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‚2405 d._2o
3
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Altpreußifche
Menatsſchrift
Spiegelung des provinziellen Lebens
in
Literatur, Kunfl, Viſenſchoſt und Induflrie
herausgegeben
von
Rudolf Neide um Eruſt Wichert.
EI
Dritter Band. (ea LER)"
— SIT, Br
Mit Beiträgen ö Sesıch®
von
W. Yergan, I. 9. Prohmenn, €. Yarsw jun., $. Friebländer, Friiſche,
9. Senthe, A ie, E. Say, €. Hopf, 8. Inlamic, S. Area,
€. Sohmerer, W. Slannherdt, 3. Mlöler, ©. 9. S. Wefelmenn, P. Oplert,
E.Oplert, H.Yıno, Weihe, A. Wogge, A Deren, $.W. Bhubert,
€. Ateteahagen, SU. Cüpyen, ©. Werther, €. Wider, P. u, Windler,
©. Woyſch, Walk, S. Dander und Ungenanxten.
[Mit einer autograppirten Karte.)
— — m —e ñJ—
Bönigsberg in Pr. 1866.
Verlag und Drud von Albert Rosbad,
Den Gommiffions-Debit außerhalb der Provinz Preußen beforgt die
3. €. Zinriche ſche Zuchandiuug in Feiyzig.
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Bnhalts-DVerzeihniß.
1. Abhandlungen.
Ueber das Leben der Spinnen. Gin Vortrag, gehalten auf dem Königl. Schloſſe von
Oberlehrer Dr. €. Ohlert. S.1-%0.
Ueber Entwaſſerung u. Reinigung großer Städte. Vortrag, gehalten in der Königl.
phyſitaliſch· dtonomiſchen Gefelipaft von Pr. 3. Möller. S.21-48.
Die Beiveguung des altpreuß. Handels im Jahre 1864. Bon Ernft Widert. ©. 49-56,
Ds alte Preubiſche Trintredt. Bon S—n. 6.5659.
Eligen aus Alt:Preußen. IT. Das friſche Haff. Bon Bernhard Ohlert. &. 97-122.
Die Zahlen-Berhältniße der ländlichen zur ſtädtiſchen Bevbllerung nad) den Iepten Volks
hlungen des preußiſchen Staates. Bortrag in ber Deutſchen Geſellſchaft gehalten
von F. W. Schubert. ©.123—141.
Zur Rettung Schiffbrüciger. Rede, gehalten bei Gelegenheit der Gründung des Ber:
eins zur Rettung Shiffbrüdiger in Königsberg von Dr. Burow jun, S. 142—156.
Die Schaufpiellunft bis auf Leſſing. Bon Dr, E. Gervais. &.193—2%8.
Aus Altpreußens Rechtsgeichichie· (Dal. I, 604.) III. Der Krlmer Oberhof. IV. Lu
bilde Rechtsweiſungen. Bon Dr. Emil Steffenhagen. 6.229—250.
Aufilieben am Hofe Friedrich bes Großen. Ein Vortrag, gehalten auf dem Konigl
Säloffe von A. Saran. &.251—272,
Uber den Norb:Oftfee-Canal u. die verſchiedenen dazu in Vorſchlag gebrachten Linien.
Bortrag, gehalten im Kaufmännifhen Verein von Conful 3.5. Brodmann. (Mit
einer autographirten Karte.) 6.289801.
Vie Einrichtung der Elementarſchulen im Ortelöburger Hauptamte unter der Regierung
König Friedrich Wilhelm I. Bon Dr. M. Töppen. 6.302811.
Ueber Kant’3 Kosmogonie. Bortrag, gehalten den 22. April 1866 in der Kant-Gefell:
{haft von Dr. E. Hay. 6.312—322.
Sagen aus dem Kreife Karthaus. Bon Wilhelm Mannhardt. 6.323—388.
Ueber den heutigen Stand der Forfhung auf dem Gebiete unferer Provinzialgeſchichte.
Habilitationd-Borlelung von Privatdocent Dr. Carl Lohmeyer. S. 34—347.
Merglauben aus Mafuren. Mitgetheilt von Dr. M. Zöppen. (Cinleitung. Ein Blid
anf das kirchliche Leben der Mafuren. I. Die dämoniſchen Mächte) ©.385—414.
"Ir, Die Zauberei u. die Berfegnungen.) 6.481503. (II. Das Wahrfagen u.
der Kalender.) 6.577—596. (IV. Aberglauben, welder ſich an verſchiedene Sebende
verhältnifie Inapft.) &.673—708.
*
WV
Wepreublie Stubien. Bon B. von Bindler. €.415—440.
Uber Kant’3 Doctor:Differtation de igne vom 17. April 1755. Xifrede an Zus
Seburtötag den 22. April 1865 in der Kant · Geſellſchaft gehalten von Prof.
Guſt. Werther. 6.441447.
3 ©. Schult in Danzig. Bon R. Bergau. S. 448-458.
Grinnerungen vom La Plata. (Radıtrag zu feinem Werke: „Mittheilungen über das
fociale u. kirchliche Leben in der Republit Uruguay.) Bon Dr. Otto Woyſch.
6.504544. J
BP. Kaers Profpect der Stadt Danzig. Bon R. Bergau. S. b46-6b40.
Die Basohrapke ben Danzer Bisperwelßens Gone Srplan Bon Dr. yand Prub⸗
597-639,
Die Thelung der Diöcefe Ermeland zwiſchen dem Deutſchen Orden und dem. ermiänbt
{hen Biihofe. Bon Dr. M. Töppen. ©. 630-648.
Daniel Haafe. Gin preußiicher Geiſtlichet am Ausgange des fiebzehnten Jahrhunderts
und feine Zeit. Bon Pfarrer Adolf Rogge in’Hohenfürft. &. 709-739.
Supplemente zu dem gebrudten Kataloge der Koaigsberger Redtspanbkhriften. Lem
Dr. Emil Steffenhagen. 6.780738,
IL Rritiken und Referate.
Boebnke, Serm., Gedichte. Berlin, 1865. Von O 6.68—70.
De Aristarchi studiis Homericis. Seripsit K. Lehrs. Edit. reoogn. et epimetris
aueta. Lipsise, 1865. Bon 2. Friedländer. ©. 156. 157.
Jul. Salekopp, Acht apologetifche Vorträge über bie Perfon Chrifi. Maäbg., 1806,
Bon C. &.157—166.
de Bruenneck, De auctoritatis, qua Prussiae ordines sub Ordinis Teutonici Imperie
utebantur, initio et inoremento, Diss, inaug. Bonnae, 1865. Bon 8—n. &, 166,
5. 8. Jacobſon. Das Evangel. Kirchentecht des Preukilhen Gtantes und feiner hro·
vinzgen. 2%. Abth. Halle, 1866. Bon 8—n. 6.348,
Dtto Slagau. 1) Spaziergänge durch Lauenburg und Lübel. Berlin, 1866. 2) Fre,
Reuter und feine Dichtungen. Ebd, 1866. Von O 6.848857.
Dr. Prien Luftipiel in 3 Akten. Bromberg, 1865. Ben O
37-859.
Shrikian Donaleitis ſitauiſche Dichtungen. 1. vollftänbige Ausgabe mit Glofiar vom
Aug. Schleier. Gt. Peteräburg, 1865. Bon G. 6. F. Reſſelmann. 6.454458.
Ger Coltowößt, Zur Schre von der Novation nad Römildiem Recht. Leipzig, 1866.
Bon —h— 6.739741.
beopbil. Hosanna dem Sohne Davids? Bon ) S. 741-742.
I. Gusterboek, De jure maritimo quod in Prussia saecnlo XVI. et ortum ost et im
usu fgit. Regim. 1866.
IL. Jura Prutenorum saeculo XIV condita nunc primum e Hbris mise, edidit Paal,
Labend. Ibid, 1866. Bon S—n. 6.458--461.
— Vorträge vom.
Dr. Tfeod. Muther. Etlangen, 1866. Bon —i. 6. 649-652.
aus anfändiger Familke. Geſchichte eines verlorenen Menfchenlebens von Era Wichert
Berlin, 1866. Bon H. &. 6.662--656.
Wtprenifäer Verlag. Boruttau, Garl, Jullanus der Abtrünnige. Danzig, 1866
v
Ven O 6.60-66. Hinz, A, aa a ——
uab deren ſeltener und reicher Schaß von mittelalterlichen Paramenten. Bon
66688. Doering, &, Choraltunde in drei Büchern. Danzig, 1865. *
Saran. S. 70-78. Prowe, Adolf, Topernicus und fein Jugendfreund. Thorn,
1865. Von O 6.167169. Auhis, 2, Scherz und Exaft für Schweſternſeſm.
Hänge aus der Loge Auguſta zur Unferbliäleit in Br. Stargard. Pr. Stargarh,
1865. Bon N, 6.859360. Heinel, Gb, Gerichte. Rgsbg, 1866. Bar O
6.461466. Sdulz, Die Grünen und bie Blauen. Dramatiides Gemalde
Gensburg, 1865. Bon O 6.560562. Benmwe, Ad, Das Thorner Blutgerict.
Ahorn, 1866. Bm O 6.742-745. Gärbtter, Das Oftpreuhtihe Provingiak
seht. Braunsberg, 1866. Bon —n— 6.145746.
De Aönigliche Bibliothel zu Königäberg, Bon C. Hopf. ©. 74-76.
Die Lonigliche Deutiche Geſellſchaft Im Jahre 1885. Von N. 6.77. Nekrolog. Bon 8.
6.361—363.
Uertöumsgefelliaft Bruffin. Bon 8—-n. S. 78. 169-171. 278, 860861. 465466.
66859. 146-147.
TIL Mittgeilungen ud Anhang.
Das ſtadtiſche Archiv zu Raſtenburg u. die enfte biöher ungebrudte Handfeite der Stadt
Raftenburg vom.Jahre 13857. Mitgetheilt von Dr. Fr. Kroſta. &.79—84
Die grobe Orgel in Diiva. Bon O 6.8486.
Rimijche Kaifer- Münzen aus Grüneilen. Bon Sa. S. 86.
Se fittaniihe Hodzeit. ©. 172-180,
Und den Acceſſionen der Alterthumögefelfpaft Pruſſia. Bon Wulff. 6. 180-182.
Der Sumbinner Regierungäbezirt in Rußland. Bon & ©. 182-188.
Geidente aus Altpreußen an das germaniihe Mufeum in Nürnberg. S. 184.
Des schalte Befaiot ber Beltpihtung in Miiyreuben um B. Deckn. 1064. Von &
MI 778.
Hanbiehriftliche Funde aus Aönigäberger Vibliothelen. Bon B—n. (Mol. I, 668.)
(0. Hafis’ Divan. 8. Bin neu enidedtes Eadfenfviegel,gtagment.) S. 278-280.
@. Quellen zur Schleſiſchen, Bolnifhen, Breußtichen Geſchlte. 10. Johann a Labco.
11 Donaleitis. 12. Preußtihes Geeredt.) ©. 370-878. (18. Preußiſche Ge
Ihichtöquellen. 14. Univerfitätd: u. Gelehrtenleben im Reformationzzeitolter. 15. Recht
5 Landjaſſen. 16. Stroband's Gedenlbuch) 6.468472. (17. gwei
Ueine Fragmente des Sachſenſpiegels) ©. 663. (18. Konigsberger Chronilen
F Ein Handfchriften- Fragment des babyloniihen Talmud. Bon Dr. H.Jolowicy>
. 748760.
Wertgumfunbe. (Bol. II, 755.) Ro. 20-3. Bon 8—n. 6.280281. 565-505,
Niertäumsfund zu Infterburg. Bon Wi. 6.288.
—28* Muſilalienbibliothel für die Proviz Preußen. Bon Dr. Fr. Zander.
34867.
Secqitj Zukcin's Yabiläum. Bon O 6.367870.
Ga orientaliicen Müxzkund. Bon ©. 5. 3. Refielmann. ©. 874-876,
Aezeieg für 1865. Bon 3 (ef. Altpı. Misſcht. II, 465.) ©. 876-877. Für 1806
6 377-308.
Uutesten Zunde. 1-3. Bon S-n, ©. 467-468. 654-566.
VI
\
Ein Kaſchubiſch· Deutſches Wörterbuch. ©. 468.
Vergebliches Euichen. ©. 472.
"Ein Danziger Rathseditt vom Jahre 1520 als Altefter Drud aus der Weinreich ſchen
Officin zu Danzig. Mitgetheilt von Pr. R. Reicke. ©. 563-658.
Die Kirche zu Kumehnen in Samland. Bon R. Bergau. S. 668-568.
Hu Wigand von Marburg. Bon S-n. ©. 660-861.
‚Münzfund. Bon H. Genthe. ©. 661.
"Ein Shatefpear-Bortrait in Königsberg. Bon Fritihe. S. 661-662.
Üittertbumdfünde aus Weftpreuben. Bon R. Bergan. &.750-761.
Manufcripte zur altprenktfchen Geſchichte in der Gräfl. Stolbergfhen Bibliothek zu Wer-
nigerode. Bon 9 6.751752.
Altpreußen in den Borlefungen an deutſchen Univerfitäten im Winterfemefter 1866/67.
Bon 6 6.752.
Univerfitäts-Chronit 1866. Bon 8 S. 86. 184. 282—283. 879. 478474. 666.
664. 762-753.
Lyceum Hosianum in Braundberg. Bon & 6. 283. 664.
Schul ⸗Schriften 1865. Bon & €. 87. — 1866. 3.666569.
Bibliographie 1864. Bon 6 6.87--92. 185-180. 283-286. — 1865. 380-382.
414477. 569574. 664-668. 753756,
Periodiſche Literatur (1865. 1866.) Yon 8 6.93%. 189-191. 286288, 382384.
478-480. 515-576: 668-671. 757-758.
Aufforderung der Kal. phyf.dlon. Geſellſchaft im Kasbg. zur Einfendung von Gchichten-
und Bohrproben aus ber Provinz. S. 191. 759-760.
Anzeigen. ©. 191-192. 288. 480. 759-760.
Breiöfrage der Fürftlih Jablonowäti’fchen Geſellſchaft zu Leigzig f. d. Jahr 1869. ©. 884.
Einladung zur Pränumeration auf „Geſchichte der Juden in Aönigäbern i. Pr. von
Dr. 5. Jolomig." 6. 871.
Bublicandum der Oftpr. landw. Gentrafftelle, betreffend das Sreisausicreiben für das
befte, zum Gebrauch für landwirthſchaftl. Fortbildungsſchulen geeignete landwirthſch.
Lehrbuch. S. 672.
Drudſehler. ©, 384. 672. 760.
Über das Jeben den Spinnen,
Ein Vortrag, gehalten auf dem Königlichen Schlofie
von
Oberlehrer Dr. E. Ohlert.
Hochzuverehrende Anmefendel Sie find gewohnt, an dieſer Stelle
vichtige und tiefe Fragen ans bem Gebiete des Menſchen⸗ und Geiftes-
Mens erörtern zu hören, und ba mag es denn wohl einer Eutſchuldigung
ktärfen, wenn ich es wage, Ihre Anfmerkfamfeit für Meine, fcheinbar
werthlofe und unnüge Thierchen in Anfpruch zu nehmen; für Thierchen,
welche bie meiften Menfchen mit Widerwillen betrachten, welche man kaum
nenmen barf, obne fürchten zu mäflen, daß eine zartnervige Dame in Ohn ⸗
macht falle. Es laßt fich nicht lenguen, bie Spinnen mit ihrem biden,
weichen Leibe, dem fettigen Unfühlen, mit ihren langen Beinen, ber
Schnelligkeit der Bewegungen, dem fchattenartigen leiſen Hinhuſchen ha⸗
ben etwas Widerwartiges, und wenn ein ſolches Thier einem über ben
Nacken ober über das Geficht Täuft, fo Tamm man fich kaum eines leifen
Schauers erwehren. Nimmt man nun noch dazu bie Vorftellung von ber
Giftigleit der Spinnen, von ihrer Mordluſt, von der Hinterfift, mit der
fie den armen Fliegen und Müden nachftellen, fo tft begreiflich, daß fie
von ben Meiften verabfchent, mit Eifer verfolgt werben, und ihr Name als
bezeichnenber Unsbrud für Weſen gilt, bei denen fih alle liebenswärbigen
Eigenfijaften des ſchönen Geſchlechts in ihr Gegentheif verkehrt Haben, —
Und beunoch Hat es nicht am Perfonen gefehlt, welche dieſe verachteten
Thierchen liebgewonnen, ja fogar innige Freundſchaft mit ihnen gefchloffen
' Yaben. Wahrhaft rührend iſt ee, mit welcher Begeifterumg und Zärtic-
teit der berühmte Quatremere-Disfonval in feiner Arenevlegie von ſeinen
Altyr, orete jarin Br. ixi. Oft. 1.
2 ueber das Leben der Spinnen
Spinnen ſpricht. Er war 1789 in die Gefangenſchaft der oraniſchen Par ⸗
thei in Holland gerathen, und ſechs Jahre lang waren die Spinnen, welche
an ben Fenſtern feines Kerlers ihre Netze ſpannten, feine einzige Unterhal-
tung und Freude und Gegenſtand feiner Beachtung und Theilnahme. Und
wer fühlte nicht mit bem armen Leauzun ben Schmerz, als ber graufame
Kertermeifter feine einzige Freundin, feine Spinne hohnlachend zur Erde
warf und fie mit bem Fuße zertrat! Es müfjen baher auch wohl in dem
Leben und Treiben ber Spinnen Momente fein, welche fie unferer Betrach⸗
tung und unferes Interefjes werth maden und ben Widerwillen gegen fie
in die Klaſſe der Vorurtheile fegen. Um nicht ungerecht zu fein, ift es
wohl überhaupt zu vathen, ſich vor ſolchen Antipathien, bie auf unbeftimm-
ten Gefühlen beruhen, zu hüten, beſonders aber in ber Natur; denn jedes
Geſchöpf ft die Verförperung einer Idee Gottes und eins von ben un-
zaͤhligen Wundern ber Natur und ber aufmerffame und finnige Beobachter
findet darin eine ſolche Fülle von Schönheit, fo viele Spuren ber ewigen
Weisheit unb Liebe, daß er gar bald ber etwanigen anfänglichen Abneigung
vergißt, und in Anbetung bes Schöpfers mit dem frommen Dichter fpricht:
Herr wie find Deine Werke fo groß und viel! Du Haft fie alle weislich
geordnet. — Es geht mit ben Spinnen wie mit fo vielen andern Dingen,
die man nicht achtet, oder gar.verurtheift, weil man fich nicht bie Mühe
giebt, fie genau kennen zu lernen. — Ich muß geſtehen, daß ich in meie
mer Tugend ben gewöhnlichen Widerwillen gegen fie theilte und es mich
innerlich durchſchanerte, als einft einer meiner Schulgenofien einer großen
Kreuzfpinne ben bien SHinterleib abbiß und ihm mit Wohlgeſchmad vere
zehrte. Als ich aber durch meine Studien gemöthigt wurde, mich auch
mit ihnen näher befannt zu machen, da feflelte ihr Leben und Treiben
bald mein Imtereffe in fo hohem Grabe, baf fie allmählich meine Lieb⸗
linge getvorben find und ich durch mehr als 30 Jahre ihnen vorzugsweiſe
meine Anfmerkfamfeit gewidmet habe. Es wärbe mic) daher freuen, wenn
es mir gelingen follte, durch meine flächtige Darſtellung, wie fie Zeit und
Ott verftatten, Sie, hochzuverehrende Auweſende, zu bewegen, biefe mit
Unrecht verabſcheuten und verfolgten Geſchöpfe mit gänftigern Augen zu
betrachten und ihrer Beobachtung zu würdigen, and id bin gewiß, daß fich
yuen dadurch eine reiche Quelle erhebender Gedanken, angenehmer Em⸗
von Oberlehrer Dr, €. Oblert, 3
pfindungen und eines veinen Naturgenufies für Ihre Mußeſtunden er,
ſchließen würde.
Die Zahl der Spinnen ift im Berhältniß zu ben andern Gruppen
der niederen Thiere gering zu nennen; benn während unfere Provinz
beiſpielbweiſe ungefähr 3000 Käferarten zählt, fteigt die Zahl ber Spin-
mnarten wenig über 200. Schon hierin liegt ein gewiſſer vornehmer
Shoralter, durch den fi) der Stamm ber Spinnen Über das gemeine
Voll der Iufelten erhebt. Ihre Lebensweife aber ftelit fie als ebenbärtig
neben die Maubritter des Mittelalters, Wie dieſen ift Krieg und Fehde
md Raub ihr Element. Ihre Warten, in denen fie ben harmloſen
Banderern der Lüfte auflauern, bauen ſich einige am hochgelegenen
Etellen, zwifchen Bäumen ober Mauern, andere in beu bunfeln Winkeln
ver Selfen oder Häufer, oder gar im Waſſer; noch andere ftürgen aus
Üihlen in der Erde ober unter Steinen auf ben unvorfichtig fi Nahen
ten und fchleppen ihn in ihre Fanggrube. Da giebt es aber noch ums
kericgweifende Spinnen, die kein Sanggewebe machen; bas find bie rech⸗
tm Wegelagerer, die frei durch Feld und Wald umherſchweiſen, wie Jäger
nad allen Seiten ſpähend, und wie fie ein Wild entdeckt haben, daſſelbe
entweber im ſchnellen Laufe erjagen, oder im Sprunge erhaſchen. — Das
Hingt denn freilich nicht fein und feheint wenig geeignet, ihren Ruf zu ver-
beſſern Und doch haben wenigfteng wir Menſchen gewiß fein Recht, fie des-
halb zu tadeln; denn was thun fie damit Echlimmeres ala wir? Ich möchte
nicht hören, was bie armen Hafen und Rehe von uns fagen würben, wenn
fie may jprechen Tönnten, ober gar bie Krebfe, ober bie Wale, denen wir
kei lebendigem Leibe die Haut abziehen. Nein, fo lange wir ung einen
guten Braten, ober eine Krebsſuppe ohne Gewiſſensſtrupel wohl ſchmeden
faffen können, werben wir gut thun, von ber Raubluft der Spinnen ganz
Ri zu ſchweigen und uns mit dem Gedanken zu tröften, daß fie dadurch
io wie alle Thiere, die auf thtertiche Nahrung angewiefen find, nur das
Roturgebot der Selbterhaltung erfüllen. — Ja es zeigt ſich Hiebei ſogar
ein Zug liebevoller Fürforge, zwar nicht ber Spinnen, aber doch der Ra»
im, um bie Leiden ber Todesopfer abzullirzen unb zu mildern. Vorne am
Ropfe der Spinmen nämlich befinden ſich als ihre Hanptwaffe zwei gegen-
tinander gelehrte Oberliefer. Jeder derſelben befteht ans einem kegelför⸗
ir
4 "aber das Sehen der Spinnen
migen Grunbgliebe, und an ber Spige beffelben ift eine gekrümmte fehr
ſcharf zugeſpitzte Fangkralle beweglich eingelenft, Ueber ben Oberktefern
liegen im Kopfe zwei Giftbrüfen, und von benfelben gehen zwei feine Röh⸗
ven durch bie Oberkiefer und öffnen fich kurz vor ber Spige ber Fangkral⸗
len. So wie nun bie Spinne auf ein gefangenes Iufelt losftärzt und
feine Fangkrallen in feinen Leib ſchlägt, fo tritt durch den Druck auf bie
Drüfen ein Meines Tröpfchen bes waflerfinren Giftes in bie Wunde, und
ſogleich ſtredt das Infekt feine Glieder und Liegt bewegungslos ba, fo hef⸗
tig es auch vorher geftrampelt und fich gefträubt hatte, und zeigt feine
Aeußerungen bes Schmerzes, während es von ber Spinne verzehrt wird.
Offenbar dient dies Gift faft wie unfer Chloroform dazu, das Opfer zu
betäuben unb gegen ben Schmerz unempfinblich zu machen. — Uebrigens
befteht in biefen beiden einen Drüfen bie ganze Giftigleit der Spinnen,
und ihr übriger Leib iſt durchaus fret von Gift. Menichen aber haben
überhaupt nichts davon zu fürchten, denn von freien Stüden beißt eine
Spinne nie einen Menſchen und nur wenn man fie feft Hält, wehrt fie
fich fo gut fie kann, um ſich zu befreien, und babet braucht fie natürlich
auch ihre Oberkiefer, aber von den Teineren bringen bie Fangkrallen
nicht einmal durch die Haut und bie größten Kreuzfpinnen verurfachen
doch Höchftens eine Wunde, wie ber Stich einer Meinen Müde, und bie
ganze Wirkung berfelben tft ein eines rothes Fledchen, das fi) bald wies
ber verliert. Auch die Erzählungen von ber Gefährlichkeit bes Biſſes ber
italieniſchen Tarantel, bie von ben älteften Zeiten her bis jegt vom gemei⸗
nen Mann in Stalien geglaubt und von manchen Schriftftellern wieder⸗
Holt werben, haben fich bei genanerer Unterſuchung als Fabeln erwieſen.
Die Tarantel ift über einen Zoll lang und durch ihr ganzes Ausſehen
wohl geeignet, ein ängftliches Gemüth zu erfchreden. Man erzählt nun,
daß ein von ihr gebiffener Menfch im Raſerei verfalle und fterben müſſe,
wenn nicht ſchuell Hilfe gefchafft werde. Die einzige Kur aber beftehe da⸗
rin, baß eine rauſchende Muſik gemacht werbe, nad) ber bann ber Kranfe
tanze, immer fehneller und fehneller, bis er in Schweiß gebabet ermattet
nieberfinfe und in Schlaf verfalle, aus dem er endlich geheilt erwache. Nun
haben aber in neuerer Zeit viele gründliche Beobachter ſich abfichtlich von
der Tarantel beißen laſſen, ohne einen Schaden davon gelitten zu haben.
von Oberlehter Dr. E. Obler. 5
Ein Naturforſcher, der in ben Abruzzen unter andern auch Taranteln ger
fommelt Hat, berichtet, daß er fie immer mit bloßen Hänben gegriffen
habe und babei oft von ihnen gebiffen fei, aber nie bie geringfte Wirkung
davon verfpärt habe. Dennoch befteht der Zaranteltan; um Neapel noch
jest, aber nicht, um bie Schäblichleit des Tarantalbiſſes zu vertreiben,
fondern nur um einige Maße Wein ober etwas Geld zu verdienen. Die
Lazaronis nämlich laſſen fi um einige Maße Wein abfihtlih von einer
Tarantel Ineipen, trinlen ben Wein aus und tanzen bann in Gegenwart
vieler Zufchaner oft über eine halbe Stunde unauegeſetzt, ohne bie gering.
Ren Folgen ber großen Anftvengung. Die ganze Sache beruht alfo auf
einer Betrügeret, aber nichts befto weniger fürchten bie übrigen Leute den
Biß der Tarantel fehr ohne gegründete Urſache. — Was bei ben Spin-
un num aber beſonders bewundernswerth und überrafchend iſt, das find
he Gewebe, welche fie verfertigen, Hauptfächlich, um ihre Beute zu fan
gu. Was man täglich fieht, fällt Keinem mehr auf, fo merkuilrbig es
auch an fich fein mag; und manches, was das höchſte Staunen erregen
wärbe, wenn es große Thiere thäten, bleibt unbeachtet bei Heinen. Wenn
ein Fuchs anf einmal anfinge im Walde Seile von Baum zn Baum zu
yannen und fie zu regelmäßigen Neben zu verflechten und fie mit Ueber
legung gerabe ba aufftellte, wo Xhiere, bie er fangen wollte, am hän-
figſten durchzögen, und fo, baß fie fih darin verwideln müßten, wie wär.
den die Leute zufammen laufen und bas Wunder auſtaunen! Aber bei‘
einem Spinngewebe geht man gleichgiltig vorüber, ober zerreißt es wohl
gar, ohme zu bebenfen, daß hier noch viel Wunderbareres zu fehen if, —
Eon bie Organe zur Bereitung bes Spinnenfabene find unferer Beachtung
im hohen Grade werth. Nämlich am Hintern Ende bes Hinterleibes be»
finden fich vier größere Epinnwarzen und zwifchen ihnen bei ben meiften
ned) zwei kleinere. Jede berjelben bildet einen Heinen, oben abgeftumpften
Kegel und befieht aus zwei beweglichen Gliebern. Oben auf ber End»
flache fiehen. zahlreiche Meine Röhrchen und auf jeber berfelben eine noch
feinere borftenförmige Röhre, bie fogenannten Spinnborften. Bet einer
Rrenjfpinne hat man anf einer Spinnwarze ungefähr 1000 Spinnborften
gaählt, alfo Haben bie vier großen Spinnwarzen zufammen 4000 Spinn-
berfien. Im dem Hinterleibe nun liegen vier größere und zwei Meiner
6 Ueber das Leben der Spinnen
langliche Schläuche, die mit einer Hebrigen Flüſſigkeit, wie aufgelöfter
Gummi, gefühlt find unb beren jeber fih in eine Epinnwarze öffnet.
Durch einen Drud auf biefe Spinnfchläuche wird nun der Spinnftoff burd)
die Spinnwargen und bie Spinnborften Herausgetrieben, und fo treten
4000 Fäden hervor, bie fich bald zn einem Faden vereinigen. Man kann
fich leicht davon überzeugen, wenn man eine Kreuzſpinne mit einer Hand
faßt, den Hinterleib leiſe preßt, während man die Epinnwarzen leicht ger
gen einen Finger ber anbern Hanb brüdt, und nun bie Spinne etwas ab»
sieht. Hält man nun ben fo heransgezogenen Baden gegen das Licht, fo
flieht man ganz deutlich, daß berfelbe unmittelbar an den Spinnwarzen
etwa eime Linie fang in fehr viele feinere Fädchen zertheilt ift, bie fich alle
zu einem Faden vereinigen. Will man einen hohen Grab von Feinheit
bezeichnen, fo pflegt man wohl und mit Recht ven Gegenftand mit einem
Spinnfaben zu vergleichen. Wie fein müfjen nun. aber erft bie Fäden
fein, deren 4000 zufammen einen Faden bilden! Und das ift fchon bei
» ber großen Kreuzſpinne. Aber es giebt Spinnchen, bie nicht größer ale
ein Sandlorn find. Durch Schägung hat man gefunden, daß von diefen
Spinnen 4 Millionen Fäden nicht bider fein wärben als ein Menfchen-
haar. Da nun aber jeder biefer Fäden ans 4000 noch feineren Fäden
befteht, fo folgt, daß mehr als 16000 Millionen viefer feinften Fädchen
zufammen nicht bider als ein Menſchenhaar fein würden. Solche Feinheit
überfteigt alle Vorftellung und ift wohl geeignet uns zu bemüthigen zu
dem Gefühle von der Unvolitommenheit unferer Sinne und Berftandes-
teäfte, — Mit Recht fragt man, was ber Zwed einer fo künſtlichen und
zufammengefegten Einrichtung fei. Ein wahrfcheinficher Grund ift, daß,
um das Gummi Hinlänglich zu teodnen, damit es einen zähen Faden
gebe, eine ausgebehnte Fläche der Luft ausgefegt werben mußte, was vor⸗
trefflich durch die Theilung in jo zahlreiche Fäden beim Ausgange ans
dem Leibe erreicht wirb. Wielleicht aber ift auch bie Abficht, daß bie Spinne
unter Umftänben ſtatt eines Fadens ein breites Band ausziehen könne,
indem fie die Spinnwarzgen und Spinnborften auseinander fpreigt, was
fie befonders zu tun pflegt, wenn fie ein zappelnbes Infekt durch umge⸗
ſchlungene Fäden Inebein will. — Die Spimme kann den Baden aus bem
Leibe ziehen, aber and, heraustreiben. Das erftere gefchieht am häuftgſten.
von Oberleheer Dr. C Oblert. 7
Sie brädt nämlich die Spinnborften irgend wo an, klebt dadurch den Fa⸗
den feft und zieht benfelben, indem fie fortlänft, aus dem Leibe. Daſſelbe
geihieht durch bie Schwere ihres Körpers, wenn fie fi) von einer Höhe
am Zaben Herunterläßt. Hiebei fickt man, daß ſie im Stande ift, bie
Epinnöffuungen mehr ober weniger zu erweitern, ober zu verengen, ober
ganz zu ſchließen, je nachbem fie ſchneller ober langſamer finken, oder im
dallen anhalten will, Will fie wieder emporfteigen, fo faßt fie mit ben
Füßen ben Faden, Hetiert daran wie ein Matrofe am Geile in bie Höhe,
midelt ihn während beffen zu einem weißen Kmäulchen zufammen, das fie
oben angelommen verſchludt und fo den Spinnftoff wieder in ben Leib
bringt. — Uber fie kann auch den Baden ans bem Leib heraustreiben.
Dies beweift ein Verſuch bes Engländer Kirby, ben ich mit gleichem Er⸗
folge wiederholt Habe. In einer mit Wafler gefüllten Schale befefligte er
men etwa 2 Fuß langen Stab in fenkrechter Stellung und ſetzte barauf
eine Kreuzfpinne. Um zu entfliehen, lief fie am Stabe herunter, wo das
Bafler fie zur Rüdfehr nöthigte, dann wieber bis zur Spige hinauf und
fo mehrmals hinauf und Hinab, überall nach einem Rettungswege umher⸗
ſchauend und mit den Füßen taſtend. ALS. alle Verſuche zur Flucht ver-
geblich fehtenen, blieb fie endlich auf ber Spige des Stodes ſtill figen.
Kirby mußte ansgehen unb ſchloß bie Stube zu. Als er nach zwei Stun⸗
den wieberfehrte, war bie Spinne verſchwunden und er fand fie in einer
Ede am Fenfter. Bon dem Stabe aber war nach einem Stuhle ein Fa⸗
den ungefähr 5 Buß lang geipannt, der ihr offenbar als Brüde gebient
hatte. Um nun zu fehen, wie fie ben Verbindungsfaden zu Wege gebracht,
fegte er fie wieber auf den Stab und blieb dabei. Nach ungefähr einer Stunde
fellte fie ſich anf die Spike des Stodes, machte mit bem Hinterleibe eine
ügenthämliche Bewegung, und er fah, wie aus ben Spinnwarzen ein
Faden hervortrat, ber immer länger werbenb von ber Luft getragen laug⸗
fam Hin und her ſchwankte, Bis er endlich an einem in ber Nähe ſtehen⸗
ven Schranle hängen blieb. Die Spinne mußte durch das Gefühl ger
mertt haben, daß ber Faden feft fige, denn fogleich zog fie ihn ftraff und
nachdem fie ſich durch die Büße vergewifiert hatte, daß er Halt genug ge
währe, Tief fie an ihm Hin und emtfloh. — Durch das Heranstreiben ber
daden entſteht auch her fogenannte fliegende Sommer, ober bie Fungferus
8 Ueber das Sehen ber Spinnen
fäben, die man an hellen unb warmen Herbfitagen oft in überſchwänglicher
Menge durch die Luft fliegen fieht Dance Schriftſteller geben von bier
fer Erſcheinung eine gang falſche Erklärung. Im Herbſte fieht man bis⸗
weilen Wieſen und Stoppelfelder von Spinnenfäden fo dicht überzogen,
daß ſie, wenn bie Sonne darauf ſcheint, über und über wie Silber glän-
zen und ſchimmern. Manche meinen nun, baf biefe Fäden vom Winde
abgerifien und durch bie Luft geführt wärben, unb bies fei ber fliegende
Sommer. Eine aufmerffame Beobachtung zeigt aber gleich, baf dies ein
Irrthum iſt. Denn biefe Fäden gehen immer nur von Halm zu Halm,
find alfo viel zu kurz zu ben Iuugferufäben, und weht ber Wind über ein
ſolches Feld, fo wideln fie fih fo um bie Halmen, daß fie feſt daran haf ⸗
ten. — Die Sache verhält ſich ganz anders. Es ift fehr Lange Her, als
ich zum erftenmale bie Entftehung bes fliegenden Sommers in ausgezeich⸗
meter Weife beobachtete, und feit dem habe ich ben Hergang in jebem
Herbfte gefehen und mich jedesmal von neuem bavan ergötzt. Ich wan⸗
derte in ben erften Tagen bes Oftober bei ſchönem Wetter und milber
Wärme auf der Ehanffee von Bartenftein nach Raftenburg zu. Eine halbe
Meile Hinter Bartenftein lag rechts vom Wege ein Ellernwäldchen, wel»
es einige hundert Schritte weit abgeholt war. Anf dem Boben lagen
hie und da Holzklafter, und dazwiſchen zerſtreut ftanben noch Eliernbäfche.
Ein leifer Wind wehete von dem Waldchen nach ber Chanffee. Kaum
hatte ich ben abgeholzten Waldgrund betreten, fo bemerkte ich, daß Boden,
Buſche und Holzllaftern von Spinnen ber manigfachſten Art wimmelten,
die in Iebhafter Bewegung unb Thätigfeit waren. Auf einem einzelnen
Eilernblatte waren oft 6 bis 10 Spinnen, bie zu wetteifern ſchienen, bie
Spige bes Blattes zu erreichen. War dies einer von ihnen geglädt, fo
hob fie fih anf ihren 8 Beinen fo hoch als möglich, kehrte fich mit dem
Kopfe gegen ben Wind, firedte den Hinterleib fchräg aufwärts unb trieb
ans ben Spinnwarzen einen Faben, ber immer länger wurbe und in bem
Winde flatterte. War ber Faden etwa 20 bis 30 Fuß lang, fo ließ ſich
die Spinne los und flog, von ihm getragen, buch bie Luft davon ber
Chauſſee zu. Kaum war fle bavom gefegelt, jo nahm eine andere Spinne
ihre Gtelle ein und folgte ihr nad) wenigen Minuten auf biefelbe Weiſe
durch bie Luſt. Da nun vom allen Blättern bes Huſches und von allen
von Oberlehrer Dr. E. Oblert. 9
Büfhen und von allen erhabenen Punkten ber Holzklaftern, bie einen
freien Staudpunkt gewährten, auf biefelbe Art Spinnen an ihrem Faden
hängenb bavon fegelten, fo ift begreiflich, daß taufenbe berfelben gleichzei-
tig in berfelben Richtung durch bie Luft getragen wurben und ihnen im-
mer neue nachfolgten. Schon auf dem Wege bis zur Chauſſee verwickel⸗
ten fich oft mehre foldhe einzelne Fäden und bildeten ganze Floden. Die
meiften aber blieben an ben Zweigen ber Chauſſeebäume Haften und flat
teten im Winde. Geſchah dies, fo Metterten bie betreffenden Spinnen
ſegleich bis zur Spige der Bautnblätier, trieben nene Fäden und flogen
an benfelben über bie Felber im bie weite Ferne, bis fie meinen Augen
etiäwanben. Blieben bei dem Fluge durch bie freie Luft mehre Fäden
au einander haften, fo daß fich größere Flocken oder Gewinde bildeten, fo
Yetterten bie Spinnen anf biefelben und fuhren num baranf behaglich
end ober umherwandernd wie anf wahren Luftſchiffen dahin. Die Spin»
un, welche biefe Sommerfäben machten, gehörten zu vielen und verſchie⸗
denen Arten. Häufig waren barunter Micryphantes-Arten; das finb bie
Heinen ſchwarzen muntern Spinnen, bie unter bem Namen Glädfpinn«
den bei dem Damen am eheften Gnade finden. Bon ben größeren Arten
waren nur junge, noch nicht ausgewachſene Exemplare babei thätig, aber
darunter auch folche, welche keine Fanguetze machen, fondern ihre Beute
am im Laufe greifen. — Die Spinnen Tönnen auf biefe Weife fehr weit
fliegen, denn Seefahrer berichten, daß fie beim Vorüberfahren an ber afri⸗
lauiſchen Küfle in einer Entfernung von 10 Meilen gefehen Haben, wie
mählige Spinnen vom Lande her durch bie Luft fegelnd fich auf Maflen
mb Tauwerk niebergelaffen haben. — Sonberbar. ift es, baß bie Spinnen
die Jungfernfäden nur im Herbfte machen, und mit Recht fragt man nad)
dem Grunde der Erſcheinung. Ich muß geftehen, daß ich feine genügenbe
&ffirung davon habe finden können. Vielleicht gefchieht es, um den über⸗
füffigen Spinuftoff Losguwerben, bevor fie ſich im Spätherbfte in ihre Winter
quastiere zurüchiehen; vielleicht, weil bie im Herbſte feltener werbenden Ins
feiten nicht mehr in genügenber Zahl in die an feften Stellen aufgefpannten
Rege kommen uud fie baher genöthigt find, einen größern Raum zu bes
ſtreichen, wie ber Fiſcher das Zugneg anwendet, wenn bie Fifche nicht in
bie Renfen gehen. Ober follten fie die Herbfimuße benugen, um Vergnũ⸗
10 Ueber das Leben der Spinnen
gungsreifen zu machen, ober um fich doch auch einmal ihren glüdficheren
Berwanbten, ven Infelten, gleich zu ftellen, welche die Natur mit Flügeln
ansgefiattet hat, unb wie biefe bie Wolluſt zu geniehen, ſich frei durch ben
Luftraum zu ſchwingen? Hier müflen wir unfere Unwiſſenheit befennen,
wie bei fo vielen Erſcheinungen in ber Natur.
Doch wir kehren zu ben Geweben zurüd, welche die Spinnen machen,
um ihre Bente zu fangen. Bei dieſem Gefchäfte find ihnen von wefent-
lichem Nuten die Füße, deren alle vier Paare an ber Bruft Haben. An
der Spige jeven Fußes befinden ſich zwei bewegliche krumme Krallen. Bei
der Arbeit fieht man nun bentfich, wie fie mit ben Füßen, befonders ben
Hinterfüßen den Heroorgezogenen Faden leiten und ihn bald über biefen.
bald über jenen Zahn der Kralle laufen Yaffen, um ihm bie richtige Lage
zu geben. Der Bau ber Fangnege und ihr Verhalten bei ber Jagd ift
nun aber bei ben verfchiedenen ©pinnenarten fehr verſchieden, und bie
Kürze ber Zeit erlaubt nur bie wichtigften berjelben zu berühren.
Hier ſtehen nun obenan die Radſpinnen, wozu auch unfere Kreuz⸗
fpinne gehört, welche rabförmige Netze, meiftens in ſenkrechter Lage zwi⸗
ſchen Bäumen oder andern Gegenftänden ansipannen. Es ift nicht fo ganz
leicht, ſie bei ber Arbeit zu beobachten, denn meiftens machen fie bie Nee
in ber Nacht, und nur im Nothfalle auch bei Tage.
Will eine Kreuzſpinne ein Ne machen, fo wählt fie zuerft einen Ort
aus, an dem reiche Beute zu erwarten fteht, und Punkte, zwiſchen denen
es ausgeſpannt werben fol, wobei bie Lage bes Ortes, bie Richtung bes
Windes, die Nähe von infeltenreichem Gewäfler oder Buſchwerk forgfam
berüdfichtigt wird. Nun zieht fie eine Grundſchnur zwifchen zwei feften
Punkten, die fie verftärkt, indem fie durch Hin» und Herlanfen 5 bis 6
ober mehr Fäden zufammenklebt. Von ben Enden berfelben führt fie nach
einem dritten ober andy vierten Punkt ebenſolche Fäden und begrenzt fo
den Raum, in ben das eigentliche Ne kommen foll. Jetzt verbindet
fie zwei gegenüberktegende Punkte ber Grundfäden, indem fie im Um ⸗
fange Herumläuft und mit den SHinterfüßen ven heramsgezogenen Faden
forgfam leitet, damit er nicht an einer unrichtigen Stelle Heben bleibe.
Mitten in dieſem Durchmefler, wohin ber Mittelpunkt des Netzes kommen
ſoll, befefttgt fie einen zweiten Faden und zieht ihn nach einem andern
von Oberlehrer Dr. G, Ohlert. 11
Buntte ber Randſchnur, dann ebenfo von dem Mittelpunfte einen britten,
vierten Faden u. ſ.w. Während ber vorbereitenben Arbeit ruht fie mand-
mal aus, als ob die Anlage Nachdenken erforbere. Aber ſobald fie ſich
überzengt, daß die Randſchnur feit genug gefpannt ift und einige Strahlen
vom Mittelpunkte fertig find, fo fährt fie in ihrer Arbeit fo hurtig und
unabläffig fort, baß das Ange kaum zu folgen vermag. Die Strahlen, in
ber Zahl ungefähr 20, welche dem Netze bie Geftalt eines Rades mit ſei⸗
nen Speichen geben, find bald fämmtlich vollendet. Dann geht fie in bie
Mitte, dreht ſich ſchnell herum, ftößt mit ihren Füßen auf jeven Baden,
um deſſen Spannung und Stärke zu prüfen, reißt auch wohl einen ab, ber
nicht zu fangen fejeint, und erfegt ihn durch einen anbern. Sind nun
fo bie vom Mittelpunfte nach dem Rande laufenden Strahlenfäden fertig,
fo lebt fie unmittelbar um den Mittelpunkt 5 bis 6 Heine concentrifche
Kreisfäpen, ungefähr 1/, Linie von einander entfernt, unb bann vier ober
fünf größere, jeben vom andern etwa 1a Zoll ober mehr abftehend. Diefe
letzten dienen nur als eine Art vorläufigen Gerüftes, um barüber wie
über Brüden hin und Her zu gehen und ven gehörig gefpannten Strahlen
Halt zu geben, während fie baran bie comcentrifchen Fäden, bie blei⸗
ben follen, befeftigt, zu deren Anlegung num gefchritten wird. Nun bes
feftigt fie an einem Strahle nahe dem Umfang einen Faden, zieht ihn,
dem Mittelpunkt zufchreitenb, fo lang aus dem Leibe, daß er genau bis
zum näcften Strahle reicht, fchreitet auf biefen hinüber und befeftigt ihn
daran. So bringt fie, von Strahl zu Strahl Hinüberfchreitend, einen con-
eentrifhen Kreis zu Stande, dann ben zweiten und alle folgenden, jeder
vom andern etwa 2 Linien abftehenb, bis der ganze Raum bis zu ven zur
erft um bie Mitte gezogenen engeren Kreiſen ausgefüllt iſt. Nun geht fie
endlich in bie Mitte und beißt bie Strahlenfäden bis an ben innerften
Kreisfaden ab, fo daß hier ein Kleines freies Feld bleibt. Bemerkenswerth
if, daß bie Strahlenfäden von den Kreisfäben fich unterſcheiden; bie erftern
nämlid, find troden und nicht Hebrig, fo baß man fie berühren kann, ohne
daß fie am Finger haften, bie Kreisfäden dagegen find mit zahlreichen
Tropfchen einer fehr klebrigen Maren Flüſſigkeit befegt, und wenn man fie
mit dem Yinger berührt und ihn zurüczieht, fo folgen fie nach, und oft
zerreißt das Netz dadurch. Die Spinne muß alfo bie Fähigkeit haben die⸗
12 Uber das Lehen der Epinnen
fen Hebrigen Leim je nad; Umftänben mit bem Spiunftoff aus ben Spinn-
ſchlãuchen ausfließen zu laffen oder nicht. — Iſt das Netz nun fertig, fo
fett ſich die Krenzipinne mit dem Kopfe nad unten, in bie Mitte beffel-
ben, die 8 Beine weit ausgejpannt und lauert gebulbig, bis fih ein In
fett gefangen Hat. Ihre 8 Augen am Kopfe befinden ſich bei biefer Lage
gerabe im Gentrum bes Netzes und ftehen fo, daß fie daſſelbe nad} allen
Richtungen überſchauen Tann. Sobald eine Fliege over Müde in ben Für
den ſich verwidelt Hat, ſtürzt bie Spinne baranf loe, padt fie mit ben
Kiefern und fchleppt fie an ben Rand, um fie an einem fihern Orte zu
verzehren. Hat ſich ein größeres Imfelt gefangen, das ihr durch Schlagen
mit den Flügeln und Zappeln Wiberftand leiftet, fo weiß fie es bald völlig
zu knebeln, indem fie einen Faden vielfah um Bruft und Leib widelt,
Hr ihr daſſelbe aber zu ſtark, oder broht es ihr ſelbſt gefährlich zu werben,
wie etwa eine Horniß, fo beißt fie vorfichtig rund herum bie Fäden durch
und läßt ben gefährlichen Gaft in Srieven gehen und befiert ſchnell den
Schaden wieder aus. — Es giebt noch viele Spinnen, bie auch ein rad
fürmiges Ne machen wie bie Kreuzſpinne, aber nicht im ber Mitte beffel-
ben auf ber Lauer figen, Diefe banen ſich in ber Nähe bes Netzes ein
oben gewölbtes Zelt ans zufammengezogenen Blättern, von dem ein Fa⸗
den nach dem Nee führt. Sie figen in bem Zelte verftet, unb ſobald
fi ein Infekt im Nee gefangen hat und durch feine Schwere bafielbe er-
ſchuttert, merkt es die Spinne an bem Beben des Fadens und ftürzt aus
ihrer Höhle Hervor anf die Beute. — Außer ben Rabfpinnen giebt es an-
dere, bie man Webefpinnen genannt hat. Diefe bauen ihre Nege am hän-
figften zwifchen den Zweigen von Wachholder oder anbern niebrigen Ge⸗
buſchen. Sie fpannen in einem ſolchen Buſche zahlreiche Faden ohne Orb»
nung in allen Richtungen, unter und über einander zwifchen ben Zweigen
in bie Kreuz unb Quer; unter benfelben aber machen fie ein bem Radnetz ähn-
liches Gewebe in horizontaler Lage, an befien unterer Seite fie, mit dem
Rüden nach unten gelehrt, hängen. Iſt num ein Imfelt einmal in dies
Labyrinth gerathen, fo fällt es, wenn es fih von einem Baden losgemacht
haben follte, gewiß zwifchen bie untern Fäden und endlich unfehlbar in
bie Macht der unten lauernden Spinne. — Wieber anders machen es bie
fogenannten Röhrenfpinnen, wozu unfere gemeine Haus oder Winfelfpinne
von Oberlehrer Dr, E. Oblert, 13
gehört, deren Gewebe oft genug in ben Eckeen ber Zimmer zu fehen und
ein Aerger ber Hausfrauen find, Dies Gefpinnft ficht faft wie Gaze aus,
mit inftlichen und ziemlich regelmäßigen Heinen Maſchen und bilbet eine
bergontale breiedige Fläche in den Winkeln der Wohnungen. Im hinter»
fen Winkel aber geht die Fläche in eine Kurze abwärts geneigte Röhre
über, worin bie lauernde Spinne figt. — Hierher gehört and die merk⸗
wirbige Labyrinthfpinne, die nie in Hänfern, fondern nur im Freien, in
Brühen, Gebüfchen, zwiſchen Gras, ober in fonft pafienden Lokalitäten ihr
Gefpinnft macht und die ich nirgend fo Häufig gefunden habe als an un⸗
ſerm Oftfeeftrande, in und um Rauſchen, Lapöhnen, Kuren u. ſ. w. Diefe
Spime iſt faft einen Zoll lang und macht fich eine vier bis fünf Zoll Tange
Röhre, bie mit beiden Enden aufwärts gekrümmt in ber Erbe, in Moos,
a Gtranchzäunen ober im Grafe ftedt; das eine Enbe ift einfah nad
fen geöffnet, das andere Ende aber erweitert fich trichterförmig und geht
a einzelne Wäben über, bie oft vier bis fünf Buß lang im Umkreiſe an
lbenachbarte Strände ober hohe Gräfer geheftet find und fo ein weites
dangnetz darſtellen. Die Spinne figt in ber Röhre und kann, wenn ihr
Sefapr droht, durch den Hintern Ausgang entfliehen, ober nad; vorne auf
die Beute ſturzen, bie fich in bem Trichter verftridt Hat. —
Doch alle dieſe Gewebe werben übertroffen von dem ber Wafferfpinne,
welche fich eine Wohnung gleich einer kryſtallenen Halle unter Waffer baut.
Die Waſſerſpinne ift einen halben Zoll lang, oder auch etwas größer.
Sie ift recht Häufig an und in unfern Gräben, Teichen und Seen. Sie
lan vortrefflich tauchen und ſchwimmen, aber ebenfogut auf dem Lande
lonfen, um Inſekten zu greifen. Hat fie bie Beute erhafcht, fo taucht fie
damit unter umb trägt fie in ihre Wohnung. Diefe ift wirklich höchſt
wunderbar gebaut. Die Spinne macht nämlich unter Wafler zwiſchen
Bafferpflangen ein Gewebe in Geftalt einer &lode, etwa fo groß wie eine
teht große Wallnuß und befeftigt deren Ränder durch Fäden an Waſſer⸗
Manzen. Jetzt taucht fle an bie Oberfläche empor und firedt ben ſtark
behaarten Hinterleib über Waffer. Die Luft ſetzt fich zwiſchen bie Hanre,
am benen das Wafler nicht haftet, und wenn fie nun wieder untertaucht,
fo bilbet die am den Haaren haftende Luft im Wafler eine Hülle um ben
&ib, die wie Silber ſchimmert. Im ihrer Wohnung angelommen, ſtreicht
14 Ueber daS Leben der Eyknnen
die Spinne von dem Pinterleibe mit ihren Beinen bie Luft ab, bie nun
ale Luftbläschen bis zur Dede ver Glode fteigt, aber durch das dichte Ger
webe nicht entweichen kann. Dies wieberholt fie unermüdlich fo Lange,
bis die ganze Glode mit Luft gefüllt ift, die num wie eine gläferne Tau-
cherglode erjcheint, in der die Spinne behaglich unter Wafler wohnen kann,
ohne doch ber Luft zum Athmen zu entbehren. Ich Habe dies Verfahren
der Wafferfpinnen bei ihrem Bau genau beobachtet, indem ich eine ſolche
in ein hohes, mit Waſſer gefülltes Glas von etwa zwei Zoll Durchmeſſer
feste. Nach einigen Tagen begann fie ven Bau, indem fte bie halten
den Fäden ftatt der Waflerpflanzen an ber innern Fläche bes Glaſes
befeftigte, und in kurzer Zeit war die Glode fertig und mit Luft gefült,
Außer dieſen giebt es nun noch vielerlei Spinnen, die feine Fangnetze
machen, ſondern fi nur Wohnungen zum Aufenthalt ober um fich darin
zu verbergen, bauen. Unter biefen verbient befondere Erwähnung bie
Manreripinne (Mygale caementaria), im füblichen Fraukreich zu Hauſe.
Ihre Wohnung befteht ans einer ſchräg aufwärts geführten Röhre, etwa
einen Zoll weit und gegen zwei Fuß lang. Diefe Röhre gräbt bie Spinne
mit ihren ftarfen Kiefern in eine fteile Lehm- oder Mergelmand, fo baf
ber Regen leicht ablaufen ann, ohue in bie Wohnung zu dringen; innen
füttert fie die ganze Röhre mit feinem Seidengewebe aus, welches zu zwei
Zweden bient, theild um das Nachfallen der Erbe zu verhindern, theils
um durch feinen Zufommenhang mit ber Thüre der Spinne Nachricht zu
geben von bem, was am berfelben vorgeht. Wenn bier von einer Thüre
bie Rebe ift, fo follte man glauben, ver Ausbrud fei nur bildlich gebraucht,
denn man Tann ſich nicht benfen, daß eine Spinne ein Ding folite machen
konnen, das im eigentlichen Sinne diefen Namen verbiene, ein Ding gleich
unfern Türen ſich um eine Angel drehend unb genau in ben Rahmen
ber Oeffnung pafienb, die verichloffen werben fol. Und doch wirb ſolch
eine Thüre, fo unglaublich es klingen mag, von biefer Spinne hergeſtellt.
Sie macht fie freilich nicht wie wir ans Holz, fondern aus mehren Lagen
trodener Erbe, durch Seide an einanber befeftigt. Wenn fie fertig, fo iſt
ihr Umriß fo vollkommen rund, als wäre er abgezirkelt; bie innere Fläche
iſt konver und glatt, bie äußere flach und rauh und der anliegenden Erbe
fo glei, das man fie nicht davon unterfeiden Tann, Diefe Thüre wird
von Oberlehrer Dr. E. Oblert, 15
von dem ſinnreichen Künftler am Eingange feiner Gallerie mittels. einer
Angel von Seide befeftigt, welche mit der größten Freiheit fpielt und fie
läßt öffnen und ſchließen läßt; und, als wenn fie mit ben Gefegen ber
Schwere befannt wäre, fie heſtet jedesmal bie Angel an den höchften Theil
der Deffnung, fo daß bie Thüre nach dem Aufmachen wieder burch ihr
eigenes Gewicht zuſchnappt. Nicht weniger gefcheibt Hat fie einen Heinen
dalz gerade im Eingange gelaffen, auf den bie Thüre fchließt und dem fie
mit folder Genauigkeit angepaßt ift, daß es ausſieht, als machte fie nur
eine einzige Fläche mit ihm. So ift bie anflaunenswerthe Einrichtung
von der Wohnung biefes Thieres; und feine Wertheibigung ber unterirdi⸗
ſhen Wohnung ift nicht weniger überraſchend. Wenn man unter den
Rand der Thüre geſchickt die Spige einer Nadel einfchiebt und fie etwas
aufheben will, jo bemerkt man fogleich einen ſtarlen Widerſtand. Was ift
% Urſache davon? Die Spinne, von der Erſchütterung ber Fäden, bie
aa der Thüre nach dem Grunde bes Ganges gehen, gewarnt, läuft eiligft
m Thüre, faßt fie mit ihren Füßen, klammert fi mit ben andern Füßen
an die Wand, wirft ſich auf den Rüden und Hält mit aller Macht feft.
Venn die Spinne allen Wiberfland vergeblich findet, fo begiebt fie fich
endlich auf die Flucht. Wenn man dagegen bie Thüre von außen befeftigt,
daß fie uicht geöffnet werben Tann, jo findet man ben andern Morgen
einen nenen Eingang mit einer neuen Thüre; ober wenn man bie Ihre
ganz abreißt, fo wird eine andere in weniger als zwölf Stunden gebaut.
Biel wäre noch zu ſprechen über die mannigfaltigen Arten, wie bie
Epinnen ihre Gewebe machen unb wie fie fid) ihrer Beute bemächtigen;
aber die Kürze ber Zeit gebietet Beſchränkung. Daher wenden wir uns zu
20% einigen andern Betrachtungen.
Die Spinnen find durchaus ungefellige Thiere. Daß fie die Menſchen
fiehen und fi) gerne da anfiebeln, wo fie hoffen bürfen, ungeftört ihren
Geſchaften nachgehen zu Können, ift leicht erllärlich. Daher verbindet man
mit ben Spinngeweben bie Idee der BVerlaffenheit von Menſchen und Kat
fe oft in dieſem Sinne in Gemälven und Allegorien glücklich angewendet.
Bern Hogarth ein ſprechendes Gemälde von vernachläffigter Menfchenliebe
beworäriugen wollte, jo überzog er bie Büchſe des Bettlers mit einer
Epinnwebe. Und in ben judiſchen Schriften wird nicht weniger finnzeich
16 Ueber daß Leben der Spinnen
berichtet, daß bie Urſache, weshalb Saul ben David und feine Begleiter
‘in der Höhle von Abdullam nicht entbedte, eine von Gott gefanbte Spinne
geweſen, welche hurtig ein Gewebe vor ben Eingang gewoben; denn num
hielt es Saul für unnäg, einen Ort weiter zu unterfuchen, ber fo augene
ſcheinliche Beweiſe von der Abweſenheit jedes menfchlichen Weſens gab. —
Aber auch die Geſellſchaft ihrer Battungegenoffen vermeiden fie und lieben
es, jede für fich zu leben. Man findet zwar, daß an günftig gelegenen
Orten viele Spinnen ihre Nege ganz nahe neben einander ausſpannen,
aber an Umgang und Verkehr zwiſchen ihnen ift nicht zu denlen, jebe hält
fich in ihrer Wohnung, fieht dieſelbe aber andy als ir unverlegliches Eigen-
tum an und ift ftets gerüftet, jeben unberechtigten Einbringling mit Ge⸗
wall abzutreiben oder zu vernichten. Ich Habe oft den Verſuch gemacht,
eine Spinne aus einem Nege in ein anderes frembes Netz zu fegen. Dann
flürzte ſogleich die Eigenthümerin auf ben Fremdling los, und es eutſpaun
fich ein wüthender Kampf, der erft mit dem Tode einer ber Gtreitenben
enbigte, die bann von ber anbern anfgeftefjen wurbe. Blieb bie frembe
Spinne Siegerin, fo nahm fie fogleich von dem Nee ver Ueberwundenen
Befig und ftellte ſich an ber richtigen Stelle auf fernere Lauer, als wäre
fie zu Haufe. — Selbſt von einer Neigung ber beiden Gefchlechter zn ein-
ander ift wenig zu bemerken. Den größten Theil des Jahres leben
Männden und Weibchen getrennt. Zu einer beflimmten Zeit bes Jahres
empfindet uun zwar das Männchen das Verlangen, ſich mit einem Weib»
Gen zu vereinigen; das erforbert aber lange Vorbereitungen unb viele
Borficht, denn die Weibchen find bebeutenb größer unb ftärker als bie
Männden und Können ihnen leicht gefährlich werben. Hat fir ein ſolcher
Liebhaber eine Spinnen-Schöne erforen, die wie eine Turandot kalten
Herzens in ihrem Nee fit, fo fehleicht er vorfichtig heran, bleibt beſchei-
den anßerhalb ihres Zamberkreifes fiehen und wartet gebuldig, ob fie ihr
eines Blides wärbige. Bleibt fie ganz gleichgiltig, fo zupft er an einem
Baden ihres Netzes, um ihre Aufmerkſamleit zu erregen. Scheint fie noch
nichts zu merken, fo wagt er es, einige Schritte näher zu treten, inden
er jebe ihrer Bewegungen und Mienen ängſtlich beobachtet. Wirft fie ihm
einen finftern Blid zu, oder macht gar eine feindliche Bewegung, fo zieht
ex fi je nach Umftänden langfam zurüc ober begtebt ſich auf eilige Flucht.
von Oberlehret Dr. E. Oblert. 17
Meiſtens geht die Sache ohne Blutvergießen ab. Manchmal aber, wenn
er zu kühn geweſen ift, ſtürzt ihm feine Angebetete in fchnellem Laufe
nach, padt ihn und frißt ihn ohne weitere Geremonien auf. Dit base
Rinngen glüdlich entlommen, fo wiederholt es nad) einiger Zeit feine
dewerbungen wieber und fett biefelben oft mehrere Tage fort, bis das Weib⸗
den fih endlich erweichen läßt und ihm geftattet, in ihr Ne zu kommen
mb bei ihr zu wohnen. — Dagegen zeigen die Epinnen meiftens eine
tühtende Liebe zu ihren Jungen. Bei ben Rabfpinnen befchränft ſich dieſe
Eorge darauf, daß das Weibchen im Herbfte am einer geſchützten Stelle
ifre Gier auf ein Häufchen legt und biefelben in eine bichte ſeidenartige
Hille einfpinnt. Solche Cocons, von gelber Seive, halblugelförmig und
in Umfange etwa fo groß wie ein Zweigrofchenftäd, kann man im Herbfle
kafig an Zäunen, Mauern und ähnlichen Orten fehen. Die Mutter Tann
nicht weiter baram befümmern, denn wenn fie ihre Nachkommenſchaft
aein weiches und warmes Bettchen gehüllt und gegen ben rauhen Win«
ir geichägt Hat, fo ift auch wenige Wochen fpäter ihr Lebenslauf beenbigt
ub fie muß der Frühlingsfonne die Erweckung berfelben zum Leben und ber
Foßen Mutter Natur bie weitere Sorge für fie überlafien. — Mehr Müde
nacht ber Webefpinne bie Pflege ihrer Brut. Diefe baut im Sommer neben
irem Nege an einem Heinen Zweige eines Strauches eine Hütte in Ges
Malt und von ber Größe eines Heinen Fingerhutes, mit ber Deffnung nad)
nten, von bichtem Seidengewebe, fo baß das Innere vor Regen und Wind
sihägt if. Ihre Eierchen umfpinnen fie mit Seide und bilden fo ein
oder zwei Heine Eocons, fo groß wie eine Heine Erbe und befeftigen die⸗
klben mit einem Raben im Innern ber Hütte. Die Mutter aber fegt
fh davor, mit dem Rüden nad) unten hängenb, umfaßt mit ben Füßen
de Oeffnung und fit jo Tag umd Nacht, die Eier fhütend und wärmend,
m dann und wann eine jich nahende Müde erhafchend, bis bie Jungen
astonmen, fi in bem Nege ber Mutter zerſtreuen und ſich nun vom
der Bente berfelben nähren. Auch bie meiflen anderen Spinnenarten we
ken fägenbe Hüllen für ihre Gier, ‚von ben mannigfaltigfien Formen
mb oft höchſt Tünftlich und bewahren fie barin bis zu ihrem Ausfchläpfen.
Am auffaklenbften iſt das Verfahren ber auf ber Erbe umherlaufenden
Spinnen, bie man Jäger genannt Kat, weil fie fein Senne maden,
pe. Monatsferift Dr. LI Hft. 1.
18 lieber das Sehen der Srinnen
fonbern bie Beute im Laufen erjagen. Diefe Spinnen umweben ihre Eier-
Gen zu einem weißen erbſengroßen Cocon, ben fie am Enbe ihres Leibes
mit einem Faden anfleben, oder auch wohl mit ben Hinterfühen fefthalten
und überall mit fi herumtragen, obgleich berfelbe für ihre Größe als
eine anfehnliche Laſt erſcheint. Kein Geizhals hängt zäher an feinem Schag,
als eine folge Spinne an ihrem Cocon. Wenn man ihr ihn nimmt, jo
ſucht fie ihn auf jede Weife wiederzuerlangen, feine Gefahr Tann fie zwin⸗
gen bie koſtbare Bürbe zu verlafien, und das Heine Thierchen ſtellt ſich fo-
gar dem Menfchen, der ihr biefelbe geraubt, zum Kampfe gegenüber, ober
verfolgt ihn. Sind ihre Bemühungen vergeblich, fo ſcheint ſich tiefe Trau⸗
tigfeit ihrer zu bemächtigen, und bes @egenftandes ihrer Zärtlichkeit
beraubt, ſcheint fie felbft ihr Dafein micht mehr zu achten. Gelingt «8
ihr, den Eocon wieder zu erlangen, fo zeigt ihr Benehmen das Weber
maß ber Freude. Sie ergreift ihn mit Heftigfeit und rennt bamit Hurtig
davon an eine ſichere Stelle. Bonnet ftellte die mütterliche Liebe einer
folhen Spinne auf eine harte Probe. Er trieb fie mit ihrem Cocon in
bie Grube eines Ameijenlöwen, eines gefräßigen Thieres, das ſich im
Saude eine trichterförmige Grube macht, auf beren Grunde es ſich ver-
birgt, um ein unglüdliches Thierchen, das hineinfällt, zu erhaſchen. Die
Spinne fuchte davon zu rennen, war aber nicht ſchnell genug, um zu ver-
Hinbern, baß ber Ameiſenlöwe ihren Eocon ergriff, ben er ımter ben Sanb
zu zerren fuchte. Sie machte bie Heftigften Auftrengungen, um fich zu
zeiten umb Tämpfte mit aller Macht. Der Faden, an bem ber Cocon
Hing, riß entzwei; fogleich ergriff bie Spinne ven Cocon mit den Kiefern
und verboppelte ihre Unftrengungen, ihr geliebtes Eigenthum zu retten,
Es war vergeblich; ber Ameifenlöwe war ber Stärkere und trog alles
Stränbens ber Spinne zog er ben Gegenftand bes Streites unter ben
Sand. — Die unglüdlihe Mutter hätte ihr eigenes Leben vor dem Feinde
retten Tönnen; fie brauchte nur den Eocon zu verlaffen und aus ber Grube
zu fliehen. Uber, wunderbares Beifpiel mütterlicher Liebe! fte zog vor,
fich ſelbſt lebendig begraben zu laſſen mit ihrem Schatze, ber ihr theurer
als das Leben war, und nur mit Gewalt entzog fie enblih Bonnet dem
ungleichen Kampfe. Aber ber Eocon blieb bei dem Räuber; unb obgleich
fie Bonnet wieberholt mit einem Stödchen zurädftie, fo tehrte fie doch
von Dberlehrer Dr. E Obhlert. 19
beſtändig zu ber Etelle zurüd, Gene menſchliche Mutter, bie fih dem Lö⸗
wen entgegenftärzte, um ihr Kind zu retten, iſt in Liebern gefeiert; und
doch, wo zeigt fich größere Liebe, größerer Heldenmuth, bei jener ober bei
unſerer Spinne? — Uber ihre Zärtlichfeit beſchränkt ſich nicht nur auf
ihre Eier. Wenn die Jungen ausgefchläpft find, fo Hängen fie fich hau⸗
ſenweis auf ihren Rüden, auf Bauch, Kopf und Füße der Mutter und in
diefem Zuftande, worin fie ein fonberbares Ausſehen hat, trägt fie ihre
Kinder mit fich herum und füttert fie, bis fle groß genug find, fich ſelbſt
u emähren. Man kann im Frühjahr häufig bie Freude Haben, biefem
aiehenden Schaufpiele zuzufehen. Wenn man daun bie Mutter, bie fo
gegen Hundert junge Spinnchen trägt, berührt, fo ift es Inftig anzufehen,
wie diefelben von dem Rüden ver Alten Iaufen, durch einander wimmeln
wb bald wieder ihren Sig zu gewinnen fuchen.
So Hoch der Menfch auch durch feinen Geift über ben Thieren ficht,
fo läßt fich doch nicht leugnen, daß er vom manchen an Empfindlichkeit
md Schärfe ber Sinne übertroffen wird. So Haben die Spinnen ein
gemein feines Gefühl, welches fie befähigt, bie leifeften Veränderungen
is ber Atmosphäre und früher, als wir etwas davon wahrnehmen Tönnen,
m empfinden. Machen bie Radſpinnen bie Hauptfäben, bie das Neg
tragen, ſehr lang und an offenen Stellen, fo dürfen wir auf ſchönes Wet⸗
ter rechnen; machen fie dagegen bie Fäden kurz und an gefhügten Orten,
io folgt gewiß bald Negen und Sturm; und zerreißen ſie gar bie Nege
md verkriechen ſich in Winkel, fo tritt nach kurzer Zeit ficherlich dauerndes
ichlechtes Wetter ein. Diefe zarte Empfindlichkeit für bie Zuftände und
namentlich für die Erſchütterung und Schwingungen ver Luft ift auch wohl
der Grund von ber Liebe und Empfänglichfeit ber Spinnen für Muftt,
die gar zu oft beobachtet iſt, um baran zweifeln zu Können, und bie body
ad einen Sinn für die Harmonie ber Töne voransjegt, Es iſt etwas
ganz Gewöhnliches, daß, wenn das Fortepiano gefpielt wird, eine Spinne
fd von der Dede Herabläßt und barüber fchwebt, fo lange bie Töne
dauern. Dutatremere-Disjonval erzählt u. a, einen ſolchen Fall, dem er
als Augenzeuge beigewohnt. Er befand fid) mit brei andern Herren in
einem Saale, in dem eine Dame bie Harfe fpielte. Da bemerkte er, daß
eine große Spinne an ber Stubenbede auf und nieder wandelte und ger
2»
20 Ueber das Leben der Spinnen von Oberlehrer Dr, &. Oblert.
rade über der Künftlerin ihre Stellung nahm. Er bat bie Dame fih an
das andere Ende des Saales zu begeben, und kaum hatte fie ihr Spiel
wieder begonnen, jo begab fi auch die Spinne dahin und folgte ihr, fo
oft fie ihre Stelle veränderte.
ragen wir endlich nach dem Nugen ber Spinnen, fo iſt unzmweifel-
Haft, daß fie ein nothwendiges Glied in dem Haushalte der Natur find
und namentlich dazu beftimmt find, eine unzählige Menge von Inſelten
zu töbten und zu verzehren und dadurch die zus flarle Vermehrung berjel-
ben zu hindern, welche bie Harmonie iu ber Natur ftören könnte. Dadurch
werben fie mittelbar auch dem Menſchen nüglich, indem fie bie Zahl der
läftigen und fehäblichen Infelten bedeutend vermindern, und wir haben da⸗
her alle Urſache, die Spinnen fo gut mie bie Heinen Vögel zu fehonen,
die uns einen gleichen Dienft erweifen. Einen unmittelbaren Nuten freis
lich gewähren fie uns nicht. Man hat zwar verfucht, ihr Gefpinnft. wie
das ber Seidenraupe zu benußen, aber ohne ‚ven gewänfchten Erfolg. Die
Unterhaltung und Ernährung fo vieler Spinnen, als dazu nöthig wären,
in einem Raume, ber Umftand, daß fie ſich untereinander auffreffen, bie
geringere Haltbarkeit und Dünne ihrer Fäden festen dem Unternehmen
unbefiegbare Schwierigfeiten entgegen; und es Tann baher nur als eine
Euriofität betrachtet werben, baß es einem Spanier (Maria de Tremeyer)
nach großer Mühe gelungen ift, für Earl III. ein Paar Handſchuhe aus
Spinnenfeide weben zu laſſen.
Aber der Naturfreund beurteilt die Wichtigfeit und das Iutereffe
eines Geſchopfes nicht nach ben praftifchen Vortheilen, bie e8 bem Men-
jchen gewährt, ſondern nach dem Grabe, in bem fich bie Weisheit und ber
Geiſt des Schöpfers in feiner Einrichtung offenbart und nach dev Beben-
tung ber Stellung, bie es in dem großen Organismus ber Natur einnimmt,
und in’ beiden Beziehungen dürften wohl bie Spinnen wenigen unter den
niedern Thieren nachftehen. —
Geben Entwäflerung und Beinigung groffen Städte.
vortrag, gehalten in der Königlichen. päufilalifc«ötonomifchen Geſellſchaft
von
Dr. 3. Möller.
Es Tann leicht die Verwunberung derjenigen unter Ihnen erregen,
che dem ärztlichen Stubium fern fliehen, wenn Sie Mitglieber beffel-
ken mehr unb mehr fi mit dem Stubium von Fragen beſchäftigen fehen,
die anf dem polizeilichen, vollswirthſchaftlichen, technifchen und andern, nach
herlõmmlichen Begriffen weit abliegenden Gebieten fich bewegen. Und doch
liegt Hierin feine Verirrung, fonbern im Gegentheil ein Zeichen gefunder
Selbſlerkenntniß und folgerechter Entwidelung ber Heilkunde. Gerade weil
man fi) mehr und’ mehr überzeugt, baf es in zahlreichen und verheeren⸗
den Kranlheitsprozeſſen ein fruchtlofes Bemühen ift, fie in ihrem Ver⸗
laufe hemmen zu wollen, überläßt man das Haſchen nad) fpezififchen
Heilmitteln den ſich felbft täufchenden Anfängern und Schlummerlöpfen
ad ihre Anpreifung den Charlatanen. Die Wiffenfchaft aber wendet
ſich mit Vorliebe der Ermittelung ber Krankheitsurſachen zu und fucht
diefe Durch Verbeſſerung der Lebensbebingungen bes Ginzelnen, wie ver
Geſammtheit zu befeitigen. Eingedenk ber alten Weisheit, daß „bewahrt
beiier, als beflagt,“ ſucht fie neben ber Heilkunſt bie Geſundheits⸗
pflege anszubilden. Nicht Mebicamente — Vollserziehung, Yufklärung
und große wirthſchaftliche Maßregeln find deren Mittel, Richtſchnur und
Früfftein bietet ihr die Statiſtik und ihren Lohn empfängt fie, wenn
nach Jahren biefe Wiſſenſchaft nachweiſt: diefe unb jene Seuche fei um
fo viel Prozent feltener, die Sterblichkeit um fo viel geringer gewor⸗
22 Ueber Gntwäflerung und Reinigung großer Stäbte
ben, bie allgemeine Lebensdauer Habe fih um ein Jahr erhöht. Wann
wird die Geſchichte fo weit fein, fih um biefe Dinge zu kümmern?
Bann wird es ben höchſten Ruhm eines Negenten oder Stantsmannes
ausmachen, durch feinen Einfluß eine günftige Veränderung jener Zahlen
bewirkt zu Haben? Vielleicht iſt es Louis Napoleon beſchieden, durch feine
internationale Santtätscommiffion auf dieſem Gebiete eine neue Aera zu
eröffnen. Mögen auch vorläufig Trägheit, Vorurtheil und Fanatismus
der Orientalen die Arbeiten einer ſolchen Commiſſion um praftifche Er⸗
folge bringen: der Gedanke bleibt jedenfalls fruchtbar. Und wenn fei
Nieberreifung der Stabtmauern von Kairo, wodurch wenigftens ber trod-
nenbe Wäftenwind Zugang zu dem angehäuften Unflath der Straßen er-
Halten Hat — wenn ſchon feit diefer That Ibrahim Paſchas bie Peſt ver-
ſchwunden if; warum follten nicht ähnliche Maßregeln, burchgefegt mit
dem ganzen Nachbrude des europäiſchen Webergewichts, die Brutftätten
and) anderer Seuchen unſchädlich machen?
Einftweilen laſſen Ste ung — recht buchftäblich — vor unferer eignen
Thüre fegen. Denn es giebt aud in unfern Städten, welche ſich rühmen,
an ber Spige ber abenbländifchen Kultur zu ftehen, noch Zuftände, welche
nur aum Schein befler find, als die jener barbarifchen Länder, und Pro«
bleme, welche einftweilen des Scharffinns der Eachverftändigen fpotten.
Ich will mir erlauben, über bie Entfernung und Verwendung ber Ge—
brauchswãſſer, Abfälle und Unreinigleiten großer Stäbe zu ſprechen, ein
Thema, das fid, eng an das neulich von meinem Freunde Schiefferbederx)
behandelte anſchließt und für uns infofern von praktiſcher Bedeutung ift,
als feine Stabt eine Waflerleitung einführen barf, ohne zuvor bie Frage
entfcjieben zu Haben: wohin mit bem verbrauchten Maffer? Wenn Eie
ſich die Zuftände vergegenwärtigen, welche fich alljährlich bei Abgang des
Winters, oft aber mehrmals im Laufe deſſelben auf unfern Straßen und
in Kellern einftellen, fo werben Sie zugeben, baß wir bei einem um das
Mehrfache gefteigerten Waſſerverbrauch leicht in bie Gefahr des Zanberer-
lehrlings kommen könnten. Diefe Frage läßt fi aber nicht trennen von
=) Die Waflerverforgung grober Städte und die neue Wafferleitung für Kdnigs-
berg. S. Altpr. Monatäfhr. II, 617-636. 718742.
von Dr. 3. Möller. 23
der, welche ich kurzweg die Abtrittsfrage nennen will. Denn einerſeits
benugt man bie Strömung bes verbrauchten Wafjers zur Fortſchwemmung
ber feften Auswurfsſtoffe in denſelben Kanälen und behauptet mit biefem
Shfime der Kanalifirung in Bezug anf Gefunbheit, Reinlichkeit, Ber
qmemlichfeit bie zur Zeit höchſte Stufe der Vollkommenheit erreicht zu haben,
Anbererfeits bekämpft man jene Vereinigung ber Wäffer mit ben Excre⸗
menten und wirthſchaſtlichen Abfällen und beruft ſich babei nicht minder
auf Geſundheit und Reinfichleit, außerbem aber noch auf finanzielle und
voffswirthfchaftliche Gründe. Man will offene Rinnen, geichloffene Stelen
sber Drains nur für Straßen» und Hauswaſſer, alle Dungftoffe aber
durch ein getegeltes Abfuhrfpftem dem Landbau und ihren Werth ber
Commune erhalten und zugleich die Flüſſe vor Meter Verunreinigung und
Verpeftung bewahren.
Das Kanalſyſtem eriftirt, wenn ich von Anfängen beffelben im alten
Rom abfehe, am längften und allgemeinften in England, wo es eine große
Anzahl Städte angenommen Haben, beſonders feit es im Lanfe ber letzten
dahrzehnte durch Rawlinfon, Roe u. a. Ingenienre zu einem hohen Grabe
von Vollkommenheit ausgebilbet worben tft. Anf dem Continent haben
es Paris, Bräffel, Hamburg feit Jahren, Wien zum Theil, für Sranfurt a. M.,
Berlin und Danzig ift es in Ausficht genommen. Für bie beiden letzteren
Etäpte Hat einer jeiner wärmften und bedeutendſten Vertheidiger, Wiebe,
mit beroundernswerther Umficht und techniſcher Vollendung bie Pläne ent-
worfen. Beide flimmen im Ganzen, wie in vielen Einzelnheiten überein.
Elauben Sie, daß ih an dem Beifpiele unferer Nachbarſtadt Ihnen die
Einrichtung und Leiftungen biefes Syſtems in feiner höchften Entwicke⸗
lang vorführe.
Bor dem 1840 erfolgten Durchbruche ber Weichfel bei Nenfähr war
ber Waflerftand der Mottlau 1) abhängig von den Anfchwellungen ber
Weichſel und für gewöhnlich war er in und bei Danzig durchſchnittlich
und abgefehen von den durch Winde hervorgebrachten Schwankungen bes
Ofifeefptegel® 11/5 Fuß Höher, als ber letztere. Es war daher in ber
Regel ein merkliches Gefälle und eine ziemlich Iebhafte Strömung zur Er⸗
nenerung ber Gemwäfler vorhanden, welche in größeren Betten over als
24 Ueber Gntmäfferung und Reinigung großer Gtäbte
Grunbwaffer die Stabt durchziehen und doch brachte ſchon damals bie
zum Theil fehr tiefe und feuchte Lage berfelben große Uebelftände mit fich.
Nach jenem Durchbruche und dem Schluſſe der alten Weichfel durch bie
Plönendorfer Schleufe ift fie ein faft ganz tobtes Wafler geworden, das
mit dem Spiegel ber Oſtſee fteigt und fällt und zwar überfchreiten biefe
Schwankungen felten die Gränzen von 11/9 Fuß unter und 2 Fuß über
dem Mittelwafjer ber Oſtſee. Mottlau und Rabaune üben auf die Waf-
ferhöge fo geringen Einfluß, daß durchſchnittlich dieſelbe hei ber Stein»
fchleufe am oberen Ende der Sadt nur 1,9 Zoll Höher if, als am Pegel
zu Neufahrwaſſer. Iſt auch gegen früher im Allgemeinen ver Waſſerſtand
geſunlen und dadurch bie Feuchtigkeit der tiefgelegenen Stabttheife und Kel⸗
ler verringert; jo ift dagegen bei dem fo äußerft ſchwach gewordenen Ge
fälle die Verunreinigung ber offenen Gewäſſer, des Grundwaſſers und Bo«
dens größer geworden. — Bon ben Vorftäbten Danzigs fol Hier ganz
abgefehen werben, theils weil in ihnen bie Zerrainverhältnifie ganz andere
find, theils weil bie eigentliche Stadt durch den Hauptwall und tirfen
Teflungsgraben von ihnen getrennt, hinfichtlich ihrer Wafjerverhältnifje ein
geſchloſſenes Ganze ausmacht. Eine Eutwäfjerungsanlage hat daher abzu⸗
feiten 1) bie auf die Stadt feldft fallenden atmosphäriſchen Niederfchläge,
2) das Haus- und Fabrifwafler, 3) das blos zum Cpälen ber Abzüge
eingelaffene Wafjer, welches für die auf dem linken Mottlauufer gelegenen
Stabttheile bie hochliegeude Radaune, für bie einen niebrigen, eingebeicye
ten Bolder barftellende Niederftadt die Mottlau felber liefern Tann. Die
Infeln der Mottlau find nur mit Speichern bebaut, bedürfen daher einer
Entwäfjerungsanlage vorläufig nicht. Die bisher beftehenden Mängel und
ihre Bebeutung für den allgemeinen Gefundheitszujtand der Stadt waren
bereits 1860 von Licht in einer befondern Schrift dargelegt worben. Sie
beftehen in Mangel an gutem Wafler und unvollfommener Abführung ber
unreinen Flüſſigleiten. Der erfteren wird burch Anlage einer neuen Waſſer⸗
leitung abgeholfen werben, wozu bie obere Radaune in Ausficht genommen
iſt. Ihre Benugung Tann aber erft in Aufnahme kommen und zu einer
Wohlthat werden, wenn man gleichzeitig für beffere Abführung bes ver-
brauchten Waffers forgt; ohne dies würde nur bie allgemeine Näffe des
Bodens zunehmen und zu völliger Verfumpfung werben. Danzig hat feine
von Dr. J. Möller. 2%
Kinnfteine, fondern durchweg Drummen, auf beren Bohlenbelag zum Theil
der Fußgängerverfehr ftattfinden muß und bie durch fehr hinderliche Prell⸗
feine und Pfähle vor den Wagen gefchügt werden müffen, Im fie gelangt der
Straßeuſchmutz, der Kehricht der Häuſer und bie Küchenabfälle, häufig ge⸗
nug auch Abtrittsftoffe. Das Gefälle ift gering, die Spülung ungenügend,
daher Geruch auf den Straßen und durch die Hausröhren bis in bie Häuſer,
öfteres Toftfpieliges und widerliches Räumen. Wegen nicht Hinteichend tiefer
Lage im Winter Einfrieren, dann Ueberſchwemmung ber Straßen und Keller.
Die Drummen münden theils in die Mottlan unmittelbar, theils zunächft
in offene Faulgräben und die Nadaunefanäle. Im den letzteren entwidelt
fi die Fäulniß erſt recht, die Mottlan aber wirb fo von ihrem Inhalt
derſchlämmt, daß fortwährend gebaggert werben muß. Die Abtritte find
Höchft mangelhaft. Zum Theil wird ihr Inhalt geradezu in bie Rabaune
tnäle, Gräben und Drummen entleert, zum Theil in die anf dem Höfen
amd in Häufern befindlichen Gruben, die aber nie ganz waſſerdicht find
and baher einen Theil der laufenden Släffigkeit in den Boden ausfidern
laſſen, wo fie mit ver Zeit, auch wenn ber Untergrund urſprünglich durch⸗
laſſend war, deſſen Zwifchenräume verftopfen und fich nahe unter ver Ober-
fläche ausbreiten; hei Aufgrabungen fieht man fie aller Orten hervorquels
len. Auch werben mitunter alte Abtrittsgruben, die man ber Koflen und
des Geſtanls wegen nicht räumen laſſen will, einfach verſchüttet und bilden
dann eine nachhaltige Onelle der Bobenverunreinigung. Aehnlih wirken
bie für umreines Wafjer angelegten Senlgruben. Viele Keller, deren Sohle
tiefer liegt, als die benachbarten ober durch fie hindurchgeleiteten Drum⸗
men zc. leiden gleichfalls von biefer ftinfenden Näffe und theilen fie dem
Mauerwerk mit, Die neuen Abzüge mäffen ſonach von Haus aus tiefer
gelegt werben, um unter die Sohle ber meiften Keller zu kommen und fie
möffen ein ftärferes Gefälle erhalten. Man wird deshalb mit ihren Abs
flußenden unvermeiblich unter die Mottlan kommen. Bei dem unge
nũgenden Gefälle der letzteren und ber Nothwendigkeit, ihre fortgefegte
Verunreinigung zu vermeiden, kounte fie ohnehin zur Aufnahme und Fort-
führang ber Ausmurfsftoffe nicht ferner benugt werben. Es ergiebt ſich
daraus bie Nothwendigkeit, durch Mafchinenkraft den Mangel weiteren
Sefälles zu erfegen. Hat man ſchon lange zur Entmäfjerung von Niebe-
26 Ueber Gntwäflerung und Reinigung großer Gtäbte
rungsgrunbftäden, die blos dem Landbau bienten, fogenannte Polber,
‚ Schöpfwerfe und Pumpen mit Vortheil benugt, fo tft es feine Frage, daß
ein ungleich Höher verwerthbares fäbtifches Terrain bie Koſten der Anlage
unb bes Betriebes einer folhen Anftalt lohnen wird, Die Zinfen erger
ben ſich freilich zunächſt ans ber Verbefferung bes allgemeinen Gefundheits-
zuftandes und ber Mortalität, aus ber Befeitigung wiberlicher Gerüche und
Anblicke, aus ber durch Fortfall der Drummen ermöglichten Erleichterung
des Straßenverfehrs, da hiedurch erft orbentliche Fußwege gewonnen wer⸗
den können, Mittelbar aber wird bie nene Anlage wenigftens zum Theil
ventiren burch gefteigerten Werth ber Häufer umd Baupläge, letzteres na-
mentlich in ber tief gelegenen Nieberftabt, bie zum Theil gar nicht bebaut
werben konnte, durch Erleichterung des Gewerbebetriebs und bie Anlage
von Bade⸗, Wafch-, öffentlichen Urintranftalten und Abtritten und durch bie
veichlichere Benugung ber Wafferleitung.
Die Einrichtung foll num folgende werben: Im ber Mittellinie jeder
Straße wird circa I Fuß unter dem Pflafter 1 Röhrenſtrang gelegt. Ma-
terial engliches Steingut, innen gut glafirt; bie einzelnen Röhren durch
Muffen zufammen gefügt und glatt verfittet. Weite im Lichten, je nach
bem zu entwäffernden Gebiet 9 bis 12 bis 15 Zoll, meiftens bie erfte.
In biefe Röhrenftränge münden nun von beiden Seiten 1) aus jevem
Haufe ein Rohr, welches in jever Etage einen gut vergitterten, mit Waſ⸗
ſerverſchluß verfehenen Ausguß Hat, nach oben aber, bamit bie eingefperrte
Luft nicht ins Haus entweicht, in Eiſenblech bis über das Dach verlän-
gert ift; 2) im regelmäßigen Abſtänden Strafenabzüge, welche in ben feich-
ten Vertiefungen zwifchen ben erhöhten Fußwegen und ber flachgewölbten
Fahrſtraße liegen und ebenfalls bichte eiferne Gitter haben, damit Wagen
und Menſchen fie paffiven können und möglichft wenig fefte Stoffe hinein-
gelangen. Die Weiten der Röhren find fo berechnet, daß fie außer dem
Hauswaffer zugleich einen Regenfall von Zoll in ber Stunde (mie er
erfahrungsmäßig ſchon felten vorfommt) durch ihr bloßes Gefälle in gleich
langer Zeit ableiten fönnen. Hiezu kommt noch, baß erfahrungsmäßig die
Wirkung folder Regen ſich über viel größere Zeiträume vertheilt und bag
bei Anftauung bes Waflers in ben Abfallröhren durch beffen Drud auch
bie Auoflußgeſchwindigleit gefteigert werben würde, Thatſachlich werben
von Dr. J. Möller, 27
alfo die Röhren für viel ftärkere Regen genügen. tür trodene Zeiten
ober befonbere Gelegenheiten aber tft eine befondere Spülung ver Röhren
erforderlich und biefe zerfallen daher in mehrere Spülſyſteme, welche auf
bem linken Mottlauufer ans verſchiedenen Stellen der Rabaune, auf dem
techten in ber Nieberflabt ans ber Mottlau felbft ihr Spülwaffer erhalten,
da fie hier felbft mit ihren oberen Enben tiefer zu Liegen kommen, ale ber
mittlere Waflerfpiegel der Mottlan. Um bie Reinigung der Röhren über
fehen und ausführen zu können, befinden ſich 1) in angemeſſenen Abftän-
den Lampenlöcher, 2) an jeder Etraßenkrenzung ein gemanerter Einfteige-
brunnen mit eifernen Sproffen und fteinernem Boden, in ben das halbe
Brofl der Röhre als Rinne eingelaffen ift. Da wo das Rohr ans dem
Brunnen herausgeht, befinbet ſich die gutgebichtete Spülffappe, durch bie
das Waffer im Brunnen aufgeftaut werben Tann, bis es genügenden Drud
bat, Alle diefe Röhrenfyfteme münden nun in 3 Sammelfanäle, einen für
bie Bor und Rechtſtadt, einen für die Alt, einen für die Nieberftabt.
Diefe find im Querſchnitt eiförmig, von feftem, cementirten Mauerwerk
und 5 Fuß im Lichten Hoch, alſo begehbar. Diefe Röhren münden in
feitlichen Nifchen, deren Sohle 13/, bis 2 Fuß Über der bes Kanals liegt;
über ihnen befinden ſich, da fie in ber Regel waflerfrei find, zugleich bie
Einfteigefchachte. Außerdem befommt jeder Kanal in gewiſſen Abftänben
fchlenfenartige Spülthiren, um durch Anftauen eine periodiſch verftärkte
Stromfchnelligleit zu erhalten, und Regenausläſſe. Diefes find feitliche
Deffnungen, bie durch Horizontale Röhren in bie Mottlan führen und von
außen hängende Klappen haben. Tür gewöhnlich brüdt das in ber com-
municirenden Röhre fehende Mottlauwaſſer die Klappe an, fleigt aber
der Wafferbrud im Innern durch ſchnell zuftrömenbes Regenwaſſer, fo äff-
net er bie Klappe und das Waffer fließt ab. Die Erfahrung hat gelehrt,
daß flarfe Regengifje faft nur vorkommen, wenn ber Südweſt in Norbiveft
umfegt. Dann ift aber der Wafferftand niebrig und baher bie Mögliche
keit des Abfluffes gegeben. Die Klappen wirken daher als Sicherheitsven⸗
tile und geftatten ven Kanälen eine viel geringere Mauerftärke zu geben,
als ohne fie. Bon befonberer Wichtigkeit iſt num noch, daß nach dem 2er
gen ber Röhren und dem Bau ber Sammellanäle bie Gruben mit Kies,
Ballaft, Seefand ober deögleichen verfüllt werben. Dadurch wird bie une
28 Ueber Entwaſſerung und Reinigung großer Stäbte
durchlaſſende Bodenfchicht außerdem mit einem vollſtändigen Netzwerk porde
fer Adern durchzogen und es kann das Sider- und Grunbwafler am ber
Außenflãche jener Kanäle mit Leichtigkeit hinabziehen.
An ihren untern Enden fließen fi nun bie Sammelfanäle bes Tin»
ten und rechten Mottlauufers an zwei eiferne Rohre an, welche als foge-
nannte Düler unter dem Grunde ber Mottlau vefp. des Kielgrabens weg
nach der Meinen Inſel „bie Kämpe“ gehen und ſich hier in ber Pumpſta⸗
tion vereinigen. Dampfpumpen brüden hier ben Zuhalt in das eiferne
Drudrohr, welches Anfangs ebenfalls als Düfer unter ber Weichfel weg,
dann in bem Wiefenterrain fo hoch mit Erbe bebedit, daß ea vor bem
Einfrieren geſchützt ift, in gerader Richtung der See zuläuft. Dicht vor
der Weichfel hat es einen feitlichen, durch eine Schüge verfchloffenen Aus⸗
laß, welcher bei ſtarkem Regenfall geöffnet werben Kann, um eine ſchnellere
Entleerung zu ermöglichen und an Drudkcaft zu erfparen. Dies ift hin-
ſichtlich des Geruchs und ber Reinlichkeit unbebenklich, weil erfahrungs ⸗
mäßig bei heftigem Regen ſchon das erſte ſich in den Abzügen ſammelnde
Waſſer genügt, um fie vollſtändig zu fpülen, fo daß das fpätere faſt
völlig rein bleibt, Mit 750 Ruthen Länge erreicht das Druckrohr bie
Dünen, fteigt Hier ziemlich fteil aufwärts und mündet in ein gemauertes
Boffin, aus welchem dann ein offener Graben mit natürlichem Gefälle in
die See abfließt. Zu beiden Seiten erftredt ſich ein ausgebehntes, der Stabt
gehöriges Dünenterrain, welches als Hätung und Wald benugt wirb, aber
bei feiner gänzlichen Sterilität faft gar feinen Ertrag giebt. Die Erfahrungen
bei Edinburg (und Zoppot) Haben gezeigt, daß durch Ueberriefelung mit
dunghaltigem Waſſer ſich in kurzer Zeit auch auf ſolchem Boben eine fruchte
bare Humusfchicht bildet. Es foll alſo jener Graben zur Anlage von Ries
ſelwieſen eingerichtet werben. Die gefammten Anlagekoſten find auf
654,000, die Betriebstoften auf 5700 Thaler veranfchlagt.
Die großen Vortheile unb Leiftungen ber Kanalifirung werben Ihnen
ohne Weiteres aus der DBefchreibung entgegengetreten fein. Ich wende
mich deshalb fofort zu den Vorwürfen, welche man ihm gemacht hat.
Ein Theil berfelben trifft allerdings nicht das Syſtem, fonbern feine
unvolftommene Ansführung. So waren vor 10 Jahren die Webelftänbe
von Dr. J. Möller. 29
der Ramalifirung in London fo fchreiend, daß der Stabt durch Barlaments-
beſchluß Verbefferungen auferlegt wurben. London liegt bekanntlich in
einer Mulde, deren Seiten ſich in unregelmäßigen Stufen nad) der Themfe
abdachen. Zrüher Tiefen nun die Kanäle von den Rändern ber Mulde
direct nach dem Fluſſe hinab, indem fie dabei dem Gefälle der Straßen
folgten, alfo ſelbſt bald ftarfes, bald ſchwaches Gefälle Hatten. Auch hin⸗
fihtlich der Form und Größe des Querſchnitts herrichte Leine Ueberein-
fimmung. Endlich lagen manche Hauptlanäfe mit ihren Münbungen fo
tief, baß fie nur zwei Stunden vor und zwei Etunben nach ber tiefften
Ebbe abfließen konnten, je acht Stunden aber geſchützt werden mußten, alfo
ihten Inhalt ftagniren liegen. So war denn in offiziellen Berichten aner«
lannt, daß fortwährend einige 100,000 Tons Kloalenmaſſe unter den Hän-
km und Strafen Londons faulten! Wiebe fehilert freilich den Zuſtand
ft diefer alten Kanäle als nicht fo fhlimm: er fand nur da, wo ein
fürleres Gefälle in ein ſchwächeres überging, eine circa 6 Zoll Hohe
Schicht von Sinfftoffen; im Ganzen floß das Wafler raſch ab und erzeugte
eine fo lebhafte Auftftrömung, daß bie mitgenommenen Kerzen oft ausge
(ft wurden; übler Geruch war daher nım an ber Mündung bemerkbar,
wo bie Ueberwölbung und bamit auch ber Luftzug aufhörte; auch waren
die Arbeiter geſund. Allein Wiebe hat offenbar die Kanäle in ihrer ſchlimm ⸗
fen Verfaſſung nicht gefannt; er fah fie 1860, während ſchon feit 1856
Berbeflerungen im Gange waren, namentlich für eine fräftige Spülung
nit Gtanthüren geforgt war.
Ein noch weit größerer Uebelftand war der, daß die Kanäle innerhalb
der Etabt in bie Themfe mündeten und num ihr Inhalt während ber
Ebe und Fluth fortwährend Hin- und zurächwogte, während bie Still
Ränbe zwifchen beiden aber fich theilweife abfegten. Der fenkrechte Abftand
wiſchen Ebbe und Fluth beträgt in London burfchnittlih 18 bis 20 Fuß;
während ber Ebbe werben bis 80 Fuß breite Streifen beider Ufer troden
gelegt, bie durchweg mit ſchwarzem ftinfendem Schlamm bebedt find und
über welche man außerdem noch ben eklen Inhalt der Kloaken ſich ergiefen
ſah. Das Flußwaſſer ſelbſt ift trüb und wolfig; übelriechend fanb es
Biebe nicht; Pappenheim aber konnte durch bloßes Auſtochen Gaſe daraus
entwicleln, welche Chlorgold reduzirten.
30 Ueber Entwäflerung und Reinigung großer Gtäbte
Die neueren Einrichtungen Haben biefe Uebel zum Theil befeitigt.
Man Hat mehrere Abfangefanäle angelegt, bie in verfchiebenen Höhen un«
gefähr parallel dem Fluſſe laufen, alfo die alten Kanäle ſchneiden unb
ihren Inhalt bis weit unterhalb der Stabt ableiten. Die oberen können
ſich durch natürliches Gefälle entleeren, bie beiden dem Fluſſe zunächſt ver-
laufenden liegen zu tief, brauchen alfo eine PBumpftation, welche ihren
Inhalt in ben nächfthöheren Kanal hinauſhebt. Um nun gegen ben Rüd-
ftau der entleerten Maſſen ſelbſt bei Springfinthen ficher geftellt zu fein,
Hatte man die Wahl, bie Mündung ber Kanäle entweder volle 4 deutſche
Meilen flußabwärts zw verlegen ober an biefer Ranallänge 21/5 Meilen
zu fparen, aber dafür den Ausflug nur 4 Stunden lang während des
Hochwaſſers eintreten zu lafien, damit bie Stoffe alsdann nun von ber
Ebbe fortgeſchwemmt werben. Dann aber beburfte es natürlich großer
Reſervoirs, um während 8 Stunden den ftetig zufließenden Inhalt der
Kanäle aufzunehmen. Man hat fi für das letztere Mittel als das wohl⸗
feilere entſchieden. Dabei hat man aber auf dem fehr niebrigen Sübnfer,
um ben Abfluß bei Hochwaſſer zu ermöglichen, dies gemanerte und über-
dachte Baffin von 4 Millionen Cubil-Fuß 21 Fuß Hoch aulegen müſſen
und läßt durch Mafchinen von mehreren hundert Pferbefraft das Kanal
waſſer beftändig hinaufheben. Noch mehr! Auf dem nördlichen Ufer hat
ber niebrigfte Abfangefanal noch gar nicht in Angriff genommen werben
innen, weil in biefer mit hohen Häujern und Waarenlagern bicht bebau⸗
ten Gegend ber Baugrund unerſchwinglich thener if. Man hat baher das
Project entworfen, den Kanal im Fluſſe jelbft und auf ihm eine neue
Straße zu erbauen, aber nicht dicht am Ufer, weil man ben Verkehr ber
ſchon ſtehenden Häufer mit dem Fluſſe nicht abſchneiden darf, fonbern fo
weit ins Flußbette hinein, daß zwiſchen Ufer und Kanal, eine Reihe von
Hafenbaffins übrig bleibt, bie durch Schleuſen beftändig auf Fluthhöhe erhal⸗
ten werben follen. Die Koſten würden natürlich ins Schwindelnde gehen.
Ich führe dieſe Schwierigkeiten bier an, theils um bie Großartigleit ber
Mittel zu zeigen, womit man ihnen in England begegnet, theils aber auch
um die Eonfequenzen zu beleuchten, zu deuen unter Umftänden das Ka⸗
nalſhſtem führen kann. .
Bei alledem ift das Uebel der Verunreinigung bes. Fluſſes keineswegs
vom Dr. J. Moller. . 3
gehoben, ſondern nur beplacitt, benn bie unterhalb gelegenen GStäbte bes
tommen natürlich das Flußwaſſer erft vecht verpeftet, fo wie London
ſeinerſeits e8 von ben gleichfalls Tanalifirten Stäbten oberhalb, nament-
lich Kingfton ſchon unrein empfängt, Auch ift diefer Zuftand nicht blos
bei ber Themfe, fondern bei allen an vollkreichen lanaliſirten Städten vor-
beigehenden Flüſſen (Dierfeg, Medlock, Tame bei Birmingham zc.) einge⸗
treten und hat bereits zu zahlreichen Prozeſſen der Städte unter ſich, zu
Beſchwerden und Anträgen beim Parlament geführt. Vielfach fol’ die
Fiſcherei aufgehört haben, Wohnungen an Fluß⸗ und Kanalufern verlaffen
worben fein, mande Gewäfler follen mit fo bidem Schlamm bebedt fein,
daß Vögel hinüber gehen, das Bette anderer ſoll fi durch Kloalenſtoffe
um 10 bis 15 Fuß erhöht haben. Das Parlament Hat bereits in vori⸗
ger Seffion einen Ausſchuß unter dem Vorfige Lord Rob. Montagues
niebergefegt, welcher bie Nothiwenbigfeit conftatirte, bie Ortsbehörben zu
Maßregeln gegen die fortgefeite Verunreinigung der Gewäſſer zu verpflich-
ten. Eine ſcharfe Bil Lord Montague’s wurbe nur deshalb zurüdgezogen,
weil die darin vorgefchlagenen Maßregeln als Eingriff in die communale
Seldfiftändigkeit ungünftig aufgenommen wurben. Auf dem Eontinent find
bei Hamburg bie geſchilderten Uebel wohl deshalb noch nicht fo fühlbar
geworben, weil e8 aus ber hoch gelegenen Alfter feine Kanäle vortrefflich
fpifen Tann, weil Ebbe und Fluth viel weniger mächtig find und weil in ber
meerbufenartig breiten Elbe fich die Stoffe mehr vertheilen. Dagegen würde
Berlin unbebingt das unglüdliche Chorlottenburg und Spandau verpeften,
fpäter wohl ſelbſt Potsdam gefährlich werden. Am erften wäre bas Spftem
noch zuläffig bei Städten, die, wie Danzig, nahe der Mündung eines
Stroms ins Meer liegen, obgleich auch ba nur durch befonbere Vorleh⸗
rungen ein Verſchlämmen des Fahrwaſſers abgewandt werben Tann, wie
es im Clyde unterhalb Greenod und Glasgow erfolgt.
Während nun einerfeits das Kanalſyſtem durch Vergiftung ber Gewäſ-⸗
fer Gefunbheit und Lebensannehmlichkeit der Anwohner beichäbigt, ſchließt
es durch nutzloſe Fortſchwemmung ber Dungftoffe eine Gefahr für ven
Landbau und eine Verminderung bes Nationalvermögens ein. Welche
loloſſale Werthe dabei verloren gehen, mögen einige Beifpiele zeigen. Schon
1866 berechnete man für London die Maſſe bes täglich verloren gehen⸗
32 Ueber Entwäflerung und Reinigung großer Städte
henden Dünger auf 149 Tons & 20 Eentner trodene Subftanz. Diele
enthielt nach einer Analyfe von Lawes:
Ammonial .. . . . 29 Ton,
PHosphorfaure Sale. 14 „
Alfalien und Erden . 32 „
KRohlenftof . » » . BI
Fur Berlin berechnete ſich der Geldwerth bes jährlich erzeugten feſten
und flüffigen Düngers ſchon nad) der Zählung von 1861 (547000 Ein-
wohner) auf 1,693,000 Thaler. Aber man muß freilich bon vorn herein
zugeben, daß es ſchlechthin und bei jedem Syſtem unmöglich ift, biefe
Werte auch nur zum größeren Theile zu erhalten. Darum werben wir
einen richtigen Maßſtab für die dem Kanalfyftem zur Laft zu legenden
Verlufte nur erhalten, wenn mir bie wirflihen Erträge betrachten,
welche fi) durch Abfuhr der ſtädtiſchen Abfälle erzielen laſſen. In Unte
werpen enthält ber Etat für 1864 an Einnahme:
aus dem Verkauf der Latrinenftoffe . . . . 120000 $r.
vn " des Straßenkehridhtse . . . 65000 „
„»n " der übrigen Abfälle . . . 5000 „
Summa 190000 Fr.
Hievon werben nicht mur bie Koften für die gefammte Straßenreini«
gung incl. bes Unterhalts der Pferde und der zum Waflertransport ange⸗
ſchafften Schiffsgefäße beftritten, ſondern es bleibt noch ein reiner Weber»
ſchuß von 72000 Fr., auf deſſen ftetige Zunahme man übrigens rechnet
unb rechnen kann, da n. a. bis jet ber Urin aus ben fehr zahlreichen
öffentlichen Piſſoirs unbenugt abfließt, in Zukunft aber in Behältern auf
gefangen und ebenfalls verfauft werben foll. Im Lyon ift bie Abfuhr der
Abfälle an Unternehmer verpachtet, welche an bie Stadt pro Cub. Met.
1 $r. 25 €. zahlen und außerdem bie Verpflichtung zur unentgeltlichen
Neintgung der öffentlichen Gebände Haben. Bon ben Privathausbefigern
erhalten fie dagegen pro Eub. M. durchſchnittlich 1 Fr. 50 €. und ebenfo-
viel löſen fie aus dem Verkauf an die Landleute. Bet einer Gefammt-
abfuhr von circa 125000 Cub. M., wovon 29000 auf bie öffentlichen Ge-
bäube kommen, ftelit fi hienach bie reine Einnahme ver Stadt auf
von Dr. 3. Miller, 33°
120000 Fr., die Bruttoeinnahme ber Unternefmer auf 332000 Fr., fo
daß ihnen zur Dedung ber Koften und als Nutzen 212000 Fr. übrig blei⸗
ben. Die Ausgabe, welche die Hausbefiger machen, fließt ihnen als Bür⸗
gern wenigftens indirect unb zum Theil wieder zu burch bie Einnahme,
welche die Stabtlaffe Hat. Im Oftende erzielt die Commmme aus bem
Düngerverkanfe jährlich 8 Sgr. 3 Pf. pro Kopf der Bevölkerung, in Karls⸗
mühe wird vom einem Landwirthe ber Umgegenb für ben Dünger ber Ka⸗
fernen fogar eine Summe bezahlt, die auf 19 Sgr. pro Kopf hinaus Läuft.
36 weiß wohl, daß biefe Beifpiele, bie id} leicht noch vermehren könnte,
feine allgemeine Gültigkeit Haben. Je ſchwunghafter die Landwirthſchaft
in ber Rachbarſchaft einer Stadt betrieben wird, je mehr ein leichter, fan»
biger Boden ſich für den ſchweren Kloalendünger eignet und ber wohlfeile
Baffertransport feine Wegführung auf etwas weitere Streden ermöglicht —
um fo ficherer und höher wird das Abfuhrfyftem rentiren, während unter
entgegengejegten Verhältniffen Gemeinde und Private wohl noch Zuſchüſſe
leiſten müfjen. Haben wir es doch in unferer Stabt erlebt, daß bis vor
ein paar Jahren die Nachfrage nad Dünger und ber Erlös bafür in
raſchem Steigen begriffen war, während im legter Zeit bei ben gebrüdten
Berhältnifien ver Landwirthe und ben Inappen Betriebslapitalien ber Din
ger laum los zu werben tft! Sole vorübergehende Schwankungen aber
bürfen nicht von den richtigen Grunbfägen abwendig machen.
Denn im Allgemeinen it es natürlich und unausbleiblich, daß über
haupt und beſonders im der Nähe vollreicher Städte, biefer großen Ber-
brauchsherde, ber Landbau immer Intenfiver betrieben, ber Bebarf an Dün-
ges immer größer werben muß. Und deshalb bleibt es einer der Haupt⸗
vorwũrfe für das Kanalifirungsfyftem, bie Verſchwendung zum Prinzip zu
esheben, bie Dungftoffe den Aeckern zu entziehen, wo fie nägen, und in
die Gewäfler zu transportiven, wo fie ſchaden!
Man Hat num auf verichtedene Weiſe dieſem unlengbaren Uebelſtande
abzubelfen gefucht, Es würde am näcften liegen, bie aus ben Sammel ⸗
Tanäfen abfließenden Maſſen nachträglich zur Aderbängung zu verwenden,
wenn nicht ihre große Verbännung mit Waſſer bies unthunlich machte.
Sie durch Faͤllung oder Abbunftung zw concentriven, wärbe viel zu koſt⸗
fpieltg fein; fo aber if ihr Volumen für ven Krantport ” groß und die
ums Menstöfgzift On TIL Die 1,
84 Ueber Öntwäflerung und Reinigung grober Gtähte
feften Stoffe find völfig ansgelaugt und dadurch beinahe werthlos gewor⸗
den. Auch Hat man gefunden, daß bie Kanaffläffigkeit zur Aderbüngung
fi überhaupt nur mit großer Einfchränfung und Vorſicht eigne, Dagegen
den Graswuchs trefflich befärbere. Hiernach empfahl fi) von felber bie
Unlage von Riefelwiefen von den Kanalmünbungen aus und wirklich eriſti⸗
ren bereits günftige Erfahrungen barüber, namentlich aus Ebinburg unb
aus Croydon ſildoſtlich von London. Das Vieh foll das Gras von fol
Gen Wiefen ohne Anftand freflen; ven Ertrag fand Thudichum bei einem
in ber Nähe von London im Kleinen gemachten Verfuche fehr reichlich und
namentlich das Gras fehr kräftig, fo daß es dem Gewichte nach ſehr
viel mehr Heu gab. Dergleichen Riefelanlagen find denn auch in bie
Projecte für Danzig und Frankfurt aufgenommen und aud für Berlin
hat Wiebe nachträglich darauf aufmerffam gemacht, daß ſich zwiſchen
Moabit und Charlottenburg, alfo in ber Nähe der beabſichtigten Aus«
mänbung bes SHanptlanals ein circa 10000 Morgen großer fanbiger
Laudſtrich vorfinbet, welcher zu einer derartigen Anlage ganz geeignet fein
würbe. Unbedenklich würde ich diefen Ausweg für einen ganz genügenden
und bie beiden Hauptvorwürfe gegen das Syſtem befeitigenben halten,
wenn nicht noch ein Bedenlen im Wege ftünbe: ber üble Geruch folder
Niefelwiefen. Die Wiefen von Eraigentiuny ftinfen fo, daß, währen die
Stadt Edinburg fi nad allen andern Richtungen raſch vergrößert, nach
jener Seite Niemand mehr bauen will. Diefe anerkannte Thatſache wirb
allerdings von Thudichum auch wieder aus einer mangelpaften Ausführung
der Ranalifirung erflärt. Nach dem offiziellen Berichte der Royal Sewage
Commiſſion follen von ben 13,200 Häufern Ebingburs 12000 noch bie
alten Abtrittsgruben haben, auf welche man Waſſerlkloſetts nur oben aufs
gepfeopft hat. Die Drains aber gehen nicht unten, ſondern oben aus den
Gruben ab, fo daß fie erft deren durch lange Fäulniß furchtbar ſtinkend
geworbenen Weberfluß in die Kanäle abführen. Dagegen fand Thudichum
das Waſſer des oberften Hauptlanals von Norb-Ronbon ba, wo es in
offener Rinne ſchnell dahinfloß, wiederholentlich auf Urmeslänge ganz ge⸗
ruchloe, bie gefchloffenen Kanäle und bie Reſervoirs hatten einen bemtlie
Gen Geruch nach friſchem Menſchenkoth. Es ergebe ſich daraus, fagt
Thubichum, die merhväcbige Entbedung, daß das friſche Kaualwaſſet, weun
von Dr. J. Möller. 35
die Stadt Feine Abirittsgruben, fondern nur Wafferflofetts Habe, bie Ka⸗
nãle richtich gebaut und gut gefpält feien, faft völlig geruchlos fei; man
dürfe nur die darin fuspendirten Kothſtoffe, Kalkfeifen und Papierpulge
ſich abfegen laſſen und könne es dann fofort ohne Beſorgniß vor läftigem
Geruche zur Ueberriefelung von Wiefen verwenden, wobei es bei gehöriger
Größe der Fläche und richtiger Vertheilung fo vollftändig von allen Diiw
gerbeftanbtheilen befreit werde, daß man ben Ueberſchuß getroft in bie
Flũſſe ablaufen laſſen lönne. Ich Tann biefe Verſicherung nicht recht zu⸗
fammenreimen mit ben Angaben Wiebe’s, welcher an zwei Stellen (S. 110
and 111) ausdrücklich fagt: bie Luft in ben Kanälen war nicht mehr ver-
erben, als in Paris, und an der Münbnng bes einen Hauptlanals (bes
Counters Creek) war ber wibrige Geruch nicht ftärker, als beim Ausfluffe
der Cloaca maxima von Paris, Nun bürfen aber in Paris nur bie fluſſi⸗
gem Kloalenſtoffe und andy biefe nur nach vorgängiger Desinfection in
die Kanäle gelafien werben und doch hat man fich veranlaft geſehen, über
der Mündung ber Cloaca maxima einen Verbrennungsapparat für bie
entweichenben Cafe anzubringen, von bem Wiebe freilich meint, er helfe
wicht viell Sollten an al’ dem wirklich nur bie Sinkftoffe fchulbig, bie
Fiäffigketten ſo ganz unſchuldig fein, da doch Wafler Ammoniat, Schwer
felwafierftoff und faft alle andern riechenden Gaſe in namhafter Menge ver
ſchlucktt und erſt allmählich wieder entläßt? Ich bin hiernady über bie von
Thndichum behauptete Geruchlofigleit der Riefelanlagen noch keineswegs
beruhigt, ſondern möchte weiteren Erfahrungen bie Entſcheidung überlafien.
Danzig ift aber jedenfalls hiezu fo günftig wie möglich gelegen: das zur Bes
riefelung anserfehene Dünenterrain ift buch unbewohnte Wiefen und bie
alte Weichfel von der Stabt getrennt und liegt von ihr gerabe nad) Nor»
den, woher ber Wind im Ganzen felten fteht; bie vorherrſchenden Weſt⸗
winde wärben bie üblen Gerüche fchlimmften Falls nach den ebenfalls faft
unbewohnten Anfängen der Nehrung mit ihren Dünen und Walbungen
wehen. Bei weiten bebenflicher wäre bie Sache für Berlin, wo bie Rie⸗
felaulagen weſtlich von ber Stabt und hart neben das ſtarlbevöllerte Moa⸗
bit zu Liegen kommen würben.
Für diejenigen Falle, in denen ein zu Rieſelwieſen paſſendes Land⸗
Rüd nicht zu Haben ift, hat Thudichum einen anbern Vorſchlag gemacht,
3. .
98 Ueber Entwaſſerung und Reinigung otoßer Staͤdte
um bie Kanalifirang mit ber Verwertung ber Dungftoffe zu vereinigen.
Er geht davon aus, daß ber menfchliche Koth wegen feiner mechanifchen
und chemifhen Eigenfchaften als Dünger nur änkerft geringen Werth habe;
85 pEt. bes gefammten Düngerwerthes der Ereremente fteden in bem
Urin. Zugleich iſt biefer für ſich allein in Röhren oder Gefäßen viel
Teichter transportabel, Es Tommt daher barauf an, bie von ber Natur
vorgezeichnete Trennung beider Excrete von vorn herein feftzuhalten. Hiezu
dient eine in dem Beden jedes Wafierfiofetts quer verlaufende Scheide
wand, Die Hintere größere Abtheilung führt in das gemöhnfiche Abfall
rohr, das vorbere Meinere durch eine bünnere Röhre von Eifen ober Blei
in ein befonderes Syſtem von Urintöhren, welche innerhalb ber Kanäle
bis zu deren Ausgang lanfen und bort ihren Inhalt in beliebige tran
portable Behälter ergießen. Der Koth laßt fich vermöge feiner Zähigkeit
ſchwer mit dem Boden vermifchen, enthält Hauptfächlich fettſaure Salze und
‘andere unlösliche Verbindungen, bie ſich erft langfam im Boden zerfegen
muſſen, ehe fie Pflanzen ernähren können. Diefer geringe Werth iſt e6
auch, welcher einen weiten Tronsport oder koſtſpielige Bearbeitungsweiſen
ausſchließt; alle fogenannten Poudrettefabrilen haben mit Schaden gearbeitet
nud Banquerot gemacht, wo fie nicht durch ganz befonbere örtliche Ver⸗
Hältniffe geftägt wurden. Am beften ift es noch, bie in den Kanälen fort
gelpülten Kothmaſſen in abwechfelnd benugien Abfagbaffins an der Luft
anstrodinen zu laſſen, wobei fie thenartig bicht und faft geruchlos werben.
Dann werben fie mit Spaten herausgefiochen und auf ben benachbarten
Uedern ober Düngerflätten mit Aſche, Kehricht u. a. bängenben, aber
lodern Übfällen zu einem ſehr brauchbaren Gompoft vermiſcht. Das aus
den Abfagbaffins austretenbe, von verweslichen Stoffen beinahe ganz bes
feeite Wafler kann man nad einfacher Filtration durch ein Kies⸗ ober
Eofebette ohne Schaden in fließende Gewaäſſer laufen laſſen. Ich möchte
zunächft bemerken, baß dies letztere Verfahren keinen fichern Schutz ges
gen die Verfchleppung ſchädlicher Materien in die Flüſſe gewährt, wie bie
mit dem Filtriren von Flußwaſſer felbft gemachten Erfahrungen am deut⸗
Üchften beweifen.
Die Mehrloften feines Syſtems will Thudichum für Frankfurt in
Banſch und Bogen auf 1 Million SI. annehmen, dagegen berechnet er
von Dr. J. Möller. 37
ben „unbebingten Werth" des gefammelten Harns auf 425,000 Fl. jährlich,
mithin würbe fich fchon im erſten Jahre nach Abzug von 10 pCt. Zinfen
und Amortifation für das Anlage⸗-Capital ein reiner Ueberſchuß von
325,000 $1. Herausftellen! Diefe Rechnung hat wirklich etwas Naives,
Bas wirbe man wohl von dem Befiger eines Felſens in den Alpen fa-
gen, ber fo rechnen wollte: Ich Habe ba 100,000 Schachtruthen Steine
zum „unbebingten Werthe* von 10 Thlr. pro Schachtruthe, folglich bin
id ein Millionär! Ganz abgefehen von Zransportmitteln und Transporte
often wärbe es fi) doch vor allen Dingen fragen, ob ber Begehr dem
Vorrath entſprechen würde und wenn nicht, wohin dann mit bem beflän»
big zufließenden Urin? Man müßte wenigftens eine Ammontaf-Fabrit
nach dem Borgange von Bondy bet Paris anlegen; aber leider iſt biefe
nicht nur finanziell eine fehr fehledhte Unternehmung, ſondern verpeftet
auch die ganze Nachbarſchaft. Kurz vorläufig erfcheint mir das Syſtem
Thudichum's als beachtenswerther Vorſchlag eines Theoretilers, ber aber
die Feuerprobe ber Erfahrung noch erft zu beftehen Hat. :
Ich komme zu einer weiteren Frage: ob nämlich. bie Kanaliſtrung ber
Stäbte ber fortdauernden Verunreinigung bes Bodens und bamit bes
Brununenwaſſers wirklich abhilft? Werfen wir zunächſt einen Blick auf
die Zuftände, an beren Gtelle fie getreten ift ober treten fol! Ich fehe
ganz ab don Rußland und Polen, welde in biefer Beziehnug, wie in
manchen anderen, völlig zum Orient gehören. Aber auch bie bentfchen
Stäbte find größtentheils noch fehr in der Eultur zurüd, Im Berlin har
ben ſammiliche Altere Hänfer d. 5. alle bie nicht etwa in ben legten fünfe
zehn Jahren gebaut find, auf ihren Höfen gemauerte Abtrittsgruben, bie
in der Regel ein Mal im Jahre geräumt werben, folglich buch ihren fau⸗
lenden Inhalt nicht nur wiberlichen Geruch verbreiten, fonbern auch, ba
das Mauerwerk fehr bald undicht wird, ben Boden, das Grund» und
Brunnenwaſſer verunreinigen. In Eöln egiftiven fogar fogenannte Thür me
d. 5. bis 40 Fuß tiefe gemamerte Schachte, die erft im Laufe von Jahren
voll werben, bann aber fo fehwierig zu räumen find, daß man früher es
vorzog fie zugumanern und nebenbei neue anzulegen. In Frankfurt und
manchen anderen alten Städten war es zwar gefeplich verboten, die Abs
tritte in öffentliche Kanäle ober Gräben münden zu laſſen, aber viele Hau⸗
38 Ueber Entwäflerung und Beinigung großer Gtäbte
. fer Hatten das Recht dazu durch eine fogenaunte Ranalzente erworben unb
ebenfo Häufig geſchah es ohne Berechtigung. Am fohlimmften fieht es in
Münden. Hier Haben mande Abtrittsgruben nur Bretterwände, viele
andere fogenannte trodene Mauern, b. 5. von Ziegeln ohne Mörtel, bar
mit eben ber flüffige Inhalt in das Erbreich austrete, und fie wurben
nicht eher gereinigt, als bis ber Boden fo verſchlämmt war, daß er nichts
mehr aufnahm. Diele Latrinen mündeten biveft in bie Bäche, welche bei
nieberem Waflerftande ber Brunnen, wie namentlich im Winter, zum Spei⸗
fen der legteren benugt wurben. Namentlich aber befanden ſich auf ſehr
vielen Höfen in ber unmittelbaren Nähe jener ſchlecht eingerichteten Gru-
ben Pumpbrunnen, deren. Waſſer zwar meift nur zum Waſchen und ähn-
lichen wirthſchaftlichen Zwecken, doch mitunter auch zum Trinken beuugt
wurde. Erwägt man nun, baß ganz Münden auf einem änßerft durch⸗
laſſenden Geröllboben fteht, fo begreift man, in wie hohem Grabe bie
Brunnen und Wafferleitungen Münchens mit ſolchen menſchlichen Abgängen
verunreinigt werben müffen. In ber That tft dies bei verfchievenen Ver-
anlafjungen chemiſch und mifroscopifch nachgewiefen worden. Auch find
es gerade die Münchener Erfahrungen über die Cholera und ben bafelbft
nie aufhörenden Typhus geweſen, welche mit voller Beftimmtheit bie Weber-
tragung biefer beiden Krankgeiten durch ein auf ſolche Weife vergiftetes
Trinkwaſſer dargethan Haben. Nicht mit Unrecht macht daher Thudichum
bie beißende Bemerkung: Die Baiern Hätten gut gethan, bevor fie für
Vinalothelen, Glyptotheken und Walhallen vieles Geld ausgegeben, erſt für
anftändige Reinlichkeit ihrer Städte zu forgen; benn bis jegt feien biefel-
ben wahre Koprothefen! Aber man muß gerechter Weiſe Hinzufügen, daß
die legten Jahre gerade in Baiern fehr anerfennenswerthe Beftrebungen
nach Verbeſſerung auch in biefer Richtung gebracht Haben. Und wie fleht
es benn in biefer Hinficht bei uns? Kaum ein paar Jahre find verfloffen,
feit wir die Abtritte an den zahlreichen offenen Gräben Losgeworben find
und ſchlecht gemanerte Gruben giebt es gewiß noch jegt hier und ba, wenn.
gleih im Ganzen bie Bauart unferer Häufer ihrer Anlage nie günftig war.
Die Hauptfache aber if, daß unfere Brunnen nad) wie vor gegen das
Eindringen bes Straßenkoths und Pferbenrins nicht gefhügt find. Wenn
im Winter plögliches Thauwetter eintritt, findet man namentlich gewiſſe
von Dr. J. Möller. 39
Brunnen (3. B. auf dem Roßgarten, Münzplak, der Roggenftzafe) dermaßen
mit jenen Abgängen ober ihren Zerfegungsptobuften verunteinigt, daß ihr
Waſſer geradezu ungenießbar wird — und das ift vielleicht das Beſte!
Denn wirb es genoffen, jo ſchadet es der Geſundheit. Es Hat zwar nichts
Spezifiſches d. h. es erzeugt nicht gerade Typhus oder eine ähnliche ſpe⸗
zifiſche Krankheit, aber es bewirkt wenigftens Diarrhöe.
Gegenüber ſolchen Zuſtänden erſcheint nun freilich die Kanaliſtrung
mit ihren geruchfreien, ſaubern Waſſerkloſetts, mit ihrer ſichern, ſchuellen
amd voliflänbigen Hinausführung der Abfälle als ein mächtiger Kultur⸗
fortfehritt! Nur ein Bedenken auch gegen biefe Seite berfelben muß kurz
erwähnt werben. Die von dem prenß. Minifterium ber landwirthſchaft ⸗
lichen Angelegenheiten zur Begutachtung des Wiebe’ichen Planes anfgefore
derten Sachverſtandigen, Röder und Eichhorn, weiſen nämlich baranf Hin,
daß wenn man fi zum Bau ber Kanäle auch des beften Cements bebiene,
diefer doch durch bie Satrinenflüffigfeit fehr bald zeriegt werbe und bantı
das Mauerwerk feine Dichtigfeit verliere, fo daß bie Verunreinigung bes
Bodens von Neuem beginne. Dies ift theoretifch ganz richtig. Die
in dem Gement ſich bildenden wafjerhaltigen Verbindungen ber Kieſelſäure
mit Kalk und Thon find nur gegen reines ober Talfhaltiges Wafler beftän»
dig, Allalien und deren Salze dagegen zerfegen fie, indem biefelben all«
mahlich an bie Stelle des Kalls treten, während biefer ſich mit ber Säure
derfelben verbindet. Nun werben in ber Ranalfläffigleit ohne Frage ſolche
Salze ftet3 reichlich vorhanden fein. Außer ihnen wird ſich oft unter Ein»
wirkung der ſtarken Baſen aus dem Ammoniak Galpeterfäure entwideln,
welche dann gleichfalls zerfegenb auf ben Hefelfanren Kalt wirkt. Daß
derartige Einfläffe auch in praxi ſchon verberbfich geworben feien, belegen
Nöber und Eichhorn mit bem Hinweis auf bie bereits baufällig geworde⸗
nen „älteren” Londouer Kanäle. Allein weber erfahren wir, wie alt benm
dieſe Kanäle ſchon find, noch welches Material zu ihrem Ban benugt wor»
ven iſtz dagegen willen wir von Wiebe, daß fie nach Form und Gefälle
fehlerhaft find, mithin wegen ber Stagnation bes Inhalts ber zerfegenben
Mädwirtung deſſelben befonbers ansgefegt geweſen fein müſſen. Im Ger
gentgeil darf behauptet werben, daß praltiſche Erfahrungen über bie Länge
ber Zeit, währen welcher richtig und von gutem Material gebaute Kanäle
40 Ueber Entwaſſerung und Reinigung grober Stadte
völlig dicht bleiben, noch gar nicht vorliegen; aller Wahrſcheinlichkeit nad
iſt es eine recht lange Zeit, da bie chemiſche Einwirkung ber Kanalflüffige
leit notwendig um fo langfamer ſortſchreiten muß, je mehr fie im bie
Ziefe des Mauerwerks einbringt. Schlimmften Falls würde doc) aber bie
aufs Neue beginnende Verunreinigung bes Bobens immer nur anf ben
Lauf der Sammellanäle befchränkt fein. Den glafirten Steingntröhren,
welche nach dem jetzigen Stande ber Technik ven größten Theil einer Stabt
durchziehen, bürfte auf ſehr lange Zeit hinaus eine volffommene Sicher
heit beizuiegen fein, falls nur bie einzelnen Stüde mit recht fettem Thon
forgfältig. gebichtet worben find, Demnach erfcheint mir biefer Röder⸗Eich⸗
hornſche Einwurf gegen ben Werth ber Kanalifirung praktiſch als uner⸗
heblich.
Ein anderer Einwand ölonomiſcher oder finanzieller Natur bürfte
ſchwerer zu entkräften fein. Es ſteht nämlich feft, daß bie feften Abgänge
(Gemäfeabfäle, Stroh, Knochen, Scherben u. dgl.) ſelbſt bei guter Spü-
lung ber Kanäle burch biefe nicht entfernt werben können, ja daf fie dem
Ranalfyftem in feiner gegenwärtigen Geftalt fogar gefährlich find und bies
fich daher durch DVergitterungen möglichft gegen ihr Einbringen ſchützt.
Auch der ſchwerere Theil bes Straßeuſchlammes gehört eigentlich dazu und
wo man ihn, wie in Paris, in bie Kanäle ſpült, da muß man ihn mit
großem Anfwende an Apparaten und Arbeitskräften in biefen bis zum
Sluſſe fortſchaffen, nm ihn dann auch ans biefem herausbaggern unb ab-
fahren zu laſſen. Hieraus folgt, daß neben dem Kanaliuftem ein gere-
geltes Abfahrwefen für die feften Stoffe nuentbehrlih ift und daß biefes
in ſolcher Befcränkung verhäftnigmäßig Toftfpieliger unb weniger einträg-
lich fein muß, als wenn ihm bie gefammte Abfuhr Übertragen würde,
bebarf wohl keines Nachweiſes. Allein dies ift am Enbe eine Gelbfrage,
weiche Höchftens dazu beitragen Tann, die Einführung des Kaualſyſtems
anf wohlhabende uud finanziell gut geftellte Städte zu beichränfen.
Die Billigkeit, wie die Vollſtändigkeit — fo weit von biefer hier bie
Rede. fein Tann — gebieten es, ſchließlich diejenigen Verbeſſerungen kurz
anzugeben, durch bie man ben Uebelftänben des alten Abtrittsſyſtems und
des Abfuhrweſens abzuhelfen gefucht Hat. Als ſolche Uebelftänbe laſſen
ſich befonders zwei hervorheben: Die ſchon erwähnte Verunreinigung beö
von Dr. J. Möller. 4
Bodens und Brunnenwaffers durch undichte Gruben und ber üble Geruch,
den Abtsite ohne Waſſerſpülung ftets verbreiten und der mit ihrer Rän«
mung und Abfuhr noch in viel höherem Maaße verbunden ift. Erſterer
Nachtheil Laßt fich leicht und vollſtändig vermeiden: durch das Kübel» ober
Tonnenfgftem, welches in ben meiften beutichen Stäbten neben bem ber
feften Abtritte oder ausfchliehlich befteht und von ben Franzoſen Systöme
à fosses mobiles genannt wird. Die ſchlechthin verwerflichen Gruben finb
alſo durchaus kein norhwenbiges Uebel.
Den Geruch hat man zw befeitigen gefucht durch besinficrende Mit«
tel, durch Ventilation, durch Trennung ber flüffigen von ben feiten Erere⸗
menten unb durch verbeſſerte Verfahren bei ber Gntleerung und bem
Transporte berfelben. Zur Desinfection finb von verſchiedenen Chemilern
fo zahlreiche Stoffe empfohlen worden, daß Tarbien bereit vor 10 Jah⸗
en über 20 aufzählte, wozu neuerdings noch ein paar gekommen find.
Sie laſſen ſich eintheilen in pordfe Körper, welche nur bie Gafe eiuſchlucen
und verbichten koönnen, wie namentlich bie verfchievenen Arten von Kohle,
Aſche, Torf und Hammerfchlag, ferner in folde, die jene Gaſe zerftören
und dadurch geruchlos machen (Chlor), endlich in ſolche, die durch Er⸗
zeuguug unlöslicher Verbindungen bie Zerfegung organifcher Materien
hemmen. Uuter ben letzteren find bie wichtigſten verſchiedene Metallſalze
„. B. der überall wohlfell und in Mafje anzuſchaffende rohe Eifenvitriol.
Im der Nachbarſchaft Hemifcher Fabrilen zieht man das Zinkhlorir und
Manganchlorid vor, welche als Abfälle faſt umfonft zu haben find. Ends
lich iſt noch die Garboljänre zu nennen, weil fie ſchon in fehr ‚geringer
Menge wirkt. Aber alle diefe Mütel wirken nur für kurze Zeit und eis
gentlich mar vollfländig, fo fange fie über dem Inhalte des Abtritts eine
volftändig abſchließende Schicht Bilden. Man hat num zwar vorgeſchla⸗
gen, ben Kübeln in der Mitte bes Bodens einen ſenkrechten Regel zu ges
ben, bamit bie Excremente an ben Seiten befielben Hinabfinfen und ſich
gleichmãßig unter der besinficirenden Schicht verbreiten. Aber grade wo
eine ſolche Vorrichtung befonders nothwendig wäre, auf bem Boden fefter
Gruben, würde fie ſich nur mit Schwierigkeiten anbringen laſſen. Eigent-
lich alfo müßte nach jeber Benntzung bes Abtritts etwas von ber besin«
ficirenden Subſtanz uachgefhättet werben, was einen Toftfpieligen mub fi
4 Ueber Entwäflerung und Reinigung grober Gtäbte
bald verfttimmenben Mechanismus voransfegte, ober man müßte fie we ⸗
nigſtens ein paar Mal täglich in größerer Menge Hineinfchütten, was fehr
umſtändlich wäre.) Dies find wohl bie Urſachen, weshalb bis jetzt alle
biefe Mittel kaum je zur dauernden Desinfection von Abtritten, fondern
nur bor ober während ber Räumung berfelben benugt worben find. Deflo
mehr empfiehlt fich zu jenem Zwede bie ftete Ableitung ber riechenden
Safe durch Ventilationsröhren, bie man entweder in ein benachbartes
Schornſteinrohr münden läßt ober bis über das Dad hinausführt und
durch eine unten angebrachte Gasflamme, welche zugleich für Erleuchtung
forgt, gelinde anheizt. Diefe Überall und mit geringen Koflen herzuftel-
lenben Einrichtungen erfüllen ihren Bwed in völlig genügender Weiſe,
wenn man es nur mit Kübeln ober Tonnen zu thun Bat.
Daß es vortheilhaft fein muß bie feſten von ben fläffigen Excremen⸗
ten moöglichſt zu trennen, läßt fi) theoretiſch leicht einfehen, weil bei einer
Miſchung fo verfchiebenartiger Subftanzen die faufige Zerfegung ber einen
immer als Ferment auf die andern zurücwirkt und weil bie ber feften
Maſſen um fo raſcher erfolgt, je feuchter fie bleiben. Deshalb Hatte man
auch in Parie, wo große, Tellerartige Abtrittsgruben gebräuchlich find, bier
fen ſchon vor längerer Beit eine burchlächerte Wand gegeben, durch welche
die Bläffigkeiten in eine zweite, tiefer gelegene Abtheilung floſſen. Man
hat biefe Einrichtung aber ficher bald aufgeben mäffen, weil bie Räumung
folcher Gruben zu ſchwierig und wegen ber in ben Nebenlammern ſich an.
haufenden Gafe für die Arbeiter höchſt lebensgefährlich war. Neuerdings
hat nun ver Belgier Moſſelman das Princip ber Trennung mit bem ber ches
mifchen Desinfectton vereint anf bie fosses mobiles angewandt und daraus
ein eignee Syſtem gebilbet, für welches er in Paris, fowie in bemtfchen
Städten eifrige Propaganda macht und welches fowohl ben Anfprüchen
auf Reinlichleit und Gernchlofigkeit genügen, als auch einer vortheilhaften
Verwendung ber Dungftoffe günftig fein fol. Der Kübel, in ben das
Abfallrohr eines Haufes mündet, enthält im Immern ein fenkrecht geftelle
®) Im erfterer Beziehung ſcheint und das eben verfloffene Jahr einen Fortichritt
gebracht zu haben durch ben von der Gtettiner polytechniſchen Geſellſchaft prämiirten
ſelbſtihatigen Streu-Apparat, auf den wir noch zurüdfommen werben. Tod ift er erft
feht fo durzer Zeit benupt worden, dab man über feine Dauerhaftigkeit noch kein Urtheil bat,
von Dr. 3. Möller. [N
tes Sieb (diviseur), welches nur die Bläffigkeiten durchläßt und durch ein
mehrarmiges Rohr in mehrere tiefer ſtehende Kübel vertheilt. Der Raum
ver legteren muß ein bebentenb größerer fein, da das Volumen ber Flüf-
figkeiten zu dem ber feften Maſſen fich erfahrungsgemäß wie 8 + 1%) ver»
halt. Nun wird zunächft zu einem Theile ber Flüffigleit Aetzkalk geſetzt,
wobei 1 Enbilfuß bes legteren 0,65 Cubilfuß Urin braucht, um in Hydrat
verwandelt zu werben, und ſich babei zu einem Volumen von 23, Cubifuß
ausbehnt. Diefe find nun im Stande ein gleiches Bolumen Koth (21, Cu⸗
bitfuß) in eine trodze, geruchlofe Maſſe zu verwanbeln (Chaux animali-
söe), „welche fich zum Dünger vortrefflich eignen fol. Da uun aber hie
bei nur ber allerkleinſte Theil des Urins verbraucht wird, fo muß für ben
übrig bleibenden größeren ein anderes Verfahren flattfinden. Ein Volum
Kalkhydrat bildet nämlich mit einem gleichen Volumen Urin „Chaux su-
persaturde d’ urine,“ welcher wieber als Dünger feine Berwenbung finden
fol. Ein Cubilfuß Kalk wird hiernach hinreichen, um 0,66-42,5—3,15 En»
biffuß Urin in,biefen Zuſtand überzuführen.
Wenn auf irgend ein Syſtem, fo paßt auf biefes das Schillerſche
Wort: Wär’ der Gedanl' nicht fo verbammt geſcheut ... Wir wollen
ganz abfehen von den Koften ber Apparate und ben viel beträchtlicheren
des Perfonals, welches die ftete Behandlung ber Exeremente mit Kalt
erfordern wärbe; wir wollen auch annehmen, ba bie Bereitung bes
Chaux animalisee in einer außerhalb der Stabt gelegenen Fabrik ſtatt⸗
finde und daß ber Transport ber fosses à diviseur bis dahin ganz ohne
Gern vor fich gehe; fo bleibt doch unwiderleglich 1) daß in ben. für
den Urin beftimmten Gefäßen, welche beftändig Aetzkalt enthalten follen,
teicgliche Ammoniafentwidelung ftattfinden muß und daß es kaum gelingen
tanı, bie Verbreitung dieſes höchſt läftigen Cafes durch bie Möhren zu
hindern. 2) Die erforderlichen Maſſen Kalt würden nur mit unerfchwinge
lichen Koſten anzufhaffen fein. Für Berlin, das in biefer Beziehung wes
gen ber Nähe und Ergiebigkeit ber Mübersborfer Brüche uoch ganz beſon⸗
ders bevorzugt fein würde, berechnet fich der jährliche Bedarf, wenn man
*) Eigentlich wie 18:1; da aber ftet3 eine Quantität Urin verloren gebt, außer
Haufe gelafien wird u. ſ. w., fo genügt bas Berhältniß 8: 1 für ſoiche Gintiätungen wohl.
4 Ueber Gntiöfferung und Reinigung grober Stäbe
nur bie Vollszahlung von 1861 zum Grande legt, auf 233,773 Tonnen
& 4 Scheffel, welche einen Werth von circa 400,000 Thlr. vepräfenticen.
©egenwärtig liefert Nüvereborf im Ganzen etwa 40000 Tonnen aus vier
großen Rumfordſchen Defen. Es müßte danach fein Betrieb ungefähr
verfechsfacht werben, allein um jenen Bebarf zu beden. Wie fid für
Städte, welche feine Kalkbrüce in ber Nähe haben, die Echwierigleiten
fleigern würden, läßt ſich danach leicht einfehen. 3) Für alle dieſe Koften
würde man einen Dünger gewinnen, ber fehr viel volumindfer, alſo
ſchwerer zu transportiren wäre und unverhältnigmäßige Mengen Kalt ent
hielte. Ein folcher eignet ſich aber nicht für jeven Boden, am wendgften
zur jährlich ober. ein um das anbere Jahr wieberholten Düngung. Nach
dieſen größtentheil® von ber Berliner Minifterial-Eommiffion ſelbſt aner-
Tannten Uebelſtänden ift es Kaum begreiflich, wie biefelbe dennoch das
Syſtem Moffelman befonderer Berückſichtigung wert erachten Tann, Biel
begreiflicher dagegen ift es, wie Moſſelman überhaupt zur Aufftellung
feines Syſtems gelommen ift: biefer Herr ift Gefchäftsführer zweier großen
Kallbrennereigeſellſchaften.
Bei weiten zwecmaßiger und verſtändiger ſtellt ſich ein Syſtem bar, wel-
ches von Prof. Müller in Stodholm und dem Stettiner Chemiler Dr. Schär
ausgebilbet worben tft. Es legt ebenfalls bie Trennung ber flüffigen von
den jeften Ercrementen zum Grunde, aber fie wirb, wie nad) Thubichum, von
vornherein in jebem Klofett vorgenommen, ‚indem man ben Trichter durch
eine Scheivewand in 2 Ränme trennt, ober 2 Trichter vor einander an
bringt. Das Sigbrett wird durch das Darauffigen etwas niebergebrädt,
nad dem Aufftehen durch eine Weber wieber gehoben und fegt hiebei eine
etwas drehbare Welle in Bewegung, welche unter einem rädwärts ange-
brachten Kaſten liegt und jebesmal etwa 1 Loth bes in letzterem enthalte
‘nen Pulvers in ben hinteren Trichter fallen läßt. Dies iſt ber bereits
erwähnte, von Neinde erfundene Selbftftrener. Als besinficirendes Mittel
wird eine Mifhung von 100 Th. gebrannten Kalls und 16 Th. gepulner-
ter Holzkohle angewandt. Die Heine Menge von 1 Loth nad) jevesmaliger
Benutzung des Kloſetts foll genügen, um den Koth in eine geruchlofe, fefte,
leicht zu transportirenbe und aufzubewahrende Mafje zu verwanbeln. Die
Koſten des besinficirenden Pulvecs veranfchlagt Schür für eine Haushal-
von De. $. Möller. 4
tung von 5 PBerfonen auf circa 15 Sgr. jährlich. Das ließe fih erſchwin⸗
gen und es wilrbe zugleich bie biscrete Anwendung bes Kalls feine fo
große Bolumszunahme bee Düngers und kein fo weientliches Hinderniß
für defien Häufige Benugung bebingen. Der Urin foll aus dem vorberen
Trichter feitswärts abgeleitet werben auf ein Filtrum von Torfgrus, ben
man zuvor mit bem Nebenprobucte ber Mineralwafierfabriken, ſaurer
ſchwefelſaurer Magnefia,. oder dem Sauerwaſſer der Delraffinerieen ver⸗
mifcht Hat. Zur Aufnahme einer ſolchen Filtermafie empfehlen fi) die
Körbe von Weibengeflecht, in denen bie Schwefelfäureballons verfandt wer-
den, und eim berartiges Filter foll hinreichen, um wochenlang ven Urin
einer Haushaltung aller feiner büngenden Stoffe zu beranden und als
Hare Fläffigleit ablanfen zu laffen, bie man ohne Bedenken in jede Goſſe
keiten Yan. Der fo behandelte Torfgrus, vermiſcht mit den trodnen Koth ·
maſſen bildet einen Dünger, welcher bis jetzt zu 15 Egr. pro Centner bei
den Landwirthen in ber Umgegend Stettins Abſatz gefunden hat, Auch
mit den Einrichtungen felbft ft man in einer Anzahl von Privathänfern,
in einer größeren Fabrik und einem Privatlranfenhanfe bisher zufrieben
geweſen. Indeſſen find diefe Erfahrungen noch ſehr jung und wenig um⸗
fongreih und fo wird man ein enbgültiges Urtheil über ven Werth biefes
Syſtems noch zurädhalten müflen.
Es bleiben mir ſchließlich noch diejenigen Vorrichtungen zu erwähnen,
welche den läftigen Geruch bei ver Räumung und Abfuhr ber Latrinen
floffe zu vermindern beftimmt find. Natürlich Habe ich hiebei hauptſächlich
die feften Gruben im Auge, bie ſich doch unn einmal nicht mit einem
Sqhlage befeitigen laſſen, fo ſehr man auch über ihre Verwerflichkeit
einig fein mag. Als die vollkommenſie Vorrichtung Haben ſich große
Keſſel von ſtarkem Eiſenblech erwieſen, welche mit einem Manometer unb
Hähnen verfehen find und auf einem Wagengeftelle ruhen. Man füllt fie
mit Wafferdampf, läßt diefen durch Abkühlung fo verbichten und macht fie
ſo faft Inftleer, Die in Leipzig gebräuchlichen von 62 Cubilfuß Inhalt
önnen alsdaun mittelft angeſchraubter Lautſchukſchlanche ober gußetferner
Röhren 46-50 Enbitfuß Latrinenflüſfigkeit Binnen 4—5 Minuten aufjan
gem, ohne daß eine Spur von Gas entweichen kann. Die Keſſelwagen
werben dann fogleich felbft nach der Düngerfabrit, Ablabeflätte oder birect
4 Ueber Gntwäflerung und Peinigung großer Gtäbte
nur die Vollszählung von 1861 zum Grunde legt, auf 233,773: Zonnen
3 4 Scheffel, melde einen Werth von circa 400,000 Thlr. vepräfenticen.
Gegenwärtig Tiefert Nübersborf im Ganzen etwa 40000 Tonnen aus vier
großen Rumfordſchen Defen. Es müßte danach fein Betrieb ungefähr
verfechsfacht werben, allein um jenen Bedarf zu beden. Wie fich- für
Städte, welche Feine Kalfbrüche in ber Nähe haben, bie Schwierigkeiten
fleigeru würben, läßt ſich danach leicht einfehen. 3) Für alle biefe Koften
würde man einen Dünger gewinnen, ber fehr viel volumindfer, alſo
ſchwerer zu transportiren wäre und unverhäftnigmäßige Mengen Kalt ent»
hielte. Ein folcher eignet fich aber nicht für jeben Boden, am mendgften
wur jährlich ober.ein um bas andere Jahr wieberholten Düngung. Nach
dieſen größtentheild von ber Berliner Minifterial-Eommifflon ſelbſt aner-
tannten Webelftänben ift e8 Taum begreiflich, wie dieſelbe dennoch das
Syſtem Moffelman befonderer Berüdfichtigung werth erachten kann. Biel
begreiflicher dagegen ift es, wie Moſſelman überhaupt zur Anfftellung
feines Syftems gelommen ift: biefer Herr tft Gefchäftsführer zweier großen
Kallbrennereigeſellſchaften.
Bet weiten zwedmäßiger und verftänbiger ſtellt fich ein Syſtem dar, wel⸗
ches von Prof. Müller in Stodholm und dem Stettiner Chemiler Dr. Schür
ansgebilvet worben tft. Es legt ebenfalls die Trennung ber flüffigen von
ben feften Ercrementen zum Grunde, aber fie wird, wie nach Thudichum, von
vornhetein in jedem Klofett vorgenommen, ‚indem man ben Trichter burch
eine Scheivewand in 2 Ränme trennt, ober 2 Trichter vor einander an-
bringt, Das Sigbrett wird durch das Darauffigen etwas niebergebräct,
nach dem Unfftehen durch eine Feder wieder gehoben und fegt hiebei eine
etwas brehbare Welle in Bewegung, welche unter einem räcwärts ange-
brachten Raften liegt umb jebesmal etwa 1 Loth bes in letzterem enthaftes
“nen Pulvers in ben Hinteren Trichter fallen läßt. Dies iſt ver ‚bereits
erwähnte, von Reinde erfunbene Selbſtſtreuer. Als besinficirendes Mittel
wird eine Mifhung von 100 Th. gebrannten Kalls und. 16 Th. gepulver-
ter Holzkohle angewandt. Die Heine Menge von 1 Loth nad) jebesmaliger
Benugung des Kloſetts foll genügen, um ben Koth in eine geruchlofe, fefte,
leicht zu transportirende und aufzubewahrende Maſſe zu verwandeln. Die
Koſten des desinficirenden Pulvers veranlagt Schür für eine Haushal-
von Dr. J. Möler. 45
tung von 5 Perfonen auf circa 15 Sgr. jährlich. Das ließe ſich erſchwin⸗
gen und es würde zugleich bie discrete Anwendung bes Kalks keine fo
große Volumszunahme dee Düngers und fein fo wejentliches Hindernig
für defien Häufige Benugung bebingen. Der Urin foll aus bem vorderen
Trichter feitewärts abgeleitet werben anf ein Filtrum von Torfgrus, ben
man zuvor mit dem Nebenprobucte der Mineralwaflerfabriken, ſaurer
ſchwefelſaurer Magneſia, oder dem Sauerwaſſer ver Delcaffinerieen ver-
mifcht hat. Zur Aufnahme einer folchen Filtermaſſe empfehlen ſich die
Körbe von Weibengeflecht, in denen bie Schwefeljänreballons verſandt wer-
den, unb ein berartiges Filter foll Hinreichen, nm wochenlang den Urin
einer Hanshaltung aller feiner düngenden Stoffe zu beranden und als
Hare Flüffigkeit ablaufen zw laflen, die man ohne Bedenlen in jede Gofle
leiten faun. Der fo behandelte Torfgrus, vermifcht mit ben trodnen Rothe
maſſen bilvet einen Dünger, welcher bis jegt zu 15 Egr. pro Centner bei
den Landwirthen in der Umgegend Stettins Abjag gefunden hat, Auch
mit den Einrichtungen ſelbſt iſt man im einer Anzahl von Privathäfern,
in einer größeren Fabrik und einem Privatkranfenhanfe bisher zufrieben
geweſen. Imbeflen find biefe Erfahrungen noch fehr jung und wenig um⸗
fangreih und fo wirb man ein enbgültiges Urtheil über den Werth biefes
Syſtems noch zurädhalten müſſen.
Es bleiben mir ſchließlich noch diejenigen Vorrichtungen zu erwähnen,
weldye den läftigen Geruch bei ber Räumung und Abfuhr ber Latrinen
floffe zu vermindern beftimmt find. Natürlich Habe ich hiebei Hanptfächlich
die feften Gruben im Auge, die fich doch num einmal nicht mit einem
Schlage befeitigen lafjen, fo fehr man auch über ihre Wermwerflichkeit
einig fein mag. Als die vollfommenfte Vorrichtung haben ſich große
Keſſel von ſtarkem Eiſenblech ertviejen, welche mit einem Manometer und
Hahnen verfehen find und anf einem Wagengeftelle ruhen. Man füllt fie
mit Waſſerdampf, läßt diefen durch Abkühlung fo verdichten und macht fie
fo faft Inftleer. Die in Leipzig gebräͤuchlichen von 62 Cubilfuß Inhalt
können alsdann mittelft angeſchraubter Kautſchukſchlauche oder gußeiferner
Röhren 46-50 Eubiffuß Latrinenfläffigkeit binnen 4—5 Minuten aufſan⸗
gen, ohne daß eine Spur von Gas entweichen kann. Die Keſſelwagen
werben dann ſogleich ſelbſt nach ber Düngerfabrif, Abladeſtätte ober birect
46 Ueber Entwäfferung und Reinigung großer Gtäbte
anf ben Ader gefahren. Eine Schattenfeite biefes vortrefflichen Apparats
iſt nur bie, daß er möglichft nahe an die zu entleerende Grube herangefahren
werben muß, weil bei Anwendung eines langen Schlauchs ber Keffel zu viel
Luft ans demfelben empfangen würde. Wo baher bie Latrinen in Hinter»
hünfern ober engen Höfen liegen, ift er weniger empfehlenswert, als eine
der in belgtichen, deutſchen und franzöſiſchen Städten üblichen Pumpen,
welche fümmtlih Gang. und Drudpumpen find. Manche derſelben find
ganz wie euerfprigen gebaut, natürlich ohne Windkeſſel. Die fogenaunte
Priefterpumpe (Pompe & soufllet) fegt burch einen boppelarmigen Hebel
abwechſelnd zwei biajebalgförmige, in Eiſen und ſtarkem Leber genrbeitete
Upiratoren in Bewegung. Die fogenannte New-Yorker Pumpe endlich
iſt nah dem Princip einer einfachen Dampfmafchine gebaut, wober bie
Satrinenfläffigfeit die Stelle des Dampfs einnimmt; fie Hat nur einen
liegenden Cylinder mit einer feitlichen Deffnung oben und unten; ber durch
ein Schwungrab in Bewegung gefegte Kolben wirkt abwechfelnd immer
auf bie eine Deffnung ſaugend, auf die andere drücend, währenb gleiche
zeitig durch eine Schieberſteuerung beren Communication mit bem entipre-
enden Rohre hergeftellt, das andere abgefperrt wird,
Alle diefe Vorrichtungen aber, wie ſinnreich fie auch fein mögen,
wirken doch immer nur auf ben flüffigen Theil des Grubeninhalte, ber
ſeſte würde Ventile und Hähne fofort unbrauchbar machen. Um das Ein-
bringen fefter Stoffe in ben Schlau; daher zu verhüten, muß beflen Ende
mit einer korbartigen DVergitterung (in Belgien lanterne genannt) umge
ben fein. Im jeber größeren Grube bleibt daher ein fefter, zäh’ auhän⸗
gender Bobenfag zurüd und biefer muß bann nachträglich, meiflens bei
Nacht und nad) vorheriger Desinfection, aber doch immer auf bie roheſte
Weife von Menſchen mit Schaufeln und Eimern entfernt werden. In ber
Unvermeiblichfeit diefer ellen Prozedur liegt gewiß eine weitere Verurthei⸗
lung ber Abtrittsgruben.
Zum Transport ber ausgepumpten Stoffe hat man in einigen Städ ⸗
tem 3. B. Nürnberg, Straßburg, Oftende und Antwerpen, beſondere Keſſel⸗
ober Tonnenwagen, welche fich nicht nur durch bichten Verſchluß ihrer Ber
Häßter auszeichnen, fonbern auch mit einem Verbrennungdapparate verfehen
finp, durch weichen bie in demſelben ſich entwidelnden Gaſe geruchlos gemacht
von Dr. 3. Miller. " 4
werben. Gin gebogenes Rode leitet aus dem oberften Theile des Behäl-
ters die Gaſe in ein Gefäß, über welchem ſich ein Roſt mit glühenden
Kohlen und ein Heiner Schornftein befindet. Um das Zurüdichlagen ber
Flamme zu vergüten, hat entweder das Rohr ein feines Drahtgitter ober
die Gafe müſſen in dem Gefähe eine Wafferichicht paffiren. Leider find
folge Wagen zu thener, um in ſtets genügenver Zahl angefchafft werben
zu Können, beſonders wenn bie Landleute felbft die Gefäße Kiefern müfien,
in denen fie fh den Sloafendünger aus ber Stadt abholen, wie bies in
Lyon m. a. Städten ber Fall if. Man bebient ſich daher hauptſächlich
guter Tonnen mit mehr ober weniger vollkommenem Berfhluß. An beften
giebt man dem Dedel am Rande einen Filz- oder Gummiring und einen
Verſchluß mit Bügel und Schraube nach Art unferer luftdichten Ofenthü-
ren. Daß aber hierin noch viel zu wünfchen übrig” bleibt, erhellt wohl
barans, daß an machen Orten die Tonnenabfuhr -nur bei Nacht geftattet
ift, während an andern 3. B. Lyon, ſich bie Polizei vorbehalten Hat, fie
während ber heißen Jahreszeit ganz zu unterfagen. Dies hat dahin ges
führt, daß in ber Umgegend von Lyon bie meiften Bauern ſich eigene
feine überwölbte Depotoirs gebaut haben, um barin ben Dünger aufbe-
wahren und zu geeigneter Zeit verwenden zu lönnen.
Zu demfelben Aushulfemittel im großen Mafftabe hat man ſich in
den belgiſchen Städten genöhtigt gefehen, wo bie Commune das Abfuhr»
weſen auf eigne Rechnung betreibt, weil der ſich ftetig anhänfende Dün-
ger nicht in jeber Jahreszeit fofort durch die Landwirthſchaft verbraucht
wird. Namentlich Antwerpen befigt zur Unterbringung bes zeitweiligen
ueberſchuſſes 2 große Tellerartig gewölbte Depotoirs zu Wyneghem am
Mans-Schelvelanal eine Stunde von ber Stadt und zu Löwen. Erſteres
faßt 40,000 Eubiffuß, Hat 2 Abtheilungen für bie dort übliche erſte und
weite Sorte bes Düngers (eigentlich unterfcheibet man deren brei) und
eiferne Deckelverſchluſſe für die entprechenden Deffnungen zum Einfchütten
der Stoffe. Es wäre fehr zu wänfchen, baf ber Preis bes Düngers auch
bei un8 bie Commune in ben Staub fegen möchte, unfere offenen, einfach
gepflafterten Ablagerungsftätten, welche bie Geruchsorganne ber bie Ehaufe
fee paffirenben Perfonen nicht wenig beleibigen, in folche wohl verfchlofiene
Depotoirs umzuwanbeln.
48 Weber Entwäflerung und Reinigung großer Gtäbte von Dr. J. Möller.
Ich faſſe ſchließlich mein Urtheil in folgende Säge zufammen, deren
Anwendung anf unferere Verhältniſſe fih von ſelbſt ergiebt:
Das Shyſtem der Ranalifirung und Drainage mit Waſſerkloſetts ver-
dient den Vorzug
1. wo bie Uufbringung bes hohen Unlagelapitals keine zu großen
Opfer erfordert,
2. wo hinlängliches Waſſer zur kräftiger Spülung vorhanden iſt,
8. wo ein zur Unlage von Rieſelwieſen paffend gelegenes Landſtüc
vorhanden ift.
Laßt fich eine biefer Bebingungen, namentlich die legte nicht erfüllen,
fo muß man fi auf ein Syſtem von Abzugelanälen für das Hans,
Straßen ımb Grundwaſſer beſchränken, wobei, je und; der Dertlichteit,
bald offene Ninnfteine, bald gemauerte Stelen, bald Drains den Vorzug
verdienen. Dagegen ift auf Wafferflofetts im Allgemeinen zu verzichten
und für bie Abtritte ein Tonnenſyſtem mit gutem Verſchluß ber Gefäffe,
Bentilation der Gemäcer und Depotoirs vor den Thoren einzuführen.
Big Bewegung des altpreufj. Gandels im Iahre 1864.
Bon
Ernſt Wichert.
Die günftigen Berhältniffe des Jahres 1860 ſcheinen nicht fo bald
wieber zufammentreffen zu wollen. Der allmälige Rüdgang, ber ſich feit
1861 zeigt, wird aud) 1864 ſehr bemerflich und bürfte, nad) den im laufen⸗
den Jahr überall lautwerdenden Ringen zu ſchließen, auch 1865 noch feinen
Halt finden wollen. Die Berichte unferer Handelskammern bezeichnen
übereinftimmenb mit beftem Recht das vergangene Jahr als ein dem alt
preußiſchen Handel fehr ungünſtiges. Der Krieg mit Däuemark, fo
ruhmreich für die preußifchen Waffen, hatte die nächfte Folge, daß unfere
Oftfeehäfen blofirt wurden; in ber beiten Handelszeit, im Frühjahr uud
Sommer, waren unfere Haupthäfen gefchloffen und bie kurze fünfwächent-
liche Unterbrechung konnte dieſen Schaden nnr fehr unbebentend mindern,
da die Unficherheit ber politifchen Situation jede weitausfehende Unterneh⸗
mung vermeiben ließ. Nur Memel blieb von ber Blokade frei und
tonnte deshalb zeitweife für Danzig und Königsberg beftimmte Schiffe
aufnehmen; gleichwohl war auch hier der Schiffverlehr nur unbebentenb
ößer, als im Vorjahr, weil deutſche Schiffe abgefchloffen waren, und bie
Rhederei litt unter ber Ungunft der allgemeinen politiſchen Verhältniſſe ber
trätlich. Doch wäre die Blofabe leichter zu überwinden geweſen, wenn
nicht bie ſchon an ſich ſehr niebrigen Getreidepreife nad Aufhebung
berfelben im Auslande, namentlich in England, noch mehr gefunfen wären,
Der Hierdurch entfichende Ausfall in Verbindung mit ben größeren Lager
loſten mußte biefe für unſere Provinz wichtigfte Gefchäftsbrande arg be
einträchtigen. Nur für Memel und Tilfit geftaltete "| das Getreide
Wspr, Dronstsfärift Ds. TIL. Oft. 1.
50 Die Bewegung des altpreußiichen Handels im Jahre 1864
geihäft ausnahmsweiſe lebhaft, fowohl wegen ber guten Ernte in den ber
nachbarten ruffifchen Gonvernements als aud) wegen ber Blokade von Koö⸗
nigeberg; es wurben hier im Ganzen 23,230 Laft Getreide und Saat
exportirt, alfo nur ca. 3000 Saft weniger, ‘als in dem vorzüglich günftigen
Sabre 1860 und ca. 18,000 Laft mehr, als ber zehnjährige Durchſchnitt.
Dagegen verfchiffte Danzig 25,000 Laſt weniger als 1863 (im Ganzen
104,735 Laft incl. ca. 62,500 Laft Weizen, wovon ca. 63,000 Laft reſp.
ca. 52,000 Laft allein nach England) während für Königsberg bie Ge
treibeverfchiffung bei ungefähr gleicher Abkunft von Polen und Rußland
(nur mehr Weizen) ber Quantität na um 11 pEt., bem Werth nad) fo-
gar um 18 pCt. geringer als 1863 war, und Elbing nur 2807 Laft aus⸗
. führte. Die beiden legtgenannten Orte und Thorn Magen zugleich über
die durch naffe Witterung herbeigeführte Mißernte und ſchlechte Onatität
des Getreibes, wodurch das Reſultat noch ungünftiger wurde, als bie Zah:
ten ertennen laſſen. — Von nicht geringerem ſchlimmem Einfluß zeigte
fich ferner die von England ausgehende Gelvcrifis, die bei ber Landesbanl
eime Erhöhung des Zinsfußes von 11/5 Bis fogar 21, pCt. nöthig machte,
worenf natürlich die Privatbanken folgen mußten. Zugleich ſank bie
polniſch⸗ruſſiſche Valuta fo beträchtlich, daß das Aufgeld nach dem Thor
mer Berit 151), bis 34 pEt. (im October) betrug. Die gewaltfame
Beruhigung Bolens nach der Infurrektion konnte unter folhen Umftänden
Maum die Beziehungen zu biefem Nachbarlande günftiger geftalten; erft all-
mäfig Tann die frühere Konfumtionsfähigfeit zurüdtehren, und eine Hebung
des Handels mit Kolonial- und Mannfacturwaren über bie Grenze eintre-
ten. Bei foviel Widerwärtigfeiten Konnte ber Umftand, daß einmal bie
Waſſerverbindung mit dem Binnenlande wegen bes hohen Waflerftanbes
unbehiabert war, kaum mitrechnen. — Aus allen preußifchen Häfen zuſam⸗
men find 1864 ca. 1200 Schiffe weniger ausgegangen als 1863. Der
Werth der Einfuhr zur Eee war bei
Danzig um . . . 1,150,000 Thlr.
Meml „u... 219,480 „
Königeberg um . . 7,861,200 „
in Summa 9,230,680 Thlr,
von E. Wichert. b1
der ber Ausfuhr zur See bei
Damig um . . . 6,300,000 Thlr.,
Königsberg um . . 2,619,180_ „
in Summa um 8,919,180 Thlr. geringer unb wur
bei Memel um . . 726,650 „ höher, als 1868,
fobaß der Gefammtausfall nach dieſer Richtung hin auf weit mehr als
17,000,000 Thlr. zu berechnen ift, wobei noch das Elbinger Geichäft, für
welches nähere Mittheilungen fehlen und unberüdfichtigt bleiben mußte,
Der Werth der Ein- und Ausfuhr zu Lande ift natürlich im gleichem
Berhältniß Herunterzufegen.
Auch der Holzhandel unferer Provinz wurde durch bem bänifchen
Krieg anfs Empfindfichfte beeinträchtigt. Theure Vorräthe mußten gelagert
werben, Ginbußen an Zinſen waren unvermeiblich unb fpäter zeigten fich
die Preife in England fo gebrüdt, daß der durch die Dlokade bewirkte
Berluft nicht entfernt einzubringen war. Für Memel vernrfachte ber frühe
Froſt große Koſten, nud wieder wurden 8—10,000 Stüd Ballen und
Rundholz aufs Haff getrieben, ein Uebelftand, dem Hoffentlich durch den
Minge-Schmeltelle-Ranal, der bereits bis zur Drawöhne fertig und in ſei⸗
ner zweiten Hälfte in Angriff genommen ift, ein Enbe gemadıt werden
wird. Der Nüdgang gegen das Yahr 1863 ift deshalb fehr auffällig.
Danzig verfäiffte:
1863 . . 1177 Labungen im Werth von 5,310,000 Thlr.,
1864 nur 848 ” on n 3,555,00 „
Tür Memel war freilich die Abkunſt von Rußland bebeutender,
namlich zum Werthe von 3,258,%09 Thlr. gegen 2,068,474 Thlr. im
dahre 1863, aber gerabe im umgelehrten Verhältnifie ftand ver Werth ber
Ausfahr, ver 1863 zu 3,165,000 Thle., 1864 nur zu 2,929,860 Thlr.
anzunehmen war, fo daß ber Gewinn unverhältnißmäßig gering, bad Win-
terlager unverhältnißmäßtg groß blieb. An biefen Verluſten nahm Tilſit
Theil, das große Vorräthe von geſchnittenen Hölzern wegen zu Hoher
Frachten mit verladen konnte, nach dem Frieden aber, ebenfo, wie bie
beiden Häfen, das zw Hohe Disconto zu beffagen Hatte,
Erſreulichet war das Flachs geſchaft. Der troh Bernbigung 248
uneritamifihen Krieges fortbauernde Baumwollenmangel echielt ſtete und
1.
50 Die Bewegung des altpreußiichen Handels im Jahre 1864
geſchaft ausnahmsweiſe lebhaft, fowohl wegen der guten Ernte in ben ber
nachbarten ruſſiſchen Gonvernements als auch wegen ber Blokade von Ki
nigsberg; es wurben bier im Ganzen 23,230 Laſt Getreite und Saat
exportirt, alſo nur ca. 3000 Laft weniger, als in dem vorzüglich günftigen
Sabre 1860 und ca. 13,000 Laft mehr, als der zehnjährige Durchſchnitt.
Dagegen verfchiffte Danzig 25,000 Lafl weniger als 1863 (im Ganzen
104,735 Laft incl. ca. 62,500 Laft Weizen, wovon ca. 63,000 Laft reſp.
ca, 52,000 Laſt allein nach England) während für Königsberg die Ge
treibeverfchiffung bei ungefähr gleicher Abkunft von Polen und Rußland
(aur mehr Weizen) ber Quantität nach um 11pCt., dem Werth nach for
gar um 18 pCt. geringer als 1863 war, und Elbing nur 2807 Laft aus
führte. Die beiden legtgenannten Orte. und Thorn Magen zugleich über
bie durch naffe Witterung Herbeigeführte Mißernte und ſchlechte Qualität
des Getreides, wodurch das Refultat noch ungünftiger wurde, als bie Zah:
tem erkennen laſſen. — Bon nicht geringerem ſchlimmem Einfluß zeigte
fich ferner bie von England ausgehende Gelderiſis, die bei ber Landesbaul
eine Erhöhung des Zinsfußes von 11/5 bis fogar 2, pCt. nöthig machte,
worenf natürlich bie Privatbanfen folgen mußten. Zugleich ſank die
polniſch ⸗ruſſiſche Valuta fo beträchtlich, daß das Aufgeld nach dem Thor
mer Bericht 151), bis 34 pEt. (im October) betrug. Die gewaltfame
Beruhigung Polens nach der Infurrektion konnte unter folhen Umftänden
Maum die Beziefungen zu biefem Nachbarlande günftiger geftalten; erſt all
mäfig Tann bie frühere Konfumtionsfähigfeit zurüdkehren. und eine Hebung
des Handels mit Kolonial- und Manufacturwaren über die Grenze eintre⸗
tem. Bei ſoviel Widerwärtigfeiten konnte der Umftand, daß einmal bie
Waſſerverbindung mit dem Binnenlande wegen bes hohen Waſſerſtandes
unbehindert war, kaum mitrechnen. — Aus allen preußifchen Häfen zufam-
men find 1864 ca. 1200 Schiffe weniger ausgegangen als 1863. Der
Werth ver Einfuhr zur See war bei
Danzig um . . . 1,150,000 Thlr.,
Memel „u... 219,480 „
Königsberg um . . 7,861,200 „
in Summe 9,230,680 Thlr.,
von 6. Wichert. 61
der der Ausfahe zur See bei
Damig um . . . 6,300,000 Thlr.,
Königeberg um . . 2,619,180 „
in Summa um 8,919,180 Thlr. geringer und nur
bei Memel um . . 726,650 „ höher, als 1888,
jedaf der Geſammtausfall nad diefer Richtung Hin auf weit mehr als
17,000,000 Tplr. zu berechnen iſt, wobei noch das Elbinger Gefchäft, für
welches nähere Mittheilungen fehlen und unberüdfichtigt bfeiben mußte,
Der Werth ber Ein- und Ausfuhr zu Lande ift natürlich im gleichem
Berhältnig Herunterzufegen.
Auch der Holzhandel unferer Provinz wurbe durch dem bänifchen
Krieg aufs Empfindlichfte beeinträchtigt. Theure Borräthe mußten gelagert
werben, Einbußen an Zinfen waren unvermeidlich unb fpäter zeigten ſich
die Preife in England fo gebrüdt, daß ber durch bie MWlofade bemirkte
Berluft nicht entfernt einzubringen war. Für Memel vermrfachte der frühe
Froſt große Koften, und wieder wurden 8—10,000 Stüd Balfen und
Rundholz aufs Haff getrieben, ein Uebelſtand, dem Hoffentlich durch den
Minge · Schmeltelle⸗Kanal, der bereits bis zur Drawöhne fertig und in ſei⸗
ner zweiten Hälfte in Angriff genommen if, ein Ende gemacht werden
wird. Der Nüdgang gegen das Jahr 1863 ift deshalb fehr auffällig.
Danzig verfchiffte:
1863. . 1177 Labungen im Werth von 5,310,000 Thlr.,
1864 nur 848 " Per n 8,555,00 „
Für Memel war freilich die Abkunſt von Rußland bedeutender,
rämii zum Werthe von 3,258,%09 Thlr. gegen 2,068,474 Thle. im
Jahre 1863, aber gerade im umgekehrten Verhältnifie fand ber Werth der
Ausfahr, der 1863 zu 3,165,000 Thlr., 1864 nur zu 2,929,860 Thlr.
anzunehmen war, fo daß ber Gewinn unverhältnißmäßig gering, das Win-
terlager unverhältnißmäßig groß blieb. An diefen Verluſten nahm Tilſit
Theil, das große Vorräthe von geſchnittenen Hölzern wegen zu Hoher
Trachten nicht verladen konnte, nach dem Frieden aber, ebenfo, wie bie
beiden Häfen, dns zw hohe Disconto zu beklagen Hatte.
Erfreulicher war dns Flachs geſchaft. Der trop Beenbigung des
aneritamiſchen Arteges-fortionernde Baunnvollenmangel eshielt ſtete und
1
52 Die Bewegung des altpreukifen Handels im Jahre 1864
gute Nachfrage. Tilfit räumte feine Beftände fait völlig nach Memel Hin.
Memel exportirte bei guten Preifen das bebeutende Onantum von
80,645 Ctr. (gegen 73,264 im Jahre 1863) im Werthe von 968,000 Thlr.,
Königsberg 110,266 Etr, zum Werthe von 1,244,000 Thlr. Die Blo-
tade fihabete diefer Branche wenig, weil Memel, das zur See ausführt,
davon frei blieb, Königsberg aber ſchon früher gewohnt war, ben über-
wiegend größten Theil biefer Wanre per Bahn zu verfenden. Die Eon-
currenz mit Riga würbe noch wirkſamer zu beftehen fein, wenn bie Bahn.
verwaltungen fich zu mäßigeren Frachtſätzen verftehen wollten. Jetzt ver-
forgt fi) das weftliche Deutichland, Belgien und Frankreich während ber
Sommermonate über Riga; andernfalls würden bie dortigen Fabriken,
wenn fie den Bahnbezug ebenfo billig hätten, viel lieber fucceffive anſchaf-
fen und alle Sluftuationen benugen, wobei dann Königsberg vorzugsweife
Bezugsort werden würde. Memel hat zu beffagen, daß bie feinere Wil
naer Waare wegen der Bahnverbindung faft nur über Königsberg geht
und feufzt auch deshalb nach ber endlich in nähere Ausficht geſtellten
Zweigbahn Memel-Tilfit mit einer Fortfegung über Mitau nach Riga.
Das Refultat war trog aller biefer günftigen Chancen nicht ganz entipre-
chend wegen ber Gelvcrifis, für Memel auch wegen ber Verlufte auf das
bei weichenden Preifen zurüdgebliebene oder für eigene Rechnung verſchiffte
Quantum,
Bon einzelnen Ausfuhrartifeln erwähnen wir ferner noch Lumpen,
worin Memel fein Gefchäft mit großem Geſchick jährlich erweitert. Es
tamen bort 1864 nicht weniger als 180,000 Etr. zu Markt, wovon
148,255 Ctr. (ca. 18,000 mehr als 1863) verfchifft wurden. Das Re—
fultat zeigte ſich freilich fowohl wegen des bänifchen Krieges, als wegen
der unvorhergefehenen Herabjegung des ruſſiſchen Ausgangszolles und ho—
hen Zinsfußes nicht gleich Iohnend. Dagegen geht dieſe Brande in Kö—
nigeberg zurüd, wo ber Gefammterport nur 65,462 Etr., ca. 30,000 wer
niger als 1863, betrug. — Der Erport von Knochen wird immer unbes
beutenber, weil ein immer größeres Quantum bavon im Imlanbe felbft
verbraucht wird, was unferer Landwirthſchaft ein gutes Zeugnik giebt. —
Nicht unerheblich ift der Handel mit dem unferer Provinz ganz befonders
angehörigen Probuct bes Bernfteins. Ueber Memel find bavon aus
von @. Wichert. 53
ben Baggerungen im Haff bei Schwarzort und aus ben Gräbereien bei
FPrötule über 35,000 Pfund abgeführt. Die Arbeitslöhne bei ven Bag⸗
gerungen waren anf 40,000 Thlr. zu veranfchlagen, wonach ein Schluß
auf ben Umfang bes dortigen Geſchäfts zu machen if. Die Gräbereien
an ber Norbkäfte Samlands haben ebenfalls bebentende Erträge gegeben.
Der Transport ins Ausland erfolgt vorzugsweiſe über Danzig, welches
ziemlich umfangreiche Verſendungen bei nicht zurüdgehenden Preiſen be
richten lonnte.
Der Handel mit Eolonial- und Manufakturwaaren hatte, wie
fon angeführt, durch die allgemeinen Verhältniffe fehr zu leiden. Der
Verbrauch im Imlande war geringer, weil bie Ernte ſchlecht ausfiel und
ber Landmann bei den gebrüdten Getreibepreifen fich einfchränfen mußte,
Andererſeits war ber Handel über die ruſſiſch⸗polniſche Grenze Hin wos
möglich noch unbebeutender und fhwieriger als fonft, weil bie bortige
Gegend durch die Infurrektion verarmt, ber Schmuggelhanbel durch bie
fefte Grenzfperre gelähmt und das Geſchäft durch das Aurüdgehn ber
dortigen Valuta behindert if. Die Klagen darüber find ganz allgemein,
Nur Memel bezog ein beträchtlich größeres Quantum von Kaffee und
Thee, jeboch Iebiglich wegen ber Königsberger Blofade. So lang ihm bie
Eifenbahnverbindung nach dem Inlande fehlt, Tann es bei natürlichem
Gange der Gefchäfte in biefen Zweigen unmöglich concurriren. Das
Königsberger XTheegefhäft war noch immer ſehr bedeutend (es wur⸗
den 74,029 CEtr. im Werthe von ca. 6,000,000 Thlr. importirt) aber
aus ſchon angeführten auch hier maßgebenden Gründen weniger gewinn-
bringent.
Steinfohlen wurden trog der theilweifen Sperre des Hafens nad
Daujig '2,236,485 Ctr., ca. 50,000 mehr als 1863, eingeführt, Das
Geſchaͤft war anfangs gewinnbringend, fpäter nad; dem Frieden wurbe ber
Markt zeitweile überſchwemmt. Die Verladungen ſtromwärts blieben um
9000 Laft geringer, als im Vorjahr, unb deshalb bie Läger fehr groß.
Ian Memel kam ein großer Theil der’ für Danzig und Pillau beftimmten
Waare zum Verkauf, wogegen bie Herbfizufuhren nach Aufhebung ber
Blokade ungenägenb blieben; es find im Ganzen 676,131 Etr. eingeführt.
Königsberg hatte einen verhältnigmäßig nur geringen Bezug von biefem
54 Die Berregung des alwreußiſchen Handels im Jahre 1864
Artifef, wegen ſchwacher Induſtrie und Babrifthätigfeit; es importierte num
ca. 700,000 Etr., alfo nicht 1/g des Danziger Quantums und wenig mehr
als Memel. Salz ift in dem Memeler Bericht mit 852,648 Er. zum
Werthe von 317,100 Thlr. notirt. Das Vorjahr Hatte ca. 15,000 Er.
mehr und ca. 7000 Thlr. weniger.
Die Einfuhr von Eifen ift zurückgegangen, woran bie hohen Zölle
Schul. Panzig hat 44,525 Etr. altes Schmelgeifen weniger (mur etwa
die Hälfte des vorjährigen Quantums), Königsberg ca. 24,000 Eir. Eifen
aller Sorten weniger als 1863 eingeführt. — Mit dem Heeringsgefchäft
iſt man allerfeits zufrieden, obgleich bie Zufuhr von Norvegifchen Brüß-
lingsBeeringen beträchlich gegen das Vorjahr zurücblieb, "Die Preife ftell-
ten fi) günftig und bie Frage blieb Tebhaft.
Das Speditionsgefchäft ift von Memel, Zilfit und felbjt Königsberg
größtentheils an Eydtkuhnen abgegeben. Im Thorn Hat bafielbe an
Ausdehnung zugenommen und fich recht günftig geſtellt. Freilich Konnte
anbererjeits ein bivefter Verkehr zwiſchen den größeren Pläßen Deutjch-
lands und den Hauptftationen des Nachbarlandes nicht ausbleiben, wor
durch ber Zwiſchenhandel der Grenzorte überhaupt Abbruch erleidet.
Die Fabriken Tilfits und Elbings find in gewohnter Tpätigleit
geblieben. Die Mafchinenbauanftalten des legteren Orts haben bebentende
und umfangreiche Aufträge erhalten und allein 7—800 Arbeiter beſchäf⸗
tigt, Elbing gewinnt auferbem jährlich mehr durch dem oberlänbifchen
Kanal, auf welchem bereits 128 Schiffe und 6 Dampfböte in Fahrt waren,
ohne das Bebürfniß zu erfchöpfen.
Der Schiffsbau if in Elbing recht lebhaft betrieben; auch in Dies
mel find 5 große Schiffe von Stapel gelaffen und 5 andere in Arbeit
geblieben. Königeberg Hat für eigene Rechnung gar nicht gebant,
Die Rhederei ift durch bie politiichen Creigniffe ſtark beeinflußt
worden. Danzig verlor 11 Schiffe total, doch war das Reſultat im
Allgemeinen nicht einmal fo ungünftig, als zu befürchten war. Die Mes
meler Rheder fuhren meiftens auswärts ohne beſonders günftigen Erfolg;
beſſere Frachten erhielten bie zurüdgebliebenen ober allmälig anlangenden
Schiffe nach dem Frieden. Königsberg ließ feine Schiffe theilweife mit
Ballaſt ausgehen, um auswärts Tracht zu fuchen, und ftelit das Reſultat
von E. Wider. 55
als fehr ungünſtig dar. Die geſammte preußiſche Rhederei beſtand zu Ende
bes Jahres bei
Danzig aus. . . 114 Schiffen und 13 Dampffchiffen mit 32,622 Laft,
Memel „ ... 89 „ „- " n O7 „
Königsberg aus U u m — ” n 3639 „
Elbing aus... 9 u „14 n n 193 „
in Summa 232 Schiffen und 37 Dampfſchiffen mit 58,995 Laft.
Die Wünfhe für die Zukunft find nod immer biefelben geblieben.
Obenan fteht der Abſchluß eines Handelsvertrages mit Rußland. Drin-
genb erfcheint ferner die Aufhebung ber fehr Läftigen Eingangsabgaben für
Getreide, Hülſenfrüchte und Delfanten, Ermäßigung ber Zölle für indiſchen
Robzuder und Eifen, Aufhebung der Wuchergefege, Einrichtung ber Han⸗
delsgerichte und Vervollſtändigung bes Cifenbahnneges. In letzerer Ber
ziehung erwartet Danzig folgende Bahnen: Marienburg-Mlawa-Warfchau,
Bromberg-Pofen, Cöslin-Danzig und Danzig-Neufahrwafler; Memel Hofft
ſehnlichſt auf die Vervolfftändigung der Zweigbahn Infterburg-Tilftt durch
den Brüdenban über die Memel (dev Uebergang war wieber 3 Tage lang
gänzlich gehindert) und Weiterführung bis zur Stadt Memel und demnächſt
nah Rußland hinein; Königsberg fieht nad) Beendigung der Bahnftrede
Billan-Königsberg der Vollendung ber bereits im Bau begriffenen Süd⸗
bahn Königsberg-Bartenftein-®yd entgegen, währen Elbing wiederholt für
ben Ban einer Bahn Güldenboben-Neidenburg plaibirt. Möge bie Er⸗
Füllung aller diefer ficher nicht unbilligen Wünfche nicht Tange anf fich
warten lafien.”) —
*) Diefer für den Jahrgang 1865 beftimmte Artitel hat erft in diefem erften
Seite 1866 zum Aborud kommen Tonnen, und ift deshalb überall unter dem „vorigen“
Jahre das Jahr 1864 zu verſtehn. D. Rev,
Bas alte Breuffifche Orinhrecht.®)
Mile priör rebibät, qui pröxima pöcula sämalt,
Nöe quaerds quard: sie lex Prutdnion sänzit.
Die Tradition Preußiſcher Chronitenfchreiber weiß von einem wun«
derlichen Criminal-Befege zu erzählen, das Siegfried von Feucht⸗
wangen, ber zwölfte Hochmeifter des Deutſchen Orbens, erlaffen haben
fol. Es ift das fog. Preußiſche Recht von der Neige, wonach bei
Todesſtrafe geboten war, da, wenn ein Preuße einem Deutſchen die Neige
zugetrunken Hatte, er auch vom Friſchen wieder anheben follte. Als Motiv
dieſes Gefeges wird angeführt, ver Hochmeifter Habe ver Giftmifherei
der eingeborenen Preußen ſteuern wollen.
Die Nachricht taucht zuerft auf bei Eafpar Hennenberger („Ex
clerung ber Preäfftichen Sandtaffel” Königſperg in Prenfien 1595 ©. 281),
wo es von Siegfr. v. Feuchtwangen heißt:
„Auch machet er eine ſchöne Landes Ordeuung. Darzu das
Preuſche Recht / Wo ein Preuß einem bie Neige zugetrunden
hette; folt er auch das frifche anheben; wo ers nicht thet / vnd
mit 2. ober 3. vberzeuget wurde; folt er es mit dem halſe büf-
fen. Vnd bis folte ein ewig Recht fein in Preuflen, wie es
denn noch gebreuchlich ift mit dem anheben. Er orbents aber
berhalben; das bie Preuffen einem nicht fo leichtlich vergeben
konten / wie fie fonften pflagen.“
Faſt mit denfelben Worten wiederholt die Erzählung ber Zeitgenoffe
Hennenberger's, Matthäus Waiffel („Chronica Alter Prenfiher . . .
*) Bol. Higig’3 Zeitihrift für die Criminal-Rechts-Pflege LIT, 411 fi.
Das alte preußiſche Trinkrecht 57
Hiſtorien“ Königeb. in Preuſſ. 1599 DI. 108°), der wohl, wie an ande ⸗
ren Stellen, fo auch hier ans jenem geſchöpft hat.
Ansfügrlicher lautet eine chromilalifche Notiz, welche als „Anhang des
Vreußen · Rechtes“ in mehreren Handfchriften dem Rechte der Preußi⸗
ſchen Landfajfen") beigefügt ift:®)
„Nachdem die Vergifftgebung unter denn Preuſſen vor Al ⸗
ters fehr gemein getrieben, (als fie vom Orben beflrittenn) wan
fie zue Giſel gegebenn, ober fonften gefangenn bonn ben Bru«
dern genohmenn worbenn: haben fie denn Ehriften jm Zutrindenn
viel vnnd oftmals mit Bergifften vorgeben, darob manch redlich
Helt geftorbenn. Solchem vorzuelommen, hatt Herr Geifrib, ber
12. Homeifter ber Lande Preuffenn, das vor ein ewigk nachkom⸗
mende Recht georbenets Wenn ein Preus die Boldee) oder Neige
bes Trandes anstrinde, -er folde auch zue Erſtem vonn bem
Friſchenn trinden; welcher des vberwunden wurbe felhanber ober
felöbritte, das er diſſ Recht nicht gehaldenn hette, ver ſolde das
buſſenn mit feinem Hals vonn Rechts wegen" (Reidenitz ſcher
Coder).
So weit die chronilaliſche Weberlieferung, für die es an jedem ur⸗
tundlichen Anhalt fehlt. Die ſpäteren Preußiſchen Gefchichtichreiber
geben fie wieder, ohne am ihrer Authenticität den geringſten Zweifel aufe
Tommen zu laflen.*) ”
Bir unferes Theiles mögen uns nicht entfchließen, an den Erlaß jenes
u)
»
9
9
Wol. über dieſe Rechtsſammlung: Hanow Geſch. des Culmiſch. R. 8. Bl
Schweilart in Kamph' Jahrbuch. Bo. XXVI, 274 R. b8
Codex Osterod, (Töppen Monatzfchr. II, 419), Reidenit ſcher Coder (Mo
nataſcht. I, 660) und gedrudt im Erl. Preußen II, 115, o.
Hennig Preuß. Wörterbuch S. 190 f.
Erleut. Preußen T, 149 1, 96ff. Preuß. Sammlung I, 119 Hartlnod Als
u. Neues Preuß. II, 570 Schwarg Königsb. Frag: u. Anz Rachrichten 1744
No. 10 Hanom 1. e. $. 21 Hennig l.c. 6.209 Wagner Allg. Weltgeſch.
XIV. 26.284 Baczko Geſch. Preuß. I1, 44 Kogebue desgl. IT, 118 f.
Heinel desal. (6.46 der 5. Aufl.) Piſanski Preuß. Sprichwort. Ro. 6 Friſch⸗
bier desgl. No. 804, 2. Aufl. No. 8885. Bol. auch Buſching's Wöchentl.
Nachrichten im 2. Jahrg. 1817, der mir nicht zur Hand ift. — Gine fherg
bafte Barlation von Jean Paul in Förfter’3 Dentwurdigkeiten IV. S. Vf.
58 Das alte vreubiſche Trinlrecht
hochmeifterlichen Befeges zu glauben. Denn es verräty wenig Vertrauen
in die gefeggeberifche Klugheit Siegfried's v. Feuchtwangen, ihm ein Gefeg
anzubichten, das ohnehin nur eine Kalbe Maßregel geblieben, unb befien
Gnbzwedt weit leichter und ficherer durch gäuzliches Verbieten des Zufam-
mentrintens von Preußen und Deutſchen zu errichen geweſen wäre.
Unferes Bebünfens Liegt bier nichts weiter vor, ala eine jener oft
feltfamen Trinffitten, au benen das Mittelalter jo reich if. Wer bie Neige
ansgetrunten Hat, fol vom Wollen anheben. Qui bibit Ex negäs, ex
frischibus inoipit ille. Die fpätere Tradition ſuchte dann ber Eitte einen
hiſtoriſchen Hintergrund zu leihen, indem fie diefelbe mit bem Namen eines
Mannes verband, der als weiſet Gefeggeber in lebhaften Inventen ftand.
Die Sitte ift alt und weit verbreitet. So heißt es in Kantz ow's
Vvommerſcher Chronik (Hitzig's Zeitſchr. III, 418 j.):
„Den Fuchs ſchleffen, d. i. das man eine große Khanne
nimpt und umbher trink, fo muß ber legt, wenn auch wenig
daraus getrunfen, das ander gar austrinken und ban frifch wid⸗
der anheben.“
Die Statuten der Kalandobrüderſchaft zu Paſewalk in Pommern
dv. 9. 1514 (abgebrudt in Dähnert's Pommerſch. Bibliothet I, 137 ff.)
befiummen art. III:
Qui etiam cantbarım terminaverit, recentem incipiat.
As Sachſenr echt wirb bie Regel bezeichnet (Berdenmeyer Ver⸗
mehrter Curieuſ. Antiquarius €. 600 cf. delriche Beytr. zur Branden⸗
burg. Geſch. S. 287 f.):
Ille priüs rebibät, primus qui pöcula siuusit.
Si quaeris, cur sit, Lex sic Saxönica dieit.
Was aber am meiften ins Gewicht fällt, eim Analogon zu unferem
vermeintlichen Hocdmeifter-Gefege findet fi in einer Urkunde über das
Lippehne’fche Trinkrecht v. 1479, deren Erbichtung und Unächtheit noch)
veuilicher nachweisbar iſt.) Die Urkunde ift ansgeftellt von Woldemar.
*) Die Urkunde wurde nad) einer neueren Abfchrift mitgetheilt von Mylius
Corp. constitutionum Marehicar. VI. 1. Sp. 11 und auch fonft noch öfter
gedrudt: Delrihß 1. c. &.277f. mit den dort Angeführten, fowie Hitzia's
Beitihr. II, 462. "
Das alte preußtice Trintrecht. . 59
Princeps Neo-Marchicus, in Arce nostra Calisiensi a. 1479 nnd
verorbnet anf die Klage des Petrus Wadephul, Bürgers zu Lippehne in
der Nenmark, daß derjenige, welcher bie Neige getrunfen hat, den erſten
Zug aus dem vollen Becher thun fol, bei Strafe von 100 Solidi. Nun
gab es aber in bem genannten Jahre weber einen Fürften der Neumark
mit Namen Woldemar, noch gehörte damals das Schloß Callies unter
defien Botmäßigleit. Vielmehr war ber rechte Landesherr der Neumark
Kurfürft Albrecht Achilles (1470... 86), und Eallies befaßen bie der-
ten von Güntersberg, bie, 1378, 1408, 1409 wieberhelentlich bamit
belehnt, es bis nach 1566 inne gehabt haben (Oelrichs l.c. S. 279f.).
Offenbar alfo ift die Urkunde untergefchoben und das Machwerk eines
luſtigen Kopfes. .
Im Ultpreußen galt die Gewohnheit bis in fpäte Zeit. Ein Zeugniß
aus bem 9. 1720 (Berdenmeyer J. c. ©. 859) befagt:
„Im Preufien iſt noch die Gewohnheit, daß wer die Neige
gehabt, berfelbe von friſchen wieder trinden muß, mit angeheff«
ter Straffe, für die Ubertreter 22. Schilling, 1. Seite Spede,
und ein Scheffel Kringel,” x) 8
—n.
*) Nacträglich erhalte ih von Herrn Gutsbefiger Minden die dankenswerthe
Rittheilung, dab die Quelle obiger Angabe in Joh. Arnd. von Brand's Reyſen durch
die Mard Brandenburg, Preuſſen, Ehurland. Weſel 1702. S. 276 zu finden iſt. Dort
wird gefagt: „Zum anhang muß ich diefe wenige Anmerdungen noch beifügen, daß in
Breuffen die gewohnheit ſey / daß / wer die neige gehabt; derſelbe vom frifchen wiederum
näfle trinden; — — mit angebengter Straffe für die übertretter, von 22 ſchillingen /
1 feiten Sped; und 1 ſcheffel kringelen: — —.“
ritiken und Referate,
Altpreußiſcher Verlag.
Julianus der Abtrünnige, Zranerfpiel in fünf Aufzügen von Cart
Boruttau. Danzig 1864. In Commiſſion bei Reinhold
Schlingmann. Berlin 1865.
Wenn man das vorliegende Drama zum erften Mal durchlieſt, hat
man das leibhaftige Gefühl fi in einem Tollhauſe zu befinden, in bem
die Befeflenen aus allen Thären dem kühnen Eindringling eine Fluth ver-
worrener Worte und wäfter Sentenzen an ben Kopf werfen. Es iſt nicht
Proſa, es find nicht Verfe, es tft nicht deutſch und auch feine andere
Sprache, es ift ein wunderliches und barodes Auſ- und Durcheinander
von bochtönenden Phrafen, ohne befttimmten Rhythmus, willlürlich im
kurze und lange Reihen von drei bis fünfundzwanzig und mehr Silben
für das Auge abgetheilt und verſchiedenen Berfonen mit römifchen Namen
in den Mund gelegt. Perioven find da zu finden, bei denen ſich immer
von Neuem Eay in Say ſchachtelt, jo daß man zulegt Anfang und Ende
verliert und nach Luft ſchnappt; Beiwörter, mitunter fünf, ſechs aufeinander
gepadt; jegt Himmelftärmendes Pathos und gleich darauf der jähefte Ab⸗
fall in den allergewöhnlichften Umgangston; Reflerionen über bie höchſten
Fragen der Philoſophie und dicht daneben gereimte und ungereimte Trie
vialitäten, zu benen man fi bie Begleitung eines Leierfaftens denken
Könnte; ungeheure Anläufe zu nichtigen Refultaten in der Manier ber
Klowus in den Kunftreiterbuden, aber ganz ernftlich gemeint; eine dra⸗
matiſche Hetzjagd durch die verichiebenften Ränder zweier Welttheife, wobei
die Betheiligten bald auf ben Füßen, bald anf ben Händen zu laufen
Altpreußiicjer Verlag. 6
feinen und fehr oft ver Abwerhfelung wegen ben Kopf unterm Arm tra
gen, um anzubenten, baß jeder Zufammenhang zwiſchen dem, was fie finb,
und dem, was fie veben, aufgehoben ift — kurz eine Bacherl⸗Kömsdie
höchſten Style, in der man vor lauter Erhabenheit feinen Sinn und Men
ſchenverſtand entbeden zu können meint. Erſt beim zweiten und britten
Ueberleſen lichtet fi) das Chaos ein wenig, und man findet eine Art von
Faden, woran man fich durch diefes Labyrinth von Scenen hindurchleiten
fann. Indem man in Gedanken das überwuchernde Unkraut ber Aus
wüchje, Schößlinge und Ranlen fortſchueidet, trifft man foger unverhofft,
auf lebensträftige Gebilde oder überraſchende Ausfichten, wirkſame Situa⸗
tionen und harakteriftifcde Schilderungen ver Perfonen und Verhältniſſe.
Die römiſche Welt im Uebergange vom Heidenthum zum Chriſtenthum,
fittlih verwahrloft, von Fäulniß angefreflen, verwittert in allen Funda⸗
menten, gänzlich hohl und alles Lebensmarks beraubt, unfähig den neuen
Glauben in fi Mräftigend wirken zu laflen und mit beffen Formen nur
äußerlich den angefreffenen Kern prunkhaft verhällend, ohne Herz, ohne
Gewiſſen, Lüge durch und durch — bdiefe. rettungslos bem Untergange ent
gegeneilende Welt kommt, zwar unabfichtlich verworren, aber boch bei
einem Rüdblid anf das Drama im Ganzen nach ihren wefentlichen Mert-
malen zur Anſchauung. Dazu wirken hauptſächlich bie Charaktere bes
Kaiſerpaares, Conſtantius und Eufebia, welche letztere ſich namentlich im
dem erſchreckenden Gemiſch von heuchleriſcher Frömmigleit, moraliſcher Ver⸗
worfenheit und bis zum Wahnfinn geſteigerter Liebesleidenſchaft zu wahr⸗
haft tragiſchen Momenten erhebt. Es ift mehr als die Energie des Ver»
brechens in biefem Weibe; es liegt zugleich etwas von der bem Blöbfinn
nahen Blafirtheit des meltkaiferlichen Gottesgnadenthums baräber, der im
Gefügt irdiſcher Allmacht und im Genuß göttlicher Ehren das Bewußtſein
ber Verruchtheit abhanden gelommen, eine wahrhaft bebentenbe Intention
des Dichters. Freilich muß man, um biefe Abfichten durchzufühlen, auch
hier, alfo in ben beften Partien bes Stückes mannigfache recht garſtige
Gefchmadlofigleiten überfehen, wie 3. B. jene Berfe S. 38, wo Euſebia
zur Harfe beclamirt: (übrigens Monolog!)
Du fragt, ob ich Dich liebe, o fhau mid doch mr an,
Dann wirft Du überzeugt fein, daß ich nicht anders kann.
62 Aritilen und Referate
Und müßt’ ich Vater, Mutter erdroßeln Dir zu lieb,
Ich würd’ mich nicht bedenken, wenn ich nur lebend blieb u. ſ. w.
oder S. 39:
Sieh da, mein lieber Ohm,
Das ſchafft die Ehre mir, Euch hier zu fehn, mein wadrer Gnadenfürft,
und gleich darauf in der folgenden Reihe ganz burſchikos⸗gemüthlich hin ⸗
tennach:
Warum denn, be, fo ſturmiſch, Alterchen?
ober endlich S. 100, wo es Hinter dem: „Eufebia triti auf” in Paren-
theſe Heißt:
Hat fid fo ſchon gemacht, als ihr irgend möglich.
Eeite 45 am Schluß ber britten Scene wird wohl ber Zufag „Con-
ſtantius und Eufebin ab" ober dergleichen vergefien fein, weil fonft das
Folgende ganz unverftändlich wird. — Eufebia führt die Handlung, fo viel
davon überhaupt vorhanden ift, weiter. Die chriſtlich-fromme Kaiferin,
die auf ben Straßen Rom’s umhergeht und die Armen auffucht, um ihnen
Wohlthaten zu erweifen, liebt den abtrännigen Sulianus, ven Neffen ihres
Gatten Conftantius. Um ihn für ſich zw gewinnen ſcheut fie vor feinem
Verbrechen zurüd, räumt Iulianus’ Stau, Helena, eine natürfihe Tochter
des Kaifers, dann ven Kaifer felbft gewaltſam bei Seite, ebnet dadurch
zwar dem Geliebten ven Weg zum Raiferthrone, entfrembet fih aber fein
Herz gänzlich, wird, obgleich fie ſich „jo ſchön gemacht hat, als ihr irgend
möglich" von ihm voll Abſcheu zurüdgeftoßen, fällt in Fieberphantaſien,
die zum Theil die bunteften Faſeleien find, wie z. B. bie folgende:
" Dort in der Ede am bohen Zaun,
Da liegt ein großer buntfarbiger Pfau, —
Doch unter dem Epheu, am ſchattigen Blog,
Da ruhet der Caſar mit feinem Schat uf. m.
laßt fi darauf von Priocus eine Ode aus — Auguft Wolfe gefammel-
ten und nachgelafienen Schriften (Dresven bei R. Kuntze 1864) „Ruhe
in dir ſelbſt u. ſ. w.” vortragen, erfährt, daß Julianus geftorben fei, nimmt
Gift, durchbohrt ſchließlich noch den Biſchof Gregor, det dem Kaifer das
feierliche Leichenbegängniß verweigert, mit einem Dolche und flirbt. Priscus
philoſophirt — diesmal wicht mit Auguſt Wolf —
Utpreußticher Verlag. 63
So enbiget wer Gott zu lieben mwähnte,
Und weiß von Menfhenliebe’ Nichts.
Diefe Kritik paßt nicht recht. So embigt gerabe Jemand, der aus
leidenſchaftlicher Liebe zu einem Menſchen fein eelenheil vergißt. Etwas
tiefer geht ſich an einer Stelle Eufebia felbft auf den Grund, wenn fie von
ſich, allerdings ſtyliſtiſch mangelhaft, fagts
Am Wahn, als gnad'gen Gottes frommes Kind
Unnahbar jedem Feind zu fein,
Drang unaufhaltfam, ungehindert
Die Luft zum Böfen mir in's Herz hinein.
. Wer treibt mir nun den Boſen aus,
Die fromme Seele fliegt mit hinaus. —
Der fromme Kaiſer Conftantius Hat mit ihr im Gharalter große
Aehnlichkeit, nur wird er ſich mitunter in wunberlicyer Weife über ſich
felöft Mar. Als ihm Marbonius z. B. Helena als fein Kind vorſtellt, ver
gleicht er fehliehlich deren Mutter mit Semele, ben kaiſerlichen Berführer
mit Zeus. Das mag von einem Hofmanne richtig ſpeculirt fein und feine
Wirkung thun; doc) wenn Eonftantius demnächſt ſelbſt darüber monologifirt:
Doc hätt’ der ſchlaue Alte nicht mit Jupiter und Semelen
So den Vergleich zur Hand gehabt; es war fein Gfüd u. ſ. w.
fo Hebt ſich die Schmeichelei felbft wieder auf, und ber Kaifer, der fie als
ſolche erkennt und doch dadurch befriedigt ift, wird ein faber Narr. Zu
eigentlichen Greuelthaten bringt er’s übrigens nicht und erfcheint neben
Eufebia wirklich als ſchuldloſes Lamm.
Aber Julianus? Er philojophirt! Bon Anfang bis zu Ende hält er
zum Theil fehr umfangreiche Vorlefungen aus ben weiten Gebieten ber
Weltweisheit, Götterlehre und Moral, läßt fi im Uebrigen von den Um-
Ränden wiberwillig mweiterfhieben, kommt zu feinem herzhaften Entichluß
ud endet fihließlich „von einem Lanzenwurf getroffen” irgendwo Hinter
der Scene. „Der Abtrünnige“ iſt er nur infofern, als man erführt, daß
er ald Kind im chriſtlichen Glauben erzogen ift, als Yüngling ſich aber
der griechiſchen Philofopgie und dem Cultus der alten Götter neben dem
jungen Ehrifiengott zugewendet hat. Schon bei feinem erſten Ur
treten hat er dieſen Zwieſpalt, wenn ex je ernſtlich vorhanden war, über
wanben; in ber Verehrang alles Guten, Schinen und Wahren, in welcher
64 Aritilen und Referate.
Religion es auch zu finden ſei, ſtellt er ſich auf ben reinen Humanitäts⸗
ſtandpunlt und erhäft ſich auf demſelben, nur bie Gegenſtaͤnde feiner Ber
trachtung wechſelnd bis gegen ben Schluß Hin, wo ihn die Abfcheulichkeiten,
die in der Welt unter dem Dedmantel des Chriſtenthums verübt werben,
zu blinder Wuth und zum Rampfe gegen bie harmloſen Bekenner diefes
Glaubens reizen, die er für unheilbar Blöpfinnige hält. Dies tft ber ein-
dig erfennbare Fortfchritt des dramatiichen Charakters. Uber er vollzieht
fich erft im fünften Aft und nicht einmal auf der Bühne, fondern Hinter
ben Conliſſen. Im der erften Ecene widerlegt er noch die Grundlehren bes
Chriſtenthums als Philoſoph und ereifert fich nur darüber, daß Gregorius,
durch guten Grund kraftinniger Natur, durch Unterricht und Wiſſen mir verwandt,
als Freund zw fprechen wänfcht, ben er nur bie Stimme bes Pfaffen hören
laßt; nach der Begegnung mit Eufebin fieht er vor einem „fürchterlichen
Rathſel,“ um beffen Löfung er Apollo ſelbſt bittet:
So gab' · es alfo dennoch Kranles, das nicht mehr genefen kann,
Somit auch Böfes, in deſſen Weſen inbegriffen ift,
Daß es dem Heil der Beſſ rung aluclich (2) widerſteht.
Er verzweifelt daran die Welt zu beflern. Im der er folgenden Scene
ſchon tritt er ale Wütherich aufs
Hinweg, verderbliche Lügenbrut,
Ihr Chriſten, ihr Hunde, ihr Keher,
Die ihr und raubt das höchſte Gut’ (9)
Ir eitlen Wahnfinnäheper. (IP)
Den großen Zeus, die fhöne Venus,
Apollo’3 Jugend und Gefang
Verpeftet ihr mit eurem Weihrauch
Mit jadiſch ſclaviſchem Geftant! (1)
Entweder er ober ber Dichter weiß Hier nicht mehr, was er fpricht.
„Wahnſinnshetzer“ follen vielleicht wahnfinnige Hetzer fein; (aber warum
„eitle“?) ober nennt ex bie Chriſten fo, weil fie ihn ſelbſt wahnfinnig ge»
beit Haben? Sicher find feine Nerven arg verftimmt, da er es für mög-
lich Hält, daß nicht mur Apollos Jugend, fonbern and) fein Geſang durch
Geſtank vergiftet fein Tann, ber ſonſt nur auf bie Naſe zu wirken pflegt.
Sebenfalls führen biefe abftrufen Verſe ihn in das zweite Stadium hin ⸗
über, in welchem er die Chriſten auszurotten beſchließt, weil ihr Wapı-
Alwreubiſcher Verlag, 65
finn unheilbar. Sein Tod ift dann keineswegs bie Folge dieſer Verir⸗
rung, ſondern, wie ſchon angebentet, das zufällige Ergebniß eines beliebte
gen Lanzenwurfs. Libanius, der ihm — wieder in fabelhaften Deutſch —
die Reichenrebe Hält, fagt von ihm:
Doc weil in Liebe zu der Wohlthat aud des Alten,
Des ſchnoden Mißbrauchs wohl bewußt fid) fein vorahnendes Gemüth,
Darum bielt er's als Pflichtgebot dem überftürmenden,
BVerhängnißvollen Drang der Fortihrittäfluthen
Noch einmal einen Damm zu baun; — — —
Wenn je ein weiſer ebler Hüter alten Rechtes, alter Sitte war,
So war e3 bieler.
Wenn das wirklich die Quinteſſenz von Julian's Charakter wäre, und
wenn das Drama felbft fie ebenfo erkennen ließe, was wäre daburch ger
wonnen? Eine culturhiſtoriſche Erſcheinung von Bedeutſamkeit, eine Tie-
bens- und achtungswerthe Perfönlichleit, vielleicht ein bemitleidenewürdi⸗
ger Menſch, aber noch lange nicht der Träger einer bramatifchen Hand»
tung, fo fange biefer Kampf mit dem überftürmenden Drang ber Fort
ſchrittsfluthen fich in der Seele des Philofophen vollzieht. Uber wo ift
hier Überhaupt ein Gegner, der den Fortſchritt vertritt. Das Ehriften-
thum erjcheint in ber alferverwerflichften Geftalt. in denen, die es zwar
äußerlich bekennen aber von feinem Wefen nicht die leifefte Ahnung haben,
Niht an einem einzigen reinen Derfechter der Lehre prüft Julian bie
Stichhaltigkeit feines Widerſpruchs. Gegen die niebrigften, jämmerlichften
Interefien hat er anzufämpfen. Die Verfolgungen, denen er ausgeſetzt iſt,
treffen auch nicht den dem Chriſtenthum Abtrünnigen diefer Abtrünnigkeit
wegen, und ebenfo wenig geht Yulian wirklich nur auf den alten Götter»
glauben zurüd. Er ift im höchſten Grade tolerant und verehrt, freilich ne»
ben den alten Göttern, auch Chriſtus. Seine Humanität bezeichnet ſelbſt
einen Fortſchritt gegen die fünf oder ſechs Jahrhunderte vor ihm, die auf
die Blüthenzeit Griechenlands folgten, für welche er ſchwärmt. Julian
conſervirt in fich ſelbſt etwas, das ver Welt längſt abhanden gelommen;
er ſchiebt die Zerrüttung aller Moral, die er rings um ſich wahrnimmt,
anf bie Veränderung, die das Chriſtenthum herbeigeführt Hat und fucht das⸗
ſelbe allerdings in Folge ſchweren Irrtums, aber aus reinfter Menfchenliebe
iu befeitigen und wieber aus der Welt zu fchaffen. Das ift bie tragifche Seite
Witpr. Monatafgeift Do. UL Hft. 1. 5
66 Rrititen und Heferate.
diefes Charakters und nur von ihr ans läßt fich derſelbe dramatiſch geftal-
ten, indem, biefer Conflikt durch Handlungen anſchaulich gemacht und zu
gleich gezeigt wird, wie bie Niederlage aus jenem Ferthum folgt. Der
Verfaſſer bes vorliegenden Dramas läßt uns fogar in Zweifel, ob Julian
überhaupt irrt. Das Ehriftentfum, was er fchilvert, ſtellt ſich von einer fo
garftigen Seite dar, daß man Julian für berechtigt halten muß es zu ver-
dammen. In dieſer Einfeitigfeit der Darftellung ſtedt der Grundfehler ber
Dichtung.
Daß der Verfaffer mehrere Seiten aus Auguft Wolf's Gedichten
wörtlid, abgefchrieben und barüber den Namen einer feiner Perfonen
(Prisens) gefegt Hat, würde als eine auffallende Dispofition über frem⸗
der Leute Eigenthum erſcheinen müffen, auch wenn bie Entlehnung in einer
Anmerkung dem Leſer befannt gemacht wäre; daß eine foldhe Anmerkung
ſich nicht vorfindet, der Lefer alfo in den Irrthum verjegt ift, den Ver⸗
fafler ſelbſt ſprechen zu Hören, fiempelt dieſe Handlungsweiſe zu einem
Plagiat, das bie eruftlichfte Rüge verdient. Webrigens heben fich biefe
Stellen durch ſchöne und Mare Diktion fo günftig von ihrer ſchwulſtigen
und bombaftigen Umgebung ab, daß Jeder fie felbft herausfinden müßte,
auch wenn ihm Wolf's Gedichte unbelanut geblieben fein follten.
©
Die Ober · Pfarrkirche zu St, Marien in Danzig und teren feltener
und reicher Schag von mittelalterlihen Baramenten. Eine Vor⸗
leſung, gehalten im Saale des Gewerbehaufes am 25. Januar 1865
von A. Hinz, Küfter an ber genannten Kirche. Danzig 1865.
(26 ©. gr. 8.)
Der Berfaffer, deſſen ſehr praftifche „Kurze Beichreibung der Ober-
Parrliche zu St. Marien in Danzig, mit Angabe der barin enthaltenen
Merkwürdigkeiten, als Wegweifer, zunächſt für Fremde” ſchon 1858 in
dritter Auflage erfcheinen konnte und ſich damit am beften ſelbſt empfiehlt,
hat ſich in diefer Vorlefung die Anfgabe geftelit, einen bisher wenigftens
vom größeren Publikum noch nicht genug beachteten Theil der Sehens
würbigteiten ber an Größe mur ber Petersficche zu Rom, der Paulskirche
au London, bem Dome zu Sevilla und bem Dome zu Mailand nechfie
Die Ober-Bfarrtirhe zu St. Marien in Danzig. 67
jenben, an Schönheit und Großartigleit des innern Bau’s ausgezeichneten
St. Marienlirhe der allgemeinen Aufmerkſamkeit zugänglich zu machen.
Unter Baramenten verfteht man alle biejenigen Gegenftände, feien bie-
felben priefterliche Belleidungen, Vorhänge ober Gefähe, welde, vorzugs-
weile aus mittelalterlicher Zeit herrührend, zur Ausübung bes Gottes-
dienftes erforderlich find. Solche Paramente von hohem archäologiſchen
und theilweife nicht unbedeutendem materiellen Werth befigt die Marien
firde circa 400, ein Schatz, der an Neichhaltigkeit faum von einem an
dern Ähnlichen ber Chriſtenheit übertroffen wird und bie Bewunderung ber
nambafteften Kunſtlenner auf ſich gezogen hat. Die große Zahl der Ges
mwänder, Vorhänge und Deden aller Art wird erflärlich, wenn man erfährt,
daß zu einer Zeit bei 32 Kapellen und 17 Altären nicht weniger als
9% Priefter fungirt haben. Intereffant ift die Bemerkung des Berfoffers,
daß gerabe die Reformation das geſchützt und erhalten habe, was fie prin-
üpiell aus ihren gottesbienftlichen Gebräuchen entfernte, da es in ber
tatholifchen Kirche gebräuchlich gewefen, die liturgifchen Gewänder ben ver-
fiorbenen Geiftlihen in die Särge mitzugeben oder biefelben nach einer
älteren kirchlichen Verordnung zum Schuß gegen Profanation zu verbren«
uen. Die Cammlung ift noch nicht einmal als geſchloſſen zu erachten;
noch kürzlich fand der Verfafler in verborgenen Kiften und Schränten eine
große Zahl von Alterthümern biefer Art vor, darunter ein bie Auferſtehung
Chriſti barftellendes Humerale mit zwei ſchlafenden Kriegsknechten en
basrelief geftikt und -mit mehr als 1000 echten Perlen geziert und eine
auferorbentlich. kunftvolle Stiderei vieler Figuren (die ausdrucksvollen Ger
fihter in Haarſeide genäht) auf fpinnwebenartig durchſteppten goldgewirk⸗
tem Fond. Was Alter einiger diefer Paramente geht bis in den Anfang
des 13. Sahrhunders (circa 1219) zurüd, wo man fich in ber Kirche noch
der orientalifchen, urfprünglich zu andern Zmeden gefertigten Sunftgewebe
bebiente, wie ans den Häufig wieberfehrenden arabiſchen Infchriften
„assulthan alälim“ (der weiſe, gerechte Sultan) oder aus Koranſprüchen
erſichtlich iſt. Auch die Formen der Kirchengewänder find zum Theil von
den jegt gebräuglichen ſehr abweichend und weiſen auf eine frühe Zeit zu⸗
tät, Abgeſehen aber von dem Intereſſe, welches biefe großartige Sammlung
fir viejenigen Hat, welche daraus ihre Kenntniß von ben anzäfieen „den
68 Arttiten und Referate.
derungen bes lithurgiſchen Theils des katholiſchen Gottesbienftes im Mit
telalter bereichern können, und für biejenigen Archäologen, welche Haupt
ſächlich den Kunftwerth der Bildiwerke im Auge haben, kommt fehr weient-
lich für den Eulturhiftorifer der Standpunkt der Imbuftrie in Unfchlag,
der hier in ben verfchiedenen Phafen mehrerer Jahrhunderte durch noch
vorhandene, theilweife gut erhaltene Beweisſtücke tenntlich wird. Darauf
mit Nachdrud Hingewiefen zu haben, ift nicht das kleinſte Berdienſt biefes
Schriftchens. Man erfährt baraus mit einiger Beſchämung, daß die Tech⸗
nit ſchon vor mehr als 400 Jahren auf einer Stufe ber Vollkommenheit
ftand, deren Refultate bei allen gegenwärtigen Fortſchritten auf dem Ge-
biete der mechanifchen Gewerbe nicht allein nicht übertroffen, fondern in
vielen Fällen ſogar nicht erreicht werben. Namentlich ift die Kunft der
Vergoldung roher Seidenfäben in der Vollkommenheit, wie fie biefe alten
Gewebe zeigen, für uns noch immer ein unaufgeffärtes Geheimnig. Den
kurzen Abriß einer Gefchichte der auf dem Gebiet der Weberei und Sticke⸗
vet thätigen Induſtrie wirb Jeder mit Nugen lefen. Wir können Hier na-
türfich nur darauf aufmerffam machen. Möge Herr Küfter Hinz bald die
Zeit gewinnen in einem größeren Werke, wo möglich mit photographifchen
Abbildungen der beſonders hacakteriftiichen Theile der Sammlung oder
einzelner Stüde berfelben, eine voliftändige Befchreibung ber Paramente
nah ihrem archäologiſchen und induftriellen Werthe zu veröffentlichen.
Seine eingehende Beſchäftigung bamit, fowie feine Liebe für den Gegen
ftand befähigen ihn entfchieben dazu. — ©
Gedichte von Hermann Boehnke. Als Danufcript gedruck. Ber⸗
lin, 1865, (IV u. 71 ©. 16.)
Der Verfaffer biefer Gedichte ift ein junger Hiftorifer, der aus dem
Erlöfe derſelben die Mittel zur Wortfegung feiner durch mancherlei Uns
glüdsfälle aufgehaltenen und behinderten Stubien gewinnen will, Er wen-
det ſich zunächſt an feine Ingendfreunde in Danzig, die denn auch mit
Erfolg eine Subfeription eröffnet haben, dann aber auch an das größere
Publikum und fomit an die Deffentlichfeit. Spricht fi mun in den vor⸗
llegenden Gebichten auch wicht gerade eine bebeutende dichteriſche Kraft
Gedichte von Hermann Voehnle. 69
aus und ermangeln biefelben auch meiftens eigentliher Originalität im
Form und Inhalt, fo thut bie beſcheidene Weiſe doch wohl, in der ein
tieferes, poetiſch angeregtes Gemüth ſich in Schmerz und Freude äußert.
Wir dürfen annehmen, daß die hier ausgeſprochenen lyriſchen Stimmungen
nicht gemacht oder künſtlich reproducirt, ſondern aus wirklichem Bedürfniß
nach dichteriſcher Erhebung hervorgegangen ſind. Es kann daher auch die
Theilnahme des Leſers nicht ausbleiben. Geben wir ſtatt einer kritiſchen
Beleuchtung zwei ernſte und ein ſcherzhaftes Gedicht zur Probe:
Der See am Abend.
Bon kühler Abenddaͤmmrung mild umflofien,
Hebt leife athmend ſich die Mare Futh,
Die Sonne hat die Iegte Purpurgluth
Mit milden Schimmer drüber bingegoflen.
Vom Waldesgrün, dem duftigen, umfchlofien,
Auf dem ſchon längft des Dunkels Fittich ruht,
Sdlaft fie fo ruhig, fhläft fo fromm uno gut,
Lauſcht träumend nur der Waſſerroſe Sproſſen.
Und an des Himmels hochgewolbtem Bogen
Zieht lieblich ftil der Mond die hehre Bahn,
Vom lichten Sternenkranze rinyd umgeben.
Eein Bild umrahmen die kryſtallnen Wogen,
Und wie ein leihtgebauter Silberkahn
Eiehft du ihn ſchwankend auf den Fluthen ſchweben.
Ber See in der Macht.
Finfterniß beſchattet rings die Hügel,
Scaurig Adhzt der Nachtwind durd) den Baum.
Grauenvoll, wie ein Geſpenſtertraum,
Rauſcht die Eule bin mit ſcheuem Flügel,
Auf des Seees dunlelm Wafjerfpiegel
Hebt die ſchlafestrunk'ne Fluth ſich kaum,
Und der Schöpfung unbegrängter Raum
Tragt der nädht'gen Stille ſchwarzes Siegel.
Einfam in dem ahnungsreihen Dunkeln
Fahl ich ein noch nie gekanntes Sehnen,
Seufzer fteigen aus beengter Bruſt.
70 Krititen und Referate.
Bei ver Sterne filberhellem Funleln
Flieben mir vom Auge heiße Thränen:
Beugen meines Schmerzes, meiner Luft. °
Bir Fangeweile.
(9m ber PpoAl-Gtunde.)
Langfam rinnt die Stunde nieder
Und die Sangemeile dehnt
Neben mir die fchlaffen Glieder,
Reibt die Augen fi und gahnt.
Ad! Bon ihrem Arm umfangen
Doppelt ſich die träge Zeit,
Und Minuten dehnt mit langen
Fingern fie zur Ewigkeit.
Geht die Zeit denn heut zurüde?
Langſam jchleicht der Zeiger nur,
Und nad) jedem Augenblide
Schau’ ich fehnlih auf die Uhr.
Kronos, alter Sinderfrefier,
Ad, verdauft du jept fo ſchwer?
Warſt doch fonft ein tüdpt'ger Eſſer,
Nimm dies Stündchen zum Deſſert.
Horch! Der Glode Töne fallen
Schöner, als ein Engelslied.
Vater Kronos hoch vor Allen!
Hoc aud deinem Appetit!
Das Biüchelchen ift gegen Einzahlung von nur 10 Silbergroſchen
durch Herrn Diakon Dr. Schnaafe in Danzig und durch die Herausgeber
dieſer Zeitſchrift au beziehn. Beſtellungen können auch in ber Gxpebition
abgegeben werben. ©
Ehoralkunde in drei Büchern von G. Doering, Königl, Mufil-Di-
rector zc. in Elbing. Danzig bei Bertling 1865. X u. 500 €.
nebft einem Anhange von fieben flaviichen Melodien aus bem
16. u. 17. Jahrhundert.
Nachdem bereits vor einigen Jahren bie beiden erften Lieferungen bes
obengenannten Werkes erſchienen find, liegt daſſelbe nun vollendet vor und
Choralkunde von Doering. 71
mahnt uns, auch vom Standpunkt dieſer Blätter aus auf fein Erſcheinen
aufmerfam zu machen. Zitel und Vorrede deuten an, baß ber Berfaffer
eine allgemeine Ueberſicht von ben Reſultaten ver großartigen hymnologi ⸗
ſchen Forſchungen in der Gegenwart zu geben beabfidtigt. Er will ven
Fachgelehrten ein Repertorium, den Gefangfrennden, namentlich den mit
der Unordnung und Ausführung des Kirchengefanges Benmteten ein Kom-
pendium des Mitifch und hiſtoriſch Wifenswertheften in bie Hand geben,
Und das war bei der immenfen Ausbehnung ber in Rede ſtehenden
Studien feit längerer Zeit ein bringendes Bedürfniß. Nebenher verfolgt
aber der Verfaſſer zugleich ein befonderes provinzielles Intereffe. Im
den bisher erfchienenen größeren hymnologiſchen Werken von Winterfelv’s,
Kocher's u. U. ift nämlich der fehr bebentfame Antheil, ven die Provinz
Preußen an der Ausbildung des evangelifchen Kirchengefanges genommen
hat, noch nicht zu feinem vollen Rechte gefommen; namentlich) ift eine
nicht unbebentenbe Anzahl von Ehoralmelobien bisher nur in Preußen bes
Iannt. Diefe Lüde in der Wiffenichaft wollte Doering ausfüllen. Und er
ift unzweifelhaft der geeignete Mann dazu. Denn er hat fi durch feine
in brei Lieferungen vorliegende Schrift: „Zur Geſchichte der Muſik in
Preußen“ als den gründlichſten Kenner der muſilaliſchen Literatur unſeres
engeren Vaterlandes befindet. Er Hat eine Menge der werthvollſten Ma⸗
terialien mühſam aufgefucht, treu gefammelt, kritiſch gefichtet und bündig
infammengeftellt. Er hat ben erften Schritt gethan, die Eulturgefchichte
Preußens um ben muſikaliſchen Zweig zu erweitern. Einen Theil ber
Ausbeute diefer Studien hat er nun aud für bie Choralkunde verwerthen
tönnen. Das Hauptverbienft der legteren befteht aber in.ber ernenerten
und jelbfiftändigen Durchforſchung aller wichtigeren Quellen der Choral
literaiur und ber barauf gegründeten kritifchen Nachweiſung über bie Urs
heber der Melodien, die Zeiten ihres Entftehens, bie älteften Drude ıc.
Mit welcher Sorgfalt, Treue und Ausdauer ber Verfaſſer auf biefem dor⸗
nenvollen und fieinichten Felde gearbeitet hat, berichtet er zum Theil felbft
in der Vorrede, und ein Blick in das Buch felbft genügt, dies zu beftätt-
gen. Zwar ftügt fich daffelbe in vielen Punkten auf bie Forſchungen ber
Vorgänger, namentlich von Winterfelo’s, dem der Berfafler perfänfiche An⸗
tegung, Aufmunterung und Foörderuug zu banken befennt, aber er weicht
12 Aritilen und Referate.
von dieſem nicht bloß durch eine freiere unb weitherzigere Auſchauung von
der Kirchenmufif ab, ſondern ergänzt und berichtigt ihn auch in manchen
Punkten. Vieles hat er aufs Neue begründet ober ſicherer erfaunt; man ⸗
ches Zweifelgafte ift entſchieden, manches bisher Unbekannte ans Licht ger
zogen: unb fo bürfte die Schrift in Zukunft jevem Forſcher ein unentbehr-
liches Häffsmittel darbieten. Dies gilt namentlich für den Anhang, in
welchem der Verfaſſer zum erften Male auf Grund neuaufgefundener Can-
tionalien bie polnifche Choralliteratur in Betracht zieht. Er glaubt das
ältefte und wichtigfte Cantional des Eefluchan von 1559 entvedt zu haben
und theilt die höchſt intereffante Nachricht mit, daß die in demſelben bes
findlichen Original-DMelobien flawifhen Ucſprungs an Zahl den um jene
Zeit gebräuchlichen deutſchen Melodien kaum nachſtehen (©. 435). Solite
fih, was faum zu bezweifeln ift, ver Fund beftätigen, fo wäre damit bie
unfhägbarfte Grundlage gewonnen, auf ber die Herftellung eines kritiſch⸗
zuverläffigen polnifchen Choralbudes vorgenommen werben könnte. Daß
es an einem folchen noch immer fehlt, ift um fo mehr zu bedauern, als der
urfpränglich fo reiche Kirchengefang der evangelifchen Polen in ber Gegen⸗
wart gänzlich zu verfallen und auszuarten broht. Möchte daher der Ver-
fafler vet bald das von ihm angelünbigte Vorhaben ausführen, eine
Sammlung flawifcher Melodien herauszugeben. Die in ber Beilage mit-
getheilten Proben machen uns recht gefpaunt darauf, wenngleich wir ber
kennen möäffen, daß uns die harmoniſche Bearbeitung nicht überall zuſagt.
Ohne auf den überaus reihen Inhalt des Werkes näher einzugehen,
bemerken wir nur, daß das erfte Buch als ber wichtigfte Theil des
Ganzen eine gebrängte Gefchichte der Choralmelodien enthält, — Wir
finden diefelben nach Yahrhunderten, Confeffionen, Provinzen, Schulen
georbnet und jebesmal dem Anfang nad mit Buchſtaben verzeichnet, wo-
bei zugleich ber ältefte Bunbort angegeben ift. Damit find dann ganz
turze allgemeinere Eharakteriftiten und biographiſche Notizen über die Ber-
fafler verbunden. Daran fchließen ſich für jedes Jahrhundert Nachweiſun⸗
gen über bie wichtigften Gefang-, Choral- und Melobienbäcer. Ein ber
jonders intereffanter Abſchnitt Handelt von den in den Kirchengefang aufs
genommenen Vollsmelodien (S. 150—158). Im zweiten Buch (©. 229
bie 362) giebt der Verfaſſer mit ausbrüdficher Verweifung auf größere
Chorallunde von Doering. 73
Berfe eine mehr regiſtrirende als referirende Ueberſicht über bie Lieber
und ihre Verfaſſer. Er orbnet biefelßen nach den hergebrachten 6 Perio-
den (1524-88; 1588—1650; 1660-92; 1692-1757; 1757-1817;
1817 bis jegt) und innerhalb dieſer nach Echulen und Richtungen. — Das
dritte Buch (S. 363---428) Bringt unter dem Titel: Theoretifches und Prals
tiſches lehrreiche Grörterungen, über bie alten Kirchentöne, den rhythmiſchen
Choral u. A, was namentlich für Geiftliche und Lehrer von Nugen ift.
Den Schluß bilvet der bereits erwähnte-Anhang über den polnifchen Eho-
ralgefang. (S. 429— 460).
Wir find dem Verfaffer zu hohem Danfe verpflichtet für bie äußerft
fleißige, forgfältige und vollftändige Zufammenftellung eines fat unüber-
fehbaren Materials und wünſchen baher feinem Werke bie weitefte Ber
breitung beſonders in bie Bibliothefen ver Geiſtlichen und Lehrer. Jede
Kirche follte e8 wenigftens befigen. — Doch Hätten wir im Intereffe ber
minder fachlunbigen Lefer auch wohl diefe und jene Heine Ausftellung zu
machen. Wir heben hier unter Anderm Folgendes hervor. Im erften
Buche vermifien wir eine etwas eingehendere Geſchichte der Entftehung und
Ausartung der Zwiſchenſpiele; dies wärbe der geeigneifte Weg fein, um
die Streitfrage zu entjcheiden, ob fie fernerhin Anwendung finden bürfen
oder nicht? — Im zweiten Buche wäre uns ebenfalls aus praktifchem
Imtereffe eine in kurzen aber anfchaulichen Zügen entworfene Schilderung von
der Entftehung und Verbreitung ber „verwäflerten" Gefangbächer erwänfcht
gewefen. Im britten endlich ift uns die Frage ungelöft geblieben, ob bie
Gemeinden bes ſechszehnten Jahrhunderts wirklich rhythmiſch gefungen
haben ober nicht? Palmer behauptet befanntlich, daß es nicht gefchehen fei
amd jagt (Hymnologie S. 286): „den Beweis ift man uns immer noch
ſchuldig, daß bie Gemeinden wirklich nach diefen Rhythmen geſungen has
ben." — Möchte der Verfaſſer in einer hoffentlich recht bald nöthig wer«
denden 2. Auflage feines Werkes biefe wichtige Frage endlich zur Entſchei⸗
dung bringen. —
Saran in Königsberg.
74 Aeititen und Referate.
Die Konigliche Bibliothek zu Königsberg.
Seitdem ich zum erften Male an biefer Stelle über bie Königliche
und Univerfitäts-Bibliothek berichtet, ift biefelbe wieberum durch eine
Reihe Toftbarer Acquifitionen und anfehnlicher Gefchente bereichert worden.
Außerorbentliche Mittel, die das vorgefegte Minifterum hochgeneigt ge⸗
währte, machten es möglich, daß wieder eine Anzahl empfindlichſter alter
Lücken ausgefüllt werben konnte, und babei doch bie neneften werthvollen
Erſcheinungen (zum Theil auch die des Auelandes) ſich beſchaffen ließen.
Ic erwähue davon des Beiſpiels halber nur folgende:
Zenker Bibliotheca orientalis: Petzholdt Bibliotheca bibliogra-
phica; Büsching Monatliche Anzeigen ; Catalog der Commerz-Biliothek
in Hamburg; Barack Verzeichniss der Handschriften zu Donaueschin-
gen; Ergänzung der Leydener Annales academici; Revue germanique:
Hormayr's Archiv: Thunberg Icones plantarum Japonicarum; Hooker
London Journal of botany: Elliott Botany of South Carolina; Er-
gänzungen zur „Flora“; Schreber Saeugethiere; Nathusius Hausthiere;
Brehm Vögel: Dechen Geologische Karte von Rheinland und West-
falen; Schlömilchs Zeitschrift für Mathematik; Petzval Integration ;
Bertrand Caleul differentiel: Helwig Mikroskop; Stilling Gehii
Bruns Laryngoskopie: Trousseau Clinique medicale; Mnemosyne :;
Gottfr. Hermann Opuscula; Salinas e Seveso Monumenti sepolcrali ;
Tyel Ulenspiegel (photolithographirt); Marlowe Works; Clarke Con-
cordance of Shakspere: Publicationen der Early English Text So-
ciety; bie Ausgaben bes Dante von Scarabelli, Toımmaseo und ben Be-
nebictinern von Monte Cassino; bie Collezioni Nistri und Daelli; Cal-
deron's Comedias von Apontes und bie Werke des Garcia de Resende;
Abulfath Annales Samaritani; Zunz synagogale Poesie; Tschischka
Dom zu Wien: Rottiers Monumens de Rhodes; Hübner's Jahrbuch:
Welcker’s, Conze’s und Hughes’s griechiſche Reifen; Kaempffer Japan:
Rüppell Abyssinien; Valentijn und Roorda van Eysinga Niederländiſch
Indien; Marco Polo von Pauthier; Bouquet Recueil des historiens
des Gaules (vollftändig); Raumer Codex diplomaticus Brandenburgen-
sis; Lappenberg Hamburger Urkundenbuch; Nijhoff Geldrische und
Die Königliche Bibliothet zu Kbnigsberg. 75
Zeerleder Bernerische Urkunden; Fumagalli Codice Ambrosiano: del
Giudice Codice diplomatico di Carlo d’Angiö; Trinchera Griechische
Urkunden in Neapel: Bielowski Monumenta Poloniae historica; Nagy
Codex diplomaticus Hungariae: Curita Anales de Aragon: Capmany
Marina de Barcelona; Odoriei Brescia; Tytler Scotland: Prinsep Indian
antiquities; Saulcy Numismatique des croisades; Dick Tower-Inschrif-
ten; Carpentier Alphabetum Tironianum; Forster Life of Elliot; Gra-
tianus ed. Berardi; die Assisen von Jerusalem herausgegeben von
Beugnot; Methodius ed. Jahn; Zezschwitz Katechetik; Ludolphus de
Saxonia Vita Christi; Theiner Monumente Scotorum et Hibernorum:
Herrera Alphabetum Augustinianum; Gallia Christiana mit Fortfegung
von Haureau und viele andere.
Unter den 1235 Nummern, nm welche die Bibliothek zugenommen
hat, befinden ſich Aber 160 Gefchenke; die Gönner, welche fie im vorigen
Jahre bedachten und deren ich in jenem Berichte banfbar erwähnte, haben
and fernerhin mit gewohnter Weunificenz ihr Gebeihen gefördert. Bon
andern Geſchenlen hebe ich nur hervor:
77 Bände Publicationen des Record Office in London (durch gütige
Verwendung Sr. Ercellenz des Herrn Grafen yon Bernstorff); die Sta-
tistica d' Italia und bie ſchwediſche Statiſtik (von den betreffenden Bu⸗
teaug), die Sammlung der eibgenäffiichen Abſchiede, der Beiträge zur
ihweizerifchen Statiftit und der Bunbesgefeggebung (von ber Bundes:
fanzlei in Bern); State papers und verſchiedene Reports des norbamerie
tanifchen Congreſſes (von Herm von Gerolt in Washington und Herrn
Conſul Brodmann hier); das Verzeihniß der orientalifhen Handſchriften
in Gotha (im Auftrage Sr. Hoheit des Herzogs Ernſt II); Grote's Plato
(rom Herrn Verfafjer); Stirling The secret of Hegel (von den Herren
Lerlegern) n. ſ. f. Soweit von biefen Werken Fortfegungen in Ausficht
fiehen, find dieſelben der Königl. Bibliothek gleichfalls zugeſichert worden,
und darf ich außerdem die Hoffnung ausfprechen, daß uns im Laufe bes
dahrs 1866 noch eine beträchtliche Anzahl Geſchenke aus dem Auslaude
zugehen werben, i
Aber auch den Bewohnern unferer Provinz fei bei biefer Gelegenheit
ihr einziger literariſcher Centralpunkt aufs neue empfohlen; jede Unter-
16 j Aeititen und Referate.
flügung, die fie diefem Inftitute angebeihen laſſen wird bankbare Anerlen⸗
nung finden und nicht nur der Bibliothel, fondern der ganzen Provinz
dauernd zu gute kommen.
Schon jegt ift die Benugung berfelben in erfreulichfter Zunahme be
griffen, und mande Werfe, bei deren Auſchaffung ich trog ihres innern
Werthes zweifelhaft war, ob diefelben jemals in den nächſten Jahren Hier
verlangt werden könnten, find ſchon wiederholt ausgeliehen worden. Im
Ganzen hat ſich die Anzahl der verliehenen Werke auf 7624, die ber ver-
fiehenen Bände — abgefehen von denen, welche die Beamten ber Biblio
thet felbft entnommen — auf 114°0 belaufen. Darnach ift beren Zahl
gegen das nächftgünftige Jahr um 10—11 pEt. geftiegen. Der Verkauf
der Bürgichaftefarten weift gegen 1863 und 1864 (465) einen Zuwachs
von 71, pCt. nach, ver einestheils von dem regen Streben ber Studiren ⸗
den zeugt, anberntheil® aber auch zu bem Zuwachſe ber Univerfität über-
haupt im richtigen Verhältniſſe fteht. Durchſchnittlich Liegen in dem Bu⸗
reau des Eecretairs fortwährend über 1500 Empfangsbefheinigungen, ein
Sag, der freilich Hinter dem ber Bonner Bibliothek zurücſteht, ven der Bres⸗
Iauer aber, bei der 1800-2000 Zettel liegen, verhältnißmäßig bedeutend
übertrifft. Gegen 120—130 Bände werben täglich zur Benugung bes
Bublitums geholt, und wird auch ein Theil derſelben im Lefezimmer benugt
und hernach zurüdgegeben, fe beftef ſich doch im Januar c. bie Anzahl der
gebuchten Nummern auf burchichnittlich 50 per Tag, alſo gegen 75 Bände,
Und vor 20 Jahren kamen jährlich kaum mehr ale 3000 Bände zur Ver⸗
ansgabung, incl. der bänbereichen Werke, die einzelne Mitglieder der Uni«
verfität wie ihr Monopol behandelten und fortwährend bei fich behielten,
nur baf die Zettel mit jedem nenen Jahre nen gebucht wurden. Gewiß
ein erheblicher Fortſchritt, der aber auch mit ber Zeit vermehrte Ar-
beitsfräfte dringend erforbern wirb,
Was das Perfonal anbelangt, fo ift der bisherige Eecretair Dr. Mi-
chaelis am 1. Ianuar ausgeſchieden und durch den früheren Privatdocen-
tem ber er in Greifswald, Lio. theol. Klöpper, erfegt worden.
©. Hopf.
Die Königliche Deutfche Geſellſchaft im Jahre 1865. 77
Die Königliche Deutſche Geſellſchaft im Iahre 1865.
Die Deutſche Geſellſchaft Hat in dem verfloffenen Jahre fünf Sitzun⸗
gen gehalten, Sie begann ihre Thätigkeit mit der Feflfigung zur eier
des Krönungsfeftes am 18. Januar. Nachdem in Abweſenheit des Präfidenten
der Gefellichaft, des Geh. Reg.-Rath Profefjor Dr. Schubert, der Secretair
derfelben Profeſſor Dr. Neifelmann einige Mittheilungen über den Stand
der Geſellſchaftsangelegenheiten gemacht und die in ber Schlußſitzung am
15. December neu gewählten Mitglieder proclamirt Hatte, hielt Profeffor
Dr. Schade den Hanptvortrag Über das Thema: „Zur Geſchichte bes
Hamlet.” — Im ver Feftfigung zur Feier des Geburtstages Er. Maj. des
Königs, am 22, März, ſprach Profefior Dr. Nitzſch: „Ueber die Quellen
für die Geſchichte Cäfar’s und die Hiftorifchen Geſichtspunkte für feine Der
urtheilung.“ — Die ordentliche öffentliche Sigung am 11. Mai eröffnete
Geh.-Rath Dr. Echubert mit einem Hinweife auf den Hirzlic erfolgten
Tod des älteften Mitgliedes der Gefellichaft, des Profeflor Carl Friedrich
Köpfe in Berlin, worauf Pfarrer Dr, Troje den Hauptvortrag hielt: „Ers
imerungen an ben verftorbenen Dr. Eduard Heinel,”*) — In ber orbent«
lichen Sigung am 9. November ſprach Hofprebiger Hoffheinz „Ueber das
Berhältniß der Theologie zu den übrigen Wiſſenſchaften.“ — Die legte
Eigung wurde am 21. December abgehalten. In dem öffentlichen Theile
berfelben ſprach Geh.Rath Dr. Schubert „Ueber bie Zahlenverhältnifie der
ländlichen unb ftädtifchen Bevölkerung in den legten Jahren mit befonber
ter Beziehung auf Preußen.“ Im der an dieſe ſich anfchließenden geheimen
Eigung gab derſelbe einige Nüdblide auf die Angelegenheiten der Geſellſchaft
in Bezug auf das ablaufende Geſchäftsjahr; die in dieſer Sahresfchlußfigung
übliche Wahl neuer Mitglieder beſchränkte fich auf ein einziges, nämlich ben
Oberbibliotgelar Profefjor Dr. Earl Hopf, da weitere Vorſchläge nicht einge
gangen waren. „Dur den Tod hat bie Geſellſchaft die beiden Diitglieber
verloren, deren Andenken die Sigung wom 11. Mai gewidmet war, Profeſſor
C. F. Roepfe in Berlin und Archidiaconus Dr. €. Heinel Hier; einen Verluſt
durch Berfegung einheimifcher Mitglieder hat die Geſellſchaft nicht erlitten.
— N.
*) Abgedrudt Altpr. Monatsſchr. II, 364872, J
18 Rrititen und Referate.
Alterthumsgeſellſchaft Pruſſia.
Königsberg 26. Januar. In zahlreich beſuchter Sitzung wird ein An⸗
trag auf Veröffentlichung regelmäßiger Sitzungsberichte angenommen, und
die Altpr. Monatsfhrift zum Organ erwählt. Hr. Rechnungsrath Ulmer
erftattet den jährlichen Geichäftsbericht, aus dem ſich die günftige Finanz:
lage des Gefellichaftsnermögens und der Zuwachs neuer Mitglieder ergiebt.
Die Geſellſchaft befichtigt den von der Deutſchen Gefellichaft geſchenlten
altertHümlichen Wanpfchranf, (von der Herzogin Anna Maria herrührend)
den Hr. Provinzial-Arhivar Dr. Medelburg hat in Stand fegen laſſen,
und deſſen weitere Reſtauration Hr. Prof. Knorre freundlichſt übernimmt.
An Altertfümern werben vorgelegt: von Hrn. Gntsbefiger Minden ein
Woffengriff aus Hirſchhorn mit einer geſchnitzten Darftellung bes Todes,
gefunden 1865 beim Abbruch der Niefenburger Stadtmauer, burch Hrn.
von Mülverftedt an Hrn, Oberfehrer Elditt gelangt und von dieſem
der Sammlung der Pruſſia übergeben; ferner buch Hrn. Ulmer ver-
ſchiedene Gegenftände, die in Wiskiauten (einer bereits wiederholentlich
ausgebeuteten Zunbftätte, vgl. II, 641), in Mülfen und bei Arys gefunden
und durch die Herren Prem.⸗Lieut. Wulff, Befiger Albert Robde und
Lieut. von Streng in den Beſitz der Pruffia übergegangen find. Hr. Prof.
Knorre zeigt mehrere alte Münzen und Ringe. Dr. Steffenhagen
ſpricht über das alte „Preußifche Trinkrecht“ (ugl. ©. 56) und legt zwei
Romiſche Kaifermünzen aus Grüneilen vor (vgl. ©. 86). Schließlich
theilt Dr. Reide ein Natanger Volkslied mit, das ſich an bie bekannte
Dänifche Ballade von „Herrn Olaf" anſchließt, und bringt berjelbe ein
feltenes Drud ⸗Exemplar Scheffner’fcher Gedichte zur Vorzeigung.
S—n.
Mittheilungen und Anhang.
Das ftädtifche Archiv zu Naftenburg und die erfte biöher un-
gedrudte Handfefte der Stadt Naftenburg vom Jahre 1357.
Mitgetheilt
von
Dr. Fr. Aroſta.
Das dem Magifirate der Stadt Naftenburg gehörige Archiv enthält
fine Meine Zahl von Urkunden zum Theil ans der Orbensgeit, zum Theil
a8 der nachfolgenden. Der Aufbewahrungsort derfelben ift in dem zum
Orgelchore führenden alten Thurme der St. Georgenkirche. In dem rate
binslichen Inventarium von 1713 finden wir biefe Thurmftube ſchon im
Befig des Magiſtrats; wahrſcheinlich wurde fie aber ſchon in früherer
Seit dazu benugt, ba die Kirche mit ihren feften Mauern ftets den ficher-
fen Schutz für dergleichen Gegenftände gewährte. Nach einer Verfügung
vr Königl. Regierung von 1832 wurde das Archiv durch den jegigen
Etadtfeketär Herrn Kösling nen georbnet und bie nod) vorhandenen Urs
tunden aufgezeichnet. Ein großer Theil derfelben — welche ift aus ben Alten
sicht zu erfehen — war ſchon in ben erflen Jahren des zweiten Decen-
ninms unfers Jahrhunderts nach Königsberg in das Geheime Archiv ger
kommen. Die Thurmſtube ift in’ ihrem heutigen Zuftande — fie ift allen
Enfläfen der Witterung ansgefegt, Eulen niften an ben Drathienftern —
nicht für eine fernere Conſervirung ber Urkunden geeignet. Ich habe in
dem naffen Sommer 1864 mehrfach Gelegenheit gehabt, dies zu beobach ⸗
ten. — Es wäre mithin wohl wünfchenswerth, wenn ver Magiftrat fich
dazu entfchließen könnte, die vorhandenen Urkunden in das hiefige Geheime
Icio zu trauslociren. —
80 Mittheilungen und Anhang.
Bon ben noch erhaltenen Urkunden, bie weiter unten aufgezäplt find,
erſcheint bie erfte infofern eines Abbrudes werth, als fie das Funbationd
Privilegium ber Stadt enthält. I. Voigt Cod. dipl. Pruss. t. III. N. 130
p. 177 giebt an, baß auch die Beftätigung und Ernenerung dieſer Urkunde
durch Winrich dv. Kniprode mit dem Eiegel im Original zu Raftenburg
ſich befinde; ich Habe jedoch die Urfunde nicht mehr finden können, fie ift
auch nicht in dem gleich nach 1832 angelegten Negiftranten aufgeführt.
In dem Archive find befinblich:
1. Original-Handveste und erste Fundation der Stadt Rastenburg v.
J. 1357. (Unten abgevrudt.) No. I. des Regiftranten,
2. Privilegium für die neuen Fleischbanken in der Stadt Rastenburg.
d. Mittwoch nach St. Benedikt (den 21sten März) 1373; ausge-
stellt vom Rastenburger Rath. No. XI. des Regiſtr. Ohue Siegel.
3. Der Komthur zu Balga, Friedrich v. Egloffstein verleiht den Bür-
gern zu Rastenburg über die zwei von Sausen und Sangawen zu
ihrem Hegewalde von 12 zugekauften Hufen das kölmische Recht.
d. Balga, aın Martini-Tage 1383. No. III. des.Regiftr. Siegel beſchtidigt.
4. Der Komthur zu Balga, Ulrich v. Jungingen, verleiht den Bür-
gern zu Rastenburg für die 6 von Andreas Reimann im Felde zu
Poblebissen zugekauften Hufen dasselbe Recht, das ihre 14 Hufen
zu Bürgersdorf haben. d. Balga in den Pfingsten 1402. No. III.
des Regiſtr. Siegel abgerifjen.
5. Handfeste über das Dorf Bürgerswald (Prangenau) ausgestellt von
der Stadt Rastenburg an Johann Prange. d. Rastenburg am Tage
Martini 1426. No. IV. des Regiſtr. Siegel abgerifien.
6. Der Hochmeister Paul v. Russdorf verleiht der Stadt Rastenburg
für deren treu geleistete Dienste 20 Hufen Wald zu ihren Rech-
ten. d. Rastenburg Freitag vor Marise purificatio 1427. No. V.
des Regiſtr. Siegel zur Hälfte vorhanden.
7. Des Fleischhauern Gewerks zu Rastenburg Willkür verfasst und
bestätigt von dem Rath. d. Rastenburg. Ostern 1428. No. XII.
des Regifte. Ohne Siegel.
8. Johann v. Beenhusen, Pfleger zu Rastenburg, verkauft der Stadt
5 Hufen Wald an der Grenze von Eichmedien. d. Rastenburg.
Der Siadt Raftenburg Hantvefte. [>
Donnerstag vor Galli 1429. No. VI. des Negifir. Giögel voll
ſtaudig.
9. Willkür des Bäckergewerkes zu Rastenburg. d. Rastenburg am
Tage der heiligen Dreifaltigkeit 1431. No. XIIL bes Regifir.
Ohne Siegel,
10. Privilegium für Hans Bewirstein über das von der Stadt Rasten-
burg erhaltene Dorf Bürgersdorf von 32 Hufen. Rastenburg am
Tage Jacobi 1438. No. VII. des Regiſtt. Ohne Siegel.
11. Freiheiten und Vergünstigungen, die der Hochmeister der Stadt
Rastenburg dafür verliehen, dass sie dem Orden treu geblieben.
d. Königsberg. Dienstag vor Martini 1461. No. VIIL bes Regiftr,
12. Erneuerung der löbl. ohristl. Ordnung und Brüderschaft der Tag-
löhner und Arbeitsleute v. J. 1589. Vom Magistrat 1615 ausge-
stellt. No. XIV. des Regiſtr.
13. Original-Privilegium für das Schuh- und Pantoffelmachergewerk
zu Rastenburg. Ausgegeben von Friedrich Wilhelm, Markgrafen
zu Brandenburg ete. Königsberg, 28. Nov. 1650. Ausgefertigt
vom Kurfürstl. Sekretarist. No. IX. des Regiſtr.
14. Original-Privilegium für das Schneider-Gewerk zu Rastenburg,
ausgegeben von Friedrich Wilhelm, Markgrafen zu Brandenburg.
d. Königsberg, den 13. März 1659. No.X. bes Regiſtr.
Der Stadt Bastenburg Hantveste,
Nro. 1.
Erste Fundation der Stadt.
(Neuere Särift.)
(Das Siegel gut erhalten. Zeile 18. 2 Riſſe. 3. 29. 30. 31. in der erften Hälfte ber
ſchadigt. 8. 8. 28. 32. am Ende Wurmſtiche.)
Jn dem namen gotis amen. wisfen fullen alle, dy desin brif
ansen adir lesin hoeren, dy nue lebin odir hinoch kumftig syn. Das
wir bruder Jo. schindekop kompthur cruer balga und vogit czu
nattangen mit orlob des erbarn und geistlichen mane brader wynrich
von knipperode unsers homeisters und ouch mit willen und rate
unserer brueder czur balga nsgegeben haben eyne stat rastinburc
amyr. Monsisigeift B.TIL. Hfe 1. 6
82 Mittheilungen und Anhang.
genant von czwen huben und hundert. Diselbe stat vorlye wir dem
erbaren manne heynrich padeluch fcultheiz derselbin stat czu colmi-
schem rechte czu besitzen mit syn rechtin erbin und nachkuemmling
czu demselbin rechte erbelich und eweclichen czu besiczen. Der vor-
genanten huben gebe wir dem almechtigen gote czu lobe und dem
heilegin heren fent jorgen vier huben dem pharer czu der kirchen
ewiclichen gehoeren fullen und dem vorgenanten fchultheis und [yn
erbin und iren nachkumlingin VIII huben vrye; mit dem fchultheis
ampt und syn hove und hovestat vrye, und vyerezig huben vrye der
vorgenanten [tat czu gemeyne nuczcze verlye wir ewiclich czu besiczen.
Den besiczerin der andern huben gebe wir von der gebunge desis
brifis fumfezen jare vryheit czu gebruchen, in dem fechezendem jare
und donoch alle jerlichin fullen fy uns und unsern brudern gebin
und czinsen jo von der huben eyn halb marc und czwey huner alle
jerlichin uf ſente mertins tage. Aber von den hoven, den ynwonern
der stat gebe wir sechs jare vryheit von der gebunge des brifes,
donach in dem febindem jare und alle jerlichin von yclichem hove
eyn virdung phenning fullen ſe uns und unsern brudern gebin und
czinsen uf den vorgenanten [ent mertins tag. Ouch welle wir, das
ein iezlich hoef adir hovestat fechz ruten yn dy lenge und vyr in dy
breite behalten fal. Und eyn iczlich hoef von den virczig vryen hu-
ben drye morgen czu em haben fol. Unde dy hove von den morgen
und di morgin von den hoven nicht sullen gescheidin werdin. Dy
eleyne gericht iii schilling und dorundir in dem vorgenanten gut dem
fecholtheisz wir das gebin. Aber groz gericht als do is halz und
hant der fcholtheis nicht richten fal ane unsir bruder adir ir botin
ap [y geruchin do ozu [yen; ydoch das in der ftat und von dem
tore das ken luenburg weit usget vier [eile in dy lenge und uf der
andern [yete von dem tore ken de mole eyn [eyl in dy lenge dy
gerichte der [choltheisz richten fal und was dovan gevallen mag, das
fal man in dry teilen, dem fcholtheis eyn teil, der ftat das ander teil,
das dritte teil uns und unsern brudern gehoren fol. Und was von
fulchim gerichte czu nemen oder czu losen ist, das fal der fcholtheis
ouch lazin. Dy bruche der pruyzin dy do wonhaft syn under den
Der Stabt Raftenburg Hantweſte. 83
brudern desfelben gebites, in der dy vorgenante ftat gelegin ist odir
hirnoch legin wirt der fchultheis mit nicht richten fol, fundir dy
pruyfen dy under den konigin ader under den lenluyten wonhaft syn,
ader ander czukumflige pruyzen gwemen under gebrechen in dem
gericht der vorgenanten ftat und von dem [chulezen und [ynen hel-
tern ufgehaldin wurden, das fal der fcholtheiz richten, als is recht
ist; und was von sulchim gerichte gevallen mochte, glichir wyez is
das czu teilen als hivor geschrebin ftet. Dy burger keine andern
phannen nicht gebruchin fullin, fundir der phannen, dy czunucz und
czu fromen der ftat geozuyget ist. Unde was frucht oder nuecz von
dem koufhuze und von den benken brotes, fleisches, fchue, vische
und von der badestobe, dy veit gemacht fint ader noch fullen ge-
macht werden, dem [cholteiz das eyne teil wir geben, der ftat das
andir teil und uns und unsern brudern das dritte teil wir behalden.
Vischerye bynnen iren greniczen in der guber in den vlizen und an-
dern wazzern mit cleynem geczowe, ane das do wer heisit nedin unde
obin in erin greniczen den yenwonern der (tat wir gebin und vor-
lyen. Wir wellen ouch ap czu czukumftegin czyeten gut unde nueoze
wurde di ftat, czu meren un cozu lengen. dy willekuer wir unsern
bevelen, dy dene dorubir raten. Und was czins von den hoven der
nuyen fiat gevallen mochte, czwey teil wir uns unde unsern brudern
behaldin wellin, das dritte teil der vorgenanten [tat czu gehoren fol.
Wir wellen ouch ap in derfelbin nuyen [tat benke brotes, fleisch,
fchu, vische ader badestobe gemachit werde, glichir wyez is das czu
teylen in dry teil; eyn teil uns und unsern brudern, das ander teil der
ftat, das dritte teil dem fchulezen gehoren fol und das gericht in der
nuyen ftat als in der alden ftat dem [chulczen und ſynen erbin czu ge-
horen fal. Ouch fallen dy ynwoner der nuyen ftat gebruchin vryheit
dergelbin virezegin huben vry als dy ynwoner der aldin ftat. Wir wellen
ouch, das dy yenwoner der ftat von iclicher huben, de ane dy firezig
vrye huben eren pharer eynen fchefil rocken und eynen fchefil haber
vor czeendin gebin fullen alle jerlichin uf martini. do obir von funder-
licher gnade welle wir, were das czu czukumflegin jaren dy czwue
huben und hundert gemesfen wurden und das do in der grenicze der
6“
84 Mittheilungen und Anhang.
vorgenanten obrig vunden worde dy ynwoner der vorgenanten fat
das obrige ungekouft behalden fullen czu fulchim czinse als ſy ir
huben besiczen. Dy vorgenanten dinge fint geschen mit orlobe des
erbarn unde gi®t}iChen manne bruder wyenrich von kAIP!Oge, unsirs
homeysters unde czu eyner bestetunge henge wir unsir ingesegil an
desin brif. Des fint geczuige dy "DAR Inyte unsir bruder, bruder
Jo. von orlemunde, unser huscompthur, bruder otte von wilburt,
unser waltmeister, bruder Eckard brahe, bruder Albrecht der herezoge,
Bruder Heynrich von cattenhoven, phleger czuer yela, bruder mar-
quart phlegir czu rastinburg, brudir reimar von rode unser kumpan,
bruder heynrich von kranichsvelde, her petir unsir caplan und andere
ersame luyte.
datum et actum anno domini MCCClvü. Jn die beati martini
episcopi et confesforis.
Die große Orgel in Oliva.
In den Sahren 1750-80 mwurbe durch den Funftfinnigen Abt Joſeph
Hyacinth Rybinski im Kloſter zu Oliva ein Gefang- und Inftrumental-
Chor ausſchließlich aus Klofterbrüdern gebildet, nachdem ſchon 1742 fürm-
licher Befchluß dazu gefaßt war. Bald überzengte man fi von ber Un⸗
zulänglichkeit der vorhandenen Orgeln und beſchloß 1748 ferner, biefelben
burch ziel neue zu erfegen, Diefe Arbeit wurde benn dem Orgelbaner
Sohannes Wulff übertengen, welcher, nachdem er 1763 fein Teftament ge-
macht hatte, als Bruder Michael in ben Orben eintrat und nun 25 Jahre
fang mit vielen Gehilfen an dem großartigen Prachtwerke arbeitete, ohne
daſſelbe vollenden zu Können. Erſt der Drgelbaner Dalig in Danzig
brachte ben Bau zu Ende, indem er zugleich die ſchon feinem Vorgänger
aufgegebene Verlegung bes Spielſchrankes aus ver Mitte des Orgelchors,
wo er ben Plat beengte, nach dem nörblichen Flügel bewirkte. Dagegen
verwarf er bie überfläffige Einrichtung für bie Umftimmung des Wertes
ans bem Ehortone in den Kammerton, womit Bruder Michael ſich Hatte
quäfen müffen, ohne bie Hinberniffe (bie vortreffitchen Einrichtungen ber
pnenmatifchen Maſchinen waren damals noch nicht befanntl) überwinden
Die große Orgel in Dliva, 85
zu Können. Einen großen Zeitaufwand hatte namentlich auch der im Roc
cocoſtyle ausgeführte Profpect mit feinen faft zahllofen aus Blumen, Wol⸗
ten, Guirlauden, Engelstöpfen und Engeln in ganzer Figur beflehenben
Schnigwerf-Berzierungen erfordert, — Die aus biefen langjährigen Be-
mühungen hervorgegangene Orgel war eine ber großartigften, bie bisher
überhaupt gebaut waren, umb verbiente ihren weitverbreiteten Ruf, wenn
man hört, daß fie 83 klingende Stimmen hatte und ein Pebal von 32
Stimmen mit fünf Zweiunddreißigfüüßern und ſechs Sechszehnfüßern. Schade
nur, baß biefes gewaltige Wert wahricheinlich niemals fo vollſtändig brauch
bar gewefen ift, daß jebe Stimme in dem vollen Merle eine ſolche Gel
tung hätte erlangen können, wie fie dem betreffenden Regiſter zulommt.
Man Hatte nämlich bie gehörige Winbzufuhr für fo große Pfeifen zu bes
rechnen unterlafien, und fo mußte bei biefem Winbmangel ber Ton bes
vollen Werkes nothwenbig etwas Heiferes, Schwinbfüchtiges haben. Zu
biefen Fehlern der Anlage gefellten fi bald Gebrechen, welche bei bem
immer größeren Verfall des NKlofters aus dem Mangel an Pflege ober
durch Natureinwirkungen herborgingen, und nad) einem halben Jahrhun⸗
dert ſchon befand fi das Werk in einem Zuftande, ber einen ſchon einem
Umban nahelommenden Reparaturbau nöthig machte. Derfelbe ift num
zu allfeitiger Zufriedenheit duch Herrn Kaltſchmiidt in Stettin in ben
Jahren 1863—1865 für ca. 6000 Thaler, welche von ber Königl, Regie
rung bergegeben wurden, ausgeführt, Die Winbapparate wurden rabifal
umgebaut, Reſervoirs angelegt und viele fonftige. burchgreifende Aende⸗
tungen vorgenommen, fo baß nicht nur die Erhaltung der alten Or⸗
gel, fondern deren wirkliche Brauchbarkeit gefichert if. Die Orgel hat
gegenwärtig im Ganzen 101 Regifterzüge, 19 Winblaven, 18 Schöpfbälge
mit einer Windſpannung von 32 Graden, 84 Mlingende Stimmen und
nicht weniger als 5112 Pfeifen. Dies mag genügen, um auch dem Laien
eine Andeutung von bem Toloffalen Umfange bes Werkes zu geben, das
zu den Merkwürdigkeiten unferer Provinz gehört, auf welche diejelbe ſtolz
fein kann. Wer eingehende Belehrung fucht, Iefe die Heine Bıochüre des
leider im November v, 9. verftorbenen Lehrers an der Gewerbefchule zu '
Danzig Dr. Ferd. Denete „bie große Orgel in Olive, ihr Bau und
Berfall, fowie ihre Reſtauration durch den Orgelbaumeifter Herrn 3. W.
86 Mitteilungen and Anhang.
Kaltſchmidt ans Stettin." (Danzig, 1865. Homann, 446. 8, 8 Sgr.)
Sie i# nicht nur fachgemäß, fondern auch interefjant geſchrieben und wirb
den vielen Befuchern Oliva's unentbehrlich fein. — )
Nömifche Kaifer-Münzen aus Grüneiken.
Gal. I, 561.)
Aus Grüneilen, wo an ber Hebung ber bort verborgenen Alterthums ⸗
ſchätze rüftig fortgearbeitet wirb, find mir mit dankenswerther Freundlich⸗
teit zwei neuerbings gefundene Römische Katfer-Münzen zugeftellt
worben, Beide Münzen, noch wohl erhalten, find von ziemlich überein
ſtimmender Befchaffenheit und Größe, in Silber geprägt und gehören zu
einem und bemfelben Raifer, genauer beflimmt Eonftantins IL (323...
861 n. Ehr.). Die Vorberfeite zeigt bie nach”rechts gewanbte Büfte bes
Kaiſers mit Diadem und Feldherrnmantel und mit ber Umſchrift: D. N.
CONSTANTIVS P.F. AVG. Auf ber Rüdfeite findet fi ein Lor-
beerfranz und barin bie Inferift: VOTIS XXX MVLTIS XXXX
(ef. Eckhel Doctrina numor. veter. P.II. Vol. VIII pg. 483 obe. VD);
in ber Egerge fteht auf ber einen (etwas größeren) Münze: SIRM (Sir-
mium), auf ber anderen: C + Y (Oyzicus?). Eine Beſchreibung biefer
Münzen giebt auch Cohen Descript. hist. des monnaies frappées sous
Pempire romain Tom. VI. Paris 1862. 8. p. 301 No. 151, wo ihr Werth
& 6 Francs tariert wird, S—n.
Univerfitäts-Chronit 1866.
18. Jan. „Acad. Alb, MDCCCLXVI. L“ Programm in conditi Prussiaram regoi
memoriam anniversariam (15 ©. 4.) Inest Lobeckii dissertationis de dis ve-
term adspectu corporam exanimium non prohibitis iterum editae pars prior.
(©. 3-14.) — Quaestiones literariae civibus academieis in hunc annum ad
eoncertandum propositae. (S. 15.)
81. Jan. Medic. Doctordiſſ. von Bud. Buttlewscki (aus Allenftein): De embolia adi-
poꝛa. (92 6.8)
5, Febr. Philel. Doctordifi. von Otto Meinerts (aus Berlin): Vindiciae Jurenalianae.
cc &
SchulScriſten 1886. 87
Schul · Schriften 1865.
Ecdc. Zur öffentl. Prüfung im Kgl. Gymn. am 28. u. 29. Sept. ladet ernebenit ein
Dr. Carl Schaper, Director. Ebd. Drud v. Rud. Siebert. (40 6.4) II. Eins
führungsrede des Hrn. Prov.⸗Schult. Dr. Schrader. S.1—5. 2. Antrittörede des Di-
teetord. S. 6—14. 3. Schaper: Beitrag zur Geſch. der Lyder Provinzialſchule.
6. 15-22. — Schulnacht.: 12 2. u. 320 Sch. 22 Abit.)
Narienwerder ... 28. Sept... .. Prüfung... Kgl. Oymn. ... Dr. Zheod. Breiter,
Dir. Gymn. Ebd. Gedr. bei Fr. Aug. Harich. (20 u. 11 6, 4) L[Oberl. Dr. Herm.
«(im Tert: A. F.) Zeyas: De vocabulorum Umbricorum fictione. Part. III. S. 3—20.
Jahreöber.: 12 ©. u. 228 Sch. 10 Abit.)
euſtadt Weſtyr. Vierter Bericht üb. d. Kal. Kathol. Oymn. . . . Prüfung...
16. Aug. ... Dir. Prof. Dr. Johannes Seemann. Ebd. Drud v. H. Brans
denburg. (38 ©. 4.) [Oberl. Heine. Fable: Hydrauliſche Formeln für den Abs
fluß von Wafler aus Gefäßen. 6.3—26 m. 1Taf. — Schulnadr. 132.u.342 Sch.
5 Abit.]
villau. Zur öffentl. Prüfung der Schüler der Höheren Buͤrgerſchule ... d. 10. u.
11. April ladet ... ein A. Zander, Rector. Pillau. Gebr. bei H. Hartung in
Kgäbg. (84 6. 4.) IProrector Dr. Kretzſchmar: die Fraglichleit der Grenze zwi—
fen Zhier: u, Pflanzenleben. S.3—21.— Schulnachr.: 7 2. u. 144 6%. 5 Abit]
Wafenburg. Jahresbericht des Kgl. Gymn. ,. . Prüfung... 28... . 29. Sept.
... Director Dr. Tochow. Ebd. (39 ©. 4.) [Dr. Rabts, Quaestionum epica-
ram specimen I. S. 3—27. Schulnadr.: 12 2. u. 320 Sch. 19 Abit.]
Xhorn. Kgl, evangel. Gymn. u. Bealsch. 1.0rdn....... 28. u. 29. Sept... . Prüfung
... Direct. A, Lehnerdt, Ebd, Gedr. in der Rathsbuchdr. (52 ©. 4) [Dr.
Winekler: Ueber die Art u. den Grad der von Herodot geübten Kritik, S. 3—28.
Bobulnachr.: 23 2. 473 Sch. 6 Abit.)
Wehlau. Zur öffentl, Feier der Grhebung hieſiger Realihule zu einer Realſchule
1. Ordnung, die am 4. Jan. 1866 . . . veranftaltet werben wird, giebt fich bie
Ehre . . . einzuladen W. Friederici, Schul-Director. Ebd., 1865. Drud v. Carl
Peſchte. (846. 4) [Dr. Schmitz: Umriſſe zur deutihen Geſchichte. (Fortfegung.)
(6. 3-18.) — Schulnacht.: 12 2. u. 199 Sch. 2 Abit.] & .
Bibliographie 1864.
Bortfegung.)
Kopli, Kal. Preuß. wirkl. Oberforftmeifter 3. Marienwerber, drei Waldbrande in ber
Tucheler Haide. lForſiliche Blatt. hrsg. v. 3. Ih. Grunert. 8, Hft.]
Konitzer, Clemens (natus Valcii i, e, Deutsch-Crone), Quaestiones in Benecam pa-
trem criticae, Diss, Vratial, (III u. 88 6, at. 8.)
ss Mitteilungen und Anhang.
Kofante, Chriftn., Lehr. in Elbing, Gelegenheitägevichte. Eine Auswahl Geburtätags:,
Neujahrs: u. Weihnachtswunſche, ſowie Hoczeitägebichte, Jubilaums. Glucwanſche
u. Stammbuchverſe für die Jugend u. ihre Erzieher. Eibing. Neumann«Hartmann.
(VII u. 184 6. 8.) 12 gr. .
Kossak, Rud,, Congests et composita, quao ad argenti nitriei usum pertinent, Dis,
Kgsbg. (Schubert & Beidel) (29 ©. ar. 8.) 4 pr.
Kreiskarten der Provins Preussen, (Ost- u, Westpreussen), hrsg. nach der von Ge-
neralstabs-Offisieren u. nach den Generalstabs-Karten bearbeiteten grossen Roy -
mann’schen Specialkarte der Provinz Preussen, im Maassstabe von 1/200,000 der
' natärl, Grösse, Berl. u. Glogau, Flemming. 38 Lfge. u. 1 Suppl.-Lfg. (55 Sec-
tionen) & Lfg. 8 Sat. das Bl. einzeln 5 Sar.
Kreyhig, 3. A. Th, Ueber bie fittlihe u. voltöthüml. Verechtigung des Ghalefpeare-
Eultus. Feſtrede, bei der Shaleſpeare- Feier in Elbing am 28. April 1864 gehalten.
Ebing. Neumannshartmann. (19 6. gr. 8.) 6 Sar.
— — Shalſpeare's lyriſche Gedichte u. ihre neueſten deutſchen Bearbeiter. [Preuß.
Jahrbücher. 18. Bd. 5. Hft. 14. Bo. 1. Hft.]
— — Studien zur feanzöfiihen Cultur- u. Literaturgefchichte. Berlin, 865. (864.) Nie
colatfhe Buchhdl. (IV u. 528 ©. 8.) 2% Thlr.
Krohn, dorſtinſpector in Kgsbg., Beitrag zur Erziehung der Bude in Saamenſchlägen.
ldorſtiliche Blätt. hrsg. v. Grunert. 8, Hft.]
Kur, Joh. Heint., Dr. theol, u. Prof. 3. Dorpat, Lehrbuch der heiligen Geſchichte.
Ein Wegweiſer zum Verſtändniß des göttlichen Heilplanes nach feiner geſchichtlichen
Entroidelung. 10. verb. Aufl. Kgsbg. Gräfe u. Unzer. (X u. 3456. ar. 8.) 27 Sgr.
Laband, die rechtliche Stellung der Frauen im altröm. u. german. Hecht. [Btichr. f. Böle
Terpfochologie u. Sprachwiſſenſch. hrsg. v. Lazarus u. Steinthal. III. No. 2.7
— — Das Serreht von Amalfi. (La Tabula de Amalfa,) Hrög. u. erläutert. [Btfchr.
f. d. gefammte Holsrecht. brög. v. Prof. Dr. 2. Goldfämibt. VII. Bo. 2/8 Hft.
S. 296-337.)
Lämmer, Dr. Hugo, Seriptorum Graeciae orthodoxae bibliotheca select, Ex codici-
bus mas, partim novis ouris recensuit partim nunc primum eruit. Vol, I. Bect,
1. 2. Freiburg i. Br. Herder. (V u. 186 ©. gr. 8.) 2 Gar.
— — (Dr, Subregens u, Consultor), Afinitas nata in infdelitate als Ehehinderniss.
[Archiv £. kathol, Kirchenrecht, Bd, V. 1. Hft, 6, 150 fi.
— — Die Interpellatio conjugis infidelis u, die päpstl, Dispens von derselben.
IEbd. 2. Hft. ©. 248 ff. J
— — Wechselbeziebungen des Trident, Decrets Tametsi, u. der Benedictiner Con-
stitution Etsi Pastoralis für die Italo-Graeci.. [Ebv. 8. Hft. 6. 368 ff.)
— — (Prof, u, Consultor zu Braunsberg) Urbans VIII. Breve Eaponi Nobis und
Benedicts XIV. Constitution Paneis, [Gbd, Bd, VI. 4. Hft. S.28—39.]
— — Die Sklaverei u, die Kirche, [&bb, 5. Hft. S. 177-1]
Bibliographie 1864, 89
Landmeffer. Pius IX. von M. Louis Veuillot. Aus d. Franzdf. überf. v. Theophil
Landmeſſer, Priefter, Mitgl. der Academien der Arcabia und ber Quiriten in Rom.
Mit Autorifation des Verf. Danz., Rafemann in Comm. (68 ©. ar. 8.) 8 Sar.
Lehre, Karl, Weitere Horatiana. (Forts. v. Jahrg. 1863. &.689--550) [Neue Jahr-
bäch. £. Philol, u, Paed, 89. Bd, 3, Hit. S. 173—196.]
— — Das Prodmium der Odyſſee. Verſchiedene Empfindungen an bemielben Orte,
Rhein. Mufeum f. Philol. N. F. 19. Jahrg. 2. Hft. 6.302—306.]
Leihen: Predigten an Gräbern u. in Trauerhäufern von einem Landpaſtor. 3. verb. u.
. verm. Aufl. Thorn, 865 (864). Dr. u. Berl. v. C Lambed. (VI u. 336 6. gr. 8.)
1 Thlr.
Reitfaden f. d. theoret, Unterricht des Dſtpr. uiraffier-Regiments No. 3. Kgebs .
Schulgihe Hofbher. (VI u. 106 S. H. 8.)
Ienta, A. (aus Graudenz) De Herodiani cum Zenodoto necessitudine deque Horodia-
nes, quas fertur, editione Homeri, [Philologus. 21. Bd, 3, Hft, ©. 885—394.]
Lewald, Fanny, Bon Geſchlecht zu Geſchlecht. Roman. 8 Bde. Berlin, Janle, (VI u.
968 S. 8) Pla Khlr. .
— — Enaland u. Schottland. Reiſetagebuch. 2 Boe. 2. (Titel-)Ausg. Ebd. (851. 52.)
(XXI u. 1187 &. 8.) 2%, Thlr. ‚
— — Wandelungen. Roman. 4 Bde. 2. (Titel-)Xusg. Ebd. (858). (15826, 8.) 4 Thlr.
— — Ubele. Roman. 2. (Titel)Yusg. Ebd. (855). (VI u. 282 ©. 8.) 34 Zhlr.
— — Die Kammerjungfer. Roman, 2 Theile. 2. (Titels)Ausg. Ebd., (856), (626 6.8.)
12a Zhlr.
— — Deutihe Lebensbilder. Erzählungen. 4 Bon. 2. (Titel-)Ausg. Ebd. (806).
877 6. 16) % The.
Leyde, Reit. Gruft, Fruhlingsblüthen des weiblichen Herzend. Erzablungen und Mär
en. Der weibl. Jugend getwibmet. Mit 2 (lith. u.) illum. Bildern. Lpz., Luppe.
(It u. 216 S. 16.) cart. %4 Zhle.
— — Leſebuch f. Thchterſchulen als Handbuch f. d. gefammten Unterricht In der beutfch.
Sprache. (In 3 Eurfen.) 1. Curfus. Ebd. (VIII u. 184 ©. ar. 8.) 12 Gar.
Liederbuch f. frohe u, heitere Kreiſe. 6. Aufl. Thorn, Lambed. (272 ©. 32.) 6 Sar.
Lipechits, R,, Beitrag sur Theorie des Gleichgewichts eines nicht homogenen flüssi-
gen rotirenden Sphäroids, [Crelle’s Journal f.d. reine u, angewandte Mathem.
68, Bd. 4. Hi. ©. 289-295)
— — De explicatione per series trigonometricas instituenda funotionum unius va-
riabilis arbitrariaram, et praecipue earım, quae per variahilis spatium fnitum
valorum maximorum et minimorum numerum habent infinitum, disquisitio. [Cbv.
63.Bd. 4. In. 6.296—808.] (Auch ald Bonner-Habilitationsihrift. (15 ©. 4.)
Biffewer, Dr., pract. Arzt zc., Ueber Ozon u. Antozon. Bortrag, gehalten im Bemwerbes
Verein zu Danzig. Danz, Ziemfien. (16 ©. gr. 8) 34 Sat.
90 Teittheilungen und Anhang.
Liffauer, Dr., pract. Arzt ac, Ueber Danziger Trinkwaſſer. Vortrag im Gewerbeverein
am 25. Febr. 1864. [Danz. Big. No. 2807—2810.]
Lobeokii dissertationes de metaphora et de metonymia nunc primum editae, Kgebg,,
(Schubert & Seidel). (12 ©. gr. 4.) 4 Sar.
— — Dissertotiones de synecdoche, de catachresi, de dissologia e Lobeckii scholis
nuno primum editae. Ebd, (10 ©. ar. 4.) 4 Sat.
— — de acyrologia et de diploe dissertationes nunc primum editate. Ebd. (8 ©.
ar 4) 2 Sar.
Köfin. Separatvotum des Schuldeputationss Mitgliedes Dr. Loſchin in Betreff einer bes
antragten Reorganifation des Danziger Voltsihulmefens. (Danzig, Wedelſche Hof:
bäbr.) (10 €. gr. 4)
Lus, A. L., William Shatefpeare. Cine Feſtrede, gehalten bei der vollsthuml. Feier des
300jährig. Geburtstags des Dichterd im Saale des alten Weinberge zu Schidliß.
Danzig, Ziemſſen. (12 S. gr. 8.) ö
— — Henriette Bräfin Roffi, gekorne Sontag. Blätter der Erinnerung, feinem lieben
Luigi u. allen Verehrern der Unvergehlichen gewidmet. Ebd. Selbſtverlag. Drud
v. Edw. Groening. (36 ©. 8.)
Wareinowski, Gerichts⸗Aſſeſſor F.. Die Heine Kalende im Bereich des Oftpreußifchen
Provinzialrechts. Berlin. Agl. geh. Ober-Hofor. (IV u. 68 ©. gr. 8.) a Zhlr.
Mehler, F,G. zu Danzig, Bemerkungen zur Theorie der mechanischen Quadraturen,
[Crelle's Journal f, d, reine u. angew. Mathem, 68, Bd, 2. En. &. 152—157.]
Meier, 5., Beiträge zur Handels: u. politifden Geſchichte Koönigsberas. (Separatabdr.
aus d. N. Pr. Prov.Bl.) Kasb. Drud von Dalkowsti. (101 ©. 8. m. 2 Tabell.)
Merleker, Prof. Dr., Annalen des königl. Friedrichs-Collegiums zu Königsberg in Pr.
Den Goennern u. Freunden desselben gewidmet, 2.umgearb, u, bis in d. neueste
Zeit fortgesetzte Auf, Kgabg. Schultssche Hofbehhr. (VI 1.106 ©. 91.4.) 1 Xhlr.
Michelis, Prof. Dr. Frid, De Aristotele Platonis in idearum doctrins adversario
Comment, oritica. Brunsb, Huye. (36 ©. gr. 8.) 8 Got.
— — De philosophise vi ac munere, Oratio. Ibid. (16 ©. gr. 8.) 4 Sar.
Minzloff, Oberbibliothelar Dr. R. Die Himmelſtraze. Eine altdeutſche Pergamenthand⸗
ſchrift der Kaiſ. öffentl. Biblioth. zu St. Petersburg. Mitgetheilt von... Nor⸗
diſche Revue. 1. Bd. 2. Hft. ©. 172-186]
Möller, Dr. J. Actenftüde der wider mid; geführten Disciplinarunterfuhung. Gin
Beitrag zur neupreußiihen Geſchichte. Leipza . D. Wigand. (316. gr. 8.) Ye Thlr.
— — Immanuel Kant, fein Leben und Wirken, dargeftelt für das Voll, zunächſt für
Königäbergd Bürgerfhaft bei Gelegenheit der Einweihung de Kant:Dentmals.
Agsbg. u. Zilfit, Theile's Buchhdlg. (27 6. or. 8.) 3 Sar. — 2. Aufl. Nebit
1 lith. Abbildung der Kant-Statue. Ebd. 5 Sgt.
Monumente, Votera, Poloniae et Lithuaniae gentiumgue fnitimarum historiem illu-
strantia, maximam partem nondum edita ex tabulariis Vaticanis deprompta ool-
Bibliographie. 1864. 91
lecta ae serie chronologioa disposita ab Aug, Theiner. Tom. IV. Ab Innocentio
PP. XIT. usque ad Pium PP. VI. 1697—1775. Romae (XII u. 802 €. fol.)
2 Üblr. (I-IV, 88 Zhlr.)
v. Mülverftedt, G. A., Ueberſicht der Stifter, Mlöfter und Orbenshäufer, ferner Hoſpi-
täler, Kapellen, Ralande, geiftlihen Brüber: und Schweſterſchaften und Kirchenichug«
patrone in der Altmark:Brandenburg. [14. Jahresbericht des Altmärk, Vereins
u. ſ. w. 6. 101-121]
— — Die Edeln von Maketserve und ihre Heimat. [Neue Mittheilungen aus dem
Gebiet hist,-antiquar. Forschungen hrsg. von d, Thüring,-Bächs. Verein. X. Bd,
©. 237-258]
Müttrich, A., Bestimmung des Krystallsystems und der optischen Constanten des
weinsteinsauren Kali-Natron; Einfluss der Temperatur auf die optischen Con-
stanten desselben und Bestimmung des Brechungsquotienten des Rüböls u. des
destillirten Wassers bei verschiedenen Temperaturen. [Poggendorff's Annalen
d. Physik u, Chemie. Bd. 121. Stück 2. &.198—238. Stück 3. &.398—430.]
NRacdweifung aller evangeliihen Kirchen und Geiftlihen in der Provinz Preußen. Im
März 1864. [Beilage zu No. 14 de Cvangel. Gemeindeblatts vom 2. Apr. 1864.
