpanzer etc.
Hervorragende Archäologen aus Schottland, Dorpat, Dresden, Berlin
suchten unser Museum auf, auch mehrere Altfirthumsforscher aus der Pro-
vinz selbst. Der öffentliche Besuch bleibt ein erireulich reger und erreicht
die Zahl von 7000 Personen im Laufe des Jahres,
Von den Katalogen ist der zweite Tneil, dessen 2. Auflage 1500 Eitwn-
pl&re betrug, ganz vergriffen Die Bearbeitung für einen Neudruck des-
selben ist gegenwärtig abgeschlossen.
lOstpr. Ztg. V. la u. 28. Jan. 1889. Beü. zu No. 15 u. 19.J
DigtizBabyCoO^IC
ÄlterthnmEgeseUsohaft Prassia 1888. 363
Sttnnff vom 18. JaDnar 1889. Es wru^en vom Voraitianüen, Oberlehrer
Dr. Bnjack, folgende Geschenke nnd Ertverbungen fdr dae Prassia-Maseum
vorgelegt: Für die Sammlung von Steingeräthen ein FeuersteinbeiJ, gefunden
in Heiligeuwalde, Kreis Königsberg, geachenkt von Herrn Lehrer Ehnimb
und abergeben darch Herrn Professor Zimmer; ein großes dnrchlochtea
Steinbeil, fast in OröBe eines Fossekels, gefunden in Kl. BärwEklde, Kreis
Labiau, geschenkt von Herrn F. Bluhm in Gr. Pöppeln; zur kleinen ver-
gleichenden ethnographischen Sammlung sieben Armringe aus Kupfer-,
Messing- und Eisendraht ans Kimberlej in den Oranje-Staaten in Stld-
Afrika, geschenkt vom Gymnasiasten Bujack und dessen Schwester; zu
den kulturhistorischen Sammlungen nenerer Zeit : ein seidener wattirter
Unterrock mit gestickten Bliunen aus der Barockzeit, gekauft; vier KostUm-
bitder in Wasserfarben aus der Boccocozeit. gekauft; ein messingnes Kohlen-
stähcheo in Würfelform mit messingnem Bügel, gekauft; eine Steingutkanne
mit Zinndeckel und zinnernem Belag aaf der Ausgußrohre vom Jahre 1780,
ein zinnerne« Seidel vom Jahre 1195, gez, I.M.T,; ein ruasischea Kreuz, das
als Amniet getragen wurde, gefunden in einem Massengrabe des Jahres 1607
in der städtischen Grandgrube hinter dem Nassengärtner Thor, geschenkt
von Herrn Gießel, Vorstand des städtischen Fuhrwesens; eine Apotheker-
Vase aas dem Anfang diesee Jahrhunderts, geschenkt von Herrn Apotheker
Job, Sembrzyzki.
Den ersten Vortrag hielt Herr Pfarrer Meier über einen von
D. M&i^in Luther an die Herren des Deutschen Ordens im Jahre 1523
gerichteten Brief, welcher in der Bibliothek der nPrussia" enthalten ist.
Ausgehend von den Worten Treitschke's über diese Bittargemeinschaft ;
„Räthselh&fte Menschen, die zugleich ranflostige Soldaten waren and streng-
rechnende Verwalter, zugleich entsagende Mönche und waghalsige Kauf-
lente und mehr als all' dieses — kühne, weitschauende Staatsmänner",
schildert er kura die Geschichte derselben, dabei die doppelte, widerspruchs-
volle Verpflichtung hervorhebend, dergemäß diese Ritter nach der Itegel der
Templer im Kampfe wider die Ungläubigen Wunden zu schlagen, nach der
der Johanniter als Krankenpfleger Wanden zu heilen hatten. Der Vot-
tragende giebt alsdann ein Bild der Blüthezeit dieses Ordens; wofür er die
Zeiten der Hochmeister Hermann von Salza und Winrich von Kniprode
heranzieht, sowie des Verfalles derselben, diesen durch das trübe Geschick
des vor seinen trotzigen Unterthanen fliehenden Hochmeisters Paul von RuC-
dorf esemplificirend. Es wird sodann dargelegt, in wie verschiedener Weise
der Orden, welcher stets der Unterstützung aus dem deutschen Reiche be-
durfte, dieselbe erhalten habe — zuerst freiwillig in großen Schaaren, dann
in Folge dringendster Bitten nur spärlich und nur unter der Bedingung
guter Aufnahme, was Speise und Trank anlangt, der sogenannten „^'^''^n-
DigtizBabyCoOglC
364 Kritiken und Referat«.
tische", endlich nur durch Heranziehen gemiethet«r Söldner. Zuletzt habe
man sich dadurch helfen wollen, daß man Hochmeister erwählt«, die im
Reiche machtvolle Verwandte besaOen — alles vergeblich, da der Orden
eich als eine nicht mehr zeitgemäße Einrichtung erwies. Sodann wird nach
einer Schildening des Einzugs des letzten Hochmeisters, des Markgrafen
Alhrecht von Brandenburg aus der Linie der fränkiechen Hohenzollem, der
ünterredimg desselben mit Lnther in Wittenberg gedacht, bei welcher der
Reformator es erwähnte, daß er es bereits einmal aasgesprochen habe, die
Regel der Deutschordensritter sei widersinnig und thöricht, nnd es sei das
beste, das Oi-denaland in ein weltliches Fürsten- oder Herzogthum an ver-
wandeln. Dieses erstmalige Sich aussprechen Luthers über die Ordensregel
ist der in Bede stehende, im Thema genfmnte Brief, welcher folgenden
Inhalt hat: Nach Aufdeckung des in der Ordensregel liegenden schroffen
Widerspruches in den Verpflichtnngen des Führens des weltlichen Schwertes
und des Geistlich seins folgen sehr ernste Mahnungen, wie wenig ernst es
die Ordensherm in den letzten Zeiten mit dem als Mönche von ihnen ab-
gelegten Gelübde der Keuschheit nehmen. Es wäre zeitgemäß, das Ordens-
gelühde aufzuheben und das Land zu säcularisiren, wobei Lnther an das
Wort der göttlichen Eheeinsetiung: „Es ist nicht gut, daß der Mensch
allein sei!" erinnert. Hierauf ancht er die ernsten Gewissen zn beruhigen,
welche sich etwa durch den Gedanken an den Bruch der Gelübde bennruhigt
fühlen sollten. Sehr scharf spricht er es aus, daß weder auf des Papstes,
den er in seiner kräftigen Weise als „armer Uadensack" bezeichnet, noch
auf der Coneilien oder der heiligen Väter Urth eil etwas zn geben sei; allein
Gottes Wort sei za beachten. Wo Menschenwort falsche Keuschheit predige,
da müsse Gott heimliche Ehen entschuldigen. Die „Ooncilienjunker", wie
er die Eiferer nennt, wollten aus Gott und Gottes Wort alles, was ihnen
beliebt, formen. Das seien Lente, welche immer die Gelübde im Munde
führen, aber nicht halten. Ein unmögliches Gelübde sei wider Gott gethan.
Nun gebe es viele, welche mit dem Ehelichwerden nur nicht den Anfang
machen wollten. Das sei so, als wenn Jemand nicht eher an Gott glauben
wolle, als bis alle Türken, Heiden nnd Juden in der Welt zn glauben an-
fangen. Da würde man mit allen Ungläubigen ewig verloren werden.
Nach ernstlichen Vorstellungen, daO schwere Sünden oft in der Welt mit
gelinden Strafen belegt werden, während man weit Geringeres hart ahnde,
daß gerade der Cölibat, die ärgste Sünde wider Gottes Majestät, in der
Welt die höchste Ehre habe, sowie nach einer Mahnung, daß jetzt gerade
die nach Gottes Wort „angenehme Zeit", „der Tag des Heiles" sei, da Gott
durch die Verbreitung der Predigt seines lautem Wortes so deutlich rede,
schließt er mit herzlichem Gruß nnd Segenswunsch.
Dieses Schreiben machte in Preußen sowie in Lifland bei den Schwerte
DigtizBabyCoOgIC
AltertLiUDSgesellschaft Prussia 1888. 365
brüdern grofies Aufsehen. Der HocbmeisUr war demselben zuerst abgeneigt,
da er den Zorn des etrengkathotiscben Fotenkönigs Sigismand I. fürchtete,
konnte sich aber der Wahrheit bei seinem lautem Herzen nicht verechlieOen
nnd wurde bald inne, daß es dem Polenkönige nur um den Lebnseid zu
thnn sei — gleichviel, ob derwlbe ihm von einem geistlichen oder einem
weltlichen Vasallen geleistet werde. —
Nachdem der Vortragende die Residenzorte der Hochmeister des
Deutschen Ordens genannt und charakt«risirt hatte — Accon und Mergent-
heim als Geburt und Grab, dazwischen Venedig als Stätte der Jugend,
Marienburg als die des Hannes, Königsberg als die des Greisenalters — er*
innert er daran, wie durch die ruhmreichen Herrscher Hohenzollemschen
Stammee das durch schwere TrUbsalszeiten hindurchgehende Herzogthum
PreuQen zu einem Königreiche, unser Königsberg zur Krönungsstadt ge-
worden sei, welches gerade am Krönungstage den Patrioten mit besonderer
Freudigkeit erfaile. Den Schluß macht die Erinnei-ung un den Triumphruf
Luthers, wonach das Evangelium in jenen unvergeßlichen Zeiten der Refor-
mation in vollem Laufe, mit aufgespannt«n Segeln nach Preußen geeilt sei.
Als zweiter Vortrag stand auf der Tagesordnungt „Die erste Anlage
und Befestigung Königsbergs bis zum Jahre 1263" von Herrn Major Beck-
herrn. An dem Faden der Regesten Perlbachs schildert der Vortragende
in genauem historischem und lokalem Detail die ersten Kriegszflge des
Dentechen Ordens in Samland, die Anlage der Burg Königsberg und die
Lage der ältesten Stadt nordwestlich vom Schloß nach der jetzigen
Polnisclien Kirche zu und wie nach deren Zerstörung durch die Samländer
die sich in der Burg behauptenden Ordensbrüder die zerstörte Stadt nicht
auf der alten Stätte, sondern zwischen Schloß und Pregel aufrichten ließen.
Dem bis in allen Einzelheiten interessanten Vortrag folgte eine Debatte
über die Form der Befestigungen im Mittelalter und deren Bezeichnungen
durch die Chronisten. Ein ausfuhr! icherer Bericht bleibt vorbehalten.*)
[Ostpr. Ztg. T. 22. Febr. 1889. BeÜ. zu No 45.]
**) Der vollständige Vortrag kommt in einem der nächsten Hefte der
Altpr. Mon. zum Abdruck. R.
zeabyCoO^IC
Mittheiinngen ond Anhang.
C. G. Hlelcfce's verscholIeDes litanisehes Gesangbach.
Von Johannes Sembrzjcki.
In den „Mitteilungen der Litauischen Lilterarischen Gesellschaft",
Bd. I, pg. 268 bis 275, befindet sich ein Bericht des Superint«ndenten Hoff-
heinz zu Tilsit, des Vorsitzenden genannter Gesellschait, aus dem Jahre 1381,
worin derselbe ein von ihm in der B«i;iatratur des dortigen Pfarramts auf-
gefundenes litauisches Gesangbuch - Manuscript beschreibt, welches nnt«t
anderen 98 Lieder von der Hand des Cantor C. G. Mielcke zu Pillkallen
enthält, und in welchem er daher — und zwar mit Kecht — die von der
Uielcke' sehen Partei dem Pfarrer Ostermeyer zu Trempen gegenüber bewirkte
Gesangbuch -Bearbeitung erblickt, die, nach seiuer Angabe, niemals ge-
druckt worden sei. Aus dieser Behauptung und der Fassung des ganzen
Berichtes geht hervor, daß Superintendent Hoffheinz das Mielckesche, 1806
zu Königsberg hei Hering gedruckte Geeangbuch ganz unbekannt geblieben
iat. Dasselbe führt den Titel :
©önoS ir naujoB (ritfjcjonif^toä ©iefmeä, ^pucje? Scnnitmfieina ont
@^ro fu bibcicis SloFjfaiä ifjfii&uftoä braug fu naujom'« 3Ratbä
Snqaäfemiä. fiaToläucjujc, Snqebtufoivonei' ScbceFlo Sringo. SRrttc 1806.
Ea umfaßt in 8" XIX und 6=4 pag. (Vorrede und Lieder, deren Anzahl 566
beträgt), 18 unpaginirte Blätt«r (Register) und ein mit Separattitel versehenea
Gebetbuch von 78 pag. nebst einer nicht paginirten Registerseite.
Unter den, wie bereits angegeben, 566 Liedern dieses Gesangbuches
befinden sich 101 mit C- G. M. C. P. bezeichnete, mit Ausnahme von
12 Neubearbeitungen bereits im offiziellen Gesangbuch enthaltener Lieder,
Original Übersetzungen Mielckes; femer treffen wir 8 Original Übersetzungen
von Christian Lovin, Pfr. zu Neukirch, friiher Joneikischken genannt (C. L.
P. J,), 8 (eigentlich nur 7, da die Nrn. 257 und 261 nur wenig verschiedene
Ueb Ersetzungen eines und desselben Liedes sind) von Paul Schröder, Pfr. zu
Bailethen (P. S. P. B.) und endlich eins (No. 43) von Gottfried Ostermeyer
(G. 0. P. T.).
DigtizBabyGoOgIC
C. G. Mielcke'e verschollenes litauiscLes Gesangbuch. 367
Zu Grunde liegt dem Mielcke'schen Gesangbuch das offizielle litamsohe
Kirchen-Gesangbuch. Die Eintheilung desselben in zwei Theile und in
dieeen die Reihenfolge der Lieder, bis auf die ÄuGmerzung von 94 alten
Liedern nnd die Einschiebun^ der neuen, ist beibehalten nnd von Uieicke
noch ein dritter Theil hinzugefügt worden, welcher 8? neue Lieder der oben
genannten Verfasser, darunter auch die schon erwähnten 12 Neu-
bearbeitungen alter, in diesem Gesangbuch in dea ersten beiden Theilen
ebenialla enthaltener Lieder durch Mielcke umfaSt.
Unter den 8 Lovjn'schen Liedei-n befinden sich 6 von HofFheinz als
im Tilsiter Manuecript erwähnt bezeichnete (Mitteil. I, pg. 3ti6); es sind die
Nrn. 498, 600, 503, 649, &60 und 561, darunter die von der auch mit C. L.
bezeichneten No. 54 des litauischen nicht offiziellen Hansgesangbuchee ver-
schiedene üebersetzung des Liedes „0 daB ich tausend Zangen hätte" (cf.
HofTheinz pg. 275), Die erstere hat u. a. 13, die bei Mielcke 11 Terse. —
Bei dem angehängten Gebetbnche stimmen der Titel (natürlich mit Aus-
lassung der Worte „Q^g M Daniel Klein" und „J. B. Ärch. Inst.") und die
ersten 50 Seiten vollständig mit dem im offiziellen Gesangbuche enthaltenen
Gebetbuche (bis zu dessen Theil IV) äberein; alsdannn sind die im letzteren
noch enthaltenen zahlreichen Gebete, die Collecten and die Passionsgeachtchte
weggelassen and dafür „Naujos Maldos", 18 an der Zahl, gesetzt.
Ans dem Vorhergehenden ergiebt sich, daß das Tilsiter Manuscript
zum gEO&en Theile in das Mielcke'sche Gesangbach Aufnahme gefunden hat,
also gedruckt worden ist. Eine Ausnahme machen nur die Lieder der
Pfarrer Pötech zu Gilge und Regge zn Tilsit, an deren Stelle Schröder und
Ostermeyer getreten sind. Die Aufnahme der Lieder dieser beiden Männer
macht dem Cantor Mielcke große Ehre und zeugt von seinem unparteiischen
Gerechtigkeitssinn. Ostermejer war, weil Mielcke gegen sein 1781 erschie-
nenes Gesangbuch entschieden aufgetreten, Mielcke's erbitterter Peind ge-
worden; Schröder war der Hauptmitarbeiter Ostermeyer's gewesen und wurde
von dem zu den Gegnern Ostermeyer's gehörenden Regge auf das heftigste
angegriffen, weil er, ein schwacher Litaner, der von Hause ein Pole sei und
wenig litauisch verstehe, es gewagt habe, die Litauer eine neue Sprache zu
lehren (cf. bei HofFheinz, pag. 266 unten). Schröder war nämlich (cf, „Erste
Littauische Liedergeschichte ans Liclit gestellet von Gottfried Ostermeyer",
Königsberg 1798) zu Rhein in Masaren geboren, hatte das Litauische erst
nach dem Abgänge von der Universität während eines Aufenthaltes in
Litauen (wol als Hauslehrer) 1744—1747 erlernt und wurde zuerst 1749
Pfarrer in Kleszowen, wohin er sehr gut paßte, da er dort deutsch, polnisch
und litauisch zu predigen hatte, später in Bailethen. Weil Schröder kein
Litauer war, sagt Ostermeyer in seinem eben erwähnten Bache (§ 1S9,
pag. 171): „Uns, nicht Eingebohrnen (0. stammt« aus Marienbntg),
DigtizBabyCoOgIC
368 Mittheüimgen and Anhang.
haben die Littaniachen Christen eine Wohlthat zu verdankea, die ihnen ihre
LandsUut« so viele Jahre, theils aua unverantwortlicher Trägheit, tbeib
auch wohl aus Unvermögen vorenthalten haben." — Hoffheinz hat nach
dem von fiegge als Polen geechmähten, aber nicht bei Neunen genaniit«n
Hanne gesucht, jedoch nicht gründlich; denn er glaubt ihn in dem Pflurer
Cudnachowius oder Zudnachowius (von dem er sagt, er habe eigentlich
SchudnachowBki^ gehieCen: eine un carte und anpassende Anspielung auf das
litauische Wort szudas ^ Mist) gefunden zu haben, weil dieser zufällig
einen polnisch klingenden Kamen föhrte. Die Biegen von Cudnochowski
auf Schreitlack und sonst in Ostpreußen waren wol ein ursprünghch polnisches
Geachlecht, aber damals schon deutsch ; der Pfarrer David Gottfried Zud-
nachowius war zu Jazischken, einem kölmischen Oute im Kirchspiele Kinten,
also tief in Litauen, geboren and wurde Pfarrer zu Karwaiten auf der
Kurischen Nehrung. „Er lebte außer der Ehe und in diesem Pathmo ganz
zufrieden bis 1781 da er starb. Er verstund außer der Littauischen auch
die Kurische Sprache, wie sie dortigen Ortes geredet wird" sagt Oatermeyer
in seinem erwähnten Buche, wo er ihn pag. 161 noch ausdrücklich als
„gnten Littauer" bezeichnet. — Auch was Boffheiiu sonst von Zndnachowius
sagt: „Letzterer war mit der Zusammenstellung des Gesangbuches beauf-
tragt und arbeitete ani^nglich auOerordenthch fleißig. Er übersetzte ver-
besserte nnd ließ seine Lieder dann unter den Geistlichen zirkulieren. Er
stieU überall an, seine Arbeit gefiel nirgends" — trifft nicht zu. Nach
Ostermeyer, der sich stets schroff nnd rücksichtslos, aber wahr zeigt, hatte Z.
nur „in Ansehung der Correctur" (des offiziellen Gesangbuchs) einen Anfang
gemacht; ,wir warteten hierauf sechs Jahre, und siehe! es kam nichto zum
Vorschein" (1. c. pag. 162-163}.
Wie kommt es nun, daß dieses in vieler Hinsicht interessante
Mielke'sche Gesangbuch von 1806 so hsld und so sehr verschollen ist, daß
selbst die am meisten interessirten Kreise heute keine KenutniG davon he-
sitzen? Darüber giebt uns die Druckgeschichte des Buches Äa&chluG. In
der „Pillkallen, den 15. December 1806" datirten Vorrede sagt Mielke pg. X:
„Seit länger als vier Jahren war nun das neue Gesangbuch, das blos tcam
häuslichen Gebrauch der Litteuer bestimmt war, fertig, und dieeelbige Ver-
leger, die die littaascfae Fostül herausgegeben, übernahmen den Druck mit
der gröfiesten Bereitwilligkeit. Allein sie wurden nach dem Abdruck von
einigen Bogen, von der Königl. Hofbuchdmckerey, die ein Privilegium auf
das bisher in öffentUchen Gottesdienst eingeführte Gesangbuch hatte, in
einen Process verwickelt, gewannen ihn aber^ weil dieses Buch nicht zur
öffentlichen, sondern blos zur häusUchen Andacht war aasgefertigt worden."
Und G. F. Härtung schreibt in den „Preuß. Provinzial-Blättem", Bd. XIX,
18S8, piig. 18 ff.; „Mein Vater verlegte aelbst die vom Hm. Pfr. Ostermeyer
DigtizBabyCoOgIC
C. G. Mieloke's Terecliellenes littauisclies Gesangbncli. 369
herausgegebene iitth. Grammatik und dessen Gesangbuch. Letzteres fand
nie Gingang und, so viel ich weiH, auch uicbt die Bewilligang der Behörden.
Es mußte die Auflage, da kein Absatz möglich war, als Makulatur ver-
braucht -n-erden. Ein gleiches Schicksal hatte das 20 Jahre später
erschienene Mielckesche ueue Gesangbuch. Die Heringsche Buch-
dmckerei veranstaltete davon Auflagen mit kleineu und gröDern Lettern zu
gleicher Zeit. Das Scheitern dieses kosispieligeo Unteruehmens fährte den
Ruin des Verlegers herbei. Die Buchdruckerei kam mit den Vorlagswerken
zum Verkauf. Das Gesangbuch wurde als Makulatur verkauft, da mehrfache
Ausbietungen keinen Absatz bewirkten. Als Käufer der Buchdruckerei hatte
ich zugleich das Verlagsrecht miterstanden, und gab mir Mühe, die in andere
Hände übergegangenen Verlagsbücher , worunter auch die litthauischen
Gesangbücher waren, zurückziikanfen. In fünf Jahren wurden aber
nicht sechs Exemplare davon abgesetzt, und auch dieser Versuch,
ein besseres litthauisches Gesangbuch einzufahren scbeitei'te.'' So ist denn
das auf der Königl. Bibliothek zu Königsberg (Signatar C e 361) befindliche
Exemplar vielleicht das einzige, das sich iu Ostpreußen noch erhalten hat.
Ueber den sprachlichen Werth des Gesangbuches werden sich viel-
leicht des Litauischen Kundigere, als ich es bin, äußern; hier will ich nur
noch eine für die litauische Bibliographie wichtige Notiz aus der Vorrede
(pag. XVI) anführen. „Es haf^, sagt Mielcke, „ein gewesener Soldat und
Littaaer aus der Niederung ein littausches Gesangbuch vor etwa 6 Jahren
auf seine Kosten herausgegeben. Er hat darin verschiedene Gesänge aus
dem Ostermeyerschen Gesangbuch genommen, viele aber selbst gedichtet,
und wiederum andere von schlechten littauischen Schul-Meistem überaets^e
zusammengeraffet und unter die Littaner gebracht. Es kommen darin die
absurdeste Dinge, übertrieben mystische Ausdrücke, närrische Epitheta nnd
ganz abgeschmackte Wendungen vor, die dem vernünftigen Gottes-Dienst
des Singene gänzlich zuwider sind. Ich habe es fast für Pflicht gehalten,
dieses öffentlich anzuzeigen, damit Inspecktores und Prediger in Littauen
' aufmerksam gemacht werden, sich einem solchen alle Auf klähruug nnd
bessere Bildung der Littauer stührendem Unternehmen mit Ernst entgegen
zu setzen." Aber gerade dieses Buch des einfachen Maunes gefiel den
Litauern weit mehr, als die sorglich gefeilten Arbeiten Ostermeyei-'s und
Mielcke's; es erlebte zahlreiche vermehrte Auflagen und bildet noch heute
das in hohem Ansahen stehende Hausgesangbuch der Litauer. — Eabent
sua fata libellil
Altpr. UonatBBabrin Bd. ZZ7I. HO. H
DigtizBabyCoOgle
370 Mittbeilnngen und Anhang.
Berichtigung
BftDd XXIT (1887) S. 18S and 184
(über den Veit-D ietrioh-Brief rom 17. Julil680 TODD.PaolTaohaokert,
auB „Tbeol. Stadien und Kritiken 1889, 8. 373-375").
In der „Altpreußischen Monatsschrift", Band XXIV, (1887), 183. 184
habe ich einen angedruckten Brief Veit Die'richs an den Mansfeldschen
Kanzler Caspar Müller d. d. ,,dominica post Margarethae" verüileDt liebt.') Da
der Margaretben tag 1530 auf Mittwoch den IS. Juli fiel, bo ist der vorliegende
Brief auf der Coburg am IT. Juli 1530 verfaßt. Unter solchen Umständen
darf er besonderes Interesse beanspruchen. Seinen Hauptinhalt machen zwar
nur unwichtige Nachrichten Aber den Augsburger Keichatag ans ; aber
zwei Mitteilungen, welche sich auf Lnther beziehen, dürfen
nicht ignoriert werden.
a) Aus einem verloren gegangenen Briefe des Ohurfürsten Johann
von Sachsen ans Augsburg an Litther vom Anfang Juli 1530 berichtet
Veit Dietrich einen denkwQrdigen Ausspruch. Es handelte sich in Augsbnrg
nach Uebergabe der Confession nun darum, was der Kaiser thiin werde.
Dietrich besorgt, daß der Kaiser den Evangehschen die Wiederherstellung
der kirchlichen Verhältnisse in integrum, wie sie vor 20 Jahren gewesen
seien, bis auf das zukünftige Kouzil, anbefehlen werde. Wie wird sich dazu
der Churfiirat verhalten? Er hat sich darüber selbst in einem, jetjst verlorenen
Briefe an Luther ausgesprochen. Dietrich hat diesen Brief gekannt und
referiert «laraus: ,.So stellt sich unser gnädiger Herr Churfürst so zu der Sach,
daß er steif, fegt, unerschrocken und mutig gnug ist, dem Kaiser in
allen Dingen zu folgen, ausgenommen in hac causa religionis;
die will er halten, wie er dem Doctori geschrieben, wie ein Mann."
b] Eine zweite Mitteilung findet sich am Schlüsse des Briefe«.
Dietrich schreibt an Müller: „Der Artikel halben wißt, daß sie dem
Doctori nur zu überlesen geschickt nnd wider gen Augspurg
geantwort sind, in solcher Eil bei eim [= durch einen] reitenden
Boten, daß ichs nicht gar könnt auslesen."
Als ich den Brief edierte, habe ich unter dieeen Artikeln die am
11. Mai von Augsburg an Lutlier gesandten Qlaubensartikel, die spätere
Confessio Augustana,^) verstanden und daher in uneerm Briefe, wie ich in
der Ueberschrift andeutete, „eine bisher unbekannte Nachricht Über das Ver-
hältnis Luthers zur Augsburgischen Confession" gefunden. Ich bin auf diese An-
1) Ueber Caspar Müller vgl. z. B, Jnl KöatUn, M. Luther 2. A. I,
750. 769. 771.
2) Corp. Ref II, 46.
,dbyGoogIe
Berichtigung. 371
nähme gekommen, weil mir andere, nach dem ll.Mai ans Augsburg nach Coburg
gesandt« Artikel unbekannt waren, und weil seit der AnA«ge Müllers betreffs
dieser Artikel eine geraume Zelt verflossen ist, bis Dietrich antworten konnte.*)
DerBotawftr in Augsburg am 11. Mai abgeschickt; seine Rückkehr von Coburg
erwartete man imgetahr am 18. oder 19. Mai;^) Luther antwortete bezüglich
der „Artikel" am 15. Mai.') Dieser Termin liegt grftde in der Mitte der
8 bis 9 Tage, die ein reitender Bote za dem Hin- und HeriBitt wird ge-
braucht haben. Warum sollte nun Caspar Müller nicht zwischen dem
11. Mai und dem 17. Juli unter Umständen, die wir nicht kennen, nsch
Luthers Verhältnis zu diesen Artikeln bei Veit Dietrich angefragt haben?
Mir erschien es durchaus wahrscheinlich, unter den „Artikeln" die vom
11. Mai zu verstehen.
Bei dieser Combination war mir aber leider der Umstand entgangen,
daß Caspar Müller Ende Juni 1580 seibat auf der Coburg bei Luther ge-
wesen ist*), und ich danke Brieger, daß er daraiif aufmerksam gemacht
hat.'') Dieser Umstand fällt aber schwer in's Gewicht, Ist nämlich Müller
Ende Juni selbst auf der Coburg gewesen, so wird man seine Anfrage über
die traglicben „Artikel" in die Zeit Ende Juni und Anfang Juli setzen
müssen. Eine Anfrage in dieser Zeit dürfte dann wohl nicht auf die am
25. Juni in Augsburg übergebenen Artikel vom 11. Mai zu beziehen sein.
„Undenkbar", wie Brieger schreibt, ist meine obige Auffassung allerdings
auch jetzt noch nicht; allein ich halte sie nicht mehr für wahrscheinlich
und schließe mich dem Besultat der Brieger'schen Untersuchung an, nach
welcher die fraglichen Artikel ein nicht auf uns gekommener
Entwurf Melanch thons gewesen sein werden. Helanchthon hat
nämlich nach Uebergabe der Confession, Ende Juni oder Anfang Juli, au
neuen Artikeln gearbeitet und zwar über das Thema „quantum cedere
adversariis possimus." Bisher wiiBte mau nicht, ob diese Nachgiebig-
keitsartikel fertig geworden und an Luther übersandt sind. Aber es
muten. Doch bleiben sie selbst, wie Brieger sich ausdrückt, bis jetzt
„räthselbaft."
1) „Euer Schriften hab ich alle entpfangen; das aber kein antwort
von mir drauf gefallen, bitt ich, wollt mirs nicht verargen etc.
2) Corp. Ref. U, 51.
8) De Wette, Luthers Briefe lY, 17.
4) Ibid. 69.
6) In seiner Abhandlung über „die Torgauer Artikel" in „Eirchen-
geschichtliche Studien" v. Brieger, Tschackert, Kolde, Loofe und Mirbt.
(1888), 8. 319.
,dbyGoogIe
37'2 Mittheilungen und Anbang.
ünlrersltSte-Chronik 18S9.
(Fortsetzung.)
22. Uärz. Uedic. I.-D, von Walter Döhiing prakt. Arzt (aus Königsberg):
Ueber den lokalen Einfluß der Kälte und Wärme auf Haut und
Schleimhäute. Kbg. i. Pr. Druck v. R. Leupold. (44 S, 8.)
— — Med. I.-D. V. tioBtaT Fahreabolls v''^*^^- ^'^'- ^"^ ßeichenbach in
Ostpr. (geb. zu Leubua in Schles.): Beiträge zur Kritik der Met seh ni-
kofischen Phagociten lehre auf Grund eigener Infectionsexperimente
mit Milzbrandsporen am Frosch. Kbg. Druck v. M. Liedtke. (39 S. 8.)
Med. I.-D. V. Conrad Franck, pract. Arzt, (ans Kgabg.): Ueber die
zeitlichen Veihältnisae des reflectorischen u. willkilrliclien Lidschlnssee,
Ebd, {38 S. 8.)
Med. I.-D. V. Rieh. Ma^nns Arzt (aus Königsijerg); Ueber das ana-
tomische Verhalten der Nebennieren, der Tliyreuidea und Thymus
und des SympathicuH bei Hemicephalen. Kgsb. Hartungsche Bchdr.
(39 S. 8. m. 3 Tat;j
27. März. Phil. I.-D. v. Wilfcelni Leest (ans Königsb,): Syntaktische Studien
über Balzac. Druck t. A. Hausbrand's Nachf. in Kgsbg. i. Pr.
('2 Bl , 103 S. 8.)
29. Mara. Med. I.-D. von Joha Baacke pract. Arzt ans Orandenz (ans
Meinel geh.): Ein Fall von hydrencephalocele mit amniotischen Ver-
wachsungen. Kgsbg. Druck v. M. Liedtke. ('23 S. 8 m. 1 Taf.)
— — Med. I.-D. V. Engen CzaplewHkl pract. Arzt (aus Königsberg):
. Untersuchungen üb. die Immanirät der Tauben gegen MiUbraud.
Kgshg. Druck von Emil Rantenberg. 1889. (31 S. 8.)
^ — Med. I.-D. V. Max Lefj pract Arzt, aus Graudenz (geb. zu Mewe):
Zwei Falle von Cholecystotomie. Kgshg. Druck v. M. Liedtke. (43 S. S.)
Med. I.-D. V. Wolf Säclis, prakt, Arzt (aus Krossj: üb. die von d.
Lymph gefallen ausgehenden Neubildungen am Auge. Jena, Gust.
Fisolier. (24 S, 8.)
Med. L-D. V. Arth. Schmidt prant. Arzt (ans Heilsberg): Ein Fall voji
autochthoaem Teratom der Rachenm und hohle. Ebd. (33 S. 8 ro. 1 Taf.)
^ — Med. I.-D. V. Öeorg Schröter pract. Arzt (aus Gr. Lesewitz, Kr.
Marienburg); Ein Fall von Hemia diaphragmatica hei einem Neuge-
borenen. Ebd. (27 S. 8 m 1 Taf.)
Med. I.-D. V. Valentin ZnralskI pract, Arzt (aus Kaaanitz): Beitrag
zur CaauxPtik der Dünndarmgeschwülste. Ebd. (31 S. 8.)
20. April. Med. I.-D. v. Georg Troje, prakt. Arzt (aus Aweyden, Kr. Sens-
burg]: Über den Einflufi der Quantität und Qualität der Nahrung auf
die Ziickerausscheidiing hei Diabetikern. (2 Bl., (i2 S. 8.)
24. April. Med. L-D. v. Max Sperling (aus Sporwitten, Kr. Fisch h ausen ) :
Ein Fall von beiderseitigem Himbruch an den innem Augenwinkeln
bei einem Neugeborenen nebst Bemerkungen über die an dieser
Stelle vorkommenden angeborenen Bild imgsfehler. Kgsh. i. Pr.
Druck von R. Lenpnld. (24 S. 8. m. 3 Photogr.)
8. Mai. Med. I.-D. von Iternh. Dobczjnskl, pract. Arzt (aus Tolkemic):
100 Fälle von Ovariotomieen aus der gj'nukologi sehen Universit.- Klinik
zu Königsberg <in der Zeit vom 1. Mai IHRt bis 30. März 1889).
Kgsh. i, Pr. Druck v. M. Liedtke. (89 S 8.)
14. Mai. Med. I-D. v. Eagen Wollenberg pract. Arzt (aus Marienburg W.-Pr.);
Ein Fall von Hydrencephalocele posterior mit Spina bifida nnd
cystischer Degeneration beider Nieren. Ebd. (24 S. 8 m. 1 Taf.)
22. Mai. Med. I.-D. v. Jnllns Loeneo8t«lo pract. Arzt (aus Königsb.):
Die Impftuberculose des Praeputiums. Ebd. (27 S. ff')
D,gt,zBabyC00<^IC
UniTeraitÄfa-Chronik 1889. 373
No. 120. Amtl. Verz. des Pergonals und der Stodirenden ...{.&. Somm.-
Sem. 1889. Kgjjbg Hartungsche Bclidr. (32 S) [92 (10 theo).,
6 jur.. 26 med., 50 phil.) Docent., 5 Sprarh- u. Exercitienmeister ;
76a Siud. (192 Theol., 1S8 Jur., 266 Med., 167 Phil.) a. 16 z. Hör, d.
Vorl. bereeht.]
3. JuDi. Phil. I.-D. V. Philipp. Trlbokalt Lvckensis: De provörbüs vul-
garibnsqne alÜH locutionibua apnd Bnrolicos Graecos obviis. Re^m.,
ex offio, Leupoldiana. (2 Bl.. 63 S. 8.)
4. Jaiii. Lention. eursor. quaa venia et consensu ord. philos .... Erich
HaftBe phil. Dr. Ueber den Inatinct der Thiere ad docendi facult.
rite impetr. . , . habebit indicit Adalb. Bezzenberger phil. Dr. P. P.
0. h. t DeP. Regim. Bor. Ex offic. Liedtiiana.
18. JunL Med. l.-D. v. Curt Braein pract. Arzt (aus Königsberg): Unter-
suchungen üb. d. Degen erationserscheingn. pat.hogener Bakterien im
deatillirten "Wasser. Kgsbg. i. Pr. Druck von M. Liedtke. (67 S. 8.)
Med. I.-D. V. Cart Foss pract. Arzt (aus Hoch-Eedlau Westpr,): Bei-
trag zur Casuietik der Spina bifida. Ebd. (70 S. 8". m. 2 Taf.)
Med. I.-D. V. Anton Klix pract. Arzt (aus Lamki, Reg. -Bez. Posen):
Zur Casuisfik n. Aetiologie der Spontanamputation. Kgsh. Druck
V. R. Leupold. (2 Bh, 62 S. 8. m. 1 Taf. in Querfo! )
Acad. Alb. Regim. 1889, JI. Zur Kantleier der Albertina, Oratiuncula
die XXIII m, Aprilis h. a habita qua orationes ad celebr. dieb, XI
m. Mart. XXI et XSIH m, Maii XXIH m, Jim. memor. viror, ill.
J. F. de Rhod Fr, de Groeben Ab. Fr, de Gmeben loa. Dit. de Tettau
. , . dieb. XXII et XXIX m, Jun. publ. habendes indicit Arth. Ladnlch
P. P, 0. Kegimontii ex offic. Hartungiana 1889. (9 S, 4.)
Chronik der Kgl. Albertus-Universität . . , f, d. Studien- u, Etatsjahr 1888/89,
Ebd. (10 8. 4.)
26. Juni, Med. I.-D. von Gnstav Jerogcb, pract. Arzt (aus Königsb,): Ex-
Eerimentelle Untersuchungen üb. die aesinficierenden Wirkungen von
[öUen8t«inlöaungen. Königsb. i. Pr. Druck von M. Liedtke, (27 S, 8.)
20. Juni. Lectiones curaor. iiuaa ven, et cons. ord. philos. . , . Otto Hoir>
mann phil. Dr. Über die Bedeutung der griech. Inschriften für d.
vergl. Sprach wissen Schaft ad doc. fac. rite itnpetr. . . . habebit indicit
Adalb. Bezzenberger phil. Dr. P. P. 0. ord. philos. h. t. Decan. Re-
gim. Bor. ex ofßc. Hartungiana.
Altpreussische Bibliographie 1888.
(Nachtrag n. Fortsetzung.)
Arndt. Wilh., Schrifttafeln x. Erlemg. d. latein. Palaeogr. 2. A. Hfl. 1. 2.
Berl. Grote. (64 Photolith. m, 20 S, Text, fol.) in Mappe & 15.-
B<zer, Gymn.-L. Dr, (Danzig) Rec. [Dt L Z, 43.^
Bezzenbei^er, Adalb., Dispositio Imperi'eoti ad Opümiun hrsg. [Königsberger
Studien. Hist. philol. Untsuchgn. 1, Hft. Kbg, 1887. S. 181-212.]
»tOBit, Siipcriiit. §.. Mite u. ncuE Silber ouä Maluren. ffiint ®tffr *« ©lo*»! u.
b. Ar. aiiflerbura in erjaiilfln., Sdiilbtrnn, u. jafitr. 9b6ilbflen. angnrbura.
©tlbftulg. u. flomni..ajErl. o. Stetjel .©umbin n«n, ©rlfe & Unjer-flgSfrg., f/uif
Äoftenbil. (2 «1., 192 S S(E.=8.) 4.-
iSrattin.] 'Bio Itftlrn Bnronc Don ©lajein. OftprcugifAe ffirjafilunfl au( gtf(f|i(^II.
®niublafle auS btr Si^it ^" SSi^onjoftnhiEge, uon *,(,* [Dfipr. 3'9- (5euiUeton)
1887. S)r. 306. 306. 1888. 9it. 1-99.] .
9. gamilic »an 9xaxtitt (j. !Sen<^ti(iung ber ^rrt^ümer txi mittlenixitt
DigtizBabyCoOgIC
374 Mittheilangen und Anliuig.
ortoit. Sf. in fm. im I. Duartol b. % im gtuiarton bet Oflpr. 3. trfAint.
Koman „3)ie ttölen »aronf oon ffltojtin.") [Dftpt. 3. o. 16. 3unt. «r. 139 (8ti[.]
Brick, Carl, Beiträge z. Biolopie a. vgl Änat. d. halt. Strandpflanzen, (Aus
d. Schriften 3. Naturf. Ges. zu Danzig.) Breslauer phil. I.-D. Danzig.
Druck V. A. W. Kafemann. (5a S. gr. 8.)
»»«f, Dr. 3ul., fl«b, 14. «pril 1847 ju gtamnburn i. Dftpr., f 28. Cct, 1888 )u
¥of(n. («f ttol.) lattat. b. biftot. «(f. f. b. ¥ro». ^oftn. 4. 3n5ifl. S. 237-238.]
BrBDaeGk, Prof. Dr. Wilh. v., die Leibeigenschaft in Pommern. IZtschr. d,
Savigny-Stift. f. Bechtsgesch. IX. Bd. 1. Hft. Gennaniat. Abth.
S. löi— 152.] Bec. üb. Knapp, d. Bauernbefreiung u. d. UrspruDg der
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Brnnueinanii, Mittlgn. a. d Vorgesch. d. Elbing. Healgymn. [Progr. d. atädt,
Realg.] Elbing. (9 S. 4.)
»fit^Ut. Otto, bit SJeibnac^täfettr in b. SoIKF^utc. . . . Xanjia. fta(cmann. (24 @.
ar. aj -30,
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Brandenbare & Co. in Comm. {100 S. Lei. 8.) 1.60.
Büttner, Miseions-Inspector Lehrer Dr. C. G,, Sprachführer f. Beisende im
Damaraland. [Aus; „Ztschr. f. afrikan. Spracheo."] Berlin. Asher
& Co. (46 S. er. 8.) n. n. 1.50.
Zeit«cbrift f. afrikanische Sprachen. 2. Jahrg. 1888,89. 4 Hefte gr.8.
Ebd. baar 12.—
9ta4ric^t(n ouä b. oflo(rita». aRiffion. Sofirg. 1888. (12 Brn. (9.) gr. 8.)
Scrlin. Deftmiate'ä Viify. in 60mm. baor n. 1.50.
— — Erwiderung auf den Artikel „Eiighsche Anspräche auf Damaraland"
in No. S d. J. [Export. 10. Jg. No. 4,] Die Ba-ntu- Völker. Vortr.
[Ehd. No. 8,( üb. d. afrikan. Sklavenhandel n. d. Versuche ihn zu
untdrück. Vortr. [Ebd. No. 50.] Deutsch -Kikamba Wörterbuch. Nach
d. Vorarbeiten von f Dr. L. Krapf zsgeatellt. [Ztscbr. f. afrik. Sprach.
I. Jahrg. S. 81—123.] Märchen der Ova-herero übstzt. u, erlSut.
[ebd. S. 189-216.) Weitere Märchen der Ova-herero [ebd. S. 235-807.]
Bnjack, Oberl. Dr. Geo-, zur Bewaffnung u. Kriegführg. d. Ritter d. deutsch.
O/dens in Preu^aen. Mit 1 Taf. in Farbendr. (Progr. d. Alistädt.
Gymn.) Kbg. (Koch) (22 S. gr. 4.) baar 1.50.
Suibd4. Aonr. @actbtä Mitle 1)ti%. im 9luflr. b. ©rDHcrjoflin n. Sat^fen.
(1. Vittf.) VI. m. 3Bert<ö|'IEiiä(r Dioan (^räg. n. fionr. aSuibo^) SSeimar.
mbuu. (XU, 493 S. 8.) 3.80.
— — die pfälzisch. Wittelabacher a. d. altdeutsch. Handschriften der Pala-
tina. [Centralhl. f. Bibliothekswesen. 6. Jahrg. S. lll-isai Zur
Gasch. der Faustsage. [Vierleljahrachrift f. Liftgeacb. hrsg. v, Bemh.
Seuffert. I. Bd. S. 9— 12.j Zu den Faust-Paralipomena [Ebd. S. 283
bis 286. 530.] Bec. [Dt. LZ. 40J
Bnsolt, Prof. Dr. Geo., Griechische Geschichte bis zur Schlacht bei Chai-
roneia. 2. Tl.; Die Perserkriege u. da« attische Beich. Gotha.
Perthes. (XVI, 607 S. gr. 8.) 12.— [Handbücher d. alt. Gesell.
II. Ser. 1. Abt. 2. Tl.]
Snttlar, 3Rint<t d.. bunte ajilber f. S.n'bn. SttHau. S^ottlfinbn. (24 S. 4. m.
fatb. 30uffr.) cort 2.-
Äidd^fi «■ Sirnilen mit bem »otfElSab"- Öbb. (24 6. 4. m. fort, gnufti.)
cort. 2.-
Cappeller, Carl, Znr Mrechakatikä. [Featgruss an Otto v. BdhUingk z.
Doktor-Juhil. S. Febr. 1888 von seinen Freunden. Stuttg. Kohl-
hammet. S 20—32.1
Casparj, Prof. J. Viertel Jahresschrift f. Dermatologie u. Syphilis. Unt.
Mitwirkg. v. Prof M'Call Anderson, DD. Aming, Behrend etc. u. in
DigtizBabyGoOgIC
AltpreuDische Bibliographie 1888. 375
Gemeinechft v. Proff. Cupftry, Kaposi, Lewin, Neisser hrsg. v. Prof,
F. J. Pick. 1&. Jg. (6 Hfte gr. 8.) Wien. Braumtiller. 30.—
Casparj) üb. Liehen ruber. Nach e. Vortr. geb. auf d. dermiktol. Section zu
Wiesbaden (hiezu Taf. IV.) [Vierteliahreeachrift f. Dermato!. u. Syphil.
16. Jahrg. S. 169-162.]
Casparj, Bob, Nympbaeaceae (Seerosen, Teichrosen, Wasserlilien) (m.
36 Einzelbild, in 11 Figur, u. 1 Holzscbntaf.) [Die natürl. Pflanzen-
familien nebst ihr. Oattgn. u. wichtigeren Arten insbes. den Nutz-
pflanz, bearb. v. Engler u. Prantl. 16. Lfg. Bd. HI. 2. S. 1—10. 8»]
Rob. Cftsparf. (Necrol.) (enth. t. sehr genau. Verz. seiner Schriften —
S33 Nrn. — nach Dr. Abromeit [Annais of Botany edit. by Balfour.
Vol. I. p. 387-396.]
Cblebowgkl (Brttunsb. Ostpr.) Bemerkgn. üb. d. lehrmiltel f. d. Griechische
in der tertia. [N. Jahrbl. f. philo), n. päd. II. abth. bd. 138. s. 625-642.]
ChnD, Prof. Carl, Ber. üb. e. nach d. Canarieohen Inseln im Winter 1887/88
ansgefühfte Reise. [Sitzgsberichte d, K. pr. Akod. d. W. zu Berlin.
S. 1141—73.] Auf den Canarischen Inseln. Beisebriefe. Mitgeth.
Karl Vogt. [Frkf. Ztg. No. 19. 20. 32. 33.]
fSihnMttt. Smilir, ßratuIatjonä'Qücftlcin. eommlfl. trnft. u. [c^erj^aft. &tXt%f)t3.'
@(bi(^le. Xlanji^. JCnFemann. (III, 120 S. 8.) 1.-
Clciicu«, @clr. äbiD. u. ÜtiÄ- d. ®rum6fon>, aiorlanen f. äQappen<3tict«(ei auf ßnnfvaä.
ISinc Smig. o. fertig. Stidtnuft. tgeralb. S<Si"^' «• sanjtr 3Qapp. f. belieb.Sfl'tQsn.
13 laf. m. 20fa4. gar&tnbr., nebft erläut. lejt. Srcäb. 1889(88) ®rumb(onj.
{22 S. flt. 4.) 15.-
amtIi*tol)t(i([(6njieflfn;E. ®ffc6. auäb. ©Bnjurt. Stipj. S. grtunb, (79©.&)1.-
35er pccufe. Slbtcr. [3>.t istW ^erolb. XIX. 5Ir. 1.] ©iniae «nmertfln. j.
b. erfiatg. b. Sieflfitafd in 9tt. 12 brä öcroß 1887. [Ebb. Ütr. 3.] 3u b.
aclifel u. S- «^wnä, b. Sßapp. u. bit gacben b. Stobt &onnoD«. [9ir. 4.]
Die 5ümili( Sitmtnä [^t. 5.] SemifAleä. [91r. 3, 9.] Jltec. [9Ir. 7/8.]
ClndilS, ord. Lehr. O., Vom Frieden zu Aachen bis z. Neutralitatsvertr. v,
Westminster, Beiträge z. Politik dieser Zeit (1748-1756). (Progr. d.
Realgymn, auf d, Burg) Kgsb. (18 S. 4.)
CoUln, Ant. (aus Instetbg) : Criodrilus lacuum HofFm. Ein Beitr. z. Kenntn.
der Oligochaeten. (Aus d. «oolog. Instit. z. Berl.) I.-D. Berl. (4.SS, 8.)
Conitzer, Lesser (aus Jezewo, Kr. Schwetz): üb. d. operative Behdl^. d,
plenritisch. Exsudate im Kindesalt. m. besond. BerUckeicht. der eitrigen,
I.-D. Halle a. S. (64 S. 8.)
CoiniK, Viof. ßorl ^tinr., iStitflet)!;. b. SoTIeä ^äritel u. fr. national. OtflaniFation.
(30 S. 8.) -50. [Smlfl. senwfibl. roifffiftl. S^orträflt fträfl. d. aitt^om u.
0. ^olBenbotff. % g. 60. &ft. &anibflj
Bietet d. Codex Vaticanus B uns den Bibeltext in d. Eecension des
Origenes? |Nacbr. v. d. Kgl. Ges. d. W. u. Univermt. zu Götting.
No. 8. S. 194-196.]
— — Zur Quellenkritik der Bücher Samnelis. [Königsberger Studien.
Hist.-pbiloi. Untsuchgn. 1. Hft. Kbg. 1887. S. 23-69.)
Crampe, acad. Lehr. z. D. Dr., die Farben der Pferde zu Trakehnea.
II, Thl. Die Ergebnisse der Farben-ReinKUcbt, [Landwirthsch. Jahr-
buch. XVIL Bd. S, 755-885.]
Cmse, Geh. Reg.-E. Dr, G. in Danzig, das angeklagt« Gymnasium. [Ztßchr.
f,d.Gymn.-Wea. 42.Jahrg, S.278—282, ^7-351,] Rec. [Ebd. 614-622,]
CnnO} Prof. Joh, Gust., Oberl. am Kgl. Gymn. zu Graudenz, Vorgeschichte
Roms. n. TeiL a. u. d. T.: Die Etrnsker u. ihre Spuren im Volk u.
im Staat der Römer. Graudenz. Selbstverl. (XVI, 899 S. gr. 8.)
n. n. 25.- (L U.: a. n. 43.-)
— — Anschreiben gedr. zur Empfehlung u. Prube. (XVI, 32 S, gr. 8.)
DigtizBabyCoOgle
376 Mittheilungen und Anhang.
Curlz«, M., Leopold Friedrich Prowe. Ein Gedenkblatt, Thom. [Kgl,
Gymn. m. Kealg- Schiiln. S. 1-VI. 4«!
Ge^Schtnissrede a«f Prof. Dr. Leop. Prowe t26. Sept. 1887. (Geh. in
d. ausserord. Sitzg. d. Coppemic- Vereins am 10. Oct, 1887.) fZtschr.
f. Mathem. u. Phvglk. 33. Jahrg. Hiat.-litt. Abth. S. 89—96.]
Rec. [Dt LZ. 14, '22.]
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format, Dan zig. Saunier. 1.50.
Do« neue ©tnbt(ranf(nl)ou3 in 2taitjifl. ßauilc. Ql%. 90. S3b. Wt. 2341.J
SarfttÜiino berjen. ^eftimmp.. m. naä) b. rcuibirt. Slcglcnietit b. aftpc. Sanbfi^ft d.
24. Dej. 1808 u. bcf(. erflflnjflii. bei (aiibfd)afH. SEntilen inofigcbenb ftnb.
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1888. 12 9Irn.(V4«.9r.a)3i)|'tet6. fi9ä('i(.,»romiu SBebet in Gomm. boor 1.20.
^^tnffifiHft bclr. bog eeiDerbl. % Hb\lt)%S-Bii)\ilm. in ItgSb fiflSbg. (@Tä(e & Unjcr.)
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Dieckert, Gymn.-L. Gust., üb, d, Verhältnis des Bei-keieysch, Idealismus z.
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Zur polit. U. wirthsch. Lage Portugals. |ebd. 44.] Ztir Mitlelmeer-
frage. [ebd. 48.] 3iD(i poitug. ftönigsfipe. [JfÖefkrmnnnS iBuftr. btftfie.
Slonotä^eflc. Sept.] Iiie Söellauäfleüg. in »arcdona. [3)ic «nlion 6. 5a&rg.
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Sfltri«, 9ptoi Dr., !RtHti%t j. »nugtf*. b. ermlflnb. flitdien. [äeilf^r. f. b. ISe[4. u.
aittliätbe. etmlanbä, VIII. »b. 2. u. 3, ^ft. »tounäb. IBRfi. ®. 599-646.
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D,gt,zBabyC00<^IC
ÄltpreuDiache BibUographie 18Sa 377
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DStaritig. ord. Lehrer Alfr., Die Etvmoloßie d. sogen. Gerwidivfonnen.
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Dfirnbers, Consist.-Präsid, Frlir von, (Kgfbg.l Ueb. d. Anwendg des {; Sl
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Dohrn, Prof. Dr. B., Geburtshill'e. [Jahreaber. üb. d. Leistgn. a. ForsHir.
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^omitKueti, Dr., bie milUEaUerl. «iencTimirl[d). im «Srmlonbe. |3t%(t. für b.
®ef(ft. u. «Itcrt&umarbe. etmimibä. ^alitg. 1887. ©. 83-110.] ein S*iB
brt Üldiflnbt S9rüuiiä&crfl. [ebh. IX »b. I. 6ft. S. 253-2&t )
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2>0trtrttunf|, lantiDirtfifc^aftL gtäg.: &m. Scfr. 9. Arrif«. 2ö. ^g ^'^ ^'^"■
'Va SS.) (ir. 4. fiflöb(|. Sci)fr in 6omm. Sierttli 6aar n. it. 1.—
Dom, E., Ueb. d. Einfluas des in Stahlmagnaten inducirten Magnetism. auf
einige Beobachtiingsmethoden. [Annalen d. Physik u. Chemie. N, F.
Bd. XXXV. S. 270—275.] Beiträge z. Verhalten harter, stark mag-
netisirter Stahlstälic gegen schwache magnetjsirende Kräfte, |EI)d.
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Drejiinf, Max (aus Danzig): Zur Pathol und Theraphie dea Furunkels,
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Dnlk, Dr. Alb., Entwurf einer Geaellachafls lehre. Leipzig 1889. (88.) Finde!
(IV, 100 S. g_r. 8.) 2.-
DdIIo, Dr. A., Gebiet, Gesch. u. Charakt. d. Seehandela d. grösat. dentsch.
Oslseeplätze seit d. Mitte dieses Jahrb. Jena, Gust. Fischer. (XI,
158 S. gr. 8.) IStaalawissenschftftl. Stuilien hrsg. v. Ldw. Elster.
II. Bd. 3 Hft] S.—
%bt\. Vfotr. @b., «cbäditniäpreb. jüt . . . wtil. Jt(. 3DiII)elm fle^. ... 11. Wärj
1888. 3. a. ©roubdi). Sötlie. -25.
53rei ^alnmocige auf unf. ftaifttS SIccbfbdl . . . S6b. —25.
Ehni, Frz. (aus Neuendorf bei Gultstadl Kr. Heilsberg): üb. d. operat. Behdlg.
der ectopisch. Schwangerseh. m. Berücks. e. Falle!" v. Laparotomie
bei vorgeBchritt. Graviditns extrauterina nach d. Absterb. der Frucht
m. conaervativ. Behdlg. d. Fruchtsackes u. Ausgang in Genesimg.
I.-D. Greifaw. (m S. 8.)
Elchhorst, prof. Erm., Trattato di patol. e terap. apec. Unica traduz. ital.
antonz. per cura del dott. Carlo Maglieri e rived. da Aug. Murri.
Vol. U. disp. 30-50. Milano. Vallardi edit. (8. 1-1104. 8)
— — Klin. Erfahren, üb. wiedholt. Erkrank, an Abdominaltyphiis. (Vir-
chow's Archiv 111. Bd. S. 48—59. | Neuritis fasnians ; e. Beitr. z.
Lehre v. d. Alcoholneurifis {Taf VII. VlII.) [Ebd. 112. Bd. S. 2.^7
bis 259.1 Verbreilerungs weise der Haut nerven heim Menschen.
[Ztachr. f. klin. Med. XIV. Bd. Heft 5.6.] Rec. [Dt LZ. 7. 27. 30. 52.]
eil«fercfltc, Superinl-, S^kicrtna^ci in fr. JreunbfAdft m. b. ^omilif ©rnf Uo^im-
Sdllobitti-ii. insbcf. m. b. t. pr. Staaläminiri. 91k;b. @tl ^obna. i^oxtt. in
b. f. blf(^. ®cf. ). Bflsbfl.) [©0. ®Em»inb«bf. Wr, 18. ©. 101-107.]
Stbntann, Kbolar, ^olianncS u. SlalEiilbe, c. @poä auä @lbingä Utbcrfc^iDemniungg-
jtit im 3- 1888. eib. Sdbi'fol, -60,
^rlMonn, C§(., Setrad^lgu. üb. ^anbbüAer ). Silcmlurfunbe; m. befonb. !B(a. auf
Iluflt üuäioa^I bcutf«- ®(bict|te. [QUäft. f. b. btfd), Unterricht. 2. ^abrg.
3. ^it.] Eec. [Anzeiger f. dt. altert, u dt. Htt. XIV. s. 93-94.]
Fatkenhelm, Dr. H., Privatdoc, i. Kgabg., z. Lehre v. d. Anomalien der
DigtizBabyCoO^IC
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16. Jahrg. S, 33-37.]
galtfan, ^crb., W [ibcral« ^duenutg lu fibnig^beTS 11840— I848J. Wtmoicenbiattn.
»rcälou. Sf^ottianbEr. (202 S. 8.) 2"- g^b. o. 3.
— — Königsberg, die Hauptstadt Ostprenasens, (75 S. 8. m. 9 lünetr.)
[Nordostdeutache Städte und Landschaften, No. 4. Danzig. Kafe-
maan.) 1. —
Samländiacher Ostaeeatrand. (32 S. 8. m. 8 Ilhistr.) [Ebd. No. 5.] 1.-
[PareDleld.) Stengel, Fritz v. Farenheid f. [Wnohenschrift f. klaas. Philo-
logie. 5. Jahrg. No. 27.]
SUat^rufongrito.gflKnfieib. [3eitfAr.b.«llläflEf.5nftetburfl. ©eftS. ©.93-94.1
Jiaai. % ^. $. ($iarre( u. Supet. a. Zi.) «bfdiicbdprebiet 30. @cpt. 1888.
fiaäbfl. ißerl, D. a. »ade. (15 ©. gr. 8.) -.80.
Flacker, Eugen, prakt. Arzt aus Johannisburg in Ostpr.; zwei Fälle multipler,
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(32 S. 8.)
9ta4. äo^anncä, bie SuFunft Seutfd)[anb3. Seipjn. Ndgnn. (56 S. gr. 8.) 1.—
3eilg«nia6e®(fiulf(afltn. »raunftftnieifl. ffltutin'ä Serlog. (IV, 57 ®. gr. 8.) — 80.
— — Die Reform der Universitäten. (Hamburg. Verlagsanstalt u. Druckerei
A.-G. (2 Bl., 48 S. 8.) -80.
oergeblidi gerungen, ©ine ©cjü^lunn. SButjcn. Bieäler. (220 S. 8.) 3.—
— — ungefaSrlif^« lärelFAerroiinbETungen. [Sßeflermannä iUuftr. btf^f- SHonolä^fU.
32. ^a^tfl' ^'' &-] D'B akademische Frau. [Das Magazin f. d. Litt.
d. In- n. AubI. 57. Jahrg. No. 39.]
glotll, M. 0., »eittftge jut !preu6if*en gamilientunbe. Iii« uon ber SRülbe. [3tf*t.
h. ©ifto». Streitiä f. b. Mcg.'Scj. iKoneiiiDtrber. $c(t 22. Sep. «biug.
(32 ©. gr. 8.) Daä ©tammbut^ beS «Kflrtin Mcfenberfl oon 1697-1603.
[ebb. &cft 22. ©. 49-74]
glfififimann, 3B., ^Iqt^romelecXafeln ). Screc^ng b. rclatiu. geucbtigteitdat^alkS
ber 9uft iti flflfettacm. 2. Slufi. Sremen. '311. §cin(iuä. (13 ©. 16.) -75.
Fontor, Reiuh. Fünf Briefe der Gebrüd. v. Humboldt an Job. Reinh.
Förster; nebst e. Anh. hrsg. v. Dr. Frifz Jonas. Berlin 1889 (88).
L. Oehraigke's Verl. (48 S. gr. 8.) 1.50.
Franz, Plötzliche Helligktsändrg. des Kometen Sawerthal. fNatorwissensch.
Rundschau. No. 27.1 Zur Bonner Durchmueternng bei 23 "i + fe". 75.
[Astronom. Nachrirhten. Bd. 120. No. 28f:i.l
Frenze), Fritz (aus Oletzko in Ostpr.) Das Itineranum des Thomas Carve;
e. Beitr. z. Kritik der Quell, d. 30j. Krieges. I.-D. Halle a/S. (32 S.)
Äceljft, ßr(iäpl)i)fir. Dr., ber ^nclfnoAf*« Wefyerfcbluttct u. b- (|eut. 9ßiffenf(^aft.
[geitfdjr. b. «Itetl^umäneft-Df*. 3nfttrl)Utg. §eft 1. anfletbutg. ©. 1-24.
ÖK 2. ©. 18-21.]
^titbtbttg, SR., Sut litau. SitleraturgefA. [fltd)\o. Sibliogr. 9Bi>(^enf<^(. (iräg. t>.
3«l. ©ttinf^neib«, 91r. 4.]
grftblacnbtt, 2ubni. frof. in Jtgäbg.. ^aS aRSrAen oan 9mot u. $fqcl)c u. nnb.
Sputen b. Soll^milrAenä im »Hertbum. ©eparalabbr. auä h. 6. ^lufl. bn
„DarfteOunfl«!! b. SitteiigefiftiAU Momä" 1. SBb. Sripjig. (S. 622-563.)
SorftcHungen ouä ber SiltenflEfAitfete ÄomS in bei 3eil pon auguft biS juni
SuSfliing ber Stntonine. 6., neu benrb. u. ucrm. Suft. 1. Jb. Seipjig- &irj(l.
(XXXII, 586 ©. gr. 8.) 12.-
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FrlellaeDder^ Martin (prakt. Arzt aus MarienwerJer in Westpr.) üb. d.
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öiinaloqa. [©tfttrinannä iaufli. hlffte SKonatäliffe. 32. Safirn- flt. 3.)
Sine Stbolungätcift nadt Se^lon. [@bb. 9tr. 6.] @ine IDcift n. JBomboq b^.
b. inbifA. ¥rA<^lFtibtc I. n. [Sbb. Dctot. 9lDDbt.] Stben bcr Suropacr In
Snbien. [«orb u. ©üb, 59b. 46. S. 71-101.] ©ine Seife non trifft na*
EBombop. Iltftfte Menue 13. 3oi)rfl, 6. ©it.] S«. [ffit. 8. 3. 6.]
ttnici«, $vof. Dr. earl, b. brulft^e ^bläretl^t. Sin hirjgcfottt. Se^rb. b. in) btfc^.
iRricftc fldtb. ^blS-, 90t4f.' u. Sccrt*« . 3. neu bäqeoTb. u. oidf. unnb. aufl.
(XX. 836 ©. 8.) [8(I)tbiic6. b. btfi^. SciAarfCftttä. IV. «er(. ©uttentnfl.] 9.—
beulfAcä flolonialiecftf. Sammln, n- ®ff9- !>■ Sotbnungtn bftr. b. btfc^.
SAuBaebicte. ©iefern. Motl). (161 ©. 8.) 2.-
«ctantr, Supctint. a. t>. ßarl Smil, f ^- S«"- 1888, geb. 28, «ufl. 180B. (Slefrolog.)
[I£d. ©embbl. 9Ii. 4.]
Curfline ... 56. Ja^rg. Jjnftctbfl. (gumbiim. ©fet.iel.) ba« 6.—
Strg, an., Ralenbairj fitDlcn>sro'$ruffi enang. no rot 1889. Abg. Wartung. (236 S. 8.)
-.75.
»ajjda Scdo. . . S56(n 1888 nan Siefcn.
©eschlclitsschreiber, die preuß., d. XVI. u. XVII Jahrh. V. Ed. 3. Hälfte.
Leipz. Duncker & Humblot. (Isr. Hoppe 's . . . Gesch. d. erat.
Hcbwed.-poln. Krieges in Preussen, liebst Anh.; hrsg. v. Dir. Dr.
M, Toeppen. S. 401— 7&x) 9.—
8cuct»tblatt f b. ?tDo. Oft. u. SßEflpr, . . . ^a^tfl. 1888, 12 §((«. (i 1' ^-2 SB. 4.)
fibg. (fto*.) baut 4.-
filrenas, die Uttau. Frage einiger Ztgn, m. e. deutsch, u. littaii. Antwort.
Tilsit (Leipz., Schmaler & Pech.) (XIV. 90 S. 8.) baar n. —.60.
Ologan, Prof. Dr. Gust., Abriss d. pbilos. Grund -Wissenscliaften. 2. B. a.
u. d. T.: Das Wes. u. d. Grdformen d. bewußt. Geistes. [Erkenntniß-
theorie u. Ideenlehre.] Breslau. Koebnsr. (XII, 477 R. gr. 8.) ll.~
Rec, (Dt. LZ. 14. 19, 3o. 3tf(ör. f. ¥bil. u. p^il.ftrit. 93. Ob. S. 137-138.
leO. . 94. »b. ©, 152-155. Ztschr. f. Völkerpsycliol. u. Sprachen.
18. Bd. S. .S25-35G.;
0$rZ; M., Wasserbau insp. in Danzig, die Zersturnng d. Flehnendorfer Schleuse
durch d, Hochwasser v. Apr. 1886 u. die Wiederherntellg. d. Schleuse.
[Ztsclir. f. Bauwes. Jahrg. 38. Sp. 267-282 ni.Zeichngn.| Die Bis-
brecharbeiten im Weichsel ströme [Ebd. Sp. 351—376 ai. Zeichn. anf
Bl. 48 u. 49 im Atlas.|
Uoldsclimldl, Geh. Juatizr. Prof. Dr. L , Studien zum Besitzrecht. Sklaven-
beaitz. Iiiabea.: Tradition durch Urknnden. Possessio absentia, Ver-
lust A. Sklflvenbesitzea. [Aus; „Festgabe für Rud. v. Giieist."] Berl.
Springer. (35 8. Lex, 8.) 1.20,
H)ic ©aftpfli^t b« ©tnoffen u. baä Umlegepevfabrdt. Sbb. (38©. gr. 8.) I.—
3rilf4r. f. b. gcfmt( Öblärei^l brSg. ... 34. SBb. 91. % 19. «b. (4 S}\U
gr. 8.} 12.-
-— — ^aupl- u. 9Ifl(^börge. 9Hitbüti(fn, AuxiUum dlvisionis u. cdondarum ac-
tionum. t^tiljobln «.■flt.nr.-0.g61- l^oRrbfi*. (. b. Hogmot. b. beut. töm.
u. blf(^. ¥riiKitr(i^tä. 26. «b. S. 346-398.) «pt^ einmal MtfttSflubium u,
Prüfung So rbnung mit befonb. Küdf. auf b. piatliFt^- Sotbertitungäbienft.
[^reufi. Sa^tb. 61. «b. S. 244-277.] Otto Stobbc f lAiW- 1- 1".
DigtizBabyCoO^IC
380 Mittheilungen und Auhang.
QEfmte &bBr. 84. Sb. ©. 676-677.] 910« 30 ^a^ttn. Äü* u. Sorfi^iiu.
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rotö- Stubie jur ®ef*. u. Xogmolif b. ntrop. Secrc^tä. [tSbb. ©. 37—90.
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»ottftEil, aßoltt)«, »etlinec Wäreben; illuflr. d. Sbio. o. Stamcr, Sn- Stud u §(nni
Sllbtecbt. 6. u. 6. «ufl. »rar. Kallft« Ä.9tpolant. (225 ©. 8) fleb. 3.60.
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Smu ®ottf*eb. ((gbb. 9it. 39.)
Winter, Fritz, A.G.Käatner« Gottsched. [Vierteljahrschrift f. Litteratur-
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GottTTftld, Carl (aus Bagnicwo Kr. Sohwetz): Beitr. z. Caanistik der eirca-
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(.S3 e. Rt. 8.) l.~
StpU, ^rof. Dr. Slub. grbr., 3. <». £)(tm<)nii'g ©IcQ«. ju Stettflion u. tS()riftentum.
Soitr. om 21. Juni, b«n lOOj. S^obcäinge ^amannä, im groö- Saalf bcä
aonbeäfiauftä ju Sfläbs. i. ^r. flt^. [Stp.'Sbbr. au0 b. 3tf*r. : „Der BcrociS
beS ®Iaubfnfl"] ®iitrrälci6. »ftlelämonn (24 ©. «t. 8.) —40.
CStiftuS u. ßliriftDlofliE [Her SBcraciS b. ffliaub. 91. g. 9. SSb. B. lGl-181.
228—247.] 3ur Öefiie ?cfu oom Simmelrfit^. [@6b. ©. 433-448.]
»Keatobiue. gerb., tfeine SAriften ;ur 0cfd)i<bti: »■ (Kultur. 2. Sb. Scip). 3)roil>
Ijnuä. (VU, 316 ©. 8. tn. 1. Jof) 5.50.
aSoiiberja^rt in ^taiitn. 3. »b. Siciliona. 0. Slu(l. ebb. (VII, 352 S. 8.)
6,60. flrt. 6.50.
— — die erste Besitznahme Athens durch dif Reiiiihük Venedig. [Stzgsber.
d. philos.-philol. u. hist. Gl. d. k. b. Akad. d. "W. zu München. Hft. H.
S. 141—1581 Die »illa aHolla u. iftrc b(Ut(tf)*n Srinnerungen. [Unfere
Seit. 7. $ft.] Die Seaenbe ooin ©tubium her 33 iffen [(Saften in Sl^en im
12. aa^rb. [^[\ii,x. (. Sei*, u. ißolilK. 6. Sabrg. ©. 805-817.]
6rlepentrogr, Hugo (ans Julienthal b. Riesenburg): üb. e. Bildgsweise dea
Triphonvimethans u. homologer Kohlenwasserstoffe 11. üb. einige Deri-
vate der Cinchoninsäiire. L-D. Halle (32 S. 8.)
[Groddeck.J K. A. Lossen (Berlin). Nekrolog auf Albr. Ludw. v. Groddeck,
Bergrat h u. Dir. d. vereinigt, kgl. Bergakad. u. Berj^chule, gen.
25. Aug. 1887 zu Danzig, + 18. Juli 1887 zu Clausthal. [Jahrb. d. k.
pr. geoL Ldsanstalt u Bergakad. a. Berl. f. d.J. 1887. S.CIX-CXXXII
m. Verz. sein. Schrift, u. Portr.)
»totk. Dt- ernft, bie Dnnjiget Ditfiterfdiule (m. fflrj. auf S. ^. gi((f)(r'ä Sobonn
¥eter li^ beutle ®ebi*le. [«eil. j. Dotij. 3tg. d. 6. gebr. Sir. 16906.)
Oruenbagen, Prof. Dr. A., Physiologie der Zeugung [Aus: „Lehrbuch der
Physiologie") Hambg. Voss. (IV, 272 S. gr. n. m. 43 Holzschn.) 6.-
— — üb. d. Muskulatur u, die Briich'sche Membran der Iris. (Mit Abb.)
[Anatomisch. Anzeiger. Centralbl. f. d. gesmie wissensch. Anat.
3. Jahrg. No. 1.) Entgegnung [Archiv f. d. gesmto Phvaiol. 42. Bd.
1. u. 2. Hft.| Zur Chemie des humor aqueus. Nach Untsnchg. von
Kuhn. [Ebd. 43. Bd. H/10. Hft.] Physiologie I. II. [Jahresber. üb.
d. Leistgn. u. Fortsclir. in d. gesmt. Medio. 22. Jahrg. I. Bd.
1. Äbth. S. 161-2J6.]
DigtizBabyCoO^IC
AltpreußUche Bibliograpbla 1888. B81
Ottnther, Fritz, üb. aethybenzliydroxamBaures Aethyl. I.-D. Kgsbg. (Grsefe
& Unzer) (84 S. gr. 8.) n. d. 1.-
Querlcke, G.-L. Dr. Herrn, v., die KunatKeseh. auf d. Gymnas. (XXTII. Jahres-
ber. üb. d. städt. Gymti.) Memel. Siebert. (S. 3-23. 4.)
60rtl«r, Assistenzarzt Dr. Franz, üb, d. Wirkung des Amylenbydrat als
Hypnoticum. (Aus d. medic, Universit, - Poliklinik d, Prof. I>r.
J. Schreiber zu Kgsbg.l [Berlin. Klin. Wophensohrift. No. 6.1
«nttstadt, Dr. Alb. (Berlin) Rec. [Dt. LZ, 4,]
^aait, !pteb. St., „gtltcu b\3 in ben lob." ?reb, am JnnE b. Seifeeg. . . . h. fiot^.
fcl. fl|. Srifbr. III, . . . flc6. am 18. Suiii 188a Rfrg. ©räi« & Unjet.
(14 S. flir. 8,j n. n. -25.
Hafen, Dr. Fritz Besael, Ueu. seitl. Luxationen d. Daumens im Metacarao-
Phalaagealgelenke. (Aus d. cbirurg, Poliklinik in Heidelb.) [Archiv
f, klin. Chirurgie 37. Bd. S. 38G-412,j
Ij^adtt, ^Tot. Dr, (J. &., Ucb. @«Ditter u, (äeiuilttrbeobnc^lKn. (^imalen bev gqbrofii;.
XV. Zaii^.} [®aeo. 24 3oftrfl. S. 535-548. 612-620 654-6ti3.]
Die Klassiker der Erdkunde u. ihre Bedeutg. f, d. geogr. Forschg. d.
Ggwart, [Königsb. Studien; hist-philol. Untauchgn. 1. Hft. Kbg.
1887. S. 213-242.]
Hama^ld. (Ztachr. in hebr. Spr) Red.: D. Gordon. 32. Jahrg. Lyck.
(Wieba,) (wöchentl. ca. 2 Bog. fol.) baar 12.—
j^awann, So^. @(arg. Suämat)! auä Tcin. Siie|. u. Sc^riit. eiitflcleit. u, erliut. n.
$rof. Lic. Dr. S. grantlin ÜlntAlli. f^\otf,a. i^ai^tS. (VII, 307 S. 8.)
5cb. 2.40. [33ibliDtl)el t^eolog, .fllaffifir; augectoiHjlt u. ^täg. 0. »onQcl.
■.f)tolo%. 11. m.]
Rnt Srinntrung an Qel). ®eo. Hamann, bfn fflaguS beä 9torbtnd. [@u.
«embM. 24.]
HoffUiaiin, Otto (Steglitz) Hamann -Briefe aus Nicolai'a Nachlass. (Viertel-
jahrschr. f. Littgesch. I. Bd. S, 116-136.J
Sllotij ü&. 3o§ &to. ©amonn'a lOOj. Jobcätoa 21. 3uui 1888, f(gü. ®embt6I. 20.]
».. Dr. ;&.. jum lOOiätir, lobtätage 3. ®, ^omanuä (21. Sunt 1888.) [fibg.
5attung')tf(< gtg. Seil- j. Mr, 143.]
»iolel, gronj, Soft. ®eo. Hamann, geb. 27. »ug. 1730, gcft. 21. 3uni 1788. [Sonn-
tngä'Wtil. a- «iFiif* 3'fl- 9lr- 25.]
i^aitflein, fflorie, bie mifing«. aitbculf*. fultiit^iftor. 3fit6i(b. 2Rit einfü^tb. Jßort.
0. gel. Sa^n. 2 «bt (in 10 Sign, a -40.) gifeno*. «tri. o. 3. »«
meifter. (219 u, 2'29 S. 8,; 2, »ufl, ebb. (219 u. 229 S. 8,) IScutfi^.
aü(|erW«5, 1. u. 2. m.\ 4 50; in 1 «b. gtb. bflot 6.50.
^attntann. Uelir. Dr, $«nn., üb, b. Sodagenju Sheridans Rivals; e. Duellcnunlfudbe.
^Rftcrba. 3Bil&(lmi. (3Dlf|>nf<b. »dl. ). ^rogr. b. Igl. ®qmn. u. »calgqmu.)
(2 181., 61 ©. 8,)
Hartwlch, Aurel (ans Stuhm); e. Quadrant -Electrometer mit constanter
■ Eraj)flndlichk. Kgsbg. I.-D. Leipz. Barth. (37 S. 8.)
4aft. Ronf-'ü. aSilil.-Obpfarr. D. iVail miireb 0.. am @acge S). gtUbrii^ä. <9e-
bä«tni6^¥rEb. . . . Bbg. &tS.U & Unjfr (14 S. gr. 8.) —.25.
bit rcfotmalorif4 ^plfd^rillen D. «Kart. Sut^erä; m, e. ©int. (III, 314®. 8.)
fiöibliolb. Ibcol. «lalfKcr. 2. »b. ®ot^a. ^crlfttäj 2,40.
S^afftntttitt, Dblbäger.^n,, ju g 64 bcr »ebüliren'Dtbnung für ntc^lSonntiltt. [«T#i>
f. Slro(rc4l 36, «b. S. 80,] BoroKfaftrcn u. ^ptofaftien in S8tj. auf b.
»srtlieibiqgäaebü&rert [igbb. ©, 30-32.]
iüKi'StttltMtt. Stmlinbifdier, f. 1889. 33. 3a[|rg. ^t€g. d. 3uI. $0^1. aSraunäb.
S?uqe. (96 S. 8. m. SUuflr.) -50,
f, b. VtoD. Dftpr., äöeftpr., Sommern, ^of. u. S*l*(- f. *■ 3- 1889. 21. So^rg.
Xiiom. e. Sombett. (77 u. 120 S, 12.) -60.
Hecht, Benno (in Kssb. i. Pr.), Krystallogr.- optische Untsuchgu. einig.
künstLdargestelTt-Substanzen. (Mit 6 Holzachn.) [Ztschr. f. Krystallogr.
DigtizBabyCoOgIC
gg2 Uittheilungen nnd Anhang.
u. Uineral. 14. Bd. S. 324-8S2.] ob. e. Methode, die Hauptexen bei
endl. homog. Deformationen krystallin. Körper direct aus d. Winkel-
beobacht^. zu berechnen. [Ebd. S. 333—839.]
Hecht, Oymn.-Lehr. Dr. Max (Oumbinnen), die griecfa. Bedeutnngalehre:
e. Äufg. d. kluas. Philologie. Leipzig. Tenbner (VI, 166 S. gr. 8.)
4.40.
— — Zur griech. Bedeutungslehre; e. Rechtfertigung. (Beilage z. Anzeiger
z. Jahrb. f. olaaa. Phil. 12. Hft. S. 1—13. 8) Culturhiat. forechgn.
z. homer. zeitalt, [Neuejahrbb.f. philol, u. paedag. 137. bd. 8.793—810.)
Ueerdbnch, ostiireuss. Hrsg. durch Gen.-Secr. 6. Kreiss. 6. Bd. Jahrgänge
1887 u, 1Ö88. Berlin. Parey. (XXVII, 236 S. gr. 8.) 2.-
HoMflühaiH, K., Hypnotistn, or Animal Magnetism: Physiolo^al Obaer-
vationa, Translated from tbe 4''> German ed. by L. C. wooldridge.
Wilh a Preface by Q. J. Eonianea. 20^ ed. Post 8vo, pp. 110.
Lond. Paul. 2 ah 6 -(.
— — Beiträge z. Histol. a. Physiol. der Dünndarmschleimhaut. Mit 4 Taf.
in Farbendr. (1(& S. gr. 8.) {Archiv f. d. gesmte Phvsiol, d. Menschen
n.d-Thiere, 43. Bd. Suppl.-Heft. vgl.Nat»rw.RundBcfiauS.Jahrg.No,45.
Bunge, Q., e. "Wort der Erwiderung au Rüd. Heidenhain.
— — Bemerkgn. zu d. vorstehd. „Erwiderg." (briefl. Mitth. an d. Hrsg.)
[Ebd. 44. Bd. 6 u. 6. Hit,]
Hein, Emsl, üb. d. trockene Destillation d. buttersaui'en Barrums. I.-D.
Königsbg. (Grafs & Unzer.) (48 3. gr. 8.) n. n. 1.— *
HelHiich, Dir. Karl, Zur Gesch. der städt höh. Töchterschule. (Fortsetzg.)
[12. Ber. üb. d. Stadt, höh. Töchtersch. S. 3-20. 8.] Ein Wort au
die Eltern unserer Schülerinnen. [Ebd. S. 21—27.]
HelDze, ord. Lehr. Dr. Louis, Der Vorbereitgsuntricht in d. Geometrie in
Quinta. (Ber. üb. d. Kneiphöf. Stadt-Gymn.) Königsberg. (S. 1-20. 4.)
^ttttt. ^t>a, (^affen^eim Ortprcu^cii), @(auben9blütl)en, Sktin unb IScbi^tt. 1. u.
2. «ufl. Sclbtto«!. 1.50.
Uerbart'B, Job. Frdr., sämmtlicbe Werke. In chronol. Reihenfolge hrsg.
V. K. Kehrbach. (In ca. 12 Bdn ) 3. Bd. mit 1 Utb. Tafel. Leipzig.
Veit & Co. (XVI, 8£6 S. gr. 8.) (ä.) 5.— geb. 6.50.
sämtntl. Werke hrsg. v. G. Hartenstein. 2. Abdr. 6. Bd. Schrift x.
Paychol. 2. ThI, Hamburg. L. Voss. (VI, 463 S, gr. 8 ) 4.60.
ttäbasogift^e Stritten. Hit gcrbarl'ä iBiDgrap^ic ^rgQ. n. Dr. ^bi. aSatt^c
lomSi. 2. m. 4. «ufl. 2angenfat)ii. Scqtr & €i>^ne. (VI, 412 €. 8. m-
1 a:ab. u. 1 Stfintof.) 3.— fleb. 4.—
Drei Briete (an den i. J, 1807 verst. Prof. d. Phil. Friedr. Aug. Carus
in Leipz.) Mitgetb. v. W. Wundl. [Philosoph. Studien hrsg. v. Wilh.
Wundt V. Bd. S. 821 ~- 326.]
Berger, Pfr. Dr. Herrn., die Herbart-Zillerscben GrundBälze in ihr. An-
wendg. auf d. Beligionsunteir. [Aus „Ztschr. f. prakt. Theol,"]
Alt«nbg. Dietz. (28 8. er. 8.) —50.
Derenx, H , du fondement de la morale d'apr^ Herbart. |La Critique
philos. N. 8. IV. ann^e. p. 368— 878. V.an.p.3 -46. 187-2ft3. 3B6-872.]
FlOgelj 0., Rec. ob, W. Ostermann: zur Herbart-Frage; e. Wort der Er-
widerung an Hrn. Otto Flügel. Oldenburg. (Ztschr. f. eiakte Philos.
Bd XVL S. 230-269,]
OUIe, Alb-, Herbarts Ansichten üb. d. mathem. Untricht. I.-D. Halle.
(2 Bl., 52 S. 8.)
Knipe, Osw., die Lehre v. Willen in d, nener. Psychol, krit erört. [Philo-
soph. Studien hrsg. v. W. Wundt. V. Bd. S. 179-244.)
Ostonnann, Dr. W., zur Herbart-Frage; e. Wort d. Erwiderg. an Hm.
Otto Flügel. Oldenbg. Schulze. l91 8. gr. 8.) 1.—
DigtizBabyCoOgIC
AltpreuBische Bibliographie 1888. 383
Htiru«, gtrm. (SaSbait), Vc^aloiti ob. ^erboit? [Sit. $Mibni<iftr f. b. lail).
XtWb. 9lt. 449. ®p. 65-68-1
Schmidt; J., Äriatotelea et Herbart . . . inter se comparantur. (Progr. i.
Akad. Gjinn.) Wien.
Spaa, Dr. Peter (Hermannstdt): e. Herbart'sche Psychologie in d, tomäniach.
Sprache. (Die empir. Psjchol. od. d. Wiasensch. v. d. Seele in Grenz,
der Beobachtg. von John Popescu. 2. A. Hermannstdt u. Bukarest
1887.) [Ztachr. f. exakte Philos. Bd. 16. S. 319-222.]
Stout, G. F.. Ths Herbertian Psychology. [Mind. No. 61. 62. Vol. XIII.
p. 321—338. 473-498.]
Ufer, Chr., Vorschule d. Pädagogik Herbarts. 6. verm. u. verb. Aufl.
Dresd. Bleyl & Kämmerer (Xl, 115 S. gr. 8.) 2,—
IS«entE, Dr. gitift, bic Trat'S 1>tx ^crbaitianer. X)cr Vuäbau u. ggixi. Stanb
b. Strbarlfi^. ^äbag-, üöErficfttl. u. fijftem. fleorbn. u. jtfltft., nelift [a&Ii:.
Unlrdjtäbcifp. u, aRufiEtltttion. Siigl. t. «ommtniar j. b. Serf.'S SfÖetf:
„ajoBitb. asatfi. b. Stittt ^erbmtä >c." ... 3. om. u. ob. «ufl. aonaenfalja.
e*ulbft^. (VI, 305 S. a) 2.60. geb. 3 26.
Kalbc<r, bie ^erbotlftf). Stbfa^t in b. altfpraAl. @rammatit. [Sc^rprob. u. ScQf
flünge auä b, ^roEiä b, ®5mno[. u. Htolft&ul. ftiüg. o. D. grid u. $». aSeier.
15. &tt.]
l^ttUH @ammt(tc^c SBcrt« btäg. d, Sttn^. Sup^an. 15. 9b. Berlin. !Qieib>
mannf*c »t^^. (VI, 639 S. gr, 8.) 7,-
auägtniätilte SÖnh in 6 SBn. aRii e. biD9i:..litterar6ifi. einleite. "■ SM-
Soutenba^er. I. Sb. (288 S. 8. m. »ilb.) [golto'ft^e ©iblinlt). b. Säjeltlitt.
170. Sb. Stuitfl. ßotta.] boar 1.-
— — ber Sib. 91ai4 fpan. Wnmanicn mil Sintcitg- u. 9Inm. o. ^onä Sambd.
2. auft. (Vin, 130 ®. (ir. 8.) [&5ftet'ä 6[affi(..auä9oben [. b. St^ulgebt. 16.
aeien. Reibet. A -.50.J
Utb. b. Uripr. b. ©pto^e; o. b. «(ab. b. SB. j. fflerlin im 3. 1771 gettbnle
^rtiäf^r. (Vin, 98 S. 8.j («ibliol^. b. «cfomt'Sitt. b. 3n. u. «uäl. 9Ir. 239.
^aÜt. Si(nb(I.l —.26.
eiimmett b» »ölt» in liebem. @tfamm., gcarbn., j. £&(. ubf. burt^ ^ol).
®ft. &erber. (360©, 8.) [ebb. «t. 257-259.] in «roifttbb. m fflolbfi^. 1.60.
©ebiifttc. (804 ©. 8.} [Shb. 91t. 260-262,] in ¥(o*'6b. m. Bolbfdin. 1.60,
aegdibfn u. ?«ami)lbien. (102 ©. 8.) [I&bl). Mr, 274.J —.25.
Burkhardt, C. A. H. (Weimar), Herder u. Goethe üb. d. Mitwirkg. der
Schule beim Theater. (ViertelJBchr. f. Littgesch. hrsg, v. B. Seuffert.
I. Bd. S. 435-443.]
Honnann, Otto, Herder-Ftmde aua Nicolais Ailgem. Dtach, Biblioth.
(Wissenscb. Beil. z. Progr. d. KöUniscb. Oymn.) Berliu. Gaertner.
(20 S. gr. 4.) 1.-
Hnther, A. (Cottbus): Herder im Faust, (vgl. Herder als pfarrer in „Herrn,
u. Doroth." in d. aufsatze in d. Ztschr. f. deutach. Unterr. Jahrg. 87.
Hft, 1. S. 78 ff.) [Ztschr. f. deutsche philol, begründ. v. Jnl. Zacher
hrsg. V. Hugo Gering. 21. Bd. s. 329-336.]
finm. ¥rof. 5rj., »erflmpfa. u. gorlbilba- Seiftnfl't*. 3betn b(^. ©trb«; (. lit..
^ft. «btibla. (XV. Jahresber. d. k. k. Staatsrealsch. in Teachen.) Seipj,
Sott,) (31 e. Sej, H.) boor -.70.
ttuff. Dr,, ®eba*lni6feier f. ^nber. (Wai^ ftenogr. - untorriflittEr — «uljd^ng.)
eine »abt geb. in b. |rci, ^emeinbe j. SgSbfl. i. ¥t. am IT. 'Site. 1865.
[»eiormbiait. au0 b, Sreife b. oftbeutfA. frei, telia. (Kemcinben. Sa^ra. IX.
Sir, 1. S. 4-20,]
Schmidt, Ferd. Jac., Herder'a pantheiet. Weltanschauung. I.-D. Berlin,
Uayer & Müller. (61 S. gr. 8,) baar 1.20.
8ell«r, F. (Eisenberg): Ref. üb. Giist Eettner, Herders erat, kritisch,
DigtizBabyCoOgIC
3S4 MittbeUnugeu und Anhang.
Wäldchen. I. Naiunburg. Progr. d. Schul pforta. 1887. (648.) [N.jahrbb.
f. philol. u. päd, 138. Bd. 12. hft. e. 666-676.)
Sapkan, Bemh. (Weimar): Aus ungednickt. Briet'. Herders an Hamann.
[Vierteljschr. f Littgearh I. Bd. S. 136—147.]
Znrbongen, Gymn.-L. Dr. Frdr., Herder u. die VoUtspoesie (Jahresber. üb.
d. Kgl. Laurentianum) Arnsberg. (1& S. 4.)
Hemann, Prof, Dr. L., Lehrb. d. Physiologie. 9. vielf. verb. Änfl. Mit
145 in d. Text eingedr, Abbüdg. Berlin 1889 (88). Hirschwald.
(XIV, 6B9 S. gr. 8.) 14.-
— — Hat d. magnet. Feld diracte phvsiol. Wirkgn.? [Archiv f. d, genrnte
Physiol. 4S. Bd. 5,6. HftJ KÖtiz betr. d. reducitte Hämoginbin.
[EbdJ Zur Frage nach d. Betrage der Hesidualluf t ; nach Versuchen
-von B, Jacobson [ebd.] Untsnchgn. üb. d. Hämoglobingehalt d. Blutes
bei vollständ. Inanition; nach Versuchen vonS. Giol), [ebd.] Berichtlgg
zu d. Untsuchg. v. B. Jacobson, [ebd. 8-10, Hft.] Physiologie der
Bewegung, der Wävmebildg. u. der Sinne. [Jahresber. üb. d. Forlschr.
d. Anat. u, Physiol. SV. Bd. Literatur 1886. II. -Abth. S. 9^1W.]
Hernekanip, Florenz, Darstellg. u. Beurteilg. d. neueren Verhdlen. üb. d.
Todestag Jesu. I. Tb. CWissensch. Beil. z. Gvmn. -Bericht.) Neu-
stdt. "WPr. (22 S. i.)
Hubert, Dav., üb. binäre Formen mit vorgeschriebener Discriminante
[Mathera. Annalen 31. Bd. 4. Hft] üb. d. Darsteling. definitiv.
Formen als Summen v. Formenquaaraten. [ebd. 82. Bd. ß. HfL
9. 342 — 350.] üb. d. Endlichk. d. Invariantensystems f. binäre
Grdformen [ebd. 33. Bd. S. 223—26.] üb. Buschd von binär. Formen
mit vorgeschrieb, Functionaldeterminante [elid. S. 227—^6. Bericht«
üb. d. Vhdign. d. k. sächs. Ges. d. W. zu Leipzig. Math.-phya. Cl.
1887. I. II. S. 112-22.] üb. die Discrirainante der im Endlichen ab-
brechend, hypergeometr. Reihe [Journal f. d. r. u. angew. Mathem.
Bd, 103. S. 337—45.] Lettre adi-essee k M. Hermile [Journal de
mathera. Nr. 3.] zur Theorie d. algeb. Gebilde (Erste Note.) [Nach-
richten v. d. k. Ges. d. W. etc. an Götting. No. 16. S. 450-67.)
«illitbranet'« $r(if. So., »cife um bU l£ibe; mäj f. Sagcbü«. u. münbl. Sn. «).
V. (&xn\\ Ro]]at. 8. «. Wit ^ortr. b. iBerf. u, 1 »»(rtatlc »ctl. 3antc.
(XVL 683 ©. flt. 8.) 6.-
Htmsledt, Lehr. Dr , üb. diej. ebenen Kurven, welche der Polargleichung
r=;a. sin XB entsprechen. (Jahresber. d. Progymn.) Lobau Wpr.
(S. 1-9. 4. m, 1 S. Zeichnen.)
Hlnle, Bich, (aus Kreuzburg i. Üstpr.) üb. d. mechan. Bau d. Blattrandea
in, Berücks, einiger Anpassgserscheingn. zur Verminderg, d. lokal.
Verduustg, l.-D. Berl. (47 S, 8,)
Hlpler. Pankau, A, Methodius, Bischof v. Olvmpos; e. patrist. Studie;
nach d, Ti>de d. Verf. hrsg. v. F. Htpler. llamsi. Kirchheim. (90 S.
gr. 8.) 1,20.
Hippel. Prof. Dr. A. v., Eine neue Methode der Homhauttransplantation.
[Graefe'a Archiv f. Ophthalmol. 34. Bd. 1. Abth. S. 108—130.]
D Känigaberg in Pr.
D,Bi,z,db,Google
D,Bi,z,db,Google
.ibiGoogle
Zur Beurthellung von Kant's Kritik der reinen
Vernunft und Kaufs Prolegoinena.
Von
Enll Arnoldt.
Anhang: zu der Abhandlung^;
Die mim M\Mi üol die AbfassniiiiszGit t Kritik
No. 1.
Einige Notizen zur Beurthellung von Kant's Verhflttniss zu Leselng.
Guhrauer äußert in seiner Fortsetzung der Biographie
Lessing's von Danzel (II. 1 A., 87.): „Man sollte zweifeln, ob
Kant den Laokoon jemals gelesen und benutzt hat." Dagegen
bemerke ich:
Allerdinga ist ein zwingender Beweis dafür, daU Kant
es gethan hat, nach meiner Ansicht nicht möglich. Aber, um
die Frage wenigstens mutbmaßlich zn beantworten, muß man
nicht blos aus der Krit. d. Urth. die Stelle berücksichtigen, wo
Kant Lessing's hinter Batteux und neben „noch älteren und
berühmteren Kritikern des Oescbmacks" erwähnt (E. IV, 147.),
so wie ferner die von Blümner (Leasings Laok, herg, u. erläut.,
Berl. 1876. S. 289 u. 290. 2. Aufl. 1880. S. 668 u. 669.)
angezogene Stelle, wo er die Darstellung des Ekelhaften von
aller Kunstdarstellung ausschließt (R. IV, 182.), und dazu die
von Blümner nicht angezogene Stelle, wo er auf Lessing's Ab-
handlung: Wie die Alten den Tod gebildet, anspielt, sondern
auch aus der Anthropologie (R. VII, 2 A.) folgende, von Blümner
ebenfalls nicht berücksichtigte Stellen: S. 168, 2 H. — S. 176
Mitte u. 185, 1 Absch. — S. 228 unt. — (vgl. Lessing's Sehr.
her. V. Maltaahn VI, 478, 2 H. n. 483 ob. — 367, 1 Absch. —
364 ob.), wo er drei Themata berührt, die im Laokoon ausführlich
Altpr. HoDataichrifb Bd. XZVI. Hft. 6 n. 0. 25
DigtizBabyCoO^IC
386 Zur Bourtheilung von Kant's Kritik der reinen Ternunft etc.
behandelt werden: die Darstellong des HäätiolieQ, speciell
eines Thersites, die Verträglicbkeit des Thränenvergießens mit
einer männlichen, des Mannes würdigen Fassong und Seelen-
Stimmung, and den Qesichtsausdmck in den antiken Götter-
und Heroenbildungen.
Ein Versuch, über den Gubrauer' sehen Zweifel zu ent-
scheiden, muß hier unterbleiben, weil er zu weit aus dem Gedanken-
kreise entfernen würde, in den die gegenwärtigen Abhandlungen
hineingehören, oder an den sie sich wenigstens anschließen.
Ihm liegt ein anderer ähnlicher Zweifel, welcher Kant's Kenntniß
von Leasing's theologischen Streitschriften betrifft, obschon auch
fern, doch immerhin näher, weil die Krit, d. r, V. neben allem
übrigen, das sie zu leisten bestimmt war, das Wissen vom Ueber-
sinnlichen aufheben sollte, um dem Glauben Platz zu schaffen, —
mithin eine Metaphysik einführen, welche einer ächten Theologie
- die Stätte bereitete. Und als nun Kant in der „Eeligion inner-
halb der bloßen Vernunft" daran ging, auf der Stätte, die er
bereitet hatte , das Gebäude einer phUosopbischen Theologie,
einer Vernunft- Religionslehre zu errichten: sollte es nicht "Wunder
nehmen, wenn er um die Thaten desjenigen seiner Zeitverwandten
wäre unbekümmert geblieben, der, wie jedermann wußte, in dem
Kampfe, auf den sich die biblische Theologie gegen die Vernunft
eingelassen, das Recht der Vernunft mit unvergleichlicher Kraft
und unvergleichlichem Erfolge gewahrt hatte. Und doch ist
dies "Wundersame als möglich aufgestellt worden, ohne daß diese
Aufstellung — so weit meine Kenntniß reicht — "Widerspruch
gefunden hätte.
Johann Jacoby nämlich hat den Guhrauer'schen Zweifel
erweitert. In der Rede , die er „Kant und Lessing. Eine
Parallele." betitelte, beißt es: „Aus Hamann's Briefen an Herder
ersehen wir, daß Kant Lessing's Nathan gelesen,
ob aber auch Laokoon, ob die theologischen Streitschriften, ist
sehr zu bezweifeln, wenigstens wird ihrer in der Kritik der
ürtheilskraft und in der Religion innerhalb der Vernunftgrenzen
mit keinem "Worte erwähnt" (Gesamm, Sehr. u. Red. H, 111.).
D,gt,zBabyC00<^IC
Von Emil Araotdt. 387
Biesen Jacoby'schen Zweifel, so weit er sich auf Kant's Kenntaiä
der theologischen Schrüten Lessing's bezieht, will ich zu heben
suchen.
Es ist allerdings richtig, daß in der „Relig. innerh. d. Gr.
d. bloB. Vem." Lessing's theologische Streitschriften nicht aus-
drücklich genannt werden, Wohl aber wird dort (E. X, 95 Anm.)
ausdrücklich der „Wolfenbüttelsche Fragmentiat" genannt, dessen
— auch von Schopenhauer {a. Linduer und Frauenstädt, Schopen-
hauer. Von ihm. Ueber ihn. S. 174.) gebilligte — Hypothese,
daß Jesus die Priesterregierung habe stürzen und sich mit welt-
licher Obergewalt an die Stelle derselben habe setzen wollen,
Kant als grundlosen Argwohn abweist. Demnach steht es fest,
daß er das letzte der von Lessing herausgegebenen Fragmente:
„Von dem Zwecke Jesu und seiner Jünger" gelesen hat. Daraus
iolgt nun allerdings noch nicht ohne Weiteres, daß er auch die
sechs früher erschienenen Fragmente mit Lessing's Gegensätzen
und die durch jene Fragmente und Gegensätze veranlaßten
Lessing'schen Streitschriften muß gelesen haben,
Denn dieses siebente Fragment war von Lessing nicht in
den Beiträgen ,,znr Geschichte und Litteratur aus den Schätzen
der Herzogl. Biblioth. zu Wolfenhüttel", sondern für sich als
besondere Schrift (im April des J. 1778, M. XII, 605 u. 606)
in den Druck gegeben. Es erregte grösseres Aufsehen und
Aergemiß, als alle vorangehenden Fragmente, und wenn „bereits"
das sechste, das über die Auferstehungsgeschichte, „so viele
Federn beschäftiget" hatte, so beschftfligte deren dieses siebente
wo möglich noch mehr. Es veranlaßte die Einmischung der
Obrigkeit in den Streit über die Fragmente und das Verbot
dieses besonders gedruckten Fragments wie des dritten und
vierten Theils der „Beyträge" sowohl als „aller anderen darauf
einen Bezug habenden Schriften" zunächst durch die Brauu-
achweigische, später durch die sächsische Regierung (Heine-
mann, Zur Erinnerung an G. E. Lessing, Briefe u. Akten-
stücke. 1870. S. 57. 77. — Guhrauer, Lessing's Leb. u. W. II,
2 A., 194.). Damach ist zu vermutheu, daß es bis zum Heraus-
2B* . - ,
D,gt,zBaJ,yL.OO<^IC
388 Zni Beurtheilung von K&nt's Kritik der reinen Yemuult etc.
kommen des Nachdrucks aller Fragmente in den Exemplaren,
die von ihm nmliefen, eifriger gelesen wurde, als vorhin die früher
veröffentlichten Fragmente.*) Und es scheint, daß es von der
Brannachweigischen „Füratl. "Waysenhaus-Buchhandlung" gleich
nach seinem Erscheinen in einer grösseren Anzahl von Exem-
plaren an auswärtige Handlungen versandt war, als seibat die
Anti-Öoezes. Denn während am 11. Juli 1778 — fünf Tage
nach dem Verbot — von dem siebenten Anti-Öoeze, auf den ea
folgte, noch 85 Exemplare — von dem „Beweis des Geistes und
der Kraft" sogar noch 220 Exemplare — in der Waiseiiliaus-
Buchhandlung vorräthig waren, war es an jenem Tage dort nur
noch in 65 Exemplaren vorhanden {Heinemann a, a. O. S. 66.),
Freilich waren von dem dritten Beitrage (1774) mit dem Frag-
ment: „Von Duldung der Deisten" nur 4, von dem vierten Bei-
trage (1777) mit den fünf folgenden Fragmenten nur 23 Exem-
plare damals dort noch auf Lager. Trotzdem bleibt es wahr-
scheinlich, daß das Fragment: „Von dem Zwecke Jesu und seiner
Jünger" zunächst einen größeren Leserkreis nnd größere Beach-
tung fand, als die vorangehenden Fragmente, weil es als be-
sondere Schrift ausgegeben, dazu von hervorragendem Interesse,
(ind endlich Anlaß zu dem Verbot aller jener Fragmente wie
der darauf bezüglichen Lessing'schen Publicationen war. Daher
scheint es vielleicht nicht ganz unmöglich, daß Kant dieses
Fragment von allen jenen Fragmenten zuerst, und in Erwägung,
wie intensiv er in den Jahren 1777 — 1780 mit seinen Arbeiten
zur Krit. d. r. V. beschäftigt war, ebenfalls nicht ganz unmöglich,
daß er damals nur diesesFragment.ja wohl aufGmnd eines äußeren '
•) Karl Lessing (s. Guhrauer a. a. 0. II. 2 A-, 192 a. 193) giebt
an; Ehe das Braunschweigische Minislerium sein Verbot gegen die Frag-
mente erließ, wurden die Beiträge wenig gelesen. Nachdem sie aber con-
fiscirt wftrea, wollte jedermann ■wissen, was ea wäre, daß so viele christliche
Goliathe und Davide sich aufmachten, dem Herausgeber einen Felsen oder
ein Steinchen an den Kopf zu echleudern. Die Fragmente wurden alao
nachgedruckt „und sogar von Leuten gelesen, die aufier ihrer Postille kein
Buch ansehen."
DigtizBabyCoO^IC
Von Emil AmoHt. 389
Zeugnisses nicht gewifi, daß er von den Fragmenten des
"Wolfenbüttel'flclieu Ungenannten in ihrer Qesammtheit jemals
mehr, als dieses eine Fragment aliein gelesen habe.
I. Abweisung dieser Annahme mit Rücksicht auf äussere Umstände.
Es ist nnglanblicb, daß Kant nicht schon vor dem J. 1781
die Fragmente des Ungenannten wie die G-egensätze Lessing's
nnd alle auf jene und auf diese bezüglichen Streitschriften des
letzteren sollte gelesen haben. Die Intensität seiner Arbeit für
die Krit. d. r. V. bedeutet hier wenig oder nichts. Denn, wenn
er bis zum Februar 1779 Autrieb und Muße gehabt hatte, den
ersten Theil der — bis dahin nur so weit erschienenen —
Hippel'schen Lebensläufe zu lesen und so zu lesen, daS er darin
„hundert Winke aus seinen Vorlesungen" fand (Hamann's Sehr.
VI, 67.), so mußte er wahrlich erst recht Antrieb und Muße ge-
habt haben, auch jene Lessing'schen Publlcationen zu lesen.
Selbstverständlich hatte er inneren Antrieb dazu, und überdies
empfing er möglicherweise auch noch äußeren Antrieb durch
Mendelssohn, durch Hamann. Hamann schrieb am 13. Octbr, 1777
— etwa sieben "Wochen nach Mendelssohn's Besuch in Königs-
berg — an-Herder: „Mendelssohn's Hierseyn gab mir Anfangs
eine angenehme Zerstreuung" und dann weiterbin: „Daß der
Anonymus in Lessing's drittem und viertem Stück der sei.
Reimarus ist, wird Ihnen vermuthlich bekannt seyn" (Sehr. V,
265 u. 256.). Woher wußte er das, wenn nicht durch Mendels-
sohn? Also hatte Mendelssohn mit Hamann über die Fragmente
gesprochen! Und er sollte darüber mit Kant nicht gesprochen
haben? Hamann las den ersten und den zweiten, den dritten
und den vierten „Beytrag" bald nach deren Herausgabe, wie
sich aus seinen und Herder's brieflichen ÄeuBerungen schließen
läßt, (Sehr. V, 67. 74. 137. 256.); er las das Fragment „von dem
Zwecke Jesu und seiner Jünger", welches er „von der Messe
gekauft" hatte, und erhielt um d. 25. Novbr. 1778, wo er diese
Mittheilang an Herder machte, „die drey ersten Stücke von
DigtizBabyCoO^IC
390 Zur Beurtheilung von Kant's Kritik der reinen Vernimft etc.
Leasing's Schwächen" (V, 293.); er las den „Bsweia des Geistes
und der Kraft", wie aua einer Anspielung in den 1779 er-
schienenen „Fragmenten einer apokryphiachen Sibylle über
apokalyptische Mysterien" hervorgeht (VI, 6.); er las „Ernat
und Falk" und konnte sich au diesem Gespräche nicht „aatt
lesen", wie er d. 21. Febr. 1779 an Herder berichtet {V, 293.
VI, 66; vgl, 21 u. 22.); er las die „Erziehung des Menschen-
geschlechts", die er zum ersten Male im April, zutu zweiten im
Juni 1780 erhielt und, ohne den Verfasser herauszuerkennen,
nach dem ersten flüchtigen Ansehen für „nichts als Ideen-
wanderung in neue Formeln und Wörter, kein Schiblemini [sie],
keinen rechten Eeformationsgeist, keine Empfängniß, die ein
Magniflcat verdiente", aber auch nach genauerer Lectüre „im
Grunde" nur für den „alten Sauerteig unserer Modephilosophie"
bei „Vorurtheil gegen Judenthum, Unwissenheit des wahren
Keformationsgeistes", „mehr Wendung als Kraft" wollte gelten
lassen (VI, 127 u. 128. 133. 139. 143.); erlas, wie ohne weiteres
Zeugni£ zu vermuthen ist, die „Duplik", die „Axiomata", die
Antigoezea; — und er sollte, ob er gleich zwischen den Jahren
1774 und 1780 nur selten mit Kant zusammenkam, mit ihm
niemals eingehend über die „Fragmente" und die daran sich
achließenden Schriften Lessing's gesprochen haben? Kant sollte
diea alles unbeachtet gelassen haben? — Diese „Gährung", von
der doch auch Hamann „eine Epoche" erwartete {V, 293. —
VI, 68.)? Kant? der trotz seiner Arbeiten für die Krit. d. r.
Vem. von Journalen sogar das Deutsche Museum las und Bücher
las , wie Herder'a Aelteste Urkunde des Menschengeachlechts,
De Broases Traite de la formation mecanique des langoes (Ham.
Sehr. V, 251. 256. Hippel, W. XIV, 8.)! — der den Be-
wegungen und Bestrebungen der Zeit lebhaft sein Interesse zu-
wandte und ihnen ein weit anderes Verständniß entgegenbrachte,
als Hamann und Hippel! — der trotz seiner Arbeiten für die
Krit. d. r. Vem. nicht nur Zeitungsartikel zur Empfehlung des
Dessau'schen Philanthropins abfaßte, sondern gelegentlich auch
für Zöglinge zur Aufoahme in dasselbe schriftlich sein Wort
DigtizBabyCoO^IC
Von Emil Aruoldt 39I
einlegte (Hippel, W. XIV, 43. 46 u. 47.)! — Natürlich hatte
auch Hippel die Fragmente und die Antigoezes gelesen, und ge-
wiß vor dem J. 1779 gelesen, da er des Hauptpastors Goeze
schon am 25. Febr. 1779 erwähnt, wenngleich des „Fragmentisten"
erst am 20. Febr. 1783 (W. XIV, 133. 278.). Und Kant soUte
die Fragmente und Leasing'» theologische Streitschriften nicht
schon vor dem J. 1779 gelesen haben? Das ist unglaublich.
Allein, gesetzt auch, daU man das Unglaubliche iüi glaublich
hielte, — daß man annähme, er habe bis zum J. 1781 dem
Streit über die Fragmente keine nähere Aufmerksamkeit ge-
schenkt, ja bis zum J. 1781 nicht einmal das Fragment: „Vom
Zwecke Jesu und seiner Jünger" und Lessing's Vorrede dazu
ans eigener Leetüre gekannt: es steht fest, daß er schon im
Mai des J. 1779 — wo er nach meiner Ansicht mit der Niedei>
Schrift des ersten Entwurfs der Krit. d. r. Vern. beschäftigt
war — den Nathan, mindestens die zehn ersten Bogen des-
selben, also bis zum dritten Auftritt des vierten Aufzugs —
8. 160 der Orig. Aosg. — gelesen hat (Hamann's Schrift.
Herg. V, Roth, VI, 79. 83.), und da ist es, meine ich, nicht
denkbar, daß ihn die Leetüre des Nathan, mag ihm das Stück
antipathisch oder sympathisch gewesen und geblieben sein, nicht
sollte bestimmt haben, sich nach d. J. 1781 mit Lessing's theo-
logischen Kämpfen bekannt zu machen, aus denen es hervor-
gegangen war. Ebenso wenig denkbar, ja ganz undenkbar
scheint mir aber, daß seine — wann immer auch eingetretene,
aber als eingetreten nach der „BeUg. innerh. d. Gr. d. bloß.
Vern." (R. X, 95 u. 96 Anm.) sicher anzunehmende und gar
nicht zu bezweifelnde — Kenntnißnahme von dem siebenten
Fragment und zumal von Lessing's Vorrede dazu ihn nicht
sollte innerlich genöthigt haben, sich, sei es wann es sei, über
die vorangegangenen Fragmente und besonders über Lessing's
Gegensätze zu denselben zu informiren. Las er aber diese
Gegensätze, so las er auch ganz sicher alle Schriften, die Lessing
zur Yertheidigung derselben wie seiner damit zusammenhängenden
Behauptungen und zur Vertheidigung seines Ungenannten wie
DigtizBabyCoOgIC
392 ^ur BeurtheiluDg von Eaut'a Kritik der reiiieu Vernunft etc.
der theilweisen Herausgabe von dessen Werk hatte drucken
lassen. Denn sonst würde er unter allen verst&ndnißvollen
Betrachtern dieser wunderbaren Producte intellectueller. und
moralischer Menschengröße der einzige gewesen sein, an welchem
Lessing's Denk- und Darstellungskraft nicht den Zauber ausge-
übt hätte, ihn bei der ersten Berührung fortan bis zur Erledi-
gung der Fragen, mit denen sie sieh abgiebt, unwiderstehlich
zu fesseln.
II. Zeugnisse aus Kant's Werken für seine Vertrautheit mit
Lessing's theologischen Schriften.
Indeß, jene Erwägungen, die mehr äußerer Natur sind,
mögen fflr entscheidend, oder für nicht entscheidend angesehen
werden : es sind innere Zeugnisse genug vorhanden , welche
Kaut's Vertrautheit wenigstens mit den theologischen, wenn
nicht auch mit anderen Schriften Lessing's unzweideutig docu-
mentiren. Denn in der „Religion innerhalb der Grenzen
der bloßen Vernunft" finden sich von Anfang bis zu Ende
Aeußerungen, die zu Lessing's theologischen und moralischen
Ansichten unverkennbare und wohl zweifellos gewußte und
gewollte Beziehung haben.
Ich verweise auf folgende Stellen: E. X, 12 unt. — 13 unt. —
39 Mitte.' — 41 unt. — 69 Mitte. — 73 Mitte. — 81 Mitte. —
84 Mitte. — 93 Mitte. — 103 Mitte. — 124, 1 Absch. — 126
unt. — 131 Anm., Michaelis' Moral genannt, aber vielleicht auch
mit einem Seitenblick auf „Lessing's Predigt über zwey Text«". —
132 unt — 133 ob. — 141, 3 Absch. ~ 151, 1 H. u. 2 H. —
152 Mitte. -- 169, 2 Absch. — 170 unt. u. 171. — 173, 1 H. —
174 ob. u. 3 Absch,, auch 177 ob. anzuziehen. — 186, 2u. 3 Absch. —
187, 1 Absch. — 191, 1 Absch. — 195, 2 Absch. — 196, 2 n.
3 Absch. — 197, 2 Absch. — 198, 1, Absch. —
Zu den Aeußerungen an diesen Stellen sind dann noch
hinzuzunehmen aus dem „Streit der Pacultäten" die Aeuße-
ningen an folgenden Stellen: E. X, 288 iint. u. 289 ob. —
DigtizBabyCoOgIC
Von Eraii Aruoldt. 393
300, 2 Absch. unter a. — 301 ob. ~ vielleicht auch 308 gegen
die Mitte. — vielleicht auch 310 im 2 Abach. unter 1. — 321,
2 H. — 322, 1 Absch. — 323 in d. Anm. — 326, 3 Absch.
Aber auch in anderen Schriften Kant'a kommen Aussprüche
vor, bei denen wenigstens die Möglichkeit vorhanden ist, daß
er sie mit Berücksichtigung Leasing'acher Sätze oder doch mit
dem Bewußtsein der BerührungLessing' scher Ansichten gethan hat.
Freilich ist nicht daran zu denken, daß Kant's wiederholte
Ausfälle gegen die „Philosophie der Faulen", das „Princip der
faulen Vernunft" (R. I, 325. — II, 69fi.) auf Lessing's Spott
über „die "Weltweisheit der Faulen" in der Abhandl. ,,Pope ein
Metaphysiker!" (M. V, 4.) zurückweisen, und eben ao wenig
daran, daß Kant's Bemerkung in der „Grundleg. zur Metaph.
der Sitt." über den Wunsch gelbst des ärgsten Bösewichts, redlich
und in derBefolgung guter Maximen standhaft zu sein (ß.VIII, 88.),
mit jener Stelle in Lesaing'a theatralischer Bibliothek {M. IV,
151, 2 Abach.) zusammenhänge, wo bei dem Bericht über
„Gellerta Abhandlung für das rührende Lustspiel" die Meinung
desselben zur Erwähnung kommt, daß auch der allemichtswürdigate
Mensch, gleichsam wider Willen, an der Betrachtung einer vor-
trefflichen Gemüthsart Vergnügen finde.
Unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich ist es, daß der
Gedanke in Kant's Versen aus d. J, 1770 an den verstorbenen
Langhansen: Ihm, der die äußere Welt verstand, ist jetzt das
Innere bekannt; was die Wissenschaft hier vergeblich erwerben
will, „lernt weise Sinfalt dort im Augenblick: durchs Sterben"
(R. XI, 1 Abth. 211.), irgend wie durch die Trostworte in einem
jener Briefe angeregt ward, welche Lesaing im J. 1754 der
Vorrede zu den von ihm herausgegebenen Schriften des ver-
storbenen Mylius angefügt hatte: „Er gewinnet im Verlieren,
„und ist vielleicht eben jetzt beschäftiget mit erleuchteten Augen
,,zu untersuchen, ob Newton glücklich gerathen, und Bradley
„genau gemeaaen habe. Eine augenblickliche Veränderung hat
„ihn vielleicht Männern gleich gemacht, die er hier nicht genug
DigtizBabyCoOgIC
394 Zur Beurtheilung vod Knat'a Kritik der reinen Vernunft etc.
„bewundern konnte. Er weis ohne Zweifel schon mehr, als er
,jemals auf der "Welt hätte begreifen können" (M. IV, 482,).
Bewußt jedoch ist vielleicht schon die Beziehung zu Lessing
in ~ dem Aufsatz: „Was heißt: sich im Denken orientiren?"
dort, wo die verschiedenen, der Denkfreiheit entgegenstehenden
Arten des Zwanges erwogen werden (E. I, 387 u. 388.), und
dort, wo der Glaube an ein hinreichend bewährtes Factum dem
Glauben an eine mathematische Demonsiration gleichgestellt wird
(E. I, 389.).
Ausdrücklich genannt wird in der Abhandlung: „Ueber
den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig
seyn, taugt aber nicht für die Praxis", Lessing's Hypo-
these von einer göttlichen Erziehung des Menschengeschlechts
im Gegensatz zu Mendelssohn's Meinung, daß die Menschheit
nie einige Schritte vorwärts that, ohne bald nachher mit ge-
doppelter Geschwindigkeit in ihren vorigen Zustand zurück zu
gleiten (E. VII, 221.), — woraus sich wohl zweifellos ergiebt,
daß Kant wie Mendelssohn's „Jerusalem", so Lessing's „Er-
ziehung des Menschengeschlechts" gelesen hatte.
Auch in dem „Endo aller Dinge" (R. VII, 1 A., 426,
1 Absch.) hat eine Ansicht Kant's nicht ganz fernen Bezug zu
einer Ansicht Lessing's (M. X, 149, 3 Absch.)
Ferner in der Tugendlehre — um nicht dessen zu ge-
denken, daß dort die Definitionen von Dankbarkeit und Erkennt-
lichkeit, die Urtheile über Wohlthätigkeit, über Undankbarkeit,
und die Zuläßigkeitserklärung des Spottes für gewisse Fälle an
Lessing'sche Aeußerungen in der theatralischen Bibliothek, den
Fabeln, den antiquarischen Briefen, und dem zweiten Anti-Goeze
wenigstens erinnern können (E, IX, 316, 316. vgl. M. IV, 174. —
R. IX, 313 u. 314. § 31. 321. vgl. M. I, 168. 175. IV, 174. —
E. IX. 330 unt. u. 331. vgl. M. VIII, 194. X, 167. — scheint
die Auseinandersetzung in der Scblußanmerkung der ethischen
Methodenlehre (E. IX, 369), daß der Begriff einer Läsion an
dem unumschränkten und unerreichbaren Weltherrscher trana-
D,gt,zBabyC00<^IC
Von Emil Amoldt. 395
scendent sei, direct gegen eine Aaseinauderaetznag Lessing's
m der ÄbbandluDg: „Leibnitz von den ewigen Strafen" gerichtet.
Lessing behauptet doft, daB Leibnitz den Satz, die Sunde werde
deswegen unendlich bestraft, weil sie ein unendliches Wesen be-
leidige, nirgends verworfen, oder auch nur gemißbilligt habe —
ohne Zweifel auf Grund der Erkenntniß, es lasse sich schlechter-
dings nichts darüber bestimmen. Und er begründet diese Be-
hauptung: „Denn wenn jene rächende Gerechtigkeit, Gott wirk-
„lich zukömmt: welcher endliche Verstand kann ihre Gränzen
„bezeichnen? Wer darf sieh zu entscheiden wagen, was für einen
„Maaßstab sie bey diesen ihren Strafen anzunehmen habe, und
„was für einen nicht? Der Maaßatab ihrer eigenen Unendlichkeit
„ist wenigstens eben so wahracheinlich, als jeder andere" (M. IX,
167 u. 158.). Dieser Meinung, daß für die rächende Gerechtig-
keit Gottes der Maßstab ihrer Unendlichkeit eben so wahrschein-
lich sei, als jeder andere, setzte Kant entgegen, daß hierbei
weder etwas Wahrscheinliches, noch etwas Unwalirscheinliches
Statt habe; denn in der Idee einer Gerechtigkeitsausübung eines
Wesens, das über allen Abbruch an seinen Zwecken erhaben sei,
liege etwas, das sich mit dem Verhältnisse des Menschen zu
Gott nicht wohl vereinigen lasse, — nämlich der Begriff einer
Verletzung, die Gott selber und seinem Recht widerfahren solle,
die.ier Begriff aber liege über den Begriff aller Strafgerechtig-
keit, wovon wir irgend ein Beispiel aufstellen können, hinaus
und enthalte überschwängliche Principien, die für unsere prak-
tische Vernunft gänzlich leer seien.
Sodann haben in der Anthropologie zwei Erklärungen,
— die eine: „Je mehr Du gedacht, je mehr Du gethan hast,
desto länger hast Du gelebt" (R. VII, 2 A., 149.), und die
andere, daß einen Charncter zu haben in dem Handeln nach
festen Gnindsätzeu bestehe (ibid. S. 222. — vgl. VIII, 300 unt.
— IX, 416, 2 Absch.; 417, 2 Absch.; 424, 2 Absch.) Parallelen
an Aussprüchen in der Vorrede zu Jerusalem's Philosoph. Auf-
sätzen (M. X, 3.) und in dem Gegensatze zu dem dritten Frag-
ment (M. X, 28.).
D,gt,zBabyC00<^IC
396 Zur Benrtheilang von Kaiit'e Kritik der reinen Vemnnft etc.
Endlich kann ans der Einleitung in die Logik Kant's Be-
hauptung, daß zar Philosophie nach dem Schulbegrifife wesent-
lich ein systematischer Zusammenhang der Erkenntnisse gehör©
(E. ni, 186.) mit Lessing's Behauptung in derÄbhandl.: „Pop©
ein Metaphysiker!", daß es dem Philosophen darauf ankomme,
alle Wahrheiten in einen Zusammenhang zu bringen und diesen
Zusammenhang mit einem Blicke als ein Ganzes zu übersehen
(M. V, 8.), sowie Kant'a Behauptung, daß Poesie „eine Ein-
kleidung der Gedanken in Bilder" (R. TU, 190.) mit Lessing's
Behauptung in eben jener Abhandlung, daß ein Gedicht „eine
vollkommene sinnliche Rede" sei, zusamraengeatellt werden.
Und wenn Kant in der Anmerk. 2. zu § 6. der Logik den Aus-
druck: „etwas abatrabiren" bemängelt, da es nur heißen dürfe;
„von etwas abstrabiren" (R. III, 274. — vgl. VII, 2 A., 17.),
so triöl dieser Tadel auch Lesaing, der in den Abhandlungen
über die Fabel eine „Erklärung" aus etwas „abstrahiret zu haben"
(M. V, 419.), „einen Grund aus Beyspielen abstrabiren" (M. V,
428.)i^und in der Dramaturgie neben: von einer Begebenheit
abstrabiren „die Abstraction des einen oder des andern" (M. VII,
297.) zu sagen keinen Anstand genommen hat.
Die nähere Betrachtung aller dieser Stellen, zumal aber
derjenigen aus der Belig. inn, d. Gr. der bloß. Vern. läßt, glaube
ich, einen Zweifel an Kaut's Xenntniß gerade der theologischen
Schriften Lessing's nicht bestehen. Denn obschon auch unter
diesen Stellen an der einen und der anderen und der dritten
nur Uebereinstimmung Lessing'scher und Kant' scher Ansicht
obwalten mag, so tritt doch an den meisten von ihnen offenbar
Einstimmung, oder Abstimmung, oder vielmehr Einstimmung
und Abstimmung zugleich so hervor, daß Kant Lessing' sehe
Ansichten aufnalim, aber seiner originalen Denkweise gemäß
umschuf.
Hier dürfte der erste Artikel dieses Anhanges allenfalls
Schluß finden. Denn „einige Notizen zur Beurtheilung
zeabyCoO^IC
VoD Emil Amoldt 397
von Sant's Verhältniß zu Lesaing" hat er gebracht, und mehr
zu bringen war er nicht bestimmt. Aber er ist unfertig. Denn
die Behauptung, in die er ausläuft, verlangt Begründung. Frei-
lich ist eine Begründung, die ein Stück eines Anhanges zu einer
Abhandlung macht, nicht recht an ihrem Orte. Aber ich sollte
meinen: am Ende ist an jedem Orte eine nöthige Begründung am
Platze, und wo ein weniges ohne Begründung schon zu viel ist,
da ist ein zu viel, vorausgesetzt, daß es begründet, nur gerade
genug. Daher werde ich meine Behauptung über Kant'sBehandlung
Lessing'scher Ansichten, wenn auch nur an einigen derselben,
zu erhärten suchen, nur an fünf, — an Lessing's und Kant's
Ansichten Über die Offenbarung, über die Gewißheit historischer
Wahrheiten im Unterschiede von der Gewißheit von Vernunft-
wahrheiten, über die Bedeutung des Historischen in der Bibel,
über die Freiheit biblischer und aller Forschung überhaupt oder
die Denkfreiheit, endlich über die Entbehrlichkeit der biblischen,
speciell der neu testamentlichen Schriften. Mithin gehe ich nicht
darauf aus, das ganze Verhältnis Kant's zu Lessing auch niur
einigermaßen erschöpfend zur Darstellung zu bringen.
a) Offenbarung.