S. 61-68]
Neffelmann, Lic. Pred. Die Kennzeichen ver Gläubigen. Berlin. (Bed.) (38 6. 8.)
Un Wlr.
— — Wie ſtehen die pſychiſchen Menſchen zum Reiche Gottes? Vortrag. lAllgem.
Kichen-Ztg. No. 18-16.]
— -- Der Selbftbetrug de3 modernen Heidenthums. Vortrag. [MBeftpreuß. Zeitung
No. 134-136.)
— —. Se di, Scheilh Muslih-eddin, der Roſengarten. Aus d. Perſiſch. überfegt von
©. H. F. Reffelmann. Berlin. Weidmann. (VII u. 312 S. 8.) cart, 12/3 Thlr.
Neumann, Carl, Theorie der Elektricitäts- und Wärme-Vertheilung in einem Ringe.
Halle. Buchh, d, Waisenhauses, (IX u. 51 ©. gr. 8.) a Thlr.
— — Dr. Maxim, De foenore redituum annuorum emtionis, Dies, Ebd. (VIII u.
51 ©. gr. 8. m. 2 Tab.) 5 Thlr.
— — Geschichte des Wuchers in Deutschland bis sur Begründung der heutigen
Zinsengesetze. [1654.] Aus handschr. n, gedr. Quellen dargestellt. Ebd. 865.
864.) (XVI u. 638 ©, gr. 8.) 22a Thlr.
Neumann-Hartmann, 3. W., Das Gewiſſen ald Zeugniß wider den Materialismus
unferer Tage, Elbing, Neumann-Hartmann in Comm. (27 ©. gr. 8.) 4 Sar.
ldtieolovius.]
W. Baur, Geſchichts u. Lebensbilder. Bd. I. Hamburg. Agentur des rauhen
Haufes.
Niederftetter, Kal. Bolizeicath 3. D., I, Das Provinzialsecht für Weitpreußen nebft
den dazu gehörigen Publikations ⸗ Patenten unter Berüdficht. der dazu erlafienen Der
92 Mittheilungen und Anhang. J
tlaratlonen u. abänd. Geſetze, ſowie der auf Grund deſſelben ergang. Entſcheidungen
des Kol. Obertribunals hrög. Danzig. Kafemann. (83 S. gr. 8.) a Thlr.
Nimz, Fr., Kopfrechenaufgaben für Schüler der Oberllafien in Stadt- und Landſchulen
Marienwerder. Jacoby. (156. 8.) 12 Sar. Auflöfungen dazu. (36.) 2/2 Sor.
is ſch, K. W. Romiſche und deutihe Annaliftit u. Geſchichtſchreibung. Eine kritiſche
Parallele. [Sybel's bift. Ztihr. 6. Jahra. 1. Hft. ©. 1-80.)
Nobis, A., die Fruchtwechſelwirthſch. in Verbindung mit Stallfütterung od. Weide auf
Grund der vetrſchied. Bodenverhältniſſe ſowie der Uebergang der Dreifelderwirthſch.
in die Fruchtwechfelwirthfh. u. deren Folgen auf d. geiſtige Wohl des Landvolles.
2. Aufl. Mit 8 Fruchtfolge-Tab. Berlin, Schotte & Co. (IV u. 84 ©. 8.) 12 Sgt.
— — R, Ober⸗Inſp. der Straf-Anſtalt Gordon, Handbuch für die Aufieher der Ge:
fängniffe u. Straf-Anftalten u. f. die verforgungäberechtigten Unteroffiziere, welche
fih dem Dienfte jener Auffeher unterziehen wollen, m. Beifilgung e. beſondern Ca-
pitels über den Dienft der Auffeberinnen bei den weibl. Gefangenen. Danz., Kafer
mann. (VII u. 56 ©. 8.) 12 Sgr.
Oelrichs, Kgl. Reg.-Rath in Danzig, Beiträge zur Statistik des Danziger Handels.
[Ergänzungsheft I, =, Zeitschr. d. Bgl. Preuss, Statist, Bureaus, red, v. Dr. Ernst
Engel. Berlin, Decker.] (48 ©. gr. 4.) 12 Sgr.
omeiam de Immaculata Conceptione B. Marise Virginis cum Offcio Defuncetoram
et Processione pro Fidelibus Defunctis. Ad usum Fratrum Min, 8. P. N, Fran-
eisei Reformatorum in Provincia sub titulo: „Immae. Conceptionis B. Mariae
Virg.“ Weiheropoli. Typis H. Brandenburg Typographi, (Reuftadt in Weitpr.)
(62 ©. 8.) .
Oblert, Rector d. höh. Bürgerfh. 3. Gumbinn. Dr. B., Lehrbuch der Mathematik für
Realſchulen u. Gpmnafien, fowie zum Gelbftunterriht. IL. Abth. a. u. d. T.
Lehrbuch der Arithmetit. 1. Curfus. Elbing, 865 (864). Neumann-Hartmann. (201 ©.
or. 8.) Sg Thlx. (I—U, 1. : 15/8 Zhle.) .
Drtfaftd:Berzeiänig des Ober-Boft-Direltiond-Bezirts Königsberg i. Pr. I. alpha⸗
betifch, II. nad) Poft-Unftalten geordnet. Kgsbg. Gebr. in der Böhmerfhen Bchot.
(8 Bl. u. 268 ©. ar. 8.)
Dtto, Prof. Dr. D., Interpunltionslehte auf wiſſenſchaftl. Grundlage. Für Schulen:
2. Aufl. Braunsberg. Peter. (85 S. 8.) 3 Sur.
Pabſt, A, Das Nothwendigſte zum Gefangunterrit in Gymnafien u. höheren Bürgers
ſchulen. Nebſt e. Anhange der gebräudlichften Choräle (Kftimmigd, mit beſond. Ber
rüdfichtig. der neueft. Aufl. der vom Kal. Prov.-Schul-Collegium brön. „80 Kircbens
lieder f. d. Schule“ fowie der Liturgien. 2. verm. Aufl. Kasbg. i.-Pr. u. Tilſit.
Theile. (86 ©. 8.) Ya Ahle. &
Periodiſche Literatur 1865. 1866, ö 98
Periodiſche Literatur (1865. 1866).
„Gäleffche Prowinzialblätter. Hrsg. v. Th.. Delsner.“ N. N. 4. Jahrg. Der.
(Xvi u. 6.725—776.) 5. Jahrg. Yan. (5. 1—64.): Th. Delsner, Andreas Gry:
phius auf den Brettern. Dr. €. Grünhagen, Prolog 3. Aufführ. der „geliebten
Dornrofe* v. Gryphius. H. Palm, Bernhard Kamenz; Ganzler Herzogs Heint. IV.
dv. Breslau, fpät. Bild. v. Meiſſen. Nach d. Schilderung. v. Prof. Anothe aus:
zugsw. mitgeth. N. Rärger, Nachträgl. z. d. Aufige. „Einiges Ab. d. Leid. u. Krank:
beiten unf. Vorfahren.“ Zul. Neugebauer, d. Bresl. Stotwage (ShL) Arvin,
3 Capit. üb. d. fhleht. Wege Schleſ. u. fr. Nachbacſch. Rudloff, d. Preußenlied.
FJ. Zeh, Noch ein Weihnachtfpiel (Herodesipiel) aus d. Eulengebirge. Th. Delsner,
Balerius With. Neubet. 3. 100jähr. Gedent. Rob. Schüd, Eine ſchleſ. Aünftler-
familie. Nachträge 3. d. Gnabenbildern u. Wallfahrtorten. — Th. Delöner, 8.
Geſch. der Provinzialblätt. Dr. Th. Bad, Beiträge 3. Cultur-Geſch. Oberſchleſ.
Aus Hippels boicr. Radlafie mitgeth. H. Struſche, Schlefiih. Gerümpel u. Ge-
rüle. Zul. Neugebauer, d. Begründg. d. faufınänn. Corporation u. d. Reichkras
mer-Societät 3. Breslau. mit der Stiftgsurt. M. P., d. Heldenfrau eines Schleſ.
(Frau Nageduſch, Soldat i. J. 1818). Die Königin v. Saba. Aus d. Erinnerung.
e. alt. judiſch Schlef. Chi, Was fehlt d. meiften Landgemeind. Schlef. u. wäre doch
unſchwer u. zu groß. Eegen berzuftell.? 1.) Landl. Altenhäufer. Th. Deläner,
Karl Wild. Immanuel Krahn (Nekrol.) R. S., dfftl. Aufzüge u. Habnenkämpfe in
Schleſ. Beydelt, Rechtspflege ver Vorzeit. A. T. e. Teufels-Sage aus d. Trebniger
Gebirge. Menzel, Helden- u. Loblied x, geſung. in Reich-Hennersdorf. z. 3. d.
bair. Grbfolgelr. Mitgeth: — Stimmen aus u. f. Schleſ. — Literat- u.
Runftblatt. — Zur Chronik u, Statiftil. — Brieflaften.
Ueber d. Mauerwert d. Ordensſchloſſer in Preußen. IRomberg’s Ziſchr. f. praft. Bau
hunft. 1865. Hft. 8.]
Sinteranficht von Weftpreng. I—II. +4} Rofenberg. Sept. [EIbinger Anzeigen.
1865. No. 78. 80. 81.) IV—VII. Löban. Oftob. IEbd. 82-84. 86.]
das Moosbruch (im Kasbg. Reg. B., ehem. „Kurfürftl. Wildniß“ gen., 40,000 Morg.
groß, zw. den Quelfläfi. des Nemonien: Schaltlit-, Schnedes, Laukur- u. Timber:
Fluß.) lRgsb. Amtsbl. 1866. No. 4.]
Die xreus. Centralbahn. [Grandenz. Geſellige 1866. Ro. 1.)
das Inſterburg · Oletzkoer Eiſenbahnproject. [Pr. Litt. Btg. 1866. No. 2. 6.]
der König Wilbelm's · Qanal. (Dinge Drawöhne-Schmeltel-Aanal.) [Kasb. Amtobl.
1866, No. 2]
% S., Zur hiſtor. Entwidl. d. Schafzucht in Preußen. LBeorgine. 1866. 6. Hft.]
Der Inſeltenfraß u. feine Folgen, in Bezug auf die Holgbebürfnifie ber bieſig. Vrovimn.
lSumbiun. Amtsbl. 1865. No. 62.]
9 Mittheilungen und Anhang.
Dr. Praͤtorius, die Seidenzucht im Ermlande, [Braunab. Kreisbl. 1865. No. 88. 85.90.)
—1-— Aus Littauen. (betr. d. roh. Kulturzuſtd. u. d. Demoralifat. unter d. Littauern
befend. in d. Kreif. Tilſit, Heydekrug u. Memel.) [Sg85. Neue Itg. 1866. No. 14]
Bon Königsberg nad Pr. Eylau u. Mafuren. [NgS5. Hartungſche Ztg. 1865. No. 302.
(1. Beil) 1866. Beilagen zu No.1. 2. 6-9.)
Mafurife Sprichworter. IGraud. Gef. 1866. No. 6]
Nachrichten üb. d. Bevöllerungs:Berhäktnifie im (Danziger) Reg.-Bez. [Danz. Amtsbl.
1865. Ro. 47.]
(Ueber die Ergebniſſe der) Grundfteuer:Beranlagung nad dem Geſt. v. 21. Mai 1861.
«im Reg.:Bez. Bumbinnen.) [Bumbinn. Amtsbl. 1865. No.50. 51.]
R., das Korfirmandenhaus in Bäslack (im Kreiſe Raftenburg.) [Evangel. Gemeindebl.
1865. N0.52.)
Einweihung des Kreiß-JohannitersRrantenhaufes zu Bartenftein im Reg.-Bez. Kasbg.,
Kreis Friedland am 20. Dez. 1865. [Dftpr. Btg. 1865. No. 306,]
NR. E., Aus Culim vom 8. Oft. u. d. 22. Ott. [Totn. Wcqhbl. 1865. No, 160, 168.]
Culm u. d. Klofter der barmherz. Echweftern. IEbd. 1865. No. 205.]
(Dr. Brup’ Vortrag im) Gewerbeverein (zu Danzig 1. Febr. Ab. e. Cpifode aus ber
Danzig. Geſch.: die Jahre 1410 u. 1411, m, befond. Berüdfitig. der Letzkau'ſchen
Rataftrophe.) [Danz. Btg. 1866. No. 8460.]
Die Entwäflerung ber Stabt Danzig. (betr. die fehr erhebl. Schattenfeiten des Wiebe:
ſchen Projects.) [Weftpr. Stg. 1866. No. 15. 16.]
Handelö: u. Gewerbeberichte aus Danzig. Preußiſch. Handelsarhiv 1865. No.9. 12,
16. 20. 27. 32. 34. 40. 42. 50].
Vrfen-Orbnung f. d. Stadt Danzig. [Danz. Amtsbl. 1865. No,42.]
Mäller-Orbnung f. d. Stadt Danzig. [Chd. No. 43.]
Das Stiftungsfeit des Gewerbevereins in Danzig. [Danz. Btg. 1866. No. 3426.]
Naturforſchende Gefellfä. zu Danzig. (Dr. 8. Bericht üb. d. ord. Gikg. v. 2. Jan. 1866.
Jahresber. f. 1865 erftatt. durch d. Direct. d. Geſellſch. Dr. Bail: 2 Mitgl. geft.,
5 außgetret., 29 neu aufgen,, im Gz. 75 einheim. Mitgl.; 16 ord. u. 12 außerord.
Sigg.; Fortj. der feit 1862, reſp. 1862 begonnenen meteorolog. Beobachtgen. in Hela
u. Neufahrmwafler; Hrögabe, e. neu. Hfts. (ei. Mipr. Monatsfgr. 11, 382); Verhdla. üb.
Begründung e. zoolog. Gartens; Subvention v. 4000 Thlr. durch d. Prov.Landtag;
Zuwachs der Biblioth. um ca. 140 Bde. meiſtens durch Austauſch u. Geſchenke;
Titer. Vbindg. m. 78 wiſſſch. Vereinen; erhebl. Vermehrg. d. naturhift. Cabinets durch
Geſchenle.) [Danz. Ztg. 1866. No. 3438.]
Statift. Notizen üb. EIbing für d. 3. 1864. [EIbing. Anz. 1865. Beil. zu Ro. 78.]
Hanveld: u. Gewerbeberichte aus Elbing. [Pr. Hblsarchiv. 1865. No. 16. 19. 21. 26.
29. 35. 40, 43. 50.) .
Elbing. (Bum 50jähr. Jubiläum des 8. Wanen:Reg. — j. Oſtpr. Ulanen-Regim. No. 8
Periodiſche Literatur (1865. 1866). 95.
genannt — d.29. März 1865. Oberft v. Kroſigk ſtizz. d. Gel. des Regim.) IElb.
Any. 1865. Ro. 27.]
Dentfhr. betr. d. Zuſtd. des Weſtyr. Landarmenfonds u. der damit verbund. Beſſergs.
Anftalt in Graudenz im J. 1864. [Danz Amtsbl. 1866. No.45.]
X Gumbinnen. (Feier des 50jähr. Beſtehens d. litt. Friedensgeſellſch. zu Bumbinnen.
18. Jan. 1866.) IPr. Litt. Btg. No. 17.] (Chronit der Gefeih.: 505 Mitgl,, Ka
pital 12,770 Thlr., Einnahme: 688 jährl. Binfen. 685 Thlr. Jahres⸗Beiträge, zuf.:
1273 Xhlr., wovon 27 Stipendiaten untftgt. wd. Seit Beftehen d. Geſellſch. im Ganz.
178 untftgt) lGumb. Amtsbl. No. 4]
Eine Fahrt v. Elbing nad d. Seebad Kahlberg. [Globus. 9. Br. 7. Lfg.]
Handelö« u. Gewerbeberichte aus Kasbg. [Pr. Holsarch. 1865. No. 18. 16..19. 22, 29.
31. 86. 39. 51.]
Rgebg. (Statift. Ueberficht der Xhätigleit der Feuerwehr im I. 1865.) [Dftpr. Btg.
1866. Ro. 3.]
Der Kunftverein (zu Kasbg. vertheilt als Bereinsblatt pro 1866 unt. ſ. Mitgl. den
Kpfitih. von Troffin nad Leſſing's betendem Monche am Sarge Heinr. IV.) [Ebd.,
1865. No. 306.]
Berein z. Rettung Schiffbrüchiger zu Kgsbg. (Aufruf vom 5. Jan. 1866. [Ngöbg.
Hartgſche Btg. u. Dftpr. Btg. No. 9 u. wiederholt. ef. Oſtpr. Big. 18.) (conftis
tuirt den 26. Jan. mit Anſchluß an den allgem. deutſch. Verein in Bremen.) [Hartg.”
he Btg. u. Ditpr. Stg. No. 28.) (of. Ebd. No. 86.)
Die Dede des groß. Saales im Kneipböfifgen Junkerbofe mit dem neu. Mittelbilde
von Joh. Heyded, lKgsbg. Hartg. Big. 1865. 1. Beil, zu No. 306.]
Handels: u. Gewerbeberichte aus Memel. [Pr. drihard. 1865. No. 9. 12. 19, 28. 27.
32. 35. 39. 44. 50.)
Die JoiotensAnftalt in Raſtenburg. lKgsbg. Kntsöt 1866. Ro. 8.]
Rüttheilungen üb. d. Irren-Anſtalt zu Schwetz. IDanz. Amtsbl. 1865. No.44]
Beiträge zur Geld. Thornd. 1. Dr. 2, Prowe, die Miedervereinigung Thorns mit
Preußen (aus d. Prov.-Bl.) [Tforn. Wchbl. 1865. No. 100-102.) 2. Dr. R. Brohm
d. Thorner Hocztäorbng. im 17. u. 18. Jahrh. IEbd. 108—105.] 3.2. Plromwe),
d. Pulvererplofion 3. Thorn i. I. 1807. [Ebb. 106.] 4. 2. P(rowe), Thorn's
Anhänglt. an Preußen. 5. 2. P(rowe), 3. Geſch. d. Folter in Preußen. Cbd. 139.]
Eine biftor. Notiz üb. d. Thorner Stabtwappen. (cf. Hans Meininger, Heraldiſches in
„Beltermann’3 illuſtt. diſch. Mtshften.” 12. Hft. Spt. 1865; mehr Fabel, als ges
ſchichtl. Bealaubigtes.) IEbd. 149.]
bandels· u. Gewerbeberichte aus Thorn. (Pr. Hblsarch. 1865. No. 12. 18. 26]
Eoperniens-Berein zu Thorn. (ord. Sigg. 8. Jan. 1865. [Thorn. Whbl. 6.) 6. Febr. ’
122.] dff. Sho. 19. Febt. Geburtätag des Patrons [29.] ord. She. 14. März [44.
45.) 8. Apr. [55.] 8. Mai [75.) 12. Juni [98.] 3. Juli [106] 7. Aug. [126.]
4. Spt. [141.] 16, Oct, [164] 6. Nov. [176] 11. Der, [196
96 Mittheilungen und Anhang.
Das 25. Stiftgsfeft des Tborner Gingvereins. [T5. WEHT. 1866. No.41.] Bur Felt:
feier 1. u. 2. Apr. 1865. IEbd. 47. 53.) Zur 25jähr. Fubelfeier. 1. die Adreſſe.
(Seftgruß an Dr. Wilh. Sgft. Hirſch b. d. 25. Gtiftgäfeft des Thorn. Singer:
eind.) 2. Jubellied auf Dr. Hirſch (in griech. Spr. vfaßt v. Prof. Dr. Janſon,
metr. aberſ. vom Bf.) [Ebd. 54.) 3. Das Feftgedicht v. Gymnaſ.⸗Lehr. Dr. Bodſtein
vfaßt. 4. Die Zeitliever. (Chv. 56.)
Das 50jähr. Stiftgöfeft des 88. oftpr. Füfilier-Megimentd No. 33 am 12 u. 13. Dec. 1865.
in Köln (früher in Thorn garnifonirt,) [Ebd. 199. Beil]
Handels · u. Gewerbeberichte aus Tilft. [Pr. Holsarch. 1865. No. 12. 16. 18. 20, 27.
31. 35. 40. 42. 49.]
Das Agl. Hauptgeftüt Trafepnen in Oftpr. IJluſtt. Big. 1865. No, 1172]
Wehlau. (Eorrefp. betr. d. hiftor., landſch. u. gewerbl. Bedeutſaml. der jeßt ca. 6000 Ein.
‚Ablend. Stadt.) [Mgöbg. Hartg. Btg. 1866. Beil. ;. 19.)
Strümpell, A. E. v. Baer's Anfihten üb. Schule u. Schulbildg. [Balt. Monatsſchr.
12.8. 4. Hft. Det. 1866.)
Netrolog des Dr. Werd. Deneke, Mitarb. d. Danz. Dampfb,, + 4. Ron. 1865. [Dany
Dampfb. 260.)
Ed. Heinel's Ged.v.I. 1825: „Diefe Blattes (scil, „Elbing. Anzeigen“) Glucwunſch
3 neu. Jahr.“ wieb. abgedr. IElb. Unzeig. 1865. No. 16.]
Zur Löfhinftiftung. (Loſchin's Erllärg,, daß er d. Zinfen des ihm an fm. Jubilaums ⸗
tage v. |. früh. Schülern überreicht. Kapitals v. 1000 Thlr. zur fortlauf. Grgänzg.
fr» der St. Johannisſchule hinterlaß. Vibliotb. — befond, reich für diſche. National:
lit. — [Dang. Dampfb. 1865. No. 802. Weſtpr. Stg. No. 808. vol. Dan. Big.
No. 3388.)
Amtsjubiläum des Predigerd an Gt. Barbara zu Danzig Earl Ernſt Deblſchläger
d. 80. Det. [Panz. Stg. 1865. No. 3290. Dan. Bampfb. 254.)
Z., Amtsjubiläum (des Pfarrers Otto v. Schaewen) in Allenburg. [Ev. Gemeindebl.
1866. No.5.]
Pfarrer Schuur in Mühlhaufen +29. Dec. 1865. (Nekrolog.) [Danz. Itg. 1865. No. 3400.)
Netrolog (des Kgl. Superint. Earl Bottfe. Samuel Thiel, 27. Jan. 1866 in Stras⸗
Burg +) [Graud. Gefell, 1866. No.17.] &
Shizzen aus Zlt-Brenffen.
Von
Bernhard Ohlert.
(Zal. Alipr. Mtsſchr. I, 289—812,)
I. Bas friſche Haff.
Hochſt eigentHümliche Bildungen find bie beiden großen Blußmändungs
ken dicht am Geftade ber Oſiſee, das frifhe und dae kuriſche Haff. Erſte⸗
ns iſt ausgezeichnet durch den landſchaftlichen Meiz eines großen Theile
feiner Ufernmfänmung. An Größe zwar von dem kuriſchen Haff weit
ibertroffen, ift es doch ein mächtiger Waſſerſpiegel, der, durchſchnittlich
über eine Meile breit, etwa 12 Meilen lang, einen Flächenraum von faſt
1 Quarbratmeilen überbreitet. Er verdankt feine Entftehung den Wafe
fern zweier bebentender Ströme, der Weichfel, die zwei von ihren drei
Armer, die Nogath und die Elbinger Weichjel mit einer großen Anzahl
Heiner Wafleradern in feinen ſüdweſtlichen Winkel ergießt, und des Pre
gele, der ungetheilt in den norböftlichen Winkel einftrömt. Zwiſchen bei-
den die äußerften Enden bes Eees einnehmenden Mündungen ergießen
fih noch eine Anzapl zum Theil ziemlich waſſerreicher Flüßchen hinein, ber
Üking, die Bande bei Frauenburg, die bei Brannsberg vorbeiflteßende
Pallarge, die Srifhing bei Brandenburg, dazwiſchen Heine Bäde. Bon
dem Flußchen Friſching, an deſſen Dündung zur Zeit des deutſchen Or⸗
dens ein wichtiger Hafen und Anferplag war, rührt wahrſcheinlich ber’
Rome her, nicht wie man wohl geglaubt Hat, davon, daß es fpäter als
das kuriſche entftanden und daher friiches, neues Haff genannt worben.
Der altpreußiſche Name ift Halibo. Für vie ganze Ufergeftaltung bes
ftiſchen Haffs if es nun von befonberer Bebentung, daß zwifchen jenen
keiten Hanptfiromgebieten ein nicht unbebeutender dohenag hier die
Ungr. Bonatöjgeift Os iu. Dit 2,
98 Gtizgen aus Altpreuhen
Waſſerſcheide beider, fich einſchiebt, der von Elbing bis Frauenburg bicht
an's Ufer tritt, dann etwas zurückweicht und erſt an ſeinem Ende in
der vorſpringenden Spitze von Balga wieder bis dicht an's Haff reicht.
Wahrſcheinlich Hat in frühern Zeiten dieſe Trennung bes Weichfel- und
Pregelgebiets fi bis auf das von beiden Flüſſen gebilvete Wafferbeden
erfiredt. Der Balgaer Spige gegenüber, unweit Pillau bei Kamftigall
fpringt gleichfalls das Geftabe beutlich hervor; bie gleichartige Lagerung
der Schichten an beiden Höhen feheint auf einen früheren Zufammenhang
zu deuten; von beiden aus erſtrecken fich Untiefen, aus Lehm und Sand-
ſchichten mit Steinen untermifcht, fogenannte Hafen, weit hinein. Auch
erzählt der Preußiſche Ehronift Lucas David ausdrüclich, daß früher beide
Landvorfpränge fo nahe zufammen gereicht, daß nur eine leicht durchwad⸗
bare Waflerrinne dazwiſchen geweſen.
Der ſchmale vorgelagerte Landftreifen, der das Haff von ber See
trennt, iſt theile die frifche Nerung, von den Mündungen der Elbinger
Weichſel bis zum Pillaner Tief oder Seegat in einer Länge von 71/, Meile
ſich erſtredend, theils die Landzunge am Sübweftende ver Halbinfel Sam-
land von Burg Lochftäbt in der Nähe des Städtchens Fiſchhauſen bis
Pillen. Beide Theile der Begränzung zeigen dieſelbe Formation, eine
Breite, die zwifchen 100 bis etwa 500 Ruthen variirt bei wechſelnder Höhe
über dem Waſſerſpiegel, bie freilich felten weit über 100 Fuß Hinausgehen
dürfte, und an einzelnen Stellen 5. B. bei Lochftäbt nur 10 bis 15 Fuß
beträgt. Nimmt man Hinzu, daß fie anf dem größten Theil ihrer Ans
dehnung nur ans Sandbünen befteht, jo Tann man ermefien, wie ſchwach
diefe Scheidewand fein muß, Und in der That Hat in ber kurzen Zeit,
daß wir hiſtoriſch beglaubigte Nachrichten von biefer Gegend haben, feit
Eröberung des Landes durch den beutfchen Orben, bie Etelle des Durch⸗
bruchs verſchiedentlich gewechſelt. Noch am Anfange bes 14. Jahrhunderts
gab es zwei Meerengen, für das Königsberger Haff das Pregelgebiet bei
Lochſtãdt, für das Elbinger Haff ganz am Anfang ber Nerung, Elbing
gegenüber, bei Bogelfang. Beide verfandeten und zwar das Elbinger Tief
nicht durch ben Kampf feinblicher Elemente, fondern in Folge der Rivalität
amb Hanbelseiferfucht aweier Städte. Die Danziger verſenkten im ber
fchmalen Durchfahrt einige mit Steinen belabene Schiffe, der von Sturm
von Bernhard Oplert, 99
und Welle darüber gehäufte Sand vollendete das Werk und bie für ben
Handel Elbings fo äußerft günftig gelegene Fahrſtraße war zerſtört.
Ob Heflen-Darmftadt die Ibee feiner famofen Biberiher Expedition, die
ein guter Pendant zu dieſem Etüdchen ift, aus dem Studium ber alten
Hiftorie von Preußen entnommen, ftelle ich dahin. — Natürlich mußte
nah Verſchluß beider Mündungen bie fi aufftauende Waſſermaſſe einen
andern Ausweg fuchen; dies gefchah bei Alt-Tief, etwa zwei Meilen ſüd⸗
(ih von Pillen. Auch dies verfandete allmählih um 1456 und es ent
fandt bei Alt-Pillan etwas nördlich von der jegigen Stadt Pillen ein neuer
Durchbruch, der ſich mehr ſüdlich erweiterte und 1510 bei einem heftigen
Norbweftfturm bie Richtung nahm, bie er noch jegt Hat. — Wenn nun
auch die Fahrſtraße durch die Nerung ſeitdem unverändert geblieben if,
fo Hat die geringe Etabilität des Walles ſich in anderer Hinficht als ſehr
rerderblich gezeigt, beſonders feit der befannten Abholzung der Wälver auf
der frifchen Nerung unter der Regierung Friedrich Wilhelm I. Der weiter
amd weiter vorrüdende Slugfand hat feitbem nicht allein auf den Nerun⸗
gen Aecker, Wiefen, ganze Dorffchaften zerſtört und begraben, fondern vers
fandet auch die Waſſerfläche der Haffe mehr und mehr in für den Handel
bedrohlichſter Weife. Die Koften, melde bie Anpflanzungsverfuche zur
Lerfeftigung der Dünen, das Ausbaggern bes Fahrwaſſers oder die zum
Schutze deſſelben angelegten Molen bereits verfchlungen haben und noch
verfchlingen werben, laffen jich nur nach Millionen zählen. —
Näher auf die intereffanten Berhältniffe einzugehen muß ich mir hier
derſagen; Übrigens find biefelben fehr eingehend im verfchiebenen Auffägen _
ver „Brenkifchen Provinzialblätter” gefchilvert.
Die Tiefe diefes großen Wafferbedens ift, wie feiner Entftehung nach
ſchon zu erwarten war, nirgenb bebentend, am ber Pregelmünbung nur
Up Fuß, fonft wohl zwiſchen 9 und 16 Fuß, bis zw welcher Tiefe ſich
der Grumd jeboch fehr allmählich abbacht, fo daß man an ben meiften
Stellen viele hundert Fuß weit Hineingehen Tann. Zahlreiche Haken er⸗
freden fich überdies bis tief hinein, fo daß größere Schiffe an eine ſchmale
dahrſtraße gebunden find, bie mit weißen Tonnen, auf benen Heine bebufchte
Etämmchen fich wiegen, bezeichnet ift. Zubem fällt und finkt das Niveau
der Wafferfläche unter dem Einfluß verſchiedener Winde —— ſo daß
*
100 Slinen aus Altpreuhen
die Schifffahrt nicht ohne Gefahr iſt. Für das gewöhnliche Bedürfniß des
Handelsverkehrs iſt die Tiefe der Waſſerſtraße im Ganzen ausreichend und
wird durch unermüdliche Thätigkeit auf dieſem Standpunkt erhalten. Nur
für die mächtigen Dreimafter, Schiffe von 4 bis 500 Tonnen Tragfähig ⸗
feit, die der blühende Elbinger Schiffbau Tiefert, genügt bie Tiefe unter
gewöhnlichen Umftänden nit. Da muß oft Monate lang gewartet werben,
bis durch ftarke in günftiger Richtung mehende Winde das Waffer zu unge:
wöhnlicher Höhe aufgeftaut wird, fo daß der Eoloß durch Schleppbampfer
in die hohe ©ee, fein Element, bugfirt werben kann. —
Nach diefem allgemeinen Ueberblid möchte ich meine Lefer ein wenig
längs dem Geſtade herumführen, natürlich nur da verweilend, wo wir es
intereffant und ſchön finden, einen wirklichen Marſch metlenweit durch ben
Sand der Dünen feinem von ihnen zumuthend.
- "Beginnen wir mit bem norböftlichen Winkel, ver Mündung des Pre
gels, die durch das hübſche Landſchlößchen Holftein, in der Geftalt eines
großen lateiniſchen H gebaut und in einem anmuthigen Parfe gelegen,
bezeichnet wird. Längs bes nörblichen Ufers zieht fich mehrere Meilen weit
und tief landeinwärts fich erftredend bie Kapornfche Haide, ein mächtiger
Borft, aus Tannen und Fichten beftehend. (Ich bebiene mich hier ber in
der ganzen Provinz gebräuchlichen Bezeichnung, füge aber hinzu, daß wir
unter Fichte den in Dentfchland meift Kiefer genannten Baum, Pinus
eylvestris L. und unter Tanne bie Pinus abies L. ober Abies excelsa
Dec. verftehen, die anberwärts Rothtanne ober Fichte genannt zu werben
pflegt.) Dies find die einzigen maffenhaft vorfommenden Nabelholzbäume
unferer Wälder, fie finden fich felten gemifcht, meift an einer Stelle nur
die eine ober die andere. Auf dem Schauplag unferer Schilverung herrſcht
im Allgemeinen im norböftlihen Theil bie Tanne, im fühweftlichen bie
Fichte vor. Der dichte, hochſtämmige Wald, ferftmäßig bemirthfchaftet
und durch gerade Durchhaue in Schläge getheilt, ift zwar etwas einförmig,
beſonders da das Terrain eben if, doch macht die Stille und Einfamteit
zwiſchen den dicht fich brängenden Hundert und mehr Fuß emporftrebenben
mächtigen Säulen dem Durchwandernden einen wunberfam impofanten
Eindrud. Es ift noch etwas von bem altprenfifchen Character in biefer
Gegend; die hohen Wipfel durchweht noch ein Hauch jener Zeit, wo ber
von Bernhard Oblert. 101
Donnergott Perfunos in Heiligen Hainen verehrt wurde. Noch hauſt hier
das mächtige Glen mit feinem flachen ſchaufelartigen Geweih.
Mitten in der Haide erinnert ein ſchlichtes Deukmal, vier behelmte
Haupter mit vier Armen auf bet Spitze eines Hohen Ständers, bie fo
genannte Bierbrüberfänfe, an eine Epifobe aus einem furchtbaren Kampfe
der Orbengritter mit den Urbewohnern bes Landes. Die Sage berichtet,
daß unweit von hier auf feiner Burg Konoweibit Martin Golin, einer
der deutfchen Einwanderer, mit brei Freunden unzertrennlich verbunden,
gehauft und von hier aus feine Rachezüge gegen die heidniſchen Prenfen,
die feine Schwefter graufam zu Tode gemartert hatten, und gegen bie Lit
thaner unternommen habe, weithin gefürchtet und ihrem Haſſe trogend.
Endlich wurden bie vier KRampfgefellen allein von einer großen Schaar
überfallen, Rüden an Rüden gefchloffen, vier kräftige, ſchwertbewaffnete
Arme jur Bertheidigung ſchwingend trogten fie lange ber Uebermacht und
lagen endlich nach heldenmüthigem Widerftande,
Das Norbufer des Haffs verfolgend gelangen wir an das Städtchen
diſchhauſen (Der Name ift ans Biſchhauſen, Biſchoffshauſen entftanden,
da Bier von 1289 bis zur Reformation der Sit der Samlänbifchen Bifchöfe
war), am Grunde einer tief nach Norden einbringenden Bncht gelegen,
wo das Haff feine größte Breite hat, da das gegenüberliegende Ufer öſtlich
von Balga wohl brittehald Meilen entfernt ifl. Das unbebeutende Stäbt-
den bietet nichts Bemerfengwerthes; aber in der Nähe, an ber ſchmalſten
und niebrigften Stelle der nerungsartigen Ranbzunge, in welche Samland
gegen Südweften ausläuft, befinden ſich die Ruinen ber Burg Lochftädt.
Im Jahre 1264 erbant, zu welcer Zeit noch ein Tief an biejer Stelle Haff
mb See verband, war fie beftimmt. die Einfahrt zu ſchützen. Obwohl
viel Meiner, zeigt fie ganz den Bauſthl des Marienburger Schloffes, ber
dauptſache nach recht wohl erhalten. Auch hier finden wir jene Mauern
mit ragenben Zinnen, jene bogigen Thore, bie. ſchön gewölbten hallenden
Corridore und vor Allem jene Gemächer und Säle, deren kühn gewölbte,
hoch emporftrebende Dede auf einem fchlanten Pfeiler ruht, der ſich nad
oben zu in eine Krone ſchön gebogener Zweige fpaltet, in bie durch bumt
gmalte Fenſter der Strahl ber Sonne gebämpfte, myſtiſch gefärbte Lichter
ſendet. Einen um fo ſchwermüthigeren Eindruck macht die überall herein«
109 Stinen aus Altpreußen
drechende Zerftörung und das kleinlich⸗dürftige moberne Alltagsleben, das
fich hie und da im den alterthümlichen Ban eingeniftet. Die einförmig übe
Gandbüne, noch öber und tobter, feit die lebende Waſſerader, die einft hier
vorbeileitete, fich ſchloß, iſt eine paflende Umgebung für diefen Eig der
Bergänglichkeit alles Irdiſchen. —
Hier in Burg Lochftäbt war es, wo ber edle Hochmeiſter Heinrich
Reuß von Plauen von feinem Verbränger und Nachfolger Michael Küch-⸗
Meitter don Sternberg Jahre lang bis an feinen Tod (1429) gefangen
gehalten wurbe. Selten wohl hat Undankbarkeit und Egeismus fi in fo
ſchreiender Weiſe gezeigt, wie biefem Helden gegenüber, deſſen Umſicht,
Muth und Standhaftigkeit allein der Orden nach der furchtbaren Nieder⸗
tage bei Tannenberg (1410) die Erhaltung des Ordenshaupthauſes Ma⸗
rlenburg und fomit Rettung des Laudes vor ber Herrſchaft ber Polen zu
berdanken hat. In ber That, wenn es dem Bolenfönige Jagiel mit feinen
Totarenhorben bamals gelungen wäre, die Marienburg zu erobern, war
es nach aller menfchlichen Borausfiht um Preußen als Vormauer deut⸗
fer Gefittung gegen ben ſlaviſchen Often geſchehen, war bie Entwidelung
der Preußiſchen Monarchie in der Weiſe, wie fie ftatt Hatte. eine Unmöglichkeit.
Zwiſchen hier und Pillau bei dem Gute Neuhäufer ift ein zwar nicht
großer, aber üppig beftandener Laubwald von Weißbuchen und Eichen, währ
rend die Gegend ringsum fandig nnd Bde iſt. Wohl vorzüglich dieſem
Contraſt hat die freundliche Dafe den ſtolzen, Namen des Pillauer Bara-
diefes zu verbanfen. Ein alter Königsberger Profeſſor freilich hat dieſe
Benennung ernft genommen unb mit einem Aufwande finpender Belehr-
ſambkeit unumftößfich aus der Bibel bewiefen, daß hier die Stelle des wirklichen
Barabiefes gewefen, aus dem Abam und Eva durch ben Engel mit dem
feurigen Schwerte verwiefen wurden.
Das Stäbthen Pillen felbft, ein echtes Handels- und Schifferſtädtchen,
iſt ein wahres Mufter von Sauberkeit und Nettigkeit. Die meift Heinen
Hänfer, an benen nirgend eine Epur von Baufätligfeit und Verfallenheit
fich zeigt, mit freundlich lebhaften Anftrich und heilen Epiegelfenftern fehen
wie die Schiffefafüten in vergrößertem Maaßſtab aus. Auf der vorfprin-
genden Epige ber Halbinfel fteht der 100 Fuß Hohe, ſchlanke Leuchtthurm,
ber ſich nach oben zu allmählich verjüngt und mit einer gläjernen gewölb-
von Vernbard Oblert. 108
ten Ruppel gefrönt iſt. Seine blendend weiße Eänle ift ſelbſt am Tege
vou der Haff- wie vom ber Eeefeite her viele Meilen weit fichtbar. Das
ganze Städtchen liegt Überhaupt auf der vorfpringenben Landzunge in ringsum
flachet Gegenb wie anf einem Präfentirteller da, weithin einen fehr freund»
fihen Anblick darbietend, ſowohl wenn man zu Schiff, namentlich von ber
Elbinger Seite her fi ihm nähert, als and von ber gegenüberliegenben
hohen Küfte bei Balga, in fat 2 Meilen Entfernung, von wo man mit
dem Fernrohr bequem in bie geraden Straßen hinein ſehn und ſich an bem
rüßrigen Treiben ergögen kann. Höchft lohnend ift die Umſchau von der
Kuppel bes Leuchtthurms. In nächfter Nähe die Stadt mit ihren Feftunge-
werten und dem Hafen voll großer und Heiner Schiffe, darunter oft ein
paar Dampfer, die den regelmäßigen Verkehr zwiſchen Königsberg, Dan-
ig und Elbing vermitteln. Faſt Dreiviertel des Gefichskreifes nimmt bie
Bafierfläche von See und Haff ein, nur durch den ganz ſchmalen Land ⸗
fireifen ber Nerung von einander geſchieden, die hier weithin ans lahlen
Dänen gelben Sandes befleht, das Meer breite mächtige Wellen mit wei⸗
en Shaumlämmen dahinrollend, das Haff in weniger hohen, Kürzern und
amregelmäßigen Wellen fein gelbliches Wafler in’s Meer mwälgend, wo es
in unvermifchtem Strome hinfließend bisweilen bis Brüſterort, der Nord⸗
weitfrige ber Samlanbs ſich verfolgen läßt, ſcharf abgegrenzt gegen bie
grünlichen Meeresfluthen. Die gegenüberliegenden Haffufer, die Höhe von
Balga mit ihrer Burgruine und den ftattlichen Gutsgebäuden, das Stäbt-
den Brandenburg treten beutlich vors Auge,
Der nörböftlihe Quadraut des Geſichtskreiſes ift von Land erfüllt,
und zwar überfieht man faft das ganze Samland; die gegen Norben ven
Ianfenbe Eeetüfte, anfangs größtentheils kahl und ziemlich flach, fpäter
darch den faft 300 Fuß hohen Hanfenberg, an beffen Buße das ſchöne
Kirchdorf German liegt, unterbrochen, an der Epige von Brüſterorth mit
ihrem fchönen Leuchtthurm endigend. (Hier beilänfig die Bemerkung, daß
die in preußiſchen Orisnamen häufig vorkommende Endung „orth,“ wie
in Steinorth, Puſterorth, Sorgenorth nicht Ort (locus), ſondern Spitze
beventel.) Nach Often hin erblidt man zunächſt die Fiſchhauſer Bucht mit
dem Städtchen und Burg Lochftäbt, dann ben fchwarzen Tannenwalb ber
Rapornfchen Heide. Das zwiſchen biefen beiden Gränzlinien ſich auebrei⸗
104 Stiuen aus Aitpreußen
sende Samland iſt im Ganzen eine nur leicht wellige Ebene, nicht gerade
dicht mit Dörfern und Landgütern beſetzt, bie aber eine, für ben Ueberblid
recht angenehme Abwechfelung von bebantem Feld, Wald und fogenannten
Balwen, einem Mittelbing zwifchen Wiefe und Haide zeigt. Im feiner Mitte
tagt ber faft 400 Fuß Hohe, ſchön bewaldete Galtgarben, die bedeutendſte
Erhebung der ganzen Gegend recht imponirend hervor.
Die Feftungswerke von Pillau, deren erfier Grund von Guſtav Adolph
währenb feines Krieges mit Polen gelegt wurde, follen nur zum Schutz
der malen Einfahrt durch das Tief dienen; ob fie den furchtbaren Zer-
flörungswaffen ber Neuzeit gegenüber dies leiften können, muß ich dahin⸗
geſtellt laſſen. Seine Hanptwichtigkeit hat Pillau als Hafenftabt Könige
berga, und wird feinen Zwed, num es mit bemfelben durch eine Eiſenbahn
in Berbindung gefegt ift, die ſchon Tängft bringendes Bebürfnig war, in
erhöhtem Maaße erfüllen können. Bei entwidelteren unb Iebhafteren Ver⸗
kehrsverhaltniſſen, als fie derzeit noch in unfrer Provinz herrfchen, würde
übrigens wohl noch eine birectere Verbindung bes Hinterfandes mit ber
See in's Werk gefegt werben. Pillau gegenüber auf der Sübfeite des Haffs
zwiſchen Balga und Brandenburg in der Etation Wolitnid ftreift die große
Eiſenbahnſtraße ganz dicht am Geſtade bes Haffs vorbei. Der Theil bes
Güterverkehrs, der nicht über Elbing und Danzig bie Verbindung mit dem
Meere ſucht, würde fie offenbar bier auf dem birecteften und fürgeften
Wege finden, vorausgeſetzt freilich, baf eine bequeme Fahrftraße durch das
Hoff andy für größere Schiffe eingerichtet würde.
Wir laſſen uns über das wenige Ruthen breite Tief auf bie Nerung
überfegen. Gleich nachdem wir die an ihrer Epige poftirten Zolle und
Kootfen-Hänechen, in deren Umgebung bürftiges Weibengeftrüpp ſich anger
niftet, im Rüden haben, empfängt uns ein ſchmaler Damm kahlen, fliegen«
den Sonbes, meileuweit ſich Hinziehend, felten durch dürftige Unpflanzungen
unterbrochen. Seltſam ift eine folche Wanderung durch eine Wäfte zwiſchen
endlos anögebehnten Waſſerflächen. In das großartige aber einförmige
Bild kommt nur ein Wechſel durch bie verfchiebenen Färbungen und Der
lendtungseffecte bes Himmels und ihren Widerſchein in den Wafferfpie
geln auf beiden Eeiten, Kein Laut als das Kniftern des Sandes unter
unſern Süßen, das Rauſchen ber Meeresiwogen, ab und zu unterbrochen
von Bernhard Oblert. 105
durch ben ſchrillen Schrei der Möwe. Der mühfam ben tiefen Sand durch⸗
watende Wandrer finkt bisweilen bis unter bie Arme ein, wenn er an -
eine Stelle geräth, wo früher ein Baum geftanden; ber Stumpf ift vom
Eande überweht und nach und nad} verrottet, baf bie ſpärlichen Ueberreſte
den Raum nicht mehr erfüllen. Unweit des Tiefs war (in ben erften vier-
siger Jahren) bei einem heftigen Norbfturm ein Barkſchiff weit auf bie
Düne gefchleubert; das wenig verehrte Schiff wurde von einem unternehe
menden Königsberger Kaufmann für einen mäßigen Preis erftanden. Dafr
felbe nad} der See zu wieder in’s Waſſer zu ziehen und flott zu machen,
taran war wegen ber großen Seichtigkeit bes Strandes gar nicht zu benfen.
Anf der Haffjeite aber führt das Fahrwaſſer mit genügender Tiefe bicht
bei der Merung vorbei, unb es kam alfo barauf an, ven Koloß über bie
Rerung herüber ins Haff zu fchaffen. Das fühne Unternehmen gelang mit
nicht allzu großen Koften und bie verwegene Speculation war geglüdt.
Vahrſcheinlich ift kaum mehr die Stelle zu erfennen, wo einft Menfchen«
kaft und Menſchenlunſt nad) milhevoller Anftrengung einen folchen Triumph
gefeiert,
daſt ſechs Meilen weit trägt bie Nerung biefen Character völliger Debe
md Kahlheit durch einige wenige Heine Dörfer und einzeln ftehende Hänfer,
alle an der Hafffeite, und fpärliche Anpflanzungen von Sandhaargras oder
Etrandhafer (Elymus arenarius) unterbrochen. Nur ber weſtliche Theil
von dem Dorfe Kahlberg an ift mit Wald bewachien, bem nach der See
in allerdings ein Dünenftreifen von wechfelnder Breite vorgelagert iſt.
Der Name Kahlberg bentet darauf, daß wir auch Hier feine üppige
Vegetation zu erwarten haben, und noch vor einigen zwanzig Jahren fand
fih Hier nichts als ein ärmliches Fiſcherdörſchen am Haffufer ſich ansbrei-
tab zwifchen ziemlich büritiger Kiefermaldung. Zur Babezeit, beſonders
während der Sommerferien pflegte e8 con einzelnen Elbingern befucht zu
werben, befonders von Lehrern, biefen vorzugsweiſe erholungsbebürftigen
and in materieller Hinficht Leicht zu befriedigenden Weſen. Bon irgend
welchen Bequemlicfeiten war faum bie Rede. Uber ber gerade hier ſehr
gänftige Badegrund und Träftige Wellenfeplag verbunden mit den Reizen
der Rage, die ein finniger Naturfreund bald entbeden mufte, machte bie
wenigen Renner bes Orts zu feinen begeifterten Verehrern. Als nun im
106 Stiuen aus Alpreuben
dahre 1840 einige unternehmende Elbinger Kaufleute ans England ein
Dampiboot fauften, das erfte, welches die Gewäſſer der Provinz Preußen
befuhr, (mit Ausnahme eines ſchon im Jahr 1827 gleichfalls von Elbingern
gemachten, aber verunglüdten Verſuchs, da bas Edhiff, der Copernikus,
gleich bei ber erften Fahrt ftranbete und zu Grunde ging) um regelmäßige
Fahrten zwiſchen Elbing und Königsberg einzurichten, brach für Kahlberg
eine neue glänzende Zeit an. Zunächſt durch die Bemühungen dieſer Dampi⸗
bootactionäre, beren Beifpiel bald andere Elbinger folgten, wurbe in Kur
zem aus Kahlberg ein reizender Babeort mit allem irgenb zu wänfchenben
Eonıfort gefchaffen, der nun in ber Badeſaiſon eine ftets wachſende, zum
Theil Heilung, mehr aber noch Vergnügen fuchende Bevölkerung aus immer
weitern Kreifen am ſich zieht. Der vom Haff aus allmählich, anfleigenbe
Sandberg ift terraffirt und zu üppigen Gartenanlagen mit ben mannigfal-
tigfien Saubbäumen und Büfchen, einem reichen Biumenflor, herrlichen
Drangerieen umgewandelt, mit dem eleganten und bequemen Hauptgafl-
hauſe, dem Belvedere gekrönt. Es verbient feinen Namen. Die Ausficht
über das Haff, beffen jenfeitiges Ufer gerade an biefer Stelle, wo aus
dichtem Walde Hoch vom Berge das Kloſter Cadinen herausfchaut, die
größte Schönheit und Lieblichkeit zeigt, ift wundervoll, zumal Abends, wenn
die Scheibe bes Bollmonds über dem dunkeln Walpftreifen emporfteigt.
Eine Menge anderer Logirhäufer oder Villen wohlhabender Elbinger
find. meiftens mit großem Gefchmad errichtet, wobei in ber Regel bie Ans
lage des Belvedere zum Mufter gedient hat. Wohl galt es bie ausbau-
erndſte Arfirengung, hier eine ſolche üppig grünende Dafe hervorzuganbern,
und wenigftens bei ben Elbingern wird ber Name bes Mannes, dem vor-
zugsweiſe Anftog und Ausfährnng dieſes Unternehmens zu verdanken ift,
des Kaufmanns Georg Wilhelm Härtel lange in dankbarer Erinnerung
bleiben. Bon einem guten Theil der großen Summe frohefter, genußreich⸗
ſter Empfindungen einer Menge froher Menfchenherzen kann er fich als
Schöpfer und Förderer arfehn.
Allerdings ift durch bie urfprängliche Sage bes Dorfs, bem die neuen
Gebäude ſich meiftens anreihten, das Kahlberger Leben ein wenig zu fehr
von der Eee fort nach dem Ufer bes Haffs gerüdt. Der Weg über bie
hier ziemlich breite und wohl gegen 200 Fuß Hoch aufteigende Nerung
von Vernhard Oblert. 107
yum Theil durch Sand tft beſchwerlich. Epaziergänge und gefellige Ber
gnögungen halten fi meiftens mehr an der Haffſeite. Die Eeeluft kann
um fehr mittelbar über den bewaldeten Bergrüden in’s Dorf bringen. '
Tafür erfreut es fich einer äußerft gefhägten Lage, welche feldft bei fehr
tauhem Wetter und bis fpät in ben Herbft hinein ein behagliches Wermweis
Im im Freien erlaubt. Dazu ber würzig-heilfame Hand des Fichtenwal⸗
des. — In ber That kann man ſich hier nad) ſüdlicheren Regionen verfegt
glauben. Iſt doch felbit ein fonft erft im füdlichen Deutſchland und Stalien
einpeimifcher Schmetterling, ber ſchöne Dleanderichwärmer, hier eingebürs
gert und kommt Jahr für Jahr aus, —
Der Botaniker findet auf bieiem characteriftiihen Terrain eine reiche
Ansbente. Die ſpaͤrliche aber intereffante Flora ber Sanddüne ſetzt ſich
vernehmlich aus folgenden Pflanzen zufammen: Die Anpflanzungen zur
‘ Berfeftigung der unbeftändigen Eanbwellen beftehen befonders ans dem
Sand-Hacrgias (Elymus arenarius) und dem Sandhalm (Ammophils
arenaria,) deren Wurzeltriebe unter ber Oberfläche weithin nach allen Sei⸗
ten ſich erftreden. Ueberhaupt ift weite Ausbreitung der Wurzeln faft allen
Dünenpflanzen eigenthämlich, wodurch allein bie nöthige Befeftigung im
Boden und Zuführung ausreichender Nahrung ermöglicht wird. So nament-
lich höchſt auffallend bei dem Beifuß (Artemisia), wo bie Wurzelauslänfer
an der Oberfläge zu Tage fommen und wie viefenhafte haarige Spinnen.
beine ansfehen. Häufig find, wie längs dem ganzen Strande, Stiefmütterchen
in mannigfaftiger Färbung, Salzkraut (Salsola Kali), Honkenya peploides,
der Meerfenf (Cakile maritima); ferner Linaria odora (ober Loeselü),
ſeht ähnlich dem befannten gemeinen Leinkraut (Löwenmauf) Linaria vul-
garis, nur zierlicher und wohlriehend; von Schmetterlingebläthlern der
selbe Wandklee (Anthyllis vulneraris, die Epielart maritima) und bie
font feltene Meererbfe (Pisum maritimum), im Bau ganz ähnlich der
weißen Erbſe, nur zarter und mit ſchönen roſa Blüthen. Wohl die ſchönſte
Dünenpflanze ift die ftattliche Stranddiſtel, Seemannstren (Eryngium ma-
ntimum) mit ihren bläulich grünen ſchön gezadten Blättern.
Wo auf der Höhe der Düne niebere Fichten mit Inorrigen Aeſten und
weitausgreifenden Wurzeln fich angeſiedelt haben, ift ber Boden mit einer
AR unumterbrogenen Dede ber mannigfaltigften Flechtenarten überzogen,
108 Shiggen aus Alwreuben
Dieſe zierlichen Gewächſe, die wir ſonſt meiſtens nur den Stamm alter
Bäume und bie Wände von Felſen und Steinblöden beffeiven ſehn, decen
bier vafenartig ben Boden, indem ihre lofe dem Sande anfliegenden runde
lichen Bolfter, ſich dicht an einander brängend, zufammenfließen, und geben
der Gegend einen ganz nordiſchen Character. Wenn nach einem Regen
bie fonft ftanubbürren Zweiglein anſchwellen, Iebhafte und fehr mannigfal-
tige Sarbenndancen annehmen und ihre zierfichen Zädchen und Blättchen
entfalten, flaunt man über ben Formenreichthum biefes mikroskopiſchen
Waldes. Beſonders reich vertreten find Arten von Cladonia, die Haupt
maffe bildet die Rennthierflechte Cladonia rangiferina, bagegen ſcheint das
fogenannte Isländiſche Moos (Cetraria Islandica) Hier zu fehlen. Uebrigens
bildet ber Flechtenrafen Hier ein Hauptnahrungsmittel ber vecht zahlreichen
Rehe, wie in Lappland und ben Sibirifchen Tundren ber Rennthiere,
Mehr nach der Hafffeite, wo der Boben nicht fo fieril und die Gewalt -
der Flugſand führenden Winde durch die vergelagerte Düne gebrochen if,
fireben die Fichten zu mächtigen Säufenfchäften empor, unb zwar um fo
mehr, je weiter nach Weiten man kommt, in ben Walbgürtel, der bei ber
Abholzung bes größten Theils der Nerung verſchont blieb, Die Bergfette
bildet hier eine Menge keſſelförmiger Thäler, in denen ber Boben feuchter,
die Vegetation üppiger if. Wir finden hier fait alle Eharacterflanzen,
welche berartigen Socalitäten im nördfihen Deutſchland eigen find, bie
Blau- und Drunfelbeere (Vaceinium myrtillus und uliginosum), bie
Breufielbeere (Vacc. Vitis Idaea) in großer Menge, fo baß Hunderte von
Bäffern davon nach Elbing geſchidt werben, feltener bie zierliche Moosbeere
(Oxieoccos palustris), beren weitkriecheude Stengel mit ben zierlihen myr-
thenähnlichen, unterfeits blänlichgrünen Blättchen befonders auf dem Torfe
moos (sphagnum) Netze ſchlingen und bie Krähen- ober Rauſchbeere (Em-
petrum nigrum). Häufig ift auch der Porſt (Ledum palustre) mit feinen
weißen, nicht unangenehm, aber in größerer Menge ftarl betänbenb riechen»
den Blüthen, wenn er auch nicht, wie in manchen Torfbräcden weite Streden
überzieht, bie während ber Blüthezeit wegen des betäubenden Geruche zu
durchwandern nicht ohne Gefahr ift. Ab und zu findet der Botaniker zu
feiner rende Arten von Pyrola (P. minor, umbellata, uniflora) mit ihren
zierlichen roſa Glöcchen; und eine feltene Orchidee die Goodyera repens
* von Bernhard Ohlert. 109
mit weißen Blüthen. Auch die Linnaea borealis, biefer Liebling aller
Bflangentundigen von ber Zeit bes Vaters ber Botanik her, von dem fie
ten Namen trägt, mit ihrem vofa Glödchenpaar und dem feinen Vanilles
gerudh hat Hier ihren Etanbort. Mächtige Farrenwedel (befonders von
Pteris aguilina dem Adlerfarrn, Aspidium felix mas, Polypodium vul-
gure wachſen hier in ungewöhnliger Ueppigleit und Stärke, der Bärlapp
(Lycopodium clavatum) mit feinen moosarligen, bicht belaubten, immer
gränen Etengeln friecht weithin durch die Moosbede. Zur Vervollſtändi⸗
gung unferes Überfichtlichen Gemäldes ber Pflanzendede füge ich noch Hinzu,
daß ber meiftens fehr ſchmale Sandftreifen am Ufer des Haffs, foweit er
nicht von den ärmlichen Garienbeeten neben ven Bifherhäufern mit etwas
Gemäfe und ein paar bunten Blumen, befonders Gartenmohn und ber
vohlriechenden ſpaniſchen Wide eingenommen wirb, befonders von Weiden⸗
rfträpp, den mächtigen, unterfeits weißlich grünen Blättern des gelbblü⸗
henden Huflattigs (Tussilago farfara) und Röhricht, um bas fi wohl
die Zaunweide mit ihren großen weißen Blumentrichtern ſchlingt, beftan«
den if, Merkwürdig ift, daß trog ber ſcheinbar fat gleichen Bodenbe⸗
fHaffengeit Hier und am Strande des Meeres boch nur wenige ber eigents
lichen Dünenpflanzen den Kamm ber Nerung überfhreiten, um ſich hier
amufiebeln, und noch weniger finbet eine Wanderung in- entgegengejegter
Richtung ftatt. Der weit hinein ſehr feichte Epiegel des Haffs ift am
Rande von ansgebehnten Wiefen von Simſen (Scirpus lacustris), Bier
vom Volk allgemein Binfen genannt, umfäumt, dazwifchen bie gewöhnlichen
Baflerpflanzen, die ſchöne Blumenbinfe oder Waflerhortenfie (Butomus
wmbellatus) mit ihrer hellroſarothen Blüthenbolbe, die gelbe und bie weiße
Ererofe (Nymphaea lutea unb alba) auch Menyanthes nymphoides mit
dem runblichen denen der Mummel ähnelnden aber viel Heineren Blättern
md ber zierlichen gelben Blumenkrone hat hier eine Fundſtelle.
Werfen wir noch einen flüchtigen Blick auf bie characteriſtiſchen Er⸗
Meinungen der Thierwelt: Ich erwähnte ſchon, daß der zwar ſchmale,
Aber mehrere Meilen. weit, noch über ben Anfang ber ſchmalen Lantzunge
der Nerung hinaus ſich Hinziehende Wald von zahlreichen Reben bevölkert
* Die flinfen, zierlichen Thiere, bie in dem ganzen Revier fehr geſchout
werben, laſſen fich oft ganz in ber Nähe bes Dorfs fehn, kaum verſcheucht
110 Sliuen aus Alpreuber -
vom Plaudern und Lachen einer frohen Gefellichaft. Da, wo ber Dinen-
und Waldgürtel nicht an bie Oberfläche des Haffs, ſondern an bie üppig
grünenden Nieberungswiefen ftößt, miſchen fie fih ab und zu unter bie
plumpen Rinder, die dort weiben, ſchwimmen aud wohl über bie bort
fehr breite Weichfel, um in den Gärten ber Gehöfte ihren Befuch abzuftatten.
Einen vielftimmigen, muntern Vögelchor darf man Hier nicht zu finden
erwarten. Im bem ftilfen, faft nur von Infecten burchfummten Fichtenwalde
hört man ab und zu bas Hämmern eines emfigen Spechts. Mächtige
Raubvögel, Habichte, Weiden, auch wohl ber Seeadler (Falco albicilla)
uub ber Fiſchadler (Falco halisötos) ziehen hoch in ber Luft ruhigen
Fluges ihre weiten Kreife. Die Familien der Sumpf und Schwimm-
vögel find Hier gewiß durch zahlreiche Urten vertreten; als bemerfenswerth
find mir aufgefallen mehrere Meiherarten (Ardea cinerea, stellaris und
minute), ber gehäubte und ber gehörnte Steißfuß (Podiceps cristatus und
cornutus) und in ber Nähe des Dorfes Pröbbernan auf einem mit mäch⸗
tigen, faft fahlen Fichten beftandenen Dünenhügel niften zahlreiche Kormo-
tane (Carbo Cormoranus),
Mandes Charakteriftiihe finden wir endlich aus ber Claſſe der In-
fecten. Beim Marſche durch die fanbigen Waldparthieen wird man bon
unzähligen Schaaren Meiner grauer Grillen (Acheta) umhüpft, verſchiedene
Arten ſchnellfliegender Cicinde len (Maubkäfer) Haben Hier ergiebige Jagd.
Der aufmerffame Beobamter entdedt leicht im beweglichen Sande bie Heir
nen Trichter, aus deren Grunde er ficher ift, ben Ameifenlömen, mit auf
wärts gerichteten Freßzzangen ben Raub erwartend (bie Larve eines Libel-
lenartigen Thiers Myrmecoleon formicarius) hervorzugraben. Das ber
fonders am Haffufer fich hinziehende dichte Weidengeftrüpp, überhaupt ber
Sitz ungezählter Arten von Epinnen, Käfern und anderm Heinen Gethier,
wird von ungeheuren Mücenſchwärmen durchſummt, daß man fernen Or
gelffang zu vernehmen glaubt. Cine große, zierlihe Art berfelben, mit
gränfgillernden Flügeln, die im Dunkeln phosphoriſch ſchimmern, verbreis
tet fi bes Abends weit Über den Epiegel bes Haffs. Aufgefallen ift mir
die gewaltige Menge von Gallen, von fehr verfchiedener Geftalt und an
verſchiedenen Gewächien, an benen man biefe eigenthümlichen, durch den
Stich verſchiedener Blattwespen hervorgebrachten Umbildungen und Wuche⸗
vom Bernhard Ohlert. 111
nungen fonft nicht zu finden pflegt, jo daß ber Entomolog in biefem Felde
hier einer reichen Ausbeute gewiß wäre.
Do wir wollen unfern Blid nicht von biefer Welt im einen, bie
allerdings viel des Schönen und Intereffanten und wohl nicht bloß für
den Naturforfcher von Fach darbietet, gefangen nehmen laſſen. Wahrlich
«6 lohnt Hier, ihn frei in's Weite ſchweiſen zu laſſen. Bon manchen
Etellen des Dünenfammes lann man See und Haff zu gleicher Zeit ſehen.
Befonders auf einem Punkte, dem fogenannten Blocsberg jft die Umſchau
grogartig. Ein ca. 300 Fuß Hoher, ziemlich ifolirt ftehender Berg, auf
feinem Gipfel mit einzelnen, ruhigen Fichten gekrönt, überragt ben ganzen
Höhenzug in feiner Umgebung. Beide Wafjerflächen füllen faft den gan-
nm Geſichtskreis, der Waloflreif in ber Mitte länfe nach ber Pillaner Seite
hin für das Ange immer ſchmaler zufammen, fo daß Meer und Haff fih
vert zu vereinigen ſcheinen. Das jenfeitige großentheils bewaldete Ufer
des Haffs ſchaut mit großer Dentlichkeit herüber. Kings tiefes Echwei-
gen, nur das Braufen der See ſchallt zum Ohre. Ueber uns zieht ein
mögtiger Ranbvogel feine Kreife. Hier war einft eine zahlreiche, bunte
Menge Babegäfte vereinigt, und doch wurbe ber Eharalter feierliche Stille,
die über der Stätte ſchwebt, kaum durch einen Laut unterbrochen. Alle
waren in anbächtiges Schweigen, entzücdtes Staunen verjerkt. Es war im
li 1853, bei der totalen Sonnenfinfterniß, als nach völliger Bebedung
der leuchtenden Scheibe dies feltfam geheimnißvolle Dunkel am Tage nur
durch das Licht der Sterne und jenen wundervollen Strahlenfranz erhellt
nurbe, bis man dem erſten wieder aufleuchtenden Sonnenſtrahl entzüdt
atgegenjauchzte. Wohl von keinem Stantpunkt aus wird das munberbare
Phänomen fo in feiner vollen Pracht ſich gezeigt Haben. Die Centrallinie
der Zone der totalen Verfinfterung, längs welcher bie Dauer ber Verfin⸗
fierung die Tängfte iſt, ging faft genau durch biefe Stelle. Und nun bie
wunderbaren Effecte der Beleuchtung auf beiden Waſſerflächen, ven gelben
Dünen und bem dunkeln Fichtengrün! Der Geift Gottes ſchwebte über
den Waflern — Und es warb Licht. Es Tann fein erhabeneres Bild
diefer Schöpfungsmomente gedacht werben, als ſich Hier dem entzüdten
Unge aufthat. —
Die Bewohner von Kahlberg und Pröbbernan find faft einig und
112 Sligen aus Altpreußen -
allein anf den Fiſchfang angeiwiefen; felbft das Aufblühen Kahlbergs als
Badeort hat barin wenig geänbert, ba ber geringe Ertrag ihres Landes
am Milch, Butter und Obſt den Bedürfniſſen ber Badegäſte gegenüber
wenig in Betracht kommt, bie vielmehr größtenteils von Elbing her per
Dampfboot erfüllt werben müffen. Wie wenig das hierwachſende Getreide
and Obſt zu rechnen ift, fieht man am beften daraus, baß bie eihigften
und umfihtigften Eteuererheber biefer Confumtibilien, die Epagen, bie
ganze Nehrung als einen Ort, wo nichts für fie zu holen ift, vermeiden,
Für die Erhaltung des Heinen Viehſtandes forgt das Haff mit feinen
Binfenwiefen. Viele Hundert Schritte weit vom Ufer kann man bad
ſchwerhinwandelnde Hornvieh mitten im Waffer fehn, in ruhigem Behagen
wieberfäuend, von munter paafenden Enten umſchwommen. Wenn gegen
Ende des Sommers bie mehrere Ellen hohen Binfen ihre größte Ausbildung
erlangt haben, gehte am bie gemeinfchaftlihe Ernte. Alt und Jung, Män-
ner und Weiber befegen bie zahlreiche Haff-Slottille. Wetteifernd werben
die bicht ftehenden Binfen geichritten, bie Heinen Kühne Hochbeladen an
den Etranb gefahren, die Binfen werden auf bem Uferfande flach zum
Trocknen ausgebreitet, und dann fehnell wieder zuräd an bie Arbeit. Denn
eine Abgränzung bed gemeinfamen Schatzes in gefonderte, bem oder bem
gehörige Felder tft nicht möglich, und fo ift jede Familie auf Schnelligkeit
angewieſen, um fich möglichſt viel zu fichern. Es geht babet fröhlich und
friebfich zu, wie überhaupt bie Bevölferung ftil und gutmüthig ift. Von
dem fühnen Seemannscharalter anderer Strandbewohner ift aber richt viel
bei ihnen zu fpüren. Das mag zum Theil feinen Grund barin haben,
baß fie ihren Erwerb vorzugsweife auf ben ergiebigen Fiſchfang im Haff,
das bie gewöhnligen Süßwaſſerfiſche, namentlich auch Wale in reicher
Fülle Tiefert, angewiefen find, wo die Fabrt body nur ausnahmeweiſe be
fondere Kühnheit und Geſchidlichkeit erfordert. Freilich haben fie auch
Kühne am Meeresufer, doc) pflegen fie fich nicht weit hinaus zu wagen,
um $lundern, Dorſch und Strömlinge (eine Art Häringe), ben Haupter-
trag des Seefiſchfangs zu erbeuten. Auch ber Stör mit feinem wunder⸗
lichen Hornpanzer, bisweilen von 12 bis 15 Fuß Länge wird erjagt, weit
feltener ein Seehund oder auch ein Delphin, ein „Seeſchwiin“, wie bie
Leute ihn nennen, Zu kühnen Lootfenfahrten ift feine Veranlaſſung. Als
von Bernhard Oblert. 118
vor mehreren Sahren bei einem Gturme ein Boot mit fieben Männern
fon nahe bei der Küfle umſchlug, wagte die Bemannung eines aubern
Boots in mächfter Nähe auch nicht einmal den Werfuch ber Rettung, und
ale fieben kamen um, da ſchwimmen zu lernen nie Einem einfällt. Ja
fie thun es grumbfäglich nicht, da fie meinen, daß einer, ber ſchwimmen
lann, wenn er in's Waſſer fällt, ſich nur Tänger quälen müſſe; fi) der
Gefahr durch eigene Kraft zu entziehn, räftig und mit Anſtrengung am
den Preis des Lebens zu ringen, tft nicht in ihrer Art. An dieſer Enew
siefofigkelt mag wohl auch ihre Dürftigleit und mangelhafte Ernäprung
Säulb tragen, — Die Hauptnahrung find Dorſch und Flundern, Kartofe
ſeln ein Leckerbiſſen, Brod fteht faft gar nicht auf ihrem Küchenzettel.
Das Babeleben in Kahlberg tft ein fehr munteres und wechſelvolles.
Der größte Theil feiner Gäfte fucht nicht fowohl Herftellung von ernftli-
den Leiden, fonbern Erholung, Kräftigung und Vergnügen. Daher brän
sa fi Tanz, Eoncert und Luftparthieen, theils zu Lande, theils über
daff nach Reimannsfelde und Cadinen hinüber. Der in Babeörtern fo
gewöhnliche Luxus beginnt wohl auch Hier feine prätentiäfen Schauftellun.
gen zu entfalten, doch hat ber fröhliche und ungenirte Ton, ber hier vom
hertſcht, ihm und einer fteifen Etikette leinesweges das Feld geräumt. Er
dient vorläufig uur als bunte, wechſelude Gtaffage des reizenden Schau ⸗
zlatdes Heiterer, phantaſievoller Luft. Täglich landen Dampfböte an, und
vermitteln einen lebhaften Verkehr mit Königsberg, Braunsberg, Frauen⸗
burg und befonbers mit Elbing, deſſen faſhionables Publicum während ber
badezeit mehr Hier als in ber Stabt zu finden if. — Cine hübſche Eitte
berrfeht Hier, daß Ieber beim Schluß ber Babecnr zum Abſchied ben ©dt-
tm bes Meeres einen ſelbſtgewundenen Kranz zum Opfer barbringt ale
Meine Gabe des Dantes für Wochen des reinften, froheften Lebensgenuſſes,
die von Blumen ber Frende, wie in reihen, ununterbrochenen Guirlanden
freundlich durchflochten waren.
Doch wir müſſen von dem freundlichen Fleckchen Erde uns losreißen.
Bir beſteigen das Dampfboot, das nad) Elbing geht; der weit in's Haff
bis zur Halteſtelle führende Bretterſteig iſt mit freundlich grüßenden Bade
ften beſetzt; die ſchrille Pfeife des Dampfers ertönt und die Schaufel⸗
über ſetzen ſich in Bewegung. @ir uihern une mer und mehr dem
Bay, Monsttjgeift Di. II Oft.
114 Shiuen aus Prien
gegenüberltegenben: Ufer, das mit den fchönen Kammlinien feiner fteil au⸗
Reigenben Küfte, gefrönt mit reichen Walbmafien, immer deutlicher hervor
tritt. -Unf ein vom Mafte herabwehenbes Flaggenſignal Hin kommt von
Neimannsfelde der reizend gelegenen Wafjerheilanftalt her uns ein Boot
entgegen, wohl taufend Schritt weit in's Haff hinein. Ich und mein Ge
yäd find-im Nu eingefchifft und fort brauft der Dampfer, während unfre
lleine Nußſchale faſt bis zum Umkippen in feinem fchäumenden Kiel⸗
waſſer ſchaulelt. Mit langen Stangen von zwei rüſtigen Bootsleuten
weitergeſchoben iſt der Kahn bald an Land und ich ſieige die mäßige An-
höhe auf einem bequemen Treppenfteig, von Buchen und auberm Laub⸗
hol; überwölbt, bis zu der geräumigen Platte, auf der bie Eur- und Lo⸗
Sirhäufer, zwifchen anmuthigen Gartenanlagen voll Blumenftüden und
ſchattigen Alleen alter Kaftanien und Linden fi ausbreiten. Bon ber
Friedlichleit und Behaglichleit des Plägchens zeugt bie unglaubliche Menge
von Schwalben, die überall unter den Gefimſen der Hauſer niſten und
ſchwirrend bie Luft erfüllen. Freilich iſt kaum eine Gegend günftiger für
die Thierchen zu erbenten als dieſe Seite des Haffgeftades. Bei ber fort
währenpen Veränderung in ber Höhe bes Waflerfpiegels finden ſich immer
Stellen des thonigen Grundes blofgelegt, wo fie das Baumaterial ihrer
Wohnungen orbentlich kunſtmäßig geichlämmt, aufs befte zur Verarbeitung
paffenb vorfinden. Um folge Stellen ſchwirren fie denn aber aud fo
dicht wie Sliegenfhwärme in raſtloſem Hin- und Wiederfliegen. Dicht
unter ber oberfien Kante bes fteil abftürzenben Hochplatenus Länge ber
ganzen. Küfte bis zum Cinfluß bes Elbings ſieht man bie Gingänge zu
ben Neftern ber Uferfcwalben in unglaublicher Menge. Ein wenig mehr
landeinwarts auf ber allmählich auſteigenden Hochebene erhebt ſich bie ger
ſchmackvolle Billa des Beſitzers von Reimannsfelbe, von reigenben Gasten-
anlagen umgeben, bie in ben fchönften Waldpark übergehen. Mit aner-
teunenswertger Liheralität ift der Eintritt den Babegäften geftattet. Der
Ziemlich weite, aumuthig durch dichtſchattenden Laubwald, Hügel auf und
‚ab bis zur Fühlen Quelle führende Weg, ven jeber Curgaſt, deſſen Kräfte
irgend dazu reihen, zweimal bes Tages machen muß, wirb wohl ba6
wirlſamſte, jedenfalls das angenehmfte Heilmittel fein, das Reimaunsfelbe
feinen Veſuchern bietet. Da ih im Uebrigen ganz entſchieden des Glaw
von Bernhard Ohlert. 116
bens bi, Waſſer thne- es freilich nicht, möchte ich mir ben fonft höchtt
tegenden Ort nicht zum dauernden Aufenthalt wählen. Anders wie im
Kahlberg find bie hiefigen Babegäfte meiftens ernftlich Kranke, unter benen
m leben für ben Gefunten wahrlich nichts Angenehmes hat, Dagegen
habe ich einmol ganz in der Nähe währen mehrexer Wochen, die mir im
behaglichfter Weiſe verftrihen Villeggiatur gehalten, und ich möchte bie
übrigen Amöflächte, die ich noch in Gefelffchaft des freundlichen Leſers zu
machen gebenfe, von hier aus uuternehmen. .
Wenige Hundert Schritte von Neimanngfelve, nad Elbing zw, auf
bem nächften noch höhern klippenartigen Vorſprung liegt eine Meine Be-
figung, Hopehill (Hoffnungshägel) genannt. Sie gehörte vor Zeiten einem
in Elbing wohnenden englifhen Kaufmann. Der poetifche Name deutet
darauf, daß derſelbe von hier aus Hoffnungsvoll dem Ginlaufen feiner
Schiffe entgegenzufehen pflegte, die ihm aber nicht einen erſehnten Freund
sber eine bang erwartete Geliebte, fonbern ganz einfach feine Handel
gäter, Colonialwaaren oder Häringe zuführen follten. Das von ihm ep
richtete Landhaus iſt abgebrochen, von ben ehemaligen Parkanlagen Teine
Epur; nur eine Reihe hoher Pappeln erinnert an die frühere vornehme
poce. Jetzt wohnt hier ein halb bänerlicher Befiger in einem freund
lien Hanfe, an das ein Heiner ländlicher Garten ftößt.
Werfen wir zunächt einen Blick landeinwärts. Ein Paar Schritte
dom Hanfe gelangt man an eine Meine Erhebung, von der aus man im
Grunde eine Waffermühle mit ihrem braufenden Wehr au einem Heinen
Bache fieht, der zu einem mit Röhricht und Waſſerpflanzen umkränzten
Teich aufgeftant ifl. Drüber weg erheben ſich Hügelreihen, in aumuthigem
Wechſel bald mit Fichten, bald mit nidenden Birken unb andern Laub⸗
baumen beftanden; dazwiſchen Heine Fleckchen üppiger Felder mit wogenden
Achten, da das vielfach durchſchnittene wellige. Terrain nur unterbrochen
bie Beaderung zuläßt. So freundlich der Anblid ift, wählen wir doch öfter
unfern Plag auf dem Vorſprug der Klippe am Haff, deſſen weiter Waſ⸗
ferfptegel mit den wechfelnden Effecten der Beleuchtung zu träumeriſcher
Betrachtung einlabet. Bor uns bat ſich durch das Hervorbrechen von
Quellungen, bie das lodere Erbreih zum Zuſaumenſturz gebracht unb
nach und nad weggeſchwemmt haben, eine Heine Zheltag. sell, wie
146 Stiuen aus Mit-Preußen
fie ab und zu die ſteile Küſtenwand unterbrechen. Im dieſen geſchützten
Buöten, wo oft Erdreich von fehr verſchiedener Befchaffenheit zufammen-
geſchwemmt und unter einander gemifcht wird, wachſen Strände und Blu
men in üppigfter Fälle und veichfter Manichfaltigleit. Erlengeſtrüpp und
Weiden, wilder Schneeball, Schleedorn, Hollunder und beſonders wilde
Nofen in großer Menge und Pracht, dazwiſchen ber buntefte Blumenflor,
unter benen rothe Waldnellen, blaue Glocken, Haidekraut, Feldthymian
und ber gelbe Mauerpfeffer (sedum acre) beſonders in's Ange fallen!
Auf beiden Seiten dieſes Amphithenters zieht fih bie Bergwand fehroff
und ziemlich kahl Hin, felsähntich mit fühner Geftaltung des Randes, ber
hie und ba mit einer nidenden Birke oder einem feltfam verwachienen
Fichtenbuſch befrönt if. Der vorfpringende Landungsplag von Reimann
felde mit dem weit in's Haff führenden Eteig und einige der dortigen
Gebände ſchließen nach dieſer Seite die Ausſicht. Der ganze Raum ber
Tyhalbucht war noch etwa 12 Yahre vorher ein Ackerfeld anf ber Platte
der Hochebene. Um feinen übrigen Befig vor ähnlicher Einbuße zu fhügen,
hat der fleißige Befiger den fehroffen Rand dicht mit Weiden bepflanzt
und dadurch zu verfeftigen gefucht.
Das Haff breitet fi am dieſer Stelle nicht als eine völlig ununter⸗
brochene Wafferfläche aus. Dit am Geftade haben ſich eine Menge
meiftens faft freisrunder Binfen-Infeldhen gebildet, die theils an fid
ſelbſt, theils durch ihren Einfluß anf die Kräuſelung und Wellenbewegung
bes Waſſers anmuthige Ubwechelung >in bie einförmige Fläche bringen.
Die Anwohner entfinnen fi noch der Zeit, wo biefer Theil bes Ufers
frei davon war. Weiter nad Elbing zu ift der ganze ſüdweſtliche Winkel
des Haffs mit geringen Unterbregungen von Binfenwiefen und dichtem
NRöhricht erfüllt und ein allerdings fehr allmähliches Fortſchreiten dieſer
Berkrautung mit Sicherheit voraus zu fehen. Alle anftoßenden Ländereien
erfahren dadurch und durch Ablagerung von Schlamm und Erbe einen
tm Lauf ber Jahre nicht ganz unbeträchtlichen Zuwache. Da überbem
ber ganze Theil bes Haffs zwiſchen biefer Küfte umb dem durch Molen
abgegrängten weit hinein fortgefegten Fahrwaſſer bes Elbings Auferft feicht
tt, fo liegt ber Gedanke nahe, durch Trodenlegung biefes ganzen Seewin ⸗
tele eine beträchtliche Bodenflache ſchönen Wiefenlandes zu gewinnen. Im
von Bernhard Ober. ur
Umegung iſt die Sache ſchon gelommen, doch wird bas ziemlich weit⸗
ſchichtige Unternehmen in unferer Provinz, bie weber an Capital noch
Unternefmungsgeift Ueberfluß Hat, wohl noch eine Weile anf feine Reali⸗
frung warten müſſen, zumal bie Befigungen vieler verfchiebener Iuterej-
jenten anftoßen. Vorläufig Haben wilde Enten und andere Waſſervögel
in ungeheuer Menge hier ebenfo wie in ber ganz ähnlichen Localität des
Droufenfees ihr Reich. Da aber diefe Vögel fchen find und ſich aus
dem ſchwer zugänglichen Binfen- und Schilfmeer felten herauswagen, bil
ven fie nur felten bie Staffage unſerer Seelandſchaft. Das thun vorzugs ⸗
weife die Möwen, die im verſchiedenen Arten in gleichfalls unzählbaren
Schaaren die weiten Waflerflächen unfrer Provinz bevöffern, Mit pfeil
ſchnellem graziöſem Fluge fieht man fie die Luft burd;fchneiden, wo baum
die fangen, fpigen, weißſchimmernden Fittige einen ſchönen Contraſt gegen
die grauen Wollen bilden, in benen der Sturm herangezogen kommt. Auch
den granen Reiher fieht man ab und zu vorüberziehen in höchſt eigen
thimlichen Fluge, den langen Hals nicht wie ber Storch gerade vorgeſtredt
fendern S-förmig rüdmärts gebogen.
Saft immer fieht man den Spiegel bes Haffs freundlich belebt. Alle
anfiegenden Ortſchaften treiben hier eine lebhaſte Fiſcherei. Die mäßig
grozen Böte mit ihren weißen Seegeln fieht man oft in großer Anzahl
mbig über bie Fläche gleiten; dazwiſchen ab und zu ein größeres befrach ⸗
tetes Handelsſchiff und mehrmals am Tage bie Dampfer zwiſchen Elbing
md Kahlberg, Elbing und Königsberg, Elbing und Danzig, bie hier fo
nahe vorbeifommen, daß man das Stampfen ihrer Schaufelräder hören, das
Anffprigen der Wellen fehen Tann. Wunderlich fieht es aus, wenn vom
ber biesfeitigen Küfte au» ein Schiff belaben werben foll, mit Gen, Ge⸗
treide oder Bafchinen, bie in Menge in ben Wäldern hier gefchlagen were
den, unb beren zur Errichtung und Ausbeſſerung der Nogat- und Weide
ſeldämme eine ungehenre Quantität erforderlich if. Die Schiffe mäflen
bei dem feichten Waffer viele Hundert Buß ab vom Geſtade Halten. Bis
m ihnen Hin wird bie Ladung auf hochbepadten Wagen gefahren, fo dab
das Waſſer oft ven Pferden bis zum Bug fteigt.
Dann wieber if’6 herrlich, wenn am fpäten Abend, wenn längft- bie
Some zur Ruhe ‚gegangen unb ber Widerſchein ihrer legten Steahlen
118 Slinen auß Au Ureuben
verglommen iſt, tiefes Schweigen über ber weiten Flache ruht, daß mar
das Rauſchen der Meereswellen von jenfeits ber Nerung her geheimnif-
voll gebämpft vernehmen farm.
Bon „großem Imtereffe ift die Beobachtung bes Himmels unb ber
Mitterungserfcheinungen von biefer Warte aus, bie einen fo großen Theil
bes Horizontes überfchant. Die weite Waſſerfläche des Haffs mit feiner
eigentgämlichen Umgränzung übt einen bebeutenben Einfluß auf das Wet
ter in weitem Umfreis aus. Ueber ihm’ erheben fich die dichten Haffnebel,
die oft genug bis Elbing und tiefer in's Land Hinein Regen bringen. Of:
erſcheint es als eine Wetterfcheibe, indem Gewitter nur bis zur Mitte
feines Spiegels vorbringen und bort mit großer Heftigleit fich entladen,
ohne das Ufer zu erreichen. Im täglichen Verlauf der Winddrehung um
bavon abhängigen Witterungserfcheinungen herricht eine gewiſſe Regelmäßig:
keit, deren Gefege den anwohnenben Landleuten und Fiſchern wohl bekannt
find. Furchtbar fchön und erhaben war der Anblick eines Gewitters, das
gegen Abend aufziehend, bie tief in bie Nacht dauerte, faft ben ganzen
Horizont umziehend und von verfchiedenen Eeiten her feine grellen Blitze
verfenbend. An drei Stellen in ber Niederung jenfeits des Binfenmeers
ſah man den rothen Benerfchein getroffner Gebäude auffteigen. Die phan-
taſtiſchen Formen ber Klippen in ber momentanen Beleuchtung eines be-
ſonders helfen Bliges, der Wiberhall des Donners von ber Wafferfläche
and ben umgebenden Bergen machten einen wunderbaren Eindruck. —
Wie ich ſelbſt von diejem reizenden Afyl ans nad allen Richtungen
Yin Gtreifereien unternahm, möchte ich and meine Leſer noch ein wenig
mit mir führen. Der ganze Theil des Haffufers vom Einfluß des Elbings
bis in bie Nähe Frauenburgé, auf eine Strede von faft vier Meilen, bie
tief Is Land Hinein iſt ein Fleck Landes von überrafchenber Lieblichkeit.
Der bewaldete Berging, ber vom fogenannten Oberlanb her über Preuß.
Holland bis Elbing zieht und in ber Nähe biefer Stadt fo anmuthige
"Berg: und Waldparthien bilbet, tritt in feinem weitern Verlauf bis an’s
Hoff heran, als eine wellige Hochebene, die, wie ſchon erwähnt, gegen das
Daff Hin faft überall fteil abfällt. Sie wird von einer Reihe von Hügel
Ietten durchzogen, bie meift ſenkrecht gegen bie Uferlinte bes Haffs ſtreichen,
uns ab und za nou Däcen durchbrochen, bie fich tiefe, gewundene Thäler
von Bernhard Oblert. 119
mit ſchroffen Wanden ausgewaſchen haben und mit ſtarkem Gefälle über
Kies und Rollſteine dahin murmeln. Characteriſtiſch iſt die Anßerft am
mathige und manichfaltige Formation biefer Meinen Hügel, an beren gras
1ö6 geſchwungenen Gontouren man wahre Schönheitslinien ſtudiren kann.
Ohne Zweifel verbanft diefe Gegend ihre wellige Erhebung vorzugsweiſe
von innen heraus wirkenden vulkaniſchen Kräften. Uber es ift fein tiefer,
lang gehaltener Athemzug, kein heftig krampfhaftes Zucken ver alten Erbe
geweſen, es ſcheinen die leifen Wallungen einer fanft freubigen Regung
gewefen zu fein, die hier Geftalt gewonnen haben. Die oft ſehr ſteile
Boſchung mancher Heinen Kuppen tritt uns recht bentlich vor Augen,
wenn wir ben Baumwuchs auf ihnen betrachten. Namentlich bie gefügigen
Virlenſtämmchen find, um an ber ſchrägen Wand zu wurzeln und doch
ihrem Zrieb bes Aufwärtsftrebens zu genügen, genöthigt, bicht über. ver
Burzel eine krumme Bengung zu bilden. Es kommt dadurch in ihre
dichten Reihen ſcheinbar eine haflige Bewegung; es ift, als wurzelten fie
allg den Anhang herab, um zu irgenb einer feſtlichen Verſammlnng ver-
förifterter Baumgeifter ja nicht zu fpät zu fommen.
ueberhaupt erhält die ganze Gegend bod ihren Hanptreiz durch bie
reihe und manichfaltige Bewalbung, in welcher Hinſicht wahrlich wenige
Gegenden Norb-Deutfchlands fich mit ihr werben meflen können. Die
Radelbänme, Tanne und Fichte, bie meiftens, Feine anbern Bänme neben ſich
daldend, in ſtarrer Einförmigkeit weite Streden überziehen, treten bier au
Zahl zutuck, gerade genug, um buch ihre charaktervollen Geſtalten einen
" mgenehmen Contraft gegen bie weit Abenwiegende Laubmaſſe zu bilden:-
Geradezu alle überhaupt in Norddentſchland vorkommenden Laubhblzer find
hier vertreten. Es bominirt bie Rothbuche, bie einige Meilen. weiter nach
Ofen, bei Brandenburg, die Gränze ihres. Vorkommens erreicht, ‚aber hier
gerade noch im voller Pracht fid findet. Daneben bie, Weißbude ober
dainbuche, befonders in dichten, hedenartigen Wanden das Unterholz bil
dend. Die Eiche feltener zu ganzen Haiuen vergeſellſchaſtet, finbet fich
‚ Aberali verſtreut in wundervollen vielyunbertjährigen Stämmen mit mäd«
tigen Kronen in wunderlich gothiſcher Veräftefung. Die freuudlich wilts
dige Linde, neben ber Roflaftante befonbers gern in ber Nähe meuſchlichen
Bohmungen gehalten, hat ſich gleichfalls vielſach in bie Kälber zerfizun,
120 Stiuen and Kibfreußen
Ufer ben auch in anbern Gegenben meift häufigen Birken, Eepen, Eichen
anb Weiben will ich nur hervorheben, daß bie Eller ober Erle hier in
einer Größe und Mäctigfeit vorkommt, daß fie mit ben ſtärkſten Eichen
weiteifert, unb baß and die Arten ber fonft fo feltenen Ulme ober Rüfter
in fchönen, kräftigen Stämmen fich finden.
Den Höhepunkt erreicht die Schönheit des Waldes in den @ütern
Panklan und Eabinen. Die Panklauer „heiligen Hallen”, ein wunder
voller Buchenhain uud bie Panklauer oder Cadiner Ausficht werben vor-
gugsweife von Naturfreunden aus ber Umgegend aufgefucht und fremden Be
ſuchern gezeigt. Bon ber legten muß ich, fo mißlich dies auch iſt, eine
Schilderung zu machen verſuchen. Wir felbft figen von Eichen umfchattet
nufern des Waldrandes. Vor uns breitet fi ein tiefes Keſſelthal vom
großer Weite aus mit bem üppigften, manichfaltigften Baumwuchs erfüllt,
worunter als befonbers characteriſtiſch, gewiſſermaßen das Wahrzeichen ber
Stelle, noch ziemlich im Vordergrunde fich eine riefige Tanne heranshebt.
Gegenüber, wo bie Thalwand wieber anfteigt, fieht man das Klofter von
Eabinen, feit Iahren unbenugt und innerlich im Derfell, aber äußerlich
wohl erhalten mit feinem Hohen rothen Dach und Heinen Thürmchen.
Gleich an die bewalbete Bergwand ſcheint ſich ber Haffipiegel zu ſchließen,
trotz ber bebentenden Verkürzung noch in beträchtficher Breite, von weiß
ſchimmernden Eegeln belebt. Rechts erſtredt fid eine flache Sandzunge tief
hinein, auf ber das Heine Stäbtchen Tolfemit mit vothen Dächern ımb
einem fpigen Kirchthurm ſich erhebt. Begränzt wird das Haff in weitem
Bogen durch bie zum größern Theil bewaldete Nerung, doch erblidt man
rechts noch die Tahlen, gelben Sanphügel öſtlich von Kahlberg. Drüber
weg: aber zeigt fi noch ein breiter Streifen ber See, welcher ben Hori⸗
zont ſchließt. — Steigen wir abwärts nad Cadinen zu, anfangs bem
Rande des Thale folgend, den herrlichſten Baumgruppen vorbei, fo ent-
Yalıt -fich in immer neuen Durchblicken und Ausfichten, oder vielmehr Ein-
fichten, feine. bedeutende Ausdehnung und manichfaltige Gliederung. Das
Nattliche Gutshaus felbft Liegt in’ ber Ebene, vor ſich einen fehr geräumi-
gen, mufterhaft vein gehaltenen Hof, von den zahlreichen, ſchmuden, ziegel-
gebedten Wirtbfhaftägebäuben, Wohnungen ber Iuftlente und einem Gaſt⸗
hauſe für bie Häsfigen fremden Beſucher umgeben, einen großen Teich in
vom Bernbarb Oflest, 121
ber Mitte. Hinter bem Gaſthaus ber große Garten, in fehr ridhtigem
Verſtandniß nicht parlartig, fonderm in alt-franzöfiichem Geſchmack ange
legt, mit. breiten, geraden Gängen, bald von uralten Kaftanien- und Lin⸗
den-Alleen, bald von -bichten Buchenheden eingefaßt, mit runden Rafen-
plägen, Blumenrabatten, Orangerien und einem Springbrunnen, daun
in Terraſſen allmählich bis zu ber beträchtlichen Höhe anfteigenb, auf ber
wwiſchen riefigen alten Linden, Eichen, Kaftanien und Wallnußbäumen das
Lloſter ſteht. Jedes Nachlänfteln ber Natur würbe ſich in biefer wunder
baren Wälverpracht Heinlich ausnehmen.
Das Aloſter, ein Bernhorbinerkiofter, feit beinahe 40 Iahren aufge
hoben iſt kein alter Bau, im Bafilikenſtyl, einfach und prunflos, doch
machen die Kirche, das Refectorium mit feiner flachen Wölbung, bie lau»
gen, hallenden Eorribore, bie verlafjenen Zellen ver Mönche einen feier
lichen Einbrud, der nur durch den kindiſchen Muthwillen ber Beſucher,
die überall an ben Wänden fich durch Juſchriften zu verewigen getrachtet
haben, geftört wird. Oben an bem nach bem Haff gelehrten Giebel iR
ein Balcon angelegt, von dem man eine herrliche Ansficht hat. Schöuer
aber noch ift’s, wenn man den gefährlichen Aufgang über verfallene Treps
pen nnd Stiegen zu ber Spige bes Thurms nicht ſchent. Man figt dans
mitten im bichteften Waldesgrün und fchaut den Bäumen über bie ber
laubten Häupter weg auf ben Spiegel bes Haffe. —
Diefe ganze Gegend verbankt einen guten Theil ihres Reizes dem
glädlihen Umſtand, daß fie eine Anzahl größerer Güter umfaft, deren
Befiger nicht genöthigt ängftlich dem bloßen Erwerb nachzuſtreben, bas
Bermögen und ben. Stun haben, ihrer Umgebung Reiz und Schönheit zu
wahren, Auf den ebneren Stellen der Hochebene allerbings, bie einft ge»
wiß gleichfalls bewaldet waren, fieht man jet üppige Felder ſich breiten,
aber faft Aberall ſchließt den Horizont ein bicht gränender Laubkranz; bie
Höhen, auch wenn ihren kräftigen Aderboven gt, Robehade und Pflug
dem Anbau unterworfen haben, find meift mit einzelnen Baumgruppen,
die man verſchont hat, gekrönt, um anmuthigen Wechſel in das Bild zu
bringen. Die mächtigen Eichen des Forft’s, die zum Schiffbau in Elbing
für enorme Preife verwerthet werben könnten, verweigert ber Gutsherr
dem brängenben Eifer des Händlers. — Die geihmadvollen Gutshäufer
123 "Ehen aus An · leechen von Bernharr Oklert
und Villen, bald auf Hoher Bergfptge mit weiter Umſchan, bald im fit
iinfeieneten Thal im Schatten alter Bänme liegenb, bon Sartenanlagen,
bie ſinnig dem Charater ber Umgebung angepaßt find, alles dies zengt
dafle, daß ber Sinn der Bewohner nicht verfchloffen geblieben für ven
Odem der Schönheit, ber über das glüdliche Stüd Erbe ergeſſen iſt.
Möge es ſo bleiben!
Aber eben ſo characteriſtiſch und nicht weniger reizend ſind einige
Bauerdörfer, beſonders die dicht am Geſtade liegenden, wie Sukaſe und
Steinorth. Theils dicht am Röhricht des Haffs, theils Berg hinan in
verfehiedenen Höhen fiehn die freundlichen, zum Theil ftatilichen Hänfer.
Ansgebehnte Obfigärten, ber größte Reichthum ber Befiger, bie mit beren
Erzeugnifſen einen höchſt einträglichen Handel nad, Elbing und mehr noch
nach Königsberg treiben, wo bie füße Kirſche, die Pflaume faum mehr
gebeihen, ziehen fich bie Bergabhänge Hinan. ber zwiſchen bie Gärten
und Hänfer firedt fi; Hier und bort der Walb in voller Naturwüchſigkeit
hinein, beſonders am Ranbe ber tief eingefchnittenen Hohlwege, bie durchs
Dorf führen, oder am Ufer ber Meinen Bäche, bie in tiefen Thalrinnen
dem Haff zuflichen. —
Doc ich will dem Bilde, das ich zu entwerfen verfucht, Yeinen Pin-
felftrich mehr Hinzufügen. Mag ber Lefer lieber bald möglichft einen Aus ⸗
fing dorthin unternehmen, felbft bie grünen chatten ber Wälder burdy-
fireifen, und von ben Bergen herab das entzäcte Auge in bie Weite
ſchweifen laſſen. —
Die Zahlen-Berhältniffe
den ländlichen zug fädtifchen Berölherung nach den
letzten Bolhszählungen des preufifchen Staates.
Bortrag in ber Deutſchen Gejellfchaft gehalten am 21. December 1865
von
F. W. Schubert.
Die ſtatiſtiſchen Verhältniſſe unſerer Provinz Preußen haben mir in
dieſem geehrten Vereine ſchon zu wiederholten Malen Anlaß gegeben, durch
Vergleichung mit ähnlichen Zuſtänden der übrigen Provinzen unſeres Staa-
tes, wie auch fremder Staaten, nationalskonomiſche Betrachtungen von
olgemeinerem Intereſſe zu erläutern. Bor 19, vor 12 und vor 9 Jahren
traf es mit den kurz vorher ansgeführten allgemeinen Vollezählungen zu»
ſemmen und auch jegt ift gerade ein Jahr verfloffen, nachdem bie letzte
algemeine Zählung ftattgefunben Hat, von welcher wir erſt jegt bie Haupt⸗
teſultate aus offiziellen Berichten Tennen gelernt Haben.)
Es gehört befanntlih — und glüdlicher Weife — zu ben ſeltenen
Fllen für die fühlichen Küftenländer der Oſtſee, daß zwei Mißlahre für
die landwirthſchaftliche Probuftion unmittelbar anf einander folgen, wie
wir dies leider in biefem Sabre beklagen muſſen, wenn auch partielle Aus⸗
ufmen für Meinere Bezirke oder in einzelnen Zweigen ber lanbwirthſchaſt⸗
fen CTaltur eine günftige Ausnahme für fich im Anfprisch nehmen kongen.
Gefbe im ſolcher Zeit empfindet man es am Iebhafteflen, wenn nachhal⸗
tige in großem Umfange früher nicht erfannte Uebelftände eine nene koſt⸗
bhielige Beſchwerde dem Sande für bie Zulunft aufzudrängen ſcheinen:
) Gngel: Zeitfährift des ſtatiſtiſchen Bureaus. 1866. Fo. 6 und 11.
194 Die Sablen-Berhältmifie der landlichen pur Räbtifhen Bevölkerung
Man wirb natürlich auch in biefem Falle bie Frage fich zuerſt eruſt vor-
legen müſſen, ift biefer neue Uebelftand etwa nur ein vorübergehenber,
ober fann man zu feiner Bekämpfung unb vollſtändigen Befeitigung twirt-
fame Mittel ergreifen?
Und welchen allgemein gefühlten Uebelftand für die landwirthſchaft⸗
liche Induſtrie gedenle ich Hier zur Sprache zu bringen? Es iſt der au
in unferer Provinz jegt verftärkt ſich einftellende Mangel an. ländlichen
Arbeitern. —
Beforgen Sie nicht, m. H., daß ich theoretiſch in biefem mit Univer:
falheilmitteln fo reich begabten Zeitalter aus meiner Wiſſenſchaft der Sta ⸗
tiftif ein Recept ober einen vorwigigen Rathſchlag hervorſuche, um Abhülfe
zu verfprechen. Die Statiftit hat feinen unmittelbaren Beruf, als Heil-
wiſſenſchaft zu dienen, aber ihrer ernften Aufgabe ift es vorbehalten, nad)
allen Richtungen Hin gründlich zu unterfuchen, ob ein angegebenes Ver⸗
hältnig wirklich vorhanden if, ob es als vorübergehend augefehen werben
Yann, ober ob es ale ein allgemeines in ben Zeitzuftänden liegt und bem-
gemäß durch bie eigenthümlichen Phafen ber Eultnrentiidelung bes be
zeichneten Landes bebingt ift? Im letzgegebenen Fall — und ich zeige für
den hier angeregten Fall bies Ergebniß ſchon voraus an — hat man ben
andauernden Uebelſtand vollftändig anznerkennen und vermag auch nur
dann von ber fortſchreitenden Entwidelung ber Eufturzuftände wirkliche Ub-
hüffe zu erlangen.
Der Mangel an ländlichen Arbeitern iſt factifh gegenwärtig in allen
Culturlãndern ein fehr ernfter Gegenſtand ber öffentlichen Beiprechung, ich
brauche wohl ſchwerlich ans unferem engern Baterlante diefe Klage als
vorhanden noch nachzuweiſen. Uber es dürfte weniger allgemein befannt
fein, wenn ich für Frankreich mehrere umfaſſende Abhandlungen des
hiefür fachtundigften Mannes, bes Directors des ftatifliichen Bureaus,
Legoyt, mitgetheilt 1864—65 in ber Revue contemporaine und dem
Journal des Economistes, anführe, wenn ich nicht minber auf Leom’s
ſcharbare Arbeit über die eigenthämlichen Verhältniffe bei dem Wachsthum
der franzöſiſchen Bevollerung im biesjährigen zweiten Augufihefte ber Re-
vue contemporaine hinweife, wo dieſer geachtete Schriftfteller namentlich
hervorhebt, daß im ben legten Jahren in fehr vielen franzöſiſchen Land ⸗
von F. W. Schubert. 126
foften die Magen Über ven Maugel an ländlichen Arbeitern fih immer
mehr verftäckten. Cine gleihmäßige Erfahrung wird nach ben fehr zuver-
ffigen ftatiftifchen Arbeiten für das Königreich Belgien feit Jahren beo-
bachtet; im noch größerem Maaßſtabe wird daſſelbe Ergebniß für das 8
nigttich der Niederlande unb für England berichtet.
Der numeriſche Nachweis ergiebt ſich einerfeits aus den Reſnltaten
der Beweguug ber ländlichen Bevölkerung im Vergleich zur fäbtifchen, in
dem bei jeber allgemeinen Vollszählung — nach ben in ben einzelnen
Staaten verfchiebenen Perioden von breis, fünf- bis zehmjährigen Zwiſchen ⸗
rimmen — bie ländliche zu Gunſten ber ftäbtifchen entweder entichieben
fid vermindert Hat, ober doch mindeſtens in einem weit geringeren Grabe
bei dem allgemeinen Wachsthum ber Bevöllerung ale bie fäbtiiche bethei-
fit if. Anderſeits wird gleichzeitig der Nachweis geführt werben können,
Ib die Maſſen ber Arbeiten für die ländliche Bevölkerung durch fehr gün-
fige Erweiterung der landwirthſchaftlichen Eultur im Terrain, wie durch
Bergbau, Forſtzucht, durch manche nen Hinzugetretene Induſtriezweige ber
»hoftichen Cultur ſich anfehnlich vergrößert Haben, alfo gegen frühere Zei-
ta immer noch einen vermehrten Bedarf am biefen Arbeitskräften hervor-
gerufen Haben. ö
Bleiben wir zuerft bei bem DVerhältnig der allgemeinen Bewegung
wwiſchen der ländlichen und ftäbtif—hen Bevölkerung flehen unb beginnen
mit den Refultaten für Frankreich, weil biefer Staat im Geſammtver⸗
gleich der gegenfeitigen Cultur- und Verkehrsbeziehungen die größte An-
näherang mit dem preußtichen Staate buchbliden läßt. Im Frankreich findet
kelanntlich bie Volkszählung alle fünf Jahre ftatt, id; verweile nur bei bem
dir legten und gebe überdies für bie brei legten Ziffern nur abgerundete
Zahlen zur leichtern Ueberſicht.
Die Geſammtbevölkerung dieſes Staates war:
Im Jahre 1846 . . . . 36,400,000 Eine.
bavon bie landliche 26,753,000 „ 76,8 pEt.
" n» ſtadtiſche 8,647,00 „ 240
Im Yahre 1851 . . . . 35,783,000
davon bie Ländliche 26,848,000 „ 744 pÜt.
m m fäbtiihe 9,186,000. „ 2 w
196 Die BablensBerbältiffe de Ländlichen zur ſtadtiſhen Bevölterung
Im Dahre 1856 . . . . 36,039,000 Einw.
davon die landliche 26,194,000 „ 72a pt.
mn fäbtiihe 9845,00 , 2 m
Im dahre 1861 . . . . 86,717,000 „
davon die Ländliche 26,043,000 „ Tiygpät:
m ſtadtiſche 10,674,000 23,6 m
jedoch ohne die Hinzunahme von Savoyen und —* um nicht das &e
fommtrefultat zu ſtören, wiewohl beide Departements 1861 bereits incor-
porirt waren.
Es Hat mithin bie Gefammtbevälferung biefes Staates in 15 Jahren
überhaupt um 1,317,000 Einwohner fih vermehrt, allerdings eine fehr ge-
ringe Vermehrung im Vergleich zu der Mehrzahl der europäifchen Staa ⸗
ten, nämlich nur 39/4 pEt. bei dem Stamm-Eapital im Sabre 1846, d. h.
im jährlichen Durcfchnitte 1, p&t. Dabei hat aber die länbliche Bevöl⸗
terung nicht nur gar uicht zugenommen, ſondern ſich noch jehr beträchtlic,
vermindert, nämlich um 710,000 Einwohner; in ihren Verhältnißzahlen
zur Gefammtbeväfferung fait genau um 41/g p&t,, während gleichzeitig die
ſtadtiſche Bevölkerung um 2,027,000 Köpfe verftärkt ift, alfo nicht nur bie
gefammte Vermehrung des Staates in 15 Jahren an ſich gezogen hat,
fondern außerdem noch um 710,000 Köpfe größer geworben iſt. Betrach⸗
tem wir bie ſtädtiſche Bevöllerung in Frankreich für ſich allein, fo Hat fie
in 15 Jahren um 281/, pCt. zugenommen, oder im jährlichen Durchfcpnitte
um mehr als 1; pCt. wodurch eben fie in ihrer Verhältnißzahl zur Ge
fammtbevöfferung von 24,4 pCt. bis auf 28,95 FEt. geftiegen ift, alfo faft
genan mit 4 pCt. vorgefchritten iſt. Man rechne bies nicht vorzugsweiſe
anf bie außerordentliche Erweiterung der Hanptftabt Paris, denn die Aus
dehnung bes Stabtgebiets im Terrain-Umfang erfeheint doch nicht wefent-
lich in Bezug auf bie Bevöllerung, und Paris hat trog feiner Eoloffalen
Volksmenge von 1,696,141 Einw. bei ber letzten Zählung im Jahre 1861,
doch nur eine DVerftärkung von 642,243 Einw. in biefer Zeit erlangt, ba
es 1846 bereits 1,063,897 Einw. befaß, alſo eine Vermehrung um GO pCt.,
während Lyon mit 318,803 Einw,, Lille mit 181,827 Einw., St. Etienne
mit 92,250 Einw., Toulon mit 84,987 Einw. in bemfelben Zeitraume ſich
vollftändig verboppelten, Havre mit 74,896 Einw. ſich fogar verbreifachte.
von 5 W. Säubert, 127
&s if mithin eine allgemeine ſtarke Zunahme ber ſtädtiſchen Bevölle⸗
rung, von der feine einzige Stadt mit Iebhafter Theilnahme an ben in»
daſtriellen umb commerciellen Beſtrebungen des Landes ausgefchlofien ge-
blieben iſt. Marfeille Hat die Zahl von 260,910 Einw., Borbeang bie von
162,750 Einw. erreicht. Die Zahl der franzöfifchen Städte mit einer Ber
völferung von mehr als 100,000 Einw. im Jahre 1846 nur auf vier bes
fgränkt, iſt jett auf acht vorgerüdt; zu ben Stäbten zwifchen 50,000 und
100,000 Einw. hat fi in derfelben funfzehnjährigen Periode eine boppelte
Zahl gefellt, die jetzt bereits auf vierzehn fteht.
Gehen wir nunmehr zu ben Nefultaten für ben preußifchen Staat
über, fo ſondern wir zuvörberft die Berechnungen für ven gefammten Staat
von den uns näher fiehenden für bie Provinz Preußen. Indem wir in
jenen noch mehr übereinftimmende Vergleichspunkte mit Frankreich finden,
dorzugsweiſe im bejonderer Berüdfichtigung ber weftlichen Provinzen, Sach⸗
ſens und and) der Mark Brandenburg, wegen bes hier überwiegenden Ein-
fufles ber Hauptſtadt Berlin, erlangen wir in den Grgebniffen für bie
Provinz Preußen auch zugleich eine näher anwenbbare Darftellung für bie
gleichartigen DVerhältniffe in Schlefien, Pommern und dem Großherzog.
tum Poſen.
Die Gelammtbevöfterung des preußiſchen Staates betrug nad ben
breijährigen zu Anfang bes December angefteliten Volkszäͤhlungen:
Einw. landl. Bevölt. ſtadt. Bevölt.
1846 16,112,938 davon 11,608,984 72,02 pPCt. 4,508,954 27,5 pEt,
1849 16,331,187 11,714,285 Tin: „ 4616,902 28,95
1852 16,985,420 12,120,214 Tl,gg „m 4,815,206 28,45
1865 17,202,821 12,234,577 Tin m 4,968,244 28,09
"
”
Du we u
1868 17,739,913 12,490,715 7001 5,249,198 29,0
1861 18497458 „ 12,929,726 69,95 6,567,732 30,5
1864 19,266,1899 „ 13,262,328 68,9 „ 6,002,811 31,0 „
Es {ft demnadh in biejen 18 Yahren die Gefammtbevälterung unferes
Etaates um 3,142,201 Einw. geftiegen, b. i. bei einem Stamm Capital
von 16,112,938 Einw. tm Jahre 1846 um 19 pEt. ober im jährlichen
Durchſchnitte um etwas mehr als 1 pCt., b. i. mehr als im vierſach ftär-
leren Progreffions-Berhältnifie gegen bie Gefommtbevöfterung bes. franzö«
198 De Zeblen Verhältnife ber Länbliden zur Rüben Vevollerung
ſtſchen Staates. Aber bei biefer Verftärfung ber Bevälterung tft bie länb-
liche, ungeachtet der faft dreimal fo großen Kopfzahl im Jahre 1846 gegen
die ſtadtiſche, faft nur mit der gleichen großen Zahfengnote wie die fäbti,
ſche betheiligt, denn jeme Hat überhaupt nur um 1,648,344 Ein. mit 14 pCt.
d. 5. im jährlichen Durchſchnitte noch nicht mit 3/4 pCt. zugenommen,
während die ftäbtifche Bevölkerung gleichfalls um 1,493,867 Köpfe verftärkt,
mit mehr als 33 pCt. oder im jährlihen Durchſchnitte fait mit 2 pCt. ger
wachſen if. Dadurch Hat fi) dann fehr beträchtlich das allgemeine Zah ⸗
lenverhaltniß für die fläbtiiche und ländliche Bevölkerung in Bezug auf
vie Gefommtbenöfterung verändert, denn bie ländliche ift von 72 p&t. ber
Geſammtmaſſe um 3,, p&t. bis auf 68,5 pCt. veringert, bildet alfo für ven
ganzen Staat wicht mehr weſentlich viel über zwei Drittel der Geſammt ⸗
beodlferung. Vergleichen wir bamit bie oben angegebene Verminderung
der ländlichen Devölferung in Frankreich, fo iſt dieſe in bem noch fürze
ven Zeitraume von 15 Jahren um 4,4 pCt. raſcher verringert, bildet indeß
doch noch einen flärkeren Antheil an der Gefammtbevölferung, nämlich
Ti,4 pet.
Die Verteilung ver ftäbtifhen Bevölferung im preußiſchen Staate
nad dem Provinzen und einzelnen Negierungsbezirken bietet
indeß noch einen weit ftärkeren Wechſel in ber Zunahme zu Ungunften ber
landlichen Bevölkerung. Das Marimum der ſtadtiſchen Bevölferung, näm-
lich mehr als bie Hälfte der Geſammtbevölkerung liefern nur zwei
Regierungsbezirke. Düffeldorf zählte am 3. December 1864 625,663 Einw.
in ben Städten und nur 557,070 auf dem platten Sande, aljo 53 pt.
ſtadtiſche und nur 47 pCt. ländliche Bevölferung, aber aud) bies Verhält⸗
niß Hat fih in fo abnormer Weiſe erft in den legten 21 Jahren geftaftet,
da mad) ber Zäplung des Jahres 1843 hier auf 347,943 ftäbtifche Be⸗
mwohner 603,513 landliche famen, mithin jene nur 41 pCt, biefe noch
59 pCt. ver Gefammtbenölferung bildeten. Noch mehr fällt hier bie aus
Ferorbentliche Zunahme ber ſtädtiſchen Bevölferung in die Augen, wenn
man bie abfolute Vergrößerung biefes Regierungsbezirls in den beiben
Bolfezäplungen vergleicht, die ftäbtifche Bevölkerung ift von 1843—1864
um 278,720 Köpfe geftiegen, bie ländliche bagegen nur um 53,467 Köpfe,
5:5. jeme Hat fich feit 1843 faft verdoppelt, um mehr als 80 pEL. vermehrt,
von 3 W. Schubert. 129
während biefe in berfelben Zeit nur um 10 pEt. gewachſen iſt. Der zweite
Regierungsbezirk in Bezug auf das Marimum der fästifchen Bevölkerung
ift Potsdam, allerdings mit Einfchluß der Hauptſtadt Berlin. Diefer
war bereitS nach ber Volkszählung von 1843 ber einzige, in: weldhem
Ihon damals bie ftädtifche Bevölkerung bie ländliche überwog, indem jene
mit 626,386 Köpfen zn 56 pEt., diefe mit 508,049 Köpfen zu 44 pCt. au
der Gefammtbevölferung des Regierungsbezirks von 1,134,435 Seelen bes
theiligt war. Nach der legten Volltzählung betrug in demſelben Regie
tungsbezirke bie Gefammtbevölferung 1,613,016 Einw., bavon die ftäbtifche
389,873 Köpfe und die Tänbliche 623,143 Köpfe, mithin jene 61,3 pEt.,
biefe nur 38,, pCt. Zu berüdfichtigen ift inzwiſchen hier die Bevöllerung
Berlins, die nach der legten Zählung auf 632,749 Einw. geſtiegen tft,
mithin für ſich allein mehr als bie Ländliche Bevölklerung bes gefammten
Regternngsbezirts beträgt und etwas über 39 pEt. der Gefammtbevöälferung
deſſelben für fich in Anſpruch nimmt. Deffenungeschtet ift relativ bie ſtädti⸗
fe Bevölkerung im Regierungsbezirke Däffeldorf in einem weit flärferen
Maaßſtabe als in Potsdam mit Einfluß von Berlin vermehrt, indem
innerhalb befielben Zeitraums jene um 80 pEt., biefe nur um 58 pCt. ges
fiegen iſt. Doch bleibt noch zw bemerken, daß ber Regierungsbezirk Pots⸗
dam auch mit Ausſchluß von Berlin noch eine hervorragende ſtädtiſche
Benöfkerung zählt mit 357,124 Einw., d. i. 36 pCt., gegen 623,148 Einw.,
d.i. 64 pCt. an ländlicher Bevölkerung,
Nächft dieſen beiden Regierungsbezirken befigt ber preußiſche Staat
noch ſechs Regierungsbezirke, in welchen nach ber legten Volkszählung bie
Rüdtifche Bevölkerung über ein Drittel der Gefammtbevölferung für fich,
umfaßt, alfo um mehr als 2 pCt. den Geſammtdurchſchnitt derfelben für
dem Staat überſchreitet, da wie oben nachgewieſen ift, biefer am 3. Decem»
bet 1864 nur auf 31,5 pCt. auslief. Dies find bie brei Regierungsbezirle
bes Herzogthums Sachfen, zwei in Pommern und noch Eöln, welcher letz⸗
tere jeboch nur fehr wenig über ein Drittel Hinausgreift,
Gefammtbevölt. landliche ſtadtiſche
Magdeburg‘ . 813,348 485,058 59,5 pCt. 328,290 40 pet
Merfeburg . . 858,399 549,412 64, „ 308,987 36,
fur ... 372,228 231,445 62, m 140,783 .88, „
pr. Monatsjgrift Dd. IL Of. 2 9
130 ° Die BahlensBerhältniffe ver Ländlichen zur ſtadtiſchen Bevölterung
Gelammtbevält. landliche . ſtadtiſche
Stettin.. 677,641 441,789 65, pt. 235,852 36, pt.
Stealfund . . 216,133 132,204 61, „ 83,929 39, u
Ein . . . 584,883 389,661 666 195,222 334 n
Unter den Oberpräfidialbezirfen ober Provinzen erreichen brei für
die ftäbtifche Bevölkerung mehr als ein Drittel ber Gefammtbevölferung,
Brandenburg faft ganz genan bie Hälfte, bei ber Geſammtbevöllerung von
2,616,583 Einw. 1,308,236 Köpfe ftäbtifche, gegen 1,308,347 Köpfe länb-
liche Bevöllerung, Sachfen bei der Gefammtbenöfferung von 2,043,975 Einw.
in 38 pCt. ftädtifche Bewohner mit 778,060 Einw. und 62 pCt. Ländliche
mit 1,265,915 Einw,, die Nheinprovinz bei ber Geſammtbevöllerung von
3,346,195 Einw. in 34,, pCt. ftäbtifche Bewohner mit 1,143,106 Einw.
und 65,5 pCt. ländliche mit 2,203,089 Einw.
Ganz nahe an dem Gefammtdurchſchnitte für ben Staat mit 31,5 pCt.
und ſelbſt unter venfelben finfend, jedoch noch mit mehr als 25 pt.
Antheil an ber Gefammtbevölferung, finden wir gegenwärtig bie ſtädtiſche
Bevölferung in 2 Reg.-Bez. der Provinz Preußen (Danzig, Königsberg),
In "m Bofen (Bofen),
In "m Brandenburg (frankfurt),
Ion ”" n Schleſien (Breslau),
In "m Wecſtphalen (Arnsberg),
1 } Pr P} Nheinprovinz (Aachen),
und außerdem in ber Gefommtbenölferung ber drei Provinzen Pom-
mern, Bofen und Weſtphalen.
Gefammtbevölt. ländliche ſtadtiſche
Reg. Bez. Königsberg 1,034,111 768,626 73,5 pCt. 275,485 26,5 pCt,
„ Danig . 502,820 348,434 709 „ 154,386 29,
"
" Bolen . . 978,268 702,188 71, „ 276,130 28,5 „
w Franffurt . 1,003,867 685,204 68, „ 318,563 3 w
w Breslon . 1,845,377 997,796 67,5 „ 439,580 395 u
m Umsberg . 740,961 522,465 706 „ 218,496 29,4 w
„ Magen. . 472,018 330,821 685 „ 141,197 314 w
Provinz Pofen . . 1,523,729 1,111,650 739 „ 412,079 279
"u Pommern. 1,487,375 997,796 689 „ 439,580 31, »
.Weſtyhalen 1,886,681 1,285,292 74, „ 431,289 29 „
von F. ®. Edubert. 131
Die geringfte ſtädtiſche Bevbllerung befindet fi unter einem
diertel bis anf ein Fünftheil ber Gefammtbevälterung in je einem Negies
mngebezirke der Provinzen Prenßen (Marienwerber), Bofen (Bromberg),
Pommern (Eöslin), Echlefien (Liegnig), der Rheinprovinz (Eoblenz) und
in zwei Regierungsbezirken Weſtphalens (Münfter und Minden) und
außerdem in der Gefammtbenölferung der beiden Provinzen Preußen und
SHlefien,
Gefammtbevölf. Ländliche ſtadtiſche
Reg.-Bez. Marienwerder 750,298 593,254 79, pCt. 167,044 29,pEt.
m Bromberg . 545,461 409,512 75,4 „ 185,949.245 „
„ Eislin . . "643,601 423,802 78,5 „ 119,799 220 m
„Liegnitz . . 972,945 751,565 77,4 m 221,890 2dp „
m» Mänfter . . 442,472 343,105 776 m 99867 224 m.
„ Minden . . 488,148 369,722 76% „ 113,426 28,4 „
Coblenz . 542,471 426,600 787 „ 115,871 21,5 „
Broving Breußen . » . 8,014,596 2,340,015 77,6 „ 674,580 224 „
„ Schleſien . . 3,510,706 2,734,688 78, „ 786,018 214 „
Endlich no unterhalb eines Fünftheils ober weniger als 20 pEt.
befigt am fläbtifcher Bevöllerung der
Gefammtbevölt, landliche ſtadtiſche
Veg.Bez. Gumbinnen . 727,866 639,701 88,0p6t. 87,665 12,0pEt.
w Dppeln . . 1,192,384 1,003,448 84, „ 183,986 154 „
n„ Tier. . . 564,090 498,937 88,4 „ 65,153 17,6 „
"m Hohenzollern. 64,958 653,964 83,5 „ 10,994 176 »
Das Herzogtfum Lauenburg, welches bekanntlich bei der letzten Volls⸗
Ahlung dem preußiſchen Stante noch nicht einverleibt war, zählt bei einer
Bevöfferung von 49,704 Einw. 8298 Einw. in den 3 GStäbten d. i.
%, pCt. und 41,406 Einw. auf dem platten Sande d. i. 83,5 pCt.
Bei bem jegt nachgewiefenen verhältnigmäßig weit flärferen Wachs -
tem der ſtädtiſchen Einw. im Vergleich zu der Bevöllerung bes platten
' mdes, kommt es indeß weſentlich baranf an, wie tie Bevölferung ber
tößeren und mittleren Städte, ber Eoncentrationepunkte ber Induſtrie,
"8 Handels und bes inneren Verkehrs, gleihmäßig fortgefhritten
kab, denn durch dieſe iſt vorzugsweiſe ober ausſchließlich ber anbauerude
8
139, Die Bablen-Berhältniffe ver Ländlichen zur ftäbtifchen Beölterung
Beſtand ber verftärkten ſtädtiſchen Bevölkerung bebingt, während in ben
ganz Heinen Städten die Betriebfamleit ihrer Bewohner in fehr ftarker
Uebereinftimmung mit den Beichäftigungen bes größten Teils ber länd⸗
lichen Bevölferung ſehr bedcutſamen Schwankungen unterworfen bleibt,
die indeß auf die numerifchen Verhältniffe für die Bewegung in ber Be-
völferung von feinem entjcheivenden Einflufje find. Wenn wir aber gerade
das gegenwärtige Webergewicht ber ftädtifchen Bevölkerung im preußiſchen
Staate, wie in Frankreich und Belgien und in noch höherem Grabe iu
England und Südſchottland, Hanptfächfich durch bie vajche, aber ebenmäßig
fortfteigende Steigerung ber Population in jenen großen und mittleren
Eoncentrationspunften der inbuflriellen Cultur ſowie des inneren und aus
wöärtigen Handelsverfehrs fortgeführt wahrnehmen, fo tft aud ber au⸗
haltende Mangel an Arbeitskräften der ländlichen Bevölkerung conflatirt
und bemgemäß feine Unsgleihung nur auf dem Wege ber Cultur⸗Ent ⸗
widelung durch ftärfere Heranziehung ber mechanifchen Kräfte, durch Er⸗
weiterung unferer technologiſchen Kenntniſſe, durch vielfache Erfparung der
menfchlichen Kräfte, fowie durch bie umſichtigſte Verbinbung bes Capitals
und bes Aſſociatiousweſens nach allen Beziehungen zu erwarten.
Diefes vorwiegende Verhältniß der größeren und mittleren Stäbte im
Bezug auf bie Steigerung ber ftäbtifchen Bevölkerung macht ſich aber für
Preußen feit 1843 in hervorragender Weife Überall geltend,
Im Jahre 1843 gab es unter ben 979 Gtäten
gefammte ftäbt. Bevdlt.
58 größere mit mehr als 10,000 E.; zuf. . 1,669,730 €, — 39,95 pEt.
282 mittlere zwiſch. 10,000 0.3500 „ „ » 1,254,427 , = 2
689 Heine Stäbte«) unter 3500600 E;; auf. 1,322,016 „ — 31,14 w
sufammen 4,246,174€.
Es umfaßten alſo die 58 Stäbte, über 10,000 Einw. faft %5 ber
ſtadtiſchen Bevölkerung, unter biefen damals nur 6 große Städte mit mehr
als 50,000 Eiuw. — 782,027 Einw. d. i. 17,5 pCt. ber gefammten ftäbti-
fen Benölferung, die mittleren und Heineren Gtäbte, zufammen 921,
haben noch 60,95 pEt. ber ſtädtiſchen Bevöllerung.
) Bon biefen waren noch 69 pwiſchen 999 u. 600 Cinw. u. 17 unter 600 Gino,
von 3. W. Schnbert. 138
aeſamnue ſtadtiſche Beodlt.
Im Jahre 1852 finden wir unter ben
986 Stadten a) bereits 80 mit mehr als
10,000 Einw., zufammen . . . . . . 2,171,927 Einw. 45, pät,
die 906 mittleren und Heinen Städte zufam-
men zwifchen 10,000-—600 Einw. zufammen 2,643,2799° „ b49
zuſammen 4,815,206 Einw.
Es Haben mithin in ben 9 Jahren bie Städte über 10,000 Ein.
bereits 6 pCt. ber gefammten ftäbtifchen Bevöllerung mehr für fih im
Anſpruch genommen. aefammte ftäptifche Bevdlt.
Nach abermals 3 Jahren am 3. Decem-
ber 1855 umfaffen bie 80 Gtäbte über
10,000 Einw. bereit8 . . 2 2 +». . 2,266,804 Einw. 45, pEt.
die 906 mittleren und Meinen Städte zwi⸗
ſchen 10,000--600 Einw. . » © 2 2. 370190 „ By w
zufammen 4,968,244 Einw.
und die nähere fpecielle Berechnung weift nach, daß während ber drei Jahre
1852-—55 zufammen bie großen Stäbte um 4,,6 p©t., die mittleren und
fleineren Stäbte nur 2,95 pEt., die ländliche Bevölkerung dagegen noch nicht
ein pCt. (0,94 pCt.) in der Gefammtbevölferung zugenommen haben.
Zu ben großen Städten über 50,000 Einw. find wieber zwei nene,
Etettin und Aachen, zugetreten und biefe 8 Stäbte zählen für fich allein
1855 bereits 1,024,459 Einw., d. i. 20,5 pCt. ober über ein Fünftheil
der gefammten ftäbtiichen Bevölferung. Nach ver Vollezählung vom 3. Des
tember 1858 ift zu den großen Städten über 50,000 Einw. abermals
eine hinzugetreten, Elberfeld; es find jet bereits 9, welche für ſich allein
eine Geſammtzahl von 1,106,786 Einw. zählten, alfo bei der ſtädtiſchen
Gefammtbevöfterung biefes Jahrs 5,249,198 Einw. allein 22 pCt. für ſich
in Anſpruch nehmen: und zufommen mit der Bevöllkerung ber übrigen
großen Stäbte (in der Geſammtzahl 87) zwifchen 50,000-—10,000 Ein.
bereits 2,658,915 Einw. d. i. 48,75 p@t. der ſtädtiſchen Gefammtbevöfferung,
*) Nldge ift 1846 im Kreiſe Gardelegen zur Stadt erhoben, Gefegfammlung
1846, Ro. 18. — 6 Gtäbte find in den Hobenzollernfchen Landen hinzugetreten,
1934 Die Bahlen-Berhältnifie ber laudlichen zur Räbtiichen Weoölterung
dagegen bie mittleren mnter 10,000 unb bie Hleineren zufammen (in ber
Geſammtzahl 913) 2,692,283 Einw. d. i. 5l,a; pEt.
Es iſt ſelbſtverſtaͤndlich, daß bei der ftäbtifchen Bevölkerung die mili.
tariſche überall mit einbegriffen iſt, ba fie eben für ihre Dienftzeit ken Be
(Häftigungen für vie ländliche Arbeit entzogen tft. Beobachten wir bie
ſtadtiſche Bevölkerung nun genauer in Beziehung auf ihre Attractionskraft
für die Gefammtbevälferung, fo erkennen wir feit diefer Zeit faft ein regel ⸗
mäßiges Steigen derfelben, ſowie fie erft für die einzelne Etabt das numeri⸗
ſche Verhältniß von 3500 Einw. erreicht haben, wenn nicht außerorbentlice
Ereigniſſe, wie bie polnifchen Unruhen (bei Rawicz und andern Orten),
ober bebentjame Criſen für bie Eultur des Berghaus und umfangreihe
Zweige der techniſchen Iubuftrie diefelbe auf einige Jahre zurüdkbrängen,
die jebuch dann wieber im kürzerer Zeit nachgeholt werten.
Die Zahl der Städte bes preußiihen Staat: hat fi nunmehr
überhaupt auf bie gerabe Summe von 1000*) gehoben, indem einigen
Ortſchaſten ber weftlichen und mittleren Provinzen in ben legten Jahren
die fäbtifche Eigenfchaft noch zuerkannt ift. Unter ben 9 großen Städten
über 50,000 Einw. Hat fi) 1858 Berlin bereits einer halben Million
genähert (468,637), Breslau und Cöln find ſtark über 100,000 Bewohner
vorgeſchritten, bis auf 135,661 und 114,477 Einw., wobei zu bemerken bleibt,
daß bei Cöln jet eben fo wenig Deutz, wie bei Magdeburg nicht mehr
Neuftadt und Subenburg, in den ftatiftiichen Tabellen zur Bevölkerung
biefer Stäbte mitgezähft werben, ſondern ihre eigene Stelle unter ben Stäb-
ten einnehmen. Die näcjftfolgenven beiden Städte gehören unferer Pro
vinz an mit 87,267 Einw. für Königsberg und mit 76,795 Einw. für
Danzig, bie allerbings bereits Jahrhunderte lang mit einer Bevöllkerung
von mehr ale 50,000 Seelen feftgeftanden haben und nun erſt ſchueller
auch hierin fortzufchreiten beginnen. Dann kommen noch vier große Stäbte
zwiſchen 65,000 und 53,000 Einw., Magdeburg, Etettin, Aachen und El⸗
berfeld. Die nun kommende Stufenfolge ber fa ohne Ausnahme fih
*) Mit der Incorporation Lauenburg's ift durch die drei Städte des Herzogthums
ihre Zabl auf 1008 erhöht, das Verhältni der ſtadtiſchen Vevdllerung aber nur buch
8998 Kpfa vermehet, bei 41,406 Bewohnern des platten Landes.
von 5 W. Schubert. 138
taſch hebenden Städte zwiſchen 50,000 und 20,000 Einw. beträgt 1868
aft 17, davon nur vier mit mehr als 40,000 Einw., Crefeld, Poſen, Bar:
men, Botedam, ebenfoniel Städte zwiſchen 40,000 u. 30,000 Einw., Halle,
Däffeldorf, Erfurt, Frankfurt, und neun Stäbte zwiſchen 30,000 u. 20,000 G.,
bie faft gleichmäßig auf alle Provinzen vertheilt find, da nur das Groß.
herzogthum Pofen darunter noch damals fehlte, — Elbing, Stralfunb,
Brandenburg, Görlig, Halberftabt, Mänfter, Dortmund, Eoblenz und Trier.
Daranf folgen 63 Städte zwifchen 20,000 und 10,000 Einw., welde
nad) ber Stäbteorbnung des Jahres 1803 noch zu bem großen gezähſt
werben follen; bei biefen find die Provinzen Sachſen, Schlefien und bie
Rheinprovinz vorzugsweife betheiligt, aber auch unfere Provinz befitt fünf
davon, Memel, Titfit, Thorn, Infterburg und Graudenz und feit 1861 ift
noch die fechfte in Braunsberg Hinzugetreten. Bon ben 274 Mittelftäbten
wiſchen 10,000 und 3,500 Einw. gehören nur 27 zu einer Bevöllerung
mit mehr als 8000 Einw., 66 zählen zwifchen 8000 und 6000 Einw. und
181 Stäbte umfaffen noch eine Einwohnerzahl von 3500 bis 6000 Köpfen,
Die Gefammtbevölferung biefer Mittelftädte gewährte noch 1,663,783 8.
ober 29,6 pEt., während alle übrigen 642 Heinen Gtäbte nur 1,138,500 €.
befaßen, ober 21,5 pðt. ber gefammten ftäbtifchen Bevöllerung. Bon bie
fen gehen inzwifchen verhäftnißmäßig nur fehr wenige zu einer rafchen
Hebung über: bis zur Volfszählung vom 3, December 1861 Hatten ſich nur
14 aus biefer Reihe über 3500 Einw. erhoben, und von ba ab bis zur
(egten Zählung 1864 wieder 16, fo baß gegenwärtig bie Gefammtzahl ber
Meinen Städte unter 3500 Einw. (bis auf 42 zwifchen 1000 und 500 Einw.
und 4 noch unter 500 Einw.)*) überhaupt nur noch aus 612 befteht. Die
Bevöllerung dieſer Sıädte theilt ſtets das gleiche Geſchick mit ber Tänblie
hen Bevöllerung, fie ift manigfachen Schwankungen in ihrer Bewegung
unterworfen, und von einer gleihmäßigen, wenn auch nur ſehr geringen
Zunahme Tann bei ver Mehrzahl nicht der Nachweis geführt werben, uub
eben fo werig darf ein namhaft beredjenbarer Abzug ber ländlichen Ar⸗
beitöfräfte nach biefen Ortfchaften angenommen werben.
9) Preußen, Bommern und Weftphalen befigen feine fo Kleine Stadte, die Rhein:
wrooinz 1, Hohenzollern 2, Sachſen 2, Brandenburg 4, Schlefien 13, Bolen 24,
136 Die Zahlen: Berhältniffe der Ländlichen zur ftäbtiichen Bevbllerung
. Bär die weitere Erläuterung des noch ſtärkeren Fortſchreitens ber
ftädtifchen Bevöllerung in den großen und mittelgroßen Städten während
der beiben legten breijäßrigen Perioden, führen wir zuerft nachſtehende Ex-
gebniffe an. Nach ber Zählung vom 3. December 1861 waren abermals
zwei große Städte über 60,000 Einw. vorgeſchritten: Poſen bis 51,232 Einw.
und Grefelo bis 50,584 Einw., fo daß diefe Kategorie ber großen Stäbte
jegt 11 zählte, und ihre Bevölkerung allein, wobei Berlin bereits mit
547,571 Einwohnern fein Uebergewicht darbrachte, in allen eilf Stäbten
1,341,174 Einw. umfaßte, d. h. fie find bei ber ftäbtifchen Geſammtbevöl ⸗
terung dieſes Jahres mit 5,567,732 Eeelen, gerade mit 24 pCt. betheiligt,
ober wieberum mit 2 pCt. mehr als tim Jahre 1858. Die nächfte Kater
gorte der großen Städte zwifchen 50,000 und 20,000 Einw. hat fich gleich
falls um zwei verftärkt, mit Bromberg Ms anf 22,472 Einw. und Eſſen
bis auf 20,811 Einw.; fie bleibt aber auf der Gefammtzahl 17 ftehen, da
eben fo zwei Stäbte in bie noch Höhere Stufenfolge der Stäbte mit mehr
als 50,000 Einw. übergegangen find. Ihre Bevölferung beträgt zufam-
men 537,444 Seelen over gegen 10 p€t. der geſammten ftäbtifchen Beböl⸗
Terung. Die darauf folgende Kategorie ber mittelgroßen Städte zwiſchen
20,000 und 10,000 Einw. hat ſich noch ftärker, um ndun, vermehrt (Eott-
bus, Oppeln, Braunsberg, Torgau, Herford, Solingen, Neuß, Rheydt,
Luckenwalde); fie befteht alfo aus 70, welche zufammen 1861 eine Bevöl⸗
lerung von 934,944 Einw. ober über 16 pCt. ber ftäbtiichen Bevölkerung
umfaßten. Zuſammengerechnet mit ber Bevölkerung ber Städte in erfter
und zweiter Kategorie, fo wie wir es oben für 1858 ausgeführt Haben,
erhalten wir für bie 98 großen Städte über 10,000 Seelen die Summe
von 2,793,562 Köpfen, ſchon etwas mehr als bie Hälfte ber gefammten
ſtadtiſchen Benölferung, oder 50,5 pEt, während bie übrige Bevölkerung
der 202 Städte von weniger als 10,000 Einw. nur 2,774,170 Köpfe over
49,g pCt., mithin ift bie legtere wieber um 1,; pCt. gegen bie gefammte
Räbtifche Benölferung zurüdgeblieben,
Unter biefer zweiten geringeren Hälfte ber ftäbtifchen Bevölkerung neh»
men aber bie 278 Mittelftäbte zwifchen 10,000 und 3500 Seelen wieder
1,634,170 Seelen oder 29,4 pCt. für ſich in Anſpruch, und es Bleibt dem⸗
mach für die 628 Meinen Städte unter 3500 Einw. nur 1,140,000 Köpfe
von 5. W. Schubert. 137
ober 20,4, pCt., mithin nur ſehr wenig über ein Fünftheil ver fläbtifchen
Bevölferung. Die Verhältuife der Mittelſtädte Haben fich inzwiſchen un⸗
ter einander bahin verändert, baß aus ber erften Kaffe zwiſchen 10,000
und 8000 Einw. fieben in bie nächſte höhere übergegangen und zwei Stäbte
wieder neu eingetreten find, aljo 22 verbleiben, während bie zweite Kaffe
wiſchen 8000 und 6000 Einw. ſich bis auf 71 umb bie britte zwiſchen 8000
und 3500 Einw. bis auf 185 verftärft hat. Dagegen hat bie Bevölkerung
in den Heinen Stäbten unter 3500 Seelen relativ wieber um 1,, pCt. fi
verringert, unb abſolut Hat fie nur faum um 1500 Einw. für ven ganzen
Etaat, ober durchſchnittlich um 2 Einw. für jebe Stabt zugenommen,
Nach der legten Volkszählung vom 3. December 1864 Hat bie Zahl
ber großen Städte über 50,000 Einw. ſich abermals um eine mit Bar
men bis auf 59,444 Einw. vermehrt. Sie erreicht alſo gegenwärtig 12,
darunter Berlin mit 632,749 Einw. ober über ein Zehntel ber gefammten
Häbtifchen Bevöllerung, die auf 6,002,811 Einw. überhaupt gelangt ift;
Berlin bietet jet ein Dreißigtheil der Bevöllerung bes ganzen Staates
dar. Zu den Stäbten über 100,000 Einw. ift jegt in Königsberg auch
die vierte mit 101,507 Einw. vorgeſchritten, Danzig Hat 90,834 Einw.
erreicht, Magdeburg und Stettin über 70,000 Einw., Aachen und Eiberfelb
ſtehen bereits über 62,000 und Bofen, Erefeld und Barmen über 53,000 Ein.
Die Geſammtbevöllerung biefer zwölf großen Städte beträgt 1,543,744 Einw.
oder 25,, pCt. ber ftäbtifchen Bevölkerung, alfo relativ wieber über 1,7 pEt.
mehr als 1861. Die nächſte Kategorie der großen Städte zwiſchen 50,000
mb 20,000 Einw. ift gleichfals um eine verftärk, mit Bonu bis auf
22,492 Einw. und anf 17 ſtehen geblieben, welche zufammen 531,106 €.
zählten, mithin ;jufammengerechnet mit ber Bevölferung jener großen zwölf
Etädte bereits 2,074,850 Ein. betragen, oder gegen 35 pCt. ber fläbti-
fen Bevöflermg. Unter biefen finden wir Städte, bie in weniger ale
zehn Jahren hre Bevölkerung verboppelt Haben, wie Eſſen jest mit
31,366 Einw., Görlig mit 31,499 Einw. Dortmund mit 27,856 Einw.
Im ber aãchſtfolgenden Kategorie ber größeren Stäbte zwiſchen 20,000
mad 10,000 Zinw, ift die Anzahl durch einen Abgang in bie nächſt hö⸗
here, fowie durch die Aufnahme drei neuer (Bochum mit 11,766 Einw.,
Bitten mit :0,542 und Düren mit 10,261 Einw.) auf 72 geftiegen, welche
138 Die Zahlen: Berhältniffe der Ländlichen zur ftäbtifchen Bevöfterung
insgefammt 976,546 Einw. zählen, d. i. 16,9 p@t., unb zuſammengerech ⸗
net mit ber VBevölferung jener 29 großen Städte eine Vollsmaſſe von
3,851,396 Einw. bilden, bie faft genau um ein volles Procent bie Halfte
ber gefammten ftäbtiichen Bevölferung mit faft 51 pCt. von 6,002,811 Einw.
überfohreiten. Die übrigen 899 Stäbte ſchließen mithin nur bie geringere
Hälfte von 2,951,415 Einw. oder etwas über 49,, pCt. ber ftäptifchen Ber
völferung ein, find alſo relativ nm 7 10 pCt. zurüdgegangen, welche Vermin ⸗
derung in ber abfoluten Zunahme jedoch nur anf Koften ber kleinen Städte
unter 3500 Einw. geſchehen ift. Denn bie auf bie Zahl von 287 gejliegenen
Mittelftädte zwiſchen 10,000 und 3500 &inw. befaßen eine Bevölkerung
von 1,856,215 Einw. ober 30,9 pCt. ber ftädtifchen Bevölkerung, Hatten
alfo um 1,5 p&t. mehr Antheil an berfelben, wie im Jahre 1861, indem
bie erfte Kategorie derſelben zwifchen 10,000 und 8000 Einw, um 11 bis
auf 33 Stäbte gewachſen war, bie zweite Kategorie zwifchen 8000 und
6000 Einw. auf 67 ftanb und bie britie Kategorie zwiſchen 6000 und
3500 Einw. um 6 bis auf 187 ſich vermehrt Hatte. Dieſe Mitielftäbte
befigen zwar noch einen entjchiebenen Einfluß auf die gegenwärtige Zurüd-
brängung ber länblicyen Bevöllerung Hinter der ftäbtifchen, indem fie oft
noch eine verlodende Einladung zur Ueberfievelung für ſtädtiſche Betrieb-
famfeit barbieten, bie nad; dem Tlimatifchen Verhältniſſe, ver wohlgelegenen
Situation, fowie nach ber verfchiebenartigen Entwidelung der Induſtrie in
den einzelnen Provinzen und Regierungsbezirken ſehr von einander ab-
weicht. Aber ber Reſt der ftäbtifhen Bevölkerung, weldter fih in ben Hei-
nen Städten unter 3500 Einw. bis auf die Heinften mi nur 289 Einw.
in Trebſchen und 438 Einw. in Lagow, beide im Regierungsbezirk Frank⸗
furt, auf Rogowo mit 444 Einw. und Zydowo mit 400 Einw. im Regie
rungsbezirk Bromberg, überhaupt in 612 Ortfchaften mit 1,095,200 Einw.
befindet, gewährt nur noch 18,95 pCt. ber ftäbtifchen Bevölkerung, ift alfo
feit fünf Jahren wieder um mehr als 2 p@t. geringer letheifigt, wenn
bie. gefammte Maſſe der ftäbtiihen Bevöllerung nad) ihres Stufenfolnen
mit einander verglichen wird. Sie ift aber and) in ber cbfoluten Zahl
geringer geworben, indem fie um mehr als 45,000 Einw. fe} verminbert
Hat, weil die Zahl dieſer Stäbte feinen Zuwachs erlangt, aber gerade bie
noch am flärkfien bevölterten und über 3600 Einw. ausſchreitaiden zu ben
von J. W. Scrbert. 180
Mittelftänten übergehen. Sie wird ſich auch für bie nächſten Zaͤhlunge ⸗
perioben in biefem Verhältniſſe erhalten und bemgemäß bei bem fo. ftarfen
Sortfcreiten der fläbtifchen Bevölkerung nicht gleichmäßigen Antheil neh⸗
men, fondern mit der länblichen Bevölkerung zu analogen. Erfahrungen
vielfach Anlaß geben.
Zum Schluffe meines Vortrages erfcheint es mir aber im Imtereffe
biefes Vereins noch einige Nefultate diefer ftatiftiiken Berechnungen auf
die befondern Zuftände unferer Provinz Preußen hervorzuheben,
indem ich unmittelbar au meine früheren Mittheilungen aus dem Sahre
1857 anfnüpfe. Das entfchiedene verhältnigmähige Zurädgehen ber länb-
lichen Bevölferung Hinter den Fortfchritten der ftäbtifchen Hatte ich damals“
alfo berecinet:*)
Gef.» Ben. d. Prov. Preuß. Gtädtebem. landl. Be. auf 100 Stadtebew.
1852 2,604,748 551,617 2,053,131 370 Landbew.
1855 2,610,130 566,644 2,043,486 365 m
Und num laſſe ich bie Berechnung für die folgenden brei legten Volls⸗
jählungen folgen in berfelben Weije:
Geſ.Vev. d. Brov. Preuß. Stadtebew. landl. Ber. auf 100 Gtäbtebem.
1868 2,744,600 598,222 2,146,278 359 Landbew.
1861 2,866,866 632,868 2,233,98 363 „
1864 3,014,595 674,580 2,340,015 346 „
unb in Procentfägen an ber Gefammibenöfferung ber Provinz:
1858 für bie ländliche 79,9 pCt., für bie ftäbtiiche 20,, pCt.
Wr on nn Bam
1864 un n„ Tun nn Mn
wobei, wie ſchon angedeutet iſt, ber Regierungsbezirk Gumbinnen wegen
feiner noch überwiegenden ländlichen Bevöllerung mit 88 p&t. (ba fein
eigentlicher Hafenplag Memel, zugleich bie am flärkften bevöfferte Stadt in
dortiger Gegend, aus finanziell-commerziellen Gründen zum Regierungs-
bezirk Qonigsberg gelegt if), das DVerhäftniß der ländlichen Bevölkerung
noch auf 77 pCt. und darüber erhalten Hat, während nach Ausſchluß bes
Regierungsbezirls Gumbinnen die Tänbliche Bevöllerung ber brei Regie⸗
*) Landwirthſchaftl. Jahrbucher für Oftpreußen. 1887. Rov.-Dechr..Heft,
140 Die BablenWerhältuifie ber Tänbfichen zur fläbtiichen Bevbllerung
rungsbezirke Königsberg, Danzig und Marienwerber auch‘ hier noch auf
72 pCct. ber Geſammtbevöllerung geftellt werben müßte.
Die übrigen Verhältniſſe der Ueberlegenheit der großen Gtäbte über
10,000 Einw. mit ihrer Attractionskraft auf die Ländliche Bevöflerung wir,
en auch für biefe Provinz ebenmäßig, wie für ven ganzen Staat, und
rufen mithin and übereinfiimmende Folgen für bie Bedürfnißfrage nach
Tänblichen Arbeitern hervor. Wenn wir biefür bie ftatiftifchen Zahlen aus
ven Tabellen vom 3. December 1864 entnehmen, fo erhalten wir bie
Vollomaſſe ber brei großen Stäbte Königsberg, Danzig und Elbing mit
219,375 Einw. oder 32,5 pCt. ver ftäbtifchen Bevölkerung ber Provinz:
mit Hinzurechnung ber 6 Etädte zwiſchen 20,000 und 10,000 Einw. —
87,704 Einw., gewährt es bie Summe von 307,079 Einw. ober 45,, pCt.;
dazu fommt die Bevöllerung ber 38 Mittelftäste zwifchen 10,000 und
3500 Einw. mit 238,401 Einw. ober 35, pEt.; endlich bleiben für bie
74 Heinen Städte zwifchen 3500 und 1050 Einw. (Rauernid 1050, Garn
fee 1143, Landec 1100) nur 129,500 Einw. ober 19 pCt.
Und doch hat zum Glüd für die Wohlfahrt unferer Provinz und Dant
der Ausdauer und größeren Betriebfamfeit in ber intellectnellen landwirth⸗
ſchaftlichen Cultur, die Onantität ber landwirthſchaftlichen Arbeiten mit jer
dem Sabre in umferer Provinz zugenommen. Es liegt mir ferne, heute
darauf näher einzugehen; ich will nur bemerken: das Schluß-Ergebniß für
die landwirthſchaftliche Benugung des Bodens unferer Provinz lag im ben
Tabellen für 1852 anf 11,308,881 Morgen urbarer Fläche des Aders incl.
Gärten und 2,479,023 Morgen Wiefen, dagegen befigen wir für 1864
12,441,339 Morg. urbarer Fläche des Aders incl, Gärten und 2,739,575 M.
Wieſen.
Alſo haben wir ſeit den zwölf Jahren mindeſtens für ein Zehntel
mehr an urbarer Fläche zur landwirthſchaftlichen Arbeit zu forgen und bazu
den Begehr an verftärkten Arbeitskräften für bie Mittel des Verkehrs aller
Art zu befriebigen, von ben Eifenbahnen und Chauſſeen bis zu den einfachften
Verbindungen zwifchen ben Aderflächen, endlich bie verftärkten Arbeitskräfte
für eine intenfivere Bewirthfchaftung bes urbaren Bodens Herbei zu fchaffen.
Es ſteht daher auch für unfere Provinz ein anbanernder Mangel an Arbeits
träften der Ländlichen Bevölkerung in Ausſicht; im Wechſelverlehr können
von 3. W. Schubert. 141
wohl Schlefien, das Großherzogthum Poſen und bie öftlichen Kreife von
Pommern bisweilen Aushülfe gewähren, aber man rechne hiebei anf fein
Rachbarland, welches eine noch weit dünnere Bevöllerung als bie unfrige
befigt und ſich erft in ben Anfängen einer höheren intellectuellen landwirth⸗
ſchaftlichen Cultur und ihrer Ausgleihung mit der ſtädtiſchen Induſtrie be⸗
wegt. Denn bier müſſen ſich Häufig biefelben Bedürfniſſe aus gleichen
Gründen wie bet uns gleichzeitig einftellen, miüffen ebenfo immer gleich
zeitig fortgepflanzt werben, unb könuen baher nur zu rivaliſirenden Gegen»
fügen fich gegenfeitig entwideln,
Zun Rettung Schiffbrüchiger.
Rede, gehalten am 26. Januar 1866 bei Gelegenheit der Gründung des
Vereins zur Rettung Schiffbrächiger in Königsberg i. Pr.
von
Dr. Burow jun.
Meine.Herren! Sie find hente unferem Aufrufe Folge Teiftend
hier zuſammengekommen, um am biefigen Orte einen Verein zur Rettung
Schiffbrüchiger zu bilden.
Da num aber vielleicht Manche von Ihnen durch ihren Beruf und
Ueberhäufung mit Gejchäften baran verhindert fein mögen, bie meiftene
in einzelnen Zeitungs und Journalartikeln zerftreuten Nachrichten über bie
Entwidelung und Fortfchritte des Neitungsweiens in nenerer Zeit zu ver»
folgen, fo ſcheint es zwedmäßig, Ihnen über biefen Gegenftand einen kur ⸗
zen Ueberblick zu geben.
Erlauben Eie, m. H., daß ih um am fchnellften und überfichtlichften
zu verfahren, mein Thema in brei Abfchnitte theile, indem ich einmal
Ihnen eine kurze Geſchichte des Rettungsweſens gebe, zweitens das Noth-
wenbigfte ans ber Stranbungsftatiftif anführe und brittens Sie mit ben
Vervolllommnungen ber Apparate zur Rettung befannt made. —
Meine Herren! Die Zeiten, in denen der Seeman, wenn er in ſchwe⸗
rem Sturm fein trenes Schiff dem Wogenfchwall weichen fah, mehr noch
als die entfefielte Wuth der Elemente die Hinterlift und Barbaret ber
Strandbewohner fürchten mußte, — bie Zeiten, in denen eben bieje Küften-
bewohner Echiffe, welche bereits ber furchtbar brandenben Küfte nahe wa⸗
ren, durch Aufſtecken faljcher Lichter in’s fichere Verberben lodten, — bie
Zeiten, in benen bie Pfarrer der Küſtengemeinden von ber Kanzel herab
Zur Rettung Schiffbräciger von Dr. Burom jun. 143
um einen gefegneten Strand bitten mußten: biefe Zeiten find, Gott fei
Dant, vorüber.
Ein wohlthätiger Umfchlag ift erfolgt: denn heutzutage opfern todes⸗
muthig die Anwohner bes Strandes bei Unglüdsfällen ihr Leben zur Ret⸗
tung ihrer gefährbeten Mitmenfchen, und achten der Gefahren nicht, welchen
fie ſich ſelbſt ausfegen, wenn fie nur bie geftrandeten Seeleute dem naſſen
Grabe entreißen. Alle Geſellſchaften, welche durch Sammlungen von Bei
trägen um Anfftellung von zwedmäßigen Apparaten an gefährlichen Punk
ten der Küfte zur Rettung Schifjbrüchiger mitzuwirken gefucht, haben daher
fets und vor Allem den Eifer der Strandbewohner durch Anerfennungs-
geichen und Gelobelchnungen nach gefchehenen Rettungsthaten anzufachen
and zu unterhalten gefucht, da ja eben bie Fiſcher die eigentlichen ansfühe
tenden Organe bei ben Nettungen find. —
Wenn nun auch zu allen Zeiten einzelne muthvolle Männer fich bei
Etrandungen ausgezeichnet haben, fo war es body um das Ende bes vori⸗
gen und Anfang biefes Jahrhunderts, daß in biefer Beziehung etwas
emergifcher vorgegangen wurde unb mit der größeren Zahl ber Strandun⸗
gen und öfteren Nettungen zugleich Verbeſſerungen ber Nettungsapparate
Hand in Hand gingen.
England war e8, das durch feine infulare Lage und feinen ſchnell
anwachſenden Welthandel gebrängt, allen anderen Ländern mit glänzenbem
Beifpiel voranging und wunderbarer Weile war ein Wagenbauer in Lon⸗
don, Mr. Lukin im Yahre 1785 ber erfte Erbauer eines Rettungsboo⸗
tes, welches er durch fpäter zu beichreibende Einrichtungen „unfinkbar”
gemacht Hatte,
Mit BVerbefferung der Boote und Erfindung neuer Apparate wuchs
ihnell das Intereſſe für die gute Sache und fpeciell auf Beranlafjung eines
Mannes, deſſen Name in der Gefchichte der Humanitätsanftalten unfterblich
fin müßte, Mr. Hillary (von ber Infel Man im FJriſchen Kanal) wurbe
| London 1824 bie „Royal National life-boat Institntion“ (Rönigl,
Rational Rettungsboot ⸗Geſellſchaft) gegründet,
Diefe Geſellſchaft, welche von Anfang an nur auf Privatunterflägun-
gen angerwiefen und von ber Regierung völlig unabhängig war, hat bis
um heutigen Tage mit immer wachfender Ausbehnung und nicht erlalten-
144 Zur Rettung Schiffbrachiger
dem Eifer ihre ſegensreichen Zwece verfolgt, und allen anderen Ländern
einen Impuls gegeben, auf biefem glorreichen Wege ihr zu folgen.
Bon iprer Entwidelung erhält man einen Begriff, wenn man bebeutt,
daß nad) zehnjährigem Beſtehen fie bereits 35 Boote an ver Engliſchen
Küfte ſtationirt hatte, im Jahre 1860 aber ſchon 90 Boote, und 1864:
144 Boot6- und 239 Mörfer- (und Rafeten-ftationen, Es find in biefer
Zeit buch ihre Apparate aus dringender Lebensgefahr burchfchnittlich im
Yahr 350 Menfchen gereitet worden, im Ganzen feit ihrer Gründung,
alfo in 41 Jahren 14,266 Menſchenleben, eine Zahl, welche uns wahr
hafte Achtung vor dem Wirken biefes Vereins einflößen mußl
Seine Einnahmen Haben fi ftetig gefteigert, jo baß ihm 1868:
140,000 Thlx., im folgenden Yahre über 200,000 Thlr. zugefloffen find.
Es werben im Yahresbericht Gaben bis zur Höhe von 25000 angeführt.
Die Geſellſchaft Hat feit ihrem Beftehen für befonders heroiſche Tha⸗
ten bei Rettungen 82 golbene und 745 filberne Medaillen und 2 19,800
Prämien ausgetheilt.“) — Diefem Beifpiele konnten fi) bie übrigen
Staaten nicht verfcjliegen. In Dänemark traten Privatleute zufammen
und gründeten 1847 einen Rettungsverein, inbefien betheiligte ſich hier ber
Staat lebhaft, und gegenwärtig befigt diefes Heine Land 23 Boots: und
12 Noletenftationen, welche oft genug bei ber gefährlichen Schiffahrt im
Sund, Kattegat und Skagerrad in Tätigkeit kommen.
Mm Preußen (ag bis Ende vorigen Jahres das gefammte Rettunge
weien in Händen ber Regierung. Es waren bereits 1803 in Englard
Nettungsboote nach den bamala beften Muftern für die Häfen Memel,
Pillau⸗⸗) und Siwinemünbe angefofft worden, welche z. Th. noch Heute
tm Dienft find. Diefe Boote find aber nur in ben Häfen und beren
allernächfter Nähe ftationirt, und werben bei etwaigen Strandungen von
. ben Geelootjen geführt. Es find alſo viele gefährliche Punkte, welche fich
zwiſchen den an ber preußiſchen Küſte fehr weit getrennt liegenden Häfen
befinden, gänzlich ohne Nettungsmittel und bie Befagungen von Echiffen,
*) Diefe Nachrichten find den 1865 erfchlenenen Annual Report of the Comitteo
for 1864, London 14 John Street, Adelphi entnommen.
*") Diefes Boot, welches fein felbftaufrichtendes ift, kenterte am 11. Auguft 1818
und es ertrant dabei der Lootſenkommandeur Steenle mit 16 Mann Bejagung.
von Dr. Burom jun. 145
welche Hier auflaufen, find in der allerbringenbften Gefahr. Preußen befigt
gegenwärtig 12 Boots und 9 Mörferftationen; aber ein Blick auf bie
Rarte lehrt, wie wenig biefe Zahl genügen’ Tann,
Pillau hat 4 Boote und 1 Mörfer, Memel 3 Boote und 2 Mörfer, und
hei Bobenwinfel (in der Nähe von Kahlberg) ift ein Mörfer flationirt. —
Es würte zu weit führen über, die Rettungsanftalten, in Holland,
Echweden und Norwegen, Frankreich (wo für das Wettungsweien bis
jegt wenig geleiftet ift) und Rußland zu ſprechen. Ee genlige, daß auch in
diefen Kändern- meiftns von Regierungswegen und in nicht auereiienben
Mofe geforgt wird.
Im Deutſchland conftituirte fih 1860 ber oſtfrieſiſche Berein mit
feinem Hauptfig in Emben. Er tft Privatverein, bildete ſich ziemlich nach
kngliſchem Muſter nnd befigt 8 Boots und 1 Mörferftation, vorzüglich
af den Imfeln. längs der Weftküfte von Schleswig-Holftein in ber. Nord⸗
ke; 1861 folgte Hamburg und ftationirte 2 Boote auf Duhnen und
Snghafen, nnd 1863 Bremen mit den Stationen Bremerhafen. und, Wan
geroge. Der größte Schritt aber für unfer gefommtes Vaterland geſchah,
ale am 29. Mai 1865 in Kiel die deutſche Gefellfgaft zur Ret⸗
tung Schiffbrüdiger gegründet wurbe, Es traten als Gtamm- bie
ledtgenannten 3 Vereine ber nenen- Gefellfchaft bei und übermachten der⸗
felben ihr bisheriges Gtationsinventar, fo daß bereits Eube 1866:.16 Boote
and einige Projektile biefer Gefellfchaft angehörten, von denen viele ſcheu
mit beftem Grfolg in Thätigleit geweſen find.)
ALS Zweigvereine traten fofort bei: Lübed, Roflod, Hafum, Sie,
Öremen, Heibe und kurze Zeit nach ber Eonftituirung Danzig und Stettin,
' mb von vielen Vereinen fteht ber Beitritt in nächſter Zeit, bevor. Der
allgemeine Verein hat feinen Ei in Bremen, und werben buch alljähre
liche Verſammlungen ber Delegirien in vorher beftimmten Stäbten bie
Geſchafte abgemacht. Der Verein bezieht bie Einkünfte ber Vezirkönereine
und richtet ihnen bafür bie Stationen ein. —
ie, meine Herren, werben heute darüber abzuftimmen Habe, ob,
*) So rettete noch in dieſen Tagen das Boot der Gtation duin 15 Pam von
m am.4. Februar geiftandeten. Huller. Tampfer. Excelsior... .. , .
Apı. Ronatefgriit Da. LI. Hit 2. 10°
146 Sur Rettung Schifbruchiger
voransgefegt, daß bei und eim Verein zu Stande kommt, biefer felbfiftän
dig, ober als Bezirksverein des allgemeinen deutſchen Vereins ins Reben
treten fol. — .
Um mun aber einen rechten Begriff von ber Wirkſamleit und Noti
wenbigleit biefer Rettungsanftalten zu befommen, muß man einen kurzen
Bit in die Strandungsfinfifiiken der verſchiedenen Länder werfen. Um
mit England wieder zu beginnen, fo finben nach einer Durchfchnittorech-
mung an den Küften von England, Irland und Schottland jährlich 1660
Gtrandungen ftatt, bei benen trog ber unzähligen Fiſcher⸗ und Lootſen⸗
tutter, welche bie Küfte umfchwärmen, über 600 Menfchen ertrinfen.
Gerettet wurben 1864 durch Apparate und Boote des Vereins
482 Menſchen, buch Bifcher 266, im Ganzen 698.
Die Engliſche Statiftil iſt eine ausgezeichnete, die weſentlich durch bie
Geſellſchaft umb deren Organe unterftügt wirb, beſonders durch Herausgabe
von guten Wracktarten. Die Gtranbungen find nach Ort, Zahl der Ger
setteten und fogar nach Grund bes Unglüdsfalls verzeichnet.
Wie nöthig es aber ift die ganze Küfte mögfichft dicht mit Rettsngs-
fattonen zu befegen, hat ein tranriges Greigniß am Schluß vorigen Ya
se6 wieder recht bemtfich bewieſen, wo in einer Nacht in ber Bucht von
Torbay (in der Nähe von Teigumouth im Canal) mehr als 40 Schiffe
wm Grunde gingen (worunter auch ein Königsberger Schiff), und nahe an
170 Menſchen umlamen,
Wäre an biefer Stelle ein Rettungsboot ſtationirt geweſen, fo Hätten
viele Menſchenleben gerettet werben Lönnen.
Dänemark forgt ebenfalls für eine gute Statifiil. Hiernach brach⸗
ten wie lehten 7 Jahre 865 Schiffbrüche, alfo durchſchnittlich pro Jahr 122.
€ würden aber in dem legten 12 Jahren durch Raketenapparate uud
Nettungeboote 1255 Menſchen, und eine ebenſolche Zahl durch Fiſcher in
ben letzten 6 Jahren gerettet. Unter ben durch bie Bereinsboote Geret ⸗
teten befanden fi allein 186 Preußiſche Geelente,
Im Jahre 1863 find nur 39 Perfonen bei Gtranbungen ertrunfen,
dagegen 180 gerettet, wie wir fehen, ein fehr gutes Verhaltuiß.
Unfer Preußen fieht in Bezug auf Strandungeſtatiſtik völlig zuräd.
Die Regierung, für welche es ein leichtes wäre genaue Gtatifiklen aufer⸗
von Dr. Burow fun. 141
fgen zu Taffen, Hat fi ganz pafjiv verhalten. Es ift dies aber um fo
kevauerlicher, als nur zuverläffige Statiftilen es möglich machen, bei Er⸗
rihtung nener Stationen bie geeigneten Punkte zu treffen. Auf Veranlafs
fung des Stettiner Rettungsvereins iſt von Herrn Miesfe eine Wradfärte
ber Breußifchen Küfte für die Jahre 1867 —64 zufammengeftellt; inbeffen
ſheint nicht nur der Zeitraum ein zu kurz gegriffener, fonbern es fehlen
and) gerabe biejenigen genaueren Details, auf welche es hauptſächlich ar»
tommt, fo beſonders die Vertheilung der Stranbungen auf bie. einzelnen
Kiflenpninkte,
Nach diefer Zufammenftellung find in den legten 8 Jahren 384 Schiffe
weloren. Davon find 105 gejunfen und verſchollen und 281 geftrandet
ud zwar bie geringite Zahl 1867, nämlich 22, die höchſte aber 1864,
umfich 49, alſo durchſchnittlich pro Jahr 35.
Leider ift es aber für den PBrivatmann ſehr ſchwer, wo nicht unmög«
fh, genane Angaben über geſchehene Strandungen zu erhalten, wenn man
anf längere Zeit zurüdgehen will und fo babe ich für unfere oftpreußifche
Kfte nicht bie gewünſchten Zahlen erlangen können.
Denn während Herr Mieske für die Pillauer Küftenftrede bie zweit,
höoͤchſte Stranbungsziffer, nämlich 86 (in 8 Jahren) anführt, fo Tonnte,
ih nur von 21 Strandungen bie Zahl der Geretteten und Ertrunfenen er»
halten. Es find diefe Schiffsunfälle auf der Strede von Brüfterort bie
dolsti (friſche Nehrung) erfolgt, und es find 7 Mann und einmal bie
janze Befagung, alfo ungefähr 5 Mann, im ganzen 12 Mann ertrunfen.
& iſt noch genauen Feſtſtellungen vorbehalten, bie zur Errichtung von
Stationen paffendften Punkte zu erwählen, indeſſen bürften von vornherein
Polski und Krartepellen, letzteres an ber Weftküfte von Samland, eine
Neile ſüdlich von Vrüfterort, als bie geeigneiften Stellen zu bezeichnen
kin. Daß überhaupt für Oftpreußen das Bebürfniß vorliegt, Rettunge
Aationen einzurichten, geht ſchon daraus hervor, daß auf ber ganzen lan-
gen Küfte non Nenfahrwafler bis Memel nur bie einzige Station Pillen
firt (mit Ausnahme von Bodenmwintel, weftlih von Kahlberg, und von
Egwarzort bei Memel, wo je ein Mörfer flationirt find). —
Benn wir nun auf den britten Punkt, nämlich die Beſprechung der⸗
iigen Vorrichtungen übergehen, welche man als bie zweckmäßigſten dur
10°
148 . Bu Rettung Shiffortähfger
Nettung bei Stranbungen conftruirt Hat, fo haben wir hier zweierlei an
zufüßren, nämlich 1. die Wettungsboste und 2, bie Projektil-Apparate.
Als in England Ende vorigen Jahrhunderts die Rettungen ſich mehr-
ten, ſah man. balb ein, daß es meift nicht möglich fei, mit gewöhnlichen
Booten in ſchwerer Branbung gegen bie durch den brauſenden Sturm auf
gepeitfchten Wogen abzulommen, gefchweige denn von feftfigenben Wrads
Schiffbrüchige zu retten.
Als erſtes Bedürfniß für die Sicherheit ber Rettenden ſelbſt ſtellte
es fich heraus, die Boote fo zu conftruiren, daß fie nicht ſinken konn
ten, wie ſchon gefagt 1785 durch Sufin in London. Lufin. erreichte dieſe
Verbeſſerung, indem er ben Booten durch zwedmäßig innen angebrachte
Enftbehälter, und zwar Iuftbicht verläthete Tupferne Kaften, einen Ueberſchuß
von Schwimmfraft (buoyancy) mittheilte, ganı ebenfo wie ein Menſch fih
dadurch über dem Wafler erhält, daß ex fich Luftblaſen unterbinbet.
Die nach diefem Prinzip gebauten Boote galten lange Zeit ale bie
vorzäglichften und noch heute find alle fogenannten Nettungsboote (life
boats) der Auswanderer · und Dampfichiffe Boote biefer Art.
Die Rettungsboote find ſtets Ruderboote,“) mit 5 bis 16 Auberem
befegt. Sie find Hinten und vorne fpig, damit fie gleich gut vor⸗ wie
rüdwärts gehen Tünnen, und werben aus bemfelben Grunde gewöhnlich
nicht mit einem Stener, fondern mit einem Ruder geftenert. Sie find fehr
fefte Boote von 24 bis 30 Fuß Länge, ein Viertel davon als Breite, tra⸗
gen 8 bis 18 Mann Befagung und müffen außerdem noch 10 bis 20 Paſſa⸗
giere fafjen können, und fo jhwimmfähig fein, daß fie biefe ganze Befagung
noch zu tragen vermögen, felbft wenn fie bis an ben Rand voll Waſſer
geſchlagen find.
Diefe Boote ſanken nun zwar nicht, inbeffen waren fie body, wenn.
eine Welle darüber branbete und fie mit Waffer füllte, unbrauchbar, und
die Manuſchaft mußte Gott banken, wenn fie wieder bas Ufer erreichte.
Mit Ausnahme der großen 40 bis 46 Fuß langen Boote der Stationen an
der Sufjoll Kaſte (England, nörblih von der Themfe-Mänbung), melde von den weit
— ——
von Dr. Vurew jun. 149
Deshalb gab man ihnen eine ſolche Bauart, daß fie das Hineinge
ſchlagene Waffer von felbft wieder entleerten.
Man erreichte diefes, was auf den erften Blick kaum ausführbar er
Meint, ebenfalls anf einfache Weife. Denken Gie ſich, m. H., ein gewöhn-
fihes Sieb, welches ich mit den Händen ins Wafler tauche, fo wirb bas
Rivean bes Waſſers innen und außen gleich fliehen. Hebe ich num mit
einem gewiſſen Aufwand meiner Kraft bas Sieb aus dem Waſſer in bie
Höhe, fo wird das Waſſer ablaufen. In ben Booten wurden num 11/, Fuß
über dem Kiel ein doppelter Boden, geiwiffermaßen ein niebriges Ded,
maflerbicht angebracht, und burch dieſes Ded und ben äußeren Boden bes
dehrzeuges oben und unten offene metallene Abzugsröhren befefligt, 6 bis
12 an der Zahl, von 4 bis 6 Zoll Durchmeſſer. Wenn mm das Boot
fine entiprechende Schwimmkraft hat, und das Ded genügend hoch ange
kracht ift, fo wird das Waſſer außerhalb des Boots und in den Röhren
1ad) dem Geſetz der communicirenden Röhren gleich hoch ſtehen. Es wirb,
wenn eine geringe Onantität Wafler Hineinfprigt, diefes durch die Abznge-
Ianäle nach unten abfließen. Wenn aber ver Fall eintritt, daß eine Welle
das Innere bes Boots ganz vollichlägt, fo wird jetzt mein Vergleich mit
dem Sieb paſſen. Denn jett hebt die überſchüſſige Schwimmkraft das
Boot, wie vorhin meine Hand das Sieb, in bie Höhe, und bas Waſſer
muß der Schwere folgend abfließen, bis das Gleichgewicht hergeſtellt iſt
ab das Wafler in den Abzugsfanälen und ber freien Meeresoberfläche
gleich hoch ſteht. Es ift ſelbſtverſtändlich, daß es weſentlich auf genügenbe
Zahl und Weite der Röhren ankommt, damit bie Selbſtentleerung ſchnell
geaug erfolge. Man ift meiftens zufrieden, wenn in 30 bis 50 Sehmben
36 Waffer abgeflofien ift. Etwas Waffer wird natürlich Hierbei, wie in
jeem Boot zurüdhleiben, welches durch ſchwere Brandung arbeitet.=)
Ein gutes Nettungsboot muß ferner eine fehr große feitlihe Sta
bilität Haben, es muß nicht rank fein, damit es nicht leicht Waſſer fhöpfe
eder umfchlage. Zu biefem Zwede find bie Boote fehr breit gebaut und
) Es fei noch ermähnt, daß die engliſchen Rettungsboote nahe unter ber oberen
Oeftnung in den Röhren Bentillappen haben, melde fo equilibrirt find, daß fie nach
"ben feft fließen, während ein leifer Drud von oben, alfo auch etwas heraufftrömendeg
Bafer, fie Difnet und fo freien Abfluß gewahri.
150 Sur Bettung Sätfrligr
haben einen guten Ballaſt, womöglich in Form eines 3 Bis, 10. Gentner
ſchweren eifernen Kieles. Auch hat man fie außen mit einen KRorkgüptel
bekleidet und innen auf beiden Seiten Luftlaften angebracht, in ber bop
pelten Abficht, einmal bie Seitenftabilität zu vermehren, und. zweitens ben
etwa eingeichlagenen Waffer weniger Raum zu gewähren und eg auch bei
heftigen Bewegungen bes Bootes daran zu verhinbern, nad) ben Geiten
u ſchlagen und fo durch fein Gewicht das Fahrzeug noch mehr nieberzw
Um im Falle eines Leces nicht die Schwimmkraft des Bootes durch
dem Ballaſt zu ſehr in Anſpruch zu nehmen, hat man auch Waſſerballaſt
ijnd Ballaſt in Form von Holzklögen angewandt, Trog aller biefer guten
Eigenſchaften Tann ein Boot doch in ber Brandung umſchlagen und bie
Mannſchaft wäre dann verloren. Deshalb fann man auf Abhülfe, und
1851, confiruirte Beechiug, ein Bootsbauer in Great Yarmouth da
erſte ſich ſelbſtrichtende (selfrighting) Rettungsboot. Er gab bem
Boote ein Equilibrium, ähnlich dem bekannten Linderſpielzeug, welches auf
ben Kopf geſtellt, doch fich ftets ſchnell wieder auf bie Füße dreht.
Um ben Schwerpunkt möglichft tief unter ben Drehpunkt bes Bootes
3 legen, baute er dieſes fo, baf ber obere Borbrand fehr flarf nach vorne
ynd Hinten auf Tief (Eprung hatte), während zugleich an biefen Enden
große Luftfaften angebracht waren, unb ber ſtarke eiſerne Kiel den Schwer
punkt mögliäft tief vrüdte. Wenn alfo ein ſolches Boot durch eine ftarte
Welle völlig umgebreht wird, fo daß es Fieloberit ſchwimmt, fo rupt es
gewiſſermaßen außerhalb bes Waſſers auf den beiden Endlufikaſten, wäh
rend ber. Schwerpunkt über ben Drehpunft zu Liegen kommt. Die Folge
iſt alfo, baf bei ber geringften Geitwärtsneigung durch bie bewegte Ger
das Fahrzeng dem Beftreben nachgeben muß, ſich aufzurichten, fo daß ber
Kiel fi wieber nad) unten breht. Verſinken kann das Boot aber nicht
der Luftlaſten wegen, und es tritt alfo jegt bie Eigenſchaft bes Selbſtent⸗
Igerens ein, und das von felbft aufgerichtete Boot. wird fchnell fein Waſſer
nach unten ausſtrömen laſſen und wieder maneuvrirfähig fein.)
) Daß folde Dedultionen nicht theoretijch auägeflügelt, fondern vielfad; prakiiſch
bewährt find, beweifen mande Säle. Go 3. B. bie im Life-boat Journal vom 1. Jar
von Dr. Buron jun. 154
Die (Mishüdäen Ceforbernifle eines guten Rettungebootes ind: Der
iäwinbigfeit, denn ein ſchnelles Boot wird mande Welle durchſchnei-
den unb mancher Gefahr ausweichen, weldyer ein Iangfames Fahrzeng nicht
gehen Tönnie; ferner Stärke und Feſtigkeit bes Baues, bamit es
ohae (ed zu werben bie unvermeiblichen Gtöße beim Anlegen an ein rad
ad beim Anlaufen des Strandes ertragen Tann, und endlich müſſen außen
am Boot Sturmleinen befeftigt fein. Man verſteht hierunter ein fin
gedides Tan, welches in loſen Bogen in Zoifcensäumen von ca. 2 Fuß
unfen rund herum befeftigt ift, damit bie Manuſchaſt bei etwaigem Um⸗
Klagen des Bootes im Waſſer ſich feſthalten kann. —
Das hier geſchilderte Boot iſt das aus Eichenholz angefertigte ber
cugliſchen Rettungegeſellſchaft und wird nach dem Exbauer Peale-Boot
gemaunt. Es iſt für die engliſchen Küfen, welche meiſt felfig find, aber
Uerall in den allerfürzeften Diftanzen Häfen barbieten, in benen das Boot
für gewöhnfich Liegen kann, und ans welchen es dann bei Sturm ausläuft,
das aßlerzwedimäßigfte. Da es aber fehr ſchwer it und über 5000 Bfunb
wiegt, fo iſt es an fanbigem Strand, wie bie hollandiſche, bäntiche und
anfere Küfte ihm barbieten, laum verwenbbar, weil hier bie Boote, anf
soßen Narren ftehend, oft weit bis zur Strandungeſtelle transportirt wer»
den mäffen. Mau hat deshalb in letzter Zeit bie nach dem Patent bes
Amerilaner Francis gebauten Boote verſucht. Diele Boote, welche ge
gemwärtig für Deutſchland bie Fabrik von Mac Donald & Co. in Hau⸗
burg Refert, werben aus galvanifirtem (verzinktem) nud cannelirtem (wel
Ienförmig gepreßtem) bünnen (11/3 bis 21/4 Pfund pro Ouabratfuß fwerem)
kiſenblech hergeſtellt. Sie haben vor ben hölzernen Booten vor Allem ben
Berzug größerer Leichtigleit, denn fie wiegen nur etwas mehr als bie
dalſte der Iepteren; außerdem aber find fie ſehr dauerhaft unb nicht den
Bitterungseinfläfien ansgefeht.
Die urfpränglichen Brancis-Boote waren gewöhnliche Boote mit Luft
laſten; thuen ging alſo die Eigenfchaft bes Selbſtaufrichtens und Gelbft-
mar 1866, Vol. VI. No. 59, pag. 2. mitgetheille Rettungafahrt, wo am 20. Det.
‚Rettungsbont (
183 Kar Rettung Gäiffbrädtger
entleerens ab. Auf Vorſchlag bes Danziger Rettungsbereins hat man
neuerbings eine Combination bes Peale⸗ und Francie-Chftems verfuät
und ba6 erſte danach gebaute Boot „Dahelm”, gegenwärtig in Leba far
töntet, Hat fich bei einer im Eeptember 1865 in Hamburg angefteliten
Probe fehr hut bewährt — es fehlte ihm mur leider bie Eigenſchaft bes
Selbſtrichtens; bafllr iſt es aber aufs Aeußerſte fteif und wiegt nur 25 Eir.
Memel Hat bereits ein ebenfolches Boot beftellt und anbere Stationen
werben ebenfalls das combinirte Syſtem aboptiren. —
Die Rettungsboote werben in ber Art aufbewahrt, ba fie, wo ein
Hafen den Stationsort bildet, völlig ausgerüftet unter einem Schuppen auf
eitier nach dem Wafler zugeneigten Ebene ruhen, von welcher fie im Au
genblide des Gebrauchs mit ihrer vollen Mannſchaft ins Waſſer gelafien
werben. Befindet fi die Station aber am Strande, ferne don einem
Hafen, fo ruht das Boot aufs) einem eigens bazu confiruirten Hocdräd
tigen Karren, aber ebenfalls unter einem Schuppen. Soli das Boot
in See, fo wird ber Karren rückwärts ins Wafler gefchoben, und bie Mann»
oft, welche fertig zum Rudern im Boot figt, muß im Augenblid des
Blottwerbens bas Boot durch die Brandung zw zwängen fuchen. Es ger
hört alfo zu einer Station ber Schuppen, ber Karren unb das Boot nebft
Zubehör, was zuſammen auf ca. 1600 bis 2000 Thlr. veranfchlagt wird.
Die Bemannung wird von Fiſchern und Geeleuten gebildet, welde pro
Fahrt bezahlt werben, während nur ber Bootsfährer in jährlicher Beſol⸗
dung fteht, welcher fowohl die Führung bes Bontes, als auch bie Berichte
an ben Vorſtand zu veranlaffen hat. Zu erwähnen wäre noch, baß fein
Mann an Bord eines Rettungsbootes gehen barf, ohne mit einem Ret⸗
tungögärtel befeivet zu fein. Es find biefes aus feftem Segeltuch mit
bezwiſchen genähten Korlſtüden verfertigte Gürtel, welche auf Art einer
Weſte Bruſt und Rüden umſchließen und jeden bes Schwimmens unfun-
bigen Menſchen zu tragen im Stande find,
* In Pilau liegt das Boot nicht auf dem Wagen, fondern hängt am zwei
Ketten unter der Achſe, von welcher es beim Flottwerden fchnell losgelaſſen wird, eine
jedenfalls unzmwechmäßigere Vorrichtung. ©. Zeitichrift f. Baumefen von Grblam. Jahre
gang IX. Berlin 1859, pag. 411418. Beihreibung der Rettungsapparate in Pillau
von H. Schulde. ö
von Dr. Burow jün. 183
» Bir unfere oſtpreußiſche Küſte (friſche und kuriſche Nehrung und ſam ⸗
lindiſchen Strand) eignen ſich die Peale⸗Boote nicht ſonderlich, weil fie
m Transport Tängft ber Küſte zu ſchwer find. Es fcheinen vielmehr bie
mobificirten Francis Boote die ‚geeignetften, wenngleich es fehr zu wün⸗
fen wäre, daß ihre Eonftruction noch fo weit vervolllommnet werbem
Könnte, daß fie auch ſelbſtrichtend würden.
Es bleibt nun noch übrig bie Irojektil-Apparate zu beiprechen. Es
Gent ſehr nahe, daß wenn ein Schiff mit nach bem Lande wehendem Sturm.
firanbet, es leichter möglich ift mit bem Winde, vermittelft geworfener ober
ſchwimmender Gegenftände vom Schiffe aus eine Verbindung nad bem
Sande Herzuftellen, als im umgekehrter Richtung. Indeſſen tft meift bie
Mannschaft des Wrades burch überbrechende Eturzfeen bald erfchöpft ober
das Schiff leidet dermaßen, daß bie Lente aufer Stande find, zu ihter
Rettung etwas ſelbſt zu thun. Es fam deshalb im Jahre 1808 Capitän
Mandy in NYarmouth auf bie Ihee, vermittelft einer Kugel eine Leine
über ein geſtrandetes Schiff vom Lande ans zu ſchießen, um auf biefe Art
ine Communilation zu vermitteln und erfand fo ben Rettungsmörfer.
Eeine Idee Konnte er noch im felben Jahre als höchſt brauchbar bemeifen
amd feitbem iſt der Mörfer in eben dem Maße in Gebrauch gelommen,
wie das Rettungsboot, fo daß, wie oben gefagt, England bereits 239 Pros
jeltil Apparate ftattonirt hat, während Preußen deren 9 befitt,
Dieſe Mörfer-Apparate haben aber einige Nachtheile, denn fie find
ſchwer transportabel, die Leine veißt leicht am ihrer Befeftigungeftelle an
ber Kugel in Folge ber ſtarken Anfangsgeſchwindigkeit und bie Kugel bat
feine fehr große Flugkraft. Ein Mörfer der deutſchen Station Sylt von
0 Zoll Caliber warf feine Kugel bei 24 Loth Pulverladung 300 bis
400 Schritt weit, während ber Mörfer in Pillau bet 6 Zoff Caliber und
22 Loth Pulver 250 Schritte trug. Um biefen Webelftänden abzuheffen,
lam 1826 Mr. Denett in Newport (Isle of Wight) auf den Gebanten, '
bie Leine vermittelft Raketen herüber zu fihießen, wobei man nod ben’
Bortheil Hat, daß bei Nacht die Rakete burch ihren Schein das Wrad ber
leuchtet. Es ift natürlih, daß Hierzu nur ſehr große Rafeten, meift breis
Ffüntige benugt werben lönnen; biefe follen dann aber u 600 bis 700:
Egritt weit tragen,
154 dur Wetiug Schiffbrüdiger
Wenn ein Sqhiff nahe ber Lufte geſtraudet if und bes Miörfer« ober
Rabeten / Apparat angewandt werben foll, fo verfndst man mittelſt beffelben
eine dünne: Leine, welche an ber Kugel reſp. Raletenftod befeftigt, nub zur
Seite des Apparate berart aufgeringelt ift, daß beim fehnellen Abrollen fie
fich nicht veriwideln Kaum, über bie Maften des Schiffes zu ſchießen. M
das gelungen, fo wird an biefer bilunen Leine ein dickeres Tan nachgeze ⸗
gen. Diefes kaun nun dazu benugt werben an ihm ein Rettungsboot
xim Wrack zu ziehen ober aber es wirb biefes bide Tau möglichft ſtraff
gefpammt, damit ber tiefer hängende mittlere Theil nicht in die Brandung
weicht, und daſſelbe dann als Leitfeil benutzt für eine Art von Korb ober
Rettungsboje, in welche je eine Perfon ber zu rettenden Manuſchaft ein
feigt, um vermittelft eines einfachen Zug ⸗Apparats nach dem Lande gezo ⸗
gen zu werben, bis auf dieſe Art alle geborgen find.«)
Es if felbfiverftänblich, baf an vielen Küften ſolche Brojektilapparate viel
apedinäßiger find, als Boote, während fie Doch auch zugleich billiger find; ein
zelne Parthien des famlänbifchen Strandes, wo bie Schiffe meift in allernäd-
Per Nähe des Uferberges feftlommen, eignen ſich beſonders für Wurfapparate. |
Sqließlich fet es mir erlaubt, kurz bie fogen. Rettungs · Auker m |
erwähnen, Es. find, dieſes anferaztige Apparate, melde, völlig zufammen
auffappen find. und, han wie ein Holen in einen Mörier geladen wer
ben Yönnen, jm baum. qus demlelhen fo weit ale möglich über bie. Bram
hung in bie Gen geſchoſſen zu. werben. Der Anler Hanyk im. Binge; aus
einander, hahrt. ſich im. Grunde feft und an der witgeriſſeuen Seine Tann.
unten Umftänben, ein. Wettungshont ſich gut üher die Braubung holen. —
Meine. Hexren! Sie Alle Haben oft, meun ir kunkler Winternacht ber
Eher, mit Dagel aber Schnee einhprbrange, gedacht, Gon (hfitg. die lin
gladlichen opf der Seel Teig meine, Hacren, iſt der Augenblick gelorza
men, dieſen Ghebanlen zur That werhen, zu fafjes. Gründen Eie, Hier
einen Verein zur Fettung Sipiffkrüniger, bamik fp. weit. «5 in. menſchlicher
Sraft liegt, hei Strandungen. an unlenen Kuſſe has; aelühhete Lehan ber.
Seelente gezeiteh werden möge —
*) 6. die Abbildungen und Befhreibungen in Wagner's „Rautifche Blätter"
3008, Danzig, Up Wertling, ein- Bud), welches Allen beingend empfohlen werdes mu,
weidhe ſich für das Gees und Rettungärelen intereffizen.
use Dr. Burew jun. 155
Rachſchrift. Nachträglich fei eb use gefkattet mitzutheilen, daß am
%. Yanmar c. in einer zahlreich Iefudten Verſammlung ber Rettunge-
verein fi) conftituirt Hat. Die Betheiligung, welche das Unternehmen findet,
iM erfreulich, denn Eube Zebruar waren bereis 187 Mitglieder eingezeich⸗
net, welche 1592 Te. einmalige und 403 Thlr. jährliche Beiträge garan⸗
tirt hatten. Hierzu fommen noch ca. 400 Thlr. welche ber Biefige Blotten-
wereim ber Geſellſchaft übergiebt. Die Provinz Hat fi) babei bis jegt noch
gar nicht betheiligt, inbeffen fteht bei dem bewäßrten Wohlthätigkeitsfinne
ber ofiprenßifchen Provinz eine rege Theilnahme zu erwarten. Der Kir
nigeberger Verein Hat ſich als Bezirksoverein des allgemeinen deutſchen
Vereins conftituirt und iſt vom legterem bereits bie Einrichtung von zwei
Stationen an unferer Küfte zugefichert worden.
„Etwaige Beiträge if} Unterzeichneter gerne bereit am bie Kaſſe abzu ⸗
Dr. Bursw jun., ueiph. Langgaſſe No. 37.
Britihen und Beferate.
De Aristarchi sindils Hemeriels. Scripeit K. Lehrs, professor Regi-
- „montanus. Editio recognita et epimetris auota. Lipsise apud
S. Hirzelium MDCCCLXV. (VIII and 485 €. gr. 8.)
- Der Name Ariftarchs (er lebte um bie Mitte des zweiten Jahrhun ⸗
derts vor Chr. in Alexandrien) war im Altertfum für bie höchſte Meifter-
ſchaft der philologiſchen Kritik ſprichwörtlich, eine fehr große Schule pflanzte
feine Methode und feine Lehre fort, feine Einwirkungen banerten tief ins
byzantiniſche Mittelalter Hinein und fein Anfehn blieb ein kanoniſches.
Ein fpäterer Commentator bes Homer befennt in einem zweifelhaften Falle,
es fei am ficherften dem Ariftarch zu folgen, wenn auch bie entgegengefegte
Anficht richtiger feine. So läßt, wie ein nenerer Schrüftfteller fagt, das
Gigantiſche, das fein Name in ber Erinnerung der Menfcen behalten,
ebenfowohl auf eine gewaltige Kraft des Geiftes als auf eine bedeutende
Berfönlichkeit. fhließen. Doch war biefer große Name in nenerer Zeit faR
verſchollen, bis 1780 der franzöfifche Gelehrte Villoiſon (berfelbe, bei dem
bie Herzogin Amalie von Weimar ein Mal griechifch lernte) auf ber Marcus⸗
Bibliothel zu Venebig eine Handfchrift ber Ilias entvedte, die mit einem
Sehr gelehrten altgriechifchen zum Theil aus ariſtarchiſchen Quellen excer-
pirien Commentar verfehen war. Aber wie fo mande außerhalb Deutſch⸗
lands gemachte philologifhe Entvedung, blieb auch biefe ein todter Schag,
bis ein deutſcher Gelehrter, Friedrich Auguſt Wolf, fie in feinen berühm-
ten Prolegomena (1795) und in feiner Ausgabe bes Homer verwerthete.
Wolf ftellte zuerft der Kritik die Aufgabe und löſte fie bis auf einen ge-
wiffen Grab: dem homeriſchen Tert fo viel als möglich die Geftalt wieder
su geben, bie er durch Ariſtarch erhalten Hatte, Ungleich mehr wurbe
Sähietopp, adıt apolog. Vorträge über die Verſon Jefu Chrifti. 157
biefe Aufgabe durch das 1833 erfchienene Wert von Lehrs „über Ariſtarchs
homeriſche Stubien“ ihrer Löſung genähert, welches nicht nur für bie hos
merifche Kritik, fondern für die Maffiiche Philologie. Überhaupt Epoche
machend geweſen if. Hier war nachgewiefen, daß in bem von Billoifon
entdedten Commentar etwa zehnmal fo viel von Ariſtarch Herrühre, als
man bis bahin geglaubt Hatte, und durch biefe überraſchende Vermehrung
des Materials ein ganz anderes unendlich vollftändigeres Bild von ben
großartigen Leiftungen bes Mannes gewonnen, als Wolf es hatte geben
tönen. Zugleich wurbe aber auch Kritik und Erklärung bes Homer aufs
mefentlichfte geförbert, da es ſich zur Beſchämuug ber modernen Philologie
herausftellte, daß Ariſtarch in fehr vielen Fällen ſchon vor 2000 Yahren
das richtige getroffen hatte, wo bie neuern in ber Irre gegangen waren,
Die erfte Auflage diefes. Hochwichtigen Werkes (bei Bornträger .er«
ſchienen) war feit einigen Sahren vergriffen. In der glänzend ausgeftat-
teten neuen Auflage, bie ©. Hirzel in Leipzig veranftaltet hat, erſcheint es
durchgeſehn und verooliftändigt unb durch eine Anzahl beutfch gefchriebener
Abhandlungen über homeriſche Kritit vermehrt. Die erfle Auflage war
Lobed, Lachmann (befanntlic einige Zeit Proſeſſor an der Hiefigen Unis
verfität) und „bem berühinten Arzte“ Ludw. Wilh. Sachs, bie zweite ift
dem Anbenfen berfelben Männer gewibmet.
J. Friedländer.
Jul, Schiekopp (evang. Religionslehrer am Gymnaſium zu Tiffit),
acht apologetifhe Vorträge über die Perſon Chriſti.
Königsberg. (Gräfe & Unzer.) 1866. (XVII u. 359 €. gr. 8.)
Wenu jegt anf einmal in Dentſchland aller Orten, in Holland, her
Schweiz, in Fraukreich, England, in Rußland, fo weit es deutſcher Zunge
if, eine reiche apologetifche Literatur, vorzugsweiſe auf bie. Perfon
Chriſti gerichtet, hervorwächſt, wenn auf ber Tagesorbuung von Synodal⸗
Berfommlungen nnd Paftoral-Eonferenzen feit Jahr und Tag bie apolos
getifche Aufgabe ber Predigt in einer ober ber anderen Form cine
Rehende Propofition iſt (vgl. u. 9. Lutharbt in der Zeitfchrift für Pros
teſtantiemus und Kirche, 1865. Sept.), wenn gleichzeitig eine eigene
Monatsfchrift für chriſtliche Apologetit („ber Beweis des Glaubens”
158 Kritiken und Referate.
von Andrei und Brachmann feit Iuli 1865) begrändet wirb und weithin
Anklang findet, fo barf damit der Beweis, baß ein ſtarkes chriſtlich⸗apolo⸗
getifches Bebürfniß in ber Gegenwart vorhanden ift, für ausreichen geführt
erachtet werben, umb um ber Sache willen Hat, wer auf biefem Gebiet als
Mitarbeiter hervortritt, nicht eben nöthig, ſich zu entſchuldigen. Die per-
Föntiche Qualification zur Öffentlichen Mitarbeit muß biefe ſelbſt rechtfertigen.
Die vorliegende Arbeit if dieſe Rechtfertigung nicht ſchuldig geblieben.
Sie reiht ſich ben tüchtigſten unter ben apologetifchen Schriften. würbig an,
welche der Verfafler in feinem Vorwort (5. XVI ff.) aufgeführt Hat, de
nen aufer bes Tathol. Hettinger Apologie bes Chriſtenthums, Freiburg
1863, einige feither erſchienene noch nachzutragen erlaubt fei: Schaff, bie
Verſon Jeſu Chriſti, das Wunder ber Gefchichte. Gotha 1865.*) v. Zezſch⸗
witz, zur Apologie bes Chriſtenthums nach Geſchichte m. Lehre, Leipzig 1866.
Steinmeyer, bie Wunberthaten des Herrn in Bezug auf bie neuefte
Kritik. Berlin 1866.
Die Schrift des Herrn Schiekopp iſt aus Vorträgen hervorgegangen,
welche er tm vorigen Winter in Tilſit vor einem dankbaren Zuhörerkreiie
gehalten Hat. Gr legt fie hier, aber vielfach überarbeitet, bedeutend erwei ⸗
tert, begtehungsweife andy verkürzt, dem größeren Leſerkreiſe vor. Ein Ab⸗
ſchnitt, der ansfägrlichfte von allen, über die Glaubwürdigleit der Evange
lien des N. T., ift ganz nen Hinzugelommen. Das Buch fucht feine Leſer,
wie die Vorträge ihre Zuhörer gefunden haben, unter ben gebildeten
Laien. Findet es diefelben, wie wir bringend wünſchen, reichlich, fo find
wir um einen großen Segen gründlicher Belehrung und Inftanbfegung
zum verftänbigen Urtheil über bie höchſten Lebensfragen unbeforgt. Denn
Unfenntniß, Unwiſſenheit und Urtheilsloſigkeit in den Kreiſen auch ber
Gebildeten (darin ſtimmen wir bem Herrn Vorrebner biefer Schrift, Gen.»
Sup. Dr. Moll bei) ift ein Hanptfeind in biefen nen entbrannten Kämpfen
gegen bie evangelifche Geſchichtlichleit der Perſon Jeſu Eprifit,
Wenn nur bie Erwartung eben fo gut wie ber Wunfch eines wei⸗
9 An dieſer Schrift hat ums beſonders gefallen der Verſuch eines Catelogus
tetium veritatis aus dem Lager der Gegner, von Pilatus bis über Napoleon hinaus.
Sin glüdticher Gedante, det einet weiteren Ausführung fähig und werth wäre.
Schtelopp, acht apolog. Vorträge über bie Verſon Jeſu Chriſti 159
ten Leſerkreiſes begrünbet wärel Es ift nicht zu leugnen, daß unfer Ber
jaffer, obwohl er aller Hier überflüffigen Gelehrfamfeit fi) weile und
naaßvoll enthält, feinen Lefern doch Ernſt und Auſtrengung überall zu⸗
muthet; er führt fie in kritiſche Fragen Hineln, deren Erörterung unver
meiblich iſt, deren Läfung zu umgehen ba auch fein Recht mehr befteht,
no einmal bie Eriftenz ber Fragen ins Bewußtſein getreten if. Wollte
Gott, wir irrten mın in ber Annahme, daß biefer Ernft vielen unter unſe ⸗
ten Gebildeten fehle, wollte Gott, daß unfere Wahrnehmung auf Tauſchung
beraße: unfere Gebilveten befigen an ben großen in Rebe ftehenben Bra
gen gerabe genug Intereſſe, um fie zum Gegenftanbe einer leichten Abend⸗
geſellſchaftsdiscuffion zu machen, aber zu wenig, um fie über ben Schwebe⸗
punkt hinaus bis auf den Grund zu verfolgen. Wir meinen nicht, daß
der ©, darum hätte oberflächlicher fein follen; er Konnte es nicht bei
der Aufgabe, die er ſich geftelit, neben welcher populärere Aufgaben ihren
Roum und ihr Recht ja Haben unb auch finden. Herr ©. wollte auch
feinen Amtsgenoffen, ben Männern, welchen heute bie ſchwere, aber
WHöne und große, bes edelfien Schweißes wärbige Pflicht bes Religions
anterrichte auf höheren Lehranſtalten obliegt, nüglich werben. Wir unter-
färeiben, was er (S. XIV) über bie Nothwendigkeit des apologetifchen
Charalters dieſes Unterricht in der heutigen Beit fagt, durchaus, nur etwa
mit der Rote, daß bie Hinwelfung auf das Falſche und Verkehrte in ben
modernen mehr Ent als Darftellungen des Lebens Iefn bei dem Reli
sionsunterriähte and) in ber Prima doc; mehr inbirect, ohne fortgehende
asdrũcdliche Polemik geſchehe. Wir meinen (und ftellen uns babei den
deren Berfafler gar nicht in Oppofitton gegen unfere Meinung vor), ber
Lehrer gebe feinen Unterricht unter fortgehenber Berüdfichtigung jener
nenen Evangeliſten und ihrer Tendenzen, als folder, bie auch in ben
Squlerherzen eine Stätte finden könnten, er lehre nicht, als wenn feine
die anf Yeinen Widerſtand ftoße, vein thetiſch, trabirend, kerygmatiſch,
ſendern apologetiſch, aber feine apologetiſche Lehrkuuſt verfahre nach. dem
Enge: artis est artem celare. Die für den praktiſchen Unterrichtezwec
wilfome apologetifcge Methode tft bie den apfiorifchen Bekanpfungen
der wangeliſchen Geſchichte entgegeitshtenbe apoſterisriſche, eracte, wirt)
Werifge, für welche in Thomas Wigenmaum's Geſchichte Yefa nach
160 Krititen und Refecate.
Matthäus, als Selbftbeweis ihrer Zuverläffigfeit betrachtet” ein noch im-
mer beachtenswerthes Beiſpiel vorliegt. Seitdem Wizenmann (ben Kant
einen fehr feinen und hellen Kopf nannte) gefehrieben, ift die neuteftament-
liche Wiſſenſchaft in ihren Negationen und Pofitionen weit vorgefchritten,
und mande feiner Aeußerungen ift heute nicht mehr haltbar oder bach nicht
ausreichend, aber anregenb und anleitend, namentlich in methodiſcher Be
ziehung ift feine von Auberlen, Baſel 1864, wieder herausgegebene Arbeit
für alle Zeit,
Auf alle Fälle ift das Buch des Hrn. ©. ſehr dazu geeignet, den Lehrer
mit dem nothivenbigen apologetijhen Material zu verfehen. Daſſelbe macht
keinen Anfpruch darauf, ſelbſiſtändige Forſchungen, welche die Wiſſenſchaft
objectiv zu fördern im Stande wären, zw entfalten, aber es iſt die Frucht
eines fehr fleißigen und forgfältigen Studiums in ber einfchläglichen Literatur.
Der Verf. zeigt eine umfafjende Belefenheit in den Schriften der Gegner
und ber Bertheibiger ber evangelifchen Geſchichte; er veferirt durchweg mit
gewiffenhafter Treue, mit vielem Geſchick und glüdlihem Tact in der Aus:
wahl, und in einer überſichtlichen Darftellung. Er wendet eine verftändige,
maaßvolle Kriti an, und feine Polemik it durchaus ebel, würdevoll, ent-
ſchieden und doch mild, beſcheiden, frei von Bitterkeit, auch wo bie Ber
ſuchung dazu nahe lag. Won bejonderem Interefje find für ben Referen⸗
ten geweſen, und bärften es für manchen, mit ber neueren Literatur über
das Leben Jeſu im Allgemeinen auch Wohlvertrauten fein: bie Mittheilun-
gen ber Anſichten und Urtheile der Franzoſen aus ber neneren Fritifchen
Säule, Eoquerel’s, Scherer's, Colani's u. U, über Renan,
Die Anorbnung des ganzen Buchs ift biefes ein einleitender Vortrag
beſpricht die Stellung Jeſu zur (wir möchten lieber fagen: in ber) Welt
geſchichte. Es folgt: das Leben Jeſu von D. F. Strauß, das Leben Jeſu
von E. Renan, bas Characterbild Jeſu von D. Schenkel, die Glanb⸗
würbigleit ber Evangelien bed nenen Teflaments, bie Wunder Veſu,
die Thatſache ber Auferftehung Jeſu, das dreifache Amt und bie gott
meufchliche Natur (mir möchten lieber fagens Perfon) Jeſu Chriſti.
Üngehängt find zwei Beilagen über das Leben Jeſu non Balger und
über den hiſtoriſchen Chriſtus von Keim.
Vielleicht ließe fich Über Einiges in biefer Anorduuug mit dem Herrn
Schielopp, acht apolog. Vorträge über die Perfon Jeſu Chrifti. 16i
Berf, freundlich rechten. Anf ver Referenten machte namentlich ber Ueber⸗
zang vom erften zum zweiten Vortrage ben Gindrud eines Eprunges, er
ewartete nach dem fehr gelungenen einleitenden Vortrage vor Allen ben
Nachweis, wie Jeſus nun ber fei, ber alle jene Lücken und Brüche des
vorchriſtlichen Lebens ausgefüllt unb geheilt, und bie verborgenen ober
offenbaren Hoffnungen der Welt realifirt Habe, er rechnete Hier baranf,
dem wirffichen Jeſus zu begegnen, ftatt feiner lommt ihm David Strang
entgegen, Die Beilage über das Leben Jeſu von Baltzer Kann faft über
flüffig erfcheinen bei der nachgewiefenen Unbebentendheit biefes Buches.
Hr. ©. wirb zwar vielen feiner Leſer die Bekanntſchaft mit demſelben er
mitteln, was einige ihm gewiß banfen werben, ba fie ohne ihn kaum Ge
legenheit zu dieſer Belanntfchaft gehabt hätten. Aber ber Gewinn berfels
ben iſt ziemlih — Null; denn ver neue Belannte ift die Perfonififation
der bodenloſeſten fubjectiven Wilführ. Wir wiſſen freilich nicht, ob wicht
etwa lokale Rüdjichten den Verf. bei Vorführung biefes heiffofen Biogras
phen bes Heilandes geleitet haben. Von ganz anderem Werthe ift bie
andere Beilage Über Keim's geſchichtlichen Chriſtus. Der mit Gerech⸗
fipfeit und Liebe vom Verf. gezeichnete kritiſche aber doch glanbensinnige
Standpunkt diefes Theologen ließe fih aus befien Prebigten (Freundes⸗
worte zur Gemeinde. 2 Bde. Stuttgart 1861 u. 62, meiftens noch in
Ehlingen gehalten) noch weiter illuſtriren. Im der Vorrede zu benfelben
(December 1861) äußert fih Keim fo: „Liebe zu Ihm zu wollen, welcher
das ewige refigiöfe Ideal des Geſchlechts ift, und in ber Liebe zu Ihm
einen heiligen Drang zu einer ebefn, Heiligen, lebens- und ewigfeitefähte
gen Menfchheit zu eatzünden, das ift die Summe unferes Chriſtenthums.
Mögen Andere andere Wege gehen, andere unb breitere Formeln wählen,
Tniften werben fie doch nm fein, wenn fie mit uns Iernen, im Leben
dem Herrn gleich zu werben, — ber feinem größten Apoftel das Wort
als einzige nnd höchſte Glaubensformel auf bie Lippen legte: fo jemand
den Herrn Sefum nidt lieb Hat, ber fei Anathemal Auch ift bie Welt
jerriffen genug, ber Abfall erſchütternd genug — baß man in ber evanger
liſchen Kirche Grund genug Hätte, über alle anderen Formeln fi zur
dormel des Apoftels zu fammeln, und Alle als Brüder zu begrüßen und
in Neben, welche in der Liebe des Herrn zuſammenkommen. Wat das
tuyt. Bosatsfgrift Bd. IL Oft. % 11
162 Rrititen und Referate,
nicht auch die Heilige Hoffnungknospenbe Jugend unferer Reformation?
Keine weitlänfige Dogmatif, aber ber ſchlichte Glaube an beu Herrn Jefum
Chriſtum, und die glühende Liebe zu Ihm.". Bon befouderem Interefie it
es, bie fünf Ofterprebigten im Anfange des zweiten Bandes zu vergleichen,
tie zur Genüge darthun, baß er bie in Frauenfeld behauptete „Wenbung
nad) rechts“ zu machen gar nicht nöthig gehabt hat. Er ſteht in ber That
acht bloß von Strauß und Renan, fondern felbft von bem jegigen Schen-
tel erlennbar fern, trog feiner, von Herrn Schiekopp &.836 angeführten,
mehr den Gegnern Schenlels ungünftigen, als Schenkel günftigen, frei
ich Überfläffig leidenſchaftlichen Aeußerungen.
In der verwerfenden Beurtheilung Schentels ftimmen wir bem Herrn
Berf. weſentlich bei. Der von Schenkel nicht ohne Unaufrichtigleit gelenge
nete Abfall von ihm ſelbſt, würde fich, wenn es daranf anfäme, außer ben
von Herrn ©. angeführten Belägen noch weiter belegen laſſen durch Ber
gleihung feiner Vorträge tm Dienfte der innern Miffion (1864), Gefpräde
über Proteſtantismus und Katholicismus (1852) u. f. w. Uber es iſt
nicht nöthig, den Schenkel von ehemals gegen den Schenkel von heute anf
zurufen; ohnehin ift-Unveränberlichleit der Meinung ja ein zweifelpaftes
Lob. Aber gelegentlich ausgeſprochene Grunbfäge des heutigen Schenkel
gereichen ihm felbft zur Verurtheilung. Wie befteht er denn z. B. ſelbſt vor
feinem eigenen richtigen Sage (&. 154 unferer Schrift): „es ziemt bem
Hiftoriler nit unbegränbete Bermuthungen aufzuftellen“?
Die lurz vorher (©. 163) ſtigzirte Schenkelſche Darftellung der Anferfler
gung Jeſu, die mit dem Vaſſus ſchließt: „das irdiſche Fleiſch und Blut
ließ Jeſus ber Erde zurüd, aber fein unvergänglicher Geift flieg
ans bem Örabe zur Herrlichkeit eines höheren verklärten Da
feine empor“ begleitet Herr ©. mit der Bemerkung: bas nennen wir
aber nicht bie dhriftliche Lehre von ber Auferftehung, fonbern das iſt nichts
weiter als ber alte ratiomaliftiiche Glaube au die Unfterblichleit. Das
will une faft zu glimpflich bünfen, wir finden darin, daß Schenkel auf
den Geift Jeſu begraben fein läßt, einen Nonfene. — Was bie Pro-
tefte gegen Schenkel als Director bes badiſchen Prebigerfeminare betrifft,
namentlich bie vielberufenen preußiſchen, fo ſtimmen wir bem Herrn Verf.
4a der Unverträglichleit, Kiefer amtlichen Gtellung bes Bilduers her evan ⸗
Säielopp, adıt apolog. Vorträge über die Perſon Jefu Chrifti. 163
zeliſchen Prediger eines Landes mit einem religiöfen Standpunkte, wie ber
in Schenkels füngften Schriften zu Tage gelommene, einfach bei, haften
aber die Protefte fremdländifcher Paftoren weber für opportun, noch billi⸗
gen wir bie Art und Weife, wie fie in Preußen zu Wege gebracht find.
Zu dem befonbers gelungenen Parthieen unfere® Buches zählen wir.
die Iehrreiche und am feinen Bemerkungen reiche Darftellung und Beur-
teilung des Materialismus und feiner Leugnung ber Wundermöglichkeit
(S. 230 ff.), 3. 9. die Nachweiſung bes Widerſpruchs in Virchow's Behaup ⸗
tung von ber Transcendenz als einer Verirrung bes menſchlichen Geiſtes,
eines Dinges, das doch nicht exiſtiren ſoll. Desgleichen die Darſtellung
uud Beurtheilung ber romanhaften Behandlung bes Lebens Jeſu durch
Renan. Cie legt es bem Lefer fehr nahe, bie orbinäre Theorie biefeß,
bei allem Eeprit, leichtfinnigen Sranzofen, welche ſchließlich offen auf das
mundus vault decipi, decipiatur hinausfommt, auf ihn felbft und fett
Buch anzuwenden. Womit will benn ber Mann, ver fi) zu dem Eape
befennt, daß ohne einen poetifd-phantaftiichen Aufſchwung niemals etwas
Großes in der Welt zu Stande gebracht worben, und ohne Echmärmerel
ber Heilige Franz v. Affifi u. ſ. w. und auch Jeſus der Geſchichte nichts
zu berichten hinterlaſſen haben würden, womit will er ben abweifen, ber
diefen Satz nicht auf Jeſum, ſondern auf ihn ſelbſt, den phantafirenben
Biographen Jeſu anwendet, und in feinen Bhantaftereien ein ihm umemts
behrliches Deceptionsmittel finbet zur Erreichung feines Zieles, das Para⸗
die® der Zuknnft mitvorzubereiten? i
Nar einen Gedanken, den Herr ©. bei diefer Gelegenheit (S. 108)
ausipricht, teilen wir nicht. Haben wirklich Tauſende vor Renan ger
dacht, was er auegeſprochen? Wir Halten vielmehr diefe tafchenfptelerifche
Umwandlung der Geſchichte des Lebens Jeſu in einen Roman, bes ben
noch Anfpruch macht, Geſchichte zu fein, dieſe frivolen Ulbernheiten ver
Liebeleien galilaiſcher Mädchen für ein novum petulanter, fentimentaler
Crotil, und bie Ehre der Urheberſchaft dieſer Lieberlichleiten darf dew
Breiagner Erneſt Renan nicht befiritten werben. Dieſer Iefus in Man’
nipan (mie Schaff fagt, während Renan die Maſſe für reinen weißen Dar
mor ansgiebt) ift fein eigenes Fabrikat. Anklänge an folgen Unfug mögen
fich auch fonft finden; wir erlauben uns ein Egempel namhaft zu machen,
11°
164 ritilen und Referate.
das fich doc in fo fern ſehr vortheilhaft unterfcheidet, als Ehrifins ſelbſt
hier von der Unfauberkeit der träumenden Phantafie verſchont bleibt. Am
Unegange bes 15. und Anfang bes 16. Jahrhunderts prebigte, andy in
Frankreich, und zwar zu Paris und Tours, ein Franziskaner Michel Menot,
deſſen erotifche Bearbeitung ber Geſchichte der großen Sunderin (Luc. 7, 36ff.)
erhalten if. Diefe if} ihm, wie gewöhnlich, ibentifch mit Marie Magba-
lena und mit ber Schwefter der Martha. Gr fabelt von ihr Folgendes:
Erat Domina terrestris de castro Magdalon, tam sapiens, quod erat
mirum audire loqui de sapientia ejus et prudentia .. . Videbatur,
quelle fat falle pour regarder.a) Pulcra, juvenis, alta, vermellle pleine,
vermeille comme une rose, mignenne, fringante. Credo, quod non erat
nisi 15. aut 16. annorum, quando invenit sic vivere, et 30, quando
rediit ad bonitatem Dei. Quando pater mortuus fuit, plena erat sus
voluntate. Martha soror non audebat ei dioere verbum et videbatur
ei, quod faciebat magnum honorem illis, qui veniebant ad illam.
Quidquid faciebat, erat vivere à sem plalsir. . . Um pen apres ceite pas -
re seite abandende erat in castro suo. Le brait ceurait deja par tente
”a Judöe et le Pays de Galilde. Omnes bibendo et comedendo loquebantur
de es et de ejus vita. Martha soror timens Deum et amans honorem
de In lignöe, tente hontense de In heute de sa secur, videns, quod omnes
!oquebantur de sa secar et de ses’ beaux miracles, venit ad eam dicens:
0 soror, si pater adhuc viveret, qui tantum vos amabat, et audiret
ista, quae per orbem agitantur de vobis, certes vens lel mettries la mert
entre les deaia. Facitis magnum dedecus progenetrici nostree. „Et de
weit Quid vis dicere?“ Heu, soror, non opus est ultra procedere,
neque amplius manifestare, Scitis bene, quod volo dicere, et ubi la-
teat punctus. Les petits enfants em vont à ia meutarde. „© bigeite, de quol
vous meles vons, beile dame. Et teus les grands diables, (Bien seit banlt)
non estis magistra mes. Quis dedit mihi eeite valliante dame, pour treubler
ma viet Vadatis, precor, ad domum vestram. Scio, quod habeo agere,
ita bene, sicut una alia. Habeo sensum et intellectum, peur me sarelr
=) Das Grhaltene iſt wohl das Goncept des Ftanzielaner Mönche, daher bie
Melange von Latein und Branzöfid.
Säyelopp, acht apolog. Wortzäge über die Berfon Jeſu Chriſi. 165
pererner. O’esi si belle chose, que de me penser que de sel mimel" Martha
rogabat eam, ut iret ad sermonem, et consuleret aliquem hominem
bonae vitae. Magdalena dizit janitori: non dimittas mihi intrare hoc
castrum ceite enragde de secur, qui me nous amene que touie dissension ot
riette, ubi non consuevit esse nisi cantus gaudii. — O soror, essetis
valde felix, si possetis videre unum hominem, qui praedicat in Hie-
rasalem. Est pulcrior omnibus, quos unguam vidistis, tam gratiosus,
tam honestus, il a si beau malntien, Il fait si bien son emtretien, vous ne
rties jJamais de pareil. Credo firmiter, quod si videretis eum, essetis
amoross de eo; est in flore juventutis suse ..... Illa cepit pulera in-
dumenta sua, aquam rossceam pro lavando faciem suam, cepit specu-
hum. Videbatur, quod esset unus pulcer angelus; nullus cam aspexisset,
qui non fuisset amorosus de ea, Ipss ante se misit mangones, por-
tantes force de eadreaaz de eramelsin, ut disponerent sibi locum. Martha
vidit haec omnia, fingens nihil videre, et sequebatur eam, sicut si
fuisset parva ancilla. Christus jam erat in medis praedicatione vel
forte in secunda parte. Tunc ipse cepit detestari vitia, pompas, va-
nitates et specialiter peccatum Iuzuriae ete. Darauf wird Maria ge
räßrt, wenbet fi) zur Buße, ihre Galane bemühen ſich vergeblich, fie her-
umzubolen, fie fudht den guten Prediger auf, findet ihn endlich am Tiſhe
bes Eimon u, f. w. — Diefelbe rofenwäflerige Manier der Behandlung
der heiligen Geſchichte finden wir andy bei Renan, nur weiter ansgebehut,
auch anf bie Zeichnung bes Bilbes Jeſn.
Nach diefer Eyiſode kehren wir aber zu dem Buche des Herrn Schie
topp zuräd, freilich nur, um dem Verjaſſer zum Schluß für feine treffliche
Arbeit dankbar die Hand zu brüden. Wir haben uns noch mauche Par»
thien ſeines Buches angeftridhen, bie es wert find, ala vorzüglich lehrreich
and treffend in der Widerlegung der uenteftamentlichen Müythen- und Les
genbentheorien und beftructiv-fritifchen Hypotheſen hervorgehoben zu wer-
den oder zu denen wir ergänzende, meiſtens beiftimmende Bemerkungen
mocen möchten. Aber nnfere Anzeige barf nicht zur Abhandlung anwachſen.
Bir freuen ums, daß unſere Provinz zu bem heutigen Befreiungalapfe
der evangelifchen Ehriftenheit von bem Soche einer übermüthigen Kritik,
eines zomanhaften Schwinbels, und einer daracterlofen Halbglaͤubigleit
166 Arititen und Meferate.
dieſes ftattliche Contingent geftellt hat. Möchte as Überall bie Aufnahme
Ruben, bie es verbient; es wirb biefelbe durch Beſchützung ber theuerften
Lebensgüter redlich vergelten. o.
de Bruenneck (Borussus), Henr. Magn. Egm., De auctoritatis, qua
Prussiae ordines sub Ordinis Teutoniei imperio utebantur,
initio et incremento. Diss. inaug: Bonnae 1865. (1 Bl., 92 S.
und 1 BL. 8.)
Nur der. Bollftändigkeit wegen verzeichnen wir biefe neuefte Leiftung
eines Landom annes anf bem Gebiete unferer Provinzialgefchichte, ohne der
ſelben einen erheblichen felbftändigen Werth zufprechen zu können. Es
iſt eine Zuſammenſtellung bes bereits Belannten aus ben geläufigſten Quel-
len mb Geſchichtswerlen. Indem wir auf eine Kritik im Einzelnen ver⸗
sichten, - beichränfen wir uns auf eine kurze Ueberſicht des Inhalts.
Nach einer voramsgefchidten Einleitung über bie Eroberung Preußens
durch ben beutfchen Orden und über vie Geſchichte des eroberten Landes
bis zum erfien Thorner Frieden (1411), Handelt der Berf. im erſten
Rapitel von ber Verfaflung des Ordensftantes bis auf Heinrich Neuß v.
Planen (den Uelteren). In dieſem Kapitel werben I. die oberften Landes»
gewolten (Orden und Bifchöfe) beiprochen, II. die dem Orben untermore
ſenen Bewohner: A. Adel, B. Städte, C. Bauern, D. Freilehensleute und
Kölmer; III. wird das Verhältniß zwiſchen ben flänbifchen Rechten unb
der Ranbeaherrlichleit des. Ordens erörtert in Beziehung auf: a) Yurisbi-
ion, b) Stenern, 0) Zölle. — Das zweite Kapitel befchäftigt ſich mit
dem Wachstum der fändifchen Macht, gegenüber dem Verfall ber Orbene-
herrſchaft, von ber Einrichtung des „Ranbesrathes" (1412) au bis auf den
Preufiihen Band (1454), über welchen Zeitpunkt jedoch bie geſchichtliche
Entwidelung hinaus umd bis in das 16. Jahrhundert hinabgeführt wird.
Im Anßerlicher Hinficht müſſen wir noch bemerken, daß eine größere
Sorgfalt des Druders in Betreff ver zahlreichen ftörenden Drudfehler zu
tmänfrgen geweien wäre.
B . Sn.
Ultprenhliher Birlas, 101
Altpreußiſcher Verlag.
Copernicus und fein Jugendfreund. Cine Erzählung von Adolf
Bromwe. Mit einem Titelbild: das Copernicushaus in Thor.“
Thom 1865. Drud und Verlag v. Eruft Lambed. (IV m
486. 12.)
Der Titel konute zutrefiender lauten: Thorn und feine Bürger zu
Ausgang des XV. Safrhunderts. Was uns hier in fehr anfpruchslofer
Borm geboten wirb, ift mehr ein mit ſicherer Zeichmung und in lebhaften
Barben ansgeführtes- höchſt anziehendes Eulturgemäfde ans der Blüthezet .
einer mittelalterlichen preußiſchen Hanfeftabt mit dem Vordergrunde einer
damilieungeſchichte ber verwandten Patricierhänfer Koppernigl, Allen und
Watzelrode, als eine mit erzählenden Elementen durchwebte Biogtapkie
des berüßmten Aftronomen Copernicus. Diejer Iehtere fängt uns eigent ⸗
lich erſt da an zu intereffiren, wo bie Erzählung als ſolche aufhört aber
nur noch in loderer Berfnäpfung anslänft, nämlich in ben legten Kapi⸗
telm; vorher erfahren wir außer feiner Geburt nur ganz beiläufig Hin und
her, daß er ein ernfter, dem Nachdeulen zugeneigter, lern⸗ und wißbegieriger
Kuabe und Jungling if. 9a foger die Mittheilung über fein Iugenble>
ben S. 228, wie zuerſt fein Siun fi auf die Betrachtung der Natur ger
waudt und eine Ahnung ber höheren Zwede bes Weltalls empfangen
Habe, Hat ber Verfaſſer verfänmt, an ber geeigneten Stelle in bie Erzäh⸗
kung dieſes Sugenblebens ſelbſt einzufügen, und fo darauf verzichtet, uns
mit poetifcher Lizenz bie ſtuſenweiſe Entwidelung eines Menfchen nadgm
weifen, defien innere Ausbildung wir uns hoͤchſt eigenartig vorzuſtellen ge
nöthigt fein würden, auch wenn wir hiſtoriſch nichts mehr von ihm wäß
ten, als daß er eben der Entbeder eines neuen Weltfyſtems geivefen. Hier
war es eben bie Aufgabe des Erzählers, der immer mehr ober weniger
zugleich ein Erfinder fein muß, eine phychologiſche Wahrſcheinlichleitorech⸗
mung anzufellen, nicht in der Form einer hiſtoriſch-wiſſenſchaftlichen Hy
potheſe, fondern in ber Faſſung poetifcher Darſtellung. Der Mangel ge
ſchichtlicher Weberlieferung Hätte durch bie Phautafie ergänzt, die Entwide
ang des jungen Aſtronomen mit innerer Nothwenbigleit entweber aus ber
Wörbernben Mitwirkung ber zujälligen Umgebung auf einen folden Geiſt
168 Ritilen und Referate
oter ans bem Gegenfag beider dargethan werben müffen. Andererſeits
nimmt allerdings bie Mittheilung ber Echicfale Johannes Eeiffarts einen
verhäftnigmäßig fehr großen Raum für ſich in Anfpruc, ohne daß das
wirklich Hiftorifche Material in Bezug auf ihn reichhaltiger war; aber es
iſt ans dem Buche kaum zu erkennen, mit welcher Berechtigung biefer
Seiffart des Eopernicus Jugendfreund genannt wird, ba beide nur in ben
loſeſten und rein äußerlichen Beziehungen zu einander ſtehn, von einer
gegenfeitigen ober auch nur einfeitigen Einwirkung auf bie geiftige Rich⸗
tung, welche ber eine oder anbere für das Leben einnimmt, aber nicht bie
Rebe if. Seiffart nimmt freilich einen Anlauf, als eb er beftimmt wäre,
einer ber lirchlichen Reformatoren Preußens zu werben, aber fein frei
geiftiges Streben verläuft ſchließlich nach einigen wüftromantifd,en Kreny
und Querfprüngen völlig im Sande. Auch Hier hätten wir dem Verfaffer
gern bie poetifche Lizenz verftattet, der hiſtoriſchen Ueberlieferung nachzus
Helfen und zu zeigen, wie der Thorner Stabtichreiber für die Befreiung des
Bürgerftandes von patriciſchem Einfluffe, der Huffite in ben Kämpfen der
Reformation mitwirkte. Dann erft würden biefe beiden Figuren ihre poe⸗
tifche Bufammengehörigfeit nachgewieſen haben, und ber Erzählung als
ſolcher die nöthige Einheit nicht fehlen. — Aber auch fo bleibt dae Mit
getheilte Höchft dankenswerth und zeigt wieder, wie reichhaltigen Stoff uns
fere Provinzialgeſchichte dem Erzähler zur ‚Verfügung ftellt. Das ganze
weite Feld liegt noch fo gut wie völlig brach und wartet auf einen Bear
heiter, ber’ fein ganzes ‘Leben lang hinreichende und lohnende Befdhäftigung
fände Namentlich ift die Gefchichte unferer großen Städte wegen ber
Bezlehungen zum Orden, zur Hanfa und zu Polen von einer Eigenartig ⸗
feit, bie auch in weiteften Kreiſen Interefie erweden muß, wenn fie in ans
ſprechender Weiſe vorgetragen wird. Wir halten, nachdem bie Wiſſenſchaft
bisher mit rühmlichem Fleiß das hiſtoriſche Materinl bereits fo reichlich
jufammengelragen bat, baß zu beffen Kenntnißnahme und geiftiger Durch⸗
dringung ein zeitraubendes Quellenſtudium nicht mehr erforderlich ift, ger
rade bie poetiihe Darftellung am geeignetften für den Zweck, das größere,
immer auf Unterhaltung betrachte Publikum mit den Refultaten dieſer For⸗
ſchungen bekannt zu machen. Wie frei A. Prowe über biefes Maierial
gebietet und wie glüdlich ihm ber popufärserzählende Ton gelingt, zeigt
Aterthumsgeielihaft Braific. 169
diefe Hübfche Arbeit, bie jedem Vefer ein volles und greifbares Bilb bes
alten Thorn zurücklaſſen wird, an dem nur ber Fachlenner bie vielen Heis
nen unb Meinfien Stifte bemerkt, aus denen es zu künſtlicher Mofail zu⸗
fommengefegt if. — Sehr wenig lobenswerth ift bagegen bie Ausftattung
bes Heinen Buches, das mit feinem ſchlechten Papier und unfanbern Drud
von jedem Volfefalender übertroffen wird. Das ift nicht ber richtige Weg,
dem altpreußiſchen Verlage Eingang in Deutſchland zu fehaffen. Man kaum
es unter folhen Umſtänden ben einheimifchen Schriftfiellern, bie wirklich
etwas ZTüchtiges Leiten, wahrhaftig nicht verbenfen, wenn fie fi nad
auswärtigen Verlegern umfehn, wovon freilich bald bie Folge fein muß,
daß Alles, was hier gedrudt wird, ſchon ungelefen feinen Weg in ben
Maculaturkorb der Kritik findet. Wir machen beiſpielsweiſe nur auf Seite
11, 162, 172 aufmerffjam, um unfern Tadel nicht unbegründet zu laſſen.
[0]
Alterthumsgeſellſchaft Pruſſia.
23. Februar. Dec Vorſitzende (Hr. Gutsbeſ. Minden) eröffnet bie
Eigung mit ein paar geſchäftlichen Mittheilungens namentlich bringt
derſelbe ein an bie Gefellichaft gerichtetes gebrudtes Circular der Rebaction
bes „Annuaire des societ&s savantes dela France et de l’ötranger®
zur Keuntniß, welches Eircular zu näherer Berichterftattung an Dr. Stefe
fenHagen abgegeben wird. Nach biefen geſchäftlichen Mittheilungen trägt
Hr. Minden aus einigen wenig befannten Reiſewerken (unter Anderen
aus Branb’s Reifen, vgl, Mtsſchr. III, 59 *) mehrere interefiante Bar-
tien über Königsberg und Umgegend vor. Bon Hrn. Hauptmann
v. Döring wird eine äußerft fanber in Gold geprägte Danziger Me
bailte aus ber Zeit des Könige Sigismund III. von Polen vorgelegt,
ein altes Bamilien-Erbftüd, welches gegenwärtig zu einer zierlichen Broche
verarbeitet ift (unbeſchadet der urfprünglichen Befchaffenheit), Hr. Ulmer
macht die erfreufihe Mittheilung, daß er Schritte gethan Habe, bie noch
vorhandene, zu bem ehemaligen Altäbtifhen Junkergarten gehörige
Inschrift (Grlent. Preuß. II, 505) für die Sammlung ver Bruffia zu er⸗
werben. Dr. Reide giebt ſchließlich Proben aus „Ehriftien Schwargen
170 Arttiden und Referate.
Musae Teutonioae Käntgeberg 1705, 1706, einer Saumiung in Diufit
geſetzter geiftlicher und weltlicher Lieber, deren Verfafler fi) „Hansvoigt zur
Mäümmel in Preuffen“ nennt.
23. März. Die Sammlungen der Pruſſia find wiederum durch Ge⸗
ſchenle in erfeenlichfter Weiſe bereichert worden. Hr. Pfarrer Wiſchhuſen
in Momehnen (bei Berbauen) hat mehrere alte Documente einge
ſandt, u. A. eine Verſchreibungs⸗Urkunde bes Herzogs Albrecht d. d. Qhuigs ⸗
berg 28. Ang. 1530. Ein großer eiferner Sporn von mehr als 51/4 Zoll
Weite, gefunden von Hin, Douglas⸗Ludwigsort auf ber Feldmark fei-
nes Gutes, tft als Geſchenk des Hru. Dr. med. Henſche eingegangen.
Berner dur Hrn. Stadtrath Henſche eine Reihe von Fundſtücken (Steig:
bägel, Sporen, Pferde-Bruftbehänge, eine zierlih gearbeitete Fibula), welche
bei "Gelegenheit des Chauffeebanes zwifchen Sufterburg und Tilfie in
einem granbhaltigen Hügel, worin auch Tobten-Urnen, gefunden und von
Hrn. v. Simpfon-Georgenburg überfendet worben find. Frau Stabt-
räthin Thimm hat Borowski's Düfte gefchenft. Weitere Geſchenke aus
der an Alterthümern beſonders reichen Lötzener Gegend find durch Hr.
Brem.-Lient. Wulff, ein überaus thätiges Mitglied, in Aueſicht geitellt;
auch bat derſelbe von angeblichen Pfahlbauten Mittheilung gemacht, bie
Hr. vom Pape anf Wolffee in einem großen Moore feines Gutes ent
dedt Haben fol. — NIS nene (auswärtige) Mitglieder find dem Vereine
beigetreten Hr. Rendant Niebios und Hr. Prorector Bigourong, beide
in Lögen und mit dem freundlichen Verſprechen, das Antignarium ber
Pruffia durch einige intereffante Altertyumsgegenftände zu vermehren. —
Aus den fonftigen reichhaltigen Mittheilungen mag nur das Wichtigfte her-
vorgehoben werben. Hr. Minden zeigt einen bemerkenswerthen Katalog
der befannten Sammlung bes Gommerzienrathes Saturgus (Königsberg)
17838. Dr. Reide berichtet über einen von Buchhdl. Cohn an Hrn. Min»
den abſchriftl. eingefanbten Brief Kant’s an 3.9. Jacobi ans b. 9. 1789,
der zwar in Beiber Werken abgebrudt if, jeboch mit Weglaffung einer
Herber’s „Spncretifterei“ ſcharf critifierenben, fowie einer andern Stelle
von localem Imterefie. Derfelbe macht auf die brudfertige Gefchichte bes
Graudenzer Kreifes von Fröhlich aufmerkſam, anf welche die Gefell-
ſchaſt fubferibieren will; theilt zwei Briefe von ber Karſchin an Scheffner
Alterthumsgeſellichaft Bruffia. " 171
ans b. 3.1763, 64 mit und giebt ein paar Beläge für bie in ber franzö⸗
ſiſchen nicht nur, fondern ſelbſt auch in ber beutichen Literatur noch immer»
fort herrſchende Unfenntniß in Betreff unferer Provinz, zumal Littauens und
Mafurens, welche neuerdings mit Kühnaft's ſtatiſtiſchen Mittheilungen nach
Rußland verlegt worden find. (vgl, Altpr. Mtsfchr. III, 182.) Schließlich
Tieft Hr. Prof. U. Hagen aus Virchow's nad) Inhalt wie Form glänzendem
Auffag über Hünengräber und Pfahlbauten vor. 8
—D.
Hittheilungen und Anhang.
Eine littauiſche Hodzelt.
Es war ein fonnenheller Wintertag, als wir, drei Uhr Nachmittags,
über ſchimmernde Schneegefilde durch eine Laudſchaft dahinglitten, wie fie
auch Littauen und zwar grabe im folder Yahreszeit recht aumuthig zu bie
ten vermag. Die von Wohlhabenheit zeugenden Dörfer ſchauten aus ihrer
weißen Hülle gar ſauber und traulich hervor, die Heinen Hügel, feitwärts
unferes Weges, glühten im Etrahl der bereits finfenden Sonne und bie
vielen ftattlihen Bäume mit ihren nur zur Hälfte beſchueiten Stämmen
und Zweigen, deren grazibſer Behang wie von bunleln Säulen und Bän
dern gehalten erſchien, ließen uns jenen, wicht allzuhäufig vorkommenden,
winterlichen Anbli genießen, wie ihn unſerer Meinung nach, weber ber
ſtrahlende Reif, noch des Lenzes Blüchen fo prachtvoll und maleriſch zu
gewähren im Stande find, .
Unfer Ziel war ein Dörfchen, wofelbft heute eine littauiſche Hochzeit
gefetert werben follte, der beizuwohnen wir biefe Fahrt unternommen hat ⸗
ten, Nach Verlauf einer halben Stunde waren wir an Ort und Stelle.
Mit uns zugleich trabte ber ans der Kirche kommende Hochzeitszug durch
die freundliche Dorfftraße; ſechs bis acht Überfüllte Schlitten ſpreugten, der
Hochzeitsfitte gemäß, in wilder Flucht daher. Es war eigentlich ein Wett ⸗
vennen, wo Einer ben Andern zu überholen trachtete. Obhrenbetäubendes
Sauchzen mit hübſchen Clarinettentönen untermifcht, burchbrang bie Enft
und machte beinahe unfere Pferde ſchen. — Bor der Feſtwohnung ange
langt, fprangen bie Männer in frummen Sägen über ben Rand bes
ine littauiſche Hodızeit. 1173
ESchlittens und liefen mit einer Eile ins Haus, als wenn ihnen bev Kopf
brannte, ohne fi) nur ein einzig Mal nad ihren rauen umzufehen. Sa,
ſelbſt der Bräutigam hatte eine Ausnahme davon gemacht. Baft wären
wir verfucht geweſen, biefes Treiben als eine natürliche Ungefchliffenheit
zu beläcdeln, wir erinnerten uns aber bald baran, daß dergleichen durch ⸗
ans zum feinen Ton biefer Lente gehöre, und daß bie Littauerin eine
männliche Hülfe bei irgend welchem Auf- oder Abwärtöfteigen wie ein
Mißtraun in ihre Geſchiclichkeit, folglich einem Gpott’ ähnlich, betrade
ten würbe.
gegt war auch der weibliche Theil der Gefeltichaft, etwas gemäßig-
ter aber immer noch flinf genug, auf den Schnee mub ins Hans gefprun.
gen — nur Urte, bie Braut, welche uns perſönlich zu ihrem Ehrentage
eingelaben hatte, blieb zurüd, warf Tuch und Mantel über ben nädjften
Zaun, und eilte uns, als ihre vornehmften Gäfte, mit Srenden zu begrüßen.
Eie trug über einem roth und fchwarzgeftidten Hemdchen einen eigen
thümlich gewürfelten wollenen Rod von bunten Farben, mit dunkelm
Miever — Marginne —, darüber eine weiße, ebenfalls roth und ſchwarz
geſtickte Schürze. Das Haupt zierte ein kurzer, Hintenabfallender mit Sil⸗
berband eingefaßter Mouffelinfchleter, ein Myrthenkranz und ſchwere blonde
dlechten. Die Hübfce Maid ſtand in ihrem fehr kleidſamen, nationalen
BeR- und Brautanzuge vor uns. Was aber biefer wirklich ſchönen Geſtalt
noch mehr Schmuck verlieh, war jene, beinahe allen Littanerinnen eigene
Gewandtheit des Weſens, die man höfiſch zu nennen verfucht fein könnte,
Das befcpeidene und doch freimüthige Herantreten en mus, das Schüch-⸗
terne und zugleich Sichere mit dem fie uns in ihre Hütte führte, und
manch’ anderer Meiner Zug, trugen im ber That ben Stempel bes Bor
nehmen an fi.
Wir traten in den grün befränzten Flur und in bas Zimmer rechts
ein, welches durch bie Fülle feiner umbergeftedten Tannenzweige in eine
este Laube verwandelt zu fein fehlen. Friſcher Waldesduft firämte uns
entgegen. Unter einem Baldachin von Zweigen, in ber beften Ede des
Zimmers Uni hergerichtet, mußten wir Plag nehmenz es war. bier
ſes gleichfam der Thronhimmel und Ehrenplag bes Brantpaar’s, Brant-
winlel genaunt, irogend von Zierrathen in litauiſchem Geſchmac. Ux
174 Mittpeilungen und Anhang.
ſeidenen Fäden fehwankten Aepfel, hölzerne Vögel, Papierblamen n. |. w.
größtentheils in Silber⸗ und Goldſchaum gekleidet; in der Mitte aber hing
eine Krone mit ben prunkendſten aller Schmuchſachen; biefelbe wird, als
auoſchließliches Eigenthum ber Braut, vor ber am Schluße des Teiles
übftsfen Zerflörung des Brautwinkels von vorforglichen Händen in Eicher
heit gebracht. \
Nachdem uns hier bie Übrigen Glieder der Familie, wie bie Köchin
— welche bei ſolchen Gelegenheiten vem Range einer Hausfrau gleich,
kommt — ihre Huldigung bargebracht hatten, wurde Kaffee mit Blechfla⸗
den, Kropfen- und Näderkuchen gereicht, Die Bauern waren in ben beiden
Stuben rechts und line vom Flur und im einem MNebenftäbchen vertheilt
und plauberten bei ihrem Kaffee gar lebhaft, wiewohl mit Anftand, der
fich beſonders darin fund gab, da nicht alles Durcheinander ſchrie, fondern
ein Seglicder der miteinander Sprechenden erft bann das Wort ergriff,
wenn fein Nachbar bafielbe fallen lief. Cine Rüdficht, die man bei fo
viel Nebfeligkeit wie hier und einer Art von Beredſamleit nicht jelten in
diefen Klaſſen zu ſchätzen Gelegenheit findet. Sogar einige Großſprecher
auf biefer Hochzeit, darunter ein Echmieb, der fich im Allgemeinen nicht
ward) Unfpruchslofigleit hervorthat, fügten ſich willig dem zarten Gebrauch.
Das Kaffeetrinten währte micht zu lange, da ſtimmten drei Muſikan ⸗
tem in ber zweit beflen Ede bes grünen Zimmers einen leidlichen Walzer
am, ber die ganze Berfammiung, uns ausgenommen, in Bewegung brachte,
Al und Yung tummelte ſich mit gleicher Munterleit auf dem Tanzplag,
amb da bie Etube groß war, und unfere Ecke durch einen quer vorge
ſchobenen Tiſch eine geräumige Loge bilvete, fo konnten wir von bier ans
mit Bequemlichleit des Anblids einer die Grenzen des Schiclichen nicht
verlegenden Bolksiuftbarkeit froh werben. Wir ſchlugen vorläufig alle En⸗
gagements aus, bie und von ber Brautmutter im Namen und Anftrage
des Brautigams, des obengenannten Schmied's, des Kreisſchulzen und
einer andern Notabilitat Höflichft angeboten wurben, und nahmen licher
Veranlaſſuug, ven hubſchen Menſchenſchlag unferer Heimath zu bewundern.
Die Männer faft insgefammt zeichnete ein hoher, ſchlanker zuweilen ath ⸗
letiſcher Wuchs aus und eine Frijche bes Gefichis und eine kraftvolle Hal⸗
tung, ‚bie fo dauernd begränbei in der Rutur biefer Rente zu liegen ſcheiut,
Cine Kitanifche Hochzeit. 175
daß ihr felhR das höchſte Alter nur wenig Einbufe zu thun wagt. Unter
den Frauen, littauiſchen wie beutfchen, mußten wir in mancher Beziehung
den erflern in Rationaltracht ven Vorzug geben, weniger in Anbetracht ber
Formen unb des Ausdruds. Die beutfche Bäuerin geht ber littauiſchen
meift au Schönheit, wie an einem gewiſſen Schein von Jutelligenz -vox
ms, mehr als in ver bei Weitem hübſchern Kleidung und anmuihigern
Beweglichkeit der letztern. Das äußere Bild einer Littanerin wird durch
eine mittelgroße, nicht fehr ſchlanke aber abgerundete Figur, einem von
blonden Haaren eingefaßten, rothwangigen, immerfreundlichen Geſicht mit
gutgebanter Nafe, etwas breitem Munde und blauen Angen, weniger ſchön
als auſprechend dargeftellt. Doch findet man auch wahrhaft junonifche Er⸗
ſcheinuugen, wie die Urte's, unter ihnen.
Bas den Tanz betraf, fo fanden wir ihm taftvoll, aber fleil. Die
Art abwechfelnb zu tanzen und zu promeniren hätte fich nicht übel gemacht,
wenu die Tänzer etwas mehr Grazie und weniger Nachläffigkeit affektirt
Hätten. Doch neu und der Aufzeichnung wärbig dürfte bie von manden
Berfonen beliebte Aufforderung zum Tanze fein; fie geſchieht in folgender;
Halb gefuchter Manier. Der Tänzer verfegt fich ſchon ans möglichft wei
tes Entferuung in eine tanzende Bewegung, wobei er mit ben Füßen ab
und zn nachdrücklich aufftampft. Die Arme taltvoll Hin und her ſchweulend,
vie Melodie des Tanzes brummend, ben Oberkörper vorgebeugt, bie Augen
fer anf die Erkohrene gerichtet — fo naht er ihr bis auf zwei ober drei
Schritte. Dann bleibt er ftehn, nein, er tänzelt eine Minute lang auf
ein nud bemfelben Sled, ſtampft mehrmals anf, nun winft er. Aber bier
fer Wink, die eigentliche Aufforberung, geſchieht nur ſehr oberflächlich, mit
einem Anflug von Hochmuth, um damit feiner Dame verftänblid zu mas
en, daß er etwa richt um ihretwillen tanzt, ſondern um zu taugen!
Nichtedeſtoweniger erhebt fie fich feinem Winke nachzufommen, und indem
fie mit abgewendetem, Ueberbruß verfündenbem Geſicht, uur wie ans Ger
falligleit anf ihn zu ſchlendert, glaubt fie für feine ihr nicht unbentlich ger
weigte Geriugſchaͤtzung Rache geübt zu haben.
Gleich nach dem erſten Walzer wurde von zweien Tauzbeflifienen, die
erſt im verfloſſenen Herbſt von der Garde entlaflen, aus Potsbam zurüd-
gelchtt waren, ein Tanz in Angriff genommen, hen fie. uam dort miigee
176 Taittheilungen und Anhang.
bracht Haben wollten, und ben fie „Ertramabur” nannten. Es follte wahr
ſcheinlich ein Stücken Quadrille fein, deren Ausführung eben fo friſch
ans ber Luft gegriffen fein mochte, als ver hochtrabende Name, welchen
legten wir mit ber Grtremabura-Stridbaumwolle in richtige Verbindung
bringen zu können meinten. Die Touren biefes wunderlichen, im Polla⸗
Takt ausgeführten Potodamers Iennzeichneten ſich durch eine Verwirrung,
gegen welche die babyloniſche eine Regelmäßigleit geweien fein mußte. Aber
die zeitherigen Garbiften wußten fich zu helfen. Sobald das Durcheinans
der den höchſten Bunft ver Rathloſigkeit erreicht hatte, riefen fie gebieteriſch:
„Galuppadl!“ — Die Muſik gehorchte, jeder Herr riß feine Dame in ftür
miſchem Galopp mit fi herum und ber Knoten war burchichnitten. Leider
Tonnte unferer Lachluſt fein Genüge geſchehn, denn die Yünglinge fchielten
wieberholt nach dem Brautwinkel, um bie Kritit ihres modernen Tanzes
aus unfern Bliden heranszulefen.
Nach diefer folgte eine nicht minder ergägliche Scene. Der Schmiede
meifter, Vetter des Hanfes, Großprahler und flotter Tänzer, kam feierlichft
und nicht abfichtelo® auf eine Frau zugefchritten, die ſich eben bicht im
unferer Nähe befand. Gr fizirte fie einige Augenblice ſcharf, fegte ſich zu
ihr nieder, mad fprach bedeutſam, auf plattdeutſch natürlich: „Na Mätter-
Gen, ſolch' einen feinen Tanz haben Sie auch noch nicht gefehn, Hm? —“
Die Frau entgegnete mit Beftimmtheit: „Und Sie andy nicht Meiſterchen!“
— Der Schmied warf ſich zurüd und rief Hocherfiaunt: „Ich nit?” —
Die Frau antwortete lachend: „So ſcheint es mir, Meifterhen!" —
„Mutterchen — ſprach der Mann ernft — bin ich nicht in Königsberg
geweſen?“ — „Was thut das?“ fragte fie. „Run — rief er wichtig —
ba kennt man bergleichen Tänze, beſonders auf ben Generalsbällen!" —
„Bott füge! — rief bie Frau lachend — Generalsbälle haben Sie doch
nicht gedrüdt?“ — „Mich nicht?" — Der Schmied riefs und fiarrte bie
Nachbarin an, biefe fagte ruhig: „Gewiß nicht!“ —
Der Schmied ſchwieg einen Moment frappirt, dann antwortete er mit
Bathos: „Frau, wenn ich Ihnen fage, daß ber Gcneralsball mein geringe
ſter Ball in Königeberg geweſen ift, ich bei andern großen Herrn mindeſtens
fechs oder fieben Mal zum Ball gelommen bin — fo — „So iſt das
minbeftens feche oder fieben Mal — .
Eine litiauiſche Hodpelt. 177
Die Braun beſchloß mit einem Niden bes Kopfes ben Sag. ber ber
Schmied zeigte, daf man zuweilen erhaben über jebe Beleibigung fein
Tann; gelaffen und orbentlich wehmüthig rief er: „Miütteschen, kennen Sie
alle meine Schichale, die ich als Süngling erlebt Habe?" — „ie follte
ich das?“ war bie Antwort. „Alſo — ſprach der Schmied — will ich
Ihnen jegt eine Kleinigkelt darüber mittheilen!“ — „Später!” fagte bie
Frau abwehrend. „Nein, fogleih! aljo Ar. 1 war id — —“
Die Fran erhob ſich mit den Worten: „Ein ander Mall” und ber
Schmied mußte nothgedrungen ſchweigen und dazu war ihm im Laufe des
Abende noch eine Demüthigung vor unfern Augen aufbehalten, die wie
fpäter berichten wollen.
Jetzt die Schilderung des Abendeſſens, das für die Bauern im Zim-
mer links vom Flur, für uns im Brautwinlel aufgetragen wurde. Die
Gerichte diefes Fefteflens, von welchen allen zu geniehen wir von der Fa⸗
milie und ihrer Köchin auf bas Liebenswürbigfte bewogen wurden, kann ich
nicht unerwähnt laſſen. Erſter Gang: Schweinefleiſchbrühe mit Graupe;
zweiter Gang: Gelochtes Schweinefleiſch mit gedämpften Kartoffeln; britter
Bang: Gebratenes Spannfertel mit Erbſenbrei, genannt Schuppeniß; vierter
Gang: Reis mit Pflaumen; fänfter Gang: Schweinefled mit Klößen;
fechfter Gang: Schweinebraten und Bänfebraten.
Als Getränf diente der bei den Littauern beliebte „Allans“, von dem
man aud) uns fredenzte, bis die Köchin den Krug entfernte und feinen
Inhalt mit ſchlechtem Bier vertanfchte. Denn fie dominirte Hente, wie an
der Tafel vie eine Sletfchforte. Neben dem Allaus wurbe noch als eine
Detitateffe fo etwas vom einer Bowle präfentirt, ein Gebräu von eitel
Brauntwein mit Zuder und Ktefchfaft vermifcht. Es war biefes die foge-
nannte Brantfuppe, welche theils aus Tellern und mit Löffeln gegeſſen,
theils aus Gläfern getrunten wird. Als Urte einen Augenblick zu uns
tam, mußte fie mit uns auf ihr und ihres Bräutigams Wohlergehn anftor
Ben. Diefes fand Nachahmung, man hörte bald baranf nichts als Mappernbe
Glaͤſer und Töpfe, wobei Urte ein Pröbchen echt littauiſcher Koketterie zum
Beten gab. Ste ließ es nämlich den Gratulanten nicht leicht werben mit
iht anzuftoßen, namentlich mußten die Männer lange Bitten, und immer
wenbete:fie fü von ihnen ab und ſchob ihr Gläschen- bei Bei; einmal
Wpr, Monatofgrift Od. I Hft 2.
178 Mittheilungen und Anhang.
verflectte fie es fogar. Dabei lachte fie geziert, ertheilte bald biefem, bald
jenem einen träftigen Schlag und ließ es auch an Scheltreden nicht fehlen.
Dabei hörten wir manch ſcherzhaftes Wort und manchen Mutterwig,
Sonft ging außer mehreren littauiſchen Gefängen nichts Merlwürdiges an
ber großen Tafel vor, die Männer zeigten fih vornehmlich dem Trinken,
die Frauen dem Eſſen und bie Mäbchen dem Lachen ergeben, wobei wir
Muße hatten, die Pracht ihrer Zähne zu bewundern.
get aber, am Ende ber Tafelfrenden, erſchien ein Platzmeiſter, Braut⸗
führer, mit einer Schale, bie bis zur Hälfte mit Brautfuppe angefüllt war;
in biefe Schale mußte jever Gaft ein Geldſtück hineinwerfen und als es
geſchehn, ergriffen zwei andere Plagmeifter die Braut, während ber erfte
fie ſcheinbar zwang, den fänmtlichen Inhalt der Schale hinnuter zu ſchlucken.
Schließlich aber nimmt fie alles als Hochzeitsgabe in Empfang. Der Spelta-
tel dabei ift etwas angreifenb für civiliſirte Ohren, aber ganz littauiſch.
Bu gleicher Zeit ſchlichen bie Muſilanten anf ihren Platz tm grünen
Zimmer und lodten durch einen Heitern Walzer alles was Büße Hatte zum
Tanz. Mit demfelben Ungeftüm wie früher von ben Schlitten fprangen
die „Herren“ jegt über Tiich und Bäule, um mit der erften beften „Dame“
ein Tänzchen zu machen. Doch Hatten wir feine Urſache noch vor bem
feierlichen Brauttanze das Hans zu verlaffen, denn wir nahmen feine wirl⸗
liche Trunlenheit wahr, fogar unter den Männern nicht, nur gerabe fo
viel Frohſinn, daß man ſich, wie in bergleichen belebter @efellfchaft immer,
eher behaglich, als beängftigt fühlen konnte. —
Allerdings war bie Tanzluft, durch bie fenrige Brantfuppe angefacht,
noch veger geworben, die alten Männer waren fo munter dabei, baf fie
den Hut vom Kopfe, bie Pfeife ans vem Munde zu nehmen vergaßen —
doch nein, vergefien hatten ſie's nicht! es war biefes Verfahren wiederum
eine ihrer Hauptfineſſen, benn, alfo ausflaffirt, glaubt der an Jahren reihe
Tänzer männliche Würbe mit kindlicher SHeiterfeit zu vereinbaren. Die
gute Mutze auf dem Kopf, bie treue Pfeife in ven Zähnen — wer wagte,
mit fo glänzenden Zeichen ber reinen Vernunft ben Adhtzigjährigen als
Tänzer zu belächeln? —
Mit dieſem Freibrief zu jugendlicher Fröhlichkeit anögerüftet, Hatten
wir das Vergnügen, unfern Schmiebemeifter wieberznjehn. Gobalb ex bie
Eine littauiſche Hochzeit. 179
Schwelle des Nebenftübchens überichritten, Hatte er Züße, Arme und Pfeife
im Walertalt; Müte und Oberkörper ſaßen etwas ſchief, bie Tanzweiſe
brummte er heifer. Wer foll die Glückliche ſein? — Himmel, er ſteuert
auf den Brautwinkel zu, feine Blide richten ſich durchbohrend ber Reihe
nach auf uns, wir wenben uns beftürgt zur Seite — ba ſchwenkt ber ger
niale Tänzer zu Evchen, Urte's jüngerer Schwefter, Hin. Aber er tänzelt. lange
vor ihr, denn fein Wint war umbeachtet geblieben, jet ſtampft er heftig
mit dem Fuß auf und fragt unfreundlich: „Wird's bald?" „Es wirb gar
nicht!” entgegnet ifm Eva, „Wirft Du kommen ober nicht?" ruft er grim⸗
mig. „Ich komme nicht!" — „Dann werbe id Dich Holen!" — „Hole
mich, wenn Du eine Ohrfeige begehrftl" —
Dem Schmieb fiel die Müge vom Kopf, er Hob fie auf und breite
fie bedenklich in den Fingern — wir bejorgten eine Gemwaltthat, fo wäthenb
ſchaute er die Dirne an. In biefem Augenblit fam ber Brautvater, faßte
des Schmiede Arm und führte ihn in das Nebenftühchen. Im Fortgehn
aber rief der Gekränkte no mehrmals: „Faule Grete, rechte!“ —
Etwa eine Stunde darauf nahm ber Brauttanz feinen Anfang, von
ihm Tonnten wir uns nicht ausjchließen, da jeber Mann mit ber Braut
und jede Frau mit dem Bräutigam ein Mal herumzuwalzen bie Ehre hat,
Zuweilen werben hierbei ber Braut alte Scherben unter. bie Füße gewor-
fen. Als biefer Tanz glücklich zu Ende war, entfernte fi Urte, um ihren
Myrthenkranz mit dem weißen, in ben Eden bunt geflidten Kopftuch ber
verheiratheten Frauen zu vertaufjen — Muteris. — Ihre Abweſenheit
wurbe dazu benußt, ben Brautwinkel, aus dem wir uns bei Zeiten ent⸗
fernt Hatten, mit lautem Zubel zu erſtürmen und vollftändig zu zerflören,
denn Jeder bemühte fih, irgend etwas daraus zu erhafchen und babet ging
es wieber fehr unfanft her. — Hierauf erfchten bie junge Frau mit ber
Muteris auf dem Haupte, bie ihr wohl fand, aber fie weinte unaufhör-
ih, denn bie Littanerinnen weinen leiht und gern, Urte that, als fei fie
untröftfich, förmlich zur Ehe gezwungen, und doch liebte fie ihren Johns
wie irgenb ein zärtlich Herz das andere, — Beim Abſchied von uns zeigte
fie ſich dagegen wieder recht vornehm Tiebenswärbig. Wir befchenkten fie
und noch einige andere Perfonen, und dann wurden wir vom ber ganzen
Geſellſchaft, ſogar mit Mufll, zum Schlitten begleitet.
13°
180 Mittdeitungen und Anhang.
Am Horkzont flieg eben der Mond gleich einer Feuerkugel im bunfeln
Üether auf. Der Himmel Hatte fein Sternenzelt über uns gefpannt, fein
Lüften regte ſich — es war eine wunderbar ſchöne, poetiſche Winternacht.
Aus den Acceffionen der Alterthumsgeſellſchaft Pruffia.
Der Befiger Albert Rodde aus Mülfen, welcher bereis früher in
ungewöhnlicher, uneigennügigfter Weife fein Intereffe für ven Verein Bruffia
betätigte, Hat mir abermals eine große Menge Alterthümer für die Samm-
lung des Vereins übergeben und find biefelben in bem nachfolgenden Vers
zeichniß betaillirt. Herr Rodde hat fie eigenhändig zu Tage gefördert und
zwar auf der Feldmark Mulſen; der Zundort, ein bem Dorfe Mülfen ge
meinichaftlich gehöriger Kieoplan, liegt Hart am Kranzer Landwege, welcher
von Mulſen nach dem Badeorte Hinführt, einige hundert Schritt vom Vor⸗
wert Pries entfernt. Hügelerhebungen beuten bie alten Grabftätten nicht
an, einer bloßen Vermuthung folgend, entdecte fie Herr Robbe. Die aufe
gefundenen Gegenftände, befonbers bie eifernen, find ſtark vom Rofte an⸗
gefreſſen. Sie lagen 3 Fuß unter ber Erde, dort nur von einem einfachen
Steinkranze im Umfang der Gräber umgeben. Der Eharalter und Inhalt
der legteren ſcheint völlig analog benen bes nahe gelegenen Wiskiauten zu
fein. Die Urnenfcherben tragen ebenfalls baffelbe Gepräge und finb bie
Urnen auch ohne Dedfteine, nur von ber aufgeworfenen Erbe bedeckt ger
wefen, daher jebenfalls durch ben Drud derſelben und bie Feuchtigkeit bald
zerſtört. Die Bronzen, darunter befonders bie eigenthümlichen kreisförmi⸗
gen Gewanbhalter, die Waffenftüde und die eifernen Gloden, fowie auch
eine Meinere von Bronze, wahrfcheinlich am Zaumgeng angebracht geweſen,
find ebenfalls durchaus ibentifch mit dem Wiskiauter Funde. — Nach ven
Angaben des Herrn Robbe tft der Fund bei Mülfen noch lange nicht er⸗
ſchopft und verfpridht noch reiche Ausbeute.
Werzeicuiß des Funden.
I. Brongen: 1) Ein Sporn. 2) Bier Gewandhalter. 3) Eine Spi ⸗
rele von 2 Zoll Durchmeſſer und 3 Gewinden. 4) Eine Meine Glocke am
Ringe, 6) Ein verzierte Schuh einer Schweriſcheide. 6) Ein Dalin. 7) Em
Aus den Acceffionen ber Altertpumägefeltfchaft Pruffia. 181
gewunbenes Draßtftäd. 8) Zwei unbefiimmbare Gtäde, 9) Ca. 20 dünne
Blehfüde von Gefäßen und Beſchlägen. .
I. Eifen zc.: 1) Eine Eifenfeule. 2) 17 zum Theil wohlerhaltene
Speerfpigen, 9 Stück Rubera davon. 3) 12 Mefler, drei Brucftüde,
4) 8 Schwertftäde. 5) 14 Sporen reſp. Bruchſtüde. 6) 2 Steigbügel unb
5 Bruchftüde. 7) 5 Gebiſſe und 12 Zaum- und Geicirr-Bruchftäde, 8) Drei
eiferne Heine Oloden. 9) 2 Schnallen, 2 Scheren, 1 Stahl, 2 Steinperlen,
2 Stüd, deren Zweck unbelannt. 10) 15 Nägel und Zwingen. 11) 60 flart
verroftete Eifenftüde, Ueberbleibfel von Waffen und Geſchirr⸗Zeug. 12) Ca.
40 Stüd Urnenſcherben.
Üerner find dem Unterzeichneten von bem Lientenant von Streng,
Mitglied des Vereins, nachfolgende Stüde zur Uebergabe an die Samm⸗
fang der Pruffia zugeſandt worben:
L Eine Parthie Alterthümer, welche Lieut. v. Streng in Gemeinſchaft
mit Unterzeichnetem in Wisfiauten zu Tage gefördert unb bisher felbft
afiervirt Hatte, und zwar: 1) 9 Speere. 2) 7 Schwertfläde, zum Theil
ſehr fchön erhalten und vom Roſte frei. 3) 2 Scheeren. 4) 1 Nitterfpom
und ein Bruchſtück eines Stachelſporns. 5) 2 Steigbügel und ein Bruch⸗
fäd. 6) 6 Bebiß-Stüde. 7) 4 Nägel, 2 Meſſer, 1 Schnalle, 2 Steinperlen,
6 BromerBruchftäde, 1 Meines Eifen-Gefäß, 10 Bronze-Blehfüde.
II. Eine Menge höchſt intereffanter Alterthümer, verſchiedenen Zeit.
altern, bis zur Bronze and Steinperiove hinaufreichend, angehörig. Diefe
Sachen find neuerdiugs bei den Maſnriſchen Kanalbauten bei Arys aufge
funden und durch Lient. v. Streng bei feinem Kürzlichen Beſuche in Ma-
ſuren für ben Verein Pruffia gefommelt: 1) Eine durchbohrte Stein-Agt
von ſchwarzem Geſtein. 2) Ein Steinmeißel von felbiger Steinart. 3) Ein
Schneibeftein von Feuerſtein. 4) Drei runde Scheiben, burchbohrt, von
blauem gebrannten Thon, ca. 4 Zoll Durchmeſſer, 1 Zoll did, Netzbe⸗
ſchwerer. 5) Zwei wohl vemfelben Zweck entſprechende große Thon- reſp.
Ziegel-Berlen. 6) Ein bearbeitetes Hirfähorn-Etüe, 7) Eine fogen. Netz⸗
uabel von Fiſchknochen. 8) Zwei fogen. Kattenringe von Bronze, ca. 6 Zoll
183 Mittheilungen und Anhang.
Durchmeſſer. 9) Zwei große Bronze-Spiralen, 4 Gewinde, ca. 4 Zoll
Durchmeſſer; die Enden find öſenförmig umgebogen; in den Defen ber einen
Spirale ſtedt eine Nabel, welche einen fpirafig gewundenen Kopf hat.
10) Ein Bronzegriff zum Anſchrauben; Halbmonb und Stern bilden ben
Griff. 11) Eine Mefferflinge. 12) Ein Scheerenftüd, 13) Ein eifernes,
wohlerhaltenes Kugelſchloß. 14) Eine mit einem Bohrloch verfehene Eld-
ſchaufel. —
Königsberg, ben 10. Januar 1866.
Wulff, Premier-Lientenant.
Der Gumbinner Regierungsbezirk in Rußland.
Wir Deutfchen find es ſchon lange gewohnt, in franzöſiſchen Büchern
einer verwunberlichen Unkenntniß in Betreff deutfcher Zuftände, Perfonen
und Localitäten zu begegnen. Gefliſſentlich theilen unfere Zeitungen dergl.
oft abfurde Notizen aus ber franzöſiſchen Literatur mit, So brachte z. B.
die Beilage zu No. 48 ber Königsberger Hartungfchen Zeitung vom Jahre
1810 unter bei Weberfhrift „Tolle Notiz Über Kant“ einen Auszug
aus der „Gallerie historique“ livr. 23. Paris 1808, nad welcher unfer
berägmte Philoſoph ſchwediſcher Abkunft, in Pommern. geboren, Sohn eines
Eorporals in ſchwediſchen Dienften fein, und man feine durch bie Kritil
ber reinen Vernunft und anbere parabore Schriften aufgeftellte Lehre öfe
fentlich in den Königsberger Kirchen sous le nom de Christianisme
National prebigen foll n. |. w. Wirklich ſpaßhaft war das im vorigen
Yahre durch alle Zeitungen gehende: „II (scil. Bierey) mourut à Asthma,
pres de Breslau“ bes Herrn Fötis in feiner „biographie universelle des
musiciens.“ Doch Geographie ift überhaupt — bet der angebornen Leicht-
fertigfeit ber Franzoſen fehr erklärlich — nicht bie flärffte Seite berfelben.
Auffallender aber ift es, wenn felbft deutſche Gelehrte von den altherge-
brachten trrigen un falſchen Vorftellungen über deutſches Land und beutfche
Leute nicht loskommen können. Zumal unfer Altprenßen erſcheint ihnen
noch immer wie eine terra incognita, wo bie Zittauer Heine Pferde züch-
ten, die Mafuren in Erdhöhlen wohnen und auf ber kuriſchen Nehrung bie
Der Gumbinner Regierungsbezirk in Rußland. 183
nRräenfceffer" Haufen.s) Mit Littauen und Maſuren wiffen unfre bemt-
ſchen Brüber im Weften erft recht nichts anzufangen. Doch nimmt es uns
Wunder, daß Göttinger Gelehrte fie nad Rußland verlegen. Der Fall
iſt zu merkwürdig, als daß wir Hier nicht Notiz davon nehmen follten. Im
Zäbingen erſcheint die fehr gebiegene beſtrenommirte Zeitfchrift für bie ge-
fammte Staatswiſſenſchaft unter Mitwirkung von Männern wie Rau, Mohl,
Hanffen u. 4. Im dem 4. Heft des 20. Jahrgangs 1864 befindet ſich eine
fonft fehr verbienftliche ſtaatswiſſenſchaftliche Büdherfhan des
Jahres 1863 von Prof. Unger und Hermann Müller in Göttin
gen ſyſtematiſch zufammengeftell. Der IX. Abſchnitt berfelben enthält
bie Statiftil, zuerſt bie allgemeine, daun bie fpecielle der einzelnen Länder:
Deutſchland, Frankreich, England, Dänemark, Schweden, Spanien, Ruf-
land u. f.w.; unter Rußland finden wir ©. 841 verzeichnet: „Kühnaſt,
ſtatiſtiſche Mittheilungen über Litauen und Mafuren.” (L II. Band. Gum-
binnen. Sterzel.) — Und richtig wieder nach einem Jahre (21. Jahrgang.
1865. 4. Heft. ©. 663) in ber biesmal von Herm. Müller aus Göt-
tingen allein beforgten Bücherſchau für 1864 repräfentirt noch immer
Kühnaft mit der Fortfegung feiner ſtatiſtiſchen Mittheilungen über Lit
tauen und Mafuren (III. Bd.) die ruſſiſche Statifil. Herr Kühnaſt,
jest an das Königsberger Negierungs-Eollegium verjegt, war Regierungs-
rath in Gumbinnen; fein Buch enthält „Nachrichten über Grundbeſitz,
Biehftand, Bevölkerung und öffentliche Abgaben ber Ortſchaften nach amt
lichen Onellen mitgetheilt”, und zwar behandelt ver IL Band Mafuren,
der II. und IIL Band Littauen.“s) Nun giebt es zwar auch ein ruſſi—
ſches Littanen, aber kein ruffliches Mafuren; wenn jenes auch ben Göttinger
Bucherſchauer nad) Rußland weifen konnte, fo mußte ihn doch bie Zuſam⸗
menftellung mit Mafuren bevenflich machen und — ber Gumbinner Regie
rungsbezirt wäre nicht ruſfiſch geworden. R
) Bol. Allyr. Mtsihr. 1, 289.
”) Bol. a. a. D. I, 669. Bibliographie.
184 Wittheilungen und Anhang.
Geſchenke aus Altpreußen
an das germaniſche Mufeum in Nürnberg.
Für das Archiv:
Mogifttat der Stadt Eulm:
8801. Berzeihniß ber die Stadt Culm betreffenden Urkunden von 1257 bis 1645. Pay.
Magiftrat ber Stadt Königäberg:
3303. Verzeichniß der im ftätifhen Archiv zu Königsberg befindlichen Urkunden
von 1251 bis 1717. (825 Nummern.) Pap.
Beilage z. Anzeiger f. Kunde d, deutsch. Vorzeit. 1886. No. 1. 8p. 28.
,
Univerfitäts-Chronit 1866.
9. Febr. Reglement für den alademiſchen Fechtunterrict. (2 BL 8.)
1%. „ (Kant? Todestag.) Lubw, Kühnaft, stud. jur., Vortrag: „Erläuterung von
Kant’3 Deduction der elterlihen Gewalt als eines Rechtsverhältniſſes [Me:
taphyſ. Anfangsgr. d. Rechtslehre 8.28. 29.7.”
M. „ Bbilol. Doctorbiff. von Walt. Binäfleisch (aus Pomerendorf): De Pausa-
niae et Aelii Dionysii lexicis rhetoricis. (115 ©. 8.)
„Acad, Alb, Regim, MDCCCLXVT. II.“ Index loctionum .. . per astatem (sic) . ..
a. d. XVI. Aprilis,.. [Prorector Dr. Alb. Wagner Med, et Chir. P. P. O.
(156. 4.) Präfatus est L Friedlaender de titulo Orelliano 2593, (6.3. 4.)
Verzeichniss der ... . im Sommer-Halbj. vom 16. Apr. an zu haltend, Vorlesungen
u. der öffentl, academ. Anstalten. (4 BI. 4.)
18. März. Medic. Habilitationsihriit von Hugo Hildebrandt, M. D, Art, Obstetr, et
Gyna:col. P. P. O. D.: De Mechanismo partus capite praevio normali et
enormi. (34 ©. 4.)
16. „ Phyſ. Doctorbifl. von Alb, Wangerin (aud Pommern): De annulis Newto-
nianis, (30 ©. 8. m. 1 Taf.)
9. „ Programm „Acad, Alb, Regim. MDCCCLXVI. III.“ ad Natalicia Princi-
pis generosissimi Guilielmi I... . celebranda. Inest Lobeokii dissertatio-
nis de diis veterum adspectu corporum exanimium uon prohibitis iterum
editae pars altera. (6.5—18.) 4.
3. „ Philol. Doctorbiff. v. Henr. Babucke (aus Kasbo .): Dissertationis de Quin-
tiliani doctrina et studiis capita duo, (48 ©. 8.)
3. „ Lectionem qua quid ophthalmologia adhuc praestiterit historice enarratur
.a ... Aem. Bertholdo, med. Dr. ad docendi facultatem rite impe-
trandam ..... in publico habendam indicit Aug, Müller, med, Dr. P.P,O*
ord. med. h. t. Prodecanus, &
Bibliographie 1864. 185
Bibliographie 1864.
Bortfegung.)
Parey, G., Landrat de Marienburg. Kreifes, Der Marienburger Kreis. 1. Theil: Sta:
tiftit u. Topographie nebit Darftellung der Deich u. Entmäflerungs-Berhältnifie in
den Werdern und Riederungen der Weichſel u. Rogat. Danzig. Kafemann. (XIV u.
321 ©. gr. 8.) 1, Xhle.
Pawiowäti, Lehr. z. St. Albrecht J. N., mnemotechniſche Sigel-Säge, mit Berüdfiht.
ber Gigelgruppen alphabet. geordnet. Gin Hilfämittel zur leiten, ſchnell. u. fihern
Einprägung ſammtlicher Sigel Worter u. Sigel Zeichen d. Stolzeſchen Gtenograpbie:
Danzig. Bertling. (14 S. 8) 3 Sar.
v. Pelchtzim, E, Brem.Lieut. im 7. Oftpr. Inf-Regim. Nr. 44, Inſtruktion für den
Gruppenführer im Zerrain. Thorn. Dr. u. Berl. v. C. Dombromeli. (82 ©. 8.)
Yı2 Wr.
Peris, Max, Qua via insuffcientia renum symptomata uraemica effciat, Diss. insug.
Kgsbg. (Schubert & Seidel.) (30 ©. gr. 8,) , Thlt.
Phillips, Georg. Jac. (aus Elbing), Quid jus oatholioum et protestanticam de impe-
dimento, quod vocatur deficientis conditionis appositae, explicatur. Diss. inaug.
Berol. (84 S. 8.)
Bierfon, Will, Preußiſche Geſchichte. Berl, 865. (864). Stille & van Munden. (IV u.
626 6. Ler.8. m. 1 chromolith. Karte in gr. Fol.) 2 Thlr. in engl. Ginb. 2"/2 Thlr.
Poetzschke, Th., Elementa puerorum. Lateinisches Elementarbuch. I. Cursus der
Sexta, Regelmäßige Formenlehre Kgabg. u. Tilsit. Theile. (VIII u. 1896. gr.8.)
12/2 Ser.
Solen-Prozeß. Verhandlungen des Kal. Staats⸗Gerichtshofes 3. Berlin in der Unter
fudungsfade wider den Grafen Joh. Dziatonsti u. Genofien wegen Hochverraths.
No.1—4. Eulm. (Berl, 3. Schneider.) hoch 4. & 2 Gar.
voſtbericht des Konigl. Hofr-Boft-Amtes zu Konigeb. in Pr. Schult ſche Hofbuddr.
1Bl. gr. Fol.
Preuss, Dr. Ed, Jo. Guil.-Baieri compendium theologiae positivae secundum editio-
nem anni 169% denuo accuratissime typis exsoribendum curavit, vitam b. Baieri
ad indices necessarios adjecit, Berl, Schlawits, (XXXVI u. 712 ©. 8) 1 hl.
— Gerhard, Loci theologiei (et. Altpr. Monatsfgr. I, 766) Lfg. 3. 4. Ebd, (Tom. I.
6289-610.) & Ya Zhle.
— — An den Biſchof v. Paderborn Herrn Dr. Conrad Martin. Eine Grwiderg. auf
deſſen „bifchöfl. Wort” üb. die Eontroveräpunfte. Cbd. (48 ©. ar. 8.) a Thlr.
[Breugen.]
Ballen, Th. Geſetze u. Berorbnungen, betreffend das Vollsſchulweſen in der Bro
vinz Preußen . . . Theil I. Gnthaltend fämmtl. provinz. Geſebe u. Verord⸗
nungen. Brandenburg. Wiefite. (179 ©. gr. 8.) Ya Thle.
186 Nittheilungen und Anhang.
Miefe, Aug., Srievrih Wilhelms d. Großen Churfürften Winterfelbzug in Preugen
u. Samogitien gegen d. Schweden im J. 1678—79. Gin Beitrag 3. brandens
burg. Kriegsgeſch. Mit 1 Karte d, Ktriegsſchauplates in qu. 4. Berlin. Deder.
(VEN u. 104 ©. gr. 8.) 22/2 Sor.
v. Treitſchke, Heinz, b. deutſche Ordensland Preußen. lv. Treitſchke, Heinr., Hifter.
u. Polit. Aufſate vornehmlich 3. neueſt. deutſch. Geſchichte. Lpz., 865. (B6h)
Hirzel. &.1—68. ar. 8.1
1. Programm f. d. deutſch. Handwerlerbund. — IL. Grundzüge ſtaatlich anzuerlermen:
ber beutfcher Hanbwerläredhte. Gebr. bei Agath. Wernid in Elbing. (4 ©. ar. 8.)
Prolog u. Epilog geiprod. im Saale des Schüpenhaufes bei d. Feflvorftellung z. 300j.
Geburtötage Shakeſpeares. (Danz., A. W. Kafemann.) (8 BL. 8.)
Vrotokoll üb. d. Verhandlungen des ProvinzialHandwerler-Tages zu Elbing, am 5, u.
6. Sept. 1864. lbing. Gebr. bei Agath. Wernich. (8 ©. ar. 8.)
Badau, R., Sur la formule baromätrique, Paris, Quesneville. [Extrait du Moniteur
scientißique. 176. livr. 15, Avril.)
v. Recklinghausen, Prof. F,, Auserlesene pathologisch-anatamische Beobachtungen.
[Virchow’s Archiv f, pathol. Anat. ee. 30. Bd, 8. & 4.Hf. S. 880-876.)
Reglement f. d. Droſchten⸗Fuhrweſen vom 23. Aug. 1864. Agsbg, Gebr. u. zu haben
bei $. Hartung. (12 ©. 8.)
Reichardt.]
Söletterer, 5. M., Jobann Friedrich Reichardt. Sein Leben u. feine Werte
1. Bo. Augsburg, 865 (864.) Schlofier. (VII u. 662 ©. gr. 8.) 3/5 Thlr.
Brandt, M. ©. W. Leben der Luiſe Neichardt. Nach Duellen dargeftellt. 2. er-
weit. Aufl. Bafel, 865. (864) Bahnmaier's Berl. (218 6. 8.) 21 Gyr. in
engl. Cinb. m. Goldſchn. 1 Thlt. 3 Sar.
Neidgenen, Rudolf, Aus unſern vier Wänden. Mit 66 Originalzeidmungen von Dkcar
Bletih. In Holz ausgeführt von Prof. H. Burkner. 1. Abth. Wilder aus dem Kin ⸗
derleben. 10. Aufl. Pracht. Ausg. Leipz, 865. (864) Grunow. (TI u. 118 6. 4)
Gleg. cart. Hg Thlr.
Neinide, Eonfif-R. u. Superint,, Womit wir dem Konige on feinem @eburtötage hul«
digen. Predigt, nehalten d. 22. März 1864 vor e. Militair: u. Eivil-Bemeinde in
d. Oberpfarrtirche zu Et. Marien. Danz. Drud von Com. Gröning. 2% Sar.
Neuſch, TribunaldR. Dr., Syſtem der Preuß. Allgemeinen Gerihts-Orbnung nad Ges
ſeß u. Praris dargeftellt. 2. Bd. Heft 4-6. (Schluß.) Außerordentliche Civilpro⸗
zeſſe 8.47 bis 52 bearbeitet von Marcinowski, Kreisrichter. Ngöbg. u. Zilft, 865.
(864.) Theile'3 Buchhblg. (VIIT u. ©. 855629. gr. 8.) & Ya Xlr.
—— Die norbifchen @ötterfagen einfad erzählt. Mit (eingebe.) Holzſchn. nach Zeich
nungen v. 2, Pietſch. Berl, 865.(864.) Schindler. (IX u. 189€. 8.) cart. Ys Iplr.
Miöter, Dr. Arth., Die Phantaſie und ihre Schöpfungen. Eine Stubie zur Piyhologie.
Magdeburg. Ereug. (89 ©. 8.) I Ahle.
Bibliographie 1864. 187
Riehter, Dr. Arth,, Ueber Leben u, Geistesentwickelung des Plotin. Neu-Platonische
Studien. Halle. Schmidt. (IV u. 86 &. gr. 8.) 23 Thlr.
Nieble, C., Oberfeuerwerker in d. 1. Artillerie-Brigade, Anleitung zur Abfaffung dienſt⸗
licher Schreiben, zum Gebraud) für die Aoancirten der Artillerie bearbeitet. Kasbg.
865. (864.) (Schul’iche Hofbuher.) (28 ©. ar. 8.)
Biemer, Kol. Landrath, Die Rinderpeft. Cine foftemat. Darftellung u. Zeutheilung der
zum Schutze geg. die Seude in Preußen beftehenden Beftimmungen nebft Abande-
runas · Vorſchlagen u. Bemerkung. üb. Schugvereine u. Verſicherungs- Geſellſchaften.
Stallupönen. C. Wilujti. (VI u. 108 ©. 8.) 122 Gar.
(Roepell, ©., 2te3 Flugblatt der Vollswirthſch. Geſellſch. f. Oft: u. Weſtpr., behandelt
„die deutſchen Eine und Ausgangszölle” (Grenzzollweſ. — Zollverein) hrög. v. Bor:
fand. Gebr. b. Kafemann in Danzig.)
B(oepell), No, 8. Dctbt. 1864. Flugblatt... . Stadtiſche Steuern und Kommımal:Bub«
gets. Chr. (12 ©. ar. 8.)
Beopell, C., Die Bewegung der neun Preussischen Zettelbanken, in d. J. 1857-63
einschliessl., tabellarisch dargestellt. Ebd. (39 ©. Ler. 8.) 18 Ser.
Roegmann, Dr., Mathematiich-Phyficaliihe Studien. Analyſe des phyſiſchen Hebels.
Fall der Körper in der Luft. Geänberte Alwoodiſche Fallmaſchine. Drudv. C. Peſchle
in Wehlau. Kasbg. Theile in Comm. (44 ©. 8. m. 1 Gteinbrtaf. in 4.) Ya Thlt.
Rosenkranz, Karl, Kritik der Prineipien der Strauss’schen Glaubenslehre. (N. Tit,-
Ausg.) Leipzig, (#44) Brauns, (VI u. 70 6. gr. 8) 12 Sar.
— — Rameau’s Neffe. [Der Gedanke, 5. Bd. 1. Hft. ©. 1-25]
— — Rede sur Säcularfeier von Fichte's Geburtstag den 19. Mai 1862 gehalten
in dem Auditorium maximum der Albertina su Königsberg. [Ebd. 5.Bä, 3. Hft.
©. 170-187.)
— — Der deutsche Materialismus und die Theologie. [Zeitschrift f. wissensch.
Theol, 7. Jahrg. 3. Hft, S. 225—287.)
Nudloff, Dr. Wilh., Gin Erinnerungsblatt zum Andenten an d. Jubelfeier des 300jähr.
Geburtötages Shafefpeare'3 am 28. April 1864. Danz. Drud v. Edw. Gröning;
in Comm. bei Th. Anhuth. (8 ©. gr. 8.)
Sasmann, Dr. Oscar, zu Kgsbg. in Pr., Amaurose beider Augen durch subeutane
Injection von Strychnin nitr, geheilt. [Deutsche Klinik, No. 44. 45.)
— — „Die Wasserdouche‘ der Ohrtrompete, eine nene Verwendung des Politzer-
schen Verfahrens, [Ebd, 52. 1865. 2, 5.]
v. Saint:Baul, Kgl. Landr. u. Rittergutsbeſ. Ueber Wiefen-Melioration u. Compofts
Bereitung. Hrsg. 3. Velten der Kronpringftiftung. [Separatabdrüde aus d. „Land«
wirthſch. Jahrbuchern“ Jahrg. XIT. 1860. April-, Mai: u. JunisHft. u. Jahrg. XV.
1868. Mai-Heft.] Kasbg. Drud v. €. I. Dalkowski. @ ©. gr. 8) 5 Ser.
[Samland.]
Kante, Ober, A., Das Samland. Bortrag, gehalten im Gvangel, Bereinshaufe
188 Mittheilungen und Anhang.
zu Brandenburg a. d. 9. am 19. Januar 186. Programm d. Saldern ſchen
Realſchule in Brandenburg. S. 1-11. 4]
Sanio, Dr. Carl, Ueber Verdickung des Holakörpers auf der Markseite bei Tecoma
radicans, [Botan. Zig. No. 8.]
— — Ueber endogene Gefässbündelbildung. [Ebd. 27. 3.)
Eqhade, Dätar, Deutſche Handwerlslieder geſammelt u. brög. Leipzig, 865. (864.) Vogel,
(va u. 80 ©. 8.) 1 Thl.
Schaper, Stsanw. zu od, Zur Pindologie des Verdachts u. der Ueberzeugung. [Bolt
dammer’3 Archiv f. Preuß. Strafredt. Bo. XIL. 6. 441-459.)
— Oberl, Dr. C, in Insterburg, dann Gymnas,-Dir. in Lyck, Ueber die Entstebungs-
zeit der Vergilischen Eclogen. [Neue Jahrb. f. Philol, u, Paed. 89, Bd, 9. Hft.
©. 633—657. 11. Hit, 6. 769 -794.]
Söeele, Wilh. Vorſchule zu ven lat. Klafjitern. Cine Bufammenftellung v. Lern: u.
Uebgöftoff f. d. erfte u. d. mittlere Stufe des Unterrichts in d. lat. Sprache. 1. Thl.
Formenlehre u. Lefeftüde. 10. verb. u. verm. Aufl Clbing. Neumann:Hartmann.
(XIE u. 188 ©. 8.) 10 Sar. 2, Ipl. Saplehre u. Lefeitüde. 6. verb. Auf. Ebd.
Cit u. 219 6.) 15 Ser.
Io. Echenkendorf, Mar.)
Baur, W., Geſchichts- u. Lebensbilver. Bd. I. Hamburg. Agentur d. rauh. Hauſes.
Säliep (weil. Reg.:R. u. Commiflar. für d. Dei: u. Vorfluths - Reguliergsweſ. in den
Niedergen der Weichfel u. Nogat), Darftellung ver Deich u. Entwäflergsanlagen in
den Werdern u. Niederungen der Weichſel u. Nogat Elbinger u. Marienburger
Kreifes. [Parey, C., der Marienburger Kreis. 1. Theil. 6. 61—292.]
(Sehmechel, Caes.), Gin oller Grieche, od. Pech u. Wechſel. Komiſch. Lebensbild mit
Geſang in 2 Abtheilg. Als Micr. gedr. . . . Thorn, Rathsbchor. (Ernst Lambeck.)
(31 6. ar. 8)
Sämidt, Dr, A, Miltons dramatiihe Dichtungen. Eine Borlefung . . . Raab. Wilh.
Koch. (68 ©. 8) Ya Zhlr.
Schnaaſe, D., Dialon zu St. Johann in Danzig, Offener Brief an den Paſtor von
St. Johann in Danzig Hm. Jacob Aug. Herm. Hepner zu feiner 2öjährig. Amt:
iubelfeier ... . am 17. Rop. 1864. Als Mer. gedr. Danzig, Drud v. R. W. Wendt.
AB. u 19 €. gr. 8.)
I@ö&openhauer.]
Haym, R., Arthur Schopenhauer. [Ubgedr. aus d. 14. Bo. der preuß. Jahrbüc.]
Berl. ©. Reimer. (118, ©. gr. 8.) Ya Ihr.
Schreiner, Dr. Aug., Immanuel Kant, der Rönigäberger Weltweiſe. Ein Vollsbüchlein
für Stadt u. Land. Bei Gelegenheit der Aufftellung der Kant-Statue ald Anben:
ten gewidmet feiner Baterftabt, wie allen Verehrern u. Freunden des großen Mans
ned, u, die ihn genauer Tennen zu lernen wünſchen. Kgsba., 864. Drud v. E. Rau:
tenberg. Im SelbftverL d. Berf. (vn u. 7) ©. gr. 8) 5 Sm.
Veriediſche Siteratur (1866). 189
Sehriften d. Kgl. physikal.-ökonom. Gesellsch, zu Königsberg. 5. Jahr, 2 Abtheilgen,
Kgsbg. In Comm. bei W. Koch. VII, 212 u. 36 ©. gr. 4. m. 4 Taf.) 2 Thlr.
Ecqhroͤder. — Broden. Bon Dr. Sohröder, luth. Paſtor in Thorn. 2. Mittheilg. (Culm.
Gebr. bei Wilh. Theod. Lohde.) (16 ©. 8.)
Iehröter (aus Kgsbg., Prof, in Breslau), Ueber die Bteinersche Fläche 4. Grades,
(Abgedr. aus d, Monstaber. der Berlin, Akad. v. 26. Nov. 1863.) [Crelle's
Jonrnal f. d. reine u. angewandte Mathem, 64. Bd. 1. Hft. Berl, &.79—9.]
Säulg, 3. C. Danzig u. feine Bauwerle in malerifh. Originals-Radirungen. 2. Aufl.
Danzig." Selbftverl.
Schultz, Jul, De prosodia satiricorum Romanorum capita II de muta cum liquida et
de synaloephe. Kgshg, Schubert & Seidel in Comm. (66 ©. gr. 8.) "s Zplr.
Echulze, Lic. Dr. Ludw., o. Prof. d. Theol. 3. Kgsba., Ueber die Wunder Jeſu Chrifti
mit Beziehung auf d. Leben Jeſu von Renan. Portrag . . . Kasbg, Gräfe u.
Unger. (VII u. 62 €. 8.) &
Periodiſche Literatur (1806).
„@clefifge Provinzialblätter. Hrög. v. Th.. Delöner.” R. F. 5. Jahrg. Febr.
(6.65-128.): €. Rtone, Beitrag 3. Geſchichte d. Begründg. d. Gteinbruderei in
Sdhleſ. Erinnerg. ous d. eigenen Leben. Dr. Th. Bach, Beitr. zur Culturgeſchichte
Oberſchleſ. Aus Hippel’s handſchr. Nachlaſſe. A. Welpel, d. ehemal. Poſtweſ.
Säle. Rob. Shüd, Ein Beitr. zu d. Ringwäll, Steinwäll. u. Heidenkirchhofen
in Schleſ. v. Blacha, ein Wort 3. Sprachreinigung. Chi, Was fehlt d. mei,
Landgemeind. Echlef. u. wäre doch unſchwer⸗u. zu gr. Gegen berzuftell.? 2) Landl.
Krantenhäufer. %. Kr., die Feuervſicherg. d. Mi. Leute. Sw., zur Geſch. der Stot.
Kreuzburg DIE. H. Balm, d. Belagerung v. Schweidniß i. d. 3.1767 u. 58, in
e. mundaril. poet. Schildtg. Th. Delöner, Fr. Wild. Weigner (Nekrol.) A. M. O.
d. legte Hinrichtg. e. Verbrecher in d. Stot. Liebau. Stimmen aus u. f.Schlef.
— Literats u. Runftblatt. — Chronik u. Statiftil. — Brieflaften. —
Anhang.
4. Stern-Labladen, d. Bildung des ländl. Arbeiters in den landwirthſch. Fortbildungs ·
ſchulen. [Oftpr. Stg. 28.)
Die fogen. apoftolifähriftl. Gemeinde in Oftpreng. [Karh. Kirchbl. 11.]
V. Ortönamen im ehemaligen Pomerellen. [&randenz. Seſell. 25.)
Die Moodbruchſtrate von Betriden nad Schöndorf. lRgebg. Amtsbl. 8. ef. 4.)
2. Die Weicfeldämme (Notiz üb. d. Brudiahre — 74 feit 189 —) IWeſtyr. Btg. 66.)
Statiftifce Nachrichten üb. d. Verkehr auf d Dberlaudiſch. Kanal in den B Jahren
1861-1865. [MRarienw. Aumtobl. 11.)
190 Mittheilungen und Anhang.
Die Grandenzer Kreidgeſchichte (v. Kreisger.Secret. Froͤblich in Graudenz verfat;
drudfertig.) [@raubenzer Geſell. 33.1
Verzeichniß der Acceſſionen d. Danz. Gtadtbiblioth. i. 3. 1865. (Dans. 24. Febr. 1866.
Drud v. A. W. Kafemann. 1 DI, fol.) (umfaßt 187 Nrn., darunter 84 Geſchenke.)
[Beil 3. Danz. 3tg.-3502.]
aturforſch. Geſellſch. zu Danzig; ord. Verfamml. 7. Febr. (Dr. 8. Bericht üb. Apo⸗
theler Helm's Erperimental:Bortrag üb. Stidftoffverbindgn. im Waſſer, deren Nad-
weifung u. Bebeutg. f. d. menfchl. @efoh., mit bei. Bez. auf d. Danziger Wafler.)
IDanz. Stg. 3500.) . . . ord. Verfamml. 17. Jan. (9) (Dr. 8. Ber. üb. Aftronom
Kayfer'd Vortrag üb. d. Methode der geogr. Längenbeftimmg.) [Ebd. 3518.)
F Elsing, 7. Marz. Mitthle. aus d. Wermaltgäber, d. J. 1864. — Die Mübtife
Biblioth., leider nur kummerl. v. d. Commune mit jährl. 168 Thlr. auögeftattet,
iſt dennoch, thls. durch werthvolle Geſchenke, zu e. ftattl. Sammlg. v. 22000 Bd.
angewachſ.ʒ um für: dieſelben Raum zu gewinn., ſind wiele 3. Theil werthv. Alterthil-
mer, Seftgöreliefs x. aus dem Lokale entfernt u. follen, auf d. Rathhauſe aufgeftellt,
den Stamm e. neuen Sammlg. bilven.“) [Danz. Btg. 3512. cf. 3514.)
Das Gymnaſial-Inſtitut zu Kauernik. Aus dem Löbauer Kreife. IGraud. Befell, 22.)
Adolph Menzel's Gemälde: die „Huldigung Sr. Maj. d. Kbnigs Wilhelm Lin Kgsbg.“
[Die Diosturen. 1.]
Das Kal. Große Hospital im Löbenicht zu Kgsbg. [Rgobg. Amtsbl. 7. S.50—55.]
Börfenorduung f. Kgöbg. i. Pr. d. d. Kgsbg. 27. Apr. 1865; genehmigt d. d. Berl.
12. Juni 1866. [Ziſchr. f. d. gefammte Holschht, hrön. v. Goldſchmidt u. Laband.
9. Bd. 2.Hft. Erlang., 1865. 6. 328—331.]
Mäller-Drdnung f. Kgsbg. i. Pr. u. Memel 1865. IEbd. S. 2884 -881.]
Börfen- Ordnung f. Memel d. d.„Memel 13. Apr. 1865; genehmigt d. d, Berl.
12. Juni 1865. IEbd. ©. 831—834.]
Berein zur Nettung Siffbrüdiger in Mgöbg. Iſte ord. Sikg. 12. März. (Konſul
Kleyenftüber'3 Bericht üb. d. Stand d. Vereinsangelegenhtn.: jegt 326 Mitgl. mit
einmal, Beiträg, ca. 1800 Thlr. u. jährl. ca. 540 Thlr.; der hieſige Flottenverein
bat feinen Kaflenbeftand ca, 440 Thlt. übertoiefen. — Vorſchlag weg. 2 zu begründ.
Nettgöftationen. — Wahl des definitiv. Vorſtands.) [Kgobg. Hartgfde, Dftye.
u. Kgsbg. M. Btg. 61]
Die Ipisten-Anftalt in Naftenburg. [Danz. Amtsbl. 6. cf. Kasbg. Umtsbl. 3.
Sumbinn. Amtsbl. 6. Marienw. Amtsbl. 8.]
+ Pr. Stargard 7. März. (Mittpeilgn. üb. d. 1339 erbaute, aber nicht vollend, kath.
Pfarrkirche u. ihre Schähe.) Weſtpr. Btg. 58.1
Rektolog des Staatsminift. a. D. Rudolf v. Auerswald (t 15. Jan. 1866.) lUnſere
Zeit. Misſchr. z. Converſ.Lexil. bräg. v. Mub. Gottſchall. 2. Jahrg. 3. Hft.
6.229281. ei. Hufe, Ztg. 1179]
Anzeigen. 191
2. Ein ernſter Gedenktag für unf. Provinz (. . . der 25. Febr., an welchem ver 60 J.
(1816) d. command. General u. Milit.»Gouvern. d. Prov. Preußen, Bener. d. Inf.
Graf Bülow v. Dennewis, Befiger v. Grünhof bei Rgöbg, auf fm. Gute Mew
Saufen bei Agabg. +.) lWeſtyr. Btg. 48.]
Berihtigung eines Drudfehl. in Preuß u. Better'3 Preußiſch. Kinderfreund bei dem Le⸗
bensabriffe Simon Dachs u. einige fpeciellere Notizen zu demſelben (Storch, vie
Kirche u. d. Kirchſpiel Judiiten, 1861. ©. 59. 61. 66.) [ORpr. Btg. 48]
(Retrofog der am 21. Febr. verftorb. Frau Oberpräf. Katharina Eichmann geb. Freiin
v. Görötter.) [Cho. 48.)
Ueber die Erziehung 3. Wohlwollen. Herbarts allg. Bädagogit. [Monatsblätt. f. wife
ſenſch. Pädagog. hrög. v. Biller u. Ballauff 1865. No. 2.)
Ballaufi, üb. einige neuere Fortbildungen der päbag. Grunbige Herbarts [Ebd. No.4.)
Ed. Hildebrandt’3 oftind. Landſchaſten: „An den Ufern des Ganges, Benares“, und
„Sin Abend in ven Tropen.” [Die Dioskuren. 1866. 1.)
Carl Johann Georg Papendied, (Bioge. Notiz üb. d. am 22. Febr. in Berlin ver-
ftorb. Abgeoron.) Pr. Lit. Btg. 47; Dany. Itg. 3600; Kasbg. M. Btg. 52]
Nachruf. lHartgſche Stg. 43.)
Amiga. Ende Febt. Die neuefte Richtung von Scherres u. e. Bild von Wehrendfen.
Die Dioskuren. 8.)
Aufforderung.
Die Herren Gutöbefiger der Provinz werden hiedurch erfucht, bei tieferen Grabuns
gen oder Bohrungen von Brunnen Schichten oder Bobryroben von 3 zu 3 Fuß Tiefe
nehmen zu Iaflen, jede derfelben in Papier einzupaden, mit der Tiefzahl zu verfehen und
mad) abgefchlofiener Arbeit, mit Lolalnotizen verfehen, der unterzeichneten Gefellichaft, zu
Händen deö Herrn Dr. Berendt, Königsberg, Katholifche Kirchenſtraße 10, gütigft zu
fenden zu wollen, um dadurch zur Forderung ber geognoſtiſchen Unterſuchung der Bro:
vinz Die Konigl. phyſikal. dkonom. Geſellſchaft.
Anzeigen.
Woflfeile Bücher aus allen Wiſſenſchaften zu haben bei Ferd. Raabe, Antiquar in
Kasbs · i. Pr., Altſtadt. Lanagaſſe u. Babergafien-Gde No, 71. Ro. 22. (204 6.8.)
heol. Bred. Erbanungefgr.— Vhiloſ. — Raturw. — Med. — Mathem. — Bautuzf. — Rriegem.
— Bädag. Difde Epr. Cacdti. Bolrsfär. Iugdfär. — Geſq. Memolr. Ettiifffh, Litgeis. M-
teth ac — Preuß. Bei. — Geoge, Ref. u. uber, — Marten. — Sabne Tijiigaft, —
WEuft. Gefang. — Karten, u. Breitfpiele. — Romane. Dramat. Epiele. — Tafgens. — Ralmder.
— Ulberfgg. — Yurläpr. — Deton. Gewerbe. Hblgt- u. Borfw. Tequel. — Kranz. — Engl —
Sal. — Span. u. Portug. — Eger, Din. u. Holänd. — Mufttelien.]
192 Anzeigen.
Antiquarischer Anzeiger der Theod, Bertling’schen Buch- und Antignar-Handlung in
Dausig. No, 7. Januar 1866, (8 ©. 4.) [Inh.: Belletristik, — Theol, u. Philos. —
Neuere Spr. — Gesch, Geogr. Reisen. — Gedanensis. — Mathem. u, Astron.—
Musik. — Vermischte Werke.]
Im Verlage der Yartumg’fhen Fuchdruckerei zu Königsberg in Pr.
find zu haben:
Beiträge zur Stunde Preußens 7 Bände a 6 Hefte. Herabgefebter Preis für alle
Bände zufammen 3 Thlr. 15 Sgr.
Burſchenfeier am 18. Juni 1818 auf der Höhe des Galtgarbens. 8. Geh. 6 ar.
David, M. Lucas, Preuß. Ehronit, herausgeg. von Dr. Hennig und beendigt von
Profeſſor Schüg. 8 Bände in 4. 8 Thlr.
Erinnerungdbud;, alademiſches, für die, welche in den Jahren 1787 bis 1817 die
Konigsberger Untverfität bezogen haben. 1825. 8. Geh. 10 Sar.
— — für die, welche in den Jahren 1817 bis 1844 die Königsberger Univerfität
bezogen haben. Herausgegeben bei Gelegenheit der dritten Gätularfeier der \
Univerfität. 184. 8. Geh. 20 Sur.
Gebauer, Dr. ph. Karl Emil, neuer Wegweifer durch Samland. Gin Wanderbuch
für Beſucher des Samlandes und für Babegäfte, 4. völlig umgearbeitete und mit
einer Wanderkarte verfchene Aufl. 1861. 12. in Gallico geb. 15 Sar.
Hennig, chronologiſche Weberficht der denfoftrbigften Begebenheiten, Todesfälle und
milden Stiftungen in Preußen, vorzüglich in Konigsberg, im 18. Jahrhundert.
Fortfegung bis zum Jahre 1827 vom Guperintendenten Schröder in Goldapp.
8. Geh. 20 Gar. J
Philipp Melauchthon'd Briefe an Albrecht, Herzog von Preußen. Herausgegeben
von Karl Faber, Königl. Geheim. Archivar. 1817. 8. Geh. 10. Sar.
Einige Radriten vom Kriegs: Denkmal auf dem Galtgarbberge. 1840. 11. 8.
Geh. 5 Ser.
Reuſch, R. Sagen des Preußifhen Samlandes. 2. völlig umgearbeitete Auflage.
Herauögegeben von dem literariſchen Ktanzchen zu Konigsberg. 1868. 8.
Geh. 12%]2 Sat.
Mister, Beiträge zur Kunde Preußens. Neue Folge. 1. Band. 1 Xhlr. 10 Sar.
@älstt, Adolf, Regierungsrath. Topographiſchſtatiſtiſche Ueberſicht des Regie
rungsbesirts Königsberg nad) amtlichen Quellen. 1861. 4. 2 Xhlr.
Witt, Auguft, Die Ueberſchwemmung der Weichſel. und der Nogat-Riederungen
in der Provinz Preußen im Jahre 1855. Geh. 10 Sar.
——
Bie Schaufpielkunft bis anf Jeſſing
Bon
Dr. E. Gervais.*)
Tür den Griechen beftand bie dramatiſche Kunft nur im Verbande
von dichteriſcher Schöpfung und theatraliſcher Aufführung. Bei uns ift
die Trennung von beiden fo weit gebiehen, daß wir bramatifche Dichtun
gen zu Kunſtwerken erſter Größe zählen, bie gar nicht für die Bühnenanf-
führung beftimmt find, andre wieberum nicht lefen, nur fehen mögen, um
einen Genuß davon zu Haben. Weberhaupt gehen dramatiſche Dichtung
und Schaufpiellunft nicht mehr Hand in Hand; jene wird von ben Meiften
hochgefhägt, während nur wenige biefer eine Hochachtung, wie fie bie
Kunft gebietet, zollen. Die Menge finbet nur im biefer ein Ergögen, ohne
auf den Werth deſſen zu achten, was fie barftellt. Kurz die Büßne, bie
Schaufpiellunft Haben eine gefonberte Stellung, bie den Alten fremd war.
Unter denen, welche letztre Kunft gering fchägen, hat es an Grüblern nicht
gefehlt, die in ihr den Mangel jedes künftlerifchen Bedingniſſes nachzuwei⸗
fen verfucht, und nicht bloß den verachteten Stand ber Schanipieler im
mobernen Europa, ſondern auch ben ber SHaven oder Breigelafienen bei
den Römern, ja bie untergeorbnete Stellung bei Ausübung und Erlernung
der techniſchen Bertigfeiten bei den Griechen als Beweis für ihre Behanps
tung geltend gemacht. So leugnete noch in meufter Zeit ein über das
=) Radhſtehende Abhandlung ift ein Abſchnitt and einem größern Werke: „Das
deutfhe Drama und die deutiche Bühne von den älteften Zeiten bis auf
die Gegenwart,” deſſen 1.Band mit Leſſing abſchlleßt. Gie dürfte auch für fich ver⸗
Ränplich u. von Intereſſe fein. .
Up, Wenstöigeift Bi. IL Oft 8 13
194 Die Shaufptelkunft bis auf Leſſing
Schauſpielweſen wohlunterrichteter Exchriftfteller,«) daß die Schaufpielfunft
der Alten zu den freien und fchönen Künften gezählt worben fei, ba ber
angehende Schaufpieler genöthigt war, ſich nicht bloß einem belehrenden
Unterrichte, fondern noch mancher Beichränfung feiner Perfönlichkeit zu
fügen. „Der Schaufpieler, der nicht vor zurädgelegtem 3Often Jahre auf
dem öffentlichen Theater erſcheinen durfte, brauchte eine lange Vorberei⸗
tang und Einübung, um in den Befig aller jener Fertigkeiten zu kommen,
welche fein @efchäft erforderte, und die theils in Declamation, theils in
Altion beftanden. Zahlreiche Beweiſe zeigen, daß in alter Zeit Declama-
tion und Geſtikulation einzig und allein mechaniſch erlernte Fähigkeiten
waren, und ein Künftlerifches durchaus nicht aufzufinden war.” — Ebenfo
fengnet er, daß es jegt eine Schauſpielkunſt gebe, ja überhaupt eine geben
tönne, da ihr Selbſterſchaffen und Freiheit abgehe.
Die Beweife find in Bezug auf die Griechen ebenfo viel Entftellun-
gen ber hiſtoriſchen als der Fänftlerifchen Wahrheit. Zur Blütezeit ber
dramatijchen Kunft war der Dichter zugleich der Darfteller, wie ſchon von
Ueſchhlus bekannt if, und von Sophocles, ber nur durch eim zu ſchwaches
Organ von ber Recitation abgehalten, in feiner Tamyris in den Steffen,
wo er fein vollenbetes Citherſpiel und eine ergreifende Situation zeigen
konnte, die Titelrolle und in feinem vielleicht fatyriihen Drama Naufllan
bieſe felber ober eine ihrer Mägde fpielte, um feine Geſchicklichkeit in der
Orcheſtik zu beweifen. So gab es in dem ganzen Umfange ber Schanfpiel-
kunſt, die allerdings viele unb große Fertigleiten erforderte, Nichte, was
den Breieften nnd Angefehenften in einem Staate, der Sophocles fogar
unter bie zehn Feldherren ernannte, entehrte. Denn ben Griechen war
keine Geſchicklichkeit verächtlich, die ihnen ein reines Vergnügen und Afthe
tiſchen Gennß bereitete.=«) Daß ber Schaufpieler in großem, ja mitunter
ſelbſt zu großem Anfehn ftand, iſt eine von dem glaubwilrbigften Eihrift-
ſtellern beftätigte Thatſache. Anders in Rom. Hier war ſchon ber Zu
ſtand der dramatiſchen Dichtkuaſt ein bebanernswärbiger. Es gefiel nur
*) Hebenftreit, das Schaufpielwefen. Wien 1848.
=) 6. Lelfings Leben des Sophocles. Werte. Thl. VI. ©.282 ff, Rote K.
6. 34-368. .
von Dr. C Gervals, iss
das, was dem Auge und der Sinnlichkeit ſchmeichelte; ber übertriebenfie
urus ging mit der immermehr überhanpnehmenden Verſchlechterung der
Sitten und dem Verberbniffe des guten Geſchmads Hand in Hand. Die
Geringfhägung des Schaufpielers, der in jemer Zeit, wo bie dramatifche
Kunft bei den Römern zur Erhöhung des Luxus diente, leider zur Beftie⸗
digung ber beliebteſten Genüffe ſich bereitwillig hingab, iſt daher leicht bes
greiflich. Auch die dramatiſche Dichtkunſt blieb Nicht-Römern und Frei⸗
gelaſſenen als eine geringgeachtete Beſchäftigung überlaſſen. Was folgt aus
fo verſchiedener Schätzung der Kunſt und der Künſtler? Doch wol nur,
daß bei den Griechen bie Kunft zu ungleich höherer Vollendung gelangen
mußte, was wie bie Hochſchätung berfelen aus bem Naturell des Volles
ſelber Hervorging.”)
Bei den modernen Völkern Hat fi die Dichtkunſt meiftens als der
Ausfluß der Höchftbegabteften Geifter offenbart und darum in ber Höhe
der Werthachtung erhalten, wenn auch denen, welche in ihr zur wahren
Vollendung gelangten, oft erft die Nachwelt gerechte Würbigung, Ehre und”
Ehrendentmäler zu Theil werben ließ. Die Kunft wie der Stand ber
Schauſpieler waren: und find nach fubjectiven Anfichten oder nad indie
viduellen Leiftungen höher oder geringer geachtet. Alles dies fteht hiſto⸗
riſch feſt. Statt vieler Autoritäten, die gegen dieſe Kunſt geeifert, führe
ih nur Rouſſeau an, ber zwar das Genie des Schanfpielers nicht beftrel-
tet, aber meint, daß in demfelben etwas SHavifches und Niedriges liege,
und daß ber Schaufpieler turch feinen Stand eine Vermiſchung von Ne
drigkeit, Falſchheit, Tächerlichem Stolze und Herabtofirbigung in feiner Seele
empfange, wodurch er zur Darftellung aller Berfonen fähig werde, ausger
nommen ber ebelften Berfon, des wahren Menfchen, aus dem er her⸗
austrete. Er behauptet: „die Schauſpieler müßten tugendhafter fein als
alle anbere Menſchen, wenn fle nicht verberbter fein wollten.” Der phan ⸗
taftifche Idealiſt konnte von Niemand beffer widerlegt werben, als von
dem rationalen d'Alembert. nn
Bevor wir aber von ber Einwirkung feiner Kunſt anf ben Chäratet,
*) Bergl. die Widerlegung Hebenftreits in den Wiener Jahrbüchern. Bd, 19,
S.242 fi. von Deinharbftein, der wir im Folgenden noch manches enfiehnett Yberben.
13°
196 Die Sqhauſpleltunſt bis auf Leſſing
des Schauſpielers reben, laſſen Sie uns das Wefen jener ſelbſt betrachten.
Aus der Unterorbnung unter bie Dichtkunſt den Mangel an Gelbftän-
digleit ber Schauſpiellunſt zu beweiſen, ift ein oft verſuchtes, aber wicht
probehaltiges Experiment, ihrer Würde und Bebentfamteit entgegen zu tre⸗
ten. Im jeber Kunft ift das Höchſte und Eigentlichfte ihrer Wirkung das
Voetiſche. Danach als letztem Zwede fireben alle fhönen Känfte, und nur
die Mittel zur Erreichung find verſchieden. Die Bildhauerkunſt fucht bie
poetifche Ioee durch Formung bes Stoffes anſchaulich zu machen, fie if
eine Poefie in Stein, wie die Tonkunft in Tönen, die Malerei in Farben,
die Dichtkunft in Worten, die Schauſpiellunſt in Declamation und Gefti-
tulation. Die legtere ift dem Poetiſchen ebenfo untergeorbnet, als bie
Dichtkunſt. Sie geht vemfelben Ziele zu, nur auf einem andern Wege.
Im einer Art der Dichtkunft, der bramatifchen, verbindet fie ſich mit ihr.
Ledtere konnte ohne diefelbe bei dem kunſtgebildetſten Volle der Welt, deu
Griechen, gar nicht beftehen, da die Aufgabe der Tragödie in ſchöner Si⸗
tuation beſtand, und bie Darflellung biefer durch alle vie ſchwer zu er⸗
leruenden Sertigleiten des Gchlanfpielers zu bewerkſtelligen war. Nicht
bloß die Aneführung des Chors, fondern auch das, was ber Dichter in
ber Partie der .erften, zweiten und dritten Rolle mehr angebentet als nach
Art der Neuern allfeitig im Charakter jeder Rolle in Worte gefaßt Hatte,
fiel ver Kunft der Epieler zu. Man Hat uoch lange nicht genägenb bei
den alten Tragitern und Komilern darauf geachtet, wie fie abwechſelnd
bald bie Situation bis zur Erſchöpfung in dem Dialoge ansmalen, bald
wieder karg im Ansorude find, ja wie im Philoktet, im Aaz n. a. m.
mur in leidenſchaftevollen Lauten die Handlung begleiten, ‘ober wie fo
Häufig in ihren Komödien Ariftophanes, Plautus und Zerenz nur ein ober
ein paar abgeriffene Worte Hinmwerfen, die nicht felten das Gegentheil der
Handlung erfordern, kurz fo Vieles, und zuweilen Alles, allein der Action
anheimgeben. So reichte Hier eine Kunft ber andern bie Band; ber
Dechſel, wo eine bie andre ablöfte, zeigte vom ebenſoviel Cinficht bes
Dichters in bie eine wie in bie andre Kuuf, bie er beibe auszuüben be-
ſahigt fein mußte. Auch der Schauſpieler, der nicht Dichter war, biefen
nicht zur Seite Hatte, mußte mit feiner Qunſt die des lehtern aufzufaflen
und zu ergänzen verfichen.
von Dr. &. Garne. 197
Doch was brauchen wir bis zu den Alten zurüdiugehent uch
Epatefprare's Gtäde find allein für bie Aufführung gefärieben; feine Zeit
tannte noch bie Unnatur nicht, das, was draſtiſch ver unſere Augen tre-
ten ſollte, bloß für Refer anszumalen, Bei der Lectäre feiner Dramen
fällt die Ungleichheit auf, daß er, der, wie Wieland fagt,>) „unter allen
Dichtern feit Homer die Menfchen vom Könige bis zum Bettler, vom
gulius Caeſar bis zum John Falftaff am beften gelaunt und mit einer
Art von unbegreiflicder Intuition durch und durch gefehen hat,” mitunter
nur trodene Unriſſe, ſchroffe Zeichnungen und grelle Symmetrie der Eha-
raltere und Situationen giebt. Bei der Darfiellung machen biefe
Gfiygirungen gerabe bie lebendigſte Wirkung, und gehen durch gute Dar⸗
ſtellung gauz und völlig in wirlſamſte Kunft über. Andererſeits feſſeln
beim Leſen einzelne Ausführungen Kopf und Herz dermaßen, daß wir bei
ihnen fort unb fort verweilen, feine reiche Weltkenntniß beiounbern, feine
maonnigfaltige Weisheit durchdenlen, feine zart ausgemalten Empfindungen
ange nachempfinden möchten. Der fortfchreitende Gang feiner darge
ſtellten Dramen, wie er dem poetiſchen Gerippe mancher Geſtalten Fleiſch
und Leben, ven Gharakteren Mantigfaltigfeit, der ffigenhaften Ganblang
bie erforberliche Ausführung giebt, fo hindert er unfer Ausruhen auf dem
Einzelnen, das doch wieder zw lebendig ift, mm verloren zu gehen, hilſt
uns über alles Kopfbrechen und Nachgräbeln hinweg, befriedigt unſre Eine
bilbungskraft ohne fie abzufpannen. Kurz die Dichtkunſt und Schauſpiel⸗
kunſt, die ja auch Shalefpenre beide im ſich noch vereinte, treten bet ihm
Hand in Hand, jebe die andre ehrend und das Yhrige jeber überlaffend
in BWirtfamfeit gleich berechtigt auf. Dies war eine der vielen Einſichten,
die Leffing dem großen Briten verbankte, und bie vor ihm fein deutſcher
Bühnenbichter an ben Tag legte.
Daß bie Gebilde der Schaufpieltunft ſchneller als die andern ſchönen
Künfte an und vorübergehen, barf uns nicht Geringfhägung deſſen er»
weden, was, fo lange es beftand, uns mit Theilnahme und Eutzädin er
fühlte. Bet keinem Kunſtwerke kommt es barauf an, wie lange es beflcht,
fonbern nur, wie es beſchaffen iſt. Der Bildhauer und ber Maler bie
*) 6. Ygathon. Bo. IT. 6.198,
196 Die Saarlviclenſt bis auf Seffng
des Schanfpielers reden, laſſen Sie uns das Weſen jener ſelbſt betrachten.
Aus der Unterordnung unter die Dichtlunft ben Mangel an Gelöftän-
bigfeit ber Schauſpieltunſt zu beweiſen, iſt ein oft verfuchtes, aber nicht
probehaltiges Experiment, ihrer Wurde und Bedeutſamkeit entgegen zu trer
ten. Im jeber Kunſt iſt das Höchſte und Eigentlicäfte ihrer Wirkung das
Voetiſche. Danach als letztem Zwede fireben alle ſchönen Känfte, und uur
die Mittel zur Erreichung find verſchieden. Die Bildhauerkunſt fucht bie
poetifche Ipee durch Formung des Stoffes anfchaulich zu machen, fie iſt
eine Poefle in Stein, wie die Tonkanft in Tönen, bie Malerei in Farben,
die Dichtlunſt in Worten, die Schauſpiellunſt in Declamation und Gefti-
tulation. Die letztere ift dem Poetiſchen ebenfo untergeorbnet, als bie
Dichtkunſt. Sie geht demſelben Ziele zu, nur auf einem andern Wege.
Im einer Art der Dichtkunſt, der dramatifchen, verbindet fie ſich mit ihr.
Letztere konnte ohne biefelbe bei dem Tunftgebilvetften Wolle ver Welt, ven
Griechen, gar nicht beftehen, da bie Aufgabe der Tragödie in ſchöner Si⸗
tuatton beſtand, und bie Darftellung biefer durch alle bie ſchwer zu ere
lernenden Fertigleiten des Schlanfpielers zu bewerfitelligen war. Nicht
bloß die Ansführung des Chors, fondern auch das, was ber Dichter in
ter Partie der .erften, zweiten und dritten Rolle mehr angebentet als nach
Urt der Nenern altfeitig im Charakter jeder Rolle in Worte gefaßt Hatte,
fiel der Kunft der Epieler zu. Man Hat noch lange nicht genügend bei
ven alten Tragikern und Komilern daranf geachtet, wie fie abwechfelnd
bald die Situation bis zur Erſchöpfung in dem Dialoge ansmalen, balb
wieder karg im Ansbrude find, ja wie im Philoktet, im ar n. a. m.
nur in leidenſchaftevollen Lauten die Handlung begleiten, ober wie fo
Häufig in ihren Komdbien Ariftophanes, Plantus und Zerenz nur ein ober
ein paar abgeriffene Worte hinwerfen, die nicht felten das Gegentheil der
Handlung erfordern, kurz fo Vieles, und zuweilen Alles, allein ber Action
anheimgeben. So reichte bier eine Kunſt der andern bie Hand; ber
Bedfel, wo eine die andre ablöfte, zeigte vom ebenſoviel Einficht des
Dichters in die eine wie im bie anbre Kunfl, bie er beide anszuüben be
ſahigt fein mußte. Auch der Schauſpieler, der nicht Dichter war, biefen
nicht zur Seite Hatte, mufte mit feiner Kunft bie bes lehtern anfzufaflen
und zu ergänzen verfichen,
von Dr. &. Gerveis. 197
Doch was brauchen wir bis zu den Mlten zurüdingehen! Anch
Shaleſpeare's Stüde find allein für die Aufführung gefchrieben; feine Zeit
kannte noch bie Unnatur nicht, das, was braftifch ver unfere Augen tres
ten follte, bloß für Lefer anszumalen. Bei der Lectüre feiner Dramen
fallt die Ungleichheit anf, daß er, der, wie Wieland fagt,>) „unter allen
Dichtern feit Homer die Menſchen vom Könige bis zum Bettler, von
gulins Eaefar bis zum John Falftaff am beften gelaunt und mit einer
Art von unbegreiflicher Intuition durch und durch gefehen hat,” mitunter
nur trodene Umriſſe, ſchroffe Zeichnungen und grelle Symmetrie der Eha-
raftere und Situationen giebt. Bei der Darftellung machen biefe
Gfyjirungen gerabe bie Iebenbigfte Wirkung, und gehen durch gute Date
ſtellung ganz und völlig in wirffamfte Kunft über. Andererſeits fefjele
beim Lefen einzelne Ausführungen Kopf und Herz dermaßen, daß wir bei
ihnen fort und fort verweilen, feine reiche Weltlenutniß bewundern, feine
mannigfaltige Weisheit burchbenten, feine zart ansgemalten Empfindungen
Lange nachempfinden möchten. Der fortfcreitende Gang feiner darge
ſtellten Dramen, wie er dem poetifchen Gerippe mancher Geſtalten Fleiſch
und Leben, ven Charakteren Mannigfaltigfeit, der ſtizzenhaften Handlung
bie erforderliche Ausführung giebt, fo hindert er unſer Ausruhen auf dem
Einzelnen, das doch wieber zu lebendig ift, um verloren zu gehen, hilſt
uns über alles Kopfbrecden und Nachgräbeln hinweg, befriebigt unfre Ein
bilbungskraft ohne fie abzuſpannen. Kurz bie Dichtkunſt und Schauſpiel⸗
tanft, die ja andy Shafefpeare beide im ſich noch vereinte, treten bei ihm
Hand in Hand, jebe die andre ehrend und das Ihrige jeber überlaflend
in Wirkſambkeit gleich berechtigt auf. Dies war eine ber vielen Einfidhten,
die Leffing dem großen Briten verbante, umb bie vor ihm fein deutſcher
Buhnendichter an ben Tag legte.
Daß bie Gebilde ber Schaufpiellunft ſchneller als die andern ſchönen
KHünfte an uns vorübergehen, darf uns nicht Geringichägung beffen er»
weden, was, fo lange es beftanb, uns mit Theilnahme unb Eutzüden er
füllte. Bei leinem Kunſtwerke kommt es darauf an, wie lange es befücht,
fondern nur, wie es befchaffen ift. Der Bildhauer und ber Maler bie
®) 6. Ygathon. Bo. 11. 6.192,
198 Die Saufpiltung ba auf efinz
den: dieſelben Künftler, ob ihre Werke im nächften Augenblide nach ihrer
Entftehung vernichtet werben ober nicht. Wie viele derfelben gehen an
nnſern Blicken vorüber, wie das Spiel der Bühne, ohne wie dieſes einen
andern Genuß als ben der lebendigſten Rüderinnerung zurädgulafien. Die
Wirkung jeder Kunſt ift Harmonie ber Gebanfen und Empfindungen, bie fie
durch gewiſſe äußere Mittel, fei's Stein, Farbe, Ton, Wort vor unfre
Sinne, und durch biefe vor bie Seele bringt: bie Erreihung biefec Wir-
kung tpeilt bie Schaufpiellunft mit ben Übrigen. Ober empfinden wir
bei der gelungenen Leiſtung des Schaufpielers jene künftlerifche Wirkung
nicht? Werben wir von ihm minder erhoben als von dem gelungenen
Werke des Malere, bes Tonfehers, des Bildhauers, des Dichters? Wie
biefe bringt er eine in uns vorbem nicht beftandene, und bamit eine wirl⸗
liche Harmonie der Empfindungen und Gebanten hervor. Er erſchafft das
Wahre durch Ilufion, und Sufion verlangen alle Künfte von uns, wenn
fie auf und Eindrud machen follen.“) Die Würben, die der Dühnen-
Linſtler darſtellt, befleiven ihn nicht wirklich, er tödtet ſich und anbre zum
Schein, fühlt eine glüdliche oder unglüdliche Liebe nicht felber, Jugend
and Alter hat ihm nur die Schminke verliehen. Und dennoch fühlen wir,
fehen wir, beiwundern wir alles, wie Wahrheit, die höchſte Wahrheit, das
Seal bes Wahrheit!
Wenn Rrittler jagen: was ber Schaufpieler wirke, fei fein Qunſtwerl,
fonbern nichts ale ein Körperipiel, fo Tönnte man ebenfogut fagen: bie
Molerei ift ein Farbenſpiel oder die Tonkunſt ein Tonfpiel. Und man
*) Bemond de Sainte Albine in feinem Werte le Comedien Paris 1747 ftellt
die HMufion des Schauſpielers noch über die des Malers. S. hier, was Leffing aus ihm
Berk.iv. ©. 176 alfo überfegt: „Umfonft rühmt fi die Malerei, daß fie die Leinwand
belebe; es kommen aus ihren Händen nichts als unbelebte Werke. Die dramatiſche
Dichtkunft hingegen giebt den Wefen, welche fie fhafft, Gedanten und Empfindungen, ja
Nogar vermittel des theatraliſchen Spiels Sprache und Bewegung. Die Malerei verführt
Ne Augen allein, dic Zauberei der Bühne feflelt die Augen, das Gehör, den Geift und
das Herz. Der Maler flellt die Begebenheiten nur vor, der Echaufpieler laßt fie auf
gewiſſe Welfe noch einmal geſchehen. Seine Kımft ift daher eine won denjenigen, welchen
«8 am meiften zulommt, uns ein volftändiges Bergrügen zu verichaffen. Bei den übri-
Künften, welche die Natur nachahmen, muß unfere Einbildungskraft ihrem Uuver
— faſt immer nachhelfen. Nur die Kunſt des Schauſpielers bedarf dieſer —
— Leſſing in einem Briefe an Mendelsſohn weiſt die Illuſion aus der dramatis
Io Voeſie in die Scaufpiellunft. S. Werte XII. ©. 69.
von Dr. &, Gewais. 188
hätte in der Beziehung Recht, daß alle dieſe Künfte durch bie leichte,
fpielende Weife ihrer Probuctionen dem ernften Geſchäfte der Wiſſenſchaft
gegenüber ftehen, und in ber Beziehung Unrecht, wenn man wegen ber
leisten Art der Hervorbringung auf bie Bebentenheit des Hervorgebrach ⸗
ten leine Rüdficht nehmen und damit der Würde jeber ſchönen Kunſt zu
Leibe gehen wollte. Daß Lente ohne fonflige Geiftesbegabung oder ohne
höhere Bildung ein angebornes Talent der Nahahmung, eine ungewöhn-
liche Leichtigkeit im Spiel der Geelenträfte mit Anwenbung auf bramatifche
Dichterwerle befigen, und faft gar feines Studiums bebürfen, ift nicht
allein bei ber Schaufpielkunft, fonbern bei jeber ſchönen Kunft ber Fall.
Denn in jeder Kunftleiftung bleibt dae Höchſte und Schöpferiſche das,
was nicht gelehrt und gelernt werben kann. Der Schaufpieler wird, wenn
ihn nicht die Natur dazu gemacht Hat, bei allem Fleiße, bei aller Kennt
niß der mechaniſchen Erforbernifie feiner Kunft immerbar bie Wirfung ver
fehlen, die eine kunſtleriſche Illuſion in den Zuſchauern hervorruft, Die
Natur muß den Schaufpieler entwerfen, die Kunft muß ihn vollends aus
bilden. Auch die fogenannten Verſtandeskünſtler, die doch nicht- in ber
erften Reihe glänzen, weil ihnen bie eigentliche Hauptſache fehlt, haben
außer dem Fleiße und dem firengen Stubium eine geiftige Richtung non
"per Natur erhalten, ohne welche fie nicht auf das Prädikat Künſtler Ans
ſpruch machen könnten.
Wenn anbererfeits vom Schaufpieler die vielen mechanifchen Fertig⸗
Teiten ein längeres Vorſtudium erfordern, das je nad; bem höhern ober
niedrern Standpunkte, auf welchem Tragödie und Komödie zu einer Zeit
ober bei einem Bolfe fliehen, leichter oder ſchwerer fein, wenig oder viel
Geltung haben wird, jo beweift dies — mas? — Doch wol nur, daß ges
bildetere Zeiten ober gebilvetere Völler basjenige, was rohere nicht ber
Mühe werth achten, ober wofür fie nicht Sinn und Geſchmad befigen,
für unerläßlic anfehen, damit der Genuß am Schanfpiele ein ihrem feinern
Sinne, ihrem äfthetifchen Geichmade genügender werde. Dann hat wie⸗
derum bie Schauſpiellunſt mit andern Künſten gemein, daß fie einer
ſchwierigen Technik zur Ausübung ihres ſchöpferiſchen Wirlens bedarf.
Ebenſo theilt der Schaufpieler mit allen Künftlern, daß er vom Bei-
falle des Publikums abhängig iſt. Einem ungebilveten ober irregeleiteten
200 Die Schauſpieltunſt bis auf Leffing
Publikum gefallen Ohren kitzelnde Melodien mehr als Compofitionen, bie
zur Eeele fprechen, Genrebilber mehr als Darftellung hiſtoriſcher Stoffe,
Voſſen mehr ale klaſſiſche Werke. Verlieren aber deshalb Tonſetzer, Maler,
Dichter ihren Werth? Oder iſt der Schauſpieler mehr gezwungen, dem
verderbten Geſchmack zu huldigen? Hat er nicht wie jeder Künſtler bie
Freiheit des ehrlichen Mannes, eher feiner Kunſt zu entſagen als fie un
wärbig anszuäben?
So ſtellt die kritiſche Beweisführung Heraus, daß es eine Schau⸗
fpielfunft gebe, und daß ber, welcher mit Anlagen dazu geboren, fie mit
ganzer Potenz übt, ein Künftler fei, welcher gleich jebem anbern Künſtler
unfere Hochachtung und Bewunderung verbiene. Daran änbert nichts ber
hiſtoriſche Nachweis, daß die Kunft wie bie Perſon bes Schanfpielers fehr
verfchiedener Würdigung unterworfen geweſen, baß ber Schaufpielerftand
in bürgerlicher Geltung meiftens weiter Hinter dem anderer Künftler zu-
rüdgefegt worden ifl. Im Einem nur treffen bie Urtheile ber Kritif und ber
Geſchichte zufammen, baß bei dem gebifbetften Volle ber Griechen die
vielfeitigfte Entwidlung der Kunft mit ber perfänlichen Hochſchätzung bes
Künftlers zufommentrafen. Darans darf wol mit Recht der Schluß gezo-
gen werben, daß bie Kunft nur da emporbläht, wo ber Künftler in allger
meiner Achtung fieht. Denn mie fehr and das Genie die hemmenben
Schranten bes Borurtheils durchbrechen, über bie comventionellen Stanbes-
Begriffe ſich hinweg fegen mag; wie fehr fein Beiſpiel auch andere zu
gleichen Eutſchluſſe ermuthigen Tann: er Hat ber Kunft ein Opfer gebracht,
ohne dadurch fie felbft aus den Feſſeln bes Zeitalter zu einer freien, ben
andern gleichgeachteten zu machen. Wir ehren feinen Muth, wir beivuns
dern feine Leiftungen, aber er gehört einem Stanbe an, ber nach wie vor
durch die Geringfchägung der Welt ein gebrädtes Dafein behält. Nur
die Öffentfiche Meinung, die Umgeftaltung der bürgerlichen und geſellſchaft⸗
lichen Verfättniffe, die Belämpfung falſcher Vorurtheile, vornehmlich bie
ſittliche Erhebung des verachteten Standes felbft Tann bie freie Schau
fpieltunft, wie fie einft zu Athen blühte, ins Leben rufen.
Die Mängel der wirklichen Welt, foweit fie der Kunft Eintrag thun,
aufgubeden und zu rügen, iſt eine Pflicht ver Kriti, Doch nur ber
von Dr. C. Gewais. 201
Kunft felber die Wege zu zeigen, die fie einſchlagen muß, um zum Ziele
zu gelangen, ift ihre Aufgabe —
Wir haben bisher a posteriori aus ber Wirkung auf das Borkan-
denſein einer Schaufpieltunft geſchloſſen, bie durch Declamation und Gefti-
Ynlation das Poetiſche vermittle, worin alle Künfte ihren gemeinfamen
ausdruck finden. A priori ließe ſich nur die Wirkung, welche die Echaue
fpieltunft hervorbringt, ans ihr ſelbſt beftimmen, wenn Gefege und Regeln
vorhanden wären, deren Befolgung das Künftierifche, wie wir es erfannt
haben, nothwendig zur Folge Hätten. Doch wir Haben ſchon bemerkt, daß
das Beſte und Schöpferiiche, was erft eine Produktion zur Kunft erhebt,
fich nicht lehren und lernen laſſe. Selbſt der mechaniſche Theil, der darch
Fleiß und Studinm zu erringen wäre, hat, nach Geſchmack und Bilbung
der Bölfer unb Zeiten, ſowol eine ſehr abweichende Baſis als einen ſehr
mannigfaltigen Inhalt gehabt, fo daß andy ans ihm Leine ſicher zu beſtim⸗
mende Wirkung ſich herleiten läßt. Die Alten zwar feinen ber Kunſt
des Schanfpielers eine fo umfangreiche Technil zu Grunde gelegt zu haben,
daß jene zur Anſchaunng zu bringen, bie vollendete Fertigkeit in biefer
genügte. Wir Nenern müflen es fat aufgeben, das Wefen ber Schau⸗
fpiellunft — ober richtiger der Schaufpielerkunft — aus ihren dabei an»
gewandten Mitteln zu erflären. Wol tft auch unter ben modernen Natio-
nen vielfach der Verſuch gemacht, fefte Regeln der Kunſt aufzuſtellen.
Leffing begann ein Werk über bie körperliche Berebfamfeit als Grundlage
für die ganze Kunft zw fchreiben; er Hat diefe, wie er ſelbſt geftand, nicht
geſchaffen. Er überfegte zum Theil das Werk des Sainte Albine „le
Comedien;* er fanb, es nüge dem Schaufpieler nichts und fchabe dem
Bublitum für die Benrtheilung dieſes. &r empfahl eine Unsgabe bes
Donatus, die man Schaufpielern in bie Hände geben könne; er gab fel-
ber die trefflichſten Winle, Auseinanderſetzungen, Beweiſe für das, was
der Schaufpieler zu thun ober laſſen habe. Alles ohne Erfolg; er über
Heß bie bentfchen Schaufpieler ihrer Rontine und erflärte, daß es bei uns
feine Schauſpiel(er) kunſt gebe, daß fie erft gefchaffen werben mäffe. Ebenfo
vergebens bemühten fi Engel, Ramler, Goethe u. a. m. ben bentichen
Bühnenkünftlern eine Technik ihrer Kunft zu fchaffen. Wir kommen auf
Leffings Beftrebungen fpäter noch zurück. Hier nur das Nefultat ber Er⸗
203 Die Shaufpieltunft bia auf Leſſina
fehrung: die Schaufpieltunft fteht auch heute noch wirkſam ba, bie
Schauſpielerkunſt war allein bei ben Alter eine ſyſtematiſche, auf feſten
Regeln gegränbete.
Doc vergefien wir nicht, daß mit ber Kunft bes Schaufpielers zu
Athen die Zunft des Dichters Hand in Hand ging, wie and) die moderne
Schanfpielluuft jebesmal in dem Aufſchwunge ber bramatifhen Poefie
ihren Stutzpunkt hatte. So bietet denn bie entichievene Thatfache, daß
eine befiere dramatiſche Poefie befiere Schaufpieler hervorgerufen, wenig«
flens einen Anhaltspunkt, die Kunſt ber legteren zu firiven. Wir wollen
einen Blid auf die Nationen werfen, welde auf die deutſche Bühne zu
verfchiedenen Zeiten einen Einfluß übten, um ſoweit es möglich, aus die⸗
fem Einfluß bie Geftaltung unferer Schaufpielfunft uns Har zu machen.
Bei ben Griechen war belanntlich die Tragödie Anfangs wichte als
ein Gefang verſchiedener Loblieder zu Ehren bes Bacchus. Damit ber
Chor, welcher dieje Lieder fang, mandmal ruhen und Athem fchöpfen
Könnte, fiel Thefpis darauf, eine intereffante Begebenheit dazwiſchen von
einem ans feiner Truppe erzählen ober vorfellen zu lafien. Das war
der erfie Mime, der durch Declamation und Geftikulation bie Schaufpiel-
tunft in's Leben rief. Aeſchylus verwandelte bie Erzählung und Vorſtel ⸗
Inng, die von einer einzigen Perfon geſchah, in ein ordentliches Geſpräch,
indem er eine zweite Perfon hinzufügte, unter bie fi nunmehr bie Ge⸗
ſchichte vertheifte, obgleich mothiwenbig bie eine Perſon mehr Antheil an
der Handlung haben mußte als die andere. Der, weldyer bie Hauptperfon
foielte, hieß der Protagoniftes, der andere der Deuteragoniftee. Es war
aber darum nicht nothiwenbig, daß das ganze Drama nicht mehr als zwei
Verſonen haben mußte; ber Deuteragonift konnte verfelben mehr als eine
vorſtellen, wenn fie nur nicht mit einander zu gleich erſchienen. Sopho⸗
ces fand auch biefes noch zu einförmig und fügte, wie bie Vermehrung
des Chors von 12 auf 15 Perfonen, auch den Tritagoniftes Hinzu, ber
jedoch kein beſonderer Künftler zu fein braudite, wie denn Demofthenes
feinem Gegner Aeſchines es Bfters vorwarf, daß derſelbe im feiner Jugeud
folche dritte Rollen gefpielt habe, womit er nicht etwa einen Vorwurf
feiner Perſon, fondern feiner geringen Kunftfertigleit machen wollte. Im
Betreff des britten Rollenjpielers ſcheint es jedoch ſchon bei ben alten
von Dr. C. Gewais. 203
Schriftſtellern firittig, ob dieſer von Aeſchylus oder von Sophocles einges
fährt worden.“) Für die Kunft wichtigere Uenderungen gehören gewiß
dem letztern an, fo in Bezug auf Koſtüme und Attribute der Spielenden,
die Einführung bes Kothurns und bes Irummen Stabes ähnlich dem ber
Yäger, deſſen bei Euripides bie Greiſe ſich fo Häufig und für bie Darftel-
lung wirkſam bebienten. Daß Sophocles nicht ſelber mehr, wie es nor
dem gewöhnlich war, in feinen Stüden mitipielte, fcheint ihm mehr nachge ⸗
geben zu fein, weil er eine allzuſchwache Stimme hatte; doch ohne Mit
wirlung, wie wir ſchon erwähnten, blieb er ba nicht, wo feine techuifchen
Fertigkeiten es geftatteten. Cine Hauptänderung, die er zuerft durchſetzte,
wenn fie auch nicht allgemeiner Gebrauch blieb, war, daß Drama gegen
Drama um ben Preis ſtritt, und nicht mehr bie ganze Zetralogie. So
nannte man bie vier Stüde, um bie damals die tragifchen Dichter zum Wett
tampf auftraten, und von benen das legte beftänbig ein Satyritüd war.
Fünf durch Einficht, ven Auf der Rechtſchaffenheit amögezeichnete Richter
mach abgelegtem Eide, gegen alle Rabalen, Factionen und freunbfchaftliche
Berwenbungen taub zu fein, urtheilten über bie Wahl der aufzuführen
den Städe, und fehügten ſolchergeſtalt felbft den Dichter, ans Liebe zum
Ruhme zweibentige Schritte zu machen.
So warb in Athen bie höchſte Kunftnollendung durch den Dichter,
wenige Spieler, zu denen er meiftens felbft gehörte, und vereibete Kunſt⸗
richter bewerkſtelligt. Wir Deutſchen haben wiederholentlich Verſuche ge⸗
macht, der Einfachheit der antilen Tragödie, ihrer Bühnenrichtung,»v)
ihren Regeln, auch ihren Stüden Eingaug zw verſchaffen. Der Geſtaltung
unſeres Buhnenweſens konnte das nur heilſam fein; Eines aber verſuchte
man niemals von Athen her einzuführen. Doch halt! Leſſing, als er
dem Miniſterium in Manheim Vorſchläge zur Verbeſſerung des Theaters
machte, gedachte auch ber griechiſchen Kunſtrichter. Denn er ſchlug vor:
„daß von Seiten ber Kunft und Moral die Aufficht des Theaters ber
deutſchen Alademie anvertraut werben follte. Zu dem Ende müfle fie:
*) Was überhaupt von dem Schematismus diefer Angaben, die ſich bei Arifto«
tele, Dicaearchus u. a, m. finden, zu halten fei, darüber ſpricht verftändig Droyfen in
feinen Didaſlalien zur Ueberſetzung von Aeſchylus Werken. Bo. 11. 6.307.
*®) Bergl, über diefe Droyſens Aeſchylus. 1. 6.188. ff.
204 Die Schaubbicllunſt bis auf Sefing
erfiens bie neu herausgelommenen Städe lefen und prüfen und
diejenigen bavon vorſchlagen, die ber Aufführung am volirbigften wären.
Zweitens über die Sprade ber Schanfpieler wagen, nud durch
ihre Erinnerungen fo viel als möglich verhindern, daß weder ühle Ans-
ſprache, noch grammatifche Sprachfehler fi in das Publikum verbreiteten.
Es verflänbe fi, daß man ihr zu biefem Behufe eine eigne Loge im
Theater einränme. Drittens müffe bie deutſche Alademie zu biefer Abficht
einen Ausſchuß von ſechs ober fieben Gliedern ernennen, ber von jeber
Borftellung dasjenige vor fie brächte, was einer allgemeinen Berathichla-
gung wärbig wäre." Leffings Rathſchläge wurben fo wenig in Manheim
als in Wien, wo Maria Therefia gleichfalls an den einzigen Mann fich
wanbte, ber, wenn irgend einer, dem bentfchen Theater aufzuhelfen ver⸗
ſtanden Hätte, zur Aneführung gebracht. Daß weber Manheim noch Wien,
noch irgend eine Stabt in Deutſchland ein Nationaltheater, wie Leffing
es ſich dachte, ins Leben rufen Könnte, war ihm Mar; er fah bas verfehlte
Unternehmen, als man ihn bazu nach erfler Stadt rief, voraus. Man
fragte ihn um Rath, aber folgte dem nicht. Was Hätte auch fein Kunſt⸗
vichterfollegium in bem vielftantlihen Deutfchland gefruchtet? Exſt nad
fefter Vereinigung zu einem Ganzen würbe ein wirffamer Areopag für
dramatifche Kunſtwerke und Kunftleiftungen ernannt werben Tönnen. Man
fieht indeß Leffings Tendenz, daß er das Theater unter bie Aufficht derer,
die er für Die competenteften Richter hielt, ftellen wollte. Die bildenden
Künfte ins Gefammt follten nach ihm unter firenger Controlle bes @efeg-
gebers fichen, „Ion um des Einfluſſes willen, ven fie auf den Charakter
ber Nation üben.) Doch nicht der Polizei, fonbern ben Gebildeteſten
der Nation war das Nichteramt zugedacht.
*) Hören wir ihn im Laofoon: Unftreitig müflen fih die Gelege über die Wifien«
haften keine Gewalt anmaßen, denn der Endzwed der Wiſſenſchaft ift Wahrheit. Wahr»
beit ift der Eeele notbwendig, und es wird Tyrannei, ihr in Befriedigung dieſes wer
ſentlichen Bebürfniffed den geringften Zwang anzuthun. Der Endzwed der Kunit bin
‚gegen iſt Vergnügen, und das Vergnügen ift entbehrlid. Alſo darf e3 allerdings von
dem Gefepgeber abhangen, welche Art von Vergnügen, und in welchem Maaße er jede
Art deffelben verftatten will. Die bildenden Künfte ins Beſondre aufer dem Einflufie,
den fie auf den Charakter ver Nation haben, find einer Wirkung fähig, welde die näs
here Auffiht des Geſetes heiſchet.
von Dr. C Gewais. . 205
Wenn und bie Griechen nicht bei unferm fo ganz veränderten ſtaat⸗
lichen, bürgerlichen und künfilerifchen Verhältniſſen zu einer Hafftfchen
Bühne verhelfen Tonnten, hätten wir dem Vorbilde bes ſprach⸗ und geift-
verwanbten Englands folgen follen. Auch Hier entzündete ſich bie Echau-
pieltunft an dem Genius großer Dichter. Erſt mußten Shatefpeare, John⸗
fon, Beaumont, Fletcher, Dryden, Adbiffon und Moore gewirkt haben,
bevor von einem Nationaltheater die Rede fein konute. Mit dem Enthus
fiasmus des Volls für die Werke feiner Dichter erhob ſich die Bühne zu
einer nie dageweſenen Volllommenheit. Diefe Bühne, obwol fie in Shake⸗
fpenres Stüden die Welt bebentete und durch raſchen Ortswechſel heutige
Maſchiniſten nicht zu Athem kommen läßt, machte nicht, wie bie griechiſche,
Anfpräche an eine vollendet kunſtleriſche Scenerie. Dagegen verlangte fie
mehr als drei bis vier Darfteller, und baß von dem großen Perfonal jeber
ein vollenbeter Spieler fei, ber einer oft nur ſtizzirten Rolle Ansführung
‚und Leben gebe. Darin aber ſtimmen bie genannten Dichter ins Gefammt
mit ben griechiſchen Tragilern überein, daß fie mit ben Schauſpielern bie
hochſte Kunft der dramatiſchen Wirkung theilten, und biefen oft bie ſchwie⸗
rigfte Aufgabe Übertrugen. Daher bie größten engliſchen Schaufpieler
Owen, Wrongten, Zoote und Garrik in einem Zeitraume, welcher bie Dar-
ftellung jener Werke, nit Andrer, mit Ungeftüm forderte, ſich begegneten
und vereint mit ben Gchöpfern ber. bramatifchen Dichtkunſt ihre eigne
ſchufen. Mit des Trauerfpielbichters Boot Ableben (1783) ging bie exftere
abwärts, die Schaufpieler fanden an ihr keinen Anhalt mehr.
Wir wiſſen, wie bie englifce Poefie in allen Gattungen ihren Eine
fin auf Deutſchland ausgeübt hat. Wir Haben gefehen, wie bereits Igu
Lebzeiten Shalefpenres fogenannte engliche Komdbianten in beutfchen Stäb-
ten engliſche Stüde mit einer bis bahin nie gefehenen Prächfion auffühe-
ten, wonach auch deutſche Schaufpielergefellichaften fich bildeten, die zuwei⸗
len von Fürften in’ Sold genommen wurben, welche von England ſich
Gtäde, Garderobe und VBühnenapparat kommen liefen, um beffere
Thentervorftellungen zu bewerfftellen; wie auch bie Vollsbühne ſich
nach jenen engliſchen Komdbianten bildete, wie nad) ihren Gtüden nene
deutſche benaunt wurden, bie freilich große Rohheit zeigen und noch unter
Uyrers Maqhwerken fanden, fo daß für die Kunft es kein großer Verluf
206 ° Die Schaufpiellunft bis auf Leſſing
war, als der breizigjährige Krieg faft alle Bühnen verfchwinben ließ.
Nach Beendigung deffelben machten, neben ben nach einer Kunftbühne
ringenden ſchleſiſchen Dichtern, Rift und Klay Verſuche den Geſchmack bes
Volks durch Schanfpiele zu bilden, die eine reinere Sprache, ergreifenbe Ge-
genftänbe, eine die äußeren unb inneren Sinne feflelnde Darftellung baten,
Wirklich gelang es ihnen bie Stüde der Ayrer, Reuter, Ferber und des
Barbier Vogel, bie nicht nur Gelehrfamteit, fondern auch Bildung und
Sitte verfpottet hatten, zu verbrängen und von ben höchſten Etänden bis
zu ben rieprigften Beifall und Ruhm zu erudten. Doch weber bie alle
gerifirenden -patriotifchen Stüde Riſts, noch die mit allem Pomp und ſce⸗
niſchem Aufıwande in Kirchen. aufgeführten getftlichen Stüde Klays konnten
der Kunft Vortheil bringen, und nichts anders im Volke anregen, ald —
die Schauluſt. Hätte Gryphins eine Bühne für das größere Publikum
mit Beihälfe guter Epieler, woran es feiner Zeit nicht fehlte, «) begränbet,
fo wäre vielleicht fünfzig Jahre früher und im volfenbeterer Weife eine
Reform des Theaters erfolgt. Gryphins mit Magifter Veltheim, aus defr
fen wohlgeſchulter Truppe alle Gefellfchaften bis auf bie der Neuberin
hervorgingen, wäre im Stande gewefen eine regelmäßige und doch iicht
manterirte Tragödie, eine vollsthümliche und doch nicht platte Komödie
zu ſchaffen. Doch Gryphius ſchrieb nicht fr die Bühne, und Veltheim,
der diefe Heben wollte, blieb fich felbft überlaffen, griff bald nach Allen
umher, was ihm Werth zu haben fchten, veranfafte eine Ausgabe ber
Moliereſchen Luftfpiele, gab neben biefen franzöftfche Tragödien, benugte
die Entwirfe von Gherardi's theätre Italien, um fie ans dem Gteg-
reife von feinen geübten Spielern aufführen zu faflen, fuchte auch regel:
mäßigere deutſche Städe auf ber Bühne zu erhalten und trat mit Takt,
ober aus Abneigung, bem Grotesken und Burlesken ber Volteftüde ent
gegen, das ans dem Norben Deutfchlanbs fich bald mehr in den Süden,
beſonders Oeſterreich hinzog, wo Wien nacheinander die berühmteflen Bof-
fenreißer als Hanswurſt und Bernardon glänzen fah, bie fpäter in bie
lotalen Buffos Easperle, Bartel und Staberle übergingen. \
*) Die von Rift gerühmten „ftubirten Leute“, die Theaterunternehmer Gartner,
Treu, Baul u. a, m. famen zu Gryphs Lebzeiten auch nach Breslau.
von Dr. €. Gervais. %7
Den englifhen Buͤhnentypus mit zahlreichen Perfonal, wozu auch
verwidelte Handlung und reichhaltigerer Stoff kamen, ſuchte auch der Zit⸗
tauer Weiſe als Gegenſatz zu ben antikiſirenden unnatürlichpathetifchen
ſchleſiſchen Dichtern beizubehalten und von dem Zwange ‚aller Kunſtregein
auf die Nachahmung des gemeinen Lebens hinzuleiten. Wir fahen aber,
wie er alles Man überfchreitend nur fchlimmere Nachahmer feiner Boefie,
aber feine befiere Kunft hervorrieſ. Die faum durch Veltheim gehobene
Bühne ſank zur tiefften Jaͤmmerlichkeit herab und das um fo mehr, ale
die Zahl der von Ort zu Ort ziehenden Truppen ſich ins Ungeheure ver-
mehrte. Auch bie befiern fanden weder eine fefte Stätte, von wo ang,
wie von London und Paris, eine Mufterbühne hätte wirken können, noch
ſchloſſen fi ihnen dramatiſche Dichter an, bon denen wiederum bie befr
feren ihre Stüde nicht für die Aufführung fchrieben, uber fie doch nur in
Kreifen von Freunden barftellen ließen, die, wie ber Diletantismus über
Hanpt, weder dem technifch zu Erlernenden noch dem Selbftichöpferiichen
im der Kunſt Genüge leifteten!
Erft Gottſchebs Bemühungen um die Verbefferung bes Theaters gaben
dem Schanfpieler Gelegenheit unter Leitung einer weitgebietenden Antori-
rat, nad) einer geregelten Technik und vornehmlich nach einem im Prin-
eip fehr beftimmten Repertoir aus ihrem bisherigen Herumfchweifen zır
einem feften Mittelpunkte, aus ihrem Gewerbe zu einer Kunſt, ans ihrer
Routine zu einem Selbftberuußtfein Aber bas, was fie fehufen, zu gelans
gen. Sehr mit Recht fagt ein neuerer bühnenerfahrener Schriftfteller:=)
der Grand, waram bie Franzoſen gute Schaufpieler in größerer Zahl
aufzuweifen Haben als die Dentichen, liegt in ber mindern Wandelbarkeit
eines Bühnenrepertoirs, und in der häufigen Darftellung ver Meifterwerfe
ihrer Dichter. Nichts ſchadet der Würbe einer Bühne, und mit ihr der
Achtung der Schauſpieler fo fehr als jene von ber Menge geſuchte Wan«
delbarleit, wobet der Schaufpieler alles Stubium aufgeben und mit dem
Memoricen verwechſeln muß.” Ein Hinneigen zu dem franzöfiichen Ger
ſchmach der mit der ganzen Richtung ber Zeit zu den Gitten, Moden,
Trachten, fogar zu der Sprache und Denkungsweiſe ber Sranzofen auf
*) Deinhardftein Wiener Jahrbucher a. a. D.
208 Die Shaufpiellunft bis auf Leffing
gleicher Linie fteht, Hatte ſich längft ſowol bei den dramatiſchen Dichtern
als bei den gebilveten Schanfpielern in Deutſchland bemerkbar gemacht,
Wie Gryphius und Lohenftein in ihren Tragödien, ſelbſt, wo fie Seneca
als Mufter wählen, an bie franzöfiſchen Tragiler erinnern, wie biefe den
Aezandriner, bie Einheit der Zeit, wenn and noch nicht des Orts Haben,
fo fpielte Veltheims Truppe franzöfifche Tragödien und Komödien, was
die aus feiner hervorgehenden Schaufpielergefellfchaften gleichfalls thaten.
Die Neuber hatte bereits im Weiflenfels franzöfiiche Stüde, unter andern
den Cid bes Corneille, aufführen laſſen, ehe fie mit dem Regulus von
Pradon unter Gottſcheds Aufpicien die auf franzöſiſchem Fuß eingerichtete
Bühne eröffnete, welche Jahre lang an dem Repertoir fefthieit, das jener
entwarf. Sie felber war eine Schaufpielerin, bie von Declamation und
Geſtilulation Einficht Hatte, Verſe mit Verftand und Kunft vortrug, in ber
Action nie übertrieb. Nicht bloße Gemwinnfucht, fondern auch das ernfte
Beſtreben nach Beſſerung bes Schaufptelwefens Hatte fie im Auge, Darum
ſcheute fie feine Koften, bie beften Talente unter den bamaligen Schau
fpielern an ſich zu stehen, und zwei derſelben, Kohlhardt und Koch haben
zuerſt auf einen Nachruhm unter Deutſchlands Bühnenkünftlern Anſpruch.
Dan muß den tiefen Verfall ber damaligen Bühnenzuftänbe fennen,
um bie Bemühungen, fie zu beſſern ober wenigftens zu ändern für feine
Heine Sache zu Halten. Die meiften Schaufpieler waren ans Seiltänzer⸗
banben hervorgegangen, in beren Buben Maorionetten mit lebenden Per
fonen werhfelten. Das ſchauluſtige Publikum, veränderungsfüchtig wie
zu allen Zeiten, Hatte von ben erbärmlichen Opern unb langweiligen
Gtaatsactionen feinen Geſchmack jenen zugewenbet, fo baß felbft in Gott-
ſcheds Glanzzeit ber Führer einer ſolchen Bande, Kuniger, fi noch einen
großen Auf erwerben Tonnte. Mitunter erfand ein Talent unter fol-
hen Nunftgenoffen, ober kam von ben Sefnitentheatern in Baiern und
Deftreich der; wie der nachmals berühmte Schuch in einer Jeſuitenſchule
feine erſte Bildung, in einem Martonettenthenter feinen erſten Auf erwarb.
Dort waren neben ihm Stängel und Joſephie vorgebilvet, bie tm Süden,
wie Schuh, Koch, Schönemann, Adermann, neben letzterm erſt Echof,
fpäter Schröder im Norben Deutſchlands bie befiere Schaufpielerkunft
erſchufen.
von Dr. &, Gewais. 209
Die erſte Schaubuhne in Deftreih, fo wie in allen katholiſchen Lim⸗
bern hatten bie Jeſuiten ins Dafein gerufen. Wie fie ſich beftänbig bes
füffen, Altes allein zu fein, wie fie allein regieren, unterrichten, Ketzer
befehren, Sünden vergeben wollten, dachten fie auch, allein das Bolt zu
beinftigen, Alles zu größrer Ehre Gottes d. 5. zu größrem Anfehen ihres
Ordens. Sie ließen durch ihre Schüler, unter denen junge Beute aus
den vornehmften Häufern fich befanden, Schaufpiele, welche Patres nostri
ſelbſt gemacht Hatten, aufführen und Inden dazu Alles, was reich und vor-
nehm war, ein. Die Patres nostri forgten dafür, daß bie Schaubühne
mit den bunteflen Decorationen, and) wol mit Mafchinen, wie man fie
von ben Hofbaletten her Fannte, zu fliegenden und ſchwärmenden Figuren
verſehen, und ihre Schäfer — verfteht fi auf Koften der Eltern — in
bunte und flitternde leider geftedt waren. Es gab ſoviel anzugaffen,
und bie ſchlauen Nicht-Mönche brauchten unter fo vielen andern Mitteln
and) biejes, um bem großen Haufen Zumeigung zu ihrem Orden beizubrine
gen. Gefunden Verſtand, noch weniger irgend einige wahre dramatiſche
Anlage Hatten ſolche Stüde freilich nicht, Ihre Schaufpiele, die fie aus
der geiftlichen und weltlichen Geſchichte hernahmen und mit allem Flitter⸗
ſtaate kahler Pedanterie und platten Schulwiges aufftugten, verſtießen bes
fländig wider den gefunden Verſtand. Gottſched und Nicolai haben uns
von den Yefuttenftäden biefer Zeiten Proben gegeben, die tn Imhalt und
Form no unter Ayrers Süden ſtehn.“) Ihre Aufführungen banerten
Bis zur Aufhebung bes Ordens und noch heutiges Tages erinnern darau
die Bauernfomdbien, bie bibliſchen Stüce, Legenden und Paffionen, bie
anf Theatern, leicht aus Holz gezimmert, unter freiem Himmel, neben
einem Wirthshauſe — der Wirth felbft iſt der Ehorage — in der Gegend
von Insbruck in Ober-Baiern im Ober⸗Ammergau aufgeführt werben
Anch in proteftantiichen Ländern waren bamals bie geiftlichen Stüde, wie
fie einft Kay in Nürnberg in’s Leben gerufen, noch nicht aus ber Move
gelommen. Im Oneblinburg führte man Paffionen und Lebensläufe ver
Vatriarchen auf, Die Märtyrerftäde, von Gryphius bis auf Kronegk, find
*) Nicolai, dem ich die Schilderung entlehne, giebt in feiner Reiſe durch Deutfd:
and und Schweiz THLIV. Beilage XI den Plan von Iſaals Opferung,
ip. Monateigrift Dp. IIL Oft. 5 14
210 Die Sqhauſpieltunſt bis auf Leffing
unverkennbar im Auſchluß, aber zugleich als Veredelung in kunſtleriſcher
Beziehung entflanden,
BVerhältnigmäßig beſſer als die Yefniterlomödten waren die Staats
actionen. Im ben zwanziger Jahren des achtzehnten Jahrhunderts wurden
beſonders bie Haupt- und Gtaats-Actionen eines gewiſſen Ludovici, aus
Pommern gebürtig, ber fih in Wittenberg als Magifter aufhielt und im
Hamburg ſtarb, mit großem Beifall gefpielt. Leſſing befaß noch eine ba
von ans ber Nenberin Nachlaß, und Nicolai rühmt ihren Inhalt wie die
Präcifion der Ausführung. Es waren darin nad) damaliger Art zum Er⸗
temporiren nur bie Folge und ber Inhalt der Auftritte angegeben, nur
die Hanptfcene ganz ausgeführt. „Man fieht darans, ſchreibt Nicolai,*)
daß Ludovici Fein gemeiner Geiſt war, obgleich roh, und daß er Allee
ams ſich felbft, ohne fremde Auweiſung geholt Hatte. Gr hatte viel Stun
fürs Vathetiſche und ſtark Rührende, Die Anlage feiner Plane zeigten,
daß er Empfindung von ber Wirkung auf dem Theater hatte. Ich erin-
were mich befonbers noch des Grafen von Efier, Cromwell und des Kö-
nigs Ottolar von Böhmen.” — Doc die Gattung war einmal abgenngt,
fo wie bie Verkleidungen, Zaubereien und Prägeleffecte in ben Luſtſpielen,
der Unften in ben Opern. Gotticheb wußte den rechten Moment zu nungen,
um fie alle von ber Bühne zu verbannen, und feinen regelrechten franzd-
fiſchen Gtüden eine Zeit Lang bie Herrſchaft zu verſchaffen, bis auch fie
dem Beflern weichen mußten.
Ein wefeutlicher Vorteil für bie Schauſpielerkunſt war ber, welcher
vorhin anf Seiten ber frauzöſiſchen Schaufpieler angegeben wurde. Das
befcgräufte Repertoir und bie im gleichen Schnitte zugerichteten Stüde, zu⸗
mal da fie ein meift Meines Perfonal erforberten, geftatteten zu Studium
and Sicherheit in der Rolle bie erforderliche Zeit, und ba bas mitzuerzte-
hende Publikım dem Auſehen Gottſcheds fi gefügig unterwarf, durfte
nichts Übereilt werben. Freilich waren bie Alteure auch ganz auf ihren
Vroteltor gewieſen. Denn Borbilver für bie nenüberfegten, neubearbeite⸗
ten ober Origtnalftäide fehlten ihnen, and überbieh war eine nene Technil,
ein ungewoßnter Ders, eine nene Declamation und Geſtilulation zu erler⸗
A. a. O. 6.56.
von Dr. E. Gervais. 211
zen. Wie man bieß auch nicht von ben feanzöfiihen Schaufpielern. abfer-
wen durfte, wenigſtens nicht von denen, bie man in Deutſchland ſah, bes
weiſt eine fehr fprechende Beſchreibung folder franzöfifcher Alteurs, bie
ein Brief ans Wien vom Jahre 1750 giebt.“) „Die Liehhaberin, heißt es
darin, macht ihrem Stebhaber eine orientalifche, hriftliche, franzöfiiche Re⸗
verenz, beide Hände freuzweis auf der Bruſt, ben Leib tief vormärtsge
bogen; vom jebem Schritte, ven fie macht, zittert bie Bühne. Der. Lieb»
Haber umarmt fie mit dem Haupte auf ihrer Bruft, ben linken Fuß über
den ganzen Bauch — wer ſollte nicht fpeien? Alle Schaufpielerinnen
machen Katzenbuckel, ſtellen ſich fehr geil an, fenfzen und Heulen, verviel-
fachen das Affectirte und treiben das Bewegliche bis zum Kigel, Die Hände
fliegen über bie Scheitel, die Stimme verliert fih in Seufzern. Der linte
Tuß bleibt wie angenagelt, ber rechte thut zuweilen einen Schritt mit Er⸗
fegütterung des Leibes, der Bühne und des Zufchauers; dann beugt fie
fich vorwärts und zeigt ihre Fletfchbant,”«)
Da konnte Gottſched ftolz darauf fein, daß es in feinem Leipzig befler
fand. Und doch wie fange banerte es noch, ehe ein weniger felöftzufrie-
dener Kunſtrichter an dem Geleifteten ein Genüge fand. Die beflen Scham
ſpieler konnten ſich nicht, einmal in ben Sinn der fihlechtüberfegten ober
bearbeiteten Stüde, unter denen bie franzöfichen an Zahl und Auſehn
voranflanden, finden, Corneille's heroiſche Sentenzen, Racine's Füße und
ſchmachtende Tiraden und noch mehr Deſtouches zierliche Hoffpradie,
Marivaur's quintefienzirter Wig krümmten und gquetfchten fi in bem
Munde veutfcher Alteurs. Auf allen Bühnen war, feitbem man ſich ber
ertemporirten Stüde entichlagen hatte, ein gezierter, unuatärlicher Ton ein
geführt worden. Im Tranerfpiele herrſchte ein langjamer, ein eintäniger,
prebigenber Vortrag, mit bem nur Stoßweife ein connulfivifches Aufbrau⸗
fen abwechfelte. Im Luſtſpiele wurde ein gebehntes und ängftliches, um
gewiſſes Weſen bemerkbar, das den Sinn des Stüdes faft nie traf, Dazu
woren Sitten und Gefinnungen in ben auslandiſchen Gtäden ben deutſchen
Neuefteß aus der aninuthigen Gelehrjamteit, III. ©. 689.
1
212 Die Schaufpielkunft bis auf Leffing
Spielern wie ben meiften Zuſchauern fremb, bis erft Leffing ben großen
Bortheil nachwies, den einheimiſche Gitten in ber Komddie und felbft in
ber Tragödie hätten, ba fie dem Schauſpieler bie Darſtellung erleichterten,
bei dem Zuſchauer bie Sinfion beförderten.
Man ſpielte lauge tu Leipzig und bald in ganz Deutſchland getroſt
fort, Luftfpiele, Trauerfpiele, ohne zu ahnen, daß man feinem Stüce fein
Recht thäte. Gottfcheb weibete ſich an dem Triumphe, daß fie alle regel-
mäßig waren, daß man feinen Namen als ben Namen eines Reformators
des Geſchmackes pries, feine Stüde in fremde Sprachen überfegte, vom
Baris bis Petersberg bewunderte. ort unb fort trieb er feine Anfänger
und Schüler, die Rectoren in Sachſen und Schlefien, ben Abel in Dres-
den und Wien an, buch neue Stüde fein Repertoir zu erweitern, Dem
da bie Schaufpielertruppen das Wandern anfgeben follten, darum nicht
mehr mit einer befchränkten Anzahl Stüde ben Beifall von Stadt zu
Stadt mit fih nehmen konnten, fo mußte bie Armuth ber bentichen dra⸗
matiſchen Siteratur durch bie Thätigfeit ber Dichter verbedt, aber freilich
aun auch fabrilmaͤßig und übereilt gearbeitet werben. Wie für bie drama⸗
tige Poeſie Hat aud für bie Schaufpieler Gottſched das negative Ver»
dienft, daß ex, indem er am bem Schlechten rüttelte, ohne etwas Beſſeres
an bie Stelle zu jegen, das Bedürfniß nach dem erhofften Guten anregte.
Dort wie hier mußte er einem anderen Manne das Werk Heilfomen Schafe
fens überfafien; dort wie Hier follte er durch feinen Starrſinn fih um
allen Ruhm bringen, und felbft das Gute, das er gewirkt, verſchwinden
ſehen. Sein Zerwärfuiß mit ver Nenber tft für bie Bühne von ähnlichen
Folgen begleitet geweſen als fein kritiſcher Streit mit ben Schweizern.
Die Zwangherrſchaft feiner Regeln hörte auf. Da das, was vorbem Gel⸗
tung gehabt Hatte, wicht mehr lockte oder in feinem Unwerthe erfanut war,
mußte Nenes verſucht und aufgeſucht werben.
Für die Bühne aber nnd bie Schanfpieler, die kaum erft ein eifriges
Streben für bie ihnen geftellte Aufgabe gezeigt hatten, war es ein Uebel⸗
fand, daß die fefte Leiterhand ihnen entzogen wurde. Zwar fehlte es
auch nach Gottſched wicht am ſolchen, bie zur Seitung fi) brängten, aber
weber beſaßen fie eines Shakeſpeare's oder Moliere's erhebenbe dichteriſche
Probultionekraft, gepaart mit techniſcher Bühnentenntuif, noch enthielten
von Dr. C Geronis, 213
ihre Borberungen Mar ausgefprodjene, faßliche Regeln, beren Ansühung
einem begabten Künftler von Nutzen werben tonnte, ober gar eine Schau,
ſpielkunſt zu fehaffen vermochte, deren Erfolg ſicher, deren Technik bindend
war. So rief denn noch Leffing unwillig ans: „Wir Haben Echaufpieler,
aber keine Schaufpieltunft” — was wir beffer wol Schauſpielerkunſt new
‚nen, ba es nicht, wenigftens nicht unmittelbar bie illuſoriſche Wirkung,
fonbern die techniſche Regel bezeichnen foll. — „Wenn es vor Alters eine
ſolche Kunft gegeben hat, fo Haben wir fie wicht mehr, fie iſt verloren, fie
muß ganz von Neuem wieber erfunben werben. Allgemeines Gefdinäg
darüber hat man in verfdiebenen Sprachen genug, aber fpecielle, von
jevermann erfannte, mit Deutlichteit nud Präcifion abgefafte Regeln, nad)
weldyen ber Tadel ober das Lob bes Alteurs in einem befondern Fall zu
beflimmen fei, beren wüßte ich kaum zwei ober brei, Daher fommt es,
daß alles Ratfonnement über biefe Materie immer fo ſchwanlend und viel
beutig fiheint, daß es eben kein Wunder iſt, wenn ber Schaufpieler, ber
nichte als eine glückliche Rontine Hat, fih auf alle Weiſe dadurch belei⸗
biget findet,“
Die Schwierigkeit, eine Kunft in Regeln zu faffen, theilt bie Schon
fpielerfunft mit allen andren. Nur ba fie, troß ihrer eignen Geltung,
von der Dichtkunſt ihren Aufihwung erhält, macht fie da, wo biefe fehlt,
fo ſchwanlend und zu einer bloßen Routine ber Schaufpieler ſelbſt. Im
Deutſchland ging fie nie Haud in Hand mit ver Dichtkunſt. Die zuaft
fie gewedt, venen fehlte ber belebende Impuls; als unfre großen bramas
tiſchen Meifter fid) erhoben, waren bie Gpieler, durch ihre Routine an
bie Darftellung der mannichfachen Charaktere, Situationen, Sitten, Gen»
tenzen, wie bie gefpielten Stüde aller Nationen fie erheiſchten, gewöhnt,
nicht Willens fi) von Neuem in bie Abhängigkeit einer Dichtkunſt zu ber
geben, die in fich felbft bie alleinige Befriedigung ſuchte, und dem bare
ſtellenden Künftler fo wenig Gelegenheit zu ſelbſtſchöpferiſcher Wirkung
darbot, oder wol gar ihn für entbehrlich hielt. Goethes und Schillers
vollendetſte Dichterwerfe lodten bie Schröder und Sfflend zu wenig an;
diefe hielten fidh fern, weil bie von ihnen und ihren Borgängern gefdjafe
fene Routine in jenen Werken zu wenig Anregung fand. Der einzige
deutſche dramatiſche Dichter, ber bilbend auf ben Schauſpieler zu wirken
24 Die Schauſvieltunſt bis auf Leſſing
bemüht war und ihm zugleich zu Studium und Selbſtjchöpfung freies
Feld genug ließ, war Leſſing. Sein glückliches Zufanmentreffen mit einem
Mann, der ein angebornes Talent mit dem eifrigften Beſtreben, die Kunſt,
der er es zugewandt, wenigftens im ſich zu geftalten verband, ließ
zum erften Dale in Deutſchland des Dichters Kunft mit bes Schau⸗
ſpielers Kunft Hand in Hand gehen und für einander bie Anfgabe
ſtellen und löfen.
Es ift ſchwer und bedenklich ans den fubjectiven Urtheilen über bie
Leiftungen eines Schaufpielers ber Nachwelt ein Bild von biefem zu ent-
werfen. Aber wo bie Urteile höchſt verfhievenartiger Mitlebenber faft
übeseinflimmenb lauten, darf ber Zweifel, ob fo Bebentendes wirklich von
einem Bone geleiftet worben, nicht das Belehrenbe, bas bie Wirkungen
der Runft in einem beftimmten Judividuum haben, verlümmern. Gonreb
GEchof (geb. 1720 zu Hamburg, geft. 1778) wird ber bentiche Garrike)
oder Roſcins, am beften ber Bater ber beutfchen Schaufpielertunft genannt.
Er fah es zuerft ein, welche unermeßfiche Forderung man au ben deutſchen
Schauſpieler machte, daß er franzöſiſche, englifche, italieniſche Stüce ſpie⸗
ten follte, bie obendrein meiſt elendiglich ins Deutſche überſetzt waren. Und
woher Hätte er die Vorbilder für dieſe nehmen ſollen? Der griechiſche
Schaufpieler wußte, was fein Publikum verlange, wie er feinem ganz na»
tionafen Etoffe ſich nur anzuſchmiegen Habe, um bie höcfte Kunftwirkung
hervorzurufen. Der englifhe Mime war von bem mitlebenben Dichter
in bie feinften Züge des Charakters eiugeweiht, ober fannte bes verſtorbenen
Sutentionen und des Publitums Forderungen bei ber übernommenen Rolle;
der fromzöfifhe Acteur fahte leicht die einjeitigen, markirten Züge, bie jeber
feiner Tragiter oder Komiker gezeichnet, und bie aus befimmten Lreiſen
und Klaffen des Baterlandes entiehnt waren. Keiner biefer Vortheile ftanb
dem beutfchen Schanfpieler zur Seite, ver in jeder Rolle ſich zu verleng⸗
nen, eine anbre Rattonalität vorzulehren, einen ſchief ober unwahr gezeich
neten Charakter, eine falfche Sentenz wenigftens wirkungsvoll zu machen,
*) Nicolai, der ſtrenge und als Kenner urtheilte, fhreibt, als er Echof in Wei
mar den Oboarbo Galotti fpielen jah, an Leffing: „Es ift wirklich eine Schande, daß
biefer Mann unter und fo verfannt wird, Garrid kann kaum mehr fein als Cr. ©.
Yings W. Xun. 6,479,
von Dr. C Geroeis. 218
einen holprigen Bers ober geſchraubte Brofe durch ben Vortrag zu ver
wiſchen Hatte,
Iubem Echof damit anfing, bie bramatifchen Werke ver verſchiedenen
Nationen zu ſtudiren, faßte er jede nad) ihren Gitten auf. Mit- einem
feltenen Scharffinn drang er in ben Charakter des Gtüdes unb deſſen
feinſte Nuancen ein. Dabei verjämähte er allen Flitterſtaat der Deck
matton, bie Effecte der Action, er fuchte ben wahren Ausdruck der Natur,
führte ins Trauerpiel ven fimplen Ton ein, ber der Wärbe und Zarilich-
Teit gleich fähig ifl, und wußte ihn von ber einfochften Gentenz bis zum
fenrigften und wüthenbfien Ausbruck zu fteigern. Und ebenfo txaf es im
Luſtſpiel zuerſt ben ungeswungenen Gonverfationston, Leffing ſagt von ihm:
nDiefer Manu mag eine Rolle machen, welche er will, man erlennt ihm
in ber Heinften immer noch für den erften Acteur, und bebauert wicht
auch zugleich alle übrigen Rollen von ihm fehen zu lönnen. Ein an ihm
ganz eignes Talent ift biefes, daß er Sittenſprüche und allgemeine Bes
trachtungen, langweilige Ausbengungen eines verlegenen Dichters mit eis
nem Anflande, mit einer Imnigteit zu fagen weiß, daß bas Triviaffie von
biefer Art in feinem Munde Neuheit und Würde, bas Froſtigſte Fener
und Leben- erhält.“ — Im Bade ber Könige und Helden verfagte ihm
feine etwas zu Meine Figur und nicht vortheilhafte Körperbilbnug — ex
hatte hohe Schultern, ſehr bide Hervorragende Kuöchel — bie gehörigen
Mittel, gleichwol waren auch feine Kobrus unb Kanut bewundernswir⸗
dig. Letztern, eine mittelalterliche, norblänbifche Geftalt, fpielte er noch im
franzöſiſchen GStaatsffeive, mit Stern nud Band, einer Knotenperüce, ber
treßtem Federhnte und Krüdenflode, aber durch bie bloße Kraft feiner Rebe,
durch den wärbigen Ausbrud feines Geſichts gebot er bie Huldigungen,
die er empfing.
Mfland geſtand noch 1807: daß ein Organ wie Echof es befeffen,
an bonnernber Macht, Zartheit und Wohllaut feines Gleichen atıf ben
Bühnen noch wicht gefunden habe. Als einmal Schröver, vielleicht der
firengfte Mrititer Echofs, in einer heitren Geſellſchaſt alle Manieren ber
rühmter Schauſpieler und Schauſpielerinnen, bie er gelaunt, in tänfchen-
der Nachahmung vorüberfährte, rief einer ber Anweſenden lebhaſt: „O,
um Alles in ber Welt, eine Zeile, eine einzige von Echof.“ Lächelnd fafte
216 Die Schaufpiellunft bis auf Leifing
ihn Schröder bei ber Hand und fagte ablehnend: „Geben Sie mir erſt
fein Organ!" — Echofs Auge, berichtet Iffland, war nicht groß, aber
von einem Email, welches weit Hinausglängte, und bes heftigften, wie des
fanfteften Ausdruds Meifter. Er, der im gemeinen Leben faft vernach ⸗
laßigt, in einer ungelämmten Perüde, mit gebüdtem Kopfe einherging,
teng feine Bruft anf ver Bühne mit einem umübertrefflichen Adel, Der
verftänbige, feltene, immer beftimmte Gebrand, den er von ben Richtun⸗
gen bes Haljes, des Kopfes machte, die weile Verwendung feiner Schritte,
Huge Deutung feiner Händeiprache, alles dies waren Vorrüdungen in bad
Gebiet, welches er ſich eigen machen wollte. Sanbte er biefen das Geſicht
nad, traf enblich Blick und Ton auf ven Punkt Hin, wo er wirken wollte,
fo war ihm ſtets bie Eroberung gewiß.
Wie die beiben großen Erben feiner Kunft, Schröber und Aland, find
die competenteften Zeitgenoſſen, Lelfing, Nicolai, Schint, Engel, Kotzebue
m. a. m, voll von Echofs Lobe, und man müßte die zahllofen Stellen ges
legentlicher Aeußerungen, Beſprechungen, befonbrer Leifinngen Echofs an-
führen, um ein vollſtändiges Bild von dieſem Mimen zu geben. Hören
wir flatt vieler Stimmen die eine Schinks in feinen bramatifchen Frag ⸗
menten: „Echof war unter Deutſchlands Schaufpielern, was Leſſing unter
den bramatifchen Dichtern war. Det Erſte, der Unerreichbare. Wer Yannte,
wie er, alle Seiten und Falten des Herzens? Wer fo alle Farben und
Eontrafte der Stände? Wer hatte alle Klänge und Töne ver Leibenfchaft
in feiner Gewalt? Wer war fo immer ber Menſch und niemals — Eckhof
der Schanfpieler? Wer machte fo Voltaire's und Corneille's Tobtengerippe
zu feelenvollen Weſen, Herz und Geift intereffirend? Wer wachte fo für
den Dichter, wenn er fehlief? Wer that, fo wie er, ber Kunft weder zu viel
noch zu wenig? Daher kam auch feine gewaltige Tänfchung, mit ber er
uns hinriß, nach ber er für uns Sipney,*) Vater Rode, ) Dorimund, zer)
*) Im Greffets Stüd gleiches Namens.
*=*) Sn Engel dankbarem Sohn.
ee) Sn der Genie der Frau von Graffigny. Hiezu eine Bemerkung Leſſings,
als er Edhof geſehen: „Diefe Miſchung von Sanftmuth und Ernſt, von Weichherzigkeit
unb Strenge wirb gerade in fo einem Marne wirklich fein, oder fie ift es in feinem.
6. Hamburg. Dram. VAL. S. 148, womit auch S. 11 zu vergleichen, Echof als Evanber.
von Dr. €, Gervais. 217
ber Bauer mit ber Exbfchaft,x) Eapeulbet, Lord Ogleby,as) Odoardo Ga⸗
lotti, der taube Apotheler,uue) und nie ber Schanfpieler war. Man
lonnte von ihm fagen, was Pope von Shakeſpeare fagte: er war nicht
der Nachahmer der Natur, e8 war bie Natur ſelbſt.
Echofs letzte Rolle, die er fpielte (am 6. April 1778), war ber Geift
im Hamlet, in ber ihn nur noch Schröder übertroffen Haben mag. Er
font hinab mit ven Worten: „Gedenke meiner!“ Bedenken feiner mußten
wir hier und eine genauere Schilderung feines Wirkens geben, weil er
allen ſtrebenden Talenten nad; ihm bie Richtung vorgeſchrieben, bie in
Deutfchland als die einzige eingefchlagen werben Konnte, um eine Kunſt
zur Geltung zu bringen, die, wenn auch nicht von Dichtern ins Leben ges
rufen, wie bei andern Nationen, doch an bie Werke ber Dichter ſich anzu.
fließen bemühte, ven Dichter zu ergänzen beftrebt war. Denn an Echof
unfehlbar dachte Leffing, als er in der Einleitung zur Hamburger Dramas
turgie ſchrieb: „Eine ſchöne Figur, eine bezaubernde Miene, ein fprechen-
des Auge, ein reizenber Tritt, ein Tieblicher Ton, eine melodiſche Stimme
find Dinge, bie fi) wol mit Worten ansprüden laſſen. Dod find es
auch weber bie einzigen, noch größten Bolffommenheiten des Schaufpielers.
Schägbare Gaben der Natur, zu feinem Berufe nöthig, aber noch lange
nicht den Beruf erfüllen! Ex muß überall mit dem Dichter dem
ten; er muß da, wo dem Dichter etwas Menfhliches widerfah—
ren if, für ihn benten."})
Wie fehr Echof, welcher dem Dichter ſich anzufchließen, mit ihm zu
denken, für ihm zu denken trachtete, dennoch baran lag, daß ber Schau-
fpieler ans ſich eine vollenbetere Kunft entwickle, und nicht vom Dichter
allein ben Vortheil ziehe, um ſich bei ber Menge Beifall zu erwerben,
dafür giebt einen Beleg feine Beſorgniß, bie er bei dem Erſcheinen von
* Im Luftfpiel gl. N.
**) In der heimlichen Heirath von Schröder.
**) Goldoni’3 verftellter Kranker.
Y Aud Remond de Sainte Albine verlangte ſchon vom Gchaufpieler, dab er
nicht bloß dem Dichter folge: „Er muß ihm nachhelfen, er muß ihn unterftügen. Er
muß felbft Dichter werben; er muß nicht bloß alle Freiheiten der Rolle ausdrüden, er
muß auch neue hinzuthun; er muß nicht bloß ausführen, er muß felbit ſchaffen.
218 Die Shaufpielkuuft bis auf Leifing
Shalefpeare’d Dramen anf ber deutſchen Bühne — deren Zrefflichleit und
Gewalt ex lebendig fühlte — äußerte: wie nämlich bei ben Schauſpielen
diefes Gewichte und bemen, welche dadurch veranlagt werben müßten, bie
Schaufpieler, weldhe ohne ihr Zuthun Beifall erwürben, ſich bann ver-
nachläffigen würden. Zum Theil find diefe Befürchtungen eingetroffen,
da noch heute viele Shalefpeare-Darfteller den Applaus der Menge, ben
des Dichters unvernichtbare Gewalt hervorruft, ihren bis zur Carricatur
bes Shalefpearefhen Urbilves Hinabfintenben Uebertreibungen beimefien.
Anbrerfeits ftelit gerabe Shafefpeare an den benfenben Künftfer bie Anfgabe,
nach alffeitiger Durchdringung feiner Charaktere jeden, auch ven kleinſten
ober nur ſtizzirien, als ein harmoniſches Ganze durch bie Darfiellung zu
verkörpern und zu befeelen.
Eine ſchlimmere Gefahr drohte ben Schaufpielern, bie durch einfeitige
Talente, durch äußere Gaben oder angelernte Manieren bie Menge bes
flachen, von Seiten deutſcher Dichter, — als welche freilich bald bie Schau⸗
ſpieler ſelbſt glänzen wollten, ohne Shaleſpeare zu fein. — Diefe begannen
für jene Alteurs — oder für ſich felber — Rollen und Stüde zu fchreb
ben; verwöhnten dadurch die Spieler und hielten den Beifall, den diefel-
ben — ober fie felber — ernbteten, für ein Zeugniß ihres Dichtergenies.
Eckhof wußte es noch Leifing Danf, daß er ihm die Aufgabe, bie er zu
loſen Habe, nicht leicht madje. Als ihm Nicolai wegen ber meiflerhaften
Durdführung bes Obvarbo feine Bewunderung ausſprach, entgeguete
Echhof: „Wenn der Autor tief ins Meer der menichlichen Gefinnungen
und Leibenfchaften hinabtaucht, fo muß ber Schaufpieler ja wol nachtauchen,
bis er ihn trifft. Dieß iſt freilich mühfem und mißlich. Aber uur wer
nige machen es dem Schauſpieler fo ſchwer, wie Leſſing. Man kanu bie
andern leicht haſchen, fie ſchwimmen oben auf, wie Baumrinde.“ —
Wenn in dem Protensartigen des Schaffens, an Vielfeitigfeit und —
Echhofs Organ ausgenommen, — durch äußere Gaben Schröder und
2. Devrient ben Vater der deutſchen Schaufpielerkunft überſtrahlten, wenn
ein Ifland, ein Seydelmann und anbre bahingegangene und noch lebende
Künftler im Stubinm ihrer Kunſt und in dem mühfemen, aber auch miß-
lichen Streben in jeder Rolle dem Dichter gerecht zu werben, Echof nicht
nachſtehen: ein Verdienſt zeichnet dieſen vor allen fpäteren aus, und ich
von Dr. C. Gewais. 219
möchte es als das größte um bie bramatifche Kunſt felber nennen, daß er
an ben größten bramatifchen Dichter feiner Zeit fi enge anſchloß und mit
ihm verbunden das gleiche Ziel erſtrebte. Weber er noch Leffing konnten,
ja wollten vielleicht nicht fogleich von dem herrſchenden Geſchmade ſich
frei machen, aber unermüdlich hat auch Echof der Unnatur deſſelben, bie
ihm drüdendere Feſſeln als dem Dichter auferlegte, entgegengewirlt, um
eine felbfiftänbige dentſche Kunft zu begründen, die Andre nach ihm zu
vollenden hatten. Wie Goethe und Schiller zu Leifing, ſtehen Schröder
und Iffland zu Eckhhof, aber nicht mehr werben bie beiden Dichter von
den beiden Schaufpielern fo bereitwillig unterftägt wie Leffing von Echof;
nicht mehr legtere vom erfteren zu Rathe und Hülfe gezogen, wie Echof
von Seffing; fondern anfänglich; wandelt jeder ber Biere feine eigne Bahn,
dann Goethe und Schiller vereint und eifrigft bemüht, das deutſche Then-
ter zu heben, aber nicht durch Herauziehung Schröders und flanbe, ſon⸗
bern indem fie fih in Weimar Spieler von geringerer Bedeutung zuſtutz ⸗
ten. Auch Schröder und Iffland reichten fi) aus ber Ferne bie Hände,
aber nicht: als Bühnen künſtler, ſondern — faft in einer Oppofition wider
jene — zu bramatifchen Bühnenftüden. Hätten alle Bier in vereintem
Streben der beutfchen Bühne ſich geweiht, das von Eckhof und Leffing ver»
fuchte Wert einer dentſchen Nationalbühne wäre jenen eher gelungen, we⸗
migftens ftünde es Heute um bie dramatiſche Kunft anders, Die Vereinis
gung geoßer Dichter und Schaufpieler — wenn auch nicht fo wirkam wie
bie Verfjmelzung von beiden in den griechiſchen Tragilern und in Shale⸗
ſpeare — vermöchte in Deutſchland alletu eine deutſche Bühne zu
ſchaffen, einer veutfhen Dramatik bie Wurzel im Herzen ber Nation
zu pflanzen, daß ftets neue Schößlinge entiprößen, und von Jahrzehent zu
Iahrzehent neue Dlüthen und Früchte erfchienen.
Ein deutſches Nationaltheater ift nie zum Leben gelommen, eine dra⸗
matiſche Kunft in Deutſchland ift ein vom Zeit zu Zeit leuchtendes Me
teor gewefen. Immer noch rächt ſich bie Vereinzelung ſchöͤpferiſcher Dich⸗
ter, talentbegabter Schaufpieler und richtig raifonirender Kunſtrichter.
Auch letztere mußten mehr, als bie beiden Schlegel, Tieck und andere tha-
ten, fi mit erfteren beiden zu wirkſamerer Thätigleit verbinden, nicht vor⸗
nehm ihre Oralelfprüche in dramaturgiſchen Blättern ober Vorleſungen
220 Die Shaufpiellunft bis auf Leſſing
vor Refidenzftäbtern zerſtreuen. Erſt wenn eine Kunſtgenoſſenſchaft ver be-
gabieften und geübteſten Geiſter aller drei Kunſtzweige ihre Thätigkeit ver-
eint entfalteten; wenn nicht von einer Thenterfpeculation, wie 1767 Leffing
und Echof in Hamburg, fondern von einer Großmacht in Deutſchland bie
Berufenen. ihr Wert begännen, würbe das bentiche Nationaltheater eine
Wirklichkeit werben können. Wie fehlagartig wirkte ſchon jener erſte und
unznlängliche Verſuch auf die nachfolgende Generation. Welch ein Leit-
ftern Leffings Hamburger Dramaturgie geworben, weiß jeder. Aber auch
Echofs Schöpfertalent rief, wenn auch nicht eine zum Verſtändniß aller
erwachte Kunft, doch geniale Künſtler Hervor. Neben ihm Hatten ſchon
Koch, Adermann, Borchers, Brüdner, eine Henfel und Löwen geglänzt.
An ihm entzändete fi) das Genie Schröders, ber wieder Brodmann bil-
dete, welcher zuerft natürliche Declamation und wahrheitstrene Action nad
Wien brachte und den manierirten Bergopzomer, ben froftigen Lang und
ben nach Effekt Hafchenden Stephanie ben Aeltern aus ber unverbienten
Gunſt des Publitums brachte, Später erft Tonnten in Manheim, Berlin
und Vresden deutſche Spieler die franzöſiſchen verbrängen; doch als
fie endlich den Sieg bavon trugen, waren es Jünger Eckhofs, die ben
franzöfiſchen Muſtern, die wol anſtändig in ruhiger Stellung, aber übertrie-
ben in ber Bewegung, pomphaft im Ausbrud, ohne Einficht in die Cha⸗
taftere und oft felbft in den Sinn ber Worte fich zeigten, bie natürliche
Geftikulation im Trauerfpiele wie im Luſtſpiele entgegenftellten. —
Zwei Bemerkungen für die Gegenwart knüpfe ich an bas Anbenten
Echofs, der für beide den rechten Anlaß bietet. Er war ber erfte, ber bie
Sitte früherer Schaufpielee und — heutiger Matabore, ſich auf möglichft
vielen Bühnen fehen zu laſſen, Gaftuorftellungen zu geben und in foge
nannten Paraberolfen ſich zu zeigen, verſchmähte und lieber in Hamburg
eine neue Aera für die Schaufpiellunft beginnen wollte, von wo er mur
in Nachbarſtãdte mit verfelben Truppe zog und fpäter in Weimar eine
fefte Stellung ſuchte. Schon Schröder und Iffland ließen anf Theatern
ihre Kunſt glänzen, benen fie nicht bleibend anzugehören dachten. Diele
Sitte Hat viel Nachtheiliges fowol für ben gaftirenden Helben als für das
Publikum, dem er ſich zeigt. Jener, gewiſſermaßen auf Eroberungen und
von Dr. G. Gervais, 221
Triumphe ausziehenb, will des Sieges auch gewiß fein und wählt Rollen,
in denen er allein glänzen Tann, feis eine Hauptrolle, neben ber bie Mit
fpielenden wenig zu Worte fommen, ober eine nntergeorbnetere, ber er
eine befondere Bebentfamkeit zu geben ſucht. Die Zufchauer find nur anf
ihn gefpannt, überfehen die Mängel der übrigen Akteure, die um feinet-
willen oft mit Widerwillen ihr Gedächtniß für Stüde anſtrengen müſſen,
die mit ihm wieder vom Repertoir verſchwinden; bemerken kaum, daß bie
gegebenen Stüde 3. B. bie beften Shafefpenreichen, zu wahren Steletten,
aber mit vollftänbig ansgeprägtem Kopfe, oder wohlgeftaltetem Leibe um»
gewandelt find; gerathen in Entzüden über die Meifterfchaft in jeder Ber
wegumg, jeber Stellung, jevem Blick und Wort des Gaftes. Der Hervorruf
iſt ihm — nebſt einer guten Einnahme — ficher. Was aber Hat er ge
leiſtet? Ein Kunſtwerk? Gewiß nicht, denn dieſes beruht im Ganzen, Nur
ein Kunſtſtück, unwürdig feines Berufs, Was hat das Publikum empfan⸗
gen, genofjen, gewonnen? Seine Ilufion, mit dem Aufrollen bes Borhan-
ges in eine Welt verfeßt, welche durch eine Harmonie von Gebanfen und
Empfindungen, wie die wirkliche Welt fie nicht bietet, die äfthetifche Wir»
tung ber Kunſt allein auf uns geltend machen will, wird durch Lücken in
der Handlung, durch die Stümperhaftigfeit ber Ausführung geftört; ber
Gaft, eine fremde Geftalt unter den befannten, erregt wohl Neugierbe,
Staunen, Bewunderung, aber nicht Mitleid und Furcht oder Mitfreude
und Hoffen, die in uns bie Leivenfchaften und Gemütheftimmungen ber
Hanbelnden erweden follen. Wir jehen ven Vorhang am Schluffe finken,
lehren ihm den Rüden und benfen — an bie nächfte Vorftellung, worin
der große Mime wieder ein neues Kunftftüd uns zu zeigen verſpricht.
Eckhof, ver geborne Hamburger, ließ alle Directionen zu Gewinn und
Beifall anberwärts fortziehen und blieb mit wenigen Tüchtigen, ihm
Gleichgefinnten oder von ihm Angezogenen zurück. Das Publikum, mit
feiner Berfon, feinen Leiftungen vertraut, ließ allein ben Charalter, ven er
fpielte, auf fih wirken; jeber neue Fortfchritt, jede neue Seite feines Ta⸗
Ients erhöhte die Aluſion, griff in bie Seele, begeifterte, rührte, erregte
Heiterkeit, bildete vor allen Dingen ben Geſchmack, vermehrte das Ver⸗
ſtandniß der Kunft in einem Publikum, das nur kam, um das Ganze zu
genießen, und nur im Ganzen Befriebigung fand. So wenigflens wid»
222 Die Shaufpieltunk bis auf Leſſing
mete Echof feine Kunſt dem Ganzen, und durch beibes feinem Publikum.
Ein umgelehriges, unverfländiges Hätte ihn nnd nachmals Schräber nicht fo
. banernd gefefielt. Doc fon bie. Meinung folder Schaufpieler, von
einem großen Theile ihrer Mitbürger geliebt und geſchätzt zum fein, iſt ein
Wahn, und es wäre fehr zu mwäünfchen, es hielte jeber Känftler Beftänbig
and mit allem Ernft an ber Uebergeugung feft, auf Verbeſſerung bes Ge-
ſchmacks und Veredlung der Sitten einwirken zu können. Dann wilrbe,
was Schiller in ſchöner Begeifterung, von Höheren Idealen gehoben,
wähnte, die Schanbühne eine Bildungsanſtalt, wirkſamer als Katheber
umd Kanzel, für bie Menfchheit werben, „So gewiß ſichtbare Darfieb
lung mächtiger wirkt als tobter Buchſtabe und Lalte Erzählung, fo gewiß
wirft die Schaubühne tiefer und dauernder als Moral und Gefege.”x)
„Die Schaubühne tft mehr als jede andre öffentliche Anftalt des Staates
eine Schule praftifcher Weisheit, ein Wegweiſer durch das bürgerliche Ler
ben, ein unfehlbarer Schlüffel zu ben geheimften Zugängen ber menſchli⸗
Gen Seele.) Dem Schaufpielergente Hat Ronflean, ohne es zu wol
Ien, ja tm entgegengefegter Abficht die ideale Höhe feiner Kunſt vorgezeich⸗
net, durch die oben erwähnte Behauptung: „daß Schaufpieler tugend⸗
hafter fein müßten als alle andere Menſchen, wenn fie nicht verberbter
fein wollten.” —
Eine zweite Bemerkung betrifft die Wielfeitigleit des Talents. Schon
vor Eckhof war fie auffallend und an vielen feiner Sünger iſt fie noch
mehr bewundert worden. Im Grunde kommt es nicht baranf an, baf em
Kunſtler vieljeitig, fonbern, daß er möglichft volllommen ift, unb man
zwinge ja micht die eble tragiſche Natur, ber das Naive wicht zu Gebote
ſteht, zu einer naiven, und bem Künftler, dem bie leicht ſcherzende Muſe
hold ift, nicht zur tragiſchen Rolle. Aber fehr Häufig Haben angehende
Schaufpieler noch eine Kenntuiß bes Umfanges und ber Befchaffenheit
ihrer Kunſtanlagen. Diele irren fih fo ſehr im ihrer Beftimmung, daß,
wenn man wiſſen will, für welche Rolle fie ſich am minbeften eignen, es
tn ber Regel bie iſt, welche fie am liebſten fpielen. Im jenen wanbernben
*) 6. Schiller: vie Sıhaubüßne als moraliihe Anftalt. Werte XI, 6. 82.
“) Gbenbaj. 6.36. Bergl, auch S. 46.
von Dr. G. Gervais. 223
Geſellſchaften, denen in ſeiner Jugend Echof wie Schröder zugehörten,
ang ſchon die Nothwendigleit und die befepränkte Zahl ber Mitglieder,
daß jeder mögfichft vielgeäbt fich bewährte... Einer ruhigen Kunſtentwicke ⸗
lung entſchiedener Talente war biefes nachtheilig, und bie Beflern bedau⸗
gen ſich ein ihnen geeignetes Rollenfach, oder fuchten, wie Echof, einen
teten Aufenthalt zu gewinnen, nm den Umfang ihrer Kraft aus dem Ur⸗
theil des beobachtenden Kunſtrichters zu prüfen, und über benfelben nie
hinauszutreten. Das tft freilich immer erft eine Folge mannigfacher Ver⸗
ſuche, bie in der Jugend gemacht zn haben, eine Neife im beften Lebens
alter Herbeifühet. Fur ſolche Entwidelung war es vortheilhaft, daß ba-
mals junge Talente als Tänzer, Sänger, in Mäpchen- und Frauenrollen fich
m zeigen, ober, was bei Leffing für den Schaufpieler Borchers ein gänfti-
ges Borurtheil erwedkte, fih in alten Rollen frühzeitig zu verfuchen. „Dieſes
zeigt von feiner Liebe zur Kunft, und der Kenner unterfcheidet ihn fogleich
von ben vielen anbern jungen Schanfpielern, bie nur immer auf ber
Bühne glänzen wollen, und beren eine Eitelleit ſich in lauter galanten,
liehenswürbigen Rollen begaffen und bewundern zu lafien, ihr vornehmfter
andy wol äfters ihr einziger Beruf zum Theater if.“ — Zu ben Verſuchen
in ben verfchiebenften Rollenfächern kommen noch technifche Uebungen, Rei⸗
ten, Fechten, Tanzen, muſilaliſche Entwickelung, Spielen auf Inftrumenten,
mintfche Darftelfungen, Balett u. a. m. Heute geht eine Sängerin mit
guter Stimme umd Höchftens mufilalifher Ausbildung, die nicht felten ſchon
iene allzufehr forcirt Hat, zur Oper, fpielt, wenn es mit ber Stimme ganz
wm Ende gegangen ift, zweite ober britte Liebhaberin — wie es tm ber
Theateralmanachsſprache Heißt — dann Anflanbe- und Ehreudamen, zu
kegt Mütter und komiſche Alten, als ob ſich das Alles mit ben Jahren
Rinde. Ein junger Mann von gutem Wuchſe, ausbdrucksvollen Mienen,
lebhaften Ange, Hangvoller Stimme glanbt zum Liebhaber geboren zu
fein, macht auch, fo lange bie Jugend dauert, Glück bei allen Bewunbrern
jener Gaben; baum beſchließt er den Witzling zu fpielen, was ihm nach
beffer gelingt; denn, wie Leffing jagt: „Das Lacherliche Tann der Wigige
amb Unwitzige nachſagen, aber die Sprache des Herzens Tann nur das
Herz treffen." — Cine Hohe, fleife Geſtalt, ſtarler Gliederbau, rollende
Ungen, eine Steutorſtimme machen. heute einen Helden und ſcheinen für
294 Die Shaufpieltunft his auf Lelfing
Richard ILL, Erommell, Walenftein, Tel bie einzigen Erforberniffe. Doch
bleiben wir and bei entſchiedenen Talenten, veichbegabten Naturen ftehen,
bie als erfte Sterne auf unferen Hofbähnen glänzen, und als Gaftipieler
europãiſchen Ruf haben. Die Einen finden wir einfeitig vorgebildet, ein-
feitig entwidelt, bie Andern gelten von vornherein für Wunderleute, die
Alles gleich vermögen, und zum Erſtaunen bes großen Haufens ihre Kunfte
ftäde machen. Weber biefe noch jene haben Echhof barin nachgeahmt, jer
den Charakter nach feiner Empfinbungs- und Denkweife, nad Sitten bes
Volls und der Zeit, foweit e8 der Inhalt des Stüdes erheiicht, anfınfale
fen, in jedem bis zur höchften Aluſion ein Audrer zu fein, und nicht eher
zu einem nenen überzugehn, aber auch durch biefen Vorſchritt den Umfang
feiner Kunſt zu erſchöpfen, „fo daß ex in feinen beften Jahren von ben
heftigften und innigften tragiſchen Rollen bis zur feinften und niebrigften
Tomifchen Alles in gleicher Volllommenheit fpielte.“ -
Nun noch ein Wort von der Einwirkung ber Kunft auf bes Künftlers
eignes Selbſt, und zwar, wie jene nicht bloß an einem Individuum,
fonbern an dem ganzen Stande fich offenbart. — Daß durch ein Genie
wie Edhofs nicht nur bie Kunft, fondern anch ber Stan des Schauſpie ⸗
ters in ben Augen ber Welt gehoben warb, beweiſt die Berehrung, welche
bie Beften ver Nation dem Manne zoliten. Hatte bereits Gottſched, als
er feine Thätigfeit ver Bühne zumanbte, die Gemeinfchaft mit Schaufpie
lern für einen Gelehrten nicht entehrend gezeigt, fo fchlofien junge Männer
von Kenutniffen und Bildung ihnen ſich noch enger an, und Leſſings vor⸗
aurtheilsfreier Geift gab auch anbern das Beifpiel, in innigem Verkehr mit
firebenden Künftlern die Verbeflerung ver Bühne, bie Gottſched mißlungen,
zu erzielen. Ihm ſchien dazu das Zufammenmwirfen mit benen nicht une
würbig, welche dieſelbe Münftlerifche Aufgabe, die vor ihnen ber bramatifche
Dichter zu loöſen verfucht, wieder aufnahmen, fich nämlich in bie einzelnen
Charaktere feiner Dichtung zu verwandeln, um aus ihnen heraus — nicht
buch ihr Subject — eine Aluſion der Kunft zu bewirken,
Leffing fegte zu ber Erreichung feines Zweites auch feine kritiſche Fe⸗
ber in Zhätigfeit, unb begleitete die Vorftellungen in Hamburg mit ben
teefflicäften Bemerkungen, Winken und Andeutungen für bie Schanfpieler.
Er nahm an, der wahre Küuftler ſei von aller eitlen Empfindlichkeit ent-
von Dr. C. Gewais. ’ 225
rat, die. Kunft gehe bei ihm über alles, er Höre gern frei und laut über
Ad urtheilen und wolle fi) lieber auch dann und wann falſch als feltener
beurtheilt wiſſen. Uber zu bald nur mußte er erfahren, daß biefe einzige
Schmeichelei, die er einem Künftler zu machen wußte, von ben Schau-
ſpielern wie von dem Publikum nicht verftanden werde, daß beide über
das Weſen der Kunft aufzuffären, verlorne Mühe und ein undankbares
Unternehmen ſei. Denen, bie ber rauſchende Beifall der oft unverſtändi ⸗
gen Menge belohnt hatte, mißfiel es ſich Hinterher befrittelt, im öffentlichen
Blättern getabelt zu ſehen. Leifing fuchte auch den Verbacht, daß er wehe
tan wolle, ven Schanfpielern zu benehmen. Deshalb enthielt er fich lie
ber jeder öffentlichen Bemerkungen über fie nnd entſchuldigte am Schluffe
feiner Dramaturgie das leicht verlegliche Gefühl der Schauſpieler damit,
daß es noch keine beftimmte Regeln gebe, wonach Lob und Tadel im ein-
jelnen Balle zu bemeſſen fei, bloßes NRaifonnement und Kunſtgeſchwätz
nichts wäge. Gelobt, meint er, werbe ber Schauſpieler fi nie genug,
getadelt aber allezeit zu viel glauben, Da äftere wird er gar nicht ein-
mal wiſſen, ob man ihn tadeln ober loben wollen. Ex ſchließt zulegt mit
einem Erfahrungsſatz: „Ueberhaupt hat man die Bemerkung fchon längft
gemacht, daß die Empfindlichkeit der Känftfer in Anfehung ver Kriti im
eben dem Verhältniſſe fleigt, in welchem die Gewißheit und
und Menge ver Grunbfäge ihrer Kunft abnimmt,“
So verziägtete der ſchärfſte Kritiler, der je Schauſpielern bie treffend»
Pen Lehren in milvefter Weiſe geboten, auf biefe Belehrung, weil er bas
Recht nicht zu haben glaubte, eine Schwäche des Standes zu kränlen.
Fragen wir, worin dieſe Schwäche ihren Grund hat, fo iſts bie Eitelleit,
unfehfbar der verbreitetefte Fehler in dem Schauſpielerſtande. Aber man
muß and geftehen, daß bie Schanfpieler mehr als andre Mühe Haben ſich
verfelben zu erwehren. Die angeborene Reizbarkeit ihres Yunern wird
täglich nem angefacht und erhalten, Lob, Tadel, Kräntung, Ueberfcgägung,
Mes wirkt baranf ein, und es tft feine geringe Nüchternheit des Verſtan⸗
des erforderlich, bei bem tobenden Beifall der Menge in ben Schrauken
mbiger Selbftfchägung zu bleiben, beſonders wenn Neid und Geringicgägung
hinterher ſich feindlich entgegenflellen. Darum wäre es der Kritik gezie⸗
mender, Lefſtugs Beiſpiel zu folgen und um ber Bersiene witien, die
uuyı. Benstöjgeift Dr. LIL Oft 8.
236 Die Schaufplehuß bis auf Leffing
" großen änfilern yuerlasınt werben miüſſen, Ihre Schwäche zu ſchonen. Eine
VNeurtheiluug ihrer Leitungen wirb im beflien Falle fie mr verwirren.
Gau, ein andres iſt es, Städe in ber Weiſe zu beſprechen, daß mit
Sachlenntuiß und Feinblick auch eine Beleuchtung über die Auffaffung ver
einzelnen Charaktere darau geknüpft werbe, die den Spieler belehren, ihn
ins Mare wit feiner Aufgabe fegen könnte. Ohne baß feine Perſon tan»
girt würde, fähe er dann in eine camera obacura, bie für das Schaffen
feines Bildes von Nugen fein könnte. Deffentliche Beiprecjungen über
lebende Küuftler Haben immer etwas Verlegendes; auch fein Lob ift dem
wirllich großen Künftler nicht angenehm, denn, ba er ber Mittel feines
Schaffens ih bewußt ift, kennt er auch nur allein ihre ganze Wirkung,
uud zweifelt minbeflens an ber richtigen Würdigung, bie ihm von Anders
38 Theil wird, Doc abgeſehn davon ift die Recenfion des Bühnenfpiels
uuſchidlich. Den Schauſpieler, der auf öffentlichem Schauplage feine Lei-
fang einem Publikum’ Hinftelit, das feinem Gefühle folgend Beifalt ober
Mißfallen ausbrädt, muß es darum eben verlegen, wenu das, was er mit
Gelbfwerleuguung für einen Einflerifcpen Zwed ſchuf, in ganz fubjectiver
Auffaſſung, oft mit dilettantiſchem Ratfonnement, befrittelt wird. Aufjäl-
liges Ungeſchich, offenbare Tälentlofigleit der Spieler, Verftöge und Man
gelhaftigleiten der Aufführang follten nur den Directionen zur Laſt gelegt
werben, beren Pflicht es ift, nur techniſch geübte und talentbegabte Spieler
bie Düßne betreten zu laſſen, und fie am rechten Drte zu brauchen.
.. Neben der Citelleit find Neid, Mißgunft, ver Glaube zurüdgefegt zu
fein, allgemein verbreitete Fehler in einem Stande, der noch immer auf
Koften der Kunft und ber Sittlichleit Beifall zu erringen verurtheilt wird.
Nicht wie in andern Berufökreifen geben dem Künfller feine früfern Lei
flungen, fein Dienfalter, nicht einmal Glück und Protection Befriedigung
bes Ehrgeizes ober and; nur beſcheidener Wänſche. Vielmehr wirb jede
feiner Leiftwugen nad) eignem Waßſtabe gemeflen, das Alter raubt ihm oft
den wohl errungenen Lorbeer, das @lüd vermag bem Talente keinen Vor⸗
Wand zu thun, bie Proteetion wird eher ein Anla zum Mißſallen. Kurz
auf fig allein in Geber in biefem Stande gewieſen, Barum will Jeber in
einer: daukbaren Ralle Beifall ernbten. Zwei Uebelſtände erwachſen bar-
ans für bie Kuuſt felber, ein Dafchen nach Effect und das Mefschen, Die
von Dr. E. Gewais. : 227
Nitſpielenden anszuflechen. Beides verwien ſchon Lrifiug. „6: Tännte
leiht fein,“ fagt ex in der Dramaturgie, „daß füh nufre Schauſpieler bei
der Mäßigung, zu ber fie die Kunſt auch in den heftigen. Leideuſchaſ ⸗
tn verbindet, in Anfehung: bes Beifallg nicht allzu wohl ‚befinden bite
im. Aber ‚welches Beifalls? Die Gallerie ift freilich ein gryßer Liebhaber
des Rörmenden und Tobenden, und ſelten wirb fie ermangelu, eine gute
unge mit lauten Händen zu erwiedern. Auch das deutſche Varierre ift
aoch ziemlich von biefem Geſchmacke, und es giebt. Acteurs, bie ſchlau ger
aug von biefem Geſchmace Vortheil zu ziehen willen. Der Skhläftigfte
“ sfft ſich gegen pas Ende, der Scene, wenn pr abgehen fol, zuſammen,
tchebet anf einmal bie Stimme und überladet die Action, ghng zu übrr«
| gen, ob der Sinn feiner Rebe biefe höhere Anfirenguug auch .erfgxbere,
Richt felten widerſpricht fie fogar ber Verfaffung, mit der er abgehen foll;
aber was thut das ihn? Genug, daß er das Parterre dadurch erinnert
dat, aufmerlſam auf ihn zu. fein und, wenn es bie. Güte haben will, ihm
nechzullatſchen. Nachzifchen follte es ihm! ‘Doch leider iſt es theils nicht
Renner genug, theils zu gutherzig, und nimmt bie Begierbe ihm gefallen
za wollen für die That.” An dem zweiten Webelftande ſcheinen bie Schau:
fpieler minder ſchuldig, weil ihe Bemühen, Alles aus einer Role zu ma
den, was fie geftattet, eher Lob verbiene. Gleichwol ift es kein Paradogon,
wenn Leffing von einer vortrefflichen Schaufpielerin, die in Berlin bie Or⸗
ina fo ſpielte, daß das Ende bes Stüdes Nicolai'n matt vorkam, ſagt:
«fe kann aud wol zu vortrefflich gefpielt haben; denn auch das if ein
' ler, und ein verfläubiger Schauſpieler muß nie feine Rolle, wo es. nicht
uthig if, zum Nachtheil aller andern Heben!” — Beiderlei Mißbräuchen
vxermag eine Theaterſchule und eine kunſtverſtändige Direction zu ftenern
ia fie vermag bie vorhin genannten Fehler, bie mehr ober weniger dem
Shanfpielerftanbe eigen find, wenn auch nicht ganz zu unterbrüden, doch
! iren ber Kunſt nachtheiligen Folgen vorzubeugen, Die Theaterſchule
eſorſche, Bilde und prüfe die zur Künftterlaufbahn befähigten Sänger, jede
direction ſei gehalten nur ſolche anzuftelfen.
Dan wende nicht ein, daß bie freie Kunft dadurch in Feſſeln geſchla⸗
xn werbe, ober baß das Genie feiner Prüfung und Beſchränkung ſich un.
Imwerfen dürfe, ba es oft erſt bas nie zuvor Geahnte ſchaffe. Mit der
\ 16°
328 Die Schauſpieltunſt bis auf Leffing von Dr. C Gervais.
Freiheit der Kuuft flieht die Unterorbnung bes Käufllers nicht im Wider⸗
ſpruche; und was gelehrt, gewedt, geprüft wird, find bie Nutanwendungen
der angebornen Anlagen für eine Kunft, bie, abgefehen von allen neuen
Schöpfungen der Dichter und Schaufpieler, in ihrem letzten Zwece bereits
Ariſtoteles erfannte, den zu erreichen die Mittel fich finden laſſen, ohne
daß ihre ganze Wirkſamkeit und Tragweite, bie das Genie unbewußt ent
dedtt, je erfhäpft werben.
Daß freilich noch nicht einmal die Mittel im Allgemeinen richtig und
altfeitig bei ben modernen Nationen zum Haren Bewußtſein und darnach
zur techniſchen Ausübung gekommen find, beweift, wie wenig uns baran
gelegen, aus ber dem Genius unbewußt inwohnenden Schaufpieltunft eine
auf Regeln baſirte Schaufpielerkunft zu gewinnen. Diefe kann erft gefhaf-
fen werben, wenn neben andern Runftafabemien auch eine Theateralademie
unter ber Aufficht des Staates und unter Leitung techniſch geprüfter und
geiftig bewährter Vorſtäude vorhanden if, aus der allein bie öffentlichen
Bühnen des ganzen Landes — alſo Staatsbühnen — ihre Spieler er
Halten. Dann erſt wird and) jeder Makel, ver noch dem Stande anlebt,
ſchwinden. So lange die Hauptbebingung für "das Gedeihen jeder Kunſt,
Biloung und Leitung, ber Schanfpieltunft fehlt, jo lange Hofbühnen Min
nern von bilettantifgen Kenntniſſen, bie eine Liebhaberei für bie Kunft
zeigen, Provinzialbühnen der Speculation, die Meinern privilegirten Herum-
ſtreichern überlaffen werben, iſt der Schaufpieler feiner eignen und jedes
Andern Willkür preisgegeben, weber feine Kunſt noch fein Stand gewahrt,
und nur bie Kraft bes Genies zu bewundern, bie troß ber Wiberwärtig-
teiten und Gefahren zu Anerkennung, zu Ruhm gelangt.
Aus Yltprenffens Bechtsgefchichte.
(®al. IT, 604.)
Bon
Br: Emil Steflenhagen,
Brivatbocenten an. der Univerfiät Aönigaberg.
m.
Ber Rulmer Oberhof.
1. Schon bie erfle Sanbesorbuung, bie ber Orden bei feinem Ein⸗
tritte in das Ammerland erließ, bie berühmte Kulmer Handfefle vom
28. December 1233*) (erneuert 1251), führte bas Magde burg iſch e Stadt⸗
recht als Entſcheidungsquelle ein und beflimmte zugleich als Oberhof, von
weichem Rechtobelehrungen und gefiholtene Urtheile geholt werben follten,
den Schöffenfiuäl ber vamaligen Hauptſtadt Qulm. art. VI, VII ber
Handfefte bei Leman Kulm. R. pag. 6:
VI. Wir seczen ouch in den selben steten Meidebur-
gisch recht yn allen orteilen ewielichen czv haldene n. ſ. w.
VII. Is das ouch in den selben steten keines ozwiuelis
twalm wirt von gerichtis rechte. ader von orteilen gerichtis
rechtes. des selbes gelides sal man vragen dy ratlute der
stat Culmen. wand wir dy selbe stat houbtstadt vnd di
wirdigisten wellen wesen vnder den andern steten u. ſ. w.
An ven Kulmer Schöffenſtuhl wurden dann bie nen gegränbeten
Städte und Dörfer in ihren Privilegien noch ausbrädlic; geiviefen (Voigt
=) Richt 1332! Ueber die richtige Auflöfung des Datums: Töppen Vreuß. Hifter
riogtaphie ©. 279 und Watterich Orbensftaat ©. 221.
230 Aus Alwreußens Rechtegeſchichte
Rechtsverf. Preuß. p. 14). Zwar werben auch Marienwerder, Chriſiburg
Oſterode, Gilgenburg, Liebſtadt als ſolche Orte genannt, wo benachbarte
Dörfer und Städte ihre geſcholtenen Urtheile „ſuchen“ ſollten; fie jedoch wa⸗
ren nur Mittelgerichte, die ſelbſt um Rechtsbelehrung nach Kulm gin-
gen, und von benen eine weitere Berufung ebendorthin möglich war (Voigt
lo. S. 15f. Hartknoch Alt- und Neues Preußen II, 627). Der Kul⸗
‚mer Schöffenftugl war alfo die höchſte Inftanz für bie Preußiſchen Städte
und Dörfer inegeſammt (ſoweit fie nicht nad Lub iſch ein Rechte Iebten),=)
mit alleiniger Ausnahme von Thorn, das ebenfo, wie Kulm, feinen
Nechtszug felbftländig nach Magdeburg nahm. Den „Kolm“ haben ober
das Recht des „Oberkolmes“ bedeutete daher ſo viel, als die letzte Inſtanz
bilden ([Simfon] Nachrichten über die Erünbung und Yortbilbung d.
Tribunals zu Königeb. p. 2). .
2. Bis in bie Mitte bes XV. Jahrh. blieb Kulm der höchſte Ge
richtehof für Preußen. Als aber in dem Aufſtande des Bundes der Land ⸗
fchaft und Städte 1454 Kulm vom Orden abgefallen war, um nie mehr
wiedetgewonnen zu werden, verlor es auch feine Bebentung als Hanpt-
fiase und Oberhof. Statt deffen erhlelt bie Altſtadt Königsberg, die
1485. zum Orden zurücttat, das Hecht des Oberlolmes, und bie Appella-
tionen nach Kulın Härten auf. Es heißt darüber in ber „Unterrichtung in
die Aulmer Handfefle* bei dem citierten- art, VII Manafeript Ao. 8 fol,
der Rönigen, Etabtbibl.®) DI. 10:
*) Huf diefe' feine Qualität als Oberhof beruft ſich der Aufmer Schöffenftubl in
zwei Rechtsfragen nad Magdeburg: Stobbe Beitr. zur Geld. d. deutſch. R.
p. De, 98 Voigt Rechtsverf. 6. 18f. mit N. 34. — In einer alten „Landes:
‚und Stäbte-Willkte” (Steffenhageri Magdeb. Recht h. 2 R, 8) wird beftimmt:
Alle, äy gefcholdene orteyla kogen den kolmen ffuren, füllen era
jrer cserunge vj gutte mark haben vnd nycht mer (cf. Curide Beichreibung
von Danzig ©. 18 Hanow Geld. d. Calmiſch. R. 8. 51 h) und weiter:
' Wen ayn orteyl eyn kumpt, das gefchulden jft,.das [al man brechen
myt des heren borchgrenen wylien, an den js ouch gefchreben fteth,
vnd der js ouch wndyr feyme [ygel kn dy kolmer fendet u. |. w.
d) Bol. Schweikart in Kamp’ Jahrbuch. Bd. XX VI, 258 R.25 Simfon lc.
Note 6 alin. 2. Weber andere HH. f. Monatafchr. II, 659. — Gedrudt ift die
Unterrichtung“ Danzig, Franz Robbe 1689. 4° (Hanow Geich. des Eulm. R
$. 40).
von Dr. Emil Eteffenbagen. 231
m.» » biefelbige Stabt Colmen iſt auff bie Zeit ein Heudt⸗
fiabtt gefeget wordenn, and bis in ben groffen Kriegk echte
Henpftiftabt gepfieben, Da aber das Landt za Preuffen im fel-
ben Kriegk [getremnet°)] vnd gerthelfet iſt worden, iſt darnach
anff diefer Seitten die Alteſtadt Königopergk vor eine oberſte
Heuptftabt, als vor Zeitten bie Stadt Colmen geweſen, von der
Oberleitt derorbenet worden, dahin man alle geſcholtiene Vrtheill
aus ben ahbren Stebten auff biefer Seitten hatt muſſen appelſi⸗
ven und bafelbeft rechtfertigen laſſen“ u. f. w.
Die Zeit, wann biefe Veränderung eintrat, witd verfchteben angege ⸗
ben: bald Mmäpft man fie an den Thorner Frieden v. 1466 (Dariknoch
lc. II, 594 Medelburg zar Chronik des Joh. Freiberg ©. 10 0.48),
bafo unmittelbar an ben Nüdfali Rönigsberg'si. 3. 1466 (Baber Haupt ⸗
und Reſidenz · St. Könige. p. 196 cf. Simfon l.c. &.2, 3). Eine be
ſtinnnte Entſcheidung läßt fi Hier nicht geben, ba die Verlegung bes
Oberfolmes auf das MirMkbtifhe Nathhaus in Teinem ausprlcktichen Vri⸗
vileg ausgefprodgen iſt (Breiberg’s Chronik v. Mecelburg &. 10 bei R. 81),
die fpäteren Berichte aber den Zeitpumft mnentfähieben Iaflen
3. Aus der Rechtspraxis der Kulmer-Schöffen Haben ſich verkii-
ufgmäßig nee wenig Urtheilsfprüche erhalten. Auter einigen blos gele-
gentfichen und mittelbaren Zeuguiſſen, ) fiehen zumächft in einer Danziger
Dandſchrift (Homeyer Rechtsbüch. No. 189 Behrend Magd. Beag. p. II)
S1BEH ff. and 191° ff. Berichte über je zwei Aulmiſche Rechte⸗
ſachen, bie beiben erflen v. 1326, 1391, ber dritte ohne Beitangabe, ber
vierte v. 1423. — Ferner kennen wir em Weisthum fär die Könige
berger Schöffen, das in drei HH. Begegnet (Steffenhagen Catalog:
) Ergänzung aus anderen Handſchriften.
4 1) Stoffenbagen Catal, No.CXIX, Bo ul. 2, 2) IX Bäder Magbeb. I.
(Steffenhagen p. 20 Monatsſchr. II, 30). 3) Magdeburger Fragen (Behr
rend 7.21 R. 11, 11.2. 17. N. 10, 111. 6.2 R. 29). 4) Magpd. Urtels
ſammlung für Aulm (Stobbe Beiträge zur Geſch.d. deutſch. 3. p. 102, 1101.
114, 120). — Bapegen IR bie irrige Meinung, wonach man früher Kulmer
Urtheile im Alten Kulm zu finden glaubte, jept antiquiert.
«) Die 9. iſt in der vorigen Minhellung 9: 4 «’Dtsiche. 11,607 fi.) bereits ger
nauer deſqhrichen.
232 Aus Atpreubens Aechtageſchichie
No. CLXXII, 9; CLXXV, 8 Monatefäir. I, 78). &s beſteht in allen
dreien übereinftiinmenb ans 19 Artileln, in ber britten noch mit angehäng
ten Rechtofägen, bie vielleicht ebenfalls von den Kulmer Schöffen herrüh⸗
ren. Die Abfoffang fällt nicht fpäter ale 1444, da bie dritte, ältefte 9.
dem genannten Jahre angehört,") währen die anderen beiben ans dem
XVI. Jahrh. ſtammen.
Das Weistäum ſcheint der Mittheilung nicht unwerth, und wir geben
es nad) der 9. v. 1444, mit den erheblicgeren Varianten ber beiden an-
deren, die mit A (— H. der Königsberger Stabtbibl.) und B (= 9. der
Wallenrodrſchen Bihfiothef) bezeichnet werben. AB liefern ben Tert burg
Suhalts-Ueberfchriften interpoliert und in meiflens übereinftimmender, vom
Grundtegte aber Häufig abweichender Geftalt.s)
Defe nochgefchrebin [schin [cheppin cau koning[berg esum Colmen
j fich habin lafin vnäirrichten.
[{1.] Clegit eyn man fchadin vf den andern, der im entftanden (y
von eyner fachin, dy dor vor gerichte were geweilt, fo fal der oleger
den ſohadin bewifin, alzo recht ift; jft abir dy fache vor gerichte
nicht geweilt, fo mag der antwerter der fachin bekennen adir lokin
mit rechte, vnd der cleger mag den fchadin vff en nicht geczugen.
[2] $ Item fchilt eyner dy fcheppen, adir reth en an iren eydt,
alz. das ſy ich mit em vmme dy fache gebin in eyn recht, fo mogin
dy fcheppin eyn teil vfilteyn vnd clagin, vnde das ander teil orteil
fioozinde vindin mit rechte, vinme ires felbift fache von rechtis wegin.
I3] $ Item tedingit eyn man obir foheppin orteil, der fal gebin
ſyms widdirfachen, kegin deme her orteil fregit, eynen firding, vnd
dem -richter iiij ſ', vnd ift den fcheppin, noch nymande dorrbir
pflichtig. ,
[4.] $ Item eyn fcheppe mag heyfchin obir eyne ikliche fache
oynen fchilling,*) der fachin her gedengken fal,‘) von ‚rechtis wegin.
1) Steffenhagen Magd. R. p. 6 f. Mmatsfcr. I, 16f4
©) B ftimmt mit A, nur Smal gebt er, anftatt mit A, mit dem Grundtegte, dmal
feinen eigenen Weg.
») AB fh. der pfennige, die de genge felnt,
#) der... [al] AB vmb das [ie die fache gedencken muſſen.
von Dr. Emil Gteflenhagen. 233
[5.] $ Item eyner wundin fulleift, dor blut adir bloe wirt bie
gelegit, dy fache ift czugbar von rechtis wegin.
[6.) Item fulleift, alleyne die fache eynlicozigk ift, fteit her nicht,
man echtit en von rechte.
[7.] $ Eyne befscezunge [al man vff bieten czu dren dingin, vnd
cu deme virdin dinge fal mans jm geweldigin zcu eyme pfande,
Das pfant (al man vff bieten czu dren dingin; jn deme dritten dinge
Gl mans jm eygenen zcu uorkowffin in deme nheften marktage,*) ap
es varnde gut iſt; jſt es aber leginde grundt, dy fal man teilen zcu
haldin ioer vnd tag.
(8.] $ Eyn richter mag eyn geheigit ding machen mit dren
(cheppin; ift es aber noetfache, ſo mag her es thun mit czwen fcheppen,
[O.] Item fechs fcheppin fullin weſin, dor man eynen kundigit in
dy ochte.
[10.) $ Eyn richter mag eyn ghehegit ding machin, wor es noet
tbut, von rechte. .
[II.] Eyn richter mag mit geheitem dinge heymelichin in gefengnis
geyn, vnd') vorhoren eynen man von rechtis wegen.
[12.] $ Item tedingit eyn vorfproahe obir fcheppen orteil, vnd
das orteil der howbtman nicht voriaet, fo vorbufit der howbtman
nicht, funder der vorfprache gibt dem richter iiij ſ'; voriset aber der
howbtman daz orteil, her mus es vorbufin, alzo vorgefprochin ift.
[13.] $ Item hot eyne frauwe czwierley kinder, alz das das irfte
kint ift von der muter gefcheidin vnde geteilit ſynes veterlichin erbis
in rechter vormuntfchaft vnd vorioet vor geheitem dinge; fo ftirbit”)
denn das erfte kint, das dor mit rechte abegefundert ift: fo erbit ſyn
gut mit merem rechte vff fyne muter, denn an fyn halp bruder,
aleyne der halp bruder fteit®) mith der muter vngefundert°) fynes
veterlichin erbis vngefundert.?)
%) AB marckte,
») AB mu
=) AB [tärbe,
»)f. AB,
) AB vogeteilet feint,
) f. AB,
234 Aus Miperufpend Reihtögefäichte
[14.] $ Apfich eyn man czoge an [yne Iyngkouffis luthe, #) vnd der
ander im des nicht uolgin wolde: ap“) der linckoufs Iuthe geczugknis
moge mechtig fyn? Her mag nicht mechtig fyn von rechtis wegen.
[15.] $ Ap czweyne erbe gebuwit weren vff eynen ftenger vnder
eyme dache, vnd der eyne fyn erbe vorkowfte: ap der ander denn
das erbe moge by fprachin, adir ap der erfte, der daz erbe vorkouft
hot, moge eyn gewere [in des erbis? Her mag des eyn gewere fyn
von rechtis wegin; vor ioet es ouch dy nheſte ‚be, fo'mag es dy
vorder®) nicht by [prochin. .
[16.] $ Item ap drij adir virt) lute czins habin vf eyme erbe,
vnd das erbe vfgegebin wirt vor den ezins: ap der denne, der den
leften czins ‘hot an*) deme erbe, fal den erften iren czins abeflaen
vnd lofin,”) ap fy den habin wollin; addir ap ſy ) glich bırwin fullin
vnd dez erbis“) glich gebruchen?) Sy fullin das erbe") glich buwin
vnd glich“) gebruchen von rechtis wegen.
[17.] $ Ap eymer den andern heifit eynen diep, vnd im keynes
das vf fynen rugken gebunden hot,%) der fal jm“) das vorbufen mit
eyner lantbufe,#) vnde deme richter iiij [’.°)
[18.] $ Ap eyn borggrene habe gnade zou thune ane des clegers
wille? Her hoth nioht gnade zeu thune ahe dez olegers wille, adır
der oleger ane des borggreue.")
) AB fh. vmb einen kanfl.
r) AB fh. denn.
*) AB fü. ſibbe.
‘) AB mehr.
“) AB anf,
”) a. v,1.] AB ablöfen,
") AB ff. das erbe,
»)d. ea) f. AB.
7) AB fi. oder was rocht fey.
de). AB,
=). AB.
®) vnd .... hot] AB vnd bekennet das vor gerichte.
%) AB dem cleger.
44) e, 1) AB eym wergelde.
) ij .] AB fein gewette, von rechts wegen,
#) d. b,) B den burggrauemn,
vom Dr. Emil Gteffenhagen. 235
[19.] $ Wundit eyn man deme andern czwier wundin adir meyr;
bekennet her des yor gerichte, fo fl her bufin.vor.ikliche fache, die
dor czugbar ift, dys) haut; jft der wundin meyr, denne der hende,
eyne ikliche wunde fal her vorbufin mit eym halbin#3) wergelde.4)*)
[Das Folgende von anderer Hand fehlt in AB]
[20.] Heifzet eyn man denn anderen eynen meyneyder, vnde
bekennet her des, zo fall her ig deme clegere vorbufzen mit. eyme
firdungk, vnd dem richter feyn gewette von rechtis ‚wegen. ö
[21] Item app .eyn man ortell fohulde vff der baungk eyme
anderen czw fchaden, ap den der, deme das orteil oru fromen vanden
was, deme fcheldere widder zcw gebe vnde nicht .liffe awfzgeen: ap
man deme fcheppen icht vmme das gelohulden orteil bufze fulde
geben, ader was dorvmme recht moge, feyn? Der das orteil fchilt,
der {al deme fcheppen das vorbuflenn, vnd deme richter weiten.
[22.] Item ap eyn vorfproche ſtunde yn dryn ader iiij perſonen
warte yn eyner clage, vnde itezliohem geteidingkt were eyn vullrecht,
vnde dy felbin orteil [chullden, vade das gefchulden orteil worde
vorloren; das fal itezlicher dem fcheppen vorbilzenn mit eynem fir-
dungk von rechte, vnde deme richter ſo manch gewette von rechte.
[23.] Item obir nachte wunden, fieet her. nicht, man echtet' en.
[24.] Item ap man vnde weib, dye elich ozwfamme fteen, vad
ane kint (eyn, mogen leiprente koffen czw erer beider leben ane erben
gelobb, alzo das eyns dem anderen dy rente moge erben noch feyme
tode, ader ap is dy erben mogenn gebrechen von rechte? Sy mogen
is nicht gebrechen ader geweren von rechtis wegen.
[25.] Item ap eyn man feynem elichen weibe gunde leiprente
czw kouffen von ir beider gutter czw irem leibe alleine: ap das dy
erben von beidenn feiten mogen gebrechen ader nicht? Sy mogen
is nicht gebrechen von rechtis wegen,
ss) AB zu,
iA
8) A bat am Schluffe die Jahreszahl 1543.
*) Bol. Monatzfr.I, 73. — Ueber die Geſchichte des Wergeldes in Preußen:
Malverſtedt Neue Preuß, Prov.Vlaner Die Folge 1858. IT, , 518, 5”
IV, 298, 430 Voigt Geld. Preuß. IV, 594,
236 Aus Atpreubens Rechtsgeichichte
[26.] Item ap eyn man feynem elichen weibe, ader das weibb
irem elichen manne moge gelt vnd gut geben, ozw entphoende noch
irem tode czuuoraus vor den erben, ane erben geloub von rechte,
vnd dy gift gefchee an mechtiger dingftath? Sy mogen is nicht ge-
thun vs rechte.
[27.] Item ap eyn man welde feheppen ufftreiben, vnd ander
fetezen, vnd [y mit rechte obir yn quemen, das ſy fitezen mochten:
was ſeyne bufze.were von rechte? Itezlichem lantbufze.
[28.] Item ap eyn man beweilzen fulle awfzradunge [eynes kin-
des, ader ander gegeben gutter: das fall her beweifen felbfebende mit
vnuorfprachen leuten noch toder hanth.
{29.] Item lantbufze fal man beozalen bey dinckezeiten.
[30.] Item ap eyn man haufzgenofzen ader knechte hette jn fey-
nem haufze, dy enn vorwunten, ader fey geftule, (ey gebewde, tiffche,
ader was defz gleichen were, czwbrachen, das ift alzo wol hawfzfrede
gebrachen, als ander, dy von bawfzen eyn quemen: jft dy wunde des
ozymmers geledis lang vnd nagels tiff, wem man dor vmme befchul-
diget, her entgeet felbfebende; ift ſy nicht ledis lang vnd nagels
tifl, fo entgeet hers ſelb dritte von rechtis wegen.
[31.] Item eyn man, der fich aus ‘der ocht fweret, do hoth eyn
vorfproche eygentlich lon von.
[32.] Item ap eyn man beclageth den anderen mit geozeuge, vmme
was fache is (ey, vnd der antwerter antwert och mith geozewge;
wenne den der tag kumpt, das dy eyde gefcheen fullen, vnde denne
der antwerter nymande kunde gehaben, der em hulffe czw feyme
rechte: ap her denne ouch elende fweren moge? Hiruff geet das
recht: Der antwerter fall fweren, als her vorheiffehen hot, mit ge-
ezewge, vnde moge nicht elende fweren; went das recht dinet czw
fchaden vnd czw fromen von rechtis wegen.
4 Sodann findet ſich in einer Königsberger H. des XV. Jahrh.
(Steffenhagen Catal. No. CLXI, 4) eine größere Zahl von Kulmer
Schöffenurtheilen, die wir ebenfalls mittheilen.
Diffe nochgefchrebene fachen [int yndem Colmen gefroget vnde berichtet,
[1.) Czcu dem erften. Ozwene komen vor eyn geheget ding
von Dr. Emil Gieffenbagen. 2337
vode nemen eynen dingtag, vnde der eyne gelteet nicht: ap nu der
ander dy fache uff en gewonnen habe? Hiruff eyn antwert!
Nemen czwene eynen dingtag uff flechtis bey der fache ane vulwil-
korunge, vnde der eyne nicht gefteet, der fal dem richter buflen vnd
kumpt wedir ozu feyme rechte; wes lich abir eyn mundig vorwilkort
ja mechtiger fiat, das bricht ym feyn lantrecht.
Item aliud,
[2.] Czwene nemen eynen äingtag, bey der lache czu gefteen,
vnde der eyne gefteet nicht: ap der ander hulffe rede moge geniffen,
adir was recht fey? Hiruff eyn antwert: Czwene komen vor eyn
geheget ding vnde haben eynen dingtag nemlich uffgenomen vor ge-
hegetem dinge, alzo das eyner vorwilkort, bey der fache czu fteen,
alzo fprechende „Geftee ich nicht den tag, fo wil ich dy houptfache
haben vorloren“; gefteet her denne nicht: fo meyne ich, her habe dy
fsche vorloren von rechtis wegen.
Item,
[3.] Wen man eynen vorboten fal, yn des gut geolaget ift, czum
erften, czum andern vnde czu dem dritten mole, vnde czum vierden
mole: ap man dy vorbotunge fal teylen czu dryn dingen ader czu
dem virden’dinge, vnde wer dy vorbotunge thun fal, das gerichte
adir der cleger, der. fin darff, vnde wy man eynen vorboten fal?
Hiruff [prechen dy fcheppen czum Colmen: Wenne man
eynen vorboten fal, yn des gut ift geclaget, czweer noch dem erften etc.,
das recht ift vffenbar; wen man eynen abewefenden man fal vorboten,
dem yn feyn gut ift gefprachen, den fal vorboten der cleger, deme
bebotunge wirt geteilet, zu dryn dingen; hat der abewelende man
erbe vnde legende grundt yn dem felbigen gerichte, dor feyn gut ift
ynne vorfprachen mit rechte, dor eyn fal man den abewefenden man
vorboten von rechte, vnde nicht vorder.
Item aliud.
I4] Ap eyner wurde gewunt yn das oer obene, das dy wunde
were awlfzgerillen nagels lang: ap das eyn blut fey adir eyne wunde,
wnde was recht eyn ore hat an wunden oben adir nedene an dem
lepehen? Hiruff alzo: Ap eyner wurde gewunt yn das oer obene
288 \ Aus Altpeeubens Nechtsgeſchichte
adir durch das oerlepchen, das ift eyne wunde vnde fal geczeug
Item aliud.
[5.] Ap dy fcheppen phlichtig feyn, eynen toden oau befeen uff
der galle adir ya dem hawfe, do her geflagen ift, adir ap man yn
yn des richters haws fal tragen? Hiruff (al man wilfen: Wirt
eyn man czu tode geflagen uff der gafle adir yn eyme hawfe, vnde
denne des toden frundelinge yn friffcher tat das gerichte dorumme
befuchen: fo füllen dy fcheppen mit gehegetem dinge geen vnde den
toden uff heben noch rechte, Gefchege ouch, das eyn man gewunt
wurde fo verlichen, das her vor wnmacht nicht mochte komem czu
gerichte, das man en hefee noch rechte: fo fal der yn friffoher tat
feyne vnmacht beboten czu gerichte, das der richter dy fcheppen dor
czu fugen fal, das ſy den gewunten man befeen.
Item eyns merke.
[6.] Ap eyner wurde czu dinge geladen mit dem boten czu dren
dingen, vnde nicht geftunde; ap der ander dy [sche uff yn gewonnen
habe uff feyne hulffe rede, adir ap her en azmı dem vierden dinge
laden fulle, vnde wy lange man hulffe rede warten fal, ozu xiiij tagen
adir czu dren dingen? Hiruff wil das recht: Was ladunge der
wronebote yn das gerichte ozeuget, das ift mechtig; wurde eyner ge-
Inden vnde nicht geftunde, dem teylet man dy bulle, czum letezten
teilet man ym uff’ hulffe rede; brenget her der nicht czu rechter
dingezeit, fo teilet man yn vorwunden adir obirwunden yn den fachen.
Brechte eyner ouch hulffe rede, dy van rechte nioht beſteen mochten,
das were ym vnhulfflich ozu feyme rechte, Wenne vier fachen feyn,
dy gehulfe not beweifen, dy eyn man cau rechter dingezeit azu dinge
fal vorboten: alfo feuchbette, der reiches dinft, betefart, vnde sp eyn
man bawfzen landes were.
Item eyn anders.
IT.) Czeyet eyn man dem andesem deube, adir Vocth yın om, her
fey eyn heler der .deube, vnde kan des uff en nicht volbrengen: har
ſal en loffen mit eyme gelatozten wergelde, wen dy iacke kampfbar
ift wnde geet au hawt vnde an ere.
von Dr. Emil Steſſenhagen. 239
Item von eyden.
8.) Wer eyde gelobet vnde leiftet der nicht, uff den ift dy fache
gewonnen uff feyne hulffrede, vnde [fal] dorgzu dem richter wetten
vnde dem oleger buflen, ap man js mit rechten orteiln irnordert,
Item.
I8.] Vort meer: alfo ufle eyner vellig wirt, also ße vorleuft
her eyne holunge, vnde fal fo uffte wetten vnde buflen.
Item.
£10.} Wirt ber alzo ozu dren molen vellig, her vorleuft feyne fache.
Item. .
{11.] Alzo uffte, alzo eyner feyne clage mit vnrechte uf den
andern vellet, vnde alzo uffte, alzo eyner czu oyner olage vnrecht
antwertet: alzo uflte mus her dem richter wetten vnde dem cleger
buffen. Geichiet es czu dren molen, her vorleuft feyne fache vnde
wirt fchadehafft,
Item von erbe czu nemen vornym wol ,
(Unter dieſer Weberfchrift folgen in dreizehn Abſätzen Erbrechts
regeln, die, mit Ausnahme ber legten [Ro. 24], in den Regel-Samm-
lungen ber Biener’fhen und ber Danziger 9. bei Waſſer ſchleben
Sueceffionsoren, Anh. B, C ſich wiederfinden.)
(12.] (B. III art, 22 pg. 141 von die von eynem vater reſp. C.
IV» cap 33 alin. 1 pg. 161, mit dem Bufage des Danziger Coder [W.
p- 141 not. jeboch folgendermaßen variterenb; vnde nicht dy kindere,
dy feyne bruder feyn von des vater wegen alleyne.)
[13.}] (C. IV® cap. 33 alin. 2,) .
[14] (l. e. capp. 34 & 35.)
[{15.) (B. II art.21 p. 141 reſp. C,IV® cap. 30 p. 160; «£. Dagp,
rag. I. 7, 14.)
[16 (©. IV? cap. 31 p. 161.)
017} (. c. cap. 32.)
[18] (B. Il art. 1 p. 185f. veip. C. IV at. 1 p, 157)
[19] (B. II art. 2 p. 136 vefp. C, IV art. 2, aber mit bem- Zu⸗
fake: dy geczweyt feyn.)
240 Aus Atpreuens Rechtsgeſchichte
[20] (C. IV? cap. 28 p. 160 mit B. II art. 22 p. 141 bis Ab
ich mehr kinder habe refp. mit C. IV® cap. 38 alin. 1 p. 161.)
[21, 22.] (B. II artt. 7, 8 p. 136 vefp. C. IV artt. 8, 9 p. 157.)
123.] (C. IV® cap. 29 p. 160, mit der Bariante vettern ftatt vatern.)
[24.] (Fehlt in den Regel ⸗Sammlungen.) Meynes bruder adir
fwefter kindes kint, vnde meynes vettern, oemen, mumen vnde walen
kint, dy lint alle gleiche nohe, meyn erbe czu nemen.
Von geczoge, dy eyn vorfpreche nympt.
[25.] Welch vorfpreche eynen czog nympt czu gehegetem dinge,
den fal feyn houptman vor yoen; fo fal man den czogk teylen vor
allen orteiln. "
Von geendeter fache.
[26.] Welche fache vor gehegetem dinge geendet adir aws der
hant gegeben wirt, dy fal noch rechte nicht me czur clage komen.
" Von totflage yn vriffcher tat, vnde volleift.
[27.) Eyn totflag, der do wirt beweifet yn friſſeher tat, weme
doruuıme befchuldiget, wil her do vor [weren: ‘das mus her thun
felb febende; vnde eyn jtezlicher volleifter, dem czu der volleift eyns
toden wirt gegeben beweifliche tat, alzo eyne wunde, eyn blut, eyn
bloe, adir fuft ander hindernis, dy muſſen ouch fweren felb febinde.
Von vriffehen wunden vnde vulleift.
[28.] Vor eyne vriffche [wunde] fal man fweren felb dritte, vnde
eyn itezlicher, dem czu der volleift eyner wunde wirt gegeben blut,
adir bloe, adir ſuſt beweifliche tat, der fal ouch -do vor fweren felb
dritte. ’
Item.
[29.] Wirt eyn man beclaget vmme totflag adir vngerichte, das
obirnechtig ilt, den fal man beclagen vnde heifichen czu dren dingen,
vnde darff en nicht vorboten; kumpt her denne yn dreyen dingen
nicht, fich ezuuorantwerten, [o mag man en vorboten vnde voruelten.
Item eyn anders,
[80.] Ap eyn man beclait wirt vmme volleift kampfbar wunden
adir tot(lag, vnde der man vorburget wirt uff eyn recht vorczukomen,
vnde kumpt nicht vor: was der burge leiden fulle dor vmme, vnde
von Dr. Emil Gteffenhagen: 241
wy vele her dem richter wetten fulle, vnde wy der, der dy valleift
ledig werden fulle, ap her feyne vnfcholt da vor bewt? Hir uff
alſo: Vorburget eyn man den andern vmme volleift eyns totſlages,
wnde brenget den nicht vor, ſo fal der borge dem coleger eynen vol
wergelt geben, das fint xviij pfunt, vnde deme [richter] feyn gewette,
das fint viij fchill. Ift is abir vmme kampfbar wunden, fo gipt der
eyn halb wergelt, das feyn ix pfunt, vnde dem richter feyn gewette,
das fint viij (° fulchir pfenninge, als yn dem gerichte fint, Beut eyner
ouch vnfcholt vor dy volleift, der mag entgeen mit feynes eyns hant,
adır felb dritte, ap her mit geczeuge beclaget wirt. Bekennet abir
eyn man vor gerichte, das her yn der vulleift des totflages fey ge-
welt, adir jn vulleift eyner kampfbar wunden, vnde den totflag adir
dy czeugbar wunde nicht getan hat: der [al dy vulbort des totflages
vorbuffen mit vollem wergelde, vnde dy volleift der wunden mit eyme
halben wergelde dem cleger, vnde dem richter feyn gewette.
Item aliud,
[31.] Gefchege ys, das eyn man adir eyne frauwe wurde gefla-
gen mit wunden adir ane wunden, fo das [y ftorben, vnde das nicht
beleitet adir beweifet jn friffeher tat, fander wurde obirnechtig: fo
mag der, der das vngerichte getan hat, do vor ſweren mit eyns hant.
Item aliud.
[32.] Gefchege is ouch, das eyn man gewunt wurde, ſo das her
fo wmmechtig wurde, das her jn gerichte nicht mochte komen; be-
botet her feyne vnmechtikeit jn vriffcher tat czu gerichte mit feynem
weybe, kinde, knechte, adir fremden: ſo bleybet der bey rechte, vnde
alle feyne wunden czeugbar; vnde fturbe der von der wunden, fo
mag man eynen tot[lag clagen.
Item aliud.
[33.] Gefchege is ouch, das eyn man geflagen wurde totliche
wunden yn eynem velde, fo das her czu gerichte vor vnmacht, vnde
fo ferre were, nicht mochte komen, vnde feyne wunden fo obirnechtig
worden: So wil das recht: Thar der gewunte man feyne vnmacht
mit eyns hant uff den heiligen fweren, fo mag her feyne wunden bey
vollem rechte behalden, gleich ap her fy yn vrilfcher tat hette beweilet.
Altyr, Bonatefgeift Bd. IL Oft. 2 16
248 Aus Mtpoeuhens Nedtögeihichte
5. Endlich enthält das Qulmer Stadtbuch (Steffenhagen Ca-
tal: No. CLXI) ©. 168 eine vereinzelte Rechtsentſcheidung ber Rath⸗
mannen zu Kulm aus dem 9. 1438,
Alſo wart gefchr[eben] das orteyl von der Edelen Inte csur Trommenye
wonende Anno etc. zxxviij.
Vnfern frundtlichen grus ezuuor, vorfichtige, lieben frunde; euwern
brief? vs gehegettem dinge an vns neheft gefandt habe wir wol vor-
namen, jnhaldende, das vor euch jn gehegettem dinge czwey teyl jrer
fache vnd fchelunge, die fie euch jn fchryften vorbracht haben, mech-
tiglichen gegangen [eyn, gleiche gefchulden orteyl czu entfcheyden ete.;
vnd noch alle deme, das wir jn den felben fchryften vnd brieffen be-
fohreben vynden, fo teylen wir vor eyn recht: Synt der czeith,
das der houptbrieff vnd beyder teyl vorbrengunge vnd [chryfte wey-
fen vff vyer vetterkynder, jre erben vnd nochkomelingen, das fie alle
mit enandir mit eyner klepwaten*) jn dem fee klutezky ſullen
fyſſehen czu jren tylIchen: [o haben die vier vetter kynder, jre erben
vnd nochkomelynge recht czu der klepwathe eyn jtezlichir noch [ey-
nem anteyl vnd noch feyner befytezunge, das her der gebruche, fo
lange ab jm ymandt feyne befytezunge mit rechte wurde brechen, do
gee is vort vmme, als eyn recht if, Gefchrfeben] ezum Col men
vadir vnfer ftadt jngfeligel] am dinftage noch Andree apoftoli
Auno etc. xxxviij. [2. December 1438.]
Rathmanne
Colmen.
IV.
Tũbiſche Rechtsweiſungen.
1. Neben dem Sächſiſch-Magdeburgiſchen Rechte galt in Preußen
das Lübifche Recht, freilich nur in einem eng begrenzten Gebiete. Wähe
rend das Magdeburger Recht das ganze Binnenlanb einnahm, herrſchte
Lubiſches Recht in ben Küftenftäbten, bie mit Zübed durch bie Hanſa ober
x) „Rleppe, ein diſchergarn“ (Hennig Preuß. Wörterbuch p. 126).
von Dr. Emil Steffenhagen. 243
durch Hanbelsverbindungen in Beziehung fanden. Bon Hela auf ber
Landzunge am Pugiger Wiek reichte das Lübifche Stadtrecht über bie Weft-
preußifchen Städte Danzig, Dirfhan, Elbing, ferner über die Städte
Frauenburg und Braunsberg im Bisthume Ermland, bis nah Me
mel; auch galt es eine Zeit lang in ver Pommerellifhen Stabt Eonik,
wo es jeboch fehon frühe mit dem Kulmifchen Rechte vertaufcht wurde. —
Ueber die Bewidmungen ber Preußiſchen Städte mit Lübiſchem Rechte und
bie ihnen verlichenen ausführlichen Rechtemittheilungen ſoll fpäter befon-
ders gehandelt werben; gegenwärtig befhäftigen wir uns mit ben Weis-
thämern, bie anf Anfragen über einzelne Fälle von Lübeck nach Preußen
ergingen.
2. Anfänglich, nach dem Elbinger Privileg v. 1246, ſollte keine Bes
rufung nad) Lubec ſtattfinden; zum Erſatz war bie Appellations-Inftanz der
„vier Gerichtsbänfe” angeorbnet, in benen „nad; Rath ber Ordensritter“
Recht gefprochen werben follte (Codex Diplomat. Warm. I, 21 No. 18):
Et ne pro Sententiis reprehensis longas vias ad cor-
rectionem ipsarum facere compellantur, sanccimus, ut ipss
correctio fiat infra quatuor scampna iudicialia, secun-
dum consilium domus nostre,
Zrogbem machte ſich ſehr bald das Bedürfniß näherer Verbindung
mit der Mutterftadt geltend (Voigt Rechtsverf. Preuß. p. 56 f.), und
fon im 13. Jahrh. (zwiſchen 1250 und 1300) richteten die Elbinger
nad) Lubeck die Bitte um Entfcheioung zweier Rechtsfragen (Urkundenbuch
d. St. Lübeck I. No. 757 und danach Codex Dipl. Warm. I. No. 120).*)
Es kam fogar zu Streitigkeiten mit dem Orden über bie Appelfation,®)
bis endlich ein befonderes Privileg 1343 den Elbingern das Bernfungs-
recht mach Lübed zugeftand, welches Recht dann auch bie Neuſtadt Elbing bet
isrer Gründung (1347) erhielt (Codex diplom, Prussicus III. No. 43, 52
2) Um diefelbe Beit (cca. 1260) ſchidte Elbing eine Geſandtſchaft nach Lübed mit
einer großen Zahl von Rechtsfragen zur Vervolftändigung des urfprünglich
(1287) erhaltenen Rechtscoder, vgl. Stobbe Beiträge ©. 161 fi.
d) Darauf deuten die eingeholten jurtftiichen Gutachten über die betreffende Stelle
des Elbinger Privilegd, Codex Dipl, Warm. I. No, 117, cf. No. 118 und
No. 108 p. 189 Boigt Geſch. Preuß. IV, 3 R. 1.
16°
244 Aus Alwreubens Rechtsgeſchichte
Cod. Dipl, Warm, II. No. 26, 87 Voigt Rechtsverf. p. 58). Von nun
an ging ber Rechtezug von Elbing nach Lübel, von den Heineren Stäbten
3 B. Hela (Voigt Rechten. p. 64) wieder nach Elbing, und wie für
die Städte des Magdeburger Rechtes ber Oberhof zu Magbeburg,‘) fo
wurde jegt Lübe für bie Städte mit Lühlfchem Rechte der Centralpunkt
der Rechtsentwidelung. Es wirb bezeugt, daß bis zum 9. 1612 bie Ap-
pellationen von Elbing nach Lubeck gingen (Hartinoch Alt und Nenes
Preuß. II, 583 nad) Eafp. Schutz).9)
8. Die Zahl ver erhaltenen Lübifchen Rechtsweiſungen für Preu⸗
sen ift in feinen Vergleich zu fegen mit den Magdeburger Schöffenſprüchen.
Fünf Urtheile für Elbing ans ben Jahren 1465...96 enthält der Co-
dex Ordaliorum Lubecensium zu Lübet (Michelfen Oberhof zu Lübet
p- 19 f.). Vier davon find gebrudt bei Michelſen 1. c. No, 3, 20,
211, 234, während das fünfte ebenda No. 3“ nur beiläufig erwähnt iſt.
Ueber ein Elbinger Berufungsfhreiben v. 1464 f. benfelb. ©. 26 N. 76;
ein anderes v. 1489 Hat er abgebrudt &.37 ff. cf. S. 26. Zahlreichere
Rechtoſprüche find mitgetheilt aus den beiden Original-Handfcpriften bes
Lubiſchen Rechts für Elbing v. 1240 (oder 12607)°) und 1295 (Perg’
Archiv XI, 694 f) bei Stobbe Beiträge zur Geſch. bes deutſch. R. p. 164 ff.
Litt. A, B, C. — Zu dieſen Mittheilungen tritt eine noch unbefannte
Danziger Haudſchrift (Monatsfehr. IL, 432), welche in größerer Anzahl
ebenfalls Lubiſche Weisthümer enthält, und deren Kenntniß und Benutzung
ich ber Güte des Hm. Predigers Bertling verdanke.)
4. Die Danziger Stadtbibliothek beſitzt unter der Signatur XVII.
©. 14 fol. einen ſchön gefchriebenen Papier» (nicht Pergament) Codex bes
Lübiſchen Stadtrechts, welder, zufolge ber Schlußfchrift (BL. 44°),
i. 9 1488 augefertigt worben ift:
9 Uber dihen und feine Rechtsſpruche wirb bie nächfte Mittheilung Ausführliches
res gen. .
4) Bel. Caſpar Schüs Historia rerum Prussic, (Leipzig) 1599 fol, BI. 4448.
*) Neumann im Codex Dipl. Warm. I, 211 N. 1 cf, Stobbe Beitt. ©. 161
mit R. 7.
2) Eine neu entbedte 5. des Lübifchen Rechtes befigt auch ber Grauenburger
Verein für Ermlandiſche Geſchichte. Ob dieſelbe auch Weisthümer enthält?
Meine Bemühungen, bie H. zu erlangen, waren ohne Grfolg.
von Dr. Emil Gteffenhagen. 245
Dys buch ift gefehreben yn deme yore Crifti vnfers herren
Thufendt vierhundert vnde yn deme Achtvndeacht-
eziglten Jore.
Ueber den Erwerb des Eober giebt eine Notiz auf dem vorderen Bor-
fegblatte Auskunft:
M. Ca[par Schutz®) Emi a nauta quodam in ipfa
naui, cum Lubeca Gedanum reuerterer, 2/5 f. '
Der Coder zählt, einfchließlich der beiven pergamentenen Borfegblätter,
im Ganzen 51 Blätter, bie, mit Webergehung bes erften, von neuerer
Hand mit den Zahlen 1...50 bezeichnet find; zwiſchen OL. 26 und 27
iſt jedoch ein Blatt verloren gegangen. Außer dem Lübiſchen Stadtrecht
und ben Weisthämern, welche an zwei verſchiedenen Stellen ſtehen (theils
dem Stadtrecht unmittelbar angehängt, theils weiterhin), finden fih im
dem Coder noch einige andere Stüde, zufammen Folgendes:
a) BL. 1*...30° das Lübiſche Recht mit vorausgeſchicktem Eapitel-
Verzeichniß, in 226 rubricterten und fortlaufend bezifferten Capiteln, zu
denen noch ein ungezähltes Eapitel (227) Hinzulommt. Wegen bes feh ⸗
Ienden Blattes ift cap. 190 und 200 unvoliftändig, und neun Capitel
(191 ...199) fehlen ganz. Zu Anfang bes Textes, welcher in Deutſcher
Sprache abgefaßt ift,*) fteht bie Sateinifche Vorrede der Rechtsmittheilung
für Dirſchau v. 1262 (Gödtke Geſch. ber St. Eonik ©. 67 und ba
nah Riccius Stadt⸗Geſ. ©. 88 *, fowie Urkundenbuch ber St. Lübeck
I, 687 No. 269).1)
b) Bl. 30°...39* „Sragen und Antworten“ zu ohtbiſchem Het
(erfte Reihe).
ec) Bl. 33°...34° Schyff recht in 14 „Gefegen”; aus zwei ver-
®) Ueber Magifter Caſpar Schüß, der feit 1565 (+ 159) Serretär der Gtabt
Danzig war, vol. Schweikart in Kampt' Jahrbüch. Bd. XXVI, 250 f. R.18
und die bafelbft angeführte Literatur.
&) Genaueres barüber bleibt foäterer Mittheilung vorbehalten.
4) Dirſchau war i. J. 1200 mit Lubiſchem Recht bewidmet worden (Voigt Codex
&plom. Prussicns I. No. 132 und deſſen Geſch. Preuß. III, 266) und hatte
1262 von Lübed einen Rechtscoder empfangen, ber nod zu Godtke's Zeit
(1734), nachdem er inzwiſchen abhanden gelommen, in Dirſchau befindlid, war,
jest aber dort nicht mehr aufzufinden ift,
246 Aus Altpreubens Rechtsgeſchichte
ſchiedenen Beftanbtheilen zuſammengeſetzt, bie teils bem Lübiſchen Recht
(Cobeg III bei Hach) entnommen find, theils ver Schiffsorbnung für
die Weichfelfahrt des HM. Konran Zöllner von Rotenflein v.
3%. 1385 (bei Voigt Codex Diplom. Pruss. IV No. 32, cf. deſſen
Gef. Prenk. V, 462). Die Zufammenfegung ergiebt fid) aus folgender
ueberſicht:
A) 1%&2 — Lub. R. IL 214
3 = 198
4..8= 215...219
B) Von der weyffell verer rechtte.
9...11 Schiffsordnung alin. 1...3
23,3 = 5,4
14 = 6%
d) 81.35... 42° Item Alhyr noch volget eyn Gefeteze vnde
haldunghe des allerduroblouchttigiften. Hochmechttigiften vnde al-
lergenedigilten herren keyfers, Myt (ampt feynen wolweyfen vnde
schtwirdigen Meyfteren vnde wolgelareten Mannen vnde wolwilfenden
zethen feynes keyferreyches. Myt vulbordt yn kegenwertigkeyt ſeyner
Graffen forften vnde herren Eyn [underlich keyfer recht ows
gelatezet. Durch dy ganteze criftene werllet czu haldene von allem
volcke, d. i. ans bem „Heinen Raiferrecht“!) ber Prolog und capp.
1...34 lib. I (in nachſtehender Reihenfolge nad Endemann’s Aus-
gabe: 1...17, 25, 18...23, 26, 24, 27...84). Dahinter folgt ein
Gapitel ans unbefaunter Quelle:
Weer den anderen anfpricht myt geczeuge bynnen lan-
des adder boufen landes adder ober fee geftrandt; jft, das
fich der angelprochene man wyrfit vff geczeuge, fo fall her
den geezeugk geftellen di lebende handt, vnde fall fich das
myt keynem eyde dirweren.
©) Bl. 42%...44° „Bragen und Antworten” zu Lübifchem Recht
Gweite Reihe).
*) Die übrigen drei Abſate der Schiffsordnung find nicht aufgenommen.
1) Bol. Monatsſcht. II, 689”,
von Dr, Gmil Gteffenhagen. 47
f) Bl. 4%...50° (nach vier leeren Blättern) von anderer, einas
jüngerer Hand Fifcher czedel.
5. Die unter b und e angegebenen Weisthümer, welde ois
„Bragen und Antworten“ bezeichnet werben, ſtimmen zum größeren Theile
und bis anf unbebentende Varianten mit ben bei Stobbel. c. Lit. C
(wefp. B) abgebrudten überein, jeboch mit bem Unterſchiede, daß bie dort
Lateinisch geſchriebenen Antworten und fonftigen Rechtsfäge in unferem
oder ebenfo, wie bie Anfragen, Deutſch abgefaßt find. Wir verweifen
bei alfen biefen Stüden auf Stobbe und bruden bie übrigen, noch nicht
befannten vollftändig ab.
L Erfte Reihe (25 Rummern).
Die Nummern 1...5,6 und 8 kehren in ber dweiten Beige No. 3..7,
10 und 17 wieder,
1...5 (0. Reihe 3... = Stobbe C.3...7
6 (I. Reihe 10) =, ,2»
7 =, „16
8 (IL Reihe 17) = u „3B
9, 10 = „ BL | (inC.am Sthluſſe
11, 12 = u „VLVO wieberholt).
13. [ef. Stobbe C. 19”)] Ab eyn man fey, der eyn erbe nympt
von deme anderen vff erbe czyns, vnde das erbe dornoch, wenne ys
fich vorergerdt, möge widder vff ſaghen, vnde lafen ys legen vor den
ezyns? — Andtwerdt. Her magk ys wol lafen legen vor den czyns.
14. Vragbe. Ab eyn man vorkouffte eynem anderen eyn marck,
yngeldes vmme ozeen marck, vnde dornoch möge komen ezu eyme
anderen, vnde vorkoyfien ym di marck vmme vümffezehen marck,
vnde geben deme irften feyn geldt widder? — Her magk ys wol thuen.
15. Vraghe vnde andtwerdt. Ab eyn man machet feyn
teftamendt bey feynem gefunden leybe wyſſendtlich ſeyme weybe vnde
yren vründen; dornoch, wenne der vorftyrbet, fo komen des weybes
wände vnde fprechen, der man habe der vrauwen gelobet cewey
=) Diefe Stelle gehört nur vergleichsmweife hierher; identifch mit derfelben iſt
in unferem Coder Ro. 18 der zweiten Reihe.
248 Aus Alwrenbens Rechtsgeichichte
hundert marck, dy vynden ſy nycht yn deme teſtamente: ab man
das icht [ülle beweyfen myt czwen gefworenen rathmannen? — Man
mus ys beweyfen myt czwen geſworenen radtmannen.
16. Vraghe vnde andtwerdt. Ab eyn man nympt eyn weyb,
eyne vrauwe adder eyne jungkfrauwe, vnde gybbet der aleydere,
görtyll, adder ander gefmyde: ab dy vrauwe noch des mannes thode
dy gyfitte ouch fülle widder eynbrengen, vnde dy theyllen myt yres
mannes vründen? — Dy vrauwe mus ys widder eynbrengen.
17. Vraghe vnde andtwerdt. Der alde huefere adder erbe
nympt myt feynem weybe, vnde dy huefere denne beffert: ab man
deme das geldt nycht fall widder keren, do methe her dy huefere
myt gebellert hadt? — Man en darb ys ym nicht widder keren,
fy en feyn ym methe gegeben geleyche gereytten pfhennyngen myt
vorworten.
18. Vraghe vnde andtwerdt. Ab eyn man feyn wolgewon-
nen gudt ycht wegk möge geben, wenne her eyn weyb adder kyndere
hadt?— Her magk ys wol wegk geben funder vulbordt feynes wey-
bes, feyner kyndere, adder feyner erben.
19. Vraghe vnde endtwerdt. Ab eyn man, der do keyffet
eyne legende grundt adder erbe vff czyns myt feynem wolgewonnen
gutte, vnde magk her des icht varende machen vor dem rathe, vnde
das vorgeben geleyche feynem gereydtem gutte funder erueloff? —
Her magk ys woll weck geben geleyoh feynem gereytten gutte funder
widder rede feyner erben.
20. Vraghe vnd endtwerdt. Ab den kynderen ycht fchede-
lich fey, das der vater nycht myt en fchychtte vnde geteyllet hadt,
ee her eyn ander weyb nam? — Das düncket vns, das [y vnuor-
feumet dor ane feyn; man mus en geleyche wol geben, was en ge-
boren magk, noch Lübiffchem rechtte.
21. Vraghe vnde andtwerdt. Ab das teftament ymandt
brechen kunde? — Des düncket vns: Hadt her eyn reddelich
teftamendt gemachet adder gelatezet, vnde genüget den irften kynde-
ren, fo magk di vrauwe adder nymandt das teftamendt brechen, wenne
her der irften kyndere gudt nycht vorgeben en mochtte.
von Dr. Emil Gteffenhagen. 249
22. Vraghe. Uordt meer. Ab das teftamendt gebrochen würde,
wy denne di fchülde ftaen fülden? — So düncket vns des, das dy
vrauwe czuuoren fülde nemen yren brudtfchatez ows von deme houffen;
wnde dar negeft, fo nemen di irften kyndere czuuorne ous alfe vill,
alfe dy lefte brudtfchafft yres vaters gekoft hadt; was denne bleybe,
das were halb der irften kyndere, vnde halb der letczten.
23. Uort meer. Ab das teftamendt gebrochen würde, wy ys
denne fteen ſũlde vmme di fchülde, vnde vmme dy gobe des tefta-
mentes?— So düncket vns des, das dy irften kyndere myt den
letezften dy fchülde beczalen müften; meer dy letezften kyndere myt
der mutter müften dy gobe endtwerten.
. 24. Vordt meer. Ab das teftamendt an eyme ftücke wurde ge-
brochen: ab ys denne allezumale fülde gebrochen wefen? — Des
düncket vns: Were das fache, das das teftament wol an eyme
ſtũeke adder an czwen gebrochen wurde, hyrımme würde ys nycht
allezumale gebrochen.
25. Uordt meer. Ab her feyne erbe, dy ym angeltorben feyn
von feynes irften weybes vater, vnde ouch vmme das, ab her feyne
erbe, dy her gekoufft hette vınme feyne gereytten pfhennynge, nycht
vorgeben en*mochtte geleyche gereydtem gelde? — Des düncket
vns, das di erbe, dy her gekoufft hadt bey feynes irften weybes le-
bende, vnde dy ym angeftorben feyn, das her der nycht vorgeben
en mochtte, wente das ſyndt vorltorbene erbe; funder hadt her dor-
noch erbe gekoufft, dy mochtte her vorgeben geleyche anderem
gutte.
I. Zweite Reihe (19 Nummern).
Sie wirb mit ben Worten eingeleitet: Umme diffe artykele hodt
man froghe gethoen an dy Erfamen herren von Lübike: vnde di
haben yn alfülcherweyfe alfo dorczu geandtwertet yn yren bryfen.
Diefe Zufammenftelfung bietet keinen unbefannten Sag: fie wieberholt die
Nummern 1...5, 6 und 8 ber erften Reihe und flimmt noch genaner
mit Stobbe’s Text C, der, mit Ausnahme von No. 16, 20 umb bes
erften, zweiten, vierten und fünften ver aus B wieberholten fünf legten
Säge, ganz wiebergegeben wird:
250 Aus Atpreußens Rechtsgeſchichte von Dr. Emil Steffenhagen.
Stobbe C. 1,2
1,2 =
3.7 Reel.) = nm Bert
89 = 0.0.89
10 (I. Reife 6) = ,.',.%
11... 16 — 11...18
16 = u „mM
17 (I. Reihe 8) =. „ 18
18») =, 3
19 = B. V (inC. wiederholt), jedoch
aur ber erfte Rechtsſatz und ohne bie "Briehung auf „Sifeid de Bolholte.“
") Bol oben Note m.
Mofikleben am Hofe Sriedrich des Groſſen.
Ein Vortrag, gehalten ben 14. December 1865 anf dem Königl. Schloffe
bon
A. Saran.*)
Hochreehrte Verſammlung! Ich würde es nicht wagen, Ihre Aufe
merffamleit für den Gegenfland meines Thema's zu erbitten, wenn ſich's
dabei, wie es einer oberflächlichen Betrachtung wohl erſcheinen könnte,
lediglich um eine perfönlicye Liebhaberei umfres großen Königs handelte,
Der Gegenftanb hat vielmehr eine weit Höhere und allgemeinere geſchicht⸗
liche Bedeutung. Die Regierung Friedrich's bezeichnet ja nicht bloß in
ber politifchen, fondern auch in ber Kulturgefchichte unfres Vaterlandes
eine nene Epoche; insbeſondere aber verdankt ihm die Muſik tiefe und
nachhaltige Anregungen. Er hat Saaten geſtreut, die zum Theil erft in
ber Gegenwart aufgehen. Andrerſeits werfen gerabe bie mufitalifchen Be»
firebungen bes Königs höchſt bedeutungsvolle Lichter auf feine geiftige und
fittliche Eigenthümlichleit. War doch die Muſik unftreitig die tieffte und
eigentlichfte Heimath feiner Seele — follte nicht die Art und Richtung,
in ber er fein Intereſſe baran betätigte, als ein Ausfluß feines innerſten
Weſens betrachtet werden dürfen? Da jedoch Friedrich nicht minder wie
jeber große Mann ein Kind feiner Zeit, feiner Erziehung und feiner Um-
gebung war, fo gewährt uns bie Betrachtung feiner Lieblingsbeſchäftigung
endlich auch einen Blid in bie Bildungsgeſchichte des vorigen Jahrhunderts.
Dies find die Gefichtspunkte, nach denen ich verſuchen will, Ihnen eine
*) Bol. L. Schneider, Geſchichte der Oper in Berlin. 1852. Schletterer, Job.
Friedr. Reichardt. Augsburg 1865. O. Jahr, Mozart. IM, 351. ff. und die Biographien
Frierichs von Preuß und Kugler.
252 Muſilleben am vofe Friedtich des Großen
Skizze des mufitalifchen Lebens am Hofe Friedrich IT. zu zeichnen. Ich
vermag bem Renner keine neuen Nefultate barzubieten, fonbern werde
einfach zufammenftellen, was bie muſilaliſch⸗geſchichtliche Wiſſenſchaft über
mein Thema erforfcht hat.
Geftatten Sie mir zunächft einen Blick auf bie Iugenbentwidung
unfres Monarchen und auf diejenigen muſilaliſchen Eindrücke, welche die
Richtung feines Geſchmacks für immer unabänverfich feftgeftelit haben.
Friedrich war, wie viele Glieder unfres Töniglichen Haufes mit einem her-
vorragenden muftlalifchen Talente begabt. Vielleicht hatte er baffelbe von
feiner Großmutter Sophie Charlotte ererbt, welche eine fertige und ge
fhmadvolle Tonkünftferin gewefen war. Seine Eltern fiheinen beide wer
nig mufifalifch getvefen zu fein. Bon dem Vater wilfen wir nur, daß er
Händels Mufit fchägte; die Mutter mag hauptſächlich aus Zärtlichfeit bie
ſchon früh Heroortretende eigenthümfiche Neigung bes Knaben begünftigt
haben, und zwar nicht felfen zum ernften Mißfallen ihres geſtrengen Eher
herrn. Diefer ließ nämlich dem fünfjährigen Brig von dem Domorganiften
Gottlieb Heine Clavierſtunden und theoretiſchen Unterricht ertheilen: AL
fein des Knaben Neigung wandte ſich bald den einförmigen Pſalmen ⸗Me⸗
lobien und bem pebantifchen Kunftvegeln des Generalbafjes entſchieden ab
und ermählte mit Leidenfchaft die Flöte, welche damals ein beliebtes Solo
und Konzert-Inftrument war. Seinen Vater riß ber Unwille hierüber einft
zu ber befannten Yeußerung hin: „Fritz iſt ein Onerpfeifer und Poet und
wird mir meine ganze Arbeit verberben.“ Aber felbft bie übertriebene
Strenge des Königs fcheiterte machtlos an dem unbeugfamen Willen bes
träumerifhen Knaben, — ein bedeutſames Vorzeichen für bie merkwürdige
Beſtandigleit, ja Ausſchließlichkeit, mit der Friedrich auch in feinem fpä-
tern Leben biejenige Geſchmadcsrichtung fefthielt, in welche er durch eins
der folgenfchwerften Ereigniffe feines Yünglingsalters hineinverſetzt wurbe.
Diefes Ereigniß ift der in Begleitung feines Vaters im Jahre 1728 un⸗
ternommene Beſuch am Hofe zu Dresden. Ans ber firengften militairi⸗
ſchen Ueberwachnng trat hier ber ſechezehnjährige Süngling zum erften Male
in die Welt des glänzenbften und üppigften Sinnenreizes. Den Mittels
punkt ber Hoffefte bildete die ttalienifche Oper, welche damals eben in
ihrer höchſten Blüthe ftand, Und Dresbens Oper war bie berühmteſte
von 9. Saran. 253
and prachtvollſte in ganz Europe. Dort führte Hafie, ber bebeutenbfte
Dperncomponift ber Zeit feine gepriefenen Werke auf; bort fang bie gefeierte
Sanftina, vielleicht die größte dramatiſche Sängerin aller Zeiten; bort wirt
ten im Orchefter Männer wie Ouanz, ber namhaftefte Slötenvirtuofe des .
dahrhunderts; bort endlich entfalteten itafienifche Decorationsmaler, Tech⸗
niler und Maſchiniſten einen faſt märchenhaften Luxus in ber äußeren
Ausftattung der Aufführungen. Kann es uns wundern, wenn von bem
Allen der veizbare Süngling bermaßen überwältigt wurde, baß biefer Ein»
brad für fein ganzes Leben beftimmend blieb? Von jegt an war Haffe's
italieniſche Opernmufit fein höchftes Kunſtideal; nad) Dresdens Vorbilde
wollte er einft im Berlin eine italienifche Oper entftehen laſſen, für fein
Slötenfpiel aber follte Quanz als Lehrer gewonnen werben. Diefe Ger
banken erfüllten ihn fo, daß er mit Haffe und Quanz in Verbindung trat,
Aber vor ber Hand ließ fich ja nichts davon reafifiren. Zwar war bie
Königin nicht abgeneigt, Quanz heimlich in ihre Dienfte zu nehmen; aber
der Kurfürft von Sachfen wollte ihm den Abfchieb nicht bewilligen, fon»
bern erlaubte ihm nur, jährlich zweimal nach Berlin zu gehen, um dem
Kronprinzen die Weihe des Künftlere zu verleihen. Bet einem dieſer Bes
ſuche trug fi die befannte Unefoote mit Friedrichs franzöſiſchem Schlaf
tod und Ouanzens rothem Virtuofenrod zu, zwei Trachten, bie bem Könige
aufs ãußerſte zuwider waren. Während ber ſchweren Zerwürfniſſe, die
bald baranf zwiſchen Vater und Sohn eintraten, mußte diefer natürlich
alle Hochfliegenden künſtleriſchen VBläne in tieffter Bruft verfchliegen; und
in Eüftrin ift ihm bei ben erfcätternben Kämpfen feines inwendigen Men-
ſchen zu Zeiten vielleicht fogar feine Flöte unten geworben. Sobald er
jedoch nach erfolgter Ausſöhnung im Jahre 1732 feinen Wohnfig auf dem
reizenden Schloffe Rheinsberg genommen hatte, konnte ber alte Lieblings⸗
plan wenioftens in ſchüchternen Anfängen ſeiner Verwirklichung näher ge
bracht werben. Bunächft wurbe eine Heine Hofcapelle errichtet. Diefelbe
beſtaud aber nach ben urkunblichen Mittheilungen Schneiders anfangs nur
aus Juſtrumentiſten, welche theils als Lakaien, theils als Hoboiften. des
konprinzlichen Regiments im Etat bes Rheinsberger Hofhaltes figurixten.
Denn ber König würde für Sänger ober Virtuofen Feinen Heller bewilligt
haben. Grft 1736 wagte Friedrich den damals berühmten Sänger Earl
254 Muſilleben am Hofe Friedrich des Grohen
Heinrich Graun, den bekannten Componiſten des Todes Jeſu, vorüberge⸗
hend nach Rheinsberg zu ziehen. Die Anſtellung einer Sängerin aber
wurde von feinem fittenftrengen Vater ein für allemal rund abgefchlagen.
Bei biefen beſchränkten Mitteln mußte man fi) denn in den Abendkonzer-⸗
ten anfer dem Flötenſolo bes Kronprinzen mit dem inftrumentalen Theil
ber Opern von Haffe, Telemann, Händel u. |. w. begnügen, und dies mag
bei der änßerft knappen und farblofen Inftrnmentirung jener Werke nur
um fo lebhafter die Sehnfucht nach tüchtigen Gefangskräften erregt haben.
Indeſſen bet ja das Nheinsberger Leben außerdem eine fo reiche Fälle
der auserwähltefien Genüſſe und Anregungen, daß man über jenen Man«
gel wohl hinweg fehen konnte. Der Baron Bielfeld fehreibt tm Jahr 1739
ans Rheinsberg: „Ich verlebe Hier wahrhaft entzüdende Tage. Eine fü
nigliche Tafel, ein Götterwein, eine himmlische Muſik, köſtliche Spazier-
gänge ſowohl im Garten als im Walde, Waflerfahrten, Zauber der Künfte
und Wiſſenſchaften, angenehme Unterhaltung: Alles vereinigt ſich in bie
ſem feenhaften Palafte, um das Leben zu verfchönern.”
Wir können bereits Hier eine Bemerkung machen, bie für bie geiftige
Eigenthümkichkeit Friedrichs charalteriſtiſch iſt. Seine mufifalifje Richtung
iſt ſchon jegt ebenfo unabänderlich ausgeprägt, wie feine philofophifchen
Anfhauungen. Während er aber in feinen übrigen geiftigen Beftrebun
gen mit Vorliebe den Franzoſen Huldigt, find es bemtfche Muſiker, bie
er um fi fammelt, deutſche Eomponiften, deren Werke er fiubitt.
Und dennoch lebt nicht der deutſche, fonbern ein frember Geift in
biefen Werten. Denn jene Opern find nad) Form und Inhalt dem Bor
bilde ber Italiener nachgeahmt, die von jeher vornehmlich nach melodi⸗
ſchem Reiz und virtwofer Gefangekunft, überhaupt nach leichter und an
muthiger Formſchönheit, fowie nach finnlid-becorativem Schaugepränge
firebten. Anf ver Flöte aber folgt Friedrich entweber feinen eigenen
Eingebungen oder ben Virtuoſenſtücchen eines Quanz, über deſſen probuf-
tine Thätigleit bie Kritif der Gegenwart mit Stillſchweigen hinweggeht.
Die Werke ver ihm gleichzeitigen großen Heroen deutſcher Tonkunſt, eines
Bach und Händel find ihm leider ſtets verichlofien geblieben, Wir müſſen
bies um fo mehr beffagen, als wir kaum umhin können anzunehmen, daß
Sriebrich feiner geiftigen und mufttatiichen Befähigung nach einer von ben
von A. Saran. 255
wenigen war, welche biefe Werle in jener Zeit richtig zu wärbigen ver-
mochten. Daß es benmoch. nicht gefchehen, erklärt fi zum Theil gewiß
ns feiner Supifferenz gegen alles Religiöfe, aus ber ſenſualiſtiſchen und ſtep⸗
tiſchen Geiftesrichtung, in bie er beſonders den burch Umgang mit Voltaire
ad deſſen Echriften Hineingerathen war: doch möchten dies bie einzigen
Gründe wohl nicht fein. Geſtatten Sie mir, über das Gebiet unficherer
Wahrſcheinlichkeiten Hinmegzugehen und bem Kronprinzen nach Berlin zu
folgen, damit wir fehn, in welcher Weife er als junger König feine in
Dresden gefahten und in Rheinsberg mit Vorliebe gehegten Pläne ins
Bert ſetzt. — Bald nach ber Thronbefteigung fiebelte bie Rheinsberger Ka⸗
pelle ebenfalls nach Berlin über, und Quanz trat feinen Dienft als Hof
componift an. Schon in ben erften Tagen verbreitete ſich das Gerücht,
der König wolle ein großes Opernhaus bauen laſſen. Uber es verging
noch beinahe ein Jahr, ehe das pafiende Terrain gefunden unb geebnet
war, jo daß man zum Bau bes Fundamentes fchreiten konnte. Der erfte
ſchlefiſche Krieg war es nicht, ber dies Werk bes Friedens Hinberte, denn
Friedrich ſchrieb aus Schlefien mit bemfelben Feuereifer, der ihn in fei-
nen erften Schlachten befeelte, an ben Freiherrn von Knobelsborff, er folle
den Bau bes Opernhaufes möglichft preffiren und baffelbe binnen zwei
Monaten zur Perfection bringen; aber es fehlte an Bauholz. Denn we⸗
der die Königlichen Holzhöfe noch bie Königlichen Forſten enthielten bie Hin«
längliche Onantität; man mußte baher eine Anzahl Holzfchreiber und
Zimmermeifter, mit befonbern Päſſen und Zwangsvorfpann verfehen, in bie
abligen Heiden, nad Sachſen und an bie polniſche Grenze ſchicken.
Unterbefien war Graun nach Italien gefandt, um gute Sänger zu enga-
giren, unb ber preußiſche Gefanbte in Paris Hatte ben Auftrag bekommen,
für Ballettänzer zu forgen. Zwei Sängerinnen trafen bereits im April
1741 ein; noch waren aber nicht einmal bie Holzvorräthe für das Operns
haus herbeigeſchafft. Daher befam Knobelsborfj den Befehl, da bie Sän-
gerinnen nun doch einmal ba wären, „einftweilen ein theatrum im Schlofie
im bauen, bamit absolutement nach ber Rückehr Sr. Majeftät im De-
wember ſchon opera gefptelt werben könnte.“ Sofort wurde benn auch auf
dem Schlofie ein Meines Thenter hergerichtet, ber fogenannte „Comöbienfanl*,
ix velchem fpäter gewöhnlich frauzöfiſche Schauſpiele mit Solotanz aufger
256 Mufifieben am Hofe Friedrid des Großen
führt und bie Proben für das Opernhans gehalten wurben, um bie ſehr
Toftfpielige Heizung biefes gewaltigen Raumes zu erfparen. Im der Mitte
des Sommers Tamen auch bie übrigen Sänger und Sängerinnen mit
Graun in Berlin an, Unter ihnen befand ſich zugleich der Operndichter
Botarelli unb ein venetianiſcher Decorationsmaler. Man ging fogleih
mit Eifer an's Malen, Dichten, Eomponiren und Einftubiren, benn die
NRüdtunft des Königs wurde mit Sehnſucht erwartet, Endlich erfchien er
am 11. November. eine Ungebuld war fo groß, baß gleih am näms
lichen Tage Abends 7 Uhr fämmtliche italienifhe Sänger fi vor ihm
hören lafjen mußten. Sobald nun das proviſoriſche Theater im Schloffe
fertig war, konnte am 13. December die Oper Robelinde (Compofition
von Graun) in Scene gehen. „Der Monarch“ — fo heißt e8 in einem gleich⸗
zeitigen Bericht Über biefe Aufführung — „würdigte biejes mit fo vieler
Kunft ausgearbeitete, mit fo großer Geſchicklichkeit ausgeführte Schaufpiel
feines Hohen Beifall, und bas Publitum ging in Entzücdung verloren vom
Schauplatz.“ So fehr aber auch die wenig verwöhnten berliner Hof
Treife befriedigt waren, Friedrich hatte die Dresbener Oper noch zu leb⸗
haft im Gedächtniß, als daß er nicht alles Exnftes bie Verbefjerung ber
ſeinigen und bie Vollendung bes Opernhaufes hätte wänfchen follen. Na
mentlich hatte er während ber zahlreichen Hoffefte in der Carnevalszeit
von 1741 bis 1742 ben Mangel eines Ballets gefühlt. Denn biefes ge
hörte damals ebenfo weſentlich mit zur ordentlichen Ausſtattung einer
großen Oper, wie bie Oper felbft zu ben Hoffeften und Carnevalsfreuden.
Freilich bildete der Tanz nicht mehr, wie ehebem, einen wefentlicen
Theil der bramatifchen Handlung, fondern er füllte nur bie Zwijchenafte
aus; aber fehlen burfte er nicht, Daher ergingen neue Befehle nach
Paris, ſobald als möglich Tänzer zu engagiven. Bald barauf begab ſich
der König nad Böhmen. Uber febft im Kriegegewühl betrieb er mit
größter Lebhaftigleit bie Verbefferung feiner Oper; wie er benn fowohl
jet als im zweiten fchlefifchen Kriege ſich mit ber eingehenbften Sorgfalt
um jedes Detail fümmerte und bie Leitung aller Angelegenheiten ftets in
feiner Hand behielt. Für ven kommenden Carneval wurben in Stalten
nene Sänger und in Paris eine Truppe feanzöfifcher Schaufpieler enga-
girt. Diefe trafen im Auguſt zugleich mit den Tänzern für bie große
u — — — — — —
von A. Saran. 7
Oper ein, mußten aber bis zur Vollendung des Opernhaufes theils "in:
den Hoſconzerten, theils im Schloßtheater, theils in Charlottenburg auf
einem im dortigen Orangerieſaal errichteten Theater beſchuͤftigt werden.
Endlich am 7. December 1742 Abends 6 Uhr konnte bie Erbffnungsoper⸗
im Opernhaufe ftattfinden. Noch war dieſes weder von’ außen noch von
innen fertig. ‘Die Baugerüfte ftanden noch ringsherum; bie angefängere
Malerei der Dede im Zuſchauerraum mußte mit einer zeltartigen Rein
wand verhüflt werben, Aber des Königs Ungeduld war zn groß, und bie
vorhandenen Mängel wurben durch eine außerorbentlich -glänzeribe Be
leuchtuug zugedeckt. Diefe Beleuchtung Toftete in ben Beiden‘ erften Jah⸗
sen an jedem Abende nicht weniger als 2771 Thlr. Auf eine Schilder
rung bes herrlichen Prachtbaus, ber leider 1844 eingeäfchert wurde, auf
eine Beſchreibung feiner in jeder Hinſicht ebenfo ſplendiden als praktiſchen
Einrichtung darf ich mich wicht einlafjen. Hören wir bagegen einen äften?
mäßigen Bericht über jene erfte Aufführung; er giebt uns eine deutliche
Borftellung, wie es and fonft gehalten wurde, Gefpielt warb bie Oper
Caſat und Cleopatra von Graun. „Der König hatte beftimimt, fo erzählt
Schneider in feiner Geſchichte der Oper in Berlin, baf bie ganze Gene ⸗
tafität und alle Sriegsbebiente das Parterre beſuchen ſollten, in welchem
nur vorne, dicht hinter dem Orcheſter, zwei Reihen Lehnſeſſel für ben’ MdL
nig und ben Hof fanden. Alle übrigen Perſonen im Parterre mußten
der Borftellung ftehend zufehen. In den beiden Rängen waren bie Logen,
beren Übrigens nur drei, höchſtens vier auf jeber Eeite waren, für bad
Minifterum und das Beamtenperfonal befiimmt, während im 'brittett
Range Einwohner der Stabt zugelaffen wurden, Die Parterrlogen' waren
vorzugsweiſe für die in Berlin anwefenden Fremden beſtimmt, und bie
Königlichen Hoffonrtere mußten fih in allen Gafthöfen erfanbigen, wie
viele ſolcher Fremden in Berlin gerade anweſend waren, um ihnen Bil
lets zulommen zu laſſen. Im den äußerſten Logen bes dritten Ranges
zunachſt der Bühne waren die Trompeter und Pauler ber Garde du Corps
und bes Regiments Gens d’armes aufgeftellt, welche beim Eintritt bes Rx
nigs und am Ende ber Oper Tuſch bfiefen. Auf bem Proscenium, rechts
and links zu beiden Geiten ber Bühne ftanben zwei Grenadiere ber Pots⸗
dammer Garde mit Gewehr bei Fuß, welche jedesmal ini etenat ab?
Cup. Bozstefgrift Bb. UL. fs
968 Nufifleben am Hofe Friedtich des Großen
geloſt wurben und ber ganzen Vorſtellung vor den Augen bes Pubikums
zuſahen; welcher Gebrauch aber nach dem fiebenjährigen Kriege ganz abe
tam. Um 5 Uhr wurbe bas. Publitum eingelaflen, die Milttairperfonen
im Barabeauzuge, bie Civilbeamten und Damen im Couranzuge. Selbſt
bei dem Publikum des dritten Ranges wurde auf eine forgfältige Toilette
geſehen. — Der König trat buch bie Parterrethür links neben dem Or⸗
cheſter ein, grüßte beim Tuſch das Publilnm und fegte ſich ſofort auf ſei⸗
nen Armfeflel, Graf von Gotter als Intendant des spectacles ſtand Hin-
ter dem Stuhle des Königs und gab bem wartenden Eapellmeifter das
Zeichen zum Beginn der Ouvertüre, ſobald Seine Majeftät ſich gefeht
hatte. Die Königin und bie Prinzeffinnen befanden ſich in der König
luchen Mittelloge und zwar ſchon nor der Ankunft des Könige. Allee
empfing Seine Mojeflät fiehenb und fegte fich erft mit bem Beginn ber
Duvertüre,
Im Orcheſter dirigirte Eapellmeifter Graun in einer weißen Allonger
perüde und rothem Mantel am Blügel. Eben ſolchen Mantel trug auch
bes Eongertmeifter Benda, Um ben Blügel her ſaßen zunächſt zwei Theor⸗
biften (d. h. Lautenſchläger), der Harfenift und zwei Violoncelli, welche
zuſammen und) bamaliger Sitte bie Recitative begleiteten. Dann folgten im
Halbkreife bie übrigen Inſtrumente.“ — So weit Schneider.
Wir fehen, das glänzende und großartige Unternehmen war zunãchſt
bauptfächlich für ben Hof und bie privilegirten Stände berechnet. Der
Bürgerftand Hatte nur auf beſondere Ginfabung freien Zutritt. Das
ganze Mufiktreiben dient vornehmlich zur Erhöhung des fürftlichen Glan⸗
zes und zum Vergnügen. Diefe Auffaffung ift charakteriftiich für das
ganze Zeitalter, — Sie war übrigens auch im Weſen ber italieniſchen Oper
begründet. Denn, fehen wir von ihrem äußeren Gepränge ab — worin
beftand eigentlich ber ideale Kern berjelben? In den Figuren ihrer Göt-
ter und Helden, ihrer Königinnen und Schäferinnen bürfen wir ihm nicht
ſuchen. Hatte wen auch urſprünglich die Abficht gehabt, dns antile Drama
ya ernenern, fo war man boch weit entfernt, bie hiſtoriſchen Charakterzäge
am, Siiugtionen eines Caſar, Hannibal oder Hercules wiederzugeben; ſon ⸗
dern wir finden biefe großartigen Geftalten ſämmtlich als moderne Lieb»
haber, ausfaffirt mit den kleinlichen Leibenfchaften, welche bas Lehen ber
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von A. Saran. 259
itafienifihen Höfe zerwütteten und ben Charalter ber weuszem Italiener ge
treufich wieberfpiegeln. Die Liebe aber iſt das Hauptmotiv aller Stüge.
dehlt es fomit ſchon am dem Haupterforderniß aller ächten Poefig, am ber
Bahrheit: fo könnte man ein ivenles Moment etwa im ber formellen
fünftlerifchen Anlage, in der fpannenden Verwicklung und geſchidten LW-
fung des Gonflicts, in der bramatifchen Entfaltung der einmal gewählten
Charactere fuchen. Aber auch bamit ift es gar ſchwach beftellt. Die Open
befteht gewöhnlich aus 20 bie 40 fhulgerechten Arien und einigen Duet ⸗
ten und Terzetten, welche zur Ausmalung der Situation und zum Erguß
der Empfindung dienen. Sie find unter einander verbunden durch ein
largweiliges Recitativ, welches die dramatiſche Eutwidelung. enthalten fol
Bon größeren Enjembles und vom Finale feine Spur; der Chor bient
nur als unentbehrlicher Abſchluß des Ganzen ober eines Altes. So komm
denn zulegt Alles auf den Sologefang hinaus. Wie fehr man aber auch
bei diefem von ber äfthetiichen Nothwendigleit uud" non ver pſychologiſchan
Möglichkeit abſah, charakterifirt Riehl höchſt treffend mit den Worten:
„Der Mörber erhebt ven Dolch, und bevor er zum Stoß nieberfährt, fingt,
er eine ganze, regelrecht in drei Theilen aufgebaute Arie." Und dennoch
it diefer Gefang das einzige wirklich bedeutende künſtleriſche Element dep
italienifchen Oper; denn er hatte im der Schule zweier Jahrhunderte ping
außerordentliche formelle Adrundung und einen höchſt anmuthigen- und,
fügen Wohllaut erlangt. Hieraus erflärt es ſich denn au, wie unfre größ-
ten mufifalifhen Dramatifer: Händel, Gluck und Mozart gerade vom ber
itafienifchen Oper ausgehen konnten. Dem Bublitum ber europätfchen,
Höfe freilich Fam es nicht eben auf ben geiftigen Gehalt ſchöner Tonfor⸗
men an, fondern auf realen finnlichen Genuß. Daher das für bie Sit⸗
tengefhichte jener Zeit fo bezeichnende Phänomen der gayz enorm bezahle
ten Caftraten und Primabonnen, welde die Geſangskunſt allerdings zu
einer faft unglaublichen Höhe erhoben, von benen ſich abend die, ‚fee
Betrachtung mit tiefem Widerwillen abwendet.
Dies waren die äußerlich blendenden, innerlich aber wreilich durch u.
durch morſchen Elemente, mit denen auch Briebrich fich, zu umgeben ver⸗
anlaßt ſah. Was konute ihn dazu bewegen? Daß er bie Hohlheit und
Armfeligleit jenes Treibens far durchſchaute werben wir ſehr bald wahr⸗
17°
960 Mufilleben am Hofe Friedrich des Großen
nehmen. Daß er fein Herz nie ganz an das Opernweſen King, iſt ohne⸗
Yin befannt. Zunäcit bewog ihm unzweifelhaft das Sntereffe an dem
wirklich idealen Gehalt der italienifchen Mufil. Dazu kam aber der Um⸗
fand, daß es eine: deutſche Oper damals garnicht gab; biefelbe war
nad, kurzem Beſtehen von ber italienifchen verbrängt worben unb zufegt
als rohe und wäfte- Nachahmung berfelben ganz untergegangen. Nach
Ed. Devrients Mittheilung verſchwand bie legte Spur biefer alten deut:
Teen Oper in Danzig im Jahre 1741. Endlich Hatte ber König gewiß
die Abficht, feine Reſidenz den übrigen europätfchen Hauptftäbten ebenbürtig
om bie Seite zu ſtellen. Warum hätte er fonft auch fo viele Loftipielige
Pracgtbanten unternommen? Uebrigens verbient bie höchſt merkwürdige
Notiz gewiß alle Beachtung, daß ber König 1742 auch ein großes deut-
ſches Theater bauen laffen wollte; warum es nicht geſchah, iſt aber
bisher nicht ermittelt worben. — Kehren wir jeboc mach biefer- Abfchweir
fung gu unferer Erzählüng zurüd,
Der Tanz in jener erften großen Oper wurbe von: einem nur mäßi-
gen Perſonal anfgeführt. Denn zur Anfchaffung eines vollſtändigen corps
de ballet aus Paris wollte ſich der König nicht verftehen, da ihm bie
Koften zu enorm ſchienen, zumal bie ‘Dekorationen und Koftäme für bie
wet erften Opern allein 210,000 Thaler getoftet hatten. Da ber Chor
aus ben Schülern ber Gymnafien gebildet worben war, wobei bie Hälfte
der Knaben Frauenkleider tragen mußte, fu glaubte der König nach die
ſem Beiſpiel auch Tänzer für das Ballet ans hübſchen Bürgermäbchen
und jungen Leuten erhalten zu Können. Sein franzöſiſcher Balletmeifter
aber weigerte ſich ganz beftimmt, feine Kunſt fo zu profaniren.
Das Opernhaus follte jeboch nicht bloß zu Opernanfführungen, ſondern |
auch zu andern Earnevalfeftlichkeiten, namentlich zu Conzerten und Redou⸗
ten benugt werben. Zu biefen Sweden waren befonbere Borlehrungen
getroffen. Gine-Höchft glänzende Reboute wurbe am 10. October 1743
nach ber Oper in bem nun gänzlich vollendeten Haufe gegeben. Schon
bei ber Opernvorftellung mußte Alles in Masten erfcheinen: ber Adel in
zofenfarbenen Domtnos, bie Bürger nach Gutdünken aber ſauber maskirt.
Mm ber öffentlichen Bekanntmachung bes Hofmarjchall-Amts hieß es: „Da
Übrigens anf ihrer Majeftät Befehl zu denen Opern weber in Anfehung
bon 9. Goran. 261
ber leider noch derer Decorations das Geringfte hat bürfen gefpart wer-
den, fo ann man ohne Ruhmrebigfeit verfichern, baß nunmehro dieſe, wo
nit alfe andere, die man gegenwärtig in Europe findet, an Pracht und
Loſtbarleit übertreffen, doch gewiß Teiner in etwas nachgeben werben.”
Die Berliner glanbten fih in einen Feenpalaft verfegt und trauten ihren
Angen kanm, als fi der König ſelbſt in einem Rofa-Domino, aber ohue
Maske, nicht allein unter das Publikum mifchte, fondern auch am Tanze
Tpeil nahm.
Noch Hatten aber bis bahin bie eigentlichen Blanzflerne an bem
neuen Horizonte gefehlt, nämlich wirklich berühmte und hervorragende
Kräfte für den Gefang und das Ballet. Zwar waren ſchon bie Leiſtun⸗
gen eines Porporino und einer Moltent im hohem Grabe beivunbert wor»
ben. Allein fie folten auf eine Zeit lang völlig in den Hintergrund tre⸗
ten, als es dem Könige gelang, vie itafienifche Tänzerin Barbarina zu
gewinnen. Die Gefchichte biefer merfvärbigen unb bebeutenben Frau wirft
ein fo frappantes Licht auf bie Verhältniſſe, umter benen fie öffentlich
auftrat, daß ich einiges daraus mitteilen muß. Barbarina war vom
Könige im Venebig engagirt worben, hatte aber, während fie bie Vollzie⸗
hung ihres Eontracts von Berlin erwartete, ben jungen Lord Stuart be
Madenzie kennen gelernt, unb weigerte ſich nun plöglich nach Berlin zu
gehen, weil fie mit biefem verheiratet ſei. Als Friedrich bies erfuhr,
verlangte er vermittelft feines Gefanbten in Wien, Graf Dohne, die Ans
fieferung ber Qänzerin von ber Republik Venedig. Diefe hielt aber bes
gleichen unter ihrer Würde. Da gerieth ber König in den heftigſten Zorn
md fieß ohne Weiteres bie Equipagen bes Benetianifchen Gefandten, wel»
der eben durch Preußen reifte, mit Befchlag belegen, bis die Repnblid
ifm ven Willen thun würde. Diefer außerordentliche Schritt bes Preußen-
Könige, welcher bereits nachdrücklich bewieſen hatte, wie wenig er gefon-
ven fei mit ſich fpaßen zu laſſen, bewog die Republil, unter Höflichen
Entfägulpigungen gegen Friedrich bie Tänzerin zu verhaften und fie unter
mifitärifcher Esfarte an bie äfterreichifche Grenze zu bringen. Dort wurde
fie von einem erprobten Diener Dohnas in Empfang genommen und nur
mit Mühe vor ben Nachftellungen Madenzies und feiner Genoffen in
eier verſchloſſenen Kutſche mach Wien gerettet, um vom ba nach Berlin
262 Nufilieben am Hofe Friedeich des Großen
transportirt zu werben. Der Lorb war ihr gefolgt und fuchte fie vom
Rönige frei zu bitten, indem er fie feine Bram nannte; aber er mußte
fofort Berlin verlaſſen. Barbarina wurde einige Tage nach ihrer Ankunft-
vor den König befohlen, um in ben Zwiſchenakten einer frauzöſiſchen Cor
möbie gu tanzen. Ihre außerordentliche Schönheit, wovon bie im König
tigen Schloß noch vorhandenen Gemälde zeugen, und ihre geiftuolfe Unter-
haltung fefielte den Rönig fo, daß fie von Stund an fein erffärter Liebling
wurde. Uber auch ihr Tanz wirb als bezaubernd gepriefen, beſonders in
dem Ballet Pygmalion, worin fie das alfmähliche Belebtwerden ber ſchö—
nen Statue darzuſtellen Hatte. Lateiniſche, franzöſiſche und deutſche Ge—
dichte feierten wetteiſernd ihre Vorzüge; fie bildete in Kurzer Zeit ven Mit⸗
telpuntt der feinften Berliner Geſellſchaft; Anbeter aus allen Ständen
drängten fi um fie; ja fie hielt eine Art Meinen Hofes in ihrer Woh⸗
mung. Selbſt der König Tieß fich zuweilen herab, nach der Oper bei ihr
den Thee einzunehmen ober fie zu einer Heinen ausermwählten Abendge⸗
fellichaft einzuladen. Wenn hieraus einige auf ein näheres Verhältniß bes
Königs zu Ihr haben fchließen wollen, fo bürfte dem das Höchft ſummariſche
Verfahren entgegenftehen, welches er nach kurzer Zeit gegen fie anwandte.
Barbarina Hatte nämlich trog ihres hohen Honorare von 7000 Thaler
Bald bedeutende Schulden gemacht, weigerte fi) aber bei ihrer Abreiſe
son Berlin, biefelben zu bezahlen. Da ließ der König fie ohne Gnade
verhaften, bis fie zahlte. Epäter nach Berlin zurüdgelehrt verlobte fie
ſtch mit dem Sohne des Großkanzlers don Cocceji. Darüber waren ber
fen Eltern fo unglücklich, daß fie den Lönig dringend baten, die Heirath
zu hindern. Allein die Liebenden fanden Mittel und Wege, ſich heimlich
trauen gu laffen und wurden daher nad) Glogau verfegt. Die Ehe foll
zwar gfüdlich gewefen, aber fpäter tod wieder getrennt fein. Darauf
gründete bie ehemalige Tänzerin aus ihrem reihen Vermögen ein abliges
Fränfeiuftift und wurde bafür von dem Könige Friedrich Wilhelm II. in
den Grafenftand erhoben. Sie ftarb 1799 im Alter von 75 Yähren. —
So blendend auch ber Glanz war, den fie feit 1745 dem Berliner Hofthen-
ter gab: derſelbe wurde noch um ein Bebeutendes erhöht, als 1748 neben
iht vie Tänzerin Eochois, bie Sängerin Aftraa und der Caftrat Salimbent
auftraten. Nun erſt ſchlen bie Bedentung ber italieniſchen Oper unzwei⸗
von A. Saran. 268
felgaft. Und in ver That — auch der König war zufriedengeſtellt. Der
Betteifer diefer anferorbentlichen Talente begeifterte ihn zu einem pathetb
fen Lobgebicht. Die Stimmung bes Publikums über bie Aſtrua erfleht man
aus folgender Schilderung eines Zeitgenoffen, die uns zugleich eine nicht
unintereflante Brobe damaliger Kritik giebt. „Ste fegete in der Oper Etma
mit ihrer Stimme, bie fie volffommen in ber Gewalt hatte und mit wel-
ger fie ihrer Aktion das wahre Beben gab, ihre Zuhörer in frohes Exftaunen,
Mit ihr lebte, liebte, ftarb, haflete, flieg man und fühlete fich fallen“ n. ſ. w.
Alle diefe Genäffe fanden freilich nur im Winter, in ber fogenannten
Carnevalszeit ftatt. Der König wänfchte aber auch fr die Zeit, wo bie
große Oper Ferien hatte, einen Erſatz zu Haben und ließ deshalb 1748 in
Sanſſouci ein Heines italienifches Intermezgo-Theater einrichten. Die Im
termezzi waren urfprünglic) Tomifche Zivifchenfpiele, weiche zwiſchen den Ab⸗
ten ber großen Opern aufgeführt wurden; fie entwidelten fidy aber allmäh⸗
li zu ber opera buffa, weldje, was ben bramatifchen Charakter. anlangt,
bie opera seria entſchieden übertraf. Der König ließ von einer befonbern
in Potsdam mohnhaften Truppe italienifcher Sänger eine ganze Reihe fol-
her burlesfen Etüde wieberholt aufführen. In ber Earnevafszeit mußte
die Geſellſchaft nach Berlin überflebeln und jeben Mittwoch im Comödien ⸗
ſaal fpielen. — Doch genug ber Details! Wir fehen den jungen König
in biefer erfien Periode feiner Regierung eine anferorventliche Rührigleit
auf muſilaliſchem Gebiet entfalten. Aber er leitet nicht etwa bloß bie Außem
Angelegenheiten, fonbern er dichtet auch franzöſiſche Operuterte und
laßt fie nachher ins Stalienifche überfegen; ja, was fehr merhwärbig if, .
er wählt in bem Text zur Oper Montezuma, König von Mezico, einen
Stoff, der die traditionelle Bahn der italienifchen Oper gänzlich verläßt
und ins moderne Leben hineingreift. Ebenſo giebt er dem Componiſten
die beftimmteften Auweiſungen, breitet ihm Motive umter und corrigitt bie
Partituren; er felbft componirt fogar Ouvertüren nnd einzelne Arten, Er
prüft feine Künftler und überwacht bie Proben; er leitet and gewiſſer⸗
moßen die Aufführungen, indem er mit bem fcärffien Kenwerbiid dem
Dirigenten über die Schulter ſieht und die Partitur nachlieſt. Er ver⸗
Kimäht es nicht, gelegentlich eine öffentliche Befpredjung in bie Zeitung
tüden zu laſſen. — Nichte vermag feinen Eifer zu erfälten, Kaum if
264 Mufitieben am Hofe Friedrich des Grohen
im zweiten ſchleſiſchen Kriege Dresden erobert, fo läßt er daſelbſt eine
große Oper von feinem Liebling Haffe mit allen Verzierungen und Bal-
lets aufführen, lobt und beichenkt den Gomponiften und feine Fauſtina
and läßt fi von ihm während ber 9 Tage feines Anfenthalts jeden
Abend in feinem Kammerconzert auf bem Flügel zur Flöte begleiten,
Aber teog dem. Allen — wie weit ift er entfernt, über ber Muſil
wichtigere Pflichten zu vergefien! Iu einer höchft charalteriſtiſchen Cabinets⸗
ordte, werin er ſich ber allerberbften Ausfälle gegen fein Thenterperfonal
bebient, Heißt es unter Anderm: „Die canaillen bezahlet man zum plaisir,
und nicht fecsirerei.vam ihnen zu Haben.” Bald ſollte benn auch bie Zeit
kommen, wo ec „fein Geld zu Kanonen ausgeben” mußte und „nichts
vohr Hafelanten“ verthun kounte. Der fiebenjährige Krieg nämlich löſte
die italieniſche Oper völlig auf. Die Sänger und Tänzer, ſelbſt ein Theil
der Mufiler zerſtreuten ſich, weil fie feine Gehälter mehr befamen. Die
Aftına. ging ab und flarb 1758. Die Decorationen, welche auf dem
Soden bes Opernbanfes aufbewahrt wurben, verbarben durch ben einbrin-
genden Regen, ba das Bombarbement der Ruſſen Loöcher in das Dach ge
ſchlagen hatte, nm die ſich Niemand kümmerte. Auch ver Kapellmeiſter
Gramm farb 1759. Wenngleih der König Haſſe's Opern ben feinigen
bebentenb vorzog, weil fie ein kräftigeres Pathos enthielten als bie oft
fentimentalen Melodien Grauns, fo foll er doch, als er bie Todesnachricht
in Dresden erhielt, weinend ausgerufen haben: „Solchen Mann bekomme
ich nie wieber!”
Nach dem Hubertsburger Frieden wurde bie Wiederherſtellung ber
gooßen Oper von Friedrich nicht mit dem Eifer und Nacbrud betrieben,
ven die nach den alten gewohnten Genäffen lüfternen Berliner erwartet
Yatten. Die ernſten Rriegsereigniffe Hatten ben König felbft ernfter gemacht,
und die Erfchäpfung feines Landes bewog ihn zu großer Sparſamkeit. Auch
wollten ihm weber bie nenen Sänger noch bie Opern feines neuen Kapell-
meiſters Agricola gefallen. Es mußten immer wieber bie alten Bekannter
von Haffe und Graun vorgenommen und burd neue Einlagen und Arien
wufgeftugt werben. Unter ſolchen Umſtänden waren benn bie Jahre 1764
bis 1771 für die Oper in Berlin fehr trübfelipe. Einen neuen glänzen
den Aufſchwung aber gewann biefelbe wieber, ala 1771 die berühmte
von A. Saran. 265
deutiche Sängerin Eliſabeth Gertrub Schmehling gewonnen wurde. Sie
ift belannt unter dem Namen der Mara, weil fie bald darauf bie Eemah⸗
fin des Königl. Violoncelliſten Mara wurde. So fehr fi Friedrich an⸗
fangs gegen ihr Engagement gefträubt Hatte, weil er, wie er fi aus
brädte, „fich lieber von einem Pferde wollte eine Arie verwiehern lafien,
als eine Deutſche in feiner Oper ais Primadonna Haben“ — fo mwurbe
nicht nur diefes Vorurtheil ſchon bei ber eıften Probe, die ihr der König
am Klavier perſönlich abnahm, gänzlich befeitigt, fondern fie errang and
beim Publikum größere Lorbeeren als irgend eine ihrer Vorgängerin-
nen und hob für einige Zeit die Berliner Dper wieber auf eine glän-
zende Höhe. Doch die Zeit erlaubt mir nicht, hierüber noch Genaueres
mitzutheilen.
Bevor wir nen einen Blick auf bie übrigen mufifalifchen Beftrebun«
gen Friedrich's werfen, ſei es geftattet, ganz kurz daran zu erinnern, daß
die kirchliche Mufit ihm feinerlei Förderung verdankt, was uns bei
feiner Stellung zur Kirche nicht Wunder nimmt. Doc; werben mehrere
Verorbnungen an fämmtliche Confiftorien umd Regierungen erwähnt, man
folle dafür fergen, daß bie Singekunſt in Schulen und Gymnaſien beſſer
tractirt werbe. Auch ſcheint Friedrich für feine Perfon der kirchlichen Mu-
fit nicht ganz unzugänglich gewefen zu fein, Wenn ber Singchor bes,
Kölnifhen Gymnafiums vor ben Häufern am Schloßplag fang, trat er
gewöhnlich ans Fenfter und hörte aufmerkſam zu. Und als nach bem
fiebenjäpriger. Kriege das große Friedensfeſt gefeiert wurde, foll er ber
lanntlich das Graunſche Te Deum in Charlottenburg für ſich allein Haben
aufführen laſſen und dabei Thränen vergoffen haben. Preuß beftreitet
war bie gefchichtliche Wahrheit biefer Thatſache, fagt aber: „Jenen ſchönen
Einbrud mag Graun's Te Deum alferbings auf den König gemacht haben;
wenigfiens fagte er einft zu Faſch, indem er mit dem größten Ruhme von
Graun's Baffionsmufit ſprach: „Sein TeDeum Hat mir damals in mei»
ner Lage fehr gut gefallen, obgleich es mitunter auch fehr Luftig barin
hergeht; denn felbft die Freude muß in ber Kirche einen Ernft behalten,
ber dem geheimnißvoliften Wefen zulommt.“ Belannt ift auch, baß Frie⸗
drich den größten Tondichter der evangel. Kirche, Joh. Geb. Bach nad
Potsdam kommen ließ und. ihm bie höchſte Bewunderung zollte. Diefe
266 Muſilleben am Hofe Friedrich des Großen
bezog fich freilich, wie allgemein im jener Zeit, wohl mehr auf Bade
Virtuofität mad Meiſterſchaft in der Form, als auf ven kirchlichen Geift
feiner Kunſt. Wer möchte inbeffen darüber ein abfchließendes Urtheil wa⸗
gen? Wolfen wir einen tieferen Blick in bes Königs Herz thun, fo müfe
ten wir ihn als probucirenden und ansübenden Künftler auf der Flote
belauſchen.
Er pflegte befanntlich in ben Pauſen zwiſchen feinen Berufsgeſchäf⸗
ten, namentlich am Vormittag ftundenlang phantafierend in ben Zimmern
anf- und abzugeben. Dabei überlegte er allerlei Sachen, ohne eben baran
zu denken, was er blies. Nicht felten kamen ihm gerabe Hier bie glüd-
fichften Gedanken, ſelbſt über Staatsgefchäfte, und dieſe feinen Geift er:
hebende und befieiende Wirkung der Kunſt warb ihm fo unentbehrlich,
daß feine Flöte in allen, auch den verzweileltfien Tagen feines fpätern Le⸗
bens feine trene Begleiterin und Tröſterin blieb, — Für gewöhnlich fand
jeven Abend um 6 Uhr in einem höchſt geſchmadvoll becorirten Mufit-
zimmer ein Kammerconzert ftatt, zu welchem nur wenige, beſonders geladene
Zuhörer Eintritt hatten, Der König blies bie Flöte und lieh ſich entwe ⸗
der von ben bedeutendſten Künftlern feines Orcheftere oder von feinem
Gembaliften auf einem ſchönen Silbermann’fchen Flügel begleiten. Wäh-
rend die Künftler (Onanz, Benba und Ph. Em. Bad an der Spige) im
Vorzimmer warteten, hörte man Eeine Majeftät Solfeggien fpielen und
fi) fo lange mit fehweren Paflagen üben, bis ein Lakei das Zeichen zum
Eintritt gab. Jeder Muſiker fand fein Pult bereits mit einem Notenblatt
belegt, das ber König eigenhändig ihm zugetheilt hatte. In früheren Iahe
zen pflegte Sriebrich 5, fpäter bei mangelndem Athem nur 3 Blötenconzerte
zu blafen, die entweder Quanz oder er felbit componirt harte. Sein Ee⸗
fchmad blieb auch Hier, wie in ber Oper, fein Leben lang berfelbe. Quanz
hatte für den König über 300 Gonzerte componirt, welche nach der Reihe
aufgeführt wurden. Friedrich's eigene Compojitionen waren von geſchmad⸗
voller Erfindung; wenigſtens läßt ſich das aus dem befannten Fugen Thema
ſchließen, welches er dem alten Bach vorlegte; auch follen fie eine große
Gewandheit in bem ſtrengen Styl feiner Zeit befunbet Haben. Es wird
fogar erwähnt, Sriebrich Habe, feiner Zeit vorgreifend, das Recitativ in bie
Inftrumentab Eompofition einzuführen gewagt. Jedenfalls ift es bezeich⸗
von A, Saran. 267
nend für fein künſtleriſches Schaffen, daß er einft in einem Recitativ
Soriolans Mutter hatte barftellen wollen, wie fie auf den Knieen ihren
Sohn um Schonung und Frieden für Rom bittet, — Originell war bie
Art, wie er componirte. Er fchrieb gewöhnlich nur bie Oberflimme in
Noten auf und bezeichnete dazu mit Worten, was ber Baß ober die ber
gleitenden Stimmen haben follten; z. B.: Hier geht der Baß in Achteln,
hier die Violine allein, Hier Alles unisono u. |. w. Diefe muſikaliſche
Chiffreſprache mußte bann der Capellmeiſter Agricola in Noten umfegen. —
Sein Vortrag war nad dem einftimmigen Urtheil ber Zeitgenofien im
Adagio überaus feelenvoll und ergreifend, feldft im hohen Alter noch;
im Allegro konnte er dagegen nicht recht Tact Halten. Hören wir dar-
über ein paar Stimmen fachverftändiger Beurtheiler. Der Engländer
Burney, der ihn 1771 hörte, rühmt von ihm: „Sein Anfag war Har und
eben, feine Finger brillant, unb fein Geſchmac rein und ungekänftelt; ich
war fehr erfrent und fogar erftaunt über bie Nettigkeit feines Vortrags in den
Allegro's ſowohl, als über feinen empfindungsvollen Ausdruck in ben Ada-
gios.“ Reichardt, der 1774 von Friedrich zum Eapellmeifter ernannt wurde,
fagt in feinen höchſt inierefianten Mittheifungen über den König: „Im
Adagio war er wirklich ein großer Birtuofe; er hatte feinen Vortrag nach
den größten Sängern und Inftrumentiften feiner Zeit, befonbers nach bes
alten Benda herzrührendem Geigenfpiel gebildet. Unverfennbar war es
aber and, daß er felbft fühlte, was er blies; fchmelzende Uebergänge,
höchſt feine Accente und Heine melodiſche Verfehnörkelungen fprachen eim
feines und zartes Gefühl fehr beftimmt aus und ſtanden nie vereinzelt da.
Sein ganzes Adagio war ein fanfter Erguß und reiner, anmuthiger, oft
rührender Gefang — ber ficherfte Beweis, baß ber ſchöne Vortrag ihm
aus ber Seele fam. Im Allegro war er bafür deſto ſchwächer; feinem
Epiele fehlte Fener und Kraft, in ben Paſſagen blieb er oft zurüd, uner-
achtet er fie jebesmal, ehe die Gapelliften Hineingerufen wurden, fleißig
ubte, auch lange Zabellen von Rungen- Zungen und Fingeräbungen täge
fi mehrmals abblies. Aecht Lönigfich trat er bei foldhen fchleppenden
Stellen und Berrädungen im Zeitmaße, bie nicht felten vorlamen, mannlich
den Tact, als wären es bie Begleiter, bie da wankten ober eiften, unge
achtet fie ihm mit großer Kunft und Discretion folgten.“
268 Mufitteben am Hofe Friedrich des Großen
Natürlich wagte Niemaud von den Mufilern vergleichen zu bemerken,
felbft Quanz nicht, der fonft eine fehr bevorzugte und einflußreiche Etel-
fung einnahm und allgemein der „Papft ber berlinfhen Muſik“ genannt
wurde. Diefer pflegte, wenn fein königlicher Schüler fehlerhaft fpielte, nur
ben Bravo-Ruf zu fparen, ber ihm — und ihm alfein — verftattet war;
bei einem beſonders eclatanten Fall jedoch foll er mehrmals vernehmlich
geräuſpert haben, worauf ber König feinen Fehler verbefferte mit ven Wor⸗
ten: „Wir bürfen. doch Ouanz feinen Katarrh zuziehen.“ Friedrich hatte
eine befondere Pietät ‚gegen feinen alten Jugendlehrer, ber dieſe Gunft
niemals mißbrauchte. Er befam 2000 Thaler Gehalt, auferdem Honorar
für feine Compofitionen und für jede neue Flöte, die er bem Könige ver»
fertigte, 100 Dukaten. Diefe Flöten zeichneten ſich durch eine eigenthüm⸗
liche Technik aus, auf deren Erfindung ſich Quanz etwas zu Gute. that.
As er im Yahre 1773. ftarb, ließ ihm der König auf dem Kirchhofe vor
dem Nauenſchen Thor in Potsdam ein ſinniges Denkmal errichten. —
Es konnte nicht ausbleiben, daß die mannigfaltigen muſikaliſchen Be
ftrebungen des Königs vielfach anregend wirkten auf feine Umgebungen.
Dies zeigt fich denn auch zunächft in ber königlichen Familie felbft. Geber
preußiſche Prinz unterhielt eine eigene Kapelle. Die vorzüglichfte derſelben
war bie bes Prinzen Heinrich, der Übrigens einem etwas andern Geſchmad
huldigte ale fein Bruder und bie neueren Italiener befonbers liebte. Auch
die Prinzeſſin Amalie war. eine treffliche Kennerin der Muſik und fpielte
ſehr gut Clavier. Der Kronprinz und nachherige König Friedrich Wile
beim II. fpielte mit ungewöhnlicher Wertigkeit das Violoncell. Wie eifrig
überhaupt die Muſik zu. damaliger Zeit in ben höchſten greifen . geübt
wurbe, bavon giebt uns ein Hofconzert Zeugniß, welches Friedrich 1770
in Potsdam beim Beſuch der verwittweten Kurfürftin Antonte von Sachſen
veranftaltete. Die Kurfürftin fpielte den Flügel und fang. Friedrich von
Quanz begleitet, blies bie erfle Flöte; der .Erbprinz von Braunſchweig
fpielte bie erſte Violine, der Prinz von Preußen das Violoncell. Solche
Erſcheinungen find harakteriftiich für das vorige Jahrhundert, befonders
in Deutfchland. Nachdem: fi die Muſik der mütterlichen Pflege der Kirche
entzogen bat, muß fie zunächft bet ben Großen ber Erbe ihre Zuflucht
von 9. Saran. 269
fuchen, um bie nöthige Ausräftung zu geivinnen für den großartig freien
md fhnen Flug, den fie-fpäter nehmen follte,
Friedrichs Anregungen erfiredten fi) aber auch auf viel weitere
Kreife. Durch feine Eongerte bilvete ſich nämlich in Berlin gegerüber
ter italieniſchen Oper eine eigenthümlihe Inſtrumentalmuſit aus,
melde wefentlih auf ber deutſchen Schule beruhte. Welchen Elnfluß
Quanz auf die Berliner. Mufit ausübte, wurde ſchon erwähnt. Ihm zur
Eeite flanden als Violiniften erfien Ranges Franz Benda und befien
Eöhne, fowie der Conzertmeifter Graun, ein Bruder des Eapellmeifters.
Diefe vorzäglichen Künſtler ſchulten das Orcheſter und hauchten ihm jenes
gelang- nnd ſeelenvolle Spiel ein, woburd die Berliner Eapelle lange
Zeit nnerreicht neben ber Dreöbener fand, Noch entfchiedener war bie
Säule Seh. Bachs vertreten. Sein Sohn Phil. Emanuel ſtand 29 Jahre
als Eembalift in des Königs Dienft und -galt unbefiritten als ver beden⸗
tendfte unter den Berliner Künftlern, ſowohl als Birtuos auf dem Flügel
wie als Componiſt. Jahn nennt ihm mit Recht ben Vater bes neneren
Slavierfpiele, Denn er verband bie techniſche Epielart feines Vaters mit
einer freieren und: melobiöferen. Erfindung. Friedrich hat auffallender Weife
nie eine Note von ihm gefpielt. Diefe unverbiente Zurüdfegung und bie
abfprechenben Urtheile des Königs verbroffen ben Künftler, der ſich feines
Wertes wohl bewußt war, und er fiebelte daher 1767 nach Hamburg
über. Auch ber durch Brachvogels Roman nenerlich bekannter geworbene
Friedemann Bad, ein noch genialerer Mann als fein Bruder, brachte
feine beften Lebensjahre in Berlin zu und wurde wegen feiner Phantafieen
auf der Drgel und dem Elavier ebenfo bewundert, wie er ſich burch feinen
Hochmuth und feinen liederlichen Lebenswandel verächtlih machte. Ein
Baar noch treuere Schüler des alten Bad; waren ber Gapelimeifter
Agricola und der gelehrte Eontrapunktift Kirnberger, Gembalift bes Prin-
ien Heinrich.
Die genannten Männer waren ber Mehrzahl nach auch als muſilali⸗
ſche Schriftſteller thätig. Die Titerarifche Regſamleit, welde wir unter
driedrichs Regierung in Berlin wahrnehmen, kam aljo auch ver Mufit
in Statten. Bon großer Wichtigkeit hiefür war ber Umftand, daß fih den
dachmannern ein Kreis gebilveter Dilettanten anſchloß, welche die zünftige
270 Muſilleben am Hofe Friebric des Großen
und nicht felten pebantifche Wiſſenſchaft jemer unter allgemeineren Geſichts⸗
punften aufzufaflen und fie ben weiteren Kreifen der Gebilveten zu über:
mitteln im Stande waren. Unter diefen Männern verbient namentlich ber
Kriegsrath und Lotteriedirelter Marpurz Erwähnung. Er war ein Frenub
Leſſings, fein gebiltet als Weltmann, ſcharfſinnig als Kritiker und gründ-
lich als Theoretifer. Ebenſo der befannte Buchhändler Fr. Nicolai, ber
als feiner und geſchmackvoller Kenner galt. Er nahm Abhandlungen von
Kirnberger u. U. in bie allgemeine deutſche Bibliothel auf und verfchafite
dadurch der Berliner Kritik in ganz Deutfchland Gewicht und Anfehen.
Beſondere Mühe gab er fih um das fogenannte Riebhaberconzert,
welches feit 1770 alle Freitag Abend in einem Privathaufe ftattfand. Hier
tamen alle bebeutendften Kräfte zufammen, um Virtuoſen zu hören, oder
Orcheſterwerke und größere Gefangscompofitionen aufzuführen; Hier wurben
auch zuerft Händelfche Werke zu Gehör gebracht.
So gruppirten fi um den großen König eine Menge der bedeutſam⸗
fien Beftrebungen, die theils bireft, theils indirekt durch ihn hervorgerufen
waren. Trog mander Heinen, ja Heinlichen und gehäffigen Differenzen,
die wir unter ihnen wahrnehmen, bilbeten fie in ihrer Gejammtheit
dennoch eine geſchloſſene, gleichſam patriotifche Macht, welche ſich mit
ſtolzem Selbftgefühl allen andern Richtungen, namentlich aber der men,
auffeimenden fübbentfchen gegenüber ftellte. Die Berliner Kritik nahm ,oft
genug ben fonverainen Ton an, ber bie allgemeine beutfche Bibliothek cha⸗
ralterifirt. Es ift begreiflich, vaß Preußens Hauptſtadt auch in muſilali⸗
ſchen Dingen die gebietende Stellung zu behaupten wünſchte, welche Frie⸗
drich ihr im politifcher Hinficht gegeben Hatte.
Dennoch wußten fi manche neuen und frembeu Glemente allmählich
Geltung zu verichaffen, und es ift höchſt intereffant zu beobachten, wie
fih das ganze Berliner Muſilleben gegen Ende der Regierung Friedrichs
einem Umſchwunge zuneigt,
Der König felbit zwar blieb feinem Geſchmack unabänberlich treu.
Alle Verfuche, ihn zw der neueren italieniſchen Oper ober aud nur zur
franzöfifchen Operette zu befehren, waren vergebens. Selbſt bie fchönften
Scenen aus Glucks Alcefte, welche ihm einft (freilich in mißlungener Con
zertdarſtellung) vorgeführt wurden, reisten ihn zu heftigen Schimpfmorten.
— — — —
von A. Sara. 2371
& ließ nach wie vor feine alten Lieblinge durch neue Rollen und Ginla-
gen verjüngen und fammte zu biefem Zweck feinem Gapellmeifter wohl bie
gewünfchten Melodien ſelbſt vor. Eeit dem bairiichen Erbfolgefriege warb
er immer fparfamer und mißtrauifcher; feine Theaterlente, befonbers aber
das leichtfinnige Mara'ſche Ehepnar machten ihm viel Verdruß; die allmäh⸗
lich erwachenden Stimmen mißbilligender Kritif ärgerten ihn, fo daß ex
1782 jede Recenfion Über bie italieniſche Oper aufs frengite verbot —
zuletzt befuchte er das Opernhaus gar nicht mehr, Neicharbt fehreibt: „Jeder⸗
mann weiß es, daß die berlinifche italienifche große Oper in ven legten
Jahren der vorigen Regierung zu einer ſolchen Schlechtigleit herabfauf,
daß fie auch von feiner einzigen Seite mehr für den Künftler wahren
Berth Hatte. Der König fah fie gar nicht mehr. Die Eonzerte hörten
ebenfalls auf; der König, der bie Vorberzähne verloren hatte, und dem
die Hände zu zittern anfingen, konnte überhaupt bie Flöte nicht mehr
fielen. — Uber gefegt auch, es wäre beim Alten geblieben: Friedrichs
Geſchmack Hatte fi überlebt! Er fand zulegt faſt ganz iſolirt das bie
Sunftgenoffen früherer Jahre waren meiftens geftorben; die Zeit war
maufhaltfam fortgefchritten und hatte auch feine neuen Umgebnugen mite
genommen. Durch die Gapelle des Prinzen Heinrich waren die Sym⸗
Phonien von Joſeph Haydn in Berlin befannt geworben und riefen eine
bebeutende Gahrung hervor. Noch eingreifender war ber Einfluß, ven
das deutſche Theater je länger je mehr auf ben Geſchmack ver
Berliner ausübte, Der Bürgerſtand nämlich, welcher ber italieniſchen
Oper immer ziemlich fern fand, hatte ſich von jeher mehr zu ven Auf⸗
fhrungen deutſcher Schaufpielertruppen hingezogen gefühlt, welche, fo
eleud auch anfangs ihre Leiftungen waren, durch Leſſings und Ramlers
Bemühungen allmählich eine nicht unbebeutende Höhe erzielten und nach
einigen verfehlten Verſuchen feit 1771 auch Singfpiele gaben. Als nun
die itafienifche Hofoper ihre künftlerifche Bebentung einbüßte, wandte ſich
ud das Publikum der höhern Stände ber gefälligen deutſchen Oper zu,
md diefe gewann balb einen umbilvenden Einfluß anf den Geſchmack.
Nach einer andern Seite hin wurde bie Thätigleit Neicharbts von
Bichtigkeit. Er war 1752 in Königsberg geboren, durch Studien, Reifen
mb die Bekanutſchaft bebeutender Männer fehr vielfeitig angeregt, und
272 Mufitleben am Hofe Friedrich des Großen von A. Saran.
als er 1774 in Friedrichs Dienfte trat, erfüllt mit al? den neuen Meen,
die in der Sturm» und Drangperiobe die Gemüther bewegten. Zwar
wußte er ſich in feinen amtlichen Funktionen dem Gefhmad feines Gebie⸗
ters mit Gewanbheit anzubequemen, trug aber fonft durch feine geiſtvollen
Schriften, durch gefhägte Compofitionen und namentlich durch ein öffent
liches Gonzertinftitut nicht wenig dazu bei, einer neuen Periode ber Kunft
aud in Berlin den Weg zu bahnen.
Schon war ja diefelbe in Wien angebrochen. Schon nannte alle Welt
mit Bewunderung die Namen Glud, Hahdn, Mozart. Die claffifche Zeit
der Muſil war gekommen. Friedrich hatte es nicht geahnt; er Hatte dies
noch weniger geahnt ale bie gleichzeitige Blüthe der deutſchen Poeſie,
bie er, wie Mofes das gelobte Land, wenigftens von fern zu fehen glaubte.
So bebentenb er auf bie Entwidelung ber Tegteren eingewirkt hat — auf
bie exftere hat er keinerlei Einfluß ausgeübt. Und doch wirb ihm in ber
Geſchichte der Mufil allezeit ein Ehrenplag eingeräumt werben müſſen.
Denn er hat durch feine großartigen Anftalten, durch fein perſönliches
Beijpiel, durch feine weitgreifenden Anregungen ven erſten Grund gelegt
für die Hervorragende Bedeutung, weldje bie Hanptftabt unferes Bater-
landes als Hort und Heerd aller ächten Tonkunſt in der Gegenwart ein-
nimmt, Ihm vor Allen ift es zu banfen, wenn in Berlin bis auf bie
neueſte Zeit die unverfälfchte Tradition der Bachſchen Schule bewahrt ge
blieben ift, alſo daß im Jahre 1829 Felix Menvelsfohn in der bortigen
Cing-Alademie das erhabenfte Werk bes größeften Tonmeifters, bie Pal
fions-Mufit von J. Seh. Bach zum erfien Dial wieder aufführen konnte
und damit einen Schag zu heben begann, der nicht allein der Mufik, fen
bern auch ber evangeliſchen Kirche bis in bie fpäteften Zeiten reichen
Segen briigen wird.
Gritihen und Referate,
Alterthumsgeſellſchaft Pruſſia. u
(&al. un, 169.)
27. April. Als neue Mitgliever find beigetreten: die Herren Kaufm. Reich und
Hotelbef. Braune (beide in Infterburg) und Privatdocent Dr. Cohmeyer hier. An
Gefchenten find eingegangen: ein Rußiſcher Pak aus der Zeit der Ruß. Invafion, vom
I. 1762, (duch Hm. Prof. Cholevins) und eine Silbermünze von Georg Wilhelm,
sefunden zu Infterburg auf vem in der Golbapper Straße gelegenen Grunbftüd des
Hm. Kaufm. Daume. Zur Vorzeigung kommen folgende Gegenftände: ein fehr be—
mertensroerther Trend ſcher Becher (deſſen nenauere Beſchreibung zu erwarten fteht),
Magdeburg 1763 im Mai“ datiert; ferner (aus dem Beſihe des Hrn. Prof. von Wittid)
eine Sammlung 19 verſchiedener Porträts von Kant, nebit Entwurf zu einem Grabmal
für Kant, letzterer von J. Koch, fowie cin Porträt Simon Dach's, 1730 nah P. Weſt-
hal von W. P. Kilian in Kupfer geſtochen. Aus Briefen eines nefhägten Mitgliedes
werden Mittheilungen gemacht: fiber ein uraltes Metall-Beden, bei Saalau gefunden,
tim Befige des Hrn. Appell.»Ger.:Ratb Barnheim in Infterburg) und über einen
alterthämlichen zinnernen Humpen, welcher mit der oben genannten Münze an ber ats
gegebenen Fundſtätie unter altem Brandſchutt zu Tage gefördert worden ift (vgl. Altpr.
Mtsſchr. III, 282). Daran fließen fidy noch Mittheilungen, betreffend eine fouft nicht
betanute gedrudte Preußiſche Chronit von Abraham Lebzelter reſp. Abrah.
Hofmann (nah Bolduanus Bibliotheca historica Lips. 1620), Baczto'3 Preußi-
Ihe Bibliothek (an das hiefige Provinzial:Arhiv übergegangen) und die „Metamorphofe”
des Kantiſchen Haufes in ein Kaffeehaus, wobei namentlich ein darauf bezügliches „Trink
lied“ (Breubif:Brandenburgiihe Miszellen 1804. II, 109) vorgelefen wird.
“ 8-n
Wupe. Monetsfärift Bd. ITL Oft. 3. 18
Mittheilungen und Anhang.
Das definitive Mefultat der Volkszählung in Altpreufen
am 3, December 1564.
(Bgl. Zeitschrift des Königl, Preuss, statistisch, Bureaus redig. von Dr. E. Engel,
© Jahrg. V. 1865. No. 11.)
A. Kegierungsbezirk Königsberg.
Rreif
1. Memel
11. Fiſchbau
1, Stadttrei
IV. Landkrei
V. Labiau
vi. Wehlau
VII, Gerdaue
VI. Raſtenbu
1X, Zriedlan
l 113,291] 651 29,808 — 1 43,099]
®) Die den Ramen von 20 Stäbten beigefügten Zahlen (4- 1) bis (+ 10) bezeichnen
die 10 größten, (— 1) biß (— 10) die 10 Heinften Städte.
Das definitive Refultat ver Volksſahlung in Mtyr. am 3. Dechr. 1864. 315
Wamen der
Benölterungs:Babl:
bes
Kreife.
x. Eylau
x1. Heiligenbeil .
XIT, Braunsbeig .
xım.
XIV.
xV. Allenftein
XVI.
xvii.
xviii.
xIX.
w. Er
Ortelsburg .
Neidenburg . N
Dlterode .
Mohrungen . |
. Pr. Holland . N a7.
Städte
18. Br. Eylau
19. Landsberg
20. Kreuzburã
21. Zinten . . .
22. Heiligenbeil
3 Wormditt .
25. Mebliad .
26. Frauenburg ..
27. Heiläberg .
28. Öuttftadt .
29. Bihofeburg . ,
3%. Büichofftein - ©
31. Röfel .
32.Seeburg - . -
33. Alenftein . . .
34. Wartenburg . .
J
35. Willenberg
36. vaſſenheim
37. Ortelsburg
38. Neidenburg
Soldau
40. Ofterode
{ 41. Hobenitein
42. Ciebemübl .
43. Öilgenburg . .
44. Mobrungen . »
2. Caalfeld . .
46. Liebflatt . .
r. Holland . -
48. Vahlhauſen - .
2 [1 St +6) .
. 19.9 aut B
23. Braunsberg(+ 9.) 10,571
4,791
16,856 Ar:
3,575] 1:
48,783]
51,306)
21
151
976 Mittheilungen und Anhang.
Kreiſe.
ilfalen .
. 3 ..
V. Vittalen . . 2 nei 2;
46,054: 39
VI. Stallupönen . | 5.Stallupönen . . 44,356, 46
vl. Gumbinnen . | 6. Gumbinnen(+ 10. 46,552: 579
van. apflerburg «| 7. Snfterburg (+ 8.) 612 54:
1X. Dartehmen . | 8. Darlehmen . 306 29
x. Angerburg . | 9. Angerburg 37,956, 30
Al. Goldap . . 110.Colbap . . - 43,277 39
X, Dlepto. . . |11.Dieho . . . . ‚543 37
xm. ... 3 Men: ... 43,525; 3
xiv. Loben . . | 14. RHEIN...»
A 31,151,
15. Senäburg . -
xv. Senebug. „ie. Sillatten . .
xvi. Jobannisbi Ins SE
. misbur . Bialla (— 6. .
Re. -
39,616
C. Regierungsbezirk Banzig.
u a 5 *
. cbins .. 3 2 rs En
. 3,021) 3] 64200l 406
nn —
48,334 18] 58110 62
m, Stabttrei® . | 5.Donzig (+2) . — — |— | 90,334|12,203
N er 72,22] 14] 73622) "14
AU 2.
V. Stargard . -| 7.Stargard . »
2.8 62,337] 1e| 64,164] 364
. Berent . .
VI. Berent. . | 9:Schöned -
34587] sol 31
vn. Rartbaus. . = - .—- — — 541011 16 54,104] 16
vmi. Reuftabt . ie getan vn
52,429] 16
7 F Rele. | 11 Städte 1104,386]15,021008,434
D. Regierungsbezirk Marienwerder.
1. ... 3,3561
i. Stuhm. | 2
aa boiſ 13] 39,846)
—
5,256] 2
Das definitive Refultat der Vollszäblung in Altpr. am 3. Dechr. 1866. 277
j 1 13,002] 39 47,714| —I 60,716| 89
278 Voittheilungen und Anhang.
Namen der
KAreife | Städte.
as . art. „grone
Xu. Diſch. Krone . a. t. Friedl d:
ih. Arone 268 Bir Bahn lan
Bevdlterungs: Zahl:
BevölterungssBabl:
täptifche Übehen” | Tanotice [anenen
Rönigebern . . 275,485 | 9,992 | 758,626 1osanıı | om
Zumbinnen .. 87,665 2,749 | 639,701 365 727,366 | 3,114
! 156,286 | 13,092 | 348434 | 70 :
Da eide_! 187044 6416 | 598,254 | 165
Handfhriftliche Bunde aus Mönigsberger Bibliotheken.
Gol. II, 658.)
7. Hafıs! Biwan.
Nefielmann in feiner jüngft erſchienenen Weberfegung von Hafis’ Diman
Gal. Monatsfcr. II, 752) erwähnt p. VI unter feinen Hilfsmitteln aud einen auf der
Königl. Bibliothet befindlichen ſchönen Ccder der Lieder jenes Dichters (t 1389), in der
nen „die Perſiſche Lorik den höchften Grad der Formvollendung erreicht hat.“ Auf die
fen ausgezeichneten Goder, „einen Schatz, den wenige Vibliothelen aufweifen Lönnen,“
batte bereits Jo h. Gottfr. Haffe (bekannter Drientalift und Profeſſor zu Königs
berg, + 1806) 1791 in einem öffentlichen Vortrage die Aufmerfamteit hingelenkt (Preus
hifches Ardiw. Hrög. von der Kol. Deutih. Gefellih. 1791. 1, 400);*) andy hatte der:
ſelbe eine „Erktifche Befchreibung” diejes „orientaliſchen Prachtſtüdes“ anderweitig mitgetheilt
Gibliſch⸗ oriental. Auffäge Königsb. 1793 ©. 1 ff, unl. Hartung’s Kritiihe Blätter
1793. IV, 309).
Und in der That ift der in Rede ftehende Coder ein unfchägbares „Kleinod“, dad
*) Schon früher nab eine kurze, aber verkehrte Notiz Lilienthal 1724 im
Grleut. Preußen 1, 757; vgl. auch Bernouilli’3 Reifen durch Brandenburg, Pommern,
Preußen x. 111, 55 f.
Handſchriftliche Funde aus Anigäberger Bihliotheen. 219
durch die wunderbare Pracht feiner Ausſtattung das Yuge bes Beſchauers in hohem
Grade anzieht und ſeſſelt. Schon der Ginband, eine mappenähnlice Bappbede, außen
mit einem ſchwarzen Lad⸗Ueberzuge verfehen, der mit goldenen und farbigen Blumen in
feinfter Zeichnung überreih geihmüdt ift, innen mit braunem, kunſtvoll durchbrochenen
und auf blauem und grünem Grunde auögelegtem Geber überzogen, verräth echt orienias
liſchen Euyus. Der Eoder felbit, auf goldgefprenteltem Bergament-Bapker in Folio Format
mit handbreitem Rande geichrieben und mit allerlei Verzierungen und Miniaturen ver»
ſchwenderiſch auögeftattet, ift von einer Sauberkeit und Splendiditat der Schrift, von
einer Farbenfriſche und Feinbeit der Zeichnung, die nicht genug bewundert werben Tann.
Gleich zu Anfang, vor der erften Ode, findet ſich ein überaus kunſtreiches Kopfftüd auf
duntelblauer Grundlage und mit golvenem, von farbenprädtigen Blumen und Ranten
durchwebtem Auftrage, in deſſen Mitte mit weißen Buchftaben in Arabiſcher Sprache bie
orte zu leſen find: „@ott fei dem Hafis anädig.“ Mit ähnlichen, nur kleineren Kopf⸗
ftäden find aud alle übrigen Oben geziert; jedes berfelben trägt mit golbenen Berfilchen
TZalits· Duchſtaben eine Infrift, wie: „Bott hat ihm (Hafıs) feine Günden vergeben“,
„Bott hat feine Schuld bevedt” u. ſ. w, alfo ein Stoßgebet. Veſonders prächtig durch
ihre herrlichen Farben und faubere Ausführung find ein paar Gemälde, die an zwei
verſchiedenen Stellen in den Xert gezeichnet find. Am Ende des Coder feht auf golde ⸗
nem Grunde eine Arabiſche Schlußfhrift des Inhalts: die Vollendung der Abſchriſt bie‘
ſes Diwans fei geſchehen in ben Ichten Tagen des erften Tſchumada Cd. I. bed fünften
Monats, oder unferes Februars) im Jahre 891 der Flucht des Propheten ed. b. im J.
Chr. 1486).
Zwei Einlagen endlich dürfen nicht unerwähnt bleiben. Die eine ift ein Bildchen
des Sultan Osmanz bie andere, ein langer Streifen Pergament: Papier, enthält,
wie es ſcheint, das ®ebet eines mohammedaniſchen Pilgers nebft einer Perſiſch en
Erklärung einiger Arabien Worte, .
Der Coder, feiner Koftbarteit wegen bei der von Herzog Albredyt herrührenden ſog
„Süberbibliothel* (ogL. über diefelbe Bod in feinem Leben des Herz. Albrecht 6.608 f},)
aufbewahrt, gelangte nach einer wahrſcheinlichen Vermuthung mit noch zwei anderen
Arabiſchen Codices, bei der Croberung von Ofen durch Deutſche Truppen (1683), in
die Hände des Preußiſchen Feldyredigers Johannes Brislorn und von biefem
als Geſchenk an die Kdnigsberger Bibliothel.
8. Ein neu entderktes SachſenſpiegelFragment.
Unter den Manufcripten der Gotthold ſchen Bibliothel fand Ref. ein als Umſchlag
vermenbetes Membranblatt aus dem britten Bude des Gadfenipiegel-Lands
rechts. Dafielbe ftammt der Schrift nad aus dem XIV. Jahrh., iſt in Heinem Folio⸗
Format, boppelipaltig, die Spalte zu 29 Zeilen geichrieben und bietet einen oberſachfiſchen
Zert der vier Artilel 63, 64, 66 und 67 (vom lip 68 $.3 bis angewinnet 67) im Bers
glei) zu Homeyer's Ausgabe. — Die Merkmale zus Gaffificierung dieſes Teries,
280 Wittpeilungen und Anhang.
ſoweit fie Mar erfichtlich find, reihen nicht aus, ihn einer beftimmten Homeyer'ſchen Zert:
claſſe mit Sicherheit zuzuweiſen: 1) der Zert entbehrt der Gloſſe, 2) er bat bereits
die vollere, über bie urfprüngfiche Form des Sſp. hinausgehende Geftalt, wie fih
aus dem Vorhandenſein der Hauptftelle Verliet .. . dorve 64 $. 5 ergiebt. Db das
veitte beftimmende Moment ver Büchereintheilumg nnferem Zerte eigen mar
oder micht, iſt nicht zu entſcheiden. Dürfte man aber aus dem Fehlen der Buchzahl am
Rande des Blattes auf mangelnde Büchereintheilung fchließen, fo würde das Fragment
der I. Glaffe, und zwar der 2ten Ordnung zuzurechnen fein (Homeyer Genealogie
p. 8 fi, in den Abhandl. d. Berliner Alad. v. 3. 1859). Hinſichtlich der Vollzad
Tigteit. zeigt unfer Tert zwei Lüden: es fehlen 64 88.6, 7 und in Uebereinftimmung
mit den Terten Bgqu (Homeher L. e. ©. 108) der ganze art, 65. Die Capitel
theilung erſcheint völlig fingulär und ift in ber Ho meyer’fden Synopfe (p. 188 fi.)
nirgends wadweißbar; bie einzelnen Abſchnitte (12 an der Zahl), mit Rubriken verichen,
aber ohne Numerierung, ftellen fi zur Bulgata in folgender Weile: &) unvollftändig
68 8.3; b) 64 88.1 & 2; 0)64 8. 3; d) 64 88. 4 & 5 biß gelegen is; e) 64 8. 6
Verliet.(8$. 6, 7 fehlen); f...i) 64 88 8... 11 (65 fehl); k) 66 88. 1...8; 1 66
8. 4; m) unvollftändig 67. An Lesarten gewährt das Fragment feine nennend:
werthe Ausbeute. Rathſelhaft ift die Zahl xx vwiii, melde der Vorderſeite des Blattes
cum oberen Rande mit rother Farbe übergeihrieben ift; wollte man fie als Blattzabl
deuten, fo würde nach Maßgabe des Raumes auf den vorhergehenden 27 Blättern nicht
wiel über 25 von dem wirklichen Inhalt des Sſp. haben Plag finden können; vier
fol die Zahl die Lage bezeichnen.
HR nach dem Gefagten dem gemachten unbe ein bedeutender wiſſenſchaftlicher werh
nicht beizumeffen, fo bleibt er doch von Wichtigleit als Denkmal einer untergegangenen
Sachſenſpiegel: Handſchrijt und zugleich als neuer Beleg für die Verbreitung jenes mittel:
altetlichen Rechtebuchs in unferer Provinz (vgl. Monatsſchr. II, 604 ff.). Zumal für
unfere Bibliothek iR das Brudftüd ein um fo werthvollerer Beſih, ald dieſelbe din
Sachſenſpiegel Handfehriftlic bisher nicht aufzumeilen gehabt hat.
Alterthumsfunde, *)
Gol. II, 765.)
20) Im der Sitzung des Copernicus-Vereins am 16. October v. J. referierte Herr
Dr. Browe über eine heidnifhe Grabftätte auf dem Gute Kiejemo bei
Gniewkowo. Die an's Tageslicht geförderten Urnen waren fehr roh gearbeitet, ohne
Ornamente, nicht einmal gebrannt, fondern an der Luft getrodnet. In denfelben fand
ſich nichts als Knochen und Erde vor. In der Nähe der Urnen entvedte man auch ben
*) Die in den Sitzungsberichten der Pruffia ertähnten Alterthumsfunde werden
bier nicht befonders verzeichnet, weshalb auf jene ein für allemal verwieſen fein mag.
Alterthumofunde. 281
aus Steinen hergeſtellten Heer d, auf welchem — das bekundeten wie dort gefundenen
Ueberrefte — die Leihen verbrannt worden waren. [Ihorner Wochenblatt 1865. Ne. 164.)
21) In der Sikung defielben Vereins am 11. December überreichte Hr. Kaufmann
Adolph zwei Geſchenle für das ftädtifche Mufeum: ein zu Wengorzin gefundenes
ſchönes Beil aus Feuerftein und einen zu Bapan gefundenen Meiſſel, ebenfalls
aus Feuerftein. — Hr. Böthke ftattere Bericht ab über eine heidniſche Grab:
fätte in Orzymna bei Gulmfee. Man fand in derfelben mehrere Urnen, von wel⸗
chen eine für das ftädt. Mufeum zugeſchidt worden it, und Geräthicaften aus Bronce
und Gifen, welde zur Befeitigung von Kleidungsitüden und zu anderen Zwecen dienten.
Thorner Wocyenblatt 1865 No. 196.]
22) „Römifche Kaifermänzen aus Grüneifen.” [Altpr. Monatsſchr. II, 86.)
23) „Aus den Acceſſionen der Alterthumsgeſellſchaft Pruſſia.“ IMtsſchr. II1, 180.)
24) Dem ftäptifben Mufeum zu Danzig find ald Geſchenke übermadt worden:
ein aus früherer Zeit Danzigs ftammendes Eremplar der jteinernen Dradenköpfe, melde
unter dem Namen Wafferipeier befannt find; für die Abtheilung der vaterftäti-
ſchen Alterthümer mehrere ca. 200 Jahre alte Bofaunen, desgleichen zwei alter:
thimlide Treppenpfoften und Trallien mit Schnipereien, ſowie für die kunſt-
newerbliche Abtheilung einige alte Eiſenbleche mit aus freier Hand getriebenen
Basrelief3. Ferner find der Abtheilung für heidnifhe Alterthumer der Brovinz
eine Fibula und andere.Gegenitände, ald ein Spindellnopf, Berlenn. f. mw.
überwwiefen werden. [Meit-Preußiihe Zeitung 1866 No. 81 u. 86.]
235) „Der Ringwall in Jablonomo.” [Neue Preuß. Prov.-Blätter 3. F.
1866 XI, 113 mit einer Zeihnung.) Val. Alterthumsfunde No. 9 (II, 755).
26) „Eine alte Steinplatte” (in dem Garten des bei Ragnit gelegenen Kal.
RemontesDepot:Gutes Neuhof). [Meue Preub. Prov.Blätt. 1. c. S. 118 mit drei
Figuren Abbildungen.) “
27) „Ein Münzfund“ (angeblih bei Marienburg). Il. c. ©. 120.) Bol.
Alterthumsfunde No. 4 (11, 377)7
28) Cin Denkmal aus alter Zeit befigt die Kirche Alt:Chriftburg in ihrer
Taufihäüffel. Gie ift von Meffing mit einem breiten, geſchmiedeten Rande, während
ter Boten mit feinem Basrelief gegofjen und fehr maſſiv ift. Hier ſieht man die Ver—
tündigung Mariä dargeftellt. Rings um das Bild her, noch auf dem Boden, iit eine
sierlihe Blumenguirlande, in welcher Buchftaben (fünfmal Ave Maria!) eingeflohten
find. Es find Minusfeln, aber nod nicht aus der Zeit ihres allgemeineh Gebrauchs —
um die Mitte des 14. Jahrh. — fondern aus ber Zeit des Uebergangs von der Majus:
telihrift zur Minuskelſchrift. Es ſtammt mithin die Schüffel aus den eriten Jahrzehn⸗
ten des 14. Jahrhunderts. [Weif’ Evangel. Gemeindeblatt 1866. No. 16.)
39) Alterthumsfund zu Infterburg. [Altpr. Misſchr. In, 282.)
B Sn.
282 Mittheilungen und Anhang.
Alterthumsfund zu Infterburg.
%. April 1866. Am heutigen Tage wurbe auf dem dem Kaufmann Hrn. Daume
gehörigen Grundftüd in der Goldapper Strafe, mofelbft ein altes Haus abgebrochen und
das Fundament zu einem neuen ausgehoben wird, in einer Tiefe von ca. 6 Fuß unter
altem Brandſchutt ein fehr intereffanter Fund zu Tage gefördert: ein Humpen mit Alapp-
dedel von Zinn, ec. 1 Fuß hoch und 4 Zoll Durchmeſſer, etwa 1?/z Ouart fafiend. Die
äußeren Wände de3 Humpens find über und über mit feinen Arabesten und Vlumen
verziert; auf der Vorberfeite find zwei fehr fein gravirte Figuren, etwa 4- 5 Boll hoch,
darftellend eine Edeldame in der Tracht der Maria Stuart, auf dem Kopf ein Barret
mit Reiherfedern; und baneben einen Edelmann in polniſcher Rationaltracht, den polni:
fen Krummfäbel an ber Seite. Cine Jahreszahl ift nicht vorhanden. Ueber den Fir
guren fteht cin jedenfalls fpäter eingravirter Name: Hans Reckerling, wahrſcheinlich
Imfterburger Bürger; denn auf der Wetierfahne des abgebrochenen Hauſes ftehen bie
Anfangsbuchftaben: G. R. 1690. Der Humpen trägt übrigens, obgleich er, zwar etwas
verbogen, doc fonft fehr gut conſervirt ift, die Spuren des Feuer? an feinem obern
Rande. Es iſt Ausſicht vorhanden, daß der Befiger deſſelben, Hr. Daume, ihn der Alter-
thumsgefellibaft Pruſſia überlafien wird. — Gleichzeitig mit dem Humpen wurde noch
ein fog. Tompf (Aıhtzehner) aus der Zeit des Kurfürften Georg Wilhelm (1619— 1640)
ohne Jahrszahl nefunden. Das geharniſchte Bruftbild nach rechts gewandt mit ver
Krone auf dem Haupte, in kurzen Haaren, mit Spigbart, krauſem Kragen und umgehan-
‚gener Feldbinde, den Scepter in der rechten Hand und das unterwärts gelehrte Schwert
in der inten haltend, umgiebt die Umfcrift: GEORG: WILHELM: V:on G:ottes
G:naden M:arkgraf Z:u BRAN:denburg. Reverd: Dies H:eiligen R:ömischen
R:eichs ERT:z C:ämmerer V:nd CHVRF:ürst I:n P:reussen Z:a G:ülich C:leve
B:erg H:ersog. Zu beiden Seiten des preußiſch⸗brandenburgiſchen Wappens won vier
Feldern je ein Z. — Der Humpen fowol wie das Gelbftäd, welches jegt der Mänzfamm:
lung der Pruſſia angehört (vgl. oben S. 273) find jedenfalls bei dem großen Brande
am 24. Juli 1690, durch welden die ganze Stadt bis auf die Kirche, das Rathhaus
und 24 Häufer eingeäjcbert wurde, verſchuttet und fo der Nachwelt erhalten worden.
wt.
Univerſitäts · Chronik 1866.
N. April. Philol. Doctor-Diſſ. von K. Arth. Ludwich (aus Lych: Quaestionis de
hexametris poetarum Graecorum spondiacis capita duo. Halis. (32 ©. 8.)
Nach dem Etat des Minifteriums der geiftl, Unterrichts» und Medicinal- Angelegenheiten
für 1866 (vgl. Staatd-Unzeiger No. 101.) bezieht die Univerfität zu 8
nigsberg aus Staatsfonds 100,789 Thlr. und an eigenen Ginnahmen 5138 Thlr.
Sie verausgabt hiervon 8958 Xhle. für die alademiſche Disziplin und Bervaltung,
Lyceum Hofianum in Braundberg. — Bibliographie 1864. . 283
41,721 Thlr. zu Befoldungen der Profefioren und Lehrer, nämlich 5787 Thlr. für die
evang.theol., 5794 Thlr. für die jurift., 8200 Thlr. für die medic. und 21,540 Thlr.
für die philof. Fakultät, ſowie 400 Thlr. für Leltoren zc., ferner 38,027 Tple. für 26 ver:
ſchiedene Inftitute und Sammlungen, und 17,221 Thlr. für fonftige Bedurfniſſe —
Lyceum Hosianum in Braunsberg 1866.
Index lectionum ... per aestatem a die IX April... instituendarum (h. t. Rector:
Dr. Andr. Menzel, P. P. O.) Brunsbergae, typis Heyneanis, (18 ©. 4.) [Prae-
eedit Dr. Andr. Thiel de decretali Gelasii Papae de recipiendis et non recipien-
dis libris et Damasi concilio Romano de explanatione fidei et canone scripturas
sacrae Articulas III. S. 3—14.]
Das Lyceum Hofianum in Braumsberg bezicht aus Staatsfonds einen Bus
ſchuß von 2140 Thlr. &
Bibliographie 1864.
EGchluß.)
eamng Bo Rob. A „Getirg un und Thal. Novellen. Berlin, Lüverüg’ Verlag. (III u.
ra and Senfefer, Rovelln. Ch, 865. (864) (HT u. 384. 8) 1a Zr
ftern, bie Göttin Oftara und tie Oftereier. [Correipondenzblatt d. Gelammt:
vereing b. otih, Oel ‚gel Bel: u. Alterthövereine. No. 5. 6. — Aus dem Magazin f. d. Bit.
Säwerin, Agnes Gräfin, Theuer ertauft. Crzäblung in Briefen. Be Fünfhaufen.
(um u. 170 €. gr. ig /a Thle. in engl. Einb. m. Goldfhn.
Senftleben, Dr. Hugo, © abnungen Liebig’3 zur Vernerthung Ya Aioateninhalts
vom nationalölonom., —— u. fantetspolheiih, Standpuntte betrachtet.
Beriat, amtlicher, üb. b. mml. diſch. Sands u. Forftwirthe zu Raabe.
dv. D. Hausburg. ©. 2621
— — — unferer Arbeiter mit ſtaatl. Unterftügung reſp. Reformen in
unten Arbeitenverbaltif iſen ahrbüder Kante, aus Oftpr. ©.430-—436.]
Serregatt, S. ya ee tt. Akademie Proztau. Berl. BWiegandt & Hempel.
u er) Aa &
Simon, Prof. a eb, die Vraneplstik mit hesond. Berücksichtigung der Mittel
zur Wiederherstellung e. reinen [nicht näselnden] Sprache. [Aus d, Greifswal-
ler liein,
8) 9
Simfon, Dr. B. Co. in —F Ueb. die Annales Sithienses. lForſchungen zur Deutſch.
. Bo. IV. 3, ft, Götting, ©. 575—586.]
ie Prof. Dı 'gsbg., Bericht üb. d. Leistungen in der Gebartshälfe 1863.
[Canstatt's —S üb, d. Fortschr. d. gesammt, Medie.... . 1868.
IV. Ba. (N. F. 18, Jahrg. IV. Bd) Würsburg. ©. 869—428.]
Spirgatis, Prof. Dr. ‚in Keabg., Ueber das Turpeikbare. (Aus d. Gel, Ann. d. K.
bayer. Acad. d. W. 1864.)- [Journal f. prakt, Chemie. 92. Bd. Hft.2. 6. 97-108.
Stadie, Pred. Bernb., Gef der Stadt Stargard, aus vielen, bish. ee archival
Quellen, u. älteren m fowie aus arößern Geſchichtswerlen ımmelt und
bearh. Bei ein Beitrag 3. Geld. des Streied. Pr. Stargard. Kienig. (192€.
gr.
v. Staegmann, W. A., Die Theorie des Bewußtfeynd im Weſen. Berlin. Herb.
(XIV u. 703 ©. gr. 8) 3 Thlr.
eiträgen abgedr.] Mit 3 lith. Taf. Danzig. Ziemssen. (82 ©.
284 Mittheilungen und Anhang.
Steonke, Statiſtiſche Nachrichten über den Verkehr auf dem oberfämbifchen Kanal in den
vier Jahren 1861—1864. (Morungen. W. E, Harid.) (2 BL. gr. 4.)
Steffenhagen, Dr. E. Noch einige Nacträge und Notizen zu Some, die, beutfchen
Rechtsbucher des Mineaters u. ihre Handſchriſten. |Beitiähr. f. Rechts, Han.
vd. Dr. Auborff. IV. Bo. 1. Hft. ©. 178—185.
— — Siteräraeldichtlihe und „aratebilterife Mittheilungen aus Königsberger Hand:
Ihriften. |Cbv. €. 186—204.]
Stein, Dr. Heinr., Oberlehr. in Konitz, Ueb, das Eisengeld der Spartaner. [N. Jabr-
bücher f. Philol, u. Paed. &9. Bd. ©. 332-338.
Steinwender (aus Siebwalde bei Chriſtbura) Die Wahrheit wird euch frei maden.
(Ich, 8,32.) (Elbing, Agath. Wernich j (12 ©. 8.) gratis.
Stern, D., "Das Leben. Ein Auffag mit dem echte Beweiſe der Einheit von
Geiſt uno Sn im Dinge. Cine Umarbeitung des urfprüngl. Aufſatzes. (Dieler
Lihe fließt fi dem Auffage_„der Menſch und die Erde“ genau an.) Koebo.
Selbit:Berl. (92 S. ar. 8. ın. 1 Figurentaf.)
Stobbe, O., Geschichte d, deutsch. Rechtsquellen. 2. Abth. a. u. d. T.: Gesch, d. deutsch.
Rechts in 6 Bden. Bearbeitet von G. Beseler, H, Hülschner, J. W. Plauck,
Aem. L. Richter u. O. Stobbe. I. Bdes 2. Abth. Braunschweig. C. A. Schwetschke
u. Sohn. (M. Brahn,) (XII u. 516 ©. gr. 8) 2 Thlr. 16 Egr. 1. Ba. complt.
5 Thlr. 16 Sar.
Strehlke, Direct, u. Prof, Dr. rn Danzig, Ueber die n!en Näherungswerthe der perio-
dischen Kettenbrüche udl |
Ar... "+74 1
[Archiv der Mathem. u. Phys, Hrsg. v. Grunert. 42, Thl. 3, Hi . 343. 344.]
Theilung, dic, Bolens in den J. 173, 1793, 1796 u, 1815 nebit e. Drrafienänf, ber
Könige von Polen und der Wiener Congreb im I 1815. Bon $.v. Berlin.
Atadem. Bchbol. (XXVI u. 294 ©. ar. 8) 1 Thlr.
Zieß, — Aus vergangenen Tagen. 1. Die heiden legten Zoöpfe. (Wajor Baron
rofte u. Hptm. v. Lietzen in Kosbg.) [Der Vollsgarten Ro. 16.) 2. Der graue
Mann, (Pafewald od. Paſewalt in Knsbg.) iEbd, 22.] 3. Diplorb Ih. (David
gar John, Sohn des Kammerferret, John.) [Ebd. 32,] 4. Der Onfel Hinderfin.
( er in Billtalen.) [Ch
— — Dönifhe Kanonen im — zu Berlin. Ebd. 841
—— 3 zwei Liedern, Schwank in 1 Alt, nach d. San Beat s, L. W.
Bübnen:Repertoir d. Auslgndes. No. 235. Berlin. a 176 8]
— — Nur N ängftlih! Voſſe in 4 Anfzügen. lJabrbch. deuticer Bühnenfpiele.
t De F. W. Gubih. 44. Jahrg. f. 1865. Berlin, 865. (864.) Vereinsbchh. gr. 12.]
v. der Trend.
Berthold, G. Leben und Aventeuer des Freiherr Friedrich ” d. Sat Hiftor.
Noman, "Dit color. Bild. Dresden, Dreyer. (126 ©. 4.) 24
Veberweg, Dr. Friedr., Grundriss der Geschichte der Philosophie von Tan bis auf
die Gegenwart, 11. Theil: die christliche Zeit, 1.Abth. a. u. d. T.: Grundriss
der Gesch, der Philos, der patristisch. Zeit, Berlin, Mittler & Sohn, wu
101 ©. gr. 8.) 213 Thlr.— . .. 2, Abth. a, u. d, T.: Grundriss der Gesehichte
der 1 bite, der scholastischen Zeit. Ebd, (VI u. 112 ©.) 25 Xhlr. 1-1, 2:
2 Ihlr. 16 Sr.
— — Die Schidlalsidee in göilers Dihtung u. Reflerion. Ptroteſt. Monatsblätt.
v. 9. Gele. 23. Bo. 3. Hft.]
ae Parmenides. [Neue Jabrb, f, Philol. u, Päed, 89. Bd, 2, Hi,
Berbenölungen des 17. Provingial Landtages der Provinz Preußen im J. 1864. v.
Scultzſche Hofbuchdr.
Verordnung, die neue, ber die Eintheilung der Stadt Kgsbe. in 2 Reinisungsbejirte
nebit den noch geltenden Beftimmungen der Straßen-Orbnung vom 20. März 1835
u. den darauf bezüglichen bis auf die neueſte Zeit erlafienen Polizei» Berorbnungen.
grlammen, eftellt auf Grund amtl. Bekanntmachungen des PolizeisPräfid, Kyöbg.
Rautenberg. (63 ©. 8.) 4 Sar.
Bibliographie 1864. . . 286
Verwahrung gegen einen ftäbtiich. Kreisſchulinſpektor in Elbing. Separat- Abdr. aus
d. „Jeuen Elb. Anzeiger.”] Elbing. C. nenteihner. (47 ©. 8.) 3 Sar.
Biol, ‚Aler. Rz Neringia oder Geſch. der Danziger Nerung. Mit Ei Illuſtr. u.
1 dith.) Specialtarte der Nerung in Fol. Danzii Fra Drud v. Kaſe
mann. (6 DL. u. 200 ©. ar. 8. Dit e. beſond. h J
Bolköbücher, Preußiſche. No.
berg. 12. KSmpaltz Et Du: jelbmar|
hate nenn Sad zubertäf Bert
® ware Sen aus der ‚Sramofeng it u.
*. 38, Friedt. d. Or. u. taı jen m. b.
—F Eh, a a En
En "uf. Sagact. (is ©) 6er 36.
Yang im he Zu. 44. — jovelle v. Maria v. Rostomi
Grdblangähren, 80. 2) — 36. Gin Baterpery, ober: DR a. Müller. Original-
Frau. Altweg. Inn 6 Ser]
Borilige au Sipänterungen der neu, tedigieten Abfhäbungs:Örundfäge der Ama.
Landſchaft. Behufs Einführung einer neuen Form der Tare. Rgöbg. Gebr. b.
Ab. Rosbah. (64 ©. gr. 4.)
Waldeyer, Dr. Amsistent des physiolog. Instituts zu Kgsbg. i. Pr., Anatomische
u. physiolog; Untersuchungen üb. die Lympliherzen der Frösche, (m. 1 Taf.)
(Zeitschr. f, rationelle Medic, 3, Reihe XX1. Bd, ©. 103—124.]
Wanderfeſt, das viert‘, des Hauptvereins Weftpreuß. Landwirthe zu Danzig in den
Tagen dv. 24. bis 27. Aug. 1504. Dit 1 Grundplan des Schaufeldes.) Danzig.
Drud v. Rafemann. (36 ©. 9
Baperungen, 8 Jeſu mit — Sans Ein Eyklus chriſtl. Voltslegenden, Memel.