Es könnte scheinen, Kant habe Lessing's Begriff von der
Offenbarung lediglich adoptirt.
Lesatng sagte: ,fiie Offenbarung giebt dem Menschen-
„geschlecht nichts, worauf die menschliche Vernunft, sich selbst
„überlassen, nicht auch kommen würde: sondern sie gab und
,, giebt ihm die wichtigsten dieser Dinge nur früher" (M. X,
308, § 4.). Und Kant: „Ea kann eine Religion die natürliche,
,,gl6ichwohl aber auch geoffenbart seyn, wenn sie so beschaffen
„ist, daß die Menschen durch den bloßen Gebrauch ihrer Ver-
„nunft auf sie von selbst hätten kommen können und sollen,
„ob sie zwar nicht so früh, oder in so weiter Ausbreitung, als
„verlangt wird, gekommen sein würden" (R. X, 186.). Und
indem Kant fortfuhr: „Mithin konnte eine Offenbarung einer
„Religion zu einer gewissen Zeit, und an einem gewissen Orte,
DigtizBabyCoO^IC
398 Zur BeurtheitQBg von Kant's Kritik der reinen Vernunft etc.
„weise tmd &a das menschliche Geschlecht sehr erapriefiiich
seyn;" — so könnte er nur allgemein auszusprechen scheinen,
was Lessing im Einzelnen über die mosaische und cbristfiche
Ofienbarong dargelegt hatte, wobei die Einschränkung, die Kant
machte: ,,so doch, daQ, wenn die dadurch eingeführte Religion
,, einmal da ist, und öfientlich bekannt gemacht worden, forthin
„Jedermann sich von dieser ihrer Wahrheit durch sich selbst
„und seine eigene Vemanit überzeugen kann" (S. 187.), auch
nur die Consequenz und Verallgemeinerung des Lessing'schen
Satzes wftre; die innere Wahrheit der christlichen Religion ist
aus ihr selbst zu nehmen; deswegen heißt sie die innere, weil
sie die Wahrheit ist, die keiner Beglaubigung von außen bedarf
(M. X, 150 Mitte, 152 unt).
Allein wirklich verhält es sich anders. Kant nahm die
von Lessing gelieferte Bestimmung: die Offenbarung giebt dem
Menschenges chlechte nichts, worauf die menschliche Vernunft,
sich selbst überlassen, nicht auch kommen würde, sondern sie
giebt ihm die wichtigsten dieser Dinge nur früher, allerdings
in seinen Begriff von der Offenbarung auf. Aber er faßte den
ganzen Begriff anders, indem er ihn nicht, wie Lessing, aus
dem Gesichtspunct der Erleuchtung des Menschengeschlechtes,
sondern aus dem Gesichtspunct der Gründung einer Kirche ent-
wickelte, und bei der Entgegensetzung: natürliche Beligion und
geoffenbarte Religion, — natürliche Beligion und gelehrte ReU-
gion, eine feste und unaufhebbare Grenze zwischen natürlicher
Beligion und gelehrter Religion aufrichtete, während er den
Unterschied zwischen natürlicher und geoffenbarter Religion,
ähnlich wie Lessing, aber wiederum anders als er, nämlich nur
bis zn einer ganz bestimmten Grenze hin fließend machte.
Daraus folgte, daß er die Absicht und den Endzweck der Offen-
barung,, die Merkmale för die Erkennbarkeit derselben als
Offenbarung, und auch ihren speciiischen Inhalt andere be-
stimmte, als Lessing.
Kant legte dar: Ein ethisches gemeines Wesen unter der
göttlichen moralisohen Gesetzgebung ist eine Kirche, welche,
DigtizBabyCoOgIC
Von Emil Arnoldt. 399
80 ferne sie kein Gegenstand möglicher Erfabmng ist, die un-
sichtbare Kirche heiBt (eine blo£e Idee von der Yereinigong
aller ßeobtschaffenen unter der göttlichen unmittelbaren, aber
moralischen Weltregierung). Die sichtbare ist die wirkliche
Vereinigung der Menschen zu einem Ganzen, das mit jenem
Ideal zusammenstimmt (R, X, 119.)- Nun ist der reine Reli-
gion sglaube zwar der, welcher einzig eine allgemeine und
wahre Kirche gründen kann, weil er ein bloßer Vernunftglaube
ist, der sich jedermann zur Ueberzeugung mittheilen läßt.
Allein es ist eine besondere Schwäche der menschlichen Natur
daran Schuld, daß auf jenen reinen Glauben niemals so viel
gerechnet werden kann, als er wohl verdient, nämlich eine
Kirche auf ihn allein zu gründen. Die Constitution jeder —
sichtbaren — Kirche gebt von irgend einem Otfenbarungs-
gkuben aus {ibid. S. 121 u. 122.).
Was ist nach Kant Offenbarungsglaube? geofienbarte Reli-
gion? Religion subjectiv, also mit Bezug auf den Menschen,
der sie hat, betrachtet, ist die Erkenntniß aller seiner Pflichten
als d, h. gleich wie oder ao gut als göttlicher Gebote (ibid.
S. 184). — vgl. R. Vm, 271. u. n, 631. — IV, 390. —
T, 656 ob. — IX, 300 unt. 35ö. — ). Religion, objectiv, mithin
an und für sich ,,Qach der Vemunfl" (R. X, 269.) erwogen, ist
Tugend- und Gottseligkeitslehre (R. X, 220. 287 nnt. u. 288.).
Nach ihrem ersten Ursprünge und ihrer inneren Möglichkeit
eingetlieilt, ist die Religion natürliche, und geoffenbarte.
Diejenige, in der ich zuvor wissen muß, daß etwas Pflicht sei,
ehe ich es für ein göttliches Gebot anerkennen kann, ist die
natürliche, diejenige, in der ich zuvor wissen muß, daß etwas
ein göttliches Gebot sei, um es als meine Pflicht anzuerkennen,
ist die geoffenbarte oder einer Offenbarung benöthigte
Religion (R. X, 185.).
Nach ihrer Beschaffenheit, durch die sie äußerer Mitthei-
lung fähig wird, eingetheilt, ist die Religion entweder natür-
liche, oder gelehrte. Die natürliche Religion im Gegensatz
zur gelehrten ist diejenige, von welcher, wenn sie einmal da
DigtizBabyCoOgIC
400 Zur Beurtheilong von Kant'a Kritik der reinan Ternunit ßiv.
ist — sie sei durch Vemmift, oder durch übernatürliche, gött-
liche Oöenbaruug da — , jedermann durch seine Vernunft kann
überzeugt werden; die gelehrte Religion aber diejenige, von
der man andere nur vermittelst der Gelehrsamkeit überzeugen
kann, in und durch welche sie geleitet werden müssen. Eine
allgemeine Menachenreligion kann nur die sein, welche
die Beschaffenheit hat, allgemein mittheilbar zu sein, gleich-
viel ob sie ihrem ersten Ursprange und ihrer inneren Möglichkeit
nach natürliche, oder geoffenbarte ist (E. X, 186.).
Demnach kann eine ßeligion die natürliche d. h. ihrem
möglichen Ursprange nach aus der Vernunft herleitbare, ihrer
Beschaffenheit nach allgemein durch Vernunft mittheilbare, und
zugleich eine geoffenbarte d. h. ihrem wirklichen Ursprünge
nach übernatürlich kundgemachte sein, — nämlich, wie Kant
in Einstimmung mit Lessing annahm, dann, wenn sie über-
natürlich kundgemacht ward, ehe die Menschen durch ihre Ver-
nunft auf sie kamen. Eine solche ßeligion ist objectiv eine
natürliche, subjectiv eine geoffenbarte, daher „eigentlich" eine
natürliche Religion. Sie würde, wenn auch in Vergessenheit
käme, daß jemals eine übernatürliche Offenbarung vorgegangen
sei, faßlieh, gewiß und kräftig bleiben können. Dagegen
könnte eine Religion, die ihrer inneren Beschaffenheit wegen
nur' als geoffenbart — d. h. objectiv und subjectiv uur über-
natürlich mittheilbar, von ihrer Wahrheit kein Subject durch
Vernunft überzeugend, also nie herleitbar aus und nie mittheilbar
durch Vernunft — müßte angesehen werden, nur dann in der
Welt bestehen bleiben: entweder 1) wenn sie in einer ganz
sicheren Tradition oder in heiligen Büchern als Urkunden auf-
behalten würde, oder 2) wenn ihre übernatürliche Offenbarung
von Zeit zu Zeit sieh wiederholte, oder 3) wenn ihre übernatür-
liche Offenbarung in jedem Menschen continuirlich fortdauerte.
In dem ersten Falle könnte die geoffenbarte Religion niu* durch
Gelehrsamkeit in der Welt erhalten bleiben. (R. X, 186 u. 187.).
Aber wie immer auch eine Religion, die ihrer inneren Be-
Bchaffenheit wegen nur als geoffeubart, also nie als herleitbar
DigtizBabyCoO^IC
Von Emil Arnoldt. 401
ans and mittheilbar durch Vämanft, anzusehen wäre, in der
Welt möchte erhalten bleiben; factisch kann eine solche
Beligion, wenn sie eben Keligiou sein soll, gar nicht entstehen.
Denn „einem Theile nach wenigstens muß jede, selbst die ge-
oSenbarte Religion doch auch gewisse Principien der natürlichen
enthalten", d. h. es kann keine ihrem Ursprünge nach über-
natürlich mitgetheilte Religion geben, die nicht mindestens in
Einem ihrer Lehrstücke aus Yemunfl herleitbar und durch Ver-
mmft mittheilbar wäre. Und an diesem Stücke, welches der
natürlichen Religion allein zugehörig ist und zugehörig bleibt,
setzt Eant, abweichend von Lessing, aller geofienbarten Religion
in ihrem Unterschiede von der natürlichen oder Vernunftreligion
eine feste und unaufhebbare Grenze.
Als Religion nämlich enthält die gaoffenbarte Religion
den Begriff Gottes als moralischen Gesetzgebers, dessen Wille
den Menschen verbindet. Dieser Begriff aber ist ein reiner
Vemunftbegriff und die Voraussetzung für den Begriff: geoffen-
barte Religion. Denn der Begriff: geoffenbarte Religion kommt
nur dadurch zu Stande, da^ die Vernunft zu dem aus ihr selbst
geschöpften Begriffe: Gott als moralischer Gesetzgeber, dessen
"Wille den Menschen verbindet, selbst den 'Begriff hinzudenkt:
übernatürliche Kundmachung dieses Willens als moralisch gesetz-
gebenden Willens, (vgl. R. X, 187.)
Also: Während Lessing statuirte, daß die wichtigsten Dinge
der Religion, mithin auch der ächte Goftesbegriff dem Menschen-
geschlechte durch Offenbarung könnten gegeben werden, vertrat
Kant die Ansicht, daß der wahre Begriff Gottes, — der Begriff
Gottes als moralischen Gesetzgebers eben so wenig durch Offen-
barung könnte gegeben werden, als der Begriff der Offenbarung
selbst, — welche Begriffe beide durch Vernunft allein erzeugt
und mitgetheilt werden könnten und müßten.
Aus dieser Grundansicht Kant's über die Offenbarung erwuchs
ihm der Antrieb und die Nöthigung, innerhalb einer geoffen-
barten Beligion ihren objectiven Vernnnftinhalt als natürliche
Religion und ihren objectiven Offenbarungsinhalt als gelehrte
AUpr. HmifttMiihrilt Bd. ZXVI Hft. <i n. 0. 2<'
DigtizBabyCoOgIC
402 Zur Beantwortung vuu Kfuit's Kritik der reinen Vemnnn eto.
IteligioQ streng zn sondern und damit zwischen beiden Grebieten
eine Qrenzscheidung zu vollziehen, welche Lessing nicht ins
Beine gebracht, — ans inneren Gründen absichtlich in Unsicher-
heit gelassen hatte.
Indem Eant nämlich einerseits zngab, daß in einer geoffen-
barten Religion die ganze natürliche Religion, freilich immer
ansgenonunen den begriff Gottes als moralischen Gesetzgebers und
den Begrifi der Offenbarung selbst als moralischer Willensknnd-
gebung desselben, subjectiv geoffenbart sein möge, so legte er
doch andererseits dar, daß dieser ganze Theil, ob er auch in
allen seinen Begriffen bis auf jene zwei geoffenbart oder für
geoffenbart anzusehen sei, doch objectiv „eigentlich" als die
natürliche Religion müsse angesprochen werden. Dagegen sei
in einer geoffenbarten Religion nothwendig ein ebenfalls wesent-
licher, weil zur Gründung einer sichtbaren Kirche erforderlicher
Theil vorhanden, welcher von der natürlichen Religion ganz
verschieden, aus Vernunft nie zu erzeugen, durch Vernunft nie
mitzutheüeu, daher objectiv und subjectiv nur geoffenbart
oder für geoffeubart anzusehen ist, — nämlich die gelehrte
Religion als der empirische, historische, statutarische Theil,
welcher zu seiner Erhaltung die Obhut nnd Pflege von Seiten
der Gelehrsamkeit, — welcher theologische Exegese nöthig hat.
Damach beurtbeilte Kant die christliche Religion als natürliche
»nd als gelehrte Religion.
Die natüiliche Religion als Moral auf der Freiheit des
Subjects beruhend und verbunden mit dem Begriffe von Gott
als moralischem Welturheber sowie bezogen auf die Unsterblich-
keit des menschliehen Geistes, — diese Religion, d. h. die
Religion in objectivem Sinne kann jedem Menschen praktisch
hinreichend zur Ueberzeugung gebracht werden -ebenso wie die
natürliche Religion in subjectivem Sinne, d. h. die Vemunft-
einsicht, daß niemand vom Bösen frei sei, niemand sich durch
seinen Lebenswandel für gerechtfertigt vor Gott halten dürfe,
gleichwohl jeder einer vor Gott giltigen Gerechtigkeit bedürfe
und, da kirchliche Observanzen und fromme Frohndienste für
DigtizBabyCoO^IC
Von Emil Arooldt. 403
untanglich zum Ersatzmittel der mangelnden Gerechtigkeit gelten
müssen, ein neuer Mensch zu werden die Pflicht habe (B. X.
188 u. 189. 196 u. 197.).
Die natürliche Beligion, in objectivem und in subjeotivem
Sinne zusammen genommen, sollte, wie sie zur Idee einer un-
sichtbaren Kirche führt, auch zur Gründung einer sichtbaren
Kirche hinlänglich sein, ist es aber unter den Menschen, wie die
Erfahrung sie nun einmal aufweist, nur dann, wenn sie mit gewissen
statutarischen und autoritativen Verordnungen vereinigt wird.
Der Lehrer des Evangeliums kann als Stifter der ersten
wahren Kirche verehrt werden. Er hat, wie aus dem Matthäus-
und dem Lucas - Evangelinm zu entnehmen ist, die natür-
liche Keligion zur Grundlage alles Beligionsglaubens gemacht
und ihr gewisse statutarische Formen und Observanzen beigefügt
als Mittel, auf jene ßeligion eine sichtbare Kirche zu gründen
(R. X, 190.). Das Ansehen des Lehrers des Evangeliums, Stifter
der ersten wahren Kirche zu sein, setzt ein Factum voraus (ibid.
S. 190), — das Factum nämlich, das er die Würde, in welcher
er sich ankündigte (ibid. S. 153 unt.), — die "Würde seiner
göttlichen Sendung beglaubigte (ibid. S. 190 unt.), indem er
eine vollständige, ftlr alle Menschen durch eigene Vernunft faß-
liche und überzeugende Religion vorlegte und an dem Beispiele
seines Lebens als einem möglichen und sogar nothwendigen ür-
bilde der Nachfolge anschaulich machte, ohne daß weder seine
Lehrwahrheit, noch seine Lehrwürde einer anderen — auf ge-
lehrter Interpretation von Urkunden oder auf "Wunder beruhenden
— Beglaubigung bedurfte, (ibid. S. 195.).
Während der christliche Glaube so einestheila ein reiner
Vemunftglaube und als solcher ein von jedem frei anzunehmender
(fides elicita) ist, ist er andemtbeÜs ein Offenbamngsglaube (fidea
statutaria), ein Glaube an geoflfenbarte, d. h. der Vernunft für
sich verborgene Sätze, und als solcher ein gebotener Glaube
(fides imperata), der nicht anders als ein gelehrter Glaube sein
kann (ibid. 196 u. 197). Die christliche Glaubenslehre, soweit
sie den reinen Vemunftglauben enthält, heißt die christliche
2fi*
DigtizBabyCoOgIC
404 2ur BeaJitwortung von Kant'» Kritik der reinen Vemuntt etc.
Beligion, sofern aie aber aaf Facta gebaut ist, der chriatlidie
Glaube, der einer Eirche zum Grunde gelegt worden (ibid.
S. 197).
Die christUclie Beligion hat vor dem jüdiitchen Glauben
den groJQea Vorzug, daß sie ans dem Munde des ersten
Lehrers eben als Religion, als reiner Veruunftglaube, der nur
ein moralischer sein kann, nicht als statutarischer Glaube hei>
vorgegangen vorgestellt wird. Sie konnte durch die Vernunft
auch ohne historische Gelehrsamkeit auf alle Zeiten und Völker
mit der größten Sicherheit verbreitet werden. Aber die ersten
Stifter der Gemeinden verflochten mit der Beligion des ersten
Lehrers die Geschichte des Judenthums, — „welches nach ihrer
damaligen Lage, aber vielleicht auch nur ftlr dieselbe, klüglich
gehandelt war" (ibid. S. 201.). "Wird dieses klüglich beobachtete
Verfahren für ein jederzeit und Überall geltendes Glaubenestück
genommen, so sollte man meinen, jeder Christ müßte ein
Jude sein, dessen Messias gekommen ist, obschon er doch
eigentlich an gar kein Gesetz des Judenthums gebunden wird
(ibid. S. 199.). „Die Stifter der Kirche aber nahmen diese epi-
sodischen Änpreisungsmittel unter die wesentlichen Artikel des
Glaubens auf, und vermehrten sie entweder mit Tradition oder
Auslegungen, die von Concilien gesetzliche Krafb erhielten, oder
durch Gelehrsamkeit beurkundet wurden" (ibid. S. 201.).
Bios zum Behuf einer Eirche giebt es Statute, d. i. für
göttlich gehaltene Verordnungen. Diesen statutarischen Glauben
fUr oberste Bedingung des göttlichen WohlgefaUens am Menschen
auszugeben ist ein Beligionswahn, und die Befolgung des-
selben ein Afterdienst Gottes (ibid. 8. 202.).
Dies ist Eant's Begriff von der geoffenbarten, — der
christlichen geoffenharten Beligion. Eine Vergleichung dieses
Begriffes mit Lessing's Begriff von eben demselben Gegenstand
ergiebt, daß Kant die Bestimmungen Lessing's über den End-
zweck, die Erkenntnißmerkmale, und den Inhalt der geoffenbarten
Beligion überhaupt und der geoffenbarten christlichen Beligion
ins Besondere in den wesentlichsten Punkten modifioirte.
DigtizBabyCoO^IC
Von Emil Amoldt. 4Q5
Was zanachst die Absicht und den Endzweck betrifft, ao
vertrat Leasing die Ansicht: Gott ließ vielleicht Eeligionswahr-
heiten den Menschen offenbaren, am sie früher zu erleuchten
und zn bessern, als ihre eigene Yemunfl sie zu wahrer Auf-
klärung und reinerer Tugend fahren konnte.
Dagegen hatte Kant einzuwenden: Eine Offenbarung von
Religionswabrheiten, wenn es eine giebt, konnte nur die Be-
stärkung tugendhaft gesinnter Menschen in der Tugendausübung,
und eine Offenbarung statutarischer Gebote, wenn es eine giebt,
nur die Gründung einer sichtbaren Kirche zur Bewahrung
tugendübender Menschen vor dem Kückfall in das Böse be-
zwecken. Alle — auch die in einer sichtbaren Kirche fortge-
pflanzte — Offenbarung kann nur Menschen zu Gute kommen,
die sich selbst moi-alisch gebessert haben aus eigener Ent-
schließung, eigener Kraft.
Hinsichtlich der Erkennbarkeit der Offenbarung stellt
Lessing principiell den allgemeinen Satz auf: „Ob eine Offen-
barung seyn kann, und seyn muß, und welche von so vielen,
die darauf Anspruch machen, es wahrscheinlich sey, kann nur
die Vemonffc entscheiden"*) (M. X, 18.), und auf die nun her-
vortretende Frage; woran kann die Vernunft erkennen, daß
*) leh darf dem Anlaß, der sich mir hier darbietet, auf W. Dilthey'e
geistvolle und gediegene Abhandlung: „Ueber Ootth. Ephr. Leesing"
(Preoß. Jahrbuch. 19. Bd. 1867. S. 117—161. - 8. 271-294; dazo Dilthey's
„Erwiderung" gegen Bdfiler, 20. Bd. 1867. S. 439— 4d4.) eir.zugebea, nicht
folgen. Aber ich kann nicht umhin, mit Bezug auf sie ein Urtheil im All-
gemeinen und eine Erklärung im Einzelnen abzugeben.
Zn dem Urteil bin ich nicht genöthigt, aber verbunden. Denn
der Besitz einer eigenen Meinimg verbindet zur AeiiSerang deraelben, bo-
bald Gelegenheit, ob auch nicht Nöthigung da ist, pietätsvolle Achtung
denen zu bezeigen, welche das verwaiste Verdienet vor Flecken bewahren,
die ihm verblendete Parteisucht anaiuschmitzen trachtet. Daher sage ich:
Dilthey ist in jener Abhandlung dem Character und dem Oenie Lessing's,
deren ereterem an Beinheit keiner in der neueren Zeit gleichkam, und deren
letzteres an Originalität und Umfang keinem aus allen Zeiten nachstand,
eben so gerecht geworden, als Gervinus, Danzel und Gnhrauer, Hebler
und Kuno Fischer. Dies gilt von Erich Schmidt nicht in vollem Maße,
DigtizBabyGoOgIC
406 ^Qi^ Beurtheüung von Eant's Kritik der reinen Yerounft et«.
eine Air geoffenbart ausgegebene Religion, im besonderen die
christlicbe Eeligion als geoffenbart darf angenommen werden,
ist als Leasing'« Antwort zn fonniren: 1) daran, daß der Christ,
der einfache Christ, und auch „der gelehrte Theolog", welcher
bei seiner Gelehrsamkeit nicht aufhört, einfacher Christ zu sein,
„das Christenthum", welches doch einmal da ist, „so wahr",
„sich" in ihm so „seüg fühlet" (Eiuleit. in die Gegensätze zn
den Fragmenten. M. X, 14.); 2) daran, daß — gleichviel ob
Christus Wunder that, oder nicht, ob in Christo Weissagungen
erfüllt worden, oder nicht, ob Christus vom Tode auferstand,
oder nicht, ob Christus sich wegen seiner Auferstehung fUr den
Sohn Gottes ausgab, mithin lehrte, „daß Gott einen Sohn habe,
der mit ihm gleiches Wesens sey", — eine Lehre, „wogegen
sich die Vernunft sträubt", — kurz gleichviel ob alle diese An-
gaben und Lehren Wahrheit enthalten, oder nicht — doch Christi
anderweitige Lehren den Grundideen der Vernunft von dem
während Dühring und Hehn durch ihre mifiglückten Vereuche, Lesaing's
Character nnd Genie herabzuwürdigen, nur evidente Zeugnisse über ihre
eigeaen intricaten Charai^tercouiplexionea und trotz aller ihrer Intelligenz
und KenntniB in Folge wunderlicher Vorurtheile seitweisa eintretenden
Judiciumsparalysen abgelegt haben.
Zu der Ei-klämng aber bin ich genöthigl.. Dilthey behauptet nämlich
in der oben citirtea Abhandlung 8. 148: „Wenn Lessing der Vernunft ofTen
„hielt, eine Demonstration vorzulegen, daß eine Offenbarung sein könne,
„sein mOsee, welche" [anch immer] „ta sei: so spielt dabei eine gutmUthige
„Ironie um seine Lippen." Damach wäre der Satz, den ich oben fflr prin-
cipiell ausgebe, von Lessing nicht ernst gemeint gewesen. Dieser Ansicht
Dilthej's kann ich nicht beitreten, wenigstens nicht ohne Einschränkungen.
Aber diese EinBchränkangen eu machen, würde mich hier viel zu weit
führen. Hier habe ich mich nur an das zu halten, was Lessing in den
Schrillen, die er seihst veröffentlichte, klar und deutlich ansgesprochea hat,
nicht an das, was er als seine letzten und tiefat«n Gedanken in sich mag
erzeugt und entwickelt haben, ohne es in theoretischer Gestalt anders als
durch Anspielungen nnd Fingerzeige zu oSenbaren. Auch liegt es mir fem,
oben Lessing's Beligionsan sichten darznstetlen, geschweige denn zu würdigen.
Ich habe dort nur das Verhältnis anzugeben, in welches Ksnt zn ihnen
trat, und zu diesem Zwecke einzelne von ihnen blos aphoristisch hervor-
zuheben.
DigtizBabyCoOgIC
Von Emil Amoldt. 407
"Wesen der Gottheit, den metaphysischen und moralischen Be-
grifFen der Vernunft, des gesunden Veratandes einverleiblich
sind (Ueber den Beweis des Geistes und der Kraft. M. X,
40 u, 41.); 3) an dem noch immer fortdauernden "Wunder der
christlichen Eeligion selbst, daran, daß sie da ist, daß sie „durch
die Predigt der Auferstehung Christi über die heydniscbe und
jüdische gesieget bat", daran, daß diese Predigt damals glaub-
würdig genug muß gewesen sein, obschon „ich itzt nicht mehr
ihre völlige Glaubwürdigkeit beweisen kann" (Duplik. M. X, 60.).
Dem gegenüber entwickelte Kant folgende Ansicht: Freilich
hat die Vernunft zu entscheiden, „ob eine Offenbarung seyn
kann", und sie entscheidet: eine Offenbarung kann sein, obschon
ihre innere Möglichkeit, d. h. das Wesen und die Weise der
göttlichen Action im Veranstalten einer Offenbarung nie von
der Vernunft kann eingesehen werden. Auch hat die Vernunft
allerdings zu entscheiden, ob eine Offenbarung sein muß, —
in so weit, daß si§ erklären darf: ohne Offenbarungsglauben,
-d. h. ohne den Glauben an irgend welche Statute, an Gebote
Gattes, die nicht durch Vernunft erkennbar sind, würde es
schwerlich je zur Gründung einer sichtbaren Kirche kommen
oder gekommen sein. Aber ob die Offenbarung von ßeHgions-
wahrheiten, die durch Vernunft erkennbar sind, sein muß
oder jemals sein mußte, darüber vermag die Vernunft nichts zu
entscheiden, ausgenommen das eine: nicht jede durch Vernunft
erkennbare Eeligionswahrheit kann geofifenbart sein; denn die
Beligions Wahrheit: Gott ist moralischer Gesetzgeber, muß, wann
immer sie auch einleuchtet, einzig imd allein durch Vernunft
einleuchten, weil ohne das Einleuchten dieser Vemunftwahrheit
durch Vernunft die Aufnahme irgend welcher OflFenbarung in
das menschliche Gemilth eds einer Offenbarung Gottes würde
unmöglich sein. Endlich hat auch die Vernunft zu entscheiden:
welche von den Offenbarungen, die es zu sein beanspruchen,
es wahrscheinlich sei. Aber an den Merkmalen, an welchen
nach Lessing die Vernunft das Christenthum als geoffenbarte
Religion erkennen kann, ist auszusetzen:
,dbyGoogIe-
408 Zur fiourtheilung von Eant's Kritik der reinen Vernunft et«.
1) Die Vernunft kann daraus, daß der Christ das Christen-
thum „90 wahr", „sich in ihm so selig fühlet", nicht im Geringsten
erkennen, daß das Christenthum geoffenbart« Keligion sei. Denn
die Wahrheit kann nicht gefühlt werden, und das Gefühl der
Seligkeit, das durch eine Religion in dem Menschen erregt wird,
der an sie glaubt, entscheidet keineswegs, weder ob die geglaubte
Keligion wahr, noch ob sie geoffenbart sei. — Diese Differenz
zwischen Leesing und Kant werde ich später noch näher be-
leuchten.
2) Aus der TJebereinstimmnng zwischen den Lebren Christi
über die moralische Gesinnung, die der Mensch in sich zu er-
zeugen, und über die Vorstellungen, die er von der Gottheit zu
bilden hat, mit ihrem eigenen moralischen ßeligionsglanben darf
die Vernunft freilich entnehmen, daß die christliche E«ligion
kann geoffeubart sein, aber nicht, daß sie wirklich geoffenbart
ist. Mit anderen Worten: Jene Uebereinatimmung ist zwar die
Bedingung der Möglichkeit, aber uoch lange nicht ein Beweis
für die Wirklichkeit des göttlichen Ursprungs der christlichen
Eeligion. Äußer jenen Vemunfllehren aber enthält das Christen-
thum auch uoch Statute, die als verbindlich für die Menschen
durch Vernunft nicht erkennbar und doch ziu- Gründung einer
sichtbaren Kirche höchst wichtig sind. Weil die christliche
Religion jenen ersten TheÜ enthält, darf die Vernunft erklären,
daß die christliche Religion in jenem ersten Theile, d. h, sofern
sie blos uatürliche Religion ist, allgemeine Menscbheitsreligion
zu werden die Qualität habe. Aber ob die christliche Religion
als geoffenbarte Religion auzunehmen ist auf Grund ihres zweiten
Theüs, nämlich ihrer für göttliche Verordnungen ausgegebenen
Statute, — das kann die Vernunft für sich allein nicht ent-
scheiden, sondern dazu bedarf sie der Verbindung mit historischer
und theologischer Gelehrsamkeit, welche die urkundlichen Be-
richte über den Ursprung jener Statute auf die Aechtheit, Glaub-
würdigkeit und Tragweite der Angaben prüft, die in diesen
Berichten über diesen Ursprung gemacht werden.
3) Die Thatsache, daß sich das Christenthum plötzlich, ob-
DigtizBabyCoOglC
Von Emil Arnuldt. 409
zwar nieht unvorbereitet, aus dem Judenthum, erhob, mit dem
es in keiner wesentlichen Verbindung steht (R. X, 160. 163.),
ist allerdings äußerst befremdend, und die Vernunft hat keine
Veranlassung, gegen die Annahme, daß es durch Offenbarung,
— auf göttliche Veranstaltung und unter göttlicher Einwirkung
entstanden sei, Einspruch zu thun (R- X, 186.). Andererseits
muß sie jedoch erklaren: das Christenthum ist seinen ersten An-
fängen und Portachritten nach in historisches Dunkel gehüllt,
weil die Juden selbst kein gelehrtes Publicum besaßen, welches
darüber hätte berichten können, und weil das gelehrte Publicum
des Volkes, welches zu jener Zeit die Juden beherrschte, der
merkwürdigen Religionsbewegung, die damals unter ihnen vor-
ging, keine Beachtung schenkte (R. X, 155 u. 156.). „Seitdem
aber das Christenthum selbst ein gelehrtes Publicum wurde, oder
doch in das allgemeine eintrat, gereicht die Geschichte desselben,
was die wohlthätige Wirkung betriflft, die man von einer mo-
ralischen Religion mit Recht erwarten kann, ihm keineswegs
zur Empfehlung" (R. X, 156.). Daher muß die Vernunft auf
ünmd historischer Reflexionen keine Entscheidung Über den
Ursprung des Christenthnms treffen wollen, und ob sie auch aus
diesem Gesichtspunct nicht bestreiten darf, daß es durch Offen-
barung kann entstanden sein, so darf sie gleichwohl aus ihm
nicht behaupten, daß es durch Offenbarung entstanden ist. Mit-
hin ist das so genannte Wunder des Daseins des Christenthums,
des Sieges des Christenthums über das Judenthum und Heiden-
thum kein Merkmal, an welchem die Vernunft die Offenbarung
desselben als Religionaglaubens oder als Kirchenglaubens er-
kennen kann.
Mit Rücksicht auf den Inhalt der Offenbarung weist
Lessing tadelnd auf diejenigen Theologen hin, die bestreiten, daß
es in der christlichen Religion Geheimnisse gebe, oder wenn
sie dergleichen darin einräumen, doch die Meinung hegen, es
sei „gleichviel, ob der Christ diesen oder jenen oder gar keinen
Begriff damit verbindet" (M. X, 17 unt.). — Femer bemerkt er:
Es muß der Vernunft eher noch ein Beweis mehr für die Wahr-
DigtizBabyCoOglC
410 Zur Beurtheilung von Kaut's Kritik der reinen Vernunft etc.
heit der christlichen Offenbarung, ala ein Einwurf darwider aein,
wenn aie Dinge darin findet, die ihren Begriff übersteigen. Wer
dergleicben uns seiner Religion auspoliret, hätte eben so gut
gar keine. Denn was ist eine Offenbarung, die nichts offenbu'et?
(M. X, 18.). Und weiter im Zusammenhange damit; Die Vernunft
giebt sich unter den Öehoraam des Glanbena gefangen, ihre Er-
gebung iat nichts als das Bekenntniß ihrer Grenzen, eobald sie
von der Wirklichkeit der Offenbarung versichert iat (M. X, 19.).
Auch erklärt er in der „Erziehung des Menschengeschlechts" ;
,Da3 Wort Geheimniß bedeutete, in den ersten Zeiten des Christen-
,thum8, ganz etwas anders, als wir itzt darunter verstehen; und
„die Ausbildung geoffenbarter Wahrheiten in Vernunftswahrheiten
ist schlechterdings nothwendig, wenn dem menschlichen Ge-
,, schlechte damit geholfen seyn soll (M. X, 322 u. 323.).
Hätte Kant diese Ansichten direct zum Gegenstand der
Erörterung gemacht, statt sie nur im Vorübergehen indirect zu
berücksichtigen, so würde er sie nach seinen Principien etwa
folgendermaßen zu modiöciren und einzuschränken verbunden
gewesen aein: Daß es in der christlichen Religion Geheimnisse
giebt, läßt aich nicht beatreiten. Wenn Theologen aber zu der
Annahme neigen, daß ea gleichviel sei, ob der Christ dieaen
oder jenen oder gar keinen Begriff damit verbinde, so sind sie
nicht im Unrecht, — vorausgeaetzt, daß sie einen Begriff in
theoretischer Absicht meinen. Dann müssen sie jedoch conse-
quenter Weise auch ein Bekenntniß zu jenen Geheimnissen nicht
den Mitgliedern ihrer Kirche als Pflicht auferlegen wollen,
(R. X, 170 unt. u. 171 ob. 206. — Str. d. Fac. X, 294. No. H,
1 Abach.). — Femer: daß die als geoffenbart angenommene
christliche Religion Geheimnisse oder Dinge enthält, die den
Begriff der Vernunft Übersteigen, kann der Vernunft weder
Beweia dafür, daß diese Religion wirklich geoffenbart ist, noch
Einwurf darwider sein. Denn die Vernunft führt selbst durch
ihren Begriff von der Freiheit auf Geheimnisse. Alle diese
Geheimnisse, in wie weit die Begriffe von ihnen einen etwaigen
theoretischen Gebrauch finden, mögen immerhin aus der Religion
DigtizBabyCoO^IC
Von Emil Amoldt. 411
auspolirt werden. Ja, sie sollen es werden, in wie weit sie ©inen
theoretischen Sinn beigelegt erhalten. Denn in ihrem theoretischen
Sinne genommen, sind sie nur Unterscheidungsmittel der ver-
schiedenenArtenstatutarischenKirchenglaubensund werden von der
Vernunft rechtmäßiger Weise der theologischen Gelehrsamkeit
zn dem Zwecke überlassen, an ihnen in historischer und exegetischer
Behandlung die verschiedenen Arten des Kirchenglaubens von
einander zu sondern (R. X, 166, 2 Absch. — 177.). Diese
Geheimnisse, in theoretischem Sinne genommen, aus seiner
Keligion auspoliren ist keineswegs eben so gut, als gar keine
geoffenbarte Keligion haben. Denn wäre die allgemeine moralische
Vemunftreligion übernatürlich geoffenbart, so weit sie es sein
kann, so würde sie ohne diese — theoretisch gedeuteten —
Geheimnisse eben so gut geoffenbarte Beligion sein, als mit ihnen
(B. X, 171, Ende des 1 Absch. u. 174, 3 Absch.). - Auch
giebt sieh die Vernunft, sobald sie von der Wirklichkeit der
Offenbarung versichert ist, nicht unter den Gehorsam des Glaubens
gefangen. Denn, wenn sie nach Prüfling des Inhalts einer
für geoflenbart ausgegebenen Beligion an dem ihr ursprünglich
ganz und gar eigenen Begriffe Gottes als moralischen Gesetz-
gebers und nach Bevision der für den übernatürlichen Ursprung
derselben beigebrachten und von der gelehrten Theologie ge-
prüften historischen Zeugnisse nichts dagegen einzuwenden hat,
daß diese Beligion factisch übernatürlich geoffenbart sei, so geht
sie daran, diese Offenbarung durchgängig, also auch die Geheim-
nisse, welche dieselbe mittheilen will, und sogar da, wo der
Wortlaut der tTeberlieferung eine solche Deutung kaum verträgt,
so zu deuten, daß ein Sinn herauskommt, der mit den allgemeinen
praktischen Etegeln einer reinen Vemunftreligion zusammen-
stimmt (B. X, 130, 3 Absch., u. 131 ob. — Str. d. Fac. X,
293b u. 294.). — Südlich: wenn geoffenbarte oder dafÖr gehaltene
Wahrheiten wirklich Geheimnisse sind, so kf'nnen sie nie in
theoretische Yemunftwahrheiten ausgebildet werden, — nie das
Geheimnis der Dreieinigkeit, der Berufting, der Gehugthunng,
der Erwählung. Alle diese Geheimnisse hat die Vernunft so
DigtizBabyCoOgIC
412 Zur Beurtheilung von Kant'B Kritik der reinen Vernunft etc.
zu behandeln, daß sie als VorstellangeQ praktischer Ideen für
anser moralisches Verhalten Bedeutung gewinnen. Bei dieser
Behandlung aber wird nicht die Vernunft durch die Geheimnisse,
sondern die Geheimnisse werden durch die Vernunft erleuchtet
CR. X, 170—174.).
b) Gewißheit historischer "Wahrheiten und Gewißheit
von Vernunftwahrheiten.
Kant trat Lessing hei in der Unterscheidung zwischen der
Gewißheit von historischen Wahrheiten und der Gewißheit von
Vernunftwahrheiten. Lessing erklärte: Keine historische Wahr-
heit kann demonstrirt werden (M. X, 39.1; Kaut: Was auf
Geschichtsdocumenten beruht, ist nie apodictisch gewiß, bei allem
Geschichte- und Erschelnungsglauben bleibt immer die Möglich^
keit übrig, es sei darin ein Irrthum anzutreffen (R. X, 226.).
Doch ist Lessing'sÄnsicht und Kant'sÄnsicht Über die historische
Gewißheit selbst nicht im Einklang, und zwar weder über die
St&rke, noch über die Abstufung derselben.
Sie sind nicht im Einklang hinsichtlich der Stärke.
Lessing fragte: „Ist, ohne Ausnahme, was ich bey glaub-
würdigen Geschichtschreibem lese, für mich eben so gewiß, als
was ich selbst erfahre?" Und er antwortete: ,,I)a8 wüßte ich
nicht, daß es jemals ein Mensch behauptet hätte" (M.. X, 38.).
Er fragte weiter: „Was heißt einen historischen Satz für wahr
„halten? eine historische Wahrheit glauben? heißt es im gering-
„sten etwas anders: als diesen Satz, diese Wahrheit gelten
„lassen? nichts darwider einzuwenden zu haben? sich gefallen
„lassen, daß ein andrer einen andern historischen Satz darauf
,,baaet, eine andre historische Wahrheit daraus folgert? sich selbst
„vorbehalten, andere historische Dinge demaoh zu schätzen?
„Heißt es im geringsten etwas anders? etwas mehr?" (M. X, 39.).
Er zog den Schluß: „Zufällige Geschichtswahrheiten können
„der Beweis von nothwendigen Vemunftswahrheiten nie werden"
(ibid. 8. 39, vgl. S. 40.).
DigtizBabyCoOgIC
Von Emil Arnoldt. 413
In dem letzteren liatte er natürlich K&ut ganz auf seiner
Seite. Dies steht fest schon aaf Grund von Kant's Ansicht,
daß die Einsicht in eine Vemanftwahrheit and eben so der
reine Vernunftglaube mit dem Bewußtsein der Unveränder-
lichkeit verbunden ist, nie aber der historische Q-laube,
„bei dem es immer noch möglich ist, daß Beweise zum Gegentheü
„aufgefunden würden, nnd wo man sich immer noch vorbehalten
„muß, seine Meinung zu ändern, wenn sich unsere Kenntniß der
„Sachen erweitem sollte" (Abhandl. ,,Wa8 heißt: sich im Benken
Orientiren?" R. I, 384 Anm.). Trotzdem ist in Lessing's und
Kant's Urtheilen über die Stärke der historischen Gewißheit
eine Differenz vorhanden.
Lessing behauptete in einem jener Citate, die ich aus seiner
Abhandlung „über den Beweis des Geistes und der Kraft" ge-
geben habe : einen historischeu Satz für wahr halten , eine
historische Wahrheit glauben heißt nichts anderes, als diesen
Satz, diese "Wahrheit gelten lassen, nichts darwider einzuwenden
haben. Kant dagegen schrieb der historischen Gewißheit eine
größere Kraft zu, weun er in der Abhandlung: „Was heißt: sich
im Denken orientiren?" erklärte (R. I, 339.): „Jeder muß einem
„historischen Pactum, welches nur hinreichend bewährt ist, eben
„so gut als einer mathematischen Demonstration glauben, er
„mag wollen oder nicht." Denn Kant's Glauben-müssen,
man mag wollen, oder nicht, bedeutet offenbar weit mehr, als
Lessing's Gelten-lassen, Nichts-darwider-einzuwenden-haben.
Allein dieser Aussprach Kant's bedarf, um mit seinem vor-
hin angeführten Ausspruch aus eben jener Abhandlung und mit
seiner Ansicht über den Unterschied zwischen der Gewißheit
von Vemunftwahrheiteu und der Gewißheit von Erfabrunga-
oder Geschichtswahrheiten überhaupt nicht in Widersprach zu
treten, einer näheren Bestimmung, Denn er ist mir dann rich-
tig, wenn der Glaube an die Wahrheit einer mathematischen
Demonstration eben anch blos Glaube, eben auch blos historische
Gewißheit ist, wie die Gewißheit von der Wahrheit eines hin-
D,gt,zBabyC00<^IC
414 Zur Beartheilnng von Kaufs Kritik der reinen Vernunlt etc.
reichend bewährten äußeren Factums. Der G-Iaube an eine
matbematiRche Demonstration ist aber bloße bistorische Gewiß-
heit nur in zwei Fällen: entweder wenn jemand, der irgend
eine mathematische Demonstration nicht selbst liefern, sondern
nur ihrem Resultat nach verstehen kann, doroh glaubwürdige
Mathematiker die Versicherung erhält, daß sie geliefert ist und
jederzeit kann geliefert werden, oder wenn jemand, der eine
mathematische Demonstration einst selbst geliefert und nun ver-
gessen hat, sich doch dessen deutlich bewußt ist, daß ihm die
Evidenz derselben früher vollkommen eingeleuchtet bat. Nur
in diesen beiden Fällen steht der Glaube an eine mathematische
Demonstration dem Glauben .an ein hinreichend bewährtes histo-
risches Factum gleich, indem er dort wie hier blos historische
Gewißheit ist. Aber auch dort sind, wie hier, Unterschiede in
der Stärke der historischen Gewißheit vorhanden. Denn wer
eine mathematische Demonstration blos vergessen hat, ist der
Wahrheit derselben bei weitem gewisser, als derjenige, der sie
auf fremdes Zeugniß annimmt, und dazu ist er, weil es sich um
eine apodictisch gewisse ■Wahrheit handelt, derselben gewisser,
als irgend eines äußeren Pactama, das er selbst beobachtete, ob-
schon nicht gewisser, als derjenigen ihm klar und deutlich be-
wußten Facta, welche eigene Erlebnisse seiner inneren Erfahrung
ausmachen, wie denn auch wer die "Wahrheit einer mathemati-
schen Demonstration anf Treu und Glauben von glaubwürdigen,
dem Wissen und Urtheil nach als competent bewährten Mathe-
matikern annimmt, dieser Wahrheit gewisser ist, als der Richtig-
keit eines äußeren Factums, das er " auf zuverläßiges fremdes
Zeugniß auch noch so glaubwürdiger Personen gelten läßt.
Diese Aufstellungen sind gewiß im Sinne Lessing's gemacht,
denn sie sind nur Folgerungen aus seinen Sätzen, — aber schwer-
lich im Sinne Kant's. Und hier macht sich die zweite Differenz
zwischen Kant's Ansicht und Lessing's Ansicht über die histo-
rische Gewißheit geltend, welche die Abstufung derselben betrifft.
Kant erklärte nämlich (in der Logik, R. III, 246 u. 247
Anm.}: „Wir können mit derselben Gewißheit eine empirische
DigtizBabyCoOgIC
Von Emil Ärnoldt. 415
„■Wahrheit auf das ZengniQ Anderer annehmen, als wenn wir
„durch Facta der eigenen Erfahrung dazu gelangt wären. Bei
„der erstem Art des empirischen Wissens ist etwas Triigliches,
„aber anch bei der letzteren." Dieser Erklärung- steht nun frei-
lich Lessing's Ansicht zunächst keineswegs entgegen. Denn
Lessing hatte bloa behauptet: Was ich bei glaubwürdigen Gte-
schiehtssehreibem lese, ist nicht ohne Ausnahme für mich
eben so gewiß, als was ich salbst erfahre. Also räumte er, wie
Kant, die Möglichkeit ein: Wir können das, was wir bei glaub-
würdigen Geschichtsachreibem lesen, — ,,wir können" mithin
„eine empirische Wahrheit auf das Zeugniß Anderer" unter
Umständen „mit derselben Gewißheit annehmen", als was
selbst erfahren, — dessen eben so gewiß sein, „als wenn
„durch Facta der eigenen Erfahrung dazu gelangt wären." Allein
Lessing hegte doch die Ansicht, daß ein Ereigniß, welches
jemand unter den günstigsten Bedingungen als Augenzeuge
wahminmit und also unmittelbar erfährt, fttr ihn nothwendig
einen höhereu Grad der Gewißheit habe, als ein Ereignis, das
er nur berichtet erhält und also mittelbar erfährt, möge immer-
hin dieser Bericht von einem Augenzeugen herrühren, der eben-
falls unter den günstigsten Bedingungen beobachtete und überdies
durchaus verläßlich und glaubwürdig ist (vgl. M. X, 38.).
Wie plausibel nun auch diese Ansicht Lessing's ist: sie
fand nifht Kant's Billigung. Dies zeigt sich deutlich bei Be-
achtung des Gedankenzusammenhanges, des speciellen Falles,
in welchem Kant den Glauben an ein hinreichend bewährtes
Factum und den Glauben an eine mathematische Demonstration
gleichstellt. Er ertheilt nämlich gegen das Ende eben jener
vorhin erwähnten Abhandlung, mit welcher er bei dem Jacobi-
Mendelssohn'schen Streite über Lessing's Spinozismus, unter
"Vertretung der Nothwendigkeit eines reinen Vernunftglanbens,
einerseits Mendelssobn's Anspruch auf speculative Vernunft-
er kenntniß des Uebersinnlichen , andererseits Jacobi's und
Wizenmann's Vorgeben einer möglichen Vernunfterleuchtung
hinsichtlich desselben abwies, — er ertheilt dort, sage ich, die
DigtizBabyCoOgIC
416 ^ur fieuribeilang von Kaot's Kritik der reinen Temmttt etc.
Warnimg: Die Maxime der tjngiltigbeit einer zu oberat gesetz-
gebenden Vernunft — deren Annahme er Jacobi und "Wizen-
mann vorwarf — führt zum Äberglaoben, d. i. der gänzlichen
Unterwerfung der Vernunft unter Facta, zu denen die Wunder
und erfüllten Weiaaagungen gehören, die in der Bibel berichtet
werden. Dagegen führt die Maxime der Unabhängigkeit der
Vernunft von ihrem eigenen Bedärfniß (Verzichtthuung auf Ver-
nuüftglauben) — deren Annahme er in der Richtung Mendels-
aohn's gelegen sah — zum Unglauben, nicht einem historischen,
„denn den kann man sich gar nicht als vorsätzlich, mithin auch
„nicht als zureehnungsftJiig denken (weil Jeder einem Factum,
„welches nur hinreichend bewährt ist, eben so gut als einer
„mathematischen Demonstration, glauben muß, er mag wollen
„oder nicht)", sondern zu einem Vemunftunglauben, der die Frei-
geisterei veranlaßt, d. i. den Grundsatz, gar keine Pflicht mehr
zu erkennen. Demnach behauptete Kant, daß der Ungläubige,
wie jedermann, an die in der Bibel erzählten Wunder und
erfüllten Weissagungen, wären sie nur hinreichend bewährt,
mit derselben Festigkeit glauben müßte, als an eine mathematische
Demonstration, mithin auch mit derselben Festigkeit, als an ein
Factum, das er selbst erlebte. Mit dieser Behauptung aber trat
Kant zu Leasing's Ansicht in Gegensatz. Denn abgesehen von
der Gleichstellung des Glaubens an eine mathematische Demon-
atratiou mit dem Glauben an ein äußeres Factum; — Lessing
erklärte: „Ein andres sind erfüllte Weissagungen, die ich selbst
„erlebe: ein andres, erfttUte Weissagungen, von denen ich nur
„historisch weiß, daß sie andre wollen erlebt haben. Ein andres
„sind Wunder, die ich mit meinen Äugen sehe, und selbst zu
„prüfen Gelegenheit habe: ein andres sind Wunder, von denen
„ich nur historisch weiß, daß sie andre wollen gesehn und
„geprüft haben" (M. X, 37.). „Nachrichten von erfüllten
„Weissagungen sind nicht erfüllte Weissagungen; Nachrichten
„von Wundern sind nicht Wunder. Diese, die vor meinen
„Augen erfüllten Weissagungen, die vor meinen Augeu ge-
„schehenen Wunder, wirken unmittelbar. Jene aber, die
DigtizBabyCoO^IC
Von Emil Ämoldt. 417
„Nachrichten von erfüllten 'Weieaagungen and "Wandern, sollen
„durch ein Medium wirken, das ihnen alle Kraft benimmt"
(M. X, 38.).
Demnach ist zwischen Lesslng's und Kant's Ansicht über
die Abstufung der historischen G-ewißheit zunächst eine Differenz
vorhanden hinsichtlich des speciellen Falles, für welchen jene
Abstufung von Leasing erwogen wird, — für die "Wunder und
erfüllten "Weissagungen , die in der Bibel berichtet werden.
Leasing behauptete: "Wären die Wunder und erfüllten "Weis-
sagungen in der Bibel auch noch so zuverlässig berichtet: mein
Glaube an diese berichteten Thatsachen würde nie denselben
Grad der Festigkeit, der Gewißheit haben, als wenn ich diese
Thatsachen selbst erlebt hätte. Dagegen behauptete Kant: "Wären
die Wunder und erfüllten Weissagungen in der Bibel ganz
zuverlässig berichtet, — hinreichend bewährt, so müßte mein
Glaube an diese berichteten Thatsachen — ich mag wollen, oder
nicht — genau eben denselben Grad der Festigkeit, der Gewiß-
heit haben, als wenn ich selbst sie erlebt hätte.
Aus dieser Differenz im speciellen FaU ergiebt sich aber
selbstverständlich die allgemeine Differenz: Lessing erklärte eine
Abstufung der historischen Gewißheit zwischen dem Glauben an
ein hinreichend bewährtes und dem Glauben an ein selbst-
erlebtes Factum für vorhanden und nothwendig; Kant erklärte
eine solche Abstufung für nicht vorhanden und nothwendig.
Nach meinem UrtheU hat in dieser Frage Lessing Recht,
nicht Kant. Ich entscheide mich dahin : Niemand darf in Abrede
sein, daß die historische Gewißheit, welche aus eigener, Beobach-
tung, eigener Erfahrung, — dem Selbsterleben eines Factums
hervorgeht, nothwendig weit stärker ist, als eine historische
Gewißheit, welche auf fremdem ZeugniO beruht, — natürlich
vorausgesetzt, daß die eigene Beobachtung mit dem Bewußtsein
verbunden bleibt, man sei zu ihr gleich befähigt und bei ihr
gleich begünstigt gewesen, als der fremde Beobachter, und dazu
vorausgesetzt, daß der eigenen Beobachtung, der eigenen Er*
lebung eines Factums nur das ZeugniB eines einzigeu fremden
Altpr. HoDataiohrifl.Bd. SZVL Hit. e n. 0. 27
DigtizBabyCoOgIC
418 2ur Beurthcilimg von Kaufs Kritik der reinen Vernunft etc.
Beobachters gegenübersteht. Leasing und Kant haben den Fall,
daß der Gewißheit aus eigener Erfahrung nur ein einzigsa,
wenn auch noch so glaubwürdiges Zeugniß fremder Erfahrung
gegenübersteht, nicht besonders in Erw&gung gezogen, aondem
nur die Frage bedacht, ob überhaupt der G-ewißheit aus eigener
Erfahrung eine auf fremde Erfahrung gestützte Gewißheit an
Stärke gieich kommen könne, und dabei zunächst nnd vor allem
berücksichtigt, daß mit der eigenen Erfahrung nicht das Zeugniß
Eines anderen, sondern das übereinstimmende Zeugniß mehrerer
anderen concurrirt. Für den letzteren Fall würde aber, meine ich,
auch Lessing eingeräumt haben: Wenn der eigenen Erfahning
das übereinstimmende, — wenigstens in der Hauptsache über-
einstimmeude Zengniß mehrerer oder vieler als tüchtig nud
integer anzuerkennenden fremden Beobachter gegenübersteht,
so kann es nicht ausbleiben, daß die eigene Ueberzeugung er-
schüttert und schwankend werde. Selbstverständlich ist hier
immer nur von einem historischen Factum die Rede, das in der
Vergangenheit liegt und einer nochmaligen Beobachtung ent-
zogen ist, nicht von einer Naturerscheinung, die sich entweder
von selbst einer nochmaligen Beobachtung darbietet, oder ihr
kann dargeboten werden durch Experiment.
c) Die Bedeutung des Historischen in der Bibel.
Diese Differenzen über die historische Gewißheit im All-
gemeinen und die Gewißheit im Besonderen, welche die biblischen
Berichte über Wunder und erfüllte Weissagungen haben könnten,
hinderten jedoch nicht, daß Kant, wie er Lessing's Ansicht über
die durchaus verschiedene Gewißheit von Vemunftwahrheiten
nnd Geschichts Wahrheiten als richtig arterkannt hatte, so auch
weiterhin Lessing's Ansicht über die Bedeutung alles Geschicht-
lichen in der Bibel für die Begründung und Ausbreitung des
Cbristenthums annahm, ob er sie gleich auf der Basis seines
originalen Grundgedankens von dem reinen Eeligionsglauben im
Unterschiede von dem historischen oder Kirchenglauben characte-
ristisch ausprägte.
D,gt,zBabyC00<^IC
Von Emil Arnoldt. 419
Lesaing hatte behauptet: „Die Bibel enthält offenbar
„Mehr als zur Eeligion gehöriges" (M. X, 15.).
Kant behauptete: „Die Schrift enthält noch mehr, als waa
„an sich selbst zum ewigen Leben erforderlich ist, was nämlich zum
„Gteschichtsglauben gehört und in Ansehung des Beligionsglaubens
„als bloßes sinnliches Vehikel zwar (für diese oder jene Person,
^für dieses oder jenes Zeitalter) zuträglich seyn kann, aber nicht
„nothwendig dazu gehört" (Str. d. Fac. R. X, 288 u. 289.).
Leasing hatte erklärt: „Hie BeUgion ist nicht wahr, weil
„die Evangelisten und Apostel sie lehrten: sondern sie lehrten
„sie, weil sie wahr ist" (M. X, 15.). —
Kant erklärte: „Man kann — die Frage aufwerfen:
„ist die Lehre von Gott, weil aie in der fiibel steht, oder steht
„sie in der Bibel, weil sie von Gott ist? — Der erstere Satz ist
„augenscheinlich inconsequeut, weil das göttliche Ansehen des
„Buches hier vorausgesetzt werden muß, um die Göttlichkeit der
„Lehre desselben zu beweisen. Also kann nur der zweite Satz
„statt finden, der aber schlechterdings keines Beweises ßlhig ist
„(Supematuralium non datur scieatia"') (Str. d. Fac, R. X,
323 Anm.).
Lessing hatte erwogen: „Auch das, was Gott lehret, ist
„nicht wahr, weil Gott es lehren will: sondern Gott lehrt es,
„weil es wahr ist" (M. X, 149.).
Kant erwog ähnlich: „Das Gesetz, als unwandelbar in der
„Natur der Dinge liegende Ordnung, ist selbst nicht der Will-
„kühr des Schöpfers, die Folgen derselben so oder anders zu
„entscheiden, überlassen" (D. Fnde aller Dinge, ß. VII, 1 A., 426,).*)
1) Dieser Ausspruch hat seine Parallele an dem Ausspruch in der
Abhandl. „Welches sind die wirkl, Fortachr. d. Meteph. seit Leibn, u. Wolfs
Zeiten"; Nouuienorum non datur scientia (B. 1, 510. 531,).
2) In der Abhandlung, zu der dieser Anhang gehört, ist bei dem wegen
der Construction von „entscheiden" schon dort gegebenen Hinweise auf diese
Stelle (S. 72, Anm. 1.) in Folge eines von mir begangenen Versehens gedruckt
worden; „Auch in der Anthrop. (E. Vn, 2. A. S. 426, 1 Absch.) hat Kant
„entscheiden" mit dem bloßen Accus, construirt" Statt dessen sollte es heißen;
DigtizBabyCoO^IC
420 Zur Beurtheilung von Kant'a Kritik der reinen Vernunft etc.
Lessing hatte die Weisung gegeben; „Ana ihrer" [der
Eeligion] „innem Wahrheit müssen die schriftlichen Ueberliefe-
„ningen erklärt werden, und alle schriftlichen Ueberlieferungen
„können ihr keine innere Wahrheit geben, wenn sie keine hat"
(M. X. 15.). „Woher die innere Wahrheit nehmen? Aus ihr
„selbst. Deswegen beißt sie ja die innere Wahrheit; die Wahr-
„heit, die keiner Beglaubigung von aussen bedarf' (M. X, 150.).
Kant gab die Weisung: „Einige Lehren" Christi sind
„zweifelsireie Urkunden einer Eeligion überhaupt"; „es mag
,mit der Geschichte stehen, wie es wolle (denn in der Idee selbst
, liegt schon der hinreichende Grund zur Annahme)"; „die
,werden freilich keine andere als reine Vemunftlehren seyn
, können; denn diese sind es allein, die sich selbst beweisen, und
„auf denen also die Beglaubigung der andern vorzüglich be-
,ruhen muß" (Bei. inn, d. Gr. d. bl. V. R. X, 191.). „Wenn
,also gleich eine Schrift als göttliche Offenbarung angenommen
,worden, so wird doch das oberste Kriterium derselben, als einer
,solchen, seyn: „„alle Schrift von Gott eingegeben, ist nützlich
,zur Lehre, zur Strafe, zur Besserung u. a, w."", und da das
iletztere, nämlich die moralische Besserung des Menschen, den
,eigentlichen Zweck aller Vemunftreligion ausmacht, so wird
, diese auch das oberste Princip aller Schriftauslegung enthalten.
,Diese Religion ist „„der Geist Gottes, der uns in alle Wahr-
ibeit leitet"". — — „Er bezieht Alles, was die Schrift fllr den
phistorischen Glauben noch enthalten mag, gänzlich auf die
pßegeln und Triebfedern des reinen moralischen Glaubens .
lAlles Forschen und Auslegen der Schrift muß von dem Princip
,ausf;ehn, diesen Geist darin zu suchen" (Rel. inn. d. G. d. b.
V. E. X, 133. — vgl. Str. d. Fac. R. X, 293, b. „die Vernunft
in Religionssachen die oberste Äuslegerin der Schrift".). —
„Auch in der Abhandl. „Das Ende aller Dinge" (R. Vü, 1 A. S. 426, 1 Äbsch.)
bat Kant „entsclieideu" bei ähnlicher Hedewendung mit dem blollen Accus,
construirt, niclit mit der Präp, über. Gleichzeitig berichtige ich hier einen
anderen — sinnentstellenden — Druckfehler in jener Abhandlung (S. 143,
Z. 4 V. u.): „Lehrer", wührend es heiDen sollte: „Leser".
DigtizBabyCoOgIC
Von Emil Äraoldt. 421
Lessing hatte aufgestellt: Zu dem Glauben an Christi
Lehren „verbindet mich Nichts, als diese Lehren selbst, die vor
,18 hundert Jahren allerdings so neu, dem ganzen Umfange
,damals erkannter Wahrheiten so fremd, so uneinverleibUch
,waren, daß nichts geringers als "Wunder und erfüllte Weis-
,sagungen erfordert wurden, um erst die Menge aufmerksam
.darauf zu machen. Die Menge aber auf etwas aufmerksam
.machen, heißt, den gesunden Menschenverstand auf die Spur
ihelfen" (M, X, 41.). »Die historischen "Worte sind das Vehicu-
,lum des prophetischen "Wortes. Ein Vehiculum aber soll
und darf die Kraft und Natur der Arzeney nicht haben"
(M. X, 136.). tjLie Religion iat da, die durch die Predigt der
pAuferstehung Christi über die heydnische und jüdische Religion
jgesieget: und diese Predigt soll gleichwohl damals nicht glaub-
,würdig genug gewesen seyn, als sie siegte? Ich soll glauben,
,daß sie damals nicht glaubwürdig genug befunden ward, weil
ich itzt nicht mehr ihre völlige Glaubwürdigkeit beweisen
,kann? — Nicht viel anders ist es mit den "Wundem, durch
iwelche Christus und seine Jünger die Religion gepflanzet. —
pMögen doch die itzigen Nachrichten von ihnen noch so zweifel-
,haft, noch so verdächtig seyn: sie wurden ja nicht fiir uns
pChristen gethan, die wir itzt leben. Genug, daß sie die Kraft
pder "Deberzeugung gehabt haben, die sie haben sollten! Und
,daß sie die gehabt haben, beweiset das noch immer fortdauernde
."Wunder der Religion selbst. Die wunderbare Religion muß
pdie "Wunder wahrscheinlich machen, die bei ihrer ersten Gründung
pSoUen geschehen seyn." {M. X, 60.)
Kant stellte auf: „Zum Religionsglauben istUeberzeugung
pvon der Wahrheit erforderlich, welche aber durch Statute (daß sie
(göttliche Sprüche sind) nicht beurkundigt werden kann, weil, daß
.sie es sind, nur immer wiederum durch Geschichte bewiesen werden
.müßte" [vgl. Lessing M. X, 40.], „die sich selbst für göttliche
,Offenbamng auszugeben nicht befugt ist" (Str. d. Fac. R. X, 301.).
— „Der Kirchenglaube enthält nur das Vehikel für den reinen
„Religionsglauben" (Rel. inn. d. bl. V. R. X, 141.) — „Wenn
DigtizBabyCoO^IC
422 Zur Beurtheilung von Kaut's Kritik der reinen Vernunlt etc.
„eine moralische Eeligion — — — gegründet werden soll, so
„müssen alle "Wunder, die die Geschichte mit ihrer EinfiÜirung
„verknüpft, den Glauben an Wunder überhaupt endlich selbst
„entbehrlich machen; — — — •— , Nun ist es doch der gemeinen
„Denkungsart der Menschen ganz angemessen, daß, wenn eine
„Religion des bloQen Cultus und der Observanzen ihr Ende er-
„reicht, und dafttr eine im Geist und in der Wahrheit (der mora-
„lisehen Gesinnung) gegründete eingeführt werden soll, die Intro-
„duction der letzteren, ob sie es zwar nicht bedarf, in der Ge-
„schichte noch mit Wundem begleitet und gleichsam auege-
„schmückt werde, um die Endschaft der ersteren , die ohne
„Wunder gar keine Autorität gehabt haben würde, anzukündigen;
,ja auch wohl so, daß, um die Anhänger der ersteren" [der
Religion des bloßen Cidtus] „für die neue Revolution zu ge-
„winnen, sie" [die Religion des bloßeu Cultus] „als jetzt in Er-
„füUung gegangenes älteres Vorbild dessen, was in der letztem"
[der moralischen Religion] ,,der Endzweck der Vorsehung war,
„ausgelegt wird, und unter solchen Umständen kann es nichts
,, fruchten, jene Erzählungen oder Ausdeutungen jetzt zu be-
„»treiten, wenn die wahre Religion einmal da ist, und sich nun
,,und fernerhin durch Vemunftgründe selbst erhalten kann, die
„zu ihrer Zeit durch solche Hülfamittel introdticirt zu werden
„bedurfte; — — — — . Es mag also seyu, daß die Person des
„Lehrers der alleinigen für alle Welten gültigen Religion ein
„Geheimniß, daß seine Erscheinung auf Erden, so wie seine
„Entrückung von derselben, daß sein thatenvolles Leben und
„Leiden lauter Wunder, ja gar, daß die Geschichte, welche die
„Erzählung aller jener Wunder beglaubigen soll, selbst auch ein
„Wunder (übernatürliche Offenbarung) sey, so können wir sie
„insgösammt auf ihrem Werthe beruhen lassen, ja auch die Hülle
,,noch ehren, welche gedient hat, eine Lehre, deren Beglaubigung
„auf einer Urkunde beruht, die unauslöschlich in jeder Seele
„aufbehalten ist und keiner Wunder bedarf, öffentlich in Gang
,,zu bringen; wenn wir nur, den Gebrauch dieser historischen
„Nachrichten betreffend, es nicht zum Religionsstücke machen,
DigtizBabyCoOgIC
Von Emil Äraoldt. 423
„daß das Wissen, Glauben und Bekennen derselben für sich
„Etwas aey, wodurch wir uns Gott wohlgefällig machen können"
(Rel. inn, d. Gr. d. bl. V. R. X, 99 u. 100. — vgl. 130, 2 Abach. —
153, 1 Absch. — 168, 1 Abach. — 198, 1 Abseh. — ).
Der Sentenz Lesaing'a: „Die Wunder, die Christus und
„seine Jünger thaten, waren daa Gerüste, und nicht der Bau.
„Das Gerüste wird abgerissen, sobald der Bau vollendet ist"
(M. X, 60.), steht die Auseinandersetzung Kant's gegenüber:
„Es ist — eine nothwendige Folge der phyaiachen und zu-
igleich der moralischen Anlage in uns, welche letztere die Grund-
lage und zugleich Auslegerin aller Keligion ist, daß diese endlich
,von allen empiriachen Bestimmungsgründen, von allen Statuten,
,welehe auf Geschichte beruhen, und die vermittelst eines Kirchen-
iglaubens provisorisch die Menschen zur Beförderung des Guten
,vereinigen, allmälich losgemacht werde, und so reine Vernunft-
,religion zuletzt über Alle herrsche, ,, „damit Gott sey Alles in
,AlIera"", — Die Hüllen, unter welchen der Embryo sich zuerst
,zuro Menschen bildete, müssen abgelegt werden, wenn er nun
lan das Tageslicht treten soll. Das Leitband der heiligen Ueber-
ilieferung, mit seinen Anhängseln, den Statuten und Observanzen,
.welches zu seiner Zeit gute Dienste that, wird nach und nach
,entbehrliGh, ja endlich zur Fessel, wenn er in das Jünglings-
,alter eintritt. So lange er (die Menschengattung) ,,„ein Kind
,war, war er klug als ein Kind" " und wußte mit Satzungen, die
,ihm ohne sein Zutban auferlegt worden, auch wohl Gelehrsam-
,keit, ja sogar eine der Kirche dienstbare Philosophie zu ver-
,binden; „„nun er aber ein Mann wird, legt er ab, was kindisch
,iat"". Der erniedrigende Unterschied zwischen Laien und
,Klerikem hört auf, und Gleichheit entspringt aus der wahren
,Freiheit, jedoch ohne Anarchie, weil ein Jeder zwar dem (nicht
,atatutari8chen) Gesetz gehorcht, das er sich selbst vorschreibt,
,das er aber auch zugleich als den ihm durch die Vemunfl go-
.offenbarten Willen des Weltherrschers ansehen muß, der alle
.unter einer gemeinschaftlichen Regierung unsichtbarer Weise
einem Staate verbindet, welcher durch die sichtbare Kirche
D,gt,zBabyC00<^IC
424 Zur Beutüieilung von Kant'a Kritik der reinen Vernunft etc.
„vorher dürftig vorgestellt und vorbereitet war" (ibid. S. 145
u. 146. — vgl. 211, 2 Absch. — 212, 1 Abach. — ).
Die Gegenüberstellung dieser Citate aua Leasing's „Beweis
des Geiatea und der Kraft", „Duplik" und ,,Axiomata" einerseits
und Kant'8 „Streit der Facult.", „Ende aller Dinge", und „ßelig.
inn. d. Gr. d. bl- Vem." andererseits läßt, meine ich, kaum einen
Zweifel übrig, daß Kant aus dem ihm eigenthümlichen Gesichts-
punct der Unter Scheidung zwischen Eeligionsglaubeu und Kirchen-
glauben Lesaing's Behauptungen über die Bedeutung, den rela-
tiven Werth und Unwerth des Historischen in der Bibel und in
der Lehre des Christenthums überhaupt nicht nur billigte, sondern
aufnahm und ausführte. In dieser Beziehung kann sein Ver-
hältniß zu Lessing möglichst kurz folgendermaßen angegeben
werden: Er bildete Lesslng's Gedanken aus, daß die Vemunft-
lehren der Bibel und des Christenthums für uns giltig und ver-
bindlich sind kraft ihrer inneren Wahrheit, und daß diese Wahr-
heit für unsere Vernunft als Wahrheit besteht nicht deswegen,
weil sie von Gott willkürlich constituirt, sondern weil sie der
Vernunft Gottes innewohnend und unserer Vernunft einleuchtend
ist, daß dagegen alles Historische der Bibel und des Christen-
thums an und für sich keinen oder nur geringen, relativ aber
einen großen Werth hat als Vehikel, in welchem die reinen
Vemunftlehren uncultivirteren Menschen zu übermitteln sind,
und daß alles Historische, speciell aller Glaube an Wunder und
erfüllte Weissagungen — unbeschadet der Möglichkeit, daß diese
Wunder und erfüllten Weissagungen zu ihrer Zeit wirklich ein-
getreten seien — bei allmäliger Läuterung der unter dem Ein-
fluß der Offenbarung fortschreitenden Vemunfterkenntniß endlich
entbehrlich werden soll und kann.
d) Die Freiheit biblischer und aller Forschung
überhaupt.
Es verdient Beachtung, daß Kant Lessing's Forderung:
alle Zweifel und Einwürfe gegen die Bibel und die Religion
müssen imbewunden öffentlich vorgebracht werden dürfen, nicht
DigtizBabyCoOgIC
Von Emil Ärnoldt. 425
nur — was selbetverständlicli ist — als berechtigt anerkannte,
sondern auch seines Theils ebenfalls ausdrücklich erhob. Die
Abweichungen, die sich dabei in den Ansichten Kant's von
denen Lessing's allenfalls bemerken lassen, sind ziemlich irrelevant.
Leasing gab zu bedenken; Wenn es nicht erlaubt aeyn
kann, alle Arten von Einwürfen gegen die Bibel frey und trocken
herauszusagen ; — woher soll der Christ, welcher zugleich Tbeolog
ist, selbst die Erfahrung haben, daß er in dem G-eiste seines
angenommenen Systems Befriedigendes darauf zu antworten
wisse? woher sollen wir es ihm zutrauen? (M, X, 15.)- Er er-
wartete, ,,daß neue Einwürfe" gegen die Wahrheit der Heligion
„neue Erörterungen, geschärftere Zweifel geschärftere Auf-
lösungen veranlassen werden" {M. X, 174.). Er legte Verwahrung
dagegen ein, daß die christliche Religion „kranke Stellen habe,
die schlechterdings keine Betastung dulden" (M. X, 186.). —
Genau in derselben Sinnesart erklärte Kant die uneingeschränkte
Freiheit philosophischer Untersuchung gegenüber der biblischen
Theologie für eine Bedingung des Fortschritts auf dem eigenen
Gebiete der letzteren, tadelte er die Verhehlung von Zweifeln
.und Einwürfen gegen die biblische Offenbarungslehre als eine
klägliche und verßingliche Ausflucht: „Der biblische Theolog
„mag mit dem Philosophen einig seyn, oder ihn widerlegen
„zu müssen glauben, wenn er ihn nur hört. Denn so kann er
„allein wider alle Schwierigkeiten, die ihm dieser machen dürfte,
„zum Voraus bewaffnet seyn. Aber diese zu verheimlichen, auch
„wohl als ungöttlich zu verrufen, ist ein armseliger Behelf, der
„nicht Stieb hält" (In der Vorr. zur 1 Aufl. der Relig. inn. d,
Gr. d. bloß. Vem. R. X, 12.).
Lessing forderte, ,,daß die Kirche auch nicht einmal das
„Recht muss haben wollen, die Schriften, die gegen sie ge-
„scbrieben worden, von welcher Beschaffenheit sie auch seyn
,,mögen, in ihrer Geburth zu ersticken, oder zu ihrer Geburth
„gar nicht gelangen zu lassen; es sey denn durch die bessere
„Belelmmg der Urheber" (M. X, 191.). Er stellte dieses Ver-
langen im Geiste des wahren Lutherthums, im Geiste Luther's
DigtizBabyCoOgIC
426 Zur Beurtheilung von Kant'a Kritik der reiiien Vernunft etc.
selbst: „Luthers Geist erfodert schlechterdings, daß man keinen
„Menschen, in der Erkenntnis der "Wahrheit nach seinem eigenen
„Gutdünken fortzugehen, hindern muß. Aber man hindert alle
„daran, wenn man auch nur Einem verbieten will, seinen Fort-
,,gang in der Erkenntnifl andern mitzutheilen. Denn ohne diese
„Mittheilung im Einzeln, ist kein Fortgang im Ganzen möglich"
(M. X, 161.). Lessing betonte hier also die Nothwendigkeit,
daß auch nicht ein Einziger in der Freiheit, Öffentlich zu denken,
behindert werde, und bekämpfte vor allem den äusseren Zwang,
welchen die Kirche gegen den Einzelnen auszuüben gewillt sei,
indem sie sich für ihre Zwecke der Staatsgewalt zu bedienen trachte.
Kant im Unterschiede von Lessing betonte die Nothwendig-
keit, dafl die Freiheit zu denken gerade eine öffentliche sei,
denn ohne Öffentliches Denken finde so recht gar kein Denken
Statt, — finde rechtes Denken nicht nur nicht in allen Statt,
sondern kaum einmal in einem Einzigen, und er faßte zuvörderst
nicht die Hemmung der Denkfreiheit durch die Kirche, sondern
die Hemmung der Denkfreiheit durch die Staatsgewalt ins
Äuge, welche den Zwang freilich auch zu Gunsten der statu-
tarischen Kirchenlehre, aber nicht blos zu Gunsten dieser, sondern
vor allem zur Aufrechterhaltung ihrer eigenen statutarischen
Rechtsordnung ausübt.
In seiner Abhandl.: „Was heißt: sich im Denken orien-
tiren?" (1786), gegen deren Schluß er die möglichen Hemmungen
der Denkfreiheit — durch bürgerlichen Zwang, durch Ge-.
Wissenszwang, durch die Maxime eines gestzlosen Gebrauchs
der Vernunft — erwägt, um den Männern, die sich zu Gimsten
ihrer kühnen Qenieschwünge in Angriffen auf die Vernunft er-
gingen, darzulegen, daß ihr Verfahren eine Unterdrückung der
Denkfreiheit herbeizuführen drohe, erklärt er: „Der Freiheit zu
,, denken ist erstlich der bürgerliche Zwang entgegengesetzt.
„Zwar sagt man: die Freiheit zu sprechen, oder zu schreiben,
„könne uns zwar durch obere Gewalt, aber die Freiheit zu
„denken, durch sie gar nicht genommen werden. Allein, wie
„viel und mit welcher Eichtigkeit würden wir wohl denken,
DigtizBabyCoO^IC
Von Emil Arnoldt. 427
„wenn wir nicht gleichsam in Gemeinschaft mit Andern, denen
„wir unsere, und die uns ihre Gedanken mittheilen, dächten!
„Also kann man wohl sagen, daß diejenige äußere Gewalt, welche
„die Freiheit, seine Gedanken öffentlich mitzutheilen, den
„Menschen entreißt, ihnen auch die Freiheit zu denken nehme,
„das einzige Kleinod, das uns bei allen bürgerlichen Lasten noch
„übrig bleibt, und wodurch allein wider alle Uebel dieses Zu-
„standes noch Rath geschafft werden kann" (R. I, 387.) Daher
forderte Kant Migesichts der Uebel, die in den bürgerlichen
Zuständen aus den statutarisch, nicht rational eingerichteten
Staatsverfassungen entspringen, bestimmter als Lessing, und
klar und ausdrücklich Preßfreiheit, — „die Freiheit der Feder"
als „das einzige Palladium der Volksrechte" (R. VII, 1 A., 216.
— vgl. ibid. 1 A-, 147. 268. 2 A., 13. — X, 282 unt.).
Lessing begann einen seiner Anti-Goezes mit dem ironischen
Ausruf: ,,0 glückliche Zeiten, da die Geistlichkeit noch alles in
„allem war, — für uns dachte und für uns sß! Wie gern brächte
„euch der Herr Hauptpastor im Triumphe wieder zurück! Wie
„gern möchte er, daß sich Deutschlands Kegenten zn dieser
„heilsamen Absicht mit ihm vereinigten!" (M. X, 184.). Hier
verspottete Lesaing die geistliche, von der Kirche theila allein,
theils mit Hilfe der Staatsgewalt geübte Bevormundung, wie
eine der Vergangenheit angehßrige Beeinträchtigung freien
Forachene.
Kant betrachtete diese Art der Gefährdung der Denkfrei-
heit als nicht schon entschwunden, indem er an der oben citirten
Stelle fortfuhr: ,, Zweitens wird die Freiheit zu denken auch
„in der Bedeutung genommen, daß ihr der Gewissenszwang
,, entgegengesetzt ist; wo ohne alle äußere Gewalt in Sachen der
„Beligion sich Bürger über andere zu Vormündern aufwerfen,
„und statt Argumente, durch vorgeschriebene mit ängstlicher
„Furcht vor d«r Gefahr einer eigenen Untersuchung be-
„gleitete Glaubens form ein, alle Prüfung der Vernunft durch
„frühen Eindruck auf die Gemüther zu verbannen wissen" (R. I,
387 u. 388.). Schon in seinem Aufsatz : „Beantwortung der Frage :
D,gt,zBabyC00<^IC
428 ^^i* Beurtheilung von Kant'g Kritik der reinen Vernunft etc.
Was ist Aufklärung?" (1784), wo er die Unmündigkeit in Re-
ligion-ssachen „so wie die achädÜchste, also auch die ent
ehrendste unter allen" nennt (E, Vn, 1 A,, 153.)i d. h, die
durch Glaubenszwang aufrecht erhaltene Unmündigkeit, — die
Unmündigkeit, für welche jene Vormünder sorgen, die, „nach-
„dem sie ihr Hausvieh zuerst dumm gemacht haben und sorg-
„ßlltig verhüteten, daß diese ruhigen Geschöpfe einen Schritt
„außer dem Gängelwagen, darin sie aie einsperrten, wagen durften,
„ihnen nachher die Gefahr zeigen, die ihnen droht, wenn sie es
„versuchen, allein zu gehen" (ibid. S. 145 u. 146.) — schon
dort hatte er unbewundon erklärt: ,,DaJ3 die Menschen, wie die
„Sachen jetzt stehen, im Ganzen genommen, schon im Stande
„wären, oder darin auch nur gesetzt werden könnten, in Keli-
„gionsdingen sich ihres eigenen Verstandes ohne Leitung eines
„Andern sicher und gut zu bedienen, daran fehlt noch sehr viel"
(ibid. S. 161 u. 152.). Doch wußte Lesaing ebenfalls von „dem
Pöbel, für den" ein Goeze „schreibt und prediget", und seine
Verkündigung: „Auch der geringste Pöbel, wenn er nur von
„seiner Obrigkeit gut gelenkt wird, wird von Zeit zu Zeit er-
,,leuchteter, gesitteter, besser;" — — gewisse Prediger „reißen
,,8ich nicht von dem Pöbel, — aber der Pöbel reißt sich endlich
„von ihnen los" {M, X, 189.) ist seinem eigenen Zeitalter kaum
so günstig, als ihm Kant's Zeugniß am Ende der eben citirten
Stelle ist: „Allein, daß jetzt" den Menschen ,,doch das Feld ge-
„öffnet wird, sich dahin frei zu bearbeiten" — dahin, daß sie
sich in Religionsdingen ihres eigenen Verstandes ohne Leitung
eines anderen sicher und gut bedienen, ,,und die Hindemisse
„der allgemeinen Aufklärung, oder des Ausganges aus ihrer
„selbstverschuldeten Unmündigkeit, allmälig weniger werden,
„davon haben wir doch deutliche Anzeigen" (ibid. S, 162.).
Kant war also mit Lessing darin einverstanden, daß für einen
Theil, und für «inen nicht ganz geringen Theil der Menschen
der Gewissenszwang entschwimden , oder im Schwinden be-
griffen sei.
Desgleichen war er Eines Sinnes mit Lessing darin, daß
DigtizBabyCoO^IC
Von Emil Araotdt. 429
die volle ändere Freiheit, PrßfuDgen der Religion, Prüfungen
sowoM der Glaubenssätze wie der historischen Grundlagen dae
Christenthums in Druckschriften zu veröffentlichen, die Läute-
rung religiöser Erkenntniß am wirksamsten befördere, daß also
Äußerer Zwang sie mehr aufhalte und hemme, als Glaubens-
zwang. Beleg dafür ist zunächst seine Auseinandersetzung in
dem Aufsatze über Aufklärung, daß der öffentliche Ge-
brauch der Vernunft, d. h, derjenige, den jemand als Gelehrter
von ihr vor dem ganzen Publicum der Les erweit mache —
,,und der allein kann Aufklärung unter Menschen zu Stande
bringen" — in allen Stücken jederzeit frei sein müsse, wenn
auch der Privatgebraueh der Vernunft, d. h. derjenige, den
jemand in einem ihm anvertrauten bürgerlichen Posten oder
Amte von ihr mache, öfters enge eigescbränkt sein dürfe, ohne
doch darum den Fortschritt der Aufklärung sonderlich zu hindern
(B, VII, 1 A., 147.). Aber ein noch mehr unverkennbarer Beleg
für seine Meinung von der überwiegenden Schädlichkeit des
äußeren Zwanges ist seine ausdrückliche Erklärung in der Eelig.
an. d. Gr. d. bloß. Vern.; Der „eigentliche Gewissenszwang ist
,zwar schlimm genug (weil er zur Innern Heuchelei verleitet),
aber nicht so schlimm, als die Hemmung der äußern Glaubens-
ifreiheit, weil jener durch den Fortschritt der moralischen Ein*
,sicht und das Bewußtseyn seiner Freiheit, aus welcher die
wahre Achtung vor Pflicht allein entspringen kann, allmälig
,von selbst schwinden muß; dieser äußere hingegen alle frei-
,willigen Fortschritte, in der ethischen Gemeinschaft der
.Gläubigen, die das "Wesen der wahren Kirche ausmacht, ver-
hindert, und die Form derselben ganz politischen Verordnungen
unterwirft" (R. X, 161 Anm.).
Kant schloß sich also dem Kampfe Lessing's für unein-
geschränkte Freiheit der Forschung auf religiösem Gebiete nicht
nur nach jeder Seite hin, von wo ihr Gefahr drohte, sondern
auch mit Aufbietung theils genau, theils beinahe eben- derselben
Gedanken zur Abwehr ihrer Unterdrückung einmüthig an.
Doch zeigt sich auch hier Ein Gedanke, welcher Kant ganz
DigtizBabyCoOgIC
430 ^"i* BeurtheilonK von Kaut's Kritik der reinen Vernunft etc.
allein und eigenthümlich angehörte. Er galt der Selbstzerstönmg
der Denkfreiheit durch einen gesetzlosen Gebranch der Ver-
nunft. Wenn die Vernanfl nämlich — bemerkte Kant — sich
demjenigen Gresetze nicht unterwerfen will, das sie sich selbst
giebt, so muß sie sich einem fremden Gesetze unterwerfen, denn
nichts kann ohne Gesetz lange sein Spiel treiben, — „selbst
nicht der größte Unsinn". Dies fremde Gesetz empfängt sie
YOU der Obrigkeit, die zur Bewältiguog der im Gefolge der
Schwärmerei emporkommenden und auch bürgerliche Angelegen-
heiten verwirrenden Freigeisterei die Denkfreiheit am Ende gar
authebt. Nun erklären die vermeintlichen, für „Gänatlinge der
gütigen Natur" angesehenen Genies ohne Einschränkung durch
das Gesetz der Vernunft denken zu wollen, weil sie ohne dies
Gesetz ,, weiter zu sehen" hoffen, als mit demselben. Daher
werden sie allgemach unvermeidlich die Denkfreiheit einbüßen
und, da diese Einbuße nicht etwa als ein unverschuldetes Un-
glück, sondern als Folge eines wahren Uebennuthes zu betrachten
ist, die Denkfreiheit filr sich and andere im eigentlichen Sinne
des Worts verscherzen (R. I, 388.).
Diese Betrachtung lag außer dem Gedankenkreise Lessing's.
Auch hatte er keinen Anlaß sie anzustellen, und gar keinen
Anlaij dazu in dem Streit über die Fragmente.
e) Die Entbehrlichkeit der biblischen, speciell der
n eu t es t am ent liehen Schriften.
Ob nun auch Kant, wie ich dargelegt habe, den Ueher-
legungen, Forderungen und Beweisen durchweg beipflichtete,
welche Lessing in dem Streit gegen den inconsequenten, bigotten,
buchstabengläubigen Orthodoxismus zur Vertheidigung einer
conseqnenten und ehrlichen Orthodoxie'} einerseits und zur Be-
I) TJeber Orthocloxismus and Orthodosie vgl. Lessing's Gegensatz
HI zu den Fragmenten, M. X, 26-28, besonders Duplik, M. X, 56. 90; —
und Kant in der ßelig. inn. d. Gr. d. bloD. Vem. R. X, 100 Anm. 129. -
im Str, d. Fac. X, 810, No. 1. 314, 2 Abach. 316 u. 317. — Der Unterachied
zwischen Orthodonie und Orthodoxiamue läßt sich im Sinne Kant's so fest-
stellen: Orthodoxie ist die Anhänglichkeit an den ächten, d. i. von Ethni^
zeabyCoO^IC
Von Emil Äraoldt. 431
gründung einer dem Geiste des Christeatlmins homogenen Ver-
nanftreligion andererseits vorbrachte, so traf «r doch in der
Frage, um deren Erledigung es sich wesentlich bei dem Streit
zwischen Lessing und G-oeze handelte , eine Entscheidung ,
welche zum Theil Goeze mehr Eecht gab, als Lessing. Diese
Frage galt der Möglichkeit, ob alles, was die Evangelisten und
Apostel geschrieben haben, wiederum verloren ginge, und die
von ihnen gelehrte Keligion doch bestünde (M. X, 143.), ob
wohl eine Spur von dem, was Christus gethan und gelehrt hat,
in der Welt würde übrig geblieben sein, wenn die neutestament-
lichen Bücher nicht geschrieben und bis auf uns gekommen
wären (M. X, 142.). Nun räumte Kant allerdings Lessing die
Möglichkeit bereitwillig ein, daß die von den Evangelisten und
Aposteln gelehrte Religion keineswegs mit einem etwaigen Ver-
lust der Bibel auch würde verloren gehen. Denn er erklärte
cismus freien, mit dem reinen Religionsglauben verbundenen, christlichen
Kirchenglaubsn, nach welchem der Mensch niclit schon durch das Be-
kenntnis zu Christus als eingeborenem Sohne üottes und zugleich irdischer,
historischer Persönlichkeit und eben so wenig durch das bloße Mitmachen
kirchlicher Observanzen wie Beien, Kirchengehen, und Theilnahme am Abend-
mahl, sondern vor allem und zumeist durch Befolgung der moralischen
Vorschriften Christi in einem guten Lebenswandel als gerechtfertigt vor
Gott dürfe angesehen werden. Diese Orthodoxie kann die liberale Ortho-
doxie genannt werden. Die despotisch e (brutale) Orthodoxie da-
gegen oder der „Orthodoxismus", — „ein", wie Kant bemerkt, von Spener
„nicht übel ausgedachter Name" — ist die Anhänglichkeit an den unäcliten,
d. i. wenn auch nicht als Etbnicismus brutus, doch als Ethnicismus spe-
ciosus aufzufassenden, von dem reinen Religionsglauhen losgelösten, christ-
lichen Kirchenglauben, nach welchem der ilenach durch das bloDe Bekenntniß
zu Christus und den von dem Clerus über die Person desaeihen aufgestellten
Lehren, so wie durch das Mitmachen der von dem Clerus vorgeschriebenen
kirchlichen Observanzen, ob auch nebenlier durch einen ehrbaren, freilich
mit Uebertretungen der statutarischen Gebote untermengten, aber durch
Beten, Kirchengehen, und Empfang des Sacrameuts des Altars immer wieder
zu restanrirenden Lebenswandel Gott wohlgefällig werde. Beide Arten der
Orthodoxie trachten nach einer Verbindung mit der Staatsgewalt, die libe-
rale, um durch die Autorität der letzteren ihre eigene Autorität zu stützen,
die brutale, oder der „Orthodoxismus", um ihre eigene Autorität über die
Autorität der Staatsgewalt herrschend zu machen.
DigtizBabyCoOgle
432 Z^u* Beurtheilung von Kaut's Kritik der reinen Vernunft etc.
In einer äer oben ans der ßelig. inn. d, Gr. d. bloQ. Vem. von mir
citirten Stellen, daß „das Leitbajid der heiligen Ueberlieferong",
unter welche er dort die Bibel mitbegriff, „nach und noch ent-
behrlich" werde (R. X, 145.)- Ja, er hatte von seinem Stand-
puncte bis zu der Behauptung fortgehen dürfen, daß selbst die
Beligion, welche Leasing in seinem Streit mit Ooeze scblieSHch
als christliche Religion bezeichnete, nämlich die Glaubenslehre
in den Sjmbolis der ersten vier Jahrhunderte der christlichen
Kirche mit Inbegriff derer in dem Symbolum der Apostel und
dem Symbo]um des Athauasius (M. X, 231.) könnten verloren
gehen, ohne daß darum die christliche Eeligion als reiner Ver-
nanft- und Keligionsglaube müßte verloren gehen, welcher in
der christlichen Lehre von dem auf Facta gegründeten Offen-
barungs- und Kirchenglauben zu unterscheiden sei. Benn die
christliche Religion als reiner Vernunft- und Religionsglaabe im
Unterschiede von dem christliehen Offenbarungs- und Kirchen-
glauben, d. h. der Glaube an Freiheit, Gott und Unsterblichkeit,
verbunden mit der Einsicht, daß der Mensch von Grund aua
verderbt und nach seinem Ermessen durch seinen Lebenswandel
vor Gott nie gerechtfertigt, gleichwohl einer solchen Recht-
fertigung durchaus bedürftig, seine Hoffnung aber, durch kirch-
liche Observanzen und fromme Frohndienste seine mangelnde
Gerechtigkeit zu ersetzen, eitel, dagegen sein Zutrauen, in Folge
einer aus seiner Freiheit vollzogenen inneren "Wiedergeburt und
willigen Uebemahme der Lehensäbel und Lebensleiden in der
Gesinnung eines neuen Menschen als Sohnes Gottes der Vei^
antwortung für seine Sündenschuld von Gott gnädig entschlagen
zu werden, wohl begründet sei, — diese christhche Religion ist
eine Wahrheit, auf die zugleich Vernunft, Herz und Gewissen
hinfahren und hintreiben (R. X, 86—88. 174. 188 u. 189. 196 u.
197.). Ob nun gleich Kant auch annahm, daß in der christlichen
Kirche die Religion noch auf unabsehliche Zeit hin nicht als
als für sich bestehend von dem christlichen Kirchenglauben
könne getrennt werden, so hielt er sich doch Überzeugt, daß
bei alhuäligem, fortschreitendem Uebergange des christlichen
DigtizBabyCoOgIC
Von EmU Arnoldt. 433
Kirehenglaubens in die christliche Religion dereinst auf Grund
der christlichen, d. i. der einen, allgemeinen, freien und un-
veränderlichen Yemuuflreligion allein ein ethischer Staat, das
Gottesreich, die triumphirende Kirche, welche ihres Grundes
halber eben auch die eine, allgemeine, freie und unveränderliche
sei, müsse errichtet werden können und werde wirklich errichtet
werden (B. X, 120. 137. 146 u. 147. 183. 197.). Daher muBte
Kant selbstverständlich der Behauptung Lessing'a beitreten, daß
die von den Evangelisten und Aposteln gelehrte Eeligion be-
stehen würde, auch wenn alles, was von ihnen geschrieben
worden, einst wiederum verloren ginge, und in dieser Hinsicht
die Gegenbehauptung Goeze's verwerfen.
Leasing hatte aber auch auf Goeze's Frage: „Würde, wenn
„die Neutestamentlichen Bücher nicht geschrieben, und bis auf
„uns gekommen wären, wohl eine Spur von dem, was Christus
„gethan und gelehret hat, in der Welt übrig geblieben seyn?"
folgende Entgegnung gemacht: „Gott behüte mich, jemals so
„klein von Christi Lehren zu denken, daß ich diese Frage so
,^gerade zu mit Nein zu beantworten wagte! Nein; dieses Nein
„spräche ich nicht nach, und wenn mir es ein Engel vom Himmel
„vorsagte. Geschweige, da mir es nur ein Lutherscher Pastor
„in den Mund legen will. — Alles, was in der Welt geschieht,
„ließe Sporen in der Welt zurück, ob sie der Mensch gleich
„nicht immer nachweisen kann : und nur deine Lehren, göttlicher
„Menschenfreund, die du nicht aufzuschreiben, die du eu predigen
„befählest, wenn sie auch nur wären geprediget worden, sollten
,,nicl\ts, gar nichts gewirket haben, woraus sich ihr Ursprung er-
, , kennen ließe? Deine Worte sollten erst, in todte Buchstaben ver-
„wandelt, Worte des Lebens geworden seyn? Sind die Bücher der
„einzige Weg, die Menschen zu erleuchten, und zu bessern? Ist
„mündliche Ueberlieferung nichts? Und wenn mündliche Ueber-
„lieferung tausend vorsetzlichenund unvorsetzUchen Verfälschungen
,, unterworfen ist: sind es die Bücher nicht auch? Hätte Gott durch
„die nehmliobe Aeußerung seiner unmittelbaren Gewalt, nicht
„eben sowohl die mündlichen Ueberlieferungen vor Verfalsclmngen
Aitpt. HonatBBchrlft Bd. XXVI, Heft 5 D. 0. 28
DigtizBabyCoO^IC
434 ^i"' Beurtlieilung voa Kant's Kritik der reiaen Vernunft etc.
„bewahren können, als wir sagen, daß er die Bücher bewahret
,,hat? — " {M. X, 142.)- Nun verstand Goeze unter „dem, was
Christus gethan und gelehret hat", zweifellos das, was auf Grund
der neuteetameutlichen, zumal der evangelischen Berichte Ober
Christi Person, seine Reden, seine Aussprüche als christliche
Lehre in der christlichen Kirche verbreitet ist, — mithin alles
das zusammen, was späterhin Kant in der christlichen Lehre
als reinen Vernunft- und Beligionsglauben einestheils tmd als
statutarischen Offenbarungs- und Kirchenglauben anderentheils
von einander schied. Und der Ursprung der christlichen Lehren,
der ohne schriftliche Berichte Über Christus schon aus den
Wirkungen der gepredigten Lehren allein, nach Lessing's An-
nahme, würde zu entdecken sein, ist ihr göttlicher Ursprung, —
die göttliche Veranstaltung ihrer OflFenbarung. Demnach stellte
Lessing der Einrede Goeze's die Ansicht entgegen, daß — um
die Kantischen Termini zu gebrauchen — der christliche Offen-
barungs- und Kirchenglaube als Vehikel des reinen Vemunft-
tind I^ligionsglaubens auch ohne Schrift, ohne neues Testament,
ohne Bibel hätte auf uns kommen können.
Diese Ansicht aber ließ Kant, wie weit sich auch im Uebrigen
sein Urtheil über die Bibel von dem Goeze's entfernte, fast eben
so wenig als der letztere gelten, indem er seine Auseinander-
setzung in dem Vten Abschnitt des dritten Stückes der Kelig.
inn. d. Gr. d. bloß, Vem., daß die Constitution jeder Kirche alle-
mal von einem historischen (Offenbarungs-) Glauben ausgehe,
mit einer Darlegung schloß, welche, zwar ohne Leasing zu nennen,
doch wie mir scheint, mit bewußter Bücksichtnahme auf. jene
Ansicht Lessing's ist geschrieben worden:
„Wenn es nun einmal nicht zu ändern steht, daß ein
„statutarischer Kirchenglaube dem reinen Keligionsglauben als
„Vehikel und Mittel der öffentlichen Vereinigung der Menschen
,,zur BefVmlenmg des letztem beigegeben werde, so muß man
„auch eiiig<:rttehen, daß" [für*)] ,,die unveränderliche Aufbehaltnng
1) Aisrh l,.,i Hfurt-sriHtein (1&S9. VI, 278. - 1868. VI, 204.) fehlt das an
dieser tii'-W-t wr.ljl M.t.hwendige „für".
DigtizBabyCoO^IC
Von Emil ArnoldL. 435
„desselben, die allegmeme einförmige Ausbreitung, und selbst
„die Achtung vor der in ihm angenommenen Offenbarung,
„schwerlich durch Tradition, sondern nur durch Schrift, die selbst
„wiederum als Offenbarung fUr Zeitgenossen und Nachkommen-
„Bchafl ein Gegenstand der Hochachtung seyn mn£, hinreichend
„gesorgt werden kann ; denn das fördert das Bedüriiiiß der
„Menschen, um ihrer gotteadienstlichen Pflicht gewiß zu seyn.
„Ein heiliges Buch erwirbt sich selbst bei denen (und gerade
,,bei diesen am meisten), die es nicht leaen, wenigstens sich
„daraus keinen zusammenhängenden Religionsbegriff machen
„können, die größte Achtung, und alles Vernünfteln verschlägt
,, nichts wider den alle Einwürfe niederschlagenden Machtspruch:
„Da steht's geschrieben. Daher heißen auch die Stellen
„desselben, die einen Glaubenspunkt darlegen sollen, schlechthin
„Sprüche. Die bestimmten Ausleger einer solchen Schrift sind
„eben durch dieses ihr Geschäft selbst gleichsam geweihte Per-
„sonen, und die Geschichte beweist, daß kein auf Schrift ge-
„gründeter Glaube selbst durch die verwüstendsten Staatsrevolu-
„tionen hat vertilgt werdenkönnenj indeßen daß der, welcher
„sich auf Tradition und alte öffentliche Observanzen gründete,
„in der Zerrüttung des Staats zugleich seinen Untergang fand,
„Glücklich! wenn ein solches den Menschen zu Händen gekom-
„menes Buch, neben seinen Statuten als Glaubensgesetzen, zu-
„gleich die reinste moralische Religionslehre mit Vollständigkeit
„enthält, die mit jenen (als Vehikeln ihrer Introduction) in die
„beste Harmonie gebracht werden kann, in welchem Falle es,
„sowohl des dadurch zu erreichenden Zwecks halber, als wegen
„der Schwierigkeit sich den Ursprung einer solchen durch das-
„selbe vorgegangenen Erleuchtung des Menschengeschlechts nach
„natürlichen Gesetzen begreiflich zu machen, das Ansehen, gleich
„einer Offenbarung, behaupten kann" (R. X, 126 u. 127.). Hier
förderte Kant das Eingeständniß , das Lessing an der oben
citirten Stelle der „Axioraata" nicht hatte machen wollen.
Lessing hatte gemeint: Wenn Christi Lehren auch nur
wären gepredigt worden, würde ihr göttlicher Ursprung, ihr
DigtizBabyCoOgIC
436 Znr Beurtbeilung von Kanl's Kritik der reinen Vernunft etc
Ursprung als geoflfenbarter Lehren doch aoa ihren Wirkungen
zu erkennen sein. Kant entgegnete: Für die Achtung der in
dem christlichen Kirchenglauben angenommenen Offenbarung
kann schwerlich durch Tradition, sondern nur durch Schrift,
die selbst wiederum als Ofifenbarung für Zeitgenossen und Nach-
kommenschaft ein Gegenstand der Hochachtung sein muß, hin-
reichend gesorgt werden. Also meinte Kant; Predigt und Tradi-
tion allein genügen schwerlich, um einen Kirchenglttuben als
Offenbarung vorerst auch nur zur Anerkennung zu bringen, und
sie genügen noch weniger, um späterhin auf einen als Offen-
barung anerkannten Glauben eine Kirche zu gründen und durch
ihn eine Kirche für die Dauer zu erhalten.
Leasing hatte gefragt: Wenn mündliche Ueberlieferung
tausend vorsätzlichen und un vorsätzlichen Yerfillschungen unter-
worfen ist: sind es die Bücher nicht auch? Kant antwortete:
Für die unveränderliche Aufbehaltung, die allgemeine, einförmige
Ausbreitung eines Kirchenglaubens kann ebenfalls schwerlich
durch Tradition, sondern nur durch Schrift gesorgt werden.
Lessiug hatte aber auch zu bedenken gegeben: „Hätte Gott
„durch die nehmliche Aeußerung seiner unmittelbaren Gewalt,
,, nicht eben sowohl die mündlichen Ueberlieferungen vor Ver-
,,ßllschungen bewahren können, als wir sagen, daß er die Bücher
„bewahret hat?" — Dieser'Frage gegenüber räumte Kant frei-
lich in abstracto die Möglichkeit eiiies aolchen Wunders, obzwar
nur bedingt und augenscheinlich ohne Zuversicht zu dem Ein-
treten desselben in concreto ein, wie er denn auch in abstracto
die &[Öglichkeit ,, einer ganz sichern Tradition", obzwar auch
nur bedingt und ohne rechte Zuversicht zu der Wirklichkeit
derselben in concreto einräumte, indem er an anderer Stelle —
in der Einleitung zum ersten Theil des vierten Stückes der Relig.
inn, d. Gr. d. bloß. Vem. — erklärte: ,,Wenn die Keligion, die
„ihrer innern Beschaffenheit wegen nur als geoffenbart angesehen
„werden kann, nicht in einer ganz sichern Tradition oder in
„heiligen Büchern als Urkunden aufbehalten würde, so würde
„sie aus der Welt verschwinden, und es müßte entweder eine
DigtizBabyCoOgIC
Von Emil Amoldt. 437
„von Zeit za Zeit öfTentlich wiederholte, oder in jedem Menschen
,, innerlich eine continnirlich fortdauernde Übernatürliche Offen-
„barung vorgehen, ohne welche die Ausbreitung und Fortpflan-
„zung eines solchen Glaubens nicht möglich seyn würde" (R. X,
187.). Aber diese Einräumung hat nicht viel zu bedeuten. Denn
er hielt gegen Lessing's Voraussetzung von der Möglichkeit un-
verfälschter Fortpflanzung einer OfFenbarungslehre durch münd-
liche Tradition oder allenfalls durch ein göttliches Wunder
schließlich immer die Ansicht fest, daß zur Sichening einer
solchen Lehre im Verfolge der Zeiten eine schriftliche Urkunde
und die Unterweisung des Volkes gemäß und wo möglieh aus
derselben erforderlich sei. So beginnt er den zweiteo Abschnitt
— wo er „die christliche Religion als gelehrte Religion" be-
trachtet — vom ersten Theil des vierten Stückes der Relig. inn,
d. Gr. d. bloß. Vorn, mit der nachdrucksvollen Erklärung: „So
jfeme eine Religion Glaubenssätze als nothwendig vorträgt, die
pnicht durch die Vernunft als solche erkannt werden können,
igleichwohl aber doch allen Menschen auf alle künftige Zeiten
jUnveriälscht (dem wesentlichen Inhalte nach) mitgetheilt werden
,3oUen, so ist sie (wenn man nicht ein continuirliches Wunder
„der Offenbarung annehmen will) als ein der Obhut der Ge-
dieh rten anvertrautes heiliges Gut anzusehen. Denn ob sie
.gleich Anfangs mit Wundem und Thaten begleitet, auch in
,dem, was durch Vernunft eben nicht bestätigt wird, allent-
„balben Eingang finden konnte, so wird doch selbst die Nach-
pricht von diesen Wundern, zusammt den Lehren, die der Be-
(Stätigung durch dieselbe') bedurften, in der Folge der Zeit
,eine schriftliche urkundliche und unveränderliche Belehrung
,der Nachkommenschaft nöthig haben" (R. X, 196.).
1) „"Dieselbe" auch in der Orig.- Ausg. 1793. S. 2.S3. Ebenso bei Harten-
stein 1839. VI. 344. — 1868 VI, 261. Wenn dies die richtige Lesart ist,
so muß „dieselbe" als Aec. Plur., auf Wunder, — nicht als Acc. Sing.,
anf „Nachricbt von diesen Wundem" bezogen werden, da die OfFenbarungB-
lehren Anfangs „der Bestätigung" durch Wunder, nicht blos durch die Nach-
richt von Wundem „bedurften", wenn sie auch jetzt der Bestätigung
wenigstens durch die Nachrirht von dienen Wundem bedürfen.
D,gt,zBabyC00<^IC
43S ^*^ Beurtheilung von Kant's Kritik der reinen Vernunft etc.
Also ZU unverfölschter Mittheiluug geoffenbarter Glaubens-
sätze an nachgeboreno Geaclilechter ist Belehrung der letzteren
gemäß einer geachriebenen Urkunde durch Gelehrte nöthig, „wenn
man nicht ein continuirliohes "Wunder der Offenbarung annehmen
will", — welches man anzunehmen denn doch gewiß wird Be-
denken tragen!
ITebrigens ist es nicht ganz unmöglich, daß an jener oben
angeführten Stelle aus dem V, Abschnitt des dritten Stückes
der Eelig. inn. d. Gr. d. bloß. Vern. (R. X, 126 u. 127.) nooh
zwei Bermerkungen einen Bezug auf Aeußerungen Lessiug's
haben — als durch sie veranlasst und halbwege gegen sie ge-
richtet. Indem Kant nämlich an jener Stelle sowohl wie an der
zuletzt angezogenen aus dorn ersten Theil des vierten Stückes —
was kaum in Zweifel zu ziehen ist — bewußt Lessing's Ansicht
bestritt, daß die christliche Offenbarungslehre durch Tradition
ohne Bibel von Geschlecht zu Geschlecht könnte fortgepflanzt
werden, so mochte er sich leicht auch an solche Aeußerungen
Lessing's erinnern, welche zu verstehen gaben, daß die Bibel
theils für diejenigen ■ christlichen Laien, die nicht lesen konnten,
bedeutungslos, theils für diejeuigon, die lesen konnten, deshalb
entbehrlich wäre, weil sich der Inhalt der in die Bibel eingeflosse-
nen Offenbarung längst aus dieser ursprünglichen Quelle in
andere Schriften, in Symbole und Katechismen ergossen hätte.
Lessing hatte nämlich in seiner Erklärung zu dem 8. seiner
,,Axiomata" nachgewiesen, daß die Bibel wie von dem neunten
Jahrhundert bis auf den Anfang des fünfzehnten, so auch vor
dem neunten nie in den Händen des gemeinen Mannes gewesen
war, und hinzugefügt: ,,Der gemeine Mann hatte nie mehr dar-
,,au3 erfahren, als ihm die Klerisey daraus mittheilen wollen,
„Und so hätte sich die Beligion schon weit eher verschlimmern
,, müssen, wenn es nicht wahr wäre, daß sie sich auch ohne un-
„mittelbaren Gebrauch der Bibel erhalten könnte" (M. X, 147.).
Sodann hatte er in seiner Erklärung zu dem 10. seiner „Axi-
omata" bedauernd ausgerufen; „arme, unsclmldige Seelen, in
„Ländern geboren, deren Sprache die Bibel noch nicht redet!
DigtizBabyCoOgIC
Von Emil Araoldt. 43y
„in Ständen geboren, die aberall noch des ersten Grades einer
„bessern Erziehung ermangeln, noch Überall nicht lesen lernen!
„Ihr glaubt Christen zu seyn, weil ihr getauft worden. Unglück-
„liche! Da hört ihr ja: daß Lesen können eben so nothwendig
„zur Seligkeit ist, als Getauft sein!" (M. X, 151.).
Gegen diese Aeußerungen richtete Kant möglicherweise
die Bemerkung: „Ein heiliges Buch erwirbt sieh selbst bei denen
„(und gerade bei diesen am meisten), die es nicht lesen, wenig-
„stens sich daraus keinen zusammenhängenden Religionsbegriff
„machen können, die größte Achtung, und alles Vernünfteln
„verschlägt nichts wider den alle Einwürfe niederschlagßuden
„Machtspruch: da stehts geschrieben. Daher heißen auch
„die Stellen desselben, die einen Glanbenspunkt darlegen sollen,
„schlechthin Sprüche" (R. X, 127. — vgl. über „Sprüche" III,
2.Ö2; allenfalls auch X, 301 ob. u. IX, 38 unt.). Nun traf diese
Bemerkung allerdings nicht genau Lessing's Ansicht. Denn
auch Lessing hatte die "Wichtigkeit des geschriebenen Wortes
für diejenigen, die nicht lesen können, obschon nur implicite,
in der Erzähhmg von dem glücklichen Völkchen auf einer der
Bermudischen Inseln anerkannt, das „nicht allein mit Luthern
„sprach, sondern auch mit Luthern glaubte" und seinen ortho-
doxen Luther'schen Glauben in den Einbandabrettercheu eines
verbrauchten Luther'schen Katechismus enthalten wälmte, auf
diese Bretterchen wieder und* wieder mit den "Worten hinwei-,
send: ,, Da steht das alles, was wir wissen", — „steht noch, steht
noch" (M. X, 146,). Aber Kant mochte in Erinnerung an
Lessing's Ausruf: ,, Unglückliche! Da hört ihr ja: daß Lesen
„können eben so nothwendig zur Seligkeit ist, als Getauft
„seyn", es doch rathsam finden, explicite und nachdrucksvoll
auszusprechen, daß, soweit ein Offenbarungsglaube überhaupt zur
Seligkeit mitzuwirken vermöge, „ein heiÜgns Buch", das ge-
schriebene Wort ein nicht zu unterschätzendes Fördemiß der-
selben auch für diejenigen werden köune, die zu lesen außer
Stande seien.
Ferner hatte Lessing unmittelbar vor jenem Ausruf in
D,gt,zBabyC00<^IC
440 ^1'' Betirtheiltmg von Eanfs Kritik der reinen Vernunft etc.
seiner Erklärung zn dem 10. seiner „Axiomat»" gesagt: „die
„neutestamentlichen Schriften mögen die einzige Quelle unserer
„historischen Kenntniß der Eeligion immerhin sejTx, Hat sich
„die erste einzige Quelle seit siebzehnhnndert Jahren nie er-
„gofäsen? Ist sie nie in an'lere Schriften übergetreten? Nie und
„nirgends in ihrer ursprünglichen Lauterkeit und Heilsamkeit
„in andere Schriften übergetreten? Müssen schlechterdings alle
„Christen aus ihr selbst schöpfen? Darf sich schlechterdings
„kein Christ an den nähern zugänglichen Tiefen begnügen, in
„welche sie übergetreten ist? — — — Darf er: warum könnten
„die Schriften der Evangelisten und Apostel nicht ohne seinen
„Nachtheil verloren seyui' verloren gehen? — — — — Darf
„er nicht: so darf er ohne Zweifel vornehmlich darum nicht,
„weil bis auf diesen Tag noch kein vollständiger untrüglicher
,, Lehrhegriff aus ihnpn gezogen worden; auch vielleicht ein der-
„gleichen Lehrbegriff nun und nimmermehr aus ihnen gezogen
„werden kann. Denn nur dann wäre es allerdings nothwendig,
„dass jeder mit seinen eignen Augen zusähe; jeder sein eigener
„Lehrer, jeder sein eigener Gowisseusrath aus der Bibel würde"
(M. X, 161.). Hier also h^tte Lessing die Möglichkeit zuge-
lassen, daß der wesentliche Inhalt der neu testamentlichen Schriften
in seiner „ursprüngliclien Lauterkeit und Heilsamkeit in andere
Schriften übergetreten", mithin für Laien die Bibel schon jetzt
entbehrlich sei, und er hatte sich in seiner Erklärung zu dem
10, seiner „Äxiomata" zwei Seiten später sehr positiv über die
Zulänglichkeit des aus der Bibel gezogenen Lehrbegriffs fülr den
Laien ausgesprochen, indem er die Verwahrung einlegte: „der
pTheolog soll uns Christen sein gelehrtes Bibelstudium nur nicht
,für Religion aufdringen wollen. Er soll nur nicht gleich über
,Unchristen schreyen, wenn er auf einen ehrlichen Layen stößt,
,der sich an dem Lehrbegriffe begnügt,, den man längst für ihn
„aus der Bibel gezogen, und diesen Lehrbegriff nicht sowohl
,deßwegen für wahr hält, weil er aus der Bibel gezogen, sondern
,weil er einsieht, daß er Gott anständiger, und dem menach-
,Iichen Geschlechte ersprießlicher ist, als die Lehrbegriffe aller
DigtizBabyCoO^IC
Von Emil Amoldt. 441
„andern Religionen; weil er fühlt, daß ihn dieser christliche
„Lehrbegriff beruhiget" (M. X, 153 u. 154).
Nun billigte Kant freilich Leasing'» strenge Unterscheidung
zwischen gelehrtem Bibelstudium oder Theologie und Iteligion
eben so sehr (R. X, 136. 186. 198.), als den Anspruch, den
dieser für jedermann auf das Recht erhob, seine Uoberzeugung
von der "Wahrheit des Lehrbegriffs der christlichen Religion
nicht auf die Autorität der Bibel, sondern auf die Einsicht seiner
Vernunft zu gründen. Allein er konnte schon Lessing's Aeuße-
rung nicht billigen, daß der christliche Laie den Lehrbegriff der
christlichen Religion deswegen ftir wahr halten dürfe, weil er
sich durch ihn beruhigt fühle, — weil er ihn so wahr, sich
in ihm so selig fühle (M. X, 14. 155.). Denn Kant ließ neben
der Vernunftreligion und der Schriftgelehrsamkeit als den be-
rufenen Auslegern einer heiligen Urkunde „ein inneres Gefühl", —
das ,, innere Gefühl des Christenthums", jenes Gefühl, welchem
Lessing den ,, Trost" entnahm, „den" er „für das unersteig-
lichste Bollwerk des Christenthums" hielt (M. X, 150.), als dritten
Prätendenten zum Amte eines Auslegers nicht zu, ,,uni den
wahren Sinn der Schrift und zugleich ihren göttlichen Ursprung
SU erkennen" (R. X, 135.). Damit rechtfertigte er indeß auch
nicht von ferne den ,, kauderwelschen Commentar" (M. X, 156),
den Goeze über jenen Ausspruch Lessing's gemacht hatte. Viel-
mehr durfte und mußte er mit Lessing urtheilen, daß Goeze,
indem er jenen Trost Lessing's „einen strohernen Schild" nannte
und „alles innere Gefühl des Christenthums" leugnete, selbst
bereits „von der Heterodoxie nicht unangesteckt geblieben" sei
{M. X, 166.). Denn, wie er in dem „Streit der Fakultäten"
{L Erster Abschnitt. A.) bei Schilderung der „Eigenthümlich-
keit der theologischen Fakultät" ausführt, liegt dem „reinen
(purua, putus) biblischen Theologen, der von dem verschrieenen
Freiheitsgeist der Vernunft und Philosophie noch nicht ange-
steckt ist", nothgedrungen ob, den Glauben, ,,daß Gott selbst
durch die Bibel geredet habe,'' „auf ein gewisses (freihch nicht
erweisliches oder erklärliches) Gefühl der Göttlichkeit derselben.
DigtizBabyCoO^IC
442 Zui' Beurtheilang von Eant's Kritik der reinen Vemunll etc.
selbst fttr den Gelehrten," zu ..gründen" (E. X, 271 u. 272.).
Nun zog Kaut freilich nicht in Abrode, daß der Antrieb zur
RechtschafFenheit, den der Mensch beim Lesen oder Hören der
Bibel „fühlen muJ3," ihn von der Göttlichkeit derselben zu über-
führen geeignet sei. Denn dieser Antrieb sei die Wirkung des
moralischen Gesetzes, welches den Menschen mit inniger Achtung
erfillle und dämm als göttliches Gebot zu gelten verdiene.
Aber wie aus einem Gefühl unmöglich die Erkenntniß, was
ein Gesetz, und daß dieses Gesetz moralisch sei, könne ausge-
mittelt werden, eben so wenig und noch weniger könne aus
einem Gefühl das sichere Merkmal eines unmittelbaren gött-
lichen Einflusses gefolgert werden. Daher hielt Kant gemäß
seiner Ueberzeugung von der zuoberst und allein wirklich bin-
denden Kraft reiner Vernunftprincipien daran fest, daß ein Ge-
fühl, welches jeder nur für sich besitze und keinem anderen zu-
zumuthen habe, nicht als ein „Probierstein der Aechtheit einer
0£Eenbarung" dürfe angepriesen werden; ,,denn es lehrt schlechter-
,,ding3 Nichts, sondern enthält nur die Art, wie das Subject in
„Ansehung seiner Lust oder Unlust afficirt wird, worauf gar
„keine Erkenntniß gegründet werden kann" (ß. X, 135 u. 136.).
Daher mußte bei Kant die Aeußerung Lessing's, daß der ein-
fältige Christ den Lehrbegriff der christlichen Religion für wahr
halte, weil er sich durch ihn beruhigt fühle, ihn so wahr,
sich in ihm so selig fühle, Anstoß erregen.
Eben so viel, vielleicht noch mehr Anstoß mochte Kant
an der anderen Aeußerung Lessing's nehmen, daß ein ehrlicher
christlicher Laie sich an dem Lebrbegriffe begnügen dürfe, den
man längst für ihn aus der Bibel gezogen habe. Unter diesem
Lehrbegriffe konnte Lessing kaum einen anderen verstehen, als
den, welchen die fünf Hauptstücke des Luther'schen Katechismus
enthalten, und bei dem Begnügen an diesem Lehrbegriff schrankt
sich der wesentliche Inhalt der christlichen Lehre, wie Lessing
in der Erzählung von den Nachkommen des Lutherischen
Predigers aus der Pfalz selbst andeutete, auf die drei Artikel
des zweiten Hauptstücke d. i. auf den Glauben ein, „daß es
DigtizBabyCoO^IC
Von Emil Ärooldt. 443
ein höchstes Wesen gebe; daß" die Menscheu „arme sündige
Geachöpfe wären ; dal3 dieses höchste Wesen demohngeachtet,
durch ein andres eben ao hohes Wesen, sie nach diesem Lehen
ewig glücklich zu machen, die Anstalt getroffen" (M, X, 146.).
In diesem Glauben aber mußte Kant nur den statutarischen
Kirchen glauben erblicken, nicht den reinen Religionsglauben, zu
dessen Introduction jener statutarische Glaube blos als Vehikel
dienen soll. Und ob er gleich den Katechismus nicht gering-
schätzte, so fand er in ihm doch nicht den reinen ßeUgions-
glauben, geschweige denn den ganzen moralischen Beligions-
glauben vorgetragen.
Und eben so wenig fand er ihn in den symbolischen
Büchern. Damm erklärte er in dem „Streit der Facultäten"
ausdrücklich: „Von dem Gesetzhnebe, als dem Kanon, sind die-
, jenigen Bücher, welche als (vermeintlich) vollständiger Auszug
,,des Geistes des Gesetzbuchs zum faßlichem Begriff und sicherern
„Gebrauch des gemeinen Wesens (der Gelehrten und Ungelehrten)
„von den Facultäten abgefaßt werden, wie etwa die symbolischen
„Bücher, gänzlich unterschieden. Sie können nur verlangen, als
,, Organen, um den Zugang zu jenem zu erleichtem, angesehen
„zu werden, und haben gar keine Autorität" (E. X, 270.).
Die Bibel war und blieb ihm das Gesetzbuch, der Kanon
der Christen als die beständige, jedermann zugängliche Norm,
nach der das Volk sich zu richten hätte. Daher mochte er
jener Aeußerung Lessing's über das Begnügen des christlichen
Laien an dem Lehrbegriffe, den man längst für ihn aus der
Bibel gezogen habe, seine Ansicht, daß der ächte Lehrbegriff
der christlichen ßeligion in keinem solcher Auszüge, weder in
Katechismen, noch in Symbolen, zu finden, — vollständig zu
finden sei, gegen den Schluß des Vten Abschnitts der ersten
Abtheihmg von dem dritten Stück der Relig. inn. d. Gr. d. bloß.
Vem. mit dem Ausruf zum Preise der Bibel entgegensetzen:
„Glücklich! wenn ein solches den Menschen zu Händen ge-
,,komm6nes Buch, neben seinen Statuten als Glaubensgesetzen,
„zugleich die reinste moralische Religionslehre enthält, die mit
D,gt,zBabyC00<^le
444 ^^f ßeurtheilung von Kant's Kritik der remea Vernunft et«.
p jenen (als Vehikeln ihrer Introdaction) in die beste Hartnonie
„gebracht werden kann, in -welchem Falle es, sowohl des dadurch
,zu erreichenden Zwecks halber, als wegen der Schwierigkeit,
,öich den Ursprung einer aolchen durch dasselbe vorgegangenen
„Erleuchtung des Menschengeachlechta nach natürlichen Gesetzen
(begreiflich zu machen, dag Ansehen, gleich einer Offenbarung,
„behaupten kann" (E. X, 127. — vgl. Str. d. Fac. 322 u. 323.).
Schließlich habe ich anzuführen, daß Kant auch in dem
Streit der Facult. ausdrücklich über die „mnthmaaßliche Zeit
der Fortdauer dieses heiligen Buchs" Frage erhebt mit polemi-
schen Wendungen, von denen die eine gegen die Bibliolatria
Groeze'seher Geistesverwandten, die andere gegen eine Verkündi-
gung Lesaing'a in der Erziehung des Menschengeschlechts ge-'
richtet ist. Denn in dem ,, Anhang biblisch-historischer Fragen",
den er dem Anhang zu dem Streit der philos. Facult. mit der
theologischen beigegeben hat, lautet die erste Frage mit der
dazu gehörigen Einleitung: ,,Daß es" [dieses heilige Buch], ,,hei
„allem Wechsel der Meinungen, noch lange Zeit im Ansehen
,, bleiben werde, dafür bürgt die Weisheit der Regierung, als
„deren Interesse, in Ansehung der Eintracht und Kühe des Volks
„in einem Staate, hiermit in enger Verbindung steht. Aber
„ihm die Ewigkeit zu verbürgen, oder auch es, ehiliaatiach, in
„ein neues Reich Gottes auf Erden übergehen zn lassen, das
„übersteigt unser ganzes Vermögen der Wahrsagung. — Was
„würde also geschehen, wenn der Kirchenglaube dieses große
„Mittel der Volksleitung einmal entbehren müßte?'' (R. X, 326.).
Wer hatte denn in neuerer Zeit die Bibel „chiliastisch in
ein neues Reich Gottes auf Erden übergehen lassen"? Es war
Lessing, der in der Erziehung des Menschengeschlechts aus-
gerufen: „Sie wird gewiß kommen, die Zeit eines neuen ewigen
„Evangeliums" (§ 86.), — vielleicht, daß „selbst gewisse
„Schwärmer des dreyzehnten und vierzehnten Jahrhunderts einen
„Strahl dieses neuen ewigen Evangeliums aufgefangen hatten"
„{§ 87.), — „gewiß hatten sie keine schlimmen Absichten, wtnn
„sie lehrten, daß der Neue Bund eben so wohl antiquiret
DigtizBabyCoO^IC
Von Emil Arnoldt. 445
„■werden mUsse, als es der Alte geworden" (§ 88.), — „nur daß
„aie ihre Zeitgenossen — — mit Eins za M&nnem machen zu
„können glaubten, die ihres dritten Zeitalters würdig wären"
(§ 89.). {M. X, 324 u. 326.).
Gegen diese Prophezeiung legte Kant Verwahrung ein:
Denn den Ausbruch eines neuen Evangeliums, die Antiquirung
des neuen Bundes wie die dea alten, mithin die Antiquirung
der Bibel beim Eintritt eines dritten Zeitalters zufolge der —
nicht zweifelsfreien — Erziehung des Menschengeschlechtes
durch Gott vorauszusagen, — udaa übersteigt unser ganzes Ver-
mögen der Wahrsagung."
Aber eben so wenig oder noch weniger trat er denjenigen
■ bei, die der Bibel „die Ewigkeit zu verbürgen" dreist genug
sind. Vielmehr verfolgte er, wie es scheint, bei Aufwerfung
der ersten jener „biblisch - historischen Fragen": „Was würde
geschehen, wenn der Kirchenglaube" die Bibel, — „dieses große
Mittel der Volksleitung einmal entbehren müßte?" eine zwiefache
Absicht. Einestheils wollte er andeuten, daß trotz seiner Er-
klärung , die Bibel solle auf unabsehüche Zeiten Organ der
Vemunftreligion und Vermächtniß einer statutarischen Glaubens-
lehre bleiben (Str. d. Fac. R. X, 322), er doch immer die — in
der Relig. inn. d. Gr. d, bloß. Vern. ausgesprochene — Ueber-
zeugung festhalte, „das Leitband der heiligen Ueberlieferung"
müsse „nach und nach entbehrlich, ja endlich zur Fessel", mithin
„abgelegt werden" (Kelig. u. s. w. ß. X, 145.). Ändemtheils
aber wollte er nicht verhehlen, daß es schwer denkbar sei, wie,
bei der „Schwache der menschlichen Natur" (Belig. u. s. w.
E. X, 121 unt,), bei der „unvermeidlichen Einsohränkung der
menschlichen Vernunft" (ibid. S. 137 Mitte), ganze Völker wirk-
lich einer „überband genommenen wahren Aufklärung" (ibid.
S. 147 Anm.) werden theithaft sein, welche das dauerhafte Be-
stehen der Kirche ohne jenes Leitmittel des Volksglaubens
ermöglicht.
,dbyGoogIe
446 2ui' Beiirtheilung von Kant's Kritik der reinen Vernanlt etc.
Eb kann einem Zweifel unterliegen, daß alle und jede der
oben aus Kant's "Werken angeführten Stellen, ob sie gleich sammt
imd sonders eine augenscheinliche Beziehung zu Lessing'schen
Ansichten erkennen lassen, doch von Kant auch wirklich mit
deutlichem Bewußtsein über diese Beziehung und mit erwogener
Absicht, Lessing bei oder entgegen zu treten, niedergeschrieben
sind. Das aber scheint mir nach Exposition der Lessing'schen
und der Kant'schen Fassung der fünf vorhin behandelten Begriffe
außer Zweifel, daß Kant nicht nur wesentliche, sondern mitunter
die wesentlichsten Bestimmungen, die er diesen Begriffen gab,
nur deshalb so, wie er sie gab, ihnen geben konnte, weil er
dabei Lessing'sche Begriffsbestimmungen in Erinnerung hatte,
die er seinerseits theils billigte, theils mißbilligte. Was für ein
wunderbares Ungefähr hätte die Gedanken in Kant's Kopfe und
die Worte in Kant's Feder gestaltet, wenn es in den Werken
desselben Auseinandersetzungen hervorrief, deren Harmonie oder
Disharmonie mit Lessing'schen Ansichten direct auf Zustimmung
oder Widerspruch abgezweckt scheint, ohne daß doch Kant jemals
die Schriften gelesen hätte, in denen diese Ansichten zu finden
sind! Das Ungefähr — darf ich mit Lossing sagen — ist so
übereinstimmend nicht, — weder positiv, noch negativ so
tibereinstimmend.
Auf die Frage aber, was Kant bewog. Lessing auch nicht
an einer einzigen der Stellen mit Namen zu erwähnen, an denen
er die Gedanken desselben annahm, oder abwies, liegt die
Antwort, meine ich, nicht fern. Hätte er ihn nämlich an Einer
dieser Stellen genannt, so hätte er ihn füglich an allen übrigen
nennen müssen, an denen zwischen seinen und Lessing's An-
sichten dasselbe Verhältniß obwaltete. Und das bloße Nennen
des Namens hätte nicht genügt. Er hätte seine Zustimmung
und seinen Widerspruch, die beide nicht unbedingt waren, be-
gründen müssen, und diese Begründung hätte weitläufige Aus-
führungen erfordert, durch die seine „Religion inn. d. Gr. d.
bloß. Vern." wesentlich wäre beeinträchtigt worden. Denn sie
sollte einen integrirenden Theil seiner kritischen Philosophie
DigtizBabyCoO^IC
Von EmU Ämoldt. 447
ausmacben, nicht aber in eine Reibe von Auseinandersetzungen
zwischen seinen und Lessing's Ansichten zerfallen.
Vielleicht mochte sich auch Kant auf dem Gebiete der
Religion und des theologischen Denkens viel zu innig mit Lessing
im Allgemeinen verbunden fühlen, um dort im Einzelnen als
Gegner desselben erscheinen zu wollen. Er mochte wissen, daß
die Bahnen , die sie dort schufen — jeder von beiden mit
origineller, consequenter, liberaler Gesinnung — , Ausgang und
Richtung gemein hatten und, ob sie gleich nur selten und nur
auf kurze Strecken zusammenfielen, doch, so oft sie aus einander
traten, bald wieder parallel liefen und blos an vereinzelten
Stellen einander feindlich trafen und kreuzten. Ihr gemeinsamer
Ausgang war die Anerkennung der Vemunfl als letzten Probier-
steins der Wahrheit, ihre gemeinsame Richtung die Aufsuchung
des wahren Verhältnisses zwischen Vernunft und — wirklicher
oder angeblicher — OfEenbanmg und zwar in Trennung wie
Einigung der aus beiden Quellen fließenden Erkenntnisse. Freilich
war das Ziel ihrer Bahnen ein differentes, — bei Kant Gründung
der Religion auf Moral und Reformation der Kirche, bei Lessing
Aufweisung der Religion als für sich bestehenden, ursprünglichen
Geistes-Elementes und Einführung vorurthellsfreier, gründlicher
Evangelien-Kritik, Aber Kant mochte wohl geringen Antrieb
fühlen, diese Differenz und alle die anderen hervorzuheben, da
er wissen musste, dass seine Religionsansichten und Auf klärungs-
bestrebungen — im Ganzen genommen — mehr enthielten, was
ihn mit Lessing verband, als was ihn von Lessing schied.
Nachträglich mag hier noch die Frage berührt werden, ob
auch etwa aus gewissen Aeuüerungen Kant's zu entnehmen sei,
daß ihm die in Lessing's „Beyträgen" veröff'entlichten "Wolfen-
bütteler Fragmente selbst ebenfalls nicht fremd gewesen.
Eine Vergleichung von Auseinandersetzungen Kant's mit
Stellen in den sechs zuerst veröff'entlichten Fragmenten führt
zeabyCoOgIC
448 ^ur Beurtheilung von Kanl's Kritik der reioen Vemnnft etc.
ZU keiner vollkommenen Gewißheit über seine Eenntnifi von
dem Inhalt derselben. Gleichwohl ist unleugbar, daß einige Ans-
fUhrungen in der „Eelig, inn. d. Gr. d. bloß. Vem." und im „Streit
der Facultäten" einzelne Äeußerungen enthalten, welche sich
wie An- oder Nachklänge einzelner AeußeruBgen in den Frag-
menten ausnehmen.
Reimarus sagte: „Dasjenige, was die Seele, und zwar in
„alle Ewigkeit, soll vollkommen und glücklich machen, muß
„allgemeiu seyn: und wo es das nicht ist — — : so ist" [es]
„auch dem Menschen nicht nöthig" (Zur Gesch. u. Litt. Ana
den Schätzen der Herzogl. Bibl. zu Wolfenb, 4 Beytrag von
G. E. Leasing. Braunach. 1777. S. 365.). Kant: „Es ist un-
„bescheiden, zu verlangen, daß uns noch mehr" — als worüber
Vernunft, Herz und Gewissen belehren — „eröffnet werde, und
„wenn dieses geschehen sein sollte, müßte der Mensch es nicht
„zum allgemeinen menschlichen Bedürfuiß zählen" (R. X, 174.).
Reimarus: „Die Vernunft selbst, mit ihren ewigen Grund-
„regeln, ist nicht zu widerlegen, und wir müssen sie auch
„nimmer fahren lassen," - - — — . „Der Vernunft muß zuvor
„Genüge geschehen, ehe man glauben kann, daß eine Lehre
„wahr, daß ein Zeugniß göttlich sey, ehe man sich mit freyem
„und gutem AVillen entschließt, dem zu gehorchen, was die
„Lehre zu thun verlangt" (ibid. S. 278. 279.). — Kant: „Die
„Göttlichkeit einer an uns ergangenen Lehre kann durch nichts,
„als Begriffe unserer Vernunft;, so ferne sie rein moralisch und
„hiermit untrüglich sind, erkannt werden" (Str. d. Fac. R. X,
302. vgl. 325 u. 326.). „Daß eine Offenbarung göttlich sey, kann
,,nie durch Kennzeichen, welche die Erfahrung an die Hand
„giebt, eingesehen werden. Ihr Character (wenigstens als conditio
„sine qua non) ist immer die TJebereinstimmung mit dem, was
„die Vernunft für Gott anständig erklärt" (Str. d. Fac. R. X, 300.
vgl. ibid. 320; ,,'Was heißt; sich im Denken orientiren?"
R. I, 384. — Ueber den an Abraham ergangenen Befehl, seinen
Sohn zu opfern, vgl. Str. d. Fac. R. X, 321 Anm. — „Relig."
u. s. w. S. 102. 226.).
DigtizBabyCoO^IC
Von Emil Arnoldt. 449
Reimarus: „Wenn wir — — setzen, daß Gott allen and
,Jeden Menschen, zu allen Zeiten und an allen Orten, ein über-
„natilrlicbes Erkenutniß unmittelbar offenbarete: ao müßten wir
„zugleich annehmen, daß alle Augenblick und allenthalben bey
„allen Menschen Wunder geschähen" {ibid. S. 289.)' — Kant:
Ohne sichere Tradition oder heilige Bücher würde die Aus-
breitung und Fortpflanzung eines Ofienbarungsglanbens nicht
möglich sein, ,,wenn man nicht ein continuirliches Wunder
„der Offenbarung annehmen will" (R. X, 196.), — „entweder
„eine von Zeit zu Zeit öffentlich wiederholte, oder in jedem
„Menschen innerlich eine continuirlich fortdauernde übernatürliche
„Offenbarung" (ibid. S. 187.).
Reimarus: „Die Pharisäer hatten — die Lehre von der
„Seelen Unsterblichkeit und künftiger Belohnung oder Bestrafung
„nicht aus der Schrift genommen, sondern von fremden aus-
„wärtigen Völkern und Weltweisen entlehnet: und hatten so
„fem den wichtigsten Grund, das mangelhafte Gesetz zu er-
„ganzen und zu verbessern, ja nun zuerst eine Religion daraus
„zu machen, was bisher noch keiner Religion ähnlich gesehen"
(ibid. S. 432.). — Kant: „Der Jüdische Glaube ist, seiner
„ursprünglichen Einrichtung nach, ein Inbegriff blos statutarischer
„Gesetze, auf welchen eine Staatsverfiissung gegründet war; denn
j,welche moralische Zusätze entweder damals schon, oder auch
„in der Folge, ihm angehängt worden sind, die sind schlechter-
„dings nicht zum Judenthum, als einem solchen, gehörig. Das
„Letztere ist eigentlich gar keine Religion" (R, X, 160.).
Reimarus: „Die reine Lehre Christi, welche aus seinem
„Munde geflossen ist, — — — enthält nichts als eine ver-
„nünftige practische Religion. — — Eben diese Lehre
„würde auch noch christlich geblieben seyn, wenn man sie nach
„eben denselben Grundsätzen weiter ausgeführt und zu einer
„vollständigen Unterweisung der Gottesfurcht, Pflicht und Tugend,
„gemacht hätte. Sobald aber die Apostel anfingen, ihr jüdisches
„System von dem Messias und von der Göttlichkeit der Schriften
,,Mosis und der Propheten, mit hinein zu mischen, und auf
Altpr. IfonftUiehriil Bd. XZTI. Hit G n. 0. 2!) .
DigtizBabyCoOgIC
450 ^u>^ Beurtheilung von Kaufs Kritik der reinen Vemiuit't etc.
diesen Grund ein geheimnisvolles neues System zu bauen: so
konnte diese Religion nicht mehr allgemein werden.
Die Apostel, weil sie ihr eignes Glaubenssystem nicht völlig
lüberdacht, und nach allen Grundartikeln zureichend bestimmt
,hatten, gaben ihren Nachkommen Gelegenheit, immer mehrere
,Glaubensbücher, Geheimnisse, Ceremonien und Glaubensformeln
„zu stüten, und sich dabei aufs Äußerste unter einander zu ver-
,ketzem; auch wenn der Apostel ihre Schriften nicht genugsam
„den Streit entscheiden, ein Nebenprincipium der Tradition, und
,,des päpstlichen Ausspruches elnzufilhren. Da man bey dem
,allzu grob gewordenen Abfall des Christenthums zum Abei>
„glauben, eine Reformation anfing; konnte man doch nicht einig
pWerden, wie viel von den unsaubem Schlacken wegzuwerfen
,wäre. Der eine näherte sich der Vernunft mehr als der andere;
,,und beide doch nicht genug, daU es gegen die Einwürfe der
„sogenannten Deiaten und Naturalisten bestehen konnte. Daher
phaben einige Theologi, wie gesagt, das Chrlstenthum, was die
, Glaubenssätze und Principia betrift, noch weiter nach der
jVemunft zu bequemen gesucht, um es auf solche Weise von
,seinem gänzlichen Falle zu retten, und dem denkenden Menschen
, unanstößig zu maclien. Ich zweifle aber fast, ob nach dieser
pMethode von dem Christenthuine viel mehr nachbleiben werde,
„als der bloI3e Name" {Zur Gesch. u. Litt. Aus d. Schätz,
d. Herzog!. Bibl. zu "Wolfenb. v. G. E, Lessing. 3, Beytrag.
Braunsch. 1774. S. 199 u. 200.). — Kant (an der schon oben
angeführten und behandelten Stelle): ,,Die christliche Religion
„hat den großen Vorzug vor dem Judenthum, daß sie aus dem
„Munde des ersten Lehrers als eine nicht statutarische, sondern
„moralische Religion hervorgegangen, vorgestellt wird, und auf
„solche Art mit der Vernunft in die engste Verbindung tretend,
„durch sie von selbst auch ohne historische Gelehrsamkeit auf
„alle Zeiten und Völker mit der größten Sicherheit verbreitet
„werden konnte. Aber die ersten Stifter der Gemeinden
„fanden es doch nötbig, die Geschichte des Judenthums damit
„zu verflechten, welches nach ihrer damaligen Lage, aber vielleicht
DigtizBabyCoOgIC
Von Emil Ämoldt. 461
„aach nur für dieselbe, klüglich gehandelt war, und so in ihrem
„heiligen Nachlaß mit an uns gekommen ist. Die Stifter der
, Kirche aber nahmen diese episodischen Änpreisungsmittel
„unter die wesentlichen Artikel des G-Iaubens auf, jiud vermehrten
„sie entweder mit Tradition oder Auslegungen, die von Concilien
„gesetzliche Kraft erhielten, oder durch Gelehrsamkeit beurkundet
„wurden, von welcher letztem oder ihrem Antipoden dem innem
„Licht, welches sich jeder Laie auch anmaßen kann, noch nicht
„abzusehen ist, wie viel Veränderungen dadurch dem Glauben
„noch bevorstehen, welches nicht zu vermeiden ist, so lange wir
„die Religion nicht in uns, sondern außer uns suchen" (R. X, 201,).
Aach indem Kant darlegt, wie die Bewahrer des Kirchen-
glaubens, nicht blos um die heilige Schrift, auf die sich der
letztere gründet, zu beurkunden, sondern auch sie ausznlegen,
Gelehrsamkeit nöthig haben, — Kenntniß der Sprache, in welcher
die Glaubensarkunde abgefaßt worden, ausgebreitete historische
Kenntniß und Kritik, so daß die gelehrte Religion „„sich das
ganze Alterthum über den Kopf reißt und darunter begräbt""
(E. X, 134. 199. vgl. auch 200, u. Str. d. Fac. 318 u. 319.),
erinnern seine Aeußerungen an die ausführliche Schilderung,
welche Reimarus entwirft, daß ,,zu einer gegründeten Ueber-
ftthrung von einer Offenbarung" „Erklärungs-Kunst und alle die
Hülfsmittel derselben" gehören, ,,nemlich Sprachen, Alterthümer,
Historie und "Wissenschaften", wie „Geographie" und „Chrono-
logie" {4. Beytr. S. 339. 340. 361.).
Doch was tragen diese Uebereinstimmungen , Parallelis-
men, Anklänge aus? Nichts ist in ihnen, was die Annahme be-
gründete, Kant müsse die ,,Fragment6" gelesen haben. Er hätte
wahrlieh alle jene Expositionen, in denen sich dergleichen findet,
wie er sie ausdachte und niederschrieb, auch ohne irgend welchen
Einblick in "die „Fragmente" genau eben so ausdenken und
niederschreiben können. Einigermaßen anders freilich zeigt sich
das Verhftltniß zwischen jenen Expositionen und den mehr oder
weniger ähnlichen in den „Fragmenten" dann, wenn bereits die
Ueberzeugung existirt, daß Kant, wie mit Lessing's theologischen
DigtizBabyCoO^IC
452 ^<'i' Beurtheilnng von Eant's Kritik der reinen YemDoft et«.
StreitschrifteD, so anch mit Lessing's Zns&tzen zn den „Fra^
menten" vertraut gewesen. In diesem Falle ist die Annahme
unausbleiblich, daQ er such die „Fragmente" selbst aus eigener
Leetüre gekannt habe. Hatte er aber die „Fragmente" gelesen,
so ist es wohl möglich, daß in die Darlegung seiner Ansichten
einzelne Bemerkungen eingingen, die ans den „Fragmenten"
herstammten und sich, ob sie gleich E«miniscenzen waren, ohne
sein Wissen, daß sie es wären, mit dem urwüchsigen KOrper
seiner Ideen verbanden.
Bestimmt nachweisbar ist eine Beeinflussung Kant's anch
durch das Fragment: „Von dem Zwecke Jesu und seiner Jünger"
nicht. Aber, obgleich desselben erst in der zweiten Auflage
der ßelig. inn. d. Gr. d. bloß. Vern. gedacht wird, hat sie
möglicherweise doch schon Statt gehabt auch in der ersten
Auflage dieses Werkes. Selbstverständlich ist hierbei gfin«
bedeutungslos, daß Kant's sarkastischer Ausdruck: „Anweisungen
sich anschaflfen, zahlbar in einer anderen Welt" (ß. X, 194.)
an Keimarus' Bemerkung über „eine Heylands-Ca^se" anklingt,
„darin sieh ein jeder mit seinem wenigen Vermögen Actien des
bald zu erwartenden Himmelreichs zu kaufen, bemühet war"
(Von d. Zw. Jesu u. s. Jünger. Noch ein Fragm. des Wolfen-
bütt. Ungenanuten. Hersg. v. G. E, Lessing. Braonsch. 1778.
S. 251. — vgl. S. 260.). Aber vielleicht ist Kant durch jenes
Fragment zwiefach beeinflußt worden , theils nämlich in der
Preisgebung der historischen Glaubwürdigkeit aUer Berichte
über Jesu Leben und Leiden, theils in dem — offenbar geflissent-
lichen — Bemühen, das Bild, welehes die Evangelien — gleich-
viel ob ihre Erzählungen historisch wohl begründet sind, oder
nicht — von dem Character, der Wirksamkeit und der Lehre
Jesu entwerfen, gegenüber der Herabsetzung und Verkleinerung,
die es in Beimarus' Darstellung erlitten hatte, zu erheben und
würdig zu gestalten.
Was die historische Glaubwürdigkeit der Berichte über
Jesu Leben und Leiden anlangt, so hat sie Kant freilich nirgends
in Abrede gezogen, aber auch nit^ends behauptet, sondern dahin
DigtizBabyCoOgIC
Von Emil Arnoldt. 453
gestellt sein lassen. Nach seiner — zweifellos riclitigeti — Auf-
fassung „trägt die heilige Schrift christlichen Antheils" das
„intelligible moralische Verhftltniß" eines Rechtsanspruchs des
guten Princips auf die Herrschaft über den Menscheu „in der
Form einer Geschichte vor", wobei sie den „Helden dieser
Geschichte" als Vertreter des guten, als Bek&mpfer des bösen
Princips „in mystischer Hülle" zeigt (R. X, 91 u. 92. 97.). „Die
Geschichte" des „ersten Anfangs" des Christenthums „ist dunkel"
(R. X, 156.). Wir dürfen freilich „einen Lehrer annehmen,
von dem eine Geschichte (oder wenigstens die allgemeine nicht
gründlich zu bestreitende Meinung) sagt, daß er eine reine aller
Welt faßliche (natürliche) und eindringende Religion — — —
zuerst öffentlich — — — vorgetragen habe", ihn auch „als
Stifter der ersten wahren Kirche" verehren, und „zur Beglaubi-
gung dieser seiner Würde, als göttlicher Sendung, einige seiner
Lehren, als zweifelsfreie Urkunden einer Religion überhaupt,
anführen, es mag mit der Geschichte stehen, wie es wolle"
(ß. X, lyO u. 191.). Aber schließlich bedarf „weder die Wahr-
heit jener Lehren, noch das Ansehen und die Würde des Lehrers
einer andern Beglaubigung", als der Ueberzeugung durch eigene
Vernunft {R. 196.).
Dieses Absehen von der Verläßlichkeit der Berichte über
die Anfeinge des Christenthums, von der Glaubwürdigkeit der
geglaubten Facta, welche für den Kirchenglaubeu die unver-
meidliche Grundlage ausmachen, entsprang bei Kant zweifellos
aus einer tief innerlich erzeugten Reflexion über den Unwerth
and Werth alles Historischen für die Entstehung und Entwicke-
lung von Religion und Kirchenwesen und sicher nicht aus einer
blos äußerlichen Anregung, — aus dem Eindruck, den in ihm
das Fragment: „Von dem Zwecke Jesu und seiner Jünger" in
Bezug auf den Ursprung des Christenthums hinterlassen hatte.
Unbestreitbar aber ist die Möglichkeit, daß ihm dieses Fragment
lebendig die Schwierigkeiten vergegenwärtigte, welche die Ent-
scheidung über die Facticität der nach der christlichen Kirchen-
lehre für wahr zu haltenden Facta umgeben, und daß die Ueber-
DigtizBabyCoO^IC
454 Zur Beartheilung von Kant'a Kritik der reinen Vernunft etc.
schau jener Schwierigkeiten, zu welcher ihm dieses Fragment
verholfea hatte, die Schärfe seiner Fordemng erhöhte, es müsse
hei der Auslegung der Bibel wie vor allem die Vernunft, so
nächst ihr auch noch die Gelehrsamkeit den Vorrang haben vor
dem Glauben an geoffenbarte, der Vernunft verborgene Sätze
der Kirchenlehre, und der Glaube an die letzteren, der Glaube
an die in der Bibel berichteten übernatürlichen Facta, die
passiven und activen Wunder in dem Leben Jesu nie den
Character einer hdes servilis an sich tragen, sondern nur den
einer fides imperata, welche die gelehrten Cleriker immer nur
als ihre fides historice elicita — die überdies unter der Controlle
zweier Facoltäteu, der theologischen und der philosophischen,
stehe — an die ungelehrten Laien bringen dürften (R. X,
197 u. 198. — Str. d. Fac. 8. 316.).
Wenn so zunächst eine etwaige Beeinflussung Eaut's durch
die negirenden Tendenzen des Fragmentes: „Vom Zwecke Jesu
und seiner Jünger" nur negativ oder beschränkend wirkte, so
hatte sie dagegen, wo sie weiterhin vielleicht Stand fand, eine
positive Richtung.
In jenem Fragment war bestritten, daß Jesus bei seinem
Lehramte die Absicht gehegt habe, „die Jüdische Religion nach
ihren besonderen Gebräuchen, als Opfern, Beschneidung, Reini-
gung, Sabbathen und andern levitischen Ceremonien abzu-
schaffen" und „ein neues Lehrgebäude der Religion aufzurich-
ten" (S. 19.), indem dort allerdings gleichzeitig anerkannt wurde,
daß er „das Sitten-Gesetz und die innere Bekehrung des Her-
zeus, dem Ceremonien-Gesetze — — weit vorziehe; und wenn
eins dem andern im Fall der Noth weichen muss, das Cere-
monien-Gesetz zurück stelle" (S. 66.). Ferner war dort behauptet,
daß „des Himmelreich, zu welchem die gepredigte Bekehrung,
als eine Vorbereitung und Mittel leiten sollte," „nicht allein
überhaupt" als „dasjenige Reich", sei gemeint gewesen, welches
Gott unter den Juden durch seine Gesetze aufgerichtet hatte,
„sondern besonders ' als „dasjenige, welches er noch viel herr-
licher unter dem Meßias offenbaren würde" (8. 108 u. 109.),
DigtizBabyCoOgIC
Von Emil Ämoldt. 455
daß demgemäß Jesus als „ein weltlicher großer König" „ein
mächtiges Beiob zu Jerusalem" habe „errichten" wollen, „da-
durch er die Juden von aller Knechtschaft errettete, und viel-
mehr zu Herren über andre Völker machte" (S. 112 u. 113.),
daß er mithin nicht „Biß© ind Bekehnmg" habe „predigen
lassen, damit sich die Menschen im Glauben an ihn, als einen
geistlichen Erlöser halten möchten," und keineswegs „bloß durch
Leiden und Sterben das menschliche Geschlecht von Sünden"
habe „erlösen wollen" (S. 129.).
Diese Darstellung, welche den Charakter und die Wirksam-
keit Jesu herabdrückte, kann dazu beigetragen haben, daß Kant
da, wo er von der Person Jesu zu reden hatte, in dem Bilde der-
selben den einen und den anderen Zug kräftiger hervorhob, als
er ohne jene Darstellung vielleicht würde gethan haben. Das
Bild aber, welches von der Person Jesu in ihm emporkam, ent-
sprang aus den Eindrücken, welche die Lehre desselben auf ihn
machte, wie sie nicht föglich bestreitbar als seine Lehre in den
Evangelien „uns aufbehalten" ist. Diese Lehre, die „wir selbst
prüfen können," und zwar als eine Vemunftlehre prüfen müssen
{E. X, 190 u. 191.^, ist die einzige Quelle, welche uns Auskunft über
die Person Jesu gewährt. ' Kant legte ausdrücklich Verwahrung
dagegen ein, daß eine andere Quelle solche Auskunft darbieten
könne. Denn in der Abhandlung über „das Ende aller Dinge"
heisst es: „Das Christenthum hat, außer^) der größten Achtung,
(Welche die Heiligkeit seiner Gesetze unwiderstehlich einflößt,
,noch etwas Liebenswürdiges in sich. (Ich meine hier nicht
,die Liebenswürdigkeit der Person, die es uns mit großen Auf-
,opfemngen erworben hat, sondern der Sache selbst; nämlich
ider sittlichen Verfassung, die er stiftete; denn jene läßt sich
,nur ans dieser folgern." (Hart. 1868. VI, 369. — 1839. VI,
405. — R. VII, 1. Abth., 424.). Also: die Liebenswürdigkeit
der Person Jesu läßt sich na^h Kant nur folgern aus der
Der Druckfehler: „ans" in der Hcsenkranz'schen Ausgabe und in der
HartenBtein'achen v. J. 1839 ist in der Hartenstein'sohen v. J. 1868 verbe&w^rt.
DigtizBabyCoO^IC
456 ^*^>^ Beurtheilung von Eaut's Kritik der reinen Vernnnft elc
sittlichen Verfassung, die jener stiftete, aas der Lehre, die er
vortrug, nicht aber unmittelbar entnehmen aus der Erzählung^,
der Historie von dem, was er that, und was ihm widerfuhr.
"Von der Lehre Jesu jedoch, deren Bedeutung der „Frag-
mentist" nicht allzu hoch veranschlagt hatte, tana man nach
Kant kaum hoch genug denken. In der Krlt. d. prakt. Vem,
erklärte er nachdnicksvoU : ,,Man kann es, ohne zu heucheln,
,der moralischen Lehre des Evangelii mit aller Wahrheit nach-
„sagen: daß es zuerst, durch die ßeinigkeit des moralischen
,Princips, zugleich aber durch die Angemessenheit desselben mit
„den Schranken endlicher Wesen, alles Wohlverhalten des
.Menschen der Zucht einer ihnen vor Augen gelegten Pflicht
, — unterworfen und dem Eigendünkel sowol als der
pEigeiiliebe — — — Schranken der Demuth (d, i. der Selbst-
,erkenntniß) gesetzt habe" (Or. A. 1788. S..163 u. 154. — R.
Yin, 213 u. 214.}. Er hob hervor: „Die Lehre des Chrisfcen-
,thums, wenn man sie anch noch nicht als Religionslehre be-
itrachtet, giebt — — einen Begriff des höchsten Guts {des
pReichs Gottes), der allein der strengsten Fodemng der prac-
,tischen Vernunft ein Gnüge thut," und trat der „gemeiniglich"
angenommenen Meinung entgegen; ,iDie christliche Vorschrift
pder Sitten habe in Ansehung ihrer Reinigkeit vor dem morali-
,8chen Begriffe der Stoiker nichts voraus" indem er anmerkte:
pDas stoische System macht das Bewußtsein der Seelenstärke
„zum Angel — — — . Tugend war also bey ihnen ein gewisser
„Heroism des über" [die] „thierische Natur des Menschen sich
erhebenden Weisen, der ihm selbst genug ist, andern zwar
pPflichten vorträgt, selbst aber über sie erhoben, und keiner
„Versuchung zu Ueb er tretung des sittlichen Gesetzes unter-
„worfen ist. Dieses alles aber konnten sie nicht thun, wenn sie
„sich dieses Gesetz in der Reinigkeit und Strenge, als es die
,, Vorschrift des Evangelii thut, vorgestellt hätten" (1. Or. A. S. 229,
230 u. 231, dazu d. Anm. — R. VIII, 268 u. 269 nebst Änm.).
Nachdem Kant so in der Krit. d. pract. Vem. das mo-
ralische Princip der christliehen Lehre — welche, wie er immer
DigtizBabyCoO^IC
Von Emil Arnoldt. 467
voranssetzte, Jesns nicht zu vindiciren mindestens kein hin-
länglicher Grund vorläge — als das einzig wahre und wahr-
haft bindende, weil mit dem Moralprincip der Vernunft selbst
übereinstimmende gerechtfertigt hatte, wobei er es gleichzeitig
vor einer theologischen, mitbin heteronomischen Auslegung
schützte (R. VIII, 270.) und eine eingehende Betrachtung des
Gebots: liebe Gott über alles und deinen Nächsten als dich
selbst, auf Steuerung, womöglich Vorbeugung religiöser, weit
mehr aber noch moralischer Schwärmerei abzweckte (R. VUI,
209—213. — vgl. Tugendl. E. IX, 250. 311 u. 312.); — erwog ©r
in der Belig. inn. d. Gr. d. bloß. Vern. die christliche Lehre, die
er hier ausdrücklich der „Person" zuschrieb, welche ,,die allge-
meine nicht gründlich zu bestreitende Meinung" (R. X, 190.)
als „Lehrer des Evangeliums" (R. X, 153. 236. Anm. 243.) an-
nimmt'), aus dem Gesichtspunct der Religion. Indem er
„einige Lehren" dieses Lehrers nach dem Matthäus — und dem
Lucas-Evangelium zusammenstellte, in denen er eine vollstän-
dige, für alle Menschen faßliche und überzeugende Religion
vorgetragen fand, nicht ohne die Zusammenfassung aller vorge-
tragenen Pflichten in der allgemeinen Regel: Hebe Gott über
alles, und in der besonderen: liebe einen jeden als Dich selbst,
wiederum zu betonen (R. X, 191 — 195.), erklärte er auf Grund
dieser Lehren den ersten Verkündiger derselben für den „Stifter
der ersten wahren Kirche" (R. X, 190.), den „Stifter der reinen
Kirche" (R. X, 216 Anm.}, für „eine Person, deren Weisheit
1) Kant vermied, dünkt mir, fceflisaentlich den Namenr „Jesus",
vielleicht weil ihm durch diesen Namen „der weisse Lehrer" schon allzu sehr
mit dem Charact«r einer einzelnen, hestimmten historischen Persönlichkeit,
die nicht mehr genau als vollkommene Repräsentantin einer Idee gelten
durfte, ausgestnttet schien. Ich entsinne mich augenblicklich den Namen
„Jesus" bei Kant nur in dem Str. der Fac. gefunden zu haben (R. X, SOS.)
— dort, wo der Vorschlag Bendavid's, die Juden sollten die Religion Jesu
öfieatlich annehmen, befürwortet und, wie ich meine, sehr bedeutsam „die
Art, wie Jesus, als Jude zu Juden, von der Art, wie er als moralischer
Lehrer zu Menschen überhaupt redete," unterschieden wird.
DigtizBabyCoOgle
458 Zni Beurthoilimg von Kant's Kritik der reineo Yeraunfl etc.
noch reiner, als die der bisherigen Philosophen, wie vom Himmel
herabgekommen war" (E. X, 93.).
Diese Person erbanute er im (regensatze zu dem „"Wolfen-
büttelschen Fragraentisten" als eine solche an, in der „das gute
Princip" hienieden „erschienen" (R. X, 96 u. 97.), und in der
als „einem Beispiele eines Gott wohlgefälligen Menschen" „^^
uns ein Urbild der Nachfolge" gegeben sei (R. X, 73. 195.),
Freilich „ist das Urbild, welches wir dieser Erscheinung zu
Grunde legen " und zwar — , da man neben ihrem äußerlich
untadelhaften Verhalten keine Beweise für das Gegentheil der
lautersten Gesinnung in ihr hat (R. X, 76.) — „der Billigkeit
gemäß" zu Grunde legen, ,, immer doch nirgend anders, als in
unserer Vernunft zu suchen" {R. X, 73.). Denn „die Idee der
Tugend," „die Idee, die die Vernunft a priori von sittlicher
Vollkommenheit entwirft," ist ,, wahres Original", wogegen „alle
mögliche Gegenstände der Erfahrung nicht als Urbilder Dienste
thirn" (R. Vni, 31. — n, 255.). Daher „muß selbst der Heilige
des Evangeliums zuvor mit unserm Ideal der sittlichen Voll-
kommenheit verglichen wenlen, ehe man ihn dafür erkennt"
(R. Vm, 31.}. Und Beispiele — die „alle trüglich" sind (E.
IX, 211.) — dienen nur als ,, Beweise der Thunlichkeit des-
jenigen im gewissen Grade, was der Begriff der Vernunft heischt"
(R. II, 255.); „sie dienen nur zur Aufmunterung, d. i. sie setzen
die Thunlichkeit dessen, was das Gesetz gebietet, außer Zweifel,
sie machen das, was die praktische Regel allgemeiner ausdrückt,
anschaulich,') können aber niemals berechtigen," ,,8icli" nach
1) Die beiden Dienste, die hier dem Beispiel zugewiesen sind, werden.
in einer Anraerhung zum § 52 der „Tugendlehre" an das Exempel und
an das Beispiel verlheilt. „Woran ein Exempel nehmen", heißt es dort,
„und Kur Yerständliclilceit eines Ausdrucks ein Beispiel anführen, sind ganz
„verschiedene Begriffe. Das Exempel ist ein besonderer Fall von einer
„praktischen Regel, sofern dieser*) die ThunUchkeit oder ünthun licht eit
„einer Handlung vorstellt. Hingegen ein Beispiel ist nur das Besondere
„(concretiim), als unter dem Allgemeinen nach Begriffen (abstractnra) ent-
„halten vorgestellt, nnd blos theoretische Darstellung eines Begriffs."
*) Rosenkranz (IS, 846.) und Hartenstein in beiden Ausgaben (1838,
D,gt,zBabyC00<^IC
Von Emil Amoldt. 459
ihnen „zu riehten" (E, Vili, 31,). „Das gute Ezempel (der
exeiopkrisclie Wandel) soll nicht als Muster, sondern nur
zum Beweise der Thunlichkeit des Päicbtm&ßigen dienen;
also nicht die Vergleichung mit irgend einem andern Menschen
(wie er ist), sondern mit der Idee (der Menschheit), wie er
seyn soll, muß" bei allem sittlichen Handeln ,,da8 nie fehlende
Richtmaß an die Hand geben" (R. IX, 346 u. 347.}- Wer
das gute Exempel ,,als Muster zum Erkenntnißquell machen
wollte — — — , der würde aus der Tugend ein nach Zeit
und umständen wandelbares, zu keiner Begel brauchbares,
zweideutiges Unding machen" (R. 11, 254.). Aber trotz alle-
dem, — „selbst in der Religion — — — wird doch nie
„durch allgemeine Vorschriften, die man entweder Ton Priestern
„oder Philosophen bekommen oder auch ans sich selbst ge-
„nommeu haben mag, so viel ausgerichtet werden, als durch
„ein Beispiel der Tugend oder Heiligkeit, welches, in der Ge-
„sehichte aufgestellt, die Autonomie der Tugend, aus der eigenen
„und ursprüglichen Idee der Sittlichkeit (a priori), nicht ent-
„behrlich macht, oder diese in einen Mechanismus der Nach-
,, ahmung verwandelt. Nachfolge, die sich auf einen Vorgang
,, bezieht, nicht Nachahmnng ist der rechte Ausdruck für allen
„Einfluß, welchen Producte eines exemplarischen Urhebers auf
,, Andre haben können; welches nur so viel bedeutet, als: ans
,, denselben Quellen schöpfen, woraus jener selbst schöpfte, und
„seinem Vorgänger nur die Art, sich dabei zu benehmen, ab-
lernen" (Hartenst. 1867. V, 292 — R. IV, 145 n. 146.). Mithin
darf, ja soll nach Kant der exemplarische Wandel der
Person, von der wir auf Grund ihrer evangelischen Lehre uns
ein Bild entwerfen mögen, neben ihrer Lehre wirksam, und
die Nachfolge, zu der er erwecken kann, mit imnachlaß-
lichem Eifer betrieben sein.
V, 322. — 1868. Vn, 291.) haben druckeu laesen; „diese", auf Itegel bozogajij
aber es muß heißen : „dieser", aui Fall bezogen. Denn die praktische Begel
schreibt „Handlang, als Mittel zur Wirkung, als Absicht" vor (B. VIII, 126.).
Dagegen dient der besondere Fall, das Exempel, wie aucli aus den oben
angeführten Stellen der Krit. d. r. Y. und der Qrundl. z. Metaph. d. Sitt.
hervorgeht, zur Vorstellung, zum Beweise der Thnnlichkeit dessen, was das
Gesetz, was die praktische Begel vorschreibt.
zeabyCoO^IC
460 Zur Beurtbeiluag von Kant'a Kritik der reinen Vernunft etc.
Aus den angeführten, der Krit. d. r. V-, der Grandl. z.
Metaph. d. Sitt., der Krit. d. Urth., der Rechts- und Tagendlehre
entnommenen Steilen ergiebt sieh, daß Kant'a Ansicht in der
Rel. inn. d. Gr. d. bloß. Vem. von der Kraft des Beispiels und
der Nothwendigkeit der Nachfolge Jesu aus den Prineipien seines
ethischen Systems hergeflossen und wohl abgewogen war. Ich
würde daher ohne Kant's eigene Beziehung auf das Fragment:
„Vom Zwecke Jesu und seiner Jünger" nie die Vermuthung
wagen, daß seine Darstellung von dem Lehrer des Evangeliums,
von dem Repräsentanten des guten Princips auf Erden dnrch
jenes Fragment sei beeinflußt worden. Da Kant aber selbst auf
jenes Fragment Bezug genommen hat, so läßt sich vielleicht
sehließen, daß, wie seine Bestreitung einer Absicht Jesu, ,,die
Priesterregierung zu stürzen und sieh mit weltlicher Obergewalt
selbst an die Stelle zu setzen" (R. X, 95 Anm.), so wenn auch nicht
seine Behauptung der Absicht Jesu,* den jüdischen Ceremonial-
dienst abzuschaffen und das sittlich-religiöse Leben zu verinner-
lichen, doch der Nachdruck, mit welchem er diese Behauptung
hervorhob und betonte, durch seinen bewußten Gegensatz zu
Reimarus veranlaßt sei.
"Wenn Michaelis mit „seiner" im J. 171)2 von Stäudlin
veröffentlichten „philosophischen Moral" um d. J. 1793 Kant's
eingehende Beachtung gewann (R. X, 14. 131. 255.), mußt«
„der "Wolfenbüttelsche Fragmentist," ob er gleich den
„Fremdling auf dem Boden des Fürsten dieser Welt" bearg-
wöhnte, „sein Leben nicht in moralischer, sondern blos in poli-
tischer, aber unerlaubter Absieht gewagt" zu haben (R. X, 95
Anm.), nicht auch Kant's Interesse und zwar um so mehr in
Anspruch nehmen, als „sich ein Reimarus dadurch ein un-
sterblichea Verdienst erworben" hatte, daß er in „seinem" [um
die Jahre 1790 und 1793] ,,noch nicht übertroffenen Werke"
[Abhandlungen von den vornehmsten Wahrheiten der natürlichen
Religion. 6. Aufl. 1791] „den aus der physischen Teleologie
genommenen Beweisgrund" für das Dasein Gottes „mit der ihm
eigenen Gründlichkeit und Klarheit" [zumal in der 3. 4. u.
6. Abhandl. S. 113—390.] „weitläufig ausführte"? (Krit. d. ürth.
R. IV, 386.)
,dbyGoogle
Samaiten und der Deutsche Orden bis zum Frieden
am Melno-See.
Von
Dr. Robert Kramlilioltz.
(Fortsetzung.)
Lage Samaitens wfthrend Kestuit's Wirksamkeit i34i— 1382.
Yon großer Tragweite mußte es für den Orden sein, wie
sich die Samaiten zu Gedimin's letztwüliger Verfügung, die
ihnen, wie bekannt, Keatuit ala Herrscher zuwies, stellen würden.
Eine directe Antwort auf diess Frage geben unsere Quellen
nicht; jedoch wird die Beteiligung Kestnits an dem Zuge seines
Bruders Olgierd') gegen Livland, die Wigand bezeugt,*) darauf
schließen lassen, daß er Schwierigkeiten im Innern seiner Herr-
schaft kaum zu überwinden gehabt hat — falls Überhaupt ein
so loses Verhältnis, wie sich zwischen Samaiten und Kestuit uns
bald ergeben wird, Herrschaft genannt werden kann — . "Wir
werden also anzunehmen haben, daß die Samaiten es für vor-
teilhaft hielten, sich einem Mann wie Kestuit anzuschließen,
dessen pemahlin Bimta aus ihrem eigenen Lande war.*) Des
Ordens Aussichten hatten sich also durch Gedimins Tod nicht
gebessert. Samaitens auch nur lockere Zugehörigkeit zu seinen
Besitzungen mußte Kestuit um so höher schätzen, als er in
Fällen der Not gegenüber einem ihm und den Samaiten ge-
meinsamen Feind wegen der Größe des Landes sich trotz der
vielen Heimsuchungen durch den Orden von hier kräftigere
Hilfe versprechen mochte als von seinen sonstigen Besitzungen.
Sehen wir zu, in welcher Weise der Orden jetzt vorgeht.
Die erste That, welche zu erwähnen wäre, ist eine Vorsichts-
maßregel; denn etwas anderes als die Erkenntnis, daß die 1337
1) Oigierd hatte Krewo mit dem dazu gehörigen Lande bis zur Bere-
sina ttiid das Fttrstenthum Witebsk geerbt, cf. Schiemann I, 231. —
2) Wigand 31. — 3) Schiemann I, 235.
DigtizBabyCoOgIC
462 Sajntuten und der Deutsche Urden etc-
geväblte Lage für die Baierburg nicht den Samaiten gegenüber
zu halten sei, wird schwerlich für den Hochmeister Ludolf König
die Ursache gewesen sein, dieselbe eine Meile die Memel weiter
abwärts nach Zerstörung der alten Burg im Februar 1344 von
neuem anzulegen.') Den livländischen Zweig beschäftigte voll-
auf der Äu&tand der Esten,') so daß von hier aus zunächst
keine Unterstützung zu erwarten war. Anfang 1345 genügte
schon das bloQe Gerücht von einem Einbruch der Littauer in
Samland, um eine groä angelegte Expedition resultatlos ver-
laufen zu lassen.') Qefährlicher noch als dieser Mißerfolg, ob-
gleich dadurch Livland Olgierd preisgegeben wurde, war die
Einigkeit, die sich seit 1345 zwischen den Brüdern Olgierd und
Kestuit konstatieren läßt, ein Bund, der dem Orden um so
schädlicher war, als er bald eine Konsolidierung der Verhältnisse
in Littauen zur Folge hatte, Olgierd als dessen Oberhaupt ein-
gesetzt wird, ihm seine Brüder zu gehorchen haben, Olgierd und
Kestuit sich aber noch besonders verbinden und Teilung der
eventuellen Eroberungen sich versprechen.*) So war eine Zer-
splitterung der littauischen Kräfte, vielleicht ein Auftreiben Sa-
maitens durch Parteinahme für Kestuit gegen seine Brüder aus-
geschlossen. Die Solidarität der Interessen, welche nunmehr
zwischen Kestuit und Olgierd bestand, richtete gewiß ihre Spitze
nicht nur auf Eroberungen, sondern war auch auf Behauptung
der Länder bedacht, auf die beide Anspruch machen konnten.
Wenn also auch wohl nicht bei seinen Einfällen, so doch sicher-
lich bei einer definitiven Aneignung Saraaitens hatte der Orden
es mit den vereinten Kräften Littauens zu thuu. Nur zu bald
sollte er diese im eigenen Lande spüren. 1345 und 1347 wurde
der Osten des preußischen Ordensgebietes von den Heeren 01-
gierds und Kestuits auf das furchtbarste verheert.^) Es ist er-
klärlich, daß unter solchen Verhältnissen von Angriffen auf Sa-
maiten nicht viel die Kede sein konnte. Alles, was sich von
1) WigMid 30. — 2) Schiemann 11,
4) Schiemann I, 233. — 5) Wigand 35 und 3
zeabyCoO^IC
Yoii Dr. B. Kmmbliolta. 463
1346 ab für drei Jahre verzeichnen läßt, besteht in zwei Zügen,
von denen sich der eine gegen Oukaym,') der andere gegen
Germedien') richtet. Erst nach der Schlacht bei der Strebe')
am 2. Februar 1348, in der Olgierd und Eestuit vom Orden ge-
schlagen wurden,*) begannen auch wieder die Kämpfe gegen die
Samaiten in energischer 'Weise. Der Marschall von Preußen,
Siegfried Banfeld, &llt in Eiragola ein, verwüstet hier das Ge-
biet, dringt dann in die Gegenden von Pemare,*) Gesow,") aber-
mals Eiragola und Pastow') ein.*} Hiermit noch nicht zufrieden
fährt der Marschall Siegfried von Ragnith aus in das Kuriache
Haff, zieht plündernd durch das obere Samaiten, macht einen
Marsch quer durch das Land und gelangt endlich an die Memel
zwischen Pisten und Welun.") Hatte man so den Samaiten
ein Zeichen von der neu erstarkten Kraft des Ordens ge-
geben, so sahen sie auch bald wieder eine von den ihr Land
deckenden Burgen an der Memel vernichtet. Welun, zwischen
dem deutsehen Christmemel und Marienburg gelegen,^") mußte
dem Orden im Besitz der Feinde sehr lAstig sein. Deshalb
zog der Hochmeister Heinrich Dusmer nach dem 15. August
1348 gegen dasselbe.'^) Die Besatzung ergab sich auf Gnade
und Ungnade, wurde getauft und nach Samland gebracht, die
Festung selbst von Grund aus zerstört, um freilich bald wieder
zu erstehen. Auch von Livland aus wurde Samaiten 1348 heim-
gesucht. Meister Goswin v. Herike fiel Ende Jauuar oder Fe-
bruar in Samaiten ein,'") und zwar richtete er sich gegen Bussike.")
0 Wigand M. Oukaym an der Äntscha in der Nähe dös heutigen
Batoki cf. Scr. II, 507. Anm. 390. — 2) Wigand 34. Germfidten vielleicht
östlich der Mitra-Mündung cf. Scr. II, BOT Anm. 391. — 3) Die Strebe ist
ein Nebenfluß der Memel und mundet südöstlich von Kowno in sie. —
4) Wigand 35 und Wartberge in Script. II, 75. - 5) Wigand 39. Pernare
lag östlich von Eiragola, jenseits der Dubisaa cf. Snr. II, 613 Anm. 431. —
6) Gesow lag von Marienborg an der Memel östlich gegen die Naweae hin.
Scr. II, 513 Anm, 432. — 7) Pastow lag südlich von Buda Gaizewaka, das
ich anf keiner Karte gefunden habe. cf. Scr. II, 513 Anm. 432. — 8) Wi-
gand 39. — 9) Wigand 40. — 10) cf. die beiliegende Karte. — 11) Wigand 40. —
12) Wartberge zu 1348 in Scr. II, 75. — 13) Bussike ist vielleicht das heutige
Bauske. cf. Scr. II, 75. Anm. 1.
DigtizBabyCoOgle
464 Samaiten und der Deutach« Orden etc.
Wenn meine obige Annahme, daß die Samaiten sich den von
Kestuita Vater getroffenen Beatimmungen über ihr Land gefo^
haben, die richtige ist, so muß man sich mit !Recht fragen, warum
Kestuit auf den Schutz dieses ihm hinterlasseneu Landes nicht
bedacht war. Eine genügende Antwort hierauf zu geben, er^
laubt der Zustand unserer Quellen nicht. Indessen braucht
einerseits aus dem völligen- Schweigen über eine derartige Thätig-
keit Kestuits noch nicht mit Sicherheit hervorzugehen, daß er
es völlig hieran hat fehlen lassen, auch wenn er persönlich nicht
dabei betheiligt war. Andererseits muß man bedenken, daß die
Zusammengehörigkeit Samaitens mit Littauen auch schon unter
Oedemin eine sehr lose war, daß auch Gedemin die Samaiten
eine Zeit lang, wenn es ihm vorteilhaft schien, fallen ließ.
Kestuit hatte nun, wie bereits bekannt, noch andere Besitzungen,
war mit Ol gier d verbunden und unterstätzte infolge dessen
auch dessen auf Eroberung Podoliens und Wolyniens zielende
Politik gegen Polen') — 1347 war auf 2 Jahre diese Absicht
in den Hintergrund getreten — und hatte so für Samaiten wenig
Zeit übrig. Endlich liegt vielleicht Kestuits Anerbieten, zum
Christentum überzutreten, doch auch Rücksicht auf Samaiten
zu Grunde. Kunde von dieser Absicht Kestuits, mit seinen ihm
untergebenen Völkern diesen ßeligionswechsel zu vollziehen,
geben Briefe des Papstes Clemens VI*) an den König von Polen,
den Erzbischof von Gnesen und Kestuit selbst vom 15. u. 20. Sep-
tember 1349. Biese Nachricht ist durch den König von Polen
nach Rom gelangt, es ist also ein längerer Zeitraum zwischen
der Äußerung dieses Planes seitens Kestuit's und der Benachrichti-
gung des Papstes hiervon anzunehmen. Es ist klar, daß Kestuit
nur durch äußere Vorteile sich dazu bewegen ließ, eine der-
artige Neigung zu heucheln, um so mehr als er sich die Samaiten
noch weiter dadurch entfremden konnte. Er imd sein Bruder
Olgierd waren durch die Schlacht an der Strebe sehr geschwächt,
1) Schiemann I, 492. — 2) Theiner: Vetera monunientB Poloniae I
D,gt,zBabyC00<^IC
Von Dr. R. Krambholtz. 465
Samaiten war 1348 hierdurch auf daa ärgste heimgesucht. Um
□nn nicht die ihm gebliebenen Kräfte weiter gegen den Orden
verwenden za müssen, sondern sie fUr die gewiß schon geplante
Fortsetzimg des Kampfes gegen Polen aufzubewahren, um Sa-
meiten vor weiteren Plünderungen seitens des Ordens zu schützen,
giebt er die Absicht zu erkennen, mit seinen Völkern Christ
zu werden, ©in Schritt, durch den er aioh HofiFnung auf ein
Gebot des Papstes an den Orden machen konnte, die Feind-
seligkeiten gegen ihn und seine üntertbanen einzustellen. Aus
seinem Vorgeben dem Papst gegenüber vielleicht, ferner aus der
Heimsuchung Preußens durch den schwarzen Tod ') erklärt sich
die Euhe seitens des Ordens fiir die Jahre 1348 bis 1352,
während die Verabsäumung der Samaiten, in dieser Zeit gegen
den Orden vorzugehen, wohl mit Sicherheit auf ihre Schwäche
zurückzufahren ist und den Mangel einer einheitlichen, energi-
schen Führung. — Dieser Unthätigkeit gegen Samaiten machte
der Hochmeister Winrich v. Kniprode ein Ende. Februar 1352
verheerte er die Bezirke Gesow, Eiragola, Rossieny und kehrte
dann über Pastaw nach Bagnith zurück,*) schneller als ihm lieb
war, durch Thauwetter und Regen gezwungen. Hatte Winrich
durch diesen Zug einem Einfall der Littauer vorbeugen wollen,")
so war ihm das vollkommen mißglückt. Ihm auf dem Fuß
folgten Olgierd und Kestuit,*) von denen letzterer den Schein,
Christ zu werden, schon lange hatte fallen lassen, wie der Krieg
gegen Polen^) und ein Brief des Papstes beweist.*) Drei Jahre')
hinter einander hatte Preußen wieder unter ihren Verwüstungen
zu leiden, wodurch gleichzeitig die Unmöglichkeit sich ergab,
während dieser Zeit gegen Samaiten vorzugehen. Auch dann
gestattete unerwartetes Unglück nur eine Unternehmung. Nach-
1) Toigt: 0. Pr. V, 81. - 2) Wigand 43. - 3) Caspar Schütz in Scr. H,
619, Schütz ist ein Epitomator des Wiegand'schen Originals, von dem uns
nur die lateinische Uebersetzung erhalten ist. Vergl. über Schütz in Scrip-
toree II, 435—436. — 4) Wigand 43. — 6) Schiemann I, 492. — 6) Theiner
Vetera moaamenta Poloniae I, No. 703. — 7) Wigand 43—45.
Altpr. Honatwohrift Bd. XZVL Hft. 6 u. & 30
DigtizBabyCoOgle
466 Samaiten und der Deutsche Orden etc.
dem nämlich im Fobruar 1355 Medenicki, Eiragola und Wayken*)
■verwüstet waren, ^} ließ die Notwendigkeit, das Ende 1355 und
Frühjahr 1356 abermals durch Feiiersbrunst zerstörte Ragnith*)
wieder aufzubauen , alles andere in den Hintergrund treten.
Weder hierbei noch bei der Wiederherstellung oder dem weiteren
Ausbau der St;hulauerburg uud der Anlage eines sie und den
Eagnither See verbindenden Grabens *) wurde von den Samaiten
der Versuch gemauht, Schwierigkeiten zu bereiten. Mit derselben
Eesignation wurde auch 1357 der Plünderungszug des Marschall
Siegfried Danveit*) in die Gegenden der Dubisna hingenommen;
erst als er sich an die Belagerung dos nach 1348 neu erstandenen
Welun machte, regte sich der "Widerstand, Das die Festung
einschließende Heer wurde Überfalleu, arg geschädigt und zum
Abzug gezwungen. Doch die Freude über diesen Vorteil sollte
nur kurz sein; schon 1358^) gehen beide Ordensabteilungen gegen
Samaiten vor, tun es dann freilich für zwei Jahre nicht heimza-
suchon. Die Veranlassung für diese Samaiten gegönnte Erholung
war ein abermaliges Anerbieten Kestuits und auch Olgierds zum
Christentum überzutreten. Daß auch diesmal der zur Schau ge-
tragenen Xoigung, auf das Heidentum zu verzichten, nur wieder
die Absicht zu Grunde lag, Zeit zu gewinnen, beweist am besten
die schließlich als Preis für diesen Koligions Wechsel gestellte
Bedingung. Diese bestand nämlich in dem Wunsch, den größten
Teil von Ostpreußen, ganz Kurland und Semgallen überwiesen
zti erhalten.^) Was sie wollten, hatten Kestuit und Olgierd trotz
der selbstverständlichen Ablehnung ihres Vorschlages erreicht,
Littauen wurde 1359,') Samaiten 1360 erst heimgesucht. Die
Operationen gegen das letztere übernahm jetzt der Marschall
Henning Schindekopf. Er faßte sofort gröUere Ziele ins Auge.
Nachdem es auch ihm mißlungen war, Welun einzunehmen,^)
geht er daran, Samaiten mit 2 neuen Festungen zu umgeben.
1) Wayten ist zwischen Rossienv und Eiragola gelegen, cf. Scr. IE,
521. Anm. 486. - 2) Wigand 46. - 3) Wigaiid 47. — 4) Wigand 49. —
D) Wartberge zu 1.S58 in Scr. U, 79. — 6) Wartberge zu 1358 in Scr. II, S. 79
und 80. - 7) Warlberge zu 1359 in Scr. II, S. 80. — 8) Wigand 69.
D,gt,zBabyC00<^IC
Von Dr. R. Krumbholtz. 467
Westlich von diesem Lande entsteht Windenhurg,') im Süden
Neuhaus.') Wenn auch diese Burgen nicht unmittelbar an Sa-
maitens Grenzen lagen, so war ea doch ein Fortschritt, daß die
Zahl der befestigten Plätze, von denen Einfälle nach Samaiten
und Schutz gegen etwaige Angriffe möglich waren, erhöht wurde.
Auch diese Bauten wurden nicht von den Samaiten gestört, ob-
gleich man die in ihnen liegende Gefahr erkannt haben wird.
Si)richt doch dafür der Versuch, sich des Platzes zu bemächtigen,
wo die durch Unvorsichtigkeit in Flammen aufgegangene Memel-
bnrg gestanden hatte. Aber die aufgewandten Kräfte waren zu
schwach; einige Brüder und 300 Mann genügen, um einem
solchen Versuch entgegenzutreten.^) Es fehlte in Samaiten
offenbar jedes kräftige Zusammenwirken und namentlich auch
eine einheitliche Leitung. Kestuit, der einzige Mann, der viel-
leicht hätte Abhilfe schaffen können und dessen Aufgabe dies
gewesen wäre, war mit Angriffen auf den Osten des preuüischen
Ordensgebietes beschäftigt, die ihn sogar vorübergehend in
deutsche Gefangenschaft brachten.*) Aber er selbst sollte den
Schaden davon spüren. Jene große Expedition des Jahres 1362,
die zum Resultat die Zerstörung von Kowno hattte, passierte
die samaitisehen Burgen Welun und Pisten, ohne daß auch nur
ein Versuch des Widerstandes sich zeigte. Wigand schließt den
Bericht^) über diese Unternehmung mit der Nachricht, daß die
Besatzungen von Pisten und Weluu sowie die herumwohnenden
Heiden d. h. Samaiten von großem Schrecken erfüllt wurden.
Und in der That hatten sie alle Veranlassung dazu. Kestuits
Eücksichtslosigkeit gegenüber den Samaiten, sie ihrem Schick-
sal zu überlassen, umgekehrt die Gleichgültigkeit oder Schwäche
der Samaiten, die sie soeben bewiesen hatten, mußte sie ebenso
treffen als Kestuit; denn, wie Schiemann") schon bemerkt, war
Kowno der Ort, von wo die Samaiten am kräftigsten geschützt
1) Windenlmrg am iuriechen Haff, der Mündung der Ruß gegenüber.
ei. Scr. n, 624. Anm 618. — 2) NeuhauB lag bei Tilsit, cf. Scr. U, 524
. Anm. &17. — 3) Wigand BO. — 4) Wigand 52. - 5) Wigand 54. — 6) Schie-
inann I, 236.
30»
DigtizBabyCoOgIC
468 Samaiten and der Deutsche Ordeo etc,
werden konnten; sie sahen also eine Position damit hin sinken,
die ihnen bei dem jetzigen lauen Verhältnis Kestuita zu ihrem
Land wenig, bei einer Sinnesänderung desselben jedoch von
tmendliehem "Wert war, Freilich war ja zu erwarten , daß
Kestuit, der wegen seiner Besitzungen um Troki schon sehr
durch Kownos Zerstörung betroffen war, anf Wiederbau an der-
selben oder einer noch günstigeren Stelle bedacht sein würde.
r>er Versuch wurde auch bald gemacht. Auf der Memelinsel
ÜVyrgalle') (oder Gotteswerder) will Kestuit die Festung Neu-
Kowno errichten,^ aber es gelingt ihm nicht, diesen Plan
völlig zur Ausführung zu bringen. Schon im April 1363 gehen
die noch in der Entstehung begriffenen Anlagen in Flammen
auf. Hiermit begnügte man sich jedoch nicht, sondern der
Orden war darauf bedacht, auch die letzten samaitischen
Festungen an der Memel noch zu vernichten. Trotz zweier
Berichte bei Wigand*) ist es schwer, sich ein anschauliches
Bild von den Vorgängen bei der Eroberung Pistens und
Weluns zu machen. Da es im Kahmen dieser Arbeit weniger
auf die Einzelheiten als auf das Besultat ankommt, so begnüge
ich mich darauf hinzuweisen, daß Kestuit jetzt zum erstenmal,
wo ihm die ganze Gefahr der Samaiten klar vor Augen trat,
für sie bedacht ist. Nicht genug, daß er beide Burgen aufsucht,*)
übernimmt er selbst eine zeitlang Pistens Verteidigung, Es er-
giebt sich dies meiner Ansicht nach daraus, daß der die Be-
lagerung dieser Burg leitende Comtur von Ragnith mit ihm die
Unterhandlung beginnt,^) daß der Hochmeister die Genehmigung
zu seinem Abzug giebt.*) Wenn allerdings zuletzt nur noch
mit dem Kommandanten Pistens verhandelt wird, ao erklärt sich
1) Die Insel Ootteswerder lag der Uündang der Naweae gegenüber.
cf. Scr. n, 646 Arno. 706. - 2) Wigand 69. - 3) Wigand No. 65 und 69
berichten dasselbe Ereignis, wie Hirsch in Scriptores II, 639 Anm. 648 nach-
gewiesen hat. - 4) Wigand 69 : Kjnstud festinans tranaiit in dicta castra. —
6) Wigand 69: commeiidator de Ragnita . . . acciamavit regi djcene data
voe captivum ~ 6) Wigand 69: dünittont regem cum pagaais.
cf. dazu Script. II, 646 Anm. 716.
zeabyCoOgIC
Von Dr. R. Kmmbhdtz. 469
dies wotl einfach daraus, daß Kestuit die Zeit zwischen Beginn
der Unterhandlung und definitiven Abmachung benutzt hat, um
sich zu entfernen. Auch die Nachricht Wigands, daß Kestuit
in Preußen eindringt, wiewohl wahrscheinlich mit einem Ersatz-
heer, aber auf die Nachricht von der Vernichtung Weluns and
Pistens umkehrt,') scheint mir eine Bestätigung fflr die anfäng-
liche Anwesenheit Kestuits in Pisten zu enthalten; denn eine
Erklärung dafür, warum er nicht sofort nach Besichtigung der
beiden Burgen auf Hülfe bedacht war, scheint mir nur daraus
sich zu ergeben, daß er durch persönliche Teilnahme an Pistens
Verteidigung aufgehalten wurde und schließlich zu spät kam,
um den Untergang der Burgen zu verhindern. Es war nötig,
hierauf einzugehen, weil die Anwesenheit Kestuits in Pisten
ein Beweis dafür ist, daß die Samaiten, wenn auch lange von
ihm in Stich gelassen, ihn willig aufnehmen, ihm die Vertei-
digung anvertrauen, sich ihm soweit unterordnen, daß er die
Verhandlungen mit dem belagernden Komtur leitet. Fügen wir
die soeben konstatierte Thatsache den bereits früher angedeuteten
Erwägungen hinzu, daß sich während der ganzen Zeit nach dem
Tode Gedimins keine Spur von einer Auflehnung gegen Kestuit
zeigt, so möchte sich das Verhältnis zwischen ihm und
Samaiten vielleicht folgender Maßen hinstellen: Kestuit denkt
nicht daran, auf das ihm von seinem Vater übertragene Kecht
der Herrschaft über Samaiten zu verzichten, kümmert sich aber
anderseits weniger um dies Land als die übrigen Bezirke seines
Erbteils, weil bei der aristokratischen Verfassung Samaitens eine
wirkliche Ausübung seiner Rechte nicht möglich ist. Veran-
lassung, sich um sie und ihre Wünsche so zu bekümmern, wie
wir es bei seinem Vater zum Teil haben konstatieren können,
hat er nicht, weil er einerseits in seinem Bruder einen starken
Anhalt gefunden hat, anderseits bei der immer mehr an den
Tag tretenden Schwäche der Samaiten es ihm nicht geraten er-
seheinen mochte, um sie andere Interessen außer Auge zu lassen.
:) WiRand 63.
DigtizBdbyGOOgle
470 Samaiten und der Deutsche Orden etc.
AUS diesen Gesichtspunkten begreift sich sowohl sein sonstiges
Verfahren als auch sein letzter HÜfeversuch gegen den
Orden. Und wie verhalten sich die Samaiten? Daran ge-
wöhnt, sich selbst zu regieren und nur in einem losen Verhält-
nis zu Littauen zu stehen, haiton sie an dieser fast nur nomi-
nellen Herrschaft Kestuits fest, obgleich sie von ihm lange in
Stich gelassen sind. Sie lösen dies Abhängigkeitsverhältnis
nicht, weil es ilinen nur Lasten auferlegen kann, die gleichzeitig
für ihren Vorteil sind, weil auf alle Fälle oin Rückhalt an einen
Mann wie Keatuit von Nutzen werden konnte.
Sehen wir hiervon ab und stellen wir uns die Frage, was
der Orden mit der Vernichtung Pistens und Weluns erreicht
hatte, so laßt sich dies kaum besser wie mit Lohmeyer ^) dahin
prftcisieren, daß nunmehr das ganze südliche Samaiten schutzlos
vor dem Orden dalag, vorausgesetzt Ireiüeli, daß der Orden einen
Wiederaufbau der soeben gebrochenen Burgen zu verhindern
wußte. An einer Ausnutzung dieser günstigen Lage ließ es der
Orden nicht fehlen. Winrich v. Kniprode selbst bricht in Be-
gleitung vieler Gäste auf,*) nachdem bereits durch den Marschall
die Wege in guten Zustand gebracht waren. Eiragola ist das
nächste Ziel, dann wendet er sich nach dem in geringer Entf-
fernung davon östlich gelegenen Parwem.*) Hierauf wurde
Labunow*) aufgesucht und zwar zunächst nur von einer kleinen
Abteilung unter dem Befehl des Komtur von Osterode. Den
dort versammelten Feinden nicht gewaclisen, eilt ihm der Hoch-
meister zu Hilfe; es gelaug, dem feindlichen Heer in den Kücken
zu fallen und es zu schlagen. Labunow und das andere Terri-
torium Zymen,^) die beide zusammen jene besiegte Abteilung
aufgebracht hatten, waren der Verwüstung preisgegeben.^) Gleich-
zeitig war auch der Meister von Livland, Arnold v. Vietinghof,
1) Ldhineyer S. 232. — 2) ■Wip:anil 56, — 3) Parwem ist das heutige
von mir anf keiner Karte gefundene Peroarevo in geringer Entfernung
östlich von Eiragola cf. Sc.r. 11, 541 Arim. GtlO. — 4) Labuiiow liegt an der
Kawese cf. Scr. II. 541 Anm. 665. — 5) Z\-nien wird das lieiitige Sclieimy
östlich von Labunow sein. — 0) Wij;nnd 56.
D,gt,zBabyC00<^IC
Von Dr. E. Krumbholtz, 47X
thätig, der nach einem Plünderungszug bis vor das Östlich von
Samaiten gelegene Wilkomir *) sich auch diesem Lande zu-
wandte.^} "Wohl ohne Verabredung mit dem Hochmeister diese
Unternehmung begonnen, läßt er sich auch nicht von dem
letzteren dazu bewegen, ihn auf seinem weiteren Zuge zu
begleiten, der nach einer Verwüstung von jenseits der Nawese
gelegenen Landstrichen in der Gegend von "Welun sein Ende
findet. Die folgende Zeit verläuft für den Orden nicht beson-
ders günstig. Zwar wird Samaiten 1364*) wie 1365*) und 1366*)
heimgesucht, ja bis nach Grodno^) und Wilna') erstrecken sich
Züge des Ordens, aber alle diese Expeditionen wiegen doch
nicht den Schaden auf, der Mitte 1365 durch die Vernichtung
der in der Umgebung vom heutigen Tilsit*) gelegenen drei
Burgen: Splittern, Caustritten und Schalauerburg erwuchs.*)
Kestuit im Verein mit seinen Brüdern war es gewesen, der
diesen kühnen Vorstoß ausgeführt hatte. Um ihm für die Zu-
kunft derartige plötzliche Einfälle zu erschweren,'") fand eine
Verlegung der Marienburg") in die Gegend westlich von Kowno
statt.'"'') Schon 1307 damit begonnen, wurde ihr Bau trotz Kes-
tuits Hinderungs versuche im Juni 1368 vollendet. Aber auch
des Ordens Position Samaiten gegenüber gewann mit ihrer
Fertigstellung, nachdem vorher schon ein nicht minder wichtiger
Fortschritt gemacht war: September 1367 nämlich vernichteten
1) Wilkomir liegt an der Swieta, einem Nebenfluß-der in die Memel
sich ergießenden Wilia. cf. Sct. II, S7 Anm. 3. — 2) Wigand 56 und Wer. II,
543 Anm. 690, — 3) Wigand 61 : Eivagola und das östlich von der Meme!-
insel Sallyn gelegene Pnsto wo (jetzt PdczIow auf keiner Karte gel« ndcn). —
4) Wigand 63 b : Gaistiw (von Mnrii'nljurg a. Memel üstlieh gef;en die Nawese
hin. cf. Scr. n, 51.S Anm. 432) und Labiinow. — 5) Wigand 66: Die Memel-
insel Golteawerder gegenüber der Mündung der Nawese. — 6) Wigand 57,
Es geschah 13(i4. - 7) Wigand Cl. Im Jahre 1365. — 8) Soriptores II_
549 Anm. 746. — !>) Wigand 61; Warlberge zu 1365 tu Scr. II, 85; Anna-'
lista Thorunensis, PosÜge und Delmar zu 1366 in Scr. III, 83. — 10) Schon
Voigt : G. Pr. V, 192 weist auf die.se Aufgabe der neuen Maricnbiirg bin. —
11) Die erste Anlage von Marienburg befand sich auf einer Insel zwisi'lien
Weliin und Pisten, cf. Scr. II. 658 Anm. a52. - 12) Wigand 70 un.l die
Scr. II, 5.">8 Anm. H")2 zusammen gestellten Nachrichten.
DigtizBabyCoO^IC
472 Samaiten und der Deutsche Orden etc.
die Samaiten selbst das wieder aufgebaute Welun durch Fener. ')
Veranlaßt dazu wurden sie durch einen Zug des Hochmeisters
"Winrich v, Kniprode, der indessen sich noch ein anderes Ziel
gesteckt hatte. In der richtigen Erkenntnis, daß die noch im
Entstehen begriffene Marienbiirg durch das von Kestoit auf der
Insel Gotteswerder von neuem errichtete Neu-Kowno den größten
Gefahren ausgesetzt sei, marschiert er unmittelbar darauf gegen
dies Kastell. Es selber einzunehmen mißlang, dafür wurde aber
Eiragola und andere benachbarte Bezirke verwüstet.') Von
besserem Erfolg war er 1368 begleitet. Nach einer für die Sa-
maiten außerordentlich verlustreichen Expedition die Naweae
hinauf,') der ein Verheerungszug des Jivländischen Ordens-
zweiges vorangegangen war, gelang es Neu-Kowno zu nehmen.'*)
Es war ein Fehler, daß man hiermit sich begnügte und nicht
durch Anlage einer Burg diesen wichtigen Platz an der Mündung
der Nawese für den Orden sicherte. Hieran wurde erst ge-
dacht, als um den 15. April des Jahres 1369 die wiederum er-
standene Festung Kestuit entrissen wurde,') Bis zum 20. Mai
war man mit der Anlage Gotteswerders beschäftigt , ') eines
Kastells, das gleichzeitig wegen seiner strategisch günstigen
Lage auch für Kestuits Plätze Troki und Welun nicht ohne
Gefahr war. So begreift sich, weshalb bereits im August
1369 Kestuit an seine Vernichtung dachte.') Vom 15. August
bis 12. September leistete die Ordensbesatzung unter Kuno
V. Hattenstein Widerstand, um sich dann doch ergeben zu
müssen. Mit einer Zerstörung der Anlage war Kestuit nicht
gedient, sondern mit der Behauptung dieser Position, auf deren
stärkere Befestigung er deshalb bedacht war.') Doch er hatte
die Kraft des Ordens unterschätzt. Nachdem um den 1, No-
vember 1369 der Marschall Henning Schindekopf in einer per-
sönlichen Zusammenkunft Olgierd und Kestuit bewogen hatte,
l) Wigand 72. — 2) Wartberge zu 1367 in Scr. n, 89. - 3) Wart-
berge zu 1368 in Scr. H, 92. — 4) Annalist« Thomnensis zu 1368 in Scr.
ni, 88. - 5) Wartber-o zu 1369 in Scr. II, 94. - 6) Wigand 73. - 1) Wart-
berge »u 136D in Ser. n, 04.
DigtizBabyCoO^IC
Von Dr. R. Krumbholtz. 473
die in ihren HäDden sich befindenden Ordenaleute auszuliefern,
verband er sich auf dem Rückmarsch nach Bagnith mit einem
ihm vom Hochmeister zugesandten Hilfaheere, wandte sich gegen
Gotteswerder und machte den Orden wieder zum Herrn dieser
wichtigen Memelinsel,^) "Wie einst Kestnit vergeblich Pisten
den Samaiten zu erhalten gesucht hatte, so war auch jetzt seine
Intervention mißglückt. Abgesehen von Samaiten war er selbst
und sein Bruder Olgierd durch diese letzten Erfolge des Ordens
so bedroht, daß eine energische That notwendig erschien, um
diesen langsamen, aber sicheren Erfolgen Einhalt zu thun. An
der Spitze eines starken Heeres, das außer Littauem auch
russische Bestandteile enthielt, rückten sie deshalb im Jahre 1370
bis nach Samland vor, wo am 17. Februar bei Rudau*) die Ent-
scheidung zu Ungunsten der verbündeten Brüder ausfiel.') Die
Teilnahme der Samaiten ist nicht bezeugt, trotzdem bin ich
geneigt anzunehmen, daß sie in den „Littauem" der Be-
richte einbegriffen sind. Ich glaube dies deswegen thun zu
dürfen, weil nach dem schon geschilderten Verhältnis der Sa-
maiten zu Kestuit dieser ihrer Hilfe dann sicher sein kbnnte,
wenn ein Vorteil für sie damit verbunden war. Dies war in
einem hohen Maße der Fall, sobald der Orden eine entschei-
dende Niederlage erlitt. Resultiert so die Teilnahme der Sa-
maiten an dieser Expedition Kestuits aus den damit verbundenen
Opportunitätsgründen , so findet sich von einem genaueren
Bericht darüber, daß sie auf dem linken Flügel standen,
Kestuit sie kommandierte, wie Voigt*} es darstellt, nichts in
den allein glaubwürdigen ^) Quellen , vielmehr sind dies alle
spätere und deshalb unglaubwürdige Nachrichten.') — Was
sich die Samaiten von dieser Unternehmung versprochen
1) Wartberge zu 1369 in Scr. II, 95 und Annalista Thor
1369 in Scr. IIT, 88. — 2) Rudau liegt in der Nähe von Königsberg. —
3) Wigand 74. Wartberge zu 1370 in Scr. Ü, 96 und 96; Annaliala Thoru-
nenaiB, Detmar und Posilge zu 1370 in Scr. III, 88—89. — 4) Voigt:
G. Pr. V, 213—216. — 6) Es sind dies die onter Änmerliniig 3 aufgeföhrten
Äuloren. - 6) Script. U, 566 Anm. 92b.
■D,gt,zBabyC00<^IC
474 Samait«n nnd der Deutsche Orden etc.
haben mögen, erfüllte aich nicht. Vielmehr geht der sieg-
reiche Orden in der kräftigsten "Weise gegen sie vor. Bereits
im März 1370 sehen die Samaiten die Mitte ihres Landes
um "Warnen ^) und Medenicki, im Sommer den Östlichen Teil von
Eiragola von Livland aus verwüstet,*) während schon im August
desselben Jahres der Hochmeister "Winrich teilweise wieder in
dieselben Gegenden einfällt,') Diese Expedition zeichnet sich
durch große Planmäßigkeit aus. Der Hochmeister und der
Marschall gehen bis Ragnith geraeinscbaftlich vor; hier tritt
eine Trennung ein. Der Hochmeister dringt zu Schiff in das
Land Promedien*) und marschiert dann in die Gregenden von
"Widukle^j und Rossieny und noch weiter nördlich nach Weigow. *)
Erst hier vereinigt er sich wieder mit dem Marschall , der
über Eoltinjany ') gegangen war. Beide Abteilungen zusammen
ziehen dann durch das östliche Samaiten über Bossieny und
Eiragola in die Gegenden, wo Nawese und "Wilia in die Memel
münden, nm von hier wohl zu Schiff nach Ragnith zurückzu-
kehren.^) Im Hochsommer 1372 muß das östliche Samaiten
abermals eine Verheerung über sich ergehen lassen. Während
"Winrich über Eiragola, "Widukli und andere Bezirke nach
Norden rückt und dann vioUeirht die Nawese entlang nach
Süden sich wendet,") verwüstet fast gleichzeitig das livländiscbe
Heer die Gegenden von der oberen Nawese bis zu ihrem "Unter-
lauf.^") Im Vergleich zu diesen Samaiten wirtschaftlich auf das
1) Warnen gleich dem heutigen Worny östlich von Memel. cf. Scr. II, 96
Anm 9. - 2) WaMberg zu 1870 in Scr. 11, 96 und 97. - 3) Wigand 79. —
4> Promedien wohl zwischen Mitwa und Memel cf. Scr. II, 569 Anm. 960. —
5) Widukle liegt 2 Meilen westlich von Rosaieny. cf. Scr. II, 98 Anm. B. —
6) Weigow nördlich von Kroschy. cf. Scr. II, 9U6. — 7) Koltinjany an der
Okmjana, einem Nehenftuß des Jura. Scr. II, 569 Anm. 962. — 8, Wigand 79
und Wiirtberge zu 1370 in Scr. II, 98; Scr. II, rm Anm. 95G. — 9) Wi-
gand aSa und Scr. H, 571 Anm. 992. — 10) Wartberge zu 1372 in Scr. II.
101 und 102; von den zahlreichen Orten, die Wartherge angiebt, habe ich
nur folgende auf meinen Karten gefunden; Dntinen ist das jetzige Datnow
östlich von Eiragola; Gaydine gleich dem heuligen Keidany an der Nawese;
Lahunow nahe dem linken Ufer der Nawese. cf. Scr. II, 101 Aum. 21 und
S. 102. Anm. 3 und 5.
DigtizBabyCoO^IC
Ton Dr. R. Kmmblioltz. 475
ecliTrerste sohädigenden Kriegszügen, finden in den nächsten
Jahren mehr untergeordnete Expeditionen statt. Gründe dafür
lassen sich anfUbren: Zunächst herrscht im Ordenslande die
Pest,^) sodann fanden 1372 zwischen Winrich, Kestuit und
Olgierd Friedensverhandlungen statt, ^) die freilich nicht zu einem
definitiven Resultat führten, aber, wie Hirsch") schon bemerkt,
Einstellung größerer Kriegsuntemehmungen zur Folge hatten.
Endlich mögen auch die Bemühungen Papst G-regors IX. bei
Olgierd und Kestuit, das Christentum anzunehmen, worüber uns
ein Brief Gregors vom 23. Oktober 1373 orientiert,*) ihre Rück-
wirkung auf den Orden nicht verfehlt haben, da anzunehmen
ist, daß der Papst denselben über seine Wünsche informiert hat.
Begreifen sich so die erst allmählich wieder bedeutender wer-
denden Züge des Ordens, so mag die Richtung derselben nach
Littauen und nur mehr vorübergehend nach Samaiten ihre Er-
klärung darin finden, daß dies schon zu sehr ausgesogen war,
man sich daher lieber Gegenden aussuchte, die den Raubzügen
mehr materiellen Gewinn versprachen. Anderseits mag sich
auch die Ueberzeugung aufgedrängt haben, daß Züge in
der bisherigen Art nicht zur Unterwerfung Samaitens führen
würden. Vielleicht holfte man die Herrscher Littauens zu
sich in ein Verhältnis zu bringen, das Samaiten isolierte.
Indessen alle Anstrengungen und Züge, die selbst bis Troki
sich erstreckten , waren vergeblich und hatten nur Einfalle
in das Ordensgebiet zur Folge.") Samaiten wurde, wie schon
angedeutet, nur gelegentlich auf Kückmärschen verwüstet,
so im Jahre 1376 Eiragola, Rossieny und mehrere andere
Bezirke im Südosten des Landes. ") Eine Ausnahme machte
jene direkt gegen Samaiten gerichtete Expedition des Herzogs
Albrecht von Oestreich im September 1377, von der wir durch
Peter Suchenwirth ') eingehende Nachrichten erhalten haben.
1) Posilge zu 1.S73 in Scr. III, 92. — 2) Wartberge zu 1372 in
Sc.T. II, 103. - 3) Hirsoh in Scr. II, 672 Anm. 1004. - 4) Theiner I, No. 9M. -
5) Voi^: G. Pr. V, 266- 27&. - (!) Wigand 89a. - 7) Peter SuchenwirthT
„Vou herzog Albreciita ritterscliaft" in Scriptures II, 8. Ifil— 169.
zeabyCoOgle
476 Samaiteu und der Detitsclie Orden etc.
Mit ihr holte der Orden gleichsam wieder nach, waa er mehrere
Jahre hindurch versäumt hatte. Acht Tage lang hielt man sieh
im feindlichen Lande auf und dehnte seine Verwüstungen von
Koltinjany^) südöstlich bis in die Gegend von Wilki an der Memel
au8.^) — Es ist mit der Erwähnung der letzten Unternehmung
schon der Termin überschritten, an dem in Littauen der für den
Orden sehr wichtige Tod Olgierds eintrat. Um den 24. Mai
1377 hatte Olgierd seine Augen geschlossen,*) ein Mann von
seltener Begabung,*) dessen Wirksamkeit jedoch auf einem ganz
andern Gebiet lag^) und deshalb nur selten für uns in Betracht
kam. Aber dem guten Verhältnis zwischen ihm und seinem
Bruder Kostuit hatte Littauen .seine Einigkeit zu verdanken
gehabt, nie war es dem Orden gelungen, aus einem Gegensatz
beider Vorteil zu ziehen. Ganz anders sollte sich dies unter
seinem Sohn Jagiello gestalten, der von Olgierd zum obersten
Herzog von Littauen eingesetzt war.') Zunächst freilich blieb
alles beim alten deswegen, weil Jagiello und Kestuit eine Zeit
lang friedlich mit einander standen. An Kriegszügen nach Sa-
maiten, die während dieser Zeit des gütlichen Einvernehmens
zwischen den beiden genannten littauischen Fürsten sich voll-
ziehen, sind erwähnenswert aber ohne nachhaltige Wirkung
ein Einfall in das nördliche Samaiten während des Februar 1378, ')
ferner verschiedene Züge im Jahre 1379 in den Sudosten Sa-
maitens bis zu den Mündungen der Wilia und Nawese, *•} nach den
Bezirken Medingjany*) und dem nordöstlich gelegenen Azarene,'")
1) KoltiBJany liegt an der Okmjaua. ct. beiliegende Karte.
2) AnDer Suclienwirth berichten noch über diesen Zog: Wigand 95;
Wai-therge zu 1377 in Scr. II, 113; Annalist* Thorunenais. Detmar und
Posilge zu 1377 in Scr. III, 106. Dhs von mir im Text gegebene ResultÄt
der Expedition ist Hirsch 's Untersuchung darüber in Script. II, 686 Anm. 1149
entlehnt. —
3) "WaHherge zu 1377 in Scr. II, 113. - 4) Schiemann 1, 244. — ß) Scbie-
mann I, 238, - 6) Schiemann I. 613. - 7) Wnrtberge zu 1378 in Scr. II, 116. ~
8) Wigand 102a. — i») Wigand 102c. — 10) Azarene ist wohl das heutige
tihor&ny nordöstlich von Metlingiany. cf. Scr. II, 592 Amn. 1234.
DigtizBabyCoO^IC
Vou Dr. R. Krambliolto. 477
endlich in die Gegenden der Nawese*) um Keidany^) nnd La-
bnnow. Preußen und Livland hatten bei diesen Zügen mitge-
wirkt. Aber auch Kestuit hatte nicht geruht: Das Ordensgebiet
hatte vieles von ihm auszuhalten, selbst Memel war eingeäschert
worden.') Indessen gegenseitige Annäherungen blieben auch
nicht aus; zwei mal^) während der soeben aufgeführten Kriega-
züge im Jahre 1379 unterhandelt© der Marschall Kuno v. Hatten-
stein über Auslieferung von Gefangenen. Hier wurde vielleicht
schon, wie Voigt^) vermutet, das Fundament zu jenem Ver-
trage gelegt, der am 29. September 1379 zu Troki auf 10 Jahre
nicht nur zwischen Orden nnd Kestuit, sondern auch mit Ja-
giello geschlossen wurde,') der indessen für Samaiten und Kes-
tuit eher zum Nachteil als Vorteil war;') denn weU auf eine Ein-
stellung der Kriegszüge seitens des Ordens auf 10 Jahre nicht
gerechnet werden konnte, während dieser Zeit aber die an das
südliche Preußen anstoßenden littauiachen Gebiete von Ein-
fällen frei bleiben sollten, so mußten sieh naturgemäß alle Unter-
nehmungen des Ordens gegen die andern Besitzungen Kestuita
richten d. h. gegen Troki und Samaiten. Lag für den Orden
schon immerhin ein Vorteil darin, daß er nunmehr seine süd-
lichen Besitzungen sicher wußte und so seine Kräfte auf die
genannten Gebiete konzentrieren konnte, so gingen Kestuit und
Jagiello doch noch bei diesem Vertrage gemeinsam vor. Eine
Trennung zwischen den beiden littauischen Fürsten herbeizu-
führen, gelang endlich dem livländischen Ordensmeister Wilhelm
V. Vrymersheim. Wenn auch nur für die Zeit vom 27. Februar
bis 13. Mai 1380') ein Waffenstillstand seitens Livlands und
1) Wigand 107a und 107b, 110c. — 2) Um Keidany liegen von den
bei Wignnd genannten Orten : Arwieten {das heutige Orwistowo. cf. Scr. II, 697
Arnn. 1320) und Bereden (das heutige Berzi. cf. Scr. U, 697 Anm. 1323).
Auf den mir zu Gebote stehenden Karten finden sirb diese Localitäten
auller Eeidany an der Nawese nicht. — 3) Wigand 103a. — 4) Wigand
107b und 110c. — 5) Voigt: G. Pr. V,, 293. - 6) Raczyneki: Codex diplo-
maticua Litbuaniae S. 53—55. — 7) Lobmeyor S, 249 weist schon daranf
hin. - 8) Bunge IH, No. 1152.
zeabyCoOgle
478 Seunaiten and der Dentscbe Orden etc.
Jagiello's abgeschloBsen wurde, so liegt die Ansscblag gebende
Bedeutung dieses Schrittes darin, daß Jagiello ansdnlcklicb eicb
in Gegensatz zn Kestoit setzt, ihn und seine Besitzungen dem
Orden zur PlQnderong überläät. Eigentümlich ist, daß er daa
Land Samaiten nicht zn den Eestait gehörigen Besitzungen
rechnet, sondern die Bewohner dieses Landes noch besonders
aofzäblt, die ebenso wie Eestuit's Unterthanen vom Orden heim-
gesucht werden können.') Da Jagiello nach dem Tode Kestuit's,
wie wir sehen werden, 1382 über das Land Samaiten verfügt,
ihm also nicht eine unabhängige Stellung einräumt, so mag ihn
zu jener eigenthümlichen Anifassung über das Verhältnis Samaitens
zu Eestuit entweder die schon oft genug erwähnte Thatsache
des gar zn losen Verbandes zwischen Samaiten und Kestnit
geführt haben, oder, was noch wahrscheinlicher ist, er thut dies
in der Absicht, Kestuit's Herrschaft über jene als von seiner
Seite nicht anerkannt hinzustellen, sich vielleicht bei Gelegen-
heit zu ihnen in das Verhältnis zu setzen, welches sie an Kestuit
bisher knüpfte, oder bei einem Kampf mit Kestuit diesem die
eventuelle Hülfe Samaitens abzuschneiden. War so Samaiten
zunächst nur dem livländischen Zweige preisgegeben, so trat
eine Aenderung am 31. Mai 1380 schon dahin ein, daß zu
Daudisken') der ganze Orden mit Jagiello in Fnedenszastand
kam,*) wobei gleichzeitig wieder Exceptionen vorgenommen
werden. Jagiello spricht es dem Orden gegenüber offen aus,
daß er sich von Kestuit lossagt, ein Krieg des Ordens mit
diesem ihn nicht berühre.'') Samaiten wird hier nicht ansdrück-
1) Bunge HI No. 1152: ... . ab istis . . . pace et treugis rei Keystuten,
sni ac terrae nuae, ac illi de Samoytlien omDino esse debeant exclusi, ita
quod nultas pa«ein et treugaa inter praedictoa regem Keystuten et Uloa de
Samoythea volumua obtinere.
2) Daudisken ist wahracheiolich daa hentige Szaudiniczki und liegt
dann nordöstlich von Wirballen, cf. Scr. II, 699 Anm. IBtö.
S) Bunge in. No. 115S. Wigand 115.
i) Bunge III, No. 1153: „Sundir ab das geschege, das si (der Orden
in Preußen und Livland) mit eime here in unsere vettern Kinstuten adir
in siner kinder land quemen mit eime here, dorinne horten, ab wir doczu
D,gt,zBabyC00<^IC
Von Dr. ß. Krunibholta. 479
lieh genannt, jedoch dürften die Züge des Jahrea 1381 dorthin')
es zweifellos machen, daß der Orden seinerseits Samaiten zu
„Kinstutten"' .... adir siner kinder land" rechnete, das laut
Vertrag zu verwüsten iliin von Jagiello gestattet ist. Jagiello
wird mit Absicht eine Erwähnung dieses Landes unterlassen
haben, weil er es nicht für ratsam halten konnte, Samaiten,
auf das Itücksicht zu nehmen ihm vielleicht aus irgend einem
der oben angeführten^) Gründe vorteilhaft erscheinen mochte,
nochmals dem Orden ausdrücklich preiszugeben. Er konnte jetzt
dies odium bei den Samaiten um so eher vermeiden, als er
dadurch, daß er gewiß absichtlich darüber, welche Stellung der
Orden nach diesem nouen Frieden zu Samaiten einnehmen
sollte, sich jeder Aeußemng enthielt, sich durchaus nicht schädigen
konnte. Er war in der Lage, sich auf den schon angedeuteten
Standpunkt zu berafen, wie er Samaitens Verhältnis zu Kestuit
auffaßte; gerade dadurch, daß er absichtlich sich so allgemein
ausdrückte, hatte er nicht nötig, dem Orden eine Verwüstung
Samaitens abzuschlagen, der gewiß der allgemeinen Ansicht
folgend Samaiten zu ,,Kinstutten's adir siner kinder land" rech-
nete. So beginnen wieder die Kämpfe gegen Samaiten. Zweimal
wird durch den Comtur v. Ragnith das Gebiet in der Nähe von
Pastow*) 1381 verwüstet*) und wohl im Juni desselben Jahrea
sieht Medenicki^) sich den Verheerungen des Meisters von Liv-
land ausgesetzt.") Mit reicher Beute tritt das Heer den Rück-
marsch au, als es auf eine Schaar Samaiten stößt, die im
Begriff sind, einen Einfall in Preußen zu machen. "Wenn es
denselben auch nur gelingt, die Livländer durch Fortnahme
jagetin mit unsim laten adir imser lute ane uns, do mite Bolde imser gelobde
und unsir brief nicbt sien gebrochen" und dann; „Were ouch, das si adir
ire luta unwissena ia unsir land sich vorentin, 90 ai in nnsir vettern Kinstutten
adir in einer kinder lande herten , do mite solde ir gelobde und tr
brif onch nicht sin gebrocliin."
1) Wigand 117. — 2) cf. S. 478. — 3) Pastow ist das bontige
Pocztow nnd liegt südöstlicb von Wilki an der Memel. cf. Scr. II, 584
Anm. 113C. — 4) Wigand 110b. — 6) Medenicki ist das beutige Medingjany. —
0) Wigand 117 ; Annalista Tliornuenais, Detmar, Posilge zu 1381 in Scr. III, 116.
DigtizBabyCoOgIC
480 Saniftitea und der Deutsche Orden etc.
eines Teils ihrer Pferde zu schädigen,') so zeigt doch schon
allein der Versuch, selbst bis Preaßen vordringen zu wollen,
daß der Ordea noch immer auf mehr als passiven Widerstand
in Samaiten zu rechnen hat. Da ist deshalb wohl möglich, daß
Bewohner dieses Landes schon in Rücksicht auf die für sie
vielleicht daraus erwachsenden Vorteile sich an jener Expedition
Kestuits beteiligten, die sich gegen die namentlich Samaiten
bedrohende Baierbnrg wandte, und anch eine Zerstörung der
Vorburg zur Folge hatte.') Zeitlich dies Ereignis zu filieren
ist unmöglich, aber es f^lt wohl, da Kestuit noch für einen
solchen Zug Zeit und Kraft übrig hatte, wie auch schon Hirsch')
bemerkt, noch vor den offnen Ausbruch seiner Feindschaft mit
Jagiello. Kann also bei der erwähnten Unternehmung Kestuits
auf einen Anteil der Samaiten nur geschlossen werden, so
dürfte sich aus Wigands*) zwar dunklem und verworrenem Be-
richt, der aber durch eine briefliche Mitteilung') ergänzt wird,
mit einiger Sicherheit ergeben, daß an die Samaiten Kestoit
sieh wandte bei aelnem Versuch, den verräterischen, mit dem
Orden verbündeten Neffen Jagiello aus seiner großfürstlichen
Stellung in Littauen zu vertreiben. Freilich wagt Kestuit
nicht offen mit seiner Absicht vor die Samaiten zu treten, son-
dern wohl in Kenntnis von bald zu besprechenden Agitationen
1) Wigand 117 und Scr. U, 6CB Äntn. 1442. — 2) Wigand lia -
8) Hirsch in Scr. II, 606 Anm. 1446. '
4) Wigand 120: „Interim rumor ortus est qiioroodo Kynstut. pertarbare
vellet cum esercita tentim Samaytarum Medenyk dirtam, dixitque hiis,
quos convocaverat, quomodo proponeret intrare Poloniam vel in terram
Barteneem; pertransiena quoque Mimilam decepitque paganos, qiii co^piove-
rant astuciam Bnam, cum non complevisset proiniasa. Vergl. dazu die Ab-
nerkongen des Herausgebers,
6) Hirsch in Scr. ü, 608 Anm. 1471 nachte auf diesen Brief anfmerk-
sam. Er ist abgedruckt bei Voigt, Codex dipl. Prussicus VI, No. 2:
„Nuncciatum . . . esatitit, Kyostutum invaaiase potenter magno gentium
exercitu congregato dominia patnionim suorum regum Litwanie sub hac
forma. Processit namque cum exercitu gentiliuin, et veniens prope fines
criatianitatis fecit ac si vellet invadere cristianos, sed verso mantello contra
tnibines alios, regressus versus Litwaniam castnun Wille dictum "
DigtizBabyCoOgIC
Von Dr. R. Knimbholtz. 481
Jagiellos, die Samaiten ibm zq ent&emdeii, macht er ihueti erst
die Teilnabme an seiner Unternehmung durch Vorspiegelung
eines Raubzuges gegen Polen oder Preußen opportun. Aus
Samaiten wird also wohl zum Teil das Heer bestanden haben,
mit dem es ihm am 10. August 1381 gelang, sich Wiluas zu
bemächtigen, Jagiello gefangen zu nehmen und somit die Allein-
herrschaft in Littanen wieder an sich zu reißen,') Für die
Aussichten des Ordens im Verhältnis zu Samaiten war dies ein
harter Schlag. An Stelle des mit ihm verbündeten Jagiello,
dem von Kestuit in falscher Großmut Witebak und Krewo über-
wiesen war,') hatte Littauen jetzt in Kestuit einen Herrn, der
anstatt Samaiten dem Orden, wie Jagiello es gethan, preiszu-
geben, im Bunde mit diesem Volke stand, ja sich als ihren
Fürsten bezeichnen konnte. So kurz, wie wir sehen werden,
die Herrschaft Kestaits auch sein sollte, so hatte doch der Orden
hart darunter zu leiden,') ja, was uns besonders interessiert, es
wurde April 1382 der Versuch gemacht, Georgenburg, eine der
Samaiten umschließenden Burgen zu vernichten, *) Die Teil-
nahme der Samaiten an diesem freilich vergeblichen Zuge macht
einerseits die Lage Georgenburgs sieher, anderseits die Er-
wägung, daß die Samaiten einige Monate später sich an dem
Kampf um das viel weiter abgelegene und deshalb für sie
weniger gefährliche Troki beteiligten. AVas bewog die Samaiten,
an diesem letzten Zug Kestuits teil zu nehmen, den dieser —
um alles andere unter Hinweis auf Lohmeyer') zu übergehen —
tmtemahm, um seinem mit Hilfe des Ordens wieder mächtig
gewordenen Neffen Jagiello Troki zu entreißen, der außerdem
schon Wilna eingenommen hatte? Mit seltener Ausführlichkeit
finden wir hierauf in unsem Quellen eine Antwort, Danach")
geht Kestuit selbst nach Samaiten, beruft die Bewohner von
Medenike — in einem Bericht "Witolds') wird allgemein von
1) Bonneil: Chronographie S. 166. — 2) Bonnell: Chronographie
S. lee. — 3) Lohnieyer S. 2&0. — 4) Wigand 126. — 6) Lohmeyer S. 251. —
6) "Wigand 131. - 7) Sciptorea II, 712: „unsz fatir (d. h. Witolda Vater)
herczoR Eynstutt der reit ken Samaiten und wolde im holfe gewinnen."
Altpr. UoDatnohrin Bd. ZXTL Hit. 5 n. 6. 31 ..
D,gt,zBabyC00<^IC
482 Samaiten and der Deutsche Orden etc.
Samaiten geaprochen — und erbittet von ihnen HUfe. Da wird
ihm der Bescheid zu teil, daß sie Jagiello ala ihren Oberherm
anerkennen, ihm treu blieben, falls er nicht dem Heidentum
entsagen würde. Erst als offenbar auf ihre Anfrage bei Jagiello
eine negative Antwort eingelaufen war, schenkten sie Kestuit
Gehör. ') Es ist nötig auf das oben berichtete einzugehen, bevor
wir uns zu dem Ausgang dieser Unternehmung wenden. B&-
reits ist darauf hingewiesen worden , daß im Vertrag vom
27. Februar 1380*) Jagiello nicht Samaiten als zu Kestoits
Herrschaft gehörig hinstellt. Unmöglich kann er aber damals
schon selbst darauf Ansprüche erhoben haben, da er sonst schwer^
lieh dem Orden von Livland das Land zur Verwüstung au3ge>
liefert hätte. Viel zurückhaltender, wie auch schon bemerkt,
drückt er sich in jener Friedensurkunde vom 31. Mai 1380 ans,
durch die er dem ganzen Orden gegenüber sich verpflichtet.')
Er spricht von Samaiten überhaupt nicht, das in den Augen
des Ordens zu Kestuita Gebiet gehört, auf dessen Bekriegung
©r deshalb nach jenem Vertrage nicht zu verzichten braucht,
während Jagiello gewiß jetzt schon als ,,obirst6r Kung der
Littowen" Ansprüche darauf erhob. Ohne den Orden verletzen
zu wollen, der gerade auf Samaitens Bekämpfung den höchsten
Wert legen mußte, ohne die Samaiten sich zu entfremden, spricht
er deshalb von „unsers vettern Kiustutten adir . . . siner kinder
1) Wi^and 131: Eynstnt .... transiit in Samaytam convocana de
Mednike vii|rn>riter et Saiuaitas, prüdester quereus consilia ab eis, quia
doleret de dampnis sibi illatis. Qui responderunt cum distinctioue dicentes:
Jagel confitemur dominum noatram, a quo non diacedemu9 sab tali con-
dicione, si Jagel voluerit manere in ritu paganoram. ..... si vero velit
christiaDus fleri, non obediemns ei. Et mittunt legatos qnerentes: si velit
ritum originis retinere, in omnibua velint ei obedire; sin vero christianns
fieri, velint Kynstut in regem aunm subliraare. Et Samayte simul tr&n-
seunt cum Kj'nstut in numero 9000 virornm proponentes Tracken vincere
nee pot^rant.
2) BuDge III, 1152. — 8) Bunge III, 1163: „Wir Jagel, obirater kung
der Littowen, gelobin .... bruder "Wynrich v. Kniprode . . , und ainem
gaiiczen Orden czu Prusen und czu Lifland etc."
D,gt,zBabyC00<^IC
Von Dr. B. Krumbholtz. 483
land,"*) wobei jeder das verstehen mochte, waa ihm recht war;
Jagiello selbst hatte sich auf das geschickteste nach beiden
Seiten hin salviert. Ich nehme deshalb an, daB zwischen dem
27, Februar und 31. Mai 1380 Jagiellos Bemühungen beginnen,
Kestait aus Samaiten zu verdrängen. Gestützt wird diese An-
sicht dadurch, daß Xestait, wie wir wissen,*) nur mit List Sa-
maiten für eine Beteiligung zu seinem Zuge gegen Jagiello ge-
winnen zn können glaubt. Wenn dann wieder ein Umschlag der
Stimmung zu Gunsten Jagiellos erfolgte, deren Vorhandensein
durch die Worte: ,,Jagel confltemur dominum noatrum",') be-
zeugt ist, wissen wir nicht. Die grOQte Wahrscheinlichkeit
spricht für die Zeit des siegreichen TJebergewicht Jagiellos,*)
bis endlich das religiöse Moment die Samaiten wieder Kestuit
zuführt. Schon Mindowe gegenüber war die erste Bedingung
filr ein gemeinsames Vorgehen Beibehaltung des Heidentums.
Falls auch Jagiello eine zweideutige Antwort gegeben hatte,*)
so würde doch die Anwesenheit einer Ordensabteilung vor Troki,*)
die Erkundigungen, welche die samaitische Gesandschaft ein-
ziehen konnte, den Samaiten - die üeberzeugung aufgedrängt
haben, daß von Jagiello nichts zu hoffen sei, daß ihr Heidentum
in Gefahr sei und ihr Land abermals dem Orden preisgegeben
werden würde. Lagen so aber die Verhältnisse, so ist es durch-
aus begreiflichj daß sie für Kestuit ein Heer in der Höhe von
9000 Mann aufbringen.') Es wäre überflüssig, auf die schon
oft geschilderten*) Ereignisse vor Troki einzugehen, wie Jagiello
durch seinen Bruder Skirgiello den ihm befreundeten Vetter
Witold und den greisen Onkel Eestuit zu sich einlud, sie ihrer
Truppen beraubte, beide nach Wilna bringen ließ und zu Krewo
I) Bunge in, 1153. - 2) ef. Seit« 481. — 8) Wigand 131. — 4) Vergl.
S. 481. — &) Wigand 131: (Samaite) mittant legatos quereotes: si
velit (Jagel) ritum originis retinere, in otnnibusv elint ei obedire; sin
vero cbristianos fieri, velint Kynstut in regem suum subümare. —
6) Wigand 126. — 7) Wigand 131: Samaite transeunt cum
Eynstat in nomero 9000 vironim. — 8) Lohmej'er 251; Schiemann I, 513;
Voigt V, 87a
31*
DigtizBabyCoOgIC
484 SamHit«ii and der Deutsche Orden etc.
am 15. Aaguat 1382 Kestuit ermorden ließ,') während Keatnita
Sohn Witold, durch aeine Frau gerettet, nach Masowien floh.
Wichtiger für uns ist, daß die Samaiten ihre Hofifnang, die sie
aaf diesen Zug gesetzt haben mochten, scheitern sahen, vergeb-
lich durch ein starkes Heeresaufgebot ihr Land entblößt hatten
und 30 der Plünderung des livlftndischen Meisters Wilhelm
V, Vriemersheim preisgegeben waren, der durch Samaiten bis an
die Wilia gezogen war. ') Betrachtet man die Gesamtlage fütr
den Orden und Samaiten, so konnte der pratere mit seinem Er-
folg zufrieden sein. Ihm verdankte Jagiello seinen Sieg über
Sestuit, eine Hülfe, die man gewiß nicht umsonst zu leisten
bereit gewesen war, und deren Preis man a priori schon in der
Abtretung Samaitens sehen konnte, weil an dem Besitz dieses
Landes die Zukunft des Ordens hing. Hatte der Orden also
ein Recht darauf, hoffnungsvoll in die Zukunft zu blicken, so
gestaltete sich um so trauriger für Samaiten die Aussicht.
Wenngleich Kestuit den größten Teil seines Lebens sich um
dasselbe nicht gekümmert hatte, so war es für die Bewohner
dieses Landes doch etwas ganz -anderes, im Osten einen Nach-
barn zu haben, von dem man wußte, daß er aas politischen
Bücksichten sich dem Christentum zuneigte, daß er dem Orden
gegenüber Verpflichtungen ttbernommen haben mußte, deren
ErtüUung nur auf iiire Kosten erfolgen konnte. Alles kam
darauf an, wie Jagiello nach errungenem Siege sich jetzt stellen
würde.
1) "Wigand 133. - 2) Wigand 131.
(Fortsetzung folgt.)
,dbyG00gIe
urkundliche Nachrichten von der Kreuzfohrt
rheinischer Herrn nach Preussen 1321/32.
Hitgetheilt von
Panl Wagner.
lu seiner Chronik dea Landes PreoBen berichtet Peter
Dnsburg, daß im Jahre 1322 neben dem schlesischen Herzog
Bernhard, dem Grafen von Geroldseck und einigen anderen auch
zwei Rheinländer, nämlich die erstgeborenen Söhne der Grafen
von Jülich und "Wildenberg, nach Preußen gekommen seien und
mit dem Landmeister Friedrich von Wildenberg eine Kreuzfahrt
gegen litauische Landschaften unternommen hätten.^)
Dusburg folgend, erwähnt dann Jeroschin die Anwesenheit
der üheinländer:
darau zwene graviu
uz dem Binischen gemerc,
von Jalich und von Wildenbere.^
Der Canonicus Sambiensis kennt zwar das genaue Datum
des Beginns der kriegerischen Unternehmung (7. Februar 1322),
in Bezug auf die fremden Theiluehmer lauten seine Xachrichteu
indessen dürftiger. Von den Rheinländern nennt er nur den
comea de Gulk.*) Ebenso dürftig sind die Angaben des Thomer
Annalisten*) und Dettmars^), die beide gleichfalls nur den Grafen
von Jülich namentlich erwähnen.
1) Sa. r. PruBs. I, 186.
2) Sa. r. Prnss. I, 699.
3) Ss. r. Pr. I, 287.
4) 8s. r. Pr. UI, 64.
5) EbendK.
,dbyGoogIe
486 Urkundliche Nachrichten von der Kreuzfahrt etc.
Man sieht also: am genanesteu lauten verhäJtnißmaßig die
Nachrichten Dusburgs, der zwei rheinische Herrn als Kreoz-
fahrer nennt und sie als äie, erstgeborenen Söhne der Grafen
von Jülich und "Wildenberg bezeichnet.
Eine Bestätigung, Ergänzung, theilwelse auch Berichtigung
finden diese Angaben durch zwei bisher nicht veröffentlichte
Urkunden des Staatsarchivs zu Coblenz. Sie sind beide am
15. Mai 1321 ausgestellt, die eine von Johann von Vimeburg,
Propst der Kirche zu Kerpen, die andere von Wilhelm, dem
Sohne des Grafen Gerhard von Jülich, und dem Bitter Philipp
von Wildenberg. Der erste der genannten bezeugt, daß er um
600 Pfimd Heller Lehensmann der Grafschaft Luxemburg ge-
worden ist, und verpflichtet sich dafür gegen König Johann
von Böhmen, Grafen von Luxemburg, zu einer jährlichen Rente,
die er auf seine Allodialgüter beweisen will.'') Die beiden
anderen Herren übernehmen gewisse Bürgschaften.
Was uns an diesen Urkunden hier allein von Werth ist,
ist die darin enthaltene MittheUung, daß die genannten drei
rheinischen Herrn zu der Zeit, da sie die Urkunden ausstellten,
im Begriff standen, eine Kreuzfahrt nach Preußen anzutreten.
Die Nachrichten Dusburgs in Bezug auf den jungen Grafen von
Jülich und den Herrn von Wildenberg sind darnach zutreffend.
Wir lernen femer als dritten Theilnehmer an der Preußenfahrt
den Stiftspropst von Kerpen, Johann von Vimeburg, kennen.
Der letztere war ein Sohn des Grafen Ruprecht U. von
Yimeburg. Er begegnet in rheinischen Urkunden von 1319
und 1320 bereits als Propst des St. Martinsstifles von Kerpen
in der Erzditieese Köln.') Sonst ist von ihm nicht viel bekannt.
Wilhelm von Jülich ist, wie Duaburg richtig angiebt,
der erstgeborene Sohn des Grafen Gerhard von Jülich, der
spätere Herzog Wilhelm V., eine für die Geschichte des
6) 8. Schött«r, Johann, Graf von Lusemharg I, 243.
7) Stramberg, Rheinischer Anliquarioa III, 2 S. 797 und Lacomblet,
NiederrheinischeB Urkundenbuch III, lat S. 14B.
zeabyCoO^IC
Von Paul Wagner. 487
Kiederrheins und die Beichsgeschichte nicht anwichtige Persön-
lichkeit. Er gelangte im Jahre 1328 zurBegierung und starb 1361.^)
Philipp von Wüdenberg, dessen Namen erat durch die
Urkunde bekannt wird*), entstammt einem alten Dynasten-
geschlecht der Eifel, dessen Stammburg "Wildenburg im Kreise
Gemünd liegt,") dem aber Dusburg die gräfliche Würde nicht
mit Recht zuerkennt. Die Besitzer der Herrschaft Wildenburg er-
scheinen urkundlich immer nur als domini de Wildenberg. In
der Urkunde vom 15. Mai 1321 bezeichnet sich Philipp von
Wildenberg als miles , nicht als dominus. Man darf daraus
vielleicht folgern, daß Dusburg, der ihn einen erstgeborenen
Sohn nennt, insoweit Recht hat, als er, wie der junge Graf
von Jülich, noch Haussohn war, noch nicht in den Besitz einer
Herrschaft gelangt war. Ob er der erstgeborene Sohn war, laßt
sich nicht erweisen, wie denn die bisher bekannt gewordenen
Nachrichten über ihn keine genaueren Angaben über seine Ab-
stammung und seine Verwandtschaftsbeziehungen erlauben. Man
wird nur annehmen dürfen, daß er der filteren Linie der Herren
von Wildenberg angehört hat, weil in ihr der Name Philipp
öfters vorkommt.*^)
Welche besondere Veranlassung zu der Kreuzfahrt für die
drei genannten Herren, deren Geschlechter in der Heimat
vielfech in Beziehungen standen, vorlag, läßt sich begreiflicher-
weise nicht ermitteln. Wohl nicht in letzter Linie wird ihre
Aufmerksamkeit auf das ferne Preußen durch ihre Verwandten
und Landsleute im Orden gelenkt worden sein. War doch der
damalige Hochmeister, Carl von Trier, ein Rheinländer; und ein
Oheim des Propstes Johann von Virneburg, Graf Eberhard von
Yimeburg, war wenige Jahre firüher erst Komthur zu Marien-
8) Voigtel-Cohn, Stammtafeln, Tafel ZU. Seinen Namen hat Strehlke
bereits richtig angegeben, Sa. r. Pr. III, 66, Änm. 4.
9) Voigt, Gescbichte Prenflena IV, 859 dachte an einen Johann oder
Günther v. Wildfinburg. Diese Vermothung stellt aich als unrichtig heraus.
10) Schannat-Bärsch, Eitiia ülnsttata I, 2, S. 1083-1084.
11) Ebenda. S. 10rt7.
zeabyGpOgle
488 Urkundliche Nachrichtea von der Xreuzfohrt ot«.
bürg, dann zu Königsberg und endlich oberster Spittler geweflen,'*)
Philipp von Wildenberg aber besaß in dem damahgen Land-
meister, Friedrich von Wildenberg, aller Wahrscheinlichkeit nach
ebenfalls einen nahen Verwandten im Orden. Der junge Graf
von Jülich scheint die Kreuzfahrt an Stelle seines Vaters Gerhard
gemacht zu haben, der früher bereits das Xreuz genommen
hatte, zur Ausführung der Fahrt aber nicht gekommen war
und nun vom Papst Johann XXII. dazu gedrängt wurde. ^')
Wenn übrigens die drei rheinischen Herren ihre Beise, wie
es nach den Urkunden ihre Absicht war, bald nach dem 16. Mai
1321 angetreten haben, so würde daraus folgen, daß eine Preußen-
fahrt unter Umständen mit einem erheblichen Aufwand von Zeit,
und wohl auch von Geld verknüpft war; denn der Einfall in
Litauen, an dem sie Theü nahmen, fand, wie bemerkt, erst im
Februar 1322 statt.
Ueber die Heimkehr verlautet nichts; bei zweien der
Herren war sie eine glückliche. Wilhelm von Jülich folgte, wie
erwähnt, 1328 seinem Vater in der Regierung der Grrafschaft
Jülich nach, und Johann von Vimeburg begegnet in einer Urkunde
vom Jahre 1329 als Propst von Xanten wieder, während über
Philipp von Wildenberg, dessen Persönlichkeit sich schwer
identificieren läßt, nichts genaueres bekannt ist.
Der Wortlaut der Urkunden ist folgender:
Johann von Vimeburg, Propst der Stiftskirche m Kerpen, gelobt
Johann, König von Böhmen und Polen, nach geiner Biickkehr aus Preußen
eine Eente auf seine Allode anntweiscn. — Ckutlis. 1321, Mai 15. —
Original, Fergm., mit dem Siegel des Ausstellers. St&atsarchiT
zu Coblenz.
Ego Johannes de Vemburch prepoeitus ecclesie Kerpensis ad nni-
deduco notioiam per presentes, quod, quid serenissimuB dominus
Ds dominus Johannes Boemie et Polonie rex ac Lucerobui^enitis comes
in sniiEn et comitatus sui Lucemburgensis conquisivit hominem etvasatlam
12) Voigt, Gesch. Marienburgs, S, 36, Geschichte Freußens IV, 18*, 258
19) Voigt, Gesch. Preußena IV, 35a
zeabyCoO^IC
Von Paul Wagner, 489
pro qtiacIringeDtis libria hallensium, quas micbi m parato eolvit et tradidit,
ego promitto et spondeo bona fide, poetquam de Pruscia, nbi nunc
intendo procedere, domum reverauB fiiero, infra menBem ipd domino
meo regi et comiti Lncemburgensi in bonis meis proprüfl et liberis prope
Veraborcb") veIMnnrion") ad duo miliaria quadraginta librarum ballensium
ceitos annuoB redditua demonstrare, quos ego babebo et tenebo, et poat me
illi, qui in bonis meie patrimonialibu^ michi succedent ab ipso domino meo
rege et comite Lncemburgensi heredibus et successoribus suis comitibus
Lucembnrgensibus habebunt et tenebunt similiter in fendum, et Stent jus
feodorum exigit. Tenebor ego et post me illi tenebuntur predicto domiao
meo regi, heredibus et successoribus suis, comitibus Lucembnrgensibua pro-
dictis, iuxta comitatus Lucemburgensis consuetudinem in omni fidelitatis
constaucia pvoinde perpetuis temporibus deserrire. In cnius rei testimonium
meum BigilUim presentibus est appensnm. Datum in Cbnttis'^ Idue Maii
anno domini millesimo trecentesimo vicesimo primo.
II.
Wilhehn, Sohn des Grafen Gerhard von Jülich, und der Rilter
I'hUipp von WUdenbetg verbürgen eich gegen König Johann von Böhmen,
Grafen von Luxemburg, w&jen Anweisung der von Johann von Yimebttrg,
Propst fu Kerpen, ver&proc)tenen Rente für den Fall, daß letzterer vor
Einlömng seines TersprecAen» sterben sollte. — Chultia. 1331, Mai 15. —
Original, Fergm., mit den Siegeln der Aussteller. Staatsarchiv
zu Coblenz.
Regest; Publications de la sociale pour la rccherrhe et ia cou-
servation des monuments historiques dans la Grand-Duchö de Luxem-
bourg. XVm. 1802 S. 90. No. 379.
Noa Wilhelmus spectabilis viri domini Gerhardi comitia Juliaoensis
filius et Philippus de Wildemberch miles recognosoimus univeraia, quod
serenissimua dominus noster dominus Johannes Boemie et Polonie rex ac
Lucemburgensis comes famosum viriim Johannem de Veremburch prepoaitum
ecclesie Kerpensis, quem in auum et comitatus sui Lucemburgensis pro qua-
dringentis libris hallensiam conquisivit hominem et vasallum, de ipais qoa-
dringentis libris hallensium nobis presentibus integraliter expedivit et aibi
14) Virneburg, Eeg.-Bez. Coblenz, Kr, Adenau, BargermeiBt«rei Virne-
bnrg, BÖ. Adenau.
15) Monreal, Keg.-Bez. Coblenz, Kr. Mayen, BörgermeiBterei Mayen,
sw. Mayen.
16) Wahrscheinlich Cotl«nheim, Kr. Mayen, Bürgermeisterei Mayen,
BW. Mayen.
DigtizBabyCoOgIC
490 Urkundliche Nachrichten von der Kreuzifthrt etc.
in pttrata pecunia persolvit easdeoi, unde, quia de hoc nobis constat et ipse
prepOBituB sit nunc ia itinere conetitutus procedendi nobiscnm in
Prussiam, promittimus bonft fide pro dicto preposito et cum eo ad caatelam,
si prepoBitum ipsum, anteqUHm domino nostro re^ et camiti Lucemburgeasi
quadraginta librarum li&llensiuiii certos ananos redditos, sicut tenetur et
promieit, pro quadringentis hbris hallensium prediotie in bonis suis proprüs
et liberiB circa Vemburch vel Muoryon eä äao miliarJa demonstraverit, mori
contingeret, dominum Rubertum comitem de Yernburch,''') fratrem ipsiua
prepositi ad hoc effectnalit«r inducere et finaliter modis onmibua procurare,
qaod loco fratris, prepositi predicti, comes ipse ipai domino nostro regi et
comiti Lucemburgensi vel auis heredibus aut successoribus in comitatu
Lncemburgensi huiusmodi quadraginta librarum hallensium redditus annuos
secundnm premissa prope Vernbiirch vel Munrion demonatrabit, qui ab ipso
domino nostro rege et suis in ipso comitatu heredibus et successoribua
habebuntur in pheudum perpetuum, et prout ius pheudorum exigit, iuxta
consuetudinem ipeius comitatna sui Lucemburgensis deservientur fideliter et
conatanter. Datum in Obuttia anno domini millesimo trecentesimo i;
primo idos Maii
17) Ruprecht III., Gral" von Vii-neburg, f um 1350.
,dbyG00gIe
Sitten und Gebräuche in Padrojen
vor vierzig Jaliren.
Von
Jotaannes Semibrzyckl.
Die Bewohner des im Kreise Insterburg und im Kirch-
spiele Berschkallen auf beiden Ufern des Drojeflüeschens be-
legenen Dorfes Padrojen hatten vor vierzig Jahren noch vieles
von den Sitten nnd Gebräuchen ihrer litauischen Väter treu
bewahrt, wozu die Lage des Dorfes, fernab von den damaligen
Verkehrswegen und hinter umfangreichen Waldungen, beige-
tragen haben mag. Doch hatte damals das Deutschthum dort
schon einen nicht unbedeutenden Einäuss gewonnen; nur noch
die alten Leute sprachen und verstanden ausschließlich litauisch,
während die jüngere Generation unter sich zwar zum TheUe
noch der litauischen Sprache sich bediente, mit ihren in der
Schule nur deutsch unterrichteten Kindern jedoch auch meist
nur deutsch redete. Auch wohnten einige Deutsche im Orte.*)
Inwieweit bei den nachfolgend mitgetheilten Sitten und Ge-
bräuchen eine Einwirkung deutschen Wesens sich bereits geltend
gemacht, dies zu entscheiden, will ich Kundigeren überlassen;
ich habe mich begnügt, anzuführen, wo in deutschen, masurischen
und ehemals litauischen heute aber germanisirten Gegenden
Ostpreußens ich Gleiches oder Aehnliches gefunden. Erwähnen
wUl ich noch, daß diese Mittheilungen durchaus, zuverlässig
sind, da sie mir gesprächsweise von einer Frau mitgetheilt
*) Heute zählt dss ganze Kirchspiel Berschkallen nur ca. 250 Litaaer.
„Mitteilungen der Litauischen Litterariscben Geaellschaft", II pag. 2.
zeabyCoOgIC
492 Sitten nnd Gebräacho in Padrojen vor vierzig Jaliren.
wurden, die In einem Bauernhausä Padrojen's geboren nnd
anferzogen ist und in anderen Gegenden der Provinz nicht
gelebt hat.
Die wichtigste Arbeit im Spätherbste war das Flachs-
brecben, wozu man die Zeit um Katharinen (25. Novbr.), wo
es bereits kalt zu werden und zu frieren begann, wählte. Be-
gonnen wurde dasselbe Abends bei Mondlicht gegen zehn Uhr
in der Pirte oder, falls eine solche nicht vorhanden war, in aus
ausgehobenen Scheunen- und Stalltbüren möglichst im Schutze
eines Hügels zusammengesetzten Hütten, und man fuhr mit der
Arbeit in einem Zuge bis zur Beendigung derselben fort, mochte
68 darüber auch wieder Abend werden. Freilich gab ee d&tin
auch um Mittemacht naktipetczei*), einen aus Schnaps und
Brot mit Fleisch bestehenden Imbiß (der auch auf Bleichen
wachenden Personen verabfolgt wurde), zum Frühstücke Grütz-
wurst vom frischgesohlachteten Schweine, die in fingerlange
Stucke geschnitten und in Fett schwimmend aufgetragen wurde,
wo dann jeder mit seinem eigenen Messer zulangte, und daneben
Alna und süßen Branntwein, endlich zu Mittag unter anderen
guten Sachen eine Obstsuppo von selbstgetrockneten Aepfeln
und Birnen (nur die Pflaumen dazu wurden gekaufl), in welcher
an Stelle von Klüßen kleine Kröpfen besonderer Art schwammen.
Die Grützwurst wurde aus auf dem Quirl selbstgemahlener
Gerstengrütze bereitet, indem mau dieselbe mit Fleischsnppe
aufquellen Heß und unter Zusats; von Majoran mit Schweine-
grieben und Schweineblut vermischte. Die frische "Wurst wurde
zum Erkalten in eine Mulde auf Langstroh gelegt; dies letztere
wurde sorgfilltig aufbewahrt, und dann am Neujahrsabende jeder
Obstbaum im Garten damit umwunden, was zur Folge hatte,
daß im nächsten Jahre das Obst so groß und dick wie die
"Würste wurde. Den Alus, gemeinhin Älaus genannt, stellte
man in der Weise her, daß man gekeimte Gerste über der
*) et'. BezzeDberp;er, Lit. Forschungen, pag. liÜ 8ub „laiiaagB",
D,gt,zBabyC00<^IC
Yoa JuhAnnee SembrzyckL 493
Flachagrube dörrte, auf dem Quirl mahlte and dann unter Zusabz
von Hopfen und aus der Stadt geholter Bierhefe gähren ließ.