4 Bi. u. 95 ©. 16) 121 Sur.
de conditione Italiae inferioris iegorio Septimo Pontifice. Diss,
it. Kgsbg, (Schubert & Seidel gr. 8.) Yz Thlx.
Bit, rl Dr. B., Die Rebeitüde des a) —R Datäus, VYñt befond. Verädi.
von „Dr. Selkmann, die fonoptiichen Doangelien, dr | ‚Urfprun u. geſchichti.
Charatte: Dal ng . die ger 9. 2. 1. Hft, —140.
Weiß, Eonfift.- ar Dr. ©. B. Dr. Dart. Luther's einer NEN nebft
turzer Auslegung. 20. Aufl. Fe "Hartung. 21. Aufl. Ebd. (52
-- — Auslegung, | ober ne Meltionalel te nad) Dr. art. — eh, Ka⸗
tebismus. 4. Ausg. (8. Aufl.) Ebd. (160 €. 8.)
Werther, Prof. G., Quantitative Bestimmung des Thaltume. [Zeitschrift f. analyt,
Chemie. 3, Jahrg. . 1. At. ©. 1-4]
- — "Jourasl f. prakt, Chemie hrag. v. O. L. Erdmann u. Gust. Werther.
31. Jahrg. od, Bd. 91—93. 24 Hefte. Leipz., Barth. gr. 8, 8 Ihlr.
Wiedemann, Dr. Th. (in Kgsbg.), Appian üb. d. catilinarische Verschwörung. [Philo-
Iogus. 21. Bd. 3. HR. ©. 473—480.]
—— Meber F Quelle von Tacitus Germania. lForſchungen z. deutſch. Geſchichte.
4. ®b. 1. Hft. ©. 171- 184.
Binfomm, Die Snfettenperheer ungen in Oftpreußen u. die durch diefelbe a
eftaltung der ojtpreuß. Forften u. ihrer Demirtbicaftung, [i —
Fr% Atad. f. Forft: u. Landwirte zu Tharand. 16 Bo.
". Wittieh, Prof, Dr. u. Dr. Golts, Bericht ib, d. Leistungen in 8 rel, Anato-
mie. [Canstatts Jahresber. üb. d, Fortschritte d. ges. Med. im J. 1863. 1. Bd,
(N. F. 13 Jahrg.) ©. 108—116.]
itze, Die ländlichen, Schlösser u, Residenzen der ritterschaftl, Grundbesitzer
in der preuss, ie Arzg. v. En Danker. Provinz m Bi Lfg.
Berlin. A. Dunker. (3 Chromolith. und gr. Fol.) 18/12 Thlr.
Bokmungs-Aineiger, Allgem, von Danzig und. dei en Bochünfn 1864. . von
Jahrg. Danzig. tunier Mer Comm. @ Bl, 88 s Ho ©
or. 8.) 1a Thle.
-- pro 1864165 nebft Rang. u v. 0. BE, Eyfl. 15. Jahrg. Ebd. (2 Bl,
128 u. 110 ©. or. 8.) 1 alle
-- ‚Stbinger Kir. er für 1864. &* Ye ch, 3 3, Ypnmar 1806 vervollftänd. v. C. Meißner.
Bolfs, Yu a Sarnen u und "nachgelaffene Schriften. Dresden. Runge, (VII u.
%0 ©. ar, 8) 1 le.
RR Saga}
25—42: Zugabe.
wein 8.
286 Mittheilungen und Anhang.
, Dr. Otto, Garnifon a. Stötpfarr. in Billau, Mittheilungen üb. das fociale
u; kirchliche geben in ver Bent an Berlin. Herb. Av u 444 €. 8)
2
Zoiör, Piefni kofcielaych, dia näytku saköl polsko-katolickich elementarnych. Toroc.
Siegler Mar ci, "ey Eoangelien zuf ſtelte pe
farrer in sehlau, ie ai en vier ingelien zulammenge} te heil
— Honegefhihte „8. verh. Aufl. Mehl Brad o. D Mrlate (se ie)
(- —— Gottesdienſt am heiligen Abende des Weihnachtsfeſtes. Ebd.
— Er Weihnachtswunſch. Ebd. (2 Bl. gr. 8.) & !
Periodiſche Literatur (1866). \
„Bälehtse rssingiatbtätter, re, —h. Delöner.” N. 3. 5. Jahrg. !
(pril. (€. 129—272.): Boehm, Schlel. nach ft. Bebeutg. f._ Preuß. in A 4
—— veneba. Ir. Spgitonett,, Nacır. dv. d. ehemal. Franzistarerlloiter 3.
Band, in } Raum. d. 29. Apr. 1816 d. jeg. Gymnaf. eröffn. wurde. C. Krone,
jründg. d. Steindruderei in Schlel. (dort. u. Sal.) Chi,
Ss ft den "nei, 'andgemeind. Schleſ, u. wäre do unfämer u "u ar. Segen
vn uftell.? 3. Cändl. a a Frig Herring, d. vaus zu den
Igen. Griminal-Geid. aus Neil —ER Säleier im Auslande: Feldmarſch⸗
Hin: jeiäberg. Baron Garl v. d. Deden. M. K., ‘oh. Gottl. Fichte in Edle.
Exlel.\ waftellan. im 3.1866. Schleſ. Briefe. (Fortf.) — 7, Zur Feier d. 5Ojähr.
Veſteh. ver Kgl. Rep. 3. Oppeln. 3. Neugebauer, Geich. d. Breslau. biärgerl.
Scehuläge. &. Sojäbr. Suhl, bend. Echehfefte ber Seen u: Gemerte. 8,
ZJubelfette d. Vürgerberges 3. Goldberg. Dr. Bad, Fedde, Rövdelius, % ich
üb. d. V. Vſamml, v. Turnlehr., Turnwarten u. Bertret, d. I. diſch. Turntreifes. —
Lit» u. Kunftblatt. — Chronit u. Statiſtit. — Brieftaften.
Schriften der Kgl. physikalisch-ökonomisch. Gesellschaft su Königsberg. 6. Jahrg. 1865.
2. Abth. Kgsbg. 1865. In Comm. bei W. Koch. (6. 77—215. 31—48. 23 ©.
Beil. u. Taf. IV. V.): Beiträge zur Flora des Königreichs Polen. Von C. Bänitz
in Bromberg. 77-103. Beobachtungen üb, die Arten der Blatt- u, Holrwespen
won C.G.A. lirischke u. Prof.Dr. Zaddach. (II. Abhälg.) (Hiezu Taf. IV.)
104-202. Marine-Dilı Westpreussen. Von Dr. 5, Berendt. (Hiezu
3 d. Bernstein-Sammlung der Gesellschaft. Von
= — Sitzungsberichte pro Oct,-Decbr. 1865. 31—36.
Bericht £. 1865 üb. d. Bibliothek d, Kgl. phys,-ökonom, Gesellsch. v. Prof. Dr.
Rob, Caspary. 37—48. Anhang: Bericht üb, d. geognoftiic. Unterfucgungen 1 »
ie. deile dem hob. Zandtage ber Prov. Preußen überreicht von d. Kyl. phnl.-
ton. Gefelfh zu Spöbg. 1-5. Deilaye A. Berlkt an d.stal.pboföfon. Beielld. |
ungen, . die geognoſtiſch. Kartenaufnahmen d. J. 1865 innerh. d. Prov. Preußen
erend. 6-12. Beil. B. Kit, von of. —E——— 13—19. (E⸗
Mir b —— ) 20. m. I Eu Abbild. Beil C. icht üb. d. Sammlungen d.
phnfeston. Seel iſch. v. Dr. A. Henſche. 1-8.
Die jende von 1829 gegenüb. dem liturg. Bildasſtandpkt. u. Bedurfn. d. Gaw.
Sie Berkei, ve Danmmiles in 3 Beov. . Bom Rol. Br. wirkt. Sorftmeift
ammwil om t. #
I * innen | —— Aug. 1864. Forſtl. Blatt. brög. » ET Grunert. 12. Hit.
& Ueb, Unntaasille 2 an d. Preuß. Offee:Küfte 1065 nad amtl. Ermittign. l Weſtpr.
—— et Ks Amts. 16 Von ü 2.»
_e, ienbilder ar ehrung. (m. eichnan. v. jenner.
ne ®
Beriobifche Literatur (1868). 287
ben Kr Neben: u. Ausflüfien in d. kuriſche und friſche Haff. lagsba.
Veſtrebu⸗ "es ei al-:Zurnverbandes. [D.
8 "en — — —* — Fer. Bn waren im ee —E Streit:
anhäng! Weftpr.
Die oüı Bänfbenäwertbe Ci ultivirung der Rohrnupg. (im Dany. ne Bez.) betreif. [Danz.
2 — Sntmäffrung %. Day. Beust, Be Btg. 3601
Strohbädher in d. Städten des N4.B,. — Amtöbl. 13.
EG Notizen über den telegtaph. Bertehr im 3. 1865 im Marienwerd. AegBez.
[Marienw. Amtöbl. 14.]
Alösbarkeit 34 in 2 —55 . Werdern unt. d. Bezeichnung Salende u. Bi-
MH [Btfcr. f.d. Sandestulturs@elepgebg. d. Preub. Staat.
—3 a
Fr jur — Kreiſes. (Weſtyt. Itg. 75.
enbern in Denkmal m aus it (e. Zanffhüfiel aus d. erft. Jahrzehnden tes
14. ehrt. in d. Kirche zu al Zei briktburg, a REN eh
Vie Etadt a 8 in Narr. u. ihre —X kezügl. ihr. Verkehrämittel. [Kgöbg.
6. il
3. Ein mic Mn, Gedentiay ir Vemig (ver 28. März 1788 als es an Preußen kam.)
Beftpr.
dur —A u Stadt De [Danz. Amtsbl. 11.12. opl. Weftpr.
Big: 7, na Bi Bahl —R — Bitorb. in all. ftatilt. — viel zu
body angegeb. wirt
gut uf d, Getzeibehdt. Damigs im jahre. [Danz. Dampfb. 16.
23 pi iin. Bi Bild —— vs a u m ya = Buſſe.
It. Zig
ala an Di .) [Ebb. 81. 85. 86.]
Bear Betr (&. zu Danzig; orb. Gibg. 7. März. Br 3. Beriht über Dr.
berg's Bortr. üb. einige Vollötranth. a MÜlt. nah Heder u. Hirf u.
i. Anftellg. v. Grundmwafler:Beobadhtg. in Danzig. — ord. Berlamnl. 21. März.
Dr. Abegg bericht. unt. Vorzeigung einig. Präparate u. verſchied, Abbilog., Belond,
Pr jener Physiol. v. A. Eder u üb. d. Etand d. Atniß der Entroidl [98
namentl. d. Säugetb. u. — 18 El
: . Vereins Meitm 4 fuer (ECommerz:R.
ı snelderlmn Dany. Ber:
Biſchoff als Bari ern. Seit ". % et eins — ſ. 1jähr.
ehens: 25 Sibge en: Qabredeinnahmen. 5517 Cr. 18 Sgr. 4 Pf. darunter:
—— ist, Weberigub. 2080 &hle. 10.A Ben —* —
t. el uf r. igefteuert auf
Danz. nur d. Kreile Marienm., rast Marienb., Stargardt u. Neuftabt u. die
Etädte Graudenz, Thorn, u. Elbin, elbft ſich ein "befond. Localverein conftit. hat.
Durch Corvettencapt. Werner —ã faınmelte u. überwied bie Redact. d. Ziſchr.
„Daheim“ dem Berein 1650 Thlr. u. die Königin Augufta übermitt. 100 Tplr. —
3 Rettungftation. Reba u. Keppalin mit * men; 2 bei NiDonald in Hams
burg gefert. * (zuf, für 2450 Thle.): „Daheim” in Leba Im Eept., „Augufte
Berner” im Nov. in Koppalin aufgeſteilt — Raleten-Apparate find in d.
werfölaborator. in Ehandan 3 —— beftellt. — Al a uäcte Stationen
find eln u. Bodenwintel in Auaficht genommen, zu deren Errichtung d. diſche
—8 — ae — — (in Bremen), an deren Kaſſe ver Danz. Verein den
jeführt, 3200 She, zur Verfügung ftellt. — Jahresber.
—— — a wer ben, St 06
Ei, im en. a. (u.a. 1 nflihrirung d. Posal Bereine Reitz.
(uß an ben Danz. Bezirt3-Verein d. 30. mi iR eig
ar in Jabt 1 3. x1, 118-118,
SE —* —RA are Bee mat > en
dm; "2 gi U t. Big. Beil, zu 79—82.|
u aus em ben. Bl — in Dat. Ste. " '
288 Mittheilungen und Anhang.
ilau, 27, März. (d. Kgsbg, Verein 3. Retta. Schiffbr. bt. beſchloſſ. 2 eiſ. Nett;
a Bla, zu bauen u. in Frotepelen v. Alttief auf d. Nehrung aul auftell.) den.
‚Itg. 3645.]
— — Pfari. in Pröbbernau, Thurmbau in Reukitch. [Evang. Gemeindebl. 12.)
2 arme d. Zhorner Blutbuch v. 1566-1669. [R. Br. Brov.. WI. XI, 121—123.]
D. 3i. —8 d. Direct. d. groß. Hoſpitals im Loͤbenicht Ernit Bandifd. [Ofor.
3tg. 89.)
Ein pre. Veteran (Nekrol.’ oh. Ant. Beltzer's geb. ;_ Braunsberg, 19. Eept. 1789,
+ 25. März 1866 in Et. Albrecht b. Danzig) rede. Btg. 87.1
Aus Cüpbrafilien. (Aus ein. Bericht ub. „d. Deutihen u. die diſch.evangel. Kirche in
Sürbrafilier“ in_d. Str. fd. Diic.z ZRVang. Miſſion in Amerika von unferm Land::
mann Pr. Borchard, jeit 1864 Paſtor h. dtidrev. Gemde. zu Et. Leopoido in d.
Prov., Rio Grande do Eul in Eüpdbrafil.) (Evang. Gembebl. 14.]
Boromäti, Ton db. Cdönbeit d. chrültl. Todes, Rede, am Sarge des Freicorporals
beim Lehwaldiſchen Negimente, Herrn Friedrich von der Brinden, zu Döbeln in
Sadyfen 1762 d. 14. Nov, nehalten (aus ein. hoichr. Samml. . erftenmal abgetr.
Ebd. 14. vgl. 15. 16.] Jordan in Ragnit, ein kurzes Wort der Erinnerung. an
Botowski |18.]
Merleker, Rey —X Ton Wegen des Aengchen von Tharau (von Simon Dad) [ün:
terhaltg. tränzch. in Koeba. 11. 12.
* Yuc ein Jul Am (d. 25j. des Kgsbg. Goran, Localrefer. u. Eorreip. f. d. meiſt.
Brovinzialblätt. Or Wiſer Fyrrad Flögel, der 1841 Mitarbeit. d. Hartl.
ta. ide.) [Kgöbg. M. Ztg. 11
€. v. mi Sklf Gottſchall Dramatiter, [Dih. Muf. 10 f.]
Muſi Lem. Sranzin „Orsanift d. St. Job. Kirche in Danzig) + 30. Apr.
“cs 3. alt. (Ban. Ita. 3597.]
mo, a Ki Kampi um Rom. Ferdinand Gregorovius gewidm. (Gedicht.
J
Herder üb. d. Kaiſer Leopold II, Bremen Sonntagsbl. 9.)
Empfehlung d. (v. Pfarr, Karpowig in Kraupifchfen, Ar. Ragnit zu bildenden) Kar:
powit Vereins 4 Untitgg. unwerheir. Töchter vftorb. Geiftl. in > Brov. Preußen. —
Statut. [Amtl. Mittheilg. d. Sal. Konfilt. 3. Kosbg. i. Pr. 4. Stid. No. 523.]
Nachr. üb. d. erfreul. Fortgang der von Dr. Mannbardt Unternomm. Samml. agra:
tif. Gebräuche, — der Ernteſitten. ais Anfang e. Quellenſchahes der germa-
a ee (Correipondenzbl. d. Gefammtvereins d. diſch Gef. u. Alteı-
JsVereine.
LP. Die berliner heine. (Notiz über ten aus Kgsbg. nebürt. Bildhauer
Siemering, e. Schüler Bläfers.) (Die Grenzboten, 13. ©. 503.
N, 2 en (des 79. Pfarr. Weber zu Döbern, Diöz. Br. Holland.) 1Evan.
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Antiquarischer Anzeiger der Theod. Bertling’schen Buch- und Antiquar-Handlung iu
Danzig. No. 8. Febr. Mürz 1866. (8€. 4.) [Inh.: Belletristik, — Theol. u. Philos.
— Rechts- n. Staatsw. — Medic, u. Naturw. — Neuere Spr.— Gesch. (ieogr.
Reisen. — Mathem, u, Astron. — Haus- u, Landwirthsch. Thierheilk, — Ver-
mischte Werke.)
Ürbey den Hord-Offee-anal und dig verfchiedenen
dazu in Borfchlag gebrachten Finien,
Ein Vortrag, gehalten im Kaufmänniſchen Verein zu Königsberg am
18. April 1866
von
Conſul I, 9. Brodmann,*)
(Dit einer autographirten Karte.)
Nachdem feit Jahrhunderten eine directe Waflerverbindung zwiſchen
ber Nordſee beabfihtigt und im beſcheidenen Maaßſtabe auch wirktich zu
Stande gebracht worden, tft feit 1848 und namentlich in neuefter Zeit,
wo die Oftjechäfen wieberum durch die Däniſche Blockade gewaltig in
isren Handelsintereſſen gefchäbigt wurben, bie Ausführung eines Canals
don Deutfchen der verfehtedenften Partheien eruftlich angeftrebt worben.
Diefe Wafferverbindung ſoll nicht, wie der Stednig-Ganal und der Eider-
Canal nur für Heinere Fahrzeuge benugbar, fonbern auch den größten
Kiegs- und Handelsſchiffen eine ſchnelle und fichere Durchfahrt zu gewäh-
m im Stande fein.
Unter ven verfchievenen in Vorſchlag gebraten Richtungen hebe ich
wmmächft die von ber Mündung ber Elbe nad) der Mündung der Trave
und ganz befonders von St. Margarethen nach Travemünde hervor.
Schon eine kurze Beleuchtung dieſes Eanal-Projects und eine unpar⸗
*) So fehr der politiihe und nationale Standpunkt, den man bei Grörterung
des obigen Themas wiederholt und ausfclieklic eingenommen hat, feine Berechtigung
verdient, fo wird man es dem geehiten Herm Verf., einem Kaufmann, wol Dank wifien,
dieſe wichtige Frage nun aud einmal von der merlantilen und internationalen Seite be-
lenchtet zu haben. D. 8.
cuyx. Vonatejqriſt Br. IIL Öft. a 19
290 Weber den Nord Oftſee Canal
theiiſche Vergleichung mit den andern Linien, wird die Vorzüge deſſelben
bald hervortreten laſſen und zeigen, daß gerade dieſe Waſſerſtraße im
Stande ſein würde, alles das zu leiſten, was von einem projectirten
Nord» Oftfee-Eanal verlangt wird.
Der Hanptzwed bes Eanals ſoll fein: bie Nord⸗ und Oſtſee in vor-
theilhafterer Weife zu verbinden, als ſolches durch ben vom der Natur
geihaffenen Weg durch den Sund, die Belte, das Cattegat und Skager⸗
rad gefchieht; und zwar aus bem Grunde, weil bie Fahrt durch bie ge:
nannten Gewäfler für ven gefammten Schiffsverkehr zwiſchen der Oſſſee
einerfeits und ber Nordſee, fo wie ben bahinterliegenden andern Gewäl-
fern andererſeits, gefährlich und für ben größten Theil bes. Verkehrs fehr
zeitranbend if. —
Die Entfernung von Travemünde nad) ber Elbemünbung beträgt in
geraber Linie circa 16 deutſche Meilen, dagegen die durch den Sund
160 ventfche Meilen, aljo 144 Meilen mehr. Bei ſämmtlichen Holftein-
fen, mealenburgichen, preußiſchen, ruſfiſchen und ſchwediſchen Häfen
bis herunter nach Yflabt iſt die Abkürzung des Weges 118 Meilen; für
Häfen von Yſtadt ab bis Hinauf nad) Göteborg, für die ſchleswigſchen
md daniſchen Häfen ift dieſelbe je nach der Lage verſchieden; fie nimmt
nach Norden allmahlich ab und bürfte bei Cap Skagenshorn faft gleich Null
fein, Umgelehrt beträgt für bie meiften und wichtigſten Häfen ber Nor
fee und der mit der Norbfee in Verbindung ftehenden Gewäfler die Ab⸗
Mirzung nach ber Oſtſee 60, 80 bis 100 beutfche Meilen. Die Häfen
der deutſchen Norpfeekäfte, die holländifchen, belgiſchen, franzöftichen und
überhaupt alle vom Canal füblich gelegenen Häfen, werben aljo der Oſtſee
durch den Norb-Oftfee-Canal bebeutend näher gerüdt; besgleichen alle
überfeeifchen Pläge, von denen ausgehend bie Schiffe ihren Weg nach ber
Nordfee und der Oſtſee regelmäßig durch den englifgen Canal nehmen.
Für die englifchen Häfen bis Hinauf nach Hull und Newcaftle tritt die
felbe Zeiterfparnig ein, von da ab bis nach ber Norbfpige von Schottland
wird bie Differenz immer geringer und hört bei Gap Duncansbyhead, ber
änferften Noröfpige von Schottland ganz auf. —
Daß, je füblicher der Canal angelegt wirb, deſto Türzer ber Weg und
befto größer daher ver Nutzen für bie Schifffahrt wird, zeigt ein Blid anf
3. 9. Brodmann. * . 291
| die Karte. Wenn wan nun noch in Erwägung zieht, dag ein Segelſchiff
bei mittlerer Gefchtwindigfeit und günfligem Winde zu 150 Meilen circa
| 10 Stunden, ein Dampfer von mittlerer Geſchwindigkeit circa 65 Gtun-
den braucht, jo wird es Mar genug, daß ber Weg durch ben Canal den
Egiffen einen bebeutenden Zeitgewinn fichert,
Der inbirecte Gewinn ift indeß namentlich bei Segelſchiffen noch ber
dentend größer, indem berjelbe Wind, ver das Schiff zum Eingang bes
Canals gebracht hat, es auch auf vemfelben befördert und beim Ausfkitt
aus demſelben weiter treibt, während die Schiffe bei ihrer Fahrt um die
Rordfpige von Juütland — in dem Sunb, bem Cattegat und Glagerrad —
den Wind ans verſchiedenen Richtungen haben müſſen. Diefe verſchiedenen
Binde ftellen ſich aber nicht immer nach Bebarf ein und bie Fahrt durg
den Sund wird oft Tage und Wochen lang verzögert. Den Segelſchiffen
gewährt der Eanal ferner auch noch ben befondern Vortheil. daß fie. fig
ſelbſt bei ganz conteairem Winde bugſiten laſſen Können, um bei erſter
gänftiger Gelegenheit bie Reiſe fortzuſetzen; ebenſo Können auch Dampfe
iHiffe bei ganz ungänftigem Winde auf dem ruhigen Waſſer des Kanals
noch verhältnigmäßig fehnell vorwärts kommen. .
As ein fernerer Gewinn, den ein Canal gewährt, ift bie größere
Eicperheit der Schifffahrt durch denfelben zu beachten. Die Fahrt um
die Norbfpige von Jütland gehört bekanntlich zu allen Zeiten, namentlich
aber im Herbft, Winter und Fruhjahr zu den gefahroolften. Die Dünen
| von Skagen tragen mit Recht den Beinamen „Kirchhof der Schiffe“, fie
! haben ſchon taufende von Fahrzeugen untergehen fehen; unb ebenſo ‚bietet
die Weftküfte von Jütland, auch „Eiferne Küſte“ genannt, gleichfalls in
ihrer ganzen Ausdehnung ben Schiffern nirgends einen Zufſuchtsort. —
Die Folge davon ift die Steigerung ber Affecurang-Prämie für. bie
Schiffe, welde ven Weg durch den Sund und das Gattegat nehmen. Die
Prämie iſt für ſolche Fahrten, obgleich das Land faft nie ans dem Auge
valoren wird, dennoch Höher, wie fir Reifen über den allantiſchen Ocean.
Im höherer volfswirthfchaftlicher Beziehung aber wiegt, außer dem
mähernd zu berechnenden Verluſt von Schiffen und Wagren, bie alijahr⸗
ich bei dieſer Fahrt zu Grunde gehen, noch der unſchätzbbare Pain. J
Menſchenleben beſonders ſchwer.
is⸗
993 lieber den Rord · Oftſee ⸗ Canal
Die beiden großen Leiſtungen des Nord⸗Oſtſee-Canals — größere
Schnelligleit und größere Sicherheit der Fahrt — kommen nun fowohl ber
Hambelss, wie auch ber Kriegsmarine aller beutfchen und befreundeten
fremden Staaten zu Gut. Ein befonderer Bortheil für die deutſche und
befreunbete Kriegsflotte entfteht ans ber Leichtigkeit, mit welcher vermit-
telft des Canals bie Kriegeſchiffe von ber Dftfee in die Norbfee und ums
gekehrt paſſtren können, während feindliche flotten ben Weg um Cap
Stagenshorn nehmen müſſen. Berner Tiegt eine Flotte im Canal ſelbſt,
allen feindlichen Angriffen entzogen, ſicher, Tann von bort ans im fehr
kurzer Zeit ſchlagfertig in der Norbfee und wieberum in ber Oftfee erfchei-
nen, ebenfo fich jeden Augenblid wieder zurüdziehen, wenn Stürme ober
feindliche Uebermacht dazu zwingen. — Die Zahl ber Kriegsichiffe, welche
zum Schu ber deutſchen Küften und der deutſchen Schifffahrt in ber
Oſtſee und Norbfee erforberfich ift, kann auf biefe Weife ein Bebentendes
geringer fein, wodurch bie Koften der Kriegsmarine außerordentlich ver-
ringert würben,
Aber alle diefe großen Vorzüge, welche einen Norb-Oftfee-Eanal im
Vergleich mit dem Cattegat anszeichnen, kann derfelbe nur bann im vol
ten Umfange zur Geltung bringen, wenn er
1) die nöthige Tiefe von 25 bis 30 Fuß Hat, damit Schiffe jeden
Tiefganges denſelben pafficen können;
2) wenn fein Lauf nicht durch Schleufen unterbrochen wird, ſondern
böchftene an ben beiben Enbpunkten folche angelegt werben;
3) wenn bie paffendften Ein- und Ansgangspunfte gewählt werben
und zwar nicht nur allgemein im nautifcher, fonbern auch in firategtfcher
Beziehung (man muß von ben Enbpunften aus fofort in das große freie
Sahrwafler der Oſt⸗ und Norbfee gelangen);
4) wenn er foweit, als möglich füblich Liegt, um vor feindlichen An⸗
griffen vom Lande aus beffer gefhägt zu fein, und weil dem größten
Theil der Schifffahrt der Canal um fo bequemer legt, je ſüdlicher ex ans
gelegt iſt;
5) wenn er im der Richtung von Oſten nach Weſten geht, weil
die ben Canal benugenben Schiffe fi im biefer Richtung ober umge
kehrt bewegen.
von I. 5. Brodmann. 293
Mit mehr oder weniger Nüdfict auf dieſe Vortheile und bie Erfor⸗
derniſſe eines Nord ⸗Oſtſee⸗Canals find eine ganze Reihe von Linien im
Vorſchlag gebracht, wobei jedoch von ben alten beſtehenden Wafferverbin-
dungen ganz Abftend genommen worben ift. Warum bas gefchehen, möge
folgender kurzer Ueberblick zeigen.
Der Eider⸗Canal, 1777 bis 1778 erbaut, beginnt bei Tönningen,
berührt Rendsburg und endet bei Kiel. Ihn Können nur ſolche Schiffe
beungen, welche nicht über 94, Fuß Tiefgang Haben. Eine Vergröße
nung beflelben ift vielfach angeregt, body find bie Hinderniſſe, ihn zu einem
bedeutenden Norb-Oftfee-Eanal zu machen, fehr fchwer, vielleicht gar nicht "
in überwältigen und zwar wegen ber vielen außerorbentlich ſtarken Krüm ⸗
mungen und hochſt nngünftigen Beſchaffenheit des dahrwaſſers vor ber
Mündung der Eiber.
Der Stednig-Eanal, einer ber älteften Eanäle in Europa; 1891 bis
1398 von Lübel gebaut, hat nur eine fehr umbebentenbe Tiefe und zu
einer Erweiterung bürfte der Enbpunft Lauenburg zu ungänftig fein, weil
bie Elbe daſelbſt nur eine geringe Normaktiefe hat. .
Hiſtoriſch ſei noch der Alfter-Trave-Eanal genannt, ver 1526 Haupt-
ſachlich durch Beihulfe Lübeds zu Stanbe gebracht wurde, Im Sahıre 1650
hörte jedoch auf dieſem Canal die Schifffahrt wieber auf. Das Bett deſ⸗
felben ift mod) heute unter dem Namen Alte Alfter, Weftergraben, Alfter
Canal bekannt. Cine Erneuerung iſt allerdings angeregt, jeboch ſcheint
gegen diefelbe ber Umſtand zu fprechen, daß bie Elbe bei Hamburg zwar
für große Segelſchiffe paſſirbar if, jebod) nur für rote, bie wicht über
18 Fuß Tiefgang Haben.
Die neuen Eanal-Projecte finb:
Ripen-Rolbing,
Ripen-Habersiehen,
Ballum-Apenrabe,
Hoyer-Tondern- Flensburg,
Büfum-Renbeburg-Ecternförbe,
Stoerort-giel (nur für bie Heine Schifffahrt berechnet).
Diefe Hat man jedoch in lehter Zeit ganz bei Geite gelegt und bie
Profectes
29 Uber den Nord · Oftſee Canal
Huſum · Schleswig · Ecernforde,
St. Margarethen⸗Ecernförde,
Brumsbüttel-Riel,
St. Margarethen-Travemände,
vefp. Stoerort-Travemünde
aufgeteilt.
Näher betrachtet ftellen ſich bie Verhältniße alfo heraus:
1) Hufum-Schleswig-Edernförbe, die fürzefte und billigfte von allen
Eanal-Projecten, circa 71/5 Meilen lang, koſtet etwa 9,000,000 Thir,
jedoch find darin nicht inbegriffen die in den Watten bei Huſum herzu⸗
fellenden Häfen und Canal-Einfahrt, Die Tiefe ift nur anf 22 Fuß
projectirt. Bei größerer Tiefe wärben natärlich auch die Koſten beveu-
tenber fein.
Det Vorzügen ber Billigfeit gegemüber find aber bie Nachtheile zu
Gebeutenb. Diefe Linie erfült wicht bie Anfprüche, welche .an einen Nord⸗
Oſtſee⸗Eanal geftellt werben.
Vornehmlich liegen die Eadpunkte des Canals, was doch eine große
Daupiſache ift, ſehr umgünftig. Auf ber Weftfeite ift ber Zugang nad)
Huſum befonders gefährlich, derſelbe ift mar anf einem [malen 6 Meilen
fangen Wattenftcom, ber ſich zwiſchen Wattgränden und Sanbbänfen hin
fhlängelt, zu erreichen. Die Tiefe biefer 6 Meilen langen Paſſage ift nad
Angabe ver Teichinfpectoren und nad) den Seekarten uur 13 Fuß.
2) St. Margarethen⸗Cckernförde; Länge 11/4 Meilen, Bauloften etwa
über 28,000,000 Thlx., erhält eine Schleufe an der Elbe, zum Schutz
gegen Ebbe und Fluth.
Die Lage von St. Margarethen bürfte wohl genägen, Edernförbe
liegt indeffen als Enbpunft des Canals zu weit nördlich und für ben Ber-
tehr, dem ein Canal doch nügen fol, zu fehr verfedt, als daß Edernförde
ernftlich in Frage kommen Könnte,
3) Brunsbüttel- Kiel; Länge circa 12 Meilen, Bantoften circa
17,000,000 Thlr, ift 25 Fuß tief und mit 6 Schlenſen projectirt. Diefer
Koſtenanſchlag erſcheint fehr gering, wenn man bebentt, daß bie St. Mar-
garethen-Gdernförber-Linie auf circa 28,000,000 Thlr. veranfchlagt ifl.
Nah der Berechnung des Oberbaurath Lenge würde ein nach Kiel anftaıt
von 3. 9. Vrodisamn, 298
nach Ederuförbe geführter Canal circa 11,000,000 Thule. mehr Toften, ala
ber St. Margarethen-Edernförber-Eanal. Hiernach würde aljo ber Kieler
Canal, wenn ex in bemfelben Maaßſtabe, wie ber St. Margarethe
Edernförber-Eaual und mit nur einer Schleuſe ausgeführt wirb, circa
39,000,000 Thlr. und darüber koſten.
Der weſtliche Enbpunft Brunsbüttel, ver Mündung ber Eibe ziem⸗
lich nahe gelegen, würbe einer ber beften Eubpunkte fein, ebenfo wie
St. Margarethen. Der öftliche Endpunkt Kiel dagegen liegt ſehr uugünſtig.
Diefes Project hat allerdings den Vorzug, baß es ben augenblidlih an
and für ſich beften Oſtſeehafen hat.
Das ift aber auch ber einzige Vorzug; jedoch höher, als biefer Bor-
zug iſt der Rachtheil der verfiedten Lage des Drtes anzufchlagen, welcher
die Anfegelung Kiels für den großen Schifffahrts ⸗Verklehr unbequem, ges
fährlich und zeitranbend macht,
Bom bentfcheftrategifchen Geſichtopunlte aus erfcheinen ferner ſowohl
bie in Edernförde, wie in Kiel münbenden Linien, als auch bie an ben
Endpunlten anzulegenden Kriegshäfen zu nördlich gelegen.
4) St. Margarethen Travemünde. Gleichzeitig mit dieſem Projed
hat man das von Störert-Nerig-Travemünde in Anregung gebracht. Gel
biges ftimmt ziemlich mit dem St. MargarethenTravemünber überein, nur
iſt Störort nicht mehr ganz fo gänftig gelegen, als St. Margarethen.
Das Project St, Margaretfen-Travemünbe dürfte wohl vor allen
ben meiften Verzug verbienen, beshalb möge auf bafielbe näher eingegan⸗
gen und es mit ben anbern Linien verglichen werben. Die Länge biejes
Canals beträgt etwas über 16 Meilen, Er ift mit 2 Enbfchleufen pro«
jectiet uud die Baukoſten würden faft 50,000,000 Thlr. erreichen. Er
beginmt in ber Mündung ber Elbe, wo bie meiften in Betracht kommen ⸗
ben Linien ihren Anfang nehmen. — Die Anfegelung ber Elbe if verhält
nißmäßig noch immer bie bequemfte und ficherfte, bie fich für einen Nord⸗
Oſtſee⸗Canal an der Weftfeite barbietet. Die Tiefe des Fahrwaſſers vor
ber Elbe und in berfelben bis St. Margarethen ift bebentend unb frei
von Ganbbänfen, die häufigen Veränderungen unterworfen find. Der
Canal if projectiet mit nur einer Endſchleuſe bei St. Margarethen und
einer nur in Ausnahmefällen zur Verwendung kommenden Echupichlenfe
296 Ueber ben Norb:Oftfe-Eanal
in ber Rühe des öſtlichen Enbpunftes, Die Schiffe würden aljo im ber
Negel nur eine Schleufe, nehmlich bei Et. Margarethen unb nur bei ber
fonbers niedrigem oder befonbers hohem Waſſerſtande in ver Oftfee, wäre
die Schutzſchleuſe den Eanal gegen die Oftfee abiperren und bie Schiffe
in diefem Falle alfo 2 Schleufen zu paffiven Haben.
Der Canal geht circa 12 Meilen auf Holfteinfhem und circa 4 Mei-
fen auf Lübedjchem Gebiet. Der Lauf tft fehr gerade unb es kommen
nur höchſt ſchwache Krümmungen vor. Das Terrain, welches er burd-
ſchneidet, fteigt auf ben erfien 9 Meilen von 3 bis 118 Fuß und nimmt
alsdann bis Travemünde allmählich wieder ab. j
Hinter Lübe geht der anal, der fi im Thal ver. Trave befindet,
in bie Pögniger Wyck. Aus biefer geht weſtlich bie Trave in bie Oſtſee.
Dem Canal wird jedoch noch eine andere Mündung öſtlich gegeben, wo
er bie Heine Landzunge, ber Privall genannt, durchſchneiden foll. Auf die
fer Stelle hat nach den Angaben ber Chronik die Trave in den Jahren
1234 bis 1286 ihre Mündung gehabt.
Bei Travemünde ift alfo der Punkt, wo ber Ganal in bie Oſtſee
münbet und von bort führt der Weg ſchnurgerade in das große Fahrwaſ ⸗
fer ber Oſtſee.
Unter allen vorgeſchlagenen Münbungen bes Canals an ber Oftfeite
ift feine günftiger gelegen, als gerabe bie bei Travemünde. Während alle
andern in Vorſchlag gebrachten Punkte verftecdt und aus der Richtung zu
weit nach Norden Liegen, bietet das Lübiſche Fahrwaſſer Keine Hinbernifle;
bie Fahrt nach Travemünde ift bequem nnd frei und auch ber Weg bahin
ber kürzefte für die große Schifffahrt und Travemünde felbft ber ſüdlichſte
denlbare Endpunkt eines Nord ⸗Oſtſee⸗Canals.
Hiebei mag noch erwähnt werben, daß von dem Lubiſchen Fahrwaſ⸗
fer nach der Münbung der Elbe ein Canal hergeſtellt werben könnte, ver
circa 2 Meilen kürzer iſt, als ber zulegt erwähnte. Es Liegt auch baflr
ein Project vor, nehmlih von Haftrug nad Brunsbüttel. Haftrug liegt
auf dem Halben Wege zwiſchen Travemünde und Pelzerhafen, aljo an ber
ſudweſtlichſten Ede des Lühtfchen Fahrwaſſers. Diefe projectirte Verbin
dung koſtet circa 47,000,000 Thlr. und kann nur mit 6 Schleuſen herge ⸗
ftelit werben, weil das Terrain, welches von ben Pinien St. Margarethen-
—— — — — — — — ——— — — —
von J. H. Brodmann. 297
Travemünde, Brunsbüttel-Liel und ber Oftfee begrenzt wirb, für bie Her
ſtellung eines Canals höchſt ungünftig if, ans welchem Grunde wohl auch
das Broject Störort-Riel nur für bie Heine Schifffahrt berechnet ift. Es if
daher von dem Project Brunsbättel-Haftrug ganz Abftand genommen. —
An umd für ſich entfpricht der St. Margarethen-Travemünder-Canal
von allen vorgefchlagenen Linien am meiften ben Anforderungen, melde
an einem Norb-Oftfee-Canal zu ftellen find. Nur darin ift das Project
ungünftiger geftellt, als die meiften übrigen, daß zu deſſen Ansführung
ein größeres Capital gehört, als für andere. Indeſſen iſt in erfter Reihe
doch nur darnach zu forfchen, welche Linie in nantifcher und commercieller
Beziehung die vortheilgaftefte if. Der Koftenpunkt, wie wichtig er auch
immerhin fein mag, Tann bei einer Anlage, welche ben internationalen
Interefjen Deutfchlands und dem Welthandels ⸗Verlehr dienen foll, immer
erſt in zweiter Reihe in Betracht kommen. — Es würde alfo nur bann
von ber thenveren Linie abzuftehen und ftatt deren bie bilfigere zu wählen
fein, wenn ber erftern nicht fo entfchlebene Vorzüge zur Eeite fländen,
daß dadurch der erforberliche Mehraufwand gerechtfertigt würde.
Eine im Jahre 1863 in Schleswig erfchienene Schrift, betitelt: „Durch⸗
fi) der Hoffteinifchen Landenge zwifchen Oftfee und Norbfee” fagt in Ber
treff der öfllichen Ansgangspunftes „So trefflich and) die Häfen Kiel und
Edernförde immerhin fein mögen, fo ift doch nicht zu verfennen, daß bie
felben in einem fehr unbequemen Winkel der Oftfee liegen; in einem Fahr⸗
wafler, das durch bie Strömungen ber Belte für ven Seefahrer läftig und
durch die Nähe der Däniſchen Infeln und Fehmarns gefährlich wird. —
Es ift am ber ganzen deutſchen Oftfee feine Bucht bebeutfamer für bie
Schifffahrt, als die Neuftäbter Bucht — das Lübiſche Fahrwaſſer. Sie
teicht am weiteften in das Land Hinein; fie tritt bem breiten Buſen ber
Elbe am nächſten; fie alfein Hat völfig freien Zugang bie au ihrem inner»
fen Winlel: fie allein ift bei jevem Winde zu erreichen und zu verlaſſen.
Sie hat eim überall freies, durch feine Untiefen unterbrochenes Fahrwaſ⸗
fer. Sie ift die einzige vom biefen Buchten, welche faft beſtändig, wenn
nit die Oftfee felbft geftiert, den ganzen Winter hindurch frei vom Eife
bleibt, Sie ift in gleichem Mafftabe gegen Dänemart, Schweden, Ruß ⸗
laud und bie deutſche Nüfte geöffnet, Sie genießt alle Vorzüge, welche
298 Ueber den Rord · Oſtjee⸗Canal
die Anſegelung ber alten Hanſeſtadt Lubeck hatte und welche dieſe zur Ber
herrſcherin der Oſtſee machten. Auf die Fahrt nach Lübed find alle mas
ritimen Einrichtungen ber Oſtſee zugeftellt. Die gegenſtehenden Leuchtfener
von Darfer-Ort und Gjebfer-Obbe führen burch bie Enge zwiſchen Däne
mark und Preußen; bie Lichter von Fehmarn und Warnemünde bezeichnen
die größte Breite des Fahrwaſſers und bie Leuchtthirme von Pelzerhafen
und Travemünde ſtehen gleichjam als Thorſäulen am biefer prachtvollen
Meeresbucht.“
Auch die im Juli 1864 in Danzig- ftattgefundene Verſammlung ber
bortigen Schiffs-Eapitaine und fonfligen Mitglieder des Seefchiffer-Vereins
entſchied fich in ihrem Gutachten über die Rord-VftfeeCanal-Projecte ein-
ſtimmig für die Elbe einerfeits und das Lübiſche Fahrwaſſer audererjeits.
Wie bereits erwähnt, ift ber Weg über Travemünde bei Weiten ber
fürzefte und bie Fahrftraße frei von allen Hinderniffen, als Mippen, Un
tiefen und Strömungen, wobei ald Beweis für die große Sicherheit des Lü-
biſchen Fahrwaſſers nur bie Thatfache anzuführen ift, daß feit circa 30 Jahr
ren fein Schiffbruch in bemfelben ftattgefunden hat.
Da bie Hauptrichtungen der Winde in den Gewäflern ver Oſtſee
und Nordſee Weſt⸗Süd⸗Weſt und Oft-Rorb-Oft find, fo ift Travemünde
von einem oftwärts kommenden Schiffe am leichteften zu erreichen unb im
umgelehrten Falle zu verlafien. Selbft bei weftlichen Winben können bie
nach der Neuftäbter Bucht beftimmten Schiffe, von Strömungen unbehin
dert, nach Ihrem Reifeziel aufkreuzen.
Sehr ſchwierig und gefahrvoll ift dagegen bie Fahrt nörblich von
Fehmarn, wie biefes durch bie vielen Unglüdefälle beftätigt wird. Die
Ronte ift bebeutend beſchränkter und namentlich bei Nord, norböftlichen
and norbweftlihen Winden ift der Stromlauf aus ben Belten und ber
Seegaug aus ber Kieler Bucht mitunter fehr ſtark und das Auflaviren auf
dieſer Strede fehr zeitraubend, häufig fogar unmöglich, fo daß die Schiffe
gezwungen find, unter Fehmarn zu ankern, um andern Winb und andere
Stromrichtung abzuwarten. .
Der Hauptzweck — Zeiterfparniß — würde aljo auf biefer Tour nicht
erzielt werben. Wenn gleich durch Errichtung mehrerer Leuchtfener, bie
anf die daniſchen Inſeln kommen müßten, etwas die dahrt erleichtert
von I. 8. Brodmann. 299
sürde, fo bringen beengte Fahrwaſſer doch immer größere Gefahren.
Benn daher dem Seemann auf einer nem einzufchlagenden Route nicht ein
Arguivalent durch Vermeidung folder Paſſagen geboten wird, fo würde
er von Often kommend, ftatt gegen Weſt- und Süd⸗Weſt ⸗Winde mit Ger
fahr aufzulteuzen, doch lieber dieſe für die Fahrt durch den Sund günfti»
gen Winde benugen und norbiwärts gehen.
In deuiſch ⸗ſtrategiſcher Hinficht bleibt zu erwähnen, daß fämmtliche
nördlich von St. Margarethen⸗Travemünde projectivten Linien zu wenig
geſchũtzt find.
Bei jebem erfolgreichen Angriff von Norden Her, müßte ein Canal,
der ſoweit nach Norden vorgeſchoben Tiegt, entweder preisgegeben ober
ſelbſt zur Operationsbafie für bie weitere Vertheibigung gemacht werben
mäffen. Im dieſem Falle wäre alsdann eine Benugung des Canals un
möglich. Ya, felbft wenn ein Angriff zu Bande auch nicht erfolgreich wäre,
fo Sefinden fi) doch die Häfen Kiel und Edernförde als Enbpuntte für
den Canal zu fehr in den däniſchen Gewäſſern. Der Zugang zu benfel-
ben führt von ber Höhe von Fehmarn ab über 10 Meilen weit durch
eine enge Meerespaffage, die von ben bänifchen Imfeln, deren Häfen und
Durchfahrten gänzlich in die Flanke genommen ift, was bei einer Verbin
dung zwifchen Travemünde und ben Öfllichen Häfen nicht flattfinden fan,
denn ba geht bie Fahrt zewiſſermaßen unter ben Kanonen ber dentſchen
Kifte Hin. Die Punkte Kiel und Edernförbe würden fi; alfo gerade im
entſcheidenden Moment, in Kriegszeiten nutzlos erweifen.
Während auf dem Wege über Lübed ſich tie deutſche Rorb- und
Oftfeeflotte von ihren Hauptrevieren, der Helgoländer Bucht und ven
Nügenfchen Gewäfjern aus am leichteften ftets raſch bie Hand reichen
fönnen, iſt bei einer auf bie Kieler Bucht hinausmündenden Canallinie
die Verbindung nur mit einem emgen vom Feinde beherrſchten Meeres»
theile eröffnet, ber in Kriegszeiten nur buch ben fehr engen und gefähr⸗
fihen Fehmarn ⸗Sund zu erreichen und zu verlaffen fein würbe,
Ein Kriegshafen bei Travemünde angelegt, beherrſcht heute mehr,
ale einft in der Bläthezeit ver Hanfa bie Oftfee, einer bei Kiel bagegen
wur die Binnen-Gerwäfler zwiſchen den Herzogthümern und ben bänts
cen Inſeln.
300 Ueber den Norb-Oftfee-Ganal
Es ift noch ins Defondere ins Auge zu faflen, welcher ber zu ver⸗
theibigenden Münbungspunlte der projectirten Canäle gegen einen Angrifj
von der See aus am beften geſichert werben kann. Hier erſcheinen auf
den erften Blick Kiel und Edernſörde wegen ihrer engen Einfahrten ben
Vorzug vor Travemünde mit feinem offnen Lübiihen Fahrwaſſer zu ver-
dienen. Faßt man aber die Lübifche Bucht als das auf, was fie nad)
Vollendung bes Eanals fein wirb, nehmlich als eine Außenrhede, beren
Anlergrund vortrefflich ift, und die Pötznitzer Wyk als den eigentlichen
Anferplag ber feefertigen Schiffe, fo Hat man vor Travemünde eine ge-
ränmige Rhede, auf welcher man den Schiffen vom Hohen Strande ans
aufs Beſte zu Hülfe kommen Tann und gleich Hinter berfelben hat man
einen geräumigen ſchönen Hafen.
Travemũnde, das bekanntlich ſchon in früheren Zeiten einmal befefligt
war, eignet ſich fehr gut zu einem Kriegshafen und bie babei liegende
Fögniger Wit Hat Raum genug für jegliche Kriege- und MarineEin-
richtungen,
Was die Rentabilität des Canals anbelangt, fo dürften wohl durch
Erhebung einer verhältnigmäßig geringen Abgabe fowohl bie Unterhal-
tungsfoften, als auch bie normalen Zinſen bes Aniage-Capitals gebedt
werben. Daß ferner der neue Canal eine lebhafte Küſtenſchifffahrt zwi ⸗
ſchen den deutſchen Ufern der Nord⸗ und Oſtſee ins Leben rufen würde,
iſt anzunehmen und würden durch eine folche bie Einnahmen natürlich be
beutenb vermehrt werden, ebenjo auch durch bie Benugung bes Eanald
durch die Kriegsmarine, '
Es verfteht fi von ſelbſt, daß bie Rentabilität bavon abhängt, in
welcher Weife bie Abgaben erhoben werben.
Zu empfehlen wäre für die Schiffe ſelbſt eine Tonnenabgabe, je nach
dem, ob Dampfe oder Segelichiffe, ob beladen oder in Ballaſt. Kür
die Ladungen bagegen müßte ber Werth ben Mafftab zur Verzollung ger
ben. Die Erhebung einer Canal-Abgabe für Schiffe und Ladung, fo daß
jedes Schiff ohne Nüdficht auf den Werth ver Ladung nur nach bem Kon-
nengehalt verzollt würbe, wäre ungerecht und unpractiſch, da daun bie
werthvolleren Ladungen ganz anfer Berhältniß begünftigt, bie Waaren von
geringerem Werth Hingegen wie z. B. Gteinfohlen, Holz ıc. übermäßig
von J. 5. Brodmann. 301
hoch belaftet wärben; was zur Folge hätte, daß ein fehr großer Theil ver
Schiffe den Canal alsdaun nicht benugen würde,
daßt man ſchließlich das Geſagte zuſammen, fo ergiebt fich, daß der
inte St. Margarethen-Travemünde wohl ber Vorzug vor allen anbern
zuzuerlennen fei, Da ferner bei ber Unsführung biefes Werkes vor Allem
der allgemeine Welthandel, nicht ber einer befondern Nationalität in Ber
trat kommen muß, fo folgt von ſelbſt, daß bie Höhe des Koftenpunftes
als Abſchredungsmotiv nicht auflommen darf; ebenfo muß aud das Ber
harten beim Hafen einer einzigen Stabt nicht feftgehalten werben, ba zus
fänftige politiſche GEreigniffe die Bedeutung mancher fo hoch gepriefenen
Oftfechäfen für deutfche Intterefien in Frage ftellen könnten,
Dürfte auch gegenwärtig die Ausführung ber projectirten Waſſerver⸗
binbung vorerft von ber Tagesorbnung geſtrichen werben, fo bleibt es doch
immerhin von Nuten, bie Projecte andy jetzt zu beſprechen und ber weites
en Erörterung anheim zu geben.
Dig Einrichtung
deq &lementarfchulen im Ortelsburgen Bauptamtg unter
den Regierung Bünig Sriedrich Wilhelms J.
Bon
Br. M. Töppen.
König Friedrich Wilpelm I. Hatte für das Kirchen und Schulweſen
ein äußerft reges Intereſſe. Er fand aber auf biefem Gebiete in ver That
noch fehr viel zu thun. Hatte es auch feit dem Zeiten der Reformation
ziemlich in allen Gegenden Preußens Kirchſchulen gegeben, fo reichten biefe
doch lange nicht Hin, um ben Grab ber Bildung unter ber Menge ber
Bevölferung zu verbreiten, welchen das kirchliche Leben ber Evangelifchen
nothwendig vorausſetzt. Man Hatte im fiebzehnten Jahrhundert dadurch
zu helfen gefucht, daß man ven Pfarrern wenigftens in den größeren Kirch⸗
fpielen Diakone zur Seite ftellte; dies war noch vor dem Tartareneinfall
in folgenden Kirchen der polnifchen Aemter geſchehen: Arys, Edersberg,
Nicolaiten, Wieligten, Bendheim, Milden, Kalinowen, Czichen, Kumilsto
(Arnolot Kirchengeſchichte S. 480); nach demfelben in Aweiden (Oweiden?
Arnoldt S. 562) und in ven Vifitetionsartifeln von 1666 unb 1699 wird
den Ricchenvifitatoren ausbrüdlich aufgegeben, namentlich in den Litanifchen
und polnifchen Aemtern zu unterſuchen, wo bie Einfegung eines Diaconus
neben dem Pfarrer ſich noch weiter empfehlen möchte (Grube corpus con-
stitut. I. p. 76). Auch brang König Friedrich I. daranf, daß die Geift-
lichen in den litanifchen und polnifchen Aemtern ebenſowohl wie im ben
deutjchen jeben Sonntag Katechifationen halten ſollten, 22. Auguft 1701
(Sacobfon Quellen des evangelifchen Kirchenrechts der Provinzen Preußen
Die Einrihtung ber Elementarſchulen im Ortelöburger Hauptamte. 308
und Bofen, Beilage &.96). Über die Hauptſache, bie Vermehrung ber
Elementarſchulen, betrieb erft König. Friedrich Wilhelm I, energifh und
mit dem fichtbarften Erfolge. Schon vom Jahre 1718 an, in welchem
er Litauen bereifte, beginnt bie Reihe ber anf dieſe wichtige Angelegenheit
begäglichen Maaßnahmen, im Jahre 1722 wurbe eine eigene Kirchen- und
Schul⸗Commiffion eingefegt, im Jahre 1728 von ber theologiſchen Facul⸗
tät in Königsberg Vorfchläge zur Verbeflerung des Kirchen⸗ und Schul
weſens eingefordert. Es folgte bie Einfegung der perpetuirlichen Kirchen:
commiffion oder des SKirchencollegiums vom 27. März 1734, die Verorb-
nung Über das Kirchen und Schulwefen in ber Provinz Preußen nom
3. April 1734, welche befonbers das Elementarſchulweſen, und eine zweite
vom 25. October 1735, welche beſonders das höhere Schulweſen betraf,
dann bie Principis regulativa vom 30. Juli 1736, in welchen die äufe-
en Berhältnifje ber Elementarſchulen vorgezeichnet werben, die Grüudung
bes Mons-Pietatis-Fonds von 50,000 Thalern, deſſen Zinſen nach ver
Stiſtuugsurkunde vom 21. Februar 1737 zu Lehrerbefolpungen verwandt
werben follten und die Vifitationen in den legten Jahren ber Regierung
des Königs. (Vgl. über dieſe Manfregeln Jacobſon a, a, O. ©. 88 ff,
Schmidt der Angerburger Kreis ©. 118 ff. Wir benugen außer ben gebrud-
ten Quellen namentlich noch ein Altenſtück ber Kirchenregiftratur zu Klein
derutten: „Acta generalia ber Ortelsburgichen Kircheninſpection, betref⸗
fend die Schuleinrichtungs Protokolle.“)
Nur in wenigen Aemtern des Landes fand der König einen fo eifri⸗
gen und geſchickten Diener und Helfer in feinen Beftrebungen als den
„Benmten, Sammerverwandten und abligen Gerichtsfchreiber” Fiſcher in
Drteloburg, welchen der Erzpriefter Dr. Pauli in Saalfeld, zu deſſen In⸗
ſpection damals das Ortelsburger Hauptamt gehörte, nicht nur vor] an»
dern in Kirchenangelegenheiten zu Rathe zog, fonbern auch ala „einen
rechten Nehemia unferer Zeiten“ bezeichnete, Schon am 17. October 1728
tonnte Fiſcher dem Erzprieſter über bedeutende Erfolge in bem Ortels⸗
burger Amte berichten. Er ſelbſt war nnermäblih von Dorf zu Dosf
gereift, um bie Einrichtung neuer Schulen zu betreiben, die Gubfiftenz-
mittel für bie Lehrer zu befchaffen, die Hinderniſſe, welche ſich dem Fort⸗
gange des Untersichts entgegen ftellten, aus bem Wege zu räumen. Gr
304 Die Einrichtung der Elementarfäulen im Ortelöburger Hauptamie
benutzte jede Gelegenheit, um auf bie Amtseinwohner und auf bie Sehter,
ja auch auf die Geiftlichen einzuwirken. Er ging babei fo weit, ben
Bauern vorzureben (mas er als mendacium licitum felbft anführt), des
Königs Wille gehe dahin, daß diejenigen, welche im Chriſtenthum wohl
informirt wären und lefen Könnten, zu Befegung ihres väterlichen und
anderer Gründe vor allen andern ben Vorzug haben follten. Cine ber
teächtliche Anzahl von Schulen war gegründet; bei mehreren wie 3.0. bei
Willamowen, Schwentainen, Liebenberg waren verheirathete Lehrer ange
ſtellt, welche für jedes Rind ein Quartal⸗Schulgeld von 7 Groſchen
9 Pfennigen, außerdem 20 Stof Korn, 5 Stof Gerfte, 5 Stock Griden,
1 Stof Erbfen, 1 Stof Salz, 1 Pfund Sped und 1 Hahn nebft 6 Stüd
Eiern, und halb fo viel von jedem ber Wirthe, welche feine Kinder zur
Schule ſchicken, erhielten, bei anderen freilich nur ſolche unverheirathete,
welche ſich mit freier Koft reih um bei den Dorfeinfaffen (mensa ambu-
latoria) begnügen mußten. Cine wichtige Unterftügung gewährte die Ar-
menlaſſe, welche feit dem Jahre 1725 in ben Dörfern, im Amte ſchon
früher eingerichtet war, und in welche jeder Wirth monatlich einen Schil-
fing, der Schulz aber gewiſſe Strafgelver, welde bishero zum Verſaufen
deſtiniret,“ einlegte. Aus berfelben wurden hie und da einem Schul
meifter Kleider angeſchafft, für arme Kinder das Quartal bezahlt und
Bücher gelauft, und den Schullindern, wenn fie in Gegenwart ber Dorf-
einſaſſen eraminirt waren, „Schillinger ausgetheilet.” Die nöthigen Bücher
wurden anfange felbft denjenigen, welche fie Hätten bezahlen können, wenn
fle ſich ſchwierig zeigten, umfonft gegeben, „worauf denn ein folder Zu-
lauf nad den Büchern gewefen, daß man in einem Jahr auf 100 Thaler
für Bücher allein ausgegeben und fie bergeftalt unter die Leute gebracht.
Später verftanden ſich auch die morofeften dazu, fie zu bezahlen. Als
ſehr nüglich wurde fpäter erkannt, bie Bücher zur Stelle in Vorrath zu
haften und, wo es geiwünfcht wurde, auf Erebit zu geben. „Um aber in
den Dörfern mehr Liebe zum Gottes Wort zu fchaffen, tft von jedem Dorf
eine polniſche Bibel angefchafft und ihnen ausgetheilt, welche bereits aus
den Dorfs-Armenfafjen vergütet worben. Ich habe zwar and, fährt ber
Berichterftatter fort, 50 Eremplaria von des befannten Dambrowsky nen
aufgelegten polnifchen Poftil über die evangelia praenumerando- vor bie
von Dr. M. Töppen. 305
Dorſſchulen acquirirt; da ich aber inne worben, daß bes feL Her
M, Sanghanfen Kinderpoftill, weil fie dem Vernehmen nach gebrudt wer
ben foll, für die einfältigen Leute convenabler wäre, fo Halte bamit an,
folde Dombrowstg-Poftill auf die Dörfer zu geben.” Es war die Ein⸗
richtung getroffen, daß der Schulmeifter jeden Sonntag bie Vesper hielt,
wobet die Bibel vorgelefen und Lieber gefungen wurden; an langen Üben»
dem unterrichtete er das Gefinde, das bei ihm zufammen kommen mußte,
im Beten und im Chriſtenthum. Man Hatte auch die Einrichtung ver⸗
ſucht, daß alle Dorfeinfaffen fih Sonntage zum gemeinſchaftlichen Kirch—
gange beim Schulzen verfammeln jollten, damit man die fehlechten Kirch“
gänger fogleich auffuchen und zum Rirchgange aufmuntern könne. Diefe
Einrichtung war aber nicht durchgeführt. Ueberhaupt klagte Fiſcher über
den Mangel an Eifer bei den Geiftlichen und Subalternbeamten des Amts;
er hoffte, wenn bie Lehrer wöchentlich wenigftens einmal von ihren Ins
fpectoren für ihren Wochenunterricht informirt würden, beffere Refultate,
und wenn die Kirchſchul ⸗Rectoren von ihren Infpectoren zu größerem Ernft
gehalten würben, aus ſolchem seminario fünftig beſſere Dorfichufmeifter
zu erlangen. (Fiſcher's Bericht vom 17, October 1728 in dem genannten
Attenftäd, leider nicht vollftändig.)
Die Vorſchläge wegen Verbeſſerung des Schulweſens, welche bie
theologiſche Falultät dem Könige um eben biefe Zeit machte, welche ber
König am 14. September 1729 beflätigte und dem Amt Orteleburg am
14. December 1729 zur weiteren Veranlaffung zufertigte, gingen dahin,
daß 1) möglichſt tüchtige Lehrer beftellt werden follten; namentlich follten
in ben Kirchdörfern ſolche studiosi angenommen werben, welche mit ber
Zeit zum Prebigtamte beftellt werben könnten; „in ben andern Dörfern“,
fährt das Gutachten Heinlaut fort, „werben wohl andere und zum Theil
Handwerker, als Schneiber, Leinweber, Altflicker, Radmacher angenommen
werben mäflen.” Die Ortsprebiger follten bie anzunehmenden ober ſchon
angenommenen, aber untüchtigen, zu ſich nehmen nnd für ihren Beruf ger
hörtg informiren zc. 2) In jedem großen Dorfe müße billig ein Schul
meifter eingefegt werben und von ben Heineren Dörfern müßten zwei bi6
drei nahe gelegene, welche vom Erzpriefter oder Probfl, dem Prebiger
und Beamten [d. 5, Domänenamtsvertwalter] zu beſtimmen feien, zuſam ⸗
Uspz, VNoxateiqriſt Dr. 1IL Sf & 20
906 Die Einrichtung der Elementarfänulen im Ortelöburger Hauptamte
men einen Schulmeifter Halten. Wo es namentlich in großen Lirchſpielen
außer der Kirchſchule noch Feine anderen Schulen gebe, follten für den
Anfang doch wenigftens brei bis vier eingerichtet werben, bi man mit
ber Zeit mehr thun Yönne, 3) Jedes Kind follte die Schule vom ſechsten
ober fiebenten Jahre Bis zum neunten oder zehnten Jahre oder im Noth ⸗
falle noch länger, bis es eine Prüfung vor dem Erzpriefter beftanden und
einen Schein barüber erhalten habe, beftänbig, nach biefer Zeit bis zur
Sonftemation doch noch einige Stunden beſuchen; bie erfteren follten in
den beiden Winterguartalen Bor- und Nachmittags, in ben Sommerquar-
talen einige Stunden wöchentlich unterrichtet, auch follten fie Morgens und
Abends zum Singen und Beten, Sonntags nach der Predigt zur Theil-
nahme am der Ratechifation gehalten werben. Die Prediger follten genaue
Berzeichniffe ihrer Zuhörer, fowie der Kinder und bes Gefinbes berfelben
halten, zur Beichte nur ſolche, welche lefen, zur Trauung und zur Gevat ⸗
terſchaft nur ſolche zulafien, welche von ihrem Chriſtenthume bie nöthige
Antwort geben könnten. 4) Biel bes Unterrichts follte fertiges Leſen,
Kenutuif von Luthers Katechismus und einige Bekanntſchaft mit der Bibel
fein, von welder jede Dorfihaft ein Exemplar anfchaffen fol. Sie ſoll-
ten auch im Beten unterrichtet und auf jebe Prebigt des Geiftlichen zum
Voraus vorbereitet werben. Die Bearbeitung eines methodiſchen Leſebuchs
für diefe Zwede ſei wünſchenswerth. Die Prediger follten die Schulen
minbeflens monatlich einmal revidiren. 5) Zu feinem Unterhalt follte ver
Schulmeiſter ein Haus und einen Heinen Stall und freies Brennholz,
wobei event, bie Königlichen Forſten in Anſpruch zu nehmen wären, auch
das Recht erhalten, ein paar Kühe und Schweine frei auf die Dorfweibe
gehen zu laſſen; er follte außer ben Schulſtunden fein Handwerk treiben
dürfen und von allen Abgaben und Laften frei fein. Ueberdies folle ber
Schulmeiſter von jedem Kinde wöchentlich zwei polniſche Groſchen laut
Verorduung vom 6, December 1717, im Falle des Unvermögens einzelner
aus ber Kirchen ⸗ Armen⸗ oder einer eigens hiezu zu errichtenden Schullaffe
erhalten. Eine Hufe ober eine halbe Hufe fet für die Schulmeiſter ſchon
tm Jahre 1728 in Ausficht geftelit, auch eine gewiſſe jährliche Zulage au
Getreide fei noch wünfchenswerth. 6) Endlich folgten noch allerlei Vor⸗
ſchlage über bie Ausführung biefes Gutachtens. Der Anfang ſollte mit
von Dr, M. Tippen. so?
drei bis vier Aemtern „v. gr. Infterburg, Raftenburg, Orteleburg nud
diſchhauſen gemacht, die Prebiger, Erzpriefter, Eonfiftorien, Amtshaupt-
lente, Kreisftenerräthe und Beamte” (f. o.) zu eifriger Beförderung bes
Werkes aufgefordert werden. (Das Gutachten als Beilage der königlichen
Berorbnung vom 14. December 1729 bei den bezeichneten Akten in Klein
Serutten.)
Der Amtshauptmann zu Ortelsburg, Oberfllientenaut v. Gaudeder,
welchem. der Königliche Befehl zuging, hienach im Einverfiänpnig mit dem
Adel und mit der Geiftlichleit des Amtes die Dörfer zu beflimmen, im
welhen Schulen angelegt werben follten, und wegen des Unterhalts ber
Schullehrer die nöthigen Vorſchläge zu machen, Konnte ſich darauf beſchrän⸗
ten zu berichten, was in bem Ortelsburger Amte in dieſer Hinficht ſchon
geleiftet fei (11. Februar 1730). Er konnte eine Tabelle über eine große
Anzahl von Dorfichulen und beren Verhältniſſe einreichen, und verficherte
überdies, daß bisher alle Kräfte darauf gewendet feien, das Schulweſen
in dem Amte zu heben, daß „nicht nur alle Kinder ohne Unterſchied vom
Armen und Reihen von ſechs bis dreizehn Jahren, ja fo lange, bis fie
leſen gelernt und in der Erkenntniß Chriſti (wozu bie Schulmeifter von
ihren Imfpectoren alle Sonntag hinlängliche Information befommen follen)
gehörig und richtig nachgehends weiter präpariret werben, daß fie publice
examiniret ımb ad sacra zu gehen confirmiret, dabei aber auch bie Ein-
faßen angehalten werben, daß bei Winters Zeit alle Morgen und Abend,
wenn fie nicht felbft, fo doch ihre Kinder und Gefinbe in die Betftunde,
Sonntags ‚aber vor und nad dem Gottesbienft gleichfalls zum Beten,
- Gingen and Bibellefen gehen müfjen. So unterläßt das Amt auch nicht,
veshalben die Prebiger zu erinnern, damit fie bie Schule oft befuchen und
der Gemeine ben befonderen Nugen, ben fie in specie an ihrer und ber
ihrigen Seelen⸗Seeligleit durch das Schulweſen Haben, wohl inculciren
möchten, als woran am meiften gelegen; ja es werben auch am bie
Amtswachtmeiſter, Landlämmerer, Schulen offene‘ monitoria und ordre
ausgegeben, damit fie unermübete Vigilanz brauchen möchten, um biefes
gute Wert nicht ins Stoden gerathen, fonbern mehr und mehr in bie ber
ſtändige Uebung bringen und in gutem Stande beibehalten zu laſſen.“
Der Beriht hebt als Mängel nur hervor, daß 1) bie Zugend von ben
20°
308 Die Einrichtung der Clementarfdulen im Örtelöburger Hauptamte
Magifträten in ven Gtäbten nicht mit ber nöthigen Sorgfalt zur Schule
gehalten werbe; 2) daß das polnifche Geſangbuch fo thener fei (nämlich
54 Groſchen); die Bearbeitung eines weniger umfangreichen aber billigeren
(etwa für 30 Groſchen) wäre fehr wünſchenswerth. 3) Auch wärbe in
den Städten für die Armenlaſſen ſchlecht geforgt. 4) Bon ben abligen
Dörfern Hätten Jablonken durch ben Oberfilientenant von Collrepp und
Moitinen durch Küchmeifter v. Sternberg Schulen erhalten, bagegen fei in
Malföwen unter der verwittweten Eapitain v. Haubig, in Gilgenau unter
dem Fãahnrich Küchmeiſter v. Sternberg, in Erben unter dem Moitinenſchen
Küchmeifter v. Sternberg und in bem Halb abfigen Halb königlichen Dorf
Pfaffendorf für das Schufwefen noch nichts gethan. (Gaudecker's Bericht
vom 11. Februar 1730 in RI. Jerutten a. a, O.)
Nach der von dem Amtshauptmann eingereichten Tabelle gab es ba,
mals im Amte Ortelsburg „auf dem Lande” folgende Schulen. Im Kirch
fpiel Ortelsburg: 1) Bienerborf, 2) Lehmanen, 3) Seelonten für Seelon ⸗
ten und Achodden, 4) Romahnen für Romahnen und Caſpersgut.“) Im
Kichipiel Schöndameraus 1) Leynau, 2) Alt Kepkutt, 3) Nen Keykatt,
Im Kirchſpiel Mensgut: 1) Wapendorf, 2) Sczepanken, 3) Rummy,
4) Samplatten. Im Kirchſpiel Therwiſch: 1) Olſchöwken, 2) Ruttkowen.
Im Kicchfpiel Kobulten: 1) Hafenberg, 2) Bothowen, 3) Rubzisfen (vor⸗
länfig mit Kobulten verbunden). Im Kirchipiel Rheinsweins 1) Jellenowen,
2) Margöwen, 3) Mingfen. Im Kirchſpiel Paſſenheim: 1) Groß Rauſchlen,
2) Narreyten, 3) Schügenborf, 4) Waplig, 5) Schwirgftein, 6) Grammen,
7) Lelefzten, 8) Scheufelsdorf, 9) Michelsporf, 10) Krzimonoggen, 11) Gon⸗
ſchorowen. Im Kirchſpiel Klein Serutten: 1) Olſchienen, 2) Wawrochen,
3) Groß Yerutten, 4) Piaſutten, 5) Schwentainen. Im Kicchfpiel Fried⸗
richshof: 1) Willamowen, 2) Farinen, 3) Puppen, 4) Spalienen, 5) Lie
benberg. Die Zahl ber Schulkinder war fehr verſchieden, meift zwiſchen
10 und 40, felten darunter oder darüber, Die Einnahme ber Schuliehrer
war an jedem Orte nad) den Umftänden feftgeftellt; das Quartalſchulgeld
ſchwankte zwiſchen 6, 9, 12 bis 16 Groſchen, mehrere Lehrer Hatten eine
freie Hufe, von ber fie aber nur einige Thaler Pacht zogen, andere erhiel-
®) a der Tabelle find Lemahnen und Romahnen offenbar verwedhfelt.
von Dr. M. Täppen. 809
ten ungefähr ebenſoviel, etwa 3 Thlr. 30 Groſchen direct ans dem Ant;
viele Hatten nur ben freien Tiſch bei den Bauern, anbere erhielten Ge⸗
Getreide, Sped und Ealz, theils in einer für das ganze Dorf feftgeftellten
Quantität (3. B. der Lehrer des Bienerborfs 10 Scheffel Korn, 3 Sch.
Gerſte, 3 Sch. Griden, 1 Sch. Erbſen, 12 Pf. Spech, theils in gewiſſen
Heineren Ouantitäten von jedem einzelnen Rinde (3.3. der in Willamowen
20 Stof Korn, 10 St. Gerfte, 106. Griden, 1 Pfb. Sped, 1 St. Sal).
Die Schulgebäude waren meiftens fertig oder doch im Bau begriffen.
Oberftlientenant Gaudeder erhielt auf feinen Bericht von bem Könige
am 1°. September 1730 ven Befehl dafür zw forgen, ba auch in ben
Stäbten auf die Schulen beſſer Acht gegeben und daß and, bie noch fehr
lenden Schulen in dem Amte ausgebaut wärben.
Als Normalfäge für das Gehalt der Schullehter wurben in ben Prin-
cipia regulativa vom 30. Iuli 1736 folgende aufgeftellt. Außer Wohnung
und Stallung, zn beren Bau ver König das Bauholz bewilligte, und dem
Brennholze, welches er ebenfalls Hergab, follte der Schullehrer einen von
der Schulfocielät zu bearbeitenden kulmiſchen Morgen, einen Küchengarten,
ferner ein Viertel Scheffel Roggen und 2 Met Gerfte pro Hufe, minbe
Rens aber im Ganzen 12 Scheffel Roggen und 6 Scheffel Gerfte, ferner
für jedes Schulfind von 5 bis 12 Yahren von Bauern und Juſtlenten
Hier jedoch höchſtens für zwei) 4 gute (— 15 poln.) Groſchen, von Kol⸗
mern 6 gute (— 221), poln.) Groſchen jährliches Schulgeld, den zweiten
2 lingbeutel, 4 Thaler jährlich aus der Kirchenkaſſe, fowie Weide für eine
Kuh nebft Kalb, ein paar Schweine und etwas Federvieh, endlich zwei
Fuder Heu und zwei Fuder Stroh erhalten follte. Dabei wurbe freilich
ach auf Nebenverbieuft des Schullehrers zu feiner Eubfiftenz gerechnet.
Denn es heißt unter andern: „Iſt der Schufmeifter ein Handwerker, kaun
er ſich ſchon ernähren; iſt er Feiner, wirb ihm erlaubt, in der Ernte ſechs
Wochen auf Tagelohu zu gehen. (Die Principia regulativa find gebrudt
bei Bord, Kirchen und Schulgeſetzgebung.)
Am 3. Februar 1738 verfommelte fi zu Ortelsburg zur „Unter
fuchung und Einrichtung bes Landfchulen-Weiens” eine Commiſſion, ber
ftehend ans folgenden Perfonen: Kriege- und Domänenrath Rieger, Apr
pellstionsrath von Sounentag als Königliche Commiſſarien, von Seiten bes
810 Die Einrichtung der Clementarfhulen im Ortelöburger Hauptamte
Hauptamts und des Adels der Amtsverweſer v. Wildenheim, v. Sternberg
im Namen ber Breiin v. Collrepp auf Sablonfen und wegen feiner Rheins⸗
weinſchen Güter, Lieutenant v. Wawrowski anf Pfaffendorf, Erzpriefter
Dr. Bauli, fämmtliche Prediger bes Amtes und Kammerverwandter Fiſcher.
Nachdem der von dem Könige approbirte Plan vorgelegt war, wurde ber
bisherige Zuſtand ber in ben 9 Kirchfpielen von bem Kammerwandten
Fiſcher eingerichteten Schulen unterfucht. Es zeigte fi), daß das Amt
mehr Schulen Hatte, ala nach dem königlichen Plane einzurichten geweſen
waren, baß bie Amtseinfaßen für biefelben mehr zu leiften Hatten und bie
Einnahme ber Lehrer doch geringer war, als es nad eben biefem Plane
der Fall fein follte. Allein die Verminderung ber Zahl der Schulen ſchien
ben zumächft betheiligten theils weil bie Erbauung nener Schulpänfer neue
Koften machen würde, theils weil die Schulfinder unmöglich ſchlimme
Wege zur Schule durch Brüche und Wälder paffieren könnten, nicht rath-
ſam. Die Dorfeinfafien Hätten fi an die Schulabgaben feit 15 Jahren
gewöhnt und Hätten felbft darum gebeten, baß in benfelben keine Weränbe-
rung vorgenommen werben möchte. Das Gehalt mehrerer Lehrer ſei al»
lerdings niedrig (e8 war bei vielen nur auf 10 bis 12 Thaler beredjnet,
während es nad) bes Königs Willen auf 30 Thaler gefegt werben follte),
allein in dem Amte fei alles wohlfeil, wie man benn hier mit 1 Thaler
weiter fomme, als im Deutſchen mit 5 Thalern, ber Kammerverwaudte
Fiſcher Habe ihnen ab und zu einen Zuſchuß ans ver Armenkaſſe gegeben
und fie hätten ſich beholfen. Wenn es möglich wäre ihr Gehalt durch
einen Zuſchuß aus dem Mons-Pietatis-Fonds auf 16 bis 20 Thaler zu
bringen, fo würben fie beffer ftehen, als die Lehrer mit 30 Thaler Gehalt
im Dentſchen. Die königlichen Commiſſarien fanden diefe Vorftellungen
tm Allgemeinen begründet, Nur wurben bie Berhältniffe der einzelnen
Säulen erwogen, man fanb aber dabei nur wenig zu bemerlen. Die Schule
in Sedanzig war eingegangen, bie Kinder wurben von borther in bie Or-
telsburger Schule gefchidt, dagegen waren nun ſchon mehrere ablige Dör⸗
fer mit Schulen verfehen, im Kirchſpiel Rheinswein allein drei; es fehlten
noch Schulen in dem Paffenheimer Kämmereivorfe Kulukswalde und in
den abligen Dörfern Jablonken, Damerau (ver Freiin Collrepp gehörig)
Gilgenau, ferner Therwiſch Wola (dem Umtsverwejer Wildenheim gehörig).
von Dr. M. Töppen. 311
Der Verbefferung befonders bedürftig erfchtenen bie Lehrerftellen in Neu
Kepkutt, Leynau, Narepten, Wawrochen, Spaltenen, Marxöwen, und unter
den Kirchſchulen die zu Kobulten, Therwiſch und Rheinswein. Im ber
zweiten Sigung am 4. Febrnar kam die Eommifflon um Schluß: 1) Da
zur Berbefferung der Schuliehrerftellen eine ziemliche Summe nöthig ſchien,
follten durch Einführung von Eopulations- und Confirmationsgebühren nach
Anleitung ber Principis regulativa bie Kirchenkaſſen in ben Stand geſetzt
werden, Zufchäfie zu leiften; man hoffte ans denſelben zuſammen etwa
87 Thaler 40 Groſchen für diefen Zwed entnehmen zu können. 2) Die
den Schulmeiftern accorbirten wüften Hufen Hätten wenig eingebracht, wä-
ren and) bei ber fchlechten Befchaffenheit des Bodens und ber Armuth ber
Leute ſchwer in Pacht zu bringen. 3) Sie ſchlagen vor, baf vom jeber
Erbtheilung unter Kölmern und erbfreien Bauern, die über 200 Gulden
fleige, 1 Gulden zur Unterhaltung ber Schulmeifter gezahlt würde. 4) Sie
erbitten einen Zufchuß von 40 bis 50 Thalern von bem Mons pietatis.
Der König ſcheint diefe Unträge genehmigt zu haben; wenigftens bezogen
mehrere Schullehrer ſchon feit October 1738 Zuſchuſſe ex cassa montis
pietatis. ,
Wir haben bie Schuleinrichtung in einem ber polnifchen Aemter an
führlicher bargeftellt, um eine Borftellung von ber Bedeutung und Wichtig-
feit des Werkes zu geben, welches in eben jener Zeit in allen übrigen
Aemtern mit gleichem Gifer und gleichem Ernſte betrieben wurbe, müſſen
aber daranf verzichten in das Detail dieſer Anorbnungen und Beſchlülſſe
für andere Kemter uns weiter zu vertiefen. (Für ben Angerburger Kreis
hat Schmidt S. 118 ff. ausführliche Mitteilungen gemacht. Piſanski,
Collectanea S. 57°, zählt bie neuen Schulen anf, die damals im Kirchſpiel
Iohannisburg geftiftet wurden: Pilchen, Roſtken, Sdorren, Trözonten,
Mittel-Bogobien, Prsziroſcheln, Jaſchlowen, Dietrichewalde, Pietrocziden,
Ribittwen, Kallenczinnen, Keſſel.)
ber Bants Hosmogonig.
Bortrag, gehalten den 22. April 1866 in ber Lant ⸗Geſellſchaft
von
Dr. E. Say.
Hochgeehrte Herren! Nicht eigene Wahl, der Zufall, hat mich
beftimmt, einige Worte zur Erinnerung an ben Mann, zu beflen Geburts-
tagsfeier wit heut verfammelt find, an Sie zu richten. Weit davon ent⸗
fernt, verfuchen zu wollen, Ihnen Kants Bedeutung als Philofophen ins
Gedãchtniß zu rufen, wozu andere mit mehr Sachlenntniß und Talent be-
gabt ſich berufen fühlen mögen, will ich mid darauf beſchränken, Ihnen
einiges über feine naturwiſſenſchaftlichen Beſtrebungen, Anfihten, Urtheile,
Behandlungsweiſe, namentlich aus feiner berühmt gewordenen Rosmogonie,
mitzutheilen.
Wir werben es aus ber Geiftcarichtung Kant's begreiflich finden, daß
er, in vollem Befige ber naturwiſſenſchaſtlichen Kenntniſſe feiner Zeit, fein
Bedurfniß nach Naturerfenntniß nicht durch Beherrihung des ſyſtematiſch
geörbneten Stoffes befriebigt fühlt. Das vorhandene Material wurde ihm
theils Grundlage philofophifcher Behandlung der Natur, wohin feine
Abhandlungen von ber Schägung ber Tebenbigen Kräfte, Bewegung und
Ruhe u. a. m. gehören, in denen er bie von ihm aufgeftellten Lehren aus
mathemathifchen und phyſilaliſchen Sätzen herzuleiten fich bemüht, — theile
Ausgangspunkt für das, was er im Gegenfage zur Naturbefchreibung bie
Naturgefchichte, ein phyſiſches Syſtem für den Verſtand, nannte; welches
die Naturbinge nicht, wie fie jegt find, fonbern, mas fie ehedem gewer
fen find, und durch welche Reihe von Veränderungen fie burchgegangen
Ueber Kant’3 Kosmogonie von Dr. E. Hay. 313
find, nm an jedem Orte in ihren gegenwärtigen Zuſtand zu gelangen,
lennen fehren foll. In der Kosmogonie hat Kant dies für die Bildung
des Weltſyſtems durchzuführen unternommen.
Kurz und kühn bezeichnet er feinen Stanbpunft in dem Ausſpruche:
nGebt mir nur Materie und ih will Euch eine Welt daraus bauen.”
Als die einfachfte Form, in welcher bie Materie, ein Schöpfungsprobukt
Gottes, unmittelbar an das Nichts ſich anfchließend, den Raum urfprüng-
lich erfüllend gedacht werben Tann, ift die bes Chaos. Alle Materien,
daraus bie Kugeln, bie zu unferer Sonnenwelt gehören, alle Planeten und
Rometen beftehn, erfüllten im Anfange aller Dinge in ihren elementaren
Grundſtoff aufgelöft ven ganzen Raum des Weltgebäubes, darin jegt biefe
gebilveten Körper herumlaufen. Diefer Zufland der Natur, wenn man
ihn, auch ohne Abficht auf ein Shftem, an und für fich felbjt betrachtet,
ſcheint nur der einfachfte zu fein, der auf das Nichts folgen Tann. Da
nun biefe den Grundftoff bildenden Elemente, welche in gasfürmiger Ge
alt urſprünglich ſchwebend gebacht werben, unter ſich verſchieden, verſchie⸗
den in ihrer Dichtigkeit und deshalb Anziehungskraft zu einander ſind, ſo
haben fie weſentliche Kräfte einander in Bewegung zu ſetzen und find ſich
felber eine Quelle des Lebens. Es bebarf nicht mehr der Zauberformel
ver Schöpfung: es werbe. Die zerftreuten Elemente bichterer Art ſam⸗
meln, vermittels der Anziehung aus einer Sphäre rund um ſich alle Ma⸗
terie von minder fpecifiicher Schwere: fie felber aber, mit der Materie,
bie fie mit fich vereinigt haben, fammeln fi in den Punkten, wo bie
Theilchen von noch bichterer Gattung befinblich find, dieſe gleichergeftalt
zu noch dichtern und fo fort. Auf biefe Weile entftehn Gentralförper mit
ihren dem Centrum zuftrömenden Zonen, aus unendlichen Fernen bie vers
ſchiedenen gasförmigen Elemente an fich heranziehend, Wir würden fo ale
bald eine Maſſe, um nicht Syſtem zu fagen, von Molecularwelten erhalten,
bie einmal dem Gefege der Anziehung entſprechend gebildet, allmählich zu
ewiger Ruhe gelangten, wenn nicht durch eine andere Kraft, bie Zurüd-
Koßungskraft (Elafticität) bie zu ihren Anziehungspunften ſinkenden Cie
mente von ber gerablinigen Bewegung feitwärts gelenkt würben, unb fo
ber ſenkrechte Ball in eine Kreisbewwegung umſchlüge. Dies geſchieht bar
durch, daß die Elemente bei ihrer nach einem gemeinfchaftlichen Centrum
814 Ueber Kant’ Koßmogonie
convergirenben Richtung aufeinander ftoßen, und num am ben mehr ober
weniger feitlich gelegenen Berührungspunften bie Elafticität als eine be⸗
wegende Kraft frei wird; woraus eine neue Richtung der Bewegung, als
Nefultante der urſprünglich centralen und biefer jegt entflandenen, für ben
bewegten Körper eingeleitet werben muß. (Ich erinnere an das Parallelos
gramm ber Kräfte.) Da nun aber bie Elemente aus verfchiebener Höhe
ftammen, beshalb mit verſchiedener Geſchwindigleit an diefen Punkt ange
langt find, deshalb und weil fie verfchiebene Dichtigfeit befigen, mit ver»
ſchiedener Kraft auf einander wirken, fo wird zunächft ein wirres Durchs
einander von feitlichen Bewegungen entfiehn. Indeſſen find biefe auf
mancherlei Art unter einander ftreitenden Bewegungen natürlicher Weife
beftrebt, einander zur Gleichheit zu bringen, d. i. in einen Zuſtand, ba
eine Bewegung ber andern fo wenig als möglich hinderlich ift. Diefes
geichieht erftlich, indem bie Theiichen, eines bes andern Bewegung fo lange
einſchränken, bis alle nad) einer Richtung fortgehn; zweitens, daß bie Bar-
tilelcjen ihre Vertilalbewegung, vermittelft ber fie fih dem Centrum ber
Attraction nähern, fo lange einfchränfen, bis fie alle Horizontal, d. 5. in
parallel laufenden Eirfeln um bie Sonne als ihren Mittelpunkt bewegt,
einander nicht mehr durchkreuzen, und durch bie Gleichheit ber Schwung.
traft mit ber fenfenden ſich in freien Cirkelläufen in ber Höhe, ba fie
ſchweben, immer erhalten: fo daß endlich nur diejenigen Theilchen in dem
Umfange des Raumes ſchweben bleiben, bie durch ihr Ballen eine Ge-
ſchwindigkeit und durch bie Widerftehung ber anderen eine Richtung befom=
men haben, baburdy fie eine freie Cirkelbewegung fortfegen Können. Die
andern Elemente, deren feitliche Bewegungen durch entgegenwirkende pa-
ralyſirt werben, finfen ihrer urfpränglichen Bewegung folgend, dem Gen»
teallörper zu.
So entfteht die Sonne mit einer um fie kreiſenden Zone gasförmie
gen Urftoffee. Im biefem kreiſenden Gasgirkel werden wiederum einige
dichtere Elemente aus ber nnenblichen Mafje der gegen einander im Zu⸗
ftanbe ber relativen Ruhe befinblichen ala Gentralpunfte ver Anziehung auf
die andern wirken; und wie fih urſprünglich ver große Gentralkörper, bie
Sonne, ans der gefammten Maſſe bes vorhandenen Stoffes durch Anzie-
Hung ber übrigen bilbete, jo entftehn hier neue Gentraflörper, bie Plane-
von Dr. €. Hay. 316
tem, durch bie Berbichtung bes um bie Sonne freifenden Stoffes; nach
bemfelben Gefege und aus bemjelben Grunde wieder bie Monde un bie
Planeten. Nicht anders werben wir uns bie Entftehung ber Eonnen-
fofteme der Figfterne und die wahriceinfich noch heute fortgehende Bil-
dung neuer Welten in ben Nebelfleden denken. Wenn run alle Welten
und Welterbnungen biefelbe Art ihres Uriprunges erkennen, wenn bie Anz
ziehung unbefchränft und allgemein, die Zurüdftoßung ber Elemente aber
ebenfalls durchgehends wirffam, wenn bei dem Unendlichen das Große
und Kleine beiberfeits Hein ift, follten nicht alle bie Weltgebände gleicher»
maßen eine beziehenbe Berfaffung und foftematifche Verbindung unter ein»
ander angenommen haben, als bie Himmelstörper unferer Sonnenwelt
im Rleinen, wie Saturn, Iupiter und bie Erde, die für ſich infonderheit
Syſteme find, und dennoch unter einander als Glieder in einem noch
größern zufammenhängen? Wenn man in bem unermeflichen Raume, dar⸗
in alle Sonnen der Milchſtraße fich gebilvet haben, einen Punkt annimmt,
um welden bie erfte Biloung der Natım ans dem Chaos angefangen hat,
fo wird daſelbſt die größte Maffe und ein Körper von der ungemeinften
Attraction entftanben fein, ber dadurch fähig geworben, in einer ungehen-
ven Sphäre um ſich alle in der Bildung begriffene Syſteme zu nöthigen,
fich gegen ihn, als ihren Mittelpunkt zu fenken, und um ihn ein gleiches
Syſtem im Ganzen zu errichten, als derſelbe elementarifche Grandftoff,
der bie Planeten bildete, um bie Sonne im Kleinen gemacht hat. So
hat ſich das ganze Weltfuftem durch Differenzirung bes chaotiſchen Stoffes
zu einem gefegmäßig geglieberten Ganzen entwidelt.
Dies ift der Kant eigenthümliche Grundgedanke in ber Kosmogonie.
Gewöhnlich wird zugleich mit Kant Laplace, und bie jegt geltende Theorie
der Weltbilbung die Rant-Laplacefche genannt. Indeſſen hat Laplace für
das Ganze die Entftehung angenommen, bie uns Kant für bie Bildung
der Ringe des Saturn giebt, daß nämlich nach Bildung und Verbichtung
eines Weltkörpers nach bem Gefege der Attraction, durch die Schwung.
kraft (Gentrifugalkraft) vermöge der Achfenbrehung ſich um die Aequatorial⸗
gegend eine Zone gasförmigen Etoffes loslöſt, aus welcher dann fpäter
nach demſelben Gefege fi die Planeten, Monde zc. löſen.
Den weitern Inhalt ver Abhandlung bildet ber Verſuch, die Theorie
316 Ueber Rant'ö Rodmogenie
in Einklang zu bringen mit ben bis bahin gelieferten Refultaten ber exac⸗
ten Wiſſenſchaften Phyſil und Aſtronomie, namentlich bie Erſcheinungen
der Egcentricität ber Planetenkreife, die Keplerichen Geſetze, das Abhängig-
leitsverhãltniß ber Dichtigfeit der verfchiebenen Körper von bem Centrum
der Bewegung u. ſ. w, und zivar, wenn wir ben Bacantoritäten Glauben
ſchenken, mit volllommenem Erfolge.
Suchen wir nun das Charakteriftifche der Kantjchen Kosmogonie zu
beftimmen, fo möchte ich fagen, daß, während Democrit dem Zufall es
überließ, daß die Atome aus ihrem Durcheinander bie harmouiſche Bewe-
gung und Fügung erlangten, wenn ber große Newton neben ber Öravita-
tion ber Haud Gottes beburfte, bie ven Weltkörpern eine feitliche Bewe-
gung ertheilte, — Kant durch bie der Materie überall inhärtrenden Eigen:
ſchaften, Attraction und Elafticität, ohne welche Materie überhaupt nicht
gebacht werben Tann, die Entftehung ber Welt, die Bildung ber Weltlörper,
ihre ſyſtematiſche Bewegung begreift unb begründet. Die Kraft, durch
welche das Weltiyftem geworben ift, ift die Kraft der Materie, ober, da
Kraft und Materie doch nur verſchiedene Bezeichnungsweiſen für baflelbe
Weſen find, das Weltſyſtem ift die Materie in ihrer durch fie ſelbſt gege-
benen Entwidelung. Nicht der Zufall, nicht die Hand Gottes hat das
Syſtem geerbnet, bie mit ber Materie fließende Nothwendigkeit. Das Ger
ſetz, nach welchem das Syſtem ſich vervollftändigt, nad; welchem es ſich
erhalt, iſt daſſelbe feiner urfpränglichen Bildung. Wie ſehr man nun auch
geneigt fein möchte, in conſequenter Durchführung ber Lantſchen Ideen
die pantheiſtiſche Anſicht zu hegen, daß der Kosmos nur eine nothwendige
Daſeinsweiſe eines Attributs Gottes, daß die Materie mit Bott eis in
gleicher Ewigkeit mit ihm beftanben, Kant ſpricht ſich eutſchieden in an-
derem Einne barüber ans. Die Materie, wie fie einmal gegeben ift, Tann
nad ihm nicht anders als zu bem bezeichneten Ziele gelangen, fie bebarf
feines weitern Eingreifens, ja fie ift einer andern Beſtimmnng nicht ein»
mal fähig — aber, daß dem fo iſt, ift nur, weil fie eine Schöpfung ber
höchſten Weisheit if. Der Glaube an einen ſchaffenden Gott wird in dem
bibliſchen Sinne feftgehalten; aber er ift durch bie wiſſenſchaftliche Be
handlung ber Natur geläutert. Gott Hat die Materie mit ihrer Fähigkeit
zur Gntwidelung einer harmoniſchen Weltbildung aus einer ungeordueten
von Dr. €. Hay. 817
Maſſe gefhaffen, aber er dirigirt nicht immer und immer wieber bie wiber-
ſtrebende ober träge Materie nach feiner höchſten Einficht, feine Weisheit offen«
bart fich nicht in dem fortgefegten perſönlichen Regimente, feine Macht
nicht in erneuertem Eingreifen in ben Ablauf ber Erfcheinungen. Sein’ ein
maliges Schaffen, das ber Materie, war fo volllommen, daß das Geichaf-
jene in fich ſelbſt die Bebingungen feines ferneren Werbens in ansreichen«
dem Maße enthält, daß es fruchtbar in fich felbft ununterbrochen Bewe⸗
gung und Leben erhält und erzeugt. Auf diefe Weife läßt fich ſehr wohl
der Glaube an einen perfönfichen Gott, einen Schöpfer, mit firenger na-
turwiſſeuſchafilicher Forſchung vereinigen, wie wir dies benn auch nament-
lich bei ben bebentenbften englijchen Naturforfchern vereinigt antreffen; ih
fage vereinigen, d. 5. die beiden Gedankenreihen können, ohne auf Wider»
fprüde mit eimander zu fioßen, in bemfelben benfenden Individuum mit
einander verknüpft werben; ob aber bie Naturforihung aus ſich felbft auf
jene religiöfe Anſchauung oder zu einem andern Nefultate führt, ift eine
Frage, deren Beantwortung erft verfucht werben Tünnte, wenn man bie
Berechtigung für bie Natinwillenichaft nachgewieſen hätte, ihre eigentliche
Aufgabe, die Erſcheinungen der Natur in ihrem inneren Zufammenhange
aus ben wirkenden Urfachen zu begreifen, bis zur Erforſchung ber erften
Urſache aller Dinge zu erweitern, Wenn fie baher mit Kant anerkennt,
die Welt ift eine ſyſtematiſche Orbnung, weil fie aus Materie entftanden,
und bie Materie ift, weil ein Gott ift, fo Läßt fie bie weitere Trage,
ob die Materie eine Schöpfung oder ein Attribut Gottes als nicht in das
Gebiet ihrer Forſchung gehörig ununterfucht,
Betrachten wir nun bie Kantſche Theorie ala das, was fie fein foll,
als eine phyſilaliſche Erklärung des Weltfyfteme, fo bürfen wir nicht ver»
tennen, daß genau genommen bie Theorie über bie Bedeutung und ben
Werth einer Hypothefe erft durch die mit mathematifcher Schärfe geführten
Beweiſe eines Laplace und fpäter Gruſon erhoben ift, indeſſen erklärt fie,
inbem fie von ben nicht zu bezweifelnden Eigenfchaften der Materie aut
gebt, fireng nad) dem Princip der Eaufalität bie Erſcheinungen, ohne ber
Vhyſik oder Mathematil Zwang anzuthun. Möglich immerhin, daß fie,
die gegenwärtig in bie Wiſſenſchaft eingereiht iſt, bereinft, wenn unfere
phyfilaliſchen Kräfte als abgeleitete, ober vielmehr umgefegte ans einer ein.
318 Ueber Kant’8 Rosmogonie
sigen begriffen werben follten, einer andern wirb weichen müſſen; gegen-
mwärtig Hat fie, nicht nur in Ermangelung einer befiern, fonbern weil fie
durchgehend mit den Gefegen der Phyſil übereinftimmt und bie Erfcheinun-
gen vollkommen phyſilaliſch möglich begründet, wiſſenſchaftliche Geltung.
Ia die bedeutenden Entvedungen ans ber Zeit nach Kant, joweit fie ſich
auf dieſen Gegenftand beziehn, beftätigen die Hhpothefe ber Kantſchen Ro
mogenie. So bie Entvedungen, daß die Figfterne, die Sonne unb bie
andern Himmelstörper aus benjelben Stoffen gebilvet find, aus denen bie
Erde befteht, die allmähliche Verdichtung ber urſprünglich gasförmigen
Subftanzen zu bichten Körpern im Himmelsraum n. |. w. Würde aber
die Theorie felbft in ihrer Gefammtheit bereinft aufgegeben werben müſſen,
fo wärbe fie in Unfehung ihrer phyſilaliſchen Richtung, ven Zuſammenhang
ber Natur aus den wirkenden Urfachen zu verftehn, immer in ber Gefchichte
der Wiſſenſchaft eine bebeutende Leiftung und ein Vorbild für naturwifien-
ſchaftliche Behandlungsweiſe bleiben.
Im dieſe phyſilaliſche Anſchauung hat ſich Kant fo vertieft, daß aus
ihr auch das Verhältniß der organifhen Natur namentlich des Menſchen
zu den Weltkörpern betrachtet wird. — Im ber Abhandlung über bie Des
wohner ver Geftirne, welche als Anhang zu ber Kosmogonie erſchien, und
in demſelben Sinne, wie dieſe gefehrieben ift, erörtert er bie Mobificatio-
nen in ben Weſen ber Bewohner ber andern Himmelskörper, welche er,
allerdings ohne pofitive Gründe anzugeben, als egiftirend annimmt, infor
fern diefelben durch die Beziehung ihres Ortes in bem Weltgebäube zu
dem Mittelpunfte beftimmt werben. Denn es ift gewiß, fagt er, baß bie
Sonne als Mittelpunkt unferes Shftems, unter deu Materien ber Him⸗
melstörper, nach Proportion ihres Abftandes, gewiffe Verhältniffe in ben
Beftimmungen der Bewohner mit fi führt. Der Menfch, welcher unter
allen vernünftigen Weſen basjenige ift, welches wir am beutlichften ken⸗
nen, ob uns gleich feine innere Beſchaffenheit annoch ein unerforjchtes
Problem if, muß im diefer Vergleihung zum Grunde und zum allgemei-
nen Beziehungspunkte dienen. Des unendlichen Abftandes ungeachtet, wel
Ger zwiſchen der Kraft zu denken und ber Bewegung ber Materie, zwi⸗
ſchen dem vernünftigen Geiſte und dem Körper anzutreffen ift, fo ift es
doch gewiß, daß ber Menfch, der alle feine Begriffe und Borftellungen
von Dr. @. San. 319
von den Einbräcden her hat, bie das Univerjum, vermittelft bes Körpers
in feiner Seele erregt, fowohl in Anſehung ber Dentlichfeit berfelben, als
auch der Fähigkeit, diefelbe zu verbinden und zu vergleichen, welche man
das Vermögen zu benfen nennt, von ber Beichaffenheit biefe Materie völ⸗
tig abhängt, an die der Schöpfer ihn gebunden hat. Der Menſch iſt er⸗
ſchaffen, die Einbrüde und NRührungen, die bie Welt in ihm erregen fol,
durch denjenigen Körper anzunehmen, ber ber fihtbare Theil feines Weſens
ift, und deſſen Materie nicht allein dem unfichtbaren Geifte, welcher ihn
bewohnt, dient, die erften Begriffe der äußern Gegenftände einzubräden,
fonbern auch in ber innern Handlung biefes zu wiederholen, zu verbinden,
kurz, zu denken, unentbehrlich if. Der Stoff, woraus die Einwohner vers
ſchiedener Planeten, ja fogar die Thiere und Gewächfe auf benfelben, ger
bildet find, muß überhaupt um defto leichterer und feinerer Art, und die
Elaſticität der Faſern ſammt der vortheilhaften Anlage ihres
Bau's um befto volffommener fein, nach dem Maße, als fie weiter von
der Sonne abftehn. Die Trefflichleit der denkenden Naturen, bie Hurtig-
teit in ihren Vorftellungen, die Deutlichleit und Lebhaftigleit der Begriffe,
die fie durch äußerlichen Eindrud befommen, fammt dem Vermögen, fie
zufammenzufegen, enblich aud die Behendigfeit in ber wirklichen Aus⸗
übung, kurz der ganze Umfang ihrer Vollkommenheit fteht unter einer
gewiſſen Regel, nad; welcher diejelben, nach dem Verhältniſſe des Ab-
flandes ihrer Wohnpläge von der Sonne, immer trefflicher und vollfom«
mener werben.
Die Behanptung, daß auf ben andern Himmelskörpern Wefen
exiftiren, bie mit ben unfee Erbe bewohnenden und in ihr wurzelnden
analoge Bildung haben und deshalb Vergleichungspunkte bieten, ift aller-
dinge durch nichts wahrſcheinlich gemacht, Aber fie ift für uns deshalb
von Intereffe, weil fie uns zeigt, in welcher Eonfequenz ber einmal ge
wonnene Gebanle über ven urfprünglichen Gegenftand Hinans auch auf
weitern Gebieten durchgeführt wird. Faſſen wir bie im Obigen citirten
verfchiedenen, im Zufammenhange unter ſich gebachten Säge, in eine alle
gemeine Formel zufammen, fo wärbe dieſe heißen: bie Formen bes mate-
riellen und geiftigen Inhalts bes gewordenen und werbenden Kosmos find
befiimmt durch die ons immanenten Kräften fich entwidelnde Materie. So
320 Ueber Kant’3 Kosmogonie
reicht Kant mit feiner Theorie ummittelbar in bie Gegenwart hinein, in
welder der Grandfag, daß in ber materiellen Welt bie Materie ſelbſt die
Urſache des Wirkens enthalte, daß bie Kräfte die Erſcheinungen ber Ma-
terie, baß die Gefege die durch Abftraction gewonnenen Normen ber Noth ⸗
wenbigfeit find, in welcher bie Erſcheinungen ablanfen, die Vorausfegung
jeber Naturforichung bildet. Im biefer Ioee und durch fie geleitet hat Kant
für ven bie phyſiſche Welt erfennenden Verftand eine großartige Eroberung
gemacht, wie deren bie neuere und neueſte Zeit auf verſchiedenen Gebie-
ten der Naturwiffenfchaft erworben, indem fie auf Grund der ftetig wirs
enden Kräfte als Phafen in der Entwidelnng und Bildung ber Objecte
der Natur dem Berftande begreiflich gemacht haben, was bisher, unbe⸗
greiflich, als unmittelbare That ber Schöpfung angenommen war,
Wenn nun aber Kant in dem oben genannten Aufſatze eim foldes
Abhängigfeitsverhältniß der organifhen Natur, felbft in ihrer höchſten Er⸗
ſcheinung, in der des menfchlichen Geiftes von ben fogenannten phyſikali⸗
ſchen Kräften, beren enbliche Wirkung ja bie Bildung des Weltſyſtems if,
im Principe anerkennt, fo entwidelt er biefen Gedanken in ber fpätern
Zeit nicht nur nicht weiter, fonberm verläßt ihn ganz und gar. Der Wurf
bewegung, welche Newton als eine von Gott unmittelbar gegebene neben
der Gravitstion zur Begründung feines Syſtems annahm, hat er bie der
Materie inhärirende Abſtoßungskraft ſubſtituirt, für die Bewegung, welche
der in dem Kreife des organifchen Lebens fi bewegenden Materie einen
eigenthümlichen Schein verleiht, hat er feine entſprechende phyſilaliſche An⸗
ſchauung gefunden, und nicht finden können, weil er fie nicht gefucht; nicht
geſucht, weil er eine foldhe nach feiner Begriffebeftimmung bes Organtemns
für unmöglich hielt. Der Organismus, fagt er, ift ein materielles Weſen,
welches nur durch bie Beziehung alles befien, was in ihm enthalten iſt,
anf einander als Zwed und Mittel möglich iſt. Eine Grundkraft, durch
bie eine Organifation gewirkt würbe, muß alfo als eine nah Zweden
wirkende Urſache gebacht werben, und zwar fo, daß biefe Ziwede ber Mög⸗
lichkeit der Wirkung zum Grunde gelegt werben müffen. Wir Tennen aber
dergleichen Kräfte iprem Beſtimmungsgrunde nad, durch Erfahrung,
une in uns felbft, nämlich an unferm Verſtande und Willen. Verſtand
and Wille find bei uns Grunbfräfte, von benen der letztere, fofern er darch
von Dr. C. Hab. 321
den erften beſtimmt wird, ein Vermögen iſt, etwas gemäß einer Ibee,
die Zwed genannt wirb, Hervorzubringen. Unabhängig von aller Exfor-
ſchung aber follen wir uns feine neue Grundkraft erdenlen, bergleichen doch
biejenige fein würbe, bie in einem Weſen zwedmäßtg wirkte, ohne doch
den Beftimmungsgrund in einer Idee zu haben. Alſo tft der Begriff
von bem Vermögen eines Weſens aus ſich felbft zwedmäßig, aber ohne
Zwed und Abfiht, die im ihr oder ihrer Urfache lägen, zw wirken, —
als eine beſondere Gruudkraft, von der die Erfahrung fein Beifpiel giebt,
völlig erbichtet und leer, d. 5. ohne bie geringfte Gewährfeiftung, daß ihr
überhaupt irgend ein Objeft correfponbiren könne, Wir müſſen baher ent-
weber aller Beftimmung ber Urſache der organifirten Wefen entfagen, ober
ein intelligentes Wefen uns dazu benfen, weil wir, um eine anbere Urs
ſache mit Ausichliegung der Endurfachen zu Grunde zu legen, uns eine
Gruudkraft erdichten müßten. Alfo ift nur eine teleofogifche, nicht eine
phnfifchemechantfche Extlärungsart, wenigftens der menſchlichen Bernunft
möglich; aus bemfelben Grunde ift ber erfle Anfang ber Organifatton,
wicht durch die Naturwiſſenſchaft, ſondern außer ihr in ber Metaphufit
zu erflären.
Wie viel Kant dazu beigetragen Hat, die Vorftellung, daß bie Orga
nifation durch eine befondere Grundkraft, eine organtfatorifche Kraft, eine
Lebenskraft, bewirkt werbe, als eine irrige, auf Erbichtung beruhende, wie
aus der Wiſſenſchaft überhaupt, fo and aus der Naturwiſſenſchaft zu bes
feitigen, ift ſchwer zu beftimmen. Sie hat für uns ale eine glüdlich über.
wundene nur hiſtoriſches Interefie. Wenn aber Kant fagt, daß die Orga⸗
nismen als ein Syſtem vo Endurſachen, eine gemäß einer Ihee, bie
Zwed genannt wird, wirlende Urfache, deshalb ein intelligentes Weſen
vorausſetzen, fo wird hieburch allerdings ber Anfpruch der Metaphyſil bes
gründet, den Organismus zum Gegenftande ihrer Unterfuchung zu machen,
vielleicht auch biefe Seite der Frage ber Naturwilfenfchaft zu entziehn. Da
aber die Iee in ber Materie fich durchführt, fo ift bie Wee, wollen
wir ihr wicht die Macht zuſchreiben, phyſilaliſche Kräfte zn vernichten, an
die Kräfte ber Materie und bie Gefege ver Phyſik gebunden; ber Orga-
nismus baher, obwohl ein Syſtem von Endurſachen doch auch nur mög
lich als ein Syſtem von phyſikaliſchen Kräften mit ihren zuritpeiiennen
Gays. Renatöfgrift Ds Lil. HE &
923 Ueber Kont's Acenwgonie von Dr. E. Hay.
Gubftraten, daher einer phyſiſch⸗mechaniſchen Analyfe amterwerfbar. Und
ſollte der menſchliche Verftand das von ber Naturwiſſenſchaft ins Auge ger
faßte Ziel, in befien Berfolgung bereits bebeutende Schritte gethan, er-
reichen, durch fortgefegte aualytiſche Unterſuchung umter Koutrole des fünther
tiſchen Experimentes bie in bem Organismus erſcheinenden Kräfte in bie
einfachen Grunbkräfte der Natur anfzulöfen, ven Antheil jeder einzelnen
zu beſtimmen, dan werben wir in ber befondern Art bes Zuſammen ⸗
wirlens biefer Kräfte in einer Einheit eine phyfiſch⸗mechaniſche Grfärung
des Organismus gefunden, und für bie organtfche Welt das geleiftet haben,
was Kaut für feinen Kosmos. Dann wird es möglich fein auch für ben
ſtreugen Naturforſcher die Frage nach der Entftehung der organifirten We
fen nicht mehr mit ber bis jegt allein beobachteten Thatſache einer Eon
tinwität der organifchen Zeugung abweifend zu beantworten. Dann wirb
vielleicht die Idee, die Kant feiner Zeit einen Traum nannte, die heute
bereits ein wiſſenſchaftliches Problem geworben ift, eine durch Thatſachen
wiſſenſchaftlich begründete Geltung haben; bie Idee von ber kreißenden Erde,
welche Tiere und Pflanzen, ohne Zeugung von ihres Gleichen, aus ihrem
weichen vom Meeresfchlamme befruchteten Mutterfhoße entfpringen lieh
unb bie baranf gegründeten Lokalzeugungen organticher Gattungen hervor-
beachte, von ber hievon abgeleiteten Verwandiſchaft aller organtfchen Weſen
in eimer unmerklichen Abftufung vom Menſchen zum Wallfiſche u. ſ. w.
hinab, vermuthlich bis zu Mooſen und Flechten, nicht im Vergleichungs ⸗
fofteme, fondern im Erziehungsſyſteme aus gemeinſchaftlichem Stamme.
Aber auch dann noch werben wir ben Namen Kants, deſſen wahre Beben-
tung weit ab anf einem anbern Gebiete zu fuchen ift, in ber Entwidfungs-
geſchichte auch biefer Gebanfenbewegung verzeichnet finben.
Sagen aus dem Kreiſe Karthaus.
Von
Wilhelm Mannhardt.*)
1 Bie Burgjungfran am fillen Ser.
Auf einem Berge bei Karthaus lag in alter Zeit ein Schloß. Das
ragie ſtolz mit feinen Thürmen empor und fpiegelte fi) in ben Wellen
bes Burgſees oder fiillen Sees. Jetzt iſt es verwünſcht und es mag noch
lange dauern, bis ber Netter, fich findet ver es erlöfen wird. Denn ver»
fucht Hat es ſchon mandjer, aber noch nie Fam ber Rechte, So weidete
vor etwa 40 Jahren ein Hirt feine Heerde am Fuße des Berges. Da
fieht er plöglich eine fchneeweiße Jungfrau vor fich ſtehn. Sie ſprach, er
folfe fie in den See tragen, fein Schade werbe das nicht fein. Er möge
fich aber Hüten, rüdwärts zu bliden. Der Hirte verfpra das und hob
die Zungfean auf feine Schultern. Im Gehen aber hatte er einen moorigen
Grund zu durchſchreiten und ba wurde fie ſchwer und ſchwerer, ſo daß
er bald bie und da einſank, ftilftehen und ausruhen mußte. Endlich
konnte er nicht weiter. Ungeduldig vergaß er des Verbots und ſchaute
fig um. Da ftand das alte Schloß beinahe bis ans Dach erhoben vor
ihm und fah ſtolz ins Thal hinab. Uber jegt fant es, wie es gelommen
unter die Erde zurüd. Auch die Iungfrau war verſchwunden.
Der Hügel am Burgſee oder ſtillen Eee trägt vie Reſte einer heidni⸗
jchen Wendenburg. Bol. R. Preuß. Provinzialbl. 1866 VIII. 49. Wie
*) Nach) eigener Aufzeihnung in den Jahren 1849, 1850. Ginige Bruditüde
dewen habe ich bereits im Danziger Dampfboot 1860. No. 4 mitgetheilt. ’
21°
329 Veber Nonrs Rökmangmmie von Dr. E. Hay.
Subſtraten, daher einer phyfiſchmechaniſchen Analyfe auterwerſbar. Und
ſollte der menſchliche Verſtand das von ber Naturwiſſenſchaft ins Auge ger
faßte Ziel, in deſſen Berfolgung bereits bebeutende Schritte gethan, er-
veichen, durch fortgefegte analytiſche Unterſuchung unter Kontrofe des funther
tiichen Erperimentes die in bem Organismus erfcheinenden Kräfte in bie
einfachen Grundfräfte ver Natur aufzulöſen, den Antheil jeber einzelnen
zu beſtimmen, dann werben wir in ber befonbern Urt bes Zuſammen ⸗
wirkens biefer Kräfte in einer Einheit eine phyfiſch⸗mechaniſche Erkärung
des Organismus gefunden, und für die organifche Welt das geleiftet haben,
was Kant für feinen Kosmos. Dann wird es möglich fein auch für ben
firengen Naturforſcher die Frage nach der Entflehung ber organifirten Wer
fen nicht mehr mit der bis jegt allein beobachteten Thatfache eimer Con⸗
tinwität der organifchen Zeugung abweifend zu beantworten. Dann wird
vielleicht die Ioee, bie Kant feiner Zeit einen Traum nannte, bie heute
bereits ein wifienfchaftliches Problem geworben if, eine durch Thatſachen
wiſſenſchaftlich begründete Geltung haben; die Idee von ber kreißenden Erde,
welche Thiere und Pflanzen, ohne Zeugung von ihres Gleichen, aus ihrem
weichen vom Meeresſchlamme befruchteten Mutterfhoße entſpringen lich
unb bie barauf gegründeten Lokalzeugungen organiſcher Gattungen hervor
brachte, von ber hievon abgeleiteten Verwandiſchaft aller organiſchen Weſen
in einer unmerklichen Abftufung vom Menfchen zum Wallfiſche u. f. w.
hinab, vermuthlich bis zu Mooſen und Flechten, nicht im Vergleichungs ⸗
fofteme, fondern im Erziehungsſyſteme ans gemeinfchaftlichen Stamme.
Aber auch dann noch werben wir ben Namen Kants, deſſen wahre Beben
tung weit ab auf einem anbern Gebiete zu fuchen ift, in ber Entwicklungs⸗
geſchichte auch dieſer Gedankenbewegung verzeichnet finden.
Sagen aus dem Freife Karthaus.
Von
Wilhelm Mannhardt.*)
L Bie Bargjungfray am füllen Ser.
Auf einem Berge bei Karthaus lag in alter Zeit ein Schloß. Das
zagte ftolz mit feinen Thürmen empor und fpiegelte fi in ven Wellen
des Burgfees ober fiillen Sees. Jetzt ift es verwünſcht und es mag noch
lange dauern, bis ber Metter, fich findet ber es erlöfen wird. Denn ver»
fucht Hat es ſchon mander, aber noch nie kam ber Rechte, So weidete
dor etwa 40 Yahren ein Hirt feine Heerbe am Fuße des Berges, Da
fieht er plöglich eine fehneeweiße Jungfrau vor fich ſtehn. Sie ſprach, er
ſolle fie in den See tragen, fein Schade werbe das nicht fein. Er möge
fih aber Hüten, rüdwärts zu bliden. Der Hirte verſprach das und hob
die Zungfrau auf feine Schultern. Im Gehen aber hatte er einen moorigen
Grund zu durchſchreiten und da wurde fie ſchwer und fchmerer, ſo daß
er bald hie und da einſank, ftiliftehen und ausruhen mußte. Endlich
konnte er nicht weiter. Ungednldig vergaß er des Verbots und ſchaute
fh um. Da fland das alte Schloß beinahe bis ans Dach erhoben vor.
ihm und fah ftolz ins Thal hinab. Uber jegt ſank es, wie es gelommen
unter die Erbe zurüd, Auch bie Iungfrau war verſchwunden.
Der Hügel am Burgſee oder ſtillen See trägt bie Reſte einer heidni⸗
ſchen Wendenburg. Vgl N. Preuß. Provinzialbl. 1865 VIIL 49. Wie
*) Nach eigener Aufzeihnung in den Jahren 1849, 1850. Ginige Brudiiäde .
dewen habe ich bereits im Danziger Dampfboot 1860. Ro.4 mitgeifeilt.
21°
324 Gagen aus dem Kreife Rarthans
febenbig ber Glaube an die weiße Schloßjungftau im Volle lebt, zeigt
lolgender Vorfall, Bor etwa 15 Jahren ertranf eine fremde Dame, bie
fi bei Verwandten in Karthaus aufhielt, im flillen Eee. Sic badete
dort und bekam während deſſen einen Zufall. Ihren Hilferuf hörten
Holjarbeiter in der Nähe, flohen jedoch, von weitem bie weiße Geftalt
Sehen, ftatt zur Hilfe zu eilen davon, in ber Meinung es fei bie weiße
Yungfran. Im Uebrigen iſt obige Sage bie Localifation eines weitverbrei ⸗
teten Mythus, von welchem U. Kuhn in d. Zeitſchr. f. d. Myth. u. Eittenf.
II. 868 fg. eine zwar über bie Geltung einer Conjeltur uoch nicht er-
hobene aber ducch viele innere Gründe geftügte Dentung anfgeftellt Hat.
Im itzren fpeciellen Zügen ſchließt fie ſich zunächft an Ueberlieferungen wie
Schambach und Müller Riederfähf. Sagen No. 107, 2. 117; Pröhle Un
terharzfogen 108, 269. Zemme Vollsfagen von Pommern und Rügen
S. 248, 208. Wichtig ift der Zug, daß das verwünfchte Schloß mit dem
dortjſchritie der Erlöfung ans der Tiefe feige. Vgl Schambach und Mät-
ler No. 117. 2. Zurüdihanen macht bie Entzanberung unmöglich. Scham
bad und Müller S. 112 No. 138, 12. Grohmann Sagen aus Böhmen
S. 206. 183. Temme a. a. O. S. 247. —
2. Aoferfhähe.
Im Korthäufer Klofterfee liegt ein ungehenrer Bernfteinblod begraben,
der ben Werth von halb Kaſſuben aufwiegt. Wenn bie Kirche fo arm
fein wirb, baß bie Pfarrlänbereien nur mit einem Pferde und einem Och⸗
fen beadert werben, findet fi) der Schag, und das aufgehobene unb ver»
fallene Kofter wird im feiner alten Größe wiebererfiehen. Das Aloſter
ſoll durch einen unterirbifchen Gang mit dem Epigberge in Berbinbung
flegen, einem Hügel, der einige tauſend Schritte abſeits liegt und eine
jedt faft ganz abgetragene Kapelle trägt. In biefem Gange liegt von
der Klofterzeit her ein Schatz unter ber Obhut ber Heinen Lente ver
ſtedt, der ans Münzen und ſchimmerndem Hausrath von Gold und Sil⸗
ber beſteht. Im früheren Iahren öffnete fi mitunter der Eingang, und
die Koftbarkeiten wurden fihtber. Bei Hohen Kirchenfeften oder Hochzeiten
entlichen bie Orteeinwohner zuweilen von ben Unterirbifchen Kleider und
Geräte, die aber pünktlich in drei Tagen wieder abgeliefert werden muß
von Wiheln Nannhardt. 326.
ten; auch arbeiteten bie kleinen Leute gegen geringen Lohn bie kunſtreich
Men Dinge. Man trat dann an den Gang und rief, was man zu haben -.
wänfde. Darauf öffnete fi unvermuthet eine Meine Thür und bie Kleir
nen braten das Gewünſchte herans. Seit aber ein Burſche eine Pfanne
nicht zu rechter Zeit zurüdftelite und ein anderer einen golbenen Löffel
fir ſich behielt, Hat niemand ben Gang offen gefehen. Cinft lam einer
von dem Unterirbifchen zum Priefter umb fagte ihm, wenn er am folgen
ben Morgen eine voliftändige Broceffion in ben Gang führen würde, ohne
daß etwas babet verfehen ober vergefjen fei, jo müßten fie ber Kirche alle
Schãatze ans Tageslicht herausgeben. Die Proceffion wurde fehr groß und
alles jhien aufs befte in Orbnung. Man wunderte fi über die umäp-
lige Menge goldener und filberner Gefäße, loſtbarer Meßgewänber unb
anderer NKleinobien, mit benen unten bie Wänbe vom Boden bis zum
Gewölbe hinauf bebedt waren, und ſchon begaun ber Priefter ben legten
Segen zu lefen. Aber bie Lichticheere einer Wachskerze war wicht blauk
geputzt. Darum verſchwand mit einmal bie ganze Herrlichkeit und der
Zug ftand oben unter freiem Himmel,
Alle mythiſchen Züge diefer Sage find wieberum and aus dentſchen
Landſchaften belegbar, Es genügt an biefem Orte einige zumächft ſtehende
Barallelen nachzuweiſen. Die Zwerge und anbere elbifche Wefen leihen
den Menſchen Geräthe, zumal Branpfannen zu Hochzeiten und Rinbten-
fen. Harrys Vollsſagen Nieberfachfens I. &.20 No. 6. IL. &. 74 Ro. 80.
Harrys Zwergfagen ©. 61. Pröhle Harzfagen S. 47, 1. Pröhle Unter
harzſagen S. 60, 149; 102, 247. Kuhn Nordd. Sagen No. 189,6. Kuhn
Weſtphãl. Sag. I. 200 No. 224; 213 No.239. Zwerge und Nige ſchmie ⸗
den gegen geringen Lohn das Funftreichfte Geräth. Zeitſchr. f. vgl. Sprach⸗
forſch. IV. 96 fg. Kuhn Weſtph. Sag. I 41 No. 36. 47, 40. 62, 49.
66, 52. 84, 76 fg. Schambach und Müller ©. 116 Ro. 140, 13, Diefe
und andere alte mythiſche Züge find aber durch bie Volfsphantafle in Be
ziehung zum Klofler Marienparadies gefegt, das Iahrhunberte ben geiſti⸗
gen und politifhen Mittelpunkt der ganzen umliegenden Lanbichaft dar⸗
ſtellte uud noch Heute im Vorbergrumbe ber Erinnerungen und bes Inter ⸗
efles bei der umwohnenden Bevölterung fleht,
D
326 Sagen aus dem Kreiſe Karthaus
3. Tenſels ſteine.
Auf der Landſtraße nach Danzig liegt nahe bei Karthaus ein mäch ⸗
tiger Stein, ber die deutlich wahrnehmbaren Eindrücee eines Hufeiſene
tragen ſoll. Hier ſpielte einmal Doftor Fauſt, als er in unſere Gegenb
tom, mit dem Zeufel Karten. Lange ſchwaukte das Glüd Hin und Her,
aber feiner gewann, bis ſich endlich ber Zeufel überliften ließ und bie
Wette verlor. Darüber ergrimmte er fehr und ſtampfte mit feinem Pferde ⸗
ſuße anf einen Stein, fo daß fi das Hufeifen gleich darin abprägte. Bei
Matemblewo fol ein ähnlicher Stein liegen, auf welchem Doltor Fauft
mit dem Zenfel Karten geſpielt hat. Ebenſo Hat ver Teufel einft auf
einem Steine bei Ezapiellen Karten geſpielt und feine fünf Singer baranf
"abgebrüdt. Auch bei Novahutta fieht man einen Blod, groß genug, um
Eine kaſſubiſche Hütte daraus zu bauen. Um benfelben läuft ein Ming,
wahrſcheinlich ein Quarzgang, ber zur Befeftigung ber Kette diente, mit-
telft welcher einft der Teufel den Block durch die Luft getragen. ine
Ahnliche Sage geht von einem Teufeleftein bei Bufchlan. Die Eage aus
Navakıtta bei Menge, Geologifhe Abhandl. Progr. ber Petriſchule zu
Danzig 1850 S. 30 Anm. 14. Bol. Kuhn Norbd, Sag. ©. 484 Anm. 152.
: Beterfen Hnfeifen und Roßtrappen 1865 ©. 86 fg. — Auch fonft find
Steine mit vermeintlichen Einbrüden bämonifcher Füße in pommerellifcher
Sage bekannt. Gin bemertenswerthes ſchon in wendiſche Zeit Hinanfe
reichendes Beiſpiel bietet ein großer erratiſcher Blod zwiſchen Gr. Doma-
tan und Schwegin Mr. Neuſtadt in der Nähe bes Zarnowiger Eees, ber be
reits in ber VBeftätigungsurfunde ber Befigungen bes Kloſters Oliva nom
Hocdmeifter Lubolf König d. d. 10. Okltob. 1323 als Grenzftein aufge
führt und (offenbar nach alter Volkstradition) Bozastopka (Gottesfüh-
et) genannt wird. S. Rzyszezewski u. Muczkowski Cod. dipl. Pol. III
679. 680, Heutzutage erzählen die Ummohner von ihm: bie Kaſſuben feien
verſtodte Heiben gewefen. Da hätte Gott einen Engel gefanbt und biefer
predigte von jenem Steine herab das Evangelium. Als aber das Bolt
auch jet noch ungerährt bfieb, flampfte ber Engel in feinem Eifer auf
den Stein und fiehe ein Abbrud feines Fußes blieb darin zurüd, Da
glaubte das Volt und ließ ſich taufen.
von Wilhelm Honnharbt. E14
4. Bas Spielmammskreng bei Greyns
Auf einem Dorfe bei Karthaus wohnte ein Spielmaun. Dee hate
fih dem Teufel verichrieben unter ber Bebingung, daß Niemand ihn am
KRunftfertigfeit übertreffen folle. So Hatte er einen großen Ruf erlangt
unb gegen ihn konnte fein anderer Geiger anflommen. Tagtäglich war
er auf Hochzeiten, Kindtaufen und Tanzgelagen beichäftigt und verbiente
ſchönes Geld. Er Hätte ein reicher Mann werben können, wenn er zu
fparen verftanden Hätte. Als er fein Honbwerk viele Dahre getrieben,
fpielte er einft im Kruge zu Larthaus zum Tanze auf. Da trat ein frem-
ber Geiger ein und bat mm bie Erlaubniß ſich Hören laſſen zu dürfen.
Der einheimifche College Hatte nichts dagegen, denn er hoffte num einmal
recht feine größere Meiſterſchaft zeigen zu köunen. Aber wie wimberte ex
fi, als ver Fremdling eine fo liebliche und uubelannte Weiſe aufkrich,
daß die Bauern immer mehr von ihm Hören wollten. Wetteifernb fpielte
andy ex feine beften Stüde, aber Niemand achtete auf ihn und alle verlang-
ten ein neues Stüd von bem Fremden. Doch dieſer lehnte es ab, ſam⸗
melte feinen Lohn ein und ging in bie Macht hinaus, ben Weg nad
Sraybno am Rande des Sees entlang einſchlagend. Bon wahnfinniger
Eiferfucht gefaßt folgte ihm der Karthänfer Spielmann und forberte ihn
yaftig auf, mit ihm einen rechten Wettkampf zu beginnen. Der Brembe
ſchwieg und wanderte weiter, während jener immer dringender und hefti⸗
ger feine Aufforderung wieberhofte, und endlich an einem Heinen Wache,
der ſich anf dem halben Wege nach Erzybno in ben See ergießt, ihm ben
Vaß vertrat. „Ih laſſe Dich nicht, Du mußt mit mir kämpfen und wenn
es mein Leben Toften follte,“ fagte er. Der Fremde machte jegt Halt,
erhob feine Geige uud beide begannen ein Wettſpiel, das immer lauter
und mäcjliger durch die Stille der Nacht Hang. Immer wilder und lei⸗
venfchaftlicher wurden ihre Weifen, das Spiel des fremden wurbe fo
ſchaurig, daß felbft fein Gegner babei zuſammenſchauderte. Und unmerklich
wuchs bei den Tönen feiner Geige ber halbansgetretene Bach; feine Flu-⸗
ten fliegen höher und höher, bis fie ben Kämpfern an bie Bruſt reichten.
Des Fremden Geftalt ſchoß riefig in die Höhe und zugleich legte fich ein
other Mantel um feine Schultern. „Erlenuſt Du mid jegt, Deines
Meiſter?“ fo rief er, „Deine Zeit iſt um!“ Schon bebedte ber ange
328 Sagen aus bem Kreiſe Karthaus
ſchwollene Gießbach mit feinen Fluten den unglädlichen Spielmann, Am
anderen Morgen fand man feine Leiche. Man errichtete mehrmals an
jenem Orte ein einfaches Kreuz. Aber jevesmal trat ber Bach aus feinen
Ufern und fpülte es hinweg.
Bol. Alpenburg Alpenfagen No. 111.
5. Gefpenfiige Kälber.
Einem Kaſſuben, der an ben Rabannenfeen zu Hanfe war, begegnete,
als er mit feinem Sohne Abends bei Mondfchein durch Czapiellen zu
Haufe fuhr, ein Mann, welder zwei twiberfpenftige Kälber mit einem
Steden wor fich hertrieb und fluchend klagte, daß er biejelben nicht von
ber Stelle au bringen im Stande fei. Er fei ber Mühe längft überbräßig
und biete fie zum Geſchenk aus. Der Kaffube ließ fi) das nicht zweimal
fagen, bebantte fich ſchön, band bie beiden Kälber und Iegte fie Hinter das
Gefäß ins Stroh. Im Fahren wurde der Wagen ſchwer und ſchwerer,
fo dag bie Meinen Pferde ängftlich Yeuchten. Als man kaum ben erfien
Radaunenſee erreicht Hatte, fprangen zwei ungewöhnlich große Fiſche Hin-
ten vom Wagen herab in das Waſſer. Die Kälber waren verſchwunden
and das Stroh leer.
Bgl. Harrye Vollsſagen Nieberfachiens I. 7, 2. Kuhn Weſtphäl
Sagen I. 324, 1. und bazu €. Meier Schwäbiſche Engen ©. 139.
M. Germ. Myth. 95.
6. Bie Brautfleine bei Stangenwalde und Fitfckan.
In Gtangenwalde lebte vor langer Zeit eine fteinalte Fran. Die
hatte eine bildhübſche Tochter, nach welcher viele Burſche freiten. Allein
fie mochte fie alle nicht, denn fie Hatte den Förſter lieb. Als ber endlich
Tom nnd nach ihr fragte, fagte fie freubig zu. Der Pfarrer tramte fie,
fie feierten eine vergnügte Hochzeit und Iebten ſehr glücklich. Das alte
Weib aber war eine Hexe und mochte vor fcheelem Neid das Glüd ber
jungen gente nicht fehen. Als fie einft allefommt auf dem Felbe waren,
gerieth fie fo fehr in Aerger, daß fie den Tochtermann und bie Tochter in
einen Stein verwandelte. Der fteht noch da. Wenn man ihn beſchädigt,
fließt natürliches Blut Heraus, wie von einem Menſchen.
von Wilhelm Mannhardi. 3239
Im Fitſchlau follte eine Hochzeit fattfinden. Die Brautleute und mit
ihnen die Gäſte waren ſchon zur Trauung nad) ber Löblauer Kirche gegan-
gen und die alte Mutter, bie zu Haufe geblieben war, wartete mit Schmer-
zen ihrer Wiederkunft. Uber fie harrte lange vergebens, Stunde auf
Stunde verrann und fein Brautzug ließ fi bliden. Da warb fie un.
willig und rief: „Ihr Teufelspad, daß Ihr doch allefammt zu Gteinen
mürbet!" Als fie das fagte, waren bie Leute ſchon auf bem Heim⸗
wege und Hatten Fitſchkau beinahe erreicht. Da fühlten fie plöglich ihre
Süße Talt und ſchwer werben. Ihre Glieder erftartten, wurzelten am
Boben feft und wurden zu Stein. Noch heute fieht man am Wege ihre
feltfamen Selsgeftalten.
Vgl. Kuhn Weftphäl. Sag. I. 30. Alpenburg Mythen und Sagen
Tyrols ©. 227 No. 4.
7. Die Schloßjungfran' in Marienfer.
a) Ein hügeliger Infeloorfprung im Marienfee bewahrt auf feiner
Spige die Spuren einer alten Burg. Darin follen einmal Raubritter ges
hauſt Haben, die vie Banern und Einfafien rings umher und friedliche
Handelsleute, die auf ber Straße nad Bütow zogen, branbfchagten und
plünderten, bi8 man fie einft in ernflem Anlauf bebrängte und ihre Veſte
gewann. Geit ber Zeit find die Raubritter aus ber Gegend verſchwun⸗
den, aber in ben Ruinen ihres Schloſſes zeigt fih Nachts eine weiße
dungfrau. Sie ſitzt auf einem Steine und ſchaut Hänberingenb auf bie
mondbeftrahlte Fluth des Sees hinab. Der Stein iſt vom vielen Sitzen
ganz ausgehöhlt.
b) Am Marienfee Hat ein Schloß geftanden. Das ift mun tief in
ven Berg entrüdt und bleibt ba, bis es einmal erlöft wird. Dann wird
es herrlicher, als es gewefen, wieder emporfteigen. Vor Jahren war noch
ein alter KXellereingang ſichtbar und eine Halbzerfallene Treppe, die auf
brodlichen Stufen in bie Tiefe führte. Hier zeigte ſich oft eine Hohe
Jungfrau. Im Sommer war fie ſchwarz wie ein Rabe, im Winter weiß
wie Schnee. Oft führte fie einen zottigen Hund mit fich, ben fie auf ben
Schoß nahm, ftreichelte und kämmte. Sehr viele haben ſchon verſucht das
Schloß und die Jungfrau zu erlöfen. Das iſt aber ſehr ſchwer und alle
830 Sagen aus dem reiſe Karthaus
Mühe bleibt vergeblich, wenn ber Retter es auch nur an einer Meinigfeit
fehlen läßt. Einer, ber ſchon Alles vollbracht Hatte, was zur Erlöfung
nothwendig war, vergaß zuletzt fich die Hände zu wachen und das Wert
mißlang. Einem Anderen, ber ſich erbot bie Jungfrau zw erlöfen, zeigte
biefe im Gemäuer manderlei Dinge und befahl ihm, biefelben der Reihe
nach zu küſſen. Da lagen Tücher und Kiffen vom bunfeler Seide und
noch mehrere anbere Gegenftände verſchiedener Art. Er küßte jegliches
Ding ber Reihe nad. Nur eine alte Schorffröte vergaß er, welche ge
dudt in einer Ede kauerte. Schon glaubte er fein Werk vollbracht, ale
mit einem Male die ganze Erſcheinung um ihn Her verſchwand und er
mutterfeelenallein im öpen Gemäuer baftand.
Seit ber Zeit erſchien die Jungfrau feltener. Die Leute Hatten fie
faft ganz vergefien. Da vermißte einmal ein Hirte, ber am See weibete,
zwei Schafe und fuchte fie in den Gebüſchen des Schloßberge. Wie er
nun fo fucht, fteht plöpfich ein eines granes Männchen vor ihm mit
langem Bart und heißt ihn ruhig und unbeforgt um fein Vieh fein, er
ſolle nur morgen um zwölf Uhr wieberfommen. Der Schäfer ftellte fich
pänftlich ein und fand das Männchen fon anf dem Play, welches ihn
alsbald über bie verfallene Treppe in bie unteren Räume bes Schloſſes
führte. Sie kamen durch viele bald gerade, bald gewunbene Gänge bie
auf einen hellen geräumigen Hof. Hier gruften bie verlorenen Echafe
fröhlich und wohlbehalten. Hinter dem Hofe ſtand eine Thür offen, ans
welcher ein uubejchreiblicher Glanz hervorftrahlte. Der Schäfer eilte auf
fie zu und trat in ein hohes Gewölbe, das mit alterthümlicher Pracht ger
ſchmüct war. In der Mitte deſſelben faß die Schloßjungfrau, kohlſchwarz
anzufehn und regungelos, als wäre fie von Stein. Weiterhin ſah man
noch mehrere Räume. Nach einigen gleichgiltigen Bliden auf bie Jung⸗
frau wollte der Schäfer neugierig vordringen. Da warf das Männchen
die Pforte vor ihm zu und fprach: „Küffe die Jungfrau hier, fonft bes
tommft Du Dein Vieh nicht wieder.“ Der Hirte meinte, das könne er
ja wohl thun und bücdte ſich zu ber ſchwarzen Geftalt hinab. Aber fo-
bald er fi) nahte, wurbe dieſe fo graufig, daß er erſchreckt Kehrt machte
amd über Gänge und Treppen bavon fiel. Im Hofe fah er fich nad} fei-
men Schafen um. Sie waren verſchwunden. Das Männchen rief ihm
von Wilhelm Nannhardt. 331
nah, er bürfe morgen noch einmal und übermorgen jum britten Male "
wieder fommen. Wenn er aber dann noch nicht bie Sungfran gefüßt habe,
fo feien feine Thiere unwiederbringlich für ihn verloren. Zaghaft ſchlich
ber Mann davon; hernach aber faßte er wieder Muth und ftellte ſich Tags
barauf zur beftimmten S:unde am Schloßberge ein. Das Männchen ere
wartete ihn ſchon und führte ihn wieber durch bie vielen verworrenen
Gänge und über ven helfen Hof, anf welchem feine Schafe fröhlich wei⸗
deten. Diesmal nahm er fi) ein Herz und ſchon berührte fein Munb
ganz nahe bie Lippen der Iungfrau, als biefelbe plötzlich Kröten und
Schlangen hervorfpie. Da wurbe ihm Himmelangit und er ftärzte Hals
über Kopf yon bannen. Auch zum britten Male ging es ihm nicht befier.
So mußte er benn auf feine Schafe Verzicht leiſten. Seit ver Zeit ver-
mieb er gerne bie Gegend, in welcher ihm biefe Exlebniffe begegnet wa⸗
ven und niemals ift e8 ihm eingefallen ben Eingang zum alten Schloſſe
wieder aufzufachen.
c) Ein junger Burſch Hatte viel von der Schloßjungfrau gehört und
ber lebhafte Wunſch bemächtigte ſich feiner, ihr Erlöſer zu werben. Tage
lang kroch er im dichten Buſchwerk herum, weldes die Etätte der alten
Burg bebedte. An einem Maimorgen früh fand er unter wilden Ge⸗
ſtrüpp eine niegefehene Pforte. Er gelangte durch diefelbe in das Schloß
and kam zu dem Saale, in welchem die kohlſchwarze Jungfrau regungslos
ſaß. Er fah fie lange voll Mitleiv an und Hoffte, fie werbe ihm einen
Auftrag geben. ber fie ſchwieg und er ging langfam wieder fort. Um
die Mittagsftunde wagte er ſich noch einmal in die Burg. Da war bie
Jungfrau nicht mehr kohlſchwarz (denn ein Ehriftenmenfch Hatte fie ange
fehn), fendern ihr Oberleib zeigte ſchon graue Farbe. Jetzt rebete ber
Yüngling fie an und fragte, was er thun dürfe, um fie zu erlöſen. Gie
antwortete noch einmal nicht und traurig fchlich er von bannen. Am
Abend befchloß er, e8 zum legten Male zu verſuchen. Da war bie Jung«
frau ſchon beinahe am ganzen Körper grau, nur bie Füße hatten bie
Schwärze noch nicht verloren. Auf die wiederholte Bitte zu fagen, wie
er ihr Helfen könne, blieb fie Anfangs nach wie vor ftumm. Als aber
der junge Burſch noch weiter fo infländig bat, wurben auch ihre Füße
grau. Da ftel fie ihm um ben Hals und fagte: „Zur Hälfte haft De
332 Sagen and dem Kreife Karthaus
mich num erlöſt, aber ber ſchwerere Theil der Aufgabe ift noch übrig.
Geh durch jene Thüre weiter, fo wirft Da durch zwölf Säle kommen,
von benen einer immer ſchöner ift, ald ber andere. Der legte ift mit
lauter Diamanten ansgelegt. Dort hängen von ber Dede brei Pflug:
fcharen herab. Rannft Du bie ohne Geräuſch bis an bie Dede heben, fo
haft Du mid) erlöft und das Schloß dazu.” Das will ich ſchon machen,
meinte ber Süngling, aber bas Fräulein ermahnte ihn zur Borfiht unb
führte ihn durch die zwölf Säle. Bon benen war ber eine von Silber,
der unbere von Gold, der britte glängte von Ebelfteinen und ber zwölfte
war mit eitel Diamanten gefhmüdt. Da hingen an ber Dede bie brei
eifernen Pflugicharen an ftählernen Ketten. Mit vieler Behutſamkeit hob
ber Züngling bie erfte Pflugfchar in bie Höhe, ohne anzuſtoßen. Da fah
er bie Jungfrau von Angefiht und Bruft ſchneeweiß werden. Jetzt hob
er auch bie zweite Pflugſchar glücklich und lautlos bis ans Getäͤfel. Die
Jungfrau wurde bis anf bie Füße weiß. Auch bie britte Pflugfchar war
ſchon halbweges bis zur Dede und bie Füße ber Yungfrau fingen ſchon
an ins Lichte Überzufpielen. Da entſtand ein furchtbares Rumoren und
Raſſeln, wie wenn taufend Solpaten mit ihren Waffen zufammenfchlagen.
Eine glühende Hige verbreitete fi im Gemad und aus der Wanb trat
der Zenfel felbft hervor, ber gar Schredliches drohte, wenn ber Jüngling
nicht augenbliclich die Vflugſchar fahren laſſe. Darob erſchrak derſelbe und
hob in feiner Angſt das Eiſen zu haſtig in bie Höhe. Es ſchwankte und
Meß im Vorbeigehen an einen Ballen, Alsbald hörte man einen jänmer-
lichen Schrei; ein betänbenber Krach folgte, wie wenn das ganze Schloß
ans ben Fugen fpringe. Der Yüngling ſank ohnmächtig zu Boden und
erwachte erſt nach mehreren Stunden oben im gränen Grafe. Die Pforte
zur Burg hat er nie wieder gefunden,
Zu a. Auch Frau Holle figt im Walde bei Andreasberg nächtlich
auf ben Dreibrotfteinen und weint, Pröhle, Harzfagen S. 135. Auf dem
Frauhulliſtein zwifchen Hasloch und Faulbach ruht Frau Holle aus. Zwei
Locher haben ſich vom oftmaligen Sitzen in ben Stein gebrädt. ©. Zeit.
ſchrift f. d. Myth. u. Sittenk. I, 24. Herrlein, Sagen des Speflarts. 182.
Panzer, Beitr. z. D. Myth. II, 115.
von Wilhelm Nannhardt. 333
Zu b. Die verwünſchte Jungfrau erſcheint oft ala ſchwarz von
darbe ober nur (mas eine Abſchwächung ber nrfprünglicden Sage ift) von
Kleidung. €. Kuhn, Norbd. Sag. 45, 47. 23, 30. 9, 10. Zingerle,
Sagen, Märchen und Gebr. ans Tirol No.386, 398. Alpenburg, Alpen«
fagen Ro. 147. Rochholz, Naturmythen 161, 9. Der zottige Hund, ben
die Sungfran auf dem Schoße Hält, ift ihr gewöhnlicher Begleiter in ber
Soge. Er liegt auf dem Schage, der ver Verwünfchten gehört. Bgl.
Bingerle, a. a. D. N0.377.393. Alpenburg, Alpenfagen No. 11.13. 15.
23. 116. Schambad und Müller No. 120. 133, 1. 184 u.f.w. Rode
holz, Sagen des Wargaus II, No. 386. Die Erlöfung der Jungfrau ift
daran gebunden, daß der Befreier fie küßt, während fie fich in bie Geftal-
ten einer Kröte, Schlange u. f. w. verwandelt. Vgl. Kuhn, Nordd. Sa-
gend, 9. Rochholz, Naturmythen 160, 8. Schambach u. Müller 104, 182.
Die Kröte, welche nach unferer Verfion ber Netter küſſen fol, ift aljo bie
Jdungfrau jelbft. Im ben ſeidenen Tüchern, die er im alten Gemäner fin-
det, bewahrt die Marienfeer Sage bie alleinige Erinnerung bes Schatzes;
denn auf ſolchen Tüchern pflegen die verwünfchten Sungfrauen ben Hort zu
fonnen, Weber die verlanfenen Schafe vgl. Kuhn, Weſtphäl. Sag. I, 827.
Bingerle a. a. O. 220, 891.
Zu c. Den zwölf Sälen vergleichen fich die neun Kammern (Echam-
bach u. Müller 94, 120), die von ber Dede Herabhängenden Pflugfcharen
dem großen Stein, der in ber verwünfchten Burg von bem Gewölbe her⸗
abzuhangen pflegt (Kuhn, Weſtphäl. Sag. I, No. 57. ©. 70). Unter den
Schägen ber verzganberten Iungfran wird mitunter auch ein golbener Pflug
genannt. (Bingerle a. a. D. 218, 389.)
Danzig.
Wilgelm Mannhardt.
VNeber den heutigen Stand deq Sorfchung auf dem Gebiete
unſerer Provinzialgefchichte.
Habilitationg-Vorlefung, gehalten den 2. Juni 1866 au ber Königl.
Albertus⸗Univerſität zu Königsberg
von
Privatdocent Dr. Carl Lohmeyer.
Geftatten Sie mir, H. A., Ihnen in kurzen Umriffen einen Ueberblid
über den heutigen Stand der Forſchung auf dem Gebiete unferer Provin⸗
sialgefchichte zu geben, Ihnen die Ziele zu zeichnen, welche biefelbe ſich
als die nächftfiegenben zu fteden hat, auf welche wir für jegt Hinzuarbeis
ten haben. —
Ich muß aber nod; die Bemerkung vorausſchicken, daß ich im Fol-
genden lediglich die Geſchichte unferer Provinz im Mittelalter, alfo bie
zum Untergange ber Ordensherrſchaft, ins Auge fafien werde; denn ihre
neuere Geſchichte, bie ſchon an und für fi von fo ganz anderer Art ifl,
wäre doch auch, zumal feit ber Vereinigung mit Brandenburg, für fi
allein, ohne Eingehen auf die Geſammtgeſchichte des preußiſchen Staates
nicht wohl zu behandeln.
Im dieſer Beſchränkung muß, wie bie Sache bei uns für jet fteht
und wohl auch noch eine geraume Zeit ftehen wird, eine ſolche Auseinan⸗
vie ich fie eben zu geben beabfichtige, immer barauf hinaus
zeigen, wie wir uns bemjenigen Werke gegenüber zu verhalten
jes jenen Theil der preußifchen Geſchichte zulegt in aller Aus
ind Vollſtändigkeit behandelt Hat, und das gleich nach feinem
iberall als untrügliche, unangreifbare Onelle aufgenommen
auch jegt noch meift als ſolche gilt.
Ueber die heutige Provinzinlgefchichteforihung von Dr. Earl Lohmeyer. 335
Ratürkich meine ich hier kein anderes Werl als Johannes Voigt's
Geſchichte Preußens, von ben älteften Zeiten bis zum Untergange ver
Herrſchaft des Deutſchen Ordens“, welche von 1827 bis 1889 in 9 Bän-
den erſchienen iſt.
Um aber den Werth dieſer einzig in ihrer Urt daſtehenden Landes
geſchichte richtig zu würdigen, will ich vorerft verſuchen die Stellung zu
charalteriſiren, welche daſſelbe bei feinem Erſcheinen einnahm, feine willen-
ſchaftliche Bedeutung für jene Zeit feftzuftellen.
Bon der Urgefchichte unferes engeren Vaterlandes, d. i. vor der An
Tunft des deutſchen Ordens, durch welchen es ja erft in dauernde Verbin-
dung mit dem Weſten gebracht wurbe, haben wir nur bin und wieber
ſeht vereinzelte Notizen bei ben Schriftftelleen anderer Völker, birefte
Nachrichten fehlen uns ganz. Was bann bie älteften Orbenschronifen da⸗
über enthalten, ift noch weniger geeignet uns aufzullären; bie eigene Un»
lenntniß der Verfaſſer — fie waren ja ſämmtlich Frembe — paarte ſich mit
blinder Einſeitigkeit und abfichtlichem Verſchweigen. Erſt im 15. Jahrh.,
beim Erwachen eines neuen wiſſenſchaftlichen Strebens, ſtellte ſich dae Ber
bürfniß ein, auch von dem alten Preußeulande etwas zu erfahren, und
die gelehrten Herren jener Zeit, voran Yenens Sylvins, machten fi daran,
wo fe nichts fanden, mit Hülfe klaſſiſcher Brocken wenigſtens zu erfinden.
Wenn damals für Städte wie Nürnberg und Augsburg ein Alter gleich
dem Roms nicht genlgte, wenn man ihre Gründung bis auf die Aus
wanberung der Trojaner, ja noch Jahrhunderte weiter zurädfährte, fo
durfte e8 doch wahrlich nicht zu gewagt erfcheinen, auch Romowe, das Haupt-
heiligthum ber alten Preußen, mit Rom in Verbindung zu bringen. Doc
folge Spielereien wären noch zu ertragen. Daß weiterhin bie Gefchichte
des Ordens, feiner Kriege und feiner Herrfchaft von feinen Anhängern
fo erzählt wurbe, baß fein Ruhm nicht barunter litt, daß baneben, als ber
Zwiefpalt zwiſchen Osden und Land ſich entwidelte und zulegt zu offenem
Bruch und Bürgerkrieg führte, noch eine andere Tradition ſich heransbil-
dete unb Hauptfächlich in ben Städtechronilen ihren Ausdruck fand, eime
Tradition, bie ſich mit ber polniſchen vielfach berührt, iſt ber gamz natür⸗
liche Verlauf. Wo da nach der einen ober ber anberen Seite hin Vers
letzungen ber Wahrheit vorloumen, ſind fie darch die unmittelbaren Quellen,
336 Ueber die heutige Brovinzialgeihictsforihung
durch das urkundfiche Material, das ung in einer Fülle wie wohl nirgends
fonft zu Gebote fteht, leicht zu erfennen und auszumerzen. Aber bie Ge⸗
ſchichte unferer Provinz iſt von einem Mißgefchid eigenthümlicher Art bes
teoffen, an deſſen Folgen fie noch heute ſchwer zu leiden hat; wir haben
neben aller anderen Arbeit noch immer — verzeihen Sie bas Bild — mit
ber Austreibung eines böfen Geiftes zu thun, ber vor miehr als 300 Jah⸗
ren in fie gefahren ift und noch heute wie ein Alp auf ihr laſtet. In
den zwanziger Yahren des 16. Jahrhunderts verfaßte befanntlich der Pre
bigermönh Simon Grunau eine umfangreiche Chronif des Landes
Preußen, welche bie preußiſche Gefchichte von den nrälteften Zeiten ab
bis auf die Tage bes Verfaffers mit größter Ausführlichkeit erzählt, Eben
diefe Genauigkeit und Eicherheit, die er zur Schau trägt, maßte ben arg.
loſen Lefer beftechen. Er fixirt jede Thatſache durch ein Tagesdatum, er
weiß die Stärke ber Heere, die Zahl der Gefallenen in allen Zeiten ganz
genau anzugeben, überall reiht er eine Unzahl von Namen auf; dazu
fpricht er zuerſt von vielen Dingen, die das höchſte Imtereffe erregen
mußten — fo liebt er es beftehenben Einrichtungen ihren Urfprung nach⸗
zuweiſen; unb alles biefes belegt er durch eine anfehnliche Anzahl von
Quellen, befannten freilich und unbelannten. Schon Lucas David in
der zweiten Hälfte des 16. und Hartknoch am Ansgange des 17. Jahr⸗
hunderts hatten ſich Hin und wieder zu Zweifeln an ber Tradition erhoben,
aber weiter als bis zu folchen ſehr beſcheidenen Zweifeln, als bis zu ber
dunklen Ahunung, daß es mit ber hergebrachten Erzählung doch nicht über
all und immer feine Richtigkeit haben könne, hatten fie es nicht gebracht,
ja nicht bringen können. Und im biefer Rüdficht ſtand es ein Jahrhnn ⸗
Hundert fpäter, ale Baczko feine „Geſchichte Preußens“ ſchrieb, nicht
wefentlich befier: ihm fehlte ebenfo wie Jenen das Material und bie Mer
thode. Das Einzige, was ihn über feine Vorgänger erhebt, das iſt der⸗
freie Geift, ver durch fein Werk weht, dae ift ber freie Blich, mit dem er
an bie Sache Herangetreten iſt. Der Kurioſität wegen will ich eine gleich⸗
zeitige „ältere Gefchichte Preußens", welche ſich gleichfalls durch und buch
als ein Kind bes 18. Jahrhunderts, freilich als ein Kind ber ſchlechteren
Art, manifeftist, wenigftens erwähnen. Es iſt ber Herr v. Kogebne, ber
mit diefem Werte, welches glüclicherweiſe ſchon zu den halbverſcholleuen
von Dr. Earl Lohmeyer. 831
gehört, auch einmal unfere Muſe entweiht Hat. — So war benn, ale
Boigt hierherlam, nicht weniger als alles zu thun; und er hat geleiftet,
was ein Einzelner nur immer zu leiften vermochte. Durch bie Aufgabe,
welche ihm fein Amt entgegenbrachte, fah er ſich mitten in das volle Ma⸗
terial Hineingeftellt, er erfannte bald, daß eim ganz nener Weg einzufchlar
gen fei, daß mittelft der Urkunden unferes Archivs an eine Emancipation
don ber auf ben fpäteren Chroniken beruhenden Zrabition gegangen wer-
den müffe, und glaubte, daß eine ſolche auch würde buschgeführt werben
tönnen. Er ſelbſt hat dann die mühenolle Robung des nenen Weges ber
gonnen und ift ihm felbft eine Strede vorangegangen. Wenn je eine fo
alfeitige, einftimmige Anerfennung, die ihm willig den Namen bes Vaters
unferer provinziellen Geſchichtsſchreibung beigelegt hat, auf richtiger Schägung
beruft, fo ift es hier der Fall. Wohl Tann id. mir denken, bag einmal
eine Zeit kommen Tann, wo keines ber einzelnen Reſultate, zu welchen er
gelangt ift, mehr unangetaftet dafteht, aber dennoch wird man noch immer
mit Ehrfurcht zu ihm emporbliden können und fich aller Frivokität, mit
der wohl jegt bisweilen feine Schwächen angegriffen werben, zu enthalten
die Pflicht Haben.
Aber darf auch ſelbſt die hentige Forſchung ihn noch immer als
durchweg auverläffig betrachten und behandeln? Dürfen wir feinen fach
lichen Imhalt, die Reſultate der Forſchungen des Berfaflers bei wifjen-
ſchaftlichen Unterſuchungen auch heute noch mit Vertrauen zu Grunde le⸗
gen? Dürfen wir ihnen ohne zu große Gefahr irre zu gehen noch immer
folgen? Das ift nicht mehr der Fall.
Ich bin mir fehr wohl bewußt, daß ein folches Urtheil mir fehr Leicht
von vielen Seiten her den Vorwurf ber Impietät gegen ben Begründer
unferer heimatlichen Geſchichtsforſchung zuziehen Tann; ich weiß fehr wohl,
daß, wer zum erften Mal eine bis dahin allgemein anertannte Autorität
in ihrem ganzen Wefen und Werth angreift, immer ein gewiſſes Odium
anf ſich nimmt. Aber id ſpreche ja nur aus, was jebem Kunbigen längft
belaunt tft. Wenn wir wohl bisher Alle, bie wir ja noch fämmtlih unfe
rem Altmeifter perfünlich nahe geftanden haben, bewußt und unbewußt eine
ſehr wohl erflärliche und gerechtfertigte Schen uud Zurüchaltung iym ger
genäber uns auferlegt haben, fo tft es doch endlich an der Sei daß wir
Atpe, Monstejgrift Dr, un Sf. a
838 Ueber die heutige Vrovinzialgeſchichtsſorſchumg
dieſelbe — was ja auch ohne Verlegung ſchuldiger Ehrfurcht immerhin
gefchehen kann — fahren Iafien und ofien bekennen was wir wollen, was
wir wollen mäflen. Nicht bloß in weiteren reifen lebt man noch allge
mein in bem guten Glauben, daß wir ja alles nur irgenb Erreichbare er-
zeicht Hätten, daß, ſeitdem Voigt bie Feder niebergelegt bat, für weitere
Sorfhung nichts mehr zu thun übrig geblieben wäre. Selbſt von Fach⸗
gelehrten, von Männern ver Wiſſenſchaft ſelbſt wirb, wo fie auf die Ge
fhichte Preußens zu fprechen kommen, von ben Förderungen, welche bie
felbe inzwifchen erfahren Hat, nur felten Notiz genommen, immer wird
ohne Bedeulen auf Voigt zurüdgegangen; und doch befinden wir uns für
ven Augenblid mit der Erforfchung der Geſchichte unferer Provinz wieder
iu ben erfien Anfängen, und doch fiehen wir eben im Begriff, einen ganz
neuen Anlauf zu nehmen.
Boigts Ausbildung gehört einer Zeit an, in welcher man von bem
neuen Geifte, ber unfere Wiflenfchaft umgeftalten folite, kaum erſt eine Ah⸗
nung hatte; als er baun im hiefigen Archiv, durch die weite Entfernung
aus aller Verbindung mit ven wiflenfchaftlichen Kreifen und Strebungen
Deutſchlands herausgerifien, bie Vorarbeiten für fein Hauptwerk ausführte,
wurden bie Grunbfäge freier kritiſcher Forſchung eben erſt entdeckt, und fo
lange ex an ber Geſchichte Preußens felbft ſchrieb, lam ihre Handhabung
noch immer nicht fehr über bie erfien Anfänge Hinaus, fie waren und
blieben noch immer zu fehr Neuerung, als daß fie auf ihn einen wirl⸗
ſamen Einfluß hätten ausüben, als daß fie ihn ans bem einmal betretenen
Geleife Hätten heransbringen können. Auch ihm kommt es 3. B. no
weſentlich barauf an, felbft die Zeiten des graneften Alterthums mit feften
Geſtalten zu beleben, durch bie Fülle der Thatſachen fie anfchanlicher zu
machen unb unferem Blide näher zu bringen. Er beginnt fein Wert mit
einem ausgeführten Bilde von ber älteften Geftaltung und Befchaffenheit
mujeres Landes und von ber Herkunft und Nationalität, von ber Stantsr
verfaffung, Religion und Sitte feiner Urbewohner, obwohl er weiß, daß
Lucas Davib, anf ben er fi) gewöhnlich dabei beruft, ben Suhalt ber
enfen Bicher feiner preußiſchen Chronik lediglich aus Gruuau entlehnt
hat, und obwohl er Grunaus Weſen und Werth ganz richtig keunt. Und
weites, bie. magere uadte Notiz non. einem Viliugerzuge ber Dänen nach
von Dr. Earl Lohmeyer. 339
Samland oder zur Dünamändung, von einem Ranbeinfalle ver Bolen ins
Bruzgenlanb ober von einer Plünderung Mafoniens durch bie benachbarten
Heiden, wie fie wohl ein zeitgenöffticher Monch im dem Dahrbuch feines
Mofters anmerkte, genügt ihm wicht: bort giebt bie nordiſche Gage ben
Stoff zur detaillirten Ausführung, bier werben bie romanhaften Schilderun.
gen eines Dingofz wieder vorgeführt. Solchen anfcheinend auf Thatſachen
berahenden Angaben folgt er faft unbedingt; denn ihm fehlt — umb das
iſt weſenlich für Boigto kritiſches Verfahren — jeder pofitive Bepenbeweis,
ohne welchen er fi) noch nicht ans dem Banne der Tradition zu befreien
im Stande it. Ebenſo vermag Voigt auch für bie fpäteren Zeiten, ich
meine nach ber Unkunft des deutſchen Drbens, feine fchriftfiellerifchen Quel⸗
len nur fo weit zu koutrolliren, als ihm Urkunden zu Gebote fliehen; if
dieſes ber Fall, fo giebt er ihnen natürlich den Vorzug, wo fie aber feh-
len, vertraut er wieber ohne Anſtoß zu nehmen deu Chroniſten, bie er
dann wohl bei Widerſprüchen gegeneinander nach guter alter Weife aus
zugleichen fi bemüht. Kurz, feine Kritik iſt uur erſt anf das Aeußerlicht
befchräntt. Die innere Natur der Chronilen bes Mittelalters, bie Art
ihrer Entſtehung, bie Ummanblungen, bie fehr viele erlitten Haben, waren
ihm noch ganz unbelannt und verichlofien; ex verſtand es noch nicht fie ig
ihre Beſtandtheile aufjulöfen, das Authentiſche von dem mittelbar Ueber⸗
lieſerten, die Berichte über Geldfterlebtes von dem zu nuterſcheiden, was
den Berfaflern anderweitig überlommen war, ober mas fie ſelbſt zur
Ausſchmücung willkürlich zugefeht Haben. So citirt er durch fein ganzes
Wert als zwei für alle Zeiten faft gleichmäßig zuverläffige Quellen die for
genannte Hochmeiſterchronik und eine Handfchrift, welche er als olinner
Chronil bezeichnet; jene aber Yaun in ihrer jetzigen Geftalt nicht vor dem
ewigen Frieden von 1466 entftanben fein, diefe beftcht aus nicht weniger
als 5 nicht gar ſchwer voneinander unterfcheinbaren Werten, von denen
das alteſte bald nach 1256 niebergefchrieben ift, währen bas jüngfte ſich
felbft unverholen als eine Arbeit des 17. Jahrhunderts zu erfeunen giebt,
An die Behandlung, welche Voigt ben Urkunden angebeihen läßt,
it voch immer, um bei jenem Ausbrude zu bleiben, eine sein äuferliche.
Gewiß find die Schilderungen, welche er von ber Gntwidelung des inner
vun Berhälpnifie unſerer Provinz, ber ſtaͤdtiſchen, Aneiiten, gemahlen,
2
340 eher die heutige Brovingialgeihtihtsforfhung
focialen, bei denen ja lediglich urkundliche Beugnifie in weſentlichen Be⸗
tracht kommen, entwirft, von höchſtem Interefle, indem fie uns zum erflen
Mole einen Blid in biefelbe thun laſſen. Man kann auch nicht eben
fagen, daß Voigt in feinen Refultaten gar zu weit von der Wahrheit ab-
tert, Es eutſteht und entwidelt ſich eben in unferem Lande faft Alles
deutlich vor unferen Augen; faft nirgends bemerken wir ein allmähliches
Dervorgehen aus dem urfpränglicden, natürlichen Zuftande, das fich immer
in Duntel verhäflen wird, bie ganze Kultur beruft Hier auf künftlichem,
beabfichtigtem Hereintragen fremben Weſens und anf bewußtem Beibehal-
ten einheimifcher Elemente. Dazu kommt, daß fi, man könnte fagen,
jede, and; die unmerklichfte Wandlung urkundlich belegen läßt. Geht mau
aber Voigts Forſchung im Einzelnen nad, lieſt man bie betreffenden Ab-
ſchuitte aufmerkſamer, fo fpringt es Har in die Augen, daß er immer nur ‘
das gefehen hat, was oben anflag, man vermißt tieferes Einbringen, geiſti⸗
ges Verarbeiten. Boigt vermochte uoch nicht der inneren, organifden
Entwidelung Schritt für Schritt zu folgen,
So viel über Voigts Kritik und ihre ſchwache Seite. — Der andere
große Fehler, in den Voigt verfallen ift, betrifft die Auffafjung, von wel
Ger er amsgegangen ift. Es ift ber Staudpuult bes Ordens, anf ben
Boigt ſich geftellt Hat, unb ben er von Anfang bis zu Ende, vom Ein⸗
tritte des Ordens bis zum Untergange feiner Herrichaft über Preußen, in
beſchrãulteſter Einſeitigleit ſeſthält. Das lag aber einmal ſchon in bem
Mangel des von ihm benutzten Materials: fo überreich baffelbe floß, es
geftattete ihm doch immer nur bie eine Partei zu Hören, denn er fchöpfte
ja fo get wie ausſchließlich aus unferem Orbensardive, er Taunte ja
außer Grunau nur bie Orbenschronilen. Sonft haben ihm Urkunden
aus anderen unſerer Provinz angehörigen Sammlungen unr ſehr verein
zelt zu Gebote geftanden (fo werben hin und wieber einige thorner citixt);
ansländifche Archive vollends Hat er für feine preußiſche Geſchichte noch
gar wicht durchforſcht, und gebrudte Sammlungen von Belang gab es noch
nirgends. Erinnern wir uns nun aber baran, daß, von ber Eroberung
und Rultivirung bes Landes abgefehen, die Geſchichte der Orbensherrichaft
in Preußen hauptſächlich von ben Streitigkeiten erfüllt ift, in melde ber
Orden nach allen Seiten Hin theils fich felbft verwidelte, theils burd bie
von Dr. Garl Lohmeyer. 341
Umftänbe vertidelt wurbe: mit ber Kirche und ben Landesbiſchöfen, mit
den Nachbarfürften ringsumher, endlich mit ben eigenen GStäbten unb Un⸗
terfafien, fo bebarf es keiner weiteren Ausführung, um darzuthun, ba bie
völlige Hintanfegung ber gegnerifchen Ausfagen eine einfeitige Auffaſ⸗
fung, ein falfches, parteiiſches Urtheil zur Folge Haben mußte, daß allein
die Urkunden und Altenſtüde, welche ber Orben anfbewahrte uber viel
leicht aufzubewahren für gut befand, unb allein bie Aufzeichnungen, welde
ihm anhängende, von ihm beeinflußte, ihm ſelbſt angehörende Männer
niederſchrieben, unmöglich geeignet fein können ein wahrkaftiges Bild zu
geben. Und doch wären bie engen Schranfen, innerhalb deren ſich Voigt
mit feinen Onellen bewegt, ihm nicht gar fo ſehr gefährlich geworben, fie
hätten feinen Blick nicht fo fehr einengen Können, wenn er nicht von vorn⸗
herein mit einer vorgefaßten Meinung an bie Sache heramgetteten wäre,
Die im Punkte der Kritik, ebenfo wenig kounte ex ſich in NRüdficht der
Auffoffung der Geſchichte des Mittelalters über den Geift erheben, ven er
bei feinen fräheften hiſtoriſchen Univerfitätöftubien eingefogen hatte, und
am fe weniger als biefer Geiſt noch lange ber vorherrſchende blieb.
Luden war in Iena Voigts Geſchichtelehrer geweſen und hatte ihn
fölteglich bewogen, fein Fachſtudium, bie Theologie, aufzugeben und ſich
ganz der Geſchichte unb der alademiſchen Laufbahn zu widmen. Damit
war Voigt in die romantifche Richtung hineingerathen. Allerdings, es bes
fleht ein himmelweiter Unterſchied zwiſchen ber Art, wie bie Richtung jener
Zeit fich in feiner Erfilingsarbeit äußert, und dem Grunbten, der in ber
„Geſchichte Preußens“ herrſcht. Dort Hat Voigt, ber firenge Proteflont,
der ſchon mehrmals prebigenb anf ber Kanzel geftanden Hatte, einen Gre⸗
ger VII. in folder Weije ſchildern Lönnen, daß Glaubensgenoffen ihm bem'
Berwurf des Kryptolatholicismus faſt ins Geſicht fagten, und daß men
ihn von latholiſcher Seite in vollem Ernſte anfforbern durfte, nun and
die äußere Maske fallen zu laſſen und mit dem Nüdtritt in die alleinſe ⸗
ligmachende Kirche, der er ja doch mit feiner Ueberzengung angehöre,
wicht länger zu fäumen. Ob und wieviel biefer ungeahnte Erfolg mit ba-
zu beigetragen haben mag in Boigts Geifte eine gewiffe Umwandlung
hervorzurnfen, vermag ich nicht zu eutſcheiden. Genug, ans bem Verthei⸗
diger und Lobredner des Papſtthums, wie Hilbebranb es erſtreble, wurde
ur Ueber die heutige Provingialgeichiehtöforichung
ei ebenfo entichiebener Gegmer ber römiſchen Kurie. Doc; reichte der
Auſtoß nicht ans, um ihn bas Verkehrte der eingeſchlagenen Richtung ganz
erkennen zu laſſen, um ihn von den Regungen, bie ihn bisher bewegt
heiten, ganz abzuwenden. Gr kam nicht weiter, als daß er feine Vorliebe
einem, anberen Prodult jener „romantifchen" Seite bes Mittelalters zu-
wonbte und auch biejes dann in dem helften, glänzendſten Lichte darzu⸗
flellen ſich bemũhtte.
Bir geſtehen gewiß alle gern und mit voller Ueberzeugung bie hohe
Verechtigung zu, bie ber deutſche Orben zum Kampfe gegen bie heidni ⸗
ſchen Urbewohner uuferer Heimat mit ſich brachte, und folgen darum den
einzelnen Kriegejägen trotz ihrer Einförmigleit und der mitnnterlaufen-
den Rohhelten und Grauſawleiten, wie fie die Vorftellung ber Zeit von
dem bem Heiden anhaftenben Mangel der Menfchenmürbe wenn nicht
rechtfertigt, fo doch entſchuldigt, dennoch mit ganzer Theilnahme, Wir
begreifen, wie ber Orden, fobelb er eine politifhe Macht geworben
war, andy darnach fireben mußte fi aus ben Feſſeln, in welchen bie
Kirche ihn gern für immer fefigehalten hätte, zu befreien, und gewab⸗
ven. mit Genugihuung, wie es ihm gelang ſich thatſächlich ſelbſtſtändig
zw machen. Wir Haben von unferem deutſchen Standpunkte aus alle
Unſache die zähe Feſtigkeit und Ausdauer anzuerkennen, mit welcher ber
Orden. fid) ben ſlaviſchen Nachbarn entgegenwarf und fpäter, als fie nach
dem wohlhabenden Küftenlande und den gewinnverheißenden Handelsſtäd⸗
tes lüftern wurden, ihnen wicht ohne allen Erfolg Wiberftand leiftete,
Die mit ſicherem Blid geleitete unb burchgeführte Koloniſation von Stabt
ua Sand, bie Handhabung ber Rechtspflege, bie Thätigleit für Handel
uud. Gewerbe, bie mufterhaft geregelte Finanzwirthſchaft, kurz, bie ganze
innere Verwaltung entlodt uns bereitwillige Bewunderung. Geber muß.
Boigis Enträftung über das Gebahren ber leitenden Kreiſe in den Bür⸗
gerſchalten und im Landesadel theifen, wie es fo ohne alle Scham zu
Toge trat und zum Bürgerfiege trieb. Niemand wird es bem Orden
verargen, wenn er nach bem ewigen Ürieben von Thorn, ber ihm Lebens
geſaͤhrlichen Verluſt brachte und ihm dem Erbfeinde entkräftet unb wehr⸗
108 zu Bühen warf, das wefprängliche Verhaltniß zu Kirche und Reich, am-
welchen feit Menſchenaliern laum noch im. Gruft gedacht war, immer: wige
“DM Dr. Cau vohmever. 348
ver hervorhob md als Argument gegen bie Rechtmaßigleit jenes Friedeus
anzog, wenn er immerjort barauf ans war das verlorene @eblet wieder⸗
ngerwinnen und die räumliche Verbindung mit bem Reiche wiederherzu⸗
flellen, bie anfgezwungene Botmäßigfeit abzuwerfen. In allem biefent
wird und maß man Boigt Recht geben, aber es fehlt in feiner Darflel-
lung die Kehrſeite, wie fie die mubefangene Betrachtung und bie Ber
nngung aller Quellen kennen (ehrt,
Baffen wir nun unfer Urtheil über Voigts preußtfche Geſchichte noch
einmal furz zufammen, dahin: daß feine Kritik unzureichend, das vom ihm
benngte Material umvollftändig und Lüdenhaft, feine Auffaſſung endlich
eine einfeltig beſchränkte war, fo ift damit auch zugleich bie Richtung ge-
geben, welcher wir bei weiteren Forſchungen konſequent zu folgen haben:
Ergänzung und Mitifche Bearbeitung bes Quellenmaterials und Ausmerzung
jeder Art von Tradition find diejenigen beiden Punkte, auf melde ich bus
Hauptgewicht legen zu mäflen glaube. Nach beiben Richtungen hin aber
haben Sammlung und Forſchung während bes letztverfloſſenen Menfchen«
alters unferer Landesgeſchichte beträchtliche Forderung gebracht. Gleith
nad) dem Erſcheinen ber erfien Bünde bes Boigtſchen Werkes wurbe eine
ganze Reihe von Verfehen und Ungenauigfeiten nachgewieſen, wie fie bei
einer erften Arbeit, bie fo große Schiwierigfeiten zu überwinden hatte, wicht
ansbleiben konnten; aber das waren nur Einzelnheiten. Dann folgte von
allen Seiten her, von katholiſch⸗kirchlicher, wie von nationaler and politi⸗
ſcher, bald gelegentlich, bald in befonderen Arbeiten fanter Widerſpruch
gegen die panegyrifche Schilderung, welche Voigt vom Orden entwitft;
diefe Gegner aber braten im Allgemeinen die kritiſche Forſchung nicht
um einen Schritt weiter. Ste beutelfen entweder nur an bem borgefunbes
nen Zhatfachen herum ober fie gingen gar noch zurück: kirchliche Schrift:
ſteller hielten um jeben Preis an Grunan feft, ber ja auf ihrer Seite fteht, -
und polniſche Hifiorifer, jelbft ber neueften Zeit, nährem ihren nationafen -
Haß nad) wie vor ans ihren Gfribenten bes 15. nnd 16. Iahrfunberts.
Den erften Schritt zum Befferen, die erfte Antvenbung ber weiteren:
Grumsbfäge ber Kritik machte bei und umb trat bamit öffentlich hervor
Töppen; er ging zuerſt dem tolfemiter Mönch energifch zu Leibe. Im
dem ex jeue Chronik des erſten prempifchen Biſchofs Chriſtian ans Oliva,
344 Ueber bie heutige Provingialgeldictsforfhung
auf welche ſich der Mönd, für feine Darftellung ber Urgefchichte unſeres Lan-
des vorzugsweife beruft, und bie auch noch Boigt für echt Hielt, als eine
geradezu theils Tächerliche theils unverfchämie Biltion nachgewieſen Hat,
hat er ihm für den erfien Teil feines Machwerks ben Boden unter ven
Füßen fortgezogen. Faſt gleichzeitig wies Röpell nad, daß bie andere
Quelle, welche den Stoff zur Ausſchmuckung unſerer älteften Geſchichte
hergegeben Hat, bie historia Polonica bes dem 15. Jahrhundert angehöri-
gen Johann Diugofz, gleichfalls bei eingehender Prüfung nicht Stand Hal-
ten kann: er that bie kritikloſe Geſchwätzigkeit, bie nationale Einfeitigleit
ihres Berfaffers fo unwiberleglich dar, baß von einer Berufung auf ihn
allein nicht mehr die Rede fein barf. Endlich, gegen eine ganze Gruppe
von Quellen, bie römifchen und griechifchen Schriftfteller, bei welchen man
Nachrichten über die Küftenlänber der Oftfee zu finden glaubt, muß man
zum mindeften fehr auf ber Hut fein; denn einen Plinins, einen Ptole-
mäns und für fo entlegene Gegenden felbft einen Tacitus für etwas mehr
als Quellen zweiten Ranges, als abgeleitete Quellen zu Halten, tft heut ⸗
zutage doch unftatthaft. Bevor nicht die Philologen fie auch in Bezug
auf ihren Inhalt einer zerfegenben Kritik unterworfen und nachgewwiefen
Haben, wo jene Notizen herrühren, darf man fie nicht weiter fo unbedingt
anziehen. Auch bie Archäologie, welche bei ber großen Maſſe ver dem
Boden entnommenen Alterthümer wohl Aufklärung geben könnte, liegt bei
und noch fehr im Argen; fie ift bisher wiſſenſchaftlich noch niemals ber
handelt worden, es haben fich ihr immer nur Dilettanten zugewandt. Eo
bleibt denn Herzlich wenig übrig. Nicht mehr mit den Phönizierfahrten
und was bamit zufammenhängt, bürfen wir bie Gefchichte unferer Provinz
beginnen. Die erfte, auch zeitlich feſtſiehende Thatſache ift die nicht vor
die Mitte des 2. Jahrhunderts fallende Einwanderung besjenigen Volkes,
welches die chriſtlichen Apoftel und fpäter ber beutiche Orben als Pruzzi
zwiſchen Weichfel und Pregel vorfanden. Mehr als daß vor ihnen bie
Gothen hier gefeflen Haben, willen wir nicht. Doc dieß nur als eim
Beiſpiel.
Wie aber ſoll ih Ihnen nun mit wenigen Worten das zuſammeuſaſ ⸗
fen, was feit Voigt für die @efchichte der Orbensherrfchaft ſelbſt geteiftet
iM? Die Zahl der Arbeiten iſt feine geringe, und ihr Inhalt ift von
von Dr. Garl Lohmeyer. 345
erheblichem Werth; aber es find doch immer uur vereinzelte Punkte zur
Unterfuhung gelommen. Der braunsberger Profeflor Watterich hat vor
einigen Jahren (1857) die Geſchichte der „Gründung des deutſchen Or-
densftantes in Preußen“ in einer. Monographie beleuchtet, deren thatſäch⸗
lichen Nefultaten man meift zuflimmen kann, nicht fo ihrer Auffafiung:
ſchon für jene Zeit, gleich nach feinem Erfjeinen am ber Weichfel, ſchreibt
Batterih dem Orden Feine andere Politik zu als eine auf Betrag, Hin-
terlift und Verrath beruhende, und bei ber Art, wie er feine Onellen hand⸗
habt, einem Berfahren, welches von Fälſchung nicht gar weit entfernt iſt,
wird es ihm nicht ſchwer ben Beweis bafür zu führen. Dann will ich von
größeren Arbeitens Boßberg, Geſchichte der preuß. Münzen während der
Herrſchaft des deutſchen Ordens; Töppen, Hiftorifch-comparative Geogra-
phie von Preußen; Fabricius, die Herrſchaft der Herzoge von Pommern
in Danzig; Hirſch, die Ober⸗Pfarrkirche von St, Marien zu Danzig und
Danzige Hanbels- und Gewerbsgeſchichte unter der Herrſchaft bes bent-
fchen Orbens wenigftens erwähnen. Was durch dieſe Schriften und bie
zahlreichen Meinen Abhandlungen, welche in ven Zeitichriften unferer Pros
vinz zerfireut find, im Großen und Ganzen erreicht ift, liegt ja ſchon mit
in dem ausgefprochen, was ich Ihnen über Voigts und feiner Vorgän⸗
ger Werth entwidelt Habe. Ich will daher Hier nur noch auf das Hin
weifen, was neuerdings ſpeciell zur Förderung ber Quellenkritik bei uns
geſchehen iſt.
Wir haben den großen Vortheil vor Voigt erlangt, daß wir in den
Stand geſetzt find, auch bie Stimmen ber Gegner bes Ordens zu hören.
Die Archive einiger Städte unferer Provinz, vor allen das banziger, bes
lehren uns über die Eingriffe bes Orbens in bie den Stäbten gewährten
tommunalen Freiheiten und lafien uns bie Magen über die laufmänniſche
Betriebfamteit des Ordens vernehmen, durch welche die Stäbte ihren eige-
nen Erwerb und Wohlftand gefährbet glaubten. Auch finden wir bort
ergänzende Aufklärung über bie Beziehungen unferer Stäbte und bes Or⸗
dens felbft zum Hanſabunde, welche bie Politik ver Hochmeiſter eine ges
raume Zeit geradezu beherrſchten. Die nie enbenben, oft fehr erbitterten
Streitigkeiten mit ben Biſchöfen von Ermland, denen es gelang, fich allen
Angriffen zum Trog dem Orben gegenüber ziemlich ſelbſtſtändig zu erhal⸗
346 Ueber bie heutige Brovinzialgeidhichtäforfähung
ten, bürfen ohne Durchmafterung der beiden ermländiſchen Archive (des
Biſchofs und des Kapitels) nicht mehr bargeftellt werben. Die Schätze
der letzteren werben jet durch bie gelehrten Mitglieber des franenburger
Domkapitels als befonverer Codex diplomaticus Warmiensis, ber eine
wahre Mufterarbeit geworben ift, allgemein zugänglich gemacht. Für bie
Beurtheilung ber auswärtigen Politik des Ordens endlich flehen ans allen
Ländern neue Urkmdenfammlungen zu Gebote, für das polniſche Reich
allein ſechs. An einen nenen vollfänbigen Koder für Preußen felbft, ver ben
Anforderungen der Wiffenfchaft entipricht, dürfen wir freilich vor der Hand
niet denfen, da Voigts Codex diplom. Prussicus, ber bis zum Jahre 1404
hinabreicht, denn doch zu neu ift, um ihn jegt fchon ganz zu verwerfen.
Voigt hat aber leider nur Urkunden des konigsberger Archivs darin aufge
nommen unb zwar wiederum nur ſolche, welche vorher noch nicht gedruckt
waren, obgleich er ganz wohl wußte, daß die alten Drude durchaus um
braufbar find. Vielleicht übernimmt es Jemand uns wenigftens Regefter
zu liefern; doch ich fürchte faft, daB auch biefes ein frommer Wunſch
bfeiben wirb,
Was nun die Chroniken zur Geſchichte des Ordens felbft anbetrifft,
fo war ber Erfte, der an fie die Sonde der Kritil anlegte, Theod. Hir ſch
in Danzig, der leider jegt unferer Provinz den Rüden gelehrt hat. 1850
wies er in einer Abhanblung „über dad Chronicon Olivense und fein
Berhäftniß zu ben übrigen olivaifchen Geſchichtsdenkmälern“ bie wahre
Natur jener Handſchrift nah, von welcher ich ſchon einmal gelegentlich be-
merkte, daß Boigt fie ohne Bedenlen als eine einige olinaer Chronik bes
trachtet und benngt hat. Diefes Programm und jene Differtation Töp-
pens über den liber filiorum Belial find fomit als die Grundfteine un⸗
ferer nenen Quellenforfchung zu betrachten. Beide, Hirſch und Töppen,
faßten man ben Gedanken, alfe preußiſchen Chroniken einer gleichen Prä-
fang zu unterwerfen und fie bann in einer Sammlung herauszugeben.
Man fuchte deßhalb in den Archiven, einheimifhen und answärtigen, nach
neuen Handſchriften vorhandener Chroniken und nach Hanbfchriften folcher,
die bisher für verloren gegolten Hatten. Und man fanb eine nicht ganz
geringe Ansbente, vernehmlich an fläbtifchen Chroniken, welche meift von
Männern im Amt aufgezeichnet und daher für die Geſchichte des 15. nub
von Dr. Earl Lohmeyer. 347
16. Sahrhunderts von um fo größerem Werthe find. Um nicht ungerecht
zu ſcheinen, darf ich nicht unerwähnt laffen, daß auch von anderen Seiten
aenes Material herangebracht wurbe; fo fand und veröffentlichte der jetzige
Vorſteher unferes Archive, Dr. Medelburg, die Chronik des altjtäbti-
fen Rathsherrn Johannes Freiberg, welche in ihrem felöftftändigen
Theile die legten 15 Jahre der Ordensherrſchaft mitumfaßt. Noch ehe
alfe Vorarbeiten vollendet waren, ſchrieb Töppen feine Gefchichte ber
preußifchen Hiftortographie, welche ans eben biefem Grunde noch an man-
nigfacher Unvolltommenhett und Unficherheit leidet. 1861 erfchten dann
enblich ber erfte Band ber Scriptores rerum Prussicarum, eines Wertes,
welches für alle Zeiten feinen hohen Werth behalten wird. Als Mitar
beiter ift befannilich noch ber berliner Ardivar Dr. €, Strehlfe, ein
geborner Danziger, Hinzugezogen. Man hat wohl bisweilen bie große
Fülle ber jachlichen Anmerkungen getabelt, doch Hätte man, meine ich, bei
der Beichaffengeit unferes urkundlichen Quellenmaterials — denn baranf
beruhen jene ausſchließlich — eher alle Urſache die mühevolle Arbeit danl⸗
bar anzunehmen; benn erft durch fie iſt bie Kontrolle ber einfeitigen Chro⸗
niften möglich gemacht. Wir können nunmehr, nachbem auch ein zweiter
Band diefes Wertes erſchienen ift, die Geſchichte des Ordens bie in bie
Zeiten Winrichs hinein mit größerer Unbefangenheit und Marheit überfehen.
Damit, v. H., geftatten Sie mir zu ſchließen und noch dem Wunfche
Worte zu leihen, daß es mir eimft vergännt fein möge, auf meine afabe-
miſche und wiſſenſchaftliche Thätigkeit, trog meiner geringen Kräfte, als
anf eine nicht ganz unfruchtbare zurüdzubliden,
Gritiken und Beferate.
9.8. Iacobfon, Das Evangelifche Kirchenrecht des Preußiſchen
Etaates und feiner Provinzen. Zweite Abtheilung. Halle,
€. €. M. Befier 1866. (VIII S., 1 BL und S. 339...748. 80.)
Im Auſchluſſe an die Anzeige ver I. Abtheilung (Monatoſchr. II, 373)
zeigen wir nunmehr das Erſcheinen ber II Abtheilung in Kürze an, womit
das obige, anerlannt treffliche Wert zum Abſchluß gelangt iſt. Um mehr
ala 70 Seiten ſtärker, wie bie erfte Abtheilung, behandelt bie zweite das
Berwaltungs- Recht ber evangeliſchen Kirche Preußens, in folgenden
vier Abſchnitten: 1) bie Provifion der kirchlichen Aemter, 2) das kirch⸗
liche Leben, 3) die Kirchliche Aufficht und Disciplin, 4) das kirchliche Ber-
mögen. Diefe Anorbaung des Gtoffes ift von ben hergebrachten Darftele
lungen abweichend, wirb aber gerechtfertigt durch bie „Verſchiedenheit ber
Objecte der lirchlichen Verwaltung ſelbſt.“ — Am Schluſſe folgen „Rad
träge und Verbeſſerungen“ zu beiden Abtheilungen (S. 721 ff.), ein Nach⸗
weis ber ans dem allgemeinen Landrecht berüdfichtigten Stellen” (&. 726 ff.)
unb endlich ein forgfältig gearbeitetes „Inhalts-Regifter” (S. 732 ff.), wo-
durch der Gebrauch dieſes mühevollen und reichhaltigen Werkes weſentlich
erleichtert werben wird. Unb bamit ift denn ber Aufbau eines Syſtems
umferes vaterländifchen Kirchenrechts zum erften Male in wahrhaft Grund
legender Weiſe vollendet. S-n.
Dtto GSlagau 1) Spaziergänge burd Lauenburg und Lübed.
Verlag von Lemke & Eo. Berlin 1866. 2) Brig Reuter und
feine Dichtungen. Berlin. Berlog von Th. Lemle. 1866.
Wir wollen unfern Landsmann nicht mit dem Maßflabe meilen, ven
ex felbft in etwas übermäthiger Weiſe an bie gefammte meberne Literatur
Wagau, Spaziergänge x. — eig Reuter x. 349
anlegt. Laſſen wir jeden Vogel fein Lieb fingen und verlämmern wir
uns das Vergnügen am Bintenfchlag nicht, weil es fein Nachtigallengefang
if. So lebhaft er gegen bie literariſchen Fabrilanten eifert, fo fehen feine
Bücher, namentlich das erftere, body fehr ſtark nad; Sabrifarbeit aus, ja
er leugnet ſelbſt bie Beftellung gar nicht und läßt feinen Verleger, ber
ihm anf Reifen begleitet, offen feine Verwunderung barüber ausſprechen,
wie fo ein Bogen nad) dem andern aus Nichts zufammenkommt, wonach
fich ſchließen läßt, daß der Verfafler nicht anf Accord, fondern nad ber
Stüdzapl — bugenweife — gearbeitet hat. Uber mag fein! Er Hat einen
praftifhen Blick für das, was in der frifhen Gegenwart intereffirt und
holt fich fein Material von den Orten herbei, auf bie gerade aller Augen
gerichtet find. Da heißt es: ſchnell fein, ehe ein anberer zuvorkommt,
und ebenfo freilich andy: bis dat qui cito dat; benn man will der Sache
nicht tief zu Leibe gehn, fonbern geſchwinde orientirt fein. Im einer Zeit,
die fo ſchnell lebt, hat felten Jemand Zeit, ſich bei gelehrten Abhandlun⸗
gen aufzuhalten; man erhafcht aber wol ein Stünbchen um ſich zu raſchem
Rüd- und Ueberblid auf die Höhenpunfte der Situation führen zu laflen
und dankt dem gefälligen Führer, wenn er nus durch recht kurzweilige Ber
lehrung angenehm unterhält. Im folder Art geleitet Dito Glagan uns
durch Lauenburg und durch die Reuterſchen Dichtungen.
Lauenburg, dieſes Schooßlind des deutſchen Michels, dem es vergönut
war in deſſen weiße Zipfelmüge gehullt bie letzten Jahrhunderte hindurch
unbehelligt vom Geiſte des Fortſchritts ben Schlaf der Gerechten zu ſchla⸗
fen, iſt plöglich zu einer Urt von Berühmtheit gelangt, indem es über
Nacht preußifch wurde. Nun tft es ſicher Niemand zu verdenlen, wenn
er die nenefte Errungenfchaft näher Tennen lernen will, und bazu giebt
das oben angezeigte Buch „Spaziergänge durch Lauenburg unb Lübel”
bie befte Gelegenheit. Allerdings ift Lubeck noch freie Reichsſtadt, hat
andy vorlänftg gar feine befonbere Neigung ſich gleichfalls annectiven zu
laſſen, ſteht aber gleichwohl mit Lauenburg, wie ber Verfaſſer ausführt,
in engerm Zuſammenhange, ba es für das Heine Landchen bie Beben
tung einer Hanptftabt hat und das geſchaftliche Leben in bemfelben völlig
beeinfluft. Es war daher ganz in ber Orbnung den Spaziergang bis
dahin auszudehnen. Das ganze Herzogthum Lauenburg hat faum bie
350 Kritien und Referate.
Größe eines mäßigen Tanbräthlichen Kreifes in Preußen; es enthält etwa
19 DMeiten mit 60,000 Bewohnern (bie Hälfte der Einwohnerzahl ber
Stadt Königsberg). Auf der DMetie leben nur 2600 bis 2700 Perfonen,
was feine Haupturfache in den fehr ausgebehnten, den fünften Theil des
Bodens bebedenden Waldungen und Torfmooren hat. Die drei Stäbte da
ben zufammen 9000 Einwohner; bie jegt königl. Landdiſtricte umfafjen 12/5,
bie abligen Güter (22 an Zahl) 6%4 OMelien mit reſp. 28,000 und
13,000 Einwohnern. Auf dem platten Lande find die Frauen um faft 1000
in der Minverzahl. Verwaltung und Yuftiz find für die untere Inflanz
im ganzen Lande noch ungeſchieden; beide werben in den Städten durch
die Magiftrate, in den 4 Königlichen Aemtern durch landesherrliche erfte
and zweite Beamte, in ben abligen Gütern, welche rüdfichtlich der Yuftiz
und Adminiſtration gefchloffene Diftricte bilden, vom ben Gutsbefigern refp.
in ihrem Auftrage von Iuftiziarien und Polizeibeamten ausgeübt. Die lan-
desherrlichen Forſte umfafien 2%, Meilen, find in 16 Reviere von un⸗
gleicher Größe (1080 bis A000 Morgen. In Preußen circa 12,000 Mor-
gen) eingetheilt und fiehen unter ber Verwaltung von nicht weniger als
37 Forſtſchutzbeamten, darunter zwei Oberförfter, welche zum Theil ſehr
beträchtliche Dienftlänbereien (bis 160 Morgen groß) benntzen. Die
Forſten und Moore werfen eine Nettointrabe von jährlich 100,000 Thlr.
ab, was nur 2 Thlr. Reinertrag pro Morgen giebt. Yuf ben abligen
Gütern fungiren noch 21 Forſtbeamte. Auch fonft iſt das Mißverhältniß
zwiſchen ber großen Zahl der Beamten unb ber geringen Bevölkerung
hachſt auffallend. „Rechnet man nur die Bebiennngen und Unftellungen,
welche eine Univerfitätebilvung erfordern, fo finden fich allein folcher im
Sandchen etwa 120, fo bak auf circa 417 Bewohner ſchon ein gelehrter
Beamter (meiftens Schleswig-Holfteiner) kommt.” Die Bauern in den
9% Dörfern find nicht freie Eigenthämer ihrer Grundftäde, fondern haben
daran nur das fog. Meierrecht, d. 5. ein vollſftändiges Rutzungsrecht mit
beichräntter Dispofittonsbefugniß über die Subſtanz fewohl unter Leben
den als von Tobeswegen. Die Meiergefälle betragen übrigens nur civca
80 Thle. von der lönigl. Hufe; eine Ablöfung des Meierrechts wilde
ficher vie Staatseinnahme vergrößern. Die fonfligen Abgaben find fehr
gering und geben nur eva 1 The. 13 Sgr. pro Kopf (in Preußen über
Glagau, Spaziergänge x. — Brig Reuter x. 361
4 The.) Die Landesſchuld betrug 1859 nur 781,000 Thlr. Die Be
wohner find faft durchgängig wohlhabend und bie Sparlaffeneinlagen laſſen
fi auf den Kopf mit cisca 20 Thlr. berechnen. Dennoch find bie Zur
Hände höchſt ungefund zu nennen. Freizügigleit, Nieberlafjung, Erwerbung
des Heimathsrechts hängen bei Nichtgrundbefigern von der polizeilichen
Billfür ab; ohne obrigkeitlichen Confens fann feine Trauung vollzogen
werben; der Gewerbebetrieb unterliegt den härteften Befchränfungen. Unter
folchen Umftänden Tann es nicht auffällig erſcheinen, wenn bie Zahl ver
unehelichen Geburten enorm groß ift, nämlich nicht weniger ala 21 pCt.
(in Preußen 71/3), Die adeligen Gutsbefiger haben ſowohl ber Lanbes-
herrſchaft als ihren Gutseinfafien gegenüber eine völlig excluſive Stellung;
über ben legteren fiehen fie wie Heine faft fouveraine Fürften. Auch in
der fändifchen Landesvertretung dominiren fie; zwar haben fie im Land-
tage nur wie die Stäbte und Bauern 5 Abgeorbnete, aber es treten von
ihrem Stande noch 3 Mitglieder Hinzu, nämlich der Erblandmarſchall (feit
Jahrhunderten aus der Familie von Bülow) und 2 Landräthe. Uebrigens
hat bie Lanbesvertretung fehr weitgehende politifhe Rechte, wie ja in
diefer Beziehung die Feudalſtäude im Mittelalter faft überall glädlicher
fitairt waren, als manche conftitutionelle Repräſentation. — Hat ber Ver⸗
fafler diefe Notizen, die wir ihm bier nachſchreiben, gleichfalls größtentheile
ans Büchern entnommen, welche er übrigens in ber Einleitung gewiflen-
baft anzeigt, fo hat er doch auch viel mit eigenen Augen gefehn und fi
angenfceinlich große Mühe gegeben, fich bei ben Bewohnern felbft gründ⸗
lich zu informiren. Gr beſucht die Stabt Lauenburg, macht eine Fußreiſe
durch ben fog. Sachſenwald, fommt nah Mölln, Hält fih am Schallſee
auf, befichtigt Nageburg, ſchließlich das Amt Steinhorft, und ſchildert überall
recht lebendig und anſchaulich die fehr eigenthümlichen Verhältniffe. Hier
können wir ihm nicht in’s Einzelne folgen, verweifen bagegen den Lefer
an das Bud, welches felbft da nicht ohne Intereffe ift, wo ber Werfafler
mit feuilletoniſtiſcher Breite weniger charalteriſtiſche als rein zufällige Ber
gegniſſe ohne Bedeutung recapitulirt. Mit zum Beſien gehört die Ber
fchreibung bes alten, von feinem ehemaligen Glanze ſtark heruntergelom-
menen, aber noch immer höchſt eigenartigen und würdigen Lübeds in der
Beigabe, ſowie die Parallele deſſelben mit dem mach immer jugendlichen
362 Reititen und Referate.
Hamburg. übe iſt bie Ruine ber Hanfa. — Das Buch hat ber Ber
foffer „feinen lieben Freunden im Bfarchaufe zu Quednau bei Königs
berg i. Pr.” gewidmet und dadurch noch fefter an feine Heimath geſchloſſen.
Brig Reuter und feine Dichtungen“ find Lieblinge des
dentjchen Volkes geworben; wer fi) alſo mit ihnen liebevoll befchäftigt,
wird auf Dank rechnen können. Es kommt bazu, daß die plattdeutſche
Mundart ven berfelden Unkundigen (und das ift die große Mehrzahl der
Leſer) das Verſtändniß und damit das Vergnügen erfchwert, endlich daß
Brig Reuter gerade in ben wichtigften feiner Dichtungen faft nur ans dem
eigenen Leben fchöpft und alfo zur näheren Ergründung der Quelle felbft
auffordert. So erflärt ſich's, daß ſchon jest, abgefehen von der Schaar un«
eigennügiger Privatvorlefer, nicht nur mehr als ein halbes Dutzend öffent
licher Lektoren durch ben Bortrag Reuterſcher Dichtungen reichlich fein
Brod verdient, fonbern auch ein Buch, wie das vorliegende, auf ftarten
Abſatz zählen darf, zumal ber Verfaſſer fich felbft in der Vorbemerkung
„an das große Publikum“ wendet, d. 5. alfo fein Buch fo einzurichten
verfpricht, daß es dem großen Publikum behagen Tann. Dito Glagan
fängt denn auch fofort und ohne gelehrte Einleitung mit dem Wichtigften an,
namlich mit der Biographie Brig Reuters, die er fehr zutreffend unter
den Gefichtepunkt jenes Kernſpruches des Cornelius Nepos flellt: „das
Schidjal des Menſchen hängt von feinen Charakter ab." Ob bei dieſem
Abſchnitte Wahrheit und Dichtung bereits überall gehörig geſondert if,
Tann dahin geftelit bleiben, da weniger das Thatfächliche an fich, als bie
Auffaffung, welche der Dichter demſelben zuträgt, und die innere Geftal-
tung bes Moteriell-Heußerlichen zu einem idealen Gefammtbilde intereffirt.
Glagau befchränkt fi daher mit gutem Grunde faft nur baranf, ben Stoff
zu feinen Mittheilungen aus Reuters eigenen Dichtungen zu fammeln und
ftelit fo jedenfalls die dichteriſche Perfönlichkeit des berühmten Humoriften
am fiherften feſt. Zugleich führt er dadurch aber auch in bie Dichtungen
felbft ein, bie nun, was fie follen, im fubjektioften Zufammenhange mit
ver Perfon des Autors felbft ericheinen. Es folgt dann eine ziemlich fpe-
cielle Iuhaltangabe ber Reuterſchen Werke nach ber Zeitfolge ihres Gr-
ſcheinens nebft einer kritiſchen Beleuchtung berfelben. Der Verfafler macht
hier den ſehr anerfennenswertfen Verſuch, ven dortſchritt prinzipiell nach⸗
0 MR Zn mn —— —
Glagau, Spaziergänge x. — Frig Reuter x. 553
zuweiſen, der fi in Reuters Schaffen bemerklich macht, und die Grenzen
zu ziehn, innerhalb deren ſich feine ſchöpferiſche Kraft frei bewegt. Er
nimmt ungezwungen brei Perioden an: zu ber erften vechnet er bie „Län
ſchen un Rimels,“ Studien und Vorarbeiten zu den fpäteren Dichtungen,
zur zweiten bie brei Erzählungen in Deren, „in welchen ſich ein Experir
mentiren bes Dichters mit feinem Talente und in ganz verfchievenen Re
gionen verräth,“ zur britten enblich bie Profabichtungen, „bie uns ben
Dichter im richtigen Fahrwaſſer zeigen.” Den Werth der Läufchen und
Rimels fieht der Kritifer nicht darin, daß hier alte Anefvoten und Schuur-
ven in's Plattbeutfhe und in den Reim umgefegt find, fondern in ber
Charakter- und Situationsmalerei, in der getreuen Schilderung von Land
und Senten, denen er nad der Lutherſchen Regel „brav aufs Maul ge
ſehn“ Hat. Sie find nicht nur plattdeutſch gebichtet, fondern auch platt-
deutſch gebacht und empfunden und daher in Etoff und Form völlig ein
heitlich. Ein Vergleih mit Klans Groth führt zu dem Ausfpruche, daß
Fritz Reuter ein bei Weitem Träftigeres und vielfeitigeres Talent als die
fer fei, was zugegeben werben fann, auch ohne Klaus Groth's Bemühnn-
gen, die Empfindungsweife feiner Landsleute zu veredeln, zu nahe zu tre-
ten. Die Erzählungen in Verſen (1855, 1857 und 1859 erfchienen) be
ginnen mit „be Reif’ nad) Belligen” einer Art von komiſchem Epos voll
töftlichen Humors. Doch merkt ber vorurtheilsfeeie Kritiker dieſem font
fo Terngefunden und urluftigen Gedichte ſchon ein bebenfliches Gelüſt her⸗
ans, auf Rährung und Empfindſamkeit hinzuarbeiten, und zwar an ganz
unpaffenden Orten. Er giebt dafür fchlagende Beiſpiele. Faſt nur Tadel
Hat er für die zweite Dichtung: „Kein Hüſing“, welche er ein wüftes unb
abgeſchmacktes Nachtftüc nennt, in welchem „Sünde und Verbrechen, Elend
und Schande, Flüche und Verzweiflung gleich büfterrothen qualmigen
Seuern emporfladern und die Atmosphäre mit Rauch und Geſtank erfüllen“.
Namentlich ift die Motivirung und Charakteriftit fehr ſchwach, bie ganze
Anlage verfehlt. Eine Rückehr zu den fonnigen Regionen bes feinften
Humors bezeichnet jedoch die dritte Erzählung „Hanne Nüte un de lütte
Budel“, eine prächtige Menſchen⸗ und Vogelgeſchichte, bie nur theilweife
dur criminaliſtiſche Auswüchſe ſtark entftellt wird. Diefe Fehler vermei⸗
den die proſaiſchen Dichtungen der dritten Periode, in denen ſich Reuter
auyt. Monateigrift Bd. IL Oft, 4 23
554 eitilen und Referate.
in ein ganz perfönliches freundſchaftliches Verhältniß zu feinen Landslen-
ten ſtellt und meift ſelbſt eine bebeutende Rolle fpielt. Doch find auch
diefe Arbeiten unter ſich ungleich. Die erſte Erzählung ber „Ole Kamellen“:
„Woans if tan 'ne Fru kamm“, ift in ber Unlage und Ausführung ftart
verſchwommen und ohne rechten Kern, um fo lebensnoller und abgefchlofier
ner dagegen bie zweite: „Ut be Franzoſentid“, zugleich and ber Compd⸗
fitton nach das befte Probuft Reuters. Theilweife von fehr untergeorbne-
tem Werth find bie Sachen, bie in „Schur-Murr“ gejammelt find,
angenfcheinlich nur zu dem Zwed hervorgefucht, um einen Band zufammen-
zuftoppeln, wie Glagau meint. Er nimmt bavon nur ben „miffingfchen“
(in einer Miſchſprache von Hoc» und Plattdeutſch) abgefaßten Schwank
„Abendteuer des Entſpelter Bräfig“ und allenfalls den Artikel „Meine
Vaterſtadt Stavenhagen“ aus. Durch intereffanten Inhalt und milde Ge-
flanung ausgezeichnet tft dagegen das Bud „Ut mine Feſtungstid“, und
anf ber Höhe des Humors fteht das legte Werk: „Ut mine Stromtid“,
wo auch bie Figur bes Imfpektor Bräfig abgefchloffen ift. Die Eompofi-
tion freilich ift auch Hier, namentlich im britten Bande, etwas loder, was
man jedoch dem Humoriften zu verzeihn gewohnt iſt.
Soweit bewährt fi Otto Glagau durchweg als ein Mann, der zwar
feine Neigung für den Autor, Über ven er ein Buch fchreibt, in warmer
Weile zu erkennen giebt und entfchieben befien Partei gegen polemifche
Angriffe nimmt (fo in dem Streit mit Klaus Groth S. 97 ff.), der fi
aber doch im Ganzen ein unbefangenes Urtheil bewahrt und überalf ge:
meigt tft die Spreu von bem Weizen kritiſch zu fonbern. Leider Täßt er
fi in den Nachträgen von ©. 241 ab, um Fritz Reuter himmelhoch über
bie gefammte moberne beutfche Literatur zu erheben, verleiten, in ober-
flächlichſter Weife Aber alle übrigen, und zum Theil bie geachtetften Schrift
fteller einfeitig abzufpredhen. Bon dem gewählten hohen Stanbpunft aus,
auf welchem jür ihn „bie deutſche Literatur überhaupt bisher weder ein
eigentliches Drama noch einen wirklichen Roman aufzuweifen hat,” Tann
freilich anch Reuter nicht ganz für voll angefehen werben, aber auch nur
von biefem Stanbpunft aus, denn er kommt bem Ideal des Kritilers ganz
nahe uub läßt alle übrigen tief unter ſich zurück. Cr allein fchafft Kunft-
werte, er allein Hat wahren Humor, er allein ift ein Dichter von Gottes
Glagau, Spaziergänge ac. — Fri Reuter ic. 356
Gnaden. Außer ihm giebt es in ber deutſchen Literatur feit länger als
30 Iahren nur noch „Penfionäre (von Fürften, wie bie Mitglieder ber
„Rlein-Dichter-Bewaßranftalt” zu München, oder von Dichterftiftungen)
und Fabrifanten”. Bon legterer Gattung werben allenfalls nur drei
Männer ausgenommen, Auerbach, in deſſen Dichtungen aber „eine fünftliche
Luft weht, die und ben Athem beengt und das Herz beklemmt,“ Guſtav
Freitag, deſſen „Wolfen aber größer ift als fein Können, welches an einer
bürftigen ſchwächlichen Phantafie ſcheitert,“ und Paul Heyſe, „ein ganz
formelles Talent, ein Miniaturpvetlein”. Auch ihre Werke werben Macus
latur werben, nur etwas fpäter als bie aller Andern; nur Fritz Nenter
wird bleiben. Wir gehören gewiß zu ben Verehrern der Reuterſchen Muſe
und unterfjreiben gern das Lob, das O. Glagau feinen Dichtungen zolit.
Aber das Gebiet, auf bem er thätig ift, erſcheint uns als ein fo eingefchränft
felpfiftändiges, daß ein Vergleich mit den Beftrebungen anberer Autoren
laum zu anbern als ungerechten und unbilligen Schlaßfolgerungen führen
Tann. Er felbft muß zugeben, daß Alles, was Reuter bisher in hochdeutſcher
Sprache geſchrieben Hat, äußerſt bärftig ift und mit feinen plattdeutſchen
Sachen nicht entfernt einen Bergleich aushält, daß er auch höchſt wahr
ſcheinlich nie zu feiner jeigen Bedeutung gelommen wäre, wenn er feine
Gedanken von Anfang an hochdeutſch niebergelegt Hätte. Auch muß er zu-
geben, daß man ben Reuterſchen Urbeiten feinen größeren Schaben zufü-
gen kann, als wenn man fie ins Hochdeutſche überfegt. Es muß doch
alfo da irgend ein Mangel vorhanden fein, ber fi nur eben beim Ger
brauch ber plattveutfchen Sprache nicht bemerflich macht ober gar bort
tiebenswürbig erſcheint. Denn wenn es auch ganz richtig iſt, bag jede
Ueberfegung hinter dem Original mehr oder weniger zurücbleibt, fo wird
doch Keinem bei Vebertragungen aus dem Englifchen, Sranzöftfchen u, |. w.
die Einbuße fo groß ſcheinen, daß er bavon ganz Abfland zu nehmen ay-
rathen follte; geht auch manche Eigenheit ber Form und Ausbrudsppife
nothwenbig verloren, fo bleibt doch der Gedaukengehalt im Wefentlichen un⸗
verfehtt. Anch bei Ueberſetzungen aus dem Holländiſchen, Daniſchen u. . m,
Sprachen, welche ber plattdeutſchen Mundart in vieler Beziehung nahe ſſehn,
und Berfonen, die fich nur in Kreifen beivegen, in denen hochdeutſch goſprochen
wird, nicht erheblich ſchwerer verkänblich find als das Reuterfche Platt, dar ⸗
23°
566 rititen und Referate.
am ſich aber it fo geeigneter für ben Vergleich erweiſen, wird daſſelbe ftatte
finden. Warum alfo gerabe bei Reuter fo große Verlufte, warum erfcheint
uns gerabe fein Platt amäfant und fein Hochdeutſch platt oder wenigſtens
fehr gewöhnlich? Wir möchten antworten, weil fein Ideengehalt nicht groß
ift, weil er hauptfächlic bie Wirklichteit abſchreibt und weil biefe Wirklichkeit
leicht roh erfcheint, wenn fie fich in derjenigen Sprache äußert, welche ihre
Ansbildung in ber Schule der „Nation von Denkern“ erhalten hat, Man
erinnere fi 3. B. am bie fortwährend wieberlehrenden Schimpfworte, mit
denen fich in größter Gemüthlichleit bie beften Freunde, Verwandte, Ehe
gatten u. |. w. belegen. Man lacht darüber, weil man ein getrenes Gon-
trefey der Wirklichkeit findet und weil ber Kontraft zwifchen jener urwüch⸗
figen und unſerer conventionellen Anebrudsweife reizt, aber wenn biefe
Leute in derſelben Weife hochdeutſch ſprechen follten, würden fie uns un
ausſtehlich roh oder langweilig erfcheinen. Ein guter Theil der Wirkung
der Menterfchen Komik befteht in nichts anderem, als in dem Kitel, wel-
en ftets das Selöftgefühl fuperiorer Bildung erregt, wie wir ja auch im-
mer wieber herzlich Iachen, wenn wir auf der Bühne in Poflen und ber
gleichen Perfonen vorgeführt fehn, bie das Mir und Mich verwechfeln oder
Fremdwörter falfch brauchen, fo billig auch biefes Mittel Heiterkeit zu
erregen geworben fein mag, ober wenn ein manfchelnder Jude auftritt.
Man laſſe diefe Leute ordentliches Deutſch ſprechen und fie hören über
haupt auf komiſch zu fein. Ans bemfelben Grunde erfcheint dem Hoch⸗
deutſch · Gebildeten das Platt am fi fon komiſch, am meiften komiſch
aber, wenn barin etwas gefagt wirb, was fonft nur in hochdeutſcher
Sprache gefagt zu werben pflegt, weil hier zu dem borhinerwähnten Kon-
traft ber ſelbſtbewußten fuperioren Bildung gegenüber dem Ungelehrten
noch der innere Kontraft zwifchen Form und Denkweife oder zwiſchen
dem Objelt ver Betrachtung und ber Manier bes Betrachtenden hinzu⸗
kommt, Wir find weit entfernt zu behanpten, daß die Reuterſche Komil
nur mit biefen Mitteln ihre Wirkungen zu erzielen fucht, find aber ber
Anficht, daß gerade bie Theile ber Neuterfchen Dichtungen, in welchen fie
zur ausgebehnteften Auwendung gebracht find ober in denen es bem Ber
faffer lediglich auf eine 'ganz realiſtiſche Eharakteriftit der rohen Wirklich“
Teit in dem plattdeutſchſprechenden unteren Schichten des Volls anlommt,
Dr. Rubelph Brohm, Die Taubſtummen. 367
unübertragbar find, baß bagegen ba, wo ein feinerer und freierer Humor
obwaltet, die Einbuße bei der Ueberfegung nicht zu groß fein könnte. Wir
machen aber ebenfo wenig, ald Otto Olagan, von bem Ausfall eines fol-
Ken Verſuchs den Werth des Dichters abhängig, wir erfennen willig an,
baß er auf feinem Felde Vorzügliches geleiftet hat, daß er in ber humo⸗
riſtiſchen Schilerung deſſen, was er ſelbſt durchlebt und beobachtet Kat,
groß iſt und daß er wirklich ein bebentenbes Stück deutſchen Vollslebens
fiterarifch fixirt Hat, aber wir können nicht begreifen, warum deshalb ben
Männern zu nahe getreten werben muß, bie anf ganz anderem Selbe und
ohne jebe Concurrenz gearbeitet und fi bemüht Haben in dem verfchieben-
ften Formen ben Ideengehalt der Zeit auszufprechen und bie in anderen
Kreifen ber Geſellſchaft herrſchende Bewegung zum Ausdruck zu bringen.
Daß Reuter als Dramatiter Hinter dem ſchwächlichſten Poflenfabrifanten
zurücbleibt, Hat feinem Kritiler wenig zu bebenten; bafür ift ihm aber
3. B. Gutzlow mit feinem „Uriel Acoſta,“ „Zopf und Schwert” u. ſ. w.
nichts als ein erbärmliher Faiſeur und Paul Hefe ein Miniaturpoetlein
der Münchener Meindichterbewahranftalt und mit feinem „Hans Lange” in
der Schule der Birch⸗Pfeiffer. Für Fritz Reuter Hot er nur Lob, wenn
derſelbe den mellenburgifchen Bauer, wie er leibt und lebt, ſchildert; aber
Guftao Freytag befommt einen Hieb bafür, daß berfelbe in feinem „Soll
und Haben“ das Leben und Treiben des deutſchen Bürgerftandes vorführt,
das Volk bei feiner Arbeit „unter Kaffeefäden und Schaaffellen” anffucht,
Wir könnten die Beläge leicht vermehren, glauben befien aber überhoben
zu fein, Geradezu wunderlich macht es ſich, den Verfaſſer mitten in die⸗
ſem kritiſchen Blutbade ohne erflärliche Veranlaſſung für einen neupreußi⸗
ſchen Staatsmann (S. 274) und für bie Zeitſchrift „Daheim" (S. 301)
eine Sanze brechen zu ſehen. Es hätte ſich wohl irgendwo fonft eine paſ⸗
fendere Stelle dafür gefunden. ©
Die Taubftummen, Luftfpiel in 3 Akten nach einer Erzählung von
Lenin Schücing von Dr. Rudolph Brohm. Bromberg 1866.
(42 ©. 8.)
Diefes, wie es ſcheint, als Manufeript gebrudte, aber uns zur Bes
ſprechung eingefenbete Vüchelchen zeigt recht bemtlich, daß eine hübſche Er⸗
358 Aritilen und Referate.
zahlung noch lange nicht ohne Weiteres in ein geſchictes Luflfpiel umzu⸗
ſchreiben iſt, und daß ein für bie Erzählung intereſſantes Geſpräch noch
durchaus nicht als Dialog eines Luſtſpiels übernommen werben kann. Die
Gruubibee iſt gar nicht fo übel und ficher auch für das Drama verwend⸗
bar: zwifchen dem Dichter, ven fi) die Phantafie des Lefers aus einem
Bande gefühlooller Iyrifcher Gebichte conftruirt, und dem Verfaſſer derſel⸗
Sen, fomeit er im Alltagsleben, eben wie jeber Andere, Menſch, Bürger,
"Familienvater u. ſ. w. ift, gähnt eine weite Kluft. Sept man mın einem
ſolchen Poeten, der ganz gemüthlich und etwas hausbacken fein Leben ge
nießt, eine Berfon gegenüber, die mit der Erwartung eine durchaus genia- |
liſche Natur zu finden an ihn herantritt, fo Tann es an einer komiſchen
Wirkung nicht fehlen. Zu einer ernſtlichen Erprobung berfelben fommt
es jedoch Hier nicht; denn bie zur Eiferfucht geneigte Fran bes Dichters
Hellborn, welchem eine unbelannte Enthuftaftin ihren Beſuch ankünbigt,
fest den Vorſchlag durch, daß ein Neffe, Aſſeſſor Arthur Hellborn bie Dame
empjange und ſich für dem Dichter ausgebe. Damit gelangt das Luftfpiel
in die Expofition einer neuen komiſchen Situation, benn Arthur Hat nie
in feinem Leben einen Vers gemacht und Hält ſich dazu auch gänzlich außer
Stande, fcheint alfo wenig geeignet zu fein, den Vorausſetzungen feiner
heimlichen Verehrerin zu genügen. Aber auch diesmal reißt ber Faden
ab, zleich nachdem er gefnüpft ift; zwifchen ber jungen Dame nämlich,
welche wirklich anlangt, und dem Brief, welcher auf ihre Ankunft vorbe⸗
reitete, ift ungefähr ein ebeuſo großer Unterfchieb, als zwiſchen bem Guts⸗
befiger und bem Poeten Hellborn; fie zeigt fich als eim ganz einfaches
und ziemlich, gewöhnliches Mädchen, bei dem ber excentrifche Schritt, einen
Dichter zu befuchen, ganz unbegreiflich feheint. Die Sache Härt ſich denn
and, dahin auf, daß fie in Wirklichkeit nicht die enthuſiaſtiſche Briefftelle-
rin, fondern beren Nichte ift, bie nun in Arthur zwar nicht einen Dichter,
aber einen Bräutigam findet. Um Hieraus ein wirlſames Luftfpiel zu
machen, Hätten die harafteriftiichen Gegenfäge der gegen einander agiren-
den Perfönlichkeiten viel ſchärfer und einfeitiger ausgeprägt werben müllen,
als dies für bie Erzählung nöthig war; erft fo wäre bie erforberliche
Spannung in die Handlung gelommen, bie ‚jet einen viel zu ruhigen
Verlauf nimmt, weil Teine einzige Situation gehörig und nach allen Sei-
Alwreubiſcher Berlag. 359
ten bin ausgenngt werden Tonnte. Der Dichter Hellboru und feine Frau
treten nämlich fo gut wie ganz ans, weil fie ſich beftimmen laſſen, die
Taubſtummen zu fpielen. Die Motivtrung biefer Grille ift äußerft ſchwach,
aber auch die Folgen biefer neuen Knotenſchürzung find ganz unbebentend
und ohne Intereſſe. Es entſteht Yeine eigentliche Verwickelung barans,
keine nennbare Berlegenheit, feine Hemmung ober Förderung; bie beiden
Taubſtummen vermehren eben nur bie Zahl ber Zufchauer um zwei, und
das ift das Schlimmfte, was Lenten pafftren kann, bie anf dem Perfonen-
jettel eines Luftfpiels obenan ſtehn umd in ber Grpofition erſte Rollen
fielen. Den Erzähler genirt dies wenig; feine Lefer nehmen gern auch
eine Heine harmlofe Epifobe mit. Aber ber Luftfpielvichter, ver fein Stü@
auf diefe an ſich ganz unnöthige Zuthat zuſpitzt, kommt bei den gefoppten
Zuſchauern übel an, die ihren Haupticher; gerade von den Taubſtummen
erwarten. Iſt Hier ein Fehler in ber Unlage, fo läßt auch die Ansfüh-
rung auf Mangel an Bühnentenntniß jchließen; der Dialog iſt viel zu
breit, viel zu gemächlich, nicht concentrirt genug. Der Rothftift des Re⸗
giffeurs würde furchtbare Breſchen einreigen müffen, wenn das Publikum
Geduld behalten follte das Ende abzuwarten. Wahrſcheinlich würbe ver
Berfafjer ſelbſt der erfte fein, der und Necht gäbe, wenn er fein Stikd, fo
wie es jegt if, aufführen fehn möchte, und vom Standpunkt der Bühne
aus haben wir es vornehmlich einer Prüfung unterzogen. Daß es fich
fiellenweife ganz gut lief, Tann ſonach nur für ein bebingtes Lob gelten.
[0]
Altpreußifcher Verlag.
Scherz und Ernſt für Schwefternfefte Klänge aus ber Loge
Auguſta zur Unfterblichkeit in Pr, Stargard. Bon 2. Kubls,
Verfaſſer von „Luft und Leid,” Pr. Stargard. Verlag
von F. Rienig. 1865. (VIII u. 108 ©, 8.)
Eine Heine Sammlung von Liebern und dramatiſchen Scenen, welche
in den Geſellſchaften, die der Dichter vor Angen hatte, ihren Zwed „ben
Sähwefternfeften, welche in ben Logen gefeiert werben, ein maurerifches Ger
päge zu geben unb fie dadurch vor gewöhnlichen Bergnügungen auezus
360 Arititen und Referate,
zeichnen,” erreicht Haben. Ein Gelegenheitsgedicht erreicht ſehr leicht feinen
Zwed, von dem Kreife, für welchen es unter inbivibuellen Vorausfegun
gen gebichtet warb, in dem voransgefegten Momente beifällig aufgenom⸗
men zu werben. Anders fleht es datum, wenn eim ſolches Gedicht vor
das große Publicum tritt, dem alle jene individuellen Vorausfegungen ſeh⸗
len und welches nur den objectiven Werth des Gedichts beurtheilen Tann,
Da fällt das Kleid der günftigen Gelegenheit ab, und ber Lefer fieht um
— regelrechte Verfe in ihrer Nadtheit. Auch bie von Herrn Rupie mitge ·
theilten Lieber ſcheinen uns, fo gut fie gemeint find, für bie Verbreitung in
fremden Kreifen nicht bedeutend genug. Indeß tritt das Büchelchen fo
harm⸗ und anſpruchlos auf, daß es bie Kritik in keiner Weiſe herausfor⸗
dert; fo möge fie denn ſchweigen. Im bes Verfſaſſers „Luft und Leid“
(Königsberg 1865) Haben wir Gediegeneres gefunden. N.
Alterthumsgeſellſchaft Pruffie.
Gol. I, 273.) \
25. Mai. Die Geſellſchaft beklagt den Tod eines fehr werthen Mitglie
des und zugleich eines ihrer Stifter, deſſen veger Teilnahme fie bis zum
letzten Augenblide ſich zu erfreuen hatte, bes Hrn. Regierungs- und Stabt-
rathes Bartiſius ( 9. Mai). — Als neue (auswärtige) Mitglieder
werben proclamiert: die Herren Pfarrer Brezoska in Neuhof (Kreifes
Lögen) und Rittergutsbef. Balduhn auf Krzywen (bei Neuhof). Beide
Herren haben eine Sammlung Mafurifeher Alterthümer in Ausſicht ge
ftellt, mit der Bedingung, daß diefelbe unter den Beſitzthümern der Pruffia
gefondert aufgeftellt werde. Die Gefellihajt nimmt biefe Bedingung
gern an und beftimmt zur Bewahrung ber künftigen Maſuriſchen Alter:
thümer den alten Wandſchrank der Herzogin Anna Marie (Mehr. III, 78).
— An Gefchenken find eingegangen: von Hrn. Nittergutebef. Stellter
auf Gr. Mifhen (bei Königsberg) Fundſtücke aus einem Grabe auf ber
Feldmark feines Gutes, beftehend in zwei Schmudgegenftänden aus Bronce.
Das aufgebedte Grab war mit einem künftlich ausgehöhlten Steine belegt,
welchen ber freundliche Geber nachzuliefern verfprochen hat. Werner hat
Hr. von Kurowsky auf Trudien (Rr. Lügen) eine in feinem Ader ge
Königl. Deutſche Geſellſchaft zu Kdnigsberg. (Nekrolog.) 361
fmmbene Silber ⸗Münze des Herz. Albrecht d. a. 1545 geſcheukt. Die Vor-
derfeite der Münze trägt das Bildniß bes Herzogs mit der Umfchrift
IVSTVS * EX * FIDE * VIVIT * 1545; bie Kehrſeite hat den Ad⸗
fer mit ber Legende ALBERI[tus] * Dfei] * Gfratia] * MAR[chio] *
BRAN[denburgensis] * DVX * PRVSSf[iae]. Genau die gleiche Münze,
nur mit ber Jahreszahl 1543, ift abgebilbet bei Hartknoch Alt. u. Nenes
Preußen, Munzentafel zu II, cap. 6. — Als Nachtrag zu der früher vor»
gelegten Sammlung Kantiicher Porträts (Mtefchr. III, 273) zeigt Hr.
Gutsbeſ. Minden ans feinem Befige ein nach Vernet geftochenes Por»
trät Kante. Derfelbe verlieft ans den „Denkwürdigkeiten des Domherrn
Grafen von W.“ (Leipzig 1864 ©. 27 ff., 2te Aufl. 1866) eine Stelle über
Königsberger Zuftände im 3.1805. Das anonyme Werk hat den unlängft
verftorbenen Neigebaur zum Verfafler und enthält deſſen eigne Memoiren
im Gewande der Satire anf den Abel, die gerabe an ber in Rebe ſtehen⸗
ben Stelle befonbers greifbar hervortritt (of. „Uniere Zeit" N. Folge
II, 625.). — Hr. Dr. Lohmeher macht Mittheilungen aus einem ches
miſch⸗ antiquariſchen Auffag von Dr. Ferd. Wibel in Hamburg „die Cul⸗
tar ber BronzerZeit Nord» nnd Mittel-Entopas” (abgebrudt in dem 26ften
Bericht der Schl. Holft. Lauenb. Geſellſch. Kiel 1865). S-n.
Königl. Deutſche Geſellſchaft zu Königsberg.
Netrolog.
Auswärtige Mitglieder:
1. Dr. Georg Bärſch, geb. 1780, während bes Krieges 1806/7
in Königeberg Officier, dann bei Hiefigen Behörden befchäftigt und eifri-
ges Mitglied des hier geftifteten Tugendbundes, über welchen er fpäterhin
auch intereffante Mittheilungen gegeben hat. In bem Befreiungskriege
1213 bis 1815 lebhaft als Mitkämpfer betheiligt, wurbe er nach bem
drieden Laudrath in der Rheinprovinz, verwaltete biefes Amt in mehre
ten Rreifen über 30 Jahre, bis er vor einigen Jahren als Geheimer Re
gierungsrath in ben ehrenvollen Ruheſtand gefegt wurde und feinen Wohn-
ft in Coblenz nahm, wo er am 11. Januar 1866 verſtarb. Als Fort
362 Kritilen und Referate.
feger ver Eifelia illustrata hat er fich einen ehrenvollen Namen unter ven
Forſchern der Rheiniſchen Gefchichte erworben. — Es mag hier noch, zu
gleich im Intereſſe unferer Provinzial-Literatur, bemerkt werben, daß
G. Bärſch in den Jahren 1808 und 1809 Hier eine Wochenschrift herans-
gab u. d. X: „Der Volksfreund, eine Wochenfchrift zur Erholung,
Belehrung und Verbefferung des Zuftandes des Volles, für bas Belt
und für diejenigen, denen fein Wohl aufrichtig am Herzen Liegt.” Cie
erſchien jeden Sonnabend 1 Bogen 4. in ber Degenfchen Buchbruderei;
die meiften Artikel hat Bärſch felbft gewöhnlich unter ver Chiffre B. ge
Kiefert; genannte und ungenannte Mitarbeiter waren außer hieſigen Ge—
lehrten, wie 8. v. Baczko, Prof. Hoffmann zc. auch General v. Gneifenau,
Major v. Boyen und Minifter v. Schrötter.
2. Dr. 305. Dan, Ferd. Neigebaur (eigentlich Neugebauer)
geb. 24. Suni 1783 zu Dittmannsborf bei Frankenſtein (Schlefien) im
evangelifchen Pfarrhauſe; ftubirte zu Königsberg zuerft Theologie, dann
Surisprubenz; Aſſeſſor bei den Obergerichten zu Breslau und Marien
werber; 1813 Hauptmann im Lütorfchen Freicorps, verwundet im Ger
fechte bei Lauenburg und Triegsgefangen nach Limoges gebracht, wo er
die dortige Afabemie befuchte. („Briefe eines preußifchen Officiers während
feiner Kriegsgefangenfchaft in Frankreich in den Jahren 1813 und 1814“
Köln 1816—18. 2 DBbe,, feine erfte (anonyme) Schrift); 1815 Preuß
ſcher Präfect in Luremburg; 1816 Oberlandesgerichtsrath in Cleve; 1820
besgl. in Hamm; 1822 in Münfter und 1826 in Breslau; 1821 Dr.
Philos. honoris causa von ber philof. Facultät zu Königeberg und Mit-
glied der Deutichen Gefellihaft; 1832 Oberlandesgerichts- Direct:r in
Branffurt a. d. O. und 1835 bis 1841 in berfelben Stellung zu Brom
berg, wo er feinen Abfchieb nahm; 1842 bis 1845 Preuß. General-Eon-
ful in Buchareſt und feit diefer Zeit viel in Italien und zulegt in Bres⸗
lau. — Sehr fruchtbarer (meiftens pfenbonymer) Schriftfteller auf dem
Gebiete der Rechtswiſſenſchaft, ver Politik und des Staatsrechts, der Gen
graphie und Reiſehaudbücher; Verichterftatter über Italienifche Literatur
in ben Heidelberger Jahrbüchern, in den Blättern für literarifche Unter-
haltung, in Hilbebranbs Jahrbüchern für Nationaldfonomie und Statiftik;
leichter Eompilator, aber gerade und offen feine Meinung gegen Jeder ⸗
Konigl. Deutiche Geſellſchaft zu Königsberg. (Nekrolog.) 363
mann ausſprechend. Er farb den 22. März 1866 zu Breslau. Bon fei-
nen mehr als 100 größeren und Hleineren Schriften — bie fehr vielen
vereinzelten journaliftifchen Auffäge nicht mitgerechnet — führen wir nur
eine feiner legten an: „Denkwärbigkeiten des Domberrn Grafen von
Vlengerfli?), vom Beginn ver erften franzöfiichen Revolution bie zur
neueften Zeit” (Leipzig 1864; 2. Aufl, 1866); „fie enthalten feine eige-
nen Memoiren, aber im Gewande der Satire auf ben Adel. Er macht
es dem Publitum leicht, den Wolf im Echafpelz zu unterfcheiden.” (ſ.
„Unfere Zeit" 2. Jahrg. 1866. 8. Hft. ©. 622—626. Illuſtr. Ztg. Petz-
holdts’s N. Anzeiger 1866. Hft.5. ©. 1685.)
3. Profeſſor Dr. Friedr. Wilh. Genthe, Oberlehrer am Gym⸗
nafium zu Eisleben, hochgeſchätzt durch feine Arbeiten in der neueren
Literatur; feit 20 Jahren Mitglied der Deutſchen Geſellſchaft; ftarb
19. Sprit 1866.
Heimifdes Mitglied.
4. Carl Bartifins, geb. zu Königsberg 1797, vereinigte in reicher
Thätigfeit feine ausgebreiteten Senntniffe in ber ſchönen Fiteratur mit der
angeftrengten Pflichterfüllung feines amtlichen Berufs als Regierungsrath
bei der biefigen Megierung unb fpäter bei dem Magiftrate, bie ein hartes
törperfiches Leiden ſchon vor Jahren feinen Rücdtritt aus dem öffentlichen
Reben verlangte, Um die Deutſche Gejellihaft hat er fi mehr ale
20 Jahre als Kaſſenverwalter verdient gemacht. Er ſtarb 9. Mai 1866
im Königsberg. 8.
Blittheilungen und Anhang.
Gründung einer Mufitalien-Bibliothek für die Provinz
Preußen.
Als die Muſilaliſche Akademie zu Königsberg fih genöthigt gefehen
hatte, dem Beifpiele der Berliner Sing-Afademie zu folgen und ihren
Notenſchatz dem Gebrauche anderer Singvereine ber Provinz zu verſchlie⸗
Ben, verfiegte für dieſe legtern eine Hauptquelle, aus welcher fie die zu
ihren Uebungen und Aufführungen nöthigen Muſilalien leihweife bezogen
hatten. Ans eigenen Mitteln aber allen ihren Bedarf ſich anzufchaffen,
find folche Heine Vereine bei ber meiftens nicht großen Zahl ihrer Mit-
glieder und ber beſchränkten Höhe ber von denſelben zu zahlenden Beir
träge felbft dann nicht recht im Stande, wenn, wie gewöhnlich, ihr Leiter
ein Gehalt nicht bezieht. Es erſchien alfo im Interefie der Pflege des ge-
mifchten Gefanges, ber in ber legten Zeit durch den Männergefang nur
zu fehr zurücdgebrängt wirb*), geboten, hier anbermeitige Hülfe zu fchaffen.
Der Unterzeichnete fchrieb daher ſchon vor mehreren Jahren an felde
Bereinsvorfteher, die fih gegen ihn als den Obervorfteher der Mufifali-
ſchen Akademie über ben Beſchluß der legtern beffagten und benfelben rüd-
gängig zu machen baten, daß biefes aus Gründen ber Konfervirung ihrer
eigenen Notenfommlung nicht möglich, daß aber durch vereinte Kräfte,
wie überall, jo auch hier, ben Heinen Vereinen gelingen werke, was ben
einzelnen unmöglich’ fei, und flellte ven Plan auf, auf folhe Weife eine
*) Das Verſchwinden gemifchter Gelangvereine in mehreren Provinzialftädten,
die jept nur Männergefangvereine enthalten, beweiſt dieſes zur Genüge,
|
j
Gründung einer Muſilalien⸗Vibliothel für die Provinz Preußen. 366
allen zu diefem Zwed zufammentretenden Vereinen gemein.
ſchaftlich gehörige Bibliothek zu gründen. Dies geihah ſchon
geraume Zeit dor dem auf Veranftaltung der Mufilalifchen Alademie zu
Pingften 1863 in Königsberg Statt findenden Mufiffefte. Bet diefem ſoll⸗
tem nach ber Abſicht bes Unterzeichneten die Vorfteher der zu bemfelben
zuſammen kommenden Vereine bie Angelegenheit gemeinfam befprechen und
bie nöthigen Beichläffe fallen; zu welchem Ende er allen den gedachten
Plan in allgemeinen Umriffen fchriftlich mittheilte. Aber die Proben und
Aufführungen des Feſtes nahmen die kurze Zeit bes Beifammenfeins fo
ſehr in Anſpruch, daß eine Berathung über den in Rede ftehenden Gegen-
and nicht zu Stande kam. Es blieb alfo nichts übrig, als denfelben in
brieflichen und gelegentlich aud mündlichen Beſprechungen mit einzelnen
u fördern, Diefes gelang in der Weife, daß diejenigen Vereinsvorſteher,
melde zu dem Muſilfeſte des Jahres 1865 ſich mit der Muſikaliſchen Ala-
demie vereinigt hatten, fo weit ihre Erklärung nicht ſchon früher erfolgt
war, bei diefer Gelegenheit ihre Zuftimmung zu dem Plane und ihren
Beitritt zu dem zu gründenden Verbande nach ben von dem Unterzeichne-
ten anfgeftellten Grundſätzen erklärten. Das geſchah, außer der Muſilali⸗
ſchen Akademie, namentlich) Seitens der Vertreter von Gefangvereimen in
Thorn”), Elbing, Pillau, Wehlau, Mohrungen und Raften-
burg. — Die angebenteten Grundzüge aber find folgende:
1) € wird eine Preußifhe Provinzial-Mufit-Bihliothet
and zwar in Königsberg begründet.
2) Diefelbe iſt gemeinfchaftliches Eigenthum ver zu biefem Zweck zu-
fammentretenden gemifchten Gefangvereine ber Provinz.
3) Jeder biefer Vereine ernennt einen in Königsberg dauernd befinb-
lien bevollmächtigten Repräfentanten; biefe Repräfentanten Teiten gemein
ſchaftlich alfe die Bibliothek betreffenden Angelegenheiten. Namentlich er⸗
wählen fie einen Vorfigenben, ſowie bie etwa fonft erforberlichen Beamten,
*) Es verdient rühınend angemerkt zu werben, dab Thorn bei diefer Mufile
angelegenbeit einen hervorragenden Eifer an den Tag gelegt hat. Auch wurde von dort
don vor längerer Zeit ein bierauf bezügliher ausführlich detaillirter „Borfhlag“ für
die Altpr, Mtöfchr. eingefandt, der nur deshalb nicht zum Abdrud gelommen ift, weil
keregter Gegenftand, wie unfer geehrte Mitarbeiter oben auseinanderfept, bereits debat«
fit und faft ſpruchteif geworben war. D. 5.
366 Mütheilungen und Anhang.
4) Bon ihnen werben ben Bebürfnifien und Wünfchen ver von ihnen
vertretenen Vereine entfprechende Vorfchläge zur Anſchaffung von Mufila-
lien dem Borfigenden eingereicht und die Aufchaffung in vom bem Vor⸗
figenden hiezu berufenen Verſammlungen ſämmtlicher Repräfentanten nad)
dem Ergebniß der Abſtimmung befchloffen ober abgelehnt.
5) Die Beitragszahlung ber Vereine geſchieht nicht zu gleichen Thei⸗
len, ſoudern durch Repartition nad) Verhältniß ihrer Größe, zu welden
Zwede jeder Berein eine Normal-Mitglieverzahl und bemgemäß eine Ror-
malzahl der für ihn erforberlichen Singftimmmen aufzuftellen hat.
6) Rüdfichtlih der Dedung der Koften der Noten-Anfhaffung werben
bie Vereine in zwei Klaſſen getheilt:
a) ſolche, welche Aufführungen mit Orchefterbegleitung veranftalten,
b) folche, welche ohne dieſelbe (nur mit Klaviere ober Orgelbe⸗
gleitung).
Sämmtlihe Vereine tragen gemäß der nach No. 5 anzuftellenden Berech-⸗
nung bie Koften für Klavier-Auszäge und Singflimmen; bie Koften für
die Partituren und Orcheſterſtimmen nur bie unter a) angeführten Vereine
au gleichen Theilen.
7) Die Anfchaffung der Stimmen muß dem Bedürfniß des größeften
der Theil nehmenden Vereine eutfprechen.
8) Die Benugung der Mufilalien wird durch ein befonderes Regu⸗
lativ beſtimmt.
Dieſes die Hauptzüge. Alles übrige wird der Beſchlußfaſſung der
Repräfentanten-Verfommlung vorbehalten,
Ob bei der Gründung ber Bibliothel, oder andy fpäter, Muſilalien
ſers ale Geſchenke, ſei's uuter Anrechnung ihres durch Abfchägung zu er-
mittelnden Werthes auf zu leiftende Beiträge anzunehmen, bürfte haupt ⸗
fachlich davon abhängig zu machen fein, ob fie hiezu nach Inhalt und Form
geeignet erſcheinen. Schließlich wärbe auch hierüber die Enticheibung von
ber Repräfentanten-Berfammlung zu treffen fein. —
Als befonbere Vorteile einer folchen gemeinfamen Bibliothek mag
noch zweierlei Erwähnung finden. Erſtens nämlich bleiben auf dieſe Weiſe
die Heinen Vereine vor einem Uebelftande bewahrt, von dem mancher der⸗
ſelben eingeftandener Maßen früher nicht felten betroffen wurde, nämlich
—
Gotthilf Loſchin s Jubiläum. 367
Eachen zu üben oder gar ſich anzuſchaffen, bie deſſen nicht werth waren.
Zweitens dürfte eine ſolche gemeinfame Bibliothek ben Weg zu ven Pros
vinzial⸗Muſikfeſten ſehr erheblich ebnen. —
Nach der Veröffentlichung vorſtehender Darlegung wird ber Unter-
zeichnete die oben genannten Vereine einladen, Repräſentanten zunächſt für
eine Tonftitutrende Berathung und förmliche Gründung des Bibliothel-
Verbandes zu ernennen.
Königsberg, den 13. Juni 1866,
Dr. Fr. Bander,
Obervorfteher der Muſilaliſchen Akademie,
Gotthilf Loͤſchin's Jubilaum.
Selten hat das Amtéjubiläum eines einfachen Schulmannes bie
Aufmerffamfeit fo weiter reife in Anfpruc genommen, als das am
5. December 1865 gefeierte des würbigen Direltors ber St. Johannes-
ſchule zu Danzig, Dr. Gotthilf Löſchin. Die Beſchreibung ber erheben-
den und von ber allgemeinen Achtung, in welcher ber Iubilar fteht, ehren⸗
des Zeugniß gebenden Yeierlichteit mit beim Neben ber Vorgefegten, Freunde,
Collegen und Schüler des Iubelgreifes und deſſen von feltener Friſche und
Rebenbigfeit des Geiftes biktirten Antworten füllt ein ftattliches Quartheft
don 21 Seiten unter dem Titel „Blätter der Erinnerung an das funfzig-
jährige Amtsjubilium des Herrn Director Dr. Gotthilf Löſchin in Danzig.”
Die Realſchule zu St. Johann wibmete ihrem Director ein eigenes Pro-
gramm; es enthält ein lateiniſches Carmen von Dr. Brandt. (Der zehnte
Herameter ift in: Ergo genus triplex conjungitur ordine multo abzu-
ändern) unb ein hebräifdes von Hardt; Dr. Bauten ſchrieb, Bezug neh
mend auf die Bemühungen Löſchins für die Gefchichte Danzigs und im
Anſchluß am eigene Arbeiten über venfelben Gegenftanb, eine höchſt interefe
fante Abhandlung „Beiträge zur hanſeatiſch-⸗engliſchen Handelsgeſchichte. M,“
worin er überall auf genaueſtes Quellenſtudium fußend zunächft einen Ueber-
bit über die Beziehungen ber deutſchen Hanfa zu England im 14. und
15. Jahrhundert giebt und bann bie Gtreitigleiten ausführlicher behandelt,
bie bei dem erwachenden eigenen inbuftriellen Leben in England gegen bie
368 Mittheitungen und Anhang.
Mitte des 16. Sahrhumberts Hin zwiſchen dem Stahlhof (dem Comtor ber
Hanfa in London) und ber City und in Folge deſſen zwiſchen dem Hanfı-
bunde und dr englifchen Regierung entftanden und mit dem Berluſt ber
Privilegien des deutſchen Handels endigen mußten, da die Forberumgen ber
Hanfa dem nationalen Bedürfniß Englands wiverfprechen und nicht mehr
wie früher mit den Waffen in der Hand behauptet werben fonnten. wer
Diacon zu St, Johann, Dr. Schnaaſe, widmete dem Subilar eine eigene
Schrift: „Johann Placotomus und fein Einfluß auf die Schule in Danzig,"
über welche biefe Zeitſchrift demnächſt ausführlich berichten wird. Dieſen
werthvollen Gaben ſchließt fih aufs Würdigſte ein Schriften an: „Aus
dem Leben eines Amts-Jubilares. Danzig. Webeliche Hofbuchdruderei“ befien
Verfaffer der Yubilar ſelbſt ift, der Hierin nicht nur feinen vielen Freunden
und Schäfern eine Mittheilung Über feine Erlebniſſe Hinterläßt, ſondern and,
was nicht mindern Dank verbient, aus eigener Anſchauung ein lebhaftes
Bild der Schulverhäftnifje feiner Vaterftant Panzig am Ende des vorigen
und Anfang bes jegigen Jahrhunderts enirolit, das bleibenden Werth Hat.
Wir geben daraus einige Notizen: Gotthilf Löſchin wurde am 24. Te
bruar 1790 zu Danzig geboren. Sein Vater war ein wenig bemittelter
Borbingrheber, der meift außer dem Haufe beicäftigt war, und bie Erzie:
Hung ber Kinder der Mutter überlafien mußte. In feinem ſechſten Jahre
trat er in eine Warteſchule ein, in der bie Kleinen die ſchwere Aufgabe zu
töfen Hatten, tobtftille auf ihren Stühlchen zu boden und mit ber fürditer-
lichſten Langweile zu kämpfen, ba fie nur einmal Bor- und Nachmittags
an das Pult ber „Mamfell* gerufen wurden, um ihr 4. B. C. aufzu⸗
fagen. Eine wahre Erfrifhung war's, wenn „Mabame,“ die erfte Lehrerin
ſich herbeiließ, die Gedichte der Entführung des Königs Stanislaus Au:
guſtus (1771) zu erzähfen, die ihr irgentwo näher befannt geworben fein
mochte, Acht Jahre alt kam er in bie St. Marienſchule, welche fünf
Klaſſen Hatte, von denen jebe einzeln eigentlich eine Schulanftalt für ſich
bilvete, da fie einen befondern Lehrer Hatte, welcher ſelbſtändig Schüler
aufnahm und entlieh. Im ber Tertin wurbe durch den freundlichen Leh ⸗
er Hoffmann feine Aufmerkſamkeit auf bie deutſche Poefie rege gemacht,
indem berfelbe ein Gedicht von Haller vorteng. Auch führte ihn der ge:
wöhnliche Beſuch der mit Hiftoriichen Denkmälern fo reich gefhmüdten
Gotthäf Afchin’s Jubilaum. 369
Marienlirche in den Schulpaufen zuerſt auf geſchichtliche Stubien über bie
Danziger Vorzeit. Die offene Feindſeligkeit zwiſchen dem Lehrer ver Se⸗
cunda und bem Rektor veranlafte ven erfieren feine Schüler dem letzteren
zum Tort nad) ber Prima der St. Petriſchule zu fpebixen, und fo machte
Loſchin dieſe durch. Nach der Beftimmung feines Vaters follte er num
bei einem Kaufmann in bie Lehre treten; da er jedoch feine Neigung zum
dandelsſtande hatte, fegte er es mit Hilfe feiner Mutter durch, daß er
1805 in das Danziger alademiſche Gymnaſium gebracht wurde, um dort
für ven Gelehrtenftand vorgebildet zu werben. Dieſes Gymnaſium, 1668
in der Abſicht geftiftet, den damals noch mit großen Schwierigleiten ver»
bundenen Univerfitätobeſuch allenfalls entbehrlich zu machen, Hatte unge
fähr die Einrichtung einer Hochſchule erhalten und behauptete dieſelbe noch
jegt unter fo ganz veränderten Umfländen. Es hatte nominell für jede
der vier Fakultäten einen Profefior und daneben auch Lehrämter für Na⸗
turwiſſenſchaft, Mathematit, Beredſamleit und Poeſie, griechifche und orien»
taliſche Literatur, Doch waren bie Privatſtudien mit gleichgefinuten Freun ⸗
ben das befte Mittel zur Weiterbildung. Die Scholaren hatten Freiwoh⸗
mung in ben Mönchszellen des alten Sranzisfanerllofters, trugen große
Klapphlite mit Federn, ſchwarze oder weiße ſeidene Strümpfe, auf Prima
fogar einen Stahlvegen, und kalendirten zu Weihnachten in fämmtlichen
Hänfern umher. Schon als Gymnafiaft hielt Löſchin, der Theologie fin
birte, feine erfte Predigt in der Kapelle zu Grebin. Nach ber Einnahme
ber Stadt durch die Franzoſen kam fein Vater in argen Bermögensverfall,
ſodaß fein Sohn 1809 nur in fehr kümmerlichen Verhältniſſen die Unis
verfität Kiel beziehn Konnte. Er lebte Hier längere Zeit buchftäblich von
Brod und Wafler und Tämpfte in Folge biefer ungenügenden Nahrung
wit fortwährendem Fieber. Gnpli brachten gute Menfchen eine Unter
fügnng von 100 Thlr. für ih auf, welche ihn in ben Stand fette nach
Halle überzuſiedeln. Dort beſſerten ſich feine Verhältniſſe, indem einige
Danziger Stipendien fläffig geworden waren und Prof. Hensler ihn ale
Amannenfis zn fi nahm, Nach abfolvirten Studien kehrte er über Berlin
nach Danzig zuräd und ertheilte hier mit beſtem Erfolg Privatunterricht,
bis ihn ber Kaufmann Uphagen als Hauslehrer feiner Kinder nach Ber-
in,.wo ex fleißig das Thenter Betußıe, das ihm ſchon fekh crohes Bar
URyı. Moustöfärift Bb. TIL dn ·
870 Mittgeliiungen und Anhang.
guügen bereitete, und bemmächft nach feinem neten Wohnſitz Elbing mit
nahm, Zum Oberlehrer an bie St. Barbaraſchule nad) feiner Vaterſtadt
Danzig berufen, machte er 1815 die Prüfung für das Höhere Echutemt
und hetrathete Luife Angufte Müller, mit ber er noch im gladlichſter Ehe
derheitathet iſt. Er betrieb mm auch eifrig Schriftſtellerei, gab ein Wochen⸗
blatt „Webane, Uutethaltungsblatt fiir die gebildeten Stänbe Dauzige“
herand, das aber wegen Margel — nicht an Abonnenten — ſondern an
Mitarbeitern nad) dem zweiten Jahrgange aufgegeben werben mußte, uab
ebirte dann 1822 und 1828 nach fünffährigen eifrigen Quellenſtudien feine
Geſchichte Danzigs“ ta 2 Bänden. Außerdem ſchrieb er Erbaunngeſchrij-
ten fowie regelmäßige Jahresberichte und hielt Vorleſungen. Die Umiver-
ſitat Marburg ertheilte ihm bie Doltorwärbe, woranf er 1824 Direltor
ber erweiterten und weſentlich reformirten St. Iohannesfjufe wurde, in
welchem Amte er aufs Gegensreichfle wirkte. Im Ganzen berechnet er
die Zahl feiner Schüler anf 6027. Er war 34 Sahre lang auch Gtabt
bibliorhekat und ift feit 1888 Mitglied ver ſtadtiſchen Schuldeputation.
Er ſelbſt Hat während feines thähigen Lebens eine reiche und in feltener
Weife volſſtundige Bibliothel für deutſche Nationalliteratur zufammenge
Werft und dieſelbe ieſtamentariſch der St. Johanuesſchule beſtimmt, aber
andy Bedacht darauf genommen, daß dieſelbe von Literarhiſtorikern zu ger
lehrten Arbeiten benutzt werben Tann. An feinem Oubiläumstage wurde
At vie Freube zu Theil, daß feine Schüler ihm eine beträchtliche Summe zu
einer beliebigen Stiftung übergaben. Er wendete biefelbe ber ihm meit Recht
fo theitern Bibliothek zu und Hat dadurch für deren zwedmaßige Erhaltung,
Bervolftäinbigung und Erweiterung gefergt. Noch in fpäteften Zeitem wird
man ihm dankbar file diefes geiflige Vermächtniß fein, von dem nun fein
Neme unjertrenulich iſt. Möge er fich noch lange der Erfolge feiner humanen
Veltrebungen erfrenn! ©
Dandſchriftliche Bunde aus Königsberg.
(Ref. m, 278.)
9 Onehen pic Sihiekfiren, Wolnifihen, Preuhiäten. Geſchichte.
Mit: beſonderer Freube nehmen wir bavon Kemmtitig, daf num auch
in dem großen Natlonakwerke der Pertz ſchen Mohnmenta Giermanine
Sanpferiftige Funde aus Abnigäberg. am
Rönigöberger Haudſchriften benugt worden find. Der unlängf erfchieneng
19te Band der Scriptores (Hannoverae 1866) enthält unter Anderen
Schleſiſche, Bolnifhe und Preußiſche Annalen, mit deren Herane-
gabe uufer Landsmann Dr. phil. Wilhelm Arndt (aus Kulm) betrant
worden if. Bür dieſe Annalen haben vier unferer hiefigen HH., 2 ter
Königl. Bibliothek (unten No. I m. 4) und 2 bes Provinzial
Archives (Ro.2 u. 3 B), werthvolle Ausbente ergeben.
1) Zunächſt werben (p. 552 f.) aus dem Gober 1150 Per Königl.
Bibl. Annales Silesiae superioris mitgetheilt, welche auf der letz⸗
sen Seite Ausgangs bes. 1dten Jahrh. geichrieben find, Sie begreifen in
geringer Zahl kurze Aufzeichuungen aus ben Iahren 1071 bis 1290. —.
Der Coder ift derſelbe, welcher durch die interefiante Epitome iuris
eivilis „Exactis a romane cinitate regibus“ (Steffenhagen Cata-
log. No. XXXV), dur ein anderes juriſtiſches Gloſſarium (Mu-
ther Sahrkuch des gem. deutſch. N, II, 96 N. 94), beſonders aber durch
die von Giefebrecht entvedte „Königsberger Weltgronil" (cf
BWaig Ueber eine ſächſ. Kaiſerchronik Göttingen 1868 ©. 11-ff.) bereite im
weiteren Kreifen belonnt war.
2) Der Coder B.28 des Prov. Archives (bekannt durch bie eben
ſetzung ‚der Ehronit Wigand’s von Marburg) biete auf ben drei leh⸗
ten Blättern Annales Polonorum, um 1466 gefchrieben, welche nad
dieſem Coder (ef. p. 610 u. 609) und anderen Hilfsmitteln in vier ein
mber verwandten Formen abgebindt find (p. 612 ff). Die Form unfe
res Coder iſt hier ala die zwei te bezeichnet, ohue daß jeboc über bie
Priorität der einzelnen Formen eine fihere Beftimmung gegeben wer⸗
den kounte.
3) Unter ver Bezeichnung Annales Prussici breves werden zwei
So-men berfelben mitgetheilt (p. 693 ff.): A) eine ansführliere Form
nad einem Manuſtript des Wiener Deutichorbens-Archives ans bem 16ten
dahrh. (auch abgebrudt von Strehlte Scriptores rerum Prussicarum
UL I ff)9); B) auf Grund eines zweiten Gobex des hieſigen Provinziak
Arhives, Ber XIV No. 612, die fogen. Annales P.elplinenses (der
*) Ueber viefen Band unferer Scriptores foll im nächften Hefte berichtet werden.
2°
sn Mittheilungen unb Anhang.
zeits zweimal Heransgegeben von Töppen Scriptores rer. Pruse. I, 270
und ®oigt Codex Diplom. Prussicus VI, 1).
4) Exndlich folgen Canonici Sambiensis Annales (p. 696 ff)
nad) der aus zwei verfchiebenen Codices (sec. XIV exeuntis) zuſammen-⸗
gebundenen Handſchrift No. 1119 der Königl. Bibl. Diefelben nehmen
in dem zweiten Eobex die letzte Stelle ein, find ſchon von Täppen zwei
mal und werben hier aufs Nene in berichtigtem Abbrud herausgegeben. —
Beilänfig mag noch bemerkt werden, daß Dr. Arnbt (p. 691 fi.)
unfere provinzielle Geſchichtſchreibung aus einer nicht Vreußiſchen 9.
durch Annales terrae Prussicae, 1029...1450, bereidjert hat; unter
Benugung ber Annales Franciscani Thorunensis, welde Strehlfe
(8S. rerum Prussic. III, 57 ff.) hat im Druce erſcheinen laffen.
10. Iohann a Fasıs.
Ein Nieberländer, Dr. theol. U Quyper, hat es unternommen, bie
Berle, gebrudte wie ungebrudte, des bekannten Volniſchen Reformators
Iohann a Lasco (+ 1560) in würdiger Ansflattung an das Licht zu
ſtellen. Von biefer Sammlung, bie ver Herausgeber auf 3 Bände berech⸗
net hat, find bie beiden erften im Drude erſchienen: Joannis a Lasco
opera tam edita quam inedita recensuit vitam auctoris enarravit
A. Kuyper. Tom. I, II. Amstelodami, Hagae-Comitum 1866. 80,
Unter ven vielfach zerfireuten Hilfsmitteln, die Dr. Quyper mit ben
größten Schiierigfeiten zufammengebracht hat, nehmen aud bie Schäge
unferes Prov. Archives eine fehr nennenswerthe Stelle ein. Im ber
praefatio p. IX ff. erfolgt darüber nähere Auskunft. Ipnen verbantt ber
Herausgeber eine Reihe bisher ungebrudter Briefe von a Lasco, welde
im 2ten Bande (p. 547 ff.) unter anderen ihren Pla gefunden Haben. Bor
züglich aber ift es ein von unferem gefcägten Archiw Director Dr. Meckel⸗
burg twieberentbediter Coder (of. praef. p. LII und XLVII), ans welchem
zwei verfchollene Werte bes a Lasco im Iften Bande (p. 481 ff, 557 fi.)
aufgenommen finb: bie Epitome doctrinae ecelesierum Phrisise Orien- |
talis und bie Epistola de coena domini, beibe ans bem 9. 1544. — Bon
einem zweiten Coder bes Archives, welcher ebenfalls bie Epitome enthält,
wird nebenher (p. LII) bloße Nachricht gegeben,
‚Hanbfhriftliche Junde aus Aönigeberg. 873
1. Bonaleitis.
Der Mumificenz der Kaiſerl. Alademie der Wiflenfchaften zu Et. Be
tersburg und ben Bemühungen bes auch um bie Litauiſche Sprache ver-
dienten Forſchers Auguſt Schleicher verdanken wir bie erſte vollſtändige
Ausgabe der Dichtungen onn Ehriftian Donaleitie, dem „einzigen
| nationalen Runftoichter der Litauer“ (} 1780). Die Ausgabe führt den Titel:
Christian Donaleitis litauische dichtungen. Erste volständige aus-
gabe mit glossar. Von Aug. Schleicher. St. Petersburg, 1865. 80.
Die Grundlage biefer Ausgabe bilden, außer bem früher gebrudten
RHefa’fijen Texte, vorzugsweiſe handſchriftliche Hilfsmittel, die dem Her
ansgeber nachträglich theils aus dem Prov. Archive, theils aus ber
Bibliothek der Alterthumsgeſellſchaft Pruſſia zugegangen find (vgl. Ein-
leitung S. 17 ff.). Es mag als ein ebenfo erfreuliches, wie ehrendes
Zengniß der Beſtrebungen unferer Pruifia gelten, daß ber jüngft erworbene
Coder (Monatsfchr. 1,278), weldyer bie ſammtlichen befannten Litauiſchen
Dichtungen des D. enthält, für die neue Ausgabe fo förberlich geworben
it, Freilich erfahren wir erft aus ben Nachträgen bes Herausgebers
(6.339), daß dieſer Coder nicht dem Prod. Archive, wie es nah ©. 17
feinen Könnte, fonbern eben ber Praffia angehört.
1, Preußiſches Seeregt.
Auch unſere Altpreußiſche Rechts geſchichte iſt durch eine nene, meiſt
auf Königsberger HH. geſtützte Abhandlung bereichert worden: Gueter-
bock De jure maritimo quod in Prussis saeculo XVI et ortum est
& in usu fait. Regim: Pruss. 1866. 4%, Indem wir ein näheres Ein»
gehen auf biefe verbienftliche Arbeit und vorbehalten, bemerken wir an ges
genwärtiger Stelle nur, daß ber Verf., außer bem L'Eſto cq' ſchen Abdruck
des Preuß. Seerechts, im Ganzen acht handſchriftliche Texte zuſammen ⸗
gebracht Kat, von denen zwei in ber Danziger Stadtbibliothek, die übrigen
ſechs zu Königsberg (Königl. Bibliothek, Stadtbibl. und Prov. Archiv) bes
findlich find, und zwar einſchließlich des Ofteroder Codex, welcher neuere
dings in ben Befig der Königl. Bibl. übergegangen iſt. Bon biefen 6
Rinigaberger HH. waren 2 ſchon früher in Steffenhagen's Katalog,
2 im zweiten Banbe ber Monatöfczrift befchrieben, und 2 (bes Archivee)
anderweitig noch nicht befannt. S-n.
374 utheilungen und Anbang
Ein orientaliſcher Münzfund.
Es iſt bei Funden orientaliſcher Münzen, bie in ben Sftfeelänbern
fo Häufig vorfommen, eine alltügliche Erſcheinung, daß unter ber Maſſe,
die an einer Stelle bem Boden enthoben wird, fich andy Bruchſtüde vor
Anden, deren Erſcheinen unzweifelhaft baher rührt, daß bei Zahlungen be
hufs der Gewictansgleihung eingelne Stüde zerſchnitten wurben, was
bei ber Dünnkeit dieſer Münzeit fehr leicht zu bewerkftelligen war. Zum
erftenmal aber if meines Wiſſens ein Fund von Iauter Bruchſtücken vor
gelommen. Am 24. März d. 9. nämlich haben auf der Feldmark bes zu
den Pröckelwitzſchen Gütern im Kreiſe Pr. Holland gehörigen Vor
werls Storchneft Kinder einen Topf mit 123 Bruchftüden, (meift Heiner
als die Hälfte) arabifcher Khalifenmünzen gefunden, welche durch ven Br
figer jener Güter, derrn Grafen zu Dohna⸗Schlobitten, dem Unten
zeichneten zur Anſicht und Beſtimmung vorgelegt worben find. Wie zu
warten, find von vielen Stüden gerabe biejenigen Partieen weggefchnit- |
ten, welche die Data (Prägeort und Jahr) enthielten; trotzdem aber iſt
es gelungen, noch 99 Stüde unter den 123 Hinlänglich genau zu beftim-
men unb ihren Münzherren zuzuweiſen. Es finb folgende: -
No. 1—3. Drei Münzen mit dem Gepräge ver Khalifen ans bem
Haufe Umajja; zwei bavon zeigen fehr deutlich als Prägeort die Stadt
Waſit, aber Feine volfftändige Jahrzahl; bie eine if vom Sabre 112 ober
122 der Hidſchta (730 oder «40 n. Chr.), alfo jebenfalls von dem Ehe
lifen Haschäm, Die dritte, ohne Prägeort, giebt Dagegen die vollſtändige
Sahrzahl 130 d. H. (74/5 n. Ehr.), iſt alfo von dem legten Umajjeben
Merwän II. -
Die übrigen 120 Stüde gehören ben Abbafidiſchen Khalifen an; fol⸗
gende haben ſich näher beſtimmen laſſen.
No. 4 ohne Ort, Jahrzahl 134 d. H. (75%, n. Chr.), alſo von
Albul-Abbäs.
No, 5—12. Acht Stüde von Al-Manszür; bie eine geprägt in
Bafra -i. 9.188 d. 9. (755 n. Chr.); bie zweite in Muhammebija i. 9.
148 d. 9. (765 n, Ehr,), bie britte ebendaſelbſi i, 9. 161 d. H. (768
Gi xienualuche: Martund. 375
m Chr.), bie mierie in Magbap 1. J. 154 d. 9. (770 m. Ehr.), bie vier
übrigen find ebenfalls aus Bagbäb, aber ohne Jahrzahlen.
No. 18—38. Sechsundzwangig Stüde von Al-Mehdi, barumter eine
ame Ort, ans d. 9. 161 d. H. (772); zwei v. 9. 169 d. 9. (77%
2. Chr.), wovon eine beutlich aus Bagdad; zwei v, J. 163 d. H. (7960
x. Chr.), wovon eine mit Bagdad bezeichnet; drei 6.9. 164 6.9. (7804
2. Chr.), wovon zwei wit Bagdad bezeichnet; außerdem noch neun Gtüde
mit bem Prägeort Bagdad und eine mit bem Prägeorie Kirman, aber
ale zehn ohne Jahrzahl; endlich noch acht Stüde ohne Ort und Jahr,
aber unzweifelhaft von Al-Mehdi.
No. 39—54. Gerhszehn Stüde yon Harün al-Raschtd; darunter
eine aus Muhammebija v. 9. 171 d, H. (7824 u. Chr.); eine aus Bag.
did v. 9. 176 b. 9. (792 m. Chr.); eine aus Magbab v. 9. 182 d. H.
(198 n. @hr.); eine aus Muhapımebije v. 9. 182 d. H.; zwei ohne Ort
v. 9. 184 b. 9. (800 u. Chr.), eine aus Baghad v. 9. 187 d. H. (808
a. Chr); zwei aus Bagdad v. 9. 188 d. H. (804 m. Chr.); eine ang
Muhammedija und eine ohue Ort, beide v. 3. 188 d. H.; eine aus Mu-
hammebija und eine ohne Ost p. 9. 189 d, H. (806 m. Ehr.); eine aug
Bagdad v. I. 19% (bie Einerzahl unleferlih); eine aus Samarkand v.
3 (193 d. 9. (809 m. Chr.), indeß iſt aur bie Einerzahl dentlich; eine
von dem 9. 198, aber ohne Prägenrt.
No. 55—64. Zehn Stücke unter Harüns Regierung von feinem
Sohne Al-Amin geprägt; barunter eine ans Bagdad und eine ans Mu⸗
hammebija, beibe v. 9. 180 d. H. (796 n. Ehr.); eine aus Ballh vom
% 187 d. 9. (808 n. Ehr.), eine aus Bagbäb ohne Jahr; endlich ſechs
ohne Ort und Jahr, aber mit bes Thronfolgers Namen.
No. 65. Ein unter Harüns Regierung von feinem Sohne Al-Mämtin
geprägtes Stüd, und zwar ans Nischäpür d.9. 193 d. H. (809 n. Ehr.),
Demnach find aus Harün’s Regierungszeit überhaupt 27 Stüde vorhanden.
No. 66— 72. Sieben Stüde von Al-Amin als Khalif, und zwar eine
aus Bagdad v. 9. 194 d. H. (809,0 n. Ehr.), eine ebenbaher vom X. 195 d. 9.
819, n. Ehr.), eine ohne Ort v. 3.196 d. 9. (811, n. Ehr.), jebenfalls aber
us Bagbäd; eine ans Bagbäb ohne Jahr, und brei ohne Ort und Jahr.
No. 73, Eine unter ber Regierung bes Al-Amtn von feinem Bru-
376 Mitteilungen: und Uinhang.
der Al-MAmän geprägte Mänze, und zwar aus Samarland v. I. 196
d. 9. Gl n. Chr.)
Alfo zuſammen acht Stüde aus Al-Amin’s Regierungszeit.
No. 74—77. Bier Stüde von Al-Mämtn als Khalif; eine ohne
Ort v. 93. 198 d. 9. (8134 n. Ehr.), eine aus Hpahan v. 9. 199 0.9.
(814/5 n. Ehr.); zwei ohne Ort unb Sahr, darunter aber bie eine lennilich
als ein Exemplar der feltenen Münze des Emir Ali ben Müsa al-Ridhä,
die im 9. 202 d: 9. (817/g.n. Ehr.) in Samarland geprägt worden if.
Außerdem befinben fi in ber Sammlung mit beutlichen Ortsnamen,
aber ohne Jahrzahlen und Khalifennamen noch folgende Stüde:
No. 78-80. Drei aus Küfa,
No. 81. 82. Zwei aus Baſra.
No. 83—99. Siebzehn ans Bagdab.
Da das jüngfte beſtimmbare Stüf der Sammlung vom Jahre 817
ober 818 n. Chr. herrührt, fo läßt das Fehlen fpäterer Münzen ſchließen,
das gerade um biefe Zeit bie vorliegenden Münzen aus ihrer Heimath
gegangen und wahrſcheinlich nicht fehr viel fpäter nad) Preußen gefom-
men find. Uebrigens find bie Stüde mit einigen fehr vereinzelten Ans-
nahmen ganz vortrefflich erhalten. Merkwürdig ift noch, daß von fämmt-
lichen 123 Brucftäden nicht ein einziges Paar ſich zu einer Münze zu
fammenfegen läßt. G. 9. F. Aeſſelmann.
Rekrolog für 1865.
(ef. Aupr. Mtsſchr. il, 465.)
12. Febr. Prof. Dr. Carl Ludw. Paul zu Thorn (geb. 22. Oct. 1803 zu Schwedt a.
d. Ober), 62 Jahre alt, faft 88 I. hindurch an d. Gymnaſ. thätig. (Thorn. Wochbl.
1865. No. 25. Nektolog. Ebb. Ro. 28.)
11: Aug. Dr. theol. Joh. Heint. Ludw. Schröder zu Thorn im Alter v. 60 Jah
ven. Als jung. Burſche hatte er e. Handwerk zu erlern. begonnen, dann ab., un
terftügt v. fr. Samilie, befuchte er d. Gomnaſ. (zu Thom), fpäter e. Uninerfität u.
ſtud. Theol.; war bis 1840 zweiter Prediger bei d. evangel. St. Georgen-Gemeinde
auf d. Neuftabt in Thorn; fehied dann aus d. evangel. Landeskirche, begrünb. in
Wormn e. altluther. Gemeinde u. verwaltete lärg. Zeit hindurch das Amt eines Eu:
perintenbenten dieſes Velenntniſſes. Mit d. allerneueft. Richtung altluther. Geifte
lichen üb. d. Kirchentegiment nicht einverftanden befämpfte er fie in e. Schrift unt.
— —· —— — —ñ —ñ
Retrolog 1865-1866. 377
d. U: „Broden. 1. u. 2. Mittheilung.” (Culm, 868. 864. bei Lohde) u. Iegte fein
Amt wieder. (Danz. Big. 1865. No. 3168. Graudenz. Gefell. 5. Kal. Preuß.
Staats · Anzeiger 192.)
23. Aug. Freiherr Maximilian v. Kasler, tgl. Lieut. a. D. zu Neufabrwaſſer. Sohn
d. Gouverneurs v. Danzig, Gen. Lieut. F. v. Kugler, Enkel eines im Tjähr. Kriege
ausgezeichnet. Freicorpsführers unt. Friedrich d. Gr. Cr nahm 1846 |. Abſchied,
um ausſchließl. fr. Lieblingsneigung, geogr. u. fprachl. Studien z. leben. Er verfaßte
waniſche Epigranme, Satyren u. Letrillas, dem Don Josef Iglesias de la Casa nad
gebildet.” (Danz., 862. Doubberd.) ef. Altpr. Mtsſchr. I, 165. (Weftpr. Ztg. 1865.
No. 199.)
9. Sept. Prof. Dr. Joh. Friedrich König, erft. Oberlehrer des Aneiphöf. Gymnaſ.
67]; F. alt, an e. Lungenſchlage zu Königsberg. Geb. 1. Apr. 1798 zu Labiſchin
bei Bromberg, wo d. Vater Paſtor war; vom Friebe. Colleg. 1818 entlafien, ftud.
er unt. Beſſel Mathematil u. besann bereit? 1819 an d. hiefig. Domſchule (jept
Aneiphoſ. Gymn.) zu unterricht,, fo daß er 46 J. an ihr gearbeitet hat. Von ihm
And mehr. mathem. Abhandl. in d. Gymnaf.-Programm., 3. Theil aud in Grunerts
Archiv j. Mathe. u. Phyſ. erſch. (Nachruf. Oftpr. u. Hartaſche Big. 1865. No. 218.
Progr. d. Kneiphöf. Gymn. pro 1865/66. 6.35. |.)
Octob. Dr. med. Hermann Lin? (cus Danzig) in Dftafrica als Mital. der Erpebi«
tion d. Baron v. d. Deden. (Todesanz. Danz. Big. 1866. No. 3530.)
18. Octob. Adelheid Günther, Sängerin u. Schaufpielerin von ehrenvoll. Ruf (zu
horn 12. Juli 1834 geb.) zu Töplig bei ihr. Gönnerin, der Frau Fürftin Collo⸗
redo. Alfr. v. Wolzogen gab in fm. Werke „Ueber Theater und Mufit“ ihr „Künfts
lerbifo“ noch bei ihr. Lebzeiten. Die Bredlau. Ztg. widm. ihr ein. ehrend. Nachruf.
(horn. Wochbl. 1865. No. 182.)
39. Dec. Pfarrer Heine. Wilb. Alb. Schuur zu Mühlbaufen (geb. 29. Nov. 1806.)
Verf. mehr. pratt. theol. Schriften u. Mitarbeiter des vom Pfarr. H. Thiel vedig.
Kirchenblatts f. d. evangel. Gemeinde inäbef. der Prov. Preußen. (Racıruf. Kgöbg.
Hartg. Big. 1866. Ro.I. Cvangel. Gemdebl. No. 2.)
1866,
15. Jan. Etaatöminift. a. D. Mudolf v. Auerswald an e. Herzübel in Berlin. Geb.
1.6ept. 1795, 2er Sohn des thatträftig:patriot. u. freifinn. Oberpräf. u. Landhofm.
des Rgr. Preußen Hans Jacob v. A., eines Freundes von Kraus u. Schefiner, vers
Iebte ſ. Jugend z. Theil mit den kal. Prinzen während d. Aufenthalts d. Hofs zu
Ruöbg., bezog 1811 d. hief. Univerf,, machte 1812 als ſchwarzer Hufar d. preuß.⸗
franz. Gampagne in Rurland mit, fpöter d. Befreiungskriege u. erfocht ſich d. eiferne
Are. 1818 Landrath d. Heiligenbeiler Kreiſ, 1837 Oberbütgermeift. v. Kasbg,
1942 Reg.-Bräf. in Trier, 1848 Oberpräf. v. Preub. u. nad) Eamphaufens Küdtr.
Sch, d. Miniſteriums Hanfemann-Kühlmetter-Echredenftein u. Miniſt. d. ausw.
378 Mütfeilungen und Anhang.
Angel, 1849 Praf. d. Herrenhauf., 1850 d. Staatenhauf. z. Crfurt, dann Oberöf.
d. Rheinprov. 1858 Gttöminift. u. Mitgl. d. Gttömintfterimms Hohenzollern ohne
Bortefeuille, ftellvertr. Borfigd. des Minifter., Leiter d. Schates, d. Archtos u. der
Gentralpreßftelle u. Die Seele der „neuen Aera“; Oberburggraf v. Marienburg. Ein
liebenawürbig-humaner, all, Fortfchritten d. Kunſt u. Wiſſenſch. offener Charatter. —
Seine Leiche wurde d. 19. Jan. in d. Patronatsgruſt der alt. Deutſchordenskirche zu
Deutſchendorf in d. Grafſch. Dohna feierlichſt beigefeßt. (Oftpr. Big. 1866. Ro.14 u.
20. Nekroloq |. Unfere Zeit. R. 3. 2. Jahrg. 3. Hft. ©. 229-281. Jluſtt. Big
Ro. 1179.)
27. Jan. Guperintendent Earl Gottfr. Samuel Thiel an d. Lungenentzündung zu
Strasburg 71 J. alt, feit 36.3. Pfarrer d. evang. Gemde. daſelbſt. 14. Sun. 1795
auf e. Dorfe in Echlef. geb., befuchte d. Gyn. in Schweibnig, trat ab. bei Beginn
d. Freiheitöfriege in d. Lahower Corps ein, wurbe bald Oberjög. u. ald folher in
e. ber leßt. Treffen dj. Corps dur e. Schuß in d. Hal lebensgefahrl. verwundet.
Der Frauenverein in Gaflel pflegte u. unterftügte ihn. Einige Jahre Hauslehr.,
bezog fpät. d. Univerf. Marburg. In e. befreund. Familie lernte er den Schulrath
Dinter kenn. durch defl. Vermitilg. er d. Rectorftelle in Gerdauen erhielt, darauf
%ter Prebig. in Pr. Stargard u. im Hug. 1829 nach Strasburg berufen. (Netrolog
f. Graud. Gefell. Ro. 17.)
2. Febr. Frau Oberpräfid. Kathar. Eichmann, geb. Freiin von Gchrötter in ihr.
48. 3. an Lungenſchlag zu Kgsbg. Wirkte mis liebevoll, fürforgenb. Herzen viele
Jahre al Ober-Vorſteherin d. Krantenhaufes d. Barmherzigkeit. (Hartaihe u. Oftpr.
tg. No.46. 48.)
22. Febr. Umtmann Carl Job. Georg Papendied:Liep, Abgeordnet. für Kasbo
zu Berlin in Folge eines Schlagfluſſes. Ein rüitig. u. intelligent, Mitarbeiter,
Mitgl. d. Vorſtands u. Schagmeift. d. Oftpr. landwirthſch. Gentralvereind. (Nachruf
Hartaſche u. Dftpr. tg. Ne. 48. Biogr. Rotiz. Pr. Lit, Big. 47. Dany. Zt3. 3500.
Rosbg. N. Big. 52.)
21. März. Pfarrer Joh. Earl Wilb. GSlogau im 75. Lebensi. zu Gr. Arndderf an
Entträftung. (Ditpr. Ztg. 71.)
16, Apr. Oberftlieut. a. D. Franz v. Schenck, Chrenfenior d. eilernen Kreuzes 2. RL,
fajt 89 J. alt, zu Pr. Eylau. Im Herzogthum Naſſau 1777 geb., hat er dem
preuß. Heere und zulegt dem 1. Oftpr. Regim. 1789—1814 angehört und mit dem⸗
felben die prüfungsreich. Vorgänge v. 1806, jo wie d. rubinvolle Erhebung v. 1813
geteilt; in der Schlacht bei Gr. Görfhen 2. Mai 1813 wurde er durch d. Verluſt
eines Deines dienftunfähig. (Nadruf: Oſtpr. Ztg. 92.)
19. Apr. Kurheſſ. Legationsrath Earl Baron Kaltenborn von Stachau, von 1852
bis 1864 an d. Agsbg. Univerſ. Prof. f. deutit. u. öffentl. Recht, im 49. Lebensj.
zu Kaſſel an einem typhäf. Leiden. (Rekrolog von feinem Freunde Th. Muther |.
Oftpr. Big. 113 Beil.)
Untverfitäts-Ehronik 1866. 879
8 Mai. Dr. W. Meeberg, pralt. Arzt, im 62. I. zu Agebg. (Nachruf v. Vorſtand
des Handwerlervereins ſ. Hartungſche Big. 108.)*)
9. Mai. Reg. u. Stadtrath a. D. Earl Heinrich Bartifius in feinem 69. Lebensj.
zu Kssbs.* .
Univerfitäts-Chronit 1866,
12. Mai. „Acad, Alb. Regim. 1866. IV. Diss, qua nonnulla seriptorum Graecorum
de artibus pingendi fingendique judicia recensentur, qua orationes ad celebr.
meınor. vir. ill, Jac, Frid. a Rhod, Frid. a Groeben, Joh. Dit, a Tettau dieb,
XXI et XXIII Maj. et XXIII Jun... habendas indic, Lud, Friedländer,
P. P. 0. (6 €. 4)
26. Mai. Med. Doctordiff. v. Rich. Hermann (aus Grünhoff bei Roſſel): De meningi-
tide cerebro-spinali exorta exotitide interne, (30 ©. 8.)
No, 74. Amtlihes Verzeichniß des Perſonals u. der Studirenden . . . für d. Som:
mersSemefter 1866. (18 ©. 8) [61 Doc. (6 theol. — 9 jur. — 15 me. — 28 philel. —
3 Epr.- u. Egercitienmeifter) und 801 Gtud. (87 Theol. — 81 Far. — 108 Red. — 199 Phil —
21 Pharm. u. 5 mit Genehmigung d. Prorectord.))
39. Mai. Hift. Doctordiſſ. v. Bad, Hanncke (cuS Zilfit): De M, Alberti Argentinensis
chronico, (82 ©. 8.)
3%. Mai. Med. Doctorbiff, v. Alex. Loowenthal (aus Rgöbg.): De resectionibus eu ·
biti partislibus atqne totalibus, (36 ©. 8.)
31. Mai. Juriſt. Habilitationsſchrift v. J. V. Dr. P. P.O,D, Carolus Känardus Guster-
boek: De jure maritimo quod in Prussia saeeulo XVI. et ortum est et in usu
fait, (85 ©. 4.)
2. Juni, Lectionem qua quid in provineise nostrae histeriae persorutands adhus
praestitum sit enarratur ... a... . Oarolo Lohmeyer,***) philos, Dr, ad docendi
facultatem rite impetrandam . .. in publico habendam indicit Ed, Luther Phil.
Dr. Astron. P, O. H. T. Prodecanns.
16. Juni. Diedic, Thefen von Hermann Bertholät (aus Wehlau).
nm Medi. Theſen von Carol. Kannenberg (au Stuhm).
Medic. Theſen von CaroL Henr. Lange (aus Oftpreußen),
Medic. Theſen von Joseph, Armin. Mekus (aus Paderborn).
Medic. Theſen von Isid. Freymuth (aus Labiau).
Medic. Tpefen von G. 0. Ernestus de Luäwiger (a3 Königsberg).
Medic. Theſen von H. Guill. Oscar Schweiger (aus Inſterburg).
18.
aaa
*) Bir hoffen in einem ber nädften Hefte feinen Nekrolog mittheilen zu konnen.
**) Das nächfte Heft wird feine Biographie bringen, D. 8.
+) Abgedt. Altpr. Misſchr. II, 801 847.
880 Mitteilungen und Anhang.
Bibliographie 1965.
Malin, Lehrer I, no Beute Spradlehre für Elementarſchulen. 3. Aufl. Braundberg.
ee der ae u Kr ſidenzſtadt 1865. Auf Grund amtlicher Ma-
item u. shi, Breiten ein. 6. Rürmberger. Agebg. Nm,
er. 8
Aegiiı. Das Staatsarchiv. Bamml. der offciell, Actenstücke zur Gesch. d, Gegenw.
Inf fortlaufend. monatl, Heften hrsg. v. Ludw. Karl Asgidi u. Alfr, Klanhold.
— 1306. Jan. bis Decbr. 12 En —5 O. Meissner. Bd. Viu. vi
IX. (XIX u.
-o SB ae we San u Me def 108; an unt. Mitte, u v. W. E. br
Fr Euer u —— J wangloſen 1. ‚brög. von
a I . (118 ©. gr. 8) 2. an 190219)
va
gar E geriffe — im atebem- Rehisfubium. Lee, fi Et
u ren ih. Bun 5. An 11)
— — Der erſte — et one oer N gonferenzen ıf dad Gabinet von St. Peters:
burg. [öiftor. Ztfhr. brög. v. Shbel. 7. Jahrg. 3 ge &. 189-150.)
— — (der Rechte Dr., Prof. d. Gesch. d, Z. Rector am Hamburgisch, Akadem.
u. Real-Gymn.) Aus der Vorzeit des Zollvereins, Beitrag s. Dentsch, Gesch.
Hamburg. (Programm.) [132 €. at. 4]
— — Unser akademisches Gymnasium. Ein ausserordentl, Programm. Ebd. Boyes
er. (15 6.4.) 6 Egr.
Arları Fr id. 1 auge (a (aus Etallupönen), De intoxicatione sulfarica, Diss, inaug. med
'erol
v. — Ser Zandhoimeiſter v. Auerswald zu Anfang des — 1818. Mit:
tbeilg. von deilen Söhnen, dem Saminiter, Dberburpra] dolf u. Wirtl.
NR. Alfred v. Auerdwald. [Perg, d. Teb. dmarihans Graf. Neithardt
v. 2. Bd. Berlin. Beil. VII. S. eh
Azt’s Taschen-Notizbuch für Seeleute auf d, Jahr 1865. Memel. Verl, v. Joh. Ast.
(VIE, 440 u. 74 ©. gr. 16.) 1 Thlr.