War das Flachabrechen zu Ende, so wusch man sich, einer der
jungen Barsche schwang sich aufa Pferd und ritt nach einem
Fiedler, und zu den Klängen der Geige tanzte man bis spät in
die Nacht. Auch sonst wurde Abends öfters getanzt. Der
Fiedler bekam von jedem der Bursche einen Silbergroschen
oder auch mehr, je nach Vermögen und Belieben,
Der beim Flachsbrechen gewonnene Flachs wurde in den
Zwölften, wo nicht gesponnen werden durfte, geschwungen;
von sonstigen Arbeiten war in dieser Zeit besonders das Federn-
reißen an der Tagesordnung,*) Die "Winterabende In dieser
Zeit gewährten ein sehr gemtithliches, anheimelndes Bild. Da
saß die ganze Familie nebst Knecht und Magd in dem Winkel,
welcher durch den neben dem Kamin in die Stube hineinragen-
den großen Ofen gebildet wurde, ••) und beschäftigte sich mit
*) Ebenso bei Rogge, Geschichte der Diöcese Darkemen (Dai^
kernen 1873) pag. 104; C. G, Hintz, Die alte giUe Sitle in Altpreußen
(Königsberg 13ti2) pg. U2 im Kreise Fischhftnsen; und in Friedeoberg, Kreis
Gerdauen; Dr. M. Toeppen, Aberglauben aus Uasnren (Danzig 1867)
pg. 63. in Höhenstein,
•*) Die älteren Wohnhäuser jener Zeit ' waren fast ganz nacb dem
Ton Prof. Bezzenbeiger in der AUpr. Mschr. XSIII pag. 56 (Fig. 2) mitge-
theilten Grundrisse gebaut. Von der Dorfstraße führte ein kurzer Steig,
rechts und links von zwei Rasenfleckchen begrenzt, hinter denen seitlich
je ein eingezäuntes Gärtchen lag, zur Hausthür. Man trat in den Flur,
aus dem eine Treppe nach oben führte und von dem nach hinten eine ihr
Licht nur durch den Schornstein empfangende Küche abgegrenzt war, hinter
welcher wieder eine finstere als Aufbewahrungsort für den Quirl u. s. w.
dienende Kammer lag. Linker Hand ging es in [die zweifenstrige Wohn-
stube mit dem Kamin und dem großen von der Küche aus zu heizenden
Ofen ; hinter ihr lag eine erst später von ihr abgeschlagene eiafenstrige
Rammer. Rechts von dem Flur befand sich die Altsitzerstube und hinter
dieser eine „Feihs'*' genannte Stube, zu der man nur von der finstem
Kammer aus Zutritt hatte. Hinter dem Hause lag der Garten, an der
Oiebelwand befand sich eine mannshohe Stockrosenhecke. Die Giebel zeigten
die bekannten zwei Pferdeköpfe. — Für Pflicht halte ich, hier anzuführen,
dafl Oskar Kolberg in seinem gediegenen Werke „Mazowsze", I (Kra-
k6v, 1885) pag. 58—69 eine ganz gleiche Beschreibong eines masovtschea
DigtizBabyCoOgIC
4y4 Sitten und Gebräuche in Padrojen vor vierzig Jahren.
verscliiedenen Arbeiten, wobei Spuk- und Geistergeschichten
erzählt wurden. Der Großvater hatte den bequemsten Platz auf
der Ofenhank und schnitzte zibarei (Leuchtspähne) oder Löffel
und andere hölzerne Geräthschaften für den Hausbedarf. Za
den ziburei hatte er möglichst lange, astfreie Stücke Tannen-
(durchaus nicht Fichten-) Holz ausgesucht, die er nun in arm-
lange und riemendünne Streifen spaltete, welche dann auf dem
arodas getrocknet wurden, einem Gestell über dem Ofeu, das
durch eine an zwei senkrecht von der Decke herabhängenden
Hölzern befestigte Querstange gebildet wurde. Auch sammelte
der Großvater grüne Tannenzapfen und trocknete sie in den
Topf kacheln des Ofens; alsdann nahm er sie, die Spitze nach
unten, in die mit einem Handschuh bewaffnete linke Hand und
klopfte mit einem Hammer den Samen heraus, der in eine
untenstehende Schüssel fiel und verkauft wurde. — Geheizt
wurde der Ofen bei der Nähe ausgedehnter Waldungen aus-
schließlieh mit Holz; nur arme Leute benutzten als Feuerungs-
material Bündel von Tannenreisem, von denen jedesmal eine
bestimmte Anzahl in den Ofen kam.*) — Die Benutzung der
Leuchtspähne fand in der Weise statt, daß sie angezündet in eine
Fuge der geschlossenen Kaminthüre gesteckt wurden; oft auch
machte sich jemand ein Geschäft daraus, den Spahn zu halten
und vermittelst eines zweiten die verkohlten Theile abzustreifen,
damit er immer hell brannte.
Nach Schloß der Zwölften trat das Spinnrad in seine Rechte;
Wirthstöchter und Mägde zusammen spannen und sangen Dainos
und deutsche Lieder abwechselnd. Nur au Donnerstagen wurde
Abends nicht gesponnen,*") weil zu der Zeit Christi Leiden
Bauemhanses ans dem Dorfe Gzemiak<Sw, in der Kähe von Watschan,
giebt: Flnr, rechts von ihm zweifeustrige Wohnstube mit Ofen und Kamin
linke von der Thür (von der Stube gegeben), hinter der Wohnstube ein-
fenstrige Kammer; links vom Flur eine Stube und eine Kammer.
*] Ebenso Rogge, Gesch. d. Diäc. Darkemen, pag. 165.
**) Ebenso, aber mit anderer Begründung, Hintz, Die alte gute Sitte
in Ältpreußen, pg. 111 in Ält-Fassarge, Kr. Heiligenbeil, und Toeppen, Aber-
glaubenaoaUasureUjpg. 102 in Hohenstein.— cf. Bezzenberger,Lit Forsch. pg. 81.
DigtizBabyCoOgIC
Von Johannes Sembrzycki. 495
begonnen, dann auch, weil die Hühner sich sonst im Erbsen-
Stroh verwickelt haben würden.
Die Holzasche aus dem Ofen und Kamine wurde den
ganzen "Winter über sorgf^tig gesammelt, gesiebt und in Tonnen
auf dem Hausboden aufbewahrt; denn ohne sie hätte man Garn
und Leinwand nicht bleichen können. Die graue Leinwand
wurde nämlich „gebiekt", das heißt in eine Tonne gelegt, die
unten mit einem Krahne versehen war, mit Holzasche beschüttet
und heißes Wasser aufgegossen. Nach einiger Zeit wurde dieses
abgelassen und durch neues ersetzt, und so fort, bis man es filr
an der Zeit hielt, die Leinwand auf die Bleiche zu bringen, wo
sie auf jeder Seite eine bestimmte Anzahl von Tagen liegen
bleiben muQte. Dann kam sie wieder „in die Biek" und noch-
mals auf die Bleiche, bis sie vollkommen weiß war. Chlorkalk
und Natrum waren noch unbekannte Dinge. — Bei der "Wäsche
verfuhr man ähnlich. Man hatte hierzu einen oben offenen
Kasten, dessen Boden aus Sprossen bestand. Nachdem man ihn
über eine Tonne gestellt, wurde er mit einem reinen Laken
bedeckt, auf welches eine Schicht Stroh kam; auf dieses schüttete
man dann die Holzasche und begoß sie fleißig mit heißem Wasser,
welches sie auslaugte und dann in die untenstehende Tonne
floß. Mit der in letzterer angesammelten Lauge wurde dann
unter Zusatz von nur wenig grüner Seife (die damals theurer
war als heute) gewaschen.
Am Neujahrsabende goss man Glück aus Zinn, griff
Glück, wozu die Figuren ans Bruken geschnitten wurden, warf
einen Pantoffel rückwärts über die Schulter und deutete, wenn
er mit der Spitze nach außen gerichtet niederfiel, dies dahin,
daß man im neuen Jahre sterben werde, während, wies die
Spitze nach dem Linem der Stube, man gesund und leben
blieb*); man schlug im Dunkeln ein Gesangbuch auf und legte
68 unter das Kopfkissen, sah am Morgen nach, welches Lied
*) Ebenso E, Lemke, Volksthümliches in Oetpreofien, I (Mohrangen
1884) pag. 8.
DigtizBabyCoOgIC
496 Sitten und Gebräuche in Padrojen vor vierzig Jahren.
(z. B. ob es bei Hochzeiten, Krankheitsfällen, Begräbnissen ge-
bräuchlich) man getroffso, und deutete daraus die Zukunft*);
man fegte die Stube aus, bestreute sie mit Sand und betrat sie
nicht mehr — fand man am Morgen doch Spuren, die bis zur
Ofenbank führten, so war der Tod dagewesen, um auf letzterer
zu ruhen, und einer der Haasgenossen mußte im neuen Jabre
sterben. Mädchen stellten ein Licht in den Backofen und
sahen, rückwärts gegen ihn gestellt und nach vorn gebeugt,
zwischen den Beinen hindurch hinein ; alsdann erblickten sie
ihren Zukünftigen. Doch wurde von dieser Probe als einer
e;ef&brlichen, die Krankheit zur Folge bähen könne, abgerathen.
— Zum Schutze gegen den Teufel malte man drei Kreuze an
die Thür; auch wurde jedes Stück Vieh im Stalle bekreuzt.
Man fegte eine Schaufel Gemüll zusammen und warf dies über
die Nachbarsgrenze; dadurch wurde man von den Flöhen im
Hause befreit, indem diese zum Nachbar wanderten.**) — "Wer
in der Nenjabrsnacht um zwölf Uhr durch das Astloch eines
eichenen Brettes sah, erhielt dadurch die Gabe, Geister zu
sehen; doch trachtete Niemand nach derselben, da die Männer
in der Gegend, welche Geister auf den Kirchhof tragen mußten,
dies als etwas entsetzliches schilderten.***)
Am Palmsonntage wurden zu Mittag Glumskeilehen ge-
kocht, gewöhnliche Keilchen, die mit Schmand und Glums be-
gossen wurden. Kisseel wurde an jedem heiligen Abende ge-
macht und am Erstfeiertage Mittags mit Milch, Abends mit
Speck aufgebraten gegessen. Szupinis gab es zu Fastnacht
und zwar mit geräuchertem Schweinskopf; dagegen war Szaltenos
vollständig unbekannt. Von sonstigen besonderen Speisen hatte
man noch Klösse aus feingemahlenen Schweinsbohnen. — "Wenn
die Kuh kalbte, wurde das Beest (die erste Milch) durch Heede
*) Aehnlich Toppen, Äberglanben aus Masoren, pg. 64 in Gilgenbnrg.
**) E. Lemke, Yolkstbüml in Ostpr. I, pag. 14, theilt dies ähnlich
ans der Osterzeit mit.
***) Cf. Rogge's Mittheilungen ans dem Kirchspiel Darkehmen iu
Altpr. Mschr. XIX pg. 5(M, und Toppen, Aberglauben aus Masnren, pg. 113.
zeabyCoOgIC
"Von Johannes Sembrzycki. 497
gegossen*) tind mit Mehl Keuchen davon gekocht ; diese mußten
aber bis zum völligen Erkalten stehen bleiben — hätte man
auf sie gepustet, so wäre der Enh das Euter geplatzt. —
Fladen backte man auf hölzernen Schaufeln ; man bestreute die-
selben mit Kleie, breitete den Kuchenteig flach auf ihnen aus,
bestrich ihn mit Honig oder Syrup und schob ein, — Der
Symp wurde nicht gekauft, sondern aus Mohrrüben und Kunkeln
selbst gekocht. — Das Brot wurde auf einer durch ein Kumst-
blatt oder Calmus gebildeten Unterlage in den Ofen geschoben,
wodurch es größeren Wohlgeschmack bekam. — Das G-etreide
wurde so weit angängüch auf dem Quirl selbst gemahlen —
eine langweilige Arbeit! Ueberhaupt machten sich die Leute
damals alles selbst und gebrauchten nur Eigenes. So zogen
sie sich im Garten Birken-, Birnen- und Eschenbänme; sollte
eine Tochter heirathen, so hieben sie die Bäume ab, schnitten
sie in Bretter und ließen hieraus vom Tischler die Aussteuer-
Sachen fertigen. Die ganze Kleidung bestand aus selbst-
gemachten Stoffen , doch wurde zur Herstellung der Anzüge
ein Landschneider iu's Haus genommen, der ihnen einen mög-
lichst städtischen Schnitt gab; nur die Alten trugen noch ihre
besondere Tracht : die Männer lange Wandröcke bis zum
Knöchel, an den Schultern faltig gekraust, lange Stiefel und hohe
Filzhüte, in denen sie bei der Kirchfahrt ihr Taschentuch auf-
bewahrten ; die Frauen stattliche Kopf bücher und Marginnes (Röcke),
Die Gebräuche bei Hochzeiten unterschieden sich nicht
von den bekannten; zu erwähnen ist nur das Eecht, welches
Bauern, deren Besitzung zu beiden Seiten des Weges lag,
geltend machten : sie sperrten dem Hochzeitszuge durch eine
Stange den Weg, bis ihnen Fladen und Branntwein gereicht
wurde.**) Einen gleichen Tribut erhielten die alten Weiber,
•) Cf. Bock, Versuch e. wirthschaftl. Natnrgesch. v. Ost- und West-
prenlten, I pg. 259.
**) Cf. Matthäus Prätorius' Deliciae Prossicao oder Preußische
Schaubühne (1698), Auszug v. Pierson, Berlin 1871, pg. 84: „Bei dem Fahren
ist zu merken, daß die Braut allerwege, wo ein Heck oder Grenze ins Feld
Altpr. Houbaohrirt Bd. XXVI, Haft 5 n. U. 32 .^
DigtizBabyCoOgle
498 Sitten und Gebräuche in Podrojen vor vierzig Jahren.
welche, an passenden Stellen, z. B. an einer Brücke, aufgestellt,
aus Leibeskräften „krieschten". Daß dem Hochzeitszuge ge-
putzte Marschälle vorausritten, an jedem Kruge angehalten,
einmal herumgetanzt und — getnmken imd dann weiter ge-
fahren, richtiger gerast, wurde, kam nur noch selten und nur
bei echt litauischen Hochzeiten vor.
Den neugeborenen Kindern wurden die Köpfe leicht
zusammengepreßt, indem man sie mit flachen Hftnden an der
Stirn und am Hinterkopfe faßte.
Wurde Jemand krank, so war das erste, Johanniskraut,
weißen Steinklee und bl akutes (Coriander) auf glühende
Kohlen zu streuen, ein reines Hemde darüber durch Hin- und
Herwenden einzuräachem und dem Kranken zum Anziehen zu
geben. — Von Arzt und Apotheke hielt man nicht viel, sondern
nahm seine Zuflacht zu allerlei Hausmitteln; nur Hoff^manns-
tropfen hatte man stets Im Hanse.
War Jemand gestorben, so mußte Jeder, der die Leiche
besehen kam, Schnaps und Fladen erhalten. Beim Begräbnisse
wurde der Sarg unter Absingen geistlicher Lieder durch das
Dorf getragen und zwar, wenn es die Leiche eines Wirths oder
seiner Frau, eines Altsitzers oder einer Altsitzerin war, von
sämmtliehen Wirthen des Dorfes. Der Lehrer hielt die Grab-
rede und bekam dafür außer Speise und Trank einen Gulden.
Alten litauischen Leuten gab man, wenn ihre Kinder sich dem
Deutschen zugewendet hatten, ihre litauischen Gesangbücher
und Bibeln mit in den Sarg, ein Gebrauch, der auch heute noch
in jener Gegend besteht.*) — Auf den Kirchhöfen, die immer
ist, da. Bie durch oder vorbeifahret, ein Handtuch mit einer Jost (Leib-Basd)
hinwerfen muß" etc. — Derselbe Gebrauch findet sich auch bei dem Banem-
Bchlftge gei-maniech -wendischer Abkunft im nordweatl. Theile des Kreises
SalzwedeJ. „Unterwegs sperren oft Bursche und Kinder die Straße für dec
BrAutwagen mit Leinen und Ketten oder auch wohl mit Guirlanden ab,
und der Bräutigam mufi sich mit Geld, Branntwein und Kuchen freien Weg
erkaufen" (W. Meyer-Markan in der „Gartenlaube" 1SS5, pg. 686).
*) Nach dem „Evangel. Oemeindebl.", XLI (1886) pg. 146 findet er
sich auch bei den evangel. Kassuben.
DigtizBabyCoOgIC
Von Johannes Sembrzycbi. 499
anf Grandbergen angelegt waren, gab ea viele Kasteugräber,
anf deren eichenen Brettern die Inschriften angebracht waren,
auch waren viereckige mit einer Leiste umnagelte Tafeln häufig,
die einem ziemlich hohen Ständer so eingefügt waren, daß
beide Seiten beschrieben werden konnten; zuweilen auch wählte
man zum Ständer ein Holz, das an einem Ende krumm gebogen
war, so da£ man die alsdann nur auf einer Seite beschriebene
Tafel in schräger Richtung aufnageln konnte. Die alten Grab*
tafeln endlich, so weit sie noch erhalten waren, zeigten den
litauischen Typus und auf blauem Grunde die Inschrift in
gelber Farbe. Nur hatten sie die, von den in „Mitteil, der
Litauischen Literar. Gesellsch." n, 382 mitgetheilten Formen
sie imterscheidende Besonderheit, da£ sie oben, nm mich so
auszudrücken, in einem Giebel ausliefen, dessen drei Ecken in
je einen kreisförmigen Ausschnitt ausgingen und dessen beide
Seiten mit einer Leiste verseben waren, welche die Inschrifl
gegen Verlöschen durch den Regen schützen sollte,*) Oft fehlte
auch der oberste Kreis, und die Leisten liefen dann in eine
Spitze aus.
Am Johannisabende wurde
Johanniskraut gesammelt und davon
so viel Aestchen unter den Balken
gesteckt, als Hausgenossen vorhanden
waren. Wessen Ast weiter aufblühte, der konnte sicher sein,
daß er gesund blieb; wessen Kraut vertrocknete, der wurde
krank oder starb.**)
So verging dem Bauern in Freud' und Leid das Jahr und
*) Eine ebensolche Grabtafel, nur ohne Leisten, fand ich anf dem
Kirchhofe bei Wilmaotinen, Kr. Kagnit, der auf einem hohen, fichten-
bestandenen, eine hübsche Aussicht bietenden Berge belegen ist. cf. Beschrei-
bung des Berges von Gisevius in den nPreuD. Prov. El." SXII (1839) pg. 106.
**) Ebenso Praetoriue, Preuß. Schaubühne (1698) pag. 66 des
Pierson'schen Auszuges; Toeppen, Aberglauben aus Masuren, pg. 71 in
WiBenberg : Frischbier, Zur volkstümlichen Naturkunde, in Altpr.
Uschr. XXH, pg. 8dl in Fischhaneen.
DigtizBabyCoO^IC
500 Sitt«D nnd Gebräache in PtMlrojen vor vierzig Jahren.
es kam die Erntezeit heran, die itn mit allem versorgte, was
er braachte. Nur Zwiebeln wm-den von den mit ihren Wagelchen
von Ort zu Ort ziehenden „Zippelkuren" gegen Korn einge-
tauscht; der auf dieselbe "Weise herum hausirende Jude Markus
dagegen gab seinen Theer und seinen Terpentin nur gegen
baares Geld ab. — Von Emtegebräuchen ist zu erwähnen, daß
nach Beendigung dea Mähens die Schnitter in feierlichem Zuge
vom Felde heimkehrten, wobei der Vorarbeiter den mit großer
rother oder grüner Schleife verzierten Aehrenkranz vorantrug.
Hierfür erhielt er einen bis anderthalb Oulden; der Kranz
wurde in der Stube über dem Tische aufgehängt nnd erst mit
dem letzten G-etreide mitgedroschen. '") Es folgte nun der Emte-
schmaus, bei dem es ungefähr dieselben Speisen gab, wie beim
Flachsbrechen, und Abends wurde getanzt. Während der Emte-
arbeiten wurde auch der skilandis angeschnitten, ein schicht-
weise mit Schweinefleisch und Fett gefällter nnd dann ge-
räucherter Schweinemagen. Beim Einfahren des ersten Fuders
Getreide durfte von Niemand, der dabei etwas zu thon hatte**)
(also weder vom Staker, noch vom Lader und vom Fahrer)
auch mu- ein Wort gesprochen werden; die Fächer der Scheune
waren mit aus dem Walde geholten Kräutern ausgelegt.
Die Zeit von nun an bis zum Flachsbrechen bot nichts
Bemerkenswerthes. Dasselbe gilt von den im Vorhergehenden
nicht erwähnten Pesten und Tagen, Nachzutragen ist nur, daß
zu Pfingsten der Hirt jeder Kuh einen Kranz um die Homer
flocht, wofür er von jedem Bauern pro Kuh einen Silbergrosehen
erhielt. Da diese Kränze nun recht grell und nicht besonders
geschickt ausfielen, so sagt man in jener Gegend von Frauens-
personen, welche grell aufgeputzte Hüte tragen: „De hefft e
Hoot, wie de Kög' to Pingste,"
*) Ebenso Hintz, Die alte gute Sitte in AltpreoGen, pg. 136 in Ryd-
zewen, Kreis Lötzen.
**) cf. Bezzenberger, Lit. Forsch, pg. 88.
DigtizBdbyGOOgle
Von Johaimes Sembrzjcki. 501
Von soustigeu Sitten und Gebräuchen sind noch er-
wfthneoswerth:
"Wenn ein Kind die cnkata oder sukata hatte, d. h.
„Mötteetersch" oder richtig die Abzehrong (bleiches Aussehen
und Abmagern trotz vielen Essens), so wurde es an drei Donners-
tagen bei abnehmendem Licht auf den Quirl gesetzt und dieser
dann gedreht. Die Deutscheu jener Gegend machten aus sukata:
„Zuekertass"', — cf. Brückner, „Die slavischen Fremdwörter
im Litauischen", pg. 186.
Wenn ein Huhn weiche Eier legte, ao machte man aus
einer Peitsehensehnur einen Kreis auf dem Boden, streute Futter
in die Mitte und lieB das Huhu davon fressen, oder man lieO
es aus einem Dreifuß fressen, den mau, die Füße nach oben,
auf die Erde legte.
Wenn, wie es mitunter vorkommt, beim Sften ein Stückchen
Acker übergangen war, was sich erst im Sommer zeigt, wenn
das Stück kahl inmitten des wallenden Getreides liegt, so starb,
war das Stück klein, ein Kind, war es größer, ein Erwachsener
aus dem Hause (weil die Nahrung für ihn vergessen warV).
Zum Schutze gegen das Fieber wurde im März Meerrettig
gestochen, gerieben und davon mit Mehl und einigen Eiern
Funsen gebacken, von denen Jeder nolens volens essen mußte.
Die sogenannten Donnerkeile (Belemniten), laumes papai
oder plattdeutsch ,,Mahretitt" genannt, wurden zerrieben und
als Streupulver bei Wundsein kleiner Kinder benutzt.
,dbyGoogIe
ProTlnzielle Kegelrnfe.
A. Trelchel.
Ein gelehrter Mathematiker, ApoUoniua ana Perga in Pam-
phylien, soll das Kegelspiel erfunden haben, indem er versehent-
lich einen Erdenglobus auf leere Flaschen hinwarf und diese zu
Fall brachte. Zahlreich ist die Schaar der Jünger dieses Spieles,
namentlich anter den Deutschen, und gar verschieden erst in
Deutschland die Zahl der Rufe ittr die gefallenen Kegel. Obgleich
öS in der Kegelliteratur gewiB viele Breviere und Vademecums,
als Gesetzsammlungen, auch Hülfsbücher oder davon handelnde
Liederbächer giebt, wie von mir als Nichtkegler vermuthet wird,
obgleich femer im Reiche der 9 Kegel (die Nordamerikaner
schieben aber mit lOpins!), welches wegen der gesunden Leibes-
bewegung wohl über das der drei Würfel mit den zahlreicheren,
aber auch allgemeineren Knobeltouren zu stellen sein mag, neben
dem geschriebenen Gesetze auch das Gewohnheitsrecht großen
Einfluß hat, hat es mich interessirt, nur die Rufe zusammen-
zustellen, wie sie schon in unserer Provinz und ihrer pommer-
schen oder posenschen Umgegend verschieden genug auftreten,
soweit ich sie in Erfahrung bringen konnte, und dadurch ein
gewisses ethnologisches Gemälde zu geben, welches ofl genug
die vielleicht durch besonderen Zufall entstandene Eigenthümlich-
keit auch der kleinsten Stadt zur Schau trägt. Vielleicht wird
diese kleine Composition znr weiteren Nachforschung und be-
treffenden Fbdrung auch auf diesem abgelegenen Gebiete in
der Provinz beitragen.
DigtizBabyCoOgIC
Von A. TpBiehel. 603
Q te: wenn Yordereck mit&Ut.
Gute Würfe! — Honneurs!
1 K.: 1 gut! — 1 mit! — Vordereck! — 6: Bataillon mit! 1 Belg&rd,
2 K.: 2 gut«! — 2 mit! — 6: Grenadier mit! ! Greifenberg
3 K: 3 gute! — 3 mit! — Gefreiter mit! — 7: Regiment mit! / i, Pomm.
In Richtung Mittelreihe (1, 5, 9): Herz! (Beigard,) - Hurrah! (W. Pr.) -
Vivat! (auch Leipzig, Hannover.) —
Zusätzlich r As de Buer op dem Wif satt,
Schreg he immer vivat,
Mutter, giff mi Zwieback,
Mutter, giff mi Titt!
oder: Vivat, wer den Stiwen hat,
Wer'n Schlappen hat, dem achitt de Hund wat! (Danzig: Thimm.)
4 K.: Carr^! — Kari mit! — Compagnie mit! — Vier Juden! (Neustadt.) —
Wenn 1, B, 9 und 7 oder 8 fallen: Vivat hat geheirathet! oder Vivat
mit Agio! mit ironischem Znsatz: Hat immer Glück!: Westpr.: Prengel;
zählt 4 weniger.
4 K., wenn Hintereck (9) stehen bleibt: Kackstuhl mit Lehne! (Beigard),
besonders beim sog. Kämmen, wenn parteiweisc geschoben wird.
5 K: 6 gute! —
6 K.: Bataillon! (Ost- n. Westpr.) — (G?) Dranatje, Muskatje, Bataillon gut!
(Inowraclaw.)
7 K.: 7 gute! — Grenadier! — Zusatz: Der Kegeljunge hat kein Bier!
8 K.; 8gut«! — AllerhandAchtung!(NeQatadt.) — FeueraaPmFrack!(Luckau).
— Nach Stellung: Acht um den König! — Daa Kränzchen der Liebe!
(Hessen). — Alle acht um den König! — Zusatz: Ein Sechser ist zu
wenig, ein Groschen ist genug! (Pommern.)
9 K.: Alle Neune! Gut sind sie, Wer hat sie, Hat's brav gemacht; Drum
wird er auch nicht ausgelacht! — Alle Neune! — (Coeslin: Der Kegel-
junge bringt irgend einen Kegel und holt sich einen Sechser.) —
Wenn sie auf einen Bück fallen: Alle 9! £in Glas Bier! (Neustadt.)
— Wie hingerotzt (Neustadt).
Kackstuhl, wenn 1, 4, 6, 6, 7, 8 stehen bleiben (Figur ^«•>: Neustadt) oder
2, 3, 7, 8 (Figur H: besser! Siefert). —
? 6 K.; Polnisch Vivat (Wpr.), Tucheier Vivat: Wenn die beiden Bauern
längst des Vierecks fallen, also I, 6, 9, 2, 7 oder 1, 5, 9, 8, 8. —
Schlechte: wenn Vordereck nicht fallt
1 K.: Pipekopp, — Pipenalel (Fr. II. 138. B. mit Zusatz: is — kost't nich
vel!) — Piper (Schöneck, Berent, auch mit lokaler Anlehnung: Piper-
DigtizBabyCoOglC
504 Provinzielle Kegelrufe.
Puc, oder mit Yerdrefanng: Puper Pic) — Kackstuhl! (Daazig.) —
KackstuLl im Walde! — Papa will heiratben! (Beigard.) — Ein
Holz! — Wenn einer der äussereten: Eine Katz! (Nenstadt). —
1 Seitenkegel (4 oder ß): Kilian (Oatpr.: Prengel). — Früher; He heft
em beluat! (beinert =^ belauert.) — Hat ihm schon! (Prengel.)
1 K. und König; Papa hat geheiratbet! —
2 K.: Jule hat geheirathet! — Zwei Holz! — Oho! (Pommern.) — Paar-
t^pfchen ! (Beren t.) — Adam und Eva ! (Berent.) — Standesamt !
(Scböneck.) — Arm und Bein! (Hannover.) —
3 K,: 3 schlechte! — 8 ohne! — Gefreiter ohne! (Beigard.) — Jule hat ein
Kind! — G&lliee, seine Frau and Ouste! (Schleppe.) — Schemel!
(Schöneck.) — Schusterschemel! (Danzig.)
3 K. in Mittelreihe (4 und 6 nnd 6): Hamburger Wappen! —
4 K.; 4 schlecht«! — 4 ohne! — Schlechte Compagnie! — Compagnie ohne! —
5 K,; 5 schlechte! — 5 ohne! —
6 K.; 6 schlechte! — Schlechtes Bataillon! — Bataillon ohne! —
7 K.: 7 schlechte! —
8 K.: 8 schlechte! — Es iat der höchste Wurf und kostet 100 Points! —
Der Kegeljunge bringt Vordereck und erhält mindestens 60 Pf. Trink-
geld. Der glückliche Verunglückte hat auBerdem die Verpflichtung
(Berent), Ivir die Gesellschaft mindestens ein Achtel Bier oder eine
Bowle zu Spendiren, wogegen diese ihm aus Anerkennung eine Denk-
tafel stiftet, mit bezeichnenden Versen oder Fhotogrammen versehen,
die an der Wand der Kegelbahn zum bleibenden Gedächtnisse auf-
gehängt wird.
Würfe mit verfehlter Kugel:
Geht die Kugel vor Erreichung der Kegel in den Sand: Sandhase! —
Abgang! — Pudel! (weil man sich schämen soll!) — Appelbatun (Neustadt
Bahn Wodtke, wo zulällig ein solcher steht; das ist noch schlechter; denn
wer den trifft, dem gnade ein — engel). —
Geht die Kugel gan^ um die Kegel herum, ohne Berührung von Bande
oder Kegel: Hinter den weissen Gardinen! (Braunsberg.) — Loch! (Beigard,) —
Znloch! — Sandhase (II.)! — Eehbock (II.)! —
Berührt eine Kugel die Bande vor den Kegeln (wo sie dann, weil
ungültig, vom Kegeljungen zur Ersparung der Mühe dee Aufsetzens der
etwa gefallenen Kegel meist vorher aufgehalten wird): Bande! — Heh-
bock (I.)! oder platt: Reibock! (vom krummen Sprung der Rehböcke!) —
Hett sich gschüert! (Beigard, Hannover.) — Portemonnaie! (Weil das Straf-
geld kostet: Lübeck.)
,dbyGoogIe
Ton A. Treichel. 606
Der Gang einer £iigel zwischen Mittel- and zweiter R«ibe (a X) der
Kegel, oltne einen nmzawerfen: Ontloch! (kostet 13!) — Dorchmarsch !
(Thom: Prengei.) —
Der Gong einer Engel zwischen zweiter Beihe der Kegel, ohne einen
nmznwerfen: Schlechtloch! (kostet 16!) —
Kugelpost; wenn die Kagel wiederkommt mit einem Zettel, be-
schrieben: Ein Olas Bier!, wenn der Jnnge Doret hat
I
l
Allgemeiner KeglergruB: Gnt Holz! (Dresden, nach Vorbild des tnme-
rischen Gut Heil!)
Jeder Kegel an sich heißt Holz, entweder gut oder schlecht.
Bauer ist jeder Kegel im Gegensätze zu König, Vorder- oder Hinterock
oder Alles, was am den König steht; außerdem hat Vorder- und Hintereck
seinen Namen und seine Vorzagsrechte.
AuSeneck ist Kegel 4 oder 6.
Einladung zum Kegeln: Heute ist keglowaf! (Neustadt.)
Wenn auf einer Bahn mit einem Brett die Kugel anfängt, leise zu
gehen : sie geht auf Socken !
In Parteien schieben :
1. Hamburg - Uecklenburg oder Kaiserpartie oder Hamburger und
Ijühecker oder Kriegsspiel: es gelten die Points bei wieder aufgesetzten
Kegeln.
2. Kämmen : es gilt die Zahl der gefallenen Kegel, die auch so lange
nicht wieder aufgesetzt werden, als bis der letzte gefallen ist; fallen beim
ersten Auachnb 8 Kegel, so werden sämmtliche Kegel doch wieder aufgeeetzt;
dasselbe auch (Beigard) bei Vivat! — Apothekerkegel (Beigard), wenn beim
Kämmen die Kegel 2 nnd 3 stehen bleiben.
zeabyGoOgle
506 Provinzielle Kegelrufe.
Eegel-RedensarteD in Neustadt.
Bei schlechtem Schub: Jaoge, stell' den linken Vorderkegel beaser!
Wenn eine schöne Kugel schlecht kam: Das ist papig!
Wenn 2 'Würfe mit Honneurs kamen und der dritte fGr eine Ronde
erwartet wird: Jetzt kommt das Sicherheits-Effet!
Bei Alle 9: Salem aleiknm; rasseln sie, wie sie rasseln! (Bahu Wodtke),
Wenn der 9. Kegel f^llt: Endlich veepertilio! — wenn er aber nicht fallen
will: Ochs', fall'!
Bei 8 Schlechten kommt der Jnnge mit dem stehenden Vordereck
angereist und bekommt 5 Duttchen in die OefFoung des tungekehrten Kegels.
(„Eine Unsitte!")
Wenn eine direcfionslose Eugel richtig gelang: Da liegt Etwas in
der Bahn! oder: Da lag wohl ein Wollfaden?
Wenn eine Kugel so aussieht, als wenn sie in die Gasse kommen muß,
aber kurz vorher eine Wendung durch die Mitte macht: Sie kommt wieder wider!
Ä. (zur Entschuldigung): Die Kugel fiel mir ans der Hand!
B. 1. Na, wo soll sie denn sonst rausgefallen sein! — 2. Sie ist Ihnen
doch nicht aus der Tasche rausgefallen?!
Immer auf diesem Eitz muß er (?) gehen ! — Diesen Strich mnC er
ninterkommeu !
Schliesslich mag eine Zeitungsnotiz Über das Kegelschieben in Berlin
anhangsweise Platz finden.
Das Kegelschieben ist dort von jeher hochgeschätzt worden. Eine be-
sondere Art Kegelbahnen, so schreibt die „Voss. Ztg.", kann man nun in
neuerer Zeit in den äußersten Auslänfem der Stadt, namentlich im Westen,
kennen lernen. Da hat ein Unternehmer ein Grundstück erworben, das er
aua irgend welchen Gründen noch nicht bebauen kann oder will, und nun
handelt es sich vorläufig darum, den kahlen Fleck Erde nach Möglichkeit
auszunutzen. Im Winter wird es eine Eisbahn mit ragenden Fahnenstangen
und flatternden Wimpeln, in der basseren Jahreszeit ein Trockenplatz mit
flatternder Wäsche, von dem aber ein Theil iibgezweigt wird für die fliegende
Kegelbahn. Ein paar Dutzend Bretter genügen für die Herstollnng des
Baues, und „ Pfeifenstiel" oder „Hintenrum, schenk' mir Weißbier ein!"
erschallt es necHüch, wo eben noch öde Stille geherrscht hatte. Kommen
die Erdarbeiter und Uaurer angezogen, so muß natürlich die Kegelbahn
weichen, aber sie geht nur ein Haus oder vielmehr ein Stück Ackerland
weiter, und so sehen wir sie den langen Häuserzeilen der Weltstadt ab
Pioniere in den Kreis Teltow vorausziehen. SelbstveratÄndlich entbehren
die fliegenden Kegelbahnen mancher Bequemlichkeit, deren sich ihre vor-
DigtizBabyCoOglC
Von A. Treichel. B07
nehmen Schweatern im Innern der Stadt rühmen, aber ein Faß Bier ist
doch immer bei der Hand, und die Weiße wird direct aus der Erde heraus-
gegraben, in der sie kühl gebettet lag. Und gerade der Reiz des Idyllischen
ist es, der manchen Kegelklub bewegt, beim Erwachen dee Frühlings der
alten Heimstätte den Rücken zu kehren and neue Hütten zu banen dort,
wo der dnmpfe Hanch der Weltstadt sich verflücfatigt im freien Athem der
Natur. Unzählig sind, wie alle Vereine in Berlin, diejenigen der Kegler.
Die meisten begnügen sich ohne besondere Namen und bestimmte Satzangen;
andere wiederum sind streng gegliedert and in ihren Benennungen prägt
sich echter Berliner Keglerhnmor aus: Pappelboom und einsame Pappel,
Vordereck und Hintereck, Stamm, Schieberinst, Ratze nnd wie sie sonst
heißen mögen. Sogar einen Heiligen hat die edle Kegelzunft als Schutz-
patron ausfindig gemacht: „Sankt Conus". Ihn mögen die ungeübten
Schützen, die es höchstens bis zu „Paar" oder „Schusterschemel" bringen,
anrufen, nnd er wird sie trösten mit dem guten Worte, mit dem schon
unsere Altvordern sich besänftigen ließen, wenn ihnen auf der Kegelbahn das
Glück nicht hold war: „Man wirft nnd trifft doch Holz, es sei viel oder
wenig; die Ecken schUgt man um, verfehlt man gleich den König!"
,dbyG00gIe
Tom Binden und Hfinsen.
(NacMrag.)
Von
A. Trelchel.
Lothspruch von Maurern.
(Thurmberg von Schöneberg.)
Wer sich thnt trauen,
Mein Werk anzuschauen,
Mein Schnnr ist gewunden,
Damit sind der Herr gebunden.
Ich binde den Herrn swar nicht um eine Flasche Bier od<
Nein, ich thue es dem Herrn zur Ehr' allein.
Bindespruch des Zieglers.
(Unter Vortage eines Ziegelsteins.)
Ich bring' dem Herrn einen bunten St«in,
Damit soll er gebunden sein.
Der Stein, der geht durch Zieglers Hand,
Der geht durch Feuer und durch Brand.
Erntekronen-Spruch ans Czernikau.
Outen Abend die Herrschaften insgemein,
Die jetzt hier versammelt sein!
Ich komme hierher getreten,
Uich hat kein llensch gebeten.
Wir haben den Roggea aufgeharkt
Und haben dem Herrn die Krone gebracht.
Sie ist nicht groß und auch nicht klein,
Sie ist nur hllbech und fein ;
Sie ist nicht von Diestel und Dom,
Sie ist von lauter reinem Eom.
So viel Eömer in der Äehre,
So viel Kömer auf der Erde,
So viel tausend Dukaten
Wünsch' ich dem Herrn in seine Kasse;
,dbyGoogIe
Von A. TreicheL B09
So wie wir singen und springen,
So soll das Geld dem Heim in der Kasse klingen.
Ich wünsche dem Herrn ein hohes Hans,
Aaf alle vier Ecken baut sich der Storch Nester darauf.
Von Rosen das Dach, von Myrthen die Thür',
Von Rosmarin 'neu goldenen Riegel dafür.
Ich wünsche dem Herrn einen Wagen,
Alle vier Räder mit Golde beechlagen,
Daß der Herr kann fahren mit seiner Pran,
Zq beschauen das Land.
[Und rechts and auch links das Land beschau'!]
Ich wünsche dem Herrn 'nen schwarzseidnen Hut,
AoTs andere Jahr ein großes Gut.
Ich wünsche der Frau ein Sopha in'n Saal,
DaQ sie kann sitzen mit ihrem Gemahl.
Wo ihre Füße stehen,
Da sollen Veitchen blühen;
Friede und Wonne soll um ihr sein!
Ich wünsche der Frau ein blauseidenes Kleid,
[Qar] langes Leben und [recht] viele Freud'.
Ich wünsche dem Fräulein 'nen goldnen Wagen,
Dal! sie kann weit in der Welt spazieren fahren.
Ich wünsche dem andern Fräulein 'nen Rosengarten,
Daß sie kann ihre Zeit in Ruhe erwarten.
Zuletzt wünsch' ich der Herrschaft *nen gedeckten Tisch,
Auf alle vier Ecken 'nen gebratenen Fisch,
In der Mitte 'ne Flasche mit Wein,
Daß die Herrschaft kann trinken und lustig immer dabei sein!
Eb Ist mir nicht zu thun um ein Qläschea Wein,
Sondern nur um des Herrn Ehr' allein.
Der Herr möchte sich doch bequemen
Und mir jetat die Krone abnehmen!
Auch in Gebirgsgegenden kommt das Binden, freilieh in
anderer Gestalt, vor, indem man den fremden Wanderer dazu
preßt. So fand Dr. H. Jentsch in Oesterreich beim üebergange
von der sächsischen Grenze im Sommer 1860 in dem Walde an
der Bergstrasse seinen Weg durch kleine Mädchen gesperrt,
welche eine Schnur darüber hielten. Es galt eine Lösung durch
den üblichen Obolus.
D,gt,zBabyC00*^IC
5X0 Vom Binden und Eänaen.
Aehnlich berichtet mir Herr Dr. H. Jeutsch, daß man in
der Niederlausitz aucli den Hochzeitawagen durch eine über den
Weg gespannte Schnur aufhält, sowie endlich das zn Faß
von der Kirche kommende oder zur Kirche pilgernde Brautpaar,
das sich ebenfalls durch ein kleines Geldgeschenk lösen muS.
Als hergehörig muß ich zum Schlüsse noch bringen, waa
unser beste Volksthümler, Herr Eector H. Prischbier, in seinen
Preuß. Sprichw. n. Itedensarten über einige Arten des Puchsen8
aus der Provinz Preußen bereits gegeben hat.
Wenn Schttler in eine höhere Klasse versetzt werden,
Jungen Knechte, Knechte Großknechte werden, dann werden sie
für diese höhere Stufe durch das „Wormke sette" (Wärmchen
setzen. Natangen. Fr. I. 4129.) eingeweiht. Der betreffende
wird übergestreckt und man setzt ihm den Absatz eines Holz-
pantoffels (einer Schlorre) auf den Hintern oder legt daselbst
auch einen Stock fest auf und schlägt mit einem Stücke Holz
darauf, wovon der Sehmerz ein sehr empfindlicher sein soll.
Das Verfahren ist also eine derbe Art des Fuchsens. Man ver-
steht unter der Bezeichnnng aber auch einen andauernden Drack
mit dem Daumen hinter das Ohr.
Aehnlich ist nach ihm (Fr. I. 1857.) das Kaisern. Es be-
deutet dasselbe, was man hier und anderwärts stuteersen
nennt. Vor dem Friedländer Thore in Königsberg steht (Erl.
Preußen und auch Hennig: Preuß, W. B. 113, reden noch im
Präsens) ein großer Stein, „so ungefähr 10 Ellen oder drüber in
der Circumferentz hält". An diesen Stein, der „propter emi-
nentiam" der Kaiser hieß, wurden im vorigen Jahrhunderte die
jungen Bursche, welche sich dem Speichergeschäfte widmeten,
nachdem sie in ein hierzu bestimmtes Buch eingeschrieben und
zum mindesten einen Thaler erlegt hatten, von den „Kauf-
gesellen" „solenniter" geführet, von hinten daran gestoßen, und
also vor das Thor zu kommen, tüchtig erkannt. (Es be-
zeichnet den Eintritt in die Zunft und damit zugleich in die
DigtizBabyCoOgIC
Von A, Treichel. 511
"Welt.) Hievon waren selbst die Söhne der angesehensten Kauf-
leute nicht ausgeschlossen; doch widerfuhr ihnen für ein höheres
Einachreibegeid die Ehre, „daß die Gesellen mit ihren Mänteln,
womit sie damals allezeit gegangen, den Kaiser bedecket und
sie daran gestoßen". Von dem Steine wurde den Einfeltigen
vorgeschwatzt, „daß er sich, wenn er den Hahn des Nachts umb
zwölff Uhr krähen höret, dreymahl selbst umbkehren solle". —
Die Gewohnheit des Kaisems wurde später von den „Juugens
au£F der Laatadie" und in der „KneiphC fischen Vorstadt" eben-
falls eingefühlt; jene hatten dazu einen besonderen Eckstein be-
stimmt; diese wählten „den ersten Stein, der ihnen vorkam,
dazu". Erl. Pr. I. 311 £F.
Diese ÄuAiahme in eine Genossenschaft, Gesellschaft, Zunfl
hieß auch das H&nsen. Die Zunft war die Hanse oder Hause,
die gewissen Gebräuche die Hänsung. Nach Frischbier's Preuß.
W. B. I. 272. (Die geheimen Bettlerorden in Preußen in Preuß. -
Archiv 1793. 10. — Vergl. auch Grimm W. B. IV. 2. 465. unter
hansen) geschah das Hansen der Bettler im preußischen Bettler-
orden folgendermaßen: Der Äelteste der Bettler, der die Taufe
verrichtet hatte, nahm eine Schüssel voll Bier, warf eine Hand
voll Salz hinein und gab dem Getauften davon zu trinken, den
Ueberrest aber ihm über den Kopf gießend, und nun wurde dem
Gehänseten der zweite Namen aus den 48 (?) Karten des Karten-
spiels zugetheilt. Seine beiden Paten verehrten ihm zum Paten-
geschenk jeder einen Dreipölicher (ohngefUhr IVa gr, Preuß.)
und diesen mußte er ein ganzes Jahr lang entweder im Ohre
hängend öffentlich oder wohl verwahrt bei sich tragen.
Auf gleicher Grundlage beruht ja auch der sog. Fuchs-
ritt der Studenten mit dem dazu gehörigen Liede: Was kommt
dort von der Höh'?, sowie auch die sog, Taufe oder Fuchs-
taufe, Belehnung mit einem anderen, mehr minder angepaßten
Namen, nom de guerre, weniger bei Studenten, als bei Scholaren.
,dbyGoogIe
KritikeD nnd Referate.
Studya bibliograficzne nad lil«ratur4 litewsk^ II. Bibliogralta Utewska
od 1647 do 1701 r. Przedslawil Manrycy Stankiewicz. Erakaa,
Gebethoer &. Co. 1889. — 8«, XVI u. 74 pag. — 2 Mark.
Eine litauische Bibliographie gab es bis heate noch nicht, obwohl es
an schätzeuswerthen Versuchen auf diesem Felde, von denen der darch
Dr. Jan Earlowicz in seiner Arbeit „0 j^yka liteu-skim" gelieferte unbedingt
als der beste za betrachten iet, nicht gefehlt hat. Nunmehr hat es endlich
Herr M. Stankiewicz, seit Kurzem Besitzer eines großen, nach n^ssenschaft-
schaftlicheu Frincipien geleiteten Antiquariates in Erakau, der bereits durch
seine 1886 erschienene Schrift fiher die sogenannte GhyhDski'sche Bibel-
übersetzung (cf. Altpr. Mschr. XXV, 1888, pag. 500) sich ein bleibendes
Verdienst erworben hat — durch dieselbe angeregt, unternalim der Peters-
burger Akademiker Kouik Nschforechungen nach der genannten als ver-
schollen geltenden Bihelausgabe nnd fand dieselbe wirklich in der Bibliothek
der katholischen geistlichen Akademie zu Petersburg auf — , unternommen,
eine litauische Bibliographie zu liefern und giebt in vorliegendem Werkchen
den ersten, die Zeit von 1547 bis 1701 umfassenden Theil derselben. Wir
freuen uns, diese Arbeit als eine durchweg achtunggebietende, allen An-
forderungen, die berechtigter Weise an eine Bibliographie gestellt werden
mögen, entsprechende Leistung bezeichnen zu können. — Die Einleitung
bildet eine „üebersicht der wichtigeren Quellen zur litauischen Literatur-
geschichte", in welcher Verf. 41 polnische, litauische, russische und deutsche
Schriften aufführt,' die Zahl der letzteren beträgt 28, und man kann sagen,
daß dem Verf., abgesehen von dem, wahrscheinlich von Kurschat herrilhren-
den, ausschließlich das religiöse Qebiet behandelnden Äafsatze „Littauische
Erbauungs- und Volksschriften" im „Neuen Evangel. Gemeindeblatt " 1852,
No. 83, pag. 167 — 158, nichts entgangen ist, was auf seinen Gegenstand
Bezug hat. Die Bibliographie selbst, chronologisch geordnet und mit dem
DigtizBabyCoOgIC
Stankiewicz, Stndya bibliogrftficzne nad )it«ratur4 litewsk^ 513
Jfosviditis'schen Buche voii 1647 bannend, umfaßt 59 Dmcke, von denen 24,
säramtlich evangeliscbn, auf das preuGische, 35, 'wovon 27 katholieche, S evan-
gelische, auf das polniBche Litauen entfallen; bei den einzelnen Drucken
folgen anf die bibliographiechen Angaben solche Ober Verfasser, Uebersutzer
oder Heransgeber, kurze Inbaltsubersicbteu nnd mehr oder weniger umfang-
reiche, die sprachlichen Eigenthü ml ich ketten des betreffenden Buches vor
Augen führende Textcitate. Wir begegnen hier unter anderem einem zn
Wilna 1605 gedruckten katholischen Katechismus, von dem das einzige
heute bekannte Exemplar sich in der Jagiellonischen Bibliothek zu Krakau
befindet, und der „ein sehr wichtiges Denkmal der litauischen Sprache,
welches zusammen mit dem Katechismus von 1595 die Unterschiede der
beiden Dialecte; des ^majtischen nnd hochlitauischen zeigt" (pag. 27),
bildet, so daß die Nachricht mit Freude zu begrüßen ist, wonach in Kürze
ein wörtlicher Abdruck nebst grammatischer Einleitung und einem Wörter-
buche durch Dr. Jan BystroA in den Schriften der Akademie der Wissen-
schaften zn Krakan erscheinen wird. Von großem Interesse sind femer:
das „Carmen lituanicum" des Benedict Fiotrowicz von 1638 und der Vers
anf die Ankunft Wladyslaw IV. nach tukiszki, 1648. — Doch, alles hier
aufzuzählen, fehlt'es an Kaum.
Den SchlnD des Buches bildet ein ansführliches Personen- und Orts-
namen-Ve rze ic h ni ß.
Die Fortsetzung der Bibliographie, das XVITI. Jahrhundert nmfassend,
steht demnächst zu erwarten ; eine Monographie über die Bibeln nnd Oesang-
bücher, sowie eine Biographie dee Stanislaus Rapagellanus, sollen folgen.
Die Vortrefflichkeit der vorliegenden Schrift läßt uns diese in Anasicht ge-
stellten Arbeiten mit Verlangen erwarten.
Johannes Sembrzycki.
,dbyG00gIe
Mittheilnngen und Anhang.
Zur EDtetehnogsgeschiehte des altprenßischen Katecliisinus
Yon Abel Will.
Mitgetheilt von Professor Panl Tachackert.
Abel Will an Johannes Fanck,
d. <J. Pobethen, den 26. Juli 1654.
[Abel Will beklagt sich, daQ der herzogliche Amtshanptmann in
Oränhof den Dolmetscher (Tolken), den er selbst bei dem Uebersetzen des
Katechismus iu die alipreußische Sprache nothwendig brauche, derartig mit
Schar werksdieneten belaste, daß derselbe ihm nicht weiter helfen könne.
Will bittet seinen Gevatt«r Funk um Bath, wie er sich in dieser Sache ver-
halten solle, da der herzogliche Befehl zur Uebersetzung des Eatechismns
ihm durch Funk zugegangen war.]
„Gottes gnad, segen und licht in Christo Jesu ete. Achtbar, erwirdiger
über herr niagister und gevatter. Wen es £. A. W. etc Es ist
E, A. W. wol wissentlich, was mir vor eyne erbeit im chatechismo, von
euch, an stndt und auf hefetch F. D. unsers gnedigsten herm, ist auferlegt
worden etc. Nun hette ich wol verhoffet, das ich meynen tolken . . . bei
diser erbeit gerulich hette brauchen wollen, damidt solche erbeit sovil
schleuniger von Stadt ginge, dieweil ehr sonderlich vor andern diser sprachen
wol kundig und auch darin von Godt midt sondern gnaden begäbet** etc
[Aber der Hauptmann im Grüuenhofe hat denselben Tolkeo zu Scbarwerks-
diensten aufgeboten, and ihn noch dazu mit ungewohnten Scharwerksdiensten
belastet.] „Nun hat ehr etzliche scharwerk stage veraessen, insonderheit
zu der zeit, wen ich beyn ihm gewesen und ehr mir ihm dolmetschen hadt
helfen corrigiren." [Deshalb ist er „diese vergangene Woche" vom Haupt-
mann in den Grünenhof gefordert und „übel abgericht midt wordten". Er
hat dies am vergangenen Sonntage dem Pfarrer Will geklagt und ihm nüt-
D,gt,zBabyC00<^IC
Zur Entstehungsgeschichte d.altpreufl. Katechismus v. Abel Will. 516
geteilt, Ab£ er unter solchen Umständen ihm nicht weiter helfen könne.]
„Dieweil aber mir", fährt Will fort, „(als eynem eyntzeln mann) eolcha
unmuglich ist, solchen catechismnm in preusche sprachen ku brengen und
mir der heuptmann durch sejne bedroungen und tirannei den tolken abhendig
macht etc., wil ich E. A. W. auf dinatlicbste gebeten haben, mir doch
hirin zu rat-en, wes ich mich ferner halten sol in dieser Sachen"
[Und zwar bittet Will um einen schriftlichen Sathsohlag.] „Den[nJ Godt
weis, das ich gantz gerne midt allem fleis aufs flirderlichste, dise erbeit
verbrengen wolte, damidt F. D. wollen und begem. genug geschege ....
GrOset alle günstige henit und freunde. DatnmPobeten, den36.Juhj Anno 1654.
E. A. W. [d. i. Euer andächtigen Würden]
Abel Will pferher.
[Adresse :]
„DEm achtham erwlrdigen hocbgelerfen herrn M [agister] Johan
Funken, pfarhor der Altenstadt Konigsperg, meynem gunstigen liben herrn
und gevattem zun eigen henden."
Handschrift: Original, mit Abel Will's Secret, noch unregistrirt im
K. Staatsarchiv zu Königsberg.
Viiiversitfits- Chronik 1889.
Mai ... . Becfore Magnif. Eud. Grau s. a. theol. D. Dr. phil. theo!. P. P. 0.
ordinem iurisconsultorum in Acad. Alb Bennoni TomagCEewski
consiliario in summo huius prov. officio constituto atque in vicem
curatoris mnnere functo propter , egregia eins tarn erga litterarnni
universitatera Albert, quam erga iureconsultor. facult. merita quarum
ccmmodis per lustrum et quod excurrit summa cum prndentia et
aequitate studuit urbaua in singulos humanitate atque singulari in
rebus adminrstrandis industria versatna nee cum occasio ad aliud
oi'ficium transeundi oblata esset ea usus est sed curam quam hactenus
egerat reünere maluit iur. utr. doctoris dignitat. honores privilegia
honoris causa unanimis sententiis decrevisse et contulisse ac solemni
hoc diplomate sigillo ord. iurisc. maiore monito confirmasse testor
Carol, Eduard. Gueterbock iur. utr. Dr. iur. P. P. 0. ord, iurisc. h. t.
Decanus. . . . Eegim. Prusa. ex offic. Hartungiana.
Acad. Alb. Regim. 1889. III. Index lect per hiera. a. MDCCCLXXXIX/
LXXXX a die XV m. Octobr. habendarum. Insunt Scholia in Homeri
Odyeseae ^ 154—237 auctiora et emendatiora edita ah Arth. Lndwlch.
(S. 3-23) Ebd. (41 S. 4.)
Verzeichniss der ... im Wint-Halbj. vom 15. Oetob. 1889 an zu haltenden
Vorlesungen u. der öifentl. akad. Anstalten. Ebd. (11 8. 4.)
1. Juli. Med. I.-D. v. Hugo Brenner, prakt. Arzt (aus Schwetz i. Wpr.):
Beiträge z. Behdle. brandiger Brüche. Kbg. i. Pr. Hartungsche Bchdr.
(30 S. 8.)
6. Juli. Med. I.-D. v. dost. Hartmano, pract. Arzt (aus Schimonken, Kr.
Sensburg): Ueber e. Fall von Spondylitis deformans mit intermittie-
DigtizBabyCoOglC
516 Hittheilungen und Aubaag.
rendem Hydrops der Gelenke imt«r Berficksichti^nng der E&Utaas-
Hcheidung durch den Ham. Kbp. Druck v. M. Liedtke. (2tj S. 8.)
22. Juli, Diss. inaug. zool. von EraestnB Gatselt, Regimontaniis ; Die Hom-
zähne der Batrachierlarven. Leipzig W. Engelmunn. (2 Bl. 25 S. 8.)
27. Juli. Med. I.-D. v. Fnini DoUda, approb. Arzt (aus Allenatem): Zar
patholog- Anatomie des intrsocuUren Cysticercus. Jena, Gust Fischer.
(2 Bl., 26 S. 8^
— — Med. I.-D. T. Oskar Eschert, prakt. Arzt aas Berlin (geb. za Lipinken,
Kr. Löban Westpr.): 120 Kolporapbien aus der gynäkolog. Dniverait.-
Klinik zu Königsb i. Pr. 1884-1889. Kbg. i. Pr. Hartungscbe Bchdr.
(2 Bl., 50 S. 8.)
Med. I.-D. V. Bernhard RoslnskI, prakt. Arzt (aus Gr.-Blaostein, Kr.
Bastenburg): Die syphilitische Erkrankung der Placenta. Ebd. Druck
V. R. Leupold. (35 "S 8. m. Taf. I. H.)
S. Ans. Med. I.-D. v. Max Lnnow (aus Stettin): Beitrag zur Diagnose u.
Therapie der Actinomycose. Kgsbg. i, Pr. Gedr. bei E. Erlatie. (31 S. 8.)
7. Aug. PhiL. I.-D. V. Ferdinand Kemsies aus Berlia (aus Insterbui^ ge-
oürtig): Herbart und A. Diesterweg. Ein Vergleich ihrer Erziebangs>
u. Unterrichtsgrand Sätze mit Rücksicht auf die Voraussetzungen aus
Psychologie n. Ethik. Gumbinnen. Druck von W. Kranseneck. (64 S. 8.)
Lyceum Hoslanum zu Braunsberj^ 18S9.
Index lect. ... per hiem. a die XV. Octh, a. MDCCrLXXXIX usqne ad
diem XV. Martii anni MDCCOLXXXX instiliiendaruin. [h. t. Rector:
Dr. Hugo "Weiss, P. P. O.J Brutisb. tvpis Ilevneanis (K. Siltmann).
(14 S. i".) Praecedit Prof. Dr. Jol'il Maninardt de fnndaroentis
principii illius refleiir «Lex dubia non oblij " ..-..>.
Particula L (S. 3—12.)
Altpreussische Bibliographie 1SS8.
(Naelilrar and FortsetsnDE-)
menscbl. Organism I-D. Berl. (36 S. 8.)
Cnrtze, M. Jordani Nemorarii Geometria vel de triangalis libri IV. Zum
erst. Male nach d. Lesart d. Hs. Db 86 d. .Kgl. öfftl. Biblioth. zu
Dresd. hrsg. v. Maxtmll. Cartze. Mit 5 Figureutaf, Thom 1837. Lam-
beck. [Mitteilungen d. Copernic.-V. f. Wisa. n. Kunst z. Thom. VI,
Hft.] (XV, 60 S. gr. 8.)
Dehlo, Prof. G,, u. Archit. G. t. Bezold, d. kirchl. Baukunst d. Abendlandes
... 3. Lfg. Stuttg. Cotta's Nachf. (S. 361-472 gr. 8. m. Atlas
96 Taf in Pol. in Mappe,) 48.—
Dllsterwald. Max, (aus Schweiz a. W.) üb. Sclerosia lateralis amyotrophii
I,-D. Berl. (32 S. 8,)
Elchelhanin, Geo. (aus Kgsb,), ab. B-Benzylhomo-o-phtAlsäure nebst e. B
trag z. KenntniD des Cyanbenzylcyanids. I.-D, Berl. (48 S. 8.)
Flach; Job., die vorschlage zur refonn der deutsch, universi tätsei nrichtgn.
(Neue jahrbb. f. philol, u. paedag. 138. bd. 2. hft. 8. 112-122.]
9ttbln, £(^r. Dr. ^aul, @rb;üfle to. äanbn>irtf(baftä1f^Te ... 2. 21. aRatgsrabt
g. au. Ejijflün. (VI, 128 6. gr. 8. in. 2 labcB.)
DigtizBabyCoO^IC
AltpreuBische Bibliographie 1888. 517
Gehrke, Wilb. (aus Danzig), Beiträge z. Aetiologi'e, Therapie n. Prognose
der Stimlagen. I.-D. BerL (48 S. 8.)
Slogan, Geo. (aus Memel), zur Oasuisttk der OberschenkelamputAtion im
unteren Drittel nach Gritti. I.-D. BerL (32 S. 8.)
Halpert, Dav., Refdr. a. Kgsbe, i, Pt., üb. d. Jurist. Natur d. Vertretungs-
Sachen n. gem. Recht. L-D. d. Univ. Göttingen. Bertin (46 8. 8.)
Heiintg, Dr. med. Arth., tubercalöse Larynstumoren. Laryngotomie. IBerlin.
klin. Wochenschrift, 28.]
I^trtnr.) SanMflartttt, Va^or a. 3). OUo, ^trbet'ä Einlage u. SitbaSging üum
^rebifljr. J6cot. Diff. ^ttt a. S. {105 ®. 8.) Bruchstück änts in Vor-
berritg. begriff', größeren Ganzen üb. ,,Herder als Prediger u, H<»nUe^'.
Hirn, Edwiu (aus Danzig), üb. p-Dichinaldin u. p-Benzoylchinaidin. I.-D.
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Hirsch, Aug., Jahresber. üb. d. Leist. u. Fortechr. in d. gea. Ued. hrsg. . . .
22. Jg. Ber. f. 1887. 2 Bde. lioch 4. Berl. Hirschwald. 87.—
Jahresber. üb. d. Leist. u. Fortschr. in d. Anat u. PhysioL Ber. f. 1887.
Ebd. (III, 216 S. hoch 4-) 9.50.
— — deutsche Viertel] «brsschrift f. Öffentl. Gesdbtspflege ... 20. Bd.
Braunschw. Vieweg & Sohn. (VI, 780 S. gr. 8.) 20.—
Hirsch, Prof. Dr. Ferd., Byzantin. Gesch. i. Mittelalt. [Jahreab. d. Geschichtsw.
VII. Jahrg. f. 1884 II, 201-20G. VIU. Jg. f. 1885 II, 170-173.]
— — Mittheilungen a. d. bist. Litt. . . . red. XVI. Jg. Berlin. Gaertner.
(VI, 378 a er. 8.) 6.-
2!ei Silctt. SJiplomflt gtatij o. Sifoto u. (eine Söötint. roiftrli. b. norbiftl).
firi(flv-ä in b. 3. 1655-16G0. [S^bel'ä ©ift. 3t(4r. W. 5- 24. »b. 3. Öfl.
©. 488-498.) Reo. [Mitthlgn. a. d. bist. Litt. lö. Jg. Hfi. 1-4.
WocheDschrift f. klass. Philol. 5. Jg. 25, 26. Sn&el'ä §i|t. 3tWT.
91. 3. 23. »b. 1, &ft. 24, m. 3. &(t. 2.5. Sb. 1. $fl.]
«itW. Dr. graii), S^oter'ä gnintUfriblatl. ... 9. »b. 52 «rn. (4 2"/s-3 ».
flr. 4.) Sedin. S^orct. üietltVi. 2.—
bafielbc. ©alon-Muäfl. 4. 3aftra. 12 §fle gr. 8. k —.75.
3um eebäifttnig an Si(f)enbaT|t. [Sd)Dter'ä gamilicnMatt. 9. m. ?tr. 11.)
Ilitä Slltcr ber 3d)affgätra!l ; t. !Berfu4 b. @eif(eä[lalifti[. [@bb. 25.]
Hirsch, 8anit.-R. Dr. Theod., e. Fall v. Myxoedem. Vortr. [Berl. klin.
Wochepschr. No. 10.)
Hlrschfeld, Prof. Dr. Gustav, Inschriften ans d. Nord. K'.uinas. bes. aus
Bithvnien u. Paphlagonicn. [Sitzgsber. d. k. pr. Akad. d. Wiss. za
Berlin. No. 35. S. 8ti3-92.] Ber. üb. uns. geogr. Kenntnis d. alt.
griech. Welt. [Geogr. Jahrb. Bd. XU. S. 241-808.] Rec. [Gott.
gel. Anz. 15. Dt. L.-Z. 24.]
chfeld. " - "- "" ' ■
Hlrschreld. Prof. Dr. Otto, Inscriptiones Galliae Narboneneia. (XXVIII,
38 u. 976 S. fol. m. 3 Kart.l [Corpus inscriptionum latinarum. Vol. XII.
Bert. G. Reimer] 90.—
Zur Geach. d. röm. Kaisercultus. IStzgsber, d. k. pr. Akad. d. Wias,
z. Bertin. No. 35. S, 833-862.] Zu der lex Narbonensia üb. d. Pro-
vincinlflaminat. [Ztschr. d. Savigny-Stiftg. f. Rechtsgesch. 9. Bd.
Romanist. Abth. IL Hft. 8, 403-404.]
Hittcher, Karl, ünt^^rsuchgu. v. Schädeln d. Gattg. Bos, mit bes. Berücks.
einiger in oetpr. Torfmooren gefund. Rinderschädel. l.-D. Kgsbg.
(Gräfe & Unzer). (150 S. gr. 8. m. 25 S. Tabellen) haar n. n. 1.50.
^affwanii. S. 2. «., epielei>@lüd; e. StjüMfl- (^-^1 S. S.) [Itleine ^aulbibliot^tf
f. b. Suflfnb fträfl. d. 2^. SJwjler. tür. 38. üipj. ©vcEintr & St^iomm.]
aHeifl« aHatliii u. iHnc ©deüen; (. ®ijflf)lfl. (64 ©.) [ebb. 91t. 42.1 4 -20.
Sttiftcr aSortin, ber flüfer, u. feine &e\<atn. et.a^lfl. (VIII, 86 S. 16.)
[ffltifteTimrtE unfret SJit^Ur lirdfl. m. einleitgn. u. ffitläut. 0. Dr. D. beding-
^ouä. 45. »b*.] -2t); «rl, -30.
DigtizBabyCoO^IC
518 Mittheüungea und Auhanj^.
^•IhliOlilt, e. I. «., etjäfirunnen. (Sof Srcdptr. -Die SBcmrocrr'! ju S<ilun. DerSf^ing b«
33iiiB0'115®-lti) faBe^cr'ä Solfö&D*. 9!t. 608. 609. gp). ffliHiogr. >ftit.J
lofl* u. I)o(iaiE(fE. Spidfrolfirf. Siori erji^lon. (86 S.) [ffibb. Mt. 610.
611.| a -10.
Hoffineister, W., {Insterb^.) Die Rohfaser u. einige Fotmen der Cellalose.
[Ldw. Jahrbb. 17. Bd. S, 239-65.]
Holmreldt, Ernst Albr., üb. d. Histogenese der durph Slnphylococr.us-Inva-
SLon hervoreeruf. Bindegewebsabgccsae. {Arbeiten aus d, patfaol. Inst,
z. Kgbg.) [Beiträge z. patliol. Anat. ii. nllg. Phyaiol. 3. Bd. 4. Hft.J
Holder-E^er, O., Ana Müiichener Hdsa. [Neues Arch. d. Ges. f. alt. dl.
GesRhkde. IS. Bd. S. 557-87.] Zur Textkritik des Saxo iiT Sueno
Aggeson. [Ebd. 14. Bd. S, 135-62,] Ueb. e. Ekkehard-FragmenL
[Ebd. S. 176-77,] Rec. |DtLZ. 14. 22. |
Hopr, Karl, Lea Giusfiniani, dvuastes de Cliios, etude hiator. Traduit de
TAllemandparEtienne-A. VIrtBto. Paris, Leroux. (IX, 176 S. 8.) 2 fr. 50 c,
iatu. mriiiSmm. Sl.. b. ^pfomt giiftfrBurfl. Sortr. [BU4r. b. fflltt^flcr Snftcttfl.
1. §ft. S. 38-125 m. «bbilbg.] tk [eji. Crtctidrillet in «rcufe. Sorlr.
febb. 2. oft. S. 22-43.] lüit tortur in «Itpr. [(Sbb. S, 53-67.] Sit
@nid)lt i'itautiiS u, 9flarurtiiä; e. aScitr. j. @(TiÄt9Df]{|t€D(f4. Xttugcns.
lebb. ©. 95-Ua| §iftotif(fic «emimScemen. [Ubb. ®. 150-162.]
Hnrwltz, Prof. Dr. A., üb. d. Entwinklg. comuleser nrössen in Kettenbrüch.
[Acta mathem. 11 : 2. S. 187-200 4.) üb. diejenig. algebr. Gebilde,
w. eindeutige Transformationen in sich zulass [Mathem. Annalen
32. Bd. S. 290—308.) üb. aiithmet. Eigensrhaften gewisser tronscen-
denter Functionen U. [Ebd. S. 583—88.] . üb. die Nullstellen der
BesselVhen Function. [Ebd. 33. Bd. S. 246-66.]
Jackstelo, Haas (aus Graudenz). Ausdehnung e. von Fniseux für ebene
Curven behdlt- Problems auf Raumcin-veii. I.-D. Halle a. S. (51 S. 8.
m. 2 Taf. Figuren.)
Jacobson, Prof. J., Beiträge z. Pathol. d. Auges. Leipzig. Engelmann. (XII,
159 S. gr, 8.) 4,-
Beitrag znr Glaukom-Lehre. [Gmefe'^ Arch. f Ophthalmol. 34. Bd.
Ahth. I. S. 169-210.1 V. Graefe's „medilieirte Linear-Extraction'' und
der Lappen schnitt. Nach eign. Erfalirgn. aus der Zeit 1854-88 darge-
stellt. [Ebd. Abth. IL S. 197-275,]
Jacobson, Max, de fabulis ad Iphigeniam pertinentibiis. Diss. inaug. Kgsb.
(Koch). (54 S. gr. 8.) baar n, 1.—
3«mW). $., Ute. fatfcbr. [. S6i(ot. u. pljiM. flrvtil 92. Sb, S- 303-308, 310-313.
94. «b. ©. 155-160.]
Jaffe, M.. und Hubert, P., üb. Acetanilid u. .4cettoluid u. ihr Verhalt, im
thier. Stoffwechsel. [Zeiischr. f. phvsiol. Chemie. XIL Bd. S. 296-321.1
Sonttwi^, ®u(tou, e(^ulcfiDtI)u4 f. Sflininiig, 6&Dt, . . . 1- b. ober. SingtlaRen.
SanjiB. fiafcmann. (VII, 83 ©. 8.) cart. 1.—
Jeep, Ludw., d. verlor. Buch, d Ammianns. [Rheinisch. Mus. f. PhÜoL
N. F. 48. Bd. S. 60-72.]
JontsBch; A., üb. Aufnahmen auf den Blättern Pestlin u. Groß-Krebs. [Jahrb.
d. k. pr. geol. Landesanstalt u. Bergakademie zu Berlin f. d. J. 1887.
S. XCVII-CI.I
Joachim, Arcliivnr Dr. E. in Kgsbg.. Kiederdeutschland. [Jahresber. d. Ge-
sell ichtswis.'ien seh. hi-sg. V. .1. Jastrow. VII Jahrg. 1884. BerL 1888.
II (Mittelalter). S. 106-116.] [Ebd. 111 (neue Zeit). S. 94-103.|
3p^R, &tb. Suflijr. Vtof. £r. niife. &>., Stralpraccnorbnuiin f. ü. Xlt. UntSi ncbi't
eiiifütirgäacfce. 2. §(ft. (XXI, S. 4t9-aiW.) [tJic ©ciBflbfl. ft. Mf*.
Äeid)ä ... 3. Jl)l.: Straire^t. 6. »b. 2. 9Ibtl). 2. ^ift. fflofl. 2«-66.] 9.—
JoOBt, Artnr, Was ergiebt sich aus <l. Sprach gebrnnch Xenophons in d,
Anabasis f. d. Behdig. der giiech. Synlaic in der ächuleP Cap. I.
DigtizBabyCoOgIC
AltprauSisrhe Bibliographie. 519
(Wissensch. Beil. z. Jahresber. d. städt. Progymn. zn Lötzen.) Kgsbg.
Ostpr. Ztga.- «. Verl.-Dr. {28 S. 4».)
3*tbaii, SDilfa. Sqmbelin. SinS^aufpitl in 5 Stufjüflm n. Ql)ah^ptiut, überf. (HO S.
16.) [^nftt'i Soltäbü*CT. Wr. 666—657. ätipj. 9Ji6liD(ir. ^nftitut.] 4 —10.
BOnger, Prof. Dr. Oeorg, Jordans Bedentg. f. d. Jugend -Unterricht; «.
Vortrag. Beilage a Progr. d. Gymn. Baden-Baden, (26 S. 4".)
JOBopeit, Oberlehr., üb. d. franzöa. Unterr. im Gymn. im Anschlusa an des
Verf. „französ. üiiten-iphtswerk" (Berlin, G" Grote, 1886). (Wissensch.
Beil. z. Progr. d. kgl. Gymn.) Rastenburg. {20 S. 4.) — Reo. [Ztschr.
f, d. Gymn.-Wesen. 42. Jg. S. 760-765.)
Ivng, Dr. Arthur, De homjne Homerico. Meseritz. (33 S. 4".) (Kgl. Gymn. za
Meaeritz Ost.-Progr. 1:88.]
KttrematiD, Dr. R. (Kgabg. i. Pr,), d. Catarrh des Recesaaa ph&ryngeus me-
dins (Bursa pliaryngea — Tornwaldt'sche Krankheit) seine Bedentg.
u. verein f. ohirurg. Behdig, Wiesbaden. Verl. v. J. F. Bergmann 1889 -
(1868). (2 Bl,, 60 S. gr. 8^ 1,60.
SMfit, SBilö. Sonntngöftier . . . «tue Sluägabe. IJonjifi. 9. Sounitr'ä Su^^blg-
(169 S. flt. 8.)
Aa^nttt, Scric^täaiTcFfDT Q., bie biTiginftibeii Sürgermdftct b.£ipl.>u.Slcf.'®tatitfi&nise<
berg. i^rc «nfteHung, ämtebautr u. @ckä[t(r .... [Sontilogäbl. b. ftfläbg.
Sortungf«^. Stfl. 9it. 82. 33J
Kalcksteln, Dr. v., Berlin. Vereinigte Staaten u. Britisch-Nordamerika.
[Jahresberichte d. Geschieh tu wissensch. VII. Jg. 1884. UI, 262-277,
Vlir. Jg, 1885. ni, 266-292,1 Rec. [Mitteilungen aus d. hisl. Litt,
XVI. Jg. S. 69-70. 91-94, 277-278, 2ai-283.]
ftaltllfeet. ofl' unb loeftpreuft., auf b, 3. 1889, Sgäbg. Gattung. (XXIV, 68 S, 16.)
-25, b(^f4off, -30.
Xaluta. M., zum handschriftenverhältniß n, zur textkritik des Cursor Mundi.
lEnglische Studien hrsg. v. Eug. Kölbing. XI. bd, S. 23b-276,J Rec.
[Ebd. XII. bd. S. 78-91,]
Eamnier, Prof. Dr. Gymn,-Dir., Bericht Üb. d. Feier d. 300jähr, Bestehens
d. kgl, Gymn. zu Lvck. Beil. z, Jahresber. Königsberg i, Pr. Hartg.
Verlagsdr, (45 S, 40.)
K-r, E. (Kammer), fiiH} von gaten&eib. ®eb. b. 31, Otlob. 1815, fltft, 8. Suni
1888. [Rfläbfl. ^nrtung(«t 3tg. o. 11. Suni 1888. Seil, ju 9tr. 135,]
Kant, Immanuel.*)
Kart« d, Kreises Dirschau im Heg,-Bez, Danzig, 1 : 100000, Hrsg. v. der
kartogr. Abth. der k. preuU, Landesaulnahme, Mit Nachträgen bis
1888, Lith. u, color, gr. Fol, Berl. (Eisenschmidt), n. n. 2.—
— — d. Kreises Put^tig im Reg,-Bez. Danzig. 1 : lOOOOO, Ebenso.
ftaufTwonn, äSollct, e, gobtl but* boä ftberfdiiDcmmunaägfbid btr Sogal. [3)ünj.
3tfl. D 10. «pril 1886. flt, 17 012,]
X«mpf, Ernst, (aus Osterode in Ostpr.) Darslellung der Syntax in der sogen.
Ciedmon'schen Exodus. Leipziger I.-D. Halle. (56 S, 8,)
S^trcj'iiski, Dr. Wojciech, Liber mortuor. monaaterii Strzelnensis ordinis
Praemonsfratenais [Odhitka z V tomu] [dziela Monumenta Polon, histor.j
Lwiw 1887, (51 S, 4,)
— — Liber mortuor. monast. Andreoviensis ordin. Cisterc. [Odbitka . . .]
Tamie 1887. (39 S. 4.)
— — Annales, notae, varia, zebral i wydal dr. W. Kijtrzydski. (Odbitka . . .]
Lw6w 1888, (154 S. 4.)
— — Escerpta e libro mortuor. monast. Mogilensis ordin, Cisterc. [Odbitka . . .]
Tamze 1887. (10 S, 4.)
— — Nazwy miejscowe Polskie Prus zachodn ich , wBchodnJ ch i Pomorza wraz
z pzrezwiekami niemieckiemi, zestawil Dr, Wojc. E^trzytiski. 1 zl 20 et,
*) Die Kant betreffende Litt, in besonderer ZuaammensteUnng spät«r!
DigtizBabyCoO^IC
520 MittheiloDgeD uod Anhang.
KqtnEjfiskl, Dr. Wojdech, TriginU documenU ecolesiae cathedralis Plocenms
(1230-1317) 30 doknmenlöw katedry Plookiej (1230-1317) wydal
Dr. W. K^tr^liaki. Lw6w. (64 8. gr. 8.) [Sprawoidanie z czynnosci
zaklfldii narodowego imien. Ossoliäsk. za rok 1888. 8. 65—128.]
— — Z powodu nieznanego poematn XV w., ktörj odnalazi dr. E^tnrfAaki,
przez 0. B. [Ateneum, pismo nankowe i litarackie. 1888. 8. 311-354.]
einiflt iÖEinttffln. üb. b. Bllcfl, poln. Urflm. [SlMc b. Stwinä (. «tf*. u.
■ «Ut^. ©«(tfienä. 22. SBb. S. 150— IGG.j
ititMafl. Dr. S}.. ftttna* Jüinltt «tfufecnä. [«flSbg. ^ortfl^t Stg. SonntaaSbl. «t. 16.]
SinigeJ aüi b. flimat. Sbllnifl- flgäbttä unt. bcjonb. Serüiff. b. Scabot^tgn.
t>. 3<in. biö 3uni 1888. [ebb. Sonntagäbl. Nr. 31.)
fiitfflUI. Sr(iSfd)utin|p. S., SoTbngn. bcir. b. SoIBfAulen im Wte.'St). (Bumbinn.
^ilHt 0. 3. Säubert & ©dbd. (4 91. 123 S. 8.) 2.40.
Sinin^ Wilh. (Braunsb. i. Ostpr.) Die Zusamineiieetzg. der stetigea endlich.
Transfonnationsgruppen. [Mathem. Ännalen. 31. Bd. S. 252— 90. 33. Bd.
S. 1-48. 34. Bd. S. 57-122]
[KIrcfahoff, GuBt.] Basso, prof. Gins., In commemorazioiie di GtiGt Eircfahoff:
parole. Torino Loescher. (5 8. 8.) [Estr. dagli Ätii della r. accad. d.
sc. di Torino Vol. XXin, adun&nza del 20 novembi* 1887.]
Boltzmann, Prof. Dr. Lndw., Oust Rob. Kirchhoff. Festrede . . . geh. su
Gniz 16. Nov. 1887. Leipz. Barth. (VUI, 32 S. gr. a mit Portr. u.
FaCB.) 1.-
«tlw^Dl», »ob. »., «uft. Hob. St\xiSif)e% [n\d)t 3tunb[c6au. 14. ^a^rfl. &fL 5.
S. 232--245.]
$i«ra, «uFt. »ob. fiit«6of!. [Utthti 3(it. 188S. Sit. 3.]
ToJgl, W., zum GedäehtnisB von G. Kirchhoff. Bede geh. in d. öff. Stzg.
d. k. Ges. A. W. 5. Dec. 1887. Göttiiig. Dieterich's Verl. (10 8. gr. 4.) -60.
Kly, Vikt-, Heinr. Viehoff. Aus persönl. Umgänge. JHerrig's Archiv f. d.
Stud. d. neuer. Sprach, u. Litteraturen. 81. Bd 8. 241-64.] 3mn
KU j. »(burUtogc «rtb. edic.p(n&ouct'o. [Unf. 3rit. 1888. 3 6il. S. 217-29.]
¥alriot u. SiAtei. Sin ^cbenfblatt gu gticbr. aiüdcrfS lOOj. ®tbuilgtaflf.
[ebb. 5. Sft. 6. 404-68,)
Blebs, Edw., multiple. Leberzellen -Thrombose. Mit Beitrag zur Entstehung
schwer. Krankheitszustftnde in d. Gravidität, (m. Taf.) [Beiträge z.
pathol. Anat. n. Physiol, 3, Bd. 1. Hft.]
SlebB, Elimar, die Vita des Avidins Cassius. [Bheinrsches Musemn f. Philol.
N. F. 43. Bd. 8- 331— 346.1 Daa Valesiache Bruchstück zur Gesch.
Conetantina. [Philologus. N. F. 1. Bd. (der ganz. Eeihe 47. Bd.) 3.
63-80.] Bec. [Dt. L.-Z. 47.]
Kl«bs, Eichard, Mittheilg. üb. geolog. Aufnahmen der Section 8chippenbeil
u. über Unterauchg. d. oat- u. weatpr Tertiär. [Jahrb. d. kgl. pTeot.
geol. Landeaanatalt u. Bergakad f. d. J. 1887. S. CI-CVI.] üb. d.
Farbe u. Lnitation des Bemateina. [Katurw. Rundachan. 26.]
ftl(lnfd)tltlkt, &., %ntmaä u. ^arian^n. Stiic StubU üb. b. geutrtult. [3t[4T. b.
aittrtägeF- Snfltrbg. Sfi. II. S. 163-185.]
HnopslUck, Ed. Frdr,, contra Mackenzie od. d. Kehlkopfkrebs nnt. d.
Kritik d. Todes. Danzig. (A. Schultz & Co.) (14 8. gr. a) 1.20.
llnok von B. Leupold in EönigHlierK in Pr.
D,gt,zBabyC00<^le
Die Geschichte der Jesuitenmission in Danzig.
Nach archivalischen Quellen
von
Hermann Frertag.
Quell«!) und Lltt«ratur.
Die Qoellen der Geschichte der Jesuitenmisaion sind zum
weitaus größten Teile Ärchivalien des Danziger Stadtarchivs.
Es würde zu weit führen, wollten wir die Urkunden, deren
Anzahl, abgesehen von den Missiven und den actis intemunciorum
etwa 200 beträgt, von denen circa 70 Originale, circa 30 be-
glaubigte Abschriften, der Rest einfache Abschriften, Transsumpte
und Concepte sind, hier einzeln aufzählen; es möge daher ge-
nügen, die Bände und Convolute, in denen diese Aktenstücke
vereinigt sind, zu nennen. Es sind die Bände Bibliotheca
Archiv! I Tt. 4, Tt. 5, Tt. 7, Tt. 27, die Oonvolute Jesuitica
Gteneralia, Jesuitica fascieulus I, Jesuitica XVII, Jahrhundert
und Brigittenkloster.
Sehr wichtige Quellen bieten femer die libri Missivarum
oder Epistolarum, d. h. die Sammlung von Abschriften aller von '
dem Danziger Rat geschriebenen Briefe, sowie die acta Inter-
nunciorum, die Briefe der Danziger Ratssendboten an den Rat.
Die Danziger Stadtbibliothek lieferte einige Beiträge in
den Bänden XV fol. 129 und XV q. 46.
"Weit weniger ergiebig sind die gedruckten Quellen. Wir
nennen zunächst einige wohl recht seltene römische Drucke von
geringerem Umfang.
Altpr. HanaUjohrlft Bd. XXVI Hft. T d. a 83
DigtizBabyCoO^IC
522 Die Geschichte der Jesuiteumisaion in Danzig.
1. Instromentum Notariale, Kawae ex typographia Rev. Oamerae.
Apost. MDCXXXnil.
2. Inatrumentnm Prothonotariale, Roma© ex typographia Rev.
Camerae Apost. MDCLII.
3. Sac. Gongrcg. Regularium, Em™» et Rmo D. Card. Fronciotto
Yladistayien. pro ven. Collegio Sodetatis Jesu Gedanen. contra ven.
Moniales Brigittinas. Romae, ex lypograpliia Rev. Cam. Apost.
1646. 1. Teil: Icformatio. 2. Teil: Sniumaritun.
Dazu kommen folgende Sekriften:
4. Johannes Argentus, Ad Sigismundum HI Polonise et Sveciae
Regem epistola de statu Societatts Jesu in Frovinciis Folonia et
Lithuaoia, Cracovii in ofßcin. Andr. Petriconii 1615.
6. Johannes Argentns, De rebus Soc. Jesu in Regno Poloniae ad
Sigismundum HI. Cracovii in offic. Frauciaci Gesarii 1620.
6. Stephan Damale vi cz, Titae Vladislaviensium Episcoporum
Cracovii in off. Fr. Gesarii 1642.
7. Coronata sub annum a fundatione centesimnm GoUegü Oed»-
iiensis Societatis Jesu emditio seu oratio in annna renovatione
Studiorum A. S. J. eiusdem Societatis profeasora eloquentiae ksl.
Septembr. habita. Goronata spinis incamatae sapientiae 16S6 (Oliva).
8. Littuanicarnm societatis hist«riarum Lbri decem auctore
Staaislao Rostowski rec. Joh. Martinov. Paris et Bruxelles 1877.
Die Litteratur über die Jeauiten in Danzig ist sehr spärlich.
Eine Monographie über diesen Gegenstand existiert überhaupt
nioht, doch wird derselbe mehr oder weniger eingehend be-
handelt bei
Hartknocb, PreuOiGche Kirch enhislorie. Frankfurt a. M. u. Leipzig.
Verl. von Simon Beckenstein, Danzig 1686.
Leiignich, Gesch. der Lande Prenfien kgl. polnischen Anteils, Danzig,
Thomas Schreiber. Bd. 4-G (1726-29).
Oralath, Versuch einer Geschichte Danzigs, Königsherg 1789.
Löschin, Geschichte Danzigs* Danzig 1816.
Schnaase. Geschichte der evangelischen Kirche Danziga, Danzig 1863.
Eine vollständig quellenmäflige Darstellung begann erat bei
Hirsch, Die Ober- Pfarrkirche von St. Marien in Danzig in ihren
Denkmälern und in ihren Beziehungen sam kirchlichen Leben
Danzigs. Danzig 1841--47.
Leider blieb dieses Werk nnvoUendet und enthält daher
auch die Geschichte der Jeauiten nur bis 1621.
D,gt,zBabyC00<^IC
Von Hermann Fteytag. 523
Eine Darstellung der Geschichte der Jesuiten in Danzig
von katholischer Seite giebt
Dr. Leo Redner, Skizzen zur KiKbengeacbichteDanzige, Danzig 18T6,
eine Schrift von durchaus tendenziösem Charakter, reich an
Fehlem und Entstellungen.
Das kirchliche Leben hat in Danzig von jeher in hoher
Blüte gestanden. Hier in der alten freien Stadt, wo in dem
treuen Festhalten an der Tradition der Yäter einerseits, wie es
in einem kleinen selbständigen Gemeinwesen sich fast immer
findet, und in der hohen Geistesbildung andererseits, die, genährt
und gefördert durch den regen Handelsverkehr mit allen Ländern
Europas, damals das ganze geistige Leben in Danzig durch-
drang, die beiden wichtigsten Faktoren für die Entwicklung
einer edlen, freien Religiosität sich darboten, hatte diese, gleich
weit entfernt von kurzsichtigem Aberglauben wie von frivoler
Skepsis, sich auch da noch erhalten, als das kirclüiche Leben
in dem benachbarten Preußen schon längst damiederlag. Aber
der verfallende Katholizismus des fünfzehnten und sechzehnten
Jahrhunderts war nicht fähig, einer solchen Religiosität Nahrung
2U geben. Die Geistlichkeit Danzigs, deren Zahl das Bedürftiis
bei weitem überstieg, versank aus Mangel an rechter "Wirksamkeit
in Unthätigkeit und Trägheit, und mischte sich, immer mehr
verweltlichend, überall in die Streitigkeiten der Bürger, um den
Unfrieden zu schüren und aus den vor dem geistlichen Gericht
sich entspinnenden Prozessen, bei dem fast die ganze jüngere
Geistlichkeit Anwaltadienste that, für die eigene Tasche Nutzen
zu ziehen. Von einer solchen Kirche, die natürlich dabei den
Anspruch auf despotische Beherrschung der Geister, wie sie
ihn von jeher erhoben, keineswegs aufgab, mußte sich der ge-
sunde Sinn des Bürgers schließlich mit Unwillen abwenden und
DigtizBabyCoOgIC
524 ß'ö Gescbichte der Jesnitcnmiasion in Danaig.
anderwärts Ersatz suchen. Diesen Ersatz bot der Protestantismus;
die kühne That Lutliers brachte auch hier die Freiheit, auch
hier zündeten seine Gedanken, und wie bald sie zündeten, wie
gefährlich hier, wo seit vielen Jahren eine solche Menge von
Zündstoff angehäuft war, die durch sie hervorgerufene Explosion
wurde, zeigen die Ereignisse des Jahres 1525.')
Aber gerade diese Ereignisse, die in ihrer gnindstürzenden
Tendenz wie so viele ähnliche in jener Zeit nur auf einem
Mifiveratehen der Grundgedanken Luthers beruhten, gaben die
Veranlassung dazu, daß der Reformation in Danzig bei ihrer
ersten Entwicklung ein streng die äußeren alten Eormen be-
wahrender Charakter aufgeprägt wurde. Die herrschende
Aristokratie hatte nämlich eingesehen, daß ein allzu schnelles
Vorgehen, ein allzu entschiedenes Brechen mit der Vergangenheit
leicht ihre eigene Stellung gefährden und zugleich dem Polen-
könig Gelegenheit geben könnte, die Stadt seine Macht fühlen
zu lassen. Daher ließ sie seit 1526 keine Veränderung in den
Kultusformen vornehmen, zu der sie nicht die volle Berechtigung
aus den Privilegien der Stadt nachweisen konnte. So geschah
es, dafl die Keformatiou in Danzig zwar langsame aber um so
sicherere Fortschritte machte, bis sie endlich nach langem,
schwerem Kampfe durch das am. 19. Dezember 1577 zu Marien-
burg gegebene Privilegium König Stephans gegen alle ferneren
Angriffe von Seiten des Katholizismus sicher gestellt wurde.
Kaum aber war die evangelische Kirche Danzigs von dem
Drängen äußerer Feinde befreit, so entstand ihr ein anderer,
nicht minder gefährlicher im Innern, die Zwietracht unter den
Geistlichen. Diese Zwietracht äußerte sich zunächst in dem
Streit über die Abendmahlslehre, dem sogenannten Notel- oder
Reliquie »streit, und dann, als dieser durch die Unterzeichnung
der Notel oder formula concordiae seitens der Danziger Geistlichen
beendigt war, in dem Streit um den Exorcismus bei der Taufe.
Auch dieser Streit wurde wie der vorige za Gunsten der
1) Schnaase, a, a. 0. S. 8—19.
DigtizBdbyGOOgle
Von Hennann Freytag. 525
milderen Partei, der Schüler Melanchthons, entsobieden und nun
schien endlich Buhe eingetreten zu sein.*)
Dem war aher nicht also. Gerade während dieser Kämpfe
und durch dieselben hatte neben dem bisher allein hetrschenden
strengen Luthertum der Calvinismus Boden gewonnen, und nun
begann zwischen beiden Parteien ein Kampf, der, hauptsächlich
um die Concordienfonnel und um Luthers Streitschriften sich
drehend, zuletzt so weit ausartete, daß es vorkommen konnte,
daß Kittel, der erste Prediger zu St. Marien, in der Nachmittags-
predigt das, was sein Kollege Prätorins am Vormittage gesagt,
fiir Gotteslästerung erklärte und seine Zuhörer vor den Ver-
ftthrungskünsten desselben warnte.
Diese Kämpfe waren zwar, insofern sie ein Bingen nach
neuen, der fortschreitenden Erkenntnis entsprechenden Formen
darstellten, nicht ohne Segen, da sie die Kirche vor verderblicher
Erstarrung bewahrten, doch lag andrerseits eine große Gefahr
darin, da sie den Evangelisehen ihre Einheit raubten und sie
so zum Widerstand gegen die katholische Beaktion untüchtig
machten, die jetzt von neuem auf die junge Kirche eindrang.
Gerade diesen Zeitpunkt nämlich der höchsten Spannung der
Gemüter, wo die erbitterten Kämpfe im Innern die Aufmerksam-
keit aller auf sich zogen, hatte die Beaktion sieh dazu aus-
ersehen, ihre zuverlässigsten und geschicktesten Truppen, die
Jesuiten, in Danzig einzuführen. Der Orden der Gesellschaft
Jesu hatte im November 1564 im polnischen Preußen Eingang
gefunden. Hier suchte Stanislaus Hosius, Bischof von Ermland,
ein begeisterter Verfechter katholischer Lehre, ein Todfeind aller
Ketzer, der Juden und Heiden gegenüber wohl Toleranz üben
mochte, aber nicht gegen abgefallene Christen, mit allen Mitteln,
die ihn sein Fanatismus ersinnen ließ, und die seine Stellung
ihm an die Hand gab, den Protestantismus auszurotten. Nichts
war dabei natürlicher, als daß er die neuen Bundesgenossen, die
2) Schnaase, S. 46-67. Hirsch, 11, S. 25—64. Fabricins, Historia
Notulae, ein Werk, das sich noch ia mehreren Abschriften in Danzig er-
hallen hat.
D,gt,zBabyC00<^IC
526 ^'^ Gtschicht« der Jesuitenmisaion in Uanzig.
sich zu diesem Kampfe der Kirche zur Verfügung gestellt hatten,
mit offenen Armen aufnahm, für die er noch im Jahre ihrer
Ankunft ein erstes Kollegium in Heilsberg gründete. Von hier
aus verbreiteten sich diese Pioniere der reaktionären Bewegung
über ganz Pulen und PreuQen und kamen schließlich auch nach
Banzig.
Hier waren die Verhältnisse ihnen nicht lange günstig.
Jene Streitigkeiten, die ihnen Gelegenheit geboten hatten, unbe-
merkt in die Stadt einzudringen und ihre Minierarbeit zu be-
ginnen, wurden beigelegt und nun begann jener langwierige
Kampf zwischen Gewissensfreiheit und Gewissenszwang, zwischen
dem freiheitlichen Sinn einer Bürgerschaft, die, wie sie die
geistige Herrschaft Roms längst abgeschüttelt, so auch dem
König von Polen gegenüber, dessen Oberhoheit sie zwar aner-
kannte, doch ihre ständische und persönliche Freiheit stets be-
wahrt hatte, und dem despotischen Geiste dieses Ordens, der
in der weltlichen Herrschaft Koms allein das Heil erblickend
sich diesem Gedanken ganz und gar widmete und zu diesem
Zweck, ein wahrhaft großartig gedachtes Institut, die Hintan-
setzung der persönlichen Freiheit, das bedingungslose Aufgehen
des Finzelwillens in einen Gesamtwillen zu seinem vornehmsten
Prinzip gemacht hatte. Zwar giebt dieser Kampf nur ein ver-
kleinertes Abbild jener zahlreichen anderen Kämpfe, die damals
zur Zeit der Gegenreformation Europa durchtobten, aber dasselbe
wird dadurch um so interessanter, daß sich hier zwei Gegner
gegenüberstanden, die, gleich an Mut und an Kraft, gleich an
Zähigkeit und Ausdauer, mit einer Aufopferung in die Schranken
traten, die sich nicht scheute, alles auf das Spiel zu setzen,
um alles zu gewinnen. Und gerade dadurch, daß es nur ein
kleiner versteckter Krieg war, der fast nur mit Zunge und
Feder, selten mit Gewaltmaßregeln ausgefochten wurde, der sich
aber dabei oft gegen die wichtigsten Bechte und Privilegien der
Stadt richtete, wurde derselbe um so gefährlicher und brachte
die Danziger, ihren Bat an der Spitze, oft in die ärgste Not
und Bedrängnis.
DigtizBabyCoO^IC
II.
Die Einführung der Jesuiten in Danzig ist uns nur von
ihnen selbst überliefert,') Sie erzfthlen: Da der Calvinismua in
Dsnzig 80 stark geworden war, daß die Lntheraner einsehen
mußten, daß sie denselben mit den ihnen zu Gebote stehenden
Waifen nicht würden niederkämpfen können, faßte der greise
Bürgermeister Constantin Ferber den Plan, die Jesuiten herbei-
zuholen, um mit ihrer Hilfe das zu erreichen, was man allein
nicht auszufahren vermochte. Diese Erzählung sieht zwar einer
jesuitischen Fiktion ähnlich, scheint aber doch auf Wahrheit zu
beruhen. Es gab damals in Danzig wirklich eine lutherische
Zelotenpartei, die in dem Katholizismus einen Bundesgenossen
gegen den immer mehr erstarkenden Calvinismus sah, ja, die
um- den Preis der Vernichtung des letzteren selbst einer kon-
fessionellen Verschmelzung mit dem ersteren nicht so ganz ab-
geneigt war. Einem solchen Fanatismus huldigte auch Con-
stantin Ferber; das zeigt nicht nur seine dem Calvinismus
entschieden feindselige Haltung im Kitfcel-Prätoriusschen Kirchen-
streit,*) das beweist noch sicherer sein Verhalten dem akademi-
schen Gymnasium gegenüber. Diese im Jahre 1658 in dem von
den drei letzten Mönchen dem Rat übergebenen Franziskaner-
kloster gegründete Anstalt hatte Ferber sehe viel zu danken, da er
nicht nur bei ihrer Gründung äußerst thätig mitgewirkt, sondern
derselben auch das von seinen Vorfahren testamentarisch aus-
3) Historie Resiilentiae GedaneDsis Societatis Jesa ab Anno Dni 1586.
Die erste ÄbechrilV dieses Werkes, die im Danziger Stadtarchiv auf-
bewahrt wird (Jes. Fase. I, l.), trägt folgende von dem Sekretair Ohemnitz
stammende BemerkuDg.
Cum Jesnitae hanc saam a se descriptam Historiam ad computorem
Papam nominatnm vulgo Bapst compigendam tulissent et iste significasset
hoc araico in Curia Nostra, conventum est, nt secreto describendam commn-
nicaret. Jude adbuc confusa in chartis annenis apparet Descriptio, qoae
DDmeris designata commodo tempore redigenda est iastam in ordinem.
Zu vorliegender Arbeit ist daa Werk benutzt in der säubern Abschrift
der Danziger Sladtbibliothek (XV, fol. 12fl). S. auch Hirsch U, S. 149 f.
i) Hartknoch, S. 734. Hirsch. S. 210.
DigtizBabyCoO^IC .
Die Geschichte der Jesuiteiiiuiusiou in Dauzijr.
gesetzte Legat za frommen Zwecken zugewendet hatte. Da
aber seit dem Jahre 1584 der calvinisierende Dr. Fabriciua, der
Sohn eines Danziger Ratsherrn, Rektor des Gymnasiums war,
80 hatte Ferber etliche Jalire hindurch demselben diese Üütei>
Stützung vorenthalten und hatte dem Rektor erklärt: „Er müase
es hoch beklagen und bejammero, daß Gottes Ehre und das
gemeinsame Beste darin nicht befördert, sondern die Jugend
mit irriger Lehre jämmerlich verführt würde, und wäre ihm
leid, daß er etwas dabei gethan, gedächte es auch hinfort nicht
zu thuB, und wüßte das, was seine Eltern ad pios usus ver-
testieret, besser anzuwenden." Dr. Fabricius gewann bei dieser
Unterredung sogar die Ueberzeugung, „daß er" — Ferber —
„lieber dazumal gesehen hätte, daß das Gymnasium noch von
den abgöttischen Mönchen wäre gehalten worden, als von denen,
die mit dem JJamen Calvinisten belegt werden, ja es lieber
sinken oder im Feuer brennen gesehen hätte, als aufrecht
stehen."*) Ein solcher Fanatismus ließe auch wohl den von den
Jesuiten dem Bürgermeister zugeschriebenen thörichten Schritt
glaublich erscheinen, auch wenn der ersten Ueborlieferung nicht
noch eine Bestätigung aus späterer Zeit zur Seite stände. Bei
der Säkularfeier der Begründung der Danziger Mission am
1, September 1686, die mit der alljährlich stattfindenden öffeDt-
lichen Prüfung der Schüler des Schottländer Kollegiums ver-
bunden wurde, erzählte der Professor der Eloquenz in seiner
Festrede dieselbe Geschichte. Wenn wir nun auch annehmen
wollen, daß er dieselbe aus jesuitischer Quelle geschöpft habe,
so würde er doch kaum gewagt haben, mit derselben hervorau-
treten, wenn er nicht bei seinem zum größten Teil evangelischen
Publikum schon den Glauben au ähnliehe Vorgänge bei der
Einführung der Jesuiten hätte voraussetzen dürfen. Wir werden
also als Thatsache anzunehmen haben, daß der Gedanke, die
Jesuiten herbeizurufen, wirklich von Constantin Ferber ausge-
gangen sei. Freilich verhehlte sich der im Dienste der Stadt
5) Fabricius, Historia Notulae.
DigtizBdbyGOOgle
Von HerinaDo Fruytag. 529
ergraute und mit ihren Verhältnissen durchaus vertraute Mann
nicht, daß er mit seinem Plane bei Rat und Bürgerschaft auf
den heftigsten Widerstand stoßen würde. Daher beschloß er,
mit demselben nicht offen hervorzutreten, wandte sich vielmehr
im Geheimen an seinen katholischen Schwager, den ermländischen
Domherrn Eggert von Kempen, der, froh seiner Kirche einen
so wichtigen Dienst leisten zu können, sofort den Bischof von
Leslau um Unterstützung anging. Der Bischof Hieronymus
Graf von ßozrazewski und Pomsdorf, ein begeisterter Freund
des Ordens, setzte sofort seinen ganzen EinHuß daran, den Streitern
des Papsttums dieses so überaus wichtige Operationsfeld zu er-
öffnen und dadurch die jesuitisch-katholische Beaktion auch in
Danzig anzubahnen. Daher setzte er sich mit Paulus Gampanus,
dem Provinzial der Jesuiten in der damals noch vereinigten
Proviuz Polen und Littauen in Verbindung und erreichte es
auf diesem Wege, daß am 2. Mai 1586 der erste Pionier der
neuen Mission, der Pater Caspar Sanichy in aller Stille in Danzig
seinen Einzug hielt.
Hier begab er sich zuerst zu des Bisehofs Oftizial für die
.pommerschen Teile der Diöüese, zu Nikolaus Milonius, der, ein
Schüler des Oollegium Germanicum in Rom und schon früher
als Reisebegleiter des Antonius Possevinus auf dessen Gesandt-
achailsreise durch Schweden und Polen jesuitischen Interessen
dienstbar,*) auch jetzt den neuen Bundesgenossen für den Kampf
gegen den Protestantismus mit offenen Armen aufnahm, und
obwohl er selbst nur eine kleine Wohnung auf der Altstadt in
der Nähe der Brigittenkirche inne hatte , doch diese mit dem
Jesuiten teilen.
Freilich wagte es Sanichy, so erzählt der jesuitische Bericht
weiter, bei der großen Macht der Häretiker nicht sogleich, seine
6) Littuanicarum Soc. Jesu historiarum etc. S. 58. Mit dem Lebrer
SigiamuDd III ist Milonius wohl kaum identisch, wie Hirach meint (II, S. 08).
Geijer, Urgeachichte Schwedens, II, 2C7, nennt denselben aach nicht Mi-
lonius, sondern Mvlenius,
DigtizBabyCoO^IC
530 Die Geticliichte der Jeauiteamissiun ni Üauzig.
Thätigkeit in der Stadt seibat zu beginnen, sondern zog in der
Umgegend umher, wobei er sich um die Hebung der Eeligiosit&t,
besonders in dem Kloster der Prämonstratensernonnen zu Zuckau
und in dem der Bt^nediktinerinnen zu Samowitz grofie Ver-
dienste erwarb.
Unterdessen zerstörte am 16, Februar 1586') eine Feuers-
brunst die neue Heimstätte der Jesuiten , die Wohnung des
Milonius, sowie die benachbarte Brigittenkirche, während das
Brigitteukloster, das unmittelbar daneben lag, unversehrt blieb,
den Jesuiten natürlich ein Zeugnis der demselben inne wohnenden
"Wunderkraft. Die Ueberlieferung und zwar nicht blos die
akatholische schreibt die Schuld an diesem Brande dem Offiztal
selbst oder doch wenigstens seinem Diener zu und berichtet, daß
er deshalb auch 1000 Gulden zum Neubau gegeben habe. Dieses
Brandunglück habe, so erzählen die Jesuiten weiter, selbst die
härtesten Ketzerseelen so gerührt, daß der Rat, der doch faat
ausnahmelos evangelisch war, dem Offlzial Wohnung und Unter-
stützung anbot, ein Anerbieten, das dieser im Vertrauen auf die
Gnade seines Bischofs ausschlug.
In diesem Vertrauen hatte er sich denn auch nicht getäuscht. .
Schon am 31. Oktober 1586 übertrug ihm der Bischof, der seine
Getreuen wohl kannte, die Pfarre zu St. Marien, nachdem der
bisherige Pfarrer, der ermlftndische Domherr Nikolaus Koß, wahr-
scheinlich durch Intriguen mancherlei Art dazu getrieben, ab-
gedankt und dadurch dem Protege des Bischofs Platz gemacht
hatte. '^) Freilich konnte Milonius in seine neue, damals sehr
baufällige Pfarrwohnung, die Jesuiten nicht mitnehmen, so daß
diese sich genötigt sahen, die nächsten zwei Jahre in der Um-
7) Ein Teil der Quellen giebt ilas Jahr 1586 ala das Jahr des Brandes
an, während ein anderer ihn in das Jalir 1587 verlegt. Wir entscheiden
uns fär die erstere Angabe, da es unwabrscbeinlich ist. daß Milonius, nach-
dem ihm am 31. Oktober 158ß die Pfarre zu St. Marien übertragen war,
noch 1587 bei St. Brigitten wohnte und da ihm ferner der Rat, wenn er zur
Zeit dea Brandes schon Pfarrer gewesen wäre, kaum Wohnung und Cnter-
atützung angeboten hätte.
8) Hirsch, ir, S. 98.
,dbyGoogIe
Von Hermauii Freytdg. 531
gegend von Danzig umherzuziehen, wobei sie in dem frühereu
Arbeitsgebiet des Sanichy so gute Erfolge erzielten, daß im
Jahre 1588 ein Priester der Gesellschaft achtzig Nonnen der
genannten Klöster die viele Jahre hindurch unterlassene Beichte
abnehmen, ja, daß er den neuen Abt von Oliva, David Konarski
nach Braunaberg auf das dortige Seminar schicken konnte, von
wo er „durch heilige Uebungon geläutert und große Hoffnungen
auf künftige Brauchbarkeit erweckend" zurückkehrte.
Unterdessen hatte MÜonius sein Pfarrhaus ausgebaut und
hatte dabei so wohl seiner Schützlinge gedacht, daß schon im
Jahre 1589 die ganze Mission, an deren Spitze jetzt Pater Antonius
Gvisanus von Brügge stand, im Pfarrhofe") Aufnahme fand.
Schon ein Jahr früher hatte ihnen der rege Eifer des
Bischofs ihre Wirksamkeit bedeutend erleichtert. Derselbe hatte
nämlich mit den Dominikanern zu Danzig einen Vertrag ab-
geschlossen, auf Grund dessen die Mönche den Jesuiten zu deren
sonn- und festtäglichen Andachten die zu ihrem Kloster gehörige
Kapelle der heiligen Ursula und der elftausend Jungfrauen über-
ließen. Hier begannen die Jesuiten alsbald, nachdem sie, durch
fromme Spenden unterstützt, Wände und Altäre reich geschmückt
hatten, ihren Gottesdienst in deutscher Sprache und, wie es
acheint, mit gutem Erfolge, da nach ihrer eigenen Erzählung
die Zahl derer, welche, durch ihre Predigt und eine geschäftige
Seelsorge angezogen, ihnen zuströmten, von Tag zu Tag größer
wurde. Bald aber sollte diesem ihrem Wirken ein Ende gemacht
werden. Schon längst blickten die Dominikaner scheel auf die
Eindringlinge , welche ihnen den schon vorher nur geringen
Anhang völlig entzogen, um so mehr, als sie sich von denselben
bald auch materiell geschädigt sahen. Es hatte nämlich im
Jahre 1579 der damalige Bischof von Cujavien Stanislaus Kam-
9) Den Namen Plarrhof filhrt heute noch ansscUiefllich der Straßen-
raum nm die Marienkirche, zu jener Zeit aber hießen Pfarrhof, curia oder
aula paatoralis, die dem parocbua GedanenaiH, d. h. dem katholischen Pfarrer,
der noch immer an der schon ganz evangelischen Kirche angestellt wurde,
zur Wohnimg, Stallung und zur U Jetsbeziehung bestimmten Baulichkeiten.
zeabyCoOgIC
532 1^^ Oeechichte der Je3ait«iu&issioD in Danzig.
koweki, „damit bei solcher grossen and reichen Ernte aach der
Arbeiter eine größere Menge wäre, welche mit täglichem Opfern
und unanfhörlichem Beten aelbig© Stadt Gott dem Herrn ver-
Böhnten nnd das Volk sowohl in deutscher als in polnischer
Sprache den Weg der wahren Beligion lehrten", sich und seine
Nachfolger verpflichtet, das Dominikanerkloster „mit einer ewigen
nud genngsamen Äufenthaltung" zn versorgen. ^") Diese jährliche
Unterstützung hatte nan der Bischof Rozrazewski den Domini-
kanern entzogen und seinen Schützlingen, den Jesuiten verliehen.
Das hatte die Erbitt«rnng der Mönche aufs Höchste steigen
lassen, nnd es fehlte nur noch an einem ÄnlaQ, der sie zum
Ausbruch kommen ließ. Auch dieser ließ nicht lange auf sieh
warten. Der Ekklesiast der Dominikaner, namens Vitus, war
von dem Abt von Oliva aufgefordert worden, am Bartholomäus-
tage dort zu predigen. Da, als er eben im Begriff war, der
Aufforderung Folge zu leisten, wurde ihm plötzhch die Erlaubnis
entzogen, wie die Dominikaner behaupteten, infolge jesuitischer
Intriguen, was um so glaublicher erseheint, wenn man sich die
engen Beziehungen zwischen den Jesuittjn und dem Abt von
Oliva vergegenwärtigt.
Jetzt brach der lange verhaltene Groll hervor. Am
26. August 1B90 erschienen der Prior und der Ekklesiast der
Dominikaner im Pfarrhofe bei den Jesuiten und erklärten ihnen,
daß sie fortan die Kapelle nicht benutzen dürften, ließen sich
auch durch keine Gegenvorstellungen von diesem Verbot ab-
bringen. Nichtsdestoweniger fanden sich die Jesuiten in der
Frühe des folgenden Tages, eines Sonntages, vor der Kapelle
ein, fanden aber die Thür verrammelt und mußten unverrichteter
Sache abziehen, nachdem auch des Sujierior Bitte, daß der so
vertriebene Prediger der Jesuiten noch einmal die Kanzel be-
steigen und von seinen Hörern Abschied nehmen düi-fte, ab-
geschlagen war. Dabei blieb es. Zwar citierte der päpstliche
Nuntius Hannibal von Kapua, Erzbiachof von Neapel, die Domini-
10) Sielie Stadtbibliothek XV, Ibl. 121.
DigtizBdbyGOOgle
Von Hermann Freytag. 533
kaner sowie diejenigen Bürger, welche sie bei diesem Gewaltakt
unterstützt hatten, vor sein Gericht nach Warschau, aber weder
die mit dieser Citation verbundene Androhung der Excommuni-
kation, noch die spätere Verhängung derselben über den Prior
Tictorinus Cothujinus und den Prediger Vitus konnte die Domini-
kaner in ihrem Entschluß wankend machen.
Jetzt waren die Jesuiten nahe daran, die Mission in Danzig
ganz und gar aufzugeben und gingen zunächst nach Oliva, um
den Prior Philipp Adler in seinen Bemühungen um die Hebung
der Religiosität unter seinen Konventualen zu unterstützen.
Aber Rozrazewski mochte seine Schützlinge und Bundes-
genossen nicht von Danzig fem wissen und entschloss sich,
ihnen ihren jüngsten Verlust zu ersetzen. Deshalb gab er ihnen
die Erlaubnis, fortan in der bei St, Brigitten gelegenen, zu dem
Kloster der Brigittio er innen gehörigen Kapelle St, Maria Magda-
lena ihren Gottesdienst abzuhalten, womit sie sogleich begannen.
Doch die Ereignisse der letzten Jahre, besonders das beab-
sichtigte Aufgeben der Danziger Mission, scheinen den Bischof
gewarnt zu haben, so daß er jetzt ein Mittel suchte, die Jesuiten
dauernd an Danzig zu fesseln. Ein solches glaubte er in der
Gründung eines Kollegiums in der Nähe der Stadt gefunden zu
haben. Daher verlieh er in einer vom 8. Januar 1592 datierten
Schenkungsiu-kunde den Jesuiten das Dorf Gemlitz im Werder,
das seit 1301 zu den bischöflichen Tafelgütem gehörte, femer
das Dorf Groß Behlkau, das ihm die Karthäuser von Marien-
paradies, dem heutigen Karthaus, zum Dank für seine Bemühungen
um ihre Reorganisation geschenkt hatten, sowie schließlich die
Güter eines verlassenen Klosters in dem Städtchen Neuenbürg,")
11) Die Abschriften dieser Urkunde lauten an der betreffenden Stelle :
adacribentes eidem Societati Gedanensi Monaaterinm in Oppido Novae eiiisdem
Dioecesisnostrae (Zusatzeiner Abschrift :S.Benedicti DioecesisVladi«!.) esistens
a multis annis desolatum suiflqiie poasessoribus destittitum. Hirscb vermutet
in dem Wort Novae einen Febler und schwankt, ob das betreffende Kloster
in Neustadt oder Mewe zu suchen sei. Von einer Stadt Neustadt kann
aber zu Jener Zeit überhaupt nicht die Bede sein, weil deren Gründang erst
zeabyCoOgIC
534 I)is Geschichte der JesuiteamisBion in Dtuizig.
unter der Bedingang, daß sie ans den Ertrftgeu auf einem im
Gebiete von Altschottland, einem unter bischöflicher Jurisdiktion
stehenden Flecken bei Danzig, ihnen angewiesenen Platz ein
Kollegium und eine Kapelle erbauten. Später versprach er dann
die bisher auf dem Priesterseminar der Nachbardiöces© Posen
ausgebildeten Geistliehen zu den Jesuiten nach Altschottland
schicken zu wollen. Der Zweck, den der Bischof bei dieser
Gründung eigentlich im Auge hatte, gebt hervor aus dem in
der Urkunde ausgesprochenen "Wunsche, die Väter möchten ihr
Augenmerk eifrig auf das benachbarte Danzig richten und mit
allen ihnen zu Gebot stehenden Mitteln für die "Wiederherstellung
in die erete Hälft« des siebzehnten Jahrhunderts (er. 1634) fällt. {Pmtz,
Geschiebte des Ki-eiaes Keustadt.) Mewe andrerseits hat nia einen ähnlichen
Namen geführt, sondern heißt stets Meva, Meve, Gnievurn. Wohl aber
finden wir in älteren Urkunden für Neuenburg neben Nuvenburg, Novam
caetrum und ähnlichen N&inen atich Noue und Nove (Perlbach, Pommereliisches
Urkundenbuch I, 288 und 3*3), 8o daß man geneigt sein därfte, Kovae nur
als orthographische Verschiedenheit zu hetra^.bten und das Klost«r in Neuen-
bürg zu suchen. Bestätigt wird dies durch eine Angabe in einem Brief des
Martian Wituski an den Rat vom 2. Mai 1644, worin es heißt: „Monasterium
in oppido Nowie est illud quod hodie Patres Bernhardini possident, tanquam
negleclum a Jesuitis," Unter diesen Bernhardinern haben wir nun nicht
etwa Cisterzienser zu verstehen, sondern einen Teil der Franziskaner. Dama-
lewicz teilt nämlich bei Gelegenheii der Aufzählung der Mönchsorden in
der Leslanschen Diöcese die Franziskaner ein in die Conventualen, die
Observanten oder Bernhardiner und die Reformaten und berichtet, dafl die
Bernhardiner in Nova Civitate ein Kloster hätten. In Neuenbürg befand
eich wirklich ein Franziskanerkloster, auf dessen Geschichte alle diese
Umstände passen. Dasselbe war nämhch seit dem Anfang des sechzehnten
Jahrhunderts ausgestorben, so daC es nicht unwahrscheinlich ist, daß der
Bischof es den Jesuiten äberlieferte, während man die Kirche den Evan-
gelischen überließ. Im Jahre 160i zogen wieder Minoriten in das Kloster
ein, so dass dasselbe den Jesuiten wieder genommen wäre, was mit den
oben angeführten Angaben völlig übereinstimmt. (Bau- und Kunstdeukmäler
der Provinz Weatpreiißen. Danzig, Kafemann 1884).
Sehr bezeichnend für die Gründlichkeit der Studien, die den Skizzen
des Herrn Dr. Redner zu Grunde liegen, ist ea, daß derselbe dieses Kloster
nach Alt Schottland verlegt, ein Beweis, daß er nicht nur keine Quellen-
studien gemacht, sondern daß er auch die Arbeit von Hirsch nur flüchtig
gelesen hat.
DigtizBabyCoOgIC
Von Hermann Freytag. 535
der katholischen Religion in der Stadt Sorge tragen. Wie wenig
Gewicht man dabei auf das Kollegium in Altaehottland legte,
beweist der Umstand, daß man, obgleich die Stiftung bereits
im Juli 1592 die Approbation des Papstes erhielt, zu der that-
Bächlicben Gründung erst nach drei Jahrzehnten schritt, als man
eingesehen hatte, daß der Boden in Danzig selbst dem Gedeihen
der Jesuiten doch gar zu ungünstig sei. Für den Augenblick
hatte die Stiftung ihren Zweck vollständig erreicht, wenn sie
nur den Jesuiten, die ihren Anfenthalt in der Stadt auf die
Bauer der Obrigkeit doch nicht verbergen konnten, einen Grund
zur Erklärung desselben an die Hand gab und zugleich das
Interesse der Jesuiten dauernd an die Stadt fesselte. Denn daß
der Bischof den Gedanken, allen Hindernissen zum Trotz seinen
Schützlingen in der Stadt selbst einen festen Sitz zu verschaffen,
nicht aufgab, zeigt der jetzt entbrennende Klosteratreit.
III.
Auf dem polnischen Königsthron saß seit 1586 König
Sigismund HI,, ein schwacher Fürst, der, ein eifriger Anhänger
des Katholizismus, der Geistlichkeit einen fast unbegrenzten
Einfluß auf seine Entschließungen einräumte, und unter dem
infolgedessen die polnische Regierung die klägliche KoUe eines
Oberhauptes der jesuitischen Partei spielte. Nichts war daher
natürlicher, als daß diese Partei, da sie ihren Umtrieben den
weitesten Spielraum geöffnet sah, übermütiger als je ihr Haupt
erhob. Eine Folge dieser Umtriebe und Intrignen war der
Danziger Klosterstreit, dessen unmittelbarer Anlaß dieser war.
Es war dem Bischof Eozrazewski gelungen, vom König
Sigismund eine Urkunde zu erhalten (datiert d. 9. Juni 1692),
in welcher derselbe ihm alle Patronatsrechte über das Brigitten-
kloster übertrug und ihm sowie seinen Nachfolgern die Befugnis
erteüte, das Kloster, das damals außer der Mater noch drei
Nonnen zählte, von denen die Urkunde behauptet, daß sie nicht
DigtizBabyCoOgIC
536 Die Oeschichte der Jesuttenmission in Oanzig.
nur zur Häresie neigten, sondern auch einen höchst lasterhaften
Lebenswandel fährten, aufzuheben und ihin eine andere der
Ketzerbekehrung zuträglichere Bestimmung zu gehen.'*) Nicht
lange darauf erschien auch ein Dekret des Papstes Clemens YIII.,
in welchem dieser, der sich vor seinem Fontifikat in seiner
Stellung als Nuntius in Polen von der in den dortigen Klöstern
herrschenden Zuchtlosigkeit überzeugt hatte, dem Bischof
Eozr&zewski auf drei Jahre das Recht übertrug, alle Klöster,
auch die von seiner Jurisdiktion exempten und allein dem Papst
unterstehenden zu visitieren und zu reformieren. Inwiefern bei
beiden Edikten, dem päpstlichen sowohl wie dem königlichen,
die Initiative von dem Bischof ausging, läßt sich nicht bestimmea,
jedenfalls aber war nichts so geeignet, seine Pläne zu fördern,
als diese zugleich von der weltlichen und von der geistlichen
Gewalt denselben gegebene Zustimmung.
Natürlich zögerte Eozrazewaki keinen Augenblick, seine
neuen Rechte in Anwendung zu bringen. Schon im November
desselben Jahres zeigte er den Aebten und sonstigen Vorstehern
der in seiner Diöcese belegenen Klöster sein Erscheinen fiir die
nächste Zeit an und ermahnte sie, schon jetzt alles Ungehörige
abzustellen, damit er dann nichts zu tadeln filnde. Freilich,
mit den Danziger Nonnen meinte er es nicht so gut. Ihr Urteil
war schon gesprochen, ehe der Bischof die Visitation vornahm,
die erst im August 1693 stattfand, als der Bischof im Gefolge
des Königs, der auf seiner Reise nach Schweden die Stadt
passierte, nach Danzig kam. Schon am 1. Juli 1593 hatte der
Bischof zu Volbors eine Urkunde ausgestellt, in der er die Ab-
sicht aussprach, den Brigittenorden in dem Kloster zu unter-
drücken und an seiner Stelle die Jesuiten in dasselbe einzuführen.
12) In dieBer einen Urkunde liegt die ganze Ungerechtigkeit des
Elosteretreita, Das jus patronatos hatte der Rat und mußt« es nach dem
Privilegium von 1577, das jede Veränderung der bestehenden Verhältnisse
verbot, behalten. Im Jahre 1588 bald nach seinem Regierungsantritt hotte
der König den Danzigem aüe Privilegien bestätigt, konnte also jetzt niclit
wider dieselben demBiBchof das Patronatsreclit übertragen. (LengnichlV,S.410
zeabyCoOgIC
Von Hermana Freytag. 637
zn deren 6ansten er auf alle seine Fatronatarechte verzichtete,
mit einem Wort, das Kloster in ein JesuitenkoUegium za ver-
wandeln.*')
Diese Urkunde blieb freilieb zanäcbst ein Oebeimnls des
Ausstellers und der Empfänger, da man wobl einsehen mochte,
daß man auf diesem Wege keine Erfolge erzielen würde, und
lieber langsam aber desto sicherer zum Ziele zu gelangen hoffte.
So setzte denn der Bischof nach erfolgter Visitation den Offlzial
an Stelle der vier vom Rate bestimmten Provisoren als Ver-
walter des Klosters ein, der dann im folgenden Jahre versuchte,
die letzten drei Nonnen und den als deren geistlicher Beistand
im Kloster lebenden Mönch Bartholomäus Stetlingswurf zu
überreden, gegen Zusicherung freier Wohnung im Klostergebiet
und einer jährlichen Pension von je hundert Gulden das Elloster
zu verlassen und den Jesuiten Platz zu machen. Jetzt hielten
es die alten Provisoren, an ihrer Spitze der eifrige Katholik
Neumann für angemessen, Einspruch zu erheben, und erklärten,
keine Aenderung des Klosterstatuts, geschweige denn die Um-
wandlung des Klosters in ein JesuitenkoUegium dulden zu wollen.
Zugleich legte sich der Danziger Rat, der schon nach dem Be-
kanntwerden des Ediktes, welches dem Bischof das jus patronatus
zusprach, beim König vorstellig geworden war, ins Mittel und
machte die Sache bei den polnischen Gerichten anhängig,
indem er erklärte, ihm allein gebühre das Patronatsrecbt
über das Kloster, da dasselbe auf seinem Grund und Boden
fundiert und durch die Spenden Danziger Bürger unterstützt
sei. Der Wunsch des Rates war, die Sache vor den Reichs-
tag zu bringen, da mau hier eher auf ein günstiges Urteil
rechnen zu dürfen glaubte, als vor den polnischen Ge-
richten. Zu diesem Zwecke veisuchte man es, die Kompetenz
13) Johannes Argentus, de rebus Sociefatis Jesu etc. pag. 44 teilt ein
Stück einer FundationBurkonde mit, das aich weder in der vorn 8. Januar 1692
noch in der vom 1. Juli 15B3 findet, so daß man vei-muten durfte, daß noch
eine dritte Urkunde existiert habe, doch ist sonst nirgends etwas über eine
solche bekannt.
Altpr. HonatSBohrin Bd. XXVI, Heft 7 u. H. !)4
DigtizBabyCoO^IC
638 Die Geschieht« der Jesuiten mission in Danzig.
des Ässeasorial- und des Eelationsgeriehtes in Frage zu stellen
und die exceptio fori- zu verlangen. Bei dem ersteren gelang
dieses Experiment vollständig, dagegen behauptete das zweite
seine Zuständigkeit und füllte am 25. Januar 15t:)6 sein urteil
dahin, daß der Bat keinen Anspruch auf die Verwaltung des
Klosters hätte und dem Bischof und OfGzial nicht weiter hinder-
lich sein möchte.
Dieses Urteil hatte man nicht vermutet, da man sich bei
Hofe vielfach dahin ausgesprochen hatte, daß man die Sache
nicbt eher entscheiden werde, als bis der Bat sich mit dem
Bischof über die übrigen Forderungen des letzteren, die im
Wesentlichen die Marienkirche betrafen, würde geeinigt haben.
So hatte man denn einen Termin auf den 8. Februar zu Bazianz
angesetzt nnd eben waren die Bevollmächtigten, der Borger^
meiater Zierenberg, die Gatmannen Schaclimann und Thorbecke
und der Syndikus Bergmann auf dem Wege dorthin, als sie zu
Thorn das Geschehene erfuhren. Jetzt weigerten sie sich, an
diesem Tage zu verhandeln und es wurde ein neuer Termin
auf den 3. Juli zu Subkau angesetzt. Aber auch hier, sowie
am 6. und 11. Juli zu Oliva blieben die Unterhandlungen
fruchtlos und wurden daher abgebroclien.
Dem Dekret des Eelationsgerichts fügten sich die Danziger
nicht, so daß der Bischof sieh genötigt sah, wiederum den
Beehtsweg zn beschreiten. Schon am 14. Oktober 1596 schreibt
der Subsyndikus Keckerbart aus Warschau, daß die Sache schon
den achttn Tag im Register des Relationsgerichts stehe; dieselbe
wurde jedoch so weit verschleppt, daß sie erst im folgenden
Jahr am 4, Februar zur Aburteilung kam. Wieder lautete das
Urteil den Danzigem ungünstig. Eine bestimmte Strafe ti-eilich
konnte man ihnen nicht auferlegen, da in dem vorjährigen Dekret
eine solche nicht vorgesehen war, doch wurden sie aufs Nach-
drücklichste ermahnt, jenem Dekret zu gehorsamen und nunmehr
mit einer Strafe von 20000 Gulden bedroht.
Zur Ezekution kam auch dieses Dekret nicht. Es war
nämlich in dieser Zeit bei Hofe eine dem Rat günstigere Stimmung
DigtizBabyCoOgIC
Von Hermauu Fr6yt*g. 539
eingetreten, insofern der König den Vorstellungen seiner schwe-
dischen Räte Gehör gegeben hatte, die ihn warnten, durch allzu
scharfes Vorgehen gegen die Evangelischen bei seinen schwedischen
Ünterthanen, die au^er der Gleichheit der Religion, auch sonst
in vielfachen Beziehungen zu den Danzigem standen, Mißtranen
und Abneigung zu erregen. Dem Bischof entging diese Ver-
änderung natürlich nicht und so sah er sich denn genötigt,
mit den Danzigem glimpflicher zu verfahren. Als daher der
Unterkanzler Tamowski einen Vergleich anbahnen wollte, war
er durchaus nicht abgeneigt auf denselben einzugehen. Aber
die Danziger, die dabei die Verwaltung des zum Kloster ge-
hörigen Dorfes Schidlitz, das an die Stadt grenzt, aufgeben
sollten, nahmen denselben nicht an, ,,aus Furcht, es dürfte
selbiges Dorf unter einer fremden Aufsicht mit der Zeit zu
einem zweiten Schottland anwachsen."
Auf die I-age der Jesuiten hatten diese Ereignisse un-
mittelbar nur geringen EiKQuQ. Das auf dem Papier stehende
Kollegium, dessen Fundationsurkunde nicht einmal rechtskräftig
war, da man es unterlassen hatte, die päpstliche Approbation
einzuholen, blieb eben ein auf dem Papier stehendes. Die Jesuiten
hielten nach wie vor ihren Gottesdienst in der Maria-Magdalenen-
Kapelle und der Rat, nicht ahnend, wie weit sie schon gegangen,
ließ sie rubig gewähren. Sicherer wurde derselbe noch dadurch,
daß um diese Zeit die Königin Anna ein Interesse an der Er-
haltung des Klosters gewann. Es war nämlich im schwedischen
Bürgerkrieg 1695 das Kloster Wadstena, das Mutterkloster der
Brigittinerinnen, das schon 1579, als Possevinus es besuchte,
nur noch 18 Nonnen zählte, aufgehoben worden. Nach Polen
geflohen, fanden die Nonnen an der Königin eine eifrige Be-
schützerin, auf deren Fürsprache sie auch in dem Brigittenkloster
zu Danzig Aufnahme fanden. Seitdem wirkte die Königin mit
allem ihrem Einfluß gegen die Aufhebung oder Umwandlung
des Klosters.
Endlich befreite in dieser Zeit der Tod die Stadt von ihrem
gefährlichsten Feinde, dem Bischof Rozrazewski. Zur Säkular-
zeabyCoO^IC
540 I^is Geschieht« der Jesuit enmission in Danzifi;.
feier des Jahres 1600 nach Eom gereist, um nach dem Tode
des Bischofs Kadzivil von Krakati aus der Hand Clemens YHL
den Kardinalapnrpur xa empfangen, starb er in der ewigen Stadt,
noch ehe er das Ziel seines Ehrgeizes erreicht hatte, am 9, Fe-
hruar 1600. Tief betraaert von seinen zahlreichen Verehrern,
die seine baldige Kanonisierung hofften, wurde er in der Kirche
der Jesuiten zu Rom beigesetzt. Aber auch im Tode hatte er
seine Schützlinge in Danzig nicht vergessen. Neben wertvollen
Tapeten zur Bekleidung der Wände ihrer Kapelle, neben Ältar-
decken und kostbaren GefHssen vermachte er denselben seine
reiche Bibliothek und ein Kapital von mehr als 30000 Gulden.
Einen Teil dieses Geldes verwendeten die Jesuiten zur Ver-
größerung ihres Besitzes an liegenden Gütern, indem sie für
9000 Gulden ein Grundstück in Neuteich und für 1000 und
einige Hundert Gulden ein Haus im Weichbilde von Danzig
selbst kauften. So faßten sie immer fester Euß, ohne daß der
Rat, der von diesen Fortschritten wohl kaum etwas ahnte, es
hindern konnte, zumal in den folgenden Jahren ein Feind ganz
anderer Art die Aufmerksamkeit in Anspruch nahm. Dieser
Feind war die Pest, die im Jahre 1602 in der Stadt allein
17000 Personen hinraffte.^'') Hier bot sich den Jesuiten Gelegen-
heit, die guten Seiten ihres Ordens, die Opferwilligkeit seiner
Mitglieder auf das glänzendste darzustellen. Tag und Nacht
waren sie bereit den unglücklichen Kranken in Stadt und Land
Hilfe zu bringen, ^^) und wenn auch zwei Mitglieder des Ordens
Samuel Poresmus und David Kowietzki der tückischen Krankheit
zum Opfer fielen, so brachte ihnen ihre Arbeit in dieser be-
drängten Zeit reiche Früchte, da fortan AU und Jnng, Vornehm
und Gering ihnen zuströmte.
Aber gerade das ließ den Hat die religiöse wie politische
Gefahr, die ein ständiger Aufenthalt der Jesuiten in der Stadt
14) Pawlowaki, Gesch. des Danziger Landkreises. S. 82, Aum. 41.
16) Von den eeclis damals in Danzig lebenden Jesuiten blieben ^
ir Stadt^ während zwei in der Umgegend umherzogen.
zeabyCoOgIC
Von Hermann Freytag. 541
mit sieb bringen muBte, nicht übersehen. Daher war er stets
bereit, allen Uebergriffen derselben energisch entgegenzutreten.
Andererseits ruhten auch die Jesuiten und ihre Beschützer nicht,
sondern suchten auf jede erdenkliche Weise ihrem Ziele näher
zu kommen.
Im Jahre 1602 fing man an, die Brigitteukirche wieder
herzustellen. Zu diesem Zwecke steuerte der Bischof Tarnowski
12000 Öulden bei, wofittr sein Offizial die Oberleitung des Baues
bekam, bei dem die Jesuiten die Aufsicht führten und die
Arbeiter bezahlten. Zugleich unternahm der Offizial, nachdem
er schon im Jahre 160U den Nonnen im Namen des Bischofs
ihre sämtlichen Privilegien sowie das Siegel des Klosters ab-
genommen hatte, eine Visitation desselben, deren Ergebnis
für den damaligen Zustand des Klosters recht charakteristisch
ist. Dasselbe zählte zwei deutsche und acht schwedische Nonnen,
zwei Laienschwestem und einen schwedischen Mönch, Zugleich
wohnten im Kloster drei Pensionärinnen, von denen eine sogar
Protestantin war. Diese alle lebten unter der achwachen Leitung
der Mater Juliane Wolf, ohne sich viel um die Ordensregeln zu
kümmern. Besonders energisch zeigte sich die Priorin Dorothea
Sperling, die den bischöflichen Kommissarien jede Rechenschaft
verweigerte und erklärte, sie würde ihnen nicht gehorsamen und
wenn sie auch „alle Teufel aus der Hölle" mitbrächten.
An Vorwänden zu einer Reformation des Klosters im Sinne
der Jesuiten fehlte es also durchaus nicht.
Schon im Jahre 1604 war die Kirche soweit wieder her-
gestellt, daß der Gottesdienst in derselben beginnen konnte.
Nun ließ der Ofßzial trotz des Widerspruchs der Provisoren
die Kanzel der Jesuiten, die unterdessen durch glänzende Pro-
zessionen in Oliva, sowie durch Predigten in der ihnen vorüber-
gehend eingeräumten Dominikanerkirche und in der Maria-
Magdalenen-KapeUe, dem Bedürfnis ihrer Anhänger Genüge ge-
than, in die Kirche bringen und ließ auch bei der Einweihung
der letzteren am 16. April 1604 nach seiner eigenen Predigt
einen Jesuiten die Kanzel besteigen, worauf dann allsonntäglich
D,gt,zBabyC00<^IC
542 I^is Oesnhichte der Jesuiteniuission in Danzig-
zwei Jestiiteii in der Nonnenkirche predigten. Besonders fi^nstig
war denselben bei diesen Bestrebangen, die gottesdienstlichen
Funktionen im Kloster in die Hand zu bekommen, der um-
stand, daß die Nonnen priesterlichen Beistand ganz entbehrten,
nachdem auch der schwedische Mönch Magnus, der des Deutschen
nicht recht mächtig war, sein Amt niedergelegt hatte. Zwar
fand sich sofort ein Ersatz in dem aus Baiem gekommenen
Augnstiner Staler; aber kaum hatte derselbe seine neuen
Funktionen Übernommen, als man ihm schon Schwierigkeiten
bereitete durch die Behauptung, die Nonnen hätten ihn eines
lasterhaften Lebens angeklagt, was um so weniger glaublich er-
scheint, als wir ihn noch im Jahre 1641 als Sachwalter des Klosters
genannt finden.") Der Offizial schickte zwei Jesuiten ins Kloster
zur Untersuchung, die am 22, Oktober 1605 den Mönch entfernten
und die verlassenen Zellen bezogen. Noch bessere Fortschritte
machten sie, als die greise Mater Juliane Wolf starb, und es
ihnen gelang, allen Ordensregeln zuwider die Stelle der Priorin,
deren bisherige Inhaberin Aebtissin wurde, einem jungen Mädchen
namens Katharina Engelsdorf zu verschaffen, das, jüngst ans
Braunsberg gekommen, die Zeit des Noviziats zwar noch nicht
hinter sich hatte, dafür aber den Jesuiten unbedingt ergeben
war. Sofort zeigten sich die "Wirkungen dieses Wechsels. Am
26. Februar 1606 schon erhielten die Jesuiten eine Urkunde,
in welcher die Nonnen ihnen „nach Abweichung ihres Priesters
und- Beichtvaters" die früher von den Mönchen bewohnten Zellen
überließen, wofür sie von jenen 300 polnische Gulden in drei
Jahresraten zum Ausbau ihres Chores erhielten. Schließlich
zogen sich die Nonnen mit ihren Andachten ganz in das He-
fektorium zurück, während die Kirche dem alleinigen Gebrauch
der Jesuiten überlassen blieb, die darin in früher nie gesehenen
Knltusformen Gottesdienst abhielten. Jetzt sah sich der Rat
doch genötigt einzuschreiten. Er citierte die im Kloster weilenden
Jesuiten Pater Jung und Ambrosius, um sie zu warnen, die aber
16) Uisräv vom 16. Juli 1641; Hirsch II, S. 164, Anm.
DigtizBabyCoOgle
Von HenuEuin Freytt^. 543
die Abwesenheit des Superior vorschützend, sich nicht stellten.
Als man sie dann wiederum zusammen mit diesem, dem Pater
Crispin Boltz citiert, berufen sie sich auf den Offizial als auf
ihren Vorgesetzton, dessen Befehlen sie unbedingt gehorchen
mü£ten. Der Of&zial verlangte nun, die Fortsetzung der Ver-
handlungen solle in seiner Wohnung stattfinden. Auch hierin
gab der Eat nach, dem es nur darum zu thun war, durch ein-
dringliche Ermahnungen die Jesuiten zum Verlassen des Klosters
zu bewegen, aber diese wichen jeder weiteren Unterredung aus,
wie sie selbst sagen, in dem Bewußtsein, „daß die Christo ge-
weihten und der Herrschaft der Kirche unterworfenen Männer
höher standen als alle weltliche Macht", und in der Gewißheit,
daß der Tag, an welchem sie sieh dem Rat stellten, „der letzte
ihres Bleibens und der erste ihres Exils sein würde".
Endlich wurde der Rat des langen Wartens müde und
schickte den Sekretär Freder in das Kloster, um ihnen die
schriftliche Weisung zu bringen, dasselbe schleunigst zu ver-
lassen. Aber die Jesuiten, die sich von dem Besuch nicht viel
Gutes versprechen mochten, ließen durch große Kettenhunde den
Eingang versperren, so daß der Sekretär unverrichteter Sache
abziehen mußte. Da fand man am 11. Oktober 1606 an beiden
Kirchenthüren zu St. Brigitten ein Dekret angeheftet, dessen
Inhalt im Wesentlichen folgender war:
,,Wir, Bürgermeister und Rat der königlichen Stadt Danzig,
thun Euch, Väter der Gesellschaft Jesu, Crispin, Jungius und
Ambrosius und allen andern, die in dieser Stadt sich aufhalten,
und deren Namen wir hiermit genannt haben wollen, kund und
zu wissen: Da das auf der Altstadt gelegene Brigittinerkloster
sein eigenes Recht und seine eigene Regel hat, und die nach
dieser Regel lebenden Nonnen ihre eigenen Priester zur Ver-
waltung des Predigtamtes und zur Verrichtung der damit ver-
bundenen Obliegenheiten haben, in zeitlichen Dingen aber den
von uns bestellten Kuratoren und ihren Anordnungen unter-
worfen sind, und da femer die Jesuiten seit einiger Zeit viel-
fach hieran zu ändern versucht, sich auch auf unsere Vorladung
D,gt,zBabyC00<^IC
544 I^'^ Geschieht« der Jesuit« nmiäsion in Danzig.
nicht zur Verantwortung gestellt haben, so befehlen wir
Euch hiermit zum letzten Male, daß Ihr von äem angemaßten
Kirchendienste in genanntem Kloster abstehet und binnen drei
Tagen Euer Hansgerät, wie auch immer es heiße, wegschaffet
und fortan weder in dem Kloster noch in dessen Häusern oder
Gebiet wohnet, oder nach Ablauf der genannten Frist Euch an-
treffen lasset, ^enn das nicht geschieht, oder Ihr dawider
handelt, so wird die nötige Exekution stattfinden und gegen
Euch vorgegangen werden, wie es die Sachlage erheischt. Doch
werdet Ihr darüber Euch nicht zu beklagen, sondern die Schuld
Euch selbst zuzuschreiben haben, was wir Euch zu bedenken
geben wollen. Gegeben in nnserm Rathaus am 18. August 1606,"
Bürgermeister und Rat der Stadt Danzig.")
Einem ao energischen Befehl zuwiderzuhandeln, wagten
die Jesuiten doch nicht. Sie verließen das Kloster und zogen
in die "Wohnung des Milonius, während dieser, um die Nonnen
nicht ganz ohne priesterlichen Beistand zu lassen, in das Kloster
übersiedelte. Dabei blieb es. Natürlich erhob sich jetzt ein
groiSer Sturm gegen den ßat von Seiten der Freunde der Jesuiten.
Schon am 29. August erschien der Abt von Oliva, der königl,
Sekretair Heidenst-ein und der Starost von Mirchau Jakob Scze-
panski in Danzig, um den Bat zur Bücknahme seines Dekrets
zubewegen; aber weder diese Interceasion, noch auch die Mahn-
schreiben des Königs und Bischofs vom 31. Oktober und 25. No-
vember 1606 erreichten diesen Zweck, denn der Bat erklärte,
obschon er nie die Absicht gehabt habe, den Katholizismus zu
unterdrücken, so könne er doch die Jesuiten nicht dulden, die
sich in das Kloster eingeschlichen, dort nach Gutdünken gewirt-
schaftet und dem Rat jede Rechenschaft verweigert hätten. Eine
solche Verachtung der Obrigkeit könne nur zum Buin der Stadt
führen, deshalb halte es der Bat für seine Pflicht, dem Orden,
IT) Ueber die Genesis diesi» Dekrets sagt eine RAudbemerkiing bei
einer Ahschrift desselben: „E. E. Rats SdiluB und Bescheid, den U. Äogust
deliberieret, den 15. grfitGt, den 16. revidieret und den 18. pnblicieret Notario
Dan. Martini adhibito."
DigtizBabyCoO^IC
Von Hermann Freytag, 545
in dessen Grundsätzen eine solche Verachtnng begründet sei,
den Aufenthalt in dem Kloster zu verweigern.
Um ao heftiger wurden die Danziger auf dem polnischen
Reichstage bedrängt. Während anf dem preußischen Antecomitial-
Landtsge trotz des Ansuchens des Culraischen Bischofs, der gern
die Jesuiten in Thom gefördert gesehen hätte, kein da8 Ver-
hältnis derselben zu den Städten betreffender Beschluß gefaßt
war, die drei großen Städte vielmehr bei dem Könige und den
höchsten polnischen Beamten vorstellig geworden waren, gelang
es im Mai 1607, nachdem der Reichstag schon geschlossen war,
den Jesuiten mit Hilie ihrer Gönner, in die Constitutionen des-
selben einen Artikel einzuschalten, ohne daß derselbe vorher
den gesamten Ständen vorgelesen oder von ihnen angenommen
worden wäre. Dieser Artikel, hauptsächlich gegen Danzig und
Thom gerichtet, besagte, daß die Jesuiten in diejenigen Schulen
und Kirchen, aus denen sie vertrieben waren, wieder aufgenommen
und fortan in deren Besitz nicht gestört werden sollten, widrigen-
falls der Rat und die Ordnungen der Städte vor dem polnischen
Tribunal zur Rechenschaft gezogen werden würden. Diese
letztere Bestimmung widersprach geradezu den Privilegien der
preußischen Städte, welche nie die Jurisdiktion dieses Gerichts-
hofes anerkannt hatten, weshalb sie denn auch gegen diese
Konstitution protestierten und erklärten, sie würden sich nie
fttr gebunden durch dieselbe erachten. Daher hatte auch die
drohende Haltung der Polen keinen EinAuß auf die Ereignisse
in Danzig, vielmehr mußten die Jesuiten sich vorläufig fügen
und dem Kloster fem bleiben.
Unterdessen wirkte im Kloster die neue Priorin Katharina
Engelsdorf mit ihrem Anhang unter den Augen des OfBzial^
im Sinne der Jesuiten weiter und nahm viele Neuerungen vor.
So hielt sie das Dormitorium Tag und Nacht verschlossen,
brachte neue Thüren in demselben an, nahm die Glocke von
der Mater Stube hinweg und heß sie über ihrer Wohnung an-
bringen und dergleichen mehr. Das alles ließ die Mater Dorothea
Sperling sowie die Provisoren erkennen, wie nötig es sei, wieder
DigtizBabyCoOgIC
546 Die Geschichte der Jesuiteuinisaion Ju Danzig.
Augustinermönche herbeizurufen. Daher sandte jene Bittechreiben
an die Klöster zn Calcar und zu Dendermonde, deren Erfolg war,
daß noch im Jahre 1607 der schon bejahrte Mönch Paul Jansen
im Kloster erschien. Freilich wurde er von dem Bischof sofort
der Apostaaie beschuldigt und ihm die Approbation verweigert;
aber die Mater erklärte, nach ihrer Regel bedürfe der von ihr
berufene Mönch gar nicht der Bestätigung durch den Bischof,
und Jansen, der von seinen Obern sehr warm empfohlen war,
und infolge dessen an dem Danziger Kat einen Beschützer fand,
blieb im Kloster. Damit war dem weiteren Verweilen des Offi-
zials in demselben der Vorwand genommen. Als derselbe daher
den wiederholten Aufforderungen des Rats, das Kloster zu ver-
lassen, nichts als "Weigerungen und Protestationen entgegen-
setzte, wurde er endlich auf Befehl des Sekretärs Freder in
Gegenwart der Provisoren Adrian Engelke und Jobannes Fischer
und des Notars Andreas Knabe am 17. Januar 1608 mit Gewalt
aus dem Kloster entfernt und sein Hausgerät durch seinen Diener,
seinen Koch und den Küster ihm nachgefahren.
Natürlich war Bischof Albert Baranowski, der eben damals
das Bistum von Cnjawien übernahm, über dieses Vorgehen höch-
lichst erzürnt, zumal um dieselbe Zeit Dorothea Sperling durch
ihren Rechtsbeistand Dr. Staler die Rückgabe der einst ent-
wendeten Privilegien des Klosters verlangte. In sehr heftigem
Tone warnte er die Nonnen vor der Gemeinschaft mit den Ketzern
und verwies sie im Ucbrigen auf den Spruch des Nuntius und
des Königs. Was von diesem zu erwarten war, zeigte sich bald.
Nachdem er durch ein Dekret, dem aber niemand Folge leistete,
zwei der den Jesuiten feindlichen Nonnen in ein Kloster einer
andern Regel zu versetzen gesucht hatte, gab er am 30. April 1608
den in Danzig weilenden Jesuiten, sieben an der Zahl, einen
Geleitsbrief, in dem er dieselben auf drei Monate unter seinen
besondem Schutz stellte und besonders den Rat warnte, sie femer
zu beunruhigen,") Aber der Rat erklärte, er werde diesen
18) Der Salvus conduotne ist nicht wie Hirsch schreibt vom 22. Sep-
DigtizBabyCoOglC
Von Herniftnii Freytag, 547
Geleitsbrief nur so lange respectieren, als die Jesuiten sich in
ihren Grenzen halten würden, und verbat sich dann später der-
gleichen Geleitabriefe überhaupt, da sie nach dem Pfahlgelds-
Privilegium von 1584 nicht auf geistliche Angelegenheiten aus-
gedehnt werden dürften.
In demselben Jahre hielten die drei großen Städte zu
Danzig im Oktober eine Zusammenkunft, bei der sie über die
weiteren Schritte, die man den jesuitischen Umtrieben gegenüber
zu thun bitte, berieten. Ihre Verabredung ging dahin, auf dem
Landtage einen Beschluß zu erwirken, der es den Bevollmäch-
tigten • zum Eeicbstage möglich machte, eine Petition für die
Städter einzureichen. Aber nicht allein kam eine solche ßeao-
lution nicht zur Annahme, sondern man mußte angesichts der
drohenden, jesiiitenfreundlichen Haltung des Landtages froh sein,
daß in die Instruktion für den Keichstag nichts die BeUgion und
die Jesuiten Betreffendes aufgenommen wurde. Dem entsprachen
auch die betreffenden Beschlüsse des Reichstages, die die Consti-
tution des Jahres 1607 voll und ganz bestätigten. Wieder
wurde gegen dieselbe protestiert, diesmal in Gemeinschaft mit
den kleinen Städten und der marienburgischen Hitterschaft.
In Danzig wurden indessen die Verhältnisse immer schwie-
riger, als zu Anfang des Jahres IGIO der Mönch Jansen starb,
dem man die letzten Jahre seines Lebens durch fortwährende
Besohiüdigungen der Apostasie verbittert hatte. Sofort setzte
sich der Rat mit dem Brigittinerkonvent in Calkar in Ver-
bindung uud suchte Unterstützung bei dem Kurfürsten Johann
Sigismund von Brandenburg und bei dessen Bruder Georg Ernst,
dem Regenten der Jülich-kleveschen Lande, während er die
gottesdienstlichen Funktionen dem Dr. Staler übertrug.
Aber im Kloster brach jetzt ein Konflikt aus, der den
Jesuiten wieder in dasselbe Eingang zu verschaffen drohte.
Mehrere Nonnen nämlich, denen das Klosterleben der Dorothea
temb«r datiert, sondern vom 30. April; am 22- September wurde er dem
Bat tiberreicht.
zeabyCoOgIC
548 Die Geschieht« der .lesail-enmiasion in Dan/ig.
Sperling nicht streng genug war, beschwerten sich über sie bei
dem Bischof Laurentina Gembicki, und dieser schickte zur Unter-
suchung der Sache den Offizial und den Abt von Oliva ins
Kloster. Während der Anwesenheit macht die Mater mit der
Priorin eine Ausfahrt und läßt sich unterwegs, wahrscheinlich
durch die Drohung einer genauen Untersuchung und strengen
Strafe eingeschüchtert, bewegen, ihrem Amt zu entsagen. Ina
Kloster zurückgekelirt, wird sie von den dort versammelten
Kommissarien, zu denen außer Milonius und Konarski noch der
Suffraganbischof Franz Laeki und der pommerellische Archi-
diakonus Balthasar Miaskowski gehörten, beim "Wort genommen,
die dann am folgenden Sonntag, dem 24 Oktober,") die "Wahl
vornehmen lassen, und Katharina Engelsdorf für gewählt er-
klären, obgleich sie die von dem tri dentinischen Konzil als die
Wählbarkeit bedingend festgesetzten Qualitäten nicht besaß.*")
Die alte Mater, die sich alsbald von der Nachfolgerin wie eine
Magd behandelt sah, bereute ihren übereilten Schritt bald und
bat den Rat um Hilfe. Infolgedessen erschien am 5. November
der Sekretär Hermann Freder im Kloster und verlangte, daß
Katharina der alten Aebtissin die Schlüssel und das Siegel zu-
rückgebe. Die.selbe Forderung stellte am 19. desselben Monats
der Provisor Engelke, und da sich Katharina Engelsdorf wiederum
weigerte, wurde sie sowie zwei andere ihres Anhangs, die neu-
gewählte Priorin Barbara AVerder und die Nonne Elisabeth
Samlang von der alten Mater ausgestoßen. Die Folge war, daß
nach vier Tagen in der Nacht vom 23. zum 24. November all©
deutschen, sowie einige schwedische Nonnen das Kloster ver-
ließen. Nur eine dieser Nonnen kehrte freiwillig zurück, während
die drei Ausgestoßenen den Danziger Hat vor dem Landgericht
19) Am 24. Oktober 1610 und niplit, wie Hirseb schreibt, um Neu-
jahr 1611 muß die Wahl stattgefundei) haben, denn das NotariatsinGtrnment
vom 5, November 1610 sagt, vor 14 Tagen seien Kommissariea ins Kloster
gekommen und hätten die Mutei am folgenden Sonntag abgesetzt. Darans
ergiebt sich das obige Datum.
20) Conc. Trident. Sesaio ulttm. de Regul. Cap. VII.
zeabyCoOgle
Von Hermann Preytag. 549
ZU DirBchau verklagten und dann auf den 23. Februar 161X vor
den pommerelliscbeu Woywoden ausluden, dessen Gerichtsbarkeit
die Angeklagten sich natürlich nicht unterwarfen. G-rößer wurde
die Gefahr als nicht nur der Erzbischof und der König für die
Vertriebenen Partei nahm, sondern auch der Bisehof Laurentius
Gembicki, Über das Torgehen des Danziger Rata, dem die öffent-
liche Meinung unter den Katholiken alle Schuld zuschrieb, aufs
höchste erzürnt, den Klosterprozeß wieder anhängig machte.
Ja um das Maß voll zu machen, wurden die Danziger nicht
bloß auf dem Landtage zu Marienburg besonders von den adligen
B&t>en hart angegriffen, sondern es wurde auch auf dem Reichs-
tage zu Warschau die Konstitution von 1607 aufs neue be-
stätigt und Banzig im Falle der Zuwiderhandlung mit der Acht
bedroht.
In dieser Bedrängnis war das einzige Ereignis, das die
Danziger etwas leichter aufathmen ließ, der am 23. Oktober 1611
erfolgte Tod des Offizials Milonius, mit dem die Stadt eines
ihrer heftigsten Gegner ledig wurde, des eifrigsten Förderers
der Jesuiten, der ihnen im Tode sein ganzes Vermögen und
seine ganze Bibliothek vermachte, wofür er den Lohn erntete,
daß aein Name bei denselben unvergessen blieb und noch nach
fast hundert Jahren in den feurigsten Worten gepriesen wurde.
Aber wer eine Erleichterung für die Stadt von diesem Ereignis
gehofil, sah sich bald getäuscht; der neue Offizial Adam Golinski,
bis zu dessen Ankunft am 13. November man den Tod des
Milonius verheimlicht hatte, wich von dem Wege seines Vor-
gängers nicht ab, und so konnten denn die Jesuiten auch unter
seinem Schutze getrost weiter intrignieren.
Die Folgen dieser Intriguen traten denn auch bald zu
Tage. Plötzlich erklärte Dr. Staler, der noch immer das
Beichtigeramt bei St. Brigitten verwaltete, während die Predigten
von Dr. Andreas Autander, einem Augustiner, der mit den
Jesuiten in engen Beziehungen stand, gehalten wurden, er
könne den Anklagen und Anfeindungen, die man gegen ihn ins
Werk setze, nicht länger widerstehen und sehe sich genötigt.
DigtizBabyCoOgIC
550 ^i^ 6«schicht« der Jesuiten mission in Banzig.
das Kloster zu verlassen. Vor Schreck über seinea Anstritt er-
krankte die Mater Dorothea Sperling tind starb am 21. März 1612.
Um die infolgedessen im Kloster ausbrechenden Wirren za be-
seitigen, erschienen der OfBzial, der Abt und Prior von
Oliva, Dr. Antander und der Kanonikus Albert Bedlinski als
Kommissarien, mit denen der Eat eich sofort ins Einvernehmen
zu setzen suchte, ja, denen er nicht nur die Wiedereinsetzung
der vertriebenen Nonnen, sondern sogar die, Abtretung des
Patronats Über das Kloster mit Ausnahme der Verwaltung des
Dorfes Schidlitz in Aussicht stellte, wogegen die Kommissarien
nur versprachen, dem Eindringen der Jesuiten nicht Vorschub
leisten zu wollen. Aber wie dieses Versprechen geradezu der
vom Bischof erhaltenen Instruktion widersprach, so dachten sie
auch keinen Augenblick daran, dasselbe zu halten. Kaum war
es ihnen dank der Nachgiebigkeit des Rates gelangen, am
19. April die früher ausgetretenen Nonnen, die bisher in Zuckau
geweilt, zurückzuführen und Katharina Engelsdorf als Aebtissin
zu installieren, als sie alle ihre Ratschläge nur darauf richteten,
die Jesuiten wieder einzuführen. Endlich kamen sie zu dem
Entschluß, eine Thür des Klosters offen zu lassen, durch welche
aan 11. Mai die Patres Über und Boltz ihren Einzug hielten.
Der Dank war ein den Kommissarien gegebenes solennes Gast-
mahl. Um den Jesuiten jetzt den Besitz des Klosters zu sichern,
erschienen am 19. Mai zwei königliche Cresandte Sczepanski und
Zaremba in Danzig, um den Rat vor jeder Beunruhigung dei^
selben zu warnen. Aber man hatte sich verrechnet.
Zunächst warnte der Rat die Jesuiten am 1. Juni mündlich
durch den Sekretär Freder, dann am 27. Juni schriftlich, ihre
Anmaßung weiter zu treiben. Als das alles nichts Anicbtete,
ließ er am 2. August 1612 ein neues Edikt an die Kirchenthüren
heften, dessen Befehl so streng, dessen Fassung so drohend war,
daß die Jesuiten es für das Beste hielten, zu gehorchen. So
ließen sie den Glottesdienst im Kloster ruhen, bis am 8. Sep-
tember der Bischof nach Dauzig kam und seine Schützlinge
wieder in dasselbe einführte. Kaum aber hatte er die Stadt
DigtizBabyCoOgIC
Von Hermann Freytag. 661
verlassen, so forderte der Rat, dem die Ordnungen es besonders
ans Herz gelegt hatten, auf das Treiben der Jesuiten zu achten,
die Einstellung des Gottesdienstes und ließ die Jesuiten, als sie
widersprachen, mit Gewalt aus dem Kloster entfernen, und ihnen
für die Zukunft den Eintritt durch Wachen versperren, woran
er auch nichts änderte, als ihm am 20. September zwei königliche
Geleitsbriefe vom 20. resp. 26. Juni 1612 eingehändigt wurden,
von denen der erstere den Jesuiten die freie Bewegung in der
Stadt, der zweite die ungestörte Thätigkeit im Brigittenkloster
gewährleistete.
Jetzt galt es aber ÄugustiuermÖnche herbei zuschafifen.
Daher trat der Rat nunmehr direkt mit Johann Waier, dem
Kommissar der Brigittiner zu Marienforst bei Bonn in Ver-
bindung, was zur Folge hatte, daß noch im Jahre 1613 Augustiner
vom Rhein nach Danzig kamen. Damit war auch dem Wirken
der Jesuiten im Kloster ein Ziel gesetzt und da auch der Bischof
bei seinem Besuch in Danaig im Oktober 1614 nichts weiter
ausrichten konnte, als daß Katharina Engelsdorf nunmehr auch
vom Rat als Äebtissin anerkannt wurde, so begann man sich
allmählich auf eine Errungenschaft der Vergangenheit zu be-
sinnen, auf die Stiftung des Altschottländer Kollegiums. Der
Bischof wies dem Orden ein Gebiet im Schottlande, um das er
selbst bisher mit dem Abt von Pelplin im Streit gelegen und
auf das jetzt beide Teile zu Gunsten der Jesuiten verzichteten,
zum Bau einer Kirche an, zu der am 24. Mai 1616 David
Konarski, der Abt von OHva, den Gniudstein legte. Noch in
demselben Jahre wurde der Bau trotz der vielfachen Beun-
ruhigungen seitens der Einwohner des Schottlands, die, selbst
größtenteils Sektierer, das neue Kollegium höchst ungern in
ihrer Mitte entstehen sahen, vollendet. Von vielen pommerelli-
schen Großen, besonders von dem Ma'-ienburgischen Bannerherm
Sakowski und dessen Gemahlin reich beschenkt, konnte sie
schon im Jahre 1616 dem Gottesdienst übergeben werden,
während die Jesuiten in einem kleinen Hause daneben Schule
hielten. Endlich schenkte der Bischof Paul Wolucki, nachdem
DigtizBabyCoOgIC
65'2 Die Geschichte der JesuiteDnusaion in Danzig.
auch er durch die Emeasmng des Prozesses wegen der Ver-
waltung der EJostergiiter nichts erreicht hatte, den Jesniten ein
G-rundstÜck im Sohottlande, bestehend aus einem Garten mit
sechs Häusern, um darauf eine Schule nebst Wohnhäoaem für
die Kleriker und Alumnen zu errichten, und nun erst wurde
das vor dreißig Jahren gegründete Kollegium erbaut und 1621
yingeweiht.*')
IV.
Die Gründung des Schottländer Kollegiums war för die
Mission in Danzig von hoher Bedeutung, da dieselbe jetzt, wo
ihre eigene Existenz in Frage gestellt war, sich vorzugsweise
auf jenes stützte, ohne doch den Gedanken an eigene Selbständig-
keit aufzugeben. Vorläufig freilich schien es, als ob der Rat
die Früchte seipes energischen Vorgehens gegen die Jesuiten
nun auch genießen sollte, da dieselben nach der Gründung des
Kollegiums ihre Aufmerksamkeit vor allem der neuen Schul-
anstalt imd ihrem Gedeihen zuwenden mußten. Bald aber
wurden neue Versuche gemacht, in das Kloster einzudringen
und wenn es auch zu einer offenen Fehde mit dem Rat in der
nächsten Periode nicht kam, doch der Waffenstillstand zn
Rüstungen für den Entscheidungskampf benutzt.
21) So erzählt die Historia Eesidentiae die Grünilung dea Kollegiums.
Bestätigt wird die Erzählung durch folgende Angaben in einem Brief des
Kollegft am Gymnasium Johann Schröder an den Bat. In demselben heifit
es; „Mit Schmerzen habe ich vorgestern von einem BepsÜer, der nmb der
Jesuiten oder Suiten anschlage woU weiß yeratanden, daO sie allhier ein
stattliches Kollegium im Schottlande zu bauen aufs künftige Jahr werden
anfangen. Sollte daa geschehen, so wird gnte Ordnung und Inspektion anf
Danziger Schulen sehr von Nöthen sein, damit diese Gesellen mit ihrer
Institution nicht den Preis oder Vorzug haben, sonst wird manch junges
Blut von ihnen eigenommraen und innerlich verschüret werden". (Hirsch,
Gesch. des akademischen Gymnasiums zu Danzig (Danzig, 18B7) S. 85
und Geech. der Obet-Pfarrkirche II, S. 170).
DigtizBabyCoOgIC
Von Hermann FreytAg. 653
Zunächst erneuerte die Aebtissin Katharina EngeUdorf den
Prozeß gegen den Rat wegen der Verwaltung des Klostera, und
zwar sprach das Retatiouagericht am 18. August 1622 sein Urteil
dahin, daß die Danziger sich bei einer Strafe von 20000 Gulden
der "Verwaltung der Klostergijter zu enthalten hätten. Das
Urteil kam aber nicht zur Vollstreckung, weil es an dem nötigen
Exekutor fehlte, und der Rat am 1. November beim König vor-
stellig wurde, worauf die Sache einschlief.
Drei Jahre später ließ der neue Bischof Andreas Lipski,
der nach dem Tode Woluckis im Jahre 1623 das Bistum Cuja-
vien bekommen hatte, eine Visitation im Kloster vornehmen.
Die Visitatoren nahmen dabei Gelegenheit, den Rektor des
Schottländer Kollegiums Oborski zu bitten, viermal im Jahr,
zum ersten Advent, zum Palmsonntag, zum Frohnleichnamslest,
und zum Ailerheiligenfest, zwei außerordentliche Beichtväter ins
Kloster zu schicken, von denen der eine deutsch, der andere
polnisch spräche, und außerdem alle Monate einmal einen Pre-
diger. Damit war wiederum der Anfang für das Eindringen
der Jesuiten gegeben. Im Jahre 1529 wurde mit besonderer
Erlaubnis des Ordensgenerals die vierzigstündige Predigt, die
man alle Jahre in dem Kollegium abzuhalten pflegte, in die
Brigittenkirche verlegt, da man sich hiervon große Erfolge für
die Propaganda versprach. Wirklich hatten die Jesuiten unter
den Katholiken Danzigs schon viele Freunde gewonnen und
diese traten nun mit aller Kraft für sie ein. Schon längere Zeit
hatten die Nonnen mit der katholischen Gemeinde Danzigs in
Streit gelegen wegen des Besitzrechtes und des Gebrauchs der
Brigittiuerkircho, die ja nicht auf Kosten des Klosters, sondern
des Bischofs erbaut war. Die Nonnen hatten sich schließlich
an den Bischof Lnbiensky gewendet, dieser aber hatte wegen
des Ablebens König Sigismunds III. und der infolgedessen sich
häufenden Gesehätle, darauf verzichten müssen, selbst nach
Danzig zu kommen, wie das anfangs seine Absicht gewesen, und
ließ daher durch Kommissarien einen Vertrag anbahnen, der
denn auch im Jahre 1632 zu Stande kam und am 10. Dezember
Altpr. Hoiuktnohrirt Bd. XXVI. Hft. 5 n. (L 35
DigtizBabyCoO^IC
554 iJis Geschirlite der Jesuiten missiun in Banzig.
desselben Jahres die Approbation des Bischofs erhielt. Dieser
Vertrag garantierte den Nonnen zwar den Besitz der Kirche,
sprach aber der Gemeinde das Recht der Benntznng in gewissen
Htnnden zu. Änßerdem bestimmte der Vertrag, die Jesuiten
sollten als Prediger der Gemeinde in der Kirche so lange predi-
gen, als es den Ordinarien gut schiene. Ja, nach zwei Jahren
legte der Bischof diesen Teil des Vertrages so aus, daß die
Jesuiten zwar vorher dem Beichtvater der Nonnen Mitteilung
machen müßten, wenn sie die Kirche benutzen wollten, dass
dieser aber kein Recht habe, die Benutzung zu verweigern.
Noch eifriger trat für die Jesuiten eine Anzahl strenger
Katholiken ein, die sich nach der damals und auch heute noch
in der katholischen Kirche herrschenden Kitte zu einer Kon-
gregation des Leibes Christi zusammengeschlossen hatten. Im
Anfang der zwanziger Jahre gegründet, hielt die Bruderschaft
seit 1625 in der schon oft erwähnten Maria-Magdaleuen-Kapelle
ihren Gottesdienst ab, und war bald zu bedeutendem Einfluß
unter den Katholiken gelangt, besonders seit sie im Jahre 1636
in die Erzbruderachaft des heiligen Laurentiua aufgenommen
und dadurch einer ganaen Reihe von Indulgenzen teilhaftig ge-
worden war. Im Jahre 1638 geriet auch diese Bruderschaft mit
den Nonnen ■ in Konflikt. Die Kapelle war nämlich im Laufe
der Jahre so baufällig geworden, daü es lebensgefährlich war,
in der Nähe derselben zu weilen. Die Nonnen hatten infolge-
dessen gebeten, dieselbe abbrechen zu lassen, der Bischof hatte
ihre Bittii aber nicht gewährt, vielmehr ausdrücklich verboten,
den Abbruch ohne seine Erlaubnis vorzunehmen; ehe die Nonnen
aber dieses letzte Verbot erfaliren, hatten sie sich schon selbst
geholfen, indem sie und der im Kloster als Beichtvater weilende
Mönch Georg Them aus Pelplin am 20. Mai 1638 Arbeiter
herbeigeholt und durch sie die Kapelle, aus der man die der
Bruderschaft gehörigen Sachen herausgeschafft hatte, hatten ab-
brechen lassen. Natürlich erhöh sich infolgedessen ein großer
Sturm gegen das Kloster, und schließlich zogen die Nonnen
insofern den Kürzeren, als der Bischof im Jahre 1640 dekre-
DigtizBabyGoOglC
Von Hermann Freytag, 5B5
tierte, daß die Kapelle wieder aufgebaut werden sollte, was aber
nie geschehen ist, und daß bis dahin die Kongregation in die
Kirche eingeführt werden sollte. Mittelbar war das natürlich
wieder ein Fortschritt der Jesuiten, da auch diese Brnderschaft
sich ihrer als Prediger und Seelsorger bediente.
Der Rat mußte diesem Treiben rahig zusehen. Zwar ver-
kannte er die drohende Gefahr nicht, hatte auch bereits im Jahre
1633, als er die Jesuiten wieder in das Kloster eingeführt sah,
ein Schreiben an den Bischof gerichtet, in dem er denselben
bat, von diesem Vorhaben abzustehen, aber der Bischof wußte
zu gut, daß der Rat während der Unruhen des schwedisch-
polnischen Krieges nicht Zeit habe, sich den kirchlichen An-
gelegenheiten zu widmen, und nahm deshalb von dem Briefe
gar nicht Notiz. Selbst vorgehen konnte der Rst nicht, denn
die gefahrdrohende Nähe, in der sich der Kiieg in dieser Zeit
abspielte, nahm seine ganze Kraft in Anspruch, und dann, als
derselbe 1635 durch den sechsundzwanzigjährigen Waffenstill-
stand zu Stuhrasdorf beendigt war, hatte er genug mit der
Heilung der durch denselben geschlagenen "Wunden zu thun.
Allzulange sollten sich die Jesuiten ihrer neuen Erfolge
nicht freuen, und zwar gaben dieselben Nonnen, die ihnen den
Zugang zum Kloster geöffnet, auch den Anlaß zu ihrer Ver-
treibung. Denselben war nämlich die Herrschaft der Jesuiten
auf die Dauer lästig geworden, und deshalb suchten sie wieder
Mönche ihres eigenen Ordens herbeizuholen. So wurde schon
im Jahre 1640 gelegentlich einer Visitation der Brigittiner
Rüdiger als Beichtvater approbiert, aber sei es nun, daß derselbe
gestorben, oder weggezogen, bald darauf wandten sich die Non-
nen wieder nach Marienforst bei Bonn, von wo ihnen schon
einmal Hilfe gekommen, Ihr Bittschreiben an den Obern des
dortigen Klosters Johann Griraoald hatte denn auch den Erfolg,
zeabyCoOgIC
556 l^'Q Geschichte dei Jesuiten in issioii in Danzig.
daß schon im Jahre 1641 drei Mönche, Anton Bach, Gottfried
Tertar und Peter Bachoff nach Danzig kamen und, nachdem sie
dem Bischof zu Warschau ihre Beglaubigungsschreiben einge-
reicht hatten, die Arbeit im Kloster aufnahmen.
Natürlich war ihre erste Aufgabe, die Jesuiten aus dem
Kloster zu entfernen. Um dieses möglich zu machen und sich
vor den etwaigen Folgen eines solchen Schrittes zu sichern,
hatten sich die Nonnen schon vorher nach Rom gewandt und
dort ein Monitorium gegen den Bisehof und die Jesuiten ausge-
wirkt, in welchem denselben bei strenger Strafe verboten wurde,
die Nonnen zu beunruhigen, und zugleich bestimmt wurde, daß
ein Prozeß in dieser Sache nur in Bom anhängig gemacht
werden dürfe. Andrerseits mochte auch der Bischof gemerkt
haben, daß man im Kloster etwas gegen seine Schützlinge plane;
daher erließ er am 18. September ein Edikt, in dem er erklärte,
er sei fest entschlossen, ebenso wie seine Vorgänger den Jesuiten
ihre Eechte aui die Klosterkirche zu bewahren. Das kümmerte
die Brigittiner wenig. Auf das römische Monitorium vertrauend,
verschlossen sie am 10. November 1641 den Jesuiten die Kanzel
und machten so der Wirksamkeit derselben ein jähes Ende.
Sofort begann der Prozeß. Die Nonnen, auf dem römischen
Edikt fußend, stellten sich dem geistlichen Gericht des stell-
vertretenden Offiziala Georg Möller nicht, sondern ließen sich
etafach kontumazieren, worauf sie die Jesuiten mit dem Inhalte
jenes Moiiitoriums bekannt machten, was bisher noch nicht ge-
schehen war. Die Jesuiten erklärten jedoch dasselbe für nicht
rechtskräftig, da es nicht durch die Hand des Bischofs gegangen
war, und ließen den Prozeß ruliig seinen Gang gehen, der dann
schließlich nach der üblichen Eeihe von Terminen, in denen
allen die Nonnen in contumaciam verurteilt wurden, zn der
Exkommunikation der Hanptangeklagten, an deren Spitze die
Aebtissin Barbara Wichraann stand, führte.
Zugleich hatte man auch den Mönchen den Prozeß gemacht.
Der Bischof citierte dieselben unter dem Verwände, daß sie von
der ihnen verliehenen Erlaubnis im Kloster Beichte zu hören
DigtizBabyCoOgIC
Voll Hermann Freytag. 557
und die Hakramente zu spenden üblen G-ebrauch gemacht hätten,
vor sein Gerieht, aber noch ehe ihnen die Vorladung zu Gesicht
gekommen war, sprach er daa Urteil dahin, daß sie jener Er-
laubnis verlustig wären und sich jeder Amtsthätigkeit im Xloster
zu enthalten hätten. Unter diesen Umständen sahen sich die
Brigittiner genötigt nach üom zu appellieren, was sie am
30. December 1641 thaten. Aber auch die Jesuiten wandten
sich nach Rom und erhielten hier am 4. Februar 1642 die Zu-
rücknahme jenes ihnen so unbequemen Monitoriums. Jetzt hielt
sie nichts mehr in Schranken. Am Anfang des Jahres 1642 hatte
Lubiensky den erzbischöflichen Stuhl von Gnesen bestiegen und
ihm war als Bischof von Leßlau Nikolaus Albert Gniewocz von
Olexow gefolgt, der kein Freund der Jesuiten war. Daher
weigerte er sich, als diese von ihm die Exekution der schon
am 24. Januar publizierten Exkommunikation verlangten, die-
selbe sofort vorzunehmen, begehrte vielmehr zuerst Einsicht in
die Fund ationsurkun den des Kollegiums nehmen zu dürfen, und
erst als dies geschehen, citierte er die Parteien auf den 26. April
vor sein Gericht. Aber auch hier stellten sich die Nonnen nicht,
und so sah sich der Bischof gezwungen, das Dekret seines Vor-
gängers zu bestätigen.
Unterdessen war auch der Kat wieder genötigt worden,
mit den Nonnen, mit denen er selbst im Prozeß lag,*') gemein-
schaftlich gegen die Jesuiten vorzugehen. Diese hatten nämlich,
aus dem Kloster vertrieben, in dem Pfarrhof, den jetzt der
Pfarrer und Offizial Matthäus Judicki bewohnte, in einem großen
Unterzimmer Gottesdienst gehalten. Als der Präsident Rogge
dem Bat davon Mitteilung machte, schickte dieser am 29. Juni
23) Es handelte sich um die Verwaltung der KlostergUter. Der Prozeß
durchlief alle InstAnzen und wurde schlieQlich vor dem BelatioDsgericlit zu
Gunsten der Nonnen entscliieden. Das Dekret kam nicht zur Vollstreckung,
führ!« aber einen Vertrag lierbei, der am 2.S. Juni 1643 geschlossen und
am I. Juli vom Biachof hestüfigt, dem Kat die Jurisdiktion in Schidlitz
gewährleistete, die er durch zwei Ratmannen, die er aus vier von den Nonnen
vorzuschlagenden wtlhlt, ausüben läßt.
DigtizBabyCoO^IC
558 ■ D'« Geschichte der JeauitenmissioD in Datizig.
einen Schwertdiener in den Pfarrhof, der alles so vorfand, wie
das Gerücht ea gemeldet, and zwar hatte der Visitator Fabricius
Banfus Messe gelesen und Pater Krusig gepredigt. Als daraufhin
der Sekrotär in den Pfarrhof geschickt wurde, berief sich Emsig
zwar darauf, daß sie sohon seit fünfzig Jahren ihre Kapelle
daselbst gehabt hätten, versprach aber später dem Vicepräsidenten
Constantin Ferber, dem Sohne jenes Ferber, der einst die Jesuiten
nach Danzig gerufen hatte, die Einstellung des Gottesdienstes.
Am folgenden Sonntag fand der Schwertdiener wirklich in dem
Uuterzimmer alles ruhig, doch warde in einem obem Gemach
Messe gelesen und Predigt gebalten. Von neuem zur Rede ge-
stellt, berief sich Krusig auf den Offizial, und dieser suchte die
Angriffe dadurch abzuwehren, daß er erklärte, es sei nicht zu
befürchten, daß der Pfarrhof ein Jesuitenkollegium werden würde,
da das dem eigenen Interesse des Biscbofs widerspräche, .dessen.
BeSolution man daher erwarten möge. Den wiederholten Bitten
des Kats die Predigten einzustellen gegenüber hatte der Offizial
nur ausweichende Antworten, und so sah sich jener denn ge-
nötigt, die Sache vor die Ordnungen zu bringen, worauf am
30. Juli „aus Schluß der Ordnungen" an den Bischof geschrieben,
und er darauf aufmerksam gemacht wurde, was für Gefahren
ihm selbst daraus entstehen könnten. Der Bischof nahm aber
von diesem Schreiben garnicht Notiz und so beschloß denn der
Rat, sich selbst Recht zu schaffen und energisch gegen die
Jesuiten einzuschreiten. Hierzu bot sich die erste Gelegenheit,
als sich die Können ein obrigkeitliches Gutachten über den
Streit erbaten, um mit diesem versehen, nach Rom gehen zu
können. Der Rat gab ein solches Gutachten am 18. August 1642,
betonte aber in dem durchaus maßvoll gehaltenen Schreiben nur
die Gefahr, die er von dem Eindringen der Jesuiten für die
öff'entliche Ruhe fürchtete. Nur diese zu erhalten und seiner
Pflicht als Stadtoberhaupt zu genügen, so führte er aus, hätte
er in den Streit eingegriffen und werde er es weiter thun.
Mit diesem Schreiben, sowie mit einem Atteste der Karmeliter
zu Danzig, worin dieselben dem Brigittinerkloster das Zeugnis
DigtizBabyCoOgIC
Von HcrniaDn Freytag. 559
gaben, daß dasselbe seiner Bestimmung stets trea geblieben , z-Wei
Schreiben, auf die man in Rom natürlich nicht im geringsten Rück-
sicht nahm, ausgerüstet, zogen die Nonnen vor das päpstliche
Gerieht. Hier traf sie nun das verhängnisvollste Mißgeschick.
Der Sachwalter der Nonnen war nämlich ein Kanonikus aus der
ermländischen Diöcese, ein gewesener Jesuit Namens Schlichten-
berg, der unter dem Verwände, Brigittiner werden zu wollen,
die Führung des Prozesses sich verschafil hatte, der aber mit
dem Gelde der Nonnen in Rom weniger deren Prozeß zu fördern,
als vielmehr sich eine fette Pfründe zu verschaffen trachtete.
Als er dieses sein Ziel im Juli 1643 erreicht hatte, da er zum
Probst von Heilsberg ernannt worden, ließ er den Prozess, den
er vorher von der Sta. Rota an die congregatio regularium^')
revociert hatte, einfach im Stich und trat die Heimreise an*
Bei einer solchen Führung des Prozesses konnte das Urteil der
Kongregation nicht lange schwanken. Nachdem die Jesuiten
förmlich ihren Rechten auf den Besitz des Klosters entsagt und
sich nur das Predigt- uud Beichtigerarat vorbehalten hatten,
sprach die Kongregation im Oktober 1643 ihr Urteil dahin aus,
daß die Jesuiten wieder in das Kloster einzuführen seien und
der Erzbischof für die Exekution dieses Dekrets zu sorgen habe.
Bekannt wurde dieses Edikt in Danzig zuerst auf in-
direktem Wege. Der König nämlich, der sich von der Voll-
streckung desselben durch den Erzbischof nicht viel Gutes für
die Ruhe der Stadt versprechen mochte, schickte einen Ge-
sandten Namens Martian Wituski nach Danzig, um auf gütlichem
Wege eine Einigung im Sinne des römischen Dekrets zustande
■ zu bringen. Aber der Gesandte, der für derartige Missionen
wenig geeignet gewesen zu sein scheint, konnte ein Nach-
} Die Congregatio pro conaultatione regalarium praelatonim war
1 mit der congregatio pro coneultationibus episcopomm 158G von
Sixtus V begründet, aber noch von ihm mit dieser zu einer Congregatio
auper negotüs episcoporum et nliorum praelatonira vereinigt. Sie hatte
Streitigkeiten der Orden und Klöster und der Bischöfe nntereinander zu
schlichten. (Permaneder, Katitolischeu Kirchenrecht.)
zeabyCoO^IC
560 l^is OescliLchte der Jesuiteiiiniasion in Danzig.
geben des Rata nicht erwirken und mußte unverrichtet«r Sache
abziehen.
Nun endlich machte sich auch der Erzbischof seinerseits
an die Vollstreckung des Urteils der Kongregation. Nachdem '
er zu diesem Zwecke die Nonnen auf den 26, August 1644 vor
sein Gericht citiert, diese aber sich nicht gestellt hatten, be-
stimmte er laut der Vollmacht vom 29. August den Bischof
von Hippo und Suflragan von Ermland Michael Dzialinski, den
Probst Albert Rudnicki, den Archidiakonus Peter Bartlinski
und den Erzpriester Peter "Winkler in Vertretung seiner zu
Vollstreckern des Dekrets. Diese erschienen endlich nach langem
Zögern am 11. Januar 1645 in Danzig, um sich ihres Auftrages
zu entledigen. Das gelang ihnen aber nicht. Denn abgesehen
davon, daß die Nonnen sich entschieden weigerten dem gefällten
Urteil sich zu unterwerfen, ja, daß sie die Delegierten über-
haupt nicht in das Kloster einließen, riefen sie förmlich die
Hilfe des Rates an, der dann auch sofort das Kloster mit
Soldaten umstellte und den Gesandten erklärte, auf keinen Fall
die Wiedereinführung der Jesuiten dulden zu wollen, so daß
jene nach den üblichen Protestationen und Reprotestationen iin-
verrichteter Sache abziehen mußten. Ebenso wurde, nachdem
auf dem Landtage zu Marienburg die Nonnen Öffentlich hatten
erklären lassen, daß sie sich in den Schutz des Rates begeben
hätten, die Sequestration der Klostergüter Krebsdorf und Karscbau
im Marienburger Territorium, zu der sich die Delegierten ent-
schlossen hatten, um auf diese Weise einen Druck auf die
Nonnen auszuüben, durch Danziger Soldaten verhindert.
Nun begann der Prozeß vor 2wei Gerichtshöfen zugleich
zu spielen, zu Rom und zu Warschau. ■
Der Erzbischof sah nämlich ein, daß er mit seiner Macht
dem Dekret nicht Geltung verschaffen könne, und schickte die
Sache daher nach Rom zurück, indem er zugleich bat, den Bann
über die Aebtissin und die beiden Nonnen Anna Schambogen
und Katharina Kleinfeld auszusprechen, die drei Mönche zu
suspendieren und gegen den Bischof ein Monitorium zu erlassen.
DigtizBabyCoOgIC
Vou Hermann Freytag. 561
Die drei Brigittiner nämlich waren, obgleich Luhienski, wie be-
kannt, schon als Bischof die Erlaubnis des Beichthörens ihnen
entzogen, noch immer im Amte, ja, obwohl er schon seit dem
September 1643 ein Rückberiifungsschreiben für dieselben, das
ihm der Erzbischof von Köln auf seine Bitte zu beliebigem Ge-
brauch gegeben, in Händen hatte, konnte er mit demselben
doch nicht hervortreten, da ein Edikt Urbaus VIII. vom
11. März 1642 verbot, die einmal approbierten Konfessarien der
Klöster abzusetzen, wenn sie sich nicht eines Vergehens in der
Beichte schuldig gemacht hätten. Dagegen hatte der Bischof am
6, Januar 1645 dem Jesuitenpater Kraus, gerade auf dieses Edikt sich
stützend, verboten, zu predigen und Beichte zu hören, und hatte,
als ihn Kratis dann in Rom verklagte, aus der Ordensprovinz
Littauen den Pater Kreutzer berufen, um durch ihn und seine
ihm eventuell nachfolgenden Landsleute, den Einfluß der polni-
schen Elemente unter den Danziger Jesuiten lahm zu legen.
Dieses sein Jesuiten fein dl ich es Benehmen hatte den Erzbischof
veranlaßt, auch ihn in den neuen Prozeß vor der Kongregation
zn verwickeln.^*)
Jetzt gedachten die Nonnen, den Fehler, den man bei der
irüheren Verhandlung des Prozesses vor der Kongregation durch
die ungeschickte Wahl des Sachwalters begangen hatte, wieder
gut machen zu können, und suchten deshalb den Prozeß vor
die Sta. Eota zu bringen. Die Appellation wurde aber für
unzulässig erklärt, ^^) und die Kongregation bestätigte am
11. Januar 1647 lediglich ihr früheres Urteil, erteilte jedoch für
dieses Mal dem päpstlichen Nuntius in Polen den Auftrag, mit
24) In dem Schreiben halte der Erzbischof den Bischof einen „fautor
Haereticorum" genannt. Als diesen Brief Johannes Naidus, der Sachwalter
der JeBHiten 1646 in dem Summarium drucken ließ, beschwert« sich der
Bischof bei der Congregation und Luhienski sah sich genötigt, den Ausdruck
zu widerrufen.
25) Uüber die Zulässigkeit der Appellation an die Sancta RotA hatte
die Signatura justitiae, bestehend aus einem Cardinal und zwölf Prälaten
zn entscheiden.
DigtizBabyCoO^IC
562 Die Gescliiolite der Jesuiten mission in Danzig.
dem Bischof und den Nonnen zu verhandeln. Diese neue Ent-
scheidung war natürlich von keiner Bedeutung, da der Prozeß
unterdessen am polnischen Hofe anhängig gemacht worden
und hier einen für die Danziger sehr gefährlichen Verlauf ge-
nommen hatte.
Gleich nachdem nämlich der Rat durch sein Eingreifen die
Einführung der Jesuiten verhindert hatte, hatten diese ihn vor
dem Asaessorialgericht verklagt. Der Rat beschloß, sich in den
Prozeß nicht einzulassen, und so erhielt der am Hofe weilende
Sekretär Michael Behm den Befehl, denselben einfach in contu-
maciam gehen zu lassen. Das geschah, und so verurteilte am
28. Mai 1646 das Ässessorialgorioht den Eat zur Strafe des
dauernden Bannes, verbunden mit dem Verlust der Äerater und
Kassation des Vermögens. Dieses Dekret war um so empfind-
licher, als es die Stadt hinderte auf dem am 5. Oktober zu
Graudenz stattfindenden Antecomitial- Landtag zu erseheinen.
Denn obgleich bis dahin noch nichts darüber bekannt geworden
war, ob die Jesuiten dasselbe publiziert hätten, so war es doch
leicht möglich, daß sie es gethan und dann der Stadt Sitz und
Stimme auf dem Landcag streitig gemacht würde, was das An
sehen derselben sehr geschädigt hätte. Wirklieh war diese
Vorsicht nicht überflüssig gewesen, da die Jesuiten endlich nach
langem Drängen am 4. Oktober den ITnterkanzler dazu bewogen
hatten, die Publikation zu Warschau vollziehen zu lassen. Ein
solches Vorgehen erregte am Hofe entschiedenes Mißfallen und
stimmte auch den König wieder zu Gunsten der Danziger,
Diese Stimmung wußte der Eat zu benutzen; am 3. Oktober
gegen das zwar noch nicht publizierte, ihm jedoch schon einge-
händigte Banndekret protestierend, schrieb er zugleich einen
Brief an den König, der im Verein mit der Verwendung des
Unterkanzlers Andreas Leszczinski und des pommerellischen
Woywoden Gerhard Dönhof, den Erfolg hatte, daß am 18. Oktober
dem Rat ein Geleitsbrief gegeben wurde, der den Bann auf
sechs Monate aufhob. Dieser Geleitsbrief, der am 30. Januar 1647
auf weitere sechs Monate verlängert wurde, machte die Danziger
DigtizBabyCoO^IC
Vou Hermann l'reytag. 563
wieder freier aufatmen. Sofort begann ein reger diplomatischer
Verkehr. Nicht nur finden sich in dieser Zeit Misaive an den
Großkanzler, den Uuterkanzler, den Landbotenmarschall und
viele andere polnische Große, sondern es ging auch der Syndikus
Vincenz Fabricius nach Warschau, um persönlich für die Zurück-
ziehung des Dekrets zu wirken. Die nächste Folge seiner Be-
mühungen war, daß am 10. März 1647 der Kronreferendar
Alezander von Otok Zaleski nach Danzig kam, um noch einmal
eine gütliche Einigung zu versuchen. Aber die von ihm ge-
machten Vorschläge fanden weder die Billigung der einen noch
der anderen Partei. Er forderte n&mlich, der Rat möchte, da
er ja voraussichtlich die Jesuiten in das Brigittenkloster nicht
einlassen würde, sie wenigstens als Gastprediger bei den andern
katholischen Kirchen dulden, und mächte ferner den Jesuiten
die Prozeßkosten erstatten. Der Rat beantwortete die erste
Forderung mit einem entschiedenen Nein, während er die Be-
willigung der zweiten von den Ansprüchen der Jesuiten abhängig
machte. Doch diese erklärten, den Prozeß auf keinen Fall
kassieren, sondern auf ihrem Becht beharren zu wollen.
Jetzt klagte der Bat auf Aufhebung des Banndekrets, und
zwar mit der Begründung, daß die in demselben bestimmte
Strafe weit über die Forderungen der Anklage, die nur die
Einführung der Jesuiten in das Kloster verlangt hatte, hinaus-
ginge, was nach den damals in Polen herrschenden Eechtsgrund-
sätzen unzulässig war. Wieder reiste der S3Tidikus nach
Warschau, um den König persönlich um seinen Beistand zu
bitten, aber die Audienz wurde abgeschlagen, und man mußte
den Spruch des Gerichtes abwarten. Am 1. Juli 1647 fand die
Verhandlung vor dem Ässessorialgericht statt. Hier machten
die Gegner dem Vertreter des Rats überhaupt das Recht zu
klagen streitig, da durch den Bann demselben zugleich die
Rechtsfähigkeit abgesprochen sei. Das Gericht schloß sich dieser
Auffassung jedoch nicht an, da ja der Bann gerade in dem
Dekret, daß jetzt aufgehoben werden solle, enthalten sei, und
daher nicht eher rechtskräftig sein könne, als bis dasselbe end-
DigtizBabyCoO^IC
564 Die Geschichte dvr .lenuitiüiraission in Danisig.
giltig bestätigt wäre. Ein Endurteil fällte das Ässessorialgericht
jedoch iiicht, sondern verwies die ganze Sache vor das Gericht
der Relationen. Schon am 4. Juli sprach dieses sein Urteil.
Das Dekret wurde der Klage gemäß aufgehoben und der
ganze Prozeß der Entscheidung des Königs vorbehalten.
Damit hatte der Rat sein Ziel erreicht und hoch erfraut
schrieb er am 27. Juli einen Danksagungsbrief an den König,
in dem er zugleich die Hoffnung aussprach, derselbe werde jetzt
noch einmal und vielleicht mit besserem Erfolge als früher eine
gütliche Verständigung anbahnen.
Eine solche Verständigung kam nun freilich nicht zu
Stande, aber auch der Prozf ß wurde nicht wieder erneuert. Die
Jesuiten mochten endlich eingesehen haben, daß sie auf dem
Boden dieser freien, freiheitstolzen Stadt nicht gedeihen, daß
sie diesen Rat, einen allzustarken Gegner, nicht niederkämpfen
könnten, und mochten es daher für besser halten, ihren
Hoffnungen auf einen festen Sitz in der Stadt zu entsagen.
so behielten sie sich zwar formell alle ihre Rechte vor, gaben
dieselben aber thatsächlich auf, indem sie den Prozeß von nun
an ruhen ließen und nicht melir auf denselben zurückkamen.
Wenn nun auch die Jesuiten später die verschiedensten Ver-
suche machten, in der Stadt, und zwar besonders im Pfarrhof
festen Fuß zu fassen, so sind dies nur achwache Anstrengungen
des Schottländer Kollegiums, einen Stützpunkt für seine Propa-
ganda sich zu verschaffen; eine selbstänilige Danziger Mission
gab es seit dem Aufgeben der für sie charakteristischen An-
sprüche auf das Brigittenkloster im Jahre 1647 nicht mehr.
VI.
Es erübrigt nun noch einiges über die innere Wirksamkeit
der Danziger Mission zu sagen. Dieselbe liegt natürlich, wie
überhaupt im ganzen Orden, so auch hier hauptsächlich auf dem
Gebiet der Propaganda. Ueber die Erfolge derselben, die be-
zeabyCoOglC
Von HemiHnn Preytag. 5H5
greif licherweiae zur Zeit der Peat, wo, wie wir schon oben
sagten, die Jesuiten mit bewunderungswürdiger Aufopferung
firbeiteten, am größten waren, haben wir die meisten Berichte
von ihnen selbst, Berichte, die oft auf ihre Praxis ein recht
ungünstiges Lieht werfen. Dieselbe war uAmlioh eine derartige,
daß sie teils den Köhlerglauben im Volke groß zog und aus-
nutzte, teils die Jugend zu Heuchelei und Falschheit verführte.
Die unglaublichsten "Wundererscheinungen wurden ersonnen um
ihnen im Volke Ansehen zu verschaffen und andrerseits scheint
ihnen z. B. ein Jüngling des höchsten Lobes wert, der, um mit
feinen Intherischen Eltern nicht zum Abendmahl gehen zu müssen,
ein hitziges Fieber heuchelt. Ja, die Jesuiten gingen sogar soweit,
daß sie von ihnen gewonnene Knaben der Obhut ihrer Eltern
entzogen und heimlieh wider Wissen und Willen der letzteren
von Danzig weg in ihre Kollegien schickten.**)
Freilich dürfen wir nicht allen Bekehrungsgeschichten, die
uns die Jesuiten erzählen, Glauben schenken, da viele derselben
nur dazu ersonnen zu sein seheinen, dem Orden Ansehen zu
verschaffen. Zu diesen gehört zum Beispiel die vom Jahre 1619
berichtete Bekehrung eines lutherischen Predigers und die eines
Professors und eines Lektors am Gymnasium vom Jahre 1623,
da, abgesehen davon, daß die Umstände, von denen besonders
die letzte begleitet gewesen sein soll, durchaus unglaubliche sind,
es sich nicht nachweisen läßt, daß in den genannten Jahren
ein Geistlicher oder ein Lehrer am Gymnasium sein Amt auf-
gegeben, was doch hätte geschehen müssen, wenn sie sich
wirklich von den Missionaren des Katholizismus hätten umgarnen
lassen. Freilich ist auch der Uebertritt eines evangelischen
Geistlichen zur katholischen Kirche in jener Zeit nicht unerhört
wie das Beispiel des allerdings charakterschwachen Nigrinus es
zeigt, der zuerst Lutheraner, dann Anhänger des reformierten
26) Einen solchen Fall brachte der Vicebiirgermeiater Johann von
der Linde am 30. August 1606 gelegentlich der Intercession für die Jesniten
. ZOT Sprache.
zeabyCoOgIC
5t)(i Die Gescliicht« üer JesuitenmissioD in Danzi^;.
Lehrbegriäs, schließlich im Jahre 1643 zum Katholiziemtis
übertrat. =')
Sehr gefährlich wurde seit 1621 das Altschottlftnder
Kollegium durch den Jugendunterricht. Hatten schon vorher
Söhne vornehmer Eltern zuweilen den Unterricht auf dem
Braunaherger Jeauitenkollegium demjenigen auf dem akademischen
Gymnasium zu Banzig vorgezogeo, so ging jetzt, von dem Glänze
der neuen Anstalt angezogen, die es nicht unterließ, durch
scenische Darstellungen und ähnliche Veranstaltungen, zu denen
nicht nur die katholischen Bürger, sondern auch viele evangelische
erschienen, das Können ihrer Zöglinge zur Geltung zu bringen,
so mancher Schüler des Gymnasiums, so mancher Sohn evan-
gelischer Eltern in das Kollegium der Jesuiten hinüber. Da
behielt dann jener einfache Kollega am Gymnasium Recht, der
einst, als er die binnen Kurzem bevorstehende Eröffnung des
Kollegiums erfubr, an den Rat schrieb und ihm seine Be-
fürchtungen für die Zukunft auseinandersetzte: T,manch junges
Blut wurde innerlich verachüret", und noch mehr wären der
Verführungskunst der Väter, die den Gedanken, ihre evangelischen
Schüler wieder dem Katholizismus zuzuführen, nicht einen
Augenblick aufgaben, zum Opfer gefallen, wenn nicht die
Danziger Geistlichen ein wachsames Auge gehabt und es, so
viel in ihrer Macht stand, verhindert hätten, daß die Knaben
den Jesuiten anvertraut würden.
Die litterarische Tbätigkeit der Danziger Mission ist nichts
weniger als bedeutend. Den Grund hierfür wird man wohl in
der ewigen Unruhe zu suchen haben, in welche die fortwähren-
den Prozesse die Mitglieder der Mission versetzten, und die es
27) Uan bi'elt Nigrinus fllr den Urheber des colloquitun charitativam
zu Thorn, auf dem er als notarius ftctorum auf katholischer Seite fungierte.
MöresiuB,RektorderPetrischnle (1647— 67) dichtet* auf ihn folgendes Epigramm:
In grunis porcus, tibi praemia sulphur et orcne,
En cape duuf sihquas, post bibe diUa aquas.
(Handechriftl. Zusatz zu Prätorius, Danziger Lchrergedächtnis (Danzig 1760)
in dem Handexemplar des Ärohidlakonus Kciewel in der Zappioschen
Bibliothek der Johanniskirche.)
DigtizBabyCoOgIC
Von Hermann Preylng. 567
denselben unmöglich machte, mit der nötigen MuDe ihren
Studien obzuliegen. Aus demselben Grunde wird sich wohl auch
nach dem Jahre 1621 alle litterariache Thätigkeit aas der
Danziger Mission in das Schottländer Kollegium zurückgezogen
haben, wo die Väter, vom Feinde unbelästigt, sich ganz ihren
Studien hingeben konnten.
Freilich darf man auch nicht verkennen, daß gerade in
der fortdauernden Fehde zwischen den Evangelischen und
Katholischen ein befruchtendes Element für die geistigen Be-
strebuQgen lag, das sich denn auch darin geltend macht, daß
es hauptsächlich die Polemik war, die in der Danziger Mission
gepflegt wurde.
Kaum hatten die Jesuiten in Danzig festen Fuß gefaßt
und waren dadurch in die Lage gebracht, öfter mit den Evan-
gelischen in Berührung zu kommen, wobei es dann an Kontro-
versen zwischen beiden Parteien nicht fehlen konnte, als sie
auch schon nach damaliger Sitte diese Kontroverse in Disputa-
tionen ausfochten. Eine solche berichten ans zum Beispiel die
Jesuiten aus dem Jahre 1699. Drei Jünglinge, die das Brauns-
berger Kollegium besuchten, gehen in den Ferien zu einem
ihrer früheren Lehrer, der im Gespräche jesuitische Lehre hart
angreift. Die Jünglinge hinterbringen das den Jesuiten und
regen sie zu einer Disputation an. Diese kommt zustande und
der Calvinist unterliegt. Die Folge war, daß viele gerade unter
den Gebildeten sieh dem Orden fortan günstiger zeigten und
daß der Katholizismus wieder bedeutend zunahm.
Wenige Jahre später brach eine litterarische Fehde aus
zwischen einem Mitglied der Danziger Mission Johann Über
und dem pommerschen Hofprediger Daniel Gramer zu Stettin,
die, da ihr Gegenstand eine der grundsätzlichen Differenzen
zwischen Katholizismus und Protestantismus war, mit einer
ungewöhnlichen Erbitterung und mit einem großen Aufwand
von Zeit und Kraft geführt wurde.
Es hatte nämlich im Jahre 1603 Johann Über ein Buch
herausgegeben, in welchem er nachzuweisen suchte, daß die
DigtizBabyGoOgIC
51)3 Die Geschichte tier .TeaiiitenmisF>ion in OaiizI^.
Bibel infolge des Verlorengehens vieler Bücher, deren eintitiges
Vorhandensein wir aus den Citaten in den erhaltenen ersehen
können, nicht vollständig sei und daß deshalb diejenigen, welche
allein die Bibel als Eichtschniir des Glaubens ansähen, nicht
könnten selig werden. Dieses Buch hatte den Widerspruch
Cramera hervorgerufen, welcher in einer 1606 erschienenen
Gegenschrift zeigte, daß die verlorenen Bücher nicht zum Kanon
gehört hätten, daß die Bibel also noch ganz sei und nur sie
allein, ohne alle Tradition der Grund des Glaubens sein dürfe.
Schon im folgenden Jahre erschien die Apologie Ubers gegen
diesen Angriff und zwar führte er die Verteidigung so geschickt,
daß ihm sein Gegner wirklich nicht gewachsen gewesen zu sein
scheint. Wenigstens brach er, nachdem er noch einmal versucht
hatte, die Ausführungen Ubers, der in dem EUinon eben auch nichts
anders sah als eine Tradition und deshalb Gramer der Inkon-
sequenz beschuldigte, weil er einmal die Tradition verworfen,
das andere Mal sie wieder aufgenommen hatte, zu widerlegen,
den Streit ab, der nun durch eine dritte Schrift Ubers beendigt
wurde, in der sich derselbe den völligen Sieg zuschrieb.**)
Mit demselben Daniel Gramer geriet auch ein anderes
Mitglied der Mission in Streit, Gramer hatte nämlich in einer
Schrift, die den Titel filhrte „Eine schreckliche, blutdürstige
Jeauiterpredigt, so Petrus Skarga gehalten von der Hauptfrag,
ob auch einem Ketzer Treu und Glauben zu halten sei", den
Inhalt dieser am 9. September 1601 zu WUna kurz vor dem
Auszuge des polnischen Heeres zum Kriege nach Liefland ge-
haltenen Predigt nach dem Berichte eines Ohrenzeugen in äußerst
verstümmeltem Zustand wiedergegeben, zugleich auch verschiedene
andere Schriften drucken lassen, in denen allen die Jesuiten in
28) Über, Daß die Bibel nicht ganz sei, und daß diejenigen, so dereelben
allein anhangen, nicht können Belig werden. BraunBberg, ScbönfelB lä03.
Über, Äpologia eines kleinen Büchleins gegen Krämers unchristliches
Buch u. s. w. Braunsberg, Schönfelfl 1606.
Über, Viktoria, wahrhaftig erhalten gegen Daniel Eramer in diesem
Eeligionskampf, Brannsbei^ Schönfelß 1609.
zeabyCoOgIC
Von Hermann FreytAg. 569
überaus gebfissiger Weiae angegrifien -wurden. Diese alle sucbte
Triedrich Bartscb in seinem „Jeauitenspiegel" zu widerlegen
und widerlegte sie zum Teil wirklich.'*)
Auf dem Gebiete der systematiscben Theologie war
wiederum nur Johannes Über thätig. Aas seiner Feder erschien
im Jahre 1609 eine Darstellung der katholischen Lehre von der
Kirche und im Jahre 1611 eine solche der Lehre vom freien
Willen, die er zugleich der Lehre Calvins gegenüberstellt.''*)
Damit ist die Htterarische Thätigkeit innerhalb der Danziger
Mission zu Ende; selbst als im Jahre 1615 in Danzig eine
Streitschrift gegen den Kardinal Bellarmin erschien, ermannte
sich kein Jesuit zu einer Gegenschrift, sondern dieselbe wurde
nur von der Kanzel herab durch Dr. Andreas Autander ver-
dammt.")
Sehr bezeichnend für die Danziger Patrizier sowohl, als auch
für die Jesuiten ist das gesellschaftliche Verhältnis, in das die-
selben zu einander traten. Dieselben Ratsherrn, die ein halbes
Jahrhundert hindurch den Orden und seine Anschläge auf das
Heftigste bekämpften, standen doch im Privatverkehr mit so
manchem Jesuiten auf friedlichem, ja, auf freundschaftlichem
Fuße. Diese Männer, die durch ihre Handelsverbindungen mit
Leuten aller Nationen und aller Glaubensbekenntnisse in Be-
Ziehung getreten waren, sie standen ,,auf einer Höhe geistiger
und geselliger Bildung, die sie vor dem Glaubensfanatismus der
großen Menge bewahrte und sie zu einer richtigen Scheidung
der Person und der Sache hinleitete." So kam es, daß sie mit
den fein gebildeten, gewandten Jesuiten gern verkehrten und
29) Friedrich BArtscii, Jesuitenspiegel, darin äugen schein! icb zu sehen,
wax eeltsame abentheiierlii^he Sachen die Jesuiten treiben. Branusberg,
»chönfelC 1603.
SO) Über, Von dem Hans Oottes, welches ist die Kircii des lebendigen
Gottes, ein Pfeiler und Grandfeet der Wahrheit. Braunaberg. Sehönfeiß 1609.
Über, de libero arbitrio, das ist katholische Lehr wider die calvinisehe
vom freien Willen Braunsberg, SchÖnfelß 1611.
Bl) Historia residentiae etc. Als Dmckort der StreitBchdft soll fiLlsch-
lich Basel angegeben gewesen sein.
Altpr. HonatwotiTlft Bd. XXVI. HfL T n. S. S6
DigtizBabyCoOgIC
570 I^^ Oeechiclite dev Jesuiten mission in Dtmxig.
bei ihren Gesellschaften and Gastmählern sich an der Bildung
nnd dem Scharfsinn derselben ergötzten. Mußte doch dor
Provinzial Johannes Argentus, der die Verhältnissd in Danzig
aus eigener Anschauung kannte, eingestehen, daß abgesehen von
der Keligion keine Differenzen zwischen den beiden Parteien
beständen, da die Danziger, wie sie überhaupt honette Leute
wären, so auch im übrigen anständig mit jenen verkehrten,**)
Andrerseits verhehlen auch die Jesuiten keineswegs, daß sie gern
die Häuser der Patrizier aufgesucht und an dem Verkehr mit
denselben Gefallen gefunden hätten. Freilich hatten sie o&, bei
diesem Verkehr die Absicht, ihre Seelennetze nach der jungen
Gesellschaft auszuwerfen, aber auch in Häusern, in denen an
eine Bekehrung nicht zu denken war, gingen sie aus nnd ein.
So finden wir hier in den vornehmen Kreisen der Dauziger
Bevölkerung neben einem begeisterten Eintreten für evangelischen
Glauben und evangelische Gewissensfreiheit eine Glaubens-
duldung, die in jener Zeit des Fanatismus und der Intoleranz
denselben zu doppelter Ehre gereicht.
32) Neque vero si onam religioDem excipias, uUa nobis cum OedaDeu-
aibus est difficultas, nam cum aliuqui viri honest! eint, in reliqius honeste
Dobiscum agunt. Job. Argentns, de rebns SocietAÜs etc. S. 144.
,dbyGoogIe
Probe aus Kaspars von Nostitz Haushaltungsbuch
des Fürstenthums Preussen.
Mitgetheilt von
Karl lisbrne^er.
Vorbemerkung.
Als ich in diesem Sommer über einige Ereignisse aus der
Öescliichte des Herzoge Albrecht im K. Geh. StEULtsarchlv zu
Berlin Nachforschungen anstellen darfle, wurde mir auch eine
in zwei Exemplaren vorhandene handschrifllicbe Arbeit aus der
zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts vorgelegt, welche die gleich-
zeitige Aufschrift „Hftushaltungsbncb des Fürstenthums Prüssen
1578'' üöhrt, und deren Inhalt bereits seit längerer Zeit den
dortigen Herren Beamten aufgefallen war und jetzt auch mir
von nicht geringer Wichtigkeit zu sein schien. Nach den Haupt-
ämtern des Herzogthums Preußen geordnet, wird darin eine
ganze Keihe von Gütern und Dörfern — wie es scheint, solche,
die damals zur fürstlichen Kammer gehörten — ihren wirth-
schaftlichen Zuständen und Verhältnissen nach bald mehr, bald
weniger genau beschrieben, nnd nberall werden Verbesserungen,
welche zur Erhöhung der fürstlichen Einkünfte dienen könnten,
in Vorschlag gebracht und besprochen. Als Verfasser nennt
sich in der kurzen Einleitung Kaspar v. Nostitz, inilem er
zugleich berichtet, daß er behufs solcher Besichtigung und Auf-
zeichnung das ganze Fürstenthum seit dem Jahre 1560 durch-
ritten hätte; nach der Jahreszahl in der Ueberschrift zu schließen,
scheint sich diese Visitationsreise, vielleicht gelegentliche Unter-
D§^zeabyC00gIe
572 Probe HUs Kaspars von Nostit-z Hanshai tungsbacli etc.
bre':biini<;en abgerechnet, etwa bis zum Jabre 1578 hingezogen
zu haben.
Kaspar v. Nostitz, ') im Jahre 1500 auf dem Erbgate
Lampersdorf in der Lausitz geboren, war, nachdem er in Krakan,
in Wien und zuletzt auch in Wittenberg studiert hatte, 1534
nach PreuQen gekommen, hatte dem Herzog Älbrecht seine
Dienste angeboten und war unter die färstlichen Räthe aufge-
nommen worden. Von welcher Art seine Beamten tbätigkeit
gewesen ist, dafür giebt es für längere Zeit keine thatsäehlichen
Nachweise. Jedoch wird in dem Entwurf zu einer herzoglichen
Verfügung, durch welche ©r für dreißigjährige ,, nützliche, treue
und fleißige" Dienste zum Bath und Diener auf Lebenszeit
ernannt wird (also etwa 1564 — der Entwurf ist undatiert), seine
Haupttbätigkeit also umschrieben: ,,Er soll nicht allein in der
Beutkammer mit Abhörung der Jahrrechnungen und Anderm
des Herzogs Nutzen, Gedeihen und Frommen suchen und fördern,
sondern auch in den herzoglichen Haushaltungen mit Fleiß
1} Die hier folgenden vorläufigen Angahen über das Leben dieses
Iklannes beruhen im Wesentlichen auf Akten dra hiesigen Staatsarchivs, zn
geiingerm Theile auf der Leichen- In timation des akademischen Senats vom
1. April 1588. Man wufite bisher kaum mehr von ihm, als daB er
fQr eine ganz kurze Zeit des Jahres 1&(J6 in der Reihe der Oberbut^grafen
erscheint (Erleutert«» Preu&en, I S. 853, wo jeiloch die gennneren Einzeln-
heiten falsch sind), daß er „sich durch Anlegung von Mühlen, Teichen,
Dämmen und Canälen, durch gut« Bauart der Dörfer und Häuser um das
Land verdient gemacht'' haben soll (Baczko, Gesch. Prenßens, IV S. 41X1),
daß er ein groDer Gegner Oslanders gewesen nnd auf sein Haus gegen den-
selben gerichtete Verse hatte setzen lassen (Erleut. Preufl,, I S. 95), endlich
daß er beim Proze-sse des Jahres 1566 öfter als ein „Verdächtiger", ein
Zugehöi'i(;er der „neuen Partei" genannt wird (Pawtnski, de rebus ac statu
duRatus Prussiae 15C6— 1668, 1879). Die herkömmliche, bekannteste Er-
zählung von ilim, daß er „aus Schlesien xu allererst die Karpfen nach
Preußen bringen lassen" (Erl. Prsuß, I 95), ist längst von Job. Voigt als
unbegründet« Sage ei-nieaen (N. Prenß. Provinzial- Blätter, 1846 I S. 158 fg.),
so daß auch Benecke's Meinung (Fische und Fischerei in Preußen, S. 286),
er sei vielleicht der erste Privatmann gewesen, der sich mit der Karpfen-
zucht beschäftigt«, als unstatibafter Versuch wenigstens doch etwas von der
Sage aufrecht zu erhalten zurückgewiesen werden muß.
DigtizBabyCoOgIC
Hitgetheilt von Karl Lohmejer. 573
zusehen und vornehmlich in allen herzoglichen Aemtern allerlei
Nutzungen, Einkünfte und Genieß, wie bisher von ihm {^escheben,
suchen, anrichten und fortstellen". Auf eine solche Amtslhätig-
keit weist deutlich genug der Inhalt der in Eede stehenden
Arbeit hin, zu ihr paßt auch der Titel eines Kammeiraths,
welcher N. in herzoglichen Schreiben aus dem Jahre 1565 bei*
gelegt wird.
Schon 1541 erhält N. fär seine treuen Dienste vom Herzoge
das Gut Arnsberg im Hauptamte Brandenburg (bei Kreuzburg);
1652 erhält er die Erlaubniß in Königsberg „hinter dem Schloß,
in der obem Firmanei", also etwa auf dem heutigen MOnzplatz,
ein Haus za erbauen; obwol er öfter dem Herzoge mit Geld-
Vorschüssen, auch recht beträchtlichen, unter die Arme zu greifen
in der Lage war, gehört die nächste vorliegende Q-nadenbezeugung
doch erst dem Jahre 1565 an, wo ihm zu erkauflen 60 Hufen
Wald noch 50 zugesohenkt werden, während allen übrigen GUter-
verleihungen stets ein Kauf zu Grunde liegt. Undenkbar wäre
es durchaus nicht, daß Herzog Albrecht dem Beamten, der aus
seiner Gegnerschaft gegen die Bechtfertigungslehre Osianders
gttr kein Hehl machte, trotz aller Verdienste seine Gnade für
einige Zeit entzogen hätte, warf er doch Nostitz in einem
eigenhändigen höchst schroffen Mandate sein „meuterisches und
mehr denn unchristliches') Herz und zänkisches Gemüth" vor.
Die oberburggräfliche "Würde hat Kaspar v. Nostitz zwar
in der That im Jahre 1566 während einer kurzen Zeit bekleidet,
doch läßt sich darüber volle Klarheit nicht gewinnen, da die
vorhandenen urkundlichen Nachrichten nicht ausreichend sind,
auch sonst noch eine Schwierigkeit bieten. Vor Allem, wann
der „alte" Oberburggraf Christoph v. Kreytzen, über dessen
Amtsführung nicht ohne Grund geklagt zu sein scheint, seines
Amtes enthoben ist, läßt eich vorläufig nicht mit Bestimmtheit
angeben, doch erscheint Kaspar v. Nostitz bereits am 13. März 1566
in einem herzogUohen Schreiben als ,jetziger Oberburggraf zu
1) ? oder vielteicfat: unwirrsches?
DigtizBdbyGOOgle
574 Probe aus Kaspa.r8 von Notititz UaushaUungsbuch etc.
Königsberg"; daß dem Erstem die Gegner der neuen Eäthe auch
später noch den Titel beilegen, dürfte doch ohne Belang sein
Während dann Kaspar Fasolt am 18. Juni zum „obersten Burg-
grafen auf Königsberg" vom Herzoge bestellt wird, erscheint
Nostitz noch einmal in derselben Würde in einer herzoglichen
Verschreibung vom 8. Juli, durch welche ihm selbst, ob er zu
dienen im Stande sei oder nicht, eine gewisse Besolduog nebst
Hofkleidung und Hofspeiaung auf Lebenszeit zugesichert wird.
Will man diesen offenbaren Widerspruch im Datum niclit auf
die Unordnung und Nachläßigkeit in der „neuen Kanzlei"
schieben, so könnte man vielleicht annehmeu, daß bei der Ueber-
traguug in den Eegistranden — die Originalausfertigungen liegen
nicht vor — in der zweiten Urkunde ein Zusatz wie etwa der
„vorige" ausgefallen sei. Als wahrscheinlichen Grund für diese
schnelle Entsetzung von dem Oberamte führt Nostitz selbst
später den, freilich erfolglosen Widerspruch gegen den Verkauf
zweier großen herzoglichen Güter an die danziger Gläubiger des
Herzogs an. Man wird darnach, scheint mir, in der Benrteilong
dieses Mannes kaum fehlgreifen, wenn man ihm die Wahrung eines
nicht geringen Maßes von Selbstständigkeit in kirchlicher
wie in politischer Beziehung und zugleich eine in jener Zeit
seltene Gewissenhaftigkeit und Pflichttreue zuschreibt. Wie ihm
das Treiben und die Wirthachaft der alten Räthe und der Adels-
partei, die doch wahrlich nicht auf den VortheU des Landes-
herrn hinauslief, zuwider war, so mußte er auch ihren Gegnern
seine Zustimmung versagen, sobald er sie für sich selbst und
die Ihrigen mehr als billig einheimsen sah. Im Prozesse von
1666 erscheint er allerdings unter den „Verdächtigen", aber man
hat ihm doch nichts anhaben können; er verbleibt auch weiter
im Dienste des Herzogs. Erst nach dem Tode Herzog Albrecbts
selbst ist man daran gegangen auch das ihm auf Lebenszeit
verschriebene Deputat der durch die polnischen Kommissarien
von 1566 angeordneten Kassation zu unterwerfen und beant-
wortete seinen Widerspruch, in welchem er auf seine großen
Verdienste hinwies und unter Anderm bemerkte, daß jenes Deputat
DigtizBabyCoOgIC
Mitgetheilt von Karl Lohmeyer. 575
aua deu durch seine Anstrengangen erhöhten fürstlichen Nutzungen
leicht tausendfach entnommen werden könnte, mit Hohn und
Spott. Bessere Anerkennung scheint er dann wieder bei dem
Markgrafen G-eorg Friedrich gefunden zu haben, dem ein
Beamter von der Art des Kaspar Nostitz vortrefflich zusagen
mußte.
Wenn nun ferner auch dem Easpar v. Nostitz die Einführung
der Karpfenzucht, die schon in der Ordenszeit in Preußen be-
trieben wurde, nicht mehr zugeschrieben werden darf, so ist
ihm doch ein weit umfassenderes Verdienst, ich möchte sagen:
verwandter Art, eigen, ein unbestreitbares Verdienst um die
Hebung des Wasserweaens im Herzogthum Preußen überhaupt,
da er bei der Verwaltung der fürstlichen Güter und Höfe fast
sein Hauptaugenmerk auf die Anlegung und Besserung von
Mühlen und Teichen, auf die Hebung der Fischerei, auf Räumung
und Kanalisierung der Flüsse richtete. Dieses wird nicht etwa
bloß in der oben erwähnten Leichen-Intimation des akademischen
Senats rühmend hervorgehoben, sondern es geht aus beinahe
jeder Seite seines Haushaltungsbuches hervor und wird außerdem
aiieli urkuudhch erwiesen, wie später an einer andern Stelle
genauer ausgeführt werden soll. —
Mit dem unten folgenden Abdrucke einzelner Abschnitte
aus dem Haushaltungsbuche des Kaspar v. Nostitz beabsichtige
ich vorerst nur eine Probe von dem Inhalte desselben und
zugleich die Möglichkeit einer Prüfung seiner Wichtigkeit zu
geben. Demgemäß enthalte ich mich jeder erläuternden An-
merkung; nur ganz kurze Nachweise über die erwähnten Orte
habe ich geglaubt (in Klammern) beibringen zu müssen. — Von
den beiden Exemplaren des berliner Geb. Staatsarchivs ist das
eine (Holz-Leder-Einband in Folio, 196 Blätter) ganz und gar
von Nostitz selbst geschrieben und hat am Anfange einen Index
ebenfalls von seiner Hand, am Rande viele sachliche Bemerkungen
Anderer und am Ende ein Register des Archivars Schönebeck
von 1644; das andere (Pergameut-Einband, 137 Bläter) ist eine
in einem Zuge geschriebene Abschrift aus dem 16. Jahrhundert.
DigtizBabyCoOgle
576 Probe aua Kaspars von Nostitz Haushaltungabuch etc.
Für den augenblicklichen Zweck dürfte es genügen, wenn der
Abdruck nach der wörtlich übereinafcimmenden Kopie geschieht;
die Orthographie ist (bis auf I und J) genau beibehalten, nur die
Interpunktion des leichtem Verständnisses halber nach heutiger
Weise geändert; 4ie römischen Ziffern sind von mir zugesetzt.
I.
Nachdeme Ich Caspar vonn Nostitz diß Fürstenthum zimblich
durch Bitten vnnd allerley Nutzung gesucht, habe Ich das, was
zu machen beuolhen vnnd noch zu machen sey, vnnder ein
Jedes Ämht verzeichnet; Ängefanngen diß 60 Jar, Gott geb mit
gnaden. Der fromme Fürste hatts erkannt, biß inn Irer Fürst-
lichen Gnaden ende, Itzunnd lohnen mir etzliche Preusaenn.
Mein bedenncken: wo die Mühlen nahendt am Hanse
ligen, aollen die Mühlen mit einem Khnecht ader Meister auf
Gelldt vnnd nicht die Hetzen gehallten werden. Herr Achatius
Zeme vollget balld meinem Bath, wie Ich Ihne zu Holland inna
Ambt eingewiesen. Damit die Müller nicht stelen, Achte Ich
vor gut, das Mein Gnediger Herr die Metzen vonn den Müllern
kaufTen Hessen, das die Müller nichts verkeuffen müsten, sondern
behiellten nur zu Irer Speyse, vnnd Ire Fürstliche Gnaden liessens
den Armen Leutten verkauffen.
Hoch ists vonn nötten Alle 14 Tage auß zu metzen ; können
die Müller auch nicht so stelen, Alls do etzliche alle Quartal
auß metzen thim, etzliche kaum im halben Jar, wie Ich solches
mit der that erfahren. Das schreybe Ich bey meinem gewissen,
das wenig Ämbtleute gut© "Würdt sein; Mehrer theils, doch
nicht alle, haben mein angeben veracht, Doch inn einem Jeden
Ambt würt man finden, was ein Jeder gethau, dann vil sagen:
Ist es doch vor nicht gewesen, welchen auch mein Gnediger
Herr hardt einreden thete. Ich mag sie nicht nennen, Aber
schad ist es, das die schöne Gmbter nicht besser vnnd mitt
mehrerm Nutz gebrauchet werden.
,dbyGoogIe
Mitgetheilt von Karl Lobmeyer. 577
Bey meinem leben Habe Ich vil Meister gehabt, aber mein
Gnediger Herr hielte Tber mir, vnnd ist Gott lob auch wol
geratben. Nach meinem absterben (sonnderlich dieweyll mir
etzliche feind seindt) werde Ich nichts guts gethan haben,
"Wie sichs diß 77, Jar angefanngen. Der liebe Gott gebe, das
nach mir einer komme, der die Nutzung verstehe vnnd mit
fleiß suche vnnd Gott zum Faumeister anruffe, aonnsten würdt
es nichts sein. Ich habe es nicht von mir, sonndem venu dem
lieben Gott gehabt, dene Ich vmb veratanndt gebetten.
II.
Preuschmarckh das 5 Ambt.
Inn disem Ämbt werden künfftig vil Nutzung zu machen
sein. Allein das künnfitige 63 Jar würt das Ämbt erst abgelöset
werden; so will Ich dann mit Gottes hüllflTe die Nutzunng suchen.
Diß 64. den 20. Februarii habe Ich angefanngen zu suchen,
was nutzlich zu Pawen sey, vnnd habe gefunden:
1. Ein Newe Schefferey [Schäferei] dar angelegt, Haben
aber den Stall dem Houe zu nahenndt gebawet, der soll nechst
dem Obßgarten gesatzt werden.
2. Ein Dorff Storcbneat [Kreis Mohrtingen] genanndt: Do
ist ein forder gut forbrig anzuligeu; man möchte auch dar eine
gute Studt hallten.
3. Den Hof DoUstedten [Dollstädt, Kreis Pr. HoUand\ möcht
man, weill er gar Pawfellig ist, aut die allte Manre Pawen, Do
in Zeiten ein Sattelhof gewesen.
4. Die Mühle daselbst soll New mit 3 gengen gepawet
werden. Derselben MUhle kan man mehr Wasser geben vonn
dreyen Deichen, auch das Wasser hallten inn jederm vrablauf
mit einem stocke; das habe Ich allso machen lassen.
6. Es seindt dar die Wisen verwachssen, die Gräben ver-
ganngen; Habe Ich beuolhen die Gräben zu ferttigen vnnd den
Strauch aufi zu Goden; obs geschehen wttrt, gibt die Zeit.
DigtizBabyCoOgIC
578 Probe aus Kaspare von Nostit« Haushalt angebucli etc.
6. Zu Mißwallde [MiswaJde, Kreis Mohrungen] Ist ein Mühl
mit einem Gannge, do iat Malwerckli vnnd Wasser genug; Habe
Ich beuolhen eine Newe Mühle neher ahn Deiche zu Pawen
mit dreyen genügen, den Tbam zu erhöhen.
7. Vnnder diser Mühlen khan ein Schneid Mühle gepawet
werden, auch ein Walckh Mühle; vor AUters ist dar auch ettwas
gepawet gewesen.
8. Vber Mißwallde ist ziiuom ein Hamer gewesen; do soll
man fragen, ob Eysen £rtz zu finden sey, vnnd wider einen
Hamer hinpawen. Item zu Mißwallde vber dem Mühltheich
seindt noch 3 ader 4 theiche zu machen, alles der Mtihlen zum
besten; solches ist beuolhen zu machen.
9. Dieweyll inn disem Arabt vil schöner Heyden sein,
das Holtz vbell verpicht würt, soll das pichen abgeschafft werden
vnnd das Holtz geschnitten werden; brenget Zehen fechtigen
Nutz. Die Affler Schlege vnnd stoben soll man pichen.
10. Ein Wuscht Gut Feilschmitz [FeilschmiJt, Kreis Moh-
ningen]: sein 3 Deich vber einander zu machen, die seindt
beuolhen zu machen.
U. Zu Tabern [Taahern, Kreis Mohrungen] ist ein Mühle
mit Zweyen gengen; do ist beuolhen den Tham eines Mannes
hoch zuerhöen, im Vmblauf einen vberfall zu machen mit
zweyen Fenstern, do mit man das Wasser inn der Flut weckh
weisen könne, Auch das Wasser der Mühlen zum besten zu
hallten; die Mühle soll mit 3 gengen gepawet werden.
12. Zu Eothen [Eohden, Kreis Mohrungen] Ist ein Sehe,
do khan man eine khleine Scbleussen pawen, wann grosse Flut
ist, das Wasser hallten, wann die Mühle Wasser bedarff", khan
man Wasser vollgen lassen. Ein schöner notzer Paw, wanns
nort gemacht würde.
13. Kalckh Ist inn disem Ambt genug vnnd keine Ziegell-
acheine, darumb ist beuolhen noch dises 64. Jar eine zu Pawen.
14. Broteinen [Prothainen, Kreis Mohmngen] Ist ein khlein
Forwerckh, wenig Bhaum; Ist beuolhen mehr zu reumen, Acker
vnnd Wisen mehr za machen vnnd Beumen lassen. Alldo ist
D,gt,zBabyC00<^IC
Mitgetheilt von Karl Lohmeyer. 579
auch deß Hofs nottarffb ein Deichlein zu machen, vonn drey
oder 4 Morgen, leichtlich zu zurichten.
15. AJlt Krißburg [AU-Christburg, Kreis Mohrungen] iat ein
Kirchdorf, fast wüste; do kan man auch einen Hof vnnd
Schefferey anlegen; seindt daselbst vberaus vill Wiaen, die sollen
gereumet werden, die Gräben gereumet werden vnnd geferttiget;
vonn solchen Wlsen kan vü vermiedtet werden, vber deß Houes
vnnd Schefferey nottnrfft.
16, Zu Soluelldt [Saalfeld] Iat ein Fließ besichtigt, Das
inn See geet. Derselbe ist mit geringer Vncost zu stoen, eins
Manns hoch, so laufft es zu Eackh auf die Preuschmarckische
Mühle; Do mag man 3 genge zurichten, würt dann khein Wasser
manglen, hatt auch Sackes genug, "Wie mich der Müller vnnd
Heubtmann Knoff bericht. Wolff Creutz sagt, es werde der
Mühlen gehn Oaterrode schade thun, Ich hallts aber nicht, Do
es aber geschehe, müste inn Tham ein Steg vnnd Binnen gelegt
werden, das man bißweilen im fall der Not auch lauffen Hesse.
III.
Rangnit das 21. Ambt.
1. Diß ist ein groß Ambt, hatt Itzunder 3 Hofe. Es be-
darf? wol eines guten Haußwürts.
2. Bey dem Houe Schreitlaucken [Schreitlauken, Kreis
Tilsit] ist ein Theich zu machen beuolhen, deßgleichen die
anderen Theiche zuferttigen, zu erhöhen vnnd zu stercken.
3. Zu Beiorgallen [Bajohrgallcn, jetzt Klein-Wersmeninken,
an der Inster, Kreis Pillkallen], welches im Insterburgischen
gelegen, aber neher Bangnit, dar ist eine schöne Vihe Zucht zu
machen, do soll Ao. 63 ein Hof hingelegt werden vonn beeden
seytten deß Flieases, vnnd das Vorwergkh gehn Bangnit ge-
schlagen werden, von beiden emptern Rangnit vnnd Inster-
burg das nechste Soharwerckh dahin gebraucht werden. Inn
diaem Houe soll nort Bindt Vihe, Pferde vnnd Schweine
vnnd nicht Schaffe gehallten werden, biU mit der Zeit ein annder
DigtizBabyCoOgIC
680 Probe aas Kaspars von NoBtitz Haushaltiuigabuch etc.
ort zur Schefferey gefunnden, dann hier ist« zu Tieff vnnd kheine
Schaff trifft oder Weyde für die Schafe.
4. Zu ÄIxupeneu [Alxnupönen, Kreis PiUkaUen] ist ein grosser
Theich 2U stohen vnnd auoh eine Mühle zu pawen, Bann
F. Dchl. beste Dörffer auf ein halbe Meyl dauon gelegen.
Nachdeme deß 61. Jares der Mühl Theiehe zu gericht, so soll
der Heubtmann deß 62 Jar8 die Zwen Newe Theiehe bey defl
Cemmerers Acker, die nahend bei einannder ligen, vnnd die
Mühl theiehe Wessem; sollen die Thämme erhöhet vnnd lennger
gemacht werden, Damit mann das Wasser auf die Mühle hallten
khau. Dise beide Theiehe mns man allein zu Karus [Karausch]
ballten, Wann man aber Karpen darein setzen will zur Laich
oder Samen zu erstrecken, mus man sie alle Herbst ablassen.
5. Äuff der grossen Wise, do den Sommer das Gelldt [nicht
trächtig] Vihe gehet, soll der Heubtman quer Rücken machen
lassen; Allwege 2 Hüben zuuerricken, damit Das Vihe nicht auff
ejnmahl durehaus gehüettet, sonndem wann ein Gartten auJJ-
gehüettet, darnach inn anndern gethriben, allao frisch gnimet
wachssen möge. Es möchten allso etzliche Gärtten zu gewinnen
sein vnnd Hew zu machen, die erfaliruung würts dann geben.
Die Zeune zu machen soll er den Ambts Vnnderthanen außteilen;
es müssen gelochte Pfahle sein, Rücken durch zu stossen; den
Winter nimbt man die Rücken wegk deß Eyses halben. Dem
Heubtmann gefellts nicht, weill sonnsten Hew genug, mit dem
Hew aber, das hier gewonnen werden möchte, könnte man
1000 Schaffe mehr hallten und die dritte Sobefferey anlegen.
Vonn dem Theiehe zu Schreitlaueken soll das Wasser durch
einen graben inn Hof geleitet werden, der grabe soll neehst
am Äcker gemacht werden. Inn disem Ämbt weren noch vil
theiehe zu machen, wann ein Ambtman die gründe durch-
suchen thete.
Auff Fohubels ^) soll eine Sobefferey anzulegen sein;
1) Ohne Frage „das Gut Lickunen im Amt Sagnit im Dorfe Trep-
penen [Jetzt Trappönen] gelegen", welches 20. März 1566 dem Berabard
Pohl bei verechrieben war.
DigtizBabyCoO^IC
Mitgetbeilt von Karl Lohmeyer. 581
mos besichtiget werden Diß habe ich Änno 63 besieht.
Pohubell ist gestorben, das gut gehört meinem gnedigen Herrn,
ist wol zu Pawen. Daa Wasser aus dem grossen Theiche Füsan
Kau man durch einen graben auf die Müble für dem Hause
führen, ein Steg inn graben setzen, das Wasser durch die
Kinnen, so vil man haben wül, auf die Mühle lauffen lassen.
Da daa Dorf Ältschnappen [jedenfaUn Hemienber^ers „AU-
snacken s. Berseninken" an der Sckescimppe, nördlidi von Schir-
tcindt] gelegen, soll ein New statt angelegt werden. Do ist der
Strom Schassupe, kan man zu Wasser gehn Königsperg kommen;
es würt auch die Landstrassen dahin gehen. Ahn den Sehe
kan man eine Korn Mühle, auch schneid, Walekh vnnd Schleiff
Mühle anlegen.
Ahn dem Fliesa Dierwannuppe [Nebenfluß der unte}H
Scheschuppe] were ein zimblicher Theich, auch eine Mühle zu
machen, mit gringer vncoet, inn dem orte, do das Fließ
Dierwanuppe inn Fließ felldt; Gegen diser Theichstet vber
ist noch eine Deichstette,
Die Puduppe scheidet Eangnit vnnd Insterburg, biiS inn
die Kaguppe [Buduppe und Eaguppe, Nebenflüsse der obern
Tnster], darnach scheidet die Baguppe Bangnit vnnd Insterburg.
Die Soler sollen auf dem Hause gestrichen werden, dann
das Oethreide feilt durch.
IV.
Cantzler Ambt.
Doctor Johann Äpel war Anno 30 Cantzler bis inns
35 Jar; der wahr tbüglich inn der Cantzley vnnd Eathstuben
vnnd sähe, das es da Becbt zu gienge, die Hendel gefürdt, die
Leute abgeferttiget; diß ist deß Cautzlers vomembate Ambt.
Hier ist zum höchsten bey disem Ambt, das man nicht ge-
schenncke nehme (wie auch zwar bey anndem), aonnsten würts
auf gut Polnisch gehen , dann geschenncke blenden der dichter
Aogen.
DigtizBabyCoOgIC
582 Probe aus Kaapars von NostJtz Haushalt ungsbuch et«.
F. Dchl. Hochloblicher gedechtous waren willens Huinseti
Ranttem beim Heyligen Creutze neben dem Caubzler «in Haas
zu Pawen; ist räum genug den Gartten inn zween tbeil zu
tbeileu. So starb Bluter, blib allüo yngepawet, behielt der
Cantzler Hanns Creutz den gantzen Gartten. Im iall do mein.
Gn. Herr "Wobnungen mangeln würden, Könnte man noch ein
Haus für einen ßath hin Pawen, haben zwo Personen Eaum
genug. Den Cantzler vom Schlosse zu s]»eysen ist nicht Rath,
es gebet sehr vÜ auf ibne aus der Kuchen, Keller, Backhhaus
vnnd Schlacht Hone. Er hatt die Ausspeysung nicht lanng
gehabt, sondern F. Dchl. gaben ime am ersten zur Besolldnnng
200 mk., für die Außspeysung 100 mk.; das last ime sein
Bruder Christof Creutz noch geben, Auch für Küchen vnnd
Keller die Ausspeysung, vnnd was er bedarff ahn Viseben vnnd
fleisch, Deßgleichen frey Holtzunng vnnd der Cantzley halbes
gefelle.
ThägUcb sollt er billich irm die Batbstuben vnnd Cantaley
gehen, auf alle Henndel sehen, Das die arme Leute inn der
Batbstuben vnnd Cantzley gefördert würden vnnd mit Gellt
nicht vbersatzt, wie diß 70 Jar geschehen, Das das New vonn
mir angelegte Stettlin Goldtappe im Insterburgischen 500 mk.
für die Hanndtveste geben sollten; mit höchster bitt, heylen
vnnd Weinen erhielts noch der Schnitz auf 300 mk. Darüber
er inn meiner gegenwerttigkeifc sehr weinete. Auf solche schin-
derey müste ein Herr gleichwol sehen, Das die Armen vnder-
tbanen nicht vbersatzt werden. Kheinen geitzhallts sollte man
zu solchem Ambt gebrauchen; Ahn einem frommen vnd gelerten,
Ja beredten Cantzler ist vil gelegen, nicht ein Schinder. Ja
E. F. Dchl. sollen den threwen Gott teglich vnnd fleissig vmb
threwe vnnd fleissige Diener bitten, wie Dauid gethan im
101 Psalmen, sonnsten werden E. F. Dchl. Achitopbil, Doeg
vnnd Haman bekommen vnnd dergleichen heuchler vnnd
Jaherm, Pur welchen der threwe Gott E. F. Dchl. gnedigklich
bebüetten wolle. Amen.
,dbyGoogIe
Das Landwehrkreuz auf dem Rinauer Berge
bei Galtgarben.
rtrag, gehalten am 28. Oktober 1889 is dem Verein l'ür die Geschichte
von Ost- uod Wealpreußen
Oberlehrer Dr. Oottiteb Kranse.
In der Mitte des Samlandes zieht sich von Nord nach Süd
eine Hügelkette, das sogenannte Alkgebirge, deren südlichster
Eckpfeiler, der Rinauer Berg, jetzt gewöhnlich der Galtgarben
genannt, eich 352 Fuß (111 Meter) über dem Wasserapiegel der
Ostsee, 146 Fuß (46 Meter) über dem an seinem östlichen Fuße
sich ausbreitenden Torfmoore erhebt.')
Erinnerungen aus alter und neuer Zeit verleihen dem Berge
für jeden Ostpreußen eine besondere Bedeutung. Früher trug
er, sowie die ihn umgebende Landschaft, etwa das jetzige Kiroh-
1) S. den Aufsatz "Walds über den Galtgarben im Preußischen ÄrchiT.
Herausgeg. v. d. Königl. Deutsch. Gesellsch. zu Königsberg. August 1794.
S. 537—649, woselbst (S. 5S9) die älteren gedruckten Nachrichten über den
Berg angefllhrt sind. Wald öberschfttzt die Höhe desselben sehr und führt
manches Sagenbafte über ihn an. Oberlehrer Gerber, der mit Wald zu-
sammen die Gegend besuchte, lieferte für das PreuO. Archiv Sept. und
Sezemb. 1794 eine „Mahlerische Beschreibung einer Eeise in das Galt-
garbische Gebürge" (S. 601—610. 833—860). Vgl. fi;mer Faber, Gescbicht-
liche Nachricbten vom Galtgarbenschen Berge und dem Schlosse Rinau,
in: Beiträge zur Kunde PreuBens. 4. Bd, Königsberg 1821. S. 122-137; auch
besondere gedruckt „Zum Besten der Bergkasse." Desselben Taschenbuch
von Königsberg. (Königaherg 1829.) S. 101—105. K. £. Gebauer, Kunde
des Samlandee. Königsberg 1844. S. 10—11. 93-94. L. Passarge, Aus
Baltischen Landeu. Studien und Bilder. Glogau 1878. S. 31-87 etc.
DigtizBabyCoOgIC
584 ^'^ Landwehrkreuz auf dem Rinaaer Berge bei OfiltgarLeti.
spiel Eumehnen, den Namen Rinau und gehörte zu dem Be-
sitztum des in Fischhausen residierenden Bischofs von Sam-
land.^} Schon in jener ältesten Urkunde über Topographie des
Samlandes vom Jahre 1258 wird dieses Gebiet unter dem Namen
Ereyno und Eriuo angeführt. Es gehörte zu dem Dritteil der
Landschaft, welches dem Bischöfe Heinrich von Strittberg zu-
gewiesen wurde.*)
Jedoch hier ist nicht meine Aufgabe, in das Dunkel der
Vergangenheit eindringend, der ältesten Geschichte des Berges
nachzuspüren, nur wenige Worte seien mir darüber gestattet.
Faber in seinem Aufsätze Geschichtliche Nachrichten vom
Galtgarbenschen Berge und dem Schlosse Rinau (im 4. Bande
der Beiträge zur Kunde Preußens) nimmt zwar als höchst wahr-
scheinlich an, daß der Gipfel des Berges schon den alten Preußen
als Warte gedient habe, von der noch bis nach Natangen bin
sichtbare Feuerzeichen die Annäherung feindlicher Scharen ver-
kündigten, weist aber die Ansicht, daS hier bereits vor vOUiger
Beruhigung des Samlandes durch den Orden eine Burganlage
bestanden, zurück.^) Die von Ihm angeführten Gründe sind
jedoch zu allgemein, um überzeugen su können. Wenn schon
der urkundliche Beweis fttr das Bestehen einer Veste vor dem
Jahre 1329 nicht beigebracht werden kann, so zeigt doch der
gewaltige Graben nebst Umwallung, welcher sich um den Fufl
der obersten Bergkuppe zieht, nach dem Urteil von Sachver-
ständigen den Charakter der Verteidigungsanlagen aus a1t<
preußischer, heidnischer Zeit. Leider ist auf dem Berge nichts
von altem Mauerwerk zu erblicken, vielleicht würden dort an-
gestellte Nachgrabungen die gewünschte Aufklärung geben.
1) Nach WaW 1. c. S. M2 hätte der Berg sowie die ganze Gegend
bis zum Anfang des 17. JnhrhundeHs Rinau gehießen.
2) S. die Urkunde mit Erläuterungen und einem Anhange heraus-
gegeben von Gebauer in Neue Preuß. Pro vinzial- Blätter. Bd. VUJ. Königs-
berg 1849. S. 842-358.
8) Beitr. etc. IV. S. 125.
,dbyG00gIe
Von Dr. Gottlieb Krause. 685
Im 14. Jahrhundert wird in Veraehreibungen der Bischöfe
von Ssmland einige Male ein bischöfliches Schloß auf dem Berge,
das castrum Rinow, erwähnt; jedoch schon im Jahre 1399 wird
in einer vom Bischof Heinrieh ausgestellten Urkunde des
Schlosses als ehemals vorhanden gedacht,') Wahrscheinlich
hat das castrum Einow nur aus einem biscliöf liehen Hof be-
stabden, der innerhalb der ans älterer Zeit stammenden Be-
festigung angelegt worden war.
Nach Auflösung des Ordens und Einführung der Refor-
mation ging die Rinauer Höhe mit den anderen bischöflichen
L&ndereien in den Besitz des Herzogs Albrecht über und blieb
landesherrliches Gut, bis im Jahre 1772 der Besitzer des köllmi-
schen Gutes Gal^arben den Berg zu Erbpachtsrechten ver-
schrieben erhielt; zugleich wurde er verpflichtet, der Dorfschaft
Dallwehnen „die gemeine Weide und Hutung" auf demselben
zu gestatten. Durch eine Königliche Kammer -Verlegung vom
26. Dezember 1802 wurde jedoch ausdrücklich ausgesprochen,
„daß der Berg nicht als ein Pertinenz des cöllmischen Guts
Galtgarben angenommen werden könne".
So ist der durch Naturreize geschmückte, an historischen
Erinnerungen reiche Berg aus landesfiirstliehem in Privatbesitz
gelangt, und dabei ist es bis heute geblieben, ein Wandel, der
im Hinblick darauf, daß das Interesse an dieser Stätte ein
öffentliches ist, beklagt werden muß.
Denn es ist nicht nur das Andenken an jene alte, längst
verkiungene Zeit, das uns Jetztlebende zum Besuche der lieb-
lichen Berghöhe lockt, sondern vor allem der Umstand, daß
sie zur Stätte der Erinnerung an die ruhmreichste Periode
unserer heimatlichen Geschichte, die Freiheitskämpfe der Jahre
1813 — 15, geweiht worden ist.
Auf dem geebneten Gipfel des mit reichem Walde, be-
sondera mit Eichen und Birken, bedeckten Berges ist von Weat
1) 1. c. S. 127; Tgl. Gebaner, Kunde <les Saiulandes S. 98— Ü4.
Altpr. HoDKtMobrirt Bd. XXTL Hft. T D. S. 37
DigtizBabyCoOgle
586 Dae I^andwehrtreaz aaf dem Rinauer Ber^e bei Oaltgarben.
nach Ost eine Lichtung durchgehauen, jener weithin erkennbare
Einschnitt, in dessen Mitte sich das Kreuz erhebt.') Es steht
anf einem aus Gramtsteinen errichteten Altar, der sich auf einem
zweistufigen Unterbau befindet. Die Vorderseite des Kreuzes,
nach Osten gewandt, zeigt in ihrer Mitte am Bande den Orden
des eisernen Kreuzes und den "Wahlspruch des preußischen
Landwehrmannes :
Mit
Gott
für König und Vaterland.
Auf der Eückseite im "Westen liest mau die großen Namen:
Scham höret. York. Gneisenau.
Die an dem Altar befiodlichen Lisebriften gedenken der
siegreichen Einzüge in Paris, am 31. März 1814 und am
7, Juli 1816, und der Pariser Friedensschlüsse vom 30. Mai 1814
und 2. Oktober 1815.^)
An der nördliclien und südlichen Seite des Unterbaues
führen Treppen hinauf, auf welchen je eine vierkantige, mit
einer steinernen Kugel geschmückte Granitsäule steht. An
diesen beiden Säulen sind eiserne Platten angebracht, deren In-
schriften den Kämpfen und Siegen der Jahre 1813 — 15 gewidmet
sind. Die entscheidenden Siege von Leipzig und Belle-Älliance
sind durch größere ovale Tafeln ausgezeichnet; die Inschriften
sind hier von Lorbeerkränzen eingefaßt. Unter der dem Siege
an der Katzbach gewidmeten Gedächtnistafel tritt der Namen
des Marschall "Vorwärts hervor, in ähnlicher Weise gesellt
1) Eine Abbildung dos Berges im Berliner Kalender auf das Schalt-
jahr 1836, wozu auf S. 105—96 die Erklärung. Das auf diesem Kupfer-
stiche sichtbare Denkmal ist jedoch falsch dargestellt. Die Inschriften des
Galtgarben sind angegeben in dem Anhange des Separatabdruckes der
Faberschen Abhandlung Geaehjchtliche Nachrichten vom Galtgarbenschen
Berge etc.
2) Unterzeichnet wurde der Frieden erst am 20. November 1816,
am 2. Oktober war die entacheidende Vereinbarung zwischen Frankreich
und den vier Mächten zustande gekommen.
DigtizBabyCoOglC
Von Dr. Oottlieb Krause. 58?
sich zur Inschrift auf die Bennewitzer Schlacht der Namen
Bülows.
Aaf dem Südabhange des Galtgarhen, uhgefUhr auf halber
Höhe, ist ein Kenotaphion aufgeachitttet, welchea den Manen
der in jenem heiligen Kriege gefallenen Kämpfer geweiht ist.
Am westlichen Ende dieses kolossalen, von Kichen beschatteten
Grabhügels steht ein hölzernes weißes Kreuz mit dem Landwehr-
spruche. Dieser umgiebt die auf einer kleinen Platte befindlichen
Zeichen I. K. S. (in hoc signo). Auf der andern Seite des Holz-
kreuzes ist der Kamen Schamhorsts, des edelsten Opfers der
Freiheitskriege, mit dem zweimaligen utinam zu lesen; darunter
steht, jetzt unleserlich, sein Todesdatum:
28. Juni
1813.
Eine eiserne, unterhalb des Holzkreuzes aus Grab gelehnte Tafel
laßt folgende, von Eichen- und Pahnbifittem umgebene In-
schrifl erblicken:
Den Tausenden
für das Vaterland einst
starben,
dem Staat u. Fürsten Heil,
Lob und Dank erwarben,
1818.
Noch eine Merkwürdigkeit weist der Berg auf, die von
den jetzigen Besuchern wenig beachtet wird. Es ist ein ein-
sames, schmuckloses Grab, das nördlich vom Denkmal aufge-
schüttet ist und von alten Birken überhangen wird. Hier ruhen
die Gebeine des Mannes, durch dessen hingebenden Eifer einst
das vaterländische Ehrenmal auf dem Galtgarben entstanden ist,
des am 16. August 1820 verstorbenen Kriegs- und Domänenrates
Johann George Scheffner. Schon zwei Jahre vor seinem
Tode hatte er sich die unvergleichliche Grabstätte ausgesucht.
An einer Birke zu Häupten des Ruhenden ist eine Holztafel
befestigt, die folgende von ihm selbst verfaßten Verse zeigt:
zeabyCoOgIC
583 ^E^ Landwelirkreuz aut dem Rinauer Bec^e bei Galtgarben.
Der dem eisernen und Landwehr Kreuze
Auf des Galtgarbs Zinn ein Ual erhob,
Unbeklimmert, ob auch Danck und Lob
Ihm dafür zu tbeil von andern werde
ruhet hier
im UutterBcboos der Erde,
Möchten alle, die den Berg beechaim.
Mit 80 festem Gottvertraun
Und HO frei von Weltverlangen
Einst in ihre Gräber gehn.
Wie in sein Grab er gegangen.
Ein hochbedeutsames Stück heimatlicher Geschichte rollt
sich vor uds auf, wenn wir dem Leben dieses merkwürdigen
Mannes näher treten. Geboren am 8. August 1736 in unserer
Vaterstadt, gestorben ebendaselbst am 16. August 1820, hat er
ein Alter von über 84 Jahren erreicht. So ward er Zeuge der
ungeheuersten Wandlungen in unserer vaterländischen Ent-
wickelung, er hat die Euhmeszeit unter Friedrich dem Großen
durchlebt, er sah als Greis die stolze preußische Monarchie unter
den Schlägen Napoleons zusammenbrechen, aber ein gütiges
Geschick, das ihm ein Alter über die vom Fsalmisten ange*
gebene Grenze hinaus gewährte, hat ihn noch den Wiederaufbau
derselben schauen lassen. Mit außi^rordentlicher geistiger KegsanL-
keit begabt, fand er sich in die Verschiedenheit der Zeitan*
Behauungen und verhielt sich selbst im höchsten Greisenalter
nicht gleiehgiltig und verständnislos gegen die die Zeitgenossen
bewegenilan Fragen, sondern bemächtigte sich ihrer mit Eifer
und nie erschlaffender Geisteskraft, legte sie sich in seiner
Weise zurecht und gewann ihnen gegenüber stets eine selbst-
ständige Stellung und ein freies Urteil. Sieht man aber den
einzelnen Zügen seines Wesens, seiner Auffassung und Be-
urteilung öffentlicher Dinge und der Art seiner schriftstellerischen
Thätigkeit auf den Grund, so erkennt man, dafi er bis zuletzt
ein echtes Kind des 18, Jahrhunderts geblieben ist. Wie in
den Erzeugnissen seiner Muse, seien sie in ungebundener oder
in gebundener Sprache verfaßt, ganz der Rationalismus des
DigtizBabyCoOgIC
Von Dr. Gottlieb Krause. 589
vorigen Säculi waltet, so blieb sein Herrscherideal Friedrich
der Große, jener „Kemkönig", wie er ihn nennt, dessen Geburts-
tag er noch als Greis alljährlich in weihevoller Stimmung festlich
beging.
Während des siebenjährigen Krieges war Schefi^er, von
feurigem Patriotismus getrieben, aus dem damals von den Eussen
okkupierten Ostpreußen zum Heere seines großen Königs ge-
wichen und hatte zuerst als Fähnrich, und dann als Lieutenant
an den Gefechten und Belagerungen der letzten beiden Kriegs-
jahre teilgenommen.*) In einer Eeihe stimmungsvoller Dichtungen,
die mitten im Lärm des Kriegslagers entstanden, hat er die
Eindrücke und Erlebnisse jener wildbewegten Zeit niedergelegt.*)
Ihre frische Ursprünglichkeit und die Umstände, denen sie ihre
Entstehung verdanken, verleihen jenen Poesieen eine nicht ge-
ringe Bedeutung, wenn schon die Phantasie des Dichters meistens
keinen sehr hohen Flug nimmt.
Als in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts Königs-
berg ein Zentrum deutscher Bildung und Wissenschaft wurde,
als es durch die Kamen eines Hamann, Hippel, Kant und
Kraus glänzte, gesellte sich auch Scheffner zu diesem schönen
Kreise und wurde als ebenbürtig von ihm aufgenommen. Er
sah seine berühmten Freunde alle vor sich sterben, ein Herold
einer vergangenen großen Kulturepoche ragte er unter dem
jüngeren Geschlechte empor; aber nicht zog er sich grämlich
vor ihm zurück, sondern nahm frisch und lebendig an Freud
und Leid desselben teil und suchte sich durch Rat und That,
durch Wort und Schrift nützlich zu machen. Als die königliche
Familie vor dem korsischen Eroberer nach unserer Provinz
1) Mein Leben, wie ich Johann GeorRe Scheflner es selbst beschrieben.