Baden, Danke Entoedteg Gebeimnib der Bibel, zum, ni dr Zi
— under der Hoffentliden Zu Bimmlifpem erufalem:
. Mertirift an Solde, die fih an Gottes a Bl beieben,
ion Si, Badler,.. Verf. von mandperlei Schriften, zu Laug allen bei
— (auch Senaweihn) ) in Oftpreußen, auf Fänge 89 45‘ und Breite 450
A an Saller Bad Bad . . . Zilfit. Drud v. H. Poft. Im SGelbftverl, des Berf.
©. ar. 8.)
'hrichten üb. Leben u, Schriften des Hrn. Geh, R. Dr. Karl Ernst v. Baer,
von ihm selbst. Veröffentl. bei Gelegenh. seines 50jähr, Dootor-Jubi-
Ikums am 29, Aug. 1864, von der Ritterschaft Ehstlands. St, Petersburg, (VI
u. 674 ©, 2er. —* mit Portr.)
— — Das — Doctor-Jubiläinm des Geheimraths Karl Ernst von Baer,
Fra 1864. Ebd. 1128 ©. gr. 4 m. Bortr. u.
Bartitus, 6, , Dr. Eduard Heinel, (Separataber. aus d. Verfaffungäfteund.) (Ngebg.,
db. Gruber & Yongrien.) (16 ©. 8,
—* Bei Fr., Die Magdeburger Fragen. Be Guttentag. (L u. 330 ©. gr. 8.)
6 ir.
Beinlich, Paul Ad. Geo, (aus Ana) Nonnulla de morborum cordis diagnosi. Diss,
Wem. Röbıl per Imbnd ye are Iroingionereit NA Rawelio 3. X.
em. ra ip, madinameji in icdelio
Vemo. zum. Keane (31 ©. 8.) ai
" Joseph., phil, Dr. et Prof. publ, ord, De veterum Pratenoram diis, Diss,
hist, critica, Eronsbergae L. R. Huye. (26 ©. ar. 8.) 4 Sgr.
Beobschtungen, astronomis: auf der Kgl, Univeraitäts-! Sternwarte zu Kgsbg. Hı
BR Di, mt Dr. Ed, Luther. 35. Abth, Kgebg. (Leips, Rein,) (IV u. €.
Ir.
Biblisgraphie 1865, 381
Bütter der Erinnerung an den Ober-Fischmeister Wilhelm Beerbohm, für seine
ende ‚sammelt. o.J, (Dr. u. Verl. v. F. W. Siebert in Heydekrag. (62 6.8.)
tinnerung an d. 50jähr. Antajubiläum des Hrn. Director Dr. Gottbilt
Be ni in Danzig. Am 5. Dec. 1865. Danzig. Groening in Comm. (21 ©. gr. 4.)
Beh, . P. eriter Predig. zu St. Trinitatis: en Sem Möreiben an die Hebräer in
50 huzzen gen Docenpreigten erläutert, Danz. Anhuth in Comm. (I u.
312 ©. gr. 8) 2
Böhme, Chestosophia ober Den zu Chrifto — in 9 Buchlein, nun in 83ſ. ge;
melde bin. von wahrer Buffe, u. vom Schlüfjel Göttliher Seheimnies vom
von der wahren Gelatienbeit; won der Wiedergeburt; vom überfinnl.
von —ã Beſchaulid keit; nebſt einem Gefpräch einer —ãA u Amel:
ten Seele; und dann von den vier Complericnen. us Göttlihem Er⸗
Knie durh ‚Jalob Bopmen von Alt-Seidenberg, fonften Teutonicns Philosophus
—* Nebft geiftreihen Summarien u. einer Zugabe der auserleſenſten Kern:
rüche aus allen Schriften de3 Autoris, aud einem bienlihen Regiſter. Gebrudt
de8_außgebornen großen Heil 1731. Unveränderter Abbrud: Raabg. 1865.
© dp. v. Gräfe u. Unzer, (Dr. u. Comm.Berl, v. H. Hartung.) (XVI u. 391 ©.
2 ort. It.
Boehn ae et Manufeript gebt.) Berlin. Drud von Carl Jahnde.
v. Boßlen, Agnes, Das Bud der Mutter f. Haus u. Erziehung. 2. durchge. Auf
Berlin, 866. (865.) Springer. (VI u. 370 & 8) cm Re —R no g.
Otto (aus Pr. Hcland), De aorne anenrysmatibus adjecta morbi histo-
ris, Diss, inang, med. Berol, (36 ©. 8.
Brobm, Dr. Rud., Chronik des Thorner & wereins. Zur eier feines 25jähr. Ber
3 auf Beranlafig. des Vorftandes verfaßt. Thorn, E. Lambed. (87 €. 8.)
— 3 ai zauinmen, Su Luftfpiel in 3 Acten nad) e. Erzählung von Levin Schüding.
ron
-— und Öymn. Biof, D u. in, PA Shut u. Turxn-Liederbuch. 3, verm. Aufl,
(2. Abbe.) 868. (865) © bed. (96 ©. ar. 8.) 5 Zhlr.
Hear, "Mage, Eı ‚gm, (aus —E je auctoritatis qua Prussise or-
dines sub ordinis apa imperio utebantur initio et incremento, Diss, inaug.
Bonnae, (9 ©. gı
Bruno, Rich, Frid, (ons Binlien bei Gumbinnen), De epilepsiae causis. Diss, inaug.
med, Berol, (82 ©. 8.)
Basttner, Gust. Ad. (au Rg8bg.) De morbo Brightü, Diss, inaug. med. Berol, (32 €. 8.)
Burdach, O. Kgl. Commerz.: u. Apmiral,Rath, Alphabetiſch. Keen (em fämmtl. in d.
een des Kal. ms u. Admtral,-Collegiums u. Kreisgerichts m
bg. 1. Pr. eingetragenen Yandelöfirmen, — Procuren, nach
amtl. Quellen zii helle im Juni 1865, Rei firmens, Gejelliftö: u. Pro⸗
auemedeni- v al Rn Kreisger.-Deputation zu —E . Rgöbg. E. Rautenberg.
Burow sen, Weiche Bedeutg, haben die Nummern unserer Brillen? [Deutsche Kli-
nik. } —3— 16.
—— ır Lehre voı Ps — ation der Kehlkopfspol; [Ebd. No. 17.]
—E —ã erftellg. einer Bafferleitg, In Rosie aus a gedr.)
—A in der Kol, id. Bhörderei. (32 ©. 4.
Eaftel Margarethe Fullerzi joli. Ein —8 Frauenbild. Berlin, 866.
(865). Sghlingmann. (V u. 270 ©. 8.) 1 Thir.
Cenovs, Dr. Florian, Sto frantovek z Poludnjoväj eagöcj Pomorza Kassubäkjego,
onoblivje z — — ojecjc Krajni, Koczevja i Bor6v. 8 dodatkjem traech prosb
na vesele, (Hundert Schelmenlieder aus dem südlichen Theil des kaschubischen
Pommern, besonders aus d. Gegend von Schwets, Nakel, Mewe u. Tuchel. —
u) — von 3 Hochzeitseinladungen,) Danzig. Bertling in Comm,
K 2 Zhle.
J., Prsyjaciel polskich dsieci, Csgöd 1. Gäahisk, naklad autora, (128 6. 8.)
Bolaslaw Prawäzic, Rzut oka na Handel, Chelmno, Jgn, Danielewski,
Chotomaki,
(43 6. . 8). 7a Sgr.
382 Mittheiungen und Anhang.
Gabsch, A. (au Giessen) Ueber diejenig. Curven, deren Coordinaten sich als allip-
tische ‚Functionen eines Parameters darstellen lassen, [Crelle’'s Journal für die
reine u, angew. Mathem, 64. Bd. 3, Bft. ©. 210270,
— — Ueber einige von Bteiner behandelte Curven [Ebd, S. 288—293.]
fOopernikus.]
Les Fondateurs de l'astronomie moderne, Oopernis — Tycho Brahe — Kepler
— Galilee — Newton; par Joseph Bertrand, membre de l’Institut. Paris.
Betzel, (XVI u. 391 .B) 6 fr. — 2. dait, Ibid, 6 fr, 3, &dit, Ibid, 3 fr.
K, 0. Kopernika, slavndm polskem hvönddri. Z — prälokil,
aspolu i polskym — pismem wöeslovanskym vydal F. J. Jenbers,
Praga, Jerbera (16 8.) 4 Sr.
Seiminal-Progeh Behrendt, De % v J Verfentung des Barkicifie Alma
18. April 1864 unweit der Ecilly:Infeln. Stenographilh. Bericht über Die En
mel vom 10-14. Juli 1865 ftattgerund. Sicermanı Et. Hemd eg. den
theber Behrend! Bi u. Steuermann Bad. a Au] un
9. B. Schmidt in .) (IV u. 239 ©. 8. I ag
enthaltend die in der Verhandlg. verlefenen mic —* it. ofumeri, —— u.Cu
teipondenzen. Ebd. (Drud v. J. W. Siebert in me) 48
Ourtze, Ueber d. geometr. Principien des Zeichnens, —8 a — der Asono- 1
metrie. Aus d. Vorlesungen üb. Anwendung der 6 Geometrie auf d. Künste ge-
halten im J. 1866 am Kgl, technisch. Institute zu Turin von Quintino Bella, Fi-
nanzminister d. Kgreichs Italien. Deutsch von Maximil. Curtse, ord, Lehr. am
kgl, Gymnas, su Thorn, Mit 4 lithogr. Taf. in gr. 4. [Archiv d. Mathem. u, |
Phys, hrag. v. Grunert, 43. Thl, 3,HA, 6.245289 Aud als Sevaramübe
drud . . . Greifswald, Koch’s Verl, (48 ©. gr. 8.) 1a
— — L Oremona, Einleitung in e. geomtr, Theorie der ebenen Curven, Nach e.
für die deutsche Ausg. vom Verf. zum Theil umgearb. Redaction ins Deutsche
übertrag. von M. Curtze, Greifswald, Koch's Verl, (XVI u. 299. gr. 8. mit e.
lith. Taf. m au Dr Fl 12]a Thlr.
Cserwinski, Alb., (Mitgi, d. Tanzakad, su Paris u. Tanslehr. in Dansig), Contretans-
Büchlein, Anleitung sum richtigen Verständniss dieses Tanzes, der Lanciers u.
—SS —— 2. verm, Auf. Dansig, Saunier
4 r,
» Rgöbg.), Die Grenzen u. d. Urfpı ung der menfchl.
4 Kant u. Hegel. ——— Ihe Bush um
. 294. gofenoble ( —*—
—— nah al euen, befannten u. 2
a bearbeitete 1 Säiphunge, Tdeorie. im © Sähnell:
U2
in Heiland? von Dr. 2, Detroit, dei
holland.dtjch. Concregetiete in Pivorno, en D & Longrion. a nr. » {
&
Keriodifhe Literatur (1866). }
Ba a
‚auen:Bildungöverein. Bannewig, Schonung |
Dante, Crnnerg- an d. Vtheidigg. d. :eölau
Adolf Cohn, Piaſten u. Wettiner. Ehpientel
Sn d. Haus zu d. 7 Galgen. Erim.:Gefch. aus '
tie, Leil —F Breslauer Kaffeetaf fen JR. Hoff
üttner, Schinge Latare. Th. Delöner, Hand:
ragen, Anreoun en, Antworten.
1. d. Hellenen; IT.
h. * — % San ke ——— _
Anbang.
Veriediſche Literatur (1866). 383
5 Sad d. Bernftein-Regals in Preußen. [Ngäbg. Dartgſche
Bee 1
. Du u Muf R. BL. XI, 262-271,
—— — engen
ua Juni — * En 3 worbergebenn | nd EL teuß. war. 1881. 86. 41.)
—— — za Re 5, 66
Eu er, Die Salinjel Gela,, [Blobus. Bo. K. &o.3]
". pe telegraph. Vertehr im s 1865 im Reg.Bez. Mgöbg. lAgobg.
J — — — [Graudeny.
Sifewins, Einige bei Geburt u. Kindtaufe * etlich. Decennien übl. Gebrauche d.
Kittaner. [R. Br. ProuBL PR —262.]
Sittanifge Sagem, PR fen von A. G. —EeS Wichte u. Elbe. lunterhal⸗
ur lit rän;
Der rg mit fein. ne u. Ausftüflen in d. kuriſche u. friſche Haff. 111. [Rgöbg.
5 —— tef. 14. is
Die Statuten der Bierbrauerzunft zu Culm. [R. Pr. Prov. Bl. XI,
—— Stars, a Banig; ord. Sigg. 2. Mat. 2; 8. Bericht üb. Briſchkes
ab. nügl, Käfer, u. Dr. Lampe s Diitthig. üb. eine aittonom.
a d ee "ans ı in "Cambridge, nach welder d, mittlere —AãA gegenw.
Ei um ee Secunde länger ift, Pr vor 2000 3.) (pa nz. Itg. 8642.)
fbrüdiger in Danzig. (Aus d. d. Üorfiehers der Ket⸗
tungs| —E Burgermeiſt. Sal ahzeen in Leba üb. e. Rettung aus Sees
N durd das Nettgöboot Dabeim. [Cbv. 3629.)
an w — Die neue Orgel der St. Marien⸗Kirche in Elbing.
Mr Drgelt eh: (22. d er. m 20. M
2 2 —— — ante ai
Kuflen u N Deferreier Barden wi — de —— &
ZeierL FH & * lwovinzialbl nbeninffitut Robbe.
4. Juni. (geihihtl. Notiz üb. En » Inden, Öntereig)
Suhl * sta Ohr. &* 2 —F Me Sig 106. 18. Beta:
Die u Raten! ienburg ee, Reotfionsoßtt. 12. Mai. — In d. An
talt % ehe A — von denen 8 provinzialftänd.
er ne En
— — | in — (era. —* ment —X
ie
Dr, S. Bi D. Ruine Mi aus d, Geld. d. Die. —z m. 1Ab⸗
big. IR. Ren, Brov.. z Pag 200—213.]
Srtract It. Sanbermen-Kattelt zu Tapiau f. d. Jahr 1865,
aus
Dr — —— Beil. 6 zu Ro.
me ER Weber ã— und d. Sradhane des Eoperniens, [R. Pr.
en Wiederabtr, der Dombrowskiſchen ori in poln. Sprache. lAutl.
eb. & zu Kasbg. 5. Stüd.
Riffioner Senne (a (aus — — — in Ofter.) —*— aus 3 Miſſionsſtation Srehtatl
Seiften
Dr. 5.8 .
“ — Bee *
————
Im; Sadner Rofg, —— © Di
Sant. Ann Drau —— em 81. Sul i
., Nerolog Oougo Rh, Friede. Markus’ Es bei
a Be he In Dr kei) a der Lardtihe Monet
384 Mittheilungen und Anhang.
Prozesky (au Brandenburg in Dftpe.) (Brief aus Afrite, Wartburg
ae Bat Sait® Dr. Web. [Kaebs. Miffionsbl. 10.)
Songfellom's Epaniiher St Bartrag von d Sabricius. (Vorführung einer Weber:
ie jelben von eerichter wmanski in Barten.) [Unterhaltgen d. I.
an
— er Otto der Dritte. Trauerſpiel in 5 Alten. Akt 1. (Ebd. 14]
Anzeige
Preisfrage der Fürstlich Jablonowski'schen Gesellschaft
zu Leipaig für das Jahr 1888,
Bei der absolut hohen Bedeutung, welche der internationale Getreidehandel nicht
bloss praktisch für das Wohl und Wehe des kaufenden wie des verkaufenden Volkes
besitzt, sondern auch als Symptom der allgemeinen Kulturentwickelung auf beiden
Seiten; sowie bei der relativ wichtigen Stellung, welche gerade im polnischen Handel
seit Jahrhunderten die Getreidesusfuhr eingenommen hat, wünscht die Gesellschaft
eine quellenmässige Geschichte des polnischen Getreide
handels mit dem Auslande.
Die Zeit vor dem Untergange des bysantinischen Reiches wird dabei nur als
Einleitung, die neuere Zeit seit der Theilung Polens nur als Schluss zu berücksich-
tigen sein, das Hauptgewicht aber auf die dazwischen liegenden drei Jahrhunderte
gelegt werden müssen, (Preis 60 Ducaten.)
Die Preisbewerbungsschritten sind in dentscher, lateinischer oder fr.
zösischer Sprache su verfassen, müssen deutlich geschrieben und paginirt,
ferner mit einem Motto versehen und von einem versiegelten Zettel begleitet sein,
der auswendig dasselbe Motto trägt, inwendig den Namen und Wohnort des Ver-
fassers angiebt, Die Zeit der Einsendung endet für das Jahr der Preisfrage
mit dem Monat November; die Adresse ist an den zeitigen Secretär der Gesell-
schaft su richten, Die Resultate der Prüfung der eingegangenen Schriften werden
jederzeit durch die Leipaiger Zeitung im Mürz oder April bekannt gemacht,
Druckfehler.
6.289 3.2 v. oben (im Xezt) binter Nordſee lies und der Oftfee.
6.297 8.7 v. oben ftatt einem lies einen.
— —
vaio, Google
Aberglauben aus Maforen.
Mitgetheilt von
! Dr. M. Zöppen,
Die nachfolgende Sammlung volfsthümlicher abergläubifcher Weber
fieferungen aus Mafuren Tann auf Vollſtändigkeit leinen Anfpruch machen,
bärfte aber als ein Beitrag zu ähnlichen Sammlungen und als eine
Grundlage zu weiterer. Nachforſchung nicht ganz ohne Intereffe fein. Auch
in Maſuren fangen die volksthümlichen Meberlieferungen, wiewohl fie hier
noch lebendiger find, als anberwärts, doch auch ſchon am fich fehr zu ver⸗
dunleln; es iſt alſo hohe Zeit, für ihre fehriftliche Sirirung und Erhal-
tung Sorge zu tragen. Es wäre zu wänfchen, baß andere, welche Hiezu
noch günftigere Gelegenheit haben, als ver Einfender biefer Mittheilungen,-
* namentlich folche, die mit dem wiſſenſchaftlichen Intereſſe eine recht gründ«
liche Kenntniß der polnifchen Sprache und bes mafurifchen Idioms ver»
binden, bie Mühe einer noch eingehenderen und umfafienderen Rachforr
(hung anf ſich nehmen und die Früchte diefer Bemühungen ebenfalls ver⸗
öffentlichen möchten.
Der. Name Mafuren ift vielventig; im engeren Sinne umfaßt er nur
bie vom Ortelsburger Kreife Bftlich gelegenen Kreife polniſcher Bevölle⸗
rung; im weiteren Sinne bezeichnet er aber auch bie polntfchen Kreife des
sum Regierungsbezirk Königsberg gehörigen Oberlandes. Im biefem wei⸗
teren Sinne ift er hier gebraucht, de bie Hier niebergelegten Mittheilun⸗
gen zum großen Theile gerabe in biefen legtgenannten Rreifen gefammelt
find. Sehr ſchätzenswerthe Mitteilungen kamen jedoch auch aus jenen
; Öfllicheren Gegenden bazu, und ein Unterfchieb der Boltsäberlieferungen hier
und dort macht ſich nur in untergeorbneten Einzelnheiten bemerkbar.
Wipr. Re nateiqriſt Bd, II Hfte 5» 25
386 Aberolauben aus Rafuren
Einige ältere Schriften über altheidniſche oder aus dem Heidenthum
überlieferte Gebräuche und Vorftellungen find benutzt, bie älteften aber,
wie die Chronilen Simon Grunan's und Lucas Davids oder bie Schrif-⸗
ten von Johann Meletius und Hieronymus Meletius, welche uns über bie
Fortdauer des Heidenthums in Preußen während bes fechszehnten Jahr⸗
hunderts fo ansführliche Mittheilungen gemacht haben, nur an wenigen
Stellen und mır um das Gegenwärtige an das Vergangene anzufnäpfen;
Referent glaubt in dieſer Hinficht amf feine vor zwanzig Jahren geſchrie⸗
bene, in ben Neuen Preußiſchen Provinzialblättern Jahrgang 1846 Band 2
abgebrudte Abhandlung über bie legten Spuren bes Heidenthums in
Preußen verweiſen zu dürfen, zu welcher bie gegenwärtigen Mittheilungen
in gewiſſem Sinne eine Fortfegung bilden. Dagegen ift Piſanski's vor
etwa Hundert Jahren in ven Wöchentlichen Königsbergifchen Frag- und
Anzeigungsnachrichten Jahrgang 1756 No. 2125 veröffentlichte, zum
ſchon fehr ſchwer zugängliche Schrift „Won einigen Weberbleibfeln bes
Heibentfums und Pabfitfums“ forgfältig benugt und zum Vergleiche her⸗
angezogen. Pilansti hat zwar wie einige Einzelnheiten in feiner Darftel
tung zeigen, wicht Mafuren ausſchließlich im Auge, aber doch, was ebenfo
gewiß ift, vorzugsweiſe. Piſanski ift ein geborner Maſure, hat alſo jene
heibnifchenbergläubifchen Weberlieferungen vorzugweife in Mafuren lennen
gelernt, weift gelegentlich ausbrüdtich auf biefe Gegend, und zeigt auch in
anderen Schriften, baß er für bie vollsthümlichen UWeberlieferungen ber
Mafuren Sinn und Intereffe hat, wie er bemn faft ber einzige Schrift,
ſteller ift, der für die Kenntniß des mafurifchen Altertfums etwas Exheb-
liches geleiftet Hat. Cinzelne Notizen entnehmen wir and; einigen andern
Schriftftellern, welche wir ihres Ortes anführen werben. Hervorzuheben
unter ven benußten Quellen find nur noch bie auf Grund amtlicher Be |
richte ber evangelifchen Geiftlichen herausgegebene, ſehr inhaltsreiche Schrift
von C. ©. Hing: die alte gute Sitte in Altpreußen, Königsberg 1862, 8.
und ein intereffant gefchriebener Aufjag „Won Königsberg nad) Preuß.
Eylau und Mafuren“ in dem Feuilleton der Königsberger Hartungfchen
Zeitung Iahrgang 1865 No. 302 und Yahrgang 1866 No.1. 2, 6—9.
Es fchien uns zwedmaßig einleitungsweife einen Blick auf das kirch⸗
liche Leben der Maſuren zu werfen. Daun handeln wir in vier Hauptab⸗
von Dr. M. Täppen. 381
nitten 1) von dem bämonifchen Mächten, 2) von der Zauberei unb den
Berfegnungen, 3) vom Wahrſagen und vom Kalender, 4) von dem Aber
glauben, welcher ſich an verſchiedene Lebensverhältniſſe, befonders an bie
Taufe, die Hochzeit, die Wirthſchaft und ben Tod, knüpft. Im biefem
legten Abſchnitt war es nicht wohl zu umgehen die Hochzeit, Ernte- und
Begräbnigfeierlichteiten überhaupt zu befchreiben.
Hohenftein, den 17. Mai 1866. Dr. 3. Töppen.
Einleitung.
Ein Blid anf das firhliche Leben ver Mafuren.
Die lirchlichen Zuftände Mafurens und überhaupt der poluiſchen Ger
genden in Preußen haben manches Eigenthümliche, Die Bewohner ber
felben gehören faft ohne Ansnahme des evangelifchen Eonfeffion an, wäh-
rend ihre Stammverwandten in Polen umb im Ermlande eifrige Katholi—
ten find. Man rühmt ihnen fehr kirchlichen Sinn nad. Es wird allge
mein auerkannt, baß fte fleißige Kirchengänger find, daß fle eifrig allen
firhlichen Handlungen beiwohnen, daß fie bie kirchlichen Geremonien forg-
fältig beobachten. In der That ver Gottesbienft der Maſuren Hat ſeine
ſehr amziehenben, ja erhebenben Seiten.
Im einem fehr Iehrreichen Auſſate „bie evangelifchen Bolen im Preufi-
ſchen Stante (in dem von dem Militär-Oberprebiger Bord zn Pofen her-
ansgegebenen Evangeliſchen Jahrbuche, Jahrgang 4) wirb herborgehoben,
daß in Mafuren fi) eine Unmittelbarkeit und Junigkeit ber veligiöfen :
Empfindung kund gebe, welche ven Lälteren zur Neflerion geneigten Deut
ſchen ganz abgehe. „Wurzelt doch das Geiſtesleben des Mafuren bei ber
Abgefchievenheit des Volles von den Heerſtraßen ber Welt, weſentlich im
dem Gebiete der reltgiöfen Auſchauung, und Hat daſſelbe feine Nahrung
bisher faft ausſchließlich aus der Bibel, dem Gefangbuche und dem Kater
YHiemus, aus dem gehörten Prebigtworte und ans ber vielverbreiteten
Dombrowefifchen Prebigtfammlung empfangen.” „Ueberall volle Kirchen
und in denſelben eine Inbrunft, eine Devotion, eine Empfanglichleit für
das Wort, wie fie in deutſchen Gemeinden nicht gefunden wird. Dabei
eine Liebe zum Gefange, bie glei; beim Eintritt zum @ingen treibt, fo
daß der Gottesdienſt gar nicht abgewartet wird. Sodann fingt bie ganze
25°
388 Aberglauben aus Mafuren
Gemeinde bie Refponfa, die Liturgie, fpricht das Glaubensbelenutniß laut
mit, wirft fi beim Water unfer auf bie Kniee und nimmt bie Ein
fegungsworte und den Schlußfegen dem Geiftlichen gleichfam fingenb ans
dem Munde. Alles iſt dabei Leben, Neceptivität und Altivität.“ Yus ber-
felden Schrift lernt der Uneingeweihte bie polniſchen Nationalliever als
folche lennen, in welden ſich „die Grundzüge des Nationalcharalters ger
ten Herausfpiegeln, ber heitere nngezivungene Ton, ber weniger bei ber
Verlorenheit, als bei der Erlöfung des Menichengefchlechts, verweilt, das
ſtolze Hervorheben und die Ausmalung bes Königthums Ehrifti, das Friege-
riſche Woplgefallen an dem Kampfe des Herrn mit dem Teufel und an
deſſen Ueberwinben, unb ber freubige Stolz, mit welchem die Mitherrſchaft
und die Mitvegentfchaft der Exlöften, neben Gott unb Chriſto in ber ewi⸗
gen Herrlichkeit, als ein Exbtheil des armen Bauern und Bürgers nicht
minder, wie bes Ebelmanns, gepriefen wird.” (Vgl. ©. Döhring Choral
tunde, Danzig 1866, ©. 459.)
Es iſt ganz richtig, der Nationalcharalter ver polnifchen Bevölkerung
und ihre Holtrung von ben großen Strafen des Verkehrs finb für bie
Auffoffung des mafurifchen Gottesbienftes vorzugsweiſe in Anfchlag zu
bringen. Die geiftige Bildung der Maſuren fteht auf einer niedrigen Stufe;
man Tann von ihnen nicht verlangen, baß jie reflectiren wie bie Deutfchen,
ebenfo wenig, als man verlangen kann, baß die Deutfchen zu ber niebern
Stufe des Phantafielebens und ver Gefühlsſchwärmerei zurückehren follen.
Über die großen Schattenfeiten einer ſolchen Religiofität bürfen nicht ver»
kaunt werben; fie bietet dem chriftlichen Glauben nur ſchwache Stügen
und verleiht keine befonbere ſittliche Kraft; fie läßt dem Aberglanben den
weiteften Spielraum. Neben ben oben genannten kirchlichen Erbauungs ⸗
buchern werben auch Schriften wie der Himmelefchläffel, welcher anfängt
mit dem „Himmelsbrief, den Gott ber Herr im Himmel mit feiner Hand
geichtieben, mit goldenen Lettern; berfelbe wurde gefunden auf dem Eich⸗
berge in Britannia vor bem Altare bes heiligen Erzengel Michael; kein
Menſch wußte vordem um ben Brief, und von wo er hergekommen,“ mit
Heißhunger gelefen. Wenn man ſich in ver Kirche erbaut hat, befchäftigt
man fi) mit demfelben Ernſte und berfelden Hergenstheilnahme mit ber
Verſohnung der vüfleren Mächte, unter beren Einwirkung bas Leben flieht,
von Dr. M. Töppen. 389
durch allerlei Hofuspofus und Zanbermittel, und diefelbe Ehrerbietung, mit
der man ſich feinem Pfarrer naht, wird auch dem Verſegner ober Wahr⸗
ſager oder dem Verzückten zu Theil,
Dem Mafuren ift, wie bem Polen, ein lebhafter äußerer Ausdruck
feiner Empfindungen und fo and bie äußere Bezeugung feiner Devotion
(&gl. €. G. Hing bie alte gute Sitte in Altpreußen, Königsberg 1862,
&.3) ganz befonbers eigen. Das Küffen des Geſangbuchs tft bei ben
Maſuren eine allgemein verbreitete Sitte, wenn es zugemacht wird, wenn
ein Lied zu Ende gefungen ift, überhaupt bei jebem Gebrauche unb ganz
befonders, wenn es durch Unvorfichtigfeit auf bie Erde gefallen if, beim
Aufgeben (ding ©. 7. 8). Ebenfo Kann man bei jebem polnifchen Got
tesbienfte ungewöhnlich Hänfiges Neigen des Hauptes, Beugen ber Aniee,
an die Bruft ſchlagen und fich befreuzen wahrnehmen. Dies find zwar
an fi) Mittelvinge, welche weder ein günftiges noch ein ungünftiges
Vorurtheil für die Religioſität bes Menfchen erweden Können. Aber fie
haben doch bei den Maſuren ihre fehr bedenkliche Seite, weun ſich an
diefelben die Vorftellung befonberer Wirkſamkeit knüpft. Schon Bifanskt,
“am bie Mitte des vorigen Yahrhunderts, bemerkt, „vas große Vertrauen
auf bie bloße Beobachtung einiger Außerlichen Pflichten und gottesbienft-
lichen Handlungen, ohne daß ein geänbertes Herz und ber barans fließende
Gottesdienſt im Geift und in ber Wahrheit bamit verbunden wäre," mache
‘ bei dem größten Theil ber Päbſtler das Hanptftäd ihrer Religion aus,
und diefen gefährlichen Wahn habe bie enangelifche Kirche, aller angewand»
tm Mühe ungeachtet, noch nicht bei allen ausrotten fönnen. Er verwirft
daher unbebingt bie — noch in unferer Zeit fortbeftehende — „Einbilpung,
al erhielte das Gebet, wenn es auch nur bei verfchloffenen Kirchenthäiren
durch das Schlüſſelloch Hineingebetet wirb, eine vorzügliche Kraft,“ ferner
„die unnüge Ehrerbietung, fo das gemeine Bolt ven Altären beweifet,
indem es fich gegen biefelben neiget, oder wohl gar auf bie Kuiee nieber-
fällt“, enbfich bie abergläubtiche Anwendung bes Kreuzeszeichens unbebingt.
„Durch die von ben Päbftlern vorgegebene Wunderkraft fagt er, Täffet ſich
die Einfalt auch unter unfern Glaubensbrüdern berüden, fo oft ein Kreuz
vor ſich zu ſchlagen, als ein bevorftehendes Unglüd abzuwenben, ober et-
was zu unternehmen ift, was gefährlich fein Könnte, Die Fuhrleute thun
390 Aberglaube aus Mafuzen
es mit ihren Geißelftöden vor ven VBorberpferben, wenn fie aufbrechen
wollen, bamit fie fein Rab zerbrechen; andere vor der Mahlzeit über den
aufgetragenen Speifen, bamit folche, wenn fie etwa bezaubert wären, ihnen
unſchãdlich mwürden.” (Pifansli a. a. DO. Nr. 23 8. 11.) Was Pifansfi
von ber aberglänbifchen Anwendung bes Kreuzeszeichens anführt, fieht
man noch jegt in Maſuren täglich.
Noch näher an ben Katholicismus fireifen bie Gelübbe und Opfer ver
Mofuren. Ihre Gelübde find mannigfacher Art. Sie geloben bei Krank⸗
heiten und in anderen Nothfällen für bie Genefung ober Befreiung, an
gewiffen Tagen z. B. an allen Freitagen der Faſtenzeit zu faften ober die
Kirche zu beſuchen ober Opfer in ver Kirche barzubringen. Mäbchen ges
loben auch gewiſſer Farben 3. B. des Rothen ſich zu enthalten. Nicht
felten ift das Gelübbe, an beftimmten Sonntagen z. B. an ben Beichttagen
ober nach vollendeter Ernte, uz iszlaikema d. 5. zur Erhaltung, regel
mäßig alle Jahre ein Opfer zu wieberholen, — wie wenn man fi) ba
durch einen Sicherheits, oder Schutzbrief für alle Zeit erkaufen wollte.
Auch ganze Dorffchaften, wenn fie vom Gewitterfhaden, Hagel oder anderen
Unglüdsfällen betroffen werben, thun ſolche Gelübde (Vgl. Hintz ©. 13,
14, 42, 117). So haben z. B. bie Einwohner bes Dorfes Bartofchten
gahre lang am Sonnabende nicht gearbeitet. In einem andern Dorfe,
weldyes durch Hagelfchlag viel gelitten Hatte, machte der Schulze äffentlich
belannt, e8 müge Jedermann am Eonnabend Nachmittag fich gänzlich ber
Feldarbeit enthalten, damit Gott in Zukunft vor ähnlichem Schaben ber
wahre (ding, ©. 13). Beſonders geloben fie an den Üpofteltagen und
ſolchen Zagen, welche bie Katholilen feiern z. B. am Jacobitage, an Chriſti
Verklärung, an ven Marientagen u, ſ. w. nicht zu arbeiten. An ben be-
zeichneten Tagen vermeiden fie Übrigens nur die elbarbeit, nicht andere
Arbeit! oft auch nur die Feldarbeit auf eignem Felde, während fie fich
nicht ſcheuen bei andern für Lohn Feldarbeit zu verrichten. Als vor eini-
ger Zeit der Pfarrer D. in 2. an einem foldhen Tage auf dem Felde ars
beiten ließ und unerwartet Hagelwetter eintrat, fammelten die Bauern
einige Metzen Hagelförner, brachten fie fehleunigft zum Landrath nach
Neivenburg und verflagten ben Pfarrer, deſſen Gottlofigfeit fie burch bie
Hagelkorner zu beweifen meinten. Aehnliches erzählt die Gemeinde zur
ven Dr. M. Zöppen. 301
Reätfertigung ihrer Gelübbe von dem Pfarrer in I. Dieſer ſchickte trot
ber Abmahnung des Schulzen am einem ſolchen Tage feinen Knecht anf
das Feld; ba flieg ein Gewitter auf und ber Slitz ſchlug gerade bemi
Harrer zum Schornftein ein — fir biesmal noch ohne weiteren Schaden
enzurictem Gebr üblich find enblich andy noch Die Gelühte, an brei
Kirchen, wobei gewöhnlich zwei evangeliſche und eine latholiſche ausge⸗
mäßlt wird, zugleich Opfer barzubringen,
Die Opfer, welche bie, Mafuren auf dem Altare nieberlegen mb bie
Gaben, welche fie den Hofpitaliten zufenben, werben fehr oft nicht ans
teinem ebelem Herzen, fonbern mit beredjnendem Stun — als gnte Werke,
denen die Vergeltung auf ber Spur folgt — und oft mit ſehr aberglän-
biſchen Nebenvorftellungen dargebracht. Pie Opfer an bie Kirche kommen
fehr oft vor, aber faft ausſchließlich doch nur dann, wenn man befonbere
Bürbitten und Dankjagungen in ber Kirche wünſcht, ober wenn man zur
Eommunion geht. Ienen Fürbitten und Dankffagungen aber geben fle
eine faft ſchrankenloſe Ausdehnung, indem fie alfe Erlebniſſe und Erfah
rungen, äußere und innere, leibliche und geiftliche in ben Kreis berfelben
Sineinziehen, wie Wohnungswechſel, Störungen in ber Wirihſchaft, Kranl-
heit zc. (Bgl. Hing. ©. 12). Bei Eommunionen ift der Altar von ihnen
wie belagert, bis jeber feine Gabe Hinanfgelegt Hat. Was es bebente,
wern bie Mafuren bei Augenkrankheiten Lichte opfern (vgl. Hink ©. 14),
iſt leicht zu erkennen, unb war baher ehemals als heidniſch firenge verpbnt.
Die Opfer an brei Kirchen, unter welchen wie gefagt, eine katholiſche zu
fein pflegt, find ſehr Häufig. So brachte vor Kurzem eine gelbſüchtige
Gran den beiben evangeliſchen und dem katholiſchen Geiſtlichen in O., um
ihre Gefundheit wieberzuerlangen, Mehl, Wachs und Geld. In Kr. opferte
eine Fran fünf Silbergroſchen anf das Hofpital für den Mann, deſſen
Seele Teine Ruhe findet, und ſprach babei bie Hoffnung aus, baf eine
glüdliche Seele diefe fünf Silberzroſchen finden und in einer glüdlichen
Stande durch Gebet die arme Seele erlöfen möchte. Sie theilte dem
Porrer mit, baß fie auch noch anf drei Kirchen, zwei edangeliſche und
eine latholiſche opfern wolle, um des Erfolges deſto geiviffer zu fein. Der
Parrer fragt: „Slanbt Ihr denn das?" Cie antwortete: „Nun ja, wir
dente gemeinen Gtandes plauben doch das!“ Daf eine ven ben brei
392 Aberglauben aus Maſuren
Kirchen eine Tatholifche fei, halten fie nicht gerade für nothwendig, aber
fie meinen doch, Daß das Opfer fo wirkjamer fei. Die Hospitäler beven-
ten die Maſuren oft, wie denn Mitleid bei ihmen leicht vege wird. Aber
es Inüpft ſich an dieſen Alt der Wohlthätigleit fogleich auch ber Aberglau-
ben. Ste geben z. B. dem Hofpital das erfie Kalb ber Stärke ober bie
erſte Butter von ber Kuh, welche zum erfien Mal gemelkt wird, weil fie
feft daran glauben, das gebe Glüd.
Mm der Art, wie fie die Firchlichen Feſte feiern, weicht manches von
ven Gebräuden ber anderen evangelifchen Chriften in Preußen ab.
Am erften Weihnachtöfeiertage wird in ben Kirchen Mafurens und in |
ben Dörfern, welche feine Kirchen haben, in den Schulen während bes |
Fruhgottesdienſtes eine. ſehr eigenthümliche und fehr beliebte Feier veran |
flaltet. Die Schulkinder, welche barauf von dem Lehrer wochenlang vor |
her vorbereitet find, fptelen babei, ſchon äußerlich durch einen weißen An-
zug — meiftens Baters Hembe mit einem bunten Bande um bie Taille — |
und durch Hohe Kronen aus Papierblumen mit Goldſchaum — bei ben |
Madchen ftatt deſſen Kränze — als Engel kenntlich gemacht, die Haupt |
rolle. Sie erfcheinen, Lichte (früher Wachslichte) oder Tannenbäumchen |
mit Lichten in den Händen tragend, in der Kirche, ziehen um den Altar, |
nehmen dann theil® am Altar theils auf den Chören ihre Pläge ein, nub |
führen nun Wechfelgefänge auf, tragen einzeln ober im Chor bie Feſtevan⸗
gelien vor, ober fagen einzeln die für diefe Beier eigens feit alten Zeiten
überlieferten Verschen (d. h. eine oracya) her. Es ift Sache des Schul
lehrers, dieſe Verſe einzuäben und alles recht bramatifch darzuftellen, An
dieſer Beier, welche man jutrznia (Morgenftern) nennt, nimmt bie ganze
polnifche Bevölkerung, ja auch viele Dentiche, den lebhafteſten Antheil;
ſchon von 2 oder 3 an wirb alles in ben Häufern lebendig, bie Feier bes
ginnt etwa um 4, don ben Polen fehlen bann in ber Kirche nur bie
Kranken und Schwachen. Bon vielen Seiten Her wirb verfichert, daß bie
deier fehr erhebend und erbauend wirfe; gewiß ift, daß bie im Ganzen
weichen Gemüther ber Polen durch diefelbe fehr gerührt werben, und daß
namentlich die Waifenkinder durch ihre Verschen bie regſte Theilnahme
erwedten. (Nahere Beichreibungen biefer eier bei Roſenheyn Reiſelizzen
ans Oft und Weſtpreußen. Danzig 1858 Bd. 2 ©. 114 ff. Hintz Alte
von Dr. M. Typen. 8398
gute Sitte ©. 43 |.) Die Feier if uralt; Piſanski erwähnt in feinen
handichriftlich erhaltenen Johannisburger Eolfectaneen, daß fie in der Stabt
dohannisburg um 1735 abgeſchafft fei; gegenwärtig bürfte fie überhaupt
in Städten nur noch äußerft felten vortommen.
An die vormalige Herrſchaft der römiſchen Kirche und ihre Earnevale
erinnern allerlei Vermummungen, Narrheiten und Ansichreitungen, ja hie
und da Ausbrüche wilder Bacchanalien vor Eintritt der Faſtenzeit, mit
deren Befeitigung bie evangeliſche Kirche viel zu Tämpfen hat (Hiutz ©. 46).
Der Einfluß der latholiſchen Kirche "zeigt ſich beſonders deutlich in
der bei den Maſuren von alten Zeiten her beibehaltenen Gewohnheit, ven
Sharfreitag nicht als rechten Feſttag zu betrachten; während fie fonft ſo
forgfältig die Arbeit an Feſttagen vermeiden, wurbe an dem Eharfreitage
doch wenigſtens vor nicht langer Zeit noch gearbeitet; ja viele ftellten for
gar den Grünbonnerftag höher als den Charfreitag. Es ſoll darin ges
gegenwwärtig im Allgemeinen eine Yenberung eingetreten fein. (Bgl. Hink
©. 48 ff).
Der Trinitatisfonntag (ber nächſte Sonntag nach Pfingften) gilt bei
den Mafuren als ein Hauptfetertag und wird oft feftlicher als das Pfingft-
feft begangen, was ſich auch barin zeigt, daß an ihm die meiften Opfer
und Donative für bie Kirche gefpendet werben. (ding ©. 53.)
Die Polen feiern ein boppeltes Erntefeit, nämlich außer dem feſtſtehen⸗
den und allgemein üblichen noch eins am Sonntage vor bem Beginn ber
Ernte, dem Sonntage vor Yacobi, An diefem wird ſtets das ungemein
beliebte, an Inhalt und Melodie ganz eigenthümliche, Acht polniſche Lieb
Pola juz biste (d. h. ſchon find die Felder weiß) gefungen. (Hink ©. 54,)*)
Den Buß- und Bettag betrachten die Mafuren, welche gerade hier
durch ihre Anhänglichkeit an das Altüberlieferte and in Kirchenfachen bes
zeugen, als einen Feiertag, mit dem bie Kirche im Grumde nichts zu
*) Diefes Felt vor Beginn der Ernte ſcheint aus uralten, heidniſchen Zeiten
übirliefert zu fein. Meletius de sacrificiis veterum Prussorum, in Act, Bor. T. II,
p- 403 jagt: Quando jam segetes sunt maturae, rustici in agris ad sacrificium con-
gregantur, quod lingna Rutenica sacainek vocatur, id est initium messis. Hoc sacro
peraeio, unus & multitudine 5 messen auspicatur, manipulo demesso, quem
domum adfert, Postridie omnes, primo illius domestiei, deinde caeteri, guicungue vo-
hat, messem faciunt,
394 Aberglauben au Maſuren
ſchaffen Hat; weil er vom Staate angeorbnet ift, nennen fie ihn kurzweg
Krolowskie swieto d. 5. fönigficher Feſttag. Die Menge verhält ſich ihm
gegenüber Kühl und gleichgültig. Dem auf ähnliche Art entftandenen Tod⸗
tenfefte wenbet fie ebenfo geringe Beachtung zu, ja im manchen Gegenden
fol dafjelbe wie eine Art Carneval in lärmenden Luftbarkeiten verbracht
werben, zur Entſchädigung für bie in ber Adventszeit zu beobachtenbe und
gewiſſenhaft beobachtete Stille und Zurädhaltung. (Hing S. 41 f. 54.)
Die Anrufung ber katholiſchen Heiligen, felbft der Jungfrau Maria,
ſcheint in Maſuren nirgends üblich zu fein.”) Doch wird ber von katholi⸗
ſcher Seite her verbreitete Schlüffel wichtiger Geheimniffe, in welchem anf
die Fürbitten ber Jungfrau Maria großes Gewicht gelegt ift, mit gläubi-
gem Sinne viel gelejen, und eine Anzahl ber latholiſchen Feiertage, be-
ſonders mehrere Marien- und Apofteltage, ber Frohnleichnamstag, und vor
allen ber Tag ber Verklärung Chriſti (6. Auguſt) werben, wie im vorigen
Iahrhundert (Piſanski No. 25 $. 16), fo noch jet, theils in Folge von
Gelübben, theils aus alter Gewohnheit in vielen Gegenden Mafurene
mitgefeiert. Der Tag ber Berflärung Chriſti ift ben Maſuren zugleich ber
Tag der Umwandlung bes Herrn (Panskie przemienienie) und der Um-
wanbelung feiner Roth und feiner Leiden, es ift ihm ber Tag ber Hülfe
und GErrettung und feine Opfergaben fließen an biefem Tage an evangeli«
ſche und katholiſche Kirchen am reichlichſten. (Bgl. Hiny ©. 56 ff...
Was die evangelifhen Bewohner Mafurens aus ber Zeit ber Herr-
ſchaft bes Katholicismus am zäheften feftgehalten haben, und was fie noch
jegt am meiften an ben Katholicismus fefielt, das find bie Wallfahrten.
Der Aberglaube, welder ji an das Tannenberger Schlachtfeld knüpft,
ſtammt fiher aus ber Zeit des katholiſchen Kirchenregiments und ift and)
gegenwärtig unter ben Ratholiten fehr verbreitet. 3. S. Bod ſchreibt in
feiner wirthſchaftlichen Naturgefchichte von Prengen, Deflau 1783, Bp. 2
©. 14 fü: Nahe bei ven überbliebenen Mauerftüden ver ehemaligen tan-
*) In einem Vifitationdreceß der Paffenbeimer Kirche von 1667 kommt die Notiz
vor: „Jan Samplali von Groß Rauſchlen hat nebft dem chriſtlichen Glauben das Ave
Maria gebetet, ſprechend: Jeſus kann ohne Maria nicht fein.” Piſansti No. 4 $.15 er
wähnt um 1756 nur, daß mandye ihren Namen bei leihtfinnigen Schwuren und Betheue ·
tungen nennen, ober ihn ald Ausruf der Verwunderung gebrauchen.
von Dr. M. Töppen. 895
nenbergifchen Kapelle, anf einer beträchtlichen Höhe iſt ein vermuthlich von
Menſchenhänden gegrabener Teich, deſſen Wafler man von langer Zeit ber
eine beſondere Kraft zugefchrieben, welche Meinung auch noch nicht bei
den Zenten, befonbers von ber römiſch⸗katholiſchen Kirche, aufgehöret Hat,
die fi) mit Erzählung vieler Wunderkuren, die durch baffelbe follen bes
merfftefliget fein, unterhalten. Viel gemeines Bolt ans Polen, auch wohl
ans Preußen, findet fi) am anderen Pfingfitage ein, ſich in dem Teich zu
waſchen und zu baden, worauf fie manche Kleivungsftäde an Hemden,
Mögen, Hauben, Tüchern u. dgl. im Waffer zurücklaſſen: Es reifen and
bisweilen Perfonen vom Stande, aber des Nachts dorthin, weil fie fih
ihres Aberglaubens ſchämen, und halten daſelbſt ihre Wallfahrten und Ges
lũbde.“ Ganz in derfelben Weife dauern biefe Wallfohrten noch bis auf
den hextigen Tag fort.
Die Evangeliſchen reifen aber aus Maſuren oft andy nach ven Kirchen
ber Katholiken, wo Ablaß ertheilt wird und Wunberfuren vor fich gehen.
Schon Piſanski (Mo. 248.14) klagt hierüber, „Es gefchieht nicht felten,“
fagt er, „daß andy umter den Evangeltichen Einfältige ſich bereben laſſen,
in gefährlichen Kranfgeiten und anderen mißlichen Umftänben das vermeinte
Wunderbild der Linbifchen Maria anzutreten.” Anch erzählt er bann von
der Reife eines mit epileptifchen Zufällen behafteten Knaben bahin, bie an⸗
geblich den beften Erfolg gehabt haben follte. Bon Maſuren ans aber find
von jeher und bis auf den heutigen Tag bie Wallfahrtsorte Heilige Linde,
wo om Tage Peter Paul (29. Juni), Zluttowo bei Löbau, wo am Tage
der Verklärung Chriſti (6. Auguſt) und Bialntten bei Golden, wo zu Iar
tobi (25. Juli) Ablaß und Markt ftattfindet, zahlreich und regelmäßig be»
fügt. Es ift allerdings Hanptfächlich der Markt, welcher bie Menge bort-
hinzieht und welchen fie nicht entbehren Können, befonbers ber Leinwands ⸗
markt in Linde und Zluttowo, ber Pferdemarkt in Bialutten (vgl. Hing
€.56), allein fie nehmen doch biefe Gelegenheit vielfach wahr, um bort
Opfer darzubringen, Wein ſegnen zu laſſen, ja wohl gar einen Ablaß zu er-
halten. Katholiſche Geiſtliche erzählen davon feltfame Dinge. (Bgl. auch
Rolberg Geſchichte der Heiligen Linde, in ber Zeitſchrift für bie Geſchichte
mp Alterthumekunde Ermlands Bd. 3. Mainz 1864, ©. 93.) Wie zahl
teich aber bie proteftantiiche Bevöllerung nach jenen Wallfahrtsorten zieht,
396 Aberglauben aus Mafuren
möge man barans erfehen, daß einft als ber evangeliſche Superintendent
die Kirhenvifitation in Mühlen und Tannenberg auf den 6. Auguft ange
fegt Hatte, biefer Termin auf den folgenden Tag verſchoben werben mußte,
weil am 6. Angnft ein großer Theil ber Schullinder mit ihren Eltern ſich
anf dem Ablaßmarkt zu Zluttowo befand.
Wie fi) ber Aberglauben bei den Mofuren unmittelbar an Chriften-
glanben und Kirchendienſt anflammert, davon mögen gleich Hier folgende
Proben angeführt werben.
Eine befonbere Kraft wohnt, wie bem Mirchengebete, welches bie Mar
ſuren überaus Häufig für fi) in Anfpruch nehmen, und anderen kirchlichen
Handlungen, fo auch ben für firchliche Zwecke geweihten Gegenftänben bei.
Schon Piſanski (No. 23 8.11) erwähnt den Überglauben, daß das Gebet
in ber Kirche wirkſamer fei, als außer derſelben, welches Abergläubiſche
veranlaſſe, bei gefchloffenen Kirchthüren durch das Schlüſſelloch in die Kirche
hineinzubeten. Eine Spur biefes Aberglaubens fheint fich erhalten zu haben,
Als Mittel gegen bie engfifche Krankheit wird nämlich folgendes angegeben:
Das kranke Kind fol dreimal um bie Kirche getragen und jedesmal, wenn
man an bie Kirchthur kommt, Hineingehaucht werden. (Hobenftein.)
Bisweilen kommt ber Fall vor, daß jemand um ein kurzes Ölodengelänte
bittet, weil ihm etwa ein Pferd geftohlen ift, in dem guten Glauben, doß
der Dieb nicht von der Stelle könne, ſobald bie Glode läute. (Hintz ©. 4.)
Wenn einer einen Meineid leiftet und im ber Nähe befindet ſich ein
gelabenes Gewehr, fo geht bies los und: bie Kugel trifft ihn. Daher bie
ganz gewöhnliche Bethenerungsformel: „Das kann ich bei Hundert Flinten
beſchwören.“
Wird der Meineid gar vor dem Altar und bei erleuchteter Kirche ge⸗
ſchworen, fo ift das augenblidliche Verderben des Meineidigen noch ge
wiſſer; daher ähnliche Betheurungsformeln wie: „das kann ich beſchwören,
wenn bie ganze Kirche erleuchtet iſt.“
Wenn aber beim Eide die erhobenen Finger nicht dem Schwörenden
zugewendet, fonbern von bemfelben abgewendet werben, fo kann man falſch
ſchwören, das ſchadet alsdann nichts (Soldan).
Anh das Einfneifen des Daumens Hilft dem Schwörenden beim
Meineide. Er nimmt auch wohl während bes Schwörens Steine in ben
von Dr. M, Tippen. 397
Bund und fpeit fie fpäter mit bem meineibigen Schwure aus. (Roſenheyn
Reifeflizgen Bd. 2. ©. 92).
Gefegneter Communionwein wirb bei allen Krankheiten als höchſte
und legte Inſtanz benutzt. Um folchen bitten bie Mafuren ihre Pfarrer
oft. Wenn dieſe ihnen benfelben nicht geben wollen, gehen fie zu Tatho=
liſchen Bfarrern, die ihn, wie mir gefagt wird, ganz ohne Bebenten geben.
Oft laſſen fie fid) ven Wein an ben katholiſchen Ablaßorten fegnen. Manche
denken fogar, ber Communionwein aus latholiſchen Kirchen ſei Träftiger,
als ber aus evangelifchen. Doc kommen auch Katholiken zu evangelifchen
Pfarrern, um Communionwein zu erhalten.
Gelbfühtige laſſen fi) den Abendmahlskelch Holen und fpiegeln fi
in demfelben, oder thun daſſelbe auch wohl in der Kirche -und meinen ba-
durch ihre Geſundheit herzuftellen.
Nicht felten kommt es vor, daß bie bei ber Abendmahlsfeier empfan-
gene Oblate aufbewahrt und mit nad) Haufe genommen wird. Eine ſolche
Oblate im Haufe ift ein Mittel gegen Krämpfe. (Johannisburg.) Es ift
befonvers bei den Katholiken z. B. in Schleſien in Gebrauch.
Eine Schankdefigerin in Nicolailen Hatte unter dem Grapen, in wel
Gem ver Branntwein gebrannt wurbe, eine Oblate einmauern laſſen. Seit
dem firdömten die Menfchen in den Schanf, wie in eine Kirche, und fie
wurbe reich; aber fie Hatte nach ihrem Tode Teine Ruhe, bis fie ihrem
Manne durch ein Sonntagskind bie Sache angezeigt und biefer bie Oblate
aufgefunden und nach ber Kirche gebracht Hatte. (Nicolaiten.)
Wenn ein Jäger einmal nad) einer ſolchen Oblate geſchoſſen Hat, fo
lann ex befehlen: „Hafe komm“ und ver Hafe ift da und wirb geſchoſſen.
(Hohenftein.) — Ein Wilddieb Hatte eine Flinte, mit ber er immer traf,
er wolite fie aber Niemand in bie Hand geben. Als er auf einer Jagd⸗
parthte eingeſchlummert war, nahm fie ein Cumpan und zielt. Wie war
er erftaunt, als er nun einen Knaben mit einer rothen Mütze gewahr
wurde, ber ihm vor bie Mündung des Laufes einen Hafen hielt. (Willens
berg.) — Manche tragen bie Oblate mit noch andern Dingen im Kolben
der Flinte, um ficher zu treffen. (Willenberg.)
Hexen brauchen die Oblaten zum ,Beſchütten“ (ſ. u.). Schon Piſanski
(Ro. 24 8. 13) jagt: Eine entſetzliche Bosheit Hat zuweilen einige dahin
398 Abragbauben aus Dafuren
verfeitet, die tim Heiligen Abendmahl empfangene Oblate jn verruchten
Abfichten zu gebrauchen.
Wer nad dem Empfange bes Abendmahls Hinter dem Wltore mit
einem Peitſchchen (das er zu biefem Zwede unter dem Rode in Bereitſchaft
halt, auch nach gefchehener That gleich wieder werftedt) knallt, der lann
fortan hexen. (Hobenftein.)
Das Kirchenwachs, befonders das von den Kirchenlichtern ablamjenbe,
ſuchen viele, da fie es gegen die Epilepfie für wirffam Halten. (XTöppen
in ben R, Pr. Prov.-Bl. 1846 Bb.2 ©. 471.)
Angentranfe ſchenlen ber Kirche Wachslichte, inbem fie abergläubiſch
das Licht der Augen und das Wachslicht in einen geheimnigvollen Zuſam⸗
menhang bringen. (Ging ©. 14).
Das Evangelium Johannis, ſagt Pifanski (No. 24 8.16) ift uns zu
einem viel höheren Gebrauch gegeben, als baf ber Aberglaube durch ſel⸗
biges das Fieber vertreiben, ober wenn er einen Exbfchlüffel dazu genom-
men, Diebflähle entveden fol. Die Bibel wird aber auch jegt noch oft
zu folhen Dingen gebraucht (ſ. u.).
Es if üblich dem nengeborenen Rinde ein Geſangbuch unter den Kopf
zu legen, damit nicht der Teufel komme, das Kind fortnehme und an
Stelle feiner einen Wechſelbalg in bie Wiege lege. (Hink ©. 74).
1 Bie dämsnifcen Märkte.
Duntele geheimnißvolle Mächte üben Aber die Maſuren einen mächtigen
Einfluß. Böfe und gute Tage, böfe und gute Himmelszeihen, Menfchen mit
gutem ober böfem Blide präformiren unabänberlich das künftige Schickſal
des Nengebornen.“) Was man auch unternehmen möge, aller glückliche
Erfolg Hängt doch weſentlich von ber guten Stunde ab, in welcher man
es unternommen bat. Alles, woran man feine rende hat, muß man
wohl hüten vor dem böſen Blid, felbft der befte wohlwollendſte Freund
kann es, ohne es zu wollen und zu wiſſen, durch ben böfen Blick verder⸗
ben md vermichten. An beftimmte Drte muß man fich begeben, um jenen
dunleln Mächten und ihren Wirkungen näher zu fein. Die änferlichften
Formen umd Zeichen ftehn mit ven wimberbarften Erfolgen in nothwendigem
*) (ang. Gemeindeblatt von Weib 1867 6. 229.
von Dr. M. Züppen. 398.
Zaſammenhauge, gewiflen Sprüchen unb Bormeln, fowie gewiſſen oft feltja-
men Handlungen wohnt eine unglaubliche Kraft bei, und es ereiguen ſich in
Mofuren vor aller Augen Dinge, welche in aller übrigen Welt unerhört find.
Der alte GBötterhimmel freifich ift fo ziemlich ansgeftorben. Wenn
man noch im fechözehnten Jahrhundert trog chriſtlichem Bekenntniß und
chriſtlicher Kirche die Hauptgätter des Heidenthums Perkunus, Patollus,
votrimpue, Pergrubrius, Pilvitus n. ſ. f. aurief und ihnen öffentlich Opfer
darbrachte, an denen zahlreiche Dorfſchaften Theil nahmen, fo iſt daran
jetzt freilich nicht mehr zu benfen,=)
Hie und de tritt an bie Stelle jener alten Götter geradezu der Ten
fel, man umgeht aber bie Nennung befielben lieber und begnügt ſich zu
fagen: „to nie dobre“ d. h. das ift nichts gutes, ober man fpricht von
nböfen Menſchen“, die irgend etwas angeftiftet Haben und meint damit
Menfchen, die mit dem Böfen im Bunde flehen. Der Ansprud Teufel oder
der Bäfe ift aber offenbar da, wo man von ben angenommenen höheren
Mächten etwas Gutes erwartet, nicht anwendbar und in biefem alle Hört
man ben merhvrbigen Ausbrud, man wenbe fi) au bie bozki b. h. Götter»
en, wovon die Oötzen ber Bibel ganz verſchieden find (Götze Heißt baldan),
*) Den Namen Perkunos kennt das mafuriiche Vol nicht mehr. Gin aus ber
nach Mafuren gelommener Miffionspreviger erzählte mir zum Beweiſe, wie leben ⸗
ig bier noch altheidniſche Weberlieferungen feien, er fei mit einem Mafuren eine Strede
ftürmifhem Wetter zufammengefahren, der Mafure etwas angetrunten, habe, da bie
ge verſchneit, der Abend dunkel geweſen wäre, ſich vom rechten Wege verirrt und zus
gefluht und gefeufzt: o Potrimpus! o Potrimpus! Ich fehte fofort ſtarle Zweifel
die voltäthfimliche Meberlieferung dieſes Ausrufs, der allen meinen bisherigen Crfah-
ingen wiberfprad. Nachtraglich fand fich, der Wagenbefiger war ein Schullehrer ges
weſen, der feine Kenntniß wahrſcheinlich aus Heinel geihöpft hatte; und aller Nachfor⸗
Kung ungeachtet habe ich feine Spur entbeden fönnen, daß Perkunos nod im Munde
des Volles fortlebe. Der Name Pitullus, der übrigens mit dem Namen Patollus nicht
einmal identiſch, fondern erft in chriftlicher Zeit zur Bezeichnung des Teufels oder Höllen«
aottes gebilbet fein foll, Bender de veterum Prutenorum diis, Brunsbergae 1865 p.10, °
bezeichnet bei den Mafuren wie überhaupt bei den Polen etwa fo viel ald Gefpenft oder
auch eine vermummte pußige Geftalt. Wenn zur Weihnachtsbeicherung gellingelt wird,
fo fogt man Bikullus hat geffingelt (wo er alfo etwa dem Knecht Ruprecht gleich reis
man bevient ſich biezu meiltens thönerner Glocen, welche daher aud am
Menge feilgebeten werden); auch die häßlihen Figuren, welche der Mummenfdanz vn
Gaftenzeit zu Tage fördert, nennt man Pilullus; auch ift der Name ein beliebtes Schimpf ·
wort, defien fh befonbers die Frauen bebienen, um eiwas al haßlich zu bezeidmen.
gpErF
FE
400 Aberglauben aus Maſuren
Nur einige freundliche oder feindliche Geifter nieberer Ordnung wer»
den perfönlich gedacht und mit beftimmten Namen bezeichnet, Am Häufig
fien die Cobolde oder Alfe. Die Weberlieferungen über biefelben, welche
im ſechszehnten Jahrhundert fo reichlich fließen, laſſen fich leicht bis in bie
neueften Zeiten verfolgen. Nur ber Zug, daß fie feurig durch bie Luft
fliegen, und daß fie auch Alfe genannt werben, ſcheint im fechszehnten
Iahrhundert nicht aufgezeichnet zu fein. Im Dr. Bernhard Derſchows
chriſtlichem Bedenlen von der Peftilenz, Königsberg 1628, 4. p. 264 heißt
eon: „Der Alph ober der Teufel würde Dir das Deine wohl zufrieben und
unweggetragen laſſen müffen, wenn ihn Gott ber Herr nicht zuvor über
Dir verhängen thäte.“ Chriſtoph Piſanski in der Echrift von einigen
Ueberbfeibfeln des Heidenthums und Pabſtthums in Preußen 1756 No. 21
8.4 bemerkt: „Die abergläubifche Einfalt ftellet fih unter den Alfen eine
Gattung böfer Geifter vor, die in Geftalt feuriger Draden bes Nachts
durch die Luft fliegen, ihren Verehrern allerlei an Geld und Lebensmitteln
zuſchleppen, aber auch ben ihnen angethanen Schtmpf durch das Abbren-
nen ber Häufer, Ausleerung ber Schennen unb andere zugefügte Unglücks⸗
fälle rächen... .. In den Städten vernimmt man zwar vom biejen flie⸗
genden Geiftern ſchon felten etwas, hingegen in ben Wleden und Dörfern
wirb noch jego mancher durch fie reich und arm und dadurch den lieblo-
feften Beurtheilungen feiner Nachbarn bloßgeftellt.” Noch gegenwärtig treie
ben bie Eobolde ihr Wefen in den polnifhen Gegenden Preußens recht
geihäftig. Mir find darüber folgende Mittheilungen gemacht,
Der verftorbene B. in Hohenftein Hat einen Cobold gehabt, Den
haben viele Abende ausfliegen fehen.
Auch der verftorbene R. in Hohenftein Hat fo einen Cobold gehabt,
und wenn fo ein Eobold ober Alf geflogen ift, ift Hinter ihm immer ein
Wiſch Teuer nachgezogen. Man Hat bei R. oft ben Eobold in ben Schorn-
ftein fliegen ſehn. .
Alte Leute in Hohenftein fagen: Der Cobold ift eine Art Vogel,
welchen man heimlich — etwa auf dem Boden in einer Tonne Hält und
gut mit Keulchen füttert, Im ber Nacht fliegt er weg und bringt für ben,
welcher ihn Hält, Geld mit,
Tiſchler ©. in Willenderg hatte die Pumpen in Orbmung zu halten,
von Dr. M. Tippen. 401
im Winter mußte er oft mit glühenbem Eiſen nach ber Pumpe. Da fag-
ten bie Sente, er habe einen kolbuk (— Eobolo), bis fie fahen, daß es
ein glühenbes Eifen war,
Wenn ber kolbuk burd die Luft fliegt, und man ſieht bie Funken
von ihm fprähen, fo muß man unter das Dach laufen, fonft wird man
mit Länfen und Ungeziefer beſchüttet. (Willenberg.)
Der kolbuk wird gewöhnlich auf dem Boden verftedt, daß ihn Nies
mand fehen fol. Er muß gut gefüttert werben z. B. mit Spirkeln und
Nüßreiern, und muß ein weiches Bette haben. Bei Tage verftedt er ſich
unter ber Zubede, in ber Nacht treibt er fein Wefen. Man ftellt ihn ſich
als ein Heines Kind in rothem Rode vor; fo fah ihn eine Frau, bie un,
vermuthet auf ven Boden kam, im Bette figen. (Willenberg.)
Bon ben Unterirbfchchen weiß das Volt im Drtelsburger Kreife nichts;
der kolbuk ift befannt, Er ift in der Wirthſchaft behülflich, ſchleppt zu
ſammen. Wer ihn hat, bei bem iſt immer Getreide.
Eine Henne lam bei Regenwetter in ein Haus; man wollte fie Hin.
ansjagen, fie blieb aber body und wurbe gelitten. Man gab ihr ſchließ⸗
lich etwas zu freſſen und behielt fie über Nacht. Am nächſten Morgen
lag anf dem Plate, wo fie gefeflen hatte, ein Haufen Getreibe, und auch
fpäter forgte fie für bie Lente, bei denen fie Obdach gefunden hatte, daß
immer vollanf Getreide in dem Hanfe war. Das war auch ein kolbuk,
Willenberg.)
Der Eobold Hat die Geſtalt eines Affen. Wenn er etwas trägt, fal⸗
ien Sunfen, wenn er nichts trägt, ift er nur ein Meines Flammchen.
(RL. Serntten.)
Eine Kanfmannsfran in Neibenburg Hatte einen Vogel, wie eine Eule,
der ihr Reichthümer verichaffte, wie fie denn auch einen großen Aufwand
machte. Nach ihrem Tode foll die Eule durch den Schornftein zu einem
Berwanbten geflogen fein. Der Mann fand nach ihrem Tode einige tau⸗
ſend Thaler und Koftbarkeiten aller Art, golvene Uhren, Ketten, koſtbare
Aleiderſtoffe 2c., wovon er früher nichts gewußt Hatte, wodurch die Sache
beftätigt wurde.
Eine Tran bei Soldau Hatte eine große Katze und pflegte fie aufs
Befte. Durch dieſelbe hob ſich bie fehr heruniergelenm·ne Wirthſchaft
Mtye, Venetoiquint vd. TIL du.6.
408 Aberaleube cus Mafusen
zuſehends. Als die Kate getöbtet wurde, ging es mit der Frau wieder
rüdwarts.
Ein Bauer in Friedrichshof wurde durch einen Cobold wohlhabend.
Der flog gegen Abend durch den Schornſtein feines Hauſes aus und ein.
Wenn er heimfam, Hatte er einen langen Schweif, aus bem bie Zunlen
fprühten. Der Cobold foll Menfchengeftalt Haben, wenn er in das Hans
kommt, aber wenn er fliegt ift es eine Art vom Drachen. An einen fol
chen Cobold verkauft mancher feine Seele und macht mit ihm ab, daß er
ihm eine Zeit lang dient und zuträgt. Ein Dann, ver dies in Friedrichs⸗
hof gethan hatte, farb plöglich, und man fagte nun allgemein, der Eobold
Hat ihn geholt,
Am auffallendften dürfte folgende Mitteilung ans ber Soldauer Ge⸗
gend fein, bie ich doch nicht als durchaus vollsthümlich verbürgen möchte.
Der kolbuk verlangt für feine Dienfte, daß man ihm ein Zimmer ein
raume, welches ſchwarz angeftrichen oder mit fchwarzem Zeuge ausgefchla-
gen fein foll, Diefes Zimmer barf Niemand betreten, als der Hauseigen⸗
thumer bei Mitternacht, um ihn zu füttern. Der kolbuk verlangt aber
gute Speifen und verſchmäht auch Wein nicht. Er hat bie Geftalt einer
Heinen menfchlichen Figur und ift von Glas!! Wenn der, welcher ihn be
fügt flieht, fo fliegt er durch den Schornflein fort, begiebt fi dann aber
meiftens zu einem Verwandten bes Verftorbenen.
Wenn ber Cobold nicht gut gepflegt wird, verläßt er ben, bei welchem
er fi fo lange aufgehalten hat, und ſchleppt allmählig auch dasjenige
fort, was er ihm bisher zugebracht Hat. Nach dem Tode feines Pflegers
geht er gewöhnlich zu defien Verwandten. (Hohenftein.)
Die Hausgeifter, von welchen wir bisher geſprochen haben, Haben
das GEigentHümliche, daß fie fenrig durch die Buft fahren, um ihren Pfler
gem Reichthümer zu verſchaffen. Pifanski legt ihnen nur den Namen Alf
bei und unterfcheibet von ihnen gegen ben noch gegenwärtig herrſchenden
Gebrauch andere unter bem Namen Cobolde oder Erbmännlein. Der
Unterſchied iſt ſchwerlich aufrecht zu erhalten, doch erzählt er von den le»
teren, daß man fie ſowohl in ben polniſchen als in ben beutfchen @egen-
ben Preußens noch fehr wohl kenne. „Noch heutigen Tages, fagt er, ift
man beim Wochenbette ihrethalben nicht ohne Beſorgniß. Nimmt bie Wär-
von Dr. M. Lippen. 408.
terin ben Säugliüg befonbers vor empfangener Taufe nicht genau. in Acht,
fo foll e8 wohl mehrmalen gefchehen fein, daß das fpannenlange Männ-
fein mit dem langen Bart das Kind aus der Wiege gehoben unter bie
Ofenbank geworfen, und wenn man es nicht zeitig bemerkt hätte, mit ſich
im die unteriebifchen Klüfte würbe getragen haben.” (Piſanski Ro. 228.5.
Die oben angeführte Unterſcheidung Piſanski's beftätigt weder Meletius
noch Hartknoch Diss. VIIL $.5.)-
Auch gegenwärtig ift die Furcht vor Verwechſelung des eigenen Kin⸗
bes mit einem Wechſelbalge fehr verbreitet und fehr vege — man fucht
das Rind dagegen zu fügen, indem man einen Stahl in die Wiege legt.
Eine fehr alte polnifche Bäuerin aus der Gegend von Hohenflein berich-
tete, daß der Wechfelbalg gewöhnlich einen fehr großen Kopf habe, Aber,
fügte fie Hinzu, es giebt doch auch ein Mittel, das eigene Kind wieder zu-
rädzuerhalten. Man muß nämlich das untergefchobene Kind nehmen und
tüchtig burchprägeln und auf ben Mift werfen. Dann bringen bie Uuter-
erdſchchen das rechte Kind wieder, freilich auch tüchtig zerprägelt. Je befier
man ſchlägt (auch Blut darf man nicht fehenen), deſto fchneller bekommt
man fein Kind zurüd, (Lubainen bei Ofterobe.)
Die Unholde, welche neugeborne Kinder mit Wechſelbälgen vertanfchen,
bezeichnet man als Eobolve. (Hohenftein.) Auffallend war es mir daß in.
einem Falle dieſe Unholve, welche die Kinder verwechſeln, krazno ludki
genannt werben, was fo viel bebeuten foll, als „Fettleute“, während bie»
ſer Name in biefem Zuſammenhange anderweitig völlig unbelannt iſt.
(Eubainen.) Der Eobolbglauben, welcher noch im Anfauge dieſes Jahr⸗
hunderts allgemein war, iſt jetzt ſehr im Abnehmen.
Selbſt in den Leib fahren die böſen Geiſter dem Menſchen, ihn zu.
quälen.
Die Untererdſchchen oder krazno lutki neden und plagen bie Men-
ſchen cobofbartig nicht nur von außen her, fonbern treiben .oft fogar ihr
Befen in dem Bauche des Menſchen, was ſich dem Gefüßf‘ durch größere
oder geringere Leibesbeſchwerden, dem Gehör aber durch ein froſchartiges
Quaden und Gutgeln bemerkbar macht und ſobald wie möglich verfeguet
werden muß, wenn es nicht fehr fchlimm werben fol. (Lubainen bei
Ofterode)
26°
404 Aberglauben aus Naſuren
In ber Hohenfteiner Gegend find bie krazno lutki fehr befannt, mäß-
rend ich im Ortelsburger Kreife nach benfelben bis dahin vergeblich fragte.
Im der Hohenfteiner Gegenb Heißt es, bie krazno lutki find ganz Heine
rothe Würmer, welche in den Eingeweiden ven Menfchen quälen und ihn
allmahlig verzehren, fo daß er zulet ganz troden wird. Man kaum fie
aber vertreiben. Man brennt zwiſchen Weihnachten und Neujahr Aſche,
denn nur foldhe Afche if} dazu gut. Das Zimmer, in dem fich ber Kraule
aufgätt, wirb rein ausgefegt, ein Lalen ausgebreitet, ver Kranfe darauf ger
legt und mit ber bezeichneten Aſche befiebt. Dabei werben Segensformeln
geſprochen und Kreuze geſchlagen, dann gehn bie krazno lutki durch. Es
giebt im und bei Hohenſtein mehrere Perſonen, welche ſolche Heilungen
ausführen.
Es giebt auch ein Epiel, bei welchem krazno ludek gerufen wird.
Es iſt fo ahnlich, wie das befannte: „Der Plummfad kommt.“ Der Runde,
der die andern mit dem Kantſchn jagt, if} der krazno Iudek. (Gilgenburg.)
Im Hohenftein gab es einen jungen Menfchen, den ſchon Yahre lang
bie krazno lutk; quäffen. Ein berühmter Verſegner wurde herbeigerufen.
Der firente Aſche auf den Boden, ver Kranke legte ſich anf bie Aſche mit
dem Wefichte nach unten. Alsbald gingen ihm eine Menge von Würmern
ab, die von fehr verſchiedener Größe waren, einige kaum zolllang, andere
wohl fingerlang. Sie waren fehr Häßlich anzufehn: denn fie Hatten fehr
dicke Köpfe und die Köpfe waren von verfchiebener Farbe fhwarz, roth,
grün m. |. w. Die Würmer ſchoſſen durch die Aſche nach ben Wanden
und verkrochen fich unter ven Möbeln. Einer ging dem Kranken durch
den Mund (Motabene, durch ben Mund waren alle herauegekommen) twier
der zurüd. Das war ein ſchlechtes Zeichen. Diefe Würmer haben näm-
lich einen König; wenn ber mit Hinausgelommen wäre, würbe fein ande
ver zurädgegangen fein. Wenn aber nicht alle hinaus find, dauert die
Kraufpeit fort. dohenſtein.)
Wenn einer, der bie krazno lutki hat, verſegnet werben ſoll, fo wird
bie Stube gefegt, der Krante im Dunkeln nadt hingelegt. Dann flebt ber
Verſegner mit der (wie oben) dazu geeigneten Aſche einen reis ringe
um ihn. Nach einiger Zeit wird Licht angeftedt und man findet anf ber
Ace Würmer, and) Haare, ſelbſt Wanzen. Gehen bie Würmer von dem
von Dr. M. Lippen. 405
Menſchen, fo wird er gefunb, kriechen fie nach ihm, fo muß er flerben.
Getoürme und Haare ſammelt der Verfegner auf und verbrennt fie. (dor
beaftein.) '
Die Verfeguungen gegen bie krazno ludki werben zu feiner anderen
Zeit als Donnerftag Abende vorgenommen. (Hohenftein.)
Mit den Fettlenten find noch die weißen und bie lalten Leute zu⸗
ſammenzuſtellen.
Nach der Kirchenchronil zu Friedrichshof Hatte fich ein Pfarrer diſcher
daſelbſt um das Jahr 1741 die Aufgabe geflellt, ven Aberglauben anszus
votten, Er fpärte unter andern einen alten Kerl auf, welcher fi zum
Verſegnen und zu feinen Wunderkuren folgender einfachen Formel bebiente;
ex betete zuerfi das Vaterunſer und ſprach dann: „Weiße Leute, Talte Leute
(„ober, wie fonften die Deutſchen fagen: Heine”) weichet von dieſem. Es
dürfte aus biefer Weberlieferung deutlich hervorgehen, daß auch bie weißen
und Falten Leute zu ben Unterirdſchchen ober Cobolden zu rechnen find.
Wenn einen Kranken bie weißen Sente (biale Iudzie) quälen, wird in
Bolen Freitags (?) ein Lager von Erbſenſtroh gemacht, Lalen geipreitet und
der Krane darauf gelegt. Dann trägt einer ein Sieb mit Aſche auf bem
Rüden, geht um den Kranken herum und läßt bie Aſche auslaufen, fo daß
das ganze Lager davon umſtreut wird. Früh Morgens zählt man alle
Striche auf der Aſche, und ſtillſchweigende, ohue unterwegs zu grüßen,
Hinterbringt fie einer ber Mugen ran, bie nun Mittel vorſchreibt. Im
der Aſche brüden ſich bie Spuren ber Geifter ab, wie man auch den Erb»
männfein Aſche firent. (Grimm, deutſche Mythologie S. 1117. Bieſter,
Reue Berliner Monatsfhrift 1802. 8. ©. 230.)
Ob Jemand mit weißen Senten behaftet fei, erfennt man in Maſuren
fo: Man nimmt drei Kirſchruthen zufammen und ſchneidet fie in Heine
Studchen, indem man ſpricht: Eins nicht eins, zwei wicht zwei m. f. w.
bis neun nicht nenn! und biefes Verfahren dreimal wiederholt, fo daß
man dreimal 27 oder 81 Meine Stäbchen erhält. Diefe Stäbchen mun
wirft man in eine Schale voll Waffer, das man betenb bekrenzt und feg-
wet. Der Gegen, in welchem ber Borname bes Kranken, z. ®. Gottlieb,
genannt werden muß, Iantet: „Weber den Gottlieb getanften komme Bott
Vater, ber Sohn umb der heilige Geiſt.“ Amen wird nicht Hingugefeht.
406 Aberglauben aus Maſuren
Bleiben alle Stäbchen ſchwimmen, jo ift ber Genannte von weißen Leuten
feei, geht aber ein Theil berfelben unter, fo ift er mit ihnen behaftet und
war in beim Grabe, als das Verhältwiß der untergegangenen zu ben
ſchwimmenden Stäbchen angiebt. Zur Bannung der Krankheit tft alsdann
folgender Zauberfpruch mächtig: „Weicht ihr weißen Leute von biefem ger
tauften Gottlieb, fort aus feiner Haut, aus feinem Leibe, aus feinem But,
aus feinen Adern, aus feinen Gelenfen, aus feinen Glievernl ern im
Meere ift ein großer Stein, bahin gehet, dahin fahret, bort trinfet, bort
zehret! Durch die Macht Gottes, durch ben Sohn Gottes, durch ben hei⸗
gen Geiſt.“ Diefer Spruch wirb dreimal wieberholt und zulegt and
nod Amen Hinzugefegt, während man, bie Schale in ber linfen Hand hal⸗
tenb, das Waſſer nebft ven Stäbchen mit ber rechten auf ben Heerd ver-
ſpritzt, fo daß beim Schluſſe alles Waller ansgegofien iſt. Die Kranfen,
welche bleich ausfehen, unluftig zur Arbeit find, an Schlaflofigkeit und Er-
ſchlaffung der Glieder (Bleichſucht) leiden, werben dadurch wieder geſund.
(Mit:yeilung dee Gutsbefigers Hafienftein in ven N. Pr. Prov.Bl. 1847.
Bd. 1. ©. 473 f)
Unter dem Namen bleiche oder kalte Leute iſt auf dem Lande eine
innere rantheit belannt (etwa Bleichſucht). Frauen leiden an derſelben
beſonders und ſehen daun bleich und abgemagert aus. Man hielt früher
für wahr, daß die Kranken von menſchlichen Weſen, die ſich in kalte, bleiche
Gnomen ꝛc. verwandeln können, beſeſſen ſeien. (Oletzko.)
m manchen Gegenden habe ich nach den Fettleutchen und nach ben
weißen Leuten vergeblich geforicht, während man bafelbft die falten Leute,
zimne ludze, fehr wohl fennt. „Er Hat die falten Leute” ift eine Be-
zeichnung für manderlei Krankheiten. Die zimne ludze, heißt es Bier,
find Heine Thierchen, nur etwa fo groß als Stednabelföpfe, welche reis
henweiſe im Walde hinziehen und bie Krankheit bringen, welche ſich ber
fonbers durch blaue Nägel verräth. Man hütet ſich um ihrer Willen fehr
dor ben Wagengeleifen. (RL Ierutten.)
Eine Fran, welde in der Johannisburger Gegenb lange gewohnt hat
und jet bei Hohenftein wohnt, verſicherte mic, daß man bort mit bem
Nomen zimne lutki daſſelbe bezeichne, was Hier krazno lutki heiße. Es
ſeien kleine Leuicher, fo Hein, daß man fie kaum fehen könne. Sie treiben
von Dr. M. Täppen. 407
dr Weſen im Kopfe unb verurſachen Fieberfroſt und Schmerzen. Donnerftag
nach Abenbbrod mäüffen fie verfegnet werben,
Die krazno lutki find etwa fo groß wie Mücken ober wie Meine
Städchen einer Stednabel mit braunen Köpfchen. Man muß fie nah Ab»
nahme des Mondes an einem Donnerflag beſprechen. Der Kamin wird
zugemacht, ba es in ber Stube dunkel wird. Die Aſche wirb mit einem
Haarſieb rund um ben Kranken geſiebt, das Haarfieb aber dabei nicht, wie
gewöhnlich, rechts um, ſondern linls um gebreht. Dann wird der Kamin
fehnell geöffnet, ein Kiehnſpan ſchuell angezündet und num nach ben Gäns
gen gefehen, auf welchen die Würmer burch die Aſche gezogen find. Findet
man feine, fo Heißt es, bie Würmer find wieder in ben Kranken zurückge⸗
gangen und ihm tft nicht mehr zu Helfen; gehen fie aber von dem Kran
ten ab, fo ift dies ein gutes Zeichen. (Hohenſtein.)
Macica ift nad) Einigen Magenkrampf, nad) Anderen Kolik; wieder
Andere fagen, das Wort ſei umüberfegbar, weil ber Deutfche die Kranlheit
nicht Tennt. Unfer gemeine Mann denkt fi unter Macica einen mit
ſcharfen Krallen verfehenen Wurm, ber fi) im Cingeweide bes Menſcheu
befinbet und durch befonbere Veranlafjung aufgeregt und geärgert, mr
dem Menfchen zufegt und ihn quält und peinigt. (Eolban.)
Jeder Menſch Hat in feinem Leibe eine Macica, bie ihn oft fürdhter
lich quält. Wenn fie aber abgeht, muß er flerben. Jemand, ber eine
ſolche Macica gefehen Hat, beſchrieb fie mir. Es if ein Wurm mit rum.
dem Leibe und zahllofen Füßen, fo daß er faft ansfleht wie eine Quaſte,
und ift etwa fo groß, wie ein Thaler. (Hobenftein.)
Einem Mann mwurbe bie Macica nach feinem Tode lebendig anages
ſchnitten, und man fuchte fie zu töbten, indem man fie mit heißem Waſſer,
mit Scheivewaffer 2c. begoß. Ste wurbe dadurch aber immer größer. End»
lich begoß man fie mit Rinderfuppe; in Folge davon zog fie ſich ganz Mein
zuſammen und farb. Cie ift fo groß als eine Hand, und hat and) Glie⸗
ber wie Finger, mit benen fie kneift und zufommenzieht. Auch in Onappen
finden fi ſolche „Dinger“, aber Heiner, und bie gemeinen Leute frenen
fich ſehr, wenn fie eim ſolches antreffen. Es wird dann herausgenommen,
gewocknet, pulveriſirt und im biefer Geftalt mit dem beften Erfolge gegen
bie ben Menſchen quälende Macica eingegeben.
408 Aberglauben aus Mafuren
Sehr verbreitet ift ber Glaube an bie Maren. Schon Pifanai er-
wähnt biejelben als eine Urt der Alfen. „Diefes ſchädliche Unding fagt
ex, befchäftigt fi) mehr bamit, daß es den Körper bes Meuſchen angreift,
als deſſen volle Schennen plündert. Es drüdet öfters unſchuldige Per-
fonen im Schlafe fo unbarmherzig, baß fie für Engbrüftigleit und Angf
vergehen möchten. Sie willen bes Morgens darauf nicht Worte genug
zu finden, die Marter, fo fie dabei ausgeftanden haben, zu beſchreiben.
rzeneien und Hausmittel werben bawiber vergeblich angewandt, nur ge
wiſſe Beſchwörungen eines alten Mütterchens vor bem Schlafengehen
äußern eine gute Wirkung. So verwirrt ift die Vorſiellung Hiervon!
Niemand weiß dies plagende Geſchöpf zu befchreiben; niemand Hat es ger
fehen und betaftet; und barum muß es ein Geiſt fein” (a. a. O. No. 218.4).
Meine Nachforfhungen namentlich in ber Soldauer Gegend ergänzen
biefe allgemeinen Andeutungen burch wefentliche Züge. Sowohl männliche
als weibliche Perſonen erfcheinen als zmora, Mar: benn die Menge
dent fi unter Maren verzauberte Menfchen, melde die Geftalt von
Katzen oder Hunden haben. Sie kommmen in der Nacht die Schlafenden
zu quälen. Sie legen ihre Pfoten um ben Körper ber Schlafenden unb
drücken ihn, daß er kaum noch athmen Tann, indem fie ihn zugleich küffen
and beleden. Die zmora pflegt ihre Befuche in beftimmten Zwichenrän-
men zu wieberholen, jo daß man ihr Kommen ziemlich gewiß vorausſehen
kann, Ein Dittel ſich gegen fie zu felgen if, daß man fi auf ben
Bauch legt; wenn bann die zmora fommt unb füßt und merkt, daß fie
nicht das Geficht Tüßt, wird fie ärgerlich und geht davon.
Die Mar ftedt demjenigen, den fie brüdt, bie Zunge in den Mund,
daß er nicht fehreten Tann. (Hohenftein.)
Während des Drudes Hat der Menſch die volle Befinnung, kann aber
kein Glied rühren. Dann foll er verſuchen bie rechte große Zehe zu ber
wegen, und ber Alp muß weichen. Während des muß man nach ihm
greifen und man behält öfters etwas in ber Hand, z. B. einen Strohhalm,
eine Ruthe, einen Apfel u. |. w., worin ſich der Ulp verwandeln kann,
Man bittet ihn zu Frühſtück, laßt and, beim Frühſtücken für ihn eine
Stelle leer, besgleichen Teller und Löffel. Er fommt gewiß; er muß kom-
men und man weiß, wer er iſt. (Willenberg.)
von Dr. M. Täppen. 409
Ein Tiſchler, der von ber zmora gebrüdt wurbe, faßte fie, rang mit
ihr, töbtete fie durch einen Schlag mit dem Hammer und warf fie auf
ben Miftgaufen. Am folgenden Morgen fand man hier einen menfchlichen
Leichnam mit der Wunde von dem Hammerfchlage. Dergleichen ift öfters
geſchehen. Meiftens erfuhr man benn auch bald, daß in ber Umgegend
vielleicht einige Meilen weit von dem Ort, wo bie Mar getöbtet war,
ein Menſch verſchwunden fei, und fand bei weiterer Nachforfchung, daß bie
vorgefundene Leiche bem Verſchwundenen angehörte. (Vgl. das Geſchicht ⸗
chen aus Königaberg in den N. Pr. Pr.-Bl. 1846 Bd. 1 6. 394.)
Man denkt fi bie zmora als Perſon, ladet fie, wenn man willen
will, wer es ift, zum Srühftüd ein, ftellt dann ben Beſen verfehrt in bie
Ede und hindert fie dadurch am Fortgehen. Wenn die fo Gefangene nun
bittet, man möchte fie Hinauslaffen, dann nimmt man den Bejen und
wallt fie tüchtig durch. Ste fommt dann nicht wieber, (Hohenftein.)
Die Mor drückt auch Vieh und Pferde. Sie fliht ben Pferden
auch Zöpfe. (Hohenftein.)
Ein Vater Hatte brei Töchter, welche alle als Maren gehen mußten,
die eine mußte bie Dornbüſche im Walde brüden, bie zweite das Wafler,
die britte Pferde. Der Vater wußte es aber nicht. Im einer Nacht ale
fie von ihrer Wanderung nach dem Heuboden, wo fie zufammen fchliefen,
zurüd gekommen waren, klagten fie einander ihre Noth. Die eine war
von den Dornen zerſtochen, bie andere von ben Wellen bes Waflers zer-
peitſcht, bie britte von ben Hufen ber Pferbe zerfchlagen. Der Vater hörte
die Unterredbung an und kam num erft Hinter das Geheimniß. Sie waren
aber ganz unſchuldig dazu gelommen, daß fie ala Maren gehen mußten,
denn ihre Pathen hatten während ihrer Tanfe daran gedacht. Sogleich
nahm der Vater andere Pathen und lieh bie brei Töchter umtaufen. Nun
waren fie von ber Umwandelung in Maren frei. Diefes Mittel wen⸗
bet man Überhaupt in dergleichen Fällen an. (Hohenſtein.)
Dergleichen Geſchichtchen werden mehrere erzählt. So wurden in
einem Wirthehanfe drei Schweftern von einem Wanderer belanfcht, als
fie, von ihren nächtlichen Wegen zurüdgefehrt, darüber fprachen, welche
von ihnen es am Schwerften Habe. Die eine Hatte als Mar Vieh zu
brüden, bie andere Menfchen, die dritte Bäume, Die erfte hatte es offen»
210 Aberglauben aus Maſuren
bar leichter als die zweite, da es leichter ift in Ställe zu Tommen, als in
die Wohnungen der Menfchen, aber am Schwerften hatte es doch bie
britte, welche die Bäume erft erflettern mußte, um fie zu drücken. Das
Gefpräh wurde dem Vater hinterbracht und die Mädchen umgetauft.
(Hodenftein.)
Wenn man von der Mar gebrüdt wirb, foll man fie feſthalten und
nicht loslaſſen. Sie nimmt dann alle möglichen Geftalten an, indem fie
ſich 3. B. in eine Schlange, einen Froſch, einen Strohhalm verwandelt.
Aber thun kann fie nichts, wie grimmig fie auch ausfieht und enblich
muß fie ſich in ihre menſchliche Geftalt verwandeln. Wenn fie fi) dann
auf einen andern Namen umtaufen läßt, fo ift fie vom dem Weſen frei.
(Bohenftein.)
Selöft Krankheiten foll die Mar veranlafien. Wenn Jemand an
Kolik des Kopfes ober Magens leidet und fich beſprechen laſſen will, fo
faßt der oder vielmehr die Beiprechende (denn am Beſten wirkt eine Fran
und zwar eine alte) die Magen- oder Kopfgegend, an welcher der Leidende
Schmerz empfindet und brüdt fie feft zufammen, fo oft fie paffende Worte
dazu fpricht. Diefe Bannformel wird neunmal wieberhoft und nach je breis
maligem Herfagen das Vaterumfer einmal gebetet. Sie lautet wörtlich:
„Im Namen Gottes, des Vaters, des Sohnes unb bes heiligen Geiſtes.
Amen. Frau Mutter ich packe bich, ich drüde bich, geh bu nur zur Ruhe
in beine Kammer, wo bich der Liebe Gott erfchaffen Hat!" Nach dem Alte
des Beſprechens verliert fi) ber Schmerz bei dem Kranken etwas, bald
darauf ganz und fehrt fpäter nie mehr zurüd, wenn das Beſprechen ge
höriger Art geweſen und von einer dazu eingeweihten, fi) bafür eignenden
Perſon geſchehen if. Denn nicht jeder eignet ſich für dieſe Kunft der
Nennen. Hilft einmaliges Beſprechen nicht, fo kann's noch einmal wieber-
holt werben; öftere Verfuche aber dürften nicht lohnend fein. Weber bie Ber
deutung ber Frau Mutter hat der Berichterftatter (Gutöbefiger Haflenftein)
die Erzählerin befragt und zur Antwort erhalten, e8 werbe bie Mutter Got
tes bamit angerebet. Der Berichterftatter urtheilt mit Recht, dies fei falſch,
denn bie Fran Mutter werde ja jelbft gebannt, und glaubt annehmen zu
dürfen, e8 fei die Mar. (M. Pr. Pr. BL 1847 Bd. 1 S. 472.) Ob nicht
vielmehr au bie macica zu denken ift?
von Dr. M. Töppen. 411
Der Mar verwandt tft der Werwolf, wilkolek, fofern beide Un⸗
holde durch Verwandelung von Menfchen entfiehen. Schon im fechzehnten
Jahrhundert Hat: Georg Sabin von einem Werwolfe Nachricht gegeben.
Es warb nämlich zu feiner Zeit ein Menſch, ver für einen Werwolf ge
haften wurde, von ben Bauern gegriffen und an ben Herzog Albrecht nach
Königsberg gebracht. Seine verwilberte Geftalt machte ihn freilich einem
Thiere ähnlicher, als einem Menfhen. Im Gefichte Hatte er verſchiedene
Wunden und Narben, die feinem Vorgeben nach von den Biſſen der Hunde,
da fie ihn als einen Wolf verfolgt, hergekommen fein follten. Der Herr
30g ließ mit ihm ein genaues Verhör anftellen. Gr befannte frei, daß er
zweimal. des Jahres, nämlich um das Weihnachts- und Iohannisfeft, in
einen wirklichen Wolf verwandelt und um dieſe Zeit durch einen innerlichen
Trieb gezwungen würde, fi in den Wäldern mitten unter ven Wölfen
aufzuhalten; ob er gleich eime große Beängfiigung am Gemüthe und
Schwachheit am Leibe empfinden müßte, ehe bie Hanre ausbrächen und er
einen Wolfspelz anzöge. Man glaubte ihm bies fo lange, bis man eine
Brobe davon würde gejehen haben, und er warb im Königsbergiſchen
Schloß forgfältig verwahrt. Die Zeit feiner Verwanbelung kam heran; er
blieb aber ein Menſch. Man wartete noch länger, und er blieb derſelbe.
Giſansli No. 25 8. 17 nad) Sabin. Metamorph. I. v. 232 sq. Töppen
Leben des Georg Sabinus, 1844. 8., ©. 274).
Dennoch lebt der Glaube an Werwölfe in Preußen fort. Reltor
Gerß in Gr. Stürlad erzählt darüber folgendes: Der Werwolf foll an
einem kurzen Schwanze, den er am Srenze hat, Tenntlich fein und ben.
jenigen Leuten, bie ihn beleidigt haben, aus Rache das Vieh ermürgen,
Ein fchlaner Bettler gab fich für einen Werwolf aus, gewiß barum,
damit man ihn beim Beiteln reichlich bevenfen möchte, Aus Furcht,
feinen Zorn anf fi zu loben, gaben ihm die Bauern Sped, Ge
treide u. dgl. ſehr reichlich, Welche fürchterliche Folgen biefer Aber-
glauben Haben Tann, geht aus folgender Erzählung hervor. Im ein Dorf
Mafurens Fam am hellen lichten Tage ein waſſerſcheuer Wolf gelaufen.
Die Bewohner des] Ortes wähnten, daß es ein Werwolf fein mäßte,
da ein gewöhnlicher Wolf im Sommer am Tage ins Dorf nit kommen
werde. Unglüdlicher Weife wohnte in einem benachbarten Dorfe ein
412 Aberglauben aus Maſuren
Menſch, der für einen Werwolf gehalten wurde, und fo glaubte mau
ſteif unb feft, daß er in bem Wolfe ſtecken müſſe. Man beſchloß an
ihm ein Erempel zu ſtatuiren, trieb ihn in bie Einfohrt bes bortiggn
Kruges, verihloß die Thüren und drang, mit Heugabeln, Mififorfen,
Stangen u. dgl. bewaffnet, in biefelbe hinein, um ihm ben Garans
zu machen. Dies gelang, aber erft, nachdem ber Wolf mehrere Men-
ſchen verlegt Hatte, die auch Hinterher an der Waflerfchen farben. (N.
Pr. Br.-Bl. 1850 Bo.1 ©.468. Eine Notiz aus Litauen. N. Br. Br.»
DL. 1846 Bb.2 ©. 379.)
Die Menſchen, welche auf dem Kopfe zwei Wirbel (Stellen, wo fi
bie Haare drehen) Haben, ftehen in dem Verdachte, bag fie fich in Wölfe
verwandeln, allerlei Schaben anrichten und felbft Menfchen frefien können.
CHoHenftein.)
Der zu Liſſa im Poſenſchen erfcheinende Hansfrennd lehrt: „Um ben
Werwolf zu erfennen und fi) von ihm Weberzeugung zu verichaffen, foll
man eine Krufte Brob in den Mund nehmen nnd biefelbe unvermerkt im
Munde haltend, dreimal um ben vermeinten Werwolf herumgehen. Bei
diefem Verfahren verliert er die menfchliche Geftalt und nimmt bie Wolfe-
geftalt an.“ (Przyjaciel ludu z Leszna, Volksfreund aus Liſſa, Yahı-
gang 1837 ©. 75 angeführt von Ger a. a. O.)
Wenn mande Menſchen fi in Werwälfe verwandeln müſſen, fo
find daran die Pathen Schuld, welche während der Taufe an folche Dinge
gebacht haben. (Hohenflein.)*)
Bon perfönlich gebachten dämoniſchen Wefen werden öfters erwähnt
die Waffergeifter, welche Menfchen in das Wafler Hinabziehn, bie foger
nannten topich. Im Marghöfer See (Ortelsburger Kreifes) find zwei
topich, Meine Jungchen mit rothen Mügen. Die tandhen anf, Hatichen
drei Mal in bie Hände, und verſchwinden wieder. Dann ertrinft jemand.
(AL. Ierutten.) Auch im Ommleff-See und im SchwentyGee (bei Kurken)
giebt es ſolche Topichs.
*) Die Metamorphoſe der Menſchen in Maren und Werwölfe erinnert an
eine noch merfoürdigere. Die Mafuren können aus Gägefpähnen Flöhe machen.
dom Dr. M. Zäppen. 418
Wenn einem etwas, was man fo eben noch in ber Hand gehabt Hat,
unter der Hand verſchwunden if, und man fucht und fucht e8 vergebens
mb Kaum’ nicht finben, fo fagt man „Pokusza wiela“, die Verſucherin
hats genommen. (Hohenftein.)
Damoniſche Kräfte find im Spiele, wenn Wirbelwind ansbriät. Man
hört dann in Mafuren ganz gewöhnlich ven Ausbrud: „der Teufel fährt
zur Hochzeit.” Wenn ber Wirbehvind fo flark if, daß auch Erbe aufge
rührt und mitgeführt wird, fo fagt man: „Ein Pferd fliegt durch bie Wol⸗
ten" — Unsprüde, die fehr lebhaft an Wodans wilde agb erinnern,
Uebrigens entfeht auch Sturm, wenn ſich jemand erhängt. (f. u.)
Manchmal fagen die Leute anf dem Felde: „Da brennt ein Schatz;“
„Ich Habe ein Feuerchen gejehen!" Man meint, wenn man gleich hin⸗
ginge zu graben, fo würde man einen Schatz finden; fie find aber furcht-
fom. (RL Jerutten.)
Eine blane Flamme, welche aus dem Ader auffclägt und bald ver⸗
ſchwindet, bezeichnet die Stelle, wo ein Schag vergraben liegt. Wer fie fieht
muß den Schuh ober "Stiefel vom linlen Fuß fehnell abziehen und Hinter
fich werfen, Wenn das nicht gefchieht, fo verfinft der Schaz. Wenn man's
aber geihan Hat und am Mitternacht hingeht und gräbt, fo findet man einen
Topf oder Keſſel mit Gold» oder Silbermünzen oder beiden zufammen,
Bei Kyſchienen in der Nähe von Soldan gab es einen gelähmten Hirten,
dem foll das Geld gebrannt haben, und man glaubte fo allgemein bavan,
daß er einen großen Keſſel mit Golfläden gefunden habe, daß man ihn,
ba er das Gelb nicht herausgeben wollte, feftnahm und lange fefthielt.
Eoldan.)
Die vergrabenen Schaͤtze müſſen ſich alle ſechs Jahre reinigen; ba
fieht man denn, wie fie in hellblauen Flammchen brennen. Haben fie
ansgebrannt, fo finken fie wieder tief in die Erde hinein. Wer bie Flamme
fieht und dann feinen Bantoffel, feinen Stod, ober fonft etwas, was er
bei fih trägt, vom fich wirft, kann dadurch bewirken, daß bie Flamme er»
liſcht, und der Schatz nur fo tief in die Erbe finkt, als ber Stod ac. wege
geworfen wurde, und ann dann den Schatz mit Sicherheit ausgraben.
Gillenberg.)
44 Aberglauben aus Mafuren ven Dr. M. Töppen.
Glucksgroſchen ober Glüdsgulven kehren zu bem Befiger zuräd, wenn
man fie nicht ganz ausgiebt. Das Geld ift eine Gabe des Böfen und
Tann auch Gefahr bringen. Einer, der einen folden Glücksgroſchen
108 werben wollte, konnte bies nicht erreichen, bis er erfuhr, man müſſe
ſolches Geld genau anf bie Stelle Hinlegen, wo man es gefunden hat,
Gohenſtein.)
Gortſetzung folgt.)
Weofipreuffifche Studien.
8. von Binder.
Dorthin, wo bie Wellen zweier Völkerſtämme einander noch immer
berühren, wo ba8 deutſche Imterefje dem polnifchen zuerft in den Weg
trat, wo fich heute noch die beiden Nationalitäten, Siaven und Germanen,
am ſchroffſten gegenüberftiehen, wollen wir unfere Blide richten.
Es muß wohl ein tiefes Interefje erregen, bie werhfelfeitigen Ueber⸗
finthungen des einen Volles durch das andere in ben Gegenden zwiſchen
Elbe und Weichfel näher zu verfolgen, bie Nachrichten über jene Slaven
zu fammeln, welche einft den urſprünglich deutſchen Norboften Jahrhun⸗
derte lang befiebelten, dann aber dieſen in Folge deutſcher Rüdftrömung,
durch Schwert und Pflug an bie Germanen wieder verloren. Jene feit
beinahe taufend Jahren thätige Rüdftrömung ift noch Heute in vollem
Gange und kämpft gegen bie weftlichen Vorpoſten des Slaventhums in
Böhmen, Pofen und Weftpreußen an.
Wir haben uns zur Aufgabe geftellt, die Geſchicke der Bewohner bes
legtgenannten Landes zum Gegenftande einer eingehenden Betrachtung zu
machen und beabfihtigen die Gründe zu entwideln, bie einen zum zweiten
Mal (wenigftens dem größeren Theile nach) germaniſirten Boden, unähn⸗
ich den Landſchaften zwifchen Saale und Ober, wieder von Neuem bem
Slaventhum verfallen ließen.
Im den früheften Zeiten, als bie Einführung des Chriſtenthums das
timmeriſche Duntel, welches die Gefchichte Weftpreußens verhüllte, aufzu⸗
hellen begann, wurbe das Küſtenland zwifchen Wipper und Etolpe einer
fetts und ber Weichfel und alten Nogat andererfeits von ben polnifchen
416 Weſwreußiſche Stubien
Schriftſtellern Caſſubien genannt, welches ſüdlich durch bie Kamionla und
Dobrinta von dem Grenzlande Kraina, das fi bis an bie Nege und Küd⸗
dow erftredtte, gefchteben wurbe. Beide Landſchaften zuſammen bezeichnete
man mit dem Namen Bommerellen.x)
Oeſtlich der Weichſel und Nogat lag Pomefanien und das Kulmer⸗
land, deren urfprängliche Bewohner (in jener Landſchaft Preußen, in bier
ſer eine aus Polen und Preußen gemiſchte Bevöfterung) durch ben beute
ſchen Orden faft vollſtändig germanifirt waren, wohingegen in Caſſubien
eine ſchwache, in ber Kraina fich nur eine theilweife Germanifirung Hifto-
riſch nachweiſen läßt,==) 3.8. das Kloſter Koronowo fegte ſchon im breis
zehnten Jahrhundert deutſche Bauern in feinen Dörfern an. Werner ge
ſchahen deutſche Bürgeranfievelungen in Dirſchau (1260), in Nakel (1299),
Bromberg (1346); auch wurben Keime deutſcher Bildung von Danzig ans,
fowie durch die von deutſcher Geiftlichleit gegründeten Abteten zu Oliva und
Pelplin und bie öfter zu Zudau, Zarnowig und Budom gepflegt.e«)
Mit dem Ausfterben ber pommerellifchen Herzöge 1295 ward ihr Land
ein Zankapfel zwiſchen dem Orben und ber Krone Polen; erflerer war
von 1308 bis 1843 in faktiſchem Befig von ganz Pommerellen, doch bie
Friebensfhläffe von Wiffogrob 1335 und Kaliſch 1343 brachten bie Kraina
in ben umbeftrittenen Befig Polens, während bas übrige Pommerellen
dem Orben verblieb,
Die polnifhen Könige, fowie die Polen überhaupt, hatten Anfangs
die deutſchen Anfiebelungen mit günftigem Auge betrachtet.
Die polnifhen Städte find zum größten Theil aus Dörfern entftan«
ben und in übertwiegender Mehrzahl von deutſchen Einwanderern angelegt.
Im 13. 14. und 15. Iahrhundert kamen unaufhörliche Züge von Anfied-
fern ins Land, bie entweber als Aderbauer ober als Handwerker ſich nie⸗
verliehen. Bis nad) Podlachien und bis ins weftliche Lithauen find in ber
*) Diefed Sand hatte ftet3 nur nach zwei Richtungen fefte Grenzen, die Oftiee
gegen Norden, die Weichſel gegen Often (ihre Inſeln gehörten noch zu Pommerellen),
gegen Süben und Weiten meiftend ungewiß und wechſelnd, 3.8. gegen Welten bis 1140
die Leba und bon da biß 1295 bie Wipper, zeitweile auch die Perſante.
**) Möpell, Geſch. Polens I. Beil. 18.
er) Bomerell, Stubien von Dr. Hitſch.
von B. von Windler. 417
erften Hälfte des 15. Yahrhunberte die Dentfchen vorgebrungen, und in
der Haupt und Krönungsſtadt Krakau felbft war bie deutſche Bevölferung
fo zahlreich, daß unter ben Syndilatsalten derſelben alle Schriftftüde bis
zum Jahre 1583 entweder deutſch ober Inteinifch abgefaßt find; erft von
dieſer Zeit an kommen auch polnifche vor.
Die langjährigen Kriege mit den Orbensrittern erzeugten aber einen
furchtbaren Haß gegen bie Deutfchen, ber feit dem Eintritt der Reforma⸗
tion neue Nahrungsftoffe empfing.
In ber Regel wurden bie Letzteren Intherifch, die Polen verblieben
aber katholiſch. Zwar erlitt diefe Regel bedeutende Ausnahmen von beiden
Seiten, jedoch genügten fie nicht, um zwifchen dem Begriff „polnifch und
latholiſch“ einerfeits und „deutſch und evangeliſch“ andererſeits, irgend ei-
nen Unterfchieb zu firiren, und noch bie auf die gegenwärtige Zeit werben
viefe Begriffe im Munde des Volles in concreto beftändig verwechſelt.
Alle diefe Verhältniffe beftimmten auch die Zuftände Weſtpreußens.
Zuvörberft war der entfegliche breizehnjährige Bürgerkrieg 1454 bis 1466
das Unglüd des Landes. Der preußifche Bund hatte auf einige Zeit er-
tungen, wonach er firebte: Unabhängigkeit, aber andy nur auf kurze Zeit,
um baranf in befto tiefere Knechtſchaft zu verfinken, Es liegt aufer ben
Grenzen biefer Blätter ausführlich zu berichten, wie bie vom ter Krone
Boten (1466) geflellten Einverleibungsbedingungen, *) ſowie bie der Pror
vinz zur Wahrung ihrer politifchen Abfonderung feierlich gegebenen Ver⸗
heigungen nad) und nad) befeitigt worden find; bie verwäflenden brei
Schwedenkriege, bie veligiöfen Verfolgungen, welche ver erften Theilung
Polens vorangingen, fowie bie unter bem Namen ber Eonfüderationen ber
*) NRamentlih war ausbedungen und bewilligt worden:
„daß die polniihen Reichstagsbeſchluſſe nicht ſchlechthin, ſondern nur in Folge der
auf den preußiihen Landtagen geſchehenen Noftrification verpflichtende Kraft gemwins
nen ſollte;
daß auf biefen Landtagen die inneren Angelegenheiten der Provinz unter oberhos
heitlichem Einflufie des Königs georbnet werden follten;
daß die preußtiche Bewohnerſchaft nicht von polniſchen Wehörben Urtheil und Recht
zu nehmen gehalten fein folle;
daß die Großwurden und Reichsrathſtellen des Landes (Wohwoden, Amtshaupt-⸗
leute, Biſchoſe) ziwar vom Könige, aber nur an preußiſche Indigenen verliehen wer ⸗
den follten.” (engnich, Geſchichte von Poln. Preußen.)
Mipı, Ronatsiärift vd. TIL. Hft. b. 27
.
418 Weſwreudiſche Studien
tannt gewordenen häufigen Zuſammenrottungen vernichteten allen Wohl
ſtand und verwiſchten alle Spuren deutſcher Bildung und Sprache, bie fi
unter ber Orbensherrfchaft über Pommerellen allgemein verbreitet hatte.
Der Bruch der Friebensbedingungen«) berührte zuvörderſt ben im
Sande reich hegüterten Abel.
Um bie rafche Entnationalifirung deſſelben erklären zu können, mäfjen
wir uns etwas eingehender mit den inneren Zuftänden des Polenteiches
beijäftigen.
Auf der breiten Grundlage eines mit vielen Dienften und Abgaben
belafteten Bauernftanbes erhob fih hier ein im feinem Grunbbefig freier,
in ſich gleichherechtigter Mriegerifcher Adel als allein freier Stand, weldem
nur noch bie Kirche als freie Grunbbefigerin am die Seite trat. Der
Adel lebte in einem ſehr Iange feftgehaltenen, firengen unb umfaflenden
Familien ⸗ ober Geſchlechtsverbande, ber das Eigenthum ber Familie mit
Ausſchluß der Töchter nur zu Gunſten der Brüder und aller Geſchlechts⸗
vettern vererben burfte. Bei ber rechtögüitigen Anficht, daß alle Abele
familten, welche, fo groß aud ihre Zahl fein mag und fo wenig auch bie
Verwaudtſchaft nachgewieſen werben Tann, ein und daſſelbe Wappen füh
zen, ein einziges Gefchlecht bilben,=“) konnte man dieſe Einrichtung füg-
lich als die Grundlage betrachten, aus weldher bie weitere Geftaltung aller
Privat und öffentlichen Rechtsverhältniſſe ſich organiſch entwidelte. ur)
Soweit die urkandlichen Dokumente zurüdkeichen, exiſtirte niemals in
Bolen ein einheimiſcher freier Banernftand neben bem Abel, baflr hat
unter bem Legteren bei bem Mangel aller Lehnsverhältniſſe eine faft de
wokcatifch zu nenuenbe Gleichheit der Rechte geherrſcht.
Wohl kein Land in Europa zeigt einen nad) Mafgabe ver Bevölle⸗
rung fo zahlreichen Abel als Polen. Alle diejenigen Unterſcheidungsmerl⸗
*) Der Lubliner Reichstag verfügte 1569 die gänzlie Aufhebung der Selbſt⸗
Ränpigleit der Provinz Preußen.
**) 3.8. zu dem Wappen Ralez gehören 152 Familien.
wer) Mer fih näher unterrichten will, wie die beiden Hauptbezeichnungen in ben
Wirkungen eines ſolchen urfprünglichen Geſchlechtsverbandes im Rechte heruortreten, eins
mal in den Berhältnifien der Beihlehtöglieder untereinander, ſodann in der Gtellung
u andern, nicht zum Geſchlechte Gehörenden, zu dem Allgemeinen überhaupt, der leſe
nach Röpell’s Geſchichte Polens L Beil
von B. von Windler. 419.
male, welche für den deutſchen, engliſchen oder romauiſchen Adel gelten
tönuen, treffen Hier in keiner Weife zu, wo bas Nitterwefen und has Rit-
terthum bes Mittelalters nur einen ſpärlichen Anſatz genommen hatte,
Betrachten wir bie perfönlichen und geiftigen Eigenfchaften bes Bauern
und bes Evelmannes, fo wird man nimmermehr zugeben, daß Beide, un
geachtet fie ein und diefelbe Sprache fprechen, derſelben Nation angehören,
fo ganz verſchieden ift ber Typus ihrer Erſcheinungen.
Indem wir biejes als allgemein bekannt vorausſetzen, ftoßen wir bei
der Betrachtung biefer Unterſchiede auf das Ergebniß, daß bie Individua⸗
fität des Bauern eine folche if, die mit Klima und Bodenbeſchaffenheit
des Landes, in welchem fie ſich findet, in Uebereintimmung fleht, daß da-
gegen ber Abel entichteven anf einen anbern Urfprung hinweiſt und das
forſchende Ange eutſchieden nad) dem Süden lenkt.
Bir konnen wohl in Polen ganz beflimmt trag ber einheitlichen
Sprache eine zweifache Nationalität, fowie das innere Wiberfireben. zweier
verjchiebener Arten ober Gattungen annehmen,
Der Hiſtoriler foll noch geboren werben, welder die frühefien Wan-
derungen ber ſlaviſchen Stämme zur Maren Anſchauung bringt; hier aber,
liegt uns mit größter Beftimmtheit ein Ergebniß vor Augen, das offenbar
eine Ueberſchüttung eines nordſlaviſchen Stammes von einem füdflavifchen
lennzeichnet. Der letztere war und blieb ber Sieger, darum vollzog ſich in
feiner Mitte ausfchlieglich der ganze Prozeß ber Staatsbildung, der ſtaat ⸗
lichen Entwidelung und Auflöfung, während ber befiegte Stamm zu allen
Zeiten nur ein Regierungsobject blieb. So oft aud dem polnifchen Adel
das Mefjer an der Kehle ſtand, niemals konnte er fich dazu entfchließen,
die Abwendung ber Gefahr durch Emancipation bes befiegten Stammes
iu erlaufen. Die hartnädige Weigerung bes Abele, aus dem Bauernvoll eis
uen ſelbſtthätigen Stantsfactor zu machen, z. B. noch in der Revolution vom
Jahre 1831, erfolgte aus dem inſtinktiven Bewußtſein, daß damit ein Selbfu⸗
morb, eine Auflöfung ber eigenen Individualität vollzogen werde. Deun
der mit Klima und Bobenbefchaffenheit in natürlichem Ginklange ſtehende
Baner würbe, frei geworben, geläft von ber Feſſel, weiche bie Vorzeit um
ihn geſchlungen, ſehr bald ben ehemaligen Sieger Überwuchert und durch raſche
Entfaltung und Erhebung bie Gewalt vergangener Zeiten entgolten Haben.
27°
42ö Beitpreufifge Studien
Wie fehr daher auch eine Auferliche Uebereinftimmung zwiſchen bem
polniſchen und dem deutſchen Edelmanne obzuwalten fcheint, jo beftimmt
doch die Verfchiebenheit ihrer Ansgangspunfte die Verſchiedenheit ihrer
Natur, Der deutſche Edelmann ift das Ergebniß eines organifchen Pro
zeſſes; der polniſche Ariftofrat dagegen iſt bie übermindenbe Macht eines
gewaltſamen Vorgangs. Jener hat baher alle Stufen und Grabe ber
Macht und Bedeutung mehr ober minder durchgemacht und zum Theil
Hinter ſich gelaffen, biefer aber überlaftete ven früheren Bewohner ohne
innere Affimilation, ohne geſchlechtliche Miſchung. Darum gab es in
Deutfchland von jeher einen Mräftigen, kulturtragenden Bürgerſtand, wäh
rend Polen zu allen Zeiten bei ben Tümmerlichften Anläufen zu eimem fol
chen ſtehen geblieben ift.=)
Daher mußte ber polniſche Staat, zufegt ein Wahlreich, ein Spiel⸗
ball innerkr Baftheitingen, zu Grunde gehen. Er ging zu Grunde an feir
net nuruhigen Abelsvemofratie, an der religiöfen und politiſchen Unduld⸗
famfeit, an dem Zwange, welcher anf ſolchen Staatsangehörigen laſtete,
die nicht zur polniſchen Nationalität gehörten. Er ging zu Grunde an
dem Drud, ber den Teibeigenen Bauer beſchwerte, an ber Indolenz und
an dem Luxus bes Adels, an dem Mangel eines Bürgerftanbes; dem
ganzen Staatsweſen fehlte der innere Halt, bie Adelsdemokratie Hatte nicht
das Zeng in ſich, ans den zufammen eroberten Landſchaften einen organi-
ſchen Staat zu fehaffen und ihn ethifch zu burchbringen; alles war ein
mechanifches Nebeneinander. —
Diefe Zuftände waren der Grund, daß bie Weltgeſchichte mit eifer-
nem Schritt über Polen hinwegging. Und doch erfüllt das unabwendbare
Ende eines durch feine glänzenden Triegerifchen Eigenſchaften unter ben
Nationen Europas Hervorragenden Volkes das Herz bes Menfchenfrenndes
mit tiefer Wehmuth. Wo find bie Enfel jener tapfern Krieger, bie dem
Anftärmen det Osmanen und Tartaren fiegreich widerſtanden, wo finb
die Nachkommen jener ritterlihen Helben, vor denen ber Halbmond fanf,
als ihre Schwerter Wien befreiten? Cie irren verbannt, vertrieben von
Land zu Sand! Go zerftrent das Harte Geſchick Polens feine edelſten Ger
"= Dr. Garos Briefe über Polen,
von B. von Windler. 421
ſchlechter und fremde Erbe giebt ihnen bie Ruhe, welche bie Heimath
verfagt.
Doch wir wollen uns nicht weiter anf das Feld allgemein Hiftorifcher
Betrachtungen verlieren, fonbern unfere Aufgabe im Auge behaltend, das
Schidfal der deutſchen Bevölkerung Weftprenßens unter ber polniſchen
Herrſchaft zu ſchildern verfuchen, obgleich bie Quellen über biefen Zeitraum,
namentlich bie, welche bie innern Zuftände bes Laudes betreffen, höchſt
mangelhaft find.x)
Mit Ausnahme nur weniger Stäbte, welche durch ihre alten Bezie⸗
Hungen zum Hanſabunde oder durch ihre Lage an ben Mündungen ber
Ströme und durch ihre Hanbelsverhältniffe mit dem Auslande mehr ges
ſchützt waren, litten bie Städte außerordentlich. Ihre Blüthe ſchwand raſch
dahin, ba die polniſche Krone behufs völliger Annectirung der Provinz zu⸗
erft das alte kulmiſche Recht, fowie die Privilegien der Stäbte zu Guuſten
der polnifchen Ebelleute anf dem Lande befeitigte und durch ben vermehr-
ten Steuerbrud jebe Entwidelnng, jedes Fortſchreiten hindert. Im Folge
biefer Uebergriffe, welche unzählige Klagen hervorriefen,s«) bie aber anf
den Landtagen fruchtlos verhallten (auf dem Lanbtage zu Granbenz 1619
wurden bie Vertreter ber Heinen Städte gänzlich aus ber Sitzung gewie⸗
fen), wanderten bie meiften deutſchen Bürger nach und nach aus, ben her⸗
*) Die Richtigkeit dieſer Bemertung laßt fih am deutlichſten aus dem Geſchice
zweier Städte entnehmen. Es konnten zwei in früherer Beit wichtige Stäbte, an dem
Ufer der Weichſel gelegen, ſpurlos verſchwinden, ohne daß irgend eine Chronik die Art
ihres Unterganges erwähnt. Eeit dem Jahre 1466 war über Zantir (Gig des Biſchofs
Chriſtian von Preußen) nichts au ermitteln. (Dr. Bender, Ueber die Lage von Zantir in
Zeitſchr. für Gefch. Ermlands Thl. I. 6.192 ff.) Ebenſo entzieht ſich Wyſſogrod — eine
Refivenz der Pommerelliſchen Fürften, fpäter Hauptort einer Kaftellanei — bereits im
14. Jahrhundert jeder Erwähnung. cofr. soript, rer. Pruss, I. 689 wo Hirſch für eine
Grengburg bei Fordon es angiebt. Die Lage von Wiſſegrod befchreibt die ältere Chronik
von Dliva (script, rer, Pruss. 6.752) alſo: Ubi vero ventum est ad Auvium, qui
junctus Visiae Aumini castellum illud in angulo situm fluriorum ab eis ex altera
parte dividebat, ali fuvinm illum cursim, aliu ante alium transnatebant, ali vero
Mazoviensiam per Vislam fluvium narigio veniebant. Ncch script. rer. Pruss. II, 468.
eine Burg bei Fordon an der Brahe. Töppen Compar. Geogt. 6.49 hält die alte
Schanze bei Fordon dafür. Quandt Balt. Gt. 1858. 6.165. Aus der Olivaer Chronik
ift erfichtlich, daß Wifſegrod oder Willegrad dort gelegen hat, wo vie Brahe mit ber
Weichſel zufammenfließt,
Man leſe in Lengnich Bd. I. das Nähere,
422 Weſtpreußiſche Stubien
angiehenden Tuben. das biöher von ihnen bebaute Feld bes Handels und
der Gewerbsthätigleit überlaſſend. Der Zuzug aus Dentfchland hatte
längft aufgehört und in die burch Peft und Krieg entvölkerten Laudſchaften
zogen Bolen ein, worin auch bie auffallende Erſcheinung ihre Erklärung
findet, daß in den Kirchſpielen mit beutfchen oder altpreußiſchen Ortsnamen
Coorzugsweife auf bem rechten Weichfelufer) bis heutigen Tages polniſche
Sprache herrſchend geworben.
Nur das einft reiche, freie Danzig, deſſen Denkmäler bie hohe Blüthe
ber Kunft, die im Mittelalter in Preußen gepflegt worden, noch heute dem
flaunenben Ange befunden, Hatte bie Aufgabe aller der anbern germani-
ſchen Städte an den Mündungen der Flüſſe in das baltiſche Meer: dem
immer mehr einbringenben Slavismus zu wiberftehen und deutſche Sitte
uud Freiheit zu bewahren, unter vielen äußern Kämpfen zu löfen gewußt
amd blieb daher eine mächtige germanifche Kolonie unter Slaven. Anders
entwidelten ſich die Verhältnilfe am rechten Ufer der Weichjelmünbungen.
Hter war am ber Küfte ber See das Slaviſche nicht vorgebrungen, das
Deutſche Hatte Über das vorgefundene Altpreußiſche im langen Vernichtunge
progeß obgefiegt, letzteres niebergeiteten, zum größten Theil ausgetilgt.
Daher hat hier das deutſche Element auch unter polnifcher Herrſchaft aus
dauernd widerflanben,
Das Gefühl der Verlaffendeit von feinem Stammlande, das in por
litiſcher Verlümmerung mar durch Heinfiche Intereffen bewegt wurde, fo wie
bie zunehmende Schug- und Re:;tlofigfeit zwang auch ben an feine Scholle
gebundenen beutfchen Abel, durch die Polen aus den höheren Verwaltungs
ämtern bald verbrängt, ſich der neuen Herrſchaft näher anzuſchließen, um
‚nicht alles Einfiuffes, allen äußern Lebensftellungen nach und nad) gänzlich
verluſtig zu werben.
Zu biefem Anflug führten am nächſten bie Anfnüpfung verwandt
ſchaftlicher Beziehungen, bei denen in ber Regel eine Recipirung im ben
Eingangs geſchilderten feften Eyclus von Wappenbilvern erfolgte, wodurch
innerhalb bes Gefchlechteverbandes bie Solibarität der Interefien das Mit
tel zur Verſchmelzung warb. Wo dies ſich nicht gerade barbot, fuchte öfe
ters ber Dentfche baffelbe zn erlangen, indem er feinen Familiennamen
auf mancherlei Weiſe transformirte; er nerfteddie benfelben durch Ueber ·
von B. von Windler. 423
fegung ober durch Zufäge, gewöhnlich in bamaliger polniſcher Art und
Weiſe durch Benennung nach feinem Grundbefig. —
Und fo warb im Berlauf von drei Jahrhunderten eine Wandlung
vollbracht, welche eine nicht geringe Zahl alter Gefchlechter ihrer urfprüng-
lichen Heimath entfrembete, ja in vielen Familien das Bewußtſein ihrer
Abſtammung gänzlich erlöfchen ließ.
Die politifchen Ereigniffe der Neuzeit gewährten dem benlenden Ge-
ſchichtsfreunde das eigenthümliche Schaufpiel, daß namentlich aus ven Nach⸗
tommen biefer deutſchen Eroberer ber wilde feurige Sinn ihrer polniſchen
Mütter die Hingebendften Kämpfer für bie Wieberherftellung Polens ſich er-
zogen Hatte. —
Schließlich mäffen wir noch einen wichtigen Factor hervorheben, deſ⸗
fen ſich die polniſchen Könige bebienten, um bie Befeitigung bes deutſchen
Elements fchneller herbeizuführen.
Außer der Befegung der höhern Verwaltungsftellen, ver Biothümer,
Abteien 2c. durch eingeborene Polen, außer ber Niederlaffung angefehener
Familien aus dem Königreich, warb auch eine umfaſſende Edlonifation
polnifcher Edelleute unternommen, ba ber urfprünglich ſlaviſche Adel Pom⸗
merellens gleich bem pommerfchen bereits germanifirt war,
Indem wir nachftehend ein möglichſt vollſtändiges Verzeichniß ber
eingebornen Pommerelliſchen Geſchlechter Liefern, muß babei bemerkt wer ⸗
den, daß viele derſelben — ungeachtet ihrer „rein polniſch klingenden“
Namen zu bem indigenen Abel Pommerellens gehören, denn nad bem
von den bewährteften Heraldifern aufgeftellten Princip, baß ein Gefchlecht
da als zu. Haufe betrachtet werben müffe, wo wir ihm zuerft in Urkun⸗
den oder auj gleichnamigem Befig=) begegnen, find biefe Familien als
hierher gehörig anzunehmen und um fo mehr, als fie von bem gleichna⸗
migen pofnifchen Übel durch ihre Wappen gänzlich unterfchteben find.
*) 8.6. Selaſinsti zu Zelaſen. Zeromsti zu Zeromin. Goftinsti zu Goftin
Ropydi zu Kopittoroo. Donimierski zu Donimierz u. |. f.
424 . Beitpreukife Studien.
Yerzeiczuik der eingebsrnen Pommerelliſchen Geſchlechter.
Bialfe, Bielsli, Bochen, Bojan, Bonjewig, Borsken, VBorzestoweli,
Borzysloweli,
Chinow, Ehmelenz, Ezarnoweli. Chelmowoli.
Dargufz, Demminski, Diezelefi, Donimiersfi, Damerkow,
Glowczewski, Gonſchen, Gobbentow, Boszinsfi, Goſtkow, Gofttoweli,
Grabla, Grella,
Janewitz, Iarzembinsk, Jatzkow, Jorken (Jarke, York).
Aczewoli, Kaweczhuski, Kidrowsli, Kiftoweli, Konopat, Koß, Kopylsli,
Kopydi, Kosloweli, Koſſobudzli, Krokow, Krupodi, Kotomiersli,
Kunter,
Lantow, Liſſow, Lettow, Luszkowski, Lubtow, Lukowih, Lutopin.
Mad, Malfchigki (auch Kokoſchlen genaunt), Maſſow.
Napolsli, Nieweczinski.
Oſtrometzki, Oſtr owsli, Owidzki.
Paſchen (Paſchwitz), Paszte (Paszki), Pawelsz, Perlow, Pirch, Pislarzewski,
Plochnitz (Plochenz, Plochnigfi), ‚Plutoweli, Podlasli, Prebentow,
Prondnitzki, Przytarsli, Puttlammer.
Reple, Rexin, Robakowsli, Roggenpan, Roſtken, Ruſtke (Ruſtkowski)
Ruloczin, Rynkowski.
Sabotke (Sobotla), Sarpsle, Schwetzlow, Schwichow, Schlochow, Schlu⸗
ſchow, Sdunen (Zdunen), Schwenfigfi, Selaſinski, Stiwigfi, Stenbel,
Stoske, Spengawski, Somnitz, Strzebilinski, Sulidi, Szarlinski.
Tauenzin, Tempsli, Thadden, Tretzka, Tucholka.
Velſtow.
Woedtle, Wundeſchin, Wuſſow. Warſzewsli.
Zawadzki, Zounowsli, Zechlin, Zeromsli, Zetzle, Zitzewitz.
Durch den Frieden von Thorn hatte zwar Polen dem deutſchen Or⸗
den bie Meſtwinſche Erbſchaft — die Laudſchaft Pommerellen — nebſt
einem Theil Preußens abgenommen und dadurch bie Verbindung bes Or⸗
dens mit Deutſchlaud abgeſchnitten, doch hegte König Caſimir IV. bie
Beſorgniß, daß der Hochmeiſter zur Wiederaufrichtung ſeiner geſunkenen
Macht neue Kriegsſchaaren in Deutſchland anwerben und den Kampf wie
der aufnehmen würde.
von B. von Windier. 425
Um ſolchen Zuzug abzuwehren, gründete er in ben verwüſteten und
verlaffenen Domainen und adlichen Gütern Tängs der Pommerfchen Grenze,
namentlich zwifchen Hammerftein und Neuftabt Militairkolonien; er ſchuf
die zum Theil noch vorhandenen Meinen adlichen Gutsantheile, beſetzte fie
mit verdienten Kriegern und legte ihnen bie Verpflichtung zur Heeres
folge auf.
Es dürfte für fo manche noch im Lande bfühende Familie ein reges
Interefie Haben, ihre früheren Beziehungen kennen zu Iernen und fo wol
fen wir die wichtigften biefer Verleihungen bier verzeichnen, nehmen
aber Hierbei Anlaß, der allgemein verbreiteten Sage zu wiberfprecdhen, daß
König Johann Sobiesfi eine Menge berittener Kmetonen (Freibanern) zu
Rittern gefchlagen und aus biefen der gegenwärtige weſtpreußiſche foger
nannte lein-Abel entftanden fei. Diefer Adel ift augenfcheinlich älter,
denn ſchon in ben polniſchen Reichetagsconftitutionen von 1526 und 1538
finden fi) Verbote, die armen Ebelleute ans dem Tucheler Diftrikt zu
Hand- und Spannbienften zu zwingen.*)
Die wichtigften diefer Kolonien find:
Lipnica bei Schlochau. Nach biefem Orte führen mehrere angefiebelte
Familien verfejiebenen Namens und Stammes ben Namen Lipinsti
(au Lipski) und zwar die Santa, Kospot, Pazontka, Papka, Pych,
Roman, Suchh, Szur und Wnud.
Brzesno (Briefen bei Schlochau) gab ven Namen Brzezinsli den Bamis
lien Myd, Baftien, Spiczak und Swientek.
Brondzona bei Schlochau. Gefchlechter verſchiedener Abkunft als bie
Depka, Aubracht, Eiminsti, Pluto und Pych nannten fi nach dies
lem Dorfe Prondzinski.
Dombrowo bei Garthaus verlieh den. Namen Dombrowski Familien
verſchiedener Abkunft: Komaliel, Klopotol, Dambrowski oder Doms
browoli, Wnuck und Mondry.
*) Hingegen iſt es eine begrandete Thatſache, dab mehr als 20 laſſubiſche Ges
ſchlechter zum ewigen Anbenten an bie glänzenden Siege über die Türen bei Eicora und
Choczim (1620, 1621) den Halbmond und Sterne in ihre Wappen aufgenommen haben,
(Cramer, Geſchichte von Butow und Lauenburg.)
426 Weſwreußiſche Studien
Gofomie (Carthaus). Die Familien Baba, Ialafz und Storka nann-
ten fi hiernach Goftomsti.“)
Glisno bei Echlohau gab den Namen Glisczinski ben Gefchlectern
Dejanicz, Eiminski, Jaſtrzembiec, Chamir (bie Chamir nennen fich
jegt franzöjirt Chamier), Zamel, Glisczinski, Buchon, Jutrzeula,
Spot und Mroczel.
Auch wurden verfchievene Gefchlechter in bem Dorfe Wenfiory bei
Carthaus angefievelt. Sie hießen Belina (gegenwärtig Grafen Belina
Wenfiersfi), Szpak, Gruchala, Dullak, Cieszyca.
Ein Gleiches geſchah bei Bütow in Trzebiatkow, Zweigen ber Fa⸗
milien: Jutrzenka, Malotki, Wrycz (oder Ritz), Zmuda (jegt Schmude),
welche ven Namen Trzebiatowski führen, j
Die Bezeichnung Czapiewski erwarben die Gefchlechter Grzon, Za⸗
mel, Zieſiewskli, Zloscz und Zurod von dem Orte Ezaptewice bei Eo-
nig, fowie Rekowski die Familien Abdank, Styp, Glinz, Wentoch und
Wrycz durch ihre Anfievelung in dem Dorfe Rekow bei Bütow.
Ebenfo wurden Gutsantheile mit ablichen Rechten den in bemfelben
Kreife zu Stüdnitz angeftevelten Familien Kuyd, Cahrcon, Mondry und
Vaczki verliehen, welche fich Hierauf Studzienski nannten.
Berner nennen fi nad Podjaſie bei Neuftabt die Gosk und Malek:
Vodjaski, fowie nah Zemmen (Ezemno) bei Bütow bie Familien
Derzyn und Chamir: Zeminsti au Ciminski.
Diefe fogenannten Heinen Edelleute breiteten fich fpäter weiter aus, vor»
züglich in den Kreiſen Conitz, Schochau, Berent, Carthane, Neuftabt, Lauen-
burg, Bütow und Stargardt, dabei zum Theil auch ihre Namen nad
den inzwifchen erworbenen Befigungen von Neuem wieber veränbernd.««)
Wir wenden uns jeht zu bem theils eingebornen altpreußifchen uub
pommerellifchen, theils eingewanberten deutſchen Gefchlechtern, welche durch
*) Mitglieder diefer Familien find gegenwärtig noch Beſiher von Gutsantheilen
in Goftomie, Briefen, Kietrewice, Lonten, Prondzona bei Schlochau, fo wie Osla Dames
rau, Trzebiattom im Butowſchen und zu Oſſowo, Karczyn x. bei Coniß.
=) 3.8. die Janta-Poleynsli, die Zmuda-Goſtlowslki, Zuroch⸗Oſſowsli, Zuchta⸗
Balbigti und Zuchta⸗Oſſowslki, Menzyk-Sikorsti, Menzhl-Klonczynsti, Jutrzenla von
Morgenſtern, WrycyVorzychowski, Klopotel⸗Glowczewsli, Grzon-ghchdi.
von B. von Windier. 427
die bereits gefchilverten Berhältnifie gezwungen, ihre urfprünglichen Namen
verändert Haben. Hierzu ift bas (bis jegt reichhaltigſte) Adels⸗Lexicon des
Freiherrn von Lebebur benugt worben, fowie Voigts Hiftorifche Werke,
auch Haben bie in ben Pr. Provinzial-Blättern enthaltenen Forſchungen
des von Müloerſtädt vielfach Beachtung gefunden.
Um bie enggezogenen Grenzen biefes Anffages nicht zu überjchreiten,
warb nur derjenige Beſitz bezeichnet, welcher ber betreffenden Familie ent
weber ben urfprünglichen Namen gegeben oder der zur Erklärung bes
fpäter angenommenen polnifchen Beinamens dienen Tonnte, Da bei den
polnifchen Geſchlechtern — wie bereits im Eingange erwähnt — ſich ein
fefter Eyelus von Wappenbildern auf Familien verfchiebenen Namens und
verfehiedenen Urfprungs erftredt, fo warb zur Feſthaltung der Kürze nur
ber Name besjenigen Wappenbilves erwähnt, zu deſſen Annahme die bes
zügliche Familie fi) aus ben vorhin angebenteten Gründen veranlaßt ges
fehen hatte; dagegen burfte bei ber Befchreibung der andern Wappen nur
eine kurze Andeutung dee Schilvinhaltes als dem Zwed entſprechend er-
achtet werben. =)
Verzeichniß der theils eingeborenen pommerelliſchen und altpreußiſchen,
theils deutſchen Gefihlechter, welde in Weſtpreußen nach dem Frieden
von Thorn Polniſche Mamen angenommen haben.
v. d. Bach.“2) v. Bad, dv. Baden. v. B. Gowinsfi. (Gr. Gowin bei
Neuſtadt), Lewinski (Lewino ibid.), Paraski (Paraſchin bei Laueuburg),
Zelewski (Zelewo oder Selau bei Neuftabt).«r) Pobolski (Pobolce
ibid.) Wappen: Ein wachſender goldener Hirſch aus einem Halb⸗
monde; auch ein goldener Hirſch ſpringend aus dem Schilf.
Baumann auch Boumann. v. B. Zaleskli. Wappen: Godziemba. (Zaleſie
bei Straßburg.)
*) Es durfte nicht überfläffig fein die Bemerkung beizufügen, tie die Rechtſchrei⸗
bung polnifher Namen ſich nicht gramamticalifd begründen läßt; der gegenwärtige
Sprachgebtauch hat über die Form entſchieden.
**) Nic. v. Bach war der vorlegte Groß-Comthur des Ordens in Preußen,
*er) Nicht zu vermechfeln mit der Familie Zelewsli (W, Dolenga).
428 Welwreubiſche Stubien
Baugenborf.x) v. B. Kenſowsli. Wappen: Voray. Diefe Familie befag
Butzendorf und Kenſau (Eonig.)
Bayſen.“*) B. Bazensli. Wappen: Rothes Eichhorn.
Biber.“x) v. B. Palubigfi.}) Wappen: Auf einem Baumaſt ein gol⸗
dener Falle (Pallubin bei Berent.)
Bihau.rf) Bich ow, Bychow. B. Bichowski (Bychow bei Lauenburg).
Wappen: Ein goldener feuerſpeiender Löwenkopf.
Bieberſtein. B. Rogalla, Oſtrowski, Zawadzki, Bialkoweki, Orzichowe,
Blonsli. Wappen: das Bieberſteinſche (Hirſchhorn.)
Bochen. Begesken. Bochenski v. Bochen gen. Lauodorf. Yu Boden
Barazinski, B. v. Bozepolett. Wappens In Silber ein grüner Papagei.
Bojan. B. Puchrewsli (Pucdrowo bei Karthaus). Wappen: Widder in
rothem Selb.
Bordertsporf. B. Rembowski. Zwei golvene Pfeile mit Lanze im
Bappen.trf)
Bronfen. Bronki. Bronski. Auch Bruneken, Brunilen. Wappen: Im
blauen Felde ein aus einem Brunnen hervorſpringender Hirſch.
Buchwald.“f) B. Straczyneki, Führen das Wappen ber B. aus Mel-
lenburg und Holftein. (Stradin bei Danzig.)
Byftram. B. Zajonczkowski. Wappen: Tarnowa. (Zajonczkowo bei
Löbau oder Zajonczkowo (jet Liebenhof bei Dirſchau).
Canden. C. Trzcienskti. Wappen: Zwei Jagdhunde, barüber ein golder
ner Halbmond und goldene Sterne. (Trzezyn bei Läban.)
Carlowitz. Karlinsli v. C. Wappen: Oftoja,
Aler. v. K. Abt zu Oliva 1641 bis 1667. Alex. Baugendorf Kenſowski
Staroft von Borzechow 1683.
*#) Weber die hervorragende Familie Bayfen lefe man Voigts Gefchichte der
Eidechſen · Geſ. und v. Mülverftädt N. Pr. Prov.⸗Bl. A. 3. II, ©. 97 fi,, beſonders auch
Wölly in Monum. hist, Warm. I. S. 141 ff.
Nicht zu verwechſeln mit den Zuchta Balubigfi (Wappen: Brochwiß).
+) Math. v. Biber war 1899 Kumpan des Hochmeiſters.
+9) ob. v. Bichau war 1413 Comthur zu Ofterode, dann zu Danzig. Job.
v. B. 1422 Voigt in Roggenhaufen.
+tr) Nicht zu verwechſeln mit den Rembowsli (Wappen: Slepowron),
4) Micoel v. B. Mitglied der Eidechſengeſeliſchaft 1450.
von B. von Windler. 429
Elementen.“) C. Plemieneh, Wappen: Ein filberner Querbalken mit
drei Rofen (Plemiento bei Graubenz).
Ezegenberg auh Ziegenberg.““) Wappen: In Roth ein filbernes
Ochſenjoch. Diefe Familie führte nach ihren Befigungen bie Beinamen:
v. d. Lunau, Wollen v. d. Wolkowoki, Eicholeweli, Orloweli (Or
lowo bet Culm), Suchotrzysti und Zalesti (Zaleſie bei Graudenz.)
Dorfen, Dorzyn-Dorzunsli, auch Darſen⸗Cieminsli. Darfide, Wappen:
Im Roth und Grün ſchräg getheilt, oben ein wachfender goldener Löwe.
Damerau.⸗»x) D. Wojanoweit auch Woinoweli, Wappen: Leliwa,
(Wojanow bei Danzig.)
Delck. D. Poblodi. Wappen: Springenver Hirſch mit goldenem Halb»
mond und Sterne, (Pobloce bei Neuftabt.)
Dorpuſch. D. Dorpoweli. Wappen: Leliwa. (Dorpufch bei Culm.)
EihHolg.}) E. Iablonoweh, Eichholtz (Kreis Heiligenbeil) iſt bas
Stammhaus. Wappen: Drei goldene Sterne (Iablonowo bei
Strasburg.)
Elfenan.}}) E. Elzanowski auch Elſanowski. Wappen: Im rothen Felde
filberner Geterfopf. Der Helm mit 2 Büffelhörnern.
Ende. E. RKoniedi, Wappen der Ende ans Sachſen.
Eppingen.trf) Eppinger. €. Boreczoweli. Wappen ber Eppinger aus
Baden, (Boroſchau bei Stargarbt.)
9) Kunze v. El. in der Geſchichte der Eidechſengeſellſchaft 1411 genannt.
Jeroſchins Chronif erwähnt ein castrum Clementis (1277): Dusburg Chronica terrae
Prussiae pars III. 192 script, rer. Pruss, I. 137, 282, 494, 495. Nach Voigt 3, 362
Plement zwiſchen Rheden und Graubenz gelegen.
) Ueber daS berühmte Geſchlecht der Czegenberg |. Voigts Geſchichte der
Eidechſengeſellſchaft. Joh. v. Czegenberg Zalesti (+ 1679) Poln. Schwerurager und
Kronküchenmeifter. Nic. v. Cjegenberg Wultowäti (t 1541) Woiwode von Pommerellen.
*) Hans v. d. Damerau Eidechſenritter. Chriftoph v. D. W. auf Wojanom,
war 1490 Gaftellan von Danzig, und Pater v. D. W. auf Kleſchtau Stareft von Grau ·
denz. (Die Damerau-Dombrowsk kommen in Oftpreußen vor.)
» ob. v. Eichholß wird unter den Eidechſenrittern genannt, Die Polniſche
damilie Jablonoweti führt das Wappen Brambzte,
+ Zucas v. €, war 1629 Kaftellan von Eulm. Poleste v. Elſenau Mitalied
der Eided ſengeſellſchaft 1468,
ttt) Andr. v. E war 1499 Raftellan von Pommerellen. Wilb. v. Epp. Voigt
zu Gothland 1404, Wi. v. Epp. war 1471 GroßrEomthur,
430 Beftpreufikhe Studien
Erbberg. E. Krzencieweli. Wappen: Rola.
Eſtlich.«) €, Oleskti. Wappen: Grzymala.
Falten. F. Plachedi. Ein redendes Wappen: Fliegender Falle. (Plachth
bei Berent.)
v. d. Feldes) dv. Felden. v. d. F. Wypczynsli (Wypcz bei Thorn.)
Wappen ber Felden aus dem Brauuſchweigſchen. v. d. F. Zadrzeweii.
Wappen: Drei Baumäfte mit grünen Blätterzweigen.*x) (Zackrzewo
bei Graubenz ober bei Neuftabt.)
Brand v. d. Franze. Frandi. Wappen: In Roth ein ſchräger verfohl-
ter Baumſtamm mit drei geſtümmelten Aſtenden. &uf dem Helm
wiederholt ſich der Baumſtamm in aufrechter Stellung. (Fronza Kreis
Marienwerder.)
Freyhold. F. Uflarbowel. Wappen: Im Silber ein rother Schräg ⸗
balten, mit drei goldenen Sternen belegt, auf dem Helm drei Strauß ⸗
febern. (Uſterbau bei Nenftabt.)
Giſe. Tanbeneder v. Giſe. Gewöhnlich nur Gife genannt, Wappen:
Quer getheilt, oben in Silber ein rother Löwe einen golbenen Schlüf-
felring haltend, unten blan und Silber ſechsmal quer geftreift, auf
dem Helm der rothe Löwe mit dem Ringe. Zweige biefes Gefchlechts
nannten ſich nach ihren Befigungen auch v. Thumberg, Novowieyski,
auch v. Neuborf und Thumberg.)
Glafan.rf) Glaſen. Gl. Glazejewski führen im ſilbernen Felde einen
Schrägballen mit drei goldenen Sternen. (Glazejewo oder Glaſau
bei Culm.)
Glaſenapp. Gl. Glizminsli. Wappen der Pommerſchen Familie Glaſenapp.
Glauch. GI. Gluchoweti. Wappen: Preuß II.
* Georg v. &, D. (+ 1571) war Kaftellan von Culm.
”) Joh. v. F. 1881 Voigt zu Stuhm, dann zu Bütow. Daniel v. F. wird
unter ben Eibedhfeneittern genannt 1411.
er) Nicht zu verwechleln mit den Badızeimäli, melde zu ben Wappenbilvern
Drywa, Ogonczpl, Bomian und Wyſſogota gehören.
» Thidemann dv. Gife 1597 Biſchof von Culm und 1549 Biſchof von Erm⸗
land. Sacob v. Novowieysli war 1770 Staroft von Berent.
+) Simon v. Glaſau wird unter den Gidechfenrittern genannt.
von B. von Windier. . 431
Gleißen. GL. Dorengowsli. Stammen aus Gleißen Kreis Sternberg.
Bappen: im rothen Felde zwei goldene Jagdhörner.
Gnadkau. ©. Golembiewsli. Wappen: Prawdzie. (Golombiewko bei
Graudenz.)
Gögen.s) Götzendorf ⸗-Grabowsli. Stephan v. Götzen warb 1354 mit
Gögenborf bei Eonig umd 1374 mit Grabowo bei Schlochau belehnt.
Früher das Wappen der Bögen (im filbernem Felde ein ſchwarzer
Adler), jegt das Wappen Zbieswicz.
Goltftein. ©. Koſſowsli. Wappen: Jelita. Die Goltfleinfche Linie in
Dfipreußen behielten das Wappen bes rheinlänbifchen Geſchlechtes
Goltftein bei. (Koſſowo bei Schwetz.)
Gonſchen. ©, Czerniewsli. Wappen: ein halber rother Biegenbod,
(Czernan bei Damig.)
Grabla. Gr, Mſcißewsli. Wappen: In Blau unter zwei filbernen
Sternen ein flberuer Halbmond, zwiſchen befien Hörnern ein filberner
Pfeil mit der Spige nach oben gelehrt. Auf dem Helm ein Pfauen-
wedel mit Pfeil belegt. (Mfcigewice bei Carthaus.)
Grebin. Grzebin. Wappen: Eine rothe Roſe mit brei rothen Herzen
tm filbernen Felde. (Herren Grebin bei Danzig.)
Gruben. Gr. Krempiechowsli (Kremplewig bei Bütow). Gr. Niezu⸗
chowsti auch Nesnachoweli (Neonachow bei Lauenburg). Wappen:
Im blauen Felde ein goldener Löwe,
Gut, G. Dargolewski. (Dargolewo bei Neuftabt) ©. Zapendowsli (Za-
penbowo bei Gonig). Wappen: Im blauen Felde ein filberner Halb-
monb und barunter ein Schwert mit zwei filbernen Sternen.
Hagenau.“xs) H. Zalinski. (Zalno, jest Seehlen bei Eonig.) Wappen:
der Meklenburgſchen Hagenow: im blauen Felde eine rothe Roſe.
Halt. H. Lebinsli. Wappen: Salawa. (Lebno bei Nenſtadt.)
Haugwitz. H. Pawloweli. ur) Wappen der ſchleſiſchen Haugwitz.
Gaulsdorf bei Marienwerder.)
*) Raßyar v. Gbten Pfleger zu Barten 1440.
) M. v. Balinsli (+ 1602) auf Dembnica (jet Damnig bei Schlochau)
Raftellan von Pommerellen, fein Sohn Samuel (+ 1630) Woiwode von Diarienburg.
“er 1829 warb Ulrich v. 5. Komthur zu Stolpe.
432 Weſtpreußiſche Stubien
Helden. H. Sarmowstt, Wappen der Helbn aus Braunſchweig. H. Go—
fioroweli, 9. Prziſiorowsli, H. Komarczeweti, (diefe drei Familien
führen das Wappen Sleprowon) und H. Gowarczewski mit dem
Wappen Prawdzie. (Sarnowo bet Earthaus.)
Heſelicht.«) H. Leski. Wappen: Im rothen Selbe zwei filberne Wind:
Hunde, (Leßcze bei Thorn.)
Hirſch.««) P. Pomoysli, auch H. Pomeisle. Ein ſprechendes Wappen:
Wachfender Hirſch, wie die Familie Hirſch in Schlefien. (Er. Po—
meiste bet Bütow),
Holdau. H. Lubodzki. Wappen ber fächfifchen Holdau. (Rubobzin bei
Conitz.)
Horn. H. Rogowski. Wappen: Dzialoßa.
Howenburg. H. Szeliski. Wappen: Lubicz.
Hutten.«x) H. Czapski. Blühen in den Linien Benkowo, Bobrowo und
Smentowo. Zur Zeit des deutſchen Ordens nannte ſich dieſe aus
Franken ſtammende Familie von Smolangen nach einem Gute bei
Stargardt Getzt Smolonk.) Wappen: Leliwa.
Janitz. I. Lipowoli. Wappen: Im blauen Felde ein Luchs. (Liepen
bei Stolp.)
Kalkſtein. K. Kobilinski.}) Wappen: Drei rothe Querballen im filbernen
Telde, K. Stolinsfi und K. Dslomsli, (Oslowo bei Schwetz.)
Kintenan.t}) 2. Kitnowski. Wappen: Cholera. (Kitnowko bei Rehden,
früher Kynthenau.)
Koberfee.tit) K. Kobierzydi. Wappen: Pomian. (Kobierczyn im Dir
*) Franz v. 9. 2. mar 1463 Polnifcer Feldhert, desgleichen Paul 1478.
Johann war 1511 poln. Kronreferendar; Adalbert Stanislaus (+ 1758) als Biſchof von Culm.
**) Ym Jahre 1890 wird bereits ein Hirſch als Befiger von Pomeisle genannt.
“ee Gerhard v. Hutten Abgeordneter von Danzig auf dem Landtage zu
Ebing 1450. Ein v. Smolog auf Wabcz ftiftete 1618 eine Yundation bei der Schule
in Eulm.
+ Nicht zn verwedfeln mit den poln. Familien Kobilinsti, welche ſich der
Wappen Lodzia und Dombrowo bedienen.
+H Ric. und Joh. v. Kynthenau auf dem Gute geb. N. bei Aheden ftifteten die
Givechiengefellihaft 1397. Ein Georg v. K. wird 1454 ermähnt.
+4) Peter v. Rob, 1634 Hauptmann von Neidenburg, ebenfalls Rufus v. K.
(t 1564). Stanislaus v. 8. war 1658 Woiwode von Pommerellen.
von B. von Binder. 438
ſchauiſchen Gebiete war im Beſitz Peter v. Koberſee zur Zeit des
Bundeskrieges.)
Lochenſtein.«) Kochansli. Kuchansti. Wappen: Ogengt.
"Konopats*) Konopagfi. Wappen: Odwaga. Konopat bei Schwetz iſt
das Stammhaus.) *
Konyad.ee) Konojadzki. Wappen: Prawdzie. (Konojad bet Strasburg
und Rehden)
Koſpoth.f) E Pawlowski. Wappen' ber ſachfiſchen umb ſchlefiſchen K
aulsdorf bei Roſenberg.)
Kofe.+) K. Szemirowski. (Schimmerwitz bei Bütow.) K. Borski. ( Borſcz
bei Carthaus.) Im blauen Felde zwei ſilberne Windhunde, die ſchräg
übereinander ſpringen. Es giebt eine zweite Familie v. Koß (auch
Koſſeklen genannt) mit dem Wappen: Bon Roth und Site fechsmal
ſchrag getheilt.
Kottwitz. Iif) K. AKrzydi. Wappen der K. in Schlefien.
Karpitz. K. Charpitzli. Wappen: Rola.
Legendorf.«f) L. Mgowsli. Wappen: Im ſilbernen Felde ein rother
Baumſtamm. (Mgowo und Rybiniec bei Culm.)
Lehwald früher Lawalde. L. Plachecii (im goldenen Felde ein Arm, ber
einen Ring hält), die L. Guroki, Powalski und Jezierski führen das
Wappen Rogalla over Bieberftein. (Powallen und Jeſierlen bei Conitz.)
*) Georg. v. Kochansti war 1616 yoln. Gefandter in Ronftantinopel.
**) ob, v. 8. (+ 1530) Biſchof von Culm. Sein Bruder Georg (+ 1644)
war Woiwode von Bommerellen. Graf Math. X. war 1610 Woimode von Culm. Sein
Sohn Jacob 1649 Kaftellan von Elbing, und deſſen Sohn Stanislaus auf Ryntomo und
Komopat 1697 Kaftellan von Eulm.
er) Otto v. Konyad 1408 Borftand der Eidechſenritter.
+) Job. v. Kosp. Pfleger in Infterburg 1891.
+) Job. v. Koß war 1685 Staroft von Borzechow, 1648 KRaftellan von Mas
tienbirg und 1648 Woiwode von Culm (} 1699), deſſen Söhne Joſ. Andr. (1707) Woir
mode v. Smolenst u. Joh. CH 1718) Woimode von Liefland und fpäter Biſchof vor
Culm, Joh. v. 8. (t 1756) war Raftellan von Gulm.
+) Hans v. Kottwig war 1505 Pfleger in Ortelöburg.
*) Joh. v. 2. war 1485 Landrichter von Culm, gleichzeitig Jacob Kaſtellan
von Elbing. Fabian war 1477 Woiwode von Bommerellen und Paul (1467) Biſchof
von Ermland.
Mipr, Monstefgrift Bd. TIL. Oft. 5 28
434 Beitpreugüihe Studien
Made) M. Mahowelt, M. Bodjastt. (Podjas bei Carthaus.) Wappen:
Im blauen Felde ein Halbmond mit drei filbernen Sternen,
Mantenffel. M. Kielpinsli. Wappen der Manteuffel in Pommern.
Mark, M. Modrzewski. Wappen: Im geiheilten Schild eine weiße Rofe
und brei goldene Sterne
Merllihenradess) auch Luzeinen und Lufian. Luzeinen ⸗Luzianski. Wap⸗
pen: Im rothen Felde zwei ſilberne Hechtzähne.
Mortangen.uer) M. Mortendfi. Wappen: Zwei golvene Adlerfüße.
Mortangen bei Lobau war dns Stammhaus.)
vd. Mülbe v. d. M. Mileweli. Wappen: Eine rothe Bnrgmauer
mit drei Thärmen, wie das Wappen ber Mülbe,
Mumm. M. Starzewski. Wappen: Im blauen Felbe zwei Ablerflügel.
Notterfeld. v,N. Zmijewsli. Wappen: Siepowron,
Nofig.t) N. Tolarsli, N. Bontlomsli, N. Ialoweli. Wappen: Rys.
(Die Bontloweli find aus Bontken bei Marienwerber.) Die Noftik
Drgewiedi gehören dem Poſenſchen an.
Olſchau. O. Szarczewski, auch Olſziewo⸗Sarfiewsti. DO. Olſchoweki,
O. Ziganski, O. Trupelski. Wappen: Dolenga. (Olſchau oder Ob
ſziewo bei Marieuwerder, Scharſchan bei Roſenberg, ebendaſelbſt
Traupeln und Ziganen bei Marieuwerder.)
Oſtau. v. O. Luisli. Wappen: Zwei golbene Haldmonde mit großem Stern.
(2yniec bei Culm.)
Dtterfeld.t}) O. Rybinski. Sprechendes Wappen: Eine auf einem Baum
ſtamm liegende Fiſchotter im rothen Felde. (Rybiniec bei Enlm.)
*) Made oder Macco der Sohn des Pomeſaniſchen Edlen Bipin auf Tropen
bei Marienburg 1242 dürfte vieleicht hierher gehören.
**) Johann v. 2. (+ 1550) Woiwode von Culm und deſſen Bruder Fabian
(t 1528) Bifhof von Ermland.
w Ludwig v. Mortangen 1454 Gidedjfenritter. Ludwig (t 1480) Woiwode
von Culm, Ludwig (+ 1540) Raftellan von Marienburg, Meldior 1568 Lanblämmerer
von Eulm und defien Sohn Ludwig (#1616) der Iegte feines Geſchlechtes Woiwode von
Bonmerellen und Gulm.
+) Cafp. v. Noftig, Ordens: Hauptmann in der Schlacht bei Pusig 1462.
Chriftoph v. N. B. (t 1625) war Unterlämmerer von Pommerellen, Joh. Janap v. RV.
1677 Woiwode von Marienburg unddeſſen Sohn Stanisl. 1697 Unterlämmerer von Culm
tr) Yacob v. O. Rybinsli (F 1725) Woiwode von Culm und Joſeph Hpadnt
(1782) Abt zu Dliva,
om B. von Winkler. 438
Breilsporf.“) B. Pilawsli. Wappen: Pilawa. (Pilewite bei Enten)
Bird. P. Pierchowsli, Pierſchowa. Wappen der Pommerſchen Pach
Platen. PB. Luisti Wappen der Platen. (Linowo bei Serent.)
Prebentow. Prebendowski. Przebendowsli. Wappen: Im goldenen Felde
ein Marder. Stammhänfer find‘ Prebentow bei Stolp und Preben⸗
dow bei Lauenburg.
Preuß. Pr. Pruski, Pr. genannt Pruſzal. Wappen: Leliwa.
Battlammer. P. Klezczynsli erhielten 1685 das Poluiſche Indigenat.
Stammhaus Nleſchinz bei Stolpe. Wappen ver Puttlammer.
Quoß. Q. Trzebsli. Wappen ver Schlefifhen und Preufißhen Familie
gleigen Namens. (Trzebez bei Culm.)
Rabenftein.as) NRabenfteiner. R. Gnoynicki. Zur fränkiſchen Reicpsritter-
Ihoft gehörig. Wappen: Ein Mabe auf einem Berge.
Rantemberg.ner) R. Garczynsli. Wappen: Im biauen Felde ein filberner
Halbmond und filberner Pfeil mit zwei goldenen Sternen. (Garcayı
bei Berent.)
Rantenberg.}) R. Klinsi. Wappen: Junocza (Rlinz bei Berent).
Reimann. R. Golembiowsli. Wappen: Im rothen Selbe eine ſilberue
Mauer mit Zinnen. (Golembiewo bei Granbenz.)
Rembow. Rembau. Identiſch wohl mit den v. Borchertsdorf⸗Rembowoli.
Die R. Sabinsti (Szabinski) führen daſſelbe Wappen, dagegen bie
R. Szablinstt das Wappen Poray (Salno oder Szadlo bei Grau—⸗
denz, Seblinen bei Marienwerber.
Renten, R. Szynwecki. Wappen: Im rothen Selbe ein geharnifler Rit ·
ter auf ſilbernem Pferde.
Rohr. Trezinsti. Wappen: Rawicz.
*) Nicol. v. Pf. befand ſich unter den Givechfenrittern. 1476 wurden mit Zu—
ftimmung eines Nicol, v. Pf. alias Felsdorf, genannt Pilawski, gewiſſe Rechte bei Lie:
benhoff dem Biſchof v. Cujavien eingeräumt. Nach v. Mülverftäbt find die Pfeilsdorf
eines Stammes mit den Stanges und Legendorf.
=) Heinrich v. R. war 1435 Komthur zu Schlochau, fpäter zu Thom. Hein⸗
rich v. Rab. 1440 DberftSpittler.
eh) Samſon v. G. + 1667 als Landfähndrid non Gulm.
» Georg v. Klinati war 1598 Landrichter in Dirſchau. Bazh, v. N, grün.
det 1297 Rau! enberg bei Braundberg. ge
2
436 Weſwreußiſche Studien
Nolbel. R. Rolbiedi. Wappen: Im rothen Felde zwei ſilberne Pfeile
über einem goldenen Halbmond.
Rongelin. R. Pifiensli. Auch Renglinen-Pyichinsfi. Wappen: Im ſilber⸗
nen Felde eine rote Roſe. (Pinſchin bei Stargardt.)
Rofenberg.*) R. Gruhayneli. R. Lipinsli. R. Mojaczewsli. Wappen:
Boray; ähnlich dem Wappen der böhmifchen Roſenberge.
Rostan. R. Bajereki. Wappen: Zur Zeit bes Orbens nannte fich dieſes
Geſchlecht v. Bajerfee nad) dem Gute gleichen Namens bei Culm.
Wappen: Drei golbene Sterne auf einem Schrägbalten,
Rospert. R. Rospiersfi. Wappen: Nabran.
Rubach. R. Pluskowensli. Wappen: Im blauen Felde drei grüne Kuos⸗
pen. (Plustowenz bei Strasburg.)
NRüdiger.s«) R. Modlibog. Wappen Ein mit einem Schwert burchbohrter
ſchwarzer Büffelkopf im roth- und golbgnabrirten Felde. Thorner
Batricier Geſchlecht, aus welchem Joh. v. R. 1522 die Polniſche In⸗
colat erhielt. Gegenwärtig als Grafen in Sachſen.
Rügen. R. Koziczkowsli. Wappen der Rügen in Pommern und Brans
denburg. (Rozif bei Carthaus.)
Ruthendorf. R. Przewosli. Wappen: Im blauen Felde drei grüne
Rutgenbünbel, (Przewos bei Carthaus.)
Ruttkowitz. Ruttloweli. Wappen: Pobog. (Ruttlowig im Strasburgfchen.)
Sangershauſen. ©. Zengwirsti. Wappen: Pobog. (Zengwirz bei Thorn.)
Shedlin.uee) Schedel, Schäbel, v. Scheblin-Ezarlinski, auch v. Schebel-
Ezarlensti, auch Scheblinsti,f) Wappen: Im roten Gelbe eine Eule
auf grünem Boden, Eine Linie nannte ſich andy Schedl. Kuybaweli.
(Sarlin und Kuiebau bei Stargarbt.) Im Mohrungſchen hießen fie
Schebfineti.
=) Gera v. Rof. 1899 Komthur zu Ofterode, Wilh. v. Rofbg. Romthur zu
Memel 1402, dann zu Papau. Eglof v. R. 1444 Kumpan des Hochmeifters.
=) Mathias Moblibog 1508 Staroft von Gtargardt.
ww) Nicht zu verwechſeln mit der Familie Szarlinsli oder Gzarlinsfi (Ezarlinen
bei Berent) mit einem anderen Wappen: Geharnifchter Arın, welcher 2 Pfeifen hält.
1) Rad der Echentungäurkunde von W. v. Orfeln über Gchliemen 1828 heibt
das heutige Czarlin noch Schabelin.
von B. von Winkler, 437
Schleinitn. ©. Pleminski. Wappen ber fächflfchen Schleinitz. (Plementa
bei Graudenz.)
Schlewig.x) Schlewig Konarefi, Wappen: In Gold eine filherne Nabe
folge. (Konarczyn bei Berent.)
Schmoltz. Schm. Michoroweli. Wappen der ſchleſiſchen Schmoltz. (Mi-
chorowo bei Culm.)
Schönfeld.) Sch. Krupodi. Wappen ber Schönfelde in Schleſien. (Kru-
poczyn bei Schwetz.)
Schönwiefe.) ©. Szhuwesli. Wappen: Im rothen Felde ein gehar-
niſchter Nitter auf filbernem Pferde, in ber rechten Haud zwei abge
brochene Speere und einen Jagdſpieß haltend. \
Schor faß. S. Wyczechowoki. Wappen: Im blauen Felde zwei fich kreu⸗
zende Schwerter mit goldenem Halbmond und golbenem Stern,
Schorſee. ) Szorc. Stammen ans Holſtein. Wappen: Im Roth ein ges
harniſchter Mohr.
Sähwarzenbad..S. Czernieweli. Wappen: Im blauen Felde ein Baum ⸗
ſtamm mit einem Staar.
Schwarzhoff. ©. Ezarnolensfi, Wappen ver Schwarzhoffe — eine
ſchwarze Lowentatze.
Schwierkotſchin.F)) Swierkoczin. Wappen: Im blauen Felde ein gol⸗
dener Stern mit drei goldenen Weckern. (Schwierkotſchin bei Graudenz.)
Seibersdorf. ©. Sartowski. Wappen: Bon Silber über Roth mit drei
Stufen ſchräg getheilt. (Sartowit bei Schwetz.)
Senstau.tt) ©. Senskowski. Wappen: Prambzie.
*) Dito v. Ehlereig war Komthur zu Thorn 1255. Ein Konarski war 1590
Staroft von Schöned. Micael(t 1613) Wolwode von Bommerellen, Stanislaus (+ 1625)
und Samuel (+ 1641) v. Schl. Konarsti Weiwode von Marienburg. Stanislaus war
1688 Raftellan von Kowal.
**) ob. v. Sch. 1892 Komthur von Brandenburg, fpäter von Dfterode und
Danzig. Die Schönfelde werden auch unter den Göldnerhauptleuten genannt.
6%) Bened. v. Schöniwiefe 1451 unter den Eidechſenrittern genannt.
» Job. v. Schorfee (+ 1601) Staroft von Kiſchau.
+r) 1386 kommt ein Schw. bereit3 vor. Hans v. 6.1411 fiehe Geſchichte der
Eidechſengeſellſchaft.
+) Heine. v. Senslau Komthut von Brandenburg 1816. Friedr. v. Senslau
Vfleger in Pr. Mark 1872. Nicol. v. Senslau Landrichter von Culm, war ein herpor⸗
tagendes Mitglied der Eidechſengeſellſchaft.
438 Welwoenßiſche Studien
Silberſchwecht. ©. Laſzeweli. Wappen: Orzymala. (Laſzewo bei Schwetz.)
Sislau. ©. Zelslawsli. Wappen: Domb.
Sultzen. ©. Stryſzewsli. Wappen: Zwei goldene Halbmonde mit gelb-
nem Stern. (Rriffen bei Earthans.)
Stangen») St. Meldzynski. Wappen: Drei rothe Querbalten mit zwei
ſchwarzen Vögeln. (Meldno⸗Melno bei Graudenz.)
Stauden. St. Iaromiersft. Stammhaus Stauden bei Bretten. Wappen:
Samfon.
Stein.) Gtein-Raminsti. Wappen: Jaſtrzembice.
Steppholg. St. Lyskowsli. St. Wisniewoli. Wappen: Im blauen Selbe
auf einem Schrägbalfen fünf rothe Roſen. (Wisniewo bei Löbau,
Lislowo bei Tuchel)
Stojenthin. St. Wonglilowsft. Wappen ber Pommerſchen Stojenthin.
Bonglitowo bei Berent.)
ZTallen. T. Wilgeweli. Wappen: Traprable. (Wilczewo bei Stuhm.)
Teſſen. T. Wenfiersli. Wappen: Ein filberner Gemabod wie die Pom ⸗
merfchen Teflen.
Teffmannsporf aud Teſſmeredorf.“*) PREISEN, Wappen:
Rogala. (Teſſendorf bei Stuhm.)
Teplaf-Regamati. Wappen: Im großen Felde an einem blanen Gieraffen
ein weißer Grabſtein mit Kreuz. (Rekan bei Neuftabt.)
Tieffenan.t) T. Golodi. Wappen: Im rothen Felde Treuzweis zwei
blanke Schwerter. Stammhaus Tieffenau bei Marienwerder. (Go⸗
loth bei Eulm.)
Troſchke. Troczkar Lotynsli. Wappen ber Trofchfe in der Mark und Schle-
fien. (Lotyn bei Eonig.)
*) Dietrich und Gotobor v. St. werben als reihe Ritter Pomeſaniens bezeich-
net 1998. Gebaftion, Raftellan von Rypin, war 1780 Marſchall des Pr. Generalland:
tages. Heinrich v. Gt. 1250 Komthur in Chriftburg. Konr. v. Et. 1292 Komthur zu
Ragnit, dann in Thorn.
*) Ant. v. St. mar 1440 Pfleger zu Grunhof.
*) Paul v. T. unter der Eidechſengeſellſchaft genannt.
D Dietrich v. T erhielt 1236 breifundert flämifhe Hufen bei Marienwerber.
vom B.-von Winkler. 485
Benediger *) V. Wenedi. Wappen ber Oſtpreußiſchen Venebiger: eine
fliegende Taube.
Balbad.s“) Walbadj-Bartlinsfi. Wappen: Genkrecht getheilt, vorn im
blauen Felde ein filberner Bach, Hinten in Gold ein fpringenber
ſchwarzer Ziegenbod. (Bartlin bei Berent.)
Walden. W. Luzinski. Wappen: Ein golvener Baumſtamm mit brei
Blättern, auf dem Helm eine wachſende Sungfrom mit fliegenden
Haaren. (Luzino bei Reuftadt.)
Waldorf«n) W. Wolicki. Wappen: Nabram.
Wandtkau. W. Watkowoli. Wappen: Nalenz.
Wedell. W. Tuczyuski. Wappen der Wedell. (Tuczin bei Schwetz.)
d. d. Weiden. v. d. W. Butowski. Stammen ans bem Brandenburg
ſchen. Wappen: Im ſilbernen Felde auf grünem Hügel ein Weiden⸗
baum. (Bauten bei Marienwerber.) v. d. W. Wierzbowelit) mit
dem Wappen Dolenga. (Wierzbowo bei Culm.)
Benfing. Auch Wenfing, genannt v. Kramptenherr. W. Waldoweki.
Stammen aus Baiern. Wappen: Im rothen Felde ein ſilberuer
Spieß. (Waldau bei Roſenberg.)
Werden.f) Werda. Wappen: Bon Silber über Roth quer getheilt,
darin ein ſchwarzer Falle. Ein Danziger Patriziergeſchlecht, das
unter Polniſcher Herrſchaft zu dem Wappen Odrowonz aufgenome
men wurde.
Berned.tt}) W. Wernikowsli. Wappen: Lagoda.
Wieſe.“f) W. Wyſieci auch Wiſchetzli. Wappen: Rownia. (Wyſiecin bei
Neuſtadt.)
Wildſchütz. Wirydi. Wilczicz. Wappens Nalenz.
*) Georg V. war 1564—1574 Biſchof von Pomeſanien und zulegt auch von Culm.
Caſ. v. B. W. mar 1645 Staroft von Mewe.
“ Tpeoph. v. W. war 1830 Erzbiſchof von Poſen und Gneſen.
+) Nicht zu verwechſeln mit den Wierzbowsli ohne den Beinamen v. d. W.
mit dem Wappen Zaftrzembice.
+ Ulrich v. W. 1441 Boigt zu Dirfhau. Joh. v. W. 1655 Staroft von
Neuenburg und Unterlämmerer von Pommerellen.
+) Joh. v. Wernet 1344 Boigt zu Lauenburg, fpäter zu Samlarıd,
+) Wilh. v. Wieſe 1415 Pfleger in Neivenburg,
440 Weſwreußiſche Gtubien von B. von Winkler.
Villen. Wille W. Willoweli, Wappen: Grzymala. (Willen bei
Martenwerber.)
Winded. W. Grzyboweli. Wappen: Preuß IL (Als Heimath wird
Baiern genannt.)
Wittken. W. Jezewali. (Jezewo bei Lanenburg.) Auf grünem Boden drei
rothe Tulpen, auch fiatt der Tulpen brei Pfeile,
Wolfram. W. Ciefzynefi. Wappen: Junoſza.
Wohqnar. W. Swarozynsli. Wappen: Im rothen Felde eine Meerkatze
mit Goldgürtel. (Swaroczin bei Stargardt.)
Brante W. Dominsli. Wappen: Im ſilbernen Felde ein rother Hirſch⸗
Topf. (Demmin bei Schlochau.)
Zanthier. 3. Woiski. Wappen ber Zanthier ans dem Anhaltſchen: Drei
BZanberköpfe.
Zehmen.«) Tzemen. Wappen der Zehmen in Sachen,
Aachtrag.
Becer. B. Gotkoweli. Wappen: Im blauen Felde ein ſilberner Stern.
(Gotlau bei Schlochau.)
Aleinfeld.“x) Kl. Krupocki. Wappen: Senkrecht getheilt, vorne Silber
und Roth, hinten Roth und Silber achtmal quer geſtreift, auf dem
Helm ein ſilbernes und ein rothes Hirſchhorn. (Krupocin bei Schwetz.)
Thuren. Thurer. Furznicki. Wappen: Oſtoja.
Trach. xxx) Tr. Gninski. Wappen ber ſchleſiſchen Trach. (Gnin bei But.)
Wattlau. v. d. W., eigentlich v. Hafe. Watlewoky auch Watlowski. (Wat⸗
lau bei Wehlau.) Wappen: Im blauen Felde ein ſilbernes Hufeiſen,
in demſelben ein ſilbernes Kreuz. Auf dem gekr. Helme ein goldenes
Krenz, auf welchem ein Rabe ſitzt, der im Schnabel einen goldenen
Ring Hält.
*) Achatius v. 8. (41565) Woimode von Marienburg, Fabian (+ 1580) Woir
mode von Pommerellen, Achatius (+ 1570) Woiwode ebendafelbft, Fabian (f 1629)
Woiwode von Marienburg, aud Staroft von Graudenz und Stuhm. Ein v. 3. war
1795 Weihbifhof in Frauenburg.
*#) Georg v. Aleinfeld war 1698 Burggraf von Danzig.
er) ob. v. Zr. G. (+ 1708) war Woiwode von Pommerellen.
Geben Kunt's Boctey- Biffertation de igne vom
17. Aprit 1755.
Tiſchrede an Kant's Geburtstag ben 22. April 1865 in der Kant-Gefell-
ſchaft zu Königsberg gehalten
von
Profeſſor Dr. Guft. Werther.
Verehrte Brüder in Kant! Mic; Hat der blinde Zufall mit einer
hohen Ehre betraut und nichts bedaure ich mehr, als bag ich mich dere
felben fo unmürbig fühle wie einft Saul unter den Propheten. Den paar
Worten, mit denen ich heute das Andenken bes unfterblichen Königsberger
Profeſſors meihen foll, möchte ich gern eine captatio benevolentise
vorausſchicken, aber Sie werben mir erwiebern: warum Haft bu bie Bohne
dir genommen? Und ich werde mich in mein Schidfal finden und meine
Aufgabe löfen fo gut ich es fann.
As Grundlage für meine heutige Tiſchrede habe ich das Schriftchen
gewählt, welcher Kant am 17. April 1755 ber Hiefigen philofophifchen
Facuftät zur Prüfung überreichte als DoctorsDiffertation. Betitelt ift es
Meditationum quarundam de igne succincta delineatio und in bem
Vorwort fagt er: es feien veluti primae lineae Theoriae, quae si per
otium licuerit uberioris tractationis mihi segetem subministrabunt,
Wenn der heutige Chemiker Kants Anfichten als Chemiler kennen
lernen möchte, fo wärbe er vermuthen mäflen, in einer Schrift, melde
de igne betitelt ifl, bie chemifchen Fundamentalanſchauungen bes Berfaf-
ſers anzutreffen. Dein feit dem älteften Zeiten hat der Verbrennungs ⸗
proceß nicht nur als ein fehr finnenfälliges Naturphänomen, fondern auch
als eines der Mräftigfien Agentien für fpeciell chemiſche Wirkungen das
442 Ueber Kants Doctor-Differtation de igne vom 17. April 1755
Nachdenken der Naturforfher im Hohen Grade befcjäftigt, berartig, daß
am Schluß des 17. und Beginn des 18. Jahrhunderts auf die Eıflärung
dieſes Prozefles ſogar das erfte einigermaßen umfaſſende chemiſche Lehr-
gebäube ſich ſtützte, welches faſt ungetheilten Beifall fand und zur Zeit,
wo jenes Schriften Kant's eingereicht wurbe — nur 21 Jahre nach
©. €. Stahl’8 Tode — beinahe bie ganze wiſſenſchaftliche chemiſche Ge⸗
danfenwelt beherrichte.
Wenn alfo in Betrachtungen über das Feuer vom heutigen Stand»
punkt ans zunãchſt eine Erflärung bes bei ver Verbrennung vor fic) gehen-
den chemiſchen Prozefies vermuthet werben durfte, fo verftand es fich bei
einem Philofophen von felbft, darin auch bie wefentlichen Grundzüge fei«
ner Vorftellungen über jeden chemiſchen Prozeß und vor Allem natürlich
in Tegter Inftanz auch Über die Natur ber Materie anzutreffen — mit
einem Wort diejenigen philofophifchen Anſchauungen, welche bie Reinltate ber
exacten Naturforfchung feiner Zeit in feinem hellen und ſchöpferiſchen Geiſte
gebären mußten oder mindeſtens diejenigen, welche bie Harfien Köpfe un.
ter feinen Zeitgenoffen hegten, auf feine eigne Weiſe verarbeitet.
Man wird nun zwar in feiner Erwartung in fo fern getäufcht, ale
die Erfcheinungen bes Feuers nicht zur Grundlage fpeciell chemifcher Be:
trachtungen gemacht werben, noch weniger zur Begründung eines Syſtems
philofophifcher Naturanfhauung vom chemiſchen Etarbpunlte aus dienen.
Aber wir treffen in jenem Epecimen einen Theil der fundamentalen Erörte-
rungen über bie Natur der Materie an, bie ber große Philoſoph mit An-
wendung anf bie chemiſche Seite fpäter in feinen metaphyſiſchen Anfanger
gründen ber Naturwiſſenſchaft ausführlicher niebergelegt hat.
Es kann nicht meine Abſicht fein, Ihnen Kant's Bedeutung ale Che
miler vorführen zu wollen, obwohl er, wie Sie wiflen, der Gründer einer
confequenten und für bie bamalige Zeit höchſt befriebigenden Theorie
wurde, Als Yünger meiner Wiſſenſchaft, wie fie heute fundamentirt bar
fteht, würde ich zur gerechten Würdigung feiner Bedeutung als Naturphi«
loſoph vielleicht nicht unparteiifch genug und jebenfalls nicht — wie er
es felbft von den mit Naturforfchung ſich befcäftigenden Philoſophen
verlangt — als philosophus emunctioris naris mic) fühlen. Als Kind
meiner Zeit vermag ich ber dynamiſchen Theorie nicht das Lob zu reden;
von Profefior Dr. Guft. Werther. 443
fie Hat denjenigen Chemilern, bie fowohl philosophi wie rerum natura-
kum serutatores mit ungeſchnäuzter Naſe waren, einen Tummelplag
für ihre Umviffenheit und Ungefchidlichfeit geebnet, wie feine andere und
fie ift, freilic) ganz wider Willen, bie Erzeugerin berjenigen Naturphilofo-
phie geworben, welche die exacte Naturforfhung lange — zu lange in
traurigen Banden gefeffelt hielt. Und doch gerade auch Hierin zeigte ſich
die ungewöhnliche Bebentung und Ueberlegenheit der philofophiichen Me
thode, welche unfer großer Landsmann als Leuchte der Forſchung aufftedte,
Indem ich num zur würbigen Erinnerung an das helle Feuer, das
vor aun 141 Yahren hier aufglimmte, mein Scherflein beizutragen im
Begriff bin, hoffe ich Ihres Beifalls nicht ganz unmerth zu fein, wenn ich
eine gebrängte Ueberſicht des Inhalts jener Heutzutage gewiß nur wenig
beachteten atabemifchen Abhandlung de igne gebe. Diefe giebt ung vor«
nämlich Aufihluß über den Standpunkt Kants gegenüber der bamaligen
mechaniſchen Naturforfhung (mie wir uns jegt ausbrüden würben) und
zeigt ihn — wie es von folchem Geift zu erwarten ift — anf ber höch⸗
ſten Höhe im alffeitigen Beſitz der Errungenfchaften eines Newton, Hales,
Boerhave, Leibnig u. A. Nur eines einzigen Naturforſchers Namen und
Arbeiten vermißt der Chemiker ungern, ben von R. Bohle. Es ift nicht
anzunehmen, daß Kant bie reichhaltigen Schriften dieſes geiftvollften und
exacteften Naturforfchers des 17. Sahrhunderts nicht gefannt haben ſollte.
Denn Newton bezieht ſich auf einige ber wichtigften Verſuche Boyle's und
theilte feine Anfichten über das Wejen ver Materie. Uber man Tann fi
wohl vorftellen, daß wenn auch Kant Boyle's Anfichten über bie legten
Urfachen, die den chemifchen Erſcheinungen zum Grunde liegen, fannte, er
fie von vornherein perhorrefcirte, als mit feinen fpeculativen Anfichten
über das Weſen ber Materie in diametralem Gegenfag ſtehend. Kant,
felbft nicht experimenteller Forſcher, Tonnte unmöglich bie fpecwlativen
Anfichten eines Chemilers richtig würdigen, bie einzig nur in ber Wahr⸗
heit der bedeutſamen Experimente ihren berechtigten Grund haben und
biefen hat ja eigentlich erft die neuefte Zeit ihre volle Beftärigung gebradit.
Wie hätte eine Theorie, die bem überwundenen Stanbpunft eines Leucipp
und Epicur fo ähnlich fah, wie ein Ei dem anbern, für Kant Objekt ber
ernſien Beachtung oder gar Grundlage weiterer Entwidelung werben lönnen?
444 leer Kants Dochor-Differtation de igne vom 17. April 1765
Und fo vernehmen Sie denn, was jene Schrift, eine Doctor-Differ
tation von feltenem Schlag, enthält:
Bon den zwei Abfchnitten, in bie fie zerfällt, Handelt der erfte über
die Natur der ftarren Körper und der Ziäffigfeiten, ber zweite über bie
Feuermaterie und deren Mobificationen Wärme und Kälte. Kant beginnt
deu erften Abſchnitt mit der Affertion: „bie Släffigleit der Körper kann
nicht aus einer Zertheilung ber Materie in änferft feine glatte und fehr
loſe zufammenhängende Theilchen erklärt werben, wie bie meiften Phyſiler
mit Cartefins annehmen,” und fucht bies durch einen mathematifchen Be-
weis zu erhärten, der barauf hinausläuft, daß (ich bräde es annähernd
im Groben aus) die Körner einer Pyhramide aus Sand, wenn fie zufam-
menrutfchen, ‚feine ebene, foubern Tonifche Oberfläche bilden. Das ger
ſchieht befanntfich bei Släffigfeiten nicht und der Grund davon liegt nad
Kant darin, daß bie Elementartheile ber letzteren von einer anderen unb
zwar elaſtiſchen Materie umhülllt find, vermöge beren fie das Moment bes
Gewichts überall Hin gleich verteilen Finnen. Da aber bie ftarren Kör⸗
per häufig aus flüffigen ſich bilden, fie außerdem durch Compreffion ihr
Volum verfeinern und durch Ziehkräfte vergrößern können, ohne ihre
Cohãſion zu verfteren, fo müfjen auch ihre Elementartheile (Atome, Mor
fechle) mit einer elaftifchen Hülle umgeben fein. Der Haupiſchluß biefer
erften Abtheilung ift daher: jeber Körper befleht aus feften Theilchen,
die mit einer elaftifchen Materie wie einem gemeinfamen Bande umhüllt
find. Vermöge biefer ziehen fi die an unmittelbarer wedhjelfeitiger
Berägrung gehinderten Atome gegenfeitig an und vielleicht inniger, als
bet unmittelbarer Berührung. Denn da Kugeln fih nur in einem
Buntte berühren (Sie bemerken, daß Kant ſich bie Atome von fphär
ſcher Geftalt vorftellte), fo ift bie Attraction ſchwächer als die von einer
größeren Oberfläche. Auf, dieſe Weife wird es begreiflich, wie unbefchabet
* der Cohäfion Volumenverminberung ober was bafjelbe ift, Annäherung
der Atome in Folge des Weggangs eines Antheils jener elaftiichen Hülle,
anbererfeits Bolumenvermehrung in Folge von Vermehrung, fei es ber
Quantität, fet es ber Elaſticität der Hülle ftatt finden Tann.
Dergleichen Veränderungen, wie fie zulegt namhaft gemacht finb,
bringt nun befonbers das euer ober die Wärme hervor und biefe bes
von Prefefior Dr. Guſt. Werther. 445
Tannten Erſcheinungen beichreibt Kant in ber erfien Propofition bes zweiten
Abſchnittes unter ber Ueberfchrift experientia etwas genauer. Darauf
folgt der Sag: die Feuermaterie ift nichts anderes als bie elaſtiſche Hülle,
welche die Elemente aller Körper, zwifchen denen fie ſich befindet, verbin⸗
det Gufommenhält) und ihre Wellenbewegung ift der unter bem Namen ber
Wärme belannte Vorgang.*) Denn da bie Wärme alle Körper gleichmäßig
ausbehnt und biefes ohne eine die Molecüle umgebende elaftiiche Hülle
nicht denkbar ift, ba ferner dieſe, fobald fie z.B. burch Reiben oder Stoßen in
unbulatorifche Bewegung geräth, alle Phänomene der Wärme barbietet, fo
muß fie mit dem Feuer identiſch fein. Dafür dienen auch bie Erſcheinun⸗
gen bes Stevens zum Beleg. Ueberſchlagen wir biefe Betweisführung, fo
ſtoßen wir auf ven Sag: ber Wärmeftoff ift nichts anberes als der Aether
ſelbſt (d. h. die Lichtmaterie), durch Fräftige Attractions- oder Adhäfionge
traft der Körper zwifchen die Zwiſchenräume berfelben zufanmengepreft.
Es ergiebt fih alfo nach Kant: elaftifche Hülle — Feuer = Wärme —
Fichtäther. Der legtere ift nicht der von Euler ſupponirte Aether, von bem
auch Kant ſchon Notiz genommen, fondern Newtons ponberable Materie,
ebenfo find natürlich aud Feuer und Wärme ponderable Stoffe.
Bor Kant finden wir ſchon bei den hervorragendften Phufifern ber
ſtimmte Ausſprüche über Ipentität von Feuer und Wärme einerfeits und
Feuer und Licht andererjeits, und unbentliche Vorftellungen von ber Bezie⸗
Jung der Wärme zum Licht, aber nur bei Voltaire ift eine Andentung
von ber Beziehung derſelben zu ber Hülle der Molecäle vorhanden. Denn er
behauptet von ber Feuermaterie, daß fie als elaftifcher Elementarftoff in
den Poren der Körper wohne. So ſcharf wie Kant Hatte zuvor fein Nas
turphilofoph die Identität jener vier ponberablen Materien ansgeiprochen.
Bon den Beweiſen für bie Einerleiheit der Wärme und bes Lichts hebe
ich nur einen, ber ben chemiſchen Standpunkt Kant's Tennzeichnet, hervor,
er iſt aus ber Durchfightigkeit des Glaſes entlehnt. Das Glas ift, jagt
Kant, aus Pottaſche d. h. dem ſtärkſten Allalifale buch Zuſammen⸗
*) Kants ſammil. Werke brög. v. Rofenkcanz u. Schubert V, 243 (Propositio VIN
ift elemento in elementa und das finnentftellende „inde est‘ in id est zu corrigiven;
fo hat Kant ſelbſt geſchtieben und fo Heft aud; Hartenftein in feiner Ausgabe von 8.3
Werlen VI, 898,
446 Ueber Kants Doctor-Differtation de igne vom 17, April 1756
ſchmelzen mit Sand entftanben. Da nun bie Pottafche im Folge des lan⸗
gen und heftigen Erhitzens bie Fenermaterie reichlich in fich anfgenom-
men hat, fo wird fie da, wo fie mit dem Sande vereinigt if, dieſes
elaftiner Feuerprincip durch die ganze Glasmaſſe verigeilen. Nun iſt es
aber nicht wahrfcheinlich, daß ein ans einer Flüffigkeit erſtarrender Kör⸗
per überall für den Lichtourchgang offene und gerablinige Wege befige,
vielmehr ift vernünftiger Weife anzunehmen, daß bas Volum deſſelben
mit eigentlicher Materie erfüllt fei. Da nun aber dennoch ber Lichtimpuls
durch die Glasmaſſe fortgepflanzt wird, fo muß die Lichtmaterie felbft ben
Theilen der Glasmaſſe beigemifcht und ein Theil der Maſſe felbft fein.
Wenn bemnad die Feuermaterie einen nicht zu verachtenden Theil bes
Glaſes ausmacht und durch deſſen bichte Elemente überall verſtreut ift, jo
darf man kaum zweifeln, daß ber Wärmeftoff mit dem Aether (Lichtele⸗
ment) identiſch fei.
Im den folgenden Propofitionen befpricht unfer Philofoph das Meſſen
ber Wärme, bie Verminderung bes Siebepunfts unter geringerem atmo:
ſphäriſchen Drude und zeigt ſich im Beftg ber zw feiner Zeit geläntertften
Anfihten Über biefe Sachen. Aber über die Natur ber Dämpfe (er verfteht
darunter nur Wafferbämpfe) und deren Beziehung zu ben Gafen, welde
bie atmofphärifche Luft ausmachen, hegt er ganz eigenthümliche Anfichten
und bekämpft fogar die des Hales, welder den Unterſchied wohl Tannte
und richtig ins Licht gefegt Hatte, auf Grund ber alten chemiſchen ganz
eonfufen Borftellungen über bie Verbindung des acidums mit ber Materie.
Den Schluß machen Erläuterungen über bie Erſcheinungen ber Flamme,
welche fi) auf die vorhergehenden Grörterungen über Dampf und Luft
fügen und als Nahrung ver Flamme, jenes für die elaftifche Bewegung
thätigfte Princip, nämlich oleum atque acidum, annehmen. Wir wollen
fie teiner näheren Zerglieberung unterwerfen.
Laßt man nun bie für Kants Zeit unvermeibfichen Irrtümer, bie anf
falſch verftandenen Naturanſchauungen beruhen, unberüdfichtigt, fo wird man
beim Lefen dieſer Differtation von einem friſchen Hauch angeweht und
von Bewunderung erfüllt über die umfafjenden Kenntniffe des 31jährigen
Sünglings in ben Reſultaten der Naturforſchung feiner Zeit, über ven
Scharfſinn in ber Combination, über die Kühnheit der Speculatien. Aber
von Profeffor Dr. Guft. Werther. 447
wir ziehen auch daraus die über Alles fruchtbare Lehre: keine Speculation
auf dem Gebiet der Naturphilofophie Tann zu erfprießlichen Nefultaten zu
gelangen Hoffen, wenn fie nicht durch ein reiches Material genauer Beob-
achtungen, auf inbuctivem Wege gefammelt und gefichtet, unterftügt wird.
Doch ich ſchließe mit Kant's Conclusio jener Differtation: non diu-
tius moror Viros officiis gravioribus districtos.
Und fo ehren Sie denn mit mir das unvergängliche Andenken unferes
großen Denkers durch einen Weihetrunf. Sein heller Geift erleuchte immer-
dar den Pfad eines jeden Wanderer im Reiche des Denfens, möge
derſelbe forfhen über die Anſchauungen der ewigen Naturgefege in den
Verrichtungen des menfchlichen Geiſtes, möge er fie auffuchen in ben Er⸗
ſcheinungen ber Materie.
3. 8. Schultz in Daneig.
Bon
N. Bergen,
Motto: „Fra’ pin dolei sentimenti, che s'infondono
nel cnore umano, stanno Ia venerazione per gli
uomini benemeriti della patria, delle lettere, delle
arti o la gratitudine, ehe ne consguista per le loro
opere.“ Conestabile,
Yohann Carl Shulg wurde am 5. Mai 1801 zu Danzig, wo
fein Vater Kaufmann war, geboren, erhielt ben erften Unterricht im Zeich⸗
nen in ber Kunſiſchule feiner Vaterſtadt durch den Direftor berfelben,
Brofeffor Adam Breyſig, begab fi) aber dann im Jahre 1820 nad
Berlin, wofelbft er drei Sahre lang bie Kunſt⸗Alademie, bamals unter
Joh. Gottfr. Schadow's Leitung, befuchte, und im Atelier bes durch
fein Lehrbuch ber Perfpective befannten PBrofefior Hummel malte. Schon
hier zeichnete er ſich durch feine landſchaftlichen Gemälde aus, bei benen
die Architeftur aber ftets bevorzugt wurde. Erhalten find aus biefer Zeit
nur einige Copien nach Ludtke und Schinkel, Befonderen Fleiß vertvandte
Schultz als ein treuer Schüler Adam Breyſig's«) auf perſpectiviſch ric-
tige Zeichnung. Bald widmete er ſich ganz ber Achiteftur-Maleret, ein
damals noch wenig angebautes Feld. Seinen erften größern Ausflug
machte er mit Blechen nach Dresden und Meiffen und ging banı zu weis
terer Ausbildung nah München, wohin ihn ber damals ſchon berühmte
Architelturmaler Dominic Quaglio zog, mit welchem zufammen er ein
Yahr lang arbeitete. Im dieſer Zeit malte er ale erfte felbftftänbige Bilder
*) Brevſig war Erfinder der Reliefperfpective und der Panoramen. Dal. über
ihn Unger in den neuen Preuß. Provinzial Blättern 1850, Bd. X. 6. 97 ff.
von R. Bergan. 449
das Innere des Doms von Meiffen, ben Dom von Regensburg n. A.
Im Herbfi des Jahres 1824 ging unfer Künſtler mit Grüneiſen Getzt
Ober-Eonfiftorialrath in Stuttgart) auf Reifen, um Stoff für neue Bilber
u fommeln. Ueber Mailand und Genua eilte er fchnell nad Rom, wo
ex bie würbigften Gegenftände im Uebermaß fand. Aber gerabe biefe
Maſſe wirkte erdrückend auf den Künftler. Daher wurde im erften Jahre
viel gezeichnet, wurben Studien aller Art gefammelt, aber kein felbſtſtän⸗
diges Werk gefchaffen. Bet ber flüchtigen Reife durch Mailand Hatte der
dortige Dom fo großen Eindrud anf unfern Künftler gemacht, daß er da⸗
hin zurädeilte, am Dom die verfchiebenften Stubien machte, mit gefällter
Mappe nad) Rom zurädkehrte und nun eine große innere Anficht bes
Doms von Mailand malte, ein Bild, das in Rom allgemein das größefte
Anfjehn erregte, ihm die Achtung der bafelbft lebenden Künſtler Führich,
Fr. Overbeck, Rod, Schnorr, Ph. Veit (Letztere malten bamals
in ber Billa Maffimo), Reinhard, Thorwalbfen, v. Kloeder,
E.Wolff m. A, verſchaffte und feinen Künftlerruf begründete, Das Bild
lam zur Ausſtellung nad) Berlin und fand auch bier ‚allgemeine Anerlken ⸗
nung. Der Kronprinz, fpäter König Friedrich Wilhelm IV, kaufte es.
Der damals ſchon eifrig fammelnde, jegt verftorbene Eonful Wagner in
Berlin, beftelte bei Schultz eine Wieverholung bes Bildes. Daflelbe
kommt zur Ausftellung nad) Berlin. Da aber Friedrich Wilhelm III. bie
Erwerbung des Bildes wänfcht, muß Wagner zurüdtreten, ber bei dem
Künftler eine britte Wiederholung beftellt und auch erhält, fu wie eine
Anficgt „anf dem Dache des Doms zu Mailand." Beide Bilder ber
finden ſich Heute in der Preußifchen National-Gallerie zn Berlin. Schultz
weilte vier Jahre (1824 bis 1828) in Italien, befuchte mit W. Zahn
and Iulins Schnorr v. Earolsfeld aud Neapel und Sicilien und
fammelte einen großen Schag von Zeichnungen. Befonbers ausgezeichnet
unter den Studien iſt ein 1828 gemaltes großes Panorama) von Rom,
geſehen ans den Farneſiſchen Gurten des Palatin, mit großer Sorgfalt
im Aquarell ausgeführt, trefflich in ber Zeichnung und von bewunde
rungswürbiger Wahrheit in der Farbe (das Panorama von dem Künftier
* —
uoc. Rensteigrift OB. 11T. din 5.
460 3. € Säulg in Danzig
als Delgemälve ausgeführt, befinbet ſich tm Befig bes Herrn Albers auf
Traupel in Weftpreußen und zum zweiten Mal in England.) Zu gleicher
Zeit malte er andy noch mehr ausgeführte Bilder, darunter ich nur nen
nen will eine Anſicht des Campo vaccino*), das Innere von Gt. Peter
zu Rom (beide im Befig des Königs Friedrich Wilhelm IV.), bie Piazıs
del -Granduca zu $lorenz, eine Anfiht von Siena von S. Domenico
aus (bei Deder in Berlin), die Hintere Fagade bes Doms von Siem,
das Imnere des Doms von Orvteto (für R. v. Frantzius in Danzig). A
Ans Italien in das bentiche Vaterland zurüdgefehrt, erhielt ber Känftler
1830 in Berlin an ber unter ber Direktion von Benth und Schinkel neu
erblähten damaligen Allgemeinen Bauſchule (an Wild. Stier war fo
eben berufen) eine Anftellung als Lehrer für Perfpective. Im ber erſten
Zeit in Berlin malte er n. A. (anf Beftellung Schintels für ven Berliner
Kunft-Berein) bie Hälfte des erwähnten Panorama von Rom, (das ſpater
in Bunfens Befig am), zwei innere Anfichten der Werberichen Kirche iv
Berlin (für König Friedrich Wilhelm IV.), ven Hof der Burg ber He |
henzollern (für den Fürſten von Hohenzollern). — Bald aber rief ihn
feine Baterftabt Danzig, um dort, nad) bem am 29. Auguft 1831 erfolgten
Tode A, Breyſig's, die Stelle als Direktor der Kunſtſchule zu übernehmen.
Schultz folgte dem ehrenvollen Ruf, fiebelte im Jahre 1832 nach Danzig
über, wofelbft ‚er ſeitdem ununterbrochen eine fegensreiche Thätigfeit „als
Lehrer, als ausübender Künftler und als Bewahrer und Schüger ber al
terthümlichen Kunſtwerle feiner ehrwärbigen herrlichen Vaterſtadt ausübt
Noch einmal im Jahre 1839 folgte er dem allgemeinen Zuge ber Künfle
ler nad Rom, war aber nur fieben Monate abweiend. Im biefer Zeit
feines zweiten Aufenthalts in Italten malte er vier verſchiedene innere
Anfichten der Lateraniſchen Bafilica zu Rom, eine Anficht des Coloſſeum,
mehre Anfichten aus Ancona ꝛc.
Seitdem weilte der Künftler, einige Ausflüge in bie benachbarten
Städte abgerechnet, ſtets in Danzig, malte Hier nach feinen heimgebrachten
Studien viel Italieniſches, fehenkte aber auch ben Denkmaͤlern jeines Bo
*) MB Verfuch hat Sch. diefelbe Anfict 1830 auch lithogtaphirt. Auch hat er
eine Anſicht der Basilica dei quattro coromati zu Rom lithographirt.
von R. Bergau. 451
terlaudes befonbere Aufmerkamteit, fieferte eine Anſicht des herrlich am
hoben Ufer des frifchen Haffes gelegenen Doms von Frauenburg (bie ſpu⸗
ter nad) Amerika am), eine innere Anſicht deſſelben Doms (im Befig der
Brinzeffin Marie v. Hohenzollern in Danzig), eine innere Anfiht bes
Doms zu Königsberg“) (in der ſtädtiſchen Bemälde-Ballerie daſelbſt), das
Innere des Artushofes in Danzig (für König Friedrich Wilhelm IIL und
für Herrn Albers auf Tranpel). Lange feflelte unfern Künſtler das Schloß
Marienburg. Das Ordenshaupthaus des deutſchen Drbens, defſen
wärbige Reſtauration, beſonders in Folge Schenkendorffs Nothſchrei,
wir der unermüblichen Thätigfeit des 23. guli 1856 verſtorbenen Stante-
Miniſters von Schön verbanfen, mit dem unfer Fünftler bald befreun⸗
bet wurde. Schultz malte ſechszehn verfchiebene innere und Aufßere An-
fihten#«) des Schloſſes in Aquarell, theils Skizzen, theils forgfältig und
meifterhaft ausgeführt (jet im Schloß ⸗Archiv zu Marienburg), nad) wel
; der der Kronprinz (König Friedrich Wilhelm IV.) dann neun große Del
gemälpesw«) beftelfte, welche ſich Heute theils im Königl. Schloſſe, theils
im Schloſſe Bellevue zu Berlin befinden. Zwei andere Anfichten aus
Marienburg von dem Künftler felbft auf den Holzftod gezeichnet find in
Witts Werk über Marienburg (Königsberg 1854) enthalten,
Beſondere Sorgfalt wandte Schulg den malerifch und architektonifdh
beveutfamen Dentmälern Danzigs zu. Er Hat einen großen Theil derſel⸗
ben gegeichnet und in Bolge einer Auregung durch König Wilhelm J. von
Würteniberg ſelbſt in Kupfer radirt. Sie find in groß Folio feit 1845 "
in zwei Serien (davon die erſte 24, die andere 18 Blätter zählt) mit
Tert erſchienen und tragen nicht wenig zum Ruhm unſerer altehriwürbigen
Stadt: bei. Diefe ftets maleriſch aufgefaßten, küuſtleriſch burchgeführten
Darſtellungen geben ein charakteriftifches Bild ber Stadt Danzig nach allen
Richtungen hin.) Wir finden barin zwei verſchiedene Gefammt-Anfhten
*) ' Diefelbe ift in dem Bilderheft zu ‘ver Veſchreibung des Doms von Königd
berg von 9. Hagen lithographiſch vervielfältigt.
*) Meift in Holzicnitt reproducirt in dem Beinen Bud) von Mar Rofe nhayn
über die Marienburg ·
ee) Zwei dieſer Gemalde hat Witthoefft trefflich in Kupfer und Stahl geſtochen.
+) Gine Anſicht der Stadt, mit Allem was für dieſelbe Gehe befindet
2
452 I. 6 Säuls in Danzig
ber Stadt, Anſichten der bebentendften Straßen und Pläe, des langen
Marktes, der Langgaffe, der Frauengaſſe, der langen Brüde an ber Mob
Ian. Daran fließen fich einige befonders malerifche Gtadt-Brofpede, on
welchen Danzig befonders reich ifl, wie bie Veinſtube mit dem Stocthurm,
wwei Anſichten des Gtabthofes, die Rabanneninfel u, f. w. Außerdem if
natũrlich allen öffentlichen Monumenten der Stabt, ben Kirchen (auch er
ige innere Anfichten), dem Urtushof, dem hohen Thor, dem Zeughaus,
den Rathehänfern eine eingehende Darftellung zu Theil geworben. Bon
beſonderem Intereffe und hoher Schönheit find bie fünf Blätter, melde |
Iuterienrs bes Nechtftäbtifchen Rathhauſes darſtellen. Daran ſchließen
ſich zur näheren Erklaͤrung einige Blätter mit Grunbrifien, geometriſchen
Anfriffen und Details. Enpli ergänzen die Anficten von Privatkäufen,
fowopt ihrer Bacaden als ihrer Beifchläge bie Sammlung zu einem voll⸗
Ränbigen Ganzen.) Bei Abbildung ber innern Räumlichkeiten war zw
gleich Gelegenheit, bie in Danzig noch zahlreich vorhandenen Möbel, be
ſonders die großen Schränke, Tiſche, Stähle, Epiegel, Treppen ıc. alle
lunſtvoll in Holz gefehnigt, zu zeigen. Im neufter Zeit hat ber Künftier
beſchloſſen, eine Bortfegung des Wertes zu liefern, worüber geuamere Nach⸗
richt in No. 86 und 44 der „Dioskuren“ von 1868 zu finden.) Wir
Haben noch Blätter vom hoͤchſten Intereffe zu erwarten, welche bem Werle
anch in Hiorifper Beziehung eine gewiſſe Vollſtandigkeit verleihen. Die
Nadirungen fanden allgemeinen Beifall. Der König belohnte ven Künft
ler mit der.golbenen Medaille für Kunft und Wiſſenſchaft, bie Kunf-te
- bemien zu Berlin und Petersburg ernannten ihn zu ihrem Mitgliede.
Mehrere der genannten Unſichten Hat ber Künftler andy als Delgemälbe
ausgeführt, fo z. B. bie Geueral⸗Anſicht von Danzig, welche den Saal
des Rathhauſes in Danzig ſchmudt, bie Gommer-Nathfube bes Nathhan⸗
tes (noch im Beſitz des Kunſtlers), das Innere ber Kirche von St. Rice
Ai nad Ghnls Belnumg in Sein ade, I de Bear Serien Ze
7 Ber. Abe Met et: Wiener —e 1004.30, Ein genaues
Verzeichnib biefer fümmtlien Rabirungen unferes Kanſtlers, wird in dem Werke „Die
Dentichen Waler-Babirer üm 19. Jahrhundert” des Dr. A. Audreſen erſcheinen
®®) Ga chen int die erſte Cieferung, in 6 Blau befiehenb, erkhienen.
wem 19. November
von R. Bergau. 453
Ions, das Innere des Artushofes m. ſ. w. Biele Dilder Yanfte König
Briebrich Wilhelm IV. Mehere derſelben wurden auf feine fpecielle Be⸗
fellung gemalt, wie denn überhaupt unfer Künſtler biefem kunftfinnigen
Färften einen großen Theil feines Erfolges und feines Rufes ſchuldig zw
fein, daulbar anerkennt, Außerdem aber malte er auch das Münfter von
Gtrasburg, das Imnere des Chors vom Dom zu Eöln (für &. Baum in
Danzig), das Iunere bes Doms zu Ulm (bei Bannenberg in Danzig) eine
Auficht von Agrigent (bei Seidler in Danzig) sc.
Ein beſonderes Feld feiner! Thatigkeit war aber, wie ſchon ange:
deutet, das ber Erwedung und Ausbildung bes Kunflfinnes (er fliftete
and; 1835 den Danziger Kunft-Berein) unter feinen Mitblrgern, bie den
profaifchen Niüglichleitsbeftrebungen unferer Tage alle architeltoniſche und
malerifche Schönheit ihrer fo originellen Stabt zu opfern bereit find,
Schultz fuchte dieſen Beſtrebungen nach Zerfiörung bes guten Alten mit
allen ihm zu Gebote ſtehenden Mitteln und mit aller Kraft entgegen zu
treten. Schon im Jahre 1841 hielt er eine üffentliche Borlefung „über
aterthümliche Gegenflänbe ber bildenden Lunſt in Danzig,” welche auch
gedrudt warb, (jet aber ſchon felten if) und im Yahre 1856 fliftete er,
: indem er gleiähgefinnte Männer zu vereinten Arbeiten zuſammen berief,-
: einen „Verein zur Erhaltung ber alterthümlichen Kunſtwerle Danzige“
: Gergl. Ro. 39 der „Dioskuren“ von 1863), ber feit zehn Iahren fegene-
- mich wirkt. Da ber Verein aber Feine Zwangsmittel in Händen, und Zu⸗
seven nicht immer Hilft, hat der. Künftier nicht felten ven Gchmerz erlebt,
die [häufen Sachen vor feinen Augen zerſtbren fehen zu müflen (in nen
; Mer Zeit foger fein Geburtshaus Yopengaffe No. 25). Zuweilen war es
Am noch geftattet, vorher eine Zeichnung zu machen, — bem verbanlen
wir z. B. das ſchöne Dlatt „Flur eines Bürgerhanfes" (Radirungen.
dolge II. 81.12) — oft aber konnte ber intereflantefte Gegeuſtand auch
nicht einmal im Bilde erhalten werben.
Mögen die unfterblichen Götter biefem trefflichen Käufiler uud Tichene
mürbigften Manne noch lange im gemüthlichen Kreiſe feiner Bamilie eine
lleich ſegenoreiche Thätigleit gewähren! —
Damig. R. Bergen.
Kritiken und Referate,
Christian Donaleitis litauische dichtungen. Erste vollständige
Ausgabe mit glossar, von Aug. Schleicher. St. Petersburg
1865. (Buchdruckerei der kaiserlichen Akademie der Wis-
senschaften.) (gt. 80. 336 Geiten.)
. (gl. Monatsſchrift I, 273, II, 373.)
Die Hinweifung auf die beiden Stellen dieſer Monatsichrift, an wel
Gen von Donaleitis und feinen Dichtungen bie Rebe ift, überhebt ben
Referenten ber Mühe, das bort gefagte hier noch einmal zu wiederholen.
Herr Schleicher Hat für feine Ansgabe benugen können: 1) Rheſa's Aus
gabe bes größern Gedichtes „das Jahr“ (Königsberg 1818),. 2) befielben
Ausgabe ver ſechs Gabeln (Päsakos) in feinem Aisöpas (Rönigeberg 1824),
3) des Dichters eigenhänbige Handfchrift der beiben erften Gefänge bes
„Jahr,“ welche mit Rheſa's Nachlaß in das hieſige Geheime Archiv ge
tommen ift, und 4) eine von einem Pfarrer Hohlfeld genommenene fehr
correcte Abſchrift ſämmtlicher Dichtungen des Donaleitis, welche vor etwa
zwei Jahren für die Bibliothek der Alterthumsgeſellſchaft Pruſſia hieſelbſt
erworben warb. (Hiernach ift bie Vermuthung, welche Monatsfchrift
1,.278. über biefe Handſchrift ausgeſprochen ift, zu berichtigen.) — Daß
von ſolchen kritiſchen Hilfsmitteln unterftügt aus Herrn Schleichers Hin
den ein Text hervorgehen würde, ber, was bie höchſte Afribie in Accen-
tuirung und Rechtſchreibung anlangt, nichts zu wünfchen übrig läßt, ftand
zu erwarten unb wird den nicht überraſchen, ber dieſes Gelehrten frühere
Schriften und feine ganz finguläre Geiſtesrichtung lennt. Herr Schleicher
Hat es fi) nicht verbrießen laſſen, behufs ficherer Feſtſtellung des einen
und bes anbern Accents von Yena aus wieberhofentlich nach Königeberg
amd felbft nach St, Peterburg zu correfponbiven, Zu bebauern aber wäre
Chriſtian Donaleitis litauiſche Dichtungen. 466
es, wenn dieſe außerordentliche Sorgfalt für Accent und Orthographie
bie Aufmerkſamkeit des Herausgebers ganz abſorbirt Hätte, fo daß ihm
nicht Kraft und Zeit übrig geblieben wäre, an bie materielle Feſtſtellung
des Textes dieſelbe Afcibie zu verwenden, bie jenen Minntien zu Theil
geworben iſt. Da Referent noch nicht Muße gehabt Hat, das ganze Werk
mit Nücficht auf Textvergleichung genau zu burchmuftern, fo muß er fein
Urtheil über die ganze Arbeit im biefer Beziehung noch zurüdhalten; nur
bie ſechs Päsakos hat er bis jegt einer genauen Prüfung unterwerfen
lonnen, und da hat fich das Nefultat ergeben, daß Schleichers Text leider
nicht überall „Io reinlich und fo zweifelsohne” ausgefallen if, wie zu
mänfchen unb bei fo trefflichen Hilfsmitteln zu erwarten geweſen wäre,
Einige Beifpiele mögen biefes Urtheil begründen.
Pas. III, 10 lautet bei Rhefa: „Dienos Widdurij i Säulele lodawo
suilta.® Dagegen bat Cod. H. „O dienos widdurij i Saule lodawo
szilta,* und bezeichnet ausdrücklich das Wort widdurij in gewohnter Welfe
(1,273) als Anapäft, Here Schleicher läßt mit Rheſa ohne erficht ⸗
lien Grund das beginnende „O“ weg, welches Sinn and Metrum nothe
wenbig forbern, und giebt: „diends viduryj i säule lödawo szilta,*)
was feinen Hexameter hergiebt.
Pas, III, 31 fieft der Cod. H. „Kentek, kad skauduli spandzia.“
Rheſa Hat, wie es ſcheint, die Worte nicht verftanben, und fegt für akau-
duli (ace.) ein in der Sprache nicht vorhandenes spaudulis. Geltfamer
Weiſe nimmt Schleicher bie Rheſaſche Eorruptur auch in feinen Tert auf
und ſchreibt tm Gloſſar: „Späudulis ete. III, 31 [fol heißen Pas. III, 31]
(mir nur ausz diser stelle bekant) bedrücker, bedränger.“ Späudulis
würde als Ableitung von spaudzu vielmehr Bedrückuug als Bedrücker
fein, es ift aber in der That gar nichts, unb ber ganze Artikel im Gloſſar
wm ſtreichen, bagegen im Xexte die Leſeart des Cod. H. pure herzuftellen,
die gar keine Schwierigkeit bietet, wenn man späudza und, das folgende
nuplöszia als Pluralia auffaßt und das täv ber legten Zeile auch auf
*) Aus Mangel an den erforderlichen Drudtgpen lann ih Schleichers Ortho
rapbie nicht wiedergeben; ber Kenner wird fie fi) leicht ergänzen. Ich gebe daher für
das e mit zwei Punkten in alter Weile ie, für e mit einem Punkte & und laſſe die Ras
Ialm unbezeichnet, ebenfo mehrere Accente,
466 Krititen und Referater
bie vorletzte bezieht; der Sinn ift dann: „Sei gebulbig, wenn fie bir das
Geſchwür (die ſchmerzhafte Stelle) vrüden und bir den leiten Wegen vom
Bel; abreißen.“ „Das Geſchwür drücken“ Heißt foviel wie „Schmerzen
verurſachen.“ (Bergl, die ganz ähnliche Verbindung skaudulius glosto
Pas. I. 59.)
Sehr übel iſt es beiden Herausgebern mit ber Stelle Pas. IV, 31
ergangen. Cod. H. Hat bie ganz leichte, nicht einen Schein von Schwies
tigleit bietende Lefart szelmyste waryti. Rheſa las unaufmerffam wargti
flatt waryti, und da num biefes mit bem vorhergehenden szelmyste feinen
Versausgang bot, fo veränderte er szelmyste eigenmächtig in szelmysteje;
nun hatte er einen richtigen Vers, aber leider keinen Sinn; beun was
foll das Heißen: „Sollte ich jegt noch in Büberei elend werben?! Dar
gegen giebt bie wirkliche Leſſart des Cod. H. den einfachen Sinn: „Sollte
ich (ber ich, nad) dem Vorhergehenden, von je bemüht geweſen bin mid
ehrbar zu führen) jegt noch Büberei treiben?“ Leider hat Schleicher hier
Rheſa's Augen mehr getraut als feinen eignen und das finnlofe und durch
nichts begründete szelmysteje wargti auch in feinen Text aufgenommen,
An Rleinigleiten bemerfe ich noch: Pas. I, 14 Hat Schleicher nicht
angemertt, daß bei Rheſa tiktu im Xerte zweimal fteht, offenbar als
Drudfehler. — Pas. VL, 3 leſen Schleicher und Rheſa laizyba laimejes,
während Cod, H. Lazyba laimejes Hat; eine Note bei Schleicher fagt
tmthümfich: „VI, 3 Lazyba Rh.“ flatt „Latyba H.“ — Pas. IV, 45 if
unterlaffen zu bemerken, daß ftatt des aus Rheſa beibehaftenen paszlüsiti
Cod. H. pasluziti lieſt.
Das ift die Ausbeute von etwa zehn Seiten, Wenn es erlaubt ift
von dieſer Probe einen Schluß auf das Ganze zu machen, jo bärfte ſich
leichtlich das Refultat ergeben, daß trog ber großen Vorzüge, welche vor
liegende Ausgabe des Donaleitis nad) einer freilich einfeitigen Richtung
Hin bietet, doch bie Kritil bes Textes bes Fitanifchen Dichters mit dem
Erſcheinen dieſer Ausgabe noch keinesweges als abgeſchloſſen zu betrachten iſt.
Zum Gloſſar will ich noch einige Bemerkungen machen. Das Citat bei
alöju ſtimmt wicht. — Ruhig I, 10 accentuiri audeklas. — Didgalvis, in
der Ueberſchrift von Pas. III, fehlt im Gloſſar. — Zu laükis: Bleſſe
(Btäffe) befteht meines Wiffens nicht in einem weißen Fled auf ber Stirn,
Spriftian Donaleitis Itauifhe Dichtungen. 467
fondern in einem weißen Streifen über Stirn und Nafe. — Ruhig accen-
tuirt märszkonis. — Moteriszke foll Ehefrau im verächtlichen Sinne
bedeuten? — Obrys findet ſich in Oftermepers Grammatik ©. 19 als Yhra-
ham gebeutet. — Rüdikis ift vielleicht vergleichbar mit bem Lettifchen rud-
dihsch „ein Hundsnahme wegen ber fuchsrothen Farbe" (Stender unter
„ruds, röthlich falb,“ auch von fuchsfarbiger Wolle gebraucht). — Svötas
it im Gloſſar ungenau erflärt; svötai bezeichnet das Verwandtſchaftsver⸗
hältniß zweier Männer, beren Kinder mit einander verheirathet find; jis
yr' mäno svötas, b. h. fein Sohn refp. feine Tochter iſt mit meiner Tod
ter vefp. meinem Sohne verheirathet; fpäter iſt Das Wort auch auf Ver⸗
wanbte im allgemeinen unb auf Hochzeitgäfte übertragen worben. — Gerkle
unb stemple ſcheinen im verfchievenen Gegenden mit einander vertaufcht
au werben; Szyrwid überſetzt das polnifche krtat durch gierkle, stimple,
b. h. er nimmt fie als Synonyma für Luftröhre; Ruhig und Mielte ger
ben jebem von beiden beide Bebentungen, Luftröhre, Speiferöhre; Bro»
dowsli verhält ſich meiftens wie Szyrwid, ſchwankt aber; Rebensarten,
wie „viss per gerkle perleisti, alles durch den Schlund jagen“ unb
der Hinblid auf gerti, trinken, machen es mir wahrfcheinlicher, daß
gerkle bie Speiferöhre fei; ber gemeine Mann mag wohl für gewöhn-
lich beide Nöhren nicht fo genau von einander unterſcheiden. [Profeſſor
A.O. Ugiansfi aus Kafan, ein geborner Littauer, der mich Tärzlich bes
fuchte, beftätigt meine Anſicht, daß das Volk den Unterſchied zwiſchen
vuft · und Speiſerohre nicht made. Nach feiner Auffaſſung bezeichnen
beide Worte beibes, aber mit dem Unterſchiede, daß gerkle nur von Men»
fen, stemple (over wie er das Wort ausſpricht stempelis) nur von
Thieren gebraucht wirb.]
Die äußere Ausftattung bes Buches ift höchſt ſplendide, faft verſchwen⸗
deriſch, wie man es von einem auf Roften ber kaiſerlich ruſſiſchen Alademie
ber Wiffenfchaften gebrudten Werke nicht anders erwarten konnte.
Es war anfangs meine Abficht, biefem Neferate ein Stück Königs
berger chronique scandaleuse, in Bezug auf bie Hohlſeldſche Handſchrift,
beizugeben, wozu ich allerbings ein begrünbetes Recht gehabt Hätte. Da
aber eine wahrheitsgetene Darfiellung bes Sachverhältniſſes nicht gut
möglich war, ohne allgemein befannte und fonft geachtete Perfönlichleiten
458 Krititen und Referate,
gar arg zu compromitticen, fo babe ich nach reiflicher Weberlegung mein
Vorhaben aufgegeben. Habent sua fata libelli.
G. 3. F. Meffelmann.
D @neterbeck, Carolus Eduardus, De jure maritimo quod in
Prussia saeculo XVL et ortum est et in usu fuit, Regi-
monti Prussorum 1866. Schubert & Seidel. (35 SE. 4.)
II) Jura Pratenerum saeculo XIV condita nunc primum e libris
manuscriptis edidit Paulus Laband, Regimonti Pr. 1866.
(22 SS. 40,)
Durch die vorliegenden verbienftlihen Arbeiten (beides alademiſche
Gelegenheitsfchriften zu gleichem Zwecke) empfängt unfere Altpreußiſche
Rechtsgeſchichte neue, fehr dankenswerthe Bereicherung. Beide find gerich⸗
tet auf Altpreuß. Rechtsquellen, jene bietet eine quellengeſchichtliche
Unterfuchung, dieſe einen Tert-Abbrud,
L
Die erfte Arbeit (don Prof. Güterbod) Hat zum Gegenftanbe bie
in Preußen im XVL Jahrh. abgefahte Seerehts-Sammlung, von
welcher felbft Pardeſſus nur ungenügend gehandelt und L’Eftocg
den Abbrud einer einzigen Handfchrift geliefert Hatte. Imbem ber Berf.
eine neue, kritiſche Ausgabe verheißt, befchäftigt er ſich in ber gegenwaͤrti⸗
gen Abhandlung mit einer genaueren Unterſuchung biefer bisher nicht ger
nügend befannten Quelle,
(5. I) Die Grundlage der Unterſuchung bilden alle vorhandenen
Hilfsmittel: ber bei L’Eftocq gebrudte Text, deſſen Original wir nicht
mehr befigen, und acht Handſchriften, von benen zwei nenerbings in bie
fen Blättern befchrieben find, zwei reſp. brei anderweitig noch nicht be
Tanut waren. Alle diefe Texte werben mit eingehender Sorgfalt beſchrie⸗
ben, mit einander verglichen und, einſchließlich des L’Eftocg’fchen Ter
tes, in vier verfchiebene Klaſſen gebracht. Ganz auszeſchieden wird bavon
ver VIII. Eoder (Ambrof. Adler), weil er eine vom unferer Quelle abs
weichende felbfländige Compilation enthält, bie im Berfolge unberüd⸗
fichtigt bleibt. Dennoch können wir ben Wunfch nicht unterdrüden, auch |
Gueterbock, De jare maritimo, 459
diefe Compilation in ber nenen Ansgabe aufgenommen zu fehen, um beibe
Preußiſche Seerechte beifammen zu haben.
(8. I.) Anf Grund der in 8. I zufammengeftellten Hilfsmittel wirb der
Text in vier gefonderte Beftanbtheile zerlegt: 1) das „Wafjerrecht”
capp. 1...22, 2) bie „Orbinantia* capp. 23...48, 3) eine waſſerrecht ⸗
liche Entſcheidung vom 9.1522, 4) ſechs nachträgliche Eapitel, Die
fucceffive Vereinigung der genannten Beftanbtheile erfolgte in brei Recen⸗
fionens (1.) (2), 1.) (2) (B.) und (1.) (2.) (8.) (4) reſp. (12 (2) (4) @.).
Die erflere der letztgedachten beiven Formen britter Recenſion tft bie gang«
barere, jeboch ift ihr die letztere als bie urfprängliche und beſſer georbnete
vorzuziehen. — Als Grundtert für bie Tünftige Ansgabe empfiehlt fi
der Coder S. 10, 41 ber Königsberger StabtbibL, daneben ver ihm ver⸗
wandte Bolz'ſche Eober im Königsb. Prov. Archive No. 40. 48.
@. III) Zeit und Ort der Abfaffung werben dahin beflimmt, bie
Compilation fei um 1522 zu Königsberg entſtanden. Die Beranlaf-
hung dazu wirb in bem Umſtande gefucht, daß nad) dem Berlufte Weſt⸗
preußens wahrfcheinfich Königsberg als oberfte feerechtliche Inftanz an bie
Stelle Danzig’s getreten ſei. Diefe Annahme erfceint um fo wahrfdein-
licher, als in ähnlicher Weife auch das Recht des „Oberkolmes“ auf ven
Rath der Altſtadt Königsberg übergegangen war (Monatsfchr. III, 230).
@. IV.) Hinfitlih der Quellen, aus welchen die Compilation ger
ſchöpft iſt, -ergiebt ſich zumächft ihre Webereinftimmung mit bem Slan-
driſch⸗Holländiſchen Seerecht, ſowie mit dem Wisbher Recht, wel⸗
ches letztere aus erſterem hervorgegangen iſt, unter Hinzufügung gewiſſer
dem Lubiſchen Recht entlehnter Artikel (vgl. die Einleitung p. 4ff.). Es
ſtimmen capp.1...22 mit dem Flandriſchen „Waterrecht“ reſp. mit capp.
16... 39 des Wisbyer Rechtes; capp. 23...48 mit dem Hollänbifchen (ober
Amfterbamer) Seerecht reſp. mit capp. 40...64 bes Wisbyer R. Die ſechs
Bufag-Rapitel ftammen aus dem Lübifhen Recht und finden ſich, mit
Ausnahme des fechsten, im Wisbyer Seerecht wieder. Neben biefer
ebereinftimmung zeigen fich aber auch mandyerlei Abweichungen, bie ver
Berf. näher angiebt,
(5. V.) Es entfteht die Frage, welche von beiben übereinſtimmenden
Quellen unferem Preußiſchen Seereht zum Grunde liegt: ob das Flan⸗
480 Krititen und Beferate.
driſch⸗ Hollãndiſche, oder bas Wisbyer Necht? Entgegen ber von Barbefins
aufgefteliten Anficht, vertritt und beweiſt ber Verf. das wichtige Schluß
Nefultat, daß das Preuß. Seerecht eine hochdeutſche Ueberfegung fei
nicht des Wisbyer, fonbern bes Flandriſch⸗Holläudiſchen Rechtet.
Die Gründe dafür entnimmt er ber Äußeren Form, wie ber inneren Be
ſchaffenheit und ber Entftehungszeit der in Betracht kommenden Terte.
Der Beweis darf hiemit als vollgiltig erbracht angefehen werben, unb
Tonnte im Hinblid auf die Lubiſchen Artikel noch ein Zweifel übrig bier
ben, fo beftätigt ber neuerlich in ber Monatsfchrift (III, 245 f.) beſpro⸗
heme „Danziger Codex, baß jene Artikel nicht durch Vermittelung bes
Wishyer R., fonbern birect ans dem Lubiſchen R. in unfere Eompilation
übergegangen find. —
So gewinnt denn das Preußiſche Seerecht neben dem Wisbyer R.
als ſelbſtaändige Recenſion bes Flandriſch⸗Hollandiſchen Seerechts eine
erhöhte Bebentung. Um fo dringeuder wänfchen wir, daß es dem geehrten
Verf. möglich ſein möchte, recht bald die verſprochene Ausgabe zu vollenden.
I.
Seitdem zuerft Hanow Über das „Mecht ber Preußiſchen Laud⸗
faffen“ nähere Mittheilungen gemacht Hatte, war bie Keuntniß deſſelben
durch bie beiläufigen Bemerkungen von Schweilart und Töppen und
durch Nachweifungen einzelner Handſchriften nicht weientlich geförbert wor»
den. Bon biefem „Preußen-Rechte” erhalten wir jegt durch Prof. Saband,
dem wir and) bie Herausgabe ber Duelle unferes Kulmiſchen Rechtes ver
danlen (vgl. Monatsfchr. I, 74), die erſte vollſtändige Ausgabe.
Der Herausgeber verzeichnet fieben vorhandene Handſchriften, obenan
4 Königsberger, dann 2 Danziger, und eine im Privatbefige zu Elbing.
Nur die Königsberger HH. wurden für die Ausgabe verglichen; bie übrigen
find nicht benngt, bis auf diejenigen Stüde, welche Hanow aus einer
der beiden Danziger HH. abgebrudt hat. — Die vier benutzten HH. zerfallen
in zwei Klaſſen, nad) Verſchiedenheit der Tert-Geftalt. Die erfte Klafſe
vertritt. ein einziger Coder (S. 10. 42 ber Gtabtbibl.), derſelbe, welcher
auch für bas Preuß. Seerecht von hervorragender Wichtigkeit iſt; die zweite
bie brei auberen. Jene begreift im Ganzen 127 Eapitel, vom ]12tes an
jedoch fpäter Yinpugefügt; biefe enthält nur capp. 1...98 und 102... 106.
Upreubtiäier Berlag. 461
Die zweite beider Bormen tft zugleich die fpätere, weil fie bie ur⸗
fprünglich unſhſtematiſch an einander gereihten Capitel nach Materien ord⸗
net, wobei innerhalb der einzelnen Materien bie nrfprüngliche Folge bei⸗
behalten iſt. Da ihr aber die nenn Gapitel 99...101 und 106...111
abgehen, fo waren auch dieſe anfänglich nicht vorhanden, fondern wurden
erſt nad) Vollendung der ſyſtematiſchen Recenfion beigefügt. Demnach ift
die in Rede ſtehende Onelle aus drei Stüden erwachfen: capp. 1...96
und 102...105 als ältefle Beftandtheile, capp. 99...101 und 106...111
in zweiter Linie, und zulegt capp. 112...127.
Für die Zeitbeftimmung ergiebt der Coder erfter Kaffe in ber Ueber»
ſchrift das Jahr 1340 „und darnach“. Damit kommt überein, baß in
cap. 25 Dietrih von Altenburg erwähnt wird, welcher 1835 zum
Hochmeifter erwäglt wurde. —
Diefes der weſentliche Inhalt der vorangeſchidten Einleitung. — Der
Tert-Aborud fügt fi) anf den Coder erfter Klaſſe, mit den Varianten ber
anderen HH. Am Schlufle find noch zwei Eapitel angehängt: ein bereits
von Töppen mitgetheilter Zufag im Reidenitz' ſchen Coder (am Rande
zu cap. 1) und die in zwei HH. befindliche Notiz Über das „Preußiſche
Triutrecht· (worüber vgl. Donatsfchrift ILL, 66 fi).
Möchte nun auch die von anderer Geite in Ansficht geftelite mate-
vielle Verwertung biefer Altpreußiſchen Rechtsquelle (Mieſchr. IL, 419)
nicht mehr allzu lange anf ſich warten laſſen! S—n.
Altpreußifcher Verlag.
Gedichte von Eduard Heinel. Aönigäberg, 1865. Drud der Untverfitäts-Buch-
und Gteinbruderei von €. 3. Dallowski.
Der Herausg., der verit. Regierungdrath K. H. Bartifius, glaubt mit Recht, „nicht
allein dem verjtorbenen Freunde ein Andenken zu ftiften, fondern aud den wohlwollen⸗
den Beurtheilern der Heinelſchen Mufe einen willlommenen Dienft zu erweilen, wenn
er ihnen biemit eine Auswahl aus deſſen hinterlaffenen Gedichten darbietet.“ Heinel
itt nicht nur durch feine Preußiſche Geſchichte in weiteften Kreiſen belannt und geſchatt,
fonbern auch viele feiner alteren lyriſchen Gedichte, namentlich aus dem ſchon 1828 hier
erfäjienenen Bucheichen „Rränze um Urnen Preufstfcher Borzeit“ find in Schulbucher und
Gerictfummlungen übergegangen und haben fomit die weitefte Verbreitung erhalten, Gr
462 Kritilen und Referate.
bat die. Heldenzeit des deutſchen Ordens nit nur als: Hiſtoriler in das Gedächtriß ber
Jugend eindringlid) zurüdgeführt, fondern auch dichteriſch mit aller Wärme zur. Darftel-
lung gebracht und der Poefie dadurch einen ganz neuen Stoff zugeführt. Diefe Schöpfun-
gen werden fein Andenken zu einem bleibenden machen, auch wenn man feine ibpliihe
Erzählung „Tobias” (1832) und feine erzählende Dichtung „das Pfingftfeft“ (1833) ver:
geſſen haben wird. Vielleicht wäre es möglid) geweſen, die genügende Zahl von Abon⸗
nenten zufammenzubringen, um die Herausgabe feiner gefammten poetiſchen Erzeugniſſe
in zwei Bänden lohnend zu machen, aber auch fo ſchon verdient es Danl, daß fein recht
veichhaltiger Nachlaß nicht unbenugt geblieben ift, zumal ſich in demfelben, auch abgejehn
von jedem perlönlihen Intereſſe, manch fhönes Gedicht vorfand. Ueber die Auswahl
felbft, fo meit fie unter den als Manuſcript vorgefundenen und früher nur als Manu⸗
feript gebrudt gemefenen Gedichten erfolgt ift, innen wir natürlich micht urtheilen, da
wir den Neft nicht lennen; doch glauben wir gern, daß alles nur einigermaßen Bedeu:
tende gewählt if, da ſchon unter bem verwandten Material felbft der wohlwollendſten
Aritit Einiges als an fih ſchwach erfheinen muß; dagegen ließe ſich mit dem Her-
außgeber darüber rechten, ob es nicht vielleicht angemeffen gervefen wäre, diejenigen
Gedichte, welche der Verfaſſer ſelbſt der Veröffentlihung würdig erachtet hat, ſammtlich
in diefe Sammlung bherüber zu nehmen, wenn fie nicht ſämmtlich, als nicht eigentlich
zum Nachlaß gehörig, fortgelaffen wurden. Heinel gab nämlich bei feinen Lebzeiten für
mehrere Jahrgänge des Altpreußiſchen Muſenalmanachs eine Anzahl Gedichte her, und
von biefen fehlen viele, z. B. „Sommernadhtreife‘, „An Kants Grabe“, „Das Kreuz“
und‘ das allerliebfte „Nichts“ aus dem Jahrgang 1859, „Die Weiber von Elbing“,
rinllied“ u. f. w. aus dem Jahrgang 1861, während das dafelbft unter dem Titel
„Der deutiche Nationalverein“ abgedrudte zwar in die neue Sammlung übernommen,
aber in „Deutſchlands Einheit” umgetauft ift. Das Prinzip, wonach hier gegangen ift,
laßt ſich nicht leicht erkennen, denn an fi) gehören‘ diefe mendelaffenen Gedichte me:
nigftens größtentheils zu den beften und dichteriſchſten, die Heinel überhaupt verfaht hat.
Möglich, daß der burſchilos⸗ſcherzhafte Ton einiger, namentlich ber „Sommernadtreife‘,
bei welcher es zwei fich Trennenden zur glüdliden Stunde einfällt, ihr Bundniß mit föft:
lichen Wein zu fegnen, worauf fie dann: -
Die Flaſch' an der Lippen Rand,
Einmal um das andre in's Sternenland
ſchauten,“ dort „Wunder auf Wunder“ wahrnahmen, „ftet3 näher und näher dem fun-
kelnden Plan fih bie erfennende Seele hinan” ſchwingen fühlten, die Sterne im doppel
ten Glanz fahen „und, al8 fie nun zur Herberg’ einfuhren, beide — im Himmel zu fein
ſchwuren“, ferner des „Trinfliedes* und des „Nichts“ troß ihrer Harmlofigfeit dem geift:
lichen Charakter des Dichters nicht ganz angemeffen erſchienen ift, womit wir um fo
weniger übereinftimmen tönnten, als Heinel felbft feinen Anftand genommen bat, damit
vor das Publikum zu treten, feine Mufe auch gerade durch diefen heitersgemüthlichen Ton
charalteriſirt iſt; auch erllärt ſich die Fortlaſſung der ernften Gedichte dadurch noch nicht,
Attpreubifcher Verlag. 463
wie denn anbererjeitS auch wieber Heine Scherze, 3.8. „Sähulbenlaft“, S. 107, Aufnahme
gefunden haben. — Gehen wir von den Gelegenheitögebichten ab, die ſich lediglich auf
Brivatverhältniffe beziehn und benfelben angepaßt find, fo laflen ſich die Stoffe der
beinelſchen Mufe hauptſachlich in drei Gruppen fondern: kirchliche, patriotiſche und all:
gemein ethiſche, wiewohl häufig aud eine Verbindung oder Vermiſchung ftattfindet.
‚Heinel liebte fein Prebigtamt und war durch und durch Proteftant; fo erhielt auch feine
Voeſie eine geiftlüche Färbung und einen Iehrhaften Ton, felbft wo fie ſich nicht gerade
auf tirchlichem Gebiet erging. Schon die Ueberſchriften „die Bibel”, „an Luther“, „Luthers
Becher", „der Glaube‘, „bie heilige allgemeine Kirche“, „am Pfingitfeite‘, das er als
der Kirchen Ehrentag“ preift, „Auferftehung“ und viele andere laſſen auf den Inhalt
ſchließen. Doch halten fi alle viefe Gedichte von eigentlihem Dogmatismus fern,
ſprechen überall der freien Forſchung des Menſchengeiſtes das Wort, vertreten bie Ver—
nunft gegen Wahn und Aberglauben und verfuchen eine poetifhe Darftellung der humas
nen Lehren des Chriſtenthums. Immer wieder bringt er auf ein geiltiges Einkehren in
ſich felbft, auf eine Veflerung von innen ber, jo ©. 2:
Soll es endlich beſſer werden,
Sucht die goldne Zeit in euch:
oder ©. 54: Spiezelt innen fi der Himmel,
Muß ein Himmel außen fein.
S. 114:
Zief im Herzen mußt du's haben,
Was befeligt und erfreut.
ähnlich auch S. 199:
Nicht draußen im Strudel verrauſchender Luft
Ermwarte, das Glud Dir zu finden:
Die Seligleit wohnt in der eigenen Bruft,
Hier mußt Du fie ervig begründen.
und glei) darauf:
Der wahre Glauben wohnt nicht in Gebärden,
Kein außerlich Belenntnik ſchließt ihn ein:
Das Streben ift’3, Gott ähnlicher zu werden;
Und Tiebend fid) der Menſchheit Heil zu weih'n.
Auch fpeciell die Altſtadtſche Kirche, bei welcher er feit 1842 als Prebiger ſegens⸗
reich wirkte, gab feiner Mufe Beranlaffung zu gelegentlichen poetiſchen Graüfien. Die
Gerichte: „bie alte Kirche, „der Kirchenplat“, „bie neue Kirche“ und die „Gantate zum
Bfingftfefte 1866° beziehen fih auf fie. Ebenſo ſchrieb er die Zerte zu den lirchlichen
Ruflaufführungen, die zur Feier des dritten Säcularfeftes ber Albrechts-Univerſitat und
der Legung des Grundſteins für das neue Gebäude veranftaltet wurden. Die Schule
lann er fid nicht ohne religidſe Grundlage denken, und fo iſt ihm Dinter, deſſen Jahres⸗
feit er gewöhnlich durch ein Gedicht begrüßte, der Dann,
464 Kritilen und Referate.
der der Jugend zarte Bläthen
Im Gottes Garten fromm gepflegt,
defien „Wen das Gvangelium” war, den man nur „die Wege Gottes wandeln ſah', aber
zugleich auch der Mann des Volls, ver „vor keinem Ordensſtern erſchrad“ und „feiner
Zeit das Licht gebracht· hat. Es gelang ihm vortrefflic bei diefen zum Abfingen bei
der Fefttafel beftimmten Gedichten zugleich der ernften Bedeutung der eier und dem
beiteren Charatter in der Begehung derfelben Ausſprache zu geben und überall die reh-
ten’ Schlagworte zu treffen. — Heinels Patriotismus giebt ſich dichteriſch in Gefängen
zu ertennen, die ſich, überall getragen von einem liberalen Geiſte und männlichen reis
muth, aber andererfeit3 wieder jeden Parteiſtandpunkt in politiihem Sinne ausſchließend,
theils auf das allgemeine deutſche Waterland, dem er die frühere Neichdeinheit unter
einem mächtigen Raifer wunſcht, theils auf Breußen, das „Vorwärts“ foll und muß, und
feine großen Regenten, die Hohenzollern, durch die „Preußen groß und ſtark“ geworden
und denen er mit innigfter Liebe zugethan ift, theils auf unfer engeres Vaterland Preu⸗
ben, defien Geſchichte ihm ehrwürdig ift, das fo viel für Deutſchland gethan, „das Licht,
das es empfangen, dreifach zurüdgegeben”, für Deutichlands Befreiung in den Borter:
reihen gelämpft.hat. Was war fein Lohn dafür:
Für mande Todeswunde,
Für manden Heldenftrauß
Schloß man vom deutihen Bunde
Did) kalt ald Fremdling aus,
Und Deutſchland überzählet,
Mit Stolz die edlen Gau'n;
Doc Preußen — ad) es fehlet,
SH drunter nicht zu ſchaun.
Die Gegenwart erſcheint ihm in ihren Beitrebungen Heinlic, wenn er an bie grobe
Heit zuruddenkt, to die Kreuzherren bier ihr neues Culturreich im Rampfe für das
Kreuz errichteten, und er brüdt biefen Gegenfog faft epigrammatiſch zugeſpitt und nicht
ohne beißende Ironie am Schluß des bezüglichen Gedichts dahin aus:
Die Welt ift arm geblieben,
Un hoher Begeifterung Teer. —
Wohl giebt es noch Herren mit Kreuzen,
Doc keine Kreuzherren mehr.
Weiter aber, als In vielen mehr allgemeinen Beziehungen, ſpricht ſich feine Beichäl:
tigung mit den Tageßfragen nicht aus. — So wie allen diefen Gedichten kirchlichen und
vatrintifchen Charalters ein ſtarkes ethiſches Clement beigemticht iſt, fo hat eine Reife
anderer lediglich diefe Grundlage. Selten nur fommt eine lyriſche Stimmung durcch fih
ſelbſt zur poetiichen Berwertfung; meifthin ſucht der Dichter aus berfelben den Uebergang
sur moraliihen Betraditung, immer ben inneren Menfchen zur Selbfterziehung und Weiter:
bildung in der engften Anlehnung an die Natur auffordernd. Hier offenbart fich feine
Alierthumsoeſellſchaft Bruffia, 466
ganze Liebenswurdigleit und Milde des Urteils, zugleich aber auch die ihm inwohnende
Kräftigleit der Gefinnung. — Was die Form anbetrifft, fo unterſcheiden ſich leicht Lieber,
zum Gingen beftimmt und höchſt fingbar gefchrieben, Gedichte ohne niefen gZwed und
baladenartige Erzeugniſſe. Zu letzteren laſſen ſich zählen „Friedrichs Degen“, „Guftav
Adolph in Münden“, „Luthers Becher“, „ver Dammbruch“ und „vie Eiswacht“. Sie
mürben fämmtlic von größerer Wirdung fein, wenn fie nicht etwas zu weitſchweifig und
wortreich, zu genau in der Schilderung der Situation und zu wenig concentrirt in der
Anlage wären. Auch verleugnet ſich bier meift ein Iehrhafter Grundgedanfe nicht, ſodaß
fi das Ergreifende der Handlung night leiht ganz rein empfinden läßt. Der Vers ift
in allen Gedichten correlt, die Sprache zwar ohne bebeutenden Schwung, aber überall
gefällig und frei von Auswüchſen, der Bilderreichthum nicht groß, aber paſſend verwer⸗
thet. Alles in Allem find wir überzeugt, daß das Bud) nicht ‘nur den alten Freunden
Heinels eine liebe Erinnerung an den Geſchiedenen fein, fondern ihm aud in Stadt
und Land noch viele neue Freunde erwerben wird. Nochmals aljo dem Herausgeber
beften Dan. ©
Alterthumsgeſellſchaft Pruſſia.
Gol. III, 360.)
29. Iuni. (Leite Sigung vor den Ferien.) Als Gefchent empfing
die Gefellihaft von Hrn. Sandrath von Goßler in Darkehmen (duch
Bermittefung des Hrn. Stadtrath Dr. Henjche) einen broncenen Schild⸗
budel nebſt fünf broncenen Römiſchen Kaifermünzen, gefunden in einem
alten Grabe zu Schadumehlen (Kirchſp. Wilhelmsberg, Kr. Dartehmen).
Der Schildbuckel, bis auf die fehlende Hälfte des Nanbes wohl erhalten,
mißt 24 Zoll Höhe und 73/4 Zoll Durchmeſſer mit Einfluß des Ran
des, ohne dieſen Alf, Zoll Durchmeſſer. Die noch erhaltene Hälfte des
Randes Hat 3 Löcher; im zweien ſtecken die Nägel, mit denen ber Buckel
befeftigt war. Im der Wölbung bes Budels Ingen bie angegebenen fünf
Münzen, deren Gepräge durch Feuer völlig zerſtört ift; nur die Buchſta⸗
ben S C (Senatusconsulto) find auf mehreren leſerlich — Hr. Weffel
zeigt eine fchön erhaltene Türkiſche Goldmünze, welche mit mehreren an-
beren Golbmänzen von einem Bauer in ber Gumbinner Gegenb auf ſei⸗
uem Beſitzthum gefunden worben iſt. Die Beſchreibung ber Münze von
fadverftändiger Hand mag hier beigegeben werben“) — Cine aus
*) „Die mir vorgelegte Goldmünze, etwa in Ducatenwerth, a ein tirliſcher
Mayr, Monstsfgeift Bd. U. Sf, ..
466 Weititen und Weferate,
Iufteröurg eingegangene Unlanfsofferte von 84 Stüd verſchiedener Min
zen wird abgelehnt, weil diefelben nur zum geringften Theile unfere Pro
vinz betreffen. — Dr. Reicke legt Zeitungen vor, aus ben erften Jahren
des BOjährigen Krieges, in Königeberger Nachoruden bes Joh. Fabricius.
Eben derſelbe teilt eine Drudichrift mit, bie folgenden Titel führt: „Eine
Warhafftige Geſchicht Wie den 8. Zulij dieſes jetzt lauffenden 1618. Jahrs
ein Magdlein vom einem, geſtaltet wie ein Eißgrawer Mann in deß Teuf⸗
fels Hoffart Stube getragen, und jhm daſelbſt allerley Hoffertige Kleider,
damit etliche Hohes vnd niebriges Standes Perfonen einher prangen, ge |
zeiget, und bie Lente dafür zu warnen befohlen worden. Gebrudt zu
Königeberg im Yahr, 1618." Daran fließen fi Mittheilungen bes
Genannten über Philipp Kayſer (Keifer) oder Eäfar, ben Sten Par
ter ber Altftäbtifchen Kirche zu Königsberg (1669...76 ch, Arnoldt's
Nachrichten von ... Prebigern hreg. v. Benefeldt I, 32); insbeſondere
veclieft Dr. R. ein in berben Anobrüden gehaltenes (Lateiniſches und
Dentfches) Epigramm auf jenen umbeltebten Theologen, von einem Zeit:
genoffen abgefaft, mit angehängter Notiz über Caſar's Lebenswandel,
Beide Stude finden fi) haudſchriftlich in einer Druchchrift Caſars (Ri
wigsberg 1675), Sn.
FondAk von Sultan Aurad III, (reg. 1675...1594) aus Amafia in Kleinaſien. Die
alqhriften lauten:
Av: Der Präger des Goldes, der Inhaber der Macht und des Sieges zu Lande
und zu Meer (ift)
Rev: Sultan Murad ver Sohn des Gelim Chan. Groß ſei fein Sieg. Minze
von Amaſia. Jahr 983.
983 der Hidſchra (1575 n. Chr.) ift das Jahr des Regierungsantritts Murkd dei
Dritten. Auf allen älteren Türtenmünzen findet ſich nur das Jahr des Regierungsan:
tritis des Sultans, Auf den neueren Münzen Sefinnet fih außerdem an gend nem
ſchicllichen Plage das Regierungsjahr des Sultans.”
Mittheilungen und Ynhang.
Urkunden · Funde.
Im ähnlicher Weiſe, wie wir für die „Handſchriftlichen Funde ans
Königsberg” eine laufende Rubrik eröffnet haben, werben wir num auch
gelegentlich gefundene Urkunden mittheilen, welche zu alten Bücher⸗Ein ⸗
bänden verwandt worben find. Indem wir auf zwei frühere. Funde biefer
Art (Steffenhagen Catalogus not..40, Haupt’E Zeitſchrift ZI, 546)
Bezug nehmen, beginnen wir mit bem Abbrud einer Danziger Urkunde.
1 Ein Daniger Seebrief 1448,
Original auf Pergament, mit der Giegel-Stelle auf ver Rüdfeite. Ausgeloſt aus
dem Drudbande 8. 489. 4to der Königl. Bibl, wo bie Urkunde als hinteres Worfegblatt
eingeheftet war. Rechts etwas befchnitten, wodurch nur wenige und leicht zu ergängenbe
Buchſtaben verloren gegangen find, Stellenweife bis zur Unleferlichteit abgerieben, ad
die drei erften Zeilen in Folge des Ginbeftens verſchmutt; durch Anwendung eines de:
wifchen Reagens — ver Giobert ſchen Zinchrr — konnte jedoch Alles mit Sieh
entziffert werben.)
Vor allen vndeltcaliken, de dielfen Breff aean, horen, adder lefen, Bekennen {wy]
Borgermeifter vnd Rathmanne der Stat danczik, mit erbedinge frundlikes
‚grotes vnde vormogen alles gudes, begerende witliken to fiende, vnde tugen
opembar In nd mit deffem vofem Breue, dat Schipper Mathis Neglen]-
dangk, delle bewifer, wnfe medeborger is, vnde dat Schipp, dat he nw
tortyt foret, mit den guderen Aarlone wefende, em vnd vnfen Borgeren
tobehoreth, Bo dat nymandes van huten landes parth, nach deel daran
hefft, denne fe alleyne, Worrmme alle Erwirdige vnde Iruchte vorftefer]
vnde herren Geißliker vnde wertliker achte, ffogede, houstiade, Ridderfe,)
knechte, ‚Richtere, ‚Borgermeilter, -Ratbmanne vnd gemeynde ‚In Stedelu]
Blogen, offt ‚In dorpperen vnd „gemeynliken, ul A J
468 Mitteilungen und Anhang.
guden frande, de myt deffem vnfem breue befocht, ermaneth vnde angfero-]
pen werden, wy mit befunderem vlite, deger frundliken Bidden, dat I[e]
den ergenanten Mattis Negendanck mit {yme Schepe vnd gude dore[h]
ere lande, Stede, hanenne, Strome vnd gebede fredefam, velich, vmb[e-]
fchedeget vnde vngehinderth widder vnd forth theen, faren vnd Begelefu]
Iaten, vnd em In Iynen handelingen vnd gefchefften forderlik, hulplik
vnd byltendich (yn wellen, wor em des to watir, offt to lande noth vnde
behoff doen, ‚dat vorfchulden vnd vordenen wy alle wege gerne kegen
fe alle vnd eynen Itesliken befunderen In fulken nd grotteren faken,
wor my mogen. Im bekentuife der warheit is vnfer Stat Dancaik
Beeret torugg (torugg) hirvp gedrucket, Im jare vafes herren vear-
tbienhundirt wnd Achtvndioerich, am dingefdag na Afcenfio domini.
Zur Erläuterung ber vorfiehenden Urkunde bient eine Abhandlung
von Joh. Ernft von der Linde (f 1721 cf. „Das Gelahrte Preußen‘
1, 170 ff.) „Aurtze jedoch gründliche Vorftellung bei der Stadt Dangig
in .Puncto ber Schiffarth und Außgebung ber See-Brieffe competizen
den Rechtens“, in feinen ungebrudten Opuscula (handſchriftlich in ber
Abnigl. Bibl. Ms. 1954) Pars I pag. 177 ff. (vgl. „Preußiſche Samm-
tung" II, 644). Sn.
Ein Kaſchubiſch · Deutſches Wörterbuh
beabſichtigt Dr. Florian Cendva zu Bukowitz bei Terespol in
Weſtpr. (laut Anzeige vom 1. Zuli 1866 in ber Danziger Zeitung No. 3704)
im Laufe des folgenden Jahres bei d. 3. Bönig in Danzig Heranszuge
ben und erſucht daher alle Kaſſuben und Freunde ver Taffubifch-flowini-
ſchen Sprache, ihn mit Sammlungen von Wörtern unterftägen zu wollen.
Dandſchriftliche Funde aus Königsberg.
Gol. 11, 870.)
18, Preußiſche @efdrichtsgnellen.
Soft gleichzeitig mit dem 19ten Banbe ber Scriptores ber Monu-
menta Germanise (Hanbfcriftl, Funde No. 9 Monatöfche. III, 371)
iſt auch der britte Banb umferer „Scriptores rerum Prussicarum®
erſchienen, in alt bewährter Weiſe von zweien ber drei Herausgeber,
Handjchriftliche Junde aus Koniasberg. 469
Strehlte und Täppen, bearbeitet, Wir könuen den veidhen Inhalt bier
fes Bandes, unferem Plane gemäß, hier nur foweit in Betracht ziehen,
als darin Königsberger HH. benugt worben find.
1) Zuerſt at Dr. Strehlke bei feiner Ausgabe Johann's von
Bofilge (No.IV) von einer Reihe von HH., theild des Prov. Archives,
theils der Königl. Bibliothek, beiläufigen Gebrauch gemacht. Wir bemer
fen beſonders folgende ſechs. A) B) Die beiden Privilegien-Samm-
lungen bes Bisthums Pomefanien (A. 205 und 204 bes Archives),
welche kurz befchrieben (S. 31f. N.1) und zur Befiftellung ver Reihe Po⸗
meſaniſcher Officiale benngt werben (S. 32 ff.). — Berner find zu dem
gleichen Zwede für eine zweifelhafte Lesart in ven Pomeſ. Synodal⸗
. Ratuten v. 1411 drei weitere HH. Yerbeigezogen (S. 32 f. N. 3):
©) Archiv Schiebl. LXV und D) E) Königl. Bibl. No. 93, 488 (of.
Steffenhagen Catalog. No. XXXIL, XXXIM)*) — F) Enplig
aus ben Annales Silesiae superioris, welche auch in ben Monumenta
Germanise abgebrudt find, (Ms. 1150 ver Kgl. Bibl. cf. Mteſchr. III, 371)
: werden ein paar Stellen mitgetheilt (S. 423).
2) Bon Eonrad Bitfhin, dem Kulmer Stadtſchreiber, defien wir
bereits gelegentlich gedachten (9. Bunde No. 5 Mteſchr. II, 658), von
feinem Leben und feinen Schriften, erhalten wir jegt buch Dr. Töppen
(No. VI) die erſchöpfendſte Nachricht. Indem dev Herausgeber in ihm
ben Berfaffer einer Fortfegung zu Dusburg (welche er nach einem
Thorner Manufeript abdruckt) Bis zur Evidenz nachweift, verbreitet er fich
in der Einleitung (S. 472 ff.) auch über bie übrigen Schriften Bitſchiu's,
die uns in 3 Königsberger HH., des Archives und ber Königl. BibL,
überliefert find. Die Schriften find, außer A) dem ſchon mehrfach er»
wähnten und benugten Kulmer Stadtbuch (Archiv A. 78), vorzüglich
*) Die von Strehlke gemachte Bemerkung über die H. an dritter Gtelle (E),
daß „diebiihe Hände“ (ſeit ihrer Benugung durch Jacobfon) fie verftümmelt hätten,
bedarf nach zwei Seiten der Berichtigung. Einmal bezieht fih jene Bemerkung in Wirk
\ihteit auf die zweite 5. (No. 93), fodann aber find die fehlenden Stüde, wie ſich bei
genauerer Unterſuchung berausgeftellt hat, dem Prov. Ardine überwieſen worden
(Shiebl. LXV- No.111...185). Wir vermiflen dieſe Berichtigung. unter den Radıträs
un des Herauögebers (6.727) und ſprechen den Wunſch aus, daß das Verſaumte feiner
dat nachgeholt" werden möge.
40 Vattheilungen und Anhang.
BJ O feine „Libri de vits coniugali@® in zwei HH. ber Kgl. Bibl
Ro. 1762 und 1310), ferner die „Epistola ecolesie deplanctoria*
ımb bie „Exhortacio ad universos prelatos“ eto. (beide dem Werle
de vita coningali in Ms. 1310 angehängt).
Aus dem Kulmer Stadtbuch (vgl. barüber ©. 472, 477) veröffent-
licht ber Herausgeber zur Lebensgeſchichte Bitſchin's zwei Notizen, nament⸗
lich eine Intereffante Urkunde über eine kirchliche Stiftung deſſelben
(S. 474 N. 3, 4). — Im der Beilage zu Bitſchin's Chronik (S. 507 fi)
folgen die „iterärifch bedentende“ Wiomungsepiftel, ſowie geſchichtlich
wichtige Stüde aus ben Libri de vita coniugali*) (cf. S. 472 f., 475 ff.)
uhb aus der gebadjten Epistola (cf. S. 477).
3) Un letzter Stelle endlich (No. VII) liefert Tüppen eine kritiſche
Mndgabe der fräßer fog. Zamehl'ſchen Chronik, die er pafiender, ale
„Vorbild und Grundlage bet fpäteren, allgemein fogenannten Hochmeiftere
RR“, mit dem Namen der „älteren Hochmeiſterchronik“ bezeichnet.
riuter der großen Zahl von HH. find hiezu auch 3 Königsberger bemuht,
von benen bie erfte unter ſämmtlichen HH. ben vornehmften Plag ein,
niiumt: A) Königl, Bibl. No, 1558, der „ältefte und beſte“ ober
(&. 519 f., 639) und darum ber Ausgabe zum Grunbe gelegt; B) Ar-
chid No. 11 fol. (6.528, 638); C) Agl. Bibl. No. 1557 (6.526).
14. Mniverfläts- und Gelehrienleben im Keformations-Beitalter.
Unter obigem Titel (Erlangen 1866. 80) Hat Prof. Muther (früher
in Königsberg) eine Sammlung theils in Roſtock, theils in Königsberg
gehaltener Vorträge bekannt gemacht, von benen bie meiften bereits anber-
weitig (und zwar zum größeren Theile in ben „Neuen Preuß. Prov-
Blättern“) veröffentlicht waren. Unter biefen Vorträgen (IX an ber Zahl)
find mehrere von fpeciellem Imtereffe für unfere Provinz: fo No. V über
Chriſtoph Kuppener, ber feiner Geburt nach ein Altpreuße ift („Pru-
tenus de Lobaw“); No. VII/VIII über Johann Apel und No. IX
über Anna Sabinus, welche beiden durch Aufenthalt und Wirken un
*) Darunter aus ib. VIII cap. 41 auch eine juriſtiſch intereffante „questo“
über das Steuerbewilligumgsrecht der Stände, worin auf zwei Stellen des Decretam
Grasiani Bezug genommen wird (6,512).
Hanbferiftfihe Funde aus Kbniesberg. 471
ſerer Provinz angehört Haben, jener als Kanzler des Herzogs Albrecht,
diefe, Melanthon’s Lieblingstochter, als Gattin des erften Rectors ber
Albertina. Ein näheres Eingehen auf das Einzelne bes vorliegenden
Buches, das ebenfo anziehend gefchrieben if, ale es voligiftiges Zeuguiß
grundlichſter Gelehrfamteit ablegt, müfjen wir uns hier verfagen: mar bie
benutzten Königsberger HH. haben wir aus dem reichhaltigen Quellen
Apparat (worunter auch viele feltene Druckwerke der Königsb. Bibl, )
fowie Urkunden bes Prov. Archives) herauszuheben.
| D Im dieſer Beziehung iſt vorzüglich wichtig gleich bie erfte (vorher
noch nicht gebrudte) Nummer: „Bilder aus dem wittelalterlichen Univer-
ftätefeben.“ Pier findet ſich (©. 7 ff.) mad) einem and; fonft intereflan
tem Coder ber Königl. Bibl. (Mo. 161 cf. Zeitſchrift für RG. IV, 187)
ein fehr bemerfenswerthes Schriftſtück aus ver Mitte des Ihten Jahrh.:
„Ein jehr fehöner Brief von einem dummſtolzen Beanns [Schulfude,
Mofterfcgäler) und einem bemüthigen Studenten.” Die Erlänterungen,
mit denen der Heransg. ben „fehr ſchönen Brief“ begleitet, bieten unter
. Anderem erwänfchten Aufſchluß (S. 21) über ben Urfprung bes fog. Si-
guum depositionis (jegt initiationis) an ber Königsberger Univerfität.
2) Für die Biographie Anppener's (S. 129 ff. vgl. Jahrbuch des
gem, diſch. Rechts VI, 149 ff.) ift eine überaus werthvolle Hauptquelle
eine eigenhänbige Sammlung Kuppener'ſcher „Eollectaneen" in dem
Manufeript No. 34 fol. bes Prov, Archives, Den Werth ver Sammlung,
welche in der Beilage (S. 396 ff.) beſchrieben wird, beweiſen zahlreiche
Auszüge und Eitate an verſchiedenen Stellen der Biographie. Anderwei⸗
tige Nachricht von bemfelben Mannfeript findet mans N. Preuß. Prod.
Blätter 3. Folge VIII, 268 ff. und Zeitfchrift für Rechtsgeſch. IV, 195 ff. —
Ein „Nachtrag“ (S. 406 ff.) giebt Auskunft über Kuppener'ſche „Bami-
lienpapiere“, bie fi) zu Königsberg im Privatbefige befinden.
3) Im der Biographie Apel’s (6.230 ff. ck N. Preuß. Prov. Blät«
j tee 3.5. VIE, 1 ff.) find verſchiedene Manuferipte des Prov. Archives ber
*) Hiezu eine beiläufige Bemerkung. Der feltene Rönigäberger Wiederabdruck
der Defensio A pelli pro suo coniugio (von bem erften Rdnigäb, Druder Hans Wein
reich, 1524), welchen M. nicht hat zu Gefiht befommen können (6.256, 455 f.), ift von
Dr, Reide in ber Gotthold ſchen Bibl. (Ca, 30. 482) gefunden worden.
412 "Rittheilungen und Anhang.
nutzt; außerdem wird gelegentlih (S. 294 m. N. 218) auch bie H. bes
Brachylogus (Ro. 56°) ber Königl. Bibl. Steffenhagen Catal.
No. XLIX) berüdfigtigt, welche mit ber von Apel zu Königsberg ent
dedten H. biefes Werkes nicht identiſch ift.
15, Recht der Preußiſchen Tandfaffen.
Bier Königsberger HH., je 1 der Wallenrobrfchen und ber Stadt⸗
BibL, 2 der Königl. Bibl,, find bemugt in ber oben (S. 460 f.) angezeigten
erfien Ausgabe bes „PBreußen-Rechtes“ (Jura Prutenorum edid. Laband.
Regimonti Pr. 1866. 49%),
16. Stroband's Gedenkbud;.
Mit wenigen Worten verzeichnen wir endlich eine nene Erwerbung
der Königl. BibL, wodurch eine lange verſchollene H. zu ficherer Aufbe⸗
wahrung gelangt iſt. Heinrich Stroband (ber dritte biefes Na
mens), Bürgermeifter zu Thorn, (1657) hinterließ ein „Gebend Buch“,
worin er vom Jahre 1601 bis zu feinem Tode bie wichtigften Begeben-
heiten aus feinem und feiner Familie Leben, fowie ans ber Thorner
Stadtgeſchichte niedergeſchrieben Hatte. Dieſes Gedenkbuch, ſpäter von
Zernecke in feiner „Ihornifchen Chronica“ (2. Aufl. Berlin 1727. 40)
vielfach excerpiert und im „Gelahrten Preuſſen“ (Thorn 1723) II, 165 ff.
furz befchrieben, befindet ſich jegt unter ven Manufcripten ber Kgl. Bibl.
Mo. 1982). Außer dem Stroband'ſchen Gedenkbuch enthält der Eober als
willfommene Yortfegung noch ein zweites „Gedend⸗Buch“ bes vorhin ge
nannten Zernede über die Jahre 1672 bis 1741, mit vielen originalen
Briefen. Beide Werke find für die Thorner Stadtgeſchichte, wie für bie
Geſchlechter⸗Geſchichte der Strobande und Zernede gleich wichtig.
S-n.
Vergebliches Suchen,
A. Franck (F. Vieweg) in Paris sucht antiquarisch:
1 Granau, Simon, Talhmitenus, Chronicon Prussiae, Danzig 1550. [sic!}
fe Boͤrſenbl. f. d. diſch. Vchhol. 1866. No.86. &,1490. [13608.]
*) Nicht 50, wie ſowohl am der angegebenen Stelle, als auch in den Preuß.
Prod. Blättern 1. c. 6.100 durch einen Drudfehler gefagt if.
Univerfitäts-Ehronit 1866. 4713
Univerfitäts-Chronik 1866,
30. Juni. Med. Doctordiſſ. v. Arth. Kittel (aus Bolmin): De amputatione in tertia
femoris parte a Gritti proposita. (32 ©. 8.)
11. Juli. Med. Doctordiſſ. v. Ewald. Hecker (aus Halle): Nonnulla de tuberculosis
pulmonum et aetiologia et therapia. (31 ©. 8.)
— — Phil. Doctordiſſ. v. Otto Ritter (aus Berlin): De Roberti Groeni tabula: Friar
Bacon and Friar Bungay. Thorani Typis expressit Ern. Lambech. (38 6.)
(in engl. Eprade.)
133. Juli, „Bekanntmachung“ der von den Facultäten geftellten vier Aufgaben zur
Vererbung um die von dem Gomitd ehemaliger Univerfität3:Genofien zur Verfu⸗
gung geftellten vier Prämien & 100 Thaler. Ablieferungstermin 24. Juni 1867.
Brämien:Bertheilung 20. Juli 1867.
1. Theol. Facult.: Sanctitatis notio e Pentateucho ceterisque libris Vet, Test,
diligenter eruatur.
2. Juriſt. Facult.: Die Lehre vom Rüdfall.
3, Medic. Facult.: Mit Bugrundelegung von Pfläger’3 Unterfuchung über die
Nervenendigungen in der Glanduls submaxillaris, u. unter Benugung der
von demfelben empfohlenen Unterfuhungsmethoven follen die Nervenverbre:
tungen u. Nervenenbigungen in der Glandula Parotis erfotſcht werben.
4. Bilof. Zacult.: Ueber auslänbifhe Gottheiten u. deren Verehrung bei den
Griechen.
Die 4 hacuitaäten Rellen für d. Bearbeitung ben Gebrauch ber deutſqh. Sprache frei, bis philel.
Facult. verlangt aber, daß bie Belegelen in ber Urfprace angeführt werben.
17, Zuli, Med. Doctordiff, v. Maur. Sigism. Weintraub (aus Ngäbg.): De duplicitate
quadam monstrosa in capite vitulino animadversa. (32 ©. 8, mit 1 Gteindriaf.)
2%. Juli, Med. Doctorbifl. v. Berthold, Benecke (aus Elbing): De vi acidi pieroni-
triei_ physiologica, (30 ©. 8.)
2. Juli, Jahrestag der Cinweihungsfeier des neuen Univerfität3-Gebäudes. Prämien:
Vertheilung an stud, theol, 3. C. Lehmann, stud, med. 5. %. Bille u. stud, math,
3.3.9. Th. Mever.
21. Zuli. Zur. Habilitationsfgrift von Paul, Laband, utr, jur. Dr. et P. P, O, d.:
Jura Prutenorum saeculo XIV condita nunc primum e libris manuscriptis edi-
dit, (22 ©. 4.)
21. Zul. Phil. Habilitationsfhrift von Oskar Schade phil, Dr, P. P. O,: Fragmente
carminis theodisci veteris nuns primum edidit. (17 ©. 8.) [Oratio public de conso-
nantia finali quomodo in poesi Germanorum evaluerit jam die XXIX mensis Ootobris 1864 habita
et (ei. Alte, Mefhe. 1864. ©, 667.)]
2. Juli. Phil. Habilitationsſchrift von Oarol. Hopf, phil. Dr. et P. P. O.: Leonardi
Chiensis de Lesbo a Turcis capta epistola Pio papae II missa ex cod, ms, Ti-
einensi primus edidit, (15 ©. 8.) [er Mitpr. Mtsfär. 1965. S. 280. (81. Märy.)]
474 Mitteilungen und Anhang.
23. Juli. Philol. Docterbifl. v. Herm. Pietksa (aus Gibing): De carminum Hesiodeorum
alque hymnorum quatuor magnorum vocabulis non Homericis. (4 Bl. u. 60 ©. 8.)
3. Juli. Philol. Thefen von Joh. Hübner (aus Barten).
n Phil, Thefen von Alb, Tribukait (aus Angerburg).
m Med. Thefen von Jal, Bloch (aus Wilna).
nm Med. Xhefen von Isaao Bogow (aus Wilna).
"m Med. Thefen von Phil, Thal (aus Schönbrud)).
nn Med. Ihefen von Arth. Wiewiorowaki (aus Hohenftein).
n » Med. Thefen von Sigiem, Wolkowissky (au Wilna).
. Bbilol. Doctorbiff. v. Walth, Frenzel (aus Lych: De Andocidis de pace
oratione, (29 ©. 8.) &
Bibliographie 1865.
(Bortfegung.)
Delter· Kritik u. Abfertigung der Schrift: „ber religidſe Unterrichtsſtoff fr 1-, 2°, 34,
= u. 6ffaflige Boltafhulen in Stadt u. Land, ausgenl it u. uerteit von
Dr, Sactdom, in Gemeinfhaft mit @. Meyer, Baftor, u. jüller, ——
rer,“ vom praltiſchen Standpunkte u. lediglich mit dt, a die_einklaffi ffge 8
f&ule. Eine Denkihrift von J. 3. Delger, ev. Voltsihullehrer. Elbing. mar:
Hartmann. (64 ©. 8.) 6 Egr.
Denekk, Dr. Rn (Lehrer an d. 9 Genen! ſchule in Danzig +), Die große Orgel in
Dliva, ihr Bau u. Verfall, ſowie ihre Reftauration durc den Dige garmeifer derm
3 W. Kaltimidt aus Stettin. Danzig. Homann.) (44 ©. 8
PR, Carl. jun., Ueber den Werth u, die Nothwendigkeit —E KRxebe.
Druck v. E, J. Delkomki)
Döring. Choraltunde in 3 Bücern von ©. Döring, Kol. Muſit. Direct. u. Chrenmtol.
der Aierbändelie, Gate Cantor u. Präcentor ber evangel. Saunticde En
©t. Marien in Clbing u. Sefonglehrer am Apl. Gymnaf. dafelbit. —A
ling. (X u. 5005. m. e. Beigabe: Sieben Hanrice P en )2 ven.
— Sieben Hantide Melovieen aus dem 16, RUSS; ji Sie —
Terten ver jehen. orläufer einer em Se ig ſlawi oeiſtli
——“*8 u. Lieder aus alter Zeit mit Deigi inal:Zerten u, deren deutſchen Ueber:
feöungen, Beinabe zu u ©. Dörin,’s_Choraltunde. Ebd. (8 S. ar. 8.) 3 Ser.
— — 2ieberbud für Zurner u. für Schule u. Haus. Zum 2:, 3 u. — Ge
hrand je eingerichtet u. brap. 2., und mit befonderer Aüdficht "auf Säule, Haus u u
een verm. Aufl. Sing. Neumann:Hartmann. (VE u. 162 ©. gr.
—— rn, litauische Dichtungen. Erste vollständ. Ausg. m. Glossar. Von
A: . Schleicher, St. Petersburg. Leipzig. Voss. (336 5. 2er:8.) 1 Thlr. 18 Egr.
Dal, 4. gr der Chriſt. En Stüd für die Doltsbühne, in 9 Handlungen mit
e. Ka iel Suttg, Ebner. (VIII u. 280 €. gr. 1 Tolk.
gut ae Eersftveribeidigung. ee MH Ditheig. üb. Theater und
Cie, Ps Sara u. die Kindertaufe. Gin Hirtenruf an die Gemeinde von
. Jul, Friedt. — Ebrhart, Pfarrer_vder Culmer Amtsniederung in Weftpr.
Cal Gebr. bei C. Brandt. (1 BL. u. 18 ©. gr. 8.
Dr. Otto, De cohortibus urbanis imperatorum Romanorum. Accedunt ti-
tuli cohortium urbanaram. Dans, Anhnth, (24 ©. 4.) !/s Zhlr.
— — Zwei epigraphische Untersuchungen. I. Die Procnratores jure gladü der
römisch, Kaiserzeit und die Veränderungen in der Verwaltung der früher pro-
Bibliographie 1865. 475
saratorischen Provinzen, II. Die Procuratores castrenses der römischen Kaiser-
zeit. [Nene Jahrbüch. f. Philol. u. Paed. 91. Bd, 2. & 3. Hft. ©. 197—213.]
Ellendt Gymn.Dir. Dr. —2 — f. d. unterſten Klaſſen der, Gym:
nafien. ib. N v Sul, Mit: Alphabet. geordnet. Wörterverzeihni von
Oberl. Dr. . Gebr. Bornträger. (X u. 192 u. 686. 8.)
Sana si = ne, a. U Sitde geordnete Wörtevericnib
— Daſſelbe. it ge der geort rzeichniß von
Dberl. Dr. €. 5. ®. Müller. Ch. (X u. 192 u. 68 ©.)
— Georg, De Hagenos — getiom civitate Palatina. Kgsbg. (Schubert &
Seidel.) € gr. 8) 5 Xp
Erinnerungen aus dem Leben Fe "findifchen Miffionars (aus Oftpreuß. gebürtig).
Halle. ride. (VI u. 470 ©. 8) 1 Zhlr. 712 Gar.
Erienife eines 2 areußifen Rt Kaufmanns während des MWienſchen Aufftandes i. J. 1846.
re: zb oten.
v. fen, Aus a Bentibrit ib. d. Anlage, v. Nuntefrüben:Fabriten im Weichſel⸗ Nogat⸗
Verbbig. des Comite’ a weldes am 22. PET cr. zu Marienburg
tagte, euer. (Danz. Drud dv. A. W. Kafemann.) (8
Fabiani, ks. kan.K,, Kazania na niedajele ealego roku dia A] JJ. XX. kaunod-
ziejöw na nowo do druku podane przer ks, E, Biernackiego. Tom I. Brodnica,
C. A. Köhler, (374 ©. 8.) — A
Fahle, H. (Oberl. in Neustadt in Westpr.), \Aphoristische Bemerkungen üb. d. Un-
terricht in der Mathematik. [N. Jahrb. f. Philol. u. Paed, II. Abth. Rd, 92,
Bft. 4. 6. 181—194.]
Fasbender (Professeur & Thorn), Construction du carr6 dont les cötds passent par
quatre points donnds. [Archiv d. Mathem. u. Phys. hrsg. v. Grunert Theil 43,
Bft. 4. ©. 472. 473]
Foläng, der, von 1859 in Italien, bearbeitet von einem preuss. Offizier. III, Theil.
Hälfte. Mit e. Plane in 1:50,000 Maasstabe. Thorn, Lambeck. (X u.
& 175-647.) cplt, 62/s Thlr.
ve Ro. 4 der vollswirtbfhaftl, Arena. für Oft u. etereuben, Wirtbſchaft⸗
übe Beradtungen üb. d. preuß. Sttöhaushalt3-GtatSentrourf für 1865. Danzig,
Verl. B. Rafemann. Sa N9.5. Zur Arbeiten ka. ie. Ebd. (14 6.8.)
Er — ee Seh. u Genehunde, un mir Eng urn Dr jen,
t, Preuß, Lv. Rante u. Kiel dregz m. Prof, Dr. do br.
ech — le Rn and Auerthine Afige im ekemal, Franzis
a; ut ), jen zur Kunſt- un tt ums‘ —* a ebemal anzii ar
tag u. zu der mit dem —X verbund. Unterrie rgieſtage —— *
win dem — — DOber-Bürgermeifter, Geh.:R. v. Winter. Danzig. hut in in
omm. (
Sriedländer, Prof. Cow., Darftellungen aus der Sittenpefeicte Roma in ber Zeit von
Auguft bis zum Ausgang der Antonine. 1. Xheil. 2. verm. Aufl. Leipz. Hirzel.
(XIL u. 398 ©. gr. 8.) 214 Zhlr.
— — Moeurs romaines du rägne d’Auguste & la fin des Antonins. Tradaction
libre faite sur le texte de la 2° &dit, allemande, avec des considärations
rales et des remarques, par Ch. Vogel, membre de la Bocietd deconomie poli-
tique de Paris. Tome I, Paris. Reinwald (XLVIII u. 436 ©. 8.)
Frievcie, Privatdec, Dr. Ernft a — Das — hohe Lied — od. vielmehr
ai tell}
das Be Feomatin mit” parc tjh aus dem Hebrälfchen ins Deut-
Ice Mdrud aus d. Altpr. Misicr. Apsbg. Br. 866. (865.)
en . D. en & Geidel. (2 Bl. u. 54 ©. gr. 8.) 23 Thlr.
—J len DE Be
sun Rud. Beil Bel EN len, Ste beachtet Lfa. 1. Neuſtadt.
Weſtpr. "Berl’v, v. 9. Bram! rg (Th. Anhuth in Danzig in Comm.) (IR u. 596.
diuec PA Ein Wort für die Verordnungen 1. Juni 1
2a. Full 1a u — — Yen — re Be in bürgerl. —E
416 Mittheilungen und Anhang.
Genthe, Herm, (in Memel), Zu dem Berliner Scholiasten des Lucanus. IN. Jahrb. f.
® Bar 1 eh Ba, 3 Aft. — —— hi Hufenft wer
ersdon Waſſerbau· Inſpector) Nachweilung des biäher. nftandes u.
bisher. Deiclaften für Di einzelne Drtfchaft Im ont Del Aufftellg-
des fünfig, Deichlatafters u. Berechnung der etufüoen Deidlaiten. (dat: Narien
‚burg, d. 1. Sept. 1865.) (Danzig. Drud v. A. W. Kafemann.) (10 BL fol)
fänge z. Einweibun, des Tempels in a nlerinlet am 2, Elul 5625 — 18.60
tember 1865. Tilſit, gebt. bci J. Reyländer. (8 ©. gı
Giſevius Otto, alt Sandrath bes Kreifee — Sn — auf die Denhchrin
des Comitd'3 in Thorn: ee iſt die Cifenbahn po: önigeberg (Bartenftein) am
fopnellften u. stiften berzuftellen?“ Allenftein. der. bei U. Harih. (28 ©. 8.)
Glat u Huo Brig er v*ᷣ feine Dichtungen. Berlin. Th. Lemle. (Vu.3116. 8.)
It. eleg. geb. 11, lc.
But, gabehüber für a annlächd. und Gtaatörifienihaften. Hrsg. von Prof. Dr.
Ölafer. 12 52fe. Di au IV. Jahrg. 1865. ar. 8. Berlin. Erpeb. & Bd. 3 Xhlr.
— — Bf. Dr. 3% Grhebung des rbeiterjtandes a wirfäcfl, Seht:
ftändigfeit mit nern Radhät auf die Verhältnifie in ‘Preußen.
« alten | im Berliner Buchbrudergehilfenverein. Berlin. Gelbitverl. 4 © [9
12.
-—_ Nebtlihe Benenten, betrefi. die Anfprüde auf Sucel in bie Seripgtbäner
Salem leswig u. Sauenburg. [Abdr. aus d. Jahrbüd. |. Geſeüſch⸗ u. Staats:
TER — u gl 2er.:8.) 2 *
— der Wirthihafts:Verhältnifie vi! den Griechen. [Abor. aus
So N ——— —8 Kelch bass. vr Dr. 9. 0 tofhmidt
ol mi eit 14 ſammte ni rei rög. v. Dr. Ll mi
u. Dr. P. Laband, Proff. ‚yur® 4. Hfte. Na Enle's Berl. gr. 8.
3 Thle. 18 Spr. IX. Bb. 1. Hft. Bi.
— — Üeber den Erwerb dinglicher Rechte von dem Nichteigenthümer u. die Beichrän-
HA der dinglichen Rechtsberfolgung, inbefondere nach handelsrechtl. Grundit
dr. f. d. gefammte Holöredt. dd. vn, ©. 225—343. Bv. IX. 6. 1— YA
PM Dr. (in Kgsbg.), Bericht über die Leistungeu in der speciellen Anatomie.
[Canstatts Jahresbericht über d. Fortschritte der gesammt, Medio. im J. 1864.
Bd. I. Würzburg. S. 117-126,
Gott, Beounil 2 Das Intewen und die Kneip · Genies. Berlin, 866. (865.) ante.
Spielberg, ad Dinmel u. Höllenfahrten eines Kleinſtädters. Leipzig. Luppe.
(vit u. 64 ©. 8) 9 Eat.
v. d. Goltz, Lehr. Dr. — "Baumeister W. Kinzel, ländliche Arbeiterwoh-
nungen od, Darstellung der Nothwendigkeit o. Verbesserung der ländl, Arbeiter-
wohnungen nebst Vorschlägen u. Zeichnungen zu il —** Ausfüb-
rung, Gekrönte Preisschrift, Kgsbg. u. it, Theile's Buchh, ©. 2er.
m. 21 Steintof.) 1/g Thit
— Aa alt
Bel Ba mi Do — *
a — — —— — aufge Ba ur el w 5 sn igen. (182 24
-- Sebantenbarmonie aus Goethe und " Säilter. Lebens: u. Weis! ——
deren Werten. Ihrer durd daß Leben und die fittlihe Tr [4 8 aan
Yarbendr. Silben 6 d. Jules Vogel. 3. weientl. verm. u. verb. A Er
Br Amelang._ (X u. 302 ©. 8.) In engl. Einb. m. — 22 Ihlr.
— — Unfere Zeit. Deutii de Revue der Gegenwart. Monatsſchrift zum Converfationd-
Serilon. Neue Rau Delme es % ae Ru Sertihall: Ru Jahrg. 12 Hefte (a5 Be.)
_ & Heft
lätter für literar. este, 38 v. Bub, Soitidell Jahrg. 1865.
52 Nm. Ch 2 By.) ob. 12 Die. gr 4. Chb. 10%
Graf, Mar (as Shroeh), De phthisi tuberoulosa ehren Die, inang, med, Berol.
(32
Sregorovius, Ferd. Geſchichte der Stadt Rom im Mittelalter. Vom 5. Jahrh.
— a a ah. de
17 t.)
Biblioaraphle 1866. 417
wind, Ferd. Wandeı in Italien. Bo. III. Siciliana. Wandern Neapel
—— *7 — —— (X11u.396 6, 8.) Perg Ser.
im engl.
Sromate —E rutawota prie Aug. Stobbe i Klaipẽdoj.) (4 €. gr. 8.)