Königsberg, 1821. S. 80 iF. G. Krause: Friedrich der Große und die deutsche
Poesie. Halle a. S-, 1884. S. 44-59. 111-117.
2) Campagnen- Gedichte zum Zeitveri^reib im Lager. Dresden, 1761.
63 Seiten 8°. Freundschaftliche Poesieen eines Soldaten. Beriin und Leipzig,
bey Friedrich Wilh. Birnstiel. 230 Seiten in 8"; nochmals, und zwar ziemlich
verändert, erschienen 1793 in Beriin bei F. T. Lagarde.
DigtizBabyCoOgIC
590 ^^ Landwehrkreuz auf dem Kinauer Berge bei Galbgarben.
flüchtete, und besonders während ihres Änfenthsltes in Königs-
berg in den Jahren 1808 und 1809 trat Scheffner za ihr in
nähere Beziehung. Mit wohlwollender Freundlichkeit nahmen
Friedrich "Wilhelm III. und seine hochherzige Gemahlin Luise
die gutgemeinten Katschläge und freimütigen Urteile des
Veteranen entgegen, die sich stets in eine originelle Form
kleideten. Die Königin nennt ihn den „ehrwürdigen und vor-
trefflichen Scheffner." ')
Als dann durch die in unserer Provinz beginnende Er-
hebong die Ketten der Schande zersprengt worden waren, und
sich die Stürme des Krieges gelegt hatten, faßte der Uner-
müdliche noch den Plan, dem Gedächtnis der preußischen Groß-
thaten ein hochragendes Monument zu errichten, und hat den-
selben mit der ihm eigenen Fnergie trotz aller entgegenstehen-
den Hindemisse durchgeführt.
Im Jahre 1884 ist ein Buch erschienen, das uns bis ins
genaueste aufklärt über Plan uud Ausführung der Denkmala-
errichtung. Sein Titel lautet: „Kachlieferungen zu meinem
Leben nach bestem Wissen und Gewissen, stets mit kräftigem
"Wollen, oft mit schwachem Können, Von Johann George
Scheffner." Die Schrift ist im Verlage von Carl Beißner zu
Leipzig erschienen und führt als Motto die "Worte, die sich
2. Maccabäer 15, 39. 40 finden: „Hätf ich es lieblich gemacht, das
wollte ich gerne; ist es aber zu geringe, sohab ich doch gethan,
so viel ich vermocht; denn allezeit "Wein oder Wasser trinken
ist nicht lustig, sondern zuweilen Wein, zuweilen Wasser trinken,
das ist lustig; also ist es auch lustig so man mancherley lieset."
Die Edition ist mit seltener Sorgfalt, Sach- und Personenkenntnis
gemacht und verrät eine kundige Hand.
Die Nachlieferungen sind tagebuchähnliche Aufzeichnungen
über alles, was in den Kreis der Betrachtung und Kenntnis des
1) S. die beiden im Drucke erschienenen Vorträge von R. R«icke Ana
dem Leben Scheffners und Der Kriegsrath Scheflber und die Königin Luiae
im 1. Bande der Ältpreußiscben Monatsechrift. Königsberg in Pr. 1864.
S. 31-58 und 706-736.
DigtizBabyCoOgIC
Von Dr. Gottlieb Krause. 591
Verfassers gelangt, über persönlich Erlebtes und die Schicksale
seiner Freunde, sie enthalten Auslassungen und Urteile über
literarische Erscheinungen und politische Begebenheiten und
Strömungen. Sie umfassen die Zeit vom Beginn des Jahres 1817
bis zum 18. Juli 1820, reichen also bis 4 Wochen vor des Ver-
fassers Tode und zeigen bis zuletzt die volle geistige Schärfe
und das attische Salz des ostpreußiscben Patrioten. Sie sind
ein Nachtrag und eine Ergänzung der im Jahre 1821 erschienenen
Autobiographie Scheffhers, *) welche bis zum 9, August 1816
reichend, bereits in eben diesem Jahre bei J. ö, Neubert in
Leipzig zum Drucke gelangte, aber der Bestimmung des Ver-
fassers gemäß von dem hiesigen Verleger Nicolovins erst nach
dem Tode Scheffners der Öffentlichkeit übergeben wurde, im
Jahre 1821.*) Dem geistig rührigen und beweglichen Greise
war die Aufzeichnung seiner Selbstbekenntnisse eine liebe Ge-
wohnheit geworden, sie hielten ihm einen Spiegel seiner selbst
vor und verschafften ihm das Gleichgewicht seiner Seele. Darum
setzte er sie fort. Als Eingang zu den Nachlieferungen stehen
die Worte; „Da meine Biographie bereits gedruckt ist, ich in-
dessen noch immerfort lebe, und es mir einiges Vergnügen
macht, das, was mir eben einfällt oder begegnet, nicht gleich
wieder zu vergessen, so hab ich mir vorgenommen, solche
Gedankenspäne als Zugabe zum Corpori mearum rerum gestarum
aufzuschreiben, und ihren Gebrauch meinen künftigen Papier-
durchsehem anheim zu stellen." Dem Papiere durfte Scheffner
alle seine Herzensregungen mitteilen, vor aUem seinen Zorn
über den politischen Rückgang, der unter Österreichs Ägide
nach der nationalen Erhebung der Freiheitskriege in Deutschland
Platz griff und sich wie ein Frostreif auf die warme Begeisterung
jener großen Tage legte. Die Aufzeichnungen sind gemacht in
der schwülen Zeit der heiligen Alliauce, ■ der Karlsbader Be-
t) Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben.
Königsberg, 1821.
2) Reicke, Aus dem Leben Scheffners. Altpr. Monatsacbr. 1. Bd.
S. 33-34; Nachlieferungen za meinem L«ben. Von Scheffner. S. 1. 8-9.
zeabyCoOgIC
592 Dbs Landwehrkreaz auf dem Rinauer Berge bei Galtgarben.
Schlüsse und der Wiener Konferenzen und bekunden den
patriotischen Stolz und Freimut des Altpreiißen. Er sieht mit
Unwillen, daß der Staat, dem er mit inniger Treue ergeben ist,
räckwärts getrieben werde durch den verhängniavollen Einfluß
Österreichs, In seiner drastischen Weise äußert er einmal:
„Wäre mein Vertrauen zu dem Vorwärts, das Gott von An-
beginn ausgesprochen hat, (nicht so groß), ich würde verzweifeln
vor dem kreischenden Rückwärts, das die Gentze und Kamptze
und ihre Hurraschreier mit geborstnen Sprachröhren aus-
kreischen." ') Wit Wehmut gedenkt er seines großen Königs,
Friedrichs des Einzigen, den er gern auferwecken möchte.*)
Den persönlichen Tugenden Friedrich Wilhelms III., seinem
Ernste und seiner Redlichkeit, läßt Schetfner übrigens Gerechtig-
keit widerfahren.*) — Mit ganz besonderer Liebe hing Scheffner
an seiner Heimatsprovinz und seiner Heimatsstadt. Wie er
pietätsvoll das Andenken an jene großen Männer, die im vorigen
Jahrhundert den Ruhm Königsbergs weitbin verbreitet hatten
und einst seine Freunde gewesen waren, festhielt, so ließen die
Großthaten seiner Landsleute im Kriege gegen Napoleon noch
das Herz des Alten höher schlagen. Schon «in Greis von
81 Jahren faßte er den Entschluß, ihnen ein würdiges Monument
zu setzen.
Er berichtet darüber zuerst in den Nachlieferungen zu
seinem Leben unterm 7. August 1817*): „Den letzten Morgen
meines 81. Jahres weiß ich nicht angenehmer für mich zu be-
ginnen als mit Niederschreibung einer Idee, die mir seit der
Zeit im Kopf herumgegangen, als ich vernahm, daß der Vorsatz,
den Siegs- und Ehrentagen der Jahre 1813 — 16 ein Denkmal
von Gußeisen obnweit dem neuen Comödienhause zu errichten,
wegen anderweitiger Verwendung des dazu bereits gesammelten
1) Nachlief. S. 108, unterm 26. Dezemb. 1819.
2) 1. c. S. 69; vgl. S. 28, 70, 84, 112.
S) 1. c S. 131, 102, 67 etc.
,dbyG00gIe
Von Dr. Gottlieb Krouse. 593
Geldes, unauageföhrt bleiben müsse.') Schon damals dacht ich,
ein solches Ehrenmal müsse einfach sein nnd gehOre auf eine
schon von der Natur ausgezeichnete Stelle, die ich in dem
höchsten ostpreußischen Berge beim Vorwerk Galtgarben, drei
Meilen von Königsberg gefunden zu haben glaube; seine mit
mancherlei Laubholz und Tannen herrlich geschmückte Gestalt
soll 400 Fuß über dem Meer liegen, und ist gewis nicht auf-
geschüttet, wenn es auch Büsching gesagt hat. Auf seinem
Gipfel soll ein hohes eisernes Landwehrkreuz mit seiner In-
schrift: Mit Gott für König und Vaterland, statt des
Lorbeerkranzes geschmückt mit einem daran befestigten eisernen
Kreuze, errichtet werden." Darauf spricht er über Aufstellung
von Gedächtnis tafeln an dem Denkmal, Anlage von zu demselben
führenden Wegen, im ganzen bereits so, wie sieh der Platz
noch heute dem Beschauer darbietet. An den Erinnerungstagen
von Belle-Alliance und Leipzig, dem 18. Juni und 18. Oktober,
soll, so plant er, auf der geebneten Bergspitze alljährlich ein
großes Siegesfeuer angezündet werden.^)
Scheffner teilte diesen Plan verschiedenen Bekannten mit,
und da diese ihn billigten und ohne große Kosten für ausführbar
erklärten, so bestieg er in Begleitung eines geschickten Zeichners
Bauschke und eines in Wörlitz gebildeten Kunstgärtners Sehring
am 29. August den Berg und fand ihn „über seine Erwartung
zur Aufstellung eines solchen Denkmals geeignet," ') Am
4. September 1817 erschien in der Königsberger Hartungschen
Zeitung ein Aufruf Scheffhers zu freiwilligen Beiträgen unter
dem Titel Kreuzerhöhung, nachdem die Königliche Regierung
am 31. August zu diesem Unternehmen ihre Einwilligung ge-
geben und demselben einen glücklichen Erfolg gewünscht hatte.*)
1) Ueb«r diesen Plan habe ich nichts weitoree in Erffthrung bringen
können.
2) NttchUef. S. 20.
3) ibid. 8 21—22.
4) Acta der hiesigen Königlichen Regiemag „Wegen des für
preußische Kämpfe und Siege auf dem Hinaus Berge bei Galtgarben er-
richteten Uonomenla."
DigtizBabyCoOgle
694 I^fs Land wehrkreuz auf dem Binauer Berge bei Galtgarben.
Aus dem Aufruf in der Zeitung seien hier folgende Stellen
angeführt: Mein hohes Alter hat mir zwar nicht erlaubt, för
König und Vaterland niitzufechten, hindert mich aber nicht in
meinem 823ten Jahre am "Wunsche den herrlichen Kampferfolgen
ein möglichst einfaches Denkmal auf einem nicht leicht wandel-
baren Grunde dem höchsten Ostpreußiachen Berge bei GJall-
garben errichten zu können.
... Da indessen die Kosten zur Yerschaffang bequemer
Zugänge freier Aussichten zum Ankauf des großen Landwehr-
Kreuzes und Besoldung eines bei der Nicbtallgemeinheit des
Geschmacks am natürlich Schönen und Guten nothwendigen
"Wächters von mir allein zum Nachtheil meiner armen Erben
nicht übernommen werden können; so ergeht an alle weltliche
und geistliche, Landesräte, Lehrer, und für Preußens Kuhm gut
gesinnte Menschen beiderlei Geschlechts, meine freundliche und
hoffentlich nicht vergebliche Bitte, daß Sie, zu obigem Behuf,
wo möglich von lauter fröhlichen Gebern, die Gott segnet, Bei-
träge sammeln, und die aus milden Händen empfangene Gaben
mit Benennung der Geber mir gefälligst und bald möghehst
zuschicken mögen.*)
Den ersten Thaler brachte ein junger Mensch, Namens
Friederici.^) Er ist später Eealschuldirektor in Wehlau ge-
worden und vor einigen Jahren hier in Königsberg als Emeritus
verstorben.
Trotzdem die Beiträge noch nicht reichlich eingekommen
waren, bestellte Seheffner noch im September das eiserne Kreuz
und die Platten in der Berliner Gießerei und ließ mit der
Arbeit auf dem Berge beginnen.*) In dem "Waldesdickicht
1) Vgl. Nachlief, S. 29.
2) ibid. S. 22. Schefirier nennt ihn einen Studenten; bei der Königs-
berger Universität wurde Friederici (Carl August Wilhelm) erst Michael 1819
inekribiert. Härtung, Akademisches Erinnetungs-Buch für die welche in
den Jahren 1817 bis 1844 die Königsherger Universität bezogen haben.
Königsberg 1844. S. 11.
S) Nach! S. 22.
,dbyGoogIe
Ton Dr. Gotttieb Eranse. 595
wurde bereits der Hauptaufgang aus dem Groben gestochen,
und am 18. Oktober 1817 flammte zum ersten Male das Siegea-
feuer auf der stolzen Kuppe empor.*) "Wegen des bald ein-
tretenden rauhen Wetters mußten die Arbeiten bis zum nächsten
Frühjahre ruhen.*)
Das unternehmen blieb ein privates, vom Staate ist ihm
keine Unterstützung zu teil geworden. Kur erhielt Schefiuer
auf seine schriftliche Bitte von dem König Friedrich Wilhelm III.
die Anweisung auf 4 Thaler monatlich zur Besoldung eines
Bergwärters, der ein Invalide sein sollte. Die bezügliche
Kabinetsordre führt das Datum des 5. Juni 1818.')
Trotzdem Scheffner persönlich Geldopfer brachte, über-
stiegen die Kosten den Bestand der Denkmalskasse; *) darum
wandte er sich in einem Schreiben vom 2. Dezember 1818 aber-
mals an den König und bat ihn „um einen kleinen Zuschuß
zur Deckung seines Cassendehcits." Die Antwort des Königs
vom 26, Dezember 1818 war eine Absage. Zwar erkannte
Friedrich Wilhelm den patriotischen Sinn des Bittstellers an,
wollte sich aber zu keinem Beitrag verstehen, ,,da er schon
durch Monumente auf den Schlachtfeldern, in den Kirchen,
sowie durch das Denkmal, zu welchem ohnlängst der Grund-
stein bei Berlin gelegt worden sei, das Andenken an die merk-
würdige Zeit und gefallenen Krieger auf vielfältige Weise geehrt
habe." ")
Schon am 18. Juni 1818, als der Berg in herrlichem grünen
Laubschmucke prangte, war bei prächtigem Wetter auf seiner
Spitze der Jahrestag von Belle- Alliance gefeiert worden.'') Das
1) Nachl. S.23; Faber in: Beiträge zur Kunde Preußens IV. Bd. S. 131.
2) ibid. S. 23.
3) Copia in Acta der Königl. Regierung Wegen des . . auf dem
Hinaus Berge . . errichteten Monuments. Nachlief. S. 41; vgl. S. 21,
4) Naclil. S. 43, 58, 67.
5) Nachl. S. 66-67.
6) Bericht über das Fest in der Konigaberger Hartungschen Zeitung
V. 22. Juni 1818, No. 76; eine sehr ausfährliche Beschreibung unter dem
Titel: Der 18. Juni de« Jahres 1818, auf der Höhe dee Galtgarb gefeiert
DigtizBabyCoOgIC
Das Landwehrkrenz auf dem Binftuer Berge bei Gultgarben.
1 Krenz war noch nicht angekommen, als Ersatz diente
ein interimiatisclies aua Holz. Fast alle Studierenden der jetzt
wieder zahlreich gewordenen Universität, ein Teil der Doktoren
und Profeasoren der Hochschule, sowie eine Menge Zuschaner
aus Stadt imd Land strömten zu Fuß, Wagen und Pferd hinaus.
Den Zug auf den Berg erö£fneten die Studierenden Buchholz
und von Hippel, beide Bitter des eisernen Kreuzes, beide hatten
bei Belle-Älliance gefochten.') Patriotische Reden, darunter eine
originelle des Professors Burdach, ^) Gesänge und ein frohes
Mabl machten die Feier aus. Als die Sonne sich gesenkt hatte,
leuchtete ein Freudenfeuer weithin in die Nacht,
Das Burschencorps beschloß, , jährlich am 18. Juni und
18. October das Sieges- Dank- und Ehrenfeuer auf dem Binan-
berge brennen zu lassen." ')
Die Absicht des Denkmalsstifters, die GefUble der Vater-
landsliebe und Brüderlichkeit unter seinen Landsleaten zu be-
leben, wurde nach den Berichten der Zeitgenossen durch dies
Fest in reicher Weise erfüllt. Ihn selbst hatte sein hohes Alter
von der Teilnahme abgebalten.
Ton Königsberger Bursrben, beschrieben von Einem derselben. Königsberg
(40 S. 8"). Sie wurde ebenso wie Fabera Abhandlung Geschichtliche Nacb-
richten vom Galtgarben sehen Berge etc. zum Besten der Bergkasse ver-
kauft; sie kostet« 5 Sgr. Ihr Verfasser war der Studierende Alfred
V. Auerswald, der auch einer der Entrepreneure des Festes gewesen-war
(Härtung Akad. Erinnerungs-Buch f. die welche in d. J. 1S17 bis 1F(44 d.
Königsb. Univ. bezog, haben S. 22'2); s. über ihn unten S. 600 Aum. 3.
Wunderbarer Weise habe ich trotz aller Nachforschungen diese kleine
Schrift bisher nicht aultreiben können. — Vgl. über das Fest ferner
Scheffner Nachlief. S. 43; Faber Beitr. z. Kunde Pr. IV. S. 131, Härtung
L c. S. 222.
1) Härtung Akad, Erinnertmgs-Buch f. d. J. 1817—44 S. 222; s. über
V. Hippel ibid. S. 3, über Buchholz, der bereits Mich. 1816 die Universität
bezogen, a. Akad. Erinnerungsb, f. d. J. 1787-1817. S. 226.
2) Karl Friedrich Burdacb, geb. 12. Juni 1776 zu Leipzig, seit
1814 Professor der Anatomie in Königsberg, wo er, später zum Geh. Usdi-
cinalrat und Vorsitzenden Rat im Medicinalkollegium ernannt, am 16. JuH
1847 starb.
3) Nftchl. S. 43.
DigtizBabyCoOgIC
Von Dr. Gottlieb Krausa. 697
Am 4. Juli besuchte Scheffher seine Lieblingsstätte, um
das bereits fertig Gewordene zu besichtigen und neue An-
ordnungen zu treffen. Bei diesem Ausfluge eotstaiid in ihm die
Idee, seine Grabstätte neben seiner Schöpfung, dem Denkmale,
zu wählen. Er berichtet darüber in den I^achlieferungen unterm
16, Juli: „Mancher kleine Unfug, den ich, von leichtsinnigen
Menschen begangen, wahrnahm, erinnerte mich in der Stadt
gehört zu haben, der einst Hippeische, jetzt Busoltsche Garten
bleibe jetzt ziemlich frei von nächtlichen Frevelbesuehen, seit-
dem sieh das Gerücht verbreitet, Hippels Geist gehe bei Nacht
in jenen heiligen Schatten umher: ich beschloß daher mich dort
unter heirlicheu Hangelbirken begraben zu lassen . . . Möge doch
die leidige Gespensterfitrcht alle Versündigungen von meinem
Liebliugsberge abhalten!" Bald nach der Fahrt verfaßte er die
bereits oben') mitgeteilte Inschrift für sein Grab.*)
Schon am 11. Juli wiederholte er den Besuch. Die heiße
Mittagssonne hatte den Greis beim Hinaufsteigen erschöpft;
oben angekommen, legte er sich in den Schatten der von ihm
im voraus bestimmten Grabesstelle. Dem Euhenden kamen
Gedanken an sein nahe bevorstehendes Ende und das Jenseits;
sie erfüllten hier an diesem lieblichen, schattigen Plätzchen seine
Seele mit einem unsagbar wohlthuenden Gefühl des Friedens.
„Die weiße Rinde der Birkenstämme, und das Lispeln ihrer nicht
traurig, sondern so zu sagen nur nachdenklich herabhängen-
den Zweige brachte in mir eine aus Verstand und Gefühl
zusammengesetzte unbeschreibliche Wonne und Erfrischung her-
vor; gern hätt ich ihrer länger genossen, wären nicht von
meinen Begleitern so viel Einwendungen gegen mein Erde-
lager gemacht worden." *)
Am 13. August kam endlich ,,da8 große eiserne Landwehr-
1) S. 58a
2) Nachl. 8. 44; a. besonders die AnmerktiDg des Heransgebera.
3) Nachlief. S. 46.
zeabyCoOgle
598 I3»B Landwehrkreoz aof dem Biaaner Berge bei Gottgarben.
kreuz oebst seinem Zubehör" an; die Berliner Eisenschmiede
hatten sich aber Veränderungen des ursprünglichen Planes er-
laubt, worüber Scheffner einen nicht geringen Äerger empfand.*)
Überhaupt hatte er gerade j^tzt, da das nationale Ebrenwerk
der Vollendung zugeführt werden sollte, mancherlei Unannehm-
lichkeiten und Schwierigkeiten zu überwinden, unter denen der
Geldpunkt nicht die geringste Stelle einnahm.*) In folgenden
Versen, die wie die meisten Erzeugnisse der Scheffnerschen
Muse eine etwas gesuchte, infolge weitschweifiger Vergleiche
schwerföllige Sprache haben, giebt er diesem Gefilhl des Miß-
vergnügens Ausdruck:
Mein letzter Plan die Kreuzerböhung
So A^udereicli bei einstiger Enstehung,
Selbst er belastet mich, und trag ich andrer Schuld
Gleich selten nnr mit lauter Ungeduld,
So will doch oft der Athem mir entweichen,
Der nicht wie das Ermüdungxkeuchen
Beim Bergersteigen sieb durch Stillestebn,
Durch einen Easensitz, durch freies Umsichsehn
In schöne Gegenden läßt stillen, et«.')
Endlich konnte das mit solcher Mühe zustande gekommene
Werk eingeweiht werden. Der 27. September 1818, ein Sonntag,
war dazu erkoren. Scheffner begrüßte diesen seinen Ehrentag
mit einem tief und warm empfundenen Gedichte, von dem ich
die einleitenden Verse und die beiden Schlußstrophen hier
anführe :
Froh gerührt begrüßt ich heut die Sonne,
Die das Krenzerhöhungsfest mit Wonne
Anstrahlt, ea zum Sabbath zwiefach weiht.
Und der Schöpfung durch des Frühscheins Wonne
Zutheilt frische Sichtbarkeit.
1) Nachl. S. 48-49.
2) ibid. S. 52.
,dbyGoogIe
Von Dr. Gottlieb Krause. 699
Nor nftcb mathig aiisgefocbtoen Siegen
Kann der Friede edeln Herzen gnügen,
Nut das mit Geduld ertrogae Kreuz
Stärkt die Seele, steigert dae Vergnügen,
WUrzt es mit ganz eignem Beiz.
Wilrd' doch drnm mit EruBt bedacht von allen,
Die zu diesem KreuzgedächtniD wallen,
Daß yielleicht auch Preußens Ehrenloos
Ohne Kreuz und Leiden war gefallen
Minder lieblich, minder grofi!')
Mit Thränen der Freude sah der ehrwürdige Veteran,
der sich selbst die Teilnahme an dem Feste versagen mußte,
den hellen Sonnenschein, der am Morgen des 27, Septembers
in sein Kämmerlein hineinflutete. So war den Hunderten von
Featgenossen die Freude nicht durch einen unfreundlichen
Himmel verdorben.*)
Die Eiuweihungsfeier, welche in der Hartungschen Zeitung
vom 1. Oktober 1818 ausführlich beschrieben wird,') verlief in
würdiger und erhebender Weise. Sie hatte einen wesentlich
akademischen Charakter und ging von den Professoren und
Studierenden der Albertina ans. Ihnen hatte auch Schefiher
das Denkmal in Hut gegeben,*) und fürwahr, die Albertina
hatte ein besonderes Anrecht auf diese Ehre ! Waren doch
einst über 500 Studierende oder der Universität früher ange-
hörige Männer in den heiligen Kampf gezogen; und wie
mancher hoffnungsvolle Musensohn hatte sein Leben für das
Vaterland hingegeben!^) Aber auch der Magistrat von Königs-
1) Nach]. S. 56, 67.
2) ibid. S. 57-68.
3) vgl aoch Faber Beitr. z. Kunde Pr. IV. S. 131—32.
4) Festhericht in d. Königsberger Zeitung v. 1. Okt. ISIS; Nachlief.
S. 69, Faber l c. S. 131.
6) Härtung, Akad. Erinnerangsb. f. d. J. 1787—1817. S. 260, Mit
Stolz fügt Härtung hinzu: „Eine gleiche Anzahl dtlrfte keine andre deutsche
Universitätsstadt aufzuweisen haben."
zeabyCoOgle
600 Das LaudwebrkreQz auf dem Rinaner Berge bei Galtgarben.
berg, der Stadt, die an der Erhebung gegen Frankreich einen
so glorreichen Anteil gehabt hatte, war durch eine Deputation
vertreten, an deren Spitze r'.er Geheimrat und Oberbürgermeister
Hörn stand. Dazu war ein Teil der Turner und eine zahllose
Menge Zuschauer aus allen Ständen erschienen. „Die freien
Plätze am FuBe des Berges konnten kaum die Menge der
Fuhrwerke fassen und alle Wege und Gänge an und auf dem
Berge waren voll von den Lustwandelnden, die des Beginns
der Feier harrten." Am Fuße des Berges erinnerte der Direktor
des Königsberger Stadt-Gymnaaiums Struve in einer Kede
daran, mit welcher Gesinnung der Gang zu dem Kreuz von
Eisen zu beginnen wäre. Wie in der Natur, so herrsche auch
in der Geschichte ein ewiger Kampf, ja er sei sogar notwendig,
müsse jedoch im Geiste des Christentums geführt werden.')
In festlicher Ordnung bewegte sich der Zug, in dem u. a. die
berühmten Namen eines Burdach, Lobeck, Mühlenbruch, Voigt
glänzten, nach dem Gipfel des Galtgarben, Nachdem hier um
das eiserne Kreuz ein weiter Kreis geschlossen, hielt Professor
Mühlenbrueh die Weiherede.*) Darauf sprach der Studierende
Alfred von Auerswald') Aber die Gründe, weshalb die Sorge
1) K. L. Struve Rede, gehalten am FuGe dee Gnltgarbs, am 27. Septbr.
1818 in Abhandlungen und Reden. Königsberg 1822. S. 1(^—112.
2) Christian Friedrieb Mühlenbruch, ein bekannter Rech tsgelebrter,
geb. am 3. Oktober 1785 zu Bostack, nahm Ostern 18l8 eine Profeasur in
Königsberg an, ließ sich aber bereits 1819 nach Halle versetzen. Er starb
am 17. Juli 1843 als Professor in Göttingen. — M. pflegte neben seinen
Stadien gerne eine anregende Geselligkeit, So gründete er in Königsberg
mit dem Studiosus Alfred v. Auerswald im November 1818 einen Verein
von Professoren, Stndenten und andern gebildeten Männern, „akademische
MuBe" genannt, in dem musikalische Vorträge mit literarischen wechselten.
Dieser Verein bestand nur bis Ende März 1819. Härtung Akad. Erinne-
mnga-Buch f. d. J. 1817-44, S, 226.
8) Alfred Erwin Leonh, von Auerswald, der jüngste Sohn des
Oberpräsidenten und Landhof msisters Hans Jacob v. A. ; geboren am
16, Dezember 1797 lu Marienwerder, hat wie seine älteren Brüder Hans
Adolf Erdmann und Rudolf v. A, eine bedeutende politische Rolle gespielt.
Alfred wurde am Anfang des Soromersemesters 1815 in Königsberg Student,
trat aber sogleich darauf als Freiwilliger in das 2. westpreußische Dragoner-
DigtizBabyCoOgIC
Von Dr. Gottlieb Krause. 601
fllr das Kreuz der Universität übertragen sei, und führte aus,
welche Aufforderung für diese hierin Hege.
Am Schlüsse des Festes wurde im Kreise der Studierenden
auch des abwesenden Stifters des Denkmals in einem wohlver-
dienten Hoch gedacht.
Ein Eckstein des Unterbaues läßt noch heute den Stiftungs-
tag, den 27, September 1818, lesen.
Von einer am 18. Oktober 1818 abgehaltenen Feier be-
richtet weder Scheffner noch die Zeitung.
Das Jahr 1819 brachte des Trüben viel über Deutschland.
Am 23. März 1819 wurde der russische Staatsrat Kotzebue in
Mannheim von Karl Sand erdolcht, am 1. Juli machte der
nassauische Apothekerlehrling Löhning in Scbwalbach einen
Mordversuch auf den Staatsrat von Ibell. Infolgedessen wurden
ausgedehnte Untersuchungen und Verhaftungen vorgenommen.
Auf Betreiben Mettemichs fanden im August die Minister-
konferenzen in Karlsbad statt, deren Beschlüsse am 20. September
die Genehmigung des Bundestages in Frankfurt fanden. Sie
wandten sich besonders gegen die Universitäten, gegen die
Presse und die demagogischen Umtriebe. Die Burschenschaft
und die Turnvereine sollten aufgehoben, an allen Universitäten
Regiemngsbeamte, sogenannte Kuratoren, bestellt werden, deren
regiinent ein und machte den Krieg gegen Frankreich mit. Jedoch schon
1816 nahm er hIs Offizier den Abschied und bezog die Atbertina nochmals
(Härtung Ak. Erinnerungsb. f. d. J. 1787—1817 S. 219). Im Jahre 1819 trat
er in den Slaatsdienet. Er ist bekannt geworden durch seine Thätigkeit
in dem preuBiechen Provinzi all and tage, im vereinigten Landtag von 1847,
in der Nationalversammlung und im Abgeordneten hau ee als eines der
führenden Mitglieder der altliberalen Partei. Im Jahre 1848 gehörte er als
Minister des Innern zu dem von CampbauHen gebildeten Kabinette. Er
starb in Berlin am 3. Juli 1870 im 73. Lebensjahre. (AllgemeiJie deutsche
Biographie I. Bd.) — Alfred muß sich während seiner Studienzeit unter
seinen Kommilitonen eines hohen Ansehns erfreut haben, Er wirkte bei
der Begründung der Burschenschaft mit und erliielt durch das Vertrauen
der Studentenschaft öfters Ehrenämter übertragen, s. oben S. 596 Anm. 6
u. S. (MO Anm. 2; femer Härtung Ak. E rinn erungs- Buch f. 1817 bis 1844.
S. 223 unter Comitate, S. 321 unter d. 12. Jnni 1818.
AUpr. Maaatiaahrlft Bd. XZYI, Heft 7 n
zeabyCoO^IC
602 ^"^^ Ijandwehrkreuz auf dem Binau«r Berge bei Oaltgarben.
Amt es war, Professoren und Studenten streng zu überwachen.
Zur Untersuchung der geheimbündlehschea Umtriebe sollte eine
Centralkommission für ganz Deutschland eingesetzt werden, als
deren Sitz Mainz ausersehen wurde. Bald begann diese
Kommission ihre traurige Arbeit.
Auch in dem Tagebuch Schefiners tritt uns der Druck der
iZeit entgegen. Die Ermordung Kotzebues erfiillte ihn mit
Abschen, er sah die schlimmen Folgen derselben für die deutschen
Hochschulen voraus,') In der That wurde schon am 1. Juli 1819
in Königsberg die Untersuchung gegen die Mitglieder der
deutschen Burschenschaft eröffnet; sie hatte nur ein Jahr be-
standen, ihr letzter Senior war der Studiosus der Theologie
Wühelra Zemial aus Magdeburg gewesen.*) In diesem Jahre
unterblieben die Galtgarbenfeste wegen der polizeilichen Über-
wachung aller studentischen Kundgebungen gänzlich. Am
18. Oktober 1819 erging aus Berlin auf Veranlassung des
Bundes tagsbeschlusaes vom 2U. September desselben Jahres die
preußische Verordnung über die Censur, welches Dekret Scheffher
Anlaß zu bitteren Betrachtungen gab.')
Zu dem Mißvergnügen über die unerquicklichen öfTentHchen
Zustände kam für den hochbetagten Greis noch ein schmerz-
haftes körperliches Leiden, von dem ihn erst der Tod erlöste.
Am 7. Juni fiel er vor seiner Hausthüre mit solcher Gewalt auf
das Steiiipäaster, daß das eine Bein stark verletzt und gelähmt
wurde, und er, aller Bewegung beraubt, fortan ans Krankenlager
gefesselt wurde.*) Mit Ergebung ertrug er seine Schmerzen
und die Qual der Schlaflosigkeit; hatte er doch seines Freundes
Hippel sustine et abstine unter seine Lebensgesetze aufge-
nommen. ^) Auch in diesem letzten qualvollen Lebensjahre
1} Nachlief. S. 77, 78
2) Härtung Akad. Erinnenmgs-Bucb für 1817 bis 1844. 8. 22G.
8) Machlief. S. 101 ff.
4) Nachlief. S. 87.
6) ibid. S. 121.
,dbyGoogIe
Von Dr. Oottlieb Kr&use. 603
ward seine wunderbare Oeisteakrafl Herr der körperlichen
Schwäche.
Wenige "Wochen vor seinem Tode erfreute den greisen
Patrioten auf seinem Schmerzenslager noch die Nachricht, daß
am 18. Juni 1820 das Siegesfeuer auf dem Galtgarben wieder
entzündet worden wäre. Er berichtet unterm 22, Juni dieses
Jahres: „(Es hat mich erfreut) zu vernehmen, wie ein großer
Theil der hiesigen academischen Jugend sich durch die aria
cattiva der Zeitereignisse nicht hat abhalten lassen, das An*
denken der für Preußen so höchst rühmlichen und nützlichen
Schlacht bei Schönbund {belle alliance) am 18. Juni mit Gesang,
Keden und Lustfeuer auf dem Galtgarbsberge auch in diesem
Jahre zu wiederholen . . - Doch wer weiß, welcher Kamptzische
Polizei -Famulus auch aus diesem Zuckerrohr Essig zu brauen
übernimmt — und auf dieses kleine Laudfeat eine Wichtigkeit
legt, wie einst auf die Wartburgschen Frivolitäten, an deren
Schwefelhölzchen man Brandfackeln anzündete, die mit ihrem
Pechgeruch bis jetzt den hominibus emunctae naris sehr übel
anriechen."^)
In rührenden Worten spricht der Gelähmte den Zöglingen
der Albertina öffentlich in der Hartungschen Zeitung seinen
Dank für die Erneuerung des Gedenkfestes aus und fügt herz-
liche Segenswünsche für sie hinzu.^)
Nachdem Scheflfher am 8. August 1820 noch das Söste
Lebensjahr angetreten, nahm seine Schwäche immer mehr zu,
und als noch heftige Brustkrämpfe den Körper erschütterten,
hauchte der Schwergeprüfte am 16. August gegen Abend den
Geist aus.
Der schöne, von Johannes Voigt verfaßte Nekrolog in der
Königsberger Zeitung') hebt als die Grundsäulen seines Wesens
hervor: die Treue, mit welcher er an seinen Freunden hing,
1} Nachlief. S. 128-29.
2) Beilage zur Eönigsberger Zeitung vom 26. Juni 1820.
8) Vom 19. August 1820; vgl. R. Beioke, Aus dem Lebeo Scheffner's,
ÄltpT. KonatsBcbrift I. S. 32.
DigtizBabyCoOgle
604 D<^ Land weh rkrenz auf dem Rinauer Berge bei Oalti^arben.
die NeiguQg für Wissenschaft und Eunst, vornehmlich aber den
unbestechlichen Wahrheitssinn und die Liebe zum preußischen
Vaterlande. „Wohl hatte er hierbei", so heißt es in dem Kach-
ruf, „mancherlei eigene Ansichten, die andere nicht immer sich
so leicht aneignen mochten; aber so fremd auch hierüber
zuweilen seine Eede klang, so innig stimmte das stille Gefühl
seines Herzens mit dem Gefühle jedes Freundes des Vaterlandes
zusammen.
Am 20. Ängust fand auf dem Galtgarhen die Beerdigung
in der größtenteils von dem Verstorbenen selbst angeordneten
Weise statt.^) Seine Verwandten, Freunde und einige Studierende,
„die dem dahingeschiedeneu Freunde der Musen die letzte
Ehre bezeugen wollten", waren dazu erschienen. Der Pfarrer
von Xumehnen hielt die Trauerrede, das von den Leidtragenden
gesungene Begräbnislied war von Scfaeffner selbst gedichtet
worden. An jenem stUlen, taubüberbangenen Winkel im Norden
des Denkmals, den sieh der Verblichene vor zwei Jahren selbst
ausgesucht, wurde der Sarg eingesenkt. Zuletzt sprach einer der
Studierenden „wenige herzliche Worte. Als er geendet, sang der
Chor derselben die letzte Strophe des Liedes: Vom hohen Olymp
herab ward uns die Freude etc. ohne Musikbegleitung, und
allgemein war die dadurch erweckte Rührung."
Auf dem Berge nun, dem kronenreichen,
Der des Kreuzes Helden schmuck ihm dankt,
Schlummert er, nmrauscht von starken Eichen,
Von der Birke Trauerzweig umwankt.')
Was der Stifter des Galtgarben-Denkmals bezweckt, blühte
ein Menachenalter. Alljährlich am 18. Juni versammelten sich
die Söhne unserer Albertina auf der Bergeshöhe, um das Er-
innerungsfest der Schlacht bei Waterloo zu begehen, alljährlich
1) S. die Beschreibung in d. Königsberger Zeitung v. 24. August 1820.
2) Erste Strophe des Gedichtes, welches dem Bericht Aber das Be-
gräbnis in der Königsberger Zeitung angefügt ist.
zeabyCoOgIC
Yoa Dr. Gottlieb Kraase. 606
loderten die Flammen weit ins Land, bis das stürmereiclie
Jahr 1848 auch diesen Festen ein Ende gemacht hat.')
Mögen mir noch einige Mitteilungen über das Schicksal des
Denkmals nach dem Tode seines Stifters verstattet sein. Die
folgenden Angaben sind entnommen dem bereits irüher ange-
führten,^ auf der hiesigen Königlichen Regierung befindlichen
Konvoiut „Acta "Wegen des für preußische Kämpfe und Siege
auf dem Hinaus Berge bei Galtgarben errichteten Monuments",^)
das seine Fortsetzung findet in den Acta des Provinzial-
Ausschusses der Provinz Ostpreußen betreffend „Übernahme
und Unterhaltung des Denkmals auf dem Einausberge (:Galfc-
garben:) etc."*), ferner aus einer kleinen Schrift des 1849 ver-
storbenen Stadtrat's Härtung, deren Titel lautet: Einige Nach-
richten vom Kriege-Denkmal auf dem G-altgarbberge. Königs-
berg 1840. Gedruckt in der Hartungschen Hofbuchdruckerei.'')
Den Platz zur Aufstellung des Denkmals hatte der damalige
Besitzer von Galtgarben, Landschaftsrat Kuhn auf Wartnicken,
ohne Entschädigung gewährt und hatte dem Publikum den
ungehinderten Besuch des Berges gestattet. Nach dem Tode
Scheffners übernahm der ßegierungs- und Schulrat Busolt die
Sorge für das Denkmal und die Führung der Bergkasse.")
Schon seit dem Sommer 1818 war zur Beaufsichtigung des
Monuments und Instandhaltung der für das Publikum bestimmten,
zu dem Kreuze führenden Wege ein Bergwächter bestellt
worden, für welchen laut Königlicher Kabinetsordre vom
6. Juni 1818 eine monatliche Besoldung von 4 Thalem aus
1) Xi. Fassarge, Ans baltischen Landen. S. 34. Emzelne studentische
Verbindungen haben auch nocb später festliche Zusammen känfte auf dem
Galtgarben veranstaltet; diese fanden jedoch weder regelmäßig statt, noch
gingen sie von der gesamten Studentenschaft der Albertina aas,
2) 8. 693, Anm. 4.
S) In der Folge von mir citiert unter R.
4) Von mir unter P. A, citiert
5) Sie ist mir von dem Herrn Obersten Firscher in Berlin in
liebenswürdigster Weise sur Einsicht zugesandt worden.
6) Härtung, Nachrichten vom Eriegs-Denkmal. S. 2.
DigtizBabvCoOgle
606 Das Land wehrkreuz auf dem Rinauer Berge bei Galtgarben.
Staatsmitteln bewilligt worden war; er sollte aus den civilver-
sorgungsber echtigten Invaliden gewählt werden. Auf Vorschlag
Scheffhera hatte der invalide Füselier Ferdinand Grösing dies
Amt erhalten.') Es war keine glückliche Wahl. Zwar war
Grösing „mit dem eisernen Creuz behängen, ein Musicus,
konnte auch etwas schreiben und rechnen"*), war aber eine rohe
und unvertragliche Natur. Er geriet mit den dortigen Ein-
wohnern und besonders mit dem Besitzer von Galtgarben, dessen
Kontrolle er unterstellt war, in Streit; bald wurde ihm die von
dem letzteren anfangs gewährte "Wohnung aufgesagt. Außerdem
vemachlftasigte er die ihm obliegenden Pflichten als Bergwärter.*)
Im Jahre 1827 wurde er sogar wegen Betruges uod Fälschung
zur Geföngnis strafe verurteilt.*) Trotzdem wurde Grösing erst
am Schlüsse des Jahres 1832 aus seinem Amte entlassen.*)
Sein Nachfolger ZantoiF hat beinahe 33 Jahre') mit Treue
und zur allgemeinen Zufriedenheit seines Dienstes gewartet;^)
von ihm, dem alten, wettergebräunten Invaliden, erzählt Passarge
in seinen Studien und Bildern.*)
Der dritte und letzte Bergwftchter war der invalide Grenadier
Lopp.*) Da seine Aufführung zu steten Klagen Veranlassung
gab, wurde er auf Antrag des Landrates des Fischhauser Kreises,
Herrn von Waldow, am 1. April 1888 seiner Stellung enthoben.^")
1) Schreiben Sclieffners an d. Könjgl. Regierung in Königsberg v.
27. August 1818; Ministerialreakript, Berlin d. 13. Okt 18J8, in R.
2) Schreiben SchefTuers an den Chef Präsidenten der OstprenBischen
Regierung v. 24, April 1820, in R.
3) ibid. und Schreiben Kuhns an den Regierungs-Präsidenten, Wart-
nicken d. 7. Dec. 1820. in R.
4) Copia des Erkenntnisses des Königl. Oetpr. Tribunals y. 25. Juli
1827, in R.
5) Abschrift des Ministerialreskriptes, Berlin d. 29. Januar 1833, in R.
6) Vom 1. April 1833 bis März 1866.
7) Härtung, Nachrichten vom Kriegs-Denkmal. S. 4.
8) Aus Baltischen Landen. S. 35.
9) Vom 1. April 1868 bis 1. April 1888.
10) Schreiben des Königl. Regierungs-Präsidettteu an den Landrat v.
SO. Dez. 1887, in B.
DigtizBabyCoOgIC
VoD Dr. Gottlisb Krause. 607
Als die monumentÄlen Anlagen auf dem Galtgarben infolge
der Nachlässigkeit Grösings und eines frevelhaften Unfugs, den
im Anfang des Jahres 1832 einige vagabondierende polniacte
Soldaten verübten, stark beschädigt worden waren,') nahm sich
ihrer mit Eifer und Aufopferung der Hofbuchdrucker und
Stadtrat George Friedrich Härtung an.*) Er regte Sammlungen
an, durch welche die sogenannte „Galtgarben-Kasse" zustande
kam.'} Um einen gröüeren Fonds zu sammeln, gab er eine
Schrift: „Beschreibung der Feierlichkeiten bei Anwesenheit
Sr. Königl. Hoheit des Kronprinzen und Höchstdero Gemahlin
im Jahre 1834" heraus, sandte dem Könige und den Prinzen
des Königshaoses Exemplare davon und bestimmte den Ertrag
nach Abzug der Kosten dem Denkmal. Durch solche Bemühnngen
kam ein Grundkapital von 225 Kthlr. zusammen, welches in
Staatspapieren angelegt wurde.
Als König Friedrich Wilhelm IV. 1840 zur Huldigung
nach Königsberg gekommen war, besuchte er mit seiner Ge-
mahlin auf einer Fahrt nach Warnicken am 3. September auch
den Galtgarbenberg. In der Begleitung des Königspaares waren
der Prinz von Preußen, der später als Herrscher so glorreich
vollenden sollte, was die Kämpfer der Freiheitskriege erstrebt,
und Prinz Karl. Die Führung auf der Berghöhe übernahmen
Landschaftsrat Kuhn und der treue Beschützer des Denkmals,
Härtung. Am Monument verweilten die Königlichen Herrschaften
über eine Viertelstunde und erfreuten sich an der weiten Aus-
sicht über die liebliche Landschaft.*) Mit Stolz zeigte später
1) Schreib«a Hartuugs an die Eönigl. Regierung v. 24. Mai 1832, in B.;
TgL Oebauer Kunde des Samlandes. S. Sab.
2) Härtung war ein Sohn unserer Albertina. Er bezog im Sommer
1799 die UniversitAt, um Jurisprudenz zu studieren. Akad. Erinnerungabuch
f. 1787 bis 1817. S. 103.
S) Schreib. Hartunge an d. Königl. Regierung v. 24. Mai 1832, io B.;
Härtung, Nachrichtea vom Kriegs-Denkmal S. 5—6; Schreib, seines Sohnes
an das Landratsamt in Fischbauaen v. 1. Okt. 1867, in R.
4} Königsberget Hartungsche Zeitung v. 4 Sept 1840; vgl. Oebauer,
KuDde des Samlandes. S. 856.
DigtizBabyCoOgIC
g08 ^^^ Landwelirkreuz auf dem Riuaner Berge bei Galtgarben.
der Wächter Zantoff das Blatt seines Fremdenbuches, auf
welchem der König seinen Namen eingeschrieben. '}
In pietätsvoller Erinnerung an den Vater unterzog sich
nach dem Tode Hartungs im Jahre 1849 auch sein Sohn, der
die Buchdruckerei übernahm, der Mühe, die Galtgarben-Kasse
zu verwalten. Im Jahre 1868 überlieferte er sie aber, weil er
zu sehr mit Geschäften überhäuft war, unter Genehmigung der
Königl. Regierung dem Landrat Kuhn in Fischhausen.')
Die eigentlichen Gründe, weshalb die Erhaltung des Monu-
mentes mit solchen Schwierigkeiten verbunden ist, reichen hinauf
bis zu seinem Ursprünge. Die Kosten der Errichtung waren
durch Privatbeiträge aufgebracht worden; so fehlte ein besonderer
Eigentümer — etwa der Staat, die Provinz oder die Stadt
Königsberg — dem die Verpflichtung obgelegen, für die In-
standhaltung des Denkmals zu sorgen. Den Platz hatte der
damalige Besitzer von Galtgarben aufs bereitwilligste gewährt,
ohne jedoch in irgend welcher bindenden Weise sich des Eigen-
tumsrechtes an demselben zu entäußern. Es beruhte alles auf
mündlicher Verabredung. Dadurch, daß aber dem Publikum
der ungehinderte Besuch des Galtgarben gestattet wurde, erhielt
wenigstens der zum Denkmal führende Weg einen öfFentüchen
Charakter. Die Stelle, auf welcher jener dem Gedächtnis der
gefallenen Freiheitskämpfer geweihte Tumulus steht, gehört zur
Dorfschafl Dallwehnen, welcher bis heute ein jährlicher Zins von
1) Fassarge, Aus baltischen Lautlen. S, 35. Dies Fremdenbuch ist
nacli Mitteilung des jetzigen Besitzers von Galtgarben, Herrn Buscb, leider
verloren gegangen.
2) Schreiben des Buchdruckers Härtung v. 1. Ott 18(57, in R.; Schreiben
d. Königl. Regierang an Lnndrat Kuhn v. 2ti. März 1868, in R. Schreiben
des Regiemngs- Präsidenten an den Landesdirektor der Prov. Ostpreußen
V. 28. Uärz 1888, in P. A. In einem Schreiben an d. Künigl. Regierung
V. 2. Nov. 187(1, (in R.) giebt Landrat Kulin au, daß er im Jahw 187S die
Kasse von dem Buchdrucker Härtung empfangen habe. Diese Angabe steht
in einem 'Widersprach mit den Mitteilungen, die aich in den oben ange-
führten Schriftstücken finden.
DigtizBabyCoOgIC
VoQ Dr. Gottlieb Kiaiwe. 609
seclisMark entrichtet wird.') In einem Schreiben andieKönigl,
Begieruug za Königsberg v. 2. Nov. 1879') äußerte aich Landrat
Kuhn in Fischbansen in folgender Weise: Weder durch die
Einsicht der Grundbücher von Dallwehnen und Galtgarben, noch
durch Erkundigung bei den betreffenden Besitzern ist featzu-
atellen gewesen, ob über die Hergabe des Terrains zu den monu-
mentalen Einrichtungen und den Wegen zu denselben irgend
eine rechtsverbindliche Verhandlung mit den damaligen beteiligten
Besitzern gepflogen worden sind. In Bezug auf jene an den
Gemeindevorsteher von Dallwehnen zu zahlende jährliche Abgabe
habe ihm Buchdrucker Härtung, als er ihm die Galtgarben-Kasae
übergab, auch nur eine mündliche Mitteilung gemacht, nicht
aber eine Urkunde ausgehändigt. Ähnlich spricht sich Knhns
Amtsnachfolger, Herr v. Waldow, in einem Schreiben v. 16. Febr.
1888 aus.")
So lange der Besitz des Berges sich in Privathänden be-
findet, wird das Schicksal des Denkmals ein unsicheres und ge-
fithrdetea bleiben. Wie traurig wäre es z. B., wenn es seiner
waldigen Umgebung beraubt würde ! Die in Fischhausen nieder-
gelegte Galtgarben-Kasse bietet bei weitem nicht die Mittel, um
auch nur die oberste Kuppe des Berges anzukaufen,*)
Ändere Schwierigkeiten bot die eigentümliche Stellung,
welche der Bergwächter einnahm. Er wurde vom Staate ein-
gesetzt und erhielt seine jährliche Besoldung von 48 Thalem
auB Staatsmitteln; sein Amt muüte ihn aber in ein besonderes
Verhältnis zn dem Besitzer von Galtgarben bringen. Da er
seinen Dienst auf dem Grund und Boden des letzteren versah,
hing er in gewissem Sinne von dem guten Willen desselben ab.
Gerade dieses Verhältnis gab zu vielen Klagen und Streitig-
1) Härtung, Nachrichten vom Kriegs-Denlcinal S. 4. ; Schreiben das
Landrats y. Waldow an den Regierungs-Präsidenten v. 16. Febr. 1888, io R.
2) In E.
3) In R.
4) Die EoBse betrag im Anfange des Jahres 1888 die Somme von
1060 Mark, Schreiben t. Woldows, Fiechhausen d. IG. Febr. 1688, in B.
zeabyCoOgIC
610 I^BS Landwehrkrenz auf dem Riaaner Berge bei Oaltgarben.
keiten Anlafi. Das im Jahre 1818 festgesetzte staatliche Ein-
kommen des AV^&ehters reichte besonders bei den sich mit der Zeit
steigernden Preisen der Lebensmittel ftlr seinen Unterhalt nicht
ans, die kleinen Geldgeschenke, welche er von den Bergbesuchem
erhielt, waren eine unsichere Einnahmequelle, so war er genötigt,
durch anderweitige Beschäftigung einen Verdienst zu suchen.
Dadurch mußte natürlich sein eigentliches Amt, die Beauf-
sichtigung des Berges, leiden. Wußte er sich mit dem Besitzer
von Graltgarben gut zu stellen, wie der Invalide Zanto£f, so fand
er dort selbst "Wohnung und Nebenerwerb, erregte er jedoch
dessen Unzufriedenheit, so war er genötigt, in den umliegenden
Gütern und Dörfern Prilacken, Wiekau und Eumehnen Obdach
zu suchen; ja der Herr von Galtgarben konnte ihm geradezu
das Betreten des Berges verbieten, wie es auch zuletzt dem
Bergwächter Lopp gegenüber geschehen ist.
Bei dieser Lage der Dinge war es des höchsten Dankes
wert, daß der Herr Regierungs-Präaident Freiherr von der
Becke von der Horst die Liitiative ergriff und in einem
Schreiben vom 28. März 1888 den Landesdirektor der Pro-
vinz Ostpreußen, Herrn von Gramatzki, im Hinblick auf den § 4,
No, 6 des Dotationsgesetzes vom 8. Juli 1875 ersuchte, dafür
wirken zu wollen, daß die Pflicht,' für die dauernde Erhaltung
des Denkmals zu sorgen, von dem Provinzialverbande Ostpreußens
übernommen werde, derjenigen Provinz, „für welche die Zeit
der Befreiungskriege vor den meisten oder vielleicht allen anderen
Provinzen als eine besonders ruhmvolle in den Blättern der
Geschichte verzeichnet steht." ') Er versprach, sich dafür ver-
wenden zu wollen, daß jener jährliche Betrag von 144 Mark
zur Besoldung des Bergwärters „für die Folge dem Provinzial-
verbande zur entsprechenden Verwendung überwiesen werde;"
zugleich teilte er mit, daß der Landrat des Kreises Fischhausen,
falls der Provinzialverband die Unterhaltung des Denkmals über-
nehme, die Galtgarben-Kasse dem Verbände übergeben werde.
1) P. Ä.
DigtizBdbyGOOgle
Von Dr. Gottlieb Krause. 611
In Folge dieser Anregung unterzogen am 8. Juni 1888 die
Herren Landesrat Burchard und Landesbaurat Krab das Denk-
mal einer Besichtigung. An ihr nahmen noch teil der Landrat
des Kreises Fischhausen, Herr von Waldow, und der Besitzer
des Gutes Galtgarben, Herr Busch. Sie fanden das Denkmal in
ziemlich verfallenem Zustande, Herr Busch erkannte zwar an,
daß der an dem Gasthause nach dem Denkmal führende Weg
ein öfientlicher sei, erklärte aber, daß er sich im übrigen volle
Freiheit Über den Besitz, und namentlich auch über den Bestand
des Waldes vorbehalten müsse. Um das Monument in einer
würdigen Umgebung zu erhalten, ist aber nach dem Gutachten
der Kommission notwendig, nicht blos das Plateau, auf welchem
das Denkmal steht, sondern überhaupt die ganze oberste Berg-
kuppe bis zu dem herumlaufenden, an die alte Burganlage er-
innernden Graben und seiner Umwallung dem Privatbesitze zu
entziehen.') Auf Veranlassung des Landrates v, Waldow fand
noch im Sommer desselben Jahres „eine vollstilndig neue Funda-
mentierung sowie eine größere Ausbesserung des Denkmals" statt,
so daß in absehbarer Zeit keine größeren Reparaturen nötig
sein werden.*)
Lifolge des Todes des Landesdij-ektors von Gramatzki und
der Neubesetzung der von ihm innegehabten Stelle durch Herrn
von Stockhausen sind einstweilen weitere Maßnahmen seitens
der Provinzlalverwaltung unterblieben. Jedoch auch der neue
Landeshauptmann hat erklärt, dieser Angelegenheit sein vollstes
Literesse zuzuwenden, und so kann wohl die Hoffnung ausge-
gesprocheu werden, daß der Provinzialverband sich dieser natio-
nalen Ehrensache annehmen werde und die Erhaltung jenes an
Ostpreußens ruhmvollste Zeit erinnernden Monumentes auch für
die fernere Zukunft sichern werde.
1) Befandbericht v. 10. Jani 1888, von Landesbaurat Krah verfaßt,
in P. A.
2) Schreiben des Landrats an den Landesdiiektor v. Stockhausen v.
15. Januar 1889.
DigtizBabyCoO^IC
Q12 Das LandwelirkTeaz auf dem Binauer Berge bei Galtgaiben.
Die Feaerzeichen auf dem Galtgarbeu sind erloschen,
das fröhliche und begeisterungsvoUe Treiben der akademischen
Jagend, von dem er einst wiederballte, ist verstummt, schon ist
das Greschlecht, welches einst mit dem Schwerte Preußens Staat
gerettet, ins Grab gesunken, aber das ehrwürdige Denkmal auf
steiler Höh ist geblieben, ein Wahrzeichen, das jedem Ostpreußen
heilig bleiben muß. Mahnt es ihn doch an jenes heroische Zeit-
alter, in welchem unserer Provinz der reichste Ehrenkranz zu-
fiel, an jenen Völkerfrühling, unter dessen erwärmendem Hauche
alle Keime des Guten und Edlen im deutschen "Wesen zu schöner
Entfaltung gelangten. Das hochragende Kreuz deutet an, unter
welchem Zeichen Preußens König sein Volk in den Kampf gegen
den Weltbezwinger führte. Es war das rechte Symbol der
frommen, kindlichen Demut, der todesmutigen Tapferkeit und
Treue jenes hochherzigen Geschlechtes.
,dbyGoogIe
Herzog Albrechts von Preussen und Harkgraf
Johanns von Brandenburg Anteil am Fürstenbund
gegen Karl T.
Teil I. 1647-1650.
Von
Dr. Haas Klewnlng.
Kapitel I.
Herzog Albrecht von Preussen und Herzog Otto von Braunschwelg.
Durch die Niederlage bei Mflhlberg am 24. April 1647 war
zwar die Hauptmacht der Protestanten vernichtet; aber noch
standen ihnen im nördlichen Deutschland, besonders in Nieder-
sachsen, bedeutende Truppen zur Verfügung. Doch fehlte diesen
der rechte Mittelpunkt, das Haupt, das aie erfolgreich zu ver-
wenden verstand. Denn es waren nicht bewährte fllrstliche
Führer, die an der Spitze derselben das Glück der "Waffen gegen
den Kaiser erprobten: die noch ausharrten, waren mehr oder
weniger Abenteurer, and die meisten von ihnen, wie die Grafen
von Mansfeld und von Oldenburg, Herzog Otto von Braun-
schweig-Lüneburg, femer Hans von Heideck, Sebastian Schärtlin
von Burtenbach, "Wilhelm von Thomashim, Heinrich Vogelsberg,
Hans von Kuthlingen logen in des Reiches Acht.') Scharf ließ
der Kaiser auf sie fahnden und befahl jedem seiner ünterthanen,
wo auch er einen von ihnen fände, ihm denselben tot oder
lebend') zu überliefern. Anoh gelang es ihm, einiger von ihnen,
wie Heinrich Vogelsbergs habhaft zu werden. Er hefi dann mit
I) Sleidao: de statu religionis et rei pubUcae Carolo T. Caeaare.
Argentorati. 1656. p. 579. — Statten: Geschichte Augabarga. 1743. p. 438, —
Vita Msnritii in Menken Scriptorea renim Oermanicanim. B. II pag. 1211.
'2) "Volradt von Mansfeld an Hensog Albrecht von PrenJien 4, Jon!
154», Eönigsberger Staate-Archiv [E. St-A.] UL 29. 33.
zeabyCoOgIC
614 Herzog Albreohta von Preotten Anteil am Fürstenbund.
ihnen kurzen Prozeß machen.') Diese Leute, welche daher kaum
noch etwas zu verHeren hatten, setzten aUea daran, den Wider-
stand möglichst umfangreich anzulegen und tobten in einer
furchtbaren Zügellosigkait ihre Erafb aus.
Die Einsichtigen unter den Protestanten verhehlten sich
jedoch nicht, daß damit wenig zu erreichen war. Man mußte
darauf denken, auswärtige Hilfe zu gewinnen. Diese bot sich
zum teil von selbst dar. Besonders waren es England und
Frankreich, die bald nach der Schlacht von Mühlberg in Deutsch-
land zu agitieren begannen.
Bereits im Jahre 1647 drohte zwischen England und Frank-
reich ein Krieg wogen Sehottlands auszubrechen. Beide Staaten
suchten daher Bundesgenossen zu gewinnen. Im Dezember 1547
sandte König Eduard VI. einen Bevollmächtigten John Brandt
unter dem Namen William Watson nach Deutschland. Die
Sendung war von einem gewissen Erfolge gekrönt. Man zeigte
sich wenigstens bereit, nichts gegen die englische Regierung zu
unternehmen. Ausgiebige Hilfe jedoch konnte man aus Furcht
vor dem Kaiser nicht wohl versprechen.^) Später bemühte sich
England einzelne von den durch Karl geächteten Männern in
seine Dienste zu ziehen. Wie wenig aber England daran dachte,
diese Partei seinerseits zu unterstützen, geht daraus hervor,
daß es gleichzeitig sich auch des Kaisers Gunst und Freund-
schaft zu erhalten strebte.*) Als es der Hilfe nicht mehr be-
durfte, ließ es die Verbündeten deutlich merken, daß es seiner
Verpflichtungen enthoben sein wollte.*)
Anders trat König Heinrich von Frankreich auf. Er ver-
wahrte sich nachdrücklich gegen die Absicht, mit dem Kaiser ein
Bündnis einzugehen. Das Interesse seines Hauses machte es
1} Buchholtz: Geschichte der Kegierung Ferdinands I. Wien. 18S8.
B. VI. p. 279 fg. — Briefe und Akten zur Geschichte des 16. Jahrhnndertfi.
München. 1878 ed. von Drnffel. No. 143 n. 148.
2) Calendar of State papers (foreign series) 1547. No. 64. 66. 119. 125. 134.
3) Calendar of State papera No. 191. 100 u. a.
4) Calendar of State papers No. 209.
,dbyGoogIe
Von Dr. Hans Kiewniog. " 615
ihm zur Pflicht, das Vorgehen der Habsburger zu hindern. Wo
konnte er aber bessere Bundesgenossen finden als in den pro-
testantischen Kreisen? Nach der Mühlberger Schlacht war Frank-
reich die einzige Macht, Karl auf seiner Siegeslaufbahn aufzu-
halten.') "Während er nun selbst in Italien mit Ansprüchen
gegen den Kaiser auftrat und in Konstantinopel durch seinen
Gesandten mit dem Sultan konspirierte, um den Frieden, den
Karl mit den Türken abzuschließen hoffte, zu hintertreiben,^)
spann Heinrich II. auch in Deutschland durch geeignete Unter-
händler seine Fäden. Bereits im Jahre 1647 hatte er Jean de
Fresse, Bischof von Bayonne, einen geschickten und umsichtigen
Mann, als geheimen Agenten nach Deutschland abgefertigt. Was
dieser ausgerichtet, entzieht sich unserer Kenntnis. Allein, daß
er mit seiner Mission zufrieden war, wie er sich einmal gegen
Papst Paul III. ausdrückte, beweist, daß seine Thätigkeit nicht
fruchtlos verlaufen war.*)
Ferner gewährte Heinrieh allen den vom Kaiser Geächteten,
die bei ihm Zuflucht suchten, seinen Schutz und verwandte sie
je nach ihrer Tüchtigkeit in seinen Diensten. Viele von diesen
nannten ihn geradezu ihren Herrn, und er verstand es wohl,
sich das zu nutze zu machen. Ein solches Entgegenkommen
verfehlte nicht seinen Eindruck. Man faßte zu Frankreich ein
größeres Vertrauen als zu England.
Das hat wohl auch Herzog Otto von Braunachweig-Lüne-
faurg veranlaßt, für seine bedrängten Glaubensgenossen sich bei
dem Könige zu verwenden. Sein Plan war umfassend genug;
zuletzt aber war er seihst nicht der Mann, ein Unternehmen
durcbzuflüiren, das vor allem Energie und Ueberzeugung er-
forderte. Auch Herzog Otto war nur ein Abenteurer, der sein
Schicksal einem glücklichen Zufalle anheimgab.
1) Uauris an Karl. 6. Januar 1548. DrafTel: a. a. 0. No. 128.
2) Heinrich an d'Äramon. 15. Januar 1548. Ribier: lettrea et
mämoiree d'eatat dee rojs etc. Paris. 1666. 6. II. p. 1(3.
S) Gyö an Heinrich 29. Februar 1&48. Dmffel: a. a. 0. No. 139.
DigtizBabyCoOgle
616 Herzog Älbrechts von Prenßen Anteil am FOrstenbood.
Herzog Otto hatte schon im Dienst Franz I. von Frankreich
gestanden. Für seinen Abfall vom Kaiser hatte ihn dieser mit
einer Pension belohnt.') Auch hatte der Herzog seinen Sohn
Otto nicht in Deutschland eine Hochschule besuchen, sondern
einige Jahre in Orleans seine Studien betreiben lassen.')
Herzog Otto nun fühlte sich berufen, bei Heinrich II., dem
neuen Könige von Frankreich, die Verbindungen wieder anzu-
knüpfen, die durch den Tod Franz I. jählings unterbrochen waren.
Noch im November 1547^) sandte er den Grafen Volradt von
Mansfeld, den Sohn Albrechts von Mansfeld*), zugleich mit
seinem eigenen Sohn Otto an diesen. Beide wurden auf das
freundlichste empfangen und während ihres Aufenthaltes mit
1) Schwendi an Kart 19. März 1548. Druffel: a. a. O. No. 146.
2) Mauria an Karl 17. November 1547. Druffel: a. a. 0. No. 117.
3) Voigt: Fttrstenbund gegen Karl V. in RaumerBHistoriacbem Taschen-
buch. Leipzig 1857 p. 19 setzt die Absendimg in den Anfang des Jahres
1548. Er hat diese Notiz willkürlich aus dem Briefe Herzog Ottos an
Herzog Albrecht von Preußen 5. Februar 1548. (K. St.-A, lU. 16. 67) ent-
nommen, -wozu ihn allerdings die uns fast unverständliche Bemerkung Herzog
Ottos, daQ er den Brief „in gantzer eill*' geschrieben hätte, verleiten könnte.
Aus der Beilage zu dem Briefe geht hervor, daß das Schreiben Kauf leuten
die sich nach Preußen begaben, übergeben wurde. Es ist mögb'eh, daß die
Abreise dieser Eaufleute die Yeranlaaaung zur echnellen Abfassung des
Briefes war,
4) So allein veratehe ich den Brief Herzog Ottos an Herzog Albrecht
Damit allerdings würde das Schreiben St. Mauris an Earl Droäel: a. a. O.
No, 117 nicht übereinstimmen. Denn St. Mauris erwähnt, daß Albreebt von
Hansfeld in Paris anwesend war. Es ließe sich annehmen, daß St. Manns
aus Unkenntnis vielleicht eiiiö Verwechselung der Namen vorgenommen hat.
Jedenfalls ist es höchst an wahrscheinlich, daß Aibrecht von Mansfeld, der
1547 und 4S die größte Thätigkeit in Norddeutschland entfaltete, seine Tmppen,
die als Söldner nur durch seine Persönlichkeit zusammengehalten wurden,
im Stich gelassen haben sollte. Sein Sohn Volradt, der in seine Pl^ne ein-
geweiht war nnd seinen Haß gegen den Kaiser teilte, war zu einer solchen
Mission ebenso geeignet. Daß gar beide Mansfeld abgefertigt und auch
noch von andern begleitet worden sind, wie Voigt schreibt und mit ihm
Schimnacher: Johann Aibrecht I., Herzog von Mecklenburg, Wismar 1886
B. I. p. 72, geht aus dem Briefe nicht hervor und läßt sich auch wohl
wegen der Gefährlichkeit nnd Heimlichkeit des Unternehmens kaum an-
nehmen.
DigtizBabyCoOgIC
Ton Dr. H&ne Eiewning. 617
allen Ehren behandelt. Mit beredten Worten schilderten
sie dem KtJnige das ünglüok ihres Vaterlandes und er-
baten von ihm HUfe gegen das gewaltthfttige Regiment des
Kaisers.
Der König zeigte sich nicht abgeneigt, wollte aber smnftchst
genau wissen, wie viele und welche von den Fürsten, Ständen
und Städten an diesem Bündnis sich za beteiligen gedachten.
Für gewisse Personen und Stände wollten die Abgesandten gut-
stehen. Sie waren überzeugt, dass die norddeutschen Städte,
besonders Magdeburg und Bremen, dazu auch die Q^rafen von
Mansfeld und von Oldenburg u. a. bereit sein würden, sich dem
Kaiser hartnäckig entgegenzusetzen. Schon das zeigt, wie wenig
Herzog Otto mit den thatsächllchen Verhältnissen vertraut war;
denn gerade Bremen war es, das sich im Gegensatz zu der fran-
zösischen Politik am meisten für ein englisohes Bündnis inter-
essierte. Dem Könige konnten diese Bundesgenossen begreif-
licherweise nicht genügen. Er schlug vor, noch andere heran-
zuziehen und wies dabei auch auf die Herzöge von Pommern
nnd Preußen und auf den König von Polen hin. Wollte man
eich dann wieder an ihn wenden, so würde er seine Unter-
stützung nicht versagen.
Was König Heinrich mit Becht beanspruchen konnte, war,
daß die Hilfe erst einen Namen haben sollte. Das Unternehmen
sah sonst in seiner Anlage zu abenteuerlich und zwecklos aus.
Herzog Otto aber hatte sicherlich die Erklärung erwartet, der
König werde seinerseits den ersten Schritt der Feindseligkeit
gegen den Kaiser thun. Gerade das Gegenteil setzte Heinrich
voraus. Er wollte abwarten, ob und welche Erfolge die deut-
schen Protestanten zu erringen imstande waren.') Auch gab
es Gründe genug, die ihm einen Krieg mit dem Kaiser vorläufig
verleiden mnssten. Schwebten doch eben Streitigkeiten mit Eng-
land wegen Schottlands. Zudem hätte ein französischer Angriff
Karl V. nicht ganz unvorbereitet getroffen. Voraussichtlich waren
1) Bell&y an MoDtmorency 26. Jannu- L548. Drnffel: *.. &. 0. No. 133.
Altpr. K oiuttMchrift Bd. ZZVL Hft. 7 o. K i)9
DigtizBabyCoOgle
618 Herzog Älbrechls vou FreuOen Anteil am Filrsteobund.
ihm die Yerbindungeu Frankreichs mit den SchmalkaJdenem
nicht unbekannt, jedenfalls meinte er, sich vor etwaigen Ängriffs-
plänen seines unruhigen, unberechenbaren Nachbarn sicher stellen
zu müssen. Er befestigte seine Grenzen und traf Vorkehrungen,
tun gegen jeden Handatreich gedeckt zu sein.*) Auch sollte es
bald kein Geheimnis mehr bleiben, daß man sich kaiserlicher-
seits bemühte, die englischen Interessen gegen das französische
Königshans zu fördern.^)
So mußten die Abgesandten mit einem unbestimmten Be-
scheide Mitte November wieder heimreisten. Aber in einem be-
sonderen Schreiben beteuerte Im Anfange des nächsten Jahres
König Heinrich dem Herzoge noch einmal seine Bereit-
willigkeit.
Im Februar 1548 wandte sich nun Herzog Otto, eingedenk
der Weisung des Königs, den Herzog von Preußen und durch
diesen auch den König von Polen zu dem Bündnis heranzu-
ziehen, an Herzog Albrecht von Preußen.
Dieser lag seit 1530 in des Reiches Acht. Sein Verhältnis
zum Kaiser hatte sich von Jahr zu Jahr ver^ichärft, und bei den
kaisertreuen Koichsfürsten galt Preußen, das polnische Lehen,
überhaupt nicht mehr als ein Stück des deutschen Reiches. Es
liegt ein Bericht eines Preußen über seine Erlebnisse in Berlin
vor. Als bei einem Gastmahle am kurfürstlichen Hofe das Ge-
spräch auf Herzog Albrecht kam, wurde diesem vorgeworfen,
daß er Preußen dem Reich entzogen und sich selbst aus der
Beihe der Fürsten abgesondert habe.')
Als die Protestanten sich um den Kurfürsten von Sachsen
□nd den Landgrafen von Hessen schaarten, hatte man auch
1) Mauris an Karl 15. Februar 1548. Drnffel: a. a. O. No. 136. -
Katuia aa den Kaieerl. Staatarat 24. Februar 1546. Druffel: a. a. 0. No. 137.
2} Heinrieb an Marillac 28. Augnst 154S Drufiet: a. a. O. No. 201.
— Marillac an HeinriGh 2a September 154a Druffel: a. a. 0. No. 217. —
Calendar of State papers No. 91. 100 u. a.
8) Lorentz Fenzls Bericht. Älfpreuß. Monalssehr. B. XXV. Haft
& a. 6. Königeberg 1888 p. 40G. — Bischof von Ermland an Herzog Albrecht
20. September 1547. K St.-A. Geb. Keg. 81.
DigtizBabyCoOgIC
Von Dr. Hims Eiewning. 619
Herzog Albrecht aufgefordert, für die gerechte Sache einzutreten.
Wie ein Lauffeuer w&r es durch die Welt geäogeu, dafi Herzog
Moritz als Lohn für seine Hilfe die sächsische Kurwürds ver-
langt und der Kaiser ihm diese zugesagt hatte. Herzog Albrecht
erkannte wohl, welche Folgen für ihn daraus entstehen konnten.
Siegte der Kaiser, so kam die sächsische Landschaft, Fürsten,
Adel und Städte in Abhängigkeit des Spaniers. Damit war der
Kaiser auch FreuiJen ein gutes Stück näher gerückt, und die
Gefahr lag nahe, daß über Preußen der Kampf forttoben würde.')
£b galt einer solchen G-efahr rechtzeitig vorzubeugen. Auf
Polen, das allerdings Preußen als sein Lehen zu schützen schul-
dig war, konute in Zeiten der Not wenig gerechnet werden.
Es hatte sich immer säumig bewiesen, viel versprochen, aber
wenig gehalten.
So hatte der Herzog nach seinen Kräften eine Summe
Geldes den verbündeten Pi-otestanten übergeben und eine Anleihe
für seine bedrängten Eeligionsverwandten bei befreundeten
Fürsten und Herren nachgesucht.^) Vor allem aber hatte er
versucht, den König von Dänemark zu gewinnen, trotzdem er
wußte, daß auch dieser Fürst sich dem Kaiser verpflichtet hatte,
den Protestanten keinen Schutz zu gewähren. An Christians
Kleinmütigkeit war zuletzt jeder Versuch in dieser Hinsicht ge-
scheitert.*}
Die Niederlage der Protestanten hatte sodann dem Herzog
schwere Sorgen bereitet. Er mußte fürchten, daß der Kaiser auch
an ihm Bache nehmen würde für die Hilfe, die er seinen Glaubens-
verwandten geleistet hatte. Eine trübe Zukunft stand ihm bevor.
Die sonderbarsten Gerüchte liefen über seine Absichten um. So
sollte er mit den Türken im Bunde stehen, um sie gegen das
1) Herzog Atbrecht an Gabriel Terlau 11. Mai 1547. K. St.-A. Geh.
Eeg. 81.
2) Mehrere Briefe Herzog Albrechts an verschiedene Fürsten vom
Januar bis Juni 1&47. K. 8t -A. Geh. Eeg. 81.
3) Memorial fili CUna von Gadendorf Januar 1547. K. St-A. G«h.
Keg. 81.
DigtizBabyCoOgle
620 Herzog Albrechts vod FieaGen Anteil am FärsteDbuDd.
Beioh aafzahetzen, femer in seinem Lande ge&chteten Aben-
tenrem eine Freistatt gewähren u. a.') Es war ihm leicht die
Grundlosigkeit solcher Beden nachzuweisen: aber wie sollte er
Glauben fioden, wenn man ihm nicht einmal Verteidigung ge-
statten wolltei' Seinen Gegnern gelang es ohne Schwierigkeit,
die verhängnisvolle Sitnation anszunutzen, und vor allen der
Meister des deutschen Ordens, der durch eine stattliche Hilfe,
die er im letzten Kampfe dem. Kaiser gewährt hatte, in dessen
besonderer Gunst stand, bemühte sich die Feindschaft «wischen
dem Kaiser and dem Herzog zu vergr6£em.') Man sprach da-
von, daß ein Krieg gegen Preußen geplant würde. In Livland
wurde eifrig gerüstet und Gesandtschaften an den Kaiser, selbst
an den -König von Polen abgefertigt. Mit den Seestädten, vor-
züglich mit Lübeck, knüpft« man Unterhandlungen Über ihre
Mitwirkung an.^) Älle9 nahm eine bedrohliche Haltnng an, nnd
täglich liefen schlimme Nachrichten über die Absichten seiner
Gegner bei dem Herzoge ein. Auch von dem Kriegsplan des
Ordensmeisters, der die Billigung des Kaisers erhalten hatte,
hatte man in Preußen Kunde. Danach dachte man nach der
Froberung von Magdeburg, Bremen und anderen sächsischen
Städten Pommern zu überziehen, wofern dieses nicht vorher
seinen Frieden suchen wollte, und dann auf Danzig zu mar-
schieren, um hier einen Stützpunkt zu erhalten. Auch hieß es,
dajQ Lübeck in Danzig seine Agenten hätte, und da£ man seinen
Versprechungen, Danzig zq einer £reien Seestadt zu machen und
ihm Verkauf und Niederlage aus seinem Hinterlande anheimzu-
geben, bereits ein wiUiges Gehör schenkte.^) Jedenfalls stand
1) Achatias Czemen ao Herzog Albrecht 28. Jnni 1547. E. 3t.-A. II.
2B.30. — Herzog Albrecht an Herzog Friedrich von Liegnitz 6. Jnli 1H7 nnd
an Czenien 7. Jnli 1647. E. St.-A. Geb. Keg. 81. — Christian von Dänemark
an Herzog Albrecht 23. Harz 1547. K. St-Ä. in. 87. 101.
2) Herzog Älbrecht an seine Landschaft 11. Juli 1647. K. 8t.-A.
Qeh. lieg. 81.
3) Memorial für Johann Pein 11. Oktober 1547. K. 8t.-A. Geh.E^.81.
4) Memorial für Ereytz 5. Febntar 1&48 nnd an Harkgraf Älbreobt
5. Febrnar 1548. K. St.-A. Oeb. Beg. 81.
DigtizBabyCoOgIC
Ton Dr. Hans Eiewnmg. 621
fest, dafi der Kaiser, wofem ihn nicht andere Yerpflichtnngen
hinderten, mit dem Ordensmeister gegen Preußen vorzugehen
beabsichtigte.
Allen diesen Bestrebangen stand der Herzog fast machÜos
gegenüber. Versprach anch der zukünftige Thronerbe von Polen,
Sigismnnd August, die göttliche Wahrheit befördern zu wollen
und dafttr zu wirken, daß dem Herzog jeder Schutz zu teil werde,
der ihm nach den Verträgen zukäme*), so wußte man doch anch
anderseits, daß man am polnischen Hofe lieber den deatechen
Orden in Preußen sah als den Herzog, und bemüht war, Unruhe
im Lande zu stiften. Besonders die Königin von Polen, die
ihren Gemahl beherrsohte, intriguirte unaufhörlich gegen den
Herzog.^) Das Einzige, was den Herzog einigermaßen sicherstellen
konnte, war der Gedanke, daß Polen Preußen nicht aufopfern
durfte, wollte es nicht den immerhin gefügigen Nachbarn mit
dem übermächtiges Kaiser vertauschen.*) Auf des Herzogs
warme Bitte sandte auch Polen einen Vertreter zum Augsburger
Reichstage, um den Versuch zu machen, eine Einigung herbei-
zuführen. Aber anstatt einen geschickten Agenten abzufertigen,
der von den preußischen Angelegenheiten Kenntnis hatte und
am kaiserlichen Hofe Ansehen genoß, Eigenschaften, wie sie sich
in der Person des marienburgischen "Woywoden Achatius Ozemen
vereinigt fanden, übertrug man die Mission einem Manne, der
in französischer Schule gebildet, am kaiserliohen Hofe unbekannt
und selbst mit den Gerechtsamen der Krone Polen noch wenig
vertraut war. Herzog Albrecht konnte sich nur damit helfen,
daß er diesen Gesandten, es war der Woywode von Sandomir,
Stanislaus Laski, auf dem Beichstage scharf beobachten ließ.*)
1) Herzog Albreclit an die junge Königliche Majestät zu PoIsd
14. Juni 1647 und die erfolgte Antwort 16. Febrntir 1548. K. St.-A. Geh.
Beg. 81.
2} Bischof von Ennland an Herzog Albiecht 20. September 1547.
K. St.-A. Geh. Reg. 81.
S) Memorial für Christof Kreytz 6. Februar 1548. K. St.-A. Geh. Reg. 81.
4) Tetschiedene Briefe von August bis Oktober 1547. K. St.-A. Geh.
Beg. 81.
DigtizBabyCoOgIC
622 Herzog Albrechta von Preußen Anteil am FOrsteiilmnd.
Der einzige, der in dieser gefährlichen Zeit den Herzog
nicht verließ, war Markgraf Albrecht von Brandenburg. Alte
Verträge knüpften ihn an Preußen; auch stand er gleichfalls in
Lehnsabhängigkeit von Polen. So wurde auch er in Mideiden-
schafb gezogen, wollte der Kaiser unter dem Einfluß des Ordens-
meisters Preußen mit Krieg überziehen.^) Markgraf Albrechb
hatte sich in dieser Zeit noch der besonderen Gunst des Kaisers
zu erfreuen, und ihm konnte es vielleicht gelingen, den Sturm
noch einmal zu beschwichtigen. Daß aber auch er nicht viel
Hoffnung hatte, bewies, daß er auf die Aufforderung des Hei^
zogs im geheimen Truppen anwarb und sich fflr alle Fälle
rüstete.')
In dieser bedrohlichen Lage traf der Brief Herzog Ottos
von Braunscliweig ein. Dieser machte insgeheim Anzeige von
seiner Werbung in Frankreich, die er auf eigene Kosten und
Gefahr, der christlichen Religion und dem Vaterlande zom besten,
unternommen hätte. Er verlangte, Herzog Albrecht sollte sich
bereit erklären, mit dem Könige von Polen, den Herzögen von
Pommern und anderen, die er für geeignet hielt, Über ein Bünd-
nis Rücksprache zu nehmen. Im Eifer für seine Sache wies er
darauf hin, daß alle Protestanten schon durch ihren Glauben
dazu verpflichtet wären, für ihre ge&hrdete Beligion in den
Kampf zu treten.
Großen Eindruck machte der Brief auf Herzog Albrecht
nicht. Unmöglich konnte er sich jetzt in ein solches Unter-
nehmen einlassen, wo ihm alles daran lag Frieden zu erlangen.
Er hatte eine innere Abneigung gegen den Kampf, den Herzog
Otto entfachen wollte. £s schien ihm nicht der richtige Weg,
vielleicht auch nicht der richtige Führer, der hätte Vertrauen
erwecken können. Frankreichs Zusage war zweifelhaft, und die
1) Herzog Älbrecht von PrenBea an Uarkgraf Atbrecht 28. November
1647. K. St.-A. Geh. B«g. 81.
2) Herzog Albrecht an Markgraf Albreoht 5. Februar 164a E. St.-A.
Geh. Reg. 91. — Caemen an Herzog Albrecht 18. August 1547. K. St.-A. II.
26. 82. a. 27. September 1647. U. 26. SS.
zeabyCoOgIC
Von Dr. Hans Eiewning. 623
anderweitige Hilfe, die unter den denkbar größten Schwierig-
keiten erst gewonnen werden sollte, war es nicht weniger. Denn
von den Städten hatte sich Lübeck bereits gegen den Herzog
verpflichtet. Wie aoUte man unter solchen umständen Vertrauen
zu einander fassen kfinnen!
So lehnte Herzog Albrecht die Teilnahme dankend ab.
Seine Antwort zeigte nicht das Entgegenkommen, das Herzog
Otto wohl als selbstverständlich erwartet hatte. Er belobte den
Herzog ftlr seinen Eifer, bei der wahren Religion verharren zu
wollen, und verschloß sich keineswegs der gerechten Sache, aber
er wollte lieber einer hohem Macht es überlassen, alle christ-
lichen Herzen aus ihrer Trübsal zu erretten, als selbst sich in
'Weiterungen stürzen. Auch verhehlte er nicht, dafi seine
Stellung ganz und gar nicht gesichert war, daß er vielmehr
täglich erführe, wie man im Reiche gegen ihn praktiziere.')
Herzog Otto jedoch wollte den einmal gefaßten Plan nicht
sogleich aufgeben. Er blieb noch in Unterhandlung mit Herzog
Albrecht,') und als im Mai 1548 Graf Volradt von Mansfeld
eine Reise nach Preußen unternahm, gab er ihm ein Kredenz-
srhreiben an den Herzog mit und trug ihm mündliche Empfehl-
ungen imd "Werbungen auf.") Auch diese Unterhandlungen
führten zu keinem nennenswerten Resultat.
Man kann wohl annehmen, wenn es auch nach den vor-
liegenden Quellen nicht feststeht, daß Herzog Otto versuchte,
direkt Polens Unterstützung ohne Herzog Älbrechts Vermittelung
zu gewinnen. Bereits vor der Reise nach Preußen hatte Graf
Volradt von Mansfeld durch den polnischen Kanzler bei dem
Könige von Polen nach Darlegung seiner und seines Vaters
trüben Verhältnissen um ein Geleit nach Polen zu einer Unter-
redung gebeten. Man hatte ihn an den Herzog von Preußen
verwiesen. Bei der Zusammenkunft mit diesem wird das Ge-
1) Heraog Albrecht an Herzog Otto 28. M&rz 1&48. K. St.-A. FoUant 18.
Voigt: a. a. O. p. 20.
2) Schwendi an Karl Ift April 1548, Druffel: a. a. 0. No. 150.
8) Memorial für Volradt v. Mansfeld 8. Mai 1548. K. St.-A. UI. 16. IB.
zeabyCoOgIC
624 Herzog Albrechte von PreuSen Anteil am FUretenbnnd.
sprach auch auf die polnischen Zustände gekommen und das
Bild, das Herzog AJbrecht von ihnen entworfen, ein nicht sehr
vertrauenerweckendes gewesen sein. Obwohl Graf Volradt von
Polen wenig Förderung erwarten durfte, bot er sich Polen doch
noch einmal an and ließ dem Könige geheime Nachrichten zu-
kommen, wodurch er ihm dienen zu können meinte.') Ob und
wie weit nun Herzog Otto in diese Angelegenheit verwickelt
war, l&ßt sich nicht erweisen. Jedenfalls geschah aber durch
den König von Polen nichts, was einer Verbindung gegen deu
Kaiser hätte förderlich sein können.
So kam das ganze Unternehmen nicht von der Stelle.
Daher suchte nun auch Herzog Otto seinen Frieden mit dem
Kaisar zu machen. Als Lazarus Schwendi in kaiserlichen Diensten
sich zu Hannover aufhielt, fertigte der Herzog einen seiner
Bäte an ihn ab, seine Vermittelung bei dem Kaiser zu erbitten.
Schwendi versprach sein Möglichstes zu thun, verhehlte aber
nicht, daß nur geringe Aussicht zu einer Aussöhnung vorhanden
wäre, und riet, andere Mittel ausfindig zu machen, die Gnade
des Kaisers wieder zu erlangen.*)
Ans dieser trübseligen Lage befreite aber einige Monate
später den Herzog ein Anerbieten, für die englische Krone gegen
eine bestimmte Geldsumme Truppen anzuwerben. Nach langen
Unterhandlungen, bei denen namentlich der Geldpunkt pein-
liche Erörterungen veranlaßte, erklärte sich der Herzog bereit
in englische Dienste zu treten.')
1) Volradt an Herzog Albrecht anno 1648. K. St.-A. UI. 39. 7. Der
Brief nmlJ nach der Unterredung mit Herzog Albrecht geschrieben sein, da
er auf die letzte Zusammenkunft Bezug nimmt. Ferner muß er vor dem
31. Juli Ibtö abgegangen sein, da an diesem Tage Oraf Albrecht v. Mans-
feld in einem Briele (K. St.-Ä. III. 29. 13.) Heraog Albrecht dankt, daß er
seinem Sobn an den polnischen Hof verhelfen habe.
2) Schwendi an Karl 27. Mai 1&48. Buchholtz: a. a. O, B. IX. 447.
8) Calendar of State papers No. 118. 123 n. 129. Nach Voigts Angabe:
a. a. O. p. 21 erfolgte daa Ableben Herzog Ottos bald nach seiner verBacbten
Aukntlpfung mit Herzog Albrecht. Aus den Stammtafeln aur Oeechichte
DigtizBabyCoOgIC
Von Dr. Hans KieviÜDg. 626
Der Herzog von Brannsohweig verkörpert am besten daa
Treiben der Abenteurer, die noch auf eigne Faust in ihrem
Widerstand gegen den Eaiser bebarrten. Wohl schoben sie alle
die Verteidigung des Glaubens vor, zuletzt aber fehlte ihnen
doch der sittliche Emat, der allein ihre Thaten hätte adeln
können. Der Trieb der Selbsterhaltung mnßte sie dazu ftlhren,
sich an stärkere Mächte anzulehnen. Aber man vertraute sich
nur denjenigen an, die am meisten zn zahlen versprachen.')
Daher konnten diese Leute erst Bedeutung erlaDgeo, als eine
Kraft, die sich ihres Zieles bewußt war, sie einigte und nach
einem wohl ausgearbeiteten Plane handeln ließ.
Man kann es daher Herzog Albrecht von Preußen nicht
verfurgen daß er sich in seiner bedrängten Lage nicht in ein
unternehmen einlassen wollte, das von Anfang an wenig Aus-
sicht auf Erfolg bot. Schon wenige Monate nach jener Unter-
redung mit Graf Yolradt wurde ihm ein anderer Brief überreicht,
der von einem Manne geschrieben war, dessen Charakterfestigkeit
sich im Laufe der letzten Jahre bewährt hatte, und der infolge
dessen mit seinen Plänen eine bedeutend gesichertere Grundlage
und eine erfolgreichere Aussicht versprach. Dieser Brief kam
von Markgraf Johann von Brandenburg.
Kapitel II.
Markgraf Johann von Brandenburg und KurfDrst Moritz von Sachsen.
Markgraf Johann von Brandenburg hatte im schmalkaldisohen
Kriege, obgleich er Protestant war, auf Seiten des Kaisers ge-
standen. Auch er war gewonnen worden durch die Vorspiegelung,
der Krieg werde nur zum Zweck der üeberwindung der Rebellen
der enropäischen Staaten, berauegegebea von Tojgtel-Cohn, Braanschweig
1S7I, Tafel 87 geht hervor, daß Herzog Otto von Brannechweig-LODebnrg
erst am 11. Angoat 1549 gestorben ist.
1) Cideadar oi etat« papers No. 16&.
zeabyCoOgIC
626 Herzog Albrechta von PreoBen Aiit«il am Füret«nbiind.
unternommen.*) Änf dem Reichstage zn Ängsbnt^ aber muBte
auch er erkennen, daß die Dinge sich vollkommen geändert
hatten. Allein anch der Kaiser hatte sich in dem Markgrafen
geirrt, wenn ©r glaubte, derselbe werde sich in allem tugen.
Alle Versuche, ihm das Interim annehmbar zu machen, seheiterten
an seiner Festigkeit.*) Er ■wollte lieber sterben, als wissentlich
wider Gott und sein Wort handeln. Zuletzt berief er sich
darauf, daß der Kaiser ihm versprochen habe, ihn bei seiner
Religion zu beiaasen, und betonte ausdrücklich, daß niemand
aber sein Vermögen und seinen Verstand etwas anzunehmea
und zu bewilligen genötigt werden könne. Denn es wären nicht
Sachen, die das gemeine Reich angingen, sondern Dinge, die
mit der Seligkeit im Zasammenhange ständen und über die ein
jeder sich allein Rechenschaft abzulegen habe.
Mit einer solchen Meinung hatte Markgraf Johann den
Reichstag Anfang Juni verlassen. Wenn ihm auch in der
Abschiedaaudienz von dem Kaiser die Hand gereicht worden
war, so fühlte er sich demselben doch entfremdet. Bald wurde
ihm dann auch die Nachrieht überbracht, dafl der Kaiser seinen
Bruder, Kurfürst Joachim II. von Brandenburg, gewonnen habe,
wofem der Markgraf bei seiner Weigerung beharren sollte, die
Exekution gegen ihn zu übernehmen. Kurfürst Joachim soUte
eich daza bereit gefunden haben, da der Kaiser ihm als Lohn
seines Bruders Land und Leute versprochen habe. Jedenfalls
durfte der Markgraf von der kaiserfreundlichen Stimmung seines
Bruders nichts Gutes erwarten.*) Zu keiner Zeit trug dieser,
der trotz seines Standes Fürstendiener wie wenige seiner Zeit
war,*) Bedenken, Nachrichten, die vielleicht den Schein einer
1) Markgraf Johann an Herzog Albrecht Juli 1549. K St,.-A. Geh.
Beg. 81.
2) Ranke: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Berlin
1817, YI. 435 and Zeitschrift für preuQische Geschichte und Laadeskund«
Jahrg. IV 1867 p. 78 fg.
3) Markgraf Johann an Herzog Albrecht Juli 1549. K. St-A. Geh.
Eeg. 81. — Könneritz an Karl V, 24. Januar 1551. Dniffel: a. a. 0. No. 667.
4) Karl V. an Ferdinand 22. Oktober 1548. Druffel: a. a. 0. No. 230
zeabyCoOgIC
Von Dr. Hans Kiewning. 627
Verschw^tmng gegen das kaiserliche Hans ßlr sich hatten, seinem
Herren zukommen zu lassen. Sein Bruder, der ihm am nächsten
wohnte, hatte naturgemäß am meisten darunter zu leiden.
Femer hatten sich die Herzöge Barnim nnd Philipp von
Pommern mit dem Kaiser ausgesöhnt, wie sie sich schon als
Mitglieder des schmalkaldischen Bundes') sehr lau gezeigt und
suletzt eine neutrale Stellung eingenommen hatten. Nach dem
Kriege war es ihnen auf dem Augsburger Reichstage gelungen,
eine Versöhnung herbeizuführen, Sie mußten das Interim an-
nehmen und in ihrem Lande durchsetzen, eine bedeutende Geld-
summe zahlen und gestatten, daß der Kaiser gegen jeden Feind
ungehindert durch ihr Land ziehen dürfe. Der letzte Artikel
entsprang unverkennbar dem Verlangen, den "Weg nach Preußen
offen zu haben.^)
Auch das Gebiet der pommerschen Herzöge grenzte an
Markgraf Johanns Landschaft, deren Grenzen im Süden mit
denen des römischen Königs ziisammenfielen. Diesem gegen-
über mußte der Markgraf besonders vorsichtig sein, da er wußte,
daß der ECuig die Herrschaften Crossen und Cottbus dem
böhmischen Besitzstande einzuverleiben wünschte und daß der
Kaiser ihm dabei mit Geld und Truppen zu helfen bereit war.')
So sah sich Markgraf Johann rings von Feinden umgeben und
fand nur eine kleine Ausflucht auf Polen oflen.')
Aber auch mit dem K&nige von Polen stand der Markgraf
nicht auf freundschaftlichem Fuße. Mancherlei Irrungen machten
sich bemerkbar, und hauptsächlich wegen der Grenzen lag man
in ewigem Zwiespalte. Schon mehrfach hatte der Markgraf ver-
1) Fock: Rügen -Pommersche Geschicliten ans 7 Jahrharidort«ri. B. V.
Leipzig. 18B8. pag. SCO fg.
2) Markgraf Johann an Herzog Albrecht U. August 1548. K. St.-Ä.
m. 10. 67. — Voigt: a. a. 0. p. 30. - Herzöge Baniim und Philipp von
Pommern an Karl 14, Februar 1549. Druffel; a. a. 0. No. 271.
8) Markgraf Johann an Herzog Albrecht 22. September 1649. K. St.-A.
III. 10. 93. — KönneriU an Karl V. 24. Jannar 1651, Dmffel: a. a. 0,
No. 667. — Voigt: a. a. 0. p. 32.
4) Memorial Lehndorfe Jnli 1649. K. St.-A. Geh> Keg- 81-
DigtizBabyCoOgIC
628 Herzog Albrechts von Preafim Anteil am Füntonbnnd.
aacht, Polen sein Becht aacbzaweisen und mit freoudlichen Worten
zam FriedäD gemahnt. Man hatte seinen Aueeinandersetzungen
nicht nur kein Gehör geschenkt, sondern sich sogar nngescheat
einen Teil seines Erbes an gemafit. Johann sah sich znletzt
gezwungen, auf energische Abhilfe zu denken und sich an seine
Einungsverwandten zu wenden.*) Von ihnen durfte er im Falle
der Not nach den bestehenden Verträgen Hilfe beanspruchen.
Da änderte der Tod des Königs von Polen Sigismnnd, am
1. Aprü 1648, auf einmal die ganze Sachlage. Es war die Frage,
oh der neue König Sigismund August auch als Erbschaft die
alten Feindseligkeiten übernehmen oder ob es dem Markgrafen
gelingen würde, die Gtunst des jungen Herrschers zu erlangen.
Denn Sigismund August war der neuen Geistesrichtung nicht
abgeneigt. Hier galt es geschickt einzugreifen.
Auch gab es noch Forsten, von denen zu erwerten war,
daß sie nicht ohne weiteres der Willkür des Kaisers sich beugen
würden. Selbst Kurfürst Moritz hatte sich nicht unbedingt
unterworfen. Für seine Person zwar hatte er versprochen das
Interim anzuerkennen, eine rücksichtslose Durchführung in seinem
Lande jedoch nicht zugesagt. An ihn dachte Markgraf Johann
vor allen.
Bald nach seiner Heimkehr sandte Johann an Moritz ein
Schreiben ab,^ in dem er sein Bedauern aussprach, dafi er auf
seiner Heimreise vom Eieichstage nicht habe beim Kurfürsten
vorsprechen können, und fügte bei, daß er eine möglichst baldige
Zusammenkunft mit dem Kurfürsten dringend wünsche.
Um gleichzeitig die Anknüpfung mit Polen anzubahnen,
wandte er sich an Herzog Älbrecht von Preußen und ersuchte
auch ihn um eine persönliche Zusammenkunft, da er wichtige
Dinge mit ihm zu besprechen hätte. Sollte es dem Herzog nicht
möglich sein, seinem Verlangen nachzukommen, so bat er ihn,
1) Markgraf Johann an Knrfiiret Moritz 7, Januar 1548. Königlich
Geheimes Staate-Archiv zu Berlin. (B. St.-A.)
2) Markgraf Johann an Kurfarst Moritz 2fi. Jnni 1&48. Königlich
Sächsisches Staats-Archiv zn Dresdrai. (D. St,-A.)
DigtizBabyCoOgIC
Von Dr. Hftne Kiewning. 629
den marienbargiechen Woywoden Acbatios Czenien zu ihm ab-
zufertigen, dem er dann seine Wflnsohs anTertianen wolle.')
Der Herzog, der aicb in jenen Tagen am Hofe dea Königs von
Polen be&nd, mu^te dem Markgrafen in betreff einer persönliclien
Zusammenkunft eine Absage zukommen lassen.^)
unterdessen, da das Eintreffen der Antwort des Herzogs
aioli von Tage zu Tage verzögerte, hatte der Markgraf in Be-
gleitung weniger Familienmitglieder die Reise zu Kurfürst Moritz
angetreten.'} Der Besuch fand so geheim statt,*) daß des Mark-
grafen Räte die sonst gewohnt waren von ihres Herren Aus-
fahrten instruiert zu werden, diesmal ohne Benachrichtigung
blieben. "Wichtige Besprechungen fanden statt. Der Versuch
der Annäherung war gewagt, und der Markgraf fand den Kur-
fürsten seinen Plänen geneigt. Man gedachte, vereint bei Polen
um ein Bündnis zu werben, sich zu diesem Zweck mit dem
StaroBten von Posen, Graf Andreas von Oorka, in Verbindung
1] Markgraf Johann an Herzog Albracht 4. Juli 1548. E. St.-A. m.
10. 48. Die folgenden Vorgänge siod in Dunkel gehüllt, da vieles wegen
der Unsicherheit der Stn^en nur mnndlichen Berichten anvertraut warde.
Voigt Btützt sich für diese Periode der Torgauer Zusammen kunfl anf
V. Langenn: Moritz, Herzog und Eurfflrst zu Sachsen. Leipzig 1841. B. I.
p. 4G3 stellenweise wörtlich. Nicht nachzuweisen scheint mir seine Notiz,
und ihm folgen Eletke in Mark. Forsch. B. XIII. 1876 p, 76 und Mauren-
brecher: Karl V. und die deutschen Protestanten 1546—55. Düsseldorf
1866 p. 266, doD die Söhne des gefangenen Landgrafen von Hessen einen
AnschluS an Markgraf Johann gesucht und gefunden hätten. Sollte viel-
leicht ein MilveretAndnis bei Voigt eu Qmnde liegen, da Langenn an jener
Stelle zwar auch von den Landgrafen von Hessen spricht, sie aber sonst
in keinen Zusammenhang mit dem Markgrafen bringt?
2) Herzog Albrecht an Markgraf Johann 8. Juli 1648, wie aus dem
Indorsat zn dem Briefe des Markgrafen Johann za ersehen ist. Der Brief
selbst des Herzogs ist auf dem Eönigsberger Staatsarchiv nicht vorhanden.
8) Meine Mntmaflnng, daß sich der Besuch des Martigrafen noch vor
dem 11. August vollzog, stutzt sich anf Beilage II eu dem Briefe des
Markgrafen an HeiYOg Albrecht 11. Angnst 1548 (K. 8t.-A. III. 10. 67), in
welcher er entschuldigt, daB er des Herzoge Boten so lange aufgehalten
habe, „dan die ursach desselbe ist, das wir nicht anheimisch und innerhalb
unserm hofflager gewesen".
4) Bericht des Hans von Oppersdorf Oktober 1648. Dmffel; a. a. 0.
No. 319. Punkt X
DigtizBabyCoOgIC
630 Herzog Albrechta von PreUißeii Äateil ttm Fliist«Dbimd.
ZU setzen nnd dann, war der erste Schritt gelungen, auch andere
Fürsten in das Bündnis zu ziehen. Das Nähere wollte man,
wohl um Aufsehen zu vermeiden, auf der Hochzeit des Herzogs
August, des Bruders des Kurfürsten, hesprechen, die im Oktober
stattfinden sollte.') Von allem Wissenswerten wollte man sich
bis dahin schrüUich benachrichtigen.
In einer Zusammenkunft mit dem Starosten von Posen, die
der Markgraf noch vor der Hochzeit hatte, gelang es ihm anch
diesen für seinen Plan zu gewinnen. Er schloß ein vorläufiges
Bündnis mit ihm ab.^)
Mit dem KuriÜrsen von Sachsen blieb der Markgraf in
weiterem brieflichen Verkehr, der besonders von seiner Seite
sehr eifrig betrieben wurde. Es lag dem Markgrafen daran, den
Kurfürsten möglichst oft an ihre Abmachungen zu erinnern.
Seine Briefe aus jenen Tagen können aber eine gewisse Miß-
stimmung über des Kurfürsten Zurückhaltung nicht verleugnen.
Schon regt sich in ihm das Mißtrauen, daß sein Verbündeter
die lockere Verbindung wieder lösen könnte, um sich anderer
Mittel und Wege zu bedienen, seine Pläne zu verwirklichen.
So beklagte sich der Markgraf darüber, daß der Kurfürst
ihn ohne Nachrichten lasse und daß er selbst auf einen Brief,
den er bald nach ihrer Zusammenkunft an ihn abgeschickt, noch
keine Antwort gesehrieben hätte.') Freilich that er mit diesem
1) Carlowitz an Herzog Äugnst 26. April 1548. Drufiel: a. a. O.
No. 154. Moritz hatte die Abhaltung der Hochzeit am 19. Äognet nicht
zugegeben. Dazu bemerkt Druffel Adiu. I : nim Oktober bei der Hochzeit
faoden die YerhaDdlungen über den Fitrstenbund statt. Ob Moritz mit Bück-
sicht darauf die Yerachiobung wünschte?" Von einem Fürstenhunde honnt«
damals Moritz wohl noch nichts wissen. Er schloß einen solchen zuerst
mit Markgraf Job an n. Dieser hatte aber in jenen Tagen noch keine Ähnnng,
wie seine Stellung zum Interim, das erst im Mai publiziert wurde, yom
Kaiser aufgenommrai werden wttrde. Damals konnte er mit Moritz deshalb
noch keine Rücksprache genommen haben. Erst nach der Abschiedsaudienz
war er sich klar, welchen Weg er weiter zu verfolgen hatte.
2) Bericht des Hans von Oppersdorf Druffel: a. a. 0. No. 219. Punkt IX.
3) Markgraf Johann an Kurfürst Moritx 9. September 1M8. B. St.-A.
Der ia Frage kommende Brief des Markgrafen, der sicherlich bald nach der
DigtizBabyCoOgIC
Von Dr. Hans KJewning. g31
Vorwurf dem Kurfürsten Unrecht. Moritz hatte sich Zeit ge-
lasaen mit seiner Antwort, vergessen hatte er sie nicht. Unauf-
gefordert beteuerte er in ihr noch einmal seine Bereitwilligkeit.
Welchen Lauf die Dinge auch nehmen sollten, er wollte keines-
wegs an der Seite stehen bleiben, wenn andere vorwärts drängten
zum Kampf für die allgemeine Wohlfahrt.^)
Dafi Kurfürst Moritz aber bereits damals sich klar wurde,
daß das kaiserliche Begiment ganz anders bekämpft werden
müßte, als es sein Verbündeter plante, läßt sich wohl vermuten.
Markgraf Jobann wollte zuletzt nichts anderes als eine Sioher-
stellung seiner Person und war weit davon entfernt, irgendwie
die kaiserliche Majestät durch Auflehnung schmälern zu wollen.
Das war aber nicht des Kurfürsten Absicht. In der richtigen
Erwägung, daß nur ein empfindlicher Verlust den Kaiser zu
Zugeständnissen veranlassen könnte, lief Moritz' Bestreben darauf
hinaus, die Mittel zu einem Abfall aufzutreiben. Er hatte den
Markgrafen nicht abgewiesen, in der Voraussetzung, durch diesen
vielleicht eine Bewegung organisieren zu können. Der Weg,
den der Markgraf ihm vorgeschlagen hatte, der Hinweis auf Polen
konnte einen gewissen Erfolg in Aussicht stellen. So forderte
er den Markgrafen auf, auch ferner noch den Verabredungen
gemäß zu handeln, und wenn sich auch gewisse Dinge nicht
äbereüen ließen, wenigstens keinen Fleiß und keine Mühe zum
Nutzen des gemeinen Wohles zu sparen. Gleichzeitig ersuchte
er ihn, noch vor der Hochzeit seines Bruders Heinrich von Pack
zu ihm abzufertigen, um mit ihm Kücksprache zu nehmen.*)
Der Markgraf kam seinem Verlangen nach.')
Zusammeakunft der beiden Fürsten geschrieben war and vielleicht übet
das Datum derselben Auskunft gaben könnle, war weder zu Berlin noch zu
Dresden auFzufindeu.
1) Kurfilrat Moritz an Markgraf Johann 10. September 1548. B. St.-A.
2) Kurförst Moritz' Briefe vom 10. u. 16. September 1648. B. SL-A.
S) Markgraf Johimii an Kurfürst Moritz 16. September 1&48. ß, St.-A.
Kletke: a. a. 0, pag. 174 gi«bt den Inhalt dieses Briefes nngenau nnd unzn-
reichend an. Auch läßt sich daraus nicht ersehen, ob und wo das Stück
bereits gedntckt oder benutzt ist.
D,gt,zBabyC00*^IC
633 Henoj; Älbreohti von PreaAen Anteil am Fürstenbniid.
Auf der Hochzeit des Herzogs August mit der Prinzessin Anna,
der Tochter des Königs Christian HI. Ton Danemark, in den ersten
Tagen des Oktober fanden Fich die Fürsten wieder zusammen.
Der Kaiser war von diesen Vorgängen doch nicht ganz
ohne Nachricht geblieben. Einzelne Fürsten, die nm seine
Gunst buhlten, wie KurfUrst Joachim, hatten ihm geheime
Warnungen zukommen lassen. Man gab es ihm an die Hand,
einen Abgesandten zu der Hochzeit abzufertigen, der unter der
Maske der kaisertiohen Freundschaft die Festlichkeit beobachten
sollte.') Der Kaiser verachloil sich solchen Aufforderungen nicht.
Er wies im Anfange des September seinen Bmder, der sich in
Wien befand, an, sobald als mOglich nach Böhmen überzusiedeln,
wo es ihm leichter w&re, in Sachen der Religion und des Keichs-
frieden« etwaige Unruhen zu ersticken. Auf diese Weise wollte
er versuchen, diejenigen Fürsten, die sich seiner (Gewalt zu ent-
ziehen drohten — und er bezeichnete damit namentlich die
Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg, anch den Markgrafen
von Brandenburg — unter Aufsicht zu behalten.^} Vor allem
aber ersuchte er seinen Bruder, für eine kaiserliche Vertretung
aiif der Hochzeit mit einer vertraulichen Anweisung Sorge zu
tragen. König Ferdinand bestimmte dazu den Marschall Poppel.
Es gelang diesem aber nicht, irgend etwas von Praktiken zu be-
merken. Sein Bericht lautete beruhigend: „rien qne des festins
et bonnes chÄres."')
In der Hauptsache waren Markgraf Johann nnd Kurfürst
Moritz bereits vor der Hochzeit einig geworden. Man hatte
auch den Bruder des Knrfßrsten in das Vertrauen gezogen. Es
kam noch darauf an, daß Moritz schrifUich die Erklärung gab,
das gewünschte Bündnis zu vollziehen. Sie erfolgte, indem
Moritz versprach, wofern der Staroat von Posen die Vermittelung
1) Bericht Hana von Opperedorfe DmffiBi: a. ». 0. No. 219. Punkt IH.
— K&ri an Ferdinand 22. Oktober 1648. Drafiel: a. a. O. No. 230.
2) Karl an Terdinand 1. September 1548. Drnffel: a. a. 0. No. 206.
— Ferdinand an Karl 14. September 1548. DrufF^: a. a. O. No. 211.
S) Feidinand an Karl 6. November 1&48. Druffid: No. 286.
zeabyCoO^IC
Von Dr. Hans Eiewning. 033
ttbemehmen wollte, dem Könige von Polen, sowie er angegriffen
werden sollte, nach seinem Vermögen beizustehen. Einen gleichen
Schutz sollte der König auch ihnen angedeiheu lassen. Die
weiteren Verhandlungen Überließ er dem Markgrafen und ver-
sprach bei seiner fürstlichen Ehre, den Vergleich wohl zu halten
und zu vollziehen.')
Damit war die Grundlage für ein Bündnis geschaffen.
Aber so sehr man sich auch bemühte, den Inhalt desselben zu
verwirklichen , ein Erfolg wurde nicht erzielt. Unzählige
Schwierigkeiten, die man nicht weiter in Betracht gezogen hatte,
machten sich bemerkbar. Bald nachdem die Festlichkeiten ver-
rauscht waren, versuchte Herzog August bei seinem Schwieger-
vater, dem Könige von Dänemark, die Stimmung zu erkunden.
Er ging dabei so diplomatisch wie möglich zu Werke. Ohne
ihn von dem Vorhandensein eines Bündnisses in Kenntnis zu
setzen, ließ er ihm Warnungen zukommen, als ob Dänemark in
nächster Zeit der G-efahr eines kaiserlichen Ueberfalles ausgesetzt
sei,*) König Christian achtete jedoch nicht weiter auf solche Reden,
weil er von der freundschaftlichen Stimmung des Kaisers über-
zeugt war.') Die Verbündeten mußten erkennen, daß auf dieser
Seite kein Erfolg zu hoffen war. Auch bei dem Kurfürsten von
Brandenburg, den man gleichfalls ins Vertrauen zu ziehen beab-
sichtigte, und den zu gewinnen Kurfürst Moritz versuchen sollte,
wurde nichts Nennenswertes erreicht.*)
Alles kam nun darauf an, wie sich Polen zur gemeinschafb-
liehen Sache stellen würde. Hier war jedoch die Wahl des
Vermittlers unglücklich genug getroffen. So einflußreich auch
die Stellung des Starosten von Posen war, in jenen Monaten
1) Erklärang äes EurfürBten Moritz 6. Oktober 1548. Dntffel: a. a.
O. No. 224.
2) Herzog Äugnat an König Christian 31. Oktober 1548. D. St.-A.
Erstes dänisches Buch.
3) Christian an Augast 21. November 164a D. St.-A. Erstes
dänisches Buch.
4) Kurfürst Moritz an Markgraf Jobann 16. Jannar 1649. B. St.-
A. 41. 2»
4U
DigtizBabyCoOgIC
634 Herzog Älbreckts vod PreuGen Anteil am Faratenbund.
war sie durch sein eigenes Verschulden stark erschüttert worden.
Der junge König von Polen wollte seine nicht ebenbürtige
Gemahlin als Königin anerkannt wissen. Alle Stände des Eeiches
hatten ihn aof das Ungesetzliche und Verletzende dieses Schrittes
aufmerksam gemacht. Vor allem war hierbei der Starost dem
Könige entgegengetreten und hatte sich dessen volle Ungnade
zugezogen.') Das war im ßeiche nicht unbekannt gebliehen')
und verhinderte die Verständigung mit Polen. Da der Starost
herausfühlte, daß er mit seiner Unterstützung nicht viel aus-
richten würde, konnte er den Markgrafen nur an den Herzog
von Preufien") weisen,
. So drohte das Unternehmen ins Stocken zu geraten. Die
Unlust, die augenscheinlich von Anfang an Kurfürst Moritz
demselben entgegenbrachte, stellte es bald ganz in Präge. Dieser
entzog sich bald den Verpflichtungen der neuen Bundesgenossen-
sohaft und wandte sich, indem er durch die Publizienung des
Leipziger Interim scheinbar nachgab und auch in der Magde-
burger Angelegenheit seinen eignen Weg ging, dem Kaiser
wieder zu. Allerdings brach er nicht ganz mit seinen Ver-
bündeten. Noch konnte er hoffen, im gegebenen Momente die
Hilfe, die man ihm ungesucht angetragen hatte, zu erhalten.
So forderte er wiederholt Markgraf Johann zu neuen Unter-
handlungen auf. Allein dieser vermochte es nicht mehr, Kur-
fürst Moritz' Auftreten, hauptsächlich in der Religionsangelegeu-
heit, mit dessen erneuten Versprechungen in Einklang zu bringen.
1) Briefe Brandts an Herzog Älbrecht vom 21. und SO. November 1548.
K. St,-A. I. 14. Se u. I. W. 36.
2) Beriebt Hans von Oppersdorf. DrufTel: a. a. 0. No. 219. Paukt IX.
S) Scbirrmacber : a. a. 0. B. L p. 74 meint, daß das Torgauer Bündnis
zwiscben Kuri'ürst Moritz und Markgraf Johann im Einverständnis mit
Herzog AIhrecht v llüogen sei. Das ist mi möglich, da Achatius Czenien
anfangs des Jabres 1549 und zwar erst nach dem 26, Januar 1549, wie
aus dem Briefe Czemens aa Herzog Albrecbt hervorgeht (K. St.-A. II. 26. 103)
bei Markgraf Jobann eintraf und nach dessen Heimkehr erat Herzog
Albrecht nfiberee von den Wünschen Markgraf Johanns erfobr.
DigtizBabyCoOgIC
Von Dr. Hans Kiewning. 635
Thtn eoliien 68, als ob der Charakter dea KurfÖrsten eine Un-
wahrheit nicht mehr verleugnen konnte. So schützte er Geschäfte
vor und lohnte die Einladungen des Kurfürsten ab.*)
Kapitel III.
Markgraf Johann von Brandenburg und Herzog Albrecht von Preuaaen.
Trotz seiner Enttäuschung verzichtete Markgraf Johann
doch nicht auf sein Vorhaben, da er noch andere Wege sah,
die eine bessere Aussicht zur endlichen Verwirklichung seiner
Entwürfe eröffneten.
Als er von seiner ersten Beise zu Kurfürst Moritz im
August 1648 heimgekehrt war, fand er einen Boten Herzog
Albrechts vor, der ihm in betreff der gewünschten Zusammen-
kunft eine Absage brachte. Sofort übersandte er dem Herzoge
durch denselben Boten ein Schreiben, worin er sein Bedauern
aussprach, daü die Zusammenkunft nicht zustande kommen
könnte. Da jedoch auch er wegen der Ungunst der Verhältnisse
sein Fürstentum nicht verlassen wollte, um seinerseits den
Herzog aufzusuchen, auch etwaige Kedereien scheute, die dadurch
veranlafit werden könnten, so bat er aufs neue, den Marien-
burgischen Woywoden zu ihm abzufertigen. Damit hoffte er
jeden Verdacht zu beseitigen und durch diesen Agenten mit
dem Könige von Polen ein Schutzbündnis zu vereinbaren.')
Herzog Älbrecht konnte ein Bündnis mit dem Markgrafen
nur von Vorteil sein. Noch war es frisch im Gedächtnis,
1) Earfürst Uoritz an Uarkgraf Johann 16. Jannar 1549. B. St.-Ä.
— Ifarkgraf Johann an Herzog Albrecht 6. Mai 1549. K. St.-A. UI. 10.
88. Voigt: a. a. 0. p. 30 berichtet, daß Markgraf Johann im Frühjahr 1B49
es als sehr wichtig hinstellt, Kurfürst Moritz als Bundesgenossen zu ge-
winnen, hat aber doch wenige Seiten vorher seibat erwähnt, daß die beiden
Fürsten bereits ein Bündnis geschlo^en hatten.
2) Markgraf Johann an Herzog Albrecht 11. August 1548. K. St.-A.
IIL 10. 57. Voigt: ». «. O. pag. 22.
40*
,abyC00gIC
636 Herzog AlbrechU von PreoCea ÄBt«il am Fttrstenbnnd.
mit welcbem Eifer Markgraf Johann den Kaiser gegen die
schmolkaldischen Verbündeten unterstützt hatte. Bot nan der
Markgraf seinerseits dem Herzoge die Hand, so konnte dieser
vielleicht hofien, durch ihn bei dem Kaiser auf eine günstige
Stimmung hinzuarbeiten.*)
Um die Sache einzuleiten, fertigte er seinen G-esandteu
Asverus Brandt, Hauptmann von Tapiau, nach Polen ab. Im Laufe
der Unterhaitang sollte derselbe den König zu bewegen suchen,
dam marienburgiachen Woywoden eine Mission an den Kur-
fürsten von Brandenburg, an den Markgrafen von Brandenburg
nnd an die Herzöge von Pommern zu übertragen. Man könnte
wohl, so meinte er, den Fürsten den wahren Grund der Legation
verheimlichen und beispielsweise mit dem Markgrafen Johann
über Grenzstreitigkeiten verhandeln.^) Doch trug man anfangs
am polnischen Hofe Bedenken, diesem Verlangen zu entsprechen,
und erst in den Tagen des September bevollmächtigte der
König den marienburgischen Woywoden zu verschiedenen
deutschen Pursten, so zu dem Kurfürsten und dem Mark-
1) Herzog Albrecht hatte in den verflossenen Monaten bereits einmal
auf den Nutzen, gute Frevindschaft mit Markgraf Johaun zu halten, hinge-
wiesen. Ale ihm Achatius Czemen am 25, Oktober 1547 (K. St.-A. II. 25. 34)
meldete, daJl er sich mit dem Markgrafen eingelassen nnd gefunden habe,
daG dieser es mit dem Herzog noch besser meine als andere Fürsten,
schrieb der Hei-zog ihm am 31. Januar 1548 (K. St.-Ä. Oeh. Keg. 81): „nnd
die weill dem hem Czemen nicht unbewußt, wes ehr woll von marggraf
Johaneen eingenomen, wher nicht ungerathen, dasselbe vortgeetallth, dorzn
sein person gnthe masa zu finden wird wissen, auf das freunde gemacht
und au der handt gehalten, welche diesen landen ersprisslichen". Daß der
Herzog in jenen l'agen aber noch nichts von der Ungnade, in die der Mark-
graf gefallen war, wußte, kann man 'wuhl einem Briefe an den König von
Dänemark November lli48 (E. St.-Ä. Geh. Beg. 81) entnehmen, in dem er
dem Könige die unglaubliche Nachricht hinterbringt, daß Markgraf Johann,
Herzog Heinrich von Brandenburg und der Meister des deutschen Ordens
mit dem ersten offenen Wasser Dänemark, Schweden und Preußen anzu-
greifen eotechlossen seien. Entbehrt nun auch die Nachricht jeder that-
sächlichen EegrOndnng, weil sie den Verhältnissen nicht entsprechen konnte,
so war immerhin die Zusammenstellung der Personen bezeichnend genug.
2) Memorial fOr Brandt 16. August 1548. E. St.-A. Oeh. Beg. 81.
DigtizBabyCoO^IC
Ton Dr. Hooa Eiewniug. 637
grafen von Brandenburg, zn den Herzogen von Pominem n. a.
Der "Woywode benachrichtigte Herzog Albrecht von seiner Ab-
reise.') Dieser versäumte nicht, dem Markgrafen den Woywodea
auf das dringendste zu empfehlen and durch ihn zn bitten,
alles, was der Markgraf ihm im geheimen zu vertrauen hätte,
durch denselben ihm zukommen zn lassen.')
Lange dauerte es, bis irgend eine Nachricht einlief- Im
Januar 1549 langten die ersten Briefe an. Sie lauteten für den
Herzog ungünstig genng.^ Der Empfang bei Kurfürst Joachim
war ganz und gar nicht freundlich gewesen. Der Kurfürst hatte
dem Gesandten kein Hehl aus seiner uufreundschafUichen Ge-
sinnung gegen den Herzog gemacht.^) Er konnte es dem Herzog
nicht vergessen, daß er diurch seinen Anschluß an Polen sich
dem Verbände des deutschen Beiches entzogen hatte. So war
von diesem Fürsten fllr den Herzog nichts zu hofTen. Auch
sonst lauteten die Kachrichten nicht erft^ulich. Der Gesandte
ließ bereits durchblicken, daß Verhandlungen zwischen dem
römischen KCnige und Polen stattgeftinden hätten, und daß von
der polnischen Freundschaft wenig zu erwarten war.
Einige Aussicht boten allein die Verhandlungen mit dem
Markgrafen von Brandenburg, bei dem Czemen Ende Januar
anlangte,^) Es läßt sich aber nicht ersehen, wie viel Markgraf
Johann von dem Abschluß des Bündnisses dem Woywoden ftlr
Herzog Albrecht mitteilte.
Der "Woywode hatte Herzog Albrecht versprochen, ihm von
seiner Werbung mündlich Bericht zu erstatten. Nach seiner
Heimkehr jedoch beauftragte er einen Hauptmann des Herzogs,
Christof von Kreitz, den Herzog von den Wünschen des Mark-
1) Czemen au Herzog Älbrecht 30. September 1548. K. St.-Ä. II. 26. 42.
2) Herzog Albrecht an Czemen 9. Oktober l&i8. K. St.-A. Geh. Reg. 31.
3) Czemen an Herzog Aibrecht 18. Januar 1549. K, St.-A. IL 26. 167.
4) Aehnlich Fenzls Bericht über seine Erlebnisse in Berlin. Ältpr.
Monafescbr. B, XXV. S. 464. vgl. auch Czemen an Herzog Albrecht 25. Oktober
1547. K. St.-A. II. 25. 34. Schon damals beklagte sich Czemen über das
hochfahrende Benehmen des EurfUrsten.
5} Czemen an Herzog Albrecht 26. Januar 1649. K. St.-A. II. 26. 102.
DigtizBabyCoOgIC
638 Herzog Atbrechts von PreuBen Anteil Km FtireteDbund.
grsfeQ in Kenntnis zu setzen.*) Diese gingen dahin, daß der
Markgraf den Herzog wiederum um eine geheime Zusammen-
kusfl bitten ließ. Um jedes Aufgehen zu vermeiden, sollte sie
in keiner Stadt, sondern in einem Dorfe oder wo es der Herzog
wünschte, stattfinden. Der Herzog ging diesmal darauf ein und
heauftragte Andreas Brandt, Unterhauptmann von Memel, mit dem
Markgrafen nähere Vereinbarungen überOrt und Stunde zu treffen.^)
Markgraf Johann hatte unterdessen noch einmal den Sta-
rosten von Posen zu einer Zusammenkunft nach Driesen einge-
laden. Er glaubte, ihn nicht umgehen zu können, da er ihm
einmal sein Vertrauen geschenkt hatte und ihn im Besitz des
ganzen Geheimnieees wußte. Eine Zurücksetzung konnte hier
verhängnisvolle Folgen haben. Vermutlich hatte der Markgraf
noch keine Kenntnis von dem Misgeschick, das den Starosten
betroffen hatte, und dieser wird sich gehütet haben, dem Mark-
grafen dasselbe mitzuteilen. Der Starost half sich, so gut es ging^,
mit weiteren Versprechungen, verwies im übrigen den Markgrafen
aufs neue an den Herzog von Preußen. Der Markgraf konnte
mitteilen, daß er bereits in Unterhandlung mit Herzog Albrecht
getreten wäre, verhehlte dabei aber nicht, daß einer von ihm
geplanten geheimen Zusammenkunft wegen der Gefährlichkeit
des Unternehmens bedeutende Schwierigkeiten im Wege ständen.
Der Starost versprach seinerseits im Namen des Markgrafen mit
dem Herzoge zu verbandeln. Er wollte sich zu diesem Zweck
nach Preußen begeben*) und bat den Markgrafen, den Herzog
von seinem Vorhaben in Kenntnis zu setzen, was derselbe auch
1) Herzog Albrecht an Czemen 8. April 1549. K. St.-A. Geh. Keg. 81,
2) Memorial für Brandt 8. April 1549. K. St.-A. Oeh. Heg. 81.
S) Voigt: a. a. 0. p. 29 hat in den beaprochenen Dingen eine grolle
Konfusion angerichtet Die Nachricht, die er bringt, wird man vergeblich
in den von ihm angeführten Briefen an Herzog Albrecht 6. Hai n. 11. Juni,
(K. St-A. IH. 10. 88 n. HI. 10. 86) suchen, sie entstammt vielmehr einem
Brief an Herzog Albrecht vom 7, April (K. St.-A. III. 10. 85), der sicherlich
Voigt vorgelegen haben wird. Anch sind seine Notizen nar ziiOi Teil
richtig. Nicht Achatiua Czemen erbot sich, zum Herzoge zu reisen, sondern
der Starost von Posen. Czemen war in jenen Tagen nur eben von seiner
Beise heimgekehrt.
,dbyG00gIe
Von Dr. Hans Kiewning. 639
sofort that.*) Allerdiaga knüpfte der Markgraf in seinem Briefe
an den Herzog an die Bitte, dem Starosten die gewünschte Zu-
sammenkunft zu gewähren, die sonderbare Warnung, daß der
Herzog nicht verraten möge, daß er sich bereits in voller Kenntnis
des geheimnisvollen Handels befinde. Einen Grund giebt er
nicht an. Er hatte ihn bereits durch Czemen den Herzog wissen
lassen. Vermutlich geschah es, um den Staronten nicht zu be-
leidigen, weil man, obwohl man sich dem Vertrage gemOß seiner
Vermittelung bedienen wollte , bereits Über ihn fort andere
Unterhandlungen angeknüpft hatte.
In folge dieser Aufforderung beschied der Herzog den
Starosten zum 28. April nach Biesenburg, bis wohin er ihm ent-
gegenreisen wollte.^ Unerwartete Zwischenfälle schoben jedoch
die Zusammenkunft noch eine Zeit lang hinaus.^) Man verein-
barte zuletzt den 16. Mai. Die Zusammenkunft des Markgrafen
mit dem Herzog unterblieb demnach vorläufig. Man wollte erst
abwarten, welchen Verlauf die Unterredung zwischen dem Herzog
und dem Starosten nehmen würde. Sie fand am bestimmten
Tage statt, aber welches ßesultat sie gehabt haben mag, ist
nicht ersichtlich.^) Nur soviel steht fest, daß das Bündnis von
1) Markgraf Johann an Herzog Älbrecht 7. April 1549. K. St.-A.
IIL 10. 85.
2) Herzog Älbreoht an Markgraf Johann 15. April 1549 und an den
Staroat von Posen 15. April 1549. K. St,-Ä. Geh. Reg. 81.
8) Markgraf Johann an Herzog Albrecht 5. Mai 1549. K. St.-A. III.
10. 88. Vennntlich bildeten Geldachulden des Starosten, die ihn mit Kui-färet
Joachim verwickelten, das Hindemia. Markgraf Johann an Herzog Albrecht
7. April 1549. K. St.-A. III. 10, 85: „weUl er aber, wie E. L. nnzweifflich
selbst bewnst, mitt allerley geschotften belahden, ingleichen er auch etlicher
seiner geltschalde mitt unserm herm und bruder dem churfürGten zn
Brandonbnrgk etc. behafFtet, also das er umb die ostem ungefehr von
derselben seiner L. sich verhandlunge und entticher erörterunge, die ihme
dan aasznwarten gebühren will, nnzweifflich vertröstet, so hat er uns aus
denen und andern ursanhen vermeidet etc." Gorka allerdings schreibt an
Herzog Albrecht 21. April 1549, K. 8t.-A. II. 11. KK, daQ er wegen wichtiger
Geschäfte non privat« sed publica eaque ardua nicht hätte kommen können,
4) Markgraf Johann an Herzog Albtecht 3. Juni 1649. K. St.-A.
in. 10. 86- — Gorka an Markgraf Johann 24. Mai 1549. B. 8t.-Ä. Die dem
Briefe mitgesandten Bellten fehlten leider.
D,gt,zBabyC00<^IC
@40 Herzog Albreohts von Ftenfien Anteil am Fatstenbimd.
nun an eine ganz andere Direktive erhielt. Man erkannte, daß
von dem Könige von Polen .nichts zu hoffen war,^}
Das Verhältnis von Polen zu Preußen hatte sich ver-
schlechtert. Man glaubte, daß der Herzog heimlich gegen den
polnischen Hof intriguire und Uneinigkeit im Lande zu stiften
suche. Demzufolge begegnete man ihm argwöhnisch und nahm
alle seine Anträge mit dem größten Mißtrauen auf. Da der
Herzog in Polen, wenn auch nicht seinen einzigen, so doch
seinen natürlichsten Schutz erwarten mußte, so suchte er sich
die Sympathie des Hofes zu erringen, indem er sich um die
Hand der Schwester des jungen Königs bewarb. Seine Werbung
wurde wider Erwarten anfangs günstig aufgenommen. Bald
jedoch wurden von einer Seite Schwierigkeiten gemacht, von
wo sie der Herzog am wenigsten vermutet hatte.
Nach dem Schluß des Augsburger Eeichstages hatte der
König von Polen sich an den kaiserlichen Hof gewendet und
um eine Verständigung gebeten. Er fühlte es wohl, wie er
durch seine illegitime Heirat die Stände gegen sich aufbrachte.
Allein in seinem Entschlüsse blieb er fest, soviel Aergemis er
auch seinem Lande bereitete. Es war daher nur klug, wenn er
sich bemühte, im Auslande die Hilfe zu suchen, die er bei
seinen Unterthanen nur widerwillig fand.^) Dem Kaiser war
ein solches Bündnis nicht unlieb. Erstens konnte sein Bruder
1) LoDgenn; a. a. 0. I. 463 und Voigt: a. a. 0. p. 23 behaupten, daß
der König von Polen im Fortgang der Dinge seine Teünnhme zu erkennen
gegeiien hitbe. Meiner Äuffaseung nach ist überhaupt voa einer Aufforderung
zur Teilnahme an dem Bündnisse nichts an den König gekommen. Nicht
die geringste Notiz findet inch darüber in den Gesandtschaftsbertchten an
Herzog Albrecht. Namentlich halte ich aber das für den sichersten Beweis
meiner Behauptung, daß der König, nachdem er von der Zusammenkunft
Herzog Albrechts nnd des Starosten benachrichtigt war, sie zur Verant-
wortung zog, weil er vermutete, daß man im geheimen gegen seine Majestät
konspiriert hätte. In den Entschuldigungsbriefen der Genannten findet sich
auch nicht die leiseste Andeutung über das abgeschlossene Bündnis, welche
doch, wenn es dem Könige bekannt gewesen, am besten zur Entkräftung
des Mißtrauens hätt« dienen können.
2) Ferdinand an Karl 27. September 1548. Dmffel: a, a. 0. No. 216.
DigtizBabyCoOgIC
Von Dr. Hans Eiewning. 641
nach AbachluS desselben mit größeren Mitteln gegen die Türken
operieren ; zweitens aber war, wenn es ihm gelang, Polen ganz
auf seine Seite zu bringen und es seinen Intentionen dienstbar
zu machen, das Herzogtum Preußen ihm überliefert. Zunächst
nützte er das Bündnis schon damit aus, daß er den Polenkönig
veranlaßte, sein dem Herzog gegebenes Versprechen bezüglich
der Verheiratung mit seiner Schwester zurückzunehmen. Die
widerwärtigsten Intriguen begannen dieserhalb. Man riet zu-
letzt dem Herzog, wollte er auf seiner Werbung bestehen, sich
einem päpstlichen Spniche zu unterwerfen. Um die ksiser-
freundliche Gesinnung recht deutlich zum Ausdruck zu bringen
und dem Herzog recht demütigend seine Stellung vorzuhalten,
wurde am polnischen Hofe vor öffentlicher Versammlung eine
päpstliche Antwort vorgelesen, wonach die Kurie keinen Ketzer
dispensieren wolle.') Selbstredend zog der Herzog nach einem
solchen Akt seine Werbung zurück.
Auf eine polnische Hilfe war nach alledem nicht zu rechnen.
Tis galt nun, nach anderen Bundesgenossen Ausschau zu halten.
Das Natürlichste war wohl, die Aufständischen in Sachsen zu
konzentrieren. Durch sie konnte vieles erreicht werden.
Obwohl der Herzog von Preußen den Bündnisantrag des
Herzogs Otto von Braunschweig abgelehnt hatte, hatte er die
Angelegenheit doch nicht aus den Augen gelassen. Wenn auch
nur als müßiger Zuschauer war er mit jenen Kreisen in Konnex
geblieben und von ihren Plänen und Absiebten in Kenntnis
gesetzt worden. Als Ende 1548 die politische Lage immer be-
drohlicher, die Stimmung in Polen von Tage zu Tage feindseliger
wurde, und als es hieß, daß der Kaiser im Sommer des nächsten
Jahres definitiv seinen Bachezug gegen die noch aufständischen
Stände zu unternehmen gedächte, da riet man auch dem Herzog,
ernstlich seine Lage zu bedenken. Es gab in diesem Falle wohl
nur eine Aushilfe, wenn der Herzog sich nämlich entschloß,
an dem Bürgerkriege sich za beteUigen und seine Inter-
1) Braodt an Herzog Älbrecht 30. November 1548. K. St-A. I. X4. 36.
DigtizBabyCoOgle
642 Herzog Albreclita von Preußen Anteil am FOrBteuband.
essen mit denen gewisser Städte, wie Magdeburg, Bremezi,
Lüneburg, Hamburg, Braunschweig u. a., von denen der Herzog
ein wohlwollendes Entgegenkommen erwarten durfte, in Ein-
klang zn bringen.^) Zu dem geplanten Kriege kam es allerdings
nicht. Die Besorgnis vor einem solchen jedoch hatte die
Schwankenden zusammengeführt und so manches Bedenken
beseitigt.
Ueberall regte es sich in den sächsischen Q^bieten. Hier
ging man mit dem Plane um, Herzog Angust von Sachsen, der
sich zur Annahme des Interims nicht verstehen wollte, und zn
dem ein großer Teil des Adels hielt, an die Spitze einer Ligtie
gegen den Kaiser zu stellen.'} Denn mau rechnete wohl darauf,
daß durch die Teilnahme des Schwiegersohnes des Königs von
Dänemark das Bündnis ein ganz anderes Ansehen erhalten
würde. Die Stadt Braunschweig hatte dem Herzoge Heinrich
die Thore verschlossen und ein erbitterter Kampf begann um
ihreu Besitz. Gegen Magdet)urg war das kaiserliche Achtsedikt
erlassen worden, und es fanden verschiedebe Kreistage statt, die
umwohnenden Fürsten zur Vollstreckung zu bewegen. Diese
bedrohliche Aussicht veranlaßte einen energischen Zusammen-
schluß von Magdeburg, Braunschweig, Hamburg, Bremen und
anderen Städten.*) Man gab sich das Versprechen, treu za
einander zu halten und vereinbarte, wie man gegen einen kaiser-
lichen Angriff sich rüsten wolle. Den Vorstellungen der Grafen
von Mansfeld war es gelungen, auch Herzog Albreclit für die
Mitwirkung zn gewinnen. Unter der Hand unterstützte dar
1} Bemer an Herzog Älbrecht 4. Dezember 1Ö48. E. St.-A. I, 20. 76.
Voigt: a. b, 0. pag. 23.
2) Marillac an Heinrieb 9. Januar 1649. Druffel: a. a. O. No. 260. -
Menken: Script, rer. Germ. 11. pag. 1396. - Ribier: a. a. 0. II. p. 219. —
Kram an Herzog August 16. Juni 1649. Di-uffel: a. a, O. No. 307.
3) Kunheim an Herzog Albrecht 13. Februar 1&49. K. St.-A. III. 28.
88. Wenn Kunheim nnter den aufgezalilten Städten auch Lübeck erwähnt,
so glaube ich, darf man die Nachricht nur mit einer gewissen Reserve auf-
nehmen, da Lübeck während der folgenden Zeit eine schwankende und
uneulschiedene Haltung einnahm.
DigtizBabyCoO^IC
Von Dr. Hans Kiewniug. 643
Herzog die AufstäDdischett mit Geld. Das konnte für den An-
fang wohl genügen, sah man doch den Herzog interessiert.')
Alle diese Händel, die im geheimen vorbereitet wurden,
verfehlten ihren Eindruck nicht in Frankreich, dessen König
allen, die sich an ihn wandten, bereitwilligst seine Hilfe zusagte.
Diese wurde jedoch für einen Augenblick bedenklich in Frage
gestellt, als es hieß, Frankreich und England rüsteten gegen
einander zum Kriege, Benutzte der Kaiser diese Gelegenheit,
unterstützte er selbst England, wie es nachher wirklich geschah,
so blieb für die Protestanten wenig Hoffnung.
In dieser kritischen Lage wurden dem Herzoge von Preußen
Mittel und Wege angegeben, wie man die bevorstehende Gefahr
abwenden kfinute, indem man zwischen den streitenden Mächten
einen Frieden vermittelte.^}
Am 6, Juni') fanden sich auf dem herzoglichen Schloß
Neuhausen Graf Volradt von Mansfeld imd Johannes Laski zu
1) Mansfeld an Herzog; Älbrecht 4. Juni 1549. K. St.-A. lU. 29. 23.
2) Der Plan eines Vermittlungsversuches war zuerst von Graf
Albrecht von Mansfeld gefaßt. Es heißt Verhandlungen zu Neuhaiis anno 49,
K. St.-A. III. 29.20, Stück 4: „in feeynem wegk aber wüst a. f. g, graff Albrechten
von Mansfeldt ro. gn. herren als der disse handelung zum ersten auf die ban
gerichtet, auch noch in arbeyte dorin wlier, dovon auszunchlissen etc." Auch
war Graf Volradt bei seinem Aufenthalt in Pommern Anl'ang Jani bereits
bemüht, die Herzöge von Pommern und die Landschaft für den Plan seines
Vaters zu gewinnen. Jedoch fand er, wie er Herzog Albrecht am 4. Juni
1649 (K. St.-A. HI. 29. 22.) schreibt, die Stimmung iin Lande so anfReregt,
daß er „der bundnuss halber nach des Vertrages awiBchen heyden potentafen
keyne anregnnge auch anderer Sachen byss der landagk gehalten, alda man
den syn nnd Abs gerautt erkennen wirt, gethan". Ich kann die Worte „nach
des Vertrages zwischen heyden potentaten" nur auf Frankreich und England
besiehen. Voigt: a. a, O. p. 54 hat die Sache so dargestellt, als ob die
Idee einer Vermittlung von Markgraf Johann ausgegangen wäre. Aber
Voigt hat weder den Geh. Reg. 81, der sehr viel Aufschluß über die Zeit
bia zum Jahr 1550 bot, noch unter den Briefen der Mansfelder das um-
fängliche Stück über die Verhandlung zu Neuhausen berücksichtigt.
3) Das Datum geht aus dem Indoreat zu Stück 4 der Vorh. zu Neu-
liana, wo es heiBt, „abschid der fr. dt, zu Preussen mitt graff Volharthen
vonn Mansfeld und her Lasken gemacht an den 7. junii ao. 1549", und aus
Stück 7 hervor, in welchem es am Anfange heifit „kurtze repetitio des
DigtizBabyCoOgIC
g44 Herzog Albrechte von Preußen Anteil am Fürstenban .
einer geheimen Beratung ein. Graf Volradt und Laäki über-
ließen sich hier den kühnsten Kombinationen und entwarfen
dem Herzoge eine Uebersicht der augenblicklichen politischen
Lage, die za den schönsten Hoffnungen berechtigen konnte.*.)
gesterigen anbrengens". Baa Anbringen geschah demnach am 6., der Schloß
der Verhandlungen am 7. Juni. Große Sphwierigkeit weist die Reise Graf
Volradts auf. Am 2. Juni befand er sich noch zu Stettin, denn er schrieb
von dort aus Herzog Alhrecht unter anderem (K. St.-A. m. 29. 18.), daB
er Magister Franz, der sich in jenen Tagen in Begleitung Johann
"Wilhelms, des gefangenen Kurfürsten von Sachsen Sohn, bei Herzog
Philipp von Pommern befand, zum 4. Juni zu eich beschieden habe,
um näheres Über die Absichten der Herzöge von Pommern zu hören.
Die Zusammenkunft zerschlug sich jedoch. Der Brief Graf Volradte,
der dem Herzoge dieses Besaltat meldet, ist datiert „datum meyn hant
ihn eyU den 4. junii zu Ankeleben a. 49." (K. St.-A. III. 29. 22.) Angelangt
ist dieses Schreiben, wie aus dem Indoraat zu ersehen, am 13. Juli
1549. Schwierig ist nun die Faitstellnng des Ortes Ankelebeu. Sicher-
lich kann er nicht weit von Stettin gelegen haben. Es bt aber kein Ort
dieses Namens in jener Zeit bekannt, Anklam. an das man vielleicht
wegen eines gewissen Anklingens des Wortes denken könnte, hat, wie ich
aus einer gelUUigen Mitteilung des Königl. Geheimen Staats- Archivs zu
Stettin entnehmen darf, niemals urkundlich in jenem Jahrhundert Änkeleben
gelautet. Es finden sich die Abarten Anklim. AngkeljTn, Anklem, niemals
aber Ankeleben. Orte, die auf -leben ausgehen, finden sich zudem höchst
selten in Pommern, häufiger in den Gebieten Braunschweig und Magdeburg.
Wollte man den Ort «her dort suchen, würde die Schwierigheit noch ver-
größert. Denn eine Segelfahrt von Pommern bis Königsberg wire unter
sehr günstigen Umständen in der Zeit vom 4. bis 6. Juni vielleicht denkbar,
eine Landreise aber von Magdeburg bis Königsberg, oder seibat von Mf^eburg
bis zur See und von da ab weiter ist für diese kurze Zeit ganz undenkbar.
Anch dos erscheint merkwürdig, weshalb Graf Volradt noch am 4. Juni
ein Schreiben an den Herzog absendet, das doch erst nach einer Frist von
über einem Monat in des Herzogs Hand gelangte. Sollte er vielleicht erst nach
der Ahsendnng dieses Briefes von seinem Vater den Auftrag erhalten haben,
so schnell als möglich zum Herzoge zu reisen ? Daß aber jene Zusammenkunft
thatsächlich am 6. und 7, Juni stattfand, geht aas den Berichten über die
Verhandlang hervor. AnDerdem befindet sich auch am 10. Joni Graf
Volradt noch in Königsberg, an welchem Tage er — es war der zweite
Pfingstfeiertag — dem Herzog für ein erhaltenes Kredenzschreiben dankt.
K. St.-A. III. 29. 19.
1) Allerley handlungen, so graf Volradt von Mansfeld und her Johann
Laski mit fe. dt. zu PreuBsen ao. 49 zum Neuhaus und Tils gehandelt.
E. St..A. III. 39. 20. Stück 1.
DigtizBabyCoOgIC
Von Dr. Hans Eiewning. 645
Den Kaiser, so meinte man, den die deutsche Nation nur auf
Bedingungen ') zum Oberherra erkoren hätte, dürfte man in
gleicher Weise, wie er den Artikeln der goldnen Bulle zuwider
fremde Nationen nach Deutschland geführt habe, durch aus-
wärtige Hilfe zur Anerkennung der deutschen Freiheit zwingen
Es käme nun vor allen Dingen darauf an, daß Dänemark, Polen
und Preui3en den Versuch machten, Frankreich und England
2um Frieden zu veranlassen. Polen allerdings schenkte man
am wenigsten Vertrauen, hoffte aber doch seine Teilnahme,
sobald es sehen würde, daß England, Dänemark und Schweden
mit deutschen Fürsten und Städten ein Bündnis eingegangen
seien. Durch Frankreich hoffte man die Venetianer, den Herzog
von Ferrara mit seinem Anhang in Italien und die Schweizer
zn gewinnen. Durch Dänemark, Schweden und England, plante
man weiter, sollten dann die Niederlande, durch Frankreich
ferner Italien und Spanien, durch den Herzog von "Württemberg
und die Schweizer Burgund, Sundgau, Hennegau, Algau, durch
die Venetianer Kärnten, Krain, Steiermark und Tirol, durch
Polen endlich Schlesien, Unter- und Ober-Lausitz, Böhmen,
Mähren und die österreichischen Lande angegriffen werden. Man
sieht, Graf Volradt und Laski beabsichtigten in kühnem Gedankeu-
fiuge nichts weniger, als die ganze "Welt auf den Kaiser und
seinen Bruder zu hetzen, "War dieser Plan auch abenteuerlich
genug, es gelang doch, den Herzog für ein allgemeines Bündnis,
für das man sogar schon einige Grundartikel aufstellte,*) zu er-
wärmen. Denn die Aussicht, im Falle eines kaiserlichen üeber-
zuges ganz ohne Hilfe dazustehen, mußte den Herzog dazu
nötigen, wo es immer möglich war, Unterstützung und Eückhalt
zu suchen. Sein Rat war daher, keine Zeit zu verlieren und
möglichst bald die Verhandlungen in Gang zu bringen.')
1) „Welche uit aus pfliclit inen fnr einen hern, sonder mit coaditionen
und juramenthen aus gutwilligkeit angenommen und ire Mat. für andere
potentaten dy ehre und macht gegunnet."
2) Verh. zu Neuhausen Stück 2.
.t) Terh. zn Neuhausen Stück 7, andatiertes Konzept, zwar nicht von
des Herzoge eigener Hand, aber nnfraglich in seinem Sinne abgefaJtt nnd
D,gt,zBabyC00<^le
646 Herzog Albrechto von PreuBen Anteil am Füretonbimd.
Vor allem faßte man den Frieden zwischen Frankreich und
England näher ins Äuge und arbeitete einen Vorschlag^} ans,
den man befreundeten Fürsten, an die man sich mit der Aner-
bietung einer Vermittelnng wenden wollte, zo unterbreiten ge-
dachte. Danach sollte nun Herzog Älbrecht') an den Eonig von
Dänemark einen eignen Botschafter absenden, der in geheimer
Unterhandlung den König ausforschen sollte, wie er zu der
Vermittlerrolle zwischen Frankreich und England gesonnen sei.
Dasselbe sollte auch Herzog Albrecht bei dem Könige von Polen
versuchen, hier jedoch unter Anwendung der Vorsieht, als sei
die ganze Handlung erst von anderen Fürsten an ihn gebracht.
Die Antwort Dänemarks sollte dann sofort dem Grafen Albrecht
von Mansfeld übermittelt werden, dar es seinerseits übernehmen
wollte, mit Frankreich und England erstlich wegen das Friedens
und dann wegen des Bündnisses zu verhandeln. Da femer
Graf Volradt auf seiner Heimreise wieder den Weg über Pommern
nehmen wollte, sollte er, ao weit es ungeföhrlich wäre, die
Stimmung im Lande weiter erforschen. Der König von Däne-
mark sollte dann auf Vorstellung Herzog Albrechts versuchen,
auch Schweden das Bündnis annehmbar zu machen. Femer ge-
dachte man auch Markgraf Johann von Brandenburg von dem
Plan in Kenntnis zu setzen. Mit diesem Bescheide trennte
man sich.
Sofort wurden von dem Herzoge Albreeht Gesandte an die
Könige von Dänemark und Polen, an den Starosten von Posen
und Markgraf Johann abgefertigt. Allein der Herzog fand
wenig Entgegenkommen. Dänemark, fernerhin auch Schweden
hatten keine Lust, einer so zweifelhafl^eu Angelegenheit ihre
Unterstützung zu gewähren.') Polen wollte von einer Ver-
vielleicht diktiert, nach seinem Inhalt eine Antwort auf die Ausarbeitungen
KansfeldB und Laskls.
1) Verh. zu Neuhausen Sliick 3.
2} Verh. zu Neuhausen Stück 4.
3) Graf Albreeht von Manefeld an Herzog Albrecht 26. August 1549.
K. 8t,.A. m. 29. 24. "■
DigtizBabyCoOgIC
Ton Dr. Hans Eiewning. 647
mittelung nichts wiaaen.^) Es hoffte eben beaaere Verträge
and eine wertvollere Freundschaft vom Kaiser zu erlangen.
Den Starosten von Poaen hatte Herzog Albrecht wohl nar
von den Vorgängen benachrichtigen wollen. Graf Caspar
von Lebndorf, der gleichzeitig zu Markgraf Johann abge-
fertigt war,*) besuchte den Staroaten, hielt sieh aber nicht
lange auf. Der Starost, der den Abgesandten propenso
animo empfangen hatte, wie er dem Herzoge achrieb,*) sandte
seine Antwort und andere Aufträge dem Grafen Lehndorf, der
bereits abgereiat war, nach Küstrin nach. Am 2. Juli traf
Graf Lehndori bei Markgraf Johann ein. Diesem schienen die
Bedingungen, die der Herzog aufgesetzt hatte, ebenfalls nicht
genügend. Er sprach unverholilen dem Gesandten darüber seine
Meinung aus. Er fürchtete mit gutem Grunde, daß die Ange-
legenheit nicht geheim bleiben und dea Kaisers Ungnade nur
noch vermehren würde. So lief aein wohlmeinender Rat darauf
hinaus, überhaupt von der Sache abzustehen oder aber dieselbe
einer sehr genauen und gründlichen Ueberlegung zu unterziehen.*)
Gleichzeitig ließ der Markgraf wegen der hohen Wichtigkeit
der Angelegenheit den Herzog wissen, daß eine persönliche
Zusammenkuntl jetzt durch die Lage der Dinge erfordert werde.
Obwohl sie so bald ala möglich stattfinden sollte, unterblieb sie
auch diesmal wieder, aus Gründen, die unbekannt sind."")
Auch weitere Anstrengungen hatten keinen Erfolg, "Wenige
Wochen nach der Zusammenkunft in N'euhausen hatte der Herzog
Johannes Laski zu bewegen gesucht, eine Gesandtschaft an die
Könige von England und Frankreich zu übernehmen, vielleicht,
weil er Graf Albrecht von Mansfeld, diesen ruhelosen und ge-
1) Geheime Werbung an Polen 15, Jnni 1649 und Polens Antwort
Juü 1&49. K. St. A. Geh. Heg. 81.
2) Memorial für Lßhndorf 15. Juni 1549. K. St.-A. Geh Reg. 81.
3) Graf Gorka an Herzog Albrecht 3. Juli 1549. K. St.-A. n. 11. 107.
Ans dem ludorsat ist zu ersehen, daß Lehndorf den Brief am 12. Juli 1549
empfing.
4) Markgraf Johann an Herzog Albrecht Jnli 1549. E. St.-A. Geh. Reg. 81.
5) Uemorial für Lehndorf 5. September 1549. K. St.-A. Geh. Reg. 81.
zeabyCoOgle
648 Herzog Älbrochts vod PreuBen Anteil am Färstenbimd.
ächteten Abenteurer, zur Mittelsperson nicht für geeignet hielt.
Nur widerstrebend verstand sich Laski zu einer solchen Beise.
Denn er konnte es dem Herzog nicht verhehlen, daß unter
anderem England nicht in der "Weise eines Bündnisses mit
deutschen Fürsten benötigt wäre, wie gerade diese an einen
Anschluß an auswärtige Mächte denken müßten.^) Auch seine
Mission hatte zuletzt keinen Erfolg. Denn Graf Albrecht von
Mansfeld meldete dem 'Herzog im Augast 1549, daß England
gut kaiserlieh gesinnt wäre.*)
Besser stand es mit Frankreich. Zwar wollte auch dieses
von den Vorschlägen, auf welche hin es sich mit England ver-
tragen sollte, nichts wissen,'} allein Graf Albrecht von Mansfeld
ließ durch seinen Sohn den Herzog benachrichtigen, daß die
französische Hegierung nicht beabsichtige, sich den Anträgen
der deutschen Fürsten zu verschließen. Man verstand sich dazu,
©ine Summe Geld vorzustrecken.*)
So war kaum etwas Nennenswertes gewonnen. Fast überall war
der Herzog auf Widerstand und Unlust gestoßen. Das machte ihm
zur Pflicht, dem Bündnis mit den sächsischen Städten mit einer
gewissen Zurückhaltung gegenüberzutreten. Deshalb mahnte er
die Häupter der Aufständischen in Bezug auf seine Person zu
noch größerer Vorsicht. Aengstlich sollte vermieden werden Ver-
dacht zu erwecken. Er wünschte selbst nicht, daß man die ge-
heimen Nachrichten Briefen anvertraute, die in die Hände der
Gegner fallen könnten, und war unwillig darüber, daß man
sorglos das Geheimnis ausbreitete. Zuletzt läuft seine Meinung
darauf hinaus, überhaupt mit dem Unternehmen abzuwarten.
1) Verh. zu Neuhaiiseii Stück 6. Eigenhändiger Brief Lnakie an
Herzog Albreeht ohne Unter- und Ueberschrift und undatiert. Er wurde
dem Herzoge übergeben, wie aiiB dem Indoraat ersichtlich, am ^. Juli
1549, als die Gesandten von Polen und Markgraf Johann heimgekehrt waren.
2) Graf Aibrecht an Herzog Albreeht 26. August 1649. K St.-A. III.
29. 24. 1- — Johannes a Lasco Opera ed. Kuyper. Ämstelodami 1866 B. II p. 634.
3) Verh. zu Neahausen Stück 6.
4) Graf Voiradt an Herzog Albrecht 26. August 1549. K. St.-A.
III. 29. 24. "■
DigtizBabyCoOgIC
Von Dr. Hans Kiewning. 649
Denn mit Geringem sei nichts anzufangen, und man dürfe sich
nicht allein auf Brandschatzungen, Zu&Ue und andere nng«wi83e
Dinge verlassen. Er versagte seine Hufe im geeigneten Momente
nicht, wollte aber erst abwarten, zu welchem Erfolge die An-
strengungen der Aufständischen gedeihen würden.'} Zu einer
so reservierten Haltung mögen den Herzog aach Warnungen
des Markgrafen Albrecht von Brandenbm'g veranlaät haben.
Denn es war am kaiserlichen Hofe nicht unbekannt geblieben,
daQ Zusammenkünfte zwischen Herzog Albrecht, Markgraf
Johann und dem Starosten von Posen stattgefunden hatten-*)
Mit dem Markgrafen jedoch blieb er in eifrigem brieflichen
Verkehr. Dieser hatte die Zeit nach der Unterredung des Sta-
rosten mit dem Herzoge, von deren Verlauf und Resultat er
benachrichtigt worden war, dazu benutzt, unter der Hand über
verschiedene Fürsten und die Stimmung in ihren Ländern Er-
kundigungen einzuziehen. Das gewonnene Ergebnis war immer-
hin ein günstiges zu nennen. Die Gedanken, die der Markgraf
hegte, waren umfassend genug. Den ganzen Norden Europas
gedachte er aufzurufen. Aber er war weit davon entfernt, einen
Streit vom Zaune brechen zu wollen. Der Friede sollte gewahrt
bleiben; an der festen Haltung der geeinigten Fürsten allein,
so hofi^e er, würde der Kaiser scheitern. Dagegen trug der
Markgraf kein Bedenken, wollte der Kaiser seine Pläne bezüglich
der Exekution gegen Magdeburg verwirklichen, dafür zu sorgen,
daä dieser Stadt, dem Bollwerk des protestantischen Glaubens,
Hilfe zugesagt werde. Als daher an ihn die Aufforderung kam,
an den Beratungen über die Exekution teilzunehmen, entzog er
sich anfangs einer solchen nicht. Er hoflfte vielmehr, wie ea
auch von den Gesandten der Seestädte und anderen versucht
1) Briefe an Maiu-feld, Loytz, Laaki, August bis Oktober 1549. K.
8t.-Ä. Geh. Beg. 8l. — Laaki an Hardenberg 1. Augost 1549 und an Herzog
Albrecht 20. Oktober 1&19 in Opera Job. a Lasco Bd. II. p. 628 u. 633.
2) Herzo'g Albrecht an Markgraf Albrecht 18. August 1649. E. St-A.
Geh. Seg. 61.
Altpr. IConatHohiift Bd. ZXVL Uft. T n. 8. -U
DigtizBabyCoOgle
650 Heraog Albrechte von FreuAen Anteil am Fttrstenbond.
wurde, ^) zu gonsten der Geächteten zu wirken. A\s das nicht
gelang, zog er sich von jeder Teilnahme zurück unter dem Ver-
wände, da die Sache Reicheangelegenheit wäre und Hilfe und
Steuern beträfe , müsse er vermöge bestehender Verträge
8«in«m Bruder, dem Eurfärsten von Brandenburg, seine Ver-
tretung überlassen. Man mußte diese Entschuldigung gelten
lassen,') und ao behielt Markgraf Johann freie Hand, den Ge-
boten seines Crewissens genüge zu leisten.
Seine Gedanken wegen weiterer Ausbildung des Bundes
teilte der Markgraf einem Manne mit, der Anfang September 1549
persönlich den Herzog aufzusuclten gedachte. Es war Hans
von Heideck, einer von jenen Abenteurern, die durch die Acht
ruhelos umhergetrieben wurden und schon aus diesem Grunde
auf die Sympathie der Fürsten rechnen durften. Auf seinen
Reisen hatte er so manche Erfahrung gemacht, die von Nntzen
werden konnte. Rückhaltslos vertraute man sich ihm an und
bediente sich hinfort seiner zu wichtigen Geschäften.'} In der
Unterredung Heidecks mit dem Herzoge wurden manche Dinge
zur Sprache gebracht, die man den Briefen nicht anvertraut
hatte, manche Anknüpfungen in Aussicht genommen.
In Pommern wollte Heideck aus verschiedenen Anzeichen
erkannt haben, daß man sich nur widerwillig dem Interim
beugte.*) Auch Herzog Albrecht katte bereits im Herbste 1648
ähnliche Wahrnehmungen gemacht.^) Als sich im Sommer 1549
1) Schwendi an Karl 8, September 1549. Drufiel: &. a. 0. No. 382.
2) Markgraf Johann an Herzog Albrecht 1. September 1549. K. St.-
A. in. 10. 87.
3) Markgraf Johann an Herzog Albrecht 1. September 1549. K. St.-A
in. 10. 87 und Herzog Albrecht an Markg:raf Johann 2. Oktober 1549.
Geh. Eeg. 81. Toigt a. a. 0. p. 31 erzählt, dsB Georg von Heideck Nach-
richten dem Markgrafen überbracht habe, die dieser dem Herzog sofort
mitteilte. In dem Schreiben dee Markgrafen wird Georgs nicht Erwähnung
gethan, so daß nicht zu ersehen ist, woraus Voigt seine Notiz schöpft,
4) Uarkgraf Johann an Herzog Albrecht 3. Juni 1549. K. St.-A.
UL 10. 86.
5) Herzog Albrecht an Terlan 29. Oktober 1548. E. St-A. Geh.
lieg. 81.
D,gt,zBabyC00<^IC
Von Dr. Hans Kiewning. 661
Graf Volradt von Munsfeld in Pommern aufhielt, fttblte es auch
er bald heraus, daß die Landesherren in die Annahme des Interim
gewilligt hätten, nur in der Voraussetzung, daß die Landschaft
sich widersetzen werde. Denn darüber durfte man sich nicht
täuschen, daß dem Kaiser weniger daran lag, die von ihm auf-
gestellten Artikel beobachtet zu sehen, als um jeden Preis eine
Freundschaft mit den Herzögen anzubahnen, um für alle Fälle
ihr Land für seine Zwecke — und man wußte, wohin sie zielten
— offen ZQ behalten, Zeigte nun die Landschaft offenkundig
ihren Abscheu vor dem aufgedrängten Geligionsedikt, so hatten
die Herzuge Grund genug, die Verhandlungen noch eine Zeit
lang hinzuhalten. Es war daher nicht unmöglich, Pommern
dem Einfluß des Kaisers zu entziehen, und fttr die bereits einmal
anerkannte Wahrheit des protestantischen Glaubens aufs neue
zu gewinnen.')
Weitere Vereinbarungen hatten Herzog Albrecht und
Heideck getroffen. Durch Heideck ließ der Herzog den Mark-
grafen auf Mecklenburg und aufs neue auf Dänemark und
Schweden hinweisen. Mit Herzog Johann Albrecht von Mecklen-
burg hatte Markgraf Johann bereits Beziehungen angeknüpft,
da dieser im Einverständnis mit seiner Landschaft die Annahme
des Interims abgelehnt hatte. ^)
Bei Dänemark und Schweden stellte es sich aber heraus,
daß weder der Markgraf noch der Herzog den ersten Schritt zu
einer Anknüpfung thun wollte. Jeder glaubte, dem andern
mehr Geschicklichkeit zutrauen zu dürfen.^) Dazu kam, daß
man vom König von Schweden überhaupt nur eine selbst-
süchtige Politik erwartete. Nicht viel besser dachte man über
Dänemark. Trotzdem schickte mau die Grafen Volradt von
Mansfeld und von Oldenburg an die genannten Fürsten ab,
jedoch mit der Warnung, nichts zu Übereilen und möglichst
1) Graf Volradt an Herzog Albrecht 4. Juni 1549. K. St.-A. m. 29. 22.
2) So meldet wenigstens Scliirrmacher a. a. 0. B. L p. 75. 7C.
3) Markgraf Johann an Herzog Albrecht 26. Oktober 1549. K. St.-A.
ni. 10. 91.
DigtizBabyCoOgle
652 Herzog Albreohta von Preuflen Anteil am Fürstenbond.
geschickt zu verhandeln, damit ein Setteuweg, wohinaus man
bequem entschlüpfen könnte, nicht ofien bUeb.')
Auch Frankreich und England gab man trotz der Er-
fahrungen, die man bereite gemacht hatte, noch nicht auf und
glaubte jetzt aich dort am besten Heidecks als Vermittlers zn
bedienen. Auf den König von Frankreich durfte man wohl
rechnen. Er hatte, wie wir gesehen, den Verbündeten bereita
eine Summe Geld angeboten und ging damit um, in der Schweiz
Propaganda für die allgemeine Sache zu machen. Abgesandte
der Schweiz wurden am königlichen Hofe, um die neuen
Freunde zu fesseln, ehrenvoll empfangen.^) Als es Anfang dea
Jahres 1560 hieß, daß der Kaiser aus den Niederlanden sich
nach Italien und Spanien begeben werde, plante man in Frank-
reich ein Attentat auf Karls Leben. Der König riet daher den
Protestanten, namentlich denjenigen, die mit ihm in Unter-
handlung standen, sich vorläufig nicht zu ihm zu bemühen, um
keinen Verdacht zu erregen. Allerdings in deutschen Kreisen
verhehlte man sich nicht, daB der Kaiser nach der augen-
blicklichen politischen Lage, da auch ihm von den Bewegungen,
die sich im Geheimen vorbereiteten, so manches zu Ohren ge-
kommen war, niemals Deutschland den Rücken wenden würde.^)
Er mußte sich überlegen, daß bei einer solchen Reise für ihn
alles auf dem Spiele stand.
1) Herzog Albrecht an Markgraf Johann 7. November 1549. E. St.-A.
Geh. Seg. 81. und Markgraf Johann an Herzog Albrecbt 24. November.
K. St -A. 111. 10. 92. Die Auflösung stn einem chiffrierten Abschnitt dieses
Briefes, auf einem Zettel geacbrieben, iat in den Brief Markgraf Johaime
b. Januar 1550 III 10. 152 bin ein gekommen.
2) Ferdinand an Karl 19. Sept«mber 1549. Druffel: a. a. 0. No. 33a
— Heideck an Herzog Albrecht 18, Oktober 1549. K. St.-A. IIL 27. 14ä
— Karl an Ferdinand 10. November 1B49. Druffel: a. a. 0. No. 847. -
Markgraf Johann an Herzog Albrecht 24. November 1549. K. St.-A. IQ.
la 92. u, 5, Januar 1550. Ul. 10. 152.
3) Markgraf Johann an Herzog Albrecht 5. Januar 1560. K. St-A.
in. 10. 152. Voigt: a. a. 0. p. 37 stellt die Sache so hin, als ob die Be-
merkung: „wo an diese ktmtscbatt recht, were wol darauff zu warten, aber
bey mir gedenk ich, der keyser werde mit nacbteil dem tentscben lande
DigtizBabyCoOgIC
Von Dr. Hans Kiewnjng. 653
Ungünstiger stand es mit England. Auf die Regierung
dieses Landes seine Hoffnung zu setzen, war bedenklich wegen
i?er Unzuverlässigkeit des von Parteiungeu zerrissenen Hofes.
Dazu kam, daß auch der Kaiser eifrig um Englands Freund-
schaft warb und für seinen Sohn nach einer englischen Prinzessin
ausschaute. Man hatte daher schon viel erlangt, wenn man auch,
falls England seine Verbündeten im stich lieä, f^ jeden Augen-
blick so disponiert war, auch ohne diese Hilfe seine Kraft zu
entfalten.'}
Gegen das Ende des Jahres 1549 hatte Markgraf Johann
den Herzog wieder um eine persönliche Zusammenkunft nach
Weihnachten gebeten, an der auch Heideck teilnehmen sollte.
Damit sie ohne Aufsehen vor sich gehen könnte, wollte der
Markgraf dem Herzog seine junge Braut zuführen und Heideck
veranlassen, nicht mit ihm zugleich zu reisen. Der Herzog
sprach seine Bereitwilligkeit aus, meinte sogar, daß eine Gelegenheit
bevorstände, bei welcher man sich ohne Scheu sehen und sprechen
könnte. Er hatte damit den Tag seiner Hochzeit im Sinne.*)
Damit nahte der Äugenblick heran , in welchem der
schon lange geplante und vorbereitete Bund Gestalt gewinnen
sollte. Im Anfang des Jahres 1550 sollte die Vermählung des
Herzogs mit Anna Maria, einer braunschweigtschen Prinzessin,
stattfinden. Den Gedanken einer Verehelichung hatte der Herzog
nicht gern den raeken bithen" von Markgraf Johann herrührt, während sie
doch in dem Briefe Sebastian Scliärtlina von Burtenbach vorkommt, den
der Markgraf in Abschrift seinem Briefe beigelegt., und allein dem VerfasBer
gebührt. Das beweist auch die Fortsetzung jenes Satzes „dag schreib ich
dem Frankreich", die Voigt übersehen hat. Markgraf Johann stand über-
haopt in keinem brieflichen Verkehr mit dem Könige von Frankreich in
diesen Angelegenheiten.
1) Mansfeld an Herzog Albrecht 26. August 1549. K. St.-A. Hl. 29.
24. "- u. Markgraf Johann an Herzog Albrecht 24. November 1549. K St-A.
ni. 10. 92.
2) Markgraf Johann an Herzog Albrecht 26. Oktober 1549. K. St.-A.
ni. 10, 91. — Herzog Alhrecht an Markgraf Johann 7. November 1549.
Geh. Reg, 81. — Markgraf Johann an Herzog Albrecht 24. November 1549.
m. 10. 92.
DigtizBabyCoOgle
654 Herzog Albrechts von Preußen Anteil am Füretenbond.
auch trotz der Ablehnung Polens nicht aufgegeben. Er hatte
sich des Rates erinnert, der ihm einmal noch im Jahre 1547
von Graf Poppe von Henneberg, der sich 1546 mit der Mutter
Graf Erichs von Braunscbweig in zweiter Ehe vermählt hatte,')
gegeben war. Dieser wollte damals den Herzog veranlassen,
sich um die Schwester des Herzogs Erich von Braunschweig zu
bemühen, weil er durch diesen, einen der kaisergetreuesten
Fürsten, leichter etwas beim Kaiser erlangen könnte.*) Damals
hatte der Herzog den Gedanken abgewiesen, weil er sich darauf
verließ, in Polen seine Unterstützung zu finden.') Die Ver-
bältnisse hatten ihn bald genug eines anderen belehrt. Jetzt
wenigstens war er auf den Plan des Grafen Poppo zurückge-
kommen.
Die Ankunft der Braut hatte sich verzögert. Endlich traf
sie ein unter dem Schutze des Markgrafen.*) Im Februar wurde
die Vermählung gefeiert. Zwei Tage nach der Hochzeit, am
26. Februar, fand auch eine Verständigung des Herzogs Albrecht
mit Markgraf Johann und Herzog Johann Albreclit von Mecklen-
burg statt. Man bestimmte, weil die Laufte augenblicklich
seltsam geschwind und gefahrlich wären, wollte man einander
an Eidesstatt geloben und zusagen, wofern einer von ihnen
überzogen oder angefallen werden sollte, es sei auch, worum es
sei, so sollte jeder dem anderen treulich seine Hilfe beweisen.
Danach sollte der Herzog von Preußen 800 Reiter stellen, die
beiden anderen je 400 und auf 3 Monate unterhalten. Sollte
jedoch die Not es erfordern, so sollten sie je nach ihrem Ver-
mögen auch zu aulJerordentlichen Leistungen sich bereit er-
klären. Ferner stipulierte man, allen Fleiß darauf zu verwenden,
2) Heinemaon: Geschichte von Braunschweig and Hannover. Gotha
1884. B. n. p. 319.
2) Graf Poppo an Herzog Albrecht 19. Juni 1547. K. St.A. Geh.
Reg. 81.
S) Herzog Albrecht an Graf Poppo 17. Juli 1547. K. 3t.-A. Geh.
Reg. 81.
4) Markgraf Jobann an Herzog Albrecht 5. Janaar 1550. K. St.-A.
m. la 162. Schimnacher: «. a. 0. B. I. p. 76.
DigtizBabyCoOgIC
Von Dr. Hans KiewninK. g5&
andere Fürsten zum Beitritt heranzuziehen and schlug dazu den
König von Dänemark, die Herzöge von Holstein, Herzog Heinrieh
von Mecklenburg, die Herzöge von Pommern, selbst den König
von Polen namentlich vor.
Die Versicherungen, die man einander gab, geschahen
mündlich. Man wollte niemanden verpflichten und Grund zu
weitläufigen Disputationen geben. Auf Handschlag und Ehren-
wort gelobte man sich gegenseitig Treue,^)
Damit war eine solide Grrundlage des Bündnisses geschaffen.
Deutlich war in ihm ausgesprochen, daß man nur um der Ver-
teidigung willen zu einem Zusammenschluß sich veranlaßt fühlte.
Die Eeligionsangelegenheit war von den Kontrahenten nicht
ausdrücklich erwähnt: man versprach sich gegenseitige Unter-
stützung für alle Fälle. Auch daß das Bündnis direkt gegen
den Kaiser gerichtet war, läßt sich nicht erkennen. Sein
Name wird nicht genannt, wenn er auch als drohendes Gespenst
der Zeit den direkten Anstoß zu der Verbindung gegeben hatte.
Auf einer solchen Grundlage baute nun jeder von den ge-
nannten Fürsten nach seinem Vermögen weiter und bemühte
sich, die Verteidigungspläne zu verwirklichen und zu festigen.
Beilag-e.
Heimliche vorzeiclinus eyner beredung anno i550 den mithwocli
nach invocavit hatt der herr cantzler in geheim zu vorzeiclinen
bevolen.
Das sich die drey hem der hertzog zu Preußen, marggraf
Johanss unnd hertzog Johanss Albrecht zu Meckelburg freunt-
lichen beredet unnd vorglichen, weil die leuile itzo seltzsam ge-
schwinde unnd fehrlich, so betten sie einander an eides stadt
1) Heimliches Verzeichnis einer Beredung 26. Februar 1650, K. St.-A.
Geh. Reg. 82. BeiInge. Voigt: a. a. O. p. 38 fg.
zeabyCoOgle
656 Herzog Älbrochte von PreuDen Anteil am Fnrstenbnnd.
gelobet Qond zugesagt, wo irkeyner von sn. in. gn. nberzogen
oder angefochten oder bewilliget wurde, es weren was sachen
68 wolde, solte eyner den andern trenlich meynen onnd ent-
setzen, unnd solde der hertzog zu Preußen, do die hutff von
8. f. dt. gefordert, 800 pferdt unnd die andern beden hem,
wan die bulff von ihnen begeret, ider 400 pferde dem betrugkten
zusenden unnd uf drey monat underhaJten, auoh wo es darüber
die nodt erfordert nach höchstem vermugen eyner den andern
treulichen retten. Domit sich aber dieser hulä desto stadtlicher
zutrösten, sollen die beden hem, marggraf Johans unnd
hertzogk Johanss Albrecht zu Meckelburgk allen fleis furwenden,
das sie den konig zu Bennemarken, die hertzogen zu Holstein,
hertzog Heinrichen zu Meckelburgk unnd die hertzogen zu
Pommern, auch andere stende mehr darzu bringen mochten.
Actum ut supra.
Mit Polen solle nach gelegenbeit auch gehandelt werden.
Diese bereduug haben die herm dismal nicht durch briefT
unnd sigel bestettigen wollen, domit keyner ursach finden mochte,
zur nicht baltuug oder uimöttigen disputacion, sunder haben
solches einander an eidesstadt unnd bey fürstlichen treuen ohne
alle ge&hr zu halten zugesagt.
Belat. can[c]ell.
Bol. Ganss.
E. St-A. Geb. Reg. 82. pag. 111 fg.
,dbyGoogIe
Die Marienburg unter polnischer Herrschaft.
Johannes Semlbrzyckl.
Als Johannes Voigt im Jahre 1824 seine „Geschichte
Marienburgs, der Stadt und des Hanpthauses des deutschen
Ritter-Ordens in Preußen" erscheinen ließ, versprach er am
Schlüsse des Vorworts (pg. XVIII), in späterer Zeit eine Port-
setzung des Buches herauszugeben, die eine Beschreibung der
Marienburg, wie sie in alter Zeit dastand, und im Anschlüsse
daran eine „Darstellung ihrer Schicksale und Umwandlungen
zur Zeit der Polnischen Herrschaft" enthalten sollte ; er ist
jedoch nicht zur Ausführung seines Vorhabens gelangt. Nach
ihm hat Niemand daran gedacht, dieser Arbeit sich zu unter-
ziehen, vor allem wol deshalb, weil man bei der herrschenden
ünkenntniß der polnischen Sprache und polnischer Verhältnisse
über die zu benutzenden Quellen in völliger Unwissenheit sich
befand. Erst dem Forschungseifer des Bauinapektor Steinbrecht,
unter dessen sachkundiger und sicherer Leitung die Wieder-
herstellnngsarbeiten des Hochschlossea zu alter Pracht und Schöne
rüstig fortschreiten, war die "Wiederauffindung dieser wichtigen
Quellen vorbehalten. Während eines Aufenthaltes in den balti-
schen Landen auf aus polnischer Zeit stammende Lustrationen
und deren Bedeutung aufmerksam gemacht, kam er sofort
auf den Gedanken, daß auch über die Marienburg derartige
Lustrationen vorbanden sein und im Königlichen Staats-Archiv
zu Königsberg sich befinden müßten, und sah seine Vermuthung
D,gt,zBabyC00<^IC
658 IM« Marienbnrg unter polnischer Herrschaft.
duroh den Erfolg der auf sein Ersuchen durch Dr. Ehrenberg
daselbst angestellten Durchsiclit vollauf bestätigt. Es wurden drei
Lustrationen aus dem 16., 17. und 18. Jahrhundert aufgefunden,
von denen bisher nur über diejenige aus dem Jahre 1649 etwas
Näheres bekannt war, indem in der „Starozytna Polska pod wzgl^
dem historycznym, jeograficznyra i statystycznym" von M, Baliiiski
und T. Lipiiiski (1844—48; neue Ausgabe Warschau 1885 — 86
in 4 Bänden) aus derselben — allerdings offenbar nach einer
nicht sehr genauen Abschrift — kurze Abschnitte mitgetheilt
werden*) (n. A. I, pg. 783—786). Dem Verfasser vorliegender
Arbeit ist der ehrenvolle Auftrag geworden, eine genaue Ab-
schrift und Uebersetzung der erwähnten Lustrationen anzufertigen,
aus denen dasjenige, was am meisten auf allgemeines Interesse
Anspruch haben dürfte, hier mitgetheilt werden soll.
Am wichtigsten und interessantesten ist die älteste „Bevi-
dowanie i popisanie zamkow imion pruskich roku 1.5.6,4. ",
welche durch die auf dem "Warschauer Reichstage 1563 — 1564
zu diesem Zwecke erwählten Revisoren Jan Lutomirski, Castellan
von Sieradz, Jan R-adogoski, Eanonicus und künigl. Secretär,
und Stanislaus Slupecki z Kohar im letztgenannten Jahre be-
gonnen, aber, weil damals gerade die Pest in Preusaen herrschte
(„alie isch w ten czafs Powietrze morowe, w Prufsiech bilo"),
unterbrochen und erst vom 7. September 1565 an fortgesetzt
wurde (wobei an Lutomirski's Stelle Hieronymus Modliszowski,
Castellan von Malogoszcz, trat), sodaß wir die Lustration der
Marienburg als im September oder October letzteren Jahres
verfaßt ansehen dürfen.
Diese Lustration nun zeigt uns, daß die Marienburg in den
105 Jahren, seit sie dem Orden verloren gegangen, fast gar
keine irgend bedeutende Veränderung erlitten hatte, fast voll-
kommen in dem Zustande, wie sie zur letzten Ordenszeit ge-
wesen, erhalten geblieben war. Nur wenig war hinzugekommen;
*) Wobei manche Irrthümer unterlaufen, wie z. B., daß steh „in vielen
Gcmkchem" Löcher in den Gewölbdecken befunden hätten, um bei Feners-
gefahr Sachen durch dieselben herabzulassen.
DigtizBabyCoO^IC
Von Johannes Sembraycki. 659
ao war im Mittelschloss© von dem 1B55 verstorbenen Stanislaua
Kostka die burggräfliche "Wolmmig um einen hölzernen, ein
"Wohn- und ein Saalgemacb („Rantarz") enthaltenden Anbau
vergrößert worden, und im Vorscblosse hatte sich ein Zehnfcner
(„dziefn^thnik", Befehlshaber über 10 SoldatenJ ein Kellerge-
wölbe gemauert. Ebensowenig war verändert, am meisten im
Vorschloß, wo sich in kleinen Häusern Handwerker auf Grund
von Kaufbriefen angesiedelt und die Zehntner Krüge eingerichtet
hatten („i^si obiczai, iß kazdi dziefH^thnik tham ma fwoitj
karczm?" d. h. es ist herkömmlich© Sitte, daß jeder Zehntner
dort seinen Krug hat — besagt die Lustration), wo ferner eine
frühere Pferdemühle in eine Stellmacherwohnung verwandelt
war, in dem Flur eines Häuschens ein grosser Rauohfang sieh
befand, „von dem N'iemand zu sagen weiß, zu welchem Zwecke
er eingerichtet worden" u, s, w. Im Mittelschlosse bestanden
die bedeutendsten Veränderungen in der Zumauerung von fünf
Fenstern im Conventsremter (die sich wol nur auf deren untere
Hälfte erstrecken mochte) und einer Wendeltreppe in der Mauer.
— Von beginnendem Verfall war zu jener Zeit vorhältnißmäßig
wenig zu spüren. Im Hoch- und Mittelschlosse treffen wir nur
sehr selten Ausdrücke wie ,,zawalia (Tiq" (stürzt ein) oder „theraß
spustoffoni" (jetzt verwüstet), und sie beziehen sich dann fast
ausnahmslos nur auf Kellergewölbe, von denen bei ihrer großen
Menge und Ausdehnung unmöglich alle benutzt werden konnten.
Aber auch oben auf dem Thurme im Hochschlosse finden wir
ein verfallenes Stäbchen, das einst einem Trompeter im Falle
des Bedürfnisses zur "Wohnung gedient hatte. Verhältnißmässig
noch am meisten hatte der Zahn der Zeit einzelne Baulichkeiten
des Vorschlosses und der äußersten Befestigungswerke benagt.
Unter den letztem geschieht auch des „stumpfen Thurms" (wieza
ktinsa = kusa), den der König habe brechen lassen („ktor^ krol
Jeo mcz rofkazal zlamacz"), sowie eines bei einem Thürmchen
an der Nogat belegenen Thorea Erwähnung, welches man ver-
mauert hatte; denn durch dasselbe war der König eingezogen,
als die Burg in seinen Besitz gelangte („Th^ Bram^ krol bil
D,gt,zBabyC00<^IC
660 I^i^ Marienborg unter polnischer Herrschaft.
wyachal, gdi dosthal Malborbu"), und so sollte wohl nach ihm
Niemand mehr das Thor henntzen.
Biese wenigen Fälle ausgenommen war das ganze Schloß
wohlerhalten und in allen seinen Theilen bewohnt nnd benutzt,
wie sich Abs bei dem nachfolgenden Grange durch die Marienburg
zeigen wird, vor dessen Antritt jedoch gleich bemerkt sei, dafi
wir manche Bäumlichkeiten anders geschildert finden werden,
als wir sie heute kennen.
Im Hochschlosse waren die hervorragendsten Räumlichkeiten:
die St. Marienkirche und der Capitelsaal. Die erstero hatte
zehn große Fenster mit Glasmalereien und ein kleines hinter
dem Hochaltar, auQer welchem letztem sie noch drei andere
„cum omamentis dignis" und einen vierten kleinen auf dem
Chore besaß. Außerdem befanden sich in ihr ,,Imagine8 ochen-
dozne" (saubere Bilder) und rings an den Wänden Chorstühle.
Die Zahl der Leuchter auf den Altären betrug 6 größere und
10 kleinere. An Sacristeien waren vier vorhanden, von denen
aber nur eine noch benutzt wurde, in der daher auch die das
Kirchengeräth enthaltenden zwei Schreine standen. Sie bargen
fünf Kelche nebst Patenen {vier vergoldet, ein kleiner unver-
goldet), drei Monstranzen (eine große silberne, eine kleinere
vergoldete und eine kleine kupferne vergoldete), ein großes, mit
vergoldetem Silberdraht zierlich eingefaßtos Kristallkreuz und
ein vergoldetes Kreuzchen, acht Ornate, vier Dalmatiken und
eine alte Kappe. Zur Zeit, als die Lustration stattfand, war
die Stelle des Kaplans bei dieser Kirche gerade unbesetzt*);
sonst aber fand täglich Frühmesse, Messe und Vesper statt, und
es existirte ein Sängerchor von 6 Jünglingen, die eine Kammer
im Hochschlosse, wo auch der Organist Wohnung besaß, inne
hatten. Dicht an der Kirche beim Aufstieg zum Thurme war
eine kleine Kapelle und neben ihr eine große Sacristei, beide
damals schon unbenutzt und öde. Auf dem Thurme hingen
7 große Kirchenglooken und eine Uhrglocke. — Die St, Annen-
*) Äehatiiw von Zehmen (Czerna), Wojewode von Marienburg, war er
klärter eifriger Anhänger der Reformation.
D,gt,zBabyC00<^IC
Von Johannes Sembrzycki. 661
kirche unter der St. Marienkirche war einfacher eingerichtet und
hatte drei Altäre. Auch in ihr fand Gottesdienst statt.
Der Cftpitelsaal hatte neun Fenster (heute dreizehn;
cf. das neueste "Werkchen über die Marienburg von Carl Starck,
Danzig, Eafemaun, 1889, pg. 32) und Erdheizung; es befanden
sich in ihm Bänke um die "Wände, acht Tische in einer Reihe
und in der äußern Mauer 4 Schränke.
Im Uebrigen enthielt das Hochschloß fast nur 'Wirthschafta-
räumlichkeiten, so in der Nähe der oben erwähnten großen öden
Sacristei ein 56 Klafter langes Gewölbe mit 22 Fenstern, worin
sich unter anderm eine zur Deckung des Schloßbedarfs au Mehl
dienende, von 4 Mann in Betrieh gesetzte Mühle befand; zwei
Srauereien, eine mit 2 Kesseln und 3 Bottichen zur Bereitung
von Weißbier, die andere mit 1 Kessel und 3 Bottichen zur
Herstellung von ßraunhier, dabei ein Keller zur Aufbe-
wahrung des „thafalbier" ; besondere Keller zur Aufbewahrung
von Salzfleisch, Eis, Salz, Bier, Hopfen, Kumst, Aepfeln, Malz,
Häuten, Zwiebeln u. s. w.
Noch verdienen im Hochschlosse Erwähnung der Danzker
und das Witoldgefängniß. Zu dem erateren führte ein langer
Gang mit 16 kleinen Fenstern; der Danzkerthurm selbst, den
die Kevision ,,Gdansk" nennt, hatte 22 Klafter Umfang, 7 Fenster
und in der Latrine 8 Plätze, lieber der letztem lagen, mittels
zweier Treppen von je 13 Stufen erreichbar, 9 Kammern und
eine Stube mit je einem Fenster, welche Kriegsknechten zur
"Wohnung und als Aufbewahrungsort für ihre Sachen dienten
(ci. über diesen Danzker den Aufsatz von C. Beckherm in der
Altpr. Mschr. XXV, 1888, pg. 230—231). — Das Witoldsge-
wölbe befand sich ganz imten im Hochschlosse. Es hatte keine
Fenster, vielmehr waren die Wände ganz mit Eichenholz aus-
gelegt und dieses mit Eisenblech beschlagen; den "Verschluß
bildeten eine eisenbeschlagene Thür von Holz, zwei von Eisen
und dahinter ein Gitter. Vor dem Gewölbe zu beiden Seiten
des Thürganges befanden sich zwei kleine Gewölbe fUr die
Wache des Ge&ngnisses, und der Thür gegenüber hatte die
DigtizBabyCoOgIC
662 I^ie Marienburg unter polnischer Herrschaft.
Mauer eine lochartige Oeffnung, durch welche allein dieses
schauerliche Gef&ngniß erhellt wurde. Auch eine weitere furcht-
erregende Bäumlichkeit befand sich unter den Kellergewölben,
nämlich eine Marterstube mit einer Oeffnung in der Decke,
durch welche aus der darüberliegeuden Kammer die Gefangenen
behorcht wurden.
Im Mittelschlosse war Hochmeisters Prachtgeschoß als
"Wohnung für den König bei einem etwaigen Aufenthalte des-
selben vorbehalten. Außer dem großen und dem kleinen Kemter,
die ganz in ihrer alten Gestalt erhalten waren, nur daß die
Länge des letzteren auf Vji, die Breite auf 5 Klafter angegeben
wird, findet sieh dort ein grosser 14 Klafter langer Kreuzbau
erwähnt, der in seiner Mitte 6 kleine runde und 2 große Pfeiler,
ferner 78 Fenster, eins über dem andern, aber nicht wohler-
halten, steinerne Bänke um die Wände und eine Schäukbank
hatte; „a w them budowanyu przed them krzizowniczi siadaly,
alie dziß pusthe" (und in der Baulichkeit sassen vordem die
Kreuzritter, heute aber ist sie öde). In der dabei gelegenen
Kapella, die 4 Fenster und 2 Altäre hatte, war außer hübschen
Chorstühlen nichts an Zierrathen vorhanden (,,niema nicz
ochenostwa"). Von dem Conventsremter in der unteren Bau-
lichkeit sagt die Revision, er habe 18 Klafter Länge, 7 Klafter
Breite, zwei („dwa Filiari") Pfeiler, Erdheizung und 13 große
Fenster mit Gittern; fünf Fenster seien zugemauert (siehe oben).
In seiner Nähe befand sich eine Badestube, wohinter ein
Bnmnen. Sonst lagen noch im Mittelschlosse: die "Wohnung
des Burggrafen, die Kanzlei und die Rentei, zwei Krüge (einer
davon in einem ,,kurza noga", d. i. Hohnfuß, genannten
Thürmchen, in welchem auch eine Glocke hing, durch welche
der Wache Zeichen gegeben wurden), Räumlichkeiten, welche
von tatarischen und von russischen Söldnern bewohnt wurden
(jjgdzie Mofkwa miijrka"), eine Schmiede und endlich in zwei
Stockwerken große Speicher. Die Wohnung des Burggrafen
war selir einfach; sie umfaßte außer dem oben bereits erwähnten
Anbau des Kostka nur eine Stube für den „Herrn", ein Ge-
DigtizBabyCoOglC
Ton Johannes SembRycki. 663
Wölbe, worin dem „Dauziger Herrn" („Pana Gdanifkyego", das iat
Fabian von Zehnten, Bruder des Ächatius, Wojewode von Pome-
rellen, vorher Castellan von Danzig) gehörige Sachen verwahrt
wurden, und für „die Herrin" zwei Stübchen und ein Gewölbe.
Als Vorratharaum diente ihnen femer eine unbenutzte, 5 Klafter
lange iind ebenso breite, Kapelle mit einem Altar und drei Fenstern.
Im Vorschlosse finden wir hohe, 80 Klafter lange
Speichergebäude : den königlichen, den Staroaten- und den Vogts-
speicher. Es waren noch Anzeichen vorhanden, daß im Erdge-
schoß des königliehen Speichers einst ein Pferdestall gewesen.
Die Ee\-iaion sagt, in dem eben erwähnten Speieher habe man
ehemals Erde zu Salpeter gewonnen, und führt eine jetzt öde
Salpetersiederei in der Nähe desaelben auf. Femer enthielt das
Vorschloß Stallungen für 16 Ochsen und 40 Pferde, eine große
Scheune mit 7 Tennen, das große Büchsenmacherhaus, die
Vogtswohnung, die St. Lorenzkirche u. s. w. Die Thore und
Thürme der Befestigungswerke hatten zum großen Theüe be-
sondere Namen: das Kornhausthor (,,komufka Brama"), das
Sandthor („na Piafkach"), die Thürme: Badstube („laznya"
an der Nogat; „minatur rninam"), Zrembek, der blaue
Thurm, der Ochaenthurm, der Sarzifz, Baba, Bitter-
thurm, „Blusthin", „Sperlik". Die meisten dieser Thore
und Thürme nebst dabei liegenden Häuschen waren mit Zehntnem
und deren Rotten belegt.
Ein weit anderes Bild der Marienburg führt uns die noch
kein Jahrhundert später im Jahre 1649 nach dem 1644 stattge-
habten großen Brande von dem Culmer Kanonikua und Probst
von Strasburg, Wojciech Krzywkowski, den königlichen Secre-
tären Christian Christoph Bubach und Johann von Holtze Guldem-
balk und dem Bentschr eiber Pawel Kaczorowski abgehaltene
Bevision („REVISIA Oeconomiey Malborskiey y opisanie Bn-
dynkow y Prouentow do niey naleziicych, po zesöiu z tego Swiata,
Jasnie Wielmoznego niegdy Gerhard a DoenhofiTa, Woiewody
Pomorskiego, Kosöierzynskiego, Pelinskiego etc. Starosty, y
Oeconoma Malborskiego .... diebus May Anno MDCXXXXIX
DigtizBabyCoO^IC
664 Du Marienbarg unter polnisctier Herrschaft.
odprawiona y skonczona") vor Augen. Wie hatten der Zahn
der Zeit, Wind, Wetter, Blitz, Feuer und der Mensch selbst
dem erhabenen Bauwerke mitgespielt! Wie die Sprache des
Revision sprotocolls im Cregensatze zu dem schönen alterthüm-
lichen Polnisch der Lustration von 1565 den damaligen Yer&tl
der polnischen Sprache (unnütze Beimischung lateinischer Floskeln,
Gebrauch lächerlicher Germanismen, deren die polnische Sprache
bei ihrem Wortreichthum wahrlich nicht bedarf, wie: szpuadpal,
fanszterkop, krzyczolc [Kreuzholz], murlaty, dr3^1aty [Kauerlatten,
Trauflatten] u, a,), so zeigt der Inhalt desselben die von außen
her allmählich immer mehr nach dem Mittelpunkte zu fort-
schreitende Zerstörung. Die Mauer gegen die Stadt hin befand
sich, besonders längs des der Geistlichkeit gehörenden Grund-
stücks, im äußersten Verfall, und die Pflicht der Ausbesserung
suchten Geistlichkeit und Stadt wechselsweiae von einander
abzuwälzen, letztere mit dem Bemerken, die Geistlichkeit habe
verschiedenen Leuten die Erlaubniß ertheilt, auf der Mauer
Baulichkeiten aufzuführen, möge dieselben also auch zur Instand-
setzung anhalten. Von andern Mauerstrecken war eine Menge
von Ziegeln (wahrsclieinlich durch betriebsame Städter zu Privat-
zwecken) entwendet worden, was natürlich den Verfall des Bestes
zur Folge haben mußte, und gerade während der Revision
schlug am 2. Juni der Blitz in die Mauer und riß ein Stück
von 66 Fuß Länge und 24 Fuß Höhe ein. Die Gräben waren
theils von der Stadt her mit Gemüll, Mist und anderen Un-
reinigkeiten vollgeworfen, theils waren in ihnen Gärten angelegt;
wo das Wasser noch freien Zug hatte, benutzten dasselbe Gerber
und andere Gewerbetreibende zu ihren Zwecken, Auf dem
Vorschlosse standen von der Vogtswohnung nur noch die nackten
Mauern als Einsturz drohende Ruinen ; von den übrigen Baulich-
keiten waren außer einigen Wohnungen die Pferdeställe (für im
Ganzen ca. 100 Pferde) und die Hundeställe noch am besten
erhalten. Auch auf degi Vorschlosse tritt das Bestreben der
Geistlichkeit nach Vergrößerung ihres Besitzes hervor; ao sollte
nach ihrer Behauptung im Starostenkruge früher ein Hospital
DigtizBabyCoO^IC
Von Johannes SembrzyokL 665
nebst Altar der hl. Ursula sich befunden haben, wozu jedoch
der Kanonikns Krzywkowski selbst nicbt umhin kann zu be-
merken, „non probatur", und vier kleine Wohnhäuser, sowie
ein Gewölbe, wurden für die St. Lorenzkirohe beanspracht.
Im Mittelschlosse bemerken wir nur wenige Spuren von Verfall,
dagegen mancherlei Umbauten und Aenderungen, dem Comfort
jener Zeit entaprechend. So finden wir namentlich in den
königlichen Zimmern bunte Oefen (die Lustration von 1566
kennt nur grüne) auf gemauerten, marmornen, eisernen Füßchen,
getäfelte Thüren und Fußböden, gemalte Decken, Fenster von
französischem Glase, im Zimmer der Königin einen Marmor-
kamin mit zwei eisernen Brandruthen. Der große Eemter be-
fand sich ganz im alten Zustande, nur die Schänkbank und die
Empore waren neu gemalt und ein neuer bunter Ofen gesetzt
worden; im Conventaremter werden 13 vergitterte Fenster ohne
Glas erwähnt, wovon eines vom Hofe her frisch vermauert sei
— die Bevisoren fügen hinzu, sie hätten in diesem Eemter
(Eyntarz", während die Lustration von 1565 „RantM"z" hat)
nur einen Bretterstapel nebst einigen großen Leitern des SchloU-
baumeisters angetroffen. Der Kreuzbau der vorigen Revision
ist verschwunden; man hatte aus ihm mehrere Zimmer für die
königliche Wohnung hergestellt.
Zeigt uns die Revision das Mittelschloß als durchweg wohl-
erhalten und bewohnt, so bietet dagegen das Hochschloß, der
„Oberstock", wie es in dem Protocoll genannt wird, in Folge
des Brandes ein um so traurigeres Bild der Zerstörung, nnd
wenn auch von den polnischen Behörden Schritte zur Wieder-
herstellung gethan waren, so muß deren Geringfügigkeit in
Anbetracht des langen Zeitraums (1644—49) doch billig Wunder
nehmen, namentlich da ein eigener Scbloßbaumeister, Namens
Hertmaöski, angestellt war, der sich im Hochschlosse recht
wohnlich eingerichtet hatte. Noch immer waren der Süd- und
der Ostflügel ohne Bedachung und Ausbesserung, so daß auf
dem erstem bereits ein Giebel eingestürzt war und ein Gewölbe
eingeschlagen und verschüttet hatte; selbst in der Marienkirche
Altpr. Hoafttnafarilt Bd. XZVL Hft 7 o. 8. 42
D,gt,zBabyC00<^IC
QQQ Die M&rienbnrg unter polnischer Herrschait.
waren weder die Fenster reparirt noch für Auabessening des
durch die Feuersbranst durlßcherten und rissig gewordenen
Gewölbes Sorge getragen. Nur das Dach über der Kirche war
wieder hergestellt worden. Dem Feuer war auch der hohe
Thurm bei der Eirche nebst Uhr und sämmtliohen Glocken
zum Opfer gefallen ; in einem früher als Sacristei benutzten
Baume fanden die Bevisoren die eisernen XJbrtbeile nnd über
60 Centner Bruch von Glockenmetall aufbewahrt. Noch vor
dem Brande Bcheiuen übrigens die Schweden arg gehaast zu
haben (1626); denn die Bevision berichtet von einem durch die
Legung einer schwedischen Mine ruinirten Befestigungsthurme,
und daß die Schweden die Orgel der Marienkirche mit sich ge-
nommen. Von sonstigen Aenderungen im Vergleich zur Bevision
von 1565 ist zn erwähnen, daß die Kirche nur noch drei
Sacristeien hatte, der zu jener Zeit noch in vollkommen gutem
Stande befindliche Brunnen inmitten des Hofea zu Nicht ge-
macht war, das Witoldsge wölbe an der Hinterwand bereite
seinen Eichenbalken- und Eiaenblechbesehlag verloren hatte,
und unter dem Danzkerthurm ein kleines Stübchen nebst
Flürchen und darunter ein Gemüsekeller (alles zur Benutzung
für den Baumeister Hertmaäski) eingerichtet war. Der Capitel-
saal war unverändert und nnbescbädigt.
Zur Zeit der Bevision von 1649 scheinen in Marienburg
viele eingewanderte Holländer seßhaft gewesen zu sein. Wir
finden auf dem Vorschlosse den „niederländischen Mälzer
Nicolaus von Hoven" und eine „niederländische Darre", auf der
Schloßfreiheit holländische Namen, wie Adrian von Gamren,
Jan Janson u. s. w., und bei allen Neudacbungen sind „hollän-
dische Bfannen" verwendet. — Wie aus dem den Schlull der
Lustration bildenden Zinsregister ersichtlich, hielten sich damals
Deutsche und Bolen unter den Einwohnern der Schlofifreiheit,
die aus den verschiedensten Handwerkern und Gewerbetreibenden
bestanden, die Wage; wir treffen ebensoviel deutsche als polnische
Namen (Wilhelm Hagen, Duders tadt, Bhetel, Westwaldt, Sie-
brand, Bulholtz, Leychholtz, Hermann Fock, Hans Simons,
D,gt,zBabyC00<^IC
Von Johannes Sembrzycki. 667
Andreas Melier, Eich- wald, Biller, Hagen Hagens, Sebastian
de Valencia; Jerzy Lis, Jerzy Dygda, Czapliäski, Waäcicki,
Gniewski, Pruski, Witowaki, Bartosz Proatka, BrzQcek, Ptak,
Blokuszowski, Poblocki, Pasek, Ci^ciara eto.).
Betrachten wir nun die Marienburg nach ihrem Zustande
zu Anfange des 18. Jahrhunderts.
(Schluß folgt.)
,dbyGoogIe
NactatrSgllche Bemerkungen
zu dem Aufsätze
„Die Lycker Erzpriester Johannes und Hieronymus l\1aletius"
(Altpreufl. Monntaschrift XXV, 1888, pg. 629-661)
JohanHes S«iiibrzy«kl.
Im Jahre 1522 erschien bei Haller in Krakaii (cf. „Prace
Filologiczne", I. Warschau 1885, pg. 69} ein Werkehen in 4*"
unter dem Titel „Äywot pana Jezn krista, stworzyciela y zbawi-
ciela rodzaiu ludskiego" etc., an dessen Scliluß die Worte Btehen:
„Wyrazono w Krakowie przez Floriana Bawara y Jana San-
detzkiego naklädem opatrzn^go mQza päna Jana Hallera'' etc.
(Gedruckt zu Krakau durch Florian den Eaiem und Johannes
von Sandeo im Verlage des füraorglichen Mannes Johannes
Haller etc.). Nun war der Ütere Maletius ans Saadec (S^cz) —
er wird ausdrücklich „Sandecensis Polonus" genannt (Sandecensia
= dem poln. adj. sandecki) — , er war femer Buchdrucker und
lebte zu jener Zeit höchstwahrscheinlich in Krakau, er liihrte
endlich <len Vornamen Jan (Johannes); es dürften mithin diese
Umstände die Frage nahelegen, ob sich nicht hinter jenem ,,Jan
Sandetzki" der spätere Lycker Erzpriester Johannes Maletina
verbirgt.
Meine im vorigen Bande der Altpr. Mschr. pg. 637 ausge-
sprochene Vermuthung, daß von den Lycker Drucken des
Maletius in einer und der andern polnischen Bibliothek noch
etwas vorhanden sein müsse, hat ihre Bestätigung geftinden in
dem neulich erschienenen Werke „Polonica XV ao XVI ss. sive
Catalogus librorum res polonicas tractantium vel a Folonis con-
DigtizBabyCoOglC
Von Johannes Sembtzycki. 669
acriptorutn arte typographica impressorum, qui in bibliotheca
universitatis caeaareae varanvienais asservantur confectua et
editu3 a Theodor "Wierzbowski (Warachaa, 1889), woselbat auf
pg. 30 unter No. 137 folgender Druck angeführt wird
„Nowy Te/stament z przelozeniä / Erasma Botero-
damskiego / w y^zik Polski prawie / a wläsuämi alowy /
8 wielka pilnoscia / przelozony. / Joannes Malettue. /
Lyccae. / M.D.LII / Ut petit aerijs Jouia ad Qthera
penuis, / Sic Alberte dei prouehis omne decus. / 4", 4 folia
(tantutn), in front, manu XYI saeculi scriptum: „Specimen
est fiiturae editionis Noui Teatamenti, vel saltem Matthei,
nondum vt decet emendatum." —
Dieser handschriftliche Vermerk ist meines Eracbtens ein
Fingerzeig, wen wir als Tlebersetzer zu betrachten haben; es
ist dies wol Eustachius Trepka, über den ich in einer im
künftigen Jahre in dieser Zeitschrift eracheinenden Arbeit nähere
Mittheilungen machen werde. Derselbe war Seclutian nicht
freundlich gesinnt, und nach der Herausgabe einer polnischen
Uebersetzung des Neuen Testamentes durch den letzteren, 1551
bis 1552, machte er sich sogleich an die Ausarbeitung einer
andern, welche diejenige des Seclutian verdrängen sollte, nnd
von der er unter dem 27. Mai 1552 dem Herzoge Älbrecht eine
Probe nebst einem die Seclutiansche Arbeit als fehlerhaft und
schädlich schildernden Briefe überreichte (citirt bei "Wiszniewski,
Bist. Ut. polsk. VI pg. 557 Anm.), In diesem Briefe nan
kommen folgende mit dem obigen handschriftlichen Vermerk
fast gleichlautende Worte vor: „oifero Illustr. Clementiae Tuae
hoc specimen futurae editionis novi testamenti vel
adminus Mathei, nondum ut decet emendatum" etc. In
Lyck hat Trepka seine Arbeit wol deshalb drucken lassen, weil
er entweder in Königsberg keinen Drucker fand oder sein Unter-
nehmen nicht vorzeitig bekannt werden lassen wollte nnd dem-
gemäß sein Oeheimniss ala in Lyck besser bewahrt ansah.
Uebrigens muB Maletius seine kleine Druckerei erst 1555 wieder
in Betrieb gesetzt haben, falls er sie überhaupt vorher besessen
DigtizBabyCoOgle
g70 14&cbträgliche Bemerkungen z. d. Aufsätze „Die Lycker Erzprieater etc.
und nicht etwa gar im genannten Jahre erst neu augescliafit
hat. In den „Acta historica res gestas Foloniae illuatrantia.
Tomus IX. Stanislai Hoeii Epistolae. Tomas II. 1551—1558.
Cracoviae 1886" findet sich nämlich auf pg. 556 sub nr. 1410
in einem Briefe von Hoaius an Crom er vom 28. Mai 1555
folgende Notiz: „Ceterum illud acire te velim, quod in oppido
vicini mei Lick instruitur quaedam typographia: decrevenmt
enim excudere lingua Polona Missal ia. Yellem admoneres
Ärchiepiscopum, ut instaret apud Begem, ut scriberet Duci, ne
quid eiusmodi fieri permitteret. Nam si prodierint in publicum
hi libia, maior etiam est futura Sataniami propagatio." —
Von Bcbriflstellerischen Arbeiten des Maletlos ftthrt Wiez-
niewski (Hist. lit, polsk. VI, 448) noch an: „Litania polska, dla
ko3ci<^öw polsk ich Xi^stwa Pruskiego, na yawnosc wydana.
Jobannes Maeletius in 8°," (8 Bl.). Drucker und Dmckort giebt
Wiszniewski leider nicht an, sondern sagt nur, unter dem obigen
Titel befinde sich ein Holzschnitt: Christi Rückkehr, worauf er
den Anfang des mit Noten versehenen Liedes citirt*) und hinzu-
fügt, am Schlüsse befinde sich ein anderes Lied des Joh. Ma-
letius: Broü nas P^nie przy twym slowie (Erhalt' uns, Herr,
bei deinem "Wort, von Luther).
Meine Angabe, daß die in dem Briefe des Joh. Maletius
citirten Worte (cf. Altpr. Mschr. XXV, pg. 645) weißrussischo
seien, und zwar, wie ich hier hinzufüge, durch den dieses
Dialectes unkundigen, dagegen von Krakau her vielleicht mit
dem Czechischen bekannten Polen Maletius polonisirt, sogar
czechisirt, wird durch eine mir freundlichst ertheilte Auskunft des
hervorragenden Slavisten Dr. J. Karlowicz in Warschau bestätigt.
Danach sind unbedingt weißmssisch : miel (weiärussisch ge-
sprochen wie miea), szto, krasnoje, mlodzice (polonisirt ans
matadeicy), jely, pily (weiJJriiss. jeli, pili), duszyce (polonisirfc
*) „Panie Boze Oycze w niebiesiech, Herr Gott Vater im Himmelreich,
Synu Bozy odkupirielo swiata, Sühn Gottes, Erlöser der Welt,
DuchuSwi^ty pocieszycielu wiemych Heiliger Geist, Tröster der Gl&nbigen.
B^di nam miloBdwy" Sei uns gnädig.
DigtizBabyCoOgIC
Von Johatmee Sembrzycki. 671
aua dustsycp); yesty, pity sind heute ukrainisch- ruthenische
Fonnen und lauten heute weißraasisch je4ci, pici — aher in
älteren Documenten, z. B, dem Privilegium von 1561 für Augu-
atoWo an der Netfca finden wir die Verbaendung H, z. B. miesto
saditi, sprawowati, tarhowati (Starozytna Polska, neue Ausg. m,
462 — 463); umSrl ist poloniairt und müßte ümiör lauten, mene
lautet weifirussiach mnie, yza ist polnisch (iza, izali), procz
und wen sin czechische Formen (pr66, ven).
,dbyGoogIe
lUittlieJIniigen und Anhang.
Die Eant-BlUlographle des Jahres 1888
zusammen fi^estellt von
Rud«ir Releke.
it«ttt. <}lntmnnue(, ^rulcgomenn jii einer jekit hiniligen Weln))(|Or'tr bie aÜ 9Siffeii'
Jiftoft toitl) miilvelm föniicii. .övöji. oon ffnri SAulj. Sctpsifl. ¥Si(.
iBtclamjun. (2303.8.1 [llniuerSal Wbliotbet. Toplielbänlx^tn 2469— 70.) —40.
Premiers principes m^taphysiques de la ecience de U nature traduits
poQr ]& premi^re fois en francftis par Ch. Ändler et Ed. Chavannes.
[La Critique philosophique (Nouvelle särie, publ. sous la direction de
M. Eenouvier. IV. ann6e No. 10. p. 307-318, 11. p. 384-400. 12.
p. 442-480. V. ann. No. 1. p. 64-80. 2. p. 149-160.]
— — Critique de la raison pratiquc. Nouvelle traditction franfaiaa, avec ua
avant-propos eur la philosophie de Kant cn France de 1773 k 1814,
des notes philologiques et pliilosophiques par F. Picavet, agrög^ de
phüoaophio. Paria. Ubr. Älcan. (XL, 330 S. 8".) 6 fr. (Anges. u. rec.i
Minä. No. BS. A. C. in: Sevue erit. 1888. 52. E. Beurlier in: BuUe-
tin erit. 15. Janv. 1889. Lloncc Coviure in: Polt/biblitm; pari, littir.
T. 39. p. dnsa.
Son Itt Wn^l bce öeniülfi«, burd) bcii blofteu Kocfo^ feiner franf^aften
(äefü^Ie 3)iei|tei: ju [ein. ^r^. u. ni. 9(nni. Derfeficn uon 8t(ioti»r. Seibai^t
a. SB. ßnfelanb. Seilij. ^rf. 1.46 3. 16.1 geb. bunr 1.—
Sdu bei SKa^l be« «emfit^ä, bnrd) bcn bioStit ajorfalf [ein« hanfftofien i^--
fu^le aSclfter ju (ein. Ein ©(^reiben an tTliriilot)^ aSil^. ©ufelanb übet beflen
fflu* „«HofrolJiotit" jc. (38 3. 8.) |»ibliiH^cr b« Weianit-Sittecatut t. 3n= u.
«u«ranbeff. 9!r. 247. .^olle. öedbel.) —.25.
Vorlesungen über Psychologie. Mit einer Einleitung: „Kants mystische
Weltanschauung" hrsg. von Dr. Carl du Prel. Leipzig. Ernst
Günthers Veri. 18B9. (88,) (LXIV, 96 S. gr. 8.) 3.- rec v. 0. K. wi;
Lit. Centralbl. 1S89. No. 17. Mind. No. 54. Th. Ächeiia in: Blatt, f.
litt. Unth. 1889. No. 30.
,dbyGoogIe
Die Eaut-Bibliographie des Jahres 1888, 673
Eut, Iinm., Das Dachgelamene Werk Iran). Eant's: Tom Uebergange von
den metaphysischen Anfangsgründen der Natnrwiasenschaft zur Physik
mitBelegenpopnlftr-wiaaenachaftlicbdargestellt von AIbrecht£rause.
Frankf. a. M. n. Lahr. Mor. Schauenbarg, (XYII, 213 Doppelseiten
gr. 8.) 10.— ef. ifind. So. 53. Ä. CIoMen in,- Die GreitAotm 1888.
No. 32. 33. S. Günther in: Naturte. Bundgekatt 1889. 13. J>r. E. Eomig
in: Fhiloa. Monatshefte XXV, 459—472. K. Laßwitr in: Die NaHtm.
No. 46. und in: Dt. L.-Z. 1888. 37. C. M. Ss. in: AUg.
!. Monatstchr^t. 45. Jahrg. S. 890-92. - ef. Pflvgk-Harttung.
««rill, Tti., Icv ljrfilD|opöi[(fie ffriltci^niuS. lUnfere Seit. 8, ;£ifl. II. @, Hl-125.|
Anfall), Andrea, Prof. ord. nella B. Univereiti di Napoli, la Filosofia e la
Schola. Appunti. NapoÜ. Em. Anfossi. (XI, 408 S. gr, 8.) 5 Lire.
rtc. V. BarMhom in : Zttchr. f. exakte Hiiloi. Bd. X VIT. S. 83—89.
AnUl, G, von, die holländische Philosophie im 19. Jahrh. Eine Studie.
Utrecht. Breijer. (Wittenberg, Herroa^ in Comm.) (112 8. kl. 8.) 2.-
rtc. von D. in; Lit. Centralbl. 1888, 43. Luden Arreat in: Bevue philosoph.
T. 37. p. 97—101. cf Prof C. B. Sprugt in Anigterdam, die Gesch.
d. PhHos. in Holland in d. letzt. 10 Jahren in: Archiv f. Oteeh. der
Hiilos. IL Bd. S. 133-127.
Saumgatttti, Ctto, $a(l. a. 'S)., ^erbcr'ä ftnlage u, $t(buii(|^n''ns h^vm '^vebtuer,
^i^to^. aMii- $al(e. (IO5 S. 8.) S. 66-84: (Einfiaß KanU auf Herder).
Becher, J. P. (Cleve), Ed. Zellers Angriff auf das Moralprincip Kants. [Philos.
Monatsbfte XXIV. Bd. S. 529-540.]
Blnet, Alfr., La responsabiJitä morale. [Revue philos. XIIT. ann. No. 9,
T. 26. p. 217-231.)
Bobttcheir, Nikola, die Geiithlslehre in ihren h au ptsäch liehet en Gestaltungen
von Kant bis auf unsere Zeit bistor.-h ritisch beleuchtet. I.-D. Leipzig.
(90 S. n. 1 Bl. 8.)
BÖIirtoger, Dr. Adolf, Kant's erkenntnis - theoretischer Idealiemua als Ein-
fährung in das Stadium der Kritik d. reinen Vernunft. Freiburg i. B.
(Gymn.-Progr.) (86 S. gr. 4)
Bosanqnet, Bernard, The philosophical importance of a trae theory of iden-
tity. [Mind. No. 61. Vol. XIU. p. 356—369.]
— — Logic; or, the Morphology of Knowledye. By Bernard Boaanqnet,
M. A., formerly Pellow and Tutor of University College, Oxford,
2 Vols. Oxford; Clarendon Press. (XVIII, 398; VID. 240 S. aj
rec. V. W. E. Johnson in: Mind. No. 53 Vol. XIIL p. 1S0-1S7.
ff. Fontegrive in: Bevue philog. T. 37. p. 637-43.
Bradler, F. H., Reality and Thonght. [Mind. No. 51. Yol. XIU. p. 870—382.]
Brack, Die Stellung Kants zur Descendenztheorie. [Biologisches Ceutralblatt 21.]
DigtizBabyCoOgle
g74 Mittheilungen und Anhang.
Caraeri, B. (Harbin^ a. D.) Caasalität und Sittlichkeit. [Vierteljahissclirift
f. wisaanach. PhiloB. XU. Jahrg. S. 129-160.]
Cue, Thomas (M. A., Fellow and Senior Tutor, Corpus Christi Collen, &a.)
Fhysical Bealism: Being an Aualytical Philosopby from tbe Physical
Objects of Science to the Physical Data of Sense. London : Longinans,
Ore^n & Co. (S87 S. 8.) 15 eh. ree. v. Thom. Whitlaker in : Mitid,
No. 54. Vol. XIV p. S67—271.
Cupari, Otto (Prof. d. Philos. an d. üniverait. Heidelbei^), Drei Essays
ttberGmad- n. Le1«nafragen der philosophischen Wiseenscliaft. 2. Ausg.
Breslau. Ed. Trewendt. (XI, 98 S. gr. 8.) 1.60.
Cesc», OioTaniii, La metafisica e la teorics della conosceoza del LeibmK.
Fadna, Dmcker e Senig^lia. (44 S. gr. 8.) L. 3. ree. o. Fritz
Schuitxe in: Dt. L.-Z. 1888. No. 5.
— — la ripresentazione del t«mpo [Rassegua critica.]
— — La nCosa in s6" I. Xa dottrina di Emanuele Kant sulla „Cosa in se."
[Rivista di filosofia scientitica Vol. Vll. Febbraio.] H. Dimostrasione
deir esietenza della „Cosa in se. [Marzo.]
dubu, D., La cerlitude dans la philosphie de M. Benonvier et ta certitnde
chretienne. Th^ pr^. h. la fac. de theol. protest. de Paria. Alen^on.
(111 S. gr. 8,)
(laRen. ?(., bai Ser^ältiiig btv ¥^i>ai''l>4<t 5""< ))raftiid|en Scben. |7i{ Olren^bolcn
47. Sn^ta- 9't- 46.1
Cohea» Henn., Jubiläums-Betraclitungen (J^t Bez. auf „Philosoph. AufB4t«e,
Eduard Zeller zn sm. 60jähr. Doctor- Jubiläum gewidm. Leipz. 1887").
[PhUoa. Monatshefte XXIV. Bd. S. 257-291.J
Cook, Webeter, the Etbica of Bishop Butler and L Kant. Ann Annor.
Andrew & Co.
Costaiul, Enr., n razionalismo e la ragione storica: eaggio apologetico. Borna
üp. Tiberina di F. Setth. (XV, 227 8. 8.)
CrlUqae, la, philoaophique. (Nonvelle eine) pnbliee sone la direction de
M. Renouvier. IV^me Ann^ I. U. Paria. (4 483 S. gr. 8.)
DaulM, Lionel, Dogmatisine, scepticisme, probabilisme. (La Critiqae philo-
sophique. IV. annöe. No. 9. p. 161-198.]
DIckatolB, J., aar Tintrodaction de la philoe. de Kant en France. [Revue
philoa. T. 26. p. 416.]
IMMkert, Oymn.-L. Oust., Ueber d. Verhältnis des Berkeleyschen Idealismus
zur Eantischen Verounftfcritik. (67. Jahresber. d. Sgl. Oyron.) Conitz.
(Leipz. Gast. Fock.) (4e S. 4".) baar n. 1.—
tMtttleiii, 3iil., Sßarum mu^ b«r fHaum btci 7'tin€itii«icu f)at>ciiy i^t\tix. f. ¥^i1pf.
u. pifilay Äril. 93. »6. S. 64-84.]
DigtizBabyCoOgIC
Die Kant-BibliographJe des Jahres 1888. 675
Doormaniif Oymn.-L. Dr. Karl, Ueber Gesetz o. GesetzmäOigkeit. (Oymn.-
Bericht.) Brieg. (30 S. 4.)
Dnknc, Paol, Essai aur la mäthode en mätaphyeique, Paris 1887. Ancienne
librairie Germer Bailliere & C« Felis Alcan, öditeur. (IV, 811 S.
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%i\^tx, lliiiiD, übet btt menf(ft[i(^e gwiftcif. ilirortcloraisrebc. .^eibelb. ß. aSintcv.
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schen. (Beil. zum Progr. d. Realsch. bei St. Johann in StraBbnrg i. Eis.)
StraBb. i. E. (34 S. 4.) (Leipzig. Fock.) haar n. 1.—
«ijQdl, mtoi^ D., Man( u. €(^i)|)tnl)aueT. ;iivel Huffäßc. Sfihj. ^11^. ^ebrii^'.
(4 m.. 112 e. flr. 8.) 2.- </. Mind. No. 53.
•iJWi. Öfo- 0-, aSorüIpbilofop&K flemdimeirflbl. botgeft. Cbb. (VIII, 546 ®. 8.) 4.-
S. 260—277: «n^ong juni 6. «Ibft^ii. ftritir b« Snntiit^n u. bet S(f|iipen=
D,gt,zBabyC00<^IC
676 Uittheilungen und Anliang.
^QuerlAtn St^tt Don bet „traitSicenbtnIalcn ^rei^eii." if. Mind. No. 53,
Tol.XIILp.lS3. Carveth Bfadin: Mind. No. 54. Toi. XIT. p. 376-85.
G.Belofin: BevuephUos. T.SS.p. 204—13. - sa — in Ul. Clralbl. 18S9. 44.
61o^>> Prof. G., Zur neuesten Philosophie (betr. die erkenatiiisthaoret.
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M. OaggeDheim, J. H, Witte.) [Zj>it8chr. f, VölkeTps^oholt^e u. Sprach-
wissensch. XVm. Bd. S. Hft. S. 326 -B6.]
6oiri, J., le Ph^aom^De. Gequisse de Philosophie g^närale. Paria. F. Alcnn.
rec. V. Lionel Daurütcin; Btvte philoa. T. 27. p. 393—404.
Oreen. Works of Thomae Hill Oreeo late Fellow of Baltiol College find
Whyte's Prof. of moral phil. in the tJniversity of Oxford, E!dit«d by
B.-L. Nettosbip Fellow of Balliol College Oxford. Yol. III. Miscallames
and Memoir. With a Portrait. London, Green and Co. (CLXI,
479 S, gr. 8.) 21 sh. ef. S. Alejrander in: The Academi/ 1889. No. 887.
dretenfelt, Arwid, Das Webei-sche Gesetz und die psychische Belativität.
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ethloff, Otto, der tranuceadentale Idealismus. J.G.Ficbtes. I.-D. Halle. (49S.8.}
Haller, Ladwig, Alles in Allen. Metalogik, Metaphysik, Metapsycbik. Berlio.
Carl Duncker's Verl. (XV, 480 S. gr. 8.) 6.-
HaitBftnn, Eduard von, Ausgewählte Werke. 2'« wohlf. Ausg. Bd. I.
Kritische Grundlegung des traoscen dentalen Realismus. Leipzig. Wilb-
Friedrich. (1888) a. u. d. T. : Krit. Grdlegung des transcen dental. Be&lism.
Eine Sir.htung u. Fortbildung der erkenntnißtheoret. Principien Kante.
3. neu durcbgeseh. u. verm. Aufl. (VIII, 139 S. gr. 8. 1.— . . . Bd. H. Das
sittliche Bewußteein. a. u. d. T.: Bas sittl. BewuUtsein. Eine Eat-
wicklnng seiner mannigfaltigen Gestalten in ihr. inneren Zusammen-
hange mit besood. Rücksicht auf brennende sociale n. kirchl, Fragen
der Gegenwart. 2»; durchgeseh. Aufl. (700 S.) 6.- ... Bd. IH.
Aesthetik. Erater hist.-krit. Theil: Die deutsche Aesthetik seit Eaot.
(TT TT, 684 S.) 6.— . . . Bd.rV. Aesthetik. Zweiter systematischer TheU
Philosophie des Schönen. (XV, &36 S.) 8.—
— — Znr Erkenntnistheorie t. Metaphysik. [Das Magazin f. d. Litt, des
In- u. Analandes. 57. Jahrg. No. l. 2.J
9»eln Ser^ätliiift ju frül)«en ^^ilojoptjen. [$ie WtflemnQtl. »b.S*. 3h:. 47.48.|
iMO. Sl)ccalt>nif. Dr. ^eiiir., %et«n u. Ursprung ber mcnfdrlii^eit Scelt. ^^rogr.
b. ffll. SlubieiuSlnftalten jii Siti|'n<l-) iSretiinn. (66 3. flr. 8.]
Herr, Lucien, rec. Herrn. Cohen, Kants Theorie der Erfahrung. 2. Aufl.
Berlin 1885. Dümmler. [Kevue ciitiqne. 26. ann^. No. 26. p. 633—!».]
HftfuaiB, G. (Leiden) Zar Ratunü-age. (Yiertetjahrsachnft f. wiasensch.
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D,gt,zBabyC00<^IC
Die Eant-Bibliagraphie des Jahres 1888. 677
Hejnnftiis, O. (Leiden)- Ertcenntnißtheorie und Psychologie IPhiloMphische
Monatshefte. XXV. Bd. 8. 1-28.]
HSnins, Dr. Harald, Prof. an d. Universit. in Kopenhagen, Ethik. Eine
Daretflllnng der ethiscli. Prinzipien u. deren Anwendung auf besondere
Lebensverhältnisse. Unter Mitwirkung des Verf. ans dem D&nischen
übersetzt von F. Bendixett, Gymn.-L. Leipzig. Fnes'e Verl. (XIT,
492 S. gr. 8.) 8 -
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[Philos. Monatshfte 24. Bd. S. 422-40.)
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philos. Vol. 21. No. 1.]
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T. 27. 1889. p. 1-26.1
Joyan, E. (Chargä de cours k la Fac. des lettres d'Aix, ancien üffve de
rfecole normale.) Essai sar la libert^ morale. Paris. Ancienne librairie
Oermer Bailliöre et Cie- Felix Älcan, ^iteur. (X, 246 S. 8.) 3 fr. 60 o.
3f«ifniö«, ?farr. G. 3:^., 3uv ibcoliftilA - rfüliiltl(^. Stteilftoge. [OTit IBcAiig au|
e. S. ?fi|(Ser, bie (»ninbftogen ber (SilcnnHiiStficorie. Wlaiiy 1887.) [I^wf-
Dmirtallf^rift. 70. ga^rn. S, 1-33.J
Anftatt, Siil. (Dr. u. iptof. it. JtKici(,l Jte aSafitfieil ber ^riftlitfien SBellgion. »oief.
e. Jedpff'ö »u*^- 1389 (88). (X, 686 S. gc. 8.) 9.-
ree. v. Dr. theol. A. Baur in: Galt. gel. Am. 1889. No. 21. S. 843-58.
ftavamRti, 9!. ©., ««(ebticfc oiiö Sculfffilnnb. SbnigöberH.— »etlin. — 3)«eben.—
Scip^ig. — ^eimor. — gtourfutt q. W. lUbetJ, auä b. fflu(rt(t^. van Dr. ^etm.
Sfioetofcönii. (106 3. 8.) |3Jiii[iid)e Sotditiufflibliot^tt. Gine «uSma^I bei
betteil Serte bct niff. Sitl. 7. »b. Seipjig, ©refiner & St^tantm.] 1.—
(Sntti. u.a.Saxttm\mi^t]uii,bciÜant u. ^eftirüd) mtt i^m. ef.O.Kar-
peles, ein Rüste Hb. Dtgchld. vor htmdert Jahren; in: Die Nation.
S. Jahrg. No. 41. S. 582-584.
Kaiser, Dr., Fast. prim. zu Löbau i. S., Kants Lehre von der Kirchs. II, 1.
(Forts.) [Jahrbücher für protestant. Theologie. 15. Jahrg. 1. Hft. S.
134-160.]
ittibel. Dr. mi.. ISnuibcning auf $Tof. (ä. 'Xtikk'i ^cfttret^img mtlnti 3i4ri(t: SSett
II. Urfprung bev ()^ilDlu()^. Iranficenbeni. 5öerl. 1886. Seilet- 9Sonate^(tt 1887.
^ft. 7/8. [3tf<^t. f. ^i)iio]. u. p^iluf. Äi-itit 92. »b. 3. 266—271.]
««J, Sttb., ©eitere Jluäbilbung bet Solitace'f^en 91e6ulor6i)l)ottie(e. Sin ffla^ttog.
fieipj. u. Serl. Ctio Sl>ttmcr. (VUI, 127 S. gr. 8. in. 3 taf.) 3.— ^aapU
totrt u. 9ia*tr. 16.—) S. 107—110; 33glei^. btc Äanl=Sflploce-i(^en mit bet
roeitei oiiSgeHlb. Coplate'It^en 9itbulaxififiott)t\t.
DigtizBabyCoO^IC
g78 Mittheilongen nnd Anlumg.
K^emig, Dt. Edninnd, Die Entwickelttng des Gansklproblems von Oart«Biii&
bis K&nt. Studien zur Orientiniog über die Aufgaben der ICetephysik
und ErkenntniBlehre. Leipzig. Wigani (VI, 340 S. gr. 8.) B.—
8. 2^-940: KanL Vgl. ifinrf. No. 53. Tot. XIII. p. 15t. ree. r. D.
in: lAl. Ctralbl. 1889. :>0.
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25. Bd. Hft. 3 n. 4. 1889 (88) S. 162-191.]
SaMKlmiiiB. ort. fitfit. Dr. Bill)., SnntS St^it twoi rnttgorifA. Sinpenitio hm
fltlleüt u. b€iid6ci(t. I^n'fl''- ^- »calflnmn. «t. 82.t Sippilabt. S. 3— la 4.
'Autti im Su^ftlil. Scipjig. Sod- '36 5. (ir. 8.1 —76. rec e. Theob. ZUgUr
in: D. L.-Z. 1889. No. 13.
KUp«, Oswald, die Lehre vom Willeti in der neaeren Psychologie kritisch
erörtert. [Philo«. Studien hrsg. v. Wilh. Wundt. V. Bd. 2. Hft. S. 179—344.
3. Hft. 1889. S. 881-446]
ttinttuti). Dr. C, Bn^ Ift 3Naterin[i^muii? [(h>an>).=lui^k-. ^meinbtblott 1887.
St. 44—46,1
Lu4, J. F. N. (Leiden) Kec. ab.: Nagelaten aeschriften van Hr. H. da
MarcMe van Voorthnysen nit^ door Mr. A. G. de Oeer. Eerste
Deel. De Theorie der Eennis van Imm. Kant. Ambem 1886. [Philo«
Monatshfte. 24 Bd. S. 207-224.]
LuBOB (Friedenau) Rec. üb.: Job. Volkelt, Krit. Grdlegnng der Erkenntmft-
theorie. Hamb. o. Lpz. 1886. [Philos. Monatehfte. 24. Bd. S. 193— 207.]
SafeWtt. .4i:rt> (OAot^n), Wiraf. ^Täunie cine$ nwbemcn Otciflcilebeir^, erläutert bunb
JvQiime mobcmcr «ZelopfiKfif, [^Jorb u. 3üb. 5Bb, 46, ^ift. 138 3, 381—396.
Hübsche Satyre auf dm modernen Spirilimtus ti. MysHeismti».
LippB, Theod, (Bonn), Eec. ab. Wundt, Wilh., Ethik. Stuttg. 1886. [Gott.
gel. Anz, No. 6. 3. 201-38,]
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tive Wissenschaft. H. Bd. 2. Thl. Leipz. 1887. [Ebd, No. 24. S. 906-46.]
9it>fiii<> 9i. ?(,, 'S>K Witi(l)l'i(f|t TficolDgic. Korirng nii[ bcm Iftiirfnflct J^rc^tiitafl
Ä« .feilbbuiflliniifen flcl), STii* b. ^ofiTbilf^cni f. proiejt, l'^eol. (XIV, 1,) lt>ie^er-
nbgtbr. SJeiwifl. ©corg Sttt^nriit. (26 S. gv. 8,1 —80,
Lldemanii, znr intelligibl. Freiheit, |Ztschr, f. wiss. Theol. 31. Jg, S, 49S— 502.]
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D,gt,zBabyC00<^IC
Die Kant-Bibliographie dea Jahres 1886. 679
MaiRjtt. Dr. 3., Sbiigc ntiierc ©iftriflen btit. ffoni* ISrf«nntiii«Uf(w 6«[pn)c6«n.
f3titi)r. (. ?l)i(o|. u. pftilof. flritü. 93. »b. @. 84— 11&.]
See, üb. «erwarb, garl, flrnita Se&rt twn bet 5tei(ittt. |.eib«ni. 188B
ii.!Romunbt,S>.,btebrtirttflaenffflnfö, S*ri. 1887. [e6b.M.»b.S.299— 805.|
MaAkowskij Supplent Lehrer Boleslaus, lieber die absolnt-aprioriechea Ele-
mente der theoretischen Erkenntnis. (Jahreeber. d. k. k. 2^ Obergymn.]
Leroberg. (44 S. 8.)
Kanna, Dr. ffli^rb. aStten u. Öebeiitung btx »ijntbelie in ffnnte Sjjfrilofcp^it.
(ISon ber p^ilof. ^(ult. ju a^onn ^tft'imt ^mt\itxift.) [Seirf^T. f. ¥M<i>f'
11. pfjir. fititit. 94. «b. @. 99-88. 182—210.1
«fl(161rt, Se&r. grbr., Sfflie oerftfllt fi* Sonfö „iHdigion innerhalb her ©ttnien ber
blD^. 93ft." ju b«r lui^eiifditn .^iTtfienlc^re? i$Ti>(ir. b. ^Sfi. SUrfleclf^iile 9)eu<
(lobt a/0.) [Stipiita. "Sotl.l (24 S. 4.i bonr 1,—
Michaelis, Dr. Carl Theodor, Stuart Milla Zahlbegriff. Berlin. Oaertmer.
(18S.gr.4.)l.— Detaelben Verf. Abhdig. üb. Kants Zahlbegriff erschien 1884.
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»fiBrt, g. aMaj.', Sttfl Jenten im Sii(E|ie bev SptQ(^e, »uä 6. enfllil^. übt. tp. Enget
6ert S(t)ntiber, Ph. D. «utnrijirle, Bom »erf. bur(^9c!tl). 9luag, flelpj. Cngel:
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Vnnlfni, ^rof. Dr. ^ritbt., @i)Ftein btt El^il mit einem Umrifi bei Staatä^ u. eiejea=
|(^ofl8(ef|re. »etlhi 1889 (88). ^etj. (XII, 868 ©. 9t. 8.) 11.-
DigtizBabyCoOglC
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rte. m; Jßmd. Xo. S4. Vot. 14. p. 300— 30L DeOtt ZaJm m: ZttAr.
f. kinkL Hw»nwdk. «i. kireU. Leba, 16S9. Hft, III. S. ISZ-ISS.
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nachgelassener Haud'tchHtl. [ArcbiTf.Gesch.d.Philo8. Bd. D. S.31— 41]
ta Vfd. Dr. Qari, ein MndioUeiic^ Sudi ron SanL Hont» Soricj. üb. b. ISdopt.
'fiiig. f. S. fe. tiitio. ^Mlip Griuni621 »til. j. .«Hiiii^enn «ttgtaL.Sls.
9)t. 194. SflI. ttint Griläning geg. Dr. «lölüt ebb. 3WL jn 9Ji- 202.]
tlanl Ol» «Tiiiit«. Scbiiij, Smiemlitt un» Ctiober 1&88... 34 «. Sieki
abqebTUdi u. b. !£. .Aani? mniiiidie 'i)^eliani(tiaiiiing~ a[i gtitltituiig ju bcn
Doti btmielben herausgegebenen „$i>rl(iun<;en über ^indwlogte mm 3B<''«ti>t'('
Hont", 'i.'(ipiifl, Wiimiier. 1889.r «. ohm.
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DigtizBabyCoOgIC
Die Eant-BibliograpUe des Jahres 1868. 681
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[Ebd. S. 350-64.]
Rec. üb. Bernh. Müna, Lebens- «. Weltfragen. "Wien 1886. [Ebd.
S. 354-63.]
Seil, Louis (bub Tilsit), lieber die Verbindlichkeit u, den Inhalt einer mo-
ralisch. Gesetzgebung. Königaberger L-D. Tilsit. (64 S. 8.)
ettthel, ?rof. Mubolf, Smti [»iit6ttti(^t Urteile a priori, ingbefoiibete m bet 3JlQt6t=
ntfltif. [3dlf(l)rift f. ¥^ilci. "■ PS«o|- Sritif. 94. 9b. S. 1— 29.|
«Ijjcrt iJanßeS geomtlrildte üogit. [ebb. S. 210—266.]
Shand, Älexand. F., the Unity of Conscioosness. [Mind. No. 50. Vol. 13.
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Space and time. [Ebd. No. 51. S. 339-355.]
Sldgwick, Prof. H.. The Kantian Conception of Free Will. |Ebd. No. 51.
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Stebeck, H.. Rec. über Bergmann, Ueher das Schone. Berl. 1887. [Odtt
gel. Anz. No. 11. S. 446-63.]
Siedel, K. G., die Lehre von der Freiheit bei Kant und Schopenhauer. Eine
vergleichende Studie. I.-D. Erlangen (52 S. 8.)
9Hmmtl, &., 34cc. üb. £d|ubeTl-3Dlbcrn, ^. U., C^runblageii ^u einet Qt^it.
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Sorel, G., de la caiwe en physiqua. [Revue philoa. T. 26. S. 464—480.]
Sparenta, Bertrando, Esperienza e metafisica ; dottrina della cognizione.
Opera posturaa. Torino. E. Löscher. (XIX, 274 S. 16.)
Spencer, Herbert, the Ethics of Kant, [The Fortnightly Review. VoL 44.
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la Morale de Kant. [Revue philos. 18. ann^. T. 26. p. 1—19.]
CtSdH», Lic. tticol, acoiil)., in. Wmx in »aiiveu«), Saat. Soße, «Ibr. fflitfc^t.
(Sine triliicöc «tnbie. 8ciftii<i. TÖrfffing u. T^ranU. (X, 253 S. qv. 8.) 4.—
rec: Evang. Kirch-Ztg. 33. Ä. B. Phüogophie t*. Religion in: MüntX
Allg. Zig. 1889. Beil. nt 4.5. J. GotlsMck in: Theol L.-Z. 1889. 23.
glandinger. F., Rec. üb. Schubert-Soldern, Grundlagen zu e. Ethik.
Lpz. 1887. [Philos. Monalshfte 24. Bd. S. 361-6q.J
6ttin,S.§einr.D.,3iuuficmin.fiant.[3:eiilid)c3iunbid)ou.l4.3Ql)v.i.ll.§ft.S.206— 217.]
Stern, Maurice Rhold v., das „Andorskönnen." Ein populär- philos. Beitrag
zur Frage der Willensfreiheit. Zürich. Verl. -Magazin, (27 S. 8.) —40.
Stock, Otto, Descartes' Grundlegung der Philosophie. I.-D. Greifaw. (2 Bl,,
67 S. 8.) rec. v. P. Natorp in: Phü. Monatuhefte. 35. Bd. 3. 636—631.
Altpr. HonslMohTin Bd. ZXVI Hfl. T o. 8. 43
DigtizBabyCoOgle
6S2 Mittheilangeii und Anhang.
««[jle. Dr., I93üiibutfll ScritöHflitng (btS STtlitclö u. bii ¥"' i" *>■ S"'- i" *t, 194.1
liaSön^.) m^. 319- »fil- i" S'r. 198.1
Stuckenberg, Prof. Br. J. H. W., Orundprobleme in Hume. Vortrag [geh.
in d. philos. Gesellach. za Berlin am 28. Febr. 1886J nebst der dabei
stattgehabten Diskueaion. Halle a. S. Pfeffer. 1887. (35 S. gr. 8.) 1.20.
[Philosoph. Vorträge hrsg. t. d. philos. Gesellseh. in Berlin. N, F.
13. Hft. . . Halle 1888.]
X|tMtt0a, Dr. Rriebv., bn ©cdriff Z^te bei Jinnl. 31calfli)nm. u. e*l)inn. in ^gen.
29. So^tg. '^mm- Sleil. ©igen. (11 «. 4.-|
Thilo, Kec. üb. Carl Gerhai-d, Kants Lehre von der Freiheit. Heidelh. 1886.
[Ztschr. f. exakte Philos. Bd. 16. S. 1-22-23.1
TOCCO, Feiice, Delle opere pubhiicate in Itaüa nel 1886 e 1887 intomo idla
storia della Filosüfia. (Archiv f. Gesch. d. Philos. Bd. IL S. 141— 60.J
Trentmani, Max, Darstellung u. Beurteilung des Eantschen Pflichtbegriffs.
Erlanger I.-D. Marienburg. (68 S. 8.)
Tok«, D. Hack, M. D., F. K. C. P., LL. D., Geist und Körper. Studieo aber
die Wirkung der Einbildungskraft. Autorisirte Uebersetzung der
2. Aufl. d. engl. Originals v. Dr. H. Korufald. Jena. Gust. Fischer.
(XII, 308 S. gr. 8, m. 2 Taf.) 7.-
Ueberhont, Carl, Rec. Über .Tul. Bergmann, Vorlesangnn über Metaphysik
mit besonderer Beziehung auf Eaat. Berlin. 1886. [Philos. Monats-
hefte XXV, 477-480.i
Uphaeg, Privatdoc. Goswin K,, Wahrnehmung und Empfindung. Unter-
suchungen zur empirischen Psychologie. Leipzig. Dunclier & Hamblot.
(XIV, 289 S. gr. 8.) 6.40. rec. r. Ale^:. Wemicke in: D. L.-Z. 1889, 3.
0. Flügd in,- Ztich. f. exakte PIUI. Bd. 17. S. 93—93. 0. K. in: LH.
Clralbl. 1689. 39. Thom. ^^hiflakcr in: Mind. No. 56.
Taleriani, Valeriano, il principio d'Identittk e l'apriorismo nella Filosofia,
scientifica. |Bivista di filosofia scientifica. Aprile.]
Teeck, Pfarrer O., Dartellung n. Erörterung der religions-philosophischea
Grundau schauungen Trendelenburgs. Jenaer T,-D. Gotha. (93 S. 8.)
IBPgd, Dr. ^Iiifl., aMe VllHelup^. förunblagen ber luificiiid). Si(ittiiie bcr äßfibagogir.
iSprfc, .ftanl. fcegel, Sdileitmmtf)«, Sende] B"f *Sinfiil)rg. in b. ajftdnbmä
b« wilfenid). ^abniioflit. liiiilcilg, in „bie .tllaijifer bct ^Bbagogit". Sanflen=
jnlio, Sif|iilbd)^. (IV, 188 S. 8.) 2.70.
Wallascheb, Rieh., jur. et phil. Dr., Recht a. Moral. Separatabdr. ans des
Verf.: „Studien zur Rechtaphüosophie", Ha bihtations- Schrift. Frei-
hnrg i. B. (32 S. gr. 8.J
WatooD, John (LLD., Prof. of moral phil. in the University of Qnem's
College, Kingston, Canada; author of „Kant and his English Critica"),
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Die Kant-Bibliograpbie des Jabree 1888. 683
Selections from Kant. The Philosopliy of Eant as contained in Ex-
tracts from his own Writings; selected and translat«d, Glasgow. Jam.
MacIehose&Sons. {X,S66S.8.) cf. The Alhenaeum No. 3178. Mind.No.51.
Weber, Theod., Metaphysik. Eine wissenschaftl. Begründung der Ontologi«
des positiven Christenthoms. I. Bd. Einleitung u. Anthropologie. Gotha.
F. A. Perthes. (Vin, 427 S. 8.) 8. - rec. v. Ä. B. in: LU. CtralM.
1889. i. Domer in Ztsckr. f. Plnl m. phil. Kritik. 95. Bd. S. 293— 97.
Wernicke, A., Rec (ih.: Frz. Grnng, d. Problem A. Gewißheit. Heidelb. 1886.
[Philos. Monatehfte 24 Bd. S. 225-229.]
tti4l<rt, Dhib. »., aiotiuenbigtcii ii. Srcifteil. |3ii(()v. (. ffiil. u. pftil. ftrit. 93. »t>.
3. 26—46.1
Witte, Prof. Dr. J. H., das Wesen der Seele und die Natur der geistigen
Yorgänga im Lichte der PhUos. seit Kant u. ihrer grundlegenden
Theorien histor.-k ritisch dargestellt Halle a. S. Pfeffer. (XVI, 337 8.
gr. 8.) 7.— Selbstani. in: Viertlßckr. f. wisa. Phil. XII. Jahrg. S. 25».
rec. t;. Gvat. ßlogau in: D. L.-Z 19. Luden Arreat in; Revue phil.
T. 26. p. 95—98. f Ferd. Äug. Müller in: Theol. L.-Z. 16. Thom:
Whiltaktr in: Mind. No. S3. Vol. 13. p. 133—38. Konr. Hermann in:
Blatt, f. liter. Unlerh. 1888. IT. 0. Flügel in: Ztschr. f. exakte t%il.
Bd. 17. S. 61-71.
— — Litteraturbericht üb. Widemann, Paul Heinr., Erkennen u. Sein.
Lösung d. Probleme des Idealen u- Realen. . . Karlsr. a. Lpz. 1885;
Münz, Wilh., die Ordlagen der Kant'scben ErkenntniOtheorio. 2. Auä.
Bresl. 1885; Romundt, Heinr., die Vollendung des Sokrates, . .
Berl. 1885. [Philos. Monatshfte 24. Bd. S. 601^27.]
— — 7ic fimiillnnc ^Ipt^ieljenfion tei .ttniil. I£tn £!ert },m Scrteibiijunfi meiner ^uf:
fnffung bitjeiS '^unttcö in her £t^rij( „tfnntiid)er fitititiömno". (;Jtii^i:. (. %ifA.
H. pt)il. fttit. 94. m. S. 253—74.1
»•JlMbe. Dr. SJilfi., fionlö Scf)K oom öemificn, ^i)t.^(ritti(S boigeitelll. Kcue (Sit.;)
SluSfl. ^aU. Tniifd) & ISroiie. U880.) (VUI, 39 S. gr- 8.) —80.
liebet ©eiuiitcn- u, ««uijienübilbiina. Sfeiie (lil,-) «uög. Glib. (1883).
(T, 74 S. flv. 8.) 1.20.
n«I(ii9. Dr. ^., [ib. bie (Jlveiijcii hti inen(d)I. QrtennenS. Ueipjio. X^ontaS.
(26 6. 8,) —.50. rec. u. Mor. Brauch in ; Blatt, f. litt. Untkallg. 1888. No. 13.
3" t^., (= tficDbolb ö'sgl"^ in SttnftlJiirn.i teiiie CEntcnorcriiinerung. {^ai aBiJt(=
nerit^e SHeügionstbitl ü. 9. 3uli 1788. — ISrneiitrteä ßenjuvebiti. — flanl« ma^--
vfgeliHigbutdißabinetffovbieü. lXct.1794. [«müntö. "älUg. 313. B. 9. 3uli 1888.
Sr. 189.J
Sitgltt. Ctto (0110 Öoiljfll, ^o^onn «icolauo Ictenfi' Gitcnntnifilljesrie in SJejie^g.
üuf «am. 3.=3). aeipjig. 1,07 S. gt. 8.) Seitijig, JoA (66 3. gv. 8.) bnac n. 1.—
DigtizBabyCoOgle
gg4 Hittheilnngen und Anhang.
Universitäts- Chronik 1889.
24. Octob. Med. I.-D. von Herrn. Stieda (nusDorpat): üeber das Verhallen
der H3rpophvsis des Kanmchens nach Entfernung der Schilddrüse.
Kgsbg. Druck von M. Liedtke. (37 S. 8.)
9!t. 121. SlntH. Scriciifinifi bti ^exienaU unb her «lubicrcnbeit . . . (ür b. Sinl.=
«eiiu 1889/90. (Sbb. 6ni1unflid)t fflrfihr. |33 S. 8.) [94 (11 tbeol-, 6 jur-,
24 tnch., 53 pl)iloi.l TutcHt , 6 £prnd|= ii. GKtcitienmeiilcr: 752 «lub, '190
JIicdI., 136 5ur., 2G4 SMeb. 163 ^l|i1.) u. 25 pin .tiörcii ber 58od, bcredil.
7. Dec. Med. I.-D. v. Bernh. Weiss, pract. Arzt (geb. zu Rudau): Fünfeig
Fälle von Hämatocele retrouterina. Aus der Königsberger gynäkologi-
schen Klinik in den Jahren 1878, 1881 bis 1889. Ebd. Druck V. Emil
Rautenberg. (59 S- 8.)
10. Dec. Phil. I.-D, V. Artliur Hezel (aus Kgsbg.), Beiträge zor Kenctniss
der Ketone. Ebd. Bchdr. v. E. Leupold. (2 Bl. 52 S. 8 )
11. Dec. Med. I.-D. t. nillfani Wolfram, niss. o. deutsch, pract. Ant,
¥olontäratttt der Chirurg. Klinik zu Königsberg i. Pr. 'geb. xa
Schmalleningken bei Tilsit): Aus der Königsberger chirurg. Universitäts-
klinik. Zur Statistik und Technik der Resection bei gonitis tnberculosa-
Ebd. Druck v, M. Liedtke. (59 S. 8.)
17. Dec. Jur. I.-D. v, Paol Schoeii, Referendar (nus Königsberg): "Ver-
gleichende Darstellnng der Rechtsverhältnisse der Kommandit- Gesell-
schaft und der stillen Gesellschaft nach dem Allgemeinen Deutschen
Handelsgesetzbuch. Ebd. Ostpr. Zfgs.- u. Verl.-Dr. (VII, 82 S. 8.)
20. Dec. Phil. I.-D. v. Hau» Klewnlng (aus Kgsbg.): Herzog Albreehte von
PreuBsen u. Markgi-af Johanns v. Brandenburg Anteil am Fiirsten-
bund gegen Karl V. Teil I. 1547—1550. Ebd. Bchdr. v. B. Lenpold.
(2 Bl., 47 8. 8.)
21. Dec. Phil. I.-Ü. v. Hngo Ilidder, Gndanensis: De Strabonis stndiis
Homericiscapitaeelecta. Gedani, Ex otlicina Kafemanniana. (QBI,5SS.8.)
21. Dec. Med. I.-D. v. Onsta* Mneller, pract. Arzt in Wartenburg in Ostpr.,
Aus d. kgl. Chirurg, Universitätsklinik. Zur Behandig. der qneren Knie-
scheibenbrüche mittelst Naht. Kgsb. i. Pr. Druck v. M. Liedtke. (6. S. 8.)
23. Dec. Phil. I.-D. v. Friedrich Hoffmann (aus Kgsbg. i. Pr.): Hvdro-
xylarainhaltige Platinbasen, Kgb. Bchdr. v. E. Leupold. ^2B1., t3"S,8.1
24. Dec. Med, I,-D. v, Fritx Stockmann, prakt, Arzt (ans Marienburg]: Ueber
das zeitliche Verhältniss der Dauer der Systole zur Daner der Diastole.
Kbg. Druck V. B. Leupold. (36 S, 8.)
80. Dec. PhÜ. I.-D. V, Paul Korallng (aus Hermsdorf L Oatpt.): Fremde
Götter im Tempel Michas. Ebd. (35 S. 8.)
Altpreusslsche Bibliographie 1888.
(Naehtrav and F*rtsetxHiir*>
BordI, Frdr, (aus Marienwerder), üb. das Picen ii. üb. Hvdroderivata des
«-Kaphfylamins u. «-Naphtola. I,-D. Münch. (.H2 S, 8.)
Efgert, Ernst (approb. Arzt aus Insterbg.l, klin. Beiträge t. Kenntn. des
„Pneumo-Typhus". Erlanger med. I.-D. Bromherg, (20 S, 8.)
EDgel, Herrn, (appr, Arzt aus Widminnen), e. Fall v, Myxoma Upomatode«
der Unt«rleibshöhle. I.-D. Kiel. (27 S. 8.)
Flach, Johs., moderne Schutfrngen. |Magaz. f. d. Litt. d. In- a. Aasl. 1. 9.]
ttvIbfAtttibt, ^r„ u. ^iaiii l^dbidiniibt, b. Heb. bcä 3tantfval1j .ttimtl). 2. um.^uiL
mvl Springer. (X, 381) £. flr. 8,i 6.-
Gmenbaom, Ferd,, appr, Arzt aus Passen he im, Blutkörperchen zahlg. n.
" '■'' ■ " -, Fall V. latent. Magenkrebs. L-D, Fr«-
Haem oglobinbestimm g.
bürg i, B. (31 S. 8,)
DigtizBabyGoOgIC
ÄltprauBiBche Biogriiphie 1888. 686
I*ott«lt.l 3i:r Grinnern. an b. ©l(il)o| ». Umift. IHnbr. Stoniäl. U. Rotten, [^aftorolfet.
f. b. ^m. Gnnib. 19. ^nfirtt- 9!r. 6. 8.)
Helbin;, Fritz (RoKehnen), Velleiu» Paterculua, Ein Beitrag zur Kritik
seine histor. roinRna I--D.. RoHtork. (88 S 8.)