Gronau, Prof, J. F. W., Theorie u, Anwendungen der hyperbolischen Functionen,
vornehmlich Bestimmung d. Widerstandscoeffcienten aus Fallversuchen, [Ans
d. Schriften d. naturf. Gesellsch. z, Danzig f. d. J. 1865 abgedr.] Danzig. (An-
hath.) (80 ©. 2er.8. m. 1 Gteintaf.) 2/s Thlr.
Grünhagen, Dr. A. in Kgubg. i/Pr, Bemerkungen üb. d. Summation von Errej
in der Nervenfaser. [Zeitschrift f. rationelle Medic. hrag. v. Henle u, Pfeufer.
3. Reihe, 26.Bd. 1. u. 2. Hft. Lpz. u. Heidelb, S. 190224.
Haase, Eug.Ern. (aus Tilfit), De febri scarlatinosa Diss, inaug. med. Berol, (32 ©. 8.)
Hagen, A., Sendſchreiben über die Madonna della Sedia an Sem: Weigel. Mirco
f.d. geichnenben Künfte. Hrsg. v. R. Naumann u. R. Weigel. 11. Jahrg. 2. Hft.
Hagen, (Geh. Oberbaurath Dr.) G., Handbuch der RA ei Ag 3. Theil, Das
Meer. 4. Bd. A. u. d. T.: Seeufer- u, Hafen-Bau, 4. Bd. Mit e. Atlas von 9K
in Fol, u, e, Inhalte-Nachweisung der 4 Bde. Berlin. Ernst & Korn. (I
398 ©. gr. 8.) 42a Thlr. (II: 42 Thle. 28 Egr.
Hahn, Car. Max Bug; (au8 Ortelöburg), De carcinomate uteri, Diss, inang. med,
Berol, (32
Sannemann, €. RR Golzhandler), Cubit-Tabellen für Bretter, Bohlen, Mauerlatten,
Ballen ı. Kunpheh. Danzig. C- Doubberd. Drud u. ADB. Rafemann. (64 ©. 8.)
eleg. 9
Sar.
-—o Gäbittellen für runde Höher in ganzen u. halben Zollen u. nad Umfang.
Ebd. (6.45—64. 8.) eleg. geb. 10 Sar.
’s v. Holdrangen, Hochmeisters des deutschen Ordens, Bericht üb, die Ver-
einigung d. Schwertordens m. dem deutsch. Orden u. üb, die Erwerbung Liv-
lands durch den letzteren. Hrsg. v. Ernst Strehlke, [Abdr. aus d. Mittheilun-
gen aus d. Gebiete der Geschichte Liv-, Ehst- u, Kurlands.] Riga. (Kymmel,)
(29 ©. gr. 8.) 6 Sr.
Heermann, evang. Alanıer u Neuteich, die Arbeiterfrage in unferm NKreife. Vortrag
gehalten 3 der Sigung des —e— Vereins zu Reutel am 10. Jan. 1865.
Heiden, Dr. Ep. (Lehr. an d. landw. Alav. in Waldau), die Phosphorfäure in itren
Beiche Sandwirthicaft. Hamm. (Berlin, Grote). in u. 136. 91.8.) 18 Ser.
Heidenhain. Studien des physiologischen Instituts zu Breslau, Hrsg. von Prof. Dr.
Bud, Heidenhein, Hft, 3. Leipz. Breitkopf u, Härtel. (183 &. gr. 8. m. 2 litb.
N sebi Kasbg., Gedrängte Uebr it der vaterländ! Geſchichte,
Gen a Fat
Breuß 4 das Volt u. die Jugend. 13. verm. uf Kasbs. Aug. Wilh, Unger.
———
——z—8 von K. 5. Bartiſius) Kasbg. Drud von €. J. Daltonsti.
Alliın, F, H. Th,, Beleuchtung einer Beurtheilung der Philosophie Herbart's
vom vermeintlichen katholisch, Standpunkte, [Zeitschrift f, exacte Philos,
Bd, V. Hft, 3. Lpz. &.312—331.]
Leander, P. J. H., Framställning och Granskning af Herbarts filosofske stand-
punkt. Äkodemisk Afbandling, Förra Häftet, Lund, (137 ©. 4.)
Oscar, Docent vid Universitetet i Lund, Om Betydelsen af Herbarts
philosophiska standpunkt. Akademisk Afhandl, Lund. (39 ©. 4.
Sevelte, — —A— au Bartholomäi, der Herr hilft in der Noth gelbe u. der
Seele. Brebigt gel J am Sonntage Latare 1865 üb. das Enangel. Joh. 6 1-15
Inder Satz #7 St. Bartholomäi. Auf aurzlangen zum Drud gegeben. Danzig
mi
Sue, 9, dei elndee Stel as dem Chwntilgen, Ryäbg, 864
er, ii ner el r (verbrudt
865) Hübner & Map. Ye 16.) u: ” vr
&
«78 Mitkalamam a) Aahano.
Veriodiſche Literatur (1868).
1 wi talblätter, Delöner. R. 3. 5. Jahre
ET ——
ud Veribekhr [5 to. Breslau währd. d. — v. 1806/7, — Ei =
en Ban Ma 5 Se, Deine, Menapte Kir
er u. die Leute, empor
altes dem Arthur Zur. van — ailenhaus, ua. Öeneral Buld.
PRER Eine theure Geld. d. heimathl. Gaunerd.
ei, geb —8 d. —— ee Brief des Lehr. Knorr i in
jacot — an Schlefiens ang. —2 Th, Delöner, d. jhlei.
rein in 25j. Belteben. Sul. — IT: ee:
rat v. Rector Dr. Bad Fü Turnens in d. Land⸗
faul. Schle."— R. Dreiben, One ung’ oltei’8 Briefe an
Aug. Rablert. ab ‚Del Sner, Bertermann, Schneider u. Dichter, *8 e flieg.
Blatt aus d. Befr, d a v. fr. Rüb3. mitgeth. v. Schmidt.
+ R. Hof d. Grabmal d. J N inet Strujde,
Kai Eileen Bat Aushe — De net, Repra ve — al
— an n, Anregungen, Antworten. — Lit: Bea Bur Ehronit
u Saufen Brieflaften. — Anhang.
Schriften der Kgl. physikalisch-Skonomisch. Gesellschaft zu Königsberg. 7, Jahrg. 1866.
1.Abth, Kgsbg. In Comm, bei W.Koch, (VII, 130 u. 11&.4. 2. mit Zafı 1-11):
Verzeichn. der Mitgl. am 1. Juli 1866. ©. I-VII. Versei der in Brom-
berg’s Umgegend wild wachsend, phanerog. Pfanzen v. L.Kübling. &.1--2.
Bericht üb. d, Versamml, des preuss. botanisch. Vereins in Tilsit am 6. Juni 1865.
Vom Vorstande. (m. Taf. 1.) ©. 30-66. Metsorolog. Beobachtgen in Crans
v. 15. Juni bis 20. Sept. 1865 angestellt u, mitgetb. von Dr. med. G. Thomas.
S 67-70, Vorbemerkungen zur geologisch. Karte der Prov. Preussen v. Dr.
rendt. (m. Taf. I.) ©. 71-80. Beitrag =. preussich, Ornithologie von
Pro G.Zaddach. 6.8184. Zweiter Nachtrag sum neuen Verzeichniss der
Preussisch, Käfer Königsberg 1857 v. Dr. Lentz. 6.8598, Dritter Nachtrag
su Mollusken-Fauna Preussens v.Dr.A. Honsche &.99—106. Die Bernstein-
en u, ihre Gewinnung v. Dr. G. Berendt (m. Taf, III.) &.107— 130.
—E £.d. ã. 1866. ©. 1-11
—— Hochmeiſt. d. deutſch. Ord, Bericht üb. d. Wi . de
ee Sie Drben u. üb. d. Errvecbg. Linlands durch denielben;
Be, v. Strebike. [Mittheil . aus dem Gebiete d. Gesch, Liv-, Est- u.
hrag. v. — f. ichichte u. Alterthsk. d. Ostsee-Provinzen
Russlds. 11.Bd. 1.Hft, Riga, 866. Kymmel, (Leipz., F. Fleischer]
Bättnen, alt, 5 Zeremnioo · des 3 Moländ. Scähwertbrüberord. mit — Ord. [Ebd
Betutlife ver Alpe theile des Ngl. 3. 1866,
wie fie am Sage IR der —— ein Em. ih. 3. I. ok tg. Bei
zu 167 u. 168. — bis zum [i eingegang. iſt. Vr. Sits⸗An—
seien. 188. a
Berluftliften der Fe Gomer, fomeit fie ar —A u uf.
ET Ha [{ 173—174. bis ’d. Ertrabl. v.
KR Ar Nybegh
de3 Dammmildes in % Seo, Breußen. erh Seen brög. ©.
Die — a ah Diferfüte betreffo. [Danz. Amtsbl. 18. 19. Preuß
SE ber In benfien gb Kinder. Aus; as > de
RES CHT
22
Veriodiſche Literaten (1866). 479
3 1864 . . .
3. De a Ri 3 d. a Sreufen). IAmtl. Mittälg. d. Kal. Konfit. zu
ER in dam) Entwidig. der Tandw. bild, len im
* Senfralfelte währb, d Pinters fer —X forſt ·
J
wii * : Bunt. Derfät Tg (Beil.).]
Die —— Benuß. Irland: Eanals. [Rodbg. Amtsbl. 26.
erlebt auf d. Be Eanal in 1865. [Breuß. Holsarchiv. 1. Hälfte. 6. ©. 158.]
PS Dentler, die Kämpen zw. Rogat u. Weichfel. [Ölobus. 10. Br. 6. Lfg.]
Echwes, 1. Juni. (Weber v Deicverhältniffe der Schweg-Reuenbu ger Biiperung.]
[&raud. Befellige. 68.1 Inſerat v. Ed. Krüger-Gr. Sanskau (ergebe u. fachge:
mäß. Entgegnung auf obit — ttitel.) [Ebd. 79.]
Summarifde ie Ueber, aus d- Sat nung en d. Den: StädtesFeuer-Sozietät in
dv ya —— u Sen ed —8 ihen u. Gumb. Amtsbl. 26.]
9. Be3.
Dr.
Feuer-Societät in d. 'arienw. u. Danz. pro 1866.
Di — Egsba. (Ende — * Spartafl. u ar.
ie jen im 5 parlaſſ. m. r.
—e— Gyr :hlr. “2 Ktasbg : 92 Ihlr. Memel: 187,407
Er Thlr. Raftenburn: 14,470 Er * I Spartofenbäih. find im
11010 ER in Einlagen bis —2 bis 50 le. 2677, ete
Thlr.: 1000, über is Sinn. Die Bzinfg. erfolgt zu 3, 3"
Kl Er) (Ab, Mtsbı. 25 Ha rt u 3 Sa
. 26.)
fe fammelt v. A. ©. — (Die Seejungfrauen im Teiche bei
Rotalna. Tlntgattg. d. liter, Stränge. 1
© in n Sur m In. Srhanun fit. (beit. d. Me im Aufte. d. Evang. Dbertichenzath
art, det in Driels —8 bei E. Lambed 9 Thorn erſchien. Ausg. d.
Lofle des Sam. Dombrowsfi,) [@v. Gembebl. 31.)
Grinnerung a era 1—IV. [Braunsb. Kreißbl. 7. 11(Beil.).
Eulm, 12. Juli._(Ginweihungs:Seier, des neuen Lehrgebäudes des el; me
Die und 1 Eulm 9 . U. “ vn 1866.) — — Kir A or
ftgßfeier d. Danziger, Deaierung, (1. Juli im Saft ee ie Kal.
Er h Sing Verleſung d. Cifigen tt. Kabinets Ordre v. 14. Apr. 1816, An:
ade a, es, v. Britteib; si Grill I; des vom ai ——— — Bildes
9. €. * elri⸗ Erinnerungs
Kon. Pe feit d. J. "1Ei6, * ER ey we eb 8) [Danz. Btg. 3698.
Weftpr. Ste. 150. cf. Band: u.
Handels 8 — aus ut Th Kharcio. 1. Hälfte. No. 6. 8. 9,
Der Handel Danzig in Bezug auf d. Landwirthſch. [Rand- u. forſtw. Btg. d. Prov.
General» — der Ausgaben d. Stadt Danzig in Contributiond:, Requifitions: und
and. Ungelegbten v. 38. Mai 1807 Be Er ha 1813. (ca. 40,746,538 Danz. Fl.
== 10,186,633 Aue) ‚an. a
(Bericht üb. d. Berfammi. hercbfehunde 15. mi in d. Räumen des Frans
eis ofters zu En und d, Anfprade des Bildhauers Freitag. Weſtpt.
dur Erhaltung der Kunſtdenkmale Danzigs. [Danz. D . 141.)
En Be Die (von Kaltihmidt aus Stettin) reitaurirte Orgel in r Lok. kolaikirche
ırzmöndenlicche") zu —8* Btg. 3724. vol. Weſtyr.
War B-
176]
3 ögefellfg. ( 2 fi . 1816 t. d. B
8——
Ausz Eu Ge des zeit. Sa —* b. Seh v 50 "im:
Handel. u. Gnverheberichte kur Cie, —— Asarqiv. 1. Hälfte. 5. 12. 92.
Infter! Aus d. Jahreöber. d. olklanımer erburg pro 1865. [Infterdg.
—8 Oeherbeberiäte aus Kgöbg. [Br. Hdlsarch. 1. Hälfte, 7. 11, 14. 21. 25)
480 Mittheitungen und Anhang.
Ein u. Ausfuhr von Kgsbg. im J. 1865. IChb. 10]
Dr. Hagen’d Vortrag (ind. ee le — v Fr Yu üb. d. Refultate der
am 3. Dec. 1864 in Kgsbg. vorgenommenen Boltszähl |. der in Ber:
lin gewonnenen Refultate) auf Grund der von Alle er N oe gefertigt. Zufam:
menftellung der Zabellen der Bählg. v. 3. Dec. 1764 in Kasbg. [Kgabg. Hartgfhe
Sta. 172. Oftpr. Btg. 174 (Beil).
dls u. Gemerbeberichte fr Memel_ (Preuß. Holsard. 1. Hälfte. 6. 9. 13. 17.)
Glodenweihe in Mohrungen (am Pfingitieite 20. Mai 1866. 1er Gewdebl. 25.)
dls . u. Gewerbeberihte aus Thorn. [Breub. Sekard, 1. Säle 6
.: U. Oeneräeheriäne aus zum 1Cbv. 1. Hälfte. 6. 9. 13. 17.]
— Kosbg., 26. Juli. (Beriht üb. den von Zaue, Beliper der Finnauer Mühlenwerke
bei Wehlau unt. hen Mühen u. Defern ca von 20,000 Zhlr.) unternommenen u.
2%. Juli fertig gemord. u. feier, eingeweiht, Ren bau der Pinnauer Schifffhleufe.
1pr.Litt. Ztg, 174. cf. Dftpe, Big. 175.]
Die Gruppe v. Reinhold Vegas: Venus tröftet den yon einer Biene geftochenen Amor.
[Unfere Zeit. N. 5, u —* Bd. 13, Hft. ©. 781
Boyfd (in u), Au innerung an Borowski. [Ev. erg 3]
tor (in Jubitten), Er — ie Erinnerung an Borowoti. Ebd
Zum serie Borewätis. 6 a Carmen des Pfarr. Dr. —E ri d. trage
A — — gep abilch. v. B. am 17. Juni 1880 zu fm. 9Mjähr. Geburtstage
mei
5 aus Dinters Neben. 1. (Der Bolksſchulfreund. 12.]
Fa Bericht über d. Heg Amts jubildums⸗Feiet des Direct. des in Danzig
Dr. — ngelbardt am 2. Juli 1866. [Da: ‚atg, 9698
Hafenom, ariihe Chculargebähtmif, 1. Gottjſched 1 feine attin. ESonntan
— X — N. 3 na. def Al. 1 J Eit bart
il in Urtheil al üb. d. nad
— f. exaote Philos. Bd, VIL, HR. 1. BE: 4 de
Salar ee + ekeolog.) ID Dftpr. 1 öde ef Mitge, nn
tel_von, me Karihin“ an effner. Mit von Dr. ide.
ef. Provinzialblätt. Juni. ©. 354 ° ei
&
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Mitgetheilt von °
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Bortfegung.)
2. Bie Banberei und die Berfeguungen. .
Das. Perfonale, welches die Vermittelung zwiſchen ber ama den
Menſchheit und den dunkeln Mächten beſorgt, die Waidelotten, Signoten
und Zauberer haben ſchon Lucas David und bie beiden Meletins "im
ſechezehnten Jahrhundert treffend gezeichnet. Durch alle Jahrhunderte fort
hat ihr Geſchlecht ſich erneuert. Im einem Viſitationsreceß ber Pafiehhei-
mer Kirche von 1667 (in ber Kirchenregiſtratur zu Paflenheim) wird um-
ter andern gefagts „Man weiß in der Gemeinde von feinem Zantler. noch
Wahrſager, aur Eins Schawitza wirb wegen eines Segenſprechens ange
geben, hierauf vorgeforbert und bei großer Strafe ermahnt, ſolches hin⸗
fort nicht mehr zu treiben.” Der Segenöfpruc war den Aften beigelegt,
iſt aber feider verloren. Bon einem Verſegner zu Friedrichshof um 1741
war in ber Mittheilung über die weißen und kalten Lente bie Rebe. Um
1756 war das Berſegnen nach Piſanski (No.24 8.12) bei ben Landlen⸗
ten hin und wieder, wo nicht offenbar, doch heimlich, in Webung. Zum
Biehfegnen, fährt er fort, laſſen ſich mehrentheils päbftliche Beſchwörer ge
branden, die wohl ehe auf Untoften einer ganzen Intherifchen Dorffchaft
dom weit her zu biefer Handlung geholt worden. Bor etwas mehr, ‚als
zwanzig Jahren geſchah ſolches im einer namhaften Gemeinde biefes Kö⸗
nigreiche, als in ber Nachbarſchaft vefielben Dorfs ſich eine Senche unter
bem Bieh äußerte. Die Sache warb verraten und die Schuldigen mühe
tem deshalb anf Befehl der Oberen wegen biefes geaehnen Aergerniſſet
Mayr. Monetsigeift Ba, TIT. Of 6.
482 - Werglaiben and Bafuren
öffentliche Kirchenbuße tun. Die Prediger gaben fi babei alle Mübe,
ihnen bie Ungereimtfeit und Sundlichkeit ihres Verfahrens vorzuftelien, und
es ſchien auch, daß fie durch den erhaltenen Unterricht davon wären über
fahret worden. Allein ber Erfolg, nad) welchem dieſe Art Lente bie Eitt-
lichteit einer Hanblung viel fidjerer, als nach ben bünbigfien Beweisgrän,
den zu beurtheilen glauben, mußte fie in ihrem Irrthum beſtärken. Die
Seuche räumte das Bieh in der rund umher liegenden Gegend ſtark auf;
ihr Dorf Hingegen blieb verſchont. Was aber das Merhobigfte war,
fo fiel zwar ein einziges Städ in demfelben, aber eben dasjenige, fo fich
dajumal verlaufen Hatte, als mit ber äbrigen verfammelten Heerbe bie St |
nungsceremonie vorgenommen warb, und welches alio ihrer Meinung nach
Beinen Anteil an dem Segen hatte, Hier war es nun ben unsmfllß |
lichſten Borftellungen unmögliih, etwas anszurkhten,“
Und gegenwärtig noch giebt es Waibeler, Signoten, Zauberer, Zant
ler, Wahrſager, Berfegner, Hexen oder wie man biefe Leute fonft nennen
will, in Menge,
Bronen, die rothe Augen haben, befonders alte, find fhliimme Leute; |
He Tönnen hegen, und vor ihnen nimmt fi Das ganze Dorf im Acht.
Im jevem Dorfe giebt es eine oder ein Paar Perfonen, meiſtens
Grauen, aber oft and Männer, die in dem befonderen Ruſe ficken, bie
Lunſt des Berfeguens zu verſtehu. Es find oft gebrechliche ober fonf durch
Beperliche Schäden auffallende Berfonen, in K. bei Hohenflein 3. B. iR es
ein Zwerg. Gie leben meift im bürftigen Berhältnifien.
Oft wird ihre Hüffe ganz fo, wie Piſansti vor mehr als Hundert
Iahren ſchildert, von einer ganzen Dorfiihaft ober von mehreren in An-
ſpruch genommen. Ws es noch Gelammthätungen gab, wor 68 Regel,
Dah das Vieh zu Mariä Verkündigung, Matka bota (25. März) ange
trieben werben mußte, die Witterung mochte fein, wie fie wollte, wenn
auch nur auf eine Stunde. Daun mußte die Heerde gegen ben Wolf and
gegen Krankgeiten verfeguet werben. Hiezu wurde eis Mann, ber bies
werftand, für eim oft recht auſehnliches Honorar beſtellt. Sobald es am
taz, ging er um bie Heerbe herum, ſprach feinen Gegen, und ſahr baum
ſhleunigſt weiter, wenn er dafielbe auch noch an andern Orten zu tum
Yalte, wie es gemähmfich der Fall war.
von Dr. M. Tewven. 488
Für dieſes Gefhäft fo wie für ſchwerere Kranlheiten bepurfte man
eines befonhers erfahrenen, gewillermaßen eines Oberzauberers. Von bie
fen Oberzauberern, ſchreibt ber ehemalige Pfarrer Zrolczyl iu Nurken (ie
ewangelijchen Gemeindeblatt Jahrgang 1857 No. 50), welchen färtere bäfe
Geifter zur Verfügung fiehen, nietmt man in ber Regel as, daß fie nic
bezaubern, fonberu nur entzaubern. „Jedoch ift mir, fährt bexfelbe. fars,
auch [hen von ſolchen erzäpkt, die ipre Macht nach beidan Seiten Hin am
menben und zwar den näher Wohneuhen zum Schahen und ben autfern⸗
ten zum Segen. Sie ſchaden auch ſolchen, die ihnen ‚geringe Geſchenle
aber keine bringen. Wer van felden Zauberern mit riney Kranlhait be⸗
bert iſt, der ift übel daran, Gr muß bann oft.1Q bis 15 Meilen zu
einem. befonders berühmten Zauberer hin, befien Ruf größer if, ala ber,
der ihn behert hat, Die Lente wiſſen auch viel von dem heftigen Dial
gen zwiſchen den dienftbaren Geiflern ber beiden Zauberer zu exzählen,
Gewöhnlich finden dieſe in der Küche, und am beften um Witternacht, ſaußf
auch vor Gonnenanfgaug und nad Sonnenuntergang ſtatt, mo bie Be
fpreiungen in der Regel vorgenommen werben. Im Meipeuburger reife
find ſolche Zauberer anſaßig, fo viel mir helaupt if, in S. (Kirchipiel
Soßan), in G., einem Vorwert vor 3. (Richipiel von Nqufchten), iu G.
(Rirgfpiel Jedwabno, jetzt feit einem Jahre peoniforiic zu Kurkon geſchla⸗
gen). Ihre Pragis erſtredt ſich anf einen weiten Umtreis, oft: 8 bis
4 Meilen weit. Der Oberzauberer von G. Hält fich Pferde, und bereiſt
bie ganze Umgegend bis nad; Allenfiein und Gilgenhurg zu. Er hat bieje
Praxis von einer Oberzauberin aus Neu-Barteleburf (Breig Allenſtein
Wircgfpiel Jedwabno, jet Gelguhnen) Namens N. Dice, fo wie ſchon
vor ihr Die Mutter, bereiſte 4 Mreife, deu Neidenburger, Allenſteiner, Ofie
roder und Ortelburger. Sie gab fich aufer dem gewöhnlichen Zauberge
fgäfte namentlich auch mit Wahrſagen und Schatheben ab, Vor circa
he Jahren wußte fie mit Hülfe eines evangeliſchen Lehrers, ber dabei
als katholiſcher Geifilicher fungiste, einen wohlhabenden Wirth. in P. (Rinde
friel Saberau) beinahe um fein games Grunbftit zu hringen, indem fie
ihm verſprach, auf feinem Gehöſte einen Schatz zu heben, Dafür kapy fir
deum, ſowie ber faubere Lehrer, ins Zuchthaus. Wo fie iur iR vaiee Don
Ybguhigen ober Kobten, weiß ich wicht.” oa
31°
484 Aberglauben aus Mafuren
Die Hexen oder Hexer (fo fagt man Hier oft) Können dem Menſchen
alles mögliche authun (uczynek), durch ben böfen Blid, var Au
hanchen, durch Beräßren, durch Befhätten uud dadurch, daß fie ihm eiwas
au effen geben,
Sehr gefliräitet ift der böfe Blick. Jeder Weichſelzopf und jede
plöyliche Berkräppelung wirb dem böfen Blick oder dem Beheren zugefchtie
ben, und wenn man fi) bavor hüten unb fichern will, muß man fidh feg-
nen und mit bem Zeichen des Kreuzes befcenzen. (Wallendorf.)
daſt alle ſchwereren Krankgeiten, offenbare äußere Verletzungen und das
gewöhnliche alte Fieber abgerechnet, werben als Anthun bezeichuet und ge
wöhnlich Frauen ans der nächſten Belanutichaft, ja Verwandtſchaft, wenn
fie rothe Augen und etwa noch ein verſchloſſenes Weſen Haben, zugeſchrie
ben, ' (Rrolcpt.)
Wenn man von einem, ber nicht gute Augen hat, angefehen wir, ſo
befommt man urok. (Wallenbori, Hobenftein.)
Wenn einem plotzlich unwohl wird, da ihm das Blut zu Kopfe
ſteigt, fo ſagt man, er Habe urok. (Hohenfteln.) .
Der urok tft die Folge von allerlei böfen Eiufläffen, fagt ber ehemalige
Porrer‘ Keolczyk in Qurken, und wird nicht immer auf böfe Menfchen zu
rüdgefüßet, ſondern ſcheint viel mehr unfichtbaren Mächten zugeſchrieben zu
werben. Denn daß das Wort „Beherung, Bezanberung" Heißt, habe ich
erſt ans dem Lexicon erfahren, wenngleich ich nach der Angabe meiner
tern oft diefen urok gehabt haben fol. So viel weiß ich mod, daß
Uebelteit, Kopfichmerzen und Schwindel dafür gehalten wurden.
Der urok lommt davon her, wenn eine ober mehrere Franen zu viel
einen Mann angejehn, oder umgelehrt, wenn eine Frau von einem oder
mehreren Männern zu viel angefehn wird. (Willenberg.)
Wird dem Bauern ein Stüd Vieh krank, paſſirt in feinem Haufe ein
Ungläd, fo tft beftimmt eine Hexe daran Schuld, namentlich find die Lin⸗
ber dem Behexen durch den böfen Blick ansgefeht. (Solbau.)
Manier Hat einen boſen Blid ohne es zu willen und ohne Boſes
anrichten zu wollen. Schon Simon Grunan fagt: „Wenn eine Frau in
Wochen liegt und von anderen Frauen befucht wirb, und biefe bas Mind
beſchauen und ſprechen bloß: Ci, das iſt ein ſchones Kind, fo Halten fie
von Dr. M. Täppen. 485
dafür, es fei berufen und verberbe fo.” (Xöppen, Leite Spuren ic. &. 837.
Ueber den böfen Blid vgl. die Abhanblung in ben N. Pr. Prov⸗Bl. 1846.
®.1. ©. 391. Grimm, deutſche Mythologie ©. 1063.)
Ein Gutsbeſther belam Beſuch von feinem Freunde. Er erzählte ihm
unter andern: Ich habe ein Neft voll wilber Enten-Eier ansbrüten laſſen;
es find alierliebfte Dingerchen; komm fie fehen. Der andere antwortete:
Ih Habe nicht gute Augen; fie werben alle verberben, wenn ich fie ſehe.
uf weiteres Zureden ging er mit und befah bie jungen Guten, bie mm
wirklich bald darauf alle flarben. Auch das war urok. (Wallenborf.)
Oft laſſen die Hexen, was fle einem anberen Menfchen authun wollen,
wit dem Winde auf ihn gehen. (Hobenflein.)
Sehe gefüräjtet iſt das Beiihätten (obszipke). Die Degen beiäften
nämlich den Menfchen mit einem gewifjen Pulver, unb er belommt daun
einen Ausſchlag, eine Art Flechte auf Händen und Füßen, welcher eben⸗
falls den Namen Beſchüttung führt. Ex kommt befonders bei älteren Lens»
: tem vor. (Hohenftein.)
Das Pulver zum Befätten macht die Hege, indem fie eine ſchorfige
: Nöte verbrennt. (Wallendorf.)
Sie machen es aber andy anders. Gie gehen zur Eommmnion, vers
ſchluden aber bie ihnen bargereichte Oblate nicht, ſondern bewahren fie,
» hängen fie auf nnd legen ein Stück Brod darunter. Dann tränfelt das
Blut Chriſti auf das Brod, und wenn das Brob getrocnet iſt, brauchen
fie es zum Beſchütten. (Dohenſtein.)
Oft richten die Hexen am einer Stelle etwas an, was ben befallt, der
dieſe Stelle berührt. Das find „böſe“ Stellen. (Hohenſtein.)
Doch kommen „böfe” Stellen and ohne Zuthun „böfer” Menſchen
vor. ( Arolczyl)
Wenu Jemand krauk geworden iſt, ſagt man: „Er kroch über eine
böfe Stelle.” So ver Meine B., welcher vor einigen Jahren das Gym ⸗
naftum zu Hohenftein beſuchte, nachmals aber feiner Kranlkheit erlegen if.
(Hoheaftein.)
Wenn eine Here einen andern beheren will und bringt es wicht zu
Stande, fo muß fie es fich ſelbſt antun. So z. B. eine Here in Mit
pelſee bei Hohenflein.
486 Aberglauben aus Mauren
In der Nähe von Hohenftein giebt es einen Oberherer, der hat einen
Spiegel, in welchem man bie Here fehen fan, von ber man behert if.
Viele Beherte beiuchen ihn deshalb. Dann fragt er ben Kranken: Wilf
du, baß ich bie Here zeichne? Wenn man bies verlangt, fo ſchneidet er
der Here im Spiegelbilde am Ohr ober an der Mafe etwas weg, mit dem
Bebeuten: „Run werdet ihr bie Heze fehon Kennen.” Auch ſchneidet er
der Here auf Verlangen den Hals ab, aber viele verlangen nicht, daß ber
Here fo übel mitgefpielt werde. Vorzeigung bes Spiegelbildes und Ope
ration foften 1 Gulden.
In einem Dorfe bei Hohenftein ſtarb eine Frau an einer Krankheit,
die ihr angehert war. Als fie beerbigt war, lehrte man bie Bahre um,
mit ben Füßen nad) oben, um bie Here zu ermitteln; man meint, daß bie
‚ Hexe dies nicht ertragen könne, fonbern komme und die Bahre wieber in
bie gewöhnliche Lage umlehre. |
Wenn man eine Grau kommen fieht, von ber man meint, es fei eine |
Here, ſo ſchmeißt man ven Befen vor die Thür Hin; dann kann fie nicht
hinein. (Hohenftein.)
Bettler find oft Herer und man muß ſich fehr vor ihnen in Acht neh
men. Wer ihnen nicht reichlich giebt, dem wänfchen fie nft etwas an. So
iſt von ihnen manchem Ausſchlag angehert. (Soldau.) |
Uebrigens If das Anwünſchen auch von ſolchen zu fürchten, welde
nicht in die Hexerei eingeweiht find. Schon im Anfange bes ſechszehnten
Yahrhunderts berichtet Simon Grunan in feiner Chronik von Preußen:
dies halten fie feftl, was man einem wünſcht, daß bies einem beflche,
wo er ſich nicht fegnen läßt.“ (Toppen Lepte Spuren ꝛc. S. 337.)
Andy Tanz man in einzelnen Fällen einem anbern leicht einen Heinen
Dentzettel appliciren. Wird über jemand in feiner Abweſenheit geſchän⸗
ver, fo: niftert und Enalit das Feuer im Kamin. Nun barf ber Befhän-
dete nur ſchuell Salz ine Feuer fireuen, jo hört das Kniftern und Küallen
auf and biejenigen, welche ihn beſchändeten, haben Blafen anf ber Zunge.
(Hohenfkein.)
Wenn man Blaſen anf der Zunge hat, wirb man beſchändet. Dann
muß man breimal in das Taſchentuch ſpucen, aus demſelben einen Luo⸗
ten machen und mit ber Hand baramf ſchlagen. That man uns, fo fat
von Dr. M. Xöppen. 487
mörgen ber Beſchaͤnder bie Blafen. (Mittheilung aus ber Nachbarichaft
von Hohenftein. Schon Grunan in ben N. Pr. Prov.-BL 1846. Bo. 2
©. 337 erwähnt den Aberglauben: „Wenn einem eine Blatter auf ber
Zunge auflänft, fo glaubt er, er fei ſchanblich belogen.)
Wenn Kinder nach alter fihlechter Gewohnheit an Gtellen ihr Bes
dirfniß verrichten, wo bas nicht Hingehört, fo darf man ben Unrath nur
mit heißer Aſche befivenen, fo bekommen fie Blafen auf dem Hintern.
(dogenftein.)
Wenn einer fehr erbittert gegen ben ambern iſt, daß er feinen Tob
wänfcht, fo Tann er dies erreichen, wenn er ein geiſiliches Lieb ein Jahr
lang Morgens und Abende fingt, daun ſtirbt ber verhaßte gewiß. Im
Oletzkoer Kreife foll dies Mittel oft und mit ficherem Grfolge angewandt
fein. (Oletzko.)
Auch bei Hohenſlein ift das Tebtfingen (pospiewac) belanut Das
Lied welches man zu dieſem Zwed ein Jahr lang Morgens und Abends
fingen muß, fteht im polniſchen Geſangbuch. Man bezeichnet hier eine
Familie, in welcher Mann und Sran zu Tode gefungen find. Die Here
die es gethan Hatte, war ben Tag vor feinem, unb fo auch wieder ben
Tag vor ihrem Tode in bem Gehöfte erſchienen. Dies foll dazu gehören,
daß ber Zanber wirle. (Oohenſtein.)
Wenn einer den andern zu Tode fingen will, fo muß er ein ganzes
Yahr hindurch täglich des Morgens um 6 Uhr und bes Abende um 6 Uhr
an einer und berfelben Stelle in einer und berfeiben Stellung einen Pſalm
— ih glanbe 94 — dreimal rädwärts beten und jebesmal bas Bater-
unfer daran Mnüpfen, zweimal ohne Amen; das legte Mal wird mit Amen
geſchloſſen. Hält der Beter nicht pänftlich bie Zeit ein, ober wechſelt er
die Stelle und Giellung ober verfpricht er fich während bes Betens, fü
teifft der bem andern angewünfchte Tod ihn ſelbſt. Am letzten Jahres⸗
tage der Betzeit muß ber Tod eintreten. Viele Leute Haben davor ſolche
Angft, daß fie ſchon darum krank werben und flerben. Diefe Gebete wers
den gewöhnlich im Keller verrichtet. (Willenberg.) Das Tobtfingen ift ſehr
belanut und verbreitet 3. B. and) in Ortelsburg, Sohannieburg x.
Es iſt gut gegen böfe Einfläffe fi) im Voraus zu ſchutzen, und fie
fen zu halten. Scäupmittel gegen biefelben find 3. B. folgende:
488 Aberglauben aus Mofuren
Ein nengebornes Kind wird ängſtlich vor fremben Augen gehütet, ba
aber das Abfperrungefpftem doch nicht ganz burchgefährt werben ann, fo
weiß man es nicht anders zu fihern, als durch Anwendung von Am
letten. Silberne Medaillen, Ringe ober Goldſtücke, fo wie rote Bänd⸗
chen nm ben Hals werben für befonders wirfiam gehalten. Letztere pflegt
man auch jungen Füllen und Kälbern zur Sicherung gegen ben böſen
Bid um die Hälfer zu binden. (Krolczhl.)
Wenn ein Haus geweißt wird, macht man rings um bie Hansthär
eine Anzahl Pinſelklexe, bamit ber Teufel fern bleibe. (RI. Ierutten.)
„Am Iohammisabenb oder am Abend vor dem Tage ber heiligen brei
Könige macht man an der Thür des Viehſtalls von außen brei Kreuze.
&6 wird dadurch vor Hegerei bewahrt. (Hohenſtein, Soldau.) Im ben
Ermländifchen Kreifen wird die Kreide hiezu kirchlich geweiht! (Nach dem
Vollskalender in den N. Pr. Prov.-Bl. 1848 Bb.2 ©. 220.)
Sicherheit und Glüd blühen bem Dorfe, das mit zwei ſchwarzen
Nähen umpflugt iſt. (Hart. Zeitung 1866 No. 8.)
Gegen den böſen Blick, durch welchen befonbers alte Franen gefährs
lich find, kann man ſich fügen, wenn man Hinter fie tritt und hinter
ihrem Rüden ohne ein Wort zu fprechen, breimal mit dem Zeigefinger
ber linken Hand winkt, (Solbau.)
Bgl. oben das Mittel, ven Werwolf zu erfennen.
Wer fih nicht bangen will, fieht da, wo er zuerft Hinfommt, in ben
Ramin. (Dohenfein.)
Auch die Komdbianten (d. h. Seiltänzer) halten fie für Hexenmeiſter,
die nur Augenverblendniß bewirken (omaniene). Wenn man wiffen will,
was fie eigentlich vorführen, jo muß man ben Rod verkehrt anziehen.
Eine Fran welche diefes that, als ein Comödiant einen großen Ballen zu
tragen ſchien, fah, daß er einen Strohhalm trug. (Hohenftein).
As eine Art von Amnletten galten wenigſtens noch im vorigen dahr⸗
hundert bie fogenannten Donnerfeife. Piſanski bemerkt über die Anwen ⸗
bung berfelben Folgendes: ziehen ſich Gewitterwollen zufammen, und
broßt ber immer ſtarkere Kuall fi ihrem Scheitel zu nähern, fo fteden fie
ben Singer durch das Loch, fo am dergleichen Steinen von ber größeren
Gattung befindlich iſt, drehen dem Gtein. dreimal herum, ſprechen dabei
von Dr. M. Täppen. 489
einige aberglänbifche Worte, werfen ihn mit ber gräßefien Gewalt an bie
Etnbenthüre und glauben auf biefe Weife ihr Haus vor bem Wetterſtrahl
in Sicherheit geftellt zu haben. Sie legen ans einer gleichen Abficht biefe
Donnerfeile den Heinen Kindern in die Wiege, Ja fie trauen ihnen auch
in Borfällen, bie mit dem Donner nicht die gringfte Verwandtniß haben,
eine verborgene Kraft zu; indem fie durch die Deffnung berfelben bie
Rüge zu mellen pflegen, wenn mit der Mil zugleich Blut aus ben Eu.
tern fließet. (Pifanski Weberbleibfel zc. No. 28 8.8.)
Bon ber heilfamen Wirkung des Stahles werben wir noch oft zu
teben haben. Er Hält alle Einwirkungen ver Hexerei fern. (Hohenftein.)
Ein Hufeifen, welches man gefunden hat, anf ber Schwelle der Haus
tpüre, mit der Epige nach Außen angenagelt, bringt Glüc, dem Kaufmanıı
3 B. zahlreichen Beſuch und reiche Käufer. (Lubainen.)
Das Hauptmittel gegen allerlei Krankheiten ift bas Berfeguen.”)
Ein Arzt ift den Mafuren ein burhaus unnöthiger Menſch, ver nur nach
ihrem Gelde trachtet. Ihre Ausrede bei Borhaltungen von Verfäumnifien
dieſerhalb lauten übereinftimmenb: „ba und bort hat er auch nicht helfen
tönnen.“ (Rönigeb. 3. 1866 No, 8 vgl. Hing ©. 117.) Manche meinen
auch, bie Hälfleiftungen der Aerzte, wie ber Bligableiter, feien Eingriffe
in die Rechte Gottes, (Solban,)
Die Verſegnungen haben nicht bloß unter ben Bauern, fondern auch
anter ben aufgeflärten Gutsbeſitzern warme Vertheidiger. So erzählte ein
fonft von allem Aberglauben freier Daun, ihn habe einmal ein altes
Weib, welchem er bafür lachend und höhnend 5 Thaler verfprochen, den
*) Das Verfegnen iſt eine uralte heidniſche Sitte, wie denn eins der allerälteften
Denkmäler der beutihen Sprache ein heidniſchet Segensſpruch ift. Diefe Sitte wurde
von der katholiſchen Kirche in ziemlich ftarfem Umfange recipirt und gelitten; fo war
nad einer Bafeler Ueberlieferung aus dem 14. Jahrhundert in Haupt's Zeitſchrift für
deutſches Alterthum Bd.5 S. 676 damals von der gemeinen Ghriftenheit angenommen:
Aſchen⸗, Balmen:, Taufs, Lichter, Waflere, Salz, Fleifh- und mander andere Gegen,
verworfen dagegen Haupt:, Augen, Pferdes, Wunden-Segen. Noch jet giebt es in den
tatholiſchen Kirchen des Ermlandes Hafer, Jchannistrunk, Kreide, Balmen: Kraut und
andere Gegen (Val. Vollst. No. 22, 28, 58, 224), melde viel dazu beitragen, alten
Aberglauben zu erbalten. Die evangelihe Kirche hat dagegen eifrig angelämpftz ſchon
1526 wurden die Lichtweihen, Sladenweihen u. dgl. mehr ausdrüdlic verboten. Jacobſon
Quellen des evangellichen Kishensehts Bd. 2. ©. 26.
4 berglauben aus Mafuren
fogenannten Mehltau verſegnet — eine fonft unheilbare Getreidekraulheit —
unb zwar mit bem beften Erfolge. (Lubainen bei Ofterobe.)
Ein anderer ebenfo von allem Aberglauben freier Gutsbefiger erzählt,
er habe felbft gefehen, wie ein Arbeitsmann, ber ſich mit der Art eine
ſchwere Wunde in den Buß geſchlagen, lange vergeblich ſich bemüht habe,
das Blut zu ſtillen. Da fei eine alte Frau zum Verſegnen gerufen und gleich
nach ber Berfegnung habe das Blut, wie abgefchnitten, zu fließen aufgehört.
Alle Verfeguungen werben ſtets dreimal vor Sonnenuntergang vor-
genommen und es bürfen bamu in der Nähe bes Verſegners weder Kate
noch Hund fein. Daß man daran glaube, iſt nicht nöthig, man braucht
nur einem, ber baran glaubt, bie Hand zu geben. (Rubainen.)
Das Berfegnen geht auf folgende Weiſe vor fi. Der Krante mus
fid) mit dem DVerfegner allein in einem Zimmer befinden. Der Verfegner
ſchlägt zuerft drei Krenze Über dem Kranken, fpricht dann eine gewifle
Bormel, wobei er jedoch das Amen weglafien muß, wenn bag Verfegnen
helfen foll. Nachdem das gefchehen ift, fchlägt er noch drei Krenze über
dem Kranken. Beſonders werben bie Verſegnungen angewendet, um ben
Fluß des Blutes zu ftillen, bei Geſchwulſten, Zahnſchmerzen, Reihen
u dgl. m. (Soldan.)
Bon einem gewiſſen Segensſpruch gegen die Rofe wurbe mir ge
fagt: er muß breimal vor Sonnenuntergang, dann am nächſten Tage drei⸗
mal vor Sonnenaufgang und noch drei Mal vor Sonnenuntergang ger
ſprochen werben. (RI. Jerutten.)
Verfegnungen verfcjiedener Rrankheiten und übler Bufälle.
1. Berfegnung des Biutfinffee.
Ich verfegne dich mit der Kraft Gottes und der Hilfe des Herrgottes.
Magdalena Hatte drei Töchter, die erſte ſprach: Gehen wir fort von hier
und wandern wir; bie andere ſprach: Stehen wir; bie dritte ſprach: Siehe
wir wollen umlehren, bleiben wir bier und fegen uns. Und fo ſollſt aud
du Blut fiehen bleiben buch den Herrn Jeſum Gottes Sohn, burdy fein
Mätterchen und durch bie ganze hochgelobte heilige Dreifaltigkeit und durch
die Heiligen Engel im heiligen Geift. Im Namen Gottes des Vaters, des
Sohnes und bes Heiligen Geiſtes. Vater unfer ıc.2c, bis zu Ende zu belen.
von Dr. M. Zöppen. 491
2. Verfegnung der Epilepfie (wielka choroba).
As unfer Herr Jeſus EhHriftus wanderte mit feinen Sängern, baten
fie ihn und riefen zu ihm, und wenn er bie Epilepfie und Geidhwäre
heite, befahl Jeſns und ſprach: Auf die Kranken ſollt ihr die Hände le
gen. Das Waſſer ftanb flille, als Mäütterchen Gottes ihren Sohn babete.
So fol auch dies Geichwär, biefe Krankpeit ſtille ſtehn, das Mark nicht
berüßren, die Knochen nicht brechen, bie Sehnen nicht verrenfen. Ich bitte
dich, meibe bie Stelle (b. i. ben Leib) biefes Menfchen, durch Gottes Macht
und des Sdhnes Gottes umb des heiligen Geiftes Hilfe. Im Namen
Gottes bes Vaters, des Sohnes und Heiligen Geiſtes. Vater unfer n. |. w.
3. Berfegnung des Schlangenbiffes.
Man fol das Vater unfer beten und daun weiter ſprechen: Ich ver»
ſegue euch durch Gottes Macht und bes Herrgottes Hilfe, ihr Schlangen
und weibliche Schlangen (weze, wezyce), ihr Ottern und weibliche Ot⸗
tern (2mije, Zmijice), ihr Welbiwärmer und fämmtlihes Gewürm. Aus
der Bluthe (???) biſt du geboren, der Tenfel Hat dich geichaffen, unfer
Herr Jeſus gab bir ben Geift, aber er gab bir Hein Gift und feine
Macht. — Durch Gottes Macht und des Sohnes und des heiligen Geiſtes
Hilfe, wie das Waſſer dahin fließt, fo fol andy dieſer und biefes dahin⸗
fließen, im Namen Gottes bes Baters, Sohnes und heiligen Geiſtes.
Dann hauche breimal anf die Wunde, begieße fie mit Waſſer oder
wafche fie aus.
4 Gegen den Biß des tollen Hundes,
Sprich das Gebet des Herrn. Unfer Herr Iefus Chriſtue, als er
mit feinen Jüngern wanderte und fie ihn baten, baß er von dem Biß bes
tollen Hundes und der Hündin heilete, ſprach er: Heilet mit Gottes
Macht und mit des Sohnes Gottes und des heiligen Geiftes Hilfe. Das
Wafjer im Meere ftand ftille, ale Gottes Mütterchen ihren Sohn babete,
fo möge venn das Thier ſtille Hegen o Monaten Mai (? ??) und bas
Gift von ſich geben durch Gottes nnd des heiligen Geiſtes Hilfe, im
Namen Gottes des Vaters, bes Sohnes nud bes heiligen Geiſtes. (Du
ſollſt die Hände gefaltet dreimal ben Kranken umgehn, ein anderer muß
vor bir alle Hinberniffe wegräumen.)
493 Aberglauben au Mafuren
5. Gegen kalte Leute (kaltes Fieber).
Im Namen Gottes des Baters, Sohnes und heiligen Geiſtes. Es
ging Gottes Mutterchen durch einen Kaflanien-Wald, auf dem Wege be-
geguet ihr ber Herr Jeſus ſelbſt. Wohin gehft du, meine Mutter? id
sehe zu biefem Getauften, um zu heilen bie falten Lente, die weißen (blaſſen)
Lente. Weichet von diefem Getauften, ans feinen Sehnen, ans feinem Matt,
aus feinem Haupte durch bie Macht Gottes und des Sohnes Gottes und
des Heiligen Geiftes Hilfe, ich treibe euch aus unter bie Steinwurzeln in
wäfte Wälder, auf wäfte Selver, wohin nichts kommt, Vaterıfnfer ıc. ꝛc.
6. Die Länfe bes Viehs zu verfegnen.
Ich bin zu bir gelommen bu finmmes Vieh, bamit ber Herr Jeſus
ſelbſt von bir die Läufe entferne durch Gottes Macht und bes Sohnes
Gottes und bes Heiligen Geiftes Hilfe. Vater unfer ac. ac. Bei biefer
Berfegnung muß man mit einem Feuerſtahl dreimal von jeder Seite vom
Kopfe nach dem Schwanze des Viehs hinwegfahren. (In andern Tegten
ſteht Blahſucht ftatt Läufe.)
7. Hagelwolten zu verfegnen.
Die Hagelwolke auſchauend mußt bu dich fegnen im Namen Gottes
des Batere, des Sohnes und bes Heiligen Geiſtes; dann ſprich Vater
unfer ıc. und baranf bies Gebet: O ihre fehänblichen Hagelwollen, es bes
flehlt euch Chriſtus der Herr, der Mann Gottes, durch mich feinen un
wärbigen Diener, ihr follet hinwegziehn nad; andern wüften Orten und
dort zerftieben, auf daß ihr ben Dörfern, den Gärten, ven Feldern kei⸗
nen Schaben thuet durch Gottes Macht und mit des Sohnes Gottes unb
des heiligen Geiftes Hilfe.
8. Das Feuer zu verfegnen.
Bater unfer zc. Feuer, du glühende Flamme, es befiehlt bir Chriſtus
ber Herr, ber Mann Gottes, durch feinen unwürdigen Diener, du follſt
dich weiter nicht ausbreiten, ſondern anf biefer Stelle bleiben, was bu er⸗
faßt Haft, das behalte durch Gottes Macht und des Vaters, des Sohnes
und des heiligen Geiſtes Hilfe. Das Feuer muß dreimal umtreiſet
Camlanfen), bei jebemmale das Vaterunfer gebetet werben.
9. Gegen den grauen Staar im Ange
Morgens. Wie hier bie dunkle Nacht dem hellen Tage weichet, fo ſoll
von Dr. M. Täpyen. 498
auch von biefem Getauften (hier ift der Name ber kranfen VPerſon zu
nennen) ber Staar entweichen, von feinem Ange, von feinem Augapfel,
von bem Weißen feines Anges, und biefe Geſchwüre, fie follen vertroduen,
verfchwinben, niemand foll wiflen, wo fie geblieben, durch Gottes Macht,
des Sohnes Gottes und des heiligen Beiftes Hilfe.
Abends, Abenbröthe, Abendröthchen bes Heren Iefu Diener, ihr bie:
net bem Herrn Chriſtus bei Tage bei Nacht, fo bienet auch biefem Ge⸗
tauften (bev Name bes Kranken iſt zu nennen) damit ihr den Staar von
felnem Auge, feinem Augapfel und dem Weißen feines Auges befeitigt
durch Gottes Macht, des Sohnes Gottes und bes heiligen Geiſtes Hilfe.
Hierauf dreimal Amen.
10, Gegen bie macica (Kolif),
Sprich zuerft das Vater unfer ıc. Es ging Gottes Miütterchen bei
übelem Befinden zu Heilen und zu flillen bie macica, Wie biefer Stein
in der Erbe liegt, und nimmer gerührt wird, fo foll auch fofort Die maoiea
bei biefem Getauften (dev Name ift zu nennen) ſich nicht wieder aufrüh
ven. Durch Gottes Macht, des Gohnes nad bes heiligen Geiftes Hilfe
ſoll fie fich beruhigen, gang ruhig und file fein. Du macica fofert Haft
bu ein aufgemachtes Bette (?), baram ſollſt bu ruhen bei biefem Ge
tauften (ber Name tft wieder zu nennen) und ſollſt dich nicht mehr anfe
zühren, ihn auch nicht quälen. Durch Gottes Macht, des Sohnes Got-
tes und bes heiligen Geiftes Hilfe. Im Namen des Baters, des Sohnes
and heiligen Geiftes. Amen, Amen. Amen.
11, Gegen den urok.
Es ging Gottes Mutterchen durch einen Kaftanien- Wald, es begeg-
uete ihe Herr Jeſus ſelbſt und fragte fie: Wohin gehft du meine liebſte
Mutter? Sie ſprach: Ich gehe zu biefem Getauften (der Rame iſt zu nen
nen) breimal neun uroki zu verfegnen. Eprach zu ihr Herr Jeſus: Gehe
hin und verfegne durch Gottes Macht, des Sohnes Gottes und bes hei⸗
lügen Geiftes Hilfe und durch das Heilige Evangelium. Im Namen Got-
tes bes Vaters, bes Sohnes und bes Heiligen Geiftes. Amen. Amen. Amen,
12. Gegen Zahuſchmerz.
Durch Gottes Macht und des Herrn Iefn Hilfel die Eiche im Walde,
der Gtein im Meere, ber Mond am Himmel, fo lange biefe drei ſtarlen
404 Mberglauben aus Mafuren
Brüver ſich wicht vereinigen, fo Lange mögen bie Bühne mich wicht füme-
gen, Durch Gottes Macht, des Sohnes Gottes und bes heiligen Geiles
Hilfe und durch die Heiligen Gngel, durch feinen hochgelobten Leib und
durch die heilige Dreifaltigkeit. Im Namen Gottes des Vaters, bes Soh⸗
nes und bes heiligen Geiſtes. Amen. Amen, Amen.
(Diefe 12 Berfeguungen find ans dem polniich geſchriebenen Him-
matfäfäfiel überjegt.)
Wir laſſen Hier noch ein Beifpiel folgen, wie in Dörfern das Bich
verſegnet wird. Man ſtellt fi) vor das behezte Stüd Vieh und beiet
mit grfalteten Händen zuerſt das Baterunfer ohne jebod Amen zu fagen.
Sodann wird folgende Zauberformel: „Than fiel nom Himmel nem
Steine hinab auf bie Erbe. Wie biefer Than verſchwindet, verſchwand,
in ber Laſt derwehet, fo mögen auch die breimal neun Zauber verfdhiwin-
ben, vergehen in ber Luſt und verweht werben“ — breimal wieberhult,
nach dem beiten Male das Städ Vieh bekreuzt und endlich Amen ge
ſprochen. Diele Beſprechung ſichert fowohl vor dem bäfen Blic Curok,
urzec), als auch heilt fie deſſen ſchon eingetretene Folgen. (Haflenftein,
R. Pr. Prob Bl. 1847 Bd. 1 S. 474 |. Mehrere Berfegnungsformein
ans Nataugen bietet I. Gottfhalt in ben N. Pr, Prov.BL. 1857 Bo. 1
©. 187 f) '
Mit dem Gegenefpruc werben meiftens gewiſſe Geremonien verbum-
den. Oft find biefe begleitenden Hanplungen das Wichtigſte, oft
helfen fte allein. Hie und ba werben daueben auch materielle Heilmittel
angewandt.
Wenn Jemand eine ſchwere Krankheit Hat, fo reißen fie ein Süd
von dem Hembe bes Kranken ab und hängen biefes ober andy das ganze
Hemde an einem Kreuzwege an einen Baum ober an ben Wegweiſer. Im
daffelbe ſteden fie eine Näynabel, barunter legen fie ein Gelbfläd. So
meinen fie wirb bie Krankheit von dem Krauken genommen. Die Bor
übergehenden Häten fich wohl, bie Lappen anzurühren ober das Gelb zu
nehmen, ba fie fonft die Ryaufheit mitnehmen würben. (RL Yerutten.)
Der Pfarrer Krolczyt in Kurken erzählt von der Heilung bes urok
aus feinen Ingenbjahren: „ALS ich einmal vom Gtmuaflum zu km Be-
rien nach Haufe Tem und von urgk befallen in bie Uutnanbung herr Dame
vor Dr. M. Töppen. 495
bermitteln wicht willigen wollte, vielmehr mich ſchlafen fegte, nm fo bie
Kopfichmerzen mit ben begleitenden Nebenbefchwerben zu verlieren, wiſchte
man mir im Schlafe dreimal mit einem ſchon gebrauchten Haudtuche über
das Geficht mit den Worten: „Im Namen bes Bates, des Sohnes und
des heiligen Geiftes, Amen. Amen. Amen.” Da ich aufwachte und mich
wie gewöhnlich wohl fühlte, wurde mir bie wermeintfiche Urſache meiner
Genefumg angegeben. Souſt bedient man ſich hiezu noch eines wirkſameren
Mittele und zwar bei Männern der Brauenfleider, bei Frauen der Män-
nerlleider.“
Wer von urok befallen in, dem muß man mie neun verſchiedenen
Züchern ober Rappen über das Geficht fahren. Auch in einem Pfarrhauſe
iR dies Mittel mit gutem Grfolge angemanbt.
Wenn der Mann oder die Frau von urok befallen iR, fo wiſcht bie
Frau dem Manne mit Weiberfleivern, ver Mann ber Frau mit Männer
tleidern über das Geficht und ſpuct dabei dreimal aus. (Dohenſtein.)
Mittel gegen die englifhe Krankheit (ogl. o. ©. 396). Man
badt einen großen Fladen von Roggenmehl, fchneibet in denſelben ein
großes Boch, zieht das Lird da hindurch, umb trägt es dann breimal um
bie Kirche, wobei breimal Baterunfer gebetet ober dreimal in das Schlut⸗
ſelloch der irchthür gehaucht wird. (Hohenftein.)
Die englifche Krankpeit foll daher rühren, baß dem Kinde Katzen ⸗
haare in den Magen gelommen find. Man foll, um viefelben zu entfere
nen, einen Hahn braten, den Magen zerreiben nub biefen Staub mit
Rothwein dem Linde eingeben. (Hohenflein.)
Mittel gegen bie Anszehrung. Zwei alte Frauen nehmen das kranke
Kind, die eine reicht es ber andern durch den Zaun (Mädzaun) und erhätt
es über den Zaun zurück. Dies wird dreimal wiederholt. (RI. Serutten.)
Mittel gegen Fieber. Drei Myrthenblätter aus dem Brautkranze finb
gegen das Bieber gut. (Lubainen.)
Desgleichen. Man muß auf einem Beſen aus dem Haufe hinauereiten
auf den Kreuzweg, bort den Befen liegen lafien und wieder nach Hauſe
eiten, ohne ein Wort zu ſprechen. (Hohenftein.)
Desgleichen, Man gehe auf eineu Exenzrain, ſchneide ein Loch in den
Raſen, ange dreimal hinein und weropfe es ſchuell wieder. (Hehenftein.)
496 Aberglauben aus Mafuren
Desgleichen. Man geht in einen Birkenwald, ſchüttelt an einer gu
wiſſen Zahl von Birken und ſpricht: (Die Worte wußte ber Berichterftatter
leider nicht, der Inhalt war etwa ber:) Schuttle mich, wie ich dich, dam
höre auf. (Hoheuflein.)
Deögleichen. Wenn der Fieberaufall und bie Hige vorüber ifl, je
ben fie das Hemde aus und tragen es Abends nach Sonnenuntergang
ober Morgens vor Sonnenaufgang, wenn möglich an einem Donmerflage,
nach einem Krenzwege und hängen es bort am Wegweiſer auf. (Walfendorf.)
Desgleichen. Un manden Orten hängen bie Gloden in einem ofie
nen Glocenhauſe und der Glocenſtrang hängt jevem zugänglich herunter.
Man dreht ein Gelbftük in den Glodenfirang gegen das Talte Fieber.
allendorf.)
Man wirft dem Fieberkraulen mit einem Topf nad, um ihm zu er
ſchreden, oder man broht, ihn in ben Brunnen zu werfen, ans bem
gleichen Grunde. Es ift begreiflich, daß beide Mittel unter Umftänden
helfen. Hauptmittel gegen bas kalte Fieber if bei den Mafuren überdies
ber Schnape.]
Pifansti No. 24 8.15 erwähnt, daß man früherhin and das Evan⸗
gelium Johannes benugt habe, mm durch daſſelbe das Fieber zu vertreiben.
Piſansli (No. 22. 8.6.) fehreibt um bie Mitte bes vorigen ZJahrhun⸗
derts in Betreff bes Mondes: „Es Affet ven Pöbel noch Hin und wieder
ein wahrhaftig heidniſcher Aberglanbe, nach welchem er biefem Geftime
wirklich bie Ehre der Aubetung erweiſt. Beim Yalten Sieber, heftigen
Ungen- und Zahnſchmerzen und einigen anderen Krankheiten beobadjten bie
damit behafteten genau ben Anfang bes Neumonbes, treten alebann au⸗
dachtig und mit gefalteten Händen vor benfelben und richten ein in (pe
piſchen Kuittelreimen abgefaßtes Gebet an ihn, in ber feften Hoffnung
hiedurch von ihrem Uebel befreit zu werben. Werräth fi Hier wicht
das Heidenthum?“ Sollte Piſanski Hier etwas anderes als Berfegnungen
meinen?
Mittel gegen Gelbſucht. Gegen bie Gelbſucht Hilft Ungeziefer auf
Butterbrod. (Hohenftein.)
Mittel gegen Qopfſchmerzen. Man legt (ſetzt) dem Leivenben ei
nen Topf mit Waſſer auf ven Kopf und legt einen Stahl hinein.
vdn Dr. M. Wopen. 497
Mittel gegen Zahuſchmerzen. Piſanski (No. 22. 8.6.) führt folgen-
bes an: Man ſchneidet aus einem Hollunberbaum einen Splitter unter der
Rinde aus, ftochert mit bemfelben das Zahnfleiſch fo lange, bis es blutet,
fpänbet ihn fobann wieber in feinen vorigen Ort ein und läßt ihn verwachfen.
Das erprobtefte und einfachfte Mittel gegen Zahnichmerzen ift, ben
Neumond anzufehen und unbeweglich ftille zu ftehen. (Hohenftein.) Im
deutſchen Gegenden ſpricht man dabei dreimal bie Worte: Liebes neues
Licht, nimm ab meine Gicht, im Namen Gottes bes Vaters, des Sohnes
und bes Heiligen Geiftes.
Gerftentörner heilt man durch bdreimaliges Beſtreichen mit bem
Trauringe der Mutter, (Lubainen.)
Der ſchwarze Umlauf am Finger (strzelany wrzöd) wird nicht
eher heilen, bis über ihm ein Gewehr abgefchofien wird.
Auswüchſe am menſchlichen Körper, weldre man „Rnödel” nennt,
werben auf folgende Weife geheilt: 1) Man geht in ein Haus, in dem
eine Leiche ift, nimmt ohne ein Wort zu fagen, bie Hanb bes Tobten unb
bebrädt breimal mit bem Todtenfinger ben Auswuchs. .2) Kommt ein
Bettler ins Hans, fo wird ihm, auch ohne ein Wort zu fagen, der Stock
aus ber Hand genommen, unb ber Answuchs mit bemfelben breimal be
drüdt, 3) Sindet man auf dem Felde in einem ansgehöhlten Knochen
oder auf dem Kuhmifte Regenwaſſer, jo wirb ver Auswuchs mit biefem
Waſſer breimal beftrichen, worauf man ohne fich umzuſehen und ohne zu
ſprechen, nach Haufe geht.
Mittel gegen Warzen. Man tippt auf jeve Warze mit einer Erbſe
und feättet biefe Erben in ven Badofen. Dann läuft man ſchnell fort,
bamit man feine nalen hört. Dann vergehen fie... (Dohenſtein.)
Desgleichen. Um Warzen zu vertreiben muß man fo viel Erbſen ale
man Warzen hat, wenn das Brob ans bem Badofen genommen iſt, in
ben Badofen werfen, aber jo, daß man das Fallen derſelben und ben
Knall, wenn fie zerplagen, nicht hört. (Wallenborf. Noch andere Mittel gegen
Warzen werben angegeben in ben N. Pr. Prov.Bl. 1846. Bp. 1.6. 182.)
Desgleihen. Man benegt die Warzen mit Regenwaſſer, das man
auf Steinen findet, und geht ohne zu ſprechen und ohne iu) umpafehen
weiter. (Hohenflein.)
Witt, Monetöfgrift vd. M. Sf. 6. I
298 Hberglauben aus Maſuren
Desgleichen. Man betupft die Warze mit geftoßlenem Fleiſch und
vergräbt dies unter der Traufe. Wenn das Fleiſch verfanlt, vergehn bie
Warzen. (Hohenftein.)
Desgleichen. Man ſieht den Vollmond an und fagt dreimal: „Da
M was und bier (indem man bie Warze berührt) ift nichts.” Das wie
derholt man brei Tage hintereinander, Dies ift ein ſehr ſicheres Mit
tel gegen die Warzen. (Hohenftein.)
Freitag vor Vollmond foll man ben Monb anfehen und ſprechen:
Was ich anfehe, nehme zu, und was ich anfafje, nehme ab.” Dies wie
berholt man breimal Hintereinander, immer Freitag vor Vollmond, (Ho⸗
henſtein.)
Wenn ein Berſtorbener beſtattet wird, und bie Glocken werben eben
geläutet, fo foll man an ein fließendes Wafler gehen und bie Warzen mit
dem Waſſer beipäßlen. (Hohenftein.)
Man Mnüpft fo viel Knoten in einen Saben, als man Warzen hat,
und wirft biefen Baden einem Hauſirjuden an den Sad. Dann verſchwin⸗
den bie Warzen.
Mittel gegen Ansfchläge. Siehe ven Volkskalender unten.
Mittel gegen Flechten. Die Flechten beftreicht man mit Fenſier⸗
ſchweiß, den man mit ben Fingern abgenommen hat, unb fpricht babei:
nGuten Morgen, Herr Liſſai Cd. h. Flechte), ſei nicht morgen, nur heute.“
(Diefe Worte bilden im Polniſchen einen Reim.) (Hohenftein.)
Mittel gegen Bernegrund. Bernegrund (ogni piura b. h. eigent-
lich Benerfeder) if eine Art Ausſchlag bei Kindern, Während die Leute
nach der Kirche gehen, geht die Mutter mit dem Kinde an eine Stelle,
wo Holz gehanen wird, ftellt fi mit dem Rüden gegen bie Kirche, nimmt
dreimal von ber Spahnerde, fehüttet fie dem Kinde auf ben Bernegrund
unb fpricht habei etwa fos „Wie bie Leute jegt nach ber Kirche gehn, fo
gehe du vom Kopfe.“ Dann vergeht der Ansichlag. (Hohenftein.)
Mittel gegen Krämpfe. Die Krämpfe nennen fie eine Strafe Gottes.
Auch fagen fie bet Krämpfens „Der Herr Iefus hat ihn gefunden.“ Wer
das erſte Mal diefe Kranfpeit an Iemand fleht, rigt ihm mit ber Nabel
ein Kreuz auf die Bruſt, daß das Blut hervorquillt, damit fie vergehen.
ohenſtein.)
bon Dr. M. Löpperis 239
Die Mutter bevedt ben von Krämpfen Befallenen mit ihrem Tranungs«
Heid. GHohenſtein.)
Wenn man fich verbrochen ober verhoben Hat, Brandt man Sarg-
frähne mit Schnaps, ober Staub von dem fogenannten Stein gegen das
Verheben (kamien od porusonie) — lapis haematitis, bei den Apothe⸗
tern zu haben — meiftens wiederum mit Schnaps gemifcht.
Mittel gegen ben Weichfelzopf. Eine der gefürchteteften und
häufigften Kranfgeiten ift ber Weichfelzopf (kottun). Mit ihm beichäfti-
gen fi) die renommirteften Oberzauberer z. B. der in ©, Diefer Obers
zauberer in ©. kurirt in ber Art, daß er alle möglichen Krauffeiten in
einen Weichfelzopf ableitet. Er braucht babei Verfegnungen aber auch
allerlei Kräuter. Dan kann im Voraus ziemlich ficher fein, daß alle Par
tienten, die ihm befuchen, drei oder vier Tage nach ihrer Rückkehr aus ©,
den Weichſelzopf ftatt ihrer früheren Krankheiten haben. Diefen aber
nimmt ihnen der Oberzauberer feiner Zeit gefahrlos ab. (Kurken.)
Die alfermeiften Krankpeiten namentlich Rheumatismen und Angen-
franfheiten find angehert. Sie laufen alle in kottun (Weichfelzopf) aus.
Der von einer Krankheit Befallene ſchneidet etwas von feinem Haupthaare
ab, widelt dies abgefchnittene Haar in ein Stüd Papier, legt es entwe ⸗
der auf die Herzgrube oder unter den Arm und läßt es dort 24 Stunden
liegen, If nach dieſer Zeit das Haar verfilzt, fo iſt dies ein ficheres
Zeichen, daß der Kranke behert ift. Er wird dann nicht mehr gekämmt
und befommt bann innerhalb 4 bis 5 Wochen, wie natürlich den Weich
ſelzopf. Diefen Weichfelzopf können nur beflimmte ganz allgemein ale
Hexen befannte Perfonen heilen. Diefe Hexen können aber auch Yeman-
den ben kottun beibringen oder eingeben. Wie mandje glauben tft der
Saamen ber Klette oder auch der Diftel vorzugsweiſe geeignet, durch fel-
nen Genuß ben kottun zu erzengen. Bei der Heilung des kottun wird
dem Patienten von ber Here ein Trank eingegeben, der auf das Reif
werben bes kottun hinwirkt. Tritt nad) einer beftimmten Zeit biefe Reife
ein, fo wirb ber kottun vom ber Here abgenommen, aber nicht mit einer
Schere ober einem Meſſer, fondern mit einem ſcharfen Steine vom Kopfe
fürmfidh abgequetſcht. Mit dem kottun verſchwinden and) ve tech,
die ihn zu Wege gebracht haben. (Solvan.) .
32
600 Überglauben aus Maſuren
Das wichtigfte Gefchäft der Herenmeifter nächſt dem Verfegnen iſt das,
dem Beftohlenen feinen Dieb ausfindig zu machen Das be
liebtefte Mittel zu dieſem Zweck ift die Veranftaltung, weldhe man Sieblan-
fen nennt, und welde ſchon vor Hundert Jahren Bifansfi erwähnt, „Das
Sieblaufen und andere abgeſchmackte Künfte, deren man fich bedient, einen
verborgenen Dieb zu entbeden, und bie nicht nur von Zigeunerinnen, fon-
dern auch von anderen häufiger getrieben werben, als man meinen follte,
find offenbar aus ber Abgötterei unferer Vorfahren entlehnt. (Mo. 238.9.
Ein anderes Mittel erwähnt ſchon Meletius im Erl. Preußen p. 719, 720.)
Das Steblaufen wird mir fo beſchrieben. Man nehme am Donner
lage nach dem Abenbefjen ein Buch religiöfen Inhalts und zwar eins aus
ver Hinterlaffenfchaft eines Verſtorbenen, der im Rufe der Ehrlichkeit ges
fanden, ſtede zwifchen bie Blätter bes Buchs einen langen Schlüffel, fo
daß biefer, nachbem das Buch gefchlofien if, mit dem einen Enbe etwas
Hervorragt. Das Buch wird an ben Rand bes Tijdes gerädt. Hierauf
hängt man ein leichtes Sieb anf das Schläffelende und nennt bie Namen
berienigen Perfonen, von benen man vermuthet, baß fie ben Diebftafl
verübt Haben können, indem man fagt: „Siebchen, Siebchen fage mir
alles!" Bet der Nennung bes wirklichen Diebes bewegt ſich das Sieb,
während bafielbe bei bem Aufruf ber Namen unſchuldiger Perfonen ſich
durchaus nicht rührt. Auf eben biefelbe Weife läßt ſich auch ermitieln,
wo ber Dieb das Geftohlene verwahrt Hat, indem man bie vermutheten
Bergungsorte nennt. (Qurken.)
Die Procebur ift nicht überall dieſelbe. Im Grunden war ich zuge
gen, ſchreibt ein Augenzenge, als eine alte Frau einen Dieb ausfindig
machen wollte. Auf einen Erbtiſch wurde eine Erbbibel und anf biefe ein
Erbſchluſſel gelegt; über letzteren wurde ein Sieb mit einem Faden an ben
Ballen freiſchwebend befeftigt. Die Beſchwörerin rief baranf breimal ben
Ramen Gottes an und hierauf nannte fie in Meinen Zwiſchenräumen bie
Namen aller verbächtigen PBerfonen, bie möglicherweife den Diebftahl, ber
ein Schaaf betraf, verübt Haben konnten, Bei Nennung bes Diebes follte
fich das Sieb bewegen; da biefes nicht erfolgte, erflärte bie Frau, daß
ber Dieb ein ihr völlig Unbelannter fein mäfle, und war wegen ihrer Um⸗
gebung und Belanntfchaft beruhigt, (N. Pr. Prov. Bl. 1847, Dh. 1. ©.471.)
von Dr. M. Töppen, 501
Eine andere Art den Dieb zu erforfchen, heißt gleszyc. Man braucht
dazu ein Geſangbuch und einen Schläffel; beides müſſen Erbſtücke fein.
Man ftedt den Schlüſſel in das Gefangbuch und bebindet dies mit einem
Bande. Der Verfegner und ber Beftohlene legen den Zeigefinger unter
den hervorſtehenden Ring bes Schlüſſels, fo daß biefer mit dem Geſaug ⸗
buch herabhängt, Der Verſegner ruft dreimal ben Namen besjenigen,
welchen man wegen bes Diebſtahls in Verdacht Hat. Dreht fi ber
Schluſſel, jo iſt es der Schuldige. (Hohenflein.)
An andern Orten braucht man ſtatt des Schlüffels eine Schaafſcheere,
an welche das Sieb gehängt wirb, und verfährt übrigens wie vorher.
Wenn in einem Hanfe ein Diebftahl verübt wird, und man vermm-
thet den Dieb unter ben Hausgenofien, fo läßt der Hausherr diefe fänmmt-
lich zufammentreten und vertheilt unter fie Strohhalme von gleicher Länge;
nach einer Viertelftunde werben bie Strohhalme unterfucht, wo dann ber
in der Hand des Diebes gewefene gewachſen fein foll. In Blandau wurbe
dieſes Verfahren angewendet und fiche ba, bei der Unterfuchung war ber
eine Strohhalm (und wie ſich nachher ergab, der vom Diebe gehaltene)
kürzer geworben, Der Dieb hatte nämlich befürchtet, daß fein Strohhalm
wachfen wärbe unb deshalb Heimlich ein Stüd davon abgerifien. (N. Pr.
Prov.Bl. 1847. Bo. 1. ©. 472.)
Man zwingt feinen Dieb das Geftohlene wieberzubringen durch Dro-
hungen, die ihm irgend wie ſchon zu Ohren kommen, oft mit bem beften
Erfolge. Man droht ihn tobt zu fingen (f. 0.) ober man droht einen zus
fällig geretteten Theil bes geftohlenen Gutes, Zeuges, Holzes 2c. auf dem
Kicchhofe zu vergraben, was dann bie Folge hat, daß ber Dieb fterben
muß. Ueberhaupt erreichen bie Hexer viel durch Furcht, welche fie ein
jagen; denn in biefer Beziehung find bie Mafnren feigherzig. (Hohenftein.)
Viele machen ein Geheimniß daraus, wie man ben Dieb zwingen
könne, das Geftohlene wieber zu bringen. Belannte Mittel find biefe:
Ein Theil der Sachen, von welchen ber Dieb geftohlen Hat, wird in ein
eingebohrtes Loch hineingeſtedt und vernagelt. Oder: Der Reſt der Sachen
wird in einem Säckhen in ben Schornftein gehängt. Ober: Der Reſt ges
ſtohlener Sachen wird am Donnerftage in ein friſch anfgeworfenes Grab
gebracht, ohne daß babet bie betreffende Perfon auf dem Hin- und Rüde
502 Aberglauben aus Mafuren
wege einen Laut von ſich giebt. Dann Hat ver Dieb keine Ruhe, bis er
das Geftohlene bem Eigenthümer zurückbbringt. (MWillenberg.)
Man laſſe fi) einen Bohrer machen, ber, nicht wie gewöhnlich reits
um, fondern linfsum gebreht, in Holz oder dergleichen einbringt. Mit
biefem Bohrer gehe man rüdwärts bis an eine spe, bohre in biejelbe
ein Loch, flede in baffelbe etwas von bem Gute, von bem ber Dieb ger
ſtohlen Hat, und verfeile es mit einem Pfloc von bemfelben Holze. Bald
wird ber Dieb zittern, wie das Espenlaub und das Geftohlene zuräd-
bringen, (Hohenftein.)
[Ein ähnliches Mittel aus Natangen befchreibt I. Gottſchall in ben
NR. Pr. Prov.Bl. 1857. Bd. 1, ©. 158: Dan made in einen Birnen
ober Pflaumenbaum ein Loch mit einem Bohrer, Das Loc, bohre man
bis zur.Hälfte ber Baumesftärte und ſtecke barin etwas von bem geſtohle⸗
gen Gute. Dann mache man von bemfelben Baum einen Nagel und
lage ihn in das Loch. So wie das in ben Baum gefchlagene geftohlene
Gut verdirbt, fo verbicht ber Dieb. Will er nicht ſierben, fo bringt er
das geftohfene Gut zurück. Wird ber Nagel in das Loch aber ganz Hin
eingeſchlagen, fo ftirbt ber Dieb in 8 Tagen.]
Wenn man etwas Erhaltenes von geftohlenem Gut in einen Garg
legt, um ben Dieb zu verberben, fo muß man ſich fehr in Acht nehmen,
daß man nicht auf den eigenen Schatten tritt. Geſchieht bies, fo Hat man
ſelbſt den Tod innerhalb eines Jahres zu gewärtigen. (Hohenftein,)
Dan meint, daß der Dieb nicht von ber Gtelle könne, fo lange bie
Kirchenglocken länten. Doch giebt es auch Zauberſpruche, durch welde
man biefes bewirkt. (Einen folhen aus Natangen theilt Gottſchall mit
in den N. Pr. Prov.Bl. 1857. Bo. 1. ©. 157.)
Am allervorfichtigften find diejenigen, welche ihr Eigenthum fo be-
ſprechen laſſen, daß es überhaupt nicht geftohlen werben kann. Kommt
ber Dieb und will etwas davon nehmen, fo bleibt er daran feit und faun
nicht eher fort, als bis ber Eigenthümer felbft ihn freiläßt. — Solde
Beſprechung bes Eigenthums Hat wenigftens das Gute, daß fie Unfiher-
heit und Furcht bei abergläubifchen Dieben bewirkt. (Hohenftein.)
Hierbei bebient man fi folgender Formel: Es ging die allerheifigfte
Iungfran in den Garten, Ihr dienten brei Engel, ber erfte hieß Et, Per
von Dr. M. Zäppen. 603
tra, der andere St. Gabriel, ber britte St. Zachariel. Diefen begegnen
brei Diebe, welche das Kind Yefus fpielen wollten. Petrus ſpricht zum
Zachariel: Gehe und feflele fie mit Strang, Ketten und Gottes Wort, da⸗
mit felbige ftehen, unbeweglich wie Säulen. Ste follen bie Sterne am
Himmel zählen und nicht eher von der Gtelle können, bis mein Mund
und meine Zunge fie löſet. Vater unfer ꝛtc.
Ber beftohlen ift, widelt etwas vom dem Gute, von bem ihm ein
Tpeil geftoplen if, 3.8. ein Stüd Leinwand um ben Nlöppel der Glocke.
Das zunächft folgende Glodtengeläute mahnt ben Dieb das Geftohlene
mieberzubringen; beim zweiten @lodengefäute ſtirbt er, wenn das Geſtohlene
nicht inzwiſchen dem Eigenthümer wiedergebracht ift. (Hohenftein.)
(Schluß folgt.)
Erinnerungen vom Fa Blnta.
(Nachtrag zu feinem Werke: „Mitteilungen über das fociale und lirchliche
Leben in der Republik Uruguah.“)
Bon
Dr. Otto Woyſch.
Es bot ſich uns jedesmal ein höchſt belebtes Schauſpiel dar, wenn
wir auf einem argentiniſchen oder engliſchen Dampfer, zuweilen auch an
Bord eines Kriegsdampfers, von Paraguay ober Frankreich bie Innenrhede
Montevibeo’s verließen, um über ben meerartigen Strom 2a Plata nah
Buenos Aires hinauszuſchiffen. Die legten Sonnenftrahlen brachen fih
durch bie Meeresmwellen; auf den zahlreichen Kriegsichiffen der Außen⸗ und
Iunenrhebe bereitete ſich alles vor bie untergehende Sonne mit Salven
und Mufit zu begleiten, und es flogen zahlreiche Heine Böte an das Ufer,
um nod vor dem frühen Sonnenuntergang ben Hafen zu räumen. Bor
uns brangen andere Dampfer auf dem majeftätifchen Fluß ins Herz Ameris
las hinein, wir fahen bie vor uns eilenden Dampfer und ihre mächtigen
Rauchwollen. Sie fuchten auf bem oft gewaltig ſchäumenden La Plata und
feinen Nebenfläffen dem Uruguay, dem Parana und Paraguay die Häfen
ber argentinifchen Konföberation, ber Republit Paraguay unb ber innern
Provinzen des mächtigen braſilianiſchen Kaiſerſtaates zu erreichen, benn
nur auf biefem Wege kann man von Rio Janeiro aus nad ben reihen
unb wenig erforſchten Provinzen gelangen, welche im Innern dieſes Reiches
liegen. Eine Nacht nur — und man fieht das weit ausgebehnte Buenos Aires
mit feinen alten fpanifchen Kirchen und Konventen vor ſich liegen. Ein
gehullt in den Schein der Morgenröthe Ienchtet bie Kuppel ber Rathebrale,
firahlt der Thurm der Franziskaner, währen bie Gloden ber Dominic
Grinnerungen vom La Plata von Dr. Dito Woyſch. 505
faner unb ber Mercedkirche bie andächtigen Damen ber Stadt bie por-
tehas zur misa bes frühen Morgens rufen, La perla de America nannte
man in ben Zeiten der fpanifchen Herrſchaft diefe urſprünglich Puerto de
Santa Maria de Buenos Aires getaufte Stadt. Am 2. Februar 1535
war fie zum erften Dial gegründet worben durch den Don Diego de Mendoza.
Man hatte nämlich) am 1. September 1534 von San Lucar in Spanien
aus eine Expebition nach dem La Plata ansgefandt, damit man von
hier aus auf dem Landwege in das Reich ber Inkas gelange. Die am
29. Auguft 1533 ausgeführte ungerechte Sentenz des Pizarro, durch welche
Atahualpa das Leben verlor, hatte in Spanien eine große Bewegung here
vorgerufen, und man hoffte bie Vortheile der Entdeckungen durch neue
Expeditionen zu vermehren. Don Pedro de Mendoza wurde mit 20 Schif-
fen, 2000 Kriegern, unter denen fi) 150 Deutſche befanden, und einigen
Leuten von Diftinktion, wie fein Bruder Don Diego, nach den Gegenden
geihiet, welche von dem unglüdlichen Juan Diaz de Eolis entbedt und
von Eebaftian Gaboto 1526 genauer durchforſcht waren. Man hatte den
Ausflug des Rio de la Plata urfpränglich mardulce ſüßes Meer genannt,
während man ben beiden großen Zlüffen, aus denen er zufammenftrömt,
den inbianifhen Namen ließ, Parana d. 5. in ber Sprache der Guarani
großer Strom und Uruguay d.h. Strom ber Vögel Als Gaboto einige
Silberſtücke, die er von ben Agaces und Guarani's empfangen hatte, 1528
nach Spanien fejicte, zum Zeichen, daß das Land reih an Metallen fei,
erhielt der 2a Plata feinen jegigen Namen Silberfluß, nicht von ber fil-
berfarbigen Art feiner Wellen, wie man e8 gewöhnlich in Europa glaubt,
denn bie fließen in einem trüben Gelb, das durchaus nicht zu dem Vers
gleich mit Silber Veranlaffung geben kann.
IH will Sie nicht durch Einzelheiten ermüben und nur anführen, daß
Santa Maria de Buenos Aires wieder aufgegeben werben mußte und erft
am 11. uni 1580 zum zweiten Male ber Grunbftein von Buenos Aires
gelegt werben konnte. Es war an einem Mittwoch als Don Yuan de
Garah Santa Maria de Buenos Aires ernenerte und ihm den Namen
Ciudad de la Trinidad de Buenos Aires alſo Stadt der Dreieinigfeit
von ben guten Lüften gab. Der Name Buenos Aires, ber ſchon ber
erften Gründung gegeben warb, flammt von einem Ausruf her, ben am
506 Grinnerungen vom La Plata
2. Februar 1535 der Eapitain Sancho Garcia that; als er als Erfter bei
ber Erpebition des Mendoza ans Land flieg, rief er auf: „que buenos
aires son los de este suelo“ wie gut find bie Lüfte dieſes Landes.
Altmählig erhoben die Neichtyümer und bie Blüthe des Handels biefe
Stadt glücklicher Einwohner zu bemfelben Range, wie Mejico, Lima und
Bogota. Vielfach begehrt von den Königen bes alten Europas, bebroht
don den Holländern, belagert von ben Engländern, zeigte es ftets ben
Muth feiner Söhne. Das ſchöne Buenos Aires trinmphirte bei mandem
Angriff und hat nie bie Schmach einer ausländifchen Eroberung zu eitra⸗
gen gehabt. Hier erhoben fi) auch zuerft jene eblen und energiſchen Stim-
men, welche das Recht für Südamerifa in Anſpruch nahmen, frei zu fein.
Hier warb allen Völkern in ber Welt bes Kolumbus bie erfte große
Leltion in ber Freiheit gegeben, welche für alle eine neue Aera glänzender
Hoffnungen wenigftens erwecte. Oft hat man es ausgefprochen, daß wenn
die Gründer der amerifanifchen Unabhängigteit aus bem Grabe fteigen
und bie Folgen ihres Werkes ſchauen könnten, fie gern wieber ins Grab
zurüdfteigen würben, erbrüdt vom Gefühl des Schmerzes, bes Unwillens
und der Scham. Denn an bie Seite der glorreichiten Thatfache, melde
die Gefchichte der fübamerifanifchen Länder dem Tribunal ber Denker und
Forſcher vorführt, ihr Umabhängigfeitsfampf, reihen ſich andere Ereigniſſe
an, weiche bes lichten Gedankens unwürdig find, ben jene großherzigen
Männer faßten und ausführten. Die unebelften Leidenſchaften fingen an,
dieſe Bölfer zu beivegen, fie ſtürzten fie in blutigen Streit, bie öffentlichen
Antereſſen wurden zum Nachtheil der Bevöllerungen von dem Ehrgeiz un
patriotifcher Männer und von ber Leivenfchaftlichkeit kraftvoll angelegter
aber unerzogener Perfünlichfeiten ansgebeutet, ber Staatsſchatz diente ſtets
dem Ehrgeiz, ber fich feine Zwede vorfegte, die Nationen wurben von
obsturen Perfonen vertreten, bie auftauchten und untergingen, fo daß
die willlürlichſten Ungerechtigkeiten ephemerer Obrigfeiten allmählig eine
Sklavenkette bildeten, bie brüdender und ſchmachvoller auf ben Völkern
Süpamerilas Iaftete, als bie fpanifche Kolonialherrſchaft, zerbrochen von
ben Vätern ber Umabhängigfeit unb Freiheit als fie das Werk ber Eman«
cipation mit ber Freudigkeit begannen, bie in ber Morgenrötge geichicht-
licher Eutwidelungen mit ihrem Olodengeläute den fommenben Tag begrüßt,
von Dr. Otto Boyfh. 507
Auch mit ber Revolution in Buenos Aires wuchſen alle die Princi⸗
pien auf, welche die Geſellſchaft zerftören und die Staaten an den Rand
des Abgrundes führen. Mit einem Enthuſiasmus fonder Gleichen prokla—
mirte man die Bolfsfouveränität, man ließ eine unwiſſende, aber zu ger
horchen gewohnte Menge im Schwindel der Illuſionen glauben, daß das
Brincip der Autorität und der Gefege in ihr ruhe und daß fie die Träger
der Amtsgewalt nad) Willfür ein» und abfegen könne. Hieraus entſtanden
unzählige Uebel. Der Soldat, welcher zur Befreiung feines Vaterlandes
bie Waffen ergriffen Hatte, wandte ſich gegen die Mitbürger, welche ein
Hinderniß feiner Herrfchfucht waren. Der Beamte, welcher die Gerechtig⸗
keit darftellen follte, hörte auf unparteiiſch zu fein, indem er am ben poli⸗
tiſchen Leibenfchaften feiner Mitbürger Antheil nahm. Diefe, welche bie
Opfer ber Unorbnung waren, trachteten nun bahin, eine unerträgliche
Tyrannei los zu werben. Das ift ber wahre Grund ber bis anf ben
heutigen Tag verlängerten Unruhe, bie ihre höchſt intereflanten Epifoben
und farbenreichen Gemälde gegen einander kämpfender Interefien gewährt,
aber bie bortigen vielfach fo intereffanten Gejellichaftöfreife niemals ans
dem Teuer politifcher Aufregungen herausfommen läßt.
Außerdem that man in ben erften 20 Yahren der Unabhängigfeit
alles, um bie Religion in den Augen der Bevölferungen herabzufegen, kein
Gouvernement im fpanifchen Amerika war damals ber latholiſchen Kirche
fo feinblich gefinnt, wie das argentinifche, keins infultirte fo öffentlich die
Glaubensmeinungen bes Volle. Der Kreole, welcher baran gewohnt war,
nach ben Ueberzeugungen feines religiöfen Gewiſſens zu Handeln, hörte,
daß biefes eine Chimäre fei, und das mit Inbianerblut ſtark vermifchte
Volk der ländlichen Gegenden vernahm aus dem Munde feiner neuen Ob⸗
tigfeiten, baß die Religion eine Babel und ihre Vorſchriften ſchöne Parar
doxien feien. Die aufrührerifchen Bewegungen, ber Etreit zwiſchen Volt
und Obrigleit, bie Machtloſigkeit aller Autoritäten, bie Unbeftänbigleit ber
Gefege, kurz die Anarchie war die traurige Folge davon.
In feinem fübamerifanifhen Lande nahm ber Bürgerkrieg einen fo
blutigen und graufamen Charalter an. Zwanzig Jahre lang herrfchten
Häuptlinge fogen. Caudillo's, deren Schwert das Gefeg war. Das Leben
der Bürger und das Geſchick der Bevöllerungen hing von Tyrannenlaunen
508 Grinnerungen vom La Plata
ab, die fich in ihrem gräulichſten, an Wahnfinn ſtreifenden Raffinement bei
Roſas in Buenos Aires und Francia in Paraguay zeigten. Während dieſer
ganzen Zeit bot die Kirche das Schaufpiel eines tobten Leichnams ohne
Bewegung bar, bie Regierung mifchte ſich in Alles, ordnete die Geremo
nien des Kultus und ging fo weit, aus bem Schmud der katholiſchen Kir,
hen bie Farben zu entjernen, welche auf den Bahnen ihrer politifgen
Gegner als Abzeichen ſich fanden.
Roth und weiß pflegen bie Bartheifarben zu fein, blancos Weiße und
colorados Rothe nennen ſich noch heute bie Partheien, bie mit einer ro
mantifchen Unbeftimmtheit mehr für eingewurzelte Partheitraditionen, we
niger für irgend ein faßbares politifches Princip kämpfen. Wenn nun bie
Rothen an die Regierung kamen, fo durfte fein Altar und fein Heiligen:
bild fi in den Schmud der weißen Seide einhüllen und die Himmels⸗
tönigin durfte fein weiß ſchimmerndes Diadem ihren Anbetern zeigen. Zur
Zeit des Rofas trugen alle Männer rothe Weften und lange rothe Bän-
ber, weil das feine Partheifarbe war. Je breiter das rothe Band am Hut
eines geängftigten Argentiners war, befto größer war feine Anhänglichleit
für den Diktator, Die vornehmen Damen ber Stadt, die ben Tprannen
vielfach überfahen, bie zu ber von ihm ſchmählich unterbrädten Parthei
gehörten, deren vorzüglichſte Talente, Stantsmänner nie Generale, er hatte
töbten laſſen, trugen nicht bie abgefchmadten rothen Bänder und- bie thö⸗
richten rothen Kofarben der Schmeichler jenes Tyraunen. Was that Rojas?
As die Hanptmeffe eines Sonntags vollendet war, zu der alles was ele⸗
gant und vornehm ift, Mittags Bineilt, flanden eine Anzahl wilder
Soldaten vor jeder KirchentHüre und klebten vothe Kokarden mit dem un
edlen Pech an bie feinen Stirnen der geängftigten Damen ber weißen
Parthei, und bie zahllofen eleganten Stuger, welche Sonntags vor ber
Kathedrale ftehen, rührten nicht ihre feinen Parifer Spazierftöde, um ihre
Damen zu befhügen.
Es war damals in Buenos Aires eine Zeit, in ber man fih daran
gewöhnt Hatte eine Kunft auszubilden, die zu ben Bedingungen bes ſocia⸗
len Lebens in allen von Diktatoren vegierten Republilen zu gehören pflegt,
es ift die Kunſt nichts zu fehen. Ueberfüllt find bie Gonfiteria’s in
Buenos Aires zu allen Zeiten gewefen, etwa fo, wie die Raffeehäufer in
von Dr. Otto Woyſch. 609
Bien und in Paris, Die weiten und geräumigen Lofafe entſprechen un⸗
fen Konditoreien, doch find fie zugleich die Reſtaurants. Drangen nun
Mitglieder ber mashorca — einer geheimen Geſellſchaft von Mörbern, die
Rofas fih Hielt und die aus feinen ergebenften Anhängern gebildet war —
vermummt in ein ſolches Lokal, ergriffen fie einige Anweſende und führten
fie hinaus oder flachen fie ſogar im Lofal ſelbſt nieder, fo thaten hunderte
von Menfchen fo, als jähen fie gar nichts, fpielten mit erfünftelter Gleich⸗
giltigleit Domino, Billard und ihre fonftigen Spiele weiter fort; niemanb
wagte, wenn bie mashorca das Lolal verlaffen Hatte, einige Worte zum
Nachbar über die ſchreckliche Scene zu fagen ober auch nur mit ben Au⸗
gen Zeichen zu geben, denn Spione Rofas befanden ſich überall, Man war
nicht fiher, daß der nächfte Nachbar, mit dem man unbefangen Domino
fpielte, ein afiliado der mashorca fei, und Rofas befaß für alles, was in
ber Stabt gegen ihn gefprochen wurde, ein unglaubliches Gebächtniß, er-
fuhr alles, ließ eine Zeit lang fein Opfer unangefochten, fchläferte es wohl
gar mit Ehrenbezengungen ein, bis endlich ber Sichere und Getäufchte von
feinen Krallen erfaßt wurde.
Oft geſchah ſolches auf einem Balle, den Roſas im feinem eleganten
Landhaus Palermo gab, und während im Nebenzimmer ver Dolch zudte,
fächerten fi im Saale die Damen, und manch europäiſcher Attaché Heis
dete eine buftige Albernheit in ein Bouquet von Phrafen ein, das lächelnd
die Damen auffingen, die, beherrfcht vom Blick des Alles überjehenben
Diktators, nur lächeln und tanzen durften, während bie Opfer bes Rofas
erfchoffen ober erboldt wurben. Zuweilen präfentirte man bie Ohren bes
Ervdolchten auf einer verbedten Schüffel befreundeten Damen bes Opfers.
Selöft die milde Tochter des Rofas, bie viel gefeierte Mannelita mußte ſich
mit thränenden Augen zum Herumtragen folder Schredlichleiten hergeben,
Detzt liegt das viel berühmte Landhaus Palermo, in dem Graf Wa-
lewslti unb anbre franzöfiiche Diplomaten fo mandesmal mit ven Schön-
heiten des 2a Plata getanzt Haben, ode und verlaffen ba, Die weißen
Flügel des einftödigen Gebäudes ſchauen ſchwermüthig aus einem großen
verwilberten Garten herans, in welchem alles wäft burcheinander wächft,
die herrlichen Bäume des Landes und bie eingeführten europäifchen Zier-
pflanzen, Iſt man im Eifenbahnwaggon, der nad) San Fernando oder
510 Erinnerungen vom La Plata
San Hioro führt, auch noch fo ſchweigſam, an Palermo wirb alles leb⸗
haft, jeber erzählt Anekdoten vom Diltator. Mit Abficht läßt die argen-
tinifche Regierung dieſen fteten Aufenthalt des Rofas verfallen, damit bie
Bewohner von Buenos Aires fich ftets durch das Gefühl ihrer wiederer⸗
langten Freiheit erhoben fühlen, fobald fie an Palermo vorübereilen.
Verſchwunden ift ber zahme Löwe, mit dem Rofas zu fpielen pflegte, ver-
ſchwunden find die jungen Pferbe, die fogen. potros, bie er als berühmter
Gaucho und Pferdebändiger au zähmen verftand, wenn ihre aus ber Pampa
flommende Wildheit und ihr Ungeftüm ſelbſt den muthigften Gaucho zur
Verzweiflang brachte, verſchwunden ift der Priefter, der bie Meſſe las,
dem Roſas als Chorknabe affiftirte, was zu feinen Tyrannenlaunen ge
hörte, verſchwunden find die reich vecorirten Säle, die manches Ungehente
gefehen Haben. Roſas nannte feine Gegner „wilde Unitarier” salvajes
unitarios, und wenn in Palermo ein folder erbolcht war, mußten fogar
die Begräbnißzettel in diefer Form ausgeftellt werben: es barf ber wilde
Unitarier Don N. N. begraben werben, und es war häufig ein zierlicher
und nichts weniger als wilder Mann gewefen.
Doch ich will nicht durch eine weitergehende Schilderung ber Ver
Hältniffe unter Roſas Sie ermüden. Genug die 14 Stanten ober Pro-
vinzen, welche die Konföberation bilden, 75,000 Meilen groß find, alſo
viermal fo ausgedehnt wie Frankreich find, ertrugen lange feine Dittatur,
Man tonfpirirte viel gegen ihn, bie berühmteften Generale, wie Quiroga,
verfuchten in den Provinzen fein Anfehn zu brechen. Auch in ber Haupt
ſtadt fehlte es nicht an Racheverſuchen von Seiten ber Söhne, deren Bär
ter durch Roſas meift Hinterliftig aus dem Wege geräumt waren, inbeh
die mashorca, zu ber Generale, höhere Beamte, Spefulanten, Saladero⸗
befiger und andere Kreaturen des Rofas aus ben unterften Geſellſchafts⸗
ſchichten gehörten, hielt alles in Schreden. Es würde mich heute zu weit
führen, wenn ich das allmählige Erblaffen des Glüdfterns bes Rofas
ſchildern wollte und ven Iubel ber noch lebenden Augenzeugen, als er mit
feinen Schägen und mit feiner Tochter Manuelita auf ein englifdhes
Kriegeicgiff flüchten mußte, Ich will nur hervorheben, daß viele reiche Mit
glieder des mashorca nad) dem Sturz ihres Proteftors in bie Nachbar
ſtadt Montevideo zogen, wo ih fie in den feinften Geſellſchaftskreiſen noch
von Dr. Dtto Woyſch. 611
vorfaud. Ja einige machten große Häufer, und bie Fremden, deren es im⸗
mer viele dort giebt, ließen ſich bei ihnen vorſtellen. Die beſchäftigten
und die unbeſchäftigten Diplomaten, die Offiziere der ſtationirten Kriegs⸗
ſchiffe, Auffen, Spanier, Italiener, alle durchreiſenden Naturforfcher, ließen
fi den Damen eines Haufes vorftellen, deren Familienhaupt ein Mitglied
ber mashorca gewefen war. Der Mann war urfprünglich Nachtwächter
oder vielmehr Chef der Nachtwächter, ber fogen. serenos gewefen, war als
folder mit Rofas befannt geworben, viel von ihm benugt und reich be»
ſchenlt. Auch er errichtete einen Saladero d. i. eine große Rinderſchläch-
terei. Roſas verfchenkte die Heerben feiner politifchen Gegner an feine
Anhänger ober verkaufte fie für ein geringes Geld, dann wurben taufende
bon Rindern nad ben Saladeros getrieben, bort gejchlachtet und ihre
Hänte nach Europa gefchidt.
Ich Habe ſchon zweimal das Wort Saladero gebraucht. Zu ben eis
genthümlichen Erſcheinungen am La Plata gehören dieſe großen Rinder⸗
ſchlachtereien, wie es denn wohl nirgends fo viel Millionen Rinder giebt
als am Sa Plate. Sie machen ben Reichthum des Landes aus, ihre Häute
werben in bie ganze Welt auegeführt, und wenn man in Rußland von
einer Braut fragte: wie viel Seelen hat fie, fo fragt man hier: quantas
vacas tiene ella, wie viel Kühe hat fie. Erlauben Eie, daß ich fie mit
einem Salabero ein wenig befannt made. Zur Einrichtung eines Sala⸗
dero'8 braucht man große Rapitalien, weßwegen bie meiften Afjozintionen
angehören; Engländer, Brafilianer, Italiener pflegen ſich mit Geid bei
einem Saladero zu betheiligen. In früheren Jahren töbtete man in ben
argentinifhen Staaten bie zahlreichen Rinder nur wegen ber Haut, man
trieb über die weiten Ebenen bie Rinder zu Hunderten zufammen, töbtete
fie und nannte eine ſolche Schlacht matanza. Das Fleiſch ließ man auf
der Ebene liegen für bie Hunde, für die Geier, für die Möwen, bie ich
fo Hänfig in unermeßlichen Schaaren um bie Pläge habe kreiſen fehen, wo
viele Saladero's angelegt find. Heutzutage weiß man bei ben lebhaften
Hanbelsverbindungen mit allen Theilen ver Welt auch bie andern Ber
ſtandtheile ber Rinder zu benugen, nicht allein bie Haut, fondern and
das Fleiſch, die Knochen, das Bett, die Haare, und bie Salzsero’s find
512 Erinnerungen vom La Plata
bie Anftalten, in benen man alles dies zum Verkauf und zur Ausfuhr in
fremde Länder zurechtmacht. -
Wenn man einen Saladero anlegen will, jo muß man auf mandes
achten, Hauptbebingung für einen Saladero if es, daß er im ber Nähe
des Meeres oder eines ſchiffbaren Fluſſes liegt, damit bie Fahrzeuge von
ihm ans bie Produkte nach den großen Schiffen bringen können, welde
bie Häute, bie Knochen, die Hörner nad Europa und Nordamerila, das
getrodnete oder gefalzene Fleiſch nach Brafilien oder nach Kuba führen.
Im Kuba wird das getrodnete Fleiſch, das carne seca von ben Negern
genoffen, in Braſilien auch von den meiften Weißen, fie genießen es mit
den fchwarzen Bohnen zufammen, die vortrefflich find und bort wie am
2a Plata das vorzüglicfte Gemüfe abgeben.
Es liegen bie Hauptſaladero's am Uruguay, am Parana, am La Plata
und im Umkreis ver fchönen Bai von Montevideo, jeboch in beträchtlicher
Entfernung von ber Stabt, denn ein Salabero ift fein mit Rofengebüfchen
umgebenes Etablifjement. Wenn ber Götheſche Aleris die Göthefche Dora
aus ber Elegie bort getroffen Hätte, fo hätte er nicht rufen können „und
die Myrthe bog blühend ſich über uns Hin.” Sie verleihen ber nächſten
Umgebung etwas triftes und häßliches. Zuweilen breitet ſich der Blutge⸗
ruch von ihnen aus über weite Streden und kein Dichter würde fich ihre
Umgebung zum geweihten Play nächtlicher Hoher Gedanken erwählen, wenn
zu ben Reihen der Nymphen verfammelt in Heiliger Mondnacht ſich die
Grazien heimlich herab vom Olympus gefellen. Die Infelten mehren fih
hier in einer ganz abſcheulichen Weife, namentlich die liegen, das viele
Blut und das viele Fleiſch, das nutzlos liegen bleibt, nährt zahlloſe
Schweine. Fliegen, häßliche Schweine und verfrüppelte Ombubäume be
ſtimmen den landſchaftlichen Charakter eines Saladero's. Hinweg von
hier, vief mit Entfegen eine belgifche Malerin aus, die wir einft nach ben
Saladero’s führten! Sie hat fpäter einen Batb „Schneeglödchen" Heraus
gegeben, damals überſetzte fie einiges von Victor Hugo neben ihren Zeich-⸗
numgen, und ber Unterfchied zwiſchen Amerika und Europa leuchtete ihr
beim Anblick der Saladero's fo ein, daß fie nad; Curopa mit allen Mu
fen im Herzen heimfehrte. Ihr Bruder ift ein reicher Kaufmann mit Rinder⸗
von Dr. Otto Woyſch. 613
Hänten geworben, einmal fagte er zu meinem Kollegen in Buenos Yires
„ihre Saladero's liegen bort oben.“
Eine andere Bebingung für bie Anlage eines Saladero's ift ein wei
tes Feld mit vielem trinfharen Wafler. Die fogen. Tropillas, bie Rinder⸗
heerden, welche ans dem Junern des Landes oft viele Tagereifen weit
herangetrieben werben, bamit fie täglich zu vielen Hunderten geſchlachtet
werben, find bei ihrer Ankunft ſehr müde und müſſen eine Zeit lang trin⸗
fm und weiden, bis man fie abſchlachten Tann. Das Fleiſch des ermübes.
ten Thieres Hat einen geringen Werth, doch dies würbe ben Galaberiften.
nicht beftimmen, ben Tropillas einige Zeit zu gönnen, um burch der Blu
men friſchen Than zu weiben, wie der Dichter fagt: „Du wanbelft durch
der Blumen friichen Thau, pflüdft aus dem Ueberfluß des Waldgebüſches
dir gelegene Speife, legeft ben leichten Durft am Silberquell,“ wohl aber
hält es ſehr ſchwer die Haut vom magern und müben Thiere kunſtvoll
loszulöfen. Man kann fie dann leicht verſchneiden und bie Goldunze ift
verloren, bie man unter Umftänden mit der Haut verbienen Tann.
Außer der Lage am Wafler und außer dem Weideland find num auch
eine Anzahl Gebäube nöthig, bie auf dem frifchen Wiefen und an ven hel⸗
len Gewäfjern zu liegen kommen, ein Salzdepot, aber ohne Beamte in
Uniform und ohne Dienfiftunden, fogen. Baraden für Fleiſch, für bie
Hänte. Jeder Anflug von Poefie geht ihnen ab. Auch das Gebände, in
welchem bas Fett gewonnen wird, zeichnet ſich burch bie Unfchönheit feiner
Formen aus, von dem Unblid bes Innern gar nicht zu reden. Würde bie
ſchönſte Spanierin Hineintreten, man würde fie kaum mehr fehen, benn,
fagt der Dichter, ſcheint das Licht anf einen ſchwarzen Grund, fo ficht
man nichts mehr von dem Lichte. Schoppen für das Zerfchneiven und
Einfalgen des Fleiſches fehlen auch nicht. Sobann werben fo einfach wie
möglich Wohnungen für den Patron d. i. der Beſitzer, für feine Auffeher
und für alle feine Knechte die fogen. Peone eingerichtet. Auch Eomtotre
befinden fi} in folcher Anftalt (vielleicht fieht man auch hie und ba einen
verlaffenen gelben Handſchuh, Marke Jouvin). Die Führer der Meinen
Bahrzenge, meiftens verfchmigt ausfehende aber trenherzig rebende und viel
geſtikulirende Genovefen, welche die Hänte aufladen, bie Kuechte, welche
don ber Sonne gebräunt arbeiten, die Gaucho's, welche m en langen
Altz:, Ronatejqriſt Bd. TIT. dſt. 6
814 Crinnerungen vom Su Plata
Vilen unb unter fantem Geſcheei ber ſpaniſchen Schiupfwortr, ben fogm.
malas palabras, die Rinderheerden herantreiben, bie Baraqueres: ans ven
Städten, welche Hänte auflaufen, um fie in ihren Baraden file Sabungen
zu ſaumeln, die fogen. Häntemäffer kommen und gehen ober vielmehr
zeiten hinein unb reiten ab, Gtets fleht man an einen Saladero Reiter
in Kißuftem Sing Jeranfprengen, Auf ben Ebenen fieht bas hchſt maleri
aus. Die weiten Poncho's ver Gaucho's, ihre Mäntel, wehen farbenreich
tm Winde, und das hohe Gras beugt fi) und wallt unter bem wilden
Neiter, deſſen Heiner runder Hut, filbere Sporen, weite weiße geftidte
Beinkleider, rother und blauer Poncho, weiche Pferbebeden, wunderbar
hoher Sattel, recado genannt, über bie Difteln der Ebene ſchimmern ober
über bem röthlichen Geſtein erſcheiuen, das hie und ba aus bem Erdbo⸗
ben herdorſchimmert, Syenitgrund anzeigend. Stalientfche Bootslente hört
man mit brafilianifchen Peonen ftreiten, gelbe Mulatten find es, bie leicht
wüthenb werben. Unbre fpielen mit unfcheinbaren Karten unter einem ho ⸗
hen Karren, careta genannt, unter weldhem für eine ganze Geſellſchaft
Play if, denn bie careta ruht auf zwei Toloffalen Rädern, weiche ven
Karren mit jenen Probuften durch bie zahlreichen Flüßchen bes Landes
hindurchführen. Das Gebrälf ber dem Tode entgegengehenben Rinder
ſchmettert dazwiſchen und lautes Geſchrei vielfadher Befehle tönt aus bem
bunten: Getreide hevans, wenn eia Galabero arbeitet, denn wie eine
Dampfmaſchine arbeitet, fo arbeitet auch ein Saladero.
Es giebt gewiſſe Jahreszeiten, in denen bie Saladeros beſonders ar⸗
beiten. Bon dem Arbeiten ber Saladero's hängt vielfach das kaufmanni⸗
ſche Gefchäft in Bnenos Aires und Montevibeo ab. Arbeiten die Saladero's
nicht, fo ſchweigen allmählich alle übrigen Geſchäfte, es fehlt das Gelb
und es ſchwindet ber Unternehmungsgeift. Die Schiffe können keine Frach ⸗
ten finden. Arbeiten bie Saladero's, fo verdienen die zahlreichen italieni⸗
fen Bootsführer viel Gelb mit dem Ueberfchiffen der Häute, fo können
die. Erporthänfer unter den Kaufleuten bie Schiffe befrachten, fo Künnen
auch bie Geifenfahrilen und bie Sichtfabrilen arbeiten, weil fie wohlfeil
ihren Rohſtoff einkaufen, fo werben and bie Eſtancieros ihre üben
flüßigen RNindertropillas 108, unb es läßt fi im Allgemeinen ein großer
Nnſſchwung in ber Siabt merken. Es wird ſelbſt in den Tiendab mehr
von Dr. Otto Wi, 515
gelanft, in denen bie feinften und thenerfien Parifer Modeftoffe jeden
Abend unter herrlicher Beleuchtung für bie sehoras und sehoritas, rauen
und Sräuleins, von franzöſiſchen Sünglingen ausgebveitet werben.
Damit der Salabero arbeiten laun, braucht er brei Coralle. Corall
nennt man einen. runden Play, ber mit fehr ſtarken Pfählen eingezäuns
if, die fo nahe an einanderftehen und fo hoch find, daß dns Vieh nicht
hindurchlann. Nur einen Eingang hat fold ein ganz runder Coral, Der
größte der drei Coralle wird buch eine Umzäunung von ſehr ſtarken
Pfaͤhlen aus. Nandubeyholz oder durch Steinmazern eingefaßt. Häufig
tommt es vor, daß bie Umzäunung aus taufenben übereinander gelegter
und verflachtener Rinderhörner befteht, was einem’ folden großen Plage
ein merfwürbiges Anfehen giebt. Ein breiter Eingang empfängt die Heer⸗
ben, bie bier zuerft Hineingetrieben werben. Die maleriſch koſtüwirten
Gaucho's, welche fie ans dem Innern bes Landes berantreiben, find mis
langen Bilen verfehen, um einzefne Kinder, bie wiberfpenftig werben, amf
den geraden Weg zurüczubringen und jeden originellen Einfall einer m
travaganten Kuh zu verhindern, bie häufig links und rechts in bie Ge
baſche eilen. Namentlich wenn bie Heerben durch einen Fluß getrichen
werben, fucht eine und bie andere Kuh bie Geitengebüfche zu erreichen,
aus benen ber Quebrachobaum mit feinen trauerweibenartigen Blättern,
mit feinem weißen Hol; und feinem glänzenden Grün herauoſchaut, oben
and) ber Tala mit feinem eichenähnlichen Aeußern, feinem bichten Laub,
feinen vielfach verſchlungenen Dornenzweigen und feinen rothen Bluthen⸗
bäfcheln fammt den zahllofen Schlingpflanzen und Blüthen lockt. Ein
tomantifher Zug ind Ungewöhnliche Hinein fcheint die Kuh zu loden,
dorthin, wo bie Walbfafanen über den Buſchen ſchweben und zierliche
violette Turteltauben aus dem Espinillobufch herausſchauen. Raſch aber ex
veicht fie die Pilenfpige des Gefeges. Die reitenden und ſchreienden Beone
treiben fie in die raſch eilenden Fluthen den Laufenden nach, die ſchwim⸗
menb das andere Ufer erreichen unb ohne einen Blick auf bie laudſchaft
lichen Schöngeiten ver Finfufer zu werfen, gleich weiter traben. Sie Mine
mern ſich auch nicht um das Aroma, fo nennt man bie wie gelbe Gelbe
ſchimmernde und köſtlich buftende Bläthe des Eapinilio, ber bie Shskmfer
umvankt, Es if für jeven Argentiner ein herzechebendes Gchaufpiel, jo siehe
33°
616 Crimerungen vom La Plata
Ninber beifammen zu fehen, rothe, ſchwarze unb weiße. Wenn man fie auf
der weiten Ebene traben fieht, ſcheint ihr Blick intelligenter zu fein, wie
der unſerer armen Rinder, bie in Gtällen eingefpertt, bie Parias unter
den Stieren bes Erbrunbes find. Das Bewer ber Wildheit glänzt im Ange
bes Pampaftieres, und ber Argentiner ruft mit Entzüden ans: que linda
tropilla, welche liebliche Heerbel Gein Herz bewegt ſich Ahnlich wie das
Herz der Berliner Geheimrathstochter, bie durch böhmiſche Berglaudſchaf⸗
ten fliegend vom Coupe ans plöglich einen befonbern Berg fucht und mit
GEntzüden ansrufts anf jenen Berg ba find wir vanfgeflettert!
Anf meinen Reifen mit ven Diligencia's, welche alle argentinifchen
Provinzen, ſelbſt Imbinergebtet, durcheilen, lam es Hänflg vor, baß ein
Paſſagier ansrief: miran Ust. una tropilla, fehen fie meine Herrſchaften
eine Heerde, und ſchnell mußte der Mayoral, wie man ben Führer einer
Diligencia nennt, ſtillhalten. Mon genoß mit Entzüden das Schauſpiel ber
mit bumpfem Gebröhn vorbeieilenden Rinder. Ihre Größe, ihr Werth, ber
Saladero, für den fie beſtimmt waren, alles wurbe mit anmuthiger Reini»
tät befprochen. Und im Innern der Diligenciae, anf ven tagelangen Reifen,
lernt man am meiften über Politit, Geſchichte, Verlehrsieben und Zu-
fände bes Landes.
Bon dem menſchenhohen Pampasgras, durch das fie viele Tage
laufen mußten, von ben ſaftigen Dieſteln und von den feinen Flußchen
träumen nun nichts bie Rinder, die im erſten Corall das Ende ihres Er⸗
denlebens abwarten. Auf biefen erften Corall folgt ein zweiter, welcher
durch eine Thur mit ihm aufammenhängt. Im biefen zweiten Gorali führt
man nun eine beſtimmte Anzahl Thiere Hineln, fo viele als am aubern
Morgen geſchlachtet werben follen. Sind fie aus dem erften Eorall mit@er
ſchrei und Aufmunterungen durch bie Pike in ven zweiten Kineingetrieben,
fo ſchließt man bie Zwiſchenwand. Endlich ſchließt fi) ein dritter viel
Heinerer Eorall an, welcher immer nur 20 Stüd Rinder beherbergen Tan.
Er enbigt in eine Art Engpaß ober Gang, in welchem ein auf Eiſenſchienen
zollender Wagen als Platte genan Play hat. Diefe bewegliche Platte hat
gen) Heine Mäder und erhebt fi nicht viel über bie Erde. Um dieſen
einen Corall zieht ſich eine Hohe Galerie, auf ber man einhergehen kann.
Sie wird über dem Engpaß zu einer Brüde, Durch eine Flugelthier iſt der
von Dr. Dito Woyſch. 517
Gang verfehlofien. Oben auf biefer Brüde flieht der granfame Mann mit
dem Laſſo, ber mit prüfendem Blick feine Opfer bie unwiſſenden Ochfen
anſchant. Das eine Ende bes Laſſos, das eine lange Schlinge zum Werfen
iſt, befindet ſich außerhalb ber Flügelthüren des Coralis, an dem Voch
zweier Ochſen, die ein Knabe leitet. Den Knoten mig ber eigentlichen
Schlinge Hält der Mann oben in ber Hand unb wirft bamit nach bem
erfien beſten ber 20 Todeslinder. Sobald ber Laſſo ben Stier gefaßt hat,
giebt der Gallerieherrſcher dem Knaben mit ben Ochſenjoch ein Zeichen,
ber treibt feine Ochſen an, und raſch iſt ber vom Laſſo umſchlungene Ge⸗
fangene auf ben eifernen Wagen gezogen. Er währt ſich, er ftößt um fich.
Wie es feine Natur mit ſich bringt ſtößt er mach vorne, ſtößt mit feinen
Hörmern gegen bie verfchloffene Thür und bleibt einige Angenblide ruhig.
Diefe Augenblide benugt der Mann auf ber Gallerie, um von ber Brüde
aus fich nieberzubengen umb fein langes Mefler, das einem fcharfen
Schwerte ähnlich iſt, dem Ochſen in den Naden zu ftoßen zwifchen bem
Hinterlopf nnd bem erfien Rüdenwirbel. Der Ochfe ftürzt Hin wie vom
Blitz getroffen, raſch äffuen ſich die Flügelthüren bes Unsgangs, zwei
Männer stehen bie eiſerne Platte heraus, auf welchem der Ochſe abſchei⸗
det und raſch ſchließen fidh bie Flugelthuren wieder. Man legt den todten
Körper des Windes auf hartgetretenen Boden und ſchiebt die eiſerne
Schleife wieder in ben überbrädten Engpaß hinein, ſchließt bie Thüren
und ſucht ein neues Schlachtopfer. Mit unglanbliher Schnelligkeit ger
ſchieht das alles, bie Kuuſt des gefchidten Laſſowerfens iſt bei den korper⸗
lich behenden Urgentinern, namentlich ben fog. Gauchos, ungemein aus⸗
gebildet, und bie Eleganz ihrer Bewegungen macht ihre Leitungen zu
einem angenehm berühtenden Schanfpiel, zumal ba es meiftens fchöne
Geſtalten mit ſchwarzem Haar und gebräuntem Antlig mit dunklen Haren
Angen und äuferft zierlichen Händen und Füßen find, Und nad ber
Zierlichteit des Fußes beftimmt ja Burmeifter ben Abel bes Menſchen in
der Societät! In Buenos Aires fiel es auf, daß Burmeiſter zuerft immer
ven Buß desjenigen anfah, mit bem er befannt gemacht wurde. nf ben
Eindrud der Komverfatton gab er weniger und er meinte: Ueberzeugung
ſoll mir niemand tanben, wer es befler weiß, ber mag es glauben,
Das heransgezogene Thier läßt man zu Aber, das Blut leitet man
618 Erinnerungen vom La Plata
durch einen Kanal nad) einem Teich. Wan verfucht wohl fchon hie und
ba einen kunſtlichen Guano daraus zu machen. Dann nehmen bie ſog. De
folabores beu Körper bes Rindes vor, um bie Haut abzuziehen, was mit
einer fabelhaften Schnelligleit geſchieht. Sofort wird das Fleiſch im vier
Theile zerlegt, nqch einem Schoppen gebracht und anf Hacken aufgehängt
Man fchneidet num gefchidt das Fleiſch ab, fo daß nur bie Kuochen zu
rüdbleiben, umd ſchichtet das Fleiſch mit diden Lagen Salz zu großen
Haufen auf. Gin Theil des Fettes iſt ſchon abgetrennt und das übrige
wird baburch gewonnen, baß 25 bis 30 Dehfengerippe im große Holzkufe
fen gebracht werben, welche durch glühende Waflerdämpfe und Röhren er
hitzt werben, bie aus einem glühenben Ofen kommen. Wenn man bie
Stelette aus dieſen großen Kuffen zieht, fo haben fie alles Fett verloren.
Die Kuochen, welche noch zu Drechslerarbeit dienen lönnen, werben in ver⸗
flänbig geleiteten Saladero's, bie auch das Kleine nicht verachten, geſam⸗
welt, Die andern wirft man ins Feuer, um bie Keffel und Kuffen zu Hei-
gen, welche das Fett anstreiben. Die bann noch übrighleibende Knochenaſche
egpebirt man nach Europa. Biele Laufen Knochenaſche auf. Ich wohnte
einmal mehrere Wochen, um ungeflört arbeiten zu können, im Dertchen
Buceo am Meer, berühmt buch bie Brandung ber Wellen. Der Mann
qus Minorca, bei dem ich wohnte, häufte Berge von Kuochenaſche vor ſei⸗
nem Haufe auf, und es ſah gar nicht fo unpvetiich aus, wenn bie Gaviotas
ber Rippen und Infelchen heranflogen, um auf ber Knochenaſche über ben
Unterſchied von Meer und Land Betrachtungen anzuftellen, zumal wenn ans
ber bumpfen grauen Ferne leifewandelnb fi) ver Sturm anlünbigte. Das
aufgehäufte Fleiſch ift nach einigen Tagen ganz von Salz durchzogen uud
taun auf dem Tendal getrodnet werben, fo nennt man eine Einrichtung
mit horizontalen Stangen, Iſt es einmal ganz getrodnet, fo legt man
es unter freiem Himmel auf einen ausgemauerten Boben und bebedt es
mit Hänten, bis es verkauft wird, Man töbtet in ben Saladero's bed
2a Plata tm Ganzen 800,000 bis 900,000 Rinder. So werben alſo
800,000 bis 900,000 Häute exrportirt, wozu noch 400,000 aus bem ger
wöhnligen Verbrauch außerhalb der Saladero's kommen, bean man ber
wahrt nad; Schlachtung eines jeben Kindes forgfältig die koſtbare Haut
auf. Faſt 11 Million Häute werben vom 2a Plota nach. allen Theilen
won Dr. Ono Werſch. 610
der Belt verſchifft, welche einen Meng mon faſt 20 Millionen Thaler
nach unferm Geld vepraſentiren. Taglich werden durchſchnittlich 400 Kin
der auf einem Saladero geſchlachtet.
Woliten wir in Montevibeo eiumal einen Saladero arbeiten fehen,
wovor wir an Stiergeſfechte gewöhnt richt zu ſehr zurückſchreckten, fo muß⸗
ten wir uns ſehr früh aufmachen, wenn noch Sein mächtiger Sonnenſtrahl
he weißfegimmernben platten Dächer unſerer Wohnungen traf. Gewöhnlich
fegelten wir auf Heinen Böten über bie herrliche Bucht, bie mit großen
zud Heinen Segeliiffen, Rriege- und anbern Dampfern überfät war, fo
Dub wir bie Flaggen vvn Grafilien und Nord⸗Amerila, von Chili und
Bern, von Dialien und Rußland, von Belgien und Hamburg im wohl
tätig Zülenden Morgenwind aus ber Nähe betrachten konnten. Dann Ian-
deten wir am Cerro einem MBerge, der Montevideo gegenüber liegt unb
die Bulht maleriſch abſchließt, und auf deſſen Abhängen außer einer Heir
ven Stadt auch die blühendſten Salaberos liegen. Bei Tagesaubruch be⸗
ginnen bie Arbeiten in den Salabero's und fie müſſen am 11 Uhr ſpäte-
Pens um Mittag mit dem Tödten ber Rinder fertig fein. Der Reſt des
Dages wird ausgefüllt durch das Zerſchneiden und Einſatzen bes Fleiſches
unb ber Haute.
Die Zeit des Jahres, in welcher bie Saladeros am eifrigfien arbei⸗
ten, if} ber Frühling. Namentlich im November am Ende bes Frühlinge
Find die Kinder am fetteften and iſt das Abſchlachten am gewinnveichflen.
Der Salaberift hat feine Agenten, welche auf bem Lande umherreiten und
gegen baare Bezahlung von den Gftanziasbefigern bie Tropillas Tanfen,
deren Transport nad) einem Salabero eine mühſame Arbeit if. „Dinter
ben Ochſen herreiten,“ wie man bort fagt, iſt eine mähfeme aber ſehr ge
ſuchte Beichäftigung. Auch wohlhabende junge Leute Rberischmen es gegen
Mord Tropillas nach einem Saladero zu treiben, Man macht kurze Ta⸗
gesreifen, ſchlaſt unter freiem Himmel, haͤlt Mittags Sieſta an einem
Fuß, teifft gute Bekannte und reitet daun verguägt und raſch vom Gala
bero wieber heim. Die bie ganze Woche hindurch Ochfen angeichrieen haben
tanzen Sonntags mit feinften Anzug auf einer Tertulia, wie man bie
dortigen Geſellſchaften nennt, ober fingen zur Zither ihre einfürmig Tin
520 Erinnerungen vom 2a Plata
genben Weifen unter einem Ombubaum nor bem Haufe, währenb bie fiets
in Seide gefleiveten Töchter bes Landes Mate trinfen und träumen.
Bei dem Treiben ber Tropillas geſchieht es zumeilen, baß ein paui⸗
ſcher Schreden die ganze Heerbe ergreift, und trog aller Wachfamkeit ber
Beone kehrt fie um und trabt in wilder Haft meilenweit zuräd. Alte Rei
ter jagen nach um bie Tropille zum Stehen zu bringen, Wenn eine flie⸗
hende Tropilla an einem Ort voräberjagt, werfen fich alle jungen Leute
anf bie ſtets gefattelt vor ben Häufern ſtehenden Pferde, um mitzuhelfen
und mit zu ſchreien. Oft bringt erft ein Fluß bie Heerbe zur Vernuuft
mid. Sie ſchwimmen langfam und bie Reiter ſchwimmen mit ihren
Pferden raſch hindurch, ſtellen am jenfeitigen Ufer ſich auf unb jagen
nun wenn's gelingt bie Heerden zurück. Die Flußufer des Santa Lucia
find 15 Minuten von dem Städtchen gleichen Namens entferst. Diefe
kurze Strede Hatte ich einmal in Geſellſchaft eines franzöftichen Naturfor⸗
ſchers und eines Schweden eben zurüdgelegt. Wir hielten ganz vergnügt
Siefte, nachdem wir ben ganzen Morgen an ben feichten Webergängen
des Flußes Bohrverſuche gemacht und viele Mineralien gefammelt Hatten,
als ein Geräufh, wie fernrollender Donner uns aufſchredte. Wir eil⸗
ten aus unferm malerifchen Raucho und fahen über bie Ebene, bie wir
fo eben forglos unter Geſprächen durchſchritten hatte, taufenbe von Stier
ren mit vorgebengtem Kopf und hoch aufſchlagenden Füßen nach dem
Fluß fi ſtürzen. Hunderte von Reitern jagten in einiger Entfernung nach,
doch hatten bie Kinder einen höchſt bebeutenden Vorſprung. Der Ger
danke war nicht fehr angenehm, daß wenn wir etwas fpäter vom Fluß
heimgelehrt wären, wir unfehlbar von ber fliehenden Heerde erreicht wor-
den wären. Sie fuchten ihre Querencia, wie man bie Pampagrasfläche
nennt, auf ber bie Rinder erzogen und geboren find. Dort finbet man eine
burchgegangene Heerbe fiher wieder und mit Worten wie locos canal-
las hijos de perros, diablos, Narren, Kanailien, Hunbeföhne, Tenfel und
anbern ganz unausfprechlichen Ausdrucksweiſen werben bann bie ruhig
wieberfäuenben Thiere von ben mübgerittenen Peonen begrüßt, wenn fie
fie enblich nach Tagen wieberfinden. Dann muß man von ber Eftanzia
fie zum zweitenmal nach dem Salabero führen.
Das Wort Eſtanzia ift ſchon mehrfach ausgeſprochen worben nnd es
von Dr. Otto Boyfh. 521
iſt befonnt, daß bie großen Sanbbefigungen, bie Weideterrains fo benannt
werben, bie fi um ein Haupthaus oft meilenmweit ausbreiten und von
Jahr zu Jahr einen größern Werth bekommen,
Bom Saladero Abfchied nehmend führe ich Sie jegt zur Eftanzia. Das
Bort Eftanzia und das Wort Freiheit verknüpft fi unwillkürlich in mei⸗
zen Erinnerungen. Will man freie weite Welt, ungefeflelte Natur, weite
Blicke, Haren Himmel, eine Laudſchaft im Weberfluß des hohen Graſee
fehen, jo muß man fi in Buenos Aires und in Montevideo das Roß
fatteln laſſen und an eimem lichten Morgen, wenn ver Than an allen
Blumen weint, hinauseilen auf eine Eftanzie. Sie umfaßt gewöhnlich
mehrere Onabratmeilen, auf denen außer ben freien Thieren bes Feldes,
zahlloſen Vögeln, Dammhirſchen und Stranfen, Zwergenlen und Gürtel
thieren, wilden Raten und Pampaskaninchen, das Heerbeneigenthum bes
Beſitzers weidet. Der reitet von feinem Haupthauſe aus nach allen Theilen
feiner Befigung. Das thun auch feine Beamten, wenn das Wort Beamter
eine richtige Vorftelling von fübamerifanifchen Verhältniſſen geben könute.
Es Hingt dort fo wie uns das Wort Gancho ober Kazike, und wenn une
amerilanifche Zuftände wunberlich vorkommen, fo kommen bie enropätfchen
Berhättniffe den dort aufwachſenden Menfchen auch wunberli vor. Die
herangewachſenen Knaben meines Kollege im Alter von 14 Jahren waren,
wie ich zufällig einmal erfuhr, alle der Meinung, baß bie enropälfchen
Könige mit Krone und Purpurmantel fpazieren gingen.
Ih bemerke, das es Rindereſtanzias, Schafeeſtanzias, auch Pferdes
eſtanzias giebt. Ueber dieſe letzteren will ich nicht ſprechen und mich
nur mit den Rindereſtanzias beſchäftigen. Doch dazu muß ich au ben
Gang ver Kultur von Often nach Weften erinnern. Auch bas Rind
iſt von Often kommend hier eingewanbert. Bor ber fpauiihen Erober
tung hatten bie Indianer, welde bie Gegenden bes La Plata bewohn⸗
ten, fein befonderes Hansthier. Nur auf ven Abhängen ber Anden ber
nutzten die Quichuas und Aymaras das Lama als Hausthier. Die
ſpaniſchen Eroberer, die ja große Mitter waren, brachten das Pferd mit,
Das vergaßen fie niemals anf ihren Entdeckungen und Groberungen,
Heutzutage wärben fie vielleicht Operngläfer und feine Hunde mitbringen.
Ich bemerkte ſchon, daß der Gang ber Kultur von Often nach Weften führt,
622 Erianerungen vom La Plata
uud fo wurden and) im Sabre 1568 die erſten Mühe und ein Gtier von
Brafilien ans nad) Paraguay eingeführt. Bon dieſen geſchichtlich mechuir
digen Exemplaren flammen bie Millionen Rinder her, welde jet bes
Entzüden der Eſtanziero's, Saladeriſtas und aller Kaufleute find, welche
ein reiches und geachtetes Dafein durch das Rind fich erwerben. Alvar
Numez Cabeza de Baca veifte damals von ber brafilifchen Iufel Santa
Catalina ans nach Paraguay, Nachdem er ben Weg entdedt Hatte, folgte
ihm bald Meljarejo, einer der Koloniften von San Vicente. Ein Teil
der Koloniften begleitete ihn, barunter bie Geſchwiſter Goes, welde
letztere bie berühmten Kühe und den noch berühmteren Stier nad) Para
guay brachten. Der Spanier Jrala herrſchte damals in Paraguay umb
mit dem größtem Enthuſiasmus nahm er die fühnen Reiſenden auf, mit
noch größerm bie acht Kühe und den Stier, welches weit gereifte Rinder
waren. Die Rinder haben aljo ihren Einzug in bie La Plata⸗Länder von
Braſilien ans gehalten, die Echafe und bie Ziegen bagegen wählten ihren
Weg von ber Weftkäfte aus und famen von Lima nach Afjumption, ber
Hanptftabt von Paraguay. Ihre Ankunft war das glüdtiche Reſultat einer
diplomatiſchen Mifften. Es Hatte nämlich der in Affumption herrſchende
Irala einen Spanier Namens Nuflo Chaves nad) Lima entfanbt, um den
dortigen interimiftiichen Vicekönig Lagasca zu bekomplimentiren und ale
biefer 1560 heimkehrte, brachte er einige Schafe unb Biegen mit, beven
Nachkommen heut im ganzen Baffin bes 2a Plata hüpfen und tanzen unb
fid) des Alfalfa freuen, des faftigen Luzernklees (Medioago sativa, eine
Papilionaceenart). *
Die eingeführten Stiere, bie une jegt beſonders befhjäftigen, famen aus
dem Süben Spaniens. Dort zeichnen fie ſich durch ihren ſchönen Wuchs
aus, den fie ſich auch in ihrer neuen Heimath zu erhalten wußten. Aber
wenn fie auch vom 32. bis 42, Grab fünlicher Breite dieſelben blieben,
fo entfaktete fidh doch bie Krone ihrer Schönheit in der Banba Oriental,
im Staate Urnguay, wie e8 jeber Beobachter biefer zahlloſen Heerben
finden muß, von denen ber Dichter fagt: Überall findet's was Kräuter und
thauig Gras, wandelt und fieht ſich um, trippelt, genießet ſtumm, was es
bedarf. Es ſind dieſe Rinderheerden ein herrlicher Anblid, wenn man bie
vom ihmen belebte weite weite Hügelfläche Aberſchaut, aud fie Haben eine
von Dr Otte Boyfe. ses
eigenthümliche Sehnſucht mit den frembartigen Erſcheinungen ihres Lebens
gebietes ſich bekannt zu ‚machen, namentlich wenn fie auf verwahrloften
Eſtanzias Halb verwilbert ein unabhängiges Leben führen, nur den Himmel
mit feinen Wollenbilvern, nur bie Erbe mit ihren Grasguellen und ihren
Flächen ſchauen. Ich eriunere mich mit vielem Vergnügen an eine Tages
reife, bie ich in Begleitung eines Dr. Bleek aus Bonn durch ein meifk
verlaſſenes Land von ber Eftanzia Nueva Alemania nach der Eſtauzia be
108 Cerros de San Iuan machte, auf welcher Eftanzia ic; meilenweit her⸗
beigefommenen Deutſchen zu prebigen, and fieben Kinder zu taufen, zu
konfirmiren, bas Abendmahl ansjutheilen und ein neues Hans einzumel-
ben Hatte. Wir fahen auf biefer Tagesreife, bie wir auf einem zweirädri⸗
gen von einem Pferde beipannten Wagen zurüdiegten, feinen Menfchen,
Ein junger Knecht lenkte den Wagen, ſuchte auch nad Gutdünken einen
Weg durch das Hohe Gras. Tiefes Schweigen ruhte auf ber Lanbfchaft.
Die meiften Vögel ſchweigen bort unb bie wenigen Vögel, bie Töne von
ſich geben können, thun es in einer leiſen zurüdhaltenden Weiſe. Geifter-
haft ſitzt hie und da die kleine Zwergeule, die Lechuſa, auf den hohen
Diſteln und ſieht ſich mit Tagesaugen begabt die Gegend an. Schrie nicht
der Vogel Tirotero wie ſein Name nach dem Geſchrei Tiro⸗tero heißt,
man mäßte trotz bes unendlich freien nnd weiten Blickes ein drückendes
Gefühl aus der gleichfam zum Schweigen gebannten Ratur empfangen.
Es verurſachte uns viel Mühe und viel Erſchütterung mit unſerm Karren
durch bie Heinen Flüßchen hindurchzulommen. Sie Haben gewöhnlich einen
ſumpfigen Untergrund und fehr häufig finfen bie Fuhrwerke tief ein und
bleiben fteden.
Das ift mir auf meinen Neifen häufig begegnet, daß bie Diligencias
des Staats, welche anf ungemein hohen Rädern ruhen und mohl zwanzig
Verſonen aufnehmen können, mitten in einem angefchwollenen Fluß fteden
blieben, fo daß die Pferbe loßgelöft werben. mußten, beren 6 bis 8 vor
jeber Diligencia angefpannt find, was bie ſtets begleitenden Reiter thun,
woranf denn fämmtliche PBaflagiere zu Pferde nach dem jenfeitigen Ufer
gelangen. Un tiefen Stellen ſchwimmen bie Pferbe. Endlich wird bie fo
erleichterte Diligencia, oft erſt nachdem 15 Pferde an leichten Leinen
und fo daß fie ſchwimmen können, vorgeipannt find, mählam aus bem
524 Grinnerungen vom La Plata
inf Heransgezogen. Da and bie Damen in jenen Länder höchſt geäbte
Neiterinnen find, fo geht eine folhe Scene ohne Umflänbe und ohne
Vroteſte vorüber. Mau läßt fi am andern Ufer nieber, erzählt ſich in
heiter ftimmender Luft, wartet im Schatten anmuthiger Gebüfdge ruhig
ab, bis das gewaltige Auffchreien der Knechte bie Pilen ver Gauchos und
das vereinigte Ringen ber Thiere das Gebäude ber Diligencia aus bem
Flußbett herausgezogen und anf bie fanbigen Flußufer hinaufgeriſſen haben.
Man ift an fo etwas gewöhnt und bie bortigen Leute finb ſehr heiter
and liebenswürbig anf Reifen. Wir haben uns oft gegen eine Stunde bei
folder Scene mit wahrem Vergnügen gebulvet, und uns um ben fteifen
Engländer nicht gefümmert, ber nie ſich um feine Mitretfenden bort ber
mäht, fonbern abgefonbert mit feinem Augenglas bie ſich heransarbeitende
Diligencia und die im Schatten bes Gebüfches freundlich ſich erzählenden
Neifenden ftier auſchant. Mit mancher politifcgen Größe am La Plate
Habe ich anf folden Reifen und unter ſolchen Umftänben eine herzliche
Bekanniſchaft geſchloſſen.
Einmal lagerten wir uns an einem ſolchen Flußufer, während unire
Beone zurücgeritten waren um nene Pferde und mehr Menſchen zum
Herausbringen der friedlich im Fluße ftedenden Diligencia zu Helen, in
der nur ein Torpulenter Italiener Narizano mit Namen figen geblieben
war. Es war ihm zu mühfem zu Pferde das jemfeitige Ufer zw erreichen.
Ein Engländer, der aus Spekulation Land laufen wollte, mit unpraktiſchem
Hohen weißen Hut und bem ganzen lächerlichen Anzug hielt fi finnenb
von und getrennt auf, als plöglich ein Eftanziero mit feiner ſchönen Toch⸗
ter zu Pferde anfam. Sie follte nach der Stadt San Joſe und ber Vater
empfahl fie unter ven üblichen ſpaniſchen Romplimenten dem Schuß ber
ganzen Gefellfchaft. Die aber überwies bies Schutzamt mir, unter dem Bor-
wanb es un padre, es ift ein Priefter, worauf ich fagte pero protestante,
aber ein proteftantifcher, was bie ganze Gefellichaft zu verfichern beftimmte
somos todos prostestantes, wir find alle Proteflanten, anfptelenb anf
die heimliche Oppofitton vieler gegen bie römiſche Priefterherrichait. Sie
wäßten, fagten fie, daß ich zur iglesia gothica gehöre, zur gothifchen Kirche,
wie fie die deutſche Kirche in Buenos Aires nennen, bie ihnen zuerſt Ach⸗
tung für ben Proteflantismus einflößte, weil Kreuz und Altar in ihr ih
von Dr. Otto Worſch. 626
fand, was in andern proteflantifchen Tempeln der Methobiften, Schotten
and Angfifaner nicht der Ball war, die das Volk für Juden Hält. Wir
lamen allerdings viele Stunden fpäter in der freundlichen von einem
Basten gehaltenen Fouda zu San Ife an, hatten aber unter freundlichen
Gefprächen dem augeſchwollenen Fluß für feine Unart nicht gezärnt. Mir
brachte ber Schutz eine Rofe efn, bie ich einem jungen Spanter zu feinem
höcften Entzücken fipenkte, ber ab unb zu fpäter mich wieber erkannte
and mir aus Freundſchaft alles anbot, was er Hatte. Doch ich will nicht
in den Fehler des Einfchachtelns zurädfinfen, ven mein Recenfent in ber
Augsburgifcden Zeitung mic zum Vorwurf macht, und nur bemerken, baß
das Anfchwellen der Heinen Fluſſe im Brühling und Herbft ven Fluß⸗
ijern auf eine Biertelmeile Hin das anmuthigfte Grün ver Gebüfche ichenkt,
das ſelbſt in ber Heißeften Jahreszeit nicht verblakt und aus dem bunlel-
Ren Sarbenton zum hellſten durch alle möglichen die Augen erguidenben
dwiſchenſtufen abfällt.
Wenn man nun aber mit einem Karren unb mit einem Pferde unb
wit einem Peon tm Fluße fteden bleibt und meilenweit fein Menſch zu
Inden ift, fo verliert das fonft fo angenehm abwechſelnde Abenteuer fei-
ven ungefährlichen Reiz. Uns Half jedoch, um anf meine Reife von einer
Manzia zur andern mit Dr. Bleek zurüczufommen, vie Geſchidlichkeit
wjers Meinen Pferdes hindurch. Wir entbedten ein Neft mit zwanzig
Straußeneiern, das war das einzige Abenteuer, Strauße und Damm-
irſche beleben nämlich die weiten Grasflächen, fie fliehen links und rechts
neeinanber, fo bald man ſich ihnen naht. Diefe Sträuße find ehr nütz⸗
de Vögel und ihre Eier find ein fehr gewöhnliches Eſſen. Zum Vergußs
a werben fie vielfach mit dem Laffo gejagt. Namentlich thaten ſolches
e Soldaten in ben Bürgerkriegen. Sie rotteten biefen nüglichen Vogel
ganz aus, bis er in den Friedenszeiten wieber von Norven aus ſich
tete und bis auf 20 Meilen ben Hanptftäbten ſich näherte,
Der Europäer, welcher von einer Diligencia aus zum erſtenmal einen
erblidt, iſt gewöhnlich Aber deſſen Natur und Wefenheit ſehr wißß⸗
und bie Mitreiſenden belehren ihn über dieſe Gallina, denn fie
ien dieſen gewaltigen Vogel ein Huhn. Ad ein Strauß, tiefer Aus-
freubiger Ueberraſchung, war ben Einheimiſchen unerflärlig, ale ob
526 Erinnerungen vom Sa Plata
wir im Poßtwagen ausrufen wärben, ein Hund, ein Hund, feht einen
Hund. Im meiner Schule gab der Strauß zu vielen Verwechſelungen
Veranlaffung, Häufig ſtand in ven ſpaniſchen Ueberfegungen entro la se
Norita con el ave struz en el mano, das drdulein trat herein mit dem
Bogel Strauß in der Hand, ftatt mit dem Bonquet in ber Hand.
Es ift diefer ſüdamerikaniſche Strauß Meiner und weniger farbe
reich als fein Verwandter in Afrika. Gr liebt außerordentlich bie Ebenen
und graft in einer gebulbigen Weife geſellſchaftlich. Merkwürbiger Weile
iſt der Nandn, der fübamertfanifche Strauß ein Vogel, ber bie üſſo—
ciationen liebt. Es fuchen fich nämlich Häufig mehrere biefer Sträufe
einen gemeinfamen Play zum Brüten aus, gewöhnlich eine fanbige Ber
tiefung unter einem Buſch und nım legen fie 30 bis 40 &ier zufammen.
Die Männchen figen und brüten, doch thut bie Sonne das Meifte. Im
Oktober fangen fie an bie Eier zu legen, und wenn bie junge Nachlom⸗
menſchaft das Bebürfniß des Efiens fühlt, jo find Infelten und junges
Gras in Fülle da. Rings um ein Straufenneft findet man ftets einigt
zerbrochene Eier, bie alten Stränße zerbrechen fie mit Abſicht, um bie Ye}
fetten Heranzuloden und auch nm bie andern Eier im Neſt vor ba
ränberifchen Unfällen hungriger Thiere zu fügen. Der Nandu ift eu
fehr fchener Vogel, Auf Eſtanzias, auf benen ein firenges Verbot Herriät,
ihm irgendwie etwas zu leide zw thun, wird er ziemlich zahm, und es
bitefte ihm vielleicht in fpätern Zeiten, bie mehr Bebürfnifte Haben
darum auch größere Weisheit probuciven werben, bie Rolle eines
thiers zufallen. Jetzt gönnt ihm noch ber Menfch ber Pampas fein
mantifches Freiheitsleben.
Nachdem wir fo viel Stranfeneier als möglich gefammelt hatt
festen wir unſere Reife durch die ſchweigende Wildniß fort und erreicht
Grasflähen, von denen wir durch bie Mittheilungen unferes jugenblih
Bührers erfuhren, daß fie herrenlos feien, weil feit Jahren um ben &
biefer Ländereien ein Prozeß geführt werde. Nach ben in meinem
gemachten Mittheilungen können Häufig mehrere Perſonen Befigtitel
biefelben Quadratmeilen anfweifen. Natürlich Hatte ſich während bi
Zeit niemand um bie Rinderheerben gekümmert. Sie führten eim fit
Leben, weideten mit fanften Schritten, fo wie es bie Stunden gebe!
von Dr. Dite Wovſch 627
das Gras ab. Wir erreichten hier eine Rinderheerde, bie wohl aus tau⸗
fend Stück beftanb, und bie Ankunft unferer Earete erregte bei ihnen eine
allgemeine Seuſation. Weiter zu Pferde mochten fie ab und zu gefehen
haben. Wohl führte ab und zu ben Gando fein Weg auch durch bies
gragreiche Land, Über ein Karren mit einem Pferde bavor, das war für
diefe Tanfende eine ganz unerhörte Exfcheinung, bie ben Geſetzen des na⸗
türlichen Riuberverfiandes burchans nicht entiprechenb war. Miles richtete
fih anf, auch die Rinder, bie fich bequem ins Gras geftredt Hatten, er-
hoben fich mit gefpanntem Intereſſe, und unter den Zeichen tieffter Auf⸗
regung und Verwundernng folgte uns wohl bie ganze Geſellſchaft eine
Biertelmeile lang. Eine totale Sonnenfinfterniß Tann feinen größern Ein-
druck auf Menfchen machen als unfere befcheivene Careta auf biefe Rinder,
Und es waren nicht wilde Stiere, ſondern nur verwilberte, feine fog. Al⸗
zados, die ſich heute nur noch felten finden.
Zu ihrer Gefchichte fei folgendes gefagt. Es war bas 17. Jahrhun⸗
dert für bie Ninder ein fehr wichtiges, denn in biefem Jahrhundert ver-
breiteten fich die Nachkommen jenes einen Gtieres und jener 8 Kühe über
bie damals noch von Imbianern bewohnten Pampasebenen. Die Indianer
beachteten fie wicht, Ternten zwar raſch das Pferd benupen, wurben kühne
Reiter, ja fingen auch an Pferbefleich zu efiem, behandelten aber das Rind
mit einer fehr großen Geringſchäzung. So wurben bie Rinder Alzados
wilde Rinder. Noch vor einem Yahrhundert Hatten die Eftanziasbefiger
nur einen Heinen Theil ber anf ihren Befigungen lebenden Rinder zahm
gemadit, was man fo zahm nennt, fo daß fie Amanzados gezähmte Stiere
wurben, body die Alzados überwogen bebentend. Yet Hat fi das Alles
geändert, es tft Civiliſation, es ift Fortſchritt da, bie ftändifchen Unterfchiebe
swifchen Alzados und Amanzados find volftänbig gelöſcht. Um num bie
Rinder einer meilenweiten Eſtanzia an bie Herrſchaft des Menfchen zu
gewöhnen ober fie im Unterthanengefühl zu erhalten, macht man zuweilen
einen Rodeo, ber befteht darin, daß an einem ſchönen Tage, wenn bie
toten unb weißen Verbenas füß über das Feld Hinbuften und in ben
zahlreichen dunkelrothen und gelben Kaltusblüthen ber Than perlt, alle
Rinder der mellenweiten Eſtanzia auf einen Punkt zufommen getrieben
werben. Welch eine Luft if das für die Knechte, wie fprengen fie maleriſch
528 Erinnerungen vom 2a Plata
in fröhlichem Geſchrei hinter den aufgeregten Heerben Hin. Eudlich (ft
man bie Heerben raften. Diejenigen jungen Thiere, welche noch nicht bie
Marke des Befigers tragen, werden bamit verjehen, Dan Hält eine Naht
bie Heerben zufammen, bann treibt man fie wieder anselnanber, And)
fonft reiten die Aufſeher vielfach durch die Heerben hindurch. Wird dies
vernadjläßigt, jo werben bie Heerben in wenigen Monaten wild, fliehen
dann beim ungewohnten Aublick ver Reiter und müſſen mit großer Mühe
wieber zahm gemacht werben, Nach lang anbauernden Bürgerkriegen
wurden häufig bie Heerden wild, man mußte nad) gewonnenem Frieden
die alten Stiere töbten und die Heerden wieder an beftimmte Grasfläden
gewöhnen.
Es ift mertwürbig, welche Furcht die Rinder vor einem Reiter ha⸗
ben. Ein einſamer Gaucho, ber durch Heerden zahllofer Rinder fprengt,
läuft eine Gefahr, alles weicht ihm aus, auch wenn er einen rothen
Poucho umgeworfen Hat. Zu gewöhnlich iſt dieſe Bekleidung, als daß fie
ben Stier irgendwie irritiren lönnte.
Eine große Bedeutung haben aber auch für bie Eſtanzia bie Arbeits
ochfen. Haft der ganze Verkehr, bie Sendung aller Probntte ans dem Iur
mern, vermittelt ſich durch ſie. Geht man z. B. durch die ansgebehnten
Vorftäbte von Buenos Aires und Montevideo, fo findet man bie Auferften
dem Felde zugewandten Pläge ganz mit Ochſenkarren überfät. Sie ruhen auf
zwei ungemein hohen Rädern, um durch die Flüffe hindurch zu kommen.
Man fpannt 6 bis 8 Ochfen vor und bebächtig geht das fürchterlich kuar⸗
ende Fuhrwerk, eine primitive Erfinbung bes Menfchengeiftes, mit Häu⸗
ten, mit Wolle, mit andern Rohprobuften nad der Stadt. Man bricht
bald nach Mitternacht auf. Unbeſchreiblich köſtlich ift daun bie Luft, fat fo
toſtlich erfchten fie mir daun immer wie im brafilianifhen Urwald, Bis
Mittag fährt man langfem, dann ſpannt man bie Ochfen ab und läßt fie
für den Reſt des Tages weiden. Die Earetero’s, die Führer, legen ſich
unter bie Karren fchlafen oder fie fpielen zufammen Karten, gewöhnlich
ſuchen fie ſich eine Stelle am Fluß ans. Oft Hält es dann Mühe gegen
Morgen die Ochſen zu finden, man muß weit reiten, um bie vergnügt
Grafenden zu finden. Zuweilen find die Straßen, die nach ben Haupt ⸗
ſtadten führen, durch biefe Ochſenkareten fehr belebt, man trifft oft fünfzig
von Dr. Dtto Wopid. 529
zuſammen an, bunte Reiter begleiten fie, ihre Geftalten ragen empor aus
bem Staub ber Laudſtraße. Viele Caretero's find fehr reich geworben,
Im Städten San VJoſe waren bie vornehmften Familien Familien ches
maliger Caretero's. Sie Hatten durch bie Frachten fo viel verbient, daß fie
Häufer und Eſtanzias kaufen konnten und fragte man in Bezug auf die
ſchöne Enriqueta oder auf bie prächtige Lola: quantas vaccas tiene ella,
jo war bie Antwort Höchft reſpeltabel. Es ift noch nicht lange her, ba
verſchmähten bie Earetero’s ben Gebrauch ber Stiefel, die abgezogene Haut
eines Pferbefußes genügte.
Der Odfe felbft, der am ber Careta zieht, zeichnet ſich durch eine
Haffifche Ruhe unb durch eine philoſophiſche Geduld aus. In den Grenzen
feiner Thierheit weiß er es, daß er nad) ewigen, unabänberlichen Geſetzen
feines Dafeins Kreife vollenden muß. Wenn bei ben berühmten Stier-
fämpfen, bie Alban Etolz fo ſchön und fo vernünftig beſchrieben und ber
urtheilt Hat, ein Hineingeführter Stier nicht Tämpfen wollte, wenn bie
Bicabores vergeblich alle ihre Nedereien in Anwendung brachten, um das
verblüffte Thier zu einem Ausbruch ber Wuth zu bringen, unb wenn es
nur mit einer ftieren Befangenheit linls und rechts langjam bie Hörner
zeigte oder wohl gar mit ben Spuren einer unverfennbaren Sehnſucht
wieder aus dem gefährlichen Plag herauszukommen bie Thür beroch,
durch welche es auf ben Kampfplatz geleitet war, fo riefen tauſend un
gebulbige Stimmen, bie Blüthe ber jungen Damenwelt, wie bie alten
Generale aus den Bürgerkriegen, bie Italiener in ſchwarzen Sammetjaden,
wie die Basken mit ihrer fonderbaren Sonntagstracht, einzelne zerſtreute
deutſche Commis, wie Engländer in ihrer Nationallleidung, ſo rief Poncho
wie Plaid a las caretas!
Eine eigenthümfiche Erſcheinung auf den Eſtanzias Mn es, daß trotz
der unendlichen Ninderheerven fo wenig Milch und Butter im Lande zu
ſehen iſt. Die Kühe geben nämlich nur fo lange Milch, als bie Jungen
fangen, das ift 3 bis 4 Monate, und Niemand Hat Zeit felbft während
diefer die Kühe zahm zu machen. Nur in ſolchen Eſtanzias, bie von Eu⸗
topäern geleitet waren, machte man wohl ein paar Kühe zahm, band
fie am einen Corall und Hatte fo frifche Milch. Die Einheimifchen bager
gen machen ſich nichts aus Milh und Butter,
itpr, Monatsjgeift Br. TIL. Hft.& 34
630 Erinnerungen vom La Plata
Nachdem ich nun bereits durch bie vorangehenden Schilverungen Sie mit
den Eigenthümlichleiten einer Eftanzia befaunt gemacht habe, will ich auch
einiges über bie Urſprünge bes Eftanziawefens hier mittheilen. Als bie fpani-
fen Anftebler in die La Plata-Länder kamen, fchenkte die Regierung ihnen
ausgebehnte Lanbftreden. Was kam es auf ein paar Meilen au, bie meiftens
noch den Guaranis und andern Indianern abzugewinnen waren! Indeß
fpäter wurde die Zahl derer, welche um Lanbesbefig baten, größer, und
deshalb mußte man mit dem Ueberlaffen des Landes fparfamer umgehen.
Man führte ein gewiſſes Maß ein, die ſogen. Suerte, es find 3/4 Quadrat⸗
meilen, die wurbe ben Anfieblern von ber großmüthigen Regierung ge
ſchenkt. Später kauften nun bie Befiger andere Suertes Hinzu ober theilten
auch bie ihrige, fo baß es Eſtanzias von den verſchiedenſten Größeverhält-
niffen giebt. Heutzutage können bie 2a Plata-Megierungen keine Konzef-
flonen zur Einrichtung von Eſtanzias mehr geben, weil alles Land ber
Republiken bereits in ben Händen fefter Befiger if. Nur der Staat Buenos
Ares kann an feiner Sübgrenze in ben Inbianergebieten noch Konzeffionen
austheifen, und es giebt auch immer kühne Menfchen, welche ſich ber Ge
fahr ausfegen und in den nur wenig durch Militairpoften und Blochhäuſer
gefigerten Grenzen gewagten Unternehmungen fi) Hingeben. Der Sb
den bes Staates Buenos Aires liegt nämlich allen Angriffen ver Im
bianer ausgefegt offen ba, weshalb bie patagonifchen Indianer Häufig
Rindereſtanzias wie Schafeftanzias ausplündern, bie Männer töbten und
die Frauen in die Gefangenschaft abführen. Zuweilen nehmen fie aud
die Männer mit und zwingen fie, in ihrem Stamm ſich zu verheirathen.
Ich Habe felbft Männer geſprochen, Deutſche wie Engländer, welche von
ihnen gefangen genommen wurben, Jahre lang mit ihnen lebten und bann
durch eine lebensgefährliche Flucht ſich zu retten wußten, obgleich man fie
mit allen Auszeichnungen behandelte. Abgelanfene Matrofen follen viel
jach Kazilen unter den patagonifchen Indianern fein. ebenfalls ſprechen
die meiften Razifen fpanifch. Zuweilen wurben bei Streifzügen der Re
gierungstruppen, welche inbianifche Lager zerftörten, ſpaniſche Damen aus |
der Gefangenſchaft ber Imbinner gerettet, bie Tänger als 20 Jahre unter
ihnen hatten leben müſſen. Man brachte biefe unglücklichen Frauen, beren
Bamilien meiftens ausgeftorben waren und bie nad ihren Erfahrungen
von Dr. Otto Boyle. 631
für das gefellichaftliche Leben tobt waren, in ben Konventen ber Stadt
Buenos Aires unter. Achtzig Meilen Hinter Buenos Ares beginnt ſchon
das unfichere Land, und je ſchlechter die Regierung von Buenos Ares ift,
deſto häufiger finden die Inbianereinfälle ftatt. Ja Generale oder Präfiden-
ten der anbern argentinifchen unter ſich Tonföberirten Staaten, wie z. B.
von Entre-Rios, fegen ſich mit biefen Indianern in Verbindung, wenn fie
dem Gouvernement von Buenos Aires Schwierigkeiten bereiten wollen.
Die Indianer achten nicht auf bie Forts Mercedes, 25 de Mayo, Azul,
Zandil, Bahia Blanca und auf das noch füblichere Earmen, unter deſſen
Schutz fih auch Mifftonäre der briftoler Geſellſchaft aufhalten. Sie war
ten fehr erfreut, als fie auf ihrer Reiſe borthin in meinem Haufe zu
Montevideo eine Abbildung Carmen's, ihres zutünftigen Beftimmungsortes,
ſehen Eonnten. Fällt ein Schuß aus den Forts, fo ift dies ein Zeichen,
daß alle Anfiebler der Heinen Häufer rings umher, alle Eofoniften, auch
alle Fremden z. B. Kaufleute auf das Fort eilen müſſen, um es gegen et-
waige Angriffe herannahender Indianer vertheibigen zu helfen,
Mag nun die Eftanzia anf fiherem ober auf unficherem Lande fi)
befinden, man braucht weite Ausdehnung, gutes Gras und reichliches
Waſſer. Auf die Gebäude kommt es weniger an, man wohnt in Erbhütten,
Rancho's, bis Zeit ift ein Hans zu banen. Der Eftanziero fagt auf fei-
ner Eftanzia mit bem Dichter: nur wenig iſt's, wae ich verlange,. weil
eben alles mir gefällt, und biefes wenige, wie lange giebt mir's gefällig
fhon die Welt, Fühlt er aber das Bedürfniß ein Haus fi zu bauen,
ſo fucht er dazu eine Erhöhung aus, von ber er feine Ländereien über»
fehen kann, am liebften in der Mitte ber Eſtanzia. Iſt bie Eftanzia mehrere
Quadratmeilen groß, fo ift diefes trog der meift baumlofen Gegend doch
nur in befchränktem Maße möglich. Die Republik Uruguay und von den ans
dern Fonföberirten argentinifchen Staaten Entre-Rios und Eorientes zeichnen
fich durch wellenförmige Hügel aus, dies iſt bei Anlegung von Eſtanzias
em großer Vorzug. Man liebt auch nicht die Nachbarſchaft von Waldern
anb Gebüſchen, benn in ber heißeften Jahreszeit begiebt fi das Vieh in
die Gebe am Kühlung zu finden, nimmt bamit aber and) einen Haug
zum Wildheit an. Es muß alfo das Holz, welches man zum Etablifſement
braucht, fo weit entfernt fein, baß man das Vieh bequem davon abhalten Tamm.
34
533 Crinmerungen vom La Plata
Alle Argentiner lieben bie Ebenen, ben campo limpio, auf welchem
der Blick weite Strecken umfpannt und da auf ben mellenförmigen Hügeln,
die oft ganz röthlich von ben Verbenablumen ſchimmern, unendliches Gras
wachſt. Die Wolken werfen Schatten auf biefe Hügel und immer wechſelt
bie Beleuchtung. Der Sonnenſtrahl fenkt fich nieber auf das wogenbe Gras
und flieht e8 wieder und wenn man fo durch die Ebene reitet ober fährt,
tann man ſich ähnlich beſchäftigen wie auf dem Ocean mit bem Unfchauen
der Wellen, es ift immer etwas Nenes zu fehen.
In den alten Zeiten war — und vielfach ift das auch jet noch der
Fall — das Hans der Eftanzia eine Erbhütte. Auf ungebieltem hartge⸗
trerenem Boden ftanden bie nothdürftigſten Möbel oder gar feine. Auf
einer Rinderhant ſchlief der Eftanziero, auf einem Ochfenkopf faß er. Er
tan feinen Mate aus der Bombilla, ober er rauchte feine Papier-Eigar-
vette, oder er aß feinen Aſado, ein auf dem Spieß in freier Luft gebrate
nes Stüd Ochſenfleiſch. Mit einem langen Meffer ſchnitt er ſich die Stüde
herunter, Brod und Gemüfe gab es nicht. Die Fremden haben andere |
Eitten mitgebracht, ohne bie Eigenthämlichleiten ber urfprünglich argenti
niſchen Sitten zu verwiſchen. Es wird z. B. ber Afabo, ſowohl ber vom |
Rind wie ber vom Schaf, namentlich der Afabo auf ber Hant gebraten,
ber asado con cuero, niemals von ben Eſtanzias verbrängt werben. E6 |
macht viel Verguügen ihn im Freien zu bereiten, wo ber meite Geſichts⸗
frei und bie herrliche Luft, bie Sorgenfreiheit des bortigen Lebens und |
das bei allen Hervortretenbe ruhige Gemäth ein fo friſches und ſtarkes |
Lebensgefühl erweden. Das Klima jener Gegenden bewirkt biefe Ge
mũthsruhe, diefe Heiterkeit, bie felbft dem vom Unglück betroffenen raſch
ein Vergeſſen ſcheult.
Um das Hauptgebäude ber Eſtanzia, welches vom Beſitzer, el patron
genannt, bewohnt wirb, Tiegen nun bie Rancho's, in benen bie Peone
wohnen, Diefe Arbeiter auf ber Eftanzia haben es wahrlich leicht. Was |
Arbeit im Schweiße des Ungefichts iſt, kennt man überhaupt bort gar
wicht. Auch geringe Arbeit wird thener bezahlt und bie Arbeiter arbeiten
mit bem Gefühl, baffelbe wie ihre Herren zu fein. Tanſend Höflichfeiten
umranfen das DVerhältniß von Arbeitgeber und Arbeiter. Den ganzen
Tag anf jungen unb alten Pferden reiten, bie Pferbe dabei ausprobiren,
vom Dr. Otto Woyſch. 533
Ochſen einfangen, höchſtens Baumſtämme zu einem Corall in bie Erbe
eintammen, auf bie Jagd gehen, Schafe vergiften, um durch das vergiftete
Self den Puma, den dortigen Löwen anzuloden und zu töbten, bie
Blerde in ven Corall einjagen und ausjagen, bas tft gewiß Teine ſchwere
Arbeit. Gute Nahrung ift dabei und ihren Arbeitslohn können fie nicht
ausgeben. Höchſtens reiten fie an Gonn- und Feiertagen, beren es bort
eine gute Anzahl giebt, in die nächſte Meine Stadt, ſei es auch 7 Meilen,
wo die pulperias und fondas, wie man bie Gafthäufer nennt, ihnen ges
ſahrlich werben.
Die Ausländer pflegen um die Eftanzia auch einen Gemüſegarten
anzulegen. Viele größere einheimiſche Beſitzer machen es ihnen nad. Ich
habe anf Eſtanzias Gemüfegärten angetroffen, über welche jede deutſche
Hausfrau in Entzüden gerathen wäre, unb ich erinnere mich namentlich
eines Gemüfegartens, aus dem wir eines Abends ganze Körbe ber herr⸗
lichſten Erbbeeren fammelten, während zahlreiche Strauße zahm nm uns
herum weideten. Ruhig verzehrten fie bie Infelten. Eine fehr große Pracht
entfalteten die Melonen, bie mit weißem, grauem und gelbem Fleiſch zur
borzüglichen Süßigkeit und Milde fih Hier geftalten. Der Mais, deſſen
halbreife Kolben man zum fog. Puchero ift, ein Nationalgericht, das aus
dleiſch und vielen Gemüfenrten befteht, zeigte fih auf vielen Beeten im
einer ungewöhnlichen Höhe. Man nennt biefe zarten Kolben Choclo. In
wagerechter Haltung ftanben bie Bohnenbeete ba, und auch die allerliebften
Taſchenkürbiſſe ſchauten nedend ans ihrem Grün hervor. Die große ein
heimifche Bohnenart hat fi mit den zahlreichen aus Europa eingeführ-
ten vermengt, fie heißt Dolichus, und fo giebt es zahlreiche Bohnenarten,
eine fchöner als die andere, Der Taſchenkürbis Heißt Zapallo und wirb
namentlich in der Banda Oriental mit vieler Zärtlichfeit behandelt. Wem
der Zapallo ſchmect, der bleibt im Lande. Man kann nirgends fo glüd-
lid, fein, wie in feinem Land, meint ber Ortentale, ber Einwohner in
Uruguay. Soy oriental ruft er mit einem ſtolzen und glüdfichen Selöfl-
gefühl aus. Ißt nun ber Fremde Zapallos, fo ift das ein ſicheres Zei⸗
den, daß er fich verheirathen und im Lande bleiben wird. Gewöhnlich
lieben auch bie Fremden ſchnell das Land und was im Sande ifl. Die
Zapallo's werben das ganze Jahr hindurch in freier Luft aufbewahrt,
534 Erinnerungen vom La Plata
Man ftelit fie auf die Terraſſen ber Häufer. Sehr häufig ſieht man in Mei-
nen Städten und auf dem Lande einen Vorrath diefer populären Früchte
auf ven Terrafien aufgeftell. Die Ananas, welde bie Jefuiten bereits
in ihren Miffionen anpflanzten, waren auch in biefem vom Vogel Strauß
umweibeten Garten zu finden.
In allen argentinifchen Ländern liebt man ungemein bie Salate. Zu
jedem Afabo gehört ein Salado. Unfere Arbeiter würden fi wundern,
wenn bie gewohnte Geftalt der Kartoffel aus ihrem Lebenskreife plöglic
verfhwände. Der Gaucho, der Peon ber argentinifchen Pampas würde fih
fehr wundern, wenn bie Küche einer Heinen Landfonda, die verloren gleid-
fam im &rasmeer liegt, ihm einen Afado ohne Salado präfentiren würde.
Zu den feinen Salaten aber gehört bie Kreſſe, bie wie alle Kruciferen
auch wild am La Plata wächſt, hier aber im Garten ber Eftanzia mit
kunſtvollem Verſtande erzogen wurde. Mit einer ftiefmütterlichen Herzlofig
teit behandelt man dagegen in biefen Ländern bie Kartoffeln. Sie find viel
fach von Europa ans nach Hier zurüdeingeführt morben, doch weil alle
Alaſſen der Bevölkerung in ben Städten fich viele andere ſchöne Gemilfe
arten kaufen können, fo find fie nicht verbreiteter, ald Erben, Bohnen und
füße Wurzeln. Im denjenigen argentinifchen Provinzen, welche am Fuß
der Gorbilleras liegen, follen noch einheimifche Kartoffeln vorkommen. Sie
find dort von einer ſehr Heinen Form aber ausgezeichnet im Geſchmad.
Wie oft ſchüttelten bie eben angefommenen Einwanderer aus Medlenburg,
aus Holftein, aus Pommern ven Kopf wenn fie über ben Frucht- und
Gemäfemarkt ber Hauptftabt fchritten, Unter dem anfgehäuften Orangen,
Eitronen, Quitten, Ananas und Melonen, unter reifen Zeigen und Trau-
ben, herrlichen Artifchofen und röthlich ſchimmernden Liebesäpfeln ſuch⸗
ten fie ängſtlich bie Kartoffel, Auch Tonnte ihnen nie ber Strauß ben
Storch erfegen.
Es mag noch bemerkt werben, daß bie von Europa eingeführte Lar⸗
toffel groß und waflerhaltig wird, alſo ift fie nicht zu wohlſchmedend.
Wenn aber Henfchredenfhwärme ganze Provinzen des Grüns beranbten,
if fie häufig das einzige Gemüfe geblieben, das ben Berheerungen ent
gangen war,
Doch id} entferne mich vom bem Gemüfegarten, der aus ben Gras⸗
von Dr. Dito Woyſch. 538
flächen der Pampa's anmuthig vor meiner Erinnerung auftaucht, und wo
ich ermübet an einem Abend angelommen war, nachdem ich Tages vorher
in einer Heinen katholiſchen Kirche flundenlang der Beierlichkeit einer apofto«
liſchen Vifitatton Hatte beiwohnen müffen. Wir unterhielten uns beim Erb»
beerfammeln über Chili, in deſſen Urwald bie Familie gelebt hatte. Haus
and Möbel Hatte man bort fi felbft gezimmert, fpäter auch viel Gelb
verbient,
Wenn id) durch die Beete eines ſolchen Gemüfegartens Ste weiter
führe, fo muß ich auch bes fpanifchen Pfeffers gevenfen, ohne ven Süb-
länder nicht leben können, ber in großen uantitäten jeder Suppe bie
Moländifche Färbung giebt. Man nennt ihn Agi und er iſt heimiſch auf
den Antillen wie in Brafilien, in Bolivia wie in Uruguay; ich müßte
auch an bie Tomates denken, beren röthliche Früchte, Liebesäpfel in Europa
genannt, fo ſchöne Salate geben und die auch fonft fo vielfach in den ar
gentifchen Küchen zur Verwendung kommen. Bor wenigen Wochen Hatte
ih Gelegenheit diefe ſchöne Frucht auf dem Kohlmarkt in Wien zu fehen
und fie erinnerte mich an bie Länder am 2a Plate, in denen Solamen
Lycoperſicum fo allgemein beliebt iſt. Eine befondere Pflege nehmen in
den Gemäfegärten auch bie füßen Patatas in Anfpruch, man nennt fie
mit Unrecht füße Kartoffeln, denn biefe fügen Knollen find aus dem Haufe
Convolvulus, Haben ihre Seitenzweige bis nad Spanien verpflanzt und
finden fi auf den Gemüfemärkten ver 2a Plata-Hauptftäbte ebenfo zahl»
reich vor wie bie eigentlichen Kartoffeln. Habe ich bereits von ben Mer
Ionen gefprochen, fo kann ich auch nicht an ben Stärkungsmitteln in ver
Hige für alle ärmeren Lente am La Plate, an dem Erfrifchungsmittel für
Beone und Gaudyos, für Mulatten und italieniſche Bootsleute vergeßſam
vorübergehen, es ift bie von Deutſchen Wafjermelone genannte Sanbia. Die
Arbeiter und bie Kinder eſſen ihr füßes friſches Fleiſch zu jeder Tages
ſtunde und nur biejenigen verfhmähen fie, Die höhere Genüſſe namentlich
das in unglaublichen Onantitäten verbrauchte Eis kennen. Von Januar bis
April wachſen immer nene Sandias, welche man ben Kindern wie bei und
die Aepfel giebt. Die Landleute beſonders können ohne Sanbias nicht leben.
Anf jeder Eftanzta iſt bie Anweſenheit von Fruchtbäumen ſelbſtoer⸗
flͤndlich, namentlich find bie Pfirſiche überall zu finden. Selbſt ver Gaucho,
636 Grinnerungen vom 2a Plata
ber ſich mit ſolchen mnritterlichen Dingen wie Baumpflanzen nicht abgiebt,
pflanzt den Pfirfich, weil er fo unendlich wenig Mühe macht. Sie werden
nicht ſehr hoch und bilden raſch Meine Wäldchen, bie viel Freude bereiten
und faft immer einen Ueberfluß angenehmer Früchte fchenten. Neben den
Gemüfepflanzen und ben Pfirfichhäumen feflelt der ungemeine Neichthum
an Vögeln ven Blick bes europäifchen Kulturmenſchen, wenn er auf dieſen
ins Große angelegten und meilenweit ſich erſtreckenden Eſtanzias weilt,
wo unfer zufammengepreßtes emropätfches Sklavenleben fo Hein vor ber
ungefefielten Wiloniß ihm erfcheint. Im der Nähe der Eftanzia auf allen
Corallen und bis dicht an die Wohnungen heran bewegen fih Schwärme
von Vögeln und beleben die Landſchaft. Es wäre unmöglich, vom Heinen
grünen Kolibri bis zum großen Nandu alle auch nur anzuführen. Die
Heinen Tauben, wild in ber Natur, zierlich von Geftalt, mit Hellgrauer
ober violetter Farbe finden ſich zu Hunderten ein, und fo viele auch ge-
ſchoſſen werben, es ift nie eine Abnahme zu bemerken. Sie zeigen ihr
freundliches Köpfchen überall, und es ift fehr hart von ben jungen Damen
ber Meinen argentinifchen Städte, baß wenn fie auf bie Jagd gehen ober
reiten, fie gewöhnlich nad biefen zutraulichen und leicht zu erlegenber
Heinen Täubchen zielen. Mande Dolores und Anita, Joſefa und Filo⸗
mela gab fi) biefem granfamen Sagbvergnägen hin, Als Kinder fingen
fie in Schlingen die harmlofen Nebhühner. Cine eigenthümliche Art von
Vögeln, die in Schaaren ſich um bie Eſtanzias fammeln, find bie Car
rancho's, eine Geierart. Eie leben von Aas und von jungen Thieren. Es
iR ein fehr verhaßter und fehr kluger Vogel, ber ebenfo wie feine euro⸗
päifchen Vettern die Hühner von ben Höfen raubt, aufpaßt, wenn ein
Schaf ein Lämmchen verliert und dann mit zwei ober brei Genoffen zu⸗
fommen bas Thierchen raubt. Hat er einmal einen Kameraden fallen
jehen, fo kommt er den ganzen Tag über nicht mehr zum Vorſchein.
Wenn eine Kuh geſchlachtet wird, fo flürzen fie von allen Seiten heran,
man überläßt ihnen bie Theile, die nicht zu brauchen find. Sie find fo
zahlreich wie in unfern Gegenden bie Krähen und fie gehören gleichſam
zur Eſtanzia. Uber ee fallen auch Tieblichere Vogelgeftalten dem ſpähenden
Auge im Umkreis einer Eftanzta auf, nad) deren Namen und Eigenthüm⸗
ligteiten man fi} gern. erfunbigt, Da giebt es einen fehr Heinen und
von Dr. Otto Wobſch. 637
höhft eleganten Vogel mit weißem Bauch, grauem Rüden und ſchwarzem
Kopf und fehr langen Schwanzfebern, die maleriſch ſich ausbreiten. Er
heißt die Wittwe, La Viuda, das Volt nennt ihm aber auch Häufig bie
Heine Nonne Monjita wegen feiner ehrbaren Federn und Herifalen Farbe.
Diefes Kleine Geſchöpſchen haft wüthend den eben genannten Carrancho,
der dreimal größer und ſtärker iſt. Es verfolgt ihn, fliegt um feinen
Kopf, pidt ihm am Halfe und zwingt ihn zu fliehen. Ex flieht vor ber klei⸗
nen Nonne wie vor einer Bremfe.
Andere Bögel find reicher an Farbe. Da wir ſchon beim Merus unter
ben Vögeln find und uns in Geſellſchaft der Heinen grauen Nonne befin-
den, fo können wir unmöglich bie Kardinäle vergefien. Es giebt deren
‚wei Arten, bie eine ift ftahlgran mit vothem ftark befiebertem Kopf, bie
andere gelblich grün mit einem fchönen grünen Kopf. In Montevideo
und Buenos Aires find biefe ſchönen Vögel zahlreich auf ven Markt zum
Verkauf ausgeftellt, Die Kinder halten ſich Karbinäle in Käfigen, fie fingen
etwas, werben aber wenig zahm und haben auch im Käfig ein abfiogen-
des, unhumanes Weſen. Ihr Barbenglanz ſchimmert angenehm im hohen
Gras. Häufig jet ſich ein bunter geringelter ober rother Vogel auf eine
poefielofe Kuh und während fie das Gras abmäht, ruht er fih mit Würbe
aus, Ein ziemlich großer ſchwarzer Vogel mit gelbem Schnabel, deſſen
tief dunkles Schwarz ins bläuliche abjchweifte, flog in Schaaren von zwan⸗
sig und mehr um die Stiere und feßte ſich auch auf fie. Dan konnte fie
überall finden und man fagte mir, baß es Staare feien. Es giebt auf
jeber Eſtanzia einzelftehende Ombubäume. An ihnen fieht man oft eigen
thümliche Nefter ähnlich unfern Schwalbenneftern, nur daß fie größer find.
Diefe fehr feften Nefter Haben bie Eigenthümlichkeit, daß fie aus zwei
Zimmern beftehen, fo daß ber Vogel, ber im zweiten Zimmer wohnt durch
eine Zwifchenwand, bie Hart wie Stein wird, vor jedem Ungriff eines
großen Vogels ficher ift. Diefer Vogel ift ein fehr heiter Herr und lacht
viel. Die Töne, die er von ſich giebt, gleichen fröhlichem Gelächter und
feine Größe ift die einer Amſel. Diefer rothgelbe Vogel Heißt Tornero,
Töpfer. Er ift ein Hausfreund der Eftanzias, er liebt die Nähe bes Men-
ſchen, er figt vergnügt auf den Terraſſen ber Häufer, und ba er nur In⸗
fetten und Heine Würmer genießt, fo iſt er eim gern gefehener Gaft auf
538 Erinnerungen vom La Plata
jeber Eſtanzia. Er wird fehr bewundert von den Kindern wegen feiner Nefter
und des geſchickten Arrangements feiner Häuslichkeit. Seinem fröhlichen
Gelächter und feinen familtären Sitten entgegengefegt ift das ſcheue Weſen
eines anbern Vogels, der mid das erfte mal, als ich an einem bufti-
gen Morgen feine Bekanntſchaft machte, fehr überrafchte. Ich trat ans
dem Hanfe einer Eftanzia heraus, um nad; dem nächften Heinen Fluß zu
eilen, in deſſen fühlen Wellen man erfriſchende Bäder nahm, als ans er
nem Gebüſch der Ruf Bienteveo, „ich fehe dich wohl“ ertönte, Bienteneo
Bienteveo tönte es fort und fort. Diefer Vogel heit bald Bienteveo,
bald Teftige, Zeuge. Profefior Burmeifter fagte, daß es ein Citronens
vogel fei. Seinen anregenden Unterhaltungen verbankten wir alle am La
Plata fo viele Belehrungen! Es Hatte etwas beruhigendes und freund:
liches auch am einfamen Flußchen und auf ber menfchenleeren Grasfläde
im Thau des freundlichen Morgens, ans Vogelmund ein freundliches
Willkommen zu vernehmen, Bienteveo Bienteneo flang wie die Stimme
treuer Freunde in jenem Lande des Wohlwollens und der Gaftlichkeit.
Aber man fah in dieſen mit Blüthen und Dornen überfäten Efpinillos
Gebüfchen ben freundlichen Vogel nicht. Dagegen ſchwebten bie zahlreichen
Kolibris durch die Blüten. Wie bie Königin Maria die Wollen nannte,
fo kann man auch biefe Heinen gracidfen Vögel nennen: Segler ber
Lüfte. Im anmuthiger Welfe nennen die Spanier fie Picaflor, Derührer
der Blumen, Mit einer höchſt eleganten Bewegung fangen fie nämlich ben
Zuder aus ben Blumen ober umſchweben fie. Sie bewegen fo ſchnell
ihr Gefieder, daß man nichts ſehen kann und erfcheinen fo wie ſchwebend
durch die Lüfte. Die Nefter find ſcherzhaft Hein, wit weichen Federn be
likat ansgeftopft und enthalten vier Eier, fo groß wie große Maislörner.
Diefe von Blumenfaft genährten Vögel ftellen ſich überall ein wid maden
gegenüber den aaseſſenden Carranchos und andern Bögeln von groben Sit-
ten einen verföhnenden Eindrud. Die Kolobrivame braucht übrigens nur
zwölf Tage um bie Eier auszubräten. Ihr Neft wie ein Schmudfäftchen
führt mich auf das Neft eines anderen fehr geſcheuten argentiniſchen Bo-
gels. Derfelbe macht nämlich daſſelbe aus harten Pflanzen in ber Form
einer Börfe mit breitgehädelten Maſchen, hängt es an bie blnnften
Zweige ber Trauerweiden und anberer Bäume, bie ihre Arme über bie
von Dr. Dito Woyſch. 539
Slüße breiten, und ba ber Eingang zum Neft von oben her ift, fo kön⸗
nen ihm bie Raubvögel nur mit Mühe ober garnicht die tief unten in
ber Börje liegenden Eier rauben. Da die Trauerweiden jehr Hoch wer⸗
den und bie über bie Flußwellen Hin» und herſchwankenden Zweige
fehr dünn find, fo Hält es ſchwer, fi eim ſolches Neft zu verfchaffen.
Im Allgemeinen find bie Vögel am La Plata fehr geſcheut wie dieſer
börfenflechtende Sperling ober Kreuzſchnabel. Er iſt noch nicht enbgül-
tig klaſſificirt und Hat ſich mod; wenig Anerkennung in ber willenfchaft-
lichen Welt verſchafft. Ebenfo unbelannt dürfte ein anderer Vogel fein,
der jih an ben Meinen Flüßchen aufhält, die die Umgebungen ber Eftanzias
anmuthig machen, Man nennt ihn Martin den Fifcher. Er beſchäftigt fi
damit, anf ben Baumfpigen an ben Flüßen zu figen und unverwandt bie
geſchwätzigen Flußwellen anzufchanen. Sobald ein Meines Fiſchlein an bie
Oberfläche kommt, ſtürzt er mit Eile herab. Wohl 12 bis 15 mal hinter»
einander fieht man ihn pfeilgefhwinde ins Wafler fchießen, um zu fiſchen.
Wenn ich mit meinen Schulfnaben zuweilen in bem zwölf Meilen hinter
Montevideo gelegenen Fluß Santa Lucia, Curbinas und Bagre's fiichte,
fiſchten zum Ergötzen meiner freundlichen Kinder immer einige Martine
mit. Während wir bie Curbina Negra, eine Art Salm, und den Bugre,
eine Art Wels, einen Fiſch der dem netten Namen Lifa führt und andere
Fiſche in den ungemein fiſchreichen Flüſſen fingen, thaten bie Martine ben
Heinen Fiſchen ein gleiches an. Es Tann der Anfenthalt auf einer
Eftanzia zur befondern Vorliebe für bie reiche Vogelwelt führen, bie bis
in die blüthenreichen Gebüfche an den Flüßchen hinein die menfchenleere
Grasgegend mit Leben und Bewegung erfüllen. Dagegen werden wieber
andre Vögel, die man in Europa ſchätzt, Hier entſchieden unangenehm,
Dazu gehört namentlich ber Cotorra, ber bortige grüne Papagei, der durch
fein umangenehmes häßliches Gefchrei einen wibrigen Einbrud macht. Es
fliegen immer ganze Geſellſchaften laut ſchreiend und fich zanfend umher,
Auf den höchſten Bäumen bauen fie am liebſten ihr Neft, und es wirb
tofoffal, denn bie 10 Paare vereinigen fi, um ihre eingängereiche Woh⸗
nung oben im Winde aus Holz und Dornen wie einen Höhenpallaft zu
bilden. Dancer alte abgeftorbene Baum ift mit biefen unförmlichen
Reftern ganz Überfät. Im Frühjahr vereinigen fi gern bie Peone um
540 Erinnerungen vom Sa Plata
die Nefter dieſer Vögel zu zerftören, weil fie den wenigen Mais- und
Weigenfelvern, die man angelegt hat, mit gefräßiger Raubgier ſchaͤdlich
find und ganze Saatfelder verberben. Diefe Heinen grünen Papageien
nennt man Cotorra ober auch Loro, fie lernen nicht jo gut fprechen wie
die größern Arten, ſchmeden aber ganz gut. Auf der Reife von Bernams
buco nad) den Cap Verdeſchen Infeln lernte ich einen Papagei aus Chili
lennen, der nicht müde warb, ber ganzen Schiffsgefellichaft die Verſiche-
rung zu geben, baß er fich verheirathen wolle. Que quieres loro, was
willſt du Loro, fragte man ihn yo quiero casarme, ich will mich verhei⸗
rathen, war feine ſtereotype Antwort; fehr oft fragte er fich ſelbſt: que
quieres lorito, er wechſelte zwiſchen Loro und Porito, Meiner Roro und
gab ftets dieſelbe Antwort, Ueber den Gebüfchen an ben Flußufern
ſchweben auch große ſchwarze Hühner. Waldfaſanen habe ich fie in meir
nem Buche genannt, man nennt fie dort Pavo del monte und fie fallen
durch ihren ruhigen, faft erhabenen Flug auf. Im Guarani nennt man fie
Yakı. Doc ich will Ihre Geduld nicht noch mehr ermüben und über
andere Vogelarten ſchweigen, Höchftens nur noch den Kiebig der dortigen
Gegenden anführen, der zu ben gewöhnlichſten Erſcheinungen des Landes
gehört und auf allen fprindigen Gründen feinen Ruf Tirotero erſchallen
läßt. Ich will dafür noch einzelne andere Einrichtungen auf einer Eftanzia
ihnen vorführen.
Wenn bie Eftanzia eine fehr große Oberfläche Hat und das Vieh zahl-
reich ift, fo etablirt man in einiger Entfernung vom Hauptgebäude fog.
Pueſtos, in benen ein Peon mit feiner Familie ober zwei einzelne Beone leben.
Sie erhalten einen beftimmten Theil des Viehs, weswegen ein Corall bicht
neben dem Puefto iſt. In biefen wird das Vieh ab und zu hineingetrieben,
damit es überfehen werben Tann und ja nicht fein Abhängigskeitsgefühl bei
ber Freiheit feiner Lebensweiſe verliert. Um einen Maßſtab zu haben, wie
man bie Viehheerben vertheilen muß, nimmt man an, baß auf einer Qua⸗
bratmeile 3000 Köpfe Vieh leben können, wenn das Land eine gute Weide
giebt. Man rechnet dann die Pferde und Maulthiere mit ein, welche zur
Bewachung und Leitung ber Viehheerden nöthig find. Auf 1000 Köpfe Bieh
rechnet man 2 bis 4 Peone, je nachdem das Vieh wilder unb zahmer iſt.
Bon diefen Peonen ift es befannt, daß fie faft nie vom Pferde herunter:
von Dr. Otto Woyſch. 641
kommen, daß fie leidenſchaftlich in ihren Bewegungen find, ſehr wild aus⸗
ſehen ohne eigentlich fo böfe zu fein. Dan unterſcheidet ſolche, welche mit
Botros umzugehen verſtehen — Potros find die wilden jungen Pferde —
und ſolche, welche nur mit zahmen Pferden umzugehen wiſſen. Jene erhal
ten circa 15 fpanifche Thaler den Monat biefe nur 10. Da ihnen ber
Lebensunterhalt nichts koſtet, fo Können fie bei einigem Fleiß in kurzer
Zeit zum eignen Heerbenbefig kommen. Mand ein ehemaliger Peon ift
jest ein reicher Eftanziero und taufcht wahrlich nicht mit einem kummer⸗
vollen Rultur-Europäer. Ich Habe geweſene Offiziere und Neferendarien als
Peone auf Eftanzias angetroffen. Freilich waren es Schafeftanzias, beren
Behandlung eine andere ift, und fie vermißten, im ber Hoffnung nach ei-
nigen entbehrungsreichen Yahren zu etwas zu Kommen, wahrlich nicht
unfere Ehren und unfere Salonfreuden. Manche zehrten freilich noch an
alten bittern enropätfchen Erinnerungen. Ich traf einmal einen Deutſchen
anf einem Ochſenkopf in einem Rancho figend als Peon an. Er war
der Sohn eines Oberamtmanns aus Batern, fein Vater hatte ihm feine
Braut weggeheirathet, und trotz ber Anerbietung für feine verforne Braut
und gegenwärtige Stiefmutter ein Gut anzunehmen, war er grollend noch
Amerila gegangen unb leiftete lieber Knechtsdienſte. Er ärgerte ſich noch
ua Iahren über feinen Vater und grollte über fein Gefchid beim An-
bit der ihm anvertrauten Ninberheerven. Auch für verlommene Euros
päer ift es eine legte Zuflucht Peon in einer Eſtanzia zu werben. Sie ar
beiten ſich oft wieber in bie Höhe, wenn fie Ausdauer und Fleiß Haben
und ber Cana — ber bortige Branntwein — oder bie halbindianiſchen
Frauen fie nicht mit ihren Netzen umſtricen. Sehr oft, wenn ich herun⸗
tergelommene Deutfche, 3. B. junge Kauflente und Lehrer nach einer
Eſtanzia gefchidt Hatte, fehrieben fie bald, fie wollten ſich verheirathen.
Irgend eine China, wie man bie Srauen mit gemifchtem Blut nennt, hatte
fie gefefielt, vann war es mit ihrem Emporlommen zu Ende, fie verwil-
besten immermehr und vergaßen bald ihre Aſpirationen. Im ben Zeiten
der Bürgerkriege wurden fie wohl gar Halsabfchneiber, und der Dolch
fpielte in ihrer Hand, Das Haupt ber Peone auf einer Eftanzia tft der
Capataz. Derjenige, ber die Intereffen bes oft abweſenden Herrn vertritt
heißt der Mayordomo, Sehr oft fefielt man ihn dadurch, daß man ihm ei-
542 Erinnerungen vom La Plata
nen Antheil am Geſchäft der Eftanzia giebt. Seine Anhänglichkeit und
Treue ift namentlich bort nöthig wo ber Patron d. h. der Befiger mit feiner
Familie den größten Theil des Jahres in ber Hauptſtadt verweilt. Geht
häufig werden die Worte Peone und Gaucho verwechſelt. Der eigentliche
Sandmann, mag er Peon oder Heiner Gftanziero fein, wird Häufig von
dem Stäbter mit dem Worte bezeichnet es un gaucho! Damit will man
feine ländlichen groffieren Sitten firafen. Der eigentliche Gaucho iſt weder
der Landmann im Allgemeinen noch ber Knecht einer Eſtanzia in feiner
kraftvollen Natürlichkeit. Es ift der Umhertreiber ber Ebenen, der nur
feine Kleidung und fein Pferb Hat. Letzteres hat er ſich gewöhnlich geſtoh-
len. Häufig von einem armen Neger, ver neben feinem Pferde ſauft ſchlief,
und als er erwachte, weber Pferb noch Sattelzeug fand. Diefer eigentliche
Gaucho ift immer im Kampf mit ber Obrigfeit, die noch das meifte ihm
durchgehen läßt. Bald Hat er ein Pferb, bald eine Fran geranbt, bald bei
irgend einem Streit in einer Landfonda einen Meſſerſtich ausgetheilt. Man
fogt dann, ber arme Mann habe ein Unglüd gehabt una disgracia.
Fängt man ihn, fo wird er zum Militair verurtheilt. Er kommt unter bie
berittene Landmiliz. Sehr oft entflicht er und lebt dann in einem Gehölz
von Raub, ftiehlt dem benachbarten Eftanziero Kühe, verkauft die Zelle,
reitet raſch meilenweit fort, verbringt fein Gelb, fcyügt ſich durch Dold-
ſtöße und durch die Schnelligkeit feines Roſſes. Sehr bald find feine Mifie
thaten vergeflen. Er arbeitet auch wohl eine Zeit lang als Knecht, zieht
es aber vor zu fehlen. Man findet ihn gemüthlich ſich erholend in
den einfamen Lanbfonda’s. Im den Bürgerkriegen ftellt er fich freiwillig,
die Ausficht auf Plünderung führt ihm jedem aufſtändiſchen General zu.
Man muß alfo die Peone auf den Eftanzins nicht mit ihnen verwechſeln,
obgleich die äußere Erſcheinung, Tracht und Sitten oft biefelben find.
Die Beone auf ben Eſtanzia's müſſen täglich in weiten Kreiſen um bie
Rinderheerden reiten, damit das Vieh nicht über die Grenzen anf frembes
Gebiet geht. Sehr oft werben auch die Minderheerben auf irgenb einen
beftimmten Punkt ber Grasebene zufammengetrieben und fie müfjes dann
eine Nacht zufammen bleiben, bamit fie nicht anfangen Alzados ober Ariscos
zu werben, was fofort eintritt, wenn bie Aufſicht des Peons fehlt. Da-
zum find den Eftonzia’sbefigern die Bürgerhiege fo unangenehm, weil fie
von Dr. Otto Woyſch. 543
nicht allein die Launen ber kommandirenden Generale erfahren, welche fo
viel Rinder requiriren, wie fie wollen, fonbern weil auch die meiften
Beone von der Regierung ober von ben Infurgenten mitgenommen wer
ben. Sehr gerne ziehen fie zu biefen Landmilizen, die Hunderte von Meir
len hin⸗ und herreiten, und im Umfreife ber Meinen Städte unb ber
Eſtanzia's oft bie romantifchften Abentener haben, Die Zaufende ber
Ninder gewöhnen fi dann bald an ein ungebunbenes Weiden und es
mäüfjen fpäter viele Pferde buchſtäblich zu Tode geritten werben, um ben
Widerſtand zu brechen, ven die Alzados leiften. Es ift aber eine Luft
für bie Einheimifchen — wenn e8 aud) monatelang banert — das verwilberte
Vieh aus den Gebüſchen Herauszutreiben. Um nun das Cigenthumsrecht
zu behaupten hat jede Eflanzia eine Marke, welche durch ein heißes Eiſen
den Thieren anfgebrädt wird. Dieſe Marken find in den Regierungsge
bänden ber einzelnen Hauptſtädte der Departements beponitt, und unter
ihnen find mande fo alt wie bie fpanifche Eroberung. Werben num Thiere
von einer Eſtanzia zur andern verkauft, fo müfjen fie auch umgemarfet
werben. Einmal im Jahre werben die jungen Stiere mit der Marke
verfehen. Das ift immer ein großes Feft für die Eftanzia, da glänzen bie
tühnften Lazzowerfer, die gefchit heranreiten und dem fliehenden Stier
trotz feiner Sprünge ben Lafjo mit bewunderswerther Kunft um ben Hals
werfen, It das Werk vollbracht, jo endet das Feſt mit Reiterfpielen, die
man Carreras nennt. Jeden Tag wirb mindeftens ein Stier zum Ge
brauch der Eftanzia gefchlachtet, dad Thier wird von einem Peon nach
einem beftimmten Plag in der Nähe des Hauptgebäudes ber Eftanzia ger
jagt und mit bem Lazzo niebergeworfen, dann wird mit einer flannener-
regenben Schnelligkeit die Kant abgezogen und alles zerlegt. Kaum hat
man das mit dem Lazzo gefeffelte Thier ſich noch mwüthend wehren und
fpringen fehen, fo wirb auch ſchon fein zertheiltes Fleiſch auf Heinen
Schleifen nach ben einzelnen Pueftos der Eftanzia gefahren, um ben Peo⸗
nen zur Nahrung zu dienen. Außerdem verfauft man einzelne Stücke
Vieh für die Matadero's oder Schlächtereten in ben einzelnen Heinen
Städten, Der Preis des Viehes in deu Küftenprovinzen ift durch ben
Preis der Haut auf ben enropäifchen Märkten beſtimmt. So \wirken bie
Nachrichten die mit dem alle 14 Tage einmal von Southhampton und
544 Erinnerungen vom La Plata von Dr. Otto Woyſch.
das andere Mal von Borbeang kommenden Padetdampfſchiff anfangen,
durch fämmtlihe Handelshäuſer ber Hauptftäbte auf alle Eſtanzia's ein,
Die argentinifhen Provinzen Corbova, San Luis, Rioja, Catamarca
verfaufen ihre Rinder nach dem immermehr aufblühenden Chili, die Pro
vinz Salta fendet ihre Rinderhäute nach dem rinberarmen Bolivia. €
tft merkwürdig, daß dieſe Millionen Rinder alle ihre Herren haben, troh
der gewaltigen Ausdehnung ber Länder. Der Staat aber Hat feine Eigen-
thumsrechte auf Heerben. Eine Ausnahme macht nur ber Staat Buenos
Ares, dem im Süden bie durch Inbianereinfälle wilb und herrenlos ge
worbenen Rinder gehören, Mit ber Zeit werben auch biefe Länder bewohnt
werben, bann werben bie meiften Eigenthümlichkeiten bes bortigen Land
lebens dahinſinken. Ob bie Menſchen der Eivilifatton dann glücklicher fein
werben, ift zweifelhaft. Ich glaube, daß der Eftanziero ein Mann ifl, dem
die göttliche Vorſehung ein fehr glüdfiches Loos geſchenlt Hat und daß in
den vielfach falſch bewrtheilten Pampas ein Stüd von gefundem Vollsleben
trog befremdender Einzelheiten gefunden wird.
P. Kaers Brofpert den Stadt Banzig.
Bon
R. Bergau.
Der Güte des Herrn Direktor Löſchin hierſelbſt verdanle ich die
Kenntniß eines großen Proſpectes der Stadt Danzig, welcher der Aufſchrift
zufolge im Jahre 1618 von einem gewiſſen Petrus Kaerins zu Amſter⸗
dam publicirt worden iſt. — Es ift der größefte, werthvollſte und zugleich
feltenfte aller mir befannten Profpecte unferer Stadt. Hoburg«) kennt ihn
gar nicht und F. v. Eelafinski«") nur nach einem beſchädigten Eremplar
bes Geheimen Archives zu Königsberg. Denn es unterliegt wohl feinem
Zweifel, daß der von Selaſinski unter No, 4 aufgeführte „Profpect von
Danzig vom Bifchofsberge aus gezeichnet, ohne Jahreszahl, eine Radi⸗
rung“ troß ber Angabe, daß er ans 7 Blättern beftehe und ohne Namen
und Jahreszahl fei, ver Kaerſche Profpect, freilich in anderer Ausgabe
iſt. — Das Lüfchinfche Exemplar, verhälmißmäßig fehr gut erhalten, auf
Leinwand gezogen, befteht nämlich unzweifelhaft (bie Plattenränder find
noch deutlich erkennbar) aus 4 Blättern, à 143/4 Zoll hoch und 201/4 Zoll
Tang, fo daß der ganze Profpect eine Länge von 6 Fuß 9 Zoll Hat. Daß
das Königsberger Exemplar einen deutfchen Titel „Wahrhafftige contra-
factur der fvrtreflichen vnd weit bervmten sestadt dantzig in preus-
sen wie dieselbe vom bischofsberge eigentlich anzusehen ist. dazu-
gleich vnten an alle Kirchen vnd fvrnembste gebewe mit sonderlichen
bochstaben verzeichnet vnd genennet werden.“ Habe, welcher auf dem
*) Berzeichniß von Stabtprofpecten in Hoburg Rathbaus der Rechtſtadt Danzig S. 46.
9) Preuß. Provinzial Blätter 1848. Bo. VI S. 464.
udt. Monatsjgrift Ob, TIT. Sf. 6. 36
546 V. Aaers Profpert der Stadt Danzig
Loſchinſchen Eremplar fehlt und über ven wichtigften Gebäuben Buchſtaben
ſtehen, welche unten mit ber Grflärung wiederholt find, während Hier
über jevem Gebänbe die vollftändige Bezeichnung fteht, kann nicht auffal-
Ten, da im 16. u. 17. Jahrhundert Stadt-Profpecte fehr beliebt waren,
vielfach erfchienen, ber vorliegende, als ber bedeuteudſte von Danzig alſo
auch in verſchiedenen Ausgaben vorhanden fein fann. Oben, links und
rechts befinden fi zwei Schriftſchilde mit zopfiger Einfaſſung nad da
maligem Holländifhem Gefhmad, Rechts ftehn darin 8 Lateiniſche Verſe
and bie Bemerkung „Petrus Kaerius Caelavit et Excud. Amstelodami.“
Links aber fleht die Widmung:
Nobilissimis, Amplissimis, Consultissi-
mis ac Prudentissimis D. D. Consiliarijs |
Thalassiarchis, Hollandiae, Zeelandiae et Frisiae
Necnon Magnifieis ac Clarissimis D. D. Con-
sulibus celeberrimi Emporij Amstelodami,
Petrus Kaerius
humillimus Cliens L. M. Q.
dat, dicat, dedicatque.
Anno Do. 1618.
Ueber die Lebensverhältnifie und die Werle diefes Künftlers find wir
nicht unterrichtet, Unter allen mir zugänglichen«) Werken (Bartſch, Pas
favant, Andreſen) habe ich feinen Namen (auch Kerius gejchrieden) nur
in Naglers Künftler-Lericon (Bb. VI ©. 558) gefunden, welches angiebt,
ex habe zwiſchen 1590 und 1620 gearbeitet und von feinen Werken außer |
zwei figurfihen Darftellungen, nur nod eine Anfiht von Nürnberg mit |
ber Sahreszahl 1619, alſo wohl ein Geitenftücd zu unferem, (von Nagler
nicht gefannten) Profpect anführt. — Oben mitten im Profpect fleht auf
einem fliegenden Bande mit großen Lateiniſchen Buchſtaben „Dantzigk“.
Darunter das Wappen ber Stadt. Links und rechts davon befinden fih,
*) Ich muß dankbar anerfennend gebenten, daß Herr Stabtrath Blod die Be
nußung feiner für Kupferſtich-Kunde reihen Bibliothek mit größter Ciberalität mir eftat:
Hit Fra Bibliothek find gründliche Arbeiten auf diefem Gebiet in Danzig
ich.
von R. Bergau. 647
je von zwei ſchwebenden Engeln (ober Amoren) gehalten, bie Mappen
von Polen und Polnifch Preußen, ‚
Ueber den ganzen Profpect zieht ſich ein Schriftfries, große lateini-
ſche weiße Buchftaben, auf ſchwarzem Grund „Gedanum, sivé Dantiscum,
Emporium opulentissimum, amplissimum et venustissimum.* Doch
ift diefe Schrift nicht gebrudt fondern gemalt, und ber ganze Papierftveif
aufgeffebt. Unter demfelben köunte wohl noch die von Eelafinsfi ange:
führte Deutſche Infchrift befindlich gewefen fein.
Die Anficht ift vom Biſchofsberge aus genommen und giebt ein Bilo
ber ganzen Stabt von dem (jegt nicht mehr vorhandenen) Heilig Reiche
nam-Thor bis zum Legen-Thor, und nad) allen Eeiten hinaus bie nächte
Umgebung. Man fieht rechts in die etwas zu hügfich bargeftellte Nieder
tung, gerade aus und rechts auf das viel zu nahe erſcheinende Meer.
Die Anſicht ift (ganz im Gegenfag zu Berings Profpect von Königsberg)
nicht ohne künſtleriſches Gefühl arrangirt, im Allgemeinen forgfältig ge
zeichnet und giebt, obgleich an vielen Etellen das Verſtändniß der archi—
teftonifchen Formen gemangelt hat, den Charakter der Stadt ſehr gut
wieder. Es ift dabei aber nicht zu verwundern, daß ber Supferftecher,
welcher Danzig vielleicht gar nicht aus Augenschein Tannte, in ber ihm vor⸗
Viegenden Zeichnung mancherlei falfch verftanden Hat. So erſcheint z. B.
dag Gebäude ber Heutigen Kunſtſchule, hier no „Junker Schis Garten“
genannt, zu ſchlank und faft achtecig. Der auch ſonſt falſch gezeichnete
Rathsthurm ift befonders im Verhältniß zum Marienthurm (der aud) hier
ſchon mit zwei Sattel-Dächern abgeſchloſſen ift) viel zu did. Die Giebel-
Tagade ber Trinitatis-Kicche ift zu ſchlank, die drei Tunftvollen Giebel der⸗
ſelben viel zu klein. Auch das „Zeighaus“ erſcheint mit ſeinen vier Gie⸗
bein winzig Hein. Auffallend iſt, daß bie Bezeichnungen „S. Barbara
Hospi, S. Petri und Gimnasium zur H. Dreifaldikeit“ an einer fal
ſchen Stelle zu weit nach links (über dem Englifhen Haufe) ftehen.
Diefer Profpekt ift auch in bangefchichtlicher Beziehung wichtig. Der
Thurm don St. Catharinen Hat noch feine alte Spige mit zwei Sattel-
dächern und Dachreiter. Die neue wurde nad) Euride (S. 326) erft im
Jahre 1634 anfgefegt. Die Kunſtſchule hat noch ihren Thurm mit dem
St. Georg, welche erſt 1832 abgebrochen wurbe. Das „Langgassen Thor“
35*
548 B. Kurıs Profpert der Gtodt Danzig
iſt noch ohne feinen Statuen-Schmud, den es erft 1648 erhielt. Im ben
Hauptſtraßen fieht man noch viel gothiſche Bagaden, u. A. auch auf dem
langen Markte an ven beiden Häufern zwiſchen dem Arthushof und dem
1609 erbauten Steffensſchen Haufe. Viele andere interefjante Thatſachen
finden fich gelegentlich bei Spezial-Unterfuchungen.
Diefer Profpect bilbet eine willlommene Ergänzung zu ben 14 An—
ſichten von Danzig vom Jahre 1617*), davon ein gutes Exemplar fid im
ſtadtiſchen Archiv zu Danzig befindet.
Der Iange, für ſolche Profpecte ftets ſchwierige Vordergrund iſt mit
Geſchick angeorbnet und mit großer Sorgfalt durchgeführt. Man fieht
anf bie Gebäude und Gärten ber Vorftäbte, fieht auch vielfache Staffage
an allerlei Wagen, Neiter, Fußgänger, in ben für jene Zeit dharakteriftir
ſchen Eoftümen, Das Meer im Hintergrunde und ber Fluß find mit
Schiffen bejegt. — Im ber linken Ede des Vordergrundes befinden fih
auf einem gemeinfamen, architeltoniſch fiylifirten Poflament 8 ſtatuariſch
behandelte Perfonen, 4 Männer und 4 Frauen von faft 4 Zoll Höhe,
welche beftimmt find, das malerifche Coſtüm ber Danziger und der Polen
jener Zeit zu veranfchaulichen. Zu bemerken iſt, daß bie beiben Ehepaare
genau in berjelben Stellung auch anf dem Titelblatt jener erwähnten An
fihten von 1617 vorkommen, ver eine Künſtler alfo wahrfcheinlich von
dem andern copirt hat. Weil nun aber der Künftler ber Blätter vor
1617. alle feine Staffagen befjer, mit mehr Verſtändniß gezeichnet hat, als
Kaerius, bin ich geneigt anzunehmen, daß Kaerins nach jenem ungenann
ten Künftler gearbeitet hat, wenn nicht etwa beiden Künſtlern die Drigi-
nale eines britten Künftler6=) vorgelegen Haben, was ich bis jegt nicht
habe feftitellen können.
Sa *) Bergl. meinen VBericht darüber in No. 148 des Danziger Dampfboot vom
Jahre 1864.
*) Ich dachte zunähft an Anton Möller der belannilich im Jahre 1601
zwanzig Blätter Danziger Trachten in Holzſchnitt publicirt hat, die jeßt überaus felten
Rad. (Berg. Hirſch Preuß. ProvinzsBlätter 1847 Bd. IV ©. 239 und A Hagen
daſelbſt 6.466. Das von Hiridh beſchriebene Ern ſtſche Cremplar ift 1852 in der Aw
ktion — man weiß nicht an wen — verfauft worben.) Doch geht aus dem von Hirſch
gegebenen Verzeichniß hervor, daß die Eoftüime unjeres Bildes nicht nach Möler gefer:
tigt find. Sie find vielleicht einem der vielen in jener Zeit fehr beliebten Coſtümbucher
entnommen, davon ber Zufall gelegentlich Kenntniß geben wird.
von R. Bergau. 549
Bon befonderem Intereſſe tft das Verhältniß biefes Profpectes zu
einem bebentenb Heineren (74, Zoll body, 18 Zoll lang), welcher ſich in
der 1652 zu Frankfurt a. M. erſchienenen Topographia Prussise et
Pomerelliae des Merian befindet. Derjelbe ift offenbar nach dem Kaer⸗
fen Profpect und zwar wahrſcheinlich nach der andern Ausgabe (bie in
Königsberg) gefertigt.“) Denn bie Bezeichnung ber Gebäude fteht bei
Merian unter nicht in ber Anſicht. Doch ift Merians Profpect an ben
Exiten verkürzt und der Horizont ift Höher gelegt als bei Kaer. Außer⸗
dem find die landſchaftliche Behandlung ber Niederung und bie Staffage
verändert. Im Uebrigen ſtimmt Alles, Bei Merian ift aber die Füh-
zung ber Rabirnabel ficherer und dadurch erfcheint bie ganze Anſicht cor-
zecter und fauberer. Durch biefes Verhältniß ber beiden Profpecte zu
einander erklären fi denn auch manche Unrichtigfeiten bes Merianfchen
Bildes im Zufammenhange mit bem bazu gehörenden Text, daß 3.8. auf
demfelben, obgleich erſt 1652 publicirt, der Thurm von St. Eatharinen
nad} feiner Geftalt von vor 1634, das Langgafler Thor von vor 1648
hat, Die Fehler in der Zeichnung der Giebel von St. Trinitatis und
des Gebäudes der Kunſtſchule, welches bei Merian ſchon unzweifelhaft
achtedig erſcheint, treten hier um fo auffallenber hervor. Die Eoftäm-
bilder und tie Infchriften fehlen bei Merian,
Intereffant ift ſchließlich noch die Vergleihung ver Kaerſchen und ber
Merianſchen Anſicht von Danzig mit ber von faft bemfelben Standpunkte
aus genommenen, welche das Titelblatt zur zweiten Serie der Rabirungen
unferes Prof. Schultz bildet.
Danzig, Funi 1866. A. Bergen.
*) Merian bat für feine Anficht in Königsberg ebenfalls den älteren Beringe
ſchen Profpect benupt. Bergl. A. Hagen Preuß. ProvinzBlätter 1847 Bd. IV S. 460.
Aritiken und Beferate
Altpreußifcher Verlag.
Die Grünen und bie Blauen oder die preußiſchen Dlutzengen.
Dramatifches Gemälde in 3 Aufzügen von Heinrih Schulz.
Selöftverlag. Sensburg 1865.
Es ift ein wunderliches Stüd Arbeit, das Hier gebrudt vorliegt. Ein
Freund, dem Referent ein Ende aus bem Buche vorlas, bildete ſich feif
und feſt ein, baß es ſich um eine auf ber Bibliothek aufgeftöberte alte
Schauertragödie aus dem fiebenzehnten Jahrhundert handele und Tam nicht
aus dem Lachen Heraus. Er glaubte fich zum Narren gehalten, als ihm
gelagt wurbe, daß das Stück 1865 in bie Welt geſchickt ſei. Es ift der
Tragdvienftiel, der in Shafefpeare's Pıramus und Thysbe ſo ergötzlich
parobirt ift, dem wir hier ven ber erften bis zur legten Geite begegnen.
Schon der Prolog giebt eine nicht üble Probe, wenn Boruffia im Trauer
gewand alfo fpricht:
Im. Kampf der ftreitenden Parteien
Wenn Brüder hadernd ſich entzmweien
Und Sohne, die von einer Bruft gefogen,
Eich wirbelnd ſhaumen in der Zwietracht Schredensmwogen u. |. w.
Der Dialog im Stüd ſelbſt ift Profe, aber welche Profa! Nur für das
Ange; für das Ohr zerhadte Jamben mit eingeftreuten Reimen, ein mäfter
Bombaft ungeheuerliher Redensarten, geſchminkte Phrafen und zufammen-
gelejene Citate. Gleich in der erften Scene tritt Eveline, bes Hector En
binus Tochter, auf offener Straße ber Schloffreiheit auf und ſpricht: „Wo
nur der Jonas bleibt! die fünfte Morgenftunde Halt vom Dom in bums
Atgreubilger Berog. 551
pfen Schlägen nieber und zitternb harr' ich des Geliebten hier: mir if’e,
als ob ich meines Vaters Stimme höre, der bang nach mir verlangt, mich
warnt vor brohenber Gefahr. Ach! fein gedankenſchwerer Ernft, bie düſtern
Falten feiner forgenvollen Stien — fie ſcheuchen mid von ihm und hal-
ten mich von feiner Mufe fern: mein Herz, er kennt es nicht, mein lie
bend Sehnen und täglich öffnet fi) die Wunde, die des Todes kalte Hand
geſchlagen, der eine theure Mutter mir entriß m. f. w.“ Sie wirb von
einem Nachtſchwaͤrmer aufgegriffen und vom Prinzen Albert Briebrich ber
freit, Der Prinz ift über die Sittenlofigfeit der Welt trübe geftimmt und
philoſophirt unter Andern: „Kennft bu, Genoſſe meiner Iugend, ben Drei»
Hang nicht der Seufzer, ber durch der Herrfcher Mund die eitle Nichtig-
feit des Staubes lehrt: „Quid est monarhia, niei triplex suspirium ob-
tinendi, retinendi, amittendi?“ Wohl uns auf unfrer fteilen Höh, wenn
uns ben fremden Jammer ftillend, das eigne Weh verfiegt, wir keinen
Tag verlieren, des Kummers harte Furchen mit frifchen Rofenbläthen zu
beſtreuen!“ Endlich kommt der erwartete Geliebte und monologifirt:
„Wie werd ich Eveline finden, bie heißgeliebte Wonne meiner Tage, mein
Lebenslicht, die Heit’re Kränze flicht dem armen Burſchen in ber üben
Naht der Pilgerbahn!“ Im dieſem Stil geht's weiter. Wenn man etwa
glauben folfte, daß der Prinz als ein Gelehrter habe charaltexiſirt werben
ſollen, der gern feine Weisheit vor ben Leuten auskramt, fo wärbe man
fehr irren. Saft jede Perfon im Stüd bis herunter zum Nachtwächter
ſpricht in lateiniſchen Citaten. Ja felbft der Schloßvoigt von Merenthin,
ein wilder Heide’ der anf feiner famländifchen Burg zu Wursfaito und
vilollos und ben andern alten Preußengöttern betet (nebenbei bemerkt: in
der zweiten Hälfte des 16. Yahrhundertsl) tritt gleich mit dem homeri⸗
ſchen Bers ein: Einft wirb kommen ber Tag, wo Ilium finft und Priamus
: hohes Geſchlecht — citirt dann: Hlic Rhodus, hie salta, gelegentlich aber
auch: Chacun a son gout ober gar l’etat c’eest moil Herzog Albrecht,
ebenfalls wohl belefen, pfufcht ohne Bedenken feinem Nachfolger, dem
weiten Könige von Preußen in’s Handwerk und veripricht die Landes⸗
fouverainetät auf ben Naden des Adels zu thürmen, wie ein rocher de
bronze. Scenen, wie bie zwiſchen Wolkenſchießen und Emmerich) ©. 38
find verhältnigmäßig natürlich und Können als eine Erholung gelten, Wie
552 Krititen und Referate.
alle Perfonen in berfelden Manier ſprechen oder eigentlich linguiſtiſche
Burzelbäume fchießen, jo find fie auch im übrigen fo ziemlich aus bemiel-
ben Holze gefchnitten; von pfychologifcher Durchbildung iſt nirgends die
Rebe. Man kann nur mit bem Dichter fagen, daß fle ſämmtlich „fd
wirbelnd ſchäumen in ber Zwietracht Gchredenswogen.” Damit iſt zu
gleich auch der Inhalt diefes dramatiſchen Gemäldes angegeben, in dem
es fo bunt hergeht, daß man fi von Zeit zu Zeit am ben Kopf fallen
muß, um ſich zu vergewiſſern, daß man ihn noch hat. Dem Lefer wird
von ber erften bis zur legten Seite grün und blau vor Augen und fo it
benn ber Titel bes Stüds allerdings für ben Inhalt bezeichnend, Die
Bühnen machen leider mit bemfelben keine Acquiſition. ©
Mittheilungen und Anhang.
Ein Danziger Rathsedikt vom Jahre 1520 als ältefter
Druck aus der Weinreihihen Officin zu Danzig.
Mitgetheilt von
Dr. A. Keike.
Die Danziger Stabtbibliothef, befonders reich an feltenen auf bie
Danziger Lofalgefchichte bezüglihen Druden, befigt unter der Gignatur
XV. p. 17 ein, vielleicht das einzige, Exemplar eines Einblart-Drudes
ans bem Jahre 1520, enthaltend ein Ausſchreiben von Bürgermeifter
und Rathmannen ber Stadt Danzig. Obgleich daſſelbe weder Drudort
noch Druder angiebt, läßt ſich doch aus der Uebereinflimmung ber Typen
biefes mit allen übrigen beutfchen Druden auf das beftimmtefte nachwei⸗
fen, daß es aus der Officin des Buchdrucders Johann Weinreich her-
vorgegangen tft. Dies behauptete, fo viel ich weiß, zuerft auch Löſchin
in feiner „Geſchichte der Danziger Buchbrudereien" (Danzig, 1840. 4.)
S. 4. Weinreich drudte befanntlich abwechfelnd, vieleicht eine Zeitlang
auch zu gleicher Zeit, in Danzig und Königsberg; bort gilt er als ber 2te,
hier als ber erſte Druder. Das ältefte Probuft feiner Druderet, als
welches eben biefes Rathsedikt von 1520 bis jegt bekannt iſt, erſchien zu
Danzig als 1Blatt, das legte berfelben, „Spiegel der Juden von Philipp
Wolff,“ 154, Bog. ftart, 1655 ebenfalls zu Danzig. Seine Königeber-
ger Drude reichen von 1524 (oder 15237) bis 1553. Ueber feine Per⸗
fon iſt nichts aufzufinden gewefen. Ein Verzeichniß feiner fämmtlichen
Drnde, foweit fie mir zu Geficht gefommen, ober fonft befannt geworben
find, Hoffe ich in nicht zu ferner Zeit veröffentlichen zu Können,
554 Teittheilungen und Anhang.
Wenngleich bie Bebentung bes in Rebe flehenben Edikts in Hifteri-
ſcher Beziehung nur eine geringe ift, fo bürfte doch ein getreuer Wieder⸗
abbrud deſſelben an biefer Stelle durch bie typographiſche Bedeutſamleit
ganz wol gerechtfertigt erfcheinen. Die bemfelben vorangeſchickte, mir auf
meine Bitte von geſchätzter Hand zugeftellte Hiftoriiche Einfeitung wird ben
Lefern als zu ihrer Orientirung dienlich nicht unlieb fein. Ueber bas
Aeußere des Blattes Habe ich nur noch Folgendes mitzutheilen. Da es
nur auf einer Geite bebrudt tft, fo läßt fich annehmen, daß der Dani
ger Rath es als Plakat an öffentlichen Plägen zur allgemeinen Kenntniß⸗
nahme des Publikums anheften ließ. Das Papier des vorliegenden Erem-
plars if 1 Fuß 13, Zoll breit und 9%4 Zoll hoch; die Schrift mit der
Initiale ber erften Zeile und berjenigen ber Unterfchrift iſt 10%, Zoll
breit und 8 Zoll Hoch, ohve die Initialen 8 Zoll breit und 6 Zoll had;
ohne bie Unterſchrift enthält es 21 Zeilen — 31, Zoll hoch. Das
auffallend große geſchnörkelte B zu Anfang fieht 10 Zeilen über nud
15 Zeilen unter der erften Zeile. Die gothiſchen Lettern find von gefällie
ger Som.
Nach dem ewigen Frieben von Korn ( (1466), welcher bie Hegmeite
bes beutfchen Ordens zu Vaſallen der polnifchen Krone gemacht Hatte,
ging das politifche Streben Jener immer barauf hinaus ſich biefer Ab
Hängigfeit von dem alten Erbfeinde zu entziehen. Nur Einer von ihmen,
Heinrich Reffle von Richtenberg (1470 bis 1477), Teiftete in ber richtigen
Erenntniß der Schwäche und Häfflofigfeit feines Ordens ben Huldigungs ⸗
eid frehvillig, bie Übrigen bagegen immer nur erft, wenn fie in irgend
einer Weife dazu gezwungen waren. Der Hochmeifter Herzog Friedrich
von Sachſen (1498 bis 1510) entzog ſich dieſer Pflicht dadurch, daß er
Schließlich das Land verlieh. Sein Nachfolger, der Markgraf Albrecht von
Brandenburg hatte die Wahl zum Hocmeifter nicht cher angenommen,
als bis ſich Kaifer Marimilian in beftimmter Weife zur Unterftügung bes
Ordens verpflichtet Hatte.*) Wergebens fuchte Albrecht ben Polentönig
Sigismund unter Berufung auf ihr nahes verwandiſchaftliches Verhalt⸗
*) Bol. Dropfen, Geſch. d. Preuß. Politit II, 2. S. 84 fo.
Ein Danziger Rathsedilt vom Jahre 1520. 555
ng — ber König war bes Hochmeifters Mutterbruber — zum Uufgeben
feiner Forderung zu bewegen, Der König gleich wie die polnifchen Sena⸗
toren und Edelleute „wollten lieber das Aeußerſte erbulden, als etwas
von dem fich nehmen laſſen, was fie beſaßen:“ jener thorner Friede ber
gründete in ihren Augen — und man kann nicht fagen, daß fie bamit im
Unrecht gewefen wären — ihre Anſprüche zur Genüge, Wie wenig aber
den Zufagen des Kaiſers zu trauen war, zeigte ſich ſobald es ihm gelang
bas Hauptziel feines Etrebens zu erreichen: in dem Erbvertrage mit ben
Iagellonen (1515), welcher dem habsburgiſchen Haufe ben Anfall der
Kronen von Böhmen und Ungarn in Aueſicht ftelfte, verfprach ber Kaiſer,
ben Hochmeifter zur Leiftung feiner Pflicht zu mahnen und ihn in feiner
Weiſe mit Rath ober That gegen Polen zu unterftügen. Einige andere
Bedingungen biefes Vertrages aber ſchienen dem Hochmeifter auch jetzt
noch nicht alle und jede Hoffnung zu rauben, und er beharrte bei ber
Verweigerung ber Eibesleiftung, war es ihm boch nicht lange vorher ger
lungen mit dem Czar von Moskau in ein Angriffebünpniß gegen Polen
zu treten. Schon ergriff er mehrfache Mafregeln, um bei ausbrechendem
Rriege nicht wehrlos überraſcht zu werben. — Daß bei biefem Berhälts
niß zum Nachbarlande, bei der feinbfeligen, erbitterten Stimmung gegen
einander Handel und Verkehr zwifchen Preußen und ben polnifchen Lan-
den überhaupt ſchon ſchweren Eintrag erlitt, ift wohl felöftverftändlich; fo-
bald nun aber ber Ausbruch des Krieges feldft immer näher heranzuräden
ſchien, trat man von beiden Seiten mit unmittelbaren Handelsbeſchränkun⸗
gen Hervor. Zuerft verbot ber Hochmeifter, durch Vexationen ver Polen
und turch brohende Theurung veranlaßt, bie Getreideausfuhr über bie
polniſchen Grenzen. Die Polen antworteten mit dem vollftändigen Ver⸗
bot alles Handels nach Preußen. Den darauf bezüglichen Beſchluß faßte
der Frafauer Reichstag, welcher zu Anfang 1518 bei Gelegenheit ber zwei⸗
ten Verheirathung bes Königs, bei feiner Vermählung mit Bons Sforza,
abgehalten wurde. Der Erlaß des Königs an alle Beamten und Städte
in den polnifchen Landen batirt vom Tage Johannes bes Täufers 1518*)
*) Eo hat das Datum Schü und ebenfo ein gebrudtes Eremplar des Mandats
(auf Papier mit Siegel), welches fi nad einer freundliben Mittheilung im Danziger
656 Mitteilungen und Anhang.
And, im Weiteren hörten Berfuche zur frieblichen Ausgleichung nicht auf,
Aber weder bie Bermittlungsverfuche befreundeter Fürſten auf bem Reihe
tage zu Augsburg (1518), welchen beide Parteien befchieten, noch die Be
mühungen eines päpftlichen Legaten, welcher mit Nüdficht anf eimen von
Rom ans beabfitigten Turkenzug am polniſchen Hofe zum Frieden
mahnte, hatten Erfolg: der Hochmeifter follte ſich unbedingt fügen, ober
er und fein Orden Preußen verlieren, das war und blieb ber Kern ber
polnifcgen Forderungen und Abfichten, Nur bie Rüdficht auf bie römiſche
Kurie und bie Furcht vor den Angriffen ber Tataren und Mostowiter
hielten ben König ab fofort loszuſchlagen. Konnte das polnifche Reich bei
der weiten Ausbehnung feiner anderen Grenzen bie völlige Sperre bes Han
dels mit Preußen eine Zeitlang wohl ertragen, fo war ein Gleiches für
Preußen Polen gegenüber unmöglich: bem räumlich beichränkten, auf feiner
ganzen Sandgrenze non polniſchem Gebiet umgebenen Orbenslanbe ben Han-
delsverlehr mit Polen und Littanen verbieten, das hieß nichts anderes als
feinen ganzen Hanbel todt legen. Daher gab der Hochmeiſter ohne Räd-
ficht auf das feindfelige Verhältniß durch einen Erlaß vom 26. Decem ⸗
ber 16184) ben Handel nach Polen und Littauen, fo wie ben Durchzug
der von borther kommenden und borthin beftimmten Waaren völlig frei;
nur verorduete er, ganz und gar der bamals allgemein üblichen Handels
politit gemäß, daß alle Waaren in Königsberg Niederlage halten und nur
buch das dortige Tief feewärts ausgeführt werben follten. Es fcheint,
als ob die Polen trog jenes Verbotes ihres Könige und ihres Reichstages
Stadtarchiv befindet. Wenn die Acta Tomiciana (IV, 149) daſſelbe ohne Angabe des
Datums den Akten bes Jahres 1517 einreihen, fo ift dies eines der Verfehen, an welchen
der Abdrud diefer fo wichtigen Sammlung leider nicht arm ift.
*) Das Original diefes Mandats führt zwar das Datum: „Geben zu lonasverg
am tage Steffani Im we. und Fig Jare.“ gehört aber offenbar noch in das Jahr 1518,
denn: 1) Der Hocmeifter erließ bereit8 in den erften Tagen 1519 zwei auf dieſe Ber
ordnung bezugnehmende Schreiben nad; auswärts, am 9. Januar an die wendiſchen
Stäbte der Hanfa und am 10. an den livländiſchen Meifter (Voigt IX. 554, 4 u. 2);
2) Eine erneuerte Bekanntmachung erfolgte am 31. Mai 1619 (N. Br. Prov.Bl. 1846
1.140, 12). 3) Ein anderes Beifpiel dafür, daß in jener Zeit bie Anwendung der Weib:
nachtsjahre (Fahresanfang 25. December) in der hochmeifterlichen Kanzlei noch nicht
außer Gebrauch gelommen war, findet man bei Voigt IX. 527, 2, — Einen Gtephand«
tag in der erften Jahreswoche habe ich nicht auffinden Können,
Ein Danziger Ratheebitt vom Jahre 1520. 557
diefe Freigebung im Nachbarlande tüchtig benugten. Denn nachdem ber
reits ber Krieg wirklich begonnen Hatte, fah fi der König durch ben Un»
gehorfam feiner Unterthanen genöthigt, das Handelsverbot unter Andro»
hung der Todesſtrafe und des Verluſtes der beſchlagenen Kaufmannsgüter
iu ernenern, wie es fcheint in bem erften Tagen des Yahres 1520.) Im
biefen Bufommenhang gehört nun bie nachfolgende Verordnung ber dan»
m fruntlichenn gruth mit erbebinge allen godes ſtedes thonoraz
Erfamme Vorßynnighe sand Wyße hernü Gnufige || Code fennde
sund gennere Io sub als denne de Alerdurchlachtigeſte Hoch-
gebsne fsıfle sund Grothmechtigeſte Here Heise || Sigifmandus
son Godes guoden Aönyugh the Yalck Grothlorſte in Fettawen /
Unfen uud rufen ıct. Here vñ Eruelgugh || uufe Allerguedigeſte
here, oth mañichtoldigen ſwaren vud vichtigen tonsdigen vñ
bebrangniffen. fo fyue As. Moieſtat. ann ſynen vnderßaten / von
dem Irladpten vi SHochgebarnen Sorten und Hera) Albrecht /
Pütfhes ordens Hedmeifer 1 Yand || van den fonen erleden / Pat
Dean alle fone Königliche Maieſtat / lange tydt heer / mit dem
beften buerßehũ / fich daeruth / mo ein || hamfdich Aonigk vñ Gere]
beteringe vorndende Wand doch der wegen nichts gelolgett / Hefit ſyne
As. Say] Vaße Aller guedigeſte Gere] mit nichte sÜrbegengh heben
usgen] ſyne Herſchopie / Sande vñ Sude/ vor gemolt| (deden vñ
vngerech⸗ || ticeit/ daeruth degli mehr vnd mehr entfpzetenbe] who
ein kriflicher Annigh ts ſchutten und ts befhermen Bad sth an-||
dernũ waren orfachen| weder vi tegenn den folnigen Kern Hor-
meiter| ſynen / Orden / Vnderßaten / Sande] vnd Füde / alßo || her
*) Das Unigliche Edilt, welches neben anderen Beftimmungen auch das erneuerte
Sandelsverbot enthält, ift abgebrudt in ben Act, Tomie. V, 162 fg. und führt dort das
Datum Thorunii die 8, Valenti (1520), Das verftümmelte Valenti dürfte wohl aller
Wahrſcheinlichteit nach durch Valentini episc, Passav. (7. Jan.) aufzulöfen fein, da bie
Zage der übrigen Heiligen, welde die Namen Balentinus oder Valens führen, nach dem
%0. Januar, dem Datum unferer danziger Rathsverordnung fallen.
568 Mittheilungen und Anhang.
apenbaren fheide/ dar inne fgne As. May. mit fgner hochselancden
hrone to Yalen. itzunder fleidt/ is gedrungen. %Whor- || vMbe sth
befehel As. Stay. unfen Alergnedigeften hernn banen gemelt Iur
Erßamd' bidden / dieße isgenwerdige waerſchowyn || ge/ Iwen Erß
dorgern / hoplhden vad innewaneren vñ ſaſt allen aydern mat Standes
de fien mogen jun erer Statt vñ gebeden || wanhaftih] Im beſten
nicht the vorholen/ Dunder gutlichen apenbaren vi vorwitliden
deffoluigen Hern Hormeifters vn Or dens Sande] Steden/ Borper]
Yleche] Porten / Stroͤme vñ Hauenynge mit keynerley af ader theloer/
iu dieſſer tidt / des iegen ſſ werdigenn Krnges to befsken/ adder
erkeynerley wyße oud mathe to ſtarchen Idt fie mit welche] Schepen]
Puſſen / Harniſche/ || Yrofante/ ader mit erkeyner anderen Dingen
Io dat ime E. W. vnſem Allergnedigeften Gern the Gunderlihk
eren und gefallenm. || aha vermögen diefer warngnge fih mit eren
borgern koplueden und vorwantten hier ts gutlich willen bequemen:
Ben: henne||HDt gott: eynes elchen ſchaden / de fih hiertegen⸗
doende/ begeuen machte] gerne verhset fegen. In gliehem sa
grsterem. wo || dat giner geloech vñ flelle het. uus erbebende Imen
€. W. wederombe 15 fruntlihem willen thowerdra. Gegenen the
Daubi ke Am foß vundtwintigeften dage Ianuarij Ma Chrifi
unfers hern geborth Vuſent fill hundert vad ım twintigeſten Jart
Brunnen sund Hathmann
der Stath Panttigk.
Die Kirche zu Kumehnen in Samland.*)
€. Gebauer theilt in feiner „Kunde Samlands“ (Seite 106) mit,
daß der Biſchof Heinrich IL, im Jahre 1390 bie Kirche im Dorfe Bifhoie
dorf, jet Kumehnen, gegründet habe, Und in ber That gehört ber Chor
*) Cine zufammenfaflende Arbeit über die noch ziemlich zahlreih erhaltenen
Bauten des Deutfhen Ordens in Samland läßt ih nur nad) forgfältigfter Un-
terfuhung aller einzelnen Denkmale im Zufammenbang mit archivaliſchen dorſchungen
und nad) Senntniß aller andern bedeutenden Bauten des Ordenslandes Preuben anfer:
tigen. Eine folde Arbeit habe ih mir vorgejept. Weil aber Forihungen im Archiv
Die Kiche zu Kumehnen in Samland. 559
der jegt in Kumehnen vorhandenen Kirche, wie aus den Runftformen zu
föließen, noch dem Ende bes 14. ober Unfang bes 15. Jahrh. an, wäh.
tend Langhaus und Thurm fpäter, wahrfcheinlih erft am Ende bee
15. Jahrh. in andern, roheren Kunftformen und in weniger forgfältiger
Technik ausgeführt worben find, daher denn aud das Gewölbe des Lang:
haufes, wie aus einer Notiz in den Kirchenaften hervorgeht, ſchon 1667
ſeht fchabhaft war, während das Gewölbe des Chors noch heute ſteht.
Denfelben Alten zufolge wurde im Jahre 1697 befchloffen das Gewölbe
abzubrechen und daſſelbe burch eine Holzdecke zu erfegen, welche noch vor»
handen ift. Ich bin geneigt anzunehmen, daß kurz vor dem Jahre 1697
der größefte Theil der Kirche durch eine Feuersbrunſt zerftört worben, denn
Fties und Gefimfe fehlen überall und ſämmtliche Dächer von Thurm,
Langhaus und Chor fieht man jegt in veränderter nicht urſprünglicher
Form. Nach diefem Brande wurbe bie Rice in noch ſchlechterer Technik
ausgebaut, bie obern Theile der Umfafjunge-Mauern und wahrſcheinlich
auch die Dächer nur in nothbärftigfter Weife Hergeftellt, und oft erneuert,
denn die jegt vorhandenen Dächer, welde viel au niedrig find und bie
zopfigen Hauptgefimfe aus Holz (IH) gehören wahrſcheinlich dem Anfang
unferes Jahrhunderts an. Im legten Jahrzehnt endlich iſt bie Rice
wieder ausgebefiert, aud; mit bunten Senftern verfehen worden,
Die Geſammtanlage der Kirche ift fehr einfach und Mar, dem Be—
brfniß des Tatholifchen Cultus entſprechend und im Allgemeinen überein
ſtimmend mit ben meiften Heinen Kircheubauten des Ordenslandes Pren-
gen.*) Sie befteht in Grunbriß und Aufriß fehr deutlich charakterifirt in
der Richtung von Oft nach Wet an einander ſich anfchließend, und an
Höhe zunehmend aus brei verſchiedenen Theilen, dem Chor (Altarhaus), ale
Raum für den Hauptaltar mit bem celebrivendeu Priefter, dem Langhaufe,
als Raum für die Gemeinde und dem Glockenthurm. Gegenwärtig, ba
nicht in mein Bereich gehören, würden die Konigsberger gelehrten Hiftorifer mich zu bes
fonderem Dank verpflichten, wenn diefelben gelegentlich gefindene Notizen, felbft ſolche,
welche fheinbar ohne Werth find, über Bauten in Samland (oder auch andere) mir zu:
neben laſſen wollten.
*) Vergleiche meine Charakteriftit ver Meinen Dorflirhen in Pommerellen im
„Organ für Epriftlihe Kunft“ 1865 No. 104,11.
560 Mitteilungen und Anhang.
bie Kirche ben Proteftanten gehört, tft — wie leider auch im vielen katho⸗
liſchen Kirchen — ber Unterſchied in ber Benugung von Chor und Lang
haus gefallen. Doch muß ich Hier, bei Beichreibung des Gebäudes, die
fen Unterſchied als einen wichtigen Punkt in dem Programm bes Baus
feſthalten. Ohne Renntniß des Programme aber ift die Beurtheilung
eines Kunſtbaues geradezu unmöglich.
Die ganze Kirche mit Chor und Thurm ift etwa 130 Fuß lang und
im Sanghaufe ewa 40 Fuß breit. Der geradlinig«) gefchloffene Chor
(35 Fuß lang) beftcht aus zwei Jochen, welche durch einfache Sternge
mwölbe ebler Bildung überbedt find. Die Gewölbe ruhen auf Eonfolen,
ganz ähnlich benen, melde im Kreuzgang bes Hauptſchloſſes Marienburg
noch erhalten find. Diefe Confolen, fowie auch das Profil der Rippen
Getzt leider dick mit Kalltünche überflebt) zeigen bie Formen ber beften
Zeit der Orbensbaufunft in Preußen. Diefes Gewölbe befonders veran
laßt mid, ven Chorbau noch in das Ende bes 14. Jahrh. zu fegen. In
der Oftwand befindet ſich ein, durch ben Hohen zopfigen Altar leider gam
verbedte® Fenſter, deſſen Laibungs-Profil ebenfalls bie edle Bildung der
guten Zeit zeigt. In der Südwand befindet fi, ber Regel gemäß, in
jedem VJoch ein Fenſter.
In dem Winkel zwiſchen ber Nordwand bes Chors und ber Oftwand
des Langhaufes findet fi, wie gewöhnlich eine Heine Sacriſtei, welde
hier jegt ohne künſtleriſchen Werth iſt.
Un den Chor fehließt fi nach Weften Hin, von bemfelben durch ben
ziemlich ſchlanken, fpigbogigen Triumphbogen getrennt, das Langhaus an
(80 Fuß lang). Daffelbe befteht aus fünf Jochen. Doch fehlen wie ge
fagt, feit 1697 die Gewölbe, Man fieht an den Wänden uoch einige
Confolen mit den Anfängen ber Rippen, welche Formen zeigen, ähnlich
denen im Chor, doch aber deutlich erfennen laſſen daß fie pur unverftan-
bene Nachahmungen ber älteren find, Die Widerlager find noch auf allen
Seiten fichtbar, freilich in einer, bei Gelegenheit ber letzten Reſtauration
modificirten, für bie Meiften wohl unverftändlihen Form, Strebepfeiler
*) Beide Arten des geraden und des polygonen Ehorfchluffes finden fih
bei den Preußiſchen Kirchen ber älteren Zeit ziemlich gleich häufig. In der fpätern Zeit
ſcheint der gerade Chorſchluß vorherrſchend geworden zu fein.
Die Kirche zu Kumehnen in Samland. 561
befinden fid) auffallender Weife nur auf ber Norbfeite und zwar im Fur
nern, Diefelben find ans Ziegen hergeftellt, während bie Rorbwanb ans
toben Granitblöden aufgeführt if. Man orbnete dieſe Strebepfeiler
mahrfcheinlih an, weil man der Norbwand uicht fo viel Stabilität zur
traute um ben Schub der Gewölbe aushalten zu können, Bei ber zum
größeften Theil ans Ziegen hergeftellten Südwand erſchienen Strebepfeiler
nicht nothwendig. — Die Dede befteht jet aus Brettern und ift gejchmad-
108 bemalt. Der Fußboden tft überall mit Ziegeln gepflaftert. — Auf der
Süpfeite find, den 5 Jochen entipredjend, 5 Fenſter; anf der Norbfeite
gar keine, eim bei Heinen Dorflichen Preußens nicht feltener Kal. —
Außer dem Hauptportal und ber Vorhalle unter dem Thurm Hatte die Kirche
noch 2 GSeitenthüren, auf der Nord» und ber Südſeite des Langhanfes,
davon bie fübliche jegt vermanert, die nörbliche mit einer ganz modernen,
höchft unwürdigen Borhalle umbant iſt. Die Laibung biefer nördlichen Thüre
hat ein einfaches ſchönes Profil, ähnlich dem bes großen Oftfenfters. —
Den weftlichen Abfchluß des Gebäudes bildet ber in der Age ftehenbe, tm
Grundriß quadratiſche Glodenthurm. Sein unterftes Geſchoß, das früher
ebenfalls überwölbt war (figurirte Eonfolen find noch vorhanden), bildet bie
Vorhalle der Kirche. Im berfelben befinden fich alfo zwei fpigbogige Portale,
eins nad) dem Innern der Kirche, das andere nach Außen führend. Die
Brofile der Laibungen, foweit fie erhalten, find nicht mehr fo eiufach ebel,
wie im Chor, verraten ſchon bie fpätere Zeit ihrer Entſtehung. —
Die änfere Phyſiognomie des Gebäudes ift vorzüglich durch das zum
Ban verwendete Material bebingt, denn baffelbe tft auf Eonftruction und
Bildung ber Runftformen von dem allergrößeften Einfluffe. Da die ganze
Provinz Preußen Teinen Hanftein hat, ift man bei Conſtruction der Mauern
nur auf bie zahlreich vorkommenden erratifchen Granitblöde, welche, ihrer
Härte wegen, zur Herftellung von Kunftformen nicht geeignet find, und
auf gebrannte Ziegel angewiefen. Weil nun für ben in Rede fehenden
Bau reichliche Mittel wahrſcheinlich nicht vorhanden waren und bie Ans
fertigung einer großen Anzahl von Ziegeln doch Immer erhebliche Koften
verurfacht, hat man einen großen Theil des Mauerwerks — fo weit ſich
der Anwendung biefes Materials nicht eben erhebliche Schwierigkeiten ent
gegen ftellten — ans unregelmäßigen, nicht geiprengten un Ku behaue ·
nupt. Ronate riſt Bd. IL Oſt. 6
562 Mütheilungen weh Anhang,
nen Granitblöden hergeſtellt. Wir finden denenach bie Inmfaffungswänbe ves
Chors und die Sübwanb des Langhaufes bis zur Höhe der Fenſterbruſtung
die fenfterlofe Nordwand unb die Umfeflungewänbe bes Thurms bis zur
Höhe des Hanptgefimfes — in guößere Höhe wärbe das Heben der großen
©ranitblöde zu viel Arbeitskraft in Anfprucd genommen und zu fefle Ge
rüfte erfordert haben — ganz aus Granitfüden Hergeftellt, dabei bem
irgenb welcher Schmud fich nicht anbringen ließ. Die Thie-Einfaflungen
dagegen find natärfich von Ziegeln, und zwar, weil man ein reicheres
Profit dabei befonders liebte, aus forgfältig bereiteten Formſteinen, deren
Fabrikation im Mittelalter fehr allgemein betrieben wurde und zw einer
Hohen Gtufe der Bolllommenheit ausgebildet war. Alle anberen Theile
des Bauwerls d. h. die Wände vom Chor und bie Gübwand bes Lang
haufes von ber Fenfterbräftung ab — benn aus rohen Granitblöden Lafien
fich war lange Mauern ohne Unterbrechung (Benfter) und ohne viel Eden
(Strebepfeiler zc.) herftellen — uud bie innern Strebepfeiler der Norbwand
beftchen aus Ziegeln. Im biefem Material lieh ſich bes einfache Schmud
ber a Fuß tiefen fpigbogigen Niſchen, welche mit bem Fenſtern gleiche
Form und Größe haben, mit Leichtigleit herftellen, und man that es um
fo lieber, al& man neben ber beabfichtigten Belebung ben Flächen zugleich;
eine Eriparnig an Material erlaugte, ohne ber Feftigleit ber Mauern zu
ſchaden. Diefe Niſchen ſieht man, in nicht befonders künſtleriſcher Weite
dicht an eimander gereiht, auf bev Ofi- und Südſeite. Bon bem Mittel
giebel und dem eimft gewiß reich ausgebildeten Oſtgiebel if nichts mehr
oshalten, Auch ber Thurm iſt in feinen obern Theilen in durchaus ent
ſprechender Weife mit größern und kleinern ſpitzbogigen Niſchen verjchem,
darin bie Licht, uub Schallöffnungen ſich befinden. — Die Zeegel haben,
wie bei allen älteren Bauten, ein großes Format (12 Zell lang zc.) umb
find im fogenannten Wenbifchen Verband verfegt, d. h. es wechſelt in je
ber Schicht ein Läufer mit einem Gtreder.
Der Thurm hat am feinen Weil-Mauern zwei diagonal geftellte
Strebepfeiler. Die alte Thurmſpitze fehlt. Die moderne ift eine ſtumpfe
vierfeitige Pyramide. Wahrſcheinlich war ber Thurm, nad ber im gan.
sem Gebine des Ordenslandes Preußen fehr beliebten Weiſe, mit einem
Satteld ach zwiſchen zwei veich becorirten Giebeln verfehen, etwa ähnlich,
Die Kirche zu Kumehnen in Gamland. 863
wie an ber fehr viel fpäter erbauten Kirche des nahen Dorfes Thieren⸗
berg«) noch Heute zu fehen.
Kehren wir jegt nach dem Innern zurüch, um bie Gegenflänbe ber
tirhlichen Ausräftung näher zu betrachten.
Haupt-Altar und Kanzel wurden ber Juſchrift zufolge 1676 im
jenem befannten Hollänbifchen Zopffiyl ausgeführt, der in faft allen öffente
lichen Denkmalen unferer Provinz, oft zum großen Nachtheil des befieren
Alten, ſich eingeſchlichen hat. — Doc if auch ber alte Haupt ⸗Altar, ein
teich geſchnitzter, vergoldeter und bemalter Altarſchrein, freilich fragmentirt,
noch ziemlich gut erhalten. Er hängt jetzt unbenutzt an einer Seitenwand
des Chors. Im Mitteljchrein find bie Statuen von Maria mit dem Finde
und St. Anna. Im Hintergrunde fieht man vier Heilige in Bruſtbildern.
Ueber dem Schrein befinden ſich umter zierlich in Holz gefchnigten, eich
vergolbeten Baldachinen, Chriſtus am Krenz, zwiſchen Johaunes und Maria,
Die Seitenflägel fehlen. — Eine Jahreszahl habe ich am biefem Altar
nicht anffinden Lönnen. Doch ift derfelbe ohne Zweifel in der letzien Zeit
der gothiſchen Kunft, am Anfang des 16. Jahrhunderts angefertigt werben.
Aehnliche Altäre finden fidh in mehr oder weniger gut erhaltenem Zuſtande
in noch mehren Kirchen Samlands und auch fonft häufig in anberm Thei-
len unferer Provinz, fowie in Pommern, Sachen u. ſ. w. Bon fowfligen
Gegenftänden der innern Ausrüftung hat fi) im Ehor noch ein ſehr Hübich
und zierlich in Schmiebeeifen gebilveter Wandleuchter erhalten, der ches
mals wohl (nebft 11 ähnlichen) vor einem ver zwälf Weihelrenze ſich be»
fand, und ein altes Weihwafferbeden aus Granit. Der Härte bes
Materials wegen Tonnte daffelbe nur wenig Kunftformen erhalten, erfcheint
deshalb alterthümlicher als es wirklich ift (etwa um das Iahr 1400 an⸗
gefertigt). Ganz ähnliche Weihwafierbedten haben ſich auch fenft noch in
Samland, in Weftprenfen zc. erhalten.
Zu bemerlen ift endlich andy noch das große Bild bed Pfarrer Gottfr.
Bilamovins, welcher 1687—1726 an biefer Kirche gewirlt hat.
Georgenswalbe, Iuli 1866. R, Zergau.
*) Gebauer (Runde Samlands 6. 113) hält dieſe Thurm-Enbigung ſonderda ⸗
ter Weife für ein „Nothdach.
36°
664 Mittheilungen und Anhang.
Urkunden-Bunde,
Gol IT, 467.)
Die nachſtehenden beiben Urkunden, als Vorfegblätter verwandt, wur⸗
den einem Sammelbande alter Drude in 8" entnommen, welcher unter ben
Manuſcripten der Könige, Bibl. No. 166° aufbewahrt wird.
2
(Original auf Pergament, mit den Ginfchnitten für das Siegel.)
IN’Os Lvcas, dei et apoftolice fedis gracia Epifcopus War-
mienfis, Significamus tenore prefencium, quibus expedit, vniuer-
fis: Quod, dum ftatutis ad hoc a iure temporibus et fucoeffiue
infra miffarum folennia Sacros clericorum ordines celebraremus,
Dilectum nobis in chrifto Bartholomeum Ryngefzkrol de
Elbingh, acholitum dyocefis noftre, rite examinatum et idoneum
compertum, Ad prouifionem fuorum parentum, videlicet Cafparis
Ryngefzkrol et Catherine, coniugis fue, promouimus grada-
tim in Subdyaconum, Dyaconum et prefbiterum, diuina nobis
gracis mifericorditer cooperan. Indulgen. fibi, ut extra dyocefim
noftram officium omnium predietorum ordinum, dum canonicum
non interuenerit impedimentum, poſſit exercere. Harum quibus
pro teftimonio noftrum Secretum appenſum eft vigore literarum.
Datum in Caftro noftro Heilfbergh, Sabato Quatuor temporum,
quo in ecclefia Introitus miffe Charitas dei confueuit decantarj,
Anno domini Millefimo Quadringen, Nonagefimo primo,
3
(Original auf Pergament.)
hu. xpo. deo, deuoto domino Bartholomeo Stregener fa-
cerdoti ffrater Nicolaus lackman, facre theologie profellor
fratrumque minorum provincie Saxonie minilter et ſeruus, Salu-
tem et gracie incrementa fempiterna. pijs veltris precibus, cum
ad falutem anime pertineant, inclinatus deuocionemgue, quam ad
ordinem fancti patris noftri ffrancifei geritis, in domino oommen-
dans ao vicillitudinibus falutaribus recompenfare defiderans, aucto-
ritate apoftolice mihi in hac parte fpecialiter indulta, vos ad
vniuerſa noftre religionis (uffragia in vita recipio pariter et in
Alterthumefunde. 565
orte, Concedens vobis prefentis tenore plenam participacionem
Miffarum, Vigiliarum, Orationum, Jeiuniorum, Caftigacionum ac
aliorrum omnium bonorum operum, que per fratres noftri ordinis
et forores ordinis ſancte Clare per totum orbem in bis mille cen-
tum octoginta [ex monalterijs domino digne famulantes operari
dignabitur clemencia nostri faluatoris, Adiciens fingulariter, quod,
cum obitus vefter per diuinum prefidium diu differendus noftro
generali aut provinciali capitulis fuerit nuncciatus, pro uobis ta-
ia ordinabuntur defunctorum fuffragis, qualia pro fratribus noftri
ordinis et ordini peculiaribus i’d. [itidem?] recommendatis ab anti-
quo oonfueuimus ordinare. Infuper et animas omnium confangui-
neorum veltrorum in xpo. feliciter defunctorum ad memorata reci-
pio fuffragia premifforum. Datum gedani, Anno domini 1415,
8. nouembris, officij mei fub figillo prefentibus appenfo.
B Sn.
Alterthumsfunde.
(al. IT, 280.)
30) „Ein ortentalifger Münzfund.“ [Misſchr. III, 374]
31) Ende April d. J. wurden auf ber Feldmark Rogehnen (Befiger
Kühn) (Ar. Fiſchhauſen), nah Schorſchehnen zu, anf einem Hügel,
„Blodsberg” genannt, durch Pflügen Steine von bebentenber Größe blos-
gelegt. Beim Ausgraben derſelben fand man 1 große, 4 mittelgroße
Urnen und 1 Heine (Thränentöpfchen), alle von roher Arbeit und bem
befannten rohen Material, Sie zerfielen, bis auf bie größte, beim Aus-
Heben. Die Urnen enthielten, außer Afche und Knochenreften, folgende
Gegenftände: (von Bronce) 2 Schnallenfragmente, 1 verzterten Gewand⸗
Halter (Spange) mit Ring, 1 Dorn einer Schnalle, 1 Fragment eines
Ringes; (von Eifen) 1 Fragment einer Lanzenfpige, 3 Mefjer, 1 unbe
ftimmbares Fragment. [Nach münblicher Mittheilung.]
32) Bei Barten, 14 Meile von ber Stadt, unweit ber Mofer’fchen
Befigung, hat man beim Steinſuchen zum Chauſſeebau alte Preußen-
gräber entbedt. Der Ort bes Fundes tft ein Hügel, welcher nach zwei
Seiten fanft abfällt und Hier beadert iſt, während er nach ber anderen,
[77] j Nittheilungen und Anhang.
bewaldeten Seite ſteil abfällt. Auf dem unbewaldeten Theil befanden ſich
die Gräber. Man fand darin, außer zahlreichen Urnen, breierlei eijerne
Zangenfpigen, und oben auf dem Hügel bie Hälfte eines fleinernen Streit⸗
Yammers. Nach brieflicher Mittheilung.]
88) Dicht an der Buyliener Forſt (Kr. Gumbinnen) iſt im Felde
ein kupferner Mefiel mit Tupfernen Römischen Münzen ausgegraben,
{Bürger- und Bauernfrennd 1866. No. 33.]
34) Bei den Baggerarbeiten im Pregel (Königsberg) ift dieſer Tage
wie ‚obere'Häffte eines alten eifernen Schwertes heranf geförbert wor:
sen. Unter ber Stange befindet ſich ein in das Eiſen eingelafjenes, durch
mb durch gehenbes Zeichen vom echtem Golde, wie es ſcheint, im roher
Zeug „Slaube, Liebe, Hoffnung“ darſtellend. [Oſtpreußiſche Zeitung
1866. Ro. 217.7 Sn.
Univerfitäts-Chronit 1866,
14. Aug. Math.phrf. Doctordiſſ. von Onrol. Von der Muehll (aus Bafel): Ex ipsis
praeceptis mechanicis dueantur leges, quibus lueis undae in plano, quod finis
sit duorum pellucidoram mediorum, reflexae et refractae pareant, (28 ©. 4.)
Schul · Schriften.
DBraunsberg. Jahresbericht üb. d. Mgl. katbol. Gymnaſ. in dem Schuljahre 1865—66
... 9. Aug. ... Prufung ... Direct. Prof. I. I. Braun. Ebd. "Gebr. bei
€. A. Heyne. (12 S. 4) [Schulnadr. (13 L. 296 Sch. 3 u. 14 Abit.)]
Deutſch· Trone ... Kgl. Katbol. Gymnaſ. in dem Schulj. 1865-66 . . . Prüfung
.. 9.... 10. Aug.... Direct. Dr. Pranz Peters, Nene Folge XI. Etd.
1866. Drud v. P. Garms. (30 ©. 4) [Infinence des dlments germaniguss
sur le vienx frangais proprement dit, relativement aux autres diöments. Ben
Gymnaſiallehr. Dr. Hein. Bludau. S.3—15.— Schulnacht. (deutſch u. poln.)
(12 2. 252 Sch. 10 Abit.)] .
GEulm. Programm des Kgl kathol. Gymn. f. d. Schulj. 186566. Dir. Dr. Loäyraki.
XXVIII. Danzig. Gedr. in d. Buchdr. v. H.F. Boenig. 1866. (28 u. 16€. 4)
[8scra sollemnia quibus Gymn. regium cathol, Culmense a Guilelmo I. Boruss.
rege augustissimo extructum d. X. mensis Julii a. 1866 inaugurabitar pie
celsbrands indieit Bector et Collegium Magistroram, Inest Josephi Hasgelli
de pronomine ipse cam pronominibus personalibus juneto quaestio grammatica,
16 &. — Schulnschr. (Beichreibung d. Einweihungsfeiet d. neu. Gymnaſialge⸗
bäudes 6. 18—22. — 19 2, 531 Sch. 2 u. 19 Abit.)]
SchulSciften. 667
Progr. d. höh, Bürgerseh. £. d. Schulj. 1885-66 . . . 3. Aug... . Priifung .
7. Mothill, Vertreter d, Rectors. No.86. Ebd. 1866. Gedr. "nei Ignacy Da
nielewski, (18 ©. 4.) [Oberl. J. Mothill, Ein Dreieck zu zeichnen aus der
Grundlinie g, der Summe der beiden andern Seiten s und der zur Grundlinie
gehörenden Höhe h. S. 3—7. Schulnachr. (7 £. 108 &d.)]
Danjig. Programm ... 27. Mürs 1866... Prüfung .. . städtisch, Gymnas. . . .
Dr. Fr. Wilh. Engelbarät, Direct, Ebd,, Druck von Edw. Groening. 1866.
(82 u. 12 &. 4.) [Ueber d. Bewegung einer Kugel, welche in e, reibenden
Flüssigkeit um einen senkrechten Durchmesser als feststehende Axe rotirend
schwingt, Ein Beitrag =, Theorie der inneren Reibung der Flüssigkeiten von
Dr. 0.3. H, Lampe. 32 S. — Schulnachr. (18 2. 467 Sch. 24 Abit.)]
Real⸗Schule zu St. Johann. Ihrem. . . Director... Dr. Mathias Gotthilf
Loſchin . . . widmen bei feinem 50jähr. Amts-Jubilaum am 5. Dechr. 1865 . . .
diefe Feſtgabe die Lehrer der Anſtalt: ... Ebd. Wedelſche Hofbuchdt. 1866.
6 Bl. u. 31 6. 4.) Latein. Carmen von Dr. Brandt. — Hebr. Carmen mit
deutſch. Ueberfepg. von Gardt.— Beiträge zur hanſeatiſch-engliſch. Handels-Ge—
dichte. III. Bon Dr. Panten. 31 ©.)
(45,, der 3. Folge 7.) Bericht üb. d. zur 1. Ord. gehörende Real-Gäule zu St. Jo⸗
baun ... 23. März 1866... . Prüfung . . . Dir. Dr. Löſchin. Ebd. 1866.
(@0 u. 34 S. 4.) [Die franzdfiihen Yrembwörter in unferm heutigen Verlehr
von Dr. Zaubert. 34 6. — Schulnacht. (Bericht üb. d. 50j. Jubil. d. Direct,
von Dr. Banten. ©. 18. 14, — 17 2, 517 Sch, 10 Abit.)]
Progr. d. Realsch. 1. Ord. zu St. Petri u, Penli.. . 26.Märs 1866... . Prüfung
. Dr. F. Strehlke, Dir. Ebd, Druck von A. W. Kafemann, 1866. (89 6. 4.)
{Der krissäische oder der erste heilige Krieg in Griechenland von Dr. Möller.
©. 3--33. — Schulnachr. (17 2. 467 Sch. 4 Abit.)]
Jahresbericht üb. d. stäät, höhere Töchterschule .. . 28. März 1866... . Schul-
prüfung .. . Direct, Dr. Grübman. Ebd. Druck von Edw. Groening. 1866.
(10 ©. 4.) [6 Lehrer. 6 Lehrerimnen. 263 Sch]
6. Bericht üb. d. neu errichtete Mittelfäule . .. 16. März... Prüfung...
Nector Dr. Peters. Ebd. Wedelſche Hofbuchdr. 1866. (86. 4.) [4L. 2276.)
Elbing. .... öffentl, Prifung der Schüler d. Gymassiums ... 26....27. März...
Dr. ‚Adolph Benscke, Prof, m. Dir, .... Ebd, 1866, Druck d. Neumann-Hart-
mennschen Buchdr. {18 u. 196. 4.) {Bchulnachr. pro 1864-66. (1865: 112.
307 Sch. 10 Abit. 4866: 122. 311 Sch. 9 Abit.) — Bestimmung der Beitenfliche
des schiefen Kegels mit elliptischer Basis. Von Dr. Sahindier, Prof. (19 &.)]
u... Staͤdt. Realſchule. 26.... 27 März 1866... . Dir. Mreppig. Ebd.
1866. (26 u. 15 6.4.) [Schulnadhr. 1864-66. (142. 477 Sch. 12 u. 5 Abit.)
— Die hiſtoriſchen Schriften Enharde. Ein kcitiſcher Verſuch von Dr. Mobert
Dorr. (15 .)
568 Mittpeilungen und Anhang.
. altkädt. Tödterfäule . . . 20. März 1866 ... . Btraube. Ch. 1866. (86.4)
[10 Lehr. u. Lehrerinnen. 853 Sch.]
SBobenſtein. Progr. d. gl. Gynmaſ.... Brüfung...28. Sept... Dr.M, Tooppen,
Director. Allenftein 1866. Gebr. in der Harih’ihen Buchdr. (55 ©. 4) lor.
M. Zöppen, Die preuß. Landtage während der Regentſchaſt de Markgrafen
Georg Friedrich von Ansbach. Nach ven Landtagdakten bargeftellt. (Fort)
©. 1-40. Säulnadır. (11 2. 189 Sch. 13 Abit. No. 77-89.)
Kauernik. Programm des Inftituts . . . 23. März 1866... . Prüfung. . . Stifter
und Dirigent der Anftalt Marrer Anton Pr B. Hunt, Dre v. Aug, Kuran in
Neumark. (21 6. 4. deutſch u. polniſch mit Stundenplan.) (Borwort 6. 4-9.
Schulnacht. (7 2. 109 Sch.)) — Programm . . . 30. Aug. 1866 . . . Prüfung
... Ebd. (28 6. 4. deutſch und polnifh mit 2 StundenpL) ſVorw. 3-11.
Schulnacht. (8 2. 110 Sch.)]
Königsberg. Bericht üb. d,Altstädt, Gym... . . 1865... . 1866... . Prüfung ...
26.... 27.Mürs ... Dir. Prof. Dr. R. Möller. Ebd, 1866. Druck der Uni-
versitäts-Buch- u. Steindruck. von E, J. Dalkowski, (52 ©. 4.) [Oberl. Dr.
0. Retslafl, Proben aus einer Homerischen Synonymik, ©. 1-32, Schul-
machr. (17 2. 450 Sch. 15 Abit.)]
Bericht üb. d. Kneiphöfische Stadt-Gymnas, .. . 1865—1866 . . . 27. u. 28. Mirs
.. Prüfung . .. Dr. Bud, Ferd, Loop. Skraocaks, Dir. Ebd. 1866. (38€. 4)
[Skrsesıks, Zweiter Beitrag sur Geschichte des Kneiphöfischen Gymnas. im
17. Jahrh, ©. 1-22. Nachr. (Beschreibung der feierl. Uebergabe des neuen
Schulgebändes 12. October 1865. &.-32—85. — 172. 318 Sch. 13 Abit.
No. 420—432.)]
Programm der fädtifh. Realſchule ... Prüfung . . „27... . 28. März...
Dir. Dr. Alexand. Schmidt. Ebd. 1866. (29 S. 4) I[Dr. Alex. Schmidt,
Ein Denkftein geſezt den Manen des Dichters William Eomonftoune Aytoun.
©. 1-21. — ahreöber. (14 2. 321 Sch. 3 Abit.)]
Mariendurg. Städtisches Gymnas,... 26. Mürs 1866... Prüfung... Dr. Fr. Strehlke,
Dir. Gymn. Ebd. Druck von M. Kanter. (47 ©. 4.) [Prof. H, 6, Doerk,
Sammlung stufenmäasig geordneter u, vollständig berechneter Aufgaben ans
der reinen Differensialrechnung. &,3—34. Jahresber. (152. 380 Sch. 6 Abit.
villau. ... Prüfung ... Höheren Bürgerfäule ... 26. ... 27. März...
A. Zander, Rector. Pillau 1866. Gebr. bei H. Hartung in Kasba. (25 6. 4.)
[Ueber Meereöftrömungen. Vom Gonrector Dr. Lampe, 6. 1-18. — Edul:
nacht. (7 2. 130 Sch. 4 Abit) Am Schluß find die weſentlichſten Punkte der
Schulordnung den Eltern u. Angehörigen der Schüler in Grinnerung gebradt.]
Anm.: Das vorjähr. Programm, Ebd. 1865 (846. 4.), enthält die Abhand-
lung von Prorector Dr. Kregfämar, die Fraglichleit der Grenze zwilden
Wier⸗ und Pflangenleben. ©. 3-21.
Biblioaraphie 1865. 569
Thorn. Bericht über die Knabenſchulen ... für die Zeit v. Ofiern 1865 bis Oftern
1866 . . . Prüfung . . . 27. März . . . Rector A. Hoebel, Ebd. 1866. Schnell:
preffendrud der Rathsbuchdt. (26 6. 4.) 16Hoebel) Ueber ven Unterricht im
Deutſchen in der Bürgerfhule. S. 8-17. — Racht. (11 2. 545 Sch.)]
Jahreöbericht üb. d. jüdifche Gemeinde-Behule . ... 25. März 1866 . . . Prüfung
« Rabbiner Dr. M. Rabmer. Ebd. 1866 gebr. bei C. Dombromäti. (16 6. 8.)
[Rahmer, Auszug aus Dr. 3. Frankel's Auffag in der Monatsſchr.: „Gelb. u.
Wiſſenſch. des Judenthums“: „Die veligiöfe Duldung nad) der europätich. Völter-
tafel.“ 6. 3-6. — Nacht. (5 2. 190 Sch.
Tilſit. ... Kal. Gymnaſ.... Prüfung... 26.... 27. März... Dir. ottl
Thood. Fabian. Ebd. 1866. Drud von 9. Repländer, (102 ©. 4.) [Beiträge
zur Geſchichte des Kal. Gymnaſ. zu Tilſit. 1. Etüd. Balentin Tenner, Rektor
der fürftl. Schule zu Tilſit 1586-1598, von Oberlehr. Heinrich Pöhlmann.
786. — Schulnacht. 1864—66. (182.476 Sch. 16+2 +8 Abit. No, 212—: Fra
22. Jahresprogramm ber ſtädt. Realfule 1. Ordu.... Prüfung .
27. März 1866 .... Dir. 2. Koch. Ebd. 1866. Ser. bei 9. Bol. ne u
[Die Behandlung der franzdſiſch. Conjugation in den mittleren Klaſſen von Lehr
M. I. 9. Voelkel. 22 S. — Schulnacht. (13 2. 339 Sch. Michael 1864 bis
Dftern 1866: 7 Abit. No. 77—83.)]
Jahresbericht üb. d. Mädt. höhere Toͤchterſchule ... brög. von db. Direct. Adolph
witt, Ostern 1866. Ebd. Drud von 3. Reyländer. (22 ©, 4.) (Rich, Förtsch:
On the dramatie style of J. Dryden. 10 S. — Schulnachr. (52. 4 Lehrerinnen.
212 Sch.)]
Kurzer Jahresbericht üb. die Stadtſchule ... Prüfung . . . 20. März 1866...
Carl Theod Gebauer, Rector. ( Ebd. Drud von J. Reyländer.) (8 S. 8.) [10 8.
u. Lehrerinnen. 229 Knab. 216 Madch. = 445 Sch.]
Bibliographie 1865,
(Bortfegung.)
Bilder, ©, Bis Abendmahlskinder. Gedicht von Tegnoͤt aus dem Schwediſchen. Kasbq.
Hfbner & Map. (30 6. 16.) "s Thlr.
Binz. Die Ober: Sarrticche zu St. Marien in Danzig u. deren feltener u. reicher
Schag von mittelalterl, Baramenten. Sn urn gehalten im Saale des Ge:
Terbehaufeh, am 25. Yan. 1865 von &. ing, Hüfee an d. gen. Kirche. Danz.
Drud v. Ew. Gröning. (26 ©. ar. 8.)
Sipler, De "Franz, Subregens des —5* zu Vraun sberg Meile Johannes
Marienierder, PBrofeflor der Theol, zu Prag u. die Klausnerin Dorothea von
ontau. Ein Lebensbild aus d. Kirchengeſch. des XIV. Jabrh. Aus d. Ihſhr. f.
d. Geld. Crmlanda befond. abgebr. Braunsb. Cd. Peter. (135 ©. gr. 8.) 24 Ser.
» Sippel, Carl, PBilan; möparaltere (Die Kiefer in der nordbeutichen eibe x) RR
Si, ER & ‚Sale Je Sure heat rum
v. r as ien. y allerie aſe ſcher Charal je ml
fünftlers ſtizzirt. Abg, 866 E & Map. (83 ©. gr. 8.
679 Mittheilungen und Anhang.
Hirsch. Die grossen Volkskrankheiten des Mittelalters. Histor.-pathol. Untersuchun-
gen von J. F. C. Hecker. Gesanmelt u. in erweitert. Bearbeitn: . von
Dr. Ang. , Prof, d, Medic. an d. Univers, », Berlin, Fr win
u. 432 ©. or. 8.) 2%, Ihr.
— Jon Arm. (muß Danzig), De hepenatore era. Dis. insg, chirug. Br
voſhan ö a, Dofbrebiner, das Verhaltniß ber Zhreologie a zu den übrigen Wiſſen⸗
(alten. En Berry ———
Kasbg. i. Pr. am Mr top. 1865. Kosba. Drud v. E. J. Daltowsti. (19 ©. gr.&.)
Oeuvren complätes, Contes Gen frären S&raphin, par Hoffmann, Tra-
duction de La Bödollitre. Illustre par Foulquier. Paris. Barba, (grand in &
a 2 col,, 80 p.) [Pantheon populaire il Mrd]
— — Histoires fantastiques, par Hoffm ron, Walt, Beott, Ch. Nodier.
Arigoon. Chaillot, (117 p. 18.) [Collect ire et amusante.] 1 fr.
— H. Kreisbaumeift. a. D. in Neuftot in Weſtpt., Mittheilungen üb. Ringöfen
nad dem Patent von Hoffmann & Licht zum Brennen von Biegeln, Kalt, Gement
u. allerlei Alonmaaren: —S aus No. 50 der land: w ſoiſtw. Zig. fd.
Prov. Preuß. Kbg. Drud v. €. J. Daltkowsti. (19 ©. ar. 8,
Bopt, Dr. Karl, Historisch-genealogischer Atlas seit Christi Geburt bis auf unsere
Zeit, Abth, I: Deutschland. Bd. Lfg. 3. Gotha, 866. (865.) F. A. Perthes.
(6. 81I—1%0. Fol.) 2 Thlr. U, 3.: 20 Thlr.)
— — Grandes. [Allgem. Encylop. d. Wiſſenſch u. Sänite | —8 v. Erſch u. Gruber.
1. Section, 79. Theil. &p; Brodbaus. ©. 192 - 25)
-o- Denenig, ei Rath Ber hr —— Raumers bift. Taſchen
6.
Hoppe, Re ., Chrüftus mein eben. Katholiiches Geb. Auszug aus
* —— Imre 1 tb u. — Brrinsbere 6. Bar
w
th, Dr, Low. Oberl. am Oymn., au der Weltgeſch. für Sumnaßen u u. Recl:
» Keule u. vun zum ‚ Sehfunterät Ze Lu) Mittl. u. neue Geh. Lyd. Selbftulg.
8.) ft. (1. TI: 1%]g
Huth, R., an 1. Klaſſe zu Neuteich, Zum Vferdehandel. Ein Vortrag, asian
In nm, Seen jzu — am 14. Febt. 1865. (Danzig. Drud v.
afemann.) (
Jaeobfon, Brof. Dr. 9. %., Das Srangelifde Girenedtt des ‚Breußiicen Staates ı.
feiner Vrovinzen dargeftelt. 2. Abtb. 1. La. (©. 338—862.) Halle, 866. (865.)
Jacobson, Prof, J., Zur Lehre v. der — ae mit Lappenschnitt (Ueber
d. Zulässigk. des Chloroforms bei Staarextractionen), [Archiv f. Ophthalmel.
Bd.X1. Abth. 1. 6. 114—128.]
— — Verletzung des Auges durch einen bis in die Nähe des Sehnerven durch-
dringenden romden Körper. Eigenthüml, Verhalten der Linse u. d. Glaskörpers.
1 1
Jacoby, Br h., vor dem Griminalfenate des Kaumergerichts. Am 9. Jan. 1865.
2p3. D. Winand. (29 ©. gr. 8.) 4 Sr.
— — ud. Kirchmann, Ob ftebenbes —— ob Voltsweht 2 Reden im preuß.
Abgeorbneten-Haufe anal am 29. Apr. 1865. Ebd. (16 ©. 8.) U
— — Heinrih Simon. Cin_Gebenl für das beutiche Bolt. 2 Zheile, Berlin.
Springer. (XIV u. 548 ©. gr. 8. m. It. Porte. u. 1 Steintaf,) 2 Ihr. — —
2. — Aufl. Ebd. (IT u. 392 ©. gr. 8. mit uth. Portr.) 1 Thlt.
Jastrowits, Maur. (aus Cöbau), De fistula vesico-vaginali, Diss, inang, med.-chi
8.)
Berol. (32
Jebens, Der Torreſpondentrbeder nach den Beftimmungen d. ns . [Eentral-
ara f diſch. A u. Vehfelreht. N. 5. 1. 2b. 3. Hft.
— — Das Preuß. oieh, Ieietenn, bie m die Kechisverhalmiſſe der —S——— auf
den Seeſchiffen v. 26. März 1864. IEbd. S.525—545.|
— — Schaden durch Zufammenftoß on Schiffen, abordage, Buſch Archiv f. Deot.
* KR —8 ieh On afüenae) Gel Edle ed, iehungslebre_f. d. Eduk u
Driginalft iehungälel
d. Haus ober dieen Xheorie die ur u. Kinder {a Schule u. Haus folgfam u.
Bibliographie 1868. 671
fleißig zu machen. bei ihnen gut. Willen z. ſchaff. & u Allem was Lehrer u. Eltern
v. ihnen wünf. u ihnen bein ibr. ‚Bit. Hr ir jevächtn. zu bekräft. zum leicht.
Auffofl. u. Ausmwendiglernen, ihnen d. Schul: rbeitftund. angenehm 3. mach.,
bei ihnen wirfl. Liebe u. Adhtg. f. 2
et. "ir — fie 3. untadelhaft.
jutrau. u. Vertrau. erwedd. gen Binzufübr., ihr. Willen 3. nei alles
In frei u. fie zum Dienen wie zum Herrich. fähig mad, alſo fie in allen
Ständen zu Kein u. nügl. Menſch. zu sieben, de reis ift 10 Ear. u. d. Err
trag bau) ac 3 Dmude der 2. u. größ. Ausg » philoſ. Originalfgft. beftimmt.
Danzig. A. DW. Kafemann. (15 ©. ai
— —* eines Dampfteſſels — Verl. u. Dr. v. Edw. Grö—⸗
ning
John, Prof. Dr. Nic. Ev: Ueber, Gerganttlten. Ein populärer Vortrag. Berlin.
Yüverib. (IV u. 38 ©. or. 8
Jolowies, Dr. N. Ueber das Wen a. — Vortrag, gehalten in d. ord.
Siteg. d, Gabelsberger Stenograph.-Central-Vereins zu ı Kan am 20. Jan, 1865.
(Brenogeaphirt) [Beilage rur Pr. Stenographen-Z; ve 9—12 ar. 8]
— = Gebete u. Gefänge für das Neujahrs: u. Verl — —E u.
Jomtippur) Zum Gebr. f. den geregelt. jud. Gotlesdienſt in Rnsbg. i. Br. hrag.
(Als Difer. gedr.) (Rasb. gebr. b. Gruber u. Longrien.) (64 ©. 8.)
— — Britisch diamonds. A »tandard selection from tke modern "glich poets,
shit Ting, 2. Er Dresd,, 866, (865.) Ehlermaun, (XXX1 u. 238 ©. gr. 8.)
v. 1
— — Nirael Jatob, ein itbifer Charalter aus der jüngft. Bergangenbeit, lSilberg s
u —— . d. gef. Intereſſen d. Jidenthums. iI. 3. Dechr. 1865.
J 8]
Jordan. Shateiprare's Romeo u. Julie. Beutd v. Wilh. Jordan, [Biblioth. aus:
us acer in en euticher Uebertrag. 5. Bd. Hiltburghaufen, bibliogr. Inſtit.
8. Is
=. Shetefo. König ein (Ebd. 20. Bo. (166 ©.)] 8 Sar.
Journal des Theaters in aan unter Peitung des Hi Be Diner Herın Herrmann
Meinhardt ,.... Tiljit. Drud v. 3. Repländer. (2 Bl.
Kant. — Prolögomänes & toute mötaphysique future qui 8 le droit de se prösen-
ter comme sofence, de deux antres fragments da mäme auteur relatifs
& la critique de la raison pure, Onvragen traduits de allemand d’Emmanuel
Kant, par J. Tissot, professeur de philosophie. In-8, 484 p. Dijen, impr.
Rabatot, Paris, libr. Ladrange. 6 fr. 50 c.
Liebmann, Dr. Otto, Kant u. die yigonen, Eine tritifhe Abhandlung. Stutte
gart. Schober. (220 ©. ar. 8.) 1 Ihle. 3 Spr.
Baul, a, Dr. Lydw. Kant's Lebre vom Tabicalen Böfen. Sin Bergleih mit
der Sehre ber Nicche. Halle. Bfeffer. (KIL u. 98 ©. ar. 8.) 4, Zhk.
Miöter, Dr. Arthur, "Immannel_Kant's Anſichten über rlchumn. — dv
Kal. Dom pmnaf. 3. Halberitadt zur ‘Feier des 50jähr. Amis juvilaums des
Hm. ©. W. Müller, Brobftes u. Direct. des Padagog. am Koft. U. 2.5.
zu —E Hall dt, Franßz in Comm. (28 ©. ar. 4.) 8 Sar.
Seisset. — Le Scepticisme, Aendsidöme. Pascal. Kant. Etodes ponr servir
& Vhist. crit. du soepticisme ancien et moderne; par Emile Baiss
membre de l'Institut, prof. de phil. 3. &dit, In-8, XV—467 p. Paris,
impr, Bourdier et Ce, libr. Bidier et Co.
el. Paul Janet. le scepticisme moderne. [Rdvae des deux menden. T. 56. Live. 2.
©. 489497.)
Karte der Schiffbrüche u, Strandungen an der Preuss, Ostseeküste, in den Jahren
1857—18#4. Debit von Leon Saunier in Stettin. 1 XThlr. 10 Sr.
Karte, Topographische, vom Preussischen Staate mit Einschluss der Anhaltischen u.
Thüringischen Länder, östlicher Theil. Bearbeitet in der topopraph. Abtheilg.
des Kgl. Preuss. Generalstabes, Maasstab 1:100,000. Section 16. Labiau.
1. Crottingen, 14. Cumehnen. 27.Pillau. 17. Gr. Skaisgirren. 13, Schwarsan
(Kr. Nenstadt, Reg.-Bes, Danzig). 42. Tiegenort, 3. LaugaHen. 8. Kaukehmen.
Berlin, Schropp. Lith. u. col. Fol. Section 18 u.42 4 nn, 8 Bgr. Die Obrigen
on, 14 Sgr.
572 Mittheilungen und Anhang.
Karte der Umgegend von Danzig. Aufgenommen u. hrsg. v. d, topogr. Abthlg. des
Kgl. Preuss, Generalstabes, Ebd, 11, Thlr.
— von den Postverbindungen des Ober-Post-Directions-Besirk’s Königsberg. Nach
amtlichen Quellen angefertigt im August 1865.
Katalog der zu —2 von dem Schafzi fauätenBerein für die Provinz Preußen ar:
zangizten, mn nl 1865 beginnenden Schafihau. Kgsbg. Schuißſche Hofbapr.
gt. h.
Kliewer, Heinr., Oberon's Versöhnung mit Titanie. Dramatisches Festgedicht zur
goldenen Hochzeit dem Löschin’schen Ehepaare ehrfurchtsvoll gewidmet von
d. Prima der St, Johannisschule. (Danzig. Druck v. A, W. Kafemana. (7€. Fa 8)
— — Ode, dem Director Herrn Dr. G. Löschin, Ritter etc. etc, bei seinem 50jähr.
Amtsjubiläum. in dankbarer Hochachtung geriämet von seinen Schülern.
— den 5. Decbr. 1865. (Ebd.) (2 Se
Stabtrichter R. in Danzig, Der Entwu— can an Brock Oranune, und bie
Entigeidun iträge
"ernge Bruch — 2 Alena 2. Hft. © ee e vun
— — Band 51 der Ent —æe — —— Ober⸗ tie
3,1 1865. Ro. 6
5]
-- .G.B. Art. 37-349. (Central d. diſhe Odls.- u. Wedel
red, RATEN A a
Ueber d. Bebandig. der, He Vereine nach Handeläreht. — Ueber Eonfum:
u: getan. orie u. Praris d. allg. dtih. Holörehts, Hrög. v. 5. 2.
©. 46-68.
— — Nietbe ohne Zind:Abrede. [Chd. V. ©. 205—210.]
2b. (Gymn.:Dir. in Memel), Die — Kaiſer Hadrian. [Neues
wi — Muleum, 5, Sabıg. 2. Sit „© 1007166]
— — Guripides jämmtlihe Trandvien. übertragen v. tz. Yrige, vollendet
v. Thor. Rod. 16.2fg. (Br. IIE, S. —— rt. 8.) Bein, indler. a ar
(Bnbalt: Der vafende Geraties. Metrif TV 0. &4 ©.) einjeln
aöbler, a 8, Die ii fpielte man vor göndel um Bach —S —E u. Sit
it. u.
Mufit. 1865. Rı
Ku. Prof. Dr. F. (Oberl. am kneiphöfseh. Gymn. =. Kgsbg. i. Brh Beweis eini-
ger geometrischen Bitse. [Archiv d. Math, u. Phys. hrsg. v. Grunert, 43. Thl.
ER.
(aus F b. Pebein. Ei alienblatt te. (in ein-
ii ea" —8 — ————
Nrn. Bog, gr. 4.) Gere. Viertelj. Ye an
Siena Kat Ich siinhalingen, Sande &, Iefmiifä, Bi d. Pam.
m. No.
— Das Huffelen von, Rafentfen nad, Medien. Hub dem er, Radlfe
des Mit. Ober et ee borhi Hide
Kot! e Mu 2 ig 6 bu tathol. Schule Eine Sammlı
® 3 Sich * 2 Shut "de — Ausg ——
in
The nt araeat Seifen, 9. men. Be
d. Gefangunterrict3 in d. Volkaihule. bb. 6.8.) 8 Sur.
7 rmogfahter Seit — —8 mei, Ba, — —S in d. Volleſchule.
. 8.)
Kopebne, Aug. v., —8 en — Alft. Richter. (Drud v. R. Grabmann
in Stettin) (8 ©, 16). 2ia ©gr.
mode, die am 13. Gept, 1865 zu Marienburg verjammelte, an die evangeliichen
aubenägenafe im Marienburger Kreife. (Danzig. Drud von A W. Kafemann.)
©. 8.)
Seel der. Eine Sammlung der wicti — u. Berorbnt
ale Rreistondmitglicbern u, Allen, et ein an ———
merlaßlid 5 Mt. Zunädt mit at auf die "Berhäftniffe in der Provinz
Green bar Zain, 1866. (1666) 9. -Rafemam. (66 ©. 16) den
2. unveränd, Auf Er.