Hnririte, Rob. (ans Sohirwindt), üb. chirurg. Operationen bei Schwangeren.
I.-D. Würzburg. (ß3 S. 8.)
Kalkstein, Teod. dr., Sp<!ilki rolne. ToruA, nakl. autora, J. Rakowicz, drak.
J. BuBzczyüskieKo. (32 S. 8.) 1.—
Stnaatt. Zbnl. Gniil, bic lutrtdltfiaFH. .'{uFtiJnbc OitlJmiH' >'. ^itnuens» mii 9Iiitaiif|e
bieics 3n6rl). — mit bejonb. Mütl), auf b. ^Vnniilie V. £d)cii(cnbinf. SJortr.
[Mitthlgn. d. Litaii. litter. Ges. 13. Hft. (m, 1.) S 1-93.}
Knch, Arth. (aün Konitz). Üb. d. Dämpfe;- ^ Torsionsscbwincungen v. vschied.
Melalldrählen. I -D. Greifsw. (2 81., 28 S. m. 2 Taf. 8.}
KShler, Gfn-Mai. z. D. G.. d. Entwickle, d. Kriegawes. u. der Kriegtührg.
in d. Rittpraeit v Mitte d. II. Jahrb. bin zu d. Hussitenkriegen in
3 Bdn. 1. Bd. Btflslau. Koebner 188G. (XL, &19 S. gr. 8. m. 16 litt.
Kart, u. Plan.) 18.- 2, Bd. (XXVII, 800 S. m. 16 Kart. u. Pll 24.—
3. Bd. 1. Abth, 1887 (XLV, 527 S. m, 6 Taf.) 15.- 2. Abth. 1889(88).
(XXXH. 867 S.) 10.-
K5hler, Prof. Louis, Katechismns der Harmonielebre . . . Stuttg. OrUninger.
(2 Bl., 80 S. gr. 8.) X.-
" — aystemat, Lehrmethode f. Klavierspiel u. Mnsik. I. Bd. 3. Aufl. revid.
V. Dr. Hugo Rieraann. Lpz. Breitkopf. u. Härtel (XVI, 258 S. gr. 8.) 6.—
«Öitifl, Mob., I-rtbcini. (Sin bculfrti. Somilitnblatl m. ^nuftr. Mcb.: Dr. Mob. Äüniu
II. Il)br. .öcrni. ^anfeiiius- 25. Jnhrn. CIt. 1888 — 3 pt. 1889. 52 9!nt.
lä 2'/,— S ». nt. 4.) üeipj. So^eim Gjpcbition. ajictteli. 2.—
UJcuc 3Jipnatei)Cfte bee I^licint. IIL SnM. Svi. 1888— »ifi. 1889. 12§fte.
ycr. 8. (1. ^fl. 176 jS. m. giluftt. u. t'dScim^bibriutl). 4. »b. 2. 1—64.)
ebb. i. I.—
;luiu inoj. Wcbiirlfft. ^o\i:\i\) ». Gidieiihorffif. |Tn&cim. 23.] 3. lOOj. Öebrlüt.
;^rbr. fflürferts. |32.j u. Sl.
SHttiieritt . . ., ber geiiiülglitl);. .^aicnb. Sfloiiruiin. ätnuteiibtcii. (72 u. 33 6.
12.) —30.
ftolbctfl, Icfnn Dr., bic ycliiiäuevtvaHC jim. ?d(«ii u. »roiibcnburfl D. 1605 u. 1611
II. b. bniiii bcn JVAtbolil. bejt £ier;ti'^>^- '^veug. neiuNliTt. 9ielJfiion^TC(!^le. |Bt|(f)t.
f. b. Wcirii. II. «litö^rbc. (SrnilnntiS. IX. «b. 1. .ßfi. 3. 111— 173.| (Sin preuft.
rvonitclbucl) bcS 15. ^ntirfi. iGbb. 2. .&fl. 3. 273—328.] Gin gepiirapb. SSetj.
am b. 14. ^Qfivt). in b. «1. 9licDloi-iIJfoi:t6ibliutI)ft ;|u Glhinfl. jtSbb. 3. 329
bis 33!).] S-ie a^Dtolion b. »i^lij. Gruilb. uor ii. nad) 1772. [Gbb. S. 340 biä
411. Wndilr. 450-451,]
KralTer), Oberl. Prof. Dr. Herrn., neue Beiträge z. Krit. u. Erklärg. latein.
Autoren. (Progr.) Verden. (18 S 4.) Leipz. Fook in Comm. baar 1. —
— — Nachtrag z. Abhdlg. „Kakophnnieen im Lateinianh." [Ztachr. f. d.
Gymn.-Wesen. 42. Jahrg. S. 163.] Reo. |Neue pJiilol. Rundschau. 10
bis 12. 23. 24.]
Kräh, Alfr. (»na Insterburg), de infinitivo Sophocleo. Dias, inaug. Halia Sax.
<92 8. 8.1
«ro6, G., Mcc. J-Coban. Vlrrtjii'. 30, ^oljrfi. lix. in. Wochenschr. f. klass. Philo). 34.]
jtirafiin», Cberttlicut. im ftkiifiolflabc (Hnobn.), Weiicrolnbiiil, ©rnf Totleben; [ein
i'cb., f. JftHtijit. ols ^itqcntcur u. 3'iiippen(iibri;r. {•Seiütit ,;. ■JOtilil-iSoicnbl.
6-8. S>fl-I »crliii. atilll« u. So^ii. i3. 238-354 ni. 8.) 2.-
Kranse. Prof. Dr. Joseph (Braunsbergt, Die Lehre des hl. Bonaventura üb.
die Natur d, körperl u. geist. Wesen n. ihr Verhältn. zum Thomiamus.
Paderborn. F. Schoningb. (V, 88 3. gr.' 8.) 1.40.
Krieg, Reg.-E. Prof. Hcinr., Lehrb. d. stenogr. Korrespondenz- u. Debatten-
flchrift ... 17. Aufl. Dresden. Dietze. (VIII, 80 S. 16.) 1.50.
DigtizBabyCoOgle
686 Mittheilungen und Aahang.
Krieg, Reg.-R. Prof. Heinr., Eatechism. A. Stenogr. .... 2. Term. Aufl.
Leipz. Weber. (Sil, 2ti4 S. 8.) geb. 2,60,
^ciljab. f, b, t\% jtcituflr. S*rci6 Hiiterr. ^^tc^b. J^ifpe. (32 £. ar. 8.1 —80.
— — Correspondenzblatt d. kgl. atenogr., Instituts zu Dresd. . , . 36. Jahrg.
12 Nrn. nebst Lit.-Bl. 6 Nro. t Ebd. baar 4.—
Ecbo. Uebungsblatt . , . Jabrg. 1888. 12 Nrn. gr 8. Ebd. baar 2.—
Lesebibliotliek . . . Jahrg. 1888. 12 Nm. gr. 8. Ebd. baar 2.—
stenograpb. Schreibeheft. 1. Hft. 14. Aufl. Ebd. 1889(88*. (48 S. a)
-60. 2. Hft. 9. A. 1889(88). (S. 49-113.) —90,
{Stfmtt.} axortin Jiromct aiä Sdiviflft, l'^änHoralbl. i, b. Tiüc, Gnnlb, 19, ^alitg,
9ir, 8, »gl, Wr. G.| List Marcina Kromera do Fr. Stankara, z r^kop.
lejd. wydaJ J. Earlowicz [Roczniki Towarzyatwa przjjaciAl aaak
poznanskiego, tom SV. 1887. S. 81— 102.J
Krilirer, Prof, Dr. Paul (Kgsb,), Gesch. der Quellen a. Litt. d. röm. Rechts.
Leipz. Dnncker & Hümblot. (X, 395 S, er. 8,) [Syatemat, Handb, i
deutsch. Rechtawisaensch, I, Abth. 2. ThT.) 9.—
Das Jurist. Fragment d. Sammig. des Erzherzg, Rainer. |Ztschr. d.
Savigny-StLftg, f. Reohtsgesch. Romanist. Abth, 1. Hft. S. 144—152.1
Rec. [D, L,-Z. 22]
Afi^nafl, aonbrit{)t,, ErbrcihK. Sluhie b. eiitmiitf^ e. bilvfierl, «eiepbu*« f, b. bridie.
^tiäi. [iöcitrögc f,. Etl. b. bl, !Rri)t^. 4. 3. 2. 3ahrfl, 4. u. 5. jift, 3. 656—679.
Lockoer, Wilh,. De inoursionibiiB a GalÜs in Italiam factis quaesiio bist.
Pars II. Gymn.-Progr. Gtimbinnen, (S, 1-15, 4«) (K gab. Koch ) 4 1.-
SfiatMtt, ißtPf. Dr. ^.iigo, IH«. |Sit. 9tunbid)au f. b. tatt». 3>tid|Ib, 14. 39. 9Jr. 7. 9.]
le Blanc, Max (aus Barten Ostpr.), üb, d. Bedinggn. d. direct. Eraetzbark.
des an Kohlenaloff gebond, Wasserstoffs durch Metalle oder Alkyle
nebst e. Beilr. z, Kenntnias der Horao-o-phtalsäure. L-D. Berl. (33 S. 8.)
fitfunann, ölin«, 'iänflpvnlbitiliutfict. Saiiimlfl, 11, flufitalveben, licgriinb, n. iwiL
S- S'irfmonn, fortHd. 11. hreg. P. iJfv.* Dr. G, Sdiinann. a'*öh. 2. fiälhe.
04ot[)a. @d)(üftinonn. 15. 177-358 iiv. S.) 4 ^nlbbb. 2.40,
Lehmann, Max fans Hehlsack), zur Kenntniss d. böaart. OeechwQbte d.
Darms. I,-D. Würzbarg, (60 S, 8 )
Lehnerdt, M-, Rec. [Wochenachr. f. klass, Philol. 5. Jg. No. 29—33]
«(^«(•StUMnfl f. Cft- u. ÜBcftpveiiSicn: rcb. . . . oon ^. •iliätt. 19. 33. 52 9Jm.
(»,) gv. 4. .ftiinigtfb. (Srfife & Unjcr in Komm. 5Sicrt«li. bnnr n. n. 1.50.
L«hrpl&D. Ausgeftthrter, f. d. lat. Unterr. , . . Beil. zu d. Jahresber. ob. d.
kd. Gymn. Braunsbg. (37 S. 40.)
Lemke, Frl. E(liBab.), üb. e, alt. Volksgebrauch „zum Gedächtnisa." [Verhdlgc.
d. Bert. Ges. f. Antbrop. Ethnol. u. Urgeach. Sitzg. v. 30. Juni S. 288.]
«tpo, Dr. 3lub., 3icc. |3(i*ir, f, b. flef, febk'rcftl. 34. «b. S. 322.]
»(bin, ^rof. Iheob., .tmnbjcferiftl. a^emcttgii. uon etaSmuo Ducdinu?. [älfi^r, [.
bilbenbc .ftuiiit. 23. 5g. S, 133-138, 171— 176.|
Sctvtlb, Soniil), äiDÖff fflilbcv aiiö b. Seben. erinnecimgcn. «tri. gante. (Vm.
899 ©. 8.) 6. —
Sprm«. Gii« ®et*i(5te au« nllev Sc»- ^ciWig- Stil'** 9Ja*f- (173 w. 8.1 3.—
geb. 4.—
«rttolb. iReg.=?(((eif. Jtjbt., bie ?lbraccii(enfifd)CTei u. ifirc »cfcfiräiitg, nad) «(nnlogie
her 3"9h- ferSg. im Stuftr. b. ireftpt. gift^etcioetetiia. 3;an«g. Kofemami.
(32 S. gv, 8.1 —75.
Lefden, Geh. Med.-R. Dir. Prof. Dr. E, die Entzündungen der peripheren
Nerven, [Polyneuritis- Nenritia multiplex] deren Pathol. u. Behandig.
2Vorirge. Mit 1 Taf, [Äua: „Dtsche, militärärztl. Zeitschr."] Berlin.
Mittler & Sohn. f42 S. gr. 8.) 125.
— — n. Chefarzt Dr. M. Jaströwitz, Beitrage z. Lehre v. d. Localisation im
Gehirn u. ob. deren prakt. Verwerthg. [Aua Verhdign, d. Vereins f.
inn. Med. in Berlin.] Leipz. G, Thieme. (82 S. gr. 8.) 2.-
DigtizBabyCoOglC
ÄltptaußiBche Bibliographie 1688. 687
Lejden, Geh. Meil.-R. Dir. Prof Dr. E.. Verhandlgn. d. Congresses fdr inn.
Medic. 7. Congrea«. Reh. k. Wiesbaden, v. 9.-12. Apr. ... Mit 3 Taf .
u. 37 Holzaclin. Wiesbaden. Berpnann, (XLI, 460 S.) 10.—
Zeitsphr. für klin. MeÜMn ... Bd. XIII. Berlin. Hirschwald. (IV,
610 S. gr. 8. m. 2 Beil. u 6 Tal.) XI7. (IV, 684 8. m. 4 Taf.) k 16.-
- — Beitrag z. Lehre v. d. Localisation im Gehirn. (Vortr.) (Sep.-Abdr. ans
d. nDt med. Woohensr.hr. ") fAlli^em. med. Central-Ztg. 22. St. 8p.
405—409.1 — Zur Behdig. der Oesophagua-Stricturen. [Verhdlgn. d.
7. Congr. f. inn. Meilic. S. 290—295.1 üb. Pyopneumothorax tabercu-
losus. fDtsche, medic. Wochenschr. No. 32.] — ab. Herzkrankheiten
bei Tabes. [Ebd. N. 47.1 — Fall von Kohlenoxydvgiftg., Transfusion,
Genesung. fEhd. No. 51.] — Grundzüge der Ernährungstherapie.
[Wiener medic. Wochenschrft. No. 27.]
Liebreich, Prof. Dr. (Berlin), üb. locale Anästhesie. IVerhdlgn. d. 7, Coner.
f. inn. Med. Wiesbaden. S. 245-249.] — Haya u. Erythrophlöm.
fBerl. khn. Wochenschrift. No. IG] üb. d. Wirkg. der N-Cassa-
Rinde u. dea Erythrophloeins. Vortv. [Ebd. No. 9.]
iUI. Ö., 80 Vliifa, aiiü b. 9)Jet^ubir b. bt)((). Spra^icnterc. 2. 91iifl. fffläßg. ^nrlg.
(80 3. 8.) fie6. —55.
ainke, lüi>tm.. '^af SüKerrt*! im iltieflc. aiovfrafi, (»cifiefli' jinii 9nililät--59w^enb(nt(.
2'rt fift. S. 51-65.1
Iilndemann, Prof. Dr. F., ob. Molekularphysik. Versuch e. einheitl. dynam.
Behdig. der physik. n. ehem. Kräfte [Ans: „Schriften d. physikal.-
Ökon. Ges. z. Kgshg."] Königsb. Koch m Comm. (51 S. gr. 4.) baar
n. I.GO
«itoufn. ?liiS Cito«, u. «Kofurcii. I-III. |.fiq?6. finvl. 3tfi. Sonntaflebl. 9Jv. 31. 34. 87.)
«Itiitflie s. Irmierfet. \. b. fip*(e(. M). ii. ftfl. Sn'Sf- ni. flet b. 24. Jdmi 1888 in
bcr epgl. ftirAc j. Ticfcnicc. i^.ftiJHigäb. Öräfc & Uiij«.) (7 S. gr. 8.) baar
n. n. —25.
HbtU. *!K. li^iiflerbutgl, :yifloriF(l)c ^■enfinäler im ÖTcife WagutI, IScilit^r. b. «tlllogti.
^(iifierbutg. .^eft 2. @. 44-52.]
Loenartz, Reg.- u Baurath in Danzig, Die Beseitigimg des Mühlenafaues u.
der Schiffahrtsschleuse im Pregel bei Gross- Bubainen mit ZeichnEn.
auf Bl. 64-67 im Atlas. |Zlachr. f. Bauwesen. Jg. 38. Hft. X-XII.
Sp, 519-676.] enthält auf Bl. 64. GetvÜSler- Karte der Frov. 0»t- V.
Weatpreusaen. . . .
«BWwtllol, ^ul. Hroiil H. SRiibcii na* »elifben. ... 2, %\.t\\. ffgibg. I«. % «cftmihU
(100 5. nr. 16.1 —75.
Lofaraejer, Prof. Dr. Karl, Kaiser Friedrichs Tl. goldene Bulle über Preussen
u. Kulmerland vom März 1226 [Mittheilungen d. Instituts für öaterr.
Geschichtsforschung. II. Erg.-Bd. 2. Hft. S. 380-420.] b. entteidlg. b.
flfinbiid). %6fi[inRC. in $vcuf(, biO ),. Qrlnnituitg b. SoiiUcriinctät buiifi b. (.Ur.
liurf. rSSnffifdic M. «r. 4(M,416,428. iSonittngif^iBeil.SlIr.SS— 37.|g[ofiaiuieS
n gascp. |(Ji-(cf| II. ©nibcr'« «Ug. (£no)t(up. b. äSiiienlcft. u. .fittnftt. 2. Sctt.
»b. 42. S. 160-164.1 $i|aii*li! 19lifg. btidie. »iogr, »b. 26. 3. 179—180.]
3obnHiK3 ». b. *ofi(ne. ]«. 458-459.| ^rbr. ^nttfmonn. [S. 672.) 5Hein6ütb
B. Cueifurl. [Gbb. »b. 27. S. 40.] Guitioio. |3. 60—62.] «rtiftl in: 3)eurt(öe
GncntlPliäbit . . . Sfft. 21. 23—26. beSgf. in: enciiHoVcfbic btr Weuercn (»&=
ftfpitöte, bcgriinb. V. Ü. ,6crbit. Üfn. 37—40. «ec. lüil. (Scntvolbl. Wt. 2, 3. 44.
46, 47, 48, 49. 50. 51. 3i)bcl'S 6i(t. ,^ti(bv. «. S- 23. «b. 3. 319-320.
323-329, ;^ttrfrtmrtgcn i. branbcnb. u. prcu&. (Scfcb. »b, I, 639-641. «Itpr,
aiion. Bd. XXV, 166-169.1
LBCOwicE, Casimir von (aus Blumfelde Westpr.), Versuche üb. d. Automatie
des Froschherzens, I.-D. Halle a. S, (112 S. 8. m, 1 Taf.)
Lndwtch, Prof. Dr. Arthur, scholia in Homeri Odysseae.4 1— 43. auctiora et
emendatiora cdita. Egsbg. (Schubert & Seidel) (27 S. gr. 4.) baar n. —20.
DigtizBabyCoOgle
g3@ Uittheilungen und Anhang.
IiUdwich, Prof. Dr. Arthur, comtnentatio in Joanne Philopono grammatico.
Kgsbg. Ebd. (18 S. gr. 4.) -20.
zu Hesiodos Theogonie. [v. 48.] [Neue jahrbb. f. philol. 137. bd. s.
131.] — Zu Hesiodos (Ebd. 8.241—244] — zum Homerischen Hermes-
hymnos. [Ebd, b. 734-742.] - Zu den Kypria des Sfasinos. [Bheio,
Mos. f. Philol. N. F. 43. Bd. S. 472—473.) Zu den homerischen Hvmneo.
[Ebd. 8. 664-568,] — der Grammatiker Dios. [Berl. philolog- Wochen-
sclirift. 8. Jahrg. No. 19.] — zu den Hymnen des Proklos. [Ebd. 28.)
IMe Lyra des Hermes. [Ebd. 37.] Ein neues Fragment des Krates von
Mallos. I. n. [Ebd. No. 45. 46.]
LSnebiirg', Alb., de Ovidio sui imitatore. BJss. inaug. philol. Kgabg. (Koch.)
(89 S. gr. 8.) baar n. 1.50.
Lnerseen, Prof. Dr. Christian, die Fampflanien oder Gefäasbündelkrypto-
gamen. (Pteridophyta.) 11. Lfg. Equisetaceae. [Rabenhorst's Krjpto-
gamen-Flora v. Dtaehld., Oesterr. u. d. Schweiz. III. Bd. Lpzg. S,
641-704.] Kec. (Lit. Ctralbl. No. 23-28.]
Lsllies, Dr. H. (Kgsbg.), Asien. Geographische Forschungen 1885—87. [Geo-
graphisches Jahrb. . . . XII. Bd. hrsg. v. Herrn. Wagner. Gotha.
§ 146-186.]
Lfskowgki, Ignaz von (aus Danzig), Die collegia tenuiorum der Römer.
I.-D. Berl. (47 S. 8.)
Mahikiewicx, Wl., Heinr. Nitschinann als Interpret Mickiewicz'scber Werke,
e. Vzeichn. aller v. H. Nitschmann vfasst., in Druck erach. Übsetzgn.
u. Analysen Hickiewicz 'scher Dichten., zegeetellt. Elbing. Rei&b.
Eähn d. J (25 S. Vi.)
9l*ttitt»»$tl. (5., Öc6. Db.^Si'innjt., !5ic ^tu^^a öeiuetbeCrbnuiig f. b. ^roji*
in b. $vciif]. SKonnvi^ic niil ä'pminentar u. e. '^In^aiigc. 4. ^iifl. !Öerlin. &toxi
Meimer. (XXXIX, 950 S. p. 8.1 15.—
Shwrl, Stuf, Dr Wii)t., ajer. üb. Sic in b. il. 1879-1886 in b. ^mv. Cl'tpr. nu*^
i^ffit^vt. Iflntnuuevtui^e mit ueiii^. ÜJitlicnfurtcn. [^uunial füi: i>iiiibiDict^i(C|.
36. SPb. $-.ft. 3/4.1
Marold, C, (Kgsbg. i. Pr.) Eec. [D. L.-Z. 12. 19]
MorteDB, Gymn.-Dir. Dr. R., Sophokles' Oedipus auf Kolonoa. Verbindender
Text z. Auffübrg. der Chore iu Mendelssohn's Musik. Marienburg.
Druck V. L. Giesow. (Bericht.) (15 S. 4.)
Hartene, Reg. a. J>. Dr. Wilh., das Vaticanum u, Bonifaz VIII. ; e. Aos-
einandersetzg. m. Hrn. Prof. Berchtold. München. Stahl sen. (36 S.
gr. 8.) 1.20.
Rec. [D. L.-Z. 46.]
«otHI, f rof. Dr. % uon, giileninl. i)!ci^t(H)il[c in 3trniiaif)en. «ctlnigc s. 5teorie
b. pofitiD. ajljl(mcd)te b. mw. ... 1. «bl((. Scilij. Säficl. ;X[I, 468 3.
er. 8.) 12.-
Xatsaf. H., der Anfangstag d. Julian. Kalender«. [Hermes 23. Bd. B. 48—69.1
Rec. [Zteohr. f. d. Gymnaaialw. 42. Jg. S. 574—578. Gott. gel. Anz. 16.]
Meckbacb, Oberl, Thaod., Sophokles' Oedipus aufKolonoa übere, in den Vers-
massen d. Originals. (Beil. zum Progr. d. Gymn.) Hartenstein. (35 S. 4.)
Hergnet, H., Lexic. zu den Schriften Cicero's. 2. Tl. Lexic. zu den pbilosoph.
Schriften. (In ca.60Lfgn.) 2.n.3. Htt. ]Lfg.5-12.] S. 161-480.) 4 8.-
HetBke, Herm. laus Thom Westpr.), Fünf Fälle v. erfolgreich, üteruatam-
ponade bei Ättonia uteri post partum. I.-D. Berl. (38 S. 8.)
SRcHtr, öi:""- i,CliIböiicri4l*t. i" ^(oricnnj.) Slnkilg. j. ^vDjeftprojiö niitfi b. ßiuil:
Jjcoiefeüvbiin. u. 80. 3nn. 1877. iii. 3ieifpicl. nn ;fic(^tsi(itl. firöfl- 2. aänjl.
umaearb. 9tup. SBcrI. 5ii. SnfikiL iXIl, 415 S. 8.i 6.-
Mejer, Oberl. 0-, Rec. [Ztschr. f. d. Gymn.-Weaen. 42. Jg. S. 706-710.]
Me;er, Theod. [geb. zu Amthai, Kr. Thom], üb. Aetisangen mit ChromB&nt«.
I.-D. Wnraburg. (24 S. 8.)
,dbyGoogIe
Altpreuliiscbe Bibliographie 1888. 689
Herer, Walter (aua Kßrnbg. i. Pr), d, "Werk d. Kanzlers Gislebort Ton fcfons,
besond. «la verfassgagesrh. Qaelle betraobt. Jenenaer I.-D. Königs-
berf; i. Pr. Drudk v. E. Raiitenberg. (104 S. 8,)
Meyer, Sanitätsrath Dr. (Kreis-Phva. in Heilaberg), d. öffentl Impfungen im
Kr. HeiNberg i. J. 1887. ausgeführt m. animaler Olvcerinlympbe.
IV. Bericht. fViertelischr. f. geririhtl. Medic. N. F. 48, Bd.' S. 471-474.}
Klchelson, Dr. Paul (in I^sbg.). üb. Nasen -Syphilis. (28 S. Lex. 8.) [Samm-
lung klin. Vortrage hrsg. v. Rieh. Volkmatm No. 326.]
MlkalicE, Prof. Dr. J., zur operativ. Behdlg. d, stenosireoden Magenge-
schwüres. (Mit e. Holzschn.i [Archiv f. klin. Chirurgie. 37. Bd. S. 79
bis 89] Zur opprat. Behandlung des Prolapeus recti et coli inraginat.
Cm. Tftf Iir.l [Ebd 88. Bd. S 74-97.]
Hllkan, Frdr.. de Vellei Paterculi genere dicendi qnaestiones selectae. Diss.
inang. Kgsbg. (Narmberger'a Sort.) (100 S. gr. 8.) baar n. l.—
Minkowski, Herrn. (Bonn\ üb. d. Bewegung e. fe»<t. Körpers in e. Flilssigk.
[öitzgflber. d. k. preufl. Akad. d. W. zu Berlin. 4D. S. 1095-1110.]
9tl(kaii|<3i)tqiiitl(n, Ültit^^tntiäniitttl. (^rnf u., ber ^ortfafl b. ?beiitttäl3iin<6iuciieg
6eiin «eiveibcefljoil. fälu« „3>tid). ^odieiiblnK". | ^eil. Saltfict & ?lpolaiit.
124 S. gr. 8.) '—50.
ijie E(iftc«,ibebiiKiiin(jeii b. Sänlbljnfiticr, inäbef. b. ^oielipilbefl ii. b. 9(ucr=
((cflliqcl^. I^^cr 33cibinttttn. 20. "Ob. 9iv. 18. f.) — Jocibcrlcbniife u. Gtfatcimflen
nu(5 Wuftlnnb. \&<b.]
Vlsehpeter, Dr. E., Beobachtgn. der Station z. Messung d. Temperatur der
Erde in verschied. Tiefen im botan. Garten zu Kgsbg. i, Pr. Jan. 1883
bis Dec. 1884. [Ans „Schriften d. phys.-ökon. Ges. zu Königsberg".]
Kgsbg. (Koch.) (26 S. gr. 4.) -80.
Hltthellangett d. Lit. litter. Gesellsch. 13. Hft. Heidelberg. Winter. (HI, 1:
S. 1-100.) 2.>^0.
■itthellDngcn aus d. Medicin. Klinik z. Kgsbg. i. Pr. hrsg. von B. Naunyn,
Strassburg i. E. Leipzig. Vogel (VIII. 311 S. gr. 8) 8.—
Moldaenke, C.,i. Wehlau. Ree. [Ztschr. f. d Gymn -Wes. 42. Jg. S. 741-746]
Hon&lsschrifl, altpreuss. 26. Bd. Der pr. Prov.-Bl. 91. Bd.] Kgsbg, Bever.
(IV, 700 S. gr. 8.) baar n. 10.-
MoD&tsschrlft für Elektro- Homöopathie red. von Dr. med. Fewaon
2. Jg. 12. Nrn. (i l-lVa B- PT- 8.) Danzig. Tlieod. Bjrtling. baar 3.—
Mor^n, Bernh , cand. med. aas Willmantineii (Prov. Ostpr.), üb. Beizbark.
u. Starre der glatten Muskeln. I.-D. Halle a. S. (36 S. 4. «. 2 Taf.)
Mitttt. Slug., Tcv «oroii. ?ni «ImSiiiqc iil)i. v. ^rbf. Dlütlcrt ^n^fl. gianlfuri a. 9W.
Saucrlanbcrä Bcrl. ;XII, 552 5. 8.1 4.—
— — Türk. Grammatik mit Paradigm. Litt. Chrestom. u. Glossar . . , unt.
Mitwirkg. V. Herm. Gils. Berlin. Reuther's Verlagsbchli. 1839(88).
(XI, 136 u. 136 S. 8.) [Porta linguarnm orientalinm Pars XI.] 8 —
orientalische Bibliographie unt. Mitwirkg. v. ProfF. DD. Bezzenberger,
Strack, Knst. Dr. Müller, Dir. Dr. Völlers u. A. hrsg. 1. Jahrg.
1887 88. 4 Hfte. Berlin. Benther. (3. Rl. 300 8. gr. 8.1 Snbscr.-Pr. baar
n. n. 6.- Lad.-Pr. 7.50. 2. Jahrg. 1888,89. (3 Bl. 419 8.)
— — Zu den m&rehen der tausend u. einen nacht. Ein sendschreih. an hm.
M. J. de Goeje in Leiden (Beitr. z. kiinde d. indogerm. sprachen.
XIII. Bd. S. '222-244.] (Snieil Äenon. |«prb mib Süb. «b. 45. 3. 327
bis 344.1 Zu Koran 2, 261. [Ztschr. d. dtsch. Morgenl&nd. Ges. 42. Bd,
S. 80.] Rec. [Gott. gel. Anz. No. 5. 6- Theol. L.-Z. No. 9.)
MAOet. !Hob., Jlbitiiiin Vm\t auf b. Mfjn nn« «Rciiiel im ^cn. 1807. I^lliiitc. iiJlt).
90, »b. «r. 2327.1
aRttlKttflcbt. &. % p., b. btniibeiibmi|. Srieg^mo*! unl. b. Otrofteii Surf. OTngbe:
biirg. S. Sfitifd) jun. (XX, 813 S. gr. 8.1 12.—
Gimge »emetfgn. j. b. Slrlird üb. bie o. SBdie. [^a Sßeutii^e ^trolb XIX,
DigtizBabyCoOgIC
690 Mittheüungen und Anhang.
?h-.3.] ffiofier flamm, bie n. fitiublo* in ^reufien? fGbh. 9h. 4.] S>er«aW)en=
beim im ^alipeii((f)i(E>e. |(£b^. ^v. 5.) (Stmaö üi^. b. 91bel«familit Otolbudf^.
H!bb. 9)r. 6.] Set. (öbb. 9ir. 7 u. 8.| Sine futbvonbenburfl. Ärien^ Werbung
0. 3. 1587. I3abw?ber. b. 9(ltiii«rt. ileicins f. unlerl. Sei*, u- ^nbuftrie ^ii
Snljiiutbel. 99b. 22. i3. 53— 68.| »oii ^tcffcnfclb ii. leinen SAflAtommrit. flu«
b. 2-2. 3aöreSber. b. ^HlmHvt, (.»ei(6.=«trcin«. 6fl. 2. (7S S. 8.) Die Be-
amten u. Convetitsinitglieder in d. Vweitgs.-Districteii d. DeutBcb.
Ord. innerh. d, Regiertmgsbez. Daazig. fZtachr. d. Westpr. Geschichta-
vereins. Hft. XXIV. Danzig. S. 1-68.1 Zur Orden Bgoachichte im Jahr©
14B4. FEbd. S. 69-73.]
Htittrich, Dirig. Prof. A., Jahreeber. üb. d. Beobiinhtes.-Ei^bDiaGe der v.
d. forstL Versuch sanat alten . . , eingericht. forgtl.-mef«orol. Stationen.
18. Jahrg. Das Jahr 1887. Berlin, Springer. (III, 116 S.) 3.-
Kamtiatftoiti in ^nderbuirg, ^cc. C^abaq. ?tTdiii>. SO. ^ijfi. "ih. 9.\
Nath, Reg ■ u. Med,-R. Dr. (Kgsbg.). üb, Bierdrnckap parate, deren Verbreitg.
u. Zustände im Reg.-Bez. Königsberg [ Viertel j ah rsschrift, f. gerichÜ,
Mediein «. öffeutl. Sanitätsweaen. N. F. 42. Bd. l.Hft. 1887. S. 150-168.]
üaiBfn, Archiv f. experimentelle Pathologie n. Pharmakologie . . . redie,
V. Prof. Dr. B. Naunyn u. Prof. Dr. 0. Schmiedeberg. Bd. 25 u- 26.
(ä 6 Hfte.) Leipz. Vogel, k 15.—
Nenbanr, Ernst {cand. med. aus Berent Westpr.), zur Casuictik über „Psen-
domyxoma peritonei." (Werth.) I.-D. Erlangen. (31 S. 8.)
Nevmanii, C, ab. d. Methode d. arithmer Mittels. 2. Abhandle;. [Der Ab-
handlgn. d, mathem.-phys. Classe d. k. Sachs. Gee. d. Wiss. Bd. 14.
No. XIII. Leipzg. (VIII,' 164 S Lex. 8. S. 563-726.)] Grnndzüge d.
analyt. Mechanik, insbes. der Mechanik starrer Körper. [Ber, üb. d.
Vhdlgn. d k. Sachs. Ges. d. W. zu Lpz. Math.-phy«. Cl. 1887. I. IL
S. 15?) -190]
Nenmann, Prof. E. (Kgsbg ), Beiträge z. Kenntnis» d. patholog, Pigmente.
[Virchow's Archiv t. paihol. Anat. u. Pbvsiol. Bd. 111. S 25-47.]
Zur KenntnisB des Icterus neonatorum. ("Ebd. Bd. 114 S. S94— 399.]
Nenmann, Fr. J., Volk nnd Natirm; e. Studie. Lpz. Dunckcr u. Humblot.
(,XV, 164 S. gr. Ö.) 3.20.
Nenmann, Josef (aus Georgensdorf, Kr. Stuhm), Ptosis congenita u. ihre
Bebdlg. I.-D. Greifswald. (23 8. 8.)
Kletzki, Prof. Dr. R. (Basel), Chemie der organ. Farbstoffe. Berlin. Springer.
1889(88). (XII, 266 S. gr. 8)7.-
— — u. Guiterman, znr Kenntniss der Chinondioxime. [Ber. d. dtach. ehem.
Ges. 21. Jg. No. 2. S. 4-28~4--14.1
n. Diesterweg, J., üb. Disazoverbindgn. [Ebd. No. U. S. 2143—2147.]
Nltschmaonj Heinr., Gesch. d. polnisch. Litt. 2. durcbges. u. verm. Aafl. ;
m. d. Portr. u. Facs. des Verf. Lpz. Friedrich. [Gesch. d. Weltlitt, in
Einzeldarstellgen. Bd. II. Lpz. 1889.1 (VIII. 536 S. gr. 8.) 9.-
e. SJort üb. metr. Übttteegn. iJte Öcictlitbaft. SHonol^itfir. f. Siill. u. Simft-
^^x^. u. Dr. 9R. «. üomab. 4. ^n. Üiij. Sriebrid). 3. 333—336.] — Neuea
vom poln. Paraase. [Das Magaz. f. d. Litt. d. In- u. Ansl. 67. Jg. No. K.]
Noetliag, Dr. Frilz, Privntdoc. in Kgsbg., Die Fauna des samländ. Terfiära.
II. Thl. Lfg. III-V. Hrsg. v. d. kgl. Preuss. geol. Landeaanstalt.
Hierzu ein Atlas mit 12 Taf. Berlin. Schropp in Cumm. (VIU, 109 S.
gr. 4.) n. n. 10.- [Abhdlgn. zur geolog. Specialkarte 6. Bd. i. Hft.]
Oblricb, Hans (aus Kgsbg. i. Pr.), Die äorentiner Ntobegnippe; e. Beitr. zur
Gesch. d. antiken Gruppe. Jenens. I.-D. Berl. Mayer &, Müller. (61 S. a)
Cflfttbab, ^nä, St^iDQTjort uum 3tui'inite(cllcn Surrntc«. X'ilfit. ^mi u. ^crL Don
3. ffleqlänber & Sobn. (40 3. 8«. m. 1 Marte.) 1.—
Paape, Conr., de 0. Mario quaestionee selectae. Disa. inaug. bist. Kgebg.
(W. Koch.) (49 S. gr. 8.) baar n. 1.-
D,gt,zBabyC00<^IC
Altpreullische Bibliographie 1888. 691
9af(araniatt f. b. HBccfe Ennlb. ^tSo. U. ^; 6t()lcv, 20. gafjrn. »rniinäb. (12 9?vii.
k Vs-1 S- 4.)
Panlowski, Hauptl. J N., Karte der Umgegend v. Danzig. Im Atiscliluss
an d. Tevra. Schulwand karte der Prov. Westpr. m. der neuen Kreis-
einthlg. entw. u. gez. Cliromolith. qu. Fol. Wiesbad. Befhthold&Co. —20.
Perlbach, M., Johannes Dlugoss Quelle» f. d. deutsche Gesch. in sein. erst,
sechs Buch, (big 1240:i [Neu. Arcliiv d. Ge^ellBch. f. alt. deutsche
Geechichtskunde XIV. Bd. S. 183-195] Reo. [Centralbl. f. Bibliotheks-
wesen S. 141-142. S3it. ßentrolbl. 9Jr. 26, Kwartalnik hiatorycztiy.
Bocznik II, zeazyt 3. Dt. h-Z. No. 6. 9.
Peterg, C, F. W., üb. d. Sonne nfinstenüa des Thalea. [Astronom. Nachrichten
Bd. 120. No. 2871.]
PetrDgchk;, Joha., Untsuchgn. üb. d. Immunität d. Froechea geg. Milzbrand.
(Arbeiten a. d. pathol. Instit. z. Kbe. i. Fr. nnt. Leitg. v. P. Baum-
garten.) [Beitr. z. pathol. Anat. n. alTgem. Physiol. 3. Bd. 4. Hft.]
Pelzke, Paul, dicendi genus Tacitinum quatenus differat a Liviauo. I.-D.
Kgsbg, Koch. (80 S. 8.) baar n. 2.-
Pfelffer, Max (aus Tuppen, Ostpr.), üb Pleuritia im Wochenbett. Erlanger
I.-D, Druck V. J. Grohrock, Nürnberg. (2.=) S. 8.)
Pfltzer, Einbettung in e. gesätt. Lösung bei entwicklgagesehichtl.Untauohgn.
[Bot Centralbl. No. 3.] Untersuchungen üb. d. Bau u. d. Entwickig.
d. Orcbideenblüthe. [Jahibb. f. wiasensch. Botanik. XIX, 2.)
Plew, J., Rec, [Neue philol. Rundschau. No. 23. D. L.-Z. No. 11.) _
Poelchen, Dr. B., Assistenzarzt am Danzig. Stadtlaz , Zur Aetiologie d.
G eh imer weich g. nach Kohlendunstvergiftg. nebst einig. Bemerkgn. zur
Hirnquetachmig. [Virchows Archiv f. pathol. Anat. Bd. 111. S.26— 34.]
9H- Siipeciut. ©., «erflefel ber iciirtii 3oteii nitfit! (^ebätötiii^vcben niif .ftf. ^ilf|. I.
II. Srbv. III. giifterfturfl. ÖDpf'o 9(fl*f- i40 3. gr. 8.) —50.
Poll, Max (aus Danzig), d. Quelieti zu Pl'effela Fabeln. I.-D. Straasburg.
Karl J. Trübner. (3 Bl. u. 129 S. 8.)
Powel, Adalb. (ord. Lehrer}. Anwendgn. der Determinanten in d. Schule.
Teil II. (Progr. d. städt. Realprogymn.) Gurabinnen. (S. 1—18. 4.)
Prelaa, Dr. Herrn., Religionsgesch. Gesch. d. Entwicklg. d. relig. Bewusats.
in sein, einzeln. Brach ei ngsformen, e. Gesch. des Men-sehengeistes.
(8 u. 4. Abth. (V u. S. 257-548.) Leipz. Maeder & Wahl. cplt. 12.-
— — ^ie gilben in ISurol>n. ^roci SJoitriise .... .figäba. (Sinun Sc, SBokr. (32 S.
nr. 8.1 baor n. — 25.
— — wilh, Vatkea Religio nsphilos. od. allgem. philoa. Theologie. Bonn.
Verl. V. Emil Strauss, (XVI, 674 S. gr. 8.) 6.-
3uin 400. öebitvlstage 3. »viesmaiiii«, b. iHcfoiniatorä im .^ctscgt. ^reiiücn.
lÄflöbfl. ftort. ,Stfl. B. 30. Xci- 1888. Spnn(ag5bl. Wr. 58.]
Prellwitz, W. (Kgabg.), Thesaalica, [Beitr. z. künde der indogerm. sprachen.
14. bd. 8. 298-9K.]
regist«r zu bd. XIIL (Ebd. XIU. bd. 3, u, 4. hft, s. 342-351.] —
register zu bd, XIV [Ebd, XIV, s. 340-360,]
Vctn^c u, I'culjrfie, S-er tcblidtc, tStn ÜaUnb. auf b. 3. 1889. D8. Sg. Stiiflg. ^r.
1—3. «io^i-ungtti. fflaulenberg. bnor 1. 75. —50.
Prenssen, Pol«n, Utanen eto.*i
Prowe, Franz (aus Thom), d. Finanzvwaltg. am Hofe Heinrichs VII. wäh-
rend d. Römerzugeg. . . . Berlin. I.-D. (100 S. 8.)
Sm^, ißToi. Dr. phil. öons.., ßiitlurflg. u. lliitfinng. b. ^empel^enenorb. aMil ffleniitifl.
biitf. iingcbt. ^BnteriQlien. 99erliii. Öiote. (X, 368 S. gr. 8.) 12.—
*) Die betr. Bibliographie mußt« wegen Mangel an Raum für das
n Achate Heft zurückgelegt werden.
zeabyCoOgIC
g92 Miltheilungen nnd Auhang.
Vni|. ¥to|. Dr. phil. O""''' Webüdilniftrcbc auf lotir. St. Waj. ^Webri*.. btf*.
JÜnifei u. Jttänifl p. Vreu^.. Rertor magniÄcentia«irans b. ^Ibertue Itniv. .^u
«ptiiiiob«*! i. ißr. Maebq- So*. (15 S; (|v. 8.1 —50.
9iec, |«lrttt. (. lil. llnlt)oll,i. 9(r. 4. U. 09,1
Flttaer, Elise, Danzic;, ehemal. Freie Reichs- n. HansestAdt, jetzt Haupt-
stadt (1, Prov. Wesipr. Mit 20 Illualr. (112 S. 8.) [Nordostdeutsche Stidte
u. LaiKlschaften No. 2. Daszis Kafemaon.]
Xie neue «iiimnone in ^attsi<\. Hiebet i.'nnb iinb 'äMccr. 59. 'ÖD. Kr. 23.J
Qiidde. L. (KgsbK. i. Pr.), Reo.. [D. L.-Z. No. 48. 52.]
Badfti) Carl (aus Kßi^bg.), Beitrag z. Kenntniss vanadinaanrer Salze. Berliner
I.-D. Kp.hg. Hartiing'sche Bohdr. (64 S 8.)
B«<lRn, Rud., Formulea ponr la Variation des Clements d'iuie orbite. [Balletia
estronomiqne. Janv.|
|ttak)iti»Wirf.| '?(!» Iltftniiieiil b. Uarbinali» iHnbMcjoni^rt, lutÜ. 9^ijdio!$ v. ßnnfanb
uoii 1G79— 1688. l'läaitDvnlf)!. f. b. ^'iöfcie (Jviiilünb, 19. ;^q. «r. 4.1
BanlBCh, Wilh. (ans Memel), Zur Kritik u. Metrik der Hampismil. t.-D.
Berlin. 184 S. 8.)
Slt^t* U' $flid)len b. 3tanl«büntci'e, IfTlÖutcriibc ^Ocil^rcf^iv bcr laiditiqilen Stttimintin.
b. pr. u. b, beutf(^. iBcit^soittiiii. 2*« um^earb. Slufl. I'iifii. Sicinr. ¥0)''-
(2 »I. ÖO S. 8.1
8ttf«mbiatlti . . . brä(|. 1). tt). Vreniiel. 9. '^Ci. 24 ::'4ni. i8/4 'i&ti. t^r. 8.1 ^jicb^.
'Oraun & ^cbcT in ^omm. .«öalbi. 1.50.
»d*il, ISuflcn, i*cbcii«bilbet. 9Jcu« 9!oue!ltii. «tiiltanrl. Sonj & Uo. fXVI, 259 6.
8.1 4.— neb. 6.—
Öicftlfnberii u. Woctiic; e. fflcilraii i,m WoctUc Sorfdiunn. \T'k WtflEniuort.
34. »b. 9)r. 27. 28.] — „Di« Srnuenctidi«iiuinfl in bct J^ertntüdit." [öbb.
«V, 36. 44.| — Sin ffleil)no*l«ftit. il«cbid|l.i |(fbb. 6L.] — Jlum ItBimmnl
hit T^rnuciieridicinunn in btv „ftc^ciifiidie." lUbb. 9(r. 44. 3. 287.i
tIrlditTt. 3c(i>nb.- iJieiit., ^mmberti ali t>rcuA. MfirntiPU »du ITT2 bie /,. ^ca^nip.
I3citi<f|r. b. biftor. «ereiiis f. b. flicfl. »q. Sioritnio. 22. .oft. «. 33— 48.|
Sttlnidt. IHob.. ^mgtmSmt Wirdm. 2 Vbt. <m it. 35 3 81 .(|l. £)aii«bibltDtl)C[
f. b. Sufltiib, l)c«!i. u. JlKDb. :©cliltf. ütiitm. «ttimi'v & 3(ftrom»i. iBt. 34.
35,1 ä -20.
Kettttc. Dr. Wcorfi, ^tt »ilbanflCrt bcv eiJ.icil in Citpreiiftcn. Ijlfiljt^r. b. 'JlUlsaei.
^nfterbiira. twft 2. S. G8-!)2.|
Richter, Prof. Dr. Arth.. Grundrias der philns. Wissenschaften. 1. Tl, a- a.
d, T. Grundlegung d. phitos. Wissen schaflen u. Elemente der Logik.
Halle. Mlihlmann. {VIII, 2Cii gr. 81 S.20.
ntdnt, fteiiuid), Vlbqeovbn., ^'ic coitietDniiw; ^tcrn u. bie närfift. ?liifgabeii. b. preufe.
Snnbtflqö. ORebc.l T>nn,va. .««fcmnnn. 1I6 £. flv. S) —10.
;^t(i6cit bct öalil! |:Dic 9(rtttoit. 5. ■^ahxcf- 9Jr. 27.| - Wenoficuit^aftl. ^nr^
Äcnininq uon Itinbl. ftlriiitbbciiti |l5bb. -Jfr. 5.^1.1
Blenann, Enrh fapprob. Arzt aus Przel lenk (Ostpr.'il, flb. d ZnsammeDhang
von Nierendislokation u. Mngenerweiterung. I.-D. Kiel. (27 S. u. 2 Bl. 8.)
Blensehneldf>r, Herrn., prixkt. Arzt aus Mariensee b Dtsch, Crone, üb. d.
diätetische u. median, Bebfilg. d. Gaslro-Intestinalkatarrhs der Säng-
linge I.-D Halle. (34 S. 8.)
Äifft, Siibiw., b. llriprunii b. cnflüidicii. llnttrf)nuic>^. l-fiiftcr. ,St(<l)T. 'ü. ^. 24. «b.
3. l-.tS.I ;Ht(. ItSlib. 2.1. W. 5. 547— .550.|
niHklfrlFdt, ^tnifr. Dr- ^(üIiü., T'n SJornenftetn; c. «nbflrt)tfbu(^ .... tnniiii.
Äclbitwctl in Gcmtin. bei Mnfemann, (4 #1., S9i S. gr. 8.1
I. die Gamiiü-
Bomelrk, Frz.. Bnr Reform d. Hebammen weseus. I.-D. Kgsbg. (Gräfe n.
Unser.) (34 8. gr. 8.) baar n. n. 1.-
D,gt,zBabyC00<^IC
Attpreußische Bibliographie 188S. 693
BosentliKl, Dr. J, in Ef^bg., üb. d. Anwendg. d. Kreosots bei Tuberculose
in Form einea Mineralwassers. [Berl.klin. WocheoBchr. Ü5. Jg No. 82. 38,]
Boss, Herm. (ans Danzig), Beiträge z. Kenntnis des Aaeimilationsgewebes
□. d. Korken t Wicklung armlaubiger PBanzen, I.-D. Freiburg i. Br.
(32 S. 8. m. 1 Taf.)
Eoy, Felix von (ans Brannsbg. i Oetpr,), üb. die Antiseptische Witkg. d.
Natrium chloroboroHiim auf die gewöhnlichst. Mikroorganismen. I.-D,
Würzbg. (21 S, 8.)
BOhl, Prof. Franz in Kgsbg., Handb. d. griech. Chronologie von Adolf
Schmidt, weil, Prot. d. Gesch. a. d Univ. Jena. Nach des Verfassers
Tode hrsg. v. Fr. Rühl. Jena. Gust. Fischer. (XVI, 804 S. gr. 8.) Iß.—
— — Abhdign z, alt. Gesch. von Adolf Snlimidt . . . gesamniBlt a. hrsg.
V. Fr. Rühl Leipzig. Teubner. (VI, 568 S. gr. 8) 12.-
— — Zu den messapischen inschrtften. [Beiträge z künde d. indogerm.
sprachen. 14. bd, s. 307-308.1 Rec. [Nene jahrbb. f. philol, 137. bd.
a. 44-48.J Vermischte bemerkgn. 37-50, fEbd. s. 113-181.] 61-63.
[Ebd. a. 3'3-352.] zur nautik der alten. [Ebd. a. 664.] Die Constan-
tiuischenindictionen. [Ebd. e. 789— 792.) Die Zeit des Vopiscus. [Rhein.
Mus. f. Philol. N. F. 43. Bd. S. 597-(i04.] Entgegnung. Zu meiuer
Ausg. des Justiuus. [Ztschr. f. d. österr. Gymnasien. 39, Jg. S. 286
bis 288.1 Rec. [Lit. Ctralbl. No. 8. 9. 22. 26. 46. Wochenschr. f. klass.
Phüol. V. Jg. No. 47,|
BBir, Dr. J., WissHnschaft d. Weltgedankens U. der GedHnkenwelt. System
e, neuen MetaphyBik. 1. Thl. Leipzig. Friedrich, (XVI, 461 3. gr, 8.)
IL Thl. Ebd. (Xll, 500 S.) Ä 8.—
BBmker, Kurt (aus Kokoschken bei Danzig), d. Veredelung d. vier wichtigst.
Getreidearten d. kalt, Klimas. I -D. Halle a. S. (123 S, 8.)
Rnhemann, Konr. (aus Zempelburg i, Westpr,), ab. Lungensyphilis. I.-D,
Berl. (42 S, 8.)
Caalftlb. Dr. taünt% 91!e)'„ 9litS i. 3itgcnb;;eit. «nntmlimn ed)t. ^tfd|. äinbcriiebcc
olt, u. ncit. ;lt, jfflefr, . . , Mit Slbbilbutn. ^rniuin. 91«. (.ftiJniqät«. feovtgi^e.
»d)bv.) 1.92 3, fir, 8.)
Saalschutz, Louis, üb. d. Entwickig. von e— t: (1— x) in e. Potenzenr^ihe
nebst einig. Anwendgn. derseüien. [Archiv f. Mathem. u. Physik IL
R, VI. S, «05-850,] — d. ellipt. Integral erst. Gattg, m. complex.
Modul. [Ztschr. f, Mathem. u. Physik, 33, Jg, S. 311-313.] — weitere
Bemerkgn. üb. d. Gammafunktionen m, negat, Argumenten. [Ebd.
8, 362-372.]
SalkowBhl, Prof, Dr. E. (Berlin). Bemerkg, z« d, Abhdig, des Dr, Kumagawa:
„üb, d, Wirkg, einig, antipyretisch. Mittel auf d. Eiweissumsatz im
Organismus. IVirchow's Archiv l pathol, Änat, Bd. 113 S. 394—396,]
— üb. d, Vhalt. des Benzoeeänreanhydrid's im Organismus. [Centralbl.
f. d. medicin. Wissenschaften No. bl.] —- Physiolog Chemie, [jahresber.
üb. d. Leistgn. u. Fortschr. in d, ges. Med". 22. Jg. Ber. f. d. J. 1887.
I. Bd, 1, Äbih. S. 112-160.] — üb. d. Entwickig. v. Schwefelwasser-
BtoiF im Harn u. das Vhalt, d. Schwefels im Organismus. [Berl, klin.
Wochenschrift, No. 36/| üb. d. antisept. Wirkung, des Chloroform-
wassers. [Dtsche, med. Wochenschr, No. 16,] — üb, d. eiweisslö sende
Fei-ment der Fäulnisabakterien u. seine Einwirke, auf Fibrin. [Ztschr.
f. Biol. XXV. Bd. S, 92-101.] - kleinere Mittheilungen. (Ans dem
chemisch, Laborator, d, patholog. Instit. zu Berlin.) [Ztschr, f, physiol.
Chemie, XII. Bd. S. 211-228]
Salkoirahl, Paul (Meniell, zur didakt, behdlg, d. rede Ciceros f, &. dichter
Archias. [Neue jahrbb, f. philol. u, püdag. 138. bd. s, 369-376.]
, Arnold (aus Kgsbg. i. Fr.), üb. die Thevetia nerüfolia, I.-D. Berlin.
(31 S, 8.)
DigtizBabyCoOgIC
$94 UittheiloDgen und Änb&ng.
Samter, AssisteDt Dr. E. 0., e. Beitrag z. Lehre t. den Kiemengangsge-
schwülsten. (Virchow.') (Aue d. kgl. chirurg. Uniy.-Klin. zu Sgelig.)
(Hierzu Taf. II— III.) (Virohows Arch. f. pathol. Anal. Bd. 112,
S. 70-96.1
Samnel, Prof. Dr. S., d. Oewebswachsth. bei Störungen der Innervation.
[Ebd. Bd. 113. S. 272-314 | - üb. Dr. Max Joseph'B -atrophischen
HaarauBfaU." [Ebd. Bd. 114. S. 378-384]
Sibankau. Scin.=3Mt. Dr., bns löuifll. fol^oi. Sdiulleftr.^Semittai; jii ^Taunöktg . . .
atouiiSbg, .'pulje. 196 S. gv. 8. tii. Sftilbcm.) n. n. 1.80,
Scbaper, Uax (aus Insterburg), d. Sachsenhäuser Appellation von 1324.
Greifewalder I.-D. Berlin. (2 Bl. 94 S. u. l Bl. 8.)
e^awalltc, Pfarrer %n^, ^ol). (Uco. Hamann al^ ^libagog. 2. flu^. Königsberg.
.ßartiuifl. (32 6. gv, 9.) -50.
Süana. Gin »cftid)1. oluiigart, S9ei Wveinci; u. Ißfeifftv. 2.—
|Sit|tltttnb«tf.t 9äl|t, ^'aul, äüoi' wn St^enfcntiorf ali pnlriot. 'Siiäflcx in [tinen
ilkbtva .... öadc. öenbel. 1.27 6. 8.1 -60.
DreBcher, Gynm.-L. Dr. Ales., Ein Beitr. zu e. Biogr. Max v. Schenken-
dorfs. (Prosr. d. GroBsh. Gyinn. zu Mainz.) Mainz, (S. 8-86. i".]
SchlelTerdecber, Dr. Paul, Mittbeiign. v. d, Aussteltgn. wiseensch. Apparate
auf d. Änatomen-Versammlg. zu Würzbarg u. d, 61. Vsmlg, dtsch.
Natnrf. u. Aerzte in Köln i. J. 1888. [Ztschr. f. wisaenacb. Mikroakopie.
Bd. V. S. 471-481.1
ed){vli|. Ccl)i. Dr. ^., SJciliflb. f. b. Unlcit. in b. Cfteniie . . . ^Tnnjig. ,ftn(cmaiin.
(V, 138 ®. fiej. 8.) 2-
Citlleatbtt, $(iul, %cim Xobe Zt)tob. Slomiä. [Tie 92ation. 6. ^g. 42.| gii^ dJentei;
in ^ma. llSbb. 43.| llltid) Don öutlen. »eil. j. 9!t. 17034' b. ®onj. ^tfl.)
Schlichteisen (Pr. Stargard), Rec. [Wochenschr. f. klass. Pbilol. No. 2ä]
Schniall, Dr. B., prakt. Arzt in Kgsbg., d. Netzhautcircutation, speciell der
Arterienpuls in der Netzhaut bei AI! gern einleiden. Mit 12 Holzachn.
[Graele's Arcli. f. Oijhthalmol. 34. Bd. Abtb. I. S. 37-107.]
Schmelz, experiment. Kritik der im medic. Laborat. zu Kgsbg. i. Pr. von
M. Laves unt. Leitg. v. 0. Minkowski ausgeführt., den ürapr. d.
Muskelglykogens. betr. Arbeit. [Ztsch. f. Biol. XXV, 2.J
(Schmidt.) Karl Lentzner (Breslau), Alexander Schmidt f. [Engl, Stadien
hrag. V. Kölbing. XL Bd. S. 364-387.]
eiimibt. Dr Ä. G., »Dtnbeln unb ^^taieti ^u Cäsars bellum Gallicum nebft
turjfn 'älnmciinngen pin Überfepcn, §efl I— III. Üönigsltg. i. $r. S«ri. »,
»cijcr'ä »nd)l)bl. 1,4 28 3, gv. 8.) i. —80.
Cdintibd;, iltt)x. ^vb., ^Itciterinl, j. Grteilg. b. 9(nft^auung$unlerv. . . . SJünjig-
ilnfemann, (VIII, 224 «. flr- 8.) S.- geb. n. n, 3.50.
Schnippet, Oberl. Dr. E., Zur Dispositionslehre II. (Progr. Abdlg. d. slAdt.
Eealgymn. Osterode Oatpr. (S. 29-51. 4".)
CltlÜnc. %xol Dr. 9tlfieb, üb. b. Sniroidig. nnj. SlntionalbenmülIeinS. iKebe ....
ama. Silb. iioA. (19 S. gr. 8.) -60. . . . 2i' biinbgef. JluH. Gbenjo -60.
Rec.[l>t. L.-Z. No. 11. 13. 15. 83. 35. 38. 41]
ZiiolftnHnn't. ^IxO)., fnmmll. ^ecte; drSg. U. ^nl. ^mucnflübi. 2. «uf(. 91eue
Mueg, 6 S9be. Spi^ Siinf^aiis. 36.— geb. 46.—
— - ^oretga n. $(irnlil>omena. flleint ij&ilof. ed)riftcn. 5. H. Gbb. |2 »be. in 12
Üfgn. k 1.— J 6. 9lnfl. Gbb. IXV, 532 u. VI, 696 e. ^t. 8.} 12.- geb. 16.-
— — Two Eseaya 1, on the Fourfold Böot ot the Principle of Snffident
Beaaon. 2, on the Will in Nature. A Literal Translation. Lond. 1889(88).
Bell and Sons. (XXIX, 380 S. 12.) 5 sh.
— — le fondemeut de la morale, memoire ; traduit de l'allemand par A. Bor-
deau. 3. edit. Paris. F. Alcan. (VHI, 196 S. 18 ) 2 fr. 60 c.
il tnondo come voionti e come rappreaentazione. Versioni di Oscar
Cbileaotti. MUauo, fratelli Dumolard edit. (424 S. 8.) 6 L.
D,gt,zBabyC00<^IC
Altpreußische Bibliograpliie 1888. 695
»vaf4. Wor.. 'Utiti. £äo|>cn^uer: e. p^il. S^aToReiiftit. [SSeftennaimB iOuftr, bttt^e.
^Ronol^Öfte. ei. m. S. 616—28 in. i'ortr.]
Fastenratfa, et centenario del Füösofo Art. Seh. (R^vista de Esp&na
30 de Abril 1888.f
Foncher de Carelt, Oraf Alex., Hegel u. Seh. ihr Leb. u. Wirk, dai^est.
Mit Autorisat. d. Yerf. aus d. Frzös. übs. v. J. Singer; m. e. Vorr.
V. Bob, Zimmermann. Wien. Konegen. (L, 417 S. gr. 8.) 8.—
StaHtnfläat, 3ul., ^vtt). 8(f|. i>id|li'tr(it)len au^ feinen Strttn; m. e. $tiogr. u.
IStiaroflcnifif Srfi'S. 6. %. Uli}. lövort()"U*- (XXVUI, 232 £. 8,) 3.- geb. 4—
Fricke, W., Seh. u. das Christ enttim. e. Boitr, z. Läsung e. weltbeweg.
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Stant, (Sttavlti. £d|. )n Cnginnb. \7:k ißnlion. 6. ^a^rg. 3k. 4.]
6riftba4, Sbimcb, (£bitn unb ^ii^bita StfiDpen^aueriana. Sine Sc^olien^auer^
Bibliogtov^ic, juioic ifianbidjvift. u. Sricje 9lrtfi. Sil).'*, m. Vttr.. SyolJp. u.
^acfim. B. öbidiv. b. 9)!ei(tevs, Ijväfl. j. jm. ^imbevlj. Öcbuttölage. Eeipjig.
»todlinii«. (224 ®. 4.) 10.-
Swimut. '&iit)., 7eiilvebe nu! ^Irtl). 8d). ju be)|. lOOj. &tbmtitaqt am 22. 'Stbt.
1888. (Sbb. (29 S.'flr. 8.) -60.
Haacke, Frdr.. üb. d. inneren Zshang. d. Seh— sehen philosoph. Systems.
I.-D. Breslau. (Köhler.) (46 8. gr. 8.) baar 1.-
«actmanu, üb. n., $ü S(ni), Sc^.'« Weburlsiofi. [5^16 Segenniorl. 88. Sb. 9Jt. S.]
&i\). aiict, juni tiunbcrtj. öcbuvIStnfle 9lrl^. S4'*. fUnjc« 3eit. 6. 217—29.)
SalatBChfuskj, P., Filosofekoe peaimiBtiteheBkoe mirosozertsanie Chopen-
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Koeber, Dr. R., die Phüoa. Arth. Sch.'a. Heidelb. Weiss. (VII, 319 S. gr. 8.) 6.-
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aSfikr, Mcinftolb, eine Sdinpenl)nuet^91nelliDtc. [ilfiiind). ^Iflg. ätg, 5Bei(. /,. 179.J
St&itttx. m\t (cand. theol.), Sritil bt« ^ciriiiiijinuitf. fßc^uäi e, Zt|toi^M. %:^.
b. p6il. Soc. ü. Stnn. ©nlle. (63 S. 8.)
M., H., 3ii Si().'ö ^nnbertjtem Weburl^tog I-III. [ffliün^. aOfl. 3lg. SBeil. ju
9Jt. 6J-55.1
Wönj. »cm^.. Stftopcnftonerinno. [»Ifi». f. Ul. Unt^ada. 14.J
»•trt. «iibro., fflrtl). Sc^. JU jv. lOOj. (liebuirtäfeier. ['«orb u. Süb. aSb. 44. ©.
315-343.]
•fal». Srj., Woet^c u. Sd). |2ic Wrcn,ibi)len. 42. 43.]
*r»elft. 30^«., 3u £d).'a lOOj. «ebuttötag. IJlbg. ^ortg. 3tQ. ü. 22. 5e6t. Seil, j. 46.]
R-, A., «rttt. Sd). SU |iii- 100. fflebuil«!. L II. [Sioiij. 310. «eil. su 16930, S4.j
Seift; Dr. (Sinil, St^- eis tlJhilDjpp^ bec Irogöbie. ©ne tnt. Stubic, 5Bien, Snne=
gen, (2 »I. 139 S, 91^- 8,t 2.-
Ribot, Th,, la philos. de Seh. 8. dd. Par. F. Alean. (178 S, 18,) 2 fr. 50.
Rodhe, J., Sch.'s filosofiska grundtankar i systemat^ framställning och
kritisk belysning. Akad. at'h, Lund. Lindstedt (I¥, 161 S. a) kr. 1.50.
Schasler, Max, Arth. Seh.'s Ansiehten üb. Musik. [Magz. f. d. Litt. d. In-
n. Anal. No, 26.J
Siedfil, K. Q., die Lehre v. d. Freiheit bei Kant u. Seh. I.-D. Erlang.
(62 S. 8.)
Zictn, 3., 9lrt^. 3*. SU bei). lOOj. Öebuilöt. 3üricft. aJIg3.=aSogoj. (3. Sc^flbelip.)
(29 «. ar. 8.) -80.
Thnnifrls, Refutation de Seh, par Seh. [Revue de la Franee moderne. Sept.]
Cftotn, weil. 6ein.''!Str. ^[ug., 0(e{i^. bet ^äbagogil .... 13. uenn, ^nfl. Seipjig.
S!ürrf*e 59d)l)bl. (VIÜ, 363 S.) 4.-
Schrelber, Prof. Jul. (Kgabg. i. Pr.), Zur PhysioL a. Pathol. d. Verdauung.
I-II. [Archiv f. experim. Pathol. u. PharmakoL 24. Bd. S. 865-888.]
DigtizBabyCoOgIC
696 Uittheilungen tind Anhang.
Zur Behdtg. gewiss. Fonnen von Neurasthenie 11. Hysterie durch die
Weir-Mitchellcur. [Bert. klin. Wochaehr, No. 5S.]
Schriften d. Naturt'. Ggs. in Danjig. N. F. Vllte" Bandes 1. Hft. Danzig.
(Leipzig. Engelmann in Comm.) (XXXXT, 179 S.)
Schrillen der physikaL-ökoiiom. Ges. z. Königsb. i, Pr. 28. Jg. 1887. Kgsbg.
Koch in Comm. (IV, 134 u. 54 S. gr. 4 m. 1 Taf.) baar 6.—
Schriften d. "Westpr. Gepfhichts verein 8. Acten der Ständetage Freuseena,
Königl. Anteils. (Westpr.) Hrsg. y. Dr. Frz. Thunert. Bd. I. Liefet«. I.
1466-1471. Danzig. Katemann. (2 BL 166 9. gr. 8.) 2.50.
Schrfider, Henry (in Berl), Diluviale Süsswasaer-Conchylien auf primär.
Lagerstätte in Ostpr. [Jahrb. d. k. pr genl. Landesanst. u. Bergakad.
KU Berl. f d. J- 1B87. S. 349-362 ni. Taf. XTF.] - Mittheüg. üb.
Aufnahm, d. Section Heilige Linde (Ostpr.). [Ebd, Berl. S. CVI-CVII-j
Schroeter, Prof. Dr. Heinr., d. Theorie der eben. Kurven S. Ordng. Auf
synthet.-geometr. Wege abgeleitet. Leipzg. Teubner. (VIQ, 295 S,
gr. 8.) 8.-
— — Zurückfithrg. d, GraBSmannacb. Definitionen der Curve dritt. Ordng,
auf die von Chaales, Oayloy u. Hesse angegeb. Erzeugung« weisen.
|Joum. f. d. reine U. angevtandte Mathem. Bd. 104, Hft. 1. S. 62— 84.J
üb. lineare Konstnictionen zur Herstellg. dw Konfigurationen nj.
(Aus briefl. Mittheilgn an Hrn. Ä. Schönflies.) [Nachrichten v. d.
kgl Ges. der Wissensch. . . Göttingen. No, 9. S. 237-253,1 Ein Satz
Üb. das dem Kegelschnitt umschrieb. Siebeneck. [Ztschr. f. Math. n.
Phys 33. Jg. S. 374-376.]
Scbneler, Georg, prakt. Arzt aus Mohrungen, iXK den plastisch. Ersatz von
Defeclen, insond-rheit üb. Seimen plastik. I.-D. Berl. (36 S. 8.)
Schütte, Herrn , wissenscbaftl. Hilfslehrer, Theorie der Sinuesempfindungen
bei Lucrez. Danzig. Kafemann, [Wissensch. Beil. zum Progr. des Eeal-
Oymn. zu St. Petri u. Pauli.] (25 S. 4".)
eitinUlalt. ¥rciiftii*e?. Sieb.: 3!enlidmllcl)ter 91. ß. .fiutjd) in Elbinn- 10. Qg. SStrI.
l\ Slj-t in ^^aiwifl. 52 iUm (1— l'/j Sfl- ■*■) aüertclj. n. n. 1.—
Schnitz, Dr. Fr., Die Stadt Knlm im Mittnlalter. [Zeitschr, d. Westpr. Ge-
schieh ts Vereins. Heft 23. Danzig. gr. 8. S. l—■^b3.]
SchnU, Herrn. Oust., Lemniekati?clie Polarkoordinaten u. ihr Z&mhang. m.
d. gewöhnl. PolarkoordinaterL u. d. rechtwinklig. Parallelkoordinaten.
(^voQx. b. ffienHiiogiinm. ju ^iHau.) JliisJbfl. §iitliinii (S. 3-29 m- 1 Taf 4.)
Schnmann, Oberl, Ed., Prof. Dr. Frdr. "Wilb. Gronau von 1830-1873 erster
Matbematicua an der Schule zu St. Johann. Sein Leben u. seine Ver-
dienste um d. Wissensch. (Beil. z. Prog. d. Realgymn. zn St. Johann.)
Danzig. (10 S. 4.)
«idWridKi. iHob., gnfobrtcn. [Sgnni ^cW jitm 3R«r. öeft 3.]
ediwetin, 3cifi:i)&ine Wrofin, J'y pense. SJouctfc, { Sonnte flSsSÖlott Wr. 6. ff.]
Scotland, A., die Odyssee in der Schule. H. (Gymnasial progr. Strassbnrg
Westpr.) (48 S. 4t<i.) [I, u. II. Leipzig. Fock in Comm. 2.20.]
Zu Homers Uias. [^ 79-85 E 267.] [Neue jahrbb. f philol. u. pädag.
137. bd. 8. 12-14.J Athene-Mentes m Ithaka. [Ebd. s. 2:}3-241.]
Seidel, Alb., pract. Arzt aus Ostpr., ttb. d. Behdlg. der Hydrocele mit
Function «. nachfolgender Imection v. reiner Carbolsäure. I.-D. Greüs-
wald. (33 S. 8.)
Seldlltz, Dr. Georg, Fauna Baltica, Die Käfer der Ostseeprovinzen Buaslands.
2te neu bearb. Aufl. 2. Lfg. (Gatiungen. S. 17-48 u. Arten S. 97 bis
224.) 3. Lfg. (Familien S XLI-XLVIH, Gattungen S. 49—80 u. Arten
S. 226— 33ti.) Kbg. Härtung, k 1.50.
— — Fauna transsylvanica. Die Käfer Siebenbürgens. 1. n. 2. Lfg. (XL,
Gattgn. S. 1—48 u. Arten S. 1—240 gr. 8.) Ebd. 3.—
D,gt,zBabyC00<^IC
ÄltprenBisCtie Bibliographie 1888. 697
S«ill((er, A. Flecktyphusepidemie in d. städt. KrEinkentinatalt zu Egabg. L Fr.
[Berl. klin. WochenBchr. No. 61. 62.]
Sembrijck); J, K,, KrdtkiPrezegl^dLiteratory evangelicko-polski^jMaznröw
i 82l(tzak6w od r. 1670. ... (86 S, 8.) Tesohan. 1.20. rec. Prmoodnik
Mbliogr. Xn, 13 H. Ev. Gmdbl. »r. 48.
.«olenftotj eigojiicfirfo-lJDlfli bin aSa^ur, Sumtn i l)la fiajjuböni na tof 1889.
aSont. G. eiinibc<). (32 ii. 72 S. gr. 8.) -40. rec. Eo. Qmdbl. S. ZS7.
Sembrltzbl, Ferd. (aus Nodema, Os^r.), Ueber das Succinenylamidoxim und
einige seiner Derivate. I.-D. Berlin. (68 S. 8",)
«tHfjütt, §., SHe SJefire b. TicrjMd)! .... 3t« nenn. 9htf(. 93ctl. $nrel). {IX, 7i
G. flt. 8.) 1.-
die Tierzucht. In 2 Bdn. 6. neu bearb. Aufl. (XVIII, 460; Vm, 324 S.
Lex. a) Breslau. Kom. geb. 26.60.
SetEke, Edgar (ans Paaewark, Kr. Danzig), die Befestigg. aneinanderpasaend.
Kaochenflächen mittelst pf riemenartiger StahlnMeln. I.-D. Qreifswald.
(30 8. 8.)
Sejdel, Dr. med, C. {Stadt wundarzt n. Docent zn Kgebg.), d. Tod durch
Alkohol missbrauch u. sein forens. Nachweis. [Vierteljschr. f. gerichtl.
Medidn. N. F. 48, Bd. 8. 480-449.] til). ^ciJlnfctlion uon SÜJo^nräumen.
ajortr. leonntaflpbl. 9Jc. 35 b. figöbfl, ,&arl. ütfl. 9(v. 200.]
8«;ff<ert, Rieh, (aus Kgab.), Zar Patliol. der Gallengänge. Cyste des Ductus
choledochus, operativ behaadeli. I.-D. Greüawald. (32 S. u. 2 Bl. 8.)
eUfcentrltt, G., Wwyx Sldcabii. 9ind) avob. Sprii^en nuS bem fficllo. figäbg. öon.
(16 S. 16.) hnnt n. n. —60. ficb. n. n. 1.—
ei*ff(tt, ^rof. Dr. Rcicbt., üb. bcii' focial. öegcnfof i. Sß. X., fflebe. Erlangen.
(fflWfma) {26 S. %x. 4.) baot n. 1.-
Bec. [Dt. L.-Z. No. t 8. 16. 17. 20. 22.)
Slelmann, Bich. (aus Schöneck), ist bei hochstehend. Eopf n. eng. Becken
der Application der Achsenzugzanse od. der Wendung auf den Fusa
mit nachfolgend. Esttaction der Voi^ug zu geben? L-D. Würzhiirg.
(26 S 81 CO o
%\nXt. £ug., jlrilil im 3iuii(i)enatL lÜbcr i^nnb u. Wecr. 69. £Sb. m. 22.] jioci
S»eu(ilen bcr SJiüeiitdiaft. [ISbb.eO. Sh. 9!r. 36.) Jet WarfiHfler ^iilKammeii'ü.
I^bb. 9;r, 44.]
SIeroka, G^mn.-Dir. Dr. Otto, Beschreibg. der Baulichkeiten u. d. inneren
Einriehtg, d, neu. Gymnasialgebaudes, Mit 1 lith, Taf. Von Paul
Cart«lUeri, Kgl. Baur. u. . . . Allenstein. Harich. (Jahresber.) (S, HI
his vm. 4.)
eimfim. ffltm^., Sigurb 9lbel, ^n^tbiif^cr bcä Sräntiit^, Sidc^tä unt. ffatl b. ®r.
»b. I.: 768-788- 2« 91ufl. btoirb. ». ». SimJDn. SEipsio. Juntf« & 6unt>
blot. (XVI, 698 S. gr. 8.1 16.-
ei«ltne«btrti)tle b. 91ltettl).H»e|enfc6. ^ruffia ju Jfnäbg. im 43. iBeieinäj. 91at}bT.
1886,87. figibg. (XII. 273 «. 8. 17 X<x\.\
Sommer, Dr. Wifh., üb. Trunksncht u. deren schädl. Folgen f. d. Gehirn u.
d. Nervensystem. (Würzburger I.-D.) (Kgsbg. Leipzig. Fock.) (60 S.
gr. 8.) baar n. —76.
Sommerreldt, Dr. Gust, die Bomfahrt Kaiser Heinr. VII. [lSlO-1313.]
1. Tl. Kgabg. Gräfe u. Unzer. (57 S. gr. 8.) baar n. 1.20.
«(PomteulMWl, Dr. 9lug. (Müficl). 3Iec. lüit. !Bb[4aii-f. b. Mt^. 3:'ti(^lb, U-Sß. 9?t.4.]
Städte u. Landschaften, Nord ostdt sehe. No. 2. Dan i- ig, ehemalige Freie
Heichs- u. Hansestadt, v. Elise Puttner; m. 20 lUustr. Danaig, Kafe-
mann. (112 S. 8.) 1,50. - . . . No. 3, Elbing v. Fritz Wernick; m. 16
Illuatr. (67 S.) 1.- - . . . No, 4. Königsberg d. Hptst. Ostpr. v.
Ferd. Falkaon; m. 9 Illustr. (75 S.) 1. ... No. 6. Samläod. Oataed-
atrand v. Ferd. Falkson; m. 8 illuatr. (82 S.) 1.- (1-5.: 5.60.)
Altpr. Honatatohrift Bd. ZZTL HfL T n. S. 44
DigtizBabyCoOgIC
g98 Uitthmlnngen und Anhang.
Stamv, P. <Jn Bdesel), ac und atqne vor ccnsonanten. {Nea« jahrbb. £.
philol. a. p&ddg. IST. bd. b. 171—179.] — tot lat«iii. grammatik n.
etilistik. [Ebd. s. 767-777.|
Steinbreeht, Reg. u. Bannutr. C, die Banliiinst d. Dentsch. Bittarord. in
PreosBen. II. a. n. d. T.: Preassen zur Zeit der lAudmeistor. Beitrage
B. Banktmst d. dtseh. Bitterordens. Mit 40 Tat. n. zahlr. in d. Text
gedr. Abbildgn. Berlin. Springer. (TII, 132 S. fol.) cart, 60.— (I. n.
n.: 74.-)
StelDwender, Tb., d. röm. BOrgerschaft in ihr. Yerbältnis z. Heere. (Progr.-
Beil. d. kgl G.ymn.) Danzig. (30 S. 4.}
Cttnilcvs {fianbnc^tei: in 3nfterba.), lu^ S(^ilbenmfl beä SelJ. u. «irt ber Äanjl«
b. »«flnem u. ». Ötoftler. (3tfcl|r. b. 9ltll*fle|. SnfKrbg. 2. ^ft. ®. 1-17.]
Stetter. Dr. Doc. d. Cbirurgie in Kgebg., Compendtum d. Lehre von d.
frisch, subcutanen Fractnren L Stndierende u. Arzte. Berl. B^iiDar.
(Vm, 116 S. gr. 8.) 2.40.
SUeda, Ludw. Baer, Dr. K E. v., Üh. Entwickelgsgescb. d. Tbiere. Beob-
achte, n. Beflexion. 2. Tbl. ScUoBheft brsg. y. Prof. Dr. L. Stieda.
Kgsbg. Koeb. (V u. S. 317—400 gr. 4.) 4.- cplt: 28,-
Dw Haut. Cap. IX. S. 466-^0. daa Gehörorgan. Cap. XVI. S. 1075
bis 1104. in: Handbuch d. mikrosk. Anat d. Measch. u. Thiere. hrsg.
T. Lawdowekiu. Owsjannikow. II.ThLPet«rsb. Bicker (in mas, Sprache).
?lttift( „rnttfU" in: «ffj. 3)t. »iogr. «b. 27. S. 352-3BB.
— — einige biogr. Artikel in: Biograph. Lexic d. hervorragend. Aerzte all.
Ztn. Schlußhft. n. Nachträge.
bie fincK^crtfunbt bti $fa[|fbauä jii SotunatFcn. beä ^fa^IbauS lu Scrber fan
«rftS^Set. (©itfl«fwt. bet Hilft iiiö.--Öe(. $vuf(io im 43. «cin«|. S. 76.] bie
finwiftenfunbc auf b. fiuglaifet @<t)lo6beig. [ebb. 8. 93.] Ucb. b. Slamcn bti
$tljlf)iere u. bie aäejeifftnungen ber ¥*l*"wifl''rt«i jur §on|as3eit. [etib. S.
161—174.]
fiMit. Hufi , Slätter b. Srinneiuna. gkbidile, StaunfcfttDeig genibmet. STaimfcbimlg.
«niftn'S «ecf (IV, 84 ®, 8.) 1.-
et»M(. OHd, jut (St\di. b. älter, btfi^. SonhirdtirojeffeS. 9tlö ^tnl. i. b. ^tut. »««t.
»etlin, ßerf. (IV, 116 S, gr. 8.) S.-
Stoewer, Dr. B. in Scbwetz, Tiirnspiel, Sport, Wanderangen unserer Schul-
jugend. . . . fZtschr. f. d, Gyion.-Weaen. 42 Jg. S. 81-113.]
ZtttftlU. gl., &oetite'i lämmtl. Iqr. dtb'iiiXt; nai^ b. twt^Uglii^Ft. OueQen reo. )(u»g.
S Sie. ßrög. u. m. «nmeftan. befll. D. 5r- Stte<e. »etlin. ^Uminlnd SerL
{XIV, 418; XVin, 494 u. XVI, 662 3 8*.) 4 -
Strtbiig, Otto, die Vtbeilg. der SpaltoffnuDgen bei d. Coniferen. I-D. Kgha.
(Koch.) (76 8. gr. 8.) baar n. 1.20
«hldtoe, iinuphn. O., ©elt^te b. 1. a»agbefaur9if(!&. 3nfünt.=ateflim. 9Jt. 26. 2 Sie.;
m. ^Ibbilbgn. u. ©Fialen. Seri. SQitlltr &. Softit. (V, 388 u. V, 367 S.
2ej. 8.) 18.—
laabe, Dr. theol, Smil, öeit.^Su)). b. ^■cov. aSeflpt., ^tebigten üb. fottfauftnbe
lejle b. crften fflut^« fflofe gel). 2. d6. u. um. Sufl. SBerl. ©ärtnet. {VQI,
384 S. gi. 8.) 6.—
Tftabiier (Nenstadt), Üb. westpr. BnrgwäUe I— III. (Verhdlgn. d. BerL Oea.
t Apthrop., Ethnol. u. ürgesch. Sitzg. v. 17. Nov. S. 502—5*».]
TeitSf Paul J. (ans Dirschau), aber definitive Fixirnng der Btattstelltug
durch die Torsionswirkung der Leitstr&nge. I.-D. Berlin. (32 S. 8. m.
1 Taf. in foL)
X^olMun. Cberi. I£nifl, b. WäijlemlJeTatui b. norbüfll. Qcte SHI^IbS. [44. frogi:.
b. fflt. atealflljmn.] lilfit. (®. 1-67. 4». m. 2 Xaf. entft. Sigur I-VI.)
Xlttl. $fair. £ic., e. Si^ulb geg. @ei!te£[canle. [SRonat^idir. f. inn. äRiffton. San.
1889. ®, 153-156.) (auä b. S». ©embbl. ÄaBbg. 9h. 61.)
Thiele, G. (Kgsbg.), Eec [PhUoeoph. Monatahfte. 34. Bd. 8. 366-367.]
DigtizBabyCoO^IC
ÄttpiwiBische Bibliographie 1888. 699
XUttlmimn. S>., in ^nfterbura. 9tec. mioa. «n^ff. Sb. SO. €■ 83S-336. 88C.
341-43. B27-6.TO.I
Tl»«liler, Dr. Otto, d. Gräberfeld bei Oberhof, Kr. Uemel. Vortrag. [Aub:
„ScbHften d. pbys.-ökon. Ges. zu Kgabfc."] gt. 4. (10 S.) KgabK- (Koch.)
—30. Vgl. Correapondenz-Bl. d. dtsch. Ges. f. Aotlirop., EthnoL a.
Urgesch. 19. Jg. No. 8. S. 118-123. — oatpreuse. Grabhügel. II. Mit
2 Taf. [Adb: „Schriften et«."] Ebd. (32 8.) l.BO. I— H.: 6.50. — jui
Dtä^ift. SiteiQtur. [W&nii. m%tm. >!lg. Seil. (U 9?r. 49. 50.]
[TIts.] Elllnger, Georg (Berlin), einige bemerkgn. zu Job. Feter Titz's dentech.
gedichten. [Ztachr. f. dtacbe. philoL 21. bd. UI. hft b. 309-328.]
Tolklehn, Job., qaaestionnm ad Heroides Ovidianas spectantiam oapita Vti.
Dias, inaog. Leipzig. (Teubner.) (131 S. gr, 8.) 2.80.
Toop, Albr., üb. den heutig. Stand der Bebandlg. komplicirter Schidelfrac-
turen. I.-D. Kgebg. (GrSfe & Vuzer.) (49 S. gr. 8.) baar n. n. 1.50.
Trelchel, A., Bntan. Notizen Till. fSchriften d. Naturf. Ges. zn Danzig. N.
F. Vn. Bd. S. 74-77.] Zoolog. Notizen VI. [Ebd. S. 78-80.] Nach-
trag zum Schnlzenstab, sowie verwandt« Communicationamittel. fVer-
bandlgn. d. Berl anthroii. Ges. S. 160—172.] Burgwall von Scbiwialken,
Kr. Stargardt. (m, 2 Zeichngn.) [ebd. S. 173—176.] üb. wochenbettlose
Laktation bei weiblichen Ziegen, [ebd. S. 257.] westprousB. Bnrgwälle.
(4 Kartenskizzen ) [ebd. 8. 267—263.] Schweden schanze bei Stocks-
mühle. Kr. Marienw. [ebd. S. 290—292 m. 2 Figur.] Bauer u. Wohnung
im Kreise Deutsch-Krone, [ebd. 8. 292—295. m. Zeichnung e, HauBesT]
Pherdekopf u. Storchschnabel in Weatpr. [ebd. 8. 295-297. m. 86
Figur ] Bd. eine Gasichta- n. eine Spitzmiltzen-Ürne von Strzepez.
[ebd. 8. 821—323 m. Zeichngn.] weatpr. Sehloss- u. Burgberge, [ebd.
8. 323-330 m. 7 Kartenskizzen o. 21 zinkogr. Abb.] Mittheilg. tlb.
Lactation heim mftnnl. Goschlechte. (8. 492—493.) Nachtr. zu Schulzen-
zeichen a. verwandte Cnromunikationa mittel. (S. 498—94.) Weetprensa.
Bnrgwälle. (S. 494—602.) üb. Reisig- anch Steinhäufung bei Er-
mordeten od. Selbstmördern, [ebd. S. 6(68—570.]
Treltal, Dr. Th. u, Prof. Dr. P. Baamgarf«n, ein Fall v. einsoit. temporaler
Hemianopsie in Folge von sTphilit. (gummöser) Arteriitia oerebralis.
[Virchow's Ärch. f. pathol. Anat etc. Bd. 111, 8. 251-268.]
Zfi^Hifttl, $roF Dr. $au(. (Snaniid. ^Dlcniit seg. bie t'im. ^ä)t. 2" bcrb. ?luf(.
Wolfia, ¥ect&cä. (XV, 468 S. Rr. 8.) 8.-
unbekannte handschriftl. Fredigten u. Scholien Martin Luthers, aufgefd.
beschrieb, u. untsucht. Berlin. Benther. (IV, 72 S. gr. 8.) 2.— r«. v.
Th. Kolde in Dt. L-Z. No. S9. Ev. Gmdbl. No. 37. Ender» in: Theol.
Ut. Ztg. No. 25. G. Kawerau in: Gölt. gel. Anz. 1889 No. 7.
.ftleinc ffltitrfiflc va «utficte etb€n. (tfewloa. Slub. u. Stil Sg. 1889. 2. $(t.
(1888.) 3. 369-378.]
l]«benreg'8, Frdr., Grandriss der Gesch. d. Fhilos. III. Tbl. Die Neuzeit.
7. Aufl. (VHI, 568 S.) 9.—
Brasch, Dr. Moritz, die Welt- n. Lebensanschaaung Friedr. Überwegs
in sein, gesammelt, philoa.-kri tisch. Äbbdlgn. Nebst e. biogr.-histor.
Einleitg. Leipzig. Engel. 1889(1888). (XLVI, 476 8. gr. 8.) 8.—
TalenUiil, Dr. (AsBistenzarzt in Kgabg.), üb. d. Bild^tätte. dea Oallenfarb-
stoffs beim Kaltblüter. [Arch. t. experiment. Pathol. u. Pharmak. 24.
Bd. S. 412-423.]
BniMWblttngni. bed 11. %rtiu.'S<inblased b. $nit>. Cftpi. t>. 29. gebr. bis 7. SRaiJt
1888. a'gSbg. fflaulenbera. — . . . befl 12. $nH>.=aflnbtao. B. 26. u. 27. ®ept.
1888. Gbb.
beä 11'" «roDiintal-Srniblagea b. ^toD. SBefH«. im 3a^ 188a Stangig.
Safemunn. 4".
14*
DigtizBabyCoOgIC
700 Mittheilnngen nnd ÄnliftDg.
Setl^anklitiigcii bev 5"" ¥rDninjiflt=3i»wbf füt Ofll«. 1887 Bom 12— la Äoo.
ffslSbfl. Cftpr. 3fn= u. SBcrU^^t. iXII, 216 3. gt. 8.1
|$(CjtMiii6 ber in bcn ctFI. 18 ^abr<i(|. b. Ifrnilänb. ^aflaralblalte^ entiiolt. läng.
miiUctn. I^ottotolbl, b, yiiJCEfe'Crmlanb 19. 3fl. 9?t 1. S I3-15.J
Toift, Giov., II risorgimenlo dell' tuitichiti classica, owero il primo secolo
dell' iim&iiismo, Traduziotie itnl. con pref. e note del prof D. Talbusa,
arricbita di aggiunte e correztoni inedite dell' autore. Yol. I. Firenze.
G. C. Sansoni odit. (XU, 604 S. 8,) 10 L.
— — Üb. den Ramismus an d. Univeraität Leipzig. [Ber. üb. d. Yerhdlgn.
d. k. eftcha. Ges. d. W. zu Leipzig. PhiloL-hiat a. I. II. S. 31-61.]
Tolkmann, Paol (aus Thom), üb. d. Produkte der Eiowirknng von Phtalyl-
dichlorür auf Natracetessigester n. Üb.' einige Derivate des Phtoljl-
ftceteasigesters. Leipzig. I.-D. Reudnitz-Leipz. (37 S. 8",)
— — Einfache Ableitg. d. Grean'sfihen Ausdrucks f. das Potential de« Licht-
äthers. [Annalen d Phys. u. Chemie. No. 10. N. F. 35 Bd. S. 354-860.]
SMMbptt, bei beutii^c, f CtV.: c. i^riitl, Aaleiibei; niii b. % 1889 Itm- »- '^n'l't
(£ut:T3 u. $Qtt. 'Jlbrantoii»K. iBcdin. Sd|b. h. iBcvl. otabtniiffion. (64 u. 93
5. a) -60.
bet beuKAf, fiir ffic(tpr.; e. *riiM. iUl. auf b. 3. 1889 ftrsfl. D. li. Uoet* u.
Sttuirionopft. Sübtet. Gbb. iG4 u. 99 3. 8.1 -50.
SpIHhlttibei! \ux b. ilJrouiiwen Oftpr-, !Bcfll)t., ^omm., ^oj ii. 3(^1*(. f. b. 3- 1889.
21. 58- Shom. yambet«. (72 u. 112 3. 8. m. oicl- 4ioljn"(^n.) -75.
»elWWttlfMniift, her ... . ÖWfi. u. Metl. Ö. aKÜUet. 62. ^g. 26 «m. [S. gr. 4.1
»bg. »Oll'* aSerl. 3.—
TosbIos, Prof. Dr. Ad-, Orundriss A. Augenheilkunde. Mit 84 Fig. u. 14 Oe-
sicbtsfeldern im Text u. 1 Durchschnitt d. Auges. Leipzig n. Wien.
Fr. Deuticke. (XIV, 469 S. gr. 8.) 10.—
— — Leitfad. z. Gebrauch d. Augenspiegels f. Studierende n. Arzte. 2. verm.
u. vb. Aufl. Mit 40 Holzschn. Berl 1889(88). Hirschwald. (X, 104 S.
gr. a) 2.^
— — üb. amyloide Degeneraiion d. Conjunctiva. (tn. Taf.) [Beitr. z. patbol<%.
Anat. u. allg. Phyaiol. IV. Bd. 4. Hft.] üb. die Uebertrogbarkeit d.
Lepra auf Kaninchen. ]Ztschr. f. vgl. Augenbeilkde. 6. Bd. 1. Hft.]
Xaad), %Tof. Dr. ?lbolf, 5tui: ücdie uom Alaggrunb. [«eilr. i. t£i[äul. b. btiA. Stc^l«.
4. g. 3. Sa^ra. 3. 1-9.] Sur («efd) b. .fttfiereiinquifition. I3t|Ar. f. b. flefnilt.
eirüJTet^äiu. 9. m. 1. u. 2, ^jt. 1889[88). S. 3l3-2l7.j
»äj«, Dr. O., bie *!lSrose&--l£niiucle bts ^vof. Dr. «n(^. fiaijcl. WoitlDij*^.
(46 3. gr. 8.1 1.-
KBaltR. ¥"!■ Dr. 3. (ffgöbg.) fflec. [3l((f)r. (. %Jl)ilo(. u. pl(il. Jtril. 92. »b. 3. 275
bi« 281. 93. 8b. S. -407-308. 94. »b. 3- 147-152.]
«Beb«. Sbcl^., „bcr Heine ^cler." SJcmeUe. |Ucb. Soiib u. 9Hccr. «0. »h. 9h. 35
bis 38,| „gtiie inline Warna.'- Kuuellclle. |ISbb. Sir. 61.]
Welle, Max (prakt. Anst aus Schlochau), e. Fall v. Saroom des Nervus
radialis. I -D. Erlang. (19 S. 8.)
SSrinllg. ^teb. D., b. @ebüd|lnin b. tgl. :!)iilber(«. Ißrebigt. I^anjig. Üafemann. (11
©. gt. a) n. n. -25.
»dt 06ec=eDnfift.=9J. u. 'ptof. Dr. Seih^., Set)tbud) b. biblift^. J6eol. b. 91. I.
6. 91. «erlin. 4itr&. (Vm, 700 3. «r. ai 11.-
1)03 fieben 3eju. a M. 8b. I. (ibb. (VIH, 539 S. gt. 8.1 Sb. II. (IV.
604 S. gr. 8.) i. 9 - geb. 10.50.
— — krit.-exeget. Handb. üb. den Brief an d. Hebrfter. Göttjng. Vanden-
hoeck u. Ruprecht. (369 S. gr. 8.) [H. A. W. Meyer'a kriL-exeg.
Kommentar üb. d. N. T. 13. Abtb.] 6.40.
krit.-exeg. Hdb. üb. d. 3 Briefe d. Apost. Johanoes. (VI, 211 S.) [Ebd.
14. Äbth.] 3.40.
SSffKCt. Sidbb. Dr. !£., bem Slnbeut. kai\. gticbvic^f. tKebe. (20 ®. gi. a) —40.
DigtizBabyGoOgIC
ÄUpreiißische Bibliographie 1888. 701
Wemich, A., üb. <1. SterbUchkeitsplue in Orosa- und Kleinstädten. (Centralbl.
f. allRem. Gesdhtspfleffe. 7. .Fg. Hft. 11/12.]
Wernlcb, Fritz, Nordostdt Städte u. Landsch. No. 3. Elbing. Danzig. Kafe-
mann. (ß7 S. 8.)
Meifebilb« au* Süb-Stanfreirfi. 2. (lil. Wlufl. üv^. il87ff) 1888. fflmbol^.
.111, 147 ©. a) 150,
Xiin^Mort-Wrifflit. Spanien, ffleifefhibicn. 2. l3:it,-)Äii(l. tiOb. IVI.457S.)4.—
mint »on b« Cfticefilfte. (Wartcnlaiibc 18.1 ^ic tfampaiiiw bei !«om. |Gb&.
45.| »IHller für bic Smuen: &o*jdltoiitn iintti i>. Süb. 1—3. \\\tb. Üanit
II. Vlm. GO. »b. 9(i, 27. 30. 36]
Weiulgke, Christian, Jugend gedieht«. Hrsg. v. Dr. L. Neabaur. [Aus „Altpr.
Monatsschr."] Kgsbg. Beyer. (44 S. gr. 8.) baar n. 1.20. ree. v. •Tut.
Elias (Münch.) in: Anzeiger iur Ztschr. f. dt. Alterih. a. dt. Litt IS.
ä. S. 341—347.
Im, Jul., ChriBtian Weroicke. (1. Buch.) I.-D München. (260S.gr. 8.)
Wejl, Oer.-Refer. Dr. jur-, daa fränkische SUaUikirchenrecht zur Zeit der
Merowinger. Eechtgeschichtl Studie. Breslau. Koebner. (4 Bl. 80 S.
gr. 8.) fUntersiichungen z. dtsch. Staats- u. Rechtsgeach. hrsg. v.
Gierhe. XXVII.] 2.—
»iAtrt, örnft, bet Soljn \tmti ffialcrä. SJodcHe. 2. % »«(. 9llb. Utolbjif)inibl.
(218 2. 12.) 1.—
suam cuiqe. Sioninn, 2 93bc. Spj. iRei&n«. (227 u. 189 6. 8.) 7.-
WnIcoHo m 3>ciilid)lnnb. 'iloxnüe (Tie öeneniuort. 9Jr. 1—5.] 3;nä »rafenRnb.
••:iiowlU. ITculfitie 3iunbi(^au. 14. ^ntirg. 3»li 5. 1-30. 9(113. ©■ 1GI-188.|
Wlebe, Med.-R. Dr. (Danzigl, Beitrag z. Beurtheilg. d. Werthes der animal.
Lymphe. [Berl, klin. Wochenachr. No. 12.]
Wien, Max (aus Kgsbg, i, Pr.), üb. die MeBSiing der Tonstärke. I.-D. Berlin.
{72 S. 8.)
»il^tltn I.. Äoiier, it. b. ;^teiinnurctei. ^IclenmoB. J-optenfl. f. bautet u. 9ii(f|t^
mautcr tion 5. VI- ftöniüüb, ^arturtfl. 116 S. flr. 8.| —50.
ttlKnn. ort. Üeftr., l^üiiiel (Joöimt ü, Soöf'if'etn ali Isrnmatilcr, (^wgr.^SBcHngc.)
Jtvfdiau. i3l S. 4.)
ITInhelmKun, dott. Ed., storia degli Angln-Sassoni. Prima vereione ital. di
A. Courth, con illustr. Milano. Vallardi. (247 S. 8.)
Zur Einführung der Todesstrafe für Ketzerei. [Mittlilgn. d. Inslit, f.
österr. Geschi'^htsf. IX. Bd. S. 136-138.]
WUtmlanos, Hans, Gregor VII u. Heinr. IV. Kritische Beleuchtg. der Schrift
Heinr. IV. u. Gregor VII. von Dr. Wilh. Martens. Danzig. Dr. B.
Lehmannsche Bchh. (63 S. 8.) 1.—
»Itt, ^toj. Cberlclirer n. 5". (J, bie tflpf«"' 3< &"*""(«"*' ^ «■ -SiieiiSiicf^ "uö b,
«llcrtt). Sür finnbcn ttmit Stultfl. «ang. |V, 133 S. R m. ^Iliiflr. 2.50;
geb. 3 —
bet Itojanif^e Jtritg u. b. §einifeS( b. Cbiifieiie . . . 2. !(. (Sbb. (IV, 298 S.
12.) cort. 2.50.
WlttiiTf Alb., itb. e. Fall t. Hepatom phalos s. Hernia ümiculi umbilicalis.
I.-D. Kbg. (Gräfe A ünzer.) (30 S. gr. 8. m. 2 Taf) baar n. n. 2.-
aSo^iinn(|«liflt ber CfFijiere u. Kumten btt tHorai(on 3)onjig. Sliieg. II. Slonjig.
fto[eniatm. (19 ®. gt. 8.) bnnr —25.
Wolfhelm, Paul, e. weiterer Beitr zur Phagocytenlehre. (Arbeiten a. d.
pathol. Instit. z. Kgsb) [BeiträKe z. pathol, Anat. u. bMb. PhyaioL
3. Bd. 4. Hft.]
fUmtlttmixttl 2aj\bx\dn. Dr. Inu« ftg.^b.'), 9lD(ft t. $3art ju bev ^xant: Jtonn c.
SHcdlWomu., TOdd)cr in bem bur^ S 1^ Sl.;¥=0. gtorbn. Sctioöien ;^uln
«tbribigcc bcittUt ob. gciimt)[l ift, bie (_Ucbitl|i noA g 67 Otcb.^O fiir 9fed)ie^
anmalte fiir Stf)eibigg. hn Soroerfa^ven beanfvnirfien? |^r(f)tb f. Sirafred)!.
35. Sb. 3- 245—255.] 3inb in § 137 iStrafgefe^biu^e unt. „Sa^en" aiu^
DigtizBabyCoOgIC
702 Mittheilungen und Anliaiig.
3otbenin(|tn ^u Bftet? [ebb. 36. »b. ®. 1-21.1 &b. b. SoUjitög. «. flrteftrt
not etfolfll. Suflenn. beö ^lircitbefeWä nm^ S 809 «bj. 3 ß.=¥.=C. lÖSef. ».
30. 9lpr. 1P86.) |«eitr. j. Crläuicrg, b. btjd). «tfitS, 4. 5- 2. 3n. S. 769-813.]
3o6«I, tSug., getrennte ^erjen. 9(oueUc. »erl. (»cbt. 'Bätet. (258 © 8.1 5.—
®t. ^«i'cebutg 1. 2. [Beftcmwinns iUuilr. btjdie. SBonntabfte. 32. Sn^rj;.
3^ec. 1887. >n. 1888 | lurflenjeiu. Em ?lbcnb in Sorretil beaib. u. G. ^obeL
[Morb n, 6iib 3nn. 1888.1
Zander, Dr. R., Referat üb. allg Änntomie, fJahreeberichte üb. d. Fortschr.
d. Anat. u. Pbyaiol. 16. Bd. Lit. 1887. 1. Abtb. S. 1— 77.| System.
Auat. Mervensyst. [ebd. 8. 274— 363, | Untsuchgn. üb. d. Verhomnngs-
process. 2. Mittb. Der Bau d. menecbl. Epidermis, (m. Taf. Y.) [Archiv
f. Anat. o. Physiol. 1888. 1. Hft. 8. 61-96.)
Stltfftrtft 6. «lterrum*ge(. ^niletöutg. ^fl. 1. ginFtetbg. 9iobeii)ig"e »4&. (128 S.
flt. 8.) 6[i. 2. (211 e.i
3eitfd)ctft f. b. (.4ef(!^. u. «fttbisßje. Qnnlaiib« . . . firi^g. u. $rtif. Dr. »niktr. 9.
»b. 2. oft. atoiuiSb. ©uiie. (5- 273-458.)
b. bift. ajewin« f, b. SBeg-^Se^. *Korieniperbei:. 22. Sift. aKorienro. (80, XII S. 8.)
des wostpr. Qeacbichtsvereins. Hft. 1». Danzig. Bertling.) Xu. 8.223
bia 597 gr. 8. m. 1 Steintaf. u. 1 Kart«.) baar n. u. 8.- Hft. 23.
(261 S.) n. n. 2.50. Hft.. 24. (IX, 73 8.) baar n. n. 1.60.
adtung, flflslifl. Ianb= n. fotitiDirlfiid)., f. b, noTböfil. 2tWb .&rSai Öcn.-Setr. ».
Hvctfp. 24. 39. figsb. ScM« in Öomin. Siertelj. boot n. n. 8,—
ZIeni) Dr. (Danzi;;), zur Genese der Oeaicbtarose. [Dt. med. Wochenechrift.
14. Jg. No. :9.1 üb. Einscbränkg. d. OeRichtsfeldes bei Erkr&nkg. d.
Nase n. ihr. Nebenhöhlen. | Berlin, klin, Wochenschrift. 25. Jg. No. 37.]
Zimmer, Prof. Post. Lie. Dr. Friedr., Sammig. v. Kirchen -Oratorien u.
KircbeD-Cantat«n f. Chor- u. Einzelstimro. ro. Orgelbegleitang unt.
Oemeinde-Uitwirbg., eingeleit. u, hrsg Klavierausziig. 1—5. Bd. Tjpz.
Breitkopf A Härtel. 4*. 16.-; Chorstimm. k —30.
Stivdicnditttbu^ f. Änabens [^"««1- "b. WÜnncr ] (ttiot; e. Sanimlfl u. liturg.
Uborgeläng. f. b. danjc Hirdjcniabi junKc^jt ). ttottc^bienfll. titebtaudi- 1- &t--
en(b. 2=ftiinmliie, ineiit boniopbpnc Säpt, Cmeblinbg. Siemeg. (61 S. 8.1 —SO.
■ BÜdöctfleinobe eBanflel lieber Ibcologen SRittöetliingen bcinnntercv eiKinfl.
^bcolog. bet Wgro. üb. »ttdi., bit ibncn f. «mt ii. Scb. ». bcfonb. «erte geipf.
(b., jfgeft. u. aU Sinreitg. in b. „Siblioth- ttteoi. Älaüit«" brog. (XVI, 270
S- 8.) |»ibliot&- t&eor. .fllalfifei: ... 1, Sb. Woiba. ^tttbc«! 2.40.
(Sin »Itrf in b. (SnlwidlflSgeidi- b« Smta. [X^tel. Slub. u. .-ftrit. gafirg. 1889,
2. ^it. (1888.) ©. 831—355.1 Zur Textkritik dee a»» Thessalonicher-
briefes. [Ztschr. f. ■wie.sensch. Theol. M. Jg. .8. 322-S42.]
äiinmtt, 3)cg. liiu 'Siipcmumcr. <^cd.. Sic lub. ftäbt. 'Äinler DeriDallet? . ■ . üobaa
Sefipr. «frjeae(. (III, 27 8. 8,1 bnar —30.
Zlpp«l, G-, Zu Diodoroa. (XXXIV 36.) INeue jahrbb. f. class. philol. bd. 137.
a 613-616.1 Rec. [Wochenschr. f. klass Pliilol. 23. 27.]
^tn, ^rof. Dr. $bil'> ^rüi^ i>- bunmnifl. (»qnmai. 3)tbe. fdtvl u. 2^^. (Snttentag.
(34 3. gt. ai -60.
bnS ftarte«: in, belunb. md\. aut ftfl«6g. Mebe. Sbg. Sliltni berge r'S «4b.
(24 S- gr. 8.1 - 50.
ifiec. ID. L -Z. 13. 37. 43. 48.]
3"» pöbogog. .Icitiing' ■ ob Weligion? ob ffliorol? 1. »eiltog uon e.Seleranen. ^g^bg.
^orlung. (65 w. gt. 8.1 -60.
Zwlnk, Geom. E., Karte von Danzig u. Umgebung. 1 : 50000. Lith. Fol.
Magdebnrg. Liebacber. 1,60. auf Lainw. 2.20.
,dbyG00gIe
703
Notizen.
Von befreundeter Seit« geht uns die Mittheiluug zu, dall der ?on
Prof. Paul Tschackert in Bd. XXVI, Heft 6/6, S. 614 f. der AJtpr. Mon.
auszaglich mitgetheilte Brief des Pfarrers Abel Will in Pobethen an
Jobftnu Funk vom 26. Jtjli 1^4 bereit« vollständig abgedruckt ist in den
N. Pr. Prov.-Bl. and. F., Bd. VII, 1855, S. 396-897 unter dem Titel: „Notiz
znr Qescbichte der Ueberset^nog des Lutherischen Katechismus in das
PreuBische." Mitgetheilt von A. 2t[(eckelbarg).
Die von dem Sekretär des Instituts für geschichtliche Forschungen
in Koni, Prof. Schottmüller, über die im Vatikan befindlichen historischen
Schätze gemachten Mittheilungen haben auch, wie die „Magdeb. Ztg." nüt-
theilt, die westpreuQische Provinzial-Kommission zur Verwaltung
der westprenSi sehen Museen, au deren Spitze der Ober-Bürgermeister
V. Winter st«ht, veranlaBt, einen Gelehrten nach Rom zu senden, um im
vatikanischen Archiv Studien für die Geschichte des deutschen
Ordens und WestpretiBens zu machen. Die Kommission hat flir diese
Stellung den Oberlehrer Dr. Damns erwählt.
[Dtöch. ßeichs-Anz. 1889. 17. Oct No. 248. (1. Beü.)
Ein Eongress polnischer Oeschielitsforseher fflr 1890.
Ein glücklicher Gedanke war es, der vor fast zehn Jahren die pol-
nischen Historiker bewog, einen sogenaiint«n nDIugosz-KongreQ" in Krakan
abzuhalten. In Folge der auf ihm stattgehabten Berathnngen und Be-
schlüsse wurden die Arbeiten auf dem Gebiete der polnischen Geschichts-
forschung planvoll organisirt, und das seither durchgeführte Programm der
strengsten Wissenschaftlich keit und bedingungslosen Wahrheit hat der
Wissenschaft bereits ungemeinen Nutzen gebracht. Im Verlaufe der Zeit
sind nun in Folge des bedentendeu Fortachritts der Arbeiten neue Fragen
auf-, neue Bedingungen eingetreten, die es nöthig erscheinen lassen, das
damals aufgestellte Programm zu vervoUstän iigen und zu erweitem ; und
so hat die historische Gesellschaft zu Lemberg unter Vorsitz der Herren
Dr. Xawer Liske und Dr. Oswald Balzer beschlossen, für den Juli 1890
einen neuen Kongreß polnischer Historiker nach Lemberg einzuberufen,
dessen Berathungsgegen stand die historischen Wissenschaften in der
breitesten Bedeutung des Wortes bilden werden. Die Verhandlungen dieses
Kongressea versprechen mithin sehr wichtige zu werden, und wir wünschen
diesem unternehmen, wie jedem andern, welches die Wissenschaft zu
fördern bestimmt und bemUht ist, glückliches Zustandekommen und gröfit-
mögliche folgenreiche Theilnahme. Felix faustnmqne eit, —
,dbyGoogIe
704 Mittheilungen and Anhang.
FBr Tb«>IoKflD, Historiker, Blbllotbekeii. Soeben ist erechienen und
durch alle Buchhandlungen zu beziehen: Stammtafel der Familie
Oaiander. E^n genealogischer Vtirsuch von Dr. E. Lehmann, erstem
Pfarrer za Labiau in Ostpreußen. Königsberg in Pr., Verlag von H. Hmt-
mann, Buch und Steindruck erei. Preis broch. 2,50 Mk.
Der bekannte Eöuigabei^r Professor Andreas Osiander ist der
Stammvater eines Überaus zahlreichen und anagebreiteten Geschlechte, das
im Lanfe der Jahrhunderte nicht nur eine Eeihe hervorragender Persönlich-
keiten, sondern auch allein 68 Theologen aufweist, wobei die sehr vielen
angeheiratheten Theologen nicht mitgezählt sind. Die Familie Osiaodar
stellt sieb daher als eine der größteo, wenn nitbt als das größte evan-
gelische Theologen geschlecht in Deatscbland dar, dem sich kaum eine
andere Theologenfamilie an die Seite stellen könnte. So weist z. B. eine
directe Linie bis auf den heutigen Tag durch 11 G«nerationea nur
Theologen auf und eine andere Linie thnt das Gleiche mit Ausnahme nur
eines einzigen Uittelgliedes.
Das angezeigte Schriftchen bringt die gesammte Descendenz Osiandera
his heute, soweit ihre Ermittelung möglich war. Alle iigund wichtigen
Uitglieder der Familie sind eingehender besprochen nnd ihre Lebensver-
hältnisse, ihre Schritten, ihr Charakter und ihre Bedeutung gewQrdigt.
Zur leichteren OrieDtirung nnd zur Gewinnung eines klaren üeberblicks
will die zum Schluß beigefügte Zeichnung in Farbendruck dienen, wobei
die verschiedenen Farben die verschiedenen Linien bezeichnen. Dieselbe
weicht in der Form von der gewöhnlichen Weise der Stammb^me ab, in-
dem sie in conceutriscben Kreisen die absteigende Nachkommenschaft
Oslanders (wobei der Stammvater den Mittelpunkt bildet), die einzelnen
Kreise aber die gleichgradigen Generationen und VerwandBchaftAn vor-
föhren. — Außerdem bringt das Titelblatt in Farbendruck das 1691 der
Familie Osiander verliehene Wappen.
August Neumann*s Verlag, Fr. Lukas in Leipzig.
lu allen Buchhandlungen ist zu haben:
Diclterstiuen ans Baltisclien Landen.
Herausgegeben von
Eugen Richter.
Geheftet 2 Mk. 20 Pf., eleg. geb. mit Goldschn. 8 Hk.
zeabyCoOgle
Autoren-Register.
Arnoldt, Dr. Emi), in Kdni^berg. Zur Benrtheilung von Kant'a Kritik der
reinen Yernunft und Kant'a Prolegomena. &9— 147. 886—460.
Bsckberrn, Carl, Major a. D in Königsberg. Nachtrag zu dem Au&atze
„Ueber die Danzker ete." (Altpr. Mon. XXV, Hft. 3/4.) 161—166.
Bolt«» Dr. Johannes, OvninaEial Lehrer in Berlin. Noch einmal das Lied auf
die Danziger Fehde von 1676 168—160.
Frextay, Hermann, Btad. theol. (Dunzig.) Die Oeschichte der Jesuiten-
miasion in Danzig. 521 — B70.
ßrabe, Oberatlieutenant z. D in Königsberg. Scharnhorst in der Schlacht
bei Pr Eylau 180—187.
Klewntns, Dr. Hans (Königsberg). Herzog Albrechta von PreuBen und
Markgraf Johanns von Brandenburg Antheil am Furstenband gegen
Karl V. fiI3-666.
Kiaaket Emil, Realgvmnasiallehrer in Tilsit. Forschungen zum Leben des
Max V. Schonkendorf. 340—349.
Braose, Dr. Oottlieb, Gymnasial -Oberlehrer in Königsberg. Das Laudwehr-
kroiiz auf dem Kinauer Berge bei Galtgarben 683—612.
KmmbholtK, Dr. Kobert, z. Z. in Punitz (Prov. Posen.) Samait«n und der
Deuteche Orden bin znm Frieden am Melno-See. 193-268. 461-484.
liohmefer, Dr. Karl, Univerailäts- Professor in Königsberg. Probe aus
Kaspar von Nostitz Haoshaltungabuch d«s Fürstenthams Preussen.
571-582-
Kmbanr, Dr. L., Kealgymnasial-Oberlehrer und Stsdtbibliothekar in Elbing.
Hymnologische Miscellen 296—309.
Nenbins, Paul, in Königsberg. Das preuQische Eisenbahnnetz im Osten der
Weichsel. Ein Beitrag zur Verkehregeschichte nnd Statistik der deut-
schen Nordostmark 1—68.
Puuer, Dr. Conrad, Archivar am Oeh. Staatsarchiv in Königsberg. Die
Verbindung des frischen Hafis mit der Ostsee in geschichtlicher Zeit.
Mit einem Escui-s Über Witland. . . . 259—295.
Perlbacb, Dr. Maz, Bibliothekar in Halle. Kecension 167—169.
Beicke, Dr. Kudolf, Bibliothekar in Königsberg. Drei Briefe Schopenhauers
an Karl EUisenkranz, betreffend die Gesommtansgahe von Eant's
Werken. ..... 310-8S1.
Die Kant-Bibliographie des Jahres 1888. 672—683.
8embnrckl, Johannes, Apotheker in Königsberg. Sitten nnd Gebr&nche in
Padrojen vor vierzig Jahren 491—601.
Die Marienburg unter polnischer Herrschaft. 667—667.
Naehtrilgliche Bemerkungen zu dem Aufsätze „Die Lycker Erzpriest«r
Johannes nnd Hieronymua Maletiua." (Altpr. Mon. aXV, 629—661.)
668-671.
C. O. Mielcke'a verschollenes litauisches Qesangbach 366— S69.
DigtizBabyCoOgle
706 Sach-Register.
Bewnsionen. . '. 170—172. 512—513.
Trelchel, A., Rittergutabesitzer auf Hocli-Paleschken, Vipera beros D&nd.
Eioe ethnologi seh -faun ist i sehe Skizze. . . . 148 — 157.
Vom Birnien in Westpreuflen. . . 332-3:t9.
PrnvinziellB Kegelrufe. . . , 502-507.
— — Vom Binden und Hansen 'Nachtrag.) , . . 508—511.
Tschackert, Dr. Paal, Universität«- Professor in Königsberg. Berichtignng
zu Band XXTV (1887) 8. laS u. 184 über den Veit-Dietrich-Brief vom
17. Juli 1530 370-371.
— — Zur Entstehungsgeschichte des altpreußischen Eatecbismus von Abel
Will. . . 514-515. 7Ö3.
Waffner, Dr Paul, Archivar am Geh. Staatsarchiv in Coblenz. Urkundliche
Nachrichten von der Kreuzfahrt rheinischer Herren nach PreuAen
1321/22 485-490.
Sach-Registör.
Albrecbt — Herzog Ä— s v. Preullen Autheil am Fürstenbund gegea
Karl V 613-656.
AltorthnnsgeBellBchaft Prussia 1888/89. 172-189. 350-366.
AltpreiBsIsch — Ä- Bibliographie 1888. 189-192. 373-384. 516-520.
684—702. — Zar Entstehungsgeschiclitö des a— en Katechismus vob
Abel Will. 514-515. 703.
Btmerkniigeti — nachträgliche B. zu dem Aufsatz „die Lycker Erzpriester
Johannes und Hieronymus Maletius." 668-671.
Berg — das Landwehrkreue auf dem Binauer B-e. 583-612.
Berichtjgnng zu Band XXIV (1887) S. 188 und 184 (über den Veit-Dietrich-
Brief vom 17. JuH 1530. 370-371.
BIbUographle - Altpreußische B 189-192. 373-384. 516-520. 684-702.
Die Kant-B. des Jahres 1888. 672-683.
Binden — Vom B. in Westpreußen 332-339. 508-511.
BraKdenbnrg — Markgraf Johanns von B. Antheil am Ffirstenbund gegen
Karl V. 613-656.
BrauBberg — Lyceum Hosianum in B. 189. 516.
Brief — über den Veit- Dietrich -B. vom 17. Juli 1530. 370-371. Drei B-e
Schopenhauers an Karl Rosenkranz betreffend die Oesammtaasgabe
von Kants Werken. 310-331.
Chronik — Universitäts-C. 188-189. .^72— 373. 515—516. 684.
Danstg — Die Geschichte der Jesuitenmission in D. 521—570. Noch einmal
das Lied auf die D-er Fehde von 1576. 168-160.
Bauker — Nachtrag zn dem Aufsätze „Ueber die D." (AltprenB. Uonats-
schrift XXV, Heft 3/4.) 161-166.
Bentscborden — Saraaiten und der D. bis zum Frieden am Melno-See. 193
bis 258. 461-484.
Bietrich - Ueher den Veit D.-Brief vom 17. Juli 1530. 370—371.
Elsenbatannetz — Das preußische E. im Osten der Weichsel Ein Beitrag
zur Verkehrsge^ichichte und Statistik der deutschen Nordostmark. 1^56.
Bjla« — Schamhorst in der Schlacht bei Pr. E. (Mit 2 antogr. Karten.)
180—187.
Fehde — Noch einmal das Lied anf die Danziger F. von 1576. 158-160.
D,gt,zBabyC00<^IC
Sach-BegiHter, 707
Franckeiber^s Lied: „Christi Tod ist Adams Leben. 296— 3(@.
Friede — Samaiten and der Deutsche Orden bis zun F. am Melno-See.
193-258. 461-484. '
Frische — Die Verbindung dee f— n Haffe mit der Ostsee in geschichtlicher
Zeit. 259-295,
FIrstenbnnd — Herzog Albrechts von Preussen und Markfp-af Johanns von
Brandenbnrg Antheil am F. gegen Karl V. (1547-50.) 613-656.
fiallgariten — Das Land'vcehrkreuz auf dem Rinauer Berge bei G. 583—612.
GebrSnche — Sitten und &. in Padrojen vor vierzig Janreu. 491— 501.
Öesangboch — G. 0. Mielcke's Terscbollenes litaniacheB O. 366—869.
HBnsen — Vom Binden und H. 606-511.
Hair — Die Verbindung dee frischen H — s mit der Ostsee in geechichtlicber
Zeit. (Mit einer Karte.) 259-295.
HaiiBliaUnngsbiich — Probe aus Kaspars v. Nostitz H. dee Fürstentbnms
Preußen. 671-582.
HosiaiiiiiB — Lyceum H, in Braunsherg. 189. 516.
Hymnologlsche Miscellen 296-309.
JegBltonmlssion in Danzig. 521—670.
Johano — Herzog Albrecbts von Preussen und Markgraf J—a von Branden-
burg Antheil am Fürstenbund gegen Karl V. (1647—1660.) 613-666.
Kant — Die K. -Bibliographie des Jahres 1688. 672-6^ — Zur
Beurtheilung von K— s Kritik der reinen Vernunft, und K— s Prole-
gomena. Dl. IV. 59—147. 385—460. — Drei Briefe Schopenhauers
an Karl Rosenkranz betreffend die Oesammtausgabe von K — s Werken.
310-331.
Hart — Herzog Albrechte von Preußen und Markgraf Johanna von Bran-
denburg Antheii am Fürstenbund gegen K. V. 613-656.
KatechtmnnB — Zar Entstehungsgeschichte des altpreoGischen K. von Abel
Will. 514-615. 703.
Kegelrnfe - Provinzielle K. 602-507.
Königsberg — Alterthumegeeellschaft Prusaia. 172-189. 350—866. — Uni-
vereitäts-Chronik. 188-189. 372-373. 515-616. 684
KoDgresB polnischer Geschichtsforscher fär 1890. 7(B.
Erenzfabri — Urkundliche Nachrichten von der K. rheinischer Herren nach
Preußen 1321,22. 485—490.
Landirehrkreni — Das L. aul dem Rinauer Berge bei Galtgarhen. 583—612.
Iled — Noch einmal das L auf die Danziger Fehde von 1676. 168—160.
Lttanisch — C. G. Mielcke's verschollenea 1. Gesangbuch. 366—369.
Ljrcenn Hosiannm in Brannsberg. 189. 516.
Lyck — L-er Druclte des Maletina. 668—670.
Saletins — Nachträgliche Bemerkungen zu dem Aufsätze „Die Lycker Erz-
priester Johannes und Hieronymne M." 668—671.
Marlenbni^ unter polnischer Herrschaft. 667-667.
Melno — Samaiten und der Deutsche Orden bis zum Frieden am M.-See.
193-258. 461-484.
Mlelcke'B verschollenes litauisches Gesangbuch. 366—369.
HUcellen — hymnologische M. 296—309.
Nachrlcbton — Urkundliche N. von der Kreuzfahrt rheinischer Herren nach
Preußen 1321/22. 485-490.
NosUta — Probe aus Kaspars von N. Haushaltungsbnch des FUist^nthuma
Prenßea 671-582.
NoUiM. 703-704.
Orden — Samaiten und der Deutsche 0. bis zum Frieden am Melno-See."
193- 26a 461-484.
Oslander — Notiz über E. Lehmann's Stammtafel der Familie O. 704.
DigtizBabyCoOgIC
706 Sach-ß«guter.
OltiM — Di« Terbiodiing des frischen Hsffi mit der O. in geeehiditlidker
Zeit. (Kit einer Karte.) 259-295.
Ps4r«JeB — Hitten und Gebräuche in P. vor Tiemg Jabreo. 491—501.
PolKtfdi — Die Marienbarf; nnter p— er Herrschaft. ©7-667, Ein Kon-
grea» p-er Gmrhir.htefonr.heT für 1890. 703.
FreMWB — Herzog Albrechts von P. ÄDtheit am Fiint«nband g^en Karl V.
613—656. — Probe aus Kaspars v. Nostitz Hanabaltmiesbncli de«
Füretenthnms P. 571— 5H2. — Urknndliche Sachrichten von dar Kieaa-
fahrt rheinischer Herren nach P. 1321/22. 485—490.
Pr. Bjlaa — Scbomhorat in der Schlacht bei P. (}£t 2 antogr. Kartoi.)
180-187.
PmHtocIi — Das p— e Eisenbahnnetz im Oiit«n der WeichaeL 1—58.
PraTlulell« Kegelmfe. 502—507.
PriHta - AlterthnmsKesellachaft P. 172-189. 350-365.
B«C«D>l0Ben - HanaereceBae. 2. Abth. Bd. V. 3. Abth. Bd. HI.
167—169. — Skowronnek, Polka Maria. Masurisc he Dorfgeschichten.
170. — Stankiewicz, Studva bibliograficzne nad literatnra litewsk^
&12-51S. - Wisla. 170-172.
Bkelnlscb — Urkandlicbe NachrichteD von der Kreuzfahrt r— er Herron
nach Preußen 1321/22. 485-490.
RInM - DasLaDdwuhrkreuzaufdemR-erBerpebeiGallgarben. 583—612.
BoienkrftBE — Drei Briefe Rchopenhaners an Karl R, betreffend die Ge-
sammtAtiSKabe von Kants Werken. 310—331.
Samalten und der Deutsche Orden bis zum Frieden am Melno-See. (Mit
einer Karte.) 193 258. 461-484.
Rcharnhorst in der Schlacht bei Pr. Eylaa. (Mit 2 autogr. Karten.) 180—187.
Schenkeadorf — Forschungen zum lieben des Max v. Seh, 340—349.
8chO|Wnh«ner — Drei Briefe l^ch. an Karl Rosenkranz betreibend die Qe-
samnitauBgabe von Kants Werken. 310—331.
8itt«B und Gehräiicbe in Pwlrojen vor vierzig Jahren. 491-501.
Thilo - Zur AutofBohaft der Liedt-r Valentin T-b d. j. 305-309.
ÜBiT*nil(«l(-Chroiilk. 188-18ii. 372-373 515-516
Terblnding de> frischen HaH's mit der Ostsee in geschichtlicher Zeit.
269-295.
TIperR beruB Daud. £ine ethnologiscb-faunistische Skizze. 14'J— 157.
WMtpreBMen - Vom Binden in W. 332-339. 508-611.
Will — Zur Entstehungsgeschichte des altpreußiscben Katechismus von
Abel W. 514-515. 703.
WlUftBd - Excurs über W. 287-290.
Druck voD B. Lci
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32101 064993635
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