Bibliographie 1866. 573
Kretschmaun, H., De latinitate L. Apulei Madaurensis. Kgsbg. Schubert & Seidel
— *8 de Quhıbih 16. Pb. 4. u. 5. Sft, April Mei)
Iyron. Li ud t. al.
Ib. der frangöri. is iteratur von ihren Infängen bis auf die neuefte
Bait. 3. verb. u. 2 2fg.) 1. Lig. (160 ©. gr. 8.) Berlin 1866,
(1865.) Nicola + »f
— — Borlefungen über Göthe'3 u Ebd. 1866. (1865.) (XVI u. 255 S. 8.) In
engl. Einb. m. Golofchn. 12/3
Krobm, Bl Preuß, En » oate, Das Schütten der Kiefern. [Forftl. Blätt.
Koss, 1 — Homericae partie. I, Dies, inaug. philol, Xgebe. Schubert
& Beidel in Comm. (50 ©. gr. en Ya Zhlr.
Kubls. Scherz u. Gruft für Schre hm, Klänge, aus der Loge Augufta zur Un:
fterblichleit zu Br. —S Von uhls Berfofer von „Quft u. Leid.” Br.
a end, (Drud v. Wilh. Sen eipjig.) (B BL u. 108 ©. 8.)
Kuhnke, Eud. (aus enden bei RaftenLurg), Deiphice. P Bar . „ Peiphoram reipubli-
23 C. De Sa ne ehlnbng &hrigseree mit Sen Srnerm Mulende He
Mu ie Handelöverbindung Kömigsberg& mit dem Innern lands
nl Don. ey Rat en Mankane. As Als Manufcr gebt. Kosbg. © ehr
artung
Labend, Das hau me Aue und oBetentiontseät. lZeitſcht. f. d. gefammte
Holaredtt. re d. 3/4. Hft. ©. 425—502.]
Lämmer, Canon. Prof. im. —8* ind Terre eoncili Ruthenorum Zamdheiensin ani-
madversiones theologico-canonicae, Freiburg i. Br. Herdersche Verlagshandl,
(63 ©. hoch 4.) 28 Sur.
— — Seriptorum Graeciae orthodoxae bibliothecae selecta. Ex codieibus mann-
scriptis partim noris curis recensuit partim nune primam eruit, Vol. I, Bect. 6,
Ibid. — t. 8.) 26 Gar. (I, 1-6: 2 Thle. 24 Gar.)
Landmeſſer. 08 Kalk atholfihe Gebet, und jangbudh zum Gebraudhe bei dem öffentl.
Gotiesdienſt bearb. von Fr. Landmeſſet, Pfarrer zu St. a in ee
caplar Sr. Heiligt, Pius IX., Kal. hun mie der
gaklım in Dom, ilter de des Ordens nom heiligen abe 8 Fr 'p unveränd. Aufl.
anzi .
Landsberg, Dr. M. in Danzig, "heitrag sur Casuistik der Tamoren, Mit 1 Abi.)
Varchir £. Ophthalmol. "Bd, XI. Abth. 1. ©. 68—
— — Zur — der muskulären Asthenopie, ©. 69--88.]
Baubert, | Dr, € Genfer See, Die Infel a ——— 2. ai Danzig.
A. W. Kafemann. ER ©. gr. 16.) 15 Ser. (1.
Beben! efäl —* des a der Ver. Staaten Norbamerita’?, ulm Lincoln,
oe —— —X — anaaufpeer an vyeih am
Sherfeiteg b8.
Bebmenn, Guam. SS. Brof. Dr. Yun D. a een jebı ir —S und
Realiulen. 1. Zhl. Yür bie unteren Klafien. Sing a ee Aufl.
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_ Bine a Kt as D50-D pen ne Th
_ are Sen Im Saba och. [Difhe Gerictäptg. VIL. Ro. 16]
— äge von $) han lan ae ur and under ber
in an blich gi
— Sn auf — —R Aden le —8 * dich. vdlsrechts.
jent. 2 Bde. x 706 ©. 8.)
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—— der germaniſchen Vollsuberlieferungen (Monumenta mythica Germaniae).”)
rreipondenzblatt d. Gejammtvereines d. — Geſchichts· u. iltgepumevereine.
I u 0. 11. Novbr. S. 81-88. No. 12. Dechr. S. 9193,
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u wärs, 1 1ur& di für Preuß. Strafrecht hrög. von Goltbammer. 13. Bo. April
ir bin. Dr Hochmeifter von Marienburg (1410). Romantifhes Di
4 Aufn, ’ I. deffelben: Dramatiiche Bilder cus deutiher Geſchichte. ai,
Maroiisak, Marc. (aus Dt. Eylau), De chlorosi. Diss, inaug. Berol. (32 ©. 8.)
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m
Medelb he Se oberer Chromifen aus der Zeit des Herzogs Albrecht nad; den
r eier m —A hrsg. mit einer literär- weiss Einleitung von Dr.
U urg, a en — —ãA u. ftädtiich. Bibliotbefar zu Kosbs.
ei 8) 13, Thů.
PR IN —8 e Arzt d, PR In en u Eee, aa u, des Land.
Krankenhauses su Schwetz), Die paralytische Geisteskrankheit u. ihre organisch
Grundlage. [Archiv f. pathol, Anat, u. Physiol, etc, 34, Bd, 1/2, Hft, Eu)
Berisnifäe Sitenader: (2068). 375
Periodiſche Literatur 906).
„Gölefige Yrovinzialblätter. Hrög. von 35. Delöner. N. 3. 5. aber. Auguft.
(&. 457-512): 4. —— " Laurentius Sal, u. d. erfte botan. Garten in
Breslau. Mente, Grinnerg. an d. Bertheidig. d. Zeitg. Breslau währd. d. Ber
lanerung v. 10001 Ku Holtei’s_Briefe an Ang. Rablert, (Fortl. Balm,
Rachtragt. 3. Geſch. d. Münzwirren in Schlei. a Delöner, 3. Geld. d. 30tän.
Krieges v. 1866. anna e. erob. öftr, Yelbpoft.)_. J Bra} 90 Fan Eicher
im Yuslande: Felomaric.Lieut. o. Zeisberg. C. v. Daltel , 8. d. jolei. Sprüd:
wört. eu, 6 Semeihniber —— us, Das —— in
vorrewei Shritan Günther's Kopf. — Fragen, Anregungen,
—— — a 8 l. — Zur Ehronit u. 1. Statiltil. — Anhang. —
rieflalten.
R.M. Betrachtgen üb. d. Fuhrg. d. 1. preuß. Armeecorps im legt. juge. I. Sdlacht
bei —S u Sig. 200, 28001 14 1. Bon —e be ——— 8813.]
Bericht des 1. —— deſſe in —Se an d. Schlacht bei Königaräg am
3. Juli — Dſtwr. Sta. 192 (Beil). Weftpr. Stg. 208. val —— —2
eftliiten d. Kol, pr. Armee, ſoweit fie bis zum 23: Juli Kingegan., find u. anfee
Provinz betreff. Sort IOfpr. Btg. 188. 189.) gl. zum 5. Aug,
187 (Beil) Desgl. bis 3. 20. Aug. IEbd. 201. 207.) — Nad) d. in der. — — u
mitgeteilten Statiftit der Denichenopfer, —8X die einzelnen Provinzen für den
Krieg oebracht haben, fommen auf die Bro Preußen: 1108 leicht, 628 ſchwer
ee 358 Tote, 344 DVermißte, 1 fanıntz überhaupt 2494 Berlufte.
— Mannicaften der I. 12. Komp. 6. Di nf No. 48,
die in % FR bei Zrautenan 27. Juni 1808 defall, —E a find.
Winden. kr zahlung von Altern Schriften, worin. culturs u. naturbift. Notizen über
Sreußen enthalten find.) [Schriften d. physik.-ökon. Gesellschaft au Kgsbg.
7. Jahrg. 3 Abth. Sitsgsberichte, ©. 8—9.]
. Die vom Jahre 1709 (in Preuß. u. Littau., beſonders m. Bez. auf Kasba.
Ispeis oh, 200. Abend Ausg.]
— — J Vwalig d. —— i in Preußen. IT. (Kgsbg. Amtsbl. 33,
rt: A eigenthüml. Bernfteinfund bei Namsl El €
um el Cafe: ol Sach Che: D 1. Dec 106% Wim KIN and m Ber ai
en u. mit —T e. 1748 erſch. Abhdlg. „üb. d. Bernſteinhandel in Breub.
3 FR ‚con Ynkunft). [N. Jahrb, £. Mineral, Geol, u. Palaeontol, 4. Hft,
Bing) B der. a A eauät audgeftellt; entnommen dem „Eporn“ No. 38
5 Spifamnl, d Behelet 1 Bereind fd. Prov. Preuß. lESchulbl. f. d. Vollsſchul⸗
Vrov
——— Ueberſ. aus d. Jahres · Rechnungen Des Dikpe: Tin. Feuerfozietäts: Fonds
io 1 . —
Rud. tt © Die litauife he Sprahfamilie. [Slobus. 10. — Eu &a.]
Jaegni a in Diemel, Die Förderung der Schullinder Littan. Gltern in d. Kinß.
ud bei OB Vortrag auf d. KreissLehrer-Eonferenz in Nemel. [Der
—5
Döring —— Wie zu man d. Deutfche in e. litth. Hl (Bortr.) [Ebd. 16.)
die Noth der ee einden, [&vang. GemdbL 83. 34.]
m Ganlaı
Utalen, 14. %ı een om 18, —
si * Be — —— er ai. Era
Suede Er —8 — 5, Breit (nähe. Suhte 1864 bie 1862
576 Mittheilungen und Anhang.
Feier d. Srunbfeintegung am Seminare 3. Angerburg. (1. Sept.) [D. Volksſchul
Danzig, :. in. Verzeichniß derer fo bey graffirender Veſt in Dansig ‚geitorben Anno
1709" beigefügt einem Senbihreiben des Joh. Kanold, Med, Doct. & Pr. Vr. zu
Breslau, von der A. 1709 in Danpig graßireten Beltileng x. gedrudt im Jahre
1710. 2 Dan; anf tg. 3763.]
(Aus Dr. De: [23 fr) —X eb.) Gedichten:) Konrad Letzkau. — Das
üngfte Gericht. Weſtpr. Btg.
Die — ‚zum Empfange der amt jontruppen in Danzig. 15 u. fi. September.
Bericht üb. Ar —— des in Danzig garniſon. Pionir-Bataill. in dem letzten Kriege.
Dany. St;
Börfen: Dehnung f f. d. Stot. Danzig d. d. Danz. 14. a ‚genehmigt d. d. Berlin,
z. 90 Sept. —* Kraft getret. 1. Oct, 1865. Ziſcht. f. d. geſammie Holsrecht. Bo. X.
a On a. d. Stdt. Danzig nebit —— f. d. Handels⸗Makler in Dan-
ig. Ebd 117—121.]
— DE a Me EEE, am u
it
ar Bl. 12. 13. We Fr 3.2. ss ul Be "
Ri —8 Dig. 212 (Beil).]
sehe FL “es ae itöfriegen rüdtehrenden Truppen in Kgöbg.
a —A bg. 17. Sept. 1866.) [Oftpr. und
je Si PAR 121 x. Litt. Btg. nn Räl. 2a! u
ern au) & Rai. bertus: net 3. Kgöbg. in Pr. A Winterhalbj. vom
zu_baltenden Barlefungen, u. d. öffentl. atademifchen Anitalten.
{Rgöbg. — 3. Außerorb. Beil. No. 9.
Zwei dich, Recepte (in deutih. Sprache aus e. Vapierhoſcht. d. 16. Jabrh. in der
Kal u. Unfoert 43, 3. miigetheilt v. J Zacher. (1. ow's Archiv.
xxxii. 1868. eier, u, "sie, [Haupt's Ztschr. f. dtsch.
— Kann an 5 Sin rtrantt. u. geftorb. Perf
li t (üb. d. in md jolera e1 ge jonen feit 22. Juni
» Ir ». nt nad —8 der amtl. Liſten: 0 anti, 1564 en ji —
Der u jur reformirt, Kirche in Pillen. ICvang.:reform. Kirchenztg. Maiheft.]
reuß. landwirthſch. Alad. bei Kgsbg. in Pr._Vorlefungen, Uebungen
ationen im Winter-Semefter 1866/67. Ienb Er Bmieil, 3. Marienw.
& Amnbil oje ve Man — 35, land» u, feet Ki irthſch. eis, Er
mis} jarr. Anderfon-Blumenau i.) [&v. Gembebl, 34.
Ss Arntsjubil. de Superint. Böhnte in Heilsberg. [Chi 1
General v. Bonin, Commanbeur_d. 1. preuß. —Se nn, gu 1209.]
Wieder etwas z. Crinnerung an Borowski. |Evang. Best
Eee Beine EI: 8. Glnvfenih 1, 1,9. Qui zu Diet in Mi
nerallieut. t. Wild. v. Elaufewig. i zu eitſch in ‚en an d.
ee etrolg), [ünfere Zeit. N. 3. 2. Jahre. 17. Hft. ©. 385. 386,
abe; Jubil. des 1. Lehrers der Danzig, vorfiäbt. — Michael Eboff
N, ug. aba, Danz. Btg. 3782. Weftpr. Sta. 19%
täfid. d. preub. Abgeordnetenhaufes. iHlluſtr. tg. 1209]
rn (geb. 18. Febr. 1800 zu Lölhau in Oftpr., Gayüler der
Kr zu Rasbı. trat ibıs ind. Kal. 4. Fnf-Regim. zu
Danzig ein .
8 % * Kal. Steuer: oeber
* #3 = Yug. zu Fe BA en ET * m"
Yuli I .
a DE, ton RS: jent if. log.) Pas
—
Aberglauben aus Mafuren.
Mitgetheilt von
Dr. M. Zöppen,
Bortfegung.)
3. Das Wahrfagen und der Kalender.
Die Gegenwart fieht mit der Zukunft in geheimnißvolem Zuſam⸗
menhange. Oft hängt alles von dem Zeitpunkt ab, in welchem ein Un-
ternehmen begonnen wird; wie wichtig ift es alfo, ihm zu treffen! An
gewifien beſonders Heiligen Tagen befommt alles, was geſchieht und was
man unternimmt eine befondere Bebentung; da muß man bie Vorgänge
beobachten, die Gelegenheiten nicht verfänmen. Aber freilich manchem
wird durch irgend melden Vorgang, deſſen Eintreten von feinem Wiſſen
und Wollen durchans unabhängig ift, für lange Zeit oder für immer un.
abänberli fein Schidjal befiimmt, Am allerwichtigften find in biefer
Beziehung die Zwölften d. 5. bie zwölf Tage von Weihnachten bis zum
Tage ber heiligen brei Könige.
Schon Piſanski Tante biefe Bedeutung ber Zmwölften und anderen an
diefelben ſich Infpfenden Aberglauben fehr wohl und urtheilt über denſel⸗
ben fo ſcharf ab, wie der es muß, dem es an allem Iutereffe für volle
thämlidhe Ueberlieferung fehlt. Er fagt (Mo. 25 8.16. Wir vergleichen
hier und im Folgenden ven in ven NPPB. 1848. Bb. 2 ©. 206 fi. 1860
Bd. 2 ©. 116 fi. und 1853 Bd. 1 ©, 201 abgebrudten Vollskalender):
Bas für Hirngeburten haben nicht die fogenannten Zwölften hervorgebracht.
Dan muß alsdann, aus bekannten Urfachen, den Wolf nicht nennen, feine
Ebſen und Bohnen eſſen, wo man nicht Geſchwüre zur Belohnung be ,
tommen will, und andere läppifche Beobachtungen. durchaus nicht Übertreten,
Bornehmlich aber follen diefe zwifchen dem erften Be und Drei»
Mitzr. Mesatsigeift Bd. TIT. Hft. 7.
578 Aberglauben aus Mafuren
Tönigenfefte eingefchloffenen zwölf Tage untrügliche Bedeutungen bes Bet:
ters fein, fo fich in jebem Monate bes folgenden Jahres äußern wir.
Auch erzählt Piſansli von einem älteren Hofpitaliten, der fi mit Beob-
achtung bes Wetters bei Tage und Nacht zu allen Stunden der Zwöliten
recht große Mühe gab, ſolches nach feiner Art genau aufzeichnete und
nachher das ganze Jahr hindurch als ein Orakel großen Zulauf von lern
begierigen Berfonen Hatte,
Sehr ausführliche „Prophezeiungen aus den Tagen bes Geburtsfefes
und den eilf Hinter biefem Tage folgenden Tagen und Nächten für bat
ganze Jahr“ enthält der mehrerwähnte Himmelsſchlüſſel. Trifft der
Weihnachtstag auf einen Sonntag, dann wirb der Winter warm, bat
Frühjahr naß und warm, der Sommer angenehm, troden unb ſchön,
ber Herbft naß und winbig; Getreide giebts im Ueberfluß, Honig geni-
gend; der Tod Hält fich hauptſächlich an den Schwangern; Frieden im
Eheſtande. Aehnliche Prophezeiungen für ben Fall, daß ber Weihnachtstez
ein Montag, Dienſtag ꝛc. fl. Wenn am Weihnachtstage ſchön Wetter
iſt, Bringt das darauf folgende Jahr fehr viel gutes und ſchbnes Ge⸗
"freie. Wenn am erften Tage nach Weihnachten ſchön Wetter tft, bringt
das baranf folgende Jahr viel Zänkereien und Spaltungen unter ber Geifr
lichleit ze. 2c. für alle zwölf Tage, immer ben Ball gefegt, daß es an ben
felben fchönes Wetter if. Wenn die Nacht der Gottesgeburt ſtürmijch
iſt, droht der Tod den großen Herren. Wenn bie erſte Nacht nach Weih⸗
nachten ſtürmiſch if, folgt ein friebliches von Bänkereien freies Jahr um
ter ben Herrſchern zc, zc. für alle zwölf Mächte, wobei immer vorausge
ſetzt wird, daß diefelben ſtürmiſch find, Wir theilen biefe Prophezeiungen
im- Einzelnen nit mit, da fie nicht anf mythologiſcher Ueberlieferung,
fondern auf willkürlicher Erfindung zu beruhen fcheinen.
Der Zufammenhang ber Witterung in den Zwölften mit der Witte
tung des nächſten Jahres wird anderwärts — uud fehon in alter Zeit —
fo dargeftellt: Jeder Tag ber Zwölften fagt bie Witterung eines Monats
voraus, ber 25, December für den Yannar, ber 26. December für ven
. Bebrnar ꝛc. zc. Jeder Tag der Zwölften wird überbem tn vier Theile
- (von 6 Uhr Abends bis 12 Uhr Mitternacht, bis 6 Uhr Morgens, bis
12 uhr Mittags, bis 6 Uhr Abende) zerlegt und jedes ſolches Biertel
von Dr, M. Toppen. 879
giebt die Witterung für ein Viertel d. 5, eine Woche des beftimmten Mo:
mars. Hohenftein. (Vgl. Volkskalender No. 18.)
Welches nun aber ver Zufammenhang auch fei; anf bie Witterung in
den zwölf erften Togen nach Weihnachten wird fehr genau Acht gegeben;
von berfelben hängt das Schidfal des ganzen Landes während des lom⸗
menden Jahres ab. (Soldau.)
„Die Zwölften machen dem bekümmerten Sandmann wegen feiner
Heerde eine neue Furcht vor ben Werwölſen. Der in ber Zeit Herzog
Albrechts eingefangene Menſch, ber für einen Werwolf gehalten wurde, be-
hauptete, regelmäßig um Weihnachten und Iohannis fi in einen Wolf
verwandeln zu müfjen.” (vPiſanski No. 25 8.16.)
Im den Zwölften darf man nicht fpinnen. Wer es thut dem fällt
ber Wolf in bie Schanfheerbe. Die gewöhnliche Befchäftigung zwiſchen
Weihnachten und Neujahr ift Federn ſchließen. (Hohenftein.)
Wenn zwiſchen Weihnachten und Neujahr große Schneefloden fallen,
jo fierben vorzüglich alte Leute, wenn Heine Schneeflloden, vorzüglich junge
Lente. CHohenftein.)
Zwiſchen Weihnachten und Nenjahr kocht man nicht Exbfen, wenig
ſtens mag das Gefinde fie nicht, weil diefes dann in Gefahr kommt, von
ber Herrſchaft im nächſten Jahre Prügel zu befommen. (Hohenftein.)
Nach andern vermeidet man Erbſen in biefer Zeit, weil fonft Geſchwüre
im Haufe herrfchen würden. (Willenberg.)
Zwiſchen Weihnachten und Neujahr brennt man Afche, die zu gewiß»
fen Verfegnungen erforderlich ift, wie ſchon oben erwähnt wurbe. Auch
brancht man biefe Aſche bei ber Ausſaat; (Volkslalender No. 168.) des
gleichen zur Vertilgung bes Ungeziefers beim Vieh und der Raupen auf
Kohl und Bäumen. (Hohenftein.)
Sämmiliche Aſche aus Ofen und Kamin wird in ven Zwölften auf
gefammelt und zu ben eben bezeichneten Zweden auf dem Boden bewahrt,
Zrömme, welche man zwifchen Weihnachten und Neujahr Hat, gehen
in Erfältung. (Hohenſtein. Grunau in den N. P. P. Bl. 1846. VBd. 2.
S. 337 ſagt von den alten Preußen ſogar: „Bon den Träumen halten fie
fell, daß es einem wiberfahre, wie er geträumt hat in feiner Ruhe“ ohne
alle Einſchränkung auf gewifle Tage.)
37°
ihm.
580 Aberglauben aus Mafuren
Am Sylvefterabend (31. December) wird bie Stube gereinigt, mit
Eand und Tannen geſchmüdt und gut geheizt, bamit bie nieberfleigenden
Engel es darin behaglich finden follen. (Hin S. 118.)
Am Splvefterabend wirb der Ofen ſtark geheizt, damit bie Todten fih
wärmen können. (Bollslalender No. 159.)
Wenn man in der Weihnachtsnacht zwiſchen 11 und 12 im Die
Teuer anzündet, eine Bank an venfelben ftellt und fie mit Aſche beftrent,
"fo findet man am Morgen bie Epuren des Todten im ber Aſche, der fih
Nachts’ gewärmt Hat. (Ebenda No. 160:)
Auch fegt man wohl 'einen Stuhl mit einem Handtuch in bie Stube,
wie nad) einem Begräbnifie gefchieht. (Dohenſtein.)
Benn fie am Sylveſterabend in die Kirche gehen, fehen fie nach den
Schatten. Eine Perfon, deren Schatten dann keinen Kopf hat, muß fr
ben. (Aehnliche Mittyeilung ans Samland in dem Bolfslalenber Ro. 36.)
Am Eylvefterabend muß bas Hädfelmefier abgenommen unb das Streh
zuſammengebunden in bie Lade gelegt werben, fonft findet man in ihr
Morgens einen Menfchen ohne Kopf. (Bolfskalender Ro. 161.)
- Das Glüdgreifen in ber Sylveſternacht, ſchon von Pifansfi (No. 3
8.16) erwähnt, ift fehr üblich, doch befchränkt man ſich in Mafuren nicht
auf die fonft (3. B. in Samland und Litauen, Volkskalender No. 24)
Übfiehe Neunzahl von Gegenfländen. Die Zahl derſelben ift unbeſchranlt
Außer Gelb, Kind, Brod, Ring, Leiter, Himmelsichläffel, Todtenkopf wer-
den namentlih Männer ans verſchiedenen Ständen, Wirthe, Schneider,
Schuhmacher zc, auch Teufel in Teig bargeftellt und unter die Schüffel gelegt
Auch Zinngießen und Pantoffelwerfen als Mittel, die Zukunft zu er
forſchen, find fehr befannt. (Boltsfalender No. 25. 26.) Bemerkenswerth
iſt die Notiz, daß derjenige, welcher fein Schicſſal durch den Zinngus
erfahren will, die Schäffel mit kaltem Waffer, in welche ein anderer bas
geſchmolzene Zinn Hineingießt, felbft über feinem Kopfe hält“)
Zum Pantoffelwerfen kann nur ber linke Bantoffel gebraucht werben.
-Man wirft ihn rüdwärts über ven Kopf. Kommt bie Epige beffelben ge
9) Diefe fo wie einige andere Notizen entnehme ich einer mir nachträglich freund ·
lichſt mitgetheilten Gonferenzarbeit eines Lehrers Im Willenberger Kirchſpiele
von Dr. M. Tippen. 581
gen bie Thür zu fliehen, fo wird ber ober bie, welche ihn geworfen hat,
im Laufe nächften Iayres das elterliche Haus verlaſſen:
Wenn man in ber Splvefternacht, ohne zu fprechen, in ben Ofen
fieht, fo wird man darin etwas Gutes oder Schlimmes ſehen, das man
in bem nachſten Jahre zu erwarten Hat. (Vgl. a. a. O. No. 82.)
Man fchlägt aufs Gerathewohl Geſangbuch ober Bibel auf, nachdem
man vorher beftimmt Hat, ob auf ber Seite rechts ober links, und welche
Zeile ober welcher Vers gelefen werben ſoll. Die fo gefundene Stelle
giebt Aubeutungen über das Schidfal, welches der Anfragende im nächſten
Jahre zu erwarten Hat. (Etwas abweichend a, a. DO. No. 37.)
Dver man legt am Sylveſterabend ein Geſangbuch unter das Kopf
Affen und fchlägt daſſelbe beim Erwachen auf und erhält dadurch Auskunft
Über ſein Seife: (Hart. Zeitung 1866 No. 8.)
In fehr alten Ausgaben des Gefangbuchs ſteht das Lied bes golber
nen A. B. C. „Allein auf Gott ſetz Dein Vertraun“ zc., deſſen 25 Berfe
mit ben 26 Buchſtaben bes Alphabets anfangen. Nun werben in ber
Sylveſternacht die 25 Buchftaben einzeln auf Zettelhen gefchrieben. Man
zieht drei‘ biefer Zettelchen und die brei baranf ftehenden Buchftaben bes
zeichnen nun bie Verſe jenes Liebes, die man befonders zu beherzigen hat.
(Dtegto.)
Man wirft Gelvftüde ims Wafler. Nach dem Klange erkennt man,
ob jemand Krankheit bevorſteht. Springt es aus ber Schüffel, jo beben-
det dies Tod. (Soldau.)
Beſonders zahlreich find die Schicſalsproben, welche heirathsluſtige
junge Mädchen anftellen. — Sie gehen an ein offenes fließendes Waſſer
mit hartem kieſeligem Grunde und greiſen eine Hand voll ans bemfelben,
aub bringen das Gegriffene in bie Stube und ans Licht, wo es guf einen
Zeller gefgättet und forgfältig unterſucht wild. Sind bie gegriffenen
Steinchen paar, fo wirb das Mäbdchen im Laufe bes Tinftigen Jahres
heiraten, find fie unpaar — ledig bleiben; und ift fogar ein BWirmden
dazwifchen, dann befommt das Mädchen ein Kinn, ohne zu heirathen.
(Olegto.)
And greifen die Mäpchen in eine Wuhne bis anf den Grund des
Waſſers. Was fie dann greifen bezeichnet den Stand ihres Zufünftigen,
583 Aberglauben aus Mafuren
M es ein Stüd Eifen, fo wird ein Schmidt, ift es Holz, fo wird ein
Tiſchler, ift es ein Strohhalm, fo wird ein Landwirth fie heirathen.
(Hohenftein.) So bebeutet Glas, Ziegel, Stein, Muſchel eineu Glaſer,
Ziegler, Maurer, Fiſcher. (Willenberg.)
Eie gehen der Reihe nach an einen Zaun, jede an eine anbere Stelle
und fchreien laut in die Nacht Hinein: „Kommft? 3a?" Antwortet nun
das Echo: Ja, dann heirathet das Mädchen; hierbei paßt fie aber ſeht
auf, aus welcher Gegend das Ja geantwortet wurbe: deun aus berfelber
Gegend wirb ber Erwartete fommen. (Oletzko.)
Zunge Sente rütteln in der Splvefternaht am Zaun, und cauſchn
aus welcher Gegend dann bie Hunde bellen; denn von dorther kommt ber
ober bie Zufänftige. (Lubainen.)
Die Mädchen gehen im Finſtern in den Schafftall und. greifen Schafe,
was don jeber nur einmal geichehen barf. Wird num ein Hammel oder
fogar ein Bod gegriffen, dann ift die Heirath ſicher; ein Schaf — bedeu⸗
tet noch längeres Berbleiben im lebigen Zuftande. Ein Lämmchen grei-
fen die Mädchen nicht gern, denn es bedeutet ein Kind, (Oletzko. Vergl.
die ähnliche Probe im Gänfeftall. Volkskalender No. 40.)
Sie gehen nach einem Holzſchuppen, raffen ungezählt einen Arm voll
kleingemachten Kaminholzes auf und bringen es in bie Etube, wo es ge
gesählt wird. Iſts paar, fo folgt die Heirath, iſts unpaar, fo bleibt fie
umverheirathet. (Bgl. a. a. O. Ne. 42.)
Auch zupfen fie Strob aus dem Dade. Sind in ben ausgezupften
Aehren noch einzelne Körner, fo bedeutet dies, fie befommen einen Bauer
zum Manne, fonft einen Iuftmann. (Vgl. a. a. O. N0.43.)
Eine Schäffel wird mit Waſſer gefüllt, welches man friid aus dem
Brunnen geholt Hat, ohne zu ſprechen und ohne fich umzufehen. In bie
fem Waſſer läßt man zwei Kohlen ſchwimmen, von welchen eine ein
Mäpcyen, die andere den Geliebten vorftellt, Wirb bie erftere von ber
letzteren eingeholt, jo kommt die Heirath ficher zu Stande. Auch werden
mehrere Kohlen, welche junge Mädchen vorftellen, unb eine, bie einen
tungen Mann bezeichnet, in die Schüſſel geworfen; man achtet dann dar:
auf, welche Kohle von ber letzteren eimgeholt wird, und entnimmt baraus,
von Dr. M. Toppen. 583
zu welchem ber Mädchen der junge Daun bie größte Neigung hat. (Aehn ⸗
lich das Lichtſchwemmen a. a. D. No. 28.)
Wenn man in der Sylveſternacht um Mitternacht, ohne zu fprechen,
in den Epiegel fieht, fo fieht man bie Zulänftige ober den Zufünftigen,
(&gl. a. a. D. Ro. 47.)
Auch einige wirthfchaftliche Prophezeiungen gewährt Sylveſter. Man
zupft eine Anzahl Strohhalme ans dem Dache. Findet man in ben
Achren noch Körner, jo hat man im nächften Jahre Brod in Fülle; findet
man feine, fo wird man Mangel leiden, (Willenberg.)
Wem am Sylveſtertage zuerft ein Mann einen Beſuch macht, dem
werben tm nächften Jahre Kühe und weibliche Schaafe geworfen, wen
zuerſt ein weibliches Weſen, dem männliche Thiere. (Wallenvorf.) Faſt ent-
gegengeſe tzt ift folgende Mittheilung: Kommt am legten Morgen vor Neujahr
ein Maun ins Haus, fo Hat die Kuh, die zuerft nach Neujahr kalbt, ger
wiß ein Bulllälbchen; kommt eine Fran, fo ifts ein Kuhlalb. (Willenberg.)
Am Splvefterabend geht man auch den Grenzzaun fchätteln, wobei
man folgende Worte fpricht: „Die Eier find für uns und das Krakeln für
euch." Die Folge davon if, daß die Hühner des Nachbarn zu ihm Toms»
men, um bie Gier hier hin zu legen und — bort krakeln gehen. (Hart.
Zeitg. 1866 No. 8,)
Auch glaubt man, daß in ber Neujahrsnacht von 11 bis 12 Uhr alle
Thiere fprechen köunen, was — fo verfichern bie Leute mit ernfthaftem
Geſicht — ſchon mancher gefehen hat. (Lubainen. Dies wird anderwärts
von der Weihnachtsnacht behauptet. Volkskalender No. 14. Ebenfo in Li⸗
tauen. Beitr. zur Kunde Preußens Bd. 2. ©. 130.)
Bom dem Teig, aus welchem Glüd gebaden wirb, badt man auch
Heine Brödchen und giebt fie dem Vieh in der Shlvefternacht zu freſſen,
damit es gebeihe. (Hohenftein.)
Im der Splvefternagpt windet man Strohbander um junge Bäume,
damit fie gedeihen. (Hohenftein.)
Aus dem Nenjahrsteig werben bie fogenannten nowelatka (Neujahrs-
puppen) gemacht, getrodnet und forgfältig, fir das ganze Jahr aufbewahrt.
Bei Viehkrankheiten, beim Kalben der Kühe, beim Lammen ber Schaafe ac,
werben fie gebrancht. (Willenberg.)
584 Aberglaube aus Mafuren
Der Teig dazu wird in einer großen Mulde auf Stroh gefnetel,
Mit diefem Stroh bebindet ver Hausvater feine Obſtbäͤume. Wer mit
ber Mulde auf dem Kopfe die Dadhleiter rückwärts Hinanffteigt und von
oben in den Schornftein Hineinfleht, der erblidt da alle, bie im kuuftigen
Sabre fierben werben. „Ein Schmied, den ich kaunte,“ fchreibt ein Lehrer
des Wilfenberger Kirchſpiels, „Hat biefes Wageftüd ausgeführt, kom mit
Bittern bie Leiter herunter und ſtarb nach wenigen Tagen. Er foll fid
felber in bem Schornftein gefehen haben.” (Willenberg.)
Der am Neujahrstage zuerft aus ber Kirche kommt, ber wird in die
fem Jahre zuerft mit der Ernte fertig. Daher die große Eile, mit ber
man fich an biefem Tage aus der Kirche entfernt. (Hohenftein.)
Wenn bie Sonne am Nenjahrsiage zum Vorſchein kommt, gerät
der Flachs, und bliebe fie auch nur fo lange fichtbar, daß fich ein Mann
in ber Zeit gerade aufs Pferb ſchwingen Yan; fonft nicht. (Hohenſtein.)
Wenn es zu Neujahr windig ift, fo giebt es viel Oft. Wenn es
in ber Neujahrsnacht ſchneit, bann giebt es viel Bienenfchwärme, Wenn
in ber Neujahrsnacht viele Sterne feinen, dann legen bie Hühner viele
Eier. (Hohenftein.)
6. Sannar. Am Abend vor dem Tage ber heiligen brei Könige
müſſen an der Thür des Viehſtalles drei Kreuze gemacht werben, ( Hohenſtein.)
25. Januar. Pauli Belehrung die Hälfte des Winters, bes Brodes
und des Futters. An demfelben Tage legt fih das Gewürm (im Wipter
ſchlaf) auf die andere Seite. An diefem Tage fpinnt man nicht, bamit
die Maulwärfe nicht das Feld zerwühlen. (Wallenborf. Vgl. auch Volls⸗
talender No. 61, 169, 170 uud Hintz ©. 112.)
2. Februar. Lichtmeß oder Marti Reinigung, Wer Flachs gefät
hat, muß an biefem Tage fpazieren fahren, wenns aud nur eine Meine
Strede wäre, bann geräth ber Flachs befier. (Wallendorf.)
Die Wölfe tommen am Nicolaitage zufammen und gehen zu Maria
Lichtmeß wieder ans einander. Im biefer Zeit iſts gefährlich zu reifen.
Gohenſtein.)
Zu den Faſtnachtsſchmauſerclen wird Geld zuſammengelegt (Hohen⸗
fein). Sie ‚arten hie und da in Bachhanalien aus (Hintz S. 46). Bi:
rend des Tanzes werben bie Tänzerinnen „übergejegt." Ein mit Bändern
D
von Dr. M. Täppen. 585
geſchmückter Reif wird ihnen über ven Kopf geichlagen und bann werben fie
aus bemfelben heransgehoben. Sie müffen bafür ein Geſchenk an Gefde
geben. Wer viel zahlt wird öfters Übergefegt. (Mäheres über dieſen auch
in andern Theilen Breußens befannten Gebrauch giebt der Boltsfalender
0.69, 70, 173, 218.)
Zu Faſtnacht muß getanzt werden, dann geräth ber Flache. (Wallenvorf.)
Wer guten Flache Haben will, muß zu Faſtnacht Schlitten fahren.
(Billenberg. Vgl. Vollskalender No. 74. Hink ©. 112.)
Am Aſchermittwoch Abends verfammelt ſich die Ingend und zieht mit
großem Gefchrei duch das. Dorf. Sie führen Afche in einer Tonne anf
einem Halbiwagen mit fi) und werfen biejelde den auf das Geſchrei Her-
beieifenden in bie Augen, (Willenberg.)
24. Februar. St. Matthäus Iegen die Ganſe Eier. W Macieja
gesi niosa jaja. (Friſchbier Preuß. Sprichwörter 2. Aufl. S. 808.) Wer
an diefem Tage fpinnt, dem gehen bie Gänſe nicht zur Hand. (Hohenftein.)
12. März. Die Maſuren fagen, am Gregorinstage geht der Winter
zum Meere; Gregorza idzie zima do morza. (Friſchbier Preuß. Sprich⸗
wörter, 2. Aufl. ©. 301 hat Gregorza ucieka ànieg do morza.)
Am Gregoriustage findet man unter ben Blättern des Kohlkopfes
Saamen, ber fi ganz vorzüglich zur Saat eignet. (Gilgenburg.)
25. März. Mariä Verkündigung. An dieſem Tage wird bie erfte Furche
mit dem Pfluge gezogen, baher Heißt die Iungfran Maria Matka otworna
d. 5. bie öffnende. Bisweilen iſt aber am Tage der Matka otworna
der Boden noch nicht fo beichaffen, daß der Pflug in die Erde kam.
Man weiß diefes ſchon lauge vorher; es hängt nämlich davon ab, ob an
gewiflen Tagen vorher Froft ober flaues Wetter ftattfindet. (Mol. Volle
talender No. 177.)
An Mariä Verkündigung kommen die Störhe, Bartholomät ziehn fie
wieder ab. (Bgl. Voltslalenver No. 222.)
An Marid Verlünbigung muß das Vieh ausgejagt und verfegnet
werben. (ſ. ©.)
Gründonnerfiag nimmt man Ableger von Blumen.
Charfreitag wird nur hie und ba in Maſuren als Feiertag gewürbigt.
686 Aberglauben aus Mafusen
Am Eharfreitag und Ofterfonntag foll man fich nicht kämmen; fonft
tragen bie Hühner im Garten. (Hohenftein.)
Am Ofterfonntag geht die Sonne fpringend anf, denn das Ramm
Gottes freuet ſich über die Anferfiehung Chriſti. (Bgl. Bolkokalender
No. 230.) Biele fiehen früh anf um biefes Schaufpiel zu fehen.
Dos Waſſer, weiches man an biefem Tage vor Sonnenaufgang
ſchöpft, befigt eine wunderbare Kraft. .
Viele waſchen fi an biefem Lage vor Sonnenaufgang in einer fti«
ſchen Quelle, um Ausſchlag, Angenübel und andere langwierige Kraulhei ⸗
ten zu vertreiben. Man geht reiht früh ans, forgt möglichft dafür, wicht
geichen zu werben, antwortet niemand, von bem man angerebet wird,
danft nicht einmal dem Grüßenben. Wer fo glüdlich if, daß er zu gläd-
licher Stunde aus dem Haufe tritt, wird das Uebel los, wenn nicht, ſo
erhält er die Kranfyeit and wohl noch ärger. (Wallendorf.)
Lente, melde an Flechten und andern Auefchlägen leiden, gehen am
erſten Ofterfeiertage gleich nach 12 Uhr früh Morgens in das Wafler und
tauchen ſich ganz unter. Sie bemühen ſich, andern, bie ben gleichen eg
nad dem Waſſer machen, zuvorzulommen, Beim Hin- und Hergehen
darj fein Wort geſprochen werben.
Es giebt gewifle Gewäfler, welche in biefer Beziehung in dem Ruhm
befonberer Heilkraft ftehen, wie z. B. ein Dümpel nahe bem Tannenber
ger Schlachtielve,
Das Pferdeſchwemmen in ber Ofternacht wird ſchon im vorigen Jahır
hundert erwähnt. (Pilansfi No. 25 8. 16.)
In der Oſternacht verwandelt fi Waſſer in Wein.
Ieber Dienftbote erhält eine Anzahl Eier. (Boltslalender No. 182.)
Am Oftermontag, aber wohl auch ſchon am Ofterfonntag, ift das ber
taunte Schmadoftern üblich.
Am Dftermontag, aber wohl auch [don am Ofterfonntag, begiehen
Mäpchen und junge Lente einander — was ebenfo wie bas Schmadoftern
als eine Art von Anfmerkfamteit gilt, (Vgl. Volkslalender No. 238, 234)
Der Hausvater befprengt bie Yamilie, foger das Vieh im Stall mit
Waſſer (am Sonntag? oder Montag?). Man fagt, wenn man einen ber
fprengt, ber werbe fleißig. (Oohenſtein.)
von Dr. M. Arven. 587
28. April. Der Georgstag, an welchem der gränenbe Roggen nach
der Rede der Litauer ſchon fo Hoch fein muß, daß bie Lerche ſich im ihm
verbergen Tann, gilt für einen bebentfamen Zeitabſchnitt. (M. P. P.B. 1849
3b. 1 ©.386.) An dieſem Tage brachten die alten Priefter ihrem Feld⸗
gotte Pergrubins ein Opfer dar. (I. Meletins ©. 402.)
24. April, St, Übalbert ift des Ochſen Freude. Wojciecha wolowa
pociecha — nad einigen, weil ſchon Gras fprießt, andere geben folgende
Erklärung: An biefem Tage gönnt ber maſuriſche Landmann feinen Ochfen
völlige Ruhe; er if ihr Beiertag, wie der 28, April (St. Georg) der
Ruhetag der Pferde ift, (Friſchbier Preuß. Sprichwörter 2. Aufl. ©. 298.)
Am St. Albrechtötage kommen aud bie Schwalben an. (Hohenflein.)
1. Mai. Walpurgis. Mitt der Hexen nach dem Blodeberg. Eine
nad) der polnifchen Grenze Hin verlegte Geſchichte der Art wird erzählt in
den Pr. Provinz BL. Jahrg. 1846. Dh. 1. S. 228.
Der Buf- und Bettag wird von den Mafuren als königlicher Feier⸗
tag wenig äftimirt,
Zu Himmelfahrt fegt man Topfgewächſe um und ftedt Gurken und
Bohnen,
Zu Pfingften wird eine Ochfe, mit grünen Kränzen behangen, mit ber
Heerde aufs Feld getrieben. (Bolfslalender No. 237.)
An ven Sonnabend Nachmittagen bon Pfingften bie Jacobi wird an
vielen Orten in Mafuren keine Feldarbeit ausgeführt. (Hiny S. 117.)
Sonntag nad Pfingften, der Trinitatistag, gilt den Mafuren als
einer ber höchften Beiertage, in höherem Grabe, als z. B. Pfingften.
An (welchem?) Tage fpringt der Hirfch ins Waſſer. Won der Zeit
an fol man baden gehn. (Hohenſtein.)
8, Juni. Medardus. An dieſem Tage foll man Flachs fäen. (Wallendorf.)
24. Juni, Am Iohannistage gegen Abend, fagt Pifansfi (No. 22
8.7) — er meint aber wohl ven Abend vor Johann — verfammeln ſich
die Einwohner des Dorfes, befonbers bie jüngeren, tragen allerlei troce⸗
nee Stau, Reifer und Stroh zufammen, zünden biefen Haufen an und
tanzen nm denſelben mit Singen und Jauchzen herum. Un einigen Or-
ten unſeres Landes hat man an biefem Tage eine andere Gewohnheit,
Es wird um bie Abendzeit alles Feuer im ganzen Dorfe ansgelöfcht, dar⸗
588 : Aberglauben aus Nafuren
auf ein eichener Pfahl in bie Erde befeftigt, auf felbigen ein Rad geſtect
und biefes von den Bauerfnechten, die einander bei ſolcher Arbeit ablöfen,
fo lange ſchnell Herumgedreht, bis ſich der Pfahl von dem ftarten Reiben
entzündet; da alsdaun ein jeder einen Brand mit fich nach Haufe nimmt
und dae Feuer anf dieſe Weife im Dorfe wieder angefchärt wird. (Die
ſes und einiger anberer Johannisgebräuche erwähnt andy ſchon C. Hennen ⸗
berger in ber Erflärung der Landtaffel S. 323, wo auch ber Zanberfor
mel, die man beim ‚Feuerziehen“ ſpricht, und der Wirkungen des Feuer:
ziehens gegen SHezerei, Milchbenehmung, Gewitter ıc. gedacht wird.)
Noch ladet fie — die Mafuren — ſagt Preuß (in feiner Preuß. Lan _
bestunde 1835 ©. 235) ber Vorabend bes Johannistages zu allgemeiner
Feier und freudiger Luft ein. Der gewöhnliche Sammelplag iſt eine Au-
höhe, auf ber ein mächtiges Feuer angezündet und bie Nacht hindurch um
ter allerlei ſcherzhaftem Zeitvertreibe brennend erhalten wird. Im ber
Frühe des Iohannistages, welcher wachend erwartet wird, ſammelt jeber
eine Menge verfchiedener Kräuter, deren Gebrauch bei Krankheiten ber
Menſchen und Thiere für befonders Heilfam gehalten wird.
Am Sohannisabend pflüdt man neunerlei Kräuter, worunter einige
beitimmte Arten, wie Kamillen und weißer lieder, nie fehlen bürfen,
und windet aus benfelben Kränze. Beim Pflüden ver Blumen und beim
Winden der Kränze barf kein Wort geiprochen werben. Sole Sränze
haben eine befonders heilbringende Kraft und werben forgfältig bewahrt.
Ans den einzelnen Bläthen deſſelben kocht man Thee, gegen allerlei Kraul
heiten. ( Dohenſtein. Näheres über biefe Johanniskräuter Vollelalender
No. 116, 117, 194 auch Hintz ©. 55.) Am Iohannisabend wird Zohan
nisfrant gepflädt; es muß von 9 verfdlebenen Arten fein. Diefes wird
unter dem Kopflifien getrodnet uud nachher als Arznei bei Biehkranteiten
gebrannt. (Willenberg.)
Vom Tobtenkraut werden fo viele Hefte geflüdt,-als das Haus da⸗
milienmitglieber zählt und Hinter den Balken geftedt. Wellen Aſt am
folgenden Tage welt Herunterhängt, ber ftirbt im Laufe bes Jahres.
Gillenberg.)
Mm der Johannisnacht pflückt man zwei Eremplare von ber „fetten
Henne”. ohne ein Wort babei zu ſprechen und ftedt bie unter einen Dale
von Dr. M. Täppen. 689
fen der Stube. Der junge Mann, ber das unternahm, fpricht fobamm:
Ihr flellt mich und meine Braut vor. — Bereinigen bie Pflanzen fi bei
ihrem fortgefegten Wachen, fo heirathet ſich das Paar noch in dem Jahre;
trifft das aber nicht zu, fo wird aus ber Heirath nichts; vertrocknet num
gar eine der beiden Pflanzen, fo ſtirbt bie Perfon, für bie fie gefedt war.
(Hohenftein. Vgl. Hartg. Zeitg. 1866 No. 8.)
Am Abend vor Johannis werben ſchweigend verfchtedene Feldblumen
gepflüct und zu einem Strauße vereint. Dann nimmt man in ber Mitter⸗
nachtſtunde ein Glas Wafler ſammt Blumenfiraug und fpricht: Der Liebſte
tommmt zu trinken, vefp. bie Herzalierfiebfte komme und reiche mir zu trin⸗
ten. Soll der Herzenswunſch in Erfüllung gehen, fo zeigt der Waſſer⸗
fpiegel das Bild des herbeigeſehnten Schages. (Hartungfche Ztg. a. a. O.)
Die Madchen winden Kränze und werfen biefelden rückwärts über
den Kopf gegen einen Baum. Bleibt der Kranz an dem Baume hängen,
fo heiräthet das Mädchen, welches ihn geworfen Hat, im nächften Jahre.
&o oft er aber Herunterfällt, fo viele Jahre bleibt es noch unverheirathet.
(Hogenftein, Willenberg.)
Man fchneibet zwei Halme Zwieblauch gleich hoch ab; ber eine ber
deutet Glüd, der andere Unglüd; welcher von beiden am folgenden Tage
höher gemachfen ift, der zeigt dem Fragenden fein Schidfal im folgenden
Yahre. (Willenderg.) Mädchen benfen fi unter den Halmen auch junge
Leute, welche Heiratheabfichten haben Tönnten und ermitteln fo ben rechten.
CHobenftein.)
Zwiſchen 11 und 12 Uhr in der Johannisnacht geht man mit einem
Tuche zu dem Hartrigelftrauche, der aber ſchon 7 dahre alt ſein muß, um
deſſen Blüthen aufzufangen. Gelingt dieſes, fo werben bes Unternehmers
Wuünſche alle in Erfüllung gehen. (Hartungſche Big. a. a. O.)
Ein gewiſſes Krant, Schlangenfrant genannt, blüht nur in ber Jos
hannisnacht und nur kurze Zeit. Wer die Blüthe deſſelben bei ſich trägt,
dem verleigt fie wunderbare Kräfte. Ein Bauer, dem ein Pferd geſtohlen
war, ſtieß mit feinem Riemenſchuh (chodak) an biefes Kraut, die Bläthe
fiel in feinen chodak, daß er fie mit ſich trug, und fogleidh wußte er, wo
das Pierd ſich befand. Aber bald fiel fie zu Boden und nun war auch
590 Abengiauiben aus Mafuren
alle Wiſſenſchaft vom bem Pferbebiebe ihm wieder entſchwunden. (RL. de
rutten. Etwas ähnliches meint auch ber Vollslalender Ro. 112.)
In der Johannisnacht blüht das Farrenkraut in der Mitternachtſtunde
Wer fo glädlich if, die Blüthe zu finden, weit von allen vergrabenen
Schatzen. Ea wagt fi) aber felten einer in biefer Nacht Hinauszugehen,
um nicht ein Opfer ber Heren zu werben.
Man fiht den Raſen an einer Stelle aus und hebt ihn auf,
legt ihn dann aber wieder ein. Um nächften Morgen kommt man
wieder, hebt ihn auf und ſieht. Findet man num 5.9. vothe ober gräne
Mifer, fo bedeutet das Liebhaber mit rothem ober grünem ragen.
(Hohenftein.)
I der Johannisnacht hat man Träume für das ganze Jahr [fo]. —
Der Kranz von neimerlei Kraut wird unter das Kopflifien gelegt; was
man daun träumt, tft wahr. (Bon Träumen fpricht auch Volksk. No. 116.
117. 140.)
Am Iohannis- und Yacobitage darf nicht gearbeitet werben; das iſt
Sünde. Wenn es doch gefchieht, fo zerreißt entweder der Wolf das Vieh,
mit bem gearbeitet worben, ober ber Blitz fchlägt ein und verbrennt Hans
and Hof. (Soldan. Bol. Volkskalender No. 125.)
Am Iohannisabend macht man an ber Thüre des Viehftalles (von
außen) brei Kreuze, um es dor Hexexei zu fichern. (Vgl. Vollskalender
-Ro. 119— 122. Hintz S. 118.) Oft braucht man dazu Theer. (Hohenftein.)
Am Iohannisvorabend müſſen wenigftens drei Kumſtpflanzen behäu-
felt werben, wenn er gerathen foll. (Hoheuftein,)
Nicht immer ift St. Johann. Nie zawsze ’swietego Jana. (Friſch-⸗
bier ©. 802.)
29. Juni, Peter Paul trocknet die Wurzeln bes Roggens. (Hohenftein.)
2. Yult, Mariä Heimſuchung. An diefem Tage darf feine Feldarbeit
unternommen werben. (Hintz ©. 117.)
Sonutag vor Jacobi. Exntefeft der Mafuren vor der Ernte,
25. Zuli. Am Iacobitage muß alle Arbeit ruhen. (Vgl. oben 24. Juni
und Boltelalender No. 127.)
6. Anguft. Verllarung Chriſti. Hanpffeier- und Hauptopferteg ber
Mafuren,
von Dr. M. Typen. 591
24. Unguft, Zu Bartholomdi ziehn bie Störche ab. (Bgl. oben
Mariä Verkündigung.)
Bartholomät Habe den Saamen. W. Bartlomiej, nasienie mid).
(Friſchbier ©. 298.)
29. September. Michael ſtößt die Leute hinaus. Michal ludzie
wypychal. (Zu Michaelis werben die Wohnungen gewechſelt.) - (Brifch-
bier ©. 303.)
6. November. Am Nicolaitsge fommen die Wölfe zufammen. (gl.
Lichtmeß.)
Bon einigen wird der Nicolaitag als des Schutzpatrons ber reißen-
den Thiere gefeiert, um beefalfiges Ungläd zu verhüten. (Hing ©. 117.)
Un diefem Tage fpinnt man nicht, damit der Wolf nicht in bie
Heerde falle. (Hohenſtein.)
In der ganzen Adventszeit jeden Sonntag und bann am heiligen
Abende vor Weihnachten durchzieht die eingeſegnete Jugend mit dem trans»
parenten Stern das Dorf. (Bgl. Hink S. 40. Vollskalender No. 3.)
24. December. Am Weihnachtsabend muß jeder feine ansgelichenen
Sachen (ausgenommen Geld) zurüderhalten. (Willenberg.)
Am Weihnachtsabende geht ver fogenannte Heilige Chriſt d. h. ein in
einen umgelehrten Pelz gefleiveter und mit einem Knittel bewaffneter Kerl
umher, ber bie bebenden Kinder eraminirt. Sind fie fleißig geweſen und
tönnen daher gut antworten, fo erhalten fie nach feinem Fortgehen &e-
ſchenle, wogegen für die Faulen am Weihnachtsbaum eine vergolvete Ruthe
hängt. Die Wirkjamteit diefes heiligen Ehriftes beichränft fich jedoch nicht
allein auf das Einfchüchtern der Kinder, ſondern auch bie Dienftboten, be⸗
ſonders die weiblichen, werden von ihm heimgefucht und gerne zerbläut,
(Bolfslalender No. 5.)
Sehr Häufig erfcheint ftatt feiner auch ein Bär, ber ebenfalls einen
umgelehrten Bel; trägt und einen Aermel deſſelben als mächtigen Schwanz
nachſchleppen läßt. Brummend zieht er umher und forbert die Kinder
anf, ihren Weihuachtswunfd aufzuſagen. (Volkstalender Ro. 6.)
Im der Heiligen Chriſtnacht zwiſchen 11 und 12 Uhr tft das Walker
Wein. (Lineman bei Pifansli No, 26. 8.16. Vgl N. B. P. B. 1846,
Bp. I. 6,3%.)
692 Mberglauben aus Mafuren
Zur Weifuachtsfrähprebigt nehmen viele in ben Taſchen etwas von
allerlei Getreidearten mit. Solches Getreide gebeiht befler, wenn es ge
ſat wird, und giebt mehr Mehl, wenn man es als Brodgetreide Brandt,
Gillenberg.)
Auch einzelne Wochentage haben ihre beſtimmte Bedeutung, wie wenn
es z. B. heißt, Bohnen ſolle man nicht an demjenigen Wochentage ſtecen,
an welchem ber erſte Schnee gefallen iſt.
Montag. (Man vergleiche ven Wochenkalender in ben N. P. PB,
1848. 85.2. S. 280 ff.) Bon großem Einfluß auf die Ereigniffe des fol-
genden Jahres ift es, ob ber erſte Weihnnchtöfeiertag auf Montag oder
Dienftag oder Mittwoch zc. fällt.
Wenn am Montag zuerft eine weibliche Berfon in das Haus tritt,
fo bebentet das Unglüd,
Dienftag. Geburt an dieſem Tage präbefliniet zur Spitzbüberei.
rotay) .
Mittwod. Weizen muß mau weder am Tage noch in ber Nacht,
fondern Mittwoch fäen.
Donnerftag. Am Dommerfiag Abend wirb nicht gefponnen, über
haupt mandjerlei alltägliche Befchäftigungen vermieden. Hink ©. 111.
Vollskalender No. 204.
Ein geroifjes Mittel gegen das Fieber (f. o.), fo wie auch gegen bie
krazno lutki (f. o.), gegen das Unfrant (f. u.) foll Donnerftage ange
wenbet, an bemfelben Tage das Sieblaufen (f. o.) veranftaltet werben.
(Bgl. auch Schleicher, Litauiſche Märchen xc. ©. 94—97.)
Wer Donnerftag in den Dienft tritt, wird von Gefhmwären und an
bern bergleihen Krankheiten zu leiden haben, Denn es ift ber Fleiſchtag
Freitag. Wer Freitag geboren und Sonntag getauft ift, lann Gei-
ſter ſehen. (Xrolczyt.)
Freitag iſt ber rechte Tag zur Hochzeit. (Hohenftein.)
Freitag wird lein Brod gebaden. (Willenberg. Vgl. Hintz ©. 112.)
Freitag dor Vollmond iſt ein gewiſſes Mittel gegen Wanzen anzu
wenben (f. 0.); an bemfelben Tage bie Verfegnung ber weißen Leute (ſ. 0.)
. Sonnabend. Geburt am Sonnabend präbeftinirt zur Heuchelei
und Lüfternheit.
von Dr. M. Zäppen, 593
Dienfiboten treten ihren Dienft am liebſten Sonnabend an, weil
ihnen das Dienftjahr dann nicht lang erfcheinen wird.
Sonntag. Sonntagslinder können Geifter fehen. (Hohenſtein.)
Sonntags muß man die Kuh ftehen lafien, wenn man Haben will,
daß fie am Tage Falbt. (Willenberg.)
Eine in fo beftimmter Form bei andern Völkern nicht hewortretende
Eigenthũmlichleit des polniſch ⸗maſuriſchen Kalenders iſt die ausdrüdliche
Bezeichnung der zahlreichen Unglückstage, die man doch im Weſentlichen
wohl als Faulenzertage auznſehen hat. Im einem alten geſchriebenen Buche
zu Borken bei Willenberg werben fie aufgeführt unter der phantaftifchen
Ueberfchrift: „42 unglüdlihe Tage im ganzen Jahre, welche ein griechi-
ſcher Autor der löniglichen ägyptiſchen Majeftät bekannt machte, und weiche
dieſe auch als Wahrheit anerfannte.” Auch ber Himmelsſchlüſſel führt die
Unglüdstage auf, aber ſchon in etwas vermehrter Auflage. Die fhlimm-
ſten der böfen Zage find ver 1. April, an welchem ſich Iubas, ver Ber-
zäther erhängt hat, der 1. Auguft, an welchem Kain feinen Bruder Abel
erfchlug, und der 1. December, an welchem Sodom nom Erbboben vertilgt
wurde. Die Unglüdstage find:
im Monat: nad der Vorkener Handichrift: nad dem Himmelihläfiel:
Januar 1.261.728 1.28 4 611.12
Gebrnar 8 16. 17. 8 8. 16. 17.
März 1. 12, 13. 16. 1. 12. 13, 16.
April 1. 3. 15. 17. 18, 1. 3. 16. 17.19,
Mai 8 10. 17. 30. 8 10. 11. 17. 30,
uni 1. 7. 1. 7.
Halt 1.56 4 5. 6. (Rene Aufl. 1. 4. 6.)
Anguft 1, 3.18. 20. 1. 35.17 20.
September 15. 18, 30. 18. 15. 29, 30.
October 16. 17. 16. 17.
November 11, 17, 1.71.
Decemba 1. 7.11. 1. 7. 11.
Die durch ben Drud hervorgehobenen Abweichungen ber beiden Ueber⸗
tieferungen find aljo. nicht unerheblich. Es wird ausdrüclich hernorgeho-
ben, daß bie an biefen Tagen geborenen eutweber früh — ober ‚unit:
Wr:. Monsisigeift Bo. IT. OR. 7.
694 Aberglauben aus Mafaren
Noth und Elend kampfen, ihre Ziele nicht erreichen würben, und daß man
an biefen Tagen weber heirathen, noch eine Reife antreten, noch Bich ab»
fegen, noch jäen ober pfropfen ſolle.
Hier folgen einige Begegniffe, aus welchen man bie Zukunft erten-
nen Tann.
Wenn man ausgeht und begegnet einem Weſen weiblichen Geſchlechte,
namentlich einer alten Frau, fo bebentet das Ungläd, wenn einer
Mannsperfon, Gluck. (Soldau, Willenberg.)
Käuft einem Banern ein Hafe über ben Weg, ober begegnet ex einem
alten Weihe, fo bebeutet das Unglüd, (Rofengeyn Bb.2. ©. 91. 92.)
Wenn ein Hafe über den Weg läuft, beventet das Unglüd, namentlich
Teuer. Ein Hund, der quer über den Weg läuft, bebentet auch Ungläd(?).
Läuft ein Wolf ober Fuchs über den Weg, das tft Glück. (Soldau)
Wenn einer fährt ober reitet, umb eim Buchs ihm über den Weg
läuft, fo fall ihm ein Schabe entfliehen. So fagt der alte Chroniſt Simon
Grunau im jechsgehnten Jahrhundert. (N. B. P.-Bl. 1846. Bd. 2. ©. 338.)
° Ein Dann, ein Abler, ein Hund, ein Wolf, ein Bettler bebeuten dem
Reifenden Gluc. (Willenberg.)
Denn bei Krankpeit der Angehörigen ber Hund fi fo niederlege
daß er mit ber Schnauze ber Thüre zugewendet erſcheint, fo deutet bies
anf den Ausgang bes Lebens. (Hiny ©. 118.)
Hundeg ehenl vor einem Hanfe verkündet gleichfalls ben Tob eines
Hausgenoſſen vorher. (Bing ©. 118.)
Das Biden des fogenannten Todtenkäfers zeigt ſicher an, daß halb
Iemand tm Haufe flerben werde. (Solban.)
ine Kröte in der Stube bebentet Unglüd.
Wenn ein Hund unweit bes Fenſters heult, fo fiirbt Semanb in dem |
Hanfe nad) kurzer Zeit. Dan barf ihn nicht berufen, denn er fieht ben |
Tod, der Jemand abzuholen kommt. Vielmehr befveuzigt fid) daun alles.
Wenn man, während ber Hund heult, hinter benfelben tritt, unb zwiſchen
feinen Ohren hindurch ‚über feine Schnauze fieht, fo fieht man den Tod
and. (Lubainen,)
Wenn Katzen in der Nähe bes Haufes Heulen, das bedentet Spekta .·
lel im Haufe,
‚von Dr: Rippen. . 52
Sehr alt find die Neberlieferungen über Weiſſagung aus Bogelgefchrei.
Schon ber Ehronift Simon Grunan im Anfange des ſechezehnten Jahrhun⸗
derts ſagt:
Benn eine Elſter vor dem Fenſter ſchreit, fo ſprechen fie, es find
Säfte vorhanben, die man nicht gern fieht. (Simon Grasan in ben N.
v. ſ. Bl. 1846. Bb.2. ©. 337.)
Wenn eine Henne kräht, jo ſprechen fie, die Franen Nachbarinnen
werden mit einander habern. (©. Gruman a. a, O.)
Wenn ber Bogel, Uhn genannt, brei Nächte auf einem Haufe ſchreit,
fo meinen fie, aus biefem Haufe müfje Jemand fterben. (S. Grunan a. a. D.)
Keinem Storche laſſen fie ein Leib thun, deun fie halten es dafür,
daß die Störche anderamo Menſchen find. (S. Gruuau a. a. DO.)
Wenn bie Hühner kirren, fo follen fie einen Geiſt fehen, ver ba wan⸗
fet und will bei den Menfchen fein. (S. Grunau a. a. O. ©. 388.)
Hieran reihen ſich die Angaben Pifanski’s über Prophezeifung aus
Bogelgefsgrei und Bogelfiug (No. 23. 8.9). „Er ein unglucliches Beir
Gen, fagt er, nimmt man es an, wenn eine Henne krähet und dieſe un.
ſchuldige Prophetin muß ſodann ihre Verwegenheit gemeiniglich mit dem
Berlufte des Rppfes bezahlen. So finben ſich andy noch Spuren von dem
Wahrſagen ans dem Fluge der Vögel. Denn verfammelte Schaaren gra«
Ber Raubvoögel find Vorboten des Einbruchs zahlreicher Kriegeheere. Das
Streiten ber Bögel in ber Luft beventet gleichfalls Krieg. Verläßt ber
Storch auf einem Haufe fein Neft, fo muß biefes auch in bemfelben Jahre
abbrennen. Diele halten es für eine Sünde eine Schwalbe zu töbten.“
Krägt ein Huhn, fo bebeutet das großes Ungläd. Das Huhn ift un-
rettbar verloren; ihm wird ſogleich der Kopf abgehadt. (Soldau.) Auch
eine fehreiende Krähe bebentet Unglüd. (Willenberg.)
Wenn eine Eule fi) aufs Hans fegt, und in klagendem Tone ruft:
puse (b. 5. Laß mid), dann ftirbt Jemand, wenn fie in lachendem Tone
kolys (d. 5. Wiege) ruft, giebts Kinbtaufen. .
Liunks und rechts macht bei ber Prophezeiung einen großen Unter-
ſchied. Was links geſchieht, bebentet Gutes, was rechis nicht Gutes.
Wem bie linke Hanb judt, der nimmt Gelb ein, wem bie rechte, dee
giebt Geld aus,
38°
696 Überglauben aus Mafuren von Dr. M. Täypen.
Wem das linke Unge juct, der wird lachen, wen das veht, ber
wird weinen,
Wem bie linke Bade glüht, der wirb belobt, wem bie rechte, ber
wird befchänbet.
Daher muß man, wenn man einen Echat brennen fieht, den Sqhuh
vom linken Fuß Hinter fi werfen, um ihn feftzuhalten, und den Zeige |
finger der linken Hand gebrauchen, wenn man fi} gegen ben böfen Blid
einer Here {hügen will.
[Doch ſoll nicht verſchwiegen werben, daß der Chroniſt Simon Grunan,
der biefe Sache ſchon im Unfange bes fechszehnten Jahrhunderts berühtte,
das Entgegengefegte überliefert. Gr fagts
„Wenn einem ein Ohr klingt, iſt es das rechte, fo fpricht er: Man
gedentt meiner zum Beſten; ift es das linke, fo fpridt er, man beläge
ihn oder man wolle ihm böſe.“]
Ferner: „Wo einer zum erfien im eine Stabt, ein Dorf ober ein
Hans gehet und mit dem linken Fuß eintritt, fo Hält er bafür, daß es
da wird übel gehen; wo aber mit dem rechten, fo tft alles Gluck mit ihm.’
(&. Grunau in den N. P. P.-BL. 1846. Bb.2. S. 337.)
Der Vorzug der linken Seite wird auch beim Eintheeren bes Wagens
beobachtet (ſ. x.)
ESchluß folgt.)
Die
Yntafrophe des Banzigen Bürgermeiflers Gonrad Fetzhan,
Bon
Dr. Hans Prutz.
Häufiger noch als in ber Gefchichte ganzer Staaten und ihrer freund»
lichen und feindlichen Berührungen mit einander finden wir in ber Spe⸗
cialgefhichte gerabe einzelner Städte und Meinerer Gemeinweſen Punkte,
wo bie verfchiebenen Hiftorifchen Weberlieferungen in einen, wie es fcheint,
unslösbaren Widerſpruch gerathen und einander biametral entgegengefegte
und in feiner Weiſe zu vereinigerbe Nachrichten mit gleicher Sicherheit
und gleich großem Anfpruche auf Geltung und Glanben auftreten. Währ
rend wir in ber allgemeinen Geſchichte wohl Hier und da auf Greigniffe
ſtoßen, beren Berlauf im Einzelnen von den babei Betheiligten verſchieden
anfgefaßt und daher auch verſchieden berichtet worden iſt, und während
wir die darin handelnd auftretenden Perfönlichkeiten ihrem Charakter nach
oft eine je nach bem Parteiftandpunfte ganz entgegengefegte Beurtheilung
erfahren fehen, jo hat ſich doch im Laufe der Zeit in allen biefen Streite
fragen ein gewiſſer mittlerer Stanbpunft als derjenige ergeben, von bem
aus man bem wahren Sachverhalt am nächſten kommen zu können hoffen
darf." Die große Zahl der dem Hierbei in Betracht kommenden Partei
interefje fern ftehenden, welche gerade in berartigen Dingen ein fo ent-
ſcheidendes Gewicht in bie Waagichale zu werfen und einen fo hervorras
genden Antheil an der Bildung bes ſchließlich allgemein gültigen Urtheils
haben, ſchleift die Gegenfäge allmählich ab, milvert das von ben einander
zunãchſt feinblich gegenüberftehenden Parteien zu Kart und fchroff Gefaßte
598 Die Kataſtrophe des Danziger Bürgermeifters Eonrab Letkau
ober abfichtlich Uebertriebene und Gefälſchte. Ganz anders bagegen iR
es mit folchen Ereigniſſen, welche innerhalb des kleinen Kreiſes, in bem
fie fich zugetragen und für den fie zunächft von Bebentung find, fchon eine
teiberfprechenbe Beurtheilung finden: wo bie Parteien einander fo un
mittelbar gegenüber ftehen, unb bie vermittelnbe und ausgleichende Beur-
theilung einer in ber Hauptſache neutralen Majorität fehlt, ba behartt
jeber von ben Streitenden um fo zäher und eigenfinuiger auf feiner Mer
mung, und in ber Hige des Kampfes irrt man, nach nenen Docnmenten
unb neuen Beweifen fuchend, mehr und mehr von ber Wahrheit ab. Der
artige Kämpfe nun befchränfen fich nicht auf bie Zeit, im welche das fie
veranlafiende, ben Streit der Parteien zunächft entfeſſelnde Ereigniß gehört,
fie fegen ſich weit darüber hinaus fort und werben von fpätern Geſchlech⸗
tern zuweilen mit faft noch leidenichaftlicherem Eifer geführt, als es bie
erſten thatfächlich kämpfenden erfüllte. Während einft um eime reale Frage
mit Erbitterung gerungen wurde, ftreiten dann bie Nachkommen ber beiden
Kämzier mit noch größerer Erbitterung, ob der ober jener Recht gehabt
habe, ob die im Rampfe angewandten Mittel erlaubte oder unerlaubte ge
wefen feien n. ſ. w., und bas Ergebnif eines fo noch nachträglich geführ-
ten Kampfes ift dann regelmäßig biefes, daß man von bem einen fraglichen
Ereigniß zwei Darftellungen hat, welche einander gerabezu entgegengefeht
find amd berem jebe in faft jedem Punkte das birefte Gegentheil von bem
behauptet, was die andere als fattifch überliefert. Ganz befonders pflegt
dieſes bie Sage ber Hiftorifchen Weberlieferung ba zu fein, wo es ſich um
Gegenfäge handelt, die nicht bloß in jenem einen fireitigen Ereigniſſe in
Conflilt geriethen, ſondern bie auch in der folgenden Zeit Hart und wild
mit einander gerungen haben. Der alte Barteihaber ruht auch dann noch
nicht, wenn ber Gegenftand, um ben man einft zu fireiten hatte, Läugft
befeitigt ift, wenn bie Verhältniſſe ganz andere geworben find: das einft
Geſchehene findet auch in ber von ganz anderen Imterefien beivegten Ge
genwart noch feine Widerſacher und Vertheibiger, und in ber hiſtoriſchen
Erforſchung der Vergangenheit ernenern ſich dann thatſächlich bie Vartei⸗
leidenſchaften und Beftrebungen, bie einft im Kampfe um wichtige Bragen
erregt worben find. Gerade bei Eontroverfen aus der Geſchichte Heinerer,
in abgefchloffener Entwidelung ſtehender Gemeinwefen pflegt bies zu ge
von Dr. Hans Pruß 899
ſchehen, und zwar um fo nahbrüdlicher und eifeiger, je mehr ſich in ben»
ſelben auch der Geift und bie Gefinnung, welde in ber Vergangenheit
herrſchten, wirkſam erhalten haben. Denn mit um fo größerer Liebe hängt
tan dann an ber Vergangenpeit, an einzelnen befonders glänzenben oder
befonders trüben Ereignifien, und man vertheibigt bie einmal überkommene
Auficht von ihnen mit um fo größerer Leipenfchaftlichleit und Ansbaner,
je mehr fih in einzelnen Kreifen andy bie entgegengefegte Auffaſſung herr
(hend erhalten hat und je mehr ſie Geltung zu gewinnen ſucht.
Die Gefchichte faſt eines jeden Parteilampfes beftätigt biefe Sätze,
und nirgends werben wir anf mehr von einander abweichende Traditionen
und einander fehroffer entgegengefegte Berichte treffen, als da, wo es ſich
um bie Darftellung eines im Imnern eines Gemeinweſens geführten
Kampfes Handelt. Haß und Liebe, welche bie im Kampfe miteinander rin⸗
genben Gegner erfüllen, finden nicht bloß in ber Bruft der Zeitgenoffen
und ber Zengen bed Kampfes Wieberflang, ſondern fie leben auch in ſpä⸗
teren Gefchlechtern noch fort und veranlaflen baher auch ganz natürlich
eine mehr ober weniger abfichtliche Faͤlſchung des thatfächlichen Verhält-
niffes; und indem bann an bie einmal zunächft aus Partelinterefie began⸗
gene Abweichung ſich flets neue anfegen, befommen bie Darfiellungen,
weiche von verfchievenen Seiten gegeben werben, allmählich eine fo ganz
und gar von einander abweichende Färbung, daß man faum noch das ih⸗
nen wirklich Gemeinfame herauszufinden vermag. Und gerade an foldhen
Darftellungen, die erft im Laufe ber Zeit erwachſen und fi aus immer
nenen Zuthaten, wahren und falfchen, zuſammengeſetzt haben, hängt man
ganz befonders, und nichts tft ſchwerer, als die zunächft babei Intereffirten
von ber Unrichtigleit deſſen zu Überzengen, was fie bisher mit einem ge-
wifien Gefühle ver Genugtäuung und des Stolges für wahr gehalten und
als eins der glänzenbften und merfwürbigften Ereigniffe aus ber Geſchichte
ihrer Vorfahren mit befonberem Wohlgefallen Hervorzuheben pflegen. Nir⸗
gende findet ſich daher der Hiftorifer fo oft in ber Lage mit kritiſcher
Schärfe gegen eine allgemein als wahr angefehene und befonders gem
gehörte und erzählte Geſchichte vorzugehen und diefelbe als ein Conglo-
merat unabfichtlicher und abfichtlicher Unrichtigkeiten, verzeihlicher Irrthũ⸗
mer, offenbarer tendenziöfer Erfindungen und allmählich entftandener Local
608 Die Kataſtrophe des Danziger Bürgermeifters Conrad Letlau
fage barzuftellen, als gerade bei der Specialgefchichte einzelner Gtäbte und
Heinerer Zaubfchaften: faft in jeder berfelben wird ſich zum wenigften ein
Bunkt nachweiſen laſſen, wo bie Hiftorifche Wahrheit ganz ober zum größ-
ten Theil in Vergeſſenheit gerathen ift und ber einmal zur Anertennung
gefommene und allgemein verbreitete Bericht nichts ift, als eine bunt ans
geiämüdte Sage, in der Wahres und Unmahres durcheinander geworfen
und fo ein Bericht entftanden ift, wie er ber Parteiftellung der Majorität
und ben auch noch die Nachwelt beherrſchenden Sympathien am meiften
entſpricht.
Auch in der Geſchichte Danzige, die an großartigen Ereiguiſſen und
vielfeitigen Beziehungen fo außerordentlich reich ift und in der wir bie
gefammte Entwidelung getragen und getrieben fehen von mächtigen Im
pulfen und herrlichen Beftrebungen, fehlt es an folden ihrer Glaubwär
bigfeit nach im höchſten Grade zweifelhaften Darftellungen einzelner Ereig
uiffe night, und auch hier Hat ſich ein fehr verzeihlicher, eigentlich fogar
töblicher Localpattiotismus gerade mit beſonderer Vorliebe an diejenige
Faſſung gehalten, welche den Danzigern den meiſten Ruhm zuſtrahlt, in⸗
dem fie die Gegner in recht ſchwarzen Farben und einem überans ungün⸗
fligen Lichte erfcheinen läßt. Charalteriſtiſch ift es und ſtimmt volfländig
zu dem im Allgemeinen Über berartige Erfcheinungen Gefagten, daß es fih
auch Hier meift um Greigniffe Handelt, welche der Zeit angehören, in ber
die Parteileidenſchaft am meiften entfefjelt war, wo ber lange verhaltene
Groll zwiſchen den Danzigern unt den Orbensherren zum Ausbruch fam
und damit jener furchtbare und mit ber größten Heftigfeit geführte Lampf
begann, durch ben fchließlich die Ordensherrſchaft gebrochen umb Damig
eine freie Stadt wurde. Dieſer ſchließliche Ausgang bes Kampfes, ber
Sieg der bürgerlichen Freiheit Über bie zur Tyrannei entartete Herrſchaft
des Ordens hat wohl weſentlich bazu mitgewirkt, ven Mann, in welchem
fich diefer Eonflikt ſchon früher gleichfam verkörperte und der ein Opfer
der gewaltfamen und bintigen Ordensherrſchaft wurde, in den Augen fpär
terer Gefchlechter als einen Helden and Märtyrer ber Freiheit erfcpeinen zu
laſſen. Denn bas ift die Vorſtellung, welche noch heute jeber Danziger
mit bem Namen des Bürgermeifters Conrad Letzkau zu verbinden pflegt:
er ift der Danziger Freiheitsheld, der Repräſentant ber bürgerlichen Geld
von Dr. Hans Brus. - 601
flänbigkeit gegenüber der Thrannei einer entarteten Adelskaſte, feine Ex-
morbung bie Schuld, für welche dem beutfchen Orden in dem Gtäbtefriege
und ber ihm ba zugefügten totalen Demüthigung bie gerechte Etrafe er⸗
eifte, und patriotifcje Geſchichtsſchreiber ſtellen es am liebſten fo bar, ale
ob ans dem Blute Conrad Letzkau's, der ſchmachvollem Meuchelmorde
zum Opfer fiel, ber junge Baum der Danziger Freiheit unmittelbar auf⸗
geſchoſſen ſei. Im bildlichen Sinne mag man das gelten -faflen, aber
auch nur in biefem, denn in Wahrheit verhält es ſich doch fehr viel ans
ders und ſteht bie Befreiung Danzigs mit bem angeblichen Opfertöbe
Conrad Letzkau's gar nicht in einem fo unmittelbaren Zufammenhange,
jedenfalls aber fanıı von irgend welchem Gaufalnerns zwifchen beiden nicht
die Rede fein. Und auch mit dem „Opfertode”, mit ber meuchleriſchen
Ermordung Letzkau'e, feiner völligen Unſchuld und ber allein anf bem
Danziger Orbenscomthur ſchwer laftenden Schuld Hat es, wie es ſcheint,
denn doch eine etwas andere Bewandtniß, als man gewöhnlich annimmt,
wenn anch nicht gerabe eine vollftändige Umkehrung in ber Vertheilung
von Schuld und Unfchuld das Richtige treffen wird, Denn im Gegenfag
zu ber fonft üblichen Darftellung vom Tode Letzkau's, welche ihre eigenthlim-
liche Färbung dem patriotifchen Sinne ber Danziger verbankt und bie ihre
vollſtãndige Erflärung findet in dem leidenſchaftlichen Kampfe, der mehr
als ein Menſchenalter fpäter zwiſchen ihnen und dem Orben geführt wurde,
iſt auch von anderer Seite für ben Orben Partei ergriffen und ein Bes
richt geliefert worden, wonach alle Schuld auf Seiten ber Danziger, alles
Recht auf Seiten des Ordeuscomthurs gewefen fein foll. Diefe Auffaffung
finden wir vertreten durch ben Geſchichtſchreiber der Ordensherrſchaft in
Preußen, 3. Boigt#), und Heinela«), während die entgegengefegte, ganz
zu Gunften der Danziger gewenbete in den älteren und neueren Darftele
lungen der Gefchichte Danzigs gegeben wird, bald mit einigen Zweifeln«s),
bafd ganz ohne folhet), bald vollftändig und mit Aufnahme aller, auch
*) %. Voigt, Geſchichte Preubens Bo. VIL, p. 139 fi.
**) Heinel, Geſch. Preußens Bo. I, p. 619 fi.
—) Kotzebue, Geſch. Preußens Bd. II, p. 139—142 und p. 388,
» Gralath, Verſuch einer Geſchichte Danzigs. Thl.1, p. 119 ff. ©. Löfhin,
Gejchichte Danzigs Bo. I, p. 52 ff.
602 Die Kataſttevhe des. Daltziger Bargermeiſters Conrad Leplau
bed auf ben erſten BL unwahrſcheinlichſten Einzelheiten, bald nit AI
Idpweigender Weglaffung derjenigen, bie das Gepräge der Erfinbung alla
beutlich an ſich tragen. Gegen die kritiſchen Bebenfen Voigt’s und Heinele
hat baun ber verehrte Senior der Danziger Geſchichtsforſcher, Gotthilf
Löfhins), der Ianbesäblichen, von Danziger Patriotiemns durchhauchten
umb getragenen Darftellung zn banernder Geltung verhelfen wollen, ohne
daß es ihm, wie es uns fcheinen will, gelungen wäre, wirklich überzen-
gende Gründe für biefelde vorzubringen. Damit foll nun aber leineewege
gefagt fein, daß wir die Anffaflung von Voigt und Heinel für die richtige
halten und mit ihnen das Recht allein anf Seiten bes Orbens, bie Schuld
allein auf Seiten ber Danziger ſuchen. Vielmehr glauben wir, daß bei-
ven Geſchichtsſchreibern ganz daſſelbe begegnet ift, wie ben Danziger Hi-
ſtorilern, welche Conrad Letzlau als einen ſchmäͤhlichem Verrath zum Opfer
gefallenen Freiheitshelden verherrlichen. Denn fo ernſt und aufrichtig ber
Hiſtoriler danach ſtreben mag, wirklich sine ira et studio zn ſchreiben,
vollſtändig wird es ihm nur felten gelingen, und je eifriger umb mit je
größerer Liebe und Hingebung er fich in feinen Stoff vertieft, um fo leid.
tee wirb es ihm begegnen, baß er gerabe bei jo controverſen Punkten, wie
der hier vorliegende, ganz unwilllürlich die Dinge von einer Seite anfieht
und barftellt, welche ber den Mittelpunkt feines Werkes bildenden Sache
die gänftigfte if. So konnte es Kommen, baf Voigt die firenge Kritil,
mit welcher er das über Conrad Letzkau Ueberlieferte präfte und fichtete,
nicht foweit ansbehnte und ansfährte, daß er num auch ben von ihm ale
gäftig und richtig anerfannten Bericht in materieller Hinficht gepräft Hätte
und ben tieferen Motiven nachgegangen wäre, welche in ber Danblunge
weife Conrad Letzkau's ſowohl wie des Danziger Orbenscomthurs als
mächtige Triebfebern mitwirkten: erſt wenn bie Berechtigung biefer gepräft
it, wird fich ein Urtheil abgeben laſſen über Recht unb Unrecht, Schulb
amd Unſchuld, erft dann wird das Verfahren beider Theile, des obflegen
den fowohl wie bes unterliegenben, in bem richtigen Lichte erfcheinen. Und
dann wirb fi), fo glauben wir, zeigen, baß auch Hier wie fo oft das Un-
*) Beiträge zur Geſchichte Danzigd and defien Umgebungen . . . von Dr.
G. — Sit. 8, p. 77 fi.
von Dr. Hand Prup. 803
richtige allein in einer einfeitigen, von einem: extremen Gtanbpımit aus⸗
gehenden Auffaffung feinen Grund hat und daß bie Wahrheit, die beiben
Parteien Gerechtigkeit wiverfahren Täßt, in der Mitte liegt. Im biefem
Sinne ſoll in dem Folgenden bie Kataſtrophe Conrad Letzlau's auf Grund
des uns Ueberlieferten einer kritifchen Prüfung unterzogen, zugleich aber
and) der Verſuch gemacht werben, von ber allgemeinen Lage beider Bar
teien, in welcher ihre Haudlungsweiſe zunächft ihrem Grund hatte, ein Bilb
zu entwerfen, welches Licht und Schatten gerecht vertheilt und feine Be
urtheilung nicht bloß anf den ſchließlichen Erfolg, fondern aud auf das
Gewollte und Erſtrebte, bie Rechtmäßigkeit oder Verwerflichkeit deſſelben
grünbet.
Die Zeit der höchſten Blüthe des deutſchen Drbens im preußiſchen
Lande war längft dahin, und von bem Glanze, der biefelbe nnter Winrich
don Kuiprode nach innen und außen umſtrahlt hatte, waren nur noch
wenige bürftige Reſte übrig geblieben. Die Eintracht zwiſchen Herrſchenden
und Beherrfchten war dahin, und zu den ſchweren Eonflikten, bie fih im
Iunern vorbereiteten, lam die dringende Gefahr, welche von außer her ben
Beſtand ber Ordensherrſchaft bedrohte, ſeitdem Polen mit Litthauen um.
ter bem erſten Yagellonen vereinigt dem preußiſchen Lande ein übermäch
tiger, höchſt furchtbarer Nachbar geworben war. Die Stellung bes Ordens
zum Polenfönig war bald eine folde, daß es ber ganzen Umſicht und
Gewandtheit des friebfiebenden Hochmeifters Conrad von Yungingen bes
durfte, um einen feindlichen Zuſammenſtoß zu verhindern. Nach feinem
Tode (30. März 1407) brach das Verhängniß ſchnell über das preußiſche
Land herein. Vergebens hatte Conrad noch anf feinem legten Krauken⸗
beit bie @ebietiger bes Orbens dringend gebeten, nach feinem Ende bie
Würde eines Hochmeifters nur ja nicht feinem Bruber Ulrich zu Übertragen,
von deſſen Heftigkeit und ſtürmiſchem, unbebachtem Weſen er für ven Orden
das Schlimmfte fürchten zn müflen glaubte; feine Warnung war unbeach⸗
tet geblieben und am 26. Juni Ulrich von Sungingen zum Meifter des
Deutfchen Ordens erwählt worden. Des Großfürften von Litthauen, Witowd,
uUmtriebe und Imtriguen, der durch ihn mit veranlaßte und heimlich
geförberte Aufſtand ver Gamaiten gegen ven Orden und das Auftreten
des Polenkönigs Wladislaw IL. zu Gunften Litthauene machten endlich
604 Die Kataſtrophe des Danziger Bürgermeifters Conrad Leplau
den Zufammenftoß unvermeidlich; ſchon im Jahre 1409 entlud fid die
gewitterfhwälle Luft, bie fo lange anf Preufen gelaftet Hatte, in Kämpfen
gegen Polen. Zwar kam es bald zu einem Waffenſtillſtand und zu einem
‚Bermittelungsverfuche des Königs Wenzeslaw von Böhmen, welder in
feinem Schiebsfpruche zu Gunften bes Ordens auftrat; doch war ber Kampf
damit nur binausgefchoben, und nachdem auch bes Königs Sigismund
von Ungarn Bemühungen um Aufrechterhaltung bes Friedens geſcheitert
waren, erfolgte im Jahre 1410 ber gewaltige Zufammenftoß. Am 15. Juli
lam es zu ber entiheibenden Schlacht bei Tannenberg: fehon hatte ber
linke Slügel bes Orbensheeres über bie Litthauer unb deren Hilfsvöller unter
Witowd bedeutende Vorteile errungen; ftatt nun aber bem mit bem Polen
König noch Hart ringenben rechten zu Hülfe zu kommen, gab er fich übereifrig
der Verfolgung und dann beutegierig der Plünberung hin. Das entfchieb
das Schiäfal bes Tages: ber anfängliche Sieg verwandelte ſich in eine totale
Niederlage des Orbensheers; 200 Mitglieder des Ordens, darunter Ulrich
von Iungingen und alle höheren Würbenträger, überhaupt 600 Ritter
und im Ganzen nicht weniger als 40000 von dem gemeinen Kriegsvolle
deckten die bintige Wahlſtatt. Der Schlag war für den Drben und feine
Herrſchaft ein vernichtender. Vollſtändige Entmuthigung und ein pantfcher
Schred bemächtigte ſich tes ganzen Landes, welches ber fiegreiche Polens
könig zur Unterwerfung unter feine Herrſchaft anffordern Tieß, indem er
diejer Aufforderung zugleich durch eine grauenhafte Verwüſtung des ganzen
Landes den furchtbarften Nachdruck gab. Mit nnerhörter Barbaret hauſten
bie zügellofen Schaaren der Polen und Litthauer, Tataren und Rufen in dem
unglüdlichen, ihrem Wüthen widerſtandslos preisgegebenen Lande. Kaum
ſchien es noch eines Kampfes zu bebürfen, um bas gefammte Preußenland
der polniſchen Krone dienftbar zu machen. Da wurde ber Komthur von
Schwetz, Heinrich von Plauen, fein Netter vor polniſch⸗litthauiſcher Bar-
barei, Die geringen Streitfräfte, die dem Orben noch geblieben waren,
raffte er zufammen, warf ſich in bie Marienburg, in welche er alle Bor
räthe ans ber ganzen Umgegenb zufammenbringen ließ. Die Stabt wurde
zur Erleichterung ber Vertheibigung niebergebrannt, und ihre Bewohner
verflärkten die Zahl der Beſatzung ber Burg. Auch aus ben vom deinde
noch nicht befegten benachbarten Stäbten entbot man Hüffe: Danzig ſchicte
von Dr. Hand Pruß 606
dem bebrohten Ordenshauſe 400 „Echiffekinder”, d. h. mit Harniſchen
und Etreitägten verfehene Matrojen zur Unterflägung, jo daß damit die
Zahl der Vertheidiger der Marienburg auf ungefähr 4 bie 5000 flieg.
Noch aber ſchien dem Helvenmuthe Heinrichs von Planen auch nicht bie
geringfte Ansficht auf einen glüdlihen Erfolg erſchloſſen zu fein. Lange
fam wälgte fi; das gewaltige polnifch-litthanifche Heer gegen bie.Marten-
burg heran; ſchlimmer aber als die Uebermacht deſſelben und bie beiipiel-
ofen Gräuelthaten, durch die es feinen Weg bezeichnete, war die Ein-
mäthigfeit, mit der faft das ganze Land vom Orden abfiel und des Polen»
tönige Gebot zur Unterwerfung Gehorfam leiftete. Wie aber hätte es an-
ders fein können, ba jelbft viele von ben Mitgliebern bes Orbens, viele
von den Befehlshabern ber Orbensburgen mit bem Beiipiele feiger Flucht
oder friechender Unterwäürfigleit gegen ben glüdfichen Sieger vorangingen?
Die vier Biſchöfe des preußiſchen Landes huldigten dem Polenkönig und
geboten ihren Unterthanen ein Gleiches. Die Stäbte folgten dieſem Bei
fpiele, obenan die beiden wichtigen, Danzig und Elbing: ohne daß ein
Feind vor ihren Mauern erſchienen wäre, fchlofien fie fi ben Polen
an und brachen bie dem Orden gelobte Treue, während Thorn es ſchon
früher, aber nad) der Schlacht bei Tannenberg unmittelbar bebroht, ge
than hatte.
Seit bem Ende des Juli hatte die Belagerung der Marienburg ihren
Anfang genommen. Während der Daner berfelben, fo lange man ben Fall
des Hanfes und damit bie gänzliche Vernichtung ber Ordeneherrſchaft er⸗
warten konnte, entwidelten die offenen und geheimen Geguer bes beutfchen
Ordeus eine raftlofe Tätigkeit, die einen mehr, bie anbern weniger vor⸗
fichtig, fo daß bei dem ſchließlichen Scheitern bes Angriffs und bem. Ahr
wuge bes polniſch- litihauiſchen Heeres bie einen ſich mit bem Drange ber
Moth entſchuldigend ungeftraft unter bie Orbensherrichaft zurückehren konn ⸗
tem, bie andern aber fo entſchieden compromittirt und bem Orden gegen-
über bes Verrathe ſchuldig daſtanden, daß weber fie felbft vollſtändig in
ihr altes Unterthänigfeitsverhäktniß zum Orden zurückkehren mochten, noch
diefer fie anders ala mit dem anßerſten Mißtrauen und bem Vorbehalte
einer Örengen Züctigung und nachträglichen Demäthigung unter feine
Botmäßigkeit aufnehmen konnte, .
606 Die Kataſtrerbe des Danziger Bürgermeifter Conrad Leplau
Unter dieſe Stäbte num gehört in erfler Linie Danzig. Zwar waren
von bort ans, wie ſchon erwähnt, dem Komthur Heinrich von Planen
400 Schiffsfinber zur Vertheivigung ber Marienburg geſchickt worden;
auch wurben die nach Ueberjchreitung ber Rogat in das Stüblauer Werber
einbringenben Littyaner und Tataren durch ein Danziger Schiff und Daw
niger Mannſchaft an der weitern Ansbehnung ihrer Ranbzüge in biefer
Nichtung gehindert; dennoch aber Tann man bie Stellung, welde Damig
in biefer Zeit zum Orben einnahm, nicht anders bezeichuen als eine im
höchften Grabe zweideutige, ja eigentlich offen verrätheriihe. Denn bie
dem Orden geleiftete Hülfe unb bie Vertheibigung bes Stüblauer Werbers,
bie überbies michte war als eine That ver Nothwehr gegen Raub uud
Mord, wurden vollſtändig illuſorijch gemacht und aufgehoben burch das,
was gleichzeitig in Danzig und von Danzigern geſchah und eben nur
Abfhättelung ber Ordensherrſchaft und Unterwerfung unter polniſche Schutz⸗
hoheit bezwecken Tonnte, Wäre das Glüd dem heivenmüthigen Vertheidi⸗
ger der Marienburg nicht hold geweien, ſchon damals Hätte fih dann das
zugetragen, was 44 Jahre fpäter beim Ausbruche bes Gtäbtelrieges ge-
ichah. Die Stadt Danzig fpmpathifirte ganz offen mit ben Polen; nicht
genug, daß Danzig, dem Beiſpiele von Thorn uud Elbing folgend, dem
Bolenkönig, ohne durch Gewalt der Waffen dazu gezwungen zu fein, bie
Huldigung leiftete: die Bürgerfehaft unter Leitung Conrad Letzkan's fland
andy nicht an, bie Looſagung vom ber Ordensherrſchaft und ven Bund mit
den Polen durch fofortige Eröffnung der Beinbfeligleiten gegen ihre ein-
ſtigen Gebieter zu bethätigen. Der Romthur ber Danziger Orbeneburg
wurde zur Räumung berfelben aufgefordert, und als eine Abtheilung pol
uifcher Truppen, ehrenvoll und feftlih empfangen, in ber Stadt erſchien,
drohte Letzlau offen mit Einfchliegung und gemaltfamer Weguafme ver
Burg. Die heftige Feindſchaft, die fi in biefen Maßregeln fand gab,
Hatte ſich ſchon vor ber polniſchen Invafion in vielfachen Streitigkeiten umb
Neibereien bethätigt, ja zeitweife hatte zwiſchen ber Danziger Bürgerfchaft
und ben Beamten bes Orbens in ‚ber Stadt unb ber Umgegenb ein Zu-
Raub offener Fehde geherrſcht.) Welche Motive biefem Widerwillen
9) I Bolst, Geſch. d. Pr. Did. VO, 6.10.
von Dr. Hand Brus- " 697
Danzigs gegen die Orbensperrfchaft zu Grunbe Tagen, lam nicht weiter
zweifelhaft fein, Bei dem Reichthum nnd ber großen commerciellen Be⸗
deutung, welche Danzig bereits erlangt hatte, war auch das Gelbfigefühl
der Bürgerfchaft und ihr Streben nad) Selbſtändigkeit bio zu einem ho⸗
hen Grabe entwidelt; die Danziger, zum Bewußtſein ihrer Kraft und Ber
deutung gelangt, mußten ſich ber Bevormundung durch beu Orden doppelt
ungern und widerwillig fügen, ba fi) im Orden ſelbſt eine Zerfegung zu
vollziehen anfing, ba bie alte Zucht und Sitte Längft von ihm gewichen
amd das gute Regiment, wie es das erſte Jahrhundert nach Vollendung
der Unterwerfung geführt worben war, in vielen Stüden gerabezu zu einer
hart bebrüdenben Gewaltherrfchaft geworben war. So Tonnte es bean
nicht fehlen an fortwährenden Gonflikten zwiſchen dem kühn auffirebenden
Selbftgefühl der Danziger Bürger wie ber ber preußiſchen Städte übers
haupt nnd den Gemwalthabern des Ordens, der fehr wohl bemerkte, daß
feine Herrſchaft zu wanken begann, aber eben deshalb mit doppelter Rüde
ſichtsloſigkeit feine Unterthanen iu ihrer alten Stellung zu erhalten bemuht
war. Wie die Dinge im Preußenlande bamals lagen, kanun man bem
Orden aus dieſem Streben ſchließlich ebenfo wenig einen Vorwurf machen
wie den Danzigern aus ihrem Wunſche fich zu befreien: bevartige Kämpfe
liegen eben als notwendig zu paffirende Stationen auf bem hiſtoriſchen
Entwidelnugsgange aller ähnlicher Staateweſen. Anders möchte man ſchon
den Auſchluß des vom Orben abfallenden Danzig an das polniſche Reich
anffafien und beurtheilens Danzig war, wenn auch als Pflanzftätte hin
ausgeſchoben in bie Mitte flanifcher Stämme, doch immerhin eine deutſche
Stadt, ihre politiſchen und juriſtiſchen Inftitutionen waren deutſchen Ur⸗
fprungs und bie Vertretung und. Geltendmachung bes dentſchen Weſens
in den Veichfellänbern war bie große Aufgabe, bie ber Stadt Danzig von
der Geſchichte geftellt war. Im dem 1410 verfuchten Auſchluß an Polen
lag: m Abfall von Deutſchland und feinem nationalen Berbanbe, bem
Danzig bei aller ränmlichen Trennung doch unldobar angehörte. Und
auch als Danzig mehrere. Jahrzehnte fpäter, als ber vollends herunterge -
Inmasmane beutfche Orden feine einſt übernommene nub fange Zeit zeit
glauerdſiem Erfolge gelöfte Aufgabe, nämlich ein Borkämpfer der beutfhen
Caliun ami deu Slaven zu fein, nicht mehr zu erfällen Im Staude mer,
608% Die Kataftrophe des Danziger Bürgermeifters Conrad Leplau
fi) von ihr losriß und unter polnifchen Schutz fiellte, hat es feine Tren ⸗
nung von Deutſchland ſchwer gebüßt, und mühenoller Kämpfe hat es ber
durft, um die num erſt recht lieb geiworbene deutſche Nationalität gegen
bie Berpolonifirung zu fügen und fie überhaupt zu bewahren,
Gerade nach der Tannenberger Schlacht aber, wo bie Polen im Bunde
mit völlig barbarifchen Horben in Preußen einbrangen und in dem nm
glüdlichen Sande nicht bloß als Feinde des Ordens, fondern als Feinde
aller und jeber Gefittung und Cultur hauſten, muß der Abfall Danzigs und
fo vieler anderer Städte doppelt verwerflich erſcheinen, weil er einen Abs
fall von der deutſchen Cultur enthielt, die fo mühfem und unter fo heißen
Kämpfen erft in jenen Gebieten gepflanzt worben war. Daf in jeuem
Augenblide dergleichen geſchehen konnte, beweift eben nur, wie tief ſchon
bie Muft war, bie Herrſchende und Beherrſchte trennte, und wie bie Leir
denfchaftlichkeit des in ben bebrüdten Unterthanen glühenden Haſſes wicht
bloß die fonft fo mächtige Stimme des Nationalitätsgefühls volftändig ers
ſtidt, fondern andy den Mahnruf politiſcher Klugheit und Berechnung zum
Schweigen gebracht hatte.
Die Belagerung der Marieuburg zog fich unerwarteter Weife in die
Länge, wenn bie Polen auch den Gedanken an ein gänzliches Misglüden
derfelben noch nicht auflommen ließen. Deſto eifriger wurben in biefer
Zeit die Verhandlungen betrieben, welche bie Unterordnung Preußens unter
polniſche Hoheit zum Zwecke Hatten. Den Vermittler dabei machte Biſchof
Iohammes von Enjavien: nachdem er erft beim Ausbruche bes Kampfes
dem Orben feierlich Treue gelobt Hatte, machte er bem Polenkönig Mit ⸗
theilangen über ben Stanb ter Dinge in bem belagerten Haupthaufe, ges
wäßrte ben nom polniſchen Heere aus das Land durchziehenden Räuber
und Mörberbanden auf feinem Schloß zu Sublau gaftliche Aufnahme and
bot amd) bereitwillig bie Hand das blühende Danzig in eine polnifde
Stadt zu verwandeln. Im feinem Geleite kam fogar der Danziger Bür-
germeifter Conrad Leplan bei Nacht in das polnifche Lager vor Ma
rienburg und unterhanbelte mit dem Könige in einer perfönfichen Zufam-
mentunft über ben Abfall Danzige vom ‚Orden, Glänzender Gewinn und
bedentende Vortheile wurden vom Könige ber Stadt für ihren Webertritt
geoi in Ausſicht gefiel, und ſchon damals mag man the eine ähnliche
von Dr. Hans Prup. 609
Stellung zur polnifchen Krone angeboten haben, wie fie dieſelbe 1454 er-
langte: benn ſchon unmittelbar nach der Schlacht bei Tannenberg, als er
bie Stäbte des Culmer Landes zur Unterwerfung aufforberte, hatte Wla⸗
dislaw IL denſelben die Aufrechterhaltung, ja bie Vermehrung ihrer Rechte
und Freiheiten in Ansficht geftellt,
Der ganz entfchieben vorbereitete Abfall Danzige von der Orbensherr-
haft wurde verhindert durch den unglädlichen Ausgang, ven bie Belage-
sung Morienburgs für das polniſch⸗litthauiſche Heer nahm: die ſchlechte
Verpflegung und die Hige erzeugten unter ben bicht zufammengebrängten
Belngerern bösartige Krankheiten, tauſende von ihnen erlagen ver Ruhr;
dazu lam, daß König Sigismund von Ungarn dem bebrängten Orben nahe
drüdfiche Unterflägung in Ausſicht flellte.e Um 19. September zog bas
deer ab und trat den Rücweg nad) ber polniſchen Grenze an. Im ben
fret geworbenen Gegenden beugten fi) Burgen und Gtäbte dem imerwar-
teter Weife aus der bringendfien Gefahr befreiten Orben von Neuem, unb
indem fie ihren Abfall als eine Folge bes auf fie geübten gewaltigen
Drudes darzuftellen wußten, erhielten fie Verzeihung für das Gefchehene;
der Orden gewährte biefelbe auch in biefer Form um fo bexeitwilliger,
als er in feiner augenblidlichen Lage ver Beihülfe und thatkräftigen Unter»
ſtützung von dieſer Seite ganz beſonders beburfte. Ganz anders war bie
Stellung bes Ordens zu Danzig. Danzig war zu weit gegangen, als daß
es auf diefem einfachen Wege in die alten Verhältniffe wieber hätte ein
tenten können: auch nach dem Abzuge der Polen ans feinen Mauern und
nach dem Aufbruche des großen Belagerungsheeres von Marienburg kehrte
Danzig nicht unter die Botmäßigkeit des Ordens zurüd, orbnete ſich nicht
durch eine fürmliche Ungültigfeitserflärung in Betreff der dem Polenkönig
geleifteten Huldigung feinem früheren Landesherrn aufs Neue unter, im
Gegentheil ließ es auch jegt nicht ab- von offenen Beweiſen feiner Abneir
gung gegen die Ordensherrſchaft. Daher erhielt die Stadt, als in ihrer
Xrene unzuverläffig, denn auch eine ſtärkere Beſatzung.
Mit der Befreiung des Orbenslandes von der furchtbaren polnifchen
Impafion war aber nur des Heinfte Theil der Arbeit gethan und bie ſchlim⸗
men Folgen des verwüftenden Krieges follten ſich nun erft vecht geltend
machen. Am 9. November 1410 wurbe ber enemnucie· Vertheidiger
auor. Bonatöfgeift Br. 111. Oft.
610 Die Kataſtrophe des Danziger Biirgermeifters Conrad Leplau
der Marienburg, der Retter bes Drbens, zum Hochmeifter gewählt. Ihm
gelang es von Wladislaw II. einen Waffenftilifiand zu erhalten umd am
1. Februar 1411 den Frieden von Thorn zum Abſchluß zu bringen, durch
weldjen der Krieg mit dem König von Polen und feinen Bundesgenofien,
dem Groffürften von Litthauen und den Herzogen von Maſovien uub von
Stolpe beendigt wurde, ohne daß der ſo ſchwer geſchlagene Orden irgend
welche nennenswerthen territorialen Einbußen erlitten Hätte. Ein beſonderer
Bertrag dagegen bezog ſich anf bie Gefangenen, für beren. Befreiung ber
Orden ſich verpflichten muäte, an Bolen 100000 Schod Groſchen zu erlegen.
Die Erſchöpfung des Ordens durch ben verzweifelten Kampf fleigerte
fi noch in Folge der finanziellen Bebrängniffe, in welche er nad dem
Abſchluß des Friedens gerade durch diefen Vertrag Über bie Löſung ber
Befangenen gerieth. Zur Aufbringung bes nöthigen Geldes mußte man
eine allgemeine Landesſteuer, einen „Schoß“ ansfehreiben, zu deſſen Zah⸗
kung Bürger und Bauern, Geiftlihe und Mönche gleichmäßig herangeze ⸗
gen wurden. Der Orben mußte ſchwere Opfer von feinen Unterthanen
fordern, aber fie wurden gebracht, auch von all den Städten, die ſich erft
den Polen unterworfen hatten: auch hier war es das eine Danzig, bas
vie Zahlung des ansgefchriebenen Schoſſes eutſchieden verweigerte. Diefer
neue Etreitpunft kam zu den von früher her zwiſchen ber Stabt und bem
Orden fchwebenben noch Hinzu, er wurde die Urſache eines neuen, mit
der Außerften Erbitterung geführten Heinen Krieges, Ja, bie Danziger
ſchienen es auf einen ‚offenen Kampf ankommen lafien zu wollen: fie be
feſtigten bie Etadt, namentlich nad; der Eeite gegen bie Burg Hin umb
pflanzten auf ben Mauern Gefchüge anf. Erſt das entfchiebene und fehr
firenge Durchgreifen bes Hochmeiſters gebot ben Danzigern auf dem Wege
au offener Rebellion Halts die Eperrung der Weichfel, die Verlegung bes
Stapels nach Elbing und die Verhinderung aller Zufuhr an Lebensmitteln,
jowie bie Eonfiscation alles ftäbtiihen Cigenthums bracyen ihren trogigen
Stun. Aber nur für kurze Zeit wurde das Verhältniß zwiſchen bem Or
ben und ber Stadt ein befieres. Denn einmal fam es zwiichen dem Rathe
und bem Danziger Comthur Heinrich von Plauen dem jüngeren, einem
Sruder des Hochmeiftere, zu einem neuen, exbitterten Gonflifte über bie
tm Hebruar 1411 flattfinbenbe neue Rathewahl, bei welcher ſich das Stre⸗
— — — — — — — —
von Dr. Hans Prup. 611
ben bes mächtigen Stadt nad Befreiung vom Ginflufle bes Ordeus uq⸗
mentlich anf ihre inneren Angelegenheiten aufs Neue geltend machte; dann
aber erneuerten auf einer Zuſammenlunft des Hochmeifters mit den Ber
tretern der Stäbte zu Dfterode die Gefanbten Danzigs ganz entichieden
die Weigerung ben ausgefchriebenen Schoß zu zahlen umb verließen trogig
die Berfammlung. Gin Verfuch des Hochmeifters burch ein zuhiges und
verfähnliches Schreiben ben ſtarren Siun ber Bürgerichait zur Nachgiebig-
teit zu beflimmen, blieb gleichſalls ohne Grfolg, denn ſchon war inzwiſchen
* der Danziger Roh mit feinen Feindſeligleiten weiter gegangen: an ben
Ordensvoigt zu Dirſchau Hatte ver Nash ein offenes Abſageſchreiben ge-
richtet unb ihm borin Fehde angehändigt. Diefe That unmittelbar führte
nun ben blutigen Unsgang des Gtreites herbei, dem andy Conrad Letzlau
zum Opfer fiel. :
Blicken wir, bevor wir zur Unterſuchung des über den Tod Letzkau's
und feiner Gemofien ſelbſt Berichteten übergehen, hier einen Augenhlid
- zmüd, fo fepeint uns zur richtigen Beuztheilung ber ganzen Angelegenheit
namentlich Folgendes wohl feftgehalten werden zu müffen: „Danzig hatte
fi in den Zeiten der höchſten Noth gegen den Orden euſchieden verräthe-
riſch gezeigt; es hatte fein Widerſtreben die Ordensherrſchaft ferner zu ep
tragen deutlich genug bethätigt, indem es ſich nach bem Abzuge ber Polen
nicht wieber unterwarf, ſondern offen auf dem einmal eingeichlagenen
Wege des Abfalls beharrte; es hatte ſich offene Feindſeligkeiten gegen bie
Ordensburg bei der Stadt zu ſchulden kommen lafien, dann feine Theil-
nahme an ben Laften, die doch das ganze Land trafen, entſchieden verwei ⸗
gert und endlich hatte es gegen einen ber Ordensbeamten offene Fehde er-
hoben. Es war aljo feine geringe Schuld, welche Danzig dem Orden
gegenüber auf ſich geladen Hatte: ganz beſonders ſchwer aber traf dieſelbe
den Bürgermeifter Conrad Letzlau und einige mit ihm näher verbundene
Rathsherren. Gerade die legten entſcheidenden Maßregeln ber Feindſelig⸗
keit, den Erlaß des Zehdebriefs gegen den Dirſchauer Voigt, hatten fie
getroffen, ohne daß der ganze Rath barum gewußt. Denn als der Com⸗
thur non Danzig, welchem jener Abſagebrief mitgetheilt worden war, bie
Rathsherren vor fi) auf bie Burg beſchied und ihnen bie Frage vorlegte,
ob der Brief mit ihrem Willen geſchrieben fei, ha waren 28, währgnb alle
39
612 Die Kataftrophe des Danziger Bürgermeifters Conrad Leplau
anberen Nein fagten, vier, die ſich led ala Urheber jenes Schreibens be
Tannten und obenein noch drohende Reben ansftießen, die eigentlich dent
lich daranf Hinmwiefen, daß man bei nächſter Gelegenheit bie Ordensburg
nehmen, bie Befagung unb ben Komthur verjagen werde, „wie Füchſe
aus ihren Löchern.” Auch trugen einige ber erſchienenen Rathsherren nuter
ihren Kleidern verborgen Waffen: eine deshalb angeorbnete Unterſuchung
führte zur Verhaftung ver beiben Bürgermeifter Conrad Leplau und Ur
nold Hecht, und ber NRatheherren Bartholomäus Groß, Letzlau's Schwie ⸗
gerfohn, und Tievemann Huzter. Offenbar waren es auch biefe bin’
gemefen, weldye jenen Fehdebrief an ben Boigt von Dirſchau gefanbt hatten,
ohne daß die übrigen Mitgliever des Rarhes etwas davon gewußt hatten.
Die drei erfien wurben auf ber Burg hingerichtet, Hurter allein kam mit
dem Leben bavon. .
Dos if die Darftellung, wie fie ſich nach ven gleich zeitig en Na
richten vom Tode Letzkau's und feiner Genofien ergiebt, wie fie von dem
Geſchichtſchreiber des deutſchen Ordens, I. Boigt, auch den entftellten und
an inneren Unwahrſcheinlichkeiten aller Art leidenden Berichten von ber
Danziger Seite mit Nachdruck entgegeugehalten worden if. So ergieht
ſich der Sachverhalt ans ber Chronik Lindenblatt's, bes Ueberfegers
der Iateinifch gefchriebenen Chronik bes den in Rebe fiehenben Ereigniſſen
gleichzeitigen Johann von PBufilje, Officials von Riefenburg (1360 bis
1419), aus ben ebenfalls gleichzeitigen „Urtideln wider die Stabt Danzig“
und aus dem uns erhaltenen Schreiben des Hochmeiſters, weldyes ben
Hanfaftäbten über das Verfahren Danzigs eingehende Nachricht giebt.
Halten wir biefer Darftellung nun einmal diejenige entgegen, melde
in fpäterer Zeit von den von übermäßigem Localpatriotismus erfüliten
Danziger Geſchichtſchreibern gegeben wird, fo wirb ein jeber gleich auf
den erften Blick eine ganze Reihe von Punkten in berfelben bezeichnen
tönnen, die ihre Entſtehung entweber einer abfichtlichen Fälſchung oder
Erfindung oder dem allmählichen Anwachfen einer üppig wuchernben Local-
fage verbanfen, Nach diefer Ianpläufigen Erzählung nämlich verhält es
fich mit dem Tode Letzlaus folgendermaßen“) Die Gelonoth, welche dem |
*) Bol. Oralath 1, p. 11 fi
von Dr. Hans Vrut 613
Thorner Frieden von 1411 folgte, veranlaßte den Hochmeifter zu einer
Verringerung bes Munzgehalts: er ließ ſtatt breizeßnläthiger nur drei» und
vierlöthige Pfennige ausprägen. Er bebiente ſich dazu des Benebict Pfennig,
der damals regierenber Bürgermeifter in Danzig war, zugleich bei dem
Komthur in hoher Gunſt ſtand und biefe Stellung benutzte, um benfelben
von ben inneren Angelegenheiten des Rathes verrätherifher Weife zu un
terrichten. Diefer Pfennig, „ein Mann, der nad) feiner boshaften Ge
müthsart zu den größten Verbrechen fähig war, und ber um Gigennuy
and Menſchengunſt bie Pflichten feines Amtes ohne Errdthen verlegte" =),
erhielt das Ansprägen ber verringerten Münze vom Orben in Pacht und
machte dabei natürlich einen recht bedeutenden Gewinn. Als der Unwillen
des Volls wegen ber Munzverſchlechterung aber immer lauter wurbe mb
fh gegen den Nath als den vermeintlichen Urheber berfelben waudte,
wurde Pfennig in der Rathsverſammlung namentlich durch bie Bürger
meifter Letzlau und Hecht hart zur Rebe geftellt; aus Rache ſchwärzte er
nun ben Rath und befonvers Letzlan beim Ordenskomthur an, indem ex
dem Bürgermeifter bie fejmähenbften Worte gegen ben Orben unb ben
Hochmeiſter und den Komthur in den Mund legte, „deren ſich biefer gar
nicht bebient hatte.” Im Folge ber nun bemtlicher zu Tage tretenden
deindſchaft des Komthurs, über deren Veranlaffung kein Zweifel weiter
fein konnte, kam vie Sache im Rathe nochmals zur Sprache; ber ſich
wilden den Rathsherren und Pfennig entfpinnende Wortſtreit wurde end⸗
lich fo Heftig, daß man über ben verhaften Mann herfiel nnd ihn zum
Fenſter hinauswarf. Daß Bfennig Arme und Beine brach, feiner Ehren
und Yemter entfegt, fein Namen aus ben Verzeichniffen ber obrigkeitlichen
Berfonen geflrichen wurde, verfteht ſich von ſelbſt. Diefes getwaltthätige
erfahren gegen den Liebling bes Komthurs führte nun, fo erzählen bie
Danziger Hiftorifer weiter, den Bruch herbei, zumal ba ſich bei ver aufs
dochſte gefpannten Mißſtimmung die Gtreitpuufte- bald noch bebentenber
vermehrten: die Weiternngen über bie Erbanung eines neuen Krahns ver-
geößerten bie Erbitterung, und baß es Letztau gelang, bie feitens bes
Ordens begonnene Aufführung eines Thurms „im Winkel beim Fiſch⸗
*) Bol. Oralath I, p. 120.
614 Die Rataftrophe des Danziger Bürgermeifterd Conrad Lepkau
Hart”) wirtlich zu verhindern, forderte ben Groll des Komthimd noch
mehr heraue. Dagegen feigte Letzkau trog ber vom Komthur ihm bereite
ten Hinderniſſe ven Ban eines befeftigten Thurmes an ber Etabimaner
Bei dem Dominikanerflofter durch, der noch heute fleht und im Munde
des Volls den bezeichnenden Namen des „Kiek in de Köck“ führt. Rod
einmal gelang es dem Hochmeiſtet durch feine perfünliche Bermittelung
eine Ausgleihung herbeizuführen: am Altare der Marienlkirche fand eine
feierliche Ansföhnung zwiſchen dem Rathe nub dem Orbenslomthur ftatt.
Die neuen Geloforderimgen des Ordens aber und ber Gonflift mit vem
Dirfchauer Voigt Tiefen den Frieden jedoch nur von kurzer Daner fein.
Zu dem war die VBerfögnung von Geiten des Komthurs mur eine erhen-
chelte geweſen: „er ergriff bie nächfte Gelegenheit anfs neue die Schwaͤrze
ſeinee Charakters zu zeigen unb übte eine Frevelthat ans, bie im ber
Menſchengeſchichte zu den feltenften Ausbrüchen der abfchenlichften Rachgier
gehöret.” Letzkau war eines Tages mit Arnold Hecht, Tiedemann Huzter
and Bartholomäus Groß bei dem früheren Großfcheffer von Marienburg,
Küdele Palfart, der im Orden felbft feines biedern und ehrlichen Sinues |
Wegen nicht Seltebt war, zu Gaft geladen: dort erhielten fie für ben Balm-
fonntag vom Orbenstomthur eine Einlabung zur Mittagsmahlzeit uach bem
Schloſſe. Nichts Böfes ahnend nahmen fie biefelbe an und gingen zur
beſtimmten Zeit zufammen nach bem Gchloffe. Unterwegs redete fie bes
Komtäurs Hefnarr“ an und meinte lachend, wenn fie wüßten, was für |
eine Mahlzeit ihnen bereitet jei, fic wärben gewiß nicht dahin gehen. Ans |
diefen Worten ſchöpfte Tiedeman Hurter Verdacht und Tehrte unter einem
ſchnell erfonnenen Borwande wieder um. Die anderen brei ſetzten, unge
achtet der auch im Hecht anffteigenben Bedenken ihren Weg ruhig fort.
Auch als das Burgthor Hinter ihnen gefhloffen wurde und ber Hofnen
ausrief: „Diefe bret Wögel find gefangen, ber alte war zu liſtig und in
dem Neg entwiſchet“ — auch ba fchöpften fie noch Leinen Verdacht. Beim
Eintritt in den Saal aber wurden fie vom Komthur und ben Rittern mit
Sqchmahungen empfangen umd mit ben ſchwerſten Anfchnlpigungen beftürmt.
*) Der Komthur foll gefagt haben: „Wohlen, haben fie ven Krahn, fo wollen
wir bauen den Schwan” — danach foll der Thurm der „Schwan“ genannt worden fen. |
Gralath 1, p. 125. "
von Dr. Hund Prus. \ 615
Geplau’s wurdevolle Gegenrebe blieb ohne jeden Erfolg: fein und ſeiner
Genoſſen Schitjal bonnte nicht weiter zweifelhaft fein. Der auf das Schloß
berufene Scharfsichter ven Elbing aber weigerte fi den Blutbeſehl bes
Komthurs auszuführen: währenb er bafür hart miphandelt wurde, wurden
bie brei Gefangenen im. Thurme eingeferkert. „Den übrigen Tag bis in
die Racht hinein brachten der Komthar uud feine Mitgenofien in der üp⸗
pigfien Schwelgerei zu und fuchten fich gleichſam zu ben Mordthaten
Muth einzuſaufen, die fie nun eigenhändig zu verüben entichloffen waren.“ 2)
In der folgenden Nacht wurden dann Letzkau, Hecht und Groß in ber dar⸗
barifchften Weiſe niebergemegelt. Den Bürgern gegenüber hielt man bie
Mordthat natürlich geheim, fo daß biefe ber Meinung waren, bie brei
Rathsherren ſeien anf dem Schioffe als Gefangene fefgehaften werben,
während ihre Leichname doch ſchon von ben Mördern unten dem Mifte ver
ſchaxxt worden waren, Ya fo weit ging bie Ruchloſigkeit der Drvensritter
und ihrer Helfershelfer, daß fie das Eſſen und ven Wein, welde bie
Gattin. des Nathöheren Groß demfelben auf bie Burg ſchicken ließ, annah⸗
men, im Namen bes Arreſtanten dafür bankten und einige befondere Lecke⸗
teten beflelkten. .
Soweit der Bericht der Danziger Geſchichtſchreiber, ben wir, ehe wie
zu einer Betrachtung bes ferner Erzählten gehen, einer genaueren Prüfung
unterwerfen mäljen. xaum ift es nöthig noch ansbrädlich auf bie angen-
fälligen groben Unwahrſcheinlichkeiten hinzuweiſen, von benen biefe Dar
ſtellung wimmelt. Gleich das it wohl zu beachten, daß bie verrätheri
ſche Verbindung Danzigs mit dem Polenkönig, bie demſelben bereitwillig
geleifiete Huldigung und die hervorragende Betheiligung gerabe Letlau's
dabei ganz mit Stillſchweigen übergangen wird, fo daß bemmad bie
Strenge des Ordenskomthurs als eine ganz ungerechtfertigte unb völlig
grundloſe erfcheinen muß. Statt beflen werden Geſchichten erfunben,
welche don vornherein alle Schuld und Schänblichleit anf den Orben, na⸗
mentlih auf den Danziger Komthur Häufen. Dahin gehört zuerft Die
Geſchichte vom dem Benedict Pfennig, — einer Perfönlichkeit, bie dem
hiftorifchen Gebiete gänzlich fremd if, welche eigentlich ſchon durch ihren
") Gralath I, p. 188.
616 Die Aataſtrophe des Danziger Bürgermeifters Conrad Leplau
Namen und bie Beziehung deſſelben anf die Münzenlamität als eine er⸗
bichtete gefennzeichnet wird. Auch erinnert dad Hinauswerfen aus dem
Feuſter und ver ganze Borgang allzufehr an ähnliche Ereigniſſe einer jehr
viel fpäteren Zeit, welche dann umwillkürlich als Vorwurf zur Ausmalung
des fo und fo viel Jahrhunderte früher Gefchehenen benutzt worden find,
Die wieberholte Weigerung Danzigs ben ansgefchriebenen Schoß zu bezah⸗
Ten wird, wie alles, was gegen die Sache Letzlaus ſprechen lönnte, einfach
verſchwiegen; bafür werben fehr nebenfächliche und im Verhältuig zu bem
damals in Wahrheit obſchwebenden Streite kaum neunenswerthe Berwide
tungen als Urfachen des fo blutig ausgehenden Confliktes geltend gemacht.
Und biefe Urfachen find ſchon deshalb mit großem Mistrauen zu betrachten
und einer höchft argwöhniichen Kritik zu unterziehen, weil fie in fo eigen
thümlicher Weife mit der auf bie Bauwerke ber Stadt bezüglichen Localſage
verflochten find. Wie gegründet biefes Mistrauen ift, beweift gleich ber eine
Umftand, daß die Erbauung bes fogenannten „Kiel in de Kök“, welde
angeblich von Conrad Letzkau gegen ben Willen bes Ordenslomthurs durch⸗
geſetzt fein fol, gar nicht in dieſe Zeit gehört. Der achteclige Thurm, ven
man noch heute am Dominitanerplage fieht und den der Vollemumb nod
heute mit jenem eigenihämlichen Namen belegt, ift jehr viel früher erbast
worben: bereits im Jahre 1884 wurde den Dominilanern, wie eine noch
erhaltene Urkunde beweift, die Erlaubnig zum Bau eines Thurmes gege
ben und im Jahre 1389 wurde biefelbe mit einigen Erweiterungen er-
neuert. Wenn man demnach auch noch immer annehmen könnte, baf der
Thurm im Jahre 1410 erhöht worben jet, fo fällt biefe Angelegenheit
denn doch für die hier in Betracht kommende Stage ganz aus; auch hat
ber Thurm offenbar niemals einen fortificatorifchen Zwed gehabt, es kann
alfo auch in feinem Ban ober feiner Erhöhung keine Feindſeligkeit und
fein Angriff anf die Orbensburg gelegen haben; ber fogenannte „Rief in be
Köt” fcheint eben nur dazu gebient zu haben, den Dominifanern bie Be-
nugung ber unten vorbeifließenden Rabaune zu erleichtern, und erft in fpär
teren Zeiten find feine Räume als Gefängniß verwandt worden.«) So
fepeint denn die Hineinziehung biefes Thurms nnd des fogenannten
*) Bol. Hoburg, Geſchichte der Danziger Befeftigungäfberte.
von Dr. Sans Brus. 17
„Schwaus“ in bie Geſchichte Letzkau's nichts zu fein ale ein Produkt fpä-
ter entftanbener Localfage. Weiterhin wird dann der Weigerung Danzigs
feinen Antheil an ber allgemeinen Zandesftener zu zahlen feine Erwähnung
gethau. Ganz befonders ſchlimm aber fteht e8 dann mit der Erzählung von
der Blutthat ſelbſt: Tennzeichnet fi) der angebliche Warnungsrnf, welder
den vier Rathsherrn zu Theil wird und ben alten Önzter auch zur Umkehr
veranlaft und fo wirklich dem Verderben entgehen läßt, ſchon ohne Weiteres
als eine von den Zuthaten, welche bei all berartigen Begebenheiten freis
gebig als höhere Würze Hinzugefügt werben, fo wird bies vollftänbig zwei⸗
fellos durch den lächerlichen Anachronismus, den ſich der Erfinder, wer es
num auch fein mag, hat zu Schulden kommen laffen, indem er nad) Ana-
logie ber Meinen Fürftenhöfe des 16. und 17. Yahrhunderts den Ordens
tomthur von Danzig einen „Hofnarren“ zum feiner Erluftigung haben läßt!
Diefer eine Umſtand ſchon veruriheilt dieſen Theil der Erzählung als ein⸗
fach erfunden. Auch ſolche Züge wie ber von ber Weigerung bes Elbtuger
Scharfrichters, den ihm gegebenen Blutbefehl zu vollziehen, finb ihrer
ganzen Färbung nach fehr romanhaft und baher zum wenigften verdächtig.
Die detaillirte Schilderung, welche dann von ber Niedermegelung Letzlau's
und feiner Genofjen gegeben wird, bemüht ſich offenbar, das Verfahren
der Nitter in ein möglichft ungünftiges Licht zu fegen und möglichft grauen.
Haft erſcheinen zu laffen, und bann Tann man ihr mit Grund mit ber
ber Frage entgegentreten, woher beun das alles fo genau befannt if, daß
man Reihenfolge, Zahl, Ort der Vermundungen fo ſicher angeben kann,
da doch feine Zeugen bei der That zugegen geweſen, wenigftens nicht folche,
welche hierüber ein fo eingehenves Zeugmiß abgelegt haben würden? Kurz,
alles weift unwiderleglich darauf Hin, daß wir es hier mit einem Gewebe
der mannigfachften und zu ben verfchiebenften Zeiten entftandenen Sagen
zu thun haben, welche ſelbſt ven noch vorhandenen hiſtoriſchen Kern nur
noch in fehr ungenauen und unbeflimmten Umriſſen erfennen laſſen. Es
iſt intereffant zu fehen, wie fi erft allmählich die zu verſchiedenen Zeiten
and aus verfchiebenen Anläffen entftandenen Einzelzüge zu einem einheit-
lichen Bilde zufammengefunden haben und wie in früheren Verſtonen noch
ſehr wichtige fpätere Zuthaten gänzlich fehlen, wie in ihnen bagegen andere
Punkte befonders hervorgehoben und mit offenbarer Vorliebe behandelt
618 Die ataſtrophe des Dartpiger Bargermeiſters Conrad Leplan
werben, welche man ſpäterhin entweder ganz fallen ließ ober doch nur
beilänfig erwähnte, Wie das Ende Conrad Leplau's vom ber patriotiſchen
Sage ansgefhmädt if, fo Hat dieſelbe auch fein früßeres Leben in ein
beutlicheres Licht zu ſetzen gefucht und zwar fo, bag anf den Orben und
befien Vertreter gleichzeitig ein möglichft dunfeler Schatten fiel: nicht Heß
ungerecht und tyrannifch mußte ber Orben handeln, fonbern er mußte fih
auch bes fchwärzeften Undanks ſchuldig machen. Go entfland deun eine
Erzählung von alle dem, was Letzlau bem Orden vor jenem legten Gon-
flilte Gutes und Nägliches erwiefen haben follte, und gerabe biefe Geite
iſt es, melde in einer uns erhaltenen, auch fonft charakteriftiichen und
intereflanten Darftellung nom Tode Letzlau's befonbers betont wird, Die
felbe mag daher, zumal ba fie einer, fo viel wir willen, bisher nicht näher
befannt geworbenen und noch ungebrudten Handſchriſt angehört, hier einen
Blog finden.
Unter den Mannferipten der Danziger Stabtbibliothel«) befindet ſich
eins auf Papier mit dem Titel: „Coronica Deutzes ordenns in prew-
szenn angehaben zw schreibenn Im jare 1529**),“ Weber den Schrei⸗
ber des vorliegenden Eremplars giebt am Anfange befielben bie Rotiz
unbe: „Ich Karle Rosennbergk, der geburt aws der Schleszie von
Breszlaw, habe dysse Coronica dewthschens ordenns In preussen mith
meiner eigenen hanndt geschrieben Anno 1542. Mors omnis equat.“
Im Beyng anf Conrad Seplan feiht es in dieſer haudſchriitichen
Ehronif Fol. 8 extr. ſo:⸗⸗e)
„Henrich von Plawen was der xxiiii hoomeyster, vndt also nu
dyeser schade /jol. 8.] im lande gescheen was bey meister Ulrichs
zeithen von den polen, vndt der konyngk von polen was wider aws
dem lande geruckt vnd walde vffs newe mit grosser macht wyder
ins land czyen vndt das gewynnen, hirumme der orden sere betrübet
was vundt suchte hir gutten radt derkeigen. Dysz was im iar 1410.
Vmb sanct Marthen do lys her hynrich von Plawen der hoomeister
®) Mic. LE. q. 109.
“®) Correltur aus 1119.
wer) Die Orthographie iR, abgeiefen von gar zu argen Eonfonantenhäufungen
nech dem Nanuſcr. beibehalten.
von Dr. Hans Vruß 619
vor sich vorbothen eynen burgermeister von Danozick, Conradt Leoz-
kaw genanth. Dysser war eyn herlicher man an der perschonen,
weyse vnd wol redende, vndt hatte von junger jugent bey dem orden
gedienet, dazu was er offte vnd vil mael in des ordens geschefften
bawssen landes gesanth zu vilen tagefarten gewesen, also nemlich
zum alden konynge von Dennemarken vnd zu anderen fursten vndt
herren vndt doruber gefangen vndt gewundt vmb des ordens willen.
Do nu dyser Conradt Letzkaw vor den hocmeister qwam, sprach
der meister: Wir bitten dich, dasz du vnns woldest eyne reyse thun
bawssen landes vndt bryugen vff alle fursten vndt herren, /fol. 9e.]
rytter vndt knechte, so vile du vffbringen mugest, vndt sparen keyn
gelt Conradt Letzkaw sprach wider: Grenediger herre, E. D.
sal nicht bitten, szondern gebieten; aber wy sal ich aws dem
larde kommen, wente polen vnd pommern seynt vns nu geschlossen,
vndt zur see werth kan man och nu nicht sygelen? Der meyster
sprach: Lieber herr burgermeister, thutt wy ir kundt, das ir vns
dyse reyse thut. Item, Conradt Letzkaw fuer keigen Dancæk vnd
ansagte dyser sache seinen tochter man, Barthelmes Grothen, eyn
giyet des radts. Dyser Barthelmes Grothe, der koffte bethlers klei-
der, dy czok an Conradt Letzkaw mit seinen knecht vnd jungen vor
der stadt Danczigk des morgens vor tage vndt namen steebe vfl ire
helsse und bettelthen das broth durch Prewssen vndt durch das stol-
per landt wy beihlers vndt pylgryme. Item, do sy nu qwamen zu
Wolgast, do brochte Conradt Letzkaw vff den herzogk von Wolgast
mit all seyner mannschaft. Er ozogk fort zu herrn Bunow, den
Bischoff zu Camyn, den brachte er vff /fol. 9.] mit vilen mannen,
Weiter ezogk er zu dem herczoge von der Lowenborgk, den fursten
bracht er vff mit all seyner mannschafft. Er zogk fort zu dem her-
zogk von Lunenborck, den brochte er och vff mit aller seyner man-
schafft. Item, alse nu herr Conradt dyse herren vffgebracht hatte
mit grosser mühe vndt arbeith vnd solden zu Thorn ankomen, in
diser selbigen Zeit was der hocmeister zu Thorn in der stadt vndt
lyer das schlosz sturmen, wenthe dy polen hattens yngenomen vndt
der hocmeister mit all seinen gebittigern ryt’h denselbtigen herren
620 Die Kataftrophe des Danziger Bürgermeifters Conrad Leplau
vnd fursten entkegen vndt entpfyngk sy in dem felde. Do dys ge-
scheen was, sprochen dy herren vndt fursten zum bocmeister: Hett
ir vns gesannth 4 deräbesten gebittigers, dy ir’ habet, dy hetten vns
nicht vfigebracht, aber Conradt Letzkaw seyn wir gefolget. Do sprach
der hocmeister zu Conradt: Dys wolle wir umb dich vndt dy deinen
vorschulden.“
Diefes abfichtlihe Hervorheben ver Berbienfle, die fi) Letzlau um
den Orden erworben haben follte, Hat offenbar ven Zweck, das fpäter zu
Beritende in einem bem Orben ganz ungünftigen Lichte erfcheinen zu
laſſen. Denn nad einem kurzen Bericht über ben ferneren Kampf und
über ben Abſchluß des Thorner Friedens Heißt es weiter, Fol. 10%:
„Im iare vnsers herren 1411 vierzehn tage nach trium regum
vndt alse nu dyser fride gemacht wart. beleythe herr Conradt Letz-
kaw dy vorgeschrebenen herren bas kegen Szlochow vndt czog wider
keigen Danczigk.
„Item in dyser zeit was hawscompthvr zu Danzke einer mit na-
men hynrieh von Plawen, der hatte etzliche schedunge vndt zwetracht
mit dem rathe, scheppen vndt gemeyne der rechten stadt Danczke.
Dyse schedunge vndt zwetracht worden von beiden theilen entschei-
den vndt hingeleyt nimmer zu gedenken ane argelist. Kortz hirnach
qwam herr Ludyeke Polsarth, grosschaffer czu Margenborgk, eyn
herre des ordens, in vnser liben frawen kyrche zu Danczke vnder
der hoemessen in den rathstul gehende ezu Conradt Letzkaw /fol.10®.]
vndt Arent Hecht, beide burgermeister, zu ynhe sthende Barthelmes
Grothen, och eyn gelidt des raths, vndt badt sy zu gaste in seyne
herberge zu Niclas Thomas, och eyn gelidt des radts. Vff dy vor-
gedachte voreynunge vorlyssen sich dy Burgermeisters vndt aszen
mit dem grosscheffer, vndt vber demselbige tysche lys sy vorbotten
der comptvr Heinrich von Plawen vor ym vff das schlosz zu kom-
men in guttem vertrawen vndt gelobte in christlich geleyte. Dem
gehorsam nach gyngen sy zum comptvr vff das haws vndt nemen
mit sich 12 erbare gesessene burger aus der gemeyne. Do sy vf
das haws qwomen bey 2 stund nach mittage, do (nam) man Con-
rad Letzkaw, Arent Hecht vndt Bartelmes Grothen vndt legeten sy
von Dr. Hans Prus. 621
gefangen bys zu 8 stunden in dy nacht, do namen sy Conradt Letz-
kaw aus dem thvrme vndt bunden ym dy hende vndt thaten ym
eynen knebel in den mundt vndt stochen ym 10 wunden in seinen
leib, dornooh stochen sy ihm dy keele ab. Darnach thaten sy Arent
Hecht desgleichen 6 wunden in seinen leib, mit der. 72 dy keele ab.
Desgleichen thaten /fol, 11°.] sy Barthelmes Grothe 16 wunden in
seinen leib vndt mit der 17: dy keele ab. Mit sulcher geweldiger,
boszhafftiger vndt schmelicher tadt vnder guttem geloben vndt christ-
lichen fryde bey nachtschlaffender zeit, ihm nicht gegunnt zu beich-
ten, noch testament zu setzen, das ınan doch juden vndt heiden zu
sulcher stunde nicht vorsagen wvrde, so sy es begerthen, sy, dy beide
burgermeisters vndt och Barthelmes Grotben an alle recht so schent-
schemlichen getöth haben. Hir ist. offenbar vndt landt kundigk ge-
worden, wy der getrawe dynst, grosse mühe vndt arbeit, dy herr
Conradt Letzkaw bey dem orden von junger jugent vff gethan, im
gelonet ist worden. Item, do sy gemordt seyn worden, do scharren
sy dy todten leichnam in den myst vndt sandt vndt behilden dy also
bas in den 8*= tag, vndt dy burger in der stadt meynethen, sy saszen
noch gefangen vndt hir was gros murmelen vnder den burgeren, vndt
herren Conradt Letzkaw tochter, Barthelmes Grothen hawsfrawe,
sandte vff das hawss weyn vndt krewde, das nomen die herren zu
sich vndt behildens vndt sprochen, das /fol. 11°.] dy gefangen lebe-
ten vndt sy woldens yn geben, also lockenden sy den mordt. Dornoch
am montage zu ostern, do goben sy dy todten leichnam vom hawse,
do worden sy besehen, wy sy gemordt woren, alse vorgeschriben.
Dy gemeyne hir sere vmme murmelthe, doch so thorste sych ny-
mandt hir keygen strengen. Also nu das gescheen was, so was herrn
Conradt Letzkawen tochter, Barthelmes grothen eliche hawsfrawe,
vaterlos, manlos, witwe vnd weese geworden. An deme Iyssen sich
dy herren nicht genügen, sunder sy tryben sy aus hause vndt hofe,
bynnen 14 tagen, vndt nomen ir all yr gütter, beweglich vndt wnbe-
weglich one alle betedinge des rechten.“
Diefe Berfion, wie fie alfo im 16. Jahrhundert gang und gebe war,
weicht, wie man flieht, von ber fpäterhin üblich gewordenen infofern fehr
622 Die Rataftrophe des Danziger Büsgermeifters Conrad Lezkau
wefentlich ab, ale fie fehr wiel einfacher iſt und ihr gerabe bie abentener-
lichſteu und unwahrfceinlichften Hinzufügungen noch fehlen. Es liefert
biefer Umfland den Beweis, daß bie Erzählung von ber Ermorbung
Conrad Letzlau's wie oft dergleichen Sagen im Laufe der Zeit mehr uud
mehr ansgefhmüdt und mit immer nenen Zuthaten verbrämt worben if;
und da bie Fortbildung und Weiterentwidelung dieſer allmählich ganz zur
Sage gewordenen Erzählung der Stadt Danzig felbft angehörte und fih
in ihr ſelbſt vollzog, fo iſt es nur gauz natürlich, daß alle fpäteren Zu
füge einen entichieden zu Gunften ber Danziger gefärbten Charakter Haben,
alle gleigmäßig beſtrebt find, den Orden in einem möglichft ungünftigen
Lichte ericheinen zu Lafien. Diele von biefen ausſchmückenden Zufägen
find natürlich unwillkürlich und ohne jede Abſicht einer Färbuag zu Gum
fen Danzigs entftanden: fie Haben ihren Uriprung wirklich in der Sagen
bildung; bei anderen bagegen kaun eine abfichtliche Erfindung oder eine
bewußte Falſchung nicht zweifelhaft fein. Zu ben erfleren vechuen wir
alles dasjenige, was mit ben localen Verhältnifien Danzigs in unmittel
barer Beziehung flieht: fo das Hineinziehen des „Riek in de Köl“ und
anberer Danziger Locafitäten; zu ber zweiten Gruppe fpäterer Zuthaten
gehört alles dasjenige, was ſich auf bie Motivirung ber eigentlich politi⸗
ſchen Geite der ganzen Begebenheit bezieht, in erſter Linie alles, was über
die Stellung Danzigs zu bem einbringenben Polenlänig und gleich danach
zu bem Orden eine ber Stabt günftige Exflärung geben kann. Wo bie
Schuld fo ganz allein auf der Seite des Ordens gefucht wird und bie
Stadt Danzig als völlig unſchuldig und nur für ihre Treue mit graufem
Unbanf belohnt erfcheint, da haben wir allen Grund eine meift wohl ab-
fiptliche Veränderung und Umgeftaltung bes eigentlihen Thatbeſtandes
anzunehmen. Wir können dies mit um fo mehr Recht, da bie fpätere
Stellung Danzigs zum polnifchen Reiche ja nur eine Verwirklichung deſſen
wer, was Lepfan unb feine Genofien allem Anfcein nach erſtrebt Hatten.
Die Folge davon mußte ja bie fein, daß man bie Politit Danzige, wie
ſie Conrad Letzlau im Jahre 1411 vertrat, für eine für bie bamalige Zeit
ebenfo angemefiene und richtige Hielt wie man in ber Gegenwart bie erge
Verbindung Danzigs wit Palen als eine Grundlage feiner Criſtenz ammu ·
leben gewohnt war. Per leibenfihoftlisge Hab, welcher mit: bem zur
von Dr, Hans Prug 628
menden Verfall des Ordens nnd ber fleigenben Erbitterung und Oppofition
der Städte zwilchen den einft einträchtig neben einander lebenden Herr-
ſchern und Beherrſchten aufzulodern begann, bie trüben Erinnerungen,
welche fich wie für die meiften Städte, jo auch für Danzig an die legten
Zeiten der Ordensherrſchaft Inüpften, die Bintigen Kämpfe und ſchweren
Opfer, mit denen endlich bie Befreiung davon errungen wurde, — alles
das mufte den Danzigern fpäterer Generationen Gonead Letzlau erſcheinen
laſſen als einen kühnen Borkämpfer, ver fchen far fünfzig Jahre vorher
dasjenige zu erreichen bemüht war, was man fpäter mit fehr viel mehr
Mühe und unter fehr viel größeren Verluſten wirklich erreichte: die fpäter
gluctlich durchgefochtene Befreiung von ber Ordensherrſchaft ließ auch ſchon
Letzlau als einen Helden und als einen Märtyrer der Freiheit erſcheinen.
Es ift das ganz natürlich und enthält durchaus leinen Vorwurf: ahuliche
Borgänge, ähnliche Umbildungen fräherer, aus ihrem ganzen Zuſammen ⸗
hange von einem ganz anberen Geſichtspunkte aus gu beurtheilenber Er ⸗
eigniffe ließen fich in ziemlicher Anzahl aufführen. Umbelannt ober doch
nur mangelhaft befannt mit ben Verhältuifien, unter benem ein berartiges
früheres Ereigniß ſich zugetragen hat, pflegt eine fpätere Generation es
von bem Geſichtspunkte aus zu beuxtheilen, welcher ſich für fie aus ihren
eigenen Berhältnifien ergiebt: Haß und Xiehe ber Gegenwart werben auf
bie Vergangenheit übertragen, und wenn fo einmal bie Stellung bes in
Rede ſtehenden Exeigniffes ganz verrückt worben ift, bann fegen ſich auch
an jede Seite befjelben fpäter entftandene Ausichmädungen und Zuthaten
und fagenhafte Elemente aller Art an, jo baß ber hiſtoriſche Kern bes
Ganzen bald fo total umſchlungen und überwuchert iſt, daß man ihn kaum
nach zu erlennen, jedenfalls aber wicht an der Stelle in das hiſtoriſche Ger
füge ver Vergangenheit einzufegen vermag, wohin er gehört. So liegen
die Dinge auch in Betreff ver Iandesüblichen Erzählung vom Tode Eon-
rad Letzlan's: daß dieſelbe und die in ihr herrſchende Auffafjung ber gan-
sem Begebenheit keineswegs zu allen Zeiten bie übliche geweſen ift, daß
auch ber wirkliche Sachverhalt nicht ganz im Bergeſſenheit geraten unb
wenigftens hier und ba noch die and den Zeitverhältnifien ſich als richtig
ergebende Beurtheilung gefunden Hat, ift an fich nicht weiter zweifelhaft,
mag aber bier worh belegt werben durch eine kurze and ſehr ſcharfe Aeuße ⸗
624 Die Kataſtrophe des Danziger Bürgermeifters Conrad Leplau
rung, wie fie ſich in der „Ordenschronik“ findet und wie fie 9. Boigts)
mittheilt. Da heißt es:
„Er hatte 7 oder 8 burger czu Danczke des rates lassen fangen
vnd vff das schlosz Dantzck bringen vnd yre heupter lassen abslahen,
schickte sy wyder in dy stad vnbegraben, dasz sy da begraben wur-
den vnd aus vrsachen, so er sy überbracht, dasz sy verreter, velt-
fiüchtigk vnd meineidygk yrem heren aus dem velde geflogen waren,
machten auch andere flüchtigk vnd überlieferten etzliche stedt wnd
slosser yn der heyden hende. —“
In den kurzen Worten dieſes Berichtes liegt eine Meine Uebertreibung
nach der anderen Seite hin, dennoch giebt er die thatjächlichen Verhält-
aiffe ihren Grunbzügen nach richtiger wieder, als die Berfion, welche alles
zu Gunften der Danziger zu wenden bemüht ifl. Denn biefe ſucht nicht
bloß jede Schuld von den Danzigern zu entfernen, fonbern fie fügt noch
eine Menge einzelner Züge Hinzu, welche ſich dadurch, daß fie mit ber
ganzen Zeit, in bie fie verfegt werben, im größten Wiberfpruch ſtehn und
gar nicht in biefelbe paſſen, auf ven erflen Blick als fpätere Zuthaten
tennzeichnen. Manche von benfelben find gewiß, wie es mit bergleichen |
zu gefchehen pflegt, aus dem Volle ſelbſt erwachſen und verbanlen ihren |
Urfprung ber ſtets regen und wirffamen Gagenbildung: fie alle zu einem
Bilde vereinigt und ihnen unter Hinzufügung eigener Zuthaten und felbft-
erfundener Ansihmädungen Weg in bie Hiftorifhe Literatur und bamit
anch noch in die nemeften Darftellungen ber Danziger Geichichte gebahnt
zu Haben, ift augenfcheinfich das höchſt zweifelhafte Verdieuſt zweier dem |
16. Yahrhundert angehörigen Geſchichtſchreiber oder befier Gompilatoren. |
Der eine it Simon Grunau von Tullemit (am friſchen Haff), weicher
als Prebigermönd in dem polnifen Theile von Preußen zu Anfang bes
16. Yahrhunderts lebte und den Hanpttheil feiner prenßifchen Gefchichte
um das Jahr 1521 vollendete. Von dem fchriftfielleriihen Ruhme, ven
ihm feine Verehrer vindicirt haben, bleibt angefichts einer firengen Kritites) |
nichts übrig; fie ergiebt vielmehr, daß Grunau, ein ſchlichter Mann und
9 Bv. I, p. 148. Anm. 1 gegen Ende.
) Bol. Toppen, Geld. der preuß, Hiforiographie p. 122 fi.
von Dr. Hans Prup. 826
ohne jede befonbere Bilbung, dennoch erfüllt geweſen ift von einem ganz
außerorbentlichen fchriftftellerifchen Hochmuth, und in dem Beftreben mehr
zu willen als alle anderen nicht bloß zum Schwäger, fondern auch zum
Erfinder umb Lügner geworben ifl, dem es auf eine willkürliche Verdre⸗
hung ber Thatfachen, Entftellung und Färbung derſelben durch Weglaffun⸗
gen und Hinzufügungen ebenfowenig angelommen iſt, wie er fih aus
offenbarer Erfindung und Falſchung von Namen jemals ein Gewiſſen ge
macht Hat. If fein Bericht daher an ſich ſchon mit großem Mißtrauen
zu behandeln, fo wird feine immer geringe Glaubwürbigfeit vollends zu
nichte werben, wo es fi) um fo controverfe Punkte handelt, wie ver uns
hier befcäftigende einer ift, und gerade Hier wird neben allem anbern
auch der Umftand wohl in Betracht zu ziehen fein, daß Grunan fein
Machwerk „dem Könige zu Polen und natürlichen Erbherrn zu Preußen“
widmet. Schon biefe Widmung mußte ihn Hindern, den Anflug Dan-
zigs an Polen und feinen Abfall vom Orben fo anzufehen, wie es jedes
Unparteiifche thun wird. So vereinigt denn Grunau in feinem Bericht
vom Ende Letzlan's in ber allerwilffürlichften und nnorganifchften Weiſe
die Erzählung, welche Lindenblatt auf Grund der Ehronif des Johannes
von Bnfilje giebt, und die, wie wir oben gefehn, ben Sachverhalt im We⸗
fentlichen richtig auffaßt und wiedergiebt, mit ber gerabe vom entgegenger
festen Stanbpnnft aus gefärbten Danziger Localfage, und da biefe beiden
. Beftanbtheile natürlich nicht fo ohne Weiteres zufammenpaffen, fo erfindet
ex, um fie wenigſtens einigermaßen mit einander in Verbindung zu fegen,
die Figur des „regierenden Bürgermeiſters“ und Salichmünzers Pfennig.
Wie fo viele Ungeheuerlichkeiten, fo ift auch biefes Monſtrum von angeb-
lichem hiſtoriſchem Faltum aus ver Chronik Grunan’s in bie fpäteren
Ehronifen und in die Darſtellungen namentlich ber Danziger Geſchichte
übergegangen. Eine fo von Unwahrheit und Erfindung aller Art durch⸗
drungene Erzählung giebt nun aber einen trefflichen Anhaltspunkt zu wei-
teren Erfindungen unb nenen Unwahrheiten. So iſt es auch hier gefchehns
Caſpar Schäg, welder 15651594 Stabtfecretär zu Danzig war und
eine Überans unkeitifche (namentlich in den früheren Perioden von Fehlern
wimmelnde) „Historia rerum prussicarum“ oder „Wahrhafte Befdgreibung
ber Bande Prenfen“ verfaßt Hat, giebt nicht nur ben feiner Eriteens nach
Wr, Monstsfgeift Dh. TIT HM. 5.
626 Die Rataftrophe des Danziger Bürgentteifters Conrad Qeptau
bereits hinreichend gefenuzeichneten Bericht Grunau's wieder, fonbern er
überbietet Grunau eigentlich noch am hiſtoriſchem Nonfens, indem er durch
Pingufügung des „Hofnarren” bes Danziger Ordenskomthurs ber ihm fo
noch nicht pilant genug feheinenden Erzählung einen neuen Schmnd zu
geben weiß!
Das tft die Geueſis des Berichtes, wie er in alten umb neueren Ge:
[dichten Danzige vom Tode Conrad Letzlan's gegeben wird. Was man
von ihm zu halten hat, kann danach nicht weiter zweifelhaft fein. Sollte
aber dennoch jemand bie völlige Unſchuld Letzlau's und feiner Genofien
behaupten und geltend machen wollen, daß in dem Verhältniſſe Danzigs
man Orden im Sabre 1411 gar feine nennenswerthe Störung flattgefuns
deu umb Danzig feinem Landesheren gegenüber keineswegs eine befonbere
Schald auf ſich geladen, alfo auch keine befondere Strafe verbient Habe:
der werfe boch einen Blik auf das, was nach bem Tode Letzkau's zwifchen
dem Orben und ben Danzigern ferner verhandelt und geſchehen ift, Hätte
der Drben eben nur einen Mord begangen, indem er bie brei Rathsherren
hinrichten lieh, und wäre Letzkau und mit ihm bie Stabt Danzig wicht
wirklich eines ſchweren Vergehens ſchuldig gewefen, fo hätten die Dinge
nach jenem. bintigen Balmfountage unmöglich fo verlaufen Können, wie fie
thatfächlich verlaufen find.
Auf die Nachricht von ber Hinrichtung Letzkau's, Groth's und Hechfs
ſchickten die Danziger eiligft eine Geſandtſchaft an den in Königsberg ver
weilenden Hochmeiſter. Die einzige Antwort aber, welche dieſer auf ihre
Vorſtellungen und Beſchwerden Hatte, war der Befehl die Geſandten ein-
zulerlern. Dies Verfahren des Hochmeifters überzengte bie Danziger
Bürgerkhaft, daß derſelbe entichloffen fei, ohne Ruchicht und mit ber aller⸗
größten Entſchiedenheit durchzugreifen: die Folge biefer Erkenntniß war,
daß bie Danziger plöglich einlenften und fidh dem Drben aufs Nene une
terwarfen. Auf dem bald danach gehaltenen allgemeinen Lanbtage ſchien
Danzig für feine Treuloſigkeit noch eine befonbers ſchwere Strafe treffen
zu folen: bie bort verſammelten Vertreter ber Stäbte und des Abels leg-
ten aber bei bem firengen Hochmeifter Färbitte ein, und Danzig wurde
begnadigt. Ganz firaflos ging die Stabt dennoch nicht aus: denn einmal
mußte fle von bem durch das ganze Land ausgeſchriebenen Schoß nicht
von Dr. Hans Pruß. 627
weniger als 14,000 Schock Groſchen zahlen, und baun wurde der an bem
Abfallverfuch wohl durchweg mehr oder weniger mitſchuldige Rath ent⸗
feßt und eim neuer Rath gebildet, deſſen Mitglieder ver Hochmeiſter ſelbſt
ernannte; andy einen neuen Bürgermeifter ernannte ber Hochmeifter, indem
zugleich für die Zufunft die Beftimmung getroffen wurbe, daß kein Bür-
germeifter ohne Zuftimmung des Ordens gewählt werben follte,
Das find Vorgänge, welche über die Rechtsfrage, die dem ganzen
Conflilte zu Grunde lag, faum noch einen Zweifel übrig laflen. Kommen
wir daher zum Schluß, fo ſcheint une nach allem Gefagten zweierlei feh-
zuſtehen: einmal nämlich ift bie laudesübliche Erzählung von dem Tode
Conrad Letzkan's und feiner Genoſſen voll von Unrichtigleiten und fpäteren
Zufägen, ſowohl unwillkürlich im Anſchluß an einzelne erhaltene Denkmäler
jener Zeit entſtandenen Localfagen, als auch abſichtlichen, bewußten und
tembenziöfen Erfindungen; biefelben haben bann ferner ihren Grund in
einer, bei ben einen abſichtlichen, bei den andern ebeg nur nachgeahmten
unb mitäbernommenen Verbrehung des Rechtsſtandpunktes, indem bie einen
abfichtfich jede Schuld der Danziger und ihres Bürgermeifters ignorirten,
die anderen buch ein übertrieben lebhaftes patriotifches Gefühl und durch
eine unwillfürliche Webertragung ber Verhältniſſe und ber Parteiftelung
ihrer Zeit auf bie Vergangenheit zu bemfelben Fehler verleitet worben
find. Müſſen wir demnach den Bericht, wie er von ber Lataſtrophe Con⸗
rad Leplan’s gewöhnlich gegeben zu werben pflegt, als unrichtig verwerfen
und aus den fünftigen Darſtellungen ver Danziger Geſchichte ſtreichen, fo
wollen wir damit body nicht bie Bedeutung bes Mannes vernichten, der
noch heute in der Erinnerung ber Danziger, foweit fie von ber glänzenben
Hiftorifchen Vergangenheit ihrer Stadt ein beutlicheres Bild haben, eine fo
Herorragenbe Stelle einnimmt und von ihnen mit einem gewiſſen Stolze
unter ber Zahl ihrer Helden namhaft gemacht wird. Gänzliche Schuld⸗
Lofigteit uud vollftänbig grundloſes Märttrertfum find boch wahrlich nicht
die Kennzeichen ber hiſtoriſchen Größe eines Mannes. Diefe wirb immer
nur von bem erworben, ber wagt; wer aber wagt, gewinnt leineswegs
immer, am wenigften, wenn er feiner Zeit voranseilend non ihr ein Re⸗
fnltat erlämpfen wi, für das fie noch nicht reif iR, wenn ex bie einft zu
Töfempe Aufgabe und das einft zw erzeihenae Ziel richtig erkeunt, bie Ber
40°
698 Die Rataftrophe des Danziger Birgermeifterd Conrad Leplau
haltniſſe feiner Zeit aber fo fehr verfennt, daß er im ihnen ſchon bie Ber
dingungen gegeben glaubt, welche zur Löſung jener Aufgabe und zur Cr⸗
veichung jenes Ziels unerläßlich nothwendig find. Zu ben Männern dieſer
Urt gehört Conrad Letzlan und baher ift fein Schiäfal auch dasjenige ge
weien, was folche zu treffen pflegt, und es iſt das immer ein im eigen
lichen Sinne des Wortes tragiſches.
Die Herrichaft des deutſchen Orbens konnte nach der Entſittlichung
unb bem tiefen Verfall, ver über die einft fo blühende und mächtige Ger
meinfchaft hereingebrochen war, nicht all zu lange mehr beftehn; fo lange
fie beftand, Hatten die unter ihrem Schuge zu ſtolzer Selbſtändigkeit er-
wachfenen Gemeinwefen, bie durch ihren Handel und ben hoffnungsvollen
Freipeitsfiun ihrer Bürgerſchaft zu einer glänzenden Zukunft berufenen
Städte nur Beeinträchtigung unb Hinderung, Kampf gegen ben Unter
drüder und vielleicht eine noch lange Kuechtfchaft zu erwarten; fräher ober
fpäter mußte daher ber Zufammenftoß erfolgen, welcher zu ihrer Rosreißung
von ber Orbensherrichaft führte. Diefes Hatte Eonrad Lepfau richtig er
tannt, das geht ans feinen Veftrebungen zur Genüge hervor, fo dürftig
auch fonft unfere Kenntniſſe über feine Perfon und feinen Gharakter fein
mögen. Darin und in feinem Verſuch das als notwendig Erkannte num
anch zu verwirklichen, Ktegt fein Verdienſt. Geine Schuld und bie Urſache
ſeinee Unterganges liegen in ber rt, in ber er ben Verſuch einer ſolchen
Verwirklichung machte, und in bem Verkennen bes bazu geeigneten Zeit
punkte, fie liegen darin, daß er für bie Freiheit Danzigs kampfend zum
Verräther an dem deutſchen Weſen und ber deutſchen Cultur wurde, auf
denen Danzigs eigene Bebentung beruhte unb bie zu bewahren und aufs
recht zu erhalten damals wie fpäter bie Hauptfächlichfte Aufgabe Danzigs
geweſen if. Die Art nämlich, in der Letzlau fein Ziel zu erreichen und
Danzig von ber Ordensherrſchaft zu befreien fuchte, war verwerflich, weil
er ftatt eines offenen, des nad) Freiheit ringenben allein wärbigen freien
Auftretens feine Zuflucht nahm zu Bweibentigkeit, Züge und Werrätferei.
Der Augenblid, in dem er bie Verwirklichung feiner Pläne verfuchte, war
ein ungeeigneter, weil bie Stellung Danzigs zum Orben bamals noch feine
ſolche war, daß nur biefer eine Schritt die Zukunft Danzigs retten Tomte.
Zum Berrätger am Deutſchthum wurde Letzkan deshalb, weil die Macht,
von Dr. Hans Brug. 629
unter deren Echug er Danzig nach dem Abfalle vom Orden ftellen wollte,
gerade damals nicht bloß ben Beſtand der Orbensherrichaft, fondern auch
ben ber einft fo mühfam gepflanzten deutfchen Cultur im Preußenlande
im Frage ftellte, ja durch ihr Hereinbrechen im Bunde mit ben barbarifchen
Horben ber Lithauer, Tataren und Ruſſen und durch das grauenhafte
Wüthen derſelben aller Civilifation Hohn ſprach und dem Untergang drohte,
Auf fi und die von ihm geleitete Stadt hat Eonrab Letzlau eine Schuld
geladen, indem er trog allebem in jener Zeit gerade an die Gewinnung
der Selbftändigkeit für Danzig Hand anlegte; er Hat fie gebüßt und ge
fühnt, indem er unter bem Schwerte ber von ihm verrathenen Drbene-
ritter endete, Danzig, indem es fi) dem Joche aufs Nene hat beugen
unb baffelbe noch Jahre lang in feiner noch vermehrten Schwere hat
tragen müſſen.
In diefem Sinne möchten wir das Schichſal Conrad Letzlau's ein
tragiſches nennen, in dieſem Lönnen bie Danziger ihn mit Recht ven Hel-
den ihrer ftäbtifchen Geſchichte beizählen. Wäre er ganz ſchuld- und
thatenlos don ben Orbensrittern Hingefchlachtet worben, fo läge barin
eine furchtbare Anklage gegen bie bintigen Mörder, für ben Gemordeten
aber erwüchfe damit noch fein anderer Anſpruch als ber auf Mitleid, ger
wiß nicht der auf Hiftorifchen Nachruhm und auf einen dauernden Ehren-
play in dem Gebächtniß der Danziger fpäterer Generationen. Wenn man
aber in Conrad Letzkau den erfien Vorläufer und Borfämpfer ver fpäter
beginnenden freiheit und ber darauf beruhenden glänzenpften Machtent-
faltung Danzigs fleht, wenn man ſich der Erkenntniß nicht verſchließt, daß
fein Streben als zur unrechten Zeit und mit unrechten Mitteln vorgehend
ſcheitern mußte, dann und in biefem Sinne fann man benfelden mit ben
erften und herborragendften Figuren Danzigs zuzählen, bann erft würbigt
man die ganze Größe und Bedeutung des Mannes, in dem ſich die Be-
firebungen und Kämpfe, die ungelöften Conflikte und Ierthümer feiner
Zeit gleichſam verkörperten, und ver mit vollſtem Rechte als der eigent-
liche Repräfentant Danzigs zu Beginn des 15. Jahrhunderts in aller Ge⸗
bädytniß fortzuleben verbient!
Danzig, Ende Auguſt 1866. - Dr. Gans Yrot.
Bis Iheilung den Biöcefg Ermeland zwifchen dem Betfchen
Orden und dem ermländifchen Bifchofe.
Bon
Dr. M. Zöppen,
Die Erfolge, welche ver deutſche Ritterorven im Kampfe gegen bie
heidniſchen Preußen errang, waren überraſchend ſchnell und glänzend, fo
daß der päpftliche Legat Wilhelm von Mubena ſchon im Jahre 1243 bie
Eintheilung Preußens in vier Bisthümer ausführen konnte.i) Uber eben
diefe Erfolge erregten anf allen Seiten Giferfucht. Benachbarte Fürften,
ſowohl polniſche als ruſſiſche, trugen Verlangen au ben Früchten der Siege
des Ordens Theil zu nehmen, und Albert Sanerbeer, früher Erzbiſchof
von Armagh, weicher durch päpftlihe Unorbnung im Jahre 1246 zum
Etzbiſchof von Preußen und Livfand erhoben und mit ber Legatengewalt für
einen ſehr großen Theil des nörblichen und Bftlichen (namentfich auch ruf-
ſiſchen) Europa bekleidet wurbe,2) glaubte fich bei der anferorbentlichen
Gunft, welche ihm ber Papft bewies, berufen, ven Orden zum überbieten
und zu verbunfeln. Die Umſtände waren ben Entwürfen bes legteren in-
fofern günftig, als die ruſſiſchen Fürſten, namentlich auch Daniel von
Halicz, angefichts der großen Gefahren, welche ihnen von dem vor Kur⸗
zem im fübäftlihen Europa gegründeten mongoliſchen Reiche drohten, ſich
>) Das ungewöhnlich bezeichnete Datum der Theilungsurkunde Cod. dipl. Warm. I
No. 5: XLIII guarto die stantis Julii bezeichnet nach Strehlle 88. rerum Prass. III
p-464 den 28. ober 29. Juli 1248,
2) Bunge Livl. Urdundenbuch I No. 188-191.
Die Theilung der Didcefe Ermeland vom Dr. M. Töppen. 6
den Mächten ber lateiniſchen Kirche näher anzuſchließen, ja wohl ſogar
bereit ſchienen, felbft zur lateiniſchen Kirche überzutreten. Sauerbeer ar⸗
beitele eifrig an der Belehrung derſelben.)
Ohne Zweifel ift es derſelbe Albert Sauerbeer gewefen, welcher
Daniel auf den Gedanken brachte, einen Theil der jabzwingifchen, ja viel-
leicht ber prenfifchen Lande bem Orden vorwegzunehmen und an fidy zu
bringen. Daniel verband fi zu biefem Zwede mit ven Herzogen von
Mafovien, ven alten Feinden ver Prenfen und Yabzwinger, und überzog
die feßteren, einmal ſchon vor dem Tode bes Herzogs Eonrab (} 1247),
einmal bald nad dem Tode feines Sohnes Bolesiam (+ 1248)*) mit
Krieg. Erzbiſchof Albert, welchem es beſouders darauf anfam, dem Orben
in Zeiten einen Damm entgegenzuftellen, benugte biefe Umftänbe, für das
Yabzwingerland (Sudanen) einen eigenen Biſchof Heinrich einzufegen, wäh.
rend er fich doch beharrlich weigerte, für das ermelänbifche Bisthum (deffen
Oſtgrenze noch nicht fefigeftellt war) einen Biſchof zu ernennen (1249)°).
3) Nöpell Geſchichte Polens Bd. 1 6.517. Göge Albert Sauerbeer. Peteröburg
1854. 6.14, 19f.
*) Sijögren über die Wohnfige der Jatwägen. Petersburg 1858, ©. 10, 11.
Val. au Raramfın Geſchichte des ruffifhen Reihe Bd. 4. ©.67.
3) Cod. dipl, Warm. I No. 15, 20, 21. Prof. Benber fpricht in der Grmelän,
diſchen Zeitfhrift Br. 2. & 368, 373 ff. die Anfiht aus, daß das Jadzwinger Land ſich
nordwärt3 au über die untere Memel hinaus in das nadhmalige Samaiten hinein
eftredt habe, und daß der Predigermonch Heinrich gerade für dieſe ndrdlichſten Theile
des Yadzwingerlandes zunächft zum Biſchofe ernannt fei. Der erftere Gap gründet ſich
auf die Worte einer Urkunde Mindowes von 1259: Denowe tota, quam etiam qui
Jetwesen vocant, und auf die Vorausfegung, dab Denowe in dem nadhmaligen Sa-
maiten zu ſuchen fei, da die zu Denowe gehörige terrula Crosinen auf das ſamaitiſche
Aroſchy, und die ebenfall® zu Denowe gehörige villa Gribunthina auf das ebenfalls für
famaitifch erflärte Grzyßlabudzie in dem unteren Knie der Diemel weile, Denome felbft
aber öfter8 mit famaittihen Gebieten zufammen genannt werde. Hiergegen ift zu bemer ⸗
ten, daß die Namen Grofinen und Gribunthina nur auf falfher Leſung beruhen, während
das Original Cresmen und Gubiniten oder Gribiniten nachweiſt (Raczyhski Cod, dipl.
Lith. No. 10 Strehlke SB. rerum Pruss, T. II. p. 138) und daß, wenn Denoive in eis
nigen Urkunden mit famaitiihen Ortſchaften zugleich genannt wird, jene Denowe tota,
quam etiam quidam Jatwesen vocant, in einer Reihe mit Seymeten (Samaiten) und
Schalowen (Schalauen) ftebt. Da nun alle übrigen Quellen (außer der in der bifl.-
compar. Geographie von Preußen ©. 29 ff. genannten noch einige andere z. B. die Zeu⸗
genausſage in den SS. rerum Pruss, T. II p. 709) beweiſen, daß das Jadzwingerland
über die untere Memel norbiwärts nicht hinausgereicht habe, der Name Denowe aber fo
ſehr häufig vorkommt — man erinnere ſich auch des Denowſees bei ber heiligen Linde —
632 Die Tpeilung der Dibceje Cemeland
Das veranlafte böfe Neibungen zwiſchen dem Orden uud bem Erzbiſchofe,
in welchen der Papft ſich enblich des erſteren energifch annahm.‘
Die Unterhandlungen Alberts mit Daniel über deſſen Uebertritt zur
tatholiſchen Kirche zerfchlugen ſich zwar (1249), da der PBapft, der Groß
fürft, ja and; ber Erzbiſchof, jeder feine beſonderen Ziele im Auge Hatte,
aber nach einigen Jahren näherte ſich Daniel dem Papfte abermals,?) und
ſogleich begann er auch wieder den Kampf gegen bie Jadzwinger und ihre
Nachbarn, Er drang im Jahre 1252 über ven Lydfiuß bis am bie Greme
Bartens, 1253 bis Raygrod, 1254 bis in bie Gegenden ber Pregel-
quellen,®) ja vielleicht bis nach Ragnit.) Gleichzeitig fuchten außer dem
Herzog Ziemowit von Maſovien andy bie Herzoge Cafimir von Enjawien
und Boleflaw von Krakau als Heidenbelehrer in den Grenzlanbfchaften
fo ift es nicht rathfam von dem fraglichen Denowe aus auf bie Lage des Jadzwinger.
landes zu fließen, fondern man muß vielmehr von dem befannten Jadzwingerlande ans
auf das bier nemeinte Denowe fließen. Wollte man aber auch einen Augenblid zuges
ben, daß dieſes Land Denowe, q. e. q. Jetwesen v, in dem nachmaligen Samaiten ges
legen habe, fo würde das im Jahre 1249 gegründete Bisth um Jadzwingien keinesweges
verzugsweiſe in diefem Denowe zu fuchen, fondern als das ganze Jadzwingerland um
faflend zu betrachten fein, fojern teine engere Begrenzung ausbrüdlid angegeben wird.
Auf eine folhe engere Begrenzung weilen die Worte der päpftlihen Bulle von 1249
Cod, dipl. Warm. No. 21: predicta terra, prout auctoritate literarum nostrarum ad
diefam archiepiscopum spectabat, teinesweqes, da prout nicht in räumlihem Einne „fo
weit es zum Sprengel des Grzbiihof3 von Preußen und Livland gehört,” wie Bender
6.373 überfegt, fondern „Sofern (dem Umftande gemäß, daß) es zum Sprengel x. gehört”
bedeuten. Einen biitoriihen Anbaltspunkt aber, weshalb im Jahre 1249 gerade hier
ein Biöthum gegründet fein follte, wie wir ihn für das wirkliche Jadzwingerland am
linten Ufer der Memel nachgewieſen haben, giebt es nicht. Vielmehr ift es hödhft ums
wahrſcheinlich, daß der von dem päpftlihen vollmächtigen Legaten in feinem eigenen
Sprengel eingefehte, vom Papfte ausbrüdlich anerfannte Biſchof des Jadzwingerlandes
(nad) Bender 6.374: Sameitene), den wir noch 1262 am Leben finden, ſchon wenige
Jahre nad) feiner Cinfegung, etwa 1253 und 1254, fo vollftändig ignorirt fein joll, daß
man feine Diöcefe ohne Weiteres an einen anderen Biſchof, den Bilhof Epriftian von
Litauen (nad Bender S.375) übertrug — ein erheblicher Einwand, ber gegen die im
Terte gegebene Darftellung nicht erhoben werben kann.
© Urtunde vom 10. Januar 1249 bei Baczlo Preuß. Geſch. Bd.1. 6.259 und
vom 24. Februar 1251 bei Kohebue Preuß. Geih. Bd. 1. S. 420. Uns fcheint, daß auf
dieſe Urkunden durch die obige Darftellung ein neues Licht fält.
7) @öge Albert Sauerbeer ©. 24, 135,
9 Sidaten a. a. D. 6.15, 28, 25. Die topographiſchen Beitimmungen haben
bier freilich ihre Vedenlen.
9) Dusburg Chron, Prass, III, c, 181,
von Dr. M, Zöpyen. 633
Löbau, Saſſen, Galinden und Pollerien ſich auszubreiten;'") und während
ber Papſt anf Grund ber Belehrung Mindowe's durch die Ordensritter
ein neues Bisthum Litanen begründete und einem Priefterbruber des beut-
ſchen Ordens, Chriſtian, überwies, wurbe auch von Polen her durch ben
Ezbiſchof von Gnefen ein Prebigermänd Vitus zum Biſchofe für Litanen
geweiht, 1253.)
Der Orben beeilte fich deswegen, den Beſitz von Groß-Barten und
Galinden, welche wahrfcheinlich 1253 von ihm unterworfen oder doch
durchzogen waren, ſich durch den Papft ausdrücklich zufichern zu laſſen.)
Dem Großfürften Daniel und dem Herzog Ziemowit von Majovien über-
ließ er in bem Bundesvertrage zu Raczaus 1254 ein Drittel bes Jad⸗
wingerlandes,) jedem, wie es fcheint, ein Sechſtel.“) Herzog Eafimir
entfagte feinen Anſprüchen auf Galindien und Pollexien nad) ſchiedsrichter⸗
licher Entſcheidung 1265, '°) und zwei Jahre darauf, am 4. Augnft 1257,
lam es zu Altleßlau zum Abſchluß eines allgemeinen Friedens. Der Her-
zog verfprach, auf feine ber gegenwärtigen Beftgungen bes Ordens, auch
auf kein Land, welches er mit Waffengewalt oder auf irgenb einem ande
sen gerechten Wege gewinnen würde, Anſprüche zu erheben; ins Befon-
dere entfagte er allen Anfprüchen anf das Sand Saſſen.“) Auch Herzog
Ziemowit von Maſovien erkannte in eben jenen allgemeinen Ausbrüden
den gegenwärtigen und zufänftigen Befigftand bes deutſchen Ordens an,
4. Auguft 1257.) Der Bifchof Heinrich von Jadzwingien hatte inzwi⸗
fen wahrſcheinlich Warſawice in dem vom Orden abgeiretenen Pollexien
za feinem Sitze auserſehen; wenigftens giebt es feine wahrſcheinlichere
Erflärung für das im Jahre 1255 als zum Erzbisthum Riga gehörig ger
%) Raynald Hist, ecoles. 1253 No. 25.
A) Boguphal. 66. ®gl. 88. rerum Pruss.T. I p. 758. Wohltrüd Geſchichte von
Lebus. Berlin 1829. Bb.1. 6.134. und Strehlte in den SS. rerum Pruss. T.II p.48.
Hierher gehört auch wohl die Notiz bei Raynald Annal, eccles. 1264 Ro.26 über bie
Gründung eines Bisthums in Ludow.
=) Bulle vom 10. Mai 1254 Cod. Pruss. I No.96. Cod. Warm. I No. 30.
#) R. et M. cod. dipl. Polon. III No. 30.
%) Cod. dipl. Pruss, I No. 129.
) Cod, dipl. Pruss, I No. 102.
) Dogiel cod, dipl, Polon, IV No, 30.
") Coä, dipl, Pruss, I No. 110,
634 Die Theilung der Dideeſe Ermeland
nannte Werſowiſche Biothum.) Biſchof Heinrich erſcheint als Biſhoj
des gJadzwingerlandes noch 1259 und 1262.)
Bon dem Erfolge, mit welchem ber Orden ben Eroberungsgefäften
der Nachbarn und den Belehrungsverfuchen bes Erzbiſchofs Albert entze
gentrat, Bing wejentlich befonders ber Umfang der Didcefe Ermeland ab.
Wilhelm von Modena Hatte in allgemeinen und deshalb nnbeflimmten
Auspräden angeorbnet, daß fich bie Didcefe Ermeland zwiſchen dem Fre
gel einerfeits und dem Draufenfee und dem Flufſe von Pazlok (der Weesle)
andererſeits, vom frifchen Haf bis zu ben Grenzen ber Litauer erfireden
folle. Kam im Lande ber Jadzwingen (Gubauen) ein eigenes Bistum
zu Stande, ober fiel Galindien in bie Hände frember Mächte, fo war bie
Beftimmung, daß bie Diöcefe Ermelanb fich bis zum Lande ber Litaner
erftreden follte, unausführbar. Bei biefer Unbeftimmtheit ber Oſtgrenje,
welche nur im Laufe der Zeiten firirt werden konnte, theilte ber Orden,
welder nad Wilhelms Beftimmung in jeber Diöcefe dem Bifchof den brit
ten Theil des Gebietes abzutreten hatte, mit dem ermländifchen Bifchofe im
Sabre 1251 zunächſt nur bie weftlichen Landfchaften biefer Diöcefe, welche ſchon
vor 1239 unterworfen und bamals, 1251, nach dem erften Abfalle der Preu⸗
Ben ohne Zweifel auch ſchon wieber unterworfen waren, Ermeland, Voge⸗
fanien, Natangen nnd einen Theil von Barten, Der ven Biſchof treffende
Theil erftredte ſich zwiſchen gewiſſen Linien im Norboften und Südweſten,
deren Nachweiſung keine erhebliche Meinungsverſchiedenheit hervorgerufen
hat, vom friſchen Haf, das er in ber Gegend ber Paflargemändung mit
einem ſchmalen Striche berührte, oſtwärts an Breite zunehmend, Bis zu
dem See, aus welchem die Baflarge ihren Urfprung nimmt, im Südoſten,
bis zu bem Walde, welcher Groß⸗ und Mlein-Barten trenat, im Nor |
often.) Wo ber Urfprung ber Pafjarge im Stun dieſer Urkunde zu fuchen
fei, ift nicht ganz beftimmt; bie Paſſarge hat ihren Namen doch wohl von
dem Sarungfee, und fo könnte wohl biefer als der See ihres Urſprunges
8) Cod, dipl, Warm. I No, 35 mit Note 97.
3) Heinrich Biſchof von Jatweſia 1259 zu Saarburg. Strehlke 88. rerum
Pross, II p. 43 u. Heinricus epiesopus Jatwesonie 1262. Pertz Monum, Germ. 88.
XVII p. 380 angeführt von Bender a. a. D. 6.874.
®) Cod, dipl, Warm, I No, 26,
von Dr. M. Zöppen. 635
genannt fein; aber vielleicht ift der Meine Eee gemeint, welchen bie Paſ⸗
farge wenige hundert Schritte nach ihrem Urfprunge durchfließt. Der
Grenzwalb zwifchen Groß- und Klein⸗Barten war ber Wald Linbenmebie
in der Gegend von Wußlad, Plauſſen und Bifchofftein; der Name Klein
Barten (Plica Barta) hat ſich in dem Namen bes Dorfes Bleichenbart
fübmeftlich von biefer Gegend noch erhalten?!) Zieht man num eine Linie
von dem Sarungfee oder immerhin von bem Heinen See bei Hohenftein
nach dem Weftende des Lindenmebie — auf ber Karte leicht erfennbar an
dem einfpringenben Winkel ber Heutigen ermeländifchen Grenze bei Trau⸗
tenau, norbwetlich von Biſchofoſiein — fo bilvete dieſe Linie bie Oſtgrenze
des damals dem Bifchofe Übergebenen Landſtrichs. Man erfieht aus bie-
fen Beflimmungen, daß die Territorien von Bertung und Gunlaulen, fo
wie die zu Groß-Barten gehörige Gegend von Biſchofsſtein und Röſſel
noch außerhalb des Biſchofstheiles fielen. Es ergiebt ſich aus der Thei⸗
lungsurkunde ferner, daß Galinden damals noch vollftändig von ber Their
fung ansgefchloffen, aber den getheilten Landſchaften unmittelbar benachbart
war: benn in Betreff eines noch ungetheilten Stüdes von Groß-Bartın
behielt fich der Biſchof fein Recht anf eine fpätere Theilung ausdrücklich
vor, in Betreff Galindens ift kein Vorbehalt der Art ansgefprochen, was
ficher gefchehen wäre, wenn ein Theil Galinvens, etwa Gunlaufen (von "
welchem wir aus andern Quellen beflimmt willen, daß es zu Galinden
gehörte) zur Verteilung gelommen wäre. Endlich wirb es in biefem Zur
fammenhange ſehr wahrſcheinlich, daß das Territorium Bertung, ebenfo
wie das Territorium Gunlaufen, zu Galinden, und nicht zu einem ber
weſtlicheren Landſchaften (3. B. nicht zu Pogefanien, denn an Warmien ift
wohl überhaupt nicht zu benfen)?) zugehörig war: hätte e8 zu einer ber
2) Bol. Saage in der Ermel. Zeitihr. Bd. 1. S. 49.
2) Der Titel Advocatus Pogesanise, welchen nad zahfreihen in Cod. Warm.
T. 3. II gebrudt vorliegenden Urkunden ein ermelandiſcher Beamter träyt, macht es doch
wohl wahrſchein lich, daß ein jehr großer, ja vielleicht der größte Theil des alten Poge⸗
fanien zum Bisthum Crmeland netommen fein muß. Es wird mir auf Grund diefer
Urkunden nunmehr wahrſcheinlich, daß Heildberg im Jahre 1273 nicht bloß worüberge-
benb (Dusb. III c.171) in der Hand der Pogeſanen fi befand, fondern auf altpoge-
fanifchem Boden ftand. Zur hiſt. comp. Geoor. S. 14. 88. rerum Pruss, T. I p. 52
Not 4,
636 Die Teilung ber Diöcefe Ermeland
weſilichen Landſchaften gehört, fo würbe es, ba es von ber Theilung aus
geſchloſſen blieb (ber Biſchof erhielt es nicht, ba es außerhalb ber eben
befchriebenen Oftgrenze bes Ermelandes lag, ber Orben nicht, da es we
nige Jahre darauf zu weiterer Ausftattung des Biſchofs bisponibel war),
abermals einen Vorbehalt der bezeichneten Art nöthig gemacht haben.
Aber fon kurze Zeit darnach, im Jahre 1254, wurbe die Theilung
ber Diöcefe vervollſtändigt. Groß-Barten war inzwiſchen völlig, fo dah
feine Bewohner Geiſeln flellten, Galinden wenigftens ſcheinbar unterwor-
fen. Der Orben beeilte fi ben zahlreichen Rivalen, welche ein Auge
namentlich auf Galinden geworfen Hatten, bemerklich zu machen, wo bie
Grenzen feines Ackers ſeien. Er ertrahirte bie jchon erwähnte Bulle des
Barftes vom 10. Mai 1254, in welcher den Biſchöfen von Eulm, Bome
fanien und Ermeland aufgetragen wird, ihm mit Rath und That und nöthi
genfalls mit kirchlichen Genfuren zur Seite zu ftehen, bamit er in Betreff
ber zur Diöcefe Ermelanb gehörigen Landſchaft Großbarten und in Betrefj
der Landfchaft Galinden von Niemand beeinträchtigt werbe. Im dieſer Bulle
iſt Barten als zur Diöcefe Ermeland gehörig ausbrüdlic erwähnt, Galin-
ben nicht, offenbar nur deshalb, weil Galinden bei ber Theilung von 1251
noch‘ unberüdjichtigt geblieben war. Dies Hinderte aber nicht, es nad
+ dem Laute der Theilungsurfunde Wilhelms von Modena zur Didcefe
Ermeland einzuziehen, wenn man an Ort und Stelle dies bereits für than
lich und zwedmäßig hielt; und bies geſchah wenige Monate baranf.
Der Sinn der Theilungsurkunde vom 27. December 1254”) ift mei
nes Erachtens von ben neueren Geſchichtsforſchern nicht richtig erkannt.
Es ift nicht beachtet, daß die Didcefe Ermeland damals durch Einverlei-
bung Galindens diejenige Ansdehnung erhielt, welche fie nach Lage der
Dinge, ba Subanen bereits einen eigenen Biſchof hatte, Nadrauen ber
Diöcefe Samland nicht wohl abgefprochen werben durfte, im Ganzen und
Großen vorausfichtlich überhaupt erhalten Tonnte, und daß ber Bifchef
Anfelm die noch nicht getheilten Landſchaften feiner Diöcefe, nämlich das
früher ausgeſchloſſene Städ von Groß-Barten und ganz Galinden, mit
dem Orben nun in dem Gimme theilte, baß er ſich für feine gefammten
=) Cod, dipl, Warm, I No.31.
von Dr, M. Toppen. 637
Anfprüche anf ein Drittel ber Diöcefe, durch diefe zweite Theilung befrie-
bigt erflärte, Es ift aber das größte Gewicht hierauf zu legen, und bie
Sache ift unzweifelgaft, da Biſchof Anfelm in der Grenzbeſchreibung des
ihm nun zugefallenen Gebietes biefes nicht als ein Drittel der bis dahin
anterworfenen Landfchaften der Disceſe, überhaupt nicht als ein Drittel
einer Quote ber Diöcefe (pro quadam tertia parte, wie 1251) oder als
eine vorläufige Abfindung auf das ihm zulommende Drittel, fonbern
ale das von ihm erwählte Drittel der ermelänbifchen Diöcefe bezeichnet.
Bei biefer nenen Theilung wurde das dem Biſchof früher zuge
fallene Laudgebiet nad Often Hin durch unmittelbar anftoßende Lands
ſtriche erweitert. Man verlängerte bie früher feftgeftellte Süpweflgrenze
defielben über bie Paſſargequellen eine Meile aufwärts (Ianbeinwärte) bie
nach dem Gefilde Kurchfabel, die Norbofigrenze Über den Wald Linden ·
medie hinaus bis zum Walde Krakotin und verband die beiden Endpunkte.
Hiedurch erhielt das Bisthum Ermeland im Allgemeinen die Ausdehnung
des heutigen Ermelandes d. h. der Ianbräthlichen Kreife Braunsberg,
Heilsberg, Allenſtein und Röſſel — wiewohl bie Süboſtgrenze noch nicht
vollftändig ficher bezeichnet war. Der Laudſtrich, welchen ber Biſchof bei
der Theilung von 1254 zu feinem früheren Gebiete hinzuerhielt, umfaßte
bie Territorien Bertung nnd Gunlaufen als feinen Antheil an Galinden
und einen beträchtlichen Theil von Groß-Barten in der Gegend von Röf-
fel und Biſchofsſtein. Der Antheil des Bifchofs an Galinden war aller-
dings noch lange fein Drittel; dies if aber Fein triftiger Einwand gegen
die Richtigkeit unferer Auffaſſung, da Wilhelm von Modena in ber Etif-
tungsurkunde der preußiſchen Didcefen bie Theilung ber freien Einigung
der Biſchoſe und des Drbens überlafien Hatte, Bifchof Anfelm aber über
haupt fi Außerft entgegenlommenn gegen ben Orben zeigte, und überbies
bie ihm jetzt zugefallenen Landſtriche einen unvergleichlich viel höheren
Werth Hatten, als bie noch weiter öfllich gelegenen, deren Cultur wegen
ihrer Entfernung von ber Küfte und wegen ber Nachbarſchaft ber Heiden
viel ſchwieriger war und in ber That erft viel fpäter gelungen iſt. Uebri-
gens ging es anbern Biſchöfen bei ber Theilung nicht befier; ber von
Samland erhielt im Jahre 1268 nur ein Drittel eines kleinen Theiles
feiner Didcefe, und eine zweite Theilung (bie mit ber zweiten Theilung
638 Die Theilung der Dibcefe Ermeland
des Ermelandes etwa gleich ſteht) erreichten feine Nachfolger erſt Hundert
Jahre fpäter (1352); der von Pomefanien, welder ſchon 1250 ein Dris
tel des weftfichen und nördlichen Theiles feiner Diöcefe erhalten hatte,
gelangte nie in den Beſitz eines Drittels vou Saſſen, obwohl dieſes Sand
zu feiner Diöcefe gehörte — weil diefee Drittel angeblich ſchon zur Aus
ſtattung des culmiſchen Biſchofs verwendet war.?*)
Bald nach der Theilung von Galinden follte der Krieg gegen bie
Jadzwinger (Subauer), wie eine Anzahl päpftlicher Bullen über die Kren:
prebigt gegen bie Jadzwinger und Sitauer vom Jahre 1257 beweift”)
emergifch betrieben werben. Von ven nächften Erfolgen deſſelben if wenig
überliefert, doch Hören wir die Ordensritter Über Herzog Cafimir’s Ränte
Hagen: bei ihm habe es geftanben, daß ihnen das Land Lyckon micht über
geben, und zwei Expebitionen gegen bie Sabzwinger behindert feien, er
ehe im Bunde mit ben Litauern und mit den Abtrännigen und. dgl”)
Seit dem Yahre 1260 gerieth der Orden durch einem neuen Abfall der
ſchon unterworfenen Landſchaften in große Verlegenheit und von biefer Zeit
an leifteten die Jadzwinger (Subauer), welche ſich bis dahin um bie Kriege
des Ordens wenig gekümmert hatten, den Abgefallenen eifrige Hälfe”) |
Der Kampf z0g fi in die Länge und der Orben fchloß wit dem thaten-
luſtigen und mächtigen Könige Ottolar von Böhmen, welcher ihm einft
das Samland unterworfen hatte, einen Vertrag, durch welchen berfelbe ſich
von Neuem zum Rampfe gegen bie Heiden verpflichtete, ſich aber zugleich
bie Frucht diefer Anftrengungen ficherte. Er verſprach den Orden in dem
Befige derjenigen Landſchaften, welche er jegt in feiner Gewalt Hätte ober
doch fhon früher einmal in feiner Gewalt gehabt Hätte, in einer Weile
zu beeinträchtigen, ihm vielmehr zur Unterwerfung ber Ubgefallenen Bei
ſtand zu leiften; dagegen mußten die Orbensritter ihm ihren Beiftand zur
Eroberung von Galinden, Jatweſen (Jadzwingerland) und Litauen zufichern,
um biefelben dem Chriſtenthume und feiner Löniglichen Herrſchaft zu um
*) Siſt. comp. Geogr. 6. 115.
3) Bullen vom 5. Januar, 6., 7., 8. Auguſt 1257 bei Raynald No. 22. Hennig
de Jasyg. p.42, 43. Bunge, Livl. Urtundenb. Bd. 1. Ro.310-314. Ejögren, 6.4.
3) Cod, dipl, Pruss, I. No, 145,
2) Dusburg in ben 88. rerum Prpss.,. T. I. p. 127. Not 2.
von Dr. M. Tüpyen 639
terwerfen, 19. September 1967. Der Papft beflätigte biefen Bertrag,
31. Jamnar 1268.) Ottolar verfolgte dabei zugleich den Gedanken, das
Bistfum Olmüg zur Metropole über die zu erobernden Länder zu erheben.
Der Bapft, welcher ihm dieſe Bitte ohne Beeinträchtigung des Erzbiſchofs
von Mainz, zw deſſen Sprengel Olmüg gehörte, nicht erfüllen konnte, er»
öffnete ihm jedoch die Ansficht, in ben eroberten Ländern eine eigene
Metropolitauficche zu errichten, 20. Januar 1268.) Im der That unter-
nahm Ottofar 1268 einen zweiten Zug nach Preußen, aber er zog zuräd
shne das Mindeſte ausgerichtet zu haben”) und ber Orben unterbrüdte
and ohne feine Hälfe nicht bloß den Aufftand der fchon früher unterwor-
fenen Landſchaften, 1274, fondern eroberte num ftetig fortfchreiiend auch
bie Übrigen, zuerſt Nabrauen und Schalauen, dann nad) längerem Wider
ande, 1277—1283, auch Sudauen ober das Jabzwingerland. Schalauen,
Nadrauen und Sudauen wurden veröbet, wie Galinden es ſchon längft
war); feitbem wurde der weftliche allein bebante Theil Preußens von
Litauen durch eine gewaltige Wildniß getrennt, in der ſich nur noch hie
und ba ganz vereinzelte därftige Anſiedelungen vorfanden. *)
Diefer in der Geſchichte civilifirter Völker äuferft abnorme Zuftand,
welcher an Urzeiten gemahnt, in welchen nach Cäfar bie germanifchen Völ⸗
ter es für ehrenvoll Hielten, ringe um ihre Wohnfige her das Land fo
weit ala möglich zu verwüften, das Vorhandenfein einer mehrere Tage-
teifen breiten Wilonißfzwiihenfver Epriftenheit und Heibenfchaft, erflärt
eine für bie Theilung des ermeländifchen Bisthums bedeutſame Frage, Wir
erfahren nämlich aus einer Aufzeichnung, welche von ermelänbifcher Seite
wohl noch im 14. Jahrhundert, etwa währenb bes Procefies zwifchen dem
Biſchof und dem Orden 1370 ff. abgefaßt if, daß die ermelänbifche Kirche
lange Zeiten in unangefochtenem Befige zahlreicher Landſtriche und Seen
ienfeite ber ermelänbifchen Eüboftgrenze in den heutigen Kreifen Ortels⸗
dipl, Pruss, I, No. 157.
dipl, Fran. 1. No, 156.
. HIT. c. 125 und tie Reimchronik in 88. rerum Pruss 1. p. 250,
8 an. e. 4, 179, 188, 219.
je Verhältniffe gedenle ich an einem anderen Orte weiter auszuführen.
32833
Hs
*
640 ö Die Theilung der Didcefe Grmeland
burg und Sensburg gewefen fei.”) Man fragt mit Berwunberungt Wie
iſt fie in diefen Befig gelommen? Bon einer neuen Lanvestheilung if
nirgend bie Rebe’); der neue Herausgeber der ermelänbifchen Chronil
von Plaftwig, *) vermuthet, daß ber Hochmeifter Anno von Sanger&haufen,
auf deſſen literae in dem eben erwähnten Proceß einmal Bezug genoms
men wird, *) um 1263 ben fraglichen Landſtrich, um bem Bisthum ge
recht zu werden, nicht durch förmliche Theilung, fondern durch einfahe
Ueberweiſung bemfelben abgetreten Habe, Allein gegen dieſe Auffaſſung if
vor allem einzuwenden, baf bie ermeländiſche Kirche, nachdem Anfelm ein-
mal die Theilung von 1254 genehmigt Hatte, michts mehr zw forberm hatte.
Sodann ift Gewicht baranf zu legen, daß bie in Rebe flehenden Befigım-
gen ber ermelänbifchen Kirche keineswegs ein zuſammenhängendes, feflbe
grenztes Gehtet ausmachten, fondern daß fie in einer Reihe von einzelnen
Lanbftrihen und Seen beflanden. Wären biefe Befigungen ber ermelän-
diſchen Kirche verfchrieben, wobei einfache Anweiſung oder förmliche Thei⸗
lung nichts zur Sache thun, fo würden Zuſammenhang und Begrenzung
derſelben Hervorgehoben fein mäüffen, ba aber beides entſchieden fehlt, ſo
if an eine Verfchreibung fehwerlich zu denken. Biel natürlicher und wahr
ſcheinlicher dürfte bie Annahme fein, daß bie von dem Orden vorerft ver-
nochläffigte Wildniß durch ihre Seen, ihre Jagd, ihre Beuten gerabe ans
dem zunächft gelegenen Ermelande Fiſcher, Jäger, Beutner, zunächſt zu
vorübergehender Thätigkeit, dann auch zur Anfievelung herbeigelockt, und
3) (od. dipl. Pruss, IV. No. 126. Plastwig in den 88. roram Warm. p.28
und 66, mo in Anmerk. 33 die meiften der Seenamen auf der Reimann'ſchen Karte
nachgewiefen find. Beanftanden möchten wir nur vie oentificirung von Ruske und
Reinsle (poln. für Rheinswein); auf den Gee bei Rheinswein, neben weldem auch
Rallenzien liegt, dürfte eher ver Ramen Galinge, der Name Rusle auf den See bei Rauſch
ten zu beziehen fein; Nerbingi möchten wir auf den Narthener See, Skiten major und
minor auf die Seen bei Schutſchen, Cromaw auf den in einer Paſſenheimer Urkunde von
1412 erwähnten, nicht fern von Paſſenheim gelegenen Eromomwin, Yellow auf dem ober
halb des ermelandiſchen Dorfes Gillau nod im Ortelöburger Kreiſe gelegenen See Gilleu
deuten; wir glauben aber vor Allem, daß bie Seen Swerlbinte, Burde und Arigine
innerhalb des heutigen Ermelandes zu ſuchen find, wovon weiter unten.
*) Aud) nicht bei Plaftwig. S. befonders p. 72.
3) Plaſtwig, p. 64. 65 mit der Anmerk, J
%) Cod. dipl. Warm, II. No, 496.
von Dr. M. Zipper. 64
daß ber Orben biefe gewerbliche Thatigkeit und biefe Anfiedelung auf feir
nem Grund und Boden, welche ſchließlich ihm zu Gute kommen mußte,
comniviet, ja mit gutem Bedachte gefördert Habe.) Der Streit zwiſchen
ihm und ber Kirche entftand ohne Zweifel erft ba, als von ben Anfiedlern
in biefen dem Feinde am meiften ausgefegten Gegenden nun doch Abga⸗
ben und Noturaldienfte geforbert wurden.. Endlich, hätte Anno von Ean-
geröhanfen der ermelänbifchen Kirche wirklich den Befitz irgend welder
Landftrihe und Seen verichrieben, wobei bloße Anweiſung und wirkliche
Teilung wiederum feinen Unterſchied machen, fo wäre es völlig unmög-
lich gewefen, eine ſolche Verſchreibung abzuftreiten oder zurüdzunchmen;
es hätte baum nicht ein zweifelgaftes Recht Anlaß zu dem mehrerwähnten
Proceß gegeben, ſondern eine offenbare Wortbrüchigkeit und Gewaltthat,
deren ber Orden aber’ thatfächlid von feinen Gegnern wicht amgeflagt iſt.
Welche literae Anno’ aber bei dem Proceß zur Sprache kamen, darüber
bietet fich eine andere fehr wahrfcheinliche Vermmthung bar.
Erſt in dem zweiten Viertel des 14. Jahrhunderts konnte ber Orben
bie Coloniſation und den Anban ber Wildniß ernftlih in Angriff nehmen.
As Centralpunkte diefer Thätigleit gründete er, von Weften nad Often
vorfchreitend, Seunenburg 1326, Ungerburg 1336, Lügen umgefähr zu ber
felben Zeit, Aaftenburg vor 1344, Johannisburg 1845. „Seitdem aber
die Schlöffer Johannisburg und Naftenburg erbaut und ein Gomvent in
Lennenburg eingefegt war,“ Heißt es in dem Verzeichniß der vom ber er
meländtfcgen Kirche in Anſpruch genommenen Befigungen jenfeits ber Oft
grenze bes Ermelanbes, „feitbem werbe die Kirche allmählig nom Iahr zu
Jahr dieſer Befigungen beraubt,“ d. h. ber Orben reclamirte nun fein
Eigenthum.
In eben dieſe Zeit fällt die definitive Feſtſtellung der Didcefangrenzen
ber ermeläubifchen unb famlänbifchen Kirche. Die Beftimmung Wilhelms
7) m der Urkunde über die ber ermelänbiichen Kirche zugehörigen Seen x,
wird hervorgehoben, daß fie ihre Wartleute am Kurwithſee lange Zeit gehalten babe.
Dies ift natürlich fein Beweis, daß ihr der Landſtrich bis dorthin gehörte. Schon der
eigenen Sicherheit wegen mußte fie ihre Wartleute weithin in die Wildniß vorſchieben.
Diefe Aufftellung von Wartleuten und Vorrichtung anderer Sicherungsmaßregeln gegen
feindliche Einfälle wird der Orden den Ermeländern meit über die Grenzen bes Grme
landes hinaus nicht bloß geftattet, fondern zugemutbet haben.
U: Wonstöigeift DB. TIT. Sf 1. 4
642 Die Theilung der Dibeefe Ermeland
von Modena, daß biefelbe durch den Pregel gebilbet werben follte, reichte
nicht ans, fo wie man über den Zufammenfluß von Imfler und Augerappe,
welche gemeinfchaftlich ben Pregel bilven, oftwärts hinaus will; Anfelme
Auſchauuug, daß Nabrauen ber ſamländiſchen Kirche nicht vorenthalten
werben könne, beburfte doch wenigftens urkundlicher Feſtſetzung. Eudlich
einigten fich die Bifchäfe Hermann von Ermeland und Johann von Sam ⸗
land in Gegenwart des Hodmeifters Dietrich vom Altenburg bahin, daß
die Grenze an ber Angerappe bis zu ihrem Ausflufie aus dem See
Swolislen, (welcher mit anderen Seen vereint, den heutigen Manerfee
bildet) und von hier am oftwärts bis zu bem &rengen ber Litauer
gehen folle, 1840.)
Ungefähr um biefelbe Zeit gränbete der Hochmeifter Dietrich von Al⸗
tenburg die Komthurei Ofterode und nahm davon Veranlaſſung einer
Grenzsegulirung zwiſchen deren Gebiet und dem Bisthum Ermeland. Es
handelte fi um Feſtſtelluug ber Sübofigrenge des legteren auf dem delde
Kurchſadel, welche nach der Urkunde von 1264 eine Meile oberhalb der
Paflargegnelle liegen follte. Der Hocmeifter rüdte fie ganz nahe ber
Ale d. 5. etwa 11, Meile oberhalb der Pafjargequelle, bewilligte alfe
mehr, als wozu er verpflichtet war. Er flellte darauf an die Vollmaͤchü⸗
gen des Biſchofs und Domlapitels von Ermeland, mit welchen er an ber
Greuzfäule zufammengelommen war, bie Stage, ob biefe Grenze ihnen ger
uüge, und ob fie mit derſelben zufrieden fein würden jeft, immer und für
alle Zeit, worauf fie in Vollmacht und mit Genehmigung des Biſchoſs und
des Kapitels antwortetens Ja! 26. Auguft 1341.) Da bie Kurlener
Grenze eine Ortgrenze (Edgrenze) war, jo war mit ber Feſtſtellung der
felben zugleich auch die Oſtgrenze von Neuem anerkaunt, was von erme
landiſchen Unterthanen bis dahin jenfeite derſelben occupirt war, als rechtes
Eigenthum bes Ordens anerfannt. Auf Grund dieſer Verhandlung geſcheh
es offenbar, daß num bie Pfleger von Iohannisburg, Raftenburg und Lew |.
nenburg bie Grunbredte bes Ordens in jenen Gegenden zur Gel
brachten.
%) Coad. dipl, Warm. I. No, 811. Ueber den Mauerſee behalten wir und ab
here Nachweiſungen für eine andere Gelegenheit vor.
®) Cod, dipl. Warm, II. No. 10,
von Dr. M. Torven. 643
Man giebt nit gern Tangjährige Gewohnheiten auf, noch weniger
Ingjährigen Vefig, und fo fühlte ber Biſchof und das Kapitel bes Erme ⸗
landes hier die Herftellung des alten Rechtes ale Beeinträchtigung. Es
lam dazu, baß ber Biſchof von Samland bald darauf, 1353, eine Thei ⸗
lung eines zweiten Abfchnittes feiner Diöcefe mit dem Orden, auf bie er
unzweifelhaftes Recht Hatte, wirklich erlangte, uud man Befanm ſich im
Ermelande num, ob nicht and) bie ermelänbifche Dißcefe noch einen un⸗
getheilten Abſchnitt enthielte. Wenn aber von biefer Seite etwa geltend
gemacht wurde, daß Anfelm die Ausfchliefung Sudauens und Nadrauens
von ber ermelänbijchen Diöcefe vorausgefeßt habe, nun bed) aber das fil-
dauiſche Bisthum nicht in Beſtand geblieben und ein Theil Nabrauens,
bis zur Ungerappe, wirklich zur ermeländiſchen Didcefe geſchlagen ſei, fo
durften die Vertreter des Ordens dagegen geltend machen, baß bie Thei⸗
Iungsurfunde von 1254 keine biefer Vorausſetzungen zur Bedingung ihrer
Gältigleit made, und daß bimch biefelbe die Theilung der Diöcefe ein für
alle Mal feftgeftellt und abgethan ſei, daß äbrigens durch bie Grenzregur
firung gegen bie Didcefe Samland ver größte Theil Sadauens zu biefem
Bisthum gewieſen, ) enblich, daß ber Veſitz Sudauens noch immer feis
nesweges gefichert ſei.
Biſchof Johann II. ließ ſich im Yahre 1865 von Papft Sunsceg VL
und im Jahre 1357 vom Ratfer Kari IV. die Urkunden über die Dideeſan⸗
eintheilung Preußens wohl in keiner andern Abſicht beftätigen, als ſein
Recht auf eine nene Lanbestheilung befto fiherer zu begründen.) Um
diefelhe Zeit wurden eine Anzahl eingeborner Preußen über bie Grenzen
Galindens vernommen, über bie fie nad den Ausfagen ihrer Vorfahren
and berer, beren Borfahren in Galinden ſelbſt gewohnt hatten, Beſcheid
geben konnten, *) Man mußte ben Umfang Galindens fennen, wenn max
=) Nach Hennenberger, Rurze Beihreibung xc. BI. M. Tante Lucas David noch
eine Urkunde, nach welder der Biſchof von Ermeland ein Drittel von Sudauen verlangte.
Hift. comp. Beogr. 6. 129. Es ift nach dem Obigen möglich, daß es eine ſalche ger
geben habe. Es ift aber hochſt wahrſcheinlich, daß diefe Urkunde keine andere war, als
die Nachweiſung bei Plastwig p. 71-73. Bol. Geogt. ©. 39. Anmerk. 148.
“) Cod. dipl. Warm, II, No. 229, 280 und 256, 257.
@) Plastwig p. 74 mit Note 50. .
4a
644 Die Tpeilung der Dibeeſe Ermelanb
nachweiſen wollte, wie gering ber Antheil des Bisthums an biefer Land-
ſchaft ansgefallen fei, oder wenn man doch meinte beweifen zu Können,
daß Galinden im Jahre 1254 noch nicht zur Diöcefe gerechnet, alfo über
adupt noch wicht zur Theilung gelommen fei. Zu diefem Nachweiſe ge
wäßrte bann auch ber Bertrag des Hochmeiſters Anno von Sangershauſen
mit dem Könige Ottokar von Böhmen, in welchem biefem Galinten alb
noch wicht unterworfene Landſchaft unter gewiſſen Bebingungen vom Dr
den überlafien wird, einen nortrefflichen Anhalt) — eine Urkunde, melde
nachmals in dem Proceffe bes ermelänbiichen Biſchofs gegen den Orden
hochſt wahrſcheinlich wirklich producirt tft,
Nun kam aber endlich, und das war für bie ermeländiſche Kirche das
Empfinbficäfte, die Richtung ber Grenzlinie von Lurken gegen Röoſſel hin
in Frage. Sie ſcheint früher ungebrochen bis in bie Gegenb von Pülk
(früher Burchardshagen) fortgelaufen zu fein, fo daß der Denowſee zwifden
Pülg und Heilige Linde, auch bie Gegend dieſes berühmten Wallfahrtsortes
innerhalb des Bisthums lagen, wie denn bie Berfchreibung für Pälg im
Jahre 1340 von dem biſchöflichen Voigte Heinrich von Lutter ansgeftellt
iR) und biefe Richtung iſt mit der Circumſcriptionsurkunde vom 1254
auch wohl vereinbar, da es im berfelben heißt, daß bie fragliche Linie von
Nöffel, gegen Polen zu, eine Meile entfernt bleiben folle; — nämlich,
fofern man bie. Meile von Röſſel gegen Süboften mißt. Wenn aber ber
Orden barauf beftand, biefe Meile von Röflel Direct nach Süden zu meflen,
fo wurde dadurch nicht bloß die Gegend von Heilige; Linde und die Um-
gebung des Deunowſee's für ben Orben abgefchnitten, fondern bie ganze
Grenzlinie von Kurken bis Krakotin, wie ein Nadine, der in Kurken ale
dem Sreismittelpuntte feft iſt, etwas nad; Weiten verſchoben. Hiedurch
aber wurbe auch in einer Gegend, weldye ſchon näher an Lurken als an
4) Die betreffende Urkunde Ottokar's ift oben erwähnt; eine Gegenurhunde Anno's
in fiher anzunehmen; auch wird er über die Sache mit dem Bildof des Ermelandes
verhandelt haben.
) Cod, dipl. Warm, I, No.308, Vol. Rolberg in der Ermel. Zeitiär. B- 3.
©. 46, 46. Ob aber auch die Verſchteibung von 1351 über ben Arug bei Rn, Cod.
Warm, II, No. 170, hieher gehört, wie Kolberg ©. 46, Unmert, 86 nachzuweien fucht.
ÜR doch wohl noch zweifelhaft,
von Dr. M. Typen. 645
Röffel Tag, der Beflk ber Gern Purde (bei Mein-Purben), Sirwind und
Aringine (beide nörblich vom vorigen) zweifelhaft gemacht. *)
Die Streitigfeiten wegen der Oftgrenze tauchten wohl nicht vor bem
Jahre 1361 anf, in welchem ber Biſchof noch Fiſcherei in dem See Willike
oder Wille (füdlich von Heilige Linde) verfchreibt, welcher nachmals außer⸗
halb des Bisthums zu Tiegen kam. ) Der Hochmeifter Winrich von Knipe
tode und ber Biſchof Yohann IL Striprod famen am 24. Juni 1869 in
Neukirch bei Frauenburg zufammen, um eine Einigung zu Stande zu brin-
gen; aber ber Riß wurbe nur ärger, Nach dem Berichte eines bem Or⸗
den ſehr feindfeligen Schriftſtellers, Plaſtwig, welder etwa hundert Dahre
ſpater eine Chronik der ermeländiſchen Biſchöfe ſchrieb, fol der Hochmeiſter
eine Waffe gezogen haben, den Biſchof zu ermorden!! Der Biſchof ver
Magte unmittelbar baranf ben Orben bei dem Bapfte Urban V. wegen
Occupation einiger der ermelänbifcen Kirche gehörigen Beftgungen. )
Trotz der Abmahnungen bes Papfles z0g ber Orben auch jet noch Län⸗
dereien ber Kirche ein.) Die Schiebsrichter, welche endlich zur Entſchei⸗
dung ber Sache eingefegt wurden, erhielten den boppelten Auftrag, bie
bon beiden Theilen vorgelegten Urkunden zu prüfen, die Grenzen bes Bis⸗
thums nad) der Circumſcriptionsurkunde Anfelms feftzuftellen und zu un
terfuchen, ob nad) Ausweis ber erfleren der Kirche fonft noch etwas ger
bühre.@) Der Proceß zog ſich Jahre lang Hin und wurde erft nach des
Biſchofs Johaun's II. Tode durch Compromiß des Hochmeifters mit bem
4) Dieſe Sen werden in dem oft ermähnten SWerzeidmiß;.Cod. Pruss. IV.
No, 126 erwähnt. Burde auf den See Burdunel beim Dorfe Burdungen zu deuten, wie
zu Blaftwig S. 66, Note 38 gefchieht, ſcheint weniger natürlih. Statt Serwynte hat
Blaftwig irrthumlich Swerlbinte. Aringine ift wohl der See, aus welchem der Fluß
Ardinghenen abfliekt; vie Flüffe Sirwinthen und Ardinghenen aber fließen dicht neben
einander. Cod. Warm. Il, No.357. Die Erwähnung gerade biefer Seen macht es mir
wahrſcheinlich, daß das Seenverzeichniß alt und ächt ift.
4) Urt. von 1344 und 1361. Cod. Warm. II, No. 32, 809. Bgl. Kolberg
©. 46, Anmerk. 35. Die Verſchreibungen über Fiſcherei im See Weder bei Widrinen
von 1344 und 1359, Cod. Warm. II, No, 32, 285, find bier zu übergeben, da biefer
See auch nad der Ausgleihung der Parteien zum Theil dem Biöthum verblieb.
=) Bulle vom 15. März 1370. Cod. Warm, I. No, 441: super spolistione
&t oceupatione nonnullaram terrarum ad... . Warmiensem eoclesiam speotantium,
©) Bulle vom 2. September 1371. Cod, Warm, II. No, 449.
=) Urkunde vom 15. April 1872. Cod. Warm, II. No, 459,
646 Die Tpellung der Dibeeſe Crmeland
Biſchof Hetarth TIL. Sorbom vom 18. Sunt 13744) und Ansfpend dr |
Schiedorichter vom 28. Juli 1374, °') der die päpftliche Beftätigung erhielt, |
beendet. Die Grenzen des biſchöflichen Territorinms wurben nöher be
ſtimmt, als dies früher geſchehen war, blieben aber im Ganzen umveriu-
dert. Was die Ofigrenze betrifft, fo wurde num eine Meile, wie ber Orden
wollte, von Röffel fühwärts bis zum See Weber (bei Wibrinen) gemeflen;
die Oſtgrenze follte von Kurken durch biefen Punkt nach dem Walde Ara
lotin in geraber Linie fortgehn. Sie ift aber zu Gunften des Bisthums
zwiſchen Nurlen und dem Weberfee doch etwas auswärts gebogen, fo daß
in ber Gegend ber Seen Purde, Sirwint und Aringine nichts verloren ging.
Die Anficht, welche der ermeläubifche Geſchichtſchreiber Plaſtwig in ber
weiten Hälfte des fuafzehnten Sahıhunderts ausfpricht, ) daß Bis zu ber
Beit des eben berüßzten Progefies überhaupt nur ber weſtliche Abſchnitt ber
Didcefe vom frifchen Haff bis zu der Linie Kurfen-Infterburg zur Theilung
gelommen fei, und daß der Biſchof von biefem Abſchnitt kaum bie Hälfte
bes ihm zuſtehenden Drittel erhalten habe, mag ſchon von ben Zeitgenof-
fen des Biſchofs Johann II. aufgeftellt fein; fo ſelbſtverſtändlich erfcheint
bie Vorausſetzung über das Object ber Theilung von 1254 dem, welder
Über den wahren Sachverhalt nicht unterrichtet iſt, und fo unzureichend
aub bürftig erſcheint ber Antheil der ermelänbifchen Kirche, mit welchem
ber Biſchof Anfelm in maßvoller Gefinnung und billiger Berädfichtiguug
her Umftände, fich befriedigt erflärte, demjenigen, ber bei ber Theilung ein
Dutereſſe Hatz aber jene Boransfegung ift falich, und das Recht des Orbens
iR duch Unfelms Genehmigung trog alles Querulirens fpäterer Zeit feſt⸗
geſtellt. Was dagegen Plaſtwig Über den noch zu theilenben Abfchnitt ver
Diöcefe fagt, ift doch fo Haltlos,®) daß es ein Zeitgenofie bes Biſchofe
Sohann II, und wenn er noch fo parteiiſch für bie ermelänbifche Kirche
gewefen wäre, nicht wohl gefehrieben haben kann. Er fagt, ber zu thei⸗
lende Abſchnitt fei faſt doppelt fo groß, als der getheilte, 25 Meilen breit
=) Blaftnig 6.69-71.
8) Denn verworren kann ich es mit dem Herausgeber ber Chronik S. 71 Anm. 41
von Dr. M. Täppen. 647
uud 30 Meilen lang; bie Breite von 25 Meilen mißt er offenbar von
Surlen bis Iufterburg, wo angeblich die erfte Theilung fiehen bfieb, und
fest diefelbe an der Memel ebenfalls voraus; bie Länge mißt er in ber
Richtung des Pregels non Infterburg durch ben Bewtamedie und "über
die Scheſchuppe zur Memel, oder (ba bie Grenze des Bisthums Länge
dem Omuleff und ber polniſchen Grenze hin Teine gerabe Linte bildet) in
der Richtung ber Morboitgrenze bes Ermelaudes von Nöffel über Lügen
und Lych. Beide Wege find aus alten Aufzeichnungen *) bekannt und ha⸗
ben in ber That bie von Plaſtwig angegebene Länge. Wenn ber Herause
‚geber des Plafiwig und Bender in einer Abhandlung über bie ermelänbifche
Diöcefe, ) von welden jener ben Bewtamedie nicht nachzuweiſen vermag,
biefer ihn irrthümlich mit dem weit entlegenen Bubbern zufammenbringt,
plaſtwig's Darftelung fo auffaffen, als ob er das zwiſchen ben beiden. ex
wähnten Wegen liegende Gebiet als das zu theilenbe bezeichne, fo thun
fie ihm Unrecht, weil fie ihm damit zutrauen, baß er das ganze große
Städ Land zwiſchen dem zweiten Wege und ber polnifchen Grenze ganz
vergefien habe, und widerſprechen ihm auch, weil ja dann bie Breite des
zu theilenden Gebietes Teinesweges 25 Meilen beiträge. Was Plaſtwig in
der That fagt, kann aber nur unbebachtfamer Eifer gefchrieben haben;
nicht genug, baß er hier bie frühere Vorausſetzung, als ob überhaupt noch
etwas zu theilen gewefen fei, fefthält, er vergißt auch — ober weißer es
überhanpt nicht? — daß eim großer Theil des vom ihm bezeichneten Ges
bietes gar nicht mehr zur ermeländifchen, fondern zur famlänbifchen Did-
cefe gehörte — was von bem Herausgeber bes Plaftwig richtig hervorge⸗
hoben it. Mit foldem Dienfteifer im Intereſſe ver Partei ſtimmen bie
Rebeblumen und Expeciorationen Plaſtwigs an andern Stellen *) jehr gut,
Wenn aber Grunau, welcher Plaftwig vielfach benutzt und oft überbietet,
nun gar behauptet, daß auch Bartenftein, Schippenbeil, Raftenbnrg und
Baſſenheim mit den zugehörigen Gebieten zum Biſchoftheile gehört hätten,
“) In den 88. rerum Pruss. T. II. p. 682 No. 39 (mo auch der Bewtamedie
vortommt) und p. 702 No, 88.
) Grmel. Beitfchrift Bo. 2. 6.370ff.
%) 8.8. p. 62 und 64.
648 Die Teilung der Didcefe Grmelanb von Dr. Zäppen.
ber Kirche aber entzogen wären, 2”) fo ift bies eins ber bei ihm fo über
aus zahlreichen Beilpiele — nicht des Irrthums, fonbern der Exbichtung
seip. Bälfhung. Dennoch iſt eben diefe Behauptung auch von Treter und
Seo recipirt, ®) welche über Grunau's ſchriftſtelleriſchen Charakter noch völ⸗
üg im Unklaren find.
Auch den Anfchauungen ber neueren ermelänbifchen Hiftorifer, bie für
bie Heimaihakunde fo Vortreffliches geleiftet und auch bie vorliegende Frage
viel grünbficher als ihre Vorgänger behandelt Haben, kann ich mich, wie
der Gang meiner Darftellung gezeigt bat, in eben biefem Theile ihrer
Unterſuchungen wicht anfchließen. Ich erlaube mir benfelben meine ab
weichenbe Unficht über bie Theilung bes Ermelaudes als einen Beitrag
zur Sortfüßrung berfelben vorzulegen, nicht zweifelnd, daß bie allerbings
etwas lüdenhafte Ueberlieferung ber Akten dennoch Hinreichen werbe, eine
wiſſenſchaftliche Berfinbigung | über ben vorliegenden Gegenftand herbei
anführen.
©) Grunau IX. 0, 3. 8. 14. Bol. die Mmerk. zu Plaſtwig p. 67.
%) Treter de episcopatu et episcopis eoel. Warm. p. 16 und Leo His.
Aritiken und Referate,
Aus dem Univerfitäts- und Gelehrtenleben im Zeitalter ber Re
formation. Vorträge von Dr. Theodor Muther. Erlangen,
1866. (Deichert) XII u. 499 ©. 8.
Die vorliegende Sammlung von zum größten Theile in Königsberg
gehaltenen Vorträgen, deren bereits foweit in ihr Königsberger handſchrift ⸗
liches Material verarbeitet ift, im Suliheft der Mtsichr. (S. 477 ff.) Er⸗
wähnung gethan wurbe, ftellt es ſich zur Aufgabe, die „lebendige Anſchauuug
der großen Neformationgzeit einigermaßen zu fördern.” Ganz abgefehen
don dem allgemeinen Intereſſe, welches jeder Beitrag zum Verftänbniß je⸗
ner Zeit beanfprucht, wird ſchon der Umftand, daß einige ber Vorträge von
fpegiellem Jutereſſe für unfere Provinz find, einen kurzen Ueberblick über
den Suhalt des Buches rechtfertigen.
No. I („Bilder aus dem mittelalterlichen Univerfitätsleben") giebt
ein lebenefriſches Bild von bem Treiben an ben Univerfitäten im 14. und
15. Sahrhundert, welche damals leineswegs ber Sig wahrer Wiffenfchaft-
lichkeit und Humaner Bildung, wohl aber eine Stätte fittlicher Rohheit
and Zügeliofigfeit waren, in welcher ſich aber trotzdem, ber völlig verkom ⸗
menen Aloſterſchule gegenüber, eine frifche — wenn and; noch ungebändigte
— Lebenskraft kundthat, bie zu großen Erwartungen für die Zukunft be
rechtigte. Letztere bethätigte fi vor Allem in dem bewußten Anfämpfen
der Umiverfitäten gegen bie Prätenfionen ber Kirche, d. h. bem unansger
fegten Ringen, bie Wiſſenſchaft von ber Herrſchaft der Kirche zu befreien.
Diefer Prozeß ber „Auseinanberjegung der Römifchen Kirche und ber
Wiſſenſchaft“ begann ſchon mit Entftehen ber Univerfitäten und fand feinen
Abſchluß in der Reformation.
650 \Krititen und Beferate,
Im 2. Bortrage („zur Berfaffungsgefähichte ber beutfchen Umiverfitäten"
©&.31—63) weißt der Verf. an dem Beiſpiel ber Fakultätsverfaffung no
mentlich der Wittenberger nnd ihrer „Filiale“ der Königsberger Umiverftät
nach, wie bie beutfchen Univerfitäten aus freien, felbftänbigen Eorporstio
nen ſich allmählig in abhängige Staatsanftalten verwanbelten und fchlicht
nad) einer eingehenden Würbigung bes alten und des moberuen Untverfitits-
charalters mit beachtenswerthen Reformoorfchlägen für die Gegenwart.
Der 3. Bortrag („politifche umd kirchliche Neben ans dem Aufange
bes 16. Jahrhunderts” S. 64 ff.) macht uns mit zwei Neben ber Huma⸗
niſten Heinrich Bebel und Chriſtoph Scheuer! „zum Lobe Deutſch-
lands” (bie erflere 1501 in der Hofburg zu Sunfprud, bie letztere 1806
zu Bologna gehalten) befaunt, weldye beſouders deshalb intereffant find,
weil in ihnen zum erflen Male ber wiebererwachte deutſche Stun und
dentſches Selbſtbewußtſein ſiegreich der bisher unangefodhtenen Alleinhen-
ſchaft Itafiens anf dem Gebiete der Wiſſenſchaft entgegentritt, deren Etat,
durch bie Reformation dann vollends bie geiſtige Befreiung Deutſchlande
von ber romaniſchen Race herbeiführte,
No. IV. (6, 9 ff.), weldhe von dem „Ausgange des Petrus Ru
vennas“ hanbelt, verbreitet nenes Licht über bie letzten Lebensjahre und
Imrfahrten diefes wunderbaren Mannes, insbefondere über feinen Gtreit
mit dem in ben „Briefen ber Dunkelmänner“ gegeißelten Dominikaner
Jdalob Hochfiraten, fowie feine Stellung zu dem aus berfelben Quelle bes
kannten Poeten Ortuin Grattus.
In No. V. (S. 129 ff.) Haben wir e8 mit einem Sandbemanne zu thun,
dem zu Löbau in Weftpr. geborenen, fpäteren Syndikus ver Gtabt Braun
ſchweig, dann Leipziger Brofeffor, und endlich als Vicelanzler ber Univerfität
Leipzig 1511 verftorbenen Dr. Chriſtoph Kuppener, beffen Familie neh
bis gegen das Enbe bes vorigen Jahrhunderts zu den angefehenften umd ber
gütertften Geſchlechtern unferer Provinz gehörte. Seinem deutich gejchrie⸗
benen, für bie Geſchichte bes Wechfel- und Hanbelörechtes, fowie in mancher
andern Beziehung wichtigen Buche über ben Wucher — einer ber älteiten
Erſcheinungen romantftifcher Jurisprudenz in deutſcher Sprache überhaupt —
welches ber Verf. zuerſt aus dem Dumtell der Vergefienheit wieder ans Licht
gezogen hat, wird eine beſonders amsführliche Erörterung zw Theil
Muther, Aus dem Univerfitätßs u. Gelehrtenleben x- 651
Bon Hervorragendem Intereffe für die Gefchichte der Reformation iſt
ber tm 6. Vortrag (S. 178 ff.) geſchilderte Lebenslauf des durch Vorzüge
des Geiftes und Charakters glei; ansgezeichneten Wittenberger Iuriften
D. Hieronymus Schäürpf (} zu Frankfurt a. O. 1554), eines ber ber
beutenbften Männer jener Zeit, welcher namentlich mit Luther durch Freund⸗
ſchaftsbande enge verfnäpft war, bie jedoch fpäter ber Streit über die Gül⸗
tigfeit ber heimlichen Verlöbniſſe umd überhaupt über bie Autorität des
Kanouniſchen Rechts in proteftantifchen Landen für immer zerriß.
In No. VII. und VIII (&. 230 ff.) giebt der Verf. eine fehr aus⸗
führliche Biographie des D. Johann Apel, welcher von 1530—34 in
Königsberg als Kanzler bes Herzogs Albrecht fangirte. Ueber Apels
Schriften und deren wiſſenſchaftliche Bedeutung, ferner über feine Verhält-
niſſe zu den Reformatoren und Humaniſten, und vorzäglich andy über feine
bipfomatifche Thätigleit im Dienfte und fpäter noch im Interefle des Her-
3098 erhalten wir hier ans vielen bisher unbelannten Quellen ganz nene
Anfichläffe. Die Arbeit gewährt fomit auch für unſere Provinzialgefehichte
ein ganz ſpezielles Jutereſſe.
Gbenfo nimmt neben dem allgemeinen noch ein beſouderes Lokales
gutereſſe ver legte Vortrag (©. 329 ff.) in Anfpruch, welcher das Leben
ber in Königsberg verfiorbenen Lieblingetochter Melauchthous, Auna, er
zählt, deren Bildniß die linke Seite des Alters ber Domliche ſchmückt.
Schon in frühefter Jugend an den fpätern erften Neltor ber Albertus⸗
Univerfität, Georg Sabinns (eigentlih Schuler) vermählt, führte fie,
bitter enttänfcht, an ber Seite biejes ebenjo eiteln, ſelbſtſüchtigen und herz»
loſen, als leichtſinnigen und unbeftändigen Mannes ein freublojes, an
ſchwerem häuslichen Ungemach reiches Leben, bis fie durch Iangjähriges
Seelenleiven gebrochen noch nicht 25 Jahre alt ins Grab fant.
Den Schluß des Buches (S. 370 ff.) bilden Beilagen mit veichens
bibliographifchen und urkundlichen Material.
Sollen wir nach dieſer Ueberſicht über das Ganze ein Urtheil abge
ben, fo fann es nur dahin lauten, daß es bem Verf. vortrefflich gelungen
iſt, Die Unfgabe, welche er ſich geftellt Hat, zu erfüllen. Wir erhalten ein
Hareß, - lebensfeifches Bild von bem Univerfitäte- umb Gelehrtenleben ver
Reformatiouszeit nud die mitwirkenden Männer in jener Periode gewalti»
ritilen und Heferate.
ten überall in ihrer wahren Bebeutung uud üfeer
tlich hervor. Zum befonbern Bortheil gereicht e6
% angiehenb gefchrieben iſt und fich trot ber am⸗
heil archivaliſchen Gtubien, auf denen es beruht,
iterials, welches in ihm verarbeitet iſt Leicht und
Hoffen wir denn auch, daß der Wunfch bes Berf.
welcher fi nicht bloß Gelehrte von Fach, ſon⸗
hte überhanpt ale Leſer wünfct.
—i
mille, Geſchichte eines verlorenen Menichenichene
ichert. Berlin (Otto Iante) 1866. 8 Be,
matiſche Arbeiten Wicheris, ver Scherz „Tu Bein
terfpiel „Kaifer Otto der Dritte, ich ihren Weg
haben wir gleichzeitig für einen Roman ans ders
„Aus anftändiger Jamilie. Geqchichte eines ver
lautet ber Titel. Der Schauplatz der Hauplung
tfichfte Theil unferer Provinz — unfchwer ertennt
diefer Umftand allein wärbe, abgefehen von allen
rechtfertigen an biefer Stelle näher auf ven Roman
ung unb bie zeichnende Kunft haben im neuefer
fe aus Litauen entnommen, aber es fei gleich hier
rungen von Land und Lenten daſelbſt haben ent
find 3.8. denen Temmes wefentlich überlegen.
Walter Scott ber märkifchen Lande, Edmund Höfer
‚fchen Oftfeelüfte geworben. Sollte nicht auch &&
Yichters Nahrung zu gewähren und ben Stoff für
n zu liefern vermögen? Sollte es nicht möglich
te nicht eben verſchwenderiſch behandelten Landſchaft,
b+ und Nabelholz, von naſſen und trodenen Wie
aide und Moor, poetifches Leben einzuhanden?
nd hat feinen bejonberen Reiz, aber in erhäßtem
iris don Polangen bis nach vuffifh Neuſtadt ſich
Gedauke, daß ein ſchmaler Streifen neuttalen de
Wichert, Aus anftändiger Familie. 653
bietes hier zwei große Reiche von einander ſcheidet, das Gefühl ber chine ⸗
fiſchen Maner, welche mit boppelten und breifachen Schranken fremde In«
duſtrie und die Bewegung ber Geifter von Rußland abhalten fol, der
Gegenſatz dentſcher und flavifcher Kultur, der am ber ſchmalen Grenzlinie
fich ſcharf herausſtellt; — Alles das macht bas oben bezeichnete Gebiet
für den denkenden Beobachter intereffant. Das Kulturbild reizt um fo
mehr zur Betrachtung, als die Strahlen deutjcher Kultur durch die fremde
Nationalität der Litauer gebrochen werben.
Es mag wenig Kreife unferes Vaterlandes geben, welde fo wenig
von ben allgemeinen Strömungen der Thatſachen wie bes Verlkehrs be
rührt worden find; fo trägt Alles bier einen gewiſſen urfpränglichen Cha⸗
racter gleich den weiten Haideſtreden, auf benen die erratifhen Blöcke
noch unberührt von Menſchenhand feit der Zeit liegen, in welcher ſie von
ſchwimmenden Gisfelvern aus Scanbinavien hierher getragen wurden.
Eine Sprache, welche einer Imfel gleich in ver ſlaviſchen Sprachgruppe
fich erhalten Hat nud vielfach auf einer nicht minber altertbämfichen Laut ⸗
ſtufe ſteht als das Griechiſche; Kleidung, Nahrungsweiſe, Wohnung von
entſchieden nationalem und einfachſtem Gepräge; Anfhanung und Eitte
von ber Art, daß bei jeder Berührung bie Kluft ſichtbar wirb, welche um-
fer Denten und Empfinden, Wollen und Handeln von bem jenes Volks⸗
ſtammes trennt der Iahrhunderte wegen, bie wir in Kulturbeſtrebungen
durchmaßen, während jener als Hirten- und Fiſchervoll fein einfaches Da-
fein führte,
Der Roman ber Neuzeit foll ein poetifch verflärtes, künſtleriſch ger
reinigtes Bild des Lebens fein; es foll fich in ihm Fleiſch von unferem
Sleiſch und Bein von unferem Beine finden. Der vorliegende Roman
Wicherrs erfüllt diefe Forderung; es find echte Züge unferes focialen Le⸗
bens in ihm und biefe Schilberungen norbbeutfcher bürgerlicher Zuſtände
erhalten einen befonderen Reiz dadurch, daß fich in fie das frembartige
Kulturbild litauiſchen Lebens einfägt, für deſſen Zeichnung dem Verfaſſer,
der jahrelang Richter in Litauen war, bie Farben unmittelbarſter An-
ſchauung ebenfo fehr wie das mit feinen Zügen malende Wort zu Gebote
Nehen. Referent, der nur wenig Meilen von bes Verf. früheren Aufent⸗
Baltsarte aufäffig if und fett ſeche Jahren bie Gegend weidlich durchſtreiſt Hat,
654 Kritilen und Referate.
taun bie Treme des Eolorits nur rühmen. Es wirb, beſonders Lefern und
Beurtheilern des Romane, welche unferer Provinz ferner ſtehen, gegen
über nicht überfläffig fein, dies zu betonen. Dean dem mit litauiſcher
Sitte Unbelannten möchten gewifle Züge 3. D. in dem Benehmen Elſes
gegen Anton Braufer — fo heißt die Hauptperfon des Romans — un
wahrfcheinfich und deshalb als verfehlt erfcheinen; ihre Liebe zu Senem
ſcheint roh und umzart, aber fie ift die Liebe eines Naturlindes uud Heir
det fi in Formen, welche das Product allgemein litauiſcher Auſchauungen
unb Gewohnheiten find; fie ſchwört, um den Geliebten zu reiten, einen
Meineid und zwar in klarſter Weberlegung geſchidt zwifchen Lüge unb
Wahrheit balancierend und trogbem hält fie ſich noch nicht fo fchlecht,
daß fie nicht von ihrer Liebe und von bem Leben noch Glüd erwartete,
M das möglich? Keine Spur von Gewifleusbifien zeigt füh in ihrem
fpäteren Benehmen. Und aus ſolchen Händen muß Braufer bie Freiheit
empfangen? an eine ſolche Seele follte er als Mann von Ehre fich leiten,
weil er ihr die Ehe verſprach und weil ihr Kuabe ihn Vater nennt?
Wohl ift er an fi fo weit gefommen, daß er auf höhere Stellung als
auf die eines Arbeiters an der Seite der Bäuerin nicht mehr rechnen
ann, aber welch einen Character zeigt diefe Bäuerin! — Das if einer
von den Fällen, in welchen Unbelauntfaft mit Titauifcher Sitte bayu
gelangen könnte, der Erfindung des Dichters VBorwärfe zu machen. Über
Deder, der auch nur · eine Schwurgerichtsperiode in Litauen verfolgt hat,
wird wenigftens einen Proceß anführen können, ber wegen eines mit läg
ueriſchem Vorbehalt, mit irgend einer fophiftiichen oder jeſuitiſchen Gelbf-
tauſchung geſchworenen Eides geführt wurde. Die Forderung der fubjeo
tiven ober poetifchen Wahrheit ift in ber That von bem Verf. jo erfüllt,
daß fie bie objective fein Tann. Das Gleiche gilt von Elſes fonftigem
Benehmen; biefe ruhige, fait gefcpäftliche Art, wie fie bie Ehe begehrt,
bie fie als etwas Selbſtverſtändliches und Motäivenbiges aufieht; der vbl⸗
ige Mangel an zärtlichen Worten und zärtlihem Thun, das Ertragen
ſelbſt tHätlicher Mißhandlung und doch die durchbrechenden Strahlen einer
Liebe, welche anf ſich ſelbſt verzichtet und auch unfere Anſchauung zufrier
den ftellen kann. '
Es find keine großen Gegenfäge zum engen, welche in ben vorte⸗
Wider, Aus anftänbiger Familie. 655
genden Romane nach ihrer Löfung ringen, nicht Kreiſe wichtiger Interefien,
in welche ver Verf, ung führt. Es ift eben mur ber Kreis beſcheidenen
bürgerlichen Lebens, aber das, um was es ſich Handelt, iſt denn doch im⸗
mer bag Höchſte und Letzte, was ein Menfch einfegen Tann, — bie fittliche
Eriftenz. Der Berf. Hat es verfianden, die Gefchichte des verlorenen
Menſchenlebens dramatiſch zu geftalten und das Intereſſe fteigend zu fpan-
nen. Der änßere Rahmen ift einfach genug. Anton Braufer ift der
Sohn eines preußifchen Richters. Zur Offiziercarriere beftimmt, wird er
durch ben Tod feines Vaters gendthigt als einfacher Kapitulant zn dienen;
durch eigene Schuld wird er Betrüger, wird entbedt und beſtraft. Bon
nun an bezeichnet jede Phafe feines Lebens nur einen nenen mißlengenen
Verſuch ſich emporzuheben. In Standesvorurtheilen groß geworben, ohne
etwas Rechtes gelernt zu Haben, fern vom jeber fittlichen Schägung ber
Arbeit wird er ber Verhältnifie nimmer Herr, weil er fich nicht mit ſich
auseinander gefegt hat. Er bleibt durch leidenfchaftliches Begehren über
das Maß hinaus in ſtarker Befangenheit, indem er verſucht fein Inneres
in die That umzufegen. Es ift ein unfeliger Irrthum, in welchem er ver-
hart, Er Hält die Beſſerung feiner äußeren Lage für die Bebingung jer
der fittlichen Befferung; er glaubt nicht Achtung von Anderen erwarten zu
dürfen, fo lange er ſelbſt ſich micht achten kann und er kann das nicht,
ehe er nicht anftänbig zu leben hat. Das ift der Zirkel, aus dem er in
feiner leidenſchaftlichen Befangenheit nicht heransfommt und in bem er
ſchließlich ſeinen Lebenenachen gewaltſam zerſchellt, nachdem er Kellner,
Majordomus und Beliebter einer Iurländifchen Baronin, Schmugglerführer
und Winfelconfulent in Litauen, Commis und zulegt herrfchaftlicher Bäger
gewefen iſt. Diefe legte Phafe feines verfehlten Lebens ift auch die bite
terfte. In dem Haufe bes Herrn von Pronski, dem er bient, findet er ein
junges Mädchen, zu welchem er bei Beginn feiner Laufbahn eine aufrich⸗
tige unb ausgeſprochene Liebe empfunden Hatte, als Lehrerin ber Kinder
und als Freundin ver Familie wieber. Sie, welche ber einzige ideale Stern
feines Lebens gewefen war, fie um been willen er bem Leben bas fo oft
verfagte Glüd noch Hätte abringen mögen, tritt ihm hier gegenüber äufer-
lich und innerlich bereits durch eine Kluft geſchieden, welche das verblafte
Bud jngenblicher Erinnerungen nicht mehr zu überbrüden vermoqhte. Vran⸗
656 Rritilen und Referate.
ſers Eitelfeit fpiegelt ihm ein Nebelbild von Steg darüber vor und als
biefer in Dunft zerfließt, ift das Leben für ihn zu Ende,
Die Characteriftit fämmtlicher Perfonen ift tüchtig und vom jener
echt menfchlichen Art, welche des Verf. dramatiſche Arbeiten auszeichnet.
Aurelie, die Tochter des armen Schulmeiſters, welche anſtändig und tüch-⸗
tig ihren Weg durchs Leben fucht unb findet, nicht ohne Prüfung des
Herzens; ber alte Hepke, Antons getrener Edart in ben legten Jahren,
Wohlwollen und trefflich biedere Weltanſchanung in fchlichter Geſtalt ver
törpert; ber unlantere Geift des Kaufmanns Stephantew in Memel und
deſſen Gattin; ber Herr von Pronsfi und deſſen Familie; der alte Juſtiz ⸗
rath, Branfers Vertheidiger vor dem Schwurgericht — es find alles Ger
falten voll Lebenswahrheit und charactervoller Erſcheinung. Anfnüpfend
an die Iegtgenannte Perfon heben wir beſonders bie Schwurgerichtsver⸗
handlung hervor, bie ein bis im bie Fleinften Züge forgfam ansgeführtes
Gemälde von wahrhaft bramatifcher Kraft if.
Der Roman fei beftens und warm zur Lectüre empfohlen.
Druck und Papier find gut. Einige Drudfehler leichter Art find
durchgeſchlüpft 3. B. im erften Bande ©, 2: anerwärts; S. 55: Honora-
tionen; ©. 200: noro für noru (id will nicht); ©. 240: szinnan für
Zinau; ©. 241: Schurrbaͤrtige. 56.
Alterthumsgeſellſchaft Pruſſia.
Gol. II, 466.)
28. September. (Erſte Sitzung nach den Ferien.) Als neues Mit⸗
glied iſt beigetreten Hr. Dr. phil. Kroſta, ord. Lehrer an der ſtädtiſchen
Realſchule. — An Alterthumsgegenſtänden ſind geſchenkt worden: von Hrn.
Rittergutsbeſ. Stellter anf Gr. Miſchen der in Ausficht geſtellte Opfer⸗
ſtein (vgl. Bericht vom 25. Mai, Monatsfdr. III, 360) mit einem nur
zur Hälfte erhaltenen zweiten Steine gleicher Art, fowie eine Silbermänze
des großen Kurfürften, welche in Miſchen unter einem Steine gefunden
wurde. Die Münze, etwa in halber Guldengröße, zeigt anf ber Vorder⸗
feite das nach rechts gewandte Bruſtbild, darunter bie Buchſtaben C. V,
and mit ber Umfchrift: FRID.[ericus) WILH.[elmus) D.[ei] G.[ratia]
Aterthumsgefellichaft Pruffic. 657
M.[archio] B.[randenburgensis] S.[ancti] R.[omani] I.[mperii] ARC.,
[bicamerarius] & PR.[inoeps] EL.[ector]; auf der Kehrfeite das Wappen uns
ter dem Kurhut, mit der Umfhrift: SUPREMUS. DUX IN PRUSSIA.,
und unten zu ben Seiten bes Wappens bie zertheilte Jahreszahl: 16 — 74.
Bei Weife (Vollftänbiges Gulden-Eabinet, Nürnberg 1780. 8°.) ift dieſe
Mänze nicht aufgeführt. — Berner hat Hr. Kreisfafien-Rendant Niebios
in Ligen (Mitglied der Geſellſchaft) einen mwohlerhaltenen Steinhammer
geſchenlt, welcher gelegentlich ver Benderung eines Selbftüdes anf bem
zum Gute Gronden (Ar. Angerburg, Kirchſp. Buddern) gehörigen Areale
vor cca. 5 Jahren gefunden worden ift. — Für die Bibliothek find, eben-
falls als Geſchenle, folgende Drudichriften eingegangen, und zwar buch
Vermitteluug der König, Regierung:
Compte-rendu des travaux de la commission des monuments
et doouments historiques et des bätiments civils du depar-
tement de la Gironde Pendant les exercices de 1862 à 1864
(Paris) Bordeaux 1865. 8°, mit beigeheftetem: Dictionnaire
geographique et historique‘ de la Gironde Rédigé ... par
M. J. Reclus Bordeaux 1865. 8°, unb außerbem noch: Table
alphabötique et analytique des matitres contenues dans les
compte-rendus... de 1840 & 1855. (Paris) Bordeaux 1865. 8°;
durch Hrn. Archiv Rath von Mülverſtedt, Provinzial-Archivar in Mag-
deburg:
Erſter, Zweiter Vierteljahrs⸗Bericht des Vereins für die Ge
ſchichte und Alterthumsluude des Herzogthums und Grzfiifts
Magdeburg. 1866. 8°;
von Hm. Peivatvocenten Dr. Lohmeyer:
N. Bergan, Schloß und Dom zu Marienwerber. Beſonderer Ab⸗
druck aus ber „Zeitfchrift für Preußtfche Gedichte und Landes
unbe”. Berlin 1865. 8°;
von Dr. Reide das 5. Heft der Altpreußiſchen Monatsfcgrift, endlich von
Dr. Gteffenhagen:
Carolus Eduardus Gueterbock, De jure maritimo... Be-
gimonti Prussorum 1866. 4°, nub: Jura Prutenorum ...
edidit Paulus Laband. Regimonti Pr. 1866. 4°.
Altze Menstsigeit Ba. 11T. Mi. 7. 42
658 Rrititen und Referate.
Hr. Minden berichtet, auf Grund anberweitiger Mittheilungen, über
einen eigenthämlichen Bernfteinfund bei Namslau in Schleſien. De
Fund beftand in einer bebentenden Quantität rohen Beruſteins — eisa
acht Metzen — in Meineren und größeren Stüden, bie zuſammen an
120 Pfund wogen, und bei der Aufdeckung von Hünengräbern zwiſchen
zwei Aſchenkrügen umd unter einer Dede von manerartig geſetzten Steinen
gefunden wurden (vgl. N: Jahrbuch für Mineralogie 1866. S. 506 fi.
4öfter Yahres-Bericht der Schlefiich. Geſellſch. für vaterländ. Cultur 1866.
©. 104 ff.; Die hier ohne nähere Angabe angeführte „merkwürdige“ Ab
handlung v. 3.1748 „über ven Bernfeinhandel in Preußen vor ber Kreny
Herrn Ankunft“ fteht in ber „Preuß. Sammlung“ II, 133 ff.). — Dr. Reid
madt aufmerffam auf ten von Hrn. Bauführer Berg au vorbereiteten
Plan einer zufammenfaffenden Arbeit über die Bauten des Deutſchen
Ordens im Samlande und wieberholt bie Bitte des Genannten, ihn
mit einſchlãgigen archivaliſchen Notizen zu unterftägen (cf. Monatsfchrift
III, 558%).
26. October. Die ganze Gigung wird durch Vorzeigung ber man
nigfaftigften Altertfumsgegenftänbe in Anſpruch genommen. Es werben vor-
gelegt: von Hrn. Donglas (Trömpan) verſchiedene Begenftände aus Etein,
Bronce, Eiſen (letztere als Geſchenk), in Gräbern bortiger Gegend gefun⸗
den; don Hrn. Dr. med. Henſche eine größere Sammlung von Bew
fteinforallen ans dem Samlande. — Hr. Dr. ©, Berendt zeigt uud er
läntert mehrere bearbeitete Bernſteinſtüce, welche in dem kuriſchen Haffe
bei Schwargort, bei Gelegenheit der VBernfleinbaggereien, zu Tage geför⸗
bert find (cf. Altertfumsfunde No. 10. Mtsſchr. IL, 755). Der Charalter
ber Bearbeitung weift beutlich anf brei verſchiedene Zeitperioben. Mit
den in Gräbern gefundenen Beruſteinſtüden Haben bie vorgeqzeigten
eine Aehnlichkeit. Es bleibt fraglich, ob biefelben etwa aus Gräbern in
das Haff gefpült, oder bei Fahrten verloren gegangen find. — Hr. Ge
heimrath Schubert zeigt unter lehrreichen Erläuterungen beſonders inter-
effante Stüde feiner werthvollen Münzfammlyng, als: Nönrifche Kupfer
mänzen aus bem 2, Sec. p. Chr., eine fehr jeltene Golbmänze von Zohaunes,
dem Ufnrpator des Kaiſers Balentintan II., aus dem 9.423 und Arabiſche
Eibermänzen von Harım al Raſchid uud Almanſor, ſammilich in auferer
Atertjumsgefelihaft Pruffia. 659
Provinz gefunden. — Bon Hrn. Cantor Preuß (aus German) werben vor⸗
gezeigt eine überaus reiche Sammlung ber verſchiedenartigſten Korallen aus
Etein, Thon, Bernftein, Glas, Metall (600 an der Zahl) und 200 Stüd
biverfer Münzen. Beide Sammlungen, im Kirchſpiel German allmählig
zuſammengebracht, werben gegenwärtig von bem Befiger zum Verkauf ger
ſtellt. — Endlich bringt Hr. Rechnungsrath Ulmer bie Hier im Pregel
neuerlich heramsgebaggerten alten Schwerter (cf. Altertyumsfunde No. 34
Misfgr. III, 566.) zur Vorzeigung, welche inzwifchen in feinen Beſitz
übergegangen find und von ihm als Geſchenk an bie Gefellfchaft abgegeben
werben. S—n.
42°
Mittheilungen und Anhang.
Zu Wigend von Marburg.
„Der fürftlich fürftenbergifche Hofbibfiothelar Dr. Barad in Donauefchingen
bat ein Bruchftüd der verloren gegangenen deutſchen Orb
ginalchronik des Chroniften Wiganb von Marburg im der
dortigen Bibliothek anfgefunden. Diefe Chronik war bisher nur
in einer Inteinifchen Ueberſetzung befannt, welche auch in den „Scri-
ptores rerum Prussicarum® Hrsg. von Theod. Hirſch, Mar Zöppen
und Ernft Strehlfe, eine gebiegene Bearbeitung gefunden hat. Das
Bruchſtück umfaßt zwei Pergamentblätter in 4%, die zum Ginband
eines älteren Buches verwendet waren, im Ganzen 134 Verſe, deren
Inhalt in den Kapiteln 34, 35, 36 (Anfang) und 35 der in den Scri-
ptores abgebrudten lateiniſchen Ueberfegung der Chronik wiedergegeben
ft. Dr. Barad wird feinen Fund veröffentlichen.” — (Süuftr. Big.)
Beilage =. Anzeiger f. Kunde der deutschen Vorzeit, 1866. No. 8. Bp. 296.
Der obige Fund bietet ein werthvolles Eeitenftüd zu den Original
Bragmenten der Wigand'ſchen Reimchronik, welhe durch Kansler nub
Krömede in zwei von einanber unabhängigen Handſchriften entvedt und
in ben Sahren 1845 und 1858 veröffentlicht worben find (vgl. Hirſch
Scriptores rerum Prussicarum II, 441, 442). Während Krömede's
Fragmente außer 16 Versanfängen (cap. 43 ber Lateinifchen Ueberfegung)
nur zweimal 17 Berfe (cap. 38), die beiven Kausler'ſchen Onartblätter
aber im Ganzen 124 Verſe (cap. 11) enthalten, Übertrifft Bar ack's Fund
die letzteren noch um 10 Verfe (vorausgeſetzt, daß bie Zahl 184 kein
Münzfund. — Ein Ehafefpear-Bortrait in Abnigäberg. 661
Fehler ift). Hieraus ergiebt ſich zugleich, daß B.'s Hanbfchrift von der
Kansler’fchen unabhängig ift, da fie eine größere Zeilenzahl befigt. Da-
gegen bliebe die Frage offen, ob etwa Krömecke's Fragmente zum vor-
liegenden Bunde in näherer Beziehung ftehen, und ob vielleicht beide Funde
einer und berjelben Hanbfchrift angehören. Wenn ferner der Inhalt von
B. foweit er ben capp. 34, 35,36 ber Meberfegung entipricht, unbebenflich
als durchaus new zu betrachten ift, fo bleibt für dem übrigen Inhalt =
cap. 38 fraglich, inwiefern derſelbe auch bei Kr. — cap. 88 ſich wieder-
findet, ober nicht. Sind alle 134 Verſe ohne Ansnahme neu, fo zählen
wir jetzt, mit Einſchluß ber bei Caspar Schü überlieferten Stücke, ins⸗
gefammt 401 vollftänbige Verſe der Urfchrift eines Werkes, deſſen ganzer
Umfang anf mindeftens 25,000 Verſe veranfchlagt werben Tann.
Sn.
Ränzfund.
Im Mingethale wurde im Juli d. 9. bei Schernen ein römifches
As gefunden; die Borberfeite zeigt den Kopf des Kaifers Gorbianus mit
der Umſchrift IMP(erator). GORDIANVS. PIVS. FEL(ix) AVG(ustus),
die Röckſeite einen römifchen Krieger mit der Lanze und ber Umfchrift
TR(ibunus) P(lebis) IIII COS(eonsul) II, nebft ben Buchſtaben
S(enatus) C(onsulto). Da Gorbianus IIL im 9. 238 n. Chr. zur Re
gierung kam, in welcher er fich bis 244 behauptete, und nad; Eckhel
Doctr. num. VII. p. 309 ff. die Beinamen Pius Felix in feinem zwei
ten Regierungsjahre annahm, fo muß die Münze in die Jahre 289 bie
244 geſetzt werben; die Ungabe des 2, Conſulats weift anf 239.
Memel. 5. Genthe.
Ein Shakefpear-Portrait in Koͤnigsberg.
Auf der Königsberger Stadtbibliothek fand ber Unterzeichnete ein
Brotrait in 3/4 Bebensgräße, welches nach feiner Anficht und aller derjeni⸗
gen, die es in Augenſchein genommen Haben, niemanb anders als Shale ⸗
fpear vorftellt. Cine Bezeichnung fehlt freilich, aber bie Aehnlichkeit mit
andern Bildern ift ganz überzeugend. Es ift auf Holz in Del gemalt und
662 Mittheilungen und Anhang.
ſchon ſtark nachgebunfelt, fo daß bie Fleifchtöne unangenehm grell hervor
ſtechen. NKünftlerifhen Werth hat es nicht, aber doch bleibt es interefiant,
daß ein offenbar älteres Bild des Dichters ſich nach Königsberg verirren
und Lange Zeit hier unbefannt bleiben Konnte. Urſprünglich gehörte es,
wie Hr. Archivar Dr. Medelburg gefälligft mittheilte, zur Hippel ſchen
Sammlung, die, nad) bem im Yahre 1796 erfolgten Tode Hippels in ben
Beſitz der Stabt überging. Wo Hippel es angefauft hat, ift nicht mehr
zu erfahren; jebenfalls ſcheint es nicht in ber zweiten Hälfte bes vorigen
Sahrhunderts gemalt worben zu fein. Unter ben befannten Portraits
Shabkeſpear's, die befanntlich viele Divergenzen haben, ift ber fogenannte
Chaudos ·Shaleſpear derjenige, mit dem unfer Bilb bie größte, obgleich
nicht eine vollfommene Wehnlichkeit hat. Wermuthlich ift es eine etwas
freie Copie nach dem genannten Original, mit Zuhülfenahme anderer
Portraits des Dichters; jedenfalls fheint der Maler mit der bildlichen
Darftellung Shaleſpear's und ber Weberlieferung über fein Ausfehen, die
darbe der Haare, ber Augen ꝛc. wohl befannt gewefen zu fein. Der Ohr
ring fehlt nicht, das Wamms iſt vom ganz einfachem Schnitt und tief.
ſchwarz, der Hemdkragen fteht offen, die Bänder deſſelben hängen herunter.
Um das von einer ungeſchidten Hand unforgfältig ladirte Portrait ift ein
fleinerner Fenſterrahmen von onaler Form gemalt, am Kopfenbe mit einer
tragifchen und komiſchen Maske nebft Lorbeerzweigen verziert. Die äußer
fien Kanten des Fenſterrahmens find mit einer Säge abgefchnitten, und
zwei an dem fo entflanbenen Viereck fehlende Edftüde von Holz eingeleimt.
Nach diefer Geftaltung ift das Bild übermalt worden, wie die an ben
Schnittflächen Hinüber gelaufenen Pinfelftriche beweifen. — Herr Hofpho-
tograph Riedel Hat auf mein Erfuchen die Gefälligkeit gehabt, daſſelbe, fo
gut das alte Bild es erlaubte, zu photographiren. Eine der Copien
werbe ich nach Berlin, die andere nach London an Gachverftänbige
fhiden; ſollten dieſe etwas Grhebliches über das Bild zu bemerlen
finden, fo werde ich wicht verfehlen, ihre Bemerkungen durch dieſe Zeit
ſchriſt mitzutheilen.
Behlan. Früftge.
Hanbfgriftliche Junde aus Rönigäberg. 663
Sandfsriftlihe Bunde ans Wönigsberg.*)
(Bat. 111, 468.)
17, Bwei kleine Fragmente des Sachſenſpiegels.
Unter No. 8 der Handſchriftlichen Funde (Monatsfchr. III, 279) if
über „ein neu entbedtes Sachfenfpiegel-Fragment“ der Königl Bibliothek
berichtet worden. Seitdem hat Dr. Reicke zwei weitere Meine Fragmente
einer davon unabhängigen Pergament-Handichrift des Sachſenſpiegels an's
Licht gezugen. Er fand fie in der Kgl. Bibl. als Vorſatzſtücke in einem
Summelbande von Druden des 16. Jahrh. (Ods. 659. 40), deren Dedel
1547 als Jahr des Einbandes aufweiſt.
Beide Fragmente, doppelipaltig, die Spalte zu je 5 und je 6 Zeilen,
gehören unmittelbar zu einander umd bilden zufammen einen 11 zeiligen
Breitendurchſchnitt eines und deſſelben Blattes. Der Inhalt des Ganzen
beiteht, den 4 Spaltenüberreften entſprechend, in vier Bruchftüden aus
dem Landredt des Sachſenſpiegels, und zwar im Bereiche vom leg
ten Artikel (72) des II. Buches bis IIL art. 4, in folgender Weife:
Spalte a — heiligen bis vnde, II. 72.8.2; Spalte b — tage bis ozu
gehal[den] II. 72. 98. 4, 5 Domeyer not. 35; Spalte ce — aber bis
vridebre[cher], III, 1. 88. 1, 2; Spalte d — sint bis vorgeben ader,
II. 2 am Ende bis 4 $.1.
Zwifchen den einzelnen Spaltenüberreften fehlen, nach Maßgabe bes
Erhaltenen, immer etwa 12 Zeilen, folglich zu jeber vollen Spalte oben
und unten je 6 Zeilen, Mithin find umfere Fragmente gerade ans ber
Mitte eines Blattes geichnitten, welches 23 Zeilen in der Spalte zählte
und in Meinem Quart⸗Format bemefjen war. — Der Text ift oberſächſiſch
und ohne Gloſſe, die Schrift aus dem XIV. Jahrhundert.
Wir vindicteren auch biefem Bunde feine Bedeutung als Ueberreft einer
untergegangenen 9. des Sachfenipiegele und als Beweisftüd für deſſen
Verbreitung im alten Preußen. S—n.
*) Im Anſchluß an Ro.3 der Handfchriftl. Funde (IT, 376) ift zu bemerten, dab
die dort erwähnten „mittelalterlichen Heilvorfchriften“ inzwiſchen abermals abgedrudt find:
Bacher Zwei mediciniſche Recepte, in Haupt's Zeitfhrift Neue Folge I, 381 ff. 1866.
664 Mittheilungen und Anhang.
Univerfitäts-Chronit 1866,
1. Det. Philol. Doctordiſſ. v. Joan. Otto Pfundtner (aus Abichruten bei Gumbinnen):
Pausanias Periegeta imitator Herodoti. Regimonti Pr. Typis expressa Gumbin-
nae in aedibus Fr. et Wilh, Krauseneckii (Fr. Krauseneck et fil.) (57 6. 8)
6. Det. Mathem. Doctordiff. v. Joan. Theod. Meyer (aus Schweidnitz): Me transfor-
matione funetionum ultraellipticarum. (28 ©. 4.)
„Aesd. Alb. Rogim. 1868, V.“ Index lectionum ... per biemem anni 1866 a. d. 18. Ocio-
bris P. P. O. instituendarum. [Prorector Dr. Alb, Wagner, med, et chir. P.
P. 0.) (15 &. 4) Praefatus est L Frieälsender de pretiis frumentis apud Ro-
manos, (©. 3.4)
Verseichniss der... . im Winter-Halbjahre vom 18, Oct. 1866 an zu haltenden Vor-
lesungen u. der öffentl, academ. Anstalten, (4 BL 4.)
19. Oct. Philol. Docterbifl. v. Eugen. Rademacher (aus Darlehmen):. Quasstiones de
wilogia tragica Greecorum. (55 ©. 8.) 3
Lyceum Hosianum in Braunsberg 1866.
Index lectionum ... per hiemem a die XV. Oct, ... instituendarum. (h. t. Rector:
Dr.Laur, Felät, P. P. O.) Brunsbergae typis Heyneanis, (16 ©. 4) [Praecedit
Dr. Josephi Bender de Henrico Episcopo Warmiensi, qui fuit ante Anselmum,
commentatio. 6. 3—14.]
Bibliographie 1865.
Bortfegung.)
Migelis, Dr. rof. d. Philof 9 Braundberg), Kirche oder
nt En. Fan ———
q . gt.
— — ——58 an die Adrefle d. Mainzer Batholiten u des Seminarregens Moufang
insbefondere. PBraunsberg. Ed. Peter. (32 ©. gr. 8.) As Thlr.
-— Pe u. Hegel's Verhaltniß zur Naturmif efchat. Ratur u. Offenbarung.
ei Pflanzenmonftra. [Cbd. Hft.9.
ne Uebereafimmung ver 4 ein —— Schopfungstage mit d. Ratur unt
Buegndeeaun der Atomenlehre. 10]
Renih u. Affe. Edd. Hit. 12. je
— — Geschichte der Philosophie von Thales bis auf unsere Zeit, In allge-
faslicher Darstellung. Braunsberg. Ed, Peter. (VIII u. 844 €. gr. 8.)
1 7 2 ©
Miüler, — Dr. in Kgsbg.), Zum Beſten der Menſchen u. der guten Hunde,
er —E Big. Ro. 292. Ba
', Gust., De linguse latinae arm iss, inaug. philol. Leipzig. (Kgabg.
Schubert & Seidel.) (VII u. 96 ©. gı Yg Zhle.
Molimjaufie Diebpatiie Iezuje Krtier rtaiveron, Monjuge arba Sultetije.) (Ti,
Drud dv. J. Repländer.) (1 BL
Bihfiographle 1865. 666
Refielmann, Di; 5. &» Ueber den verfiden Ditter Haf. [lnterhaltungen
d. liter. Fe
-— Hall, © — Muhammed, der Divan. Aberſ. v. G. 9.8.
Neſſelmann. a Weidmann. (VII u. 216 ©. Ser, 1 Sr.
Neumaun, Prof. Dr. Carl, Der gegenwärt. Standpunct der mathemat. Physik, Akadem.
Antritterede gehalt, in d, Aula d, Univers. Tübingen am 9. Nov. 1865. Tübin-
ga. Lanpp. (82 ©. gr. 8.) 5 Wir
— — Das Dirichlet’sche rs in seiner Anwendung auf die Riemann’schen Flä-
chen, Leips. Teubner. L u. 80 6. ar. 8.) 18 Gar.
— — Vorlesungen Über Bienen Theorie d. Abel’schen — Mit 102 Holasehn.
u. 1 lith, Taf. Ebd, (XIV u. 514 ©. gr. 8.) a a
Fr. Jul. (Reg-Aflefior), Die Geftal tieren Sebensdauet i in Preußen
it 1816 i Beʒiehun⸗ des
BE Be en
de Mar (Docent d. deutsch. Rechtes u. Ce vilprocesses an d, Univers. Bres-
lau), Geschichte des Wuchers in Dentschland bis sum Jahre 1654. Artikel 1.2.
(Zeitschr, f. Kirchenrecht hreg, r Dove. Frisdbeg, V.Jahrg. Hfl.1. 6.43-1i4.
ven Gedichte a
i P. i 16 ©
Drtfeftr 5‘ icäniß, a Flag Auimene. 9 9 ae der
—* (172 S. ar. 8.)
Dftfee.]
@pel, Ant. v., die DI Küftenläı rapabih
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or. 8.) 1%, Thx.
nolemelt, Lehrer Hiftorifh:geograpb, Karte vom alten neuen während ber
” ft des Kr Nitterordend. Mit e, Ueber Fr al me eröbenun
ea bis ars eG Te Brit. Nah Surf, len entwerfen u gun
net, Ausg. in mat mit e. Ueberfiht der re ber Erbauung der
im praben 1 Son, ang. ‚lthogr. An v. Ade —E
Ar. a. in "si
_— scher, —— für Cain und gm en BE Sar.
v. Bel €, Infteuttion Orupenfühee Terrain. Die Zeuermi
ar —e— — 2. Aufl, Th ee }. € ak
In m. bei gu Valid.) (89 S: 8.)
vierfon, Oberl. Dr. William, Geibichte der —* Revolution von 1789, Berlin.
ann. (130 ©. 16.) 6
n . 16.) 2
— — Leitfaden der preuß. Geſchi nebft Gronclogi. u. ftatift. Tabellen. Berlin.
Beier. (VI u. 176 ©. 8. m. 1 Tab. in qu. 4.) 8 Egr.
Sineus, Dr., Agriculturhemifhe u. hemiſche unterm ven u. Berfuce, rt bei
der Iondwirtbib. Kemikd-phufifal. Berjucäftation in nRerburg, IV, Hrög.
von dem Curatorium. (4. vo ganatabır. d. 5.6. r_Georgine gr 1864,)
Gumbinnen. Gebr. b. Fr. Kraufened. "a Ir u. — ©. ar. 8.)
Post, Die, in Königsberg NS Nachrichten f. das mit d, Post-Anstalten in Kbg. i. Pr.
verkebrende Publikum. Nach amtl. Quellen bearbeitet. Kgsbg. Wilh. Koch.
«(Gedr. bei H. Hartung.) (62 ©. gr. 8. m. 1 lith. Blan.) a
er ES Ostpreussen nach amtl. Quellen angefertigt. Kgsbg. Sehr. Moehring.
a r.
Powiastki i opowiadania en na Prsyjsciela ladu. 1. 2. Cheimno. Danielewaki,
(83 u. 8o S. I. 8. &
Prager, Dr. C. J., das —8 kl Modieioat- Wauen in seiner gegenwärt. Gestalt
—— tell, Ergänsgs-Heft. Berlin. A. Hirschwald. (XII u. 255 ©.
8.)
(9ren a
I, Bertbolt B , der berühmte Deutſchordens · Comthur, Ober:
= erde aus She. — [Bericht über das Mufeum di nk
666 Wittheiungen und Auhang.
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* Ace en Batltrarie Ber Ih für e Giepermkihe ane'n. erala ver
t —* Kud. vollftänbiges Liederbuch
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we je SE Berker. Marie. Pehdetelen. Wil e 80
ar. a Zhlx.
Preuss, Lic. Doc. Dr. Ed. Gerh. Loci theologiei itpr. Bonateigr. !
Lig. 5-7. Berlin. E (84 I: 1a ©. Arten a3, Khlr. us
— — — römische Lehre von der unbefleckten Eı aus den Quellen dar-
u. aus Gottes Wort wide Ebd, (Vu u 284 8. g. 8) 1 Se.
—E Rect. Fr. Ban, Diener an den Hrn. Lie, Dr. Breuß, Brivatdoc.
der ev, Theol. an d. en en 2. Aufl. Paderborn. Junfermann.
(48 6. 8.) 4 Sar.
IWreufen x,
Tafe
jowie ü —— ® et Bien den L Beite-tut
reußen u.
tupf om häplich werben. a we Peg (Kır.286.
ar. m. 7 db. m) eolm. Tal’) 3 Zhte
@rewingk, C., Das Steinalter der — Liv-, Est- u. Kuriavd u.
einiger [Schriften
angrenuenden Landstriche, Dorpat. Gläser. der
estnisch. Gesellsch. No.4] (119 ©. ar. 8. m. 2 Holzldintaf.) Ya
Pabet, Oberl. Ed,, Die Volksfeste des Maigrafen in Norddeutschland, Preussen.
Livland, Dänemark u. Schweden. Ein Beitrag sur Kulturgesch. des ger-
man, Nordens, Berlin. Mittler u. Sohn in Comm (V u. 92 ©. 87.4) 24 Car.
Propium. Poloni ct Buslan,aira missee Proprisn frloram i Aaneieram pa-
i Poloniae et Suscias, item Bussiae, magai ducalus Lithnanac
SE ducatos Gilesiae, sd normem rniscalis roman sccnmodatae Kempien.
. (48 €. fol) 21 Sr.
Hal, Dr. phil. Alb. Qual reram ondiione ordo Tentonieus Pramiam occa-
Pare incoperit, Dissert, erit, hist. Halis, Saxon. (40 ©. gr.
Berdh, Heinhold,. Qunestiones de footibus, quibus Diugosius ans sit in com-
ponenda historis Polonica in ärnlatinen adhibto Ihre deeimo. Dies,
Zunft Dr Saba, $ı Förde der erften Theilung Bolend. Sreibur
1, Brot. Dr. ur ung N
1. Br. Herder. (VIE n. 1 ©. gr.
Hefebiel, Sn. Birubilges ——E 1701 u. 1861. Bein 1863,
Hay. (73 S. taf. in Fol. u. ar. Fol.) cart. 8
ge. ”
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ven \ Gopernicus u. ‚fein a Cine Ex; Thor. E. Set,
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Bollfopen u. —— haen In ber Mei, Elpung > —
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Der al, mnafatehe, —8 * Selm ar gepe v, Baiern u.
Gesten, Sn Be ag us Gel iäte De Saale der Hohen. Op Ok
Maden, E, sur In be —8 scientiique de Ia musique. Analyse des rechuic.en de
M. Helmbolts, Paris. (22 ©. 8.)
— — Theorie des battements et des sons rdsultants d’apräs M. Helmholtz. Paris.
Etienne Giraud. (32 ©. 8.)
Beichau, Henr., De fontium delectn, quom in —A moribusgue —— —
Tacitus, Buotomias, jerunt inaug. Kgsbg. (Schu-
Verk hade) Me Rh
. Vblogrophie 1868. 667.
Neinide, Conſiſt. 1 Beligiotät.. Diet
des ol en — gehalten. [Meftpr. 3 1868. —A 62 a]
Biehter, Dr. Joh. (Gym.-Lehr. in Rastenburg), Zu den Fälsch: im an
{N. Jabrbüch. f. Philol. u, Paed. 91. Bd. 5/6. HR. ©.423—426.]
obig R. A, Seminarlehrer, Regein der deutſch. Spradlene für Eementarſchulen.
aunäberg. C. Peter in Comm, (82 ©. gr. 8.) Bu
Mofenhen, De Mar) in Marienburg, Miscellen. 1. Die Di Eine eine Stastsaniakt
watſchulen oder ft henannte ftitute. 3. Beredtii der Frauen bei ver
zer — Menſchengeſchlechts. 909. Archiv. Jahra. No.8. ©. —
-—- len. 1. Der Garten als Erziehungsmittel 2. Kinderfpiele. IEbv.
u tel, Biere Seile In de rt. [Rorile Re.
oſenkranz, Kar iberot’3 m
Gran. 6. Dr 2. Walfopn, 136. ı Dr ©
— — Üeber Diderot’s Theater. [Jahrbuch Fr — —S von Richard
'osche. Bd. I. Berlin, 1865. gr.8. ©. 99—137. Nachtrag. €. 4 Ri rec.
Rerkke, 9, 9m Since. Eeliterl. ed Bert. Cum Ger. bei Bil.
gr Sr.
Dr. R., Meningitis Sersbrospinali epidemica, ihr Auftreten im Kreise a
rent in Westpreussen in den Monaten Januar, Februar, Märs u. A,
nebt eigenen klinischen Beobacht n. Erfahrungen, Neu-Roppin, hmigks
& Riemschneider. (29 &. gr. 8.) 4 Zhlr.
Saemann, Hugo, De sectione cacsaren aufn, tm tum m guneritar num matris genus mori-
endi vim habeat ut foetus vel seotione caesaren in lucem.
edatur. Diss, inaug. obstetr. — —S—— Beidel.) (25 ©. 4.) 6 Sar.
Sanio, Dr. Carl, Einige Bemerkungen in Betreff meiner über Gefässbilndelbildung
geäusserten Ansichten. [Botan. Zeitg. 1865. No. 21—25.]
Schade, Osc., Altdentsches Lesebuch. Gothisch, altsächsich, alt- u. mittelhochdentsch.
Mit literar. Nachweisen u. einem Wörterbuche, 2, Theil Altdeutsches Wörter-
buch. Halle, 1866 (1865). Buchh. d. Waisenhauses. (XVIIT u. 765 ©. gr. 8.)
Fr Thlr. (cplt. 5a Thle.)
efferdeden, Dr. » Die WafrBerforgung arıber ———
KH er fi Königeberg. Gin Vortrag, gel der Konigl. pboftlalif-lonom.
gell ——— t. 1865. [Abdr. ae Alpe Tonasiär) Razbg. (Roh)
Saite, Sir m — anal am ai, elcgete
Sorteäge Mt eve , ir ad aut die neueften eier Ehen
Straup) J u u D einem Vorwort Yon ‚Heren General alfuperint
Dr. } Ye aba Sat u Unzer, (1. Hälfte. 1866 (1865). XVII u. 188 &.
ar. 8.) 2. Hälfte 1866. 6.159361.) 1%5 Zhlr.
en © Car. Berah. (aus Braundberg), De Erysipelate, Diss, inaug. med. Berol.
midt, Poli M., atungs· Ordni die Stabt Königäber
Bari ine rg Er hen nn ® Grund emil der %
tanntmadungen. Ngöbg., 1861 (1865). Dr. u. are Harkun (4 €. 8.)
Söuaafe (. heil. Schrift Dr. u. Dialon 7. St. —e— 3
tomus u. ei an auf bie en ana ns Bit nad gi
‚am feiner Amtejı y. Mberreiht fer. gebrudt,
Zar, Ink HD Mae 6 9
Dr. Shinbete rn um Aufellumn,
Einem Unparteitfben. Emiey, Im be
© — nn 46.9
jenhauer.)
v. Dettingen, Schopenhauer'3 Philoſophie in ihrer or für chriſtl. Apo ·
logetit Ziſcht. f. Theol. u. Kirche. 7. Dvd. 4 Sft)
Pawlicki, Stepb. (aus Danzig), De —* jaueri Fraser et —E ra
tione, Diss, inaug. Vratisl, (76 ©. 8.)
& de ——— & l’esprit de la philosophie de Sehopenbauer. Darm-
von Kan al rat ve
stadt, Zernin.
668 Wittheiluhgen und Anhang.
Schroeder (Dr., i i 1
Dr, ae al | az Ahern), Broden. Dritte Mittheilung. (Eulm, Gedt. u
zu babı
Statistische des Culmer Kreises für d. Jahr 1864 mi it
ya dem Kgl. —e— v. Bchroetter. Culm, Selbstverlag. en
Danielewski. (XIII u. 251 ©. gr. 8. u. Anlage A-D.)
ein für die Glementar-Eculen der Provinz n, vd. 11. Dejbr. 1845.
Nebft den diefelbe erläut. u. ergänz. Verordnungen x. des Kal. Minifter. u. der
Kal. Regierungen zu Marienwerber, Danzig, Kosba u. Gumbinn. 4. verm. Aufl.
Etrasburg. Köhler. (IV u. 121 ©. ar. 8) 6
Sehuls, Car. Jul. (aus au, De Phnchiidis pathogenesi, aetiologis, therapia. Diss.
Ga Bene, Sie Grhmen na ie Blauen ober die preußiiben Blutyeugen
julz, Deint. (Literat), Die u. bie 13 pi
Bramatiihes Dem in 3 Auf; ‚Selbftverl. Genzburg. Cenudt ber ©.
3 (2 BL. u. 149 €. 12.) ıbferiptionäpreis 10 Sar.
ni €. (Brof. in a), De Danzig I feine, Bauwerle in Driginal-Rabirungen
it etrif 1 beftebend in 6 Bl. Rı
Fr EB — ae Fe; 0. & y le 5 Ser. (@ie vorausgegangenen
50 1. — 9 le.
Eelsircisements sur 1a Ortigue de la raison pure &’Emm. Kant, par
J. Schulze, prödicateur anlique da roi de Prusse, nit de Tallemand par
3 Tiagot, profesar de philosophie, doyen de 1a Facalt6 des Ittres de Dion.
Paris.
ee J— Martha u. Maria. Lebensbilder nad
ei 6 5 J erthes ee en
Say, Gutachten darüber, ob u. unter welchen Modalitäten bei der oärfigen
3c$ tntbenshl Se Serellng dner Waflrehung cus kafiden Witeln
dem Projelte des Stadt-B auch Sartel ieri burhführbar if. Ngabr.
Gebr. in b. Bihmerie, joruderei. (12 ©.
ben, Dr. Su Die fettige Degeneration | = ende Bd Xhierlörpers, ind:
jond. auc die der Musleln u. namentl. ch-ana⸗
lomiſche dorm der akuten und droniicen Seinen br —X organifehe und uns
HS Aare © Beonira Paeuben. (Bande
_ — "Ueber —
— — 2] ’ “
. Big. d. Brov. Te
— — leber d. acgenwärt. Stand ber —A den Trichinen. IEbd. 12—14]
— — Das verbeflerte romiſche od. iriſche Bad Te. 2.
— — lleber die Cigenſchaften eines guten Trink: und Kochwaſſers. [Cbd. “4,0
Periodiſche Literatur (1866).
(©. —— INES erg d FR what BR
Grünberg m. beien M. Pilati, Statiftiih.
Runde, 1 Bao, >: men En » — Mi ki. Weg ! Säle, En
. d. .
ae * BB 7 —* Gar hi ale, v „ot N Dick. Dem. Pe
elöner, ır Geſch. ig. Krieges v Sort)
v hang. Ameiſenſchwarme in au. 8 Fu
Beruf Mannſe wahrend des legten Krieges für Weſtyr. der Magdeb.
3 X Ber Kal Lat, 16 Ihnen bern 48 tar — Red.
342 |,, 181_fcm. verw., 90 tobt, 117 verm. i n
466 1, 256 ſchw. verw., 188 tod, 172 verm. [Dan Stg. 3878.)
Verioptiäe Sieratur (1866). 689
Get at ve Bi va — en geraten den Ace
„! rau. ae el
Ueb. oe —— hen d. Krieges in Bohm.
u. Sad. ( otgen aus en, — 62. cd. 66.
Beriök üb. d. Zeier d. glüdt. Heimtehr d. Sieger in Danzig i im Artushof 21. Septbr.
PR Burge u. Stbteeigugen im Rlran m
». Eohaufen, Li urgeu ai im
in Sreußen,. 1. Ginleig. Urbeekigg. Im in Breuben, —
NRingm: oenenbeng bei Germau). — Er (Kamswiten mit d.
Burg Q Caminiswite bei m] — Ballewona, 3 bei Schippen ·
beil. — Waiftote-il (Shippenbei — Reuband, b. . — Benz ob. Lenzke
(Cenzburg) — Baiga (Honeda) Zandmehren ( . . . Gertin*) (Bertaun:Wehrzaun)
zwilc. Locſtett u. rose vom —8 a) Bier. ſ. ch.
Geld u. Sandest. LAN 8.
Lippe, Einſt Graf, Sagen aus dem Berei Ritter d. diic. Dei, [Wochenblatt
% in ungen üb. c. Gebgekdäh Beier 2 eh hen, 1851. (Ur
uf en des Deutſchorde Den 1361, (Ur:
Mzbundenbuh d. Stadt Lübed, 3. Theil, er in. ‚Abe 1865. 4.
E nr ef. Btichr. f. pr. Geih. u. paf. brög. v. Foß. Yase, 10. Hft. ©. 654,
Dudil, Dr. B. 0. 8. B,, Ver M jr Ataoı, nach |. neueft. Beftimmungen, [I
Revue. 4. Jabra. 1866. B.
Bor 400 Jahren. (Weberfiht ber Ga . Aha d. Stdte und des Landadels vom
alten, d. preuß. StädtebundsSrieges biß 3. Sem Fried. 1866 d. 19, Oftob. [M.
ib. Unzeiger. 244. 246, 257. (aus d. Sp.
Eine Gpifode aus d. —— Deſch. der Se Di Fa v —X [EI —V—
——— — [£ Pr 238 —* af. 319.1
». Dambrowält, die Polen 1 in — —
—— —— Sum Milde Si ee een
au CR Sr GE De SE m
Namslau in Shlel. (of. Altpr. Ditsichr. fi Ey 668) a
Gesellsch. f. vaterl. Cultur. Breslau. 1866. &. 104—109.]
An, ber, Se, 9 Rulturoerfudhe in unferer Provinz. [&ds u. förſtw. Big. der Provinz
IT
Bed den. me — Re Zuf Ian (u 1866) v. deld u Bieh in ber Brovinz
Are
4
Dr RR in Beldau, die Inhnichfä. Sorlihgefäulen. [D. Boltsfgut,
Gröffnumgsfeier "der DI . Sizede Apsbg Bartenfein. 29. Sen,
Sie —R —* * —8 Stg. 229. (wieder abgedt. Oftpr. Big. 225)]
Zar, nad m. das FC d. —— d. fatal, am oberländ. Kanal
3. entricht. it; Bade —SeS d en tebl 44.)
——— eihfel-Haff-Kanal erlafien. — Hangfahrt:Drbnung für denſ.
töbl.
Aus der tofoll v . Directoren:Gonfe in d. Zrov. en vom
en, Aloe) iur. Ueb. ou ala Kechee zu Pd * ae der
Realih. Padag. Archiv. —— VII. Ro. 8. 6.598624.
— A ProvinzialsZurnverbands zu Dirſchau W Detbr. [[Danz. Ste.
Biel) | in —XRX Ueber maſur. Vollsſchriftſtellerei im Dienſte d. evang. Kirche. IEv.
mgen Pr] Mofuren. [Rgtbe. N. Stg. 234-1, 48.]
©) Im der Bilghanfen Gegend „bie Garbine” gensuzt,
er0o ittheihmgen und Anhang.
Aberglaube s — 4 md, w urepa 42.
M.5.% Kr ? —S——— ia, Bel u er ?
Grimerung "nn Braun fairen. v. I le 72. def 7,
i Bei]
R [Bftpr. Ztg. 252.1
! pt. (gegründ. * Sept. 1698,
de 1688 v. ulte
3. Dan Banana)
Fr aET, Benebentel —8
Br. nad archivaliſch.
sihr, TIL. 6.671.)
. Reformation. [Kath.
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m. SER Bernhard, Sachſ. zu Dam
1692.) Be DR. —— 1A Eu u hole. ri
ft. Dresd. 1866. 6.5668.
Dr. & era din — Zur Crinnerg. an Sorowsti. [Eo. Gmbbl, 41.)
si —— hnin-Dit Prof. Dr. Engeibardt in Danzig 2. Juli.
— Da, Emtan Big, u.» au —
ivleben.
— d — Tüntbttg. 1, It.
ey Iop. ent an ME. Bet:
— e, Bi She. u eh, —S
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— rip tbbGym. in Kasbg
. Gym. pro 1866.) [Grunert's Arch. d.
tar. Ber. CLKXIX. €. 1-2]
orh, in Kgöbg.), Dr. Conrad Ra; Ein
1%, fomie b.Bchre u fogen. sehe. genthum.
I &ötter Joh Bopve Ber d, Une
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Dany. Archivs benugt.) [Jchr:
Pr —* —— — ——
—— Dani 3. en (im
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1861 th. . . . Die Uı 8 . als Dr.
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Erinnerung an e. lieben —— —E ıd. Carl Mi aus Nur
il bei Bi im Rrase Hin. [@.
Gaston. um. scheu (are Behanien 3 Def I
Sänipe).]
«u — ker [Ebo. 48.
Es N
Ern Sa » Tran im utbltg.
Anzeigen.
Einladung zur ‚Pränumeration
Geſchichte der Duden in Mönigsberg i. Pr.
nach archivaliſchen Quellen bearbeitet
von
Dr. G. Jolowig.
Ein Beitrag zur Gittengefchichte des preußiſchen Staates
Der Berfafier hat bei Bearbeitung dieſes Buches, außer einer großen Menge ne:
dructer Werke und Urkunden, noch beſonders ſammtliche Judenalten der hiefigen ftäbtis
ſchen und Königlichen Behörden benugt und giebt eine umſtändliche, moͤglichſt vollftänbige
Darftellung der Außern und innern Geſchichte ver Juden Konigsbergs von ihrer erften
Anfiedelung im heutigen Oftpreußen bis ans die Gegenwart. Das Bush ift von keinem
Barteiftandpuntte aus, daher auch für feine befonvere Partei geſchrieben. Sämmtlihe
Thatſachen find den Quellen gemäß erzählt; ihr Urfprung und ihre weitere Entwidelung
werben aus dem je zeitweiligen Culturzuſtande der Provinz, Stabt und des Gefammt:
ftaates erflärt und das Ganze bildet einen nicht unwichtigen Theil der reichhaltigen Son ·
dergefchichte der Hauptftabt Altpreußens. Sehr viele neue, biäher unbelannt gebfiebene
Xhatfachen liefern werthvolle Beiträge zur Geſchichte des ftäbtifchen Handelö, des Verhalt ⸗
niffes der ſtadtiſchen zu den Staatöbehörben u. |. w. Andere beleuchten in eigentham ⸗
licher Weife manche Partieen der örtlichen religiöfen, Raatöbürgerlichen, geieliceitlihen
und literartihen Zuftände, während wieder andere vielerlei Stoff liefern zum Nutzen der
Statiftit, der Vollswirthſchaſtslehte und der Charakteriftit geiftig hervorragender Perſo⸗
men. Dabei werben felbftverftändlih die widtigften Preuß. Judengefebe von 14. Jahrbun ·
dert an bis auf die neueite Zeit in Erörterung gezogen, Lebensſtizzen von Männern wie
David Friedlander, Medizinalrath Jeſeph Hirſch, Dr. L. Jacobion, Dr. Francolm,
Dr. Johann Jacoby, Dr. Gaalidüg, Dr. Koſch, Dr. Fallfon u. a. m. gegeben, die Ente
Hebung und almäfige Gntwidelung bes Gemeinbeweiens, ber jadiſchen Mopithäsigleits-
inftitute, des deutſchen Gotteäbienftes beſprochen, woran fi eine Reihe von Beilagen
und eine ftatiftifche Tafel über die Vermehrung der Juden anſchließen. Das Bud wird
16 bis 18 Drudbogen umfafien und ift der Preis für Bränumeranden auf Ginen Thaler
feitgefeßt, während der fpätere Sabenpreis 1 Xhlr. 15 Gr. fein wird.
sro Witthelkmgen und Anhang.
Aber, aus Mafuren. (Aus Zen Auffag im d. Mipr. Mtsihe.) (Europa 42.)
u Beil. zu 287—289.
rn, —— I 5 ie, mb. sr BI. 7. 72. (ef. ) 7.
Die Braunsber Stanfreibeit, Eko. 61.)
Die tath. böh. Abhenfdnle in Birannäberg. I&bo. 72 ( Gl.
gie sid genwart u. Zufunft in Sanig item. 252]
Gegen 5 — mſes im 1 ao ae 29. Sept. 16%,
erzieht gan. Bi aa — ER
ng
u. Jan sen Senn). (Dam. 38
Returf, Bell. Di 8 en rtrag d. jebeutel üb.
Ya m y Me fg 3, Shoe eb ha durch RR . geognoft.
IC d te lich. Quel
ESSEN UERRnENE
— Bi a a 1 EN Br —— formation,
euerwel ju i.
Di Zu mel Als ver Betgonäle bel. Alfhhife Res. a Sartge It.
* mi ln Se nee Di Sata im — — — E
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Ein in ai en Baurath Steende, Erbauer des oberländ. Kanal.) [M. Elb.
Ke if 1621.
* 75 SEP SE Pair u Anna
— din — Sun — on u [&o. Gmbbl. 41.]
Brof. Dr, Engelhardt in Danzig 2. Juli.
— des Geh. Ganit.R. Dr. Fiſcher. Dir. d. Rgl, Hebammen:
et — * er at 0 2 r 50, 61]
, jemoieı meinem
Ba nnerang am Sof, Dr —* En a ni. I.
our. Bea, va 2 Joh. Ernp Silb. Hart:
vu “ . 245. (Beit)]
E. 8. Em ftilles ©elehrtenleben. ER A & ker. u. — im Afzonom,
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Math. u, Phys. 45. Th, 8. HA. Literar. Ber. CLXXIX. ©. 1—2.]
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Beitrag 5. Yo. fogen, geiftig. Cigenthum.
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Die Kart a A Er Ang. 1866. — n. te Si I. a) Br. hs.
Ent FE ide, Kailer ai AS „ in 5 Aften. Ych 3-8, (autitte.
Anzeigen.
Einladung zur Pränumeration
Geſchichte der Inden in Monig⸗berg i. Ir.
nach archivaliſchen Quellen bearbeitet
von
Dr. G. Jolowig,.
Ein Beitrag zur Gittengefchichte des preußiſchen Staates,
Der Berfafier hat bei Bearbeitung dieſes Buches außer einer großen Menge ne:
drudter Werke und Urkunden, noch befonders ſammiliche Judenalten des biefigen ſtadti⸗
ſchen und Königlichen Behörden benugt und giebt eine umſtändliche, möglihft vollftänbige
Darftellung der äußern und innern Geſchichte der Juden Konigsbergs von ihrer erften
Unfiedelung im heutigen Oftpreußen bis and die Gegenwart. Das Bush ift von keinem
Barteiftandpuntte aus, daher auch für feine befonvere Partei geſchrieben. Sämmtlihe
Thatſachen find den Quellen gemäß erzählt; ihr Urfprung und ihre weitere Entwicelung
werben aus bem je zeitweiligen Culturzuftande der Provinz, Stadt und des Gefammts
ftaates erflärt und das Ganze bildet einen nicht unwichtigen Theil der reichhaltigen Sons
dergeſchichte ver Hauptftant Altpreußens. Sehr viele neue, bisher unbelannt gebliebene
Xhatfachen liefern wertvolle Beiträge zur Geſchichte des ſtadtiſchen Handels, des Verhalt ⸗
nifies der ftäbtifhen zu den Staatsbehörden u. |. m. Andere beleuchten in eigenthum ⸗
licher Weife manche Partieen der örtlichen religidfen, ftaatäbürgexlichen, geiellichafttichen
und literariſchen Zuftände, während wieder andere vielerlei Stoff liefern zum Nupen der
Statiftil, der Vollswirthſchaftslehre und ber Charateriftit geiftig hervorragender Perſo⸗
nen. Dabei werben felbftverftändlid die wichtigſten Preuß. Jubengefepe von 14. Jahrhun .
dert an bi auf die neueſte Zeit in Erörterung gezogen, Lebensſtizzen von Männern wie
David Friedlander, Medizinalrath Joſeph Hirſch, Dr. 2. acobfon, Dr. Francolm,
Dr. Johann Jacoby, Dr. Gaalfhüg, Dr. Koſch, Dr. Zallfon m. a. m. gegeben, die Ente
ſtehung und allmalige Entwidelung des Gemeindeweiens, der jadiſchen
inftitute, des deutfchen Gotteadienſies beſprochen, woran ſich eine — von Beilag
und eine ftatiftifche Tafel über die Vermehrung der Juden anfchließen. hu! wird
16 bis 18 Drudbogen umfafien und ift der Preis für Pranumeranden auf Ginen Ipaler
feftgefeßt, während der fpätere Ladenpreis 1 Thle. 16 Egr. fein wird.
672 Amgeigen.
Publicandum.
Die Oftpreubiiche landwirthſchaftliche Gentralftelle feht einen Breis von 200.Xhlrn.
für das beite, zum Gebrauch für landwirthſchaftliche Fortbildungsſchulen geei-:ete land:
wirtbichaftliche Lehrbuch aus. Dafielbe foll eine auf wiſſenſchaftlichen Brundfägen bafırte,
jedoch populaire Darftellung der Landwirthſchaftslehre geben und dabei auf die Verhält:
niſſe biefiger Provinz befondere Rüdficht nehmen. Es wird gewunſcht, daß bie beiref:
fende Schrift fih außer zum Leitfaden in Fortbildungsihulen auch zum Lehrbuch und
prattiſchen Ratbgeber für bäuerlihe Wirthe eigne. Den Preiäbewerbern wird in Bezug
auf die Art, in welder fie die geftellte Aufgabe löfen wollen, keine beftimmte Bor
ſchrift gemacht, nur dürfen die Goncurrenzarbeiten den Umfang von 12 Drudbogen nicht
überfteigen.
Die Vreisbewerber haben ihre Sähriften, mit einem Motto verfehen, bis fpäteflens
ult, December 1867 bei dem Generalfectetarint der Oftyreuß. landwirthſch. Gentzalfiele
Jeder Schrift ift ein verfiegeltes Schreiben beizufügen, welches als Auf:
ſchrift das nämliche Motto, wie die zugehörige Arbeit, und im Innern den Namen und
Wohnort des Verfaſſers enthält.
Findet ſich unter den eingeſandten Schriften nach dem Urtheil der Preisrichter keine
ihrem Zwed entſprechende, fo wir bie ausgeſette Prämie überhaupt nicht ertheilt.
Die gekrönte Schrift bleibt zwar Cigentbum des Derfafierd, doch iſt Lehterer ver⸗
pflichtet, dieſelbe fpäteftens binnen Jabresfriſt nach erfolgter Preisertheilung im Drud
erſcheinen zu laſſen, unb ſich über den buchhändleriihen Preis des Wertes worher mit
dem Vorftande der Oftpreuß. landwirthſch. Gentralftelle zu vereinbaren. Giebt ver Ber
faffer die Schrift binnen genannter Friſt nicht heraus, fo geht daB literariſche Cigenthum
verfelben auf die Eentralftelle über.
Die Begleitipreiben der nicht mit dem Preiſe gefrönten Concurtenzſchriften bleiben
uneröffnet und ftehen nebft den zugehörigen Arbeiten ihren Berfaffern zur Dispofition.
Nönigsberg, den 28. Oftober 1866.
Die Oftprenp. Iandwirtbfd. Eentralftelle.
A. Riter-Schreitladen. Hausburg.
Worftehender Aufruf ift von ber, vom Verwaltungsrath erwählten Commilfion, be
ſtehend aus den Borftandsmitgliedern der Gentralftelle und den Hrn. Deconomie-Rath
Bagener-Walbau, Dr. Frhrn. v. d. Golg-Waldau und Director Wollermann
Spitinas vereinbart worden.
Beritigungen.
Jahrg. 11. Hft. 7. 6.654, Zeile 7 u. 8 v. ob. (bie Gnreime, des 2. Sprichworts) ftatt
„obemeyen“ und Bi lies und
». ob (Signatur des “Danziger nathéeditts) fitt „XV.
Aberglauben ans lafuren.
Mitgetheilt von
Dr. M. Zöppen.
Gqhluß.
4, Aberglauben, welcher ſich an verſchiedene Jebensverhältniſſe knüpft.
Gleich bei der Geburt wird das Leben des Menſchen von dunlelu,
geheimnifvollen Mächten bebroht ober begünftigt. Der am Sonntag ger
borene wirb mit fchönen Gaben, aber auch mit ver Fähigkeit ausgeftattet,
Geifter zu fehen. Die Geburt am Dienftage ſchließt bie Präbeftination
zur Spigbüberei, bie am Sonnabende zur Heuchelei und Lüfternheit in ſich.
Geburt am Freitage mit der Taufe am Sonntage hat dieſelbe Folge, wie
die Geburt am Eonntage. (ſtrolczyk im Evang. Gemeinbeblatte.)
Mannigfahe Gefahren bedrohen gleich bie erſten Stunden bes neu⸗
gebornen Kindes. Noch treiben die Kobolde ihr tüdifches Wefen, die oft
Menſchenkinder rauben und Wechfelbälge an deren Stelle legen. Den
Katzen ift nie zu trauen. Der böfe Blid kann das Kind für fein ganzes
Leben ungfüdlih machen. Früher follen Donnerleile ala Amnletten ge
braucht fein. Gegenwärtig ift das Hauptmittel der Stahl, den man in
bie Wiege legt, body braucht man auch filberne Mebaillen, Ringe, Gold
münzen und rothe Bändchen, ober man legt dem Kinde ein Gefangbud
unter den Kopf, (Hintz S. 76. Krolczyk a. a. DO.) Fremden zeigt man
den Neugebornen gar nicht.
Der Stahl wird nicht eher von dem Kinde entfernt, als bis es ger
tanft iſt. (Willenberg.)
Die Taufe dee Kindes wird auf das Aeußerſte beſchlennigt, damit es
nicht der Tenfel in feine Klauen bekomme und tm Falle eines de Todes
Atze, Monstöfgeift Bd. ITT. HN. 8.
674 Aberalauben aus Mafuren
unter dem Zaune begraben werben muß. Stirbt ein Kind vor ber Taufe,
fo wirb es während ber Feierſtunde beerbigt. Im ben Tagen zwifchen der
Geburt und der Taufe darf in dem Haufe nicht gefponnen werben. Auch
hütet man fich in biefer Zeit etwas auszuleihen, das Kind Lönnte, ermad-
fen, zu freigebig werben. Ja bie Wöchnerin darf ihr Kind, foll es ge
beihen, nicht eher ftillen, als bis es getauft if, (Hartg. Ztg. 1866. Ro. 8.)
Hier und ba fommt es vor, daß bem Neugebornen, ſobald er zur
Welt fommt, von den Eltern ſogleich der Name gegeben wird, ber auf
nicht mehr geändert werben barf. (Hintz S. 74.) Wo dies nicht geſchieht,
hütet man ſich wohl bie gewählten Namen vor ber Taufe befaunt werden
zu laſſen. Sie werben von Yebermann in tiefem Geheimniß gehalten und
auch dem Pfarrer erfi in ber Kirche befannt gemacht, damit das Kind
nicht die Anlage zur Gefchwägigfeit auf feinen Lebensweg miterhalte.
(Bgl. Hing ©. 81, Aumerl. 8.) Auf die Wahl des Namens kommt viel
an; flirbt ein Kind oder flerben gar mehrere frühe weg, fo war wohl der
unglüdlich gewählte Name baran Schuld. Man ift bei ver nächſten Taufe
vorfichtiger und wählt oft, um ganz ficher zu gehen, die Namen Adam
und Eva. (Krolczhk a. a. O. Hintz ©. 78.)
Auch von der Perfon und dem Verhalten der Pathen Hängt das
Wohlergehn des Kindes ab. Dan muß darauf Bedacht nehmen, reinliche
Pathen zu wählen, und dieſe müfen fi) fo einrichten, daß fie, wenn fie
ihren Kirchenanzug zum Pathenftande angelegt haben, vor bemfelben fein
Bebürfniß mehr zu befriebigen Haben, damit das Kind nicht Windeln imd
Betten verunzeinige. (Wallendorf.) Eltern, deren Rinder frühzeitig ſter⸗
ben, pflegen Hofpitaliten zu Pathen zu bitten, bamit bie nody zu Tanfenben
am Leben bleiben. (Hing S. 77.) Der Pathe darf feine Gedanken wäh
rend der Taufhandlung von biefer nicht abwenden; fchweifen feine Gedan⸗
ten umher, fo Tann dieſes dem Täufling großen Schaden bringen; benft
er z. B. an die Mar oder an ben Werwolf, fo erhält das Kind die Na
iur der Mar oder des Werwolfs. (Hohenſtein.) Das Pathengeſchenl
das immer in Gelb beftcht, wird flets zu Haufe dem Rinde übergeben;
es muß Silbergeld fein, anderes würde ihm ben größten Schaden bringen.
(Dartg. Big. 1866. N0.8.) Mit dem Pathengelde zugleich widelt man
getn and) einige Krämden Brob ein, bamit das Kind dereinſt nicht Mangel
dom Dr. M. Zöppen. vr
feiben barf. Einem Madchen legt man auch gern eine Nähnabel bei, dã⸗
mit daſſelbe einft fleißig werbe, einem Knaben eine angefchnittene Feder
von einem Kanarienvogel, damit er ein guter Schreiber werde, und ander
res bergleichen. (Wallendorf.) Nothwendig tft babei jedoch, daß der
Bathe das Geld zum Pathengefchent nicht borge, damit der Täufling nicht
einft in Schulden flede, (Hohenftein.)
Die Taufhandlung darf bei Kindern, welche Sonntag geboren find,
nicht am Sonntag vorgenommen werben, weil fie dann bie gefährliche
Gabe erhalten würden, Geifter zu fehen. (Wallendorf.) Die Eltern find
bet ber Taufe nicht gern zugegen. (Krolczyk a. a. O.) Der Kräfte des
Stahles kann der Säugling nie, auch während ber Taufhandlung nicht
entbehren. Iſt man im Begriff den Täufling nach der Kirche zu bringen,
fo nimmt bie Hebamme eine Axt, legt brei glühenbe Kohlen daranf und
fhreitet mit dem Kinde barüber Hinweg; bies ift das befle Schugmittel
gegen alles Böſe (Hartg. Ztg. 1866. No. 8.); doch iſt etwas Stahl auch
in den Windeln verpadt, ober wird gelegentlich dem Kinde auf die Augen
gelegt, (Wallendorf.) Wenn man das Kind zur Kirche bringt, fagt die
Hebamme dreimal: „Ic nehme einen Heiden mit und bringe Euch einer
Chriſten zuräd,” (Hohenftein.) Es wird forgfältig vermieden, daß Knaben
und Mädchen mit bemfelben Waſſer getauft werben: benn wird ein Mäd⸗
Gen nach einem Knaben mit demfelben Wafler getauft, fo befommt dass
ſelbe einen Bart; das Gegentheil tritt beim Knaben ein, wenn derſelbe
nah dem Mädchen getauft wird. (Hing ©. 81. Hartg. Big. a. a. O.)
Wenn das Kind über der Taufe fehreit, muß man es nicht u font
wird es ein Kleiderreißer. (RI. Jerutten.)
Mm Häufern, wo bie Rinber wegfterben, reicht man, wenn es zur
Taufe geht oder nad) ber Rückehr ans der Kirche, ben Tänfling durch
das enter. (Hohenflein.) If man aus der Kirche wieder nach Haufe
gelommen, fo trägt man das getaufte Kind breimal um den Tiſch; thut
man das nicht, fo flerben dem Mädchen (vefp. ber Frau) einft bie Män«
ner und fle wird durch Erbſchaft reich; umgekehrt geht es einft dem Kia
ben, Läuft man aber damit zur Mutter, fo lernt es bald gehen. Häufig
wirft man, von der Taufe kommend, ein Gelbfiäd in einen Teller, nes
das gute Hören bes Getanften und kunftiges leichtes Lernen zur Ball Hat,
43°
676 Aberglauben aus Mafuren
Die erfte auf dem Kopf bes Kindes gefundene Sans genießt die Auszeich
nung in einen Keffel geworfen zu werben und bort zu flerben; verurſacht
die Manipulation des Tödtens einen hellen Knall, fo wird der Menſch
ein tüchtiger Sänger. (Hartg. tg. a. a. O.)
Das Entwöhnen des Kindes muß zn guter Zeit geſchehen. Es bari
nicht geſchehen, wenn die Vögel fortfliegen, fonft läuft das Kinb fort und
hat feine Ruhe; auch nicht, wenn Henfchober gemacht werben, fonft läuft
es fort und verftedt fih. Es muß unter einem guten himmliſchen Zeichen
geſchehen. (Wallendorf.)
Man entwöhnt die Kinder, wenn bie Zugvögel ſich einfinden; wenn
das gefchieht, fo haben die Mädchen einft viele Anbeter, die jungen Lente
find bei den Mädchen beliebt. Wenn es beim Abzug ber Vögel gefhieht,
fo haben bie Kinder feine Stätigleit. (Hohenftein.) "
Man entwöhnt die Kinder gern um Mitternacht; bann ruht allee in
fügen Schlummer und das Kind wird gebeihen. (Hohenſtein.)
Man barf über ein Kind micht fortfteigen, fonft wächft es nicht. Dod
heben Kinder manchmal leichtſinnig ben Fuß über daliegende kleinere und
ſagen dabei: „Glieder wachſt nicht.“ (Wallendorf.)
Die Fibel wird dem heranwachſenden Kinde in der Regel von dem
Pathengelde gelauft. (Wallenborf,)
Die Hochzeitsgebräuche der Maſuren in den öſtlichen Gegenden
find mir ausflihrlicher geſchildert von einem Manne, der dort früher Lehrer
gewefen war, zuletzt aber ſich in Kurken bei Hohenftein aufhielt, und fo
Gelegenheit fand, das Abweichende Hier und bort genan anfzufaſſen (bem
vor Kurzem · verftorbenen Heren Bercio). Ich gebe Hier zumächft feine
Schilderung, um bann einzelne abergläubifche Gebräuche nachfolgen zu laſſen.
Der Brautwerber, ein Altlicher, zuverläffiger, anftänbiger Mann, zer
tet eines Sonntags mit einem Kohlkopfe — die Werbungen finden mei
ſtens im Herbfte Patt --- nad) dem Haufe, wo die Brantwerhung flat
finden ſoll. Er läßt denfelden von feinem Pferde oder Ochſen anfeeflen,
teitt daun in das Haus, Inüpft nad) ber Begrüßung ein Gefpräch am, zeigt
im Laufe deffelben den beſchädigten Kohlkopf vor und ſpricht: Es iſt eine
Biege, ein Reh, im unferem Garten gewefen, es ift eine Befchäbigung an
bem Kohllopf vorgelommen, nun Habe ich gefpärt bis hieher umb will das
von Dr. M. Töppen. 677
Reh fehen. Wenn er das gefprochen Hat, weiß man fon, um was es
fi Handelt. Das betreffende Mädchen (weiches übrigens feiner Zeit dem
Brautwerber ein neues Hemde zu fHenten pflegt), läuft weg auf die Sucht,
wirft fi in Staat und wirb dann hervorgeholt. Auch mit ihr unterhält
fi} der Brautwerber über die Beſchädigung bes Kohllopfs. Sodann be
fpricht er mit ben Eltern (denn bie Mädchen haben barin fein Wort) feine
Ingelegenheit direct. Wenn ihm bie Eltern Hoffnung geben, kommt er
über acht Tage mit dem Bräutigam wieber. Da wirb benn nun bie
Verlobung, Ansftattung und Aufbietung verabrebet und ift die Aufbietung
erft erfolgt, dann geht die Verlobung nicht leicht amseinander. Sonntag
vor ber Hochzeit müffen bie Brautleute communiciren, bie Braut mit dem
Kranze geſchmückt, daß jeber gleich fehen Tann, daß es eine Braut iſt.
Yebe Hochzeit wird in ben Gegenben bei Oletzko, Lyck ıc. am Freitag ger
feiert; (in Kuren an der 'ermelänbifchen Grenze, wo man die katholiſchen
Faſten mit beobachtet oder berüdfichtigt, ift dies nicht ver Fall). Die
Einladung erfolgt am Senntag vorher, Die Freunde und Nachbarn aus
demfelben Dorfe werben burch einen proszek (Bitter, Einlader), die aus⸗
wärtigen burch einen ober zwei Plagmeifter eingelaben. Der erftere ift
in der Megel ein Angehöriger ber Familie, oft ein Iuflmann berfelben,
und macht fein Gefchäft zu Fuß gehend ab. Der Plagmeifter ift ein
jüngerer Mann, welcher mit Bändern reich gepußt Herumreitet um feine
Einladungen in ben benachbarten Dörfern zu beforgen. Gegen 10 Uhr
Vormittags verfammeln ſich die Gäfte in dem Hochzeitshauſe, wo fie mit
Mufit empfangen werden und bie Plagmeifter ihnen mit Bier entgegen
kommen. Wenn fie verfommelt find, wirb ein Meines Frühftüd, meiftens
ans Wurſt beſtehend, gegeben, und bann hat der Ortslehrer an bie Brant
eine Rede zu halten (dies gefchieht im Ermelande, fowie in den nächſtge⸗
legenen Gegenden Mafurens z. B. in Kurken durch den Plagmeifter), auch
werben einige Lieberverfe gefungen. Wenn nun nach ber Kirche gefahren”
werben fol, fo figen die Braut und bie Brantmutter (swachna) neben
einander auf einem Wagen, vor ihnen Brautjungfern. Man nimmt auf
den Wagen einen guten Vorrath von laden, ſchon zerſchnitten, mit, um
unterwegs ben Leuten auf der Straße die Stüde zuzuwerfen, Im Kruge
bes Kirchdorfs wird angehalten, auch getanzt bis die Gloden länten. Bon
678 Aberglauben aus Mafuren
hier nach ber Kirche wird zu Buß gegangen. Nach ber Trauung geht «6
zurüd in den Krug, wa getsunfen und getanzt wirb, und zu Wagen weis
ter nach Haufe, aber nicht ſogleich in das Hochzeitshaus, in welchem jegt
Mittag angerichtet wird, und welches daher frei bleiben muß, fonbern in
das Haus der guten rau (swachna), wo Schnaps und Bier getrunfen,
Auchen gegeflen uud getanzt wird. Iſt das Mittag im Hochzeitshauſe an-
gerichtet, fo kommt ber Hochzeitsbitter (proszek) in das Haus ber guten
ran, tritt in die Stube und ſchlägt mit dem Stock gegen ben Ballen,
worauf bie Mufit ſchweigt und jeder ftehen bleibt, wo er fi beim Zan-
zen eben befindet, Dann fagt er: Der Hochzeitsvater, bie Hochzeitsmutter,
das Ehepaar fafien grüßen und bitten nach dem Hochzeitshauſe zu kommen,
oraz i zaras (glei auf der Stelle). Hierauf macht er lehrt, bie Mufit
folgt ihm und bie Hochzeitsgäſte fchliegen ſich paarweis an. Die Plage
meifter fommen bem Auge mit Bier aus bem Hochzeitshauſe entgegen.
Dann folgt die Mahlzeit, vor und nad; welcher der Lehrer ein Gebet
ſpricht; auch werben wieder einige Verfe gefungen. Die Braut hat ihren
Play Hinter dem langen, ſchweren Tiſch, wo fie ſchwer zugänglich if, und
verläßt diefen Play auch nach beenbigter Mahlzeit nicht freiwillig, fonbern
wird von ben jungen Leuten, oftmit einiger Anftvengung, „aus ber Ge
meinſchaft ber Sungfrauen” (denn das Verfahren Hat feine ſymboliſche
Bedeutung) von benfelben hinter dem Tiſche Hervorgegogen. Iſt bies ge
lungen, fo fordert fie jeben männlichen Gaft zum Tanze auf und tanzt
wit allen. Das ift der Brautianz, bei welchem bie Mufici extra bezahlt
werben. Gegen Abend — oft ift es ſchon tiefe Nacht geworben — wird
Ganſebraten, ſchon zerlegt, aufgetragen und gegefien. Wenn diefe Mahl
zeit vorüber if, werben ungerlegte gebratene Gänſe und Etrügel aufge
tragen, jede Gans und jeber Strügel in vier Theile zerſchnilten, und jeder
Gaſt Hat das Recht ein ſolches Viertel nach Haufe zu nehmen für bieje
nigen Angehörigen, welche zu Haufe bleiben mußten. — Den nächſten
Faq, Sunnabend, Vormittags um 10 Uhr muß ber Plagmeifter wieber
anf dem Plage fein. Er nimmt bie Mufif mit und geht num von Hans
am Hana buch bas Dorf, um bie vom vorigen Tage ermüdeten Hod-
asitagäfte wieder zuſammenzubringen. Diefe ziehen fih nun an unb fl
en ihm. Sohald einige zuſammen ſind, wird im jedem Haufe, das fie
von Dr. M. Typen. 879
betreten, und von wo fie einen Hochzeitsgaft abholen, eine Weile geſchmauſt
und getanzt. Der Haufe vergrößert fi mehr und mehr, bis enblich alle
Hochzeitsgaͤſte von bem Plagmeifter geführt in dem Hochzeitshauſe wieder
onlangen, Un biefem Tage wird ben angejehenften rauen im Hochzeits⸗
Hanfe etwas befonberes vorgefegt: Schnaps mit Honig. Nachdem fie ges
geſſen und getrunken, auch das Nöthige beſprochen haben, fegen fie der
fangen Frau die Haube auf. Nachdem dieſes geſchehen, nehmen fie fie
in ihre Mitte und führen fie in ben Tanzſaal, wo fie nun mit ihnen
tanzt. Dadurch ift fie „in den Bund ber Frauen aufgenommen”; man
nennt die Seierlichleit cepie d. h. das Mügenauffegen. — Um dritten
Tage, dem Sonntage, wird bie Braut zum Bräutigam heimgefahren. Die
Säfte verfammeln fi Vormittag im Hochzeitshaus, wo gefrähftüct wird.
Die Nachbaren ftellen große vierfpännige Wagen; auf biefelben wird -aufe
gepadt, was die Braut als Mitgift mitbelommt; auch fegen ſich auf bier
felben von ben Gäften, Verwandten und gnien Nachbaren fo viele, ala
isgend auf denfelben einen Play finden, und fo geht es nad bem Haufe
des Bräntigams. Dort wirb abgelaben und der Heft des Sonntage, fg
wie ber Montag unter Theilnahme ver Nachbarn bes Bräutigams verju⸗
beit. (Olepto, Lyc.)
Zum Auspug der Hochzeitsbitter gehören befonders bunte Bänder
unb Papierbiumen an ver Müte und zwei bunte Tücher, ein votes und
ein gelbes, an ben beiden Schultern; bie lange Peitfche, mit der fie vor
den Hänfern derer, die fie laden, bei ihrer Ankunft und beim Wegreiten
tächtig Inallen, darf nicht fehlen. Sie holen bie Bäfte ab, tragen bei
Tiſche die Schüſſeln zu, fehen darauf, daß jeder zu eflen befommt und
daß die Krüge voi find. Sie halten auch die Collecte für die Mufil und
die Braut. Meiftens ift der Hochzeitsbitter der Bruder bes Bräutigams
oder ber Braut. Die @äfte bringen zur Hochzeit Kuchen, bisweilen auch
Sleiſch mit; wenn ber Schnaps ansgetrunfen if, müſſen fie für mehr for«
gen. Wach der Hochzeit zieht die ganze Gefellfchaft bei ben einzelnen
Gäften herum und Täßt fih von jebem einzelnen traftiven. Dabei faſſen
junge Leute und Mäbchen einander an ben Hänben und fpringen über bie
Straße, Eine gute Hochzeit muß wenigfiens drei Tage bauen. (Klein
dervtten.)
680 Aberglauben aus Mafusen
Der feſtlich gefcgmücte Platzmeiſter reitet, in Maſuren wie in Bir
tauen, in bie Hänfer und Zimmer ber Eingelavenen und ſpricht von fel
mer lebenden Rebnerbühne herab bie wohl eingelernte Einlabungsformel.
Am Tage der Hochzeit empfängt ex bie Gäfte und muß das gewiß nicht
leichte Geſchaft übernehmen, bet der Tafel bie Gefunbheit jedes Einzelnen
berfelben mit geeigneter Anrede ansjubringen. Geber ber Anweſenden
aber, dem biefe Aufmerkſamleit zu Theil wird, iſt gehalten, in allen Städen
Beſcheid zu thun. Daß bei ſolchen Gelegenheiten an Speifen und Ge
tränfen ber größefte Ueberfluß herrſcht, barf nicht erft bemerkt werben;
auch nehmen bie Gchmanfereien mit dem erften Tage wohl fein Ende,
fondern währen wohl acht bis vierzehn Tage, je nach ber Anzahl der ein
geladenen Gäfte, welche ſich nicht nehmen laſſen, dem Gaftgeber bie Loft
der Bewirthung zu erleichtern. Es zieht nämlich die Geſellſchaft von einem
Haufe zum andern und wird in jevem einen Tag lang bewirthet. Um
das Vergnügen durch Abwechslung noch zu erhöhen, werden häufig Auf
jäge und Verfleibungen vorgenommen, wobei e8 an Nadäffungen von
Thieren in Geftalt und Stimme und dgl. nicht fehlt, (Drygallen im Kreiſe
Iohannisburg. Bei Preuß, Preuß. Landeskunde ©. 234 |.)
Ausgelaffene Froöhlichkeit Herrfcht bei Hochzeiten. Bei benjelben geht
es fehr laut her. Die Mädchen lärmen und ſchreien vor purer Freude,
daß fie kirſchbraun werben. Die Hauptrollen fpielen natürlich die Plate
meifter, welche dem Zuge voranreiten. Crreichen fie auf bem Heimwege
die erfie Brüde, fo Hält ber Autfcher des Brautwagens; bann heißt es:
das Rab ift gebrochen! Schnell wird nun Geld zufammengelegt, um ba&
ſelbe machen zu laſſen. Hat ein Ieber das Seine dazu beigetragen, fo
geht e6 in vollem Sagen weiter. Die Plagmeifter eilen, fo fehnell als
nur irgend möglich iſt, nach bem Hochzeitshaufe, nehmen ein Brod, wideln
vaſſelbe in ein Tiſchtuch und bringen es der Braut entgegen. Die nimmt
es in Empfang als Zeichen, daß fie in ihrem Leben ftets Brod haben
wird, Die junge Fran wird zu Haufe gleich dreimal um den Dfen ge
führt, damit fie ihrem Manne nicht weglaufen könne. Ueber Tiſch macht
die Brantjungfer ihrem Blagmeifter ein Gefchent, wobei fie folgende Worte
ſpricht: „Here Plagmeifter, id; komme vor dich getreten, weil ich von bir
gebeten. Heute ift bein Ehrentag, weil ich bir ein Meines Geſchenk bringen
von Dr. M. Tippen. 681
mag, halte das Gefchent feft, wie ber Baum bie Aefl’, wie bie Glocke
ihren Klang, wie bas Wafler feinen Gang, wie ber Mond feinen Schein,
anfs Jahr folift du wieder mein Hiebfter Plagmeifter fein.” Der fo Ge
ehrte erwibert: „Dafür thu' ich mich bedanken, ich will es legen in mei»
nen Schranfen, id; will es in Ehren Halten und meine Brautjungfer an
die rechte Seite führen. Mufitanten, Vivat hoch!“ Dem erften Brant-
führer liegt die Pflicht ob, bie Feiernden durch einen poetiichen Erguß zu
erfreuen. Ein folder würbe überfegt etwa fo lauten:
„An diefer Hochzeit haben wir Gäfte uns zahlreich verfammelt; möge
alfo Hier das Herz eines jeben fahren laſſen allen Kummer und anflim-
men Lieber ber Freude. Bon dem Lieblein zu dem Gläschen ruft Heute
die Gemeinſchaft. Bivat! fo lange die Flaſche voll ift, unfre Compagnie,
Vivat! Die junge Ehel Du junger Herr! Um des Wohlbehagens willen
haft du bir genommen eine Geliebte, Ich beneibe dich auch nicht, mein
Bruder, lebe mit ihr froh in deiner Hütte; ich liebe Heut mein Bläschen.
Bei dem Käthchen, meinem Mädchen, werb ich auch zur Zeit fiehen, Ich
will mich nur ein wenig ftärken, daß ich den Fußſteg nicht fehle. Du
junge Brantjungfer, trinke ſchnell; wer ſchmiert, der fährt. Das Waglein
eurer Ehe wird darum nicht ummerfen, wenn es auch in bie Wegpfügen
hineinfährt. Es fpült fi) ab und fährt ſich weiter, deſto früher im den
Gleiſen. Darum trintenb ſchmiert ven Wagen! Hente fehlaft wicht, fon«
dern tanzet; wir gehn im Sprunge Hinter euch. Spielet anf, ihr Spiel
leute und Pflüger, ba ihr Ohren und Füße Habt. Sieh! einen Eilber-
groſchen zur Verpflegung, fieh, ſchon werfe ich ihn Mingenb in bas Glas!
Spielt uns alfo ohne Beforgnißl” (Hartg. Ztg. Ro. 9.)
Bei der Wahl des Hochzeitstages werben bie Geftirne ber Regel nach
beobachtet. Unter dem Zeichen bes Krebfes läßt man fich nicht trauen,
damit bie Wirthſchaft nicht rückwärts gehe, ebenfo nicht bei abnehmendem
Acht, damit die Wirthfchaft nicht abgehe. Der bevorzugte Wochentag ift,
wo nicht katholiſcher Einfluß nachwirkt, der Freitag. (Vgl. hierüber N.
P. Brov.-Dl. 1848. Bd. 1. S. 188. Hing ©. 61.)
Wenn bie Braut ben Hochzeitsſtaat anlegt, vermeidet fie ängſtlich die
rothe Farbe, welche Feuersgefahr drohen würde. m den Schnh legt fie
ein Geloftüd. (RL. Jerutten.)
482 Aberglauben aus Maier
Die Braut flicht fi einen Silbergroſchen ins Haar und geht mit
demſelben zur Trauung. Nach derſelben kauft fe dafür Schnaps und
teinft ihn aus, bamit der Dann nie mehr, als für einen Silbergroſchen
trinfe. (Willenberg.)
Beim Ausgange zur Trauung, beögleichen beim Kirchgange ber Sranen
muß eine Art an ber Thürſchwelle, mit dev Schärfe nach außen gelegt,
wicht fehlen,
Vor den Brautwagen fpannt man einen Schimmel, damit bie in ber
Ehe erzeugten Kinder nicht fierben. (Bing S. 70. Anm. 5.)
Die Fahrt nach der Kirche muß ohne Unterbrechung geichehen, damit
fpäter in der Ehe auch ein Hinberniß eintreten möge. (Ebenda.)
Eind bie Brautleute nit aus einem und bemfelben Dorfe, jo fah⸗
zen beide nicht zufammen in bie Kirche, ſondern jeber Theil befonders aus
feinem Wohnort; am Kirchorte erwartet ſchon ber Bräutigam bie Brant.
Im der Kirche Holt ber gute Mann nad dem Gefauge des Liebes: „Meine
Soffnung flehet feſte“ den Bröntigam zum Ultare, alsdann bie Braut,
welche fi nur mit vielem Widerſtreben dahin führen läßt. (Hintz ©. 65.)
Wer die Katzen gut füttert, hat gutes Wetter zur Trauung. (Dohen⸗
Nein. Bgl. N. P. Prov.-BL 1847. Bb. 1. ©. 470.)
Bor der Trauung bittet bie Braut den Bräutigem um etwas Geld,
am in ber Ehe bie Kaffe zu führen. (Hohenſtein.)
Brautleute laſſen fi nie über ein offenes Grab trauen, ſondern
laffen das Begräbniß erſt vorübergehen, ein Gebrauch, ber ba immer mehr
verſchwindet, wo beſondere Ortsbegräbniſſe — fogenannte Mogillen —
entftehen. (Ding ©. 70. Anm. 5.)
Während des Altes der Trauung muß die Brant dem Bräutigam
auf den Fuß treten, oder auf feinem Rod knien oder beim Zufammenlegen
dar Hände ihre Hand nad; oben bringen, dann hat fie währen ber Che
das Regiment; wenn bafelbe dem Bräutigam gelingt, fo regiert er.
Soldau.)
Während der Trauung darf bie Braut den Arm des Bräutigams
wicht Toslaffen; fonft geht die Ehe auseinander. (Willenberg.)
Säut beim Wechſeln der Ringe einer berfelben an bie Exbe, fo bes
bentet das Ungläd, namentlich Zwietracht. (Solbau.)
von Dr. R. Züppen. 688
Nach dem Traualt fehen bie Brautleute darauf, daß fie ſich gegen
einander gewendet vom Altar abdrehen; es kommt ihnen nicht baranf an,
daß dann die Braut, melde während bes Traualtes rechts ſteht, links zu
ftehen kommt,
Während ber Trauung fieht man genan nad) den Richtern. Brennt
eins berfelben büfter, fo bebemtet das Krankheit, verlöfcht eins, fo bebeutet
das Tod und zwar beöjenigen ber Brautlente, auf deſſen Seite das Licht
feht. (Solvan, Hohenftein.)
Wenn die Braut bei ber Trauung bleich ansfieht, fo ſtirbt fie auch
bald. (Hohenſtein.)
Das von ber Trauung zurüdgelommene Baar muß aus einem Glaſe
zur Hälfte trinfen, damit Einheit in ber Che beſtehe. (Willenberg.)
Um zu ermitteln, ob ber Bräutigam ober bie Braut früher fterben
werbe, fehreiben fie bie Vornamen berfelben neben einander. Bei jedem
einzelnen Buchſtaben diefer Reihe fprechen fie nun abwechſelnd bie Namen
Adam und Eva aus; trifft auf ven legten Buchflaben Adam, fo ſtirbt er zuerſt.
Noch ein Orakel der Art überliefert ſchon im fechszehnten Jahrhun⸗
dert Simon Grunau: „So man Brant und Bräntigam zu einander legt,
welches zum erften entjchläft, der ftichet auch zum exften.“” (M. P. Brov-
Bl. 1846. Bb.2. ©. 337.)
Daß der jungen Tran, wenn fie dem Haufe des Mannes fich nähert,
Brod entgegen getragen wird, ift oben berührt, Sonſt werben ihr Brod
und Salz in das aege Haus voransgetragen, was Übrigens auch bei jer
dem Wohnungswecjiel geſchieht. Wieder anderwärts giebt man ber in
das eigne Hans eintretenden jungen Frau Brod, Salz und ein Goldſtück
mit, welche drei Dinge fie forgfältig aufbewahren muß. (Rubainen.)
Bladen und Bier müſſen der jungen Frau bis an bie Dorfgrenze
entgegen gebracht werben; was bie Eheleute banon nicht verzehren, werfen
fie den Armen zu. Auch nehmen die Plagmeifter, wenn bas junge Paar
aus der Kirche ankommt, einen Topf mit allerlei Getreide und fonftigen
Victualien gefüht, tragen benfelben dem heranrollenden Wagen entgegen
und werfen ihn gegen ein Rab deſſelben. Das wird ben Eheleuten ger
apfert. (Hohenflein.)
Es kommt vor, baß wenn einem Manne mehrere Frauen Hinter ein-
684 Mberglauben aus Mafuren
ander geforben find, bie darnach heimgeführte nicht durch bie Thür, fon-
dern durch das Fenſter in fein Hans einzieht. (Oohenſtein.)
Daß die junge Fran dreimal um dem Heerb bes neuen Hanfes ger
führt wirb, iſt uralter Gebrauch. Schon im fechezehnten Jahrhundert ge»
denkt defielben Hieronymus Meletins in ber Befchreibung der Gebräude
der alten Preußen, (Erlänt. Preußen. Bb.5. ©. 715.)
Bei Hochzeiten oder andern feftlihen Begebenheiten darf man nicht
mit dem Licht unter den Tifch leuchten, fonft entfteht Zauk und Schlägerei.
(Willenberg.)
Berliert einer ver Gatten ben Trauriug, fo kommt ein Ungläd.
(Hin ©. 70. Anm. 5. ©, 118.)
Verjchüttetes Salz deutet auf Zank und Widerwärtigfeiten in ber Ehe.
Der Wöchnerin legt man Stahl unter das Bette um fie vor Hexerei
zu fichern. (Hohenftein.)
Ehe man ein neugebantes Hans bezieht, ſchlachtet man ein Thier
3 DB. ein Huhn und trägt dies durch alle Stuben. Ohne diefe VBorficht
würde bald einer ans bem Hauſe flerben.
Die Wirthſchaft beruht vorzüglich anf dem Gedeihen ber Feldfrüchte
und des Viehes. Biel Hokuspokus wird getrieben, wenn das Vieh und
vie Pierbe gedeihen, ber Acker reichlich tragen, das Unkraut aus dem Ger
treide vertilgt, Weizen und Gerfle vor dem Vogelfraße bewahrt werben
ſoll. (Soldau.)
Dünger fährt der Bauer hauptſächlich nur bei zunehmendem Licht
und firent den erften Haufen fofort auseinander, weil fonft der Wurm ins
Getreide kommt. (Wallendorf.)
BWetteregeln find uns von ben Mafnren noch weiter feine verrathen
als diefe: Untrüglichftes Zeichen für bevorſtehenden Regen iſt, wenn ge
wife Thiere aus den Haaren auf die Ohren kriechen. (RI. Jerutten.)
Mit Sorgen und Bangen wird die erfle Eaat in bie Erbe gebracht.
Hat Jemand das Herz am Tage auf den Ader zu gehen, um bie Gast
zu firenen, fo weicht er jebem Begegnenden fen aus, um ja nicht zum
Sprechen veranlaßt zu werben. Viele gehen um Mitternacht anf das
Beld und vollftändig unbekleidet ſtreuen fie bie Saat. (Hartg. Ztg. Ro. 8.)
Der zur Sant geeignete Zeitpunkt wird forgfältig ermittelt, eigen
von Dr, M. Wppen. 685
muß man weder am Tage noch in ber Nacht, fonbern am Mittwoch (1)
fäen; dann freffen ihn bie Sperlinge nicht. (Wallendorf.)
Man fäet nicht bei Mondwechfel, weil bann der Samen ſich ändert
3 DB. aus Wrudenfamen wird Eenffamen.
Unter dem Krebs und Scorpion, welche Würmer varftellen, wird
nicht gefäet ober gepflanzt, weil dann bie Würmer überhand nehmen wür-
ben; man fäet und pflanzt unter Löwe, Stier, Jungfrau, bamit alles ſtark
und fräftig werde. (Hohenftein.)
Wer mit einem Säelaken füet, welches ein nicht confirmirtes Mäp-
Gen gefponnen und gewebt hat, dem wird die Saat gebeihen. Ein fol-
ches Lalen leiht Niemand fort, er wärbe baburch den Gegen fortgeben.
(Hoßenftein.)
Den Samen, ben man fäen will, muß man nicht auf den Tiſch ler
gen, fonft geht nichts auf. (Hohenftein.)
In einen Zipfel des Säelafens bindet ber Bauer Brod und Gelb
und läßt es während bes Säens barin. Das giebt Gebeihen, (Rubainen,)
Anderwärts bindet man ein Silberftädchen, Brod, Salz und Fenchel (kopr)
ein. (Hohenftein.)
Wenn im nächften Jahre bie Ernte des Wintergetreibes ergiebig fein
fol, fo müflen die Aehren des Erntekranzes zuerft in den Ader geftrent
werden, Diefe Regel gilt vom Weizen und Roggen. (N. P. Prov.Bl.
1847. Bb. 1, ©. 473.)
Benn die Winterfaat geftrent werben foll, wird bie Erntelrone, welche
vom letzten Erutefeſte her an ber Dede des Vorhauſes hing, herunterge ·
nommen, die Körner aus ihr auf dem Eßtiſche ausgerieben, beſonders in
das GSäelalen gebunden und zuerſt in den Ader geſtreut, damit bie Ernte
im nachſten Jahre wohl gerathe. (N. P. Prov.-Bl. 1847. Bd. 2. S. 64.)
Es ſcheint hienach auf einem Mißverſtändniß zu beruhen, wenn ein
anderer Referent ſagt: Ans dem Erntebündelchen bes verfloſſenen Jahres
fHättelt der Wirth die Lofe geworbenen Körner und bindet biefe, ſowie
ein Geldſtück in den Zipfel des Säelatens, worin biefe Dinge fo lange
liegen bleiben, bis zugefäet if, Dadurch foll man einen guten Ertrag
und lohnende Preife für die Ernte erzielen. (Hartg. Ztg. No. 8.)
Denn gefäet wird, darf feine Aſchlauge gemacht werben; ja man ver-
686 Absitlanben aus Maſuren
meidet Aberhaupt in dieſer Zeit bie Waſche, audernfalls würbe das Ge⸗
treide nicht gerathen. (Hohenſtein.)
Wenn man anf dem Wege zum Säen über einen Zaun ſteigt, ſo
verwandelt fi die Saat; fo wird 3. B. Wrudenſaat ans Kumſtſaat.
(Hopenftein.)
Die in den Zwölften gebranmnte Mfche, vermengt mit etwas Gantges
treibe, wirft man im Frühjahr und Herbft ins Krenz auf ben Acker indem
man ſpricht: „Im Namen Gottes, des Vaters, des Sohnes und bes hei⸗
Ügen Geiftes.” Dann wirb bie Ernte gut fihätten. (N. P. Prov.-BL
1850. Bb.2. ©. 116. No. 158.)
Ehe fe die Saat ausftrenen, mifchen fie dieſelbe mit brei Händen
voll Erbe von dem Ader bes Nachbarn, das bebentet Glüd. (Hartg.
Zeitung No. 8.)
Wenn der Siende ein Stüd Acker unbeſäet läßt, fo ſtirbt er in dem
Yahre. Es werben mehrere Berfonen namentlidy genannt, welchen ver
Teufel wegen Ihrer Vergeßſamleit biefen Streich gefpielt Hat. Ieber Säende
nimmt fi daher vor dem Verfäen fehr in Acht. (M. P. Prov⸗GBl. 1847.
2.1. &,473.)
Beim Roggenflen fagt man: Die erfte Hand filr den Herrn (pan
d. 5. Gott), die zweite für mich, die dritte für die Vögel (Hohenftein.)
Um Weizen und Gerſte, befonders diejenige, welche man bei Haufe
füet, vor dem Vogelfraße zu ſichern, wirft man eine Handvoll von ber
Sant von ſich weg für die Vögel, (Wallendorf.)
Um Unkraut, befonbers Difteln, aus dem Saatfelde zu vertilgen,
vergräbt man im bemfelben Donnetftag nach Sonnenuntergang efnen Spahn
von einem Baume, ben ber Blitz getroffen hat. (Wallendorf.)
Erbfen gerathen felten, es tft daher bei ber Saat berfelben manches
zu beobachten. Erbſen fol man nicht unter dem Scorpion ſäen. Man
füe fie umter dem Löwen. Bon Saat-Erbfen darf man nichts weggeben
ober verkaufen, ehe man fein eignes Erbſenfelb beftellt Hat, fonft giebt
man ben Segen fort. (Hohenftein.)
Ehe man bie Erbfen ausjäet, muß man fie durch bie Nabe eines
Wagenrades laufen laſſen, bamit das Feld nicht vom Mehltau befallen
werde. (Hohenftein.)
don Dr. M. Lippen. 887
Um das Feld, auf welchem Erbfen ausgefäet werden follen, muß ek
Frauenzimmer, . „+ . ., gehen ober deſſen Hembe getragen werben, bitk
mit die Erbſen nicht vom Mehltau befallen werden. (Hohenſtein)
Kumft wird nicht unter dem Schügen gepflanzt, ſondern unter bet
gungfrau und Wange, damit er nicht auseinander ſchieße, fondern rei
bleibe und gewichtig und ſchwer werde, (Hohenftein.)
Wenn man das Rumftbeet glatigelopft Hat, fo legt man einen Stein
anf dafielbe und meint, daß die Kumftläpfe dann fo Hart wie ber Stein
werben. An einigen Orten legt man unter den Stein auch noch Brenn,
neſſeln. (Hohenftetn.)
Am Iohannisabend mäflen wenigftens drei Kumſilöpfe behäufelt fein.
ohenſtein.)
Um den Kohl vor Raupen zu ſchutzen, nehme man Sand vom Grabe
des zuletzt begrabenen, fehe ſich aber babei nicht um und fpreche kein Wort,
und firene biefen Sand über die Kohlpflanzung. (Rurken.)
Im Krugklauken beſprach eine alte Grau Kumft, auf welchem fi un.
gahlige Raupen befanden. Sie bebiente fich dazu einer Pfanne mit gl
henden Kohlen, auf welche fie unter beftändigem Gemurmel und mit ver»
ſchiedenen Grimaſſen flarkouftende Kräuter warf, die beim Verbrennen
einen unangenehmen Geruch verbreiteten. Obgleich ber Rauch bavon nur
einen fehr Heinen Theil des Feldes beftrich, fo waren am Morgen bes
folgenden Tages fämmtliche Raupen verfchwunden. Ihren Zauberſpruch
teilte fie unter keinen Umfländen mit, indem, wie fie fagte, dann bie
Kraft verloren ginge, (N. P. Prob.⸗Bl. 1847. Bo. 1. ©. 471.)
Flachs ſaet man zu Medardus. Damit er gebeihe tanzt man zu
Faſtnacht oder fährt fpazieren (ſ. .).
Wenn ein Hund ober eine Rage krepirt, fo muß man ben Eabaver
hoch über ven Zaun werfen, bamit ber Flachs Hoch werde. (Hohenftein.)
Sonnenfhein am Neufahrstage kündigt guten Flache an (f. o.).
Kartoffeln legt man nicht unter dem Krebs, Bohnen nicht an
dem Wochentage, an welchem der erfte Schnee gefallen iſt. (Wallendorf.)
Ueber das Erntefeft mögen folgende Notizen einander ergänzen. Die
erſte bezieht fich auf den Ortels burger Kreis. Bei den Banern folgt ein
Ernteſeſt meiſt nur anf bie Roggenernte, was ſchon daher fich erklart,
688 Aberglauben aus Mafuren
weil überhaupt nur wenige Bauern Weizen bauen. Der Roggen wirb
von Männern und Mädchen mit ber Sichel gefchnitten (es erſcheint ihnen
roh mit ber Genfe gegen bie Gottesgabe loszuſchlagen). Ein Büſchel
Aehren, etwa fo viel, als man auf einmal mit der Eichel abſchneiden
tann, läßt man zulegt ftehen. Um benfelben ftellen ſich glei nach vol»
lendeter Arbeit die Schnitter und fingen -ein geiftliches Lied. Die ſchön⸗
ſten Aehren werben zum Ernteſtrauß ausgewählt, zuſammengeflochten und
mit Blumen geſchmückt. Diejenige der Schnitterinnen, welche zuerſt mit
ihrem Beete fertig war, bringt ben Ernteſttauß nach Haufe. Während bes
Ganges nad) Haufe fingen fie ein weltfiches meift komiſches Lieb, welches
wie ber Exrnteftrauß felbft plon genannt wirb, namentlich ſehen fie dabei
darauf, daß fie fi) dem Haufe unter diefem Gefange nähern. Diejenigen,
welche nicht mit auf dem Felde waren, begrüßen bie Zurüdfehrenden ans
allerlei Berfteden mit Waflergüfien. Mandes Mädchen wirb von ben
Mannsperfonen an den Brunnen gezogen und mit einem Eimer Wafler
begoffen. Zu Haufe giebt es zuerſt Schnaps und Fladen, dann eine
Mahlzeit, bei der neben anderen Gerichten auch Mohnlenlchen nicht fehlen
dürfen, bei befieren Senten au Tanz. Das Getreive ans bem Strauß
wird im Herbfte mit ansgefät. (RL Jerutten.)
Ebenfalls im Ortelsburger Kreife ift e8 auch üblich, daß ber vordere
Schnitter dem legten das legte Bündel Aehren zufammenbindet, welches
man pep (Nabel) nennt, und um weldes — in Stoppeln — ber letztere
nun ficheln muß, ohne ben pep zu verlegen. Auch wird er gezwungen
durch den pep hindurch zu kriechen. Das Mäpchen, welches nicht begofe
fen wird, ift gefränft, denn man hat ihm feine Ehre angethan. Als Ger
richte beim Erntefefte werden noch Schwarzfauer mit Keulchen und bide
Grüge mit Honig hervorgehoben. Bei biefem Feſteſſen barf fein Vater⸗
unſer gebetet werben, weil dann jemand im künftigen Jahre ſtirbt. Eie
beten andere Gebete und fingen geiftliche Lieder. (Wallendorf.)
Die legte Garbe bleibt auf dem Selbe ſtehen, damit die Mänfe nicht
in das Fach kommen. (Hohenftein.)
Aus äftlicheren Gegenden Maſurens ſtammt folgender Bericht: In
Maſuren fuchen die Haner die längften und fchönften Garben ans und
geben fie den Raffern, bie im Kreife ſtehend und das Lieb: „Allein Gott
von Dr. M, Täppen. 689
in der Hoh' ſei Ehr“ fingend, biefelben zum Erntekranze in Form einer
Krone flechten und mit Bändern und Blumen ſchmüden. Den fertigen
Krany nimmt ber Vorhaner auf feine Senfe und geht bem Zuge, den
nun alle Schnitter bilden, voran. Bis der Zug zum Derfe oder Gute,
wohin bie Schnitter gehören, gelangt, werben verſchiedene Lieber gefungen,
dann aber der Plon angeftimmt, ein Lieb, in welchem bie vege Hoffnung
anf Bier, Keulchen, Fleiſch, Tam, zu welchem Spiellente ans Lyd erwar-
tet werben, ſehr lebhaft ansgefprochen wird. Diefes Lieb wird fo lange
gefungen, bis der Vorhauer mit ber Erntefcone in das Haus getreten iſt.
Die Krone wird bei dem Bauern auf den Eßtiſch geſetzt, bei ber Guts⸗
herrſchaft ins Vorhaus ober in die Wohnftube gebracht. Der Bauer
hängt fie an bem über dem Tiſche befindlichen Ballen ver GStubendede,
ber Gutsherr an die Dede bes Vorhauſes auf. Hier bleibt fie hängen
bis die friſche Winterſaat geftrent werben fol. Wenn ber Vorhauer beim
Einzug auf die Treppe oder ben Hof geht, empfängt ihn ein Waſſerguß,
der auch den Übrigen Schnittern und foger ber Gutsherrſchaft reichlich zu
Theil wird. Darauf fallen bie Schnitter bie gießenden (gewöhnlich
Mägde), führen fie zum nächften Teiche, Fluß oder See und tauden fie
unter die Oberfläche des Waſſers. Jemehr gegoffen und getaucht wird,
deſto beſſer iſt nach bem Vollsglauben bie Ernte bes Mnftigen Jahres.
Dieſes Feſt Heißt Plon, in Litanen, wo bie Gebräuche fo ziemlich dieſel⸗
ben find, Bectuwis. (N. Pr. P.Bl. 1847. 8b.2. &.51—54.)
Ebenfalls aus dem äftlihen Maſuren wird über das Waflergießen
noch folgende Bemerkung gemacht: die jungen Maͤdchen ſuchen unbemerkt
und hinterrüds die Männer mit Waſſer zu begießen, aber ſchnell und ge
ſchickt: deun wehe derjenigen, bie mit dem ungeleexten Gefäß ertappt und
gefaßt wird, es Hilft michte, fie muß durch ben Kreis aller durchſchreiten,
und jeder Burſche hat das Recht, einen Kuß von ihr zu fordern, ben fie nicht
verweigern barf. (Roſenheyn Bd. 2. ©. 94. Erkennbar aber noch mehr
abgeflacht find die Gebräuche des Mafurifhen Plon and in dem Ernte
fette ber Nieberunger, welche nämlich zum Abſicheln bes Roggens und
Weizens bie borthin hinabziehenden Maſuren in Dienft nehmen. Heinel
in den N. P. Prob.Bl. 1846. 3b. 2, ©. 404.)
Wird der legte Roggen gebrofchen, fo nimmt bie Mast einen Rode
Wer. Ronateiqriſt ob. IIL. Oft. 8.
69% Aberglauben and Mefuren
löffel und läuft bamit auf bie Tenne, wirft ihn dahin umb [änft bavon.
Holt bie Fliehende eim Dreſcher ein, fo muß fie fid) durch ein Geſchenl
(am liebften Branutwein) Löfen, wo nicht, fo muß fie ein Geſchenl er⸗
halten. (Bartg. Ztg. No. 8.)
Begen das Berberben des gebrofchenen Getreibes auf dem Speicher
wendet man folgendes Mittel an. Man ſchneidet im Frühjahr einen grä-
men Hafjefftot ab, und fobald es zum erften Mal im Frühjahr donnert,
macht man über jeden Getreibehanfen mit biefem Hafielflode ein Krem
und es hält fi) das Getreide Jahre lang. (Kurken.)
Bieh. Der Hirte bricht am zweiten Weihnachtsfeiertage ſchöne ger
rade Birlenreiſer, nimmt biefelben unter ben Arm und geht fo im Dorfe
ober in bes Stabt von Hans zu Hans (narärlic; nur im ſolche Hänfer,
ans denen er Vieh zu weiden hat), um feine Kalende einzufammeln. Daun
sieht jede Hausfrau, nicht mit der bloßen Hand, fonbern indem fie bie
Binger mit ber Schürze bebedt, eine der Ruthen unter feinem Arm hew
vor, legt fie auf ben Tifch, ja nirgenb anberswohin! bringt fle auf ben
Boden, ftedt fie in das vorräthige gebrofchene Getreide, bie Aeſte nad
oben, uud läßt fie bort bis matka boza (25. März) fleden. Un biefem
Tage zieht fie die Ruthe heraus, geht ohne ſich aufzuhalten oder zu ſprechen
(damit nachmals das Vieh nicht fiehen bleibe nnd brüfle, fondern gerade
in den Stall Hineinlomme) nad) bem Stalfe und treibt das Vieh Hinans,
während ber Hausvater mit ber Axt ein Kreuz vor ber Stallthur macht
und bie At dann an bie Schwelle legt. (Hohenftein.)
Das Bieh wirb zu Marik Berfänbigung (25. März) zum erſten Mole
ausgetrieben und von oft weither verſchriebenen Zanberern verfeguet (ſ. 0.)
. Wenn. ber Hirte das Vieh zum erften Male ans bem Dorfe treibt,
fo fpricht feine Iran an dem Heck (Dorfthor) knieend allerlei Gebete. In
Rapiwodda kam ber Fall vor, daß ein: Hirtenfren, bie deshalb vom am
dern ausgelacht wurde, bies Gebet unterlieh; bie Felge davon war, daß
zu Johanuis zwei Wölfe in den Stall brachen und zwei Maſtſchweine uud
eine Ruh zerriſſen. (Hobenftein)
Beim Austreiben bes Viehes haben bie Hirten ihre abſonderlichen
Bräuche, ihre uralten Sprüche und Berfe, und es if ganz umerlägfih,
daß dieſe Hergefogt werben in ber feften Weiſe wie hestämmich; fonk
von Dr, M. Tüppen. 69
nute anf Walpurgis ein Nachbar bem andern bie Kühe befpredien, daß
fie Blut ſtatt Milch geben und dahinfiechen. (Roſenhehu Bd. 2. S. 95.)
Wird das Vieh zum erfien Male wieber auf bas Feld getrieben, fo
darf nicht gefponnuen werben. (MRofenheyn Bb.2, ©. 92.)
Der Hirte ſcharrt die Kohlen feines Walbfenere forgfam zufammen,
weil fich fonft feine Heerde zerfireut. (Roſenhehn Bd. 2. ©. 98.)
Wenn der Mann mit einem angelauften Stüd Vieh nach Hanfe
tommt, fo bringt die Frau eine Kanne Waſſer und begieft bas. Vieh vom
ben Hörnern an ben ganzen- Rüden entlang, von vorn bis Hinten, worauf
der Mann es im Kreife um fich ſelbſt herumführt; das geſchieht bueimal,
ehe es in ben Stall kommt. (Hohenflein.)
Nen angelanftes Vieh muß über Stahl in ben Stall treten, um ger
gen Hegerei fiher zu fein. CHohenftein.)
Man muß darauf achten, welche Farbe das Wiefel hat; das man
zum erſten Mal fieht. Vieh von biefer Farbe. geht einem zur Haud (ge
veiht einem). (Hoenftein.) Anders. Wenn in einem Stalle fi weiße
Wieſel anfgalten,. jo muß ber Wirth weißes Vieh halten; ebenfo bei bun ⸗
ten, rothen Wiefeln. Er wird erfennen, daß ihm ſolches Vieh zur Hand geht,
Frißt ein angelanftes Gtüd Vieh, ein Schwein, ein Pferd ſchlecht,
fo Yeißt e6s Nie porgozyto sig! (Es geht nicht zur Haud) Es muß. ver»
handelt werben; ber Nachbar wird erſucht es zu kaufen. Gr kommt, bier
tet und bingt Hartnädig und lange. Darnach frift das Thier gewiß ſehr
gut. (Willenberg.)
Wenn Iemanden ein Stüd Vieh, ein Schwein ac. nicht recht zur Hand
gehen will, wenn e8 z. B. nicht recht freſſen will, fo verlauft man es noch
einmal, wenn auch nur zum Schein z. B. an bie Grau oder au ein Kind.
Das Geld muß babel, damit an ber Form bes Berlanfs nichts fehle, gr
zahlt und Seinkauf getrunken werben. (Hohenftein.)
Leinkauf (poln. litkup, was aber nichts als ein Germauismus ift, lit.
margritsch) if das @etränfe, welches man beim Verkaufen trinkt. Dabei
gießt man bie Neige rücwarts über ben Kopf, bamit einem das Gelaufte ger
deihe, großwachſe sc. (Wgl, über Litfanf Haupr's Zeitjchr. f. dentſch. Alierth.
8b.6. S. 260ff. Der Leinkauf wird ſchon in dem pomeſaniſchen Rechletwa um
die Mitte des 14. Nheh. erwähnt. Saba Jura Bruteanum.1B60p- 2)
692 Aberglauben aus Mafuzen
Benn Jemand ein Städ Vieh zum Verlauf aus dem Stalle fährt,
fo muß er vom ben Haaren deſſelben ein Büchel amereißen umb unter ber
Krippe vergraben. Das bebentet, daß das übrige Vich dem zu verfaufenben
nicht nachfolgen und ſich nicht ans dem Gtalle ausrotten folle. (Hohenftein.)
Ar Zwillingsthiere aller Art hat der Mafure eine große Borliche;
denn fie find glüdhringend, Gerne zahlt er die höchſten Preife bafir.
(artg. Ztg. Ro. 8.)
Jungen Pferden und jungen Kalbern binbet man zum Schutz gegen
ven böfen Blick rothe Bänder um den Hals (I. o.).
Am Donnertag möäflen die Pferde vor Abendbrod abgefüttert werben,
fonft drüdt fie die Mar. (Hohenftein.)
An die Thür des Wiehflalles macht men am Abend vor dem Tage
der heiligen brei Könige oder vor Johannis brei Kreuze, um das Vieh
vor Hererei zu fihern (ſ. 0.).
Kommen in einer Wirthſchaft mehrere Städt Bieh zu Schaden, jo
hat Jemand gehert (oczarzyl). Die Zaubermittel (czary) müfjen aufge
fanden und verbraumt werben, ſouſt krepirt alles übrige Vieh andy. Es
wirb gegraben unter der Stallſchwelle, unter allen vier Wänden, und wenn
man da nichts finbet, im Stalle ſelbſt. Da findet man enblich einen Bieh⸗
magen mit vielen Stecknadeln. ft diefer verbrannt, fo kommt Fein Bieh
mehr zu Schaden. (Willenberg.)
Man tödtet die Schlangen nicht gern, weil das ein Ungläd, beſon⸗
ders ben Abgang bes Viches nach fich ziehen fol. Diefer noch von Pi
faneft (No. 23 8.9) angeführte Gebrauch erinnert lebhaft an die Bereh⸗
rung ber Schlangen im ber Zeit des Heidenthums.
Sn der Tonne („Kübbel”), in welcher der Trank für bie Schweine
gefammelt wird, Hält man eine Schilbkröte; davon werben bie Schweine
fett. Stirbt aber bie Schildkröte, fo ſterben aud bie ans der Tonne ge
fütterten Schweine. (Hohenftein.)
Mittel gegen Pferdekolik. Man ſtreicht das Pferb dreimal mit
der Schaufel, mit der man das Brod ans dem Badofen nimmt, und
ſpudt dreimal ons. Dabet fpricht man eine gewiſſe Formel, (RI. Jerutten.)
Wenn Vieh urok hat, fo behandelt man es ebenfo wie Menden;
man fährt ihm mit Hofen ac. über das Geſicht. CHohenftein.)
von Dr. M. Töpyen. 693
Eine Viehkrankheit heißt saba (Froſch). Auf dem Markte zu Hohen.
ſtein ſtand ein Stüd Vieh, anſcheinend ganz geſund; auf einmal warf es
fih auf die Exrde. Die Lente fagten, es Hätte saba. Man nimmt in bier
fem alle ein Tiſchtuch, legt e8 dem Thiere Über den Rückgrat und beißt
durch baffelbe in den Nädgrat vom Halfe ab bis zum Krenz. Dann läßt
der Froſch nad. (Hohenſtein.)
Mittel gegen Würmer in Wunden. Wenn ein Thier Würmer in
Wunden befommt, fo muß man vor Sonnenaufgang an einen Ort gehen, wo
die Difteln mit rothen Köpfen und ſtachligten Stengeln fiehen, vier Difteln
über einanber niden, daß die vier Köpfe nach ben vier Himmelsgegenden
gerichtet find, und über bie Kremung einen Stein legen. Vorher foll man
ein Baterunfer beten. Ein Pfarrer unternahm jene Procedur ohne Vater⸗
unfer umb es hat auch geholfen. Die Würmer verſchwanden. (Wallendorf.)
Befondere Sorgfalt erfordert die Milchwirthſchaft. WIN man
haben, daß bie Kuh am Tage kalben fol, fo muß man fie Sonntags
fliehen laſſen. (Willenberg.)
Wenn eine Kuh gekalbt Hat, darf man in ben nächſten Tagen nichts
ausleihen. (Vgl. oben ven gleichen Aberglanben bei ber Geburt ber Kinder.)
Das erfte Kalb der Stärke, bie erfte Butter von ihrer Milch ſchenkt
man ber guten Vorbebentung wegen ben Hoöpitaliten.
Die Mädchen dürfen, vom Melken wiederkehrend, die Milcheimer
nicht nnbebedt tragen, bamit ja nicht bie Vögel bes Himmels hinein⸗
fehen, weil fonft die Mil abnehmen und keine Sahne abfonbern würde.
(Hartg. Ztg. No. 8.)
Wenn beim Milchen zugleich mit der Milch Blut ans ben Entern
fließt, jo milcht man — wenigftens verfichert dies Pifansfi (No. 23 8.8)
— bie Kühe durch die Deffnung eines Donnerkeils,
Wenn beim Milchen zugleich mit ber Milch Blut aus bemfelben
Strid kommt, dann gieft man etwas von biefer Milch in einen Scherben
und ftellt viefen auf den Zaun. Da flieht fie fo lange bis eine Schwalbe
hinüberfliegt; dann wird fie gut. (Hohenftein.)
Wenn bie Milch bald nad) dem Milchen gerinnt, bann gießt man fie
auf -brei Schwellen und ſchlagt mit dem Befen fo fange darauf, bis es
troden iR. Dann giebt bie Kunh fortan gute Milch, (Hohenſtein.)
604 Aberglaube aus Mafıren
Beim Buttermachen wird in den Schmand ein Gelbftäd gelegt, un⸗
der den Reifen des Butterfaſſes ein Meſſer geftedt, umter das Bntterfaß
ein Kamm gelegt, Je ſchmutziger er if, deſto befier wird bie Butier.
(RL Serntten.)
Beim Buttermachen wird firenge baranf gefehen, baf das Butterfah
nicht unter dem Ballen ſtehe. (Willenberg.)
Eine Fran, welche trog aller Mühe keine Butter zu Stande bekam,
Reg auf ein Pferd, nahm das Butterfaß in ein Lalen eingebunden anf
den Rüden und ritt um bie ganze Grenze bes Dorfes Puchalowen bei
Romeram. Manu wirb es begreiflich finden, daß als fie zurüdtam „ber
Schmand“ zu Butter geworben war. Merfwürbiger war es aber, daß fie
van dieſer Zeit an leicht und gut Butter machen kounte.
Ein Frauenzimmer, welches bie Courage hat, eine Maulwurfsgrille
mit der Handfläche auf ber Erbe zu zerbräden, macht leicht Butter,
Am Iohannisabend vor Sonnenuntergaug macht man brei Kreuze
auf bie Ihre bes Kuhftalles, bamit bie Heren, bie namentlich in biefer
Nacht ihre Spiel treiben, die Milch nicht wegnehmen; find bie Kreuze da,
fo Haben bie Hexen einen Zutritt. Die Heren geben bie Mil, welche
fie dem einen wegnehmen, dem anbern. Sie haben ihre Lieblinge und
wer ihnen Opfer bringt, den befchenfen fie and. Es foll ein befonberes
Gericht fein, das bie Herzen gerne efien. Diefes muß in ver Johannis-
nacht auf dem Tiſche ftehen. Iſt es am nächften Morgen anögegefien, jo
laun man mit Beſtimmtheit darauf rechnen, daß man eine Unmaſſe Mil
haben wird, ja fogar aus Nägeln Milch herausmilchen kann. (Willenberg.)
Auch erhalten die Kühe am Iohannisabenn zum Schutze gegen Be
Yerung allerlei Kräuter z. B. Kalmus u. dgl. Hörner nnd Guter werden
mit Fenchel (kopr) beſtrichen.
Sohannisabenb wird an ben Thürpfoften der Kuhflälle Koriander umb
DIN eingeftedt, damit bie Kühe vor Hexerei ſicher feien.
Ber eine Kuh Lauft, darf nicht vergeffen zu fagen, daß er bie Milch
mitlanfe; es iſt am ſicherſten, für diefelbe ein eigenes Gelpftüd zu geben;
fonft giebt die Kuh keine Milch. CHohenftein.)
Wenn man jemanden Mil verkauft oder fonft abgiebt, muß man
in biefelbe Salz firenen; wenn man biefes unterläßt, fo hat bie Hege, ber
von Dr. M. Töppen. 695
ſoiche Milch im bie Hände kame, auch über bie übrige Mil ber Kuh
Macht und könnte fie ihr abziehen. (Hohenſtein.)
Das Federvieh des Nachbarn gebeiht nicht, wenn man abgefchloffene
Vebern (Federkiele) auf den Grenzrain wirft. (Hohenftein.)
Die Hühner des Nachbarn kann man durch eine gewiſſe Ceremonie
in ber Reujahrsnacht (j. 0.) zum Eierlegen an ſich Inden,
Zwifgen Weihnachten und Neujahr werben Fetern geſchloſſen.
Im eben derfelben Zeit muß man bem Federvieh Erbſen geben, dann
legen fie fleißig Eier. (Hohenftein.)
Wenn einer Glude Eier zum Ausbrüten untergelegt werben follen,
muß man fie zuvor in eine Müte — am beften vom einem Juden —
legen. (Bobenftein.)
Am Charfreitag und Ofterfonntag foll man fi nicht kämmen; fonft
tragen bie Hühner im Garten. .
Wenn Gefielhen (junge Gänfe) zuerſt ins Freie gelaflen werben
ſollen, fo muß man fie buch Mannshofen hindurchſteken. (Hohenſtein.)
Spinnen und Weben. Wenn man bie Scherung (zum Wehen)
aus einem Dorf in das andere (das eigene) bringt, ohne fie an dem einen
Ende durch ein Schloß zu verfchließen, fo giebt man Veranlaffung dazu,
daß Wölfe in das Dorf, fogar in bie Ställe kommen. (Hohenftein.)
Es barf nicht geiponnen werben in ben Zwöfften, zu Lichtmeß, Ma⸗
thia, Nicolai, an ben Marientagen und überhanpt an großen unb Heinen
Feſttagen. (Hohenftein.)
Auch fpinnt man nicht Donnerſtag nach dem Abendbrod, denn fonft
tommt bie Mar und fpinnt weiter. Wenn man aber beim Spinnen eine
Srodkruſte im Munde Hat, fo ſchadet es andy dann nicht; bie Gabe Got
tes bewirlt, daß fo ein unreiner Geift, wie bie Mar, auf ben Menſchen
Hein Anrecht Hat. ( Desgleichen.)
Wenn man am Donnerſtag nach dem Abendbrod ſpinnt und Haspelt,
jo gehen Woden und Haspel die ganze Nacht von ſelbſt. Das foll ver
böfe Geiſt bewirken, indem er dem Menſchen nachäfft. (Desgleichen.)
Man fpiunt auch nicht, fo lange ein ungetauftes Kind ober ein Todter
in Haufe if. ( Deegleichen.)
696 berglauben aus Mafuren
Bei Neumond unter dem Zeichen bes Fiſches fängt ber Fiſcher an
fein Rey zu Arien. ( Dohenſtein.)
Beun die Fiſcher fiſchen gehen, legen fie zum Gläde etwas Kehricht
ins Reg. (Hohenflein.)
Auf die Bieuenzucht bezieht fi) folgende Notiz. Am Charfreitag
nehme man einen Teller Schrotmehl vor Sonnenaufgang und fegue bie
Bienenftöde, während man um biefelben herumgeht und das Mehl im ben
Bienengarten firent, mit folgendem Spruch: „Ihr Bienen nud Königinnen,
fett euch anf enres Herren Aecker und Wiefen, wie es ber Herr Chriſtus
geboten, zum Sammeln von Wachs und Honig.“ Darnach wirb breimal
das Krenz geichlagen und geſprochen im Namen bes Vaters und bes Soh⸗
mes und bes heiligen Geiftes. Amen. (Amen wird Hier geſprochen.)
Dienftiente treten ihren Dienft am liebſten Sonnabenb am, weil if
nen das Jahr daun kurz erfcheinen wird. Treten fie am Freitage ein, fo
fürdten fie, daß fie an Geſchwilren und berartigen Kranfpeiten leiden
würden. (Hohenftein.)
Wenn man nad) Sonnenuntergang bie Stube lehrt, foll man ben
Kehricht nicht Hinanswerfen; wer das thut, wirft feine Habe hinaus.
(Desgleihen.)
Bei dem Eintheeren ber Wagenräder fängt der mafnrifhe Bauer nie
mit der rechten Seite an: denn fonft wärben bie Pferde zu leicht müde.
Die Räder ſelbſt aber muß er dabei Links umbrehen, bean fonft kommt
der Tenfel nad. (Mofenheyu Bd. 2. ©. 92.)
Auch die Todteugebräuche glauben wir am Beften zu vergegen-
wärtigen, wenn wir eine Schilderung ber Begräbnißfeierlichleiten, wie wir
fie dem ſchon obenerwähnten Herrn Bercio verbanten, vorausſchiden. Im ben
öfllichen Gegenden Mafurens iſt der Leichenſchmaus zwar in allgemeinem
Gebrauch, aber bie Namen zarem ober stupa bafür nicht belaunt. Bei
der Beerbigung, wie auch bei andern Feierlichleiten, fpielt der Schullehrer,
namentlich in Döfern, welche feine eigene Kirche, wohl aber einen eigenen
Kirchhof Haben, als natärlicher Vertreter des Pfarrers eine wichtige Role.
Bon dem Tage, an welchem jemand geftorben ift, bis zu feiner Be
bigung, wird jeben Abend bei feiner Leiche geſungen. Diefer Gefang
"d aber nicht bloß von den Hausgenoſſen ausgeführt, fonbern es wird
von Dr. M. Typen. 697
jemand im Dorfe herumgeſchidt, welcher zum Singen bei der Leiche auf
fordert. Während bes Singens wird hie und ba auch Schuaps gereicht,
An dem Beerbigungstage wird wieberum jemanb durchs Dorf gefchidt mit
der Aufforberung zum Begräbniß: „Kommt zum Begräbniß und das
glei." Sie kommen deunn meift fehr zahlreich, bie Frauen, welche es
vermögen, in ſchwarzen Kleidern, alle mit weißen Schuupftühern und mit
Geſangbüchern. Im dem Sterbezimmer fteht ber große lange Tiſch an feiner
gewöhnlichen Stelle längs ber einen Wand; rings herum Bänke und
Stühle für die Männer; in ber Mitte ber Sarg mit ber Leiche, bie Füße
gegen bie Thür gerichtet; auf der andern Seite find lange Bretter auf
Stühle gelegt zum Sigen für die Frauen. Männer und Frauen fliehen
oder figen alfo apart. Unter Leitung bes Lehrers werben zwei lange Lie
der gefungen. Dann werden Fladen und Schnaps. für bie Männer auf
den Tiſch geftellt, ber Schnaps in Flaſchen mit einem Glaſe, ans welchem
fie. die Reihe herum trinken. Für die Frauen wirb Schnaps in eine
Schäfiel gegoffen und ein Löffel dazu gegeben; Schüffel und Löffel gehen
die Reihe entlang; jede der Frauen nimmt einen ober zwei Löffel voll,
nach Bedürfniß; Fladen wird ihnen in einer weißen Schürze ober in einem
Korbe Herumgereicht. Diefe Paufe dauert etwa eine halbe Stunde. Daun
werben abermals zwei Lieber gefungen, dann hält ber Lehrer eine Trauer⸗
rede, in welcher bie Tugenden bes Verftorbenen erwähnt, dann im Namen
deſſelben den Freunden und Nachbarn für ben legten Dienft, welchen fie
ihm erweifen, Dank gefagt und von ihnen Abſchied genommen, und allge»
meine Ermahnungen an bie gefommten Anweſenden gerichtet werben.
Nachdem das Amen geſprochen iſt, wird wieder eine Baufe gemacht, welche
aber fürzer if, als bie erfte, und wieber eine Stärkung genommen. Unter
dem Gefange: „Wenn mein Gtünblein vorhanden if“, wirb bie Leiche
Hinausgebracht und zum Kirchhof getragen (nie gefahren). Der Lehrer
mit den Schälern und bie Männer, welde fingen, gehen vor ber Leiche,
die Leidtragenden unmittelbar Hinter berfelben, dann folgt Die große Menge.
Unf dem Kirchhof fingt man: „Nun laßt uns ben Leib begraben.“ Der
Sarg wird anf dem Kirchhof mod; geöffnet, ver Tobte zurechtgelegt, Ab⸗
ſchied genommen, die Einſenkung vorgenommen. Der Lehrer fingt bie
Todtencollecte ab, welche bie Gemeinde beantwortet, und ſpricht ann noch
[13 Abenolauben aus Mofaren
einige Worte, zuletzt das Vaterunſer, während beffen bie Leidtragenden
ringenm am dem Grabe knieen. Nachdem bonn noch ein Vers gefangen
if, wird das Grab zugeworſen. Rum begiebt fi) jeber zuoörberft nah
Haufe und verwahrt fein Geſaugbuch, bie Grauen ziehen bie beſſeren Llei⸗
der aus und dertauſchen fie mit weniger werthvollen; ſodann verjammeln
fie fi im Gterbehanfe zum Schmaus. Die von loſen Brettern und
Stühlen zufammengefegten Bänfe werben mun auch am Tiſche gehoben,
fo daß bie Frauen nun andy an Tiſchen figen Tönnen. Der Gihuaps
wird ihnen daher jegt wicht, wie vorher in Schüffeln, fonbern — mit
Donig gemifgt — in Flaſchen vorgefegt, wenn er nicht etwa noch ef
gebraut und fo mit Honig vermifcht werben foll; baum heißt das Geträuke
przeparlsuke (Brenbei). Zu Mittag giebt es Fleiſchwerk. Fiſche, Ruf
mit Fleiſch, zuletzt dide Grüge mit Honig begoffen. Den Tag darauf
Iommen meiſt uur Männer in bem Gterbehanfe zuſammen, um etwa ben
Bater über den Verluſt des Kindes zu tröſten; fie verfpeifen die Ueber⸗
tofle und bringen ben Tag mit Trinken bis zum Abend zufammen zu.
Wenn einer kant ift, fagt Simon Grunau (M. P. Pron.-BL. 1846.
Bd. 2. ©. 337), und es kommt eim Freund zu ihm und fragt ihm, wie
es ihm gehe, und ber Krauke fprichts O, ich bin ſehr krantl fo muß er
das Lager fterben; mo er aber fpricht: Es geht mir, wie Gott mein Herr
will! fo kommt er von dem Lager anf und wirb friſch.
Mit der Kraufen-Gomummion verbinden fi) maucherlei Vorſtellungen
einer magifchen Wirkung, namentlich bie, daß mit ihr ein Wenbepunft,
eine Exifis, entweder zum Leben ober zum Tode eintrete, ober bie, deh
der Kranke erſt wenn er im Sterben liege, das heilige Abendmahl neh
men mäffe, um anf leibliche Genefung hoffen zu bürfen, daß er bagegen,
fo lange fein Zuftand an fich noch Hoffnung bes Lebens laſſe, durch ben
Genuß befielben unvermeiblich bem Tode verfalle. (Hintz ©. 82.)
Wenn dem Tiſchler bie Cüge Inadt, fo weiß er, es flirbt jemand und
ex belommt den audern Tag eine Beflellung auf einen Sarg. (Hobenflein.)
Noch mertwürbiger war folgendes Ereigniß. Gin Gejelle in Hohenftein
hatte bie Dreiftigfeit in einem ber vorräthigen Sarge feines Meiftere zu
ſchlaſen. In eimer Nacht wurde ex durch eine muerklärliche Kraft aus bem
Gerge Hinansgeworjen. (x legte fih zum zweiten Mal in ben Sarg uub
‚von Dr. I. Uiyyen. cod
wurde wieder hinausgeworfen. Nun merkte er ſchon, daß dieſer Sarg
für einen Verſtorbenen würde gebraucht werben. x legte ſich alſo in
einen andern und ſchlief in dieſem auch ruhig ein, jener aber wurde am
folgenden Morgen verkauft. (Hohenftein.)
Dear Tod kommt drei Abende hinter einander, um das Abfterben
eines Menfchen den Angehörigen anzumelden, Er Hopft jebesmal at das
Tenfler oder an bie Thür. Die Hunde fehen ihn und erheben klagliches
Gehen! (vgl. 0.). (Soldau.)
Dem Pfarrer E. der ſchon lange tobt ift, begegnete es, daß er jedesmal
vorher wußte, wenn in dem Kirchſpiel ein Todesfall eintreten fehlte. Der
Tod hat es ihm regelmäßig angemelbet, fo baß er e8 gewohnt wurde und auf
dreimaliges Klopfen antwortete: Ia ja! ober: Schon gut! Unb wenn er nicht
autwortete, fo wieberholte ver Tod fein breimaliges Klopfen. Im ber Regel
kamen bann Tages darauf Lente unb beſtellten ein Begrabniß. (Soldau.)
Ein Pfarrer zu ©, pflegte in feiner Studierſtube zu ſchlafen. Zu
Ropfenbe des Bettes find ein Schranf mit ven Kirchenbüchern. Wenn
jemand im Kirchſpiel flarb, fo kam es ihm vor, als ob bie Kirchenbücher
auf die Erbe geworfen und dann längs bes Schraules heraufgezogen wur-
den, was fich fo lange wieberholte, bis er ein Zeichen gab, daß er es ger
hört habe: Ia jal ober dergleichen. (Soldau.)
Der Sterbende wird in Mafuren (wie in Litauen) ans bem Bette
gerifjen und auf den Fußboden anf Stroh gelegt. Man fagt bies geichehe,
dem Gterbenben den letzten Rampf zu erleichtern. (Hin S. 101.)
Dauert bei einem Ninbe ber Todeslampf lange, fo mäflen die da ⸗
tyen herbeigeholt werben; Hilft deren Gegenwart nicht, fo Intet die Heb⸗
amme auf des Hanfes Schwelle nieber und betet das Vaterunſer, ſobald
iR das Kind von feinen Qualen befreit. (Hartg. Big. Ro. 8.)
Auf Betten von Hühnerfevern kann man nicht fterben. Darum wirb
der Sterbenbe anf Stroh gelegt. (Hohenftein.)
Sobald jemand geftorben tft (nicht vorher) legt man die Leiche auf
die Bank unter dem Fenſter, auf welche ein Wiſch Stroh ansgebreitet iſt
und bebedt fie mit einem weißen Laken. (Wallenborf.)
Während bie Leiche tm Hanfe if}, ruht alle rbeit, wenigſtens ber
Spinnroden, „bamit ber Zobte nicht geſtört werde.” (Hinh ©, 68.)
700 Uberglauben aus Bajuren
Dex neue. Herr des Hauſes muh, ſobald ber alte Herr bie Magen
geidjloffen Hat, hinausgehen und dem Bich, ben Gebäuden, ven Bäumen,
lurz der ganzen Befigung ben Tod ihres Herrn aumelben, was er eima
mit ben Worten thut: „Der alte Herr iſt jetzt tobt, ich bin jet ber neue
Herr.“ (Subainen. Bel. auch Hintz ©. 101.)
Den Tod des Befigers meldet man feinen Thieren, damit fie bem
Berftorbenen wicht nachziehen. (Dartg. Big. 1866. Ro. 9.)
Entfernt wohnenden Verwandten umb frennben wirb ber Tobesfall
anf unerllärbare Weiſe durch eim Zeichen, fei es ein Klopfen, ein Knall
ober bergleichen, angemeldet, (Solbau.)
u dem Zimmer, iu welchem bie Leiche liegt, wird jeber Epiegel
forgfältig verhängt, damit wicht das Bild ber Leiche tm Spiegel — alle
gleichfam zwei Leichen — gefehen werde, weil fonft bald jemand von ben
Ungehörigen bes Verſtorbenen nachfolgen muß. (Subainen. Die bei Hint
©. 83 gegebene Erklärung dieſes Gebrauches if} ficher wicht richtig.) :
Wenn man durchs Fenſter auf eine Leiche fieht, befommt man Gelb»
ſucht. (Rubainen.)
Zahnſchmerzen heilt man bamit, daß man ben Zeigefinger bes Tob-
ten anf den fchmerzenden Zahn brüdt, (Hartg. Ztg. 1866. Ro. 9.)
Das Blut von Hingerichteten bringt Glac und man fährt, um bar
von zu erlangen, oft mehrere Meilen. (Reivenburg.) Namentlich fireben
darnach Kaufleute. Denn wie bei ver Hinrichtung eine große Menge vom
Menſchen zufommenlommt (wenigftens bei den frühern öffentlichen Hin-
richtungen zufammentem), fo firömen dann bei ihnen bie Käufer zufam-
men. (Willenberg.)
Ein Finger von einem Ermordeten öffnet alle Schlöſſer. (Lubainen.)
Eine mit dem Fette Ermorbeter genährte Lampe macht unfichtbar.
Diefer Überglaube kam noch 1864 bei einem in ver Nieberung verübten
Morde zur Sprache.
Tritt der Mörder an bie Leiche bes Ermorbeten, während biefe um
terfucht wird, fo befprigt ihn das Blut der Leiche, wo er auch ſtehe. —
Der aus bem Niebelungenliebe bekannte Glanbe. (Lubainen.)
Wenn fi jemand erhänzt hat, fo flürmt es, und erſt an dem De
gräbnißtage deſſelben, alfo am britten Tage, legt fich ber Sturm. (Lubainen.)
von Dr. M. Abven. 701
Gargfpäne mit Schnaps braucht man gegen bad Verheben oder Ber-
brechen. (2ubainen.)
Einer weiblichen Leiche dürfen feine Haarnadela mit in das Grab
gegeben werben, weil fonft die zurücbleibenden Angehörigen bie heftigfien
Kopfſchmerzen befommen und nicht eher los werben, als bis bie Leiche
wieber aufgegraben und bie Nadeln entfernt find. Neulich trat der Fall
in Hohenſtein ein.
Im einzelnen Familien, aber nicht überall, herrſcht die Sitte, vom
Todten ein Geldſtück in den Sarg zu legen. (Wallendorf.)
HM die Leiche gewaſchen und angezogen, fo giebt man ihr ein Gelb-
fü in die Hand, um damit anzubeuten, daß ihr alles rechttich abgelauft
ſei. (Lubainen.)
Auch kommt es vor, daß man dem Todten Gelbftüde, gleichſam den
Lohn für feine Hier vollbrachte Arbeit in bie Hand brüdt, wobei man
fpricht: „Jetzt Haft du deinen Lohn erhalten, barfft alſo nicht mehr kom⸗
men.“ (dartg. Big. a. a. O.)
Das Wafler, mit welchem bie Leiche abgewaſchen tft, wird aufbewahrt,
unb wenn bie Leiche auf bie Bahre gelegt und hinausgetragen tft, fo geht
die Frau, welche die Leiche gewafchen hat, mit dem Waſſer hinaus und
gießt es hinter der Bahre ober dem Leihenwagen aus. Das fol beden⸗
ten: wenn ber Geift des Tobten zurädlommen will, wirb ein See vor
dem Haufe fein und da kann er nicht hinüber. (Hohenftein.)
Das Waſſer, mit welchem bie Leiche gewafchen tft, wirb unter bie
Bahre geftellt. (Kurlen.)
Die Schüffel ſammt dem Waſſer, mit welchem ber Todte gewaſchen
iR, wirft man dem Sarge ans dem Haufe nad. (Hohenſtein.) Dies ge
ſchieht, damit es fpäter nicht ſpake. (Willenberg.)
Wenn die Leiche hinausgetragen wird, kehren fie bie Stühle um, mit
den Füßen nach oben. Wenn bies verfänmt wird, fo ſtirbt im nächften
Yahte wieber ein Mitbewohner des Hanfes. (Hohenftein.)
Wenn bie Leiche aus dem Hanfe getragen wirb, fo wird alles Vich
aus ben Gtällen gelafien, bamit fein früherer Herr e6 noch feguen könne.
Auch an den Dienenföden wird das Decholz abgenommen umb fo lange
102 Aberplauben aus Tafuzen
offen gelafien, bis bie Leiche beerdigt if, damit and; bie Bienen feinen
Segen erhalten Tönen, (Wallendorf.)
[eun der Hawshert geftorben if, muß man ven Bienen baden Aw
zeige machen unb ihnen Trauer geben db. h. am jeden Korb ober Sted
ein ſchwarzes Lappchen befeftigen. Wirb das unterlafien, fo glaubt man
allgemein, baß bie Bienen in ihren Behältuifien ausfierben. Dieſelbe
Zodesauzeige wird and bem Vieh und namentlich den Schafen gemadit.
Das fogenannte Trauergeben fällt aber bei diefen for. R. P. Prov-DL
1846. ®b. 1. S. 398.]
Wenn das Bieh ben tobten Gern gefehen Hat, foll es noch ange
twaurig umhergehen. (Labainen.)
Wenn bie Leiche anf ven Kirchhof gebracht wird, fo öffnet mau alle
Tharen des Hanfes, um anzuzeigen, baf and) nad) bes Hansherm Tode alles
unangeräßrt bleibt, wenn and) nichts verichloffen iſt. (Hartg. Big. a. a. D.)
Im Mafnren Öffnen manche ver Ausführung ber Leiche alle:Gtalle
thüren und legen auf bie Gtelle bes Thorweges, welche bie Leiche paffie
ren muß, eine Att und ein Schloß. (Geben. Hin ©. 102.)
Die Richtung des Windes wird an bem Begräbniftage fehr beobachtet.
Zieht der Wind nad; dem Gehöft bes Berftorbenen, fo bleibt bie Wirte
ſchaſt im alten Geletfe; Hat er aber bie entgegengefehte Richtang, ſo kommi
dieſelbe in nachſter Zeit zurüd. (Dartg. Big. a. a O.)
Wenn bie Leiche bes Bauern von feinem Hofe weggeiragen wird
werben auf der Grenze feiner Befigung ‚gegen bie Straße zwei Werte ober
Belle über Xrenz gelegt und über biefe mäffen bie Träger bie Leiche weg-
tagen. (Wallendorf.)
Der Geift des Verſtorbenen, welcher ſich bis zum Begräbnißtuge im
Sterbehauſe aufhält, folgt jeberzeit feinem Leichname, wenn er zum Ber
gräbnig gefahren wird. (Solban.)
Kommt bie Leiche bet ihrem legten Wege über eine Grenze, fo wirft
man eine Hand voll Stroh von dem Leichenwagen, bamit: bes Geiſt bes
Todten ſich jegen und ausrnhen könne (Lubainen.)
Auf jedem Kreugwege liebt es der Geiſt auszurnhen. Es wird da
her ein Bund Etroh auf deu Kreuzweg gelegt, damit ber Geiſt ſich nieder ⸗
ſeten taune. (Golban.)
vom Dr. M. Tippen, 708
[Aus andern Gegenden Prenfens wird gemeldet: Sehr allgemein iñ
der Gebrauch verbreitet, ſobald der Leichenzug bie Grenzen des Kirchdorfs
berährt, ober" bei ber Rüdkehr nom Begräbniſſe an biefer Stelle ein Bün-
del Stroh anszuwerfen — fogenanntes Todtenſtroh — welches zulege
einen großen Hanfen bifbet, an bem ſich mandherlei Aberglauben Enüpft,
beſonders ber: „Damit ber Berfiorbene bei feiner Wanderung ins Drauer ·
Hans ſich daranf anoruhen könne; ohne eim ſolches Bündel zu finben,
wärbe berfelbe nicht Heimfehren.“ Hintz ©. 102.]
Das Stroh von der Bahre wird verbrannt, entweder anf ber Grenze
der Dorfipaft oder auf bem Grabe. (Willenberg.)
Es ift nicht gut, wenn ein Wagen ober Reiter einem Leichenzuge ber
gegnet: benn er nimmt ben Tobten wieder in das nächſte Dorf oder in
die nächfle Gtabt mit zurld, und dann flirbt bald jemand aus dieſem
Orte (Hohenftein.)
Wenn der Leichenzug eiuem Wagen begegnet, fo ſtirbt einer von be
nen, welde anf dem Wagen figen im nächften Jahre. (Oohenſtein.)
Wenn bei ber Beerbigung einer Leiche bie Grube einfällt, was bei
fandigem Ader Häufig vorkommt, jo ſtirbt fehr bald eimer non bemen, bie
das Grab umftehen. (Solban.)
Wenn einem von beaen, bie das Grab umftchen, etwas in bas Grab
entfällt, jo ſtirbt er bald. ( Dohenſtein.)
Derjenige, von befien Habe etwas im den Sarg gelegt ifi und mit
begraben wird, firbt bald: (Hohenftein.)
Wenn einer, bem etwas geſtohlen ift, ein zufällig noch verhanbenes
Stüd des geſtohlenen Zeuges, Holzes ober dergleichen mehr in bas Grab
wirft ober fonft auf dem Kirchhof nergräbt, fo verborrt ber Dieb, wenn
ex das Geſtohlene wicht bald zurädbringt. (Lubainen. Hohenftein.)
Dem Kinbe, welches bie Eltern geichlagen Hat, währt die Hanb zum
Grabe hinaus.
Auf dem Kirchhof darf man leine Blumen riechen ſonſt verfiert man
ben Geruch. (Dohenſtein.)
Geht des erſte Tobtenträger nach Hamfe, fo begleitet ihm ber: Tobin,
wodurqh ber Unerſchrocene aher nicht ans der Beflung gebecch wisd, Re
aladarn fengt; Gabe. ich hir bein. Miptt-gukı aemanht?: Men: id irait
104 Aberglauben aus Mafuren
wicht gut gemacht habe, fo werbe id} es beſſer machen; daun erſt geht ber
Todte beruhigt in fein Grab. (Hartg. Big. a. a. D.)
Der Tobte kommt zu bem Gewerk, wo bie ſchwarzen Trauermäntel
aufbewahrt werben, fi) zu bebanten, (Hohenftein.)
Die Handtücher, womit der Sarg in bie Gruft gefenkt wurde, wer-
den zu Haufe an bie Thür gehängt, dahinter if} daun ber Tod. (Hartz.
Btg. a. a. O.)
Am Abend des Begräbnißtages fielt man bem Todten einen Stahl
in das Sterbezimmer, hängt ein Haubtuc am bie Thäre und erwartet ihn
fo: Denn der Todte kommt am biefem Abend zurüd, fett fih anf den
Stahl, weint ſehr und trodnet feine Thränen an bem anfgehängten Hand»
tuche. Dann verſchwindet ex für immer. (Lubainen.)
Rod) dem Begrabniß wird ein Stuhl in ber Stube an bie Thür ge
flellt, ein Handtuch daneben gehängt, unb die Nacht über brennt ein Licht,
Der Tobte kommt ſich dann bebanfen. (Hoheuftein. pl. bie Rotiz in
ben R. P. Prov.BL 1846. Bo. 1. ©. 182: Der Tobte, deſſen Leiche
hubſch geſchmũckt if, lommt ſich nad dem Begräbuiſſe bafür bebanfen;
daher mm man bie Leichenklleider gut zunähen, indem fie der Tobte fonfl,
wenn er aus bem Grabe anffteht, verlieren wärbe,
Wenn bie Leiche aus dem Gterbehanfe Hinausgetragen wird, (in bie
fer Beitimmung weicht diefe Relation vom allen verwandten über benfel-
ben: Gegenſtand ab), wird ein Stuhl mit einem Handtuch hingeſtellt, da⸗
mit der Verftorbene alle Tobtenfeierlichleiten mit anfehen könne; bam
wird bie Leiche weggetragen. Doch gefchieht das nur, wenn ber Wirth,
der Bater bes Hanfes, ber Befiger des Ganzen begraben wird. Der
Tobte Lommt ein» ober mehrmal längere ober kürzere Zeit, bis zum Bten,
Hten, 1bten Tage ober bis zum Ablauf von 4 Wochen zurüd und bebient
fih dann des Stuhles und Handtuchs. (Wallendorf.)
[Aus deutſchen Gegenden Preußens wird Folgendes berichtet: Bet
der. Nacklehr vom Begräbnifie flellt man in ber Stube neben ber Thüre
einen Stuhl Hin, der aud von Niemanden eingenommen werben bar.
Auf diefen werben bisweilen auch die Handtücher gelegt, mit welchen ber
Garg- ins Grab geſenkt wurde. Oft wird im Tranerhaufe ein Winkel bes
Zinmers: mit einem weißen Tuche verhängt, damit von bort aus ber Bew
von Dr. M. Täppen. 706
ſtorbene ungeftört ben Begräbnißfeierlichleiten zuſehen könne. Beim Ber
grabnißmahle wird ein eigener mit Speiſe und Trank befegter Play für
den Berftorbeuen offen gelaſſen. Hintz S. 102.
Die alten Preußen Inden ihre Berftorbenen nad I. Meletine in
Art, Bor. T.II. p.411, vgl, H. Meletius im Erf. Preußen Bd. b. S. 718,
zum Todtenmahle und warfen bie für fie beftimmten Speiſen unter ben
Tiſch, goffen ebenfo au von dem Getränfe für fie auf ben Boden.
Hochſt merkwürdig ift mir nun, daß 9. Meletins dabei ausbrüdlich ber
merkt: Die Verwandten halten ihre Tobtenmähler am äten, Gten, Iten
und 40ften Tage.]
Wenn jemand geftorben iſt, beden fie ein Tiſchtuch über die Leiche;
dies Tiſchtuch decken fie beim Leichenfchmanfe über den Tiſch, anf welchem
das Leichenefjen fteht. Dann Tann Niemand etwas genießen, wie hungrig
er auch ſei. (Dohenſtein.)
Um Erſparniſſe bei dem Todtenmahle zu machen, nimmt wohl dieſer
und jener ben Lappen, mit welchem bie Leiche gewaſchen wurbe sub fährt
damit über bie Speiſen. (Dartg. Big. No. 9.)
Die Trauer um den Dahingeſchiedenen tft nicht anbauernder und
tiefgehenber Natur. Bei dem Trauermahle wird dem Branntmein fleißig
zugeſprochen. Mit einem „Ewige Ruh gieb bem Herrn“ (ober der Grau)
erhebt man das Glas um zu trinken; gleich baramf geht bafjelbe mit dem-
felben Begleitwort weiter, das banert daun fo lange, daß mander trunken
wird. (Harig. Ztg. a. a. O.)
Den Furchtſamen kurirt man bei ſolchen Gelegenheiten anf folgende
Weiſe: Man fegt oder legt ihn anf das Brett ober ben Tiſch, auf wel
Gem die Leiche vor dem Einfargen ruhte, und ba muß er fo lange Tiegen,
bis ihn die Kälte (Schauder) tuchtig durchrieſelt. (Dartg. Big. No. 9.)
Die bei der Geburt eines Kindes oder bald darauf geſtorbene Mut⸗
ter lommt jede Nacht vom Himmel herab, um ihrem Kinde die Bruſt zu
reichen und zwar thut fie dies 6 Wochen hindurch vom Begrabnißtage (nicht
dom Sterbetage, ber dabei mehr Nebenſache iſt) an gerechnet. (Wallenborf.)
Die Thränen der Mutter laſſen dem verſtorbenen Kinde tim Grabe
feine Ruhe; fie befenchten fein Todtenkleid. Das Kind findet feine Ruhe
erſt, wenn bie Mutter ſich beruhigt hat, (M. P. B-Bt. 1200. ¶ 2.6.489.)
Mayr. Monstöjgeift Ba. TIL. HfE.8.
706 Mberglauben aus Mafuren
Wafier, welches vor ber Thür auögegofien wird, mn man enimeber
dicht vor feinen Füßen ober au bie Wand gießen, weil man fonft einen
der fid) gewöhnlich au bem Hansthären aufpaltenden Geifter begieft uut
dieſer daun traurig iſt. (Rubainen.)
Auffallend if} die Notiz in der Harig. Zig. Re. 9: „Den Eintrüt is
das Hans verwehrt man bem Verfierbenen, wenn man eine Att au bie
Schwelle legt.” Wir erwähnten, daß eine Art ober zwei beim Austragen
der Leiche auf bie Schwelle gelegt wird; darnach macht aber die Leiche
noch ihre Beine.)
Die Gabe Geifter zu fehen, welche bie Eonntagsfinber haben, ift mit
geoßen Beſchwerden verbunden, ba fie fehr oft Seelen ber Hingeſchiede ⸗
wen unb andere Geifter anf den Kichhof tragen und jo manchem ihrer
Befehle aneführen mällen. So habe id, beriätet ver Rector Gerß in
SroßStärlad, in Nicolaiten einen bejahrten Mann mit Namen Ioppel
gelaunt, der allgemein als Geifterfeher befannt war. Er war zu redlich,
als dag man ihr für einen Betrüger hätte halten können, jedoch ſchien er,
obwohl Lörperliy geſund, tiefinnig. Stets war er in Gebanfen verfunten,
die ihn quälten. Nicht felten verließ er gegen Mitternacht fein Lager,
ging leuchend auf den Kirchhof Hin und lehrte von Hier ſehr ermübet uud
wit Schweiß bebedt zurüd. Auf bem Heimwege rebete ex mit Riemanden,
noch gab er bemjenigen, ber ihn augerebet hatte, eine Antwort. Zu
Haufe erzäplte er aber, daß er fo und fo viel Geifter zum Friedhofe hätte
tragen müũſſen. War ein Meunſch geftorben, fo behauptete er, daß er mit
der Seele des Hivgeſchiedenen geſprechen Habe, welche ihm bie und bie
Aufträge an die Hinterbliebenen gegeben. Im der Kirche trat er ſehr oft
während bes Gottesbienftes vor ben Altar unb ſtand eine geranme Zeit
regungelos ba. Hinterher erzählte ex, baf er Solches anf Befehl ber
Geiſter Habe thun müfjen. Einmal hatte er bei biefer Gelegenpeit die
Geweinde ſlillſchweigend mit der Hand gefegnet. Nach beendigtem Gotte#
dienſte erzaͤhlte er, daß ihm ber verſtorbene Pfarrer Raabe (f 1828) er⸗
fienen wäre, ber, dem Volle unſichtbar, vom Altare herab bie Gemeinde
gelegnet unb ihm befohlen habe gleichzeitig bafielbe zu thun. Die unter
zen Bolteklaffen glaubten fteif und fe an feine Geifterfeherel. (R. Pr
rad. 1869. 30.2. ©. 467.)
vom Dr. M. Zäppen. 707
Eine Fran in Nicolailen, welche mit einer bei ver Abendmahlsfeier
ihr verabreichten Oblate Ungehöriges unternommen hatte, fand nach ihrem
Tode feine Ruhe und mwanfte lange auf ver Erbe umher. Endlich trag
fie einem Geifterfeher auf, ihrem Manne das Geheimniß zu hinterbringen.
Sobald der die Oblate gefunden und nach ber Kirche gebracht Hatte, fo
kehrte die Ruhe auch bei ihr ein. (Nicolailen.)
In Nicolailen hörte der Glöcner, als er an dem Weihnachtsfefte
fruh erwachte und ſich erhob zur Frühmeffe zu länten, in der Kirche Ge
fang. Er glaubte, er hätte verfchlafen und eilte zur Kirche. Die war
hell erleuchtet und von Menſchen angefüllt; e8 waren aber lauter Verſtor⸗
bene, and) der verſtorbene Pfarrer ſtaud am Altare. Der Glädner er
ſchrak und eilte zu dem lebenden Pfarrer um ihm zu melben, was er ge
fehen hätte. Während deſſen nimmt bie Geifterflunde (der Glöckner war
um Mitternacht erwacht) ihr Ende und die Geifter ftürzen haſtig zur
Kirche hinaus. Cine lebendige Frau, welche auch um Mitternacht erwacht
war und Aber den Kirchhof zur Frühmeſſe nach der Kirche wollte, gerieth
unter die Menge, erkannte bald, daß es Verftorbene wären und wollte
entfliehen. Aber die Geifter folgten ihr, riffen ihr den Mantel von ben
Schultern, (von welchem man bie Stüde fpäter auf ven Gräbern fand)
und eiſchreckten fie fo, daß fie furze Zeit darauf farb. (Micolaifen.)
Ueber den Vampyrglauben in Preußen weiß Pifansfi (No. 24 8.18)
Folgendes beizubringen. „Solften aber auch wohl bie Bamphre, jene unruhi⸗
gen Leichnahme, die bie jego noch nicht aufhören wollen in Ungarn und
in deſſen Nachbarſchaft das Blut graufamer Weife anszufangen, fi auch
in Preußen fpüren lafien? daß fie in den verflofienen gahrhunderlen viel
Unheil unter unſern Landesleuten angerichtet, müſſen wir glauben, ba ein‘
Schriftſteller uns berichtet, wie man das Schmatzen unb Freſſen ver Ber-
ftorbenen in den Gräbern gefehen und bemerft habe, und daß ſolches vor⸗
nehmlich im Jahre 1564 bei ber in Preußen wüthenden Peftilenz gefches
ben ſei. (Hennenberger Erflärung der Landtafel S. 324, 325 und Der
ſchow Chriſtliches Bedenken von der Peſtilenz, Königsberg 1623, 4. ©. 21.)
Vielleicht aber werben biefe unverſchämten Bluthunde zu unfern Beiten
allhier beſcheidener geworben fein, da unter audern auch zwei preußiſche
Gelehrte ihnen alle Wirkfamleit zu benehmen verſucht Haben. Judeſſen
45°
708 Aberglauben aus Mofuren von Dr. IR. Lippen.
iſt ber gemeine Man ihrethalben noch wicht ohne alle Furcht. Er bewei-
fet ſolche durch die Sorgfalt an erblaßten Körpern vor ihrem Begräbnifie.
Noch ift am vielen Orten der Gebrauch, daß man ben Garg, wenn er
eben im bie Gruft gefenkt werben foll, noch einmal eröffnet, und basjenige,
fo etwa von ben Leichenhüflen durchs Gchütteln unter dem Forttragen
dem Verſtorbenen zu nahe an ben Mund gelommen, wohlbebächtig weg-
raumet, weil man in ben Gedanken ſtehet, daß biefes ihm bie erfte Gele
genheit geben könne, um fich zu freſſen.
Eine Frau drohte ihrem Mannes „Ich ziehe bir, wenn bu im Garge
biegt Chodatis (Biemenfchuhe) an, dann kommſt du zu fpät zum jüng-
ſten Gericht! Welche Schande!“ (RI. Jerutten.)
Haniel Yaafı.
Ein preuftfäger Geiftlicher am Ausgange bes fiebzehnten Jahrhunderts unb
feine Zeit.
Bon
Rogge,
Biarser in Hobenfürft.
Im ber Kirche zu Borken befindet fich moch heute das Portrait eines
Geiſtlichen in Lebensgröße und bezengt bie Achtung und Liebe, welche der⸗
ſelbe ſich einft bei feiner Gemeinde erworben. Durd ein chronikenartig
geführtes Kirchenbuch, welches von ber Haud biefes Mannes in der Kir
enregiftratur aufbewahrt wirb,*) ift es uns möglich geworden, neben
fein Portrait ein Lebensbild zu ftellen, welches nicht unintereffante Streife
lichter auf die Sittengeſchichte feiner Zeit wirft. Daniel Haaſe, nad
Arnoldts Presbyterologte im Jahre 1643 geboren, wurbe im Jahre 1678
zum Pfarramte in Borken berufen und ben 3. Advent des genannten Jahr
res in baffelbe eingeführt. Kriegsnoth und Elend laſteten damals auf
bem Sande; der Vorgänger Haaſe's, Johann Täfchner, war fo arm ges
florben, daß die Koften zum feinem Begräbniſſe aus ber Kirchenlaſſe be-
firitten werben mußten. Es war feine bloße Phrafe, wenn im Taufbuch
jede Geburt mit ven Worten eingetragen wurde: „an biefe mühfelige und
jammervofle Welt geboren.” Ziefe Stoßfenfzer des beängftigten Herzens
Hingen felbft durch die fpärlichen Freudentage hindurch, welche jene bes
wegte Zeit bot. Die Schweden waren ins Land gefallen. Bon Friedland
waren fie bis Schippenbeil vorgebrungen und bebrohten am Anfange bes
dahres 1679 auch das Kirchfpiel Borken. Die mwaffenfähige Mannfhaft
*) 08 umfaht die Jahre 1678-1695.
7110 . Daniel Haafe
war feinen Angenblid fiher und mußte fi „zum Aufzuge“ fertig halten.
Im den erften Tagen des Iannar reifte der junge Pfarrer nach Könige
berg, um feine Braut heim zu holen. Der Wehfchrei des Landes Hallte
in den Mauern bes ftillen Hochzeitshaufes wieder. Das Traubuch mel-
bet: „Anno 1679 ben 15. Januarii, nehmlih am andern Eonntage nad
Heil. drei Könige bin ich, Pfarrer Daniel Haaſe, allhier zu Borken mit
meiner Siebften, der bahmahligen viel Ehr- und Tugenbreichen Jungfrauen
Margaretha Neresin feel. Seren Michaelis Neresii, treufleiig gewefenen
Pfarrer und Seeljorgers ber Kriftlichen Gemeine zu Tarau Eheleibliche
Tochter, im Nahmen ber heil, und Hochgelobten breieinigfeit zum erften
mahle aufgebothen worden. Wobey denn zu bemerlen, das eben im ber
Woch darauf eine ſolche Furt und Schreden der Schweden wegen, bie
fon im Friedlandſchen und Schippenbeilichen mit ihrer Armee waren,
entftanden, das ich auch über meine anzuhebende Ehe muſte bag rechte
betrübte Weh Hagen und fagen: Weh mir, das mic, diefe Elende Zeit, zu
meinem anzuhebenden Eheftand aljo berüdet und betreten! Den 25. Ja
nnari uehmlich am Tage Pauli Belehrung, war der Mittwoch nach dem
dritten Sonntag p. Epiph. Anno 1679 darauff, da durch unfre Gebeht
das Schreden unb die Furcht der Schweden fid) geſtillet, «) und die Feinde
fich in das Nordenburgſche und Gerbauenfche gezogen, bin ich öffentlich
allhier in meiner Bordifgen Kirche von Herrn M. Martino Babatio Ery
Brieftere zu Bartenftein copnlieret und getrauet worben.“
Die Kriegsunruhen hatten nicht uur Armuth und Elend im Gefolge,
fondern wirkten auch höchſt verberblich auf die Sitten der Bewohner. Bei
der damaligen „Einguartirung ber häufigen Völker“ ging bie Ehre mander
Aungfrau verloren, dazu wurben noch efelhafte anſtedende Krankheiten ins
> gefchleppt.=u) Alle Folgen ber traurigen Zeiten mußte Haaſe über
ergehen laſſen. Ans feinen, oft recht ausführlichen Aufzeichnungen
men wir aber, baß er benfelben mit dem Ernſte des treuen Seelfor-
entgegentrat. Er Hatte harte Kämpfe aller Art zw beflehen und
d in benfelben oft allein da, aber ber Muth fank ihm nicht und er
*) Diefelben waren am 20. Jan. bereitö bei Splitter geichlagen.
*) 3.8. die Sranofer. Todienb. 1681 27. April ftarb eine Magd in Ardap
an denfelben.
von Rogge. 711
handhabte das Wort Gottes ohne Menſchenfurcht und Anſehn der Perſon
gegen Hohe und Niedrige. Wir wollen dabei nicht verhehlen, daß er in
den Anſchanungen und Vorurtheilen feiner Zeit befangen war. Leider wurde
ex in feinem ernflen chriſtlichen Streben nicht einmal durch feine benach⸗
barten Amtsbrüber unterftügt. Beſonders bie Geiftlihen in Bartenſtein
bereiteten ihm manchen Verbruß. Die fehweren Zeiten fcheinen benfelben
über ven Kopf gewachfen zu fein. Bald mochte fie Gewinnfucht, bald
Menſchenfurcht, bald Menfchengefälligkeit bewegen bie Bande ber Kirchen.
vieciplin zn lodern. Marche Klage über ihr unbrüderliches, oft auch uns
geiftliches Verhalten tönt uns ans bem alten Kirchenbuche entgegen. Zum
ſchweren Vorwurf wirb es ihnen gemacht, baß fie die Communicanten gar
nicht einmal anfchrieben, fremde Leute ohne Zeugniß ihrer bisherigen
Seefforger zur Beichte annahmen und ohne alle Nachfrage nad) ihrem bis⸗
herigen Lebenswandel abfofoirten. Deshalb zogen ſich aus dem Borken ⸗
ſchen Kirchſpiel gar viele, welchen der Ernſt ihres Eeelforgers wenig ber
hagte, zu ihnen Hin. Beſonders ber deutſche Caplan Chriſtian Hagen,
dem auch Ansftellung falicher Beichtatteſte vorgeworfen wirb, die er ſich
zu thener bezahlen ließ z. B. mit einem Scheffel Hafer, wird wegen ſei⸗
nes „breiten Gewiſſens, mit dem er fich fremder Sünde theilhaftig machte,"
angellagt. Der ehrenfefte Pfarrer in Borken ſchickte ihm auch einmal
„einen harten fchriftlichen Verweis, ven er al einen warmen PButterwed ver⸗
ſchlungen“ und bebroßte ihn mit dem Eonfiftorio. Manch „hartes Bitt-
ſchreiben“ erhielt auch der Erzprieſter Babatius,=) fanbte aber Feine Antwort
zuräc und „machte Alles ftillfchweigig wahr.” Desgleichen kehrten ſich auch“
bie polnifchen Eapläne Boretius und Bafecovins nicht am bie Kirchenord⸗
nung und entfrembeten dem armen Haaſe manches Beichtfind, bas fie in
feiner Unbußfertigkeit beſtärkten. Die katholiſchen Geiftlichen der Umger'
gend fcheinen ihm aut wenig Reſpect eingeflößt zu haben. Wo ein mal
ein folcher im Kirchenbuche erwähnt wird, geſchieht dies umter ber ſtehen⸗
den Bezeichnung: „papiflifcher Pfaff.” "
Im Kirchſpiele ſelbſt trat dem Pfarrer die Sünde in jeder, oft recht ab⸗
ſcheulicher Geftalt entgegen, Rohheit und Sittenverberbniß gingen durch alle
*) Derjelbe war vorher Professor graecae linguae zu Königäberg geweſen 1667.
712 Daniel Haafe
Stande und mur wenig Lichtbilder glänzen uns hier ans ber fog. guten,
alten Zeit entgegen. Selbſt ein Theil des, im Lirchſpiel augefefienen, Adels
ging mit offenen Augen feinem Untergange entgegen. Einen erfreulichen
Einbrud macht es dagegen, daß Bamilien, bie hente noch blähen, ſich da ⸗
mals ſchon durch Frömmigleit und qhriſtlichen Sinn anszeichueten.
Haaſe übte die Seelſorge mit großer Gewiſſenhaftigleit und ſcheint
gerade dadurch den Haß zweier Edelleute bes Kirchſpiels auf ſich gezogen
su haben. Es waren dieſe Andreas Friedrich von Helwig Gottburg auf
Vilwen und Georg Friedrich von Prömock anf Borken und Markihnen.
Im Bezug auf ben Erſten klagt der Pfarrer,«) daß er ihn heftig verfolget
und bei allen Berichten ſchimpflich angetaſtet, auch lange Zeit Gottes Wort,
bie Kirche und das Pfarramt verachtet und ſich boshaft vom heiligen Abenb-
mahl fern gehalten. Als bemfelben 1689 22. September ein gebrechliches
Gögnlein mit einer Haſenſcharte geboren wurde, ſah ver Pfarrer Hierin ein
beſonderes Gottesgericht, ebenfo als derſelbe 1693 rechtlich von feinen Gütern
ejiciret wurde. Die Händel, in welche er mit bem Pfarrer gerieth, müflen
freilich ſehr böfer Art gewefen fein. Sein Bruder Johann Albrecht Half ihm
dieſelben durchführen, mußte aber zwei mal vor dem Laudrath Herru
Melchior von Tettau öffentlich abbitten. Er felbft mußte dem Bfarrer
ein mal vor bem Hochw. Eonfiftorio mit allen feinen Unterthanen „Die
Voßhand“ reihen. Trotzdem ließen bie Brüder nicht von ber Feindſchaft
wider ben Pfarrer und nahmen alle kirchenfeindlichen unb gottlofen Leute
in ihren befonderen Schutz. Nach ihrer Entfernung von ben Vilwiſchen
Gütern geftalteten ſich dort bie lirchlichen Berhältniffe nicht gänftiger. Ein
Calviniſt erſtaud biefelben, dem ber ehrliche Hanfe ſchon wegen feiner
Kegerei nicht befonders gewogen fein lonnte. Es war ber Secretarius
eztraordinarius peinlichen SHofhalögerichtes und Schloß · Amtoſchreibers
Adjunetus Here Jacob Calender. Derſelbe ſtarb bereits 11. September 1694
und zu feinem Gchmerze konnte ihm Haaſe bei einem zweimaligen Kran
Benbefndye nicht belehren, „weil er ihn allzeit one Vernunft gefunben.“
Gein Leichnam wurde „auf dem Galvinifchen Kirchhof in Königsberg“ berr-
bigt, das Blodengelänte in Borken wurbe ihm nicht verweigert, Von bet
*) Xaufbuch 1689 22. Sept.
von Rogge. \ 718
böfen Erbſchaft aber, bie er dem armen Pfarrer Hinterlafien, weiß bald
darauf das Traubuch zu erzählen. Da Heißt es: „Anno 1695 ben 28. Aprill
am Donnerftage von bem Sonntage Cantate find im Nahmen ber heiligen
und Hochgelobten Dreyfaltigleit, im Hoff zu Pilwen Ehelich von mir zu
fammengegeben und copuliret worben Tit. Herr Doctor Johannes Sta-
nislaus Kalinski mit Tit. Frauen Rahel, legitimirten und gebornen
v. Hellen und feel Tit Herrn Jacob Calenders, def Peinlichen Hoff Half-
gerichte Secretarii extraordinarii und des Schloß Ambts Scqhreibers Ad-
juncti Wittiben, welde, da Sie nah 14 Tagen Ihres feeligen Mannes
Tode, wie fie Ihn zu Königsberg auffem reformirten Kirchhoff begraben
taffen, ſolchen Doctorem Johannem Stanislaum Kalinski, bald wieberumb
Ihr zugeleget und mit ſich gebracht, und erftlich blind fürgegeben, alß wenn
Er ein Käuffer, der das Guht Pilmen an fich bringen wad Kanffen wollte.
Nachmahlen aber ift ihr Fürhaben bahin, gebiehen, daß Guth und Fran
von obgebachtem Herrn Doctor erfauffet worden und an Ihn gefallen.
Wie nun aber fie fi fo lange anffgehalten, und ungetranet in einem
Haufe Zuſammen gelebet, Hab ich ſolches nicht weiter Ihnen zuſehen wol
len. Derohalben ich fie getrieben und gezwungen, obgleich ich darauff
eine läfterlihe Schmäh Schrifft von dem Doctor belam, das fie muſten
einen Churfürſil Befehl mir bringen, bamit fie alfo intra annum luctus
tonnten getrauet werben.“
Im Jahre 1697 ging Pilwen durch Kauf an ven Burggrafen Seel über.
Auf Borken und Markihnen ſaß zu jener Zeit bie Familie v. Prör
mod. Diefelbe war mit ben ebelften Geſchlechtern bes Landes verwandt,
trogbem ſcheint fie auf feiner beſonders Hohen Stufe ver Cultur geſtanden
au haben, Der Capitain G. Friedrich v. P., welcher zugleich Patcowatöherr
ber Pfarre war, ließ dem anziehenden Pfarrer zum Willlommen feinen
Gartenzauu abbrechen. „Wer von ben Bauern noch etwa ſo chriſtlich
war und nicht Hand anlegen wollte, bem wurde vom Gutsverwalter fofert
feine Art weggenommen und er mußte biefelbe im Kruge für einen hal⸗
ben Thaler verfanfen Lafien.” Ein anbermal orbnete derſelbe Herr wir
ber einen Abbruch des Zaunes an, nur um ben Pfarrer „in feinen Me
bitationen zu verſtören.“ Es gelang ihm auch feine Abficht durchzuführen.
Der arme Haaſe konnte am Sonntage baranf nor Wehmuth nicht prebir
714 Daniel Haafe
gen. Charalteriſch iſt ber Nachruf, welchen Haaſe dieſem Widerſacher
im Todtenbuche gewidmet hat. Da heißt es: „Anno 1691 den 16. Norbris
am Freytag nad) dem 22!= Sontag nad) Trinitatis zc. iſt der Hoch Edel-
gebohrne Herr, Herr Georg Friederich v. B. Erbherr auff Marlihnen und
Borcken, in Gott feelig verfchieben, da er den 12 Novembris bes Abends
vom Schlagfing, wie er fein Gefinde deſſelben Tags ausgezahlet, auff der
rechten Seiten gerichtet, und biß auff den Tag feines Abfchiebes auf bie
fer Beli Sprachloß, doch aber bei gutter Bernunfft und Aunehmung ber
Mittel der Seeligkeit verbfieben. Bey welchem denn zu merken, da woll⸗
gedachter, wollſeelige Herr v. P. vielfältig umd offt mich und mein Ampt
gedrudet, Er doch in feiner Höchften Schwachheit und Ohnmacht von Gott
erleuchtet, ſich mit mir ausgeföhnet, indem er mit wahren Zeichen ber
Buße und Beicht des armen Zöllners ſprachlos mit feiner linfen Hand
fich an bie Bruft fchlagend, von mir das h. nnd hochw. Abendmahl
3 Tage vor feinem Ende würdig empfangen. Unb ba glei Herr M.
Martinus Babatius, Erzprieſter zu Bartenftein dawieder ſich legen wollen,
daß er alß fein ordinarins confessionarius bie 5. Communion nicht mit
ihm verrichtet, Hat doch ſolches fich nicht ſchileen wollen, bieweil Herr
Erzprieſter nicht alfobald an der Hand gewefen, fonbern gefchlafen, bie
hohe Noth aber erfordert, daß ich ihm eiligft, damit er nicht wieber von
denen Gedanken ablähme bas feelige viaticum geben muſte. Weldes
aber body alles von mir geichehen sine despectu et praejudicio Domini
Archipresbyteri uti verissime novit Deus. Iſt den 11 Decbr mit dhrift-
lichen Leich · Ceremonien allhie zu Borken mit einer Leichprebigt
n 4, v.11 fo Herr Erzpriefter Martinus Babatius gehalten, beerr
ren."
mag fi) Haafe nach dem felig entfchlafenen Herrn v. P. gefehnt
enn über feinem Grabe ſtand eine ganze Schaar von Berfolgern
n anf. Die Fran des Euntſchlafenen, nebft ihrem Halbbruber, bie
eſſelben mit ihrem Hofmeifter vereinigten fi, um ihm bas 2er
amer als möglich zu machen. Die Verfolgungen, welche num über
inbrachen, werfen ein zu intereflantes Licht anf ben Bildungegrad
Anſchanungen jener Zeit, als daß wir micht etwas näher auf bier
ngehn ſollten. Frau v. P. begünftigte vieleicht ans Eigennut bie
von Rogge. j 716
wilden Gelage, welche häufig und befonbers am Sountage in bem ihr
gehörigen Kruge ftattfanden. “Der Pfarrer ſah Hierin natürlich ein feind-
liches Verhalten gegen fein Amt und feine Perfon. Er Hatte unter vem-
felben um fo mehr zu leiden, als feine eigenen Dienftlente durch bie
wilde Wirthfchaft verberbt wurben und ihm durch Untrene und Liederlich⸗
teit manchen empfindlichen Schaden verurfarhten. Eine Menge bintiger
Schlägereien, die im Kruge zu Borken vorfomen und oft unmittelbar un
ter feinen Senftern beendet wurben, hat er gewiſſenhaft in feinem Kirchen
buche vegirirt,. Um ſeelſorgerlich auf bie Uebelihäter einzuwirken, Hatte
ex eine befondere Confignation der böfen Perfonen angelegt md fehr ge
nau bie Verhandlungen niebergefchtieben, bie er mit ihnen gepflogen.
Seine ernftlihen Bemühungen zur Hebung der Sittlichkeit ſcheinen ber
Frau v. PB. widerwärtig gewefen zu fein unb als er zwei ihrer Leute vor
fein Amt forderte, erklärte fie: „Sie wolle, wenn ber Pjarrer zu jemand
ſchicken wolle im Dorf, daß er follte zu ihm kommen und jemand ohne
ihr Vorbewußt zu ihm ginge, denfelben, wenn es auch ein Kerbel wäre,
der einen Bart bis an bie Bruft hätte, auf öffentlicher Straße zu Borken
nieberlegen und bis aufs Blut prügeln laſſen.“ Zu wiederholten Malen
verbot fie allen, bei 10 Mark Strafe vor dem Pfarrer zu erſcheinen ımb
ließ demfelben „dur ihre muthwilligen Kinder einem ftattlihen Hund ans
eitel Rachgier und Feindſchaft zerhegen.” Ihr Hofmeifter, Joh. Mart:
Mohnhaupt, machte fid) ein befonderes Vergnügen barand am Sonntage
unter ber Vesper zu fiſchen, weshalb der Pfarrer nicht unterließ ihn ımie
ter den Sabbathſchändern aufzuführen. Da zeigte man ihm bald bentlicher,
was man von ber Heiligung des Sonntags Halte. Cr berichtet im Kier
chenbuche: „1694 ben 12 April Hat der markihnſchen Frauen Halbbruber,
ein Lieutenant, auf dem Kirchhof zu bes Schulmeifters: Daniel großer
Drän- und Schimpfwort über den Schulmetfter ſich vernehmen laſſen und
geſprochen: ber Schufmeifter, Hrswfott und Bärenhänter, wird er mir nicht
mehr das Chor öffnen, ich will ihm fo und fo prügeln! Daranf hat er den
ganzen Tag im Kruge mit ben Knechten gefoffen, auch dem Pfarrer gebroht.”
Bald darauf gebot Frau v. P. fogar einem Trömmelihläger untes
der Kirche die Trommel zu fihlagen, Die dann ben sangen Sonntag „beim
Saufen ber Knechte gerühret wurde.“
716 Daniel Hacke
Auch dieſe Feinbfchaft filgte erfi der Top unb wiebernm läßt uns
Haaſe bie Sram, welche er im Leben als eine Farie geſchildert, anf bem
Sierbebette als eine Gelige erſcheinen. Es war aber bie Zeit der äufer-
lichen Zucht, in welcher man nach luſtigem ober fünblichem Leben felig
zu flerben vermeinte, wenn man fi auf dem Tobtenbette zur Annahme
des Gterbejacraments bequemte und dem Beichtvater wicht länger wiber
ſprach, ben man vielleicht fein Leben lang verhöhnt hatte. Das Waſſer
in ber Taufe, der Wein im h. Abendmahl follte Alles thun. Die rau
v. P. land werigfiens zum Theil auf diejem Stanbpunlte und Haaſe fjeint
deufelben als Kind feiner Zeit nicht ganz verworfen zu haben. Hören
wir, was er über ben Tod ber Frau v. P. zu berichten Hat: „1694 ben
26. September zc. hat Gott anf biefer mühjeeligen Welt durch einen feel
gen Todt abgeforbert, bie hochedelgebohrne Fran Maria Eliefabeth von
Promodin, eine gebohrne von Kauitzin, deß feeligen auch Hochedelgebohr⸗
nen Herrn Georg Friedr. v. Promods Erbherrus auf Marlihnen und
Borken Eheliebſte, welche, da fie ihren Untertfauen allen Muthwillen ge
flattet und Gottes Ehre fehr gebrudet, auch deßwegen mich, daß ich bark-
ber geehfert, fehr verfolget, maaßen fie baum in ber Zeit mir große Ges
walt eriwiefen und meines Miethemanns Bieh von der Brad im ihren
Hof treiben laſſen, darüber ich große Beſchwerd gehabt und durch Chur ⸗
Fürfil Befehl mic fhägen müſſen, ift doch eudlich kurz vor ihren End,
mehmlich ven 6. September zu mir in mein Hauß kommen und hat ein-
sige Zeichen anderes Gemüthe gegen mich bei ihr vermerken laſſen. Im
ihrer Kraukheit ift fie von meiner Frauen erfuchet worden, ber fie gella⸗
get, daß fie das 5. Nachtmahl von dem H. ErzPrieſter M. Babatio nicht
gutt empfangen, indem er ihr faft nihts vom Weine gegeben,
darumb Ex fie noch ein mahl bald darauff kurz vor ihrem Ende commu-
wichren mäflen. Gott fei ihrer Seele umb Chriſti Iefn willen gnäbig and
vereinige biefelbe mit ihrem Leibe am jüngften Tage zu dem ewigen
Leben. Amen.
Wir nehmen von ber Familie v. P. Abſchied, indem wir noch bas
Ende bes älteften Sproſſen berfelben berichten, der gleichfalls im Kirchen ⸗
buche erwähnt wird und am welchem die Fruchte feiner Erziehung zu Tage
tamen. Es heißt von ihm:
von Rogge. 717
Anno 1695 den 28. Febr. ac. ift Herr Chriſtoph Albrecht von Promod,
feel. Herrn ©. F. v. P. Altefter Sohn, und designirter Fänrich zu Bar-
tenftein am ben Poden geftorben, welcher, ba er ein böfes Leben, mit
Fluchen, Sanffen und Haren geführet, auch vor feinem Ende in dem Jahr,
deß wolverdienten Mannes, Herrn Doctoris Wohngienen feine Tochter
geſchwãngert, der er bie Ehe mit einer Handfchrift von feinem Blutt une
texfchrieben, verfprochen, deunoch vor feinem Tode Ihme ſeine Sünde hat
laßen leid fein, auch mit dem heil, und hochwürdigen Abendmahl von
Herin ErzPriefter if verfehen worben ben 17 Martii alihier in ber
von Promod Begräbnig mit Haltung einer Leichenrebe beim Altar durch
den Herrn Erzprieſter und bei musicirung und Gefang ber Tobtenlieber
bengefeget worben. Im dem von ſolchem obbefagten jungen Berftorbenen
von Promod noch dieſes beizufügen verbienet, daß er über feine ver-
lobte Bramt noch ihre Magd mitgefhwängert und gefaget, ich habe mei-
ner Braut zu gleich eine Amme gemacht. Gott vergeb ihm feine Sünde,
ſey feiner armen Seele durch Chriftum guäbig, und bewahre, daß nicht
mehr durch des Zenfels Verführung, und Aureitzung des böfen Fleiſches
und Blutes mögen alfo fterben und bergeftalt ein firafbahres Gedächtniß
nach fich laſſen. Amen.
Bei der hohen Achtung, in welcher zu jener Zeit die lirchlichen Cere ⸗
monien flanden, ift ein Fall von offenbarer Verachtung berfelben bei einem
Edelmann merkwürdig, von welchem das Kirchenbuch ausführlichen Ber
richt erflattet.
Außer den Herm v. Tettau auf Tolle, von ber Gröben auf Leegen,
welcher Oberlischenvater war, zeichnete fi im Kirchſpiel noch Her
Fabian von Oftan auf Panlienen durch echt chriſtlichen Sinn und wahr
hafte Brömmigfeit aus. Trotzdem verlangte ber Vormund feiner Fran,
Obriflientenant v. Aner, als J. v. O. ben 18. October 1694 geſtorben
war, berfelbe folle ohne Kirchliche Weierlichkeiten beigeſezt werben. Der
Vfarrer proteftirte hiegegen und Tieß es fich wenigftens nicht nehmen, ben
ihm theuern Eutſchlafenen unter dem Gefang ber Echäler zu Grabe zu
geleiten „mornach aber (mir laſſen Haaſe wieber ſelbſt erzählen) ber Herr
Obriſt Lientenant v. A. ſich fo woll bei dem Gingen, al andy nach dem⸗
felben, fehr importan im ber Mirche erwieſen, sub! nach ganglicher Ver⸗
718 Dani! Haafe
richtung, mich in Gegemwahrt des Herrn Hoff umb Legations Rath
d. ber Gröben in ber Kirchen amgetreten mub gefaget: der Herr hat-fih
woll heute ſchlecht erwiefen, eb ift verbohten, man follte nicht fingen undt
ver Herr hat durch bie Pamerjungen die Leiche mit dem Schnelmeiſier
doch befingen laſſen. Er ift gleichwoll ein Chrlicher Edelmann geweſen,
wenn daß hätte fein follen, Hätte man woll lönnen figuriren laßen. Bor
auff ih Ihm geantwortet, ber Herr Obrifilieutenaut ſchone mich hie in
der Kirchen, und wo ich waß deshalben Unrecht getahm, verllage Er mich,
welches Er dann auch zu tuhn ſich hören ließ, andy ſolches zu Paufienen
bei dem Begräbniß gefaget. Im der Küche aber, unter dem fingen noch,
hat er überlaut beim Frauenzimmer geſprochen, fo find die Teichfertige
Bfarzer, fo eigenfinnig und Hafffarrig, ich Hätte ſchon gemadhet, daß er
ſollte einen Tahler bekommen Haben, num foll Er nichts kriegen.“
Es ift befanni, daß der del jener Zeit oft zu feinen Unterthanen in
einem ſchonen patriarchaliſchen Verhälinifie Hand. Es lamen Häufig Her
ſchaften vor, welchen das Wohl und Weh ihrer Unterthanen am Herzen
Tag, welche auch an den häuslichen und Familienangelegenheiten derſelben
innigen Antheil nahmen. Im mancher Gemeinde fand z. B. keine Taufe
bei Gntseingefeflenen ftatt, an welcher die Gutsherrfchaft fi nicht durch
eimen Pathenftand betheiligte. Wo ber milde Sinn bes Herzens das ganje
Leben durchbrang nud alle Verhaͤltniſſe regelte, wo der Abel das Wort:
noblesse oblige, nicht aus dem Auge „verlor, mag ſich das Volt unter feir
ner Herrſchaft glädlich gefühlt Haben. Anders war es da, wo er in Ro
heit verſaul. Bier ftand ihm das Volk ſchutzlos gegenüber und der Bauer
war nichts als der Epielball feiner Saunen, Auch Hiefür bietet das Bor-
leuſche Kirchenbuch manchen tranrigen Belag. Es berichtet öfter, daß
Banern heimlich ihre Wirthſchaften verlaffen hatten und mit Weib und
Kind weggelaufen ſeien. Der Pfarrer, welcher fie mit den Augen feiner
Zeit anfah, pflegt fie darum bitter zw tabeln, im Lichte der Hentigen Zeit
tönnen wir nur bewundern, daß ſolche Defertianen nicht Hänfiger- vorka
men. Im Jahre 1698 hatten zwei Bauern Hans Engelbrecht und Hans Apfel!
aus der greßen Well, einem Vorwerk von Beisleiden im Bilmiichen
Bolde Holz geholt. ‚Der Guteherr von Pilwen hatte ihnen Wagen und
Vferde · dafür weggenommen, ihr eigner Herr aber, der Major v. Glaubit
von Rogge 719
ließ fie fo Hart mit eifernen Slegeln fireichen, baß fie mehrere Tage ſchwer
trank barnieber lagen, danach die 5. Kommunion nahmen und mit Weib
und Rind von bannen liefen. Am beutlichften aber bezeugt es die nad
folgende Erzählung, wie gering man damals die Rechte des Volkes achtete
and was Adel und Militatr ſich in Bezug anf daſſelbe ungeftraft erlauben
durften. Der Pfarrer Haaſe berichtet:#) „Als ben 14 Martii 1696
Martin Kühnapfel, mein Miethsmann mit feinem Bruder Ehriftoph mit
Gerſte nach Landéberg reifen wollen, ift Caspar Bueke, Schulz von Bor
ten vorausgefahren und, wie folder Schulz zuerit nach Landsberg gelom-
men, ift er von feinem Junker Wulf Friedrich von Promcd gefraget wor⸗
den, ob jemand von Borken mehr noch komme? barauf der Schulz geant-
mortet: Ja, die beide Kühnapfels. Darauf ſolcher W. 8. v. P. zur
Dankbarkeit ſolchem Schufzen, daß er diefe Lente angegeben, einen Thaler
verehret. Wie nun folde Kühnapfels nad; Landeberg auch gelommen und
dem Herrn Wohlgemuth ihr Getreybig verkaufet, find, nachdem wie. fie ſchon
abgemefien, alsbald zu gebachtem Herrn Wohlgemuth Soldaten in bie
Etube gelommen und ſich zu benen Kühnapfels genäthiget. Da dieſelben
aber nichts mit ihnen haben zutun haben wollen, haben fie alabald den
Knecht Chriſtoph K. mit Gewalt angetaftet und ihn zur Courtigard geführt,
daranf ihn mit Gewalt zwingen wollen, daß er Dienft nehmen ſollte.
Deshalben ihm auch Churfürftl Gefunbheit zugetrunken, welche, ba gr nicht
mit Beſcheidungstrunk annehmen wollen, fie ihm darauf das Bier. zu
Halben weis unter bie Augen gegoſſen und babei ihn jämmerfid, nieder⸗
gelegt und geſchlagen und das fo ein Tag etzliche mit ihm getrieben und
fo übel gehandelt, daß man ihn bis in fechfte Haus hat wohl fchreien
hören tönnen. Der Schulz Caspar Buske, dem fein Gewillen zugeſetzet,
daß er übel gethan, iR als Judas ben erſten Tag, ba er ihn verrathen
au ben Soldaten in bie Courtigard gegangen und gefaget: Ihr Herrn,
thut dem Kerdel kein Leids, gebet ihn mir los, ich will ihn auf hundert
Thaler bürgen, benn ber falfche und gottlofe Menfch wußte wohl, daß der
Knecht ein ziemliches Geld bei den Bauern zu Borlen ausftehn hatte, des⸗
*) Mir bedienen und von hier ab bei ben Cuaten ber neuen NRechtſchreibung und
720 Dantel Haaſe
wegen er ihm benn wohl bürgen umb feinem unter bie Augen groß
machen und alſo ihn ferner um bas Seinige beim Loslauf bringen Tonnte.
Als aber nachdem Herr Oberfte von Kanitz, dem bie Soldaten Höreten,
aufs Begräbniß feiner Gran Schweſter, ber fel. Iran zu Marlihuen kam
und id} bei ihm anhielte, er follte ven Knecht mir body losgehen, fagte er
mir auch foldhes zu. Nichts defto weniger wollte er danach einige Prü-
tenfion wegen ber Unterthanfcaft an die Kühnapfels vorgeben, deswegen
er daun auch wegen des Loskaufs bei fie anhielte. Als er aber hienach
ihnen ganz nicht beilommen Tonnte, hat folder Herr Obrifte von Kauitz
ven Knecht fo feft dennoch halten laſſen, bis er fich mit fünf Thalern los
machen mäflen und alfo ſolchem Knecht fein Schaden mit folchen fünf
Thalern bis auf mehr denn zehn Thaler belanfen. Das verurfachte alſo
am bie Xrenfofigleit bes Schulzen zu Borken und das war bie gegebene
Paroll des Herrn Obriften, danach er verfprach mir ben Knecht loszuge ⸗
ben. Wie aber ich mir ſolches zu Gemüth gezogen, das weiß Gott am
beften, ber barauf 'anf das Jahr bem Herrn Obriſten, ba ihm ber linke
Um vor Namur weggefchoffen vor bem Feind, zu nebenft dem Junler
Wulf Friedr. dv. Promod bleiben laſſen, den Echnlzen aber zu feiner Zeit
auch zu richten unb zu finden wiſſen wird.“
Es iſt leicht begreiflich, daß umter ſolchen Auſpicien das Volk weder
in feiner Bilbung, noch in feiner Sittlichkeit, viel weniger im chriſtlicher
Erlenutniß und chriſtlichem Wandel geförbert werben konnte. Die Echule
war damals noch gar Teine Macht im Staate und befonders ſtanden bie
Landſchulmeiſter, wo fie überhaupt vorhanben waren, meiftens auf ber
miebrigften Stufe. Ihr Dienft befchränkte fich hauptſächlich baranf, eini-
gen Kindern bie uöthigften Kirchenliedermelodien beizubringen und in der
Nicje ven Gefang der Gemeinde zu leiten. Welchen Händen etwa bie
Iugend des Bortenfchen Kirchipiels damals anvertrant war, befagt kutz
folgende Rotiz: „1686 27. October Hans Pohl, Schneider von Tolle, da
derſelbe feine Prob zum Schufmeifterbienft all hie gefungen und baranf
angenommen werben follte, beim Trunke im Borlkenſchen Kruge in ber
Nacht von einem Sauſchneider Namens Chriftian Rofenbaum mit bem
Sauſchneidermeſſer in die Bruft gefährlich geſtochen worden.“
Solche Dinge lamen bamals ſicher nicht in Borken allein vor. Eine
von Rogge. 721
fürdjtbare, fittliche Verwilberung bes Volfes war bie Folge und offenbarte
ſich in entſetzlicher Zuchtlsfigleit auf der einen, im craffeften Aberglauben
auf ber andern Eeite. Beiden Uebelftänden fuchte Haafe mit allen, ihm
zu Gebote ftehenden, Mitteln entgegen zu treten. Er wußte fi eine ge⸗
naue Kenntniß von allen, im Schwange gehenden, Sünden zu vetſchaffen
und ſtrafte dieſelben ohne Furcht. Wir ſehen ihn als Seelſorger an bie
Sterbebetten treten und mit großem Eruſt fein heiliges Amt verwalten,
&o fragte er einen Übelberüchtigten Bauern, ber in den legten Zügen Tag,
nach ſcharfer Eorrection: ob er wohl Hoffe die Seligteit zu erlangen? Er
erhielt bie Antwort: „Da tru ed wol ſchwer hen to famen,“ die ihm
Beranlaflung gab, das geängftigte Gewifen des Mannes in evangelifcher
BWeife zu entlaften. Auch im Beichtſtuhl ſchonte er bie Seelen nicht,
mußte es aber bereits erfahren, daß ein Paar beſonders freche Menſchen
ihm mit Schimpfen und Schreien aus der Kirche liefen. j
In äuferft Hohem Grabe war die Unzucht im Kirchſpiele unter allen
Ständen im Schwange. Auch die Kirche griff damals die Heilung dieſes
Uebels zum größeften Theil von der gefeglichen Seite an. Das Halseiſen,
in dem früher unzüchtige Perſonen ſtehen mußten, war zwar nicht mehr im’
Gebrauch, obgleich es noch Bis in biefes Jahrhundert hinein in dieſer, wie
in mancher andern Kirche, in ber Halle eingemauert war; inbefien wurden
diejenigen, welche contra sextum gefünbigt, einer andern, vielleicht noch
empfindlichen Tortur ausgefegt. In dem Verhöre, welches fie vor dem
Pfarrer zu beftehen hatten, mußten fie fich, oft vor Zeugen bis in das
geringfte Detail über die Begangene Sünde auslaffen. Ueber . ihre,
Ausfagen wurden genaue Protokolle aufgenommen, bie oft einen äußerſt
widerlichen Einbrud machen. War ver Thatbeftand gehörig feftgefteltt, fo
wurde die Kirchenbuße biftirt. Diefelbe beftand in einer Geldſtrafe bis
22 Mark, außerbem mußten bie Gefallenen noch an brei Sonntagen wäh⸗
rend bes Gottesdienſtes vor dem Altar ftehen, worauf ſie vor verſammel⸗
ter Gemeinde die Abfolution empfingen. Die firenge Strafe konnte übrie
gens Häufige Nüdfäle in die gerügte Günbe nicht verhindern. Die bloße
Abſchredungetheorie erwies ſich anch hier als unpractiſch. Manches Ge⸗
müth mag durch dieſelbe verhärtet fein und aus vollbrachter Buße nichte,
als ein neues Recht auf die Sünde hergeleitet haben. us ber Diebftahl,
Wupr, Wonatsigrift Od, IIL Oft. &
123 Daniel Hacke
wie alle aubern Bergehungen, war aufer ben gerichtlichen, Rrengen fird-
lichen Strafen unterworfen, beſonders aber zogen bie Diener ber Lirche
gegen ben Aberglauben zu Selbe, obwohl fie ſelbſt in bemielden ned in
hohem Grabe befangen waren. Man verfolgte bie Zauberei, weil man
Reif uud feſt am biefelbe glaubte, oft auch, weil bie ewangelifchen Griß-
lichen in ben üblichen Zanberformeln eine bedenkliche Hinneigung zum
Katholicismus witterten. Ganz befonders wurden Zanbereifünben ven den
Hirten getrieben, welche ſich zum Vortheil ihres Biehs anf das Bötrne)
legten. Wo fie es felbft nicht verftanben, fanben ſich alte Frauen, welde
ihnen mit Rath und That beiflanben. Cine ſolche kluge Frau war .®.
bie lange Elie aus Lergen, das Weib des Hirten Sommer, welche 1692
auf Befehl bes Herrn Albrecht vom ber Gröben Lirchenbuhe thun mnfte,
weil fie fid) abgöttiſch beim Austreiben bes Biches benemmen. Haaſes
Kirchenbuch weiht uns übrigens in mancherlei Zauberkänfte ein, die wir
denn auch zum Nutz und Frommen der Nachwelt nicht verſchweigen wol
im. Gin probates Mittel fein Bieh gegen Maben zu fchügen Katie der
Hirt Jacob Ducat zu Borken erfunben, welches er dem Pfarrer im firen
gen Krenzverhör offenboren mußte (1685). Er rieb beim Anstreiben det
Biehs eine Dieftel zwiſchen zwei Steinen uud ſprach bazu: „Diefteliien,
Dieſtelchen ed geböhbe bi, dat bu mi bem Gtöd Beh, ober Schwien, da
wo et Maden hefft de Maden utftedft im Namen bes Baters, Sohnes
und heiligen Geiſtes un durch de lewe Zungfer Marie.” Diefes höchn
einfache Berfahren dürfte übrigens mod; heute mancher Sandmann einer
weitläufigen und toftpieligen Unterfuhung auf Trichinen vorziehen, obwohl |
mad) feinem Erfinder bereits zwei Iahrhunderte ins Laub gegangen find.
Etwas ſchwerer machte ſich der Hirt Greger Beiloweii aus Borle
die Sache, welcher 1688 vor das Pfarramt geforbert wurbe. (Er betete
beim Ansjagen zuerſt drei polnifche Baterunfer, weil ihm das Dentihe
zu ſchwer fiel, darnach ſchlug er drei Kreuze hinter fi und brei Kretze
vor fich und fagte: „IE jage min Böhlen im Namen Gottes. uih, bat d
Gott bewahrt, öwer allet Feld, ͤwer alle Wald, Bröd,s«) wo't fed kehrt end
*) Beten, böben ober botten iſt der nieberfächfifche Ausdruc für Eühen, mit wer
Bun Para a Die Ontfruung inch, ben Banberi uacgten Gaben ber:
von Rogge. 123
wenbt, fo rein, fo Mar, als unjers Herren Gottes Mutter Maria jungen
Sohn geboren im Namen des Waters, Sohnes und heiligen Geiſtes. Da-
nach nahm er den Stahl und das Schloß, welche er das ganze Jahr fo
im Dach verftedte, daß fie niemand au fehen befam, ging erft um das
Vieh herum, ſchlug den Stahl in das Schläffellod des Schloffes und
fagte zum Vieh: „IA ſchleut dienen Mund, bienen Schlung, ſollſt mine
Bbhlen nich afifprieten, nich afftieten; böt bu dit Schlos kannſt obrieten
laht mine Böhlen gahenn im Namen bes Vaters 2c. Darnach befehl ef
die wich mehr, als en Steen op'm Feld, laht mien Vöhlen gahn im Nar
wen u. f. w.“ Er fagte Übrigens dem Pfarrer bei feiner Seelen Eelig-
teit zu, fich feiner Kunſt gänzlich zu enthalten.
Zumetlen kamen auch Lente mit Zander und Wundermittel bon
weit her und eine Quadfalberin aus Königsberg erregte in Borken ein
ſolches Smterefie, daß ſich ihretwegen im Kruge eine großartige Prügelei
entſpaun. (20. Mär; 1691).
Im eine andere Urt des Aberglaubens verfiel das Weib des Fiſchers
Iacob- Leßlke. Ihr Mind war mit einer fogenannten Glüdshaut auf bie’
Welt gelommen (1695). Ste ließ biefelbe mittanfen, um aber noch mehr
Segen zu erlangen, widelte fie dieſelbe noch ein mal mit ein, als ber
Buchtner Hans fein Kind zur Taufe brachte. Für biefe Wiedertaufe
wurbe fie beftraft, der Schulmeifter Andreas Eggert mußte aber bie Haut
in die Alle werfen.
Derartige Dinge, bie wohl and) noch heute hie und ba unter bem
Volke vorkommen können, bürfen um fo weniger befremben in einer Zeit,
wo man ben Teufel, wie die Engel in verſchiedenen wunderbaren Geftalten
teibhaftig auf Erden umberziehen fah. Der alte Haaſe konnte im biefer
Beziehung noch Erfahrungen machen, die heute, Gott ſei Dan, jedem Seel
ſorger verfagt fein dürften. Freilich wurben ihm biefelben nicht unmittel⸗
bar in feinem Kirchſpiele zu Theil, fie haben aber ein um fo größeres
Intereſſe, als fie außer ihm gewiß noch einen großen Kreis feiner Zeit⸗
genoſſen in Staunen und Beſtürzung verfegten. Wir Halten uns hier wies
der: für verpflichtet dieſelben mit feinen eigenen Worten zu erzählen, obwohl’
wir frchten mäffen, daß bie Bilder bie wir vorführen, trot ber Friſche
des Colorits auf unfere unglänbige Zeit wenig Eindruck machen werden.
46°
123 Daniel Hanfe
wie alle andern Bergehungen, war außer ben gerichtlichen, firengen fird-
lichen Strafen unterworfen, befonbers aber zogen bie Diener ber Kirche
gegen den Aberglauben zu Felde, obwohl fie ſelbſt in demſelben mod in
hohem Grabe befangen waren. Man verfolgte bie Zauberei, weil man
ſteif und fer am dieſelbe glaubte, oft and, weil bie evamgelifchen Geif-
lichen in ben üblichen Zanberformeln eine bebenkliche Hinneigung zum
Katholicismus witterten. Ganz befonbers wurben Zaubereifünden vom ben
Hirtem getrieben, welche fih zum Vortheil ihres Viehs auf das Bäten:)
legten. Wo fie es felbft nicht verftanden, fanden fi alte Frauen, welde
ihnen mit Rath und That beiftanden. Cine ſolche Mnge Iran war .. 8.
vie fange Elfe aus Leegen, das Weib des Hirten Sommer, melde 1692
auf Befehl des Herrn Albrecht von ber Gröben Kirchenbuße thun mußte,
weil fie ſich abgöttiſch beim Austreiben bes Viehes benommen. Gasfes
Kirchenbuch weiht uns übrigens in mancherlei Zanberkünfte ein, die wir
denn aud zum Nug und Frommen der Nachwelt nicht verſchweigen wol
len. Ein probates Mittel fein Vieh gegen Moden zu fügen Hatte der
Hirt Jacob Ducat zu Borken erfunden, welches er dem Pfarrer im firen-
gen Krenzverhör offenboren mußte (1685). Er rieb beim Anstreiben des
Viehs eine Dieflel zwiſchen zwei Gteinen mub ſprach bazn: „Dieftelden,
Dieſtelchen eck geböhbe bi, bat bn mi dem Stöd Beh, ober Schwien, ba
wo et Maden hefft de Maben utftedft im Namen bes Vaters, Sohnes
und heiligen Geiftes um durch be lewe Jungfer Marie." Dieſes höchn
einfache Verfahren bürfte übrigens noch heute mancher Laudmaun einer
weitläufigen unb Toftfpieligen Unterfuchung auf Trichinen vorziehen, obwohl
nach feinem Erfinder bereits zwei Jahrhunderte ins Laud gegangen find.
Etwas ſchwerer machte ſich der Hirt Greger Beilowsli ans Borken
bie Sache, welcher 1688 vor das Pfarramt gefordert wurde. Er betete
beim Ausjagen zuerft brei polnifhe Vaterunfer, weil ihm das Dentihe
au. [wer fiel, darnach flug er drei Kreuze Hinter fi und brei Kretze
vor fih und fagte: „IA jage min Böhlen im Namen Gottes.uth, bat ei
Gott bewahr, öwer allet Feld, äwer alle Wald, Bräd,ae) wo't fe kehrt end
=) Bbeten, boden oder botten {ft der nieberfächfifche Ausdrud für küßen, mit wer
die Ontfernung rind, ven Bauherr ugeägten Ghaheab beit,
von Aogpe. 133
wendt, fo rein, fo Mar, als unſers Herrn Gottes Mütter Maria jungen
Sohn geboren im Namen bes Waters, Sohnes und heiligen Geiſtes. Da⸗
nach nahm er den Stahl und das Schloß, welche er das ganze Sahr fo
im Dad verftedte, daß fie niemand au fehen befam, ging erft um das
Vieh Herum, ſchlug den Stahl in das Schlüſſelloch des Schloſſes znb
fagte zum Vieh: „IE fehlent dienen Mund, dienen Schlung, folft mine
Böhfen nich afffprieten, nich affrieten; böt du bit Schlos kannſt obrieten
laht mine Böhlen gahenn im Namen des Vaters ꝛc. Darnach befehl eck
die wich mehr, als en Steen op'm Feld, laht mien Vöhlen gahn im Nar
men u. f. w.“ Er fagte übrigens dem Pfarrer bei feiner Seelen Eelig-
teit zu, fi feiner Kunſt gänzlich zu enthalten.
Zuweilen kamen auch Leute mit Zanber- und Wundermitteln von
weit her und eine Onadfalberin aus Königsberg erregte in Borken ein
ſolches Zuiereſſe, daß fich ihretwegen im Kruge eine großartige Prügelei
entfparin. (20. März 1691).
Sm eine andere Art des Aberglanbens verfiel das Weib bes Fiſchers
Iacob- Leßle. Ihr Kind war mit einer fogenannten Gtüdshaut auf die‘
Welt gelommen (1695). Ste ließ diefelbe mittaufen, um aber noch mehr
Segen zu erlangen, widelte fie dieſelbe noch ein mal mit ein, als ber
Buchtner Hans fein Kind zur Taufe brachte. Für dieſe Wiebertaufe
wurde fie beftraft, ver Schulmeifter Andreas Eggert mußte aber bie Haut
in die Alle werfen.
Derartige Dinge, bie wohl andy noch Heute hie ımb da umter bem
Volke vorkommen Tönnen, bürfen um fo weniger befremben in einer Zeit,
wo man ben Teufel, wie bie Engel in verſchiedenen wunderbaren Geftalten
leibhaftig auf Erden umherziehen ſah. Der alte Haafe konnte im biefer
Beziehung woch Erfahrungen machen, bie heute, Gott fet Dank, jedem Seel⸗
ſorger verfagt fein dürften. Freilich wurben ihm biefelben nicht unmittel⸗
bar in feinem Kiechfpiele zu Theil, fie haben aber ein um fo größeres
Smterefle, als fie außer ihm gewiß noch einen großen Kreis feiner Zeit
genoſſen in Staunen und Beftürzung verfegten. Wir Halten nus hier wies
ver: für verpflichtet biefelben mit feinen eigenen Worten zu erzählen, obwohl"
wir ‚fürchten ınäffen, daß bie Bilder bie wir vorführen, troh ber Frijche
des Colorito auf unfere ungläubige Zeit wenig Einbrud machen werden
46°
124 Daniel Saafe
Haaſe Täpt ſich folgendermaßen vernehmen: „Anno 1693 Hat Sliſabeth
Großin, eine Margell von vierzehn Jahren und bes Hans Großen, eines
Gartners von Tolls Tochter zu Albrechtsdorf beim Bauern Kruſe bas
Haus anfteden wollen. Mit diefer Margellen habe ich am Zage Philippi
und Inrobi-um brei Uhr Nachmittag nämlich den 1. Mai c,a. zu Peiften
anf Zugebung der Herrſchaft beim Thorwächter im Gefängniß geredet nud
fie gefeaget: ob. fie mich kenne? Worauf fie geantwortet: ja, ich wäre
der Herr Pfarrer von Borken. Worauf ich ihr wieber geantwortet: wie
das Täme, fie. lennte mich und fie lennte ich nicht? Daranf fie gefagt, fie
hätte ‚nicht Schuld, fie wäre alle Zeit bei fremben Lenten gewefen, bloß
ein halbes Jahr und zwar im Vorjahr hätte fie bei ber Schügfchen zu
Tolks gebienet und wäre etliche Male auch allhie in der Kirche geweſen.
Hierauf iſt fie von mir zur Rebe gefehet, wie fie dazu kommen, daß fie
alfo das Hans. anfteden wollen? barauf fie geſprochen: der Satan habe
ihr eine brennende Kohle in bie Hand gegeben und befohlen, ſolches zu
thun. Sch habe fie ferner gefraget: wie fie an ven Satan gelommen?
da ‚hat fie mir zur Autwort gegeben, fie hätte ihn zu Tolle von einem
Vracherweibe, jo mit Kindern bei ber Schützſche Macht geblieben, in ber
warmen Suppe, davon fie ihr zu eflen gegeben, belommen und wäre ber
Satan des andern Morgens alsbald zu ihr kommen, den fie auch ange
nommen, aber ihm nicht zugefaget, wie er gewollt, zu dienen. Ich habe
weiter fie gefraget, wie benn ber Geift Heiße? Cie hat gefaget: Caspar
und ſei derſelbe exftlich als ein junger Gefell ihr erſchienen. Ich Habe
ferner gefraget, ob fie auch bei ihm gefchlafen und ſich mit ihm vermiſchet?
Sie Hat gefaget: ja, er wäre fürnemlich alle Woche des Mittwochs und
bes Sonnabends zu ihr gekommen, Hätte fich zu ihr ins Bett gefeget und
fein Glied in ihre Scham geſtecket. Ich habe ferner gefragt, ob der En
tan auch noch zu ihr ins Gefängniß wäre gefommen? Cie hat gefage:
ja, er wäre mod; zuletzt bei ihr gewefen, hätte ſich zu ihr in bie Edilal
bänfe geleget, darauf fie den Thorwärter gerufen und gefaget: Vater Thor
wörter, betet boch mit mir! woranf ber Satan nachdem weg vom ihr ger
gangen und gefprochen: ich werbe nun nicht wieber Fein Mal zu bir kom \
men, Des Morgens aber Habe ex ſich wieder fehen laſſen, bie Zuhne
aufgefpielet und fie geſpottet. Ich Habe ihr gefaget, fie folle Hieran be
von Rogge: 125
böfen Feind nicht glauben. Vielleicht ſtelle er ſich nur alfo; daß er nicht
wolle wieder kommen, darum foli fie nicht ſicher fein, fondern fleißig zu
Gott beten und mit dem lieben Gebet um gnädige Errettung Bei ihm an-
halten, welches fie auch zu tun mir Heilig zugefaget uud verſprochen.
Sch Habe noch weiter gefraget: wie ihr dann nu zu Muthe wäre, da
der Satan nu nicht zu ihr Time? Ste Hat gefaget: es bettete fie dan
and wann eine große Angfi, darauf ich fie heilſam unterrichtet, wie fie
fich folcher Angft losmachen follte, Nemlich fie fol alsdann mit dem
liebeu David zu Gott rufen: bie Angft meines Herzens ift groß, Herr
führe du mich aus meinen Nöthen! Sie foll auch durch biefen Herrn
nicht etwa ihren böfen Herrn, ben ſchwarzen Caspar verftehen, ber
ſich auch gern als einen Herrn und Fürften diefer Welt wollte geehret
und angebetet wiffen, nein, fonbern allein Gott ben Herrn, den Schöpfer
Himmels und der Erden follte fie damit ameufen, der würde fie auch
von ihrer Anaft erretten und befreien. Das Hat fie auch zu thun mir
abermals ganz theuer verfprochen, auch folhen Spruch fertig von mir
erlernet und öfters mir fertig fürgebetet. Ich Habe auch noch weiter ſolche
Margell gefraget: ob der Teufel fie andy umgetaufet? Eie Hat gefaget:
nein, fondern er hat es thun wollen, aber fie hätte nicht fich wollen laſſen.
Er Hätte fie immer Anna gerufen, fie aber Habe ihm allzeit widerſprochen
und gefaget: ich Heiße Liefe, worauf er fie nachdem mit Koth befprenget
und ganz abgerichtet unb Hätte ber Teufel ganz ftuffe garflige Singer ge-
Habt, als wie Wafhhöfzer. Ach habe fie weiter gefraget: ob fie auch Luft
zu flerben hätte? Sie hat gefaget: Sie wolle lieber fterben, als länger
fi mit dem Eatan fehleppen. Worauf ich nachdem mich mit ihr geleget
und ihr ſechs Groſchen zu ihrer Erquidung im Gefängniß gegeben. Hät⸗
ten nun ihre böfen eltern fie beffer gezogen, fo Hätten fie auch eine beſ⸗
fere Tochter gehabt, allein aber, da fie ſelbſten nicht viel Gutes gethatt,
fondern an denen heiligen Sonntagen ins Feld gegangen und Haber vom
Halm ihrem Heren und ihrem Nächſten abgeftreifet und ihre Schweine
und Vieh damit fett gemacht, auch fonften aus ber Scheune ihrem Herrn
Getreidig geftohlen, fo Hat auch Bott fie aljo mit einer ſolchen Tochter
ſtrafen müffen. Gott befehre fie alle, infonberheit rette er ihrer Tochter
arme Seele und entlebige fie von ben Banden und Striden des hölliſchen
726 Daniel Haafe
Satans und Böſewichts durch nuſern Heron und Heiland Iefım Chriſtum
Amen.” Hiezu wirb noch in einer Ranbbemerkung erzählt: „biefer bien
Margellen Vater Hans Groß, da ihn fein Herr endlich nach Tappelleim
auf ein Pauererb Anno 1693 im Herbft gefeßet, ift Anno 1694 ben 11. Fe
bruarii, wie er zu Peiften in der Mühle geweſen, bes Abends jämmerlich
zunebenſt zweien Pferden bei Eichhorn im Fließ verfoffen und umfommen.”
Doch nun Hinaus aus bem bäftern Burgverlieh zu Peiften! Lange
genug mögen ven Pfarrer Haafe die unheimlichen Eindrüde, welche er von
dort mitgenommen, geängftigt Haben, da burfte er nach zwei Jahren fein
Herz an einer tröſtlicheren Kunbe erquiden und konnte mit eignen Ohren
Hören, daß Gott ſich noch nicht ganz vom armen Preußenlande abgewanbt
und bem Teufel allein die Herrſchaft in demſelben überlaſſen. Freilich
ging biefer leibhaftig umher, aber noch fiiegen auch, eben. fo Leibhaftig,
die Engel Gottes auf und nieder und behüteten bie Frommen auf allen
Wegen und warnten bie böfe Welt, bie, wie wir ſchon gehört haben, na
mentlich zu Bartenftein von ben Geiftlichen und durch bie lantere Prebigt
des Wortes allein nicht mehr in Zucht gehalten werben Tonnte. Do
wir es hier nicht mit einem Mährlein zu thun Haben, fagt uns ſchon
deutlich genug bie Weberfchrift, welche Haaſe dem nachfolgenden Berichte
gegeben hat.
Erzaͤhlung einer wahrhaften Begebenheit, jo mit Marie, Schönenberge,
eines Bottchers aus Bartenftein Ehegenoffin begeben und zugetragen.
Als Anno 1695 den 29. September am Michaelisfeſt Maria Schön
bergin, eines Bottchers aus Bartenflein Ehegattin bes Morgens gegen
fieben Uhr in ihren Garten gegangen, um ein Stüd ſechs Haupt Kombft
zu holen und abzuſchneiden und fie unterwegens das Morgenlied „Wod
auf mein Herz und finge” bis in ben Garten ansgefungen, nachdem aber
im Garten wiederumb das. Lieb: „Bott ber Vater wohn uns bei“ beim
Abſchneiden angefangen, hat es ſich begeben, daß unverhofft eine rechte
ſchloweiße Taube ſich ihr auf einer Schulter geſetzet, gerebet und ihr dieſe
Worte anbefohlen: „Du, ſag' ber Obrigkeit, daß fie befehlen, daß fie bie
Vhantaugen ablegen und die Mägbe bie Hauben,“ Us nun folde
Maria Schönenbergin zu Haufe gelommen und ihrem Dann vermelbet,
was ihr wiberfahren, Hat der Mann zu ihr gefagets ſchweigt fall, fie
bon Rogge. 127
werbens euch doch nicht glauben. Da aber ferner ſolche Maria Echönen-
bergin ben 5. Octobris am Mittwoch nach bem 18. Sonntag nach Zrini«
tatis abermal in ihren Garten gegangen, umb daß fie ihr ein Fartye)
Pflaumen abgepflüdet und über das Pafternadjaat abgefchnitten, ift es
geſchehen, wie fie alfo auf dem Beet geftanden und gefchnitten, daß aber⸗
mal eine weiße Taube ihr ſich auf einer und bie andere auf ber anderen
Schulter gefeget, vie eine Taube aber fie wieberum angerufen und ges
ſprochen: „bu, warumb haſtu es ber Obrigkeit nicht angefaget? Worauf
"sie Mario Schönenbergin ſich ſehr entfeget und überlaut geſchrieen, ba
äber die andere weiße Taube fie getröftet und gefagets fürdhte bich nicht,
es ſoll bir fein Haar gekrümmet werben. Wir haben der Armen halber
für Gott gebeten, ber neun Monat immerzu regnen laſſen wollt, daß ihr
nichts bekommen und genießen follte. So fage nun, daß fie drei. Mons
tag nacheinander zum Gebet alle mit einander fleißig gehen unb Buße
thun ſollten, wir werben noch ein Mal wiederkommen. Dieſes Alles habe
ich mir ſelbſten aus dem Munde Maria Schönenbergin ben 11. Octobris
am Dienflag nad; dem 19. Sonntag nach Trinitatis gegen 11 Uhr erzäh⸗
Ten laſſen auch alfe von Herrn M. Martino Babatio, Erzprieftern zu Bar⸗
tenftein an bemfelben Tage eben foldhes vernommen, .
Anno 1695 ben 8. Novembris, da obgedachte M. ©. vormittage
nach Damerau, um Strob und Sutter vor ihre Kühe zu Laufen, gehen
wollen, hat es ferner mit Erſcheinung der zwo Tauben mit ihr dermaßen
fi) begeben und zugetragen, baß (1) wie fie in ben bameraufchen Graben
gefommen, fie über fi rufen gehöret: „Stehe ftill, du Menſchenkind, ich
Hab bir was zu fagen.” Woranf (2) bie Schönebergſche über ſich in bie
Höhe geſehen und im ber Luft zwo weiße Tanben ſchwebend gewahr wor⸗
den, welche, da fie felbige anfichtig geworben, fie ſich alſobald anf ihre
Schultern gefeget und die eine mit folgenden Worten fie alfo angeredet:
IH Hatte gehoffet, vu] hätteft ihnen follen eine fröhliche Botſchaft brin⸗
gen, fie Haben dich aber lieber wollen mit der Botſchaft zur Verdammniß
füßren, aber Hoffe du das nicht. Da nachdem (3) ſelbige Tauben ferner
geſaget: hafl'u gethan, was ich bir befohlen habe, haben fie abgelaffen?
*) IR gleihbebeutend mit Tracht. Ein Baar Cimer oder Körbe voll,
7128 Daniel Haafe
Woranf die Schönebergidhe geantwortet: ja. Die Tauben. Haben geantwor-
tet: aber nicht alle, nur egliche gute wolthätige Herzen, Darüber wir uns
ſelbſt erfreuen. Hierauf haben (4) die Tauben gefraget: warumb weinen
ober iſt bir was Uebels widerfahren? die Schönenbergſche hat darauf ges
ſprochen: fie müffe viel deswegen leiden, es wollten ihr ihrer viel nicht
gläuben, fondern falten fie von einen neuen Propheten. Da bann bie
Tauben ihr. wieber geantwortet: ſchweig ftill, es werden biefelbe ſchon
ihren Lohn dafür befommen und bie fi; nicht befehrt haben, follen fih
noch belehren. Wornach ferner (5) tie Tauben die Schönebergfche gefra-
get: wem fie ſolches geſaget, was ihr wäre befohlen worden? Da fie
wieder geſprochen: bem Herrn Erzpriefter. Da bie Tauben wieber gefra-
get: was ber Erzpriefter darauf geantwortet? Cie hat wieber gefaget, er
Habe zu ihr geſprochen: der Heilige Geift fei mit Eu und umb Euch!
Worauf die Taube geantwortet: einen ſchönen Lohn wird er davor befom-
men. Endlich (6) haben bie Tauben gefaget, daß fie das Eharten-Epie
len follten nachlaſſen, fi; für Fluchen Hüten, rechte Maaß Halten. Die
Aeltern follen die Kinder ftrafen, bie Kinder follen vor jedes unnäge
Wort wiber bie eltern drei Streich leiden und mit bem Beſchlus haben
die Tauben zu ihr gefaget: Freude, Freude, Freude haſt'u zu erwarten!
Die beiden legten Erzählungen dürften in fo fern phychologiſch merl⸗
würdig fein, als fie uns einen Haren Blick in ben ewig gleichen Mechanis⸗
mus bes Aberglanbens geftatten. Im den Thurm zu Peiften brachte ber
Pfarrer die damalige Zeitanfhauung vom Teufel mit und fupponirte bie
felde umwillfürlich durch fein ficheres und feftes Auftreten ber Delinquentin,
bie im ihr vielleicht noch eine willlommene Entſchuldigung für bie verſuchte
Branbftiftung herauswitterte. Im zweiten Falle wurden bagegen ber
Erzpriefter und Pfarrer von ber fubjectiven Gewißheit angeftedt, mit wel⸗
der bie fromme und einfache M. Sch. ihre Geſchichte verfünbigte. Der
Schmerz und die Betrübniß über das flache und Iafterhafte Leben und
Treiben in ihrer Umgebung, ber Troſt, ben fie in Gottes Wort gegen
dieſelben gefunden, emancipixten ſich gleihfam vom Grunde ihrer Seele
und traten in einer Viſion vor ihre Augen, ber fie felöft vollfommene
Wirklichkeit beimaß. Doch wir beabfichtigen Hier nicht berartige räthfel-
Hafte Erſcheinungen zu erklären, fonbern einfach zu berichten, mas wir
von Rogge. 129
gelefen Haben und können ba ſchließlich nicht umhin noch zu erwähnen,
daß fi in der Bartenfleinichen Gemeinde zu jener Zeit and) ein Analo-
gen zum Henoch ober Romulus vorfand, denn Haafe erzählt: „Anno 1695
den 30. Eeptembris am Freitag nach dem Feſte Michaelis vor dem
18. Sonntage nach Trinitatis ift allhie im Bartenfteinfchen Kirchſpiele zur
Damerau ein Pauersmann Namens Kriefcher, da er früh zuvor fein Ger
finde des Morgens aufgewedet und zum FZlachs gefchidet, verſchwnuden,
baß Niemand. weiß, wo er geblieben.“ Wir mäffen es unerörtert laſſen,
ob fein Verſchwinden vielleicht mit den · Tauben der Maria Schönenbergin
im Zufammenhange geftanden, ob er zu gut ober zu ſchlecht für biefe Welt
gewefen, doch find wir gern geneigt, das Erftere aiunefınen, ba uns im
letztern alle Haaſe ſicherlich näher mit ihm befannt gemacht Hätte. Er
liebt es in-feinem Kirchenbuche bei ber Strafe fofort auf bie Ende Hin-
zuweifen und wir fönnten noch manche, von ihm fehr umftänblich befchrier
bene Diißgeburt anführen, mit welcher in feinem Kirchſpiele gottlofe Yel-
tern Heimgefucht wurden, doch glauben wir bereits den Zeitfpiegel, welchen
wir aufftellen wollten, durch bie ‚biaher mitgetheilten sign -et- portenta
unter .genüzenbes Sicht gebracht zu Haben. Wir bemerken no, daß Haafe
auch. äußerlich für das Wohl feiner Kirche mach Kräften jorgte und ſich in
den Gefchäften. des gewöhnlichen ‚Lebens als fehr umfichtig erwies. Die
Kirche Borken hat ihm unter Andern ben Thurm zu verbanlen, melden
fie noch bis auf den heutigen Tag zierte) und es mag keine Kleinigleit
gewefen fein, die Kaflen zu bemfelhen--in ber verwüflsten und außgefoge
neu. Gemeinde ohne allen. Zwang darch bloße freiwillige Gaben aufgubrin ⸗
gem. Allerdings ſcheint ähm bei. dieſem Werke amd; ber diolus reichlich
unterftügt zu Haben. Noch heute ehrt ihn wegen beffelben eine im Thieme
befindliche Infchrift. Haaſe farb 64 Jahre, 4 Monate alt dm 17. Ans
guſt 1707, nachdem er im Jahre 1704 einen Adiuucten angenommen. ';.
) Cr ift vom 18, Junt 1685 bis 30. October 1688 gebaut.
Supplemente zu dem gedruchten Rutalogt den
Üönigsbergen Bechtahandfchriften.
[Catalogas codieum manuseriptorum bibliothecse regiae et universitalis
Regimontanae Faseiculus I Codioes ad iuriprudentiam pertinentes
Ügessit &t descripsit Aemilfus Julius Hago Steffenhagen Accedit de-
soripfio oodicum furis qui Regimonti in archird regio et in bibliothees
urbiea atqus Wallsorodtiana asservantur Regimonti Apad Schubertet
Seidel biblopolas universitatis MDCCCLXL (1 BL, X unb 28 ES.
grob 4,39
L
Seitdem der Geſammworrath unferer Koͤnigsberger Nechtshaudſchriß
tem durch ben i. 9. 1861 erſchieneuen Katalog ber Bffentlichen Bemugung
erſchloſſen worben iſt, hat bie wiflenfchaftliche Verwerthung jenes reich⸗
haltigen Schatzes einen neuen Aufſchwung genommen. Es ſcheint, nad
Berlauf von nun bald ſeche Jahren, an der Zeit, was im dieſer Nichtung
inzwiſchen geleiſtet it, in derſelben Weiſe zuſanmenzuftellen, wie ſolches
tn Rutaloge ſelbſt für bie vorgängige Literatur geſchehen ift.
Zugleich mögen damit einige nachträgliche Notizen verbunden werben,
welche theils zur Bervoliſtändigung, theils zur Berichtigung bed Lataloges
tisnen.
wis felsflänbige Nachleſe find. bie „Ierärgefigictlicien und vecht
hifterichen Mittheilungen® zu betrachten, welche dn der Zeitſchrit für
mRechtsgeſchichte IV, 186 ff. 1864 veröffentticht find. —
*) Bol. Bähr Heidelberger Jahrbucher der Literatur 1861 N0.34 ©. 587...689;
VBenboldt Reuer Anzeiger für Bartoarali und Bibliothehvifienfchaft 1861 Heft 8
6.2367, 288; PA. Literarliches — Deutſchland 1861 Ro. 34 Ep. 547, 548;
KAunfmann Kritifche Bierteljahresfchrift für Geiepgebung und Mechtöwifienfdhaft 1863
IV, 116...119; O, Jahrbücher der deutſchen Rehtöwifienihait und Gefepgebung 1868
IX, 96, 96,
Guyalemenis zu bem gebt. Ankaloge ber Qniab. Metsiennflielften. 731
Bir halten uns bei ber nachtolgenden Zufanmenftelfuig an bie Orb»
nung und Nummernfelge des Kataloges.
A) In den Fandſchriſten der Rönigl. und Auirerſitãte Bibliothek.
1) 2) LIIL Digestum vetus, novum. Salloweti Zur Lehre
von ber Rovation nach Römiſchem Recht. Leiptig 1868. 8°: 6.401 N. 86
uud öfter, S. 46 R.B8 u. B.
3) VIII, 2. Institutiones. Sie haben nicht die Aceurfiſche Gloſſe,
wie nach Dirkſen behauptet iſt, ſondern bie Casus longi des Bilpelmne
Accurſii (ef Zeitfhr. für RO, IV; 186 R.1).
4) XXVII. Gime nähere Würbigiug biefer wichtigen H. (der einzi⸗
gen, welche bie IX Bäder Magbeburger Rechtes in ihrer Originals
GeRalt überliefert) nebſt Proben sb Facfimile giebt: Gteffenhagen Die
IX. Bücher Magdeburger Rechtes . . : Königsberg 1806. 8°. 88. 4, 6,
7, 10 [cf. Altpreuß. Monatsſchrift EI, 11 ff].
5) XXXII. Die am Schluſſe als fehlend Sreidneten Gtäde find
nich von „biebifchen Händen emtwanbt* (Strehlke Scriptores. rerum
Prussicarum III, 88 N. 3), ſondern dem Prodimial⸗Archive überwiefen:
Monatefhr. UI, 469 ..
6) XXXIIL, 1. Steehlle Soriptores rerum Prussicer. IH, :88
N. 8 zu ©. 52, 1866. .
7) XXXV. Epitome iuris civilie. Zu ben anberweitigen HB.
biefes intereſſanten juriſtiſchen Gloſſariums iſt nachzutragen eine Haudſchrift
ber. äffentligen Bibl. zu Teure (Haenel Catalogi cool. 486 Schletter'e
Jahrbücher 1868. IX, 96). — Unfer ber Epitome. enthält unfer Goder
unter Anderen noch ein zweites Werk ähnlicher Art, genannt „Lucianus“,
woraus Muther eine Stelle mitgeteilt Hat (Iahrbuch bes gem, dentq ·
Rechte 1858. II, 96.0.84).-
8) XXXVI, 1. Otto Papiensis. Watjer Die Gewiſſenevertre·
tung im gemeinen Dentichen Recht Erlangen 1860. 8°. &.7 mit R.1,2,
.9) XLIN, 2. Vita Secundi Abgedruct mit Barlanten ans
vorangeſchicter literarhiſtoriſcher Einleitung ven Reice vilblogus 1861
(82). XVII, 528 fi.
40) XLIV, 1, Dominious Dominisi. Bow Rodingen bei few.
732 Suwlemenie su bem gebt. Kataloge der Könige. Rechtshandſchriften
ver Ansgabe-benugt (Quellen m; :Erörterungen zur Bayheriſch. u. Dentich.
Geſchichte 1864. IX, 517 ff. cf. pag. 519). Bal. unten Re.23 m. 32.
11) XLVIII. Ordo iudiciarius. Ueber zwei weitere Könige
berger HH. unten No, 510.57. Nach Mündjener HH. ift der Ordo indie.
herausgegeben von Nodinger 1. c. S. 987 ff.
4%) XLIX, 2. Brachylogus iuris civilis. Muther Neue
Vreuß. Provinziol-Bfätter Ite Folge 1861. VI, 100 Derſ. Ans bem
Univerfitäte- u. Gelehrtenleben Grlangen 1866. 8°. &.294 mit N. 218
(c Monatoſchr. III, 472 .4).
13) LIV. Dem Vorderdeckel iſt auf ber Innenſeite en handbreiter
Vapierſtreifen des XV. gahrh. mit einer Lateiniſch⸗Deutſchen Wort⸗
ſammlunz beigellebt.
14) LV, 5. :Der Brief. des Sattons, und zwar mit der näheren
Angebe „ad P. Clementem VH*, findet fich auch in einer Aſchaffenburger
9: Iof. Merkel Die Mintatpren u. Manuſcripte der Kgl. Bayer. Hofbibl.
in Uſchaffenburg chend. 1886. 4°. S. 13. No. 26.
15). LVI, 11. Bonaguida. Ein Brachftüf berfelben summa bie
tet.bex. Dedel bes Dradbandes Cdß. 648, 4°.
16) LXXV, 7. Joannes Bononiensis. Bon Rodinger I. c.
©.597 zur Herausgabe benutzt.
17) LXXVII, 4. Joannes Fasolus. Zu dem angeführten Ab
brud diefer feltenen mittelakterlichen Prozeßſchrift (Jahrbuch bes gem.
dentich. R. IH, 874 ff.) gehören die „Berihtigungen und Zufäge* in
demſelben Jahrbuch 1860. IV, 336, — Ueber eine zweite, noch weniger
wolftänbige H. zu Neapel berichtet Hinſchius Zeitſchr. für RE. 1861.
1474 f.; eine dritte in ber Haudſchriſten Sammlung bes Cardinals Ri⸗
celaus v. Euſa: Serapeum 1865.:XXVI, 51 Ro. 28.
18) LXXXIX, 24. Joannes de Eberhausen. Muther Zeit
ſchriſt für RB, 1864. IV, 898, j
19) XCVIN. Formularium instrumentorum. Kunftmans
in Vol's Arit. Vierteljahreoſchrift 1862. IV, 118.
20) CHI, 1. Arnoldus de Proczano, Die erwartete Ausgabe
von Wattenbach ift erſchienen: Codex diplomaticus Silesiae V. 1862,
woſelbſt auch eitie genaue Aualyſe bes Inhalts der ganzen HDandſchrijt.
von Dr. Cail Gteffonhagen. 7.188
91) CVIL Laurentius Puldeuous. Daſſelbe Wert ſicht auch
in Maunchener HH., in benen aber ber Sertafer Paldericus -genannt
wird: Kunſtmann 1. c. IV, 118.
32) CIX, 1. Lecotura super Institutionibne. Po Sthroi⸗
ber der Leciuta, Matthias Schünemann ven Damig,. welchet auch
des. Joh. Andrei Summa iu CLI, 3 geſchrieben ‚hat, fehelnt-wine Parfor:
zu fein mit dem Matthias Schumann bei Piienet Prost, Aitioke-
geſch. [L] 126. 1791. 8°.
33) OXI, 1. Dominicus Deminioi. Bon Meder be ©
S. 619 bennpt. Vgl. oben No. 10 und unten No. 32.
34) CXIV. Rach einer verfificierten Rotiz anf Bl. 210 wurde ber
Gobeg 1415 durch ben HM. Michael Kuch meiſter ber Kirche zu Mene
geſcheult. Sie lautet:
Anno Milleno quadringeno deca quino
Terre prussie michael prinoepsque magister
festo, quo x° scandunt super ethera, Iibeum
huno castri mewa prestitit ecelesie,
25) OXV, 4 Remedia. Zweimal abgebrudt von Bader "
Birchow's Arhiv XXXI, 398 ff. 1865 und in Haupt’s Zeitſchrift N. J.
I, 881 ff. 1866. [ef Monntefär. II, 376.1, 63. - --
26) OXIX, 3 lit. a, b. Steffenhagen IX Bäder Dagpeb: Ber
&2K.
27) OXXII, 8. Joannes Andreae. Die Casus summaril zu
allen fünf Büchern ver Decretalen enthielt eine H. ber ehemaligen Zeig
berg ſchen Bibliothek (Gerapenm 1855. XVI, 6 Ro..18). Ueber eine
andere zu Neapel: Hinſchius Zeitſchr. für RE. I, 472. Eine dritte 9.
zu Wernigerode: Förftemann Die Gräfl, Stolbergiſche Bibl. ® Bersige:
rode. Norbhaufen 1866. 8°. ©. 74.
28) CXXV, 3. Bertrandus de Arnassano. In einem Ma⸗
nuſcript des Cardinals Nic. v. Eufa heißt der Verſaſſer Amtssnno (66
zapenm 18656. XXVI, 53 No. 48). .
39) CXZXVU, 1. Jacobus Rodewios. — für
RS. IV, 386.
734 Gepplemente zu dem qedr. Retalsge bir Mnigab. Rechtsbandſchriften
.30) CXLII. Heonricus Bohic. Der fünfte Band dieſes Crem⸗
plares mit den Diſtinctionen zu lib. V ber Deeretalen, {fi zu Grunde ge
gangen. Ein einzelnes Blatt deſſelben fanb ich im Auguft 1861 auf.-dem
Provimzial-Arhive. Es fiimmte in Format und Schrift genan mit Op I,
IL u. IV (Ro. CXXXIX, CXLIs, CXLII) — denn Bd. I (Ro. CXL)
iR van anderem Format .nub anderer Hand — nud enthielt cap. 4 De
magitzis.5, 5.
81) CLI, 3. gl. oben bie Bemertung zu No. 22.
39) CLII, 8. Dominicus Dominici. Rodinger 1.0. &.522f,
987. Vgl. oben Ro.10 n. 28.
83) CLIU.. Alexander Naovus. Ueber den Berfafler (} 1486)
vel. Papadopoli Hist. Gymn. Patevini Venet. 1726 foL.I, 227 No. 61
anb Panzirolus De claris legum interpretibus lib. III cap. 39.
34) CLIV. Alphonsus de Soto. Gin zweiter Manufcript des-
felben Wertes befaß bie Bibliothek, nad Ausweis bes Staudorto Nataloges,
unter ben Drudfadgen: Da. 11. 8°. VI. Leider fehlt das Ms. laut Re
vifions-Bermert feit dem Iahre 1821.
B) In den Bandfärifien des Yresiggial-Archives.
35) CLVI, 4 Schwabenſpiegel. Merkel Zeitfhr, für RG.
L 162 N. 89. Aus bemfelden Coder ſtammen auch bie Gtelfen des
„alten Laudrechts“ bei Kotzebue Preußens ältere Geſch. I, 446 (cf. Dior
uatsſchx. II, 604 0).
36) GLVO, 1. Magbeburger Fragen. Wichtig durch eigene
thaeliche Veſtaudtheile, von Behrend in feiner Ansgabe ber „Magdeb.
Bragen® Berlin 1866. 8°. benudt Ci. daſelbſt bie Einleitung 8. 1 Ro.9,
8.4:R0.4 mit pag. XLIX).
37) CLVII. Gteffengagen IX. Bücher Magdeb. Rechtes 9.2 C
und 6.5.
38) CLIX, 1.. Gteffenhagen 1. c. 8. 2 Fu. 8. 5, nebſt 8. 2 om
Gabe. [of Zeitſchr. für RO. IV, 185].
20) OLXI, 2. Responsa Scabinorum Magdeburgensium
(„dy meydeburgisschen fragen“). Ueber biefe von ben. eigentliche
Magdeburger Fragen zu unterjheidende Sammlung erhalten wir er
von de. Emil Sichendocen. 185
ſchopfenden Aufſchluß durch Vehreud Magb. Bxagen, Einl. 8. 1 Ro. 10 u.
8.2 R0.6.— 4 Responsa Scabinorum Culmensium. Ubge-
beudt: Monateſchr. III, 236 ff. 1866. — 5. Responaa Soahin. Magd.
Beigend 1. c. 8.1 Ro. 10 n. 8.2 Ro. b.
Uebrigens iſt biefer Coder ‚mit bem im ber praefstio pag. EX, i
ale verloren angegebenen augerſcheinlich ibentiich [ef. Bakiär. fR.RO.
IV, 182].
40) CLXU, Liber Civitatis Culmensis. Kopebue Prem
Gens Alt, Geſch. III, 513 |, Xäppen Soriptores rernm . Prussicarum,
II, 472, 477 mit 474 R. 8, 4 [cf Mouateſchr. ILL, 470). Gteffen
Hagen in Petzholdt's N. Anzeiger für Bibliogr. m. Bibliethelw. 1866
©. 308. — Die hierin enthaltenen Magdeburger Schöffenurtheile
find, bis auf wenige Städe, abgebrudt bei Stobbe Beiträge. ur Geſchichte
des beutichen Rechts Braunſchweig 1865, 8°. S. 91 ff. Eine Rechte⸗
entſcheidnug des Qulmer Rathes: Monatsfchr. II, 242.
41) not. 67 &. pag. 7& Responsum Guntheri. (nen bipls.
matiſch getrenen Abbrud bietet: Monateſchr. II, 611 ff. cf. 606, 1866.
48) CLXIV. Rulmer Willkür, Voigt Geſch. Brenfeus VI, 714 ff.
in ben. Noten, cf. Hanow Geſch. bes Culmiſchen Rechts (Jus Culmense
«x ultima rerisione) $. 24.
43) CLXV, 1. Sanblänfige Kulmifge Rechte. Ein Bar
einer anderen H. berfelben Sammlung iſt dem Dedel. ven. vorliegenden
Coder beigeflebt, Weitere HH. find verzeichnet: Monateſcht. IL, BO6 g. —
2, 3. Steffenhagen Magdeb. 8. 2 L, R
44) CLXVI, 3, Ambrosius Adler. Us Quelle ift noch zu.
nennen das. Rechtebuch nach Diftinctionen (Steffienbagen De inedito iaris
German. monumento . ... Regim. Boruss. 1868. 8°. not. ww). Ueber:
bie hier egcexpierten IX Bücher Magdeburger Rechtes vgl. Steffenhagen
8.2 G u. 8.5. Zu den am Schluſſe beigebrachten Sehene-Rotizen übe.
Ambrof. Adler find Hinzugnfügen: Pauli Yohandiungen aus b. Lubiſchen
Recht ILL, 864 und eine Urkunde bes Röuigeb, Prov.-Ardives, Schiebl. A
Ro, 194 (Eupplication des Ambr. Adler von, „Hellandt* gegen den El⸗
binger Rath de a. 1517). — 4. Jus maritimmm. Gueterbock Die.
jure maritimo . . . Begim. Pruse, 1866. 4°. pagı, 1T:fiy. 20.
T3& Supplemente zu dem gebt. Kataloge der Konineb. Redtäpandiähriften
0) In deu · Zaudſchriſten der Siadi · Zibſiethek.
45) CLXIX, 1. Joannes Lose. ine nähere Belcreibung
biefer Bearbeitung ber IX Büdjer Magdeb, R. dei Steffengagen 8.2
mit 8.8. — 3, Streitfeprift gegeu Sadfenfpiegel I. 25. 1. Zeit
ſchriſt fur RG. IV, 2025. Monatsicht." II, 600 &
. 48) CHAXI, 1. Jus Oulmense vetus. Zeitſchr. a/o. IV; 20.
47) CLXXII, 1. Jus Culmense vetus. Die bier ermähnte
Reidenit iche H. beſiht jegt bie Mönigl. Bibl. Bol, unten No.56. —
4. Jus-maritimum. Gueterbook De jure maritimo pag. 8 fi. —
& Breußifhes Recht. Der Ausgabe von Laband zum Grunde gelegt:
Jura Prutenorum .. . edidit Paulus Laband. Regim. Pruss, 1866. 4°. —
9% Qulmer Weisthum. Monatöfehr. III, 282 ff. — 12, 18. Steffens
hagen-BRagbeb. 8. 9.2 M, 5. \
Bi den verzeichneten Gtäden tritt (BL 97°... 98%) zwiſchen 9a: 10°
ein altes Pſalmenlied von Joh. Herm. Schein, welches gebrudt ift in:
„Gepeiff.möhiger Geelen-Trofl” . . . Ghweinfurth 1693. S.6 ff.
D An den Fondfiriften der Walensodtfigen Bihliotheh..
48) CLXXIH. Volumen parvum. Schon früher beſchrieben
von Jacobfon bei Brom Benebilt Spinoza 8 Randglofien.. \ Berlin 1835.
8..0.2-ff.
48) CLXXIV, 1. Sieffenhagen Magbeb. R. 8.2 D, ch W und’
8. —— % Preußiſches Recht. Laband Jura Pratenorum pag. 8 ff.
80) CLXXV, 2, Statuta Civitatis Regiomontanae, daber
De HDaupt · und Reſidenz · Stadt Königsberg i. P. 1840. 8°. ©. 184 ff.
— 4. Bon- Koſtung und Kindelbier. Faber I. c. S. 204 ff. —
7. Magdeburger Urtheile. Böhlen Zeitſchr. für RG. J, 246 Stobbe
Dalabuch des gem. deutſch. Rechts VI, 83 Derſ. Beiträge zur Geſch.
dee dentſch. Rechts S. 38 Behrend Magdeb. Fragen 8.1 No. 11 u. 8.2
No. b. — 8 Ratner Weiethum. Monatoſchr. II, 232 ff.
"u
0 Anlbaſe an ben Kutalog verzeichnen wir eine Reihe erſt ſpater
bekannt gewordener Manufcripte, weiße cheit⸗ anderweitig, te wi
gar wicht beſchrieben find. . \
von Dr. Emil Steffenpagen. 137
A) Zuerſt 7 Manufcripte der Königl. Bibliothek und des Provinzial⸗
Archives aus der im Eingange berährten Nachleſe, Zeitfhrift für NE.
IV, 186 ff.
Königliche Bibliothek,
51) No. 161. Ordo iudiciarius (cf. No.11 u, 57). — Tra-
etatus publici Notarij — Guido Faba (über welchen vgl. Rodin«
ger Quellen u. Erörterungen zur Bayer, u. Deutſch. Geſch. 1868. IX, 177 ff.).
Zeitſchrift 1. o. Ro. 2, 3, 4.
Dermfelben Coder iſt auch ber „fehr ſchöne Brief” entnommen, wel
Gen Muther Univerfitäte- und Gelehrtenleben ©. 7 ff. belfannt gemacht
hat fef. Monatsſchr. III, 471].
59) No. 430. Vehmrechtobuch — Frankfurter Reich dab⸗
ſchied 1442. Zeitſchrift No. 7.
53) N0.1960. Alter Kulm. (Benutzt von Laband Das Magde⸗
burg · Breslauer fuftematiiche Schöffenrecht ... Berlin 1863. 8°, cf, Einl,
pag. XXIX not. 358.) Zeitſchr. No. 5,
Provinzial⸗Archiv.
54) Ro. 34 fol. Chriſt. Kuppener's Eonfilien, mit Weiſe bes
Lehnrechts. Zeitſchr. No. 6, dazu Muther Univerfitäts- und Gelehrten⸗
leben S. 806 ff. u. S. 129 ff. öfter [cf. Monateſchr. III, 471].
55) Ro. 36 fol. Lehnsprozeß Cin zwei hinter einander gehefteten
Eemplaren) — Project zur Carolina. Zeitſchr. No. 6, 8.
56) No. 36 fol. Sippzahlregelu nebſt Stück von Gerade, Mor⸗
gengabe, Mustheil, Erbe, Heergewäte. Zeitſchr. No. 9, ch Mu
ther ebenda S. 301.
57) A. 81. Defensorium iuris — Ordo iudiciarius (of,
No. 11 und 51) — Tractatus de arte notariatus. Zeitſchr.
No; 1, 2, 3.
B) Dazu kommen vier in ber Monatgſchrift beſchriebene HH. ver
Königl. Bibliotgel:
58) No. 1980. Reidenitz'ſcher Coder (vgl. oben Ro. 47), Mor
natsſchr. II, 658 ff., ef. III, 57; dazu Gueterbock De jure maritimo
pag. 18 f., Laband Jura Prutenorum pag. 3 ff.
-59) No: 1983. Ofteroder Coder (neuerlich erworben). Töppen
Kite, Monsteigrift Bp. TIL. Hft. 8.
138 Supplemente zu dem gebr. Kataloge ber Noniatb. Rechtsbandſchtiſten.
Monatsfchr. II, 418 ff, 442 fi. mit ©. 659 « « =. Gueterbock I, c.
pag. 14 f. Laband 1. c. pag. 3 ff.
60) Sahfenfpiegel-Sragment. Monatsfchr. II, 279 f.
61) Zwei Heine Sragmente bes Sachſenſpiegels. Monate
ſchrift III, 668.
©) Muther Zeitſchrift für RG. IV, 888 erwähnt ans einem Ma⸗
aufeript ber Königl. Bibliothek:
62) No. 114. Brobenorlefung unter Conrad Donelorff zu Leipzig
(am erfter Stelle). — Außerdem enthält biefes Manuſcript uch: 2) 3) Baum
der Berwandtfhaft und Baum der Schwägerfchaft, beide mit
Negeln und in berfelben Weife, wie Catalogus No. VIII, 6, 8. —
4) „de Successionibus“ (Erbreditsregeln aus dem Romiſchen Recht). —
5) Bemerkungen zu ben Decretalen Gregor’s IX. (ib. IV &V).
— 6) Bartholomeus Brixiensis „questiones dominicales“ und
„veneriales“, letztere unvollftänbdig. — 7) Casus Sexti Decretslium
und Clementinarum, gefchrieben 1414. — 8) „Casus summarij
clementinarum secundum summationeın Jo[annis] an[dree], et
vbi ipse non summanuit, ibi sunt casus genczlini et pauli de ly-
zarijs correoti.“ — 9) Predigt über Mofes V. 32. I „audite oeli“
u. ſ. w. — 10) „Seguitur de eleceione Hi. vj".«
D) Bisher uirgenb beſchrieben ift endlich folgendes Manuſcript ber
Königl. Bibliothek:
63) Ro. 94. Papier, XV. Iahrh, 219 Blätter, Folio. „Ex arce
Tapia.“ Guthaltend: 1) Gaspar de Perusio (auch de Rossi) De
reservatione beneficiorum, abgefcgrieben 1427, 12. Februar. — 2) Nioo-
laus de Tudeschis Lectura quinti Libri Deoretalium Gregorii IX.
— 8) Antonius Repetitio ad cap. 7 X. de cohab. clerioor. et mul
(8, 2), verabfaßt 1402 im Monat Januar anf der Univerfität Bologna.
— 4) Antonius Ad cap. ult. X. cit. und Ad cap. 3 X. de clerics
coniug. (3, 8). — Die Stüde unter 2...4, von anderer Hand wie 1,
find geſchrieben in Perugia von Iacobns Clinkebhl (Efinkebeh),
„olerious zambiensie dyocesis*, ebenfalls im 3. 1427.
Königsberg im. November 1866.
. Dr. Emil Steffenhagen.
Gritihen und Referate,
Salkowski, Dr. Carl, Zur Lehre von ber Novation nad Rd
mifhem Recht. Ein Beitrag zum Römifchen Obligationen»
recht von ꝛc. Verlag von Bernhard Tauchnitz. Leipzig 1866.
XIV und 4966. 8°.
Herr Dr. Earl Salloweli, Privatbocent der Rechte an ber Albertus
Univerfität, Hat fich dem juriftifchen Publikum ſchon früher durch feine
„Quaestiones de iure societatis prascipue publicanorum (Regim, 1859)“
and feine „Bemerkungen zur Lehre von ben juriftifchen Perfonen, insbe»
ſondere den fogenannten corporativen Gocietäten und Genofjenfchaften
(Leipzig 1863)" rühmiihft bekannt gemacht. Jetzt liefert berfelbe eine
umfangreiche civilifiifche Monographie unter dem biefer Anzeige vorge
druckten Titel,
Die Rovation — d. 5. „Aufhebung einer beftehenden Obligation durch
Einrichtung einer neuen Obligation, welche ven materiellen Inhalt der
erfieren in fi aufnimmt" vgl. S. 30 — iſt ein praftifch fehr wichtiges
Inſtitut, welches in neuefter Zeit befonderer Aufmerkſamkeit fih zu er-
freuen gehabt hat: eine ganze Reihe zum Theil recht guter Einzeluntere
ſuchungen find über fie nunmehr veröffentlicht.
Seit einigen Jahren ſchon Hatte ſich Sallowelt mit einer Bearbeitung
ber Lehre von bes Novation befhäftigt und feine Arbeit war — wie er
im „Borwort“ erzählt — bis auf bie Abſchrift vollendet, als ihm das
Buch von v. Salpins über benfelben Gegenftand (Berlin 1864) zuging,
welches „gleid; ausgezeichnet durch Gründlichkeit, Scharffinn und Klarheit,
wie durch muftergültige Darftellung“ (P. VIII) auf ven erften Blick jebe
veitere vublilation Aberfläffig zu machen ſchien. — Allein, wie es bie
47°
140 aritlen und Rejerak
Natur wiſſenſchaftlicher Arbeit mit ſich bringt, nicht überall beten fih die
Refultate, zu denen v. Salpins gelangt war, mit bem was Sallowel
auszuführen gedachte, ja es war fogar auf mehreren Punkten eine Diffe
renz Hinfihtlic der Bunbamentalprinzipien ber ganzen Lehre vorhanden.
Deshalb ließ fih Salkoweli die Mühe nicht verbrießen, feine Schrift mit
fpegieller Rüdficht auf die v. Salpius'ſchen Unterfuhungen nochmals um
zuarbeiten. Mit großer Refignation hat er alle Erörterumgen über Punkte,
die nunmehr als bereits erlebigt angefehen werben mäflen, abgeſchnitten
und nur diejenigen Partieen feines Werkes conſervirt, welche auch nah
v. Salpins die behandelte Lehre zu fürdern ſchienen.
Alle Anerkennung verbient dieſe — gewiß nicht leichte — Selbſtbe⸗
ſchränkung. Nicht minder aber verlangt das, was Salloweli über Salpins
hinaus geleiftet Hat, vollen Beifall,
Salkowoki Hat lebiglich die Behandlung des reinen Römifchen Rechts
fi vorgefegt. Auch dies müſſen wir billigen, denn bie Grundlage dei
mobernen, heut zu Tage anwenbbaren Rechtes bleibt das Römifche und
die Mobificationen des Erſteren laſſen fih nie verftehen und wiffenfchaftlih
erfaffen, wenn nicht zuvor das Leßtere in feiner nadten Reinheit erfannt if.
Zu der Römiſchrechtlichen Unterfuchung aber brachte Salkowski anfer
großer Gelehrfamfeit — er felbft befigt, wie fi) aus bem Bude (f. z. V.
&.175 Not, 48 und S. 495) ergiebt, eine Bibliothek mit feltemen literos
riſchen Schägen — vielen Scharffinn und in v. Keller’fcher Schule erlernte
Methode mit. Diefe Eigenfchaften kamen ihm namentlich bei ber Quellen⸗
interpretation zu Gtatten. Die eregetifchen Ausführungen feines Buches
sehören zweifelsohne zu dem Beſten, was in biefer Richtung neuerbinge
geleiftet worden tft.
Es würde für eine nicht fachwiſſenſchaftliche Zeitſchrift zu weit führen,
auf deu Inhalt des Sallowek’fdhen Buches näher einzugehen und bie
Punkte zw feizziren, in welchen m. €. bie Lehre vom ber Novation durch
dieſe Arbeit wefentlich gefärbert worben if. Noch weniger aber Könner
wir an biefem Orte im eine eigentliche Kritik ber Salkoweki ſchen Pofitie
nen- eintreten. Daher mag es bei einer kurzen Anzeige bes gebiegenen
Werles fein Bewenden haben und nur noch hervorgehoben werben, baf
daſſelbe auch durch Mare und geſchmadcvolle Diction ſich amszeichnet.
Theophil, Hodanna dem Sohne Davids, 741
Der Königsberger Univerfität gereicht e8 zu großer Ehre, baß eines
ihrer jängften Mitglieber die Romaniftifche Rechtsliteratur um eine Mono⸗
graphie bereicherte, welche einen fehwierigen und vielbeſprochenen Gegen-
fand in durchaus würdiger und erfolgreicher Weife behandelt und eine
in neuerer Zeit mit lebhaftem Eifer fortgefegte wiſſenſchaftliche Discuſſion
ihrem endlichen Abſchluſſe entgegenführt. -h-
Hobanna dem Sohne Davids! Ein Kranz Biblifcher Gefänge
ans dem Leben unfers Herrn und Heilandes, Bon
Theophil, Cöln. I. & W. Boifferee, 1866.
Schon der Pomp bes Titels mit der ungebräuchlichen, Originalität
befunden follenden Wortform Hosanna, veranlaft, daß man mit einem
gewiflen Unbehagen das Heine Büchelchen (156 ©. 12°.) in die Hand
nimmt; Inhalt und Form find auch in ber That nicht angethan, biefes
Unbehagen zu befeitigen. Die bekaunten neuteflamentlihen Wunderge⸗
ſchichten in unerträglicer Breite und nicht leichter erträglichen Berfen wies
dererzãhlt, dazu noch, wie es in alten Hauspoſtillen Sitte ift, jebem &e-
dicht das betreffende Evangelium in Profa wörtlich vorgebrudt, das ift
es, was hier unter dem Namen eines Kranzes biblifher Gefänge
vor uns liegt. Die Erzählung vom ber Erfcheinung der Magier nimmt
Beiipiels halber, das Vorſpiel abgerechnet, nicht weniger als 18 Seiten
ein. Beifpielshalber auch einige Mufterverfe:
6.10. Sie forſchen eifrig aus den Lauf der Sterne
Und flehen zu dem unerforſchten Licht,
Das glänzend in der ungeheuren Ferne
Im feiner Strahlenpracht doc nie erlifcht.
6.12. Und Morgen werdet ihr am Tage ſchauen,
Damit ihr kommt in kindlichem Vertrauen,
Am Himmel Meines Boten Schein.
Im Sternenglanze zieht er euch zur Seite
Und giebt euch nad) Judaa treu Geleite
Zu Deiner Stätte dort hinein.
6.20. Herodes fendet heimwärts jegt in Gnaden
Der Lehrer ſchnell herbei geeilte Schaar;
142 Krititen und Referate.
Gehorſam hat den König fie berathen
Und ift entgangen blutiger Gefahr.
Er redet heimlich mit den treuen Weifen,
Die arglos trauen feines Wortes Gleiben
Und banten feiner Gaftlihteit.
Und tudiſch forſcht er mit vermeinten Liften
Nach ihres Wunderfternes erften Friſten
Und ift zu Jeſu Mord bereit.
S. 26. Da ihrem Gott die Weifen froh geliehen
Des Dantes Zoll am dreimal heil’gen Ort,
So nehmen fcheibend Urlaub fie ziehen
Bon Jeſus und Maria, Joſeph fort.
Das Reich Gottes wird durch biefen Kranz biblifcher Gefänge
ſchwerlich weiter verbreitet werben, als es ſchon iſt. Jedenfalls hat ber
Berfaſſer wohlgethan feinen Namen zu verſchweigen. ¶
Altpreußiſcher Verlag.
Das Thorner Blutgericht. Eine Erzählung von Adolf Prowe.
Mit einem Titelbild: „Das Thorner Rathhaus.“ Thorn (1866).
Drud und Verlag von Ernft Lambed. (IV u. 2716, 12")
Keine zweite Stabt Altpreußens, felbft Danzig nicht ausgenommen
arbeitet unausgefegt eifriger au ber Feſiſtellung ihrer Provinzialgeſchichte,
als Thorn. Die Refultate diefer wiſſenſchaftlichen Forſchungen heranszu
stehn, fie zu gefchlofienen culturhiftoriichen Bildern zu fammeln und bie
ſelben in den Zufammenhaug ber allgemeinen Weltbegebenheiten einzufägen,
iſt eime ſchöne Aufgabe, deren Löſung in verfchiebener Weiſe möglich ift
Adolf Prowe wählt dafür die Form ber Erzählung. Schon Heft 2 diefes
Yahrgangs haben wir feinen Copernikus zu beſprechen Gelegenheit gehaft
unb feinen der Aufmunterung zu weiteren ähnlichen Arbeiten erübrigt
gewefen zu fein, da das oben angezeigte Büchelchen ſchnell gefolgt iſt
Die Wahl bes Gegenftandes ift gleich glücklich. Wie Copernikus ale
Mann der Wiſſenſchaſt ber ganzen Welt angehört, fo erregte feiner Zeit
auch „das Thorner Blntgericht" einen Theil von Europa mit Mitleid
und Wiberwillen und ift auch jegt noch weit über Thorn hinaus under
Atpreußliger Verlag. 7148
geflen. Der Berfaffer betrachtet die ſchredliche Kataſtrophe nom deutſch⸗
nationalen unb proteftantifchen Gefichtspunfte aus gewiſſermaßen als die
frafende Vergeltung des Abfalls Preußens von Deutſchland zu Polen. Es
war in der Mitte des fünfzehnten Iahrhunderts, als bie Städte und ber
Abel des Orbenslandes einen Bund gegen ihre Herrſchaft machten, um
beftrittene politiſche Rechte gemeinſam zu erringen und feftzubalten. Als
der Kaiſer als gewählter Schieberichter gegen fie erkannt Hatte, warfen
fie fih Polen in die Arme umd führten dadurch einen tranrigen drei⸗
zehnjahrigen Krieg und endlich die Trennung bes Landes herbei. Frei⸗
lich erhielt das königliche Preußen die Zuficherung, daß es als ein
ſelbnãudiges Sand nur in Perfonalunion von ber Krone Polen regiert
werben folle, aber ſchon zu Anfang des ſechezehnten Jahrhunderts mehrten
ſich die Verſuche die Preußiſchen Angelegenheiten in die Reichstagsverhaud⸗
tungen Hineinzuziehn uub durch Begänftigung bes polnifchen Einfluſſes die
Rechte der Stände zu verkümmern. Selbſtſüchtige Beftrebungen ber letz⸗
teren erleichterten biefe Bemühungen; ber Abel, namentlich ber Grenz
biftrifte, der ſtets große Zuneigung zu Polen gezeigt und überbies meift
mit Outsangehörigen poluiſcher Nationalität zu thun Hatte, unterlag ber
Lodung zuerft und brachte es im Laufe der Zeit bie zu gänzlichem Ver⸗
gefien feiner deutſchen Ablunft und Sprache; begünftigt durch bie polnie
ſchen Machtaber brüdte er auf bie ihm unbequemen Heinen Städte und
brachte diefelben im ſiebenzehnten Jahrhundert um Wohlſtand und Privie
legien; fo blieben ſchließlich nur noch bie brei großen Städte in ber Ber
theibigung ihrer republicaniſchen Gerechtiame, ihres deutſchen Weſens und
ihres proteſtantiſchen Glaubens feft. Uber auch fie hielten nicht einig zu⸗
ſammen, wo ihre Handelsintereflen in Streit kamen. Danzig, durch feine
Lage an ber offenen See wefentlich begänftigt, fichte ſich ber Rivalität
ver beiden andern Stäbte möglichft zu entlevigen und fah namentlich bie
Schädigung Thorns, das mit feinem Niederlagerecht die Weichſel ſperrte,
nicht ungern. So war bie Meine Republik Thorn, beren Gebiet von den
länplichen Befigungen des polniſchen und polnifch-gefinnten Adels gauz
eingefchlofien war, unaufhörlichen Angriffen anf ihre Rechte ausgefeit,
berem fie fich ſchließlich nicht mehr zu erwehren vermochte, als bie Jeſuiten
mit fchlauer Berechnung bie Religion in bie Politit einmiſchten. Thorn
144 Krititen und Referate.
war feit Mitte des fechszehnten Jahrhunderts proteſtantiſch; d. h. den
Anſchauungen der bamaligen Stabt zu Folge ins Politiſche übertragen:
nur Proteftanten burften an ben politifchen Rechten der Bürgerſchaft Theil
nehmen, im Senat figen unb bie ſtädtiſchen Aemter befeiven. Gleichwohl
waren bie Proteftanten (ziemlich gleichbedeutend mit Deutichen) ber. Kopf-
zahl nach in der Minderheit, da namentlich bie ganze Arbeiterbevöflerung
und Dienſtbotenſchaft polnifcher Nationalität und katholiſcher Religion war.
Indem num bie polnifche Regierung und Geiftlichleit ans theilweife fehr
abwegigen Gründen die letzteren bei jeber Gelegenheit in Schutz nahm,
mußte deren Neigung zu allerhand Reibungen wachſen, bis denn eudlich
durch bie Jeſuiten 1724 eine Gelegenheit vom Zaun gebrochen wurde,
anter dem Borwanbe einer Verlegung ber Religion der beutfchen und
proteftantifchen Obermacht, damit aber auch zugleich dem Wohlſtande ver
Republik ein Ende zu machen. Es war ein Kampf: zwiſchen ſlaviſcher
Brutalität und germanifcher Bilbung, wobei fegtere unterlag, Sehr ber
zeichnend ſtand auf ber einen Seite eine Yefuiten- Verpummungsanftalt,
auf ber andern ein beutfches Gymnaſium, das zu humaniſtiſchen Studien
aus fernen Ländern Schüler zufemmengeführt hatte und ſchon lange ben
feommen Vätern ein Dorn im Auge war. Die Einzelheiten der entfeg-
lichen Tragödie leſe man in dem amgezeigten Buche nach, wo fie mit
großer Subtifität und Hiftorifcher Treue bis auf bie eriten unſcheinbaren
Anfänge zurüd gefchilbert find. Dem BVerfaffer würde es ſicher wicht
ſchwer werben, für jedes einzelne Factum einen Hiftorifchen Beleg beizu⸗
bringen und alle feine Behauptungen urkundlich nachzuweiſen. So erlangt
fein Buch den Werth einer gutgefchriebenen hiſtoriſchen Studie, freilich um
zugleich theilweife dadurch als Erzählung zu verlieren. Die Gebundenheit
an das Hiftorifche Material erfcheint in dieſer Beziehung zu groß; es fehlt
and) biesmal an der nöthigen Freiheit ber Erfindung und an ber Beherr⸗
ſchung des Gegenftandes vom Geſichtspunkte des Dichters aus. Allerdings
ſchreibt der Verfafjer feinen Roman und darf deshalb auch nicht als Ro-
manfchriftfteller beurtheilt werden, aber auch im Weſen ber Erzählung
liegt e8, einen Hiftorifch gegebenen Stoff nad; poetiſchem Bebärfnif frei
umzuformen und ben Hiftorifch überlieferten Charakteren felbftänbiges Geben
au geben. Der Berfuch dazu ift gemacht, aber es ift auch eben mir beim
Alpeenfifder Berlag. 745
Berſuch geblieben; der reichlich eingeftrente Dialog hat meiſtens nur ben
Zwei, geſpracheweiſe geſchichtliche Daten nachholen zu Iaffen, bie zmar
ber Leſer nicht Tennt, bie aber ben als mit einander ſprechend anfgefüher
ten belannt fein müßten, fo baß bie Veranlafiung zur Mitiheilung öfters
gefucht erſcheint. Mit einem Wort: es fehlt der Erzählung eine inter
eſſante Familiengeſchichte im Vordergrunde, um fie als ſolche interefiant
zu machen. Aber troß diefes Mangels ift das Buch aufs Angelegentlichfte
zur Lectüre zu empfehlen; namentlich follten ſich alle Schulerbibliotheken
beeilen, daſſelbe anzufchaffen, da es mit feinem eruf-fittlichen umb zugleich
echt patriotiſchen Gehalt die geſündeſte Nahrung für Lopf sub Her bar
bietet. Der Berfafler ift felbft ein Schulmann und verficht ſich auf das
Bedurfniß der veiferen Dugend. ©:
Das Dſtyreußiſche Provinzialrecht uuter Berädficgtigung ber
fpäteren Gefege, Berorbnungen, Miniſterial⸗Reſcripte
und Entſcheidungen bes Obertribunals herausgegeben
von 3. A. Schrötter, Gerichts⸗Aſſeſſor. Braunsberg 1866.
Der Herausgeber Hat ſich ver banfenswerthen Aufgabe unterzogen,
dem fuhlbaren Mangel einer im Buchhandel gangbaren Ausgabe des Ofb
preußifchen Provinzialrechts durch Beranftaltung einer nenen Ausgabe uns
ter Teitifcher Hervorhebung ber durch die fpätere Geſetzgebung auegeſchie ⸗
denen Beftimmungen abzuhelfen. Dieſelbe zeichnet fih vor andern gleich⸗
artigen Ikterarifchen Unternehmungen dadurch aue, baf dem Lefer ber Tezt
ber nad) ber Anſicht des Herausgebers obfoleten Berfchriften wicht eis
zogen unb dadurch bie eigene Prüfung ausgefchloffen wird, vielmehr bie
aufgehobenen Gefegesftellen nur durch beſondern Drud hervorgehoben und
in befondern Noten bie an ihre Stelle getretenen Beftimmungen vermerkt
find. Im biefer Allegierung int übrigens bie größte Genanigleit und
Sorgfalt nicht zu verfennen, und e8 wäre nur bei ber Aumerkung zum
Zuf. 90 zu bezweifeln, ob dieſer Zufag nicht durch bem Art. 4 der Ber
faſſungsurkunde befeitigt ift.
Ungeachtet bie nenere Gefeßgebung die Singularitäten des Oſtpreuß.
Provinzialrechts fehr gelichtet Hat, fo find doch noch weſentliche Beſtim⸗
746 Kitten und Referate,
mumgen, namentlich im Lehm, Eher und Kirchen ⸗Recht, ſtehen geblichen,
beren Kenutniß Iebem, ber fich eim richtiges Bild von dem Rechtozuſtande
im Geltungobereich bes Dfiprenß. Provinzialrehts machen wid, durch die
Anfaffung bes beiprochenen Werles in der aufchaulichfien Weiſe geboten
wird, nn.
Alterthumsgeſellſchaft Pruſſia.
GWol. IN, 656.)
30. November, Uns ben Sammlungen des Sen. Eantor Preuß
(vgl. Situngebericht vom 26. October, Misſchr. IL, 659) hat die Ge
ſeuſchaſt folgende Gegenftänbe angelanft, welche in ber Gegend von Ger⸗
man und zum Theil in alten Gräbern aufgefjunben worben find: einen
fehr fauber erhaltenen Thränenkeug nebft Dedel, einen broncenen Ring,
3 Stein ⸗Aexte, 1 Stein-Meffer, 1 broncene Todtenkrone (bei Anlegung
eines Grabes anf dem Germaner Kirchhof gefunden), 3 broncene Eelte. —
Un Gefchenten find zu verzeichnen: eim faljcher Thaler aus ber Zeit vom
König Friedrich I, vor einigen Jahren auf dem Gutshofe von Elkinehlen
(Richfp. Trempen) gefunden nud von Hrn, Landrath von Goßler in
Darkehmen der Pruffia beſtimmt; ferner von Hrn. Rittergutsbef. Gentzen
auf Zielleim (bet Königsberg) 1 Sporn; von Hru. Meste-Eamioutten
(Areifes Neidenburg) 107 Stüd alte Münzen, auf feinem Felde ausgegra⸗
ben; von Dr. Reide „Grund und Aufrisz von der Koenigliohen
Waszermuehle auf den [!] Schloszplatz ... Koenigsberg d. 2, Mey 1807.
©. Hammer“ und von bemfelben für bie Bibliothek das 6. unb 7. Heft
der Altyrenß. Monateſchrift. Aus ber umfangreichen Gräberftätte bei
Grüneiten, über welche in ber Monatsichrift (I, 561 ff. III, 86) ber
reits näher berishtet worben if, hat Hr. Landr. v. Goßler eingefanbts
B broucene Fibeln, 1 be. Ring, 1 bo. Schnalle, ein Fragment eines menfd
lichen Bachzahus (ans der Aſche), 1 Bernftein-Perle und diverfe Urmen
fragmmente; fowie nachträglich aus bem Schadumehlener Bunde (vgl Be
richt vom 29. uni III, 465) eine broucene Römiſche Kaifermänge
(ANTONINVS AVG), welche ſich in dem Schildbudel befand. — Ein
ganz beſonderes Jutereſſe erregt der von Dr. Reicke vorgetragene authen
tijſche Bericht des Hru. Rittergutsbeſ. Balduhn⸗Krzywen über bie Mahl
Aterthumsgefelfihoft Bruffi. 147
bauten bei bem Nittergute Werber im Kreiſe Lögen. Zum Belege dienen
Pfahlreſte und Scherben, welche ber Hr. Berichterflatter beigefügt Hat,
unter gleichzeitiger Ueberſendung einigex anderer @egenfläude von anti⸗
guarifcher Wichtigkeit, welche anf bem genannten Gute anberweitig gefun-
ben wurden. Der Bericht über die Pfahlbauten fol in ber Monatsichrift
zum Abbrud gelangen. — Zulegt zeigt Hr. Archiv Director Dr. Medeb
burg ein in feinem Beſttze befinbliches Exemplar der feltenen Inbinne-
ſchen Landkarte von Pommern, welche umſtändlich befchrieben iſt von
Johanu Earl Eonr. ODelrichs: „Zuverläätge Hiſwtijch- geographiſche
Nachrichten vom Herzogifjum Pommern und Fürſtenthum Rügen" Berlin,
1771. 8. S.6i fl. S-n.
Wittheilungen und YInkang.
Handſchriftliche Funde aus Königsberg.
Gol. 11, 668.)
18, Königsberger Chroniken.
Neben dem gedeihlichen Fortgange umferer großen vaterländiſchen
Dxellenfammlung (9. Bunde No. 13 Misſchr. III, 468ff.) haben wir
mit befonderer Anerkennung einer verwandten Leiftung in kleinerem Kreiſe
m gebenfen: „Die Königsberger Chroniken aus ber Zeit bee Her-
3096 Albrecht nach ben Handſchriften zum erftenmal herausgegeben mit
einer Itterächiftortfcjen Einleitung von Dr. F. 4. Medelburg." Könige
berg, 1865. 80,#)
Die Sammlung vereinigt, in weiſer Befchränfung anf das wirklich
Wertvolle, alle vorhandenen Chroniken zur Geſchichte Königsberg's und
des herzoglichen Preußens, d. i. die Ehronif des Joh. Freiberg, bie
Chronik des Balth. Gans, und bie „Newe Zeitnng“ I, II. Die
einzelnen Beſtandtheile waren fchen früher iu den „Neuen Preuß. Prob.
Blättern” flüdwelfe gebrndt,«e) und Freiberg's Chronik auch im Geparat-
Abdrud (Königsb. 1848. 80) erfchienen. Bollfländig wen find bie Bei⸗
lagen zu Freiberg und Gans, betreffend die „Beffangenen-Angelegenheit“
(6. 280 ff.) und den „Elbinger Anlauf" (S. 867 ff.).
*) (8 muß bemerit werben, —
in Wirllichteit aber erſt jept ausgegeben worden iſt.
und zwar Freiberg: Bb.T... VI 1864...48, Gans: Bd. IX ber Bien Zeige
1864, Rewe Zeitung: Bd. X 1866.
Handfheiftiiche Funde aus Mnigkberg. 149
Weber die bennigten Hanbfepriften, welche theils ber Stadthibliothek,
theils dem Prod. Archive angehören, giebt die vorangefchicke. Iitenäzr
hiſtoriſche „Einleitung“ =) Auskuuft und zugleich „Die: erſte vollſtaͤndige
und zuverlaßige Kunde über die noch erhaltenen umb mehrere ‚verlorene
Geſchichtsquellen in Rebe ſtehender Art.“ . Sn.
19, Ein Gandfriften- Fragment des babylenif—gen Talmud.
Seitdem ich im Iahre 1864 auf dem Pergament-Dedelbezug eines
ber Hiefigen Königl. Bibliothek gehörenden alten Wertes ein wichtiges Bruch
füd aus dem Hebräifcgen Bibelcommentar Rafcht’s entbedit und veröffentlicht
habe, legen mir die Herren Bibliothefcuftoben bie durch bie alten Buchbin⸗
der uns erhaltenen hebrätfegen Schriftvenfmale regelmäßig vor, und fe
tam es denn, baß mich Dr. Emil Steffenhagen vor einigen Wochen anf
die innere Pergament · Deckelbelleidung ber Pergament-Hanpfcprifts „Goo=
metria Euclidis cum Comment. Campani, Fol. Ro. 158: anfmerfiam
machte, welche mit ſchoͤuen hebraiſchen Schriftzägen bededt war. Gleich
beim erſten flüchtigen Durchleſen ber im Ganzen gut erhaltenen Quadrate
ſchrift erkannte ich deren Mmhalt als dem babylonifchen Talmnd augehöyend,
vermochte jedoch nicht augenblidlich zu fagem, zu welchem Traktate, da der
Gefammttalmnd ans nicht weniger als 3000 Folioſeiten beflcht, Nachdem
aber der Pergament-Bezug von dem Univerfitäts-Buchbinber unverſehet
abgeläft und mir zur Zefftellung feines Schriſtinhalts vorgelegt werben,
fand ich, unter Beiftand des talmudbewanderten, hiefigen Raufmannes
David Aſchtanafi, daß die ans je 86 Zeiten beſtehenden, mutmehr bem
Untergange entrifienen 41/2 Folioſpalten hebraiſcher Schrift, Vruchſtuce aus
den babylontichen Talmudtraktaten Makkot unb Schebuot ſeien, und zwar
euntjprechen drei ganze Spalten dem gebrudten Texte bes Traltats Makkot
Bol. 2u d Bud geb 6 und ber Reſt von ein und ein halber Spalte dem
Texte des Traltats Schebnot Fol. 44” 4ö* 46“ >
Die Bruchſtude Haben in Leſearten, Phrafen, Wortfieliungen umb
*) Bol. auch R. Preuß. Prov. Blätter Bte Folge IX, 476. — Beildufig fei
bemerkt, daß die Radewald’ide Chronit, welche M. zu den vermißten rechnet, in ber
Kal. Bil. unter Ro. 1662 zu finden it, ö Fu
150 Mittheilungen ud Anhang.
Ciyen bielacje Abweichungen vom dem gebrudten, bis · jetzt leider ud
immer gänzlich vernach luffigten incorrecten Texte, bie ber Wardigung und
Veachtaug der Sachkenner werih find, und Habe ich daher eine aucthe
liche Analyſe derſelben für bie „Borfgungen des wiſſenſchaftlich talnudi⸗
ſchen Wereins, Beiblatt zur jüdiſch⸗theologiſcheu Beitfehrift Ben-Chananja"
(Szegedin) angefertigt, bie im nächſten Monat wird veröffentlicht werben,
Konigsberg, den 23. November 1866. Dr. $. Zolowica.
Altertpumsfunde aus Weftpreußen,
In vem großen Torf⸗Moor zwiſchen dem Zarnowitzer See und
der Dſiſee im mörblichken Pommerellen (Kreis Neuſtadt) wurde vor
etwa einem Dahre, auf den Terrain des Gutes Zarnowig beim Torf
fechen in etwa A Bub Tiefe ein Thon-Gefäß (weiches ſogleich zerfiel) und
darin 10 Ringe von Bronce mit ſchön brauner Patina gefunden. Acht
bietet‘ Ringe, von ber Hit der fogenannten Schwur⸗Ringe (Bat. Leitfanen
der Nordiſchen Alterthums ⸗· Kunde. Kopenhagen 1837 Seue 43) finb von
verſchiedener Größe, bis zu 5 Zoll Durchmieffer uud 2 Zoll Dice, hohl
nud nicht ganz geichloften. An ben beiben Enden finden ſich eingravitie
Denamente det voheiten Urt, wie ſolche für. dos Bronce⸗Alter charalte⸗
ritiiſch Fb. et aitigen erweitern fig dieſe Enden wulftförmig. Diele
Gegenflänne ſcheinen ale Armringe gebient zu haben. Abbildungen ähn
Uqher Noge flefe: Atbildninger fra det Kongelige Museum for Nor-
&isks Oldesger i. Kjöbenhevn (Kjöbenhavn 1854) fig. 196, 197; 200,
ICH und 290. Mie beiden ambern beſtehen aus. einem 14 Zoll langen,
11, Zoll breiten, ganz binnen Bronceſtreifen, welcher an ben beibem Enden
in Halen und Defe amsläuft und durch ein grabirtes einfaches Rinien-
Ormament geſchmũdt if. Einige Löcher und am Rande eingehsüpfte Oeſen
ſcheinen daranf Hin zu weiſen, daß au bünuem Keltchen noch eine Ge
teuſtande angehängt waren, Weil tiefe Streifen für rin Diebem zu Mein
find, möchte ich fie ebenfalls für Armbänder Halten. Aehnliche ſiehe Al
bildninger, No. 345 und 862. — Acht biefer Gegenftänbe befinden ſich
noch bei Herrn yon Zelewelt-Zarnowig; bie beiden übrigen, als
Geſchenk deflelben, ig meinem Befig. — Ueber die Form bes Grabes
Manuſerlyte zur alwwreuß. Selchichte. 701
Habe ich nichts erfahren knnen. — Andere Alterthümer vieſet rt (Fi-
bulse, Ringe zc.) find in Ießterer Zeit im dieſer Begenb nicht felten ger
funden worben. Genft vergl. Förſtemann im ben Preuß, Pron. „BI. 1860
B.IX, S. 260 ff.
Im dem Walde des Herm von Graß-Rlanin (unfern Putzig) RM
Hirzfich anf einem von alten Bäumen bewachfenen Terrain ein Ziegel
Dfen ans dem Mittelalter entdedt worden, welcher des eingetretenen Fro⸗
ſtes halber nicht genauer wnterfucht werben konnte, Sch hoffe, daß wei⸗
tere Ausgrabungen im nächiten Wrühjahr unter meiner Leitung geſchehen
werbeh, und werde feiner Zeit genaueren Bericht darüber erflatten.
Danzig im December 1866. A. Bergan.
Manuferipte zur altpreuß. Geſchichte in der Graͤflich Stol.
bergſchen Bibliothek zu Wernigerode,
€. Förftemann macht in der Selbſtanzeige feiner Schrift: „Die
Gräfl, Stolbergifche Bibliothel zu Wernigerode," (Norbhaufen 1866. VIII
a. 167 ©, 8.) (f. Ztſchr. für preuß. Geſch. u. Landeskunde 11. Bit.
S. 727 ff.) vorzüglich auch auf einige für „prenß. Geſch. vielleicht nicht ganz
werthlofe Manuſtripte“ aufmerkſam. Wir heben aus biefen — un
fexe Provinz betreffenden heraus:
2 d 2: Ein Mfer. des 16. Jahrh., enthaltend: 2) Anna Dark, Mark
"gräfln zu Brandenburg, Fürftenfpiegel an ihren Sohn Albrecht Friedrich,
Markgrafen zu Brandenburg. Bol)
Z h 11: Berzeichniß der Bilrgermeifter, Rahts⸗ m. Schöppenherren der
Stadt Dantzig von Anno 1342. Mier. des 18. Jahrh. 4.
Z h 83: Chronica des deutſchen Ritter-Ordens in Preußen. Diefe Ehro-
*) Föremann hätte anmerken Lönnen, daß Alft. Nicolevius 1885 den Fürs
ftenfpiegel nach der auf der konigl. Bibl. zu Königäberg befindl. Driginalhandſchrift ber ·
ausgegeben hat unter dem Titel: „Fürftenfpiegel. Verfaßt von Anna Maria, Martgräfin
von Brandenburg u. Herzogin v. Preußen, für ihren Sohn, den Herzog Albrecht Friedrich.
Hrög. v. Dr. Alfred Nicoloviud." (Aönigeberg 1835. Bon’s Bud: u. Muſilalienhand ⸗
lung, IX u. 92 6, 8.) Außerdem führt Nicolovius noch 2 gleihlautende Abſchriften
am, bie bierorts in dem Kal. Geh. Lrchive u. in der Wallenrodſchen Wiblisthel aufbes
wahrt werden.
152 Wüthellungen und Anhang.
nit, eime im 18. Jahrhundert gemachte hachſt faubere Abfchrift einer
Altern Hoſchr, enth. viele höchſt forgfältig gemalte Wappen u. an
dere Abbildungen. Sie beginut mit der Stiftung bes Deutfchen Or
bens u. endet mit dem Jahr 1547. Fol.
Z h 84: Ein Miscellenband mit etwa 30 von verfchiebenen Händen des
16. u. 17. Yahrh. geſchriebenen Stüden, die ſich ſammtlich auf bie
Geſchichte von Preußen, ben bentichen Orden u, Polen bezichen
Für die Geſchichte Preußens bürften ſich Hier noch wichtige Schriften
finden. Fol.⸗) &
Altpreußen in den Worlefungen an deutſchen Univerfitäten
im Winter-Semefter 1866/67.
Höntgöberg. Geſchichte Preußens im Mittelalter: Dr. Lohmeyer. Aritiſche Ucbum
‚gen zur preußiſchen Geſchichte: Derfelbe. — Lelture von Donaleitis „das Jahr:"
Brof. Predig. Kurſchat.
Beaunsberg. Ermlandiſch⸗preubiſche Beidichte. (Historiam Warmiensem cum
Prussica conjunctam): Prof. Dr. Bender.
Berlin. Ueber die neueren Syſteme feit Kant u. ihren Einfluß auf Kunſt u. Wiſſen-
haft: Dr. 3. B. Meyer.
Jena. Weber Syftem u. Entwidelungägefdidhte der kritiſchen oder Kantiſchen Phile
ſophie: Geh. Hoft. Prof. Dr. Kuno Fiſcher.
Reipgig. Ueber die Grienntnißtheorien von Lode, Leibnig, Hume u. Kant: Prof.
Dr. Drobiſch.
Wien. Geſchichte der Religionsphilofoppie feit Kant: Dr. Barach-Rappaport.
2
Univerftäts-Chronit 1806.
No, 75. Amtl, Verzeichniß des Perſonals u. der Studirenden ... für d. Winter-Seme
fter 1866/67. (18 6,8.) [68 Doc. (7 theol. — 9 fur. — 15 meb, — 29 phil. — 5 Eprhe
u. Gperzitienmeifter (io!) unb 460 (18 ausl.) Stud. (41 weniger als im Gommerfemefer) bar
99 deel. — ai dut. — 87 Med, — 189 PpiL. — 15 Pharm. — 8 m. Genchmig. b, Vrorectori
*) Bir werben im erſten Hefte des folgenden Jahrg. ein genaues Smpaltäver
ziämiß dieſes Coder mittheilen, welches wir einer gütigen Mittheilung aus Wernigerode
verdanten, nad) welcher übrigeß zu den obigen Prussicis nod hinzuzufügen wäre:
Z u 89: Mfer. des 15, Jahrh. enthält u. a.: de unione et pace perpetun inter
regem Poloniae et cruciferos, (25 ©.)
Bibliographie 1865. 768
30, Nov. Lectionem de epilepsia ... a... Arminio Nothnagel med. Dr. ad docends
facultatem rite impetrandam „..in publico habendam indieit Eru, Leyden, med,
Dr. P. P. O. ord. med, h. t. Decanus.
12. Dec. Hiſt. Doctordifj. v, Adalb. de Kotrayzaki (aus Löhen): De bello a Bolesiao
Magnd eum Henrico rege Germaniae gesto A. 1002—1005. (32 ©. 8.)
20, Dec. Philol. Doctordiſſ. v. Arno Heyne (aus Liebewerda in Sachſen): De nomi-
nibus propriis apıd Homerum, (67 ©. 8.)
27. Dec. Med. Doctorbifi. v. Dr. phil, Med. pract, Fria Jul Neumann (aus Rgäbg.):
Profusiones sanguinis ex umbilico hominis adulit, (sic!) (30 S. 8.)
Bibliographie 1865.
Eaim)
@enfiebn, Dr, Hug, che 8 Ländlicher Mrbeiterwl
cn hehe, OR Eine Beten, } on
tög. v. K. Biamer. 8, Hit. ©. 1
Ace. Koften bi
— Faro de, Erarien —— — d. Alter des — E Hartunagſche
— - Die Seh ebene —* für die Armee der Vereinigten Staaten. Ebd.
198, (Beil.) 194 (Beil.)]
— — De —S der großen Städte. IEbd. 196.]
— — Zur chirurgisch-pathologischen Kenntaiss der Brustärüsengeschwälste, [Deut-
sche Klinik, No. 11. 12. 14.]
s Tumor goscygenn., IEba. 18]
— — Zur Retorm des Militär-Medicinalwesens, [Ebd,
— — Skizzenhafte Bemerkungen üb, d, Bedeutung 28* Geologie für die Physio-
logie des Menschen u, f. die praktische Heilkunde. [Ebd. 49. 51. 52.]
— — ‚aa typböfe Sieber der Schweine. Neußerungen von Dr. Budd, Prof. Simonds
of. Ferguſon, vorgetragen in Verfammlungen zer BOR Die Aderban,@efeilicpaften
Fr a 1 Grand u. Jeland, mit erläuternd. Zufäßen. CEdwirihſch. Gentralblatt f. Diſchid.
— —) Drei militärifhe Brieie a en mi Tin ber dortſchrittsbartei von einem Oft
‘ preußen. Geſchrieben am 18. Ol Hr Sorte — —— der Bein:
iger Schlacht. jr 2, Kufl, mit lag der ftpr. Tribu
gm, 12. Gt Be u Vernichtung verurtheilten Se ein. ar u. Berl v.
Sri
— — — fir Sittayen tzom Jahre 1864. Heydelxus.
(Drud v. Siebert in Hegvehrug.)_ (‘ 8)
— — in i iß Sietwoininku —* nu Meto 1864. Spillotarchiamoj.
(Gbenjo.) ai ©. 3)
Sennik cayli wrößenie ze snöw na przessto 1500 praypadköw slukgce, = röänych
starodawnych ksigg sebrane i porsedkiem abecadlowym dia zeugt i zabany
Siekampch Indzi w nowem zupelnie wydaniu oglossone prze ei Nie-
Zabobonöw. Torun, 1866 (1865). E. Lambeok, PL Fi —5 —
GSettes RD nr ua hifter, Entwidig. ber beutfch. Thierzucht. lVandwe
— — w at Krocker, — Heerdbuch. Ein Verseichniss v. Individuen u.
Zuchten edler Thiere Deutschlands, 1. Bd, Mit e, Einleitg.: Rükblick auf die
hist, Entwicklg. d. deutsch. Thierzucht, v. H, Bettegast, Berlin, Wiegandt &
Hempel, (LXXX u. 156 ©. 8), un al,
"Simson, Urkunden u, Aktenstuecke 4. Kurfürsten nieder: win. v. Braun
denburg. 2.Bd, Berlin. G. Beimer. er : Aus wärtige As [Frauk-
zeich.] Hrag. v. Privat-Doc. Dr. B. Ed, Bimson, Knie. aus) 3x
uxyt. Monetsigrift Bd. IIL Hft. 8, 48
754 Mittheilungen und Anhang.
Sonnenburg, Schr. Dr. amt bet englif den Ge en Gral
in Schulen, wie —X onders f. d. Gel
nung u. Einübung der (uöfpradhe, ber —* u Ge in Kl j 8
tar. Berlin. Springer's Verl. (VII u. 342 ©. gr. 8.) 24 Sat.
— u —— u, formalbilı 1dende Kraft der Aussprache d. Englischen, Ebd,
Ä Ir.
_—- Die —* Konjugation. Anleitung zu einer methodiſchen Gtermung ve fu
öfiich. —* — ber unre —5— mit ng des
Sei met ebungs-Äufgaben. tr den Gebraud) auf
—88 an. on db. Seranfiäten. Ganz. Biemfien. (64 ©. 16.) 6 Ar.
cat
Mascker, Jul. (aus Neulich), De urethrae stricturis urethrotomis externa sanandis;
adjectis morbi historiis duabus Diss, inang. chir. Gryphiae. (82 ©. 8.)
Gtangnamöf, Sul, Briger m Kummz be Mens 1, Sue Mn te
welche fidh nach dem Armen ug enden des
verl. des Hröp. Gedrudt bei 3. E. Jänide in he (#8 €. 8.)
Starck, Dr., (Bericht über meine IE -Heil-Anstalt in Fra] im November 1866.)
Grete —S A 1x Rüden Megbehm rn Rechtes ‚oder die Diftinctionen
jagen, Dr. ie tagbeburger
ee:
ide een ‚non neuen
Separa Ahr. a der Me. Memasihr, mi einer Ithoge, Echiftprobe.) Bash
IH u. 38 ©. or. 8.) 9a Ahle.
en —— 3 —2*— u. hoben deſte für einfältige Corien
Stimmen ver Greiel. a: Sammlung, Pete Zitlau 1862. Dr. u. Bel
"%. Gruber Eines) a nee a Re. 5 Meer
eng m ar: 1 Ihr,
—F Luſtſpiele u. Beriäte, were Berl. v. Hübner & Mag. Gedt. bi
"Longrien. (4 Du
@ichbe. me Dr. D., Niscellen u Ka: —2 Sdlsrechts. dee
fammte Holöcht. Bon 1. —— — 56]
-- teslauer Gignaturbäcern. Bit f. Geh. u
Alter —A 3 2. ft. ©.386—86. 7. Bo. 1. Oft. ir 176-191]
”. em und gefammte Hand. LBtidhr. ſ. Rechtögeih. 4. Bo. 2. Hit
— — Beiträge zur Gesch, des dentach, Rechts, Braunschw, Schwetschke & Sohn.
ua, Vetnngsbud Tr Seen, nad, Orubfä. der Shreblefemeiene
uc im jen,
—ãE ‚Säulen u. Clementartlafien höherer Sehrantalten beub, 8, bericht. Al
ing. Neumann:Hartmann. (144 ©. gr. 8. u. 2 lith. ©.) !s Ahle.
v. Gtüdradt, Gen.-Diaj. u. Kommandant 2 Anorbmungen 17 u Garnifondienft in
ber Zeitung Thorn. Thern, Wallis. (IV u. 98 ©. gr. 8.) 6 Gar,
, Dr, A., Architekt Sr. Maj. des Könige, Bauwerke " Abtheilung: Das nee
Universitits-Gebäude su Königsberg. Berlin, Ernst & Korn. ( weich
Bach n. Kunstundig) (wir ———
e
Sucker, Car. Fr. Jul. (uns rtiten), De Modicamentis imponderabilibus. Diss, inaxg.
med, Berol. (82 ©.
Thiel, Prof. Dr. raunbern), Die Nach-Constant'schen Vorarbeiten zu einer nenen
kritisch, Ausgabe der Epistolse Ron.arorum Pontifieum genuinae, [Archir für
kath, Kirchenrecht, N, F. 7. Bd, 1. Hft. ©, 1-18]
Tin, 1. J. (Braunsberg), Ein Urtheil üb. d. Verhandlung, welche auf d, 15. Versamml.
der Directoren der Westphäl. Gymnas, u. Realschul. au Boost, um 1B-17 Oct 1868
üb. d, Unterricht in d, Stenographie an d. höh. Lehranstalt, —— bi
I Jahrbüch. f. Philol, u, Pasd? 92. Bd, Hit. 5/6. ©. 291—305 ]
x — des Pi es zu Taubenhain. Cine warnende A lehrreiche f
ale nd Dr. u, Berl. v. Em. Ra: a N
Töppen, Dr. Mi, He. während d. E des Rarieref. Georg
Bibtiograpfie 1868, 166
ori , Ana Nah den dat »
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! Beute igkeiten” nalen re ben Geh. — rg des unglüdl.
fangenen von u v Ole g. Gin 4 and
Ruflanı. a N.
Celle. (1860). She ©. 8.) 1 Tplr.
eberwog, Prof, Dr. Friedr., —X 8 — u. Geschichte der
te neu bearb. Aufl. Bonn. Marcus, (XV u. 400 ©. gr. 8.) *
— — Grundriss der Gesch. der Frilosophie von Thales bis auf
1. Theil, a, u. &. T.: Grundriss der Geschichte der Philosophie des Alterthums.
2. durchgesehene u, erweit, Aufl, Berlin, Mittler & Bohn, mi ie Alan 2.8)
1 Thlr. 12 6, —F
Otto, PredAmis· Cand. u. Lehr. an d. Real a R J
ed, b. range, ünhengeanas, umge ba 8 — ae 15 Menden
vo af aniere Yet Sn ——— u, Stan 1, San
Dr. u. 8 Felde Av 128 m. 10 beil.) ac Fri
Ati, am
w. Usedom. Karte des Manöver Terrains der 1. Division Herbst 1866. Geseichn, von
r Uredom II 11, Lieut. u. Adjut. des Grenad.-Regim. No, i Massstab 1 : 60000.
Lith, Anst, v. Fr. Schwabe in Berlin, . Fi
anen "er ierten Berlamml der Bigedonen der Ohmnafen ee
d. ©r., Maria
wissenswerther Notizen für Seeleute u. Alle, weiche sich ur das Neewosen
interessiren hrag., Der Ertrag ist für die Dansiger Seeschiffer - Wittwen-
Kasse bestimmt, (Dansig, Comm, v. Th, Bertling. 1866 (1865).) (Druck von
FR W. Eaton.) win u. 252 ©. Ur.B. m. eingebr. Holzih. u. 6 Holzfchntaf.)
2 Zhlr.
wei Dr. 2. Amin —ã te des
Ein Kran aekelln Ir Darıa ben 3. Min Beh ver Sofamet,
ns Ben Sande, Dead v, Gum Orkninp. & 6. AN
weiße Be AH En ci Di ———
—— Ihe Stage 56, Unefuhinom. 1Xheol. Stubien u. Krititen.
— wmiee Ze. 1. dahes. 1. vhn
erei Ro 108 1001 u 8e
430
166 Mittheilungen und Anhang.
Worniek, Frits, Elbinger Wanderbuch, ein illustrirter Führer durch ‚elbing u. eine
Umgebungen, [Cadinen, Kahlberg, Marienburger Schloss, oberländ. Kanal “el
Mit viel. d. Text gedr. Illustr. u. 1 3 Plane der Stadt u. deren Umge-
bung. Elbing, Neumann-Hartnann. (122 ©. 16.) !/s Iplr.
journal f. prakt. Chemie hrsg. v. Otto Linn Erdmann u. Gust, [Ferther.
anne, Bd, 24 Hfte. Leipsig. Barth. (gr. 8.) 8 Thlı
ein. Luftipiel in 1 Imae. (Den Fre
ter. Sommiffionse eich vs micaelion i in
it übergeben.) Berlin. Drud v. Rob. Bittner. se ar 18)
am. Große Oper in 4 Ücten, n al
t von Richard alt De (ven Bühnen "gegenüber FH
öl. Cigentb. v. E. ©. Bod. (43 €. gr. 8)
Yir, in Magdeburg), De vententiis_ secundaris Sprimarian
— iaunis. Magdeb, (Berl, Calvary & Co.) (IV u. 72 ©. gr. 4)
Bie en di Ci bahn Thorn:Nönigsber: Bartenj ken Er ſchnellſten u. bill fe, bers
sel A —— ® 1. Mathe (32 ©. Aufl.
ne —— Eperuns auf die — ve Kal, —E Hem. — "er.
u —5. — Baurath K., Die Reinigung u, Entwässerung der Stadt Danzig.
Auf Veranlassung des Magistrats su Dansig unter Mitwirkung des Civil- ‚lage.
Veit-Moyer bearb. Rierzu: Berechnungen, Ueberschlüge der Bau- u, Betriebe
kosten u. 1 Atlas m, 18 (lith.) Plinen u. Zeichnungen in Fol, Berlin. Ernst fi
Koch. (X u. 175 ©. Ler.8.) 82a Thlr.
wu Se da (au Mohrungen): De eosemate acuto, Diss. inaug. med, Gryphise.
Winekler, m Ueber die Art u. den Grad der von Herodot geübten Kritik. Thorn.
(Berlin, Calvary & Co.) (28 ©. 4.) a Zhlr.
Wehnsitze, die ländlichen, Schlösser u. Residenzen der ritterschaftl, Grundbesitser
in d, preuss, Monarchie. Hrsg. v.A, Duncker, Provinz Proumen: 12. u. 18, In.
Berlin. A. Duncker. (&3 Chromolit „u. 3 Bl. Text. qu. gr. Kol) &
MBohnunge Knyei jer, Elbinger, für 1: 6. GEbing, (1865.) C. men, [t
1868. Sadeag zu bem @linder Mohnungs-Anpeiget fü 156. Sun
— — Rachtrag zu dem inger Wol unge? er für e.
Berzeihnib deri. Emdohner, welde im Laufe d Ti neu angezogen find od.
ihre e Bohmung oewechſeit haben. Cbb. (19 6. — 8)
— 3. Westprenssen.
[Archiv f. pathol. Anat, u. Physiol, 34. Bd. 1/2 Hit. &.0-
ik, Aemil, (aus ibn, De diagnosi paralysium, Diss. inang. * Berol. (328.8)
jadariä, Friedr. Dh, Kater Murner in der Hölle, in jcerzbaftes Heldengeriht
in 5 Oelängen. Kasba. Richter'3 Bchholg. (32 ©. 16.) 5 Zhlr.
Ziegler, Blarer | in Eh Die ne delige Rei 9 eaaelandue, zum Gebrauch füı
aa
für Kind,
ule u. Haus ... 11. Be efbihdr. (64 ©. 16.) 2 Eat.
ea —A Ba ende eb Meihrnd at Ih, sm head I
— —) Liturgiihe Andadt am heil mi —— gm
Kirche u. Haus. Wehlau. Dr. u. Verl. bei echte.
—-) Sihirgiihe, am beil. Sylvefter- Abende .. Id. u = a”
ke, Gymn.-Lehr. Dr. J. V. C., Rede, gebalten am Geburtstage Sr. Majest, de
Königs Wilbelm, am 22. März 1865 im Gymn. zu Marienwerder. [Beil, m
Pr. Bteno; hen Zeitung, No.5.6. ©.21—28, 8.]
Dr. Karl, Theorie ver Querihtwingungen eines elaftifchen, am Eude belahem
ee (Rosbg. Schubert idel) (24 ©. pi Fon Ir an
Veriodiſche Literatur (1866). 157
Periodiſche Literatur (1866).
„Oälentäe ‚Seovingielblätten, Hrsg. von = Delöner. N. %. 5. Jahı
(6. 640, 641-704.) . Jacobi, d. jchlef. Weinland. (Scl.)
Br im dv. — d. Feſtung — — J
gelte 3 Briefe an Aug. Sahlert
usdrugweiſe. M. Bolo, Each i & u Fee,
30täy. Krieges von 1866. (Fortf.
—50 aus d. Oftmucauer en. M, Satiz 8
9. Palm, Raul leming u. die Schleſ. 2. Yac
ae elgel, Nuszug aus d. Album
Eprüchoört. ber poln. Oberjelefier. I
in Schleſ. Delöner, D. Bresl. Bernharbinerklofter
Meteorologie Schlefiens. Nah Dove. Delsner, C.
Nekrolog. Fragen, Anregungen, Antworten. Lit u
u. Statiftik — Drieftaften. — Anbang — Anhang.
Oet. An.
ent,
Die Vorſchußyereine der Prov. Preu; [Danz. Ste. 3925.]
en Eilbing-oberländifhe anal. Ras! . Hmtabl, 48,548]
olera im Reg.:Bezirt Di erzig- om Reg. u. Medic.
[Archiv f, pathol, Anat, u. Physiol, 37. Ba, 3. Hfl.
Statut d. Entwäflerungs:Verbandes der Wibminner Geen (im Gumbinner Reg.Bez.)
(genehmigt Berlin, 16. Aug. 1866.) [&umbinn. Amtsbl. 45.]
Notiz über den — ro 1865 im Reg.Bez. Sie, (26 Stationen mit
ep
43 Beamt. (Sasbg. 25) u. 10 Voten (Nabe. 7), jges ſchen (Kasbg. 77,416)
u. 46,891 innahme (Kgsbo. ® en Xhle.) 8 Station, mehr, aber 4781. Dep.
u. 4095 Thlr. weniger als 1864.) Moe, tg, 275. (Beil.))
9. D. Eine Wanderung dur, — des fg. ez. —— D. Bolksſchulft. 23.]
Üleberfichtötabelle der 1865 im Reg.Be. Marienwerder Dorgefommenen Geburten,
y, gauungen Sterbefälle, nee. Geburten. [Marienw. Amtsbl. 44.
hnaafe Diaionus zu St. Johann in Danzig), Die böhmiihen Brüder, in
Zelem und die Reformirten in Danzig. [Ztfer. 1. d. hiſt. Theol. 1867. 1. Hft.
Unfere Anfens Gangigen 2) Gafeneincihtungen. T-11_ [Danz. —F 3088. 3969. 3971.)
Bericht üb, d. Lage d. Stadthaushalts negen Schluß, 13 . 1866. Danz., 27. Nov. 1866.
Der Magiftrat. (gez) v. Winter, [Chv. 3855. (Beil.)]
Naturforfch. Geſellſch Sina. 10. Ort. (u. 24. Su) (D. correip. Mitgl. Dr. Gas
aus Kairo überweilt periönl. werthuolle Geſchente in Natural., Waffen u. Gerätbib.
— Geſchenle von Mit, Run u. u gen reunden d. Gefellih. — Vorträge des Aftronom. Kayſer
üb. —— — — "u. „üb. d. phyſ. Conſtitut. der Weltlorper gach
d. neuft. Dan. 3963’ (Beil.) vol. 3989 (Beil,)] — Eipg. 7,Nov.
(or. Bail (irre d. —A verftein. Ba 3. Theil als Geſchenk vor;
macht auf d. viel, bleihen in d. — v. Danzig an — Sonegtatt ſich
findend. vorwelti. Hölzer aufmertſ. u. Ib. f. dieaj. Unterſuchg. üb. Gahrung
Vandrtg. der eltern men — d. a J durch Vilze erzeugte ibemien Fi
Infetten.) — Nov. (Bericht des Di. — Schimmelpfe
d. Sternichnu; are I d. Naht v. 13/14. Nov., dögl. v. Dr. Kanne Fr ne
Herung, von Alron. Kayfer.) [600. 2068. (Bei) 1
Eröffnung des Hülfß-Seminars zu & iedrichähoff 20. Nov. 1866. „frstreräuf. 24]
Srübere Gehälter der Kgsbgr. Univerfitäts: arofeioten. [RgEbg. R. Btg. 274.]
2. Hartungice Btg. vor einem Jahrh. IChb. 274.]
(Notiz üb. d. legte Choleraepidemie in ausge. eat 3967; geft. 1946 (181 Milit.)
u. genefen 2021 (332 Milit.) [Ofpr. u. Hartgſche tg. 279.
Ueber d. & —e % nie be bei Berielben zu Ginterlegenven Depofiten. IOſtyr.
artafche (.
Serviche Geſellſch 31. Pr (Notiz Pr d. dtemeſſung —X Kirhthürme in
bg. durch Baumſtr. M Wendibel, Die alte Spie des Salcbthums erhob ſich
Fix dem Steinpflafter des Schloßhofs 228°, die jegige 2662‘. — Höhe üb. dem Null:
7158 Mütheilungen und Anhang.
ft d. Vegels a. d. grün. Beide; I rm 832° 10*, 318’ 14";
558 22 PN, 9 Lüben. 252° — 2 I“; al, —
athurn u.
im 190 199° 34"; —2 un 18 — ne d —S Btg. 260. 0 eh Im
(Zur geh, —— — — Dr. Burow sen. Hartaſche Btg. 273. vl.
ingefanbt,
Die Ihe fte] Gntftchung ber aer Rand (e. umfangreich. Selen 8 bei.
ute Krakerort (Ar. Hendehrua). in melden ich mehrere, Arme des Rık
R. 9. Prov. Bl. "ze 5 x1,3.
2, Gp Hauslalender f. 1867
Pi des D b rien:
ven. Sp. 89 fi] ia Me
"ak ı — IR. P. Prov. Bl.
we Beinnerg, an d. Thorner Blutge⸗
Dr. geop. Brame, D. Andenlen des Copernicus bei der bantbaren Nachwelt. ICh.
Wiralend ee Nach neuen Unterfuhungen u. Funden dargeftellt. [Mgädg.
Bembewö „Iob. Felt. Dits. Diekmann. Retro Bettofäulfe, 23]
€. F. W, Gin Säulinfpector (ConfiftR. Dr. C. 5. — 3 —R anne de;
mopeit“ (BBieberabbr. e. vor 15 3
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Be. 97. ee
a. Th eb far, ude in Sälodn, Senior d. Synode Eonig, Dr
\ Anzeigen. 759
Anzeigen
nt <t Ahonnement-Einfadung „kennen: ven
anf die 1T5lx, 5 ©gr. bierteägel
Wefl-Lreußifhe Zeitung.
Diefe Zeitung, conſervativer Tendenz, erſcheint täglich (mit Ausnahme der £
4 Sonn: und eittage) in großem Zeitungs⸗Folioformat. Gie enthält ftets die
& neueften Nachrichten, die ihr durch eigne Zelegramme zugefandt werden, einen
J alle politifchen Greignifie umfaflenden täglichen Bericht, und zahlveihe Correſpon⸗
hi $ dengen aus dem In- und Auslande. Sie bietet ferner durd ein reichhaltiges.
& Seuilleton, Mittbeilungen von Lotal-Rachrichten und Befprehungen von Communal: =
Angelegenheiten, Kritilen über Theater und dergleichen, angenehmen Stoff zur Uns
J terhaltung und Belehrung und bringt außerdem auch gerichtliche Referate, Handels-
# Börfen- und Scifffahrts:Berihte. Wir empfehlen viefes Organ angelegentlichft d
® und laden zum zahlreichen Abonnement ergebenft ein. N
E Inferate finden die größefte Verbreitung befonders innerhalb ver Provinz a
F und werden mit nur 1 Sgt. pro Petit-Spaltzeile berechnet. A
R Bie Erpedition der Weh-Prenfifchen Beitung,
Danzig, Hundegaffe 70.
Autiquarischer Anzeiger der Theod. Bertling’schen Buch- und Antiquar-Handlung in
Danzig. No.9. Decbr. 1866. (86. 4.) [Inh,: Belletr. — Theol, u, Philos, — Rechts-
u. Staatsw. — Medic. u. Naturw. — Neuere Spr.u. Lit,— Gesch. Geogr. Reisen,
— Haus- u, Landwirihsch, — Jagendschrift, — Vermischte Werke.)
Misher-Austion in Danzig 15. Januar 1867, Vers, e, Bibl. aus d. Gebiete der Alt.
u. neuern Medic. u. d. Naturm., darunter seltene Ausgaben der alten Aerste,
nebst e, Anh, v, philol, u, and. Werken, Danzig, (Th, Beriling,) (52 ©, 8.)
In der Buchdruderei von Albert Rosbach in Königsberg ift zu haben:
Die Wafler-Berforgung großer Städte und die nene Wafferleitung für Königs
berg. Gin Vortrag, gehalten in der Konial. phyfilaliſch/ dtonomiſchen Geſellſchaft
zu Konigsberg von Dr. med, W. Schiefferdeder. Geh. 5 Sar.
760 Anzeigen,
Bei Wilb. Koch in Königäberg ift erfhienen:
Der Kriegsrath Scheffner und die Königin Luife. Gin Vortrag, gehalten in vr
Kömipl. Deutſchen Geſellſchaft zu Aönigäberg von Rudolf Reide. [Separatit:
drud aus der Altpreuß. Monatsſchrift] (31 ©. gr. 8) 6 Sm.
Bei Gräfe & Unger in Königsberg ift erſchienen:
Die IX Bücher Magdeburger Rechtes over die Diftinctionen des Thorner Stadtichre
bers Walther Edhardi von Bunzlau. Eine Abhandlung zur Duellenkunde des deutſchen
Rechtes als Brolegomenon zu einer neuen Ausgabe von Dr. Emil Gteffenbagen.
(Separat:Abdrud aus der Altpreußiſchen Monatsſchrift mit einer Litbographierten
@äriftpeobe. (II u. 33 ©. gr. 8.) a Thlr.
Im Verlage von Th. Theile's Buchhandlung (Ferd. Beyer) in
Konigsberg ft erfchienen:
Kantiana. Beiträge zu Immanuel Kants Leben und Schriften. Hrsa
von Dr. Rud. Reide, Cuftus an ver Königl. und Univerfität3:Bibliothel,
5 Bog. gr. 8. Brodk. 12 Ser.
Auch bei ber bevorftehenden neuen Ausgabe der Schriften unſers großen
Bhilofophen von Königsberg dürfte für viele feiner Verehrer obige Echrift wegen
der intereflanten theils unbekannten theils vergefienen Mittheilungen aus und über Kant
eine willlommene Gabe fein. Sie enthält u. a. die noch ungedrudte Gedächtnißrede,
welche bald nad) dem Tode Kants Confiftorialraty Wald auf ihn im amtlichen Auftrage
ala Profeſſor ver Eloquenz hielt, zugleich mit den Materialien, aus welchen er ſchoͤpfte,
meiftens in Angaben feiner nächſten Belannten beitehend, in ganz vertraulicher Weile
ſchriftlich abgegeben. Diefe Duelle haben wir in den meiften Fällen alö die erfte anzu
fehen, aus welcher zahlreiche Weberlieferungen über das Leben, die Neuerungen und die
Denkweiſe Kants geflofien find.
Berihtigung.
Jahrg. 111, Hft. 6. ©. 49. 3.8 v. ob. u. öfter ſtatt „kottun (Meichfeljopf) Tier
nkoltun“, (Rad Mrongowius wird das kaſchubiſche klatan in Danzig Martlatte
genannt.)
J. Xutoren-Regifer.
8 Nudolf, Architekt in Danzig, I. C. ©. 48458,
Bergau, a, Alk a J. Säulk in Dani.
-- Kirche zu Aumebnen in Samland. 8 658-568.
-— Alteritumefende aus Weitereußen, ©. 750-751.
Brodmann, 3 9., Eonful in Rgöbg., Ueber den Nord Ohee Kanal u. bie geidinen
dazu in Vorſchiag Gebraten Eirlen Mit au —
nme Hart.) 10820
Bu som in ’e ai su. Arıkin Apsbg. Sur ferikhiger. ©. 1a.
fon, » 15711
Benllnı v; toſeſor in Aqabg,, Mecenfion. S. 156-157.
ritfche, er u deal ule 1. Orb. in Wehleu, Ein Shalefpear-Bortrait in
Senke ker an, Onamatedehrer in Menel, Mlnsfun.
Gera, 0 Dr. Car, On ae een enteo ehnufpkitunt bis auf
Dr. &, praft, Urt in Rpöbg, Ueber Rant'3 Rodmmonie, ©. 312--
Erf, Dr. Seelen De a ont. Mike zu Ad:
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Krofte, D: di —8 d. ſtadti Realſchul⸗ Das ftäptijche Ar⸗
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ler, D Dr. ze in Kgöbg., Ueber Gntwäfierung und Reinigung grober
=. Die orig. —5 Seteliboft ü im Jahre 1865. ©. 77.
— >, Recenfion. 869 —:
Meffelmann, Dr. ®. & 3 Ex in Rgabg., Ein orientaliiher Munzfund. S. 374—876,
Dilert Dr — — in Gumbinnen, Stizzen aus Alt:Preußen. (IT. Das
PERLE, * Obere * der Realſchule auf der Burg in Kgsbq., Ueber das Les
ben der Spinnen. ©. 1-20.
Bruß, Dr. Hans, © mal Lehrer in Danyig, Die Kataftrophe des Danziger Bürger:
ide De note Se der Rönit. Dilite {n Apsbg,, Bin Danziger Batheeitt
zom jene 160 — Men lien Ofen zu Danzig.
162 1. SutorensBegifter.
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ubert, D > in, ‚Rath, Brot. in Roöbg.,
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preubiichen Staates. 6. 128—141.
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Nehtögefchichte. III. Der Kulmer Oberhof. ©. 23942.
v in Beh ©. N2—20.
"6. 720-188, —— Ye der Minlgkbenger Aehtetanarinen
— — Üterthumdgefelfihaft Vruſfia. 6. 78. 169-171. 273. 860-361. 465466.
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Recenfionen.
Am ie — * —— * 1-06 20.
370-878, 72. 668. 748-749.
Aterthumfunde. (Ro.
·2 de. 0-4) 6. 200-1. 565-566.
-- Hetenben, Sun a) 5 ASTTAER. D64-506.
, Dr. Mar, Gymmaf. Director. in m Sobeften, Die der. Glementar.
——— im Ortelöburger Hauptamte unter der Regierung bean uch Wilhelm I.
©. 30-311.
©. 885-414. I. ©. ——
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in Agäbg., Ueber Kant’s Doctor-Piffertation de
12, — Sure en mom
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chard, Oberſteuer · Inſpector in Pr. Stargard, Weſtpreubiſche Studien.
PR Dr. Ir: Sarntfon Prediger und Stadtpfarrer in Pillau, Grinnerungen
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Yin idenie lien. Bibi! Ken
ireußen. 6. 864-867.
u. Gad-Begifier. 763
11. Sach-Regiſler.
Aberglauben aus Mafuren. 5.385414. 481508. 577-596. 673— 708.
Alterthumsfund zu Jufterburg. ©. 282.
Alterstfumdfunde (No. 20-34.) ©. 280-281. 565-566. — aus Weſtpreußen.
©. 760-761.
Alterthumsgeſellſchaſt Pruſſia. S. 78. 169-171. 273. 360-361. 465466, 666659.
746-747. — Aus den Acceſſionen der A. Pruſſia. S. 180-182.
Altpreugen — Geſchenke aus A. an d. germaniiche Mujeum in Nürnberg. 6.184. —
Aus 9.3 Rechtegeſchichte. HIT, IV. &.229— 250. — Stiuen au A. 6.917122.
— Das definitive Refultat der Volkszählung in A. am 3. Dechr. 1864. 6.274278.
— 2. in den Borlefungen an beutfchen Univerfitäten 1866/67. ©. 752.
Wltprenpif — Manufceipte zur a. Geſchichte in d. Gräfl. Stolbergſchen Biblioth. zu
Wernigerode. ©. 751-752. — Berzeihniß der a. Geſchlechter, welche in Dr
preußen polniihe Namen angenommen haben. &.427 fi. — Die Bewegung des a.
Handels im J. 1864. S. 49-55. — a. Berlag. ©. 60-68. 70-78. 167-168.
359-360. 461465. 550-552. 742-746.
Unzeigen. ©.191—192. 288. 384. 480. 671672. 759-760.
Archiv — das ſtadtiſche A. zu Raſtenburg. &.79ff.
Aufforderung. 6.191.
Beriätigungen. 5.884. 672. 760.
Bevdlkerung — Die Zahlenverhältnifie der landl. zur ftäbtiich. B. nach den legten Bolts
zahlungen des preuß. Staates. &.123—141.
Bibliographie (1864). ©. 87—92. 185—189. 283—286. (1865.) 380882. 474—477.
569574. 664—668. 753—757.
Bibliethek — Die tdnigl. B. zu Kasba. S. 74-76. — Manuſeripte zur altpr. Geſch.
in der Gräfl. Stolbergichen B. zu Wernigerode. ©. 751-752. — Handfcriftliche
Yunde aus Kasbger Ben (Ro. 7-19). S. 278-280. 870-373, 468472, 668.
W875.
Canal — lieber den Rorb-Dftfee:C. u. die verſchiedenen dazu in Borfhlag gebrachten
Linien. S. 289-801.
Danzig — P. Kaer's Profpect der Stadt D. ©. 545-549. — J. 6. Schulß in D.
©. 448-458. — Die Kataſtrophe des D—er Bürgermeifterd Conrad Leplau.
©. 597-629. — Ein Der Rathsevitt von 1520 als ältefter Drud aus ver
Weinreichſchen Dfficin zu D. 6.653558. — Ein Der Sechrief. 6.467468.
Donaleitid. ©. 373.
Elementarſchulen — Die Cinriätung der G. im Ortelöburger Hauptamte unter ber
Regierung König Fr. Wilh. 1. S. 802-811.
@utwäflerung — Ueber €. u. Reinigung großer Stadte. S. 2148.
Ermeland —. Die Theilung der Didceje E. zwiſchen dem beutfchen Orden u. dem ermes
landiſchen Biſchoſe. ©. 680-648.
Sriedri der Große — Mufilleben am Hofe 3. d. G. ©.251-272.
Friedrich Wilhelm. — Die Einrichtung der Clementarſchulen im Ortelsburger Haupt:
amte unter der Regierung F. W. 1. 6.802-311.
Funde — Alie tthums · F. (Ro. 20-34.) ©. 280-281. 565-566. — — aus Beil:
preußen. S.750—751. — Handiäriftlihe 3. aus Kasbar. Bibliothelen. (Re, 7-19)
©. 778-280. 370-873, 468-472, 668, 748-750. — Urtundend. (Ro. 1-8)
6.467468. 564566.
164 n. Saqh· Rochier.
Gelehrtenleben — Univerſuais · u. ©. im Reformalions⸗Zeitalter. ©. 470472.
Gol. 6. 649-652.)
Geſchenke aus Altpreußen an das german. Muſeum in Nürnberg. ©. 184.
GSeſellſchaft — Die Konigl. Deutihe ©. im Jahre 1865. ©. 77. — Rekraing)
©. 861-863.
Srüneiten — Romiſche Kailermüngen aus G. S. 86.
Sumbinnen — Der G—er Regierungsbezirk in Rußland. ©. 182—183.
Daaſe — Daniel H. ein preußiſcher Geiflicher am Auögange des 17.-Jahrh m. feine
Zeit. ©.709—729.
Saff — Dos frilhe 5. ©.N7—122.
Hafis Diwan. 6.278279.
Handel — Die Bewegung des altpreußiſchen 5. im J. 1864 6.4955.
WBR erfte bisher ungebrudte H. der Stadt Raſtenburg vom I. 1367.
. BI—B.
Dandſchriſten · Fragment des babplonlihen Zalımıd. ©. 748-750.
Handfäriftlige Funde aus Königäberger Bibliothelen. (No. 7-19). ©. 378-280
370—373. 468-472. 663. 748750.
Sochzeit — Cine littauiſche 5. 6. 172—180.
Juſterburg — Altertfumäfund zu 3. ©. 282.
Kaers Profpect der Stabt Danzig. &.545—549.
Naifermünzgen — Romiſche K. aus Gruneilen. S. 86.
Kant — Ueber Kls Doctor⸗Diſſertation de igne vom 17. Aptil 1756. S 4417. -
Ueber 8.3 Rosmogonie. S. 312—82.
Karthaus — Sagen au dem Kreiſe K. 6.323333.
Kafäubifh — Ein KrDeutihes Worterbuch. S. 468.
br — Supplemente zu dem gebrudten K. der Slönigäberger Nechtshandichriften.
. 180-738,
Königäberg — Alierthumsgeſellſch. Pruffia (in .) 6.78. 169-171. 273. 360-861.
4656—466. 656659. 746-747. — Die Königl. Bibliothek (in 8.) 5. 74-76. —
Die Königl. Deutſche Gefelfhaft (im 8.) €. 77. 861-868. — Ein Ehalefpear
Bortrait in K. S. 661-662. — Handfchriftlihe Funde aus K—er Bibliotbeten
(Ro. 7-19). 6.278280. 870-873. 466-472. 663. 748-750. — R—er Ehre
niten. &.748—749. — Supplemente zu dem gebrudten Rataloge der A—er Rechts⸗
handſchriften. ©. 780-738.
Kulm — Der R-er Oberhof. 6.229—22.
Kumehnen — Die Kirche zu 8. in Samland. &.558--568.
Labeo — Johann a 2. 6.372.
Letzkau — Die Kataftrophe des Danziger Bärgermeifters Gonrad 2. 6.569762.
Literatur — Periodiſche 2. &.98—96. 189-191. 286-288, 883-854. 478-480.
516—576. 668-671. 767758,
Littauifh — Eine L Hochzeit. &.172—180.
Söfin — Gotthilf 2.3 Jubiläum. 6.867370.
Lũbiſche Nechtömeifungen. S. 242 260
Iyeeum Hosianum in Braunsbetg (1866). S. 288. 664.
Meunferipte zur altpr. Geſchichte in der Grafl. Stolbergich. Bibliothek zu Wernigersee
762.
Saſuren — Aberglauben aus M. S. 385-414. 481-508, 577-596. 673—708,
Münfund, 6.661. — Gin orientaliiher M. 6.374876,
11, SadpRegifter. 765
Muftlalienbibliotge® — Gründung einer M. für die Provinz Preußen. S. 364-367.
Mufkleben am Hofe Friedrich des Groben. ©. 251-272.
Nekrolog fit 1865. 6.376877. für 1866, &.377—879.
Moro-DftfeesKanel — Ueber den N. u. die verſchiedenen dazu in Vorſchlag gebrachten
Linien. 6. 289-801.
Mürnberg — Geſchenke aus Altpreußen an das germanifhe Mufeum 3. N. S. 184
Dberfof — Der Aulmer D. 6. 229-242,
Dliva — Die große Orgel in O. 6.8486.
Drden — Die Theilung der Diberie Ermlan) yeifgen dem beuffhen-D. u. bem er
landiſchen Biſchofe. 5.680648.
Ortelaburg — Die Einrichtung der Elementarſchulen im O-er Hauptamte unter
Fr. Wihh. 1. &.02-311.
volniſch — Quellen zur ſchiefiſch.. 9 preubiſchen Geſcichte. 5.870372. — Die wide
tigften p. Militärkofonien in Weſtpreußen. ©. 425 ff. — Ungenommene p. Ramer
in Beitpreußen. &.427—440.
Vommerelliſch — Verzeichniß ber eingebornen p. Geſchlechter in Weſtpreußen. S. 424 ff.
mit polniſchen Ramen. S. 47-440.
Vreisſrage der Furſtl. Sablonowätifchen Geſeltſc. zu Leipig f. d. Jahr 1869. ©; 284.
Vreußiſch — Quellen zur ſchleſiſch., polniih., p. Geſchichte. ©. 370-872. — p. Geſchichts.
quellen. &.468—470, — Recht der p. Landſaſſen. S. 472. — p. Seerecht. 6.378.
— Das alte p. Trinkrecht. &.56—59.
Provinzialgeſchichte — Ueber den heutigen Stand der Forſchung auf dem Gebiete un:
ferer B. 6.3447.
Vruffa — Die Alterthumsgeſellſch. B. S. 78. 169-171. 273, 360-861, 466-466.
666-659. 746—747.— Aus den Acceſſionen der Alterthumsgeſellſch. P. S. 180-188.
Publieandum der Oftpr. landw. Centralitelle. ©. 672.
Quellen zur ſchleſ. poln., preuß. Geſchichte. S. 870-372,
Maftenburg — Das ftäbtiihe Archiv zu R. u. die erfte bisher ungebrudie Hanbfefte
der Stabt R. vom J. 1857. &.79—84.
Natbsedikt — Gin Danziger R. von 1520 als ältefter Drud aus der Weinreichſchen
Offtein zu Danzig. 6. 363—868.
Mecenfionen: 5. Böhnte, Gedichte. &. 68-70. — C. Boruttau, Julianus der Ab⸗
trünnige, 6. 60-66. — R. Brohm, Die Taubftummen. &.857—369. — H. M,
E. de Brueuneck, de auctoritatis, qua Prussiae ordines sub Ordinis Tentonici
imperio utebantur, initio et incremento, ©. 166. — G. Döring, Chorallunde,
©. 70-78. — Donaleitis litauiſche Dichtungen brög. v. A. Schleicher. S. 454-458,
— D. Glagau, 1) Spaziergänge durch Lauenburg u. Lübel. ©. 348—359. —
2) Frig Reuter u. feine Dichtungen. ©. 362-357. — C. E. Gueterbock, de
jure maritimo quod in Prussia saeculo XVI. et ortum est et in um fait, 6.458 ff.
— € Heinel, Gedichte. 5.461466. — A. Hinz, Die Ober-Pfarzliche zu Gh
Marien in Danzig. ©. 66-68. — 9. 3 Jacobſon, Das evangel, Kirchenrecht
des Breußiich. Staates u. feiner Provinzen. 2, Abth. S. 846. - 2. Kuhla, Scherz
und Ernſt für Schweternfefte. ©. 369-360. — P. Laband, Jura Prutenorum
saeculo XIV. condita nunc primum e Hbris mse, edidit, 6.460461. — K. Lahree
de Aristarchi studiis Homericis, Ed. reeogn. 6. 156—157.— Ih. Rutber, Aus
vers Univerfitäts- u, Gelehrtenleben im Zeitalter ver Reformation. ©. 649-652; —
A. Browe, Copernicus u, fein Jugendfreund. S.167—169. Das Thorner Blut
gericht, 6. 749-745, — €, Saltowsti, Bur Lehre von der Rovation nad) sömis
166 u. Sod-Regiftet.
{chem Recht. 6. 789-741. — 3. Schietopp, Adıt apologetiſche Worträge über die
Perſon Ebrifti. 6. 167—166. — J A. Schröter, Das oftpreußfike Vrovinel
seht. 6. 745-746. — 5. Schulz, Die Granen u. die Blauen. S. 550-552 —
Theophil, Hosanna dem Sobne Davids! S.741—742.— €. Wibert, Aus am
fländiger Familie. ©. 652-656.
Necht der preuplijen Landſaſſen. 6.479. — preußiſches See-R. ©.373. — Da alte
Trint · R. S. 6660.
Neqhtsgeſchichte — Aus Alipreußens R. (MI. IV.) €. 299-200. |
Hamaniheiten — Supplemente zu dem gebrudten Kataiege der Rasbar. R.
Mectöwetfungen — Labiſche R. S. 42-250.
Meinigung — Ueber Entwäflerung u. R. großer Stadte. S. 21148.
Rettung — Zur R. Schiffbrachiger. S. 142--165.
Römifhe Raifermünzen ans Grüneilen. ©. 86.
Gegen ans dem Rreife Rarthaud. ©. 928-388.
Saßfenfpiegel- Fragment — Ein neuentdedtes 6. ©. 379—280.— Zwei feine ©. S. 668.
Sqhaufpielkunſt — Die Sch. bis auf Leſſing. ©. 198-288,
Gäifbrägige — Zur Rettung Sch. ©. 142-166.
Gäulfgriften (1865). 6. 87. (1866.) 6. 566-568.
Gäulg — J. 6. Sqh. in Danzig. S. 448-468.
Seebrief — Ein Danziger S. ©. 467-468.
GSeerecht — Preubiſches ©. ©. 378.
Sbakeſpear — Gin S.Portrait in Königäberg. ©. 661-862.
Seinen aus Altpreußen. (IL) 6. N—122.
Spinnen — Ueber dad Leben der Ep. 6. 1-20.
Gtroband's Gedentbuch. ©. 472.
Qupplemente zu dem gebrudten Kataloge der Rgöbgr. Rechtshandſchriften. S. 730-738.
Zalmnd — Gin Sandſchriften⸗Fragment des babyloniſchen T. ©. 749-750.
Zrinkredt — Das alte prevhiihe T. ©. 56-59.
Auiverſitaͤts · Chronit (1866). 6.86. 184. 382-288. 379. 473—474. 666. 664. 759758.
Uxiverfitätb: u. Gelehrtenleben im Reformations«Seitalter. &. 470-478. (vgl. 649-652.)
urkunden · Funde (Ro. 1-8). ©. 467-468. 564-566.
Verlag — Atpreubifher B. ©. 60-88. 70-78. 167-169. 359-360. 461-465.
860--559. 742-746.
Volkszählung — Das vefinitive Mefultat der V. in Altpreußen am 3. Dechr. 1864.
©. 274-278. — Die Zahlenverhaltniſſe ver landl. zur flädtifhen Bevöfterung nad
ven legten B—en des preuhiſch. Staates. S. 123—141.
Seinreich — Gin Danziger Rathsedilt von 1520 als Altefter Drud aus der W—fhen
Dificin zu Danzig. ©. 553-558, \
Wernigerode — Manufcripte zur altpr. Geſchichte in der Gräfl. Stolbergſchen Biblio:
tet u ®. ©. 761-762.
— Alierthumofunde aus W. S. 760-751, — Altpr. Geſchlechter in D.
mit polnifhen Namen. 427 fi.
Wetyrenstige Studien. ©. 415-440,
Wigend — Zu W. von Marburg. ©. 660-661.
Saplen:Berhältniffe — Die 8. der landl. zur ftäbtifch. Bendklerung nad) den lekten
Bellsählungen ded yreußtiden Staates. ©. 128-141.
——
oowea· Google
8
vaio, Google
Dow, Google
8
vaio, Google